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defatttmclte 5d)nften
üon
Irieörid) Strauß.
91ad) beö Söcrfoffcvö (c(5ttüiUic;cn 53cftimmuii(tcn
jufam ni cngcftellt.
Singelcitet iinb mit crflärcnbcu 9Jad;U)ei|uii9cn ucrjcbcn
t)on
öbuarb Beller.
7. 58onb.
1. Ulricß öon J^utten.
2. ®orrcbc ju „^uttcn’S ©efpräcßen überjcßt
t)on 2)aoib ^nebricß ©troufe".
tBonn,
Verlag bon 6m il ©Iraujj.
1877.
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Wlrid) tion ;|uttfn.
S3on
S)ritlc ?(utlafle.
ßonn,
SScrtac; üon @mU ©traiif3.
1877.
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iHnnuort i)C5 i^crausgtbers*
9^ad^bcm 0trau^ feine erften epod^cmaeöenben SBerfc l)cr==
faßt patte, trat befanuttiep mit bem 3apr 1841 in feiner litera^
rifepen Xpätiqteit ein ©tittftaub ein, ber nnenoartet, mic er (^e^
fommen mar, mopl ben ©inbrnef madjen fonnte, alö pätte ftd)
feine ^robnftiüität in ipren fo bebeutenben nnb fo rofep aufein^^
anbcrfolflenben @i;^enßniffen für lange, menn nid)t für immer
erfepöpft. . 2)aß nun baö teptere nid)t ber 5^11 ^uar, pat er ber
Ädt in ber Jolge ^nr ©enüge gezeigt; unb menn er junö^ft
allerbing^ naep ad)t Snpren eincö unauögefepten, faft atpemlofcn
geiftigen 0djaffenö ber (Srpolung (leburfte, fo mar eö bo^ me^
niger (Srmattnng alö Unluft, maö ipn longe abpiclt, bie
!öapn mieber ^u betreten, auf ber er fepon fo früpe bie glün»
.^enbften ©rfolgc errungen patte. Ueber bie SSerpältniffe, melcpe
bamal^ auf feinem ®eift lafteten unb ipm bie illeigung 511 fdprifts
ftellcrifdjcn 5lrbeiten benapmen , pat er felbft fiep (Siterar.
!Iientm. 15) noep nod) f^man^ig unb mepr Sapren mit einer Öit^
terfeit auögefprodjcn, auö ber man nur ju beutlicp perau^füplt,
mie fepmer fic ipn fogar in ber bloßen Erinnerung nod) be^
brüeften. ^en erften cntfdjeibenbcn 5Inftoß, um auö biefer ßn^wcfpal*
tung peraib^.^itreten, erpielt er, alö fid) ipm Eelegenpeit bot, bie
©riefe (£cpubart’ö ,^u fammeln unb mit biograppifepen Einleitungen
peronö^^ugeben ; nnb uon ba an maren eö löSopte lang, bi^ j\um
Erfepeinen beö ^meiten Seben«^ 3efn, faft opne ^^uönapmc bio»
grappifd)e nnb biograppifepditerarifepe ^arftellungcn, mit benen
VI
^IBortoort be§ Iperau^gebeiS.
et fic^ befc^äftißtc. 3rf) f)abc mic^ fo eben cvft ini ^Sonuort jii
ben ©ebic^ten (33b. XII biefer (Sammlung) barüber geäußert,
marum gerabe biefe 3(rt non SIrbeiten feiner ^nbiüibualität be=
fonbetiS jufagte, biefe Stoffe il)n oor anberen anjogen, mic feine
fünftlerifc^e unb feine roiffenfd)aftlic^e Begabung fiel) oereinigten,
um if)m auf biefem ©ebietc SBerfe oon eigenartigem ©epröge
unb mufterl)aftcr SBolIenbung möglici) ju mad)cn. S^teben ben
fleineren biograpl;ifc^en Sfij^en, meldje bie erften ^mei iöänbc
ber gegenmärtigen Sammlung gebracht l)aben, gehören l)ic^er bie
Schriften über Sc^ubart, 3JMrtlin, gvifd)lin, |)utten unb iRei*
maru^, nebft ben S3rncl)ftücfcn auö bem ßeben Ällopftod'ö, mo^u
1870 nod^ ba^^fieben SSoltaire'ö Ijin^iifam. 3Bie nun ba^ lefetere,
alö i^unftmerf betrachtet, über alle biographifdjen 3lrbcitcn feineiJ
JöerfafferiS heroorragt, fo nimmt unter ben früheren ^arftelluiis
gen biefer ©attung bojg SBerf über Ulrich oon §uttcn unftreitig,
fomohl burch bie gefchidjtlidjc 33ebeutung feinei^ .§dben, alö
burch bie gefchiefte, lichtooUc unb fpmpathifdjc 33cl)anblung, bie
bem anjiehenben ©egenftanb hic’t ju Xl)^^l tourbc, bie erfte Stelle
ein. 3ch ojeig nid)t, ob eä biefer ©runb mar, ber unfern greunb
ju ber 3lnorbnung oeranla§te, bag in ber nadj feinem Xobe ju
oeranftaltenbcn Sammlung feiner SGÖerfc ber Jütten bie fReil)c
ber biographifchen Sdjriften eröffnen, ber 33oltaire fic fd)liegcn
folle. SBir moUten oon biefer Slnorbnung um fo meniger ab*
gehen, ba mir bei einigen anberen 33unften, mie fd)on 33b. I, S. Ul
bernerft ift, amS ben bort entmicfelten ©rünben an ben oon
Strang getroffenen 33eftimmungen nid)t feftl)alten fonnten. 3Bnö
fonft jur Einführung in baö oorliegcnbe SGÖerf nod) \\i fagen
märe, hol fein 33erfaffer felbft fd)on theilö in ben 33orreben ju
ben beiben früheren Sluögaben tl)cilö in ben Sitcrarifchen ®enf*
mürbigfeiten (S. 36 ff.) auSeinanbergefeht.
33 erlin, 20. 9(loobr. 1877.
(&. 3fUrr.
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jDai5 $(nbcntcn tl)curcr '-öcrftorbcnen erneuert fid) uiiö in
guten lüic in böfeu Xagcu: baö eincmal üerlaugt u n ad) i() rem
$Rat[) uub iBeiftaub, ba<g aubremal und) i()rer Xtjciluatjiue au
uufrem (^liirf. Uub maö bcu (Siu^elueu, baö begegnet ebeufo ben
iöölferu: in Qcitcw ber Xraugfal mic ber SGBo^lfa^rt rufen fie
gerne bic ©elfter if)rer grofjen lobten t)erauf. ^ie grofu’n 9D?änner
ber Sflatiüuen finb aber gemeint)ln Atämpfer, eö finb bieienigen,
bie für bai? ^id)t gegen bic ginfternig, für Gilbung gegen S3ais
barci, für grel^cit gegen 5)eiSpütenbrnd, für baö 35atertanb gegen
ben 3lnbrang ber gremben geftritten haben; gleich chremuertl),
glcid) theuer ben 5Rad)lebenben, ob fie Dom 0iege gefrönt morben,
ober in üergeblidjem 9iingen untergegangen finb. @inc „SBolfc
Don biefer 5Irt um fid) 511 miffen, barin beftel)t ber
?lbel einer ^Jiation; unb tuenn einefold)cn 5(bel0 fid) rühmen barf,
fo ift eö bic beutfchc.
@ine ©eftalt auö biefer Söolfe h'^^’c id) chebem
rufen in einer böfen luaren bic gnhrc, ba ©ermania
nach einer crfd)öpfcnben gel)lgeburt in tiefer 0d)tuäche lag, ba
bic gro6cn unb fleincn Dränger il)rer üon iRcuem 2)^’iftcr gc=
mürben maren, ba übermütbige Utad)barn fie verhöhnten, ba fclbft
jene fd)mar5en 33ögel, alö märe fie fchon eine fieid)e, hcrangeflogen
famen unb fie frächAcnb nmfd)märmten. mar bic ßeit ^er
(Soncorbatc, jener Alncchtunge^verträge mit IHom, von benen, nad)?
bem Ccfterrcid) üorangegangen, and) bic übrigen 0taatcn bcö
füblichcn ^eutfchlanbcJ fich bebraht f«hen. ^amald rief id): ift
beim fein .^litten ba? nnb meil unter ben ßcbenben feiner mar,
unternahm id) eö, baej '^ilb be«J ^erftorbenen erneuern nnb
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VIII
SBormort bc§ ®crfQ|'fcr§.
bein bcutfrfjcn ^ol!e uor klugen 511 ftcUcn. blieb nid)t ül)iie
SBirfung; man faiib in bem ßorncifer $Rtttcrö gegen baö
lid^ts unb freif)citöfcinblicl}c iRom, feinen cinbringlicljcn ÜJ^aljnuns
gen an bic ®eutfd)en, einig unb felbftbetmifet gegen ben Ueber*
mut§ ber gremben jnfammen^^nfte^en, ein SSort 511 feiner
S(uf bic böfen ^:age finb unterbeffen bic guten gefolgt:
$Rom ift, rcd)t im 0innc ber antifen 9Remeft§, ba eben in
ma^ntoi^igem grcodmnt^c feine @rl)cbnng über baö mcnfcblid)c
äRag ooQcnben gebadjte, mic ein morfd)eö ©öjenbilb ^ufam^
mcngcbrod^cn; ber übermüt()igc 9^ad)bar, unfer Dränger feit
Saljr^unbcrten, l)at burd) ben ruc^lofeftcn feiner ^^Ingriffc nnfrer
Uncinigfeit ein (Snbe gemad)t, @cfammtbcutfd)lQnb I)at il)n in
einem ©iegeölauf ol)nc glcid^cn ju 33oben gemorfen, nnb ftel)t,
angeftaunt nnb bencibet Oon ben SSölfern ringö innrer, an ber
©pige ber Sflationcn ba. SBir bf»bcn micber einen Äaifcr, unb
jmar 511m crftcnmal einen fold)cn, ber ^err bal)cim, auömörtö
nic^tö fud)t, unb ebenbarum @ebcif)en im 3nncrn, ©id)crt)cit
unb Unab^ängigfeit nad) äugen ju fd)affen, megr ab^ irgenb einer
feiner Vorgänger im ©tanbe fein tuirb. Unb nun foHtcn mir
nid)t abermaU unfreö §uttcn gebenfen, ba crrcid)t ift, mornad)
er Icben^Iänglid) gerungen gat, nun, ba er in meit ooUcrem
©inn (xU ju feiner 3e’it fpred)cn fönntc: ift eine 5^^cube
5U leben!" 2öir mären fcl)r unbanEbar, menn er unö Ijcutc nicl)t
ein fiele.
Unb magrljaftig, nid)t alö mügigen Xafclgaft bei unfrem
©icgcöfeftc lägt fid} Jütten berufen, noeg mürbe er glauben, mit
einer fcgmungoollen Xifc^rebe über 2)eutfd)lanbö ^crrlicgfcit fid)
abgefunben 311 l)abcn. Ober er mürbe bod) fc^on in biefer Xifegs
rebe fagen: geilte feiern, aber morgen mit ocrboppcltcm @ifer an
bic Arbeit gegen! ®cnn, mürbe er erinnern, meint cö fdjiocr
für ein 33olE ift, 311 einer gemiffen ,§ögc fid) ginan3uarbcitcn, fo
ift cä nod) oiel fd)micriger, fid) auf bcrfelben 3U begaupten. Sr*
forbert jene^ in ber iRegcl Sagrgunberte, fo ift biefe ©tcllung
oft in menigen 3agrcn micber ucrfd)cr3t. Unb finb mir beim in
jeber ®infid)t fd)on auf ber §öge? SBcnn mir @in^ gemorben,
finb mir barum aueg einig? SSenn mir ftarf finb, finb mir and)
frei? ®er ^au nnfrcö neuen fRcicge^ nimmt fieg naeg äugen
ftattlicg genug auö, aber im 3nncrn feglt nod) Diel, bag er fegon
55orttort bc3 ScrtofferS.
IX
n)o()n(id) cincicridjtct ipörc. 9J^it bcö ^apftcö )üc(tlid)cr ^crr^
fd)aft ()at tüoI)t ein @nbc, aber mit ber qciftlic^cn fo meniq,
ba^ üictmctjr feine finftern 0d)aaren, nod) mic nor jebem Qciftic^en
gortfe^ritt mie jebem nntionolen 03ebei()en feinb, mitten im bcntfd)cn
fianbe fte()en, ja mitten im beutfe^en 9fieid)§taß fifecn. SSir (affen
iinö ba^ nnterric^tctftc ber 58ölfer nennen nnb finb and); aber
wie laiifle merben mir noc^ bniben, baß bie iSrniinen nnb SSaffer^
leitungen ber @r!enntnig, felbft im proteftantifd)cn 2)eutfd)(anb,
fo nielfac^ unter ber neibifc^en SBermaltung pfäffifc^ gefinnter
ginfterlinge berütmmern? |)utten an feinem ^^eile I)at fid)
^entfd^Ianbw 95?ad)t nnb C35rößc, für bic er fd)märmtc, ftetö be=
grünbet gcbac^t auf mcnfd)lic^ freie, üüu feiner Sterifei, feiner
fird)lid)cn 0a^ung beengte C^ciftcöbilbung, nnb mie er in bem
fo eben beenbigten Kriege unter ben SSorberften gegen ben öiigern
geinb mitgefod^ten haben mürbe, fo mürbe er je^t, nach bem
Jrieben, abermals unter ben ^Jorberften gegen bie innevn geinbe
ber greifjeit nnb ber 53ilbung fämpfen.
^)aö fofl er nun in biefem 93ud)e t()un, unb eeJ mirb il)in
biegmal, fo hoffe id), leichter merben alö oor oier^ehn fahren
bei beffen crftem @rfd)eincn, fofern fid) feitbem auger ben v^li*
tifegen auch literarifd)cn 33erhältniffe günftiger geftaltct hfiben.
^)amalö gab cd oon .^utten’ö SBcrfen nod) feine .vioerlöffige ©e*
fammtauögabe ; feine cinjelnen 3d)dften aber, unb nod) mehr
bic feiner iüdtarbcitcr unb ©egner, maren feiten nnb .^erftreut,
ben menigften fiefern ^yigänglid). 3d) mugte alfo, menn id) auf
©teilen barauö oermcifen unb ben 2efcr in ben ©tanb fejen
moHtc, biefe mirflid) nachi^ufehen, bic ©teilen au^fülirlid) unter
meinen Xejt fe^en. ®aö bclaftctc aber mein iönch unb crfd)mcrte
feinen Umlauf in meiteren .greifen. Unterbeffen ift nun bic
33öcfing’fd)c Huögabc Don §uttcn’^5 iilk'rfcn crfchicncn, bie fold)c
Umftänblid)feit überflüffig macht, ©ic gibt nid)t bloö imn feinen
eigenen ©diriften, fonbern and) oon ben il)n betreffenben ©tücfcn
auö ben ©egriften feiner offen ben Xejt fo corrcct, unb
baju ben fritifchen unb l)iftorifd)cn §lpparat fo oollftänbig unb
genau, bag cö fortan genügt, ben Sefer, ber bic ^^yelegftcllcn Der*
glcid)cn unb meine ^arftellung controliren miß, auf biefe SWuftcr*
auögabc, bic in feiner beffern öffentlichen ^ibliothcf fehlen barg
^u oermcifen. ^ueg fonft gat in ber 3^üifcgcnjcit bie ©mfigfeit
X
Vorwort bc§ ^öerföffcrS.
bcr bcutfdjcii ©cfd)ic^t!Sforfrf)unß einer .giittenbiograpfjic mand)er(ei
görberung gebradjt, auf manchen biö()cr bunfeln ^unft befonber^o
feiner jüngern ^al)ic neuest Sic^t geiuorfcn: auc^ biefe SIrbeiten
finb Don mir banfbar benu^t, überi)aupt mein iöudj an unjä^ii«
gen Stellen im ©in^elnen ctgän^t, beridjtigt unb uerbeffert mor=
ben; menn ic§ gieid), feinen ©runbftod unücränbert ju laffcn,
alle Urfac^e i\u f)«bcn glaubte.
Unb fo trete benn ber S^itter, bießmal burdj fein ©epäcf
befd)mert, feinen jmeiten Slueritt an, jc^t, ba er jur guten
Stunbe fommt, feineö minber freunblidjen ©mpfangö gemörtig,
alö er einft jur böfen gefunben ^at.
^armftabt, im SU^ai 1871.
SD e r 58 c r f a f f e r.
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XI
pnpaft 5eo fieGenteii ^anGeo.
Seite
SBortoort bc§ i^crou§flcber§ V
*j3orroort be§ üSfrfofferg VII
UeberHc^t ber ^SdinaMt^fti ^uttenougflnbe XIV
SerAcicbnife ber in bielcm 2Üerfc befproebtnrn 6d)riftcn ^uttcn’S XV
€r|lc5 iJurij.
^^orübungen unb .Vlainpffpidc i
©rftcö 5tapitcl.
^ulten’S 'Äbfunft unb ÄloftcrUbfn 3
Stveited 5Iapitc(.
Uniocrfitätsjofirc. Grfte i^rfunbe 16
XrUtci< ^apUcl.
2ßonbcrungcn unb Abenteuer in Dcutlc^tonb 40
^ierted ftapitd.
(^rfter ^ufcnt^alt in Italien unb 9?üclff^r noch 'I)cut|(^lQnb 62
JVuuftciJ 5^lapitcl.
§anS ^uttcn’§ Grmorbung bur^i ben ^vrjofl Ulritb bon 36üttfinberg,
unb lllritb ^uttcn’4 3Iflitntion gegen ben J^ersog 79
Scrf)i3itfd .Kapitel.
^utton’ö jtteitc JRcife nnc^ Italien 104
0icbcttke< jtapücl.
91eu(^lin’§ i?anip| mit ben i^ölnern unb ^utten’S ^tjeilna^me an bemfclben 132
9(d|tet< iiapitd.
3)ic Epistülac obsciirorum viruruni 165
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XII
^eite
9{euntel^ jlaphel.
J^uttcn’6 ®ic^lcrfrönunfl unb |c|Ic ^Inftctlung in 9)Iainj. 6cinc 2ücn-
bung gegen 9lom 198
^utten in 'HugSburg njä^ircnb unb na^ bem 9Icid(|§tQgc 211
C^Ufted Kapitel.
^ultcn’ö ^ranff;cit unb bic ©uoiof^fiur 236
3tuölflc<^ Kapitel.
t^elbjug unb ^eirot^SpIanc 261
3iuctte0 iBudj.
glitten im Kampfe c^cßcn 9iom 265
(frftcö 5iapitc(.
pullen in unüb()ängigcr toiffcnfcbnttliebcr 'JJlufec. Seine 'ilu§fi(blen unb
?lbjicbtcn 267
3wcttc{$ Kapitel.
Gntjc^iebencS 'Äuflreten gegen 9iom. 5>erl)ältni& ju öut()er 279
5topite(.
^utten’ö 9iei|e an ben .^o| beö 6rjbcr$og§ öerbinanb, (^nltäui(bung.
^äpfUiebe 5BerfoIgung 312
'Viertes 5{apitcL
Jütten auf ber Sbernburg bei f^ranj öon Sidingen 321
3'unftcd .UnpUcI.
glitten fängt on beutjd) jju jebreiben 345
3erf)dtc{) Kapitel.
Sranj bon Sidingen J^utten’§ Sdbülcr unb ber ^elb feiner neuen Biologe 372
Siebentel Kapitel.
3)er 9Iei(b§trtg ju 29orm§. tputten’S 5)robungen 395
91cbtc$ .Kapitel.
Jütten tummelt fub in fleincrn Sebben unb bemüht ficb um eine 53er»
binbung jmiftben ber 9Iitterf(bQft unb ben Stäbten 414
91euntci^ 5iapUe(.
Sidingen’S fjelbjug gegen “^riet. i^utten’S Entfernung qu8 55eutf(blQnb 436
^n^alt. XIII
s
©fitf
3c^nted
iputlcn’S ©treit mit GroSmuS 448
©idinßen’S unb ^utten’S Gnbc 485
3toö(fted
Stimmen über ^utten’S lob unb ^uSgänge jeiner ölten ö04
SJorrcbe 5U bcu ®cfprärf)cn 535
9?omenregifler
6G3
\
bcr Sööcf ing^fc^en ^uttcitQuögabc. '
Ulrichi Hutteni equitis Germani Opera quae
reperiri potuerunt omnia. Edidit Eduardus Bücking. Lipsiae
in aedibus Teiibnerianis.
inrid)!§ non Jütten ©c^viften ()craiiögegcbcn non @buarb
Sööcfing. ßcip^^ig, ^rucf unb SScrlag non 33. (3. Xcubncr.
Vol. I et II. 1859. Epistolae et documenta. @rftcr unb
ätücitcr 33anb. ' 33ricfe.
Vol. III. 1862. Poemata. dritter 33anb. ^octifc^c
©djriftcn.
Vol. IV. 1860. Dialogi. Item pseudohuttenici nonnulli.
33icrtcr 33anb. @c|'präc^c.
(SSergl. ©efprädjc non Ulrid) üon .'öuttcu, übcrfc^t unb criöiu
tert uoii g. Strauß. Scip^ig, 35rüdl)Quö, 1860.)
Vol. V. 1861. Orationes et scripta didascalia. günftcr
33anb. Sieben unb 2el)rfc^riften.
Ulrichi Hutteni eq. Operuin Supplementum.
Epistolae obscuroruin virorum cum illustrantibus adver-
sariisque scriptis. Collegit recensuit adnotavit Eduardus
Bücking. Lipsiae in aedibus Teubnerianis.
Tomus prior 1864. Textus.
Tomi posterioris Pars prior 1869. Indices ad Epistolas 0. V.
Toini posterioris pars altera 1870. Index biographicus
et onoinasticus et Coinmentarius ad Epist. 0. V.
^aju: Index bi bliograp hicus lluttenianus. 33er*
^eid)ni& bcr ©d)riftcn lUrid)’ö non |)uttcn. ^erau^gegeben
non ßbuarb 33öding. Seip^ig, ®rucf unb 33crlag üon
Xeubner. 1858.
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ber in biefcm SBerfe befproc^enen ©c^riftcn §utten’l
Seite
duflenbgebic^te ,38
Querelen gegen bte 25fte 46
(Rebic^t non ber %erSfunß 61
^tufmobnunflggebtibt an ben j^aijer gjtagimUiQn 67
@et)i(bt. bafe ^eutfiblanb nii^t entartet 59
@rufc an 20ien 60
@ra6f(brift für fidb felbft 63
golferebtttramme 65
Epigramme gegen ben $abft 69
gebiebt Dom bra&en ^ann 71
^lugrufung über ben perbronnten ^fefferforn 74
^neg^rieug auf ^Ibredbt Don ^olnj 75
3:roßf(breiben an Subtoig Don Butten 83
3lrQuergebt(bt*auf ^ang Jütten 84
Xeben gegen ben ^eraog UIrtcb Don gßürtemberg .... 85. 92. 99. 258
^er gZtcmanb . . . 106. 222
Neffen Quetgnung an Srotug 106
Cbigromme aug 9?om 112
^rognofHcon anf bog 3abr 1519 an geo X 116
Qebidbte gegen 33enebig 121
^oetiiebe gptftel 3taIio*g an ben P?aifer ^JJ^agimtUon 122
^Qg ®eiprft(b; ^balotigmug 126
Cabnion’g 2^riumbb 166
Briefe an Seutbtin 162. 343
®ebi(bt an ben Satblnal ^abrion p fünften 9teu^Un*g 161
^tttten’g ^ntbeit an ben Briefen ber g)unfelmänner 183
SBrief an ben ®rafen J&ermonn Don 9?uenar 206
3:flrfenrebe Q12. 24fi
3ujtbytft an QÜe freien unb roabren ^eutjeben (gur Dottitfinbigen ^u§»
gäbe ber ^ürfenrebe) 246
(Beiprfitb Dom ^offeben 226
6enbj(breiben an ^irdbeimer über feinen ßebengblan 230
€^rift über bo8 (8uaia! unb bie Sranaofenfrantbtit 243
(gebttbt an Cbnftopb C>ocǤ 245
XVI
^erjeic^nig Don ^utten’S 8d(|rtften.
€«ite '
Sortebc w ber neuen ^fuSflobe beg gioiuS 247
^uttcn’g gwcTgbricfe .♦ 263. 273
3)ittIofle
Sortuna 268
?^eber I 248
glcbcr 11 275
Sobigeug ober bic r5mif(^c ^reifaltißfett 285
^ic ^nfebouenben 293
SSerbcutje^unfl ber ®cfpräcbe 356
^uci^nung an ??rana oon Sidinflcn 373
3ueiflnunfl einer alten 5c()u^j^rl|t [ür gnijer ^cinrid^ IV. an ben (&xh*
Sferbinonb S02
Butten an alle f^^eien ^cutfe^en (3u He achiamate extinguendo etc-) 308
Briefe on Sut^er 313. 333. 407. 408
j^lttflidbrcibcn an btn ffönig ffarl 326
an ben ^urfürften griebricb Don Soebfen 328
an ben i^urtürft»grabif(bof ^Ibrtdbt 331
an bie Xeutf(bcn aller Stänbe 333
Serbcut|(btt ftlagt^nibcn 355
©loffen au Bannbulle flcflcn gutber 338
®cbi(btf über bic SBcrbrennung Don l^utbcr’g Sebriften 340
Plag unb ^ermobnung flegen ben Übermöfelgen ©eroalt beg ^gpftg tc. 346
^nacig rote antoegen fitb bie ^äpfte gegen ben j^atjern gebalten. . . . 363
gntjcbulbtgung roibtt StUeber mmabrbQftigcg ^uggeben :c 361
6ln Sieb Don Butten 365
91eue 3)iaU>gc 376
g)lc ^6ullc ob« btt guflentbbter 371
gPorner 1 380
aPamer II 382
2)U gifluber 38Ö
3nDcctiDcn 397
g^egen aiUanber 397
(Rtgcn Saracciolt 398
(gegen bic aSiieböfe tc. au gOormg 399
gpci 6enbfdbreiben an jlaifcr Pari 402. 404
yoetij(!bc aintrport aut (Soban^g ^ufmabnungggebiebt 412
grmabnung an äBormg 423
aSetlggung ber greiftfitte beutfeiber 91ation 426
aSejebwerbejebtift gegen Sragmug 468
8e^e asriefe 491
Xgg naibgelaffene (gcfbtäcb: ^rminiug 600
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Pud}.
^orüüttitgen imb 0am|)ff|iieIe.
SiQcerlter oitr» pompam.
(9Ieblt(4 unb ol)n( %<nint.)
^utten’e frUI)ertT SBaI)(fbru(^.
I
I
I
»■
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(Erpes fiapitd.
JlBInnfi ttni)
ff
1488—1505.
Xa tüo grantens unb äufqmmenftoßcn, jtüifc^cn
bcm Sogel^bcrfl, bcm 0peffnrt unb bcr 9^l)üii, an bcn Ufern ber
Äinjiq unb bcr Sa^a, Raufte non alten ßcil^n l)er baö ritter^
li^c ©efc^le^t bcr ^utten. ^acS) ber gamilicnübcrlicferunq bi^
in baö 10. ^a^r^unbert l)inaufrcid)cnb, crfd)cint cö in Uvfunben
feit ber ^ujciten §älftc bcö 13., unb jiuar gleich non Einfang
fo ja^lrcic^, ba§ aHerbingö ein fdjon längerer öcftanb beö ®c*
fc^lec^te^ nja^rfc^einlid^ njirb.
®ie fränfifd^c SUttcrfc^aft, ju luelc^cr bic Jütten fic^ rcd)netcn,
tnar aU eine bcr Iräftigftcii unb fampftüc^tigften, aber aud^ ftoU
jeften (SJenoffenfdjaftcn in beutfd)cn fianben anerfannt. Seit bcm
©turje bcö §o^enftaufifd)cn $aufcö ol)nc ^cr^^og, menn and) bcr
S3ifd)of non Söür^burg biefen 3^itcl füljrtc, unter allerlei fleinc
geiftlic^e unb meltlic^c Herren getl)eilt, bot baö
Xreiben einer unabl)ängigcn 5Ritterfd)aft bcn gecignetften 0picU
roum bar. Ißon benad)bartcn ^^rölatcn unb ÖJrafcn ließ man
fic^ Remter unb £cl)cn auftragen, madjtc in J^ljbc^ügen 33cute,
non beren Ertrage man Surgen baute, (iJütcr unb ÖJcfälle taufte,
ober ^fanbfe^aften ertnarb, biömeilcn auc^ Mlöfter begabte, ober
0eelmcffen unb 3ol)rcdtagc für SSerftorbene ftiftetc. 2)abei med)^
feite man nac^ ©clieben ben Xienft; oft traten fic^ aud) gegen
einen ber grögern Herren bic fRittcr unter fid) in fricgerifc^c
®erbinbungen jufammen. ^)icfcn freien ^)icnftncrl)ättuiffcn
beu benachbarten ßanbedherren gegenüber ertanntc man nur
I
4 I. $ud^. 1.
bcn Ä'aifer old tüirfüc^en Dbcr^errn an; ober jebermann tncife,
lüie njcuifl baö in ben Seiten beö finfenbeu SDüttelalterö ju bebcu*
ten ^attc.
Unter folc^cn Üßcrl)ältniffcn tarnen and) bie Jütten empor,
öci mägi(^em SUIobialbefi^e maren cö bejonberö bic Slcmtcr unb
ßc()en, bie fic non bcn Siebten gulba unb ben ©rafen üon
§auau, ben Sifdjöfen unb @r^bifd)öfen oon SBürgburg unb SD^iainj
uatjmen, moburc^ fte fic^ au fbalfcn, 2Bir finben fie alö S3urg^
mauueu unb Slmtleute, alö 9^ätl)c, 9J^ar{d)olfe unb ^ofmeifter
in ben Xienften ber genannten §crrcn. ©in^elnc mürben geift-
lid) unb begegnen un^ alö ^oml^erren ber fränfifd}cn ©tifter ju
SSürjburg, iöambcrg, ©idjftabt; aud) alö Slbt 51t ^eriSfclb mirb
ju Slnfang beö 14. ^Q^r^unbert^ ein Jütten genannt. 2)oc^
maren fic im 2^urnier unb im gelbe mcf)r alö am Sütar in
il)rem (Elemente. Einige Ijabcn größere gclb^ügc rül)mlic^ mit-
gemad)t; meit öfter jeboc^ fct)cn mir fie in jenen uadbbarlic^en
Sftaufereien, gcl)ben genannt, fic^ tummeln, mobei fie fic^ im
©engen unb trennen, Söüftlcgen ber Dörfer, Sßegtreiben ber
beerben unb iöerauben ber ifauflcutc mit nidjtcn aB bic lebten
ermiefen.
griil)5citig tbeilte fid) baö 4?utten’fd)e (^cfd}Icd)t in mcl)rcrc
©tömmc, bic fid) meiftensj nad^ bcn 2öol)nfifeen nannten, melc^c
bic ©prößlinge bcffclbcn, in uerfd)iebcnen ^ic^tungen fic^ auö^
breitenb, fid) nad) unb nac^ bauten ober ermarben. ©0 finben
mir eine £inic 5U ©tol5cnberg unb ^u Raufen, 5U Fronau unb
ju ©tcdclbcrg, §u Irimbcrg unb Slvnftein, 33ictcnfclb unb grau*
tenberg. Unö finb ^icr neben berjenigen )ilinie, mcld)cr ber
§elb biefer ficbcn^befc^rcibung ongel)örte, nur jene mid)tig, oon
benen einzelne ©lieber in bic 2ebcnögefd)ic^te bcffclbcn eingegrif*
fen Ijobcn.
©egen ba^ @nbc be^ 15. unb §u Slnfang bc‘5 folgenbcn
ga^r^unbertg mar boö ©cfd)lec^t ber ^utten burd) jal)lrcic^e
©prößlingc oertreten unb oon Einfluß unb ©cmic^t im gran*
fcnlanbe. Ulrid) oon ,§uttcn ^öl)lt nic^t meniger aU breißig
feinet S^amenö, melc^c bem Äl’aifcr Siajimilian im Kriege gebient
l)abcn, unb fein iöcttcr fiubmig oon Jütten fagt in feinem SlusJ-
fd)reibcn gegen Ulrid) oon SBürtemberg, biefer ^erjog merbe ni^t
im ©tanbe fein, nur l)alb fo oicle Splitter ju feinem 5öciftaubc
reü^^oo
J^utten.
5
Qufju bringen, al^ er, ber etnfad^c Slbelige. tiefer Subnjig bon
Jütten, bifc^öflicft n)üräburgifcf)cr 9^at^ unb ©rbomtmann
berg, burc^ beii 2tnfauf be§ ©c^ioffeö SBorberfranfenberg (bei
Uffen^eim) ©tiftcr ber franfenberger fiintc, njar bamal^,
neben bem mainjifc^cn 2J^ar)c^Qlf grotüin üon ^utten, a(ö baö
^aupt ber gamilie betrachten. 3n jüngern Saftren h^tte er
njeite ^Reifen gemalt, Stalien unb @riecf)enlanb gefehen, Serus
folcm befucht, unb tuar nach feiner ^eimtehr öom Äaifer mit
Stuöjeichnung empfangen morben. @r mar fo begütert, ba§ er
bem uerfchmenberifchen §erjog Ulrich üon SBürtemberg 10000 Ql.
uorftreden fonnte, unb feinen ©influg auf bic fränfifchc fRittcr^
fchaft höttc berfelbc gürft erft ju feinem 93orthci(, fpäter, mie
fchon ermähnt, ^u feinem SSerberben ^u erproben. SBie Submig'^
äRittcl auch bem jungen SSetter Ulrich ju gute famen, unb mie
ein gamilienunglücf, bag il)n traf, ein ^aupthebel in Ulrid^’ö
fchriftfteHerifchcr (Sntmicflung mürbe, merben mir an feinem Orte
finben.
SSon ber ßinie ju Raufen, einem ßmeige be§ ftolsenbergcr
^ftc^, lebte bamalö Ijochangefehcn am mainjer §ofe alö SJ^ar^
fchalf unb fpäter alö ^ofmeifter gromin oon §utten. S^achein?
anber im SSertrauen ^meier ©rjbifchöfc, h^Uc er fich burd^ feine
©emanbtheit in ©efcljäften auch bei bem ^aifer SlRafimilian bc*
liebt gemacht, ber ihn, neben mancherlei 33egünftigungcn, ju feinem
9^athe unb 5)iener oon §au§ auö ernannte. Dh^c fclbft gelehrt
ju fein, mar er hoch ein ©önner ber belehrten, mie er an feinem
Setter Ulrich, unb empfänglich für hohe unb fühne ©ebanfen, mie
er burch feine Serbinbung mit 0icfingen unb feine Sorliebe für
fiuther bemieö.
3luf ©tccfelberg fag um bie SBenbe beö ^ahrhunbertö Ulrich
üon §utten, ber Sater beö gleichnamigen @of)neg, bem unfere
Sebenöbcfchrcibung gemibmet ift. ®icfc Surg, oon ber je^t nur
noch loenige Xrümmer übrig finb, lag auf einem fteilen Serge
(moher ber S^ame) in ber fianbfd)aft, melche oon ihren Suchen«
mälbent Sud)au ober Sudjonia hieg, unfern ben Duellen ber
Äinj\ig, oon bem heffifegen ©täbtehen 0chlüchtcvn ^mci, oon gulba
fechö, oom 3J^ain ctma neun ©tunben entfernt, ßu Slnfang be3
15. Sahrhnnbert'S mar bie ©tecfelburg aU mür^burgifche^ Sehen
ein ganerbfchaftlidjer öJemeinbefife fämmtlicher ^utten'fchen Sinien,
6
I. %ud^. 1.
unb btcfe faßten um bie SKitte be§ 3Q^t^unbcrt§ ben öcfd^Iuß,
and) über bie ©rennen bergamilie t)inau§ mciterc 32 ©anerben,
gtcidjfam tuie 5lctionäre, aufjune^men, melc^c c^egen ein (Sinfauf^*
gelb unb einen jä^rlicben S^eitrag baö 9ted^t ^aben foHten, fic^
im üorfommenben galle bei* Öurg alö eineö Söaffenpla^e» ju be^
bienen. 9Run müßte man aber bie S^tatur ber gelben jener Qcit
menig fennen, um nidjt ju miffen, baß ba§ nid^t uiel anbere^
Ijieß, alö bie S3urg jum S^laubneftc madjen: mie eö auc^ bie Um^
gegenb gar halb ju empßnben betam. 2)er Unfug mürbe fü arg,
baß ber 2ef}n§^err, ber S3ifd)of 3ot)ann non SBürgburg, fic^ be^*
mögen fanb ein^ufd)reiten. 3m 3ul)^c 1458 vüdte er mit einem
5(ufgebüt feineö Sanbüoltiö unb etüdjcn fRittern oor bie 33urg,
belagerte unb eroberte fie, unb gab fie erft im folgenben 3a^re
unter befd^ränfenben iöebingungen ben ©anerben 5urücf. Db bieß
ober fpäter ber Sanbfriebe ben 2^^eil^abern ben S3efi^ oerleibete:
ju @nbe beö 3öl)U)unbertö pnben mir nic^t blo§ bie meitere gan*
erbfc^aftlic^e S^erbinbung aufgelöft, fonbern auc^ bie ^utten'fc^en
ßinien, meldje neben bem auf ©tecfelberg angefiebelten Steige
beö'gronauer Slfteö an ber iöurg X^eil Ijatten, sogen fid) jurücf,
fo baß bie Öurg s^lefet Ulrid) oon |)utten, bem SSoter unfern
gelben, oerblieb, ber oergeblid) bie Lettern ju ben Unterbaltung^*
toften beijusieben fuebte.
SBie eö auf folcben [Ritterfi^en auöfab unb juging, fönnen
mir anö einer 0djilberung unferö fRitterö felbft entnehmen, beren
oornebnifte ßüge er unftreitig oon feiner oätcrlidbcn 33urg l)cx^
genommen b^^l- @ebäulid)!eiten maren bunter SBaU unb
Ü)?auern sufammengebrängt, unb ber enge S33ol)nunggraum üoeb
bureb iRüft* unb ^uloerfammern, burd) SSiel)' unb §unbeftälle
befebränft unb oerbüftert. 5)ie (um <5 teef eiberg menigftenö) mas
gern gelber, oon armen hörigen mübfelig befteHt , marfen bem
^öurgberrn eine fpärli^e fRente ab, mäbrenb fie jabrauö jabrein bie
§lrbeit unb 0orgenidjt au^geben ließen. ^eöD^itterö ^Befdbäftigung
mar bie 3agb in feinen SBälbern unb ba^ fd)on ju feinem ©d)u§e
unentbebrlidie iHtieg^b^^t^^^crf. Söaffen unb ^ferbe maren, näcbft
ben §unben, fein liebfter Sefi^, reiftge Unechte, o()nc oiel §Iu§-
mal)l angemorbeu, jum Xbeil mabre 3^anbiten, feine täglid)e Um*
geOung. 3l)t^ kommen unb ©eben, bie $ferbe, ^^arren, S3ieb*'
beerben, machten e^ lebljaft unb geräufcbooH aufberöurg; moju
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lg>utten bon Sie^elberg.
7
auf ©tecfelberg, nad^ §uttcn’^ ©c^itberung, nod^ ba^ @cf)eul ber
SEBölfe auö ben bcnacbbarteu SBälbcrn fam‘).
Unter folc^cn Umgebungen; in folc^en iöerpltniffen ertoud)^
ein fräftigeö; aber aud^ l^arte^ unb milbeS ÖJefc^Icc^t. ©einem
©roBnater Sürenj Ulrid) uon Jütten, ber ben ©reid alö
Änabe no^ gefannt batte, um feiner altertbümücben ©infadbbeit
unb 3Äö6igfeit miücn in einer feiner ©Triften ein EDenfmal ge*
fe^t. ®er 33iebermann lieg feinen Pfeffer, ©afran ober ^ngmer
inö §au§, fleibete ficb nur in einbeimifdbe SSotte unb eiferte laut
gegen bie eben ju feiner Qcit einreigenbe Ueppigfeit. @r mar erft
banauifeber Slmtmann, bann fulbaifeber fRatb, b^^Hc
gern S^bren an ben ©cmalttbaten unb fRäubercien, meldbe bie
©anerben ton ©tecfelberg auö oerübten, auch fein reblidbeö Xbcil
genommen.
Söon feiner grau, einer geborenen Oon X()üngen, b^iUc
2orenj\ §utten brei ©öbne, unter benen ber fd)on genannte Ulrich
ber Sßater unferö fRitter^ mürbe, tiefer ältere Ulricb ftanb in
banauifeben unb beffifdjen 2)ienften, b^^tte im faiferlii^en §eere
in Ungarn gefoebten, mar aber auch in griebenSgefebäften üon
gürften unb ©tobten oielfacb gebraucht morben. äRit feiner
(Gattin, Dttilia oon (Sberftein, erzeugte er oier ©ohne unb jmei
Töchter, ©einem Sbornftcr nach erfebeint er al^ ein harter, Oer«
fcbloffener 2J^ann, beffen ftarrfinnigeö 33eborren auf bem einmal
gefaßten ißorfabc für ben ©ol)n oerbängnigOoU gemorben ift.
^)agegen tiitt bie ÜRutter, obmobl il)r 33ruber, SRangolb Oon
©berftein, bag 9)2uftcr cined raub« unb febbeluftigen fRitterö mar,
fo oft ber ©ol)n ihrer gebenft, im Siebte ;\arter SBeiblicbfeit unb
äJ^üttcrlicbfcit beroor. 5)ie Unfälle feiner jugenblicben Srrfabrt
mill er iljr oerfdjmiegen miffen, um. ihr nidbt noch mehr Äummer
^u machen, al^ er ihr febon habe machen müffen; unb bei bem
fübnen Söagnig feiner SIRanne^iobre fallen ihm bie Xbränen feiner
frommen SUiutter febmer aufö §cv5*).
®on ber Söoblbabenbeit feineö 3^aterö macht ber ©obn in
einem feiner 3ngenbgebid)te eine ©ebilberung, bie freilich auf
1) Epistola ad Bilibaldum Pirckheynier, Ulrid^ t)on Iputten’d I,
6. 201-203.
2) Querelarum L. II, Eleg. 10, v. 113 — 118. UIri(!^ bon l^utten’§
8d)rlften III, S. 71. 9teime jum ®e|prS(t|bU4|I(in, C^iciften I, 8. 450.
8
I. ^ud^. 1.
ben ©ontraft mit bcm 9Kangel unb @(enbc, morin er felbft ftc^
ebcnbamolg bcfanb, angelegt ift. @r fpric^t t)on mebrern ®urgen
unb Dörfern, jabtrcicber S^ienerfebaft, mabrljaft fürftlicbem S3e=*
fibc*). i)ogcgen begrünbet nun jmar bie SDiittcHofigfeit , morin
er noch bei Sehweiten beö SBaterö erfebeint, infofern feine ©ins
menbung, al^ fie bie golge eincö jmifeben beiben eingetretenen
ßermürfniffcö mar. ®ocb befennt Ulrid) Jütten fpäter felbft,
ba§ fein oäterlicbc^ SSermögen, bad er freilich mit fünf ©es
febraiftern 5U tbeilcn b^ttc, ibm bie äßittel nicht gemübren mürbe,
mit bcm erforbcrlicben Slnftanbc ^u leben*). Ueber bie febmere
93aulaft ber ihm allein ocrblicbencn febabbaften 0tecfclburg hc-
flagtc ficb ber alte Ulrich micberbolt; boeb baute er im 3abrc
1509 ba^ nod) jebt in feinen Xrümmern erfennbare fRonbcl, ba§
auf bem ©eblufeftein beö Xbürbogeng feinen Flamen mit ber
Sab^^^äf^b^ cingebaucn jeigt.
©ö mar am 21. 2lpril bc§ Sob^^e^ 1^88, SBormittagS b<^^^
10 Ul)r, al§ bem fRitter Ulrid; auf ber genannten 93urg ein
©obn geboren mürbe, melcbem er feinen eigenen SJornamen beis
legen lieg. äRcland;tbon mit feiner ©d;mad;e für 5lftrologie
mollte b^rnad^ au3 bcm ©tanbe ber ©eftirnc in feiner ©eburtös
ftunbe bie förperlid)e Äräntlicbfeit ^uttcn’ö ableitcn: unglcidb
bebeutfamer jeigt fid) in ber biftorifeben ©onftcUation, ber ©rups
pirung merfmürbiger öegebenbeiten unb ©eburtgjabre um ba^
feinige her, feine geiftige unb gefcbid)tlicbc ©tcllung üorgebilbet.
Jütten erblidte baö Siebt ber SSelt in ben lebten Scibt^cn Äaifcr
gricbricb’ö III., mitten unter ben 33emegungen, mclcbe bie Ums
bilbung ber fReicb^oerfaffung jum 3^cde batten; 33 3obrc nach
9leucblin, 21 Sab^e nacl; ©ra§mu^, 18 nad) Söilibalb ^irefbeimer,
16 nach SiRutianug fRufuö, 8 nach ©rotuö fRubionuö, 7 nach
2franj bon ©idingen, 5 na^ Sutber, 4 nach
felben 3al)rc mit ©oban §cffe unb 9 3abre oor SRelancbtbon.
3Rit aUcn biefen äRänncrn bat ihn baö ©cbidfal hernach in S3es
rübrung gebracht; märe er nicht Jütten gemefen, fo mürbe bag
freilich menig bebcutet haben ; aber auch ein Jütten märe ohne
1) Querei. I, 10, v. 17-24. ©d^riften III, 6. 43 f.
2) Fortuna, Dial. ©d^rtften IV, 77 f. 3ln meiner Ueberfe^ung
non iQutten’s ®efpr&d^en, 16.
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l^utien*§ ®eburi. .
9
folc^c (SonfteUation nid^t tjctuorbcn, lüaö er mittclft bcrfclben gc*
tüorben ift.
Ulrich war bcr (SrftgcDorcne; gleid^wo()( bcftimmtcn i^n bic
(Sltcrn für bcn gciftüc^cn 0taab, waö fonft cl^cr mit nac^gebo*
rcnen 0ö^ncn ju gc)d}eben pflegte. S8icHeicl)t mar ein frommer
Semeggrunb im ©eifte jener Qclt, eine ^rt Don ©elübbe im
©piele; oiefleirfjt bag beö 5^nabcn fieibeobefc^affenbeit if)n al§
minber geeignet |\um friegerifeben ©tammljalter erfd)einen lieg:
benn Ulrich war oon fleinem unb fcbwäcblicbem Körperbau.
er babei früpi^eitlg einen aufgeweeften Äopf, ßernbegierbe unb
gaffungöfraft, fo lag ber Ölebanfe an eine gciftlicbe Saufbabn
nabe; wie bei bem SlJerbältnig ber gfamilie ju ber Slbtei gulba
unb anbern fränfifeben (Stiftern ber ÖJebanfe, bab biefe Saufbabn
ibn b*>b^^ führen werbe. So fam eö, bag im elften
Sabre be^ Änaben, mithin im ^al)xc 1499, feine Sltern ihn, wie
er felbft ftcb au^brüefte, „auö anböebtiger guter ÜJ^einnng" in baö
benachbarte Stift gulba brachten, unb jwar nicht bloö, bag er
beffen Schule burd)laufe, fonbern „mit bem Söorfahe, bag er barin
oerharren unb ein $üiönch fein foUte"‘).
^)ie iöenebictinerabtei gulba, be^ 5lpoftel§ bcr 2)cutfchcn
hochberühmte Stiftung, hatte freilid) oon ihrem alten ÖHanj unb
9leid)thum oiel eingebügt ; auch ftlr ihre Schule waren bie Qdkn
beö 9labanuö 31Muruö lange oorüber, wo fie bie blühenbfte in
gan,^ 5)eutfchlanb gewefen war. Sw Saufe be^ 15. Sc^h^^ianbcrt^
namentlich waren firchliche §lnftalten biefer ^rt nicht mehr im
Staube, mit bcr Sntwicflung ber ßeit Schritt ^u halten. ®er
Schrer ber jungen Seute war j\uglcid) Snftructor ber DJ^önche
unb mu6te fich in bcr erftern Xhätigfeit burch bac$ Icptcrc Ser*
hältniS nothwenbig gehemmt fühlen. 2)cr bamalige ?lbt aber,
Sohann II., auö bem Ölefd)lechte ber ©rafen oon ^enneberg,
•war ein ftreng firdjlichcr 3J?ann, bcr auö ben 93?ancrn feines
Stifts aUc weltlichen ®efchäftigungcn auS^^ufd)lic6en unb feine
Untergebenen auf geiftlichc Uebungen bcfchrönfen fuchte. 2öaS
Jütten oon ihm hie’lt, erhellt bcutlich auS ber 5(rt, wie er fpäter
oon ihm fpra(^ unb nicht fprach. ^uch augerbem fcheint cS an
bilbungSfeinblichen Elementen im Älofter nicht gefehlt ju haben:
1) (Snbtjd^Ulbigung u., 6(hnften II, 145.
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10
I. 1.
tocnn ^uttcn in ber feine loonbcrnbe 3J2ufc crmal^nt, in
' gulba fid) t)or U)vem gdnbe Xunboluö in Slc^t 5U nel^men, fo
batte er beffen njibrige ©efinnung o^ne njöbrcnb feineö
eigenen ^lufcntbaltö bafelbft ju erfahren gehabt. @bcnfo bürfen
tt)ir aber anbrerfeitd njohl annchmen, bag er bie ©ciftlichen, @es
brüber 9J?örlin, toie auch ^^n $cter Stjungia, beren Stubien unb
SBohltüoüen er in bcmfelben 3nfntnnicnhange bei Erwähnung
gulba'ö rühmt, eben mährenb feiner i^tofterjahre bon biefer ©eite
fennen gelernt Ä'enner unb ©önncr ber auffommenben
beffern ßiteratur mar §artmann, 53urggraf bon Äirchberg, ben
im Sahre 1507 ber §lbt 3ohann ^u feinem Soabjutor beftcllte,
bi)§ er nach beffen Xobe 1518 fein fWachfolger mürbe: in ben
fahren, bie Jütten in gulba 5ubrachtc, mar er freilich Äanonifug '
in ÜJiainj; bod) fam er, mic auö S3riefen erhellt, borübergehenb
auch Wnn bamalö nach 5nlba unb founte t)kx bie 33cfanntfchaft
beg aufftrebenben Ä^naben unb Sünglingg machen, ber fpöter mit
fo bicler SBärmc bon il)m fprach^).
5llö Ulrich bon Jütten in feinem elften Sahve mit beröes
ftimmung jum ÜJ^öndjöftanbc nad) gulba gebracht mürbe, hnttc
er fid) nicht miberfe|t, ba er, nad) feinem eigenen Sluöbrucf, „bas
SBerftänbnig noch nicht hotte, bag er hotte miffen mögen, maö
ihm nüp unb gut unb mo^u er gcfd)idt märe". 2öie er aber
allmählid) fich felbft unb ba<S Seben beffer fennen lernte, moHte
ihn „bebünfeu, er mügte feiner 9tatur nad) in einem anbern
©taub bicl bagöott gefällig unb ber SBelt nüplich 511 manbcln"*).
2)cr 51 bt gab fid) aUc 3Jiül)c, ihn ^um mirflirhen @in tritt in ben
Drbcn 511 bemegen. ©einen ©Itcrn cröffnete er bie glän^enbftcn
5luöfichten für ben ©ol)n, um fich ihrer SJdtmirfung ju bcr=
fichern. 5lber ein bortrefflid)er unb bielgeltenbcr ÜJMnn hotte
bciS Süngling^ 53eftimmung beffer erfannt unb fdhüpte ihn gegen
folche 3nbringlid)feiten.
2)ieg mar ber fRitter ©itelmolf Dom ©tein, unb er l)ot
nid)t nur auf .^utten’ö ßeben fo Oicl ©influg gehabt, fonbern ift
oud)]^jür jene gaiije 3^it unb ihren Sulturjuftaub eine fo oor*
bilbliche ©eftolt, bag mir oon ihm auöfül)rlid)cr reben müffen.
1) Quorel. II, 10, v. 135-166. S(hnflen III, S. 72. f.
2) €nbt|(hüU)i6ung a. a. O.
" v
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^utien im ©tiftc ju
11
(Sincm cbeln @efci^(cd)te ui ©^maBcn cntfproffcn, toor ©itcltuolf
erft JU ©c^lcttftabt burd) Graft Uben()eim untcrridjtct roorbcn,
bann ber eben aufgefommenen <Sittc gemäg nac^ Italien gcioans
bert, tüo ^croalbuö ju Bologna fein 2ct)rcr im 2atei=
nifc^cn mürbe, itaum ba§ er ()crnac^ auc^ baiS ©ried^ifc^e ans
gefangen ^atte, mürbe er non feiner gainilic jurüdgerufen, mag
er lebenölänglid) beflagte. §eimgefe^rt trat er in bie ®ienfte
beö Äurfürften 3t>bann Giccro üon ^^ranbenbiirg unb mürbe öon
biefem fomot)( ölö non jeinem ©ot)nc unb 9lad)folger 3oac^iniI.
JU ben mid)tigften 0taatögefc^äften gebraud)t. ®ie Stiftung ber
Uniüerfität ju gi^anffurt an ber Ober burc^ ben le^tcrn mar
üorjugömeife fein SBerf. Öefonberö folgenreich mar fein S3ers
hältnig JU bem 2Jtarfgrafen 5Ubrecht, bem jüngern Jöruber 3oas
chim% ben fein Umgang oorjüglid) mit ber 9^ieigung für bie
maniftifchen Stubien erfüllt ju höben fcheint, burdh bie ’ er fich
nachher alö Grjbifchof üon SJiagbeburg unb 2J?ainj auöjeichnetc,
mo er bann aUbalb ben alten greunb in feine ^ienfte jog.
Gitelmolf hötte fid) jur Lebensaufgabe gemacht maS bamalS
menigftenS in ^eutjchlanb noch neu mar: bie ^hötig^eit in hohen
©taatSämtern mit miffenfchaftlicher Sefchäftigung ju oerbinben.
$Wit bem ganjen ®emid)tc feiner $erfönlidj!eit unb Stellung trat
er bem rohen, ccntaurif(^en SBefen ber 9}?ehrheit beS bamaligen
§lbels, ihrem Sorurtheil gegen feinere ©eifteSbilbung entgegen. Gr
mar ber GJönner aller belehrten unb t)öt oiele grogmüthig unter*
ftü^t. Gin belehrter falle ihm nie jur Saft, hotte er einft einem
fold)en jur 3lntmort gegeben, ber feinen Gintritt bei ihm ent»
fd)ulbigen ju müffen glaubte. 33riefe, ßofeh^^ften oon miffen*
fchaftlichen 9J^äniicrn ju erhalten, mad)te ihn glüdlid). GS fam
oor, ba6 er einen oornehmen ^ofmann, ber ihm eine michtige
iUachricht bringen moUte, märten liefe, bis er ein GJcbicht §cr*
mann'S oon bem 53ufche, baS ifem eben ju §anben gefommen
mar, mieberholt burchgelefen hotte. §ÜS Jütten einmal mit il)m
oon „Leuten unferS StanbeS" fpvad), fragteer: melcheS StanbeS?
beS gelehrten ober beS 9flitterftanbeS? beim mir gehören beiben
an. ^ie 23ücher nannte er bie anbere ^ilrt oon Söaffen unb hotte
felbft JU ^ferbe immer bergleid)en bei fid}. Unter ben eilten fchöhtc
er LioiuS, Sirgil unb Lucan befonberS; oon ben jeitgenöffifchen
GJröfeen mar ihm feine fremb. ^en lebhofteften ^nthcil nahm
12
I. ^ud^. 1. Pa))tiel.
er an Äam^fe mit ben fölner ginfterlingen, bic er
ßapnionöläufe nennen pflegte. Äam it)m eine neue 0c^rift
non (grasmu^ ©cfic^te, fo qing i^m frifc^c ^offnun^ für
^eutfc^lanb ouf. @inft erfuhr er, ®ra§mu§ fei mit S^teuc^lin
unb |)crmann üon bem ^ufc^c in gronffurt am 3Wain; eilig
reifte er bat)in, um fic mit allen Slnbängcrn ber neuen fRid)tung,
bie bafclbft ju finben mären, gu einem fofratifcf)cn 0aftmalile
laben: al§ ein Slnfall uon ©tcinfd)mcr.^en il)n barniebermarf unb
baS ®or^abcn Ocrcitcltc. 2(m anbern 3)?orgen reifte ©ra^muö
ab: ©itelmolf fonntc e^ Jütten lange nid)t üerjeiben, bog er
il)n baoon niegt jeitig in Ä'cnntnig gefept batte. Jöcfonbcrö oiel
f)iclt ©itelmolf auf bie 53elebrungen ber ÖJefd)ic{)tc. @in märfi*
feger fRittcr mofltc ign cinft nor einer SSerfammlung burd) bic
S3cmcrfung befegämen, er fei ja niegt alt genug, um ficb ber 0ocbe,
üon ber bic 0ftebc mar, erinnern ju fönnen. ?Utcr, ermiberte igm
(Sitclmolf, ibr möget mogl im ©cbäcbtnig 1)®^^^^^
3abrcn ober etmo^3 barüber fid) jugetrngen ,b^l; gii^OTcn
auch ba^, ma^ oor gmeU ober breitaiifenb Sagren. Ueberboupt
fprod} er, naeg 5lrt ber Slltcn, gern in ©enteilten unb ©pigranis
men. ^llö einer berichtete, ber nenetianif^e Äricg fei trefflicg bc?
febrieben movben, ermiberte er: mär’ er lieber glüeflieb geführt
morben. ^ic 5^ugenb führt in bic $öhc; Unglücf erprobt ben
sodann; man mug auf bic Umftänbe ber
bei ber iJladjmclt fehen : baö maren ©prüchc, bic er h^^Pö
3Kunbc führte*).
3Bir merben auf ©itclmolf oom ©tein in .^uttcn’ö £cbcn^-
gefchid)tc noch öfter jurüefjufommen SScranlaffung h^*ben : hmr ift
cö jum crftcnmal, bag er aU fein guter ©eniu^ erfdjeint. 2Bäb=
renb feiner branbenburgifd)en 2)icnft5cit mug er einmal in 5**iba
unb ber Umgegenb gemefen fein, ben jungen §uttcn fennen gc=
lernt unb fid) für il)n p intcreffiren angefangen h^*^cn. 2)ie
Bemühungen bcö 5lbt^, bcnfclben burch 'Ueberrebung unb Ber=
fpred)ungen, bic in^befonbere auf bic @ltcrn berechnet maren, für
ben 9Jtönch'5ftanb; ^u /geminnen, erregten ‘ feine Beforgnig.^ @r
1) S5gl. über Gitclmolf ^utten’5 if)m gcioibmeten ÜfJefroIog in ber
Epiatola ad Jac. Fuchs, ©c^riften I, S. 42 — 45. ferner bie an
©itelroolf not bem ^aneg^rifuS ouf ben drjbif(!^of ?Ilbred)l »on Woinj, ebenbof.,
6. 34—37.
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(Sitelioolf üom Stein.
13
warnte bie @ttem, ben @ol^n nid^t ju einem ©d^ritte ju bereben,
ber i^n fpäter gereuen fönnte; ju bem 5lbt aber fprac^ er: 2)u
wollteft ein folc^eS Talent 5U @runbe richten ? ein SEÖort, bag bie
ÖJefc^ic^te bem ©itelwolf fo wenig Uergeffen wirb, al^ ber banf-
bare Jütten eö jemalö üergeffen t)at. ?luf §utten’iS iöater übrU
gen^ fc^eint bie SSkimung @ite(wolf'i3 nur fo weit ©inbruef ge-
macht ju ^aben, bag er ben @oI)u nic^t gerabeju mit bem ^In-
finnen, ^rofefe ju t^un, übereilte: oou bem einmal gefugten 53es
fc^luffe über bie SebeuiSbeftimmung beffelben ging ber ftarrfinnige
2}iann nic^t ab. 0o mugte ber 0o^n fid) felbft gelfen. 2)cr @e^
banfe ber giucgt ftieg in igm auf.
(Sin ©djritt wie biefer wirb niegt leiegt ogne ben öeiratg
oon Sßertrauten befcgloffen, ogne bie 23eigülfe oon äJtitwiffenben
auggcfügrt. (Samerariuö, im ßeben SQielancgtgon'ig, nennt in
biefer 9tolle ben ßrotuö SHubianuö, einen Sugenbfreunb §uttcn'ä,
oon bem halb aui?fügrlid)cr bie Siebe fein wirb. 2)er gäbe igm,
wenn niegt ben erften Slatg j^ur glud)t gegeben, bod) bei ber
Sluöfügtung gegolfen. ©ooiel wir wiffen, lebte ßrotuö um jene
3eit al^ 0tubirenber ober üielmcgr Sluöftubirter auf ber Uni*
oerfitot (Srfurt; oon ba auö mag er giilba, 5U beffen 3)lönd}cn
er ältere S3e^icgungcn gegabt ju gaben fegeint, zuweilen befuegt,
bei ber (SJelcgengeit bie iöefanntfcgaft beö jungen $utten gemad^t
unb fcglieglicg ben glucgtplan mit igm entworfen gaben. ®ag
(£rotu^ oon früger 3ugenb au fein oertrauter greunb gewefen,
bezeugt Jütten felbft; in öejug auf feine gludjt aber erwägnt
er feiner, oiclleicgt um igm feine SScrantwortung jujujiegen, niegt,
fonbern fagt nur: wie er ,^u ber ©infiegt gefommen, bag er niegt
für baö Älofterlebcn tauge, „gäbe er fieg, alö noeg mit feinem
^rofeg ober (^egorfam oerbunben ober oerftrieft, barau^ getgon,
um anbern 2)ingen, bie ^u oerwefen er fieg gefd)idter geaegtet,
nad)5ugegen" *}. ^en ffunft mit bem ^rofeg gebt er begwegen
befonberi^ geroor, weil feine Gegner ign fpöter gern aU^ entlaus
fenen SJlöneg branbmarften, ber bereite abgelegte (^clübbe gebros
egen gäbe, ßcgtereö fteHt *§utten niegt allein feierlid) in Slbrebe,
fonbern forbert and) feine geiube fo naegbrüeflieg auf, ign, wenn
fie fönnen, 2ügcn ju ftrafen, igm ben ^bt, ^rior, $robft ober
1) i^af. Sc^rifttn 1, S. 44. @nbtjc(tUIbigung, Schriften II, S. 145.
14
I. 1. Äoj)itct.
^)ctf)antcn ju nennen, unter bem er ^rofeg getlE)Qn, ober ber i^n
ein^efegnet ^abe, U)aS boeb bei einer ©oc^e, bie mitten in ^)eutf(^s
lanb tjorgegangen, noc^ möglich fein müßte: boß mir an ber
SEBaßrbeit feiner öerfießerung nid^t ^meifeln fönnen. SBenn cö
ber Sieget na^ ging, fo mar er ja au^ jur Slblegung ber
lübbe noc^ ju jung.
®er ßeitpunft üon ^utten’ö (Entfernung au§ gulba läßt
fieß öon jmei ©eiten ßer j^iemlid^ genau beftimmen. (Einerfeit^
fprießt er felbft in einem ©cßriftftücf, bag im Februar 1515 gc^
brurft ift, öon ben 3Wüßen unb Strbeiten, benen er au§ ßiebe ju
ben SBiffenfd^aften bereite feit jeßn 3at)ren unter ben ßeftigften
©c^icffalöftürmen in ^eutfd^lanb unb Stalien fieß unterzogen
ßabe: biefe ©cßicffal^ftürme aber braeßen mit feiner gegen be§
öater^ SBillen unternommenen glucßt au^ bem Älofter über ißn
ßerein. Stnbererfeitö mar menigftenS (Erotuö im ©ommer 1505
noeß in Erfurt ; benn am 17. 3uti jeneg 3aßreö erfolgte Sutßcr'iS
(Eintritt in ba§ Sin guftinerf (öfter, unb oon biefem ©reigniß fprießt
ßrotuö atS einer, ber bamalö an Ort unb ©teile mar*). ®a-
gegen ßnben fieß ju Stnfang be§ SGBinterfemefterö bie Slamen
beiber greunbe in ber fölner Uniüerfität^matrifcl eingetragen,
unb baßin ging oon ©rfurt unb gulba au§ ißr SBeg.
(5Jtei^fam oorbilblicß fteßt in bem 3ugenbleben oerfeßiebener
zur freien ©ntmicflung unb zu*^ S5efreiung Stnberer berufenen
äJienfcßen eine folcße glucßt. ®er ®rucf beengenber SSerßältniffe
fpannt unb fteigert bie innemoßnenbe Äraft; ein, ftarfer SBiHe
nimmt hai ©cßicffal in bie eigene §anb; bie geffet mirb gefprengt:
unb bamit ßat ber (Eßarafter unb baö fernere Seben fein blei^
benbeg ©epräge erßalten, ©o bei ©d)iller, fo bei $utten: Der*
manbten ©eeten, nießt allein bureß biefen 3**9-
anbern ©eite, ganz in .ber Stöße, melcß ein feltfameg ©egenftürf.
Stur menige Söoeßen, eße Jütten au^ bem 5Hofter zu gulba in
bie SBett entfloß, flüeßtete fieß z» Erfurt Sutßer au8 ber Söelt
in bag Äloftcr. 2Bie bczcicßnet biefer (Segenfa^ Statur unb S3es
ftimmung beiber SJtänner. ®er eine miU fieß unter 3}tenf(ßen
umtreiben, ber anbere mit @ott inö Steine (ommen. 3^*^^ ertennt
1) Jütten in ber 3uf<^rift beS ^anegi^rifuS, SrotuS in einem Briefe an
Sutber, in ^utien’S ®(ßnfien I, 6.37. 311.
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^utien’S au% ^ulba.
16
biefer fpäter bcn falfc^cn SBcg unb Derläjjt baS Ätoftcr: ol^nc
jeboc^ feiner ®euf- unb ^anbeUrocife baö bort erhaltene ©epräge
toieber obt^un ju fönnen. 33ei aller Sreite unb ©rogartigfeit
feinet fpätern SBirfen^ blieb Sutljer eine ftreng in fid^ jufams
mengefagte, aber auc^ eine geiftlic^e, baburc^ gebunbene unb oer^
büfterte ^ßerfönlic^feit: n)äl}renb Jütten eine ujeltlic^e, ritterliche,
freie, felbft im Unglücf heitere, aber freilich auch unftete unb in
ihrem Xhun fich uielfach übernehmenbe 9^atur ift.
16
jutdlts
^niverfifSidia^re. frße
1505 — 1509.
2Bic uub auf tücldjcm 2öcc\c bie bcibcn Säncilinge nac^ Äöln
gefonimen, ob §uttcn bcn Srotuö in Erfurt ober biefer jenen in
gulba abge^olt, jo, ob fie überhaupt miteinanber gereift, unb
nidjt oieöeidjt ber eine bem anbern erft fpoter nac^gefommen,
barüber fehlen unö bie S^oc^ric^ten. 2iuf bie festere ®ermutt)ung
fönnte unö ber Umftanb führen, ba§ in ber fölner Unioerfitätg=
matrifel Adelricus hotten, baö ift aber fein anberer alö unfer
Utrid) Jütten, unter bem 28. Detober, fein greunb hingegen erft
unter bem 17. 9^toocmber 1505 al§ Stnge^örige ber 2lrtiftenfacultät
fid) eingefc^rieben finben.
ben oon ^utten’s 9ffeife nac§ 5^öln gibt 6^ama*ariuS
baö 0tubium „ber beften Mnfte unb SBiffenfe^often" an. ©o
bejeid)nete man bamal^, im ©cgenfa^c ju ber alten @d)olaftif,
bie ^umaniftifd)en 0tubien ; bonis literis operam dare l^iefe ßatein
unb (yriedjifdj auö ben claffifc^en ©d)iiftfteUern beiber 0pra^en,
ftatt, mie biö^er, Icjtercö gar nid^t unb erftcre^ auö Äird)enoätern
unb 0d)olaftifern lernen, unb @efd)macf, 0til unb 2)enfart nad^
i^nen bilben. 9flun fönnte man fid^ aber tounbern, mie bie beiben
jungen Seute biefe beffern SBiffenfe^aften gerabe in Äöln fud^en
mod)ten, mo bod), mie fic^ menige Sa^re bernoc^ in bem iReucblin^
fd)en ©treit auöroieö, bie ©djolaftif uub mittelalterlicbe
ni6 nodb i^rc fefteftc ^urg batten. SRiebt umfonft lagen b*f^
©t. 2lnbreaS 2llbertuö 3Jiagnug, bei ben TOnoriten 5)unö ©cotug
in ihren ©räbeni: noch immer berrfebte auf ben Äatbcbcrn burdb
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i^uttrn in j^5In.
17
einen ?(rnolb non Xmiflern, einen ^onrab 5loUin, benen ber
j^e^ermeifter 3atob ^od)ftroten alö furd)tbare 3J?ad)t ,;\nr 0eite
ftanb, bie fd)oiaftifcbe £ei)rnrt, in bereit ®icnft and) Ortuinu^
@ratiii^ feine '3)oi)enter erhaltene pbUolo^ifd^e SUbiin^ fleftellt
f)atte. ^üd) felbft in Slöln rechte fid) in jener einj^icicn 3^'it ba^
neue ioiffenfc^aftlid)e ßeben. (^ebeU)en ^tuar fonnte ex^ an einem
Orte, lüo bie fird)lici^cn Sntcreffen fo überinäcbtifl lonrcn, nic^t:
einer nad) bem anbern nmrben bie 33ertreter ber l)uinaniftifc^en
fRid)tiin^ uertrieben: fo 3oi)ann ^äfarinö, ^ermann non bem
Sufd)c, ^ßeter oon fRaoenna, S^b^öinö Slefticampinnu^; bod) lüQf)rs
fd)einlic^ hielt fich eben bamal^ ber (entere noch on ber Unioers
fität. @ettfamcnneife jog übrigens auch bie fölnifd)e 0d)olaftif
loenigftenö ben altern ber beiben ©tubiengenoffen an, auf ben
mir, ba fein Sebenöfaben üon je^t an mit bem unferö gelben
üerfchlungen bleibt, an biefer ©teile näher eingehen muffen.
drotu^ iRubianud hi^S eigentlich 3ohnnn Säger unb mar
in bem thüringifd)en glccfen ^ornheim, unmeit ^rnftabt, muth-
maßlid) um ba^J S^h^ geboren, dr fcheint geringer iieute
ilinb gemefen ju fein: menigftenö oerfid)erte er fpäter, alö Änabc
Siegen gehütet 511 hnben. 3ni Sahre 1498 bc.^og er bie Uniners
fität drfurt, mo er ^^oei Soh^e fpäter ben @rab eiltet 33accalaureu^
enuarb. ©eine ©tubien maren ^unädjft herfümmlich ber fd)ola*
ftifdjen ^h^ofoph^e unb Xheologie gemibmet. ^)urd) ben freunb«
liehen fiel)rer SDiaternu^ ^iftoriö fd}einen bie erften iteime ber
humoniftifd)cn 9iid)tnng in feinen dJeift gelegt morben fein,
bie in ber Solge burd) ben Umgang mit bem h^chgebilbeten Äa^
nonifu^ in bem benachbarten ®otha, SDhitianuö fRufuö, geförbert
mürben. 5)amit hing feine 9^amendänberung i^ufammen;
unb ba fic ber erfte gafl unter Dielen biefer ?lrt ift, ber unö in
unferer @r,^ählung begegnet, fo foU unö eine fleine dpifobe über
bergleichen 9^amen3änberungen um fo meniger Derbrießen, je be«
^eichnenber biefe ©itte für bie Seit unb bie fRidjtung ift, momit
mir unö befchäftigen.
X>er Gebrauch, beutfd)e 9iamen ^u latinifiren, ftammt nid)t
erft auö ber bamaligen Seit, fonbern bie (Geltung be-g 2ateinifd)en
al^ Äircheiu unb (^elehrtenfprad}e h^tte benfelben feßon mäl)renb
1) 3Jgl. Comm. De Jo. Croto Rubiano, B<mnae 1862.
VII. 2
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18
I. 2.
bc^ SD^ittelaltcrö l^crbcigcfül)rt; aber jc^t erft, ba man fid^ bc§
toirflid^cn Satein unb baju beö ©ried^ifi^en mächtig bün!tc, ttjurbc
jene Umgcftaltung in größerem SJiagftabc unb juglcic^ mit
fc^madE unb aJEetljobc betrieben; menn aud^ ber ©efdjinacf nid^t
immer ein guter unb bie 2)ietl)obe jum X^eit menig beffer qB
3^oU^cit mar. ®er ^umanift fütjlte fic^ alö ^Bürger beö alten
lHom§ unb ©riec^enlanb^; fo l)atte er aud^ §lnfpruc§ ouf einen
lateinifdjen ober gric^ifc^eu S^amen, unb an ÖJefc^idf, fic^ einen
foldjcn ^ured^tjumad^eu, lonnte e^ il)m al^ Kenner beiber ©praßen
nic^t fehlen. 2J?bn ging babei, mie gejagt, nic^t ol§ne SJiet^obe
ju SBerfe. S3alb maren cö bie ^erfonennamen, halb bie S^amen
beö @eburt^ort§ ober ber ©egenb, halb beibe ^ugleic^, morau
man fid) l)ielt. 2)ie ^erfonennamen mürben jum X^eil i^rcr
mirflid^en ober oermcintlidjcn S3ebeutung nac^ überfe^t. ®aju
maren oor allem bie Dielen beutfi^en S^amen geeignet, bie Don
§anbmerfen ober öcruföarten ^ergenommen finb. 2)a mar fdjneU
au§ bem Piscator, au^ bem 3J2üller ein Molitor, au^
bem Mrje^ner ein Pellicanus gemadjt. ^5)od) finb nid^t aUe
Ueberfc^ungen biefer 5lrt fo leidjt 511 ratzen. ®em Foeniseca
merben eö menige auf ben erften 33lid anfe^en, bag er j\u beutfe^
3J2aber (SWäl^ber) Ijieg. SBo bie leidet überfefeenben Söerufös
nameu aufl)ören, mirb o^ne^in bie @ad)e Dermidclter. 3n Capito
ift Ä'öpflin moljl noc^ ungefähr ju erfennen, in Brassicanus unb
Cuspinianus ilol)tburger unb ©pieg^ammer fc^on fd^merer, unb
in Velociaiius mürbe menigften^ l^eutjutage nid)t leidjt jemanb
einen iRefc^ Dermutl)en. S^^^cileu mußten bie Sftamen erft nDc^
geroaltfam geredt unb Derbrel)t merben, eße fid) etma^ mit i^nen
machen ließ. ©0 ^atte ber 9tame ©c^mar^ert, menn aueß in ber
jud)tlofen Drtßograp^ie ber ßcit nic^t feiten ©eßmarjerb gefd)rie=
ben, barum bod) fo menig aU bie Denoanbten garbennamen
SBcißert, ©runejt, ©elbert mit ber SWutter @rbe etmaö ju tl)un:
nur um fo mel)r tßat fid^ ©roßo^eim Sieuc^lin barauf ju gute,
baß iljin ber Sflame Sü^clan^t^on bafür eingefallen mar. 3)aä
mar überbieß ein gricc^ifc^er S^tame, unb bie galten bcgreiflid^ alö
bie Dorneßmern. iöei Sfleucßliu felbft mürbe bie latcinifd^c lieber^
fefeung feinet S^amen^; Fumulus, nur fpottmeife Don ©egnern,
baö griecbifdje Capnion, momit ißn in Stolien ber Denetianifc^e
^umanift ^ermolauö Öarbaruö befdjenft l)atte, Don feinen SBev^
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^umanifHfd^e 9{atnenfd^5pfung.
19
. extern gebraust; toä^renb er fctbft fid^ am UeOften feinet beutfd^cn
9iameng bebieiitc. ©tatt einer Ueberfe^ung ber ©igennamen be*
gnügte man fic^ aber nicf)t feiten audj mit einer biogen antifi^
prenben Umlautung, befonberiS menn ein beutfcl^er 9tame ba§
@lücf l)atte, Oon felbft fd}on an einen lateinifcgen ober gricc^ifdjen
anjuflingen. §icg einer De^mler, loie na^e lag baö eble römifdje
Aemilius; ein 9Kaier mar im Umfe^en 511m Marius gemacht;
Soa^im Don SBatt ^ieg Vadiamis; Sodann IRacf befam ab5
Rhagius fogar einen gricc^ifdjen Slnftric^. 3cber ^umanifirenben
Änftrengung fd^ien ein S^tame mic Äradjenberger 511 flotten, beffen
Sep^er pc^ ba^er Pel^entlid) an ben ©rogmeiftcr IReuc^lin um
§ülfc manbte: unb in !urjem felgen mir in ber Xl)at auc^ biefe
l)äglic^e 9laupe f^lp^engaft alö Gracchus Pierius baoonfliegen.
Äuger ben ^erfonennamen merben aber aud) gern bie Manien
ber Geburtsorte ober biefen benachbarter Ströme 5111* Geminnung
clafpfchcr S3e§cichnungen benu^t. Unb jmar merben biefe latini*
prten Ortsnamen halb neben bie ^erfonennamen gefept, mie ber
eben genannte ?Rl)agiuS oon feinem Geburtsorte Sommerfelb
Rhagius Aesticainpianus, Georg Xannftettcr oon 9lain in Ober=
baiem Tannstetter Collimitius l)ieg. Sltod) öfter jebodj fel)cn
mir oon bem ^eimatnamen ben ^erfonennamen gan^ üerbrängt;
fo ift Georg iöurfarb aus bem ic^t Ijopfcnberühmten Stäbtd)cn
Spalt als Spalatinus, Heinrich ßoriti auS 9)toUiS bei GlaruS
als Ölareanus, 93eat 95ilb auS iRgeinau im obern @lfag als
Beatus Rhenanus, $eter Sd)abe auS S3ruttig an ber 9Rofel als
Petrus Mosellanus bcrül)mt gemorben. Söei ^Ibelichen, felbft bei
pöbtif^en ^atriciern, benen i^r Slame in ber Urform mertl) ju
fein pPegt, pnben mir feltencr eine folcge Umgeftaltung. 3)er
humaniftifche Graf ^ermann oon S^tuenar miirbe oon feinen
greunben olS comes de nova aquila ober Neaetius ftilifirt; bei
bem guten ©itelmolf Oom Stein oerftiegen fic fich^noch über ben
de Lapide ginauS 5um Ololycus (0?.6lv7iog) für ben Vornamen ;
aber nicht allein §utten, fonbern auch ^irefheimer unb
tinger liegen, auger ber lateinifchen (Snbung, ihre Spanien un*
Oerönbert.
Um fchlieglich auf ben SRann jurücf^ufommen , oon bem
mir ^u biefer Spifobe abgefegmeift pnb, fo bietet fein 9tome ein
rechtes SRufter oon humauiftifcher Umgeftaltung unb Steigerung.
20
I. ?u(^. 2. l^opitcl.
3of)ann ^öflcr au^3 ^orn^cim ^icß er noc^ 1506 Joannes ,
Dornheini Venatoriiis; aber baniit tuar ber ©eburt^ort norf) c^ar
nic^t, ber ^erfonenname nur l)öc^ft geinöbiilid) überfe^t. Säger
U)ar freilid) Venator ober Venatoriiis; aber ein Säger niar auc^
. ein 0djü^e, nnb ber ©djübc tvax nic^t bloi? im SBalbc finben,
fonbern and) am ^immel unter ben ©ternen, nnb biefer ©cbüfcc
al^ ©ternbilb bieß mit feinein Eigennamen Crotiis. Er mar ber
©ot)n ber SJtufenamme Eiipbemc Dom $an gemefen, batte, neben
feinem Sogbnergnügen, auf bem §elifon mit feinen 3Rild)fd)roeftern
gefpielt, unb biefe ibm barum Dom SSatcr Supitcr bie Erbebnng
unter bie ©terne erbeten, ©o lafen eö bie bnmaniftifeben greunbe
im^bgin*), »nb mie ließ ficb für einen angebenben ä^hifenbiencr
ein aii^gefucbterer S^tame finben? ^amit bann auch
name nid)t in feiner bornigen Urgeftatt bliebe, mürbe er mittelft
einer freilid) nid)t gaiij genauen Ueberfebiing — beim nibus be'iSt
üörombeerftraueb — abS Rubianus ober Rubeaniis bem Job,
Crotus beigefügt, nnb babnreb and) noch ber S^orfd)rift beö bcutfd)en
Er^bwnianiften itonrab Eelti^ genugget()an, ba§ ein $oct (mic
einft bie alten fRömer) brei iJtamen l)flb<‘n müffe.
Um bie i}eit inbeg, ba er mit Jütten in Äöln feine ©tubien
fortfe^te, mar bei Erotu^ meber bie 9tamengs noch bie ©innei^s
änberung fc^on ooll^ogcn. Er mar nod) ein SSerel)rer ^(rnolb’d
uon Xungern nnb feiner fd)olaftifc^en 9J?eifter, lernte mit bem
jüngeren grennbe, moran biefer it)u fpäter fd)er,\enb erinnerte,
mit ©ijllogi^men blifeen, opponiren, affumiren, refponbiren, pro
unb contra argumentiren, fur^ alle bie bialeftifd)en ged)terfünfte
bamaliger $l)iiofopl)ie unb 3^^eologie. S3alb aber mürben biefe
2)inge für Erotuö ^um ©piel: er mugte bie Sebrer trefflich nach*
5ual)nien, unb mad)te fo fd)on in Äöln bie SSorftubien ju ben
üöriefen ber 2)unfelmänner.
Erotuö rtiar ein SJienfcb bon bebeutenber S3egabung unb
großer ßicbenömürbigfeit. ©ein ^aupttalent mar ber SBip. ©ich
über bie ^l)orl)eiten ber SJ^enfeben luftig ju moeben, fein liebfte^
Xreiben. 28ic mußte bieß bei bem jungen Jütten jünben, in
bem gleichfalls ein beutfeber Sueian oerborgen lag. greilid) mar
bie 91icbtung, bie fittlicbe EJrunblagc biefeS Talents bei beiben
1) Fab. 224 unb Poet, astronom. II, 27.
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^roiuS d^ubtanug
21
eine iH’rfc^icbcnc. 33ci Jütten, fo mic er fpötcr fid) cntiüicfeltc,
tuar bem SScrfcl)rtcn flcc^cnübcr bav^ Sachen nid)t basS fiepte, fan=
bern ber SERigbtäueben, bic er Uerfpottete,
nic^t blo^' baö Xbörid)te, fonbern nicf)r noc^ ba^ Sßerbcrblic^c.
®eö ßrotuö eic^cntlic^e^ (Element lüar eben ba^ fiadjen fcibft. @r
ließ fid) über bie ©d)Qben biefer närrifeßen Söclt feine grauen
§aare inad)fcn. Sind) einen fogenannten fcßlcd)tcn 2öi^ uerfd)inöf)te
er nid)t. 3)?if biefer ftet^ anfgelüccften 2aune mußte er ber an^
gencßmfte ©efeUfdjüfter fein. 2)en 2J?ann oller Stunben nennt
il)n SKutian. Slber eben biefer ältere unb ernftere SJ^ann fprießt
non Srotu^ mit einer toclcße bemcift, baß er jnglcid)
ßöcßft fd)ä^bare moralifd)e @igcnfd)aftcn an ißm fannte. @r
feßilbert ißn alö reblid)cn Ü)^ann, aufridjtigen iinb treuen greunb,
non ber fanfteften 03emntß^art unb einer Sln^ieljung-^fraft, bie
felbft einen §nftfranfen ju einer fReife ^u ißm in ©emegung
fe^en fönnte. Äeinem ging in ber golge bic 9Rißßanblung beö
cßnuilrbigen ^Rcud)lin non 'Seiten ber Äolner ginfterlingc meßr
p iJutßer empfanb er eine 3^^l ^^*^9 öegeis
ftening: bod) ßier liefen bic ©rennen feiner äftßetifd)en, guietiftifeßen
Statur, bie er moßl einmal überfpringen, boeß nidßt für bie ^aucr
ßinter fieß laffen fonntc.
®er Sllterdoorfprung Don beiläupg ad)t 3oßrcn unb baö,
alö Jütten e^ anpng, non ißm in ber ^auptfaeße nollenbctc ofa*
bemifeße ©tubium befäßigten ben Grotuö, in maneßen ©tücfen
ben fießrer unb Süicntor beiiJ jüngeren Ji^^^wnbeö j\u mad)cn. ^aß
fpäter in @vfurt biefcö S3crßältniß 5mifd)eu ißnen ftattgefunben,
bezeugt Jütten fcibft; oßne f^)on in Ä'öln
fo gcftaltct. 2öer außerbem ßier .^utteirö fießrer gemefen, läßt
fid) nur uermutßen. Xeö fRßagiuö ©d)ülcr nannte er fid) fpäter
öffentlicß. ^a mir aber bo^^ 3aßr ber SlJertreibung biefer SDtanncö
auö itöln nid)t genau luiffen, unb Jütten fpäter nod) einmal mit
ißm pfammentraf, fo läßt fid) aud) nid)t mit 0id)crßeit feft*
fefeen, baß er feßon ßier fein Seßüler gemefen ift. Soßann fRßagiuö
toar <^u ©ommerfelb in ber Cbcrlaufip um 14GO geboren unb
ßattc feine pßilologifdic iöilbung erft in krafau, bann in 33ologna
erßalten. 'i)iad)bem er in fRom üon bem ^apftc felbft ben ^)id)ters
lorbeer empfangen, fid) ßicrauf einige Qc\t in $ariö aufgeßaltcn,
trat er nad)cinanber an oerfi'ßicbencu Orten ^cutfcßlanbö aliJ
22
I. 2. Plapitd.
ßc^rer auf. 3n la§ er unter auberm über ^(iuiuiS. @r
war ein burd) fittlid)c SBürbc wie buvd) ©cle^rfamfeit qu%’s
5cid)uctcr 2J2ann: ben Sßiebererweefer ber erftorbenen ßatinität
nannte if)n 2J2utian; ©itetwotf üüiu @tein begrüßte it)ii al^ e()rs
Würbigen Sßater, unb (Soban ^effe woQte ein mäßiget 2J^aßt, in
feiner öiefellfcßaft genoffen, nid^t mit einer ©öttevtafet üertaufd)cn.
Sßeitcr mag Jütten bei Safob ®ouba gel)ört ()aben, ber X()eolog
unb $oet ^*^or, unb beffen elegifdjeS Xalent er fpätcr
rnfjmte. ^uc^ mit S^lemaclu^ auö Sioren^, bem SSerfaffer oon
©pigrammen unb Stmoren, fpäter faiferlicßcm ©eßeimfe^reiber,
unb mit einem ber brei ©rüber C^anter, muti)inaßlid^ bem jüngften,
3afob, ber gteidjfall^ ^id)ter war, fc^eint Jütten fidj bamalö bc=
freunbet 511 ßaben.
bie 0tü^e ber §umaniftenpartei in Ä'ölu erfd)eint
einige 3al)re fpäter, in |>ermann ©ufc^'ö unb 9teudjlin'^ $änbeln,
ber @raf ^ermann Don 9tuenar, ober 9^teuenar, uon beffen Stamme
fd)Ioß in ber benad)barten $Ü)rgegenb nod) fc^öne Xrümmer ^u
feßen finb, Älanonifuö unb nac^tjer ^ompropft bafetbft, bamal^
and) mit J^utten in freunbfc^aftlidjer ©erbinbung. 5)a er, brei
3at)re jünger al<g biefer, ein 3aßr oor ißm in Ä'ötn inferibirt
Ijatte, möd)te man ißre ©erbinbiing oon jener ©tubienjeit ßer
batiren; baß in einer @legie au^ bem 3at)r 1510, in weld^er
glitten feine 9Jiufe bei ben beutfdjen §unianiften bie fRunbe
madjen läßt ‘X be^ ©rafen oon 5Ruenar leine ©rwäßnung gefd)icl)t,
tonnte feinen ©riinb barin Ijaben, baß berfelbe bamal^ Oermut^s
lid) in Italien abwefenb war. ^iefe elegifc^e SJ^ufenwanberung
gebt erft oon bem norböftlid)en ^eutfcblanb, wo fidj ber ^id)ter
eben aufbielt, an ben ©bein nad} Ä'öln, bann über Sioblenj unb
äJ^iinj ftromaufwärtö; le^tere^ jum Xl)eit wenigften^ berfelbe
3öeg, ben $utten entweber bei feiner SReifc nach Äöln in inus
gefebrter, ober bei feiner fRücfreife Oon ba in berfelben Diiebtung
gemadjt b^^ben muß. ©on felbft ergibt firb bie ©ermus
tbung, er möge bie SJMnner an biefer Straße, ju benen er feine
ÜRufc fenbet, eben auf jener $Rl)ciureife tennen gelernt b^ben.
^ieß trifft nad) ber ^auptftation ^^öln gleich bei ^oblenj 5U, wo
er mit befonberer besg Ulrid) gabriciuö gebenft, ben
l) Quijrelar. L. II, Elcg. 10. ^uttcn’S Sd^riiten UI, ©.64—81.
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Siterorifd^e %e(anntj(^aften.
23
i^m, aU er jene ©cflcnbcn burd^hjanbert, bie frcunblid^e $alla§
©tubiengenoffen gegeben ^abe. Slrbeit mib Slaft, ja bnö
gan^c Seben fei if)nen gemeinfam getuefen; enblirf) habe baiJ
0c^icffal, feinen ©tiibien feinbfelig, fie getrennt, üt)ne boc^ ben
33unb i^rer ^er^en jerreigen ju fönnen. 9Äit biefem I)at nun
,§utten nermutblid), wenn and) bie 53efanntfc^aft in Ät'obleni^ fic^
angefnüpft haben mag, fofort in ilöln ftubirt ; er war ein humas
niftifd) gebilbeter Surift, ber in ber Solge feine ©tcllung am
furtrierifd)en §ofe befonberö auch jur ^Inffpürung uerborgener
^anbfehriften non Slajfifern iinb Ä’irchenüätern benupte. dagegen
wirb weiter aufwärts, bei 3J?ain^, üon ben ^wei ©refemunben,
als Suriften unb ^oeten, in einer SBeife gefprochen, bie nur an
eine iöefanntfchaft aus ©chriften, unb nicht einmal eine genaue,
benfen lägt. 'Jtahe bei ©peier, heißt eS bann weiter, bewohne,
mit SBenigem ^ufrieben, Söimpheling ein engeS .^auS. 9^ur um
.^eiliges bemühe er fich; ^^lleS, waS er fdjreibe, fei erfprießlich ;
Diel üerbanfe ihm bie beutfd)e ^ugenb, auS ber er immer manche
burd) feine ^clehrfamfeit an fid) i\iel)e; aucl) ihm felbft, ,§ntten,
haben feine Unterweifungen oft genügt. 2)aS fönnte, ^umal babei
SäJimpheling ongerebet wirb, auf perfönlidjcn ©inblicf in feine
|)äuSlichfeit ^u beuten fdjeinen; allein bie ^öcrhältniffe beS oieU
befud}ten iiehrerS waren in hMmaniftifd)en Greifen allbefannt, unb
ob .^utten bamalS fo weit rheinaufwärtS gefominen, ift mehr als
zweifelhaft. @ben um jene übrigens gab SBimpheling zu
einem ©treite 93eranlaffung, ber ein iöorfpiel beS üteudjlin'fdjen
^anbelS werben follte. 3n einer um baS 3al)r 1505 heraus^
gegebenen ©chrift ftellte er, ber felbft nid)t ohne S^orliebe für
baS ©infieblerleben war, bie ©ä^e auf, baß bie SßeiSheit nicht
an ber Äutte h^fte, baß eS and) im weltlid)en ©taube oerbiente
ÖJel^hi^te gegeben hübe, ja bie gelchrteften Theologen felbft nicht
3Könd)e, fonbern Söcltgeiftlid)e gewefen feien, wie inSbefonbere
ber h<^iiigc Sluguftin mit Unrecht zu ben ©remiten ober 9J2önd)en
gerechnet werbe. 2)aS nahmen bie 2J?önche, oor allen bie 5tugus
ftiner, gewaltig übel, fie fchrieben gegen SSJimpheling unb oer*
flagten ihn beim ^^Japfte. (Sr Oertheibigte fid), unb, wie baS gel)t,
nun bewies er fdjon, baß bie 9teben an bie ©infiebler, auf welche
feine ÖJegner fid) huuptföchlich beriefen, gar nid)t oon ^luguftin
feien. ®od) wenbete er Jid) zugleid) mit unbebingter Unterwerfung
24
1. 2 j^apttel.
an bcii ^apft 3^iiUnö II., nnb mit ^)ülfc bcbcutenbcr güvfprcc^cr,
mie Äonrab ^cutinc^or u. a., flelanQ c^, bie SSorlabunc^ und) 9lom
,yi I)intcrtrcibcn. än bcvfclbcn @ei]cnb, fül)rt §utten in jenem
poetifdjcn Sßegmeifer fort, l)alte fid) aiid^ Sä^olf^ancj 5tngft auf,
ber einft ber 0einii]e ^ernefen, b. mit bem er bamalö, ober bei
einer anbern ©ele^entjeit oor bem 3al)r 1510, greunbfdjoft fle-
fc^loffen ®ie iöriefc ber S)nnfe(männer führen il)n in
^aflenau (ben SGÖimpt)elin(j in ©d)lettftabt) anf, too er in ber
®rudcrei be^ 5^f)oma‘3 5lnöl)elm, mie fpäter bei ©d)öffer in 9}?ain\,
al§ gelehrter Gorrector t^ötig mar nnb in ber goige and) ben
^rnd Don Schriften feinet greunbeö Jütten leitete. ®af3 biefer
ben S^erfaffer beö berühmten Starren fd)iffö, 0ebaftian 58rant in
©tragburg, beffen ber SBegmeifer ferner gebenft, bamalö perfon*
lid) fertnen gelernt Ijabe, ift nun oollcnbö unmaljrfdjeinlid); nod)
meniger magen mir e§, bcmfelben meiter lanbeimoärb5 nad) ©tutt^
gart nnb hingen ju 3ol)ann S^eudjlin imb ^einrid) :öebcl jn
folgen; fonbern mir feieren ju Jütten nac^ Ä'öln ^urüd, mo
übrigen*^ feineö 93leibenö nic^t mel)r lange fein follte.
iliur eine brängt fid) nod) auf, el)e mir mit itjm
meiter jiel)en: mol)er er nämlid) mäbrenb feiner afabemifd)en
3al)ie bie SDiittel ju feinem Unterhalte genommen habe? 0eit
feiner glnd)t aug gulba hotte ber ®atcr bie §anb üon ihm ab^
gej^ogen. ^)eö ©ohne^^ eigenmiüiger 0d)iitt biirdjfreujte bie ße^
benöplane, bie er für benfelben entmorfen hotte, nnb fe^tc ihn,
bei ber oieljährigen Serbinbung ber gamilie mit ber 5lbtei, in
Sßerlegenheit. 2Bir miffen and) nicht, ob er ben 5lufentl)olt boig
©obnesi fogleid) erfuhr; oielIeid)t hm'tt biefer, um nicht mit
©emalt ^urnrfgeholt merben, für gerathen, fiel) eine ß^'^t long
üerborgen 511 holten, ^er Später aber bachte il)n am mirtfamften
^ur 9tüdfehr 511 nötl)igen, inbem er ihn ohne Unterftü^ung lief).
Sßenn Ulrid) Jütten fpäter an feinen SSettern gromin nnb ßnbmig
bie greigebigfeit rühmte, mit meld)er fie feine ©tubien unterftüpt
hoben*), fo hotten fie l)ic§u fd)on bamalö alle SSeranlaffung.
3m 3al)re 1506 foH e» ber gemöl)nlid)cn Einnahme zufolge
gemefen fein, ba§ bie Umtriebe ber Dominicaner ben 9U)agiu<5
1) ?ln ®?arquorb öon ihotftdn unb on Sitclwolf öom 6tfin, Schriften I,
e.36. 39.
V
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i^ultcn in 6r|urt.
25
3lcfticampiaiiuö nöt^igten, Äöln ;^ii ucrinffcu; unb ba in bcmfcl=
bcn 3abre quc^ ßrotu^ unb |)uttcn auö Äöln Ucifc^tuinbcn, um
anbcr^tüo micbcr jiim Sßorfd^cin füinmcn, fo ift nic^t
tjcrmunbcrn, bafe man in bcr SBcrtrciOung bc^ öo^rcrö bcn ^Inla^
ju bcr SBanbcriincj bcr 0c^ülcr 311 fndjcn pflegt, ^iefc folgten
übrigen^ nidjt, mic in fold)cm gaüc 3U eimartcn märe, bem 2cl)rcr
an bcn Drt feiner neuen SäJivffamfeit; fonbern, mäljrenb 9tf)agiuö
an ber im ^Ipril jene^^ eröffneten Unioerfität 311 graidfurt
an ber Ober bie il}m übertragene £el)rftcflc antrat, brad)te (Irotu^S
feinen jungen greunb uorerft nad) ©rfurt, mol)in tl)n bie @rin^
ncrungen unb SSerbtnbungen feiner frühem 0tubienjal)re 3ogen.
i)ic gegen bcn 0d)(ug beö 14. 3ctl)r^iinbertö geftiftete er-
furter Unioerfität’) genoß am Einfang be^ 16. cineö 5lnfel)cnö
in 2)cutfd)lanb, baß, mie 2utt)er fid) einmal auebrüefte, allc'anbern
bagegen aU flcinc 0cßü^cnfd)ulen galten. Qxix großen
0d)iöma entftanben, ßatte fic langcßin für baö bafeler (£oncil
unb beffen fReformibcen Partei genommen, unb unterfd)ieb fid)
aud) fpätcr nod) oon anbern beutidjen Unioerfitäten burd) einen
liberaleren ®cift. ^)urd) Seßrer mie ^iaternuiS ^iftoriö unb 9^i=
folauö 3}^arfd)alf mit ißren 0d)ülern mürbe fic bie ^flan3ftättc
bcö ^nmanmmuö in 5)eutfd)lanb. 3f)rc ®lüte3cit erftreefte fid)
oon ber iWitte bciS 15. 3al)rl)unbert^ bb5 in baö erfte 3ol)r3e'l)nt
bcö folgenbcn, mo erft bürgcrlid)c Unrußen in ber 0tabt, bann
bie firc^licßen SEBirren ißr oerberblid) mürben. 93on einem erften
0toß, einem SBorboten ber ftärfern, bie tommen folltcn, einer
©treitigfeit 3mifd)cn Bürgern unb ©tubenten im 3ol)r 1505, l)attc
fid) bie Unioerfität fo eben crl)olt, bie ^orlejungen gingen mieber
i^ren @ang: für §utten’ö (Sntmicflung inbeß mar (5rotuö, ber
feine freunbfd)aftlid)eficl)rtl)ätigfcit l)ier fortfe^tc, maren ein talcnt-
ooücr l!Oiitfd)üler unb ein l)od)gcbilbctcr ^rioatgelcßrter, bereu
©cfanntjd)aft er fofort mad)tc, mid)tiger alö alle ^ßrofefforen.
3mei 3ol)rc oor glitten, im 3al)re 1504, mar au‘5 graru
fenberg in Reffen, mo er bcn Untcrvid)t be‘5 3atob ^orläio;J gc^
uoffen ßatte, ber fcd)3cl)njäl)rige @oban §cffe nad) Erfurt ge^
fommen, unb mit il)m fd)loß nun $utten bie 3mcite jener atabe^
mifc^cn 3ugenbfTcunbfd)aftcn, mcldjc, gleid) bcr mit Srotnö, il)ii
1) 3j0l. i^ompld^ulte, 3)ic Unioerfität Erfurt, Xrier 1858. 1800.
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26
I. %u(^. 2. Kapitel.
burc^ ba^ Scbcii begleiten foUtc. SBcnu ßrotu6 Uor Jütten ettua
ad)t ScbciBjaljrc uorauöl^attc, fo weil (Soban in bcmfelbcn 3a()tc
mit it)in, nur brei SWonatc t^^ül)cr, öoefenborf in Reffen
büren, ©ein 3?ater mar ein ^ienftmann beö benachbarten Älofterö
^aina, beffen ^ftarnc nid)t feftftet)t, ber aber bem ©oljne, üon
einem in ber Umejeflenb üerehrten ^eili^en, ben SSornamen iSoban
fchöpftc. tiefem fe^te ber ©ot}n in ber Solche ftatt beö ©efchlecht^
nameiii^ ben ^eimatnamen Hessus nach, unb, um bie ^reijaht
ber 5)id)ternamen DoU^umachen, mit 33e^ug fomohl auf ben ©oniu
taq, an bem er ejeboren, alö auf ben ©onnens unb 5)ichter90tt,
beffen 5)iener er mar, ben ^tarnen Helius uoran. ©chon in bem
i^naben h^i^c fich baö ^id)tertalent in be^eichnenber SBeife an*
flcfünbiflt. 5(1^ einft ^orläuö ihm unb einigen befferen ©chiUern
bie Slufgabe geftellt h^^tte, ben Xejt auig bem (Suangelium So*
hanniö: Ego suin lux mundi, qui sequitur nie, non ambulat in
tmehris — in lateinifd)en Serfen mieber^ugeben, bemerfte ber
junge @oban fogleich in ben legten Söorten ben hfll^*cn $enta*
meter unb brodjte in furj^er grift eine fo fchmungüoUe Umfd}rcis
bung beö 3^ejteö ^u ©taube, baß ber iiegrer erftaunte unb üon
ba an bie größten .^Öffnungen üon bem ©chülcr faßte. S)iefer
feßrieb nun immerzu nnb quälte ben ßeßrer unb 2lnbere mit ber
3umuthung, ißm feine S^erfe corrigiren, Sind) in Erfurt
madjte fid) @oban halb bureß gelungene Dichtungen befannt: be^
feßrieb bie ^luömanberung ber ©tubenten auö Einlaß ber $cft
bcö Süßrö 1505, ben ©tubentenframaH beffelben Soßre^, fang •
baö iJüb ber erfurter Uniuerfität unb üerfudßte fid) naeßeinanber
in 3bl)llen, §eroiben, epifeßen, elegifd)en unb lßrifd)en ©ebießten
aller ^rt. ©cßon bamalö fagte ßrotuö üon ißm, er fei an Sußven
ein Änabe, an bid)terifcßer Ä'unft ein @rei(J; ber cßrmürbige
yj^utian rief ißm ben 5jerö j^u, ber bem @oban lebemSlänglicß
mie ein Orafel tßeuer blieb:
^(jrtje^er ^nabe, ber 8to4 bu be§ ^eiligen Ouens;
unb in furjem galt er nid)t allein in Deutfd)lanb, fonbern aueß
im yiuölanbe für ben erften neueren Dicßter. Sßenn bie ßuma^
niftifd) miebererroeefte ßatinität in ©raömuö ißren ^rofaiften ßer*
üorgebradjt ßatte, fo ßatte fie nun in @oban ißren ^oeten. 2öar
jener ber moberne Sicero, fo mar biefer 5^irgil unb Düib. Die
Icgtcre ^ergleicßuug ift menigftenö infofern nießt blo^ ?ßrafe,
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6oban
27
alö ®oban mit bie|cm ?Römcr bic Scid^tigfcit gemein l^at, bic
5Bcrfc luiv fo l)injufc^üttcn ; mcßwcflcii uoii it)m i^efaßt mürbe, er
fei ber cinjiflc $oet, ber feine SSerfe i^uflleic^ marf)e iinb fc^reibc.
(Soban mar aber nic^t blo^ ein fllücflic^er ®irf)tcr, fonbern auc^
ein fleißiger unb tüd)tiger ©eleßrter: feine SSorlefiingcn an ben
§od)fc^utcn ju (Jrfnrt unb fpätcr ju 9)iarburg batten großen
9iuf unb ^ogen oon fern bei' ©ebüler berbei ; uon 3^ol). Sange unb
3oacbiin ßamerariuö . lernte er @ried)lfcb unb überfejte in ber
golge ben Xbeofrit unb bic Sliud in lateinifcbe ^ejameter, mic
auf Sutber’ö unb Ü}ictand)tbon’<S Slntveiben bic ^falmen in la^
teinifebe 2)ifticbcn.
^abei mar @oban ein SD^enfeb oon ber feltenften ©utber'
jigfeit. ©in großer, feböner, moblgebautcr 2J^ann mit prächtigem
5s8art unb martiolifdjcm @efid)ti?auöbrud (?llbrecbt ®ürer pflegte
^u fagen, menn er ißn nicf)t fennte unb ein iöilb oon ißm i\u
feben befämc, mürbe er eö für ba^ eineö Ä'riegömanneö b^'ilen),
ein au^e^eiebneter 5ed)tcr, ^^äii^^er, ©ebrnimmer unb leiber au(b
Xrinfer, fünfte, ju beren meiterer Vlu^bÜbung ißm halb ein inebr^
iäbriger Slufcntbalt an bem $ofe beö Jsöifcbofö ,§iob ^u S^liefen*
bürg an ber 2öeid}fcl bic befte ©elcgenbcit bot, mar er jmar rafcb
unb berb, aber argloö mic ein Äinb. 9Ud)tö mav ibm mebt ju*
miber alö öcrflcinerung anberer, unb er bulbete nid)t, baß in
feiner ÖJegenmart oon ^Ibmcfenbcn übel gefproeben mürbe. Sift
unb fclbft SBorfiebt maren ißm fremb; hoppelt meb tljat cjS ißm
baßer, menn er fieß, maö ßäußg oorfam, jum beften geßalten faß.
5öci fpärlicßem ©infommeu, mad)fcnbcr Jomilie (mir greifen ßier
ber 3eit oor) unb feiner poctifeßen (Sorglofigfeit für allc^ 0cfo*
nomifeße ging c« ißm ftct‘5 fnapp, biömeilcn mirflicß elenb; aber
nie Ocrlor er ben ßeitern Scbenömutß. Patientia! pflegte er bei
mibrigen '^egegniffen fid) ,yi,yirufen. 3J^it einer grau, oor ber
feine greunbe ißn gemarnt, bie ißm feine aJiitgift, bagegen einen
unlciblidjcn 0d)miegcroater unb liebcrlid)c 0^mägcr jugebraeßt
ßattc, lebte er halb gang frieblid) unb oergnüglid).
S53ir ßaben gaßlrcicßc 33ricfe oon @oban ; fie geßörcn gu ben
gcmütßlid)ften, ßerg* unb tempcramcntoollftcn, bie and jener 3eit
übrig finb. ©angc Briefe, burrßaud perfönlid), nießtö ©tubirteiJ,
aÜe^ ©timinung unb Eingebung beö 3lugcnbticfö. darunter eine
3J2enge 3ettel an greunbe, bic im glcid)eu Orte moßnen, ©ins
28
1. ^ud^. 2.
Inbimgcn jum Sabcn, jum iWittagcffcn um 10, ^um ^benbeffcn
um 4 Uf)r, Quf ein paar 5ifd)c mit Änoblauc^, ein @tü(f SBilb^
pret, baö er (jefd)enft befommen, flcmür^t burd) ein beitercö ©cfpräd).
fommt Uür, baß er einen greunb suflleid) aliS @aft 5um @ffcn
unb um ein Xarleßn üon 2 C^iulben bittet. ®a ©obaii bo‘5 33ier
qIö ein fd^äblicße^S ©ebroue fd)eute, fo ßielt er fid) befto mel)r an
ben SBein. 9tid)tö ermunterte ißn fo feßr jum gortfaßren in
bem frommen Söerfe feiner ^falmenübcrfejung, al^S baß fein er^
furter a)?äcena^, ber rcid)c ^Ir^t unb öergtoerf^befi^er @eorg
(Stiir5, ißm jebe^mal einen Ä^rug SBein oorfe^te, fo oft er i^ni
eine neue Stummer brachte. Oft erbittet er fid) üon biefem aueß
etmad Oon feinem Söermutmein, um nad) bem gcflrigen 9^aufcßc
fein föniglid)c^ ©aupt mieber in ben ©tanb p fe^en. ®enn au^
Einlaß einer Heußerung iReucßlin'^,. ber, mit 33e^ug auf einen
S3eriS beö ft\inimad)u^, ben Hessus f-oor]v, b. l). Äönig, genannt
lf)atte, f)icß er nun im reife feiner greunbe Rex, unb mit biefem
Ä'önig^mantel loeiß er fid) fortan in feinen ©riefen auf^ brofligftc
ju brapiren. @r gebietet ben greunben al§ ^önig, marnt, fie
mögen ißn nid)t nötßigen, ben ^^prannen ßerauö^ufepren, grüßt
Don feiner Königin, berid)tet oon ben ^rin^en (reguli), batirt
feine ©riefe ber armen Äönig^burg, Verlangt eine 0albc für
feine föniglid)e S^tafe, bic ber S33ein etmaö rotl) j\u färben ange=
fangen patte. SEßenn er bann aber für einen greunb, einen
S^otpleibenben fid) oermenbet, fo finb feine ©riefe ooH beö tpeiU
nepmenbften @iferg; ein 0d)reiben üon ipm an fReud)Iin atpmet
bie reblicpfte ölcfinnung ber ©ereprung unb Siebe; an Sutper
unb feiner 0ad)c mie an §uttcn ping er lebenölänglid) mit ber
rcinften ©egciftcrung. gn feiner poetifepen ii^önigöroUe patte fiep
@oban einen ^erjog (dux) bcigefeHt in ber ^erfon be^ $eter
©berbad), eine^ förperlicp fcpmäcplid)en, aber geiftüoUcn unb lie=
beiüSmürbigen jungen SJ^anne^, me(d)er, ber 0opn eines erfurter
5lr^teS, bafelbft bie S^ceptSgeteprfamfeit, mit ©orliebe jeboep bie
fepönen 2öiffcnfd)aftcn ftubirte, fpäter gleid)jeitig mit §utten,
Stalien bereifte unb in bem tpüringifepen §umaniften!rcife eine
auSge^eiepnete 0tellung einnapm ').
2)er eigentlid)e §crrfd)er in biefem Streife jeboep loar niept
1) ^gl. Ilel. Eobaui ilessi operura farragines duae, 1539. 2)e§*
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WuttnnuS 9{ufuS.
29
@ü6aii, er tuor überhaupt nirf)t in (Srfurt fcibft finben, fonbern
in bcni brei ^Keilen baüon entfernten C^otpa, in ber ^erfon bc^
fc^on öftere enuöpnten $Kutian. Äonrab 3Jhibt ober ^utl), ber
fid) aU Mutiamis latinifirte imb DieKcici^t üon feinen rötl)lic^en
paaren fid) ben !0einomen Riifiis i^iitegte, luar um 1472 .'pom*
biirg in Reffen geboren, mo fein iöatcr ein obrigfeitlid)c^ 3(int
beflcibete. @r mar burd) bic <Sd)uIc bcS SUe^anber ^cgiii^ in
^^eoenter, bic frud)tbarftc §umQniftcnpf(an5fd)ulc jener ßeit, gc^
gangen, l)attc bann in (ärfart ftubirt, c^ber üblicpermajicn
ju feiner meitcren Sluöbilbung fid) nac^ Italien begeben, gier
erlangte er in Bologna bie jnriftifd)c 5)octürmnrbc, fnnpftc mit
ocrfdjicbcncn ita(icnijcl)en gumaniften iik\ycl)ungen an nnb enuarb
fic^ aiK^ in 9ftom unter ben Sarbinälen Gönner nnb greunbe.
9tad) feiner gcimfcl)r im gerbfte 1502 biente er eine
om l)effifc^en gofe, mo fein iöruber ba^S Ä'ai^leramt Ocnualtete.
öalb jebod) mürbe er be^ gof- nnb @efd)äft55lcbcn^ übcrbrnßig:
ein ;^meitcr trüber imn i^m mar er,^bifd)öflid) main^ifd)cr löcamter
ju Erfurt, ber ücrfc^afftc ipm burc^ feine SScrmenbuug ein Äta»
nonifat in @otl)a. gier lebte er feit 1503 in miffcnfd)aftlid)er
SD^uge, in ber er fic^ fortan burc^ leinen noc^ fo locfcnbcn Eintrag
mel)r ftören lieg. 3c meniger il)in feine Kollegen, über bereu
©tumpffinn er fic^ miebergolt bitter beflagt, 5lnfnüpfiing^punftc
boten, befto mel)r fal) er fid^ auf bie benad)barte Unioerfitöt Erfurt
gingemiefen, bereu augefegenfte fiegrer, mic Dor aßen 9Jlatcrnuö,
feine greunbe, bereu begabtefte ©d)üler, ein (Jrotuö, @oban, ©bers
baeg, ©palatin, halb auc^ glitten, feine 0d)üler mürben. SBir
finben, bag in jenen 3ogrcn in Erfurt uerfd)iebenen ©tubeuten
„auö §lcgtung für D. aJhitianu^J" bic 3nimatriculationögebül)ren
erloffen morben finb. 3lber and) fein je^iger ßanbc'jgerr, griebrieg
ber Sä>cife Don @ad)fcn, lernte il)n halb Icnncn nnb fc^öpen. §luf
SJ^utian’ö @mpfcl)lung l)in crgielt im 3agre 1508 ber junge
©palotin bic mii^tigc ©teile eineö ©rjielicrö bei bem Äurprinjen
•
{((ben Epistolao familiäres, 1543. Joach. Camerarii Narratio de Eobano
Hesso, mit ange^Sngter ^ric|}omnilung, 1553, ber noc^ brei meitere folgten.
— Der ^roteft gegen bie Wiblionblung 6oban’§ burt^ Dein^/orbftein in feinem
€<^oufpieI, unb ouf beffen Serantmortung burd^ Sor^ing in feiner Oper
fei ou(^ in biefer neuen Auflage, toenigftenS mit jmei ^Sorten, n)ieberl()o(t.
30
I. 2 Popitel.
3o^ann gricbrid^. §Iuf feine gürbitte tnurben nerurt^ciltc SBcr^
brec^er bcflnabicjt. ^efe^entmürfc ^tjurben U)m jur S3egutac^tun9
üorgelcflt. bie anfcl)nüc^e ©teile cineö ^ropftcö an ber ^Uer^
l)eiliflenfird)e ju SBittenberg burd) Henning ©öbe’ö Xob erlebigt
toar, lic6 ber Äurfürft fic bem äJ^utian anbicten. aWutian enipfal)l
ben 3uftu^ 3onaö, unb ber erhielt bie ©teile, ^öd^ftenö eine
f leine ^frünbe, bie i^m fein ©efc^aft mad)te, na^m er noc^ an,
um @elb •Jöüc^craufäufcn gewinnen. 5)enn bamit unb mit
literarifc^er ©aftfreunbfe^aft ging fein rnäfeige^ @infommen auf.
mar bie gebrudten 5luögabcn ber lateinifi^en
unb griec^ifc^cn Slaffifcr eben erft anfingen, bei §llbuö in S5enebig
unb fonft in 3talien ju erfc^einen unb nod) jiemlic^ treuer
maren : SKutian mar bei meitem nic^t im ©tanbe, fid) %Ueö, mag
er münfe^te, fclbft an^ufd^affen ; feine greunbe, üor allen ber
©ifter^ienfer ^einrid) Urban, SBermalter bc(8 georgent^aler §ofiS
in Erfurt, t^cilten i^m uon tl)ren ©infäufen mit. Älö er cinft
burc^ einen folc^cn greunb Siccro, Sucre, v Surtiuö u. a. ^lutoren
jugleid) befam, meinte er uor greuben. 5)ic italienifc^en Kriege
jener 3al}rc bebauerte er Ijauptfäc^lid^ befemegen, mcil fic ben
Serlagöartifcln 3talicnö bie Sllpcnpäffc fperrten. Sßenn er il)m
feine 3Uic^er fc^iefen fönne, bittet er ben (5-rotuö, fülle er i^m
menigftcnö bie 2:itel mittt)cilen, fd^on biefe machen i§m grcubc.
9lid}tö bcflagte er fc^merjticbcr, alö fo manchen Xag o^nc gute
liöüdjcr jubringen ju müffen.
®ei allem fReic^t^um feineö äöiffcnS unb aller Ueberlcgcn*
l)cit feiner @infid)t l^attc SKutian eine ?lbneigung gegen ©d^rift»
ftellcrci. 33riefe fdjrieb er gern unb Diele, unb eine beträd)tlici^e
Sln^abl ift un«, ^um Xl)eil noc^ ungebrueft, aufbebalten *). SBenn
@obanö ©riefe bie l)erj\lic^ften au^ jenen 3ol)ren finb, bie @ro^-
mifc^en bie gelel)rteften unb ^ierlid)ften, fo finb bie bc^ ÜÄutian
bie geiftreii^ften. ©iömeilen merben fie burc^ Älürje bunfel, nie
ermüben fic burd) SBcitfc^meifigfeit, felbft in ben gelehrten ?lb=
1) ®ic meipfn in einem bflnbj(^riftli(^cn ßobej bet franffurter ©tabt»
bibtiotbet. ^uS^ttge borau§ in Tentzelii Supplementum Historiac Gotbanae,
1701. ßinjclnc ®riefe oudb in ben oben angeführten ^ameratifdien Samm-
lungen. 9Ba§ fub in TOulian’S ®riefen auf iputten bejiebt, b<*t ®5(fing in ben
jroei erflen ®änben feiner 'üu§gabe abbrutfen laffen.
v'” "X
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ü}2uitanu§ 9)ufu§.
31
fc^ioei fünften nid)t, in bic fie fi^ ftcUemneife uerüeren. SWanci^*
mal t^eilt 3)2utian ben gveunben ein ©pifttamm ober fonft ein
{leinet ^oem nic^t o^nc ©elbftftefälliftfeit mit; aber er ift fe^r
unftc^alten, menn einer fic^ einfaüen läßt, etloa^ bauon bruefen
ju laffen. 33efroftte man i^n über bie @rünbe biefer ^Ibneiftunft
ftegen bie 0effcntlid)teit, fo ern)iberte er, feine Sachen feien if)m
nie ftut ftcnug, barum moHe er fic^ lieber an ?lnberer 5^l)or^eit
ergefeen. @r fanb eö bebcutfam, baß ©ofrateö nnb ßl)riftuö auc^
nießtö ©c^riftlic^eö bi^terlaffcn l)aben. @r mar überjeugt, ba^
iBefte maö mir miffen tauge für bie SJienge nic^t. 5)a^er fudjte
er nie^t, mic (Sraömuö unb fReuc^lin, burc^ gebrudte Schriften
auf bad geniifc^te ^ublifum, fonbern burd) münblic^e unb brief*
lic^e öele^rung auf einen engeren teiiS ju mirfen. 9lid)tö
machte i^m größere J^^wbe, fagt (Samerariuö, alö ju pren, baß
junge ikute fieß mit @ifer ben pmaniftifd)cn Stubien mibmeten;
unb folc^en pflegte er alle görberung, bie in feinen Ähäftcn ftanb,
angebeipn ju laffen, fie gaftfrei, fo menig er auc^ im Ueberfluß
lebte, bei fic^ auf^uncpien.
. hinter ber ^omfird)e ju ®otp ftanb fein §au3, ba<S er
fic^ nac^ eigenem ©cfdpnacf eingerichtet hatte. Ueber bem (Sin*
gange fah man auf einer fleinen Xafel bie Snfehrift: BEATA
TRANQVILLITAS. SllcJ ©cgenftücf hatte er einft, alö eö i()m
gelungen mar fid) auö bem hcffifdjcn ^ienftc loiS^umad)en,
auf bie Xl)üre feiner Ä^an^^lei bie Sorte gefdjdeben: VALETE
SOLLICITVDINES. Deffnete fid) bie Pforte, fo lub eine jmeite
Snfehrift: BONIS CVNCTA PATEANT, jur ©elbftprüfung
ein, ob man au^ foldjcn mürbig fei. Wn ben Sänben
ber fah nian bie Sappen erprobt gefunbener greunbe:
ben ©torch ©palatin'ö, beö Srotuö riemenumrnunbene ^örner,
®oban’^ Dom Sorbcerftrauch in bie Sollen fteigenben 0chman.
Sn bem ^auehc^^*' l^at bem Slnfömmliug bie ebelfte 9J?anneö-
unb ©reifcngcftalt entgegen; fein ^Benehmen auö Sürbe unb
greunblichleit gemifd)t, fein ©efpräch uoH gebiegenen SiffenS,
reifer (Sinficht unb anmuthigen ©cherje^.
Saren bie jungen fieute, bie oon (Srfurt il)n ,^u befugen
lomen, burch il)rc afabemifchen 2cl)rcr mit ben gönnen bed §Uter^
thumd belannt gemacht, mit einem ®orrothe uon ^h^afen unb
mpthologifchen ©Übern für ihre eigenen ©tilübungen auögeftattct
32
I. »ud^. 2. ifa|)itcl.
tüorbcn, fo fud^tc 5IWutian fic in bcn ©cift unb 0inn bcr Slltcn
cin,vifüt)rcn. (Sbcufo tuar cö it)m in bcr äidit^ion um ein tiefered
SSerftnnbniS 0einc junc^cn greunbe tbcild^u prüfen, tbcild
förbern, Ic^te er it)nen bidiucilcn ^lufgabcn üor, halb ^ur äugen«
bHdlid)cn fiöfung, halb jur fd)riftlid)cn ^ludarbeitung, bic er nod^«
t)er ücrbcffertc. So b^ttten fic einmal bcr 9flell)e noch 3Serfe auf
bcn üerftorbenen ^id)tcr ilonrab (Seltid 511 mod)cn. @in anber«
mal gab er feinem §cinricb Urban auf, ctmad ^um Sobe bcr
Vlrmutl) ju fd)rcibcn; bem Spalatin aber legte er bie gragc öor:
menn boeb adein bcr 2S3cg, bic SS3at)rl)cit unb bad Seben
fei, mie beim fo oielc l)unbcrt Sa^re oor feiner (>icburt bie 9Äen«
fdjcn baran gciocfen? ob fic an bcr 2Bal)rl)eit unb bem §cile gar
feinen §(ntf)cil gehabt b^^ben? (Sr looüc il)m einen gingcr5cig ^ur
ßöfung geben, febrieb er ibm bann. SDie ^Religion ©brifti b^t
nicht erft mit feiner a}^cnfcbiuerbung angefangen, fonbern fic ift
fo alt old bic SSelt, ald feine Geburt and bem Sater. ^enn
luad ift bcr mabte ßb^fi^^» ^cr cigcntlicbc Sobn ©otted, Sin«
bered ald, mic ^^aulnd fagt, bie Söcidbeit C^Jotted, mit tücld)er er
nidjt allein bcn Snben in einer engen fprifeben Sanbfdjaft beimobnte,
fonbern and) ben ®ried)en, bcn S^ömern unb ^eutfdjen, fo Der«
fd)ieben auch ib^c rcligiöfcn (^cbräud)c maren.
Slueb über bie ibibel, indbefonbere bic (Soangelicn , b^Uc
a)hitian l)<^dc S3lide, bie fiel) aber jum Xl)cil mit mnnberlid)cn
(grillen mifebten. iöon bem Unterfd)icbc ejoterifeber unb efoteri«
fd)cr £el)rart audgebenb, meint er, bic S^erfaffer bcr eoangelifdbcn
©cfcbicbtc böben manebed ©cbeimnifj in Oiätbfcl unb (SJleicbniffe
cingcbüllt. iBic Slpulcjud unb Slcfop fabeln, fo aueb bie b«-’iüüc
Seprift ber guben. ®al)in reepnet er bad iöueb $iob, babin bic
ÖJcfcbidjte bed gonad, bereu SBunber er bureb bic Slndfunft löft,
ber SEÖalfifd) fei ein 33ab mit einem folcben Sdjilbc, ber Äiürbid
ober ein iöabcbut geiucfcn. ^ad ift läcberlid), fept er felbft
binju. ®ocb icb b^be noep fpaßb^iftcrc ^ingc, bic auf Sateinifeb
sacramenta, ©ricebifeb SD^pftcrien l^on benen iep nidjtd
fagen merbc. 2)al)in gepört auep bic Slcußcrung SJ^utian’d, in
ber aWeinung bcr Sdhipammcbaner, baß Spriftud nid)t felbft ge«
freu^igt loorbcn fei, fonbern einer, bcr ipm äpnlicp gefepen, fteefe
eine gepeime SBcidpcit. 3'oar beutet er cd ;^unäd)ft auf Sprifti
Stiüfdjiueigcn oor ^ilatud, ba bed SÜtenfdpen loapred 3cp bic Seele
V
9Ruttanu§ 9tufu§. 83
fct, lueld^e burd^.baS SCBort fid) funbgcbc: bod) bel^ält er offenbar
bie ^auptfac^e noc^ ^urüd, benn er brid)t mit ben Söortcn ab,
er molle ^ier nid)t aiiöfagen, ma§ ©e^cimnig bleiben müffe.
mar etmaö S^lcnplatonifc^eö in ben Sbeen biefer ^uma^
niften, baig fie mit il)rcn Sprad)fcnntniffen in Stalien gel)olt bitten,
mo Ü)2utian in^befonbere and) mit bem ©rafen ^icuö oon Wu
ranbula in S3ejie()ung getreten mar. ift nur ©in ©ott,
febreibt er feinem Urban ein anbermal, unb ©ine ©öttin. ^ber
e^ finb oiele ©eftaltcn unb Diele ^tarnen: 3«piter, ©ol, 5lpoIIo,
SKüfcä, ©briftuS, Suna, ©ereö, ^roferpina, Xelluö, Üßaria. Hber
büte bicb, ba^ au^jubreiten. 2Wan mug in ©cbmeigen büßen,
mie ©leufinifebe ü^pfterien. 3n ©acben ber ^Religion muß man
fteb ber 2)ede Don fabeln unb 9tätbfcln bebienen. ®u, mit 3u^
piter’3, b. b- be§ beften unb größten ©otteö, ©nabe, oerad)te
ftißc bie fleinen ©ötter. Söenn id) Jupiter fage, meine icb ©b^^f^w^
unb ben mabren ©ott. 2)ocb genug Don biefen afl,^u hoben 3)ingen.
SBie bem SDhitian Don biefer mobl nod) etma^ nebeligen
$öbe berob baö bamalige iiird)enmefen erfd)ienen fein möge, läßt
fid) benten. ®en IRod, feßreibt er, unb ben ^-öart unb bie Sor*=
baut (©brifti) Dereßrc id) nid)t: id) Dereßrc ben Icbenbigen ©ott,
ber meber 9lod nod^ 33art trägt, aueß feine SBorßaut auf ber ©rbe
jurüdgelaffen ßat. i)k goftenfpeifen nannte er Xßorenfpeifen, bie
'^cttelmöncße futtentragenbe Untßiere; Dermarf bie Dßrenbeicßte,
bie ©celenmeffen; bie ©tunben, bie er mit bem ?lltarbienftc
braeßte, betracßtetc er alö oerlorcnc ßeit. 3n feinem $aufe mar
eö, mo ©rotu^ feine fd)ärfften SBißc in biefer ?Ricbtung lo<^ließ,
mo er bie SRcffe eine Äomöbie, bie 9leliquien Änodßcn Dom [Ra-
benftein, ben ^oragefang in ber ^iireße ein §unbegeßeul, in ben
Käufern ber 3)omberren ein ©ummen iiicßt Don 53ienen, fonberu
Don foulen ^roßnen nannte, ©an^ im ©efeßmaefe beö ©rotu^
mar ßinmieberum, menn ßJiutian am äJ^ogbalencntage über
biefe magna lena fid) aUerßanb ©d)er/^e erlaubte.
®ocß ed mar fcineömegö bloö biefeö ilritifcßc ober aueß
^ßilologifcße, überhaupt nießt ein bloßeö [löiffen, maö Sß^ution
in feinen jungen greunben 511 pflanzen fueßte. Söir manbeln,
ffßreibt er, einen engen unb fteilen [pfab: eng, meil nur menige
mit unö naeß befferem SSiffen unb milberen ©itten ftreben; fteil,
fofern ^ur i^enntniß ber lateinifcßen ©prad)e, unb, maö bamit
VIL ^ 3
34
I. 2.
jufammcn^öngt, bcm ipa^ren ®ute bcr ©ccle, 9liemanb ol^ne
9Jiüf)e gelangen fann. Sßir ftreben nac^ @ercd)tigfeit, ÜKafeigfeit,
©ebulb, @intrac^t, SBabr^eit unb cinmütl)iger greunbfc^aft.
ber übte 9Kutlan über bie ibm uerbunbcnen Sünglinge moralifcb
faft noch mehr aU tniffenfcbaftlicb eine 3“cbt- Seine
(Srmabnung^briefe an ben talentüoUen unb fenntnigreicben, aber
eiteln, anmagenben unb auöfcbnjeiienbcn jungen fRecbtögelebrtcu
^erborb uon ber 3Kartben finb üoll reifer fittlicbcr SBci^beit, bic
ftcb nicht feiten in äebt ©ofratifd)e 3tonie bwöt. (£r bulbetc
Ecine ©ntjiueiungen unter ben jungen fieuten, bic ficb ju il)ni
hielten, ©einen Xabel burften fie ihm nid)t übel nehmen. 3ch
meig euch ^u fchelten, fchreibt er, unb euch uerjeihen. 3h^
fönnt mich nidjt beleibigcn, aU menn ihr mir nicht folgen moUt,
tüo ich euch sum S^lechtcn anmeife. Sßäre euer ©inn rein, fo
mürbet ihr mir noch banfen, bag ich ^wd) jure^tmeife. @in fo
überlegene^ Söefen hielt bie 3ünglinge mie ein ßauber feft. SEöenn
2Wutian etmaö höben miü, fchreibt ^eter ©bcrbach an iReud)lin,
fo ift fein Sßunfdh für mich ein 3ö?öitg. 3n ben humaniftifd)en
Ähcifen fprach man üon einer „aJiutianifd)cn ©chaar", unb fie
mar uidjt ber unbeträchtlidjfte Xl)eil bcö „lateinifdjcn §eereö".
X>ie greunbe bcö gortfehrittö hatten aber auch allen @runb,
fid) gegen bie Slnhängcr bcö eilten feft jufammenjufchliegen.
®enn bereite mar bcr Scrbacht gegen fie ak gefährliche grei=
geifter rege gemorben. @r ift ein ^J3oet, er fpricht @ricd)ifch,
alfo ficht c^ fchlecht um fein C^heiftenthum, hieß c$. $oet galt in
fird)lichcn Greifen für ein ©chimpfmort, baö man nidjt auf fid)
fthen laffen mochte; c$ mar eine Sraubmarfc, mic heut §u ^age
^Pantheift ober SKatcrialift. ^octen oerberben bie Unioerfitäten,
fagten bie alten Herren; ja man moUtc fie gar uid)t für gute
^cutfehe gelten taffen, fonbern nannte fie Böhmen unb SBalen.
Huch ^h^^afophen l)ie6 man fie, aber in gleich l)^uiifd)cm ©innc.
S^tatürlid) fehlte cö babei oon ©eiten bcr frommen SWänner nicht
an Umtrieben aller Hrt, bic @eha§tcn unb befürchteten nirgenb^
anfommen ju laffen. SScr fann noch glauben, fchreibt in biefer
^ejichung ÜKutian, ba§ biefc Pfaffen bic mahrc ^Religion unb
ein ehrliche^ bemiffen haben? Um mie oict heiliger finb ba bie
poetifchen ÜRcnfchcn, bic menigftenö S^iemanben burch oerborgene
Äunftgriffc ju fehaben fuchen. 3a, mit noch tieferer geinbfelig*
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^RutianuS SiufuS.
35
feit fügt er einmal: ®ie X^eologcn feigen unö l)offcn, um unS
5u betrügen; mö^renb mir auf beu §immcl warten, ben fie un^
oerfprcc^cn, eignen fie fi^ bie irbifc^en @üter ju.
2)ag äJtutian, wie auf @oban unb 0palatin, auf $eter
(Sberbac^, @uriciuö Sorbuö u. 21., bie ju uerfc^icbenen ßeiten
bei i^m auö' unb eingingen, fo auc^ auf ben jungen Ulrich
Jütten (ginbruef gemad^t unb (Sinmirfung au^geübt b^^t, Wiffen
mir auö beffen eigenem Unmeit (Erfurt, fagt er in ber
Don unö fd)on oft angeführten, fünf ^a^re nach biefer ßcit 9^^
febriebenen Slegie, lebt IRufuö frieblid} nur ficb fclbft, ob er mobl
feinem ju meicben, feinen Äampf ju febeuen nötbig b^tte.
fragt ^rotuS um 9tat^, unb ^effuS ermöI^U il^n }um ^ü^rer :
Wir auch tl<^t gar oft feine Sele^rung genügt*).
ÜJ^utian feinerfeitö bemunberte §utten'ö Talent; aber fein ungc^
ftümed geuer, feine Sieijbarfeit, maren bem Siiebbaber ber beata
tranquillitas unbeimlicb- 5)abcr b^ttc fid) Jütten in ber golge
mebrmabs über bic ©d^mcigfamfeit be^ ocrebrten 2)tanneö, mit
bem er gern fleißig Briefe gcmecbfclt büttc, ju beflagen. Ueber:=
baupt Oor ben $octen im engeren 0inne, ben 2)icbtern oom §anbs
merf, feblug ÜJtutian boeb bii^ wnb mieber ba^ Äreu^. gb^^c
©clbftgefälligfeit mißfiel ibm, unb baß fie ficb nidjtö fagen laffen
mollten. (Soban febien ibm noch ber beftc §u fein, ber nur bureb
feine milbe Xrinflaune bem mürbigen 2llten bi^meilen unbequem
mürbe.
2Ber fonft nod) ju ^utten'ö erfurtcr greife gebörte, ift
nicht ficber, auf feinen gall oollftäubig befannt. (5r fagt, mit
allen ^octen, mclcbc bamalö am Orte gemefen, fei er in Serbin*
bung gefommen. S^tambaft aber macht er (eben in jener @lcgic)
außer Srotuö unb @oban nur noch einen Xemoniuö, ber mit
munberbarem ©rfolge bic gleichen 0tubien treibe unb mit nid)t
geringem Xalente begabt fei. ^n ihn b^il ^^web @oban al3 el)c*
maligen ©tiibiengenoffen brei ©ebiebte geridjtct, auö benen mir
erfeben, baß er auö Xbüringen gebürtig mar, unb fpöter eine
IReifc nach Som gemacht b^^l- |)utten nid)t, mic früher
(Srotuö, in @rfurt auch ßutber fennen lernte, ift natürlich, ba
Suther bamaU bereite in beug iäofter getreten mar. Son langer
1) Quercl. II, 10, v. 89 — 94. S^l’^iften III, S. 70.
I. ^u(^. 2. Uaptid.
36
»
kalter übrigen^ luar auc^ biefer erfurter ^ufent^alt |)uttcn'ö
uic^t. X)cu 2öintcr üou 1505 auf 1506 Ijattc er in Ai bin juge-
brac^t, ben Sommer bcw lotteren in Erfurt, untr im
barauffolgcnbcn iöintcr finbcii mir il)u auf ber neueröffneten
Uniücrfität ju granffurt au ber Cber, mo^in ber iljm oermutt)=
lid) fd)on oon ilölu b'-'t inertbc 2cbrcr fR^ngius ^leflicampianuö
if)m oorangegangen mar. 3n einem nod) 1506 gefd)ricbenen,
menn aud} erft im 3ni)re barauf gebrudten ©ebic^te bcflagt
@oban ben beuorftebenben §(bgang feinet ^cr^euöfrcunbeö Jütten
nach granffurt, unb biefer fclbft bot ber im gebruar 1507 er^*
fd)icncnen Sefebreibung ber gcftlidjtcitcu jur ©inmeibung ber
neuen Uniücrfität ein Ülcbidjt beigegeben, auf beffen Xitel er fid)
einen Sd)üler be*^ 3nbnnn Üibngin^ ^lefticampianuij nennt.
3n feinen SJ^arten eine Unioerfität ju grünben, bntte fdjon
fturfürft 3nbnnn (Sicero beabfidjtigt; fein Sobn unb^3^ad)fülger,
3oad)im L, oon feinem Sebrer, Xietrid) Don iöülom, 33ifcbof oon
fiebuv, unb feinem S^atbc, (Sitelmolf uom Stein, ermuntert, führte
ben ©ebanfen au», unb am 26. ^tprit 1506 mürbe bie neue ^n^
ftalt feierlid) eröffnet. X)er genannte Xietricb oon iöülom mar
it)r Ä'nnjler ober donferoator, »Honrab S33impina, ber fid) bernad)
aU dJegner 2utber’i? befannt gemad)t bnt, ibr erfter ^Rector, 3o=
bannet Sinbbo^ ber erfte Xecan ber pbilofopbifd)en gacultät,
^ubliuö ®igitantiU‘3 33aciIIanii‘:5 ^li'ungia mirb aU ber i^uerft
berufene ober am Orte befinblidjc ^rofeffor genannt, iiebterer,
ben ditelmolf Dom Stein ben berebteften Xeutfeben nannte, ben
er nie genug bören fönne, mie ber oon ditelmolf gleid)faüö boeb'
gefdjäbte fRbagiu«?, mögen auf fein 'betreiben berufen morben fein,
^ilußer ihnen lehrte nod) .germann Xrebcliuö an ber Unioerfität, ben
Jütten feinen fianb^mann nennt, mäbrenb er felbft ficb halb al^
Notianus (Surminb?), halb ale^ Isenacensis be^eidjnet. 3Rit ihm
mar $utten sugleicb burd) greunbfd)aft Oerbunben; aber aud)
3^igilantiuö muß il)ni febr gut gemefen fein, mie mir aue ber
SiJärme feben, momit beibe 3Ränner einige g^b^e fpäter bei einer
Unbill, bie ihrem ehemaligen Schüler miberful)r, fid) beffelben
angenommen hoben. Xrebeliuö mar zugleich ber gübrer jmeier
jungen pommerifeben dbelleute, 3ol)onn unb Sllejanber oon ber
Dften, bie, mie fo oiele bamal^, mit bem fRccbtigftubium baö ber
.^nmanitäti?miffenfcbaften oerbanben, mit Jütten fomobb oB bem
'V
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Jütten in tVrQiif|urt a. b. O.
37
crfurtifc^en uitb fpäter bcm tüittcnbcrgifd^cn Greife in enge SJer»
binbung traten, unb an bcm Ä^antpfc mit ben frf)ülaftifd)cn ^)un*
fclmänncrn ben Icb^afteften 3(nt()cil nahmen. §(udj noc^ mit
einem anbern $ommcr, SSalentin 0toicntin, ber bamalö unter
feine 0tubicngenüffcn granffurt i\äf)ltc, mar .§utten in greunb*
fc^aft unb iörübcrfdjaft ücrbunbcn.
gür §uttcir-5 Uutcrl)alt mag jept außer feinen fd)on gc^
nannten beiben Spettern, üicHcid)t auf (Sitclmolf’d ©mpfcplung,
and) ber junge aj^arfgraf aUbrcc^t üon S^ranbenburg ctmaö ge=
tßan ßaben, ba |)uttcn Üjm in ber gotge nac^rü^mtc, er pabc
it)n, fd)on ct)c er (Srjbifdjof unb Garbinal gemorben, untcrftil^t.
3(ud) ber '-öifdjof üon Sebuö crmicö fid), ^uttcn’iS jpätercr Söers
fid)crung feinen uäterlidjcn ©onucr, unb naßm it)ii
gegen ben .§aß ber unmiffenben ©ienge (uon bcm mir nidjt miffen,
mobureß er fid) bcnfclbcn ^ugejogen ßatte) in 0d)u^.
®cm ^erfommen nad) mar c^ jept nießt mebr /^u früf)e für
|)uttcn, ben unterften ÖJrab bei ber atrtifteufacultät, ben cincö
'^accataureuö,* ju ermerben. 5tber er ftelltc fpäter nad)brilcflicß
in atbrebe, jemaU 2)octor, a}^lgifter ober 33accalaureu^ gemorben
,^u fein. Unb bod) ift er bamals in granffurt iöaccataureu^ ge^
morben; ber eben genannte fiinbbol^^ ßat U)u alö ben oierten
mäf)renb feinet ^ecamiti^ promooirt*). ^ie fpätere aibleugnung
ift tenben^iöö. Xie afabemifdjcu Oirabe mürben üon ben ^uma*
niften at^ ©tüde be^^ atpparati^ ber alten ©d)olaftif üerad)tet.
3n ben ^unfelmännerbriefcn ift eö nießt bie leptc Vlnflage gegen
bie ^oeten, baß fie ißre ainl)anger unter ben ©tubenten abßaU
ten, jene ÖJrabe ju ermerben. aBeiin §utten in ber golge alö
.f)umanift felbft bie geringfte biefer 2Bürbcn üon fid) ablc^ntc, fo
mar cd ber tieffte (^rab üon (%ringfd)äpung, bie er biefem gan*
,^cn alten Söefen bezeigen mollte.
3n granffurt fc^eiiit c^ §utten bod) etmaö länger alä in
Äöln unb Erfurt, nämlid) ein gan^eö 3nf)r, gefallen ^u ßaben.
aiber lönger geßel eei mm feinem Beßrer fRßagiusi bafelbft nid)t.
®ie neue 5od)fd)ule an ber Cber patte halb üon Einfang eine
1) J^utten in ber ®otrcbe jum Nemo, S(^riften 1, 6. 180. SqI. Epiet.
obscuror. viror., J, 14. Wogegen bo8 3fügnift quS liecmanni Notit. uni-
vers. Fraucof., ©(^riften I, S. 5 f.
38
I. %u(^. 2. Kapitel.
Sflid^tung cinflcfd)lagcn, btc ben 'Slbfid^ten bcö 2)?anneö, ber
il^rcr ©rünbung uov allen mitgciüirft l)attc, iuenig entfprad^.
9Äcbr alö einmal geftanb in ber golge, mic $uttcn berid)tct,
©itelmolf Dom <Stcin, er bereue biefe SJiitmirfung, ba er fe^cn
müffe, lüie bie neue Uniücrfität, ftatt, feiner Slbfidjt nad^, mit
^umaniftiW gebilbeten 2Jtännern, mit unroiffenben 9)?enfd)cn uom
alten ©erläge befefet fei. 3^^*^ Xrcbeliuö unb S^igilantiuö blie-
ben noc^; aber iR^agiuö manbte fic^ nac^ Scip.vg, unb i^m 50g
Jütten noc^ einmal nac^. 3n ber leipziger Uniüerfitätömatritcl
üom SBinterfemefter 1507 auf 1508 finben mir alö erften ber
mciSnifc^en S^tation ben ^rofeffor ber S^lcbehinft unb gefrönten
^octen Slefticampiannö, bann in ber 9)7itte ber bairifd^cn Station
Ulrich Jütten aud 35ud)cn eingetragen. Scibe erlegen bie ^öd)fte
©ebübr üon 10 @r. ; ein iBemei-^, bag ^uttcn'ö öfonomifd^e Um^
ftänbe bamalö nic^t übel maren*). 3n bem glcid^en ^albja^re
mürbe ber fc^on 1500 immatriculirte Sßeit SScrlcr 3J^agifter, ber
fpäter feinem bamaligcn Stubiengenoffen ben fc^önen fltad^ruf
mibmetc, Pon bem mir nur aUjufrii^c ju reben l)abcn merben.
fRad} i^m ^ätte ber junge Öaccalaureuö in Scipjig auc^ mit ©ei*
fall gelefen; mofür jeboe^ in ben UniucrfitätiSacten fein 33eleg ju
finben ift.
3n biefe Qdt nun, in ^uttcn'ö 18.— 19. 3a^r, faden 5mar
fdpücrlic^ bic erften poetifc^cn Sßcrfudjc, bie er gcmad)t ^at, aber
bie erften, bie un^ aufbel)alten finb. @0 finb il)rer Pier: eine
(Slegie an (Soban, bie er nocl) in Erfurt, ein fiobgebic^t auf bie
ajtarf, ba^ er in granffurt, mutf)ma6lid) im 3al)ie 1506, fd^rieb,
ein paar fiobPerfe, bie er ju feinet fie^rerö 9tl)agiu§ 1507 ge^
bruefter ©pigrammcnfammlung gab, unb eine poctifdje @nnal)=
uung 5ur Xugenb, melc^e er ber Pon ebenbemfelben beforgteii
unb im gleichen 3abre gebrudten SluiSgabe ber Xafel beg Sebcö
beifügte *). 0ämmtlic^ alfo f leinere 53eigaben ju größeren 0djriftcn
ppn greunben unb !ile^rern, mie fie in jenen ßciten üblich maren:
bie erfte Pon 18, bie jmeite Pon 20, bie britte Pon 7, bie pierte
Pon 28 2)iftid)en. 3n aden geigt fic^ im lateinifc^en Sluöbrucf
1) 8b<nbaj., 6. 8.
2) $on btejen (Sfbid^ten ift baS erfte in ber 95d(ing’f(!^rn Ausgabe 1,
3 f., bie brei anbern III, 6. 5—10 unb 563 abgebnuft.
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)^utlen’§ crfie ^)i(l(|tun0fn.
39
unb Sßcr^bau eine bübfe^e gertigfeit. J^ärtcu, Ungcfd^icflid^f eiten
fehlen nid)t, aber fte fommen gegen ben SBobHaut unb ging bc§
©QUi^en faum in Setrad^t. Sßon claffifcben ^tarnen unb Söci:^
fpielen fte()t bem jungen Poeten ein erflccflicber SSorrotb ju @e=
bote. 5)er ©ebanfengang enttuicfelt fd^icflic^, obroobl o^ne
ftrengc ^iöpofition. alle finb noi^ @d)ülerarbeiten, mehr
ober minber auö fremben ©ebanfen unb Söenbungen sufammens
gefegt; baä eigentbümlic^e ©epräge öon |)utten’ö ©eifte trögt
noch feinö berfelben.
Sflacb allen ©eiten boltc berSüngling feine ßebrjabrc U)ol)l
benupt: um aber 5um 2Kanne, jum fKeifter beran^ureifen, b^tte
er erft bie SBanberjabre anjutreten, mußte ber SBiberftanb beö
Sebent bie ganje ^aft feinet ©eifteS unb SBillenö jum 33emußt=
fein bringen unb in
40
Drittes Äapitcl.
^attberuttgen uttb ^Benteiter in |>eutf($r<inb.
1509 — 1512.
glitten tuar, lüic unö fc^ou biö()cr nid)t cutflanflcu ift, ein
unruhiger @cift. Sßanberluft lag tief in feiner 9iatur. @ie lag
and) in ber Qdt, unb Oefonber^ in ber ©eifteöric^tung, ber er
fid) frü^jeitig angefd)loffen l)atte. ^ie „fal)renben ©djüler" bc^S
anögel)enben ^iJ^ittelalterö finb befannt. Unter ben bentfe^en
maniften jener 3of)re luaren bie C£eltiö,'9tl)aginv?, 33nfd), eigent^
lidje SSanberlel)rer. 33ei Jütten fam ber praftifd)e ßug feiner
9latur ba5u. @r f)oUc baö iöebürfnig, bie SBelt nid)t bloö anö
iönc^ern fennen ju lernen, ©täbte unb Sänber ^n fel)en, 2J^en:=
fc^en aller 2(rt ju beobad)ten, fic^ unter i^nen um;\ntreiben, mit
il)nen 5U meffen, baju empfanb er einen unmiberftel)lid)en Xrieb.
0elbft bie SSermief hingen, ©türme, (^efaljren einest foldjen 2ebene'
reiften i^n alö ein fül^neö ©piel, beffen ©eminn il)n lodte, ol)ne
bag ber möglid)e SSerluft beö ©infageö if)n fd)reden fonnte. @r
l)atte auc^ @^rgeij. @r moUte etmo^S bebeuten in ber SBclt: ba
fal) er mol)l, bafe er fid^ mit il)r einlaffen müffe. SBasJ einem
9)iutian glüdfeligc 9iul)e mar, erfc^ien iljm alö tröge 2)unfell^eit,
üon ber er nid)t!& miffen molltc.
3Jht ©elbftgefül)! fpric^t Jütten mel)r ab3 einmal uon bie*
fern 2)range. SBö^renb anbere bie lieben ©Itern unb bie ^eimifc^c
^djüllc nic^t uerlaffen mögen, l)abe er baö bel)aglidje ßeben, baö
er bal)eim Ijötte führen fönnen, bem SBunfd)c geopfert, frembe
ßönber 5U bef liefen, um felbft etma^ j^u merben unb burc^ X^aten
feinem 9tamen 2)auer ju oerfdjaffen. ®arin l)abe er ju SSor^
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^utten’S SBanbfruno nac^ bem tRorben.
41
bilbern bic lueifeftcn SKämtcr bcr alten Söcit, einen ^tjtba^oraö
unb ipiatü. Unb \m^ beim and) für einen frifd)en jungen 3)2en=
fc^cn mct)t fReij ^aben fönnc? befennt er, tnobne nirgenb^
lieber alö überall, meine ^cimat^ ift allerorten '). mar ctmaö
tjom fa^renben IRittcr in Ulrich §uttcn.
©0 litt eö il)n benn, nac^bcin er fie oft genug gemed)fclt,
überhaupt auf ben afabcmifd)cn Sänfen nidbt länger mel)r. SBic
lange nod), miffen mir freilid) nid^t genau, gür ba<S Sßinters
femefter 1507 auf 1508 ^attc er in Seip^ig inferibirt. 3m ©pöt*
fommer 1509 treibt er Iran! unb mittellos an bic pommerfc^c
Äüftc. Unb in einem ©cbic^tc oom folgenbcn grü^ling rcd)nct
er bereits ein 3a^r, bag er für bic greunbe ba^cim ocrfc^oUcn
fei®). ^Ifo fc^cint er fpäteftens im grü^ling 1509 ßeipj^ig Oer*
laffen unb feine Steife in ben Storben angetreten jn b^^ben. SöaS
ibn aber babin fül)rtc, maS er auf ber Dftfce molltc, barüber
gibt cS nur Sermutl)ungcn, bereu mir uns, mo fie auf feinem
feften iiöoben beruben, am liebften cntfcblagcn. ^ic ingranffurt
gcfcbloffcnc Scfanntfd)aft mit ben jungen ^^ommern, oon benen
jmei noch bafelbft mciltcn, unb nur einer (SSal. ©toientin) oieU
leiebt febon bamals in feine ^leimatl) ^urüdging ober ^urüdge*
gangen mar, reichte boeb für fid) fdpoerlid) bio» Steifeluft
^uttcn’S gerabe biefe Stiebtung j^u geben.
Sbenfo menig, mic über bie 33emeggrünbe, miffen mir über
bic ©tationen unb bic cini^clncn Jöegcbcnbcitcn biefer unglücf^
lieben Steife, bis ,^u bem Übeln ?luSgang bcr gabrt auf bcr Dftfec.
Unb fcltfam, nud) biefer ©ecfabrt gebenft ,§utten fclbft nicht
ausbrüeflieb , fonbern nur beS mannigfadjen Ungemachs einer
SBanberung ;^u Sanbe, mclcbe auf biefen Unfall folgte. Soaebim
SJabian ift eS, ber ,poci 3al)re fpötcr bcrid)tet, mie Ratten ^u ihm
unb anberen greunben nach SBien gefommen unb oon ihnen als
oiclgeprüftcr UlpffeS mit SluS^cidjnung empfangen * morben fei.
Sluf ihr S^crlangcn er ihnen bann bie ^Ibcnteuer feiner
Steife ber Crbnung nach cr^öblt, mic er auf bem bcutfdjcn Ocean,
1) S)iejc Sctbpbffenninilje finben in t)cr|d)iebcnfn Stellen bcr
Ouercten, t^eilS in ^utten’§ firo^em SBriefe an ^irtf^eimer über jeinen ße*
benSpIon, jene im 3., biejer im 1. 99onbe ber SörfinQ’jc^en ?lu80Qbe. 53on bei*
ben ©(^rijten unten on i^rem Orte.
2) Querei. II, Eleg. ü. ad Crotum^iib. v. 9 f. ©t^rijten III, >5. 54.
A
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42
I. ^ud^. 3. PapUet.
bcu er bcrül)vt, bic Sßut)^ ber 0c^lla erfahren l^abc, fofort am
näd)ftcn Ufer in bie §änbe ber S^flopcn gefallen fei u. f. tu. 0b nun
tüol)l in biefer ^arfteünng Sßabian'ö auc^ ineitcr^in SJianc^cg
augenfd)einlid^ in bie gönnen ber 0bl)ffee gegoffen ift, fo bürfen
U)ir bod) ni(^t fo toeit ge^en, auc^ toaö oon bem Unfall jur 0ee
gefagt wirb, bloö für eine ber ^omerifdjen ^arobie julieb oorge^
nommenc (Sintleibung ju galten: um fo weniger, ba Jütten felbft
um jene ßeit, wenn and) nur poetifc^ unb im Allgemeinen, neben
ben ©efa^ren Öanbe auc^ oon folc^en ju SBaffer fprid^t, bie
er biird^gemac^t §abe ^). SBorin nun aber biefer Unfall beftanb,
ob nur in einem ©türm, ober ob baä ©d^iff ftranbete u. f. f.,
wiffen wir wieber nic^t.
ift eine fläglic^c ©eftalt, in weld^er unfer junger ^R{U
ter^mann am Ufer ber 0ftfee uu!§ wieber begegnet. @r war gänj^
lid) mittellos, nnb überbieg fc^wer franf. @r bettelte fid) bur^
ba^ Sonb, flopfte an arme SÖauergütten um ein ©tüd 93rot unb
ein iRacgtlager, mugte aber megr al§ einmal, abgewiefen, im
greien ben garten löoben jum ^fügle negmen. Umwege 5U
maegen, um nad^ ber ©itte fagrenber ©tubiofen bei @elegrten
Unterfd)leif unb ßegrung 5U fuegen, oerboten igm unabläffig geg
erneuernbe ilranfgeitöanfölle. ©0 fegilbert er halb naegger in ben
fd)on oft angefügrten Älaggebicgten feine bamalige Sage; Wägrcnb
mitten auö berfelben geraut ein paar 33erfe an Xrebeliuö ge»
fd)rieben finb, bie biefer im grügling 1509 einem S3udg @pi»
gramme beibruden lieg. §ier wirb buregauS baö unrugüolle
fümmerltcge Seben, baö §utten in ber grembe j^u fügren gat,
fein ^am^f um bie 9tagrung, feine 9lotg mit unfiegerer Siebe,
bem geimatg liegen unb göuälidgen Segagen beö greunbeö entge»
gengeftellt^).
3ene tonfgeit befegreibt §utten im folgenben 3ogre, wo
fie noeg immer fortbauerte, aU ein oiertägigeö gieber, baö ign
aufö äugerfte gefcgwöd}t unb abgemagert gatte, in löerbinbung
mit einer ober megreren eiternben SBunben. gragen wir: wo»
ger bie Söunben? fo fpriegt Jütten Oon einer garftigen ©eud)e.
1) Sabion’S '®rict an CfoIUmitiuS f. in ^uttcn’S ©d^riften I, S. 22 f.
$utien’§ ©ebid^t ebenbaj. III, 6. 159.
2) ©(griften I, ©. 8 f.
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Jütten in @reif§U}an>. ^te Cö^e.
43
on ber er (im Sci^rc 1510) fc^on feit ^mei Sagten leibe, unb
bic, ftatt abjune^men, immer Ijefticjcr mcrbc. Sin mclc^cr SiranN
beit Jütten fpäter litt, ift befannt. (Sö ift mie bie Äc^rfeitc
feiner begeifterten Xl)ätigfeit für bie Sbeen ber 9teii,^eit, bog er
an ber cigcntl)ümlicbcn ?ßcft biefer mobernen
erften litt unb ©runbe ging. Slui^fübrRd)er über biefen $unft
banbeln, merben mir fpäter ©clegenbcit nebmen.
2)iübfclig fcblepptc fid) ber büiPofc unb franfe SBanberer
enblid) nad) ©rcifömalb, mo bie ^o^fcbule ibn öciftanb boffen
lieg. @r manbte fid) an bie ßebrer bcrfelbcn (bic jmar fämmts
lieb nur befebeibene Siebter maren): unb mirflieb febneb ibn ber
IRector, ^rof. jur. §cinrieb Suefom, in Slnbctracbt feiner gänj'
lieben ÜKittellofigfcit, uncntgeltlid) in bie Uniuerfitätömatritel ein.
®in 5)atum ift nicht beigefügt: meil aber Jütten ber üiertlcbte
ber im ©ommcrbalbjabr ©ingefebricbenen ift, fo nimmt man mobl
nicht mit Unrecht an, bag feine Slnfunft unb ÜWclbung gegen
ben ^erbft (1509) bin erfolgt fei^).
S3alb fanb fi^ auch für bie meiteren ©ebürfniffe fRatb-
(Jinc ber angefebenften Familien ber ©tabt fd)ien an bem un^»
glücflicben Süngling Slntgeil i\u nehmen. Henning Söb, orbent:*
lieber ^rofeffor be^ SReebt^, j^ugleid) Äanonifu^ ber SoHegiat^
lirebe ju ©t. 9lifolai unb ©cneralofgcial beö S3ifd)offiJ üon dam-
min jmifeben ber ©mine unb ber Ober, nahm ibn in fein ^aug
auf. @in reicher 9}^ann; fein Später, Söebeg Söb, mar ©ürger*
meiftcr, unb pflegte, oermutblicb alö Kaufmann, bic franffurter
aJieffe bejicben. ^er ^rofeffor intcreffirte fid) entmeber mirf^
lieb für ben jungen ^oeten, ober moUte bod) baiS Slnfcbcn baoon
haben. (Sr flcibete ihn, mabrfcbeinlicb au^ ben SSorrätben feinet
Satcrö, unb ftreeftc ihm @elb oor. Slueb mar bic 33ebanblung
Slnfang^J ganj freunblicb; §uttcn fonntc e^ nicht beffer münfeben.
SUImöblicb aber änberte ficb bic ©timmung. äJ^an lieg ben @aft
im $aufe bie frühere ©efälligleit oermiffen, ber |)audbcrr cr^
febmerte ihm ben bcrrfd)tc ihn mit boebmütbigen Sßorten
an, ober machte ficb njobl aud) über fein f(^öngeiftigeö Xreiben
luftig. (Sin greunb, ben §utten mittlcrtocile am Orte ge^
monnen Ulrich 2Ranom, marntc ihn Oor bem SRanne: ben
1) ^uttcn’S ©(^tifien I, S. 9.
44
I. ®U(^. 3. itapilel.
jcboc^ Jütten, tuic er Dcrfirf)crt, burd) Salbung p entmaffnen
IjOfftC.
Ratten tair nun nnd^ non ber ßö^'fd)cn ©eite einen Ü8crid)t,
tvxc tüir i^n nur aon ber ^nttcn’fc^cn t)aben *), fo tuürbe uns bie
SScrgIeid)ung beiber Ujol manches erflärenbe SKittelglieb an bie
$anb geben. Jütten tuar jn feiner SebenS baS
ßamni, laie er fid) ^ier barftellt. SBir fönnen nic^t taiffen, ob
nic^t and) in bem 53cnct)men beS poetifd^cn 3«nferS manches
war, was ben ^rofeffor aerbrießen modjte. Ratten fetbft ftellt
ben 3orn beffetben als eine Sfrt aon @iferfnd)t auf feine Ueber^
Iegent)eit an Äcnntniffen bar. 3US einem Snriften aom alten
©ci^lagc fc^eint bem SJiannc l)umaniftifd)c S3ilbung fremb gewefen
5U fein; allein Ijicr fragt fid) eben, ob ber junge $oet fic^ immer
entl)alten ^abeu wirb, bie ^löften, bie jener gab, empfinblid) ;^u
berühren. SSic fid) bieg aerl)alten b^^ben mag: genug, bie ©ad)c
fam fo weit, baß Ratten einfal), baS befte fei, j\u geßen. 9^un
wollten aber bie ßö^c erft il)re ^orfd)üffe wicbererftattet l)abcn.
^atte ibnen ber entblößte 9lnfömmling, wie er mit erlaubtem
@l)rgefüßle gerne tßat, mand)eS aon ber 2öol)ll)abcnl)eit feines
Katers unb feiner S^erwanbten aorgcfproclicn, fo mochten fic bei
il)ren ©aben gleich §lnfangS auf @rfap, wohl auch auf reiche
@egengefd)enfe, gered)net haben. Ober war eS erft bie feitbem
eingetretenc Erbitterung, waS fie ju biefer ^orberung aeranlaßte.
Jütten fud)te ihnen begreiflich 511 machen, baß gerabc, wenn
eS ihnen um ^c^ahlung ju tl)un, cS baS flügfte fei, ihn pichen
;^u laffen: aielleid)t gelinge eS ihm, anberSwo fein @lüd ^u machen
unb fie bann 5U befriebigen; lao/^u il)m h^er bie äliittel immer '
fehlen würben. ÖJefept, baß eS bei biefer (Gelegenheit erft an ben
Xag fam, baß .gatten, aon feinem 3Sater aufgegeben, aon biefer
©eite nid)tS ju erwarten l)‘^^c, fo war eine folche Entbeefung
Wenig geeignet, bie ©timmung feines SBirtßcS 511 aerbeffern. Enb^
lid), er,^äl)lt er unS, l)flbe biefer feinen SBorftellungen nachgegeben,
unb er mit beffen SBiffen unb Söillcn fid) ^ur 5lbreife aorbc^ .
reitet. 5lber wir erfahren aon ihm jugleid), baß genning ßö^
fpäter in §lbrebc ftellte, feine Einwilligung gegeben 5U höben.
1) 9läntli(b eben in ben Ouereten ober fflagegebichten, oon benen fo»
mehr.
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Äbreife unb Ueberfofl.
45
©'S toax mitten im SBintcr, in ben lebten ^agen bc§
cemberö 1509, atö Jütten (^reifömalb ucrlieg, um nac^ 9toftorf
;\u manbern. ^ic itältc mar ftrcncj, alle äöaffcr, felbft boö 2}ieer
an ber Siüftc, gefroren. mar feine itleiniqfcit für ben noc^
feineömcflö non feiner Ärantl)eit (5Jef)eiltcn, in folc^er Sabre^jeit
einen SBeg non 12 iDieilen ^u guge ^n rücfju legen : bod) in ber
Hoffnung, auf ber mecflenbnrgifcben Uniücrfität eine beffere 21ufs
nal)me finben, pilgertc er munter ju. (SJerabe ging er über
einen gefronten 0iimpf an einer Söeibcnpflan^nng t*uf
einmal fReiter an« ben iöüfd)en bradjen unb mit brof)enber
©timme if)m ^alt j^uriefen. maren 2ö^'fd)e 2)iener, bie ibm
bebrüteten, menig Umftanbe ^u macben, unb ibnen ade« ju geben,
ma« er b'ibe. ?ln SBiberftanb mar nicht 511 benfen, fein Bitten
unb 5^ebfn mar oergeben«, fie j^ogen ibm bie märrnenben Obers
(leiber ab, unb einer fefete ibm, menn er nid)t febmiege, bie gelles
barbe auf bie 53ruft. ®er alte Söebeg mollte bie Äleiber jnrüd
haben, ju benen er mabrfd)cinlid) ben 3<^ug gegeben. 2lber nicht
genug. ^)cr arme SRiifenfobn trug ein fleine« löünbetcbcn, in
ba« er, nebft etlichen ^^üd)ern, and) eigene Dichtungen jufammeus
gefchnürt hotte. Da« fönne fie bod) nicht reid) machen, meinte
er, unb mollte c« an fid) behalten: and) baö nahmen ihm bie
0d)ergen ab. Unb ^um ©chaben ben ©pott fügenb, trüfteten fie
il)n, menn er ben ßenten ein« oorfinge, merben fie ihm fchon
onbere iUeiber fd)enfen. ©0 §utten’« eigene poetifche ©r^öhlnng.
§atb nadt manberte er meitcr: in melchcni ^aftanbe er in
9loftocf anfam, lögt fich benfen. 3n einer clenben Verberge
fanf er auf ba« ©iechbette, ba Äölte unb iölöge alle feine Uebel
ücrfd)limmert hatten. 2/Uttel, fich unb (Srquicfnng ju
oerfchaffen, hatte er feine. 9lad) unb nad) ließ er ben ^rofefforen
ber Unioerfität, ließ er oornchnien ©tubirenben Äunbe oon feiner*
9totl), groben feine« Dalent« ^nfommen. 2lnfmerffamfcit, Dl)eiU
nähme blieben nicht au«. (Sebert ^arlem, oon feiner nieberlän«
bifd)en @ebnrt«ftabt fo genannt, ^rofeffor ber ^hilafophie unb
Stegen« ber ©nrfe ^nr ^immelspforte, fueßte ihn auf unb nahm
ihn in fein ,gau«. @r lebte al« Sunggcfelle; ein gelehrter unb
rcd)tfchaffener ÜJiann, ber aneß anbern außer §utten ßülfreid)
mar. Da« mar fein ßöß: feinen @aft ßielt er fo, baß SSabian
glitten’« Quartier bei ißm mit bem be« Ulßffe« bei Äalppfo ocr«
46
I. ^«d^. 3.
gleid^cn fonntc. ^ forgtc für 5lrj\nci-unb pflege, unb gab bem
SO^ittellofcn @elb in bic §anb. feinem $aufe, an feinem
2^ifcbe, fing glitten an, micbcr aufiulebcn. Slurf) anbcrc
fefforcn crmiefcn fid) il)m günftig; ein teiö non (Stubirenben
fammcltc fid) um it)n, bencn er fc^önmiffenfd)afüic^c SBorträgc
hielt. @r fam orbentlid) in bie SJiobc ju fRoftocf; man hieß ihn
nur ben neuen ^oeten; bereite fehien eg ber SU^ühc merth, ih«
ju beneiben.
9lun fühlte er fich auch tnieber im Oollen Sefi^e feincg
Xalentg. 3a, er fühlte fid) jum crftenmal barin. ®er furje-
ßeitraum feit bem Eintritt feiner norbifdjen Dleife mar für ihn
reich nn Erfahrungen gemefen. 9J^it smeiunbjman^iig 3al)rcn mar
er oom 3üngling jum SJknnc gereift. 2öag aber bag Entfchei^
benbe mar: bie ©pi^c biefer Erfahrungen mar eine empörenbe
Unbill, eine offene EJcmaltthat gegen ihn gemefen, bic feine ganje
Entrüftung heroorrufen mu§tc nnb suglcid) fein Xalent entbinben
foüte. ®ie ^ebamme Oon ^utten'g EJeiftc mar ber ßorn. ©eine
SBerfc fteigen an öcbcutung in bem S^erhältnih, alg bic EJegen*
ftänbe feineg ßorncg bcbcutenbcr merben, biefer fclbft reiner mirb.
SBag §uttcn bie^mal hcroorbrachtc, maren bic Klagen gegen
S53cbeg unb Henning fiöp, ober bic Soffier, mic er fie im latci^
nifchen S8erfc nannte*). S)icfc ©chrift nimmt auf ber eben an^
gebeuteten ©tufenleitcr jmar bic unterfte, aber eine mefcntlichc
©teile ein, alg bic erftc, meld)c bag OoHe EJepräge beg §uttcn'fchen
EJeifteg trägt, ©eine bigherigen ^crfuchc hüttc aud) ein anberer
begabter 3Jinfenfol)n jener Xagc mochen fönnen: bic Querelen
gegen bie ßofficr fonntc nur Ulrich §uttcn fchreiben.
5)ic ©d)rift bcftcht aug jjmei 33üd)crn, jebeg oon jehn Elegien, «
bic ^nm ^hril t)on größerem Umfange finb. SBorangef^ieft ift.
1) ülrichi Hutteni equestris ordinis poetae in Wedegum Loetz
Consulem Gripcsnaldensem in Pomerania et ßlium eins Henningum Vir.
Iuris doctorem Querelarum libri duo pro inaigni quadam iniuria sibi
ab illis facta, i^inten: Excussa sunt hacc Francophordii cis Oderam per
Joannem Hanaw. . . 1510. §uttcn’§ Sd^riften III, S. 19 — 83 unb I, 6. 10 — 15.
®gl. Södfing’S Index bibliographicus Huttenianus 9lt. IV, S. 4. S)ic|cr
Index toirb öon ^|icr an nid^t mc^ir für jebc Sd^rift §utten’§ bejonberS citirt,
jonbrtn dn für onemol, toaS Xitel unb Ausgaben ber ^utten’fd()en SBerle
betrifft, ouf benfclben bertoiefen.
i^utten’S j^Iagen gegen bie S5^e.
47
Dom lö.Suti (1510) batirt, eine profaifd^e Sueignunti an fed^se^n
$rofefforen ber roftoder Uniüerfität, bie fofort norf) jeber ein^\eln
in einem i^m befonberö gemibmeten ^ctraftidjon gepriefen merben.
3n ber erften ©iegic fobann, glcic^fam ber Einleitung, flogt
ber ®ic^tcr ben ©öttern, in^^befonbere bem leibenöfunbigen ©b^iftnö,
fein Unglüd, unb forbert fic ^ur fRoct)e gegen benjenigen auf, ber
fo Unmenfc^lic^e^ an il)m üerübt ^abe. — 2)ie jrocitc @legic
enthält bie (Sjpofition: fie erjäl)lt bie greüelt()at bc^ fioffiuö
(facinus Lossii); bie onfc^auli^cn ßüge nuferer obigen ^arfteU
lung finb grögtentbcilö au^3 i^r entleljnt. — 2)^ britte unb oierte
@legie finb §ülfögefuc^e: einö an ben jungen ©rafen ©berftein
511 ^Raugarten, ber bomalg j^u fRoftoef ftubirte, baö anbere an
ben SoUegiaten unb ^rofeffor ber $^ilofopf)ic 3oac^im iRigemann
gerichtet. finb biefc beiben @ebicl)tc, menn fic
auc^ l)ier oerbeffert erf (feinen mögen, an bie bc^cid)nctcn ^erfonen
Don Jütten um bie 3^it flcfdjicft morben, aU er nod) IjülflosS in
ber jperberge lag. baö Icgterc menigfteng nic^t o^nc Srfolg
loar, fe^en mir auä bem für ^igemann beftimmten Xetraftidjon.
— 3n ber fünften (Slegie üerflagt ,'putten bie ßö^e bei il)rcm
£anbc5l)crrn, bem ©er^^og 3)u§too X., beffen grieben fic gcbrod)en
^aben, unb beffen Wiener fic üicllcid)t bcftcc^cn mö^ten: mobei
er Don öatcr unb 0o^n, ai^ fRedjtöücrbrcbcrn, @f)cbrcd)crn u. bgl.
ein menig fd)mcic^ell)afte!3 Öilb entmirft unb i^re S5eftrafung
forbert. — E)ic fcd)ötc Elegie ift baö iöegleitfc^rciben jur oorigen,
an ^utten'ö frantfurter Unioerfitötöfrcunb Valentin ©toientin,
ber unterbeß 0ccretär be§ §cr^og^ oon ^ommern gemorben mar,
nnb nun bei i^rcr alten greunb^ unb 23rübcrfc^aft gebeten mirb,
bie Älagfc^rift feinem .^errn 511 übergeben unb bei il)m ju bc^
fürmorten. — 3n ber fiebenten @legic fc^ieft ber ^id)tcr feine
2Rufc an feinen SSetter unb S33ol)ltl)ätcr Submig oon §uttcn,
mit ber Äunbe oon ber i^m miberfabrenen 2Ri6bnnblung. ®r
jeiebnet ibr ben Sßcg Oor, ben fic j^u nebmen l)«^c biö ju beffen
0cblo§ unmeit beö ÜRainö, febilbert bie rittcrlicben Uebungen,
morin fic ibn antreffen, bie 2!beilnabme, momit er bie SRaebriebt
oon Ulrich’^ Unfall aufnebmen mcrbc. 9JUt ©clbftgcfübl lögt
er oon bem b^djangefebenen Setter feine üRufc al^ ben 0tol^
beö ^uttcn'fcben ©cfcblccbtö bejeiebnet merben. 2)aö cigentlicbc
öegebren nun aber, ba$ er ibr an bcnfclbcn aufträgt, ift cebt
48
I. ^ud^. 3. ÄQpitcI.
rittcrlid^ unb ed)t ^uttcnifc^. @ic foH bem iRitter toon ^rtonffurt
reben (n)obd xoix, tuie fortan burd)au^, unö erlauben, feine latei«
nifd)en 33erfe fo leiblich aU mög(i(^ 511 oerbeutfc^cn):
a®oI}l ja fennft bu bic Stobt, öorlänöfl in ben Äricgcn ber t^ronfeii
^föorb fie erbaut unb b^i^t no^ ben (Srbouern no(b je^t.
Sie burdbi^neibet ber 3Jtoin, ber unter ber SBrürfe bobinftiebt,
Unb nidbt ferne be§ StbeinS mö^tigem Strome ficb eint.
§0(b Qufrogen bie dauern, c§ prangen bie ftoljen (Sebäube,
' Stolj audb ift auf ben fKubm ihrer ®ctt)obner bie Stabt . . .
^Ißeitber fudben bie Golfer fie auf unb roanbern bie ^enfdben,
Denn für bie 9Öaaren ber 933clt ift fie ber mimmelnbe fDlarft.
Unb nun baö ^Inließen:
Sie toirb 2offiu§ audb, jur fUleffe, ber 95ater, befudben;
3bnt mit criefener Srfjaar, JHitter, oerlege ben 9Beg:
©reif’ unb bntt’ ibn in ^aft, meil ibn ju erfteeben bebenfli(b;
3lbn ju beftrafen fobann bleibe be§ Dieters ©efdbäft.
— ®ic ac^tc ©Icflie ift an ^utten’ö öreifötoolber greunb Ulrich
ÜJianotü, ber ibn oor Henning gcU)arnt Ijattc, — bie neunte
an ben oornialigcn erfurter Uniocrfitätöüenoanbtcn, je^t mecflcn-
burgifeben 9totb Sfiitolauö 9}^arfcbalf gerid)tet, ber il)n, faH^ ber
Söiberpart fid) rubig oerbielte, uon toeitern gdnbfeligfeiten ab^
gemahnt b^^c. 5lbcr Soffiuö ftcUc ibm noch immer nad) unb
mödjte ibn gern um^$ Seben bringen. — ^ic jebnte ift bie ©^lufe?
elegie an ben Sefer, in mclt^er ber Siebter über feine .^erfunft,
feine fperfönlidjfcit unb feinen ßebenöplan Sluöfunft giebt. @r
fcbilbcrt bie Söoblbobenbcit feinet SSatcr^, baö bebaglicbc Seben,
bem er au^ ßern* unb fReifebegicr ben iRüden gemenbet b^bc,
unb ftcUt bamit baö tröge ^raffen be^ Soffiu^ in Sontraft. 5“^
ben Slugenblid freilid) habe ba^ launifebe @lücf ibm ge^
nommen, biö auf feinen @eift unb SWutb: auch biefe möchte
fioffiuö gern Uernid)tet fel)en.
3utn ^^meiten öuebe ift bie erfte ©legie baö ^ormort: nodb
fönnc er nidbt fdjmcigen, benn Soffin^, aufgebradbt barüber, bafe
Jütten ju fRoftod in ©b^^cn gebaltcn merbe, fud)e nun auch fein
ialent unb feinen fRuf an^^ugreifen, unb feinbe jeben an, ber
ibm gut fei. — Snöbefonberc fei bcrfelbe, führt bie britte (Slegie
auö, über ben öeifaU erboft, ben Jütten bei feinen
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^utten’S Alogett ßcfien btf S5^c.
49
finbc: bic ftc^ nid)tö barum fümmcrn unb brnb (cmcn foHen. —
3n bcr j^tüciten (Slegie bringt fic^ §uttcn feinem alten ÖJönner,
bem öifd)of ^ietrid) non Sülom, in ©rinnerunfl; — in ber
nierten fprid)t er feinem Söirt^e, (Sebert ^arlem,* feinen ®nnf
auö; — in ber fünften l^ölt er einem fReiber unb Söiberfac^er,
bcu er ^^ilüpompuö nennt (in bem aber mit S33al)rfc^einlk^feit
Xilemann ^euerlinci, ber neibifc^e ©egner ^ermann’ö non bem
53ufd}e, nermntf)et mirb), ba§ marnenbe SBeifpiel be^ Soffiuö nor;
— in ber fiebenten fc^t er einem fo eben nerftorbenen 2Bol)ltl)äter,
Scifob $aner (^auer) ein Xcnfmal; — bie neunte ift an ben
3uriftcn Sodann Sobering, ber §utten'g ©ac^e aU Sfled^tdanmalt
übernommen batte, gerichtet. — 3n ber fcd)^ten @(cgie menbet
ficb ber dichter an feinen alten Sebrer unb Vertrauten, ®rotu§
?Riibianu§, — in ber achten an ben .^erjengfreunb (Soban $effe:
an jenen mit einer fürjeren Hnbeutung, an biefen mit einer au§s
fübrlicben ©r^äblung ber ßoffifeben Untbat, an beibe mit ber
Vitte, gegen feinen unberföhnlichen geinb unb Verfolger entmeber
auch etmaö ^u febreiben, ober bodb baö, maö er gegen benfelben
gefebrieben höbe, ihm nicht -^u berargen. — ©nblidb in ber zehnten
unb ©cblugelegic an bie beutfeben ^oeten macht §uttcn feinen
:^anbel mit ßoffiug ^ur gemeinfamen @acbe aßer beutfeben ^u^
maniften. Qu bem ®nbe febieft er feine elegiftbc 9JJufe auf eine
(i)on unö febon früher gelegcntlid) ermöbntc) Vunbreife im Vater«
lanbe, unb lägt fie bei aßen belehrten ber neuen Viebtung,
9)?eiftcrn unb ©efeßen, einfpreeben, um il)r 9)titgefübl, toenn oud)
nicht ihre SKitmirfung, für baö migbanbelte ©lieb ibreiS Orbenö
rege ju machen.
Xiefev ©emeingeift, biefe ©olibarität unter ben freien unb
febönen ©eiftern jener Seit tuar nicht bloS ein S03unfcb §utten’^,
fonbern fie beftonb in ber SBirflid)feit. SBenige 3abre fpätcr,
fo j^cigte fie ftcb glänjenb in Veucblin'd ^anbel mit ben Kölnern.
Zugleich gibt und biefe ©Icgic gleicbfam eine bwntaniftifcbe 0ta«
tiftif bed bamoligen Xeutfcblanbd. 3ut ßWecflenburgifd^cn j^eigt
fie und ben ©cfcbicbtfcbrcibcr unb Xiebter 5Rifolaud fütarfcbalf;
in Xanjig bie ©clebrten ©btiftopb ©ud^ten 'unb ©berbatb Verber;
in granffurt o. b: 0. bic und fegon befannten greunbe ^uttcn’d,
Vigilantiud unb Xrebcliud mit ben beiben 0ftcn; im Vranben«
burgifeben fonft noch ©itelmolf Dom ©tein; in ©cblcficn ^oren,^
VIL 4
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50
I. 3. ftapitd.
(Sorüin unb ©igmuub gagilucuss (Söud^tvalb); in S3ö^mcn ben
nielcjebriefencu 3Käcena^, ^ol)Uölau üou ^affcnftcin, mit feinem
grcunbe, bcm 2)i^tcr Soljann ©turnuö (0tQr); in SBittenberö
33altt)ajar ^()acd)u^, ©palatin, fammt ben beiben ^octen ©ibutuö
nnb ©bruliu^; in Scip^iß Si^agiu^ Slcfticompianuö unb §iero?
nprnuö @mfer; bei unb in ä^agbcburg bie 2)ic^tcrin 9iifg unb
ben ^id)terpQtron Äa§par ©teinbed; in Erfurt ©rotuä Sflubianuä,
@übnn §effe unb Xcmoniiiö; in ©otl^a 2Jiutianuö S^ufuö; in
SBür^buvg ben 5lbt 5:ritbcmiug. ?Im ©peffart merben (Sapeßa
unb ©üpfo aufgefudjt; in gulba ber Soabjutor ^artmann öon
^jirc^berg mit ben ©cbiübern 9}iöi*lin unb ^ctruö Slfungia bc^
grüßt; in Reffen SKiüiuö; in SBcftfalcn IHubolf ßnngc unb ^er=
mann üon bem önfdjc, jener einer ber Später, biefer einer ber
eifrigften §(poftet beö ^umani^mu^, mit ißren ©ebülfen SWur*
meßiud unb äJtontanuö; in Ä'ülii ^alob ©ouba, fRemaclu^ unb
Sanier; in Äoblen^ unb tueiter rßeinaufmärtö bie fd)on ermähnten
SJrefemunbc, gabriciuö, 3ßimpheling, SIngft, ©eb. 53rant unb 3af.
Sod)er (^hilomufu^); in ©chmaben eublich Heinrich ®ebel unb
3ol)ann 9leuchtin. äJ^an fieht: S^üruberg, Slugöburg, SBien faden
nod) nicht in ben @efid)töfreiö be^ ©tatiftiferö; becJ SraömUiS
tonnte er fd)on beßmegeu uid}t mo{)l in biefem ßufammenhange
Srmähuung thun, meil berfelbe, fauni au^ Italien ^urüefgefehrt,
nad; Suglanb gegangen mar.
®ie ^anbfeprift biefer ^)id)tungen fd)eint §utten nad) grants
furt a. b. 0. an feine ehemaligen £ehrer, 35igilantiu^ unb 2^rc=
beliug, gefd)icft ^u h^^ben: biefc befolgten ben SDrud unb fügten,
nach ber ©itte ber eigene fleinere X>id)tungeu bei, morin fie
mit märmfter Xheilnahmc bie ©ache be^ ©chülerö unb nuumeh^
rigen SJeuoffen ,^u ber ihrigen machten. ®cr SJrunbgebanfe ihrer
Beigaben ift, mie gefährlich eö fei, einen 2)ichter ju beleibigen,
ber alle SJötter ^um ©chup unb alle ^oeten ju feinem ©eiftanbe
habe. Sig jeigte fich aber in biefem galle gerabe l)öd)ft ungefähr^
licl). ®en beiben iiöpen, bie, menn fie aud) fo fd)lecht maren,
;gmtten fie macht, burch fReichthum unb gamilienelnfluß ge*
halten mürben, fchabeten bie §utten’fchen ®ichterpfeile fo menig,
baß ber ©ohn uacl) menigen gahren oom Äanonifuö ^um ^opft,
ber Später oom ,^^meitcn ^nm erften iöürgermeifter aufftieg. Unb
aud) ber ©chmach bei ber 9tad)melt, bie ihnen Jütten bereiten
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i^ultfn’8 @ebid(|t Don bcr ScrSfunp.
61
tDoHtc, f^ienen ftc mcrhüürbicjcr S33cife cntgd)cn foflcn. Db
bie ^uttcu'fc^e 0c^rift nur in tucnigcn ©jcmplarcn gcbrurft
ujorben ttjar, ober ob bic ßö(je fic ouffauftcn : flenng, nad) einigen
(Jnoä^nungen in ber näc^ften ßcit fe^en toir an 200 ^af)xc
long jebe Äunbe Don berfclben unb i^rcm Sn^altc oerfd)tt)unben.
9ioc^ im So^te 1717 fc^rieb ber gelehrte unb umfic^tige S3urcfbo^^^
über 4>uttcn, o^ne oon bcr ©d^rift unb bcin ganzen grcifömalber
2lufcnt()aUe feinet gelben ctmaö 5U miffcn. @rft feit 1722 taud^t
toicber eine 91ac^ric^t Oon berfelbcn auf, ein ©jemplar fpuft in
©c^lefien, baö aber immer nid^t jum SSorfd^cin fommt, bi^ am
(Silbe bc^ 3o^r^unbcrt§ in bie .§änbc Oon 3J?eincrö fällt, unb
cnblic^ im 3ol)re 1816 äJ^o^nifc, nad^ einem Oon il)m unterbeg
5U Söolgaft gefunbenen ^locitcn ©jcmplar, mit ©rgängungen aug
bem göttingifc^cn, eine neue 2luögabc Ocrmiftaltet. ©citbem ift
noc^ ein im britifc^cn SJiufcum ^u fionbon bcfinblic^ciJ ©jcmplar
befannt gemorben, ba§ ben Sl^orjug befi^t, oon beö ®id)tcrö
eigener $onb burc^covrigirt unb mit einer poctifc^cn SSibmung
an ben mittenberger Surifton Äilian iRcutcr ocrfcl)cn 511 fein.
SBäl)renb Jütten im Sltorben folcbe 2lbenteiier beftanb, loar
er unter feinen greunben im mittleren ^eutfd)lanb ocrfd)ollen.
(Sin 53rief oon (Srotu^ 9^nbianu§ ^attc il)ii oergebenö in ©ad)fen
unb granfen, ber Wlaxl unb ^^ommern oufgefne^t. @inmol
mollte oerlouten, er lebe geplünbert in 33raunfd)loeig. @rft auö
ben gebrueften Querelen erfuhr man etloaö (^enauereö über fein
©c^idfal. (Srotuö crljiclt ba^ ^üd)lein oon 3)hitian jum ©efdjcnfe.
©egen @nbe be^5 3abreö 1510 bit'ü cö, Jütten beabfiebtige in
granffurt a. b. 0. als £cbrer auf5utreten: ibn j^u l)ören, ging ein
junger 3)?enfd), SfiamenS 3ol)ann SÄJciger, bal)in ab, bem SrotnS
einen äiociten ^rief an ben greunb mitgab. ©0 oiel loar rid)tig,
Jütten mar inittlermeilc oon iRoftoef abgegangen, unb bie greunbe,
bie er in granffurt muSte, jogen iljii an: aber am ©djluffe beS
3ol)reS befanb er fid] in SBittenberg unb fd)icfte halb barauf
feinen jungen S3erel)rern an bcr Ober, ben beiben Often, ftatt
feiner baS (^ebiebt oon ber S8crStunft, baS er auf il)rcn Sä>unfd)
oerfogt bottc, ju.
glatten bic ©Icgien gegen bic ßö^c nur menig SSerbreitung
gefunben, fo fanb .^iittcirs „(Kroifd)Ci5", b. b- lauter .^icjea*
52
I. 3.
mctern gcfdjriebeneö ©cbic^t uon bcr Sßcr{c 5U nmc^en*),
eine um fo mcitere. @0 menig uämlid^ ein ©cbic^t biefer §[rt,
beffcii 3^ul)alt icbifllid) tcdjnifc^e iRegcIn, nac^ unferm ©cfci^macfc
ift fo fc^r mar cö im @cfd)macfe jener Qdt iiängft gab e^ uer?
fd)icbenc äf}nlic^e S93erfc, üon 3atob Söimpijcling, $einric^ 33ebel
u. a. ^utten'fd)e mad)te fic^ befonber^ beliebt. 3n Seip^ig,
^lürnberg unb namentlid) and) $ariä erlebte eö eine iRei^c üon
^luflagen, jum X^cil mit Kommentaren: e^ ift 0c^ulbudö gemor?
bcn. 9tad) einer furzen Kinleitiing ^anbelt eö erft oon ben S3udjs
ftabeu: SBocalen, Konfonanten, ®ipl)t()ongen; bann oonben ©Üben,
langen unb furjen; hierauf Don ben Öeröfügen; meiter oon ben
SSerömagen, mobei aber nur §cjameter unb Pentameter mit i^ren
KJefe(jen unb Sicen^en jur ©pradje fommen. Uebrigen^ fönnen,
mac^t §utten bemerflic^, biefe IRegeln nic^t ^lUe^S umfaffen, fonbern
müffen burd) Sefen ber i)id)tcr ergänzt merben. Ueber^aupt
braucht ber ange^enbe Poet uicl ©tubium: in pijilofop^ie, Sfto#
turfunbe, KJef(^id)tc u. f. m. 3ni^bcfonbere muß er bie ©efefee
ber 9lcbe!unft fid) einprägen unb bcn Unterfc^ieb ^mifci^cn bic|«
terifd^er unb rebnerifd^er 5luöbrucfömeife fid^ beutlic^ mad^en. •
Quiekt mirb noc§ üon allcrljanb poetifd^en ^Rebefiguren unb Qkx^
ratl)en, üon Kpit^eton unb S(napi)oro, SWetap^er unb SRctaUage,
Xran^pofition unb ^iäreftjS, SlUegorie unb 3ronie, ge^anbclt.
Sln^ie^enber al§ baö Söerf felbft ift für unö bic üorongc#
fdjicfte profaifd)e gueignung an bic ©ebrüber Dftcn. ©ic foUcn
fi^ burc^ bcn ©pott bercr nic^t irren laffen, mclc^c in il)rem
©tubium über bie ^unmnioren ^inmeg ju angeblich Ijö^crn
gackern eilen: ba boc^ o^nc jene auc^ in biefen nichts Sicdjtcö
auöäurid^tcn fei. ©ein in ®ile auf i^r S^crlangen gcfc^ricbeneS
ße^rgebic^t mögen fie frcunblic^ aufne^men; obgleich taum älter
alö fie, l)abc er boc§ feinen ^nftanb genommen, cg für fie ju
üerfaffen: für junge Seute fc^iefe ftd^ ein junger ^id^tcr.
2)icfcg ©cbic^t üoUcnbcte Jütten om 13. gebruar 1511 in
bem §aufc üon Söalt^afar goc^ug (ober p^aed^ug) in SBittenberg,
mo er fid^ a(g ©aft aufl)ielt. ®iefer, ^alt^afar gabriciug aug
1) ülrici Hutteni de arte versificandi über unus heroico carmine
ad Jo. et Alex. Osthenios Pomeranos equites. (1511). ^utten’S €(^nftm
III, @.89 — 106. ®ic Zueignung on bie Open, I, @. 15 f.
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^uttrn unb jrtn Saier.
53
S3oc^a an bcr SGöerra, tuar §nttcn'ö, tuic bicfcr fdbft faßt, alter
niib reblid)cr greunb. ©d)on in ben Ducrclcn tüirb er al^ folc^er
ertpö^nt; anö Italien fct)rieb iljm §utten fpäter im 3nl)v 1512
einen Pertraulic^en 33rief, unb in ^Briefen an £ntl)er unb 9Ke=
land)t^on lägt er ign grügen. @r ßcgörte bem erfurt*ßotl)a5
tuittenberßifdjcn Äreife an, mar ^rofeffur artium, einmal and)
9lector ber lebtern Uniuerfität, fc^eint aber, mie $eter ©berbad),
eine megr befd)aulic^e alö tgötige 9Jatnr gemefen fein. 3n
Söittenberg befreunbete fid) §ntten and) mit Philipp (Sngelbredjt,
pon feinem ©eburt^ort @iißen im 33abifd)en Kngentiniis ßenannt,
ber fid) in einem ber SSeröfunft beö greunbeiS beißegebenen 3)ps
be!aftid)on beffen ©ibbrnber (conjiiratus) nennt, nnb fpäter alö
anßefegener £el)ver in greibnrß i. ^r. crfd)cint.
SBägrenb biefer mng Jütten mieber in brieflid)en Söer*
fel)r mit feinem 3Sater ßetreten fein. bem Umftanbe, bag
(Srotnö biefem bereite ba^ 3al)r Porger ein 0d)reiben an ben
0ül)n jnr iöeftellnnß ßab, ift 511 fd)liegcn, bag ber Söater fd)on
bamalö 53riefe an ign abßegen lieg. 3gr 3ngaLt fd)eint aber
nnfreiinblicg nnb Ulrid)’ö 9?ncffegr in^ ÄU öfter alö iöebinßuiiß
alleö SBeiteren poranßeftellt ßemefen ju fein, ^a manbte fid)
biefer an ben alten grennb ©rotnö um ?lnffcglug unb 33crmitt:*
Innß. ßrotuö, ben mir feit ^ntten’iJ §lbßauß Pon Erfurt auö
ben ?(ußen Pciloren gaben, unb über beffen £ebeiK^ßanß mägrenb
biefer wniS aueg nägere 9litßaben feglen, gatte eine (^rjieger*
ftellc bei ben jiiiißen ^)enneberg’fd)cn (Grafen, bic er julegt, mir
miffen niegt mo, befleibet gatte,, aufßeßeben, unb mar im 3agr
1509 ober 1510 naeg Erfurt j^urücfßefegrt, mogin ber iUeiö alter
©tubienßenoffen, bie nod) bafclbft lebten, ign )iog. $(llein ba gel
er ßerabe in bie müften Unrugen ginein, meld)e in jenen Sagren,
in golßc eineö ©treiteö j^mifegen 9?atg unb ^ürßerfegaft, bie
©tabt 5errütteten, unb and) ben literarifd)en Äreiö bafelbft aiuJ*
einanberfpreiißten. Unter fold)en Umftänben fam im folßenben
SEBinter bem ©tille liebenben SrotUiS ein ©rief auö gnlba fegr
ßeleßen, ber ign bortgin einlub. @r füllte baö ßeboppclte ^mt
cineö ßegrer« an ber itloftcrfcgulc unb eineö 3nftructorö ber
SWönege übernegmen. ®r münfd)te Xrennunß beiber Slemter:
barniif ßiiiß man niegt ein, fteUte ign nbrißenö leiblid); nod)
64
I. Su(^. 3. ftapitcC.
33cffcrcö ucrfprad) fein (SJöimcr, bei* (Suabjutor, fo bag ber (^enüß^-
famc aj^ami fid) galten lieg.
9Son I)icr au<3 crlic6 er nun an Jütten, bet il)m qu§ SiJit:*
tenberg gcfdjricbcn Ijatte, o^ne njeber ben einen nod) ben anbevn
non Srotiiö' frühem Briefen erF)altcn 511 l)aben, unter bem 3. ge=
bruar 1511 ein auöfül)rlic^C!5 5(nttuürtfcbreiben i), baö ben greunb
erft ber gortbauer, ja ber ©teiciernni] feiner greunbfdjaft unb
^üc^Qc^tnufl nerfic^ert, nnb if;n bann non bem @tanbe feiner ^In*
9elcflenl)eiten in ber §cimatf) unterrichtet. @r habe, fchreibt
Srotnö, feit er fich in bie fulbaifdje ©infamfeit jnrnefge^^onen,
nid)tiJ üerfönmt, moüon er h^ibe üermnthen fönnen, bag e^ bem
greunbe SJürfd)ub thnn merbe: oft h^be er fomoht mit feinem
SSater alö mit ben fd)mar^en SSrübern (ben löcnebictinern 511
gnlba) ehrenüoU uon ihm gerebet unb giivbitten für if)n eingelegt.
5(u§ feinem SSater, meint ©rotuö, fei fd)iuer fing 5U merben, 0o
oft berfelbe oou bem*©ohn rebe, gefchehe e§ in ben berädjtlichften
?lnöbrüden, uoU ©pott über fein 5:rciben, al§ ad)tcte er i()n
feinc^5 ^fennigö mertl). ^^luf ber anbern ©eite jebod) mad)e eö
ihm nnOerfennOar grenbe, ben 0ohn uon Slnbern gelobt ju hören.
®aher bringe er auch ba^ ©efpräd) fo oft auf il)n, unb fange,
menn bie anbern fertig feien, uon uorne an. ^J)aranö glaube er,
©rotuö, fd)lie6en ^u bürfen, bag eö bem alten .gutten mit feinem
Schelten auf ben Sol)n unb feinem bringen auf 'beffen fRüdfehr
in bie Äutte nid)t fo ernft, bag beibe^ uielmehr nur eine SD^aöfe
fei, bie er uorneljme, nm fid) uor ben 3J^önd)en Uon jebem S^er*
bad)t, als märe er mit ber ©nOueichung be^ Sol)ncö einuerftan^
ben getoefen, j\u reinigen. S^eulidh bei einem Schlaftninfe h^be
er, nad) bem Slbgang ber übrigen ©lüfte, bem ©rotuö unb nod)
5toci 9Inbern fid) ohne fHücfhnlt aufgefd)loffen. ©rftlich h^^be er
geäußert, er loollte toeiß nid)t ma§ barum geben, baß ber Sohn
nicht fo uiele 3nl)ve im Älofter jugcbracht l)ötte. gorner habe
er jugeftanben, er ^meifle feßr, baß fein Ulrich je einen guten
ajiönd) abgeben mürbe. ®rittenö habe er eiltet SJenoanbten ©r^
mühnung gethan, ber in Stalien lebe unb olö Surift emporges
fommen fei : toenn ber Soßn ^urüeffehren, feine 9?arrenöpoffen
(bie bonas literas) oufgeben unb fid) bem S^echts^ftubium mibmen
1) 3n ^utten’S ©(Triften I, ©. 17—21.
grotuS ol§ SScnnittlcr.
56
möd^tc, fo tvolltc er ju biefem Setter fd^iefen; e§ fei beffer,
er tuerbe ein Scc^töUerbrc^cr (rabula forensis), tüeld)cr ber ^ut-
ten’fd)en gamilic nü^c, al^ ein 9D?öndj, ber bei feinen Obern
übel angefd)ricben fei. SJiit IRücffic^t ouf biefe Slcngcrunßen beö
Sntcrö ^ing nun ber Satb beö greunbe^, tuie fd)on in ben beiben
öcrlorengegangenen Sriefen, bal)in, §utten foOc ^urndffeljren, nidjt
um mieber in bo^ Älofter eiujutreten, fonbern um erft einen
tiefem ©inblicf in feinet Satere $(bfid)ten ju geminnen. Xraue
er biefem nic^t, fo !önne er ja einftmeilen bei juuerlöfftgen grenn?
ben unb Sermanbten abtreten, bem Sater feine §tnfnnft an^eigen,
unb benfelben um (Sröffnung feiner SBillenömcinung bitten, ©ei
er mit biefer nid)t einoerftanben, fo möge er eö mad}en, toic
^omponiu^ ßätu^, ber ben ©einigen, bie i^n au5 Som nac^
^aufc beriefen, ^urflcffc^ricb : ,,^omp. Sötu5 feinen Senuanbten
nnb greunben feinen ©ruß. 2ßaö il)i* oerlongt, fann nid)t gc=
fd)eßcn. Sebet moljl." SDann ftel)c il)in immer nod) bie gan^c
SGLk'lt offen. Sorßer aber fode er jenen Serfud) madjen; mo^^t
ber greunb ißn ßiemit crmal)ne unb eintabe.
Um feiner bringenben (SJelbnotl) ab^ußelfen, (jottc fid) Jütten,
ber feineö Saterd ©tarrfiun fanntc, mit feder 3»t)erfid)t an baö
Ällofter felbft geiucnbct, bem er cntfprung'en mar. @r ßatte einen
jungen 3J?ann feiner Sefanntfe^aft, (Gürtler) mit Sftamen,
nad) gulba gcfdjicft, mit Sriefen, in benen er für ben gall, baß
man ißn jefet oon jener ©eite mcrftßätig unterftüjen mürbe, feine
9ftüdfeßr ing Ä'lofter in ?luöfid)t gcftellt ßaben muß. ^ie Säter
ließen ißm bureß Grotud gan^ freunblid) antmorten; and) für fid)
l)crfid)erte biefer, baß bie 3jiönd)e, befonber^ ber ^2lbt unb ber
ß^oabjutor, bem giüdjtling rnoßl mollen, oiel auf ißn ßalten unb
üon il)m ßoffen: aber @elb brad)te ber Sote fein^ ^urücf. 2)ie
fingen Söter molUen nießt bie Geprellten fein: er möge nur erft
feinem Serfpredjen naeßfommen, ließen fie ißm fagen, fo moUen
fie für feine ©tubien auf’d Sefte forgen.
©0 menig aber bie geiftlidjen §erren 511 gulba auf §utten'ö,
fo menig mar biefer geneigt, auf feineö greunbeö (Erotu^ 2(nfin'
neu ein.^ugeßen, unb fieß feinem Sater ober feiner gamilie mieber
3U ftellen. 3^tad)bcm er im gebruar nod) 311 SBittenberg fein
Gebicßt Don ber SersJfunft üoUenbet ßatte, erbliden mir ißn im
©ommer beffclben 3aßrev3 auf ber iianbftvaßc buvcß Sößmen
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56
I. 3. Papitcl.
unb a)iäl)rcn nad) Söicn. Unb jiuar abcrmaU im fläglic^ftcn
^(ufjuge unb in bei* äugerften ^ürfticjfcit : alfo oI)nc Unterftü^ung
uon ©eiten feineiJ SSotevö. @ö fci^cint, ei* f)atte fid) noc^ nic^t
ju bem SBerfprec^en ^erbeigelaffen, fic^ bem 9led}tdftubium mibnien
ju moUen, baö ni^t btoö it)m, fonbern and) bem greunbe ßrotuö
al5 ein trourifleö ©tubium evje^ien. @anj fo clenb übrigem^
ging eö bem SBanberer nur biö Dlmüb in Sü^ä^ren. ^ier mürbe
er burc^ ben gelehrten tropft ?luguftin, bei* fd)on beö Äonrab
©eltid greunb gemefen mar, bei bem trefflichen !söifd)of ©tanid?
lau^ eingeführt, tiefer, gleich feinem trüber Sohöun,
bem ®ifchof non lör^glau, ein S^ereljrer bc^ (Srai^mu^ unb gör^
berer ber auflebenbcn SBiffenfdjoften , nahm ben irrenben fRitter
beö ^umaniömug gaftfreunblich in feinem ^alafte auf, unb be^
fchentte il)n beim §lbfchiebe mit einem $ferbe uebft fReifegelb, baö
bii$ 52Bien üorhielt, moju ber tropft einen golbenen S^ing mit
einem foftbaren (Sbelfteine fügtet).
3n SBien hf^Hc ^cr ^umaniömuö befonberö burch Ätonrab
ßelti^, ber, im 3ul)^c 1497 uon itaifer SDiajimiliau berufen, biö
5U feinem 1508 erfolgten Xobe bafelbft gemirtt hoH^r 5^6 ^efafet.
Selti^ mar ber ©tifter ber gelehrten ÖJefeÜfchaften in Xcutfd)-
lanb, unb fo lebten in 3Bien bie Slnl)änger ber neuen fRichtung
^um Xh<^ti freien ^auögenoffenfehaften ^ufammen. @in folcheö
cjontubernium oereinigte eben bamaU ben ©t. ©aller Soadjim oon
SBatt (IBabianuö), einen gemiffen SRariuö (SRaier) *} nnb ben Er-
furter ?5eter Eberbach- Shnen, oon benen er oieHeicht ben Eber?
buch fchon früher fonnte, gefeilte fich nach fcio^i^ Slnhmft in
Söien Ulrich Jütten bei. ©^on am erften Hbenb erzählte er
ihnen oon ben Abenteuern unb Unfällen feiner IReifen. ©ic
hörten mit Xheilnahme unb öemunberung ju unb glaubten, einen
anbeni Xulber Obpffenö oor fid) ju fehen. Unter folgen ©e?
fprächen griff |)utten in ben Sufen unb 50g etliche Slötter herauf,
bie mit SBerfen befchrieben maren: eö fei ein ©ebicht auf ben
Äaifer ÜRajimilian, fagte er, ba^ er mährenb ber lebten Xage
1) Ouette ^liefüt ifl ®abion’§ ®rief an $annpcttcr, ^uttcn’S Sd()riflcn I,
©.22 — 24.
2) Ob e§ 3obonn ober ilugufHn »or, bie ftd^ fpfiter in öer|(^iebenem
©inne befannt modjten, baS }u ent|(hciben, ifl nidjt ber Ort.
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I^uttrn in ^ien. &ctn ^ufnta^nung§gebi(^t an ^asimiltan. 57
unter bcn Scfc^njcrlid)fcttcn bcr Steife gefc^riebcn 1)q(h’; fie inöc^cu
urt^eiten, U)aö baran fei. 2)en J^eunben, tuie fie eiö üon ben
0ibl}flinifd}eu 33lättern jufammcnlnfen, (gefiel bie ©vfinbiiufl fu
gut, ba6 fie eine Ibfc^rift naljmcii unb biefc ciU ein ^ud) jiu
fammenbinben üc6en, biö nac^ |)utten’ö ^^(bveife, 5U Slnfmig beö
folgenbeu So^reg, S^bian fic^ eutfd^loß, baffclbe in beu ^vuef
ju geben. (Sr luibmete eö bem (5)corg Sollimitiuö (Xannftetter),
$rofeffor bcr SJtati^ematif unb SJtebicin iinb SBicefanjler ber Unis
öcrfitnt, ber bnn jungen ®ic^tcr iväf)renb feinet SBiener §(ufent=
^oltcö uiel SBo^lmoUcn beroiefen i)attc*).
^ufmal)nungiggcbic^t an ben Äaifcr 9Jtai-iniiliaii 511111
Kriege gegen bie SSene^iancr bejeic^nct einen luic^tigcn ^unft in
^utten’ö @ntmicf(ung. Söon beu tl)ci(ö pcrfönlic^en, tt)ed)5 Ute-'
rarifd)en Sntcreffen, benen feine bi^I)erigc ©c^riftftellerei geiuibs
met n>ar, tuenbet er fid) je^t ben 5Utgelcgenf)eiten beö SSaterlanbe^
ju. (Sr fül)lt unb betljätigt fid} nid)t nud)r bloä alö 2)titglieb
bcr @elel)rtenrcpublif, fonbern beö beutfd)en SSolfeö; ftatt über
baö $riuatunred)t, baö bie £ö^e i(}iii unb in i()m ber ganjen
^octeninnung ^ugefügt, 5Ürnt er jc^t über bie poUtifd)e ©d)mad),
ujeldjc ®cutfd)lanb unb feinem 0ber()auptc uou ben Venezianern
miberfa^ren ift. äJtajimilian, in beffen ()ü^em aber unftätem
Reifte bie alte 3bec beö römifdjen ilaifcrtl)uinö beutfdjcr Station
noc^ einmal auffladertc, Ijattc nad) alter 0ittc feinen bemaffneten
Stömerjug madjen unb fid) zum ilaifer frönen laffen moüen: aber
bie Venezianer l)attcn il)m ben $>nrd)zug burd) iljr ÖJebiet uers
meigert (1508). @r l)attc fic^ ftärfer gerüftet, um z»üU’id) über*
l)aupt bie Verpitniffc Stalicnö micber im Sinne ber alten Obers
^crrlic^fcit beö Slcic^ö zu orbnen: aber nad) einem ©lücf oers
fprcc^enben ?(nlaufc fal) er fic^ zufüdgefd)lagen. Von ben ©tänben
beö SRcic^ö nic^t gehörig unterftü^t, oon ber treulofen italienifd)=
franzöfifd)en ^olitif geäfft (man beide nur an bcn SBec^fel ber
?lllianzen üom Slbfc^lu^ bcr ßiga zu Sambral), 10. S)ecembcr 1508,
1) Ad divum Maximilianum Caea. Aug. F. B. bello in Veuetoa
euntem (Jlrici Hutteni eq. Exhortatio. ?lm ©d^tuffc: Viennae Pannoniae
apud Hieronyraum Vietorem et Joannem Singrenium. Menae Januario,
Anno 1512. mit bcr neuen ^earbeitunß beS @ebid(|t8 bom 3a^r
1518, ©(Triften 111, e. 123-158.
58
I. %ud^. 3. i^apitcl.
Oiö bcm ©ünbnifj Don -24. aWärj 1513), bn^u fclbft
fd)iuaufcnb, fc^tc il^oyimitian feinen itainpf O'^gen bic Söcnc^yancr
mit borüberge^enben ©rfolgen fort; aber bie Hoffnung, einen Xl)eil
if)ve!^ feftlänbifc^en ©ebiete^ bem fJieic^e jnrücfi^uerübern , mugte
anfgegeben merben. ®er reidjen fRepubtif fom e^, nm fRu^e ju
befüinmen, auf eine 5ln^al)lung, ja auf baö Jöevfpvec^en einer
jäl)rlid)en 2lbgabe an ben Äaifer nid)t an (1510): bie ©tönbe
maren bafnr, ba^ ^Inerbieten anjunefjmen, non bem ber ritterlich
Ä'aifer, in biefer ©efinnung and) burd) fiubmig XII. uon gran!=
rcidj beftärft, für je^ noc^ nidjtö miffen mollte.
§ier greift baö ©ebic^t bon §utten ein. iRadjbem bic SIcs
ne^^iancr — baö ift ber ^auptgebanfe — fic§ im ©lücf über*
mütl)ig gezeigt nnb ben Ä'aifcr biclfac^ belcibigt I)abcn, foUe man
il)nen iefct, ba fic ben grieben fnd)cn, biefen nid)t gemäbren, ba
e^ itjiien nur um grift, fic^ 511 berftürfen, ^u tt)Ub fei. ^abei
mirb baö ^erfommen unb ^iluffommen ber ^enejiaucr in ba)§ ge*
hfPöft''' Öirf)t gcftcUt: morin fid) cineötl)cilö bic ©timmnng ber
3eit gegen ben lange ertragenen bcne^ianifc^cu Uebcrmutl), tl)eil§
aber and) ber Söibcrmille nnfcrö armen iRitter^ gegen eine ?Rc=
publif rcidjgcmovbcner Äauflcutc aib^fpridjt, beffen er fid), aud)
ben bcutfdjen 9ieid)0ftäbten gegenüber, lebcinMänglid) nid)t ganj
l)at cntfd)lagen fönnen.
®ic gbcc beö Slaifertl)nmö faßt ber ritterlidjc ®id^tcr in
il)rcr gan,^cn mittclalterlidjcn §öl)c, bod) nid)t oljne bic berän*
berten 3eitcn in 33ctrad)t ju 5iel)cn. ©igentlid) unb bon 9Icd)t§
megen ift bem Äiaifer bie ganje SSJclt nntcrtl)an, unb infofern
ftünbe c^ il)m allerbing^3 beffer an, gegen bic dürfen ^n jieljcn,
?lfien unb l’lcgpptcn j\n erobern n. f. f. ®od) ba il)it ba<5 ©efe^ief
in engere ©renscu cingcfd)loffcn l)abc, möge er immcrl)in ba§ gc^
ringcre Sob 511 geminnen fnd)cn, ba^S ber ©ieg über bic Jöcncjiancr
il)m berfpred)c. bebürfe er feiner fremben §ülfc: menn bic
bentfe^en ©tämme (mctd)c fofort einzeln rühnenb anfgejoht
merben) 511 il)in ftel)cn, fo fei er jebem geinbe gcmadjfcn. ^arum
folle er fid) nid)t länger bcrl)öf)nen laffen, fonbern cnblic^ einmal
lO‘5fd) lagen.
^aö ®ebid)t, ba§ §utten in einem boraugefei^ieften (gpigramm
al^ eine gugenbarbeit bejcic^net, ber l)offcntlid) reifere grüc^tc
folgen iperben (eö fclbft l)at er fed)ö ga^c fpätcr forgfältig um^
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^uUen’S bir ®rulf(^cn nid^t entortet.
(jearbeitet), ift jii iDeitfrljtueifig imb nid^t o^ne SBieberljoluncjen:
aber biirrf)bruiiöen uon ^aterlanb^ßeffil)!, unb ftencmucife aud)
bev (jcluntjen. ®a^ 53ilb tjon bem ?tb(er (mit
Sliifpieüinß auf ba§ ^cid)gmabj)en), ber öftere prüfenb unb mie
ficb befinnenb bie entfaltet unb bic Älaucn ftredt, e()c er
mirflid) Io§brid)t, ift ed)t poctifd); unb cbenfo cd)t rebnerifd) ber
©c^lu6, mo, nac^bem alle ©riinbe für ben Äriccj entmicfclt, unb
^ur Söer()crrlic^ung bcö fünftitjen 0ic(j$ in ^vofa unb Werfen
bereite bie geberu eineö @raömu^ unb Srotu^, 53ufc^ unb @oban
befteHt finb, e§ jule^t, alö märe bie Ueberrebung gelungen, Ijeigt,
SIlcö möge fid) freuen:
©ebt, SHajimilion gegen Senebig ju 3relb.
3nbem §utten anfing, fid^ mit biefen S8crt)ältniffen 511 bes
fdjäftigeu, mu|te if)m ber SSiberfprud) auffallcn, mcldjer .^mifdjen
bem litcrarifd)cn bcutfd)en 93aterlanbcö, ber bii§
ba()in fein Hugenmerf gemefen mar, unb ber politifd)en Stellung
bcffelbeu obmaltcte. ganb er in erfterer ^infidit ®entfd)lanb in
rafc^em @mporblüt)cn begriffen, fo mar in ber anbern unläugs
bar tief beruntergefüinmen; bort mar 5Ule5 jju hoffen, ^ier Siel
ju fürd)ten. 2Bie fid) Jütten biefen SJibcrfpvud) bamalö anöju^
glcid)en fud)te, jeigt unö ein (iJebidjt, bas^ um jene ßeit entftans
ben ju fein fd)eint, ba Sabian eö feiner 5lU‘ogabe ber ^^ufmal)nung
an 5laifcv äJtafimilian beigefügt bat. ift baö ©ebidjt, morin
^uttcii 511 bemcifen fud)t, ba§ bie bamaligen ^eutfd)eii, mit bem
^ul)m ihrer Sorfal)ren uerglidjen, nod) feineiomegd entartet beißen
föunen*). 3“ biefem Sel)ufe mad)t er jnüörberft auf baö ge*
fd)icbtlid)e ©efejj aufmertfam, mornad) auf bie ^eriobe ber frie*
gcrifd)en Äiraft bei einem Seife bie ber frieblidjen (Kultur ,^u folgen
Vflege. 2)eutfd)lanb fei je^t in ber lebtern begriffen: SJiffen^
fd)aften unb Ätünfte, §anbel unb ©emerbfleiß blül)cn, basS einft
unfrudjtbare Sanb fei allenthalben trefflid) angebaut; babei bie
Sitten, einige ^2lnftedung oon Stullen unb imibefonbere non 9tom
1) Quod Germania nee virtutibus nec ducibus ab primoribus dc-
generaverit, Hcroicum. ©J)fitcr. umgearbeitet unter bem ?^itcl: Quod ab
illa antiquitus Germanorum claritudino noudum degenerarint nostrate«^
ülr. do Hutten eq. Horoicum. ^eibe tRebactionen jut 5öergleid()ung ^ufam«
mengebrudt, Schriften III, 331—340.
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60
I. $ud(). 3. j^optic(.
nuö ob(^crcrf)uct, iiod) rein unb unücrborbcn. ®ie Dorangegongene
bcutfc^c Äiraftpcriübc aber fei minbeftenö fel)r einfeitig getoefeir.
SJ^nffen bod) bie bilbungöeifrigcn (Snfel bie ©rofdOoten i^rer 33ors
fahren auö fremben (römifd)en) @efc^id)t[c^reiberu ^ufammeitlcfen,
ba unfre friegerifc^en 5Uten luo^l X^aten ju t()nn, ober nid^t ju
bcfd)rciben nerftonbeu l)aben. SBcrftünben nun bie jejigen X)eutfd)en
nur, frembe Xl)Qtcn ^u befd)reiben, o()ue felbft etiunö ©roße^ tf)un
ju fönnen, fo tnärc ba<§ freilid) nur bie uingcfel)rte ©infeitigfeit.
©0 fdjiimm jebod) fte()c eö mit i^nen nod) iange nid)t. Söären
fie, bei aller i^rer Gilbung, nid)t noc^ immer ein friegerifdöc^ ■
iBüIf, marum beim 9tiemanb tuage, fte innerhalb i^rer ©rängen
anjngreifen? marum fid) alle Stationen um bie X)eutfd)cn al§
ilricg^le^rmeifter unb SDiitfänipfer bemerben? Unb ein
uon .^cruntertommen, üon (Srfc^laffung, fei eö boc^ and) gemig
nicht, baß mahrenb biefer lebten Qc\t bie Xeutfehen jmei ^rfiiu
bungen gemacht benen meber baiS ^llterthnm noch bac;
jefeige Stalien etma§ an bie 0cite j^u fe|jen h^'^’c •
Viilucrö unb be‘5 Sudjcrbrud^.
9tüch ein flcineiS ©ebicht fügte Sßabian feiner Sluögabe ber
Slufmahnung an ül^ajcimilian bei: ^uttcn’ö @ru6 an SBien bei
feinem Eintritt in biefe 0tabt‘). Xaß er, nad)bem er unter
mand)erlei (gefahren beinahe ganj Xcntfd)lanb burdjmanbert, erft
jeht nad) Söien fomme, möge ihm biefeö nicht übel nehmen ; höttc
eö üon ihm abgct)angen, mürbe er gerne üor ^üem SBien befud)t
haben. §Ulcin baö 0d)idfal, beffen 9?ufc er folgen müffe, h^^^c
il)n jiim Söanbern unb Xulben beftimmt. Um fo mol)ler merbe
ihm jeht bie @rl)olung in SBien thun, mo er enblid) fRuhe unb
gute Xage ju finben h»jffc. . ’
Xafj Jütten in Söicn einen langem §tufenthalt beabfid)tigt
habe, maö in biefen S5,^orten beutlich liegt, mürbe aud) auö einer
@r;^ählung in ben iöriefen ber Xuntclmönner erhellen, menn biefe,
mic fehr maljrfdjeinlich, auf il}n bezogen merben bürftc*). $icr
1) Huttoni Viennam intrantis carmen, btttirt Ex contubornio Va-
diani, Marii et Aperbacchi. ©(j^riften III, ©. 169f.
2) Epist. obscurorum virorum, I, 14. ®ci ®Ödtng, ü. Hutteni
Operum Supplcmentum I, 6. 22, unb baju ®5rfing*8 €rlfiutetungen, Suppl.
II, e..888f., 554 f.
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$utten*§ Abgang oon ^ten.
Gl
erinnert fid) näinlid) ber M. ^ol^ann ÄraDaciuS quö S^lürnberg,
j\ur ßeit als er in Söien (jetnefen, fei einmal ein ©efeH ou^
Ü}iät)ren ejefommen, üon bem e§ geheißen, er fei ein $oet, audj
()abc er SBerfe gcfc^rieben unb über bic SBerSfnnft lefen mollcn,
nnb büdj fei er meber ®accalaureuö nodj ÜJiagiftcr, überhaupt
nic^t grabuirt gemefen. 2)er bamalige O^ector, Magister noster
^erfmonn, auö granfen, ein eifriger SD^onn nnb geinb aller
^oeten, ^abe (Sinfprac^e get^an; aber ber ©efell fei fo anmagenb
gemefen, bag er fic^ baran nid}t gefel)rt ()abe. 9^un Ijabe ber
fRcctor ben ©tubenten üerboten, bic fiectionen bcö ^oeten ju be*
fuc^cn. 2)a fei ber @efcll i^m auf’ö Qcfticgcn, ^abc^ i()m
übermütl)igc^8ficbcn gegeben unb il)n fogav gebubt. ^)er 9J^cn[c^
fei bal)crgefommen mic ein Älricger, mit einem $ut auf bem Ä^opf
unb einem langen 3)ieffer an ber ©eite. Der [Rector ^abc nac^
ben ©tabtfnec^tcn gcfc^idt, um il^n in’)3 ßarcer füljrcn ju laffeu;
aber iöefannte, bic berfclbc in ber ©tabt gcl)abt, b^beu fid) in’ö
3Kittcl gefd)lagcn. Söirflid^ mar 3o^ann §ccfmann eben im
3. 1511 [Rector ber Söicner Unioerfität; iu bem ©cfeUcn aber,
ber au$ [Diopren fommt, metra mad^t unb über bie artem inetri-
ficandi lefen miH, o()ne grabuirt ju fein, bal)erfommt mic einer,
ber in ben i^rieg ^ic^cn mill, unb ben [Rector bujt, glauben mir
unfern .^utten nic^t ju uertennen.
0b biefe ©c^micrigfeiten, bic fic^ feiner afabemifc^cn Dl)cU
tigfeit entgcgeuftellten, ober maö fonft feinen ^ufcutl)alt in Sßien
abfürjte: genug, fc^on im ©pätberbft 1511 uerfc^minbet Jütten
auö biefer ©tabt *), wnb im grü^liug be^ nüc^ften 3al)rc^ erfc^cint
er in 3talien.
1) $gl. mit bem oben 'S. 56 angeführten Briefe ^abian’S ben %rief
^eter ^berba<h’§ t>om 5. Oct. 1511, in i^utten*d S<btiften I, S. 22.
G2
Vitüts ÄapUel.
fttflex ^ttfettt^afi in ^faften ttttb flüdiße^r itai^ peufff^faitb.
1512—1513.
Qc^tc^ bcio §umaniftciiorben§ l)ättc fic^ ^uttcu
faum betrachten bürfen, ot)nc narf) bem öeifpiele fo üiclcr
göncier bic Sßaüfahrt in baö ^cimathlanb beö §unmniänmö
gemacht ju h^^t>cn; mo überbieß auch föt bQ)S 9Jccht^ftubium,
jn metchem ihn ber ißater brängte, bic mcifte görberung
finben mor.
lieber ben 2öcg, ben Jütten nahm, ift nichtö befannt; aber
um bic 9JMttc bcö Slpril traf er in ^aüio ein, mo er in ber Xhat,
be^ 93aterö Söunfehe fich fügenb, ba^ fRcchtdftubium in Angriff
nahm. @r höi^te’ S^orlefungcn bei bem bcrnhnitcn S'lcchtögclchrtcn
Safon ÜJiainuö; boef) nahm er baneben auch ©ricchifchcn Un**
terricht, mobei er ben Slng^burgcr ?lcgibiuö 91cm jum 91?itfchütcr
hatte, ^ber mit feiner ©efunbheit ftanb cö übel: er hinfte, ba
in gülgc feiner Üranfheit bic Seine burch ©efehtpüre unb
mürfjfe fchmcr^h^^fl ' befonber^ baö linfe beinahe unbrauchbar
gemorben mar. 91och granjofen bic ßombarbei; aber
menige Xagc üor $utten’^ ^nfunft mar in ber mörberif^cn
0chlacht bei fRauenna ber fran^öfifche gelbhcrr, (haften be goiy,
fiegreici), boct) nncrfchlich, gefaflen (ll.Slpril 1512): unb nun
brangen, Pom S^Pftc gerufen unb Pom ilaifcr jugclaffcn, 20,000
©chmeijer in ba^ 2anb. gm gnli, |)uttcn faum ein SicrtcU
jahr feinen ©tubien obgclcgcn rueften fie Por ^aPia. 5)ie
gran^ofen fuchten cö ju behonpten unb hielten ben jungen fRittcr,
ber ihnen jeht, cii^ Unterthan 'Oci ilaifcrö, Pcrbä^tig fein mochte,
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i^uttrn in j{rieg§noi^.
63
brci ganj^c Xoge in einem engen (Skmad^e belagert. 9^od^ bo^u
am gieber leibenb, ^ielt er fic^ für einen üerlorencn SDinnn. 2)a
bic^tete er fic^ bie
® t Q b f t i f t :
®cr, jum 3ommci flcjeugt, ein unglücIfcliocS ßcben
ßebte, oon Hebeln gu 2anb, Uebcln ju ©oRcr öcrfolgt,
^ier liegt ^uttcn’S ®cbein. ber nid^tS ?[rge§ ticrfd^ulbet,
9Burbe non gallif(bem groujont bo§ Seben geraubt.
SBar bom Oef^id i^m beftimmt, nur UnglUrfSjal^re $u fd^auen,
bann toar e§ ertoUnj^t, bab er fo jeitig erlag,
non (Sefabren umringt, toidb nicht nom ^ienfte ber SRufen,
Unb fo gut er’§ oermoebt, fbradb er im Siebe fub au§').
6nblic^ mußten bie granjofen bie ©tabt räumen, bie ©c^meijer
brongen ein, aber ^utten’iS Sage mürbe barum nic^t beffer. ^ie
©c^meijer, bie in i^m einen 95titfämpfer ber granjojen fal)en,
plünberten i()n am§ unb fc^leppten il)n elenb ^crum, biö eö il)m enb:=
lic^ gelang, fic^ mit bem SScrluft eineö Xl)cild üon bem Sßenigen,
baö il)m nod) geblieben mar, logjufaufcn. ^auia, mo nun
Getümmel unb 3)lutöcrgie6en, junger unb ^eft mütl)cten, mar
für i^n fein längere!© Öleiben: fo manberte er noc^ im 3uli nac^
öologna, mo er einen fc^önen Älrci^ Oon ÖJelel)rten fanb. Slber
er braud)te ben 5(rjt, unb ber 9lcft feiner äJHttel mor halb
crfc^öpft.
Xad öid^erige ift ber betrübte 3nl)alt eine^ gemütl)lic^cu,
ja mitunter launigen ©ebreibenö auö öologna oom 21. Sluguft
an ben mittenberger (^aftfreunb Öaltbafar gad)uö. ^afj Jütten
i^m fur^ fc^reibe, gefdfe^e nic^t, alö ob er aud) oon bem greunbe
nur einen furj^en örief f)obeu moüte, fonbern Icbiglic^, meil bie
Ueberbringer fid^ befc^mert meinen, menn man il)nen große öriefc
mitgebe. 3m (^egentbcil foUe gadjuß il)in rec^t auöfül)rlid) über
feßreiben, mooon er benfen fönne, baß eö il)u intereffiren
ißn betreffe, fo aßme er immer nod) ben öulcan
nac^, unb j^mar noc^ bebeutenb ärger, aU mic ber greunb i^n
fürj^lic^ gefeßen; er miffe nic^t, foUe er eö bem ©d^icffal, ober
1) 8o in bem gleidb anjufttbrenben ^Briefe on f^adbu§, Schriften I, 6. 26.
Sermebrt, ober, toie biefe mit bergleidben Soeben fo gerne gebt, nicht oerbeffcit#
IR ()utten’§ (ft>igraramen an Äoifer TOoj, Schriften III, S. 225, 3tr. 47.
64
I. 4. ÄQpitet.
üielmd)r feiner Unüorfici^tigfeit j\ufc^reibcn, ba er ft^ im j\arten
lÄÜer ju menig gefc^ont I)abe. 2)ennod) münfd^e er fid^ @lü(f,
auf bem 2öege ju beii fc^önen SBiffenfd^aften fo äWanc^eö gefunben
ju [}aben, maö er am menigfteu gcfiidjt. S53ie e^ beim nun aber
bem greuube gc()e? 0b er fic^ entfd)loffen f)abe, ein SEöeib ober
bie ^lonfur ju nebmen? ober ob er, nad) feiner gemöbnti^en
9(ntmort, eben bleibe? hierauf folgt bie bereite mitges
tbeilte ©r^äblung üon §utten’§ ©rlebniffen in Stalicn ; bann ber
©ebluji, baß er nun halb in 23ologna oon bem greunbe einen
33rief, bod) nießt bloö oon brei ober oier Söorten, loic berfelbe
an gcioöbnlicbc öefannte ju febreiben pflege, ^u erbalten boffc.
2)ie iöriefe §utten')J (oon benen bieß eigentlich ber erftc
ift, ber unö begegnet]^ basg toaren 3)cbicationen) bilben
einen toefentlid)en unb bö^bfl fd)ä^bürcit ^b^^^ feiner litcrarifeben
^eroorbringungen. ®urcbaug finb eö mirf ließe ©riefe; uicmalö,
loie fo oft bie (Sra^mifeben, biömcilen aueß bie SD^utianifeßen,
bloße ©tilübungen ober ©eleßrfamfeit^proben. ^n ©emütß unb
ßaunc fteßen fie ben (Sobanifeßen naße, oor benen fic aber, je
loeiter mir im fidben ^utten’iJ oorrüefen, um fo meßr baö ÖJe*
präge feiner brangenben Xßatfraft unb fortreißenben Ueberrebungö#
gobe oorou^ ßaben merben.
Um biefe f^m 2Wattßäu§ Sang, ©if^of oon ^ur! unb
einer ber oa*trauteften Sflätße beö i^aiferS, alö beffen ©cfanbtcr
an ben ^apft Suliuö IL, ber ben grieben mit ©enebig Oermit«
teilt moHte, bureß ©ologna. ®ie Italiener, in ißrer ?lrt, über^
ßäuften ben oermeinten griebenöboten mit 9teben unb ©ebießten.
ia mollten bie ®eutfcßen in ber ©tabt ben ©eßein nießt ßaben,
alö märe unter ißnen feiner im ©tanbe, etmaö Sleßnlidße^ 5U
maeßen, unb forberten baßer Jütten auf, ctmag ju biefem ßweefe
^u feßreiben. §utten oerftanb fid) baju unb Oerfaßte ein ßob^
gebießt, baö nun abgefeßrieben unb präeßtig gebunben bem faifer*
ließen ©efanbten überreießt mürbe. 2)er jeboeß naßm eS mit
einer ©leießgültigfeit auf, bie bem jungen $oeten feßr empfinbli^
mar. ^ennoeß maeßte er ben ©erfueß, auf gemießtige ©mpfeß*
hingen geftüjt, unter ba^ (SJefolgc bcö ©ifcßofö (ben gleicß barauf
ber ©apft jum Sarbinal creirte) aufgenommen ju merben : Oer#
gebend, ^er ©ifcßof tßat, alö bemerfte er ißn nießt, menn et
ißm in ©ologna begegnete; ba boeß bet bloße ^ufjug bc^ atmen
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^uticn nintmt i(rieg8bT(nflr.
65
3)^ufcnfo^n§ eine bringenbe SD^a^nunq an ben ^od)ftc^enben ÜÄonn
mar, für bie empfangene ^ulbigung fic^ erfemitlirf) ju jeigen.
3)iefe SSernad^löffigung Ijat glitten bem ©orbinal Sang 5citlebenö
ni^t üergeffen.
^er äufeerfte ÜJ?ange( nöt()igte Jütten enblid), Ä'riegöbienfte
ju nehmen ; obmo^l i^ni and) baburc^ nur notl)bürftig gel)olfen
mürbe. @inc traurige Störung feiner ©tubien, überbieg bei feinet
anbauernben Älranfbcit, befonber^ bem Seiben am guge, ein Seben
üoH dual: aber ber geniale 9Jienfc^ fann in feine Sage fommen
(fie mügte benn feine X^ätigfeit üööig aufbeben), auö ber er nic^t
für ficb unb bie SEBelt Jrüt^te ju geminneu mügte. ©o gemann
^)utten unb gemann bie SRacbmelt, icb mill nic^t fagen auö feinem
Äriegöbienft, aber boeb auS bem 5tricgdgetümmel, in boö fein
italicnifcber Sfufentbalt bineinfiel, eineg feiner frifebeften, reijenb*
ften SBerfe; fein Sud) (Epigramme an ben Äfaifer SJ^ajimilian *).
©ie finb, mie er felbft in bem fpäter gefebriebenen Sonoortc
fagt, an uerfebiebenen Orten unb ju nerfebiebenen ßeiten entftan*
ben, üeranlagt bureb Vorgänge, beren einige er miterlebtc, anberc
üon britten ^erfonen erfuhr; ein erfd)eint alg gleichartig
unb mobt auch gleicbjeitig mit bem noch in ®eutfd)lanb entftan-
benen ^lufmabnungggebicbt an ajiajimilian ; ein anberer mag in
^aüia unb Sologna uor, möbrenb unb nach ^utten’g Ärieger^
leben gebieptet morben fein ; ja ein^jelne ©tücfc finb erft maprenb
feineg jmeiten italienifcpcn 2lufentbaltg p^^ä^gefügt morben. ©o
folgt bag Sücplein bem mecpfclnbcn ©ange beg fiep pinjiepenben
Äriegg, unb bringt ung ©iege unb 9fieberlagen, Hoffnung unb
gurept, ©eminn unb Serluft oon ©täbten unb Sanbfepaften, bie
S^nüpfung unb Söfung oon Sünbniffen, jur lebenbigften ^In«
fepauung.
^Jbep 5mei Sinleitungggebicpten über bog Suep unb ben
2)icpter menbet fid) biefer ba^u, bie lange Untpütigfeit ber beut*
fepen Äaifermaept ju entfcpulbigen unb alg biogen ©epein, olg
Vorbereitung ouf fünftige Xpaten, barjufteCien.
1) Ulrichi do Hutten eq. Germ, ad Caesarem Maximiliatium Epi-
grammatum Uber unus. 6(^rifUn III, ©. 205—268. '£>oS ilorwort on
ben ftaifer, I, €. 234 f-
VII. 5
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66
I. $U(^. 4.
Son betn ?lbler.
ben genxiltigeit ^ar, ber jegt unblutig unb fiiebfam
£ag’ unb ^a^re ftc^ ^alb in 9tu^e getoiegi.
?lbcr c§ greif’ i^n einer nur on unb ftbre bie iRofl i^m:
Sterben toill i^, toofem ber ficf) ni^lt Übel get^an.
9Ummer iß bieg \a ein Sc^taf, ou§ bem fein Q^mad^en e§ gtlbe;
Oft jc^on l^at er, gereift, auf auS ber Stu^
Unb »enn fü^n er bom Soben ß(^ jd^toingt in bie oßenen Stifte,
2Be^e, nie breitet er bann Sc^redten unb ^urdfjt um ßd(| l^er !
SKajimilian aöcrbingS ift mc^r alö fo maiK^cr feiner trieg^e-
ttjaltigcn Söorgänger mit menfc^lid^cn frieblic^en ^^ugenben ge^
j^iert; boc^ ift feine gricben^licbe nur ßongmutt), nic^t SÄangel
an äJtut^, mie fein enblid^cö ßoöbrec^en bemeift.
Sofort tücrben mir nor ^abua, mitten in ben Äampf ge^
filtert. ®ie SSenejianer brinnen, bie Äaiferlid^en äugen; Jütten,
bem leib ift, bag fein gugübel i^n jur 2:^eilna5me am Kampfe
unfögig mac^t, gibt erft fc^crjboft üor, nur als migbegicriger
iReifenbcr, nic^t als i^rieger gefommen ju fein, bann aber münfe^t
er fic^ ben Xob. (£in anbermal übrigens, als er ben 3J^auem
ju na^e gefommen ift, unb bie (j^efc^offe ber belagerten um i^n
fc^mirren, ^iegt er fid^ boc^, fo fc^nell eS mit bem lahmen guge
gcl)en miU, jurücf. lieber eine fleine ©c^lappe, bie fie ben ^fai*
fcrlic^cn beigebradjt, froglocfen bie bene5ianer ju frü^ ; halb mirb
fid) ber Slbler micber ergeben, bei Sremona l)at er ben gröfd^cn
übel mitgefpielt:
$om ifaifer unb ben $ene)ianern.
l^ttngßl^in toagte ber ^rofd^ ßd^ l^erbor ouS ben Sümpfen tSenebigS,
Unb auf bem trodenen ßanb quaft’ er: ®er 99oben iß mein!
^od^ ipn erfpö^te ber $ogeI beS 3^u§ non erhabener SBarte,
^adt mit ben (fraUen unb toirft berb in ben $fu^l i^n jurflef.
SBaS, mie oerfd^iebene anbere biefer Epigramme, in ber Original^
auSgabc burc^ einen erge^licgen ^oljfc^nitt iHuftrirt mirb. 2111«
gemein ift benebigS graufame, röubcrifc^e ^errfd^aft Oer^agt.
©ein gelbl)err bartolommeo b'2ilt)iano ein SJfufter Don Xrcu«
unb ©ottlofigleit. 2)agegen mirb bem beutfd^cn gelb^auptmann
Safob Don @mS, ber in ber blutigen ©d^lod^t bei SlaOenna fiel,
ein @()renbenfmal gefegt, aueg bie Xapferfeit beS jungen föc^fifd^n
@bcln, 3oac^im üon 9JfaIpan, mit bem fic^ Jütten bamals be«
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^uttfn’3 (Spigramme an 3)?a£tmilian.
67
frcunbctc, in jtoci Spiöramtncn gcpricfcn. ^Dcm ftoljcn SScncbig
roirb’^ no(^ f^limmer ergeben otS Xroja unb öab^lou, Äort^ago
unb Äorint^. ^ic SBanbluug Don ^cnebigö @(ü(f unb bie SBan?
bclbarfeit bcö @lücf^ übcrljoupt ift baö X^cma einer S^lei^e üon
(Epigrammen.
hierauf menbet fic^ ber 2)id^ter me^r gegen bie gran^ofen,
melc^e, beim beginne beg Äriegg bie 93unbeögenoffen be^ ^aiferö,
i^m äu(c|t al6 geinbe gegenüberftanben. 0c^on halb üon
fang mar ein (Epigramm eingeftreut, ba^ in merfrnürbigem löcU
fpielc jeigt, mie 9iationen über ga^r^unberte hinüber gemiffc
(Eigenfc^aften beibe^alten.
♦
9luf bte ^ranjofen, als fte bem ftaijer bie onbi(^ieten.
%Ttner ^ran)oS, bu trbfiefi bi(b felbfi unb eibi^ieÜ bir ^reuben,
^a§ nur feiner im $oIf glaube, bir geV (S jo fd^Iimm.
£Uge nur )u unb trbfie mit fehlen bi^ über bein UnglUcf,
SBenn nur ber ßaifer inbeb 2!^aten um ^b^^ten noUbringt.
3iübme bic^ immer, er jei friegSmatt unb beginne ben 9?üdsug,
SBfi^ifnb mit Siegergetoalt er bid^ im 9taden bebrfingt.
Der §ocf)mut^ beö ©a()n^, ber fid} über ben 2lbler bünfe, aber
einft noc^ berupft ^eimfd)ren merbe, mirb in uerfdjiebenen SBen»
bungen üerfpottet. tjier folgen bie Epigramme ben ©d)man»
fuugen bed Äriegöglüd^. Die granjofen Ijaben SÖ^ailanb; mer^
ben jurüdgefc^lagen ; unter gräulid^cm Unmetter räumen fie bie
ßombarbei. ^ier pnbet fic^ ein (Epigramm, baö man geftern ge^
bientet glauben lönnte.
%uf beS $abn§ $Iu(^t auS ^ialien.
ItBarum ftiebt mit blutigem ifamm unb jerrauftem ®efieber
3ebo ber ^a^n, nodb jüngft Sdbreden ber !^BögeI um^er?
^rum, n>eil er bem ^rieben ben Streit nor^og unb ben PriegSIfirm,
Ueber ben 90>Ier binauS fed ft(b Su fdbtningen bebadbt.
3)o(!(l ber merfte ben 5trug, unb nat^bem jd(|on biel er ertragen,
Segt’ et ftdb, enbticb ergrimmt, |(^arf mit ben ftraüen )ur SBe^r.
9Ber ben, ber i^m ein Srreunb fein mollte, fidb lieber jum $einb mad(|t,
@ebt’S bem jcbled^t, fo bezeugt jeber : ibm inarb nur fein Sted^t.
SÄittlcrmeile erlebt man bo3 Ueberrafc^enbe, bag §a^n unb grofe^
(ober £ömc, b. ®encbig), bic fic^ bi§ ba^in töbtlicb befämpft
l)attcu, gegen bcu ^bler fic^ oerbünben (ÜJ^ärj 1513). Äber bic
I. 4.
Cd
SBcrbinbung ift ju unnatürlich unb bet @egner ju gcnjaltig, alö
bafe fic [ich günftic^en @rfoIg Ucrfprcchen bürfte.
5)ie 53e»crbeT umbic i^crrfd^oft über SMoIien.
^ret unmerben mid^ je^t (^talia Üagi’S bem ^pobo),
SBibrige freier jumal: ®cnebig, ber 2)cuti4)e, ber ^ronfe;
2)er Dotl 3Trug, ber 9lnbrc üoEl 2Bein, ber dritte boU ^o^imutt).
5JluS c§ benn fein, fo bebenfe mi^ bod^ mit crträglicf)em 3<>4k. —
Stets treulos, ertoiebert ber ®ott, ift SJenebig; ber Öronle
Stets ^octimttt^ig; ber ^eutfd)e nid^t immer betrunlen: fo tofi^le!
aJ^erfiüürbigftc für §utten’ö meitcre ©ntroicflung ift
nun aber, bag gegen ben 0d)luf3 bie Epigramme fid) tuiber ben
^apft richten. 9^och im 3ah^<^ ^or ^utten’^ Slnhinft ift Italien
mar $opft 3uliu^ II. alö Ärieger in jenen ©egenben gemefen,
hatte bie Belagerung öoii 9}tiranbola f)erfönlich geleitet, unb mar
in bie eroberte ©tabt mit bem ©chloert in ber ^anb auf einer
©turmleiter eingeftiegen. @r mar, menn auch nicht ber einzige
Urheber, bod) ber Senter ber i^riege jener ßeit : ber SBibcrfpruch
jmifchen ber gcifttichen Beftimmung unb ber mcltliijten ©teHung
be^ Bapftthuniig mar nie greller heruorgetreten. 2)a& Jütten
bem ©chaupla^e ber burch ihn erregten ^Iricge fo nahe fam,
beren oerheerenbe Solgcn au§ unmittelbarer (Erfahrung fennen
lernte, mar oon großer SSichtigfeit. Suliu^ 11. unb fein SBirfen
mar eö, moburd) ihm über ba^ ^apftthum überhaupt bie Slugen
geöffnet mürben. Statt eine^ §irten ein Söolf, ftatt ber ©chlüffel
^etri mit bem ©chmerte ^auli bemaffnet, aber nicht, um, mie ber
^poftel, baoon ju fallen, fonberu Slnbere bamit ju fällen, iltun
menbet fich aber §utten auch gegen bie ©itten beö gegen
feinen Slblag- unb Bullenhanbel, bie 5luöbeutung ^cutfchlanb?
oon ©eiten beä popftlidjen §of^. @r, ber fi^ in ©tahl h^Wl
— fo befchreibt er ihn — burch Bart unb §aar fchrecfli^ an*
^ufehen, mit bem milben $luge unter ber tro^igen ©tirn, mit
furchtbar brohenber älUene, ber mit ©^mert unb ©efchog ju
ßanb unb ju SBaffer bie Bölfer morbet unb bie gürften in SJncge
oermicfelt; er, boö Berberben ber Söelt, bie äJienfchen*
gef^lechtg, beffen wirbelt 2;ob, beffen Erholung bie fchönblid^fte
^uSfehmeifung ift; er, in allen ©tüden Sh^ifto unb B^tro un*
ähnlich: ma^ thut ober mag hcit er noch, bog beg päpftlichen
9>lameng mürbig märe?
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C^pigramme auf ben ^pf}.
69
®on 3UÜUS’ ffbUfe.
2Bic bo(!^ bte gläubige 3BeIt bet l^rämer l^uIiuS anfU^rt,
2Bel(ber ben ^immet tietfouft, bcn er bo(b jelbfl ni(bt befi^t.
®iete mir feil, toaS bu ^oft! 2Bie fc^iQmloS ip’S, ju üerfoufen,
2Ba§, 0 3uüu§, bir eben am meinen gebricbi.
Pämen bie 9iiefen )urü(!: um Jupiter mär* eS gefdbe^en;
3uliu§ gäbe fürma^r ihnen )u £fouf benClpmp.
9iber fo lang’ im i^immel ein 9lnberer h^nfchet unb bonnert,
6teQ* ich um hiuimlijcheS @ut nimmer qI§ i^äufer mich ein.
Son bemfelben.
dreimal hu6’ ith tnir nun bie f^reuben be§ emigen ßebenS,
Unb maS meiter ich (uum magte 3u h<)ff^> erlauft,
dreifach hub’ ich bafür ben ©chein mit bem Flamen empfangen,
Unb mit bem Siegel in 29ach§; ober nur 9tamen unb S^ein.
dreifach mar ich fiu ^hor : benn mcr mag hoffen, ju taufen,
SöaS, mer’§ etma befigt, ficher oerfaufen nicht mag;
SBoHt* er jeboch, fo fönnt’ et eS nicht oerfaufen. 3)er i^immel
Steht um ben einjigen ^reiS reblichen 9Banbel3 3u Pauf.
^ann mie lä^ierli^ auch, als bebürfte baS hiutmlifche Seben
Slrbifcher beugen, bafUr Siegel oerlangen unb $rief!
?luc^ eine ©Qtirc auf bie ßciten Don Suliuö, bie mit ben
©Vifttunimen erft 1519 crfc^icii, ift mo^l im 3ufömmen()ancic mit
benfelben entftanben *).
9Bie? ber menfchliche @eift, ein $unfe be§ göttlichen fii^teS,
$on ®ott felber ein Xheil» läfit foburch 9Bahn ftch oerblenben ?
So fleh berfinftern? Äein h&he«r Strahl jerftreute benjjrrthum?
Julius, biefer iBanbit, ben fämmtlidhe fiafter befieefen,
^r oerfchlöffe ben ^immel nach ^illlUr biefem, unb fchlöffe
Renern ihn auf? Sein SBtnf befeligtc ober oerbammte?
^uth> Sanbdteiite, gefaxt ! Q^rmannen mir unS ju bem Glauben,
mir ba§ göttliche 9tei^ burch reblicheS Heben ermerben ;
2)ob nur eigenes Xhun, unb nimmer ber heilißfle S3ater,
i^eilig unS macht; bah ^ugenb allein ben l^immel unS auffchlieht,
9licht ber S^lüffel ®emalt, mit benen ber römifche ©auller,
Ittappert, unb fo boS Soll, baS arme, betrogne, fleh nachsieht.
5(iic^ ^liibcrn mar an biefem SuHuö, beffen trietierifdje
.g)errfrf)er(ivö6e Ü)in üon fold)cn, bie U)n an feiner firdjlic^cn 33c*
1) In tompora Julii Satyra. Schriften III, S. 269 f.
70
I. 9ud^. 4. Papitel.
ftimmung maßen, nid^t gutgefc^ricbcu mcrbcu !omitc, ein gefaßr?
lic^e^ ßic^t aufgegangen. Ängcblic^ noc^ jii feinen ßebjeiten er-
fc^ien in ^cutfdjtanb ein @cbet für if)n '). S^riftnö, ber ja bureß
feine ^lUmac^t au§ einem Xenfcl einen Gcngel beö Sid^tö -fd^affen
fönnc, möge ben ^opft 3nüu^ ou§ bem Unreinften feinem Xitel
gemäß in einen ÄHcr^eiligften, aug einem Xprannen in einen
IBater nertnanbeln; möge geben, baß er l)infort nur noc^ öom
(Seifte tmnfen fei, nur noc^ beffen, mag fc^änbUd^, fic§ fct)ämc,
nid)tg mc^r alg bag §immlifc^e liebe u. f. f. Offen aber brac^,
nad^bem 3uliug am 21. gebruar 1513 geftorben mar, bie ©atirc
gegen i^n log. Jütten mibrncte bem §irten, ber ein SBolf, bem
öullenbänbler, ber felbft nur eine 53lafe (bulla) gemefen, eine
©rabfe^rift*). (Kn Xobtengefpräd^ ®) fnl;rtc ben SSerftorbenen in
^Begleitung feineg ©eniug öor bie ^immelgpforte. ®r mill auf-
fd^ließen ; aber er ^at nur ben 0c^lüffel jur ©elbtru^e, nic^t ben
j\um ^immelgtl&ore bei fic^. 2luf fein Klopfen unb ßärmen er-
fc^eint betrug. X)ie Slnfprüc^c feineg Oorgebli^en S^lac^folgerg
imponiren i^m fo menig, alg beffen ?lugfel)cn, ^njug unb SBe-
gleitung i^m gefallen. 2)iit 0elbftgefül)l jä^It 3uliug feine X()a-
teil ^cr; mobei ber ganj^e Sontraft beffen, mag ^apft unb Äirc^e
bamalg in ber SBirflidf)feit maren, mit i^rer urfprflnglic^cn S3e-
ftimmung 5ur Slnfc^anung fommt. X)a ^ienac^ ?ßetrug fic^ nur
um fo meniger jur Oeffnung ber Pforte ^erbeilößt, fo erflärt
3uliug ben ^immel in öelagerunggftanb unb l)offt, il)n mit
$ülfe ber 60,000 Äriegerfeelen, mel^e aug ben oon i^m erregten
Kriegen in ber näc^ften Ijerüberfommen merben, in furjeni
ju erobern. X)er auggefperrte 3uling mad^te Snt^em greube,
unb ©rogrnug mürbe, ju feinem großen S3erbruß, für ben SSer-
faffer gehalten. Sluc^ Jütten l^at man bag ©efpräc^ fammt bem
©ebetc für 3utiug j^ugefc^rieben. 2lllein beibe 0tücfe ^aben eine
glättere, gelinbere Ä^etorif, alg §utten'g ©djriften äl^nlic^er 2lrt.
1) Oratio ad Christum 0. M. pro Julio U, Ligure P. M. a quo-
dam bene docto et Christiano perscripta. ftbßcbrudt in ^utten’d @(tirifim IV,
6. 469—464.
2) Julii II. Liguris P. M. Epitaphium Ilutteno auctore. Gekritten 111,
8) F. A. F. Poetae Regii libellus de obitu Julii P. M. Anno Dni.
1613. 3n §utten’8 ed^riften IV, 0. 421-467.
6. 270.
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@ebid(|t: ^er brotx Wann.
71
Unb auf bcm 2;itcl bcS ^ialoß^ ift ber toa^rfd^cinlid^c SBcrfaffcr
angcbcutet: nämlid) gauftuö Slnbrclinuö au^ 5orli, ein. ^)id)ter,
ber unter bcm 0c§u^e Submicj'ö XII. üon granfreid) ftanb; mic
benn quc^ bic ^olemif bc^ ©efpröc^ö gegen Suliuö metjr Dom
fran^öfifc^en al^ öom bcutfc^cn ©tanbpun!tc auöge^t.
3m 3a^re 1513, üermut^lic^ noc^ mä^renb |)utten’ö Sluf^
enthalt in Stalien, crfc^icn aud), fo Diel mir miffen jum erftcumal,
eine 2)icl^tung non i^m unter bcm Xitel: X)cr braue 3}iann'),
begleitet uon einem feltfamen aUegori feigen ©Übe, beffen ^u§le^
gung bad ©cbic^t ift. X)aö ©ilb ftcHt einen Sliann uor, beffen
mit meiten Dl)ren ucrfc^cncr Ä'opf auf einem langen gemunbenen
(Schlangen» ober ©c^mancn^alfe fibt: baö full bebeuten, bajs ber
braoe Sliann lieber liört aU rebet. 2lug feinem 3Äunbc gcl)t ein
Siilicnj^mcig unb ein ©c^mert: jeher bic mohlthätigen SSBirfungen
feiner 9iebe, biefeö bie gerechte ©trengc anjubcutcu, bic er, mo
gute SBorte nic^t fruchten, in Slmoenbung bringt, ©orn auf ber
©ruft fifet il)m ein Sömenfopf, baö ©innbilb beö 9J^utl)eö; ber
eine gu& ift eine ©ärentabc, baö ©eftänbigfeit; bic
rechte ^anb ^ölt einen gefc^loffencn ©cutel, mäl)rcnb bic linfe
@clb auöftrcut: b. l). ©parfamfeit unb greigebigfeit, jebe ^ur
rechten ßcit. 9>leben biefen aUcgorifchen erinnert ba« (^c*
bic^t burd^ feine moralifc^en (5Jcmeinfprüd)e an baö 3«gcnbgebic^t
oon ber Xugenb, unb mciin mir auf bcm Xitel ben ©cifap
adolescens ermögen, ber fic^ feit jener 3^it auf ^utten’iS ©djrif»
teil nic^t mel)r finbet (er mar ja audj im Sa^rc 1513 bereite 25
3al)rc alt), fo mirb cö mal)rfc^cinlich, bag mir hier eine Üleliquic
aud früheren Xagen oor un^ höben, melchc bie erfurter greunbe
bomold jum* Xruefe beförberten.
9^och ctmad oorher mar ber 91iemanb jum erftenmal im
Xrud crfchiencn*): mir miffen nicht, ob biefer glücf liehe 2öurf
bem Xichtcr noch iö Xcutfchlanb, ober möhrenb fcincö Slufent*
holtd in 3tolien gelungen ift. Xa6 cö ein folcher mor, mußte
^utten mol)l: baher nohm er bic 2lrbeit fpöter micber auf, unb
ließ fie in ermeiterter Qlcftalt noch einmal crfchcincn. 2Bir fparen
1) Ulrici Hutteni, ex equestri ordine adolescontis, carnien omun*
ciistiniuin . . Vir bonus. 1618. ©(ü^riften HI, 11—17.
2) Stße iluffoabc * Ulrioi Hutieni Nemo. Wit ber Ibfiteren Umar*
beitung jufammengebrudt, St^rißm III, S. 107—118.
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72
I. %ud(). 4.
ein 3Jic^rerc§ über bicfclbc bi§ baf)in auf, um borcrft mit §uttcn
noc^ ^)eutfc^lanb jurücf^ufc^ren.
©cnauercö miffcn mir über biefe fRücfreifc nid^t, außer baß
mir fie mit übermiegenber SBa^rfc^einlic^feit in bad 3at)r 1513
fc^cn fönnen. S3om lebten ^age biefeg ßaben mir ein
0cbreibeu ^uttcn’iJ an einen beutfd}en gürften, üielleicbt §Ubrccbt
uon öranbenburg, o^ne Ortsangabe, boeb bem 3nbalte nadj nid^t
fern non bem ^lufentbaltSorte bcS gürften gcfcbricben; außerbem
jmei öillete an Ulricb'S SSetter ^Dietricß uon Jütten, in betreff
ber OrtSbeftimmung Don ber gleichen i8efd)affcnbeit, baS eine ge^
f^rieben aWittmoeb nad) UrbanuS (= 25. SWai) ohne lesbares
3ob^f anbere 3)ienftag nad) -gituocauit anno rcXiij, baS märe
ben 16. gebruar 1513 ‘). Ob mir nun auf biefeS einjige ©ebrift*
ftüd, mo boeb möglicbermeife ein ©d)reib- ober ßefefebler im
©piele fein fönntc, bie SSorauSfe^ung bauen bürfen, Jütten fei
febon im Söiuter 1512 auf 13 aus 3talien ^urücfgefebrt, miH mir
boeb ^meifelbaft borfommen. 2lber auf 0tcdelbcrg als 2lufent:=
halt Ulricb'S febeinen bie beiben jule|tgenannten bi«5Ws
meifen, ber barin in gamilien* unb fRitterfcbaftSangelcgenbeiten
tbätig erfebeint. 3ui Uebrigen febilberte er fpäter bie 2(ufnabme,
bie er bei feiner fRüeffebr in ber gamilie gefunben, als eine
feineSmegS erfreulid^e. 0tatt nach ber oieljäbrigen 2lbmefenbeit,
ben meiten ^Reifen unb jabHofen öefebmerben, bie er erbulbet,
ben ßwrücffebrenben freunbli^ in ber ^cimatl) miUtommen ju
beißen, b^l’cn il)n mit menigen 2luSnabmen, unter bie mir jeben^
falls feine gute SThitter merben ^ablen bürfen, feine 2lngebörigen
mie ben oerlorcnen 0obn angefeben, ber eS berbiene, i^u ben
<Sd)meinen unb Xrebern oermiefen j\u merben. 2)a er feinen Xitel
mitbraebte, febien er feine Qcit oerloren ju haben. §luf bie grage
eines dritten, mie man ben ^eimgefebrten ju betiteln habe, gab
einer feiner IBenoanbten jur 2lntmort, er fei noch nichts. * Xureb
ben S3onoanb, baß er ja nichts gelernt habe unb nichts fei, mußte
man eS befebönigen, baß man ihn bisher batte barben laffen,
unb auch ferner nid}tS für feine SBünfebe tbat*).
1) 8ömmtUd(|; bwt Hctcnßüdfe bei SBöding, ü. Hutteni Opp. Suppl. I
Addonda, @. 3—6.
2) ^tttten’§ iBricf an 6!rotuS oot ber jioetten Ausgabe bcS Nemo,
©(briften I, S. 176.
^r^d(tni§ Watn}.
73
3)od) f^iencn ftd^ t)ou einer nnbern @eitc ^er cjünftiqc
Äu^pd)ten ju eröpuen. ^cr eben genannte SDtarfgraf ^lbre(f)t
öon Sranbenburg, beS 5?urfnrften Soad^im jüngerer öriiber, fo
eben j\um ©rjbifc^of üon 3Kagbeburg unb ^Ibminiftrotor uon
^alberftabt gewählt, tuar am 9. 3Jtör^ 1514 überbieg auf ben
cT5bifc^öpict)en ©tugl üon SKainj erhoben morben, unb gatte
nun ben Flitter (Sitelroolf oom (Stein, ^utten'ö 93cfcgü|er fegon
öon gulba ger, au3 ben branbenburgifegen 2)ienften in bie feini*
gen gerübergejogen. (Sitetmolf pebeltc al5 lurer^bifcgöpicger §of^
mcifter, SBicebom beö 9tgeingau§ unb ©tabtpräfect naeg 9)?ainj^
über, unb gebaegte feine neue ©teflung gauptfäcglicg ^um SBeften
ber micberauPebenben Sßiffenfcgaften ju benugen. 2Baö igm an
ber Ober migtungen mar, foflte igm, fo goffte er, an ben Ufern
beö fRgein^, unter einem jungen gürften, ben er felbft jum Sieb^
gober ber neuen 9licgtung in ber Söiffenfcgaft gatte geranbilben
geifcn, gelingen. ^)ie main^er |)ocgfcgu(e, bie fegon feit bem
Sogre 1477 alö ©tiftung be§ ©r^bifegofö ^)ietger uon Sfeuburg
beftanb, gebaegte er in einer SBeife ju reformiren, bag fie igre^^
gleicgen in (Suropa fuegen follte. ®ie untauglicgen fiegrer foHten
abgefegafft, bie tücgtigften aiMnner uon allen ©eiten gerangen
l^ogcn luerben. ?ln SKitteln fonnte e$, bei (Sitelmolf'ö @inpug
auf ben freigebigen Ä'urfürften, niegt feglen ; aueg gebaegte er fein
^riuatuermögen babei niel)t ju fegonen. @r fegmärmtc für biefc
3bec. SWainj mit feiner Uniuerfität follte ber ©ip ber gelcgrten
9Kuge fcincö Sllterö fein, menn e^ igm einft gelänge, aller ^ofs
ämter entlebigt, nur ben ©tubien unb ben ©elegrten ju leben.
3gm leuegtetc SWutiaii'^ ®eifpiel uor, beffen er im QJefpröegc mit
©emunberung 5U gebenfen ppegte.
5)abei badgte er gleieg uon Einfang gan^ befonberö aueg an
Jütten. 3a, tuenn baS Uorgin ermägnte ©egreiben §utten'ö uom
lebten ^ecember 1513 tuirflieg an 5Ubreegt geriel)tet mar, fo gatte
biefer, fegon ege er ©rjbifegof uon SWainj gemorben, ben jungen
ÜÄann, bem er bereite mägrenb feiner ©tubienjagre gülfreieg ge*
mefen, in feine ®ienfte ju liegen Uerfuegt. ©ieger erfegeint Jütten
im folgenben ©ommer unb ^erbft in ©rfurt unb ^aUc im amts
liegen Sluftragc beö Äurfürften tgätig. maren igm riegter*
liege gunctionen übertragen, mobei mir ign, naeg bem ?ludbruel
eine^ ga^manneö (©öefing), „rigib juriftifeg" ouftreten fegen; ja
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74
I. 9u(l(|. 4. Pat>itel.
nod) mc^r qIö ha^, mcnii ioir bcm frcilid) tjertüorrcnen Scrid^t
einer alten erfurter S^ronif glauben bürfen. SlU ein gewiffer
2lngeflagter, tt)irb l)ier erjä^lt, otjne übenuiefen luerben tönnen,
in^ @Jefängni§ jurüefgefü^rt ujurbe, ba b^be ber mainjifebe Sonis
miffär „Ulricb öon Rotten" fnirfcbcnb uor Söutb au^gerufen: bu
mugt nach Urtel unb SReebt fterben, unb wenn bu ^bw^n^^ö^Ö^
bätteft!^ Unterfuebung^riebter in ber Xbot fehlte Jütten
ba^ geeignete Xemperament, unb infofem b^^Uc er fo Unrecht
nicht, njenn er öom juriftifchen ©tubiurn nichts njiffen ttJoUte.
Sflücb ein anberer gall ereignete fidj in bcmfelben ©ommer, ujobei
Jütten gleichfalls roeber als fftiebter noch als S)icbtcr ßorbecren
fammelte. 3n ®odc fcheint er an ben ©eriebtsfibungen über
einen getauften Suben, 3ol)anneS ^fefferforn, Xbcil genommen ju
haben, bie beffen martcrooHe Söerbrennung am 1. ©eptember 1514
jum ©rgebnife bitten. S)er 5)elinquent batte ohne ^rieftermeibe ben
Pfaffen, unb augerbem ben Slrjt gemacht, unb befannte nun,
unter ber golter natürlich, 9KöglicheS unb Unmögliches, mie man
eS haben moHte. @r befannte nid)t nur Äirchenraub unb ^oftien»
febönbung, ärstliche IBergiftung oon ©b^^ffen unb ©cblacbtung
l)on (Sbtiftenfinbern, fonbern auch, ba§ er bie geftocbcncn ^oftien
bluten gefeben, unb' ba§ er ficb üon ben 3uben bafür habe be»
jablen laffen, fämmtlichc dauern in ben beiben ©tiftern 9Wagbc*
bürg unb ^alberftabt ju Oergiften. ^)a6 ^)utten biefen 9Äenfcbcn
Ocrurtbeilen half, ift il)m am (5nbc meniger ju oerbenfen, benn
nach bamaligen 8ted)tSbegriffen batte berfelbe ohne
2:0b oerbient. Slber er bichtete noch baju über baS rucblofe 2c*
ben 3ob. ^fefferforn’S eine 5luSrufung oon 119 ^ejametern,
morin er S)inge loie baS ©luten ber §oftien u. bcrgl., bie er
unter anbern Umftänben als ©faffen^ unb ^öbelmäbrchen oer*
höhnt haben mürbe, gläubig mieberbolte unb feinem Äurfürften
@lüd münfehte, ein folcheS Ungeheuer auS ber Söelt gcfchafft ju
haben*), ©on bem feltfamen ©)3uf, ju bem bie ÖJleichnamigfeit
biefeS ©erbreeberS mit einem anbern ©fefferforn ©eranlaffung
gab, mirb in ber Solge ju fprechtn fein.
1) 6. 6(^tiften I, 6. 33.
2) In sceleratissimain Io. Pepericorni vitara Ulrici ab Hutten eq.
exclamatio. Sd^rtften III, 8. 345—848. ^o5ei bU actenmft^ige @ejd^id^te
beS SerbörS, 8. 349—852,
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i^utten als main^ifd^ier Sommiffär.
75
3n bcr X^Qt jcboc^ trat 3cit, bcn neuanflcnonis
menen Xiener in ein i^m angcmcffcncrc^ ga{)riüaffcr jii bringen.
Xaju mar je^t eben bie befte Gelegenheit, bic auch fein cinfid)tö^
UoHer Gönner fich nicht entgehen lieg. 5liif ben 8. S^oüember
ftanb ber feierliche Sin^ug bcö neuen Äurfürft = Grjbifdjofö in
feine äftefibenj bcöor, unb biefen 5lnlag, meinte (Sitehuolf, folltc
Jütten benü^en, bemfelben eine $robc fcincö Xalentö ju geben
unb fich feiner Gunft ju Uerfichern. Gr Veranlagte feinen
ling, einen ^aneghricuö auf ba§ Grcignig ju bichten, ben Jütten,
obmohl unter ungünftigen Umftänben (von benen mir nichtö 910«
hcreö miffen), bo(h rafch ^u ©tanbe brachte *). Xag er fein Gebicgt
nad^ bem Verlangen feines Gönners glcid) auch bruden laffen
follte, ging il)m fchmerer ein. ©o fehr er in ber ßueignung an
benfelben *) feinen S3ebenflid)!citen bie SBenbung gibt, als bezögen
fic fich nur auf bic 9Äangclhaftigfeit feiner Slrbeit, fo ficht man
bochr er fürchtete juglcich bcn Sormurf bcr ©chmeichclci. Slber
er hielt eS für erlaubte nicht nur, fonbern gebotene ^olitif ber
Vertreter einer beffern ßiteratur, bic Grogen and) burd) $ul«
bigungen, , bie fie meniger fchon verbienten, als verbienen folltcn,
ju ihrer Partei h^i^öberj^ujichen. Xag einem gürften von bcr
Sebcutung Sllbrecht’S von 9Jiainj ein 9Jionn mic Gitclmolf jur
©eite gcfteClt mar, betrachtete §uttcn als eine befonbere Gunft
ber Götter für bic ©achc bcr Slnfftärung. öeföge Xeutfd)lanb
viele fcineSgleichcn, meint er, fo märe cS am Gnbc mit bcr S3ar«
barei, unb mir brauchten unS nicht mehr vor anbern ^Rationen
unferer felbft ju fehämen. ©einen ©tanbeSgenoffen inSbefonbere
ftcllt er ben gelehrten Slittcr als 9J?ufter vor. Sei biefer Gele«
genheit leert er über beren centaurifchc ©itten, ihren bummen
Äbclftolj unb ihre brutale Verachtung aller Silbung recht fein
$crj aus. 2ÖO ein junger §lbelicher Von Xalent fid) mit liberalen
©tubien befaffc, bcr merbc von ihnen ols ein Gntartetcr, feiner
Slhncn Unmerther, veraltet unb verfpottet; moburch fchon mancher
von bem bereits betretenen beffern SBcge fich tt>icber höbe ob-
fchrccfcn laffen. Unb fo unmiffenb unb ungebilbet fic feien, fo
1) In laadem reverendisRimi Alberthi Archepiscopi Moguntini
ülrichi de Hutten Panegyricoi. III, 343, 363—400.
2) Ad clariflsimiim cqaitem Eytelvolfum de Lapide etc. Ulriobi
de Hutten eq. in Panegyricum Praefatio. ©d^riften I, S. 34—37,
76
I. %u(^. 4. Pat>itet.
l)alten fic borf) fid) aKein für bic ©tü^cn uttb bic ^offnuitg be§
SSatcrIanbeg, unb meinen, olle ©efc^öfte bat^eim unb auömörtS
foHten nuöfd)lie6li^ biird) i()rc .^änbe ge^en.
2)aö ©ebic^t felbft ftellt im (Eingänge bie feftlidje greiibe
ber aj^ainjer beim ©in-^uge i^reg neuen gürften bar, melc^em
5U machen, jmei ©r^bifeböfe fc^neU beider einanber hoben
fterben müffen. ©cbon beim ^Ibleben beö alten branbenburgifeben
Äurfürften Sübreebt Slcbilleö fei bie trauentbe Germania öon
SKarö bureb bie §inmeifung auf bie brei @nfcl getröftet morben,
meld)e ibr ben ^rogöater bereinft erfe^cn füllten: Soaebini unb
unfer Sllbrecbt Don ©ranbenburg unb 5?afimir üon ?lnöbad); bic
fofort al^ Äinber, boeb bereits mit ben ©puren ihrer fünftigen
©igcntbümlicbfcit, anfdjanlidb uorgefübrt merben. 3^^ 5^icr üon
Sllbrccbt’S iRegiernngSantritt nun bot ber Söater 9tb<^io fämmt^
lid)c beutfebe glufegöttcr ju einer gcftüerfammlung eingelaben.
@r fclbft im geierfd)mudc fährt auf feinem ©trome bem dürften
entgegen: üon feinen ©d)ultern mailt ein meiter föftlid;er 3)?antel,
in mcld}en bie athmpb^u bie gan^c beutfebe @cf(bid)te cingemoben
haben. Son biefer mirb nun ein aibrig gegeben, unb ^mar ganj
im gbibeUinifeben ©innc: bie §obenftaufen toerben bod^gepriefen,
baS SJerfabren ber ^äpftc gegen fic, toenn auch mit IRücfficbt,
gctabclt; bag aber ^arl IV. ficb üom ^apft auS IRom mcifen
lieg, erfebeint bem ^id)tcr als baS aicugcrftc ber ©cbmacb. *5)eS
aibcinftromS ?lnrcbc an ben neuen Ä^urfürften, mclcbc nun folgt,
enthält neben ben febönen Sßorten and) gute ßebren, bic üon
bem fürftlicben Süngling mit ücrfdjämtem ©rrötben unb erhabenen
SBorfä^cn aufgenommen merben. 2)cmnäcbft entmirft ber ^i^tcr
üon 3llbrcd)t'S ^erfönlicbfeit eine ©ebilberung, in mclcbcr er ihn
als einen ^erculcS am ©ebeibemege bic 5^ugcnb mähten lägt unb
ben öifrböfcn feiner ß'-’il ols 9J?ufter ber pflichttreuen Xbätigteit
im gciftlicbcn unb fRegentenberufe, ber 9J^ägigung unb ©ittfam?
feit, ber ©obltbätigfcit nnb Siebe ^u ^unft unb SGBiffenfebaft
barftcHt.
öeibc, ber befungene fomobl als bcr®bclmann, bem
baS ©ebiebt jugecignet mar, nahmen eS freunblicb auf. Sc^tcrer
moUtc eS nicht als 3)anf für bereits ermiefene Söobltboten, fon*
bern als Serpflidjtung ju neuen gelten laffen; benn maS er
bisher für §uttcn getban, fei gcfdjcben, um feine greunbfdhaft
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^ulien’S ^oneg^TicuS auf brn Grsbifd^of %[I6r((l(|t uon SRatn}. 77
gu getoinncn, mithin burci^ bicfe bereite vergolten gchjcfcit. S)cr
Äurfürft ober Heg if)m burd) (Sitcltoolf ein ©efe^enf Don 200
^olbgulbcn übergeben unb beftimmte ibm eine ©teile an feinem
$ofe, tnenn er erft mit feiner Unterftü^img bie abgebrod^enen
©tubien in Stalien öoUenbet ^oben mürbe. §Iudb jefet fc^on üer^
meiltc glitten eine 3^*1 J^ng in SOiainj, mo er außer (Sitelmolf
Que^ in feinem Sermanbten, bem SOiarfcßalf gfromin uon Jütten,
einen angefebenen ©Önner b^tte. Öeibe metteiferten gleicbfam,
ben uielncrfpredjenben jungen äJ^ann ficb jujueignen. gromin
ibn einmal in eine ©efellfdjaft gelehrter ÜJ^änner mit ber 2Ben*
bung einfübrte: ba^ ift mein Ulricb! üerfefete ©itelmolf: unb auch
ber meinige. ®aö Söerbältniß mit ßc^terem mor infofern bog
innigere, aU gromin mobl ein CSJönner ber ©elebrtcn, felbft aber
ohne gelehrte Silbung mar. SJ^it ©itelmolf bagegen fonnte Ulrich
uom gaebe reben, unb oft, menn fie ficb begegneten, unb ber
ßebtere ficb febeute, bem oielbefd)öftigten ©taatömanne befcbroerlicb
ju fallen, rief biefer ihn ju ficb mit ben Sßorten: Äommt, ich
min ein paar ©tunben für unfere ©tubien fteßlen. greilicb
maren folcbe aiiönner 2luönabmen oon ber Siegel. ®ie Herren
uom 5)omfapitel inöbefonbere hielten ber SOlehrgahl nach ^uf ^unbe
unb galten mehr alö auf 33ücher, auf @elb unb SSohlleben mehr
alö auf QJclehrfamfcit. 2öar aber einer in Slom, merin auch
im ©tall einc$ bortigen Prälaten, gemefen, fo mar mit einem
folcben Ooüenb$ nicht audjufommen. @r moHte auch in gelehrten
S)ingen ben Äenncr fpielen , ohne hoch etmaö 5u oerftehen. Unb .
Jütten fonnte in bergleichen göllen nidjt mohl febmeigen; ma^
ihn jebt mie fpäter in mand)e Serbrießliebfeit üermidelte ').
3n aJlainj mar e^ auch, Jütten bie erfte 53efanntfcbaft
mit (Sradmui^ machte, ber im ©ommer 1514 oon (Snglanb na^
öafel unb im erften griihling be^ folgenben Sahre^ mieber oon
ba nach ©nglanb jurücfreifte, mo il)n bann $utten in granffurt
am ailain noch einmal fprad}*). S)a^ mar bajumal, alö, mie
febon früher gelegentlich ermähnt mürbe, i^uglei^ Sleuchlin unb
^ermann oon bem ^ufebe bafelbft maren, unb (Sitelmolf bahin
1) S)teje Stadtiricfitcn f. in ^utirn’S 93rtef an äolob Sd^iriften I,
6. 43 — 46, unb an ^id^ael öon 6cin§^|cim, 62 — 64.
2) Erasmi Spongia, in ^utten’§ @^rifien II, ®. 318. $gl. mit bfffm
Briefen aud b<n fahren 1614 unb 16.
78
I. 9u(^. 4. ftapitel.
reifte, um ben auSgejeic^neten äWönnern ein fofratifd^eS ©aftma^l
ju geben: woran i^n jcboc^ ein Äranl^eit^fall oerbinberte. 3für
$utten war bie öefanntfcbaft mit ^agmuS ein ©reignig, Wie
fie e^ im ßebcn @oban3 unb jebeö ©umaniften jener Qc\i war,
bem fie ju 3:bcii würbe. @alt er bocb, wie er eö auch war, für
ben aWeifter unb baö ^aupt ber ganjen Stiftung, bem in^befom
bere auct) Jütten, wie er felbft ficb au^brücft, eine wahrhaft reli^
giöfe SJerebrung wibmete. SBon feiner pcrfönlicben Sieben^wür^^
bigfeit unb bem ßauber feiner ^ebe wußte biefer nacß jener
ßufammenfunft nic^t genug ju rühmen; iReucblin unb S3uf^
feien oor i^m ocrftummt*). 9lun würbe ein S^riefwecbfel an^
gelnüpft, unb Ü)teifter unb Sünger freuten ficb einer beö anbem,
ohne j^u abnen, wie fie einft noch fo b^i^t wiber cinanber ftoßen
foüten.
Unterbeffen mußte §utten etwaö für feine ©efunbßeit tbun.
3m grübting 1515 ging er nadb @mö, unb eg febeint fein ^lan
gewefen ju fein, wenn er bureb ben ©ebraueb ber warmen duellen
(eiblicb b^^^flcficllt wäre, unoerweilt bie IReife nach Stalien anju«
treten, wo er mit feinem greunbe Sofob guebg, ^omberrn ju
Samberg unb SBürjburg, jufammenjii treffen buffte, ^ber eben
in feine emfer Sur pet ein gehoppelter bunter 0d)lag. §ln einem
unb bemfelbcn Xagc beö SJtai erfuhr er ben Xob feineg ©önnerg
Sitelwolf Oom ©tein unb bie Srmorbung feineg Setterg ^ang
oon $uttcii bureb ©^^ä^g Ulricb oon SBurtemberg.
Sitelwolf bötte f^on einige 3ob^e an ©teinbefebwerben ge*
litten, ^ie Slerjte wußten feinen 8^atb alg ben, welchen ber
raftlofe 3Wann am wenigften befolgen mochte: pcb in ber Arbeit
ju fronen. @r war noch nicht fünfzig 3nbi^c ^ unterlag.
Jütten fühlte tief ben Serluft eineg ©önnerg, in bem er zugleich
. einen eblen unb weifen ÜJtann Oerebrte, unb fe^te ihm in bem
©enbfebreiben an 3nfob guebg, bem wir febon früher bie meiften
Eingaben über Sitclwolf entnommen höben, ein feböneg 2)entmal.
l) (SroiuS on 9)Quttan, ber übrigens bteje 3u|amtnenfunft nod(i 3Rain}
brrlegt. 3n ^uttcn’S 6(briftcn III, @. 544.
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79
fünfltB Kapitel.
<$0119 Srtttor^ititg beit $er)og 3lfrl<p noit
^örlentberg, itiib $ittteit'9 <|tgitotloii gegen ben
$et|og.
1515—1517.
®en nnbcrn Unfall, bic ©miorbung feine« SBettcr«*), be=
richtete ber main.vfc^e !Dom^err äWarquarb Don ^otftein on feinen
3freunb nnb „©c^tnager" Ulrich nac^ @m«. S55ir erinnern un«
jene« ßubroig non Jütten, bem wir oben al« einem ber ^äupter
ber gomilie nnb al« 9Bo^ltl)äter be« üon feinem Sater oerftoßenen
Ulrich begegnet finb. ®r ^atte felbft, neben einer Xoc^ter, Uier .
©ö^ne; einen ber füngern oon biefen b^tte er, naebbem berfelbe
bem Äaifer im gelbe gebient, an ben ^of be« $erjog« Ulrich
bon SGBürtemberg gegeben,* mit bem er in freunblicbem SBernebmen
ftanb, nnb ben er halb barauf burdb rin ®orlebn unb bureb ?luf*
bringung einer S'leiterbülfe gegen ben armen Äonrab fteb no^
weiter berpfliebtete. Äueb ben tübinger ©ertrag jwifeben bem
^erjog unb feinem Sanbe bntte er, aU Äbgefanbter be« ©ifcbof«
bon SEBürjburg, bermitteln brlfcn.
^an« war ber ßiebling bc« alten ©ater«, unb fein SBunber:
war er boeb ein angenehmer, frifeber 3ungc, bö^*fcb ^nn ©efiebt
unb wohlgebaut bon ©liebem, im ßouf unb Xanj, im 9>lingen
unb ©ebwimmen, ^feiten unb ßanjenrennen ber erfte unter feinen
1) ^ie Cuellen für ben (Segenfionb btefei ftapiielS finbet man
in ®Ming’§ Ausgabe bon i^uttrn’l St^riften I, S. 39 — 101. III, ©. 401— 412.
IV, 6. 1—83.
80
I. 99u(!^. 5. Aa^tiel.
©enoffen, ftetS loo^l oufgclcßt, fclbft unter ernften ©efe^äften.
@in junger fRittcr biefer 3lrt war für einen jungen leben^luftigcn
gürften inic ©erjog Ulrid} ein gunb: er mochte i^n ju feinem
0tallmeiftcr; in SSalb unb gelb, U)ie bo^cim bei ^irunf unb
©picl, ^attc er i^n an feiner 0eite; halb tnaren pe un^ertrenn^
lic^e ©efeßen. Slber fie famen fic^ aü^una^e, unb berührten pc^
in einem fünfte, mo \>a^ gefö^rlic^ ift.
©lücf bciS jungen granfen fd^ien noßenbö gemacht, mic
er bie fd)önc Urfula X^umbin alö (S^egemo^l ^cimfül)rtc. 3§r
öater, ^onrab Xl)umb uon fyteuburg, mar ber erfte 3J2ann am
mürtcmbergifd^cn $üfe: für il)ii ^attc §er^og Ulrich baö ©rbmar*
fc^aßamt gegrünbet, i^m erft ju (Stuttgart ein §au3, bann au«
feinen pfäljifc^en ©roberungen ba« S^lop Stettenfcl« mit bem
Xorfc ©ruppenbacb uertiel)en. Oalt ber 3^ater beim ^erjog Diel,
fo mar biefem aud) bie Xod^ter nic^t gleichgültig. S^on al«
junger Sß^enfeh mar er oft in ba« $au« gemanbelt, ba« er feinem
äl'^arfchalf gefchenft, unb fich befonber« gern im grauen*
^immer aufgchaltcn, mo er mit ber Xochicr feine Scherbe trieb.
5luch nach feiner Serheirathung h^tte er biefe ^efudje um fo
meniger eingefteßt, je meniger feine ftol^c unb 5onfifche Sabine,
ihm oon ber ^olitif al« ©cmahlin aufgebröngt, thun mochte ober
aud) tonnte, feine Steigung ju gemiuneu. ßiun aber mar bie
reijenbe Xhumbin (1514, brei 3al)re nad) be« ^erj^og« öermäh^
lung) bie grau feine« Staßmeifter« gemorben. S)a« junge @hc*
paar führte noch feine eigene SSirthfehaft, fonbern mohute Oorerft
im ©aiife ber Schmiegcrcltern, moi)in ber ^erjog noch immer
feinen SBanbel behielt. X)a« mar nun aber hoch bebenflich. Xer
$erjog mürbe jubringlich ; ber junge ©h^mann machte ihm S5or*
fteßungen: unb nun oergap fich ber leibenfchaftliche gürft fo
meit, bap er feinem Stoßmeifter ju güpeu pel unb ihn mit au«*
gefpannten Trinen um ^otte« mißen bat, ^u geftatten, bap er
feine eheliche ^au«frau lieb hö^>cn möge, beim er tönn', moU’
unb mög’« nicht laffen.
Sßie fehmer oer^eiht ein gürft bemjenigen, oor bem er pch
gebemüthigt hot, um fo fchmerer, menn an ber Xemüthigung ber
Stachel be« Lächerlichen hoftet. Sßa« hulf c«, pch oon bem Xiener
Stißfehmeigen über biefe Scene oerfpredjen ju laffen: halb mar
. ©eheimnip, unb ber $erjog
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Cnnorbunfl i^an§ bur^l öen ^frjog 81
fa^ ftc^ bem 0pottc blog^cftcllt. ©incrfcit^ fonntc man bcm
jungen §utten nic^t ncrargen, menit er uoit bem SßorgcfaHenen
ba uub bort^in 3J^ittf)cilung machte. 3^n feiner bcbcnflic^cn Sage
brauchte er guten Statt). Um ben maiibtc er fic^ au (einen er^
fa^renen ®ater. ^er meinte, ba^ 0ic§erfte märe, ber ©o^n fagte
feinen ^ienft auf, ritte t)eim, unb liege fic^ bic grau bann bureg
ben ©c^miegerüatcr nac^fc^iefen. greilid^ mürbe baö niel Stacks
rebe geben. ®in Stuömeg märe, menn igm fein 0c^mä()er ein
21mt fern öom §ofe auömirfcn fönnte, mo bann ju goffen märe,
bag eö bcm $crjog „auSfegmi^en" mürbe. Uracl) freilieg, mogin
ign biefer aU Dbcruogt gatte fc|cn mollcn, mar aU galbe Stefibenj
ju jenem ßweefe untauglicg, unb bager au^ üon igm aui^gefcglagcn
morben. Söägrenb ber junge Jütten naeg bcm fRatge feinet
©egmägerö, ber einen 33rucg 511 nermeiben münfegte, noeg jnj^us
märten öor^og, mic ber ^jerjog fieg ferner galten mürbe, fam e§
;^u Sluftritten. §anö gatte, mie feine gamilic naegger fclbft 5U=
geftanb, non ber ©aege, auger mit ©ater unb ©egmiegernater,
noeg mit ©erjog Ulricg'ö 0cgmager, bem ^erjog §cinricg non
^^raunfegmeig, mit bcm jener niegt jum beften ftanb, ferner mit
5Jrübern, 33cttcrn unb greunben gefprod)cn. Ueber folcgcn SScr*
ratg, mic eö igm erfegien, ftelltc ber §crjog ben Wiener ^ur 9tcbc,
unb fpraeg uon igm bei gürften unb Herren, @bcln unb Unebcln
al5 non einem treulofen, nerrätgerifegen glcifcgböfcmicgt, ber,
menfcglicg ,^n reben, fo übel an igm gefagren als Subaö an
unfenn |>errn ®ott. 9tun fanb §anö |)utten boeg gcratgen,
ben ^erjog um feinen Urlaub j\u bitten; aber biefer gcmägrte
benfclbcn niegt: mürbe boeg .gand ogne
fortgenommen gaben, unb überbieg gatte er fieg geäugert, menn
er in Ungnaben megfäme, motic er Urfaeg fagen, bag ber ©er^og
feincä gürften unb @gren mertg fei. gc^t fegiefte ber SSatcr
Jütten feinen älteften ©ogn Submig jum $er^og mit ber Sitte,
ben Sruber ju einer gamilicnbefprecl)ung naeg grauten reiten 511
taffen. 2)cr |)erjog fagte niegt ga unb niegt 9^ein; na(^ ber
Segauptung ber §uttcn'fegcn gätte er §an^ bureg münbliegc unb
fcgriftliege (Sintabnngen jum Slciben fieger gemaegt; bag er am
?lbcnb üor ber fegreefliegen Xgat ign noeg bei Xifege gegabt, ift
nur t)on ber gcmögnlicgcn ^oftafel ^n oerftegen.
?luf ben folgcnben Xag, ben 7. 9Rai, mar ein 9flitt naeg
VII. 6
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I. 5. j^apitel.
6^
S3öDüngen angcfejt: unb ^iev 6ef)auptcn bic ^utten’fd^cn , Ulrtc^
l^abc $Qitö in gnäbigcm 0d)cin mitrciten l)cigen, ba tt)oHc er mit
i^m megcn feinet ferneren 33 leibend t)anbeln unb i^m bann jum
Sefud^e bei feinem 93ater Urlaub ejeben; mät)renb ber ^erjog im
d^eflentljeil behauptet, §an5 fei, üon i^m unaufgeforbert unb oon
Slnberen gemarnt, im unb ^od) mitgeritten. Se^tere
^at um fo meniger 2öat)rfd)einlid)teit, ba er o^ne ©ornifc^ unb
o^ne anberc SSe^r alö einen ®egcn, „auf einem Ueinen unad^t-
baren ^ferbiin" erfc^ien, mä^renb ber ^erjog ge^anjert unb
fonft molf)lgerüftet mar. Untermeg^ fc^idte biefer bie 33eglciter
uorauö, ^ieß bann, aU fie in einen SBalb gefommen maren, aud)
feinen 5)iener jjurücfbleiben, unb menbete fid) nun gegen ben e^e^
maligen ßiebling, ber jefet ber ©egenftanb feinet grimmigften
^affeö mar. Ob er biefen ^ier, mic bie ^utten’fc^en i^n befd^ul^
bigen, mit 9?o6, §arnifd) unb Oemcl)r „überrifc^t" unb unge*
marnt angegriffen ^abe, ober, mie er felbft ucrfid)ert, il^n juuor
angefd^rien, fidb feinet ßeibeö unb Sebenö ju meieren, mad^t bei
bem SSort^eil, ben bie uoUftänbige Stüftung bem §er^og über
feinen faft mel)rlofen Gegner gab, nur einen geringen Untcrfc^ieb.
(Sin orbentlic^cr '^^r eö auf feinen gall; auc§ mic§
ber 3(ngegriffene jurüdf (fein $ut mürbe nachher entfernt Uon
bem Seic^nam aufgefunben), unb üon ben 7 SBunben, unter benen
er fiel, maren i^m 5 non f)inten beigebrad)t. 5)em 9Jtorbe fügte
ber ^erjog noc^ eine ©d)mad) bei. @r fc^long bem Xobten einen
(SJürtel um ben $alö, unb befeftigte benfelbcn an einen ^l)egen,
ben er ju feinen Raupten in ben 33übcn ftieg. ^aö füllte baö
Rängen bebeuten, bag ber ©ntfeeltc burd) feine Öubenftücfe Der?
bient ^abe. 2)a^ fürftlic^e Sagbgefolgc fanb ben ficidjimm; ber
$^i^5og ^einric^ üon 58raunfd)meig ^ob if)n auf, mahnte ben
33ruber be^ ®rfd^lagenen 5u fd()leuniger ^eimfel^r, unb forgte für
bag Segräbnig. ®ie 3lnge^örigen münfdjten ^ernadj, ben Seic^*
nam auögraben unb in ber gamiliengruft belferen ju bürfen:
ber ^erjog üermeigertc e^.
33on folc^em 0c^lage betroffen, füllten fic^ bie .^utten’fc^en
a(§ 5^imilie unb alö 3lngef)örige eineö mäd^tigen 0tanbeö. (Sin
gürft ()atte einen üom 3lbel ermorbet unb befebimpft: boranent*
^ünbete fid) ber ganje ©roll, ber feit bem bro^enben Slnmad^fe
ber gürftenmac^t in ber fRitterfc^aft foc^tc. ^Id^tje^n ©rafen unb
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UInc^.$'utlen’§ STroftbrirf unb ^rouftgebid^t. 83
@blc, bic in bc^ ^crjogg 2)ienftcn ftonbcn, foqtcn il^m bicfe auf.
ÜKon fc^IuQ an baö 0c^ttjcrt unb griff geben j^ur (extern
uor S(Ucn Ulrich §utten, bon, neben bem gamilicn* unb 0tan-
be^intcreffe, jugleid) bie fc^önc Gelegenheit rei5te, fid) fchriftfteüe^
rifch hcTUorjuthun. ^)ie gamilie hielt alöbalb eine
funft; bei ber aber Ulrich, uicUeicht um feine Siabecur nicht j^u
unterbrechen, nidht erfchien. 2)agegen uerfagte er, möglicherrneife
noch @mö, ein Xrauergebicht über ben iönimerlichcn Untergang
feinet Sertuanbten, unb oon ÜJ^ainj au$ erlieg er fobann, unter
bem 29. Suni, ein Xroftfehreiben an ben Satcr bcö (Srmorbeten •).
^eibe Slrbeitcn fönnen mir i^mei ^robcftücfc nennen, mit
mcl^n §utten feinen humaniftif^en ßurfuö cum laude abfol^
üirte. 3ciflt baö eine, bag er feinen Siccro, ©cneca unb ^lutarch,
ben Xroftbrief beö ©eroiusS <SuIpiciu§ an ben Grfteren mit ein-
gcfchloffcn, fi(h grünblid) eingeprägt hatte: fo befunbet baö anbere
ein cbenfo Uertrauteö 0tubium bcö ^iegter^, mclcher ben früh
ba()ingcrafften 2)apl)niö unb 3J^arceüuö befang. ^Dcm alten IRitter
£ubmig trögt ber junge lateinifchc Sßetter in einer Sprache, bic
ber Sllte nid)t oerftanb, eine fRcihe üon Xroftgrnnben oor, bic
jum Xhcil mahr unb natürlid), j^um Xl)cil aber auch fchulmägig
unb froftig finb. ®ag er burch biefen ^obcöfall nicht uerein»
famt fei, ba er noch otehr blühenbe Äinber um fich habe, barauf
mochte ber ®ater mit iSrfotg h^aö^^'aiefen merben: mogeden bic
claffifchc Erinnerung, einen Sterblichen gezeugt ju haben, bic
grage, ob er benn jeht fchlimmcr baran fei ald oor ber Geburt
biefc^ Söhnet, mo er fidh ja auch ai^t gegrämt habe? toenig
bei ihm oerfangen haben mag. SBon ben Jöcifpiclcn cincg ^riamuö
unb 2(ntigonUig, ^ßerifleö unb Xenophon, 2lemiliuö $aulu^ unb
Q. 9Jiarciuö lenlt ber 3^roftrebncr benn hoch noch jeitig auf ben
näher licgenben 93organg bc^ Äaifer^ 3)^05 bei bem Xobe feinet
einzigen Söhnet ^h^iipp ein. Uebereinftimmenb mit biefer Spanier
ift auch ^er religiöfc Stanbpunlt beö 33ricfftcllerd ber heibnifche.
®ag bic Seelen na^ bem Xobe fortbauern, müffen mir jmar aU
1) Ulrichi de Hutten eq. Germ, in miserabilem Joannis Hutteni
gentilia sui interitum deploratio. ©d^riften III, ©.401 — 412, unb Ulrichi
de Hutten etc. ad Ludovichum de Hutten eq. auratum super interemp-
tione filii consolatoria. ©t()riften I, 46—62.
64
I. 6.
(5f)riftcn glauben: lücun fie aber aud^ ju ©runbe flinöcn, wäre
ber iob bo^ fein Üebel, ba er mit ber (gmpfinbung auc^ alfem
ßeiben ein @nbe mod^c. Unb nur bicfcö ßefetere wirb bann
weiter auöc^efü^rt. 0d;luffe wirb ber gebeugte 5Ute ju feiner
Slufridbtung oud) nuc§ auf bie ftarfc bewaffnete $ülfe ^ingcwic-
fen, bie uon ©eiten feiner ©tanbe^genoffen ju feiner SSerfügung
ftebe: obwohl bei ber befannten ©credjtigfeitöliebc beö ÄaifcriS
nic^t ju fürchten fei, ba^ fie uötbig b^ben werben, ficb fclbft mit
gewoffneter ^anb ©enugtbuung 5U nehmen.
@inc ähnliche öcwanbtniß wie mit bem Xroftfehreiben h^t
e^ au^ mit bem Xraucrgebidjt. Sfteben ©emeinplähen unb fRe^
minifeenjen enthält eö monche fdjöne, empfunbene ©teile. SBäh'
renb ber SUtörber ober bod) feine ?lmme herfömmlich cm hh^^oni*
fchen Tigerinnen gefougt h^t, oon ©chlangen er5eugt unb üon
Seifen geboren ift u. f. f., wirb bie Trauer ber jungen grau um
ben entriffenen (SJatten in S^ilbcrn unb SBorten bcfchrieben, bic
wahrhaft rührenb finb. Sludh hier werben alle granfen aufge-
forbert, eine Unthat, bic fcineöwegö bloö bie Jütten angehe, mit
ben SBaffen ju rächen: eher werbe bie ©ccle beö ©rmorbeten
feine fRuhe haben, alö biö feinen Grabhügel ba^ ölut feinet
SIRörberS benehc.
T)aö 93ebürfni6 ber ©uttcn’fchen gamilic, jeht für @incn
SRann ju ftehen, unb bie befonbere Sörauchbarfeit Ulridj% wo
cö neben unb oor bem ©d)werte ber geber beburfte, fcheint jefet
auch feinen SSater oollenbö umgeftimmt ju h^ben. gm guli
reitet Ulrich in ber ^eimath umher, um für feinen Eilten ©chul*
ben ein^utreiben. SBährenb biefer Splitte aber, unb bann auf ber
oäterlichen ^urg, oerfagte er feine erfte Siebe gegen ben ^jerjog
oon SBürtemberg. ©benbamal^ hatten bie ^utten'fchen an ben
würtembergifchen Sanbtag, ber gerabe beifammen war, ein ©chrci*
ben erlaffen, worin fie biefen erfudjten, bie ^onblung ihres ^er*
gogS gu beftrafen, fonft würben fie fich genöthigt fehen, bie ©achc
überaü auSgubreiten unb jebcrmönniglich um ©eiftanb angurufen.
Tiefem ©efuche nöthigenfallS gewaltfamen SRadhbruef gu geben,
hatten fie eine abermalige ßnfammenfunft ber gamilie in ihren
Oerfchicbenen ßweigen nach ©peier, SBinbSheim, griebberg unb
Slnfpadh auSgefdjricben. Db Ulridh babei erfdjien, wiffen wir
nicht; cbenfo wenig, welchen Slntljeil er an ber Slbfaffung bcS
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^utten’S erpf 9?rbc toibcr ^erjoß Ulrid^. 85
*#
?tudfc^rci6cnö Siubtüig $iitten'§ in ba§ fRctd^, baöjtnar erft fpätcr
auii^cgcbcn, boc^ um bicfc gcit cntftanbcn ift, gehabt ^abcn mog.
@cmi6 ift nur fo üici, bag feine erftc 9tcbe gegen ben ©erjog
nur eine rebnerifcf)e 3lu!?fü^rung biefeö Slctcnftürfeö ift. Snöbc*
fonbere ift bie i)arftellung beö ©cfc^ic^tlic^en, bcö Serf)ältniffeö
,^mifc^cn bem ^cr^og unb §anö J^utten, in beiben 0d^riften bic
gleiche.
SJtan ermattete, bag J^er,^og Ulrich üom i^aifer öor @crid^t
getaben merben mürbe, unb fo componirte nun §utten feine IRebc
fo, mie menn er oor Äaifer unb 9^eicf) atö 5^läger gegen bcu ^ers
jog auftreten mollte. @r entfd^ulbigte bei einem ber greunbe,
an bic er fpätcr ?lbfct)riftcn ucrfd)i(fte, bic UnooHfommen^cit feiner
9lrbcit bamit, baß er fieß im gaeße ber ^Infiagcrcbcn früher nie
geübt, unb nun überbieß oßnc 93ücßer unb oßnc bie gehörige
fRußc ßabc arbeiten müffen: allein baß er bie ßatilinarien unb
3Serrincn unb ^^ilippifcn grünblicß ftubirt, in ®aft unb !ölut
Oermanbclt ßatte, geigt biefe mie bic folgenbcn fRebcn über ben^
felbcn ©egenftanb gur ©cnüge. 9tcin, um Slnflagcrcbcn gu feßrei*
ben, brauchte §uttcn feine S3üdjer. SBcmi er Xroftbriefe, Xrauer^
gebießte Oerfaßte, mar er nießt in feinem gelbe unb arbeitete nur
fcßulmäßig: bei ber gnoectioe ßalf il)m ber cigenftc ÖJeniu^, unb
er lieferte SBcrfc, bic fieß ben Ißorbilbcrn, beren 9ftad}al)mung fie
nid)t ocrläugnen, guglcid) ebenbürtig gur ©eite ftcllcn. fRcinßcit
ber ©prac^c unb ber rcbncrifc^en Äunftform ßat natürlich ber
S^ömer Ooraug: aber @eift unb fRebcfüllc, bic @abe, alle Um-
ftänbe ßcß gu SRupe gu machen, ben geinb gu feßlagen, nieber*
gufeßmettern, ben ^örcr (ober ßefer) gu rüßren unb fortgureißen,
ßat Ulrieß oon Jütten gegen ben mürtembergifdjen $ergog ni^t
minber al^ ßiccro gegen (jatilina unb G^lobiud bemiefen.
SEÖir fönnen nod) genau beobad)ten, mie fieß baö Xßema in
§utten’g ®ciftc allmäßlig entmidclt ßat. ©cßon in bem früßeften
isöriefc, ben er in ber ©aeße feßrieb, an ben maingcr ^)omßerrn
3Karquarb oon ^atftein, burd) mclcßcn er bic erftc ^taeßrießt oon
bem 35orfall crßaltcn ßattc, finb alle §auptpunftc feiner fpätern
^arftcllung, bod) noeß in cmbrßonif^cm cntßalten.
®erbrcd)cn neu, uiicrßört, geßäuft; ber ©rmorbctc unfeßuU
big, 3)tuftcr jeber Xugenb: mirb irgenb eine fRacßc genügen? mer^
ben nid)t bie Jütten aHe, nidjt fämmtlicße fränfifeße Witter, ja
86
I. $u4). 5. j^apitcl.
•
ber cjaitjic bcutfc^c ?lbd, flcgeu bcn 9Jiörbcr fid) ergeben? Unb
loaig treibt biefer jebtV bereut er, ober nid)t? SEÖa^ enblid) ift
Dom Äaifer ju boffeu? tuirb er ftrafeu? tuirb er fd)onen? ®ieß,
neben bem 33ebauern mit bem uncjlüdlicben SSoter, morin baö
Xrauerj^ebiebt unb ber Xroftbrief feinten, ift fd)on in jenem erften
0(^reibcn in tür^efter gorm enthalten, ©ntmicfelter erfebeint ber^
felbc Snbalt hierauf in bem ©riefe an 3afob §ier finben
fid) febon bie ©runbjügc ber öJcfcbicbtöerjählung ; baö ^treiben
beö ©erbreeberö, baö ©erhalten beö ilaiferö, bie öffentliche 0tims
munfl, bie ßiebenörnürbic^feit bcö gefallenen, bie ©erbienfte feinet
©aterö um ben |)erjog finb fchon rebnerifeber auögeführt: ci be*
barf nur noch eineö ©d)rittei^, fo finb mir in ber
(Srften fRebe'). SRacb einem etmaö fpiclenben ©inejange
über baö ÜJdßüerhältniS jebe^ ^liiiSbrud^ 511 bem ©erbrechen, baö
ben ©egenftanb feiner fRebe bilben fülle, nimmt .^utteu erft bie
Xl)cilnahmc ber fRidjter in ?lufprucb, inbem er ihnen ben greifen
©ater, bie trauernben ©rüber, bie jammernbe ©djmefter, bie
üerlaffcnc ©attin beö ©emorbeten, hinter ihnen bie ganje ^ut^
ten'fche ©ermanbtfd)aft, bie gefammte fränfifebe fRitterfdjaft alö
gegenmörtig üor Slugen ftcUt. ©egenfa^c ba^u malt er fo^
bann, gleicbfallö mie menn er anmefenb märe, ben ©erbreeber,
an beffen §änben unb ©efidjte man nod) bag unfcbulbigc ©lut
feinet @d)lacbtopfcrd ju bemerfen glaube, aug beffen jefet noch
milben unb fd)redlicben 5)iienen abäunchmen fei, mie gräulid),
mie gar feinem SUienfeben mehr äbnlicb er bei ©erübung ber
Xhnt felbft aib^gefchcn hnben möge. 3a, bie 3:bot, über melcbe
hier gerid)tet merben foUe, fei bie fd)redlid)fte, granfamftc, un*
menfcblid)fte, bie, feit eö SJienfcben gebe, üevübt morben ; ber ^In*
* geflagte unter allen, melcbe bie ©rbc trage, ber üermorfenftc, ab^
febeuliebfte, büöhafteftc ; fein ©erbrechen ein Inbegriff aller ©er*
brechen, mit feinem Flamen üoHftänbig unb erfcböpfenb ju bejeiebnen.
©üfort mirb jur ©efcbid)töer,^ählnng übergegangen, ^a^
frcunblid)c ©erhältnifj beö alten Submig §utten ju ©er^og Ulrich;
bie 2lufopferung, meldje barin lag, bag er ihm feinen liebfteu
@ül)n überließ; beffen ©Sühlberhnlten unb treue ^ienftc, üom
1) ülrichi de Hutten eq. Germ, in Ulrichum VVirtenpergensem
oratio prima, bcn folgenbcn Sieben im IV. ®anbe ber Schriften a. a. 0.
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CSrfic Siebe ttiber Ulrid^.
87
$cr^o(^ felbft ancrfonnt; bie SScrtraulid^fcit jhjifc^en bcibcn; bic
»eiteren 33crbinblid)feitcn, »cldje ^anfeirö Später bem ©ersog
nuferleflt ; baö SSertvauen, tDeld)C)J er auc^ barin 5eigt, baß er bem
So^u erlaubt, aud besJ |)cr,^oö!S ßanbe unb §ofe ein SBeib ju
nehmen. §icr l)at nun aber bic ©jpofition eine feltfamc ßücfc.
ber ^erjog mit biefer grau ein SScrbältnig gehabt ober ge^
fuc^t, unb hieran baö gute 3Scrne^men ^»ifc^cn §cvrn unb Wiener
fic^ .^erftogen ^abc, baoon »irb fein SBort gefügt, ^iefclbc ßücfc
pnben mir in bem 5luöfd)rcibcn ßubmig ^utten’ö. mochte
im 3ntcreffe ber grau, beren @ad)c bic §uttcn'fd)cn bamalö nod)
nic^t non ber if)rigen trennten, gcratl)cner fc^cinen, uon biefem
fi^lid}cn fünfte lieber ^u fc^meigen. greilid) »irb of)nc benfeU
ben aClci^ golgenbe uncrflärlic^. ®cr IRcbner »ic ber SBcrfaffcr
bc!^ ^u^fc^rcibenö mochten fic^ auf bic allgemeine ÄÜunbc Ucrlaffcn,
üud mcldjcr §örcr ober ßefer fic^ bic ßücfe auöfüllcn fonnten.
'ilud) je^t, cö meitcr, ()abe ber ^cr^og ben jungen Jütten
feine Ungnabc (morüber?) merfen laffen. SlU biefem auf bed
®atcrö Einberufung ber Urlaub oermcigert loorbcn, ^aben c4 bic *
©einigen aU ein 3^*^fiflwng genommen, oU ob fic^
ber ^erjog nic^t oon i^m trennen tönntc. 3lud) ßubtoig .^utten
erlaubt fi^ in bem $luöfdjrcibcn biefen gcfci^id)t^»ibrigcn 3^*9;
»ä^renb er fpäter fclbft befannte, bag banmlö löngft j»ifd)en
il)m unb feinem ©oljnc über beö §crjogö bcbrol)lic^e ßcibcnfd)aft
Briefe gcmcc^fclt »aren. 3m 3wf‘i*^^nicnl)angc bamit »erben »ir
oud} üon ben fo Icbljaft au^gemalten 3^^9^n, tuic ber ©erjog fic^
gcftellt bobe, alö »oUte er §anö mit feinem 33rubcr bcim5iebcn
laffen, nur fülle er oorl)cr nod) ein ©tücf S53cg§ mit il)m reiten,
aud) möge er nur ol)uc SBaffen fommen, cä gc^c ja liiert »eit
unb ber 9Bcg fei ficber u. f. f., auch oon biefen Sügen »erben
»ir nur fo oicl aU tl)atfäd)licb fcftbaltcn bürfen, bag in beö
^erjog^ öenebmen nid)tö lag, »aö §anfen'ö 33eforgni§ erregt
hätte. ®aoon abgefeben aber unb alo rl)etorifcbcö Äunft»erf be*
trachtet, ift bic 3)arftellung, »ie ber ^erjog ben unglücflicbcn
3üngling bureb frcunblicbe 9icbc fid)cr unb »ebrlojg mad)t, »äb^
renb er fclbft ficb inögebeim »affnet; »ic er bann braugen erft
bie Begleiter einen nach bem anbern fortfebieft, hierauf, einen
0rt für fein Sßcrbrcdjcn fud)cnb, freu^^ unb quer burch bic gelber
reitet, enblid) ben »ilben Söalb jum fiebern ajiorbfcbauplabc au^^
88
I. %u(^. 6. j^apitcl.
erficht; ^ier fic^ üon feinem Wiener ©attelcjurt, ©poren unb
3oum fefter fd}nallen lägt, mä^renb fein auiSerlefeneiS ©c^lac^t«
Opfer baS fRog be^ ®iencrö ()alten, mithin 5U feinem eigenen
üRorbc Reifen muß; bann ber SDiorbangriff, ber ungleiche Äampf,
bic 3Ki6l)anblungen bc^ tobten 5^orper£J ; {^ule|t nac^ bem SD^orbc
ber graufen^aftc ^(nblicf beg mic Oon gurien gejagten Sßerbro
c^erö, baö ©taunen ber Seute feineiS ©efolgc^, alö er fic^ mieber
ihnen finbet, bi§ enblich ba^S tebige blutbefpri^te $ferb beä
©emorbeten ihnen bag fRäthfel fchrccflid) löft: biefe 5)arfteHung
ift burch §lnfd^aulid^feit unb ergreifenbe (bemalt ein äJceifterftücf
ber fRebefunft.
^emnächft beginnt ber j^toeite 2;heil ber 8tebe, beffen 2lufs
gäbe ift, auf ben @runb beg bargetegteu Xhatbeftanbeg bie iRid)ter
jur SSerurtheilung beg ?tngeflagten ^u bemegen. ®ag augge*
5eid)uetc SSerbrecheu forbert eine auggejeichnete ©träfe : ßeben um
Sebeu; unb ba bag fRedjt für SlUe gleid) feiu muß, fo barf oon
feiner Slugnahme, feinem ©tanbegoorred)te bic fRebe fein. S^tcbcu
bem fRed)te aber fommt nod) bag (^cineimoohl in betracht. ?luch
auger unb Uor biefer Unthat h^it fid) ^^erjog Ulrich uon SBür*
temberg alg einen gemeinfchäblichcu ^Regenten enoiefen; h^^l
neulid) burdj feine öcrfchnjcnbung einen S^olfgaufftanb (beg armen
iionrab) henjorgerufen unb bann mit ©raufamfeit unterbrüeft:
bic brauen ©djmaben uerbienen, uon einem folchcn SSJütherid) bc*
freit 511 merben. ©ingc ihm nun uollcnbg feine Xhat an §ang
glitten ftraflog hin. fn tuörc cg um Drbnung unb ©itte im
^eid)c, um ben guten S^amen ber beutfehen 3^ation im Sluglanbc
gefchchen. SBer fo ctmag gethan h^t, uon bem ift, toofern er
nid)t unfd)äblich gcmad)t mirb, fortan alleg ©chlimmftc ju bc=
fürd)tcn. Unb hifi^ ergeht fich nun ber SRcbncr in argen ©hper^
bclu gegen feinen geinb. @r fonntc ihn fdjmar^ genug matten,
auch njcnn er bei ber ^orträtähnlidjfeit blieb, unb einmal nimmt
er 5U fold)cr ©hnraftcriftif einen ganj guten 3lnlauf. SBcnn er
uon ©er^og Ulrid) fagt, bcrfelbc hübe bic Seibcufchaft jur gührevin
feineg ßebeng gcmählt ; ftctg höbe bei ihm bie Söernunft ber 33c^
gierbe meichen müffen ; meber in SBorten nod) in SBcrfcn hübe er
je ein aRittclmaß cingchaltcn; mo er ctmag angegriffen hübe, fei
er entmeber ju mcit gegangen, ober auf hnlbcm SBcgc ftehen ge*
blieben; nie hübe er feine ©djtuäche, nie bic 33eränberlid)fcit beg
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ßrfle SRcbe toiber lUrid^.
89
bcbac^t, nie fic^ ratzen laffen; feine g^inbe t)aOc er
(gering angcfc^logcn, feine greunbe umgebrad)t: mit biefen äugen
mor ber ^er^og, menn and) greü, boc^ nidjt eben unmnljr ge*
jcid^nct. mar aber bem ^ebner nic^t genug. @r fteHt feinen
©egner atö ben Inbegriff aller ©d)Icc^tigfeit bar, alö einen 5<^inb
nic^t bloö bc‘3 ganjen mcnfc^Iic^en @efd)tcd)t‘3, fonbern ber iÜatnr
felbft. ,,^)u 0^anbflecf be3 fdjmäbifdjen S^amen^", rebet er i^n
an, „emige 0d)mac^ beineö SSolfeö, burd) ^rec^beit, grenel, Sßutf),
©raufamfeit, ^rculofigfeit, Unbanfbarfeit, S3o§t)cit Unmenfd;licb*
feit für alle Sabr^unberte ge^eicbneleö ©d^eufal, bn l)aft über bic
©renjen menfeblirber 0itte hinauf geraft. ©emetteifert b^ft
um jeben ©räncl. iJficbtä lag bir am §erjen, aU mie bu bureb
einen Inbegriff aller Serbreeben alle 53öfen, bie jemals gemefen,
übertreffen mögeft." ^>crjog U(rid) mar ein junger
fie ^u fein pflegen, menn einer, mie er, mit mitbem 9latiireH,
mangelhafter @r,vcbnng, im feeb^ebnten 3^abre ^ur 9tegierung
fommt: rob/ toll, cigenmillig, rad)gicrig; aber ein rcineö Unge»
bener, moju ^ntten il)n macht, mar er fo menig, alö irgenb ein
SKenfeb ein foicbeö ift; in feiner SBilbljeit lag boeb eine SBillenö*
fraft, unb, um nur an @ine§ ju erinnern, mie fcltfam märe eö
gemorben, menn unfer fRebner 5mölf 3ubrc länger gelebt, unb
benfelben dürften, ben er bureb ba§ 0d)mert feinet SUfunbeö
batte üerjageu Ijclfcn, nach feiner SBieberberftcllung alö einen
überzeugten S3orfed)ter ber 9leformation, mitbin in benfelben fRci*
ben gefunben hätte, in meldjen zulept aud) §utten geftritten hotte?
®lö ©egcnftücf ju bem beö §crzogö mirb nun auS
bem ermorbeten ^anö, bem macfern, fröblidjcn, bonulofen ©e*
fcHen, ein Sbeal ber ®ortreff liebfeit. 3^ jeber Xugenb hotte er
ben fi(bern ©runb gelegt. @r mar nicht bloö ber @vfte in jebeni
Kampfe, fonbern auch, menn er gefiegt hotte (um mit bem 'J)id)ter
ju reben) „nicht im minbften eitel": fein SBunber, bag ber fRuf
cincö fo feltcnen Süngling^, nach beö Ütcbueri^ 33evficberuug, al^*
halb burdb ganj ^eutfcbloub brang, baß Sebermann ihn feben
mollte, ein allgemeine^ Söerben um feine gi^cunbfcbaft, ein Sßett*
cifer in feinem £ob entftanb ! S3on bödjfter SBirfung ift cö bann
aber, mie ber fRebner ben 0d)atten beö ©rmorbeten felbft fpred)cn
läSt: fanfte SBormürfc gegen feinen SOJörber, ben er fo geliebt;
bic ^43ittc an benfelben, feinen Seiebuam ber traucrubeu gamilic
90
f)crauö5U9cbcii ; ein Scbenjo^l an baö t^eurc SBntcrlanb, für bog
;Vi leben iinb ju fterben fein böc^ftcr ©ebanfe gettjefen, an ben
Skater, bie ©rüber, ben gan^^en fränfifc^en iinb beutfe^en ^^belftanb.
@ine ©emerfung bürfen mir l)ier nid)t unterbrüefen, mcil
unö bie ©etradjtung üon §iitten’ö grögern, namentlidj rebneri^
fc^en SBcrfen öftere auf biefelbe jiirücffü^rcn mirb: ba§ in biefem
jmeiten Xbcilc ber 9tebc, feit ber gaben ber ©cfc^ic^t^erjä^lung
abgeriffen ift, eine fefte ^iöpofition öermi^t mirb. ©c^on fatt-
fam ericbigte ©unfte merben noch einmal aufgenommen, ©eU
fpiele, SBenbungen micber^olen ftc^, man l)at nici^t immer ba^
(SJefü^l, Dormärb3, fonbern biömcilen, im irtreife ju ge^en.
l^ängt bieg mit ber 3lrt 5ufammen, mie §utten arbeitete.
mar immer oiel Scibcnfd)aft, Diel S^atnrgemalt babei. ©ebanfen
imb Sßorte brängten fic^ ju unb mürben mo^l im allgemeinen
einem gemiffen ^lane bienftbar gemad^t, tummelten fid^ aber im
einselnen mit uicler greil)eit bur^ einanber. ^utten’ö Renten
mar ein r^ctorifdjeö, fein logifdjeö; fc^merlid) f)ot er je nac^ einem
üor^er burd)bad)ten ©djema gearbeitet, fonbern er überlieg fic^
ber ©trömung feiner ©mpfinbungen unb ©ebanfen; fo, felbft
fortgeriffen, rig er 5lnbcre fort. Unb nie oerfel)lt er, ju rechter
3cit mieber ein^ulcnfcn, am gel)örigen Orte bie nötljigen (Sin*
fd)nitte an^ubringen, gegen ben ©d)lug aUe Straft ber (Sebanfen
unb ber SBorte nod) einmal 5u)ammen;^ufaffen. ©o aud^ ^icr. 3ii
fur^em Ucbcrblide merben noeg einmal alle ^auptpunfte ber fRcbe
oorübergcfül)vt, unb auf ben @runb bcrfclben bei 5taifer unb
gürften auf bie ©crurtl)eilung beä ©cgulbigen angetragen. Ober
oielmegr, ücrurtgcilt fei er fd^on, ben ?llleö meibe, 9tiemanb mcf)r
grüge, S^icmanb anrebe, ben ?llle Ijoffcn unb felbft bie Sfliebrigften
oerac^ten, 9Uemanb ber ©erjeil)ung, Sebermann ber ©eftrafiing
mertf) ^alte: übrig fei nur nod), bad^ in ber Xl)at fd^on gefällte
©erbammungdurtbcil and) mit Söorten audjufprec^en. Söaö bie
geforberte ©träfe betrifft, fo beutet §ntten mieberljolt bie Xobe§*
ftrafe an; bod) jeigt er fid) ein anbermal nid)t abgeneigt, aud^
mit lebenslänglichem ©efängnig fieg j^ufrieben ju geben.
^)iefe SRebe, mie aud) bie folgenben über benfelben ÖJegeii*
ftanb, lieg glitten für jept nod) nid)t bruefen, fonbern er unb
eine ©tanbeSgenoffen breiteten fic in Slbfcgriften auS. ©ie toivU
teil bod). ^ud) ber ^er^og erfuhr baoon, unb eS märe bem
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SBer^aUen bfS Jf?aifer§.
91
S^cbncr fc^lcc^t flccjaiiöcn, ttjcmt er in bcffcii §änbc (^cfaUeit toärc.
?(ber Dom Äoifer loar ein crnftlidjc^ ©infrijrciten tjegen ben fd)uU
bigen gürften faum ju enuarten. SJ^on n?ei6, inie füinmcrlid) fic^
bamalö bie ilaifcrmad)t in ^entfc^lonb nufvedjt erhielt. 0i)ne
auörcic^cnbe eichene ^iUf^queHcn, an ben guten SBillen ber üer^
fc^icbenen 9lcit^^ftänbc gebunben, nun aud) in auswärtige Kriege
ücrwicfclt, mufete cS 9JiajiiniIian’S ^olitif fein, einen 0tanb bur^
ben anbern im @d)ac^ ju batten ; feinen ju inädjtig werben, aber
Queb feinen gan^ fallen ^u taffen; ficb einzelne ju i)erpftid)tcn, um
fte gegen anberc gebrauchen 511 fönnen. ©0 hatte er fid) biefen
Ulrich eigentlich als (SJefchöpf herangejogen; hatte bie Slbfcpung
feines ^luSfchließung feines geifteSuerwirrten SaterS
Don ber ^Regierung genehmigt, ihn bann üor ben fahren münbig
gcfprochen, feine (^oberungen jm ^fäl^crfricg il)m beftätigt, enb^
lieh bie eigene S^iiehte, 0abine üon iöaiern, ihm gur^hc gegeben.
^Begreiflich woHte er biefen ©infap nicht buref) fcharfeS @infd)rei*
ten gegen einen gürften, auf beffen ^anf er red)nete, uerlieren.
<Bo nahm er benfclbcn, als er gteid) nad) ber an ®anS §utten
Derübten ^h^t ju ihm nad) §(ugSburg geritten fam, nicht nur
mit ber tröftlichen ^crficherung auf, ihn nid)t im ©tichc laffen
ju wollen, fonbern lub ihn aud) halb nachher j^u ber ^oppeloer*
lobung feiner (5nfel, gerbinanb unb 3Raria, nach SBien. 3u ber
^uttcn’fchen ©ache aber befteHte er ^fal^ unb Söürjburg als
35ermittler, einen ißergleich herbeipführen. @S foHte eine @rfläs
rung abgegeben werben, in weld)er §anS üon §utten als unbe-
fchulbigt unb reblich anerfannt, bie an ihm üerübte ein
Unfatt bargeftellt würbe, in ben ber ^erjog aus hi^igem ©emütl)
gerathen, welcher baneben bem alten Jütten ^^ur ©rgeplichfeit
feines entleibten @ohneS 10000, unb ju ©ectmeffen 2000 gl. j^u
befahlen hüttc. 2öer weiß, ob fid) bie §utten'fchen nicht in biefer
ober einer ähnlichen Söcife hatten abfinben laffen, wenn nicht
burch ein weiteres 9Ri6gefd)irf, baS ben ^erj^og betraf, ihre ©tcU
lung eine üortl)eilhafterc geworben wäre.
3n ber SRad)t bcS 24. 9^foüember 1515 entfloh biefem feine
©emahlin, um fich in ben ©chu^ ihrer ©rüber, ber ©aiernher^^
joge, ju begeben. 2)aS fchon üorher gelocferte @hcbanb jwifchen
beiben war burch bie @rfd)ütteruugen, welche bie golge ber @r==
morbung ^anS ^utten'S waren, üoUenbS ^erriffen. SBährcnb
92
I. Sud^. 5. j?apttel.
Ulric^'ö ^biocfcnl)cit bet ben gcftüc^fcitcn ju Söicn ^attc Sabine
flcmac^t, U)ii bei bem ntürtcmber^ifc^en Sanbtagc ncr-
nogcti. 2)er SSerbac^t lag na^c, bag fie mit ihrem ©ruber, bem
®cr5og SBilhelm, ber mit Ulrich löngft cnt,^mcit roar, auf beffen
^bfejung hinarbeite, um fclbft an bie Spi^e cincö üormunbfchafts
liehen Ülegimentö für ihren hnii^jührigen Sohn Shriftoph ^vl tre^
teil. iWad) feiner 9^ücffehr befahl ihr baher Ulrich, loie er ' bc^
hauptetc, zugleich ber (Irfparnig megen, ihre befoiiberc $ofhal^
tung ju Urach auf^ugeben unb ^u ihm nach ©tuttgort j\u tommen.
Sie traute nicht (fein SBunber freilich, njenn ber ©efehl be^
(hatten, mic fpätcr ihr Ol)cim, ber Äaifer, fchrieb, bei Renten
ober Stücfen lautete), fonbern ritt üon 9türtingen auö, mo fie
auf halbem SBege bei ber oermittmeten §erjogin ©lifabeth einge-
fehrt unb nod) oon Ulrid) befucht.morben mar, mit Surücflaffung
ihrer j^mei iifinber bei 3^tacht unb S^ebel, im ©eleite etlicher Stitter,
noch ©hingen, ber öftcrreid)ifchcn Stabt, Don mo fie glücflich na(^
©aicrn entfam. $)iefe gln^^t mar nach ^mei Seiten hi^ ^i*i
©lücföfall für bie ^utteirfchen : fie fonnten nun hoffen, ba§ fich
bie §cr^oge Oon ©aiern mit ihnen gegen ben oon SBürtemberg
oerbinben, unb baß außerbem ber Äaifer burch bie S^Uchte gegen
biefen oerftimmt merben mürbe.
§luch Ulrich oon .^utten Oerfäumte nicht, biefen ß^oif^en^
fall, fobalb er ba^u 9)^uße befam (maö freilich erft nach 3ahre^'
frift ber gall mar), ju einem neuen rebnerifchen Eingriff auf ben
©er|\og 511 benupen. Äaifer unb gürfteii fehen nun (bieß ift ber
flirre Inhalt feiner jmeiten fRebe), moju ihr ©ögern führe:
bem einen greoel höbe ber ©erbreeßer bereite einen jmeiten, ber
©rmorbung beö greunbeö bie ©ebrohung beö Sebenö feiner @e^=
mahlin, hinsugefügt, unb fo merbe er fortfahren,' bi§ fie ihn un*
fchäblich gemacht haben. Sie merben nod) fo lange jumarten,
biö er an ber Spifee einer §ecre§mocht il)reö ©erichteS fpotten
merbe; benn bereite ftel)e er mit ben Sd)mei5ern unb mit gronfs
reich in Unterhanblung. 3llfo haben fie mit ihrem Urtheil^fpruch
unb beffen ©ollftrecfiing fid) ^u beeilen. „9toch hat er fich nicht
oerftärtt: überfallet ihn nnoerfchenö. ©r ift in bie @rube ge^
ftürjt: beefet il)n 511. 3n bie Schlingen oon ©lefeh unb fRecht
ift er oerftrieft: haltet ihn feft, ermürget ihn. ßaffet il)n nicht
fich lo^mideln. ©Jebet il)m nicht geit, aufjuathmen unb fich ju
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l^utten’3 Siebe totber ^erjog Ulrid^. 93
fammdn." 3^^^ SBcrbrcd^ci* in feinem eigenen Innern
fc^on genug gerichtet. „2)enn'', fagt ber 9icbncr, „fo fc^lQu er cö ucr«
bergen mag, fül)rt er bod) ba^ aüerunglücffeligfte £eben. Ä'ein
SBertrauen, ni^tö a(ö gurd)t. Smmer ift er in ©orgen. ^UeiJ
ift i^m ucrbäc^tig. ^ie greunbe, menn er foId)e E)at, t)ält er
für ^eud)ler. @r fürchtet feben @rfolg. S3ei jebem ©eräufc^
jittert er. 9lie glaubt er S3orfid)t genug angemenbet ju ^aben.
(Jr uerftedt fic^ unter bem $affc ber ©einigen, unb unter bem
UnmiUen 2111er tritt er ^erüor. ©id) felbft mürbe er trauen,
menn er allein fein fönnte. 2lbcr auc^ fo ^at er feine IHaft. 3m
SGBac^en mic im Xraume folgt i^m feine ©träfe. Sior feinen
Sugen fd)meben bie ÖJeftalten feiner SBerbrec^en. @r nagt fic^
im 3nnem, jagt nac^ außen. 2(nbere ocrad)tcn ißn, er felbft
üerjmcifelt an fieß. Umringt ift er oon einem ^cere üon ©Freden,
©elagert üon bem täglichen 2lubcnfen feiner Uebeltl)aten. 3)ie
Söcllen ber ©orge treiben i^n um, bie 33ränbe feiner ©eßanb-
t^aten jeßren i^n au^." 2)icfe an bem Ißerbrecßcr fid) bcreitiS
Don felbft ooUjiel)enbe ©träfe entbinbe aber bie 9lic^ter ißre^
2lmteö nid)t. 3^rc 2lufgabe fei, i^n unfcßäblic^ ju machen, unb
bieß fönne nur burd) feine ^)inrid)tung gefeßeßen. SSenn Ätaifer
unb gürften jaubern, follcn bie Untertljanen beö UcbeltßäteriS
fieß rüßren. „2luf, ißr ©eßmaben, ergreifet bie greißeit, iiacß
ber ißr fo merfli^ oerlanget. 3ßr merbet nidjt einen iRäuber
unb SD^eucßclmörber ald gürften bulben, ißr, beren SJorfaßren
nießt einmal Äönige fieß gefallen laffen mollten. 2)arum entfejjet
ber ^errfdjaft baö blutige Untßier; befreiet 2lnbere oon ber
gureßt, cud) felbft erftlicß oom Serberben, bann aueß oon ber
©eßmaeß; un^ aber oerpfließtet eud} bureß eine banfenemertße
SBoßltßat, unb feßaffet bie Urfaeße neuer Unrußen ßinmeg.'' „(Sr'^,
ßeißt e^ oon Ulrieß ein anbermal, „er ift fein gürft, fein (Sbler
meßr, fein 2)eutfcßer unb fein (Sßrift. 3ö fein 3)ienfcß ift er
meßr. 2)cnn ©ittc unb Sebensart, nießt bie Äörvergeftalt maeßt
ben ÜJienfcßcn. (Sr ßat bie 9Jienfcßlid)feit auögcjogen, unb Söilb^
ßeit, Söutß, ©raufamfeit unb Unmenfdjlicßfcit ongejogen. SSom
3Jtenjcßen ßat er nießtiJ meßr al^ baö ©efießt; bod) aueß baö ift
fo grimmig unb entfeßlid), baß eö nießt für ein menfcßließei^ gelten
fann. 2lllc^ Uebrige ßat er mit ber milbeften Jöcftie gemein."
Max in ber oorigen 9lebe boa^ li^tc (^egcnbilb ju ber
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I. 5. Jl^apUel.
fd^tüQrjcn ©eftalt bc§ ber Qcmorbctc Jütten, fo erfc^cint
in biefcr aU folc^cg bie ücrtriebcnc ©ema()lin. auggc*
j\cid)nctcr nlö i^rc ©eftalt, nic^tö fanftcr alö il)rc Sitten, nichts
angenehmer alö il)r Umgang. $oher §lnftanb in ?Ulem, too^ fic
thut unb fpridht; ben ©atten ju geminnen, hat fie aUe $ulb unb
ßiebenömürbigfeit aufgeboten." Söenn mir oben bei $anö Jütten
ücrmuthen tonnten, baß fein öilb ftarf ibealifirt fein möge, fo
fönnen mir bieß 1)*^ betreff Sabinen^ bemeifen. 3h^*c ©eftalt
aHerbingö mar au^gc^eidjnet, menigftenö infofern fic größer mar
alö mand}er 9J2ann; aber ihre Sitten nichts meniger alö liebend
mürbig. Sie mar ein SJtannmeib, h^trt, ftol^ unb SBcnn
Ulrich über fic flagte, „mie fic ihn bicfermalen burch iht über^
fchmenglich, üppig, ^ornig, h^^ife fRebcn fo gereift h^bc, baß er,
fich ju enthalten, üiclmal oon ihr oom 53ett müffen aufftehen unb
hingehen"; mobei er übrigen^ jugefteht, baß er einmal fieß hoch
nicht enthalten, fonbern fic gcfcßlagcn habe: fo merben mir biefe
Klagen bc3 ÜJtanneö über bie junge grau glaublid) ßnben, menn
mir miffen, baß fie nod) alö breiunbfunf^igjährige gegen ihren
33ruber in einer @rbfd)aftöfad)c fid) fo müthenb bezeigte, baß
biefcr fie einfperren unb einige 9J?onatc fi^cn ließ. ®cn Umftanb,
baß ber ©erjog ^mci feiner Wiener, bie fich chrentränfenbe ^Icu^
ßerungen über Sabine erlaubt hatten, bem Älaifer hcrauöjugcbcn
fich meigerte, unb Sabinenö 33chauptung, fic habe fich bei Ulrich
il)re^ ßcbenö nicht mehr fichcr gemußt, breßt ber IRcbncr 5U bem
SSormurfc jufammen, ber $crjog habe fic umbringen mollcn, um
ihr, menn fic ftumm gemacht märe, bie entehrcnbftcn ®ingc nach'
jufagen. 3ft biefe S3cr!nüpfung abenteuerlich, fo ift bie Slnbcu*
tung auglänbifd)cr ßaftcr, benen ber ^erjog ergeben gemefen,
burd) feine hiftorifchc Spur beftätigt. §utten fclbft geftanb, in
feinen Ulridh^rcben fich ber h<^i^^öaimlid)cn rebnerifchen greißeit
bebient, eg mit ber gcfcßicßtlidjcn SSahrßeit ber einzelnen ßüge
nid)t immer genau genommen ^u ßaben*).
^ie bairifeße Sabine mit ben licßtcftcn garben ju malen,
boju mar übrigeng Jütten nid)t blog bureß ben rcbncrifcßcn
©ontraft, fonbern aud) bureß bag SScrßältniß oeranlaßt, in melcßcg.
1) B. ben 33rtef beS ßorenj ©eßaim, ©d^rtften I, ©. 153, 164.
(Seßdnbni^ bejog ^undc^ft nur auf bie Uterie IRebe.
^ #
^qS
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VuSjd^reUxn unb Stillungen ber ^utten'f^en.
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tt)ie fc^on angebeutet, ©abtnen'ö gluckt bie ^utten’fc^cn ju ben
Jörübern ber ^erjogin gebracht t)^^tte. 5)ie na^cliegciibe S?er^
cinigung beiber üon ©cr^og Ulrict) belcibigtcn Xbeile erfolgte
tüirflic^ am 1. gcbriiar 1516. gejt erft fal)en bie §utteirfd)en
eine genügenbe üliae^t hinter fi^; ba()er mcift ihr SRcbncr nun
bie angebotene ©ul)ne Oeräd)tlich jurücf: nicht ba^ (^olb beö Der«
ruchten ^enferd, fonbern feinen i^opf unb fein Seben forbern fie.
©0 crtlärte beim auch Submig Jütten, nachbem er mit 53aicrn
ftch ücrftönbigt, an Dftcrn ben Vermittlern, auf beu oorgefchla*
genen ©ühneoertrag nirf)t eingehen ju fönnen; an bem oom
Äaifcr auf ben 7. Slpril nach 5lug^burg angefepten Verglei^ötoge
crfchien er gar nicht, unb ebenfo meigerten fid) bie Vaiernherjoge,
fich auf ctmaö ©ütlidjeö einjulaffen. Sluf ben fRath ber Icptern
lie§ nun Submig uon Jütten fein längft gebrudte^ 5(uöfchrciben
über feineö ©ohneö ©rmorbung, baö Ulrid) ^utten'ö erfter Vebe
parallel lauft unb burch einen ben ÜJbrb oorfteHcnben ^oljfchnitt
iUuftrirt mar, enblich au^gchen; mäl)renb jugleid) bie |mtten, in
Verbinbung mit Vaiern, fid) -\ur ©elbfthülfe rüfteten. 3m ©ep^
tember ftanben fie mit nahezu 1200 ^ferben bei SSembingen im
9lie6. ^ber $erjog Ulrid) blieb aud) nicht müßig. Sßährenb er
eine Sßiberlegung beö ^utteirfchcn 9ludfd)rcibenö abfaffen ließ,
bot er feine Unterthanen auf, fd)ricb an bie mit ihm in ©iniing
ftehenben gürften, Herren unb ©täbte um
mit ben ©ibgenoffen in Unterhanblung. ©o ließ fich Sllleö jum
Kriege an: unb hic^^ föüt nun Ulrid) $utten'ö britte fRebe ein,
bie jmar, mie f^on bie jmeite, erft fpäter in Stnlien oerfaßt, aber
fo componirt ift, mie menn fie etma ju Slnfang ©eptemberö 1516
gehalten märe.
S3aö er, ber Sflebner, ben gürften Oorßergefagt, fei einge*
troffen: ber jüngft nod) oon willen Oerlaffcne, oon §lngft gejagte
Verbred)er fteße ihnen jept in fricgerifd)cr 9flüftung gegenüber.
Älö achter Gatilina fchide'er fich an, ben Vranb, ben er ent^
^ünbet, burch ben IRuin beig Vaterlanbeö j\u löfd)en. ftehe
e« in beö Äaiferö unb ber gürften 9Racht, ißn burd) ihren ©prud)
ju entmaffnen: menn fie baö Verbammungöurtheil über ihn auä*
fprechen, merben bie Vanbiten, bie fich um ihn gefchaart, fich
Oerlaufen, man merbe ihn fangen, binben unb jur ©träfe führen
fönnen. Stber e^ fei bie höthftc ßeit, bie bringenbfte 9lothmcn=
96
I. 5. PapHel.
bigfcit. als ob fte, bie §utten, fid^ lüd^t im S^otl^foOe ge^
trauten, auf eigene §anb mit i^rem geinbe fertig merben.
5lÜe brennen fie oon fHac^begier, unb maS inSbefonbere i()ii, ben
Sllebncr, betreffe, fo merbe iftn baS Streben, jenen ^enter p üers
folgen, nur mit bem £ebcn felbft ocrlaffen. 2lber ben gemeinen
Schaben foUen bie gürften bebenfen, ben ein innerlicher Äfrieg
biefer 5lrt bringen müßte; bie S<hmacl), toelche bem beutfehen
Flamen barauS ertt)acl)fen mürbe, menn eS ^eutfd)lanb
fei fein fRccht ju erlangen außer burch Söaffengctoalt. 3^ ben
SBaffen aber merbe eS fommen, menn Ä'aifer unb gürften nicht
unoerjüglicl) einfehreiten. 9^ur barum menben fich bie §uttcn'fchcn
noch einmal an biefe, bamit gebcmiann fehe, baß fie ungern unb
nur beßmegen jur Selbfthülfe gefchritten feien, meil fie auf bem
SRochtSmege ihre Gebühr nidjt hoben erlangen fönnen.
2)en brohenben Ältieg ju oermeiben, lub enblid) ber Äaifer
ben $erjog, fornoßl megen feiner ^anblung an $anS Jütten als
megen feiner ©h^-'hönbel, auf bie ÜJiitte Septembers nach SlugS*
bürg oor feinen 9?id)terftuhl. 3)er ^orgelabene fuchte griffen,
unb ließ unter bem 6. September 1516 ein SluSfdjreiben inS
ÜReid) auSgehen, melchcS bie ^arftellung 2ubmig ^utten’S oon
feiner Xl)at miDerlegen foUte. äöährenb er unmittelbar nach bem
ajtorbe bem ^fali^grafen brieflich befannt hotte, baß ißm „folche
Xhat mit freuen miber unb leib fei" ; mährenb befreuiibete
gürften nachher einen SSergleich auf ber (^runblage ju Staube
ju bringen gefucht hotten, „baß ber oon SBirtemberg auS Unfall,
auch hih^fleoi ©emüth, Ju folcher |)ünblung gemachfen": jjeht
nun, 16 älionate nach bem ©reigniß, Ulrid^ baS SllleS jurüd,
unb nimmt bie Xßat als eine ebenfo moßlbebadjte, mie- mohU
beredjtigte, ganj auf fich- @S fei fein SJiorb, fonbern bie rechte
mäßige Einrichtung eines UebclthäterS gemefen. Unter ben Uebel*
thaten beS jungen EoUen mirb oor ollem heroorgehoben, baß er
bem über feine gelobte unb hanbgegebene Xreue treulos
unb brühig gemorben fei. SBorin unb miefern, mirb nid)t gefagt.
gerner höbe er ben bei hoh^^’” onb iiiebern StanbeSper»
fonen hört unb hod) oerunglimpft; inSbefonberc über ihn erbichtet,
als batte er fich unterftanben, ein ehrenreid) grauenbilb, löblichS,
eßrlichS StammenS, 5RamenS unb EertommenS, bie fid) gegen ihn
unb männiglich löblich, ehrlich unb mohl gehalten (baS märe eben
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"WuSjc^iretben bc§ ^crjo0§.
97
♦
^onfenö Stöu), nn it)rcn fraulichen fdjn'ächcn, unb fic
SBüübrinqunc; feinet uncicbül)rltd)cn Söillcn^ burd) 2)rohung mit
Schlägen unb ^J)?i6l)anb(iing nötl)igcn moUcn. 9lud) üon
micbcrholtcn SSovhalten, bie ber §cr,^og bem jungen 9titter megen
feincig pflichtmibrigen 53cnel)inenö geniadjt, unb bem halb reu*
müthigen, halb tro^igen S^ejeigen beffelben ift bie 9tcbe. SBic
menig biefc Urfachen ,^ureid)ten, bie Xljat bcö ©erjogd ju ent^
jd)ulbigen, fül)lte ber Guncipient feineö 5tuö|d)reibenö (nach ^utten’ö
©ennuthung ber mürtembergifdje .ftanjler ©regoriuö ßampartcr)
fclbft; baher beutete er nod) „etlid) namhaftig Slrtifel an, in
, benen §anö üon Jütten fdjönblich, bö^^lich, untreulid) gegen ben
^er,^og gehanbelt, bie er aber ju @hrcn unb SSerfd)onung anberer
hohen unb niebem 0tanbcö ^erfonen üorbeigehen mollc".
®od) gefept, §aiiö mar ein S^erbredjer: mie mar beim fein
2)^orb eine Einrichtung? mar ein feltfamcr ©infall, mer ihn
audj gehabt haben mag, mie man hier bem ©erjog 511 helfen
f achte. 9^ad)bem fein 0chlachtopfcr gefollen mar, h<^He biefer,
mie erzählt morben, am guge einee 33aumeö einen 2)cgcn in ben
©oben geftogen, unb baran einen um ben Ealö be^ ©nnorbeten
gefd)lungenen (Gürtel feftgefnüpft. 0d)merlich h^^He er babei ur^
fprünglidh eine anberc ?lbfid)t, alö benfelben alö einen, ber baö
Eöngen üerbient h^iHe (mie er ihm and) üorl)cr gefügt hf^ben
miH), ju bcfchimpfcn. 9^un fiel aber ihm ober einem feiner S^lath^
geber ein, ba§, nach ben ©röud)cn beö meftfälifchen ÖJcridhtö, in
ben Saum, an meldjem ber 0chulbige aufgehenft mürbe, al^
ßeichen, bag eö na^ gerichtlid)cm Verfahren gefchel)cn, ein 3J^effer
gefteeft ju merben pflegte. Ulrich mar, mic mand)c gürften jener
3cit, greifdjöffc be§ l)cii^did)cn (sJeridjtö: freilich h^Ue er fed)ö
gahre üorl)cr fich unb feine Ünterthanen burd) ben Äaifer üon
bcmfelben befreien laffen; freilich muhte, nad) ben (^efehen beö=
felben, ber 5Serbrecher auf ber Xl)at ertappt fein, ber Einrichtung
ein Sprud) bed (5Jerid)t^ üorangehen, unb bei ber S3otlftredung
brei 0chöffen ,yigegen fein; gefcljmeige baß einer in eigener 0ad)c
ben Kläger, Sftidjter nnb mad)en burfte. gm«
merhin: E^^^i^g Ulrich erflörte je^t, er h^^be an E^n^ E^dten ald
miffenber greifchöff, gemöh ben ^ed)ten ber freien ©tüljle heim^'
lieber @erid)tc, gehanbelt.
2)ie 5iJerfd)meigungen, SGüinfeljüge unb Unglaublirijfeiten
VII. 7
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I. 6.
bicfcr ()cr5ü9lid^en ©c^u^fd^rift njarcn fo grell, fo ^anbgrciflic^,
bafe eine ^)uplif Uon Seiten ber ^utten’fc^en nic^t lange auf
fid) tüarteu lieg, ©ie ift uom 22. September 1516 batirt. lieber
bad SSergältnig bcö $cr^ogd bem Söeibe beö ©rmorbeten gatten
fic bi^ger gefegmiegen; ber $er^og in feinem Äu^fegreiben gatte
bie Saege nur gegeimnignoll ablcgnenb berügrt. Segt gingen
bie ^uttcn'fdgcn mit ber Spraege geraut. Sic braegten einen
öricfmccgfcl ^anfenö unb feinet Segmägerö mit bem alten Jütten
jum SSorfd)cin, mcldjcr bie Scrfügrungöucrfucgc bc8 ©erjogö auger
3tücifel fegte; fie entgülltcn bie ücrgängnigUoHc Scene beS gcr^
joglid)cn gugfaHsg. 2luö feinem anbern ©runbe, fagen fic, gäbe
ber Xgrann, mic fic ign nennen, „ben frommen unfcgulbigcn
SD^tenfegen ermorbet, alö bamit er fürber feintgalb unoerginbert
fein böfc Öcgierb mit feiner cglicgcn ^auöfrau befterbag ju SEBege
bringen möcgtc".
3J?ittlermeilc f^ien aueg ber alte Äaifer bo^ cnblidg @rnft
mad;cn gu mollcn. ®er ^cr^og, auf ben 20. September nadg
2lugöburg citirt, mar nid)t cvfdjiencn, unb bie Sßcrganblungen
mit feinen Slbgcfanbten gotten feinem ßidc gcfügrt, ba ber
Äaifcr fed)^iägrigcn IHüdtritt bcffelbcn Oom ^Regiment mit (£nts
fernung auö bem Sanbe für biefe ßcit verlangte, ber ^erjjog aber
fieg biefcö ßugeftönbniffcg mcigertc. 3)arauf gin fpraeg am
ll.Dctübcr ber Ätaifer bie 2lcgt gegen Ulrid) au8, entbanb feine
Untertganen Oon igrem @ib unb unterfagte benfelbcn, igm in
bem beoorftegenben i^riege öciftanb ju Iciften. 2)enn ber mar
oor ber Xgürc, ba cinerfeitö bie )öaiern unb bie Jütten, an*
bererfeitö ber murtcrnbcrgifcgc ^erjog unter ben Söaffen ftanben.
®ocg auf 2lnbrängcn ber pfäl^ifcgen unb mürjburgifcgen fRätgc
gab Icgtcrcr eine, menn er nur bei ßanb unb Scuten bliebe, naegs
giebige @rflärung gegen ben Äaifcr ab, mögrenb biefer bureg ben
Sarbinal 9Jfattgäu^ Sang, S3ifcgof oon @urf, ju ©unften beS
§crjogg bearbeitet mürbe. So fam 10 Eiage naeg ber Siegte?
erflärung, am 21. Detober, in ölaubeuren ber nadgger in 2lug§^
bürg beftätigte SBertrag ju Stanbe, mornaeg, unter Beilegung
aller gcinbfcligfeitcn üon beiben Seiten, Ulri^ gegen baö B^ge^
ftänbnig, auf 6 3agre bie ^Regierung feincö ^erjogtgumg einem
oom Äaifer unb igm gcmcinfam ju beftellcnben fRegimcntc ju
überlaffen, oon ber Siegt entbunben, bie S3efriebigung ber ©utten’s
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9(^t§erT(antng unb Settrag.
99
fc^cn aber nur ftiflf^toeigcnb in bcr ©ummc bon 27000 ©ulbcn
üorc^cfebcn rourbc, bie bon bcr njürtcmbcrgifc^cn Sonbfc^aft ju
^anben beö Äaifer^ bcja^lt iucrbeu füllte.
3Wan fonn fic^ bcnfen, njie aufgebracht Ulri^ §utten über
biefen SSertrag tnor. 3n feiner britten iRcbc, bie nad) ber 2lufs
ric^tung beffelbcn gcfc^ricbcn ift, er ihn ganj ignorirt. @r
ignorirte i()n noc^ einmol in ber bierten, bie no^ fpäter, nadh
feiner ^weiten fRüeffehr auö Stalicn, im 2luguft 1517 ju ©amberg
berfagt ift. @r fonntc bieg um fo füglidjcr, ba jener ©ertrag
bie ©eftalt bcr ®ingc nur einen 2lugenblid bevänbert ju httben
fc^ien. ®er ^erjog brad) bcnfelben fogleic^, fiel bem ^aupt^
beiftanbe feiner entflohenen ©emabün, Dietrich Spät, uub bem
Xoc^termann ßubmig’ö bon Jütten, Scifolf bon 9iofcnbcrg, in
ihre ©c^löffcr unb Dörfer; bie Sanbfehaft meigertc fich, bie @nt^
fchäbigungöfumme ju befahlen; ber Äaifer erneuerte bie ^Ic^tö*-
erflärung, bie fßarteien bie Lüftungen: unb 2lIIeg ftanb mieber
mic jubor.
SBie ^uttcn'ö erfte 9lcbe bem erften, fo geht nun bie bierte
bem jmeiten 3lu^fchrcibcn bcr ^uttcn'fdhcn jur ©eite, unb ftcht,
mie biefcig, bcr fRcchtfcrtigungöfc^rift be§ ^>crjog^ entgegen, ©ic
ift bie umfongrcic^ftc bon ^utten'i^ ©eben raiber ben Ic^tcrn, ob
fie gleid) in menigen Xogen eilig jufammcngcfc^rieben mürbe.
SGÖor boc^ bad h^tjogliche SJionifcft mic gemadjt, um bon Jütten
fritifc^ unb biolcltiid) jerfeljt ju merben. @r nennt c3 ein Sieten^
ftücf, in bem nic^tö jufammenhängc, 2lllc^ fic^ gegenfeitig auf^
§cbe. gür'd erfte ftimme nid)t jufammen unb berrathe fid) baburdh
ald unmahr, ma^ baö Ijcr^oglichc 2luöfdhrciben bon bem ©enchmen
beö jungen Jütten fage. @r foUe bom ©cmu6tfcin feiner UcbcU
-traten fo 5erfnirfdhl öcmefcn fein, baß er me^r alö einmal ^abc
.fterben ober inö @lenb manbern moHen: uub bod) micber gegen
ben ^erjog gepocht unb feiner gefpottet h^^ben. ©or jenem lebten
ÄueJritte foüe er bor bem §crjog gemarnt gemefen fein, feine
brohenbe ajhene fclbft gefchen hf*^>cn: unb bod) iinbcmaffnct mit
ihm geritten, allein bei ihm geblieben fein. 2öaö fein ©ergehen
betreffe, fo fage bcr DJ^örber immer nur, er höbe bie Xrcue gc^
brochen, fei meincibig gemefen. Slbcr morin? moburdh? bamit
möge er hoch enblich hctauörürfcn. ßbenfo boU innerer SSiber-
fprüche fei, maö bcr ^erjog bon feinem eigenen ©enchmcu fage.
100
I. $u(^. 5. i^apitd.
SBcnn ^aiiö ^uttcn ein 5Scrbrcd)cr luor, niarum lieg er ign nid)t
öffentlich bur^ §lnbere richten iinb h^nrichten? brauchte
eö ben einfamen S53alb, unb eigener ^anbonlegung? SBenn
eö eine Einrichtung tnar, tuaö brauchte er ben E^^äurichtenben
ai^ufchrcien, er fülle fich feinet £eben^ ujehren? @iue Eim’id)tung
ift fein Äanipf, unb ein Ä'ainpf feine Einrichtung, ©nblich, tuenn
er fich unfchulbig unb E^nö mit Ütecljt umgebracht mußte, marum
lieg er bem ^atcr beffelben burclj feine äJtittclßmänncr eine ©elb-
füljne nebft ©hrcncrflärung für ben ^etöbteten anbieten? ®ie
Berufung auf ba^ fRecljt ber meftfälifchen @erid)te mar ohnehin
leicht ^urücf^umcifen.
^ie grau betreffenb, maren in bem ^meiten ^msfehreiben
ber Enttcn’fd)en nur beö Ecri^ogö ^ilnläufc brieflich belegt, unb
bem aWorbe bie 5lbfid)t beffelben untergeftellt, befto eher feine
Scibenfehaft befriebigen ^u fönnen: ob fic aber in biefe §lbfid)t
eingegangeu, mar nicht gefagt. ®ieg thut nun Ulrich E^tten in
feiner üierten fRcbe, nachbem er eö fd)on in ber <^meiten ange=
beutet hnttc. @r nennt- Ennfenö SBcib bie Erlena biefeö ^^riegö,
belegt fie mit ben fd)impflichften %tmen unb behauptet, fie fei
fchon Oor ihreö fKanncö ^obe mit bem Errang einoerftanben ge^
mefen. 2)er Umftanb, bag fie nad) ber ©rmorbung eineö fold)cn
(^emahlö am E^fc unb im Umgänge beö 9)törberö oerharre, reid)c
allein fegon hiu, fie ju oeruvthcilen. ggr ^ater, ber im ^ienfte
bcö E^r^ogö blieb, heifet jept gerabe^u ber Äuppler, mic ber
S3ruber ber ßuftfnabc bcö ältörber^. 0o mirb aud) auf biefem
fPunfte, nad) Eutteu'ö 2)arftellung , bcö Errjogö SSertheibigung
äunichte: cö mar feine 5^erleumbung, menn Euuö Eutten il)ni
unehrbare 3Serfuche gegen fein SGÖeib jur Saft legte.
SJUt einer fo hultlofen 5Sertheibigung oor Äaifer unb gürften .
511 treten, meint ber fRebner, bajii gehöre oon ©eiten beö UebcU.
thätcriS ein hoh<^^‘ ®^^ub Oon Unoerfd)ämtheit, ja mirflicher SBahu*
finn. UcbrigeitiS oerlaffe fid) berfelbc aud) nidht auf bie Äraft
feiner ©rünbe, fonbern auf feine friegerifchc fHüftung unb ben
93eiftanb ber gremben, ben er ermarte. @r foUe aber nur einmal
lüöbrcchen. @r merbe fid) über ben (Srfolg bod) getäufd)t hüben.
5)ie ©chmaben finb feinet fRcgiment^, baä nur auö ©rpreffungen
unb ©raufamfeiten beftanb, unter bem Sllleö fäuflich mar, fatt;
im übrigen ^cutfchlanb ift er allgemein oerabfd)eut. 3m 9Runbe
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§utten’§ öierU 9?rbe toibcr ^erjog
101
bc§ SSoIfcö I)cigt er bcr luürtembcrgifc^c genfer; ©ebid^tc ocr^
breiten feine ©räuel nnb feine 0c^mac^. 2)iefer allgemeine
Derbunben mit ben innern ©cfjrccfniffen, brüeft fdjmerer anf it)n,
alä er merfen lägt. (5r ift im Seben nnglüdlicger aU fein ©djlacgts
Opfer im 2;obe. @r ift fo gequält, bag eö 0cgabe tuärc, menn er
fieg ergenftc. SBägrcnb ign inmitten feiner 9)Mcgt beftänbige
gurd)t umtreibt, ftegt igm Ulrid) Jütten, nad) beffen Seben er
traegtet, furd)tIoä gegenüber, erflärt fieg laut für feinen abgefagten
unuerfögnlidjcn 5^inb. 2)er Xgronn fteüe fieg, alö ob er ign
ocradjtete; aber eö fei nidjt fein @rnft. @r füregte feine gebet
nnb mürbe oiel barum geben, bag er niegt^ gelernt gätte. Xnrd)
Jütten nnb feine literarifegen grennbe merbe er nnb feine ^gaten
nad) SSerbienft fortlcben. ,,3d) beneibe bir beinen 9tad)rugm, bu
genfer'', fprid}t ber 9tcbncr ign an: „man mirb ein gagr nad)
bir benennen, mirb beiner Untgat einen ^ueignen. 5)ie 9tacg=
mclt mirb lefen, cä fei einer in bem Sngre geboren, in meld)cm
bu X)cntfcglanb mit nnauötöfd)lid)cr 0cgmad) beflccft gaft. ^n
mirft in ben Äalenbcr tommen, 0d)urfe. mirft bie (5Jcfd)id)te
bereiegern. ^einc Xgat ift unftcrblicg, bein 9kme für alle golge-'
^eit mertmürbig: bu gaft errcid)t, maö bu mollteft." greilid) eine
,^eroftratifd)e Unfterblidjfeit; aber für bic 3Bünfcge eincö Unge*
geuerö ein gan-^ entfpred)enbee
ßur ^iuömalung ber S3crmorfengeit feinet fürftlicgcn ©egnerö
gatte biefer bem tRcbner um bie ßeit bcr 9lbfaffung feiner oierten
9tcbc retd)lid) neuen 0toff gegeben. Äaum bnrd) ben blaubenrer
©ertrag mieber fid)cr gcftellt, gatte er, gerci^^t, mie er nun mar,
angefangen, mit goltern unb .f)inrid)tungen gegen bie SKänner
j\u mütgen, meld)e igr fianb oor bcr ©cfd)äbignng burd) einen
unbänbigen gürften mittelft cinc-^ S^egimentö gatten fdjügen mollen,
baö ben .Öerj^og eine ßeit lang befeitigt unb blcibenb befdjränft
gaben mürbe. 5lbcr au0brücflid)c (Srmägnung burftc Jütten oon
biefen neuen ©ranfamfeiten nid)t tgun, ba er feine 9tebc in einen
frügern ocrlegte. 0o fdjilbert er nur im allgemeineu
ba0 gnncre feiucij C^egner^ al^ ein ülabprintg, auö beffen ÄUünis
mnngen unb galten immer neue ©räuel fieg cntmidcln. Söenn
er ctmaö ©ofe^ unterlaffe, fo fei er nur ju feig e^ am^^u fügten.
$ättc er fo oiel 9J^itg al3 Übeln SBiHen, fo mürbe er längft
ilUeö um fid) gcr gemorbet gaben. ,,^u uid)t0mürbigfte'5 aller
102
I. 5. j^apitel.
jttjctbeinigcn ©cfd^öpfe", rebet er if)n einmal an. baftSuft
ju allem S3öfcn imb ju nid)t^ ®utem. 5)u bift f^lec^tbin böfe.
SBelc^e^ ©lieb Don bir einer bcmcgcn, mclc^cn ©lutötropfen n\u
terfu^cn mag: eS ift nid)t§ ©uteg barin. ^IRan mng glauben,
bie Statur ^obc in bir eine SEÖerfftätte non Uebcltl)öten bereiten
moflen."
©egen einen fo gefäl^rlid^cn SSerbrec^cr cinjufc^reiten, forbert
Jütten ben ^aifer unb bie nod^ einmal in einer fc^mung*
l^aften ©c^lugrebc auf. „©ib unö ©c^ör, o Äaifer", fagt er.
„©ib un§ ©c^ör, S3efc^ü5er bcr Unfc^ulb, ©rljalter bcr ©erec^*
tigleit, ber ^i^ei^eit §ort, Sieb^aber ber gi^ömmigfeit. ©ib unS
©ebör, bu S^ac^folger beä 5luguftu§, 9^ebenbul;ler be^ Xrajanud,
§crr bcg ©rbfrcifeö, ßenler be§ menfd^lic^en ©efc^lec^tg. ©ntfcme
bie allgemeine gurc^t. S^ette, mag öon ^cutfdjlanb noc^ übrig
ift. SRec^tfertige bein ßcitalter, beinen ?Ruf unb fieumunb. 3läc^e
bie ©Uten, beftrafe bie 33öfcn. 2)ic Älage ber SBaifen, bag S3lut
bcr Unfd)ulbigen fc^rcit ju bir. ©r, bcr Sßtele gemorbet b^t, bie
Uebrigen ju morben trachtet, SlUcn SJerberben bereitet; ber ben
©attinnen bie ©atten, ben SSäteni bie ©ö^nc, ben greunben i^r
anbereg 3cb, bem gefammten 2)eutfd)lanb feine -.^offnung, feine
©nuartung entriffen Ijat; bcr ^eiligtbümcr geplünbert, an ^rieftcr
freuclnbe §anb gelegt, Xempel beraubt l)at; bcr ®cutfcblanb Uef^
lauft, Seben unb©ut reblicber 93ürger feil geboten b^t; ber feine
©emorbeten bem b^iniatbli^cn öegräbnig Oorentbält, ung öers
bietet, um unfere ^^obten ju trauern; er, erfinberifeb in ©rau*
famteit, tbatfräftig in Unmenfcblicbfcit; bcr 2JJörbcr, 93anbit,
genfer ber ©Uten, SBiberfad^er ber Unfebulb, geinb bcr ©öttcr
unb SJ^enfeben: merbe jerriffen, j^erftüdt, jcrfi^mettcrt, getöbtet,
üerniebtet, bem ©cbmert, bem geuer, bem Äreuj unb ©triefe
preiggegeben. 3b^^ Q^cr, bcutfd^c gürften unb iölänner, rciget
enblid) aug ber ©d^eibe eurer Sööctwng bag©d)mcrt ber ©crccb-
tigfeit. Saffet in bcr S3eftrafung biefeg ÜRäuberg bie ©^neibe
eurer ©trenge nid)t ftumpf merben. Ünmürbig ift eg, fcbänblidb,
frcOelbaft unb üerbcrblicb, einen folcben Söerbred^er entrinnen ju
laffen. ©ebömen merben fidb eure 9lad)fommcn an Voreltern,
bie fo Don bcr Xugcnb ihrer 5lbncn entartet maren. 2)arum
moblan, entmeber möge (mag unmöglich) bie 9la(^mclt niebt miffen,
mclcbc Untbaten Ijicr begangen morben, ober (mag an eurer fRccbt-
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103
Sierte 9lebe toibec Ulric!^.
lic^fcit liegt) möge pc sugteidj tuiffen, bog fic bcftroft toorben
pnb."
©0 lange bcr alte Äoifer lebte, lieg er burd) bie Söinfcljügc
$erjog Ulrid)'^ unb feinet neuen Äonjlerö, Slmbroftus^ IBoHojib,
mic er felbft einmal unmut^ig öugerte, „fic^ um^iel)en": mic
Jütten feinen Äam^f gegen ben ^erjog fortfc^tc, unb enblid)
ben Xag bcr iRac^e erlebte, mcrbcn mir fpötcr ju berichten gaben.
#
Ä
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104
c^itften’d iweite %tift itacf 9>taneit.
1515-1517.
ift oben crnjö^nt tüorbcn, wie btc 5(ufnal)mc, tDcld)c
glitten nadj feiner erften fRücffebr in bie |)eiinat!) bei ber
beit feiner ^(ngebörigen fanb, äugerft fränfenb für ibn tnar.
©tatt @b^c i^nb 5(nertennnng fanb er 55eracbtnng nnb ©pott.
Singer ber ritterlicb-friegerifcben unb ber fircblicljen fiaufbobn er?
fannte ber bomalicje Slbel (fo n)eit bitten firfj bie
febon geänbert) aud) no^ bie juriftifd)e als eine folcbc an, burd)
iuelcbc einer igreS ©tanbeä fid) nidjt alljn uiel nergebe. SJian
ftubirte neben bem fanonifdjen ba^ römifebe ober fogenannte
faiferlicbc 9led)t, baS in jenen 3abren immer mehr (Singong in
2)eutfd)(anb fanb, mürbe 2)octor, nnb machte bann am faiferlid^en
ober an dürften? unb §errenböfen als fRatl), ^lan^ler u. bgl. fein
©lücf. ®iefe Saufbabn lag bem alten §utten für feinen ©oI)n,
nad)bem biefer bie geiftlidje üerlaffen b^^HC/ ©inne. 9^un
batte aber Ulrid), nach einem furzen Sin laufe, febon in Stalien
fid) mieber ju feinen S^larrenSpoffen (nugae), mie ber Sllte eS
nannte, jurücf gemenbet, mar nicht als 9}2agifter ober ^octor,
fonbern als S^iebts, als ber 9tiemanb ^urüefgefommen. ©einen
Slbcl fd)ien er burd) bie unritterlicben ©tubien Oermirft ju höben,
unb eine anbere SIuS^eid)nung l)ötte er nid)t gemonnen.
S)ienfte, meld)e für ben Slugenblicf feine feböngeiftige geber in
bem ©treite mit bem ^er^og oon SBürtemberg leiftete, nahm man
mit, ohne über feine ©tubien im allgemeinen bie Slnficbt ju
önbern.
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Umarbeiiuno bc§ ^icmanb
105
2)icfcS uitb 9Zicmanb, baö |)uttcn jo^t fü oft
l)ören ober bod^ ju empfinben befam, bracljtc U)m einen voctifd)en
(^c^erj in Erinnerung, ben er fd)on oor ober luäbrenb feiner
erften italienifc^en SReife f)ingetoorfen l)attc: er fudjte feinen
„3^iemanb" loieber arbeitete i()it um unb fügte ein pro-
faifc^eö JBonoort an feinen greunb Erotue ()in^u. 33eibed mar,
einem 33riefe §utten’ö an Era^muö Dom 24. October 1515 ^u^
folge, bamalö fd)on j^um ^)rucfe bereit, ber jebodj erft brei
fpätcr 0tanbe fam. 3n biefer ß^^ifdjen^eit mag mol)l nod)
SRanc^e^, befonberö an bem S3ormorte, oeränbert unb jugefe^t
loorben fein; bod) mollen mir barum bie fdjon einmal j\urüd=
geftcllte SBefpredjung beö 33üd)lein<§ nid)t länger oerfd)ieben. 2)er
S^liemanb ift junädjft, mie baö griedjifd)e SBort auf bem STiteP)
unb fc^on oor ber erften 5luögabe ein Epigramm an^eigte, ber
^omerifdje Gi ng, mit melc^ein Dbpffeuö ben Epclopen öftte. 0o
erfdjeint er auc^ im jmeiten Xl)eile bei? (55ebid)tö alö bie ftel)enbe
Sluörebe nid)tönu^iger ^ienftboten: fie mögen jerbrodjen ober
fonft ^u EJrunbe geridjtet l)aben, maö fie mollen, immer bat e»
ber 9^iemanb getban. liefern fel)r auögefübrten befd)reibenben
Xl)eite ift nun aber, fdjon in ber erften ^luiSgabe, ein tnr,^erer,
meljr epigrammatifdjer, i)orauögefd)idt, beffen Söip in ber ßmeis
bcutigteit beftel)t, bag ber 9^iemanb ^unäd)ft alö mirflid)e ^erfon
erfebeint, oon ber ganj außerorbentlidje, unglaii bliebe ^inge auö^
gefagt merben, biö er auf einmal alo blojje Verneinung jerplapt.
(2)er) 9^iiemanb mar uor ber Erfd)affung ber SBelt; Dtiemanb
!ann, iRiemanb meiß Sllleö; 9tiemanb bauert immer, 9tiemanb ift
oon gebient, oon 3n:tbum frei; ^Riemanb ift in ber Siebe meifc,
9liemanb fann jmeien .gerren bienen u. f. f.
2)aö fo angelegte EJebidjt ift in ber neuen ^lu^gabe mefent*
lieb Oerbeffert unb oon 43 ^iftid)en auf 78 oermebrt. ^em 5luö=
bruef ift burebmeg nad)gebolfen, oermittelnbe ßiige angebradjt,
ba unb bort fdjärfere Sidjter aufgefe^t, bas^ Oian^e feiner unb be«
5Üglid)er gemadjt. 3ni erften Xl)eile befonberö finb Verfe ein*
gefdjoben, in benen nun ber SBife nid)t mehr bloö ber logifdje
beö Umfdjlagenö eiger oermein tlid)en ^erfon in eine bloße Ver*
1) OtT/f. Nemo, ©(tjtiftcn III, 107 — 118. 2)tc an
CrotuS i, 8. 175—187.
106
I. 9u(l(|. 6. Pa))itel.
ncinuntj ift, fonbcrn einen moralifd^cn ober politifd)en 0tac^el .
befommt. S^iiemanb bringt fic^ burc^ reine ©itten in ber SCBelt
empor; S^iemonb fe^t ben gemeinen 9tujen üor ben eigene»;
iJliemanb ift fromm unb ^ofmonn 5ugleic^; S^iemanb bringt olle
^)eutfc^en unter @inen gut; S^iemanb me()rt ben 3;ürfen ab;
iytiemanb tommt bem feufjenben Stalien 511 gülfe unb befreit
bie @tabt be§ jQjiirinug oon ber ^foffen^errfc^aft; 9liemanb
mögt eg bie Ueppigfeit unb ben SKüffiggong ber ©eiftlic^feit,
9iiemanb ben ^opft 511 tabeln : bag finb nic^t mefjr bie ^ormlofcn
SBifee eineg jungen ©c^öngeifteg, fonbern Oebanfen eineg SO'^anneg,
ber bie SBelt gefe^en unb über bie menfd^lic^en SBcrpltniffe nac^s .
gebaut t)at.
©ein perfönlic^eg §(ntiegen bringt gutten in bem ©ebid^tc
felbft nur in bem ßwge uor, meieren bie neue Bearbeitung eins
fc^iebt : S^iemanb reiche ben redeten ©tubien ben oerbienten £ot)n.
liefen SRiemanb, fagt er in ber profaifd^en SBibmung an ben
alten greunb ©rotug, ^abe er bei feiner Sflücffel^r in bie geimatl^
gefunben. mac^t er fid^ nun aber l^ier, in bie SKeinung
beg großen gaufeng feßerj^aft eingeßenb, felbft jum 9>liemanb,
unb mag er rebet unb feßreibt, ju 9tid^tg. ®er greunb bcflagc
fic^ (in einem ung nießt aufbeßaltenen Briefe) barüber, baß
gutten ißm ein gau5eg 6aßr nic^tg gefeßrieben: allein mer felbft
S^id^tg fei, mie fönne man Oon bem @tmag oerlangen? ©0 f(ßicfe
er il)m beim ßiemit S^tießtg, unb 5Hiemanb fei ber Ueberbringcr.
SBoäe ©rotug miffen, moßer auf einmal biefer ©infall, fo bürfc
er fieß nur an ißre näc^ften @rfal)rungen erinnern. Beibe ßaben
ße ben Berfueß gemadf)t, Wag bureß bag eifrigfte Betreiben ber
beften ©tubien ju erreichen fei. (Srreießt ßaben fte, baß man
öffentlich oon ihnen fage, ße höben S^ichtg gelernt unb feien
iltidhtg. ^)em greunbe fei eg hictin noch leiblicher gegangen alg
ihm, ber fo, wie oben bef(^rieben, bei feiner geimlchr empfangen
worben fei. Beßnbe er fich unter feinen 9tittern, fo fühlen ßc
ihn nidht, unb auch bie ©eiehrten erlennen ihn nicht an. ®ic
IRitter würben ihn gern alg ihrcggleichen gelten laffen, wenn er
nur nid)tg gelernt hätte. ®ie ©elehrten aber feßen auf folchc
©tubien, wie er unb Srotug ße gemad)t höben, mit ber üußerften
Berachtung herab.
3m augfchließlichen Bcfije beg SBiffeng bünfen fich jejt be*
r
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^utien an SrotuS.
107
fonbcrig bic beiben Äaftcn ber 3uriftcn unb bcr Xbcologcn. ^ic
einen fc^tnören auf ^Iccurftnö, S3art^o(uö unb 33albu^, bic ©loffa*
toren unb Kommentatoren bc3 Corpus juris; bic anbern auf
X^omaö unb ©cotu^, ^tbertuö unb Sonaücntura mit i^ren
Cluäftionen unb ©püogi^mcn. S3cibe aber feien bie $cft, bie
einen bcig S^cc^tiS unb beö KJerncimoo^lö, bic anbern ber SRcIic^ion
unb Xb^otogie. Sluf beiben «Seiten fei eine einfache ©runblagc
burch maffenbaftc Kommentare ocrbccft, ein urfprüngtich faglichc^
©tubium in unburchbringliche SRebcl gehüllt loorben.
5)ie 3uriftcn fehießen jeht an ben §öfen mic ^iljc auf, gc^
niesen auöfchlicglich bie KJunft unb thcilen bie Schäle bcr dürften.
SGBenn biefc burch irgenb ctmaS ihren Unoerftanb bcmcifcn, fo fei
cö bur^ bic SBegünftigung jener ^abuliftcn. „Sllö hätte c3 nid)t
beffer um 5)cutfchlanb geftanben, ehe biefc ÜJicnfchcn auffamen
mit ihren Dielen Söüchcrbänben ; bajumal, alg h^^^ (nach Xacituö)
gute Sitten no^ mehr galten alö anberömo gcfchricbcnc ©efche.
Ober alig ob noch jcbc5 ©emeinrnefen um fo beffer
Dcrujaltct märe, je meitcr biefe KJloffotorcn boDou finb. fehc
nur einer jene ©achfen am öaltifd)en SKccre, mic fic ohne 5luf*
fchub unb ohne KJefährbe Sftecht fprechen, inbem fic 5mar nicht
bic genonnten KJcfchfrämcr, aber bie althcrgcbrochtcn heimifchen
öräuchc befrogen: mährenb hi^^^ eine Sache 20 3ah^^ jmifchen
36 ^octoren hängen fann/' 3Kan ficl)t: in bem eben bamalS
entbrannten Kampfe jmifchen bem alten beutfehen Olcdhte, ba§ un^
gelehrte ebenbürtige ?Ricl)ter in fur^cm münblichem Sßerfahren
auö bem ^erfommen fdjöpftcn, unb bem au^ 3talicn cingemans
berten, burch eine gelehrte öcrmaltcten römifchen fteßte
fich ber beutfehe S^titter auf bic Seite be^ erftcren; mährenb bcr
|)umanift in $uttcn ba^ römifche IRccht menigftcnä unglofftrt,
bic altrömifchen Duetten Don bem SBufte bcr mittelalterlid)cn Kr^
flärer gefäubert miffen mottte, unb hierin nicht nur einen 9J?utian,
fonbern ouch philologifch gcbilbetc 3uriften mie Ulrid;
auf feiner Seite h^^He. Kinj^ig auö Mdficht auf ben SBunfeh
bcr Seinigen, fährt §utten fort (unb biefc Stelle möchte mohl
fpäter, gegen Knbc feineö j^mciten ^lufcnthaltö in 3talicn, ein*
gcfchoben fein), unb auS 2lcrgcr über ben §ochmuth jener IRabu*
liften höbe er früher fich entfchloffen, ihnen ihre Äunftgriffc ob*
julernen unb ®octor ju mcrbcu, um fich our KJcljör unter ihnen
108
I. ®u(^. 6. i^npitct.
ju t)crfrf)Qffen. SlK^^uoiclc f)nbc er bamit nid^t ju Verlieren
gefürchtet, ba cö fiel) ja nicht um baö ©inbringen in ben Äeni
einer SBiffenfefjaft, fonbem nur um ©rmerbnng ber gähigfeit ge*
hanbelt höttc, mit ben 0chalcn gu ftappern. liefen ^lan höbe
er, unter Sieirath beö greunbeö (hier feheint auf eine ßofoni*
mentnnft mit ©rotnö in Senebig angefpielt, auf bie mir batb ju
fprcchen fommen merben), bahin abgeänbert, baß er iefet ent*
fchloffen fei, nicht S)üctor merben, nnb Urthcil beö großen
§aufenö ^n oerachten.
5^ein uortheilhafteref^ 33ilb entmirft $ntten in biefer inhaltö*
reifen Siorrebe oon ben ^h^^otogen feiner ßeit. 3)Mt ©citerfeit
mirb ber greunb baran erinnert, mic trefflich er einft ihre fchola*
ftifchen Älopffed)tereicn nad}3uahmen oerftanben ho^JC. ©r felbft,
glitten, höbe fie früher oft geärgert, oft ihren ^ochmuth nnb
ihre S3erfehcrungöf licht geregt: je^t finbe er eö flüger, olö nichts*
fagenber 9tiemanb fid) ihrem 3ornc ent5ichen. SBic bie Söor*
läiifer ber fRcfornrntion fchon längere 3cit, nntcrfcheibet auch
Jütten Oon ber alten nnb ächten ^^hcologic bie feit 300 3ahren
aufgefommene fd)olaftifche, meld)e bie Sehre ©hi'ifti oiit einer
SJiaffe abcrglänbifd)er @cbränd)c nnb fchlcchtcr 53üchcr ^ngebedt
höbe. «Statt mufterhaften Sebenö pod)en biefc 9Jienfd)cn auf ihre
Äutten nnb ^rioilegicn ; mährenb fie bie ungefaljenften ©efehöpfe
feien, holten fie fid) für baö Sal^ ber ©rbe; meil fie bie 53eid)tc
ber gürften hören unb bie ©eheimniffe ber SBeiblcin erforfchen,
meinen fie meifer als alle übrigen ä)?enfd)en p fein. 2)aö ©Jute
unb maljrhaft ©hnftlidjc, mie bie ^Irbcitcn be^ ©raömiiö, fei
ihnen jumiber; ben trefflidjcn fRcudjlin höbe oor ihrer SButl)
nur ber Sdjiip bcö Äaiferö aßajimilian gerettet. ©Jclinge e§
ihnen aber, einen alö ilehcr ^u ergreifen, fo gebe cö feine grau*
famern Sieger alö fie. ®a ftellcn fie fid) ganj an ©h^ip* ^tatt:
nur- oon feiner ©armheräigfeit, ber oornchmften feiner ©igen*
fchaften, mollcn fie nid)tö miffen. Unb nur gegen Schmad)e, nur
mo man fie gar nid)t braud)c, jeigen fie .ihren ©ifer : bie 3!ürfcn,
ober aud) bie böbmifd)en ^uffiten ju befchren, falle feinem ein;
mo e^ Öefahr gebe, ba jichen fie fid) oorfichtig in ihre angeblich .
fromme 9tuhc ^urücf.
Sold)e 2)ienfd)en behcrrfd)en bie SJ^enge, mclcher $Rang unb
Xitel imponiren, mcld)c nid)t frage, ob einer ctmai^ miffe, fonbern
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$uttcn’§ afteite JReife nod^ 3to(ien.
109
üb er Xoctor ober äRagiftcr fei. tiefer 5IWcinung, fo fcfilicßt
Jütten feine fönne fein lDQi)rf)aft freibenfenber 9J^onn
fic^ fügen; er toenigften^ njoUe mit SSergnügen für immer 9ftid)t^
bleiben, fiel) mit bem grennbe, non bem er ein ®leid)eö Dorauö-
fe^e, biömeilen über bie X()orbcit ber 2J?enfd)cn luftig machen,
fi(^ aber burc^ ben @l)rgei^, @tmaö ju merben, feinen ginger
breit Don feinem SBorljaben oblenfen taffen.
Stuf ber anbern ©eite jeboc^ lieg fid) ber alte ©tecfelbcrger
Don bem $lnne, in bem ©ol)ne bereinft nodj einen- cinflugreidjen
^vuriften fe^en, gleidjfaHö nid)t abbringen. @r öffnete iljm,
in ©emeinfe^aft, mie e^ fd)eint, mit nod) anbern gamiliengliebern,
feine Äaffe unter ber 33ebingung, bag er nod) einmal nac^ Italien,
unb j^iüür naeg fRom, ge^en nnb fein abgebrodjeneö fWeegt^ftubium
lüieber anfnüpfen fülle. Sind) ber ©rjbifdjüf ?llbred)t üün äRain^
unterftüj^te i^n 511 biefer 9feifc: nm 9Jiagbalenentag (22. guli)
1516 befd}einigt ber main,yfd)e ÜRarfdjalf grüiuin üün glitten,
üon ben 200 @ulben, bie ilurfürft 2llbred)t „bem üeften Ulrich
üün §uttcn, feinem ^Setter, gnäbig i^ngefagt, jur SSüflfüljrung
feineö angefangenen ©tubiumö in l)ül)er ©d)ule ^ur ©teuer ju
geben", auf feine 53ittc 50 ©ulben crljalten ju l)aben, bie er
auc^ fofort „gebad)tcm feinem 3^ettcr, alö er in SBelfc^lanb ge^
^ügen, überliefert gäbe"*}, ©ü lucnige ga^re üürtjer ber
33ifd)üf §iüb üün iRiefenburg ben gugenbfreunb §utten’ö, @üban
^effe, naegbem er ign eine geit lang an feinem §üfe gehabt unb
lieb gemüiinen, jum iRecgtiSftubiumö nad) ßeip^ig gc^=
fegieft, um ign fpöter beftü beffer unb eljrenüüUer in feinen
fc^äften üenoenben ju fönnen. Unter ber altern (^eneratiün ber
^umaniften mar biefc Serbinbung be^ juriftifd)en ©tubiumö mit
bem pl)ilülogifc^en niegt ungemöl)nlic^ gemefen. 2)aö lepterc gab
noc^ feine bürgerliche (Syiftenj: ba nagm man baö erfterc ju
^ülfe. ©0 mar 3ül)ann lReud)Iin erft Jöeifiper beö mürtember?
gifchen ^ofgeridjtö, bann fchmäbifcher 33unbeörichter gemefen unb
nannte fid) auf ben Xiteln auch feiner philülogifdjdheologifdjen
©üchcr Legum üoetor; unb SÖJilibalb ^irdljeimer galt für einen
ebenfü grügen 3uriften alö 5^hilol‘>9en. ^ie Jüngern SRänncr
biefer 9tid)tung aber mülltcn fid) ju fülcher iBerbinbung nicht
1) ^utlen’ö Sd^riftfn I, 3. 105.
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110
I. 9u4l- 6. ftapiiel.
mc^r bequemen, ©ie uerfui^ten e§, i^r Seben auf bie ^umanü
tät^ftubien allein begrünben; maö fic nad)l^er nic^t feiten ju
bereuen batten, ©o üerfaufte @oban eine^ fd}önen ÜJ?orgen§ bie
juriftifd)en SÖücber, bie i^m fein 0ifd)of jum 0tubium in fiei^^ig
angefebafft batte, unb ging nach Erfurt jurüd, um ficb auöfcblie6=
lieb ben febönen Sßiffcnfcbaften j\u mibmen. ^ber eö ging il)m
ba halb fo fnapp, bag er, um ficb unb feiner gamilie S3rob ju
febaffen, einmal 9J?ebicin ju ftubiren anfing.
©0 fam eö jept auch Jütten febmer an, ficb t)em SBunfebe
ber ©einigen ju fügen; boeb machte er ficb im §erbft 1515 mit
mebreren 33egleitern auf ben 933eg. ©emc märe er über ®afcl
gereift, um ben ©raömug mieber ju feben, ber ficb eben bort
befanb; bücb feine ©efäbrten ^ogen eine anbere ©trage öor, unb
fo febrieb er j\u Söormö, in ber Verberge, unter bem ßärmen ber
®öfte, einen iÖrief an bcnfclben, in melcbem er feine Ißerebrung
für ben erhabenen 9J(eifter in begeifterten SÖorten auöfprad)*).
®r betrachte eö alö ein Unglüd, bag iljn bie SSerbältniffe oon
@raömu^ entfernt halten, bem er fo innig mie ^llcibiabeö bem
©ofratei? anbängen möchte; in ber ^Iljat fei ja ©raSmug ber
beutfebe ©ofrateg, habe fid) um bie S3ilbung beö beutfeben Ißollö
nicht minber alö biefer um bie beö grieebifeben oerbient gemacht.
0b er ba§ @lücf haben mürbe, einem folcben äJ^anne ju gefallen,
miffc er freilich nicht; aber ihm - ju bienen märe er mobl nidbt
gang unmertb gemefen, unb bem @raömu^ mürbe e^ nicht 5ur
Unel)re gereicht haben, menn ein beutfeber Dritter mit Xreue unb
Cifer fid; feinem 3)ienfte gemibmet hätte, iöefonbcrö ©rieebifeb
hätte er ju feinen Sügen lernen mögen; er habe im ©innc gc*
habt, JU ihm ju reifen, ign oielIeid)t nach ©nglanb ju begleiten,
unb mürbe biefeg S8erbältnig nicht nur bem §ofleben, ju bem
er JU feinem Scibmefen berufen fei, fonbern auch ber fReife nach
Stalien oorgejogen haben, mohin ihn bie läftige greigebigteit ber
©einigen beö IRechtöftubiumö megen fehiefe. 5^äme aber ®ragmu§
etma nad) Stalien, fo mürbe er ficb burd) nichts abhalten laffen,
auö bem juriftifchen Äerfer, in mclcbcn bie ©einigen ihn oerbon*
nen, ju ihm ju eilen. ^Rachbem er fobann nodb feineö ^Ricmanb
1) ^utten’S ©^iriftcn I, ©, 102. §ier auc^ bie 9?0(brid(|t bon ber ®ei»
fteuer ber i^utten’|4)en tJoniilie Ulric^’S 9tei}e.
^ X
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^utten’S iKetje nad^
111
unb bcr e^rcnüoQen (SrtDÖ§nung bed QhroSmuS in ber iBorrebc
(b. f). in bcm S3rief an (Srotu^) gebac^t, aud^ feine ©efunb^eit
betreffenb gemelbet ^at, bog er üon bem unb bem guß-
übel gan5 geteilt fei, bittet er fc^lieglic^ ben ^raSmuS um eine
(Jmpfe^lung an einen gelehrten ©roßen in fRom, bem er aber
nic^t ©tattfnec^töbienfte, fonbern litcrarifc^c ^anbrcid)ung 5U
t^un ^ötte. Seneg nömlid} loar nic^t feiten bie Saufba^n ber
üon Jütten fpäter fo fel)r befämpften ßurtifanen, b. beutfd^er
©eiftlic^en, bie in jungen Sorten na^ 8ftom gingen, unb fieß ba
jju ben elenbeften ^ofbienften bequemten, um betnac^ mit ber Sin»
martfebaft auf beutfe^e ^ircbenfteUcn, unb natürlicb 5ugleicb mit
burebau^ ultramontaner ©efinnung, jurUefjufebren.
5(uf melcbem SBege Jütten nach fRom reifte, unb lyQÖ ib^i^
untcrloeg^ begegnete, miffen mir nicht, menn mir nicht ber ®er«
mutbung 0tatt geben, baß un;^ in einem ber ^unfelmönncrbriefe
be^ jroeiten ^cr, mie mir unten pnben merben, ihn jum
^auptoerfaffer b^^lr Ktnc fReiferoute aufbebalten fei. Sftämlicb
einige^ oon feiner fReife miffen mir boeb, unb baö trifft mit bem,
mad M. Söilbelmu^ 2amp oon ber feinigen berichtet 0, rnerfmürbig
jufammen. lieber 9Rain5 muß Jütten oon 0tecfelberg auö fo
gut mie ber SRagifter oon Äöln auö gefommen fein; baß er
hierauf mie biefer in SBorm^ einfebrte, unb oon ba nicht meiter
rbeinaufmärtd in ber Sfliebtung nach S3afcl reifte, fonbern einen
anbern SEöeg einfeblug, miffen mir auö feinem in ber Verberge ju
833orm^ gefebriebenen 5Jriefe an ©raömuö; menn ber SJtagifter
oon SBormiS aud feinen äBeg Augsburg 5U nahm, fo mar bieß
auch für ben Flitter, moHte er nicht über öafel reifen, bie an«
gemiefene ©traße; mie ber ^Regen unb Schnee, morüber ber Än«
bere llagt, ju bcm 24. October ald bem ®atum oon ^utten’ö
mormfer Briefe beftenö paßt. SSon Slugöburg auö reifte M. Samp
über ßanböberg unb Sebongau burd) grunblofe SBege nach 3nn§«
bruef, mo er ben Älaifer mit zahlreichem ©efolge fanb; bann über
ben bereits fdtmeebebceften Brenner nach Orient, mo er S^uge
bcr faifcrlicbcn ÄriegSrüftungen mar, bie auch Jütten in einem
fpöter zu 9lom gebiebteten (Epigramm in ben 2Upen gefeben z^
1) Epist. obsc. viror. II, 12. Hutteni Opp. Supplem. I, & 206 ff.
/
«
112 1. 6. Kapitel.
fabelt Dcrfid)crt *). Scrona unb 3J?antua fa^ fi^ bcr
äl^afliftcr burd) bic Äricö^mad)t bcr S^cnc^iancr aufgcl^Qlten; nac^
ÖüIognQ mac) nud) .guttcn, it)cnno(cid) nid)t flcrabc, luie bcr
bcrc uon fid) ücrfid)crt, tuä{)rcnb, bod) nic^t lange nor ober nac^
bcr bcö ^apftcö mit bem Äiöiiig Don gronfreie^
in jener ©tabt (10.— 12. 2)ccembcr 151.5) gefommen fein; unb
ba6 er oon ba gleich feinem obfeuren 5)oppclgänger über gloreng
unb ©iena meitcr gezogen, merben mir ebenfo mal)rfd)einlic^
finben, alö mir ibm uor bem ©intritt in bic Sßeltbauptftabt in
Ül?üntefia§conc bic |)cr/iftärfung gönnen merben, bic bem SJiagifter
fo unoergeßtid) mar; obgicid) an biefer ©teile bic bem '-Brief*
fd)rcibcr ,^ur Saft fallenbc 93ermcd)^(ung beö bort cinl)cimifcben
Est— Fist mit bcr lacryma Christi üom SSefuo §uttcn'ö ^efannt*
fc^aft mit ber Drtögelegcnijcit smcifelliaft mad)en fann. 93ci fo
Übeln SBegen unb mandjerlei §inberniffen fann M. ßamp nid)t
mof)l oor bem grül)jal)r fein '^ki erreid)t b^^ben: nnb auc^ ba^
ftimmt auf §uttcn, oon bem mir miffen, baß er jur gaften^eit
nac^ fRom gefommen ift unb einen 21I)eil beö ©ommer^ 1516
bafclbft ^ugebradjt Oat^).
®en ©inbruef, mcldjen ba§ päpftlid)c $Rom auf Jütten
mad)te, ^at er in mel)rcren ©pigrammen au‘5gcfprod)cn, bie er
üon fRom au^ an ©rotuö fRubianuiS nad) 2)eutfd)Ianb feßidte®).
©leid} baö erfte lautet:
?Ufo td^ fic benn, 91om§ ^olbjertrümmcrte 5)laufrn,
3Do mit bfm ^eiligen mon jclbcr ben @ott au(^ öerfouft.
Sq^ ben erhobenen ^rieflet, o ßfrcunb, mit bem tjciligen ?Rot^c,
Unb ßorbinäle, oejd^aart, bröd)lig in jc^lebbenbem 3”9-
©d^rciber fo oiel unb $ro& oon überfUlffigen 3Jlcnfd^en,
mit ben Sterben sugleid) mallenb ber Purpur bebceft.
5:t)ätig bie einen im fdbQnbboren SBerl, bie onberen leibenb,
Unter bem t;eiligen Sd(|ein frö^nenb ber roitbeften fiufl.
?lnbre fobonn, bie felbft ou^ ben 6d()ein bc§ ®utcn uedc^ma^cn,
Unb mit erhobener 6tirn Sitte oerljo^nen unb 3u<^t.
9Be((^c mit Suft fc^Iec^t finb unb mit ^ollmad^t; ad^, unb in beren
2lod(| boS teutonifdfie ^oU leiber fo toilUg ftd(i fügt.
miRsa.
1) Schriften III, 6. 216, 9Ir. 18b.
2) Schriften I, S. 104. 105. IV, 8. 186.
3) Ad Crotura Ilubianiim de statu Romano Epigrammata ex Url)c
Sj^riften III, 8.278 — 283.
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9i5mtjd^( ^inbrüde.
113
6te ^nb^aben l93erbot unb ^rlaubntb, f<bHegen unb bffnen,
UnD tote eS ihnen beliebt, tbeilen ben l^immel fie ouS.
Stömerinnen, unb 9tÖmer nicht mehr; ood Ueppigfeit ^deS,
VdeS, toohin bu auch blicfft, Ood ber Oertoorfenften Sujt.
Unb baS ^deS in 9tom, loo (ÜuriuS einft unb ^eteduS
Unb ^ompcjuS gelebt: o ber oerfinberten ^cxU
S)rum bem Verlangen entfoge, mein Sfreunb, nach ber hri^gen 9loma:
9tömijche§, toelcheS bu juchft, ftnbejt in 3iom bu nicht mehr.
•
ftärfcr brücft m Jütten übtr bic SSerfäuflic^fcit aller
S)in9c in 9iom, inöbefonbere über ba^ Slblaßinefen, in einem
anbern (Spigramm ouö:
9luf, ihr dJUlnner, toohlauf! legt ^anb an, lebet Opm Glaube,
dJlorbet, oom hrÜigen ®ut ftehlet, Oerlehet ba§ IRecht . . .
ßuere IRcbe jei @räul unb euer §anbeln Verbrechen;
9BSl}t euch tm Vfnhlr ber Suft, leugnet im i^immel ben ®ott. . .
Vringet ihr @elb nach 9lom, jo jeib ihr bie rechtlichften Seute:
Xugenb unb himmlijchen fiohn tauft unb oerlauft man ju 9tom.
^a, auch fUnftig Verruchtes }u thun, erlauft man )u 9tom ftch:
' ^rum, wenn ihr tod, fo feib gut ; wenn ihr oerftfinbig, feib fchlecht I
Unb im ^inblicf auf ben i^m befonberö na()e licgenben gabt
in ÜKainj, beffen ginanjen burc^ ben ^oUienfauf bei mehreren
fernen oufeiiianber eingetretenen (Srlebigungcn beö erjbifc^öflic^en
0tublö*) jeiTÜttet mären, ruft er:
^uer Vifchof ift tobt. fianbSleute, nun braucht ihr rin neues
Radium: jahlt nur! um ®olb gibt eS ber Simon oon Vom.
Vber bu felber, fo lang ^Deutfchlanb fein i^irn unb fein Vug h^t,
Viete getcofi jum Verlauf V‘»dien, Simon oon Vom!
®in ähnlicher ©to^feufjer mac^t ben ©c^lu6 ber frütjer
Don unö betrodjteten Epigramme an ben Üaifer äJiojimilian,
unb fönnte, ba jene ©pigramme erft na^ ^uttcn'ö jmeitern ita>
lienifc^en Slufent^alt im 2)rucf erfd^ienen finb, au^ biefer geit
ftammen :
SBann hoch tommt eS bahin, bab X)eutfchlanbS Vugen fich bffnen,
<Sin)ufehen, wie ganj Vom eS )ur Veute gemocht?
SBann hoch fommt eS bahin, bab um @olb man bleierne Vuden
Vnberen Vbllern oiedeicht, nur nicht bem beutfehen, oerlauft?
1) Vertholb oon l^enneberg f 1504. 3<tlob oon ßiebenftein f 1608.
Uriel Oon Lemmingen f 1514.
VIL
8
114
I. I3ud^. 6.
Ober loirb fo tote ie^t bein !S)euij^lanb, ntfid^iigeT Patfer,
^mmer eih Spott nur fein fUr baS beraubcnbe 9tom?
9lein! baS Scepter beS 9tei(^§, unb be§ 9}ei(!(|S ^auptftabt unb ber 2BeIt, 9tom,
(äBa^r^eit reb’ id^^ unb lann anberS ni(l(|t reben) ift bein.
unb nad^ ma(^te §uttcn in fRom allerlei (iterarifd^e
öefanntfe^aften. mit $aul öombafiug, an ben if)m @ra^=
mug ein ©mpfe^lungöfc^reiben mitflegeben b^tte (er ftonb al^
0ecretär im ^ienfte eineg Sarbinolg), geftaltete ficb fein näbereg
9Serbältni§. ^)ag aber bie 93erebrung für ©ragmug, bic er äugerte,
beffen ©ebriften, bie er in neuen Huggaben mitbraebte unb uor*
jeigte, ibm manchen ©elebrten in iRom jum greunbe gemacht
haben, mie er fpäter an ©ragnuig febrieb, ift ficber nicht alg
blofeeg (Kompliment für biefen ju betrachten.
(Sin eigentbümlicber SSereinigunggpunft ber $octen 5U $Rom
mar in jenen Qabren ein ©arten in ber S^löbe beg Cluirinal unb
beg tarpejifeben Reifen, ber einem ^)eutfcben, Sobonn (Koritiug
aug Sujemburg, gehörte. 2)er 9Rann, beffen 9flame mit bem
beg gartenbauenben ©reifeg bei SSirgil Georg. IV, 125 ff. in
SBejiebung gebracht mürbe, beflcibete febon unter mehreren $äp^
ften eine ©teile in ber päpftlicben Äanjlei, mo er in Suftig* unb
©nabenfadben arbeitete unb alg ßiebbober ber
SEßiffenf^aften unb ber ©elebrtcn befannt mar. 3n ©ragmug*
^Briefen mirb feiner freunblicb gebaebt, unb alg eg galt, IReucb-
lin'g §änbel mit ben ^)ominicanern ju beffen ©unften ju @nbe
ju bringen, mürbe er alg SRittelgmann gebraucht, ©ein SSer^
mögen mar nur mögig, aber er machte baoou, bei einfaebfter Se^
bengmeife , einen ebeln unb originellen ©ebraueb- (Stma um
1514 hotte er in ber Äircbc beg heiligen Sluguftin ber
3lnna mit 9Raria unb Sbriftug eine ÄapeHe mit Slltar, brei
SRarmorftatuen unb einem 2lltargemälbe, baju ein täglicbeg ÜReß»
Opfer unb ©erätbe'geftiftet. Sebeg 3obt mürbe, mie eg febeint,
ber ©tiftunggtag erft burdb feierlichen ©ottegbienft in ber
peUe, bann bureb eine Sl^abljeit in bem oben ermähnten ! ©arten
gefeiert, moju alle ©elebrte unb dichter gelaben maren, bie nun
an Säume unb Reefen, Srunnen unb Silbfäulen ihre Serfe jum
2obe beg SRanneg unb feiner ©tiftung anbefteten. ®ie Serfc
mürben gefammelt unb finb fpäter bon einem greunbe beg ®ori=
tiug berauggegeben morben; mit bem guten SRaune felbft aber
Sefannifd^ofien in 9tom.
116
HQ^m eg nod^ ein bctrü6teg @nbc. ?IIg im Saläre 1527 bie fat^
fcrlic^ett ^Iruppen IRomlcrobcrten, geriet^ et in i^re ©cfangen?
ücrlor feine ^abfeligfeiten unb burc^ ben SSerrotb beg
2)2aurctg, bet i^m fein @clb b^tte öergroben Reifen, auc^ biefeg.
3n äugerftcr ^ürftigCeit manberte er nad) SJerona, mo U)n bet
bifd)öflic^e ©oabjutor eine ßeit lang unterhielt, unb ftarb enblich,
t)on Äummer aufgerieben, auf bem Sßege in feine ^eimath.
2luch $utten h^t bem ßoricifchen Slltar fünf .Epigramme
geroibmet *)/ beten Sn^alt größtentheilg bet ^reig biefer fc^önen
Stiftung beg 2)ichteroaterg ©oritiug ift; bod^ fleht ber öielges
prüfte Söanberer gelegentlich auch @ro6mutter, SKutter unb ©ohn
in ber ilapeHc um Teilung feineg franfen gugeg an. @g mar
alfo bag Uebel, uon bem fidj §utten öor feiner Hbreife aug
^eutfchlanb geheilt meinte, öon Steuern auggcbrochcn. 2)ie6 fehen
mir auch ^ug einem ber aug IRom an Srotug gefenbeten @pis
gramme, beffen Inhalt ung freilich feltfam bünten mag. ®g be*
fanb fich ju iRom ein fpanifcher S3ifchof, ber in bem iRufe ftanb,
bie Suftfeu^e, gegen bie man bamalg noch oergeblich ein 9tabi*
calmittcl fu^te, heilen ju fönnen. %n biefen menbet fid) nun
Jütten, unb bittet ihn bei ber Sl^erbinbung jmifchen ^Dcutfchlanb
unb (Spanien, bei ben gemeinfchaftlichen ©öttern unb ben IRech-
ten ber ÖJaftfreunbfchaft, um feinen öciftanb. 2lug bem übrigen
Äörper fei bie (Seuche gemichen; nur in ber gerfe holte fie fidh
noch: ber ^rälat möge fie ooUenbg augtreiben; ba er eg fönne,
möge er fich öon bem beutfehen Süngling nicht oergebeiig bitten
laffen.
5)och audh an 2lnfechtungen anberer 2lrt foUte eg unferem
Slittcr nicht fehlen. 5Rach einer Einbeulung in feiner bierten UU
richgrebe hotte ein Elbgefanbter beg mürtembergifchen ©erjogg in
9tom Elnfchlöge gegen ihn gemalt; mie ihn auch h^^ooch, alg er
in E3ologna fich aufhiclt, Söilibalb ^irrfh^imer bor ^^örbern
mamen ju müffen glaubte, bie ber ^)cr^og gegen ihn hingen
fönntc. Söie biel hieran mar, ift nicht mehr augjuma^en: eine
mirfliche ÖJefahr aber lam ihm bon anberer ©eite unb hing mit
einer ißerünberung in ber politifchen SCßclt jufammen.
©eit bem [altemben SJtafimilian ftatt beg gleichfaüg bes
1) ©d^riftm m, ©. 271 ff.
116
T. 6.
ja^rtcn Subtoig XTI. in granj I. Uon granfrei^ ein junger feurio
ger gürft entgegengetreten tuar, bitten fid^ bte SSer^öltniffc 3ta-
Itenö aufö iJteuc bebenfUc^ geftaltet. @Ieic^ in feinem erften
©ommer mar granj über bie 5Upen gezogen, um baö üon feinem
Vorgänger cingebügte äÄoilänbifcbc mieberj^ugeminnen ; maö i^m
auc^ burc§ bie ©d^Iac^t bei 9Jiarignano (13. unb 14. September
1515), menige Söod^cn c^c Jütten feine jmeite fReifc nac^ 3talien
Qngetreten ^attc, gelungen mar. 9tun rüftete aber ber Äaifer ;
$uttcn (bie fRoute beö ^unfelmannö a{& bie feinige betrachtet)
hatte auf feiner §errcife um Orient unb Serona fchon SlUed in
friegerifcher öemegung gefunben, unb bei SRantua baö ©efchü^
ber SBcncjiancr feuern gehört. Söenn auch ^cr je^ige ^apft,
gleich feinem Slorgänger, bie Ärieggflammc fchüren h^lf» fo fah
3talien fchrecflichen Xagen entgegen, ^ieg ift ber 3nhalt Don
^utten'ö ^rognoftüon auf baö 3uhr 1516 an ^opft ßeo X.,
eineö fleinen ©ebidhtö in ^ejametern '), um biefe 3^*^
ftanben fein muß. Slftrologifch mic politifd), mirb aiiögeführt,
beuten alle unb Serberben für 3talien; ber
i^aifer, granfrcich unb Slcnebig aufö 9teue in Söaffen: ba möge
ber ^apft Don ben ©öttern ©chonung unb gricben erflehen, ba^
mit bie Shriftenheit il)rc S^vöfte gegen bie Xürfen menben, baö
heilige ßanb unb @rab mieber erobern lönne.
3m 5rül)ling 1516 rüdte ber Äaifer in bie Sombarbei ein,
aber nur, um, oon ben granjofen getäufcht, unb Dom @elbe,
mie gemöhnlid) im ©tiche gelaffen, halb mieber abju^iehen. 2)a
burfte er für ben ©pott Don ©eiten ber 3taliener nicht forgen.
9Ran oerhöhnte ihn in ben Xheatern, e§ erfchienen ^aSquiUc
unb Sarricaturen auf ihn. ÜRan malte il)n auf einem Ärebfc
reitenb, mit ber Unterfchrift : Tendimus in Latium. SRan jün^
bete bei hellem Xage ßicht, unb fteHte fich an, ben Äaifer ju
fuchen. 3)efonberö aber bie granjofen in 3talien entmicfelten bei
bem Ärieg^glücf ihreö jungen Äönigd ihren ganzen Uebermuth.
liefen S^erhültniffen mibmete Jütten mehrere Epigramme, bie er,
mic fcheint, an ®oban ^effe fchidte, ber fic j\u @nbc b. 3-
1516 aü ^Beilage ju j^mci meitcr unten ^u befprechenben 5)ichs
1) St^rijlcn III, ©. 2r)2-2r>4.
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^uttcn’S Abenteuer mit btn fünf $ton}ofen.
117
tungen brucfcn ließ, biö ^utten fpdtcr bic meiften feinem ®pi»
grammeiibucß an ben Äaifer einüerleibte.
bie fran^öfifc^e ©roßfpred^erei auf ber einen ©eite,
unb ^utteii'ö beutf^eö ^erj unb ßeftige^ Sölut auf ber anbern,
mußten bei ber erften ftärfern S^leibung auc^ nod^ einen tbatföd)*
licken Auftritt ^erbeifü^ren. @ine^ Xageö ritt $utten mit einem
33efannten nac^ SJiterbo, als gerabc ein ©efanbter beS i^önigS
non granfreieß an ben $apft bort burc^reifte. günf granjofen,
üielleicßt üom befolge beS ©efanbten, mad^ten fic^ über ÜKaji*
milian, ber eben nod^ um SDiailanb fämpfte, luftig; Jütten na^m
fieß feines ÄiaiferS an. Son SBorten fam eS f^\l XI)ätli(^feiten ;
bie günfe ßelen über ben @inen ber, ben fein fRcifegefäßrte im
©tieße ließ. lHun jog Jütten Dom ßeber, ftad) ben, ber il)in am
näcbftcn auf bem ßeibc mar, nieber, unb fd^lug, felbft nur in bie
linfe Sßange oermunbet, bie übrigen SSiere in bie glucbt. S'iicbt
mit Unred)t ßielt er baS für eine braue Xßat, ucrßenlicbte fie
bureß fedßS (Epigramme ^), bie er an SrotuS feßidte, rüßmte fieß
ißrer bem Äaifer gegenüber in ber britten feiner UlridßSreben,
unb erjäßlte uon berfelben, naeß 2)cutfcßlanb jurüdgefeßrt, feinen
greunben, moßin ißr ßftuf, bureß feine 93riefe unb Spigramme,
ißm bereits üorangegangen mar. ^enn je meßr er fieß ben ©tu*
bien ergab, befto meßr SBertß legte Jütten' barauf, boeß aueß als
Flitter unb Ärieger etmaS ju gelten; meßmegen ißm (päter feines
feiner Silber lieber mar als baSjenige, melcßeS ißn in SSaffen
barfteHte.
Segreifließ ßatte er fieß nun aber bureß biefeS S^fitterftücf
bie ganje granjojenfcßaft in unb um 9lom auf ben ^als gezogen,
unb fo fanb er fieß bemogen, 9füm mit Sologna ju uertaufdjen,
mo er feßon mäßrenb feiner erften italienifcßen fRcife, freilidß in
fümmerließen Umftönben, eine Qdt lang fidj aufgeßalten unb
feßöjbare Sefanntfeßaften gemaeßt ßatte. Som 31. guli batirt
er bereits einen Srief auS Sologna. ^ier moßnte er mit ben
beiben mürjburger ^omßerren gafob gueßs unb griebrid) gifeßer
^ufammen. Sin ben crftcren ßatte er im uorigen gaßr, als gueßs
fid) bereits in gtalien befanb, ben großen Srief über ©itelmolf
oom ©teilt unb §anS $utten’S ©rmorbung gerid)tet, unb barin
1) ©(ßriften III, 8. 280-282.
118
I. S3u(^. 6. ftopitel.
bemerft, cr)pünfd)te i()tn halb nad)fotgcn fönncn. Hud) gricbric^
gifc^cr gc()örte ju ©utten’j^ bcrtrauten grcunbcn; beibc üerbonb
mit i^m bie gleiche ^umaniftifc^e ÖJciftcöric^tung.
@d)on in 9lom t)atte Jütten, mie er an SSabian nac^
SSien fd^rieb, oorjug^mcife bem $Red)täftubium gemibmct; in 33os
logna fu^r et barin fort, unb ocrtoenbetc auf baffelbc, toenn
auc^ bitter ungern, feine mcifte Qcxt 3luc^ in ber fpätem @r-
innerung fc^medtc i^m biefe^ 0tubium noc^ mie ein SBermut^s
tranf, unb er red)nete, feine beiben italienif^en Aufenthalte ju*
fammengenommen, beinahe hier 3ahre, mährenb bereu er mit
bemfelben bie oerborben^. 2)a §utten [in'!ibcr Solge oon
^eutfchlahb au^ ben 9led)tögelehrten Sohann ÜJ^aria unb ben
©chlefier @aucrmann in S3olognö grügen lägt, fo ift ju oermu:=
then,|bag er bei bem crfterenjbamalö gehört, unb mit bem anbern,
einem auch ^uch be^ ©ra^muö Seugnig treff lidhen|jungen äJ^anne, ber
einmal in 33ologna 9tcctor unb fpäter ^robft in örcölau mar,
freunbfdjaftlichen Umgang gepflogen hat.
SBährcnb er fidh aber fo bem S33illen feiner gomilie fügte,
berlor .gjutten fein eigene^ ßiel nicht aus ben Augen. S3efonberö
im @ried;ifchen fanb er, nadjbem ber Unterricht in biefer Sprache,
ben er mährenb feineiS erften italienifchen Aufenthalte^ ju ^aoia
genommen hatte, gaf ju frühe abgebrochen [morben mor, feine
^enntniffe un^ureichenb. 3n Bologna nun, moj eben bamabJ brei
junge @euber au^ Sflürnberg, Steffen Sßilibalb Prdh^i*acr%
unter ber Seitung beö Sohann ©od)läuö ftubirten, nahm er mit
^meien oon biefen unb nod^ jmei anbern einen ©riechen 5Ramenö
Xrpphon jum ßehrer an, ber mit ihnen ben ßueian unb Arifto^
phanciS la^. ^ie S^achahmung ber römifchen Unfitte, in IgteU
nifdje 33 riefe unb felbft ©ebi^te griechifdje ^^h^afen unb 33erfc
eingumifchen, bie fich fchon nach ber erften italienifchen IReife^bei
§utten geigte, mar einJAuiSmu^ö biefeö griechifchen ©iferiS; mie
aber boö ^tubium gerabe be^ ßueian unb Ariftophaneö in ^ut^
tcn'i^ ganzer 0chriftftcHerei @podhc machte, merben^mir in Äurjem
gnben.
3JUt ben genannten jungen ßanb^Ieuten unb .ihrem ^of*
1) ?ln ®erM toom 31. 3luU 1516; on ^irrf^etmer Dom 26. Del. 1518.
6(^tiflen 1, @. 105. 210.
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Ser^aitnig ju SodiiauS.
119
mciftcr lebte glitten in freunblid&cm Umgänge, fpeiftc btsmeilcn
bei i^nen, unb trot aud^ mit Söilibalb ^ircf()eimcr in bricftid^cn
Serfebr. SKerfttJÜrbig ift eö meld^en ©inbruef er auf einen
3Rann mie (Soct)läug machte, ber ißcrftanb unb Gilbung genug
befag, einen Jütten fc^ä^en ^u fönnen, möhrenb bie ©erf^iebens
heit ber iWaturen beibc uon einanber in biejenige gerne fteHtc,
melchc bic Scobadjtung begünftigt *). tiefer gohann ®obnecf
au« Söcnbelftcin, ber fich öon bem genannten Orte al« God^läu«
latinifirtc, mar einer üon benjenigen, mdlche, urfprünglich
liberalen humaniftifchen Partei angchörig, felbft Suthem bei
feinem erften §luftrctcn günftig, halb, öon bem ©treite abge«
fto6^, auf ber einen ©eite non ber ÖJefahr gcfchrecft, auf ber
anbem üon ^ortheilcn gclocft, je größer bie ©paltu ng mürbe,
fich immer mehr öon ber ^Reformation abmanbten, unb i^ulc^t,
ohne au« ihren humaniftifchcn Serbinbungen hctau«5utrctcn, beren
cifrigftc ©egner mürben. 2)amal« nun machte ^uttcn'ß SBcfen
auf ©ochlöu« ben ftörfften ©inbruef. ®r fchalt ^)cutfchlanb, baß
e« einen 9D?ann oon folchcm @cift unb fo marmer Satcrlanb«-
liebe bi«hcr fo üernachläffigt 3n«bcfonberc feinen fpru?
bclnbcn Söip, fein Talent jur ©atirc bemunberte ©ochlöu«; er
fah in Jütten, ehe biefer noch einen feiner Dialoge gefchrieben
hatte, einen jmeiten ßueian. ^abei mar ihm aber hoch auch
Manche« an bem iRittcr ju oiel. ©ein QJeift mar ihm ju fcharf
unb herb, er oermißte ?Ruhe unb SRilbc. @r fürchtete, Jütten'«
beutfeher greimuth möchte il)m nod^ ©efahr bringen, unb meinte
baher, einflußreiche greunbe folltcn il)n ju mäßigen fuchen. ?(uch
im perfönlichen Umgang mar ihm beffen ^eftigfeit läftig. @in
beleibigcnbe« SBort be« $Rittcr« ftcefte er moljl um bc« grieben«
millcn ftilifchmcigcnb ein ; hoch befannte er nach Jütten’« Slbrcife
feinem Patron ^^irefheimer im Sertrauen, fic beibe merben mohl
in ber ©ntfernung beffere greunbe bleiben, al« fic c« im täglichen
Umgang geblieben fein mürben. ®anj ebenfo ging e« mit ^ut*
ten, mic mir gcfchcn höben, bem 3Rutian; ähnlich, mic mir noch
fchen merben, bem @ro«mu«; nicht anber« auch bem SRclandh'
thon: er fchäfetc, aber fürchtete ihn: unb baffelbc ift bi«
1) fJgt. Griffe be§ Sod^ISuS an ^it(fb«nter. ^utten'8
6(^ri|ten I, S. 126—153.
120
I. Sud^. 6. ftapitel.
bei (graömifd^sSDicIanc^t^onifc^cn Sfloturcn, tpcnn ftc ftdb
ten bcfc^äftigcn, ber gaH, bag fic i^n bctüunbcrn, aber nic^t lie*
ben, njeil er il)nen un^eimlt^ ift. Unö öerrat^en e§ bie mittel*
mögigen 93ilbniffe, bie üon i^m übrig fiiib^), freilich nic^t (fo
menig al3 fie ung feinen @eift ücrratl)en), aber ßcitgenoffen, bie
i^n fannten, bezeugen, bag ber fleine, fc^mäd)tige, unje^einbare
a^ann mit bem blonbcn §aar unb bem bunflen öarte*), in bem
blaffen ©efic^te etma§ Strenget, ja SBilbeö gehabt ^abe, unb
feine aiebe oft frf)neibenb unb jurücfftogcnb gemefen fei. ®a6
er baneben in anbern ©tunben unb ©timmungen eine l^crjge*
minnenbe grcunblic^fcit entmicfeln fonnte®), miberfprid^t bem
nid^t; aber e^ mufete einer felbft eine ftarfe unb ettoaS martialifc^e
atatur fein, um §utten, mie @oban ^effe, „burc^aug liebenitoür*
big" ju finben. mir fel)ren ju ben bolognefifc^en ©tubien
unfereg ähtterö jurüd
ganb Jütten neben bem pflid^tmägigen fRcd^t^ftubium 3^it,
fief) im @ried^ifd)cn ju oerooßfommnen, fo fonnte er aud^ bo5
^id^ten nid^t ganj (affen. @nbe 3uli 1516 fc^idte er feinem
greunbe, bem ?Red)tSgele^rten aiifolauö ©crbel ju ©tragburg,
feine poetifd)e ©piftel StalienS an 9}^ajimilian ; Einfang ©ep*
tember t^eilte ®od)täug bem O^eim feiner §utten’S
©pottgebid)t SRarcuS mit, unb auö berfelben ift
©ebid^t über bie gifd^erei ber SBenejiancr. Sitte biefe ©ebic^tc
liegen in gleidjer ßinie mit bem Slufmal)nungögebi(^t an ben
Äaifer jur gortfe^ung bcS ^riegö gegen bie Sßenejianer unb ben
1) i^oI)jc^mttbift>er bon Jütten in toerfc^tebener ^orm unb ^uffaffung
finben fi(t) bei mehreren feiner ©Triften, j. ®. bem ^^oloriSmuS, ber ?lbbanb»
lung über bo§ ©uaioc, bem ®efprä^büd^Iein, ben Conquostiones , ber Ex-
postulatio; toouon baS l^inter ber {extern 6d(|rift gu ben beffern ge^bren mödfite.
85dfing gloubtc in einer ongebli^ 2)ürer’fc^en 3d(^nung bc8 berliner ^ufeumS
baS fid^te ^utienbitb gu finben, bie er begtoegen t)or feiner Ausgabe ber l^ut*
ten’fd^en SBerfe toiebergeben lieb ; allein biefeS ®ilb mit ber gangen Sammlung,
ber e§ ange^ört, toirb fe^t al8 ^filfdbung in ^nfprudb genommen. 6. ^aufing,
S)ic falf(^)en ^ürergeittinungen in Berlin u. f. f. 3«üf4)rift für bilbenbe ihinü,
^erauSgegeben oon €. b. Sü^oto, 6. 4. $eft, 8. 115.
2) 8. ben pfeubo^utten’f^en Dialog Huttenus captivus, Schriften 1V>
8. 594, unb ogl. bie ^euberung gfranl’S bon i^ameng, ebenbaf., I, 8. 420.
3) ®rftcre§ begeugt ^amerariuS im Seben ^Dlelam^t^on'S, Se^tereS Otto
^runfelS in einer 8c()u^f(^rift für Jütten, bon toelc^er fpöter.
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l^utten’S ®ebid(|te gegen Senebig.
121
(Jpiflrammen an bcnfelbcn, bjc non nnä früher erörtert morben
finb. Unb sn)or richten fid) ber 9}?arcuö unb ba^ ©cbic^t nom
gifc^fang mc^r gegen 3^encbig, bem fic mit ber 3J?ad)t bc§ Ä^ai*
fer^ bro^en ; mäbrcnb bic ©piftet fic^ an btefen menbet, mit ber
?luff orberung , bic beutfe^e ®i)xc unb Obmac^t in 3talien mieberi
^er^ufteHen.
3)ie beiben erftgenannten ^id^tungen *) be^anbcln eigentlid)
einen unb benfetben (^egenftanb : bad Sluffommen unb ben Ueber®
mut^ 53enebigö, unb maren, mie ß^oc^läuö au^ J^uttcn’ö SDiunbe
berichtet, junäd)ft burdj bie nencjianifd^e ^lu^mrebigfeit in einem
©ebid^te beö ©abellicmg Ocranlafet. SebeiS non beiben aber be^
bient fid^ einer anbem wnb man möchte glauben, nad)bem
Jütten ben ©egenftanb bereite in ber eigentlidjen unb ernftbaften
5orm bebanbelt b^ttc, fei i^m, niefleidjt beim Sefen ber ^omeris
feben Satracbompomacbic, ber (SinfaH gefommen, baffelbe liege
fi^ noch fcblagenber in ber aHegorifcb^parobiftifcbcn fagen, melcbc
biefeg griccbifd)c ®orbilb an bie $anb gab. entmicfclt nänis
lieb baö ©ebidbt non ber gifeberei ber ißcnejianer, mie biefc, ur^
f^rünglicb ein auö aßen 5^ölfern jufammengelaufeneö ©efinbcl,
erft clenbe gemefen feien, bann fid) burd) Schifffahrt unb
®anbel bereichert, bictauf angefangen b^ben, Stabte /\u fifeben
unb ju angeln (maö buid) einen |)olj\fcbnitt ißiiftrirt
ift); mie fic non bem gcftlanb Stalicnö, non 5)almatien, ©rie^
cbenlanb unb ben 3nfcln immer mehrere unb größere Stücfe an
ficb gebracht, ihre Stabt mit bem Staub aller ßänber gefd)mödt,
unb ficb einer Ueppigfeit unb einem SBobßeben ohne 33cifpiel cr^
* geben bnben. Staebbem fic eö in biefer Söeifc lange genug ge-
trieben, b^^bc fid) cnblicb ber beutfebe 5lbler ^um Äiampfc mit ihnen
non ben ^Ipcnböbcn bcrabgefd)mungen, nicht, um S3eutc ju machen,
fonbern um gricben, Stecht unb (^ercdjtigfcit mieberhcr^uftcllcn,
bic Sßelt, unb 3talicn indbefonbere, non bem 3od)c ber S3cne^iancr
ju befreien, unb biefc mieber ju ben cinfadjcn gifebern j\u mad)en,
bie fic urfprünglid) gemefen.
SBie gefugt, baffelbe Xbema bebanbclt bad ©ebiebt 9}tarcu^
mit iöenuhung ber 53atrad)ümhomad)ic, auö ber h^^ibe unb ganje
1) De piscaiiira Venetorura, heroioum, unb Marcus, heroicum.
6d>tltten lll, 287—300.
122
I. 6. I^tt|)ilcl.
§cyQmcter, aud^ ^Rei^cn l)on foldjcn^ gricci^ifd) bcm übrit^cnö la-
tcinifdjcn dJebid^t eincjefügt ftnb. 2öar SScncbig üon §uttcn fc^on
in feinen ©pigrammen unter bcm na^c liegcnbcn Silbe cincö
grofc^cö bargeftcHt tnorben, fo crfc^cint nun beftimmter fein dfeniuö
ber Äönig S^iuSbad {0L'oiyva&og) ber §omcrifd)cn Sarobic,
ber, nic^t nic^r .^iifriebcn, bie cuganeifd)cn ©ünipfe ju bemo^nen,
auf baö fefte £anb l^criiberfomint, fic^ in eine 2ön)enl)aut
baju glügel annimmt, unb fic^ ciU SRarcuö uere^ren lägt (baju
glcicgfaHö ein .^oljfd)nitt). §llö fold)cr l^ält er fic^ berufen, bie
römifd)c SBcltgerrfcgaft auf Senebig 511 übertragen, unb maegt
bgju biird) dJcmalttl)aten, ^rculofigfcitcn unb fRäubcrcicn jeber
5lrt einen 5icmlid)cn Einfang. @nblic^, ba er in feinem lieber^
mut^e bid ^um §immel emporfliegen miU, beauftragt Supiter
feinen §lbler (mic fegon oben im Epigramm), igu 5U bemütgigen
unb in feine f)cimifd)cn Sümpfe ^urüd^uftürjen.
i)ag er bem übernommenen fRccgt^ftubium brei Xagc ge-
ftoglcn, um bie poctifege @piftel Stalienö an ben Äaifer SRajis
milian*) ^u fegreiben, baoon fegiebt glitten in bcm
briefc an dicrbel bie Sd)ulb auf feinen .^au^genoffen in Sologna,
ben Äanouifuö 3afob guegö, ber igm bamit feine fRuge gclaffcn
gäbe. Söenn er babei fagt, er gäbe fieg unterftanben, in einer
fegr ernften Saege 511 fdjcrjen, fo ift bieg nur oon ber giction
unb Setfonigeation ^u üerftegen, beren er fid) bebientc; beim
übrigenö ift bie .^altung bcö dJebiegteö nidjbi meniger alö fcgerjgaft.
®ic ®amc Stalia fegreibt an ben rittcrliegcn 9)tay, fie gäbe
froglodt, mic fie nculid) oernommen, er fei oon Orient aufge*
broegen unb rüde gcran; halb aber fei fie aufö neue in Trauer
oerfunfen, ab5 fie gäbe gören müffen, bag er fieg micber jurüd?
jiege. 2)oeg goge fie immer noeg auf ign, cntfd)ulbigc, mie fie
nur immer fönne, fein Säumen, unb bleibe igm, unter manegerlei
^umutgungen, im §cr,^cn treu. Sergebenä merben Senebig unb
grantreieg mit glän^cnbcn Sergeigungen um fie; oergcblieg fuege
@incr in igrem eigenen £anbc (ber fie t)on bcm Äaifer
abiocnbig ju maegen ; fie taffe fieg niegt mit igneu ein ; nur burdg
1) Epistola ad Maximilianum Caesarem Italiae üctitia eie.
ten I, S. 106—113. 2)f§ ÄciferS ?lnttoort öon 6oban ebenbof , S. 113— 128.
Der Srief ou @erbcl ebenboj., 6. 105 f.
123
i^utien’S Spiflel 5tatia’9 an SRasimUtan.
V ^
bcn Äaifer lüoUe ftc, wie üor SHterd, frei unb cjrog werben. ?l6er
er jöflere lange, unb inbeffen habe fie böfe 3fit- Seber lege $anb
an fie, iftre Oauen unb ©täbte werben uerwüftet, SRom fei non
florentinifc^cn Krämern (ben aJicbiccern, burc^ Seo X.) bebcrr(cl)t.
5)oc^, wenn er nur wirflic^ fomme, fo Wolle fie gerne fo lange
gebulbet Ijaben; aber er möge eö nic^t länger oerfc^ieben. ©ie
erinnert ben Äaifer an bie alten ©rogt^aten ber 2)eutjd)en gegen
Sftom, an bie Simbern unb 2^eutonen unb an Ärminiuö, an Ä'arl
ben Großen unb bie Ottonen; nid^t minber aber auf ber anbern
©eite an be§ alten 9lom ©iege unb SBelt^errfc^aft, bie er al^
römifc^er Äaifer geerbt l)abe: wie er boc^ bie ©tabt unb baö
2anb, bie il)m biefc^ @tbe jugcbrac^t, im ©tid^e laffen tönne?
?luc^ fei fie, Stalio, eine 35raut, um bie in SBaffen j^u werben
wo^l ber SWü^e lo^ne. Slber wie fei fie ^ugeric^tet! Unb l)ier
fommt Julien, nach feiner ?trt, ben ©trom feiner ©erebtfamleit
bureb feine ftrenge ^J)i§pofition ein^ubämmen, fonbern wol)l aud)
einmal naf)eju im Greife fliegen ju laffen, üon neuem auf bie
Söebrängnig unb baö Sßerberben Stalicnö in golge ber ^Ibwefen*
^cit feines wal)ren ^errn jurücf; wobei ber 9lomS mit
feinem ftumpfen Solle, begerrfc^t oon feigen ©c^reibern unb fit^
tenlofen S^ieftem, fc^arf gejeic^net wirb. SBenn er eS nic^t halb
t^ue, fü^rt *3talia bem Äaifer j\u ©emütge, fo werben anbere
gürften i^m j^uDorfommen, um bie italienifd^en Slngelegen^eiten
ju orbnen. Unb er ^ätte eS om leid^teften ^u fommen: fein SBeg
gef)C nid^t über’S 3Äeer, fonbern burd^ feine eigenen iReic^e. Sei
jebem ©(^ritte werben neue ^ülfstruppen 5U if)in flogen; er
braud^c gar feine 5)eutfd)en mit^ubringen, fönne mit italicnifc^en
Flüchtlingen unb Serbonnten ben Ärieg füljrcn. @cwinn unb
®hre feien grog; wie je|jt bie ©chmach unb ber igr faum ertrag*
Ii(he ©pott, ber über ben Haifer ergehe. Sei bem iRubme feines
©efchled^tS, ber SBürbe beS ?Reid)S, bei ben ©öttern, bie ihn an
feine hohe ©teile gefegt, bei ben ©ebeinen feines SaterS unb ber
SBohlfohrt feines @nfelS Äarl befchwöre fie ihn, enblich feine
3ögerung abjubrechen ; fein ©rfcheinen werbe ihr, burch J ®ram
unb (Jlenb h^lb getöbtet, neues Seben fchenfen.
2)iefcS ©ebicht fehiefte §utten an Kerbel, ber ihn um ein
ßcbenS* unb F^cunbfchaftSj^eichen aus SBelfchlanb gebeten hotte;
währenb ein Screhrcr ^uttcn'S in Sologna eine Äbfchrift beffclbcn
124
1. 9u(^. 6. fta|>iteL
uact) iÖJittenberg an öalt^afor abgc^en lieg. Anfang
^ugiift fct)rieb Jütten an ^Ric^arb. (Srocu^, einen (Jnglänber, ber
bamaU in iJei^jig ©riec^ifc^ lehrte, er möge fic^ ba^ (gjemplar
Devfe^affen, unb wenn er DRuge i“ SDiajimitian’ö iRomen
antmorten; beim baö motte §utten Slnbem überlaffen. ®ie Slnt^
movt nberna^m ber alte greunb unb 2)idjterfönig @oban $effe,
ie^t iJebrer an ber erfurter ^oc^fc^ule, ber fie auc^ halb barauf
mit ^utteird ©piftcl 5ufammen bruefen lieg.
3l)r !0rief, antroortet ber Slaifer ber fc^önen Stalia, l)abe
i()n ganj in glammcn gefegt:
Rlage ni(l()t länger: bereits f(!^naubt blr entgegen mein 9tog.
VI ber bie ©d)mierig!eiten feien für il)n meit größer, atiS biefelbeu
für feine Vorgänger gemefen, auf bereu Seifpiel fie i^n ßinmeife.
.•Cjolte mir nimmer ben ®Ianj ber beiben Ottonen entgegen,
^>eren ^Beginnen bie ©unjt befferer 3«ten genoß,
damals woren no(^ nic^t |o oiele ber Herren in 2)eutfd^Ianb,
5cgli«bft fc^tc no(!^ niä)t über ben ffaijer fi(^ weg.
3e^t bünft 3eber fetbft ein Äaijer ju fein, unb lo bleibt benn,
®ußer bem Flamen unb Sdjein, nid^tS |ür ben ilaifer jurüd,
@ar ott laff i(^ ^efe^I auSge^n unb berufe ben Steic^Stag,
©in Qud(i, wenn er fidfi trennt, tröftlic^er i^offnungen ooH.
, jietS muß id^ oon oorn onfongen, oon neuem ©erjommtung
galten: eS bre^t enbloS ßd^ ber ©erot^ungen ÄreiS.
Unb inbeß wir bie 3dt unnü^ mit ©crßonbeln oerlieren,
Rollen wir ®eut|d^en als Staub lißigen ^finben anheim.
5)ciinod[) l^abe er jejt, fö^rt SRajimilian fort, bei SSerona einen
Vlnfang gemacht, unb gebenfe el)eftenö ju fommen. — Vittein er
fam nirf)t, unb balb mußte er audj VSerona ben VScnejianern ^er*
auögeben, gegen eine ©elbleiftung, bie i^n menigften^ in ben
0tonb fegte, ben STruppen igren ©olb ju bejaglen, bie er ju ber
fcglgefcglagenen Unternehmung oermenbet hatte.
2)ie brei @ebid)tc, Oon benen i^ulegt 3J^elbung gefchehen,
maren übrigen^ nicht bie einzigen 5Rebenarbeiten, für melche ^ut*
teil in VSologna neben bem Siechtöftubium noch 2Ruße fanb. 2)aß
er möhrenb biefer Qud; bie jmcite unb britte feiner Ulridj^s
veben Oerfaßte, ift oben bemerft morben. Unb nun gaben ihm
bie Sucianifchen ©(^riften, bie er mit feinem griechifchen Seßr^
meifter taö, nod} ju einer meitern Vlrbeit V3eranlaffung. 3n biefen
6intotr!un0 Cucion’8 auf i^utien.
125
©c^riftcn trat unfcrm ^Ritter, bcr ft(^ bis je^t in ber $rofa
nur bcr Stiebe* ober öriefform bebient ^ottc, bie bialogifc^c ent=
pegen. Seiner lcbi)aften, auf Umgang iinb ©efpräc^ angelegten
Sf^atur mußte biefe 3)arfteIIunggart befonberö jufagen. @r mußte
fic^ geregt ßnben, felbft auc^ etmaö in biefer ^orm berborjubrin«
gen. 3n ißr fanb atleö, maö über ben bloßen fRebner l)inauö
^oetifebeö in Jütten lag, feine Unterfunft; mäbrenb ba$, maö
ibm jum 2)icbter fehlte, in biefer SJ^ittelfonn nicht bermißt mürbe.
2(lö bie feiner ©eifte^art fcbtcd)tbin angemeffenc mar bie ©e*
fpröch^form bie böcbfte, mclcbe Jütten für feine ^^robuction ßn«
ben fonntc: fic eignete er ficb baßer, fobalb fic ißm in einem
claffifcben SRuftcr naße getreten mar, mit @ifer an, unb ßat in
ißr, mic mir ßnben merben, feine borjüglicßften, unb meil er bamit
juglcicß eine ßieblingöfonn ber mirffamften S^rifs
ten abgefaßt.
öon hier auö tönnen mir, in ^Ibficßt auf bie gorm, §uts
tcn’ö ScßriftftcClcrci in brei ^crioben tßcilen. S)ie erfte bie
poctifeße, bon feinen früßeften epigrammatifeßen unb elegifcßen
SJerfueßen in ben Saßren 1506 unb 7 an, bi« jum ^anegßricug
auf ben ©r^bifeßof ^Ibrecßt unb ber ©piftel Stalia’ö in ben 3aßren
1514 unb 1516. ^er fRccßtößanbei miber ben ^erjog bon 3öürs=
temberg mirft ißn feit 1515 in bie rebnerifeße gorm, neben meU
eßer er aueß bie Briefform mit Sorgfalt auöbilbet. SSon 1517
an menbet er fieß mit Vorliebe bcr ©cfpräcßöform 5U, greift aber
bei ^cranlaffungen jur Streitrebc ^urücf, mic er bie Briefform
aueß ferner fleißig anbaut; lateinifeße ©ebießte merben feiten;
baß mir bagegen bon ba an nießt menige beutfeße fReimc bei ißm
finben, ßängt mit feiner §inmenbung jur beutfeßen Spraeße 5U^
fammen, bon bcr an einem anbern Orte ju reben ift.
Unter fiucian’ö Dialogen bilbcn bie Xobtengcfpräcße eine
üorjüglicßc, oft nacßgcaßmte ^Partie. Unb gerabc für biefe ^oxm
brauchte Jütten ben Stoff nießt mcit ju fueßen. ^cr crmorbetc
Setter; beffen fürjlicß berftorbener Sater; bcr fürftlicßc SRörber,
ber nur leiber no(^ nießt in bcr Untermclt mar, mo er ju feiner
Seftrafung löngft ßingeßörte. (Sinen geftorbenen Xßrannen lößt
aueß üueian in einem feiner ©cfpräcßc (^)ie 5Ricberfaßrt ober bcr
Xßrann) in bie Untermclt gebraeßt merben ; ßier, bei §utten, muß
bcr Icbcnbc Xßrann ßinabfteigcn, um fieß bei ^ßalariö fRatß^ ju
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126
I. 6.
er^ofctt. fbk *@ituation ‘bcö [Dialog« ^^olariöniug, bcn
§utten ju Bologna auöarbeitetc unb, toä^rcnb bie Sieben nur
^anbfc^riftlic^ umliefen, im SKärj 1517 im ^)turf erfc^cinen liefe*).
©efpröd) beftefet Quö jmei 0cenen, beren ierfte am
Ufer be^ jmifefeen ©fearon, ÜJlerfur unb bem X^rannen (fo
mirb ©er^og Ulrich bejeic^net). fpielt. Sluf Sfearon’S öermunbe^
rungguoHe grage, mag er ba für einen lebenben SDlenfc^en feer«
unterbringe? ertbeUt ber ©eelenfül)tcr iüterfur bie 5lughinft : ber
längft üerftorbene i>on bem SBunfefee befeelt, audj in
3)cutfcblanb, roo bergleicfeen big babin ni(bt norgetommen, ^tprannen
j\u feben, fei biefem febmöbifeben gürften (perfönlicbe Eigennamen
■ merben üermieben) im Xraume erf^ienen, um ibm bie erforberlicben
Slnmeifungen ju ertbeilen. 0b bag öieHeidbt ber Xprann fei, frägt
hier Ebaron, über ben ficb lürjlicb ber Schatten eineg jungen
frönfifeben Slitterg, unb batb barauf auch ber feineg alten SSaterg,
möbrenb ber Ueberfabrt beflagt, unb babei bie tragifebe ©efd^iebte
ber Ermorbung beg jungen Slitterg, ju allgemeiner Slübrung ber
ScbiffggefeUfd^aft, erjäblt b^ben? Eben ber, ermiebert SWerfur,
unb nun entfpinnt fi^ ein Streit jmifd^en Ebaron unb bem
Xprannen, ba biefer mit gemobntem Stolj unb Xtoje fid^ mei^
gert, bem erftern rubern ju halfen, moju er ficb am Enbe boeb
bequemen mufe.
öon 907erfur geleitet lommt hierauf ber Xprann ;an .bem
Orte ber j^meiten Scene, in bem gelfentbale an, mo feine üorange*
gangenen Sßorbilber häufen, ^b^larig, ben er alg feinen ßeferer
begrüfet, ift hoch erfreut, feinen Schüler unb Siebling ju feben,
ber ihm junäcbft Slecbenfcbaft gibt, mie meit er in ber 3roifcbem=
jeit feinen ^nmeifungen nad)geIommen. ßu bem Enbe erj^äblt
er ihm bie Ermorbung beg |)ang Jütten: mit ber fcbmeicbeU
haften SBirfung, bafe ^b^larig ber Ueberlegenbeit feineg Sebülerg
bulbigt, ba er felbft eg ni^t fo meit gebracht b^be, greunbe unb
SBobltbäter um^ubringen, fonbem fiib auf folcbe, bie ihm alg
geinbe oerbäebtig gemefen, befcbränlt höbe. ®er Slacbe für biefen
ailorb, er5äb^t ber S^prann meiter, fei er bur^ einen Sßertrag
(ben blaubeurer) entgangen, ben er aber nicht böttc: unter bem
1) Phalarismus dialogus Huttenious. Menae Martio 1517.
ten IV, S. 1-26.
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^uiten’S SDiotog ^^atariSmuS.
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Somanbc, feine, gu ben Soierfürften, t^ren Srübern, entn>i(^enc
@emal)lin jurücfjuforbcrn, rüfte er fid) jum ^nege. 3m gaHc
be^ (Siegel gebenfe er feine ganje ©raufamfcit ju Befriebigcn :
unb um fic^ ^ie^u bie Singerjeige bcö SlRcifter^ ju erbitten, fei
er lebt b^rabgefommen. ^^alariö rät^ it)m ju feinem ehernen
©tier unb äbnlicben claffifc^en Sßorriebtungen; bebauert, bag bem
©d)üler bie Äenntniffe abge^cn, um bie ©efe^iebten cine^ 2^iberiu§,
ßatigula, 9^ero in ber Urfprad^c lefen ju fönnen, boci^ möge er
fie ficb überfeben taffen. §(ucb uiertbeiten, auö ber Äanone febie^en,
mic neuerlicb bie S3öbmen gett)an, ^autabjiet)cn unb baö'gleifcb
mit ©atj beftreuen ober mit @ffig befdjütten, §änbe unb 5üge,
jungen unb stufen abfdbneiben, klugen unb auöreigen, fei
nicht übel, ©tlicbeö baoon, erwiebert ber ©djüter, habe er bereite
in Stnmenbung gebracht ; auch fein äöappen, baö ^irfchhorn, eini*
gen auf bie S3acfen brennen taffen, kleine @ötter glauben, bie
33eften am eifrigften oerfolgen, führt $h‘^ineiö fort. 2)aö thuc
er lüngft Oon felbft, unb braudje baju feinen ßehrmeifter, meint
ber onbere. 9^fach biefen unb ühnlid)en Sieben fteHt ^hnlonö
feinem ®afte fümmtUche Xl)rannen, bie um ihn finb, oon Slfttja?
geä unb (Sambhfe^ biö Domitian, oor, gibt ihm ben Sluftrag mit
auf ben Sßeg, feinem iUtarfchatf (2!hnmb) ba^ ^irfchh^^ni aufs
brennen ju laffen, unb jeigt ihm aud) noch feinen Oheim ©ber«
harb II., ber mit einem 2ieblingöaffen, biiSroeileii au^ unter ber
beerbe be^ $luto, ^furätoeil treibt; worauf älierfur ben Xijrannen
jur Oberwelt jurüefführt.
®a& eine fo beigenbe ©atire auf einen immer noch müd)s
tigen gürften Huffehen, unb mancher Orten ^Inftog, erregen
mugte, lügt fich benfen. 3n SBüräburg, beffen ^ifchof mit bem
§erjog oon Sßürtemberg befreunbet war, jeveiß ^er Xomljerr
$eter oon Äuffüß ben $h<^^Q^i^muö auf offenem 3)?arfte; wofür
er oon bem gefrünften Jßerfaffer in einem gebrueften ©enbfehreis
ben fcharf jur IRebe gefteüt würbe *)•
i)ad S3ewu6tfein beö Söagniffeö, welche^ in ber ^eraui^abc
einer folchen ©d)rift lag, Oerantagte Jütten, ben Rahmen homa*
niftifchen äöahlfpruch, beffen er fich bi^h^^ aHerhanb Variationen
1) ülriohi Hatteni eq. Germ, ad Petrum ‘de AtifBas Canonioiim
pro Pbalariamo ab illo discerpto Apologia. I» 288 — 299.
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I. $u(^. 6.
bcbicnt ]^atte, mit jenem SBorte ßäfar'ö ju Uertaufd^en, baö feit*
bem in ber ©rinnerung ber SRenfc^cn §utten'§ fte^enbeä Attribut
gemorben ift. Öi^^er I)atte er unter feine ^Irbeiteii; im S5emu§t*
fein feinet reinen ©trebenö, am liebften ben ©prud^ gefc^rieben:
„Slcblic^ unb o^ne $runf" (Sinceriter citrapompam),moäu er mo^I
Quc§ einmal ^^ugenbeifer" (zelo virtutis) fügte. Stuf bem
5^itel bc^ ^i)alari^muö fte^t jum erftenmal: Jacta est alea. 3n
ber näc^fteu Qcit teerte §utten einigemalc ju feinem alten 2Bal)t*
fpruc^e jurücf; fobalb er aber mit bem 3al)t 1520 feinen großen
Äampf miber 91om begonnen l)atte, mar nun erft baä fü^ne SBort
Dom gemorfenen SBürfel ju feiner rechten Sebeutung gelangt,
unb blieb ba^er fortan, halb lateinifc^, halb in ber SSerbeutfd^ung :
„3dj l)ab'iS gemagt", bi^meilen nod^ burc^ anberc oermanbte
©prüc^e üerftärlt, baö fte^enbe SKotto unferc^ fRitter^.
®od} mir feeren oon biefer Slbfcf)meifung ^u Jütten nac^
Söologna jurüdl. Sind) ^ier follte er oon feinen gemö^nlic^en
plagen, Äranfl;eit unb ©treit, nic^t oerfd)ont bleiben. Sluf ben
brücfenb l^eifecn ©ommer bcö 3o^re§ 1516 mar ein ungemö^nlic^
ftrenger SKinter gefolgt, mä^renb beffen, bei ben fc^lcc^ten italieni*
fd)en ^eijung^anftalten , bie 2)eutfc^en ganj befonberö litten,
§utten ober gegen @nbc beö 3a^reö fermer erfranfte. Äaum mar
er mieber^ergcftellt, aU im erften fjrü^ling beö folgenbcn 3a^re^
Unrul)en unter ben ©tubenten auSbra^en. maren Slcibungen
jmifd)en ben Uerfdjicbenen Sanbörnaunfci^aften ober fogenannten
Nationen. ^Die 2)eutfc^en maren mit ben Sombarben uneins ge=
morben; oon ben ^^uälern, ^kentern, ©paniern, Ungarn, $olen
unterftüpt, jogen fie mit 2)egen unb S5ü^fen burd) bie ©tragen
unb berannten bie Raufer, in melc^cn bie ßomborben fid^ Der*
fd^loffen hielten. ^^ge bauerte ber Slufftanb, mäl)renb
beffen jmar niemanb getöbtet, boc^ einige oermunbet mürben;
biö eö bem ©tatt^alter gelang, bie fRu^e mieberfjerjuftellen. ^a
C£od)läuö (beffen Seriellen an $ircfl)eimer mir biefc S^ac^ric^ten
Uerbanfen) üon feinen ßöglingen, ben jungen ©euberö, menigftend
bie beiben altern nid)t oon ber 5;^eilna^me an ben ^änbcln ab*
jul)olten mußte, fo fann man fic^ benten, baß um fo meniger
§utten gefeiert ^aben mirb. Unb nun follte er, nac^bem ber
©tattl)alter bie ©ad)e oor fein Xribunal gezogen ^atte, ben ©pre*
c^er ber beutfe^en Station üor bemfclben madjen. @r meinte, im
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i^utien in ®fnebiß.
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SSer^ältnig ju ber UnbiH, bic feinen Sanböleutcn inibcrfa^ren
tüar, unb ber ^arteilic^feit, luclc^c ber ©tattbalter benjicfen ^atte,
fic^ nod) fe()r glimpftid) aii^gebrücft ju ^aben: allein biefer, ein
©enuefe au^ bcm $Qufe gieäco, njar entgegengefefeter ^nfid)t,
unb jeigte fic^ fo . aufgebrad)t, bafj §utten für gut fanb, ju üer^
reifen ‘). ?luc^ nod) oon anberer ©eite l)atte il)in ein unoorjic^-
tigcS, wenn aud) unoerfänglic^eö Söort S3erbrug gebraut. @r
^atte üon 3)?aria, ben 2eo X. ^u fünften eineö Sftepoten
auö feinem 2anbe Oertrieben l)atte, alö oon bcm $erjog Oon Ur*
bino gefproc^en. mar aber Oom ^apftc oerboten, unb fo
mürbe Jütten alö t^atfäc^lic^ bem 33anne ocrfallcn betrautet *).
(fr begab fid) junäc^ft nac^ gerrara, mo er bic Üöcfannts
fc^aft bc2i neununbad)t5igjol)rigcn 9tifolauö ficonicenuö machte, ber,
ebenfomo^l burd) feine SJ^äfeigfeit alö feine @elel)rfamfcit berühmt,
bafelbft fRcbefunft, ‘ißl)ilo)opl)ic unb ÜJiebicin Icl^rtc, unb, als5 ber
le^te auiä ber (Generation ber großen italicnifc^cn ^umaniften
beö 15. 3al)rl)unbcrt^, erft ein 3al)r nad) §utten ftarb. SJtit
biefem, mie mit C£öliu^^ ßalcagninuö unb einem fießrer ber gric-
c^ifdjcn ©prad)c, 5(ntimad)Uö, mar, außer ber ©ad)c ber beffern
S^tffenfe^aften, bic beiberfeitige '-üctanntjd)aft mit ©raörnuö nod)
ein befonbercr ?lnfnüpfungöpunft.
Gtur menige Xage mciltc Jütten in gerrara, ba jmei SSettern,
bic im iöcgriffc ftanben, nac^ bem ßeiligen 2anbe unter ©egcl
ju gc()cn, il)u nac^ Öenebig beriefen. |)ier 5cigte fic^, mie baö
(Gcmcingefübl ber ,§umaniften in allen iJanben ftävtcr mar alö bic
politifd)snationalen (Gcgcnfä^e. gn feiner ?lufmal)nung an ben
ilaifer ^^um Älricge miber löencbig, in feinem ©enbfe^reiben 3td'
licn<^ an bcnfclben, — ba« ©tärfftc, mie ber fDi^arcu«, bie gifd)crci
ber Scne;\iancr unb bic (Epigramme an SJ^a^imilian, mar freilid)
nod) ungebrurft — aber auc^ bort fc^on ßattc fid) §utten l)öd)ft
feinbfelig gegen SJenebig geäußert. i>cffenungead)tct fanb er gc^
rabc in SJenebig, bamaU einem SKittelvunftc ber ßumaniftifeßen
1) S. ^uttfn’8 ?3riff an 6ro§mu§, Sänften I, S. 146. $)ie oben
ertofi(fntcn 53crt(^tc bei 6ot(|Iäu§ j. ebenboj , 129. 132.
2) So erjä^jlte er fpäter in feiner Jürfenrebe. S)ie folßenben 9io(^»
rid^ten pnb bem anßcf. Briefe i^utlcn’S an CroSmuS entnommen, womit nocl()
ein 5Brief beS ^aptiftn CßnotiuS on benf eiben, J^utten’8 6d()riften I, 6. 136,
}u bergleic^en ift.
Vll. 9
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I. ^ud^. 6.
:söcftrcbiui()cn, eine 5lufnar)mc, fo freunbüd) unb fc^mcic^cU)aft,
alö fie U)m auf allen feinen fReifen nic^t Xljeil fleiuovben ttjar.
@ift trat er bei beni, alö 0taatömaiin luic aU @elel)rten be^
rütjinten 33aptifta ©cinatiu^ ab, bem er ©rüge üon ©raöuiuä
brad)te, unb ber ign, junädjft um biefer @mpfef)lung, halb aber
um feiner fetbft, feiner i^ilbimg unb ßiebensmürbigfeit miüen,
fegr freunbfd)aftlid) beganbette, mit feiner |)üra5auögabe befdjenfte,
unb H)m für ©raömuö einen isörief unb ein (5i*emplar feiner
Caesares nebft einigen anbern 0d;riften auf ben ^eimmeg gab.
5(uf bie Äunbe üon ^uttcn'ö 5lufunft fanben fid) gebilbete 3üng^
linge auö ben erften Käufern, CEuntarini, iöragabini, and) ein
gleichnamiger S^teffc bei? berühmten ^ermolauig 33arbaruö ein, bie
il)n in ber ©tabt hcnimführten, ihren 33efannten seigten, unb
enblich in baö .§auö beö gelehrten !iöud)bruderö 5l)ulanuö brach^«
ten. tiefer heilte menige 3al)re 5uüor feinen berühmtem ©chmie^
gerfühn 5llbuö 3Jianutiuö üerloren; aber fein ©uljn Snhann
5ran^ unb anbere gelehrte ^au^genoffen mürben herbeigerufen,
unb fein (Snfel, ber fünfjährige ^2llbuö Üü^anutiuö, mugte ben ge^
lehrten ?lnfömmling mit einem ilug empfangen; and) mürbe feine
23üd)erfammlnng. burd) ^^uögaben uou ©ueton unb ben fpätern
©efd)id)tfd)reibern ber römifdjen itaifer, Uou ßicero’ö Dfgcien
unb ber fd)on genannten ©djrift be^ (Sgnatiuö de Caesaribus
bereidjert.
5)ie SSettern, meldje beii S^titter nadj SJenebig befchiebcii
hatten, fprachen ihm ^u, bie Üieife nad) bem 9J?orgenlanbc mit*
^umachen; bcrgleichen ^öallfahrten maren noch immer nidjt auö
ber 3Rübe gefommen ; nadj be^S 6od)läuö iöriefen an ^irrfheimer
mar (Srotuö S^ubianinS, ber ign 5urüdl)iclt. tiefer greunb
mar um jene Qcit gleidjfallg iii Stalien angefommen. ©eine
©tellung in giilba mar nichts meniger alö gtänjenb gemefen;
unb nun foUte er auch ©tü^c bafelbft, ben
"^bt ^artmann, oerlieren. S)en mäeenatifdjen Slir^enfürften brach«^
ten ho^Piegrnbe ©ntmürfe unb Oerfdjmenberifcher §auöhalt in
ßermürfniffe, bie in bemfelben Qahre 1517 feine SSertreibung,
fpäter feine Slbbanfung jur golge h^^Hrn. ©o nal)m SrotUiS
mieber eine ©r^ieljerftelle bei jungen Slbelichen, biegmal auö bem
ihm unb ßutten befreunbeten §aufe 5ud)ö, an, mit benen er
nad) Italien ging, unb nun mit Jütten, mie fd)eint, in SSe=
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Jütten in ^enebtg.
131
ncbi(^ jufammcntraf. ^urd^ bcn öcrftönbigcn greunb bon bcr
p^ontaftifc^en Sfleifc ab9ct)a(ten, fc^rte Jütten crft nad^ Bologna
jurücf, wo er am ?tbenbe beiS 25. 3uni anfam, unb nad^ furj^em
Aufenthalte ganj insgeheim, um 9ftad)ftelluugen ^u bcrmeibeii, am
27. ober 28. 3uni, feine iRüdfreife nach ^eutfchlanb antrat.
6od)löu^, ber übrigen# in (efeter ßeit eine ©ntfrembung
Jütten’# ju fpftren meinte, gab ihm 55ricfe an ^irefheimer in
Nürnberg unb an berfchiebene 33efanntc in Augsburg unb 3n=
golftabt mit, bei benen er ihn einführen wollte ; bcn erfteren bat
er nach $utten’# SBunfehe, biefen nicht mit bem gewöhnlichen
nürnberger ^runf aufnehmen j^u wollen, ba er nicht feinen leefern
SD^ahljeitcn, fonbem feiner gelehrten Unterhaltung juliebe ben
Umweg über SRürnberg ju machen gebenfe. ^)aß c# gcrabe Sodh*
lüu# war, bei welchem Jütten noch Qm Xage bor feiner Abreife
bic Schrift bon Saurentiu# Salla über bie erbidjtcte Schenfung
Äonftantin’# fol), mit beren ^erau#gabc er nach feiner ^cimfunft
feinen ^elbjug gegen fRom cröffnete, ift ebenfo merlwürbig, al#
ba§ Sochläu# bamal# jwar wegen bcr $erau#gabc ängftlich, übri*
gen# mit bem 3nhallc ber 0d)rift bollfommeu einperftanben war.
2öir fommen (einer ßcit auf bicfelbe jurüd: l)icr lönnen wir e#
unmöglich länger bcrfchieben, über bcn iReuchlin'fchcn Streit, an
welkem $utten auch fdjon früher, ganj befonberö aber jefet in
3talien, Antl)eit genommen h^Ue, im ßQlQQ^ötcnhange Bericht
ju geben.
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132
Siebentes iKapitet.
^etti^fiti'd ^ampf mit ben ^ofnern itttb c$uttett’$
§:9eirna9me an bemfeeben.
1511 — 1517.
Unter beu 3)7änuern, iueld)c ouö ber Serbumpfunfl bc!§ fiii=
fenben SKittclaltcrö bic ©elfter an bic freiere £uft l)eraii!§füf)ren
Ralfen, inbem fie Umüiffcnl)eit iinb ©d^olaftif bnre^ (Sröffnnng
ber Quellen tualjrcr öilbung mittelft t^rünblidjer ilenntniffe ber
alten ©prac^en befämpften, unter ben Tätern beö ^umaniiomuö
mit @inem Söorte nal)m um bie SSenbe beö 3nl)rt)unbcrtö 3o-
f)anu S^leuc^lin ‘X ober luie ^ermolauiS S3arbaruö iljn öröcifirt
1) Qtte, Sapuion, eine ber erfteii ©teilen ein. mar baj? allere-
meine Urtt)eil, menu §utten il)n unb (Sraömuö bie beiben Vlugen
^)eutfc^lanbö nannte. 3l)r SSerbienft fei e^, ba^ baö beutfd}c
®olf aufl)öre, ein barbarifdjc^^ 5U fein*-*), ©ie (^enoffen eine bei-
iuil)e übermcnfc^lic^e 5^erel)rung. SBer ben im ©tillen mirfenben
aJiutiauu^ fRufuö (genauer fannte, mar mol)l Qcneiflt, i^n sum
2) ritten im 8unbe ber beiben großen SJiänner ju mad)en: er
fclbft lel)nte eine füldje ßufammenftcUung mit feiner ftet^J etma^
ironifdjen Öefc^eibenbeit ab.
Sleud^lin, 1455 in ^forjl)eim geboren, mar 12 3al)re älter
alö ®ra^muö, unb l)atte, gleich biefem frübjeitig ben ßcitgenoffen
bemerfbar gemorben, uor il)m nic^t blo^S bo^ Filter feineiS 91ul)mö,
1) Sgl. über i^n 2. ©ciger, 3o^. Bleuc^Un, jein ficben unb feine 3öerfe,
fieippg 1871.
2) 3n beni oben ®. 118 angeführten Sriefe on (S^erbel.
9{eud^Iin unb @ra§mu3.
133
fonbcrn mic^ bic ©tcHunj^ cincö 93Qf)nbrerfjcrg, cinc§ venerabilis
inceptor uorau^. @r war in 2)cutfd)lQnb bcr crftc @clc()rtc neuen
©tild, unb and) fo^lcic^ ber erftc, ber fic^ beö @cbict)§ bamalic^er
Siffenfe^aft in feinem ganzen Umfange bemäd)tigte, unb hierin
hatte er unter benen, bie übrigen^ feine Anfänge hinter fich liegen,
hoch nur wenige S^adhfotger. ©elbft ©ra^muö war nur ber3tniC'
fprad)ige, wähvenb S^tcnchlin „bad breifprachige SBunber” war.
3u bem Satein, ba$ er reinigen hntfr lernte er Don gelehrten
©riechen, wie fic bie Eroberung ^ionftantinopelö tn^ö Slbenblanb
geführt hnttc, au^ ber lebenbigen dneHe griechifch, cbenfo hernadh
Don 3nben hebrüifd). SBenn er baö ©tubium beö ©ricchifdjen
in ^cutfchlanb einbnrgern h^lf, fo hnt er baö bcö §ebröifchen
überhaupt im neuern ©uropa begrünbet. ©ein SBerf de rudi-
inentis hebraicis uoin Sahre 1506, SBörterbuch unb ©rammatif
in (Sinem, war, obwohl im 2öcfentlid)en auö ben ©djriften ber
alten jübifd)cn ©rammatifer nnb fiejifographen gefdjöpft, hoch
baö erfte auf djriftlidjem !0oben entftanbene iiehrgebäube ber
hebräifchen ©prache, unb er hntte ooUeö ?Red)t, am ©chluffe be^
iöufhö baö hnra5ifd)e Exegi rnonumentum etc. au^jufprechen. ^a=
bei waren aUe biefe gelehrten Seiftungen nur grüchte feiner 9J2uge*
ftunben neben ben öffentlid)en 5lemtern, bie er befleibetc. ^h^olog
war er nur auü^ Siebhaberei, üon ^rofeffion war er fRechtögelehrter.
'-öeffer freilich umgefehrt: bie SnriSpvnben^ war nur fein Srob«
ftubium, üon bem er gelegentlich ohne oiele Dichtung fprad). ^aö
©tubium feiner Sficigung war '^hH‘-'‘logi‘-' unb ^hilnfnphic. §icrin
war ©raömu^ günftiger gcftcHt. Obwohl mit gürften unb ©rogen
geiftlidjen nnb weltlid)en ©tanbe^ in weit oiclfacheren S^ergälts
niffen alö fReuchlin, hntte er cv fid) bod), unb /^war jum Xhcil
gerabe bnrd) biefe Serbinbungen, möglich i\n machen gewugt, ohne
eigentlidjeö Slmt auefd)lieglidj feinen ©tubien unb feiner ©chrift^
ftellcrei j^u leben. 5tein Sßunber, bag er an gru^tbarfeit ben
altern ©enoffen überbot, in bcrgolgcand) an Hinflug unbiRuhm
ihn überholte, Se^tcreö aud) barum, weil feine Bemühungen um
bie beiben claffifchen ©pradjcn, wooon er überbieg bie lateinifdje
mit einer (Slcgan^ fd)rieb, bon ber Send^lin'ö funftlofe Slnöbrncfö=
weife Weit entfernt war, mit ben humaniftifdjen 3clH’'^fl^<^l’nngen
,^ufommentrafen; währenb Scuchlin mit feiner fiiebhnbcrci für bie
barbarifche ©emitenfprache oereinjelt ftanb.
134
1, ®ud^. .7. Äopitel.
Ucbcrijaupt ftebcn bic bcibcii 2J?ämtcr, bic man flcmofint ift,
jufammen alö bic Vertreter beffdben ^rincipö nennen, boc^
auf biefem gemeinfamen 33obcn fid) in mcrflvürbigcm ©cgcnfo^c
gegenüber, ©d^on äugcrlid): ber fd)mäc^tigc, unfc^cinbarc, feine
ftctö roanfenbe ©efunb^cit ängftlic^ ^ütenbe ©raönuig, unb bic
ftattlic^e imponirenbe ©eftalt fWend)lin'^, ber, fo mägig er für
gett)öt)nlid) lebte, cö bei ©elcgcnbcit bo^ mobl ertrug, einmal mit
feinem Sodann SSaefer (SSigiliuä) in ^cibclberg biö tief in bic
9lad^t beffen SBcinc burd^jufoften, auf bic ©efa^r ^in, im Sflcbcl
bc^ @m)ad)cnö am anbern SJiorgcn bie Kleiber mit benen be^
greunbeö ju ücrmec^fcln. 3m ßufönnnenbang bamit mar auc^
in fRcuc^lin'ö ^anblung^meifc ©erab^eit unb Offenheit ebenfo ein
l)cruorftcc^cnber ti>ie bei ©raömuä ©cmanbt^cit unb ©d)micg=
famfeit. konnte jener aufbraufen unb zürnen, unb in folc^cr ©rrc=
gung bie ©rennen ber ©erec^tigfeitmieber ©c^icflic^fcit überfc^rciten,
fo nehmen fid) bod) feine gauft- unb Äculenfd^lägc neben ben in
aller ^rtigfeit bcigebrac^ten S^abel* unb moljl auc^ ^)olc^ftic^en in
ber ^olemif be^ anbern ocr^öltnigmä^ig unfd^ulbig aug. 9G0a«
ben 9J2ut^ betrifft, fo mar aud) fReud)lin gerabc fein |)elb; er
l)attc t)on Statur ein forglid)cs Temperament unb ift üor brofien*
bcr©cfa^r mcf)r alö einmal ängftlic^ ^urücfgcmic^cn ; bo^ l^at er
in ber ^auptfad^c immerhin fo feften ©taub gehalten, bag ber
gemalti^e 5^ampf fic^ entfpinnen fonntc, morin er julept alä mof)rs
baft'tragifc^c gigur crfd)cint. 95ei ©raömuö lägt fic^ ein tragu
fdjcr ßonflict biefer 5lrt gar nid)t benfen ; ber S^ielgemanbte gätte
bemfelben oon ferne ger fd)on auSjumeiegen gemußt. 3^* biefen
im 9iatureII unb SbQi^Qftcr ber beiben 9J2änner gelegenen SBcr^
fd)iebenl)eiten fam aber aueg noeg eine in igrer geiftigen Einlage.
Söar ber jüngere ein nüchterner, ironifeger ©eift, feine Tenfart,
meint man ben ^u^bruef niegt migoerftegen miß, rationaliftifeg,
fein Söirfcn ein aufflärcnbeS: fo mar ber ältere, bei gleidjcr Tenffraft
unb niegt geringerem 933iffen, ein mgftifeger ©eift, ben ein bunflcr
Trang nadh Uerborgenen Tiefen ^og. ©ben bamit ging aueg feine
SSorliebc für baö ^ebräifege, feine ©unft für bie 3ubcnbüd)cr ju^
fammen, bic ign in ben ©treit Oermiefelte, oon bem mir gier ;;u
reben gaben.
9fteud)lin'^ 3ntcreffc am §cbröifegen mar ;iunäd)ft baig pgilo=
logifd)c an einem fo cigentgümlidjcn unb bamolö fo menig ge^
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^o^ann ^cui^ün.
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faimtcn ©pracfjt^cbäubc. Xic Uncutbe^rlid)fcit bicfcr ihinbc ^um
33erftänbni6 boö eilten Xcftamciitö, alfo büö tbcoloivfc^c Sntcrcffc,
fom 5lbci* bi>5 .^cbräifd)c luar für fRcuc^lin Jiiölcid) bic
0prnd)c, in luclc^cr Öott fcibft iiiib bic ©nqcl gcrcbct l)attcn, bic
heilige 0prad)c tuie feine anbcrc. Hub in bicfcr Sprache f)ot
GJott nidjt nur ba^jenige gerebet, lua^ in ben 23nd)crn ÜJ^ofiö nnb
jonft in ber heiligen 3d)rift für alle nicbcrgcicgt ift, fonbern auch
nod) eine üerborgene Sehre burd) @ngcl an 5lbain, bic ©r^uäter
unb SU^ofeä gelangen laffen, bic in fpätern jübifchen Schriften
anfbchaltcn ift. 0ü trat jum philolagifchen unb thcülogifdjcn
3ntercffc an ber hcbräifdjcn Sprache baö mt)ftifd}c hi»J»- -^iefc
mpftifdje fRid)tung luar in ^Rcud)lin nod) üon einer anbern 0eitc
her angebahnt. @r h^ttc bic 0hftemc ber gried)ifd)cn fPh^^ofophie
ftubirt, unb fid) unter biefen bcfonbei\^ 511 bein ppthagoreifchen,
in feiner fpätern Umbilbung natürlich, gefunben. ^i\
einer 0djrift uoni Sahrc 1515 fprid)t er baö '-8ürl)aben auö, luie
in Italien 3J^arfiliuö J^icinu*? bic platonifd)c ^hil‘^)i^Ph^'-' begrüiu
bet, in 55i^onfrcid) gelber non Stapleö bie ariftotelifd)c erneuert
habe, fü gebenfe er, Gapnion, unter beni 33eiftanbe ber (Sngcl
^cutfd)lanb mit ber pt)thagin*eifd)en befd)aulichen
3)^enfd)cn ftetö angenehm gemefen , ,^u befd)enfen. *iHud) hi'-'n»
inbeß mar ein Italiener imrangegangen, ber (^raf 3ol)onn '*^3icuö
üon Ü/iiranbula nämlich, unerad)tet ihre perfönliche iöerührung
nur eine flüd)fige mar, bod) auf bie (Sntmidlung üon fRcud)liirö
Sorftellungcn uon tiefgehenbem ©influffe gemefen ift. fpiciiö mar
ein mhftifd)cr (Sfleftifer, ber in ncuplatünifd)cr SBcife nicht bloe^
'’^^t^^tonminuö unb ^^^hthagorei^muiä, fonbern mit beiben nod) bic
jübifd)c ©cheimlehrc, bie fogenannte (Sabbalah, ^u eombiniren,
unb biefe Üiijchung übcrbiefi ^u fünften beö (5hiiftt’»fhum^; ^u
üermerthen fud)te. .^icrin trat fRenchlin gan^ in bie guftftapfen
\>c<$ ^icuö. 3n feiner Schrift „uom munberthätigen SSorte" au^J
bem 3rthi^c 1494 finben fid) bie Säpe: (^iott ift bie Siebe, ber
3Jienfd) bic Hoffnung, ba^3 ^^anb 5mifd)en beiben ber (Glaube,
^urch unbefd)rciblid)c ^Bereinigung aber fönnen fid) beibc fo üer^
binben, bafj ber mcntcl)lid)e ÖJott unb ber göttliche iüienfd) fortan
nur alö ©in ÜÖefen bctrad)ten finb. ^iefc ^Bereinigung fommt
j\u Staube burd) baö munberthätige äSort, b. h- ben gcl)cimitift^
Dollen 3t'hDua= unb 3e)uönamen. ^on biefen einfach mpftifchen
136
I. 7. j^apitel.
Slnfängcu arbeitet fid^ nun aber iReud^lin'^ SBorftellunci^iucife in
bie üernjicfcitfte $t)antaftif bi^cin. 3n p^tOagoreifdjer 5lrt fpielen
bie 3<^bitJcrbältniffc, in rabbinifc^er bie S3ud)ftaben eine gro§c
Stolle. 3n jebem SBorte, jebem ©uc^ftaben, ja in ben S3ud)ftabcns
^eic^cn beö SHten Xeftamentö fab 9^eud)lin ©ebeimniffe. ®en
Saurenj S3ebaim, ^omberrn ju iöamberg, b^^ttc er ju fRom ges.
lebrt, au^ @inem S8erfe beö ^ttjeiten ^öucbiS 3Rofiö bie 72 unanö^
fpre^b^icben Flamen @otte^ bc^^^u^jufinben. 3n ben brei S3ucb=
ftaben bcö b^’i^i^difd)en SBorteö, mit tueicbem 1 äRof. 1,1 bag
göttlidbe ©dbaffen bejeid)net ift, fonb er bie ^reieinig!eit ; nach
eben berfelben ^eutung^art in ©prüd;m. 30, 31 eine Söeiffagung
(bie ficb freilich nicht erfüllte), bag nad) ÜJtajimilian fjricbricb
üüu ©adjfen Äiaifer merben mürbe, ^ergleidjen öeftrebungen
mie§ @raömu!3 im „ßob ber ^Rarrbeit" ihren $la|j an. Söelcben
SBertb bagegen für?Reud)lin bie fpätern jübifeben ©ebriften herben
mußten, in benen fold;e SSeisi^beit ju finben mar, erbcHt üon
felbft.
Sßaö, bicDon abgefeben, fReud)lin'ö pbi^ologifd)eö 33emübcn
um bie (SJrunbfpra^c beö 2Utcn STeftamentö betrifft, fo mar e^
auf ber einen ©eite jmar ganj fromm, alö ©egenmirfung nid^t
allein gegen bie ©djolaftit, fonbern ebenfo auch gegen bie profane
91id)tung gemeint, melcbe ber ^umanisJmuö, befonbe^i in 3talicn,
genommen b^itte. 2luf ber anbern ©eite jeboeb mor üielfacber
ßufammenftog mit ber bcrgebrad)ten 5lu‘3legung nid)t ju Der*
nieiben. iReudjlin ehrte bie Vorgänger, aber lieb fid) burdb feine
2lutorität binben. Xen heiligen |)icronbmuö, febreibt er, oerebre
id) mic einen Sngel, unb ben SRifoloiiö oon ^pra achte ich aU
Sebrer, aber bie SBabrbcit bete id) an mic einen @ott. Söic bei
folcbcn örunbfö^en 9ieud)lin über bie alte, auf febr mangelhafter
©prad)fcnntnib berubenbe lateinifdbc 33ibelübcrfcpung, bie fogcs
nannte SSulgata, urtbcilcn mufjte, labt ficb benfen. 5ln Dielen
©teilen feincä Söcrfcö über bie bebräifebe ©praebe mirb fie Don
ihm gctabclt, bie mabre Ueberfebung il)r gcrabe^u cntgcgcngeftcHt.
yflun aber mar bie S^ulgata in ber abenblänbifcbcn üirebe löngft
an bie ©teile bcö Originale getreten, beffen ®crftänbnib mit ber
Äunbe ber ©runbfpracben möbrenb ber mittlcrn Dcrlorcn
gegangen mar. 3n ber Ueberfepung ber SSulgata allein fannten
bie ÖJciftlidjcn bie 33ibcl ; auf St^tbümer biefer Ueberfefeung maren
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JReud^Un unb ^fcfferlotn.
137
firc^tic^c ßct)rfä^c unb ^cbröud)e ^cßrünbet luorbcu. 9J^it bcr
SBuigata festen bid)cr 9icucl)liu bie Äirdjc fcibft anjutaften, unb
ba er feine Sßerbefferunflcu überbiefe auö bcu 33elcl)run(^cn unb
0c^riften ber Subeu fdjöpftc, fo laß e^^ nabe, fein Sbriftentl)um
ju üevbädjticjcn, felbft ebne ben Slnlag, uon bem luir fofurt p
bcridjten hoben loerben.
^ereit^ botte fRcud)lin ba^ funfjic^ftc Seben^jabr überfdjrittcn,
unb fing an fid) nach iRube ju febnen. @r bottc uicl erlebt, in
jüngern 3al)rcn in granfreidj ficb aufgebaltcn unb gtalicn njieber*
bolt bereift; njar in bob^n 0taatiggefd)äften gebraudd, uomitaifer
griebricb III. gcabelt, non einem bcr treffliebften beutfeben gürften,
bem mürtembcrgifd)en ©tafen unb nadjuiali^ 5cr^og ©berbarb im
53art, mit freunbfd)aftlid)cm SSertrauen beebrt morben ; nur feinem
unmürbigen 9lad)folgcr bottc er fliehen muffen, mar nad) beffen
^Ibfcfeung 5mar nach Stuttgart in fein |)eimmcfcn
bod) fonntc bcr greunb bcö meifen ©berbarb an bem ^^3üd)cn unb
^raffen bcö jungen ^er^^agö Ulrid) feine greubc hoben. So 50g
er ficb, ba baö 9^Iid)tcramt beö fd)mäbifcbcn 33unbei^, ba^^ er K'il.
1502 ücrmaltcte, il)n nur ^citcnmcifc in 5lnfprucb nahm, allmäblicb
jurücf, lebte mit feiner fränfclnben ^meiten grau am liebften auf
einem fianbgütdjen unmeit Stuttgart, mc er feinen £icbbabercien,
5.33. meige Pfauen ^u pichen, unb feinen Stubien naebging.
mar im September 1509, alö, mic febeint in Stutt^
gart, ein getaufter gube au5 iiöln mit einem feltfamcn 5(nfinnen
bei fRcucblin eintrat*). Der äJ^enfd) hotte, nadjbem il)m, feine
ehemaligen @laubcni?gcnüffen burd) (Srmabnung ^u befebren, nidjt
gelungen mar, einen anbern 3[Beg eingefd)lagcn. 3n einer 91eibc
üon Sd)riften, non benen il)m mcnigftcnö bie lateinifeben bie
tölner Xb^’ologcn unb iD^agifter äurcdjtmad)cn bolfen, forberte er
Dbrigfeitcn unb S^olf ju gcmaltfamcr ^efebrung ober 23ertrcilning
bcr Suben unb jur Sßerbrennung ihrer 23üd}cr auf. Xa aud)
bic6 ohne S33irfung blieb, ritt er im Süinmer 1509 ^um Äaifcr
SKajimilian, bcr eben gegen ©enebig ,^u gelbe lag, unb mivfte im
Heerlager uor $abua üon ihm unb feinen beftecblidjen Sdjrcibern
1) 2)ic Äronif bf§ folocnbcii Streites fmbet man bet ®örfing, Ilutteni
operura Supplem., Tom. II, S. 117 — 156; boS Serjeidjnife ber in bem Streite
(jetoet^jelten Schriften ebenbaj., S. 66—115.
138
I. ®u(^. 7. Äopitcl.
ein ÜJ^Qubat an fämmtlidjc Suben bcö auö, fie foUcn alle
il)ve !söüd)cr, bie flcflcn ben d)viftltd}cn glauben c|cvid)tct feien,
ober and) il)rem eigenen C^Jefe^e ^^utoibcrlanfen, „unferem unb beö
9ieid)^ getreuen 3o()annfen ^fcffer!orn (fo ber SJiann) ali;^
einem moblgcgrünbcten unb erfahrenen il)re§ ©laubeuö" oor^eigen,
bem bie 93oUinad)t ert()eilt mirb, mit beö ^farrerö unb
jmeier Dbrigfeitöperfonen jebeiS Crtö biefe 33üd)er uon ihnen ju
nehmen unb ju unterbrüden. ®iefe^ 9J?anbat mieö ^fefferforn
je^t 9fieud)lin oor mit bem @rfud)cn, er möge mit ihm an ben
9fU)cin reiten unb bie 0adhc in§ SGÖerf richten helfen. Sltlein meber
ber arienfd) noch fein ?(nfinnen fonnte 9ieud)lin gefallen. @r
entfd)ulbigte fich mit ©efdjäften, auch Ö^l^e ba^ yj^anbat etliche
SUiängel in ber gönn, locldje ber red)t^funbigc Wann bem 3»ben
erft mit bem ginger , geigte, bann, al§ biefer fie fchriftlid) ^u herben
münfdjte, vig er „ein ^ebelin ab einem iöap^ier" unb fd)rieb fie
ihm auf.
©0 fd)ieb ber üerbäd)tige Wenfeh ; aber S^eudjlin foUtenoch
nid)t fo halb fRuhe oor ihm h^^ben. Um löartholomäi beö folgen^
ben 3al)tö fam il)m burd) ben 5Uirfürften Uriel Oon Wainj ein
faiferlidjer Befehl ju, fein (^3utad)ten barüber ab^ugeben „ob folchc
23ücher, fo bie Suben über bie ^üd)er ber 10 ©ebote ÜRofiö, bie
Propheten unb $falter beö eilten ^eftament^^ gebrauchen, ab^iu
tl)un, göttlid) unb löblid), unb unferm heiligen ÖJlauben nnglich fei".
Wan loollte alfo bie ©ad)e, bie ^fefferforn aufjencö erfte Wanbat
hin in granffurt unb ber Umgegenb gleich h^h*Ü
genommen htiUc» e’rft noch reiflid)er überlegen; aber auberer»
feit!^ ftcHte man bie grage nid)t mehr bloiä auf bie S3ertilgung
lüirflid)er ßäfterbüd)er, fonbern aller jübifd)en 33üd)cr auger ben
biblifd)en: fo meit hatten cö iu5toifd)cn bie Umtriebe ^fefferforn'ö
unb ber mit ihm Oerbünbeten fölner Dominicaner gebracht. Sieben
fRcud)lin mar nod) ber Dominicanerprior unb i^epermeifter 3afob
,§od)ftraten ju Äöln unb Victor oon (Farben, oormalö IRabbiner,
jept Shi^ift nnb (^eiftlicher, bann bie Unioerfitäten ju ilöln, Wain^,
(Erfurt unb §eibelberg )jur ^Ibgabe oon @utad)tcn in ber ©achc
aufgeforbert.
$Reud)lin’g ®utad)ten ober „9?athfd)lag, ob man ben 3uben
alle ihre Bücher nehmen, abthun unb oerbrennen foU", gegeben
Stuttgart am G. 9loo. 1510, ift eine fchöne ^robe ber Klarheit
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9leud^Un’8 wegen ber 3uben6ttd(|er.
139
fciiied SSerftanbeg, ber S3iebcrfeit feinet ßb^rafterg unb bcr9)?ilbc
feiner ©efinnunfl; obmobi nid^t ju nerfennen ift, ba§ if)iu bie
@r()altung ber 3ubenbüc^er nic^t bioö um ii)reö üterarifd)en
^ert^eö ober beiJfRec^tö i^rer 53efiber, fonbern auc^ um ber bariu
oermut^eten ©ebeimniffe miflen rätblid) unb münfdjenömcrtb er*
festen; bag alfo, toie bieg in menfc^lid)en Gingen fo gerne ge^
fdbie^t, an bem guten SBerfe, melc^eö er t^at, neben ber SBobr*
beit Queb ber SBabn feinen Slntbeil b^tte.
laffe ficb, meint fReucblin, über bie oorgelegte 5rage oiet
bin unb mieber biöputiren; um aber auf ein fi^creö ©rgebnig ju
fommen, müffc man unter ben jübifeben 33ücbcrn oerfebiebene
Älaffen unterfdjeiben. Xa finbe man benn 1) bie b<^ii»9c ©ebrift
be^ Stiten ^eftamentö, 24 iöücber, bie aii§erl)alb ber 5ragc fteben.
2) ®en 2;bQiniub, b. b- eine ©ammlung oon Einbiegungen beb
mofaifeben ©efejeb aiib Oerfdjiebenen 3^iten. biefer beb
JJeuerb mürbig, fönne feiner fagen, ber feine ©prad)en nid)t oer=
-ftebc (momit fReucblin nid)t allein bie fölner Xb‘^‘^^ogen, fonbern
oueb ^fefferforn meinte, bem er bie nötljigen Äenntniffe nid)t ^u*
traute): er felbft b^bc ein ©jemplar beffclben, unerad)tet er cb
gerne hoppelt bc5ablt bdtte, bib jebt nicht erbalten fönnen, fein
3nbalt fei ibm baber nur aub ben SBiberlegungbfcbriften befannt.
^Darnach ju urtbeilen, möge toobl $Wancbeb miber bab C£briften*
tbum borin fteben: allein bafe bie 3uben fur@ott
anerfennen, bab fei einmal ibr ©laube, unb nid)t unb ^ur 0d)inad)
ju rechnen; baneben aber fei auch mand)eb @ute im Xl)almub
cntbolten, bab aub bem Jööfen b^raub^ufueben eine b^ilförne
Uebung unfereb ©laubenb fei. 3) pnbe man bei benSuben „bie
bobe ^eimlicbfeit ber SReben unb ‘SÖörtcr ÖJotteb, bie fie
Cabbalah". X)ab mar nun Sfleucblin’b ©cboobfinb, rücfficbtlid)
beffen er ganj mit ber Xbefib beb Grafen Sobann ^icub oon
SRiranbnlo übereinftimmtc, eb fei „feine Äunft, bie unb mehr ge?
miß madje oon ber ©ottbeit (Sbnftb 3)iagia unb CSabbalab".
6ine 4. ftlaffe bitben bie erflörenben ©loffen unb grammatifdjen
(Sommentare über cinj^elne biblifebe S3üd)er, oon Äimcbi u. El.;
für ein riebtigeb Serftänbnig beb Eliten Xeftamentb fo unentbel)r?
lieb mie 0eroiub unb Xonat jum E3erftönbni6 beb ESirgil. 5) X)ie
^rebigt? unb 6ercmonienbüd)er geboren j\u bem ßultub, ber ben
3uben bureb faiferlidbe unb päpftlicbe fRecbte jugeftanben fei.
140
I. ®ud(). 7. ÄQpUel.
6) 3I)tc Sucher üon allerlei Ä'ünften unb SBiffenfe^aften touren
nur infotoeit 511 oertilt^en, al^ fie oerOotene Älünfte, toie §eyerei
unb 0d)u^(^rüberei (ehrten, ©nblic^ 7) unter iljren ^oetereien,
gabeln unb @jempelbnd)lein mööen fidj etlidje, obtool)! toenige,
finben, toeld)c ©pott unb ©djiimljungeu ntiber 6l)riftn^, feine
iÜ^utter, bie 5lpoftel n. f. tu. enthalten. ®em SSerfaffer bee @ut=
ad)tenö finb nur jntei bergleid)en, Nizahon unb Tholdoth Jeschu,
befannt, bie aber oon ber äl^’brljeit ber guben felbft für apofrpp^
unb erlogen gehalten toerben. „töei toeld)em Suben nun ntiffents
lid) gefnnben toirb ein fold) ^43nd), ba^3 mit an^gebrneften SBorten
fc^ledjtö unb ftrad^5 ,^u ©djinac^, ©c^anb unb Unc^re unferm
^erru ©ott gefu, feiner toertl)en 3)iutter, ben ^eiligen ober ber
d)riftlid)en Drbnung gemadjt märe, ba^ mödjt man burc^ taifer^
lidjen ^efel)l oerbrenuen unb bcnfelben guben barum ftrafen ;
bod) nic^t anberö, benn nad) genugfamer 93crl)örung unb redjts
mägig ergangener llrtl)eil." XieSBertilgung i^rer fämmtlid)en^üc^er
ol)ue Untcrfdjieb mürben bie Suben alö ein 3^-’idjen aufe^en, bag
bieß^riften iljrer eigenen ©ad)e nidjt trauen; mäbrenb für biefc
511 fürchten märe, baft fie, menn il)nen ber ©toff 511m ©treite mit
aioJmäitigen ©egnern fehlte, befto mel)r unter fid) felbft verfallen
mürben, ^emnad) gel)t Oteud}lin’i? ©utadjten fdjließlid) bal)in,
„bag man ber guben 53üd)er nid}t foll oerbrennen, foiibern fie
burd) oernünftige Xiöputationen fanftmütl)ig unb gütlich 511 unferm
©tauben mit ber $ilf ©otteö Überreben". Unb um aihS ber©ad)c
überbieö einen ©eminn für bie 2Biffenfd)aft 311 sieben, mac^t er
ben SSorfebtag, ber Äaifer möge befehlen, bag febe beutfd)e UnU
oerfität auf jel}n 3al)i^c ^mei ßebrftüble ber bebräifeben ©pradje
erridjte, mo^u oorerft bie 3ubcn bie töüdjer b^mjuteibeu bütten.
^ie übrigen ©utaebten lauteten freilid} anber^l Sitte, biö
auf baö bcibelbergifcbe, baö auf S^erufung einer Gommiffion an^
trug, mollten beu 3uben oorerft alle ihre iöücber ^um 3tocde ber
Unterfud)ung meggenommen miffen, mit alleiniger Sluönabme bcö
Slltcn Xeftamentö; ja bie ttf^ainjer nabmen and) biefeö nid;t au§,
biö fid) ermiefen mürbe, baf3 bie ©jcmplare nid)t Triften'
feinblicb gefälfebt feien. 9teud)lin fdjidte feinen fttatbfcblag Oer?
fiegelt bureb einen gefd)morenen 33oten au ben Ä^urfürften oon
^Wiaiiti^, tueldjer, laut be^5 faifcrlicben äl^anbatö, fämmtlicbe ©ut*
aebten mit feinem S3ciberidjte „bei 3obaunfen '4^feffcrforn" aU
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^fefferforn’S ^anbipifßet unb 9?fud()Iin’§ ?lu0enj|)icQcl 141
faiferlid^cm ©oflicitotor in bcr ©odjc, an bcn Äoifcr gelten laffen
füllte. 2)ic brei 9J?änncr, benen biefer fic üorlcgte, entfc^icben
fic^ im ©inne bcr 9Äe^rljcit bcr @utacl)tcn ; bocl) bcr Äaifer, chu
mnl bcbcnflic^ gcmacl)t, fc|tc bic ©ad}c auf eine öerat^ung mit
bcn ©tänben bcö fReicl)cö auiS, unb ba ein fRcic^^tag fic^ tjcr^og,
blieb fic liegen, mittlcrmcilc bie Suben bic i^nen Hon
^feffertorn abgenommenen ©üc^cr bisJ auf Sßcitereö juriief erhielten,
mar biefem uncrträglidj unb fteigerte feine S33utg auf Stcuc^lin,
beffen ©utadjten er für bic gan<^c ©törung feinet fo mogl cin^
geleiteten ?lnfdjlagö ücrantmortlid) mad)te. ®icfcö ©utadjten ju
Icfcn, ^atte er o^nc amtfic^eö fRec^t gel)abt; um fo
meniger aber ba,^u, üon bem amtlid) 511 feiner i^enutnig gelang*
teil in einer 3)rudfd)rift öffcntlid)cu ©ebraud) ^u mad)cn. (^leidjs
iDol)l tgat er bieg in feinem „^anbfpicgel", toorin er auf jene^
Hetenftüd gin fReud)Iin gcrabeju befdjulbigtc, er ^abe fidj üon
bcn Snben bcftcd)cn laffen, ein @utad)ten ju il)ren ©unften auö-
juftcllcn. fpvtid) et fid) über beffen ii^enntnig ber Ijebräi*
fc^en ©prad)c äugerft gcringfd)äpig auö. 9ftcucglin rügme fid),
ein gebräifd)c^ SBörterbud) gefdjricbcu >^u gaben; aber barin fei
iDcnig ober nid)t!^ üon igm felbft, alleö uon bcn !3üben ^ufanis
mcngcbettclt. ^iefe ©djinägfcgrift gat ^fefferforn, nad) Sfteucglin’ö
SBerfiegerung, auf ber franlfurtcr 0ftcrmcffc 1511 „fclbft umge*
tragen, üerfauft unb bureg fein Slöcib im offenen ©rempcltram
3ebcrmann fcilgcboten, aud) cincötgcilö üerfegidt unb ücrfdjcnft".
fturj barauf fam ber Slaifer bureg ©d)lüaben; in Reutlingen
übergab igm Rcud)liu flagcnb baö ^fcffevforn'fdje ßibell; ber
Älaifcr be5cigtc fein SRigfallcn, aber locil er @ile gatte, cntlicg er
ben 2)octor mit bem 5icfegeib, ba» gütlid)c 5^ergör bem iöifdjof
üon §lug§burg übertragen ^u moUcn. ^ieg fdjciut jeboeg üer^
geffen morben 511 fein: baburd) fag Rcurglin fid) ücranlagt, jur
uäcgftcn ^erbftmeffe fieg ju üerantmorten, unb, mie er fid) au^-
brüeft, „aU ein ®eriüunbctcr fid) fclber 5U ar^^encien unb
geilen".
©0 entftanb Rcud)lir/ö „^liigenfpicgcl" (b. g. ©rille, bic aud)
auf bem Xitel ju fegen mar), bic ©d)rift, um melegc ber gansc
fernere ©treit fid) bregen füllte, ^ier erj\öglt er ^uerft bcn Her-
gang bcr ©aege üon Einfang an-, rüdt bann fein ©utaegten
mörtlicg ein; güngt biefem eine fcgülaftifd)c (Sontroücrfe in latci^
A
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142
I. 9u4i. 7.
nifd^cr an, in toeld^cr gecjcn bie Slnfid^tcn be« ©utoc^tcnd >v
eine 9ici^e non ^^cfd^ulbigungcn uorgcbra^t, aber auc^ jcbc ber-
felbcn n)ibcrlegt njirb; enblid^ fud)t er nac^^unjeifen, ba§ „bcr qc*
taufft 3ub" nid)t loentger alö 34 £ügen” gegen il)n norgebrac^t
habe. 33or allem meift er ben Söormurf ber Seftcc^ung mit adern
Umoidcn eines @f)renmanneS jurürf. (£r bet^euert, bag er „aU
fein ßebtage, üon feinen finblic^cn ö^f biefc ©tunbe,
non ben Snben ober non ibretmegen meber ^eUer noch Pfennig,
meber 5lreu^ nod) 3)?nni\, nie empfangen, genommen, noch nerfc^afft
()abe, auch inöbefonbere biefen iRatljfcblag betreffenb il)m ni^tiS
bergleicben nerfproeben nod) erboten morben fei; unb mer non
ibm, SSerleJung feiner anberS rebe ober fc^reibe, bcr*>
felbe lüge aU ein leichtfertiger e^rlofer 33öfemicht". ®benfo cm:=
pört fid) gegen bie §lnfd)ulbigung ^fcfferforn'ö, ideuchlin höbe
feine hebräifche ©rammatif nicht felbft gemacht, baö node ©clbft«
gcfül)l be$ grünbli^en unb nerbienftnoden ©eiehrten. Slnbcre
nor ihm höben toohl einzelne Spiegeln gegeben, aber deiner bie
ganje hebräifche ©prad)e in ein regulirt: „unb fpdt ber
9teib (ruft er gegen feinen SEÖiberfachcr aus) fein ^cr^ ^erbrechen,
bennodb bin id) ber @rft". 2)er ganje £ärm fei nichts meiter als
eine ©peculation beS getauften 3uben, „bag er mit mir", fagt
?Reuchlin, „als ein 33ud)grempler niel ©elbS möcht gewinnen, fo
er mich iö gebrueften ©üchlein hinterwärts nerfaufte; benn er höt
jept mehr ©ulben auS mir gelöft, als 3uboS Pfennig auS unferm
$errn ©ott". 5)aS war bie ©rwieberung ber ^feffcrforn’fchcn
Sßerböchtigung gegen Sfteuchlin, unb wenn aderbingS bie le^terc
einem SD^anne oon ber anerfannten ©hnröfterwürbe Sleuchlin'S
gegenüber eine maglofe Unüerfchämtheit war, fo ift hoch auch
gegen ^fefferforn bie dleuchlin'fche S3efd)ulbtgung nicht erwiefen.
Sind) reicht i^ur ©rflörung feines Benehmens ber ganatiSmuS
bcS ©onoertiten, bie $ipe einer leibcnfchaftlichen iRatur, Oerbun^
ben mit ber Söetriebfamfcit beS 3uben, oodtommen auS. 3nbeffcn
gewinnt er faum etwas babei; er erfcheint als ein bösartiger unb
rachgieriger, anmagenber unb jubringlicher, mit feinem cnblofen,
ftetS wieber oon oom anfangenben ©ebclfer wahrhaft unauS?
ftchlichcr ÜRenfeh-
3ur ^erbftmeffc war ^fefferfom wieber in gronffurt unb
wußte (fReud)lin erinnerte fich nicht mehr genau, ob audh bie
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S5et^onbIunöcn jwiidbcii unb ben Äölnem. 143
^üDfc^c.fJraii *) bc§ 3ubcn bobci Dcrtucnbct lüorbcn) bcn l^änbeU
fäc^tigcn Pfarrer $ctcr ÜJicljer bcvcbcu, ba§ er i()n, iDcnn
aud) nur aujicu uor ber 5iird)c, gegen bie 3uben unb i()re ©önner,
namentlid) ?Reud)(in, prebigen lieg, ^cn ^(ugenfpiegel fa() ber
Pfarrer bnve^, erlieg ein Verbot bagegen unb fd)idte benfelben
al^ ein gefägrlicgeö, genfermägigeö iönd) an bie tgcolügif^e gas
cultät naeg 5l'öln. ^iefe, grögtentgeilö bem Xominicanerorben
ongegörig, unb ben Äe^crmeifter felbft unter i^re 9)titglieber
^öglcnb, übergab baffelbe igrem ,^octor unb $rofeffor ^rnolb
(2ut)bc) Don 2:ungern 5ur Prüfung feiner 9ied)tgläubigfeit.
l)ieuon 9^cud)lin burd) einen il)tn befreunbeten Drben^s
bruber 9flad)rid)t ergiclt, fanb er bod) ratgfam, baö auf^iegenbe
Ungeiüitter tuo niöglid) nod) ju befd)tui)rcn. @iner ber fölner
5:i)cologen, ber ^rofeffor Äonrab itollin (uennutglid) ÄöHe),
^rebigerorben^, au^ Ulni, luar non frügev ger fein ®efannter:
an il)n unb glcid)^eitig an ^Irnolb Don 3^ungern felbft tuenbete
er fieg nun in überouö artigen, ja untcnuürfigcn Briefen, ©ein
ÖJutaegten, fügrt er gier, unter Dielen unüerbienten CEomplimenten
für bie itölner, auö, gäbe er auf gögern 33cfegl auö fdjulbigem
©egorfam gefteüt, babei an abiucid)enbe Hnficgten SInberer niegt
gebad)t, inöbefonbere ber fölner gacultät niegt Dorgreifen njoUen.
Xa eine gcfeglidje S3orfd)rift in S3etrcff ber gubenbüeger niegt
üorgelegen, fo gäbe er barüber frei, alö ein 9>?ebner, biöputiren
fönnen, unb er gäbe fieg für bie milbera 5lnfiegt auögefproegen.
XgeoIogifd)e^ gäbe er aU ßaie nur fo eingemifd)t, wie ettoa ein
Sanbgeiftlid)er einmal aud) ben ^r^t inaege. 9taegbrüdlieg Der*
fidjert er feine burd)gängige ©inftimmung mit bem Äiregengtauben
unb feine iöereitmilligfeit, faüö er gegen benfelben in etmaö Der*
ftogen gätte (beffen er fieg jebod) nid)t entfinne), bieg 5urücf5Us
negmen. ,,^abe öiebulb mit mir", fdjreibt er an Xungern, in
?lnfpielung auf befannte 0d)riftftelIcn, „icg mill bir ^lleö be*
jaglen. 23egegl, fo ftede id) mein Segmert ein; e5 fröge mir
ber §agn, fo mill icg meinen; bonnere erft, beoor bu bli^eft".
(£troaö fpigiger lieg er fieg glcid)^eitig gegen ben alten ^efannten
Äoüin auö, inbem er unoergoglen uon ^fefferforn’ö ©peculation
1) Hellula mulier nennt fle 9?eu(!()lw. ^n ergiebißeS ?;^cmQ fflr bie
Fipistolae ubseurorum virorum, n)ie n>tr balb finben werben.
144
I. ©u(^. 7 StapM.
auf baö Subcngdb unb bcm Unbautc bcr Dominicaner gegen
irjn ffjrac^, bcr au^3 ererbter ^nl)änglic()feit beni Drben, in beffen
Dienften einft fein SSater geftanben, eine fRci^e oon 3at)ren un*
cntgclttic^ al^3 Slmoatt gebient t)abc.
S^euc^lin mochte eö für 5ttugbeitöfac^c t)a(tcn, in biefer
Söeife feine SiJürbc einen ?lugenblidE bei (Seite ,^n fe^cn: aber
Pfaffen gegenüber ift eine, menii auc^ nur fc^cinbare, 9(tad)gie‘
bigfeit niematö fing. (Sie meinen bann ben (Gegner in gurd^t
gefe(jt j;u l)aben, unb oerbop^eln il)re Unocrfd)ämt^eit. Dic6
jeigte fid) foglcic^ in bem Stntmovtfdjreibcn ber fölner t^eoIo=
gifd)en gacnltät, bereu Defan gcrabc bama(v5 ber ^efeermeifter
3afob .^oc^ftraten fclbcr mar. Daö ©rgebnifi bcr Prüfung feiner
©djrift fei aUerbing^^ fein für 9^eud)lin günftigeö. @r fuc^c ba<3
bnrdj ben ilaifcr löblid) begonnene 53crfat)rcn gegen btc jübifdjen
33üc^cr 511 ucrciteln ; moburd) er fid) nic^t nur ber ^egünftignng
bei3 jübifd^en Unglaubeui^ Uerbäd)tig mac^e, fonbern anc^ ben
Silben ,^n neuem Spotte gegen bie S()riften ^Inlag gebe. Ueber-
bieß t)abe er nnftid)t)altige '^emeife- gebraud)t, Stellen unb Sä^e
anö bcr ^eiligen Sdjrift unb beiben 9^ec^ten nngd)örig angcfül)rt
unb uerbrel)t, and) einige anftögige, übeltlingenbe unb für fromme
ärgerliche S3el)anptungen eingeftreut, nnb babnrd) feine
9iechtglänbigfcit ^meifeÜ)aft gemalt. 5(u§ TOtIcib mit bem
franfen (bliebe fd)iden fie it)in, e()c fie ^nm ^lengerften fd)reitcn,
ein 3^cr^eid)ni6 bcr Udn ihm falfch angemenbeten St^rift* nnb
9^echt‘5fähc mit bcm 33egcl)rcn, bag er fid) über biefetben genü?
genber in ben feinem 9^athfd)Iag angel)ängten latcinifd)cn
Säpen auöfprcchcn, ober nad) bcm 33cifpielc beö bcmütt)igcn unb
mcifen 5luguftinu^5 einen Söiberruf Iciften möge. Diefcä Sd)rciben
bcr gacnltät bcgtcitetc il'ollin mit einem ^rioatbriefe, ber frennbs
fd)aftlid) fein foHtc, in ber Dt)at jebod) nur barauf bercd)nct
mar, 9?cud)lin cin^ufd)üd)tern nnb ben Kollegen inö (3)arn 511
jagen; babei ift er ganj in bcm barbarifd)cn fiatein unb mit bem
theologifchcn öauernfto^c abgefaßt, morüber fich na^ßer bic
Epistolae obscurornm viroruin luftig machten.
Sfioch einmal hielt ?Hcnd)lin, menigftenö ber gacnltät gegen*
über, an pch. @r lobte in feiner Slntmort ihre grömmigfeit unb
9J^cnfd)cnliebc unb banftc für bic Schonung, ihn uor ber S3cr*
iirthcilung erft uerhören ju mollcn, mic @ott ben §lbam. (£r er*
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®er^onblunßen jnjijd^ien Sifui^Iin unb bfit <?ölncm. 14ß
fcnnc bie 33cfcf)ränft^cit feiner ©eifte^froft, unb maße fid) atS
jnjeimal üerijeira tretet* Soie über feinere tbeolocjifdje Sra^en fein
Urtbeil an, fonbern überlaffe baö ber gacultät, unb molle
fic^ gern, luo er geirrt l)abe, belehren laffen. Xie lateinifc^en
Erläuterungen, bie er feinem ÖJutac^ten im Hugenfpiegel an^
gebongt, höbe bie gocultät nic^t genügenb gefunben. ^a er nun
nid)t miffen fönne, maö fie genügenb Reifee, fo möge fie, jur 5lbs
fd)neibung Don SBeitläufigfeiten, bie Erflärung, bie fie uon i^m
uerlange, fcpriftlid) uerfagt, bureb eigenen 33oten auf feine Äoften
ibm ^ufenben, unb biö j\um Einlaufe feiner 5lntmort ficb njeiterer
©d)ritte gegen ibn enthalten. ?lud) biefemal entfdjäbigte fid)
SReudjlin für ben gocultät gegenüber aiu
getban, in bem ^egleitfdjreiben an ben Uorgeblicben greunb, ber
in ber Xb^t einer ber bümmften unb gemeinften in ber fölner
fRotte gemefen ^u fein fd)eint. Erft jücbtigt er ibn tuegen feiner
unlateinifcbcn Schreibart. ^)ie <Sad)e betreffenb, miffc er uon
einem löblid) begonnenen ©efebäfte gegen bie gubenbücber, baö
er geftört l)ütte, fo menig, qlö er ficb einer iöegünftigung beö
jübifeben Unglauben!^ bemufet fei; oielmebr b^ibe er nur nach
Ueberjeugung, mie oon ihm oerlangt gemefen, ein @utad)ten ob*
gegeben. 5lergerni§, menn je baoon bie fRebe fein fönne, habe
nicht er gegeben, fonbern bie Serrätber, melcbe ein oerfiegelteö,
für ben i^aifer beftimmteö ©utaebten unredjtmäfeiger SGBeife, fogar
im 2)rude, befannt gemacht h^ben. darauf ftebe nad) bürger^
liebem SRed)te ber EJalgen: an ben mögen ®ott unb SD^enfehen
jenen ©efellen helfen.
Sefet enblicb rüdten bie Ä'ölner mit ihrem eigentlichen ©e*
gehren beeuor. $Reud)lin möge, fchrieben fie an ihn, Hnftalt
treffen, bag jur näd)ftcn Dftermeffe feine Exemplare feiner Schrift
mehr feil getban merben; ferner burch eine öffentliche Erflärung
bie bereite auögegebenen jurüdnebmen unb alle iöefifeer oon
foldjen bitten, oon ihm nicht anbere benfen ju motten, als bog
er in Allein mit ber fatbolifd)cn 5iird)e übereinftimme, unb bie
Suben mit ihren gottlofen 33üd)crn, befonberS bem Xbalmub,
oermerfe. 3m SBeigerungSfattc mürben fie genötl)igt fein, il)n
oor^ulaben. 2)ie6 j;u forberu, fei oon ihrer ©eite Siebe, eS ^u
leiften, oon ber feinigen nid)t bloS $flid)t, fonbern oud) Ätlugbcit.
5)enn leicht fönne er fid) benfen, bafi fonft nad) feinem Xobe eö
VII. 10
I
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146
I. 7. ÄnliilcI.
nic^t QU fülc^cn fehlen tuürbe, bic, luenn er nic^t mel)v ber*»
antiDorten fönnc, beu tobten ßöiocn am iöarte ;\upfen, unb bon
it)m alö einem tiefften §öllc S^erbammten fomo()( reben alö
f^rciben mürben. 9^od) einmal legte ber unbcrfd)ämte ÄoUin
ein frcunbfc^aftlid) einfd)iic^ternbe^ (Schreiben bei: boc^ nun mar
9lcud)lin’ö (^ebulb erfd)öpft, nnb er trat je^t cnblic^ ben ginfter*
lingcn fo gegenüber, mie er gleich ^nfangö ptte tl)un foHen.
@r l)ättc bon i^rer menfdb licken unb d^riftlidjen äJ^ilbe gc*
l)offt, ba§ fi(v il)m, nac^bem er burc^ feine (Srflärung ben geleljrs
teften SJiänncrn gcnuggctl)an, Gelegenheit geben mürben, and)
ihnen genng^^uthun, inbem fic ihm genau an^cigten, in mcldjcr
^rt nnb 5orm er bie bcrlangte Gvflärung abjufaffen hütte; benn,
menn and) ber Geift Danicri? ^miefad) in ihm märe, fo mürbe
er fidj bod) außer ©tanbeö fehen, einem 3cben feine Xräume au^
5ulegen. Söcil fic nun aber biefe feine 33itte nid)t gemährt h^ben,
fo molle jix, um bod) ihrem (Kollegium millfährig 511 fein, bic Gr*
läntcrung, bic er im 5lngcnfpiegcl feinem Gutachten lateinifeh
angchängt h^be, ^ur näd)ften äJ^effe in ermciterter Geftalt unb
bcutfd)cr ©prad)c h'-’i^^^^ögcbcn. ^en ^erfanf ber Gycmplare
feinet 5lugenfpicgclö Bnnc er nicht ba fic Gigenthnm
beö Sudjbrucfer^ feien. 3^^ biefer 9Ibfcrtigung erhielt ber greunb
Ä'oüin ben Gommentar. SBenn er fid) mirflid), mie er fchreibe,
fo fcl)r für 9teud)lin oermenbet h^be, fo h^be er bamit ebenfo fcl)r
feiner gaenltät nlö il)m einen Gefallen gethan. ®enn er, fRcud)lin,
fei in biefer ©ache fo trcfflid) bcratl)en, unb h^^c fo mächtige
33cfd)ühcr hinter fid), baß ein Gcmaltftreid) gegen ihn für feine
Gegner übler al« für il)n fclbft auöfdjlagen mürbe. 2cid)t fei
cö, 3nnf ju erregen, aber feßmer, ihn beijulegen; baö ßnbe nidht
bloö er, fonbern and) fic jn bebenfen. „®cnn melcße Jöcmegung",
fd)reibt er, „müßte eö ücrurfad)cn unter ben Äricgölcutcn uon
§Ibel unb Unabel, and) jenen, mcld)c bic üöruft ohne ^arnifeß,
aber Doller Starben haben, menn ein fRcbncr mit ber Ä'raft cinc!?
^emoftßcnc^ ißnen Einfang, SJUttcl unb Gnbc biefeö |)anbclg
entmicfcln unb jeigen mürbe, mem cö babei um Gßriftug, unb
mein um ben Sieutel ^u tßnn gemefen . . Unb glaube nur, ju
jener Sdßaar ber ©tarfen mürben fieß aueß bic ^oeten unb §ifto^
riter gcfeHen, beren in biefer ßdt eine große ^Injaßl lebt, bie
mid) ai^ ißren ehemaligen iießrer, mie billig, eßren; fic mürben
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9}(U(^Itn’S „6farc 55rrflfntnu§" unb 5Tun0ern’§ Articuli. 147
ein fo großcö Unrcdjt, öon meinen gcinben an mir öeriibt, eroU
flcm ^Inbcnfen übergeben, unb mein unfd)iilbigeö Selben fc^ilbern,
eurer bot)cn ©c^ule unüergänglic^er ©c^mac^*)".
$iemit mären bie Untertjonblungen abgebrodjen; 9ieudjlin
lie6 uerfproc^enermagen feine „Slare Serftentnuö", b. 1;. feine
beutfd)e @rlQuterun9ßfd)rift erfc^cinen, bie Äölner aber gaben
ic^t ba§ ©rgebnig ber Xungern’fd)en ?ßrüfung beS 5Tugenfpiegelö
(Articuli sive propositiones etc.) lf)erouö. SBoran ftanb ein ©ebic^t
üon Drtuinu^ ©ratiu^, b. I). Drtroin be (SJrae^, ber, aus ber
münfterfeben ^iöcefe gebürtig, ju ®euenter unter Slleyanber
^egiuS, ber fonft beffere ©djüler ju j^ic^en pflegte, gcbilbet, je^t
an ber fölner §od)frf)ule bonas literas bocirte, unb ben nun bie
Xbeologen uoranfd)oben, um $ReucbIin gegenüber ju geigen, baß
aud) fie einen $oeten auf i()rer ©eite ()aben. 2)ie ©c^rift ift
bem Äaifer gugeeignet unb üon bem fc^on genannten Slrnolb üon
Xuugcrn mit aller ^ufgeblafenbeit eines t()eoIogifd)en ©d)ülaftiferS,
aUer 58erfcperungSfud)t eines Pfaffen, unb mit ber 93cfd)ränftl)eit
eines ülicnfd)cn abgefafet, ber im ©tanbe mar, gegen 9ieud)lin'S
auf gang anberm ®oben rul)enbe öemeisfül)rung mit ber 5Iutos
ritöt eines $übertuS unb 2^t)omaS ins gelb gu rüden. 3“ölcid)
mußten aber bie Kölner einen faiferlidjen 33efebl an alle ^Rci^S=
angebörigen, inSbefonberc oueb an ben franffurter iRatt), auSgus
mirten, baß ber §Iugenfpiegel, mo man ißn finbe, confiScivt merben
foöte; mäbrenb ^fefferforn gegen benfelben ein SibeÜ erfebeinen
ließ, baS fid) febon bureb feinen Xitel: „iöranbfpiegel" binläng*
lieb fenngcid)nct.
Sept fal) fid) aber aueß iReucblin Don jeber ^Rüdfidjt ent=
bunben unb überließ fid) gang bem ßuge feiner cbolerifcßen, gmar
bureb SBellbilbung unb Sllter gemäßigten, nun aber lange unb
empßnblid) gereigten Statur. @r fd)rieb eine „SSertbeibigung gegen
feine tölnifeben Serläumber^' bie er gleid)falls bem Äaifer gueig^
ncte. 5ioran fteßt als Summarium beS 53ud)S bie ©rflärung:
„9Beld)er feßreibt ober fagt, baß ieß obgenanntcr Xoctor in meinem
Sftatßfeßlag bie Subenbüeßer betreffenb, auS ©efeßl taiferlid)er
äJiajeftät gemaeßt, ßabe geßanbelt anberS bann ein d)riftenließer
1) 5)icfer ßnbet in ber Sammlung: Clarornm virorum
GpiKiolat» nd Uoticblinum, mouon batb me^r.
148
I. 33u^. 7. fiapitfl.
frommer erbar Sibcrmann, berfelb lügt alö ein ungloubl)afti9cr
leichtfertiger eh'rlofer Söömicht; beS erbeut id) mich ^u (Shren unb
9fted)t fürjufommen." ^ättc mau in feinem Gutachten etmaö ^liu
ftögige)^ gefunben, fo märe ber rechte 2öeg gemefen, ihn oor ber
gefammten Ä'irche ober bei feinem S3ifd)of ju oerflagen. 2)er i^eher==
mciftcr höbe feine 33efugni6, über <Etrcitfragcn innerhalb ber
Äirche, auch nicht über biogen Serbacht ber Äe^crei ju ridjten,
fonbern nur gegen entfehiebene unb beftimmt oerurtheilte Äe^erei
oorjugehen. ^od) aud) gegen oermeintliche iie^er habe man mit
©djonung unb 3Wilbc ju oerfahren, um ihnen mieber auf ben
rechten SGBeg ju h^^lfcn. ^arum freilich fei e^ ben Kölnern nicht
ju thun, fie moClen ihn nur oerberben. ©ie feien aber auch
feine mirflichen ^Ih^^ologen, fonbern 2^h^ologiften, bie fich, ftatt
mit ©rforfchung ber SBahrheit, mit leeren SSortftreitigfeiten ab=
geben. @in S^ubengönner fei er in feinem anbern ©innc, al^
mie ^äpfte unb Äaifer eö gemefen. @r mollc nur, bag fie fein
Unrecht thun, ober aud) fein Unred)t leiben. 3n ^^ungern'ö
©chrift inöbefonbere gnbet fRcud)lin mehr (Schmähungen alö
©rünbe, unb bie lehtern meiftenö auö feinen eigenen ©chriften
entlehnt, bem latcinifchcn 5lnl)ang beiS Slugenfpiegclg, unb
hierauf im „claren S5erftänbnig", hotte fReuchlin möglid)e @ins
mürfc gegen fein (;^utad)ten aufgcfteHt unb befeitigt: biefe hotte
ber SSerfaffer ber folnifd)en ©d)rift fid) angeeignet, aber bie ^2luf*
löfungen mcggelaffcn, unb ftatt bereit ein breitet theologifchcö
©cmäfchc hio^ugefügt. ®o brauchte alfo fRcuchlin fich Icbiglich
auf feine frühem Schriften j^u berufen. @in ^auptoormurf
feiner ÖJegner mar, bag er Stellen ber heiligen Schrift in einem
ihnen fremben Sinne angemenbet habe. 3ieuchlin ftellte in Slbs
rebe, bag er bieg gethan, aber auch ^oenn er eö gethan hätte,
bag eö unerlaubt märe. ®ie 5tirche felbft menbe manche Schrift^
ftclien, bag 9lcue ^eftament mand^c Stellen beg eilten anberg
an, alg fie urfprünglid) gemeint gemefen. So merbe bag §ohe
Sieb auf Shriftng unb bie itirche ober bie menfd)lid)e Seele ge=
beutet ; fo gebe ^aulug bem ^Itar in Slthcn eine anbere 3nfd)rift,
alg berfelbe mirfli^ gehabt höbe; fo führe 3Jiatthäug eine Stelle
beg !3eremiag an, bie gar nidjt fo in biefem ftehc. S3crfehlc hiebei
bie fpätere ^(nmenbung ben mörtlidhen Sd)dftfinn, fo crrei^c fie
bafür ben tiefer liegenben allegorifchen, melchcr bie eigentliche
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9lcud(inn’§ SJertj^eibißiinö. 149
§lbfic^t bcö §ci(igcu (5JeifteS beim (Sinc^eben jener 0c^riftfteHcn
flemefen.
®ocl^ nid^t bloS an @rünben, fonbern auc^ an 0c^impfreben
wollte 9?eud)lin feinen ©egiiern nic^tö fcf)ulbifl bleiben. S^ennt
er ben ^fefferforn ein fliftige^ Xf)ier, ein ©cfieufai iinb Un9cl)cuer,
fo bfißt er beffen tbeoloflifcbe (Gönner biffiqe ^iinbe, $ferbe nnb
9}?aiilefel, 2cf)Weine unb güctjfe, reigenbe &ölfe, ft}vifd)e Söwen,
ßerberuffe unb ^öüifc^e gurien. Sbrem gübrer, ?(rnolb oon
hungern, fteben ^ur ©eite ein b^tber 3ube unb ein b^l^Jcr §eibc,
toclcbcr ber ©ebrift fcblecbte ®erfe oorgefefet höbe: unb bicr ergebt
ficb ^Reucblin ttjeilö in einer fReil)e oon Sßortwiben im Ungef^maefe
ber tbeil^ b^^t er bic ©cbmaebbeit, bem Ortuin, weil er bie
9)^aria Jovis alma parens genannt b^^tte, alö über eine neue, im
^immet, auf @rben unb in ber ^ööe unerbörte Äe^erei ganj
fircbenuaterlid) ben ^ejt ^\u Icfeu; worauf er mit ber Slnflage
gegen 2(rnolb aU SSerläumber unb 5ätfd)cr ffbliefet.
^uf fRcudjlin'ö greunbe unb ©efinnungögenoffen mad)te
biefe ©treitfebrift einen uerfcbicbencn ©inbnid. 3n ber SSenoers
fung feiner (Gegner waren alle einüerftanben ; aber @ra§muö unb
'i^irefbeimer urtbeilten, 9^cud)lin bötte ein ©djeufal, wie ^feffer^
forn, nicht bureb feine ©ebriften oerewigen follen. ?EcbenfalI^,
meinten fie, bötte er eö mit weniger £eibenfd)aftlicbfcit tbun follen.
^em bebutfamen SJ^utian war befonberj^ baö bebenflicb, ba^
fRcucblin ber Ä'ircbe falfcbe ©d)riftauölegungen ©ebulb gab. Tag
er bhmit Jted)t \)abc, läugnete ber Älanonifuö j^u @otba nicht,
aber fRcud)lin b^tte biefe efoterifebe Sinfiebt für fid) behalten
follen. Ter Äircbc bürfe ein @lieb berfclbcn nidjt wiberfpred)en,
felbft wenn eö einfebe, bag fic geirrt b^be. löicteö fei oon ben
weifeften 3Jiännern erbiebtet worben, unb fromme Täufd)ung jum
gemeinen 33eften uncntbebrlid). 5lnbcrö oerftebe ber einfältige
Sefer, anberö ber @elel)rte bie ©ebrift. „Sn feinem Söege jeboeb
bürfen wir @el)eimniffe auöplaubern, ober bie 9Keinung ber SJfenge
erfebüttern, ogne bie Weber ber Äaifer ba^ fReid), no^ ber ^apft
bic Äircbe, nod) wir boö Unfere in bie £änge behaupten fönnten,
fonbern Slllc‘3 in baS alte Gbnoö jurüeffinten würbe. Tarum
lag unö ben üäterlicbcn ©lauben, gclcbrtcfter (£apnion, unb be*
günftige bie 3uben niegt fo, bag bu ben ©egaben tbuft.'^
Tegwegen urtbeilte aber SRutian bod), mügte einer gong roh
150
I. 7. Äapitel.
uub o^ne 3Jcrnuuft fein, um bem $Rcuc^Un nid)t mobtjumoflen,
beffen Slnfcd)tun9 er mit ber bcö ©ofratcö in eine S^ei^e ftellt.
0eine Sert()eibiöuii9 fanb fRcuc^lin @ele9cnl)eit im Suni
1513 ölei^lingen bem Äaifer jii überrcidjcn’unb ein StRanbat
bei U)m augj^umirfen, baö beiben Xi)ei[en ©c^tucicien ouferle^te;
aber fc^on einen 2J2ünat fpäter l)atten feine geinbe benfelbcn
Äaifer bal)in gebraeftt, baS er einen 33efd)t an bie r^einifc^en
@rjbifd)öfe, mie auc^ an ben Äc^ermeiftcr erlieg, bie fReuc^lin'fd^e
©d)u^fd^rift, mo fie fid) fänbe, meg^uneljmen unb ju untere
brüden. Unb nun manbten fid) bie Kölner, mie frütjer megen
ber 3ubenbüd)er gefegegen mar, megen fReud)(in'ö ^(ugenfpiegel
unb S3ertgeibigung um @utad)tcn an bie nambafteften Uniüerfü
täten, ^u benen fie bicgmal, ftatt beö nid)t miHfäbrig befunbenen
^eibelberg, nod) Sömen unb ^ariö fügten. S3on aUcn mürbe,
mit mehr ober meniger ©djonung gegen ben 93erfaffer, ber Slugen^
fpieget oerbammt; am meiften Stuffeben madbte i^ulept noch bie
©enten^ ber parifer X()cologen, bie nad) 44 ©ipungen am 2. ?luguft
1514 fi^ faft einftimmig babin aiiöfpracben, bag ba§ Sflcucblin'fcbc
S3ucb meg^unebmen unb ju oerbrennen, ber Sßerfaffer aber ^um
SBiberruf anjubalten fei.
9lacbbem bie tbeotogifdbc gacultät ju Äöln febon ein 3obr
früher über ben 2(ugenfpiegel baö gleiche Urtbcil gefällt botte,
forberte ber Äepermcifter §odbftraten am 9. ©eptember 1513
9ieud)lin auf, am 15., alfo fd)on am feeb^ten Xage nad) ber
^orlabung, in äJiainj oor feinem fRicbterftuble ju erfebeinen.
21 uf ben ^roteft beö Don fReudjlin gefd)icftcn ^rocurator« mürbe
burd) Sßermittlung beö main^ifeben ^omfopitelö ber tomin cr=
ftreeft, unb fo erfebien am Xage ^ionpfii, ben 9. Detober, fReucblin
SJiainj, in SJegleitung eine^^ ^)octorg theol. unb juris unb
eineiS abcligen Dberoogtö, bie $erjog Ulrid) =\u feinem öeiftanbe
Oerorbnet l)Otte. ^omfapitel machte billige SBergleicböOor=
febläge; ber ©rjbifcbof oerlangte ?luffcbub; fReucblin appeHirte au
ben $apft: ber Äe^ermeifter, ber bie SGöitterung eine^ ©ebeiters
baufeUiS batte, mar nicht mehr j^u halten, geierlicb jogen am
13. Detober bie Dominicaner auf ben fRid)tplap; oon Neugier
unb überbieg oon 2lblagocrbeigungen gelocft, ftrömte eine uner-
meglid)c SSolfiSmenge ^u; $od)ftraten nahm feinen fRicbterftubl
ein; febon mar ber ©djeiterbaufen aufgcfcbid)tct, unb eben foUte
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üDaS ®eri(^i }u ^Dlatn} unb bie fpeienjd^e Renten}. 151
baö Urt^cil Detlefen iuerben, iDelc^e^ ben §(ugcnfpiegcl jum geuer
Derbammtc: ba fam ein 33otc quö ^Ifdjaffenburg mit einem er^«»
bifc^öflid)en 53efel)le, ben er auf bem ^la^e Detlefen ließ, ftaft
beffen baö 3nquifitionöi]etid)t aufgehoben, baö meitete Setfahten
nntetfagt nnb fReudjlin'ö 5lppellation an ben $apft genehmigt
mürbe. Ätnitfdhenb Dot 2öuth trifte §ochfttaten ab, h^llc abet
halb hei'na^ bie ^eftiebigung, baft in feinem Äöln, auf ben ^nttag
cineö fehetmeiftetlichen ©ollegen, bet §lugenfpiegcl alö ein nach
i^egetei fehmeefenbeö, iubenfteunblicheö, gegen heilige Äitchenlehtet
unel)tetbietige^, ätgetlidjeö iöudb (am 10. gebtuat 1514) öffent*
lieh Detbtannt mutbe.
3Jiittlctmeile h^tte nun abet $apft fieo X., an ben bie,
5lppellation gelangt mat, bie 0arhe bem 33ifd)of Don 0peiet, bem
jungen ^faljgtafen (SJeotg, übetttagen, bet feinetfeitö feine ^om*
hetten, ben Dr. ^l)oinaö 2^tud)fe6 unb @eotg Don 0d)malbad),
ju feinen ©ubbelegitten etnannte. Untet bem 29. 2)^ätj unb
24. §lptil 1514 etfolgte il}t 0ptudj bahin, baß 9teuchlin’ö Slugeiu
fpiegel nid)t nad) Äejetei fdjmecfe, nid)t ätgetlich, nicht unchrets
bietig, nid)t all^u jubenfteunblich fei, baßet oerfauft unb gelcfen
metben bütfe; baß bagegen ^ochfttaten mit feinet SSetbammung
beffelben Unteeßt gehabt h^^t^e, ihm 0tillfd)meigen unb Äofteiu
etfa^ Don 111 gl. tl)etnifd)en ©otbeö aufetlegt, unb bei ©ttafe
besJ ^anneiS geboten fein folle, binnen bteißig Xagen fidj mit
Steuchlin ^u Detgleidjen. ‘
21 Hein ^ochfttaten, bet gegen ba« fpeietifd)c ©cticht gleich
2(nfang« an ben ^apft appellitt h^ttc, fehttc fich an ben 2lu«^
fptud) beffelben nidjt, unb fo fanb and) ?Reud)lin fid) Deranlaßt,
bie 2(cten nad) 9lom ^u fenben, mit bet iöitte an ben $apft, bie
Sad)e ohne Diel (^etöufci) unb Äfoften enbgültig entfeheiben ^u
mollen. ^iefe« ©efuch mat Dom Slaifct, Detfd)iebenen iiutfürften,
gütften, Söifdjöfen, Siebten, auch 53 fchmäbifdjen ©täbten untet«
ftü^t, meld)e fämmtlid) füt 9{eud)tin'« etbaulid)e« fiehten unb
öeben ablegten. Sluf ben neuen ^opft 2eo X. obet,
al« einen gteunb bet humanen 23ilbung, glaubte man bie beftc
Hoffnung fepen ju büvfen. ^ie il'ölnet inbeß, um fid) füt alle
gälle ^u beefen, beeilten fich, bie 511 ißten (fünften ausgefallenen
UniDctfitätSgutad)tcn mit einet (Sinleitnng auS bet gebet ißteS
Ottuin ÖJtatiuS im X>iucf ausgehen ^u laffcn.
152
1. $U(^. 7. jtapitel.
®er $apft ()attc bic <Bad)c bcm ()clcf)rtcu Sarbinal ©rimmii,
, Patriarchen üon ^quileja, übertragen, nnb btefer citirte nun ben
^ochftraten perfönlict) (n^oüon bei iReuchlin Umgang genommen
mürbe) nach iRom. ®er Äcfeermeifter fam, gleichfalls mohl empfoh»
len, mohl beritten, nnb maS bie §auptfacl}e mar, mohl mit ©olb^
ftücfen oerfehen: baburd) hoffte er mit Üieuchlin, ber, jeht ohne
^mt, oon feinen fpärli^en dienten lebte, fid)er fertig merben.
@S mar bereits eine 9^achgiebigfeit gegen bie 2)ominicaner, ba§
ber Papft nun eine Sommiffion oon 18 Prälaten ^ur ©ntfehei*
bung ber ©adje ernannte; bod) auci) in biefer fchien fid) bie
©timmung ju 9?eud)lin'S ©unften neigen, unb &co felbft
fagte 511 bem gelehrten g^orentiner PoggiuS: ©ei unbeforgt,
mir merben bcm aRannc nid)ts gefdjehen laffen.
tiefer fehmanfenbe @ang ber ©achc brad)tc allen Ueber^
muth unb alle iieibenfehaft ber Prebigennönchc in 33cmcgung.
©ie fehimpften auf ben Sarbinal ©rimani, fprachen oon bcm
Papftc mie oon einem ©chulfnabcn, unb brohten, auf ben
einer ihnen ungünftigen ©entenj, mit ber Berufung auf ein
ßoncil, ja mit offenem Slbfall oon bcm römifchen ©tul)lc. ^ud)
Pfefferforn fuhr fort ju j\ctcrn unb 51t' ht^cn; bcm „Pranb*
fpiegcl'' liefe er eine „©turmglocf" folgen, unb mic bie SSerbren»
nung feines 9lomcnSbruberS in 5aHc unlicbfamc SBcrmechSlungen
herbeiführte, nannte er fich auf feinem nächften Buchtitel „3. Pfeffer*
!orn ben man npt oerbrannt l)ol"-
9leuchlin feinerfeits jeigte, bei med)felnbcr ©timmung, bod)
im QJan^en feften SRuth- @r felbft Ocrglich fich einem cblcn
Pferbc, baS, menn auch fchon alt, hoch nod) muthig bleibt, @r
hatte einen tüchtigen ©achmaltcr unb thätige ©önncr in 9^om;
maS ihn aber am meiften erheben mufete, mar bie SBahrnchmung,
mie alle heß unb gut ®cnfcnben in ^)eutfchlanb unb Italien fich
um il)n fehaarten, feine ©achc als ihre eigene betrachteten, ihn
ihrer Pcrchrung oerficherten unb ihm ihre ®icnfte anboten. Um
p beurfnnben, melchc auSgci\cichncte geiftige ^^räftc unb einflufe*
reiche 9Jiänncr ihm jur ©eite ftehen, ocranftaltctc er im 3qI)^c 1514
eine ©ammlung Oon „Priefen berühmter ajiönner" an ihn, meldjc
im 3öh^c 1519 in neuer Stuflage mit einem anbern Xhcilc Oer*
mehrt mürbe, mo bann auf bcm ^mciten Platte baS „§ccr ber
%n:l()anblungen }u SRom. Stimmung in Xcutj^Ianb. 153
9ficud)liniftcn" öcrjcic^nct ftonb *). „?Reud)liniftcn imb ^rnoU
biftciV' imirbc baö gclbgcjc^rci ^tpcicr fcinblic^cn fiaqcr: cö mit
bcn crftcrn ju Ratten, lc^tcrc-i\u ücrad)tcn, ^alt für bic ©c^uU
bigfeit jebeö @t)renmannc^ ; ^Rcuc^linift, tuar. ^nrebe unb Untcr=
fc^rift in Briefen; ba§ einer ein guter fReucl)linift fei, mar bie
befte ©mpfe^Iung in ber bamaligen gelehrten fRcpublif. SD^erf*
mürbig ift ba^ @emeingefül)l unb bie SBetriebfamfeit in biefein
ßager. ®er ftillroirfenbc 9}ktian marb münblic^ mie fd)riftlic^
für fReud)tin; bie ^eutingcr, Sßelfer u. ?l. üermenbeten fic^ am
faiferlic^en unb römifeben §ofe für itjn; (5raömu^ empfal)! Ü)n
unb feine 0acbe bem ^apft unb ben ß^arbinälen. 53ei ©etegeiis
beit biefeö §anbctd, fann man fagen, lernte fiel) bie gortfd)ritt^=
Partei j^uerft aU gefcbloffcne 9Äacbt fühlen.
Unterbeffen j\og ficb bie gerid}tlicbe ^Serbanblung üor ber
,6ümmiffion ju fRom, unter immer neuen SBinfeljügeu ber Ü)iönd)ös
Partei, Sabre lang bi«- @nblid) am 2. Suli 1?>16 fanb bie
öffentliche 0d)lu6fibung ftatt, in melcber baö Urtbeil gefällt mer*
ben füllte. 2)er Sorfibenbe, ber et)rmürbige @r^bifd)of üon 9ta»
jaretb, gab feine ©timme für ben 2lugenfpiegel unb miber beffeu
Slnflöger ab, unb ihm folgten fömmtlidje iBeifiper, biö auf ben
Magister sacri Palatii, ben Dominicaner ©ploefter ^rieriai^, ber
hier an lReud)lin bie Stolle begann, bie er halb gegen fiutber
meiter fpielte. ©o mar ber ©prud) ^u Steudjlin'ö ©unften ge?
fallen, unb eö fehlte nur nod) beffen Serfünbigung. 2lber 2eo X.
fürchtete ben mächtigen ^rebigerorben boeb. @r moUte eö nicht
mit ihm oerberben unb ebenfo menig bie beutfeben gürften ermu^
tbigen, bie, mäbrenb fie fid) für Steud)lin oermenbeten, jugleid)
immer nacbbrüdtid)er auf eine ^Reformation beö päpftlicben ^ofe^
brangen. ©o erfolgte ein Mandatum de supersedendo, b. b*
1) 2)ie crflc ?lu§gabc bcn 5!UcI: Clarorum virorum — bic
jtDcitc öcrnicbrtc IlluBtrium virorum — Epistolae hebraicae graecao et
latinae ad Jo. Reucblinum etc. bem Sicuc^ItniftcnbCTjeid^nil ^anb @ro3*
mu§ al§ ,bcr gclc^rtcjlc 9Konnbc§ 3o^)rbunbcrt§“ oornn, bann folgten bic beiben
^belieben ü^uenor unb §uttcn, bifwuf ein cnglij^er ißif^of u. f. f., meiterbin bic
^cutingcr unb ^irdbftmcr, SJlution mit feinen jüngern gteunben 6rotu§, Sobon
unb (Sbetba^b, t^^i^aann oon bem %ufcbc, ^Sobion unb @(arean, Weinnebtbon
mit Ocfolombob unb ^opilo, jufommen 48 Flamen, worunter jebodb ein fdbon
borber mit bem eigentliebrn 9tamen bagewefener ^feubongmuS.
154
I. 7. jlapitcl.
bcr ^anbcl stüifc^cn ?Rcud)lin unb bcn itölucrn nmrbc nic^t cnt^
fd)icbcn, fonbcrn niebcrgcfc^laj^cn.
2)oc^ auc^ bicfo‘5 fc^on luar ein ©leg bcr gortfd)ritt#partci.
9?cud)lin c|inn auö bem fcd)öjäi)rigcn j^ampfc jiuar mit fd)mcrcn
5iennö(\en^l)crluftcn burd) bic ^ro^efdoften, bic er fdjoii 1515
auf mcl)r aiö 400 ©olbflulbcn anfd)lufl, aber mit bcr ©lode eiltet
geretteten ÜJ?ortl)rerö t)crt)ür. §od)ftraten, nac^bem er ftc^ noc^
ein 3iat)r lauß, eine ©ntfd^eibnnc^ feinen fünften ^cr^
bci5ufü()ren> in 9^om auffld)alten, sulcht unücrrid)tetcr ©ac^e
unb atö ©egenftanb beS §affed nnb bcr SScrac^tung aller Sßof)U
bentenben nad) §aufe. ©c^riften erfdjicncn jur SBcrf)crrlic^ung
bcö erftern, ^ur ^erfpottung feiner SBibcrfac^cr. ^er burd) @e*
lef)rfamfeit, 9?eid)tf)um unb f)o()c bürgerliche ©tellung gleid) auö^
ge^eid)netc Söilibalb ^^5irdl)cimcr , nürnbcrgifd)er ©enator unb
faifcrlid)er fRatI), fc^idte feiner latcinifd)en Ueberfehung non £ucian'ä
5ifrf)er, bic im 3ial)rc 1517 crfchicn,, einen ^rief jur S^ertheibi-
gnng fReudjlin'ö oovauö, in lucidjem er fid) beö ebnoürbigcn
ÜJ^inneö mit ebenfo oiel SBärinc al^ SSürbc aunahm. ^^Rid^t^l
mar mehr übrig, befter unb ocrchrtcr (iapnion“, fo rebet er ihn
am.©d)Iuffe an, „maö ^u bem ^ollmaße beincr Xugenbeu hin^u»
treten fonntc. ®ic hbchftcn ©h^enämter hntteft bu oermaltct.
@in £cben h^tteft bn geführt, mie cö bic 33eften fid) nur mün^
fehen mögen. Stuf bid) h^idc bic 9iatur alle il)rc @aben gehäuft :
burch reid)c ©clehrfamfcit hiidcft bu bid) auöge.^eichnet ; bie latei-
nifd)e ©prad)c hödeft bu geförbert, bic gried)ifd)c beinahe i^uerft
in 2)cutfchlanb cingeführt, bic hebräifchc mit feltcncm ^leigc i\u
allgenidncr 53emunberung gelernt ; Diele unb nicht gemeine ®ciif=
male bcincö (^ieiftcö h^tteft bu aufgcftclit; mit fo zahlreichen unb
über mcnfchlichc^ S3crftäubni§ fchmicrigcn ßeiftungen h^ltcft bu
beinen Sauf oollcnbct: unb nur bail? Sine mar nod) übrig, bag
burd) eine auögczcid)netc Söibcrmärtigfcit bic @rö§c beiner ©celc
geprüft unb mie baö (5Jolb im geuer bemäl)rt mürbe, ©iche, ba
hat fid) bir eine trcffli^e (Gelegenheit geboten, um Don beiner
. ^apferfeit, ©tanbhaftigfeit unb ^echt[d)affenheit bic fd)önftc ^robe
abzu legen."
Sefonbere Xh^dnahme erregte bei* fReud)lin’fd)c §anbcl gleid)
Don Einfang in bem engem Greife, bem Ulrich Don §uttcn an=
gehörte. Äeinem ging basi ©d)idfal bei^ h‘^d)Dcrbienten ai^anncö
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*5)08 ®cbi(^t: ^Qpnion’S Iriump^.
155
näl^cv, alö ^utten’g älteftcm grcunbe (Erotuö Ülubianiiö. Äcinor
uerfic^crtc bcnfclbcn trcut)erjic^er feiner ^erel)ruiu^ unb ßiebe, alö
(£obau §effc. ber ibm ja feine (Srnennnn^ -\nin ^icf)tcrföni(^ Der*
banfte^). S^iemanb fprad) fid) fdjävfer j]eflen iHencbün’ö Sä^iber^
fad)cr anö, alö ^nttcii'^ ,@önner, ©iteÜPülf üom 0tein. Sßie
hätte ba Ulrich nnerrec^t bleiben fönnen? tuar nicht mehr
bic äufäUieje örutalität jmeier holbcjebilbetcn (^elbnmnner hinten
an ber Oftfec (^eßcn einen armen ^oeten; nid)t bie ©rmorbunfl
eineö unbcbcutcnbcn Sßetterö nnb ©tanbe^^enoffen burd) einen
Icibcnfchaftlidjen gürften : hier mar ein planmaßic^cr, burd) (jemals
tige i^räftc untcrftü^tci* 93crfud) ber 9^tüctfd)rittöpartei, in einem
ber 53orfämpfer ber 33ilbung unb ©ciftcöfrciheit alle^^ baöjenige
^u unterbrüefen, mag auch für §uttcn ba^ ^nar.
Hlö Jütten in 3)iainj jnm erftcnmolc bic 'ik’fanntfd)oft
bc$J @ra<Smuö machte (eö mar üor feiner ^^meiten D^teifc und) Italien
im 3ahre 1514), jeigte er biefem ein ölebid)t, fHenchlin v Irinmph
betitelt. (SraMus fanb bie ^^rbeit hübfeh, bod) rebetc er .*putten
ju, fie Porerft nod) nid)t bruefen ^u laffen, um nid)t burd) ben
üorjeitigen Xrinmpl) tl)eiU jum Spott ?(nla§ ,yi geben, tl)cilsJ
ber noch fchmebenben Sad)e 9tcnd)liirö ^n fd)aben. ^afe baö
©ebicht, mcld)eö il)m hi^^’V §utten )icigte, biefen felbft ^nm ^i^cr^
faffer gehabt h^be , fagt ©raömniJ einmal ainibrndlid). @in
anbermal aber fchreibt er barüber an $utten fo, baji man an
mehrere S^erfaffer benfen möd)te*). 3m 3nh^''' 1517 fd)eint bic
^crau^gabe im SBerte gemefen jn fein ; mirflid) erfd)ien Ci5 aber
erft ju @nbc beö folgenben 3nl)rei5 unter bem erbid)teten Spanien
eine^ @lcuthcriud 23päennö®).
Um bicfelbc* 3cit ungefähr, ald ,'pntten bem ©ra^Mu^i ben ,
Triuinphus Capnionis oorjeigte, fam and) bem ältutian ein (iJes
bicht, unter bem gleid)en 2itel nnb in berfclben 3tid)tung ge^
1) 3)ic ®rie|e biejer ^Wänncr an 5Keucf)lin finben fict) in Illustr. viror.
Opiat, ad Ucuchlinum.
2) 2ln bem Briefe öom 23. 9IpriI 1519, ^uttcn’8 Sctiriftcn I, S. 261.
3)ie onbern 9feuf;erunocn finben jtet) in jetner Spongia, ^utten’S Sctiriftcn II,
©. 274. 318. 376 ff.
3) Triumphua Doc. Rouchlini . . . Enconiion triunii)hanti illi . . .
a>) Eloutherio Byzono decantatum. r^uhen’S Stbriften III, 0. 413—417.
I)aS ®or* unb 91o(b»ott cbenbaj., I, ©. 236—238.
/
156 I. 7.
fc^ricbcn, ju. trug aber ftatt ©Icut^criu^ 93^jcnuö ben 9iamcii
eincö Slcciuö S^cobiui^. Unb alö ioa()rcn SSerfaffer nennt SWutian
nic^t , Jütten, fonbern ^ermann üon bem iöufc^e; üon Jütten fei
nur ein ©piciramm au^ bem ©tegreife babei gelnefen *).
• ^ennann non bem '^ufd)c, etma ätnanjig 3af)re älter als
Jütten, mar burd) ßebenSart unb 0c^icffale in mancher ^infic^t
ein Sßorbilb non biefem. @inem eblen mcftp^älifdben (5Jcfc^lec^tc
angc^örig, ©d)üler beS ?llei'anber $cgiuS in ®cüenter, bann in
Stalicn meiter gebilbet, mit iRubolf §lgricola, fRubolf Sange, bem
©rafen ^ermann uon S^uenar unb allen S3orfec§tern ber neuen
Stiebtung, mic fpäter auc^ mit §uttcn, innig befreunbet, mar er,
beftänbig auf fReifen in ^eutfc^lanb, grantrcici^ unb ©nglanb,
ein mal)rer 9Riffionär beS Humanismus. 2öar er üon einer Uni*
uerfität burc^ ben S^teib ber ^rofefforen t)om alten ©c^lagc uer^
trieben, maS il)m in Äöln, Seip^ig, iRoftoef, jum Xpeil mieber*»
polt, begegnete, fo manbertc er an eine anbere, laS über grie-
d)ifd^e unb römifd)c 0d)rtftfteHer unb führte beffere 0d)ulbüc^er
ein. ©eine @mpfe()Iung bcS ®onat, als einer auc§ für berühmte
Uniuerfitäten nod) l)öd)ft nöthigen Seetüre, fanb ber ^rofefforen^
Hod)mutl) beleibigenb. gür feinen roftoefer Sßiberfacher Xilemann
Heuerling finb bic 53 ©pigramme feines Oestrus ein ähnliches
^)enfmal, mic H^dtcn’S Querelen für ben greifSroalbcr Bürger*
mciftcr unb ^rofeffor. ©eltfam, bag bei bem §luSbruchc bcS
fRcuchlin’fdjcn ©treites 33ufd) fi^ h^H^ beftimmen laffen, bic
©rhrift 5lrnolb’S üon hungern mit einem ©pigrammc gegen 3u=
ben unb 3ubcngönncr ju jieren. ©r h^t eS fpätcr genug bereut.
9Rutian fd)reibt im 3ahrc 1514, 33ufch höbe eine ^ßalinobic gc^
^ fungen, unb ftehc mit fReuchlin gut. ScptcrcS erhellt auch auS
einem 33riefc in ber fReu^lin’fchen ©ammlung, aus ber 3^it als
Hochftraten in IRom mar, mo 3iufch als ber märmfte Slnhängcr
9^euchtin'S fpricht. Ob jene ^alinobic eben ber Triumphus
Capnionis bcS SlcciuS SRcobiuS mar? unb ob bieg bcrfclbc Tri-
umphus mar, ber jeht ben 9^tamen ©IcuthcriuS öp^^enuS trögt,
ober ein anbercr? ©rftcrer foll üon einem H^dten’fchen ©pi*
gramm begleitet gemefen fein: Icptcrcr h^l profaifcheS SBor^
unb S^adjmort, ganj in H^dtcn'fd)em ©Jeift unb ©tilc. ^iefe
1) 5)ic 3Kutianijd^cn j. in ^utten’S Schriften I, @. 31 f.
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S)a§ 6Qpnion’§ $nump^.
167
felbft fonnte ÜJ?utian nic^t füglic^ ein ©pigranim nennen: aber
löä^renb ber 3öt)re, bie jiuifc^en ber Slbfaffung unb bem ^)rncf
vergingen, fonnte, neben anbern Umarbeitungen, and) ba^3
granim mit ^toei ©tüden in $rofa üertaufc^t morben fein. (Soban
§effe f)atte ben (banbfc^riftlic^en) Xriumv^ beö ^Icciusi 9fleobiu§
feiner ßcit üon SKutian alö eine §lrbeit ®ufd)'ö mitgct^eilt er*
galten: unb bod), mie er nun burc^ ben erfnrter ^uguftiner So^
f)onn Sange unfern gebrudten ert)iett, mar er nur einen 5(ugen«
büd 5meifel^aft; fobalb er fid) tiefer ^incingelefen fjatte, glaubte
er §utten’ö ©d)i*eibart fieser p erfennen, unb fdjmur barauf,
baß baö ©ebidjt oon biefem fei. ©ntmeber mar eö alfo ein an=
bereit, alig baö er früher gefel)en ßatte, ober er ßielt 3Jiution’§
Eingabe, baß eö oon ^ermann isöufd) fei, aii!§ innern ©rünben
für irrig. (Sbenfo fanbte 2Jielanc^tl)on ben Triuinphus an ©pa-*
latin alö ein feiner 2Jkinung nad) ^utten’fc^eö ©ebic^t. ©o ift
er auc^ in bie ©ammlung §utten'fc^er 2)ic^tungen oom Stifte
1538, bie man oon @oban oeranftaltet glaubt, aufgenommen,
nnb 3oacßim Samerariuö, ber §utten unb öufd) perfönlic^ fanntc,
fdjreibt il)n bem erftern ju. ^aä fRcuc^liniftenoer^eidjniß oor
ben ©riefen berüljmtcr SDMnncr an fRcuc^lin refpectirt baä 3n^
cognito beö ©erfafferö, unb füf)rt ben ©leut^eriuö ©l^jenuö al^
befonbere ^erfon neben ©ufd) unb Jütten auf.
^aß nun baö profaifd^e ©or^ unb S^tadpoort beig ®ebid)t§
mirflid) oon Jütten fei, fann feinem ß^^ifel unterliegen, ^ic
©l)ctorif ift, menn mir ä^nlic^e Slrbeiten .^utten'ö, 5. ©. bie
Sieben gegen $erjog Ulrich, oergleicßen, ganj biefelbe. §lucß
bie gleidjen ©djlagmorte ßnben fic^ , bie §uttcn fonft ge^
läußg finb: baß ^eutfc^lanb enblid) Slugen befommen l)abe,
baß bie 2:i)eologiften fic^ ßängen foUcn, unb befonberö, baß ber
Söürfel gemorfen, ber Äcrfer burc^brod)en fei. ®ie 5^eube über
baiJ (Jrmaeßen ber ©cifter, über baiJ rege Seben in allen 3meigen
ber Sötffenfdjaft, ift ßier ebenfo ^uttenifd) empfunben unb au)^
gebrüdt, alö bie ^roßung mit me^r beim jmanjig jum ©erberben
ber Xl)eologiften ©erfc^morenen, unter benen er nic^t ber oor«
jüglic^fte, aber ber ungebulbigfte fei, bem ©itter oollfommen äljii«
lid) fiel)t. X)a^ entfdjcibenbe ^utten'fc^en Ur«
fprung biefer ©eilagen aber liegt in ber burd^ge^enben, ftcHen«
meifc mörtlic^en, parallele, meldje ^mifdjen bem ©ormorte jum
158
I. $ud^. 7. ftoptiel.
Triiimphus Capniotiis unb einem ©d^rciben ^utten’8 an ben
©rafen ^ermann Don S^lucnar in berfelben Slngelcgenbeit ftatt*
finbet ‘).
3n bem l)ejamctrifc^cn ÖJcbic^tc fclbft ift üor adern ber oft
n)iebcvfel)rcnbc Sflefrain :
3au(f|jc, ttjofern bu bi(^ fciber erfennft, o jaud^je, mein S)eut|4iIonb !
bem §utten’fd}cn (SJebanfenf reife oermanbt. ,2)af3 eö 5)eutfd}lanb
an ni^tiä fc^le alö an ©dbftfcnntniß, am 53emuj3tfcin feiner Ä'raft
unb be^ SUdßbrauc^fä , ber oon einer auölönbifc^en ^ierard^ie mit
it}m getrieben merbe, ba^ fprid)t .g)utten an Dielen ©teden faft
mit ben gleichen S53orten auö^j^ 8fleud)lin’)^ ©erbienfte um
bie bcutfd)e Salbung merben ^icr mit benfelben Huöbrücfen, mic
fonft Don . Jütten, bezeichnet®); ber Subei beg ^riumpl)zuge^ Z“”'
Xl)cil mit benfelben 33ilbcrn mie in bem ßobgebicht ouf ben @rz^
bifdjüf 5llbred)t Dorgeftedt ; bie armen ©ünber treten in berfelben
Orbnung unb znm Xl)eil mit benfelben ^4^räbicaten tuic in §utten’iS
gürbitte bei bem (Sarbinal ^brion auf; bie beiben Pfarrer, $eter
ajiehcr in granffurt unb !öartl)olomäuS 3<^()cnber in 3)^ainz, bie
befonbern ©egenftänbe Don ^utten’sS äBibenoiden, finb thcilmeife
mit ben glcidjen 5luöbrüden lüie in einem §utten'fct)en Briefe gc'
fchilbert^); bie ^^bfclpoeifung auf SSenebig unb benXriumplj, ben
eö geben mürbe, menn bem Äaifer beffen ^emüthigung gelänge,
tann an ben Jöerfaffer ber §lufmahnung gegen S^euebig unb ber
1) Sgl. bie beiberjeitigen StcIIfn in ^ulten’S Sd^riften I, ©. 236 §. 2
unb 3 mit ©. 166 §. 2 unb 3; ©. 237 §. 5 unb 6 mit ©. 166 §. 11 unb
167 §. 13. 3)aju bie ©teilen üom ©tritt in bem Dtod^mort jum Triumphus,
©d^riften I, ©. 237 unb 238, unb in bem ©enbiebreiben on ißiretbeimer, ebenbaj.,
©. 217. HDcnn einer früher geäußerten ^ermutbung jufolge bie Steifebejebreibung
bc§ M. SBilbclm fiamp in ben Epist. obscuror. viror., II, 12 bie IKoute non
^utten'3 gmeitcr italienifcbcr Steife gibt, fo bitten mir noch ein meitcrcS @r>
tennungSscidben. ^enn fomobl ber IBorrcbner als ber IBrieffteller tooQen in
Italien — leßterer gibt Bologna an — mit §o(bftratcn jufammcngelroffen fein.
2) Bton oergleicbe mit bem oben angeführten 9tefrain beS @ebid()tS bie
BrieffteOen an 3ul. Bftugf, §utteu’§ ©tbriften I, ©. 185 §. 4; an ©renbergt,
ebenbaf., ©. 259 §. 10.
3) Bgl. mit v. 965 f. bcS ©ebitbtS §utten’§ Brief an ©erbel, ©d()tipen I,
©. 106 §. 6.
4) Bgl. mit v. 772—841 ^utten’S Brief an ben @rafen ^ermann Don
9luenar, ©tbriften I, ©. 165. 166.
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'DqS @cbid^t: Capnton’§ ^riump^.
159
(Jpigrammc an SWoyimiltan erinnern. ®ie ettnaö ^enfermägige
^^antafie, bic fic^ in ber löcfc^rcibung ber üon ^fefferforn üer^
bienten dualen funbgibt*), berechtigt unö Icibcr nicht, bie^lrbcit
Jütten ab^ufprechen ; währenb boö über iöufd) auögefprochcnc
Sob*) hoch gar ju plump märe, menn biefer fclbft eiS fid) gejpcn-
bet höben foHte. Son ben geplcrn gegen bie $ro)übie im Tri-
uniphus höl Won (Süban bie größere Sln^ahl ben Sehern jur
ßaft gelegt 3); maö auch fö nod} auf 9technung beö SSerfafferö
bleibt, ift menig mehr alö maö mir Jütten mie überhaupt biefen
9tenaiffance*^üeten auch fonft nadjjujehen haben. ^Demnach mirb
baö ©ebicht, mie e^ üorliegt, für^utten'ei Arbeit ju halten fein;
ob er bie oon iÖufch mit ber feinigen oerfchmoljen ober gan^ bei
©eite gelaffen, ober ob eine foldje oielleidjt gar nicht eyijtirt habe,
möchte fchmer ju entfcljeiben fein.
©emö6 bem Xitel (bieji ift in turpem Umri§ ber 3nl)alt beö
(yebid)tö) mirb bem alö ©ieger über bie ©ophiften, b. h- öic
theologifchen ©cholaftifer, heimfehrenben 9teud)lin in feiner ^ater=
ftabt ein feierli^cr (Sii^ug, nadh 3lrt eineö antifen Xriumph^,
bereitet, ©ein Sftuhm gehört Xcutfd}lanb, in befonberm ©inne
jeboch ^forjheim unb ©chmaben an, meldje baher 5ur ^erherr^
lichung feincö Xriumph^ oor anbern berufen finb. Xer ^iila^
biefer 5cftlid)feit ift fein ©ieg mit leiblid)en, jonbern mit geiftigen
SBaffen: unb nun mirb ber Xhatbeftaub beö ©trcitcij jmifchen
fHeuchlin unb ben Äölnern, bie Xrefflid)feit unb baö Jßerbienft
be^J erftern, bie Xollljeit unb öertoorfenheit ber Ichtern, audein*
anbergefeht. Snöbefonbere mad)t fid) ber Unmille über bie ^rebiger«'
mönche, ber in jenen 3al)ren oufö höd)fte geftiegen fcljien, hoch
halb au^ ißeranlaffung ber Xe^cl unb ^4^rteriaö noch h^hcr fteigen
foUtc, au^jführlich iiuft, unb e^ merben auiä ihrem ©ünbenregifter;
olö befonberö fd)mere 5äUe, hier mie in einer S^eihe $utten'fcher
unb anberer ©d)riften jener Qc\t, bie Vergiftung beö Ätaifcrö
^einrid) VII. burch eine $oftie, bie betrüglichen (Srfdjcinungen
unb V^unber im Xominicanerflofter 511 Vern unb cinigeö ^^lehn^
liehe angeführt, ©ojort eröffnet fid) burch bie mit Üaub unb
1) V. 704—735.
2) V. 678 I
3) 9ln 3o^. Cangc, i^uttcn’s 8<^riften I, ©. 240.
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ICO
I. Sud^. 7. j^Q)>ltet.
ölumen beftrcutcn Strogen unb 5n)ifd)cn fcftlic^ Behängten Käufern
ber SSoron Werben bic Sßoffen unb bte @ö^cn ber UeBer^
wunbenen getrogen: jene^ fopBiftifdje Schlüffe unb 33ewcife, cr^
taufte Xitel, Blutige griffet, S^citer^oufen im ^BBilb u. bergl.;
bicfcö bie üier Ungetl)üme: ^IbcrglouBe, iöarBorei, Unwiffen^cit
unb 9^cib, üon benen eine obfd)rccfcnbc Öefc^rciBung im oUegoris
fc^cn ©cfc^mocfc gegeben wirb, hierauf folgen in^^etten bic Be^
fiegten geinbe: üoron $ocl)ftratcn, ber geuermonn, ein onberer
ß^ocuö unb Xi}pl)ocuö, ber geuer frigt, geucr fpcit, unb beffen
onbereö Söort: inSgeuer! ift; bonn ber trunfene, neibifc^c Drtuin,
ber el)rfücBtige, fc^einljcilige Slmolb oon Xungern, ber guboö
^fefferforn, gegen mcld)cn berXic^tcr ben genfer ^erBeiruft, i^n
^u ocrftümmeln unb an ben gügen ju fc^Icifen ; cnblic^ bie fRcuc^'
linsfcinbc ju ältoinj unb gronffurt. 2luf bic befangenen folgen
Opferftierc, bann 9Äufif unb Sänger, bie ein ßoblicb auf (Sapnion
anftimmen; enblic^ ouf einem mit allerlei eblcm ©efträue^ unb
iBlumcn gegierten lilBagcn bic ebrwürbige ©eftalt be« Xriumpl^atorS
fclbft, bie grauen Schläfen mit ßorbecr unb @pl)cu ummunben,
ben ^ugcnfpicgcl in ber rcdjtcn unb einen De^mcig in ber Unten
^anb; jum 53efc^lug, gleichfalls Betränkt, bie Schaar bcrfRechtS* •
gelehrten unb^octen, bic er alle Oom Untergang, ber au^ ihnen
oon ben Xuntclmänncrn jugcbacht mar, Befreit hot. X)er ganje
Xriumphäug ift in ber öltcftcn SluSgaBc burch einen ^oljfchnitt
anfchaulich gemacht.
SBie aud) immer Jütten an biefem Xriumphgefange Bctheiligt
fein mag: auS feiner Seele ift er jebenfaUS gcf^ricBcn. 9Wit
regfter Xheilnahmc, im Söechfcl jmifchen Hoffnung unb gurcht,
mar er möhrenb feines jmeiten 5lufcnthalteS in gtalien bem fchman*
ienben bange bcS fReuchlin'fchen fßroceffeS gefolgt. ?luS fRom
fclBft hotten mir unmittelBar teinc 9tachrid^t oon il)m, menn mir
nicht, moOon Balb mehr, fo manche S^otijen im jmeiten Xheilc ber
XuntelmönncrBricfe bafür nehmen mollcn. 2Bic genau er fich
aber bafclbft um alles jenen ^anbcl iöetreffcnbc ertunbigt hotte,
fchen mir barauS, bag er, taurn in Söologna angetommen, bem
SÖabian oon HUem S^tadjricht gab, maS mährenb ber lebten üRonate
ju IRom in ber Soche fReuchlin'S ocrljonbclt morben. X)ie SluS'
fichten maren bomals günftig: auch on SflitolauS berbcl fdjricB
Jütten aus Bologna unter bem leptcn guli 1516, bic fRcttung
^utien an dtrut^Itn.
161
fei na^c, ^oc^ftratcn ^abc mit ben unge^cucnt ©ummcn, bie er
uerfc^menbet, nic^tö auögcric^tet. Sim 9. 5luguft fc^rieb er an
9licl|arb ©rocuö nad) ficipjig, bag bie ßomnüffion über iRcud^lin’^
0ad)e ücr^anblc, unb man täglich ben ©prudj ermarte, ber alö
eine ©ntfe^eibung nic^t bloö über 9tcud^lin, fonbern über bie ganje
l^umaniftifc^e Sflic^tung anjufeljen fei. (5inen 9Konat fpätcr gaben
i^m feine greunbe auö 9lom immer noc^ gute Hoffnung; aber er
fürchtet aufö neue ben @influ§ besJ 0opi)iftengolbeö, ba er bie
ÖJelbgier unb ^eftec^lic^feit ber römifc^en Höflinge fennt. @r
münfd)te bie Gac^e einmal entfe^ieben, um nic^t länger jroifc^en
gurc^t unb Hoffnung fc^manfen ju müffen^).
$atte (Svaömuö für 9leuc^lin bei bem $opft unb bem
©arbinal ©rimani ein gute^ Söort eingelegt, fo manbte fic^ Jütten,
mie cd fc^eint um biefe ßeit, menn nic^t fc^on mäl)renb femed
Äufent^altd in 9tom, an ben Sarbinal ^brian, ber fpäter Seo’d
9tad)folger auf bem päpftlic^en (Stul)lc gemorben ift. 3)er redjt==
fc^a^cne, aber befc^ränftc unb fc^olaftifc^ gebilbete SD^ann mar
nic^td meniger ald ein ©önner ber ^umaniften, einige 3a^rc
fpäter finben mir in einer bem fRcuc^liniftcnfreifc ange^örigen
Satire il)n gerabc^u ald geinb aller miffcnfc^aftlid)cn SDiänner
bcjeic^net; bod) l)üfftc i^n Jütten ald 2)eutfc^cn (9ticbcrlänbcr)
für ben angefod)tenen beutfc^cn ©elc^rten geminnen ju fönnen.
2)ad elcgifc^e ©ebiebt, bad er an il)n richtete fann man, mad
bie ßeiebuung non 9teucblin’d Sßerbienften unb ber Sßermorfenbeit
feiner SSerfolgcr betrifft, ald einen Slud^ug aud bem Triumphus
Capnionis betrachten. Söirfcn tonnte cd begreiflich nichtd; bafür
mar ed }^u fehr an bie falfche 5lbrcffc gerichtet.
@ar j^u gerne mürbe Jütten in biefer geit öftevd an fReuchlin
gcfchriebcn, ihm bie 9Rad)richtcn über ben (^ang feined ^roceffcd
fclbft mitgctheilt, il)n feiner unmanbclbarcn Verehrung unb %i)ciU
nähme mieberholt oerfichert haben. ?lber Ütücffidjtcn auf IRcuchlin
fclbft oerbüten cd. @d mar bamald in SBürtemberg eine Qdt bed
politifchen Slrgmohnd, ber ^ochnerrath^proceffc, unb bereitd mar
1) S)iejc Briefe f. tn ^utten’S 8(t)riftcn I, S. 104. 106. 124—126.
2) S4iripcn I, 6. 138 — 141. %I8 2)cutjd^cn tonnte er nur biejen Don
Utrecht gebürtigen , ni(^t ben anbern Sarbinal ^abrian au8 t^orneto, ber aOer«
bingg 9teu(tiltn gUnftiger uar, oorjteüen.
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1G2
I. 5Bud^. 7.
aud^ 9?cud)lin bei bem ^erjoq* tjerbäd)tigt tvorben. @r ()attc
auf bem fRat^^aufc ju Stuttgart an öcfprcc^ungen t^eilgenommen,
iüclcbe ben Snjcd batten, ba$ Sanb gegen bie üerberblicben folgen
non Utridj’ö ungeftümem ^t)un, n)cnn e^ fein müßte bnreb beffen
jeitmeitige (Sntfernung Dom fRegimente, fieser ju ftellen. Sßäre
nun überbieß ein 33riefmecbfef ämifeßen ißm unb bcö ©erjogiS
feinbe Jütten entbedt morben, fo ßätte baö für 9ieud)lin bie
übelften ßaben tonnen. So fd)ineriilid) cö für Jütten
mar, fo fügte er fid) biefer 9iücffid)t bodj, unb beiberfeitige greunbe
Übernaßmen feine ©rüße unb 9iad)ricßten on ben oereßrten
2Reifter gelangen ju laffen '). Einmal jebod), ba ißm fReueßlin
felbft, unb in gebeugter Stimmung, gefeßrieben ßatte, glaubte er
ißm and) felbft antmorten 50 füllen, ^ie boößafte ©inflüfterung
berÄt^ölner, menn er oor (Sntfeßeibung berSadje ftürbe, mie leidjt
ißn bann feine geinbe noeß unter bem Soben alö Sicher üer^
bammen tönnten, ßatte boeß ©inbruef auf ben alten 9Rann gemadjt.
„Sei beinern £eben", feßrieb ißm nun Jütten am 13. ganuar
1517 auö Bologna, „bei beinern ßeben, unb menn unS beiben
etmaS nod) tßeurer ift, befdimöre idj bid): gib feinen trüben
5lßnungen fRaum. SBaö min boö fagen: SBcnn icß halb fterben
füllte? £aß bir beine eigene SCugenb barauf antmorten. . . S55er
fo gelebt ßat, ftirbt nießt. Urib ma^ bu beinen gaßren nod) ßin=-*
jufügen mirft, ift reiner (^leminn. ®e§ IRußmeö ßaft bu genug.
Silod) bei £eben ßaft bu folcße wber bieß ücrnommen,
mie fie Söenigen naeß ißrem ^obe j\u Xßeil merben, unb bift felbft
unter beiner 9^acßmelt gemefen. mieß betrifft, fo glaube icß
meinen @ifer für bidj feßon babureß ßinlänglid) beloßnt, baß icß
mieß öffentlicß ju ben fReud)liniften ge^äßlt feße. 2)arnm faffe
äRutß, tapferfter Sapnion. SSiel üon beiner £aft ift auf unfere
Sd)ultern übergegangen, ßängft mirb ein 33ranb üorbereitet, ber
5U reeßter ßoffe icß, aufflaminen füll. 2)icß felbft ßeiße id)
rußig fein, gcß gefelle mir fül^e ^enoffen ju , bereu Sllter unb
SSerßältniffe ber 3lrt beö Ä\impfe)$ angemeffen finb. Salb mirft
bu baö fläglicße ^rauerfpicl ber 2Bibcrfad)cr üün einem lad)enben
$aufe au^gejifd)t feßen. 2)amit geße icß um, mäßrenb bu ganj
1) SBrtef on ^ird^eimer, I, 136. ^ird^eiimt an ^utteUi ebenso!.,
S. 137.
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Jütten Ubrr Steud^Iin on ^irdf^eimer. 163
Slnbcrcö Don mir üermutr^cft. 2)cnn tücnn bu richtig Don mir
bäd)tcft, fönnteft bu mir nic^t fc^reiben: S3crlaffc bic ©oc^c bcr
SSäü^r^eit nid^t! fie ober bic^, i^ren gü()rcr, Dcriaffen? kleine
gläubiger Sapnion, loie menig fennft bu §utteu! S^ein, menn bu
fic l)eute Derliegeft, mürbe icl) (fo Diel in meinen Ä^röften ftünbe)
ben Ä’rieg erneuern, unb glaube nid)t, bog idj für mein Untere
nel)mcn untüchtige ©ehülfen Ijobc. 2Wit foldjen ©enoffen um#
geben fd)reite ich einher, Don beiten jeber (Sinjelne, bu barfft c3
glauben, jenem ©cfiubel gcmachfen ift. (Sapnion’ö ^reiö (im
Triumphus?) mirb Don SJ^unb ju SKunbe fliegen, ^arauö mic
ouö §luberem mirb bir hohe*^ Söb ermachfen, mährenb bu ruhig
außer ber ©efaßr bich höilfl- moHt' id) bir ni^t unange^
jeigt laffen. £cbe mohl unb erhalte bich für unö frifd)'"^).
Sin ^irefheimer aber, bem bcr ®ang bcö Sfteuchlin'fchcn
^^roceffciS bebenflid) 511 merben anfing, fchricb Jütten: „2^apfcrcr
SBilibalb, marum fürchteft bu fo für bic ©ochc unferö ßapnion,
ben feine Unfdjulb gegen mcnfd)lid)c Singriffe fidler [teilt? ©0
Diel taufenb fchlcd)tc ÜJienfchcn Derfolgen il)u: einige @ute (beim
gut nenne ich bie ©old)cö thun), einige ©utc, fagc id), bef^ühen
ihn. SBirb mehr gelten bei bcr S^adpDclt, baß Diele ©chlcdjtc
ihn Derfolgen, ober baß einige (^utc ihn Dcrtl)cibigt hßl>cii? Slbcr
N. N. (bcr ?^apft) mirb ißn Dcrbammen, biir^ baiJ (^olb bcr
Drbenöbrüber umgeftimmt. dagegen hDbcn ein (Sra-Smuig, ein
gaber (Don Staplet), Sßilibalb, äJiutian unb bic beften SüJönner
ollc eö ihrer mürbig gehalten, bcr SSahrßeit ßeugniß 5U geben.
Unb menn bu midh folterft, ieß muß fagen mag maßr ift: baß
mir mehr an beinern S3cifallc liegt, alg an bem jeneg SD?anncg,
ber leichter alg ©preu, bemeglidjcr alg eine glaumfebcr ift. Sind)
mirb mir nie, bu magft fagen mag bu millft, ein ^fcil, ben ®rag=
mug auf einen ©churfen abfd}neHt, meniger gelten alg jeßn iöann*
flücße jencg glorcntincrg, bie aug Dielen unb triftigen ©rünben
Don Sillen, in benen noeß einige 3)?anngfraft ift, nießt meßr ßoeß
angcfd)lagcn merben. ^arum mögen jene Slllcg burd)fehcii: mir
feßirmen bic Partei, bereu Unfcßulb aller SÖelt ebenfo befannt ift
alg jebem ©innbegabten beg ßeiligftcn £co Unßeiligfcit; beim mer
1) ©(ßriften I, 129 f.
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164
I. %ud(|. 7. Pfapttel.
borübcr noc^ im Unftarcn ift, bcr muß eine fc^Icd^tc gaffung§=
fraft befi^en/'
?lber bcr mclterfa^rcnc ^ircf^cimer fd^rieb jurücf, unter
bem 0c^ilbc bcr Unfc^ulb fei fdjon mand^cr j^u @runbe gc=
gangen »).
1) 3)ic beiben Briefe toom Sommer 1517 in ^uttcn’8 Sd^riften 1,
6. 133-135 unb S. 136 f.
166
:3lt^trs iSiqiitrl.
|He Epistolae obscnrorom virorom.
1515—1517.
©cfton ein 3a^r nor biefen lebten Briefen, ^nfancj 9(ufluft
1516, ()ottc tUric^ Jütten in Bologna auö ber §cimat^ bic
91ac^ric^t erhalten, bag bafdbft eine ©otire gegen 9leu^lin’g
Söiberfac^er unter bem ^ itei : Epistolae obscurorum virorum, er^
fc^ienen fei unb Diele ßefer finbe. @ineö gebrueften (SyemplarS
n>ar er noc^ nic^t gabgaft geworben, ober fegr begierig, eincö ju
befomnten. ©inen 3)7onat fpoter, am 11. ©eptember, fegrieb er
an fflic^arb ©rocuS nac^ ßcipjiö- »»®ic ^unfelmönner ^abe ic^
erhalten. ©Jute ©Jöttcr! welche nirfjt unfeinen ©d^er^e. 91un
aber l)aben bie ©opl)iften mid) alö SSerfaffer nic^t bloö im S3ers
backte, fonbern geben mid), wie id) t)öre, öffentlid) bafür auö.
9>limm bic^ gegen fie beö abmefenben greunbeö an, unb lag mic^
nic^t mit biefem ©c^muje befubeln. ©c^reibe mir aud) auöfü^rs
lic^ oon ber ©ac^e, unb lag* mic^ miffen, ma^ fie im ©cgilbc
führen" *)• bereits mürben bie ©riefe aud) in ©nglanb mit ©ei^
fall gelefen, mö^renb in ^eutfcglanb eine jmeite 2(uögabe ber«
fclben erfc^ieu.
SGÖad Jütten oon bem ©d)muje fpric^t, mit bem er geg nid^t
gern befubeln laffen mode, ift nid)t auf bie ©riefe felbft, bie er
ja eben oorger gelobt gatte, fonbern auf bie ^uöfäöe ber barin
oerfpotteten 5)unfelmänner gegen ben ocrmeintlicgen ©erfaffer ju
1) €(grigen I, ©. 125.
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166
I. $ud^. 8. jlapitel.
Bcjicl^cn, tuel^c her grcimb Don ibm abttjc^rcn folltc. SBtc fe^r
bic ©riefe nadb feinem ©cf^maefe maren/jeigte fid) borin, bog
er bolb borouf feinen Sonböleuten in ©ologno ©riefe berfelben
Slrt DorloiS, morin fie U)n alö ©erfoffer ju erfennen glaubten,
toenn er bic§ gleich mit ber fc^erjböftcn SBcnbung oblc^ntc,
„@Jott fclbften'' fei c§ (est Deusmet) ^). So erfc^ienen benn ou(^
noc^ einonber, juerft jur britten §lu^gabe ein ^nl)ong, bann ein
jmeiter Xf)cil ber ©riefe, bem halb ebenfalls ein ?lnl)ang beige*
fügt mürbe. hefteten alfo bie Epistolae obscurorum virorum,
mie fie un§ jefet Oorlicgen, 1) au§ ben 41 ©riefen ber erften unb
^meiten 5luögabe Dom ^erbft 1515 unb Anfang 1516; 2) auS
ber jur britten SluSgabc, auc^ noc^ oom 1516,
fommenen Appendex oon 7 ©riefen; 3) bem 1517 erfd)icnenen
^roeiten X^eile mit 62 ©riefen; moju 4) in ber jmciten 2luögabe
noc^malö ein 2ln^ang oon 8 ©riefen (benn ber neunte ober oieU
met)r erfte ift nur SBieber^olung einer 5)lummcr au3 bem erften
2^1) eile) fam. 3)cr ac^te ©rief ber erften Appendex erfc^ien erft*
mal^ in einer Sluögabe oon 1556 unb ift ein plumpe^ fpötercö
SJiac^merf; ber fogenannte britte ^^bcil ber Epistolae aber, 1689
jum crftenmal gebrudt, eine Sammlung oermcintlidjcr Seiten*
ftüde ba^u auö oerfd)iebener 3^it, ootlcnbiS mit bem urfprüng*
lid)en ©uc^e nid^tö mcl)r §u fd)offen*).
®er iitel unb mol)l ber ganje ©ebante ber Sdjrift ift alö
©egenftüd ju ben Epistolae claroruin virorum ou fReud)lin ent*
ftanben, bic im 3al)rc 1514 oon feiner Seite oeröffentlid)t morben
maren, um in bem Streite mit ben Kölnern ein @emid)t in feine
SSagfd)ale ju merfen. SBie nal)e lag eö, biefem mirflicben ©rief*
mcd)icl auö bem ?Rcudjlin'fd)en Ärcifc einen erbiebteten au^ bem
Ä'rcifc feiner 2Bibcrfa(^cr cntgegcnjtiftellcn. Stanben auf feiner
Seite rubmeöbrile, allbcfanntc ä)7änner, fo maren bic 2lnbönger
ber (Gegenpartei bunflc, obfeure SJiänncr, oon benen iRiemanb
ctmaö mußte. SBar bic crftcrc Sammlung barauf berechnet, ju
1) ßoc^IfiuS an ^irrflieimct, in $uttcn'§ Schriften I, 126.
2) Epistolae obscurorum virorum ad venerabilem virum M. Ortui-
num Gratium etc. ®cr Jejt in i85(!ing’§ Hutteni operum Suppl. I.
6. 1—79. 181—300. ®5din0’§ (Jommentat ebenbaj., U, 6.515—784. S)a8
»iblioötapbilci^c II, 1-37.
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5)t< Briefe bet 25unfelmflnner.
167
\
jeiflcn, tüclc^ eb(c 9J?cnf^cit, tüeld)c löblichen S3eftrc6un(;cn für
SUbuno unb gortfebritt fid) um $Rciid)lin (jefammclt l^attcn , fo
galt cö ()icr, einen 331id in ben ^fnf)l non Unmiffenf}eit, ®nmm^
^eit nnb (^emeinl)eit ^u eröffnen, meld^cr baö ©lement feiner (5Jegner
mar. SBenn jeneö grögtent^eiU S3riefe an ober Oon 9?end)(in ge*
mefen maren, fo mürbe ^ier alö ?lbreffat mit gutem 5^afte ni^t
^fefferforn (ber mar ^n gemein), nid)t ^oc^ftraten ober Xungern
(bie maren ^u furchtbar), fonbern i^r lateinifc^er §anblnnger unb
poetifdjer 0d^ilb()alter Cvtninu^ ©ratiu^ gemailt. SKit bem
2Biberfprnd)e, cinerfeit^ felbft and) ein ^umanift unb fc^öner
®cift fein ^u moHen, unb bod) anbererfeit^ ber alten 0d)olaftif
ju bienen, mar er fd)on oon $anfc auö ein fomifd)eö ©ubjcct;
mä()renb ^ngteid) ein foldjer SU^enfe^, ber bie ©Übung, meld)e er
bem neuen ^rincip üerbanft, ju beffen ©cfämpfnng im ^ienftc beö
ölten üermenbet, alö ©erröt^er ein ©egenftanb befonbern ©affcö
für alle biejenigen ift, bie eö mit bem neuen ©rincip et)rlic^
meinen.
äöie aber nac^ ber einen ©eite ^n ben ©riefen berühmter
ÜWänner an 9lend)lin, fo bilben nad) ber anbern bie ©riefe ber
^unfclmänner and) ju bem Triumphus Capnionis ein ergän^enbeö
©egenftüd. SSßaren in biefem (^ebid)te bie (Gegner lRcud)ltiüd unb
be^3 ^umaniömud mit (Srnft unb $atl)o^, mit allen Söaffen be^
UnmiHend, ber ©cradjtung unb beö $affed glcid)fam tragifc^ be^
lömpft, fo gefd)iel)t biefe in ben ©riefen ber ^nnfelmänner fomifc^,
mit ben SBoffen ber ©atire. ^ag aber nid)t ein §lnbcrer über
bie ^nnfelmänner fd)reibt, fonbern biefe felbft, bie SJ^agifter unb
©accalaureiGenselinus, Caprimulgiiis, Scherschleiferius, Dollen-
kopfius, Mistladerius n. bgl., einigemale and) Drtuin, $oc^ftraten
unb Xungern in eigener ^erfon bie angeblid)en ©rieffteller finb,
ift eine SBenbnng, meld)e bie @rl)ebnng ber ©atire in baö 6Jcbiet
ber reinen Äomif erleichtert. ®ie ©orbarei mirb, mit @raömn§
^n reben, barbarifd) Oerlacl)t, b. l). baburd^, baft fie fich felbft
ungefchent, ohne ^l)nung il)vcr ©crfcl)rl heit, barlegt. ©oH biefe
©elbftbarfteQnng fd)lagenbe Äraft h^ben, fo muß fie il)tcn ©egen-
ftanb ibcaliftren, bie in ber Söirflichfeit 5erftrentcn ßöflc tjon
9^ol)eit, ©löbfinn u. f. m. in ©rennpnnfte fammeln: ba^ fntirifchc
Sbcal ift nothmenbig (Sarricatur. 5lber Ä'unftmert ift biefe nur
bann, menn fie fich fo meit mäßigt, bie Ucbertreibnng fo mit
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168
I. 8. ^a|)iiel.
Sebcnöroal)t^cit ju mifd^cn iDcig, bog bic Xäufc^img nic^t gcftört
tt)irb, alö Ijättc man cö mit mirflid^en SBcfcn, in unfcrm gallc
nic^t mit frcmbcm ©pottc, fonbcrn mit bcm eigenen ©id^gel^ens
laffen unbefangener 33rieffteller ju t^un. Xiefe fj^robe beftanben
befanntlid) bie 33riefc ber Xunfelmänner in bem ©rabe, bag bei
it)rer erften ©rf^einung bie Settelmönd)e in ©nglanb jubelten,
im guten ©lauben, eine 0c^rift ju il^ren fünften unb gegen
9teucblin in ^änben ju ]^aben, unb in 33rabant ein Dominicaners
prior eine Slnja^l oon ©jemplaren jufammenfaufte, um feinen
Dbem ein ©efd^enf bamit ju ma'd^en. @rft ber le|te ©rief beä
5(n^angö jum ^meiten Xljeile, ber auö bem Xone ber Stonie in
ben ber 3nüectioc fällt, öffnete ben guten Seuten bie 5lugen ').
©on ber 3lrt beg SBerfeö eine ©orfteHung ju geben, ift
gteidj ber erfte ©rief befonber^ geeignet, melc^er mit fünftlerifc^er
©erec^ung gleid)fam al3 ©jpofition oorangeftellt ift. Unter
atter^anb (Zitaten aud 5lriftoteIe^ unb ber ^eiligen ©djdft legt
ber Theol. ©accalaureuö Xl)omag Sangfd)neiber feinem e^emalis
gen Se^rer Drtuin ©ratiu^ eine Streitfrage jur @ntfct)eibung
oor, bie lür^lic^ bei einem fOiagifterfc^many in Seipjig aufgemors
fen toorben fei. @r Oergigt nic^t, oor^er ju befebreiben, toie bic
Doctoren, äJ^agiftcr unb Sicentiaten fid) bei ber ®clegenl)cit auf
^^often ber neuen 3J2agifter gütli^ get^an mit gebratenen ^übnern,
i^apaunen unb gifdjen, SJtaloaficr unb fRb^ii^^^cin, einbeefer, tors
gaucr unb neuburger ©icr. So erheitert, beginnen bic fD^agiftcr
fcbulgcrccbt Don mid^tigen reben, unter anberm, ob
einer, ber Doctor ber Xbcologie, b. b- ^^Qcb bamaligem Sprach'
gebraud)c Magister noster, j^u merben im ©egriffe ftebe, Magister
nostrandus ober noster Magistrandus ju nennen fei. M. Sßarms
fcmmcl, ein feiner Scotift, entfebeibet fid) für ba<g Sc^tcre. Denn,
fagt er, magistrare ift ein verbum, f. o. a. magistrum facere,
unb baoon fommt magistrandus; bagegen nostro, nostrare, ift
nicht gebräuchlidh, unb fommt nidjt im SSörtcrbuch. ^iegegen
hält M. Deli^fcb, Slrtift, 9Kcbicincr unb 3unft juglci^ (eine
mirflichc ©erfon, ©rofeffor unb cinigcmalc auch Spector in Seip5ig),
ben Söibcrpart. fei gar nicht einerlei, ob noster oor ober
nach Magister ftehe: Magister noster bezeichne herfömmlich einen
1) t»en ^licf be§ ©roSmuS, ^uttcn’S ©(Stiften n, 6. 442.
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3nl^alt unb g^orm ber ^uttfelmännerbriefe.
169
Dr. Theol., noster Magister aber fönnc nac^ Umftänbcn jcbcr
aJieiftcr in irgenb einer freien ober unfreien iJunft genannt
»erben ; alfo fönne nur Magister nostrandus ba^ SRic^tige fein.
2)a§ ein Serbum nostrare nic^t gebräuc^lid), ftc^c bem nic^t im
Söcge, ba eä ja narf) $oraj (Ars poetica) geftattet fei, neue SBortc
^u bilben. SBcIc^e oon beiben Slnfic^tcn nun bic richtige fei,
bittet ber öricffteüer, möge Ortuin entfe^eiben, unb itjn au^ in
Kenntnis fe^cn, »ie eö mit bem Kriege ^tt)ifd)en i^nen unb bem
Dr. fReuc^lin ftetje; benn er ^abe gehört, bag biefer 0d}uft immer
noc^ nic^t »iberrufen looHe. • $(uc^ baö artifclmcife gefc^ricbcnc
33ud^ ?(molb'ig Don Xungern (gegen fReud^lin) möge er i^m noc§
einmal fc^iden, unb fein t)crtrauli(^eö ©c^reiben nidjt übel nel)men.
— $ln biefem erften ©riefe mit feinem prandium magistrale
l)atte (Sraömu^, bem er fc^on oor bem ^ruef abfd)riftlid) iu*
gefommen nrnr, eine fold)c greube unb laö i^n fo oft unter
greunben oor, bag er i^n beinahe au^toenbig nnigtc*).
^)urc^ benfelben finb mir nun fc^on oöllig in baö ßeben
unb Xreiben, in ben geiftigen ^orijont ber aRcnfd)cn Oerfe^t,
mit »eichen eö bic Epistolae obsc. viror. ju t^un b^^ben. Slcbn»
liebe ©eenen, öl)nlicbc ©treitfragen eine immer fdjolaftifcbcr aU
bie anbere, »icberbolcn ficb. So b^ttc Drtuin einmal oon einem
gemiffen Magister noster ben ^uöbruef gebraucht, er fei ein öUicb
(membrum) Oon ^ebn Unioerfitöten. ^ber ber febarffinnige Dr.
Älorbiuä*) moebt ibn aufmerffam, »ic unftattbaft cö fei, oon
einem ©liebe mehrerer Äorper 511 fpreeben, ba loobl ein Äörper
mehrere ©lieber haben, aber nicht ein ©lieb mehreren Äörpern
angchören fönnc. genen Magister noster ftatt cincö ©liebet
oielmchr Körper oon jehn Unioerfitöten ^u nennen, gehe aber
auch nicht an, ba ja bann bic Unioerfitöten feine ©lieber, alfo
ihm untergeorbnet, unb er mehr fein mü6tc aU jehn Uniocr*
fitöten: lüclfhc)^ für biefe ocrfleincrlicb, unb fclbft für einen Ma-
gister noster, bic ja bod) immer noch SUienfeben feien, ^u oicl
»Öre. 9Bad bleibt alfo für ein Huöiocg? 2öcr auf ^ehn Unioers
fitöten immatriculirt ift, entfebeibet Dr. Ä'lorbiuö, loelcbcr folcbc
SBcidheit ^u ßöioen gelernt hat, ber fann fagen: gd} bin ©lieber
1) Erasmi Spongia. l£>utten’8 6<htift€n IT, 6. 277,
2) Epist. obsc. viror., II, 13.
170
I. 93ud^. 8.
(membra) üon ^cljn Uniücrfitätcn ; h)obci bic Sncon^rucnj^ bc§
9?iinuTuö fo lücnit; fc^abct, al^ mcnn SBirgil bcn einen
delicias feineö ^errn nennt. 5(ucl) ©etniffenöföllc geben oft
öbnlidjen fd)Qrffinnigen ©törterungen SSeranlaffung. igt einer
ein @i, tnorin fd)on ein Sinigeö ju bemerfen; nad)l)er befinnt er
fid), ba6 e§ Freitag ift, unb bie gebrochenen giften fallen ihm
onf§ ©emiffen. @in greunb tröftet ihn, baö junge §nt)n(^en, fo
lange e^ nod) nicht au^gefd)lüpft, merbe nicht anber^J betrachtet
alö toie bie Söünner im käfe ober in Äirfd)en, bie man au^h un*
gefcheut jur gaftenjeit Oerfdjlucfe. 3(llein ber 33rieffteIIer ift
bamit nod) nicht beruhigt unbmenbet fich um ?(u^funft an Ortuin;
benn bie äöürmer, l)ot er Don einem Slr^te gehört, ber ein guter
S^aturforfcher fein foll, red)ne man ju bcn gifchen, ftc feien alfo
gaftenfpeifen, bagegen baö au^^gcbilbete |)ühnd)cn im @i mirfs
lidjciS ücrboteneö gleifch‘).
SGBährcnb fie auf biefe Söeife am 9^id)tö ihren <Sd)arffinn
üben, j\eigcn fich unfere bunfeln 3)2änner in allem bemjenigen,
moran fich ber geiftige Jortf^ritt fnüpfte, in Sprachen«
unb 3lltcrthum)§fenntni6, auf^^ 5lcuhcifte umoiffenb. Sie oer«
toed)feln bcn ©rainmatifcr 2)iomebcö mit bem §omerif^en gelben.
Sie flagen, bag 9^eud)Iin (auf hebräifeh Capnion genannt, toie
eö ein anbermal oon ihm wnb ein 5lnberer, 9tarnen§ Pro-
verbia Erasini (bej^ieht fich auf bic oon ©raörnuö hcrau^gcgcbencn
Adagia), ein ncuc§ Latein in bic Rheologie einführen tooflen.
Sie holten @ried)ifch unb ^ebräifeh für unnü^; benn 1) fei bie
^eilige Schrift fd^on genügenb überfe^t, unb 2) bürfc man bie
ungläubigen Subcu unb bic fchi^matifd)cu @ricd)en nid)t baburch
ftolj madjcn, bag man ihi'c Spradjen lerne*). 5)ic gragc toirb
aufgemorfen, ob cö jur cloigcn Seligfcit nothmenbig fei, bag bic
Sd)olaren bie ÖJrammatif au§ mcltlid)cn ^)id)tcrn, toie Sirgil,
ßiccro, ^liniuiS, lernen? Sie mirb ocrncint, ba nach 2lriftotelcö
Metaph. I. bie dichter oicl lügen, unb tocr lügt, ber fünbigt,
unb mer fein Stubium auf Sügen grünbet, ber grünbet c§ auf
Sünben, maö aber auf Sünben gegrünbet ift, baö ift nicht gut,
fonbern toiber ©ott, ber bcn Sünben feinb ift®). tiefem Stanb
1) Epist. o. V., II, 26.
2) I, 18. II, 33. 35.
3) I. 7.
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3n^a(i unb ^ortn bet ShtnlelntSnneibricfe.
171
i^rer 0prnd^femitniffc ftnb aud^ bie Söortablcitunf^cit (^cmöß, bic
fic^ in bcn Briefen ber 2)unfctniQnncr finben. liDiQüorö, ber
Äriegögott, ift ber 3JMnncrfrcffcr, mares vorans; SJ^'reuriuö bet'
jcnit^c, qui mercatores curat; Magister ift jufammenqcfcjt ent^
toeber au^ magis unb ter, tt)eil er breimnl met)r iniffen muß aU
ein ?lnbcrer, ober au« magis unb terreo, mcit er feinen 0c^ülem
fc^rccflic^ fein foll u. bgl. m.*).
2)abei geben aber Ortuin’ö dorrefponbenten fo menig q(3
biefer felbft ben 5lnfpruc^ auf, ^oeten unb 0c^öngeiftcr ju fein.
0ic miffen rbeturifd^ unb poetifc^ ju fc^rciben, unb tt)un fic^
jum Xl^eil etmaö ^u gut auf i^ren 0til. 0ie fc^iefen if)rem Se^rer
i^re bic^tcrifc^en Slu^arbcitungcn (dictamina) mit ber öittc ^u,
fie ju üerbeffern unb j\u feanbiren; benn itjrcr 0c^mäcbc auf ben
güßen ftnb fie fic^ bemußt. Snbeffen, maö fümmern fie bie
güße? 0inb fie bod) feine mcltlid)en, fonbern t^eologifc^e ^oeten,
bie nur auf bcn 0inn, nic^t auf bic gorm ju fcf)cn f)abcn. @in
Änberc^ nämlid) fei bie gute alte ^oetcrei, mcld)c audö bic Ma-
gistri nostri in ^ariö unb Ätöln gelten laffen, ein Slnberc^ biefe
neumobifc^c, mcIC^c jc^t üon ungrabuirten ©cfellen nad) Einleitung
cined ®irgil, ^liniuö unb anberer neuen Elutoren aufgebracht
luerbe. ®icfe mcltlichcn ^octen machen fRarrenöpoffen, möhrenb
bie firchlichen baö 2ob ber ^eiligen fingen; bic erfteren crflörcn
bic heibnifchen ©chriftfteller bloö bud)ftäblich, möhrenb bie Ichtcrn
fogar auf bic Duibifchen 9}Zctamorphofcn bic üicrfachc Eluölegung
anmenben, unb in ©cmclc unb E3acchu^ eine Elllcgoric auf SWaria
unb ehriftuö ju finben miffen*).
33cfonbcrö Ucrbcvbiid) mirften biefe poetae seculares, menn
mir ben Älagcn unfercr 93ricfftcIIcr ein Ch^^ leihen, auf bic Uni=
öerfitöten. 3jiit Subcl mirb bic ißertreibung cinc^ bcrfclben, beö
fRhofliuö Elcfticampianuö, au^i ßeip.^ig erzählt, unb bic Äölner
ermuntert, cö mit ihrem ^ermann 33ufch ebenfo ju machen. M.
®clihfch, unfer 33efanntcr üon bem 3J2agifterfd)maufc hev, h^^»c
öon jenem gefügt, er fei an ber Uniuerfitöt mie baö fünfte iRab
1) I, 28. II, 23. 2ln biefem 6lücfe freilich ^latle mon Dort feiner ©eite
Urfod^e, in bie ®ruß ju werfen. Stbmologic war nic^t bie ftorfe ©eite
jener 3«t. 3Kond(|e SBortobleitunoen 9leu4)Iin’§ geben ben oben angcfü^irten
Wenig nad^.
2) I, 25. 28. U, 27.
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172
I. $u(i^. 8.
am SGBa^cn unb f)iubcre nur bic übrigen gacultätcn. Unb immer
mehr fal) man biefeö Unmefen um fic^ greifen. 3^^ feiner 3cit,
feftreibt ein alter 9J?agiftcr, ^abe cö nur (Sinen ^oeten gegeben,
9lamenö ©amuet (ben SSerfaffer ber crbaulid^en fReime: Disce,
bone Clerice etc); jc^t gebe cö aÜein ^ier (ma^rfc^cinlid^ in
Scibäig) bereit moi}l ^manjig, melc^e ben SIn()ängem beö mitten
jeben ©c^abernaef ant()un. Unb mochten biefe 9Uten bie ^oeten
immer ba^in münfe^en, mo ber Pfeffer mäd)ft: halb mußten fic
fid^ überzeugen, felbft menn ein $oet ba märe, mo ber Pfeffer
mäd^ft, mürbe er fommen unb fieß an it)rer ©eite ^abiütiren.
ÖJing baö fo fort, fo fonntc e^ nid)t fehlen, bic UniOerfitäten,
unb in^befonbere bic pbilofopßifc^c gacultät, mußten ju ©runbe
ge^en. Sntmer mc^r fc^manb ja ber ®Ianz unb oeröbeten bic
^örföle ber Magistri artium, bei meieren oorbem bic Sugenb fo
feine Untcrfrfjcibungen, fo fd^arfftnnige ©inmürfe unb Söfungen,
fo bünbige ©c^lüffe l)atte maeßen lernen, ^ueß bic afabcmifc^cn
@rabe, bic fic zu crt^cilen Ratten, famen in 3Wißad)tung: bie
3ut)örer ber ipocten moUten bic fc^olnftif^cn Stürben eincö
iBaccalaureuö, einc^ SJ^agiftcr, nid)t meßr ermerben. Äamen fic
bann nad) §aufe, unb bic ©Itern fragten, maö fic gemorben
feien? fo mor bie Slntmort: 9lid)tö (mic bei .^utten); bie @ltern
bebauerten i^r I)inauggcmorfcncö ®elb unb marnten anbere, i^re
©ö^nc auf Uniüerfitäten zu fd)icfcn^).
©0 nahmen benn bie iRcibungen zmifc^cn. SJiagiftern unb
^octen, unb nehmen bie Scric^tc oon folc^en ©eenen in unfern
©riefen, fein @nbe. ©alb ftreiten fic fi^ bei einer (in
una zecha) über ben triercr ^od, ben ein folc^cr ^octcnfd}ülcr
ein laufigeö altcö Ä'leib nennt; über bic Steliquien ber ^eiligen
brei Könige zu Äöln, uon benen berfclbc greigeift meint, baß fie
leicht oon brei mcftfölifdjcn ©auern ^errüf)rcn fönnten; über bic
alten fd^olaftifd)cn Scßrbüc^cr, meldjc bie ilfeuercr oerfpotten;
bann über bic 2^agcöfragc: fRcuc^lin unb ^od^ftraten, meld^cr
Ic^terc bei ben $oeten eine oerflud)tc ©cftic l)eißt, mic bie parifer
Unioerfität megen il)rc<g ©crbammung^urtl)eil§ geqen ben klugen»
fpiegcl fid) gefallen laffen muß, i^ren alten @l)rcntitcl aU mater
Studiorum mit bem einer mater stultitiae oertaufc^t zu fc^cn*).
1) I, 17. 26. n, 46. 58. ^
2) I, 22.
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3n^|alt unb §orm ber 3)un!clmannerbncfe. 173
?(uc^ an ^^^ätlid^feiten ^mifc^en bciben Parteien, tnic fie in ein
^offenfpicl gehören, fe^lt cö in unfern 33riefen nic^t. 2)ie 9leifc
bed M. ©c^iauraff, bie er in ^Reimen befdjreibt, ift eine Äette
non ©erlögen, puffen unb Dijrfeigen, bie er, Söerber gegen
9teuc^Iin, non ben ^oeten unb i^ren '^inbängern befommt, unb
mittelft beren er Don einer Uniöerfität ju ber anbern in bolb
2)eutf(blanb bei^umgeftogen mirb. Öefonberö boö ©aftbauö jur
Ähone in ©iainj ift bureb feine böfe 5!ifcbgefeflfcbaft, aU boiS
Heerlager ber Poeten unb greigeifter, ben $Diagiftern ein ÖJräuel.
3enc ÜJtenfcben gingen mit ©ebtuertern unb 2)egen an ber ©eite,
mürfelten um §ocbftraten'ö Slblag^ettel, führten läfterticbe Sieben
unb ließen einen ebrfamen ÜJlagifter nicht einmal für fein ®elb
mit Slube effen. i)a ging and) Ulrid) Don Jütten j^eittueife ein
unb auö; ein böcbft beftialifeber 3)lenfcb, mie ein ©rief ihn febilbert,
ber einmal gefagt b^tte, menn bie ^rebigermönebe il)m baö tbäten,
mag fie bem Sleucblin tbun, fo moUte er ihnen gebbe anfagen,
unb jebem Don ihnen, ber in feine §änbe fiele, Slafe unb Obigen
abfebneiben. 2)er 33riefftetlcr ift nur froh, baß §utten je^t fort
ift, um 2)octor ju merben, unb feit einem 3abre ficb in ÜJlainj
nicht böt bliden laffen; er münfebt, ber Xeufel holte il)n*).
dergleichen ©treitunterrebungen finb eg benn auch, mittelft
beren in unferc Briefe ber birecte ernfte 5^abel beg Unmefeng,
bem bie örieffteller fonft bag Sßort reben, einbringen fann. ®ie
guten ßeute berichten einanber treuherzig, mag fie ba unb bort
für berbe Söabrbciten anbören müffen. Hm faiferlicben
$oflager ju 3nngbrud hört M. SBill). ßamp auf ber 5)urcbreife
laute iöef^merben über bag ßurtifanenmefen unb bag SBanbern
beg beutfeben ©elbeg nach Slom; bei einem ©aftmabl in Sßormg
ein anberer febarfe Sieben gegen bie ^öufung ber ^frünben, bag
SBobKeben unb bie anftößigen ©itten ber böb^^i*^' ©eiftlicbfeit.
®in mür^burger SJlagifter flagt über ben ^rebiger an ber ^aupt«
firebe bafelbft, 3obann Slepß, ber in Hllem einen eigenen 2öcg
gebe, feiner ©cbule alg ber ©cbule ©bnfti angebören moUe, Oon
ben SJlöncbggelübben unb i^utten menig holte, ba @ott nicht auf
bie Kleiber fehe. Huch im ^rebigen höbe er feine befonbere Hrt:
er biete gar leine Äunft, feinen ©chorffinn mit S^ogen, ®inmtirfen
1) I, 11. II, 9. 12. 56.
174
I. I9ud^. 8.
unb 0c^lugfolgcrungcn auf, fonbern gel^c ganj einfad^ ju SBcrfc,
unb — fonbcrbar! bic Scute ^örcn boc^ gerne, öefon?
berd Oebenflic^e ^leußerungen ^abe er fic^ über ben Slblaß erlaubt.
2)em iöruber :5afob, ber auf ber Äonjel gefagt ^abe, lua^ in ben
^Iblaßbriefen ftebc fei fo lua^r tuie ba^ ©üangelium, unb mer
biefelben empfange fei fo uoUftänbig abfoloirt, alö l)ättc S^riftug
fclbft if)n oon feinen <Sünben loögejä^lt, b^bc 8flel)6 öffentlidb
mit ben S53orten miberfproeben: „iJticlitö ift mit bem @üangelium
ju oerglcid}cn, unb loer rec^t b^nbelt, mirb felig. SBenn einer
l)unbertmal jenen ^Iblag empfängt unb nid)t gut lebt, fo mirb
er üerbammt, unb ber ^blag nic^tg. dagegen, toenn
einer recbtfd)affen lebt, ober, fall^ er gefünbigt, öufee t^ut unb
fidb beffert, ficbe bem oerfünbige icb, bag er ein 33ürgcr beS
^immelreidjö fein mirb, ogne anbere ^ülfiSmittel nötbig ju
haben *)•"
3ft bicr noch uor ßutber’^ Slblagftreite ber loefentlidie 3nbalt
feiner Xbefen unb 0treitfcbriften auögefprodjcn, fo 5eigt eine
anbere ©teile ooUenbö beutlid), mie meit i()m oorgearbeitet mar.
3n granlfurt a. b. D. mug ficb M. Äiingefor oon einem, „ber
ibm immer S53iberpart Sßeiffagung 8^P?)ön. I, 12: Qu.
berfelbigen Qcit miß idj 3erufalem mit Saternen burebfueben, unb
mill l)cimfud)en bie £eute, bie auf ibven ^efen liegen u. f. f., fo
au^legen laffen: ,,3d) mill 3erufalem burd)fud;cn'', fpriebt ber
^err, b. b- id) mill meine iiircbe unterfueben, um fie ju refor«
miren unb bie 3rrtl)ümer ju entfernen, bie ficb in biejelbe ein^
gefcblicbcn b^ben; unb boö miß icb tbun „mit fiaternen'', b. b-
burd) gelehrte 2}iänner, bergleicben in Xcutfd)lanb ©raömuö oon
9totterbam, 3ob(tuu fßeucblin, Ü)^utianu^ 9tufu§ u. finb; „unb
miß beimfueben bie SWänner", b. b- Xbeologen, „bie liegen'",
b. b- b^^i^l^öcfig beharren, „auf ihren |H:fen", b. b- ^uf einer
febmubigen, pnftern unb miberfinuigen Xbcologie, meld)e fie feit
einigen bunbert 3ab^<^*^ aufgebracht hoben, mit Slbmeicbung oon
jenen alten unb gelehrten Xbeologen, bie im mabren Siebte ber
©ebrift geuxiubclt batten; mäbrenb fie fclbft meber Satein, noch
(i^riecbifcb ober ^ebroifd) oerfteben, um bic ©cbrift au^lcgcn ju
lönnen. fßaebbem fie alfo jene ächte unb urfprünglicbc Xbeologie
1) II, 43.
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3n^alt unb ^orm bcr 5)unfeImflnneTbriefe. 176
üerlaffcn ^obcit, t^un fic nichts tueitcr, aU bag fie biöputiren
unb argumentircn unb uunü^c 5raflcn oufiüerfcn. S)aruin luirb
fic bcr $err „l)cimfuc^cn'' unb anberc ^)üctorcn fcnbcn, tucldje
jene ©prad)cn ücrftc^cn, unb nad) Söegväumung bcr ,,§cfcn"
b. I). jener aOßcfdjinadten ©pi^finbigteiten einer falfc^cn Xf)cos
logie, i^re „Saternen'' bringen, b. l). unö bie <Sd;rift bclcud)tcn
unb bie alte, maljrc Xl)cologie wiebcrt)crftcUcn ; tuic für^lid) ber
genannte (Sraömuö bie Sdjriften bcö ^ieronpmuö uerbeffert i)cu
auögegcben ^at. 5lud) ben Xcit bcö dienen STeftainentö l)at er
uerbeffert, unb l)altc id) für nüblic^er, fagt unfer 0d^rift*
aui^lcger, aU lucnn 20000 Geotiften unb 2;t)omiften 100 3al)te
lang über Ens unb Essentia biöputiren mürben 0-
^od) bcrglcid)cn ©trafprebigten ober anbere Unfälle ncl)men
unfre 2)unfelmänner nic^t alläufd)mcr. @ffcn unb Xrinfen fd)medt
il)ncn boc§, Deo gratias, nid^t minber <©d)laf unb — 2icbe^=
freuben. ®ie c()elid)en jmar finb ihnen, fomcit fie bem geiftlidjcn
©tanb angehören, burd^ ihr öielübbc unterfagt, unb bie auger^
ehelichen gelten für fünbhaft; baö erfennen fie an: buch miffen
fic fiel) äu halfen, fogar an bcr §anb bcr Schrift, ©age beim
nicht bcr ^vebiger ©aloino i^ap. XI, SS. 9: greuc bich, Jüngling,
beiner Swgenb? unb III, 12, eö fei nichts 53cffcre-5, alö bag ber
9Kcnfch fid) freue in feinem SBerfc? unb IV, 11, menn 3^cie
bcicinanbcriiegcn, merbc ihnen marm, @incr für fid) aber fönne
nicht marm merben? ©o fei ber 255anbcl ©imfon’fS jur Mila
unb ©alomo'ö Äebömeiber ohne betannt, unb bod) fei über
ben erftern nad)inaU bcr heilige ©eift gefoinmen, unb bcr Icpterc
fei, nad) bcr gemeinen Sinnahme bcr 3)octoren, felig gemorben:
mithin fönne jene ©ünbe nicht fo groü fein. „3ch bin nid)t
ftärfer ai^ ©imfon'', fchrcibt M. Sonrab oon ber oor-
äug^rocifc crotifd)c SSricfftcIlcr bcö erften 3!heilö, „unb bin nicht
meifer alö ©alomo (eine SSenbung bcö Slcneai^ ©pluiu^, nach=*
maligen ^apftö ^iuö II.): folglich mug man bigmcilcn eine greube
haben, benn baö, fagen bie Slcrjte, ift gut gegen bie 2)iclancholie.
Nachher beichten mir bann, unb ©ott ift barmherzig, unb mir
bürfen auf ©nabe h'^ffen* Sft man hoch fein ©ngcl, fonbcni
ein aWenfeh, unb jeber SJJcnfd) irrt. 3a, o>enn ©ott bie £icbc
1) n, 60.
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176
I. $u(^. 8. Papltel.
ift, fo fami bie ßicbc ni^t§ ©d)Iimmc3 fein: tpibcrleget mir
biefen ^emciö", fc^t ber ücrliebte SJiogifter fclbftjufriebcn *).
2J?an wenn überhaupt bei biefer glücflid^cn 3J^enjc^cnart
bic ©rünbe mol)lfeil finb, fo finb fic eö befonber^, roo e§ gilt,
Ucbcrtretuiigcn beg fed^öten ©ebotcö befd^önigen. ^£)a^er laufen
anftögige Slnefboten burc^ ba§ ganje S3ud^ : mie ein Dominicaner
gcnötl)igt mirb, naeft auö bem genfter feiner ©eliebten ju fpringen;
mie bie ^rebigermönc^e in ©tragburg SSeiber in i^re
nehmen unb alö 3)iönc^e oerfleibet 5um ©infaufen auf ben ÜKarlt
fc^iefen ; mie ein äJiagifter oon Drtuin einen fiiebe^auber Oerlangt,
unb biefer il)m ftatt beffen aU ©egenmittel gegen fleifc^lic^e
fec^tungen ^^reujfc^lagen, SBei^maffer unb gemei^teö ©alj anrätg,
baneben übrigen^ ganj nac^ ber Sorfi^rift ber Doibifdjen Reme-
dia il)n baburd^ ^u curiren fud^t, bag er ign — freilich in fegr
efelgafter SBeife — auf bie förperli^en SJiängel feiner ©eliebten
aufmerffam ma^t^).
Dabei gehört ein intimeg SSergöltnig Drtuin'g felbft ju ber
grau feineg jubencgriftlicgen ©unbeggenoffen, jener bellula mulier,
mie fReud^lin fie genannt gatte, ^u ben ©runbooraugfejungen
beg 33ucgeg. ^fefferforn, meint ein örieffteller, follte in biefem
gaHe gar niegt eiferfücgtig fein, naeg bem ©pruege, bag jmifegen
‘greunben SlUeg gemein fein müffe. Daoon moUen jmar einige
bie SBeiber auggenommen miffen: aöein eg fomme ginju, bag
Drtuin feine grau gäbe, unb benen, bie nidgt gaben, foHen mir
mittgeilen ^). ©in paar mormfer Suben, bie übel oon ^fefferfont
reben, miberlegt ein SJfagifter unter anberm babureg, menn ber
SJiann fein guter ©grift märe, fo mürben ign bie Dgeologen unb
S3ürgermeiftcr oon Äöln niegt 5U igrem ©pitalpfleger unb ©alj*
meffer gemaegt gaben. 3^®^^ ^>öfe ßiingen, biefe ©unft
ber Herren oerbanfe er feiner gübfegen grau. Äber bag fei niegt
magr, benn 1) gaben bie fölner ^ürgemieifter felbft fegöne
grauen, unb bie Magistri nostri fragen befanntlicg ben SBeibem
niegt naeg; 2) aber fei grau ^feffertorn ein fo gonetteg grauen*
jimmer alg eineg in Äöln, unb ber 33rieffteHer gäbe fie oft fagen
gören, fie gobe oft igre 3J?utter fagen gören, bag befegnittene
1) I, 9.
2) I, 4. 33. 47.
3) II, 39.
Sln^Qlt unb 5orm bet 5)untclm5nnerbrtefe.
177
SD^önner faciunt feiiiinis majorem voluptatem alö nid^tbefd^nittcne,
uiib barum ^cbenfe fie auf bcn Xobcöfaü if)rcö äJianne^ luicber
einen befc^nittenen nehmen ; bcinnad) fei nid)t ^u glauben, bag
fie ficb mit 53ürgevmeiftern einlaffen merbe, bie ja nid)t in biefe
Älaffe gehören ‘). ift ein beigenber ©pott gegen baö
ftifd)c SBefen, menn bergicidjen unfaubere ^inge gan^ in ben .
formen ber (Schule mit Pro unb Contra erörtert merben. ©o
bie 5rage, menn ein 3ube ßt)rift merbc, ob bann renascitur
sibi praeputium ober nic^t? unb menn nic^t, ob bann nid)t am
jüngften Xagc Srrungen ^u befürchten feien? ferner, ob Pfeffer*
forn in ber @igenfd)aft alö immer noch heimlicher 3ube, ober
nur al# gemefener SDichger, fo übel rieche?*) ^iefe ?lrt be^
0chcrjcö inbeg mar bcn öerfaffern ber Epistolae obscurorum v.
burd) einen öffentlichen Gebrauch ber ßeit an bie $anb gegeben.
3)en 5)iöputationen an ben Unioerfitäten, befonberö bcn foge*
nannten Quoblibetö, pflegten fich fchon feit bem 15. 3ahrhi*ttbert,
mittclft ber Unterfcheibung oon quaestiones principales unb minus
principales, fomifche 9iad)fpiele an^uhängen, mo in ben herge^
brachten 0chulformcn niebrige, am liebften fehlüpfrige (55egenftänbe
abgehanbelt mürben. finb unö oerfchicbene ©tücfe biefer 3lrt
erhalten®), auö benen mir unfcre ©riefe theiU beffer oerftehen,
tl)eilö aber auch h^hcr fchäpen lernen; beim bei aller ©ermanbts
fd^aft übertreffen fie (in ihren ächten Ä'unft unb
Reinheit, felbft im ©chmuhigen, jene 3)?uftcr meit.
^)urch alle biefe 0pä6e unb mol)l aud) Unjiemlichfeiten
übrigen^ gel)t mie ber rothe gaben bie 9fleuchlin’fchc Angelegenheit
hinburd); momit eineötheilö für ben poffenhaften ©orbergrunb
ein bunfler, ernfter .^intergrunb, onberntheilö für bie lofe gönn
einer ©rieffammlung ba^ ©anb einer gabcl gemonnen, baö ölan^e
bem fRoman nahe gerüeft mirb. ©d)on im erften ©riefe beö
erften I HJirb gefragt, mie eö mit ber gehbe jmifchen fReuchlin
unb ben Ä'öinern ftehc? unb ber Icpte ©rief beö Anhemgö üom
jmeiten Xh^ilc mirft bem Drtuin unb feinem Helfershelfer nuns
1) I, 36.
2) I, 37. II, 26.
3) 6in erfurter OuobUbrt, De generibus ebriosorum, onflcblid^ ouS
bem So^te 1515, mit Seifen u. o. oon (Sobon eingeleitet; ein h«belbergi|d^eg
De fide meretricum u. bgl. m.
VIL
12
178
T. 8. J(la|)itcl.
mcl)r offen bie ©rf)led^ti(\tcitcn Oor, bic fic an bcm red)tfd)affcncn
imb gcief)rten 9leud)liii ocrübt t)abcn. bcibcn @nbs
punttcn aber finb nur wenige iöriefe, in toeid^cn bicfcö Xl)cina
nic^t 5ur ©pradje !ämc. ®alb üon Einfang toirb §od)ftratcn’^
alö in iRom bcfinblic^ @nuät)nunß ßctl)an, nnb fofort ift cö ber
. fc^ttjanfenbe @anc^ bc^ 9?cc^töf)anbcU jtoifdjcn i^m unb Sicuc^lin,
ber SSec^fcl 5U)ifc^cn J^urdjt unb Hoffnung, toic mir il)n quö
§uttcn’ö, 9Rutinn’^ u. a. Isö riefen fennen, ber fic^ in benen ber
^unfclmänncr oon ber Äct)rfcite abfpicßcU. Söalb enipfaiiflen
ober crtbcilen fic c^utc 3<^itin^n aus 9?om: §oc^ftratcn ^atS33cd)fcl
erhalten, ben ßarbinälen unb 5lubitoren ein fettet ^aftnial)!
geben: ba finb fie OoH Hoffnung auf einen für fic günftigen ^uö^
gang bcr(Sad)c; ^umal menn gleic^^^eitig oerlautct, baß iReud^lin’ö
9Rittcl burc^ bic ^rocejifoften gän^lic^ erf^öpft feien. @in a\u
bcrmal aber Ijcigt cö, ber $apft moUc bie fpeicrfd^c ©enten^ bc*
ftätigen unb ben 2)rucf be^ ?(ugcnfpiegeU in IRom geftatten;
ßeo bcm X. trauen fic überhaupt nid)t, mcil er fclbft ein $oet
fei unb ben h- 2^homa§ Contra gentiles nicht ücrftct)c ; nun gcl)t
auch bem §od)ftraten baö (5Jclb auö, ein befuchenber äRagiftcr
ficht feine Äuttc liegen unb finbet fic OoUcr Saufe, maö ben
guten 2Rcnfchcn biö 511 STh^Önen rührt. ®er erfte ^h^d ber
Briefe enbigte urfprünglid) mit bcm Gerüchte, baS jeboch ber
®riefftcUer unglaublich finbet, baß lRcud;lin obgefiegt höbe; in
ber Oermehrten 5luögabc ift ein örief, angeblidj oon ^odhftratcn
felbft, auö 9ftom, hinäugefommen, in meldjcm er gcftcht, er tooUte,
er höttc ben §anbcl nid)t angefangen, benn cö ftcl)c fd)led)t, er
habe oft nicht ba§ liebe 33rob, unb menn er mit $ctcr SReper
oon gi^anffurt auf bcm Campo Fiore fpasicren gehe, fo fpotten
bie (Surtifanen: ba gehen bic 3^Jei, bie ben 9tcud}lin freffen
toollcn^). ©egen ben 0d)lu6 bc^5 ^meiten Xh'-'d^ fepmebt i\toar
ber |)anbel in 9^om noch immer, bod) ift befannt, baß bic 9Rchr=
heit ber nicbcrgcfcptcn (^ommiffion für 9^eud)Iin ift, unb bicSluf*
merffamfeit unb Hoffnung toenbet fid) ber großen 9teuchliniftcn*=
ocrfd)mörung j^u, mclchc fid) mittlcnocilc in ^cutfdjlanb gebilbet
unb bic ©ad)c 3ftcuchlin')g unb ber ©eiftcöfrcihcit oor bcm Richters
ftuhtc ber öffentlichen SJWnung burdhjufcchten fid) oorgefefet höt*)-
1) I, 48. 2) II, 53. 66. 69.
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Sleud^Iin in ben Briefen ber 5)unfelmamtcr. 179
9^iad)bem fo oft Oon -Slcuc^lin bic SRcbc gemefen, bag man
gefponnt fein mug, iljn felbft Quftreten ju fc^en, eröffnet enblid)
ein 53rief bcö jlociten Xl)cüö ben (Sinblicf in ba*^ ©tubirjimmer
beö et)rn?ürbigen, nunmehr 61jät)rigen iDianneö. „2öic ic^ in
fein $nu^ tarn", er^ä^lt ein iöaccalaureuö, „ba fagte er ju
mir: SßiUfomnien , $crr SBaccatanreuö, fepet @ud). Unb er
^at einen ^rid (unum brillum) auf feiner 9^afc unb ein öue^
uor fic^, ba^ mar feltfam gefd)riebcn, unb idj fal) gleich, baff eg
meber bcutfd), nod) bö^mifd), auc^ nic^t lateinifc^ gefc^rieben mar.
Unb ic^ fagte ju it)m : SSortreffUc^cr ^err ^octor, mie nennt
man fott)aneg 53uc^? @r antmortete: cg nenne fid) ber griec^ifd^e
^lutard)ug unb b^nble oon ber ^^?t)ilofopbi^- fogte ic^: ©o
lefet eg in (^otteg fJtamcn! unb ba^er glaube id), bag er mun*
bcrfanie fünfte ücrftc^t. 2)ann fal) ic^ ein fleineg 23ud), ncugc=
brudt, unter ber iöanf liegen, unb fagte §u i^m: SSortrcfflic^cr
§err ®octor, mag liegt benn ba? @r antmortete: @g ift ein an^
ftögigcg 93uc^, bag mir fürjlid) ein greunb aug ilöln gefc^idt
l)at, eg ift gegen mid) gefd^rieben, unb bic fölner ^b^^ologen Ija^
ben eg uerfafft, unb fagen nun, 3of)ann ^feffertom l)abc folc^cg
®uc^ gcmad)t. ^a fagte ic^: Söag tt)ut 3l)i' bagegen? moUet 3^r
@uc^ nic^t rcd)tfertigcn ? Slntmortct er: 9Uc^tg meniger; ic^ bin
fc^on btnlönglid) gcred)tfcrtigt, id) fümmere miep nid)tg mehr um
biefe Xl)orl)citcn, meine klugen rcidjcn faum noc^ ^in, bag ju
ftubiren, mag mir nüfelid) ift. ^:ag S3ü^lcin aber mar betitelt :
Defeusio Jo. Pfefferkorn contra famosas." ')
§aben mir ung big baber reblidb bemübt, Oon wnb
Snbalt, gönn unb Anlage ber 3)unfelmännerbriefe bem ßefer
eine SorftcElung i^u geben: fo fönnen mir ung i^um ©ebluffe bag
nicbcrfcblagcnbc Sefenntnig nid)t erfparen, bag mirctmag unternom*
men hoben, bag ficb eigentlid) niegt leiften logt, ©offen mir mit
@inem 2Bortc ben fßunft biefer Unmöglidjteit bejcidjnen, fo liegt
er in ber ©praege unferer löriefe. 5)a eg bie 2)unfclmänner beg
beginnenben fccgjebntcn 3abrbnubcrtg felbft finb, mclcge fieg borin
augfpred)cn, fo tgun fie cg in igrer ©praege, b. g. in einem ßa^
tein (menn eg noeg fo genannt merben fonn), mic eg fieg im
ßaufe beg ÜlUttelalterg aug ber SJUfegung fircglicger unb lanbeg^
1) II, 34. 58on ber ^fefferforn’jc^cn Defensio balb mehr.
V
180 I. 8. i^aptiel.
fpra^Iic^cr S3cftanbt()ci(e mit bem urfprüncjlic^en ©runbftodc gc*
bitbet l)attc. 2)icfc 0prad)e ift baburc^ fomifc^, bag fie jmat auf
jcbcm ©d)rittc mit bcn ©cfc^cn bcr claffifd)en ßatiuitöt im SBi^
bcrfprud), ober tro^bem ctmaö für fii^, eine ©proc^c ift, ber man
t)cutc nod) anmerft, bag fic, menn and) in unfern 33riefen
fomifd) ibealifirt, b. übertrieben, bod) it)rer ÖJrunbanlage naci^
flelebt ^at unb mirflic^ gcfprod)cn morben ift; mie bie ©rief®
ftcUcr itjrcrfcitö, trop beö flrcllcn SBiberfpruc^ö, morin it)r ^reU
bcn mit 35ernunft unb ^^ilbung ftct)t, bod) fo einig mit fic^, fo
üergnügt in fid) unb unter fid) fiub, alö nur je ein galftaff,
ober fonft ein äd)t tomifd)eö Subject gemefen ift. Slber biefer
fomifc^c Stjarafter ift an baö ßateinifc^e gebunben. @r ge^t in
jeber Ucberfc^ung uerloren. 2)iefe Slrt non läc^erlid)er 93erberbs
ni§ ^at eben nur baö Sateinifdje in feinem ^urc^gangc burd^
baiJ üJ^ittelalter unb bie anberörebenben 9tationa[itöten erlitten.
Ä^cine 5trt, roie ber Ucberfc^cr ba^ 2)eutfd)e ober fonft eine ©prad^c
^anb^aben möchte, fann bcn ©inbruef bc(3 DriginaliS micbergeben.
§lm et)eftcn gel)t e^ nod) an folc^en 0tcUcn, mo bas^
mifc^c be^ HuöbrudiS meniger in bem grammatifc^cn aU in bem
togifc^en unb rt)etorifc^en iöaue liegt, mie 5. in folgenbcm
©ingange bcö Öriefö üon Sföillj. ©c^erfc^leiferiuö auö granffurt.
munbre mic^ fc^t", fc^reibt er an Drtuin, „marum Stjr
mir nid)t fc^rcibet, unb 3l)r fd)reibet bod) an anbre, bie ©uc^
nid)t fo oft fc^reiben, alö ic^ ©uc^ jc^reibe. SBenn 3l}r mein
geinb feib, bag 3^r mir nid)t fct)reibet, fo fdjrcibet mir boc^,
marum 3^r mir nic^t mel)r fd)reiben moUt, bamit id) meiß, marum
31)^^ nic^t fc^reibet, ba ic^ ©uc^ bod^ immer fc^reibe, mie ic^ @ud)
auc^ je^t fc^reibe, unerac^tet i^ meiß, bag 3l)t mir nic^t mieber
fc^reiben merbet" u. f. p). Ober menn bie liebe Unmiffenl)cit fo
naio fic^ oorträgt, mie in bcin 33rief cinecJ monnfer 2)iagifterö
an Ortuin auö 9tom: „3l)t ^abt mir (beim 5lbfc^iebc) gefagt:
$eter, menn 3l)i^ nnc^ S^om !ommt, fc^et ju, ob eö neue Süc^cr
gibt, unb fc^iefet mir etliche. @c^auet nun, ba ^abt 3l)r ein
ncue^ iöud), baö ^icr gebrueft ift, unb meil 3^t ein $oet feib,
glaube ic^, ba§ 3l)t oiel S^ujen barauö jie^cn fönnet. ®enn ic^
l)abe Ijier in ber ^ubienj oon einem 9totariuö gehört, ber perfect
1) I, 15.
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groben qu8 ben 5)unfclniömierbrtefcn.
181
fein füll in biefer ^imft, fotljonc^ ©urft fei ber Duellbrunn ber
^oeterei, unb fein SSerfaffer, mit 9>tamcn §omeru§, fei ber Sßatcr
oller ^octen. Unb er ^ot gefogt, e§ gebe nod) einen anbern
§omeru^, auf (Mriec^ifd). 2)a fogte ic^: moä gcl)t mid) boö
®ried)ifc^c an? ber lateinifdic ba ift beffer, benn ic^ mill i^n naci^
2)cutfd)lanb fd^tden an M, Drtuinuö, ber fragt nid)tö nad^ bie«
fen gried)ifd)cn ^^antafeien. Unb idt) fragte il)ti : luaö ift in bem
33uc^ begriffen? ?(ntmortct er, eö ^anble Uon gemiffen ßcuten,
bie ©ried^en l)ie6cn, bie ^aben Äricg gcfüljrt mit anbern, bic fid)
Xrojaner nannten, bic ic^ ouc^ fc^on uorbem ^abe nennen l)ören.
Unb biefc Xrojaner Rotten eine große ©tobt, unb jene (5Jricd)cn
legten fieß uor bic Stabt unb lagen aUba moßl 10 Soßre; ba
famen bic Xrojancr biömcilcn ju ißnen ßcrauö unb fdilugcn fieß
ßanbgreiflicß mit ißnen, unb mürgten fieß gar fcltfam untereiiis
anber, alfo baß bic gan^e @bcne blutig mar; unb c^ mar ein
SBaffer ba, bag mürbe üon bem 3Uute gefärbt unb ganj rotl);
unb^bag (^efeßrei ßot man im ^immel geßört, unb einer ßat
einen Stein gemorfen, ben 12 SD^tänncr nid)t ergeben tonnten,
unb ein ..^ferb ßat angefongen ju reben unb ßat gcmciffagt.
9lber icß glaube fplc^cö nießt, mcil cö mir unmöglid) oorfommt,
aueß feßeint mir ba^ S3ucß nießt feßr autßentifcß; bitte, fdjreibct
mir, mag 3ßr baoon ßaltet."*)
So fann man moßl aud) oon ben latcinifcßcn Werfen nuferer
3J?agiftcr bureß Ueberfeßung bem beutfeßen Sefer eine öorftcHung
«f^u geben fueßen, 33. menn Sorncliug jcnftcrmacßcr feine Äla^
gen über bic main/^cr Äronengäftc in fReimc faßt:
3u ^Qtn) im gemeinen ®afl^au§ 3ur jhroiie,
2Bo i(^ mnlxä) jd|Iief in eigner ^erfone,
^0 ftnb jmei unnerje^amie Spo^mac^er,
®ie ll»ielen gegen unjre Wogifler bie ßoe^er,
^rftetien nic^t fbrmlict) in Schulen ju biSputiren,
» 91o(!^ ou§ einem Sc^lu^iaQ Diele @oroIIarien ju formiren,
2Bic ber Doctor subtilis grUnblic^
(2Ber i^|n Derat^tet, ifl je^r Derfelirt) . . .
53on bem allem Derlle^en nichts bie Poeten,
Saturn füliren fie jo ungetonjt^ene Sieben,
1) II, 44.
182
1. $u(^. 8. Kapitel,
3öic jene jWfi frechen ^offenrei^cr,
Die unfre üRagifler 9iarren ^eifeen,
?lber unfer SJiogiper öon igjocbftroten mu§ fte citiren,
Dann wirb c§ i^nm öerge^en, erleuchtete 5Känner ju oejiien*).
^od) auc^ ()ier öon ben cinjclnen geint)citcn bcö SJligau^
bru(f0 abgefcljcn, bic JJorm beö tDÜben ^^nittclreimö mit ber
©iflcntbümlic^tcit ber bcutfc^cn 0prac^e lange nic^t in bem fomU
fc^en SSiberftreite, mie mit ber e^atten SJietrif ber (atcinifc^en;
ber gortfe^ritt ber S^erberbnig, tt)ie auö bem §ejameter burc^
SScrmittlung erft beö 2eoninifd)en SSerfeö bann beö Söergeffen^
ber Duantitöt, ber barbarifd)e Änittelüerig gemorben, ift nur im
latcinifc^en Original, nicht in ber Ueberfehung bemcrflich- ©o
bleibt ber uolle unb ganje @enu§ ber Epistolae obscurorum
viroruin auf biejenigen befchränft, luelchc fie in ihrer Urfpradje
5U lefen üerftehen.
®a^ thut aber ihrem 2öertl)e fo inenig (Sintrag, alö eö in
jener geit, ino baö Sateinifd)e noch SBelt' unb @efd)äft!Sf^rache
nmr, ihrer SlBirffamfeit gethan htit. Untcrfcheiben mir biefe beU
ben ©efichtöpunfte für ihre 3^eurtl)eilung, fo geht bie gemöhnliche
3)teinung bahin, ben SBcrtl) ber Epistolae obscurorum virorum
mehr in ihrer gefchichtlichen SBir!ung, alö in ihrer 33ebeutung
alö Äunftiücrf ju fu^en. S33enn unfere bi^h'^^^Ö^^ 3)arftellung
ihren Quuj ücrfehlt h^*t, fo merben bie ßefer mit
un^ anberer 5lnficht fein. Unö ^Briefe ber ®unfel^
inänner an fein Sud) lebhafter erinnert, alö an baö erfte in
feiner 5lrt, ben 5)on Ouijote, biefe meltgefchichtliche ©atire, ju
melcher ber ©toff in bem ßontraft einer abgängigen ®enf* unb
Sebenöform mit einer neu auffommenben gegeben mar, aber oom
©eiiie ergriffen unb über bie ©phäre ber biogen ©atire h^t^^uö
in bie §öhe beö §umor$ erhoben mürbe. @ine ähnliche 33emanbts
nig hot eö mit ben ^Briefen ber ^unfelmänner. ®ie gefchloffene
(Einheit ber fRomanform, baö plaftifche §erüortrctcn hoobelnber
§auptperfoncn, geht ihnen freilid) ab: fie finb einem pguren*
unb gruppenreichen ^Relief ^u oergleidjcn, auf meld)em ©ilen unb
@fel, ©atpr unb 33acd)antin fich burd}cinanbertreiben , unb mo
ber 9^eid)thum bci^ ©in^elnen für ben äRangel an Einheit besJ
1) I, 11.
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brr ^unfdmönnerbriefe.
183
(^an^eii fc^abloö f)ält. biefc gleic^tüo^l nidjt gan^ fe^lt,
babeu roir nad)9ciüicfeii, unb bog, njaö bic §auptfa^c ift, bic
@rl)cbiuig in baö (Gebiet bcö poctifc^cn §umor^ in ollen §aupt-
Partien gelungen ift, bouon luirb jeben ber (Sinbruef überjeugen,
ben boö Öefen be^ 33üc^leinö unb feiner cinjelncn ^t)cile in il)nt
,^urucflägt, unb luclc^cr ber islBirfung einer ^ilriftüp^onifc^en Äo-
niöbie, einer Sonc^os ober golftofföfcene, üoUtüinmen ebenbürtig ift.
So aii!5fül)rlict)> loie gefdje^cn, Don ben iöriefen ber i)mu
felmönncr ^ier ^u Ijonbeln, l)otten mir fein fRedjt gcf)abt, menn
nid)t unter benen, meld)e auf bic 5ßerfafferfd)aft beö ol)ne fJlamen
erfc^ienenen Söerfeö Slnfprudj l)üben, Ulridj Jütten in elfter
fReiljc ftünbe. ®aft er in frühem 3al)ren fic^ mit bcrglcic^en
anonymen Spottfe^riften gegen bic geinbe ber Slufflörung obgc?
geben, gcftel)t er felbft, menn er fpöter einmal an ^45ircfl)eimer fdjreibt,
fallö jene 3)ienfd)en fo fortmad)en, l)obc er befd)loffen, fie nic^t
mcl)r blo^ l)intcrrücfi? ^u uerfpotten, fonberu fie mutl)ig inö
gefickt anjugreifen ‘). So fam er beim aud), faum bag bie erfte
iJicfcrung ber Xunfelmönnerbricfc erfdjicnen mar, in ben Serbac^t
ber !Öerfafferfd}ait. ©roi^imm fagt oon bem iürief über ben 3U^a=
gifterfc^mauö, cö l)abc gcl)ei6cn, er fei oon §uttcn®), unb biefer
felbft lernte feinen 5tntl)cil an bem JÖud)c nic^t fo ernftlic^ ab,
alö beforgte greunbe um feiner Sid)crl)cit millen l)ätten münfd)cn
mögen*). 9?ur oon einem 5lntl)cile nämlid), nic^t oon auöfc^lics
6enber Url)eberfc^aft ^uttciri^ ift gleich 5lnfang<^ bei ben beffer
Unterrid)tetcn bie 9fcbe: Sraömub glaubte beftimmt oon brei
®erfaffern ^u miffen^j. ^l)cilt fid) mitl)in jefct bie gragc in bic
beiben: mcl^e Xbeile ber Sammlung für ^uttcn’ö 3lrbcit gelten
fönnen? unb mcld}efi5 feine ÜJiitarbeiter unb bereu Slnt^eile gemc^
fen fein mögen? fo fd)cint er fid) oon ber SSerantmortlic^feit für
ben erften Xl)cil in ben fdjon crmäljnten beiben S3riefcn an
fRid)orb (i£rocuö los^jufagcn. 9^äl)cr jugcfc^cn inbc& erfd)cint bieg
al3 ber Stil, morin bic fReuc^liniften ben Älampf für ben oer*
ehrten SDfeifter führen ju foUcn meinten : mie baö ernfte Xriumpl)*
1) €(^riften I, B. 197.
2) 3« iriner Sponf^ia, iputtcn’S ©(tiriften II, ®. 277.
3) ®rie| be§ Courenj SBe^oim an ^irifbcinier, J^utten’S 6(^ri|tcn I, 8. 160.
4) %. a. C. S. 278.
184
I. $U(^. 8. j^apitel.
(jebid)t, fo foHteii auc^ biefc fatirifc^cn ©cfc^offc nid)t bon einem
einzelnen, fonbern oon einer Ü}k^r()eit 5um S3crbcrbeu ber ginfter^
lingc Söcrfc^morcncr (toie ba^ 9^ac^mort jum Triumphus fid) auö*
brüeft) 5U fonimcn fc^cinen. @o faften mir ja §uttcn aud^ bic
Ur^ebcrfd)aft eineö Briefs im jmeiteu Xt)eit, menn gleich nur
fc^er^böft, abie^nen, ber i^m mit ber größten SBa^rjc^cinlic^fcit
pgcfc^riebcn mirb; bic (Sinjclncn traten planmäßig j\urücf, um,
ernftßaft genommen, alö oertappte $Räd)erfc^aar befto {urd^tbarcr, fo^
mifc^ gefaßt alö namenlofer SBe^penfe^marm befto unbequemer ju fein.
©el^en mir unö in ben bamaligen ^umaniftentreifen um,
jiu bem einftmeilen bie (SJegenb ju ermitteln, mo mir
ben erften Urfprung ber Epistolae obsc. v. ^u fud)en l)aben,
fo meift un^ eine Sfici^e oon Slnjeic^en auf ben unö fc^on mo^U
befannten gotlja^^erfurter ICreiiS l)in. ,,^)u paft", fc^reibt SrotUiS ,
im 3of)rc 1514 an ben angefod)tenen 9ieuc^lin, „bu ^aft für bic^
ben ganzen äJtutianifc^en Orben, er faßt ^^ilofop^cn, ^oeten,
fRebner unb X^eologen in fic§, alle bir ergeben, ade gerüftet für
bid} ju tömpfen. iöepel)! nur; fobalb bu millft finb mir bereit." 0
3m ©in^elnen mad^t ßrotuö aus biefem Ä'reife außer bem ßod)«
gelehrten 3J?utian ben @oban |>effc mit feinem ^immlifd)en 2)ic^s
tertalent unb Jütten mit feinem geuer unb feiner ©c^ärfe nam=
l)aft; baß er babei bereite an baS Unternehmen ber Epistolae
gebadet, mirb barauö mahrfcheinlich, baß er hinjufe^t, mit (Sinem
Einlaufe merbe biefer ben faftlofen Drtuiu — ben ^auptabreffaten
ber iöriefe -- zermalmen, gür fich fclbft nimmt ©rotus in bie=
fern §eerc nid^t bie ©teile beö gelbf)errn, fonbern nur bie eines
ÄriegStribunen in 3lnfprud). ®aß er inbeß, menigftenS bei bem
in IHebe ftehenben Unternehmen, mehr als nur ein ©ubaltems
ofpeier mar, bafür ift unS ein unoermerflicheS aufbchalten.
SBir befifeen ben Srief eines Ungenannten, in bem man frü»
her ben auS ber fädjfifchen OieformationSgefchichte mohlbefannten
3uftuS 3onaS oermuthetc, feit ^öcfing'S Unterfud)ungen mit
mehr S33ahrfcheinlid)!eit ben bemfelben Greife angehörenben 3nftuS
3JteniuS ßnbet, an ©rotuS fRubianuS, gefchrieben im 3^1)^^ 1532*).
1) ^uttcn’8 6rf)nftcn I, S. 29.
2) Ad Apologiam Jo. Croti Rubeani responsio amici etc. 3n
§utten’8 @(briften II, 6. 456—466. SBomit }u öergl. bie ebenbojelbft onge»
führte llb()anblung bon ^13öding.
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Scrfoffet b<r 5)un!clniänncrbne|e.
185
5)amald war ©rotii^, bcr cinft ^uttcn'ö 33ufcnfrcunb, fRcuc^Iin^i^
cifriflcr SBcrt^cibiger, halb aiic^ i2utbcr’iä warmer SScrcfjrcr gewc^
fen war, üon ber ©adjc, beren 5lnfängc er nic^t wenig geförbert
^attc, ?\urücfgetreten, b^^tte fic^ ben S3erti)eibigeru ber alten Äird^e
beigefeüt, unb biefer SBanblung in einer ©dju^fc^rift für ben (Srj;*
bif^of 5llbred)t Sluöbrnd gegeben. ®iefc neue Stellung be^ Slb*
gefallenen fuc^t nun ber ©rieffebreiber baburd} 311 untergraben,
bag er feine ?lntecebenticn entl)üllt. @r erinnert it)ii an bie
beigenben ©c^er^reben gegen baö alte S^irc^enwefen, bie er im
3)?utianifc^en Ä'reife ju @ot^a geführt, an bie namenlofen ©pott^
fc^riften, wcld)c noc^ uor Sutber'ö Sluftreten non i^m unb §ut^
ten, ben aber er erft ba^u aufgeftiftet, gegen ^apft unb Sarbi*
näle, X^eologen unb SJtöncbe, verbreitet worben feien. 2)aö
©c^ärffte üon allem aber feien feine Epistolae obscurorum viroriiin
gewefen; ein ©uc^, baö ber Ungenannte mit fRedjt ein „3war
nic^t unoergleid)lid)eö, bod) ewigem ©ebic^t" nennt, bag ^e^n
'^emofriten 3U lachen geben fönnte, ein ©ignal, ba^ alle biejeni»
gen, bie für fid) fo viel 2öip nic^t auf^ubieten gehabt, mit neuen
SBaffen gegen bie ^apiften auägerüftet, unb ber päpftlid)en ,§errs
fc^aft me^r al§ vielleicht irgenb ein anbereö 33uch be^ ^ohtbuiis
bertö gefchabet habe. S)a6 er ben ©pott beö Srotu^, ber 3unäd)ft
gegen bie fcholaftifche ©arbarei unb nur mittelbar gegen bie alte
Kirche ging, unmittelbar gegen biefe geridjtet fein läftt, gehört
3ur Xenbenj beö Slnoupmu^. 5)er ©rieffteüer fpricht alö einer,
bcr bem bamaligcn Ärcifc beö Srotuö angchörte (SKeniuö h^tte
in ben ©rfurt, wo SrotivS fich feit 1515
wicber aufhielt, ftubirt), er erinnert ihn an ihre Vertraulichen
©efpröchc, an bie ©pa^iergänge unb SD^ahl^citcn, wo ßrotuö fein
entftehcnbcö SBerf bei fid) gehabt unb barauö vorgclcfcn h^bc.
3n Kirchen unb §örfälcn, berichtet er, habe biefer ein ©chrcib-
täfclchcn mit fich geführt, um folche fRebcn, bie ihm ^ur ©crar^
beitung in fein SBert paffenb crfd)ienen, barin 3U verzeichnen.
§luf biefcö höbe er fich nid)t wenig ju gute gethan, unb bcr
©ricffteller fagt c^ auch bem Slpoftaten noch auf ben Ä'opf zu,
ba6 er baffclbc aU feine ©rfinbung immer noch im ©tillen zürt^
lieber liebe als eine §Ieffin il)r SungeS, unb eher möd)te, baß
^omer'S 3liaS z« ©runbe ginge, als beS ßrotuS anmuthige
©cherze unb unfterblicheS fiachen über bie ^^Sopiften.
186
I. ®u(^. 8. Äopitcl.
2)ie ©rfinbuiiß alfo, bie G^onccption imb erftc Sbcc bcr
iöricfc bcr ^unfclmänitcr niirb l)icr uoii einem offenbar genau
initmiffenbcn Grotuö äU9cfd)rieben. |)uttcn'jJ
5(nt()eil tuivb nic^t geleugnet, ein isörief itjm auebrücflic^ beigelcgt,
iDciter^in jeboe^ bemerft, in biefem 5^^c^e, mo fic^ um 2)uvd)s
j^iel)cn bcr ^apiften, um beifeenbe 3}crl)ö()nung üon ßarbinälen
unb iöifc^öfcn gcl)anbeü fjabe, fei §utten, mit n(l feiner l)ot)en
9tcbncrs unb ^ic^tergabe, bem Srotiiö bei )iBcitem nic^t gemad)*
fen gemefen. 2öir merben nid)t nergeffen, ba§ ber isörieffd^reiber
ein 3ntercffc ^attc, fic^ t)ier ftart auö,^ubrücfen, meil, maö er in
bie 2ßagfd)alc beö e[)cmaligen (Srotuö legte, bie bcö abgcfallcncn
in bie §öl)e ^og; beftmegen ()at er fid) mol)l Qudj über bai§ S3cr-
Ijältnift feinet fatirifdjen Talents ju bem üon Jütten allgemeiner
au%'fprod^cn, als^ baß mir fein Urt[)cil ül)nc ©infe^ränfung geU
teil laffen tünnten. 9lur fo uiel ift richtig : für fic^ märe |)uttcn
fc^meriid) auf biefc 2JJanier üerfallen, bie feinem greunbe Grotu^
eigcnt^ümlid) mar; nac^bem biefer jebod) einmal ben Ion angc^
geben, mar er oennöge feineö üielfcitigcn lalcntö im ©tanbe,
auf benfclben ein^uge^en. ^ür fid) mar er, auc^ alö ©c^rift==
fteller, ernftcr, patl)ctifd)er geftimmt. üon Jütten, auc^
feine ©atire, fpornt ^ur Iliat, nie ücrgifet er, bag man baö
Iiiminc unb ©c^led)tc nic^t blog belachen, fonbern befömpfen
mufj. lern Öerfaffer ber Kpistolae bagegen ift cö unter feinen
lunfelmänncrn offenbar gan^^ bct)aglid). @r ücrgi^t, ba§ fie
©c^ufte finb, meil fie fo gar ergc^lidjc Il)orcn finb. @r mutl)ct
il)nen nic^t ^u, anberä ju fein, ja eö müßte il)m leib tßun, menn
fie anberö mären, meil er bann nic^t)^ mcl)r ^u ladjen ^ätte.
lieber bem äftßctifc^en (^cfic^täpunftc fommt il)m bcr praftifc^c
au‘:^ ben klugen: unb baö pflegt |)utten, mo er ganj er fclbft
ift, nid)t ju begegnen.
Um fo genauer paßt biefc @igcntl)ümlid)fcit be^ SBcrfeö ju
bemjenigen, maö mir oon bem Sßarafter beö ©rotuö miffen. S3on
jeßer l)abc biefer, fagt eben jener ungenannte iÖricffc^reibcr, eine
Slbncigung üor ernften politifd)cn ®efd)äften gct)abt; nie l)abc er
fid) burd) bie SRotl) ber ßcit, ben bcö ©taatö, bie ©nt^
artung bcr Äirc^c, ©c^laf, Slppctit unb ^urnor üerberben laffen;
immer lieber im Ärcifc feiner greunbe fd)crj^en mögen, alö fid)
für ba)§ gemeine iöefte abjuarbeiten unb abjuforgen. loö ift
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ßrotuS’ Qn ixn ^Briefen ber 3)unfclmänncr.
187
nun ^ujar einfeitig: baö ^umoriftifc^c SBcfcn in Srotuö fc^lofe,
wie wir bereit!^ gcfe^cn ^aben unb noc§ beftimmter fc^en njcrbcu,
einen innern ^nt^cit an ben ©egenfäten unb Kämpfen ber Qcit
nic^t auö; fclbft fein 0d)cr^ unb ©pott ioar nidjt blo^ a(g ge*
feUigciS ©rgefeen, fonberii juglcic^ alö SBaffc gegen baö 3Serfe()rtc
gemeint, Slber jener ernftc Slntpcit an ben Gingen ging niefjt
fo tücit, ba§ ßrotuö fiel) bafür t)ätte auiäje^cn mögen; bag er
nic^t lieber fd)lie6licf) mit bem mitten feinen grieben gemalt
^ätte, als burd) entfd^iebeneS (Eintreten für baS 9lcue fic^ in
meitauSfe^enbe Kämpfe ^u uermicfeln. ^arum fanbte er bie
Pfeile feines ©potteS gern auS bem iöerftede; ^u feiner feiner
©c^riften ^at er feinen Flamen l)ergcgcben, als ju jener lepten,
burc^ welche er fid) bie bittre Slntmort beS ^ilnonpmuS i^ujog, bie
i^n bann für ben 9^eft feines ßebenS ^um ftummen iD^ann’e mad)te.
®ine befonbere ©e^ieftung ju ben ^£)unfelmünnern, benen bie
Epistolae obsc. v. galten, b. f). ben fölner Xl)eologen, nerleugnete
er gleid)mol)l nic^t. „älieine Äölner“, fc^reibt er fpäter an
üut^er, „l)aben beine iöüd)er üerbrannt." ^abei falle if)m bie
Xragöbie beS e^rmürbigen fReuc^lin mieber ein, non ber er ein
lang gufc^uuer getoefen fei, unb babei baS rafenbe (^ebal)ren ber
Xbcologen beobachtet l)Qbe. 9Jiöd)ten nur, münfeht er, bie b unfein
2J2änncr mit ihrem ^nfchlage (gegen ßuther ebenfo, mie einft
mit bem gegen Sflenchlin) hcroortreten, um aufS neue nach 58er=
bienft beleudjtet ju merben ; toaS fie nur mit ihrem eigenen ßichte
— burch fomifche iRachahmung — fönnen*); eine Sflachahmung,
mit ber ftch, mic mir burch Ü)iutian miffen, in ^Betreff beS Äü*
chenlateinS jener ÜJiönner ß^rotuS auch feinen ©riefen ju bc>
luftigen pflegte.
5(uS biefer ©tcHc geht nun überbieg h^r^ör, bag (SrotuS
mährenb beS iRcud)linifd)en ©tveiteS fich eine ßeit lang an einem
ber ^auptfdjauplähe beS Kampfes, oermuthlich iu Äöln, aufges
halten hoben mug; benn ein gofehouer aus ber gerne mar er
nicht bloS ein Sagr lang. 2)amalS, 1512 ober 1513, hotte er
audh ben ^fefferforn fennen gelernt, unb ihn abfichtlich ouf feinen
$anbel mit SReuchlin ju reben gebracht. ®ag er an biefem mar^
men Slntgeil nagm, miffen mir tgeilS aus 2J2utian’S ©riefen.
1) igutten’S Sänften I, @. 433 f.
188
I. 58u(i^. 8. ftüpitel.
tl)cil§ auö bcm oben anc;cfftf)rten ©^reiben bc§ ßrotuö an 9?cuc^s
lin, in njelc^cm er i{)m mit bem gefammten 9J2utianifct)cn §ccrc
feine ®ienftc anbietet, fallö er beren bebflrfen foUtc. ^cn @e=
lehrten nnb S^erftänbigen übrigen^, meint er bort, geben $Rcud)'
lin'ö (SJegner unb if)rc ©rf)riften nur ©toff ^um Sachen,
mar inöbefonberc (Srotuö aud) unter Umftänben aufgelegt, bic
fonft Diel 5U mfinfd)en übrig ließen, ßmar maltetc fein alter
©önner, 33urggraf §artmann oon Äird)berg, big baßin (Soab*
jutor, feit 1513 alg 9(bt in gulba. 9(uf fein 3«i^cben trat Srotug
in ben geiftlid)en ©tanb, mag ißn in ber mitunter reuen
moHte; bodj oerßalf eg ißm ju einer ^frünbe, mäßrenb er oon
bem Seßramte bei ben 9J2önd)en entbunben mürbe. Hber bie
^frünbe mar gering unb ißre föumig fließenben ©infünftc reieß^
teil faum für bie befd)eibenften öebürfniffe, namentlidi nießt für
bie literarifd)en ißreg Snßaberg ßin. ®ai\u tarn ber ©tumpffinn
ber ©tiftggeiftlicßfcit, unter ber ißm jeber anregenbe Umgang
feßlte. S3itter beflagte er fieß barüber in einem 33ricf an SJiutian*);
gerne ßättc er feinen Slufentßalt üeränbert, g^ilba mit Erfurt
ober Äöln oertoufeßt, menn nießt feine gciftlicßen gunctionen ißn
feftgeßalten ßötten. gnbeffen unterßiclt er fid) bureß allerlei fati*
rifeße Hugarbeitungen, beren mir in SO^utian'g Briefen gebadßt
ßnben, unb in benen mir oßne Vorarbeiten unb ^n»
fange ber ^unfclmänncrbriefc 511 erfennen ßaben. 3m Soßre
1515 feßte er enblicß fein Vorßaben cineg längeren §lufcntßaltg
in Erfurt bureß, mo er im Umgänge mit ben alten greunben,
einem @oban, gonag, halb audß (Sberbaeß, unb üor 5lllen mit
bcm benaeßbarten 3Jiutian, bic feßon in gulba begonnene Slrbeit
fortgefeßt unb oollenbet ßoben mag.
Ulrieß §utten mar feit bcm §erbft 1515 in Stalicn. Vorßer
ßattc er bem ©ragmug, mic mir ung erinnern, ben Triumphus
Capnionis, aber nießtg oon ®un!clmönncrbriefcn gejeigt. 5^er
fReft beg gnßrcg, big ju feiner 5lbreifc, gefeßt aueß, baß er mit
Srotug nod) einmal jufammentraf, oerging unter bem erften
©türme, ben bic ©rmorbung feincg Vetterg in ißm unb feiner
gamilie erregte. ®icfc Umftänbe mürben crflören, mie eg möglicß
mar, baß er an einer Unterneßmung, bic ißn in ißrem gortgangc
1) ißuttcn’§ Schriften III, 6. 543 f.
jnjeitc 3ü(|etl bei: ^unfelmfinnerbrtefe. 189
fo (cbt)aft intcreffirtc, bod) üon Slnfang an Uicücic^t feinen tf)ä^
tiflen ^Intijeil Ijatte. Sßenn er nun aber halb barauf feinen
ßanböleuten in iBoIogna ä()nlid)e Briefe üorlieft, non benen mir
je^t menigften^ einen beftimmt im .^roeiten Xi)eile ber Epistolae
obsc. V. finben, unb menn er fid) fpoter offenbar mic ein 9Wit=
Urheber beö SScrfci^ äußert*): fo liegt e^ nal)e, feine Xb^*ilnal)me
baran oor^ugemeife auf ben jmeiten 5^l)eil ju belieben, ^ie
Äölner febienen bureb ben erften noch nicht genug gefd)lagen.
^fefferforn b^Hc gegen benfelben feine Defeusio'O berauögegeben,
morin er feinen ^anbel mit iReucblin nod) einmal oon oorn auf*
nahm unb bie 2)unfelmönnerbriefe aU ein uerläumberifcbeö, got==
te^löfterlicbci^, mel)r aU faracenifd)e)ä ^ud) bei ^5apft unb ilaifer
benuncirte. 2)arauf mar eine neue ^Ibfertigung nötbig, unb fo
entftonb ber jmeite Xb^^l-
2)iefer jmeite einmal befonber^
anfeben muffen, ift einerfeitö feinem altern trüber ooUfommen
ebenbürtig. Sein ober feine SSerfaffer, fofern fie onbere maren,
hielten ben oon (Srotuö angegebenen Xon ein. 2)er fpätere Xbcil
ber Epistolae obsc. üerbält fid) ju bem frühem in mancher ^iii^
fidjt mic ber jmeite ^on Quijote 511111 erften. @3
mirb fingirt, bie 53rieffteüer haben ben früher erfchicnenen
gelefen unb reflectiren .nun barüber. (Siner bebanft fich, ba§
man einen feiner 53riefc in ben erften aufgenommen habe ®). 2)er
ißerfaffer beö ©chlauraff'fdjen SleifegebichtiJ mug bereite gemußt
haben, bag ben ©uasJniuö ber (Sröffnung^brief befonberö ergebt
hatte, ba er ihm ba^ ©chlagmort beffclben aufiJ neue präfentirt.
Sluch bie • 9tad)richt, bag manche mirflid)en ^untelmänner bie
©riefe für (Srnft genommen hatt'-’ib gleich im erften ©tücfe
be<5 imeiten Xheilb benu|jt. Sichtlich ift biefeiS eine 9tachbilbung
be^ Sröffnungöbriefeö ^uni erften Xhcile. ©eibeniale mirb über
einer SÖ^ahljeit eine Streitfrage aiifgemorfen, bie in fd)olaftifcher
SBeifc erörtert mirb, unb ^mar beibemalc unter Slnfühmng beffeU
ben Spruch^ aud bem Slriftoteleö. X)ie Streitfrage ift biefemal,
1) 3n bfin Briefe an ®ro8mu8 oom 21. 3luU 1617, Sihriften I,
6. 147, §. 16.
2) Defensio Jo. Peperioorni contra famosas et criminales obsc. v.
epistolae etc. Hutteni Opp. Supplem. I, ©. 81 — 176.
8) II, 36.
190
I. 8. Äat>itcl.
ttjarum M.^Drtuin feine 33rieffammlung gerabc Epistolas Obscu-
rorum genannt ^abe? unb bic Hntmorten fo njcnig alö bic ganjc
Jöebonblung bleiben hinter bcm SSorbilbe ^urücf. ^icg gilt über-
haupt non bem ^njciten Xhcile; roeßmegen toir auch oben unfcre
Öeifpicle ohne Untcrfchicb au^ beibcn genommen hn^n^n.
^och finb gcmiffe Untcrfchicbc smifchen beiben Xhcilen nicht
ju oerfcnnen. ©rftlich ein äufecrlichcr. ^ieöriefe beö urfprüng^
liehen erften Zhcili^ finb fömmtlich üuö beutfehen Orten (bic S^icber«^
lanbe mitcingcrcchnet) gcfchricbcn; erft im Slnhang crfchcint ein
33ricf aus? ^Rom. Unter 48 ©riefen finb 9 auö ^ipjig, 3 auö
ajiainj, ebenfo Diele auö 2Bittcnbevg, 4 (moriintcr 2 im Slnhang)
anö ^eibclbcrg u. f. f. 2)agegen ift Don ben 70 ©riefen be^
j^iDciten mehr alö ein 2)ritthcil auö ?Rom batirt. 9iach*
richten bal)cr enthält aud) ber crftc^h^il häufig; hoch nur mittcU
bar, inbem bie in Xcutfd)lanb befinblichen ©ricffteHer fchrcibcn,
fic hoben biefj ober jeneö burch ©riefe ober 9lcifcnbc auö 9iom
erfahren. $icr im ;\mciten, mic fchon in jenem ©riefe §och=
ftraten'ö im 3lnhang jum erften, merben biefc 9tachrid)ten nun
auch unmittelbar auö IRom, Don folchen, bie bafelbft ftubiren,
foHicitiren u. bgl. gefdjrieben. @^3 fommen römifd)c 5lnfchauungen
unb Erfahrungen : ber ©apft unb fein Elephant, ber Campo
Fiore unb bie Orangen, bic uncrträglid)c ©ommerhifee, ja eine
(bereite ermähnte) Oleiferputc au3 ^eutfchlanb nach ^f^om mit
Eingabe ber einzelnen ©tationen unb beren 9J?erfmürbigfcitcn Dor').
Erotuö iRubianuö aber, baö )tcl)t feft, mar bamaU noch nicht in
Stalien gemefen. greilid) tonnte er jene S^otijen Don ^leifcnben
unb au3 ©nd)ern hoben: hoch ©efonberheiten mie bic, bag in
tRom feine gute Ärcibe, feine orbcntlidjen 9teftel jum ©chnüren
ber ©tiefel 5U befommen feien*), meifen eher auf einen folchen
hin, ber an Ort unb ©tcHe biefc fleincn ßeiben felbft burchge*
madjt hotte.
3u biefem äußerlichen Untcrfchicbc fommt nun aber ein
innerer, ßmar, maö man mohl Don einer ©erfchiebenheit beö
3^oneö fpricht, muß erft näher beftimmt merben, um ju^utreffen.
2)er ©cherje, ^offen unb ßolcn finb im jmeiten Xheile nicht
1) II, 2. 8. 12. 23. 31. 48.
2) II, 19.
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5)er l»fr 5)unMmännfrbriefe. 191
tücnicjcr alö im crftcn; aber ba§ fommt ^äufi^cr Dor, bag unter
ber ^«^rm bc^ Scric^tö uon cjcbaltcnen ©cfpräc^cn fe^r ernfte
Erörterungen eingejTod)ten loerben, ©riefe mie ber über bie Sebr^
meife beä mür^burger ^rebigeriS, ober ber mit ber Deutung einer
^rop^etenftetle auf bie 9tcform ber entarteten Xt)eologie, oon
benen oben bie SRebe gemefeu, finb ot)ne ©organg im erften Xtjcitc.
^)urd) bie Sronic ff^lägt im ^meiten Xt)eile öfter baö ©att)oö
burd). darauf unb auf einen bamit ^ufammenljängenben Unter'
fd^ieb in ber ©pradje be5iet)t fic^ ©öding'ö oortrefflidjeö ©ilb:
im erften 3^bcil arbeite ein ©ol)rer, ber, nid)t minber fc^arf aii
ber im ;\meiten, boc^ meniger ©eräufd) unb meniger ©päne mad)e‘).
Unb biefen geräufc^üoücrn ©ol)ier bc^ ^roeiten Xl)eiU (b. b-
Jütten alö ©erfaffer) glaubt ©öcfiiig f^on in bcu ©riefen be^
^nl)angö jum erften X()eile ,^u bemerten. ^leid) im erften ber^
felben, ber oon einer ßofö^'^oenfunft mit Eraömu^ cr;^äblt (mie
fte §uttcn hir^ oort)er in ÜJ^ainj^ unb granffurt gehabt unb auf
bem SBege nad) Italien erfel)nt batte), oerfällt ber ©erfaffer
fteHenmeifc in ein gan,^ guteö (|)utteirfd)eö) Satein, aU^ märe er
beöSörgonö ber ^unfelnüinner nod) nid)t mäd)tig; mie er aubrer-
feitö, meint itjm einfätit, men er reben läßt, bie 0pracbc oict
gemaltfamer oerbrebt, alö bieft ber §auptoerfaffer beö erften XbeiU
mit feiner genauem ©adjfenntniß unb feinem OJUmif getban
batte. 3m ^meiten bamit beffer, bod) bleibt in
ber 9J?ebr^abl ber ©riefe ber Unterfd)ieb immer nod) bemerfbar.
^)er Anhang jum ^meiten loit beffen jmciter Huögabe
jum crftenmal erfd)ien, Oerrgtb eine fdjmererc §ünb. Er ift über«
baupt ein Ueberflug. 3JUt ben 110 ©riefen bcö erften unb jmeiten
XbeiU mnr baö Xbenia erfeböpft, bureb alle möglid)en ©ariationen
burd)gefüi)rt. Einmal mu6 aud) ber befte ©pag ein Enbe b^ben,
menn nid)t Ueberfättigung eintreten foll. 5)er ^anbel ©Jimpbe*
ling’d, aU eeitenftücf be^ 9teud)lin’fcben beigebradjt, möd)te früher
933irfung getban hoben ; jebt ermübet er. 9(ucb fonft üermigt man
in ben ©riefen biefe^ Slnbangö ben redeten Sd)icf, gefebmaeflog
Unflätigeö läuft mit unter, unb ber lefete ©rief OoU^iebt bie Ent*
täufd)ung über ben 0iun unb Smd ber ©riefe in meit gröberer
SBcifc, alö ber le^te ©rief bc^ urfprünglicben jmeiten XbeiU febou
1) Hutteni Opp. Supplem. II, 6. 647.
192
I. ^ud&. 8. i^(4>Uet.
get^an ^attc. SBie günftig ba§ aüe^ bcr Scrmut^ung ift', bog
am jmcitcn X^cUc bcr Epistolae, einfc^lieglic^ bcö ^In^angöjum
erften, aber Qu^fd)lie6lic^ beffen ;\um jmeiten Xbcilc, §uttcn al§
^Qupturbeber bctt}ciUgt fei, erhellt üon fclbft. §lud^ bog er ^icr
mel)rmalö uon ben ÖricfftcUern genannt unb fd)lcc^t gemacht
inirb ^), ftimmt bamit jufammen. Söenn er bann im Januar 1517
an 9lcud)lin fdjrcibt, halb merbe bic Don beffen Jeinben angc*
fangene Xragöbic in eine Äomöbic fic^ ücrtoanbcln, biefe non einem
lac^enbcn ®aufc auögcjifc^t merben; baju t)abc er, |)uttcn, fid^
mit Ätampfgenoffen uerbunben, bereu Sllter unb (Stellung ju einer
feieren Äricgfül)rung paffe 2): fo fann man fic^ jmar munbem,
roic Jütten ba^ iiad)cu unb ^^luö^ifdjen erft ali^ ein fünftige^ bar^
fteücn mochte, bad boc^ mit bcr erften ©rfc^cinung ber Epistolae
bereite laut genug begonnen f)attc ; bodj mirb man feine 2(cu6es
rung fcbmcrlid^ auf ctmaö ^nbere^ alö auf ben jmeiten I^eil jener
Sammlung, beffen ©rfc^cinen beoorftanb, belieben fönnen.
Sic er l)icr felbft üon feinen Ä^ampfgenoffen in bcr 9D7ebr»
beit fpriebt, fo bnt, mic mir früher faben, (Sra^muö im ©anjen
brei, anbere noch mebrere ^erfaffer ber Epistolae angenommen.
S^amboft macht Sra^muö, aufeer §uttcn, feinen; auch bcr Sßerf.
bcr Lamentationen (moüon naebb^^^) öerfid)crt, er fennc fie mobl,
aber er mollc fie nid)t nennen, ^er bamberger 2)ombcrr Saurenj
33eboim, ein greunb ^ircfbcimer’ö unb ein SBcfanntcr $utten’^,
übrigen^ ein fcbmacber ^^opf, oermutbete, fein College 3afob guebS,
juglcicb 2)ombcrr in Sürjburg, b^^>c einige bcr S3ricfc oerfagt,
ober fei bod) nidjt mcit baoon gemefen, alö fie gemadjt mürben*).
S)aö Icfetcre bat freilid) feine 91icbtigfeit, fofern gueb^ mit Jütten
im 3abt^ 1^16 in iöologna mar; bad erftcre bleibt möglich, aber
auö ber greube bcö geiftreicben SJtanncö an bcrgleicbcn ^robuften
lögt cö ficb fo menig mit S3cftimmtbeit crfd)lic6cn, alö auö feiner
übrigen (^efinnung, oermöge beren er fpätcr ben gciftlicbcn ©tanb
ocrlaffen unb gebeiratbet bat. Ser au6crbem noch an ben 2)untel5
männerbriefen aü äJtitoerfaffer betbeiligt gemefen, barüber finb
1) 11, 9. 20. 66. ben %rief be§ Sauren} %ebaim an ^trefbeimer,
^ulten’8 S^iriften I, 6. 133.
2) «. a. O. 6. 130.
3) %. a. O.
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^itorbeiter an ben Griffen ber ^hinfelmanner. 193
befonberö in neuerer 3cit Derfd^iebcnftcn SWutl^mogunflen auf*
geftellt worben. ÜKon ^at auf ^ermann oon bem S3ufc^e unb
J^ennonn oon S^uenar, auf (goban ^effc unb ^etreju^ (gber^
bac^, wooon ber (entere im 3a^r 1516 mit Jütten in 9^om ge*
mefen, mit()in SSerfaffer eineö X^eilS ber bortljer batirten S3riefe
beö jmeiten X^ciliJ fein fönnte, gerat()en, unb aud^ SSerfu^c gc^
mac^t, jebem feinen mutbmaglic^en Slnt^eil äujufc^ciben. @lücf=
licbermeife liegt cö in unferer Slufgabe nicht, un^ auf bicfcö weite
gelb p begeben, ba wir böcbftenS für ben Hntbeil unfereö gelben
an ber in Siebe ftebenben 2(rbeit oerantwortlid) fein fönnen.
Slueb bicr übrigen^ fommen Wir über SBcmiutbungcn, bie
freilich gum Xbcil einen hoben ©rab.öon SEÖabrfcbeinlicbfeit hohen,
nicht hinawS. Slm ficherften fcheint mir bic @a^e bei bem Steife*
gebicht bc^ M. ©chlauraff*) ju ftehen, fofern biefe^ .^utten in
Jöologna üorgelefcn unb bic ihm jugemuthete Slutorfchaft mit
einem fo burchfichtigen ©cherj\wort abgclehut hot. Sogleich hilbet
cö ein ©citcnftücf j\u einer früher bcfprochcnen @legic in $utten'ö
Oucrelen, wo ebenfo bic ÜKufe, wie hier ber 2)unfelmann, bei
fämmtlichen bem 2)ichtcr befannten ^umaniften 2)cutfchlanbS bic
Slunbe macht^). ^iefeö Carmen rithmicale mit feiner fprubelnbcn
ßoune, feinen unerfchöpflich fortqueUenben 93erfen unb hoffen,
mit ber jcbcörnal üugerft glücflichcn ©infprengung bcütfcher Steime
unter bic latcinifchen, 3. ö.
Et ivi binc ad Hagenaw: bo lourben mir bie äugen blalo.
Per te Wolffgaoge Angst, ®ott gib boS bu ^angft,
Quia me cum baculo percusseras in oculo —
biefed ©chlauraff’fchc Steif cgcbicht ift ohne grnge baö ^rachtftürf
ber ganjen ©ammlung, baö lautefte Slufjauchjen ber fatirifchen
fiuft, bie höchftc 0chaumwelIc in biefem SKccrc bcö ^umord. Unb
biefe in gewiffem 0inne höchfte ßeiftung ift nicht bem (grfinber
ber ganzen (Sonception unferer 33ricfc, fonbern einem onbern ge*
lungen, ber in biefem gelbe hoch nur Stachahmer war. SlUcin
jener (grfinber war jwar in bem gache ber mimifchen 0atirc, wie
wir bic Epistolae obsc. v. bejeichnen möchten, eine 0pccialitöt,
1) II, 9. ®gL ben ®rief t>on 6o(hIöu8 on ^irdheimer in ^utten’8
6(hrift<n I, 126.
2) S. oben «. 22 f. 48 f.
vn. 18
.V
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194
I. 8.
bet S^lad^Q^mcr hingegen ba§ umfoffenbere Xolent, ber bf)antafics
reichere, genialere ^opf. SBenn @rotu8 mngefcl)rt in ©utten’ö
gad^c ücrfudjtc, bem ber ernften ?Rcbe ober beö ßucianifc^en 5)ia*
logg, loic in einigen anonymen ©tücfen, bie i^m mit SBa^rfc^cin:*
lic^fcit jugefc^rieben toerben^), fo l)ot er ben greunb nic^t übcr=
troffen, fonbern ift merflicb t)intcr i^m j\urücfgcbliebcn. ?luf baS
Sfteifegebid^t mirb bann gleich in bem folgenben Schreiben beö
M. SBÜ^elm ßamp*) öcjug genommen, boö, mic fc^on früher bc^
merft, nod^ auö einem anbern ÖJrnnbc ouf §utten als SSerfaffer
^in^umeifen fc^eint, fofern nämlic^ bie Steife, oon melier ber
^unfelmann borin berid)tet, nac^ Qeit unb Stic^tung mit ^utten’ö
jmeitcr italicnifd^cr ?Reifc ^ufammentrifft. 3n bem S3rief bed M.
ajteöoe*) hierauf mirb bem (Sebert ^arlem, ^utten’d roftoder
©oftfreunb, ein S)enfmal gefegt; in bem be^ M. $acfftro*) öon
ben ©taUbienften ber beutfe^en ^^frünbenfud^cr in Sflom in ä^n*
lieber SBeife mie in ^uttcn’g ouf ber Sfleife gefc^ricbenem S5rief
an ®raömuö gefproc^en; ber Sicenciat ßapp'^) fd^ilbert bie emigen
©tic^blöttcr oon ^uttcn’j^ polemifd^er 5^ber, bie ^rebiger ^eter
3Äcper in gronffurt unb Söartbotomäug ße^enber in Ü}tainj, ganj
mie ber Sßerfoffer be^ Triumphus Capnionis. greilic^ fommen
biefe beiben aud^ fd)on im erften 2^^cilc ®) baran, mo aufeerbem
nod^ bie' genaue S3efanntfc^aft mit ben mainjer Äronengöften ^),
bie ^ecfmannögefc^ic^te auö Söien®), unb manc^eö Ste^nlid^e auf
bie Sermut^ung führen fönnte, Jütten ^abe fc^on an biefem
©runbftocfe beö SEöerfcö 5lntbeil gehabt. 2)oc^ mar ja auc^ SrotuS
in 3)^ainji befonnt, unb Steigungen mie 2lbneigungen, 2lnefbotcn
mie SRebenöarten in bem Greife ber jungen ^umoniften ©emeins
gut. 2)a§ bie ernfteren ©tücfe be^ jmeiten XbeitiS, mie bie ftro^
1) 3- Dialogi septem festive candidi, in ^utien’S ©d^riften IV,
6. 554—600. §ier jeigtn nur bieientgen ©tüde, bie, wie bttS Conciliabulum
theologistarum, in baS mimifd^e gel()ören, bie boSe SrohtS^d^e ÜReigerjd^aft.
2) 11, 12.
3) II, 24.
4) II, 23.
6) II, 38.
6) I, 6. 26. 27.
7) I, 11.
8) (, 14. $gl. oben ©. 59 f.
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Vufna^me ber ^nfelmSnmrbrirfe.
195
fcnbe ^ro^jl^ctenau^legunö in bcm SBrtef bc§ M. Älingcfor*), bic
an ©teilen in bem ©omorte jum ^uttcn'f(^en Nemo onflingt,
mit befonbercr ^a^rfc^einlic^teit auf $utten jurüefgefü^rt merben,
ift im Allgemeinen f^on angebeutet^ im ©injelnen aber möd^tc
ic^ ^ier nic^t meiter ratzen, fonbem bem ©d^arffinn ber Äcfer
auc^etmad ju leiften überlaffen.
9lur ®ineö fei ^ier noc^ bemerft, toeil eS ben rafc^cn ®nt'
micflungggang jener 3^it be^eid^nct. ^ielBriefe ber ^unlelmönner
fanben fc^nell bie mcitefte Verbreitung, boju fo ni^lc iRac^al^mer,
bag unferm Jütten julebt ber ßufrnbungcn ad modum obscu-
rorum virorum ju biel mürbe*). Von bem erften X^ilc ber
Epistolae erfc^ienen, b\& ber jmeite binSbfam, brei, bann öon
biefem bi^ jum Sa^re 1518 ^mei Aufgaben; bon ba an hingegen
fe^It bi^ 5um Saljre 1556 jebe ©pur, bag bie Vriefc neu oufge«
legt morben mären. Am 31. October 1517 nämlicb ^atte fiut^er
feine X^efen angefc^lagen, im ©ommer 1519 in iieij^ig mit @(f
bidputirt, unb bon ba an ging ba$ gani^e geiftige Sntereffe ber
3cit in ber Bteformation^ngelegen^cit auf.
SEBie bie ^u feinen fünften unb ®^ren beranftaltetc ©c^rift
bon Steudjlin felbft auf genommen morben, miffen mir auöbrüdlic^
nic^t : ber Vrief in ben Samentotionen , bcm jufolgc er fie ber^
morfen unb bermünfe^t ^ätte, ift jebenfaß^ bon ben (Gegnern er*
bientet ; fobiel aber ift und bod^ glaubhaft überliefert, mie ed an
ficb glaublich ift, bag bem mürbigen alten ^erm, menn er auc^
in jüngem Sauren felbft eine fatirifd^e Äomöbie mit fe^r per^
fönlic^cr Vejie^ung geft^rieben j^t ber 9)>{utbmiße
feiner jugenblid^en Vert^cibiger gar ju bunt mar »). Von (Sradmud
miffen mir aud feinem eigenen Vefenntni^, mie einjclne i^m bor
bem 5)rucfe bed ßkmjen jugefommene V^oben (er felbft fpric^t
nur bon einem, anbere bon jmei Vriefen*) i^n beluftigten; bag
1) II, 50.
2) Soureti) an ^träbeimer. ^uiUn’S 6(briftnt I, 6. 160.
3) Camerarius de vita Melanchth. ed. Strobel, pag. 18.
m5bte Sergius, bie 9ieu(blin 1496 in febtieb, toar eine Satire auf
ben SUnfUing befi ^rjogS ^berbarb II. öon SBürtemberg, ben HugufHnermönib
^o4inger, bor bem er fi(b geflUibtet b<ttte.
4) Spongia, ^utten’8 6(briften II, S. 277. Epist. Anonymi adCrotum,
ebenbof., S. 460.
196
I. $u(^. 8.
bo^ ßöc^cn barübet i^n burd^ gcfö^rlid^cn
©cfc^tpürö gefunb gemacht b^bc, ift eine alte ©age. öebenfücbcr
.ttjat ibm febon bie erfte gcbrudfte Sammlung ; toie nun aber natb
furjer 5luflage mit einem 2lnbcmg erfebien, beffen
erfte Plummer gleich ben ©radmug felbft bei einem ©aftmabt im
©efproebe mit einem ^unfelmann norfübrte, uoCi S3erebrung jmar,
unb i^um ©preeben getroffen mit feiner febma^en (Stimme unb
feinem feinen Söcbeln über bie X()orbeit ber SKenfd^en; mic enb^
lieb gar ein ^toeiter Xbeil folgte, morin er noch öftere, jmar al§
„ein 3J?ann für ficb"^), boeb ber Xbat nach al^ S3unbe^genoffc
ber jungen Stürmer unb ^Dränger erfebien: ba mürbe ibm bie
Sache fatal, unb er fpracb laut feine Un^ufriebenbeit über ba^
böfe S3eifpiel auö, baö nur ba^u beitragen fönne, bie bwnwniftif^e
Sftiebtung oerbagt ju machen*). (Sbenfo fehlte Sutbern, menigftenS
bamalö, ber ^urnor, um ein SBcrt mie bie Epistolae rein aufjus
nehmen: er fanb fic frech unb nannte ben Söerfaffer einen $an^
murft ®). 2lucb hierin jelgt ficb^utten alö ber umfaffenbe, @egen*
fäjje in ficb Oereinigenbe ©eift. (SrotuS fonnte über bie SDunfcls
mönner nur lachen ; Öutber nur jürnen unb gegen fie b^nbeln :
|)utten oermoebte ®eibeö.
2)ie $lngegriffenen ibrerfeitö manbten ficb, ib^er ganj mürbig,
j^unad^ft an bie Äircbengemalt. Sic ließen eS ficb 'Jiel @clb foften,
biö fie ein püpftlicbcö öreOe auömirften, melcbcö allen ©b^ft-
gläubigen bei Strafe ber excommunicatio ipso facto incurrenda
gebot, binnen brei Xagen nad) bem IBcfanntmerben ber Ißerorbnung
bie ctma in ihrem Sefibe bcfinblicben (Sjemplare ber Epistolae
jiu üerbrennen, unb Urheber, ^ruefer unb S3cfibcr berfclben, bie
fie nicht oerbrennen moUten, bem Ort^pfarrer anjujeigen. 3Äit
biefer SBaffe oerfeben, glaubte nun Ortuin auch literarifcb gegen
ben geinb ju gelbe jieben ju fönnen. @r febrtc bie öejeiebnung :
Obscuri viri gegen bie Urheber ber unter biefem 5!itel erfebienenen
Söriefc ; biefc, im 2)unfcl ber ^nonbmität oerfteeft, feien bie mabren
^unfclmänner, bie er nun über ihr angeblich fo übel abgclaufene^
1) II, 69.
2) SAfariuS, ^uiten’8 Schriften I, 6. 149.
3) 3ln einem SBrief on Stob. Songe öom 6. Dd. 1617. ßutber’S Briefe,
berauSgegeben non be SBette, I, 8. 37 f.
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i^Iagen ber ^unfetmAnner.
197
Untcmcl^mcn lamcntiren läßt*)- ®o^cr »irb gleich toon ?tnfang
ba§ päpftüc^e Sreöc unb beS ©roömu^ migbilligcnbcg ©d^rcibcn
abgcbrucft : ein lucitcrbin dngcrücftcö angeblich öon 9leuc^lin ;jcigt
but(^ feine ^(ump^eit, tnie wenig Ortuin feinen ©cgnem ge»
woebfen war. ®ie SBcrfoffer ber Epistolae lägt er ein ganj un^
gcfaljcneö Pater Peccavi onftimmen, in matten ?(uörufungen,
langweiligen heu unb eheu, proh Jupiter unb p’roh dii immor-
talesl i^re S^ticberlage unb ben ©icg ber X^cologcn bcflagcn.
Äuf ein fo geiftöoÜeö ^robuct wie bic Epistolae obsc. v. finb
biefe Älagcbricfe eine unerlaubt gciftlofe ffirwicberung. 3“*^
@lü(f pnb bie weiften fegr fur^\, bisweilen nur uon wenigen
Seilen; aber man werft au^, bag bad Ißermögcn in ber ^^at
nic^t weiter, oft faum fo weit, reichte. ^)a§ Iciblid^ftc ©tücf ift
nod^ bo« Scrjeic^nig ber moralifc^en, b. unmoralifc^cn ©runb*
fäbe, wel^e ben ^tcuc^liniftcn jugefc^rieben werben*). S)er @til
burfte, ba bic oorgcblic^en löricfftcHcr in ben ßamentationen bic
^umaniften finb, nic^t fc^lcdbt fein, bagcr f^rcibt Ortuin offen*
bar fo gut er fann; wa§ ^war immer noci^ fc^lec^t genug, bod^
auc^ wieber nic^t fo fd^led^t ift, um wiber rällen ergeplid^. ju
fein. Uebrigend will er, wie fold)c ©efellen pflegen, billig fd)eincn,
unterfc^eibet jwifc^cn guten unb fc^lec^tcn ^Reuc^liniftcn unb
^oeten, woüon er nur für bie le^tern bebauert, bag bic alte
Äirc^enjuc^t mit .^änbeab^aefen, Sw^^Ö^^^Qw^reigen unb (Srbroffeln
abgefommen ift, unb fic, als Vorläufer bcS ?lntic^riftS, bem ©traf*
geriefte beS Weltlichen ÄrmS empfiehlt.
1) Lameniationes obscarorum virorura, non probibitae per »edem
apostolioain, Ortwino Gratio auctore. erü( HuS^abe t>on 46 Briefen
toar )ur Oßermeffe 1518 erf(^ienen; eine neue, mit einem )tt>eiten ton
40 ^Briefen »erme^rte: Impressio secunda cum additionibus, erf^lien im
fluguit beffelben ^^re4 }u H5In. Sei ^bding , Hutteni opp. Suppl. I,
6. 323— 4ia
2) Lament. obsc. v. novaa Ep. 16.
196
)lennle$
ßutten'$ i>iiftetlttdnun(^ unt feße Sinßeffung itt ^a!it|.
feilte ^eitbnitg ^egeii ^om.
1517. 1518.
SGBir l^oben oben ben gaben oon ^utten’S ßebcnöcjefc^ici^tc
ba abgeriffen, wo er gegen 6nbe Sunt 1517 bie 9flü(freifc Oon
Sologna nach Xeutfd^Ianb antrat. (Sv reifte in ©efeflfebaft bed
redjtögele^rten SRitterg ©eorg oon ©treitberg, unb öor ber äfiittc
beö Suli finben wir i^n in 2lugöburg, wo ber gelehrte ^tricier,
Äonrab ^eutinger, i^n goftfreunbli^ in fein $auö aufnal^m.
@ben befanb fic^ ^^aifer ffl^iojimilian in ^ugöburg, unb biefe
legenbeit wollte ^eutinger, in SSerbinbung mit bem ©ecretär bc^
Äaiferg, SoJob ©piegel, unb bem laiferlicben ^iftoriograbb^n unb
9Katbematicuö, Sodann ©tab, welche bie ^umaniftenpartei ju
ben rechnen burfte, benüfeen, um für Jütten etwoö beim
Äaifer auö^uwirfen. Um biefem ficb befannt ju machen, foHte
Jütten feine italienifcben Epigramme, bon benen bis je^t nur
einzelne (mit ber (Spiftel StalienS unb ©oban'S Antwort) gebrueft
waren, anbere nach bem erften Entwurf in fehlerhaften Äbfchriften
umtiefen, mit einer ßueignung an ben Äaifer h^rauSgeben.
@r ging auf ben ©ebanfen ein. fah bie ©ebichte burdh unb fchrieb
bie 3ucignung: aber fte erfchienen erft im folgenben Soh’^c
ber gröbern ©ammlung, welche an erfter ©teEe einen berbefferten
Slbbrucf bcS ^ufmahnungSgebichtS gegen Söenebig enthielt ‘).
1) Hoc in volumine hoeo continentur. Ulrichi de Hutten eq. Ad
Caesarem Maximilianum ut bellum in Venetos coeptum prosequatur
Exhortatorium. Eiusdem ad Gaes. Maximil. Epigram, über I. etc. etc.
S)ie 3wf*0nun0 ber gptgromme on ben Äoifer f. Schriften I, ®. 234 f. S)te
be4 ^nfma^nungSgebid^tS ebenbaf., @. 233 f.
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^utten’8 !E)t(^teTfT5nung au Augsburg.
199
Sl^ittlcriücilc BracJ^tc ^eutingcr in einer ßlänjenbcn SBer=
fammlung beim Äoifer bic 9^cbc auf Jütten, fc^überte feine
0tubien, feine mü^fdigen Sfteifen, Uergag baö ju beö Äaifcrg
®^rcn uon bem ^Ritter beftonbene gran^ofenabcntcuer nic^t, unb
brachte aflcriei Xitel unb ^^riuilegicn in IBorfd^lag, mit benen
ein fo ouögcjcic^netcr junger Slbelic^cr ju gieren märe. SlRaji^
milion bcfc^log, i^n feierlich jum Xic^ter gu frönen.
flocht bic fc^önc unb tugcnbljafte ßonftange, ^cutingcr'ö Xodjter,
ba^eim für ^utten ben ßorbeerfrang. ©ic mar bic jüngere ©c^mefter
jener früi^ reifen, aber auc^ frü^ uerftorbenen 3uliana, melc^c
öor 13 Sauren alö 4jäl)rigc§ ^inb ben Äaifcr 2Raj bei feinem
(Singug in bic ©tabt mit einer latcinifc^eu Unrcbc empfangen
l^attc. 3n glängenbem Octeite führte ^cutinger am 12. 3uli ben
@aft bem ^faifer gu, ber i^m in ©egenmart feinet ^offtaateS ben
Ärang auf ba^ §aupt fe^te, mit mclc^em fic^ Jütten non ba an
fo gerne abbilben lic6‘).
93on bemöbrten SRännern, beißt cö in ber barüber auö»
geftelltcn Urfunbe, fei bem Äaifer Ulricb t)on §utten, ber ©pröß»
ling eines ebeln IRittergefcblecbtS, als ein junger ÜRann empfohlen,
ber aus 2icbc gu ben Söiffenfcbaften bic ^eimatb ücrlaffen, einen
großen Xpcil oon Europa bur^manbert, babei oicl Ungemad) er^
bulbct, aud) ßebenSgefabren beftanben, biebureß ober eS nunmebr
babin gebracht b^bc, bag feine ©ebriften in aller ^änben feien,
bic gclcbrteftcn ÜRänner in 3talicn unb X)eutfd)lanb fiep feine
greunbe nennen unb in öffentlichem Xrude für feine feltcnen
®orgügc Beugniß oblegen. SBcil er fo gu bem angeborenen 2lbel
bcS ©efchlechtS ben burch bie beften ©tubien ermorbenen bi^^SU*
gefügt, b^be auch ber Äaifcr ibn mertb geachtet, burch ein 3Rer^
mal feines Beifalls ihn auSgugeichnen. ©o ertbeilc er ihm benn
aus eigenem Antriebe, nach gemiffer Äunbfdjoft, mit faiferli^er
ÜRachtoollfommenbeit ben Sorbeerfrang unb ben golbenen Üling,
ernenne ihn gum dichter unb 91ebner, mit bem Spechte, an allen
©d)ulen, inSbefonbere an ^ochfehuten, in ben JJöchern ber Xicht-
unb IRcbefunft gu lehren, überhaupt mit allen ^rioilegien, ®btcn,
©naben unb greibeiten, melcbe bic übrigen foifcrli^ gefrönten
^oeten unb Oratoren oon Spechts ober $erfommcnS megen ge*
1) Jütten an ^eutinger, 6<briften I, 6. 178.
200
i. 99u(^. 9. Po{)iteI.
niefeen. Unb nm il§m nod^ ein befonbere^ SWcrhnal feiner ©nabe
ju geben, nefeme ber ^taifer i^n, genannten Ulric^, fammt öden
feinen @ütem, Slngelegen^eiten unb S^led^ten, foroo^t je|igcn alö
fünftigen, in feinen unb be^ beü. iReicbeö ©(^u^, unb ertbcUc
il}m ba§ Sßorrcebt, üot feinem anbern SRiebter alö bem Äaifet
unb beffen 0latbc gerichtet merben ^u fönnen. aHe^ jur
^faebü^tung für aHe beö b^^^- 9feicbö geift^ mie meltlicbe
gürften, ©tobte, Uniüerfitöten u. f. f., unb bei ©träfe non 15 9Rarf
©olbeö für ben Uebertreter, moüon bei jebem ein;\elnen Ueber^:
tretunggfaHe bie §ülfte bem faiferlicben giöcuö, bie anbere $ölftc
aber bem befeböbigten Ulricb felbft, ju @ute fommen folle'). —
5)0^ 2a\)x barauf uernabm $utten überbiefe öon einem faifer*
lieben (Sefebenfe, baö, auf fßeutinger'ö SSermittlung, für ibn un*
termegS fei ; ob etmag an bem ©erüebte mar, erbeHt meiterbin nicht.
3m 3i*f^i”iiJ^cnbang mit biefer ©nabeuermeifung fuebten
^eutinger, ©piegel unb ©tob ben neugefrönten Siebter an ben
faiferlicben §of ju sieben; anbere g^eunbe erinnerten an ben
©r^bifebof üon 9Rainj, für beffen 2)ienfte er cinft üon (Sitelmolf
beftimmt gemefen, oon bem er febon früher ein5elne Sluftröge,
bann ^u feiner italienifcben fRcife Unterftü^ung empfangen b^tte.
Jütten fonnte ficb nicht fogleicb entfcbliefeen. ßunöcbft begab er
ftcb (ohne dlürnberg, um $ivcfbeimer ben oerfpro:»
ebenen S3efu^ ju machen) noch Samberg, mo er feinen greunb,
ben 2)omberrn 3ufob 5ucb3, antraf, ber febon oor ihm Sologna
oerlaffen unb ben fRücf meg in bie ^eimatb angetreten butte, ^ier
fab ihn au^ ber junge Sooebim Samerariu^ jum erftenmale, ber
babei oon bem glönjenben fRufe nicht bloS ber ©elebrfamfeit,
fonbern auch ber Xapferfeit berichtet, melcber, in fjolge feineö
Äümpf^ mit ben fünf granjofen, bem fRitter bei feiner fRücffcbr
nach Xeutf^lanb oorangegangen*). 3n granfen trat biefem ber
gamilienbanbel mit bem ^erjog Ulrich oon S33ürtcmberg oon
Steuern nobe; Oielleicbt fam ihm erft hier baö Sluöfcbreiben beö=
fclben roiber bie ^utten'fcben jur ^anb, ^u beffen SBiberlegung
er je^t in menigen Xagen feine oierte ^ebe gegen ben ^erjog
febrieb®}. Slufeerbem ftattete er in einem Sriefe bem Grra^muö
1) ®te Urfunbe j. in ^utten’S 6<briften I, ©. 143 f. .
2) Camerar. Vita Melanchthonis, in H/ 361 f.
3) oben @.99 — 103.
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Verausgabe einer 6(brift non Soren) SaQo. 201
23crid)t uon feiner fReife unb feiner ^)icbterfrönunß ob, unb ban!tc
i^JU für bic e^rcnooHc @m)äi)nunß feincö S^amenö in ber S^orrebe
ju ®radmu^’ 2lu^gabe beö Svenen ^eftamentö. ^)icfcr ®rief ift
am 21. 3uli öcfd)riebeu *) : einen ÜRonat fpätcr finben mir Jütten
noc^ immer in 33ambcrg; auc^ an ben Sintritt in bie ^ienftc
beö bortigen Öif^ofö fdjcint er gcbac^t ju hoben. Seicht lange
hernach reifte er ab ; 33efannte in !öambcrg mußten nicht, mohin :
gegen baö @nbe be^ Sahreö finben mir ihn bei ben ©einigen
auf ©tecfclberg, mit einer merfmürbigen Slrbeit befchäftigt.
ift oben erzählt morben, mie am Xage oor feiner 2(brcifc
auä Bologna nach 2)eutfchlanb Jütten bei ßoehläuö ein ©fcmplar
ber ©chrift beö fiaurentiu^ Ißalla über bic crbichtete ©chenfung
Äonftantin'ö gcfchcn hotte. Sochläuö hotte bic ©chrift üon einem
Änbcm geliehen befommen; Jütten moUtc fic in 2)eutfchlonb
micbcrabbrucfcn loffen, unb münfehte baher eine Slbfchrift nehmen
^u bürfen ; maö (Sochläuö, obgleich ihm bei ber ©ache nicht ganj
mohl mar, hoch um fo meniger abfchlagen mochte, je mehr er
mit bem Snholte ber ©d)rift bamalö noch einoerftanben mar.
gricbrich Sifchcr, ber mürjburgcr 5)omherr, ber noch in S3ologna
jurücfblieb, beforgte bic ^bfchwft, bic bem Flitter nach 2)cutfch'
lanb nachgcfchicft mürbe*).
2)a6 bic genannte ©chrift bed um ^h^^ologic unb firchen*
gefchichtliche ^riti! hochoerbienten italienifchen ^umaniften aud
ber erften ©älftc bcö oorhergegangenen Sohrhnnbertö für §utteu
eben jc^t ein miflfommener gunb mar, begreift fich auö ihrem
3nhalt unb @eift, mie quö ihrer gorm. 2Bar fie in lehtcrer
IsBcjichung ein mahred $rachtftücf beä homaniftifchen iRenaiffancc«
ftiU, fofern fic in claffifchem ßatein, burchauS rhetorifeh geholten,
ihre @rünbc nach Ätt ber alten ^iftorifer in crbichtete ?Rebcn '
ber betheiligten ^erfonen (ber ©öhne Ä^onftantin'ö, be^ römifchen
SBolf^, bed $Qpftc^ ©hlbcftcr) cintlcibet: fo griff fic, ma<S ihren
3nholt betrifft, bag ©pftem ber römifchen Änmafeungen an einem
ber ücrmunbbarften fünfte an, unb thot bie& im ©ciftc jener
freimüthigen, opferbereiten SBahrheit^liebe, oon ber Jütten fclbft
bcfcelt mar. (£ine ^auptftüpc ber popftlichcn Änfprüchc nämlich
1) 6<hrtften I, 6. 146—148.
2) ^H^lfius an $ir(!h<imer, Vutten’S I, 8. 14£.
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202
1. $n(l^. 9. j^a))itel.
bUbctc ba§ angebliche @bict bc§ Äaiferä Äonftantin, froft
beffeu er bem römtfehen öifchof ©hlbefter unb beffen
gern, alö S^Ö^be ju bem firdhlichcn Primat, nicht blog feinen
lateroncnfifchen ^alaft in 9Rom fammt ben faiferlichen Snfignien,
fonbern auch ©tabt fRom, ja Stalien unb baS ganj\e Äbenb*
lanb, überlaffen, unb fid) felbft auf ben Orient befchränft ho^^w
foH. ®ie Unädhtheit unb Ungereimtheit biefeö ?lctenftücfö jeigt
SSalla’g 2)eclamation in fo fchlagenber, ja fchneibenber Sßeife, ba§
unö meber bie SJerfolgung befremben fann, bie er fich baburdh
juj^og, noch ber SSerruf, in melchem feine ©chrift bei ben firch*
liehen aRachthubern ftanb.
2)iefe @^rift nun, meld)e bie meltliche ^errfdhaft beg ^apftc«
in ihrer ©runblage angriff, gab jc^t §utten herauf, unb mibmete
fte, mit öcht ^utten'fcher 2)reiftigfeit, bem ^apfte felbft^), mib*
mete fie ihm fo, alö märe er oerfichert, bag ber ?5apft mit ber
§erau§gobe einberftanben, jo bem Herausgeber für biefelbe banfs
bar fein merbe. ®ie§ mar nichts meniger als fein @mft. @r
hatte ßeo bem X. mährenb feiner bereits 4jährigen Olegierung
längft abgefehen, bag er in ber H^tbptfache ein ^apft mar mie
bie anbern auch; h^tte fchon im oortgen ©ommer an ^irtfheimet
über ihn als einen lei^tgefinnten, gelbgierigen glorentiner, einen
Heiligen, beffen Unheiligfeit bei allen SSerftänbigen eine auSge*
mad)te ©ache fei, gefchrieben. @S mar alfo nur eine SBenbung,
um ben ?apft in bie Verlegenheit ju fepen, mit guter Slrt nidht
mohl eine Un^^ufriebenheit über HuUcn’S Unterfangen äußern ju
fönnen.
Hutten fnüpft feine 3ueignung an bie 3«fchtift an, mclche,
im ©egenfape ju feinem friegerifchen Vorgänger, ßeo bem X. als
bem „SBieberherfteller beS griebenS" in 3talien gefept morben
mar. 3Rit bem ^rieben h^be er ©erechtigfeit, SEÖahrheit unb
greiheit jurücfgefül)rt : nun fönnen bie SGÖiffenfdjaften mieber auf«
leben, nun bürfe anS ßiept treten, maS bisher fidh oerftcefen
mußte, unb um fo ^uüerfidjtlicher, je maßrer unb lauterer eS ge^
fchrieben fei, mie biefe ©dhrift beS VaHa. Slnbcrc ^äpftc hoben
biefelbe üerboten, meil fie bie SBahrheit nicht hören mollten: ßeo
1) De donatione Gonstantini quid veri babeat etc. 3^i0^ung
in iputten’S S(|nlten I, S. 155-161.
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3uetgnung an ben Seo X.
203
toerbc ftc lieben, h)eil er ein greunb ber SBal^r^eit fei. SBag bic
gegen fd^led^te ^äpfte fagc, gc^e i^n nid^tS on, ber fid^
benm jt fei, ein guter ^opft fein, ©^(ec^te köpfte aber, ober
Oielme^r gar feine ^äpfte, feien biejenigen gettjefen, njeld)e mit
»cltlic^em ©inne jene ©c^enfung i^onftantin^ö erbid^tet, ober bic
fc^amlofe ®id^tung fic^ ju 9tupc gemad^t ^aben. öeo merbe oon
felbft unb gütlich aufgeben, mag man, menn ein fd^Icd)ter ^opft
an feiner ©tcHe gemä^lt morben märe, biefem mit ©emalt abge^
nommen ^aben mürbe. 9lur fo fönne er fein Sßort, bafe er ber-
SBieber^erfteüer beg gricbeng fein moHe, ma^r machen. 3)enn
griebe fönne jmifc^en fRäubern unb 93eraubten nid^t e^er ftatt*
finben, alg big erftcre ben le^tcrn bag beraubte jurüdEgegeben
^aben. ©o nennt §utten bic früheren köpfte gerabeju Räuber
unb Diebe: unb ju meinen, bag fid^ ßco babur^ beleibigt finben
merbe, erflärt er eben für bie grögte Söeleibigung gegen einen
^[kpft, ber mit jenen nid^tg fönne gemein f)aben mollen.
Dabei fü^rt er eine ^eige oon 9Wigbräu^en unb ©ebrüefungen
fo auf, alg ob fic nur ben SJorgängern Seo’g i^ur ßaft gclcn, oon
benen er boeb fc^r gut mugte, bag fie unter ßeo tgeilg forts
bouerten, t^eilg fid^ nod^ Oerfd^limmert Ratten. S^tic^tg fei fo
bitter, bag cg nid^t gegen jene köpfte gefagt merben bürfte, „melcge
oom gcringften Öormanbe Slnlag ju cnblofen ^lünberungen ge*
nommen, ©naben fcilgeboten, mit Digpenfationen unb öuHen
aller Ärt fc^on fo lange ßeit ^anbel getrieben gaben. Die für
bic ©ünbenüergebung einen 5?aufpreig feftgefe^t unb aug ben
©trafen beg fünftigen Sebeng eine ©rmerbgquelle gemaegt gaben.
SBelcge bic geiftlicgen ©teilen bei ung, bic milben ©tiftungen
unfrer Voreltern, fieg abfaufen liegen. SBclege bic Deutfegen
glauben maegten, bic feien feine öifegöfe, mclcgc niegt igr Gallium
für oiclc taufenb ©olbftücfc Oon ignen erganbclt gaben. SBcldge,
niegt jufricben, einmal beg 3agrcg eine augcrorbentliegc ©teuer
ju erpreffen, fo oft cg ignen gefiel, Scutc fegieften, bie, halb unter
biefem, halb unter einem anbem Sormanbe, fammcln mugten,
bag einemal für einen Dürfenfrieg, bag anbrcmal um ^u S^iom
bem g. ^trug eine l^irege ju bauen, bic fic nie fertig maegen
loffen. SGBelcge cnblieg, mägrcnb fie afleg bag oerübten, bennoeg
Reg alg ©cligftc unb ^ciligftc begrügen liegen, unb gegen igr
Dreiben fein ©ort, oicl meniger eine ^anblung bulbcn moUten , .
204
I. %U(!^. 9. ffapiUL
SBer fold^en iRäuBcrn, fo unl^otbcn X^ranncit, bic^ beijä^lcn
tüoClte, foCitcft bu bcn nic^t für bcincn ärgftcn geinb ad^tcn,
großer Seo ?" Sßaßrßaft eßrc ißn bagegen berjenige, njelcßcr, tote
Jütten bureß bie ßiicignung ber ©cßrift beö SSaüa, t^atfäcßlic^
ba§ SSertraucn ju i^m bereife, baß er fid^ öon ben toeltlid^en
tlnmaßungen feiner S8orgänger, gegen tocld^e jene ©eßrift gerießtet
fei, burc^auö toögefagt ßöbe. ©o loenig er baßer jtoeifle, fcßließt
$utten mit mutßmiHiger Äecfßcit, baß ba§ 35ü(ßlcin bem Zapfte
gefallen merbc, fo toöre eö ißm boeß lieb, menn biefer feinen ^cu
fall öffentlicß bezeugen möcßte: bann molle er SJiüße geben,
halb mieber ctmaö ^cßnlicßeg aufjupnben.
®incn in biefer bürfen mir nießt außer 3(dßt
laffen, mcil er §uttcn’ö ©rnppnbunggmcife bejei^net, unb bur(ß
feine ganj^e ^olcrnif gegen baö ^apfttßum ßinbureßgeßt. 5Ricßt3
bringt ißn ßeftiger auf an jener untergefeßobenen Urfunbe, atö
baß ber S3etrug fo plump ift, baß man fießt, er mar oorjug^s
mcife auf bie ^eutfd^cn bereeßnet, oon melcßen bie Staliener fag*
ten, fic ßaben tein $im. Jütten fic eö mit anbern Sftationen ju
tßun geßabt, meint Jütten, fo mürben pe e§ feiner angegripen
ßaben. SBößrenb er baßer über ben ©tumpfpnn unfrer Sor*
faßren pcß ärgert, benen man fo etmaS bieten tonnte, füßlt er
pcß jugleicß ju boppcltem ^affe gegen biejenigen entpammt, bje
unfre ©infalt fo gu mißbraueßen im ©tanbe maren.
SBie feßr biefe bureß Jütten üeröpentlicßte ©cßrift in bic
Seit eingrip, erfeßen mir aug bem ©inbruefe, ben pe oufSutßcr
maeßte, al^ pe ißm, etma§ oerfpätet, ^u §anben tarn, ©r tonnte
niißt genug barüber ftaunen, baß fo craffc unüerfcßömte ßügen
fo lange gaßrßunberte ßinbureß pcß ßaben ßaltcn, ja mie ©Jlaus
ben^artitel betrad^tet merben fönnen: unb nun erft feßien eg ißm
immer meßr, alg märe ber $apft ber leibßaftige Slnticßrift *). 8(u^
bem $appe feßeint bie ißm 5ugeeignete ©(ßrift bamalg noeß nidßt
jugetommen ju fein: menigfteng naßm er üon ^utten’g ©cßrift»
peUerei erft brei Saßre fpäter öPentlicß 9^otij.
2Kittlenoeile ßatte pcß biefer für bie mainjifeßen 2)ienfte
entfeßiebeu. ©ein 33etter gromin unb ber ßeibarjt beg ^r»
fürften, ^einrieß ©tromer, ein eifriger greunb ber ßumaniftifdßen
1) Sut^er on @|>alatm oom 23. gfebi. 1520. ^utten’S Sd^riften I, 6. 324.
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^uHrn’S (Sintritt in main^ifd^e ^ienfie. 205
0üc^tung, mod^ten c« bei i^m tpie bei bem ©rjbifc^of ?Ubrec^t
üoflenbg in^ iReine gebracht b^^ben. ®q6 biefer ben 3)^ann, ber
fo eben eine 0c^rijt n>ie bic üorcrmäbnte mit einer feieren ®or*
rebe Verausgab, o^ne ^nftanb an feinen ^of na()m, ift bejeic^*
nenb für bie firc^tid^en S^ftönbe ber ^eit. ®ic ^uöbcutung
3)eutfcblanbö burc^ bie römifc^e Surie mar iängft fo brücfenb ge*
morben, ba& baö 3ntercffc eineig beutfe^en Äirc^enfürften mit bem
beö p(4)ftfid^en ©tu()leö nic^t me^r in allen ©tücfcn |)anb in
^anb ging; unb indbefonberc bag mainjifd^c ®rjftift mar burc^
ben auf 20000 ©olbgulbcn gefteigerten ^reiö bed crjbifd^öflid^en
^alliumd, ber in ber lebten geit, bei pufigen (Srlebigungöfäüen,
mieberbolt böttc erlegt merben müffen, aufd i^eufeerftc erfc^öpft.
9Rit Stüdfic^t barauf botte (Srjbifcbof 2llbrecbt ficb anbeifebig ge*
macht, baffelbe and eigenen ^^itteln befahlen: biefe Ü)dttel
foHte ibm ber Slblafe febaffen, beffen Scrmaltung ibm ber ^apft
uberlieg, unb auf beffen halben Ertrag nun bie Sugger, bie ihm
bad ^aUiengelb oorgefeboffen batten, angemiefen mürben. S3on
hier auö begreift man, mie berfelbc ©rjbifcbof, ber Sutber'^ 2ln*
griff auf ben ^blag fo übel aufnabm, mit ^utten'd Kampfe gegen
bie pöpftlicbcn Uebergriffe im 0tiüen gar nicht fo unjufrieben mar.
9^och t^or bem (Snbe bcS Sabreig 1517 machte Jütten im
Aufträge feinet gürftcu eine Steife an ben ^of beig Äönigd üon
Jranfreicb ^), unb mürbe in biefem ßanbe, nicht bloö biefer äugem
0tcUung megen, fonbem auch um feinet literarifeben Slamenig
mitten, ebrenüott aufgenommen. 2luf feiner ®urcbreife bureb $ari^
mürbe er ju bem Unterpräfecten Submig Stu^euö, einem ßiebbaber
ber febönen äöiffenfcbaften unb ©önner ber ©elebrten, einge*
laben, unb lernte hier ben »Secretair bed Äönig^, Sßilbelm 33u*
bäud, ben Sorrefponbenten unb Stebenbubler bcö (Sra^mud, lennen,
ber bei biefer ©elegenbeit gegen biefen §utten'^ feineig unb mabr*
baft abclicbed Söefen rühmt. ®amaU eilte Jütten, feinem 2luf*
trage gemög, baö föniglicbc ^)oflagcr ju erreichen: berührte aber
ouf ber Stüdreife ^arid noch einmal, unb befreunbete ficb mit
1) ^er furfürfUid()e 93e^aaung8bti(f Dom 20. @ept. gebt in ^utten’8
6<b^ftm V, S. 507 f. Jütten b(>bt bartn consiliariua noster, unb als
feiner 6enbung ig flbldbliegung eines ißünbniffeS nebg einigen anbem ®e»
jebäften angegeben, moju i^m plenaria potestas ertbeilt toirb.
206
I. 9.
bcn bort Icbcnbcn ^umaniften nod^ genauer^). 0^ne ßtoeifel
tuat eö auf biefer iReifc, bag er au^ bic ©efanntf^aft be6 alten,
um bie 5luölegung bc^ Sfteuen Xeftament^ mic beö SlriftotcleS
^oc^üerbienten gaber uon (Staplet unb ber betben gebilbeten
Äcr^tc ©opug unb IRueUiuö machte, beren erfterer, jc^t granj
beö I. Scibatit, fic^ üor einigen galten ücrgcblic^ bei ber parifer
Uniüerfität für 9teuci^lin nermenbet ^attc. Söenigften^ Pflegte
Jütten t)on ba an biefe 3Jtänncr aU bie ^auptftüjen be^ tnif*
fenfc^aftlic^en gortfd^rittö in granfreic^ ju rühmen.
9tadj üKainj, mic cd fc^eint, Slnfang gebruar jurilcfgcfc^rt,
fam ^utten eben rec^t, um feinen ^turfürften in beffen fäd)fifc^
2)iöccfcn 5U begleiten, mo biefer bid jum beginne bed ougdburger
9tcic^tagd im 3uli ücrmeilte, feinen neuen S)iencr aber p ®nbc
SÄärj ober Slufang ?lprit mit einem tluftrage noc^ 9Jtainj jurüct^
reiten ^ieg. Ä;aum Dom ^ferbe geftiegen, erhielt biefer l^ier einen
©rief non bem Grafen ^ermann non 9luenar aud Äöln, fammt
einer ©d^rift non ^oc^ftraten*), in welcher unter onbern Än*
l}ängcrn IRcuc^lin’d auc^ ber (jjraf in ber Söeifc jened ke^cx^
mcifterd gcfc^müt)t tnar. @rof ^ermann na^m fic^ gegen biefen
Singriff bolb barauf bic ©enugt^uung, bafi er einige ßufc^riften
gleic^gefinnter SWänncr an i§n über bie ©oc^c, mit Slntmort non
i^m unb ncrfc^icbcnen bcn ©treit betreffenben SlctenftüdEcn, brurfen
lieg®). Unter biefen Briefen befinbet fic^, neben einem non fRcuc^^
lin unb einem non ^ermann 58ufc^, aud^ eben berienige Ulric^’d
non §uttcn, burc^ ujelc^en biefer bie ermähnte ©enbung S^ucnar'd
faft noc^ im ©tcigbügcl bcantmortetc.
Jütten belennt in biefem löriefc gerabep, bog er bic ©c^anb*
fc^rift ©od)ftratcn’d mit Vergnügen gclefen ^abe. 3c fred^r, befto
1) Sgl. über biefe Siet je bie ©tiefe öon ©ubüuS on (5to8mu§, ^utten’S
Sänften I, 162, 171, unb ^raSmuS’ Spongia, ebenbof., II, 6.270, §. 39.
2) C^ne 3^rifel bie Sd^rift: Ad Sanctiss. D. N. Leonem P. X. ac
div. Maxemilianum Imp. . . Apologia R. P. Jac. Hochstraten oontra
dialogum 6co. Benigno Arebiep. Naz. in causa Jo. Reuchlin asoriptum
etc. Colon. 1618. ©gl. Hutteni Opp. Suppl. I, 6. 419 — 27 unbll, 6. 101.
8) Epistolae trium illuttrinm viroram ad Hermannum Com. Nue-
narium E^usd. Responsoria etc. ©gl. Hutteni Opp. Sapplem. 1, 6.
327—329. 427—429. S)et ©rief ^utten’S öom 8. ©pril 1618 ln beffen
6(^riften I, 6. 164—168.
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Jütten an b«n ®rofen ^mnann t>on 92uenar. 207
beffcr, meint er; um fo früher merben ber beutfc^cn Station bic
Äugen über biefe iüienfc^cnflaffe ouf^, unb bie ©ebulb mit ber?
felbcn au^c^en. Jreilid^ fei cd faum ju begreifen, unb in Italien
i^m, ju feiner Sefc^ömung, mc^r ald einmal üorge^altcu morben,
mie uiel mir $icutfc^cn und non ben Orbendbrübern bieten laffen.
5Bon Seuten, bic mir üon unferm ©rbgutc jum ^c^ufc bed ©o^
tedbienfted erhalten, laffen mir und be^crrf(^en unb mife^anbcln.
S^tic^td fei ^od^müt^iger, unbänbiger, fd^onungdlofcr ald biefe
SÄcnfc^enart; menn fic einmal „jene öurg if)rer gredj^cit, bic
Äanjcl, befliegen ^aben", fei fein 9lamc, fein guter fRuf mc^r
bor ihren Söftcrungen fid)cr. ^ier nimmt Jütten gelegentlich
jmei folchc Pfaffen bor, bie mir fchon aud ber ©efchichtc bed
Äcuchlin’fchcn ©treited fattfam fennen. 2)cr franffurtcr ^Icban
^ter aWeher fommt biefemal mit ber furzen öc^^eichnung meg,
er fei ber Ungelchrtcftc unb babei Unberfchämtefte bon allen,
mclchc bem fReuchlin übel moHen. 2)efto audführlicher mirb 33ar*
tholomäud ßehenber bon SOtainjj bebacht, mit bem cd mahl frifchc
ßufammenftöfee gegeben h^dtc. Äcinc ^rebigt bor ber unmiffen»
ben aRenge hoHe ^cr Söfcmicht, in bic er nid)t irgenb ein ©ift
cinflic§cn ließe. ®r fönnc ben 3Runb nicht auftl)un, ohne ©c^
höffigfeiten borjubringen ; alle* ©Uten fche er fdjecl an. ©o höbe
er ben Slcuchlin auf ber Äanjel gefchmäht, fo ihn, Jütten, mie^
berholt in feinen ^rebigten heruntergeriffen. 3)ieß mirfc übri?
gend nur bei ber ^efe bed ißolfcd: bon ©eiten ber ©cbilbctcn
habe er fich baburd) gefährlichen ^oß jugejogen.' ajian bürfc
aber ben üRenfehen nur onfehen: er fei ber cingefleifchte ateib.
©ein Äudfchen höbe ctmad bom ©forpion. 3öic beffen ©chmanj
immer ^um ©tiche bereit fei, fo jeige bic SRienc biefed ^fä^leind
jeben Äugenbtief, baß cd ctmad S3öfed benfe, auf eine ©^mähung
finne, einen Xrug bereite, mit ©inem SGÖort irgenb ein ©ift fochc.
„©0 fei mir Ö^^dbig, mie i^ jebe suföUigc ©egegnung
biefed ©churfen für ein böfed ^nb baher bon bem
fikg obbiege, bon bem i^ meiß, baß er ihn gehen mirb. ©olchc
Äpoftcl höt jejt 3)eutfchlanb, folchc ©erlünbiger bod ©bangelium.
SRan lonntc fic bulben, fo lange fic bic gehler ber 3Renfchen
mit ©limpf. rügten, atun aber, ba fic fich ^^ed erlaubt h^den
unb mit i^ft men fic motten fdhmähcn; ba fich in ihren ©re*
bigten fein üchtcr äicligiondeifcr, feine ©pur bon grömmigfeit
208
I. 9.
jcigt; ba ftc ftatt ©ottc^ SBort ©d^im^ftoörter föcn, im öffcnt'
liefen ^ciligt^um für ^riüatbcieibigungen ftc^ rächen, ja felbft
JsSelcibigungcn jufügen unb Unfc^ulbigc in ©efobr bringen; ba
fic baö aUeö ol)iie mit Uebermut^ unb ©raufamfeit betreib
ben : mag ^inbert, bag mir nic^t enblic^ mit prügeln unb ©teinen
auf folc^c ^euc^ler lo^ge^en?"
2)a6 ber Äampf gegen biefe innern geinbe ber S^riften^eit
bringenber fei, alö ber gegen ben Xürfen, mirb auc^ (miein
ber SBorrebc jum Triumphus Capnionis) auögefproc^en. S)er
SJerfaU ber grömmigfeit, bie ©pattungen in ber Äirc^e, in^be^
fonbere ber 2lbfall ber Sö^men, mirb i^nen ©c^ulb gegeben, auc^
bie berner ÖJefd^ic^te nic^t uergeffen. ^ermann öon S'tuenar bc*
gebre ^utten’^ ^^nfic^t, mag gegen fie ju t^un fei. S3iäber b^ibe
er bo^ ©cbmeigen ber 93eracbtung allen S^ologien üorgejogen.
3lUcin er fange an ju glauben, ba§ bieß nic^t binreicbe, um
beijufübren mag fie münfeben : 2lufblüben ber SKiffcnfcljaften, SSer*
bannung ber JÖarbarei, SSerebrung für bie mabren, Verachtung
für bie 0cbeingelebrten. (Sinigeg baüon fei erreicht, aber noch
lange nicht genug. (Sr möchte fich bem ©rafen münblich mit^
theilen fönnen: unterbeffen fei eg tröftlich, bag bie geinbe felbft
fich gegenfeitig dufjureiben anfangen.
Unb nun ift eg merfmürbig, bag unter biefem (5Jefichtgpuntt
— eineg verächtlichen ÜKönchggejänfg , bei beffen* ^nblicf bie
greunbe beg gortfehrittg fich fchabenfrob bie §önbe reiben —
eine ©ache 5uerft in ^)utten'g ©efichtgfreig tritt, bie jmei gab^^
fpäter bie bciüöfte 5lngelegenbeit für ibn mar : bie (Sache ßutber'g.
(Srft erinnert er an bie ©fanbale, melche ber @treit ber 3)ominU
caner unb grancigeaner über eine fo nichtige grage mie bic
(Smpfängnig ber 2)2oria vor menigen gabten berbeigefübrt boi>c.
„9^un aber", fährt er fort, „mag bu oießeicht noch nicht meigt,
ift ju Söittcnberg in Soebfen (aug ber 5Rachbarfchaft lam Jütten
fo eben jurücf) eine ?ßartei gegen bie ©emalt beg V^Pfteg aufge^
treten, mäbrenb bie anbere ben päpftliihcn 2lblag oertbeibigt.
Von beiben ©eiten nimmt man einen gemaltigen Einlauf unb
bietet viel Äraft auf. 3Jtönche fteben an ber ©pi^e ber Kämpfen*
ben.' S)ie $eerfübrer felbft finb rafcb unb 1)16*9, öoU SKutbunb,
(Sifer; halb rufen fie unb fchreien, halb jammern fie unb flageit
bog ©chicffal an. S^leuefteng hoben fie fich ouch an bag ©chreiben
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^utifn’8 crpe Äenntnifena^me ton fiul^ct’S ?lbIo6fh:rit. 209
flctnad^t. 5)ic S3urf)brucfer bcfommcn ju tl^un. tDetben 0treit=
fäje unb SoroHarien, ©c^Iüffc unb (toa§ fc^on mandjem übel bc^
fommeu ift) 3lrtifel üerfauft. 0o, ^offc id), tücrbcn fic fic^ flcgcu*
feitifl ju (5Jrunbe ridjtcn. 3d) fclbft l^abc nculid) einem Drbend^
bniber, ber mir bic aj^ittf)eilung machte, 5ur ?lutmort gegeben :
greffet einanber, bmnit i^r öon cinanber gefreffen merbet. SÖ^ein
Söunjc^ ift nämtic^, bog unfre geinbe fo Diel olö möglich in
ßtüietracbt leben, unb nid)t ablaffen mögen, fic^ unter einanber
auf^ureiben. ^a, gebe @ott, bgg ade ju @runbe ge^en unb quö^
fterben, mclc^e ber auffeimenben 23ilbung l)inberlid) ftnb, bamit
bie lebenbigen ^flanjungen ber l)errlic^ften Xugenben, bte fie fo oft
vertreten l)aben, enblid) fic^ ergeben mögen."
0ofort fpric^t §utten bem ebeln greunbe 2Jtutf) ein. Der*
fid}ert i^n feiner treuen üöunbei§genoffenfd)aft für alle gölle, unb
t^eilt i^n\ ben ^lan mit, ben feine jejige ©tellung il)m nat)e
legte: an ben gürftcnljöfen fo oiel möglid) für bie gemeinfamc
0ac^e ju merben. tiefem ^lane ift $utten bie ganje ^cit, bie
er im crjbifdjöflidien ^)ienfte jubrac^te, nad^gegangen. 2)ie 0ad)e,
für bic er marb, nannte fic^ nac^ iReuc^lin; fic mar aber bic
0ac^c bcö ^umani^mu^, ber in jeinem SSorfämpfer gcfäl)rbct mar.
5)em |)umani0muö burd) §ulbigungcn gegen gebilbete i^irc^ciu
unb 0taatöobcrpuptcr 8d)u^ unb iöobcn ju üerfd)affen, mar
aud) bic ^olitif beö @raömuö: cö mar bic natürliche ^olitif bcö
^umaniömuö, ber auch $uttcn treu blieb, fo lange er nur §u*
manift mar. ßuthcr'ö ^olitif, bie -^olitif ber Sleformation, mar
eine anbcrc. 0ie manbte fid; nicht an biciöilbung menigerSSor-
nehmen, fonbern an baö 33cbürfni6 aller, audj ber ©eringen.
2tufllären lägt fidj mittelft ber (trogen: aber reformiren, ein
entartetet itirchen* ober ©taattmefen umbilben, nur, ob mit, ob
gegen bic (trogen, burd) bic SJtittleren unb Äleincn. 2)iefc (Sr*
fohrung merben mir auch ©utten madjen fehen, fobalb er aut bem
9teuchlin’f chen Äreifc ju ßuther’t gähnen übergetreten fein mirb.
gür jeht freut er fid) ber oiclen 3Jiänncr,
melchc in grantrcich unb ^eutfchlanb, an $öfcn unb in Stabten
bie Sache 3leuchlin’t uertreten. 3n Seipjig regen unb erheben
fich, troh bet hortnädigen SBiberftanbet ber Sophiftc»» ^ic beffern
Stubien. ^ach SBittenberg beruft Äurfürft griebrid) fichrer bet
©riechifchen unb ^cbräif^cn. ©anj befonbert günftig für bic
VIL 14
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210
I. ^ud^. 9. ft(4>iiet
SBiffenfd)Qften aber fei fein Sürft, ber ©rj^bifd^of 5llbredbt, ge=
ftimmt. @r fei ber eifrigfte Söetebrer unb Sefer beö ©ragmuö.
(Sine 0(^mäbfcl)rift ^fefferforn'ö gegen Üteudb^'^'g greunbe, bic
ibm fein Seibar^t ©tromer mitgetbeilt, bobe er jmar gelcfen, bann
aber in baö Äaminfeuer, tnoran er eben fag, mit ben emig benf*
tüürbigen Sßorten gemorfen : ©o mögen ju @runbe geben bie alfo
reben! ^a^ aHe§ gebe Hoffnung, bag man baö Dorgeftedte
erreichen merbe. 3)er greunb möge fortfabren, mie er angefangen ;
mit üöegierbe febe glitten ber üerbeibenen ©ebrift miber ben morb-
brennerifdben Äuttenträger entgegen. „3Kögen fie ung immer
baffen, menn fie unä nur ^ugieicb fürchten müffen."
®em ©rafen Don S^iuenar mie noch anbern fjreunben $uts
ten’ö mar beffen (Eintritt in ^ofbienfte befremblicb, ja bebcnflicb.
33iö ficb (SJelegenbeit jur münblicben, ober SUiuge 5U ausführlicher
fcbriftlicber IRecbtfertigung finbe, bittet Jütten ben greunb, ju
glauben, ba§ er feine frühere (literarifebe) ßebenSgemobnbeit barum
feineSmegS aufgegeben höbe, gür bie b^bc er im
©inne, ficb ganj mit ben 33iufen auSjuföbnen, menn biefe ihm
grollen foUten megen feines notbgebrungenen Eintritts in bie
^)ienfte beS ftoljen äJdarS : boeb eS fei fa fonft febon oorgefommen,
ba§ fie im Säger unter bem ©etöfe ber SEÖaffen übernachtet haben.
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211
c$ittiett in JUtgdBttrg, n)S$rett5 ttnb itai^ bem ^eii^tage.
1518.
9^ad) furjcm 2(ufent^alt in 3Raing fc^rtc ^uttcn jii feinem
gürften nac^ ©ac^fen, b. 1^. nac^ $aöe, tt)o biefer olö (grj^bifc^of
üon SJiagbcburg feine fRefiben^ ^atte, j^urücf; boc§ meil bet 3^^
fammentritt bed Sleic^ötagö in §tugöburq fic^ immer (än^er uets
^ögerte, finben mir i^n im 9Rai abermals in SRainj, mo er fic^
bie mit einer Arbeit üertrieb, beren gorm unb 3n^alt burd^
ben ©ebanfen an ben fReie^Stog unb beffen Sleranlaffung bc*
ftimmt mar.
0cit ©ulton ©elim'ö I. fReftierungSontritt im So^re 1512
mar bie oSmanifc^e 9Rac^t, bie unter feinem Sorgonfter einen
©tillftanb gemacht l)atte, üon neuem furchtbar gemorben. ©clim
na^m ©l)rien unb 2leg^ptcn bem 3Ramclufcnfultan ab, ber grie»
c^ifc^e ^Renegat $oruf öarbaroffa fe^te fic^ in XuniS feft, unb
bie 3Raurcn bis gegen gej ^in, jum X^cil ©panien tributpflichtig,
erhoben fich. S)ie gan^e abenblönbifche ©hnftenheit gcrieth in
©chreclen. ®er ^pft, nachbem er bie 33otfchafter ber d^riftlid)en
Könige jur 33crathung mit einer Sommiffion oon (Sarbinälen ein^
berufen, lieg ein ausführliches ©utad}ten über ben Xürfcnlrieg
an ben Äaifer gelangen, ber fofort bie ©ad)e auf bem für ben
©ommet 1518 nach Augsburg auSgcfchriebenen IRcich^tage ben
©tönben beS fReicheS oor^ulegen gebachte. 0b eS
^apftc mirflich um ben Xürfenfrieg, ober nur um baS ©elb ju
thun fei, mar mehr [als jmeifelhaft; auch ber ilaifer gebuchte,
burch bie grögcni ^Ib^ unb Ü^riegSmittel, bie er bei biefer ©e-
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212
I. 53ud^. 10. Äo^Jttcl.
Ie9cn()cit in bie $anb befommcn buffte, feine Der?
ftärfen; aber bieß mußte ja aueß ber beutfeße Patriot münf^eu:
unb fo ging Jütten in ber ^Jtebe an bie beutfeßen gttrften, bie
er in (Srmartnng beö Üleicß^tagö auöarbeitete, ganj in ben ©es
ficßtöpuntt beö Ä'aiferö ein.
gür einen 2;ürtenfrieg — mit biefem ©ebanfen eröffnet er
feine Siebe — treffen eben je^t bie ßöc^fte Slottjmenbigfeit unb
bie beftc ©elegeiißeit glüefließ ^ufammen. S3ei ber Ueberüölferung
2)cutfd)tanb‘5 unb ber brüßenben X^eurung in 5o(ge beö üors
jäbrigen SJtißmad)feö, müßte man bie S^eranlaffung j^u einem aui^s
märtigen Ä'riege fudjen, um ben Stoff 511 innern Unrußen objus
leiten, menn fie fid} nid)t in ber Mrfengefaßr uon felbft böte;
bie unö äugleid) in feiner günftigern S3erfaffung treffen fönntc,
alö eben je^t, mo mir mit unfern 9lad)barn g^icben, Solbaten
im Ueberfluß unb einen güßrer mie SÄajimilian ßaben. 3n ber
Sluöfüßrung feinet Xßema, bittet ber fRebner, offen fprec^en ju
bürfen. @r merbe oiele unangenehm berühren müffen. ^ ed
ihm aber lebiglich um bie Sad^e ju thun fei, möge man ihm
nichts übel nehmen.
3a, bießmal fei eö ©ruft mit bem ^ürfenfrieg. ©r fei in
ber Xhat nothmenbig, nid)t mehr, mie fonft fo oft, ein 00m
^apfte enegter blinber ßärm. 2)amit bepnbet fich Jütten be*
reitö in jenem gal}rmaffer, in bem er fich fortan am liebften unb
fröftigften bemegt. 58iö je^t allerbingd h^ben bie ^äpfte, fo oft
fie ©elb gebraust, fich baffelbe unter bem S3ormanbe ber Xürfens
gefahr bei unö ^eutfdjcn geholt. Unb boeß follten oon fRecßt^
megen fie unö ©elb feßiefen, nießt mir ißnen, menn unfer römi«
feßeö Steieß nießt ein bloßer 9lame märe. 2)od) baö geße ißn
hier nießtö an, mirft fieß ber Slebner ein ; er füßlt, baß er in ©e*
faßr ift, abjufdßmeifen, unb inbem er fieß beffen enthalten ju
mollen erflärt, tßut er eö boeß, meil ißm biefe Slbfcßmeifung min*
beftenö ebenfo mid)tig ift, alö ber eigentlid)e ©egenftanb feiner
Siebe. Sind) baö fei nießt feine Saeße, fäßrt er baßer fort, fon^
bern bes^ Äaifcrö, ju unterfueßen, mie e§ in Slom jugeße, ob ba^
1) Ulrichi Ilutteni ad principes Germanos ut bellum Turcis infe-
rant exhortatoria. Sd()riftpn V, 97—136. (5itic Äeibe onberer auf ben*
felben ©egenflanb bejügl^et üctenftüde ebenbaj., 137 — 300.
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^utlcn’8 Xürfcnrcbe.
21S
ie^ißc S?crp(tni6 bcö Äoifcrö jum ^apftc ba§ richtige fei, bog
nämlid^ ber erftcre feine Ärone üon be^ lejtem gügen aufnel^=
men, für biefelbc @elb Oe^^ablcn unb §u(bigung leiften müffe.
lieber Äonftantin’ö angebliche ©chcnlung magen mir nid^t 5U
mueffen. (Sin patriotifcheö §erj müffe ungebulbig merben über
ben ^aüienbanbel, bie ^enfionen, bie au^ ^eutfchlanb nach IRom
fliegen: ba hoch ba^^ opoftolifchc Slmt mit fich bringe, baö SBort
®otte^ auä^ufäen, frembeö @ut einjnärnten. 5luch ^rieben
ju prebigen, nidji Ärieg ju führen, h^be ber 9flebncr biö je^t
für ben Seruf beö Dberhauptö ber ß^h^f^enheit gehalten, biiS er
unter Suliu^ II. belehrt morben fei, bie Mirche h^^^ ^n $etri
©chlüffeln nicht genug, fonbern müffe auch ©chmerteö $auli
fid) bebienen. £eo X. habe fich alö griebenöfürften angefünbigt;
feinen Äfrieg gegen ben uertriebenen §erjog non Urbino muthe
man unö 511, alö Sflothmchrju betrachten: bag aber unter biefem
grieben^fürften bie Sarbinöle unö einen auögearbeiteten ilriegö^
plan jufchiefen, fei hoch feltfam. nerftünben mir ®eutfd)en
nichts mehr bom Kriege, fonbern mügten unö bei ben ehrmürbi^
gen SBätern 9flathö erholen, benen eö beffer anftünbe, für unö ^u
beten. Jütten fie unS lieber ®elb gcfchicft, einen Xh^^i beejenis
gen, melchesS fie auf ihren maglofen §offtaat menben, ober unö
auch nur etmaä oon ben ©ummen narijgelaffen, bie mir ihnen
für ^allien unb bergleichcn /^u jahlen heitren.
(Snblid) lenh ber S^lebncr ein, unb fommt auf bie SEÖirflich'
feit unb Ölröge ber üon ben dürfen brohenben ©efahr jurüd.
(Sr gibt eine Ueberfidht ihrer QJefchichte, ihrer Eroberungen, er
jjeichnet ihren unbänbigen mögen fid) bie ®eut?
fchen ermannen, ben 5Ruhm ihrer 33orfal)ren erneuern. 5)ic ^off^
nung auf ben ©chufe burch Gebirge, SÖälber unb ©ümpfe, auf
bie ^öglichfeit ber mürbe neben bem ©d)inählid)en in
biefem jjaHe auch töufchenb fein.
3ft bemnadh ber Ärieg unläugbar nothmenbig, unb bie
(SJelcgcnhcit, ihn ju führen, günftig, fo fragt fich für’ö Slnbere,
mie er am beften geführt merben möge. ®ie mefentlichftc S3ebin=*
gung ift Einigfeit, einmüthige Unterorbnung unter ben Ä'aifer.
Jütten mir biefe, bann mürbe fid) baö 5Icugerlichc, bie S3eifd)affung
ber ÄriegiJfoften u. f. f., üon felbft geben. ^)amit ift ber fRcbner
bei einem ä^eiten Sieblingöthcma angelongt, beffen ^Im^führung
214
I. ^vkS). 10. «aptUl.
bicgmal nic^t eine ^bfc^iDcifung ift, fonbern jur @q(^c gehört.
O^nc ©inigfdt, füfjrt Jütten auö, muß ^cutfd^Innb, aueß abeje*
fe^en Dom Xürfen, ©ruubc geßen. 2)aä gegenfeitige 0engcii
unb örennen, @robcnt unb ^lüubern unter ben beutfc^cn gür?
ften muß auf^ören. Söo^cr, fragt er, fommt euere Uncinigfeit?
2tud ©rcnjftrcitigfciten , ©iferfüc^teteien , JRaugftreitigfciten. ®ie
öortt)cile, um bie i^r cuc^ janfet, finb fämmtlicf) üiel geringer,
al^ ber, ben ißr äße Don ber ©inigfeit ßaben mürbet. Unb miffet
it)r, loie baö Söolf über bie @ac^e benft? ä!^an moUe fid) uon
eud^ mol)l bet)errfcßen, aber nid)t üerberbeu laffeu, fagt man, unb
benft aueß mo^l auf gemaltfame Slbßütfe. „3n ber Xßat'^ fäßrt
Jütten fort, unb mirb bamit fd)ün 7 3aßre oort)er ber ^ropßct
beö S3auern(riegö, „menn i^r mir fein @ef)ör gebet (eud) meine id),
benen bergleicßen jur £aft fällt), fo fürchte ic^, mirb biefe ^Ration
etmaö fe^en, baö il)rer nic^t mürbig ift. ^enn menn bie 0ac^c
einmal (mad @ott üerßüte) 5um SBoltöaufftanbe fommt, bann
mirb man feinen Unterf^ieb meßr machen, nießt meßr fragen, mic
üiel jeber, ober überhaupt, ob einer gefd)abet ^abe, unb an mem
iRac^e 5U nehmen fei. 9Rit ben ©d)ulbigen mirb e8 bie Unfe^uU
bigen treffen, unb oßne 9flücffid}t, blinbling^, mirb man müt^en."
2Ran nennt und Flitter iRäuber. SlUein bie dürften geßen und
mit if)rem S3eifpicle ooran, gebraud)en und tl)cild 5U iljren iRäu*
bercien, tßeild berauben fie und felbft. 5lud) im 3ludlanbc, nament^
lic^ in Stalicn, finb bie beutfe^en dürften, i()re Belage unb ©trei=
tigfeiten, ©egenftanb ber 9Rißa^tung. Ä^raft l)aben mir 2)eutfcßen
im Ueberfluß, aber bie jmedmäßige S3ermenbung fe^lt. SBir geben
und ju öicl mit unnötl)igcn 2)ingen, mit ben bloßen Vorübungen
jum Kriege, mieSagb unb 5:urnier, ab: fommt ed bann j^ur ©ac^c,
^anbelt ed fieß um bie ©r^altung bed Veießd (beim an feine Ver*
mel)rung benft joi boc^ leiber 9demanb), um Verfechtung bed
Vaterlanbd unb ber Veligion, fo ift nirgenbd ©ifer.ju oerfpürcn.
„©0 bleibt unfere Xapferfeit ftetd eitel, unfere toft nuplod, unb
unfere^ 9flad)barn laffen und moßl für gute Kämpfer, aber nicht
für tüchtige Ärieger gelten. Unb bad ift nicht ber ©olbaten,
foubem oorjugdmeife ber gührer ©chulb. @d lebt in ^eutfeh-
lanb eine ftarfe 3ugenb, große, na^ maßrem Vuhm begierige
§er^ett: aber berSeiter, bergüßrer fehlt. @0 erftirbt jene kraft.
Sie Xapferfeit fpannt fich ab, unb ber glühenbe
^uttcn’S lürfcnrebe.
215
fommt im ^)unf du." ^cr Xürfc mei§ ottjugut, mie unerlägltdö
ju großen Xljatcn ©inigfeit unb @e!)orfam finb, aU baß er unS
2)eutf4e jemaU fürchten füllte. 2(6er nid)t blog ber Xürfe: fo
lange un§ jene ©tücfe abge^cn, fagt §utten üor^er, merbe fein
noc^ fo fc^road^c« SBoltfcin, boö unö fürchte, ja ba^ nic^t bei
©elegcn^eit unö anjugreifen magen foHte ! — SBte ma^r gutten
gcfproc^en, baoon ^aben mir feitbem Oicrtf)albl)unbert 3al)re lang
eine Steife oon Erfahrungen, eine immer fd}mäf)licl)er unb fdjmerj*
lieber aU bie anbere, gemad)t; enblid) h^ben mir c§ und gefügt
fein laffen, um aldbalb ju erproben, mic fRccht er auch init bem
anbem 3öort hotte, bas mir halb uon ihm hören merben: menn
bic S)eutfchen einmal begreifen, mad ihnen S'totl) thuc, merben ftc
bad erftc SoU ber SBelt fein.
Sieben ber Einigfeit, fährt §utten fort, gebrid)t ed ben
^eutfehen auch on ^^efonnenheit, an fluger, nüd)temcr S3eratl)ung
unb planmäßiger, ftetiger Sludführung. Hud) hier gel)t bad böfc
5öeifpicl oon ben ©roßen aud, bie felbft auf fRcichdtagen kaufen
unb ©pielen ;^ur §auptfache machen. Xk gürften finb auf bad
Sllter unb ben ©lanj ihrer ©efchled)ter ftolj\: allein menn fie
ihred hohen ^oftend fid^ nicht au^ felbft mürbig jeigen, hot jene
^Ibftammiing unb äußere SBürbe ebenfo menig ^erth ald2)auer.
3ur Einigfeit aber gehört ganj befonberd, baß, mie über«
haupt, fo oor allem in biefem Kriege, Einer bad §aupt, ber
Führer fei, bem alle ?lnbern unbebingte ^olge leiften. 3m 5^riege
liegt am gelbherrn mehr ald am ^eere. 2öad mürbe ber Xürfe
barum geben, euch ohne gührer, ober ohne ©ehorfam gegen bie«
fen 511 finben. 2)en gührer hobt ihr : na^ bed gefammten ^cutfeh'
lanbd Söahl unb SBißen ift ed iiaifer üKajimilian. Er ift biefer
©tellung mürbig : alfo folget ihm. ®cr Äaifer ift bereit : ed fehlt
nur an ben dürften, baß fie feinem §lufruf entfpre^en unb ihre
©chulbigfeit thun. 0chon mehr ald 30 3ahre beftreitet er oon
bem Ertrage feiner Erblänber bic Saften bed Steiehd, hot feine
Blühe noch Blaft bei 2^ag unb bei Blad)t : unb mir, menn er ein«
mal feiner fßflidjt gemäß einen ftraft, fehreien übet ^)rucf unb
flagen über 2)ienftbarfcit ; Freiheit aber nennen mir cd, um bad
Bleich und nichtd ju fümmern, bem Ä'aifer feine 5olge 5U leiften,
unb ungeftraft alled und ju erlauben. Einige ~ 5mar nicht gür«
ften, aber fürftlichc Bläthe (auch hievin fommt Jütten ben ©ebanfen
216
I. 10. Papltel.
SJiajimilian'ö entgegen) gel)cn mit bem ^lanc um, auf ben galt
üon bciS iegigen Äaifcrö Ableben, bic Äronc einem gremben ju
übertragen. @in fc^mät)lic^er, unbeutfe^er, l^oc^ucrrät^erifc^cr
^4^tan: alö ob in ^eutfe^tanb baö fürftlic^e öliit anögeftorben
märe. Stber man meint, unter einem entfernten ^errfc^er befto
freier ju fein, unb bebenft nic^t, bag berjenige, in melct)ern man
nur ben läftigen §erni fie()t, oielme()r ber ©r^alter ber greit)eit ift.
^ie i!Öefd}affung ber äußern SO^ittel, ber i^riegöfoften be*
treffenb, äußert fid^ Jütten gans einoerftanben mit bem päpftlid^en
5lnftnnen*)- 2)en üppigen Pfaffen unb jllöftern, ben reichen
Äaufleuten, ben $5^üßiggängern in ben freien 0täbten, mie er ftc
nennt, in bie Seutet greifen ^u taffen, foftete ben tRitter feine
Ueberminbung. Slm liebften b^tte er freili(^ moI)l bie ßarbinäte
um einen Xt)eit i()rer auö ^entfd)lanb gezogenen 0c^ä^e erteid^s
tert, unb eg gefc^iet)t nur um fie befto pärter onjuflagen, menn
er augbrüdlic^ erftärt, oon it)nen foüe ju biefem Ä'ricge uid)tg
geforbert merben, cg fei genug, menn man aueß fie nidjtg forbern
taffe, unb Sorfe^r treffe, baß fie nic^t, mie fie fd}on mc^r get^an
bog töbtic^c Unternehmen ftören fönnen. ®icfc Sfiömtingc gönnen
et)cr ben dürfen atg ben 2)cutfd)en einen ^umaeßg an 9Jiacht.
©0 haben bie ^äpfte ben oierten unb fünften Heinrich, fo bic
|)ohcnftaußfchcn griebrichc, burch ih^c 9tänfc oon bem ßug iw
ben Orient jurüefjuhatten gcfud)t. „^arum, menn id) freimüthig
fagen fotl, mag id) benfe, h^bt it)r in biefem Kriege ebenfo fel)r
gegen Sftom atg gegen Slficn auf ber §ut ju fein; mcit entfernt,
baß ihr irgcnb etmag nad) ber chrmürbigen SSätcr fRathc thun
bürftet. ^ci euch ^hi^ fudhen, unter euch
33cfchtüffc ju faffen, unb ni(^t jene ränfeüotlcn fRathgebcr oon
außen j^u^utaffen."
Sflochmatg ruft fofort ber fRebner jum ^^ürfenfrieg auf unb
mieberhott einige ber bigher auggeführten ©rünbe; gtaubt hier-
auf unter feinen 3nhö^ern eine juftimmenbe 5tufrcgung 5U
bemerfen, unb feptießt mit bem SSunfdje einer bcharrtichcn unb
gtücftichcn Slugführung.
1) SBä^renb bie Qrür^en — oI§ ©tanbeSperfonen — nod^ Selicbcn jau-
len jonten, tt)ar für fämmtlic^e ©eifilie^e, »ic für Se^enStrflger bet
jc^Tite, toeiler abwärts ber jwanjigftc u. f. f. X^eil beS SinfommenS für brei
l^a^re in ^nfprudfi genommen.
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^utten’S ^ufent^It unb Umgang in 9(ug§burg. 217
®icfc S^cbc fd^icftc ^uttcn am 25. SJ^ai uon SHainj auö
feinem ©önner unb greunbe ^eutinger in ^anbjd;rift=
(irfj ^u; feiner fpötern @räiU)Iun(i jufoiqe ()atte er im ©iune, fic
am fReic^ötage mirflid) ju ()alten unb ^ernac^ bruden ju laffen.
211^ er aber halb barauf felbft nac^ Slufliisburg !am, vietben be^
formte greunbe, unter iftnen mabrfcbcinlifb ^cutiitfler felbft, il)in
uon ber SSeröffentlid)ung ber fRebe ab, mcil fic inöbefonbere üon
ben ^luiSfäUcn gegen fRom ^Inftofe unb ©cfabr für i^n bcfürcbtctcn.
Jütten gab i^nen 2(nfangö nach, unter bittern i^lagcn über bic
fcblecbtc 3cit, in mclcbcr ein freimütl)igc^ 2öort feine ©tättc mct)r
finbe. 0päter fc^cint er ficb mit il)ncn, bic jumXb'-’il faifcrlitbc
TOtbe unb ©d)rciber toaren, ba^in ocrglid)cn ju buben, baß bic
Sflcbc jmar gebrudt, aber bic anftögigen ©teilen, für $uttcn
gerabc bic miebtigften, mcggelaffcn mürben, ©o fd)idte er fic am
13. Detober an 3afob uoniöannifiö mit bcriöittc, fic beniÄlaifer
oor^ulegcn, unb il)m bei biefem cnblicb einmal eine öeförberung
au^^umirfen '). SBic il)m halb barauf bic S3erftümmclung feiner
Siebe unerträglid) fiel, unb er fic üollftänbig bruden lie6, merben
mir an feinem Drtc finben.
3n 2lugöburg mobntc Jütten mäbrcnb unb noch eine
lang nad) bem Slcicb^tagc in bem |)aufc bcö abmefenben 2)onis
^errn @eorg ^ro^, mo fein S3crmanbtcr, ber ^om^err unb 0ffi*
cial Xl)omai§ oon Söiröbcrg, ein SJlann, ber ^uttcn’ö (^eift unb
©c^riften ^u fc^äpen mußte, megen äRangcld an Slaum im eige*
nen ^aufc il)n cingcfüßrl ßattc unb für feine 53cbürfniffc ©orge
trug. Jütten lebte ßier im Umgänge mit oielen trcfflid)cn ÜRän*
nern oermanbter ©cfinnung, mcld)e tßeilö in 9lugöburg rnoßn^aft,
t^cild burc^ ben fRcic^ötag bal)in äufammengcfül)rt maren. Unter
ißnen befanben fieft außer ^cutingcr, ©tab, ©picgcl unb bem
ßeibarjtc feinet Äurfürften, ^cinric^ ©tromer, ber eben genannte
3afob oon ©annipö, ^)cfan oon Xrient unb einer ber oertrau*
teften Slät^c ÜRaf imilian'd , ben er auc^ auf feinen oermegenen
©emfeniagben ju begleiten pflegte, ©leicßfallö im ©cfolgc bcö
1) lieber bieje ©d^ttflale jetner lürfenrebe ögl. bie 33riefe an Julius oon
^flugf, ^irrfbeimer unb 3ofob oon ®onnifiS, 6cf)riften I, 6. 185. 206 f.
192 f. Qfetner U. Huttenus liberis omnibus ac vere Germania, ebenbaj.
e>. 240 I
218
I. Sud(). 10. j^apiiel.
^aifcrö war bcr gelel^vte ÖJraf Ulrich Don ^clfenpcin, bcmSBilis
halb ^ircf^cimcr eine feiner Ueberfelungen auö bem ^lutord^
wibmete, unb ben mit §utten nod^ befonberg ber gegen ben
^erjog Ulrich oon Sßürtemberg, ber i^m ein 0c^lo§ niebergc=
brannt l^atte, oerbanb. ^er ^ngöbnrgcr ©gibiuö 9flem war ^ut*
ten’ö ©tubiengenoffe oon^aüia ^cr; mit bem Staliener Xerbatiu^
Don SSicenja gab beffen au^ejeieftnete ^lenntnife beö ©rie^ifc^en
unb ßateinifc^cn einen 33erübrung§punft ; wie mit bem ßicbl^aber
geheimer SSci^b^tt, 3obann SJ^aber, genannt gönifeca, bic gemein*
fame S^erebrung für S^leucblin. 2)er Xbeolog Defolampabiuö fam
Don 33afet unb brachte S^aebriebten über @ra§muö; Sflitter ©ig*
munb Don |)erbcrftein, Don einer ©efanbtfcbaft ju bem ÜÄoSco*
witerfürften gurücfgefebrt, belehrte ben nach allen ©eiten bin wiß*
begierigen |)utten über ben Sauf ber SBolga, nnb bag eö feine
rbbPbniWcn unb üöerge gebe. S)a6 eine ©acbe,
bie in berSWeinung bcr.äJfenfcben fo feft ftanb, Don ber fo Diele
treffliche SJiänner al§ Don einer au^gemad)ten gefebrieben bitten,
ficb in gabeln, inS^iebtö auflöfte, machte auf Jütten einen tiefen,
faft erfebütternben ©inbruef*).
S)ancbcn Derfolgte Jütten ben @ang be§ 9feicb!§tagö mit
gefpannter Slufmerffamfeit. „2)a^ angenebmfte ©ebaufpiel", febreibt
er an ben meignifeben Domherrn Suliuö Don $flugf nach
Bologna, „bietet fid) hier Silier Singen ba. ©o Diele gürften,
ausgezeichnet bureb 3ugenb unb Söoblgcftalt, eine fo groge 3Jfenge
Don ©rafen unb 9iittern, bie S3lütbc beS beutfeben SlbclS: wer
fie anfebaut, bem fönnen bic Mrfen nicht fel)r furchtbar erfebei*
nen. SBcnn b^ntc bic 2)cutfcben fo Diel §irn als Äraft b^*P^n,
möchte ich bcr SBclt mit Unterjoebung broben. ®cbe @ott, bag
biejenigen ficb wohl beratben, Don bereu 9latb alles abbüngt.
5)cnn Was anbereS müffen wir wünfeben, als bag ic|t eben ^eutfeb*
lanb ficb erfennen möge?" ©rfreulicb war babei für §utten bie
SBabrnebmung, bag weniger Slufwanb als fonft bei folcbcn S3cr»
fammlungen gemadjt würbe; er wu^tc freilich nid)t, burfte er cS
als ßcicben befferer S3cfinnung, ober nur als golge bcr eben
berrfebenben Xbciirung betrauten. 5)cnn in Kleibern war noch
1) S)ifjc 9lotijcn gibt ^utten in bem fo eben ongefü^rten 33riefe an
^irdheimer, a. o. D. 6. 213 ff.
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®ang be§ 9lei(^toQ§.
219
große ®ctfc^locnbung ju bctncrfen, tnbem c3 bic 5)cutfcßcn ben
gronj^ofcn nac^t()un looHtcn; imb gctrunfcii tourbc auc^ iioc^
tücßtig, um babci bic bcutfc^e 5lrt boc^ nid)t gnuj ücriäugncn.
2öäi)rcnb auf biefcm fRcid>5tagc gegen ^utten'^^ 5einb, ben
’&CT^og Uiric^ oon SBürtemberg, bie erneuert, aber nic^t OoUs
jogen mürbe, miberfiibr feinem §crrn, bem @r^bifd)of 5Ubrcc^t,
große 6t)rc. ®cr $apft fanbte i^m, unb jmar 511 aUgemcincr
Sermunberung unentgeltlich, ben (Sarbinal^hut unb Purpur, mo^
mit ihn am 1. 5tuguft bei feierlichem §o(^amt im ^Dome, im
Greife uiclcr gürften unb (£bcln unb unter bem ßubrang einer ^ahU
lofen SD^enfehenmenge ber pöpftlichc Segat beflcibetc. ®er ^aifer
fclbft gab ihm 00m ^om au8 baö ©elcitc in fein Quartier, unb
fehiefte ihm hi^tauf eine fönigliche ©önfte, ^ferbc unb foftbarc
Xcppiche j\um ©efehenfe. ^ic folgcnbcn ^gc famen nadh cinan*
ber bic 5ütftcn, ihm jju feiner S^eförberung ©lüct ^u münfehen,
unb auch Muferm fRitter fchien fo oiel (5Jlücf in fo fur^er
(binnen fünf Sahnen jroci ®rjbiöthümcr, bic ii^ur? unb nun bic
©arbinal^mürbe) eine befonbere ©iinft ber ©öttcr für ben noch
jugcnblichcn §llbrccht ju berbürgen*). Qb übrigen^ ^uttcn'ä
greube über biefc feinem §crrn gemorbenc ^(ugjeichnung fo un«
gcmifcht mar, al^ er fie bem gciftlid)cn Diplomaten pflügt gegen*
über au^fpricht, ift ju bejmeifcln. Sßar hoch neben bem 3(blaß
ein jmeiteg S3anb, um ben gebilbeten unb mohlmoUenben, bafür
auch öon glitten mirflich gcfd)ä6ten, aber bequemen unb beftimm*
baren gürften an ba^ Sutereffe be^ römifchen ©tuhlö ;^u fetten!
9Rit bem |)auptgegcnftanbe bc^ fReid)ötag^, bem auch ^)utten
feine geber gemibmet hatte, ber Dürfenhülfe, ging cö nicht recht
OormärtS. Der fiegat hiett einen SSortrag, in meldjcm er bag
päpftliche ?(nftnncn, namentlich in 53ctreff ber 5lufbringung ber
Shiegöfoften, barlcgte. 2)iit bemÄaifer üerftönbigte er fid) leicht;
aber bei ben gürften ftieß er auf Sßiberftanb. Äm 24. kuguft,
alö ^)utten ben ©rief an pflügt fdjricb, fchmebte bic Sßerhanb*
(uug noch: ber Äaifer that unb §uttcn hoffte ba^ S3cftc. Drei
Dagc barauf mar eine entfehieben ablehncnbe $lntmort ber ©tänbe
ba. ©eine halb nachher gebruefte fRcbe nannte Jütten je^t ein
©piel ; nid)t mcil c^ il)m mit bcrfclben nicht ®rnft gemefen, fon*
1) au§ bem ongefU^rten $rief an :^uliu3 non ^flugl.
J
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220
I. $U(I^. 10. ftapitel.
bcrn lueil e§ bei ben bcutfd^en dürften für gelte, Dom
Xürfenfriege reben. ^utten’ö ©inpfinbungen bobei toareii
gemifd^ter Slrt. bic römifd)c ßurie mit ihrem ©clbgefudhc
burchgefaHen mar, gönnte er berfclbcn um fo eher, je mehr er
felbft überzeugt mar, ba§ baö ©elb and) bie^mal mieber nur für
bie 2!afchen ber römifdhen Höflinge beftimmt gemefen. aber
bie beutfdhen dürften gegen bie feincömegS cingebilbete Sürfen^
gefahr fo gleichgültig maren, oerbrog ihn hoch. @r fah eine
(Schlaffheit barin, auö ber er ihnen hütte gönnen mögen, burch
einen mirfüdhen ©infall ber Xürten aufgerüttelt jju merben*).
9Son hier au§ fäHt auf eine ohne tarnen erfchienene (Schrift,
bie fur^ t)or ober mährenb be§ fHeich^tagä gefdhrieben fein mag,
ein eigenthümliche^ 2id)t. 0ic h^^l gorm eineö SRunbfchreU
bend an bie beutfd)en »»gürften , bag fie ben uerlangten Xürfens
jehnten Oermeigern foUen*). 2)aö ®anje fei ein fein angefpon*
neuer betrug ber fRömlinge, ben, mie fie meinen, 9licmanb, am
menigften bie tollen unb oollcn ®eutfd)en merfen merben. 2)er
Xürfenfrieg fei nur ein ißormanb, um ba^ unmiffenbe SSolf auö-
juplünbern. §ätte man j^u fRom ober in ®eutfchlanb ba^ ®elb
aufbemahrt, baö nur allein unter griebrich 111. unb SRajimilian
für Gallien nnb öhnlid)e ©aufelcien nad) 9tom gefloffen, fo hätte
man je^t ÄriegSmittel im Ueberflufi, unb brauchte nicht bie
©h^iftenheit mit neuen Sluflagen ^u befchmeren. Unb „ben dürfen
moHet ihr fchlagen?'' fragt ber ^ebner. „3ch lobe euer SSorha*
ben; ober ich fürchte, ihr irrt euch im Spanien. 3n3talien, ni^t
in Slfien muffet ihr ihn fuchen. ©egen ben ofiatifchen ift jeber
nuferer gürften jurSßertheibigung feiner ©rennen fid) felbft genug:
ben anbern aber ^u bejöhmen, reicht bie gan^e d}riftlid)e Sßelt
nid)t hin. 3ener, mit feinen ©renj^nachbarn im Streite, h^t un^
noch nichts gefdjabet: biefer müthet überall unb bürftet nach
33lute ber Firmen ; biefen §öHcnhunb fönnet ihr auf feine anbere
5lrt al§ mit einem golbenen Strome befchmid)tigen." ' Slermeigcrn
fie nun ben uerlangten ßchnten, fo ho^cn fie fich freilich auf ben
päpftlichen iBonn gefaßt ju machen. Sltlein furdhtbar fei nur
1) ?ln 93Qnnift§ unb ^Ptrd^ieinwr.
2) Exhortatio viri cujusdam doctissimi ad pnnoipes, no in decimae
praestatiouem cousentiaut. 9ln ^uiten’S S(htifttn V, 0. 168 — 175.
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?(non^inc Sd^rift ^eqtn bfn Xütfcnae^nifn.
221
(S^rifti S3litftral^I, nid^t bcr florcntinifd^c. Xq6 ^ ftd^ ober
bicgmal nur um bic 5lngclc9ent)citcn ber glorcntiucr, b. i). Seo'ö X.
unb feiner ^fJepoten, bonble, fei offenbar. 3m oorigen @ommer
fei mit ung(aub(irf)cn i^often ber ^)crjiog oon Urbino ju ©unften
be^ ßorenj oon fU^ebici ocrtricben unb abgefunben, bi^^^ouf, um
baö @elb baj^u 511 bcfc^affen, unter bem S^ortoanbe einer 5^cr*
fc^mörung gegen baö ßeben beiS ^ßopfteö, büö SScmiögen bcr rcidjs
ften Sarbinälc cingc^ogen morben. Slblaji merbe geprebigt für
ben öau ber ^cteröfirc^c : aber bei 9tad)t manbern bie <Stcinc
j^um ^alaftc bcö püpftlic^en 9^epotcn; mät)rcnb an jener i^irc^c
nur j\mei ?lrbcitcr bcfd)öftigt feien, moruntcr ein lahmer. Unb
ba man bem^apfte, feiner 2)idlcibigfcit megen, fein langet ßeben
üerfprcc^e, fo braud)e man ®clb, um bem SRepoten für aUc gäHc
eine üorncl)mc grau unb ein gürftentl)um in granfreie^ ^u oer^
fd)affen. 2)ic6 ^abc cö auf fic^ mit bem neuen M
baf)er oon ben 2)cutfc^cn l)offcn, bag fic fic^ ouf einen fo
fc^ünbUc^cn ^lan nic^t cinlaffen merben.
grüf}^eitig touvbc biefe 0d)rift Ulrich Oon Jütten juge*
fc^ricben. Söcil man i^m in feiner Xürfenrebe bie SluöfäHe gegen
bic römifc^cn (Srpreffungen gcftvic^en tjatte, fönnte er in einer
anonymen ©c^rift gcrabe biefe ©teilen tociter auögefül)rt, unb
bariiber bic ?lngelcgenl)cit beö Xürfenfriegö, alö unburc^fü^rbar,
faden gclaffen ^aben. ?ldein fo laltfinnig, alsJ in biefer namen*
lofen ©c^rift gefd)icl)t, fprac^ er fic^ oud) nad) bem fReic^^togc
nic^t barüber auö. @ine ©tede mie bic, ba§ jur ^Ibmc^r ber
dürfen jeber einzelne gürft fid) felbft genug fei, mürbe Jütten
fc^mcrlic^ jcmalö gcfc^vicbcn ^aben. ittuc^ ©prac^c unb ©a^bau
bcr ©c^rift ift minber flar unb runb atö bei Jütten, ^aß ber
Serfaffer fic^ gegen ben ©c^tu^ ald einen oon Sorenj oon Öibra
gemeinten $rieftcr be^cic^nct, unb für biefen 33ifc^of oon SBürj^«
bürg, fo mie für ben oon iöambcrg befonberee gntcreffe an ben
Xog legt, fönnte für fid) adein genommen alö abfic^tlic^eö Ißcr*
ftccffpielcn erfc^cinen, aber in Söerbinbung mit bem Uebrigen leitet
entfc^icbcn oon Jütten ab. 3)agcgen pa§t oodfommen ouf
ben mürjburgcr ^om^errn gricbric^ 5iWcr, bcr in iöologna
^utten’d ©tubcnburfd)e gemefen mar unb bort bie oben ermähnte
©c^rift bed ßaurcntiuiJ ®ada für il)n abgcfc^riebcn ^atte. 2)o
er nac^ $uttcn’(^ Slbreife nod^ bofelbft jurürfblicb, fo fann c^ gar
222
I. 10. Stcä^t
t
too^l fein, baß er, tote bet SBcrfaffer ber Exhortatio öoi! fogt,
bret Don ben iregen beS Xürfenje^nten au^efc^ieften £egaten in
Öoiogno ^at einjic^cn fe^en.
Sieben feiner ^efc^äftigung mit ben !ird^lic^b*>iitifci^cn
gelcgenl^eitcn fegte inbeß §utten feine gumaniftifc^e SBerbung für
fRcuc^ün noeg immer treulich fort. Siele @änge mdd^te er in
^ugdburg, um bie beften SP'^änner im befolge ber onn>efenben
gürften für bie 0ad^e ju gewinnen; wobei i^m bie angenehme
SBagrncbmung würbe, baß biefe Semü^ung faum me^r nöt^ig,
bie mciften oon felbft fd^on für fReucglin waren, ©ein 9^ec^tö*
^anbel fegien ganj eingefd^Iafen. Son ^öln lief bie 9>locl^rici^t
ein, ber @raf oon 9tuenar ^abe ben ^oc^ftroten, wegen gemeiner
©c^mä^fd^riften gegen i^n, au^ ber ©tabt Oertrieben. 5luS
granfreid^ melbeten bie neuen greunbe (gäbet, Subäu^ k.), baß
bort fReucglin’ö 5Uome ^oc^berügmt, unb ben 2;i)eotogiftcn jebe
^Öffnung bCiS ©iegcä benommen fei^).
SBä^renb feinet augöbutger Slufentbaltö war e^ auc^, baß
bie oerbefferte unb oermc^rte ^luögabe beö 9tiemanb, welche Jütten
größtcnt^cil^ fc^on Oor feiner ^weiten Slbreife na^ gtolicn fertig
gemacht ^atte, enblic^ im 3)rucf erfd^ien. Äm 24. 2luguft fün»
bigte er bieß bem in Sologna wcilenben Suliuä $ftugf mit ber
9lufforberung an, 2ld^t 5U geben, waä bie gtaliener ju ber ^offc
fagen. 3n 2)cutfd^lanb, in Slug^burg befonberö, machte fie jiems
lid^cn Sumor. 3a, bie Slugfälle ber Sorrebe machten unter benen,
bie fidb getroffen fügltcn, böfeg Slut. 5)ic 3uriften oor SlUen
glaubten fid) gröblich angetaftet, jogen bei ßcc^cn unb äRa^ljeiten
gegen ben Serfaffer log, unb oerobrebeten fid^, i§m ingfünftige
i^ren Sed^tgbeißanb entjie^en ju WoUen. ©elbft bei feinem i^uts
fürften würbe er wegen feineg, wie eg ^ieß, unbefd^eibenen Slngrtffg
auf bie 3uriftcn unb 3^1^eologen alg ein fd^mäbfüd^tiger 3Kenf^
augefc^wörgt, unb fanb ba^er nöt^ig, in einer feiner näd^ften
©d^riften, bic er bemfelben wibmete, ju Ocrftc^ern, baß er nur
biejenigen gemeint ^abe, weld^e, felbft unwiffenb, jebeg beffere
©tubium ju unterbrüefen fud^en. Uebrigeng würbe i^m bic Qk-
nugt^uung, baß wa^rl^aft gelehrte unb oerftänbige fU^önner mit
N
1) 3n bem oben ongefU^rten Srtef an
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^itiini tn ^lugSburg. 223
i^m bcr X^orcn lad^tcn, unb i^m i^rcn tjollcn SBcifoII bc^
zeigten »)•
Obwohl ber @ang, ben ^utten'ä (Sntroicflung na^m, ftd^
immer mc^t bem fünfte näi)ertc, too er mit ßut^er j^ufammen?
treffen mußte, fo faßte er boc^ für beffen ©aeße qu^ ie|t, mo
beibe moc^enlang in ßiner ©tabt jufammen maren, meber eine
ttwrmerc X^cilna^me, nod^ einen ßö^ern ©efid^ti^punft. Som 7. blS
20. Cctobcr befanb fic^ Sut^cr in bcr befannten SBerßanblung
mit bem Sarbinol CSajetan ju ^ugöburg, oßnc baß Jütten biefer
Änmefcnßcit, uielmenigcr einer perfönlic^cn SSerüßrung ermäi^ntc.
grcilid^ machte er gerabc njQ()rcnb jener S53od)en feine ©uaiafsSur
burc^, welche ißn auf fein Äranfenjimmer befc^rän!tc, unb ben
ßutritt ju i^m nur genaueren öefannten möglich ober münfc^cn^s
mert^ machte. ^)a^er fprid^t er in 33ricfcn auö jener 3^it Jtnar
non bcö jungen 9J^cland)tbon 33erufung nac^ SBittenberg auf ben
£c^rftu()( ber gried)ifcbcn ©praeße mit greubc ; non @d’d Angriff
ouf Äarlftabt mit lanb^männifc^cr 2^^eilna^mc: luie er aber auf
fiut()cr’ö Äriege mit eben biefem @d unb nicicn Slnbcrn ^u reben
fommt, inciß er immer noc^ nic^tö Öcffercö j^u t^un, alä fic^ bie
^önbe ju reiben nor Sergntigen über baö ©c^aufpiel, bie ^t^eo^
logen fic^ untereinonber felbft jerfleif^en ^u feßen*).
SBon bem ßegaten, mit melcßcm Sut^cr in ^ugöburg ju
t^un ^attf, unb ber ouc^ fc^on bei bem SRcid^ötagc tl^ätig getnefen
tnar, naßm bagegen Jütten mc^r 9lotij, alö bem 9Jionnc lieb
fein tonnte. ©d)on al^ päpftlic^er ßegat njar er bem Dritter
jumiber: nun aber trat überbieß biefer Sarbinal Sajetan in
Äugdburg mit einer an iltarr^cit grenjenben ®itcl!cit unb ^runfs
fu^t auf ; ein ^oc^nafiger Staliener, mclc^em in bem borbarifeßen
2)cutfc^lanb nic^tö gut genug tnar. S8on allem bem foHtc i^m
nic^t^ gcf^cnlt merben: Jütten na^m ißn jcbenfaH^ feßon jc^t
aufd ilorn, ttjcnn auc^ fein ©efpräc^ : baö gieber, in tnelc^em er
i^n burc^jie^t, noc^ nic^t in Äugöburg gcfc^rieben fein folltc.
9toc^ tein 3u^r lebte $utten im ^ienfte bc^ Äurfürften
1) ?ln ^irdlictincr, ©Triften I, 6. 211. De Guaiac. c. 7. Sd^riflen V,
6. 419 f.
2) 3ht nett 39rtefen an ^uß! öom 24. Äuguft unb an ^rtf^eimer Dom
25. Cctober, aifo iener uor fiut^er’S ^nfunfi tn ^(ugSburg, btefer na(^ feiner
«btrife geft^tieben. St^riflen I, ®. 187. 216-
224
I. 10.
uoii 9Rainj, unb tängft ^atte i^m bag ^ofteben au^ feine
©c^Qttenfeiten gejcigt. fra^ft", fc^ricb er im 2Kpi 1518
üon 3J^ainj au§ an ^eutinger, „mie baö ^^oflebcn mir befomme?
nic^t i^um bcften. gmar, ma^ lägt fid^ nic^t ertragen unter
einem fo äc^t fürftlld)cn ^errn, ber fo buman unb freigebig ift,
mic @ri\bifcbüf ^lbrcd)t?'' unb mit einem fo aufrid^tigen, um'
gänglicben greunbe mie fein Seibarjt ©tromer? „3m Uebrigen
bin icb jener 2)iiige äugerft fatt : bc§ ^ünfeU ber ^ofteute, ber
gläuäcnben SSerfpreebungen unb etteiilangcn öegrügungen, ber
binterliftigen Unterrebungen unb beö leeren 2)unfte^.'' Unb an
©tromer fd)ricb er, fic beibc feien j\u gerab unb aufrichtig für
ben $of^). igattc boeb ber ßeibar^t felbft im oorigen Scib^e be^
§leneaö ©bloiU§ ©ebrift über baö @lcnb ber ^ofleute mit einer
SSorrebc berau^gegeben, bic mau al§ Sluöfübrung bc^ beutfeben
©prüd)tt)ort^ : Sang bei §of, lang bei §öll, bcjcicbncn fönnte.
©0 fanb er benn auch an .^utten'ö ^u^fäUcn unb ©d^erjen über
ben ibm neuen ©tanb Gefallen, unb möbrenb ibreö gemeinfebaft*
lieben 5lufentbalt0 am fRcidbötagc forberte er ben greunb auf,
etmaS über biefe^ Xbema ju febreiben, um ficb ben SSerfammeltcii
(ba ber ^)rucf feiner Xurfenrebe no^ bcanftanbet mar) bemerfbar
ju machen.
mar feine Älcinigfeit, möb^enb ber ^unbgtage, förperlicb
leibenb unb unter ben ©törungen cineö getümmelooHen S^tcidjötagg,
in für^efter J^rift, mic ©tromer ücrlangtc, fo etmaö auöjuorbciten;
noch meniger für einen angebenben ^ofmann, am §ofe felbft,
ctmaö gegen baö §oflebeu ^u oeröffcntlicbcn. ®a§ alles führt
Jütten bem greunbe in ber ßueignung ber oon ihm ücraulagten
©ebrift ju (^emütbc ; mobei er befonberS feber/^b^ft bie ©efabren
förpcrlicber ÜJ^igbönblung Oon ©eiten oierfebrötiger ©ollegen auS»
malt, bie fo etmaS einem „©ebreiber", mie fie bie belehrten fo
gerne nennen, nidjt ungeftraft merben bmöcb^^« laffeu. 2)odb
nad)bem bie fertige 5lrbeit, außer ©tromer'S, auch bie Billigung
^eutinger'S, ©piegePS unb ©tab'S erhalten bo^c, fcbließt Jütten,
fo gebe er nach, inbem er ficb megen möglidjen 5InftoßeS bamit
beruhige, baß an Äurfürft Sllbrecbt’S ^ofe ein ©cberj feine
öJefabr bringe unb eine fomifebe Uebertreibung 5ured^tgelegt merbe.
1) S(i^rifien I, S. 174. 219.
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^uttni’8 über baS ^oflrbrtt. 225
9Wit feinem ©cf^räc^ über baö ^ofteben*) feierte Jütten ju
ber bialo9ifc()cn gomi i^urücf, bie er im $()alariömuö juerft
ergriffen, t)ierauf in feiner üierten fRebe gegen ben |)er5og Ulri^
unb ber Xürfenrebe, au^ ©rünben, bic im ©egenftanb unb ber
93eftimmung biefer ©c^riften lagen, mieber neriaffen böttc, bie
aber non jejt an feine ßieblingöform bleiben füllte. ^)er 2)ialog
eröffnet fic^ bamit, bag (Saftu^, mie er ben aJiifauluö alg ^ofmann
mieberfiei)t, an beffen fc^önen Kleibern ein 2öol)lgef allen äußert :
morauf i^m biefer crmicbert, er ^abe fic^ früher in feinen ßumpen
beffer befunben ; benn bamalö fei er frei gemefen, jc^t fei er ein
©flaue, ßaftud ift gemiffermagen ber frül)cre glitten felbft, ber,
nad) einer in ©tubien unb auf IReifen, unter ^Inftrengungen unb
©ntbc^rungen j^ugebrac^ten Sugenb , fic^ ba^ ^oflcben äugerft
anmutt)ig, unb aU praftifcl)e fiebenöfc^ule auc^ f)öd)ft lef)rreid^
benft. ^Dagegen ift 2)?ifaulu^ ein alter, erfal)rener, jc^t überbieß
^urücfgefefttcr ^ofmann, ber nur bie ©c^attenfeiten l)öfifc^en
Söcfcng fict)t, unb jmar bie ßuft beö anbern am praftifc^cn Seben
billigt, aber ben ^of nid)t alö bie redete ©^ule beffelben gelten
lägt. ®r üergleicgt bag ^ofleben einem ÜJ^eere, unb fleibet, maS
er gegen baffclbe üor^ubringen l)at, oor^ugömeife in biefe ^lüegorie.
2)ic §üfleute finb beö Ulpffeö ©djiffögefeUfc^aft, bereu *irug unb
^interlift man nur bureg befonbere Äluggeit unb ®orfic^t entgegen
fann. Ogne IBerfteUung unb ©cgmcicgelci namcntlicg ift bei ^ofe
•niegt burcgjufommen. ^)ann finb auf biefem ÜRecre ©türme,
nämlicg @unft, 9leib, (Sgrgeij, Ueppigfeit u. bgl., melcge alle bem
©cmütge feine IRuge unb Raffung rauben, gerner ©grten unb
©cgHen, an benen bie ©cgiffenben ju @runbe gegen, b. g. bie
SSerbreegen (Unterfcglagung, ®erratg), moju manege fteg bureg
ÜRangel, (Jgrfucgt u. f. f. üerleiten laffen. Älippen: bie größte
unb gefägrlicgftc, ber ßorn beö gürften; Heinere, fein Ärgmogn
(etma wegen freier Sieben), Sieib unb Änfcgwörjung non ©eiten
1) ülrichi de Hutten eq. Germ. Aula dialogus. IV,
6. 43—74 5)08 3“d0nung8|d()rciben I, ®. 217—220. ?II8 3)lufi(T lag bem
^erf., auber ber oben genannten 8(bnft beS VeneoS SbtotuS, bie Sucianif(^e
^eclamation IJn^l rdiv (nl aw6yi(ov oor, bie ft(b iebocti fpecieU auf
bie Dienfle griedfiijd^er Siteraten bei römifeben (Broten beliebt, unb bei gan)
berfebiebener Sombofition, !aum blc unb ba in einem einzelnen fünfte mit bem
^utten’jiben (Sefprficbe jufammentrifft.
VIL 16
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226
1. 10.
bcr ßoUcgcn; ein geig, bor bcm man fid^ fe^r pten mug, ift
auc^, in bic fc^önc ober 5^oc^tcr beö gürften fic^ j^u
öcrlicbcn, ober fic in fic^ üccliebt mad^en. 2)ie ©ecröubcr auf
biefcm .gofmecre finb bic gürftcn, bie, menn fie mit
bicfcm in gc()bc fielen, feinen 3)iener gefangen nehmen lönnen,
mo e§ bann biefem übcrlaffen bleibt, fic^ mit feinem eigenen @ute
lo^^ufaufcn, oft and) äl^arter unb Xob feiner märten. 2lud^ an
einer garftigen ©runbfuppc fcljlt e^ bem §offc^iffc nid)t: ba§ ift
bie Unrcinlic^feit in ©efc^irren unb betten, bic oerborbenen 0pcifcn
unb ©etränfe , bic unflät^igen Xif^s unb öettgcfcUcn ; mobei
Jütten mit fe^r grcUcn , nac^ ben ©itten bcr bamaligcn 3^*1
fc^merlic^ übertriebenen , menn auc^ für ben heutigen ©efc^marf
abfto§cnbcn garben malt.
2)er ©c^cin bcS ?Reict)tt)um§ , mirb augerbalb bcr StUegorie
bemerft, bcr mand^cn an ben ^of jict)t, ift eben nur ©c^ein.
®ic mciften beutfdE)en gürften finb je^t arm, in golöc i^rer
Ißerfc^menbung , i^reö ^raffenö unb ®ro§t^unö; ber §ofmann
^at feine liebe 9^otl), feinen fargen ©olb oon il)ncn ^erauö-
jupreffen, unb mug oft im ^ienfte, ftatt ju geminnen, fein ©igeneö
l^ufe^eu. Slud^ in bcr SGßa§l unb ©d^öpung i^rer ^)iener i^cigen
fid^ bic gürften ^öc^ft unoerftänbig. ©ic moUen at^letifc^e
©eftalten in i^rein ©cfolgc ^aben, gleid^üiel, mie'^ im §irnfaftcn
auSfic^t; bogegen merben fleinc, magere, unfe^einbare Seutc, menn
fie aud^ bic flügftcn unb gcfc^icfteften finb, l^intangefcjt. -- Unter
biefen unb ä^nlic^en S^teben, meld^c bic $ofluft be^ Saftug fc^on
j^iemlic^ l^crabgcftimmt ^aben, ertönt mit einem ÜJtale bic ©c^ellc,
mclc^e ben SWifaulu^ jum 2)icnftc ruft, unb er ge^t ab, nac^bem
er noc^ einmal ben greunb üor bcm ©intritt in gleid^c ^tned^tfe^aft
angclegentlid^ gemarnt Ijat.
Unter ben ©rften, benen §uttcn feine neue 5lrbcit mits
t^eiltc, mar SCßilibalb ^irdlieimer, ju bem er mä^renb ber lebten
Sa^rc in ein genauere^ 93crl)ältni6 getreten mar. ^cin SBunber,
bag biefe fcnatorifc^c ©cftalt i^n anjog, mic fie unö nod) l)cutc
anjic^t. 3n feinem ?lnbcrn ift baö ^atrieiat bcr beutfe^en SReid^ös
ftäbte bem römifd^cn nö^er getreten. $Rid^tö mar flcin unb eng
angelegt in bcm 3Rann unb feinen SJcr^ältniffen. ©in großer,
gcmaltigcr Körper, üon frü^ auf rittcrlid) geübt; ©eburt au^
einem ebcln ©cfc^lec^tc bcr banialö erften bcutfdjcn ©tobt ; ererbter
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igmHcn unb SBiliboIb
227
9ftcirf)t^um; flcle^rtc ^lugbilbunfl in Stalicn, ^öfifd)c unb friegerifc^c
im 2)icnftc bcig i8ifd}ofi? üon @id)ftabt; mo einem ©eiftc non
ftarfer unb umfaffenbev Einlage fulc^e 3^iitgabeu {)in^ufamen, bo
füimte fic^ etmas iöebeutenbe^' entmicfeln. Äaum er feine
Gilbung uoUenbet, fo nahm er im fRat^e feiner 33atcrftabt
feine imponirenbe (^eftalt, feine äi>oI)lrebent)eit, feine biplomatifc^c
Haltung mad)ten il)n befonberö ju (^efanbtfd)aften gefd^idt; batb
lernte Äaifer aj^ai-imilian il)ii fd)ä^en unb ernannte il)n ju feinem
$Ratl)e; manche (^unft, bie er ber 0tabt DZürnberg bemieö, ^atte
fic ber ÖJeltung ju uerbanfen, in melc^e il)r 0pred)er fic^ bei
bem Älaifer ^u fc^en mußte. 5(ud) feine friegerifd)en @aben
an,^umenben, fanb ^ilibalb (Gelegenheit. 51U ber Sdjmeijerfrieg
be^j 3nhre)g 1499 auc^braeß, führte er bem Äaifer bie nürnbergifchen
Xruppen alö il)r Dberfter ^u. ^)er ilrieg mar unglüdlid), ba
an ber obern ßeitung fehlte: ^irefhenner an feiner 0telle erprobte
feine ^üdjtigfeit unb befdjrieb nachher felbft feinen ^elbjug, mie
3Eenopl)on unb (läfar. 2öäl)renb biefcö Sclb5ugö mar ey, baß
Üaifer ÜJiayimilian einmal auf bem 33obenfee in bemfelben 0d)iffe
mit ^irdhcinier oon 2inbau nad) ilonftan,^ fuhr, unb ein 0tücf
feiner 2)enfmürbigfeiten , baö er auf bem 0d)iffe bictirt h^tte,
bemfelben üorlefen ließ, mit ber Jragc, mie ißm baö SHeitcrlatein
gefalle? ©cimifdjer 9^eib unb ^nfeinbung fehlten bem h'-’i^^or*:
ragenben SU^annc nicht: einmal trat er groüenb auö bem IRathe,
unb ließ fich ein anbernial nur burd) bie ehrcnoollftc ÖJenugthuung-
barin jurüdhalten.
2)ie ihm oon öffentlichen (Gefchäften übrig blieb,
gehörte ber SBiffenfcljaft, bem pcrfönlidjcn ober bricflid)en öerfchre
mit ihren öertretevn. oon benen bie meiften feine 33etanntcn, bie
beften feine greunbe maren. ^ber auch bie bebeutenbften unter
bcnfelben näherten fid} ihm nur mit Verehrung, legten auf fein
Urthcil unb feinen fRath ba^ größte (Gemidjt, unb nahmen feine
3ured)tmeifung millig h^o- ^cin $auö, beffen Gemächer bie
33efiichenben föniglid) nannten, feine mit ittüd)ern unb $anb?
fchriften reich oerfehene '^ibliothcf, ftanben jebem (Gelehrten offen.
0cine glänjenben (Gaftmahlc, bei benen er oor^ugömeife Scute
oon öeift um fich ju ocrfammeln liebte, maren berühmt. ®urch
il)n oornehmlich mürbe Gtürnberg ein literarifcßer liDiittelpunft.
0einc (Geiftcorichtung mar bie Ijomaniftifdje; in bem ^eere ber
228
I. Sud^. 10. I^apitet.
0flcud)(iniftcn na^m er eine ber norberften ©teilen ein. ©ein
lateinifc^er ©til ift -nic^t tabefloiä, aber, befonberiS in feinen
gebaltüoüen 3^orrcbcn unb 3ucignnngcn, einen claffifcben ©tric^
unb römifdje Söürbe. @ine feltcnc ©tärfe bejag er im ©rrec^i^
fd)en. ©ebriften üon ^loto unb 36enopbon, üon ^(utareb unb
ßueian, b^it er in^ ßateinifebe, manche auch inö ^eutfebe über^
tragen. S)cr $ofmcifter feiner Steffen bezeugte ibm non Stalicn
auö, tüo biefe einen geborenen ®ricd)en jum ßebrer b^ittcn, ibr
befter Sebrer im @riccbi)cben fei boeb ^irefbeimer felbft gemefen.
Hui? ©panien erbat ficb nach 3abren einer biefer S^teffen ben
5lbri6 ber Stb^'dorif, ben ber Dbci‘u ^^einft ju il)rem Unterrichte
jufammengcftellt ®cm Steffen mar oom aufgetra^
gen, ihm non ben neuen ©eereifen unb ©ntbcefungen ber ©panier
in toerifa immer fogleicb bic genaueften S^Zadjricbten ju geben.
3Bie üerförpert ift in ^irdbeimer ber allfeitige SBiffenö' unb
Öilbungöbrang ber 3cit- ^ermann, @raf oon 9^ucnar, mccbfclt
iöriefc mit ihm über ältere beutfebe ©efebiebte, @raömuö, Gocbläuö
über Rheologie; ©abriel §ummelbergcr erbittet fid) ein botani*
febeö 'J3ud) auö feiner 33ibliotbcf,-unb forbert il)n auf, auch einige
ber griccbifcbcn ^^leri^tc, mic bereite ben Äirebenoater ©regor oon
Sftajian^, lateinifcb reben ^u machen; bdämifeben legen ihm Slnbere
oermicfelte 9lecbtöfäIIe ^ur ^Begutachtung oor; §ubert Xboma^
oon ßütticb bittet ihn um ©rflärung etlicher ^erfe auö §efiobj
(SJlarean freut ficb feinet SBorbabenö, bie ©eograpbic beö ^tole^
mäu3 b^^f^uö/jugeben. 5lucb bie Äunft mar ^irefbeimer nicht
fremb. 2)ic äliufif übte er felbft alö ßiebbaber auiS; benßanbö=
mann ^^Ibrecbt ®ürer bemunberte er alö 9J?aIer unb liebte iljn
als 2Jienfcbcn, unb eS mor ein tiefer Kummer für ihn, bag er
ben trefflichen greunb, als baS Opfer ber Quälereien eines böfen
SBeibeS, mie er meinte, oor ber Qc'it binfebminben fal).
SBie antit fpridjt baS iöilb unS an, baS Sßilibalb felbft Oon
feinem ßanbleben auf bem ®ute feines ©cbmagerS, als ju S^üm*
berg bie $eft boufte, unS entmirft. §ier, entfernt Oon ftäbtifeben
unb ©taatSgefebäften, lebt er ganj bem ©tubium unb ber Ü^atur,
lieft SßormittagS in 5^lato, ficht nach Xifdjc oon b^bet SBurg
herunter, ba ihn baS ^obagra am ©eben binbert, bem Xreiben
ber ßanblcute auf ben gelbem, ber gifeber unb Säger im ^b^^
unb auf ben umliegenben ^ügeln gu; empfängt unb bemirtbet
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SBinbaH) ^ircf^etmer.
229
SBefuc^c auö ber 9^ac^barfc^aft, ober auc^ bic eigenen 9Kaier unb
©auern mit SBeib unb Äinb; ber ^benb get)ört loieber bem@tu*
bium, befonbcri^ gcfc^ic^tlic^er Sßerfe unb folc^er, loelc^c oon ben
Bitten ber SJicnfc^en ober ber ^errlic^feit ber S^latur ^anbeln;
bobei mac^t er tief in bic 9^ac^t, unb ift'ber ^iinincl fo
beobachtet er noch mit Snftrumenten' ben Sauf unb bie Stellung
ber SBanbelfternc, in benen er bic (5rcigniffe ber ßufunft, bic
©chieffate ber gürften unb Stationen 5U lefen glaubt*).
93on einem 3J?anne folcher ©tcHung unb Haltung, ber auch
einem fRcuchlin unb ©ra^muö cö nicht oerbarg, toenn etma§ an
ihren ©chriften ober ^anblungcn ihm nicht gefiel, mußte ^utten,
wenn er il)m eine Slrbcit üorlcgtc, ein freimüthigciJ Urthcil er*
märten. Som^oflcbcn überbieß h^ttc ^irefheimer, ber, 18 3ol)re
älter alö |)utten, einen Xheil feiner Sugenb an einem geiftlid)en
§ofe jugebracht, unb auch feitbem in aßerlei biplomatifdiem S^er^
fehr mit Äaifer unb gürften gelebt hf^Hc^ ungleich grünbs
lichere (Erfahrung aU fein ritterlicher greunb, ber barin !aum
erft Anfänger mar. 2)iefeö Uebergemicht ließ er ißn jeht, nid)t
ohne freunbfchaftlidje Sronie, empßnben. @r fanb fein ©efpröch
über ba^ §ofleben ganj h^bfd), aber unreif. @rft menn Jütten
gleich ihm 20 Saßre lang alle Xöufchungcn unb Sntrignen, alle
Ärönhingcn unb 3urüdtfchungen beö ,^ofoerfehrö erfahren h^tte,
mürbe er im ©tanbe fein, grünblich unb nid)t bloö ausS frember
SWittheilung oon ber ©adje ju reben. Uebrigenö münfd)e er bem
greunbe, baß ihm bie Erfahrung erfpart bleiben, er im §ofbienfte
nicht alt merben, oielmehr halb in bie Sage fommen möge, einzig
fich fclbft, feinen greunben unb ben ajinfen leben ju fönnen*).
iöeiber SJiänner mürbig ift bie 5lrt, mie ber jüngere biefe 2luSs
ftellung bcö älteren aufnahm. Ohne ftine Slrbcit, bic in ber
Xhat 5u feinen fchmäd)crn gehört, mciter ^u oertheibigen, menbet
er fich gegen ben anbern 5;hcil bcö ^ircfhcimer’fchen ©riefcö,
1) In interpretationem Dialogorum Platonis , qui inscribuntur
AxiochuR etc. Praefatio (on 33crn^arb ^Ibclmonn t)on ^bcItnonnSfelben) . .
Ex secessu nostro Neopagano (9leu^of) Cal, Sept. 1521. Pirckheimeri
Opp. ed. Goldaat, p. 282 ff. SIBomit ju öergleid^fit bic Briefe öon unb an
^trcf^cimcT in bcdcd>cn Sammlung, in l^eumann’S Documenta literaria,
unb in ö. ®lurr’§ Journal jur Äunjtgcfc^. unb jur aflg. fiiteratur, X.
2) iBricf an §uttcn, Stritten I, S. 193 f.
230
L 10. StapM.
bcr eine Unjufuicbenfieit mit feinem Eintritt in ben |)ofbienft
nic^t üerbar^. @bcn ba er fein ©efpräd) über ba<g ^oflebcn
unreif finbe, fottte ^irefbeimer, fo meint ^utten, ibm um fo me^r
ßett (offen, om^ofe reif ju merben, unb i^n nic^t fd;on non
bcr @d)mcUc bcffelbcn micber binmegreigen mollcn. Unb nun
cntmidclt §utten bem greunbe feinen flonjen 2ebcin3plan in einem
ouöfübrlicbcn 0d)rcibcn, boö ju bem ^n^iebenbften gehört, moö
ouö feiner geber gcfloffen ift, unb einen glcid) tiefen (Sinblid in
fein eigene^ Snnere mic in bic S3ilbungönerböltniffe bcr
geiDÖbrt ^). ©efermonn fogt cinnuü nun einem @cbid)t, boö ©oetbc
ibm ju Icfen gab : „cö möljtc ficb ftctö um feine eigene 2ljc unb febien
immer bobin jurücf.^ufebren, mober cö auögegangen"^). 0b bieg
für ein ©ebidjt cinSobfprueb ift, mag man be^mcifcln; für einen
iörief ift c^ gemig fein Xabcl. Unb auf biefeö |)uttcn’f^c ©enb*
febreiben trifft e^ genau Uebrigenö ift baffclbe ebenfo auf
ber einen ©eite eine meitcre 5lu^3fübrimg einciS früher ermähnten
©ebreibenß an ben ©rafen ^ermann üon 9lucnar, mo Jütten
ähnliche 33ebcnfcn gegen feinen (Eintritt in böfifd)c 5)icnftc ju
befeitigen boUc, mie eö auf bcr anbern ©eite ben ©toff ju bem
©efpräd) gortuna geliefert bat, baö, mic mir feiner finbeu
merben, unter ^uttcn'ö fünftlcrifcben ©cböpfungcn eine ebenfo
hohe ©teile cinnimmt, mic baö ©enbfebreiben an $ircfbcimcr unter
feinen S3ricfen.
^)afe eine S^erbinbung bcö miffenfcbaftlicben Sebenö mit bem
proftifeben fomobl an ficb möglich, alö für eine Statur mic bie
feinige 33ebürfnig fei ; bag inöbefonbere feine ©teßung am mainjer
§ofc bie Xbätigteit für bic SBiffenfebaften nidbt au^fcbließcn, biefen
melmcbr ju ÖJutc fommen folle: bieg ift bcr fur^c Snbalt bciS
©cnbfd)reibcnd, auö melcbcm mir einzelne biograpbtfcbc ^ata
febon bisher entlehnt haben, uon bem mir aber hier eine jufam-
menbängenbe Uebcrfid)t geben müffen.
^cr greunb febc ihn nid)t gern im §ofbicnftc. ^u^ er
felbft mornc in feinem Dialog Slnbcrc baüor, unb boeb bleibe er
1) ülrichi do Hutten ad Bilibaldum Pirckheymer, patricium
Norimbergensem, epistola, vitae suae rationem exponens. ©d^riften I,
6. 196—217.
2) (^(jprfid^ mit @oet^e, )um 27. Cct. 1823.
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i^utlen’8 Senbjc^reiben on SBUibalb ^tr^etmet. 281
borin. SBa§ er bcnn aud) Slnbcrcä t^un foöte? ^enn tf)un
muffe er etmaö; 5uni Dlogcn ©tubirftubenlcben fei er nod) ju
jung (er mar eben brei§ig), menn er überhaupt baju gemod^t fei.
Sßor^cr müffc er fid) nodj in ber Sßclt ^erumtummeüi. Slud^
feine SSermanbten unb grennbe bürfe er um bic praftifdien ^ienftc
nid)t tQiifc^en, bie fie oon it)in nod^ ermarten fönnen. 2öaS er
benn mit ben Xbeilne^mern feiner gelehrten 93efd)äftigungen fünftig
reben füllte, menn er nic^t Dörfer etmaö erlebt ^ättc? ^er
greunb merbc i^n an feine ^mölfiaprige SSanberfd)aft erinnern.
@efel)en allerbingö unb fennen gelernt f)abc er mö^renb berfelben
SBieleö ; aber nic^tö get^an, nid)tö geleiftet, ©ic fei nur ein öor=
fpicl beö Sebenö gemefen: mirflid) ju leben muffe er erft anfan*
gen. ^ircfljeimer fennc il)n nid)t genug, ©eine Statur üerlange
neben ben ©tubien Umgang mit SWenfe^en aller §lrt, aud^ foldjcn,
bie il)m unöl)nlic^ feien. Unb biel leichter ertrage er biefeS ge-
fellige ÖJcräufd), unter bem er fic^ üoUftänbig j^u ifoliven im
©tanbe fei, alö bic (Sinfamfeit. ^al)cr fud)c er beibeö ju ücts
binben, unb mic er bereite burd^ ©(^riften einige Sluö^cic^nung
erlangt l)abc, fo üerjmeiflc er nidjt baran, and) nod) in großen 2Bclt:=
gefeßöften ßftußm ju ermerben. ®abei foUcn ißn jebod) bie tßcus
ren ©tubien beftänbig begleiten. 3)ic gveunbe irren, menn fie
meinen, feit er fid) bem |)ofbicnft ergeben, ßabe er aufge^ört ju
ftubiren; meßmegen fie, jju feinem großen ßeibmefen, mit erfreu^
lieber Slu^na^mc ^irdßeimcr’ö unb bcö Grafen oon Sliucnar, i^m
nic^t meßr fc^reiben.
äöic tiefgemurjelt bic Siebe ju ben ©tubien in ißm fei, ßabe
er feßon burd) feine bc^arrlid^c Sßcrt^cibigung ^Icucßlin’ö bemiefen.
Slueß ferner merbe er, mcnnglcicß nid)t immer ein oorfic^tiger,
bod) ein eifriger Kämpfer gegen biejenigen fein, bie fic^ ber auf?
geßenben ©onne ber iöilbung alä ^inbernbe SBolfen entgegcnftellcn,
baö Sic^t ber SBaßr^cit in feinem Slnbrud^c ju Uerfinftern, ja
ouö^ulöfc^cn trachten. Sßren §aß merbc er nießt ju Ocrmcibcn
fud)en, fonbern nur barnac^ ftreben, baß fie ißn baneben auc^
fürchten müffen. künftig gcbcnlc er fie nid^t mel)r ßinterrüdö
ju oerfpotten, fonbern inS Hngcficßt ^u befämpfen. 2)en lang=
famen gortfeßritt ber guten ©a^c bürfe man fieß nießt oerbrießen
laffen. ©nblicß merbc cö boeß baßin fommen, „baß bic beffern
SBiffenfcßaften micber ouflebcn, bictontniß beiber ©praeßen um3
232
1. $u(^. 10. I^opitel.
mit ©riechen uiib StoUcnern oerbinbe, in ®cutfc^Ianb 33ilbung
i^ren SBo^nfife ne^mc, bie Barbarei über bic b^perboreifdbei' ®erge
t)inau§ imb bis jum baltifc^en ÜJ^cerc üerbannt fei. Unterbeffen
moHen mir baS ^0(5 ber $alme nac^a^men, inbem mir, je fdb^uerer
jene unS aufliegen, um fo beharrlicher emporftreben, unb gegen
bie löftigen Unterbrürfer mit unbeugfamer ^artnäefigfeit unS er^
heben." ®abei moUen fic beibe, ^irefheimer als Veteran unb
gührer, Jütten als munterer iRefrut, baS Sh^iflc thun; Jütten
bie geinbe uon bem gelbe abmehren, baS ^irdPheimer unb anberc
mit bem ©amen ber beffern 33ilbung anbauen mögen.
2öie (SraSmuS im 9tieberbeutfchlanb bic
©eiftcr gemeeft, mie fReuchlin feine ©chmaben unterrichtet unb
gebilbet höbe, fo fei ^irefheimer ber Schrcr 9türnbcrgS gemorben :
iRümbcrg'S, mclchcm an biefer ©teile ein Sob ju
baS ber ÖJcIchrtc in Jütten bem ^Ritter, ber gegen bic ©täbte
unb bic ©runblagc ihrer ©röge, ben ^anbel, eine ftanbeSmögige
^Ibneigung h^fitc, bie§mal abgemann. Unter allen beutfehen
©täbten fei S^ürnberg bic fruct)tbarftc an guten Ä'öpfcn, unb
miffc biefe am beften ju fchä^en. Sin Sftegiomontan , an ScltiS
habe eS baS bemiefen. gn SBcncbig gebe eS ein ©prichmort: alle
anbern ©täbte in 2)eutfchlanb feien blinb, nur ^Rürnberg fchc
auf @incm Sluge. Sluch in 5?unft unb Snbuftric jeichnc iRürns
berg fid) auS: nürnberger gabrüatc gelten fd^on als folchc in
allen Sänbern für Oortrcfflich, unb houptfächüch für unöcrfälfcht.
^cr SlpcUeS ber neuen Sllbrecht ®ürer, fei ber 3h^^9c, bem
bic 3talicner, bie fonft nichts grembeS anerfennen, ihre SBcrfc
unterfchicben, um fic oerfäuflichcr ju mad)en. @ine folchc ©tabt
fei für ^ircfhcimer'S SSirffamfeit ein banlbarcr ©oben gemefen:
ungleich fchmercr unb langfamer gehe cS mit ber Einführung f}iu
mancr ©Übung in §uttcn'S ©tonbe. 3ntmer fei hier nod) bie
SJieinung herrfchenb, bag ©clehrfamlcit unter ber SBürbc eines
9tittcr'S fei: biefe SReinung höbe ber treffliche Eitclmolf, ber für
ihn unb bic SBiffenf^aften ^u früh geftorben, ju entgelten ge*
habt. 3c&t eröffnen fich aHmälig beffere SluSfichten: bic oor^
nehmften S^äthe beS ÄaiferS unb ber gürften, auch cinj^elne gürften
fclbft, feheinen ber Partei beS §umaniSmuS günftig ju fein, ^aruni
lobe man fic, nenne fie 3Jtäccnaten unb Sluguftc^, nicht mcil fic
cS oerbienen, fonbern jur Stufmuntcrung. S)aburch feien fchon
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l^utten'S Senbjd^r eiben an SQßilibalb ^irdf^etmer. ^33
einige unter i^nen in bie Sage uerfe^t toorben, ehrenhalber @e^
lehrten ©uted thun müffen, inbem bie Ueber^eugung fiel) feft*
ftellc, bag öegünftigung ber SBiffenfchatteu einem gürften mol)l
anftehc. ^)aher gehe fein fRath bahin, bafe man uon huntaniftU
fcher ©eite ber @unft ber gwrften alle möglidhcn 9tehc ftcllc^):
um aber bieg ju fönnen, müffe man in ihre Xienftc treten unb
Äemter non ihnen annchmen, mie e§ bie fünften unb ^hrologen
auch machen, benen man fid) hierin gleichjnftcllcn h^^be.
5)anon möge ihn (hiemit ift Jütten non feiner §lbfchmeis
fung jum Xhema feinet ©d)reibcnö ^urücfgelangt) ber greunb
nicht abmahnen. @r fönnte mit @runbc nur bann, meim bei*
beö unücreinbar möre: aber gcrabe ^irefheimer fclbft h^bc am
fchlogenbften bemiefen, bag man unter ©taat^gefchäften, ja im
Äricgögctümmcl, noch 3Ruge für bic Söiffcnfchaft übrig behalten
fönne. ©o grogen 33eifpielen mlü fid) $utten nid)t /\ur ©eite
fteUen: aber baö mng er miebcrholt erflorcn, bag bie iöefchräns
fung auf ein reineö ©elchrtenleben feiner Statur entroeber über^
haupt nicht, ober hoch jept nod) nicht, angenieffen ift. „Sag
erft", ruft er bem gereiften greunbe ^u, „biefe |)ipe oerbraufen,
biefen raftlofen unb bemegtid)cn ÖJeift ein menig mübc loerben,
lag ihn jene 9?uhe erft oevbienen, j\n ber bu mich t)or ber ßeit,
mie eö mir fcheint, beruf ft.''
5ür jene SJereinigung üon QJefchäften unb ©tubien fei ge*
rabe feine ©teHung am main^er $ofc befonberd geeignet, ^er
gütige 5ürft höbe ihn üon ben gemöhnlichen iöerathungen unb
bem gemeinen @cfd)öftögange biis^penfirt. ©o höbe er, trop ber
üielen Unruhe, bic ihm mährenb bicfcö erften Söhreö bic ©orge
für feine Einrichtung unb bic Erlernung ber ^ofbränche gemacht
habe, hoch üicl ftubirt, and) etliches gefd)ricbcn. Um überall Icfen
unb arbeiten ^u fönnen, führe er eine tragbare 33ibliotl)cf mit
1) ®ltt »eld^cr Tronic gegen bte großen lg>crren /g)utlen biefe betrieb, tonn
man j. 33. au9 jeinem Briefe an 6ra§mu8 öom 6. 1519 (Sctiriflen I»
S. 248) erleben, ^ier forbert er ben 6ra§mu8 auf, feinen ^rjbifd^of lllbred^t
um ber ©unfl toiflen, bie er i^m (Jütten) wiberfat)ren laffc, nur re^t ju
loben; er unb anbere ©elefirte werben e§ ju geniefeen feoben; Der 6rjbif(^of
boffe glei(^, e8 werbe in eine oon bc8 Cra8mu8 6(tiriften fommen, wenn et
einem ^umaniflen eine ®unß erweife.
234
I. %ud(|. 10.
unb eben jc^t fud^e er einen jungen 3)?enfc§ert al^ Sßorlcfer,
©d^rciber unb $anblonger bei feinen geleierten Arbeiten.
2ÖÜ er benn l)tn follte, ioenn ^iref epimer i^n nic^t am
§ofc tüiffen molle? tiefer bürfe ^utten’ö Sage nicht na^ ber
[einigen beurthcilen. Sn ©täbten laffc fich ruhig, ja bequem ftus
biren: nicht fo auf einer 9tittcrburg. ^ier laffen bie @nge unb
Unruhe, bie ©orgen für bie SBirthfehaft unb für bie SBcrtheibis
gung, einer miffcnfchaftlid)cn 33efd)äftigung feinen [Raum.
fei nicht ber ruhige ^ort, mohin ihn ^irefheimer auö ben ©türmen
beä §üflcbenö rufen bürfte. 58oIlfommene fRuhc unb ©icherheit
fei auf @rben nirgenb» 511 fiuben; nid^t allein ber §of fei ein
ftürmifchc!^ 9)te, fonbern ba§ Seben überhaupt. ©0 fchlimm
fei boi§ ^üflcbcn auf feinen al^ §utten'^ frühere^ Steife«
leben, mo eö ihm oft om 9löthigften gefehlt, unb er auö Ü)?angel
fid) ^um ^Iriegöbienft l)obc bequemen müffen.
sticht Siebe 511111 SBcd^fel ober ©enußfucht,. ba§ bürfe SBilU
halb ihm glauben, fonbern bie flar erfannte 9lothujenbigfeit höbe
il)u bem $oflcbcn angeführt. @r höbe fid) fein beftimmteg ßi^l
gefterft: ober um biefe^ 511 erreichen, bebürfe er einer Unters
ftü^ung, einer SBeg^chrung glcichfam, unb bie folle ber $of ihm
reichen. 2öie? ba§ loolle er bem ^reunbe bei (Gelegenheit münb*
lid) auöcinanberfehen. fei ein üernünftiger @1)^9^^» ber ihn
antreibe, feinen S^tamen unb feine SBürbe ju behaupten, feinen
angeborenen Slbel burd) perfönlicheö SSerbienft fidh erft nmhrhoft
an^ucignen, ben fRuhm unb ©lan^ feiner gamilie ju ocrmchrcn.
SSerfäumte er biefi über feinen gelehrten 33efchäftigungen , fo
mürbe er gerabe baburch feine ©tanbeögenoffen in ihrem SBoruts
tl)eil gegen bie SBiffenfi^aft beftärfen. @cioifferma§en rechne er
bei feinem ^lane auch ouf ba^ @lücf. ÜRancheö fönne nur ba§
@lücf ihm geben; mäl)renb ihm auf ber anbern ©eite nichts,
baä ber fRebe mertl), nehmen fönne. ^5)a fein Sßermögen auf
feinen gaü jureiche, um baoon fo, loic er münfehte, leben ju
fönuen, fo löge menig baran, menn er auch tjollenbs barum
fäme. ©einen 5lbcl aber fönne baö (Glücf toohl erhöhen, aber
nid)t üerminbern. ©eine (Gemüth^ruhe merbe er ju behaupten
toiffen; benn er glaube bie Raffung ftch errungen 511 hoben, bag
er ju gleicher ßeit nach ®hren trachten, unb fie oerad^ten fönne.
©0 möge ber greunb ihn erft bann oom ^ofleben abs
t
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i^utten’8 ©enbjd^reiben on ©ilibalb ^irdf^eimfr. 235
pflüffcn, tDcnn er barin reif gcn)orbcn fein unb feinen
reicht Ijaben werbe, c^pabe er erft einmal etwaö gctt)an, bag
ßeugnig gebe, baß er gelebt, bann wolle er fieß in wiffcnfc!^aft=
ließe 9iuße unb SSerborgcnßeit begraben, unb ber ftol^^en §ofleute,
ber Slbelicßen, Xßeologcn unb Suriften lacßeu.
S^aeß aüerßanb 2.Vittl)eilungen über beii 9teicßetag, über
fein förperlidjCiS öefinben unb feinen Umgang in ^Jlugöburg,
fommt .^litten auf £iterarifcßc^, auf be^^ ©rawinuö neue ^luögabe
be^ Svenen Xeftamentö, öuböu^’ Sommentar ben ^anbeften
unb anberc 3'^^cßen bc^ Sluflcbenö ber 2öiffcnfd)aftcn in 2)eutfcß=
lanb unb Jranfreid) 511 reben; worauf er feinen iörief mit bem
feßönen Xriumpßrnfe fdjlicgt: „C Saßrßunbert! 0 SÖiffcnfdjaftcn!
(£ö ift einegreube, 511 leben, wenn aueß nod) nießt, fid) jur Dluße
ju feßen, mein S53ilibalb. blüßen bie 'Stubien, bie ÖJeifter
regen fieß: bu, nimm ben 0trid, iöarbarci, unb maeße bid) auf
Verbannung gefaßt!"
2)urcß biefeö 0enbfcßrciben war Jütten fieß bewußt, feiner
greunbfcßaft mit ^ivdßeimer unb biefem felbft ein bleibenbe^
5)cnfmal gefeßt ju ßaben. ^^ud) feßrieb er bieß offenherzig an
ben greunb, alö er ißm eine Sln^aßl gebruefter @i*emplarc (fammt
berglcicßen oon bem (^efpräcß über baö ^oflcben unb ber ^ür*
fenrebe) jur ?lblieferung an ben nürnberger Vud)füßrer unb zur
Veforgung naeß ßeipzifl übcrfdjicfte ^).
1) €(ßnften I, S. 221 f.
236
(Stifter iKapitel.
c^ttifeti’d itttb 6ie
(1508—1518.)
0cf)on ju tüicbcr^oltcn äJ^alcn ift in imfcrct ©rjäl^lung non
bcr ftranff)cit bic 9tcbe gcnjcfcn, toelc^c bcn gelben bcrfclben bei^
no^c non feinem erften §ernortreten an, unter allerlei SBec^fel
non ßinberung iinb neuem 5lnöbruc^, biö t)icl)cr nerfolgte, mo er
cnblic^ burd^ eine fRabicalcur mit berfelbcn fertig ju merben
f)offte, unb bem SD^ittel, baö it)m fotneit get)olfen, in einer eigenen
©rf)rift ein 2)enhnal fe^te, in welcher er jugleid) eine (Sefd^ic^te
feiner Äranffteit gab*). @ben auö biefem ©runbe ^aben mir ein
genauere^ ©inge^en auf ben ©egenftanb biö ju biefer ©tefie auf*
gefpart.
33e!anntlic^ mar e^ bie nenerifd^e Äranf^eit, an melc^er
Ulrich Jütten bereite feit beiläufig 10 3a^ren litt *). @in Seiben,
baö, mie e^ i^n förperlid) ju ©runbe gerid^tet ()at, fo non ben
©egnem feiner !0eftrebungen benupt morben ift, i^n mo möglid^
aud^ moralifd} ju nernic^ten. Öefonberjg bie fatl)olifd^e ^olemif,
non 9^lainalbi biö auf SBeiölinger, unb non biefem bi^ auf bic
Ultramontanen unferer 2^age ^erab, l)at biefen Umftanb mit SSor*
liebe auögebeutet. 3^r gegenüber b^ben fid) §utten^g Sere^rer
1) De Guaiaci medicina et raorbo GalHco Uber unus. Sö^rifien V,
397—497.
2) S)te 2)auer bcr nranfbeit beireffenb i^gl. De Guaiac. med. c. 4,
Q Q. D. S. 409 §.11 mit Querei. I, 1, v. 31—34, ©(tiriften III, S. 22.
Xiornae^ fiele i^r ftnfanfl in bo§ 3abt 1508 ober 9, too l^utten in ßeiujig ober
no(!() |(tion ouf feiner Steife no(^ bem Slorben begriffen toar«
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i^utten’§ Äronf^rit.
237
in ber ?Rcgel l^intcr bic 9J2öglic^feit äurücfgejogen, bag man 5U •
jener at^ bae Ucbel noc^ in ber ganzen ^eftigfeit feineö
erften ^nöbrud^^ loüt^ete, mc 5. ^erber firf) auöbrücft, „fe^r
unfcgulbig ba^u fommen fonnte''; bag aber Jütten njirfiie^ fo
baju gefommen fei, auö ber Dffen^erjigfcit gefolgert, U)omit er
überall oon ber 0ad)c rebe. 2öir laffen, um un^ nic^t befangen
ju mad^en, ben moralifd;en ®efid)töpunft cinftmeilen ganj auö
bem ©piele, unb fegen üorerft nur ju, maiS fid) über bie Slrt,
toie Jütten ju ber ^Iranfgeit gefommen, auö feinen ©egriften
entnegmen lägt.
(Sine auöbrüdlicgc Eingabe über biefen $unft fuegen mir
barin üergebenö. “5)ie frügeftc ©d^rift, in melcger §utten feiner
Äranfgcit gebenft, bie Klagen gegen bie iiöge, geben nur ®auer
unb 0gmptome, ni^tö über bie ©ntftegung^art. darüber gegen
aueg bie gelegentlicgen 5leugcrungen in fpätern Briefen unb
biegten ni(gt ginau5. SGBcnn §utten in einem ©riefe an gad)uö
oon feinem ^infen (einer golge ber in 9tcbe ftegenben ^franfgeit)
fagt, er miffe nidjt, foHe er eö bem Unglüd, ober ber ^^oUfügn^
geit jufegreiben, mit ber er fidg im garten ^Itcr ju menig gefd)ont
gäbe’); menn er an ^irdgeimer fegreibt, nid)t bureg unmägigeö
Seben, mie feine nägeren ©efannten miffen, fonbern bureg ©tu^
bium unb fRcifcn, mobei er oon groft unb $ige, ©rmübung,
junger unb ®urft, gar ju oft unb geftig gelitten, gäbe er fid^
(nun fagt er aber nid)t: jene Äranfgeit, bie er ja baüon aud)
nidjt mogl ableiten fonnte, fonbern:) feine l^ränflicgfcit, näger
eine Sffiagen* unb allgemeine Äörperfcgmädje, jugejogen; moju
noeg ber übermägige ©lutoerluft auö feinen .SBunben gefommen
fei, ber feine Äräfte erfegöpft unb fein Slu^fegen bleicg gemadgt
gäbe 2): fo ift gier immer nur üon folcgen Uebeln bie fRebe, bic
fieg ju feinem ^auptübel gefeilten, ober oon Urfaegen, bie baffelbe
unb feine golgen oerfcglimmertcn, öon feiner (Sntftcgung erfagren
mir niegtg.
3n ber ©egrift über baö ©uaiaf aber, mo §uttcn bie ©c*
fegiegte be^ erften Sluftretcn^ unb Umfieggreifenö ber granjofen»
franfgeit in Europa gibt, grcn5t er baö erfte ©tabium, mägrenb
1) 6. ob«n 6. 62 f.
2) 6i^riften I, 6. 206.
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I. Sui!^. 11. ftopitel.
beffcii bic ©euc^c ebibemifc^ gemefcn unb auc§ o^ne Sontacjium
entftanbcn fei, beiläufig mit bem fiebenten Sa^re feit il)rcm @r-
fc^einen, alfo mit b, 3- 1500 ab; feitbem, fagt er, fei eö glaube
lid), ba6 fie feiner me^r anberö alö burc^ Sontagium, unb jtoar
uorjugömeife burc^ beu S3eifc^laf, befomme*): in biefei^ festere
©tabium fällt aber feine eigene Hnfteefung. greilid) barf man
fic^ aber nur an bic Unrcinlic^teit jener 3cit erinnern, unb non
ben ^ofbetten, bic §nttcn in feiner Aula bcfc^reibt, ben ©d^lug
auf bic ßagerftätten in ben elcnben Verbergen machen, in benen
er auf feinen fficifen fo oft 5U übernachten hnttc, um allcrbing^
ein anfteefenbeö Sontagium, auch ohne jene fpccififche 33eranlaf*
fung, in biefem ^mciten ©tabium ber ilranfheit noch fel)r mögli^
ju finben. 2öic lcid)t mar e^ für Jütten, mit einem einzigen
Sßorte auf eine folche ©ntftchung feinet Uebel^ h^näumcifen: aber
nirgenbd hnt er gethan.
9^lun barf man aber hierauf and} micber nicht ju eilig
fchliefecn, bag er fich alfo einer anberu, minber unf^ulbigcn,
Urfa(he feiner Äranfheit müffe bemugt gemefeu fein. 3n unferer
3cit mürbe, mer funbbar au biefem Uebel litte, unb fich bemugt
märe, auf jenem uuncrfänglichcn Söege baju gefommen ju fein,
bieg gemig nicht ücrfchmeigen: aber in unferer 3eit mürbe
au^ fRicmanb, mic Jütten, feine iöeobachtungen über bie Suft*
feud)c unb bereu Teilung einem ®r^bifchof mit ber naioen SBcnbung
jucignen, er münfdjc nicht, bag ber hochmürbige ^err fie jemals
fclbft nöthig hoben möge, baö moUc ©hnftn^ ber ^cilanb oerhüten!
aber an feinem §ofc fönnen fie oiclleicht gute i)icnftc leiften^);
9^icmanb mürbe heut ju Xage, mie abermals ©utten, ohne iRoth
■ oon feinem noch lebenben 93atcr bruefen laffen, bag auch er an
biefem Uebel gelitten höbe“), ^arauö gcl)t heroor, maö Kennern
jener 3^nf nnb ihrer Sitcratur ohnehin befannt ift, bag biefe
^anfheit überhaupt bamalö nod) anbersJ angcfchen, bag bic befonberc
©d)anbc, mic jc^t, noch nicht mit bcrfclbcn oerbunben mar;
menn bieg aber ju einer 3cit ber gall mar, mo man bereitst
mugte, bag fie fich in ber fRcgel nur noch gcfchlcihtlichc
1) C. 1. 71. a. O. ©. 402 f.
2) ©d^Iwjfe ber 6d^)rtft, S. 496.
3) föbrnboj., c. 3 unb 12. S. 407. 438.
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^utten’S i^ranH^rlt.
239
©crü^rmtfl, beflrciflidjerlocifc öomcftmlic^ bic Doge, fortpfloiijte,
fo folgt, bo§ man oud) uon biefer leiteten fclbft bomatg onbctiS,
olö l)cutc bei ocrfcincrtcn ©ittcii, gcbod)t ^oben mub-
5)oö gon^c ÜJhttcloltcr mar, mic befannt, in biefem ©tüdc
mcit meniger ftreng, aU man uon feiner religiöfcn 333cltanfd)auung
ermorten foHte. 9}tanbcnfe nur on bic breite unb unbefangene S^toUe,
mclcbc in ber ©efe^gebung unb ßitcratur jener Qtit bic gemeinen
5raucnl)äufer fpiclcn. 0d)on ber cr^mungene (Zölibat ber ©eift*
liefen näbrtc, gerabc in ben gebilbetern Greifen, eine lajc, um
nic^t ju fagen friuole 2)cnfart über foldjc 2)inge. 3m funfjcl)nten
3al)rl)unbcrt fam nun in eben biefen Ä^rcifen, burc^ baö erneuerte
<ötubium ber ^Iten, bereu naturaliftifd)c £cbcnöanfd}auung l)in^u.
2Baö biö ba^in für eine läßliche 0ünbc gegolten ^atte, bie fic^
burd) 33cic§tc unb eine leierte Öuge abt^un liefe, ba^ crfd)icn
je^t al^ etmaö 9^latürlid)c0, mobei auf bie näfeern Umftänbe
anfam, ob eö überhaupt ju fcfecltcn fei. ®al}er brüden fic^ bie
^umaniften jener Xagc über öcrböltniffc unb SSergebungeu biefer
?lrt in einer SScife auö, in bie mir unö faum finben fönnen.
2)cr mürbige ÜJhitian crfcfecint unö in foldjen Stellen feiner
93ricfc gar ju cl)nifcfe, unb Sllbrecbt ®ürer'^ 0cbci>' über 23öilibolb
^irdbeimer')^ jial)lrcicbc 53uljlfcbaftcn gar ju plump. ®aber, alö ^
nun jene Ätranfbeit auftrat, erfebien, uon il)r befallen ju merben,
gerobe in biefen 23ilbungöfreifcn am menigften ai^ ein Sebanb^
flcd, ben man uerfteden, fonbern aU ein Unfall, über ben
man fo laut mic über jeben anbern ju flogen baö fReebt
Älö im 3obr 1523 £utl)cr bebenflieb frünfclte unb bic ulmer
ältönebe bereite über feinen Xob jubelten, liefe itjin ber bortige
• ?lri^t SBolfgong 9tpcbarb, ber in Sutfecr einen anbern ©liaö ucr^^
ebrte, bureb einen greunb in SBittenberg ärjtlicbc fRatbfcblögc
ertbcilen, morin auch auf ben gaü iöcbacbt genommen mar, bafe
baö malura Franciae mit unterlaufe.
göUt aber bienaeb ber Seblufe babin, bafe §utten, menn er
ficb bemufet mor, „unfcbulbig" p feinem Ucbcl gefommen 511
fein, biefe jn feiner notbmenbig audj gefagt b^ben
müfetc: fo läfet ficb ^oeb auf ber anbern Seite, §uttcn alsS Sobn
feiner Qcit unb ifercr Xenfmeife betrachtet, oueb niefet mcl)C uon
uombcrcin mabrfebeinlid) finben, bafe er ficb bcrjcnigcn
!iücrübrungcn entbaltcn b^^ben merbe, mobei auf bem gemeinen
240
I. 11.
SBcge ju jenem Uebel ju gelangen mar. ?lud^ maS mir $crfön-
lic^eö üon t()m miffen, fül)rt nidjt auf eine fold}e SBa^rfc^cinlid^feit.
©eine ©djriften jmar zeigen fic^ , menn mir feinen 2lnt^cil an
ben ^)unfelmänncrbriefen abrec^nen, mo aber ©c^mu^ unb 3oten
burc^ ben fatirifc^en gmeef geforbert maren, merlmürbig rein,
unb inöbefonbere feine iÖriefe unterfci^ciben fic^ hierin üort^eilljaft
non mani^cn anbern 33riefmed)feln jener 3‘^it. ^ber man bebente
fein SfiaturcU unb feinen SebenSgang. 2Jiit einem rafc^en, feurigen
Temperamente trat er au§ flöfterlic^em :3a^r in
baö abenteuerube ßcben eincö fa^renben ©c^ülerö über, baö i^n
jule^t fogar in ba§ Säger gemorbener ©olbtruppen führte. SBenn
fpäter (Sra^muö, mit Berufung auf alle, bie Jütten genauer
gefannt, non feinem, gelinb auögebrüdt, folbatifc^en Sffianbcl,
feinem $angc ju SScrfc^menbung , ©piel unb Tirnen, uon 2luS*
fd)meifungen fprac^, bie felbft feine clcnbe Äranfljeit i^m nic^t
^abc abgemö^nen' fönncn‘): fo merben mir jmar nic^t uergeffen,
ba6 ba« bie Dtac^rebe cineö geinbeg ift, ber bamal^ burc^ einen
Singriff §utten’i§ (uon bem an feiner ©teile bie 9^ebc merben
mirb) auf’iS Slcußerfte gereift mar. Slber ©raömuö fpric^t bauon
öffentlich fo alö üon etmaä 9totorifd)em, mic er fchmerlidh magen
tonnte, menn, bei aller Uebertreibung üieHeicht, nid^t bod^ etmaö
an ber ©ac^e mar. Unb eine ftarle Steigung 5um finnlid)en
Siebeögenuffe, bie nur burch feine Äräntlidhfeit in ©dhranfen
gehalten fei, befennt §utten, menn au^ in fcherjhofter gorm,
' felbft*). ®alb fd)cr^l)öft mag e^ audh gemefen fein, menn ber
felbft nicht fittenftrenge ^ivdheimer ihn möhrenb feiner @uaiaf^
(5ur ermahnte, fich ber Siebeömerfe ju enthalten: aber Jütten
beruft fidh bagegen auch *^ur auf feine ©rfdhöpfung burch bie
ftrenge T)iät bei biefer ßur, um bem greunbe jeben SSerbacht
folcher^rt ju benehmen*). Sluch ber incertus amor, üon bem er
in bem Sugenbgebidjt an Trebeliuö fpneht, mug unä f^kx eim
fallen *).
1) 9ln Sutber, ^utten’§ Sd^riften II, 6. 409. ?tn ®o^bdni, cbenbaf.,
0. 396.
2) Febris secunda, 6(^riftctt IV, S. 136. 3n meiner Ueberje^ung
ber ^uttcn’fd(|en ©efprfle^e 0. 86 f.
3) 3n bem 0enb|(l^reiben an ^irdf^cimer, 0d^riften I, 0. 212.
4) 0d^riften I, 0. 8, v. 11.
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(Suren.
241
man mag auf bicfc Wu^fagen unb Slui^ci^cn fo menig
©cmic^t legen alö manmifl: man erinnere fid) nur, ma-g man
mügte ermeifen fönnen. 9J?an müßte, mic fdjon gefagt, alö übers
miegenb maßrfc^einlicß ermeifen fönnen, baß Jütten üon Sugenb
auf fi(^ aller ber S^erüßrungen entl)alten ßabe, bie auf bem
gemöl)nlid)en Söegc ^nftedung ßerbeifüßren fonnten. ©etraut
man fic^ nid)t, bieß ju ermeifen, fo mirb eö bann aber für bie
moralifd^e 33eurtl)eilung ganj unerßeblicß , ob er nun bei einer
folc^en ©elegen^eit oon bem Uebel betroffen luorben, ober ^iebei
jmar jufällig frei au^Sgegangen, bafüraber ein anbermal „unfc^ulbig"
ba^u gefommen ift.
3ebenfaIIö inbeffen ßatte er ben 3ugenbfel)ler, beffen mir
il)n fcßulbig oc^ten, in einem @rabe ju büßen, melcßer felbft be^
unerbittlid)ften 0ittenrid)tcr^ Strenge in 9Jätleib oermanbeln muß-
2)ic Äfranfbeit, mie fd)on ermößnt , mar bamal^ jmar nießt meljr
in if)rcm erften, boc^ immer no(i) in einem Stabium, beffen furd)ts
bare Symptome über il)re l^eutige @rfd)einungöform meit l)inau^s
gingen; mäl)renb bie ^rjneifunft 4ljrerfeitö nodi im unftd)em
2^appcn nad) ber rechten ®el)anblungöart begriffen mar. 9J?an
meiß bal)er nießt, maö fd)redlic^er ift, bie !öefd)reibung , bie unö
Jütten oon feinem ßi^ftönbe, ober bie er unS oon ben Duälereien
mad)t, meld)e oon unoerftänbigen ^lersten ald Suren über ißn
oerljängt mürben, ^ie ©drüben, an benen er litt, maren tljeilö
offene, fließenbe ©efc^müre, tßeilö gefd)loffene ?lnfd)metlungen
unb fnodjenartige 9Scrl)ärtungen, enblid) Sd)minben beö gleifc^cö
unb Sloderung ber iüänber an einzelnen Äörpertl)eilcn ; ©teßen,
@el)en, ?lrmaufl)ebcn unb ®rel)cn beö Üopfeö mar erfc^mert;
jeitenmeifc trat ein ßittern aller ©lieber ein; bie ©efc^müre unb
S3erl)ärtungen maren jum ^ßeil unleiblid) feßmer^baft; bie 5luös
flüffe fo efel^aft unb übelriecßenb, baß ber Äranfc nic^t allein
Slnbern, foubern and) ficb felbft, jur ßaft unb ^um ^(bfdjeu mar.
Äein SBunber, baß Äurfürft ^Ibredjt äußerte, er fönntc Jütten
mol)l gebrauchen, menn er nur. in beffern ©efunbbeitöumftänben
märe, kein äBunber aber aud), baß biefer e^ \)o6) anfcßlug,
menn einer, mie fein 5^ermanbtcr, ber augöburger Domherr
Sohann oon SBiröberg, burd} ben Dunftfreiö feinet luftbicht oers
fchloffencn ÄlranfenjimmercJ fid) nicht abhatten ließ, ftunbcnlang
bei ihm ju fijjcn unb il)n buri^ ©cfpräch unb Sr^ähtungen aufs
VIL 16
242
I. »ud&. 11. ÄaWtel.
^ul)citcrn. J^üfjcr ^attc ein anberer greunb, alö er §utten’ö
flrägüdjcn unb tt)ie fc^ien Ijoffnunflölüfcn ii)ni
ejerabe^u ben 9iatl) cicgcbcn, fic^ umjubrinqcn. Unb biefe ©droben
unb ficiben ()attc bi^^^cr Jütten nic^t chua rul)iö abiuarten fönnen,
fonbern fic auf feinen S^leifen uon ©reifönjolb bi^ 9f^om, üon
Söien unb Dlmüjj bid ilJiain^ unb ^ariö mit fiel) (jerumgefc^teppt.
fehlte i{)in an 9iul)e, fehlte ihm , ba er noch baju meiften^
üon ÜJ^itteln entblöfit mar, an ^flec^e, unb er mar uicl)t feiten
genöthiflt, in ©rmaugeluiu] uon Herzten, bie freilich ihrer 3Jiehr-
äal)l nach and) menig §ülfe bradjten, fid) ^^3fufchern unb Ouaefs
falbem an,^uuertraueu. ^^Qe^ 9J?öglid;e mar im Saufe biefer jeljn
^[ahre an ihm oerfucht morben : iöäber unb ^^riinfe, Bähungen
unb 2(epmittel jeber 3lrt. !Dic gräuliche 0chmiercur, bie ben mit
(Salden, ^^uloern unb Delen aller ^rt eingeriebenen Ätranfen
20—30 Xage lang in löettcn gemicfelt im glüheubheigen 3immer
hielt, biefe fd)recftid)e (£ur. bie mandjem ba^ Seben, anbern ben
^Öerftanö gefoftet, h^il er in oerfchiebeneu gönnen cilfmal burch-
gemacht. SlUe biefe ÜJiittel unb Suren aber h^iUen im beften
galle phlliatiü gemirft. Sine S^abicalcur hoffte ber ilranfe oon
bem SJiiaiafholje, ju beffen ©ebraud) ihm fein greunb ©tromer,
ber Seibar,3\t fcinci^ gürften, gerattjcn l)öUe.
^ie Sur mar einerfeit^ eine §ungercur, anbererfeitö mürbe
ba^i ^ecoct oon ben Spänen beö SJuaiafhol^e^ getrunfen, mährenb
ber .Hranfe in einem mägig geheilten, bem ^oltiUe ber Suft
möglidhft Oerfd)loffenen ßimmer, einen Xheil bes^ ^ageö im 33ette,
fid) aufhiclt. ^)ie offenen 0d)äben mürben babei mit einer 0albe
Oon 33leimeig, ober auch our oon bem 0d)aume bed SJuaiafbccocteJ,
behanbelt. iltoch 40 ^agen burfte Jütten mieber ouögehen; hoch
ftaub eö noch einmal 40 Xagc an, biö ber begaben an feinem
©djienbein ganj ^ugel)cilt mar. 9^un aber fühlte er fid) auch
mie neugeboren, bie gefchmunbenen Äräfte ftellten fich mieber
ein, unb er fdjerjte halb barauf über fein gettmerben. 93on bem
$ol^c, bem er feine Stettung ju Oerbanfen glaubte, fpricht er aU
oon einer göttlidjcu 32öohltl)at, einer Oom §immel herab gebotenen
$ülfc, mit einer 2lrt oon religiöfer S3crehrung, unb er h^elt
gemiffermagen für Pflicht ber ^anfbarteit, eö burd) eine Schrift
^u oerherrlichen unb ber Icibcnben äJ^enfehheit befannt f^u machen,
lieber boö SJuaiafholj alö ocrmeintlidjc^ Specigeum gegen
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^utien’S Sd^rifi Uber bte t^Tan^ojentranf^ett unb ba§ @uata!. 243
bic fiuftfcuc^c Tjattc fd)on baö 3at)v üorl^cr bcr ^rofcffor unb
faiferlid)c $t)t)ficuö S^üolauö ^oU einen 5^ractat uerfagt, unb
benfelbcn bem Sarbinal üon öurf, SJiattböuö Snnc;, flemibmet,
ber um bic @rfovfd)un9 unb iöcfanntmac^unc^ bcö uon ben v^paniern
auf 0t. ^ominflü ^efunbenen .gcilmitteU ein bejonberes S^erbienft
in 5tnfprud) nai)m. 3c^t forbertc (Soüege, ber getaufte
3ube ^aul iRiciuö, |)uttcn auf, bem (^uaiaf feine geber ju
tüibmen, unb feine 0d)rift gleid^fallö jenem Gavbinale ^u^^ueignen.
3um Srfteven mar glitten febon üon felbft geneigt; aber bic
lefetcrc ^ufforberung empörte fein ganjeö 0elbftgcfüt)l, ba er
bem ftül5cn iiird}cnfürftcn bie gcringfdjäbige ^cl)anblung nidjt
üerjeÜ)en fonnte, bie er üor 6 3ob^cn in Bologna non bemfelben
batte erfahren müffen'). glitten begann feine 0cbrift nad)
5öccnbigung feiner 6ur in 5tug^burg im §crbft 1518, unb
üollcnbctc fie mit einer ß^cignung an feinen Murfürftcu um
9tcujabr 1519.
2)ic 0d)rift l)(Jnbclt in 26 Äapitcln fd)r metbobifeb unb in
auegejeiebnetem Latein uon bem Urfprung, ben mutbmaglicben
Urfacben unb ben ©biiiptomen ber 2nft)cud)c ; ben bis^b<-’^» *inb
inöbefonbere aud) üon .giuttcn felbft, gegen fie gebrauchten Ddt*
tcln; lommt fofort auf baeJ neue 0pecificum, ba$ ©uaiafbolä,
feine Vluffinbung, 9iatur unb ßübereitung, ^u reben; gibt bi»-'rflüt
üon bcr mittclft bcffelbcn üor^unebmenben 6ur, mit allem maö
babei j^u bcobad]tcn unb j\u üermciben ift, eine umftänblidjc 2)arfteU
lung; l)ict tbcilt^uttcn and) üon feinem eigenen Äranlbtit^suftanbe,
ben jeneö SDdttcl geboben, eine genaue iöejd)rcibnng mit ; morauf
35erbattungörcgeln für bic (^cne)cnen ben Sdjlujs macben. ÜJ^erl^
mürbig ift bicbei, j\u feben, mic .£)utten, beffen ^rofa ftd) unö
bi«>b<^i^ *1»^ 0turmlaufe bcr rebncrifdjcn ^eclamation, ober
in bem rafd)cn SBccbfclfpicle be^ ^5)ialogö gezeigt b^'l» ^ueb ben
gcmcffcncn 0d)ritt bcr bibaftifeben ^)arftellung fid) fo üollfommen
aui^ucignen ücrftanb, aU bdtte er von jeber in biefem^clbe gearbeitet.
9tur an öincr 0telle tbut er ficb auch in biefer 0cbrift aliis
9iebner gütlich: mo er nömlii'b, aud (yclegenl)cit bcr j^ur ©uaiaf-
(Sur erforberlicben ftrengen ^)iät, auf ben fiuiuid ju fpred)en
fommt, bcr 511 jener Qc\t in ^cutfcblanb bcrrfd)enb gemorben mar.
1) S. oben, 0. 64.
244
I. ^u(^. 11. l^opiteL
tiefem ©ccjcnftanbc lüibmct er ein eigene^, unb jmar baö um^
fangrcic^fte Äopitcl feiner ©c^rift *). @r beginnt mit bem SSunfc^c,
ben mir fd)on fennen, bag unfere ^Kation fic^ enblic^ felbft ers
tennen möge, b. b- bicgmal einfeben, mie menig ficb folcbe SSöHerci
für baö meltbcrrfcbcnbe 83olf gezieme. 2)ie SBorfabren, bie unö
biefen S^ang ertömpft b^ben, meicben bie übrigen Sölfer unö
nur noch i^um §obnc laffen, b^^beii ein anbercö ßeben geführt,
ßunäcbft mirb bicr gegen baöSaftcr ber Xrunfenbeit loögejogen;
büd) noch meniger entfcbulbbar ber ßujuö in ©peife unb Ön^ug
gefunben, ber jc^t einreige, ber ^ug ^u auölänbifcben ©emürjen,
SBübIgcrürbcn unb ilieiberftoffen , mclcber bie Xeutfeben jugleicb
entnerue unb arm mache. „2)en ächten alten 3)cutfcben biente
nach ^^Jliniu^, mie noch je^t üielcn, §aberbrei ^ur 9kbrung. SGßir
hingegen fpeifen überfeeifebe iöiffen, bie mir für fo unentbehrlich
halten, bag eö bei unfern ^auöüätern ©ruubfa^ gemorben ift,
ma^ hier mächft ^\i uerfaufen, um jene^ grembe ein^uhanbeln.
9tid)tig ^Inbcreg h^^i bie Jugger fo reich gemad)t, melche, mähreub
mir unfereö ßeibeö Pflegen, allein in 2)eutfchlanb ®elb unb foft^
bare .Käufer befi^en. ®enu fo fchr finb biefc Kliener unferer Suft
emporgefommen, bag il;r S^ermögen für gröfeer aLS bo^ eines
jeben Don unfern dürften gefchäht mirb." ©o bringt benii Jütten
bem ©afran unb ber ©eibe ein förmliches Pereat, unb münfeht
allen benen baS ^^obagra unb bie gi^anjofeu, bie nicht ohne
^J[$feffer fein fönnen. Äernfprüchc unb ^eifpiele auS ber alten
Söclt, uon ©ofrateS unb Diogenes, ßato unb §annibal, auS ber
neuern baS feines ©rogoaterS Soreui^, merben beigebracht; eiiu
mal, mo eS gegen bie ©eiftlichen als bie Heerführer ber Ueppig-
feit geht, auch etliche Sibclfprüche inS’Jelb geführt.
^en eigentlichen (^egenftanb feiner ©chrift anlangeub, be*
fdjeibet fich Hutten, basjenige ju geben, maS er als gebilbetcr
3^tichtmebiciner allein geben fonnte: nämlich, außer bem ®cfchicht=
liehen, feine eigenen (Erfahrungen in liöejug auf bie Äraufheit
unb Sur, mit gelegentlichen ©eitenblicfcn auf baS, maS er an
nnbern beobachtet h^^Hc. öei ber ?luSarbeitung mar ihm, ba
©tromer nadh bem ©chluffc beS fRei^StagS mit bem er^bifchöflichcn
Hofe nach ©achfen gegangen mar, ber jmeite Scibarjt, ®regor
1) Cap. 19. Contra luxum parsimouiae laus. S. 457 — 470.
5)ie Jürlenrebc oollpönbig mit 3ufebrift an oHe freien ©eutfd^en. 245
(Soppuö, in cintflcm bc^ülftic^, bcr auc^ bie ^anbfdjrift üor bem
^rucfc burc^fa^. @cbrucft tüurbc fic 9J?ainj, alö §uttcn bc^
reitö jum würtembcrciifc^en fic^ auf(icmarf)t ^attc ; luefj*
1) alb bcr Qclcljrtc gactor bcr ©djöffcr’fd^cn i)rudcrci, SSolfflant]
§lncift, Urfac^e fanb, lucgcn bcr ütclcn ^rucffe^Icr um @ntfd)ul=
biguncj ju bitten. ®ic 3d)rift fanb fd)ncüc unb mcitc Serbrei*
tung, mürbe inö ^cutfc^c (üon ÜJ?urner), @nglifd)c unb
gran,^öfifc^c iibcrfc^t, unb bct)auptct noc^ ^cute in bcr ®cfd)ic^tc
bcr ©eueren unb bcr ^cilfunbe i^ren ^la^.
Snbem mir nun aber, bem iiefer unb unö fclbft ju ©efaflen.
bie nähere Erörterung üon ^uttcn'ö ^ranfheit^umftänben biö ju
biefer ©teile ucrfd)oben höt>cn, muffen mir unö cineö Unred)t§
gegen unfern gelben fd)ulbig befennen. SBir haben ihm nämlich
bamit bisher bie 5(ncrfcnnung untcrfchlagen , bie, neben bcr !0e*
munberung feiner ©chriften alö folchcr, bcr ©eiftci^ftärfc gebührt,
melche baju gehörte, um mäl)renb cine^ fo fchrcdlichcn, langmic^
rigen unb hoffnungölofcn ©icchthumö SBerfe hcruorpbringen, an
benen nidjtä matt, allcö ©efunbheit, grifd)c unb Seben ift. Sind)
mährenb feiner Öuäiaf=Eur lieg fich §utten Dom ©tubium, ja
üüu eigenen Aufarbeitungen, mic baf aufführlichc ©cnbfchrciben
an ^irefheimer, bur^ baf Verbot bcr Acrjtc nid)t abhaltcu, bie
nicht mußten, baß berglcichen für ihn nidjt Anftrengung, foubern
Sßergnügen mar. ^af ©ebießt an Ehriftoph $acuf, beffen 33cfud)
ben Äranfen auf ©tunben gefunb unb h^'il^t machte (mit menigen
feiner italienifchcu Epigramme in einem jener iKaßc gcfchriebcn, ,
beren SBorbilber nicht auf 93irgil unb Ouib, fonbern auf §oraj^
unb Satuü genommen maren), feheint bcr lebten Qcit in SJiainj,
uor bem Anfang ber Eur in Augfburg, anjugehören *).
iRoch maren bie ©chäben an feinem ©d}icnbcinc nicht ooU*
ftänbig jugcßeilt, alf |)utten im ftrengen SBintcr (Sf^oOember ober
2) cccmber 1518) Don Augfbnrg nach ©tcdclberg reifte, um feine
bamalf noch lebenben Eltern ju bcfuchcn*). §icr, auf bcr33urg
feiner 33ätcr, hotte er jebcfmal freier Athem; bie ^Rücffichten
beren er jmar auch fonft nicht niete ju nehmen pflegte, ßclen ba
OoHenbf hioioeg. ®aß feine ^ürfenrebe im ^rude burch bie
1) Äd Christophorum Ilacum. Schriften I, S. 239.
2) Do Guaiac. c. 8., @. 424.
246
I. Sud^. 11.
^cngftlic^feit feiner im {aifer(id)cn 5)ienfte fte^enben ^reunbe
öerftümmclt morbni mar, iinb 5mar gcrabe biejenigen X^eile üer^
loren ^atte, auf bie er am meiften ©emic^t legte, mar i^m fc^on
auf feinem ^franfen^iinmer ju ^ug^bnrg, atü er fie an ^iref^eis ^
mer fc^iefte, empfinbüd) gemefen. 2eb()aft f)attc er bie Soflifion
gefüt)lt, ba6 er, menn er 5lmt unb 3!^erfürgung ^aben moHe, bie
^flic^t beö Patrioten, nngefc^eut bie 2Bal)rf)eit 511 fagen, nid)t
erfüllen bürfe. in ber freien Suft feiner ^eimifd)en 'iöerge
l)ielt er baö nic^t mel)r au^. @r entfc^lofe fic^, feine Diebe üolls
ftänbig bruefen ju laffen, unb gab i()r eine 3nfd)rift an alle freien
unb magren ®eutfc^en mit*).
2öüf)Imeinenbe greunbe, fagt er l)ier, haben if)n gemarnt,
feine Xürfenrebe bruden ju laffen, and giirdjt, einige aDjii frei*
müthige ©teilen gegen ben römifd)en §of fönnten i^m ©efa^r
bringen. @r hnbe ihren DJlahnungen unb iöitten fid) gefügt, unb
feinen @ifer jurücfgchaltcn : ungern fd)un bamalö, unb nun fei
eö ihm nid)t länger möglid). fdheine ihm unebel, auö gurdjt
üor perfönlicher (Gefahr bem öaterlanbe feinen ^ienft ^u ent,yes
f)en. Unb ^ubem fönne er in ber ©ad)e nid)t einmal ©cfahr
entbeefen. ©eine Diebe bebiene fich nur einer rechtmäßigen unb
nothmenbigen, feiner rnuthmiCligcn Freiheit, unb non ßeo X. Der-
fehe er fief) nur beö 33eften ; abgefchen bauon, baß er ja mit bem*
felben in ber 51ufforberung i^um ^ürfenfrieg übeveinftimme. ^)och,
füllte ihm and) (Gefahr brohen, fü üerläßt fich §utten auf ben
iöeiftanb feiner ®eutfd)en, für bie er fid) berfelben unterzogen
hat. Unb felbft bie geinbe unb Unterbrüefer 2)eutfd)lanbö foll*
teil in ihrem eigenen S^ntereffe fid) hnlcn, bie ©ad)c jum 5(eiu
ßerften ju treiben. „3n ber (mit biefen Söorten, meld)e
bie Dleaction aller ß^iten fid) füllte gefagt fein laffen, aber
freilid) feine fich flffngt fein läßt, fd)ließt .^utten fein ©enbfehreiben),
menn eö einen gibt, melcher bie beutfehe greißeit fo ücrnichtet
münfd)t, baß mir gegen fein Unred)t, feine ©d)mad) mehr (Siti'
rebe tf)un bürfen, ber möge zufeßen, baß nid)t jene fo gefnebelte
unb faft ermürgte greißeit einmal, zn ber Unterbrüefer größtem
1) ®gl. oben, 8. 212 ff. ®tc neue 91u§gabe mit bem 3ufa^ ouf bem
iitet : Inßunt quae priori editione exerapla erant. 5)if guft^rift : Li-
beris omuibus ac vere Gerinanis, Schriften I, 8. 240 —242.
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3uetgnung einer Ausgabe be§ Qtblui.
247
©c^abcn, plö^lic^ auöbrcc^c unb fic^ tütcbcr ^erfteHc. SBic Diel
flügcr tüäre ücrftänbig angcfepeu, mic uici gerätsener fclbft
üon bem ©tanbpunft unferer Unterbrüefer and, i^r immer noep
etmaö 5ltSem ju laffen unb fic nid)t gar ju eng jufammenju*
preffen, alö bapin ^u treiben, baß fie im @efül)l ber broßenben
©rftiefung fieß getraltfam burd) einen jerftörenben 5lnebrud) ßuft
maeßen muß. ^)cnn einfangen unb teidjt binben laßt fie fid)
rnoßl, jumal menn e^ einer gcfd)idt unb fcßlau an^ugreifen meiß;
umbringen unb ab(d)lacßten aber läßt fic fid; nid)t, unb fic ganj
^u üernießten ift unmöglid). 5)arum möge man un^ frcimillig
ctmaö jreißeit geben, bamit mir unö nidjt mit @cmalt allcö nel)=
men. Dbrnoßl nur menig ift, maö ieß mir ßerau^genommen
ßabc: nämlid) einen gereeßten (Sdjmerj nid}t oßnc Slui^brud ^n
laffen, unb bem gemeinfamen UnmiUcn bci^ Satcrlanbeö ein be^
feßeibeneö SSort ^u leißen. ?llfü 9Jhitß!.. unb ißr, benen bcisJ
5Satcrlanbe^ greißeit am §er;\en liegt, bic ißr ^eutfd}lanbö @ßre
erfennet, unb noeß nießt gan^ bem 5(bcrglauben ücrfallen feib,
lefet, maget Slcßnlicßeö unb lebet moßl."
9^acß ü)?ain^ um ben Einfang b. 3. 1519 ^urücfgcfcßrt, bereitete
Jütten feinem gürften eine hoppelte litcrarifcße §ulbigung : bureß
bic ßw^iflnung feiner 0d)rift über baö ©uaiat, mooon bereite
gcfprod}en, unb burd) bic 2Bibmung einer neuen Slusgabc beö
2ioiuö. 3^* 3D?artin in SJ^ainj mären @tüdc oon jmei Sücßern
auö ber oierten ®ccabe bcö 2iuiuö, bic biößer gcfcßlt ßatten,
aufgefunben morben, unb c^ ßatten nun bie beiben Öelcßrtcn,
9lifolauö Sarbaeß unb SÖolfgang ^^Ingft, beibc unS fd)on auö ben
2)unfclmännerbricfen alö älätglieber bci^ ^umaniftenfreifeö befannt,
beren erftercr fdjon einige gaßre über 2iüiuö ®orlefungen geßaU
ten ßatte, eine neue, and) fonft ocibeffertc ^luägabe biefeö 0d)rift^
ftcllerö in ber 8d)öffer'fd)cn i)rudcrei bafclbft oeranftaltet ‘). 0ic
fonnten bk ßweignung felbft abfaffen; aber fic fprad)en Jütten
barum an, mcil c? ißnen in Uebereinftimmung mit ben gelcßrten
Xomßerrcn, bem ®efan 2orenj Xrudifeß, 2)ictrid) 3^^’cl unb
äJiarquarb §atftein, für ben ©rsbifeßof fcßmeidjclßafter fdjien, menn
1) T. Livius Paiavinus historicus, duobus libris auctus etc. 5)ie
neuen Stücfe waren Lib. XXXIII o^nc bic 17 crflen Äapitel, unb Lib. XL
oon Cap. 37 an. ^uttcn’8 In T. Livium . . . praefatio, ©(^riften 1, $. 249— 2B1.
248
I. 11. ftapHel.
bic öon einem 3Ranne feinet ^offtaat^ auöflinge. ®er
römifc^e @efc^id)t)d)reiber felbft, fül)rt§utten in biefer SBibmnng
Quö, menn er fic^ einen "ipotron 5U tt)äi)len l^ätte, mürbe feinen
anbern mäftlen moUen, feinen mürbigern mä^lcn fönnen, olö einen
um bie beffern ©tubien unb ®clel)rten fo uerbienten gürften mic
2Ubre(^t : auf ber anbern ©eite aber fei auc^ bie ßueignung eineö
§lutorö toie SiuiuiS für ben S^urfürften eine f)ol)e @^rc, meld)e
biefer mo^l halb burc^ neue mäcenatifd^e SSerbienfte /\u ermiebern
miffen merbe. „^u erfennft beinen Öeruf, unb fo fte^t e^ gut;
bu begünftigft bie SBiffenfd)aften, unb mirft ^inmieberum oon
if)nen Oerl^errfic^t. 9J^it ber ^Barbarei ift eö ju @nbe: biö ^ie^er
mürben bie ©tubien gering geachtet; jefet fef)rt man 5ur magren
©ele^rfamfeit jurücf, bie ©eifter bilben fid^."
3m gebruar 1519 erfd^ien nun au^ ba^ @efpräc^, baö,
menngleic^ üieHcid)t erft ju SJiain^ ober auf ©tecfelberg auögear=
beitet, bod) feinem SD^otioe nad) in 3(ugöburg, unter bem ©in^
fluffe beffen, ma§ §utten oon bem ßavbinal Sajetan fa^ unb
^örte, auggebac^t mar. Uebrigen^ ift bicfcö ©efpräd), baögicber
betitelt^), eine ©atire auf baö üppige ßeben ber ©ciftli^en unb
9ieic^en jener ßcit überhaupt, mit einem befonbem ©tac^el aßer-
bingS auf ben Sarbinal. ®ie ©ituation ift biefe. Jütten miß
baögieber, baö bei if)m im Ouartier gemefen, auötreiben; biefeö
bittet fid) auö, menn eö fein müffe, menigftenö in eine anberc
gute Verberge geführt j\u merben. §utten mcift eö jum Sarbinal*
S. Sixti (Sajetan), ber aug fRom nad) ®eutfdbiönb gefd)icft fei,
um (5JeIb, angeblid) ^um Xürfenfrieg, in ber X^at aber für bic
S3crfc^menbung bcö römifc^cn §ofc§, auöjumirfcn. Xa fönnc eg
gemig hoffen, mohl gehalten ju fein; beim ber 9JMnn rul)e in
purpurnem ©emanbe hinter oiclcn SSorhängen, fpeife auf ©ilber,
trinfe aug @olb, unb fei ein folcher geinfchmccfcr, bag ihm in
Xeutfd)Ianb nid)tg miinben moßc: bic bcutfd)cn fRcbhühner unb
5^rammctgOögct feien nicht nach feinem ©aumen, bag beutfehe
SSilbpret fei ihm jum @fcl, unfcr33rob nenne er gcfdhmacfiog, unb
1) Febris, Dialogus Huttenicus. hinten: Mense Febr. an. 1519.
3m folgcnbcn 3öbi^ tn bic ©ommlung ber Dialogi al8 Febris prima üufgc»
nommen. Schriften IV, 6. 27 — 41. 3« meiner Ueberfe^ung öon ^utlen’S
®c|pril(^en S. 50—62.
N
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^utten’l ©efpröc^): Qfieber (bo§ erfie).
249
unfcr SBcin UoIIenbö prcffc i^m Xf)röncn au§. 2)a^cr l^cigc er
^eutfc^lanb ein 33arbaren(anb, unb ^abe fid) feit t>icr 9}?onatcu
nic^t fatt (^egeffen, ouö ÜJtoqcl an feinen Riffen. Mein bas;
gicber [)Qt feine Snft ju bem binfenbünnen faftlofcn ,^opff)önöer,
ber flegen feine 2)ienerfcl)aft ber ärgfte itniefer fei, nnb e^3 getoife
gleich mit bem )öanne belegen würbe, fo wie eö über feine ©cbmcllc
träte. S3ei ben gürften nnb reid)cn ilauflcuten aber fürchtet eö
bie 5terjte, f)inter meld)e biefe fiel) uerfebanjen. Snbein ba^ gie^
ber fofort .feine 33itte, in eine gute .'perberge geführt jn werben,
mit ber Berufung auf eine alte ^of)ltl)at gegen glitten wiebcrbolt,
biefer aber üon feiner folcben miffen will, erinnert eö il)n baran,
wie eö öor ac^t niertägigeö ein f)alb 3at)r lang
bei i()m ©afte gewefen*), ibn fo fleißig, fromm unb gebulbig
gemacht h^be. 3a, gequält habe e^ il)n, nnb er fid) bann and
Ueberbruß in bie 5lrbeit geworfen, erwiebert ^utten, unb broßt
bem gieber, wenn eö nid)t fort wolle, mit fd)inaler 5ioft unb
Äerjten wie 'Stromer: aber baö feinen Patienten;
eö weiß, baß Jütten lieber ein 3al)r lang franf fein, alö ein
$aar Semmel fRßabarber ober S^ießwur^ einneßmen will. So
gibt fid) biefer abermal^3 baran, fieß mit bem böfen öafte wegen
bcö OuartierWeeßfeU gütlicß p oerftänbigen : er will cö ^n ben
äJiöncßen füßren, bereu SSoßUeben oßnc 53ewegnng für ba3 gic?
ber gan^ befonberö einlabenb fein müffc: allein bie ä)^önd)c, er?
innert biefeö, ßaben oon ben alten SBeibern, bie bei ißnen beid);
ten geßen, 3o»l>crformeln gelernt, e3 ab^ntreiben. Hueß unter
ben ^)omßerrcn, meint ßicrauf Jütten, ßnben fieß fette, woßlges
näßrtcßeute, bei benen eö fid) woßl beßnben müffe; ^war maeßen
fieß biefe burd) fReiten nnb 3agen meßr ^öewegung ald bie äl^öncße,
bod) werbe baö bnrd) wilbere ?ln«fcßweifung mit ^raffen nnb
33ußten wieber audgcglicßen. ^lllein bie, wenbet ba3 gt^^ber ein,
feien oon allen möglid)en anbern Älranfßeiten fd)on oorßer fo
eingenommen, baß ißm fein fRanm meßr bei benfclben übrig fei.
So füßrt benn Jütten eö i^ulcßt einem jüngft auö fRom an*
gefommenen ßurtifan, bei bem alle (Srforberniffe beö SBoßl*
1) T>ai war ju Sloftorf, im SBinter 1509—10. ®. Querel. L. I,
Eleg. 1, V. 9.
250
I. ®u(^. 11. Po^ttel.
lebend uub ber SmpfänQlidjfeit für bog gicber, tüte fte biefeö nur
tüünfc^en mag, firf) finben.
Unter bergleid)en fcf)riftftellerifc^cn Arbeiten ücrleibete un»
ferm Stitter ba^S eigentlirf)c §ofleben immer mel)r. @r f)Qtte mit
biefen leeren aufgeblafencn t&c^ran^cn fo gar nirf)tö gemein. Unb
bod) fonnte er baö ©infommen, ba^ feine J^offtellc if)m brachte,
nid)t mot)l miffen. ®a it)u fein gütiger ©unften fei^
ner ©tubien, bereite ber getüöbnlid^eii Xiienftleiftungen entbun^
ben t)atte, fo lieg fieg goffen, bag berfelbe ign nod) freier
ftcHen, igm eine ^enfion auömerfcn merbe, bie er an einem
beliebigen Orte üer^egren moegte. |)alb mar eö igm fegon juge*
fagt, unb nun follte ©ra^muö ben Äurfürften öffentlicg bariim
loben, bamit eä befto gemiffer in Erfüllung ginge*).
1) 6rtt§mu§, SJlainj, G. 1619. 6d^riften I, 6. 248.
k.
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251
BmWflcs fiapitfl.
1519.
5ür bcn ^(ugcnblicf jcbod) njurbc .^uttcn'^ üterarifc^c
burd) ein uncnüartctcö ©rciflnig untcrbrod)cn. 5(m 12. Suniun*
1519 iimr itaifer Sl^ijimilian SBelö in Cbcröfterreic^ nerfdjieben,
unb t)on ber ^llabljeit bei feiner ^obtenfeier ,yi Stuttgart mar
auf bic 91ac^ric^t, bag j^mei 9tentlinc^er feinen ^Mir^üoc^t non ber
^c^alm erftod^en, ^erjoc^ Ulrid) anfgefprunc\en, 511 ^ferbe c^eftieflen,
unb nad)beni er im fianbe Sturm fc^tac^en laffen, ben 21. mit
Ärieci^üol! unb (%fc^ü6 uor bic Stabt geriidt, bie am ad)ten
Xagc erobert unb ain3 einer faiferlic^en 9^eic^öftabt ^iir toürtems
berflifc^en fianbftabt gemad)t mar.
^)er Siaifer mar tobt; ber 9?eiri)öbcrmefer für baö füb*
meftlic^c ^eutfc^lanb, ^faljciraf Slubmig, mollte ben it)m be^
freunbeten beißen. $(ber ^Reutlingen mar ^Jd^itglieb
be^ fd)mdbifd)en 53unbe§ auö meldiem Ulrid), auf feine @igen*
maeßt eiferfü(^tig, au^%'treten mar, unb in meld)em beffen grollenbe
Sd)mäger, bie iöaiernl)er,^oge, eine l)eruorragenbe Stellung ein*
naljincn. 5)cr fd)möbifd)e iÖunb alfo fammelte gegen ben £anb-
frieben^bredjer ein .§eer, ,^u bem oiele üon ber fränfifdjen 9?itters
feßaft fließen, bie Jütten uoran, meld)c bie il)iien im blanbeurer
Vertrage ^^ugefprodjcne ©ntfdjäbigungöfummc immer nod) nid)t
empfangen b^^tten. SÜJic ßätte ba Ulrich non .'putten baßeim
bleiben fönnen, mo ißm bie ©elcgenbeit ficb bot, ben alten SBibers
fachet, gegen bcn er nergeblid) bcn i^aifer unb ba« 9lcid)«gerid)t
aufgerufen hatte, cnblich bod) noch ftürjcn ju halfen, unb babei,
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252
I. ®u(^. 12. ÄQ^ntfl.
nad^bcm er firf) nun längere auSfc^licglic^ al^ ©elel^rtcr
bcrDorgetl)an, nun auc^ tt)icber ben ^Ritter in fic^ fe^cn laffen ?
^^ä()rcnb er bai)er feinen ^^alari^mu^ micberauflcgen liefe, rüftete
er fid) juglcid) im Februar unb 9Rär-^ eilig mit SBaffen unb
^ferben au^3 ’), ritt rnittlcrmcilc aud) einmal ju granj von ©idingen,
ber, frül)er in g^onfreie^^ ©olbe unb mit Ulrich von SBttrtembcrg
in SSerbinbung , jejt ooniefemlicfe burd) feinen ©egenfc^ioä^er,
2)ictrici^ ©pöt, ©abineiiv ^ßalabin, für ben fd)mäbifc^en ©unb
jum gelbjuge gegen ifen genjonnen mar.
3n biefem gcmeinfc^aftlic^en 3ntereffe traten fid^ bie beiben
SJiänner j^uerft nöfeer, bie fic^ halb gegenfeitig an^ogen, unb au3
beren Serbrüberung fo grofee ©ntmürfe, aber aud^ fo grofee Unfälle
für beibe feevoorgcljen follten. SSäferenb bcö §utten’f(i)en Öefuc^g
mürbe beffen (^efpräd): Febris, oorgelefen, unb ma§ ©iefingen
baoon oerftanb, ober ifem überfept mürbe (benn baö ßatein mar
be^ iRitterö ftarfc ©eite nid)t), gefiel i^m fo mol)l, bafe er merfen
liefe, er möd)tc gern bcutfdj fjaben. 3)icfcm SBunfefee ju ent^
fprcd)cn, oeronftaltcte $uttcn eine beutfe^e Ueborfefeung beffelben,
bie er am l.SRärj von ©tedelbcrg auö bem eferenoeften, t^euren
unb ]^od)berüt)mtcn gran^ Don ©iefingen mit einer beitem ßuf(^rift
mibmete^). @in fcberjbaftcö tleineö 33ücblcin mie biefeö eigne fi(^
jmar alö @abc für einen 2)^ann von fo ernften unb ritterlichen
^haten menig; bod) meil cö ihm jüngft mob^ugefallen gefc^ienen,
bauptfä^licfe ober mcil Sranj, mie Jütten gcl)ört, bem gieber
auf feinem §auö unb ©djlöffcrn aud) fcf)on Deffnung unb §er*
berge feabe geben müffen, möchte er ihm etma^ jur Slbmchr gegen
baffclbc in bie §änbc geben; höbe bafecr „folcheö Öüchlein vom
fiatein in baö Xeutfeh, miemoht eö im fiatein viel lieblicher unb
fünftlid)er bann im Xeutfehen lautet, ocijoanbeln laffen", unb
eigne eö il)m l)icmit alö ßeichen feiner 2)ienftbefliffenhcit ju.
Silod) ben Xag üorl)cr, am lebten gebruor, mar Jütten j\u
^Rotenburg on ber Zauber gemefen, h^tte feinen ^höloriömuö
1) ?ln ^Irnolb ©laubergcr, ©Triften I, ©. 256.
2) S!)iatogu§ ober e^n gejpTed^. genont. burd(| ben ©rnbeften önb
bod^berumpten SIrtd(| non Julien tn latein befd^riben, ^e^ burd^ gut gunner )u
beutfd^ gemodelt. — Unter bem loteintjd^en ^e£t, mit ben toentgen ^bfinberungen
ber Ibätem ©efommtauSgabe ber ©efpräd^e, abgebnuft in ^utten’8 6(^rlften IV,
6. 29 If. ; bif an ©idfingen I, 6. 247.
Slfifhtng )um $elb)uge lotber tHrid^ bon SOfiritmberg. 253
mit einem ©rief an ^iref^eimer na^ S^ümberß gefc^ieft, bann,
gleic^fam fc^on mit einem gug im ©teigbügcl, an ben i^m non
feiner ©efanbtfc^aft ^cr pcrfönlicf) befannten ilönig gran^^ I. non
granfreic^, non bem cö ben §er5og non Söürtem»
berg unterftü|cn, ein '2lbmat)nung^fc^reiben erlaffen*). @r fönnc
eö nic^t glauben, fül)rt er bem Honig ju @emütl)e, bog biefer
fi(^ in eine Serbinbung eingelaffen, bie ebeufo fc^mä^lid^ al^
geföbrlicft für i^n fein mürbe, ©rftereö mirb in einer 9teit)e non
©egenfä^en ^mifdjen beiS Hönigö angeblichen Xugenben unb bcö
^erjogö ßaftern unb Untljaten burd)geführt; in le^terer ^infic^t
auf bie nerjroeifelte Sage beg ^erjogö, bie ftarfen Lüftungen be^
Sunbei^, unb auf baö alte ©prichmort tjingemiefen: mer unglücflich
fämpfen mode, müffc mit ben ^cutfdjcn fämpfen. SBomit nicht
gefagt fein foHe, fügt ©utten h***ä**f S)eutfd)lanb fei unüber^
minblich; mohl aber, baß nod) feiner über 5)eutfche einen erfreu^
liehen ©icg banongetragen. Söenn §utten bem Honig ben 53organg
ber „bäurifchen unb rohen ©djmei^cr norhält, bie ^nfangö mit
ftarter $cereömacht bem ^erjog jugejogen, bann aber, nom
ÖJemiffen gefdjlagen, nicht ohne SSortbruch ihn neriaffen (jol>c’ir,
fo märe bieß am lepten gebruar, menn eö bamalö fd)on in bem
erft fpäter gebrueften ©riefe ftanb, nod) ein rebnerifcher ©orgriff
gemefen, ba erft nad) ber 2)2itte beö 3Jiärj biefe jum 3^achthcit
beö ^cr5ogö entfeheibenbe ©Jenbung mirflid) eintrot.
Genauer fchrieb §utten am 6. 3Jiärj non ajiain^i au^, rnoßin
er non 9totenburg unb ©tedelberg nor bem 9lufbrud) jum gelb?
jug nod) einmal jurücf geritten mar, an Crasrnuö, baß er ^mar
ben ©anbiten nicht fürd)te, biefer aber gleid)mol)l noch Htäfte
unb ©unbe^genoffen ha^c, unb rnöglichcrmeife ganj 2)eutfchlanb
in bie Hriegöunruhen nermicfclt merben fonne. ©odte ihn, fcjt
er h***äUf Hampf nerfchlingen , fo möge (Srosinuö burch
feine unfterblidhen ©chriften für fein Slnbenfcn forgen^). ?luch
ou^ ben mährenb bcö gclbjugö gefchriebenen ©riefen ^utten'ö
geht hernor, baß ber ^)cr5og Ulrich fehl’ gefürchtet, unb bem
bünbifchen Hriegöjugc non manchen ©eiten ein übler ^luögang
prophezeit morben mar. ^ber freilich , menn bie ©chmeijer ab«
1) Som 28. fStht. 1619. ©d^riften I, 6. 242—246.
2) 6<^riftcn I, 248.
254
I. 12.
jogcn, itjQt feine beftc Äraft gebrochen. Singer i^nen ^atte ber
§ev^og nur bciuüffnctc öanblcutc iinb lucnige 0ölbncr, iuctc^c
bem h'icgögcübtcn S3unbci§t)pcrc mit Dielen fRittcrn unb felbft
einer Xruppc Icicgtcr albancfifdjcr fRcitcr, Stratioten genannt,
niegt cntgcgcnjuftcUcn moren. mugten bic fcgmäbifc^en
S3unbcörätl)c, unb batten baljer bei ber fcbmcijcrifcbcn ^agfa^ung
bie fRüdberufung ber fReiöläufer außgemirtt. Slueb $crjog Ulricg
mugte cö, barum meinte er, mie er am 17. ä)Zärj fic fdjaarens
meiß ab^ieljen fab: jept mar ber Ärieg febon Dor feiner @röffs
nung entfebieben unb eß blieb ibm niebtö übrig, alß fid) in fein
©d)log Tübingen ju merfen unb fein 2anb bem anrüdtenben
geinbe ju überlaffen.
Slm 28. SDMrj brad) baß Sunbeßbeer auß ber ©egenb uon
Ulm auf, unb rüdtc über §eibenbcim unb Göppingen in baß
3öürtembergifd)e ein. ^J)eß iöunbeß oberfter gclbbauptmann mar
ber ^er^og Söilbelm üon 33aicrn, @eorg uon grunbßberg Oberfter
ber gugfneebte; Örauj uon 8idingen mit 789 fReitern, morunter
oueb §utten, ftieg in ben erften Xagen beß Slpril unmeit Äird)-
beim bem 33unbcßbecr. ®er gelb^ug glich einem ©pajier=
gange. 9lirgenbß geigte fiel) crnftlicber Söibcrftanb. Slm 7. Slpril
bulbigte bie .^auptftabt «Stuttgart ben Siegern.
ißon |)utten bf^ben mir auß biefem Selb^ug eine fReibc uon
S3riefen an greunbe, bie unß jmar nid)t in ben Ärieg, aber mit-
ten in baß bemegte Seben beß Sagerß uerfeben*)- Slm. 14. Slpril
febrieb er auß Stuttgart an ben fRed)tßgelel)rtcn Slrnolb ÖJlaus
berger nad) gi'^^nffurt, noch b^be er feinen geinb gefegen, aber
bie meiften Stabte unb Dörfer b^ben ficb ergeben, nur Tübingen
ftel)e nod) auß, in beffen fefteß Seblog fid) ber Slbcl gemorfen
habe, mäbrcnb ber ^erjog auß bemfelben* mit menigen Gleitern,
man miffe nicht, nad) granfreid) ober in bie Schmeiß (in ber
Xl)at nach ber ^fal^) geflohen fei, uermutblicb uni fid)|)ülfe jn
holen. Slber baß Öunbeßl)eer uon 30000 3JJann ju gug unb
4000 fReitern (in fpätern ißriefen gibt §utten richtiger etmaß
geringere ßüblen), mit trefflichem (5Jefd)ü^ unb uoü aRutl), iuttnfd)c
gd) uicbtß üöeffercß alß einen tüchtigen geinb, um iöcute unb
fRubm geminnen. gbm felbft fei biß jefet uon ber 33eute noch
1) Sie fielen in ^mtten’S Sd^riften I, 266. ff.
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i^utlen im »ürtcmbcrßifd^en ^flbjugc.
255
nic^tö 5U(jefaUen: fobolb er feinen erhalte, merbe er ben
greunben etnjaö bauen fdjicfcn. mcrftuürbicjc 9leuigfeit ineU
bet §uttcn, bo6 wenige ^^ai^e uur beö^erjog^ ^luc^t bie-öMttwe
feineö ermorbetch Setter^ in Tübingen bei jenem gewefen fei;
©c^abe, bag* bie Helena biefeö itriegö nidjt in i^re §änbe gefaUen,
um i^ren fio[)n jii empfangen.
2)iefen ^^rief fc^rieb §uttcn im §aufe'9teud)lin'‘5, f“^’
er lang einen litcrarifc^cn ilrieg gcfül)rt l)attc, unb bem
er nun au^ im wirtlichen Ärieg aU Reifer erfd)cinen füllte. 3)er
gute Slltc, ber mehr morolifchen alö phpfifcheu 3J^utlj befag, war,
alö baö fcinblichc §cer fid) ber ©tabt näherte, in taufenb 5lcng*
fteii gewefen. ©eine geliebten 53üd)er er uergraben. (Jr
wugte nicht, welcher Jreunb ihm unter biefen geinben lebte.
®urd) ©idiugcirö Vermittlung fepte Jütten e^ bei ben ^Inführeru
burd), bag, im galt einer gewaltfamcn ©roberung ©tuttgartö,
burch öffentlichen Sluöruf im ^cere fReudjlin’ö §auö fid)er geftellt
werben foHte. ©o f^limm tarn eö aber nid)t: ©tuttgart ergab
fid) auf Vebingungen, unb nun ging ©idingen felbft mit§uttcn
5U iReudjlin, bezeigte ihm, ber feiuerfeitö bie itrieger aUÖeigclu
ÖJütteö anrebetc, feine @hefurd)t, unb uerfprad) ihm aud) in
Vejug auf feinen alten, immer uüd) nidjt aiu^getragenen ©treit=
hanbel alle |)ülfe.
^aö würtemberger ßanb gegel bem uielgereiften fRitter über
bie 9Ragen wohl. ,,Äaiim h«l 2)cutfchlanb", fcljreibt er, „eine
öJegenb, bie fdjöner wäre. Xcx Voben ift uortrefflid), baö Älinia
gar milbe unb gefunb, Verge, VJicfen, ^hölc’v, glüffe, Duellen,
SBälber, 5lHeö l)öd)ft angenehm, bie grüd)te gebeitjen wie faft
nirgenb fonft. 2)er 2Bcin ift nadj Sanbe^art. ©tuttgart felbft
nennen bie ©chwabeu ba» irbifdje ^JBarabicö, fo anmuthig ift feine
Sage.'' Um fo mehr, meint Jütten, uerbiene bae Sanb einen
beffern §crrn, alö e^ an $crjog Ulrich gehabt höbe.
^m 21. 2lpril fchrieb |)utten an bie greunbe nad) 9)^ain5
au6 bem Säger ^wifdjcn ©tuttgart unb Xübtngen. 9loch immer hatte
fein geinb im gelbe fid) bilden laffen, bie Uebergabc Uon ©täb^
ten unb 5)örfern bauerte fort, gejjt war ^lleö auf Xübiugcn
gefpannt; man war entfdjloffen, fallet e^ fid) nicht ergäbe, e^auf)^
^eugerfte ^u beftürmen. ÜSieberholt rühmt §utteu bie 2luörüftung
unb ben ®futh beö ^)ecreö. „©teilet mir bie Xürfen entgegen,
256
I. 12. ftapitet.
unb geiget mid^ Elften befriegen mit biefen Gruppen!" ruft er
Qu^. ^anii, uQC^bem er fidj nad) bem Sarbinol ßajetan, ber eben in
SDiüinj angefommen mar, qIö ^utten’ö 2)ialog Febris in beutfc^cr
Ucbcrfc^ung aui^ging, fpöttifd) erfunbigt, fd)lic6t er mit ben SBor^
ten: ,,®od) id) fann nidjt mciter. ©d^on bläft b'ie Xrompete.
©päter ^ilubfübrlic^creö, id) ^offc nad) ber (Sinna^me Xübingenö.
Sebet moi)l unb gebenfet mein. . . @itig, unter Xrompeten, ^ferbe^
gemie()er, Xrommeln unb Sagcrlärm."
3lm lebten 5Tprit gibt §uttcu auö bem Säger bei ©tuttgart
ben greunbeu bic 3fiac^rid)t, - ba§ üorgeftern (genauer mar eö am
^2lbenb beg 25.) Xübingen übergegangen fei. S3ei ber JJeftigfeit
be^ ©cbioffciS gegen jeben Eingriff finbet er in biefem ©rfotge,
mic über[)aupt in bem ©äuge be^ ganzen Äricgö, @otteö ^anb
ober {)ie 2Jiad)t beö ©emiffen^ mirffam. Sflun fotlte eö gegen
Slfperg gei)cn, üon beffen ^öefapung unter bem mitben ^anö Seon*
^arb S^cifd^ad), bem trefftic^ei^ ©efe^üp unb ^utocr im Ueberflug
ju Gebote ftaiib, man eine oerämelfclte (^cgcnmel)r ermartete ; bod^
and) biefe öefte capitidirte imc^ fünftägiger öefc^iegung, unb
Sflcuffcn ergab fid) bann üon felbft.
Unterbeffen Ratten bic §uttcn'fd)cn auc^ i^rcr ^flic^t gegen
ben ermorbeten SSettcu ^u genügen gcfud)t. ^egen (Snbe ber
gaften^cit gruben fic in bem tt)umbifc§en Xorfe Äöngen, nic^t
meit uon bem ©c^auplape ber graufen X()at, feinen Seii^nam auö,
unb bag er nac^ oicr 3al)rcn noc^ nic^t uermeft, baö Slngefic^t
noc^ fenntlid) mar, unb bei ber 53erü()tung 58lut auö ben 2öun*
ben trat, galt i^nen aU ein SBunberjeid^en feiner Unfc^ulb. ©ie
brad)ten il)n nac^ ©felingcn, mo er aufgefteüt mürbe, um fpäter
in ber gamiliengruft in granfen ‘ bcigefc^t ju merben.
iBäl)rcnb biefcö gelbjugc^ l)atte fid^ ^uttcn'ö ®crf)ältni6
^u gran,^ uon ©idingen enger gefnüpft. @r [erlief in beffen
Seite, fam feiten üon feiner ©eite, unb ba!$ gemeinfamc Sager^
leben führte fd)ncll Jßertraulic^feit l)erbci. ^utten'd Jöriefe auö
biefer Seit finb ooH oon ©idingen’)^ Sobe. (Sr nennt i^n einen
großen a/tann in atten ©tüden, uon ßoßem, auf @lüd unb Un-
glüd gleich gefaßtem 3Äutl)c, großen ©ebanfen, bcbcutenbcr, mür=
biger 3lebe, babei einfad^ unb leutfclig im 33cncl)mcn, baßer bei
ben ©olbaten ungemein beliebt. „(Sin 3Jiann", feßreibt er an
(Sro^mU)^, „mie Xeutfcßlanb lange feinen geßabt ßat, unb uon
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^tten tm ^Ibbabe.
257
bem id^ ^offe, bag er biefcr S^iation einmal nod^ ju großem
Sf^u^mc gereichen mcrbe. bemunbern mir an ben 2üten,
bem er nic^t eifrig nad)ftrebtc. @r ift fing, ift berebt, greift
^Ue^ raf^ an, unb entmicfelt eine ^^ßätigfeit, mie fie bei einem
Dberanfü^ref crforberlic^ ift. . . ®ott möge ben Unterneßmmigen
beiS tapfern SJtanneö beifte^en!"
9tac^ iöcenbigung beö gelbjugcö begab fic^ §utten in ba^
SBilbbab, um feine ©efunbßeit jju ftärfen, unb erhielt l)ier Briefe
Don ^ermann S3ufc^ au^ Äöln unb S3eatu§ Sißenanuö au^
©G^lettftabt, nac^bem i^m feßon Dörfer bei Sannftatt ein ©c^rei^
ben oon (SraömmS auö Sömen oom 23. 2lpril, aU tlntmort auf
^utteirg lebten 93rief aus a}?ain^, jugefommen mar. @an^ tonnte
eS ber friebliebenbe ©raSmuS ßier boc^ nic^t laffen, ben jugenb-
licken greunb mit feiner ÄriegSluft aufju^^ieljen. Sftaeßbem er i^m
gemclbet, baß er am Sefen feiner Aula bisher burc^ ©efc^äfte
oerßinbert gemefen, unb baß feine Febris (fammt bem il)r beige-
brueften ^ßalariSmuS) megen ber perfönlic^en 2lnjüglic^teiten
barin ju £ömen üerboten fei, übrigens allgemeinen Beifall, ßnbe,
fäljrt er fort: „^)oc^ maS ^re ic^? Jütten, ganj oon @ifen,
mirb in ber ©c^lac^t feeßten? ®a feße id^ ja moßl, baß bu jum
Kriege geboren bift, ba bu nießt allein mit geber unb
fonbern auc^ mit beS SJtaoorS SSaffen fämpfeft. grcilic^, maS ift
eSaudj ©roßeS, menn bu jc|t unter fo oielcn gegen @inen ju
förnpfen magft, ba bu cinft Bologna allein fo oiele in bic
glud)t gefdjlagen ßaft? 3cß lobe beinen 3Jtut^; boc^ menn bu
mir @el)ör gibft, mirft bu ben 9Jtufen i^ren Jütten erhalten."
Unb mie bie eigentliche, fo fueßt ©raSrnuS bem greunbe meiter^
^in aueß bie litcrarifd^e ÄriegSluft auS,^ureben. ^en Triumphus
Capniouis ßabc er noeß nid)t gefel)en, unb ßoffe, mie man ißn
auf feinen IRat^ fo lange jurücfge^alten , merbe man au(^ bic
gonje 0d^rift noc^ gemilbert l)aben. i)er gänfercien fei fein
@nbc, im löcrläumbcn, Sügen unb 0c^impfen bic Gegenpartei
ißnen meit überlegen: aber biefen ©ieg folltcn fie, bie ^umaniften,
ißren Gegnern millig laffen, ba fie SeffereS ju tl)un ^aben, als
il)re 3cit mit unmürbigen ©treitigfeiten ßinjubringen *).
8(uS bem äöilbbabc begab fic^ Jütten @nbe ^tai nad)
1) 3n ^utlen’S Schriften I, S. 2C0-2G2.
VU. 17
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I. 12.
©Slingen, tpo nad^ SEÖÜrtcmbcrgö ®ro6cruitfl bic 33ünbifc^en eine
joblreic^ bcfuc^tc Serfommlung hielten. 0c^on öon (Stuttgart
auö ^atte er feinen Sfreunb Strnotb ©lauberger in granffurt
gebeten, feine Sieben gegen ben .§er^og Ulrich abfi^reiben ju laffen ;
jefet fa^ er fie noc§ einmal burd), ba üon Dielen ©eiten ber 2)ru(f
gemünfd^t mürbe, unb Derfagte eine ©d^lugrebe baju‘). 2)ie
Dierte, bie er Dor i^mei Salären ju ©amberg gef c^ri eben l^atte,
fd^log mit jenem erfc^ütternben Slufrufe on ben Äaifer unb bie
gürften jum ©eric^t über ben ©erbrec^er; einem Slufrufe, beffen
rebnerifc^e 2)onner in ben O^ren unferer Sefer noc^ nic^t Der*
ballt fein fönnen, Sßad'bort geforbert mürbe, mar nun erreicht :
ber X^rann mar beftraft, mar unfebablid) gemacht. Slber cg mar
nid)t in ber Söeife gefommen, mie eg bort geforbert morben mar :
‘ nid)t in ©oH^iiebung eineg Slicbterfprucbg ber oberften Sleicbgge^
malt, fonbern auf bemSBege ber ©elbftbülfe, bureb einen ©ercin
cin5clner ©eicbgftänbc. !I)ic6 mar meniger alg jeneg, aber boeb
immer Diel. (Sin (Srfolg — bieg ift bag Xbema Don $utten'g
fünfter Siebe*) — melier bic ©etbeiligten ebenfo ju 5)anf
unb ^ßreig gegen @ott, ber fo augenfcbeinlicb baju rnitgemirft,
Dcrpflicbtet, alg er fie für fid) jur lebbofteften 5^eubc berechtigt.
Slber nicht fo bürfe man ficb jene göttliche SJlitmirfung Dorftcllcn,
alg ob (SJott auch ohne unfer geholfen bo^c*' mürbe.
3m ©egentbeil h^be ber ©rfolg biejenigen befebämt, mclcbe nun
in bog Dierte 3ab^ ficb biogen SBünfeben unb mügigen ®e=
beten begnügt höben, ©ie höben niebtg auggeriebtet : ihnen ba»
gegen, bic, ohne bog (SJebet ju Derabfüumen, frifch jum SBcrfc
unb jum ©chmerte gegriffen, fei cg gelungen. Sh^en fei @ott
fomohl äugerlid}, bureb Slaturcreigniffe unb onbere gügungen
(mie ber Slücfjug ber (Sibgenoffen), alg innerlich, burdh bag (3c-
riebt beg (Slemiffeng, bag ben ©erbreeber ju ©oben gefcblagen, ju
$ülfe gefommen. Um nun aber bie @röge ber göttlichen SBohl-
thöt, bog ©rfreuliebe beg erreichten (Srfolgcg, onfcbaulid^ ju machen,
mirb bie ©ermorfenheit beg Derjagtcn gürften, bie ©cföhrlicbfeit
feiner Slnfcbläge, noch einmol* mcitläugg auggemalt. |)icrübcr
mar nach ben frühem Sieben nicht mohl ctmag Slcucg, auf feinen
1) ben %rtef on Chilianus Salens., Sd(|rtften I, S. 267.
2) S(^rittcn V, ©. 84—95.
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l^utitn’S ffinfte 9lcb« totber ^erjog lUnd^. 259
gfan ctU)a8 ©tärferc«, ju fagcn: unb fo ift e§ nid^t j\u leuflnen,
bag biefc 3!bcilc ber 9lcbc burc^ SBicberljolunc; unb ßönge ennü*
bcn. ÄbcrmalS unb auifü^rlic^er aU je tt)irb ©erjog Ulrich als
3nbcgriff aller ßaftcr unb SScrbrcc^cn bargcfteHt. $ifant ift bic
S33enbung: als er in ^anS ßconl^arb IRcifc^ac^ einen fünffad^en
SKörber (non SBeib, 3Kagb unb ^nec^t, beibe crftcren fc^manger)
fennen gelernt f^aht, fei i^m fein bisheriger SJtarfchalf, Äonrab
Xhwutb, ber ^ppler ber eignen Xodhtcr, als ein ju gewöhnlicher
©erbred^er crfchienen, unb er hfl^*e feinen $often bem erftem
übertragen. ®o fei fein ßanjler (SBolIanb) ein 2)ieb, ^eftamentS^
uerfälfeher unb Angeber ber (SJuten gewefen; fein Äammerbiener
ein 5)icner unnatürlicher ßuft ; fein S3arbier ein genfer unb ®r^
finber neuer Folterqualen, ^em ^erjog wirb nachgefagt (wie
in ber ^h^l ««ter bem 53olfe bie Dftebe ging), er habe fich jum
Äönig machen unb bic beutfd^e Sßerfaffung umftürjcn wollen; in
feinen feien ^rofcriptionSliften gefunben worben, auf
benen oerfchiebenc ©rafen, mehr benn 200 IRitter, üoran alle
waffenfähigen §utten, geftanben hätten.
3m ©eptember barauf (währenb $erjog Ulrich, ^uguft
wieber in fein ßanb gefallen, cS bem überrafchten 33unbe mit
uujurcichenben ©treitfräften wieber abjuringen fuchtc, um im
October 5um 5Weitenmal, unb nun für lange 3oh^<^/ barauS Oers
trieben ju werben) lieg bann Jütten fömmtliche auf bic (5rmor*
bung feines SSetterS bejüglichen ©chriften unb ©riefe jufammen
bruefen*), angeblich auf ©tecfclbcrg, in ber Xhat jeboch bei
©chöffer in SWainj, bem er burch jene Eingabe nur ©crantwor*
tung unb (SJefahr erfparen wollte. 0ic fanben nicht allein in
5)cut|chlanb, fonbem auch F^anfreich unb ©nglanb, Spanien
unb 3talicn begierige ßefer. ^)ic ©eben bienten in ben Schulen
als UebungSftücfe, ber machte ben würtembcrgifchen
Xprannen neben bem alten ficilifchen jum Sprüchwort. ©emägigte
ober ängftliche SWänncr mochten bic $eftigfcit unb Uebertreibung
1) Unter bem ütel: Hoc in volumine haec continentur: Vlrichi *
Hutteni eq. super interfectione propinqui sui Jo. Ilutteni cq. Deplo-
ratio. Ad Lud- Huttenum super interemptione filii Consolaioria. ln
Vlrichum Vuirtenpergensem Oratioucs V etc. etc. Hoc . . . opus excu-
Bum in arce Stekelberk an. 1519 mense Sept. Si^rifien I, 6. 39 — 101.
III, 6. 401—412. V, e. 1-96.
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260
I. 12.
mißbilligen: bcr Söirfung lonntcn fie nid^t mehren, mclc^e bod
im beften ©efe^moefe ber ßcit mit geuer unb Talent gefc^riebene,
^anb in §anb mit einem großen ©rfolge gc^enbe SBcrf in ben
meiteften Greifen ßeroorbrac^tc.
^oc^ mir feeren oon biefem SBorfbtungc in bie Sftei^c ber
ßeitorbnung unb ju Jütten nad^ ©ßlingen ^^uriltf, mo mir i^n
beö unruhigen ßagcr^ unb SSerfommlungälebemS nunmehr fatt
finben. bliefe'', fd^reibt er @nbe 9Jiai an einen greunb,
„nac^ meinen @tubien mit großer 0e^nfuc^t jurücf, fo baß id^
bi^meilen im @d)lafe auörufe: o SD^ufe! o SBiffenfd^aft.'' Unb
menige 2;age frül)er an einen anbern: „S3on ^ier auS merbc ic^
nac§ 9Kainj jurücf feeren, j^u meinen S5üc^ern unb ©tubien: freilich
cinftmeilen auc^ an ben $of. O bie $öfc unb i^re
3)amit ^ing aber noc^ ein anbereö Sebürj^iß jufammen,
baö um biefelbe $utten j^u regen begann. 5)ic
SKuße, nad^ ber i^n oerlangte, fonnte, bei einer SRatur mic bie
[einige, burc§ miffenfc^aftli^e öefc^äftigung nur gum X^eil auö*
gefüClt merben. 1)QU^ Süßten
ba^ (SJefü^l ber ®e[unbl)eit unb fid^ erneueruben ßebenöfraft.
©0 ftiegen ^eirat^sggebanlcn in i^m auf. „TOd£| be^errfc^t'',
fc^rieb er am 21. ^JJtai an ben alten gi^eunb, ben mürjburger
^om^erm gn^bric^ 5ifc^er, „mic^ be^errfc^t je^t eine ©e^nfuc^t
nad^^u^e, in bie id) mid^ fünftig begeben möchte. ^a5U brauche
ic^ eine grau, bie midj pflege, ^u fennft meine 2lrt. 3c^ ton
nicf)t mo^l aClein fein, nid^t einmal bei Sflac^t. Sßergeben^ preift
man mir bo^ @lücf ber @l)elofigfeit, bie Sßort^eile ber ©infamfeit
an. 3c^ glaube mic^ nic^t bafür gefc^affen. 3c^ muß ein 2öcfen
l)aben, bei bem id^ mic^ oon ben ©orgen, ja au^ oon ben ernften
©tubien erholen fann. 2Rit bem id^ fpielen, ©d^erje treiben,
angenehme unb leichtere Unterhaltung pflegen fann. SBo idj bic
©^ärfe be^ ÖJramS abftumpfen, bil: ^i^e be^ Kummers milbem
fann. @ib mir eine grau, mein gricbrich, unb baß bu miffeft,
ma!§ für eine: laß fie fchön fein, jung, mohl erjogen, heiter,
* jüc^tig, gebulbig. S3efi^ gib i^r genug, nid^t oiel. ®enn ^feidh'
t^um fu^e ich nicht, unb mag bag ©ef^lccht betrifft, fo glaube
1) @<i&riften I, 6. 267. 273.
^tttien’S ^rat^plan. 261
ic^, tuirb biejentge abelld^ genug fein, melc^er Jütten bte $anb
reichen toirb*)/'
Äönntc cd ^icrnoc^ fd^cinen, ald ttjörc Jütten übet ben
allgemeinen SGBunfcf) unb ^lan; fic^ ju ucr^cirat^cn, bamald noc^
nicht hinaud gemefen, fo erhellt oud einem bcrcitd brei Söoehen
früher gefdhriebenen 53riefc an §trnoIb ©tauberger, ber auf ein
noch frühered, audführlid)cd, aber und nicht crhaltened Schreiben
ucrmcift, bag er üieimchr fchon gang beftimmte Slbfichtcn hatte.
?trnotb (SJIaubcrgcr ober oon ©tauburg, ©prögling eined franf*
furter ^atricicrgefchtcchtd, jmei 3oh^c ölter ald Jütten, mit biefem
fchon ald ^Jnabc befannt, hatte fpäter in Stalien, mo er 1515
ju ^aoia bic junftifchc ^octonoürbe ermarb, greunbfehaft mit
ihm gefchloffcn. Söic oertraulicher Slrt biefe mar, fel)en mir aud
allerlei häudlichen Scftellungen (Empfangnahme oon Effecten,
^ferbdfauf), bie ihm Jütten furj oorher aufgetragen hatte.
„SBad ich ^am ^eirathen gefchrieben'', bemerft er ihm ie^t, „haft
bu fo, mic ed gefchricben ift, ju oerftehen. Ed ift fein bloged
5Borgcben, cd ift mein beftimmted 93orhaben, fofern jene ed
gefchehen laffen*)."' ®amit ift- offenbar bie gamilie ber ?(uds
erfomen gemeint; aber melchc gamilie? ©eben mir bic brei
Briefe an ©lauberger aud ber geit oor unb möhrenb bed gdb^
jugd nöher an, fo faßt bic ^ünftlichfeit auf, mornit er jebedmal,
fclbft in bem eiligft gcfchricbencn ßdtel, beffen grau unb ©chmiegers
oater, ben ocrchrungdmürbigcn ©rcid .^ammon (b. h- ^Imanbud
oon ^othhaufen, einen hochangefehenen ^Patricicr), j^mcirnal auch
bic 33rüber, grüßen läßt, überbieß oon ber 5öeutc, fobolb er feinen
Xhcil erholten haben merbe, jebem ein ©tüd ju Oerehren Oer»
fpricht. Söir moßen und biefe Slufmerffamfeit cinftmeilen merfen.
gmifchen bem 21. SJtai unb 5. 3uni fam §utten nach
SWainj jurücf®), mo man ihn unterbeffen tobt gefagt hatte. Ed
hieß, er fei im Kriege geblieben. Öicbhaber feined Xalentd unb
Anhänger ber ©ache, melcher er biente, trauerten*); bic geinbe
1) «. 0. O. &. 273.
2) 6(hriften I, 8. 263. 2)te anbem ^uftrAge 8. 256.
8) 8oftrn ti unter erfterem Saturn no(h Don Q^Iingen au8 an Srijd^r,
unter legerem Don Stainj auS an (SraSmuS fc^rieb.
4) ftUtan Selb an ^irtf^dmer, ^utten’8 Schriften I, 8. 307.
262
1. 12.
jubelten, uiib böttc cd beftätigt, meinte ©utten, fo mürben
pe gefugt hoben, bud hoben pe bei burch ih^^ ©ebet
audgemirft^).
SEÖud ^uttcn'd ©tcHung in 3Kuinj betrifft, fo hielt ^rfürft
?Ubrcdht, mod er ihm jugefugt hotte. ®r entbunb ihn bed $of»
bienfted, ohne ihm fein Schult ju entziehen*), ©inmol fchien cd,
uld moCle ber gürft burdh Jütten öitelmolfd 0eholf>lon in Sud*
fühtung bringet luffcn. Such machte er in ber golße mohl ein*
mul ben Sßerfuch, ihn bodh micber für ben ^ofbienft ju getoinnen :
ober Jütten lieb P^ oicht Überreben. 0o hätte ber mäccnutifchc
Slbrecht gerne auch oiit ©radmud feinen $of gegiert, unb lub
ihn burch Jütten micbcrholt gu fich ein. 3c^t hätte ihm (Sradmud
feine Snleitung gur mähren 2;hcologie gemibmet, unb ihn babei
befonberd auch om bet @unft mitten gelobt-, bie er Jütten, bem
Sicbling ber lateinif^en ©prachc, bemcife. ^aburch ho£^ 9^'
fchmeichelt, beftimmte ihm ber Äurfürft eine fdhön gearbeitete
plbcme unb Oergolbete 0chole, mit beren Uebermittlung er §uttcn
beauftragte»). 5)icfen bem gürften old einen jungen SJtann gu
empfehlen, ber einft eine h^h^ ^eutfchlanbd gu merben
Oerfpreche, üerfäumte ©radmud in ber nöchften ß^^t nid^t leicht
eine Gelegenheit; bie jebtge Sudgelaffenheit feined Xalentd, fefet
er hiogu, merbe bad gunehmenbe Slter üon felbft oerbeffern ^).
3n einer fo forgenfreien Sage ocrfolgte nun Jütten feinen
^eirathdplan mciter. Sbcrmald menbet er pd) (am 26. 3uli) on
feinen grcunbSmolb ; benn ber Glauburg'f^cn gamilie gehörte, mie
jeht ermittelt ift, bad ttliäbchen an, auf bie feine Sbpeht gerichtet
mar. ®d mar Äunigunbe, bie Xo^tcr eined 3ohonncd Glauburg
üon einem onbern 3o>eigc ber gamilie, beren Ißormünbcr nach
bed SBaterd 2:obc Smolb'd ©chmiegerüater unb S3ruber moren,
möhrenb bie ttÄuttcr eine gmeite gefchlopcn hotte»). 2)arum
betrachtete ed ^utten ald einen günftigen Umftanb für feine Sn*
gclegenheit, baß eben jefet bie beiben S3rüber fammt bem alten
1) ?ln 6ro§muS, ©Triften I, 6. 274.
2) Jütten on ®oban §effc unb % gberbotb- ©(b^iften I, @. 802.
3) 4)utten an SraSmuS, a. a. O.
4) g. in bem briete öom 16. ttugufl 1619, in ^utten’8 ©d^riften I,
©. 306 f.
6) Sgt. bie 3lotij«t bei 55Ming, Hutteni Opp. Suppl. 11, ©. 796 f.
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^ititen als ^freier.
268
^oI^^Qufen in gfronffurt betfammen nmren. liBon ber S0>{utter
bc6 SD?dbc^en6 befürchtete er ©chroierißteiten ; ftc fc^ien ihm mit
ber Xochter hoch hiicau^ ju moUen, unb mug eine h^üd^ ^ame
gemefen fein. 0ie folltc ber alte ©arnmon mit feinem biploma*
tif(^en Xahe augforfd^en unb bearkiten: augforfchen, auf mog
für eine gamilic fie benn eigentlich mit ber Xochter fpeculire;
bearbeiten, inbem er ihr ^utten’g Siebe jur Xochter, feine ^och*
achtung für bie äJiutter, fein frcunbfchaftli^eg SBcrhältnig ju ber
ganjen gamilie, ju (Semüth führte, unb ihr ben Verbucht benähme,
alg ob er ein 9leöolutionär, ein gefährli^er SWenfeh märe. SEBenn
pe erfannt hoben mirb, pnb ^utten'g eigene SBorte, <»ba§ in mir
nichtg Unruhigeg, nichtg Slufrührifcheg ift, meine ©tubien ooll
Slnmuth, ©^erj unb SBiJ, fo hoffe ich, 0)irb fie mich ertragen
unb fi^ felbft erträglich pnben laffen." ®er 33ruber fobann
foll fich auf Äunbfchaft legen, mag an bem Vermögen beg 2Käbcheng
fei, mag ihr bie 3Rutter gleich mitgeben, mag nad^laffen merbe.
E£)ie ©eforgnip befonberg, üon ber ihm ein anberer franffurter
greunb, ^hc^W ^on gürftenberg, gefchriebeu, baß man fie hege,
foU er ben Seuten augreben, alg beabfichtigte §utten, bie 9leu^
oermählte mit fich auf ein gelfenneft in ber SBÜbnig j^u nehmen,
^ort mürbe er eg am menigften aughalten: unb eben bieg fei
ja einer ber (SJrünbe, • marum er eine ftäbtifche öerbinbung fuche,
um felbft in bet ©tabt mohnen ju fönnen. „$aHag hat bie
©täbte gegrünbet : pe ift bie ©öttin meiner ©tubien. Kentauren
mögen pch am beften in SEöälbem behagen." — „SKöchte euch"',
fo fchliegt er feinen ©rief, „möchte euch Jütten mürbig unb
tauglich erfcheinen, mit eurem Bürgerrechte befchenft, in eure
©chmägerfchaft aufgenommen ju merben. ®r, ber nicht oiele
©täbte erobert hat, mie einer jener (Sifenfreffer , aber Diele Gleiche
mit bem fRufe feineg iltameng burchmanbert; nicht Diele um*
gebracht hat, mie jene, bafür aber Diele liebt, unb Don Dielen
innig geliebt mirb. 2)er nicht auf ellenhohen ©chienbeinen baher*
fteigt, noch ^arch riefenmägigen Ä'örper bie Begegnenben fehreeft,
hoch an ©eiftegftärfe nicht leicht einem nachfteht. ®er jmar nicht
mit ©chönheit prangt, ober burch Söohlgeftalt pch augjeichnet,
aber burch bie Bilbung feineg ©eifteg liebengmürbig unb be*
gehrengmerth ju fein pdh fchmeidheln barf. EDer nicht grogju*
fprechen Derfteht, nicht prahlerifch pch hcraugjuftrei^en pPegt,
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264
I. Snd^. 12.
aber weit er einfad^, offen unb rcblic^ ^anbclt unb rebet, hoffen
barf, ba6, wer i^n fennen getemt t)at, i^n nid^t oerwerfen werbe.
®od^ bieg ift felbft beinahe pral^lcrifd^. 3c^ wünfe^e bir mit
Sruber; ©c^Wä^er, grau unb ganzer gamilie langes ^o^lfein,
unb erwarte halb einen crfreulid)en ©rief oon bir, ober was eS
für einer fei, wenn er nur auf ade einzelnen fünfte beS meinigen
antwortet. S^loc^ einmal lebe wo^l, unb antworte mir halb unb
ausführlich. — dladhfchrift. 3ch arbeite jefet an Schriften, burch
bic ich euch 5^^ erfreuen gebenfe. gür jefet fehiefe ich bic
Febris beinern ©ruber. 3ch lebe in ben ©tubien mit grogem
@enug. SBären wir nur beifammen, bamit bu fehen fönnteft, mit
Welchen ©chcr5cn ich mi(h ergebe. biefen ©rief fogleich,
wenn mein Sftuf bir am ^erjen liegt: bei beiner Xrcue befchwörc
ich bichO-'' ®er greunb ift biefer ©ittc nicht nadhgelommen, ber
©rief hat fidh im Strehio feiner gamilie erhalten, ohne, feit er
befonnt geworben, bem SRufe beS iRitterS bei ber SRachwelt ben
minbeften ©chaben ju thun.
2)ie Unterhanbtungen fcheinen Oon Einfang @rfotg ocr»
fprodhen ju haben; benn ein halb 3aht fpäter, am 8. gebruar
1520, fchrcibt ß^ochläuS auS granffurt über Jütten, halb werbe
er, wenn feine Hoffnung nicht fchlfchlagc, eine eble unb reiche
grau heimführen*).
©0 träumte auch ©utten einmal ben Xraum eines einfach
menfehlichen ^5)afeinS in ben frieblichen ©chranfen ber S^tatur unb
ber ©itte; er hielt fich einen Ilugenblicf für einen harmlofen
2Renfchcn unb feine Slrbeiten für anmuthige ©piele: burch bic
er gerabe im ©egriffe ftanb, einen ©tunu gu entfeffetn, ber ihn
üon bem §afen, in welchen er eben cingulaufen meinte, weit unb
für immer oerfchtagen foHte,
1) 6d^riflen I, @. 286-288.
2) 2[n ^utten’S Schriften I, S. 321.
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^writes |^ud).
Jütten im gegen 9iiim.
Jact» cat alea.
3d> l)ab'9 gmaflt
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267
Butten in nnaSßangiget n»if|fenff^ftrii$er ^n||e.
$eine jinsßt^ieu unb S^ß(ßten.
1519. 1520.
SSknigc SBoci^en nad^ ^utten’sg SBicbcranlunft Üliainj ttjar
Quf bem politifc^eu gelbe eine miditige ©ntfe^eibung gefallen.
3)cr junge Ä'arl non Oefterreic^, nom SSater ^er @rbe non S3ur*
gunb, burc^ bie SWutter ^önig non Spanien unb 9ieopel, mar
am 28. 3uni 1519 ju granffurt non ben nerfammelten Äurfür«
ften an bie ©teile feinet ©rofenaterö SJiajimilian jumÄönig ber
^)eutfc^cn gemö^lt morben. ßängere Ratten bie gürften
jmifc^en i^m unb Äönig granj non granfrei^ gcfc^manft : jule^t
aber mar feine SBa^l unter Umftänben erfolgt, bie gerabe für
Jütten unb beffen öeftrebungen niel ©rmutbigenbeö Ratten,
©ein $err, ber i^urfürft 2(lbrecbt non SDiainj, unb fein ritter*
lieber greunb, gronj non ©iefingen, maren unter ben tl)ätigften
Seförberem non ÄurFig SSa^l gemefen: mä^renb $apft ßeo X.
unb feine Legaten Stilen getl)an batten, berfelben entgegenjumirfen
unb bem franjöfifcben iitönig bie beutfebe ftrone jju nerfebaffen.
©0 gegen ben ^opft non norne betein nerftimmt, ben ®önnem
^utten’S, bereu einen biefer immer mehr für feine 2lnficbten unb
©eftrebüngen ju geminnen mußte, nerpflicßtet, fonnte, fo feßien
ed, ber junge, neunjebnjöbrige ^errfeber leiebt in eine fRiebtung
gelenft merben, mclcbe ben planen unfrei IRitterS günftig mar.
©on einer anbem ^itc b^r nerfpraeb man ficb non Äarl’d jün*
gerem ©ruber, bem ©räberjog gerbtnanb, ber fo eben aui5 ©pa*
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268
II. Su(^. 1. Pa|)ttel.
nien in ben 9licbcrlanbcn angefommcn tnar, uiel @utc^. @r
galt für einen ©önner ber ^umaniftif^en fRic^tung, jeigte in^
befonbere für @raömu§ lebhafte SSerct)rnng, unb man f^offte in
il^m einen mä(^tigen öunbeggenoffen gegen bie alte ©arbarei *).
Unter folc^en Umftänben fonnte Jütten unmöglid^ bei lite^
rarifd^cn 0d^crjen ftel)en bleiben: er mußte lauter unb ernfter
alö je feine ©timme gegen bie SBurjcl aller Hebel, bie römifc^e
grembßerrfc^aft in ^cutfcßlanb, ergeben, um mo möglich bem
neuen ^errfeßer bie klugen ju öffnen unb ißn für feine Slbfid^tcn
ju geminnen.
Jütten arbeitete barnal« an üerfeßiebenen ©cßriften, unter
anbern aueß fc^on am Sabi^u^ ober ber römifeßen 5)reifaltig*
feit*); boeß bie erfte, mit ber er fertig mürbe, fd)eint ber 5)ia=
loggortuna gemefen ju fein*), ber fid^ auc^ an feine am ©c^luffc
beö Oorigen ©uc^^ bargelegtcn Seben^^ unb ^eiratß^plane unmit?
telbar anfeßließt. Unter |)utten'ö ©efpräcßen ift, ma§ bie Einlage
unb §lrbeit betrifft, bie gortuna baö anmut^igfte. Unb menn
fie an reformatorifeßem Sbeengeßalte minber fct)mer miegt alö ber
SBabi^cuö ober einige fpätere ^utten’fcße Dialoge, fo ift fie bafür
j\ur Ä^enntniß oon ^utten’ä ^erfönlid^feit oom ßöd^ften gelange.
9Baö fein meltl)iftorifc^eö ^atßo^ mar, miffen mir auö einer Gleiße
oon SBcrfcn feineig ©cifteö ^ur genüge: mag er bagegen für fic^,
alg ^rioatd)araftcr fonft noc^ gemefen ift, bag ÖJanje eineg lebcng-
ooHen, liebengmürbigen, öeßt menfc^licßcn 9taturellg, ßat er nir*
genbg fo mie in bem ©efpräc^ gortuna bargelegt. @g fteHt
glei^fam ein ^arlamentiren ber Vernunft mit ben SBünf^cn
1) Jütten an 6ra§mu§, 5. 3uni 1519, ©Triften I, 6. 276.
2) ^utten an öoban u. ^bcrba^i, 3. Äuguß 1619. ©d^riftml,
e. 302.
3) ®ie 2)ebtcQtion ber Qfortuna an ben neuen Äonrab bon Söfirs*
bürg iß bom 1. Januar, bie beS !93abi§cud an ©ebaßian bon 9ioten^an botn
13. Qrebruar 1620. ?(u(^ ße^t bie erßere in ber im Tlpril b. 3. erfd^ienenen
Sammlung ber ^utten’jc^en ©efbrfit^e boran. 2)ieje §at ben Xitel : Halderichi
Hutteni eq. Germ. Dialogi. SDBeiter^in bie S^Inl^altSanjeige : Fortuna. Fe-
bris 1. u. II. Trias Romana. Jnspicientes. i^inten: Moguntiae ex offi*
oina libraria Jo. Sebeffer, mense Aprili anno 1520. ©d^riften IV, bie
Fortuna 6. 76—100. 3n meiner Ueberfe^ng bon ^utten’6 @e||)rS(^
6. 12—49. Die S<^riften I, 8. 820.
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^uttrn’i @eft>rad^e: 8?ortuno. '
269
bar; rtobei bie leiteten, lote bem 0cbtflcr'fcben SBaUcitftein jufolgc
bie Söciber, itac^ ftunbenlangem SScrnunftfprcc^cn immer loieber
auf i^r erfteS Söort prüeffommen.
2lud feinem ©enbfd^reibcn an ^^ivef^eimer erinnern mir um^
ber 2leu6erung ^uttcn'ig, bag er bei feinen ßeben^plancn gemiffer^
maßen auc^ auf ba<^ ©liicf red^i^c- 3^^ finbet fid) eine ©teile
in biefem ^Briefe, bie uni^ fc^on gang in bie ©ceneric unfereö
©cfpröc^ö oerfe(jt. gibt S)ingc", fc^reibt bort Jütten, «bie
o^ne badöJlürf auc^ für bie Xugcnb nidjt ju erreichen finb, unb
ba munfe^' ic^ jenc^ fRab gebre^t, ba fc^au’ ic^ auf jene blinbe
@öttin bin, bie tolle ^errfeberin, aller ®emegung, allein S55ecbfcl)S
Äönigin . . ba glaub' i^ 3n fülle nötbig ju b^ben, ba eincö glüefs
lieben IRabfcbmung^ ju bebürfen, um aufjutommen, um oormärtsJ
ju fommen*)."
3m ÖJefpracbe nun tritt |mtten bie ©lücf^göttin perfönli^
mit bem ©efu^c an, il}m oon ihrem Ueberfluffe fo oiel jutommen
ju laffen, aU jum Unterhalt eined ftillen miffcnfd)aftlicbcn fieben^J
erforberlid) fei. 3nm Sebenöunterbalt im ftrengen ©inne mürbe
fein (Sintommen aud ben oäterlicben )Befipiingcn oiclleicbt bin'
reichen : aber um mit Slnftanb unb Söürbc ju leben, bebürfe er noch
eine« 3nfcbnffe« oon ©eiten be« (^lücf«. ^Befragt, mie oiel er
benn höben moüe? meint $utten, menn er eine 5^öu befomme,
fo münfebte er bort (in ihrer Jpeimatb ; e« ift ohne 3njcifel granf^
furt gemeint) ein $auö 511 foufen, baneben ©arten, auömürtö.
fianbgüter mit gifcbteicben, ferner ^unbe jum Sagen, ^ferbe nur
menige, um bi«meilen au«reiten ^u lönnen; bann jur länblicben
äöirtbfcbaft brauche er 2)iener, |)üter, Söieb ; im $aufe 2;ifdbc,
IBetten, ^olfter, ©änften, ©alerien, eine 53ibliotbef, ©peifeiimmer,
iBabeftuben; für bie grauÄleiber unb©cbmucf: alle« jmar nicht
jum $runf unb im Ueberfluß, aber boeb dnftüubig unb mürbig;
überbieß müffe man noch etma« für bie Äinber jurüdlegen föns
nen. Um biefe« ficb anyifcbaffen unb im ©taube j^u halten,
glaubt |)uttcn ein jährliche« ©inlommen oon lüOO ©olbgulben
nötbig 5U haben, gortuna jmeifelt, ob er hiemit fo meit reichen
mürbe; jebenfall« feien ba bie gugger meit bebürftiger, benn bie
behaupten, fte brauchen 200000 gl. jährlich, um ihre ^anbcl««
1) 6. büS 6enbi(hreib«n an ^Irdh^imet, I, 6. 208, §. 77.
270
n. «u(^. 1. ftoMiet.
monopolc aufred^t ju erhalten: irrten mügte olfo gortuna juerft
gclfcn, unb Jütten fic^ fo lange gebulben. SSergeblic^ fe|t bic*
fer auöcinanber, tnic bic öebürftigfeit nid^t fubjectiö noc^ ber
(Sinbitbung ber egen, fonbern objectiü meffen fei:
liegt auf Äebürftigfeit, SBürbigfeit u. bgl. übergaupt niegt, ba
fie ja blinb ift, toon Swpitcr geblenbet, n)eü fte, fo lange fic fog,
ben ^uten gab, unb btefe baburdg oerberbte. fegüttet fic
blinblingö auö, men’^ eben trifft, unb äloar öJuted unb UebleS
burdgeinanber.
©0 ttjerbe er fieg mit feinen 33itten an Supiter j^u menben
gaben, meint Jütten; allein gortuna belcgrt ign, bag für bic
tgöriegten ^Bitten ber SD^enfegenfinber Supiter längft taub gemor^
ben, baö einjig riegtige ®cbct bo3 um eine gefunbe ©eelc in ge»
funbem ßeibe fei. ^ier oermicfeln fieg bie Unterrebner in ein
©efpräcg über bie grage, ob e^ eine IBorfegung gebe? 5)ie guten
©rfolge ber Sööfen fegeinen bagegen ju fpreegen ; aber ein ftarfer
S3emei^ bafür ift bie ©träfe, bie fo eben ben fegmäbifegen Xgran^
nen getroffen got. ©o oiel ift jebenfallS entfegieben, bag bic
Xgeologen über biefen ^unft göcgft clenb unb metterlounifcg
räfonniren. @egt e§ ben @uten gut, fo ift e^ jenen ein ÖemeiS
bofür, bag nicgtööuteö unbelognt bleibe; menn fdglccgt, fo geigt
eö: men @ott lieb gat, ben jücgtigt er. gür baS ©lücf berS3ös
fen miffen fie toufenb @rünbe anjufügren, j. 33. bag ©ott bie*
felben burdg ßangmutg i^ur öefferung einlaben moUe; trifft ba=
gegen einen, ben fie für böfe galten, ein Unglücf, fo gaben fic
üorau^gemugt, bag @ott niegt^ 33öfeö ungeftraft lügt, ©o
feglt e§ ignen für bag @ntgegengefegte nie an ©rünben, unb fic
jeigen audg gier biefelbe ß'^ci^futigfeit mie barin, bag fic mit
Söorten jmar ben fReiegtgum oermerfen unb geringfegdgen , mög-
renb in ber Xgat 9tiemanb gelbgieriger ift, alg eben fie, bic
Xgeologen.
®om öeten auf bag 3lrbcitcn oermiefen, ernjiebert ^)utten,
er gäbe lange genug gearbeitet, unb feinen ^oeg niegt er*
reiegt. @r gäbe, entmicfelt er auf gortuna^g grage, morin benn
feine Slrbeit beftanben? ber beften SBiffenfegaften unter grogen
©egmierigfeiten , mie fein ^nberer ^u biefer Qdt, fieg befliffcn,
inbem er mie ein 33erbannter in ber grembe umgergejogen fei
unb mit 3lrmutg, ^rangfal unb ^ranlgeit gefümpft gäbe, ^aju
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Örorhma.
271
^o6c i^n bic ßiebe jum SBiffcn ongctricbcn, unb baö 3^^^»
er babd im ?(ugc gehabt, fei gemefen, bercinft in unabhängiger SWuge
ftubircn ju fönnen. ^Ifo habe er, belehrt ihn gortuna, bisher
nur gearbeitet, um j\u lernen: nun fofle er arbeiten, um reich ju
merben. ^a§, habe er gehofft, mirft^utten ein, merbc il)m oon
felbft 5ufaüen, menn er nach jenem trachte ; auch h^tbe er ja bc§^
megen fdhon j^mci ganzer 3ahtc om $ofe gelebt, um fich ba, mic
Snbere, ju bereichern. 5)ic6 fei ihm jeboch ni(^t gelungen*; fei
eg, tt)eil bag @lüdf eg nicht gemoflt, ober meil er jum ©chmeicheln
nicht geeignet, unb bie @unft ber ©roßen monbelbar fei. @g
nun bei einem anbern §ofe ju Oerfuchen, fönne ihm Jortuna
nicht ^umuthen; er toollc nicht fein ganjeg Seben mit SSerfuchen
hinbringen, fonbem glaube, er höbe fchon je^t oerbient, baß er
ju leben hötte.
2!)ag habe er ja, oerfeht Fortuna, menn er, mie Oiele ber
größten SJMnner, arm fein toollc. Äber $utten oerbittet fich bic
?lnuuth, bic er, menn auch oießt für ein Uebcl, hoch für ctmag
(Jlcnbeg hält Unb hoch, gibt ihm gottuna ju bebenfen, fei fie
mcit förbcrlicher für bic ©tubien, alg ber Stcichthum mit feinen
ftörenben ©orgen unb ©efehäften. 0b er jemanben miffc, ber
bei großem fReichthum noch ruhige 3Kußc habe? 5)och, meint Jütten,
bic Pfaffen. ?lber benen, belehrt ihn gortuna, fehiefe 3upiter
beßmegen gicber, ©ießt unb anberc Äranfhdtcn, baju |)aber,
9leib unb geinbfehaft untereinanber, hauptfächlich aber bic ^ct
fehläferinnen, bic fie bchcrrfchen, betrügen, beftehlen, oft um ihre
©teilen unb in ©cßmach unb ©Icnb bringen, ©o moUüftig unb
oerborben mürbe auch er merben, menn er reich märe, ^ber er
begehre ja, meint Jütten, nicht S^leichthum, fonbern nur anftän=
bigeg ?(ugfommcn ju mäßigem ©enuß: bic ©lücfggöttin möge
ihm ctmag aug ihrem güClhornc fpenben.
Äuf ihre 33cmcrfung, baß barin ©öfeg unb ©uteg bcicin*
anber liege, mirb Jütten ^ubringlich, mill in bag §orn hinein*
fehen, um bag ju bezeichnen, mag er haben möchte ; aber gortuna
heißt ihn aug bem Söege gehen, um einen SBurf aug ihrem $ornc
ZU thun. Vluf bic örbc hinuntcrfchaucnb, crblicft jept $uttcn großen
Äuflauf unb ©ctümmcl unter ben 2J?enfchen: bie einen fehen
oergnflgt, bic anbern betrübt aug. S)er ©lücfgmurf ift nach
©panien gegangen unb hot bem jungen ^Äönig Äarl zn fo oielcn
272
n. «ud^. 1. IU))iiel.
tonen Qud) nod^ bie beg römifd)cn gebraut. Vorüber
finb einige bena^barte Könige üerbriegl id^, beten ©efanbte lange
@efid)ter jeigen; not allen aber ber $apft, beffen Segat fid^ bei*»
nalje l)enfen möd^tc. Unglüd ift auf §lfrifa gefallen, n>o einige
Söarbarenfürften burc^ §eer eine 9>lieberlage erlitten ^aben:
ein l^offnung^reic^er Slnfang ber neuen ^errfc^aft!
Um fo mef)r tuill nun aber §utten auc^ für fic^ ein $lns
gebinbe Don ber ©lücfögöttin ^aben. Unb jtnar üor allem eine
grau, gortuna’g SSarnungen uor ben ®efal)ren unb öefc^mers
lic^feiten ber (S^c machen auf il)n feinen ©inbruef. „3u ber SKuße",
fagt er, „bie id^ im ©inne b^be, bebarf icb einer grau, bic mir
bie befcbmerlicbe 3orgc für ba^ §auömcfen abnel)me, ba§ Sllötbigc
berbeifebaffen unb erbalten b^Ife, bie mir tober febenfe, bie,
menn id^ fvanf bin, mich pflege, im Unglüd mit mir traure, im
@lüd ficb mit mir freue, in beren 33ufen i(^ Sllleig auöfd)ütten
fann, ma^ bag ßJemütb fo bemegt, bafe eä fidb nicht jurüdbalten
lägt, fonbern älUttbeilung jum iöebürfnig moebt." $abe et ein
foldbeio Söeib, fo moUe er in gefebäftiger SJ^uge leben, ficb mit
iöetrad;tung unb @tubien, 2efen unb fecbriftftellerei Unterbalten.
„O münfebenörnertbeö ÖJut! erfebnter §afen! glüdfelige iRube!
(®er SEBablfprudb t>cß greunbeö DÄution.) ^omm, führe mich ju
biefem ßeben, \>a^ ÜJ^uge mit SBürbe üerbinben, ©efebäfte ohne ©e*
fahren höben toirb. ®aö fei bie Summe meiner Söünfcbe!"
?lucb jebt flicht gortuna noch aHerbanb 5luöflücbtc, glaubt
namentlich eine folche.grau, mie Jütten fie oerlange, in ihrem
ganjen §orne nid)t 5U höben; bod) nun fe^t biefer eö bureb,
felbft in ba^ §orii biocinjufehen, unb „§altl" ruft er auö „bölt!
fie ift gefunben. ^a fchaut ein 2)Mbd)en hcröor: fie ift'ö, biefe
habe i^ gemoHt : hübf^eö ©eficht, fchöne ©eftalt, für ihre Sitten
jeugt bie Schamrötbc auf ihrer Stirn, ibr ganjeö SBefcii ooll
Slnmutb, 0 ein begebremSmertbeö ©efchöpf V Huch ©olb bie gülle
trägt fie bei ficb, unb trop gortunen^ SSarnung, ba§ ihn bie&
ju ihrem Wiener machen merbe, ift nun ^utten fo hi&^Ö» ^ö§ er
basg fchöne Äinb, menn fein mug, bei ben paaren au^ bem
§orne hcrau^jiehen miÜ. S)a^ mirb fie ihm nicht übel nehmen,
meint er: fie läi^elt ihm ja bereite ju; menn auch nicht feiner
Schönheit, mie gortuna fpottet, hoch ben reeUeten ®ot5Ügen,
mclche fie oerftänbig genug ift an ihm ju bemerfen unb ju frühen.
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9u8gan(i oon ^utfen’S BrauttDerbung.
273
ÄUcin bie ©lücf^dttin lägt ficg nic^t in i^rÄmt greifen: fie
t^ut abermals einen SBurf: ba§ SÄäbc^en ift bcrau^fflogcn, unb
— 0 Unglürf! — einem ^ofmanne ju X^eil gemorben, nn welchem
nun ber turg gefommene 9tebenbu^ler au(^ fein gute« ^oar
lägt. Cin aufgeblafener , grogfprec^erifc^er Gefell, in bunten
Kleibern, mit Äcttcn um ben unb Sltngen an ben Jingem,
aber innerlid^ ein gemeiner äl^enfc^ unb nic^t einmal ein rechter
3Kann: mit i^m merbe boö BÄäbc^en nic^t glücflic^ fein. Unb
augerbem ^at ber böfe SBurf noc^ ^uttcn'ö näterlic^c ©ütcr bur(^
Ungemitter uermüftet, bie 0aaten nerbcert, iBäume au^eriffen,
bie Käufer umgemorfen: feine gamilie fie^t bem junger entgegen.
<Sü uerjmeifelt Jütten cnblicb ganj an bem öJlucfc, unb fd^ieft
fid) an, in ber näcbftcn Äapelle ben (Srlöfcr C^briftuß um mens
Sana in corpore sane anjurufen.
3Jtit feiner 33rautn>crbung ftanb eß übrigenß, menn ba^
©cfpräcb Jortuna am 1. Januar, non bem bie 3u<^iflnung batirt
ift, mirflicb febon noUenbet mar, bamalß noch nicht fo t>er5mcifelt.
5)cnn einen SJionat fpätcr febreibt, mie mir oben faben, ein 58e-'
fanntcr in granffurt, ber in jenen Xagen Jütten bafclbft gefproeben
batte, üon ber <Sacbc noch ^;iemlicb boffnungöooll*j. Slber bebenf*
liebe ßeicben bitten geb boeb eben bei biefem Sefuebe in granf-
furt b^wui^eftcllt. deinen greunb, ben öürgermeifter ^bilipp
üoii gürftenberg, meinte ^utten ganj umgemanbelt, gan^^ angefteeft
üon ben SSorurtbcilen gegen ben S^titterftanb ,^u gnben, bie er
früher, auf einen Smnf gürftenberg'^, bag fic ibm entgegenfteben,
in einem ©ebreiben an ^rnolb ©lauberger ^u miberlegen gcfud)t
batte. Än biefen Ic^tcrn menbet er gd) baber jebt, nach jenem
^^efuebe (üermutblicb im gebruar) noch einmal. !iJtan tbue —
menigften^ ibm — febr Unrecht, menn man fage: „2)u fennft
ber $Ritter Ärt; fie madben gagb auf unfer S3crmögen, unb nur
’ barum fueben ge geh mit un^ ;^u üerfd)mägern ; l)ötte er ge ein-
mal, fo mürbe er fo unb fo üiel ^aufeube üerlangcn; gäbe mau
bie nid)t, mürbe er gel)bc anfangen, all feine Sippen gegen uuß
aufbieten, unb mäbrenb er bie Summe und abpregte, unfre '^er-
manbte nicht ald grau, fonbern ald geringe Sll^agb holten. Sie
1) ^o^IäuS on ^ird^Klnier, bom 8. gebruar 1520, ln ^utten'S 6d)rlftenl
S. 321. «Ql. oben 6. 263.
VII. 18
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274
TI. Su^. 1.
foü einen i()rc§gtcid^cn nef^men, bannt fic nic^t 5U tt)rcm unb ber
Sbi^igen ©c^aben ein umnürbigeö 3oc^ ju tragen gejnjungcn fei.
©0 ettoaö,' mein §lrno(b, menn bu mic^ fennft, mie bu foHteft,
trauft bu meinem ©b^^ratter ju? ober roirb jemanb, ber §utten
fennt, itjin jutrauen? §l6cr gibt Seutc, bic mit üielcr @eböf'
figfeit gegen mich eine fo(cbe aj^einung auöfprecben.'' $)aö möchten
fic immcrt)in, fä^rt er fort, menn i^m nur nidjt biefe ungercdjtc
Scurtbcilung einen ^(an, an bem if)m fo nict gelegen, ju nereitcln
brobte. ©0 möge beim ber JJ^eunb non feinem 33ruber unb beffen
grau ju erforfd)cn fueben, ob noch Hoffnung übrig fei, unb im
günftigen gaUe bie ©ad)e mie bisher förbern, im anbern fie in
baö tieffte ©ebtoeigen büllen^).
anieö öemüben mar Oergebenö: am 18. ©eptember beffelben
3abre3 1520 oerbciratbctc fid) Äunigunbe ©lauberger, boeb
nicht, mic im .©efpräd), mit einem aufgeblafenen ^ofmannc,
fonbern mit bem ebrfamen 2lbl)ocaten 2lbolf 5fnoblaudj in
granffurt a 3)?.*).
2)cr 2)?ann, bem mir bic ataebriebten Oon Jütten 2lufent:^
halt in granffurt Einfang be<i( 3abreö 1520 oerbanfen, ift fein
35efannter oon 5^ologna brr, 3obann ßocbläu^, ber unterbeffen
Domherr in granffurt gemorben, aber nod) nid)t offen 5ur
Sicactionöpartei übergetreten mar. 3bm f^gte Jütten non ben
@efpräd)cn, bic jur näd)ften 9Kcffe non ibm erfebeinen mürben:
ber gortuna, bem ^meiten gicber, ber Trias Romana u. f. f.,
auch non einem gunbe, ben er auf ber gulbaifcben Söibliotbcf
gemacht b^bc unb brrau^jugeben gebenfe; mobei er bei meitem
nicht bie b^ii^mlofe ©timmung jeigte, bic er nor einem bnlben
3öb^r in jenem greieröbrief an 2lrnolb ©lauberger ficb 5U'
gefebrieben bötte, niclmebr gegen ben ^apft unb für ®eutfd)lanbS
@bi^c eine äufeerft fübne ©praebe führte*). SSon granffurt reifte
er am 7. gebruar nad) ©tecfelberg 5U feinem franfen SSater, mo
er am 13. bie ^nrignung ^u feinem 3)ialog SBabmcuö fd)rieb.
^oeb mir mollcn erft non einem onbern Dialoge reben, ber in
ber ©ammlung nor bem SSabigeuö ftebt, unb ficb an bie gortuna
1) jDer ®rief in Ilutteni Opp. Supplem. II, ©. 798 f.
2) 5)iefc 9lotijen gibt ®5dMnß a. 0. O. ®. 796 f.
3) 6od)läu§ in b«m ongef. ^rief on ^irrf^fiincr.
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Sieber (ba§ jarite). Ö76
unb boö fc^on frii^cr bcfonbcrö crfc^icncne (crfte) gieber an-
fc^Ueßt.
SBir haben in bcm crftcrn ©efpröche bcn §lbfQ| über bie
^faffen benicrft, benen Supiter, um ihnen ihr SBohUcbcn 511 üfr=
bittem, Äranfheiten unb Üjiibhelligfeiten jeber ^rt, befonberö ober
bie ßoncubinen, jugclegt habe, ^iejer tlbfofe bilbct bo^ Xhema
eine)? fernem öJcfprächä, baö, alö jmeiter ^ct beS ^ialoflS mit
bem gieber, um jene ßeit üon Jütten auögearbeitet tnurbe 0.
Gleich ber ©inganfl ift ein 3)?eifterftücf ber biologifchen
govm. 3)ie @cene, mie eö an §utten^g ^h^re podht, biefer ben
il^nabcn jum genfter hiaaiigfehen unb im gaH eine^ läftigen
Sefuch^ ihn ücrlcugnen h^i6tf gicber braugen ihn an ber
©timmc erfannt hat unb fid^ ju erfennen gibt; ber <öchrecf beg
Änaben, Jütten'«? S3cfehl, Sthüre unb genfter ^u uerrammcln, bo)?
Stnftürmen beö gieberö, melcheö baö ^auö gittern macht, feine
ücrgcblichen S3erfuche, Jütten ju berüefen: ba^ §UIeö ift fo bra^
matifch, fo Icben^uott gemacht, bab man bie Ädegorie uergißt
unb eine mirfliche ^anblung oor fich ju fchen glaubt. 2)aö
gieber (fo fnüpft fich ^i^f^ gortfepung an baö crfte ©efpröch
gleichen iRamen^ an) hat fich Oeranlabt gefunben, uou bem
ßurtifan, ju bem Jütten c§ bort am ßnbe gefchieft fif^ ^
toieber 5U trennen, meil bei biefem unterbeffen anbere Äranfhcitcn,
oor aücn bie franjöfifchc, bann aber auch ©tein unb ®icht, über^
bieb Srmuth. cinge^ogen finb, mit benen eö ni^t 5ufammenttJohnen
mag. Äuch feine Soncubine hat ihn oerlaffen unb ift ju einem
alten, garftigen, aber reichen 5)omhcrrn ge^^ogen, ju bcm baö
gieber ihr boSmegen nicht folgen nwg, meil ber ÜÄann mit jener
fchon Unglücf genug im ©aufc habe. SBelchc ^eft eine S3eifchlös
ferin im §aufc fei, mirb nun juerft im 5ll(gcmcinen, burch pftjcho^
logifchc 3cid)nung beö fittlichen ßaftanbe^ folcher SGBeib^perfpncn
unb beö ©cclenjuftonb:^ ihrer ßiebhaber, hierauf aber im öefonbern
on bem ©eifpiel enj , :nacht, mclchc^ baö gieber julcht
hatte bcobachteu fönnen: bcm SSerhältnib beö ß^urtifanö ju feiner
geliebten ffilfe. ^ic ausführliche ©chilberung, melche Jütten hiev
oon bcm ßcben ber concubinarifchen ^rieftcr entmirft, ift, mic
1) Febris secunda. IV, 101 — 143. 3« Otriwr lieber»
fe^unfl ber ^utten’i(ben (Seiprd^e S. 61—93.
276
IF. 1. {(opitel.
man mo^I aug nielfod)er öeobac^tunfl gefd^öpft, unb läfet
biefe^ fieben aU ein ebenfo unglüctlic^cö mie unfittlic^eö erfc^einen.
Supiter felbft, aU er e« mit angefel^en, erjä^lt ba§ gieber (mie
fc^on in ber gortuna angebeutet mar), ^abe gefagt: boig foQe
ba^ ^faffenfieber fein, unb it)m, bem eigentlichen gieber, bc^
fohlen, fich an anbere Seute ju hallen. 0b bei biefer Gelegenheit,
fragt Jütten, Supitcr fid) nicht auch über bie @a|ung beS ^Sapfte^
Äalliftu^ (ßalijtuö II.) au^gefprochen habe, melche ben ^rieftern
bie ®he oerbietc? 0b er eö gut geheißen habe, baß man biefelbcn
auö bem oon it)in eingefepten ©heftanbe hetauiSgeriffen unb ju
einem §urcnleben ueranlaßt habe? 9Zcin, ermiebert ba^ gieber,
fonbern er habe gefagt, baö fei ohne fein Sormiffen gefchehen;
man habe, alö er sufäQig im Götterrathe nicht gegenmärtig
gemefen, über bie ©a^e berichtet unb 53cfchluß gefaßt, ber aber
feineö Grachten^ caffirt merben müffe, bamit bie ^riefter mieber
mie üorbem ©hemeiber nehmen, unb nicht, oom buhlerifchen
ßagcr aufgeftanben, mit unreinem ^erjen unb §änben baö §eilig^
thum beriihren.
lieber §utten ift bem gieber ju 0hren gefommen, baß er im
begriff ftche, fid) 5U Oerheirathen. ®amit iftcggarnid)tcinoerftanben.
% gn ber Xßat beßmegen nicht, meil eüj burch bic pflege ber grau für
immer oon ihm abgehaltcn ju merben fürchtet; allein eö lehrt bü^
Vlnbere üor, baß ißm bie grau feine fRuhe j^um ^Stubium laffen mcrbc.
Jütten ermiebert fur,v eine grau ju nehmen, fei er ^mar nod) nicht *
entfchloffcn, bod) menn er e« tl)un mollte, fähe er nicht ein, maö
bamit gefehlt märe. 3Sergebenö preift il)m baö gieber (mie ;^um
Xh^il f^an in ber frühem Unterrebung) feine heilfamen SBirfun^
gen an: mie eö ihn fleißig, ernft, leufch mad)en mollc; mie bie
intereffante öläffe, bie ci mit fid) bringe, ihn aud^ bei ben
SBeibern mehr, alö gemeine fRötl)e, empfehlen merbe: Jütten
heißt e^ fid) paden. „Geh", ruft er, ben Pfaffen, ^u ben
Öuhlern, j^n ben Xrinfern, 3U ben guggern,, ben Äaufleiiten, ben
Slcr^ten, ober, menn e^ bir beliebt, uor allen ^u Äaifer 9Rüji=
milian’ö Schreibern" — bie bei bem fcligen ^errn, ergänzt ba^
gieber, fich nur gar ^u fehr bereichert haben, unb nun in ööllerei
unb Söohlleben bie großen §erren fpielen. ^ie ^erjte, fießt
man, hat ber fRitter oon ben qualuoHen unb Uergeblichen (Suren
her, bie fie ihn au^ftehen laffen, auf bem iüorne: er meint, eö
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Sieber (ba§ jweile).
277
ftünbc bcffcr um 2)cutfc^(anb , mcnn man btc ganjc ©ippfc^aft,
fammt iRb^barber unb Soloquinten, auS bcm fianbc jagte. Sinen
0tromer unb Soppug, Sbel unb SliciuS, nimmt er au^, benn
bo^ feien .rec^tfe^affene SKänner, aber eben barum oft weniger
äcrjte.
9Bie e^ jener ^nmeifung fo eben nac^fommen unb fortgct)en
min, wirb bo^ gieber oon .Jütten nod) einmal ^urüefgerufen unb
gefragt, ma§ benn für bic Urfadje biefeö oerfet)rten ßebend
ber ©eiftlic^en l)Qlte? S)cn SJiüfeiggang, erwiebert c^, unb beffen
9laf)ruiig, ben fReic^tl)um. Söie alfo, meint l)ierauf Jütten, menn
55cutfc^lanb hierin 9ftatt) fc^affte, i^nen bie ^frünben fd^mälerte,
unb fie bann l}ie6e ben 3lrfer bauen unb mic anbere SJ^cnfc^cn
im ©c^mcige i^re^ Slngefic^tiä il)r 33rob oerbienen: ob mir bann
rec^tfd)affene SJeiftlic^e befommen mürben? 2)06 gieber jmeifclt
baran nic^t, unb f)offt auc^, cö merbe nic^t me^r allju lange an^
ftel)cn, bid fic^ bie ®eutfd)cn ba^u • ermannen merben. foUc
nur einmal eine X^eurung fommen, bann merben el)rlid)c, fleißige
2eute nid)t mef)r bulben, bag, maö i^nen gebührte, oon trögen
unb unnüpen, ja fc^öblic^en 2Jienfc^en oerpragt merbe, fonbern
fie, alö bie faulen ^)robnen, auötreibcn. 2)ie beutfc^cn gürften,
meint §utten, fönnten bcm 9ieic^c feinen beffern ^ienft ermeifen,
Qhi menn fie bad unermefelic^e @elb, meld)c§ jegt bic oiclcn tau«
fenb geiftlic^en iViü§iggänger oer5cl)ren, t^cil-? ju el^rlic^en Ä'rie=» .
gen, t^eil^ jur Srnöl^rung gclcf)rter Seute oermenben mürben.
Dem .^l:önig Äarl gebenft .*pntten felbft biefen ?Rat^ ju geben;
gebenft, i^m oor^uftcllen, mie unmnrbig einc5 guten .ftaifer^
fei, iium ©c^abcn bcö ©emeinmefenö folc^c nid^tönupige 30^enfdjcn
fid) nic^t nur möften, fonbern aud) über ade ^nbern, bie gürften
nid^t ausgenommen, ^crrfc^en laffen. 2)o6 er fic^ burc^ folc^e
9tat^fd)lägc unb ^lanc bie 5Rad^c ber itlcrifei, überhaupt Unge«
mad) aller Hrt, iujiel)en merbe, barüber töufd;t Jütten fid) nic^t;
aber er mill eS gern auf ficb neunten, menn er feine patriotifdjcn
51bfic^ten burc^fepen tann. UebrigenS gel)cn biefe feineSmegS ba=
l)in, ba§ man bic Pfaffen oertilge, fonbern nur baf)in, baß mau
fie oon bcm ÜJ^’tßiggang unb ber Ueppigfeit abjießc, fie anroeife,
mirflic^ (^ciftlid)c fein, bie fid) nur mit bcm .^eiligen befc^öfs
tigen, unb bic Sicligion nic^t ju einer gunbgrubc fc^nöben SJe*
minneS mad)en.
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278
II. 1- fta))UeI.
3)ic öcmcrfmtg, wcld^c baS tüo^lgcfittntc Jic'&cr sulcht noc^
t)intt)irft, unb in welche Jütten einftinimt, ba§ öor aÜcn Gingen
^om, aU bic Oueüc biefer Uebel, gereinigt lucrbcn müffc, ift
gleic^fam eine SBertücifung auf bag näc^ftc ©cfpräc^: SBabi^uö,
ober bie römifc^e S)reifaltigfcit, baö iftom unb feine SSerberbnig
j^um unmittelbaren ©egenftanbe ^at.
^uf ber anbern ©eite trifft in biefen am ©c^luffe ber Fe-
bris secunda Oorgetragenen Sbeen Jütten mit Sut^er jufammen,
an beffen Spanier auc^ in formeller §infid)t ber ßug erinnert,
bag Jütten fic^ burc^ baä gieber anfforbern lägt, fein Sßor^aben
burc^ Sibelfprücge ju begrünben; maö er fofort mittelft Slnfü^-
rung oon allerlei ^ropljetenftcllen tl)ut.
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279
#
JBmtxUs fiopittl.
Stt!f(^ie6nte$ Jiitffreteti gegen Itom. I^et^afttiil |tt c^ntper.
1519. 1520.
Um bicfe mar ^uttcn'ö 2(ufmcr!famfcit auf fiutl)cr
liiert bic glcid)ßültifle, halb ironifc^c mc^t, bic fic itoc^ mö^renb
fcincö augöburger ^(ufcntt)attö gemefen mar. Snöbefonbere feit
ber leipziger 2)iigputation im ©ommer 1519 unb ben burd) fic
ucran tagten ©c^riften ßiit^er'^ mar cö nidjt länger möglicg, fei^
nen $anbel alö ein blogeö SJ^önc^^gejän! nehmen. Jütten
erfannte in i^m einen ©treiter für biefelbe ©aege, ber aud) er
felbft fic^ gemibmet gatte, unb mürbe gerne mit igm in SBcrbin^
bung getreten fein, gatten niegt äugerc ©ergältniffe uorerft im
fiJege geftanben. Unmerflicg fegob fieg in ben SJiittelpunft uon
^uttcir^J Sntereffe ftatt bc^ ^^umaniömuö bic ^Reformation , ftatt
fRcucgÜirö ßutget üor: ogne bag er barum in ber treuen ^In^
gänglicgfeit an bie alten ©egenftänbe feiner Seregrung natgs
gelaffen gätte.
2öic er mägrcnb beS mürtembergifegen gclb^ugcö feinen
ritterlicgcn greunb oon ber ©bernburg für IReucglin ju intcreffi-
ren mugte, ift an feiner ©teile gemelbct morben. 9ticgt nur
angenblidlifgen ©cgup gatte ©iefingen bem angefoegtenen ^Itcn
gemägrt, fonbern aueg fernem ^ugefagt. 2)urd) boi? päpftlicge
mandatum de supersedendo tuar IReu^lin’d ^anbcl mit ben
if^ölncrn nur niebergefcglagen, niegt nu^ctragen; ber in ©peier
5U feinen fünften gefällte ©prueg mar auger i^raft gefept, mag*
renb ,god)ftratcn unb bic ©einigen nid)t aufgörten, ign unb feine
greunbe in 9tebc unb ©egrift Uerunglimpfen. Äaum auö bem
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280
II. $U(^. 2. jlopitel.
gelbe ^urücf(^efel)rt, erliefe ba^er gran^ oon 0icfingcn, am grei=
tag nac^ @t. Safobi^ Xag, eine ©rforberung unb 3^crfünbung an
^rooinjial, ^rioren unb Sonuente bc^ ^rebigerorben^ beutfc^cr
^Jiation, unb fonbcrlic^ an ben iöruber gafob |)od^ftraten, oon
megen beö l)orf)gelel)rten unb meiJ berühmten §errn gewann
9ieuc^lin, beiber 9flcd}te 2)üctür!S. 5lllgemein fei cs befannt, mic
fte biefen betagten, erfahrenen, froimnen, funftreichen Ü)iann, miber
päpftlicheö Verbot unb faiferliche 2öillen(Smeinung, burch unbe*
grünbete ^ppcllatiüu gegen ba^ fpeierfchc Urtf)eil aufjuhalten unb
ju befchabigen gefuc^t haben, auch ^^och immer burch unjiemliche
©chmadhfehriften auäutaften fortfahren. 2)a nun ober er, granj,
alg Liebhaber oon 9^cd)t unb Jsbilligfeit, in iöetracht ferner, bafe
S^euchlin feinen (Jltern oftmals gefällige ^)ienfte erjeigt, aud), fo
üicl an ihm geiuefen, fidj befleifeigt höbe, ihn, gronj, in feiner
gugenb j^u fittli(^er Xugenb ^u untermeifen, ob fold)em ihrem
gnrnchmen nicht unbillig SJtifefaüen trage: fo ftehc an ©ruber
|)ochftraten unb beffen Drbenöobere fein ©egehren, gemelbten
Doctor Sfleuchlin fortan ruljig ju laffen, auf ben @runb beö fpei^
erfchen Urtheilö ihm ©enugthuung ;\u geben, unb in^befonbere
bie ihnen auferlegten ©rocefefoften im ©etrage oon 1 1 1 gl. an
ihn ^u entridjten, unb jmar binnen 3J?onatöfrift nach Ueberant=
toortung biefe^ ©rief^ ; fonft toerbe er, (Eictingen, fammt anbern
feinen .Herren, greunben unb ÖJönnern, loiber fie, bie ganje Drben^^
orooin^ unb bereu ^^Inhänger. fo hönbeln, bafe Dr. Sfteuchlin, al^
ein VUter, gvommer, unter ben .pochgelehrten nidjt ber Weberft,
oefe (S()re, .^tunft unb 2ob in loeiten fianben erfchoUen unb aue^
gebreitet, fold)er gemoltiger 2)urchochtung enblid) Oertragen, in
Diefem feinem ehrlich hergebrachten ^iUter bei fRuhe bleiben, boffelbe
auch, fö oicl (^ott gefalle, frieblich befchliefeen möge, unb baburch
oermerft merbe, bafe oielen hohen abelichen unb anbern trefflichen
melt liehen ©tönben, gefchioeigc ber §od)gelehrten unb ©eiftlichen,
ihre (ber 2)ominicancr) bisher gegen Dr. fReuchlin geübte ^anb^
Inng oon öer^en unb (SJemütl) leib gemefen unb nod) fei^.
©alb noch (Jrlafe biefeö gehbebriefcö gegen feine geiftlidjen
©erfolger brach inbefe über fReuchlin oon neuem ein mirflicher
ÄriegiJftnrm herein, gm ©eptember fiel ber faum anögetriebene
1) llutteiii Operum Supplem. I, ^,^438 — 440.
Sidingen^S Sertoenbung fUr 9{eud^Hn.
281
Ulrich wiebcr in fein 2anb. SBic er gegen bie ^nuptftobt
^eranjog, gebockte iRcuc^lln, ber i^n ^agte unb fürrf)tete, erft
ju entweichen, blieb bann aber, um feine ^abfeligfeiten nicht
preidjugeben, hoch ^urücf. @)roge (Sinbuge warb ihm gleichwohl,
als ber Vertriebene fich ber (Stabt wieber bemächtigte, nicht er»
fpart, unb aU nach bangen S35ochen Ulrich äum jweiten male
Stabt unb ßanb räumen mugte, legten bie cinrüefenben Vünbifchen
auf Vcuchlin'd ©igeuthum Vefd)lag, biö $erjog SBilhclm üon
Vaiern ihn in feinen Schuh nahm. ?(ber e« war ihm unbehag«
lieh ^cr oon Parteien jerriffenen, julept auch ?^^ft
hcimgefuchteu Stabt, unb im 9looember 1519 ficbelte er Oom
Sllccfar an bie ^onau, nach Sngolftabt über. ?tuch hi^^ jeboch
war er 3(nfang3 in fehr gebrüefter Stimmung; erft burch ben
Vtocefe, bann burd) ben Ätieg in feinen 9Witteln erfchöpft, hätte
er feine mühfam geretteten golbenen Sparpfennige oerfilbern
müffen, wenn ihm nicht ber ftattliche ^irdheimer 30. (^olbgulben
oorgeftreeft hätte.
®och jept fing auch Sidingen'ß gehbebrief an, feine 2Bir=
fung j^u thun. Um SBeihnachten fam ber ^ominicanerproüinjial
bem Flitter nach ßanbftuhl, unb auf fein Vebeuten machten
fich balb barauf jwei Slbgefanbte bed 0rben§ ju 9leud)lin nach
Sngolftabt auf ben Söeg. So fleinmüthig biefer oft war, fo war
er hoch flug genug, fie an J^ran,^ oon Siefingen, al^ feinen Ve*
DoUmächtigten, ^urücf^uweifen. Von biefeni „^ereule^" erwartete
er, ba§ er ben i)Ud)töWÜrbigfeiten feiner VJiberfad)er ein (Snbe
machen werbe. Grft oerfuchten bieje allerhanb Sßinfel/^üge , oer^
langten griften u. bergl., aber Siefingen jeigte ihnen ben @rnft.
Um bie Unterhanblung mit ihm ^u erleichtern, ueranlofetcn fie
nun ben ^ochftraten, feine ?lcmter al8 $rior unb 3nquifitor
nicbcTj^ulegen, unb ;\u @nbe bed ÜJ^ai 1520 hatte 9leu^lin bie ihnen
in Speier aufcrlcgten Vroeeßfoften in gutem @olb in .gänben,
baö ihm nad) ben fd)weren ©inbuhen jeber 2lrt wohl ju Statten
fam. Ueberbieh erlieheu bie ^)ominicaner ein Schreiben an ben
Vapft, in welchem, unter ehrenoofler ©rwäl)nung Vcuchlin'ö, um
gän^^liche ^inlegung beö ©anbelö auf ewige ßciten gebeten war ').
1) ^Die Sdege )u obtQcr flnbrn ftfb in HutieniOpp.SuppIom. I,
S. 440—448. SflI. Erasmi Spongia, Si^riften 11, S. 279, unb
282
II. $uc^. 2. ftapUel.
®aüon ipar inbcffen btc SÖQarjaI)lun0 ba^ cinätfle Sflccöc; allcö
SBcitcre war bcr fd^änblic^fte ^faffcntruß, toh: ber bicbere S^cuc^lm
nur gar ju halb erfal)ren foHte.
SäJöbrenb Jütten auf biefc SSkifc für fRcucblin uub bcn
^umaniömu^ ju inirfcn fortfu^r, fu^tc er nun boc^ juglctcb bie
tüc^tigftcn feiner alten greunbe, feine löunbcgßcnoffen im Äampfc
gegen bie fölnifc^cn 2)unfelmönner , in baö neue entfe^eibenbe
Unternehmen gegen ?Rom, aU ben Äopf be^ SBurmS, hineinju*
jtchen. ©chon im ?luguft 1519, fur^ nach feiner §eimfchr au8
bem mürtcmbcrgifchen gelbjuge, fchrieb er nach längerer
mieber an bie erfurter greunbe, @oban ^effc unb ^etreju^ ®bcr=
bach. @r befchmert fich, ba§ bem erftern, ber im nötigen ^erbfte
burch SRainj gefommen, bie jehn bi^ gloölf Steilen ju oiel gc*
roefen feien, um ihn (muthmaglich auf ©tccfelbcrg, mohin er nach
IBoHenbung ber ©uaiaMSur um SSinteröanfang 1518 non Äug^
bürg auö fich begeben hotte) ju befuchen; bag ©berbach feit nicr
3al)ren ihm nicht gefchrieben : bag 2)^utian nollenbS burch feinen
)örief noch fonft ein bezeuge, bag er ihm nicht böfc fei.
Jütten ahnt, bag fein 5luftretcn in neuefter 3^‘it bem behutfamen
SJfanne migfallcn fönnte; er lägt ihn chrfurchtönoU gtftgen unb
nerfpricht, bei ehefter Gelegenheit an ihn ^u f^rciben. 3)cu bei=
bcn jüngern greunben fegieft er bie imcite, noUftänbigc ^tuögabc
feiner Xürfenrebe ju unb fnüpft bie grage baran, ob niegt aueg
fic cinmol ettnaö für 5)eutfcglanbö greigeit ^u magen gebenfen?
@oban höbe in feiner 5lnttnortöcpiftel gtalienö eine gcmaltige
grciheitöliebe angefünbigt; nun ftege er ab, nicUciegt bureg bag
©(gelten eines (SurtifanS ^urüefgef^reeft. @r folle feine guregt
gaben. @S merben megr ©cgriftftcller biefer fHiegtung auftreten,
als et benfe. Unb fein rugmlofeS Söagnig merbe eS fein. SEBic
er, Jütten, ber Gelegenheit mahrnegme, folcge ^u gewinnen, bic
oiel oermögen, aber biSger bic ©aege niegt oerftanben gaben, unb
fiel) nun gerne üon igm unterrichten laffen (er meint oor allen
granj oon ©iefingen), follcn fic fünftig erfahren. @r fegmiebe
jefet an einem Gefpräcg mit bem Xitel : Trias Roinana, baS ^cf*=
tigftc unb greimütgigfte, maS bis bager miber bic römifegen Golb=
ben X)tolo0, Conciliabulum theologistarum mit B5dltna*g ^InmeifMng, in
gutten’9 ^(^riften IV, 8. 575.
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Ratten loitbt für bte Sleformation.
283
fauler ^ci^öuöcfcfommeit. @o6a(b ci fcrtt(^, fotten fic cö fiaben.
Urtb ßberbod^, ber felbft in 9lom gcinefcn fei unb bie fRäufc ber
* bortitjen Sctrüflcr fennen gelernt ()abe, ob er bem SBaterlanbe bie
gruc^t feiner @tubien ganj ent^ie^en rooUe? „Öleibe nic^t für
immer ftumm", bittet er if)n, „fonbern bric^ einmal loö!" Unb
c^e er noc^ ?lntmort batte, fc^rieb er im Detober, oon ©tecfelberg
aus, noch einmal an ßoban in gleichem 0inne. SöaS er biefem
fürjlicb oon feinen ?(rbeiten gefrf)rieben, b^be ben ßmeef gehabt,
ju erfahren, maS er, ßoban, unterbeffen treibe? ob er nicht auch
für ben fRuhm beS öaterlanbeS unb feine Befreiung oon bem
päpftlichen Soche etmaS magen moUe? @r möge hoch etmaS unter»
nehmen, unb tooS eS fei, ihm j^u feiner Slufmunterung oorher
mittheilen. 2)Ut Suther gemeinf^oftlichc Sache ^u machen, \)xn^
bere ihn bie fRücfficht auf ben ßrjbifchof ^llbrecht, ber, ob^mor
ohne @runb, ber SReinung fei, biefer §anbcl gehe ihn an; mo*
burch ihm, Jütten, fürjlich eine treffliche Gelegenheit entgangen
fet, bie Schmach beS öaterlanbeS (ohne 3^cifel burch §luftretcn
gegen einen oon Suther'S Gegnern) ^u rächen. Snbeg thuc er
boS nichtSbeftoroeniger, unb oieüeicht beffer, meil er nur feinem
eigenen ?(ntriebe folge ; mährenb Suther feinerfeitS an fütelamhthon
einen tüchtigen SRitarbeiter habe ‘).
3m 3anuar 1520 mar Jütten bei ©iefingen aufSanbftuhl
unb fucl)te ihn ebenfo für Suther, mie furj oorher im mürtember'
gifchen gelblager für fReuchlin, ^u ftimmen. £utl}cr hatte fich in
ber leipziger Disputation gegen ben öt^imat beS römifchen Stuhls,
gegen baS jtoingenbe 9lnfehen ber ßoncilien erflärt, hatte beS
Oerbronnten §u6 fich angenommen; fein SBiberfachcr ßcf, burch
ben Schriftenmechfel über bie Disputation noch mehr erbittert,
bereitete fich 5“^ ^cife nach fRom ; ba mar unfehmer oorauSju»
fchen, maS fommen mürbe. öereitS mar £utl)er burch einen
Grafen Oon SolmS brieflich bei Siefingen empfohlen ; um fo
leichter gelang eS §utten, biefen ju überzeugen, bag Suther ein
Öiebermann, unb gerabe beghalb ben 9lömlingen oerhagt fei.
3cjt erhielt er oon Siefingen ben Sluftrag, an ßuther zu fchrei»
ben, menn ihm in feinem ^anbel etmaS SBibrigeS begegnen foüte
1) f)ie mi§ Vtain) unb @te(feI6erg bom 3. Vuflitfl unb 26. Cc>
tober 1519 in ^tkn*S 1, 8« 301—303. 313 f.
284
II. 2. jfa)}tiel.
unb er feine nnbere §ü(fe ^ätte, möd^te er nur ju i^m- fommen,
er wolle für if)ii tf)un, waö er fönne. S(n ßutfjer felbft fd^rieb
nun Jütten auö 9^iücffid)t auf (Srjbifcbof ^llbrec^t nic^t, fonbern,
nac^ SD^ainj jurüdgefe^rt, an 9Welanc^tl)on , ber eö, o^nc oon
^utten’dSBermittelung etwa^ ju fagen, anßutf)cr auöric^ten unb
ibn ^ugleic^ üeranfnffen jotlte, feinen I)od)f)erjigen S3cfc^ü|er in •
einem Schreiben ^u begrüSenO- SBie fefjr biefe^ Anerbieten
©icfingen% bem halb ein äf)nlid()eö be)§ frönfifd^cn fRitter^ 0liU
üefter oon (Schauenburg folgte, ba^u beitrug, Sut^er in einer be®
benflichen ßcit 5U ermuthigen, unb wie er ber Anbeutung ^utten'^
erft burch ©riefe an it)n unb ©iefingen, in ber golge bur^3u^*9'
nung einer (Schrift an ben iefetern, cntfprach, ift befannt.
3J^it fchrieb §utten fech^ Sßo^cn fpöter in einer
©eilage 5U bem oorigen ©riefe, ber, fchledhtbeftellt, an ihn jurücf^
gefommen war, oon (Stecfelberg au^ an äRelanchthon, mit ^vanj^
habe er gro^e unb überaus wichtige ^lane; wäre 9)kIanchthon
bei ihm, fo wollte er ihm münblich etwoö baoon oerratl)cn. ^)en
ginfterlingen, hoffe er, foüe eg fchlimm gehen, unb allen, welche
bag römifchc 3och über ^eutfchlanb bringen. @r laffe jeht ®e=
fpräche' bruefen : ®ie römifche 2)reifaltigfeit unb ^ie Anfehauen*
ben, 00m höchften 5^*eimuthe befonberg gegen ben ©apft unb bic
^lünberer 2)eutfchlanbö ; er hoffe, fic follen bem SJtelanchthon
gefallen, ober bocl) nicht mißfallen, ©or allem möge er mit
Suthern reben. äöeun beffen .Jpanbel fich irgenbwie zweifelhaft
anlaffe, fo möge bcrfelbc fid) nur ungefäumt zu auf ben
iöeg machen. Unterwegg fönnte er mit ihm, |)utten, zufammen-
treffen; hoch wiffc er nicht, ob er gerabe auf 0tcdelbcrg fein
werbe, benn er muffe in wenigen Xagen reiten, ßuther foöte
über gulba reifen, bort werbe er bei bem Söirthc z^ioi ©ären
erfahren fönnen, ob, Jütten baheim fei; er habe bann nur wenige
ÜUieilen big Stedelberg. treffe ihn Suther hier, fo wolle er il)m
auch ein fReifegelb fchenten, wenn er cg bebürfen foUtc. 9Jielanch'
thon möge ihm nur ungefäumt entweber nad) gulba ober 2)^agbcs
bürg Antwort geben *).
Auf Stecfelberg oollcnbctc .^litten bie oben enoähnten ^ia^
1) ^(lanc^t^on, ^atn), 20. ^n. 1520. St^riften I, 6. 320 f.
2) stedelberg, 26. Februar 1520. S(^Vi|ten I, S. 324 f.
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J^utten unb Sui^er.
286
löge unb ^atte gerabe öierje^n Xage üor bem lebten ^Briefe an
SWclanc^t^on, am 13. gebruar 1520, bie Zueignung be^SSabi^cu^
an ben uiclgerciften iRitlcr unb furfürftlic^ mainjifc^cn Sflatl),
@€baftian non 91oten()an, gefc^rieben. @r nimmt bem ©c^mager
beinahe übel, bafe er (in einem ©riefe, mic fd^eint) erft fragen
lönne, ob Jütten etma^ fc^reibe? $abc er bieg in ber Unruhe
bc^ §oflebcn^ nicht laffen lönnen, fo labe i^n ja auf ©tccfelberg
bie (Jinfamfeit hoppelt bo^u ein. „®aüon h^ft bu", fährt er
fort, „einen ©emdö an bem ©efpräch ©abiäeug, melche^ mir mit
anbern biefe Sfluhe unb biefe ©erge gebracht SBenn cö ^
beinen ©eifall geminnt, fo wirft bu auch meinen (5ntfcf)(u§, mid)
auf einige 3cit uom §ofc ju entfernen, nicht miSbilligcn. 3ch
will bir ba^ ©üchlcin nicht al? gut empfehlen, ba ber ©egeits
ftanb, Don bem cg hanbclt, ber fd)lcchtcfte ift ; alg frei unb wahr
möd)te ich eg oiclleid)t, unb unter biefem 9tamen mug eg bir
auch om willfommenftcn fein, geh felbft bin, wenn irgcnbwo,
in biefem ©üchlcin mit mir jufrieben. Unferc grcil)cit war gcfeffelt
unb oon beg ^apfteg Striefen gebunben: id) löfc fie. ©erbannt
war bie SBahrheit, oerwiefen über bie ©aramanten unb 3nbcr
hinaug: ich P^h^c fie ^urücf. @iner folchcn unb fo großen Xl)ot
mir bewußt, mache ich ouf feine öffentliche ©elol)nung 9lnfpruch.
®ag nur wünfehe id}, baß, wenn mid) jemanb beßwegen oerfolgeii
foUte, alle ^uten bie ©crtl)cibigung meiner Sache übernehmen
mögen. 3)ag foll ber üol)n biefer Arbeit fein."*)
^)cr ©abigeug ober bie römifd)c ^rcifaltigfeit nimmt unter
ben fünf Dialogen, welche fofort im 2lpril 1520 gebrueft erfchie*
nen, ber Drbnung nad} bie uierte, ber SBichtigfeit beg 3nl)altg
wie bem Umfange nach bie erftc Stelle ein. @r ift Jputten'g
aiianifcft gegen ©om, ber §anbfd)ul), ben er ber $icrar^ie l)in=
warf; mit ihm war in ber 3!höt, wie ^uttcn'g 2Bahlfpru(h fogte,
bog iloog geworfen. Unb ^^war ging biefer hierin 2utl)ern er^
muthigenb, 5um Xl}cil felbft weg^cigenb, uoron ; beffen 2lbfagebrief
gegen ©om, feine Schrift Don ber babplonijchen (%fangcnfd)oft
ber Äirchc, erft im October, unb aud) bie Schrift an ben eprift*
1) 3)ie 3ueienun(t in ^uttrn’S S4>tiftfn I, S. 322. DoS
feU)ß IV, 6. 146—269. 3n meiner Ueberjegung öon ^utten’S @ejprä(^en
e. 94—185.
286
II. %u(l^. 2.
(idjen Slbcl bcutfc^cr Ölntiou crft im 3uni beffelbcn
erfc^ienen ift.
®cr 0d^oupla| bcd ©efprä^ö ift granffurt om Warn.
^uttcn, uüc^ immer qU mainjifdjet ^ofmami, bod^ in freiem
®icnftucrl)ültnig üorgeftcUt, fommt mit bem Üurfürften niib
beffeu näd^ftcr Umgebung (morunter ©tromer) bal^in. §icr trifft
er einen alten greunb, ®rubolb genannt, an, ber einft mit it)m
in ^om getuefen ift, unb mit betn er fic^ nun unterhält. ®en
®ingong mad)t in gar anmut^iger SBeife baö jiiob be^ „ golbenen
. SD'tains", mit feinem milben $immcl, ber gefunben 2uft, ber aii^
genehmen Sage, ben beiben ^errlid^cn (Strömen, melc^e baö fReifcn
fon)ül)l al^ baö ©inlaufen üon 9tac^ric^ten auö ganj ®cutfd)lanb
erleichtern. „SDaun bin ich auch Ü)toung", fährt Jütten
fort, „bag e^ für ©elchrtc ein befonberg jufagenber SBohnort
fei; beim fo oft id) anberömoher jurüdfomme, faum bag ich
Stabt tüieber im ©efichte h^ibe, fül)le ich mich erfrifcht unb cx^
muntert, merbe auch nie bc^ Sefenö ober beä Schreibend mübe,
unb nirgenbd geht mir bie Arbeit leichter oon ber ^anb.''
ÜJtach mainjer S^teuigfeiten befragt, melbct §utten juerft eine
fpafehnftc, bad angemeffene ©ube eined reichen unb geizigen ^foffen
ju Ä'üln; bann aber eine oerbrieglichc, bajs nämlid} ber mainjer
iöuehbruefer (Schöffer oermuthlich) aud Scheue uor bem SJerbotc
ßco’d X. fid) gemeigert h^bc, oon Xacitud mit fünf neu aufge^
funbenen 33üd)ern eine l^udgabc für 2)cutfchlanb ju ueronftaltcn.
|)icr lüciS §utten nid)t, morüber er unmilliger fein foU, über
bad ncibifche Verhalten bed römifchen §ofed ^u ber ©Jeiftedbilbung
bed beutfehen SSolfed, ober über bie ftumpffinnige ©ebulb eben
biefed 5^oIfcd, fich fo etioad bieten, fich ben 2)rud ber SBerte eined
SchriftfteUerd, ber oon unfern ißorfahren fo rühmlich gcfprochcn,
unterfagen ju laffen. 2)ic6 führt bie Unterrebner auf fo mandhed
^Inbere, mad fich ^ic beutfehen uon 9lom gefallen laffen ; ^^ugleich
aber auch auf bie Hoffnung, bag, bei ben ind SJ^aglofe fteigenben
ÜJUgbräuchen unb ^^ranbfdjahungen, bie ©Jebulb nächftcud rcigen
bürfte. ®iefe Hoffnung mirb gegrünbet auf ben ©ieift ber greU
heit, meldjer ba unb bort fid} ju regen anfangc; auf ben Umoillen
aller 23effcrn, Uornchmlich auch unter ben gürften, über bic
römifchen ^Inmogungen, ber fid) bei |ebcr ©Jelcgcnheit audf^reehe;
indbefonbere and) auf ben neuen iJaifer. Söie immer, fo finbet
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$abiScu§ ober bie r5ntifi!(|e ^reifaliigfeii.
ÖS7
fic^ aurf) ^ter ^utten'd Qoxn baburc^ am cmbfinbficl^ften gcftacbelt,
ba§ biefc Stolicncr bcn ^cutfc^cn, bereit @utmütl)i(tfeit fie mi6=
brauchen, erft foiiieu ®an( miffen, foiibcni fie bafür nur üerac^ten
unb ucr^ö^nen.
^)üc^ fangen fie, fäf)rt §utten fort, felbft ju merfen an,
bog c« mit leiten @nbc gebe, ba i()nen nid)t oerborgen bleibe,
mad gegen pe je^t olIcntl)albcn gcrebet unb felbft gefebrieben
Werbe, ©o fei neulid) ein getoiffer Sßabiöcuö in biefen ©egenben
gemefen, ber feine 511 ?Rom gemad)ten 33eobad)tungen in einer
für jene Station äuperft befebimpfenben unb geböffigen äöeifc
oorgetragen ^^be ollcS, loa^ er gegen bie jebigen
Sflömer, ober, um feine ^luöbrflcfe ju gebraudjen, gegen bie ^0=
maniften unb S^ömlingc auf bem ^er^en gehabt, in Xriaben
gebracht, b. b- in (Gruppen oon jebeöinal brei ©tücfcn jufammens
gefteüt. ,f)ierburd) beftimmt ficb nun bie gönn unb erflärt ficb
ber 3]itel beö @cfpröd)ö: iubem §uttcn bie oon löabidcuö aufge=
fteHten Xriaben auö ber ©riuncrung mittbeilt, aud) bureb eigene
oermebrt, fo jebod), bag bie ein, feinen gefpräcb^tocife erläutert,
bisweilen löngere ^Ibfdjweifungen ba, ^mifdjen gefeboben werben,
oon benen aber jcbcömal wieber 5U ben Xriaben bed Sabi^cu^,
alö bem cigcntlid)en ^^b^^nta, jurücfgelcuft wirb. ®iefe Freiheiten
macben pd) fo, bag 5. gefagt wirb: brei Finge bat n^on in
9tom im UeberPug — brei Finge pnb fetten j^u Sftom — brei Finge
pnb in 9toni oerboten -> brei Finge bringt mau au§ 9tom b^iw,
u. bgl. m. ift nid)t ^u leugnen, bag biefe gomi etwad epi»
grammatifd) ^ifante^, unb befonber^ etwaö SSolfötbümlicbcö unb
iöebältlicbcd bot; woburd) bie ungemeine SGÖirffamfeit unb oiel*
fa^e Sßerarbeitung gerabe biefeö ^utten’fcben Fialogö bebingt
war. Fad l)Ot S^tiemanb beffer eingefeben ald Sutber; benn in
feiner wenige ÜJionatc nachher erfebienenen ©ebrift oon ber babp*
lonifcbcn Ölefongenfebaft fpriebt er gteicbfaCld oon brei 3J?auern,
Welche bie Üiomaniften um fid) gesogen, oon brei ^Ruthen, bie fie
und, um felbft ungeftroft su bleiben, geftoblen hoben. Uber ber
^inoerleibung in ein (^efpräd) wiberftrebt biefe gorm. Fie Friaben
pnb etwad gertiged; ber wiftige 5Jopf, ber fie erfonnen l)Ot, unb
noch mehr ber (Srsäbler, ber fie and bem ©ebä^tnig wiebergibt,
bringt fie gleicbfam in ber Fafcbe mit unb wirft fie wie ÜRünseu
ober ^Jtüffc aud; wäbreub im Fialog allcd entfteben, ein Söort
288
II. «ud^. 2.1»a|ntel.
baö anbere geben, ein ©ebonfe fic^tbar auö bem anbern l^erDor*
fproffen fofl.
5ragt man, wie |)utten ju einer fo miberftrebenben SWifcftung
tarn, fo barf man fic^ nuV ber 5^age erinnern, mie er benn ju
bem luftigen Xone feiner 2)unfelmännerbriefc gefommen fei. 3n
ber X^at ift bie Äntmort biefelbe : beibe male ftecft greunb 6rotu^
baf)inter. 3n einem anonymen @efpräc^, beffen Serfaffer aber
Oermutl^lic^ (Jrotug ift, bem ’„Äompf ber grömmigfeit unb be^
?lberglauben^", ift üon einem römifd^cn (Sonful SBabi^ug bie
IRebe, beffen einjigc^ ©efc^äft fei, ber SWenfci^cn ©itten ju
beobachtend). 5)iefer mutige !iRenfchenbeobachtcr ift toie
bort ©rotuö. 9tur fann Jütten nicht, mie cd in unferm (^fproche
,l)ci6t, feine Sieben über bie römifchen 3“flänbc oor ^ur^eih
münblich Don ihm oernommen haben ; benn (Srotuö mor, ald jener
ben Sobidcud fdhrieb, nicht „in ber Oegenb'', fonbern noch ab-
mefenb in Stalicn, unb tarn erft um bie 3cit, ald bie ©efpräch*
fammlung im ^ruef crfchien, nach ^eutfchlanb jurücf. Slber er
!anu feine Freiheiten bem ^reunbe fchriftlid) heraudgcfchicft haben,
unb fo, ohne ÖJefprädj, finb fic auch mirflich in jenen Sahren
oerfchiebentlid) gebrueft morben; einmal freilich fa, baß man fieht,
fie finb aud bem ©cfpräch gezogen, ein anbermal aber fo, mie
fie oermuthlich beffen (SJrunblage gebilbet haben *). S^on hier aud
begreifen mir nun auch Jütten 'd SSerfahren. Fie Freiheiten
feined mipigen greunbed reij^ten ihn, mie ben SJhifiler eine SWe^
lobie reij^t, SSariationen barüber 511 fdjreiben. Unb ben Sefer rei^t
ed nun, menn er aud bem reichen bialogifchen Geflechte, momit
Jütten fic burchfchlungcn , immer oon neuem jene neefifdhen
Friabcn hetDorfpringen ficht. Fer logifdjcn Drbnung freilich
mar eine folche Einrichtung nicht förberli^. $utten hat bieg
felbft gefühlt unb burch ben Sludruf cntfchulbigt, ben er auf bie
gragc bed Ernholb, in melcher Orbnung er fein Fhema i^u be^
hanbeln gebenfe, fich in ben 9Jiunb legt: „533ad Drbnung? ald
ob in fold)er Sierfchrtheit Drbnung mörc!" Fod) nicht blöd in
bem ^abidcud, fonbern auch in bem Ernholb unfered @efprächd
1) ^uttrn’S ©c^xiftfit IV, 6. 571.
2) S. bei SSöding, 0. 0. O. 6. 262—268. SJgl. meine Ueber|e^ung
ber l^utten’fdben Oi^ejprad^e, S. 95 f.
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5iobi§cu§ obrr bic tömijc^e 'SreifaHiflfcit.
280
finben toir einen alten S3efannten. Jütten tnill il)nt feinen S3or^
trag nur unter ber 33ebin9uncj galten, bog i()m ber greunb bie
Angelegenheit, in ber er feinen ©eiftanb erbeten, fleißig beforgen
tnoüe; toorauf @rnf)olb enuiebert, an 3ureben tuoüe er e§ nid)t
fehlen laffen, eö fominc nur barauf an, ob e§ ihm gelingen merbe,
„jene jiu Überreben''. ®iefc „3enc" fennen mir auö ber ©efchichte
non |)utten’ö Srautmerbung; unb ba mir mit bem iBabi^cu^ im
Jahresanfang 1520 unb auf franffurtcr Soben ftehen, fo fennen
mir auch ben Srnholb: eS ift fein anberer als §utten'S 5^eunb
Arnolb ©lauberger bafclbft, ber Setter ber non ihm bergeblich
begehrten Äunigunbe, mit bem er, mie angeblich mit @rnholb,
in Jtalien 5ufammen gemefen mar.
5Jladh biefen Sorbemerfungen geben mir erft bon ben 5)reis
heiten, melchc bie gorm beS ©efprächS bebingen, etliche groben,
bann bon ben ,§auptgcbanfcn beffelben eine Ueberficht. 'S^rei
^inge erhalten 91om bei feinen SBürben: baS Anfehen beS Söl>ftcS,
bie 4ebeine ber ^eiligen unb ber Ablafefram. ®rei ^inge finb
ohne 3ahl in Som: gemeine grauen, Sf^^ffen unb @d)reiber.
®rei ^inge bagegen finb auS ?Rom berbannt: ©infalt, aiiöfeigfeit
unb grömmigteit ; ober mie eS ein anbermal h^i&t- Armuth, bie
Serfaffung ber alten 5lird}e unb Serfünbigung ber SBahrheit.
5)rei iinge begehrt Jebermann j^u IRom: furje SWeffen, alt @olb
unb ein moUuftigeS Sieben. Son breien hingegen 1)0^1
felbft nicht gern: bon einem allgemeinen Soncil, bon Deformation
bcS gelftlichen ©tanbeS, unb ba§ bie ^eutfehen anfangen flug ju
merben. 9JMt brei Gingen h^nbeln bie Dömer: mit Shrifto, mit
geiftlichen Sehen unb mit SBeibent. 3Dit brei Gingen finb fie
^u Dom nicht ju erfättigen : mit @elb für SifchofSmöntcl, ^apft^
monaten unb Annaten*)- ®rci ^)inge macht Dom zunichte: baS
gute ©emiffen, bie Anbacht unb ben @ib. ^rei X)inge pflegen
bic ^ilgcr auS Dom jurücf jubringen : unreine ©emiffen, bofe
D^agen unb leere Seutcl. ‘I)rci ^ingc h^^ben bisher S)eutfd)lanb
1) j(hrcicnbflen ^nmofeungen, wona^ 1), ®i8t^ünifr
unb Hbteün ouSflenommen, üon jämmttitben geifUtthf*' Steflen in Xieuiftbionb
oUe bUipnigen, tncicbc roil^rcnb bft jc(h§ ungfTobtn SMonotc (3onuflr, Wdrj
u. l. f.) crlcbigt tourbtn, ber ^ejetjung burc^ bfn rtaren;
2) oon lebet 0eifUi<hen SteOe, bie über 24 Dutaten jährÜtb «trug, bei ber
«ejetjung ein 3a^re«erlrog no(b 9t om beimhÜ werben niufttc.
VU.
19
290
II. $U(^. 2. I^apttel.
nic^t Hug tocrbcn (offen: bcr (Stumpffimi bcr S^^rftcn, bcr Sers
fall ber SBiffenfe^oft unb ber ^IDeröloubc bcö Solfö. ®rei ^ingc
fürchten fic ju Som am meiften: bag bie dürften einig merben,
bo6 bem Solle bie Gingen aufgel)cn, unb bag if)te Setrügereien
an ben Xag fommen. Unb nur burc^ brei ^ingc märe Som
juredjt ju bringen : burc^ ber gürften @rnft, be^ Solfcjg Ungebulb
unb ein Xürfenbeer oor feinen X^oren.
X)en 3nbalt be5 ©efprödb^ betreffenb, lönnen mir bie Se^
fc^merben Don ben Sorfc^lögen 5ur Sefferung untcrfc^ciben. 3enc
finb bie fd^on feit mc^r alö einem 3o^t()unbert ^ergebrad^ten ;
nur ba§ fte Don Jütten mit befonberer ©d)ärfc unb Slnbrings
lid)feit oorgetragen merben. @r mci^ öor allem baö bebro^lid)c
Sorfc^reiten, baö fc^amlofe Umfic^greifen ber römifc^cnSlnmaguns
gen anfc^aulici^ ju madjen: bag. ma$ ebebem alö @unft erbeten
morben, fe^t aU 9lccbt geforbert merbe; bag doncorbate, fc^on
on fid) ^um S^acbtbetl bcr beutfegen 9iotion gefd)loffen, in bcr
päpftlicbcn §luölcgung unb Slnmenbung noch mcit überfebritten
merben ; bag bie Sefefeung immer mebrercr beutfeben ^^ircbenftcllcn
nach Som gezogen, bie greife bcr Sifcbofömäntcl u. bgl. immer
böl)cr gefteigert, immer melir ÜÄittel unb SBege, bem bcutfd)cn
Solle fein ®elb abjuloefen, erfunben unb eröffnet merben. Unter
anbern groben Slcnbmcrlcn mirb oueb beis tricrer Sodd gebaebt,
bcr oor menigen 3al)rcn auögcgraben, unb Oon bem ^apftc,
gegen einen ?lntbeil on ben ©pciiben bcr Pilger, jum fieibrorfc
dbrifti gcftempclt morben fei. Äueb bie Uebergriffe in bie Seebte
bcr fürftlicben dJemalt merben, mit befonberer Sereebnung auf
ben jungen 5^arl, in bag gehörige Bicbt gefteflt; bie angeblicbc
0^cnlung jilonftantin'g augfubrlicb alg £ügc bargetban. Hlg
unmörbig beg laiferlicben iltameng mirb auch b^^r jener böbmifebe
Äarl IV. bingefteflt, ber ficb oon bem ^apftc Urbon oon S^tom
ougfpcrrcn unb aug 3talicn meifen lieg. Xaoor mirb bcr fünfte
Äarl bie Äaifcrebre ju retten miffen, mirb feine 5^rone nicht oon
beg $apftcg gügen nebmen, noch biefe güge lüffen moUcn. drfüHt
er biefe drmartung, fo mirb man ibn für meifc halten ; bie gelcbrs
teften Ültänner merben fioblicber auf ibn fingen unb Sücber 5U
feinem S^Iubmc fdbreiben ; man mirb ibn alg Sefcbüjcr bcr beut*
feben greibeit begrügen, unb mo er gebt unb ftebt, ihm alg bem
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SobiScuS ober bic rötnijd^e 2)relfalti0fcit.
291
tapfcrftcn, 9crcd)teften , l)od)r)crjigftcn , maf)rl)aft frommen unb
c^rift(id)en, 5ujau^jen.
2)üd) bic finansieHe Slu^Oeutung unb politifc^c 93coormun^
bung ber bcutfd)cu Station ift noc^ nic^t einmal ba^ Slcrgfte, mad
biefer oon 9?om auö miberfä()vt. moralifd)c SSerberben ift
ba^g gvöfecrc Ucbel, baö lWom feinen <B\^ ()at nnb oon bort
anö nad) ^cutfc^lanb fic^ oerbreitet. ©eit 3^n[irl)unbertcn l)at
auf $ctri ©tu^le fein achter 9ftad)folger be^ ^etrnö me^r, mol)l
• aber 9tad}folger unb 9^ad)al)mcr bcö 9iero nnb .^eliogabalng,
gefeffen. ®cr päpftlit^e ^offtaat ift ein ^fuljl aller SSerborben^
^eit. 5)ie fiegaten, bie in nnfre Sänber fommen, bringen abfc^eu=
lid)e, biefer Station fonft unbetanntc Safter mit. 5llfo nic^t nur
feine geiftlid)en ©nter, feine 33clel)rung unb (Erbauung, erfaufen
mir ^eutfd)cn uinS burd^ ©pcnbnng nnfrc§ jcitlid)en ©nteö an
9lom, fonbern, maö un^ l)iefür oon ba ^urüeffommt, ift nur ®crs
berbnig unb ©ittenpeft. 2Bir ^anbeln nidjt bloö fing, mir ^an^
bcln fromm nnb gottgefällig, menn mir nnfre ©penben cinftcllcn
nnb bamit bem römifd)cn SBerberben, ba$ and) auf uu3 übers
ftrömt, feine 9^al)rung ent^icf)cn.
„©cl)ct ba" — in fRom ; mit biefen SSorten im SRunbe beö
Srn^olb fdjließt §utten feine ^)arftellnng — „fe^et ba bie grogc
©trenne bed ©rbfrcifeö, in mcld)e ^nfammengefd)lcppt mirb, ma«3
in allen fianben geraubt unb genommen morben ; in bereu 9}2ittc
jener uncrfättlic^c Ä^ornmurm fi^t, ber nngeljeure Raufen grnd)t
ücrfdjlingt, umgeben oon feinen §al)lreid)en äJiitfreffern , bic un^
^nerft baö iölut au^5gefogen, bann ba<3 Slcifd) abgenagt l)aben,
je|t aber an ba5 9Rarf gefommen finb, nn^ bic innerften ©ebeine
5erbrec^en unb aUeö, ma§ noc^ übrig ift, jcrmalmcn. SEÖerbcn
ba bic ®entfc^en nic^t ^u ben SBaffen greifen? nic^t mit geucr
unb ©c^mert anftümien? ^ag finb bie ^lünbcrer unfcrcö SJa^
terlanbcö, bie oormalö mit @icr, jept mit 5rcd}l)cit unb SBntl),
bic melt^errfc^enbc Station berauben, oom 33 tut unb ©c^meiße
beö beutfc^cn 33olfe^ fdjroetgen, auö ben ©ingemeiben ber Firmen
i^ren S53anft füllen unb i^rc SBollnft näl)rcn. 3^nen geben mir
^olb; fie l)altcn auf nnfre Äloftcn ^ferbe, |)unbe, 3D?aultl)icre,
unb (o ber ©c^anbe!) J^uftbirnen nnb ßuftfnaben. SJ^it nnfenn
@elbc pflegen fie il)rer 33oöl)eit, mad)en fic^ gute Xage, fleibcn fid;
in ^urpnr, jänmen i^re^ferbe nnb ÜJianltljierc mit@olb, bauen
292
II. 2. Äopitcl.
^aläftc üon lauter ■äWarmor. Pfleger ber grömnügfeit ucr^
fäumen fic biefc nic^t alleiu, tuaö bod) }d)on fünblic^ genug märe,
jüubern üeradjtcn fie fogav; ja fie üerle^cn, bcflecfcn unb fd^önben
fic. Unb tüö^renb fic früher burd) ©^önt^un unö föberten unb
burc^ Sügen, Xidjtcn unb ^^rügen uitiS @clb abjulocfcn ttjugten,
greifen fic je^t ju ©d^rcefen, ^roi)ung unb ©ewatt, um unö, mie
hungrige Söölfe, ^u berauben. Unb biefc müffen mir noc^ licb=
fofeu ; bürfen fic nic^t fted^cn ober rupfen, ja nid^t einmal bcrül)-
ren ober antaften. 22ßann merben mir einmal fing merben unb
unfre 0c^anbe, ben gemeinen ©d)aben, räd^cn? ^at un§ baoon
frül)cr bic oermeinte 9fleligion unb eine fromme ©djeu jurücfgcs
l)altcn, fo treibt unb ^mingt um3 baju je|t bic S^otl)."
iöele^rt, meint §uttcn, baß ma^re @ottc5furc^t unb abgöt«
tifdjc Sercl)rung ber päpftlidjen ^^prannei fcl)r ocrfcpicbcne ^)ingc
feien, foUc unb merbe näcpftcnö baö beutfepe ®olf einpcUig ben
mannhaften ©ntfehlug faffen, biefcö Soep ab^umerfen. 2)em 5^ör*
per ber Spriftenbeit folle fein bilhcrigc§ §aupt, ber ^apft unb
feine ©urie, nid)t abgefepnitten, foiibern biefc^ nur oon ben unge«
funben ©äften, bic fid) in bcmfclben angefammclt, befreit merben ;
meld)eö cinfa^ baburd) gefepeben fönne, baß ber ^ranfbeit bic
9ial)rung entjogen, b. b- ben ÖJclbfpenbcn naep 9iom ein @nbc
gemaebt merbe. ®ann merbe ber römifdjc $of fiep fepon oon
felbft ber Dielen 9JUijiiggängcr unb feiner anftögigen Ueppigfeit •
entfcblagcn; aber, ma-g er an (^lan^ ücrlierc, an mabrer SBürbc
geminnen. (@in anbcrmal jeboeb mirb mcitcr gegangen unb gc^
fagt, jeber 33ifcbof b^be fo oicl ©cmalt alö ber ju ?Rom, benn
Sbriftuö fei ein Siebbaber ber @lcid)beit unb ein geinb bed @br^
gcpicö gemefen.) 5lucb in ben übrigen Säubern merbe bic Ueber*
japl ber ©eiftlicben fiep minbern; menn aber oon bonberten nur
(Silier bleibe, merbe c^ genug fein. 'J)tc gciftlicben ©tcHcn merbe
man ben beften unb gclebrtcften 2Känncrn geben, unb biefc merben,
menn fic mollcn, aud) beiratben bürfen, um ben Einlaß ^ur ^u^*
febmeifung ab^ufebneiben.
baö aUeö nidjt fo glatt abgeben, bag ^apft unb Älcrifei
mit allen Sßaffcn, gciftlidjcn unb mcltlicben, fiep mebren merben,
ba& mitbin auep il)m, menn er ^u jenen 3)2a6regeln ratl)c, (SJefabr
brot)e, barüber töufcbt fiep §utten nicht. SBobl tbuft bu recht,
fagt ipm ©rnbolb, gegen biefe Xprannei -^u fpreeben. ^ber bu
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?(nj(!^Quenbfn.
298
mirft birf) üor i()rcn ^RadjftcHunöcn ptcn mttffcn, bamit bir nid)t
cttvaö tüibcrfa^rc, ba^ folf^cn üJ^ut^cö nic^t raurbifl roärc. ^cnn
* mau barf jene gdnbc nic^t ucrac^ten. — t^uc id) and) nic^t,
crmicbcrt §uttcn; aber ohne (5Jcfabr 9efd)ic^t feine grogc unb
benfmnrbigc ^()at. — SBo()l ift e« eine grogc unb i)errlid)e 3:bat,
entgegnet (Srn^olb, burd) 9flatt)en, SOiabnen, Treiben,
unb drängen baö SSaterlanb ju nötbigen, bag e§ feine 0d)mad}
erfenne nnb ficb ermanne, feine urüäterlicbc ^i^eibeit mieber ^u
erringen, eine bnr^s
fe^t. — 2öenn er cö aiicb nid)t burebfe^t, meint Jütten, fo ift
febon ber 33erfucb üerbienftlicb, unb uielleicbt mirft ba^ 55cifviel,
bafi and) anberc baffelbe magen, unb enbü^ bie SBelt' in 5^emcs
gung fomme unb ®cutfd)lanb fing merbe. ^)iefeö fünnte nach
meiner SJteinung (Sbnfto, fönnte ber Äird)e feinen grö^ern 2)ienft
erzeigen, aU^ menn eö bemnäd)ft ben* ungered)ten @rvreffungen
ein @nbe mad)tc unb fein (^elb bebielte: möchten bann jene
Gopiften unb ^rotonotarien j^n fRom immerbin uerbungern. —
ÜJiöd)teft bu bie ^entfeben ba^n bereben! miinfd)t ©rnbolb. —
3d) will ed tücnigftenö berfndjen, üerfept ,?)utten. — ^ie SBabr-'
beit fagen? fragt jener. - 3cb werbe fie fagen, ob fie mir and)
mit Söaffen nnb bem 3:obe broben. - 2Bcld)e Siften werben fie
bagegen erfinnen ! — Ä'ld)e 33nnbeSgenoffen werbe icb mir ^uge*
felicn , welche <Sd)ubtocbren aufwerfen ! — ^a^u gebe (Sbriftw^
feinen Segen! ift (Srnbolb’ö (^ebet.
SBcnn baö bi^bev bon unö betraditete (^efpräcb, bei aller
3öud)t feinet reformatorifeben Sub^lt^, boeb in betreff feiner
fönftlerifcben Jbtw einigem 33ebenfen unterlag, fo finben wir
bagegen in bemjenigen, 511 bem toir un^ nun wenben, beibe Sei^
ten im febönften (Gleichgewichte. atbwet Sucian’ii^ (Geift (bem
and) ber Xitel, bod) eben nur biefer, entlehnt ift) unb erbebt ficb
burd) bie SBenbung am Sd)tiiffe i\u ^^Iriftoph^nifcbcr §öl)e.
ift baö lepte in ber Sammlung uom grübjabr 1520 nnb beifit
Inspicientes, ober in §uttcn'!3 fpöterer 93erbeutfd)ung bie ^n*
fd)auenben')-
Xiefc 5(nfd)auenben finb ber Sonnengott mit feinem Sofin
1) €(^ri|ten IV, 8. 269—308. 3n meinet Ueberje^unfl ber fputtcn’jc^en
@ejpräd)c 8. 18tl— 219.
294
II. ?8u4 2. ifapM.
unb SBac^cnlcnfcr ^^actf)on, bie, U)Ql)rcnb i()rc 9iüffc nac^ crrcid)*
tcr aj^ittOßäl)ö[)c fidj ücrfdjnauOcn, burd) bic /icrüjciltcu SBolfen
einen Slief auf bie @rbe merfen. @in t^vogeö ©ctüminel, bn^ -
gerabc in ^eutfd^tanb 511 Dcmerfcn ift, lenft ir)te ?(ufmer!famfeit
auf biefeö ßanb. 53cn)affiiete unb UnDetnaffnetc ,vcl)cn fd)iieller
ober langfamcr, aHe nad^ bcmfelben Drte l)in, loo man bie einen
be^aqlic^ fc^maufen, bic anbern ernftlid) rat^fd)lagcn, nod) anbere
beibeö SiiQlcid) ober abme^öinnfl^meife treiben fict)t. S)cr 0rt ift
Hngöburg, cd ift ber S^cid^dtag üon 1518. ^cm aKfdiaucnben
©onnengotte finb 21?enfd}cn nnb SSert)ä(tniffc Idngft befannt; aber
ber ©o^n munbert fid) über manc^ed, bad er fic^t, unb erbätt
nun Dom 33atcr 5Indfunft barüber. 3“crft fällt ibm ber SSiber«
fprud) auf, in mclcbem mit bem ernften 3'üccfe ber 33erfammlung
bad ungebcure Xrinfen ftebt. ^cr ^atcr ftcHt ben Sßiberfpriid)
nid)t in 5lbrebe, madbt übfigend ben ©obn auf ein,^clnc 9^üdjterne
aufmerffam, bic fidb in ber 53crfammlung finben, bafür aber
freilidb öon ber SD^cbr^abl ald gremblingc angefeben unb üeraebtet
merben. S^nbeffen feien boeb ein paar oerftänbige gürften ibnen
gnnftig, unb aud) mand)c non ben Xrunfenen fangen an, fic ald
gelehrte unb gefebidte ßcutc gelten ^u laffen. Söenn Jütten jene
^runfenen näher ald ^oflcute, non bobcni Söudbfc, in geftidten
Älcibcrn, mit gcfräufeltcn §aarcn unb Ä>ttcn um ben .^ald, bic
Söaffcrtrinfcr bagegen ald Icibarmc aber gciftveid)c, magere aber
febarffinnige fDMnndbcn befebreibt; menn er in ^e;^ug auf bic
leptcrn ben (Sonnengott audrufen lägt: „53ebntcn bic Götter bic
grogen kleinen!" fo fiegt man mogl, bag er babei an fieg unb
eigene ©rlcbniffe gebaegt gol-
SBäbrcnb biefer fllcben mirb in ben ©tragen 5lngdburgd
eine ^^roceffion fid)tbar: fie gilt bem päpftlid}cn Segaten Sajetan,
ber and feiner SKognung in bic ^Rcidjdocrfammlung geleitet mirb,
um gier bad 33egegrcn bed ^apfted in betreff bed Xürfenfrieged
oor^utragen. ^cr ^rieg, erläutert ©ol, ift babei nur 93ormanb,
bad ©anje eine ©pecnlation auf bad beutfege ®elb, bie aber
bicgmal fdjmcrlidg gelingen mirb, mcil fic fd)on allju oft fieg
micbcrgolt gat. ^ic 2)eutfdjen finb gemipigt, biegürften mad)cn
,yim 2:beil böfe @cfid)ter unb ber ßegat fiegt niegt luftig brein.
^od) mirb ber bödartige ©d)leid)cr noeg allcrganb SBcgc oerfuegen,
um ^u feinem 3iclc §u gelangen. S53ic lange mirb er biefed ©picl
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^te Vnfd(|QU(nben.
295
noc^ fpielcn ? fragt ^icr ^f^aet^on. ©o lange, anttnortct bcr ®as
tcr, bi^ bic ®cutfd)cn loeifc werben, welche jc^t no^ fRoin bur(^
• §lbcrg(aiibcn in öetbörung Ijölt. Unb ift cö na^c baran, fragt
jener, bag fic weife werben? 5lta^c.! nerfid^ert ber Sonnengott; '
benn biefer ba wirb ber @rfte fein, bcr mit leeren §änbcn ^eim^
fommt, jiim großen Sc^rcefen bcr ßeiligcn Stabt, wo man nießt
geglaubt hätte, baß bie Barbaren fieß folcßcö unterftchen würben.
So nämlich, erläutert Sol, nennen fic bic ®cutfchcn, wie über?
haupt alle Söller außerhalb Stalienö; ba hoch h^wlsutagc, wenn
man auf eeßte ©efittung ficht, bie ^cutfehen baö gebilbetfte Soll,
bie IRömer hingegen bic ärgften Sarbaren finb.
§icr fügt fich nun ein Sunbgemälbe uon ben Sitten unb
ber Staatöoerfaffung ber Xcutfehen ein, in weld)cö fich §uttcn
mit Siebe oertieft, ohne hoch babei bic ÖJefichtöpunfte au^ bem
Sluge 5U ocrlicrcn, wcld)c für fein ganje^ fchriftftcllerifd)eö SSir«
len bic Icitcnbcn geworben waren. 9tad) bem, wag bcr Satcr
oon ihnen fage, lönnten ihm bic 2)eutfd)en fchon gefallen, meint
Sh^Jclßon, wenn fic nur ihr Saufen laffen wollten. 5luch bem
Satcr gefällt biefeg nicht, befonberg, baß bic dürften barin mit
üblem Seifpicl üorangehen ; buch gloubt er bereitg einige Seffe^
rung ju bcmcrlen. ^ic hortnäcfigftcn Xtiiilcr feien jebenfaflg bic
Sachfen. Sie fipen beftänbig hinter ben Scchcrn unb ocrtilgcn
unbillige SHaffen Sicr; beim tränlcn fic SBcin, fo würbe bcr@r^
trag beg ganzen ^cutfchlanbg für ihr Sebürfniß nid)t augrcid)en.
3h^ Hppetit bleibt hinter bem S)urftc nicht jurüd, unb bem Uc^
berfluffc machen fic uugefcheut auf bic unpthigftc SGBcife Suft.
Shnethon, wie er fic fehmaufen ficht, glaubt einem ©aftmahlc bcr
Kentauren ober Sapitl)cn ju^^ufchen. ör meint, bieScutc müffen
gar leine Seruunft hoben. 5lber weit gefehlt: bcr Satcr belehrt
ihn, baß biefe toücn unb oollcii (S^icber*) Sachfen fo Ilug feien
wie anbere, ja llügcr; benn nirgenbg fei bag ©emeinwefen fo
woljl regiert, nirgenbg mehr Sicherheit; oon Äörper feien fic ge*
fünber unb ftärlcr alg alle anbern 2)outfchcn, unb im Ähricgc
tapfer ohne ÖJleichen. ^utten^g ölunft ober S^tachficht fichert ihnen
fchon bag, baß fie, wie Sol berichtet, oon Slcrjtcn nidjtg wiffen
unb oon ben Sflechtggclchrtcn nidjtg wollen. Sic fprcchcn nach
bem ^crlommen fRed)t unb beßnben fich babei beffer alg anbere
bei ben gefcheicbciicn (iJcfcJcu. ältich wuubcrt, feherjt hi^^’^ ^h^^*
29Ü
II. «u(^. 2. i^QpitcI.
tI)ou, bag bu utd)t fagft, fic tücrbcn burd^ ibr Xrinfcn befjer.
X)aö faflc icb nidjt, ciitgcflnct ©ol ; bas? aber -^cigt bcrXf)atbcftanb,
bag fic üiclCiS beffer aui^ric^tcn unb flüger cinrid)tcn aU irgenb
tpcid^e 9flüd)ternc. ®icHcic^t, picint ber ©o()it, ift if)ncn ba^ Xrin=
fen fd)on jo jur anbern f)flatur getporben, bag man fürchten mug,
ipcnn fic bapon liegen, möd;tcn fic and) Pon igrer '^icberfeit
laffen. 200^1 möglid), Perfekt ber anbere.
Xoc^ fegon jiegt ben jungen Öetra(^tcr ein anbere^ beutfegeö
^^arobojon an. @r fiegt Scanner unb SBciber naeft mit einaiu
ber haben, fic^ einanber füffen unb uml)alfcn, unb baö aüc^,
Perfic^ert ber SSater (ja noc§ mel)r, benn fic legen fic^ aud^ ipobl
^ufammen fc^lafen) in 3üd)tcn unb @^ren. 2iirgcnb^ fei bic
ipeiblic^e 0c^am^aftigfeit reiner beipal)rt als? in X)eutfd)lanb , rno
fic fü ipcnig bcmad}t fei, nirgenbö merbe bic @()c ^eiliger gct)al=
teil. Xie Männer feien nid)t ciferjüd)tig mic in 3^talien; über»
l)aupt l)crrjc^c in allen Xingen Sßertrauen, 0ffenl)cit unb Unbe*
fangenl)eit. „SEBa^rlid) fein fc^limme^ SSolt!" ruft l)ier fßl)act^ou
anö, unb nun mirb ber rotl)bacfigc, garms unb arglofc Xeutfc^c mit
bem bleid)en, ncibifd)en, Pon Scibenfd)aften jerfreffenen Italiener mit
feinem Xolc^ unb ®ift in einen fpredjcnbcn (£ontraft gefegt.
Einmal im 3ngc beä 2Bol)lgcfalIen^ an ber beutfe^en Station,
finbet unfer 23cobac^tcr, nid)t ganj mit 9ftcd^t, auc^ ba-5 l)übfc^,
baö bie Xeutfd)en feine gemeine Äaffc gaben, fonbern im gaü
eincö Äriegö bie iioften erft j^ufammenfteuern ; ipoburcg er auf
bie Vülitifcgc 2Serfaffung Xeutfcglanb^J ju fpredjen fommt. iöon
ber iBicbe berXeutf(^en jur Unabgängigfeit gegt er aug. Sgren
gürften bienen fie treu, aber in freier SBcifc, ber eine biefem,
ber anbere jenem; inggemein erfennen fie jenen eilten bort (3J?ai*i=
milian ift gemeint) für igren §crrn, ben fic Ä^aifer nennen; ben
egren fic, fo lange er nad) igrem ©innc ganble, ober fürdjteii
ign iüd)t, feien igm aueg nid)t fegr gegorfam : bager igre langen,
unergiebigen 23cratgungcn, in benen fic menig ©emeinfinn geigen ;
bager bie Piclcn ©treitigfeiten unb inncrlid)en Äriege unter igncii,
unb bag 'Scglimmfte, bag ber Äaifer genötgigt fei, biefe ^u näg»
ren, um burd) gegenfeitige ©djmäcgung ber gürften fieg oben
galten, ©igentgümlidjfciten freilid), ipclcgc bic Xcutfd)en j\ur
.Jierrfdjaft über anbere iöölfer jiemlid) untücgtig maegen. Unter
ben gnrften, fägrt 0ol in feiner ftatiftifd)cn 23clcgrung fort,
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Die 9(nj(^aucnbcn.
207
feien bie einen geborene, bic anbern emätjltc: (e^tcrey bic 33is
fc^öfc unb gciftlic^en Herren. Unb feien biefe an SÜ^ac^t
wie nn ben anbern überlegen: mer)r halb ^entfdjlanb
fei Don Pfaffen befeffen. d)aben bic 3fiac^fominen bem
51bcrglaubcn i^rcr ®orfa()ren jii üerbonfen, welche bnre^ 3Scrga^
bung ii)rer @ütcr an bicÄirc^e ihren ucrarmenben @nfcin Herren
erfauft hoben. 9lach ben gürften fommen bic ©rafen, unb an
fic fchücgc fich ber gemeine Slbci an.
§ier fommt Jütten auf feinen eigenen @tanb p reben,
unb ba jeigt er gan;\ ben fWitter^mann. Unter bic fcltfamcn Er-
wartungen, bic man non grofeen EJeiftern 5U h^-’Ö^n pflegt , gehört
auch bie, fie non ^aufe auö über ©tanbeöuorurthcilc erhaben j;u
finben. gm ©egenthcil, je ftärfer in berglcichen SJicnfchcn bic
9latur wirft, befto ftärfer jicheu and) fold}c iöanbe an. gür fich
ift .Jütten über biefe 33efangcnheit fein Seben lang nid)t hi»ou3^
gefommen: nm fo l)öh<^r müffen wir e^ ihm anre^nen, baß er,
wo eö honbeln galt, baö ®orurtheil bei ©eite ju fepen wußte,
wie wir an feinem Orte pnben werben. |)ier fpridjt er feine
ritterlichen 3“= onb 5lbncigungcn nod) mit ber nniuften Offeiu
herjigfeit auö. a)iitfRed)t läßt er bic fricgcrifd)c Xüchti^feit, mit
3^lccht and) baö an bem fRitterftanbe rühmen, baß berfelbe nod)
einen 9left oon uroätcrlid)cr 0ittc, oon altbcntfd)cr öieberfeit
bewahre. ®aß auf ber anbern 'Seite bic ^Ritter burd) if)tc geh=
ben unb fRäubcrcicn Dielen befchwerlid) fallen, leugnet er nid)t.
Er fucht eö aber ju erflären. 30m Xhcil tl)un fie cö, fagt er,
im i)icnfte ber gürften, bie fiel) ber fRitter al§ Stü^en ihrer
Elcwalt bebienen. 3oni 2^hf'l flcfchehe eö aber auch auö §aß
gegen bic Äaufleiite unb bic freien Stäbte. ^cr SBiberwiße ber
fRittcr gegen bie Äauflente wirb auö ihrer $lnhänglid)fcit an bic
oatcrlänbifchc Sitte, ihrer ^(bneigung gegen baö grembc h''*’^ÜC=
leitet. Sie hoffen in ben Älaufleuten biejenigen, wcld)c mit au^s
länbifd)en Stoßen unb EJewürsen Suju^ unb 2Beid)lid)feit in
^)eutfchlanb cinführen. E‘3 wäre fein Seßaben, meint ber junge
.^ipfopf ^hoethon, wenn cö ben fRittcrn cincö Xageö gelänge, alle
biefe fremben SSaaren fammt ben Äauflcutcn ju Dcrtilgcn.
^utten’ö Slnfchounng Dom .^onbcl war, äße feine 5leußcs
rungen über benfelben ^nfammcngerechnct, ftaatöwirthfchoftlich
wie culturl)iftorifd) gleich ciufeitig. Er fal) in erfterer $infid)t
298
II. 93uc^. 2. Papiiel.
mir auf bcu (bamalö frcilid^ übertuicgenbcn) Sinport^aiibcl, bcr
ba§ @clb Quö bcm ßanbc gicl^t; in Icgtcrcr nur auf bic SSer=
mcl^rung bet 33cbürfniffc , bic bcrfclbc im ©efolgc Oat. SBic
bcibc§ ftd) U)icbcr in's @Icid)c bringt, mie insbcfonberc bcr $anbcl
als unfd)ä^barcr S3itbung^t)cbcl Don jc^cr gcmirft I)at, ba§ über*
fa^ $uttcn, ^alb auö rilterlid)em SßorurtI)cil , l)alb anö fc^uls
müßig rt)ctorifd)cm ©toiciömuö. ©benfo menig, unb au^ ä^nlic^cn
Wrünben, ßat er ba3 SBcfcn bcr ©tobte begriffen. §ln biefer
©tcüc gibt er eine ^öd)ft fpaß^afte 65cfc^ic^tc i^rcr ©ntftebung,
in tt)ctd^cr fic Icbiglid) alö @r5cugniffe ber 5ßermcid)lic^ung, atg
©d^ufemc^ren für bic geigen unb Xrögen, bic fic^ nic^t me^r im
freien gelbe mehren mochten, crfc^cinen. ©olc^c ®crbcrbniß,
foldjcn Slbfall üon altbcutfc^cr ©ittc ju l)affcn unb 511 beförnpfen,
l)übcn bic S^ittcr, aU SSertreter bcr Icjtcrn, allc^ ^cd^t; bo fic
aber jenen ©ntorteten f)intcr ben SBöHcn unb 3J2auern i^rer
©tobte nic^t beifommen fönnen, fo bleibt i^nen nid)tö Slnbercö
übrig, olö, mciin einer ouöreift, if)n untermegS nicbcriumcrfcn
unb ouö^uplünbern. ' ©0 bringt Jütten am @nbc gar I)crau^,
baß bic ©tobte für folc^e 93efel)bung ben fRittern nod^ banfen
müffen, meiere allein i^r uöUigcö S3crfinfcn in tröge Ueppigteit
uerl)inbcrn. 33cgrciflid) mußte, mer einen ^irdf)cimer , einen
'4?cutingcr ju greunben ßattc, Sluönal)men unter ben ©töbtcbc-
iüot)ncrn üorbcl)altcn ; mie, mer ber öffentlichen ©timmc jener
^age nicht aH^u grcH mibcrfpredjcn moHtc, baö ritterliche fRaubs
lücfcn nid^t loben burftc. 5lllcin, inbem ^uttch c^ tabclt, nennt
er cö hoch einen „mannhaften grcOel"; jene ©tegreifritter Oer?
fahren ihm nur ^u rauh gcloaltfam : cö müßte fich ein gcfe|=
lieber SBcg finben laffen, bic fremben Söaorcn au^jufchließen,
unb jenen ©chnjelgcrn unb Wienern bcr ©chiuclgcrei bie SBahl
,^iüifchcn einer anberu Sebentot ober bcr Sluömanbcrung ju
fleUcn.
^od} nod) fchlimmcr al3 bic ^auflcutc, fährt bcr bclchrchbc
©ol fort, feien bic Pfaffen : fic tragen jum gemeinen S^luhcn gar
iiidjtä bei, fonbern unffen nur in Trägheit unb Ueppigfeit ihten
üctb 5U pflegen, gn ihnen fei gar nichts uon bcutfd)cr 5lrt mehr,
unb cö fei eine ©chonbe für bic Station, boß fic au§ mißOcrftau=
bener grömmigfeit fic noch bulbc. (Sine glcid)c Semanbtniß h^^^c
C‘5 mit ben äl^öndjcu, oon beren 53cichthörcn unb ?tbfoloircn eine
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2)« 9lnf(^oucnbcn.
299
fomifd^c 93cfd^rci(nutc^ qcc^cbcn tüirb. oKcbcm ivirb am @nbc
bcr 0rf)Iu6 flcjotjcn, bag bcni bcutfc^cn SSolfc eine aUflcmcIiic
Sßerbefferung bcr ©itten t^ue, bic f)auptfäd}nrf} gegen Pfaffen
unb ÄQufIcute ftd) rieften mügte.
3nbcm bic beiben erhabenen Sefc^auev fo reben, benterfen
fie, bag au^ bcr ^roceffion bort unten, bic fic eine SBeilc aug
ben klugen gelaffcn, einer i^ornig ju ihnen hcroufruft unb herauf?
blieft. @g ift bcr päpftiidhe ßegat, tuclcher bem ©onnengotte
SBortoürfc macht, bag er nid}t, mic jener ihm hoch bei feiner ?tb?
reife aug 3talien befohlen, mährenb feineg Slufenthaltg in bem
falten ^Dcutfd)lanb beffer unb märmer fdjcine. ©eit ^chn 2^agcn
habe ©ot feinen 33lidf burch bic Söolfcn getljan. 0b er nidjt
miffc, bag bcr ?^apft (unb ber habe jept feine gan.^e ©cmalt auf
ßajetan, alg feinen Legatus a latere, übertragen) allcg, nicht
blog auf @rben, fonbern aud) im §immcl, nach belieben binben
ober löfen fönnc? 5llg bcr ©onnengott crmicbcrt, baoon habe
er mohl gehört, cg aber nicht geglaubt, nennt ihn berSegat einen
fdjlechtcn (Shriften unb broht, i()n cjcommunicircn unb bem
Xcufcl j\u übergeben, menn er nid)t ciligft um Vergebung bitte
unb bem (Sopifteu beg Segaten beichte. — Unb locnn er bag tt)uc,
mag bann? fragt bcr ©onnengott. — ^ann merbe er ihm, ant?
mortet bcr Segot, jur S3u6c entmeber ein mehrtägigeg f^aften
oufcrlcgcn, ober eine 5lrbcit, eine Pilgerfahrt, ?llmofcn, ober auch
Sluthcnftreichc für feine ©ünbe. — ^Ig ©ol über folchcn SBahn?
mife fid) luftig macht, mirb bag Pfäfflcin brunten gan^^ müthenb
nnb thnt bie ©onnc in ben 33ann. ©ol befänftigt cg burd)
ücrftclitc Slbbitte unb bemerft ju feiner @ntfd)ulbigung boghaft,
bog er nid)t hcHcr gcfdjicncn, bamit habe er bem Segaten einen
©cfaflen tl)un mollcn, in ber 9J?cinung, biefer habe mand)cg ju
betreiben, mag bic ®cutfd)cn nicht fehen fotten, iö. feine Um?
triebe, um Äarl’g 3^cftimmung ^um 9^achfolgcr feineg ©rogüatcrg
^n oerhinbern. 5lug ben 2)cutfchcn mad)c er fich nidjtg, ermiebert
(Sajetan; hoch möge ©ol cg ihnen nidjt oerrathen nnb ^mittler?
mcile in ®cntfchlanb Peft erregen, bamit oicle Pfrünben unb
geiftlichc Sehen Icbig merben, aug benen bic neuernannten (Sar?
binälc, moruntcr er fclbft, ©clb pichen fönnen. Stuf ©ol’g @in?
menbung, bag er bonn nid)t hcÖ fd)cincn bürfe, beim jur Peft
fei 9tcbel nnb trübe Suft crforbcrlid), ^eigt fid) algbalb, bag bem
300
II. ^ud(|. 2. ffül)itcl.
ßcflntcn om @clbc boc^ iiorf) mcl)r als am ©onncnfdjeinc liegt:
unb nun f)ält .^uttcn’S (SBcnbilb, ^^act^on, fid) nid)t länger.
@r fd)ilt il)u einen t)errud)ten 33öfcmic^t, ^ei§t i^n bem ^apftc
fagen, menn er nic^t fortan anftänbigerc £egaten nad^ 2)eutfc^s
lanb fd)ide, merbe eS einer ©mpörung ber Sd)afe gegen einen
fü iingercd)ten unb blutbürftigcn Wirten fommen, unb mibmet
il)n, als ber ßegat nun auc^ über i^n ben 53ann auSfprid)t, bem
^ol)iigeläc^ter aller ^eutfe^en , bic i^m oicllcici^t noc^ etttwS
0d^limmereS ant^un merben. @ol aber, mit Scrac^tung gegen
ben ©Icnbcn, mcld^em ^^aetl)on nod) eine Söermünfebung l)inuns
terruft, Ijcigt biefen ben Söagen mciter Icnfcn.
3n bemfclben grü^jal)r mit ben öiefpräc^en, bie mir in
biefem nnb bem oorigen ^^apitel betrachtet haben, gab Jütten
eine ältere uon ihm aufgefunbene (Schrift, mie früher bie oon
ßoren^ 93aHa über bie ©chenfung Äonftantin’S, mit einer gel)ar>
nifchten Sorrebe hci'on^- 3n gulba, aus beffen SDomftift er einft
als junger Wenfd) entlaufen mar, unb mo nun, nach bem Sftücf-
tritt §artmann'S Don ^^irdjberg, ber S^effe feines ehemaligen SJor*
gefegten, ©raf 3ol)ann oon §enneberg, als 2lbt regierte, hic^l
fid) je|t Jütten, auS (SJelegenheit feiner üöefuchc auf ber oäter*
liehen 33urg, bismcilen auf. SBaS ihn an^og, mar howptföchlich
bie uralte ^öibliothef, bie einen fdjäpbaren SSorrath oon ^anb=
fehriften befafe. §ier fanb .gutten einen ^liniuS, ©olin, Duin=
tilian, 9JMrcelluS mediciis, bic er in 5lbfd)riftcn feiner SibliotheC
cinocrlcibtc. 3n gulba mar im 3al)rc 1519, als ,§utten eben
beS mainjifdjcn .g)ofbicnftcS entbunben mar, Joachim SamerariuS
mehrere iagc in oertranlid)cm öertchr mit il)m jufammen. S^icU
leicht mar eS bn^umal, bag t^utten, mie er am 26. Detober beS#
fclben 3ahreS oon ©tcdclberg auS an (Soban berid)tete, beim
©töbern unter alten 93üchern, oon ©taub unb SJ^ober bebeeft,
einen ®anb ohne 3!itel unb ©(^lug, in fehr altcrthümlid)cn
©d)rift5Ügen, fanb, in mcld)cm er halb eine ©chrift auS ben
Seiten §einrich'S IV., 511 beffen ©unften unb miber ©regor VII.
Oerfagt, ertanntc. „Xu mirft", fchrieb er barüber on ben greunb,
„einen ©chriftfteller fennen lernen (benn id) gcbente baS Such
heraus, ^ugeben), mie bu ihn in jenen h^IIcft.
©d)arf beftreitet er ber ^äpfte Xprannci unb fämpft muthig für
bic beutfd)e greiheit. gd) lennc nid)ts greimüthigercS, nid)tS
'S
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Sfunb auf brr fulbifc^en ^ibllot^et. 3uf(^rift an Sr^rjeriog t^erbtnanb. 301
JJcinercö in bicfcr fo fd)Iäcjt c^5, fo jcrmahnt unb crn)ürftt
eö bie Betrüger. 3c^ i)abe ber 9J?ül)c tücrt^ gcijaiten, eine
3Jorrebc bn5U ju {djreibcn, njelc^e in Sßerbinbung bamit crfc^einen
mirb. S^iad^c Don biefem fdjöncn gunbe ben greiinbcn in beiner
iRal)e 2Kittl)eilung, um i^rc ©rmartung ju erregen; beim ic^
glaube nic^t, bag cö fd)on 3emanb gefegeu l)at, unb tbuc mir
Diel barauf ju @utc, ctma^S )o 9Sortrcfflid)cö unb Sflotbmcnbigc^
in biejer 3»-'^ an'ö 2i^t ju bringen" ‘).
5)ie 0c^rift ift, mic fic^ auö il)rem Sn^alt ergibt, um ba-g
3u^r 1093, alö ©regor VII. fegon tobt mar, aber bie burd) i^n
ocrurfac^ten firc^lic^en unb politifd)cn SSirreu nod) fortbauerten,
für ^einric^ IV. unb beffen ^apft Siemens III. gefc^ricbeu unb
gat, mic fpöterc gorfegungen* ergeben t)abcn, ben 33ifc^of SEßalram
Don 9taumburg 5UIU SBerfaffer. ^ie 2obfprüd)e, bie Jütten i^r
crt^cilt, oerbient fic in ber ftcflt fic^ auf ben 53obcn
bciS gciftlidjen ^rimat^ ber römifc^en Äird)c, meift aber nur um
fo entfe^iebener bie pöpftlic^cn Uebergriffe in baö ©ebiet ber melt^'
licken ©emalt jurücf. Äönige 5U machen ober abjufc^cn ift nic^t
ber Rupfte §lmt; baö Sinben unb Söfen, mo5U 6l)riftu^ bem
^ctruö bie 33ollmac^t gab, beliebt ficb nur auf bie ©ünben, nicht
auf ben @ib ber Xreuc, ben i^ölfcr unb gürfteu ihrem Dbcrhcrrii
gefchmoren 2)cm ^Jlachfolger ^etri gebührt eö, gdebeu
unb ©inigfeit ^u ftiften, nid)t »ötreit unb <Epaltung: fein Schmert
ift nur ein geiftlicheö, fein Äriegerfchmert. ^Diefe unb ähnliche
3bcen merben flar unb büubig, mit 0chärfe gegen ©regor, unb
bodj im ©eiftc apoftolifchcr SKilbe oorgetragen.
^ci einer ©egrift, bie jur S3erthcibigung beö beutfehen
nigthumd gegen päpftliche Uebergriffe gefchrieben mar, lag cö
nahe, an ben neugcmählten Äöuig Äarl ^u benfen. fonnte
nichtig fd)aben, ihn in biefeu ©piegel bliefen ^u laffen, um ihn
im iöeginnc feiner ^Regierung fd)on mit bem uollcn iöcmugtfcin
feiner ©tcllung gegen 9lom, ber 9tothmcubigfeit cineö fcfteu 2lufs
trctciiig gegen baffelbe, ju burchbringen. 2)od) Ä\irl mar noch in
©pan len. dagegen mar fein ©ruber gerbiuaub in beu S^ieber?
lanbcii angefommeu, unb fchieu jmedmägig, einftmcileu biefeu
ju geminnen, um uad)l}er burch ihn nuf ben ©ruber mirfeu ju
1) @o(>on, S4iriftfn I, 6. 313 f.
302
n. Sud(|. 2. i^opttel.
fönncn. 5tuc^ ©icfingen Oattc cö bamalö Dcfonberö auf gctbi^
uanb abgefctjcn *). tiefem tüibmcte ba^cr ^utten bie gefunbene
©c^rift, bie im 1520 ju äf^ainj ^crauöfam*).
Xcm neuen ^Hegenten Äarl, fü^rt Jütten in feiner S^^ig-
nung auö, fei jebeu üerpflidjtct, naclj 5^räfteii bie beften fRatl)-
fd)läge ju geben. 2öä()renb anbere i^ii in aubern üöe§ic^ungcn
berat^en, Ijalte er, §utten, für feinen Söernf, i^n anfiä briiu
genbfte anfiuforbern, bafe er bie beutfe^e 9lation nid;t länger ber
fc^impflic^en 2^ijrannei bes^ ^apfteö preiggegeben fein laffc. ©ie
abäumc^ren, fei nütl)menbiger aU ben Xürfen jn befampfen. 3)iefc
Söa^r^it, biefe 9^otl)menbigfeit anfc^anlic^ jn machen, merbe er
aHeiS ^iöglic^e tf)un, ol)ne gurd^t nur (^efal)r unb mit bem Söc^
mugtfein, fid) baburc^ ein SJerbienft ^u ermerben. ^£)arum ^abe
i^n auc^ ber unerroartetc gunb biejeö 2&nc^ fo erfreut, ba
ganj in bie ßeit unb feine ^bfic^ten paffe. SBärc bamalö Äarl
jur ©teile gemefen, fo mürbe er in feiner grenbe ju U}m gclaus
fen fein, in ber Ueberjengnng, ba§ berfelbe feine @abe ju fc^öjen
gemußt unb üiellcid)t auc^ in bem @eber ctmaö für il)n, ben
Äöuig, ^5)ienlid}e!§ gefunben ßätte. @inen größern 2)ienft fönne
ja beiben jungen gürften 9liemanb ermeifen, als mer fie nidjt
länger Älnedjte fein laffe. ilnedjte ber römifc^en öifc^öfe aber
feien alle biejenigen beutfe^en ilaifer gemefen, melc^e fic^ bie 5)C'
müt^igungen bei ber SJrönung, bie Eingriffe in bie fHegierung,
bie ^lünberung 2)eutfd)lüubS, mie fie feit longem ^erfömmlic^
gemorben, Ijaben gefallen laffen. SlnberS §einric^ IV. g^n, mie
biefe ©c^rift i^n ma^rljeitSgemäß, gegen ultramontane SBerläum*
bungen, barftelle, möge Äarl fid) jum SSorbilbe nehmen, unb
gcvbinanb ben trüber ba^u ermuntern. Jütten oßneljin merbc
i^nen als fleißiger 2Jiaßner jur ©eite fte^en, o^ne fic^ burdß
^roßungen fdjreden ju taffen. SBon 2eo X. (bem fofort äl)nlic^c
(Komplimente mie in ber S3orrebe ju Sorenj SSalla'S ©c^rift, bod)
fc^on Diel ^meibeutiger, gemad)t merben) perfc^e er fieß feines
Uebeln. 2luc^ fönnten ja bie römifdjen Söifc^öfe nichts ÄlügercS
1) Jütten an 9JteIanc^t()on, SJlainj, 20. Sfonuar 1520. 8d^riftcn I, 6. 321.
2) De unitate ecclesiae conservanda, et schisinate, quod fuit inter
Henrichum iV. Imp. et Gregorium VII. P. M. etc. Soron Ulrichi
ITutteni eq. ad 111. principom Ferdinandum Austriae Arcbid. etc. in
soquentem librum praefatio. 3)ic|c in ^)utten’8 Sd^riften 1, 6. 326—334.
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Si&dflellen bet Jütten.
303
t^un, a(ö einer ©etuatt unb ©teflunfl, bic fic ollgemein tJcrboBt
mac^e, fie inenfc^lic^er fRac^e unb göttlicher ©trofe auöfefte, frei-
willig 511 entfagen. S3on bem @rpreffung^= unb ^euortl)eilung^'s
f^ftem, welche^ bie ^ßäpftc gegen S)eutfd)innb in Slnwenbung brin^
gen, wirb hi^i^iiuf eine fummarifchc 0chilberuug entworfen unb
babei al§ ba)g ©chmäl)lict)fte bOiS gefunben, „ba§, wäl)reub unferc
Vorfahren für unwürbig ^cn ^Römern, bic bamatö ba^
frieg^ewaltigfte SBolf waren unb bic SSelt bejwungcn hatten, 511
gehorchen, wir nun biefe SSeichlingc, ©flauen ber SBoKuft unb
SSöücrci, ein faulet, wcibifchc^, muth= unb nmrtlofeö ©efinbcl,
nicht bloö bulbcn, fonbern auch, um ihnen ihr SBohßcbcn mög*
(ich macheu^felbft fchmöhlidh barben, ihnen, glcidh alö hätten
fie unö im Äricg überwunben, Xribut befahlen unb unfre (Srb.*
gütcr an fie ucrfchwcnbcn." ^cm foUcn bic bcibcu erlauchten
trüber ein @nbc machen, fie foüen i()r ^Regiment bamit eröffnen,
bag fie ben 5)cutfchcn bic greiheit wicbergeben, unb jenen ihr
Stauben, ^lünbcrn unb Xrügen legen: ‘Da^u mitjuwirfen, fommc
biefc^ Büchlein gcrabc recht, iubem cö geige, baß auch ff^on frü-
her unter weit ungüuftigern Umftänben baä ÖUcichc gewagt wor-
ben fei.
©chon in ben uorhin betrachteten ^cfprächcn waren uon
Jütten guweilcu, befonberö wenn eö barauf aufam, bie ©ntars»
tung ber römifchen itirche anfchaulid) gu machen, biblifchc ©teilen
angeführt worben. 2)och h^iUc er fich ebenfo oft nod), wie früher,
- claffifchcr ©teilen, uornchmlid) auö römifchen 2)id)tcru, bebient.
5)ie§, wad feinem ^öilbungögange cutfprach, gibt er nun gwar
auch ferner nid)t auf. 2)od) im gleichen S^erhältnig, wie er uon
bem huwaniftifchen S3oben nad; unb na^ auf ben fir^lich=refor.«
matorifchen hinüberrüeft, fangen auch bic 33ibelfprüd)c bic claffi»
fehen 9lcminifcengcu gu überwiegen an. 3^^”^ crftenmalc fällt
biefe iDianier in ber SBorrebe auf, bic wir fo eben bcfprochcn h^*
ben. ©ie fällt auf, weil fie bichmal weber uon ber ©adhc, noch
Uon ben ^erfonen, mit benen Jütten eä gu thun h^ttc, gefor^
bert, jo für bie le^tcrn faum geeignet war. 2luf bic beiben jun?
gen gürften, bic er für feine 3bcc einer @mancipatiou uon ^om
gewinnen wollte, wor fichcr burch politifchc @rünbc mehr Öin-
bruef gu machen, aU burdj bic ©tcHcn aud.3cfaiaö unb (Jgcchicl,
SJ^atthäuö unb Sohauueö, mit benen er feine 9tebe uergierte. 2)a
304
U. $u(^. 2. ilapitd.
er an ber alten 0^rift, bie er beuonnortet, unter anberm rü^mt,
U)ie gefc^ieft fie au^ bein ©uangclium unb ben Sßorten S^rifti
jufammengefügt fei, fo fann fc^cinen, bag fie junäc^ft il)n jur
9iac^Ql)niung ueranlafit Ijabe. ^oeb bcl)iclt er biefe IMrt fortan
bei unb bilbete fie njeiter auö. 2)arin beftärtte i^n Sut^er'ö
Sßorgang. Unb toie er nun oom näc^ften 3al)r an fic^ an bie
Sßerbeutfdjung feiner latcinifd)en unb an Slbfaffung oon beutfe^en
Schriften begab, fo toar aüerbingö in benjenigen Älreifen, für
njelc^c er je^t fd)rieb, biefe ÜJianier bie n)irffamfte. ^)ag fic
§uttcn unb feinen Söerfen gut ju ©efic^te ftünbe, fönnen wir
nic^t fagen. ®em alten öifc^of, beffen 0cbrift er baruni lobt,
ftcl}t fie ganj wol)l. 2utl)er’n au^. Xenn beren ganje ^enfart
ift au!^ gäben gefponnen, bie auö öibel unb Äirdje gejogen fitib.
$)a ift C!^ alfo ganj natürlich, bafe bie oon tl)Cologifc^em ®ciftc
burc^brungene 33ctrac^tung fid) oon 5^ Seit in biblifd^e
©c^lagworte jufammenfaßt. 2)a^ ift bei §utten gan^ anberö.
©eine 33itbung ift eine burc^au^ weltliche, tl)cilö l)umaniftifr^,
tf)ciU politifd^. ©elbft baö Älird}lic^e unb fReligiöfc betrachtet
unb behanbelt er auö biefem ©cfichtöpunfte. ^aju paffen nun
bie '^ibelfprüchc nid)t, bie einer ganj anbern SBeltanfchauung ent-
ftammen. 0o gefc^idt fie im ©injclnen eingefügt finb, fo bleiben
fie hoch bem ©anjen fremb. (Sie ftören, ftatt ju förbern. 3J2on
gloubt ftellenweife §utten in Äutte unb Äapu^e fich üermummen
ju fehen, ben hoch nur ^arnifch unb Sorbeer fleibetcn. 2)a6 er
babei für feine lateinifchen Schriften an bie SBulgata, für bie
beutfehen an Oorluthcrifdje ^ibclüberfchungcn gewiefen war ’), in
benen üiele, befonberö altteftamentlidjc Stellen gar nicht ju Der?
ftel)en finb, war noch befonbrer Ucbelftanb.
Um bie julclt oon und betrachteten Schriften
erfd)ienen, oermutheten ^uttcn’d franlfurtcr 33ctannte, oon benen
er ,^u Anfang gebruard in ber 9lichtung nach Stccfelbcrg fich
getrennt hotte, ihn in Bamberg bei ßrotud fRubianud, ber oor
iurjem aud gtalien jurüdgefommen war. 33cibe greunbe hoUen
fid) Jiulept im guni 1517, wie ed feheint in ®enebig, gcfchcn; .
1) 2u!l|fr’§ ®ibfIübfT|c^un(i fittfl erft ju crf4|cinfn an, toxt
jd^ntt^ellrTifd^c Saufbobn natif}u grfcbloficn toar; baS 3). %. erf^irn im Sept.
1522; boni «(trn 1523 bi( ^üd)a ^oftS.
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Jütten unb 6rotu§.
305
im ^luguft bc^ folgcubcu mar ßrotii§ mit feinen Söglin-
gen in 53ülogna, tuol)in if)n glitten an Suliue üon pflügt ein?
pfal)l; büvtt)in ober nad) fRom luaren and) bie ©rüße gerichtet,
melcße §ntten @nbc SJiai 1519 bem Chilianus Salensis briefließ
an ißn nad) Italien auftrug; benn^ in jenem Sommer befueßte
(Srotuö 9tom; im grüßling Soßre^ 1520 feßrte er nad)
Deutfd)lanb ßeim, unb tarn über 9türnberg, tuo er bei ^ircfßcimer
einfpraeß, nad) öamberg, n>o 3lnbreaö unb Safob gueßö, bie
öenuanbten feiner S^günge, aU $)omßerrcn lebten ').
Äud) für Srotud, mie früßer für $utten, gemann biefe ita=
lienifeße 9leife, inöbefonbre ber 5lufentßalt in fRom, eine tiefgrei'
fenbe 3)ebeutung. ^er geinb, ben er biö baßer betämpft ßatte,
mar bie 0d)olaftif mit ißrer Unroiffenßeit unb Unbilbung geme^
feil. 5)a mar bie SBaffe hei ßäcßer ließen, in bereit güßrung ci
ißm oon ben SDtitftrebenben feiner juüortßat, ganj an ißrer
©teile. 9tun fam er an ben ©i^ hei Äird)enregiment^, beffen
©tüfee jene ©cßolaftif mar, unb oon bem fie ßinmieberum geßaU
teil mürbe. Söaö er ßier faß, ging au^ bem „alleö belad)enben
(Srotu^" über ben ©paß. „S^eulicß mar icß in fRom'', feßrieb er
au)S iöülogna an ßutßcr. „3cß faß bie^)enfmale ber eilten, faß
ben ©tußl ber ^eftilen;^. ^aß i(^’ö gefeßen, ift mir lieb unb ift
mit leib*).'^ 2)ie moralifeße ^cffuntenßeit, ber SRangel jebeiS
ernften religiöfcn ©inneö, gingen über feine ISnuartung. Unb
füld)ed SJerberben näßren mir mit unferm ©elbe 1 ÜRan muß ben
^)eutfcßen bie klugen öffnen, muß fd)rcien unb feßreiben „gegen
bie f^öblicßen ©itten, bieSlom un^ ßerau^fd)idt". ®a5U beburfte
ei aber eineö anbern Xonö, einer anbent Äampfmeifc aii gegen
bie ©cßolaftif. 9lun maren bem (Srotuö eben erft in Italien bureß
1) Obige ?lngQben bcrulien auf ben ^tiefen öon 6ocl(|iau§ an ^irrf*
Reimer, 5ranff., 6. ^ptil 1520, in ^utten’8 ©c^riften I, 336; öon Jütten an
^flugf, «ugSburg, 24. ?lug. 1518, a. o. O. S. 187, an Chilianua Salensis,
efelingen, (5nbe 3Kai 1619, q. q. O. 6. 267, on grieb. 5if«^er, bei Cfelingen,
21. Wai 1619, 0. o. O. 6. 273; bon ßrotuS an fintier, j. bie nä(l)fie Tin»
nterfung.
2) 2)ie brei benftoürbigen ®rie|e öon CrotuS an Cut^r» owS Bologna
öont 16. Octobet 1519, ebenba^er ol^ne 5)atuni, aber ettt)a8 Ipfiter, unb auS
® amberg oom 28. Tlpril 1620, finb abgebrueft in ^utten’S ©d()riften I,
S. 307—312. 337—341. ,
VII. 20
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306
II. «ud(|. 2.
feinen grculib 3ofob gud)ö, ber nad) i^m bo^in pilgcrte, bie
erften S'lodjric^ten non Sut^er’ö Auftreten jngefonunen. ©o lang
er in ^eutfdjlanb njar, f)Qtte man „non biefem punifc^en Kriege'"
nodj nid^t« gehört. @rfte, moö i^m oon ©djriften in ber
@ac^e in bic ^änbe fam, myr ber 5)ialog beö ©ilüefter fßrierioö
gegen Sut^er. nmr berfelbe ^nnfeimonn, ber fdjon gegen
S^eudjlin gemirft ()atte, i^n alfo an feine alten Kämpfe erinnerte.
Uebert)aupt maren eö auc^ jept mie bamal^ ^aiiptföd^lic^ mieber
bie ^Dominicaner, bie fic^ bem neuen Sichte entgegenfteHten. ®ann
la§ er ßut^er'ö Öerid^t über feine ©erbanblungcn mit bem ßar^
binal ßajetan in ?lugöburg. ^ein, mar baö mirtlid^ fein e^ema=
liger 0tubiengenoffe non (Erfurt ^er? ber finnige SD^ufieug uiib
^l)i(ofopb, ^cr i^m bann hinter ber Pforte be^ 2luguftinerfIoftcrö
Oerfd^munben mar? 3a, er ib« ö^^^^^nt, biefen SUiartin,
nnb boeb nicht gelaunt; jept erft gingen i^m über ben alten 53e=
fannten bie redeten Sichter auf. 3cpt fah er in ihm ben
SKann, mie bie 3^it, mie bie Shtiftenheit unb 2)eutfchlanb ihn
beburften; jc(jt hielt er ihn al)S ben erften, ber e§ gemagt, baö
SBoll beö §errn oom fd)öblid)en Söahne loöjnmadhen, beö S^amenö
©ater bei8 öaterlanb^, einer golbnen Silbfäule unb iäl)rlid}er
gefte mcrtl). Unb nun erinnerte er fi^ au^ mieber bc0 befon^
bern Umftanbed, ber Suther’i^ ©intritt in baö Älofter junächft
oeranlagt h^tte: ber 33üpftrahl ber ben Don feinen ©Itern ^urüefs
fommenben oor ber ©tabt ©rfurt ju 33oben marf, be^;eichnete ihn
al^ anbern ^aulu§, freilich erft für ein Diel fpätereiS Serftänbnig.
3()?it biefen ©efinnungen, bic er bem fern unb unbeachtet
üon ihm jum großen 9J?anne emporgernachfenen 3ugenbbelannten
in mehreren ^Briefen auöjubrüden fich gebrungen gefühlt, fanb
nun ber hcimgelehrte ©rotm? ben $er^en§freunb ^uttcu mieber
@r hcitte ihm auö fRom eine©d}tift beö9licolauä oon©lemangi§
au'g bem Einfang beö 15. 3ohrhunbertö über ben Oerborbenen
©tanb ber mit Äircheeiner ßueignung unter erbichteten Flamen
^ugefchidft ^), anbrerfeit)^ bon ihm 3iifcubungen erhalten, bic eine
1) SHe 3uf4rtfi: Eubulus Cordatus Montesino suo, oor ber ba«
mal§ toteber ^erauSgegebenen Sc^irift be§ SlemangiS De corrupto ecolesiae
Btatu, toirb mit SBo^rfilicinn^ffit bem 6rotu8 beigelegt. S. ^utten'S
6(^riften I, ©. 277 f.
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Jütten unb 6rohi§ in Bamberg. d07
ä^nlic^c SBenbung in bcn öcftrcbungcn bc8 grcunbe^ bciirfun»
beten, ^efet war er faum einige 2;agc in Homberg bei ben ®e*
brübem alö er burc^ §utten'd Stnfunft übcrrafc^t würbe.
war nic^tö j^wifc^cn ben greunben üerabrcbct, fonbern S^riftuö,
meinte er, ^abe fie fo jufammengefü^rt, ber ja feinet Opfert fic^
fo fe^r erfreue, alg ber wec^felfeitigen ßiebe ber SJicnfc^en. 3n
i^rc Cfterfeier fielen, üon ©ra^muö an Jütten gefetjieft, bic Uer^
bammenben ©prüc^e ber löwener unb fölner X^eologen gegen
ßut^er hinein, bie ben greunben reiche Seranlaffung jum Sachen
Wie 5um boten, gortan fc^ienen beibc, wie einft für
Sleud^lin unb ben ^umani^muig, fo nun für ßut^er unb bie
Sleformation oerbunben.
S3alb nac^ biefer 3uf^^”inienfunft mit ©rotuö ;;u Samberg
pnben wir Jütten wieber an unb auf bem fRf)ein. 3m 3Wai fuf)r
er ben ©trom fjiuuntcr, unb ^atte ba 511 Sopparb eine greube,
wie fie 5Wei oort)er Sraömuö cbcnbafelbft gehabt ^atte.
Äuf ber fReife üon Safe! nac^ ßöwen begriffen, war ber (entere
an jener trierfd}en ßoüftätte auögeftiegen , unb ging, wä^renb
bad ©c^iff burdjfuc^t würbe, mit feiner ©efcHjc^aft am Ufer auf
unb ab. 5)a erfannte if)n einer unb fagte bem ßoflbeamtcn (Sfeben^
felber: ba§ ift (Sraömuö. S)crgreube be^ wadern äRanneS glic^
nur bie Ucberrofd)ung bcö ©ragmuö, an ber 3oübanf einen fo
warmen Sere^rer ju finben. @r mußte mit il)m in fein |)auö
fommen, grau, Äinber, greunbe unb Sefanute würben jufam^
mengcrufen. ^uf bem ©c^relbtifc^ be^ ÜRanne^, jwifd^en ßoß"
regiftem, fanb ®raömu^ feine ©d)nftcn liegen. ®ie Ungebulb
ber ©c^iffer bcfcßwic^tigte (Jfc^enfetber burd) wieberßolte SBein»
fenbungen, oerbunben mit bem Serfprcc^en, i^nen auf ber fRüds
fa^rt ben ßotl nac^laffcn j^u wollen, ba fie i^m einen folc^cn
SD^ann jugefüßrt hätten. Sßie jc^t $utten nac^ Sopparb fam^
fanb er bei öinicampianud, wie ®raömuö unterbeffen ben ^uma*
niftifd}en 3ößuer latinifirt ßatte, eine öl)nlid}e ^ufna^me. @r
mußte fein (5Jaft (ein, fein <5)auö, feine Süc^er fe^en, unb unter
biefen fanb Jütten eine alte ^anbfd^rift, bie il)it beim Slättern
unb ßefen immer mebr an^og. 2öie ba§ fein SCÖirt^ bemerfte,
machte er i()m mit bcrfelben ein ©efe^enf, unb Jütten fanb bie
©c^ift, wenn auc^ ber für^lic^ ju gulba gefunbenen au Sßertl)
308
II. 2. j^apitcl.
*
nic^t glcid^, bod^ in ba^, mag i^m je^t cin^^ig am §erjcn lag, fo
einfdjlagenb, baß er fie l)erau3äugebcn bcjc^log.
(£ö mar eine ©ammlnng Uon ©enbfe^reiben auö bem (5nbe
beö nierj^ebnten 3[al)r^nnbevtö, ber Qcit ber großen Äirc^enfpaU
tung ätoifeßen ben römifeßen nnb aoignonfd)en ^äpften: gegenfei?
tige ber ojforber, prager unb parifer Unioerfität;
biefer brei Ünioerfitäten an ben ^apft Urban VI. unb ben S^önig
Söcnjel; ein ^uöfc^reiben beö (extern an aßc c^riftüc^en S^atio?
nen, unb enblicß eine SJ^a^nung an bie ®eutfd^en, Ilug ju mer?
ben. tiefer Sammlung fe|te Jütten eine „unter bem SReiten"
Oerfaßte ^^Öe greien in ®eutfd^lanb Oor*), in
melcßer er biefen über feine bi^^erige Xl)ätigfeit gleidjfam fRed^en?
fd^aft ablegt. „S^lodj bin ic^ nießt läffig gemefen", fagt er, „Oon
bem Xage an, ba id^ bie fc^on lange gebunbene unb beinahe erftiefte
greil^cit biefer ^Ration, fo oiel on mir ift, ju löfen unb roieber?
^erjuftellen unternommen l)abe; halb fud^e unb erforfeße i^, ma^
irgenbmo oon ^ltertl)ümern Oerborgen liegt, baö meinem SSor?
^aben bienen möchte; halb fdjrcibe ieß unb laffe au?gel)en, toaö
ber beä Söaßren fic^ bemußte Sinn nic^t länger im Verborgenen
laffen mag." S^lun erjä^lt er, mie er ju ber oorliegenben Schrift
gefommen fei, unb fäßrt bann fort: ,,^a ßabt i^r alfo baö ®aft?
gefcßenl be^ greunbeö, i^r freien SD^änner! ^enn toaö fann
Jütten erfreuen, baö er allein genießen, unb nießt fogleic^ allen
©Uten mittbeilen möd^te? ober maö mag jur görberung beö gc?
meinen ^Ru^eniS in ^eutfc^lanb bienlid^ fein, ba§ er im Verbor?
genen laffen bürffe?"
2)ie freifinnigen (Srlaffe ber brei Unioerfitäten au8 früherer
ßeit mußten ißm 5ur Vefc^ämung ber folner unb lömener §od^*
fcßulen bienen, bie im §(uguft unb 9iooember beö oorigen 3al)reö
fiutßer'ö ju Vafcl erfd)ienene Heinere Sd^riften öffentlich ocr?
bammt hatten. ,,^ie alten Xh^ologen", fagt nun Jütten — unb
bieß fönnte mit ben 2lbänberungen, bie im Unterfchiebe ber Seiten
1) De schismate extinguendo et vere Ecclesiastica libertate ad-
serenda epistolae aliquot etc. 5?oran Hulderichus de Hutten liberis
in Germania omnibus Salutem. ^atirt Inter equitandum. 6. Cal. Junii
(27. 9Jloi) Anno 1520. Vive libertas. Jacta eat alea. ©Triften I,
®. 349—352.
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glitten an alle freien ^eutfc^rn.
309
liegen, ^cutc njicber ebenfo gefd}ricbcn tnerben — „liegen fteg bureg
baö ©ewiffen leiten : geute finb lauter ©cgmeicgler unb SBogls
biener, bie, lucnn fie einmal igr SImt tgun moUen, entmeber über
leere hoffen ?lufgebenö moegen, ober, ben SRöcgtigen ju ©efallen,
egrlicge Seutc in $ag, öJefagr, biömeilcn felbft inö SBcrberben
ftürjen. SBaö lägt fieg aueg Unmürbigereö benfen, ald bic
leiegtfertige, mutgmilligc unb bösartige 33eganblung, melcgc
ben 0cgriften reegtfegoffener 2J?änner fegou ntcgr aU einmal
oon folcgcn miberfagren ift, bic niegt auö Srrtgum, fonbem
au^S^eib unb93oögeit baöjenigc oerbammten, maö fie, menn man
igr^emiffen befragen mollte, bieSrften fein mügten, 511 begaup^-
ten unb ju billigen? ^)abci gebnrben fie firf) olö gelben, menn
fie §u ©unften be^ römifegen öifcgofd ober feiner Segaten bic
©tacgeln igreg Urtgeilö gegen biejenigen fegren, mclcgc beftrebt
finb, mit bem B^^gnig coangelifeger SBagrgeit ben 9(bcrglanben
auö ben QJemütgern ber ©löubigcn anöjurcuten unb bic magre
fRcligion oon jeber 0cgminfc 511 befreien, ©ingegen miber bic
fegäblid)cn ßurtifanen, bic abfcgeulidjcn Simoniften unb bie gott^
lüfen Slblagfrämcr entmeber oor bem SSolfe ju prebigen, ober
eine ©egrift geraufS^u geben, ober im fRatgc fi^ freimütgig oernegmen
j^u loffen, got biö fegt noeg feiner oon jenen Xgcologen ben
ÜKutg gegabt."'
,,i)ocg'', feg^iegt Jütten, „fo oiel icg fege, mirb igrcXgrans
nci bic längfte B^it gebauert gaben, unb menn mieg niegt aücö
trügt, halb oernid)tet merben. ®cnn gelegt ift bereite, ja gelegt
ift an ber Säume SCBur^cl bic §ljt, unb auögcrottct mirb jeber
Saum, ber niegt gute grud)t bringt, unb bcö ^errn Söcinberg
gereinigt merben. S)a# fotlct igr niegt megr goffen, fonbern
näegften^ mit Singen fegen. 3njmifd)cn feib guten SJfutgeä, igr
bcutfegen 3]?änner, unb muntert eud) mccgfclfcitig auf. 9^id)t
unerfagren, niegt fegmaeg, finb enregügrer ^ur SBicbergeminnung
ber greigeit. Scmcifet nur igr eud) unerfegroefen unb erlieget
ni^t mitten im Stampfe, ^enn bureggebroegen mug cnblieg mer^
ben, burd)gcbroegen ; befonberö mit folegen Kräften, fo gutem
©emiffen, fo günftigen ÖJelegengcitcn , einer fo gercd)tcn 0aegc,
unb ba ba^ SBütgen biefer Xgrannci oufö ^öegftc geftiegen ift. ^aS
tgut unb gegabt cueg mogl.‘ lebe bic j^cigeit! 3cg gob'd
gemagt!''
310
II. ^uc^. 2. i^apticl.
Äuf bicfcö <Scnbfd}rci6cn unb bic barin aitflcnommcnc
tiinc^ bc^icl)t cö fid) üf)nc Swcifcl, inaö Ratten an feinen JJrennb,
ben franffuvter iiöürßcrmeiftcr ^on fei^rieb:
„9Jicincn Srief loibcr bie S^^eologiften boft bu. ©efpren^t !)ab’
icb nun alle 0d)ranfen ber ©ebulb, unb mid berbortreten (jan;^
U)ie id) bin"*).
@bc §uttcn in SScrfoIgunc^ biefer @ntn)ürfc ujeitcr flinci,
erlüicö er ßclegentlicb noch bem (5raömu§ einen literarifeben Süttcr*
bienft. @in englifcber Xbcolog, ber ficb Söroen aufbicit, mit
^tarnen (Sbuarb See, nid)t leer an Äcnntniffcn, boeb nod) üoUer
-uon ©inbübung, unb uon jener fcbted)teften ^rt uon dtubmfncbt
getrieben, bic fid) bureb |)eruntcrrei6cn anerfannter ©rögen ju
beben trachtet, b^tte über bic ©raömifcbc ^iluögabc bcö 9Zcucn
2^cftamcnt§ Slnmcrfungen gefebrieben, in benen er an ber Slrbcit
bcö 9J2ciftcrö mebrere b^nbert nacbgcmicfcn ^u b^'^cn
glaubte. SSkiren audb uiitcr feinen ©immlrfcn luandbc nicht ohne
^runb, fo böttc er ftc boeb in einem fo ücrlcbcnben Xonc uors
getragen, bag unter ben öerebrern beö @raömu§, in 2)cutfd)Ianb
uornebmlicb, nur (Sine S^emegung bcö UnmiHen^ mar. @ra§muiS
fclbft febrieb eine §(pologic miber See, uon melcbcr ^irdbeimer
urtbciltc, er böttc entmeber febmeigen, ober ücrnicbtcnber ant»
morten müffen : unb nun crltcg §utten einen orbentlidjen gebbe^
brief an bcnfelben. @r bejeiebnet ihn alö einen ^eroftrat, alö
einen Unbanf baren, melcbcr bem SJianne, uon’bcm auch er, mic
alle geitgenoffen, gelernt mit 0cbmöbungcn lohne; an fei?
ner Söutb merben bie trefflichen englifeben belehrten, bic iunftaH,
üKoruö, Sinacer u. f. f., am meiften 3)?i6fallen hoben; bic^euU
feben aber merben fic nid)t mit ihren 2)egcn, mic er ju fürchten
oorgebe, fonbern mit ber geber ju abnben miffen. @bc nun aber
er, glitten, ihn mirflicb angreife, forbere er ihn j^uoor auf, crft=
lieb, feine ©cbmöbungen gegen (Sraömuö öffentlid) ju miberrufen,
unb i^mcitcnö, biefen um SSer^cibung ju bitten: baö fei ber cinjige
SBcg, mic er ber ßncblißnng, bie §utten an ihm ju boUftredcn
gebenfe, entgehen fönnc. 3njmifd)cn crllärc er fein ÖJefdjrcibc
für Sügen, ihn fclbft für einen 0cbclm, unb merbe ihn, menn
er bic üerlangtc ©enugtbuung nicht Iciftc, auch ber idadbmclt als
l) St^riften I, 356.
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Befürchtungen unb SBarnungen.
311
folc^cn barftcUcn *). Unferm ^Ritter fclbft fdjite fpäterßeit
unb 2uft; aber in bem halb barauf auö feinem Greife Ijernorges
(^auflenen Dialog: Hogstratus ovans, ift See (meld^cr in ber
SBirflic^fcit ^^ulc^t biö 5ur SBürbc cineö ^rjbifc^ofö üon ?)ort auf-
flieg) §unb üeremigt*).
53creitö fingen bic j^ulebt non pulten l)crauögegebcncn
0d^riften Sflumor ju mad)cn an. Sieben bem Beifall auf ber eU
neu ©eite i^cigte fid} @rbittcrung auf ber anbern ; bic ©önncr
marnten, bie SBibcrfad^cr brüllten ; ©ra^rnuö ermahnte ben jungen
greunb, bic grciljcit feiner geber ^u bänbigen, um bic @unft
feinet gürften nid)t ju ücrfc^er5cn; Slnberc fprad^en öon ^ann
unb (iJefängnig, üon ÖJift unb 3)oIdj, bic i()m bcüorftünbcn®).
©d)on im üorigen 3al)re ^attc @d, luic Julien burc^ Srotuö
nmgte, in einem nad) Slom gefd)ricbcncn Briefe il)n benuncirt:
unb nun mar @cf fclbft nadj 9?om gereift. Sin baö aUeö fe^rte
fid) $uttcn üorerft nic^t, fonbern faßte im (5)cgentl)cil ben @nts
fd)luß, feine Slnfidjtcn unb iöcftrebungen an ßödjftcr ©tcHc per^
fönlid) geltenb ^u madjen.
1) ü. HuUenus eq. Eduardo Leo, Anglo, rosipisccru. Ex Mo-
giiutia (20. 9)lai). 3chtiflen I, <5. 346—348.
2) Hogstratus ovans, dial. etc. Interlocutores: Hogstratus . . . .
Ed. Leus, canis ex hotniue factus. llutteui Opp. Supplem. I, 461
bis 488.
3) lluttenus oninibus omnis ordinis ac status in Germania etc.
Schtiften I, S. 407. Erasm. Si>ongia, in ^uttcn’5 Schriften II, 318.
312
Drittes fiapitei.
fteife an ben be$ grs9crjoö$ g^rrbinanb.
'^äpflti^e '^erfofgnttg.
1520.
%
^ ^cr ncugciüä^ltc bcutfd^c Äöntt^ Äarl V. ^attc am 20. 2}^ai
Spanien üerlaffen unb njar nac^ Xcntfd)lanb, ^unäc^ft nnc^
ben 9^icberlanben, untcnncg‘3, m fein iöruber, ©r^licr^oij gerbU
nanb, i^n crtDartcte. 2)icfem ^Qtte, luic iniv unö erinnern, |)utten
im 9J?är^ bie alte Sd)u^)d3rift für §cinrid) IV. ^eflen §ilbebranb
mit einer SSorrebe flemibmet, in ber er iftn, unb burd) i^n feinen
iüruber, für ben $Ian einer ^efreiunt^ ®eutfc^tanb‘5 non ber rö*
mifd)en grcmbl)errfct)nft 511 c\etüinnen fud)tc. ®nl)in mollte er
nun aud) burd) pcrfönlid)e Uebcrrcbuug mirteu, unb fd)idtc fid)
bat)cr um ben Einfang bcö 3uni 5» einer fReife liac^ ben ^Ricber^
lanben an.
®ie greunbe beö gortfe^rittö fnüpften bie fü^nften @rmar»
tungen au biefe 31eife. „§uttcn gc()t ju gerbinanb", fd)ricb
9J^’land)U)on, „ber greU)cit einen' 3öeg 511 bahnen burd) bie gröfi*
teil gürften. SCBaö bürfen mir aifo nid)t I)üffeu?" Srotu^ fprac^
gegen 2utl)er bie Hoffnung auö, ben greunb bemnäd)ft an ger=
binanb’ö §ofe ju fiut^er'ö unb ber guten Stubien SBort^cil an*
geftellt ju fet)en; uiib Stromer, ber inbeffen nad)üleip3ig berufene
mainjer greunb, bejeic^nete U)n bereite alö fRat^ ber bcibcit
gürften, 2llbrcd)fö oon 3J^ain/\ unb gerbinanb'ö oon Oefterrei^
glitten felbft fai) bie Sac^c meniger fanguinifd) an. .§eute reife
1) 9)lclond^tbon an 3ob. ^effuS, in ^uttcn’S 6<^riftcn I. 6. 368. 6totu§
• an Sutber, ebenbaj. 6. 341. üDie ^eugerung Stromer ebenbaj. 8. 344.
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J^utten’S S(^|reibcn an fintier.
313
er 5<^rbinanb ob, fd^ricb er am 4. Suni an ^etruö SP^ofclIanuö^
Düfl ber größten borgen, neuen ©tellung fei nod) fein
@rnnb, il)m @lüd ju rtnlnfd)en. yiur fattä er feinen cr^
reid^e, bag bann bie gute 0ac^e ben S^ort^eit baüon ^aben folle,
glaubt er uerfprec^en ^u fönnen^).
3m ©egriff einen fo entfd)cibenben ©c^ritt ju t^nn, l)ielt
. §utten eö an ber ßeit, alle fRüdfid)ten bei ©eite ^u fefeen, unb
mit bem SD^anne, mit bem auf @in 3^^^ Ijinjuftreben er fic^ bc*
mugt, über beffen öoHe S3ebeutung^ er fo eben nod} burd) ßrotnö
in^ Älare gefegt morben mar, nun aud) äußerlid) in Ißerbinbnng
ju treten. 5lm 4. 3uni fc^rieb er noc^ non 2Jtain^ auö an 2utl)er
folgenben ®rief: „SBenn bir in bemjenigen, mad bu bort mit
i)of)em 9Jtutl)c betreibft, fid) ein ^inbernig in ben SB3eg fteHt, fo
ift mir baö non ^er^en leib. S53ir baben l)ier nid)t ganj^ ol)ne
(Srfolg gearbeitet. (S^nftu^ fei mit unö! (Sbriftuö l)elfe! ^)enn
feine S3orfd)riften üerfed)ten mir; feine bnrd) ben ^unft ber päpft»
lieben ©a^ungen oerbunfelte 2ef)re bringen mir mieber anö 2id)t :
bu glücfli^er, id) nach Prüften. äJ^öebten entmeber alle bief} eiUf
fel)en, ober jene oon freien ©tücfen in ficb geben unb auf ben
rechten SBeg j^urüeftebren. bci&t, bu feieft in ben iöann ge*
tban." (2)ief3 mar im ^Jlugenblicf nod) nid)t ber gall, oermirflid)te
fid) jeboeb halb genug: bie iknnbuHe gegen Sutber trägt baö
55atum be^ 15. 3nni.) „SBie grob, o Sutber, mie grob bift bu,
menn baö mal)r ift. 5)eini oon bir merben alle frommen fagen:
©ie fuebten bie ©eele be^ Gerechten, *unb baö unfcbulbige ®lut
Oerbammten fie; aber ®ott mirb ihnen ihre a)^iffetl)at oergelten,
unb in ihrer ^o^b^^l ber ^err unfer (SJott fie oerberben.
®aö fei unfre Hoffnung, ba^S unier (Glaube. @cf" (über beffen
Umtriebe Srotuö bem greunbe baö 9ieuefte l)citte melben fönnen),
„(Sef febrt oon fHom snrücf, oom fßapfte mit ^frnnben unb, mie
man fagt, mit ©elbe befd)enft. SäJaß ift'ö mel)r? Gelobt mirb
ber ©ünber in feinen Söünfcben, unö aber leite (^ott in feiner
SBabrbeit. ^aruni bie SBcrfammlung ber g^eoler,
unb mit ben ©ottlofen fi^en mir nicht. X)ocb fieb bich oor unb
halte Slugen unb ©inn auf fie gerid)tet. 5)u fiebft, menn bu
jebt fieleft, ma^ eö ber gemeinen ©acbe für ein ©ebaben märe.
1) Sc^riflcn IV, 8. 690.
314
II. %ud^. 3. j^a^iiel.
^)cmt für bid), ici^, bift bu fo gcfinnt, bag bii lieber in
beinern SSorl)nbeii fterben, cii^ elenb leben tniCift. 2luc^ mir fteHt
man nac^; id) merbe mid) f)üten fo (\nt ic^ fann. SBerben fic
bemalt braud)en, fo ^abe id) Kräfte gegen fie aufjubieten, bie
it)ncn nid)t allein gcmad)fen, fonbern, mie \6) Ijoffe, überlegen
fein follen. 9Jiöd)ten fic mid) nur ocrad)ten. @cf l)at mic^ an*=
gegeben, bag id^ cö mit bir ^altc; barin l)at er fid^ nicht getäufd)t.
i)enn immer habe ich in 3lUcm, mag ich ücrftanb, bir beigeftimmt,
obfehon big jefet fein S^erfehr .^mifchen ung ftattfanb. SBag er
meiter gefagt hat, mir hnben )chon früher nach 5Serabrcbung ge*
hanbclt, bag h^t er bem ^apftc Gefallen gelogen. @in fcham^
lofer 33öfemid)t! 2J?an mug fehen, bag il)m ücrgoltcn merbe, mag
er oerbient. fei feft unb ftarf unb manfe nicht! ^od) mag
mahne ich, ^no nid)tg j^u mahnen ift? ^In mir hoff bu einen
Vlnhängcr für jeben möglid)en gnK- ^ntmn magc eg, mir ing^
fünftige alle bciuc $lanc an^uOertraucn. 9Scrfed)tcn mir bie ge*
meine greil)eit! befreien mir bag uuterbrüdtc Satcrlanb! @ott
haben mir auf unfrer ©eite. Sft ®ott für ung, mer mag miber
ung fein? 3)ic ilölner unb öömener hnben bich Oerbammt. ^ag
finb jene teuflifchen fRotten, mel^c gegen bie SSahrheit ftreiten.
^0^ mir merben burchbrcd)cn, burchbredhen unter ^h^ifü 33ciftanb
frifdh unb mannhaft. Senen aber hätte eg gebührt, im oorfom*
menben gaHc mahrhoft unb freimütl)ig ju urthcilen. darüber
habe ich fic jur 9^cbc gcftcllt in einem Sormorte, bag bu Icfcn
mirft^). Sapito (|)ofprcbigcr unb noch in bcmfclben 3nh^c 9?ath
beg ^urfürften Don BJioinii) mirb eg bir fehiefen. $cutc reife ich
j^u gerbinanb ab. 2öag ich bort für unfre ©achc mirfen fann,
merbe ich öerfäumen. N. (Sranj oon ©iefingen) lägt bir
fagen, ^u il)m ju fommen, fallg bu bort nicht gehörig ficher bift;
er mirb bich beincr Söürbc gemäg chtlid) halten unb gegen aUcrtei
5einbc mannhaft ücrthcibigcn. ^ag h^t er midh fchon brei ober
oicrmal geheigen bir ju fchrcibcn. 3n SBrabant gnben mi^ beine
Briefe; bal)in fchrcibe unb lebe frcunblich unb in Sh^ifto mohl*
©rüge SDManchthon unb gachug unb alle ÖJuten bort, unb lebe
nod)malg mol)l"®).
1) S. oben S. 308 ff.
2) Schriften I, S. 366 f.
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i^uttfn’5 Steife on ben ^of bc8 ßrj^crjoQS ^rbinanb. 315
?(n 9lcifefldb gebrad^ c3 §iittcn nid)t: ber Äurfürft Don
Üliainj l)atte i^m unmittelbar jfuüor burd) ^rnolb ©louberger
in grauffurt 100 gl. au#jal)lcn laffeit*). §llbrec^tö Scr^ältnig
ifu §uttcn beftanb olfo noc^ immer fort, uneraditct biefer in feinen
lebten Schriften ber römifc^en ßurie einen Ärieg auf Seben unb
Xob angefünbigt ^atte. Snmiefern eine 33efc^ränfung 9lomö bem
(Jr^bifc^of üon 2Äain>f ermünfebt fein fonnte, l)abcn mir oben an*
gebeutet, ba mir unö bereite über bie erftc 5lufnal)me §uttcn'ö
in mainjifc^e ®ienfte munbern mußten. Sc^t mod)ten J^utten'^
unb 0idingen'ö fid^ auöbe^nenbe (Sntmürfe bem erften beutf(^en
Äird^enfürften noc^ locfcnbere Slu^fid^ten bieten. 2Bir miffen,
bag in ber erften ß^it ber Xb^^onerlebigung ba§ SBerfpredjen beä
^pftc^, fallö burd) Hlbrec^t’ö 3Jtitmirfung granjf I. oon granf*
rcic^ ;^u ÜJtajimilian'ö ^lac^folger ermä^lt mürbe, il)n jum ßegaten
i)on ^^eutfc^lanb 5U ernennen, ftarf auf ben ©r^bifebof gemirft
l)atte. Söenn fid) je^t burd) |)utten'i^ unb 0idingen’ö Xl)ätigfeit
bie bcutfci^c Ä'irc^e für fic^ abfc^loft unb ber römifc^en nur etma
nod) etliche S^renre^te übrig lieg, fo fd)icn ber mainjer (Srjs
bifegof al^ ^rimaö üon ®eutfcglanb berjenige, bem baö SKeifte,
maß man fRom entj\og, jufallen mugte. .fmtten’ß 5lbfel)en ging
allerbingß meiter; aber bie eine ©eite feineß ^lanß mar jeneß
bo<^: ®eutfcglanb follte üon ber firc^lid)en grembgerrfegaft be=
freit, meitergin aber freilieg bie Äircgc felbft cntmeltlicgt mert^eii;
erftereß mar^utten’ß, legtereß2utger’ߧauptgeficgtßpun!t: morauß
fieg, felbft ogne bie entgegengefegten perfönlicgen 33erügrungcn,
abermalß erflört, mic (Srjbifcgof 2llbred)t Sutgev’ß geinb fein
mugte, unb boeg §utten’ß Gönner fein fonnte.
SSofl üon feinen @ntmürfcn reifte §utten mit einigen gleicg^
gefinnten ^Begleitern ben 9tgein ginuntcr. gn Äöln traf er mit
Ägrippa üon 9tetteßgcim ^ufammen, jenem feltfamcn @cmifcge
üon gutem Äopfc, ©egmärmer unb ßgarlatan, ber ein ägnlicg
abentcuerlicgeß ßeben mie §uttcn ginter fteg gatte, aueg üon
3Röncgen unb Pfaffen fegon üerfegert, babei aber boeg ein ©egner
ber 9teformation geblieben mar. @r fag in ^utten’ß 9}tittgei5
lungen einen erfegreefenben 33emeiß, mie meit bie greeggeit gemiffer
ßcute jegt gege; in feinen planen bie i^cime üerberblicger fReüOs
l) So(gtfiuS an ^irdf^etnnr, in igutten’S 6(gn|ten I, 8. 859.
Slfi II. S?ud^. 3.
lutioneii: oUeö fommc nun auf bic dürften unb ingbefonbere ben
ncu(iclüät)ltcn i^aifer an, beffen ,,0aturnifc^eö'' SGöefcn jebod) bem
§oroffopftcHcr aud) fein SScrtraucn cinflößtc*).
3n Sömen luobntc bamalö @raömuö; i^n bcfuc^tc Jütten,
bat ibn um Empfehlungsbriefe an ben ^of unb um eine geheime
Uuterrebuug. S3eibcS erhielt er; aber auS bem iiriege gegen bie
S^ömlinge, ben §utten eröffnen ^u moÜen äußerte, machte EraS?
muS einen 0paß; er fragte nach ^cn SKitteln ju einem folchen
lluternehmeu unb rietl) bem enthufiaftifchen S^fittcr ernftlich, üon
einem fo- tollfühnen §anbel bie §anb ju laffen*).
Sßie eS biefem fofort am .§ofe ju Trüffel ergangen, miffen
mir im Einjelnen nicht. 9Iuch mie 'lange er bageblieben, fönnen
mir uidjt beftimmen. 0^roerlich h^l Äarl’S ^nfunft abge*
märtet ; fdjmerlich ift er bei gerbinanb ju EJel)ör gefommen. EJleich
imn Infang marnten ihn feine 33efannten am ^ofe uor iRad)^
ftellungen, bie eben hier if)m broheu, unb benen er nur baburch
entgehen fönne, menn er fo fd)leunig mie möglich fid) Dom §ofe
entferne. ^2lnfangS beadjtetc §utten biefe SBaruungen nicht ; aber
fie mürben immer bringenber unb beftimmter. ®ie päpftlid)en
EJefchäftöträger in 2)cutfchlaub feien eS, bie baS betreiben, unb
oor ber Eurtifanen EJift unb Solchen l)fll>e er fid) in Sicht ju
nehmen. ®a nun .überbieß §utten bie Pfaffen am brüffeler ^of
mächtiger fanb, als baß er auf günftigeS EJel)ör hätte hoffen
fönnen, fo folgte er bem 9iatl)e ber beforgten greunbe unb jog
fich 5urüd®).
Sluf ber 9hicfreife begegnete ihm ein fomifeßeS Slbenteuer,
baS er in ber 5olge gern erzählte. S33ie er mit feinen 5mei
Unechten inberS^ähe uon Sömen ritt, fei il)m ^ochftraten in ben
SBcg gefommen. |)utten erfonnte ihn unb ließ il)n burd) feine
ßeute greifen. „Enblid)", fd)rie er ihn an unb /\og ben E)egen,
„enblicl) fäll ft bu in bie rcd)ten §änbe, bu 0d)eufal! Söelchen
Xob foH id) bir nun antl)un, bu geinb aller EJuten unb SBiber«
1) 9l0ri|)pa’§ ©rief öom 16. 3uni 1520 in §uttcn’§ 6(hnften I,
©. 359 f.
2) Spongia, in ^utten’S ©d()riften II, ©. 276, §. 84. 85. ©. 317 f.
§. 373. 374.
3) Iluttoims onmibus uomis ord. etc. ^d^riften I, 0. 407.
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^uttcn auf ber Äürfreijc ou§ ben 9iiebctlQttben. 317
fad^cr bcr S9Ja^rf)cit?" halb, tüic er ben @(enben um
bon bittenb oor fid) auf beni^nien fagte er fid), unb „9^eiu!"
rief er, inbem er fein ©c^mert mieber in bie ©c^eibc ftieg, „nein,
mein 5)egen foll fic^ mit fo fc^lec^tcm Slute nic^t Oefubeln; ba^
aber miffe, bag Diele onbere ©c^merter auf beine Äel)le sielen,
unb bein Untergang eine au^gemadjte ©ac^e ift^)''.
§utten reifte nun mieber ben fRl)ein Ijinauf, unb ba mürben
il)m untermegö bie in iörüffcl erhaltenen Sßarnungen beftätigt.
9fteifenbe, bie Don fRom jurärffamen, mollten miffen, ber $apft
fei öu^erft erbittert auf^ il}n, unb höiJC eine nachbrücflichc Ser?
folgung gegen ihn befchloffen. Söie er bonn nach S^ainj juriief?
fam, liefen feine greunbe jufammen unb münfehten ihm (^lücf,
ja einige munberten fi^, ihn mieberjufchen, beim fie hotten Don
folchen fRachfteUungen gegen ihn gehört, bag fic il)n für einen
Derlorenen ÜRann hielten. 3h^em 9tathe jufolge, fi^ oud) in
ÜJtains nicht lange aufeuhalten, ging er nad) granffurt unb
erfuhr l)iet burch Sriefe unb münbliche Seridjte, baß ber $apft
an Derfchiebenc beutfehe gürften, inöbefonbere auch on ben (£rs?
bifchof Don 2Rains, baö Hnfinncn gcfteHt höbe, il)n gefeffelt nach
8flom ju fenben. Sei Äönig Äarl aber, fo Derlautcte halb barauf,
fuchtc ein päpftlicher Orator bie ©rlaubnig nach, $utten, mo eö
fei im beutfehen fReidje, greifen unb boju bie §ülfe beö mcltlichcn
Slrm^ in Slnfpruch nehmen ju bürfen*).
Son granffurt aud machte Jütten einen Sefuch auf©tectcU
berg, mo bamalö feine beiben (Sltern noch lebten. Untermegö in
©elnhaufen f^rieb er am 8. Sluguft an ßapito nach äRoinj, ec
möge bie an ihn einlaufenben Sriefe bi^ auf fichcre Gelegenheit
an fich nehmen, unb gab ihm sogleich Slachricht, faüö er ^ noch
nicht miffe, Don bem pöpftlichen ^Xnfinnen an ben ©rsbifchof.
„9tun enblich'", fchrieb er, „fängt biefe^ geuer ju brennen an,
1) UroiuS an Sutbet, in ^ulten'S Sd^riften I, 6. 434. Otto iBrun»
fcl§, Reep, ad Spong. Erasmi, cbenbof. II, 6. 338, unb Hochstratus ovans,
Hutteni opp. Suppleni. I, S. 484.
2) Jütten an Sapito, 8. Wugufl 1520, an @ra§mu§, 15. ^ugufl, @(^tif*
ten f, 6. 367 f. 71. Qfranl aud Äamenj an ^irdbeimer, in l^uttcn^S Stbrif-
ten I, S. 420. Huttenus omnibus omnis ord. eto., ebenbaf. @. 407 f.
Dcffelben U(ag unb uormanung, Sebtiften III, 509 f.
818
II. $u4l- S.
unb Cd »irb ein SBuiiber fein , tnenn cd nid)t mit meinem
©turje rnirb gclöfc^t merben müffen. 2)oc^ in biefem ^anbel
^abc ic^ met)r ald jene Ä'räfte ()abcn. 2luf, auf ! cd mag
burc^gebrod^cn merben. 3Kit meiner ÜJ^ilbc fei ed nun am (5nbe;
beim id^ fc^e, bag bic römifc^cn Scuen nac^ 33lute lec^jcn. Slber,
menn rnict) nidjt afled trügt, merben fie c^er fcibft SÖlut laffen,
e^cr öanbe unb Äerfcr, momit fie mir fo graufam bro^en, crbul^
ben müffen." 5(uf ©tcdclberg fc^rieb einige Xage fpätcr |)uttcn
an (Jradmud, er munberc fic^ über bie blinbe 2öut^ bed ^apfted,
üon einem gürften mie 2llbred^t fo etmad ju ücrlangcn. 3()n,
Jütten, meinen fie jefet fc^r in gur^t gefegt ju ^aben; ob er
gleich auf ber aubcrn©eitc üerne^me, baß fie il)m ^öc^ft anftäns
bige S3cbingungcn bieten, menn er fic^ ^um griebcu bequemen
moüte. 2)ad t^un fie, nac^bem er burc^ feine jeitige (Sntfemung
aud 3J?ainj i^ren ^änben entgangen fei. §luc^ gulba befuc^tc
.^utten bei biefer Gelegenheit mieber, unb brachte hier noch
mal fünf 2^age im trauten SSerfehr mit bem alten ^eräendfreunbe
Crotud ju‘).
Jütten fpridht oon j^mei päpftlid)cn ©chreiben an ben Äur^
fürften oou ajjoinj^: in ber tarnen biefem am 5.0ct. burch
bie beiben 5Runtien 5Ueanber unb (Saraccioli beren fünf ju, mo^
oon jeboch nur eined, oom 12. 3uli, bem aber ein $rit)atf(^rcU
ben bed main^er Domherrn SBalentin oon Xetlebcn an ben Äur*
fürften in ber gleichen ©achc jur ©eite ging, fich auf Jütten
be5og. (5d fei ihm, fchreibt bariu ber $apft, ein öudh gezeigt
morben, bad oon einem gemiffen Ulrich $utten entmeber Oerfagt
ober aufgefunben unb mit einem SSormortc begleitet fei, in melc^’m
fich fltöbften ©chmähungen gegen ben römifchen ©tuhl befin-
ben. @d ift bieg ohne ©chrift De unitate ecclesiae
mit ber SBibmung an ©r^iherjog gerbinanb, unb feheint alfo bie
oor jmei 3ahtcn Oon ^>utten heraudgegebene unb ßeo X. jugc=
eignete ©d)rift bed Saurentiud SSaßo bcmfelben nidjt ju ^onben
gefommen, ober oon ihm ignorirt morben ju fein. Sugleich,
fährt ber ^apft in feinem Grlaffe fort, hoben bie Ueberreidjer
ber ©chrift (Oermuthlid^ @cf u. 21.) ihm gefagt, oon bemfelbcn
1) ©. bie ln ber öorlßen Unm. ongefübrten Briefe ^utten’S unb ben
ln ber notierten angeführten 55rlef öon SrotuS an fiuther.
9
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^öp|itt4)c§ 5?rct)c ßcgen i^uttcn.
319
Söcrfaffcr feien nod) öiel örgerc SBüc^cr in if)ten ^änben; tneg*
njcflcn fie i^n, ben $apft, aufgeforbert ^aben, gegen einen fo
fredjen Söfterer mit fc^arfer ©träfe cinjufd)reiten. Sei nä()erer
@rfunbignng über feine fßerfon t)abe er nun crfaf)rcn, ba6 ber*
felbe ein 2)iener beö @t5bifc^ofö, unb bic angefd)uibigten 33üd)er
in beffen ©tabt SJ^ain^ gebrueft feien. 0b eö nun gleid) fouin
benfbar fei, bag biefc§ oljue bcö @r5bifd)ofö SSiffen b^be gcfdjcben
"(önnen, fo fönnc boeb er, ber $opft, üon einem gürften, bem er
fo 'maiK^c iöetoeife befonbern SGBobliuoHcnö gegeben (er febidte
ibm je^t eben bie golbene fRofe), fo ctmaö unmöglich glauben, unb
fe§e baber lieber oorau^, berfelbe habe nichts baoon gemußt. Um
fo mebr aber ermarte er jebt üon bemfelben, baß er bie greebbeit
berjenigen, melcbe fid) gegen ben heiligen ©tuf)l auflebnen, unters
brüden unb fie entmeber ^ur 33efd)eibenbeit ^urüdfübren, ober
an ben ßäfterern @i*empel üon ©trenge aufftellen merbe, mcld)c
fie felbft unb anbere fortan üon fo ftrafbarem SKutbmillen ab-
halten mögen ^). ^on geftnabme übrigen^ unb ^Ibfübrung nadj
9^om ftebt in biefemiöreüe ni^tö; fei e^, baß bicsJ nur münblidjer
3luftrag, ober aud) üorerft bloßem @erüd)t mar; um eine 2lbfd)rift
ber Urfunbe felbft bemühte ficb Jütten lange ßcit ücrgebenö*).
3n feiner ?lntmort, üon ber ^anb feineö nunmehrigen 9^as
tbei2^ Sapito, beö biplomatifcben greunbeö ber ^Reformation unb
.^utten'ö inöbefonbere, beruft fid) ber ©r^bifebof ju feiner fReebts
fertigung barauf, boß er alle biejenigen, an benen er eine (£nts
frembung üon bem römifeben ©tuble mabrgenommen, üon ficb
entfernt habe; fo habe er Jütten, ber ihm bi)^ babin febr mertl)
gemefen, fobalb er üon feiner ©cbmaebfebrift gegen ben tobinal
(Sajetan (ber Febris prima) 5^unbe erhalten, üon feinem ^offtaat
auögefcbloffcn (b. l)., mie mir miffen, ihm ben erbetenen Urlaub mit
fortlaufenbem (i^ebatte gemährt); üon feinen neueften abfcbeulicben
©ebriften h^ibe er erft nach feiner IRüdfebr ouö ber magbeburger
^)iöcefe etmaö erfahren, gegen Jütten felbft aber nicht einfebreiten
tönnen, ba ficb biefer biö auf ben heutigen Xag in ben fefteften
iöurgcn l)uUc unb jeben Slugenblid im ©tanbe fei, eine ftartc
1) fommt ^Ibred^itS ^nttoort in J^utten’§ Schriften I,
6. 3fi2— 366.
2) Jütten an @^ito, Schriften 1, S. 365 f.
320
H. ^uc^. 3.
©ti’citmac^t äufammcn^ubringen, mit mclc^cr er bem @rjbi{c^of
fclbft gcfät)rlid) merben fönntc. ^Dagegen [)Qbc er fid) an ben
iBud)brurfer (Sot). 0cböffer, bei bem bie 2)ialoge unb bie Sd)ri{t
mit ber SSorrebe au gerbiuanb erfdjicneu maren), einen main^er
Jöürger, getjalten, ben er, trofe ber ^i(bmat)nungen uornel)mer
ä)^änner, in ein ^arteö (Gefängnis ^abe merfen laffen.
()abe er in feinen 2)iöcefen ben Äauf unb SSerfanf biefer nnb
anberer gegen ben römifd}en £tul)l gerichteten ©d)riften üerboten. *
SäJaö ben iöuehbruder betrifft; fo fcheint alfo beö ^ofmeifterö
grmuin üon Jütten günuort, baö Ulrid) fchon im ©ommer in
^nfpruch genommen batte, ot)ne SBirtung geblieben ju fein‘).
2)ie feften iöurgen, in benen Jütten um biefe ßeit fid) hielt,
maren bie feinet greunbeö uon 0icfingen, unb bal)in mu6
il)m jeht iinfere (Sr^^ählung folgen.
1) i^utten an ^apito, 8. ?lufiufi 1620, 6(^ri|tfn I, ®. 3G7.
\
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321
Viertts fiojittel.
ßutiett auf öet SBemdurg Bei §frani von ^Mingen.
1520.
%
®cn ritterlichen ©eftalten jener 3^^^ Stons t>on
0icfingen, ©ö^ uon 55erlichingen unb ihrc^c^leichen , ift für un^,
bie n?ir in einem qan^ anbern SBeltäuftanbc leben, nicht leicht,
in iinferm Urtheile gerecht ju merben. ©ntmeber mir nehmen fic
ju hoch, ober ju niebrig. ©rftercö begegnet un» iniJgemein, fo
lange mir nur Allgemeinem unb Unbeftiinintem , Icfeterem, menn
mir einmal bam ©injelne üon ihnen miffen. ®enn ber 2Bal)n
uerfchminbet in biefem galle grünblid), aim hätten jenefRitter il)r
©chmert in ber IRegcl jum 53eftcn ber Unterbrüeften , aum uneis
gennü^iger ßiebe ju IRecht unb g^eiheit gezogen, ©ie erfcheinen
nicht allein roh, fonbern auch mit Berechnung eigennühig-
'ihren Jc^ht^c^n empört unm ni^t blom bie Unbarmljerjigfeit , mit
ber einer bem anbern arme ßeute plünbert, ihreS)örfer anjünbet,
ihre gelber üermttftet; fonbern faft mehr noch bie Beobachtung,
ba§ bam allem mie ein ©emerbe betrieben mirb , bei bem ber ©c*
minn an Beute ober ßöfegelb ber 3t®^cf, bam fRed)t ober, bie
angebliche Beleibigung burd) einen anbern ©beimann, eine ©tobt
u. f. f., meiftenrn nur ein Bormanb ift, um bie Bauern^ bem einen
branbfdjohen, bie Äoufleute ber anbern niebertoerfen unb beraiu
ben ^u fönnen. ^ieg mirb aum ©öhenm naioen ©elbftbefenntniffen
jum ©reifen beutlich*) unb ouch granj oon ©idingen, ben man
1) ttuger biejer ©elbftbiograb^te gibt e§ taum eimS 2e^rrci(^ere§
Übel bicjfn ^unft ol8 bic Heine Schrift ; , Dem Conbf rieben ift ni(^t ju trauen *
VII. 21
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322
II. Sud). 4.
nic^t mit Unrcd)t einen ©öfe in t)öt)crni ©tilc genannt ^at, mar
büd) auö bcmfelOen ^oljc gcfdjni^t.
@e[d)Icd)t ber0tdingcn mar a(t, bod) fdjricb fid) feine
Sebeutnng erft non granjenö ®atcr f)er. tiefer, ©c^meidarb
üon ©idingen, be^nte burd) aflerlei gelben, bic er t()eiU im
^ienftc, tl)cild unter bem ©dju^e ber ^fatj, bereu 9J?arfd}alf er
mar, befonberi^ auc^ gegen ©tobte füljrte, feine Sefifeungen auö.
2öie aud) er ju fold^en gct)ben fam, baüon nur ein 33eifpicl.
@inft ging er in Äöln ^erum uid) trug, mie er pflegte, feinen
®olc^ im @urt. 2)a bieg miber bie ©tabtorbnung lief, fo
mugte er benfclbcn auf ber ©trage üon ftd) tgun unb abliefcrn.
3)a^ erfd)ien il)m alö eine folcge ©c^maeg, bag er üon ©tunb
on ber ©tobt geinb mürbe, it)r üiel ©c^aben tgat unb fogar
5lnfd)läge machte, fte ju erobern. 2)er ^oc^ftrebenbe SJiann mar
ein 3J^atgcmaticu§ unb bcoba^tete bie ©terne. 3n feineö ©oI)=
neig granj ©eburtöftunbe fotl er am §immel eine munberbarlid)c
ßonftcUation bemerft t)aben, auö ber er abnagm, bag bcrfclbc
ein trefflicgc^ ^Infegen in ber Söelt geminnen, fein @nbe aber be^
fcgmertic^ fein merbe*). 5lud) ©c^meidarb’ö @nbe mar tragifd^.
3n bem bairifd)en (Srbfolgefriege üon 1503 unb 1504 üerfocftt er
bie ^Infprüc^e feineö §errn üon ber ^faij^ gegen ben ©pruc^ beö
Äaiferö 3)?ajimilian, unb mugte biefen Ungel)orfam, fo mie manche
anbere ©emaltt^at, morüber fic^ bei ber @clegcn()eit itlagc er^ob,
auf bem 33lutgerüftc bügen.
Sluf ber ©bernburg bei Ärcujnac^ (neben ßonbftu^l bei Äai^
feröloutern bem mic^tigften ©ct)loffe be» ©idingerö) mar granj
im 3oi)re 1481 geboren, ©eine ©rjie^ung, ob er gleich bem
geleljrten 3ol)ann fRcudjUn ©inftug auf biefelbe jufc^reibt, mar
bod) nur eine rittcrlidjc. ^eig SSaterig UngUid unb frütjer Xob
Sc^bc SlongoIb’S oon ßbciftcin jum Sronbenflcin gegen bie 3lei(^)§f[abt 9lürn*
berg, 1516—1622. ^erouSgegeben nodb utfunbUt^rn ^lufjei^nungcn unb Sric»
fen im f. Wrd^iu ju 9Iürnberg üon 2. g. Qfrei^errn üon ßbcrflcin. 5lorbIjau|en
1868. — S)ie Öe^bc toor noch ?lnIofe unb ^ü^rung cjcmblorij^), Slongolb
übetbiefe ^uttcn’S mütterlicher unb mit ben Stedelbcrgern, »ic cS
jeheint, in je^r genauem Serhöltnife.
1) 8. bie 5Iet§hfiwier ßh'^oni! (üon S^onjenS Schwager SbÜmP öon
tirlerSheim, ©omfönget unb fböter Sifchof üon Speiet), obgebrudt bei Slünch,
3frani üon Sidingeii, III, S. 223. jf.
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Öronji öon Sidmgen.
323
I)intcr(ic6 il)m bic ^luf^abc, bcn @lan-^ bc^^ ©cfdjlcdjtö »uicbcr
^cr^ufteUcn. 3n allerlei 2)ienften unb Kämpfen arbeitete er fic^
empor, ©eine gel)be mit SEÖormö mar biejenige, loelc^e juerft
bie allgemeine Slnfmerffamfeit auf i^n lenfte; bie gegen ben ^er=
äog üon fiot^ringen biejenige, meld)e feinen Sfluf auf ben ©ipfel
bradjte. 33ei biefen unb anbevn §änbeln nnb S^gen mar Einlaß
unb Äriegfül)rnng im SäJefentlic^en oon gleid)er Slrt. Verbannte
^Bürger einer ©tabt, beeinträdjtigte Untertl)anen ober 9kcbbarn
cine^ gürften, riefen gegen mirflic^eö, ober öfter bloö oermcintlidjeö
Unrecht, gegen 3Jer^ögerung eineö fRed)tiSl)anbelö burc^ bie ©erid^te,
ben 3flitter §ülfe, traten etma auc^ (SJüter ober ©c^ulbforbe*
rungen an if)n ab ; nun oerlangte er i^re SBieberanfna^me unb
(£ntfc^äbigung, bie ^erauggabe il)rer ©üter ober Sluö^al)lung il)red
©utljobenö an il)ii ; mürbe bieg Oermcigert , ^og er oor bie ©tabt,
ober fiel in ba§ 2anb, oermnftete biefe^, bcfdjäbigte jene, plün=
berte nnb fing bie untermegi^ betroffenen Äanfleute, benen fegmere
IRan^ionen aufgelegt mürben ; nm bie Slbmal)nungen beö Älammer»
gcrid^t^, in ber mormfer gel)be felbft bie taifcrlicge Siegt, flimmerte
er fid) nidjt, unb lieg fieg enblicg feinen Slb^ug oon ben Slnge=
griffenen meiftenä mit grogen ©ummen (oon 3J^e^ mit 20000 gi,,
oon Reffen mit 50000 gl. u. f. f.) abfaufen. ^eniÄaifer mad)tc
feine fegmanfenbe ©tellung unmöglicg, in folcgen gällen fid) immer
aliS ftrengen Ülicgter jn begaupten. 2)ie megrjägrige gegbe gegen
Söorniö, bie geiüofe löefcgäbigung einer fReiegöftabt , mürbe bem
fRittcr 5ule(jt oerjiegen, meil Äaifer fD^ajimilian feine ^ienfte
gegen Ulrid) oon SBürtemberg niegt miffen mollte. ©tatt bic
Äd)t miber ign aufreegt ju crgalten, nagm er ign in feinen ©olb,
unb alö halb baranf füJajimilian ftarb, ftanb ©idingen aU eine
3)iacgt im fRcicge ba, um mclcgc fieg bie beiben Xgronbemerber,
gran^ oon granfreieg unb Ätarl oon ©panien nnb Defterreid),
metteifernb bemügten. ©idingen löftc eine frügere S^erbinbnng
mit bem erfteren, bei ber er feine fRecgnnng nid)t gefunben gatte,
ouf unb mibmetc fieg bem 2)ienftc Äarl'ö, mirftc ju feiner ^ag(
naeg Kräften mit, unb oerpfliegtete ign überbieg bureg ein baareö
5)arlcgn oon 20000 gl. ilarl ernannte ign ;^u feinem gclbgaupt^
mann, 9iatg unb Äiämmcrer mit einem Sugrgcgalt oon 3000 gl.,
unb gcftattctc igm eine Seibmad)c oon 20 Änrafficren.
©0 meit ift ©idingen'd Xreiben cinfaeg bad cineii fRittciv?,
324
II. 4.
bcr mit unb miber fcinciSglci^cn , neben unb auf Äoften ber
ftäbtifd)en unb iiJcnn and) nad) Umftänben an bic
Ic^tcre gelernt, fid) emporjubringen fuc^t, baju, ot)ne niel 33ebenf*
lid^teit über ben 9fted}t^pnntt, jeben tauglid)en SBormanb ergreift,
unb feiner SfJittere^re genügt ju ^aben glaubt, menn er feinem
Eingriff jebe^^mal einen orbcnttid)en get)bebrief uorauögeI)en ließ.
3n bem lodern Sßerbanbe beö bamaligen beutfe^en 9?eid)ö füllte
fic^ ber 9titter aU felbftftänbige 3J^ac^t, bic im
mit anbern öljnlid^en 3}iäd)tcn cbenfo nur burc^ fRüdfic^ten beö
SBort^eiU, unb ebenfo menig burc^ ©runbfäfec beä Sflec^tä unb
ber aj^oral fic§ leiten ließ, alö oon jc^cr in bcr politifc^en
S33elt bic (Staaten im Serljältniß ju cinanber: fo oft auc^ ^ier
mic bort jene ^oc^tönenben SBortc im 3J?unbc geführt merben.
^od) @in gaH mcnigftcnö ift unö oorgefommeu, mo ©idiugen,
fo oicl mir einfc^cn fönnen, fic^ uncigennüpig unb cbel eine^
!Öebröngten annal)m: bcr §anbcl ^tcud^lin'ö; unb ein anberer
mirb unö foglcidj begegnen, mo er fic^ für eine ©ac^e, bie il)m
freilich auc^ politifc^ bienlidj merben fonnte, bod) ä^^glcid) um
il)rcr fclbft millcn begeifterte: bic ^Reformation, öcibc» infolge
bc!^ (Sinfluffeö oon Jütten, bcr, mic ein gefc^idtcr ©örtner, auf
ben raul)cn, aber tüchtigen ©tamm bic ebelften Steifer ju pfropfen
mußte. 0l)uc gclcl)rte isüilbung, mar ©idingen bod) nic^t ol)ue .
©inn für biefelbc unb für baö'Sbcale überhaupt; fo tarn ihm
bic S3cfanmfd)üft ^uttcn’i^, bie er im mürtcmbergifchcn Sclbjuge
machte ober enger fnüpftc, gan,^ gelegen, unb mürbe halb 511
einer greunbfehaft, melchc, ob il)r fchon ba^ ©djidfal nur menige
Sahrc gegönnt hat, bod) unter ben 33cifpiclcn biefer 5lrt, an
benen bic beutfehe ©efehidhte fo reich ift, eine ber oberften ©teilen
cinnimmt. ©idingen mar um ficben 3al)re älter ald Jütten, unb
biefem eben fo mcit an ^leichthum, 2Rad)t unb (Sinfluß überlegen,
al^ Jütten il)m an ©cift unb 23ilbung; babei ftanb jenem reid)c
Scbenöcrfal)rung, Uebung in @cfd)äftcu bcsS i^riegö unb gricbciii^,
jur ©eite; fo ergön^ten fich beibe mic 3bcc unb ^rajiä, mic
Ä^opf unb Slrm.
©idingen mar big bahin in ben hci^^öntmlichen rcligiöfcii
SBorftcüifngcn mitgegangen. feinem unb bcr ©einigen ©celcn»
heil hatte er in (^cmcinfd)aft mit feiner ©h^fi^au, ^cbmig ’oon
glcrghcim, unmeit bcr (Sbernburg eine üöeguttcnclaufc erneuert
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^uttcn auf bcr 66cmburg.
325
unb boflobt; ja er ging, iüomit §uttcn i^n fpätcr nufjog, alö
biefer it)ii fennen lernte, mit bem $lmtc um, „beit l^ol^fügigcn
grnnciöcancni ein ncnciS 9^cft ^n bauen". Jütten mußte il^n erft
fur ^Reuc^Iin, bann für Sutßer, ^\u intereffiren ; er führte ißn ben
gleidjen 2Bcg, ben er felbft in feiner ©ntmicflung gegangen mar.
3tnf fein iöetreiben bot ©iefingen beiben Scannern eine greiftatt
auf feinen ©eßlöffern an. ©ie machten oon feinem Slnerbietcn
feinen ©ebrauef), ba ber erftere nid)t mirflid) oerfolgt, für ben
anbern aber bie neutrale Haltung feineö meifen ^lurfürften ber
fic^erfte ©cßup mar. S^un aber beburfte Jütten biefer greiftatt,
ben fein geiftlicßer Äurfürft, mollte er nid)t förmlich mit fRom
breeßen, nießt meiter fd)üpen fonnte, ber aud) mit bloßem ©eßu^e
nid)t mie Sntljer jufrieben mar, fonbern Uon ben ©c^löffern feineö
^rennbeö au^, mie mir feßen merben, neben bem geiftigen Kampfe
,Vigleid) einen mirflicßen 5^lb-\wfl Ü^^flcn bie ©enblinge unb ?ln* ,
ßänger 9lomö üorjnbereiten fud)te.
5)ie ©bernburg, in bem SBinfel, ben (an ber 9^orbfpi|e ber
jepigen bairifdjen ^fal^) bie ©inmünbung ber Älfenj in bie S^aße
bilbet, auf einem fteilen gelegen, unb Don f?ranj oon
©iefingen alö fein §auptfife mit ftattli^en Söoßnröumen ^unb
feften SBerfen oerfeßen, mar in ben gaßren 1520—1522 einer
ber merfmürbigften ©cßanplüpe ber beutfd)en ©efdßidjte. Berber*
gen ber ©ereeßtigfeit nennt §utten bie önrgen feineö Ji^eunbeö.
2(nßer ißm öffneten fic fieß aueß anbern, bie um ißrer ©egeifte*
rung für bie Äiri^enoerbefferung millen Verfolgung litten.
par 2lqnila mar einft granjenä gelbprebiger gemefen, bann ^faner
in ber ©egenb Don 2lug^burg gemorben, biö feine ?lnßänglidjfeit
an bie ^Reformation ißn in ben bifd)öflicßen Werfer p !DilIingen
braeßte. gelang ißm, 311 entfließen: unb bie ©d)löffer feineö
eßemaligen §errn gemäßrten ißm mit Sßeib unb Äinbern ©d;nß
unb Vrob. SWartin Vueev, ber nacßmalige ftraßbnrger Sflefor^
mator, mar anö bem ^ominicanerorben getreten: bei ©iefingen
fanb er eine 3“P»cßtöftätte. ^er meinöberger 3oßann 0efo»
lampabiuö, fpäter alö ber fd)mei3erifcße 3J^elan^tßon ßoeßberüßmt
unb ßod)Uerbient , mar and bem Vrigittenflofter ^lltenmünfter
entfloßen : ißm öffnete fid) bie ©bernburg. ?Heucßlin'd Sanb^mann,
3oßmin ©cßmebel, ßatte ben ßeil. ©eiftorben oerlaffen, unb mar
in feiner ^eimatß nießt meßr fid)er: ©iefingen ftcllte ißn alö
326
II. ®ud). 4. Äapilfl.
ÖJciftüc^cn an unb rid)tctc if)m halb l^crnac^ auf Saubftuf)! bic
.5)ocl)^cit auö.
S3om ©cptcmbcr 1520 an crfrfjdnt ,§nttcn auf bcr @bcrn^
burn, nnb fein crftcö ÖJcfcf)äft tuar ^iev, bic ^Infc^läqc fRomö
(jegen i^n öffentlich j\u enthüllen, um ft'aifcv, gürften unb alle
freien beutfcl)cn SOMnncr gegen eine 9)kcht auf^nbringen, bic
fülchc ?lbfichtcn h^ge, folchcr SO^ittel fiel) bebicnc. @ben fd}ic!tc
gran^ oon ©idingen fid) an, ^ur S^cgrüßnng bc^ ang Spanien
angefommenen Äönigö 5^arl ab^ureifen, non bem er auch fofort
bei feiner .(laifcrtrönung ^n ^adjen (23. October) mit einer
jcichnung bchanbelt mürbe, bic ihm eine cinflngrcidjc 0tcHung
j^u üerfprechen fchien. glmi i^&l §uttcn ein iilagfd^reibcn
an ben Äaifer^) mit, in roclchcm er bic 51nfd)lägc, bie an beffen
§ofc gegen fein Seben gefponnen morben, ben auö bcr römifd}en
öurie an nerfdjiebcnc bentfehe gürften ergangenen ^^efchU ih«
gcfcffelt nad) iRom fdjirfen, ju feiner Ä'enntnig bringt nnb
il}n bittet, bem an ihn fclbft gcftclltcn 9tnfinncn, biefe Slu^licfc*
rung ju geftatten, feine golge geben ^u moHcn. @in beutfd)cr
3tittcr höi»c mit t)cm röniifchen S3ifd}of nid)tö j^u fehaffen; er
bürfe nur in ®cntf(^tanb, nur bom i^aifer, gcridjtct merben.
Ueberhanpt fud^t §uttcn in biefem Schreiben feine Sache zugleich
alö Sadjc bc‘3 Äaifer^, ben §afi bcr IRömlinge gegen il)n alö
golge feiner taiferli^cn ©cfinnnng , jebc§ ßeib , baö Äarl jeht
il)m gcfd)chen liege, als löecintröchtigung feiner eigenen ^aifer^
macht barjuftellcn. ßuerft h^be er c§ mit jenen 9Jienfchcn bur^
feine 3:ürfenrcbc oerborben, mo er ihren Umtrieben gegen Äarl’ö
©rmählung -^um römifd)cn Ä'önig entgegcngctrctcn fei. 5luch
mciterhin höbe nid)t^ fic fo gegen iljn aufgebracht, alö bag er
ihren maglüfen Eingriffen in bic 9lcd)tc bcö i^aiferö, bcr täglichen
^lünbcrung bCiS 5Satcrlanbeö , höbe ein Enbe madjen toollen,
bag er bcr beutfehen Station ein 3J2ahner an il)re SBürbc gcs
mefen fei.
Offen gefleht Jütten, bag er c§ mit feinen Schriften auf
eine Umfehr ber beftehenben Orbnnng abgefchen höbe. Unb (yim
^emcifc, mie menig er fich babei einer Scgulb bemugt fei, Der*
1) Carole, Romanorum et Hispaniarum regi, U. de Hutten, eq.
Germ. €(^nften I, 6. 371—383.
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^ulten'S j^laojc^rctbcn an ,Q5nig j^arl.
327
fid)crt er, ju biefem and) ferner nad) Kräften tuirfen 5U
iDoIIen. 0eien e^ boc^ nur bie ©et^ner ber SBa()r()cit, ber c^e*
meinen grei^eit unb ber taiferlid)cn SSürbe, bie er befämpfe.
„Äeine ^riüatfad)e ift eö, bie id) betreibe, fein eigener §anbe(,
fein perfönlid)eS ©efei^äft. SEBic mürben jene fic!^ anfteüen, mie
flbermütbig mürben fic triumpbiren, menn irtjenb ctmaö non alle
bem, ma^ irb unternommen, mid) fclbft beträfe! ®ennud) oer=
folgen fic midj unb mollen mid) oerberben, ja fie mö^ten bo5u
beincr 9J?ocbt fid) alö SBerf^eugö bebienen. 3d) bagegen ftcUc
mid) juoörberft unter ben 0d)irm meinet ©emiffend, bann fe^c
icb SScrtraucn auf beine löilligfcit. E5)urcb freimütl)ig gcfcbriebcuc
!söüd)cr l)abe id) ber !^Bal)rl)cit ß^ugnig gegeben; auö ^flid)tgcfül)l
l)abc id) bir, aug ?lnf)änglicbfeit bem Sßatcrlanbe bienen mollen.
9Jiit feften ÖJrünbcn l)abc id) gegen ben päpftlicben Xrug ge=
ftritten, b^bc bie ^Infcblägc gegen beine .gerrfd)aft unb bie ge?
meine Jreibeit 511 oercitcln gefud)t. 2Bo ift ber ßobn für fold)cö
S^erbienft? frage id), bamit iltiemanb meine, icb fürd)tc ©träfe
mic für ein S8crbrcd)cn." ©ofort mirb ba‘5 ganje ©ünbenregifter
ber päpftlidien ^Inmaßungcn unb ©rpreffungen oorgelcgt unb
Äarl befonber^ auf bereu gcfäbrlid)cö SBeitergreifeu , menn beiu
fclbcn nicht fräftig entgegengetreten merbe, aufmerffam gcmad)t.
3öcnn .^utten nid)t mehr frei ermal)ncn bürfe, merbe ber Ä'aifcr
halb nicht mehr frei befd)lic6cn bürfen. @r, Jütten, märe bc?
reebtigt gemefen, gegen ben ihm brol)cnbcn Eingriff ficb mit ben
SBoffen ^u mehren, moju cö ihm an Äräftcn unb iöciftanb nid)t
gefehlt höben mürbe; hoch höbe er oorgejogen, aUeö in Äarrö
|)önbc ju legen, oon bem er jejt nicht blo^ ermarte, bag er ihm
Der, Reihen, fonbern auch, bag er feine Söerfolgcr für il)rc ftrafbaren
?lnfchlägc jur S3erantmortung j^ichen merbe.
Äaum minber michtig alö bie ©efinnung bcö neuen Äaiferö
• mar für Jütten bie beiJ l)örf)öngcfehcncn unb einflugreidhen Äiir*
fürften Don ©ad)fcn, beffen Haltung in ber ©adhc Sutl)cr’ö, fo
menig fie and) bem gcucrcifcr ^utteirö genügte, il)m bod) mcl)r
.^Öffnung gab, alö il)m in '^ejug auf i^arl beffen kuftrctcu unb
Umgebungen übrig licfecn. 3n i)erfd)iebencn iöriefen ging er
baher um jene ßcit ©palatin mit ber Öitte au, feinen J^errn
au^uforfchen, meffen man fid) mol)l für ben 50H, bag eö in bem
Kampfe gegen bie IRömlingc jur ?lnmenbung ber SBaffen fomc.
328
II. 53u(^. 4. ÄQpitel.
Don i()m ju Dcrfcl)cn l^ätte. Ic^tc er fein näci^ftc^ ^(nlicgen
bem Äurfürften fclbft in einem freimütljigen Schreiben bar*).
5)ic go^nbung ouf il)n unb bie 23annbuHe gegen Sutl)cr
(mit ber eben bamaU @cf ouö Stalien jurüeffam) feien
ba6 in ®ütc mit fRom nic^t^ auöjuric^ten fei, fonbern feiner
X^rannei ©emalt entgegengefefet merben müffe. ßiitber'e unb
ljutten’jJ ganjeö S3erbrcd)en befiele barin, baß fie bie üon ben
fRomaniften um i^reö (5igennuje§ miOen beina()e üertilgte ebau'
gelifd^e ße^re mieber^erftellcn unb bie ber greit)eit fo mürbige
bcutfic ^Ration nid)t fncc^ten taffen motten. XiefeS Unternehmen
habe jenem römif^en Dberhirtcn migfatten, aber 'Sh^Kto h^ibe e^
gefatten; ber ^abfucht ber römifd)en (£urie hö^*c ^ ©intrag
gethan, aber bem berarmten Saterlanbc fange bic neue greiheit
fchon 5U nü^en an. SBenn ßuther unb er Söahrhcit
unb bem SSatcrlanbc bienen mottten, fo höben fie unmöglich mit
ber iöanbe ber SRömtinge grieben hölten fönnen. fei Qcit,
©rnft 5U braud)en, ba ber grebcl auf^ $öchfte geftiegen, aber
auch, ^enn nicht alle trügen, bie große ©abel ihrem
gatte nahe fei. Xiefen herbe^uführen unb boö SBerborbene ju
beffern, fei freilich ©otteö 0od)e; aber barum bürfen mir nicht
müßig fein, ba ®ott burch SRcnfchcn ju mirfen pflege. Unb
^mar fei eö ^unächft ber gürften S3eruf, fich ber gemeinen grei*
heit unb SBohlfahrt an^unehmen; in^befonberc griebrich’S, alö
beö gürften jener ftctö freien, nie befiegten ©achfen. S8on bem
^apftc höben biefc fich freilich, mie bie gefammte ©hriftenheit,
unterjochen laffen; bodj fönnen fie biefen glecfcn glänjenb abs
mafchen, menn fie nun ber Elation in 5lbmcrfung jeneö 3od)eö
üorangchen. Xaoon fei biö je^t nichts ju bemerfen, alö baß
griebrid) bem oon allen oerlaffenen Suther Slufenthalt gebe, unb
nod) einen gunfen ber alten SJiannhoftigfeit in fiel) ju nähren
fcheine, ber einft jum heilfamften ®ranbe auöbrechen möge. Sßaö
fie bod) benfen, bie gürften, menn fie fel)en, mie Jütten, ein
bloßer ^Ritter, in biefer ©adje fo uiel ©ifer jeige, mährenb
bod) meit el)cr ihnen gejiemen mürbe, fich barein j^u legen, öeibc
©tänbe müffen ^^ufammenrnirfen , bie gürften ihre SRadht mit bem
1) Invictissimo Principi Fridericho Sax. Duci, Elect. ülrichus de
Hutten eq. G. ßfiernburg, 11. 8cpt. 1520. ©chriften I, ©. 383—399.
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i^uttcn’ö Senbfd^rcibcn an bcn ^urfürflrn ^nebrtc^ üon SotSjcn. 329
aWut^c bcr SRittcr ücrcinigen, tücnn bicfcn ©d)äbcn (^c^olfcii Xüa^
bcn follc. 6r fclbj't, §utten, tücrbc mn()ncn nid)t ablaffen,
biö er cntttjcber felgen tnerbe, baft bic gflrftcn fid) ermannen, ober,
ba^ fte feiner 2KanntjQftic|feit mel^r fäf}ig feien. 3m festem
gaüe merbe er anbere 9J?ittcl crörcifen; bo^ bitte er bie
eS nid^t fo mcit tommen ^\x laffen, fonbern bie 0d)mncb nnb bcn
©c^aben ju bc^cr^iflcn, bic mit bem jefeigen 0tanbc bcr 2)ingc
üerfnüpft feien.
SBelc^c ©c^ma^, bog eine tapfere S^fation, bic Königin bcr
anbem, jemanben, gefc^meige benn faulen Pfaffen, bienftbar fein
fofle! Sieber ben dürfen, bie boc^ ein mann^aftcö S3olf, nnb
beren 3od) auc^ mirflic^ meniger brücfcnb fei. 2)er ©d^aben aber
liege in ber 93crarmung ^Dcutfc^lanbö oor Singen. Unb roenn nur
baä @clb, baö mir un^ ent.vcbcn unb nac^ 9tom fenben, bort ,^u
guten oermenbet mürbe. Slbcr eö biene bcn fd)limmften.
„SBol)lan", ruft §uttcn au^, „roenn mir $^ilofopl)cn fein unbunfer
@clb megmerfen moUcn, fo ^aben mir in ber 9lnt)c 2J?ccre unb
glüffe genug: bei unö bcn SJ^ain, mcitcr bcn 9ffl)cin, bort bei ben
©adöfen bic @lbc unb anbere S93affer; ba laffet unö baö @elb
^incinmerfen , bamit c§ lieber fclbft oerberbe, alö bag cö
SSiclcn aller Drtcn Urfac^c beö SSerberbenö fei, inbem mir baburd)
jene römifc^e ©ittenpeft ernähren, unb 5mar fo überflüffig, baß
fic^ Don bort bic Slnftecfung aud) l)icl)cr unb in alle SBelt ergießt.
5)od) nein, nic^t megmerfen laffet cd und, fonbern nur nid)t bulbcn,
bag cd anberdmo^in gcfül)rt unb ’oermenbet merbe. ^ad mirb
bad erftc unb befte 9)^ittcl fein, jene ^prannci ju ^erftören. ®enn
roenn itian iprer Ueppigfeit biefc 9lal)rung ent^iept, fo merben fic
fid) befto meniger erbeben nnb ,^obmcr merben. Slldbann mollcn
mir unter einem Raupte, mic bcr alte Äaifcr Otto mar, ben
päpftlicben Sflatb muftern unb bic ©tabt fRom bcfid)tigcn, baraud
üiclc ööfc oertreiben, unb ctlicbc Söenige ^um ^^mtc
perorbnen, fte aber nicht über und betrfeben laffen. ^cm Äaifer,
roenn er mill, merben mir bcn ©ip bed fReicbd (9lom) ^urnef^
geben, bcn römifeben S3ifcbof bcn übrigen ®ifcböfcn gleicbfteUcn.
2)en ©ciftlicben mollen mir auch bict ihre ©infünfte minbern,
fic jur SRöbiglcit jurüctfübren unb ibre oerringern, inbem
mir oon bunbert nur (£incn bcbaltcn. SGBad aber merben mir
mit benen nmeben, mclcbc 5örübcr ober 9J^öncbc genannt merben ?
330
II. $u(^. I. j!apitel.
anbcr^, aU bag, meiner ÜJ^einung nad), bie gan^e 5lrt ob^
get()nn merben full, jiim grogen S^ii^en gemeiner Sbriftenl)eit, mic
fic^ balb finben mürbe/' 9^{od)bem Jütten fufort über bie
menbung bcö fo erfparten ÖJelbeö bie gieic^en Sbecn, mic fc^on
im 9Sabiöcib5, uorgetragen unb bie Hoffnung auögefprodjen bat,
bab eine fo(d)e ^Reinigung unfere‘5 Äircbcnmcfcn^^ bie Söbmen
nnö jurürffübren, bie @ried)en imb 9tuffen mit imö uereinigen,
unb felbft ben dürfen unb Reiben beffere ©eftnnungen gegen
nnö beibringen mürbe, fragt er: „§eibt bieb baö febmanfenbe
©d)iffteiu ^^3etri uerfenfen? bie 5^irri)e ©utte^ 5erftören, unb (mic
bie fird)enräubcrifcben ^Römlinge unb unreinen 0^mclgcr fd^rcien)
ben uugcnäbtcu S'tocf ©b^ifti äcrrciben? unb nid)t uielmebr bureb
ben ßutritt fo Dieter. Sölfer, burd) S3efferung ber ©itten, SBeg*
rüiimung böfer unb anftedenber ^eifpiele, bie Slirdbc reinigen,
förbern unb mebreu?"
„SBuIttc ®ott, bob eutmeber itjr ba^u ben SBitIcu böttet,
bie it)r bie äRacbt befiget, ober icb bie 3Jtod)t bcfäfie, mic id) ben
3BiUen ()obc. i^anu id) aber cueb nicht bemegen, uod) auch aiu
bcr‘5mo einen üöranb erregen, ber jene 5)ingc Dcr^ebrcn mag, fo
merbc icb bod), ma^ id) für mich allein tarnt, Iciftcn : id) merbc
nichts tt)un, maiJ cincö tapferu iRitterö unmürbig märe; merbc
nie, fo lange icb bei gefunben ©innen bin, and) nur einen ©ebritt
Dou meinem SSorbabeu meicben ; cud) aber, bie icb ^on männlid)er
geftigfeit abfatlcn febc (menn id) ba§ feben füllte), merbc id) be^
bauern. 3^cb felbft merbc frei bleiben, mcil icb ben %oh nicht
fürchte, ^ueb mirb man nie Don Jütten hören, bafe er einem
fremben Äönig, mie grub unb mäd)tig ber auch fei, gefebmeige
beuu bem untbätigen ^apftc bienftbar gemorben . . . 2)ocb nun
Dcrlaffc icb bie ©täbte, meil icb bie 3öal)rbcit nicht Dcrlaffen
fann, unb holte mich aufö greiefte Dcrborgen, meil ich nicht mehr
frei unter beii 3Rcnfd)en manbeln borf, mit großer SScraebtung
ber ©efabr, bie mich umringt, ^enu fterben fann ich, aber
Änecbt fein fann ich uid)t. ^ud) 3)eutfcblanb gcfnccbtct feben
fann id) nid)t. ^2Ibcr ber %a^ mirb fommen, benfe ich, an bem
ich auö biefen ©d)lupfminfeln b^i^^orbrccben, ber 2)eutfcbcn Xrcu
unb ©lauben anrufen unb Dielleicbt eben ba, mo bie grögte iBer^
fammlung ift, au^rufen merbc: Sft ^incr ba, ber um gemeiner
greibeit mitten mit §uttcn ^u fterben magt ? — 2)aä höbe ich an
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J^utten’5 6d()rcU>cn an bcn Grjbifdjof '2(Ibrerf)t.
331
bi(t), mcl)r bcr S^eiucgung meine» ©emüttjö, al§ bciiier SSürbc
(icmög, freimütf)i(j gefc^rieOen. ^^IQein ic() Ijoffe üou btr ba^ '^eftc.
5)a^ev glaubte iri), an einen greien frei fd)reiben füllen,
bab bic^ mobl unb ermanne bicl)."
3)a§ burd) ^utten’iS jugenblid^en geuereifer, fo rein er and)
gerabe in biefen iilagfc^reiben flammt, ber alte Äturfürft griebricb
auä bcr !0a^n meifer iWäfeigung, bie er fid) üürgc5cid)net batte,
fid) werbe t)crauöwcrfcn laffen, war freilich eben fo wenig er?
warten, al§ ba§ bei bem feiufinnigen, aber fd)laffen unb oielfadj
abhängigen ^^urfürft-Srjbifchof Wibrecht Don 9J^ain^ §utteu\^3^'
fprache etwoö auörichten werbe. Uebrigenö fchricb er an biefen
(unter bem 13. ©eptember) mit aller ber 9^ücffid)t, bie er feinem
uuoerfennbaren Söühlwüllen fchulbig war*). @rft fprid)t er feine
(Smpfiublichfcit barüber auö, bag bcr ©r^bifchof ihn üon bem
päpftlid)eu 5(nfinncu nicht fclbft in ^^enntnijj gefept wol)l
in golge feiner (Ergebenheit gegen bcn ^^apft, uon bcr töntten
nur wünfd)t, ba§ fie gute golgen für bcn ©r^bifdjof halben möge.
Slllcin er fürchtet, bcr $apft werbe biird) einen fo unerhörten
©chritt über bie ganje Älerifci ein fd)limmeö (Gewitter herbeige^
^ogen hoben. ®em ^iioorjufommcn, wäre jeht Sache bcr 33ifchöfc.
(5Jar ju gerne mödjtc §uttcn eben jeht bcn ©rjbifchof fpred)cn,
unb ocrwüufd)t benjenigen, bcr ihn oon bem Umgang cinciä für
wahre grömmigfeit unb für alle @utcn fo wohlgefinnten ^errii
gefd)icben hot. iiaum ift ihm etwaiJ in feinem jehigen 3JUhgefdjicf
empfinblicher. 2)odj er will allcisJ ertragen unb ftch nichtig merlcu
laffen. „iian fchlieht mid) auö", ruft er, „oon ben .^öfeu, oon
bcn Stäbteu (ju meinem Schmer^ aud) oon bem golbeneu SJiain^),
oon bcr 0cffentlid)feit unb bcr mcnfdjlichen @efellfd)aft ; eiucu
SJiann, bcr fcincö grcoclö befd)ulbigt, feiueö SBcrbrcd)cuö , feiner
Unthat überwiefeu ift, einen Verfechter bcr SS3ahrhcit, einen 9)^ah'
ncr jum Veften ; unb mau fd)lic6t mid) auö, ohne mich gehört ^u
haben, ja man will mich jur Vcftrafuug imd) 9lom pichen. Söer
l)Ot noch einen tropfen beutfehen Vluteö in fid), bcn folchc gred)^
heit uid)t bewegte, folcher grcocl uid)t empörte?" Söenu ber $apft
gegen ihn, im grellen Söiberfprud) mit bem Söefcu bcr Äirchc,
1) Alberto Cardinali et .Vrchiepiscupo Ulriclius de Hutten.
len I, 6. 400-403.
332
II. «U(l^. 4. ÄQpilcI.
bcn tucItUci^cn STrm anrufc , fo fei bQ^cflcn ii)m, §uttcn , flcnufl,
oiif bcn Sinn bcu ^errn ju l)offcn. 3ni S^crtraucii auf i^ii
fürd)tc er baö 9Äi§faflen bereu nirf)t, lueld^e bie Sßa^rl)eit, bie er
flcfagt, liiert ertrac^cn !önnen. 3)em ©rjbifc^of tnünfd^e er aHcö
@lücf, befonberö bag er fic^ burd) ba^ Oöfe iöeifpicl ni^t anfteefen
laffcn möfle.
5)effelDen lüie an feinen e^emalitjen .^errn, fc^rieb
§uttcn and) an beffen fRatf), ben fRitter ©ebaftian uon iRoten^an,
bem er ju Slnfanfl beö 3abrc^ feinen ®abiöcn^ ungeeignet ^atte *).
„SBätjrenb gegen mic^", beginnt ber ©rief, „biefer 2)onncr bc^
jc^nten Seo ba^erroUt, t^uft bu? n?a3 finb beine ^offnim*
gen, beine SRutbmagungen für bie ß^tunft ? Unb incnn bu l)örft,
maö üon ben gciftlic^en Sötern töglid) gegen mic^ ^Ibroefenbcn
gcfprüd)cn tnirb, roa)S inagft bu ^u numfcln? roaS frei 511 reben?
SBobnt in bir fein frönfifc^er 3)tut^ metjr, fein angeftammter
greifinn? Unmöglich fann id) an foldjcn ber ^imirilifdjcn
gegen ^)cutfd}[anb gloubcn, bag fid^ nid)t bie meiften mit mir
Uerbinben foütcn, um ba^ Ijcrbeijufü^rcn, Ujaö halb gcfd^cf)cn
muß, füH eö nid)t um unfere greifjeit, um bie c^riftlic^c SBa()rs
I)cit gctf)an fein. menu man mid) im ©tic^c lögt, tröfte
ic^ mic^ mit meinem Semufetfein unb mit ber Hoffnung auf bie
S^tac^mdt. ®enn biefc^ geucr lögt fic^ nic^t fo erftiefen, bo6 cö
nid)t bcrmaleinft, jum Serberben üon jenen, furd)tbQr micber
auöbred^en foUte." 3nbcffcn möge ber greunb auf aüc§ achten,
load bort (ju SRainj) gcfc^ebe, unb barüber an §utten ©cric^t
erftatten. ©ei bem ?lbel möge er für i^n unb bie gute ©q(^c
reben, feine geinbe aber burc^ ben2öa()it fieser machen, al§ ob er
febr cingcfc^üc^tert märe, hierauf tt)ut Jütten feiner Äfogfe^rif'
ten an bcn Äaifcr unb bie gürften @noöl)uung, unb fc^liegt mit
bem SGBunfc^c, bag iiart fid) feiner Stellung mürbig bemeifen
unb bie ©aebe felbft in bie ^anb nebmen möge.
Äueb an ßutber, bem er noch unmittelbar oor feiner ?lbrcifc
5U gerbinanb gcfd)ricbcn b^itte, gab er jebt üon ber über ibn üer»
bängten ©crfolgung unb feinem (Sntfcbluffe, mit ©ebriften unb
©jaffen gegen bie pöpftlicbc ^b^Qünci ju gelbe j^u jicben, in ci=
nem ©riefe üoll lcibcnfd)aftlicben SD^utbciS 5Ra(bri^t, üon bem mir
1) Sebastiano de Rotonbau. I, 403—405,
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i^utten’§ 8enbf4>reiben an bir ^euljd^rn qIIct ^ifinbe. 333
nur ouö einer ^leugerung ßut^cr’d tuiffen, ber jufolfle er auf
biefen geujalticjcn ©inbruef gcmad)t r)atte‘). S)urcl^ ben (5rla§
bcö maiujcr ©r^bifdjofd gegen ^uttcn’ö „unb ähnliche ©c^riften'^
fanb fintier auc^ fic^ berührt unb ftclltc in 3(u8fid)t, fobalb er
ou^brücflid) genannt toürbc, „feinen ©eift mit bcm^uttcn'ö Der-
blnbcn unb fic^ fo cntfd)ulbigcn ^u moflen, bag eS bem Öifc^of
feine J^cube niadjcn follte. ®ieHeid)t inbeß", fefet er t)in5U,
„befc^lcunigcn fic buv^ foldjcg SSorge^en fetbft ba-ä @nbc i^rer
X^rannel."
®oc^ nic^t blo3 cinjelnen gürften unb glcic^gefinntcn SJ^än^
nern, ben 2)cutfc^cn aller 0tänbc moUtc §utten feine 5lngclegcni=
l)cit, meldjc ja mirflic^ bie ber ganzen 9^ation mar, an baö ^erj
legen*). ^)amit erft erhielt bie IReibe feiner flagenbcn unb
anf(agenben©cnbfc^reibcn i^ren angemeffenen, uoUtönenben^c^luß.
2(uöfü^rlid)cr alö in ben übrigen legt er ^icr bie römifd)cn ?Iiis
fd)lögc gegen ibn unb bie beßbalb an if)n ergangenen SGÖarnuns
gen bar, mclc^e il)ii ju bem ©ntfc^luffc bemogen ^aben, fic^ uon
bem öffentlidjcn öerfebre jurüd^ujiefjen. 3a, bal)in fei eö gefom*
men, bag.er, ber nod) Dor fur5em nac^ SDfitftreitern im Ätampfc
für SBaljr^eit unb beutfc^c 5^cil)eit gerufen ^abc, je^t um ©d^u^
unb ^ülfe für feine eigne ^erfüll fid^ umfc^cn müffe.
,,^bcr mo^in foll ic^ mid) menben? mo^ülfe fud)en? @uc^
rufe id) an, bcutfdje gürften unb SDiänucr! SBollet i^r mül)l*
ücrbiente fieutc auetreiben, uufd)ulbigc beftrafen laffen? S33o ift
bie bcuifd^c 9lebtic^fcit unb Xugcnb? mo jene bei allen S3ölfcrn
gepriefene beutfc^c Xapferfeit? ^cjdjirmct alle einen, ba einer
für cuc^ alle gearbeitet l)at. ^enn bie ^(rbeit unb ba^ Unterfangen
maren mein: ber Erfolg freilid) ftel)t in ©ottcö SBillen, nic^t in
beig SDtenfdjen SBunfdje. 3d^ jd)mebe je^t nidjt minbev in
@cfal)r, alö menu id), ma^ i^ eud) <\u ßiebe gemoUt habe, glücf?
lic^ erreidjt l)ättc. 3d) ftüube jejt in bcö römifc^en iöifc^ofg
(>iunft, l)üttc ic^ nic^t bem 33atertaubc ju ®ute unb jii gemeinem
1) fiut^er an 8patotin, aBillfnlxrQ, 11. 8ept. 1620, in ^utten’S Sd^tif-
Icn I, 369 f.
2) Omnibus omnis ordinis ac Status in Germania Principibiis,
Nobilitati ac Plebeis, Ulrichus de Hutten K(iues Orator ct Pocta lau-
reatus S. 33oin 28. Sept. 1520. ©c^riften I, 8. 105—419.
834
IL $u(^. 4. j^apitel.
9^lu|cn aflcö bag ücnoenbcn njoCtcn, tüaö ic^ mit fo tjiclcr 3)?ü^c
auf einer fu Ijarteu unb fd)mercn Söanberung, unter }o t)erbcn
Unfäüen unb im Kampfe mit einem fo mibrigen ©efe^iefe geflickt
unb enuorben ()abe: biegrudjt fo üieler 9^Qd)tn)ad)en, fo mancher
S^leifen ^icr unb bort bei Xag unb 9iad}t, ber ^rmut^ unb 9Ser?
ad)tung, bie ic§ auf mid; naijm, ber l)ieljät)rigcn ^cimatblofigfeit,
bie id) mir im blütjenbften 2üter auferlegte. §lber c§ trieb mic^
ba^u ber ^)urft nod) SBal)rt)cit, trieb mid) bie £icbc 5um SBa=
tcrlanbe. Um fo meniger bürfet il)r jugeben , baß id) um ben
Sobn für meine ®icnfte fomme. SÖJottet i^r mic^ unüerßört, un^
oerurt^eilt ^inmorben laffen ? . . 5)ag Stecht fd)cue ic^ nic^t ; in
eurer SÜtitte mcile ic^ mit gutem ^öertrauen. 9^ur @emalt laffet
mir nid)t geic^cl)cn, fc^on beßmegen nid)t, bamit nic^t meine
geinbe, menn fie ben Unfc^ulbigcn gcmaltfam umgebrac^t, gegen
ben Xobten eine ©d^ulb erbid)ten mögen. 3d) foUte oon ^ier
meggeriffen merben, ic^ Unfeliger? Son biefer @rbe, bie mid)
bei meiner ©eburt empßng? biefem ^immel, ber mic^ nößrtc?
biefen 3)?enfcßen, unter benen i^ fo freunblid) gemo^nt ßabe?
®icfe §erbe, biefe Elitäre follte id^ oerloffen? unb nic^t um in
ber SSerbannnng elcnb ju leben, fonbern 5U graufamer SJiarter,
511 fd)mäl)lid)em 2!obe foU id) gefc^leppt merbenV 3^1 $iUKf
meine öanböleute! fielet mir bei! Saffet ben nic^t in iöanbe
legen, ber eure iöanbe ^u löfen unternommen ^at!"
(Sben nur bieß, in ber baö l)öd)fte SSerbienft, fei fein
SBcrbrccben. 0onft fei er fic^ feiner ©c^ulb bemußt. ©eine
geinbe feien aueß 2)eutfc^lanbö geinbe; in i^m üertbeibigen bie
3)eutfc^en fic^ felbft. „Xt)Ut bie klugen auf, ißr 2)eutfc^cn, unb
fel)ct, mer eö ift, ber euc^ ba^eim beraubt, anömärtö in Übeln
9fluf bringt unb oon allem Unglüd, allem Sütißftanbc bei eueß bie
©d)ulb trögt. (SS finb bie ^eillofen llblaßfrömer, bie ocrruc^ten
§önbler mit ©naben, Xi^penfationen, ^bfolutionen unb allerlei
Nullen, bie einen SJiarft mit l)ciligen Gingen in ber il‘ird)e ©otte§
eingerichtet haben, baranö er einft biejenigen trieb, bie hoch nur
geringe lueltlichc Söaarcn tauften unb oerfauften. ©ie finb bie
^erfmeifter allcö 2!rug§, bie (Srfinber aller Siften, bie Urheber
ber iilned)tfi^aft unb ©efangenfehaft biefcä SSolfö. ©ie finb cd
aud), bie mich i« ^-liotl) unb ©efohr gcbrad)t hoben, um
feiner anbern Urfad)c mitlen, ald meil ich ihtc fünfte ocrrall)en.
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J^uttfn*§ @enb|4)reiben on bte ^eutj^icn oHer 6tfinbe. 335
t^re ©c^anbc aufgcbcrft, ihrer SRäuberci tüibcrftanbcn, ihrem greuel
einen Sfliegel üorgefd)obcn habe, unb lueil biirrf) mid) bereits ihrem
©erninn etroaS abgegangen, ber mähren grömmigfeit üiel juge^
machfen ift. ©tetS i)abc id) §üifru()r gemieben, jur ©mpörimg
nid)t Urfache geben moUen, unb jum iöemeifc, mic menig eS meine
2lbfid)t mar, einen Umfturj ber öffentlidjen ßMftünbc herbei5ufü[)ren,
habe ich lateinifd) geid)riebcn, glcichfam um fic unter üier Singen
ju ermahnen, unb nicht gleich ben grüßen Raufen ^\um SJ^itmiffer
ju machen; obmohl ich, bie& ju thun, mehr als genug Urfache
gehabt hätte." 0elbft je^t, ba fie bcutlich i\u erfenneu geben,
mie menig freunbliche ©rnmhnung bei ihnen auSridjte, malle er
immer nod} nid)tS ©emaltfameS gegen fie ucranlaffcn, molle fie
nicht für ihre Uebelthaten beftraft, fonberu nur theilS fid) felbft
gegen fie gefchü|t, theilS fie an fernerem Uebelthuu uerhinbert
miffen. — 3)arunter fefetc Jütten ben ©pruch auS bem ^meiteu
^falm, ber üon jc^t au bei ihm öfters neben ober ftatt feiileS
eigentlidjcn SöahlfpruchS mieberfehrt: fiaffet uuS 3crrei6eu ihre
geffeln unb üon uuS merfeu ihr 3ad)!
3m Oetüber 1520 erfchieu bie ©ammluug biefer Älagfd}rifteu,
mürbe halb mehrmals miebergebrueft, unb mo bie löuchhäubler
fich fürdjteten, burd) ^utten'S greunbe aertrieben. @S mar ein
lebhofter öerfehr üon ber ©bernburg h'^T^i^ntcr ^mifchen §utteu
unb feinen greunben in äJ^ain^, ©peier, 233ormS unb anbern 0r;=
ten; fein ©djreiber manberte hi« unb h^t mit ^aefeten unb Sluf^
trägen; 3J^artin Sucer mar ein gefälliger Vermittler; auch ein
Vruber Ulrid)’S erfcheint als Vertraueimmaun, bem Vriefe unb
©enbungen an ihn übergeben mcrbcu fönnen. ®ie ©jemplarc
ber $uttcn’)chcn ©chriften mürben, fo meit et fic nicht ucrfchcnttc,
entmeber gegen anbere Vüchcr. bie er hüben moHte, Äird)cnüäter,
Slaffifcr, gefchid)tlid)e SäJertc, i)ertaufd)t, ober and) oerfauft, unb
üon bem ®elbe, mclches bafür ciüging, Vüchcr eingefauft unb
beren (Sinbaub beftritten Sin Öuther unb ben ^^urfürften
griebrid) fehiefte Jütten (ijemplare feiner iUagfdjriftcn burd)
ßrotuS, ber für5ltd) jum IHcctor ber erfurter §ochfd)ulc gcmählt
1) Jütten on ?uccr öom 26. unb 28. 9toö. 1520, 6(^ri|lcn 1, ©.
427—429. ^apito, n. a O. ®. 865 f.
336
II. $U(^. 4. Kapitel.
iDorben toax ; ba§ ©cnbfc^rcibcn an ade ^eutfc^eu aber ließ er
(üieüeic^t in dJ^ainj?) öffcntlid) anfc^lagen *)•
^er päp^ttidje ?lnfd)lag auf ^utten'ö ^^ci^cit unb Seben
biente nur ba5u, i^n um fo meßr (neben Süt^er) jum DoU^^tpin*
licken gelben ju machen. erfc^ienen um jeneßeit unter bem
Spanien Slbl^benu)^ Soraduö eine fRebe an Äaifer Äarl unb bie
beutfdjen gürften für Jütten unb Sut^er, bie SSerfe^ter beö
SSaterlanbe^ unb ber beutfe^en greiljeit*), unb jmei ©efpräc^e,
baö eine ber gefangene, baä anbere ber öerl)errlic^te Jütten bc=
titelt^). 3n ber fRebe mirb befonberö baö gormtofe unb fRec^t^'
mibrige in bem SSerfa^ren gegen Jütten, baö ©c^mö^lic^e beS
angeblidjen ©ergiftungöuerfu^ö, ^ernorge^oben. 3n bem erftern
ber ©efpräc^e ruft $apft Seo bie ©urtifanen gegen 2utl)cr, unb
nod^ me^r gegen Jütten, beffen Slnfc^läge gefährlicher feien, auf.
SBon einem granciöcaner geführt, jiehen fie auö, um ben Flitter
am füiferlichcn ^ofe ju greifen; Jütten mehrt fid); ©iefingen
fommt hinju, erbietet fich, bie 0ache bem IJaifer üorjutragen;
mittlermcile füll fid) Jütten auf ©tedelberg in Sicherheit brin=
gen, Don mo er alle ^5)eutfdhen ju feinem Öeiftanb unb jum Kampfe
gegen bie ßurtifanen aufjurufen gebeult. 3u bem anbern ©cfpvächc
mirb Jütten üon ber perfonificirten Söahrheit feiner irbifchen
Sßaffen entf leibet, unb mit ben gciftlichen, bem i^rebiS ber ©crech*
tigfeit, bem Sd^ilbe betS @lauben!§, bem Seßmerte bc;^ SBorteS
ÖJütteö (baö gau5 anberö gcljanbhabt fein motle aU baö ber 33e-
rebtfamfeit) auögerüftet. 3n biefer IRüftung eineö chriftlichen
©tveiterö füll er, otjue irbifcheö Xra(^ten, ohne perfönlidje fRach-
fud}t, mit guten ^üdjern, befonberö bem ©uangelium, üerfehen,
üon einem einfamen Xhurme auö für bie Sache ©otteä unb beS
^aterlanbeö fämpfen; mobei er jelbft gürften, menn fie fich miber
1) ßutper an ©polatin, 16. 2)«. 1520, in ^uttcn’8 S^riften I, @. 437.
^utten'S (Snbtjd^UIbigung, Sd^riften II, 8. 131, §. 5.
2) Oratio ad Carolum max. Augustum et Germanos Principos,
pro Ulricho Hutteno eq. G. et Martine Luthero, patriae et Christianae
libertatis adsertoribuB. Authore S. Abydeno Corallo. 8. ^utten’S
8(^riften I, 8. 442—445.
3) IliittenuB captivuB. Iluttenus illustris. 3n Dialogi Reptem,
festive candidi, authore S. Abydeno Corallo Germ. 3n ^utten’S 84)nf*
ten IV, 8. 593—600.
r-
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Cut^er’8 ®(^Titten Derbranni.
837
bie S5ki[)r^eit fc^cn, fdjeltcn borf, unb bcö 0icq^, ipenn oud) nid)t
bc!^ ficben^, fieser fein fann. Sitte Äenn,^eic^cn beuten auf ben
fe^t in Erfurt lueilenben Srotuö alö SSerfaffer biefer ©c^riften,
ber wa^rfc^einlidj ouc^ bei ber fogenannten Intimatio Erfurdiami,
bet öffentlichen (Irflärung ber bärtigen Uniöerfität für Suther unb
gegen bie wiber ihn crlaffene pöpftlichc S3utte, betheiligt tuar.
Unterbeffen n>ar nämlich 3ohann ®cf in ^Begleitung beö
pöpftlichen S^tuntiuö Slleanber mit bet 23annbutte gegen fiuther
nach 5)eutfd)lanb ^urüdgetommen. 3n biefer (au^gefertigt in
9iüm am 15. 3uni 1520) maren 41 ©äje auö ßuther'ö ©chriften
tl)eilö aU fe^erifch, thcilö bo^ alö falfch unb anftögig bejeichnct,
feine öüchcr, fo meit fie biefe ©ä^c enthielten , jum geuer uet^
bammt, ihm felbft aber noch Slnfchlag ber
öuUe an ben 2)omfirchen ju S3ranbenburg, Meißen unb äJicrfc*
bürg ä^m SBiberruf gclaffcn, nach ^cren fruchtlofem SSer*
ftreichen er al§ h^^^lt^^cfiger Sicher oon ber Äirchcngemcinfchaft
abgefonbert unb nach S^lom jur 33eftrafung auSgelicfcrt werben
foUte. 2Bäl)renb @cf im 2aufe bcö ©eptemberö bic iöuttc in
^öaiern unb ©achfen anfchlagen liefe, reifte Slleanbcr ben 9tl)cin
hinunter, um fie bort ju üerbreiten. ©chnett h^tttc er uon bem
jungen Ätönig Äarl bie ©rlaubnife au^gemirft, in beffen burginu
bifchen ®rblanben Suther’d ©chriften oerbrennen ,^u laffen.
Sind) in ben beutfdjcn ^faffenftäbten Äöln unb SÜ^ain^ rauchten
halb bic unblutigen ©chcitcrhaiifen. ®od) war felbft in bem
pnftem Äöln bie ©timmung ber ©eoölferung fehr gethcilt unb
in bem gebilbetern 3J?ainj entfehieben gegen bie üü^aferegd. „Suthev",
fchrieb Jütten barüber an ttJ^artin 53uccr, „h^^l (Su SD^ain^^ gebrannt;
hoch, wie ich glaube, ohne c^ ju fül)lcn. 5)aö tönnen jene 9J^orb*
brennet, fonft nichtö’).'' 3n Erfurt würbe bie iiöuflc jerriffen,
(Sef in feiner SSohnung belagert.
l)urch biefe ©orgängc fanb fid) Jütten ^^u unglaublicher
Xl)ötigfeit angeregt. 91od) tuahrenb bcö Detober unb 9^ooember
fehen wir ihn mit uicr bii fünf ©d)riftcn gegen bic Bannbulle,
bic ©(hriftenücrbrennung unb bic römifdjc Xljramtei überhaupt,
1) pulten an »uctr, Sdjnflcn I. 6. 427 f. »gl. Jütten on Cutter,
ebenbaj., 436, unb bie »eri(l|tc uon »ratuS 9il)fnanu8 unb ^bio, cbenboj.
6. 429 unb 438.
VII. 22
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II. mä). 4. ffattlifl
dS8
bcfc^äftigt. S)a fic ^um X^ctl neben einanber ou§gcorbeitet tourben,
fo fönnen mir fie bicr in her Drbnung nonte^men, bie un^ i^rem
Sn^alte jufolge bie bequcmfte ift.
5)ic 33utte ßeo'^ X. gegen fintier reifte ^mttcn, fte ju
gioffiren. ^en pdpftUc^en @ä|en bie ©egenföpe, ben Änfprüc^cn
ben Söibcrfprudbr ^un!t für $un!t auf bemfelben Sölottc gegen*
über^uftellen, ben falbungöüoUen S3ombaft eineö folc^en 5lctenftücf§
burc^ nüchterne Slnmerfungen ober fpi^ige Querfragen ju ftören,
tonnte ganj befonberä bienlic^ erfc^einen, um auc^ ftumpferen
ßefern bie ?lugen ju öffnen. <So lieg benn §utten bie S5uHc
mieber aufiegcn, mit bem pöpftlid^en SSappen auf bem ^titclblatte,
unb fo, bag ber gröger gebructte %CTct berfclben burc^ feine ©(offen
in (leincrem 2)rucfc t^ciU unterbrod^n, t^eilö am 8^anbe eingc*
fagt crfc^icn 0- SSorauö gebt eine Ißorrebe, in melcger au^efü^rt
ift, bag cd ficb fcincdmcgd blöd um Sutbcr b^inblc, fonbcrn
ber ^apft beabficbtigc, mit Sutber bie micbcrouflcbenbe cbriftlicbc
SEÖabrbeit unb beutfcbe greibcit ^u erfticten. Slbcr mehr ald
jemald fei jept bie ©elcgcnbeit einer rcttenben ^^böt günftig, ju
melcber ficb bie ^eutfcbcn bodb mobl enblicb mit .^utten ent*
fcblicgen toerben.
3)ie ©(offen hierauf finb, mic cd bie 5Ratur einer folcben
?lrbcit mit ficb bringt, balb ironifcb, halb patbetifcb, häufig treffenb,
bidmeilen aber boeb auch matt. äBenn Seo ficb im ©ingang
gebraebtermogen ben Äncebt ber Änecbte ©otted nennt, fo mirft
Jütten bai^mifeben: SBad gebieteft bu alfo unb fpiclft mit fo
grogem ^oebmutb ben ^errn? SBenn bie Sude fclbft mit ben
SBorten anfängt: ©rbebe bicb, o^err — fo bemerft Jütten: ja,
er mirb fiel; erbeben, boeb ju bed ^Sapfted grögtem ©ebaben. SGÖo,
in Änmenbung eined befannten öibclfprucbcd, bie neuen Äeper
gücbfe genannt merben, bie bed ^erm SEÖcinbcrg benoüftcn, er*
miebert ber ©loffator, bag oielmebr ber $opft in ber ^rt, mic
1) Bulla Decimi Leonis contra errores Lutheri et sequaoium. Kitf
ber Slüdffeite beS XitelS: ülrichus de Hutten eq. Germanis Omnibus S.
5)if gloffirte SuIIe |. in ^«tten’8 6d^riften V, 6. 301—333; boS SJonoort I,
8. 430 (., baS ^lad^tooTi an ben ^apfi ebenbaf., 8. 481 f. 6in Seitenftüd
|u btejer ^utten'fd^en 8d^rift, bie Oratio Constantii Eubuli Moveniini de
virtute claviuro et bulla condemnatioois Leonis X. contra Mart. La>
therum etc. (f. ^utten’ö 8d^riften V, 8. 351 ff.) ift öermut^tid^ öon SrotuS.
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l^utten’S ®lofffiT )u ber ^onnbufle. 33^
er ben ^eutfc^en i^r ^elb tbet(S ab^ulocfen, tbctlS oB^utro^cn
njtffc, fic^ Uftiger als ein guc^ö, räuberifcber olg ein Söolf bc*
»cife. jDa^ Äuffommen folc^cr Äc|ereicn in 2)cutfc^lanb, fährt
bog ^Ictenftücf fort, bctümmerc ben ^Qpft um fo tiefer, mcil er
unb feine Vorgänger gerobe biefe 9lotion jcberjeit in ben (Singe-
meibcn ihrer Siebe getragen höben: — freilich in ben (Singemciben !
ruft hic^ Jütten, benn ihr höttet fie Ocrfchlungcn ; ober ie|t
merbet ihr fie oon euch fpeien muffen, unb @ott felbft mirb pe
oug eurem Mouche giehen. @onft, meint bie ^uUe, feien bie
3)eutfchcn bie eifrigften ©eftreiter ber Äe^erei getoefen: — o^,
tt)ären fie cg bodh gemefen! feufjt bo Jütten, bann hötten fie oor
allem gegen bie $äpfte fich gemehrt. IBon Suther fagt ber $apft,
märe berfelbe feiner Sabung nach 9iom gefolgt, fo fei fein 3ö)eifel,
er mürbe in fich gegangen unb jur (Srfenntnig feiner Srrthümer
gefommen fein: — gcfprochen menigfteng, meint Jütten, mürbe
er ferner nichtg mehr höben, märe er einmal oon bir ju 9iom
empfangen morben. SSenn bie Söulic Suther’g Sehren oerberblich
nennt, fo erläutert bieg Jütten bahin, bag aUcrbingg burch bie-
fclbe öiele ^ochmürbigftc mit junger, unb ihr §err felbft mit
SJtongel bebroht merbe. Unb mic nun ber $apft bei ber ®er=
brennung oon Suther'g ©egriften anfommt: — bu höft’g meicht!
ruft ba Jütten, fie brennen, aber in ben ^erjen aller ÖJuten. ‘
SEÖelch ein oerberblicher ®ranb für bich! SRun löfche ihn, menn
bu lannft!
^en ^efchlug macht ein (Spilog an Seo X., morin ihm 511
bemerfen gegeben mirb, er märe beffer mit feiner SuHe baheim
geblieben, bie ihm nur ©chanbe mochc. Sängft fage man in
Xeutfchlanb oon ben päpftlichen 53ullcn, eg fei mit ihnen mic
mit bem @elbe: je neuer, befto fchlechtcr. (Sr möge feiner ^ab=
fucht, feinem Xruge (Sinhalt thun, bie Qeugen ber Söahrheit nicht
ferner reijen, ingbefonbere aufhören, Suther unb bie oon i()m
Ängercgtcn ju ocrfolgcn, benn ihrer feien bereitg mehr, alg bag
irgenb ein ©if^of fo oiele ©celcn oerberben fönnte. @r folle
fein ^irtenamt recht oerfehen, feine ^cerbe fortan mit (Srfenntnig
unb Sehren, nicht mehr mit öuflen mciben, beren man überbrügig
fei, mie man ouch oor bem ^blag nachgerabc (Sfel cmpgnbc.
„(Sineg ^apfteg Qkibcn finb SSkigheit, 9teinheit, j^eufchhrit unb
Verachtung glleg grbifchen. 2)cncn trachte noch- ^onn mirb
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340
II. 4. fiapHel.
®ciitf^lünb bid^ ocrc^ren, loenn cö fic^t, bafe bu cS (icbft, nid)t
bic^, tüic je^t, befämpfen, ba cä bcmerft, baß bu cö fd^recfcn toiUft.
jiemt bir aber, burc^ ©üte alle ju überwinben, niemanben
burc^ ©cioalt ju ^tuinflcu. ®ic§ frcimüt^ig aber lua^r, luie bic
0ac^c fic^ üer^ölt unb bie ßcit cö mit fic^ bringt, ßebe mo^l!
2)cutf(^lanb.''
Stieben ben ©toffen ber päpftlic^en öuHe arbeitete ^utten
um jene ßeit an einem ©ebid^t über bie SSerbrennung üon fiut^cr'iS
©c^riften, unb jmar in boppcltcr ©eftalt, lateinifc^ in ^ejametern
unb beutfe^ in Dficimen, moüon bic erftere bie frühere ift*).
(Sigentlic^ ftnb beibc ^roei üerfcf)iebenc ©ebid^tc, bie nur in menigen
fünften jufammentreften. ^ag lateinifd^e ^at ben Sor^ug größerer
Äürj^c unb cblercr bad beutfe^e mac^t feine SScitfeßmeifig»
feit unb feine ungelenfcn ®erfc bureß üolfötljümlid^c Iftbctorif
gut. 233ic? fo beginnt ba^ erftere, menn mir bic latcinifc^cn in
cntfprccßcnbc beutfd^e SBcrfe übertragen —
2Bie? 5)cm ®tanbc gewelkt ijt bie |o mand^er bur^toac^ten
9lo(^t? bem 53erbcrben bie Schriften bc§ wal^rbcitrebenbcn iiutber?
®a§, i^r Siönimen, erf rettet if)t cud^? fo fünbigft bu, geuer?
^ilf ben Q'rommen, bu f^lut, oom Jg>immel ergieße fid(| Kegen,
KuS)uI5f(^rn ben @räul! . .
*
9Rad)bcm fofort auf ber einen (Seite bie römifd)c SWißberr?
fd)aft, auf ber anbern £utl)er'^ SSerbienft um aöieberbcrftcUung
ber Söabrßeit inö Sic^t gefept ift, mirb ©att felbcr jum @in^
feßreiten aufgerufen:
Unb nun fd^iou (fic ent^ioltcn bein SBort) ouf bic brennenben ®üd^cr,
@dbuu, Ql(mäd(|tiger iBater, ^erab, unb xäö)t bie Untfiat!
5)ir ja gilt bie Empörung, bie ©d^mod^ bir, beinern ©ejetje
^liut man ©emait. ^Dagegen toirb feglid^er O^reoel gebilligt,
3ebe4 Kerbrec^en getobt. 6o ectoad^e bo(^ enblic^, erioac^cl
5fflie eS ein jeber oerbient, fo toerb’ i§m »ieber oergolten;
äBa^r^eit trage bie ^alrne baoon unb ^ugenb bie ftrone!
1) In incendiiim Lntherianum exclamatio TTlrichi Ilutteni <^q.
anno dom. 1520. ©d^riften II t, ©. 451—455.
©pn Ätog über ben Öuterifeben ®ranbt ju Went? burdb Stridb
öonn Jütten. 8d(iriften III, ©. 455—59.
^uiten’S Aber ben 9ranb oon Sut^er’S 841
^ber (§ fajfe bte ®(ut ben jübif^en Sd^elm 9ileanbet^),
Strafe bie Stifter ber freüelen X^at; natf) bem wütbenben 2eo
Sofien bie fjurien greifen, bie er entfeffcit; bie Rommen,
!^ie e§ bem rebliti^en Cutter geftbürt, Korn felber öerje^ren.
Unter bic uoU^rcbncrifd^cn luclc^c bem bcutfc^cn (3c-
bid)tc ju ©Ute fommcn, gehört üor allem bie für ein ge()äufteö
^ünbenrec^ifter fo paffenbe brei§igmali(je 2Bieber()olung beö $ie —
(\efd)iebt bieg ober baö, j. Jö.:
^ie brennen, lg>err, öiel guter SBort,
i^ie tt)irb bein göttli(^| fie^r ermorbt;
J^ie t^ut man ©»alt ber ^rebigt bein,
)^ie gibt man afieS CofterS Schein; . .
l^ie gibt man ^bla§ unb @enab,
‘S)o(b feinem, ber nit Pfennig ^at;
l^ie toirb gelogen, ^ie gebid^t,
^in Sünb uergeben, eb fie gftbitbi; • •
^ie toirb öerfauft ber Jpimmcl bein,
©curtbeilt )u ber ^ein
6in jeber ber binwiber fagt;
j^ic ift, »er SPabrbfit pflegt, nerjogt ;
j^ie wirb teutf(b IWation beroubt,
UmS ©elb Diel bbfer 5)ing crioubt;
^ie bbenit man nit ber Seelen i^eil;
^ie bift bu, ^rr ®ott, felber feil u. f. f.
?lm €d)luffe beö beutfdjen ©ebic^td luirb ßutl)cr anflerebet:
®idb aber, liebfler trüber mein,
^urdb fofiieb ^Jtadbt bergtoaltigt fein,
$in beinetbalben ieb bef(b»eri;
^o(b boff' toiberfebrt,
Unb »erb geroeben bein Unfebulb;
^rum, S)icner @ottc§, b^b ®ebulb.
W5(bt i(b bir aber IBeiftanb tbun,
Unb ratben biefen Saeben nun,
So roöfit’ i(b> i4) b^^l*
9lit fparen, no<b mein eigen ®lut.
Unter baö latcinifd)c ®ebid)t fepte §uttcn feinen SBaglfprud):
Jacta est alea, ben er in bei* beutfd)en Searbeitiniö, mie uon ba
an immciv bnrd): t)ob’ö nemagt! miebergab.
®od) giemit finb mir in ben ®ercid) oon §utten'ö beiitfcgcr
1) '3)er pöpflli(b< 8luntiuS ?lleanber golt für einen getauften 3uben.
342
II. «u(^. 4. ffopitcl.
0c^riftftcücrci übcrgctvctcn, bcr roix eine befonbere ^ctrac^tunfl
tpibmen müffen, tuenn luir erft uoc^ feinem S8erl)ä(tni6 ju Sfleuc^*
lin big bem ^bfd^luffe, beit eg um biefe 3^it erteilte, Qcfolflt
fein merben.
2Bir fa[)en oben ben e^rmürbigen Sßeteran beg ^umanigmug
burc^ 0icfingen'g ritterlid^e 2)aämifc^entuiift Don ben ^obfeuren
Äutten" befreit, bie i()n 3n^re lang bebrängt Rotten; fic Ratten
i()re Jöuggelbcr erlegt, nac^ 9flom fclbft um eine für S'teu^lin
gunftige Beilegung Der ©treitfac^e gefc^rieben. ?lbcr alg öc^tc
Pfaffen f)attcn fie bag mit bem ftiHen SBorbef)alte get^an, eg un=
mittelbar barauf alg erjroungen ju miberrufen. 3n biefem ©inne
fc^ieften fie jenem erften ©c^reiben eilig anbere nad). 3n 9tom
ftanben bie SJer^ältniffe eben günftig für fic: oon ^Icuc^lin’g
©önnern am päpftlic^en ^ofe maren bie einen geftorben, anbere
entfernt; ber ßutl)crifc^c ©treit, ber fid) alg ein ©c^ögling beg
Stcuc^linifc^en barfteUcn lieg, toarf auf biefen ein bcbcnflic^cg
Üic^t, unb fo erfolgte im ©ommer 1520 ein pöpftlicfteg Sörcoe,
bag bie fpeicrfc^c ©enten^i förmlich caffirtc unb 9ieud)lin’g iöue^
ücrurtt)cilte. ®od)ftraten, in feine nur jum ©c^cin ocrlorcncn
©teilen algbalb mieber cingefe|t, unb feine mürbigcn ©rüber
fdjlugen bag ©reoc in Äöln mit 3»bel on; ?Rcu(^lin fuc^tc ba^
gegen aufjufommen; ©iefingen mußte fid^ noeß einmal in ben
§anbcl legen; er ließ fic^ burc^ Jütten ein ©^reiben an ben
Äaifcr auffejen, aueß bie Äurfürften Don SJiainj unb ©ac^fen
um ißre ©enoenbung in ber ©aeße bitten; 9leuc^lin fclbft lub er
auf bie ©bernburg ein*); ^ fdicint aber, biefer, ber auf ben
Eintrag beg ^icrjogg SBilßclm Don ©aicrn ju Anfang beg 3öb=
reg 1520 ben ßcßrftußl beg @ried)ifc^en unb J^ebräifdicn an ber
ingolftäbtcr UniDcrfitöt angenommen ßattc, erlitt Don ber ©eite
feine cmftlic^c ©erfolgung meßr.
?lbcr fcS^ioacß loar er bo(^ gemorben, unb geigte bieß, mic
freilich halb einer ber ^umaniften naeß bem anbern, gegenüber
ber bcginnenbeii IRcformotion. ^aß er in 3ngolftabt Änfangg
im $aufc beg berufenen Dr. 6d lüobntc, loar fc^on fein guteg
1) an Sloingli, 15 Oct. 1520 ; ^uttrn an Vueer, 25. 9Ioo.; an
Sut^cr, 9. 2)rc. 1520; an @l>a(atin unb an (Sapito, 16. 3an. 1521, in
ten’S 6(^riftfn I, 6. 421. 427. 437. II, 4 f.
Ig^utten’d Irrtet Srtrf an 9tcu(^Un.
843
Qctc^cn; obwohl, alö bicfcr fic^ anfc^icftc, ßut^cr’d ©c^riftcn ücr=
brennen ju laffen, er cö ber Unioerfltät miberrietJ). ^ber feinen
^^ilipp 3Welanc^t^on, ben er fctbft borbem nod^ SBittenberg em-
pfohlen, hätte er nun gerne amJ ßuther’ö Greife hintoeg ju ftd)
nach Sngolftabt gezogen. 2)a6 ber S^effe ber Slufforberung feine
fjolgc leiftetc, h^^t ihn bie ihm bereite alö (Srbfehaft jugefagte
^ibliothcf be« ©rofeoheim^ gefoftet. Unb nun fcheint 9leuilin,
burch bie SRochricht geöngftigt, bafi man in 9ffom feinen ^anbcl
mit bem ßuthcrifdhen in Serbinbung bringe, ein rechtfertigenbeS
Schreiben an bie bairifc^en $erjoge crlaffen ju h^ben.
©^reiben fam glitten ju ©eficht, unb bei aller Verehrung für
ben ^lltmeifter, baju fonnte er bo^ nicht fchttjcigen. „deinen
^rief an bie iBaicrn'', fchrieb er ihm am 22. gebruar 1521 oon
ber ®bernburg, „habe ich gelefcn, benen bu auf bie Slnllage
ßeo’ig X. antmorteft. Unftcrbliche ©öttcr, toaö fchc ich! ©o tief
bift bu in gurcht unb ©d)n)äche uerfunfen, bag bu bich fogar
ber ©chmühungen nicht enthältft gegen biejenigen, bie ftetö beinc
Slcttung getoünfeht, jumeilcn auch ^it großer ©efahr beineu 9tuf
uertheibigt h^»5en. gronj ift, ba ich ihm bie ©ad^e oortrug, ba-
üon aufd äußerfte erregt morben.'' Sßarum er ftch nicht loic
Craigmuö mit ber (Srflörung begnügt h^bc, boß er mit fiuther nie
etmad gemein gehabt, moju bie audbrücfliche ÜJ^ißbiHigung feiner
©achc unb bie ICerfichcrung, er h^bc auch fei^e greunbe üon
berfelben ab^^u^iehen gefucht ? ,,2)urcl) eine fo fchimpfliche ©chmeiche^
lei'', fragt ihn Jütten, „hoffft bu jene ju oerföhnen, bie bu, menn
bu ein aKann fein modteft, nicht etnmal freunblich grüßen bürf*
teft, fo oiclfach unb unerhört hoben fte bich mißhanbelt. 5)odh
oerföhne fic. Unb menn bir'ö altcrdholber möglich tft, thu’ auch
bad noch, mmä bu fo fehr j^u münfehen oerficherft, baß bu nach
aiom gehft, bem §errn Seo bie güße ju füffen, unb noch oben*
brein, maö bu ja nicht oerfdjmähft, baß bu gegen m\i fdhrcibft.
2)ennoch foll man fehen, baß mir, auch gegen beinen Söiden unb
beinen mit ben gottlofcn (Surtifanen einftimmigen SBiberfprud),
baö fchmählichc 3od) abfchütteln unb auö ber fchimpflichen ilnecht^
fdhaft und befreien . . . gdh fchäme mich, t)ich fo oieled gefchrie*
ben, oicled gethan ju hoben, nachbem bu ben Raubet, für ben
mir fo muthig und getummelt, mit einem fo clenbcn Äudgang
bcfchließeft. i)ad moUte ich oicht ocrholtcn. ^u fchouc ju.
344
II. $ud(|. 4.
tüaö bir cicj^icmc, ob cö löblicher fei, beinen 2Bo^ltl)ätcrn bic^
banfbar ju bcjciflcu, ober burd) fd)marf)üolIe ©altuiifl bicieniflen
äu üerpfliebten, bic ftetö beiu SBcrberben gewollt ^aben. 5öon
mir foUft bu miffen, nid)t bloö menn bu je Sut^er'ö 0a(^c
bcfömpfcn, fonbern oud) menn bu bid) fo bem römifc^cu 33ifc^of
untenoerfen miflft, bag ic^ ßar iiid^t mit bir einoerftanben bin
Db §utten'ö 53rief ^Reuc^lin noc^ in Sngolftabt getroffen,
miffen mir nidjt. SCBar auc^ bie geift(id)c Verfolgung faum no^
ju fürchten, ber Sitte foHtc boc^ feine S^u^e meljr finben. Vor
^mei 3al)ren Ratten Äricg unb ^eft i^n ou§ Söürtemberg bers
trieben: je^t bra^ bie Voiern auö unb trieb it)n micber
nac^ SCÖürtemberg. 3m grü^ling 1521 fudjtc er fein atteö ^auö*
mefen in Stuttgart mieber auf. Slber bie bomalige öftcrreid)ifc^c
S^egicrung in SBürtemberg münfdjte mit einem folc^cn Spanne
il)re Uniberfität jii jieren. ©o ging er nadb Mbingen unb laS
ba imSöintcr 1521 auf 22 über gried^ifd)c unb tjebräifc^e ©rammatif ;
momit ber bonnalige Vunbe^ric^tcr fid) fdjon in Sugolftabt mic
2)iom)ö ber Xi)rann, ber Sd)ulmeifter gemorben, uorgefommen
mar. ^)od) er füt)lte feine (^efiinb^cit manfen. 3J^it ber beffern
3uf)rcöjcit fud)te er §ülfe in bem 8djmar^malbbabe 2icben^ell.
@r fanb fic nidjt. ilvanf nad) Stuttgart ^urüdgelctjrt , ftarb er
am 30. 3uni 1522 an ber ÖJelbfudjt, ber t)od)berbicntc, bielge*
ärgerte lil^ann. @r tjatte ein Sitter bon 67 3al)vcn unb 4 ÜJios
naten erreicht.
1) Iluttcni Opp. Supplem. II, S. 803 f.
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345
4Fönftca fiapHcL
c^ntten fättof an bentfi^ f(^rd6en.
1520. 1521.
9lorf) in bcm ©cnbfd)rci5cn an bic SDcntfcfjcn allci* 0tnnbc,
mitl)in @nbc September 1520, ()ottc ficb.5uttcn al*5 auf einen iöemeiö,
lüic lücnic) cö i()m um gemaltfamcn Umftur^ j^n tl}un gemefen,
barauf berufen, bnß er biöf)er lateinifd) (jefd)rieben ^abe, um bic
jn reformirenben Äird)cnf)önptcr erft c^leic^fam unter nier 5(n(^cn
jn ücrmamen, unb niept (jleic^ ba^ gemeine Ißolf in bie SWitmiffen*
fd)oft jicfien: ob er gleich, f)attc er l)in^ugefcpt, baö le^tcrc
tf)iin, mc^r al^ genug 2ln(a§ gehabt fjäiic. 9^o^ mar baö
3a()r nid)t @nbe, alö er biefem ^nlag golge gab, unb beutfe^
^u fc^reiben begann.
ßotein ic^ öor Qcfc^rteben bot>/
fagt er in einer foglcid) näl^cr befprcdjcnbcn ©d}rift,
^a§ IDOT eint jeben nit belannt;
fc^rei t^l an ba§ ^aterlanb,
ieutfe^ ülation in ibrer Sprad^,
3u bringen biefen gingen 9?od^.
aWit alleiniger |)ülfc ber ßateinberftänbigen , baö mar bem
fRittcr nunmcl)r flar gemorben, liefe 'eine firc^lic^=poIitifc^c S^efots
motion, mic er ftc bc5mccfte, fic^ nic^t l)crbeifüt)rcn. Denn bic
einen oon jenen, bic ÄHrdicn Häupter, fud)tcn fie feinbern; bic
anbern, bic ^umaniften, mären nic^t ftarf, nid)t entfc^loffen ge*
nug, ftc reefet jn förbern. ÜJian brand)tc minbeftenö nod) baö
0dimcrt bcö fRitterftanbeö, baö Qlcmic^t ber 0täbtc, um auf
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316
II. !Bu(^. 5. I^Qpiiel.
folg rechnen tönnen: aber 511 bcibcii mufetc beutfe^ gcfprod^cn
ipcrbcn, ba unter ben fRittem bei tueitem bie äRebrja^l im gafle
0icfingen'ö war, für ben $utten nor halb jWei 3a^rcn fein (3c^
fpräd^ Febris ^atte üerbeutfi^en laffen, unb anc^ in ben ©tübten
bie ^eutinger ,nnb $ircf Reimer ju ben Äuöna^men gcl^örten.
SBie unermeßlich aber, bei ber tiefen Erregung jener ßcit, burch
beutfeße ©chriften ^u mirfen war, fah Jütten an ßuthcr'ö 93eis
fpiel üor Singen, ber eben bamalö burch feine ©c^rift an ben
d)riftlid)en Slbel beutfeher ^Ration alle ©c^ichten beö beutfehen
ißolfeS aufgeregt hatte. 2)aju fam für Jütten jept noch
i^toeiter @rnnb. @r mußte ju feiner eigenen ^Rechtfertigung mün=»
fchen, baß ber ungelehrte fRitter unb Bürger feine ©chriften nicht
bloö au<§ ben cntftellenbeu ^öerichten ber Pfaffen fennen lernen
möchte. @ineö wie ba^ anbere war nur ju erreichen, wenn er
felbft bem gemeinen SJtannc tl}eilö feine angefochtenen lateinif^en
©chriften in beutfeher Ueberfehung oorlegte, theitö, ba lieber^
fepungen immer nur hdll* wirten, neue, urfprünglich beutfd) gc^
büd)te ©chriften hi^äufHötc. S3cibeiS that er, unb eben in ber
lefetern Slrt gelang ihm, faum baß er ben ©ntfehluß ^ur beutfehen
©chriftfteUerei gefaßt hatte, ein älieifterftreich.
SBir meinen feine gereimte 5l'lag unb Sßermahnung gegen
ben unchriftlichen ÖJewalt beö ^apfteö unb ber ungeiftlichen @eift^
liehen^), bie jebenfaUg fd)ou ju Slnfang ^ecember« 1520 gebrueft
war, ba §utten fic am 9. an Suther fehiefte, unb bereite über bie
Slufregung berichtete, bie fie unter ben Pfaffen h^’^ai^flcBrocht
habe. Sllö ben nächften Sluloß ju ihrer Slbfaffung unb bem hef®
tigen 3^one, worin fie gcfchrieben ift, gibt $utten bo^ ©efchrci
ber ßiurtifanen über fein ©enbfehreiben au bie ®eutfchen aüer
©tünbe an, auf beffen ®rmib fie ihn für einen geinb aller @eift^
lichfeit, für einen 9Renfchen auSgaben, oor bem man fleh in Sicht
1) g^Iag imb bortnanung gegen bem fibermöjfigen bnd^rlfin^en gemalt beS
93abft8 3U IRom, bnb ber bngei|Hi(!^(n getjlli^ien, burt^ b^rren Sitten bon ^uHeft,
^oeten onb Orator, ber gan^n ^tinftenbeit onb juuoran bem oatterlanb Xeutfd^et
9tation )u nug onb gut, oon toegen gemeiner befd(imernu^, onb aud^ feiner eigen net«
turfft, in 3iebmen§ n>cb§ beje^riben. Jacta est aloa. 3(1^ b<tb8 gemagt. — 9(ttf ber
9tU(ffette be§ Titelblatts beS 9HtterS befräniteS IBruftbilb, barüber: Dirumpamus
vincula eorum & proiicianius a uobis iugum ipsorum. Sd^riftrn III,
e. 473-526,
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i^utifti'9 unb SerntQ^nung.
347
nehmen müffc, unb ben crftcc^cn ein SSerbienft tnörc*). 2)cr
Steinte ungeachtet, ift biefc ©chrift nicht alö ^ocfic, fonbern n>ic
eine bon §uttcn'^ 8fleben betrachten, mit benen ftc auch
meiftert ©genfehaften thcilt. Sluch h*^^ ©utten ganj^
gehen, fommt bon einem auf ba^ anbre ju reben, mic eö ihm
eben cinfänt, fcheut ®eberholungcn fcincöroegö u. bgl. m. 2öa^
ihti ober berhinbert, fich an eine fefte 3)i§pofition j\u binben, ift
ou^ h^ct ctmoS, moburch er biefen SKangcl reichfith erfeht: bic
©ärme, bie ^erälichfelt, fteUenmeife ber Ungeftüm feiner @mpfin*
bung unb fRcbe, mclche ben ßefer befto gemiffer fortreiht, je me*
niger fic ihn logifdh jju belehren 2Kienc macht. 3n bringenber,
ftilrmenber, mit immer neuen 0tögcn jufchenber Ermahnung ift
Jütten ein unbcrglcichli^cr 3Weiftcr. Älö folchen höben mir i()n
f^on in feinen lateinifchen kleben mic in einzelnen ©tcQcn feiner
^)ialogc erfannt: bringt nun aber bic beutfehe ©prachc auf
ihrer bamaügcn finblichen (Sntmicflungöftufc unb ber fchlid)tc
SWeifterfängerSreim noch einen mcitem gug bon höchfter ©irfung
herein: bic Xreuherj^igteit. finb ©teilen in bem ©cbichtc,
mo man fo recht fpürt, mic ber SD^enfeh in §utten bon bem (Sifer
für bic ©ochc, ber er fich ergeben höt, mic bic Äcrj\e bon ber
flamme berjehrt mirb, unb bie eben baburch überouö rührenb
mirfen. Sh^^cm Snholte nach ift bic Älag unb SBermahnung bie
gufammenfaffung allcö beffen, maö Jütten jematö gegen bic
ultromontanc Äuöbeutung ®cutfchlanbd unb baö ®crbcrbcn bet
Äirchc gefchrieben hötte ; bic üöefchmcrbc Über bie neueftenö gegen
ihn berhöngte IBcrfolgung geht nebenher ; bic fteigenbe ©inmirfung
bon ßuthcr'ö 3bccn ift unoerfennbar; baö SBcrtraucn auf S^aifer
5^arl ift nodh nicht bahin; auf bie ©täbte, bic eine befonbre @m=
pfänglichfeit für bic IRcformation geigten, fängt, neben bem ^Ritter»
ftanbe, bic 5(ufmcr!fam!cit unb Hoffnung fid) j\u richten an.
Sflanbanmcrfungen, melchc theils ben 3nhalt im ©in^^elnen angc^
ben, theiU bic im Xejt ange^ogenen ©ibelftcUcn nachmcifen, boU=
enben ebenfo bic Solföthümlichfcit bc^ SüchlcinS, mic fic beffen
poctifchen ©chein bodenb^ jerftören.
Jütten (fo leitet bod (SJebicht fich ein) fühlt fich gebröngt,
bic ©ahrheit ju fagen, Imlage ju erheben über 3eethümcr unb
1) li^nnbtfihüIbigunQ k. 6<^ritten 11, 6. 131.
348
II. 5. ito))iteI.
©cbrcc^cu, burcf} njelc^c bic bcutfc^c Elation bcf(f)it)ert unb bie
©ittcn üerbcrbt lucvbcn. 5)ic öcrblcnbetc Ü)?cnfc^^eit (baiS ift i^m
nirf)t unbefannt) iDcbrt ftcb gegen ni^t^ fo eifrig, als gegen bie
SBabr^eit unb beren 53crKinbiger : bal)er ruft er @ott an, er möge
bie 9J?eiifcl)cn, inSbefonbre biegürften, burc^ feinen ©cift erleuc^*
ten, ba§ fie ^Religion non ?lberglauben, ®f)nftentl)um non Pfaffen*
tl)um unterfc^ciben lernen. @r felbft fif^ <^*1 ben Xroft, bog
bic 3Scrfolgungcn, bic um feines Sßa^rljcitSjeugniffcS millcn über
il)n crgcl)cn, nur ben ßeib betreffen, bic ©eele aber nid)t töbten
fönnen. S3on ber Unterfc^eibung beS ©eiftlic^en unb SGBcltlicben,
ber ^inmeifung auf baS llcbcrgrcifcn beS ^apfteS unb ber Älcrifei
in baS leptere, gel)t bann bic eigentliche S)arftcllnng aus. ^err*
fdjaft, 9flcichtl)um, SEÖol)Uebcn, mornad) ic^t bie $äpftc unb i^irchen*
l)änptcr üor allem tradjtcn, finb iprem urfprünglichen 23crufe
fremb. 9lad)cinanbcr werben bann 0d)lüffelgcmalt unb Slblafe,
Xnrfenfrieg unb ^cterSfivd)c, ^J5allienf)anbcl unb Surtifanenmefen,
fur^ alle bic befannten Älagcpunftc gegen bic römifchc Suric, aufs
neue burdjgcnommcn. Sßortrcfflich nerwertbet ^utten, um bic
päpftlichc 3Birtl)fchaft red)t Icbcnbig §u malen, feine eigenen rö=
mifd)en ^ilnfchouungcn.
^)o(^ foll man roiffen unb t|l wal^r,
(5§ feint öerganßcn etlic^ 3obr,
5)0 wont 9?om erfennen oud^,
Unb tnoS bo mär ber 9t5mer (f^brout^.
9Bie inöcbt ^te non oder 6(^anb
Ser^ö^lung t^un, bie i(^ bo fonb?
^on |id()t bergleid^ in feinem t^onb.
Unb nit oflein moS ?lnber t^un,
(^I§ bann bic 2BeIt fic^ ärgert nun)
9Jlit Sünben, bie bo feinb gemein :
55icl ©odben 9Iom betreibt oflein,
Der etlidb toiber menfcblidb ^rt
Unb ofl notürlidb SBciS gefort.
Sonfl i<^ öfeb^n grobe ©(^oor
Die ©offen treten bin unb bor,
S3iel 6fel unb niel ftoljer ^ferb,
Der etli^ niel Ducoten wertb,
Unb fein gesäumet ouf mit ©olb;
Oft, menn idb oudb fbojieren toofli.
So lom idb mitten in§ ©ebräng,
^utten^S ftlag unb Slkrnia^nutifl.
849
Son bem bte @af|en loaren eng
Unb biejcr Steuter ßfKcfct öol,
t)on ®IUd mag faßen mol,
mt(^ fein 6fel trat }u tobt,
99iemol li) ^ab ßelitten !Rot^.
t)a ritten ^er bie 6arbinäf,
2) en folgten nQd() Officifil,
9(ebt, lBif(^5f unb Prälaten uiel,
^ie i(^ nit nennen fan no(^ toiQ,
$iel ^e^jant, kröpft unb anber ®f^mei§,
9}on ben i(^ t>iel )u faßen toeiß,
3n 6fiben, Purpur all gcllcibt,
^it Stauben, Putten auSgebreibt.
$)ann fatn ber ®opft ju biefcr @(^aar,
?(uf einer woIgef(^inü(ften ®a^r,
3) en trugen jmbif Trabanten ^er,
9US ob er möt^t nit ge^en mc^r;
10a mugt man ft^reien vivo laut,
^ofieren ber geflenten (b. gepulten) IBraut :
3)rum gibt er ®enebiction,
So loirb man reid) unb fclig uon.
Sag einer nun, wo ©ott^eit fei,
Cb ^^riftuS ou(^ m5g mo^nen bei,
Sa ift ein fo tprannifc^ Ißrac^t?
S)ann in ber ^-öcfd)rcibuuö besJ lucitcv:
Sa liefen oiel (Sopiften mit,
IBiel taufenb Sdjreibcr, au(!() ein ©Ueb
Ser Äirc^en, bie ju 9iom regiert;
3n bem je| inanc^ier Q^l^riften irrt,
Sonn nid^t ju 9tom bie Pir^ allein,
%11 Oi^riften fein ba» in gemein ....
9lo(b df'^cn lang ^roeeg,
©in %ol(, ber f^rommfeit ungemd^:
Siel f(b5ner grauen, wobtgefleibt,
Sie jebem fein um§ ©etb bereit;
3Wit ben ber 9iüffioner ^eer,
Son ben lein ©ag in 9tom ift leer;
8)tan(b ^oocat unb Vubitor,
9totorien unb Stocurator,
Sie Süllen geben, fpretfien Siee^t,
Ser ieber fein ©finb unb Pnec^t,
Sarunter ift man(!f) toilb ©efeO,
I
350
n. 5.
2)en man (Surfor, ben ^beU,
^ie aud^ ein @lteb bcr ftirc^en fein
3u 91 om, unb nehmen tfigli^i ein
93on 2;eutjd^en unfer St^toeig unb $Iut.
9|} baS )u leiben? unb iftS gut?
3(5 ratf), man geb ifjn’n fürber me^
Äein Pfennig, bafe fie i^ngerStoe^
grfierben unb burd^ ?lrmut^
S)ab nit, jutoibet (S^r unb (Sott
@o(^ unnüg Sott auf 6iben leb.
3ff lefctere^ ein un§ fd^on bctannter ^uttcn’fc^cr SJorfd^lag, fo
ift ber ©ebanfe, bag bie Äirdfc feincStoegS bloS in 9iont ju fud^en,
fonbern überall jn finben fei, njo eine SBerfammlung gläubiger
©Triften fid) befinbe, bur(^ ßut^er'iS ©c^riften in Jütten 5um
S3en)ugtfein gefommen. 2öaö weiterhin auögefü^rt toirb, ba& alle
Söifcböfe gleichen iRangeg feien, unb bie ©etualt bed römifc^en
ebenfo mit bem S3e3irfe oon ?Hom, mie bie beö main^ifc^en ober
mürjburgifd^en mit ben @rän5en biefer ©ebiete ein @nbe ^obe,
mar fc^on im SBabiScuö angebeutet. 2)ie SGÖa^l ber öifc^öfe mill
Jütten bem Söolfe jurüdgegeben miffen, baö babei me^r auf
geiftlic^e (Sigenfd^aften fe^en roerbe al^ ber $apft, bem,
SBenn man ibm’ß @elb hinein gat btad()t,
@0 le6 ein Sifd^of »ie ein j?ub.
®a gebt bem 93apft niegts ab nodb )u.
2) ie S3if^öfe finb jejt Säger, Krieger, tüchtige ©c^melger; ba§
^rebigen böngen fie an einen armen Äned^t. ^5)agegen merben
reebtf^affene üßrieftcr, bie bem Söolfe boiS SBort ©otteg auölegen
fönnten, nic^t beförbert.
©anj befonberö finbet ficb ^uttcn’ö patriotifd^cö §erj ba=
burdb empört, bag alle biefe SWißbräuebe uorjffiglicb auf bem
beutfeben Sßotfe lafteten. ^£)ie Staliener, fagt er, benfen nicht
baran, für bie ^eterSfirdbe ju fteuern, ober 2)iöpen§ oon ben
gaftengeboten ju laufen.
fdlein bie Xeutftben Warten fein.
2)aS tbut mir toeb unb madbt mir $ein.
3) ie bcutfdben gürften töbere ber ^apft mit golbenen 9iofen,
unb nod) feiner bobe ftcb gefunben, ber ben Xrug gemerft, unb
bie 9fiofe miber bie Söanb gemorfen b^tte. 2)ocb b^fft Jütten
^utten’S unb $erma^nung.
851
®cffcre§ Don Äönig Äarl. 3^n bittet er, i^m gnäbig jujupren ;
ofleS, fügt er, ic^ in biefen S)ingen t^ue.
6oQ gf<b«^en oIS ju (S^ren bir.
^ann fonft nit aolt gebühren mir,
Sieid^ Vufru^r }u ^eben an.
9tn freie Xeutf(ben i(^ nerma^n,
bir }u UntertbAnigteit
3u fein in biefem 6dbimbf bereit,
S)ag gbolfen merb bem gongen fianb,
Unb au§getrieben 6(bab unb Sd^anb.
^eS foQt ein ^uptmann bu allein,
Vnbeber, audb l^oQenber fein.
@0 min mit aflem baS idb mag
3u f)ienft bir fommen ^ladbt unb 7ag,
Unb bgef)r non bir beS (einen fiobn.
nRöcbt i(b aüein erlebet b»n/
^a^ mttrb gelegt ^fdbmernuS ab,
!Son ber i(b uiel gefebrieben bat>:
3n Vrmutb mbnt idb fterben gern,
9(u(b aOe§ eigen 9iub entbebrn.
6o foH man audb bi<>^fn (ein @b^
nJHr fdbreiben }u, bu bift ber ^err,
Unb maS hierin gebanbelt mirb,
f)ut^ ba§ bein Sob foü »erben gjiert.
^rum bub ein ^er) unb fdbaff ein 8Kutb!
min bir meden auf }u gut
Unb reifen manchen ftoljen ^i(b;
i^abS febon ibr nieten eingebilbt,
Unb fehlt ancin an beim @ebot.
^ilf, mertber ((5nig, e§ iß IRotb!
2aß ßieben aud beS 9bIerS $abn,
@0 monen mir eS beben an.
3n ber frühem bunfeln 3cit lourbc jeber, ber für bie SSkt^rs
^cit jeugte, imtcrbrücft: fo j^ulcfet noc^ unb ^icronljmuö
Dcrbrannt.
Seither but niemanb gmbnt blnnadb,
Unb forebten an beS S^uerS ^5n:
%ifi febo unfer rflffen 3u>een (äutber u. Jütten).
9Ber meiß, maö jebem iß befebeert?
852
II. 5.
^od) f)offt er, man tücrbc iljn nid)t im ©tic^c loffcn.
ftoljcn ?lbfl id(| bfruff;
3bt frommen ©täW eu(^ merfet uQ:
JBBir loöIIcnS polten inflcmein,
Sofet bo(b nit ftreUen mi^ allein,
erbormt eu(b über’§ Saterlanb,
3^r. mert^ien 3leut|d(ien regt bie jg>onb!
ijt btc Seit, )u ^cben an
Um Sfrei^jeit friegen. ®otttt)ifl8 l^an.
^>er3u, roer 9Jlanne§ ^)erjen bot,
@ebt oorber nit ben 2ügen Statt,
®amit fte bon oerfebrt bie SBelt.
5Jor bot eS an ®ermabnung gfeblt,
Unb einem ber eu(^ fägt ben @runb,
ftein Sab euch bamaU meifen funb,
Unb maren nur bie 'fJfaffen gicbrt.
3ebt bot un§ ®ott au^ Äunft befebeert,
3?afe mir bie 93üdber auch oerpabn! ^
SOoIauf, ift Sf‘t, mir müffen bran. . .
äöir hoben aller Soeben ßfug,
@ut Utfatb unb berjelben gnug.
Sic hoben ®otte§ 9Bort oerfebrt,
5)a§ dbrifUicb Solf mit ßugen bfdbmert:
^ic i!ugcn mblln mir tilgen ab,
Uff ba^ ein Siebt bie SBabrbeit hob,
2)ie mar oerfinftert unb üerbämpft.
®ott geb ihm i^cil, ber mit mir fämpft,
2)o§, hoff itb, moneber Slitter Ibu,
^aneb 0raf, moneb ®betmann boju,
9Jlaneb Burger, ber in feiner Stabt
^er Soeben aueb $efebmernu§ bot,
%uf bag i(b§ nit anbeb umfunft.
SBoIouf, mir hoben ®otte§ ®un^!
S©er mollt in Solebcm bleiben bbeim?
3<b bobS gemogt! ba§ ift mein fReim.
$uttcn fclbft {a(^t üon biefer Schrift, er [jabc fic „in einer
^i^e (über bie aiiigbeutunfl feine« i^laflf^reibcn« an alle ^Deutfc^cn)
au^et)en laffen", unb nennt fie einen „jomiiien ©priicft" : fein
SöunbeV, baß feine geiftlic^en ÖJegner ber aJWnunt; mären, er
ffabe in berfelben alle ©rennen ber (Jbrbarfeit überfc^ritteu, unb
baß ißnen feine ©träfe bafür fd)arf flenufl bünfte. ©ie ließen
^utien’S toie fid^ bie it, 858
nun jencö ©cnbfc^rciDcn fa()ren, unb n)arfen fic^ auf bic gereimte
Ä'lage, bie Hjneu weit mc^r ©toff bot, um gegen Jütten
ju erregen. 3Bie er fic^ nac^ einiger ^eit bemüßigt fol), eüie
eigene 0c^ufefc^rijt 5ur Slblel;nung biefet !öe)c^ulbigungcn ju oer^
f affen, merben mir halb fiiiben.
3ökir in ber fo eben erörterten ©c^rift, neben bem Äcrne
be^ beutfe^en ^öoltej^, auc^ auf ben jungen Äaifer Äarl gerechnet,
fo fefete Jütten um biejelbe ^eit gleic^fam eine eigene ^nftruction
für i^n über ben $uuft, um ben eö oor allem ju tljuu mar, auf,
in ber Äurjen ^njeig, mie aHmegen fic^ bie ^üpft gegen ben
beutfe^en Äaifern gehalten Ijaben*). öebenft man, baß l^arl
nidjt felbft 'J)euttc^ lefen fonntc, baß auf bem Xitel ber ©c^rift
fteljt: St. ajtajeftät für^ubringeu, unb baß granj üon ©iefingen
bamald §äufig am ^ofe mar, bei jlarl oiel galt unb fic^ (Einfluß
auf benfelben jutrautc*), fo fönnte man fic^ ©icEingen als ben^
jenigeu benfen, ber nad) ^ilnleitung beiS oon feinem greunbe auf*
gefegten ©efc^ic^tj^abriffcd bei guter ölelegen^eit ben jungen $err=
fc^er iuftruiren joUte.
ÖUücftid^ ift, fagt bie öorrebc, roer burc^ fremben, nic^t
unglücflic^ auc^, mer burc^ eigenen ©c^aben flug mirb; mer aber
burc^ feinem oon beiben fic^ mi^igen läßt, bem ift nic^t ^u bdfeu
unb gefc^ie^t im ©runbe auc^ fein 9iec^t. äBaid er oom ^apfte
für Siebet unb @utej^, für Xreu unb QUauben ^u ermarten ^abe,
baoon böl Äaifer Äarl tl)eild an fic^ felbft fc^on bie (Srfa^ruug
gemadjt. tljeiU mirb i^m ^ier auö ben ©efc^ic^ten feiner ^or^
ganger in Erinnerung gebracht, mie eö benen mit ben $öpften
ergangen ift. SlU (irgebniß ftcUt fic^ ^erauö, „baß feinem
beutfe^en it:atfer oon $äpften, ed märe beim ^u i^rem eigenen
^ujen gefc^e^en, ÖUeic^esJ (JöilligwJ) je miberfabren ift", fonbern
fie oon benfelben immer nur betrogen, oerratt)en, mit Unbanf
belohnt, ober fonft miß^anbclt morben finb.
X)er gef^ic^tlic^e 2lbriß gc^t oon Otto 1. bi^ auf SD^aji'
1) ^eri 9)Irtd(i§ Don Jütten Qn)5ig 9Bic oUtoegen fi(t) bie Tbmijdl^en IBU
ober SApft gegen ben teUtjd^en itapgeren gegolten ^aben, off b) fttrgft oft
St^roniden onb ^tßorien gezogen, k. inaieftöt fUr^ubringen. b<^b§ genagt.
©(Reiften V, ©. 863-384.
2) Jütten an 2ut()er, ^betnburg, 9. S)cc. ©(^riften 1, ©. 436.
Vll. 23
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354
II. 5. I^Q))tteI.
milian unb Äarl herunter. 3)cr ^ampf bcö „tucrt()cn gelben
.^cinric^'iS IV., bc§cjtcid)cn in beutfc^cn Sanben nie geboren",
mit Gregor VII.; „bcö auöermä^ltcn hegend griberic^'ö I., ber
nad} §einric^ IV. für ben allerftreitbarften beiitfdjen i^aifer, fo
je gelebt, ju achten", mit SUcjaiibcr III.; griberic^’ö II., „ber
fic^ fein Seben lang mit ben köpften .Ijat müffen beißen", mit
brei ^äpften nad^einanber; ^einric^'ö VII. rät^fel^afteö @nbe,
bilben ^auptpunfte biefcig @cfc^id)töfpicgeU. ein abf^reefen-
33eifpiel erfd^eint and} ßier, mic immer bei Jütten, ^arl IV.,
„ber fteß ganj^ meibifc^ finben laffen", inbem er fic^ oom ^apft
aug SRom unb gtahen meifen ließ, auc^ fonft unel}rcn^aftc 23ünb'
. niffe mit bemfelben einging. . gricbric^ ben III., ^arl'^ V. Ur^
großüater, muß Jütten fdjonen: fo leitet er feinen Umoillen ouf
ben ^opft ab, mit bem jener ^u tl}un l^atte, „ben aHer-
untreueften unter allen ^üpften, bic je gelebt, $iuö ben Slnbern".
@r ^abe bie öefc^merung ber bcutfi^cn Station auf i^re je^ige
§ö^e getrieben, bie Slnnaten, greife ber Gallien u. bgl. gefteigert,
au^ bic Appellation uon bem ?3apft an ein ßoncilium oerboten.
Ißon aWajimilian mirb ber Auöfprud) a'ngcfül}rt, ju bem il)n fur^i
oor feinem Ableben eine XrculofigEeit ßeo'öX. Ocranlaßte: „S^Iun
ift biefer fßapft aud) ^u einem Öö^mic^t an mir morben. iliun
mag id^ fagen, baß mir fein $opft, fo lang ic^ gelebt, ,je Xreu
ober ©lauben gehalten bol; i^ieß foll ber
le^te fein." i^n auch @ott gcmäbrt, fe|t Jütten l)in^u, benn
@ott b^t halb barnacb über ibn geboten.
^aß ber gegenmärtige^apft aud} auf ben gegenmärtigen Äaifcr
Äarl fein Abfel}en b^^be, crl}eHc baraug, baß er einen- Segaten
über ben anbern ju ibm fd}idEc, it}n auch mit 33ifcböfcn unb (Sarbi*
nälen, bic im päpftlicben gntcreffe fteben, fo gang bebönge, baß
er nicht miffc mo au^ unb ein. ®a gelte eö, aufäumerten, benn
i^arl bürfc nid}t glauben, baß bie köpfte ibm mehr, alö anberen
Äaifern oor ibm, Glauben beiten merben. bereits b^^bc er, auf
s bie ^efdbmcrben ber bcutfd}cn gürften bin, ficb eine 9Icformation
oorgenommen: oon fold}em guten S3orl}abcn fud}cn ber $apft
unb bie ©einigen ibn abjubringen; gelänge baö, fo lad}ten fie in
bic gauft. 5)arum muffe man ben Siaifer untermeifen, baß er
fidb nid}t burd} bcö ^apftcö gute SBortc bemegen laffc, bic Sü^änncr,
bic 511 folcbcm beilfamen SBerfe vatben, 511 oerfolgcn. 2)cnn eben
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Jütten Uftbeutj(^l jcinc ÄlQfljd|Tctbcn.
355
barin bcftcljc baö ®lücf, boiS er Dor fni()crn ^ervfe^ern uorauö
^Qbe, ba6 jc^t Scutc nor^anben, bic miö (^niub ber ©rfjrift bic=
fer Sachen berietet feien unb ben Äaifer barüber bevicljtcn fönnen ;
ber fie bal)er billig nicf)t nerijinbern taffen, foubevn förbern unb
unter ftüfeen füllte.
2Benn Äarl bamalö, U)ie§utten an £utt)cr fc^rieb*), grausen
bic 3wfa0C gab, er werbe §uttcn nic^t unterbrüefen laffen, nod)
ungc^rt üerbammen, fo fönntc bieg baä ©vgebnig äljnlidjcr ^or*
ftctlungcn gewefen fein.
Sieben ben neuen, urfprünglic^ bcutfd)cn ©c^riften, üon
benen bi^^cr bic 9lebc gewefen, arbeitete nun aber §uttcn ju?
glei(^ an ber Ueberfe^ung berienigen öon feinen lateiuifdjen,
welche in ben üon i^m begonnenen Äampf gegen 9?om einfc^lugen.
Querft überfefete er (üielleic^t mit $ülfc öuecv’ö, ber menigftenö
fpäter igm bergleici^en 5)icnftc leiftete), fein iilagfd)reiben an bic
2)cutfc^en aller ©tänbe^); wobei er in einer ^Jiadjfdjdft fein
^ior^aben anfünbigte unb beffen (^rünbe barlcgtc. @r Ijabc in
©rfa^rung gebracht, fagt er l)ier, bag (Sttid^c feine 0c^riften bei
ben Unoerftänbigen übel auölegen, unb anbcri^ al^ fie an i^nen
fclbft ücrftauben werben wollen, Oerbeutfc^cn. Um fid) nun bei
iebermann allcö SSerbaegtö ^u entlebigcn, unb aueg bem gemeinen
SJiann erfennbar ju mad)cn, wie billig ober unbillig er get)anbelt,
unb ob er bem ^apft unb feinen ^Romaniften Urfad) gegeben l)abe,
il)n 5U ocrfolgcn, ^abc er fieg oorgenommen, alle feine in iiatein
gefc^ricbenen '^üc^cr, in benen, wie er jefet erft fel)e, bem ^apftc
üon il)m niegt 511 Gefallen gelebt fei, in bie beutfege ©praege, fo
gut er immer fönne unb cö fieg fegiefen wolle , /^u überfegen.
®enn er trage ganj feinen ^bfegeu, begegre oiclmegr üon ^eri\cn,
bag jebermann Söiffen gobe, weld;cd bic Sraut fei, barum mau
igm 5U tanjen jugemutget. ^ud) j\weiflc er niegt, wenn biefe
1) !5»t b«m 363 ongeftt^rten ©rief-
2) ein eiogjcfirift be§ ^o^iberümten unb eernueften ^lenn ®(ri(jf)§ uon
Jütten geftbneten Poeten Unb Orotor an olle ftenb 2)eütfctifr notion, wie uiiform»
lid^er weife unb gon^ ge|4iwinb, unerfuefit ober erforbert einiges rc^lcnS, Cr mit
eignem tpronnijeben gewalt uon ben Äomoniften an leib, eet unb gut bej(t)Wfrt
Unb benbtiget werbe, ein grofjcS bingl ift bie wa^r^eit, unb ftord über alle.
3 esbrä 4. Schriften I, 6. 40.5-419. ©etreff ©ucer’S ugl. feinen ©rief
uom ^bril 1521 in Ilntinni Opp. Suppl II, S. 800.
356
II. Su^. 5. ftapttcl.
feine ©rf)tiften uäd^ften§ in§ ^eutf^e fommen, tnerbe man fin*
ben, bag er anberö nici^t benn e^rbarlic^, e^rlic^ unb ol^ ein
grommer üou 3lbel, nid}t unflebü[)rlid^, flefc^rieben ^abe.
^abe er, feiner S^lut^biirft nac§, ^uüor onjeigen unb nertünben
motten.
2öie biefcd Unterneljmen §nttcn’iS einem ß^itbebtirfnig ent=
(jcflenfom, unb toeldje ©tjmpatbien er fid) in bem beffern X^cilc
be^ beutfdjen Solfeö bereits gemonnen ^otte, fe^cn mir barauS,
bab ungefäf)!' um bicfelbc ßcit ein „unbefannter ßieb^aber ber
göttlichen SBat)rI)eit unb beS ^SatertonbeS" ftch boran machte, bic
fämmtli^en Älagfchrciben ,§utten'S in baS 2)eutfche j^u überfe^en
unb mit einem Öormorte oott mariner ßuftimmung ju begleiten.
„SBohlauf ruft ber Unbefannte allen ^eutfehen ju, „eS ift S^it,
baß mir unfre jeho langher oerlorene greiheit mieberum ju er*
langen fuchen. §ier (in §utten) höbt ihr ben rechten Slnrcijer,
ber uns, ob ®ott mitt, bie großen ^äupter, als ^aifer, gürften
unb ben ^bel, ju ^ülf in biefer ©ad)e ermeefen fott. ®aju unb
ju anbrem feinem löblid}en gühmehmen geb ißm @liicf unb $eil
ber allmächtig ®ott, meldjem ju Slji^cn, mie unS allen ju 9^u|
unb QJut, er biefeS ohne fürgenommen höt. Um gemei*
neu S^uJenS mitten, fährt er fort, l)öb’ ich etliche feiner ©Triften,
mie mir bie ,§änben fommen, auS bem ßatein in^S ®eutfd}c
tranSferirt, fo oiel als bie 3icr lateinifcher ©prach (bie in etlichem
nid)t ^u üerbeutfehen ift) höt leiben mögen. (5Jott geb' euch allen
üicl feiles unb ein beftänbig feft ©emüth, chriftliche Sßahrheit
unb greiheit beS SSaterlanbeS ju oerfechten, ^ieneben laffet euch
ben frommen Jütten befohlen fein. Zxo^ D^omanift*)!'"
$utten feinerfeitS ließ ber Ueberfe^ung beS angejeigten unb
noch eines anbern feiner Älagfchreiben*) eine Uebertragung jener
©efprächc folgen, bie er im oergangenen grühjahr lateinifch
herausgegeben hötte. @S finb bie beiben gieber, ber ®abiScuS
ober bie römifd)e ^reifaltigfeit unb bie ^Infchauenben®): bie gor*
1) ^uttcn’S 6(!^rtften I, @. 871.
2) ®ic ticrtcutld^t cIqq Slrit^S öon Jütten an Sribrttben ju
6o(blen» bc8 bdL 9to. 9lei(b§ er|morjd^Qld unb ic. 6(brift«n I,
383—399.
3) @c|prä(b bü(hlin SSIrid^S tion Jütten. Seber bo§ 6rß. Sreber
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l^utien üerbrutfc^t jeinc laiciniji^en (3cjprö(i()e.
357
tuna üermiffcn iuir in bcr Ucbcrfe^ung, ol^nc ßbJcifc! tücil i^r
3nl)aU mc^r pcrföiUic^cr S(rt, mit SRcformntorifd^ein nur beiläufig
burc^fto^tcn mar, mäbrcnb ^uttcn f)icr nur baö fermere ©efe^ü^
gegen fRom noc^ einmal aufla^ren moHte. 2)iefc 5(bfic^l jeigt
fc^on bie merfmürbige SSerjicrnng beö ^^itclblattcig. i)ie Sßortc
beö Xitclö fielen in einem SSicreef, bae> non üier bilblirfjen ^ars
ftcüungcn umgeben ift. Oben (rcd}t^ bem ^efd)aucr) über SBoIfen
ber Äönig 55auib mit feiner |)arfe, ber auf einer Xafel bie SBorte
bejg 94. ^falmö Sß. 2 (latcinifc^): Sr^ebe bid), ber bu rid^teft
ben ©rbfreiö, ja^le Sßcrgeltung ben ©toljcn! bem bärtigen @ott
®ater (linf^) Uürl)ält, melc^er auc§ fdjon jürnenb abmärtö blidt
unb ben ^feil ergebt, um i^n auf bie @rbe binabjufc^leubcrn.
2(uf beiben ©eiten beö.^itetö finb jmei ©tanbbilber: linfö fintier
in ber 3Jiönc^öfuttc, ein Sud) in ber §anb, mit bcrllnterfdjrift auö
r^roverb. 8, v. 7: Veritateni raeditabitur guttur meum; redjtö
§utten im $arnifd) unb mit bem ®egen umgürtet, unter it;m
fein SBaf)lfpruc^ : Perrumpendum est tandcin , perrumpendum
est. (^iefe beiben ©tanbbilber ftel)cn nod) einmal am @nbe beö
®uc^ö mit beutfd)en fReimcn alö Unterfc^riften; bei Sut^cr:
2Ba^r()cit bie reb id), i^auf bcö 9^eib an mic^. @ott geb mir
ben Süf)n, §ab ic^ö falfc^ get^on. 33ci §uttcn ber fc^Öne 3Serö:
Um SBal)rl)eit ic^ fid)t, 9ticmanb mid) abric^t; brec^ ober
gang, @ottö ®eift mic^ be^^mang.) 2)aö luftigfte öilb aber ift baö
unter ben Xitelmorten. i)a rennt linfö ein l)eller ^anfe ©e*
mappneter, fReiter unb gi^ßgängcr, mit üorgeftreeften ©piegen
auf eine ebenfo bid)tc ©^aar non Pfaffen aüer Slrt ein, bie fic^
(rec^tö), ber ^pft mit ber brcifac^cn Ärone im SSorbergrunb,
hinter il)m ein ßarbinal, 93ifchof, Hbt, Etappen nnb Äutten jeber
gorm, gar jämmerlid) gebärben. Ueber bem 93ilbe bie Söortc
auö $falm 26, 5: Odivi ecclesiam malignantium.
SBie fchon früher bie Ueberfepung beä erften gicberö, fo
mibmete $nttcn jc^t aud) bie fämmtlicher nier ^efpräc^e „bem
ebcln, hnchberühmten, ftarfmütl)igen unb chrenneften granj non
©idingen, Äaiferlichcr iiajcftät S^att), Wiener unb ^auptmann.
bo§ ?lnbet. 3öabi8cu8 ober bie ÜRömijj^e brebfottigteit. ®ic ?ln|(^att)enben.
©d^tiflen IV, S. 101 ff.
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358
II. ^u(^. 5. I^apitcl.
feinem bcfonbeni ücrtraiitcn imb tvöftlic^eu (juten Jf^cunbe''.
SSJiv fommen auf biefe fpäter j^urücf, Don bereu 3us
Ijalte mir tjier mir baö auöi)ebeu, maö bie Ucbcrfebuug betrifft,
uon me(cf)er §utteu fagt, bag er fie „ucid;ft ucrfc^ieuer Xageu (üor
9^teuiol)r 1521) in ber (5Jcred}ti(ifeit §erberflcu eileub^ uub ot)ue
(irögcru ^abe. SSaö Jütten uüu bem erfteu,
gieber gefugt ^atte, ba& e^ „im Sateiu üiel lieblicl^cr uub fünfte
lieber benn im 2)eutfd)eu laute“, trifft freilich and) bei beu übrigen
©efprüdjeu ju, uub l)utte tbeilö in bcr^ad^c, tl)cil§ in ber $crfou
beö Ueberfe^er^ feinen @runb. Seneö, meil ein SS3erf, in einer
audgebilbeten ©prad)e üerfafet unb in bereu (Reifte gcbad)t, burd)
Uebertragung in eine ungebilbctc, mie bie beutfd)e @prad)e ba*
malö nod^ mar, notfjmcnbig verlieren mug; biefe^, meil |)utten
im ®eutfcgfcgreiben ein ^Infünger mar (unb feine‘^ frühen 2obe§
megen blieb), bem inobefonberc bie gemaltige görberung, mcld)e
auö Sutl)cr’‘5 0d)riften, üor adern auö feiner iöibelüberfc^ung,
für bie beutfd)e ^pradje in ber nnd)fteu ^c\i erma^fen füllte
bamali^ nod) nid)t 51t @ute fommen fonutc. ^ie Ueberfepung
ift fegr getreu, unb menn e^ an gürten nidjt fclilt, bod) im
C^an^en red)t leöbar. 3a, imn einem ber öJefpräcge möchten mir
fugen, bag c§ fid) im ^cutfegen beffer auönimmt alö im 2atei=
nifegen. ^)aö ift ber Öabiöcuö mit feinen ^reigeiten. ®er*
glcidjen ®crfröpfuugcn paffen trefflieg jum bamaligen beutfegen
0tljl, mügrenb fie ben lateinifegen entfteden.
®au^ ogne fleine iÖerüuberungen aud) beb Sngulteb finb
bie (^efpiäd)e gleid)mogl nid)t geblieben. ^)ie rafeg fortfegreitenbe
^eit fegien foldje 511 ergeifegen. 2>o mar im lateinifegen S^abibcuö
unter ben Urfaegen, mclcge bibger bie 2)eutfcgen ni^t gaben mcife
merben laffen, literariim iniperitia angefügrt. ^aüoii ift „Un*
befanntnig ber ©d)rift“ im üerbeutfegten ©efprüege feinebmegb
bie bloge Ueberfe^ung; fonbern bie lutgerifd}e iöetrad)tungbmeife
tritt gier an bie €tcde ber gumaniftifdjen. 3m lateinifdjen
('jrunbtejtc beb ^meiten gieberb mar tabelnb bemerft, bag mand)e
^i^faffen igre ßugülterinncn geiratgen. ©erabe bieg gatte nun
aber inittlermeile (für ben bag beibe cinanber mit löcftäus
bigfeit lieb gaben) Sutger ben (^eiftlicgen geratgen, mie eb benu
in ^urjem aud) ^ra^ib ^u merben unb bem Üutgertgum ^um
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$utten§ SReime ju j^incn öerbcutf(^|ten ©cfprä^cn. 859
Somjiirfc JU gcrcirfjcn anfing: bal)cr lieg Jütten in ber Ucbcr=
fc^ung biefe ©teile ineg*).
Ungleirf) n)id)tiger jebod) al3 folcge f leine Slenberungen im
Xcjte, finb bie melcge §utten in ber ©eftalt üon ge^
reimten unb ^^adjmorten ber Ueberfegung feiner ©efpräd^e
beigab. 3m 2ateinifdjen Ijattc nur bie Trias Roinana eilten
©pilog in ^iftid)en, ber ben Snljalt beö ©efpräc^ö furj jufanis
menfagte. 3n ber Ueberfebung haben alle uier ©efprädje jebeö
fein 33ors unb S^adjmort, meuon jebod) baö Sßonoort beö erften
mie ba^3 9lad)mort be^ lebten oieImel)r 5Bors unb 9^ad)U)ort jum
ganjen 33uche finb®). ®aoon gegört gleid) baö erftere jum @rs
greif enbften, maö §utten gefegrieben gat.
2)te 2Ba^rl)cit i|l öon neuem ßbotn,
Unb t|Qt ber 531rug fein ©d(|ein üerlorn.
5)eS fag Wott jeber 2ob unb
Unb Q(bt nit fürber fingen nie^r.
3n, fog t(b, SBabr^eit war öerbrurft,
3ft wieber nun ^erfür gerudt.
^eS foll man billig gniegen Ion,
!2>ic baju b<iben Arbeit gt^on . . .
^l(h, fromme teutfeben, b^U ein 9iatb,
1)a '§ nun fo weit gegangen bat,
35a^ nit geb wieber hinter fub-
8Jlit freuen bat)*ä geforbert icb,
Unb bgebr be§ weiter feinen ®niefe,
®ann, wo mir gfcbfib be§balb oerbric^,
!J)ob man mit ipilf mich nit berla^;
€o wiQ icb au^ geloben, bag
Son Sfiobrbeit idb will nimmer Ion,
Dn§ fotl mir bitten ab fein Wann,
9lu(b ffbafft/ jn füllen micb, fein 29ebr,
J[?ein '8anii, fein ?tcbt, wie fop unD febr
Wan micb bamit ju febredfen meint;
2lüewobl mein fromme Wutter weint,
®a icb bie €acb bött gfangen an:
@ott wöU fie trbften, eö mu& gabn;
Unb foHt c§ breeben auch norm 6nb,
1) Die ©teilen f. in J^utten’S ©ebriften IV, 6. 220. 127.
2) cebtiften 1, ©. 460—152.
360
II. ^ud^. 5. »Qpitel.
StQS ®ott, fo mQg§ nit »erben g»enbt,
'Darum »itt braud^en unb l^dnb.
^abs ge»ogt.
^Qitn bic 33cfd)Iugrcbc:
3(b ^ab eu(b’§ gfagt, t^r ^abt§ gehört:
SBtr ^einb ge»efen lang bet^ört,
9t§ ba§ un§ bod^ l^at @ott bebad^t,
Unb »ieberum ju @tnnen brad^t.
®r, ^uttcn, loiffc felbft nid)t, tuie er in bag ©picl gefommen;
@ineö nur woHc er, bei ber Icpten S^otl) unb fo loapr i^m @ott
pelfcn möge, betf)eucrn, baß if)n fein Soßn itoc^ bemege:
nur bie 0c^alfbcit oerbrieße ii)n, bamit bic SKelt betrogen unb
mancher jämmerlid) oerfü^rt mcrbc. ©o fönntc ed il)m ja aud)
gicieß gelten, ob biefer ober jener regiere, unb ob ber $apft toirf-
lid) oon ßJott jum ^erru ber Söclt cingefept fei, ober nic^t.
^nein atleS ^ab gettian
Dem Saterlanb ju unb (But;
Die äOa^rbeit mid^ bemegen ttiut.
Da fann id() nimmer lajfen öon.
Ipab ic^ beS nie empfangen So^n,
3q mc^r ju ©dfiaben lommcn bin,
Dann ^a^r unb 9lotb ift mein ®e»inn.
Das fie^t nunmehr in @oiteS l^nb.
Dem aUc ^erjen feinb befannl.
^iefe feine uneigcnnü|igc Slbfic^t fei ouc^ oon nicmanben
mibcrjproc^en, atö Oon folcßen, bie fid) mit Siügen abgeben, mic
ein gemiffer frecher Pfaffe unb Surtifan, ber hinter feinem iRüden
oiel böfer ©tüdc gegen ißn auögefagt ßabc; maö er, Jütten, ißm
aber noch einmal cinjutränfen hoffe. Uebrigenö fei er bereit,
jebem, ber il)m ing ©efidht etmaä S3öfeö nachfagen ^u fönnen
glaube, iRcbe ju ftcl)cn, bamit bic SBahrheit an ben 2:ag fommc.
Die 3Babr^eit mub Vrfür, ju ®ut
Dem ®olcrIanb, baS ifl mein SKulf).
Pein anber Urfaep ifl noc^ @runb,
Drum id^ ^ab aufget^an ben 3)tunb
Unb mid^ gefegt in ^rmutp 9Iot^:
Das weife öon mir ber ewig (Sott.
Der feelf mir bei ber SBohrfeeit Baä).
^»utlcn’S ©ntjd^iulbigung.
361
Sag gefeit ou§ jein gSttlid^
!S)omtt ber ^58 nit triumptjir,
Unb bag QU(^ merb t>ergo(ten mir,
Cb \ä) oirlleid^t o^n ^ug unb
ipdtt gfangen an ein folt^en ®(bimpf,
“^er niemanb grögcrn Sd^abcn bringt,
^ann mir, als nod^ bie 6a(^ gelingt,
^a^in mi(^ ®ott unb SBa^r^eit bringt.
34) gemagt.
2Bic fic^ in bicfcn ©c^lugrcimen §uttcn cjegcn ^crläum=
bunten öcma^rt, unb fiel) erbietet, über feine §anblungöiueife
jebem Siebe ftet)en, fo tt)at er baffelbe notf} auöfütjrlidjer in
einer eigenen ©djrift. 2)urd) feine Äi'lag unb S8erma()nung an
bie beutfd^e Slation befonberö ^atte er bie illerifei luiber fic^ anf^
geregt, bie it)n bafür olö geinb aller ©eiftlidjfeit , inaö bamalä
fo oiel ^iefe U)ie aller Üleligion unb 0taatöorbnung, ju üerfc^reien
fudjte. Obniül)l nun Jütten jenen „jornigen ©prud)", richtig
üerftanben, „fo böö nic^t" finben, aud) nid^t glauben tonnte, fid)
bamit geirrt j\u Ijaben, fo ^ielt er bod) für gerätsen, fic^ ju einer
„®ntfd)ulbigung" Ijerbei^ulaffcn^). ®ag er nidjt aller ©eiftlic^en
geinb fei, bafür war ei^ i^m leid)t, fid) auf oerfd)iebene ©teilen
jene^ @ebid)te^ felbft ju berufen, wo gcflagt wirb, bag fromme
unb gelel)rte ©eiftlid^e Ijintangefe^t unb mit feinen ober geringen
^frünben bebad)t werben. ®ie ganje Bewegung, an ber Jütten
mitwirfe, fei üielmel)r jum S3eften ber wahrhaft (yciftlic^en ange^
fangen, bie ja in erfter Sinie üon ben römifc^en Höflingen unb
il)rem Sln^ange gu leiben ^aben. Söogegen feine ©d)rift gerid)tet
fei, liege am Xage: unb eö wirb bei biefer ®elegcnl)eit gegen
^apft unb iilerifei alle!? baöjcnige noc^ einmal gefagt, waö, fo
lange bie Uebelftänbe fortbauerten, nid)t oft genug gefagt wer*
ben tonnte.
Slber, Werbe man fragen, warum benn gerabe er fid) biefer
2)inge mel)r alö anbere 2eute unterwinbeV „2öal)r ift, fagt er
barauf, baß ic^ l)ierin nic^t mel)r benn anbere, ja and) weniger
benn mancher, ju forgen l)ab : allein ba§ mic^ @ott mit bem ©e-
1) GnnbljclitilbtgunQ Slritl^s öon i^utten SUpbet etli^lfr öntoarbafftigeS
auggebfit öon pm, als folt er »tber aUe gcpfllitbfcit önb prie|ler|(bafH lepn,
mit crflörung ctli^ier feiner gej(brifftcn. Schriften II, ©. 130 — 149.
362
II. 5. I^opitel.
mütf) (id^ fördjt) bcfdjtücrt tjat, bn^ mir Qcmcincr ©d)mcr^ mcl)cr
iiub tiefer beim uielleid)t anberii ju §erjen gel)t." @r
laiuic flemartet, ob nidjt ein @efd)icfterer fid) ber (Sac^c aiu
iieljmeu moUe. SBeit er aber c^efeben, baß niemanb b^rfür gemoHt,
babei ber Surtifanen ^Regiment fid) immer mehr erbebe imb Qii^-
breite, SSabrI)cit ober unb greibeit immer mehr unterbrüdt merbe,
magc er cö im SRamen @ottcö, imb boffc, bafi fromme -D^eiifdien
ibm menigftcniS ©lüd unb §eil baju münfd)en luerben. ßu oer=
lieren b«be er in biefem .Raubet nichts alö Seib unb (^ut, mclcbc
beibc er, felbft roenn fein @ut mit eincö jeben SReid)tbum ju ocr»
gleidjen möre, geringer adjtc, alö bafj er um ibretmiflen ein fotd)
ebrbar^ unb billigt gürnebmen untcrloffen fofltc. 3(bcr bie
mollc er, mit öotte*^ §ülK/ unoerfebrt mit ficb in bie ©rubc
% bringen; fie foHe ficb biefer 0ad)e halber, fo b^ffc er, mebren,
nid)t minbern. 0elbft menn er in biefem gürfeben untergeben
folltc, getröftc er fid) bod) ber d)riftlid)en 5lbfid)t, bie er babei gehabt,
fo mie beiS guten 0amen^, ben er au^^geftreut, unb ben, mie er
ba;^ liüertrauen b^ibe, feine Sift nod) Öefd)äbigung aller (Surtifanen
je mehr gan^ loerbc vertreten ober auötmivi^eln fönnen. Slueb
boffc er fo gelebt ju bc^ben, baß biird) ibn nod) feinem grommen
0d)aben unb 33efd)mcrnifi miberfabren fei, fonbern er b^be ficb
fein ßeben unb junge Qc\t faucr merben taffen, in ^frinutl), 9lotb
unb gat)r nad) i^»b guten Äünften geftanben, unb feinem
£eib berbalben mebc getbaiu „!iöie möd)ten beim, mo eö mir
übel ging, ficb flute fieutc meinet Unglüd^ freuen? iöielmebr
miß id) mid) guten SöiUenö unb ©rbarmcnö oermutben."
@ine-^ Uebergriffö in baiJ geiftlidje IHint miffe er ficb nicht
fdjulbig, ba er nid)t ai^ ^rebiger, fonbern al^ Patriot ennabnt
habe; mo e^^ oon 9iotbcn gemefen, feinem 0d;reiben einen ÖJrunb
^u fdjöpfen, b^be er in bie l^il- fl<^flnffen; allein baiJ ftel)c
jebem Gb'^Ute'n ^;u, unb er b^ffc, eö „nid)t mit ungemafdjenen
^iinben'' getban ju buben; ob er aber babei baö 9icd)te getroffen
ober nicht, baö gebe er ben (belehrten unb Unparteiif^en ju bc*
urtbeilen anheim.
^Jfodj meniger fönne er ficb cineö 93ergebenö gegen bie Obrig*
feit, mcil er ohne Webeiß berfelben gebanbelt, fcbulbig befennen.
3« bem, mad jebem befohlen ift, bebarf feiner befonbern (Jr*
laubni§. „@inen getreuen, macfern §unb b^ifef fein $crr nimmer
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^uttcn’8 önlic^ulbiounfl.
863
bcücn; fobalb er aber einen 5)ieb erficf)t, betnetit i^n natürlid^e
Xrene unb SBo^lineinuncj gegen feinen ^errn, U)m jur SGÖarnnng
benfelben an^u^eigen/' Uebrigenö ()abe er üor aßen ben i^aifer
anfgerufen, fic§ ber ®ad)e anjune^men. 3(ud) bie gürften Ijobe
er ermahnt, ein ©infeben hoben, nnb ihnen norgcftellt, „baß
ju fürchten fei, ujo bie Dberfeiten nidjt felbft biefen Gingen
rathen, baß ettt)a ein gemeiner §anf unb baö nnfinnige S^olt,
nachbem ber (Surtifanen unb ungeiftlichen ©ciftlichen Ungebühr
anfö ^öchfte geftiegen, fid) erhebe, nnb al^bann mit Unüernnnft
in Raufen fd)Iage''. SSJer fo nur Slnfruhr warne, ob ber ein
Slufruhrftifter fei? SBenn aber, bei längerm ßögern beö ÄaiferS
unb ber gürften, Jütten ober fonft jemanb etmaö ©cwaltfameö
gegen bie ßurtifanen unb ihren 5Inhang oornähme, fo fönntc bieß
fein Sanbfrieben^bruch h<^^6cOf ba nurDtothwehr gegen nnteib*
liehe ©emalt, gegen ßeute wäre, bie felbft al^ gemeine griebs
brecher nnb geinbe be^ öaterlanbeiJ ju betrachten feien.
9tun h^^ißc eö aber, gegen geiftliche Seute fei eö Unred)t,
Söaffen nnb il^ehr ju brand)en. |)ier werben bie ungeiftlid)en
^riefter auf einmal geiftlich. 0onft gehen fie einher wie Älrieger,
fchämen fid) be5 Shorljcnibö nnb^ber glatten: fobalb aber jemanb
etwaö mit ihnen abiumachen l)ot, fo finb fie geiftlid)e SSäter,
rufen ben character indclebilis beö ^riefterthumö an, unb nel)*
wen bie <Sd)onung in 5lnfprud), weld)e man biefem ©taube fd)uU
big fei. ®aö fönnte^ man fid) gefallen Inffen, wenn fie fich wirN
lieh geiftlich hi^'^ten; bann wäre bie beutfehe 9lation unbefd)wert,
unb Ci bebürfte beö gaui^en ©treite^^ nicht. 3)a fie aber fo, wie
man fiel)t, leben, fo hoben fie burd) ben Ueberfluß ihrer böfen
SäJerfe ben geiftlid)en (Sl)orafter fSängft in fid) anögetilgt, ben^liu
fprud) auf ©d)onung längft üerwirtt. 9S3enn ein (iJeiftlicher oor^
fäplich nnb beharrlid^ übel tt)nt, barf man i()n wie einen anbern
ftrafen, barf (Gewalt,, fJtaub unb ©rpreffung mit (>3ewalt abtrei-
ben. gebeö S3olf l)Ot bai^ fRed)t, für feine greiheit gegen ^t)raiu
nei 511 friegen. (Sine ärgere Xprannei unb ^ienftbarfeit aber,
aliJ bie ^äpfte unö auflegen, ift nie gewefen. Ueberbieß gebraud)en
fie ja felbft bad ©chwert, folglid) barf man ci auch g^geo fi»^
gebraud)en. „©oll man, obfehon billige Urfach wär, wiber ^apft
unb iöifd)of nid)t friegen: warum hoben beim etlich hoo^c^t
3al)r h^’t bie ^43äpft große ilrieg gegen ben römifd)en ilaifern,
864
II. 5. i^al)itel.
bcncn ftc boc^, alö 6f)riftu§ angejeitit, unb ^auluö geheißen
haben, crnftlich untemorfen fein foHen, auch anbern ©htiften*
fürften, äum Xheil burch ^nhehung anbret, geführt? . . . ^amm
hat üor wenig 3ahrcn ber 53luthunb Suliuö naheju bie gan^c
Sh^^ftrnheit in ein gemein SJ^örberei unb Seutüerberben ucrmifcht
unb gehippett? . . . ^arum hat ber oüerheiligft 2eo, auf bafe er
feinen Sßetter jum $er,^og ma^tc, ben rechtlich regierenben gür*
ften üon Urbin mit(5Jewalt unb ©chwertfchlag oertrieben?.. Unb
ba§ ich ouch mein felbft nicht uergeffe, warum fehiefet bann ber^
felbig jornig Seo oon^Rom hrrauö, unb heißt mich ihm, auf bag
er fein tprannifch ©chwert mit meinem unfchulbigcn 33lut ne^en,
ober oieKeicht noch ein ©öfereö beginnen möge, gefangen gen fRom
fdjicfen? 3ft bieg biegreiheit, bei ber wir fic halten unb befchir*
men foUen? ©inb bieß bie ©efalbten ©otteö, an bie niemanb
^anb anlegen foH?''
!Daß er für ben äußerften gall ;\ur Gewalt aufrufe, mißbeuten
feine geinbe bal)in, baß fie U)m ©chulb geben, er bejwecfc mit
feinem ©chrciben nicljtö, atd leichtfertige Scute unb ein loö ©eftnb
an fict) höiiüra» wai mittclft bcffclbcn nicht burch SBernunft,
fonbern burch ungeftüme Gewalt, feinen SRuthwillen au^juführen.
Slllein in erfter ßinie habe er fich ja j\um ©treit auf bem ©runbe
ber hril. <2chrift, j^um Sßerhör oor bem ^aifer felbft, erboten.
SBcnn nun aber feine SBibenoärtigen ihn, wie bi^hri^^ «i^ht
)Öerhör fommen loffen, fonbern tprannifch^unterbrücfen wollen,
bann gebenfe er allcrbingö mit ©cwalt fich ju wehren ; baö werbe
aber fein lofer §aufc, fonbern ehrbare, rcbliche unb tapfere
Seute fein.
Äußer feinen ©eßriften freiten bie Gurtifanen unb bereu
Änhänger auch fri” Seben, unb gehen babei bi^ in feine Äinb^
heit jurücf. ^ier ift cö, wo fich §utten gegen ben Sorwurf, burd)
feine glucht auS gulba ein bereits abgelegtes Ä^loftergelübbc
gebrochen ^u haben, in ber nachbrücflichen SBeife üertheibigt, beren
wir ju Änfang biefer 2ebenSbef^reibung gebenfen mußten. Äuch
hier, wie in bem iRachwort ju ben oerbeutfehten ©efprachen, wirb
unter benen. Welche ^mtten’S 9ffuf ongreifen, oor aßen „ein großer
9tomanift" hrroorgehoben , ber ihn hinter feinem fRüden einen Söfc-
wicht unb 9?erräther genannt habe, welcher nid)t werth fei, wo^^u
er fich erbiete, für baS beutfehe üöaterlanb in ben %oh ju gehen,
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@tn Sieb üon ^utien.
365
öiclme^r alö ein grinbig ©d^af non bcr ©enicinbc obgefonbert,
unb oon reblid^cn, frommen Seuten gemieben merben foHte.
nun $utten nic^t toiffe, mer bcrfelbige iöicbermann fei, fo fönne
et auf fein ©dielten ioeiter nicbtö t()un, atö if)n ocrfid^ern, bag
er i^m oor @ott Unred)t t^ue, unb i^n aufforbern, mit feiner
öefc^ulbigung niffentlic^ ^erooräutreten. „i^ann ic^ mic^ bann
nic^t oerantmorten, fo mc^ mir, bag ic^ je einen S3ucbftaben
fc^rieb, je ein Suc^ la§, je jur ©c^ulen ging, ja, ba§ id) je ge-
borcn marb: fo mic^ alfo oiet guter Ä'ünft nic^t §aben meifen,
fo oiel ^eilfamer (5)efc^rift, in benen id^ (o^n fRul^m ;^u reben)
mic^ geübt, nic^t lehren, fo oiel (belehrte, mit benen ic^ umgangen,
fo oiel reblic^et Seut, bei benen id) gemot)nt, mit guten Unters
meifungen unb 33eifpicten nic^t l)abcn non folc^en böfen ©itten
abjieben unb ^ur ©b^barfeit rei5en mögen."
?lu^ in bic cineö fangbaren SSoUöliebeiS b^t um
biefe §utten bie b^bc unb bocb elcgifcbc ©timmung, toclcbe
baö ^^etüubtfcin feinet patriotifcben SBagniffc^ ibm gab, gebracht.
3m 3al)r 1521 erf^ien „(Sin neu ßieb ^errn Ulricbö oon Jütten"*) :
3d(| ^ak’S gctoagt mit Sinnen,
UnD trag beS no^l tein 9teu;
3)tag i(b nit bran gewinnen,
mub man jpUcen £reu,
üDarmit i(b mein
9tit eim allein
Sßenn man eS tnollt ertennen:
^em Sanb )u gut,
SBicmoI man t^ut
@in ^faffenfeinb mich nennen.
®a Ia)l idb ieben lUgen
Unb reben ma§ er miQ:
i^ätt Söabrbeit ic^ gejd^toiegen,
3Rir toärcn ^ulber bil;
9lun
IBin brum berjiagt,
^a§ Mag i(b aSen Sfrummen;
SBietool no(b i(b
9lit toeiter flitb,
Siellei(bt toerb loieber (ummen.
1) ?[in nett lieb Slri(b8 bon Jütten. Äm ©cblujfe: ©etrurft bm
366
II. 5.
@r bitte nic^t um @nabc, bo er o^nc©d^utb fei; er ^abe ftd^ ju
iRec^t erboten, aber man t)abe il)u nic^t ju @e^ör fommen laffen ;
er tröfte fic^ mit bem S3(*tou6tfein feiner ^uten 3lbfidt)t unb unter-
legten @^re; bagegen möge man auf ber anbern 0eitc bebenlen,
bag oft grofte glömme ton einem fleinen günflein gefommen fei,
unb ba§ bie Umftönbe i^m üieHeid)t noc^ ©elegeni^eit geben mer?
ben, fic^ JU röchen; er njenigftenS fege alleö baron, bag e^ ent^
meber geben ober breegen möge.
äOttt nun i^r feU>§ nli ratzen
^ieS fromme 9lation,
©d^QbenS fi^l ergotten,
fUS i(^ Oerma^net ^on:
©0 tfl mir leib;
l^iemit fc^etb,
äBin mengen ba^ bie {harten;
Sin unoerjagt,
^ab§ gemagt,
Unb miß beS 6nb§ ertoorten.
Ob bann mir no^ t^ut benfen
5)er fiurtifonen ßift:
6in $er) lagt nit fränfen,
2)aS red^ter Sleinung ift.
weig, nodfi öiel
äB5IIn aud^ in’S ©piel,
Unb foßtenS brüber fterben:
^uf, l^anbslnedbt gut,
Unb fReuterS ffltut^,
Sagt ^utten nit oerberben!
3llö eine ?(rt ton SBiebevball, ton Slntmort auö bem 6l)orc
beö SBoK^ ouf biefe ?lnfpra^e be§ ritterlichen ^elbenfpieletiS fann
man jttei fiieber betrachten, beren cineö nach ber Söoife eine^
Sfleiterliebö ouf granj ton <Bidingen , boö anbere nod) ber eine^
ajiarienlicbö ju fingen toav. ©ang man ton bem fRitter ber
(Sbernburg:
8ran3 ©idtinger bo§ cbel Stut
^a§ ^Qt gar oil ber SanbSfned^t gut u. f. f.,
jar XXI. ©Triften II, ©. 92—94. 5)ie beiben folgenben Sieber (oon 6onj
Seffcl) cbenbaf., ©. 04—98.
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2ict>cr über Jütten.
367
fo ^ic6 cö mm Don bem ©tccfclbcrc^cv, frcilid) etwaö tpcnigcr
poetifd) :
Ulrid^ üon l^uttcn bo§ cbet 93Iut
jo fofllid^c 33ü(^r gut;
er lüirb 33efd)ü|3et ber eüangcUJdjcn 2el)rc, aliä S3ürfcd)tcv bcö
Söüvtc^ (Siüttcö (gefeiert, iiub am ©c^luffc fo auflcrcbct:
Ulrie^ Don i^utien, bi6 toolßcmut,
bitt, baH ®ott bi(!^ ^alt in l^ut
3c^t unb ju QÜcn
@ott b^Ut an d^tljUic^ Sekret gut,
2ÖO pe gc^in ober reiten.
3q reiten.
anbere fiieb rebet im (Sinc^ang ben ^Ritter an:
?l(§ ebter ^ut ou§ t^ranfen,
jRun pe^ bi(^ tt)ei§Ii(b für,
®ott jolt bu loben unb bonlen,
2)er tt)irb nod^ l^elfen bir
*3)ie ©ret^tigfeit Dorjee^ten:
Xu jolt beipo^n bem Steckten,
^it anbern IHittcrn unb ftnc<i^ten,
5Jlit frommen jJriegSlcutcn gut
IBejc^irmen ba§ 6f)ripcn ®lut.
@r möge fid) nur nid)t bctf)örcn, nic^t üon bem SBorte ^iotteö
abmcifbig machen laffen. Xod), bcrul)igt fid) ()crnad) ber 2)ic^ter
feibft
iputtenuS boll bepc,
Xü§ l)Qb i(b guten IBj^eib;
®r »olt gern t^un boS IBepe
Xer frommen 6bripenl)eit,
Xbwt fein 6eel für un» fegen,
Hebt nit wer i^n tl)u legen ....
®ott geb i^m @lüd unb 6i(f,
Xop er oll Satb wol j(3(|irf.
33on biefem SEÖicberflang, ben feine äUorte unb Jsöcftrcbungen
in ber TObe unb Jcnie fanben, blieb glitten nid)t of)ne 91ad)ri^t.
3al)lrcicbe S^riefe, bic it)u beffen Ucrficbcrtcn, aiiö ^)eutfdblanb
unb ben 9fiacbbarlänbern, liefen bei il)m ein. ^uö iööl)mcn
368
II. 5. ffapiiel.
fd)icften bic$uffiten i()m tüicßut^ern bic ©Triften i^re^ 9Kcifter§
^u. S)aö oUeö ucrme^rtc nur bic fieberhafte Ungebulb, bie ihn
njäljtrenb feiner unfrein)ifligcn 9)iu6e auf ber ©bernburg üerjehrte.
2)a)§ ©chreiben genügte ihm nicht; er hätte gar ju gerne mit bem
©chmerte breingefchlagen. SebeuiSlänglich ftanben in Jütten ber
©djriftfteller unb ber Splitter im SBettftreite: ber erftere mochte
thun unb leiften maö er moUte, fo mar ber lefetere unjufrieben,
bag ihm bie Gelegenheit, auch etmaö ju leiften, fo ganj entgehen
foUte. mor eineiäujchung; benn maö hätte ber 9iitter Jütten
thun fönnen, bad bemienigen, maö er aliä ©chriftfteßer mirfte, ju
oerglei^en gemefen märe? ®ie 5^äufchung mar für ^utten’jg £eben
üerhängnigüoll; aber feiner ©chriftfteUerei fam fie ju Gute: ber
ganje Ueberfchug beö ritterlichen geuerö in§utten, baö fidh burch
ben ®egen nicht ßuft machen tonnte, ergoß fich burch 5eber
in feine ©Triften, unb gab ihnen jenen friegerifchen, jugenblich
helbenl)uften Xon, ber ihren unoergönglichen fReij au^macht.
„2Jitich quälen", fchrieb er um jene ßeit an (Sapito, „biefc
immer neuen unb immer mieber getäufchten Gnoartungen oon ben
greunben. $ätte ich hoch gleich uon Slnfang an gemagt, mir felbft
ju rathen unb auf eigene gauft ju huubeln. ^enn biefe anbern
9?athgeber moHen mir je länger je meniger gefallen.'' 2ln Suther
aber fchrieb er: „Gemiß, bu mürbeft SKitleib mit mir hüben, menn
bu fehen follteft, mie ich 5^1 tämpfen fo menig fann
man fich ouf bic SJlcnfchen ücrlaffen. SBährenb ich »cue S5unbcgs
genoffen anmerbe, fallen bie alten ab. Gin jeber hut eine2Kengc
Oon öcbenfen unb SBormänben. S8or allem ift eö ber Slberglaubc,
ber bie 2J^cnf(hen fchrccft, bie eingefogene SJ^einung, bem Zapfte,
unb märe eö auch ber ungerechtefte unb fchlechteftc, ju miberftreben,
fei ein unfühnbareö SSerbrechen. 5)och thue ich waö ich ^onn,
unb mcichc nimmer bem 2Jiißgefchicf." 9^ur granjen^ Gefinnung
fanb gutten probehaltig; hoch biefer gerabe mar c^, ber ihn ob^
hielt, einen Gemaltftreich ju thun, inbem er, mie |)utten an
GraömuS fchrieb, erft einen ^erfuch mit bem jungen Äaifer machen
moHte, in ber Hoffnung, biefer merbe entmeber bie ©oche ber
fHeform felbft in bie §anb nehmen, ober berfelben hoch nichts in
ben 2öeg legen; eine Hoffnung, melche freilich burch ultramom
tanen Ginfluß f^on fo gut mie oereitelt mar, meßmegen §uttcn
eine gemaltfame ©chilberhebung äulc^t hoch für unoermeiblich
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f)uttcn’8 Unflcbuft).
369
anfaJ) *). ®ar Qcrnc ftöttc fc^on bamal§ tt>ic nocft fpätcr
JSputtcn bcn bcibcn päpftlidjcn ^Jhmtien, bic' fiel) jiad) Äarri^ Ärö*
nuiiö in 5töln bcfaubcu, um bcn Äl'ai(cr iinb bic dürften c^c^cn
£utl)cc 5U ftimmcii, bic SBcgc ücrlcgt unb fic abacjangcii: allein
lüo^u füllte ein fülc^es» 9iittci)tücfcl)cn l)clfcn ? tüiintc einen
^ücten lüie @oban, fclbft £ntl)cr bamaU nod) in mand)eii ©tim*
mimflcn, ergeben aber 0icfiiigen l)atte fRed)t, cd bem grennbe
aud^ureben.
§utten fclbft fal) bei tälterm ^lute ein, ba§, um einen
blcibenbcn @rfolg Ijerbci^nfüljrcn, er fic^ bebeutenbever Äröftc üer* ,
fiebern muffe. 3)af)cr lag cd il)in fo fcl)r an, bic ©cfinnung bed
iturfnrften üon ©ac^fen ju erforfd)en unb it)n mu möglich j^u
gcminucn. ®a iljii 0palatin auf üerfd)icbcnc ^Infragcn in biefer
^ic^tung ol)iic )dntmort gclaffcn l)attc, fo menbete er fidj je^t an
Üntljer. mürbe feine üerlorcne 3)iü^c fein, fd)rieb er il)m am
y. ^)ccembcr, mcim er audfnl)vlic^ auf bic ©bernbnrg berichten
müd)te, mad in feiner Umgebung Uürgcl)c, mad uon jebem ju
l)üffen, mcldjcd ^Bagnig jebem ^u^ntraucn fei. iöür allem mnnfd^c
Jütten miffen, in mic meit man auf ben 6tnrfürften rcd)ucn
bürfc. iiutber möge fclbft and) feinen (Sinfln^ aufbieten. (£r
glaube nidjt, mie mid)tig cd für il)rc 0ad)c märe, menn ber Atnr*
fürft entmeber fclbft i()nen bemaffneten 43eiftanb leiften ober bod)
iiu einer fd)üiicn X l)at burc^ bic ginger fcl)en mödjte: b. l). il)nen
geftatten, innerl)alb feined (^iebietd ^lufent()alte ^u fiidjcn, menn
Cd bie Umftönbe crl)eifd)cn füllten. 0übalb er barüber Cyemif3t)eit
l)abc, fei fein (Sntfd)ln6, einmal in SS^ittenberg einen iiücfud) ^n
madjen. ®cnn langer fünne er fid) nid)t mcl)r l)altcn; er müffe
einen i^iann, bcn er feiner Xugcnb megen fü icl)r liebe, einmal
fel)cn. 3^igleid) fd)icfte Jütten, mie fd)üii üben ermähnt, feine
neueften 0d)riftcn an iJiitl)er, unb ^mar in beridjtigten (Siduplaren,
meil er uermutbete, biefer merbc fic bürt neu auflcgcn laffen ; mad
and) mit einigen gefcbal).
1) Das i’iS^criflc in ^en 5?ricffn i^uttrn’S an Papito ooni Soninur
1620, an fiul^cr unb ^raSniuS boin 9. Dfc. unb 13. 3iot). bfijdbfn 3af)r5,
Schriften I, 5. 365— 3Ü7. »23 ff. 436 ff.
2) 2uU)cr an 3poIalin, 13. 91oo. 1520. 3n öultfu'S »(firiften I,
3. 420.
VII. 21
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II. 6. ffQlntel.
3n bcmfc(6en 93rtcfc beflagt fic^ Ratten barüber, baß ißm
ßutber’^ neuere «Sachen noeß nießt ^ugefommen, unb iaunbert fid),
baß biefer fie ibm nießt i^ufenbe, ba boeß Äeute, bie ße an ^ran^
i)on 0icfingen mitneßmen fömiten, bort fo leießt ju pnben fein
müßten. Slueß am 16. Sonuar beö folgenben Sa^re^ flagt §utten
©palatin, baß in fo betaegter ßeit fiutßcr eö ni(ßt ber SJ^üße
mertß pnbe, an ißn ju feßreiben*). jmar unterblieb bieß
nießt; boeß gefeßaß e^ mebev fo oft, noc^ fo rüdßaltloiS, aU
‘Jütten münfeben mo^te, ber feinerfeitö £ut()ern mit licbenötoürs
bigfter Offenheit unb begeiftertcr Eingebung entgegenfam. 2)er
©raub oon fiat()er'g ßwtüdbaltang offenbart ficb, ba unS feine
Briefe an Jütten oerlorea finb, in einer ?leußerung bcffelben
gegen ©palatin, bem er eben jenen ^ntten’fd}en S3rief oom 9.
cember mittbeilte. „SBa^ Ratten ^ begehrt, fießft bn. 3cb ntöcbtc
nicht, baß mit ©emalt nnb 3J2orb für ba^ (Soangelium geftritten
toürbe: in biefem ©inne habe id) an ben 2Jiann gefeßrieben. ^ureß
ba^ Söort ift bie SBelt übertt)unben, bureß baö SBort bie SHreße
erßalten tt)orben: fo mirb fie and) bureß ba§ SSort mieberßerge*
ftellt ttjerben; unb aueß ber läntidßrift, mic er oßnc ©cmalt ange^
fangen ßat, fo mirb er oßne ©emalt j^ennalmt merben bureß bod
SBort*)." Seibe 3J?önner maren in ben 9)tittc(n jn bem gemein^
famen ßmeefe nießt einig: maö Sutßcr alö etroaiS betraeßtete, baö
mon im öußerften gaüe gefeßeßen laßen müffc, menn eg nießt ju
oenneiben fei, bag brannte §nttcn oorUngebulb jept fd)on felbft
ßerbei^ufüßren. SBenn eg bnreß bie SButß ber 9lömlinge jnm
©rueße fomme, f(ßrieb Sutßer halb nacßßer an ©palatin (unb
bag merbe bann ein bem bößmifeßen äßnlicßer ^Infrußr mit blu*
tigen ^Ingbrücßcn gegen bie ©ciftlicßen merben), fo fei er anßer
<^nlb: beim fein Ütatß fei gemefen, baß ber beutfeße ?lbel nießt
mit bem ©eßmerte, fonbern bureß S3efeßlüffe unb öerorbnnngen,
jenen ItDienfcßen ©eßranfen fepe. Allein eg feßeine, biefe mer»
ben fieß bureß gelinbe 2)iittel nießt meifen laffen, fonbern
in ßartnöcfigem S^tßcn bag öerberben felbft über fid) ßerbei*
füßren.
1) Schriften II, 6. 4.
2) 16. 3ön. 1521. 3n 0«ttcn’§ ©(^riften II, ©. 5 f.
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I^utten unb Sut^ec.
371
3n feiner 9lrt liefe eö übrigen^ ßutfeer, auefe neben feinen
©c^riften, an ber fröftigften Xcmonftratiun nidjt fehlen.
10. jDccembcr 1520 n^arf er uor bem ©Iftcrtfeore ju Söittcnberg
bie öannbuKe gegen il)n, fommt ben päpftlicfecn S^lecfetöbüc^ern,
in ba^ 5<^uer; eine 3^f)at, bie, in ifercr fl)inbolifdjen ^ebcutung
non unenblicfeer Xragujeitc, für il)n baö SBerbrennen feiner ©efeiffe
nmr, looburcfe er ftc^ jebe Umlefer unmöglid) machte.
372
Sfd)5te$ fiaiiitcl.
^ratt} »Olt ^tifiinoett c^^mtten'o §(^»fer tinb bet ^etb fdtter
tiettett 3>iafoge.
1520-1521.
tocni(^cr 5(uöfirf)t auf Untcrftü^unc| feiner ^lanc .^utten,
beö Äaifcrä 511 gefrijmeiflcn, felbft uou 0eiten bc^nificn gürftcu
I)attc, toel^er bei* <Sarf)c ber fRefüvniatlon nm cjünfti(^ftcn 511 fein
festen, beftü mc{)v furf)te er fid) feinet (^aftfrcunbcv
©iefingen, beffen 9}iad)t iinb Öebeiitung um jene ber ciucS
gürften faum uac^ftaub, j^u uerfid)ern. @‘5 fcl)lte uidjt au fold)cu,
mctc^c biefeu, t^eilö auö üermaubtfd)aftlic^cm, tf)cilö auö ^artei^
intereffe, uou §utteu uub ber 9^efürmatiou ab-\u,vcl)eu fud)tcu.
©ein übrigen^ trefflicher ©djroager, Philipp uou 5ler«l)eim, ba^
mal^ ®omfangcr, in ber golgc 33ifd)of uou ©peier, beffeu .Slrouif
eine ^auptquelle für ©icfiugcn'iJ @efd)id)tc ift, mic fein ©egeu-
fd)tüäf)cr, ber Dritter ^ietrid) uou J5anbfd)ud)?l)eim, au beffen
Umftimmung er in ber golge ein eigene^ ©enbfd)rcibcn toenbeto,
tuaren ohne ßiocifel and) mit unter brn Söermaubten nnb greuuben,
uon benen |)utten fdjrcibt, baft fie in S^an^ gebvungcu, fiep uon
einer fo gefährlichen ©achc lo^äufagcn. 3J^au fud)te il)m uon
Suther'ö ÜJieinungen uub planen eine abfd^reefenbe S8orftcUung
bc^ubriugen, unb führte babei mohl auch ©teilen aiu^ beffen
©chriften au, bie in beufetben gar nicht 511 fiuben maren.
J^ranj h^tte b\^ baher uon £uther nur menigeö obenhin
gelefcn: jeht benupte Jütten bie minterlidje SH^uge auf berSbenu
bürg, ben greunb tiefer in bie ©djriftcn bco ^)teformator'5 cin.yis
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i^utten lieft mit ©irfinßcn 'Sut^erS ©c^riftcir.
373
fiU)rcn. @ini(fc groben, bic er il)m üorlaö unb münblid) crläus
terte, muf3ten i()U erft bccficviff machen; halb fincf bic 0ac^c i()m
cin,^ulcud)tcii an, unb bei lucitercm ßefen fam cö jnr Ueberjeus
1311119. (Jr überfaf) bie (^runblatjen, ermaß ben §(ufbau ber £utl)es
rifd)en Seßre, nnb 2öie? rief er auö, ba^ mac^t jemanb crfd)üttcrn
,311 monen, ober menn cr'vJ maßt, f)offt cr'ö fönnen? 3n
,3em lief3 er feine ^J^aßljcit oornbcrßcijcn, nad) ber ißm nid)t
.'pntten ctma^3 oon Sntßer ober and) uon fieß felbft oorlcfen mußte;
moran fid) @cfpräd)c fnüpften, in benen .gtutten bie gaffuncf^^i
fraft feinc^^J grennbeö, fein Xalent, baö ^Inf^cfaßtc berebt micber*
,3uaeben nnb felbftftiinbi^ mcitcr anö^nfüßren, bemnnbern lernte.
Se^t mar ©idin^cn fletfcn bic 35erfud)e, il)ii manfenb ju mad)cn,
9cftäl)lt: auf bie fd)on oben ermäl)itte 353arnun9 feiner 33ermanbten
oor ber ^öetßciliflnncf an einer fo ,3meifcll)aften ©ad)c mar jc^t
feine l^lntmort, bie ©ad)c fei feineömei]^^ ^meifcü)aft, benn eö fei
bie ©arße (Sßrifti nnb ber S53af)rl)cit; überbieß fromme c^S bem
bentfdjen (_^5emeinmefen, baß iint()erV' nnb .5)ntteir^ 9J?al)nun9en
®el)ör pnben nnb ber (^ilaube i3cfd)irmt merbe^).
©teben mir einen ^(ncfcnblid imr biefem isöilbc ftill: eö ift
eine-^ ber fdjönften in ber 03efd)icßte nnferc‘j S^olfeö. 3(m gaft^
lid)cn Xifdjc ber ©bcrnbnri] fi(jen in ben SäJinterabenben ^mei
bentfeße Stitter, in (^Jefpräeßen über bie bentfd)efte ^Incfclecfcnßcit.
^)er eine glüditlin^, ber anbere fein miidjtißer iöefd)ttßcr : aber
ber glnd)tlin(3, ber jüngere, ift ber Beßrer, ber ältere fd)dmt fid)
bcio fiernenö nid)t, mic ber ritterlid)c Mjrer fcibft neiblo^ bem
cfrößern äJicifter, bem 9Jiönd) 511 SBittenber^, fid) nntcrorbnet.
biefer isölütßc^cit bec^ Jöerßdltniffeö beiber 9}tdnner ift
bie fd)önc ^tminnnn^ an ©idin9cn, meUße .^ntten ber bcntfd)en
Ueberfeßnn^ feiner (^3efprdd)e oorancfcftellt ßat*), nnb bereu nd*
ßerc ^etrad)tun(3 mir cbenbeßme^en bi^ an biefe ©teile oerfd)obcn
ßaben. Cßne Urfaeße, jacft .^ntten in biefer 5Bibmnn9, fei baö
©prid)mort: 9^tötßen erfennt man ben grennb, nid)t auf^cs
fommen. 'J'enn niemanb biirfe faffen, baß er mit einem greunbe
üenoaßrt fei, er ßabe ißn benn in feinen notßbnrfti^en anlics
1) 'Kflcy bieft bem oben niißcfllOrlcit Briefe ^uttcn’ö nn üiult)cr toom
0. 5)cc. 1520.
2) ScTjriftfn 1, 3. 117-440.
374
IL «U(^. 6. RapHtl
öcnbcn ©nrf)cn bcrmagcn, bog er i^ii iniücnbifi unb ou^toenbig
fenne, ucrfuc^t unb (\epriift. S53ictt)o()t nun ber fllticffclifl ju
ad)tcn, bem nie non S^öt^cn geujefen, einen greunb biefergeftalt
ju pvobiren, mögen bod^ and) bie fi^ ber ©nabe @otte« berü^s
men, bie in if)ren Sflöt^en beftänbige unb ^art l)oltenbe greunbe
erfunben ^aben. „Unter meieren", fährt Jütten fort, „ich
bann nit menig bei ®ott unb bem @lücf ju bebauten t)ab. ®enn
alö ich auf ba^' §leu6crfte an ßeib, @hi^c unb @ut üon meinen
geinben genöthigt mar, fo ungeftüm, ba§ ich faum greunbe anju*
rufen Qc\i gehabt, bift bu mir, nit (alö oft gefd}ieht) mit tröft«
liehen SSorten, fonbern hülftragenber Xhat, begegnet, ja, mag ich
(alö ba^ ©prichmort ift) fagen, oom ^immel h^^öb ^ugefallen/
©0 menig barum bie greunbfehaft im ©lüde, menn fie ouch mehr
eine luftige ©efeöfchaft, aU mat)re greunbfehoft genannt merben
füllte, ju üermerfen fei, fo finbe hoch jmif^en beiben ber Unter-
fdjicb ftatt, mic jmifchen ©peifen, bie nur füg unb mohlfchmecfenb,
unb fold}en, bie jugleid) gefunb unb hctlfcmi feien, ©o h^be er,
Jütten, in einer ßcit, ba er nicht luftigen ^efehmaefö, fonbern
heilfamer ^Ärjnei, nicht fröhlichen 53eimefcnö, fonbern gemärtiger
^ülfe beburft höbe, — bo höbe ich, föh^^t er fort „(id) acht, auiS
göttlidhem 3öfchicfcn unb SSerfehung) bich gefunben, ber nicht
gcadjtet, mag ein jeber oon meiner ©ad)e rebe, fonbern, mic bie
an ihr felbft geftaltet fei, beherziget. $aft bich nicht bur^ ©chreefen
meiner SGÖibcrmärtigcn oon Sßerfechtung ber Unfehulb abziegen
laffen, fonbern aug ßiebe ber SBahrheit unb ©rbarmnig meiner
^ergemaltigung für unb für über mir gehalten. Unb ba mir
aug ÖJröge ber gahr bie ©täbt ocrfdjloffcn gemeft, algbalb beinc
Raufer (bie id} aug ber unb anbern Urfachen Verbergen ber @e*
red)tigfeit nennen mag) aufgethan, unb alfo bie angefochtene unb
uerjagte SBahrheit in ben ©choog beiner ^ülf empfangen, unb
in ben Firmen beiner 35efchirmung gonj fecflich gehalten. 2)arang
bann gefolgt, bag ich iö meinem gürfag, ben auch bu ehrbar
unb reblich nenneft, nicht menig geftärft, aUc belehrten unb
ilunftliebenben beutfd)er Sflation (benen nicht meniger alg mir
felbft an biefer ©achen gelegen) fich in grohlocfen erhaben, unb
gleich ölg nach einem trüben SBetter oon ber frenbenreichen ©on*^
nen erquiefet morben. Wogegen bie boghaftigen Surtifanen unb
fRomaniften, bie mich öerlaffen gemeint, unb berhölb beinahe einen
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i^uttcn’S unb Sidingcn’S öreunbjd^aft.
876
Xriump^ uon mir gcfüOrt l;attcn, ba fie gcfcljcn, bag id; mid)
(tüie im ©prid)U)ort ift), on eine fefte, unerfeftütterte Söanb ge^=
le!)net (jab, i^reii ©tolg unb Uebermuti) gegen mir ctmos^ nieber*
gelaffen, fic^ foft einget^an unb flcinen ßautö morben/'
gür folc^e 2Bof)lt^at bem greunbe genugfamen ^anf ^u
fagen, fe^le eö Jütten nic^t an (^emütl) unb SÖJillen, fonbern
am (^lücf unb SSermögen. äöerbe iljm aber je eine beffere ßeit
erfc^einen, unb fic^, mie er ^u @ott ^offe, Slenbcrung beö öUndö
begeben, fo mofle er il)m, allem feinem Vermögen nad), bermagen
mieber bienen, baß granj fpüren fülle, er l)abe menigften^ feinen
gleiß gefpart, ißm ^anf barfeit ^\u erzeigen, iöiö baßin moUe er
mit bemjenigen, maö ißm fein grcücl noeß bemalt, fein Xro^
nod) Uebermaeßt, fein ^Irrnutß noeß (Slcnb beneßmen möge, nänu
ließ mit feinen ©innen unb ißerftanb, bem greunbe treuließ unb
fleißig ju ^)icnften fein, ißm aud) je^t feßon, mie cinft 33irgil ben
,^mei moßloerbientcn günglingen (9f?ifuö unb ©urßaluö, Aen. IX,
446 f.) jugefagt ßaben:
,9Bo (itoas mein @ef4iriftt nermag,
V !S)ein !Sob mug fterben feinen Xag.*
Uebrigenö aueß oßne baö befonbre Söerbienft, baö er fidj
um ißn eriüürben, ßätte boeß gran^ burd) feine ritterließcn eßr^
lid)en ^ßaten an fieß fdjon uerbient, baß Jütten unb ade, bereu
93ermögcn eö fei, gegenmärtige ober oergangene ^Dinge bureß üöe^
ßelf ber ©eßrift 5ur (Srfenntniß ^ufünftiger geit gu bringen, feinen
9iamen auö biinflem 3Scrgeß in baö fiidjt ber emigen ®ebäd)tniß
feßten. „®enn oßne ©eßmeießelei unb )^iebfofen gu reben, bift
bu ber gu biefer Qc'\t, bo jebermann beböudjt, bcutfd)er §lbel
ßabe etmaö an ©trengfeit ber (^emütßer abgenommen, bid) ber«
maßen ergeugt unb beioiefen ßaft, baß man feßen mag, beutfeß
iölut fei noeß nid)t oerfiegt, noeß baeJ abelid) 6Jemäd)ö bcutfeßer
Xugenb gang audgemurgelt. Unb ift gu münfdjen unb gu bitten,
baß @ütt unferem $aupt, Haifer Äarlen, beiner tugcnbßaftigen
unerfeßrodenen 3)^utßfamfeit (Jrfenntniß eingebe, bamit er bieß,
beiner ÖJefeßidließfeit nad), in ßoßen treffließen feinen ^onbeln,
bad römifcß IReidj, ober aueß gange ßßriftenßcit betreffenb, fo
mit IRatß toie mit ber Xßat braud)e; benn alöbann mürbe bie
grueßt beiner Xugenb gu meiterem 3ffuß fommen. günoaßr, einen
376
II. ^ud^. 6. Äüpitel.
folc^cit 'JJiutI) foIU man nic^t ru[)cn, nod) inner fleincr
®ad)cn flcbraiidjt lucrbcn loffen."
®od) $ntten')g 5(bfic^t fei nid^t, in biefer 3iürrebe gvan,^en$J
Jüob ^n befd}reiben, fonbern mir, feinem .^ler^en einmal 2nft
mad)cn, ba«; ^eftedt uolIer ejuter (SJebanfen nnb freunblid)er ©nt*
milli(^feit für bic unüerneltlid)en SÖoI)ltf)aten fei, bic ber grennb
il)in ermiefen l)abc nnb und) töglid) je mel)r nnb mel)r l)öwft*
ba()cr fd)cnfe er il)in ^nm 9flcnjal)r bic auf ber (Sbcrnbnr^ üW*
tickten Uebcrfejnngen feiner @cfpräd)e. hierauf ber ^errlidjc
0d)lu§, ber in feiner tbatluftigcn 9J?(mnt)aftißfeit au? bem Sn-
nerften uon §uttcn'? SBcfcn fam: „Unb münfd) bir bamit, nid)t
al? mir oft unfern grennben pflec^en, eine fröl)lid)e, fanftc 9inb,
fonbern groge, ernftlidje, tapfere unb arbeitfame (^efd)äft, barin
bii Dielen 9J^enfd)en ^n Oiut bein ftol,^e? belbifc^ (^einiitl) brauchen
nnb üben möcieft. ia^n moll bir @ott (^lürf, §eil nnb ifiJobl-
fal)ren Dcrleil)cn.''
^üdj mä^renb Jütten feine altern ^ialo^e in? ^5)eutfd)c
überfepte, arbeitete er 5ugleid) neue lateinifd)e an?*). Sft bic
^ueiflnunfl jener Ueberfe^unii Dom 1., fo ift bie ber lateinifd)en
Wefprädjc Dom 13. Sfluuar 1521. ©inb bic bentfdjen feinem
iyefdjü^cr, 0d)üler unb ritterlid)en Sbcale, granj Don 0icfinc\en,
(^icieeicinet, fo tritt biefer in ben latcinifd)cn al? bramatifd)c^erfon
mitrebenb unb mitbanbclnb auf. Unb ^mar immer in ber ljöd)ftcn
0tellnnn, al? SSertreter bc? fRec^ten unb SBal)ren, ber grcil)cit
mie ber iüiäftiqnnci. ^a? iöefte, ma? Jütten meifi, ()at er feinem
gran^ in ben ä)^nnb (lelccit, mie $lato feinem ©ofratc?. ^us
(leeiipiet finb bie neuen Dialoge einem fürftlid)cn 9iad)bar ber
(Sbernbnrci, bem ^^Jfal<\ßrafcn Sol)ann Don ©immern, bem öater
be? nadjmalipen .Stnrfürften griebrid) 111., unb ©tammDatcr jener
l)od)ftrebenben fimmernfd)en ßinie pfäl,yfd)er Äurfürften, meld)e
bic ^flcfornmtion in iljrcr Dorgefdjrittenften ©eftalt, al? (SalDi»
ni?mn?, ergriffen ; mäl)rcnb ber ©tammDater 3*-'l)ann, ein tüd)tis
(^er, i;cbilbetcr unb im fReic^e geachteter (t 1557), noch bei
1) Dialogi llutteiiici novi, perquain festivi. Bulla, vcl Bullicida.
Monitor primus. Monitor secuudiis. Praedoncs. @(t|riftcn IV, S.
300 — 406. 3lu meiner Ueberjetjuno Der ^uUen’jc^en @ejprä(^e ©. 221 — 389.
2)ie 3»fiö»u**0/ 3(^riften II, S. 4.
j
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^utlen’ö 9lcue ©cjpräd^e.
377
bcm alten Äirc^cinucfcn üeiblicb. greimutt) fei dj, luas er Dom
0d)riftftcHer üerlaiige, ()attc ^fol^t^vaf Sotjonii im L^icfpvädje mit
.^uttcii einmal flcänßcrt unb jnj^lcid) ben äönnfdj aiiycjefprodjcn,
menn biefer micber ctmaiJ greimütt)i(]c^ fc^riebe, alöbatb mit^
(\ctl)cilt ^n cr()atten. ©o fd)icft tbm beim §nttcn biefe neuen
2)ialü9c atö einem foldjen ber fic foiuol)l mit @infid)t 511 lefen,
al^J anc^ jn fd)ü^en miffen merbe. greimutt) merbe ber ^fa^graf
in bcnfelben nic^t ücrmiffen, menn uielleic^t and) geile iinb Sßols
tenbung. Xer ^erfaffer bfibc fic auf, biefer SBarte, bie fic^ Idngft
ber greiljcit geöffnet, eilig auegearbeitet , über ba5 5;f)cnm, baö
i^m in biefer einzig jur '^k’l)anblnng übrig fei, nnb
mit bcm SSor^aben, ben 2Öa()nfinn ber geinbe jc^t auf jebe
mögliche 31rt 511 rc^cn. ©o mcit fei er entfernt, fie 511 fürd)ten,
bereu Unterncl)mungcn, fic mögen beginnen maö fie moUen, \\\u
möglid) ®aner ^aben fönnen. Malier fprcd)c er and) benen 9Jhitl)
ein, mcld)e C!^ crfd)redt l)abe, mic fie für,^Iid). ben Äaifer imn fo
• Dielen Sarbinälen nnb ^^^rotonotarien umgeben nad) 2)entfd)lanb
haben fommen fel)en. ^arin liege fein @rnnb, für bic gute
0ad)c 5U fürd)tcn, fonbern nur, ben jnngen gürften ,^n bc-
bauern, ber fid) in feiner l)ol)cn 0tellnng Don jenen ©cheufalen
mifeleiten laffc.
5^oran ftel)t unter ben Dicr neuen Dialogen berjenige, Don
tDcld)cm glitten in bem ^eccmbcrlniefe be-i? Dorigen gahrc‘3 an
iinttjer gefchricben hatte, er arbeite jept an einem (^efpräd): ^ic
iöuUe, ^^war eilig, hoch folle eö nid)tö Unfeinem merben, beide er,
nnb £ntl)cr loerbc eö, fobalb eö crfd)ienen fei, erhalten, ^ie
!0uUe, ober ber iöuUentöbter, gehört ,yi bem bramatifd) iiebeiu
bigften, maö |mtten gefchrieben l)Dt. ®ie päpftlid)e ^^nlle nnb
bic bentfd)c grcil)cit fd)impfcn unb balgtn fid) glcid) ^^Infangö fo
natürlich l)cnim, bah man (loie oben beim gieber) ftatt blofjcr
'ißerfonipcationen lüirflid)e ^erfonen 511 fehen glaubt. 33on ber
erftern loicbcrholt mihhanbclt, ruft bie anberc: „ßu $ülfe, ihr
bentfehen 3Jiitbürger ! iöefd)ühet bie iintcrbrüdte greil)eit! Sä^agt
cö feiner, mir bei^uftehen? $^ft- fein wahrhaft greicr ba? Äeincr,
ber nach Xugcnb ftrebt, 9ied)t unb 53illigfcit liebt, ben Xrng
habt, ben grcDclDerabfd)ent? 3)^it (hinein Sßortc: ift fein äd)ter
i)eutfcher ba?'' ®ad ift ba^ 0tid)tüort für §iitteirö ?luftrctcn,
ber fid) fchon neben bcm Xitelbilbe beiJ !iöüd)leinö alö ben üßer*
878
II. $u(^. 6. Kapitel.
fcc^tcr bcr bcutfd)cii grei^cit kj\cid)iict f)Ottc. „®icfcr
faßt er ((ilcid)fani nod) in bcr (louliffc), „bon luem er immer
fommen moej, gc^t mid) au. miß fd)aucn, mn§ cö braunen
gibt. SBa^r^aftig, um bic grci^cit Rauheit c^ fic^, fo biel id)
fef)c. muß id) eilig ßiuauö. 2Bqö gibt cö ßier? mer ift ba?
iDcr ruft?" — ,,^ic gi^ci^eit", autmortet biefc, „bic greißeit mirb
uutcrbrürft, Jütten. fclbft bin c§, id^ rufe. 2)icfc bort ift
cö, bic mic^ uuterbrüdt, bcö jcßutcu 2eo ®uUc." 3e^t befommt
cö bic Satte mit bem bcißblütigeu fftitter ju t^uu. intern
uid^t geringen ©eßreefeu nennt er fic^ ben Suttentöbter, ber, menn
and) fein ßutfjcrancr, bod) gegen bic Sutten unb gegen ^om
überhaupt noeß fcinbfcligcr afg fclbft Sutßcv geftimmt fei. ®r
tbirft fid) ibrem Sorbringen in ben 2Bcg, unb berfießt fidb ju
feinem löblid)en SGßcrtc bcS Seiftanbeö aller guten 3)cutfcben, bor
allen g^an^enö bon 0irfingen, ber längft ber greibeit Xempcl
unb ^Itar gebaut l)abc. ^ie Sülle bcrl)öbnt er alö eine leere
Slafc (bulla), bic lcid)t ^u ^erftören fei. 9)iit niebten fei fic
leer, crmicbcrt jene, bielmebr bott bon grömmigfeit, ©cmalt,
^errfebaft, @b^c unb @öttlid)fcit. — 3u, berfept §uttcn, bon
5lbcrglaubcn, @ei^ , ^dcbinntl) unb eitler @b^<^ öott unb
aufgeblafen, ober leer an mabrer fRecbtfd)offcnbcit. — ©ic fommc
au^ bem meltberrfdjcnben fRom, rübmt fid) bie Sülle: — mo,
fäl)rt bie beutfd)c g^^ibeit fort, ÜJkulcfel tl)eurcr alö ^ferbe, bie
ttJ^änncr feine Sttiönncr, bic SRcnfcbcn @öttcr, (SJöttcr ober feine
borbanben feien; mo baö Söfc gut, baö &utc böfe b^*6^f
man bureb ©d)lcd)tigfcit ficb mobl berbient mache, bic äRcnfcben
bem @clbc bienen, bic Xreue bcrbannt, bic grömmigfeit bcrtilgt,
alle fRcblicbfcit auögerottct fei. — Unb er im ©cgentbcil , er«
micbert Jütten, fomme bon ber ©bernburg, bcr ;^erbergc bcr
©crccbtigfcit, mo Sferbe unb S53affcn im Söcrtbc, gaulbeit unb
geigbeit in Seraebtung ftel)cn, mo bic ttRönncr rechte ttJiönncr
feien, ®ut unb Söö jebeö für ba§ genommen merbe, maö cö fei,
(SJottcöfurcbt unb SRenfcbcnlicbc , 9?ed)tfcbaffcnbeit unb Xreue
berrfd)en, mäbrcnb ^abfuebt, anbere )lJaftcr ocr^
bannt feien.
®er Sülle l)tit @cf ben SBeg gemiefen, fid) aber jept in
eigenen ÖJcfcbäften abfeitö Üftban; ein bummer, ungebilbeter
aJienfeb, mic Jütten il)u nennt, boeb ju biefem ÖJefeböfte oott^
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^ie ^ullc ober brr ^uflrntöbter.
379
fommen geeignet, ^ucil er fd)Icd)t ift iiub mib ftctö bei ber
$anb, tocmi cö ettuaö iööfciS unternehmen gilt. S33aö bic
iöuüc gegen ßutt)er fagt , ginge if)r bei Jütten allenfall‘5 nod)
^in; aber bag fic bie beutfd)e greibeit it)re ©flaüin 511 be^
banbcln äRiene madjt, trägt i^r ©d)läge non i()m ein. 9lun
rnft fie aße frommen ®entfd)en, bie Sdjaaren ber Sßiöndje, bic
gottCiSfürcbtigcn SEöciblein, bie (Surtifanen jum üöeiftanb auf, oers
beifet bemienigen, ber ben §utten ermürgen mürbe, ^frünben
unb Slbtag nach ^erjenötuft: ber gräiilidjfte Serbredier fönne
hier SSergebung aller oergangenen nnb fünftigen ©ünben ucr^
bienen; bic ©aebfen, menn fie bie gute 3:b^^l üoübringen, bürfen
fnnftig an gafttagen 33uttcr unb @ier effen unb ficb be^ 5^ag§
5meimal in 33ier betrinfen, bie ^olcn immerfort fteblen u. bgl. m.
SBirflid) fommen fofort ber ÖuIIc bie ßurtifanen, bem Flitter
nnb ber beutfeben greibeit aber ^^n ©idingen mit ben
©einigen ^u |)ülfc, oor benen bic erftern bic ergreifen.
Äueb Äaifcr Äarl unb bic jü^ften ftcHen fid) ein, an mcld)e nun
Jütten nnb ©idingen IRcbcn böHcHf i» benen fie bicfelbcn ;\ur
^Ibmcrfung bcö römifeben Soebeö aufforbern. SBaö bic greibeit
oorbergefagt b^ttc, Jütten braud)c ficb an ber 53nfle nicht i^u
üergreifen, fic merbe halb Oon felbcr blauen, gefebiebt cnbliib:
fic pla^t, nnb alö ibr Inhalt fommen (nebft mepbitifebem Öle*
ftanfe, gegen mcld)cn bic är5tlid)en greunbe, ©tromer u. f. m.,
®ermabrungömittcl an bic ^anb geben) Slblag, llbcrglanbc, @br*
geij, ®abfud)t, öcucbclci, |)intcrlift, 2J^eincib, SBoUuft u. f. f.,
fnrj ein folcbcr ^anfe oon Gräueln unb Saftern i\um 55orfd)ein,
baß fic notbmenbig baoon berften mubte. Um frei ^u merben,
rätb fofort ^ntten ben S)eutfcbcn, äße Surtifanen, bic fo eifrig
für biefe 93nßc geftritten baben, üon ®runb auä 311 oertilgcn;
ber geplagten ©ußc aber fc|t er bic (^rabfebrift :
Schuft bte OSuIIe Iwflt ^icr, bie oerweflne, bcS ^lujcifc^en 8fo;
2öq8 fie Änbern gewollt, gab fie fi^ jetber: ben iob.
2)ic beiben mittlcrn @cfpräd)c ber neuen ©ammlnng, ber
erftc unb gmeite Sßarncr betitelt, Unter*
rebner, inbem ficb in bem erften ßutber, im gmeiten 5rang oon
©idingen mit einem marnenben iöcfannten untcrbaltcn. 33cibc
finb infofern ÖJegenftüde, aU ficb ^cr erfte SBarncr Oon Sutber
nicht, mol)l aber ber gmeite oon ©idingen nmftimmen, b. b-
380
II. ^u4). G. Kapitel.
bie ©ad)c ber fRcforinatiou (^eunniicn lägt, üöcibc @cfprärf)c finb
minber brafti(d), al^ bib^ uornnt^cbenbe inib biv^ nndjfolgcnbc;
enthalten uiclmcl)r in rid)ii]cr 9^cbe mib ©cflcnrobc eine
cinanbcvfc6im(i bei* fünfte, uicld)c in jenen Xai^eii bie (Scmütl}cr
immer megr trennen anfiii(^cn.
Sm erften non beiben tritt ein 9J^inn, ber bi‘^^l)cr iiiit()cr'^^
greiiub unb ^lnl)ün(^er rt^-'^uefen, mie fid) im 5^erlauf ergibt, ein
l)öl)erer (^ciftlid)er, ben fReformator an, um il)m erflären,
bag unb marum er mit mand)en anbern fid) non i()in lo‘o)^nfaflen
entfd)lüffen fei. kleben ber 5*^ird)t uor bem päpftlid)en iöannc
nämlid) fei e^ ber Ueberbrng an iintger’^S £el)re, bie ignen an*
fäiifllid) , ungefaßt gäbe, ign nnb anberc ba^^u bemecie. Un*
mößlkg fönne e«^ ignen (gefallen, ma^ fid) megr nnb megr ald
feine ^Hbfid)t gerauvjftelle, bag er bie .Stird)e non igrem ^ei^eiu
märtii^en (Mlan.^e ,^n ber ^Hrmfelic^feit nnb bem Sd)mng igrer
^Infän^e ;^urnrffngren moüe. — Wegentgeil, enuiebert üntger,
fnd)e er bie Äiird)e nun bem 0d)mii|5c ber yj^enfd)enfagnngcn nnb
ber ^'enueltlkgung ,yi reinigen nnb igrem nrfprnnglid)en (^lan^e
^nrncf.yigeben, inbem er C£grifti (%bote, bie göttlid)e SBagrgeit,
^nr alleinigen 9ticgtfd)nnr bevS I^eben^ mad)e. — Vlber ber Slöagrs
geit, meint ber Söarner, muffe bod) ber ^$apft, aU ^Jtad)folger
^^ietri nnb 0telluertreter (Sgrifti, näger ftegen al^ £ntgcr, ber
fid) üiigftlid) an bai? 8d)riftmort anflammere, mögrenb jener mit
(^grifto fü @in^o fei, bag er feftfejjen fönne, er molle. —
.§ier greift iintger erft bie Dürgeblid)e Uebergabe ber ©eglüffeU
gemalt an $etrio5, bann bie ^Jkid)folge beö ^apfte^3 in berfelben
bnrd) bie beiben Säge an, bag, erftlicg, 6griftio5 bie ©d)lüffeU
gemalt^ nid)t bem ^etrn^ allein, fonbern allen 9(pofteln , über*
tragen gäbe; unb .^meiteiK^ menn and), fo bemeife bieg nid)t‘^ für
ben ^apft. ®em ^4^etrn^, überganpt ben ^^Ipofteln nacgfolgen,
geige igr Seben nad)agmen; ba^5 fei aber nid)t ein Seben in
3^eid)tgnm unb .^errfd)aft, fonbern ber ^rebigt nnb ^ienftleiftnng
gemefen; igre 'Jkugfolge mitgin fei eine iiaft, eine Allheit, bie
einer auf fid) negme, nid)t eine (ägre, ober ein !syorrcd)t, beffen
er ^n geniegen gätte. 3n jenem ein.yg magren Sinne aber fei
bie ^Jtad)folge ^.ßetri nnb ber ^Kpoftel nid)t an 9tom gebnnben,
fonbern allcntgalben, mo apoftolifd)c Xngenb geübt merbe, imr*
ganben; im ÖJcgentgeil niemanb meiter oon bcrfelbcn entfernt
2Borner I.
881
al^ ein ®ifd)of, ttjcld}cr, tüic ber römi)d)c, in ^rnnf unb ^urpnr
(jcrrlic^ unb in gveuben iebe, bon 33ctbaffnctcn umgeben fei,
Kriege fü()re unb ßänber fidj §u untenuerfen trndjte. — $ier
mac^t ber 2J2af)ner ben Unterfdjieb ^mifdjen ber anfnnglid)en uns
boHfomnienen unb ber jegigen triumpijirenben Äirc^e geltcnb, in
njeld)cr aüeö glän,^cnb unb f)errlid) fein müffe. ^^Uein ßutljer
t)äit i[)m entgegen, bag bie djriftlic^e 6tird)c it)ren mefentlidjen
ö^runbjügen imd) §u allen 3citcn nur @inc fein fönnc : menn Un*
redjtleiben ben ^pofteln qI^ ©ieg gegolten Ijobe, fo fei barauS
ab5une^inen, in il)rein (Sinne Xriumpl)ircn Ijeiße. ®ie ^flic^t
eiltet djriftlidjcn ^ifdjof^S fei ^u allen 3cdcn, feine ^eerbe 311
meiben, biircl) ßel)re, ^eifpiel, Oiebet unb üöorforge. 2lber 2eo X,
(oon beffen fprioatlcben er aii^ Sd)onung fd)n)cigcn*molle) prebige
gar nidjt, unb ftatt Seelen 3U erretten, l)abe er beren fcf)on oiele,
t^eilo burd) feine Älriegc, tljcilö biirdj bie Xaufdjungen beö ?lbs
lagljanbel^, uerberbt. (Sine fo fdjinu^igc iträmerei, ein fo fc^änbs
lidjer 53etrng alf§ biefer follte bem Söarner boc^ bie *!?lugen öffnen;
ma^ an ben 'Nullen fei, barüber fönnte il)n fd)on ber ÜJame
beleljren; baö gan^e piipftlidjc ^Jiedjt, ab3 eine Sammlung oon
f)errfd}s unb pabfüdjtigen ä)^'nfd)cnfapungen, follte oon allen
djriftlid)en gürften unb 53ölfern oerbranut unb abgefdjafft merben.
2)ergleid)ca gefäl)rlid)e fRcbcn luill ber SSJarner nid)t länger
anljören; er bleibt babei, bafi auf Seiten beö ^apfteö unb ber
iüiel)rl)eit bie größere Sidjerßeit fei; bie äußere ^rad)t feine^^
Stelloertreteri^> uub feiner Wiener finbet er föi^ (Sßriftum eßreiu
^ooll; baß Sutßer oon ben Sdjeiifungen an bie Ätircße abmaßne
unb bie (iJeiftlid)feit arm madjen loolle, ßat feinen iöeifall gar
nid)t. 5)nbei finbet er auf päpftlid)er Seite bie gorberungen an
ben iUienfd)en erträglidjer unb minber abioeidjenb 00m geioößus
lid)en 2eben. Ü)^in bürfe fiel) moßler fein laffen; fd)ioerere
(Gebote erleidjtere ber Cbevßirte, ober laffe fie looßl and) ganj
nad); gelnfte einen, etioa^ Sdjledjte^ 311 tl)un, fo madjc ber
milbe ^ater. baß e^^ erlaubt fei: ioa‘5 oon 2utl)er, fept ber Söars
ner l)iu3U, niemab^ 3U erhalten fein mürbe. — greilid) nic^t, ers
micbert 2utl)cr, ba er nid)t geben fönnc, ma^S er nid)t ßabe unb
nid)t geben mödjte, felbft menn er e‘3 fönnte, meil er nlö redjt*
fdjaffener aj^ann eiä nid)t geben bürfte: uämlid) (Srlaubniß 311
fünbigen. ,^ier ftellt fid) ber (%genfa^ beiber Stanbpunfte redjt
382
II. 6. ftapitel.
^crau§. ^cr SBdrncr beru^if^t fi(^ bet ber päpftlic^cn (grlmibniß,
!0öfcö t^un: tücnn bariii eine ©c^ulb fei, fo falle fie bem
Zapfte, nid)t i^m, juv Saft; er üerläfet fic^ barauf, bag beim
iüiiflften ^ric^te ber $apft für i^n einfte^eii, mit einem einzigen
Söorte alle 0ünbcn ber ©läubiflcn au^löfc^en merbe. S^iac^ Sutl)cr
batjeflcn (fo mie Jütten feine Sef)re noc^ rationeller, al^ fic gc=
meint mar, fafetc) fann feiner auf frembe S^erantmortung leben,
barf nid^t frembem Urtl)eile, fonbern nur bem eigenen ©emiffen
im §anbeln folgen, ba jeber für fic^ felbft ein^^uftc^en ^at.
Snnerlic^ fcl)eint ber SBanier bie ^o^l^eit feinet ©tanb*
punfteS unb ba^ fRid^tige in Sut^er’ö ^luffteUungen mol)l ju
füllen; aber äußere ^ücffic^tcn galten i^n feft. i)ie Schmäle-
rung ber gciftlichen $frünben, mie Sut^er fic beabfichtigt, mürbe
auch ihit uin feine ^ferbe unb 2)icnerfchaft bringen; mogegen er
feine Slnhänglichfcit an ben päpftlichen Stuhl halb mit bem 6ar*
binalßl}utc belohnt ju fehen hofft. So fcljeibct er oon Suther
mit ber öerfichcrung fortbouernber pcrfönlicher greunbfehoft,
aber mit Soöfagung Don feinen SWeinungen ; mährenb biefer, noch=
• bem er ihn oergebenö ouf beffere SGöegc ju bringen oerfucht l)olf
ihn aufridhtig bebauert unb ftch anfdhicft, ftatt biefer einen uer^*
lorenen Seele alöbalb jmei ober brei anbere für
geminnen.
jmeite ©efpräch gleichen Xitelö fcheint unmittclbor uor
berßueignung bcö ganzen iöüchleinö, juSlnfang be^Sohi^cg 1521,
gefchricben ju fein, ba c^ bereite auf ben (mormfer) Sflcich^tag
SBejug nimmt, tiefer mürbe jmar erft am 28. 3anuar förmlich
eröffnet; aber ber Äaifer mar fchon im 2)eccmbcr tnSßormö, unb
nach unb nach fonben ftch bie dürften ein. 2luf bie Übeln 9>la^5
reben, mclchc in biefer gürftenüerfammlung über ihn ergehen,
mirb nun granj oon Siefingen burch einen jener beforgten fjrcunbc
aufmerffam gemalt, Don benen Jütten j^u ®nbc beö oorigen 3ah*
re^ an Suther gcfchrieben hotte, mie fic alleö Oerfuchen, 5ranj
üon ber Sache ber IRcformation abmenbig ju madhen. heiße
bort, er fei ein 2lnhänger Suther'^ unb enthalte ben J^utten bei ^
fich, einen SJicnfchen, ber einft noch Urfachc üon großem Unheil
merben merbe; überbieß höbe er fich üorgenommen, bie ^foffen
unb ^öifchöfe jur Orbnung 511 bringen, ohne S(hcu üor Sco'jS iöulic
unb ben si^erbotcit fo üicler fnlhern ^äpfte. — ®a^ fei mal)r, '
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SBomcr II.
383
crtpicbcrt ©icftngcn, aber fein ©ruiib, übel üon ifjm ju reben.
5)cr fc^mu^igen ^faffenberrfc^aft SBiberftanb leiften, fei jc^t
jebed ®icbcnnannc« ßut()ern günftig fein, ber ba^
©nangelium prebige, fein ®erbrecbcn; Jütten aber fei für feine
©(griffen, fo öiel man miffe, bii^ je|jt U)eber angeflagt nod) üer^
urt^eilt. 5(uf bie Bemerfung be^ Söarner^, bafe Sutber unb feine
Anhänger al^ 9icuerer gelten, entgegnet Sran^, bab fic melmel)r
bad cntftellte 5llte mieberberäufteüen trachten, unb barin gemig im
@innc (5l)rifti Oanbeln. ©o follen fie eö ©brifto ju beffern über^
laffen, meint ber anbere, ober (ba i^m S^anj al^alb einmirft,
bag ficb @ott ber ffflenfc^en al§ SBcrfjcuge bebienen pflege)
boeb ben ^rieftern: i^n unb §utten, al§ Saien, geben geiftlicbe
©aeben nichts an. Allein, gefept felbft, entgegnet 5ranj, ju folcber
Xbeifung beö ßbriftenüolfö in ^rieftcr unb Saien mären jene
berechtigt gemefen, fo fei boeb flar, bag bie Pfaffen nicht geneigt
fein roerben, ipre eigenen Sepler, bie Sutber ihnen gezeigt, j^u
oerbeffern; baber berufe @ott Saien j^ur 5lbbülfe, unb er inöbe*
fonbere finbe fiel) oom ÖJeiftc getrieben, bie !öefcbirmung ßutber'ö
unb ber cbriftlicbcn greibeit auf fi^ ;^u nehmen. 211^ ber SBarner
feine 93efovgnift oor ben Gefahren äugert, benen ficb ©iefingen
bureb ein folcbeö Unterfangen auöfepe, ermiebert biefer, er höbe
nur bie eine ©nabe ju oerlieren, menn er nichtig
tbue. ÜJ^ebr unb mehr gebe ihm ber traurige 3nftanb ber Äirdje
ju^erjen unb bie immer fteigenben Uebeltbaten ber ^riefterfebnft.
Unb nun entrollt er in langer SRebc baö befannte (5)emälbe ber
oerfebiebenen äJ^ibbräuebe, melcbe ooUftünbig b^^n, johlen feine
©pracbe binreicbe, unb in ©ej^ug auf melcbe bie 9>iacbmelt ben
©efebiebtf^reibern biefer ben ©lauben oerfagen merbe. öc-
reitd ift ber Söarner baran, umgeftimmt ju merben : boeb bnlt er
3rran5 noch bie gemeine fRcbc entgegen, bafe feiner je ein glücf»
liebet önbe genommen habe, ber bem $riefterftanb entgegen ge-
mefen fei.
5)ocb, ermiebert granj — unb b*c^ eröffnet ficb nnö ein
merfmürbiger 23lid in ^utten'i^ unb mobl aud^ ©icfingen'ö ®nt*
mürfe: — ber 23öbme QUfa. „$at er nicht ben Sffubm bildet
ficb gelaffen, fein ®atcrlanb Don ber 3^ingbcn:fcbaft befreit, au^
gan^ üBöbmeu bie nicbtdmürbigen ^enfeben, bie faulen Pfaffen
unb unnüpen a)iöncbe, oertrieben, ipre ©fiter tpeiU ben ®rbeu
384
II. 6. ftoliitel.
bcrcr, bic fic flcftiftet, t()cilö bcm aüflcmeinen 33cftcn jurücfticftcllt,
bcn römifc^cii ©incjriffcn unb bcu Sfläubcrcicn bcr köpfte baö
ßonb ucrfc^lüffen, bcn clcnbcn Untcrflanq bc‘3 ()eüi(^cn SWanncö
§u6 mutt)üon gerächt, unb in alle bcm feine iöente gefne^t, fid)
felbft nidjt bereichert 511 halben? Unb bcnnoch er, ohne eine
Unterbred^ung feinet ©lücf^laufeö, geliebt unb oermifet oon feinen
iianböleuten , bie er noch oor feinem Xobe mit heiU^nien .
Ermahnungen ücrfehcn, fein ßeben befchloffcn." 5lld ^ßerbrechen,
meint 0idingen, feien ßiöfa'd SEhaten nur Oon feinen Jeioben,
ober oon folgen ocrfdjrien, melche bic ©cfchidjte nicht fennen;
ma$ er gethan, fei recht unb für Böhmen nü^lid) geiocfcn. —
®u fcheinft mir, bemerft ber Söarner borauf, nid)t übel Suft ju
haben, ^h^ilr ^i^enn cö angingc, auch hier nach^uahmen? —
Er fei nicht ot)nc£uft ba^ii, befennt gronj, oorauogcfcht, bafe bie
^rieftcrfd)aft aud) ferner auf Ermahnungen nichts geben merbc :
in biefem gallc müffc man ÖJctoalt gegen fie gebrauchen.
'üöcreitö burd) 5ranj überzeugt, erinnert ber SSarner ihn
nur nod) an bie cntgcgengefejjte ©efinnung be^ ^l^aifcr^^, mcldjer
bie Slnhängcr Siither'ö bebroht unb ocrfprochen höl>e. ba^§lnfel)en
bc!§ römifchen 0tul)t^ mit 3)aranfehung feiner ganzen 9J?ad)t aufs
recht erhalten 511 luollen; bem Äaifer aber fei er hoch EJehorfam
fdjulbig. — Allein biefc 9^ücfficht, entgegnet 3ran^ mit l)oh<^^'
J^reimnthe, loerbc il)n am allcnocnigften oon feinem Vorhaben
,^urücfl)alten. VII0 feine ^flidjt erfenne er, bemÄ'aifer ^u rathen
unb für il)n ,^u tl)un, nid)t, maö biefem für bcn ?lugcnblicf gcs
fällig, fonbern loa^^ ihm für bic 2)aucr nü^li^ fei. ©0 lange
aU möglich loerbe er baljcr babei beharren, ba^ nid)t ;^u thun,
mo^u frembc Einflüftcrung ben Äaifcr jeht berebet h^bc, loooon
er aber bic OcrberbIid)ftcn Solgcn fieser Ooraudfcl)e. Eö gebe
gäüc, 100 Ungchorfam bcr beftc EJehorfam fei. EJefeht, Äarl
/^ürntc ihm bcfeholb, fo getröfte er fich beffen, bag bcrfclbc c^ ihm
fpäter banfen loerbc, loenn einmal bie 3cit bic ?lnfd)lägc berer
loerbe auc^Sidjt gebracht höben, burd) loeld)cÄ^arl jept 511 feinem
Unheil fich leiten taffe. 3n biefem ©innc gcbenle er, fogar gegen
bcö Älaifcrö SBillcn, fo lange für beffen ^efteö jn forgen, bi^ er
fid) geioaltfam entfernt fcl)en loerbe. ©icher loürben aud) anbere
bemfclbcn in gleichem ©inne rathen, loenn fic nid)t burd) pöpft*
lid)c^ (^elb bcftod)cn loären. Äiarl l)ötte jept fo oiel ^nbere«?^,
ft
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Sßarner II.
385
S^ot^ujcnbigcred t^un, qIö bcn ?^faffcn ein 0^r ju leiden:
5. ^bfteüimfl bc^ Sftaubmefenö, ber fQufmännifdjcn 3Jionopole,
53c}c^ränfuiifl ber ©ac^iualtcr, Scrminbcrunci ber 3al)l ber ßJeift'
liefen uiib ber äJiönc^e, fatl^ bic lefeteren nic^t beffer gar obge^
fc^afft lüürben, fiiifuögefe^c, sperre ber ©elbau«)c^leppung burd)
bic 5uggcr unb nac^ Ülom. SBäre bic6 getiion, bann möchte er
fid) um jcnc3)inge, bie i^u eigentlich nichts angchen, bekümmern.
Unb auf beö Sßarncrö ©imuurf, bag eö hoch tuohl nicht ganj
uniiü^ jein bürfte, auf bic auö Slnlag ber reformatorifchen iöctues
guug cntjtanbcnen Unruhen ein ^uge ^u hoben, bamit fic nicht
gefährlich merben, gibt ^ranj bie treffenbe ^ntmort: mürben
gar feine Unruhen cntjtanbcn fein, menn Äart fich nicht in bcn
§anbcl gcmifcht hätte. @r hätte ber ©achc ihren Sauf laffen,
unb nicht burch fein ®aän)ifd)entrctcn ben ^arteicifer reijen füllen.
2)anu mürbe bic burd) Suther in ^eutfchlanb fich ücrbreitenbc
©rfenntnig ber cüangelifchen Sehre in Äurjem üon fclbft baö
beutfehe Äirchenmefeii uingcftaltet, ber ^faffenl)crrfchaft ein (5nbc
gemad)t, unb baiS ^nfehen bcö S^aifer^ gehoben hoben, mclcher
nun in feltfamcr iöcrblcnbung gegen fein eigene^ Sntereffe bem
beiJ ^opftcö fich bienftbar mache.
ßunächft hot nun 5^0115 im 'Sinne, Suther ju fchühen.
SSenn ihm bal)cr ber Ätaifer etmad ©emaltfamcd gegen bcnfclben
{^umuthen mirb, fo ift fein 33orfah, fich erft möglichft ^u fträuben,
bann im iJiüthfalie offen bcn ©chorfam ^u oermeigern. 9läd)ftend
mirb er bcn fchlechtcn SHathgebern bci^ Äaiferö bie 3rcunbfd)aft auf*
fagen, juvor jebod) biefen felbft ermahnen, fich nicht bem ^^^apfte
ju untermerfen. 5)eutfd)lanb brand)t jc^t einen feharfen, friege*
rifchen, nicht einen trögen ^^faffentaifer. Seo juchte erft i^arl’ö
2Öal)l ju hinbern, bann fehiefte er feine ßreatnren hinter ihn, bic
ihn je|t ganj bchcrrfchcn. ^lllc«J hängt nun baran, bag berÄaifcr
,^u befferer (Sinficht fomme, feine übclgcfinntcn fRathgcbcr entferne,
bie greunbfehaft mit bcn ^Jfaffen abbrcche, ftatt ihrer bie topferften
unb beftgefinnten bcutfd)cn a)iänner an fich jiehe unb mit biefen
bic ®crbeffcrung ber firchlid)en 3nfiänbc unb bic Befreiung
Xcutfd)lanb^ burd)führe. Ob er fid) ba^u granjenö bebiene,
ober cincö anbern, gilt ienem gleich, menn er nur tüchtige ü)ian* •
ner mäl)lt.
Xl)ut itarl bieg nicht, bann l)Ot Sranj im Sinne, ctma«
VII. 25
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386
II. 39u^. 6. ffopilcl.
auf feine eigene ^anb tnaqen, ma^ eö au^fdjlaqcn tnie
toiö. 5)a,^u ^at er an glitten einen eifrigen unb i^eftiflcn Ü)ial)s
ner, beffen (^eift bem Unternel^men ijen)acl)fen, bem jeber ^er^ng
unlciblt^ ift, unb ber alleö in ^Beiuegnnci fefet, um ben Unter'
Qanc^ jener üerberOlic^en ^ienfd)en berbeijnfü^ren. Unter 0eßenös
münfe^en beö umgeftimmten Sßarnerö unb beffen ^anfe für bie
35ele^rung burdj ©idingen fdjliegt ber Dialog.
5)a§ üierte unb le^te ©efpriid) ber neuen ©ammlung, bie
fRönber betitelt, mar fdjon uor Stiljtcgfrift angefangen, unb foüte
bereite mit ben altern @cfpräd)en erfd^einen *). SSoUenbet femn
eö gleic^mo^l erft ju 5lnfang 1521 fein, ba e§, mie ber jmeite
SBarner, auf ben mormfer 9fteid)0tag löe^ief)ung nimmt. be«
jeidjnet einen SBcnbepunft in ber ©ntmidlung non ^utten'ö Sbeen
unb (Sntmürfen, ber fir^ fd)o:i feit einiger 3cit i^i il)ni öorbereitete.
%gen bie Stabte unb bie §auptquelle iprer 33lütt)c, ben §anbel,
batte er, mie mir fattfam gefel)en l)aben, ben SSibermiUen feineö
Stanbeö mit ber 3Ruttermild) gefogen. SRun faben ficb ober in
jener Qcii gleid)ermagen fRitter nnb Stabte immer mel)t Don ber
fid) erl)ebenben gürftenmadjt bebrängt. mar folglid) ^l)or* .
beit, menn fie ficb länger gegenfeitig befel)beten, ftatt gegen ben
gemeinfamen geinb fid) ju Uerbinben. äcigte ficb, ^md)ft
ber 9^itterfd)aft, nirgenbö mehr @mpfänglicl)feit für bie Sbcen ber
iiRefürmation alö in ben freien Stabten. ®aö ertannte Jütten,
unb bon ba an fuebte er, mit iöeifcitefebung ber perfönlicben ?lbs
neigiing, auf eine Serbinbung jmifeben 9titterfd)aft unb Stabten
jur ^5)urd)fübrung einer politifd)en unb religiöfen ^Reform im
iRcicbe bin^^oiwir^cn. 3)ieg ift, menn and) nid)t ber gan^c Snbalt,
bücb boig ßiel biefeö ©efpräd)^, baö mit einer Stauferei ^mifd)en
einem fRitter unb einem Stäbter ficb eröffnet, unb mit ber gegen=
feitigen $anbreid)ung beiber 5um Öunbe jmifeben it)ren Stän^
ben fcbliegt.
3n einem @cfpräd)c über ben gegenmärtigen Steid)ötag (bief)
ift bie 5obel, melcbc ber 2)ialog Uorauöfept) mar üon ber kenge-
riing bc!§ itaiferö bie Siebe gemefen , baß er bem Staubmefen in
^5)eutfd)lanb ein @nbe mad)en, ben fianbfrieben bctftellen unb mit
1) ^0(i^Töu§ an ^ird^cimer, 8. 1520; in ^utten’§ Schrillen I,
6. 321.
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Sie 92äuber.
387
©iltcm ©d)Ia(^e qUc grcibcutcr ücrnicl)tcn tPoUc. ‘Daüon batte
ein Ätaufinauu, ein CEonuni^ ber S^iflgev, fiel) böc^ticb erbaut
flc^eicit, babei ^uöfälle auf bie fRittcr, alö bie 9täiiber 2)eutfcb=
laubö, fid) erlaubt uiib qeäuSert, er tjoffe ^u erleben, baß ber
qan,^e 9litterftanb bertilcit fei. Unc^lüdlicbcnueife lüar Ulricb
uon Jütten j^uflegen, ber bei fold)cn fReben gegen feinen ©tanb,
nod) ba^u »uon einem Äaiifmanne geführt , alöbalb geuer fing.
3m Söürtmecbfel mit biefem, unb uon t()ätlid)er 3Jiißl)anblung
beffelben faum burd) bie SBürbc be^ Drte^, mo fic fid) befinben,
j\urücfgebalten, tritt nun §utten auf bie ©eene. S)er Äaufmann,
auf bie Unuerlefelicbfeit beö Drteö unb ben ©d)u|j ber reid)^'
ftiibtifc^en Obrigfeit uertrauenb, nennt Jütten ein S^läuberc^cn
unb mieberl}ült, ber fRitterftanb fei eö, ber ^)eutfd)lanb nic^t ^ur
fRu^e fommen laffe; i^m, unb nur i^m, gel)ören bie Söcgelagerer
an, meld)e bie fReifenben behelligen ; Jütten felbft aber finbe er
um jo meniger Urfad)e uon biefem Urtl)eil au^^unehmen, je mel)r
fid) berfelbc uon bem ÖJeifte feincö ©tanbeö befeelt ^eige. Jütten,
and) nod) bureß ben ©pott beö Äaufmannö, al^ magte er nicht,
ihm lüirtlid) etmaö ju £eibe jn tl)un, gereift, ift eben im 53egriffe,
biefe äl^einung l)C»nbgreiflid) ju miberlegcn; beim, rebet er feinen
©egner an, „ich bir luahrhaftig, fichcr unb gemiß, luenn bu
nicht anbere ©aiten aufjiehft unb befd)eibener luirft, fo tuerbe id) bir
erftlid) hitr beine 33aden ^crbrefd)en unb baö gai^e @efid)t ; bann bir
bie gähne reihemueii^ einfd)lagen mit meinen gänften ; hi^^^^öuf
bir bie S53ampen malten, baß bir bie fRippen frachen; bi« bu
enblid) erfd)öpft, h^lbtobt hier im Klothe liegen bleibft, unb Pfeffer
pfunbmei« unb ©afran lothmei« uon hinten fahren läffeft".
@iu glücflid)e« Ungefähr führt jept 3rai^ uon ©iefingen
herbei, um ben burd) Scibenfehaft übermältigten greunb uon einer
unmürbigen §anblung jurücf5ul)alten. 3h*n berichtet Jütten bie
Seranlaffung be« ©treite«, in«befonbere, baß ber ilaufmann and)
©iefingen'« Ahnten bloße fRüubereien genannt l)uije. ältit großem
©inne über ba« ^erfönlid)e fnr|^ hinmeggel)enb, beruft fich©idins
gen, ben iöegriffen feine« ©taube« gemäß, barauf, baß er, mie
®eutfd)lanb unb bie S^tachbarlänber miffen, mie e« aud) bereit«
in bie (^efd)icht«büd)er eingetragen fei, niemanb befd)äbigt h^be,
ohne ihm uorl)er gel)be angefünbigt ^u h^ben. 2)icfe iöefchöni*
gung berÜiäuberei mill berilaufmcfmi nid)t gelten laffen, ba ben
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II. 8u4l- 6. i^apifel.
Sflittcrn baö fRcc^t niefit juftcfic, für fiefi, o^nc Öefieifi ber gürften,
Ärieg anjutünbiflcn. Slbcr ©idinflcn treibt ifin mittelft einer
platonifirenbcn ^ioleftif, burd) ©ntinicflunci ber S3e9riffe Don
^bel, ingenb, Xopferfeit, 511 bem ©ingeftänbnifi, bafi auefi ber
blofie S^titter bie 33efugnifi unb ben 33eruf fiabe, baö fRccfit ini
S^totfifalle mit SBaffengemalt 511 fd)ü^en; mobei freiliefi tfieiU ber
lofe mittclalterlidje ©toatöüerbanb, ber ja eben bamcftö einer ge=
fdjloffenern ©infieit meiefien foUte, tt)eiU ba§ norau^gefc|t ift,
maö in ben menigften gälten jutraf, bafi e^ bei jenen ritterlicfien
©cfiilberfiebungen mirllicfi um iöefcfiü^ung beö iRecfite^ ju tfiun fei.
©ofort aber auf baö ©tiefimort beö gani^en ©treite^ ein^
gefienb, übernimmt eö ©idingen, maö Jütten gleicfi Slnfangö bem
Kaufmann entgegengerufen fiatte, grünblid) ;^u jeigen: bag nänu
lid) meber ade bitter fRäuber, uoefi ade dtäuber fRitter feien.
3)aö erftere mirb furj abgemad)t, inbem tljeilö §utten uon fiefi
betfieuert, nie jemanben baö ©einige geraubt ju fiaben, tfteil^^
©idingen üerfiefiert, bag fold)e 9litter, bie fiefi mirflid) ©tragen*
raub /^u ©cfiulben fommen laffen, üon ben übrigen ber ©tanbeiS*
efire uerluftig geaefitet merben. ®a)5 anberc aber, bag niefit ade
dtöuber bem $Ritterftanbe angefiören, uielmefir in gemiffen anbern
©tänben meit mefirerc unb üerberblid)ere fRöuber fiefi finben, ift
baö eigentliefie Xfiema beö ÖJefpröefiö. 5)abei mirb, roie mir fefien
merben, baö Söort 9^äubcr in mciterem ©inne genommen; boefi
auefi oon ben fRöubern im eigentlidjen ©inne, in SBalb unb gelb,
gefiören, nad) ©idingen')^ iöefiauptung, bie menigften bem Üiitter*
ftanbe an. ^en 33emciö maefit er fiefi jiemliefi leiefit; er fragt
nömlid) ben Kaufmann, ob er felbft jemoli^ uon einem Stitter bc*
raubt morben fei? unb biefer mng geftefien, bag, bieg nie bergad
gemefen, fonbern er fid) immer nur bauor gefürefitet fiabe, meil
eö adgemein fieige, bag bicfRitter baö ju tfiun pflegen. ©0 über*
rumpelt, bittet ber ocrblüfftc Kaufmann bie fRitter um öer^eifiung,
unb nun gibt ©idingen fiefi baran, fein ^Xfiema au^jufüfiren, in*
bem er oier Slrten oon fRäubern in 2)cutfefilanb untevfd)eibet.
Jütten (ber fiefi mit feiner ficibenfcfiaftlicfiteit in biefem ©efpräefie
gan^ befonberö trefflicfi in ©eene gefegt fiat) ruft ooreilenb: 3a,
unb bie erfte unb oerbcrbliefifte Slrt finb bie Pfaffen I Slber
©idingen ^\iefit oor, ftufenmeife oon ben fleinern unb minber
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’X'ie ?Räut>cr.
389
fdjäblic^cn ?(rtcii ben fd)limmcrn auf^^uftcigcn imb mit ber ucr*
bcrblic^ftcn ,^u fc^Iic^cn.
1. 9Ili? bic unbcbciitcnbftcn unb orträglid)ftcn iRäubcr ftclit ^
5rait5, ,vi bcö 5^aufmannä nid^t geringem 33efrembcn, bie eigent*
lid)cn Söcgclagcrer bar. feien arme Xeufet, bie meiftenö bie
9iotf) treibe, bie fidj üor 0cf)macl^ unb fei^merer ©träfe
fürd)tcn ^oben , unb uor benen man .fir^ leicht i)ütcn fönne.
ßmar meint ber Kaufmann, ja, bie kleinen ^enfe man, aber
bie ©rogen unb 3lbelic^en taffe man taufen: unb ©iefingen
meig if)m nur einige Jälle, mo bod) auc^ ebet geborene fRäuber
beftraft morben feien, entgegenju^ntten. bO‘$ ©c^timmere
ift, nac^ ©iefingen^ä^afür^otten, bag eben nur auf biefe geringfte
unb b^itmtofe ^rt ber fRäuberei in Xeutfcbtanb ©träfe gefegt ift,
mäbrenb bie brei t)öt)crn (Staffen gau,^ offen rauben, unb babei
unangcfod)ten, ja in (S^ren bteiben. §tt^ bic erfte biefer böbem
fRäuberctaffen, mitbin atö bic ^toeitc oon unten b^nauf, nennt
granj, ,^u noch größerer Ueberrafd)ung beä guten (Sommi^,
2. ^ic J^aufteutc. '^xiv gan^ unnttbe, ja fd)abtid}c SBaaren
führen fic jäbriicb eine Unmaffc (?5etbed au§ ^eutfebtanb fort,
^ier fommt Jütten auf fein atte§ ©tedenpferb j^u fi^en, bic $o=
temif gegen Pfeffer, 3ngmer, ©afran, ©cibc, gegen Suyuö unb
SBcrfeincrung überbaupt. ^oeb nicht atle ,^auftcute (fährt
fort, benn er ift auch ferner berfRebcnbc) mirten fo febäbtieb; am
meiften jene reiebften, bic, in ^anbctögcfctlfcbaftcn ocreinigt,
nopotc auöübcn „moruntcr", fagt er bem Sommiö iny ®efid)t,
„beine §erren, bic gugger, bic nid)tömürbigftcn finb“. Söenn bict
.^utten feinen 5ran^ ficb auf baö Urtbeit atter reebtfebaffenen
iWänner in ®cutfd)tanb berufen tagt, ob man nicht bic Sugger
oor aticn auö bem ßanbe jagen fottte, fo ift bieß faum eine Ueber*
treibung. Üutber fprid)t oon benfetben nießt anberd alö Jütten,
unb in ben öcfcbioerben auf ben fRcicbötagcn jener 3ot)i^c febren
bic Ätagcn über ißr Treiben öftere mieber. .gatten bic 5'uggcr
bic Ungnnft ber fReformfreunbe iuöbefonbcrc aud) bureb ibre^n*
febtießung an ben römifeben .gof, bei beffeu gciftlicber ilrämcrci
fic at^ 3^^i^^)<^”Wnbler betbeiligt maren, ficb j^uge^ogen, fo benubt
.gutten biefe (^etegenbeit ,^ug(cid), um auf bie Vorfahren Sco'ö X.,
atö bie itatienifeben Sugger, einen ©treid) 511 führen. Unb fo fel)r
2tnfong3 Oerficbert mar, baß nur oon einem berÄaufteute
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II. 6. Äapitcl.
bic 9lcbc feilt füUe, fo -^eint firf) bod^ halb, baß baö (jan^c ^rincip
bc^ .ganbclöftanbc^ — baö ^raeßteu nacl) ©elbt^ciuiun alö
Älugßcit unb 2ift al^ ÜU^ittcl, oerfeinerter iieben^genuß aU ^rci^
— ber rittcrlicß=antifcn 2)enfart ^utten'^i alö ctroa^ Uucblcö uiib
Unfittlicße^ crfd)ien. §icr loagt 5tr)av ber bebvnngte Ätaufmann,
um fid) ettüo^ ßuft ju maeßen, einen SluöfaH. §(nd) bie iRitter
ßaben ißre 5eß(er, bemerft er, unb nid)t geringere alö bie ®aiis
belöleute. ®efe^t, biefe feien gemhmfücßtig unb nnreblicß, fo
feien bie ©tanbeöfeßler be^ Slbelö Unmiffenßeit unb §o^mntl).
^)er feinem ©cßmelgerei ber einen fteße baö roße 0aufen ber
anbern gegenüber. SDa fieß jeboeß ßieburd) bie beiben fRitter nidjt
irre mad)en Inffen, fonbern babei bleiben, baß, principiell betraeßtet,
ißr ©tanb, feiner ©roßmntß, 5(bßärtung unb ©infacßßeit megen,
ben Sorjug nerbiene, fo ift e§ nid)t jn üertounbern, baß ber
Äanfmann baö (SJefpräcß üon biefem fünfte oonoärt^ ^u bringen
fließt, unb fo geßt beim auf feine Sßerantaffung granjj 511 feiner
3ten ^Räuberclaffe, ben ©eßreibern nnb Surifteu, über,
.^ntten’ö SGöibermitte gegen biefe ift nnö fo menig ald feine Slb^
neigung gegen bie itanfleute neu, unb ßat 511m äßcil gleid)fallö
in ©tanbeöeiferfud)t feinen ^rnnb. ^aß bie ^ui^iftcn in
rätßen nnb an i^^^ßr nnb meßr ben 5lbel ^urüefs
brängten ; baß fie maneßeö @ut, baö ber fRitter @igen 511 be^
figen glaubte, alö fürftlicßeö ßeßen in §lnfprucß naßmen; baß
Äaifer ÜJkjimilian'ö befted)lid}e 0cßreiber reidj geroorben maren,
lüäßrenb eö feinen feeren regelmäßig an©olb gefeßlt ßatte, wirb
nnüer^eißlicß gefnnben. 2)ie gute Qcit ber (^roßoäter mirb ^urüd*
gemünfeßt, al§ man bei unö oon biefen ®octorlein noeß nid)tö
gemußt ßabe, unb nnoerßoßlen mirb an^gefproeßen , 2)entfcßlanb
fei beffer baran gemefen, mie noeß ba^ fRed)t in ben SBaffen lag,
ald je^t, ba man eö in ben 53ücßern finße. Slber mit @runb
mirb and) über bie Serbreßungen nnb ®erfcßteppnngen, baö Sucß=
ftaben* nnb gormenmefen ber 9iecßt^geleßrten gef lagt unb babei
abermals bag 2ob ber ^Jlieberfacßfen gefangen, bie fieß oßne fic
^u ßelfen miffen. granj ßötte nießtö bagegen, menn an einem
2^age alle fRecßtöbücßer oerbrannt mürben, unb Ulrid) möd)te
beren 5luöleger in bie platonifdje fRepublif ober beö Xßomoö
SRoruö Utopia feßiefen fönnen. ®ocß
4. bie oberfte (klaffe unter benen, meldje ®cutfd)lanb be*
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!S)te diöuber.
391
rauben, nehmen in Sicfiuflcu’ö ©intbeUung, mic fd}üu ermähnt,
bic (^ciftlic^cn du, iucld)c fclbft lieber iu brei 5lrtcn , verfallen:
SSdt(jciftlid)c, Orbcu!39dftlid)c unb bic ^liicjdjöriöcu bc^ vömi)djcu
fein SRäuber an^utafteu wagt, baö rauben bic Pfaffen,
unb waö fic d)cma(^ erbettelten, ba« nehmen fic jc^t mit ÖJemalt.
'J)ic beften ©egcnbcu ^cutfd)lanbö ()abeu fic an fid) geriffen; ben
fRb<^in nannte Äaifer griebrid) III. bic ^faffengaffe; and) bic
granfen (o ber 8ci^anbc !) ftef)cn gai^ unter geiftlidjcm iHcgimcnt.
5)ic Pfaffen finb in il)rcr 3)ie^r^abl nod) nid^t^wurbiger aU bic
Äauflcutc, weil fic 9?eid)tbum unb SBobücbcn, mornaclj fic boc^
einzig tradjtcn, cigeutlid; ücrad)tcn füllten. <Sie leben gan^ gegen
bic urfprnnglic^c Öcftiimnung il)rcö ©taube». SSou ben l)öljern
(^eiftlidjcn, bic il)rc ©teilen in ber fRcgcl burd) @clb erlangt
l)aben, finb bie meiften ungcleljrt unb ungciftlidj, unb benfen nid)t
barau, iljrc ,*pccrben ^u meiben. Xljut einmal einer ibrer Untere
gebenen ctmaö für bic Erbauung ber (^emeiube, wie jept Sutber
unb einzelne feiner 3lnl)änger, fu werben fie üou jenen alö Steuerer
üerfülgt. Äcin bcutfdjcr !iüifd)of ift je^t du ^rebiger; bagegen
gibt ei? üielc treffliche Säger unb iRrieger, nur benen nicmanb»
Erbgüter fichcr finb, and) auegelernte SBoIlüftliiige unter il)iien.
§ier wirft ber Kaufmann ein, bie ^eutfehen, inöbefunberc bic
©täbte, Wüllten gern bie Pfaffen muftern unb jum Xl)cil quö=
treiben, aber ber ^bcl wiberfepe fid), weil er ®erwanbtc baruntcr
habe, läßt jebod) gran^ nid)t gelten. Xic Slbelid)en, bic
in ben Älcruö ciiitrcteu, werben bem ^Ibelftanbc iu ber Siegel
untreu, unb fallen nicmanben bcfd)wcrlichcr aU ihren ^nücr^
wanbten. SSiel fofte biefc fd)on, bi^ fic einen ber Sh^^Ü'-’i^
eine höhere geiftlichc ©teile bringen, unb bann wolle ein folchcr
erft nod) mit feinen ölcfchwiftern erben. Sluch
jeher mehr alö anbere ©taube an bie Äirchc ucrfd)wenbet unb
tl)ue c^ noch, i^um größten ©chaben feiner Äinber. ®ie gürften
feien e^ oielmehr, wcld)c bie ^Jfaffen fchühen, weil fic für ihre
nachgebornen ©öhnc ober 'trüber auf iöifchoföftühle Sagb machen,
oon weld)en fie ben uiebern 2lbcl nächftenö gan^ oerbrängt haben
werben, ©ie feien CiJ, bie lieber ihre ©igcnmacht oergrößert, aU
bem §lUgcmcincn geholfen wiffen wollen.
^uf bie i^weite Unterart biefer oberften fRäubcrclaffe, bie
3Itönd)e, üornchmlid)bie43cttclmönchc,beu befoubern (Segen ftaub üou
392
II. 6. I^apitct.
^uttcn’ö luic bcnicrft, !ommt bicfcr au$ ©clc^cnbcit
bcr O^rcnbdc^tc ju fprerfjcn, U)cld)c, luic ind)t minbcr bic ^J^rc=
bigt, fie mciftcrüd) olö ©clbqucllc au^^ubcutcn ücrftcljcn. Uiib
bod^, fällt Jütten fpottcnb ein, tuoUteft bu ben f}ol5tü6igen grau*
5iöfancrn ein neueö 9^cft bauen, ipenn ic^ eä bir nic^t aui^gerebet
^ötte. ®en Itaifer, meint Jütten, follte granj über ben Urfprung
ber S5etteIorbeit aufflären: bag fie nämlid) feinem anbern
3tpcde geftiftet feien, q(ö um ben köpften gegen bic i^aifer aU
^ilij ju bienen. Sftac^bem noc^ non intern §affe gegen bic
SBiffenfe^aft, bic i^nen aber auch ben Untergang bringen merbe,
bie 9lebc gemefen, fagt gran^ baö ©rgebnig in ben ©a| j^ufam*
men, 2)eutfc^lanb fei nic^t ;\u helfen, menn nicht bic (SJeiftlichen
auf eine fcl)r geringe ßahl jurüefgeführt, ihr @infommcn gefchmö^
lert, bic 3Jiönche aber ganj abgcfc^afft merben. ®ie ^rad)t
an @olb unb ©Über füllte man au3 ben Äirchen entfernen, im
Äricg^fatl cinfchmeljen unb §eere baüon unterhalten.
SBic cnblich bieiRcbc auf ben römifchen^of fommt, forbert
gran;^ üon §uttcn, nun foHc er feine römifdjcn Erfahrungen
^um öeften geben, tiefer fpricht alfo ^uerft üon bem ^apfte
felbft, feiner angemagten 9Kad)t unb ungciftlid)cm ficben; bann
üon feinen Wienern, ben Eurtifanen, beren er fich befonberö jur
^u^bcutung ®cutfchlanbö bebiene, unb bic bal)cr Jütten noch
mehr h^ißt filö felbft ben $apft; üon ben Segaten, mclchc bic
thörichten gürften alö ©pione auf unfern fRcid)!§tagcn bulbcn,
gegen mclchc nun aber Jütten ctmaä auö^uführen h^fft. n)cnn
grnn^ ihn nicht im ©tiche lägt, tiefer fagt ihm feinen 3iciftanb
5U ; aber hier jeigt fich benn auch, tuorin beibe SJiänncr noch
nicht einig toaren. Jütten mollte feine 3eit Ocrlicrcn ; ©iefingen
eine günftige Gelegenheit abmarten. iörächcn fie ^ur Unjeit toS,
meint er, fo fönnten fie gcrabc ben geinben ^5)cntfch(anbS gemon*
neu ©piel machen, ^aö miß and) §uttcn nicht unb bequemt fich
baher jumSBarten, menn cö mir ni^t gar jn lange bauern foü.
5)aö fürchtet gran,^ nicht, benn ^cutfchlanb fei burd) Jütten unb
Suther am3 bem ©chlafc gemeeft, fange an, ben Xrug ^\i merfen,
unb merbc ba§ fdjänblichc Beben jener unnühen Ü}Jcnfchen nid)t
lönger ertragen motten.
„SBenn aber biefe Qcit fommen mirb^', bcfd^ließt ©utten,
„bann, glaube id), müffen mir unö bemühen, bic beften ©täbte
J^utten’§ f^rnnjcnS ^iMiot^cf: CFoncilia 2C. 303
^)cutfc^la!tbö, mit ^cifeitcfcgmiß frül)crer ßcrmürfiiiffc unb 5cinb=
fcliflfcitcn, in unfern 33nnb nuf5unct)mcn. ®cnn ^cmaltiq fcl)c
id) fic f^\xx grci^cit fic^ mifric^ten unb ber frf)mä()iid)cn Änedds
fc^oft fic^ fc^ämen mic fein nnberer <Stanb. @ie ^aben aber
Kräfte nnb @e(b im Ueberftiiß, fo baß, menn eg ^um Ärietje
fommt, mo;^u eö meincg @roc^teng fommen mug, fic ben 9leru
bajii liefern fönnen." ^nmit erflärt ftc^ Sc^n^ einuerftanben
unb Uerfic^ert, er (}abe fid) lüntjft norgenommen, mit ben 0täbten
(gegen bie er nid)t menig auf bem ©emiffen botte) ficb augjus
föbnen; ber 5^aufmann aber glaubt ju miffen, bag bie Stabte
nic^tg eifriger münfd)en alg eine folcbe Bereinigung. CiJegen einen
^faffenfrieg, auf ben bie ®ad)e binauglaufen merbe, er nid)tg
ein^umenben; uielmel)r bittet er glitten, im *^ü^c
^u merben, unb ficb nicht, mie einige ben Berbad)t geäußert, bureb
33cfted)ung abmenbig machen ,^u laffen. S^^it biefem Berbacbtc
tl)ue man ihm Unred)t, erflärt Jütten, unb Sidingen fagt gut
für ihn, benn er fenne ben ganzen 9}?enfcben unb miffe, in metebe
Gefahren er ficb flcftür^t um ben geinben ßutbcr’g unb
ber guten Sache Berberben ju bereiten. 3^*^ Schluffe reicht
Jütten fomobl alg Sidingen bem Kaufmann bie §anb mit bem
©unfebe, bag biefeg Beifpiel unter beiben Stänben in ben mci«
teften Greifen 9^fa^abmung finben möge.
3n gleichem Sinne febrieb |)utten einige ÜJ?onate fpäter an
^irdbeimer *), unb fo lange nod) in biefer Bidjtung ^u mirfen
mar, b. b- fjiö Sidingen’g gall, hörte er nicht auf, mit SBort
unb Schrift für eine Berbrübernng /^mifeben Slitterfebaft unb
Stäbten tbätig ^u fein.
SBöbrenb biefeg SBinterg auf ber (Sbernbiirg unterließ |)utten
nicht, bie Bibliotbef feineg „tvöftlid)cn guten greunbog unb@nt=
balterg“, mie unbebeutenb fie fein mod}te, ,yi burd)muftern, unb
auch hier machte er einen gunb, meldjcr it)m ber ^erauggabe
mertb ju fein febien. Unter anbern alten Büdjern nämlich,
granjen „uießeiebt oon feinem Bater feligen üerlaffen", fanb er
eine Seßrift aug ben lebten 3citen beg bagler CSoncilg, üon einem
?lnbängcr gelij V. gefebrieben, ben jeneg (£oncil ftatt beg oon
ihm abgefebten @ugen IV. im g. 1439 ^um Rupfte gemäblt b^^ttc.
1) 'Äm l. 3Rai 1621. 5c(>ti|tcn II, S. 61.
894
II. 6.
©ic öcrfid)t bie 9>loÜ)n)cnbiqfeit bcr Äird^cnücrfammlunflcu, i^re
Stellung über bem Zapfte, i^re 33cfugni6, fid) in Orte ju Der*
(cflen, bie ber päpftlic^en Obmac^t nic^t unterroorfeu feien, unb
betänipft bie römifdjcn 9Jii6bräud)e in ^efefeung nnb S3elaftung
ber Äird)enftetten, ineldjen bag basier ßoncil I)atte ein @nbe
mad)en mollcn. 33alb nac^ biefem gunbe erl)iclt .gutten non bem
bambergifc^en SSicar Äonrab eine non i^m nerfagte unb
bem fRitter §anö ©d)ott gemibmete Heine Schrift, inorin bie
mittenbergifd)e Sef)re (ßärtlin I)ielt fid) eben felbft in SSJittenberg
auf) alö bie alte urc^riftlidje, bie ber römifc^en Ä'irc^e alö ein
©einebe menfd)Iic^er S^leuerungen, non 3Jiönd)en unb Uninerfitäten
erfimben, bargefteüt mar. ^eibe 0d)riften lieg nun Jütten mit
einem tur^ien Sormort an „alle ber d)riftlid)engreigeitfiiebl)aber"
unb etlichen S^eimen auf bem 2;itelblatte jufammenbruefen*) : es
follte nid)tö umfommen, maS im Kampfe gegen fRom irgenbmie
als SEBaffe 511 gebrauchen mar.
1) doneiÜQ wie man bic b^Itcti fol. ®nb non t)crlc\jbwnö 0ci[tU(!()ct
Icbenpjrunbcn . . . ^rmannng ba§ ein ^eber bcQ bem rechten alten d^riftl.
fllauben bleiben . . joll, bur^ Ijerc Gunrot 3ärtÜn in 7G artidfcl öeruaffjt.
'Auf ber 'JUitffeite be§ 2iitel§ bo§ SSorwort Jputtcn’ö nom Jag 5BaIerii 1521.
6d^ti|ten II, @. 78 f.
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395
tiapitcL
Per ^eii^dtai) )it ^ortttd. c$ttttett’$ pro^uttgett.
1521.
Untcrbeffcn U)ar am 28. Januar 1521 bei* $Rcid)^tag
ißlormö mirflicl) eröffnet morben. ^ie S(iu]e^p9enl)eit ber firc^=
licken Slefurm tuor eine ber erften, meld)e auf bemfelben ^ur
®erl)anblung fummen mußten. §lber bie (^rmartuitflen, bie man
non bem neuen Äaifer in biefer ©ad}e ßec^en fonnte, maren bc-
reitö fe^r gefunfen. 0d)on im Sfioüember be^ norigen
ßatte Sutßer an 0palatin, ber mit iturfürft griebrid) bei ber
Krönung in§(ad)en unb nad)ßer inÄöln fid) befanb, gefeßrieben,
er ermartc ißn halb ^urüd, mit üielem S'ieuen unb etmaö Gütern,
baß nömlid} non Äarl'ö ,gofe nießtö ;\u ßoffen fei. (Sbenfo ur-
tßeiltc (Jraömuö, ber fieß gleicßfaüd eine 3^it lang in Ä^arl'ö
IWäße befanb unb ißn üon ^apiften unb Slnl)ängern bed ^Iten
umlagert faß. 2(uö bemfclben ©runbe ßatte aud) §utten menig
Hoffnung meßr: nur 3ran;^ non ©iefingen gab fid) uod) ber@rs
martung ()in, gerabe auf bem 9leid)ötage merben bem Äaifer über
bie nerberblid)en fRatbfcßläge feiner Umgebung bie Singen auf®
geßen, unb er, ©iefingen, bann ©elegenßeit ßnben, feinen @iiu
flnß bei bemfelben geltenb j\u maeßen*).
5Bon allen Seiten naßin man rnoßl ben jungen §errfd)er
für fcßmäd)er alö er mar. ^)aß er bie Saeße, um bie ed fid)
ßanbelte, in ißrer geiftigen iöebeutung nießt oerftanb, ift rid)tig.
1) Sui^er an 6polatin, 15. 9lob. 1520; Jütten an fintier, 9. ^cc.
1620. ©(^riften I, ©. 426. 436.
3%
II. 7.
?(»d} baß cv fic nicfjt uom bcutfcßcn (Sicfi^töpunfte auö auffaßte:
foferu er eben nid)t bloö beutfe^er ^taifer, fonbevn i^upleicß ^err
ber 9tiebcrlanbe, ©panien^ unb S^eapelö tuar, unb ^nfprüd^e auf
9)Milanb, ^egen ^i^anfrcicf), ^cltcnb inacßcn ßatte. 3n biefen
aiidtüärtigcn !:8ei\icßunflen lagen aber ©rünbe für i^arl, fic^
bem Zapfte gefällig j^u geigen: oßne fie ßättc Slleanbcr nod^ län*
' gcr alö brei (Stunben üor ber SReicßöüerjammlung gegen Sutßer
reben, unb noc^ meßr ®clb gur 33eftccßung ber Umgebungen be^
Äaiferö üermenben mögen, er mürbe fcßmcrlicß gum ßiele gelangt
fein. Xafür nun aber, baß ber ^apft eö aufggb, mie er angc^
fangen ßatte, bie fpanifd)e Snguifition, alö bie 0tü^e ber Äönig§-
mac^t in jenem Sanbe, gu erfd)üttern, baß er ßoffen ließ, Äarl’ö
?lnfd)lägen auf 3)iailanb nicht entgegen gu [ein, öergic^tete Äarl
barauf, mogu ißm 5lnfangö fein ©efanbter in 9ftom geratßcn
hatte, burd) eine, menn auch nur augenblidliche 33cgünftigung be^
fächfifchen 2J?önd}^^ben ^apft gu fehreefen, unb bot ihm bie^anb
gu ßuther’iS UnterbrücfiHig.
Äarrö SOkinnng mar gunächft gemefen, ber Äurfürft oon
0ad)fen möge Suther auf ben ^teich^tag mitbringen, mo er burch
gelehrte üeute nerhört merben folle. 2uther mar bereit; ber Äur*
fürft nicht ohne 53eforgniffe: biepäpftlich ©efinnten aber mehrten
fich bagegen auö allen ÄH‘äjten. ^n^befonbere fprach fich au(^
ber päpftliche ^flimtiuä in feiner [Rebe gegen fiuther’ö [Berufung
au^. §abe biefer bod) fclbft erflärt, nicljt einmal burch einen
@ngel uom^immel fich belehren laffen gu moUen; auf bie päpft*
liehe [ßorlabung fei er nid)t erfchienen ; ben ^taifer unb ben [Reich^^
tag aber gehe bie 0adje nidhtö an. @r foßte ungehört gum
©chmeigen gebradjt merben, unb bereite mar ber Äaifer bafür
gemonnen : er legte ben ©tänben ben @ntmurf eineö ©bietet öor,
burd) meldjeö 2utl)er ohne SBeitereö aU offenbarer i^e^cr oerur^
theilt merben, bie päpftlid)e ÜBuße gegen il)n für gang 5)eutfd)lanb
©efege-Sfraft erlangen foßte.
?üif ber nur fed)ö 9)?eilen entfernten ©bemburg mar man
in [Betreff ber [ßorgänge gu SBorm5 gut unb fd)neß unterrichtet.
3n biefer ©tabt befanb fiel) in ber [Begleitung beö i^urfürften
Don ©adjfcn beffen $ofprebiger nnb (5Jeheimfd)reiber ©palatin,
ber längft in brieflichem [ßerfehre mit Jütten ftanb; befanb fich
im §aufe bed 5lrgtei5 Xheobalb Rettich, ben mir auö ben [Briefen
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i^uttrn’§ i^nüectioe gegen Sleanber.
397
bcr ^)unfelmänner alö einen ©enoffen beö ^umoniftifc^en Reifee
fennen, ber feurige Hermann üon bem ®ufc^e, ber, njie Jütten,
ben gortfd)ritt üon ber ©ac^e beö $umaniömuö 511 ber ber iRe?
formotion in fid) burd)mac^te. ^iluf ber ©Oeriiburg aber l)atte
au^er Jütten nod) ber au^igetretene 2)oniinicancr aj^artin iöueer
fidj eingefnnben: für Briefe unb ajac^ric^ten nad) uub oon Söormö
ein geeigneter SSerinittler. 35on SUeanber’iS langer Siebe l)atte
man auf ber ©bentburg fc^on besS anbern SÜiorgenö um 9 Ul)r
genaue Sladjric^t. 3)iefe Siebe, überl)aupt ber @ifer ber Sloma^
niften, bie Sleic^öoerfammlung 5ur SBerbammung Sutber'ö ol)ne
SSer^ör j^u bemegen, mar eö, moburd) fidj Jütten jur Slbfaffung
ber Snoectioen oeranlagt faub, bie er nun gegen bie beiben püpft^
lid)en Sluntien unb bie ju Söorm^ üerfammelten ÖJeiftlid)en erlieg ^).
2)en breiftünbigen Slebner gegen ßutl)er, ^ieronpmu^
anber, traf bie erfte £abung feinet ^^*6 er unb feine
^enoffen, ol)ne alle Slüdfic^t auf bie oerünberten ßeiten, auf ben
grogen Umfd)iuung in ber öffentlichen 9}leinung, ihr @efd)äft fo
frech unb gemaltfam treiben, bag fie meinen, burch ben 33efel)l
jur ^Verbrennung oon Sutl)er’ö ©d)iiften in ben Slieberlanben,
ben fie bem faiferlichen Süngling abgeliftet, ganj 2)eutfd)lanb
eingefchüchtert ju hoben, fei ^loar oon ihrer ©eite fehr thöricht,
offenbar aber eine göttliche ©d)icfung, um fie burch ihve eigene
©icherljeit ju oerberben. ^leanbcr foüe nur fo fortmad)cn, feiner
2Buth bie Sögel fd)iegen laffen: bie Seit njerbe fommeu, eö ju
rächen. 3)ie 2)eutfd)en feien mit nieten fo forgloö, fo gleid)^
gültig, ak fie feheinen. Äein Sluge Oenoenben fie oon bem Xrei-
ben ber Slömlinge. SSon ber (Sbernburg befonberö, mie oon einer
SBarte herunter, bcobad)te man jeben il)rer ©chritte. fei ein
Seichen, mie menig fie fid) in ber d)riftlid)en 2Bahrl)eit gegrünbet
miffen, bag fie (Srlaffe bcr ioeltlid)en SJlacht für fich in 2lnfprud)
nehmen. Unb fie mögen nur nid)t ju oicl auf bie (^unft beö
ilaifcrö bauen, beffen Sugenb fie migbraud)cn unb oerführen, bcr
aber bei reiferen Sohren ju befferer ©infi^t fommen mcrbc.
1) Ulrichi ab Hutten eq. Germ, in Hieron. Aleandrum et Mari-
num Caracciolum Oratores Leonis X. spud Vormaciam Invectivae sin-
^ulae. In Cardinales Episcopos et sacerdotes, Lutherum Vormaciae
oppiifTuanteis Invectiva. Ad Carolum Imp. pro Luthero exhortatoria.
©4)ntten II, 12—31. 38—46.
398
II. 7. i^opitel.
3nöbcfonberc tuirb ^(canbern eine §IcugermiQ öorgcrücft, bie i^m
füri^lid) gegen einen rec^tfd}affencn 9J?ann entfallen fei, bem er
jinar nid)t eben uertraut, ben er aber, luie alle ^eutfd^en, für
ju bnmm gcl)alten ^abe, um fid} i^m gegenüber in Sldjt nel)men
• ju müffen ; eine Sleußerung, beren and) 2utl)er, alö burd) ©pala^
tin nac^ SGßittenberg berichtet, mit (Sntrüftnng gebenlt. @efe^t
auc^, Ijatte er fid) uerlauten laffen, ben 2)eutfc^en gelänge eS,
baö pöpftlid)e 3oc^ abjufc^ütteln , fo mürbe man uon fRom auS
fo Diel Uneinigfeit unter il)ncn -^u fäcu miffen, baß fie fic^ felbft
unter einanber aufreiben unb einem uiel fc^mercren 3od)c, alö
baä abgemorfene, ücrfallen müßten. 2)aß er fo fd^amloö mit ber
©prac^e ^crau^geße, bemeife abermals feine blinbe 3ut)crfi(^t.
5lber fie merbe i^n täufd^en. merbe bal)in fommen, baß bic
33ifd^üf^müpen unb (Sarbinaläßüte, auf beren $ülfe er je^t baue,
felbft l)ülflüi5 fein merben. ®ie fc^limmen ^ienfte, bie er bem
beutfe^en 9teid)e ermiefen, merben il)ren SRäc^cr pnben; Jütten
feinerfeitö, ba^ rnoHe er il)m l)iemit angefagt l)aben, merbe t^un,
mae in feinen Kräften ftel)c, baß er, ^lleanber, nid)t lebenbig au5
®eutfc^lanb fomme.
^cn anbern päpftlicßen 9*tuntiuö in SEÖormö, SWarino 6a-
raccioli, bem §utten'i^ ^meite 3nuectioe gemibmet ift, l)at biefer
jmar nie für rec^t[d)affcncr , mobl aber für flüger alö feinen
Sotlegen, unb alö fein ie^igeö iöeneßmen ju erfennen gibt, gcs
l)alten. ®ie äJiißbräuc^c, über melcßc bic ®eutfd^cn eben jept fo
empört feien, ben ^anbel mit 3nbulgcn5cn unb ®iöpcnfationcn,
treibe er im 5lngefid)tc bc^ ^feießötagö fo fc^amloö fort, mic menn
er in ber ßnfterften ßcit be^ 2Jtittclalterö lebte. 6r follc nic^t
oUj\ufef)r auf bic ©ebulb ber 3)cutfcßcn, auf bie 6Junft beg Äloi«^
ferö regnen. 2)eutfd)lanb, allj^ulangc bci3 ©inneö beraubt, fange
an, flug j^u merben. Söaö aber ben ^aifer betreffe, fo befi^cn
für ben Slugenblid allerbingö bic fRömlingc fein Dl)r. ^)ocß
nic^t für immer. „@inft merbe id^", ruft Jütten, ,,^u i^arrsS
mir jept oerfd)loffencn Oßren burd)bringcn. |)örcn mirb er ein*
mal, pren auf ben, ber ißm ^um 33eften rätl), unb bir (bem
S^untiuö) 5um Xrop bem fHüdfid)t fd)cnfen, ber il)ii ^um 9^otl)*
menbigen ermahnt. ^)ann merbe ic^ i^m beinc trcß’lid)cn 2;f)atcn
an^eigen, il)in auäcinanberfe^en , melc^ ein frommer 2egat bu
gemefen. 3d) merbe il)in barlegeu, ma^ bu ^ier gcfud)t, ma§ bu
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^uiien^§ ^nücctitie gegen ^araccioli.
399
gefunbcn 3d) tücrbc fagen, bog i^r ficgotcn oUc, fo
üicl eurer feit ctlid)en Huberten uon ben römifc^en 53ifd)öfen
tjicljer gefc^idt luorbeu , 58errött)er 2)eutfd)tonbö, S^öuber an un=
ferem SSolfe, :8^rftörer oUeö unb oder iöillij^feit getuefen
feib. ^)o§ luerbc icg ignt fogcu, unb njenn id) it)m boö foge,
tüirft bu nid)t im ©taube fein, boö @egentt)eü bor^utl)un. ^o*
rum moege bic^ fort uon ^ier, mad)c bid) fort. ®enn moö ^ögerft
bu noc^, ^öfemic^t? moö fuc^ft bu ^uffdjub, bu grögter uon
ollen 2)iebcn, bie jemals l)ier geftoglcn f)obcn? bu gemoltt^ötigfter
oder 8läubcr, oder ©ctrüger oerf^logenftec, liftigfter, unoerfc^öm-
tefter, ruc^lofcftcr ! ^oS, miffc, ift bie le^te ©rmognung ju beinern
§eil. S3equcmc bid), ber geber ju ge^ordjen, bomit bu bic^ nid)t
genötgigt fel^cft, bem ©egmerte ju meidjen."
9^iäd)ft ben beiben pöpftlid)en 9iuntien monbte fic^ nun ober
Jputten oud) gegen bie ouf bem IRcic^Stoge omoefenben Äird)eus
fürften unb l)öl)ern @ciftlid)cn, meld)c i()rer SffJegrgeit nod) boS
^nfinnen ber erfteren gegen ßutl)er unterftü^ten. 2öoS er, menn
if)re 9ftod)ftedungcn igm ein og'entlid)cS ^luftretcn erloubten, ignen
om 9ieic^Stoge felbft in bie 0l)rcn gcfc^rien ^oben mürbe, boS
mode er ignen fd)riftlid) fogen, unb ^mor el)c fic mit il)rem 5ln*
griff an i^n !ommen, möl)renb cS fieg noc^ um £utl)cr l)onblc.
5)obei fomme il)m nichts beffer }^n ©totten, olS igre ungeiftlic^e
Äompfmeife, ftott burc^ Ueberjeugung burc^ Cyemolt, ftott burd)
boS Söort 6l)rifti bureg ©ebote ber mcltlic^en SDioc^t mirfen 511
moden. greilid^, fie l)oben fid) löngft über ßgriftuS erhoben,
unb fpreegen nid)t met)r oermöge beS ^eugniffeS ber ©egrift,
fonbern froft igrer eigenen SDiojeftät, @cl)orfom an. ?lber eben
borum foge man i^nen je^t ben ÖJc^orfam auf. 3a, menn fic
(^ciftlic^c, ^ifd)öfc im ©innc S^rifti unb ^auli mären! (beffen
^Inforbcrungcn an folcgc aus feinen (Spifteln bcigcbrac^t merben.)
Unb felbft bann fönnten fie nur pricftcrlic^c föbren, nifgt bie
uon mcltlid)cn ^errfegern, in Slnfprud) negmen. ?lbcr fie feien
feine mat)ren‘^rieftcr. ©d)on begmegen nid)t, mcil bie ^ifegöfe
unter it)ncu fammt unb fonberS igre ©teden getauft gaben. 2)ocg
aueg abgefegen baoon, igreS ficbcnSmanbclS megen niegt. SBcit
entfernt oon prieftcrlicger SSodfommengeit, treten fic fogar bie
^Jebote ber gemeinen 9)foral mit j^ügen. ©ie leben fo, bog ein
egrbarer 3)fonn ^ebenfen trage, fein Söeib in igre Käufer ju
400
II. ^u(^. 7. j^apiiel.
fü()rcn. 3n ©clbfac^cn traue i^nen fein 9}knfc^, ba fte unter
bem SSüHuanbe bcö ißortf)eiU ber Äirc^c fid) jebe Ueberi)ortf)ei(un9
erlauben, Don Ißertracj unb (£ib fid) leidet burd) beu $apft ent*
binben laffen fönnen. 3l)r Qon^e^ Xrac^ten fei fleiid)lic^ unb
ineltlic^, ba boc^ fc^on ber 9tame ^lerifer anbeutc, bag nur ber
§err i^r !I^eil fein folltc. ^5)oc^ fie lebten jtuar fo un=
geiftlid), prebigten aber babei baö (Suangelium, fo fönnte man
mo^l über ben Söiberfpruc^ jmifdien i^rer ^rebigt unb il)rem
Sanbel murren, boc^ immer noc^ ©ebulb mit il)nen fabelt,
©tatt beffen aber oerfteben bie menigften ju prebigen, unb bie
eä oerftünben, febämen fid) beffen. 3*1, wenn einmal ein ^rebiger
aufftcl)e, mie 2utber, fo fueben fie il)u ju unterbrüden. Äein
SEBunber: meil baö reine ficben, baö er oerlange, auf ihre Un*
fittlicbfeit, bie eoangelifcbe SSabib^it, bie er oerfünbige, auf bie
SÜienfcbenfagungen, bie fie aufgebrad)t l)Qben, ein greüe^ ßiebt
merfe.
EDoeb boö 2J^a§ ift ooU. „§ebet euch locg"', ruft Jütten,
„oon ben reinen Quellen, it)r unfaubern ©d)meine ! §inauß mit
euch aus bem ^eiligtl)um, ibr üerrud)ten ^^römer! 53erül)ret nid)t
länger mit ben oft entmeibten Rauben bie Altäre. äBaS b^i^il
ibr mit bem Sllmofen unfercr Sßöter ju febaffen, baS biefe für
5lrmen== unb itir(ben5mecfe geftiftet, unb borum unS, ihren Äin^
bern, entzogen boben? Söie fommt ibr ba^u, baS ju frommen
3meden ©efpenbete ^u SSöücrei, Unjuebt, 5^rad)t unb 5^runf ^u
red)tfcbaffene unb fromme 2)^enfcbcn
[a6 ift uoll.
ba6 bie SWenf
^ ^uftanb berbeijufübren fud)cn?" moju
Jütten reblicb ju helfen oerfpriebt. „3cbiüerbe", fagt er, „ftacbeln,
fpornen, reifen unb brängen ^ur greil)eit. S)ie mir nicht fogleicb
beifallen, merbe id) bureb unabläffige ©rmabnung befiegen, bureb
notbioenbige 93cl)arrlicbfeit smingen. 5)abei b'ibc ich feine ©orge
nod) gueebt oor 2Jti6gefcbicf, fonbern bin auf ÖeibcS gefaßt, ent»
meber euch ben Untergang ^u bereiten ^um großen ^ortbeil beS
SBaterlanbeS, ober mit gutem ©emiffen ehrlich 511 unterliegen.
Unb baS ift feine tolle Jöermegenbeit, mie ihr eS bafür ballet,
fonbern männlicher unb ebler greifinn iffs. S)arum, bamit ihr
febet, mit melcber 3ut)erficbt id) eure EDrobungen oeraebte, erflärc
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^utlen’S ^noectbf gegen bie 93i|45|e :c. ju SöotmS. 401
ic^, jo laiifle \{)x 2ut()ev ober jeinanb }cmcögleid)cn oerfolftcn
tücrbct, mic^ aU euren obgefoc^teii 5<^inb. Unb biefen SBiUen
wirb mir feine (Gewalt üon eurer Seite, fein Schlag bei^ Sc^ief^
fal<J iicbmen ober aud) nur ünbern. fieben fönnet i^r mir
rauben: aber baß mein 35erbienft um ba§ 33aterlanb nidjt baure,
bieje flute Xftat fterbe, werbet il)r nid)t bewirfen. im Sauf
ift möflet i()r oielleidjt 511m Stilljtanbe bringen, waö flcfd)c()en
foflte, oerf}inbern : wa^ aber getf)an ift, werbet i^r nic^t un*
flefc^el)en mad)en; beim unmöglich ift’, mit bem fieben jugleid)
aud) ba'5 ^Inbenfen be^ 2ebenö 5U üernid}ten. 9fcin ! jo ungewiS
ic^ barüber bin, waö bie§ alle© für einen ^Jluögang haben werbe,
jo ficher bin ich, ba§ bie Sfnerfennung meinet reblichen SBillend
auf bie ^fachwelt fommen wirb. ®aö joü ber beftc Ertrag meineig
iieben-j^ fein." äBa^ aber bie Sad)e betreffe, fo werben bie geinbe
burch feine unb 2utl)cr’ö Unterbrüefung nid)t einmal etwaö ge^
Winnen; i)iclmel)r werbe auö ber ©rftiefung biefer löewegung eine
neue unb üiel gewaltfamerc hrroorgehen. „2)enn an ^wei 9J?eiu
fd)en liegt fo uiel nid)t: wiffet, bag nod) oiele Sutl)cr, oielc
Jütten gibt. Unb wenn unö etwaö wiberfal)ren foUte, fo brol)t
euch um fo größere ÖJefahr oon anbern, weil fich bann mit
ben Verfechtern ber greiheit bie SRöcher ber Unfehulb oerbinben
werben.''
Unter ben itirchenfürfteu auf bem 9ffeidjsJtage, an welche
• biefeö uorwurföuolle ©enbfd)reiben gerichtet war, nahm §utten v
ehemaliger V^tron, ber Äurfürft 'illbrecht oon SDMin^, bie erfte
Stelle ein. gür biefen fprad} immer nod) etwaö in ^utteireJ
§erjen : er fügte bah« ber ^weiten Slui^gabe feiner 3nüectioen
einen befonbern Vrief an ihn bei *), in weld)em er ihn verfönlid)
feiner fortbauernben ßiebe unb Verehrung oerfid)ert unb bebauert,
wenn berfelbc fich baö, wad |)iitten gegen ben 9feid)^tag
gefchrieben, beleibigt fühle ; aber bie Vehauptuug ber SBahrheit
unb greiheit gehe allen perfönlichen 9tücffichten uor. fei bacj
Unglücf 2)eutfchlanb^ unb ber ^Infdjlag be« ^eufelö, bag^llbredjt
oon ber Sad)e ber Stubien unb ber greiheit loi^geriffen worben
fei. Üüiöge (Shriftuö geben, baß er in fid) gehe unb jene Vlfter*
1) ®om 2.5. ®lcrj. II, 6. 37 f.
VII. 26
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402 n. 33u(^. 7.
Ürc^c t)cr(affe: bag toolltc §uttcn, ^ocmi möglich tpärc, mit
feinem Slute erfaufen.
3ln bem ©enbfd)reiben an Ä'aifer Äarl, bog §utten feinen
Snüectiüen fc^on in ber erften ?(uggabe beifügte, fuc^te er jenen,
mie früf)er in öegug auf fic^ felbft, fo jc^t jn ©unften ßut^efg,
5U überzeugen, bag er mit biefem bie beutfe^e greitjeit untere
brüefen unb feine eigene SBürbe -.befc^äbigen mürbe, ßmifd^en
ben eigenen guten ©inn unb fc^limme 9tatbgeber in bie SD^itte
geftellt, miffe ber junge ^errfc^er nic^t, mo^in fic^ menben; baljer
fei eg ^füc^t, i^m mit gutem unb ^eilfomer 9Jta()nung an
bie ^anb ju get)en. 35or allem möge er, menigfteng auf einige
Seit, jene Pfaffen non fic^ treiben, bie gerabe bei bem je^igen
0tanbe ber 2)ingc bie unpaffenbften Stätte für it)n feien, mie
fie üon jel)er ben Äaifern üßerberben gebracht f)abc\x. Sßag il)n
ber ^ripatljag ber 33ifd^öfe angele? ob er auf biefem ?Reic^gtage
nid)tg 9iotl)menbigereg firc^lid^en
0treitigfeiten zu befaffen? auc^ an fic^ fei i^r Verlangen
ein ungcrec^teg, uner^örteg, unb uerrotbe menig Vertrauen auf
bie ©üte i^rer ©ac^e. ©ie liegen bem Äaifer an, ßut^er un^
gehört z» oerbammen. Söärc biefer auc^ nic^t ein um bie [Religion
unb um ben Ä'aifer felbft Ijoc^oerbienter SJ^ann, märe er fogar
Öcrbrec^er, fo müßte man bo^ feine Serantmortung l)örcn. ältan
müßte ißn bazu oorlaben, felbft menn er zu crfc^einen fic^
fürchtete: um fo ineßr, ba er fid) bazu erbiete. ^Ue red)tfcßaffcs
nen unb tapferen äRänner in ^eutfc^lanb feien über jeneg 9liis
finnen entrüftet, unb in ßößerem ©rabe, alg fie, meßr on bag
,f)anbeln alg an bag [Reben gemößnt, lout merben taffen; nur
bie Pfaffen mollen ßutßer auf bem fürzeften SSJege Derber bt miffen,
meil er gegen ißre unmäßige ©ematt, ißre ©rpreffungen , ißr
fc^änblicßcg ßeben gefprod)en unb gefeßrieben ßobe. 2)en erftern,
jenen 3Rännern, bie ißm in Ätrieg unb grieben Don [Rujen fein
tonnen, fotle ber Äaifer zu ©efallen ßanbeln, nid)t biefen un*
nüpen, meber im gelbe no^ im [Ratße zu braueßenben [Dienfdjcn.
©ie ßängen ißm jept, im ©lüefe, an: im Unglürfc mürben fie
ißn Derrätßerifcß im ©tid)e laffen. ©ic ßaltcn eg nur fo lange
mit bem Äoifer, alg ber $apft eg genehmige, unb ratßen jenem
zum S3ortßeil Don biefem. gnbem er ben Äaifer zur Entfernung
feiner geiftlidjen S'tatßgcber aufforbere, trete er, fäßrt Jütten
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^uttcn’S 6enb|(^reiben an ben ^atfrr.
403
fort, bcu reci^tfdjQffcncn ^ricftcrn nicf)t ju nat)c. 2)cnn biefc
toerbcn fic^ üon felbft ni^t in tocltlic^c ^inqc inifc^cn tooUcn,
unb bcr Äaifev tljuc Unrcd)l, fic i^rem gciftli^cn Berufe ent^
j^ic^cn. ?(ud) fönnc er it)iicn ininicr^iu @brfurd)t bcjicigcn, ol)itc
fie über fic^ I)ervfd}cn ju loffen. 9tic fönnc er ^cutfc^lanbö
@unft genjinnen, njcnn er nid}t jene 9}tcnfd)cn uon fid} tl)ue.
ffir ^abe ben Übeln iSinbrud bemerfen fönnen, ben cö bei feiner
5af)rt ben SR^ein herauf gemacht f)obe, alö man it)n, ftntt mit
Äriegern, mit Pfaffen ringö umgeben gefef)en. Unb mie ^emod)
9Ueanber feine gorberungen uorgebrac^t, t)oben manche Suft gehabt,
ctmnö' 5u untcrneljinen, Jütten fie nid^t gebockt, Äarl merbe felbft
über bic Unucrfcbämtl)cit fid) entrüftet jeigen. Süö ongebenber
IRcgent müffe biefer feine ©c^rittc hoppelt überlegen ; müffe gleich
oon oorne herein ba^ fRec^t ^cutfc^lanbö gegen bic römifd)cn
Uebergriffe oertreten. Sn biefer $infic^t fei e^ oon größter
3Bid)tigfcit, mie iiutßer uon il)m bcßanbclt merbc, beffen §lns
gelcgenßeit baßer jeßt für Jütten mießtiger al^ feine eigene ift.
Cb Äarl 5)eutfd)lanb unb fieß felbft bem ^apft in bic ^änbe
liefern moHe, bcr fo eben allc^ baran gefeßt ßobe, ißn oon bcr
bcutfd)cn Äaiferfrone entfernt ju ßaltcn?
(Sr möge feine Söürbc bemaßren, ober menn er baö nid)t
moHc, mcnigftcib^ ^)cutfcßlQnb nid)t mit fieß inö ^erberben );ießen.
„2)cnn ma^“, fragt $utten, „ßat ^cutfcßlanb fo Ucble^ uerbient,
baß c^ mit bir, nießt für bieß, ju (SJrunbe geßen foll? fjüßrc
un^ lieber in augenfcßeinlicße (5Jefaßr, füßre unö in bic 0cßmcrtcr,
in bic glammen. ÜRögen aüc ^Rationen fieß gegen unö feßaaren,
alle ®ölfcr fieß auf und ftilrj^cn, aller SäJaffcn nad) und fielen:
menn mir nur in bcr ©efaßr unfern SRutß erproben bürfen, unb
nießt fo niebrig, fo unmännlid), oßne SBaffen unb 0eßlaeßt, naeß
SBcibcrart unterliegen unb bienftbar merben follcn. Ünfere ^off=
nung mar, bu merbeft bad römifeßc Soeß oon und neßmen, bic
päpftließe 3i^^i”ößcrrfeßaft ^erftören. ©eben bic ©ötter, baß bic^
fern Einfang S^effered nad)folgen möge ; beim ßid jeßt, menn aueß
noeß nid)t bad Äeußerfte p füreßten ift, mie fönntc man bei
foleßer (Srniebtigung SBertrauen faffen ? (Sin fo großer ilaifcr,
bcr Äönig fo oiclcr 33ölfcr, fo millig ^nx i^nceßtfeßaft , baß er
nießt einmal märtet, bid er gc^mungen mirb!" ^n feinem Oiroßs
oater aRajimilian ßal>c man cd mißbilligt, baß er feinen 0d)rei?
404
II. 7. i^apitel.
bcrii 511 üicl eiiifleräumt, unb bod) f)abe er immer uoc^ {eiue
üö3ürbe gegen fie 5U bebaupten gemugt: luie bie 3Jienfd)en uon
Äarl rebeii merben, ber fo uielc §em‘ii l)abe, alö Sarbinalögiitc
unb öi|d)of^mü^en fidj um il)u brängen? ^ortl)eil fönne biefer
iöunb mit bem ^4^apfte unmögli^ bringen, ba fein ^apft, am
menigften ein glorentiner, jemalö Söort ob Äarl feineö
(^roguaterö @rfal)rungen oergeffen Ijabe? Xoc^ frlbft, menn ber
^^^apft benfclben bttiten mollte, märe eö ein fd)inäl)lid)er iöunb,
ba er bem Äaifer Italien nnb 9tom nel)me imb bem ^apfte bie
Vluöbeutung Xeutfcblanbö geftatte.
Ob Jütten nad) iyeröffentlidjung biefe^ ©cnbfd}reiben^^
üieUeid)t bureb ©idingen, 9^ad)rid)t erpielt, bag ber Äaifer e^S
ungnäbig aufgenommen, ober ob er felbft füglte, bag er ju meit
gegangen ; genug, er fanb fid) halb beioogen, bernfelben ein jmeitei^
nad)5u|d)icfen 0, in meld}eni er megen bei? crjten fid) gemiffer^
niagen ent(d)ulbigt. (Sr geftel)t, baffelbe habe ju ()art gelautet,
bodj fei es au^ ber reinften (^efinnung unb Slbficbt gefloffen.
@r t)abe geglaubt, feiner (Sntrüftung um fo mehr freien Sauf
laffen ju bürfen, al^ er bamit nur beö Äaifer^ ^efteö bejmeeft
gäbe. 2)ie unbilligen gninutgungen, bie er an biefen gäbe ftel*
len fegen; bie ©eroiggeit oon bem 5lbbrucg, ben bie (SJemägrung
berfelbcn bem faiferlidgen 5lnfegen unb bem S53ogle ber beutfegen
Station tgun mürbe; bie gurdjt, Äarl mödjtc bei feiner Sngenb
noeg niegt bie ©tanbgoftigfeit befigen, meldje ba^u gegöre, um
fcglimmcn fKatgfcglägen 5U miberftegen: baö alleö gäbe ign oieU
leid)t ju öngftlid), 5U eifrig gemad)t, unb menn er barüber bie
fcgulbige iRücfficgt auf bcö Äaifer^ ÜDiajeftät au^ bem ^uge ge*
laffen gaben foHte, fo möge eö biefer ber reblid)en äficinung ju
(^utc galten. SBa$ bie päpftlidjen S^untien betreffe, fo gättc er
münfd)en mögen, bag biefclben fieg unuermeiölieg gegaltcn gatten,
bann märe feine Urfaege für ign jum UnmiHen, für alle jur
guregt, oorganben gemefen. Slbgefanbte gingegen, bie nid)t allein .
Unbillige^ forbern,. fonbern mägrenb beffen aueg oerberblicge Um*
triebe madjen, gaben igr ^rioilegium oermirft. 3^ griebrid)'« 1.
ßciten fei einer bem Segaten, melcger begauptete, ber Äaifer ftege
unter bem ^^Sapfte, oor ben klugen be^ Äaifer^ mit bem ©egmerte
1) SJom 8. ?[|)rU, @^riften II, S. 47 — 50.
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^utten’8 3tt)citf8 Sd^rcibcn nn brn Äatjer.
405
Scibc qegnnt^en: ioorin .^uttcn fid) ücrfc^It ^abc, fei im ßornc
über nod) fd)mäi)lid)crc fRcbcn n^fd)d)on, unb mcnn Äarl it)m
bieg nid)t ücr^ci()c, fo möd)tc er üinftic^ Heber taub fein, um ber*
flleid)cu uic^t md)r auböreu ^u müffeu. 9tod)malö bittet .^uttcu
um SBcr^^eibiiufl, um ein ^oiebcrcrlnufltcu fai)crlicl)cu
(■^uabc, uub ücrfpricbt, meun ber Äaifcr cö befehle, iu
uid)tö berf^lcicbeu mehr ^u fd)reiben ; benu nicht bloö iu feiucu
^nnblunc^en, fonbern auch in feinen ©chriften moUe er qerue
bem Älaifer Söiden fein, für ben er, meit entfernt, mit ?(bfid)t
etroaö 511 feiner 33erfleincrunc3 ju thun, vielmehr fein S3lut ^u
üerflieften bereit fei.
2Baö Jütten in feinem erften ©enbfdjreiben an ben Äaifer
uerlauflt h^tte, ÖJehör fürSiuther, baöiuuftteÄarl bem ^Inbrüiiflen
ber ©tänbe beö Sfleichö ^emähren. @r berief ihn unter 3”f^f^)'-''
runfl freien ©eleite^ nad) ^ormö, um über feine Sehre unb
üBüd)er 5lu2Jfunft ^u geben, unb fanbte einen ,'perolb nad) SSitten-
berg, um ihn ab^uholen. 2öaö fiuthern auf biefer Steife, im
SIpril 1521, maö ihm auf bem Steichötage felbft begegnete, bürfeu
mir alö befannt imrauöfehen, unb ermähnen nur, maö mit ^utten'ö
(^efd)id)te in näherem iöe^uge fteht. @in foldjer ^unft ift gleiri)
ber ©mpfang Suther'ö in Erfurt, bei meld)em §utten'ö ältefte
greunbe, ßrotuö nnb ^Rubianuö unb @oban §effe, ganj befons
berö tt)ätig maren. ®ie Uuiüerfität }\og ihm feierlid) entgegen,
nier^ig 3Jtann ju ^ferbe unb eine große Sln^ahl ^u guß, an ber
©pi^e Srotug alö zeitiger Stector, ber ben Steformator, aU er
auf feinem Stollmageu baherfam, mit einer Slnrebe begrüßte.
Slud) (Joban mar unter ben Steitern, unb i)cii nachher Suthcr’eJ
Sin^ug, ^rebigt in Erfurt unb^?lb^ug gen SBorm^ in einer Steil)e
l)on Slegien oerherrlid)t. llnb gar nid)t unbenflmr umre eö, baß
(^rotud in jenen Xagen bie (namenlos erfri)ienene) ^Ji^arobie ber
Sitanei üerfaßt meld)er für Suther, ber näd)ftenö nad)
‘ äSormö fommen merbe, um it^ehütung üor italieuifd)em @iftc;
für glitten, Suther’ö ^^plabeö, um 53cftärfung in feinem guten
'-öorhabeu; für ben jungnt Ä'aifer um ^Befreiung oon uerbcrblichen
Stathgebern ; für ^)eutfd)lanb um Srlöfung 00m päpftlid)en goeße
u. bgl. m. gebeten mirb ‘)-
1) AITANEIA Germanorum ctc. 3n Schriften II. S. 52 — 54.
406
II. 7. .Qopitel.
bcv (Sbcriiburfl tuar inittlmücilc ein fcltfamcr ®aft
ciitflctroffcn. mx ein gi^ancißcaucr, bcö Äaifcrö 33cic^tiflcr,
ber ©iefingen anlag, er möge fintier ueranlaffcn, nntcrmcgö bei
il)m einjute^ren, inbem ©lapion, fo ^ieg ber 9Kann, i^n üor
feiner ^nfunft in SBorm^ noc^ fprecl)en möd)te. ®er 2Jiöncf)
l)attc ftd) erft an ben födjfifd)en S^anjler 53rücf gemacht, um burc^
i^n bei bem ^Inrfürften Jriebrid) ju @ef)ör ju fommen, ber fid^
aber mit i^m nic^t etnlaffen moUte. 3efet münfe^te er Sutl)er
felbft bearbeiten. @r meinte, menn biefer nur feine lepte, an^
ftögigfte ©d}rift über bie babplonifc^e @efangenfd;aft ber Äirc^e,
al^ im Qüxn über bie päpftlic^e 53annbuIIe gefc^rieben, jurücf-
nehmen mollte, fo liegen fteg mogl nod) 9J?ittel unb S5?egc ju güt*
Heger Beilegung feinet §anbeU finben. ©o fprad) er benn oueg
auf ber ©bernburg ^u bem öurggerrn unb beffen nttcrlid)em
(^afte, ber eben unbag mar, ganj günftig über Sntger. ©elbft
beffen 5<^inbe mügten geftegen, meinte er, bag burd) ign juerft
ber Sgriftengeit bie Xgür tieferem ©cgriftüerftänbnig geöffnet
morben fei. Unb auf §utten'ö grage, maö benn alfoSutger fo
©rogeö üerbroegen gäbe, baö burd) biefer ®erbienft niegt gut
gemaegt mürbe? mar (fo beridgtet menigftenö §utten) feine ?lnts
mort, er fege niegtö*). S33aö babei audg bie eigcntlid)e Slbficgt
beö SJ^annei^ fein moegte, ben @raömu3 unb Jütten, gierin ein*
ftimmig, aU einen ber abgefeimteften Pfaffen fd)ilbern: ob, ßutgern
5U einem falfcgen ©egritte ^u uerleiten, ober ign aU ein 2Bcrf=
^eug, beffen berÄaifcr oielleicgt nod) cinmol gegen 9^om bebürfen
fönnte, ^u fparen: gemig fag bamolö ©idingen nod) niegt, mie
fpäter §utten, in igm Sutger'ä fd)limmften geinb, fonft mürbe
er nid)t, mie er tgat, in fein Slnfinnen gcmilligt gaben. (£r fanbte
nämlicg feinen @aft 2)?artin Sucer mit etlicgen 9teitern nad)
Dppengeim, um bem buregreifenben Sutger bie (Sinlabung auö^u*
rid)ten. Hber biefer, mie er fieg bureg gleicg^eitig einlaufenbe
Söarnungen nid)t üon bem Orte feiner Öeftimmung abfcgrcifen*
lieg, fo lieg er fieg and) bureg feine ©inlabung feitab loefen : menn
ber !aiferlid)e 53eiegtiger etma§ mit igm ju reben gäbe, mar feine
^ntmort, fo fönne bag in SBormg gefd)egen, bagin fei er berufen.
1) Ilutteni Expostulatio cum Erasrao, ©dritten TI, ©. 210 l.
ben ®rief ^ucer’S, Hutteni Opp. Suppl. II, ©. 806.
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fiut^er’ö ®frutl^fiIuno. ßinbrudf ou| Jaulten. 407
5(m 16. tarn Sutl)cr ^u Söormö an, iinb fc^ou am
folflenben Xagc begrüßte .'puttcn i^n uub feinen Segteitcr 3nftuö
3onaö in jioei ®c()rciOen, tuelcße 93ucer non ber (Sbernburg nad)
Sorinö überbraeßte. Süö unübenoinblirijen ^rebiger bes^ ©oan*
gclium!^, al# feinen ^eiligen greunb, rebet er i^n an. Unb in
feine tßeologifc^e iUianier cingeßenb, tritt er ißm mit einem biefen
3ftauc^mer!c biblifeßer, inöbefonbere altteftamentlic^er ©prüeße cnt=
gegen. meit man burc^feßen fann, münfeßt er i[)in ©taub=
^aftigfeit, ba auf ißn je^t fo Diel anfomme, unb uerfießert it)n
feiner 2ln^ängUd)teit biv jum legten §aucße. Sgrer beiber ^u*
fcßläge unterfc^eiben fid) barin, baß bie feinigeu menfd)lid) feien,
mäßreub ßutßcr, fd)un üoHfommener , aüc!^ öJott außeimgeftellt
gäbe. ©e()en möcßtc Jütten jegt bie mütgeuben iöliefe, bie ge*
runzelten ©tirnen unb 'Brauen üon ßutger'i? geinben. gür bie
©aege gat er bie beften .^Öffnungen, aber für Sutger'ä ^erfon
ftegt er in fegmeren ©orgen*).
^n 3uftu^ Sonaö fegrieb Jütten üoll greube uub üob, baß
jener fieg mit Sutger in ©efagr begeben. .Jiabe er igu fd)üu
Uorger geliebt, fo liebe er ign um beßmilleu gunbertmal megr.
@r bebauert, baß fein ßrotus^ burd) baö leibige fRectorat uon
ber Xgeilnagme an biefet ÖJefagr abgegalten fei. @r münfd)t,
er fönntc felbft in SBorinö fein unb einen ©türm erregen, ^od)
fei eö beffer, rugig ^u bleiben, unb Sutger lebenb ju befdjügen,
alö feinen Xob ju räd)eu. Sonaö möge igm üon ben Borgiingeu
bort, üon feinen Hoffnungen unb Befüregtungen, ^Jtad)rid)t geben-).
?lm 17, 2(pril beftanb £utger fein erfte^ Bergör, in iüeld)em
er auf bie grage, ob er feine fämmtlicgen Büeger, fo mie fie
feien, begaupten, ober baö 5lnftößige bariu miberrufeu mollc, fid)
Bebenf5eit erbat; am 18. baö jmeite, mo er, mit Slbmeifung ber
Sluctorität üon $apft unb (Soucilien, menn er niegt auö ber geil,
©egrift mibcrlegt mürbe, ben SSiberruf ablegnte. @r tgat bieß,
nad)bem igm bereite burd) ben trierfegen Dfficial angcfüubigt
mar, mcife er jeben SBiberruf ab, fo merbe bae^Reicg fd)ou miffen,
mie eö mit einem Äeger ^u üerfagren gäbe. @r mar alfo jmar
üorgeloben unb befragt, aber niegt eigentlicg gegört morben : mau
1) Jütten an Sulb^r, Schriften II, <8. 65 f.
2) Kn ^onaö, a. a. O. 8. 56.
408
II. ®U(^. 7. i^apilcl..
^attc fic^ über bic ftrcitiflcn fünfte nic()t mit t[)m cin^clnffcn,
it)m uid)t bemiefen, bag er Äc^crifc^cö gelehrt ^abc, fonbern bieg
fd)on oorauSgefc^t , borauf ()in ben Söibcrruf üon igm ücrlangt,
iinb alö er biefen ablel)ntc, i^n aU itejer fallen gelaffen.
5ÜÖ Jütten üon biefem ÖJangc ber 0ac^c burc^ 2ntl)er
fclbft 9^ad)ric^t erhielt, fannte feine ©ntrüftung feine ©renj^cn.
!Öogen nnb Pfeile, ©c^merter unb löüc^fcn l)ielt er für nötbifl,
um ber SBntl) biefer Teufel @in()alt t()un. Slber oudf) feine
5lncrfcnnung, feine öemunberung ßutber'ö mar unbebingt. SJiand^c
feien 5U il)m gefommen in jenen Xagen, fd^ricb er i()m, mit ber
ängftlid^en $Ieugcrung: Söenn er nur nid}t abfäüt! menn er nur
ftanbl)aft antmortet! fid) nid}t einfd)üc^tcrn lögt! ©eine @rmie=
berung fei jcbcömat gemefen, 2utl)er merbe Sutl)cr fein, ^iefc
ßuuerfic^t l)abe ign nid^t getäufd)t : £utl}er’d ^Intmort laffc*nid^tö
511 roünfdjcn übrig. Slucb in ben gcljcimen Sicrganblungen , üon
benen er fc^reibe (üon ©eiten etlicher ©tänbe fudjtc man Sutt)cr
,^n bemegen, bag er in einzelnen fünften nad)gcben, Äiaifer nnb
©tänbe al§ 9tid)tcr über feine ßc()re anerfennen foCite), merbe er
fid) fo ju galten miffen, mic cö am beften fei. @r möge jc|t nur
biö anö @nbe begarren, bie geinbe fegreien unb toben laffen unb
igrer fpotten. ®cnn megr unb megr ^eige fid), bog alle beften
SU^änner igm gemogen feien: merbe igm niegt an SSertgeibigern,
nid)t an Üläcgern fcglcn. 3gn fclbft, Jütten, ^minge bic S3orfid)t
feiner greunbe, igre 5^tcgt, er mödjtc oicl mögen, immer nod)
i^ur Sfluge: fonft mürbe er unter ben dauern oon Söormö jenen
äJiü^cn ein ©piel angerid)tet gaben, ^od) in ^Jur^cm merbe er
geroorbreegen ; bann foHc ßutger fegen, bog aiii^ er ben (^cift
nid)t Ocrläugnen merbe, ben ®ott in igm crmedt gäbe. @r brenne
oor 33crlangen, 2utger ^u fegen, ben er fo fegr liebe, unb ber igm
über alleö, maö igm begegne, Dlacgricgt jufommen laffen möge*)-
S^odg einmal oor feiner Slbreife au§ SBormö (bic am 20.
Slpril erfolgte) fd)rieb fiutger an Jütten unb gob igm oon bc§
Äaiferö ungnöbigem Slbf^ieb unb bem Verbote Ä'unbe, untermeg*^
prebigen. Jütten oermod)tc biefeö öriefegen niegt ogncXgrö'
neu Icfen, unb fein Unmille über baö gegen Sutger cingcgaltcnc
^erfagren erneuerte fid). ®aö Sßorgeben, al^ fei biefer berufen
1) 'Än Cutter, 20. ?tpril. ?l, q. O. 'S. 58, unb Supplem. II, 6. 806 f.
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l}frQnjen§ 3ö0c^wno- Warnung.
400
ioorbcn, um ftc^ 511 ücrautmortcn, fd)vicb er am 1. au Söilis
halb $ircff)cimcr*), fei eine £ü(\c gemcfeii. 9J^nn f)abc i()m ja
feine ^öerantmortnnfl (^eftattet. Unb nun bcljmiptcn einige Snriften,
ber Äaifer fei nid)t bcrpflic^tct , if)m ba§ freie Öeleit j^u galten,
ja, er fei ücrpflic^tet, ec? nid)t ju i)olten. ^ic gottlofen 33ifc^öfe
möchten baö Öeifpicl if)rer S3or(jän(^er auf bem conftanjer (Soncil
nac^abmen. ^er i^aifer foUe ben SJorfa^ mißgefprocbcn haben,
ben ?5apft unb bic römifebe Älircbc auf’g öngerftc ^n ücrt()eibi()en.
^Darüber jubeln bie Pfaffen unb meinen, bae 0tncf fei ;^u @nbe;
boeb biö babin fei e^ noch meit, eö fehle noch ber leptc 9lct. S^on
ber onbern ©eite fei -\u SBormö ein ongefchlacjeii morben,
bafe 400 Dom §(bel ficb für fiuther nerfd)moren h^üen, mit bem
ßufafe: löunbfcbuh, öunbfcbuh! (ber auf eine Sßerbinbunc^ mit ber
iöanerfcbaft hinbeutetc) ein ©d)ritt, fo c^efohrlid) füriiuther, baft
man nermnthen fönnte, er fei non feinen geinben an^fleoant^en.
(Sö follc ihm ein fchr fdjarfc^ (Sbict nad)c^e=
fd)icft merben (bie §ld)töerflärnn(^ erfolc^tc am 26. äJiai), baö
aber mohl in einem groben ?Reidjö auf äBiberfprnd)
ftoben bürfte. ^enn jept müffe fid) feigen, ob icntfcblanb gürfteii
habe, ober ob eö non gepulten ©tatuen regiert fei. 5^an^ uon^
©iefingen fei feft unb eifrig auf ßuther’^g ©eite; er h^^üe gefebtno*
ren, allen (Gefahren ^nm Xro^c bie ©ari)e ber Söahrheit nid)t
neriaffen j^u moHen, unb biefcö SBort fei einem Crafel gleid),^nad)tcn.
?lber loöfd)lagen luoUtc S^^an^ immer nid)t, fo mancbcömal
and) befonberö ben geiftlid)en .sperren auf bem $Reicbötagc nor
feiner brobenben 9^äl)e bange mürbe. ^)ic Hoffnung auf ©olb
unb Äriegöbente, aber ancb auf fteigenbe Geltung im ^)ienfte beö
Äaiferö, bem ein itrieg mit granfreid) nid}t mehr lange an^=
bleiben fonnte, mar nid)t bie lepte ber Urfad)en, meld)c ©idingen
unb feine ^Inbängcr unter ber Sfitterfchaft non ©emaltfamfeiten
norerft nod) jurncfhielten. ©0 blieben .^utten'ö Drohungen non
ber (Sbcrnbnrg herunter SSorte, unb er ftanb non ,^mei ©eiten
her bem ^abel blog: entmeber, bag er gebrogt
nicht auöfübren fonnte, ober bag er nicht auch an^führte, macj er
gebrogt hotte. Söenn (Jraömnö gegen ®nbe jeneö gohrc« in einem
93rief an ^irefbeimer fieg über ßutber’cJ unb feiner ^Ingänger
1) %. Q. C. 6. 59-62.
410
II. 53ui(>. 7. Äopifcl.
ftciciciibe ^cfticifcit mit ber Slciifecuuug bcfloflte, mcr fo brot)c,
müßte ein f(^laflfertic;eö |)eer hinter fieß ßaben, fo hielte er bamit
fießer aueß auf §utten. mar (Sraömnö, ber mit feinem Xabel
auf biefe ©eite trat: .^nttcirö junc^ere ober heißblütigere grennbe
hatten fid) feiner Drohungen flefreut, ja mohl felbft auf feine
9tcchnunc| mitgebroht, unb machten ißm nun IBormürfe, baß er
über baö Großen nid)t ßinanöfam.
Hermann oon bem ^önfeße mar, mit feinen 5man3ig
mehr, bod) faft noch braufenber, nod} leibenfd)aftlicher aU^ntten.
@r befanb fieß, mic feßon ermäßnt, mäßrenb beö fReieß^taejö in
SSorm^, unb füßrtc, mic Sod)länö bejeut^t, münblicß nid)t minber
milbc SReben qecten Sntßcr’ö SBiberfad)cr, ol^ glitten fd)riftlicß
oon ber (Sbernburß ßernnterfanbte. Snfofern ßattc er biefem
nid)ti^ oor^nmerfen: oßne ^ber hatte er fieß babei auf
$ntten'ö SSerfpreeßen , näcßftcnö mit granjen^ ^lülfc lo^bred}en
3u moUen, oerlaffen, unb mar nun boppcit unmillicj, baß bieß
nid}t 9cfd)aß. Unter bem 5. 9Rai, alö baiS (^efcßäft gcflcn Sutßer
(er mar fdjon feit ad)t Xagen abgereift ) oßne alle ©töriing naßc*
3U oollenbet mar, erließ Hermann )öufd) üon 2Borm§ aui^ ein
©enbfdjrcibcn an §utten ‘), in mclcßem er ißm feine SOUßftim*
mnng nießt Oerßeßlt, unb burd) bic bitterften 5)inge, bic er bem
greunbe fagt, ißn 3ur Xßat 311 ftacßeln fließt. @r melbet ißm,
mic bie IRömlinge auf bem $Rcid}ötagc, bic fieß erft oor ißm gcs
füreßtet, jeßt über ißn lacßcn unb SBiße ma^en. @r belle nur,
unb beiße nidßt, fagen fic. 2)ic päpftlicßcn 5Runtien füßrt er
rebenb ein; äöenn ißnen feine fd)limmere ©efaßr broße alö oon
glitten, fo feien fie geborgen, ^arum ßaben fic aueß, oßne fid)
an feine citcln ^roßungen 311 feßren, ißr (5Jefd)öft nur um fo
eifriger betrieben unb ßoffen eö näcßftcnö oollenbet ißrem $errn,
bem ^apfte, 311 güßen 3U legen. ^Icanbcr’i^ innigeö IBcrßältniß
3um Äaifer, bic ^intanfe^ung ber beutfeßen gürften, ber Ueber*
mutß ber ©panier, melcßc auf 3Raultßiercn ftol3ierenb ben ^ciiU
fd)en ben 2)iarft fperren, ^utten'ö gloffirtc ^uUe, ßutßer’ö babß*
lonifcßc ©efangenfcßaft ben 33udßfüßrcrn megneßmen, 3errcißen
unb in ben Äotß treten: baö aUcg mirb 3um SSormurfc gegen
1) ©. bo§ 6d^|retb<n in i^utten’§ Sl^riften II, ®. 62 — 64. ^ie Stelle
au§ @0(^läu§’ Ilistor. du actis et scriptis Lutheri ebenbafelbft, S. 64 f.
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Sobon’S ^a^nang unb l^uHen’S ^niiDort.
411
Jütten, ber, ipcnn er (glaube ()clfcn ju fömten, ()ättc ba.^u
tbim foücn. Huf ^larriS Hbreife iparten, luärc fd)v unpaffenb,
ba mit if)m bic fdjtimmftcn geinbe ^uttcii’ö imb ber
bcutfc^cu grei^cit, bic pöpftlic^cu 9tiintien, ab5icf)cu merben.
Söenn Jütten biefe mit beilcr ^aut auö ®eutfd)lanb tommen
laffe, menn er t)icnn bic erregte (gnuarliuig täufc^e, fei e^ eine
©ertappe für feinen iRuf. 0tatt ber ^lacfcreicn gegen biejenigen,
meiere Pon ^icr auö nact) 9tom reifen, folltc er uielmcbr jene
römifc^cn ©enbtinge, bic eigentlichen ©d)ulbigcn, beftrofen.
SBenigften^ möge er nicht aüc ungefränft bauon fommen laffen,
bnmit feine Drohungen nicht ganj leer erfunben merben; benn
fo Picl fönnc öufch ihm fügen, fein biöherigcö tl)uc felbft
feinen beften grcunben leib.
Ungefähr um bicfelbe 3^tt erließ aud) ber alte crfurtifd)c
greunb (Süban ;J)effc eine poetifchc SUtahnung al)nlid;en 3nl)alt^,
nur in feiner Hrt frcunblidjcr unb gemüthlicher, an Jütten *)•
2)er beutfehe iRittcr möge jegt ßuther unb bic beutfd)c greiheit
mit bem ©chmerte befchühen, ba cd mit ©chriften unb ißerfen
nicht mehr getl)an fei. ^aju bürfc er fich aud allen ®aucn
^)eutfchlanbd ^eiftanb ucrfprcchcn, befonberd pon granj Pon
©iefingen. ©ic beibe, fo ahnet bem 2)id)ter, werben bem römi-
fehen Ünmefen ein @nbc machen; befonberd aber fe^t er feine
Hoffnung auf Jütten, ben er Pon Sugenb auf beobachtet h^t,
beffen hoh^m (}jcift, gefaßten 9)iuth unb tapfere ^anb er genau
fennt. 3n biefen @igcnfd)aftcn möge er fich nun aud) ber Station
jeigen; 2)eutfchlanbd greiheit unb^uhm wicberhcrjuftcflcn, ba,^i
rufe ihn bad ©chicffol. ^aburch werbe er ben fchon je^t glän*
^enben 9tamcn ber Jütten noch mehr Perherrlichen, wie ihm hm*
wicberum ber (.^lan^ biefed Sftamend im Äampfc 93orfd)ub Iciften
werbe. 5)er^)ichtcr erinnert ben ritterlichen greunb an beniBeU
fall, ben fein gewaffneted iöilb ßnbe, an ben Vorgang feined
Äampfcd für ben ermorbeten fetter, ©o möge er eublich bic
Hoffnungen, bic er erregt, erfüllen, unb bed greunbed Hufruf
1) Ilelii Eobani Hossi ad Hulderichum Huttenum, ut Christianac
veritatls caussam ot Luthori inittriam armis contra Romanistaa prose-
quatur, Exbortatorium. 3n Jj>ult«n’§ 6(^ri|tcn II, <5. 68 — 71.
412
II. 7. ü^ajjtlcl.
(llcirfjfnm alö ©icinal 511m Äaiiipfc fan bom bicfcr (]ornc felbft
Xl)cil nehmen möd)tc) frcunblic^ aufne^men.
Sßic citift @obon bic $uttcn’fd)c ©piftcl 3talia'i^ an ÜO^oji^
milian biird) Eingabe ber Urfac^cn beantwortet ^atte, welche ben
Ä'aifer biö je^t nod) oerftinbern, ihrer ^lufforberung folgen:
fo fanb fid) nun umgefehrt Jütten in bem galle, (Soban'ö
jjoetifdhe 5(ufmahnnng in berfelben entfdjulbigenben nnb befd)Wic^=
tigenben SBeife beantworten '). 0cine @rma()nung hätte ber
greunb j^war, wenn er§utten recht gefannt, fparen fönnen, bod)
fei fie biefem wiüfommen, alö ein bag eö noch freie
SD^änner in ^eutfchlanb gebe. ÜJiödjten alle fo benfen! 21 ber
ftatt beffen j;agen nnb ^aubern bic Öunbeögenoffen. @r jebod)
werbe aüeö oerfnehen, unb obwohl bon Dielen im 0tiche gelaffen,
in feinem 23orhaben bis in ben Xob beharren. 23i^hct er
bnrd) Schriften 511 wirfen gefudjt; je^t fei bic ßeit ber SBaffen
gefommen : er ergreife fie. ^aö ©erüd)t, er hcibe fein Unternehmen
anfgegeben, fei falfch, Dom S^cibe auögefprengt. 2)eö ^apfte^ nnb
feiner 2lnhönger 3)rohungen Derachte er. 23on Suther'ö 23lutc
foüe in feiner Gegenwart nidit einXropfen Dergoffen werben, ber
fich nicht mit bem feinigen mifche. @r werbe biefen feinen SHit^
arbeiter, wie früher mit bem Reifte, fo je^t mit bergauft unters
ftühen. Db er e^ burchfepen werbe, wiffe er nicht; aber wagen
werbe er barum bod). 23erbannung unb Xob fehreefen il)n
nicht: in einem getnechteten SBaterlanbe leben, hol’c feinen SBcrtl),
unb ber ^ob werbe ihn ja in greiljeit fepen. ®och hoffe er baö
Sefte. 23iellcicht werbe 5^anj bie SBaften ergreifen, ber gan^c
2lbelftanb fich in bie ©a che legen, bic ihn im©tid)c gelaffen, j\us
rüeffehren : jcbenfaHö fel)c er im ©eifte ben gatt be^ fßapftthum^,
ben ©ieg be^ ©uangelium^ Dorauö. ®o6 bie beiben Sffuntien
unDerfehrt entfommen, fei nid)t feine ©d)ulb. @r höbe nichts
Derfäumt: bie ©tragen befe^t, ^interholtc gelegt: aber beö S^ai* *
ferö §eer l)Dbe fie gefchü^t*). SöieHeicht laufen fie ein anbermal
inö ÖJarn; auf jebengaU müffe man annchmen, e^ fei fo@otte§
1) Ilulderichi Hutteni ad Hel. Eobanum Hessnnt pro eadem re
Responsorium. ßbfnboj. ©. 71 — 76.
2) gine Spur. ba§ er einen tprer ©eßleiter erflod^en, weijl ^befing nodp ;
Schriften II, S. 89 f.
*
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J^utten’S ^tntwoTt ouf ^obon'S ^a^nung.
413
SBJiUc flctpcfcn. 3n (5J)rifti SBiücn ergibt fidj^uttcn ganj: tüoüc
ber, bag ßco ibu feglc, fo )ud)c er uergebenö 511 entrinnen; fo
U)ie umgefebrt feine römifdjcn öfegner, tuenn (Ibriftuö fie in feine
^änbe geben tuolle. ^ber niöge it)m beifteben, ba il)n
5U biefem Kampfe niebtö alö bie Unterbrnefung bei?
glaubend bewege. Streiter feien genug bereit: ßb^iftU‘^ niögc
nur ba^ ©ignal geben, ben Ätrieg anbefeblen. ©onft blafe aud)-
(Soban umfonft. 3nbeffcn fei eö gut; er möge nur fortfabren,
bie!üeutc ouf^umabnen : Diele b^btn bieß nötl)ig, wäbrenb §uttcn
Don felbft bereit fei. ?(ud) feien bie S23irfungen feiner Xbötigfeit
nicht gan5 511 Derfennen: fRom fd)ide feit einiger 3cit feine iöuUen,
feine iiegaten, feine ^Iblaßfrämer inebr, unb bie (Surtifanen tbun
fid) ein. ©eniig fei ba^ freilich i^och nicht: bie böfe ^rut inüffe
mit ber lEönrsel auögerottet werben. 2)aj^u werbe §utten tbun,
wn^ in feinen Kräften ftel)e; fei ibm baö Unterfangen ju fd)wer,
fo müffe ba^ SBaterlanb feinen 3Billeii für bie Xl)at nel)men.
Uiib io bce^l' i(^ ()tnt>ur4l ! brect)* icb, ober ic^ falle
itäinplenb, mürbem td) einmal alfo gcioorfcn bas ü!oo4.
414
<$ttftett tttmmeft itt ßfeinerett ^e^bett ttttt» Bemüht
um ettif '^erOlnbuttg ber 'giitterfifaft tittb ben
§iäHen.
1521. 1522.
®ic 2:ngc bcö S^lcidjötagö 5U SGBormö Dilbcn einen 9Benbe:=
pnnft in ^nttcn’ö fieben. Unb feinen glüeflidjen. 0ein Einlauf
broc^ fic^, er mußte maf)rnef)mcn, baß er meit uorgerannt mar.
mußte nad) ber einen ©eite ßin bieß, nac^ ber anbern ba§ ßus
rüdblciben ber Xßat ßinter bem SBort cntfcßnlbigen. ©cineSc^rifs
ten l)attcn je länger je beftimmter über fid^ ßinau^ auf Xßaten
gemiefen: ba er biefc nid)t einfe^en fonnte, fo mußte üon felbft
auc§ in feiner ©c^riftftellerei eine $aufc ber SSerlegen^eit ein»
treten.
2Iuc^ bie fruchtbare Qcit beg rußigen 3ufammenlebenö mit
granji üon ©idingen auf ber ©bernburg ging ißrem @nbe 511.
granj faß im ©ommer 1521 im SBilbbabe, baö er alg Kipper-
tinenjftücf uon ©tabt unb 21mt 9feuenbürg, bem ißin jugefeßiebe^
nen ^ntßeil an ber mürtembergifdjen 33cute, in 2lnfprucß naßm,
alö ißn, morauf er längft gemartet ßatte, eine faiferlicße Söotfcßaft
5U ben SBaffen rief, ©egen ben ^erjog non 33ouiüon, 9lobert
Don ber SWarf, unb grantreid), baö ißn unterftü^te, füllte granj
2000 IReiter unb 15,000 9Kann 5U guß merben unb mit ben-
felbcn auf ©t. gafobötag ober fpätefteng ben 1. Huguft in ®ie^
benßofen eintreffen. @r bradßte feine SBerbung ju ©taube unb
rücfte, ben ©rafen §einricß oon S^affau al^ j^meiten DberbefeßU^
ßaber jur ©eite, in 33ouiHon unb meiter in granfreieß ein. ?(ber
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^uttcn im SScrflecf.
415
biefcr 5^lb^u0, bcr granjcnö ©teUiing bei beni ^aifer befcfti^cn
foUte, brachte toiclmebr gegciifeitifleS ai^igDergnügen. ^)en beiben
5elb()errcn fehlte eö an ©inigfeit, unb bavum an @rfolg; bcr
Äaifer aber lieg eö an ÖJelbe fehlen, ©iefingen, ber feine 20,000
©olbgulben non Äarl noch jurücfcrhalten h^tte, mußte
fich je^t and) für einen rücfftänbigcn Solbeö bei ben
Xruppen oerbürgen. 0o mar er mit bem Staifer un^ufrieben,
nnb biefer mit il)m.
Jütten finben mir gegen @nbe 9)?ai noch her @berns
bürg; hoch ba er oon einem atitte nach ^for^heim fchrcibt, ben
er oor S^urjem gemacht, fo fcheint eö, er hotte 5^anj\ im Söilb^
habe befucht, ober fid) auch fc^hft eine ßcit lang bort aufgchalten.
2lber er jmeifelte, ob er noch lange bei Srauj merbe bleiben fön*
neu, fo tpünfd)cnömerth eö ihm and) erfchien, bag biefem ein
9Wann jur 0eite bliebe, ber ben unabläffigen Jöemühungen ber
onbern Partei, ihn oon ber ©ache ber IHcformation abmenbig ju
machen, baö ©egengemicht hielte. ®arum mnr §utten über
öueer fo ärgerlid), bog er, bcr §luöficht auf eine aSerforgung bei
gron^ oon ©iefingen ungeachtet, fich hotte oerführen laffen, alö
i^aplan in bic S)icnftc beö faiferlid}cn ©tattholtcrö, ^fal^grofen
griebrich ^u treten, oon beffen högffh floucr ©efinnung für bic
©achc beö (Soangcliumö nichts ju ermarten ftanb ‘). ©criic märe
er mit ©iefingen ju gelbe gcj^ogcn; ober feine ©cfunbljcit mar
aufö atcuc manfenb gemorben, unb er fah fich genöthigt, ju ihrer
pflege oorerft einen ruhigen 2lufenthalt ju mühlcn. Änfangö
©eptember finben mir ihn in biefem 58crfterfe, mie er ihn nennt,
ben atamen jcboch, ouö gurcht oor atachftcllungen , bem Rapier
nicht anoertraut: menige SBertrautc mugteu ben Drt, bcr ohne
3mcifcl in ber atöhe oon Söormö ober Sanbftuhl ju fuchen ift.
atoch 20 Xogc gebachtc er ba ju bleiben, unb bann, menn eS
mit feiner ©cfunbljcit fich gebeffert l)üttc , ju granj ind ßager
fich ju begeben, ^ahin hotte er gerne ouch 33uccr mitgenommen,
bem fein ^ofbienft bereite ju migfaüen begann ; mährenb bcr
grogmüthige ©iefingen ihn ^ur aiücffehr in feine Umgebung mit
ber Äudficht auf bie nächfte lebig merbenbe ^^forrftelle einlaben,
ja ihm, menn er juoor nod) einen (iurfud in äBittenberg burd)*
1) ^utten Olt ®ucfr, 27. Wal 1521. ?(. o. O. ©. 75 f.
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416
II. 8. Ilfapitd.
machen tpofle, ©tubicnfoften auf ein 3at)t anbicten ließ.
uicl ui^eßaltcncr aber, atö auf iöueer, luar §uttcu bamalö auf
ISapitü , über ben er iu feiner ®erftimmuucj bem (^erüeßte
(Glauben feßeufte, berfelbc fei uom ©uangelium abgefallcn uub
l)abe unter anqeuommenem Sf^amen (Jecken bic £utberaner gcfcßric*
beu‘); ein @erücl)t, uou beffeu ©ruublofigfeit er fid) halb ßer*
nad) überzeugte, uub luiebcr in bie alte freuubfdjaftlid)e Sßerbin*
buug mit (Sapito trat.
Db Jütten fein SSor^abcu, Srauj inö gelb zu folgen, fpäter
luirflicß noc^ in §lu‘3fül)rung gebracht l)abe, ift zweifelhaft. Otto
^runfeU beridjtet zwar, ber Äaifcr höbe ihm jährlich 200 QJulben
bezahlt; al)5 er unter ©icfingcirö ^auptmannfehaft geftanben,
habe et, loie anbere au^gezeid)uete 3)^änner, ben hoppelten 0olb
erhalten; auf biefeö Schalt jebod), um bed Äaiferö uneoangelifcher
(SJefinnung millen, uon freien ©tücfen oerzii^tet^). 2Ulein faft
möchte man glauben, iÖrunfebJ fpred)e uon bem luürtembergifchcu
gelbzug unb betrad)te ^utten'ü ^ienftücrhältniß alö ein feitbem
fortbauernbe^. ®aß er bem ^iaifer ben 5)ienft getünbigt, war
im 3)tai, mo ^ucer eö oernommen hattet), jcbenfallS oerfrül)t; ciS
tonnte aber bod) gefd)el)en fein, el)e er mirtlich inö gelb gc^
rüdt war.
2)agegen fcl)en mir ihn oon jeljt an in einer IReihe tleinerer
mehr perfönlidjer gchben bem Unmuth über bie Vereitelung feiner
großen $lanc in einer Söcife ßuft mochen, bic mir ihm höchftcnö
ücrzeihcn fönnen. 3« feinem oorl)in erwähnten Verfteefe gab er
bem Otto Vrunfelö 2lufentl)alt, ber auö bem Äartl)äuferflofter
bei aJiainz entfprungen unb ol)nc anbere ßufludjt war. 9J?ochtc
bieß bie mainzer iilarthäufer üerbrießen, fo befchulbigten ißn bie
bei ©traßburg gcrabczu, mit §ülfc beö bortigen Vuehbruefer^
^auö ©d)ott zwei ihrer Orbenöbrüber bem Ätlofter entführt z»
haben. 21U Äe^er galt ihnen ber Verfechter ßuther'6 ohnehin,
unb ba fic ihm fclbft nichts anthun tonnten, fo nahm ber $rior
an feinem Vilbc eine ©enugthuung, noch fchliwmcr al^ä biejenige,
1) Jütten an $ucer, 4. Sept. 1521. Sd^nften II, 6. 61 f.
2) Otto ^runfelS, Kesp. ad Spoiig. Erasmi, ebenbaj. S. 340.
8) %ucer an %eatuS 9ttienanu§, 22. SJtai 1521, Hutteni Opp. Sup-
plera. II, S. 807.
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i^utten unb bic iC^art^öufer.
417
iDclrf)c jener conftanjer Pfaffe au bem bcö ©roeniug naf)m, baö
er, fü oft er im anfpiicfte. Unfer
Stitter ließ eine ©cl)mad) nic^t einmal auf feinem iöilbe fi^en.
Unb er müßte nid)t ein 9Utter im (Reifte feiner
ein armer S^itter, c^emefen fein, menn il)m nid)t jucjlei^ bie ©e^
Icc^en^eit enonnfdjt ejemefen märe, üon ben BJiön^en ein 'Sn^nes
flelb , baö feine Äaffe mieber anf eine geit Inni]
in beffern ©tanb fefete. @cgen @nbe bc^ October mürbe 0icfin=
gen mit feinem §eere auf bem fRüefjuge auö granfreid) am
Cbcrrßein ermartet. 3l)m ooran, mie eö fd^eint, fam .J)utten
nac^ 'Dürmftein unfern SBormö (menn bieß nic^t gar ber Serfteef
mar, in melc^em er fic^ feit bem (Snbe be^j Sommert aufgel)a(ten
l)atte), unb erließ am ^onnerftag nac^ bem Xagc ber 11000
Jungfrauen (21. Detober) an ben ^rior unb (Sonoent gebadjter
ftartljaufe einen gel)bebrief. (5^ ßabc if)n üor langer SBeile burd)
glaubl)afte l)od) nnb nieberö ©tanbi^ ^erfonen angelangt, meldjer*
maßen fie ißn nic^t allein für einen Äc^cr aue^gefdjrien, fonbern
eö l)abe anc^ ber ^rior, jur ^In^eigung feinem nnc^riftlidjen uiu
menfd)lid)en 9teib unb .^)affe^, fid) öffentlid) berühmt, etlid)eüon
^nttcn’ö auf Rapier gebrueften 33ilbniffen, il)in ^ur 8c^mad) unb
^ol)it, „5ur Säuberung unreiniger feinet Üeibö Crtcn" gebrand)t
511 haben, ^aö habe er bisher mit SBeradjtnng überfehen; nun
fie ihn aber außerbein jener 3)Uinchöentführung Reihen unb ben
unfd)iilbigen 43uchbrucfer barum bebrängen, erforbere feine @h^c,
baß er fie ßügen ftrafe. Unb biemeil er uicl lieber üon feinen
C^ütern unb Silahrung 10,000 menn er fo üiel hätte, üerlieren
moüte, alo jold)e Unbill meiter ju bulben, fo fei an fie fein
ernftlich Begehr unb OJefinnen, fie mögen „^u §lbtrag unb Heiner
(Jrftattung angeregter Schmähe unb Jnjurien il)m in SD^onatö-
frift nach dato bieß iöriefd bief eiben 10,000 gi. an Orte, bie er
ihnen an^eigen merbe, in gutem rheinifd)en ®olbe liefern", fid)
ähnlicher Sd)mähungen ferner enthalten, ihm aud) burd) feinen
gefchmornen iöoten ihre ©ereitmilligfeit fd)riftlich i\nfichern: mo
nicht, fo merbe er, fammt anbern feinen Herren, greunben, Gön-
nern unb guten ÖJefeHen, bie an ber itarthäufer gürnehmen gleid)^
falld höchlich 3)Hßfallend tragen, miber fie nad) allem feinem
SBermögen trachten unb hanbeln; barnad) foUcn fie fiel) richten.
Stättmeifter unb 9^atl) üon Straßburg, bei benen Jütten
VII. 27
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418
II. 8. ftopitel.
fein SSorne^men entfci^ulbi^te, ü6crnat)mcn bic Vermittlung, unb
i^ren Slbgcfanbten nerfprad) er (am ^onnerftag nac^ ©lifabetl),
19. Sftoüember) auf ber ©idfingifc^cn Vurg SBartenberg fid^ nod^
ad)t ^age lang finben laffen ^u motten, ^er ©ntmurf einer
Uebercinfunft liegt üor, melc^er eine @l)renerflärung unb §lbbitte
für .Jütten, aber nid)t^ uon einer ©elbcntfc^öbigung enthält.
@leid)mol)l mußten fid^ bie itürtl)öiifer, ba granj uon ©idingen
fein ©c^mert in bie SBagfdjaale gemorfen ju l)aben fdjeint, auc^
ju einer folc^en uerftel)en, meldje, menn fie fd)on nur */& l>cr uon
Jütten anfänglich geforberten ©umme betrug, hoch immer noch
ein anfehnlichcr für ben ©paß tuar, ben fid) ber ehrmürbige
Vrior erlaubt h^tte*).
®a^ beginuenbe 3ahv 1522 brachte allerlei mit fid), ma§
J^utten'ä Veftrebungen unb , Hoffnungen aufö 9teue belebte, ^urch
ben Xob feinet Vaterö eröffnete fich ihm bie 2luöficht, in @emein*
fd)aft mit feinen jungem Vriibern beffen Vefi^ungen, inöbefonbre
bie Vurg ©terfelberg, j^u erhalten, mclche, uermöge ihrer un^u*
gönglichen fiage in SBalb unb Vergen, ihm für ben ÄriegöfaU
ein haltbarer fchien-). 3'^mr hatte ber mirflidje
Eintritt biefeö Vefige^, bei reuolutionärer ©tettung ju
ben öffentlid)en ©cmalten, uorerft ©d)mierigfeiten, bie möhrenb
ber nur nod^ furzen feineö Sebent nid^t mehr befeitigt
mürben: bod) hob bie 2luöfid)t auf ©elbftftönbigfeit feinen SKutl)/
ben aud) bie ©tettung, melche ©iefingen mehr unb mehr einnahm,
ftärfen half.
5ür bie Sache ber Deformation fonnte biefer jeht cntfchic*
ben gemonnen heißen. Suther eignete ihm, ^um 2)anfe für ba-ä
mieberholte l^lnerbicten fcincö ©d)u|c3, feine ©chrift über bie
Veichte 511, unb ©iefingen felbft trat, mitten unter feinen friege=
rifchen Unternehmungen, alö ©d)riftftetter für bie @runbfä|e beö
Deformatorö auf. ©ein ©egenfehmäher, Ditter ^Dietrich uon
fd)uchöheim, hotte fid) gegen ßuther'^ fichre einnel)mcn laffen
unb motttc aU „Vefter" beim eilten bleiben. .Dun belehrte ihn
1) S)ic ^etenftürfe in ^utten’8 Sti^tiften II, 83—89. iBgt. ben
'-Brief öon Oerbel, ebenbaf. 91, unb oon 6ra§mu§, S. 409.
2) l^utten on ^fürflenberg, SBortenberg, 31. 2Rerj 1622. ©c^riften II,
©. 114 f.
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Sicfingen unb i^artmui^ bon Sronberg.
419
gronj in einem auöfü^rlic^en 0enbfc^reiben erft im Slllßcmeinen,
ba6 bic 9teforination feine ^feuerunfl, üielmel)v SSMeber^erftellnnci
beö Urfprüncilid^en fei: bann im (Sin^elnen über baö $lbenbmal)I,
meld)e^ unter beiberlei ©eftalt auöjut^eÜcn; SJ^effe, melc^e beutfe^
p lefen; (Sölibat unb SJiünc^^ftanb, bic nid)t uon ©ott cingcfejt
feien, luo^l aber bic @^e; .Jiciligc, meld)c ^u el)ren, bod) bic
betung ©Ott allein nor^ubc^alten fei; Silber, bic leicht uom SÜJeflc
ber ^nbad)t abfü^ren, „barum fic fc^icr'", meint granj, „in
fc^önen ©cmad)cn ^ur ßierbe mct)r nu^ bann in ben Äirt^en
mären". 2)icjcniflcn aber, gibt er fc^licBlid) bem 0d)magcr ;^u
bebenfen, mcld)e fic^ nic^t cntfc^cibcn, fonbern jufc^cn moUen,
mer Siecht beljoUe, bic merben ba^i mol)l c()er nidjt erfal)ren, alö
fie fommen in j^IepperlinS i^au§,
2)q |d)(ä9t boS pöflije^ 5furr jum Sanfter pinmi§."
5^011 ©idingcn’iii ©tanbeögenoffen ()atte fid) befonberiS §art=
inutl) Don (Sronberg an il)n angcfc^loffcn, ber burd) )^utl)cr’ö 0enbs
fc^reiben an ben beutfdjcn ^^Ibel ermedt morben mar unb halb
and) ein eigene^ ÜJfiffiuc non bem Üieformator crbielt: ein bie«
berer, uon .§erj\cu frommer, aber ctmaö bcfc^ränftcr iÜiann, unb
borum befto leid)ter ^u unbebingter öegeifterung fort^urciSen.
©r muibc mit (hinein iüMlc ein fruchtbarer tl)cologifd)cr ©cl)rift»
fMlcr, erlieg 0enbbriefe nid)t allein an 0icfingen, fonbern and)
an £utl)cr, an bic löcttclorbcn unb bic ©ibgeuoffen, an ^^apft
unb Maifer, — mclchem leptern er bic nid)t lcid}tc ?lufgabe ftcUte,
ben erftern „mit Ijöchftcr ©utigfeit" ju überj^eugen, bog er ber
Statthalter beö Xeufcld, ja ber ^ntichrift fclbcr fei. 3u lieber^
cinftimmung mit it)m lieg nun Sidingeu burd) Oefolampabiuö,
ber i)om ^^ttpril bie Sflooember 1522 auf ber (Jbernburg lebte, feis
nen iöurggotte^bicnft im Sinne feinet Scnbfd)rcibene refonniren '):
C£oangclium ober Spiftcl in ber liüicffe mürben beutfeh uerlefen,
unb feine Pfarrer oerheiratheten fid).
.^artmuth tJon (ironberg mar ber näd)ftc ^lachbor ber Stabt
granffurt, unb fo ücrbanb fid) je^t |)utten mit il)m jur gel)be
gegen einen alten geinb auö bem 9Fteud)linifchen Streite l)cr, ber
il)n fo eben aufiJ 'Jleue gereift ben franffurtcr Pfarrer
1) OclolompQbiuS an 6bern6urg, 3unil622; in ^)uttcn’8 3(^rif»
len 11, S. 122 f.
420
II. 58ud^. 8. Äa^Uft.
<St. 53artl)ülomäi, ^ctcr ÜJicl)cr. Sieben Sdnnä^uii(\ bei* £ut()c=
rifc^cnSe^re auf bevÄtaii,^cl, l)attc biefer uic^t aUcin if)reu erften
^rebigor in granffurt, ^artmnmi gbac^, fonbern nud), tuic
uigften^ .sjuttcu glaubte, jeiuen 0d)ü^liug Otto isöruufel^, ber
unterbeffen ^^farrer in Stein Ijeim gemovben roar, bei bem main^cv
^ombedjanten al^ £utl)craner angegeben unb il)m boburd; eine
Verfolgung j^ugejogen, loeldjer Vrunfelö nur burd^ fdjleunigc
gludjt entfommen njar. 2^a^er loarfen fidj nun in ber gaften 1522
beibe 9titter auf ben Pfarrer unb trieben il)n bi«8 3^rinitati§,
tl)eib3 mit ^rol)briefen an il)ii felbft, tl)eilö mit Älagfd^reiben an
feine Obrigfeit, um. 9lad}bem fc^on am ©onntag S^emtni^cerc
^artmutl) eine SBarnungöfc^rift uor ben falfdjcn $ropt)eten unb
Söölfen, mit beiitlidjer ^inmeifung auf 3)ie^er, am 50^aintborc
ber Stabt l^atte anfd)lagen laffen, fd)idte am ^ienftag nad) ßä=
tare §utten oon ber Sidingifd)en Veftc SBartenberg auö einen
ge^bebrief an i!)n. „Dr. ^etcr mife, bag, nac^bem fein 2luft)ös
ren^ an bir ift, mir unb meinen guten greunben unb ölönncrn
VJibermärtigfeit ,^u crj^cigen, fonbern bu beineiS und)riftlic^en ^offesJ
unb beö tcuflifc^en (^ifteö, fo bu miber unö in beinern (^einütl)
empfangen, täglid) je meljr unb meljr fd)affeft, unb anber^ nit,
beim mie ein leibiger Scorpion ftetö unb oI;ne UnterlaS ^um
Stid^ bereit bift; alg bu bann je^o an bem frommen, d)riftlid)en unb
mo^(gelol)rtcii $errn Dtten Vrunfelö unb $errn ^ortmann gbad),
äiueien coangeIifd)cn ^rebigern, inbem bu fie oerrät^erife^ in gal)r
unb 9^otb bracht, fc^einbarlid) ju erfennen l)aft geben : fo foüt bu
miffen, ba§ ic^ t)infür, mit allem meinem Vermögen, burdj mid)
felbft unb alle, bie ic^ ^u meiner ^ulf bringen mag, in alle 2öeg
unb ©eftalt mir möglid) fein mirb, nac^ beinern fieib unb ©ut
trad)ten toill; unb foll bieg mein enblic^ Vermaurung gegen bir
fein, ba l)aft bn bic^ nad) ju rid)ten."
^m gleidjen Xagc erlieg §utten ein Schreiben an Vürger-
meifter unb 9iat^ ^u granffurt in ber Sac^c, in beffen ©ingang
er, um fid) ©unft /^u ermerben, fic^ barauf beruft, mic er „oon
feinen tinblic^en Xagen auf , unb befonberö feit er burd) Uebung
©lüdö unb Unglücfö etlic^ermogen 511 ©rfa^rnig meltlidjer Sachen
fommen, aHmegen ber SÄeinung gemefen, unb fo oiel i()m möglich
angebalten gäbe, bag Irrung, fo etma oiel gagr ger jmifdjen
etlicgcn be^ geil. 9teid)ö Stabten unb ctlidgen 00m gemeinen 2lbel
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^utlcn’S mit ^cter ^(^er.
421
ru’übt lüorbcu“ (grciinb ©icfiiicicu Ijattc aud) mit grniiffurt einen
böfen 0pan (icl)al)t), „auf9et)a6cn mürbe, nnb bie 5meen0tonbe,
an benen bic me()ver ^Ü^ac^t bentfd)er Station gelegen , nnterein*
onber ^ur 3Scrcinigung nnb grennbfc()aft fämen." «hierauf fingt
er ben Herren, mie il)r Pfarrer, Dr. 5Ifet)er, moI)I fd)on ^elin
3al)rc ber fomoI)l gegen (SJönncr nnb grennbe .fmtten')^, mie Dr.
SRcudjlin, alig gegen il)n felbft, obne ade Urfad) ein giftig, nat=
terifcb nnb überaus grimmig ©einiitb nnb SJfcinung getragen nnb
in 9^eb nnb §anblungen bemiefen l)abe. 0b if)m nun gleidj baö
mebe getban unb er fid) auch b^tte rächen fönnen, fo b^be er eö
bi^bet ^)od) bei ficb uerbrudt, unb mürbe bieg mobl auch ferner
getban b^ben, mo nicht 3)?eber nur menig Xagen bie SSunben,
fo fid) in feinem §erjen ^ur Teilung geftellt unb febon mit einem
iRumpf übcr5ogcn gemefen, mieber aufgeriffen unb erneuert batte
bureb bie $anblung gegen Otto iörunfelö, ben |)utten, um beffen
0ad)e ber feinigen mad)cn j^u fönnen, alö feinen 5)iener in
3(nfprud) nimmt, ^aburd) fiebt er fid) ^u ernftlicber ©egenmebr
genotbbrängt unb fteüt nun an ben franffurter 9^atf), bem er
auch bie gefäl)vlid)en Unruhen ju bebenfen gibt, meld)c bie gifti«
gen, und)riftlicben ^rebigten il)re§ S^farrerö leid)t ftiften fönnten,
bad Slnfinnen, fie mögen ficb „genannten Dr. ^eter'ö gän^lid)
entfcblagen, ihn alö einen unter bie Sd)afe eingeriffenen Si^olf,
alö einbeimifeb @ift unb oerle^licbe ^eftilen,^ öuö ihrer 0tabt tbun
unb abfonbern''; beim, mer fürberbin mehr mit biefem 5!eufel!S=
apoftel (JJemeinfebaft hätte, burd) ben mürbe ihm, Jütten, fieib ge^
fd)eben, unb ob aud) er ruhig fteben mollte, fei ju bebenfen, baß
oielleicbt jemanb anber^ (il)r 9^acbbar uon Sronberg) um .^ntten’i^
millen bem ^octor, menn fie biefen bei fid) behielten, ^u ihrem
0d)aben ^ufe^en möchte.
1)iefeö Schreiben an ben 9tatl) unterftübte Jütten burd)
einen ^rioatbrief an feinen greunb, ben einflußreichen Siathe^»
herrn ^hÜipV t)on gürftenberg. (Sr folle feine (5oHegen einzeln
^u (fünften be^J §utteirfd)en (^efud)^ bearbeiten unb nichts unters
laffen, maö j^ur isßertreibung ^d?et)er’ö bienen fönne. 0egen ben
©rjbifchof unb ba^ ^)omfapitel in ^J)fain,v an meld)e .^litten gleid)*
fallet einen uormurf^JooIlen unb bod) freunblid)en iörief, mie er
fagt, gefchricben h^iUe, unb ebenfo gegen ben ilaifer, mögen fie
fiel) mit ber (Gefahr entfchulbigen, melche ihnen oou etlid)cn bcs
422
II. ^ud^. 8. I^npitcl.
nad)bartcn §(bclic^cn brofie, bic i^ncn gef)bc aiigcfa^t ^abcn, fallö
fic bcn unruhigen Pfaffen nod) länger bei fic^ biilben mürben.
Ueberl)aupt fei i()nen jejt ein grofeeö genfter jur greibeit aufgc=
tban: fte follen nur 9J?utb foffen unb fid) nid)t bureb ein ober
ba« anbere @bict gleich einfcbüd)tcrn loffen. ^)ie früher fo mäd)=
tig gemefen, merben jejt ohne 9)kcht fein, ba ber Slbel ftch nadb
unb nach ^on benfclben trenne. 3lud) er felbft, $utten, fönue
ihnen in ber (Sache Söorfchub thun, befonber§ babur^, baß er
ihnen unter bem §lbel greunbe oerfchaffe, unb menn er, toie ^u
hoffen, nächftenö in ben iöefij oon Stecfelberg trete, moüen fic
gute 9tachbarfchaft jufaminen heilen. SBicr^ehn Xage fpätcr, am
11. 2lpril, ließ Jütten an ba^^ ^^hor ber ßicbfraucnfirdhe in
granffurt ^mei 5lbfagebricfe anfd}lagen, beren einer gegen bie
^rebigcrmönche, ber anbere gegen bic Surtifanen gerichtet, unb
worin, für ben gall, baß fte fich nicht mit ihm Ocrglichen, aUc
ilricgöleutc aufgeforbert waren, ihm heij^ufpringen unb jene fammt
ihren Sßerwanbten in 2)cutfd)s unb Söelfchlanb an Seib unb
@ut an^ugreifen.
^cr ©chriftenwechfel in bem ^anbcl mit 3J?eher ging noch
länger fort : ber ^Pfarrer löugnetc, waö ihm ©chulb gegeben war ;
iBürgermeifter unb fRath bon granffurt oerwiefen bcn fRittcr an
bic gciftlichc DDrigfeit, ba fie bcn Pfarrer nicht ^u feheu ober ju
entfegen hnben; Jütten meinte, aber aud) ©(^u^ foUten fic ihm
feinen gewähren, fonbern ihn fein 5lbcntcucr gegen §uttcn unb
bie ©einigen bcftchen laffen; worauf ^üvgcrmcifter unb fRath
erwieberten, ©ewalt gegen jemanb in ihrer ©tabt ober ÖJebiet 511
geftatten, wolle ihnen, wie ber Dritter felbft ermeffen werbe, nicht
gebühren. ^iefeiJ 3lbfcrtigung^fd)reiben an .Jmtten ift 00m 3)on»
nerftag nach ßantate*): nun banb aber am ^fingftmontag §art*
mutl) uon (Sronberg mit SReper an unb fuhr mit Q^cfchrungöber*
fliehen unb Drohungen fo i\ubringlich fort, baß ber beläftigte
Pfarrer am ®on nerftag nad) Xrinitatiö bcn ©chu^ bcö 9iathce
in Slnfpruch nahm. Söenige 3ahrc fpötcr inbeß, 1525, jagten
bic granffurter felbft ben hünbelfüchtigen Pfaffen auö ber ©tabt.
2Benn eö un^ befremben muß, bic bcabfichtigte IBcrbrübcs
1) -5)ie ?lctenflü(fc f. in ^utten’8 ©(^rifien II, 6. 116—122. 2)cr ^rief
an SUrftcnDcrg ebenbaj. 6. 114 f.
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^utten'S ^rma^nunQ an 9Borm§.
423
runfl .^wifc^cn §lbct iinb @täbtcn uon §uttcn burc^ einen 3^«^
biefer 2(rt eingcleitct ju fe^cn, fo finben toir unö burd) bie üöc^
jie^unp, in bic er fic^ ipcniflc 2J^onate fpätcv mit bei* ©labt
SBovmö fc^te, auö einem onbern ©runbe überraf^t. Son ©iefins
flen'ö SJJcftc Sanbftu^l auiS erlieg er am ©onntag nac^ Safobi
ein ©enbfe^reiben an biefelbe ©tabt 2öürmö‘), melc^e mie feine
anbere eine 0leil)e non fahren f)inburcb uon ©iefingen aufig Un*
uerantmortlic^fte befc^äbigt unb mit biefem nod) fo menig grünb»
lic^ uertragen mar, bag er roä^renb bcS lebten S^leicgötagö fieg
nid)t getraut fie ju betreten. 2)ie|eg |>anbelö gebenft
$utten in feinem ©c^reiben gar nic^t, unb mirfli^ mar er auc^
uon ber Slrt, bag er nic^t entfc^ulbigt, fonbern nur etma burc^
ein böl)eted, ber ©tabt unb bem SRitter gemeinfameiS Sntereffe,
menn ein folc^eö fic^ fanb, in S^ergeffen^eit geftetlt merben fonnte.
2)aö glaubte nun Jütten in ber IReformation gegeben, unb in=
bem er bie Xgcilnagme berSöormfer an biefer belebte, moegte er
hoffen, nebenbei auch jur ^ludgleichung ihred 3‘^^*®ürfniffeö mit
©iefingen baö 33efte gethan ju h^ijcn.
2)ic SBormfer hatten einen ^rebiger 5Ramenö Ulrid), ber
ihnen bie euangelifche Sehre uortrug. unb neben uielem ?(nflang
unter ber 33ürgcrfd)aft, uon ©eiten ber römifch gefilmten ©eift=
lichfeit, befonberö eine« ^farrerig 2)aniel, uiel ^Infeinbung fanb.
2)er ©tobt megen biefeö ifl ihr aufgegangeneu SichteiJ ÖUüd ^u
münfehen, fie jum 33ehanen bei ber SBahrheit, ^um 3Ruthe für
ben gall ber Slnfcchtung ju ermahnen, ift bie Slufgabe, bie fich
Jütten in feinem ©chreiben fe^t. ^en meltlichen Herren fei man
nur in meltlichen Gingen Öehorfam fchulbig; uerlangen fie mehr,
fo fei SBiberftanb nidjt nur erloubt, fonbern Pflicht. Stuf bie
geiftlichen Herren aber, bie !öifchöfc, gebühre ben ÖJcmciuben boiJ
^uffichtörecht, unb beffer märe, menn fie auch baö SSJahlrecht
hätten unb biefer ni^t ben trunfenen 3)omherrcn übcrliegen: fo
mürben mir nid)t, ftatt frommer unb gelehrter Seute, fo uiel
reifiger üöifchöfc in beutfehen Sanben gnben. S5or bem ^^ifchof
uon SBormö, 9teinl)arb uon Dlieppur, hotte fegon uor anberthalb
Sohren Jütten feinen greunb iöueer ald uor einem 3J^anne ge*
1) din bemütigr rrmanung an rin grmrqne flatt 9Bormbi 8(^nfitn II,
e. 124—130.
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424
II. ^u(^. 8. Änpitct.
lüarnt, bcr um feinet $affe^ gegen bie9?efürmation willen bereite
aud) bcr Ijumaiiiftifc^cu SRic^tung feinb geworben fei.
er ben Söormfcrn ocrftönblic^ genug, wo fic einen ^i|d)of ober
^robft bei ftd^ ptten, bcr feine weltliche ÖJewalt bem ©oongcs
lium ^uwiber brauchte, unb auf oorangegangene gütliche @rmal)-
nung unb iöcbro^ung oon feinem gürnc^men nid)t abftet)en
wollte, bem mögen fie auö gutem ©ewiffen mit bem ©d)Wert begeg^
nen unb i^n mit ©cwalt oon fid^ treiben. ®abei fei il)ncn @ots
te^ 0d)u^ gewiß, unter bem fic fieß oor gürften nießt j\u fürchten
braud^cn; unb fclbft mcnfd^licßcr öeiftanb werbe ißnen nidjt
fehlen, inbem ißre 23el)arrlicßfcit in ber guten 0acße ißnen oielc
greunbe, fclbft unter benen, bic it)uen bii^ljer feinb gewefen
(©idingen), erwerben werbe: fie fcl)cn ja, wie jc^t faft olle ©tobte,
bcr mehrere Xßcil oom Slbel unb baö gemeine SSolf bem ©oan*
gelium anl)angen. ©ic mögen an ißm unb anbern ein 33eifbiel
iiel)mcn, bic and) um iöcfenntniß ber SSal)rl)cit willen eine ßeit
laug unauöfprccßlicß große Verfolgung erlitten ßaben unb nod)
leiben, aber bod) beftänbig bleiben, gür fieß oerfprießt §uttcn,
' mit ©otteö §ülfe, Vcßarrlid^fcit biö anö @nbe. „©old) gür^
neßmen", fagt er, „foH mir fein Vitt abfcßmcicßcln , fein 2)rau
abfeßreefen, fein (SJelb abfaufen ; benn id^ weiß, an wen icß glaub,
unb baß mieß @ott nießt ocrlaffcn wirb." Neffen mögen aueß
fic mit il)m fid) tröften, unb ißn, ber ißnen ju allem ©Uten in
ßßrifto geneigt fei, in ißre Vrüberfcßaft befohlen ßaben.
3um ©d^lagen fam c§ bei all biefen ?Inläffen nic^t; boc^
fc^cint cö für .^utten ein Vebürfniß gewefen j^u fein, fo Icibenb
er aud) feßon war, fid) für bic Unmöglic^feit, im ©roßen ju
wirfen, bur^ fRittcrftrci^c im kleinen fd)abloö ju l)altcn. Um
biefc ßeit war cö ol)nc 3tt?cifel, baß er, wie (Sraömuö ißm wicber^
l)olt alö etwaö allgemein VcfanntciS oorwirft, im pfäljifc^cn ©e=
biete brei Siebte auf offener ©traße röuberifcß überßcl, wofür
bcr ^^urfürft Oon bcr ^Sfalj einem feiner Wiener ben Äopf ab=
fd)lagcn ließ unb il)n felbft mit feiner fRaeße bcbro^tc. Db an
ber weitern @rüömifd)cn Staeßrebe etwaö ift, baß Jütten auc^
§wei V^^^^iü^nnöneßen bie Oßren abgefeßnitten , ober ßabc ah-
fd)ncibcn laffen'), wollen wir nid)t cntfd)eiben; fic erinnert an
1) 6rQ§mu§ nn Jütten, 25. 3Jlerj 1B23; an Cutter, 8. 3Jloi 1524, in
^uttcn’S ©d^ciften II, 6. 178 f. 409 f.
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Äilicrflrcid|c.
425
eine ©teile in ben 2)un!clinönncrbricfcii, tüo cts Jütten
l)nbe cininol wenn il)in bic ^rcbit^erinönc^c träten, wa^
ftc Slcuc^lin 9ctI)Qn, wollte er il)r geinb werben, nnb wo er einen
fänbe, i^m 9ia{e nnb Obren abfebneiben ^).
3m 3J?Qi 1522 war ber ifaifer, bureb Unrnben in©panien
nb^eriifen, auö ben 9iieberlanben babin abßcfcßelt, mit
laffiincj eineö ?Reid)öre9iment‘5, baö er ungern genug, feiner 2öabl='
CQpitnlation gemäg, auf bem 9ieicb‘otage ^u 2Öormö bem 5liis
bringen ber Ä'urfürften bewilligt b^Hc. 3n biefent waren bic
Änrfürftcn jeber bureb' einen 5lbgcorbnctcn , bann geiftlicbe nnb
weltliche 5^rftcn, Prälaten nnb ©rofen narf) 6 Älrcifcu, cnblicb
bie fömmtlicbcn fReicb^ftäbte burd) ^wei 2(bgcorbnctc, bic 9titter*
febaft aber gar nicht oertreten. Äein SBunber, bag fic nn^nfricben
war unb in ihre Un^ufriebenbeit bic ©töbte hinein, yijicben fud)tc,
bie im SScrl)ältnib j^u ihrer iöcbcutung unb ihren Seiftungen
gleichfalls ju febtnaeb oertreten, unb bamalS überbicb burd) ben
^lan beS fRcicbSregimcntS, baS gefammte beutfebe 5Rcid) mit einer
ßolllinic ^u umjiebcn, beunruhigt waren, ^cn ©oangclifd)^
(SJefinnten im fRcicbc bnttc j^ubem baS ^Regiment gleid) nach feiner
(Jinfe^ung §(nla§ j^um 9J?ibücrgnügcn gegeben. SGBäbrenb fiutber’S
2lbwcfenbeit auf ber Söartburg waren ^u Söittcnbcrg unter ilarU
ftabt'S Einführung jene gcwaltfamen fireblicben Steuerungen oor*
genommen worben, welche im SQter)^ ben fReformator jur eigen*
mächtigen Slücffcbr oeranlaftten. Elbcr febon im 3unuar butte
ber oltgläubige $cr;\og @eorg oon ©ad)fen, ber eben, bem ein*
geführten 5^urnuS gemäß, ^u Stürnberg anwefenb war, bem
Siegiment ein (Sbict abjugewinnen gewußt, welches bie 53ifcböfc
oon Staumburg, SReißen unb SRerfeburg anwieS, fid) ben Steu*
crungen in SBittenberg ju wiberfe^cn unb bie alten fireblicben
Bräuche aufrecht ju erhalten.
5)iefe EJerbältniffc fd)ienen ber 3bcc, welcher glitten in
feiner lebten 3rit oorjugSweifc naebging, ber 3bee einer ^er*
cinigung .^wifeben fRittcrfcbilft nnb ©täbten i\um iöel)ufc einer
fircblicb'Volitifd)en fRcicbSrcfonu, fid) oon felbft bor^u bieten, unb
er fpracb fic baber oon Steuern in ber anbringlid)cn gönn eines
1) Epist. übsc. virorum II, 55.
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426
II. ®ud^. 8. ffopitfl.
beutfd)cn ©cbic^tc*:^ au^, iDcldE)eä er Scflaguiifl bcr J^ciftöbte
bcutfcf)cr 9intion benannte^. 3^r frommen 0täbtc, beginnt er,
frommen Stöbt, nun ^abt in ?ld(|t
2)f§ flmeinen beutfe^en 9lbcl8 föloc^t,
3ief|t ben ju eud^, oertraut i^m toobl:
34 ft«rb, tt)o’§ eu4 gereuen foll.
3^r fc^t, bafe i^r mit i^m suglci4
33|4toert »erbt bur4 ber Xironnen 9tei4#
5)ie je^t all onber Stönb oerbrudt,
3UIein fi4 ^onb ^erfürgerudt —
nömlic^ bic gürften; oon benen jeboc^ nur bic fc^limmen, nid^t
bie guten, gemeint fein follen.
2)en armen ?lbel freffen fie,
Unb fu4en tägli^ Söeg unb 9tat^,
S)afe je bei Sreil^cit bleib fein Stabt;
6in J^eil fie ^anb gejtounßen |4on,
®ie anbern igt fte festen an . . .
Unb ijt allein i^r 9Kut^ unb Sinn,
3u nehmen beutf^c Srei^eit ^in . . .
9lun ifi brin, meim 93ebunfen na4,
3u pnben fRat^ ein leiste Sa4,
2>ann e§ toirb fta^n barauf allein,
2)q& mir un§ rotten in gemein,
Unb fe^en Stöbt bem ?lbel ju,
Xer 9lbel fol^S au4 micber t^u;
S)ann burtb ein fol4 SJereinung mag
Un§ merben greifen, mic i4 fog,
Unb ift fein onber ?lr3enei,
®ie un§ mo4 unfrer Äronf^eit frei.
@inft fei bie Äaifermac^t in ^eutfc^lanb bcr ^ort bcr ©c^mac^cn
gegen ©cmalt geiocfcn:
Xa mo4t ein armer 9littermann
6in dürften, ber i^m ßeibS get^on,
3u Tlntwort bringen unb ju 9te4t,
Unb marb ein jebe Stabt oerfe^t.
2öem jofl man ober flogen i^t?
^ic Äaifcrmac^t ift burc^ ben fc^nöben ^onbcl, mclcl)cn bic gürfteu
bei bcr Ickten SBa^l mit bcrfelben getrieben, burc^ bic SSerfprcs
1} 33eflagunge ber Ofreiftette teutj^er notion. S^riften III, S. 627—537.
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§utten’§ ®cffn0uttfl ber f^rfifläWc t>eutj(^fr 9lotion. 427
d)ungcii, metc^c Äarl bcii cinschtcn für iljrc ©timmcn nmd]cn
mußte, tief I)cruntcr^cbvacßt. 9tun fönnen bic gürftcii firf) allc^
erlauben.
Xtum ri(t)ten’8 neu ^efc^werunfl on,
2)er njiU ein 3ofl, ber onbreS ^on,
3;;q8 ntuft i^m »erben confirmirt,
J^in»ieber niemonb apbetütt:
2(m ilürtQQ worb’S i^m jufiefngt.
3c^ meiß, fäßrt §uttcn ßier fort (eine Slbnuntj, meldjc mir ißn
auc^ in bem ©rmicberung^gebid^t au (Soban auöfprcc^cn gürten),
»etfe, »erb nodf) ConbS üerjagt,
Um ba^ 8old)§ ntc^t f4l»eioen fann,
Unb nimm beS '2)ing8 allein mi(^ an;
ift e§ »a^r, unb i[t nit re^t,
3Jtan »otl benn mactien frumm ju jfbleebt
Unb »anbeln f(^»ar) in »eig ® eftalt:
Tlflein bie Sürßen (jan ben @»alt,
®en brau^enS i^rem ©lüften nad),
^t)an'§ Unre<t|t f(bon, fo ift fein 9ta(ti;
9limmt jd^on ein §ürÜ mir »iber 9?cct)t,
2Bem fofl icb§ flagen? IBin fein Änet^t,
3d> »oHt8 bann flogen bem ber§ nimmt,
b. l). ben im fRcid)^rcgiment übermiegenb ücrtrctcncn gürften;
bic übrigenö ber ©ac^cn fid) nidit einmal perfönlid) annel)men,
fonbern auö 2lrbcitöfd)eu aücd il)ven beftedjlidjcn ©c^rciberu über»
laffen, burc^ mclc^e bic fRcgicvuug foftfpielig unb bic öcbvücfung
bcö Ißolfd immer t)ärtcr mirb. ^al)in mirft aber aud) bic unbe»
grenzte ^abfuc^t ber gürften fclbft.
3ft au4l ein 5ürft, ber ^ob su oiel?
3(f) frag: ift einer, ber baf> flnug,
Unb nit auf »citer Ütutjung lug?
flJtftctlt i(^ (fie fprec^en) finben 9iot^,
mir ȟrb bienftbar biefe 6tabt!
^at et»a§ bann ein ßbelmann,
®aS ftöftt ein dürften tierrfcbaft an
Unb ift gelegen feinem Sanb:
9alb »irb if)m f^orbrung jugefanbt;
Tlud) balten'8 IBrief unb Siegel feim . . .
®a§ Umgreifen ber gürftenmadjt mirb einem uncrfättlid)cn 9lac^cn
ocrglic^cn :
428
II. 8. ilflpitel.
Xrn ?lbcl ^at er ftfrcffcn f(^on;
loiH er ju ben Stöbten gon,
Teil je^t er auf ein neuen 3oU-
Sag on, bu 2DoI[, tt)ann bift bu üoü?
Tenffi nif, bofe etioan Ifim ein Tag,
Ter bir bis^ier nerborgen log,
Taft bu niufet jpeien ou8 ben i^roft?
^Jiun i]cbc uuüciibi:^ bic ©ntfernung bcig Äaifero baö iRcid) ber
cli}cnjüd)ticicn 5ürftcnmad)t preiö :
Tie i)enfen ihre Äbpf jugleicb
3n einen iRott), bnfe ibnii bo§ 9ieii^
9Io(b Villen gonj bleib untert()an:
Ten iloijer obgefertigt ^on,
Ter jeud^t nun üon un§ über 5Recr,
@ie molln nit, bnß er roiebericbr;
Tenn oflen ©malt beS ü^oiferS,
®on i^m gegeben, b^alten fte.
Um aber jebe ÄUijic über if)rc 511 cvfticfen,
Trum bobcn’S nod) ein§ giongen an,
58erbieten Toctor Cut^er’S ße^r,
'ÄI8 ob fte irgenbS jlräflitb wär;
Tenn SOo^rbeit inögcn’S leiten nit,
3ft »iber i^ren 33roucb unb Sitt . . .
Trum, fromme otflbt, eu^ moc^t bereit,
Unb neOmt be§ 9lbel§ greunbfd^aft on.
So mag man biefen miberfto^n,
Uno Reifen beutfe^er fRotion
53ermeiben Sd^oben, Spott unb ^o^n . . .
iDü.^u ber .^crr 6l)riftuö um feinen iöciftanb gebeten luirb.
©et)en mit in ber jule^t betrachteten 9^cihc ^utten'fchcr
©cfiriften burd) ben ®rang ber Sierhältniffc ben ©tolj^ beö SRit*
tevö fo meit herabgeftimmt, bag er ben ©täbten, ben üon i()m
fonft fo ocrachtctcn ^irämern, bie $anb ^um ^-öunbe rcid)t: fo
liegt, befonber» roenn man in ber ®cfd)i^tc um etliche 3^1)^^
i)orau‘5blicft, bie ual)e, ob er, um feinen ^^lanen ben gcl)ö*
rigeu 9tad)brud ju uerfchaffen, nidjt noch einen 0d)ritt mcitcr
gegangen fei unb barauf gebucht h^ibe, aud) bie 33auerfchaft jur
Söerbefferung ber öffentlichen ß^^ftünbe aufjubieten. ihui
ber ©ebnnfe nid)t fremb mar, ein länger fortgefe^ter SBiberftnnb
ber äRadjthaber gegen bie fReform bürfte am (Jnbe einen Slufs
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9{eu l^arft^an§.
429
ruljr beö flcnicinen S3olfö ()crbcifü{)ren, ^aben tüir bereite gcfun=
ben, unb fiub nomcutlid) in feiner fnU)ev erörterten (£ntfd)iilbi<
fliingöfdjrift auf eine Stelle cjefto6en, bie eine SiJeiffaflung be$
iöauernfriegd ^ei§en tonnte*}. Db er mm aber ein folc^eö
©reignig nur befürchtet unb fein möglichecJ (Eintreten ben §err^
fchern aU iEBnrnuufl oorcjehalten, ober ob er gemeint getuefen,
im oorfommenbeu galle fiel) beffelben ju feinen 3^*^ccten ju be*
bienen unb jc^t fd)on eine S3erbrüberung nid)t blo6 ^mifdjen ?Ibel
unb Stabten, fouberu and) jtuifchen beibeu unb ber '^auerfdjaft
an^uba()uen, ift eine anbere grage. 9toch in ber gebuchten @nts
fchulbigung!^fchrift oei-fid}ert Jütten, für ben gall, bag er miber
3fiecht mit thrannifcher ©emalt überfallen mürbe, folle man fehen,
bag er nicht, mie man ihm Sd}ulb gebe, einen lofen, leichtfertig
gen Raufen, fonberu ehrbare, reblidje unb tapfere iieutc an fich
gehöugt h^be*). Db er unter bem lofen, leid)tfertigeu Raufen,
mit bem er nid)tö ^u tl)un l)^*ben mill, bie '.Üauerfchaft oerftanben
ober nid}t; ob er, menu er ihre '-bunbe^ägenoffeufchaft bamalö noch
üerfd)inähte, in 3olge ber Srgebniffe beß mormfer 9ieid)ßtagß fid}
ba^u bequemt h^be, aud) fie in ^nfprud) /^u nehmen: biefegragen
hängen mit ber über feine ibc^iehuug 511 bem bcutfd}en (^3efpräd)e:
9teu Äarfthanß, jufammen, baß, ohne .^putten » ^Jtamen ,^u tragen,
ihm bod) bon jeher üon manchen ^ugefdjriebeu morben ift.
gn feinem Xitel meift biefeo QJefpräd) auf ein früher unter
bem Flamen Äarftljanß, gleidjfallß ohne Eingabe beö SSerfafferß,
erfchieneneß jurücf, meldjeß eine 511 C33unfteu ßiither'ß gefchriebeue
Satire auf Xhomaß ä)iurnet’ß Seithcibiguug beß ^apftthumß
mar unb oielen Änflong gefunbeu h^tte. 3n bemfelben unters
reben fich ^dJiercur, ein Stubent, iJuther unb Üarfthanß, biefer in
ber Literatur jener gahre eine tqpifche gigur, bie reformluftige,
bibel» aber aud) ht*nbfefte unb im 9iotl)falle ^um Xreinfd}lagen
aufgelegte iöauerfdjuft oorftelleub, mit Ü)iurner, ber auf bem
Xitelblatte neben feinen iüiitunterrcbnern mit einem Ataterfopfe
abgebilbet ift. SBährenb man bei biefem frühem C^Jefprüche burch
nichtß an^utten erinnert mirb, h^t bagegen ber neue Äarfthanß*)
1) S. oben, 8. 361 f.
2) SebrifUn II, 8. 144 f.
3) Ökiprrtb bied)Un iifUtt) ÄarflbonS. i^uttcn’8 Schritten IV, 8.649— 681.
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430 II. 8. j^apitel.
mit bcö JRittcr^ Slrt in ©cbanfcn unb SBortrag eine bemerfenS=
mcrtljc ^ef)nlid)fcit.
2öie in ben meiften bcr neueren ©efpvöd^e ^uttcn’ö ift
5ron^ üon ©iefingen einer bcr Unterrebenben, bereit, mie im
jmciten Söarner, außer i^m nur nod^ einer, nämlic^ Äarft^an5,
ber isöauer, ift, mcld)cm gegenüber bie .*pQuptroüe, bie ber betet)-
renben Stuctorität, bem Ütittcr ^ufäüt. Jütten tritt in biefem
®efpräd)e nic^t, mie in ber ÖuUe unb ben SRäubern, mitrebenb
unb ^anbelnb auf; bafür meift aber ©iefingen für bie eigentlich
gelehrten unter ben üöclel)rungen, bie er bem 33aueri^mann crtheilt,
jebe^mal auf §utten, al^ auf bie OucUe berfelben l)in. 2)ie ^eit,
in melcher ba^^efpräd) gehalten fein luill, ift ber Sommer 1521;
benn biefen SEöinter, fagt barin Siefingen, höbe er mit §utten auf
ber (Sbernburg ßuther')§ Sd)iiften getefen, unb ber ©aucri^mann
münfeht ihm (^lücf ^u bem 33cfel)l unb ilricg^j^eug, moju ihn ber
Äaifer uerorbnet l)obe: j\u bem guge gegen ben $er5og oon
öouillon unb gegen granfreich aber, ber hier allein gemeint fein
fann, mürbe grans, mie mir gcfcljen ho^cn, im3util521 befteUt.
®ie Situation ift bie, baß beriöaucr, inbein er bemfRittcr
gebad)termaßcn (^lücf münfeht, oon biefem megen feinet „crnftifchen"
Öuöfehenö berufen mirb; mooon er bie ^lacfercicn üon Seiten
ber Pfaffen alö bie Urfadjc angibt. (Se ift ^unäd)ft bie alte
Älage über bie fogenannten Senbgcridjte, bie and einem Organ bcr
Ä‘irchcn5ud)t längft ju einer (^elbquelle für bie @ciftlid)cn gcmor=
ben maren, mclchc biefe burdj aufgcftellte ?lngeber möglichft er*
giebig j\u mad)en fud)ten. So mar Äarfthan^ megen einer
perci erft im Senb angegeben, bann oon bem Official in ®elb-
ftrafe genommen unb cnblich, mcil er auch ben ermäßigten betrag,
auf mclchcn jener mit fich hotte honbctn laffen, nicht foglcich
gaiii\ erlegen fonnte, in ben 33ann gethon morben. Sranj ücrs
fpricht il)m fein gürmort beim 33ifchof, aber bcr ^aucr meint,
menn eä einmal, mie er hoffe, jur 5lbrcd)nung mit ben Pfaffen
fomme, merbe er bieß unb anbcrcö nicht oergeffen. „Jürmaht
fehlet e^ allein baran", fc^t er hmju, „baß mir bcr Sachen einen
^auptmann hotten, fo.mürb' cö gehen.'' SBie alfo in ben 5Räu-
bem ber fftittcr bem Stäbter bie $anb ;^um 8unbe gegen bie
Söcbrücfungcn, houptfäd)lich ber ©eiftlichfeit, bietet, fo mirb hier
oon Seiten ber löaucrfdjoft ein ritterlicher ^Inführer ^um itampfc
9{eu S^arft^onS.
431
flCQcn bie Pfaffen geforbert, unb ^tuar ift ipic fid) bolb ergibt,
auf ©iefingen fctbft abgcfet)cn, t)on iüelc^cm, fagt Äarftljon^, fein
unb feinc^gleid}en fefte ßanerfic^t fei, er merbe noc^ einmal „al^
ein ^au^)tmann il)rc (ber ^fa^cn) böfe ©tud Reifen ftrafen".
(^anj mie e^ üicr 3al)re fpäter mirflid) fnm: mo, nadjbem
0idingcn bal)in mar, bie empörten dauern fein 9tac^bilb im
kleinen unb ©roben, ®öp üon Scrlic^ingen , jur ^auptmann*
fc^aft preßten.
3u biefem 5lnfinncn uerßält fid) bev ©idingen bcö ©cfpräc^ö
junäc^ft au^mcic^enb. einem
§lufi*ut)r beö gemeinen Söolf^ fommen merbe, ift au^ feine Ueber*
jeugung; aber, mie Jütten in feiner (£ntfd)ulbigung, fürchtet er
biefen Srfolg unb fud)t ißn abjumenben, meil ber große |)aufe
mit Unoernunft brein ^u fc^lagcn unb gegen ben Unf^ulbigcn
mic gegen ben ©d^ulbigcn ,j^u mütßen pflege, ©o oft bal)er ber
liöauer nac^itarft unb^4^flegcl ruft, um bamit ^ujufc^logen, mirb
er oon Siefingen erft jum gcbulbigen Slbmartcti oenoiefen, bann,
für ben gall, baß e§ bod) ;^um 2)reinfcßlagen fommen foHte, er^
moßnt, nid)t au^ iitigennu^, 3^teib ober S^ac^begier, fonbern in
c^riftlicßer 9Jteinung, um ©ottcö unb ber @ered)tigfeit miüen ju l)ans
beln, ba nur bann ba^ ißorgeßen ißm mol)l erfd)ießen merbe. 2öa^
aber bie Hoffnung ber öaucrfc^aft betrifft, baß ©idingen felbft
an il)re ©pi^e fic^ fteHen merbe, batauf antmortet er oorerft,
bojjJ miffc er noc^ nic^t, unb l)abc eä bi^ ba^cr unferm $errn
• ©Ott befohlen, miemo^l er oiel UebeU burd^ bie ©eiftlic^en geübt
merben feße. Söciter aber auf bie ©inmenbung be^ ^auerö, baß
er fic^ ja an^eifc^ig gemacht b^be, fiut^er ju febirmen, mie er
Jütten febon je(jt in feinen ©ebu^ genommen’ höbe, befennt
©idingen, baß er ßutber, beffen ©ebriften, fo meit er fie gclefen,
er anberd nicht benn cbriftlicb unb mobl gefebrieben erfennc, falld
ibm ©emalt unb Unred)t miberfübre, mit ^ülf unb $Ratb nicht •
uerloffen mürbe. Jütten holte er bei fid) ald feinen guten greunb,
unb ber in feinen 9tötben 3oflucbt bei ihm gefuebt höbe; auch
Oon ihm miffe er nicht anberö, aU baß er bi^bet bie lautere
SGöabrbcit, auö ehrlichen Urfacben unb ju feinem großen perfön^
lieben ©ebaben, gefebrieben höbe; baber merbe er auch il)n, fo
lange er bei ihm fei, nicht oergemaltigen laffen. ^)ocb auch über
biefe 5)efcufioc l)ioouö erflärt ber ©idingen bcij ©efpröcb*^, ba
432
II. 8. I^Qpiiet.
er bic ber ©träfe für bie Uebe(t(}äter gefommen glaubt, fid)
bereit, fallö (^ott aud) iljii 511 folc^cm ©efc^äfte brauchen tvoüc,
fein (ijebüt ju erfüllen. er, noc^ ben (Erfahrungen beö
tuormfer Slcich^tagö, nod; immer bic Hoffnung äußert, Ä^aifcr
Äarl merbe nicht länger päpftifd) fein unb bann felbft bie 9fteform
in bic ^anb nehmen, ift freilid) anffallenb unb uom SSerfaffer
aud) tüühl fchmcrlid) ernft gemeint. Unerachtet alfo eine auö=
brüdlichc bcö StitteriS an ben ^auerämann in betreff ber
,5)anptmannfchaft fid) im (^e)präche nid)t finbet, fagt bod) i^arft*
hanö (um üon ben angel)ängtcn ^rtifcln noch öbi^ufehen) in ben
Steimen auf bem Xitclblatt, er fei „mit @beln (Eiui^ getoorben",
nnb merbe feinerfeitö „mit §änben jugreifen; ein anbrer möge
auch ^eftcö thun".
5lHc übrigen Sbecn beö ©cfpräch^ finbfo ganj §uttcnifch,
baß fich bem ©inne nach ju allen, ju manchen auch ben Söortcn
nach, ^araUelcn in ben un^meifclhaften ©(hriften ^utten’jS fin=
ben. Unb ßc|tercd ift gcrabe bei folchen gbeen ber gall, bie me*
niger allgemeine 3‘^*^‘^*U’<i}t^uungcn alö perfönlid)c iiicbling-Sgc*
banfen unfreiS S^itterS bilben, ober biefem bod) befonber^ nahe
lagen, ^ahin gehört ber Söibcrfprud) gegen bic oerbreitete 3)iei*
nung, alö mären bie ^omftifter Slnftalten , bereu Erhaltung im
Sntereffe beö ^ilbel^ liege, ^ier ift, maö im neuen Ä'arfthauiS
gefagt mirb, faft Ueberfepung einer ©teile in ben iHäubern. ®ic
©rfchöpfung beö main^^er ©r^ftiftö burch ben höußgen Radien*
lauf binnen SÜ^enfehengebenfen, bie ^faffenherrfchaft im granfen* •
lanbe, merben hier ebenfo mie im Sabiöcuö unb in ben IRäubcrn
gerügt, unb babei beö @r;\bifchofö 2llbred)t mit bcrfclbcn fehonen*
ben ^ödfid)t gebucht, mie mir fie fonft oon ©eiten $utten'^ ge*
gen ihn beobachtet ßnben. ^ie öemunberung für 3i®^o wnb
feine fcharfen 3)iaßregcln, um Böhmen oon ben faulen iKönd)cn
• ju fäubern unb oon ber römifchen Äncchtfchaft ^u befreien,
fpricht fich hier ebenfo mie im ^meiten äöarncr au<J^). 5lber c^
fonnte auch ein anbercr, befonberö menn cö einer auö bem bama*
1) SJßl. 9lcu i^orfi^QnS §. 95 mit Praedones §. 109. 110. 114; 9leu
i^or|i^an§ §. 96 mit VadiscuB §. 92 unb Praed. §. 178. 179; 9tcu Äorg»
hnn§ §. 92 mit Monitor II, §. 24—27.
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Jttu Porfl^anS. 483
ligcn ebcrnburgcr toifc voax, biefc ©ebanfen ^uttcn'g ftd) ongc^
eignet ^aben.
6^ ift bereite ertüä^nt tnorben, bag ber (Sicfingen bc§ ®e=
fVräd)ö n)iebed)oU auf Jütten, alö feine gelehrte Vluctoritöt, fich
beruft. 2)ie §lrt, n)ic bic6 gcfchie^t, ift, fünftlcrifch betrachtet,
QÜerliebft. 9tachbem ber S^tittcr bcn mähten 53cruf ber ©eiftlid)-
feit, im ©egenfa^e gegen ihre bamalige SBermeltlidjung, mit großer
!Öibelfeftigfeit and bcn ^aulinifchcn ^Briefen bargclcgt h^t, fällt
Äarfthanö ein: „Snnfer, mid) munbert, mo il)r folch 3)ing ge?
lernt höbt; i^ bin an euch nit gemohnt, bag il)t alfo grünblich
pfleget au^ ber l)til- ©efehrifft ju reben."' SSorauf ihm granj
erzählt, mie er ücrgangcnen Söinter mit §utten in ber IRegel
nach ^ifcht ßuther'ö Bücher gelefcn unb über baö ©üangelium
unb bie apoftolifchen Schriften fid) unterhalten höbe. @in anber?
mal hötte ber ^Ritter non Zeremonien gcfprochen. ,,3unfer'',
fragt ihn itarftl)anö barauf, „roaö feinb Zormoniuö?'' Söorauf
©idingen antmortet: „^ain^, Zeremonie, alö mid) Jütten bericht,
heiSen äu6erlid)c ZJebärben" u. f. m. §(bcr aud) bie öuUe In
coena Domini l)öt Jütten feinem (^jaftfreunbe ücrbcut)cht, unb
maö ber $oct ^lautuö ^u bcn geizigen grauen fprid)t, höt lehtercr
üon crftcrcm gehört. 3nbcffen auch biefeö IBcrhältnig mar ba?
moU, fclbft über bcn ebernburger Ärei§ hiööuö, burd) gebrudte
©chriften |)uttcn'!g bcfamit, unb man tonnte fogar finben, bag
cö Jütten fclbft meniger alö einem ^»ritten anftanb, feine gelehrte
?(uctorität über ben ©aftfreunb in fold)cr SBcifc httuoräuheben.
?luch bie ©emeiöführung auö Sibclftclien, bie, obmohl h^trin
Jütten in ber lebten Zrtlcdlid)cö leiftete, hoch in biefem
Zlejprächc noch um ein ZJutCiS breiter gerathen ift, mehr no^ bie
patriftifche ZJclchrfamteit, bie cd cntmidelt, fd)cinen auf einen ber
tl)cologifchcn ZJäftc hinj^umcifen, beren bamald Slquila, ©uccr,
Dcfolampabiud unb 0chmcbel auf ber Zbernburg im oertrauten
Umgänge mit bem !0urghcrrn unb feinem ritterlichen ©qftc fid)
befanben. iööding'd Sermuthung auf bcn feingebilbeten Oefo?
lampabiud ald 3^erfaffcr höt üiel für fich-
Sßon Sffeuem bietet fid) und l)irr eine Sßöhrnchmung bar,
auf bie mir im ^öcrlaufc unferer ^arftellung fd)on öfter ge?
ftofeen finb. 3n mo gro^e geiftige Strömungen alle
ZHicber unb Sd)id)tcn cined S3olted bemegen, mirb and) bie fd)dft?
Vn. 28
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434
II. 8. Ä(OiHel.
ftcflcrifd^c ^robuction t)crr)ältniSmä6i(^ c^cgcn fonft eine gemein*
famc @abc, unb cö gibt feinen §omer, bem nid)t ^omeriben jur
0citc träten, bereu ©r^eugniffe ben {einigen j\um SSermcc^feln
ö()nlic^ fef)cn.
?lbfid)tliclj l)abcn mir biöber ben ^Intjang iinfere^ ©efpräd^«,
bie breißig 5frtifel nömlidj, „fo Runter ^clfcric^, 9lciter ^cinj
nnb Äarft^anä mit fammt i()rcm ^2tnf)ang ()art unb feft jn f)alten
gcfc^moren f)aben", uon bem Mrei^ un{rer. 53etrad)tung au$gc*
fd)toffen. cinj^igen alten Sluögabc, bie mir
non bem neuen Äarftl)aim befifeen, bcmfelbcn ange^ängt ; boc^
fc^merlic^ in unmittelbarem ^uftimnien^ang mit bcmfclben ent*
{tauben. ®enn nur ber Äarftljanö ber ^Irtifel finbet {ic^ aud)
im üorangegangenen (De{prädjc; non bem 3^unfer |)elferid) aber
unb bem S^lciter ^ein,^ mcife man nic^t, too {ie l)crfommen, nad^=
bem bei bem @e{präc^e ber Sunfer granj, ein {Reiter aber gar
nic^t, bctf)eiligt gemc{en mar. 2luc^ ber Xon ber 5lrtifel ift
[)e{tigcr, milber aU ber im (^e{präc^. 3)em 3ul)altc nad^ aber
gemahnen {ie ung bereite mie SSorläufer ber betannten ^mölf
Vlrtifel ber !öauer{chaft Dom Saljre 1525, nur baß {ic {ich noch
au{ baö gei{tliche Gebiet bc{d)ränfen. ^ie {ic jejunb
leben, {ollen nid)t mehr gciftliche iöäter, {onbern flei{chlichc {örüber
heißen, il)r Jsöann mie bai^ Slnbla{en einer (SJanö gcad)tet, ber
{Popft für ben ^ntid)rift, {eine Sarbinäle u. {. f. für beö Xeufel§
^Ipoftel gehalten, ber ^of ^u {Rom bie {BorhÖüe genannt merben.
^ie {öerbünbeten mollen feinen Drbenäbruber mehr ind |>au§
taffen; jebem iöcttclmönd), ber ihnen abforbert, einen oier*
pfünbigen ©tein nachmerfen; bie Officiäl ober ©enbpfaffen mit
§unben au^hehen nnb mit Üoth bemerfen laffen ; alle ßurtifanen
mie tolle §unbc achten, bie man fchlagcn, fangen, mürgen unb
tobten barf. Sn^befonbre foU Jütten gegen fie gcfchü^t, aud)
ßuther miber feine geinbe ücrtheibigt merben. ®cm geiftlichen
Specht .uiib ben päpftlichen {Bullen mirb emige geinb{d)aft ge{d)moren ;
ben {pebellcn, bie fotche überbringen, {ollen bie Chren obgc*
fd)nittcn, unb menn fie mieberfommen, bie Slugen auögeftochcu
merben. {5)ic geiertagc außer bem ©onntag fotlcn abgefdjafft,
fein {Bilb mehr angebetet, bie {Beichte nach ßuther’^ Slnmeifung
eingerichtet, fein {Pfarrer mehr gebulbet merben, ber nicht ^ur
{prebigt beö ©uangeliumö befähigt unb ehrbaren ßeben^ ift, auch
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Äorfi^n§.
435
feinem mef)r aU @ine Pfarre, bic er fei b[t uerfelje, (jeftattet mer*
ben. fc^möreu bie ^erbünbeten, in allen nürbcrflcmelbeten
^rtifeln Seib nnb ÖJut jufammenfefeen jn moUen , unb rufen
(%tt ,^um fi^'’ eigene 0aclje, fonbern
bie göttliche 3Bal)il)eit nnb beö S^atcrlanbeö SSül)lfa()rt bc^meefen,
unb ba§ alle«, maö fie tl)un, in einer cf)riftlicl)en, eljrbaren, guten
3}feinung gefc^e^c.
^od) mer eö and) immer getuefen fei, ber auf biefe SBcifc
bie SJerbrüberung ^mifd)en bem Slbel unb ber ^auerfdjaft jur
^)nrd)fül)rung ber Äird)enüerbcfferung in Icj^te §(u!§fid)t nal)m
unb burc^ bie ^erau^gabe ber fo eben betrad)teten beiben 0d^rift=
ftücfe an^nbal)nen juckte: ber näd)fte S3erfuc^, ben 0ictingen
machte, galt meber rein fird)lid)en ^
auf anbre aU biejenigen ^treitfräftc gerechnet, melc^e ber fRitter
uon jef)er bei feinen gel)bcn auf^nbieten gemül)iit gemefen mar.
43G
ttcuntt$ iKapittl.
gniferttitttg
am penffi^raitb.
1522.
SRad^bcm fid) in golgc bcö Übeln ^Inö^an^ö, ben ber 3^9
()egcn gvanfreid) genommen, gron^enö 5ßcr()ältni6 ^um Äaifcr
getrübt tjattc, tnar er, raeit entfernt, feine ()od)fließenben ^lanc
auf^ugeben, melmel)r bemül)t, ben Stügpnnft, ben er für biefelben
fd)on üorljer innerijalb feinet eigenen ©tonbeiS gefunben l^atte,
inöglic^ft 511 Derftärfen. gab il)in ber 9lbgang beö Äoiferö
nac^ Spanien im 2}?ai unb bie Sd^mäc^e beö üon bcmfelben ju-
rüdgelaffenen fReidjöregimentö enuünfd)ten Spielraum. 5ni §lngnft
ueranftaltete er eine ßi^f^nimentunft ber freien r^einif^en fRitter^
fd)aft 5U Sanbau, bei melc^er fid) bie @beln aus bem ihaic^gau
unb bem SBeftric^, uom .^unbSrüd unb ber 9^al)e, auS bem Sflljein-
gau, SöaSgau unb ber Drtenau ^at)lreic^ einfanben. ®ie ®e*
müt^er mären uorbereitet, ba feiner mar, ber nid)t Urfad)e jii
haben gemeint hütte, über ^arteilid)feit ober Saumfeligfeit beö
iRcid}SregimentS unb ÄammergeridjtS, über S3eeinträd)tigung burcö
benachbarte dürften ober 33ifd^öfe fich ju befchmeren; ba manche
and) ber firchlichen Sfleuerung günftig unb mit ber Stellung un*
jufrieben maren, melche ber le^te fRei^Stag 311 ber f eiben eingc=
nommen ^0 mürbe am SD^ittmod) na^ St. Säurenden
Xag, ben 13. ^nguft 1522, bie Urfimbe eines „brüberlidjen SSer*
ftänbniffeS" oon ben 2lnmefenben unterzeichnet, unb ben 2lb*
mefenben ber 33eitritt mittelft einzufenbenber 9ieoerfe offen gehalten,
beffen jnnächft bahin ging, bie fRitterfdjaft burch möglichfte
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Sidinßcn’S ^(ane.
437
9lb(cftnun(^ frcmbcr ÖJerirf)töbarfcit unobpntjifler machen. 9?id)t
allein bic 0tvcitiötcltcn ^tnifc^cn ben ^^uiibeöncrtüanbten iiämlic^
foHtcn burrf) ritterlid)c ©cl)icbv'gcrid)tc, o^nc Weitere 5lppeflation,
crlebiqt tuerben, foiibcrn and) uon 3lnflel)örißen anberer ©tanbe
füllten bic ücrbnnbencn fRittcr nur üor 3^reö(^lcid)cn belauert
luerben fönnen. 2öcr über ba‘3 ©rbicten folc^cm Sliiötrat^e Don
feinem (Gegner, melc^eö ©tanbeö biefer fei, mit (bemalt bebrängt
mürbe, bem füllte jeber ©enüffe ber S^erbrüberung ^ülflic^ fein
gute 9Jiad)t l)abcn; bagegen bem, ber ben 5lu^trag abgefd)lagen,
feiner l)clfcn bürfen. ^afe in gelben ^mifc^en jürften, ©rafen
nnb Stabten Angehörige ber @inung auf entgegengefe^ten Seiten
bienen, mugte man nidjt ^u t)inbern ; büch füllten fic einnnber
möglid)ft fd)onen, unb fübalb bic j^ehbe beenbigt, einanber mieber
laut be^J 33crftänbniffed mie ^uuor ucrpflichtet fein. ^!ie ®er«
binbung mürbe auf fed)ö S^hte gefchlüffen, J^an,^ üon Siefingen
,Vim .f)auptmann gemählt, unb ihm nach ben üerfd)iebenen ^e=
,Vrfcn, in meld)en bie Sßerbünbeten faßen, j\mölf SBertrauenömänner
,Vigcorbnet *).
Schon ben Xag üorher, che bie Urfunbe ber lanbauer @innng
auögefcrtigt mürbe, Siefingen mit ^ran^ üon Sombrief
einen Vertrag gcfchloffcn, il)m ctlidh fRcifige j^u merben unb ju
führen; feine Schlöffer, befonberö (^bernburg unb £anbftul)l,
hatte er neu befeftigt unb mit SJorräthen üerfchen; bic Stellung
ab^ faifcrlicher ^'-'i^hauptmann unb ?Rath, bie er noch immer
einnahm, unb bic 9)feinung, bic er, mo nid)t üeranlaßte, boeß
gerne beftehen ließ, baß er in faiferlid)cm Aufträge miber granf*
rcid) merbe, führten, neben feiner pcrfonlichcn Geltung alö Ärieg^=
fül)rcr, halb ein zahlreichem $eer $fcrb unb zti uidcr
feine j^ahnen.
granzenm ^meef h^i biefen Üfüftungen mar freilid) nicht
blom, mie ber gute ^artmuth üon (^ronberg meinte, „bem SEBortc
ÖJotteiS bic Xhürc z« öffnen"; fonbern in bem meniger fdpüars
mcrifd)en Siefingen mirften perfön lieber ©h^Ü^'^Sf ritterlicher Staiu
bemgeift unb frommer (Sifer für bie 9ieformation, bereu 3bcen er
1) 'Dicje unD ant»rc Urfunben, worauf bic C^rjä^Iunß be§ gegenwärtigm
itapitcls beruht, finbet man, obwohl wenig correct, obgebrueft in (5. Wüni^’S
t^ranj oon Sidingen, %anb II unb III.
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II. 9. ftayntel.
cinflcfogcn ^attc, rcd)t mcnfd)lid) burd)cinaiibcr. ©eine idituans
fenbe ©tcüung jiU)ifc^cu rittcrlid)cm 53cfi^ imb bcinal)c für)’tlid)cr
äJiad)t tüoHtc er fefter begrünben ; ju biefem @nbc mit $ütfc
feiner ©tanbe-^m offen in bie fid) immer fefter fc^lie^enbe Äette
beutfe^er gürftentl)ümer eine £üde bredjen; unb baju foüte i^ni
bie reiigiöfc iUeuerung ebenfo ,§ebcl bienen, mic fie it)m anbrer^
feitd al^ begeifternber Äronc ber neu begrün-
benben Orbnung üorfc^mebte.
§icnad) mahlte er fic^ auc^ ben geinb, ben fein erfter 2ln*=
griff treffen foüte, mit gutem 53cbad;te au^5. Söärc er perfön*
lieber Erbitterung nac^gegangen, fo mod)te er fic^ moljl oor aÜen
auf §effcn getoorfen ^oben, beffen Slbet unter bem ©d)u|jc bcö
ßanbgrafen ben SSerpflic^tungen nad);^ufommen fic^ mcigertc, bie
er bei ©idingen'ö Ueberfaü oor oicr Sagten gegen biefen
übernommen ^atte. 5(bcr $f)ilipp juon Reffen mar ibm tl)cilö
bnre^ fic^ fclbft, t^eilö burc^ feine Söerbinbnngen jn ftarf, unb
mar, menn aud) bamalö nod) nid)t für bie ^Reformation entfc^ic-
ben, bodj fein geiftlidjcr gürft, in me(d)cm Jürfteiu unb ^faffciu
mac^t mit Einem ©erläge getroffen merben fonnten. 2tüe ©riinbe
l)ingcgen, perfönlidbe mic föd)lid)c, fc^ienen auf ben Erjbifdjof unb
Älurfüiften oon 5^rier ^u^utreffen. iRidjarb oon ÖJreiffcncIau*9SoI=
ratf)^ mar jmar mit ©idingen burd; beffen oerftorbenc ^auöfrau
ocrfd)mögcrt; boc^ ^atte fid) auf bem augeburger fReid)§tagc bcö
3al)rcö 1518 über ben gleichzeitigen Sclbzug ©idingcn’ö gegen
Reffen feiner ber dürften fo fdiarf mie er auggcfprodjcn. Eö fei
ZU üid, maö granz fid) unterftel)e: erft bie ©täbte, bann bie
dürften einen nad) bem anbern üorzuncI)mcn; bie Äbur^ unb
gürften mögen bebenfen, moö barauö merben foüc; märe
man il)m gefolgt, fo hätte man längft ernftlich gegen gtanz ge*
hanbelt; er, fRicharb, fei ber erftc unb mol)l auch iiur-
fürft in feinem Ecfd)lccht, bie gebornen Äurfürften gehe bie ©och^
nod) nö()cr an. Eben ai§ gciftlid)er Äi'urfürft aber mar Slicharb
cinciS ber ^äupter beö beutfehen Siird)enfürftenthumö, unb maö
fein S3cr[)ältni6 z^*^ ^Reformation betrifft, fo mar oon ihm, nad)
$artmutl)’ö Sluöbrud, „bem 9äJorte@ottcö bic2^h^rc nach mcnfd)=
lichem Vermögen auf baö geftefte befd)loffcn". ©eine h^de,
übrigens ftaatSmännifd) mic friegerifeh tüchtige 91atur mar für
bie reformatorifd)cn Sbeen ohne Empfänglid)feit. SBcnn fein
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©ttfingcn’S Qcgen Srter.
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9laci^bar in 3}2ain^ ein Sco X. im Älcincn mar, fo foUtc man
fic^ burc^ 9^ic^arb nun Xricr baib an ben Äricflöfürftcn 3uliuö II.
erinnert finben. 2)icfc @ic;enfcbaft bc^ crtnäijitcn geinbeö ^attc
granj boc^ nic^t geböriß in Ülcdjnnng genommen; ober glaubte
er, fic locrbc ?\um ediu^c bcffclben nidjt bini’cidjen, entmurjclt
nnb uercinjclt, mic er i^n ju finben buffte. SSie gemobnlicb in
bifd)öflid)en 0täbten, mar and) in 3;rier ein Xbcil ber Jöiirger^
fd)aft gegen ba^ geiftlicbe S^egiment ; eine Stimmung nnb Partei,
bie jejt, in golge bc^ Sinbringenö ber Sutberifeben £ebren, noch
uerftörft fein mußte. Son außen aber b^tte 0idingcn oon bem
jmcibeutigen Sllbrecßt oon SOiain,^ feine SSerbinberung jn befiird)^
ten; fein (Gegner oon bem friebfertigen Soflegen ,^u i$öln, ^ermann
oon Söicb, fdjmerlicb friegerifdje §ülfe ^n ermarten. iöei ^fal^
hoffte %xan^ bureb früßere ^erbienfte nod) etma<^ ju gelten, nnb
biiS ^b^^^PP beranrüefte, mit Xvier fd)on fertig ju
fein. 3)en Äaifcr aber, außer feiner augenblidlicben ßanbeö^
abmefenbeit, glaubte er am menigften geneigt, fid) beö gürften,
meld)er ber moblbc^aljltc Slgcnt nnb bt^rtnärfigfte Slnbänger feinest
9lebcnbublerö um bie beutfeße ilrone gemefen mar, merftbätig
an^unebmen. 2Bar boeb im 9icid)c bie SUieinung oerbreitet, baß
0icfingen im gebeimen Sluftrage beö Äaifevö miber 2;vier ^icl)e.
?(uf ber anbern Seite ftanb aber bod) auch mand)ei8, mas^
©idingen marnen fonnte. '2)aß er Oon SBittenberg auö feinerlei
^orfeßub, fonbern nur 5(blebnung ju ermarten b^^Pt, fonnte er
miffen, ba man bort febon bamalö grunbfäblid) gegen ben Älrieg
alö SÜ^ttcl jur ^)urd)fül)rung ber 9icformation mar. ßutber nnb
SDfelancbtbon beflagten bernaeb Sidingcn’ö Treiben al^ ein fold)e^,
ba^ ber guten ©acbe nur ^afi jumege bringen fönnc. ©elbft in
feiner näcbften Umgebung fehlten ihm marnenbe Stimmen nid)t.
SDiartin 33ucer, ber feit bem Ü)iai jeneö 3al)rcö, ber pfal^gräflid^en
^ienfte iiberbrüßig, ^u S*ranj ^nrndgefebrt mar, urtbeilte me^
nigftenä fpiiter, berfclbe b^iPc biefen Ärieg ^mar in befter ^bfid)t,
boeb ohne rechten üöernf unternommen. Unb berfclbe SDMnn,
beffen ^ilnfprnd)c an ben Statl) ^n SBorm» bem SfUttcr einft jum
IBormanbe ber mcbriäbrigen gebbe gegen biefc Stabt gebient
batten, nnb ber il)m je^t mit ber geber ^ienfte leiftete, ^^altbafar
Sdjlör, marnte il)n in einer eigenen ^enffdbrift oor bem ^^uge
gegen Xrier. Selbft menu er cö eroberte, meinte Sd)lör, mürbe
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11. 9. j^aptid.
er eö boc^ uidjt bemalten, fonbern ba§ Sfteie^ über il)n fommen,
!üic über SUbredjt oon üöüiern luegeii Stegenöburg, über Ulrich
uon SBürtemberg loegeu 9fleutlingen. 5luc^ fein ®utl)aben beim
Äaifer (bad je^t mit ben ©olbrüefftänben, für melc^e ©iefingen
eingetreten mar, 60,000 gl. betrug) feje er aufö ©piel. @r foHe
einen anbern gegen Xrier (jcfeen; jebenfall^ nod) jnmarten, mie
fic^ bie großen politifc^en SSer^ältniffe ^mifc^en bem Äaifer, bem
Äönig non granfreic^ u. f. m. geftalten. Stuc^ feine Ätranflic^s
feit (ber 41jä{)rige ©idingen mar fermer tmm ^obagra geplagt)
unb be^ ^ftrologeii gol)ann ^agfnrt marnenbed ^rognoftifon für
bie 3a^re 1522 unb 1523 möge er bebenfen.
2ülein bei ©idingen mar bie Unternehmung gegen ^ricr
befd)loffene ©ache, aud) ber S3ormanb jiir Striegöerflörung mar
bereite gefunben. @r mar ganj im 0)efd)inade beö bamaligcn
gcl)bemefenö : üom ß^^iine gebrod)cn, um §önbel anfangen ^u
fönnen. @in unruhiger 3)ienfch, bem ©idingen 2(ufenthalt gab,
©erharb 33örner, h^^Uc jmei ©^ulthei^en auö bem trierf^en
(iJebiete gefangen unb meggefchleppt ; auf ihr Sitten, moju fie jo
hoch nachh^i^ behaupteten ge^mungen morben ju fein, fdjlug fich
gran^ inö SJUttel, erlegte bem Sörner für biefelben an ©(^ahung
5000 unb für 2l^ung 150 rheinifd)er ©ulben, loorauf er fie in
greiheit fefete gegen boö übliche ©elöbnig, il)m entmeber auf
eine beftimmte ßeit bie für fie aufgelegte ©umme ju bejahlcn,
ober fid) mieber in feine |)anb ^u ftellen. ^eimgefehrt jeboch
menbeten fich bie ©chnltheigcn, ohne fid) an baf er^mungenc
Serfprechen gebnnben ju ad)ten, an baf fKeidjf regiment ju^türns
berg, unb auf ©idingen’f Sefchmerbe erflärte ber ilnrfürft üon
Xrier, bem ©pruche bef fftegimentf nicht oorgreifen jii mollcn.
^af h^Uf^ ©iefingen nicht blof üorauffehen fönnen, fonbern mahr«
fcheinlich gemünfd)t, um einen Sormanb jur gehbe ju
melche er, fobalb er fich hinlänglich gerüftet gloubte, am SÖiittmod)
nad) Sartholomäi bem iturfürften anfünbigte.
2)er @rfte, an ben ber bebrohte Äird)enfürft fid) nm Sei^
ftanb manbte, mar fein 9(tad)bar unb ©oUege oon 9Jiainj, ben er,
ber ^mifchen ihnen bcftel)enben (Sinung gemäg, um 100 mol)lgcs
rüfteter Sferbe bat, um fold)em muthmilligcn gürnehmen äöiber«
ftanb tl)un §u fönnen. Allein Äurfürft 3llbrecht bebauerte j^mar,
bag feiner Sieb etmaf Sefd)merlichef juftchen foUte: aber feine
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(Sidingfn’S ^clbjug gegen girier.
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Sflcifigcu brauchte er, tuic er fc^rieb , tf)eilö für ben fcljU)äbifc()cn
isöunb, tbcilö 5um frantfurtcr^erbftmefegclcite; uon jeiucn 2cbu!3=
(eilten, bie er fofort aufbot, crfc^icncn ftatt 200 nur 20, unb
biefe ineicjerten fic^, fo berichtete er, jemanb 3(nbercm alö i()in
5U bienen; /^ule^t nioQtc er ©ölbner inerben, bie tuaren aber,
fchrieb er, „in Wahrheit ber betommen". @nb(ich,
auch Dom IRcichöregiment an feine Pflicht gemahnt, erbot fid)
3llbrecht, 200 9)iann gu§, unb bann aud) bie bem fdjioäbifchcn
iöunbe 5ur iöerfügung geftellten fRciter bem S^lachbar ^yijichcn ^u
(affen: ba^ mar aber fo fpät, bag ihm Äurfürft 9licharb ^uriicf=
fchrieb, er höbe fich mittlermeilc bcjä geinbeö fe(bft ermchrt, unb
^[tbrecht möge mit feiner §ü(fe ^u §aufe bleiben, ^od) nicht
bioö feinet SBciftanbcö hotte fid) crftcrer oou bem Ichtern 511 gcs
tröften, fonbern bie gö()ren bcö Sthcmflouö führten 9J^inu uiib
9^o6 über, meld)e ©icfiugeu’ö gahneu j^ujogen; Unterthouen uub
Schulträger Don SÜtaiu^ bienten bem iRitter ^egen Xricr; ja uon
§((brcd)t'ö uornehmfteu 33eamteu thoten ber ^ofmeiftcr gromin
uon Jütten unb ber SRarfchalf Ä'aöpar Serd), mie aud) ein^etne 5)onu
herren, bem Unternehmen ©iefingeu’^ allen S3orfd)ub.
3mar erlieg nun auf Üiicharb’ö Slnrufen baö 9lcid)!5regimeut
,Vi 5Rürubcrg unter bem 1. ©eptember ein SD^aubat au Sicfiugeu,
in melchem biefer unter §(ubrohung bereicht, unb überbieg einer
^ön uon 2000 9Rarf lötgig^ ©olbcö, aufgeforbert mürbe, fein
©ernerb gegen Xricr, aU ber golbenen iöuUe unb bem Sanbfrieben
jumiber, uon ©tunb an abjuftcücu: allein alö biefeö 3)^anbat
cinlief, mar Siefingen bereite in baö furfürftlid)c Gebiet cingc=
fallen, hotte isölicöcaftel genommen unb lagerte uor 0t. SEBcnbcl.
@r hotte eine ^lufprache au feine Gruppen unb SJerbünbeteu auö-
gehen (offen, in melcher er erflärte, mie biefer fein ßug uid)t
feine i8ercid)crung au (iJut ober Üütacht, bereu er für einen @bcln
uorhin genug befipe, fonberu ©ottc^ ($hi^c ?^um 3mccf höbe, fofern
cö miber bie geiube be3 ©uaugeliunm, bie 33ifd^öfc unb ^foffen,
gehe. 2)aju, hotte er gemeint, foDten d)riftlid)e gürften il)m
helfen; ftatt beffen aber jiegeu fic fid) ab. ®od) ®ott merbe
fein unb ber 0ciuigen Reifer fein unb ihnen cutmeber feligcu
Xob für fein ©uaugelium ober herrlichen 0ieg ucrlei()cn. Um
fid) jeboch beffen mürbig j^u mad)eu, müffen fic ctlich ^üultlcin
merlen, bie er mclbeii mode; fie feien ou^ ber @cfd)rift gcjogeu.
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II. 9. j^o|)iieI.
Unb mm ipirb mcnfcl)lic^cr Äried^fü^rung , jur ©c^onunti bcr
Unfdjulbincn in eroberten ©täbten nnb auf bem platten Sanbe
ermähnt, uor unnngem ©engen unb trennen, ®erl)ccren ber
gelber, 5(bbauen ber 23änmc unb fHeben geroarnt, beffen fic^
gran,^ bei früf)ern Sügen nicl)t immer entbalten l)atte, unb alle
biefc @nnal)nungen mit SBeifpielcn belegt, mcldje, im ä^ten
naiffanceftil, bunt burc^einanber auö ber biblifcften unb bcr rö-
mifdjen @efd)id)tc genommen finb, fo bag, äl)nlid) mic am Dttbcim
ridj^bau auf bem geibelberger ©c^loffe, gofua neben |)oratiuö
®oclc§ unb ^aoib neben Xituö ^u ftegen fommt.
• (Stmaö meniger ^agm nnb gottfelig alä in biefem 2)^anifcft,
in meld)em ber ehemalige granci^caner §einrid) oon Äcttcnbac^,
jept ein begeiftertcr §erolb ber ^Reformation, bic geber für ign
geführt hatte, fprad^ fich granj • mü üblich gegen bic ©enbboten
beö 9leid)öregimcntö auö. ,,©ag bem ©tatthaltcr", fprach er ju
bem Ueberbringer beö ©chreibenö, „bag er gemad) thnc; eS gehört
mehr beim ©rief ba^ii.'^ Uebrigcn^3 fei er beö ÄaiferiJ Wiener
fo gilt U)ie bie §erren imfRegiment; nicht gegen biefen moUc er
hanbcln, fonbern mir gegen ben (Srjbifchof oon Xrier, unb ba
luiffe er fürmahr, fein §err berÄ'aifer merbe nidjt jürnen, ob er
ben Pfaffen ein menig ftrafet unb ihm bic ftronen eintrönfet,
bic er (oomÄönig oon grau freid) oor bcr Äaifenoahl) genommen,
©ein lücitereö 5(bfehcn gehe baranf, ein beffereö Sflccht in S)eutfch=
lanb jii mad)cn, al^ baö ^tegiment bisher gctt)an; gelinge igm
fein S^orhaben, fo loerbe bcr Äaifcr bei feiner ßurücffnnft mehr
£anb unb (SJelb (burd) ©injichnng bcr gciftlichcn @nter oermuth'
lid)) im fRcidje pnben, alä er jeht auömärt^ ju geminnen fuchc.
9Ba$ aber bic 9lufforbcrung betreffe, feinen ^anbcl bcmÄammcr-
gcrid)t 511 übcrlaffen, fo h^ibe er ein ©cricht um fich, baä mit
fReifigcn befeht fei unb mit 33üchfen unb ^arthannen biftinguirc.
^2(nd) auf gran^en^ ©chaaren, an loclchc ähnliche Slbmah'
nnngen oon ©eiten be^ iRegimentö ergingen, machten biefc menig
©inbrnef, unb fo gel, nad) miebcrholtcr 33cftürmung, auch ©t. 2Bcn^
bei burd) Ucbcrgabc in bic §änbc bcö ©iegerö. ®a§ ©lücf löftc
biefem bie über feine ^Ibfichten: „3h^ feib gefangen", foH
er ^n ben SbcUcuten, bie ©t. SSenbcl ocrtl)cibigt hotten, gcfprochcn
haben, „eure $ferb unb ^arnifd) ocrlorcn. 3l)i^ hoöt aber einen
Äurfürften, bcr fann unb mag euch, too er auberig bleibt, voohl
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©itfinßcn öor Jrier.
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bc^o^lcn; luo aber 3ran<^ ein ^^iirfürft ,^11 ^ricr tnirb -- alö er
toobl tbun fönntc, and) tf)un tuiU, unb nid)t allein bieft, alö baö
(^crinc^ft, fonbern ein SÜie^rereö — |o roirb eud) bei* and) n)ol)l
erflehen."
2)a ©idingen, o()ne fid) üor ©aarbrüd, baö er nad)-
brüdtic^cr SJertbeibignng gefaßt fal), n)eiter aufjul)alten, geraben
Sßcgd gegen Xrier j\og, fo njarf fid) ber Äurfiirft, ber biö baßin
üon ^fali^cl unb Sßrenbrcitftcin auö ^ülßogcfucße nadj allen
©eiten gcrid)tet unb bereite aueß non Reffen nnb fPfalj tröftlid)c
ßufießerungen crßalten ßatte, in feine ^auptftabt, um biefc in
Sßertßcibigungöftanb ^u fefecn nnb gegen ben anftürmenben
geinb fo lange ^u ßoltcn, biö üon ©eiten ber oerbünbeten jü^ften
(SntfaJ ßeranfämc. Unb ßiebei entmidcltc fRicßarb oon ©reiffen*
clau eine !ricgerifd)e Xüd)tigfeit, bic nur eben für einen iöifd)of
nießt red)t paßte, ^nf bem SJ^arftc ßielt er 9Jhiftcrung über
feine Ärieg^macßt, bie er, fammt ber iöürgerfd)aft, bnrd) eine
§lnrebc befeuerte; er fclbft ging auf 9Jkuern unb Xßünncn um=
ßer, um ©cßabßafteö au^beffern, .§inberlid)c^ megräumen ^u laffen;
in feinem SBammö Oon ©Icnoßant, unter feinen Üiittern unb
©ölbnern, fanb er fieß gan,^ in feinem (Elemente, unb alö er beim
^Inrüden be^ gefüllte 5lloftcrfd)cune oor ber ©tabt
cigcnßänbig in 53ranb fteden toollte, mußte ein ©olbat, inbem
er ißm bic gadcl auö ber |)anb naßm, ißn aufmerffam maeßen,
baß folcßeö SSerf ißm beffer al^ bem @rj\bifd)of gezieme.
loar am 3)?ittag bc^5 gefte^i oon 2Jiariä ©eburt (8. ©cp^
tember), alö ©idingen mit feinen ©d)aaren unter XrommeU unb
XrompctenfdjaCl ben äJ^ariSberg ßcrunter/\og unb fid) imXßalc oor ber
©tabt lagerte, ^ie erfeßredte 5^ürgcrfd)aft glaubte fd)on alleö
oerlorcn. 5lbcr ber (Srjbifcßof gab ben ^loei fReitern, burd) tocld)e
ißn ©idingen ^ur Uebergabe aufforbern ließ, bic entfdjloffcnc
Slnüüort, toenn ^rnnj etmaö oon ißm moHe, fo toerbe er ißn
ßier, in ber ©tabt, finben. 3cpt ließ ©idingen bie ©tabt bc-
feßießen: bic belagerten fielen auä unb oernageltcn ißm ctlidjc
@efd)üpc; er feßoß glüßenbe Ringeln unb außerbem briefe in bie
©tabt, um Uneinigfeit in berfclben 511 ftiften: aber bic Äliigßeit
unb geftigfeit be^ ©r^bifeßofö mußte allcö nicber.yißattcn. Vlbgc=
fanbte bes^ Äurfürften Oon ilöln fueßten oergeben^ j^n oermitteln ;
bie 200,000 GJülbgulben, bic gran^ alö 'ißrciö beö vHbjugö for=
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II. ®U(^. 9. Äa^itcl.
bcrtc, meinte 9iid)arb, moHe üietmetjr er fid) non @nt*
fd)äbiiviit(i ^ülen. ^2(uf ber nnbevn ©eite fdjmärmtcu bic ©icfiiu
(^ifd)eu für i^ren giU)rer. Sei jenem 5(iii§faII f)atten bie non
Xrier einen feiner ©olbaten meggefnnc^en iinb fdjleppten i()it in
bie ©tabt. ‘Da rief er er moUc lieber fterben mit granjeuö,
feineö .g)crrn, @nab nnb (^unft, al^ am Seben bleiben, um bem
3üd)e ber Driercr fic^ fü{jen; moraiif ber Umfte^enben einer
fluflö baö ©d}mcrt ^og unb il)in ben S^opf ab^icb. ©o feljlte eö
im ©idingifd)en Säger an Segeifterung nic^t, aber nach fünf
©türmen, tiner immer mörberifd)er al^ ber anbere, an S^Itjer.
?lud) blieb ber S^anj ertuartet ^attc, and, mä^renb
für S^idjarb ber @ntfa^ l)crannal)tc, 1500 SUiann, bie ^tifolauö
üon Üliincfmip gran^ auö bem Sraunfd)tDeigifd)cn 5ufül)ren foÜte,
maren biird) S^)Ütpp uon Reffen abgefd)nitten mürben, nnb bieg
gatte and) anbere, bie igm ftogen moUten, abgefegredt. ©o
l)üb er an Äreu/\erl)öl)ung (14. ©ept.) bie Selagerung auf unb
trat in guter Drbnung ben 9iüd5ug au; mobei grunbföglid), in
9tad)agmung Älöftcr unb Äirdjen, aber aud), mie menig^
ftenö bie befegäbigten gürften begaupteten, im SBiberfprucg mit
feinem legten SO^anifeft, Dörfer unb §ütten niebergebrannt mürben.
SBcnn mir bie gan^e (^efcgid)te uon ©icfingcn’s> uergeblicgem
3uge gegen Dricr er,^äglt unb babei $utten'^ mit feinem SJorte
gebaegt gaben, fo ift bieg genau fo uiel, aU mir au-S biefer Qcit
uon unferm gelben miffen. feglt uns« jebe 9ftad;ricgt, ob er
ben greunb inö J^elb begleitet, ob er mit §artmutg uon Sron=
berg juiii ©cguge ber (^bernburg ^urüdgeblieben , ober fonft in
einem Uon jran^enö |)äufern, uielleicgt aud) bureg Äranfgcit bc*
giubert, fieg aufgegalten gäbe. Deffeuuugead)tct mar ein Seriegt
über ben trierer^ug gier erforberlid), meil, mie ber beffel-
beu oguc smifd)en beiben ^Rittern gemeiufd)aftlicg mar,
fo fein ^linjgang über §utteu'iJ ©ntmürfe unb ©cgidfale niegt
niinber aU über bie feiueö SefegügeriJ entfegieben gat. ©d)on
jegt mürbe .gutten mand)cr Crten tobt gejagt: uermutglicg meil
er fo gau,^ uom ©cgauplage uerfd)munben mar. Der egrlicgc
Seit SBerler ju S3iefenfteig gatte bauon in feiner (^egenb fo oft
unb beftimmt reben gören, bag er eö beimige glauben mugte unb
bem magrgaft ebcln 3ünglingc, bem grogen Dalentc, einen
I
Stdtngen unb Jütten. 445
fc^öncn S^QC^ruf tpibmctc ^). tuar nod^ um brct SSicrtcljabrc
JU frü^c.
S(6er aug bem ®atcrlaube ^u meieren, faiib fid^ $uttcn jc^t
bemogen. 2)ie SBerbannung, bie er längft für fic^ uorou^gefe^cn,
trat er nun mirflic^ an. ift eine ©ntftellung, bie ber erftc
auf bie Ser^ältniffe miberlegt, tnenn ©ra^muö bct)auptct,
©iefingen ^abe feinen biöt)erigen ©c^ügling meggefc^iett, um fietj
nic^t feinetmegen bem §affe aiiöjufe^en. ^ac^ bem trierer ßuge
mar §utten’d 33e^erbergung baö ©cringftc, mag S^^nj jur ßaft
fiel, unb er mußte fet)r gut, baß burd) ©ntlaffung beffelben nießt
me^r ju Reifen mar. @in Vertrauter üon ^utten’g lebten 3aß^
reu, Otto Vrunfelg, beruft fic^ auf bag überlebenbcn
©ö^ne ©icfingen'g, baß i^r Vater feine ©efinnung gegen Jütten
niemals geänbert ßabe, unb ^einrid^ 0d)mebel, ber ©oßn eineg
ber Vi^'^bigcr, bie auf granjeng Vurgen ßuflucbt gefunben, erjö^lt
alg bie uerbünbeten gürften fid) gegen it)n in Vemegung gefegt,
unb cg fid) jur Velagerung ßanbftid)lg angelaffen, ^abe ber
SRitter biejenigen, bie il)m treuer maren , nid)t mit in bie ©efa^r
ßinein^ict)en mollen, fonbern bie ^um SBaffenbienftc minber ^aug*
lid)en (unter meld)c, feiner üon 9^euem auggebrod)cnen Äranf^eit
megen, bamalg aud) §utten gehörte) freunblicß enttaffen^). 2)a*
mit ftimmt eg, baß aud) Iiüiartin Vncer im 9buember jeneg 3aß=
reg, um ben friegerifd)en ©törungen 511 entgegen, ©idingeirg
Vurgen uerließ unb ein Vi^^^^ötamt in VJeißenburg annaf)m.
gür ben ^^(ugenblid ;^mar, nad) granjeng S^^üd^ug aug bem
!Jrierfd)en, fanben bie uerbünbeten gürften non Xrier, unb
Reffen nod) nid)t für gut, i()ii felbft anjugreifen ; fonbern mä()renb
beg ^erbfteg unb Si^interg nahmen fie an feinen geifern unb
Vermanbten 9tad)c: eroberten Sronberg, trieben gromin oon
.'putten uon feinen Öiütern, büßten ben Älnrfürftcn oon 9Jiainä
um 25,000, granjeng ©d)ioager, griebrid) oon glergßeim, nm
1000 ÖJuIben u. f. f. 2)aß aber ein ^auptangriff auf ©iefingeu
beoorftanb, mar ooraug^ufel)en , unb biefer fud)te fid) für ben»
1) 9Bie|cnftei0, 8. Cct. 1522. I^uttcn’8 Sfbnftcn II, ®. 149 f.
2) 6rQ§mu§, Sponj^ia etc. in ^utten’5 8(^nftcn II, ©. 270, §. 36.
^runfflS Resp. ad Sponp. ebenbaj. S. 328 f. i^cinr. an 5Reinb‘irtJ
üon 8idin0cn, ebenboj. 8. 472 f.
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446
II. 8ud(|. 9. ftapitel.
fclOcn buvd^ ^otfd^aften unb ©riefe, bie er an 9titter nnb ©täbte,
biö nad) ©üf)men l)incin auf ber einen, unb biö in bie 0d)tpeij
auf ber anbern 0eite frf)icfte, ju uerftärfen.
Um biefe ßeit mag gemefen fein, bag Jütten, mic Otto
©ruiifet^ berid)tct, üon bem Äönige 5ran5 üon granfreie^ bie
ISinlobung erhielt, mit einem 3a()rgcl}alte üon 400 ihonen unb
freier beö Äufcnt()alt^ortcö, alö fRatl) in feine ®ienfte ju
treten. ®ie Verfolgung, ber Jütten in ^cutfc^lonb au^gefe^t
mar, mürbe einen fold^cn 0djritt cntfc^ulbigt ^aben: aber er
moütc !einc unbeutfe^en ^ienftc nehmen unb fc^lug ba§ tlncr*
bieten au)S’)-
333ann Jütten fid^ üon ben ©urgen feinet ©efe^üferg unb
auö 2)e«tfd)lanb übcrf)aupt entfernt, mcld)en Söcg er genommen
^abe, mer ctma feine ©eglcitcr gemefen, barüber fet)tcn un§ auö-
brücflidje 9^ac^ric^tcn. SBir miffen nur, auö bem Saturn feiner
@rma^nung an SSormö (27. Sidi), baß er gegen @nbe Suli noc^
auf Sanbftu^l mar; miffen ferner, bag im 9^oücmber ©ucer unb
Ocfolampabiu^ bie ©urgen ©icfingcn'v ücrliefecn unb fic^, ber
eine nadj SBeigenburg , ber anbere nac^ ©afcl, begaben; miffen
augerbem, bag Jütten, ct)e er nac^ ©afel fam, fic^ einige 3^^^
in ®d)lettftabt auf^ielt, mo il;m ©efannte @clb üorftreeften ; miffen
cnblid), baß gegen @nbe Sftoüember §uttcn unb Ocfolampabiu^, mie
auc^ ber üertriebenc $artmut^ üon Sronberg, in ©afel maren*),
bie alfo möglid^ermeife bie Veifc, menigftem^ ^um Xb^il» mit=
einanber gemacht ^aben lönnten. §uttcn fud)te in ©afel, mo er
in ber Verberge jur ©lume motjnte unb bi« jum 5^üf)ling ju
bleiben gehackte, 0id)er^cit unb ?Ruf)e: ©ic^erl)eit, bie er in
2)eutfc^lanb nic^t mel)r fanb, feit bie feftc SBanb, an bie er fic^
geleljnt l)atte, 5^anj üon <$icfingcn, manfte; 9lu^e, bereu er jur
©flege feiner @efunbl)cit bringenb beburfte. Xenn feine SJranf*
^cit mar üon Steuern aui^gcbroc^en , unb ber gefc^mäc^te Äörper
^attc nicht mehr üiel SDUttel übrig, ihr Söibcrftanb ju leiften.
©eine Sicherheit aber mar jept nicht mehr bloö burch bie 9^öm*
linge, fonbern ebenfo burch bie bebroht, bie in ihm eined
1) Resp. ad Sponj?., q. a. 0. 340.
2) 6ra3niu3 an ^danc^tbon, 6. Sept. 1524; i^uttcn’3 Schriften II,
8. 414. ßlarean an 28. 9!od. 1522, ebenbaf. 6. 153.
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I^utten in %afe(.
447
bcr t^ätigftcn 5Kitglicber bei* ritterlichen ©chilberhebung gegen
ihre Uebermacht uerfolgten. 2)al)er bat er (^uni Ueberfluß, tuie
e^ manchen fchien) ben 9lath üon iöafel um feinen <Schu|j, ber
ihm auch jugefagt mürbe. 3Jkn bot ihm ein ©aftgefchenf uon
(Seiten ber Stabt; bie 3}iagiftratöpcrfonen machten ihm isöefuche;
Seilte aller Stänbe famen, il)n ^u fehen; an ©inlabungen unb
3Jial)liieiten fehlte e^ nidjt. 2)och gerabe bem ÜJianne mar ^utten’iS
Aufenthalt in iöafel uuertpünfeht, ber für il)n ber michtigfte am
Orte mar: bem @raömu^‘).
1) iöafll. ?lmcrbQd() on 33oui|aj 6. 3K»n. 1623, ^^utten’S Schriften II,
6. 156. ©iQTfQn an 2)crjdbc an ^^abian, 18. 3an. 1523,
Ilutteni Opp. Siipplem. II, 813. ®ßl. ^uttcn’ä Expostulatio cum
Flrasmo, ©(^riften II, ©. 184 f.
448
BttfnUs ^Kapitel.
$treif mit Sra$mtt$.
1522. 1523.
©ragmuS unb beö Sßcrbaltniffc^, in tncld^cm ^uttcn
ju i^m ftanb, l)abcn tnir im crften X^eilc unfcrcr ©rjö^lung
micbcrbolt (jcbcnfcn müffen. tuar bamalö uon Seiten §uttcn^^
ba^ ber reinen SJcve()runö unb 53cmunberuni] beö älteren SReifterö
unb ^^orbitbciS; Hon ©eiten be§ ©ra^nmö baö beö 2Bol)lgefanen3
an einem bec^abten jünger, gegen beffen §ulbigungcn ber SJieiftcr
nic^t unemppnblic^ ift, beffen Traufen unb Ueberfdjäumen er mit
feiner Sugenb, in ®rmartung fünftiger ßäuterung, entfd)ulbigt;
®cr ©egenfa^ ber Staturen mar burd^ bie ©emeinfamfeit be^
l)umaniftifcben ©tanbpunftcö fc^einbar au^gegli^en: fobalb ber
eine uon beiben biefen üerlie§, mö^renb ber onbere auf bemfelben
oerbarrte, fo mußte aud) ber S53iberftreit ber Staturen ^^um Sor*
fdjcin fommen. 91un mar aber Jütten mäbrenb ber lebten Sa^rc
aus bem §umaniften immer me!)t jum ^Reformer gemorben, mäb=
renb ©raSmuS ^umanift blieb : unmöglich fonnte i^m biefer
fortan in bemfelben Sichte mie früher erf^einen; an bem ftrah»
lenben Sorbilbc feiner Sugenb mußten ihm jeht mancherlei glecfen
bemerflich merben.
®or allem höben mir unS hi^i^/ ber benfmürbigC ©treit
jmifchen beiben SRännem ju entmicfeln ift mit ber ganzen ^rößc
unb gefchichtlichen ©ebeutung beS ©raSmuS ^^u burchbringen. @S
ift leidjt gefagt, ihn in ®ergleid)ung mit Suther feid)t unb fchmach,
im SSerhältniß p Jütten fogar feig unb jmeibeutig ^u pnben.
5)aS maren bie beiben Präger ber gejchichtlichen SRacht, bie ihn ob»
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@raSmu§.
449
löftc: in SScrgleic^uiifl mit biefcr ober, fo lang eine @efd)id)t^^
pciiobc im 5(uffteigcn begriffen ift, erfdjeint ber Vorgänger regele
müfeig im ■Jtadjt^eilc. 3^m geredjt ju merben, müffenmir rüdmärtö
bilden, il)n mit bemjenigen üerglei^en, morauf er fugte, ma» er
meiterbilbete , in fic^ jufammenfagte. 2)a fc^en mir benn in
©raemud ben lebenbigen Inbegriff faft aUeö beffen, mo^, in golge
ber Söieberermedung bej^ 0tubium^ ber SUten, bic ÖJeifter ber
Qbenblänbifc^en S^lationen feit me^r alä l)unbert galjren errungen
Rotten. @2i maren bieg nic^t blos^ 0prad)lenntniffc, nic!^t blo^
iöilbung beö 0til^, be^ (iJefc^madd: fonbern bamit Ijatte bie gan^e
dJeiftci^form einen freieren Söurf, einen feineren 0trid) befommen.
3n biefem umfaffenben Sinne fann man fögen, bag Sraömuö
ber gebilbetfte äJiann feiner ßcit mar.
gugleic^ uerftanb er feine Qcit, fanntc il)re ^ebürfniffe,
unb fam benfelben burd) feine Schriften nadj ben üerfdjicbenften
©eiten biii entgegen, ©eine fritifi^cn ^iiögaben üon (Elaffifern
unb Äir^enuätern, feine iölumenlefen non ©prüc^mörtern, (yieid):=
niffen unb ©enteilten, feine Ueberfejungen aus bem ©riec^ifc^en,
feine ^ilnmeifungen ium ©tubium überhaupt, 5ur mal)ren Xl)eologie,
^um richtigen unb eleganten Sprechen unb Schreiben bcö iiatei?
nifc^en, morin feine 5al)lreic^en 53riefe praftifc^e 3Jhifter ma=
ren, famen ^ur rechten Seit unb mirften in ben meiteften
Äreifcn. ©eine griec^ifc^dateinifc^e Sluögabe beö 9teuen 3^cftamcntö,
bic erfte gebrudte bcö gricd)ifd)cn ÖJrunbtciteö, crfdjicn, bem
^apfte £co X. ^^ugecignet, ein Sa^rüarbem Slnfangöjaljrc ber
fonnation. ©eine ^arapbrafen ju ben ncutcftamentlicben ©d)riftcn
folgten ; mobei il)n be^cid)net, bag er bie jur ^pofalppfc febuU
big blieb, ©o menig er aber, mic febon frül)cr bemerft, SÄijfti?
febeö in feiner 3^tatur fo fcbltc il)m barum ber ©inn für
praltifcbc ^Religion, fclbft für fittlicbc 5lfcefe fcineiämeg^: mic feine
Untermeifung eine^ djriftlidjen ©trcitcrö, feine ©djriften über
baiJ ÖJebet, ben cbriftli^en ©b'^flQ*'^ i*- Uebcrall bringt
er in ber fRcligion auf ba^ gnncre, bic ©cfinnung unb 33cbeu=
tung, obne mclcbc ibm baö ^engere, bic fircblidje Zeremonie,
feinen SBertl) b^t. @r uerfpottet ben Slbcrglcrubcn beö S^olterä,
bie Unmiffenbeit unb iüarbarci ber ÖJciftlid)cn , inöbefonbere ber
iüiöncbc, ben ^bermib ber ©djolaftif, flogt über bie ^^^ladercicn
VII. * 29
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450
II. ^ud^. 10. I^apitet.
ber gaftengeOotc unb tragt felbft gegen bie ^errfdb» unb ^abfud)t
bcö römifd)en §ofeö manc^ freiet SBort.
3UIe SBelt, bie ganje menfc^Uc^e ©efellfc^aft, untertoirft er
in feinem fiob ber 9tarvl)eit einer ironifc^en SO^ufterung. |>icr
tritt im ÖJefc^maefe jener 3^^» freilich nid)t mef)r ber unfrige
ift, bie perfonificirte Xt)ort)eit rebenb auf, rübmt i^re SJer^
bienfte um bie 9J^enfd)t)eit unb lobt, inbem fie bie ocrfc^icbencn
0tänbc nac^ ber fRcil)e burcbgel)t, an beu einzelnen gerabe bai$,
toaö an benfelben alö S^erfel)rtt)eit j^u rügen ift ; mobei fie freilich
oft genug auö ber fRoIlc unb auö bem uerftellten 2ob in birecten
$abel fäüt. 2)ie ©^rift ift bei fiebjeiten il)reö SBcrfaffer^ min^
beftenö 27mal aufgelegt toorben.
Äaum minbern Beifall erhielten feine S3crtrauten ©efpräc^e,
bie, au§ einer Einleitung lateinifc^en (^onoerfation , in ben
fpdtern Eliu^gaben ^u einer 0ammlung oon Unterl)altungen tour^
ben, in benen ©raömnö halb 0ittcn ober Unfitten feiner
fdjilberte, halb feine Elnfic^ten über mic^tige fragen ber Sebent
tuei^beit ober ber fHeligion nieberlcgte. ®ie Eingabe be)8 3nbalt^
oon einigen biefer ©efprädjc toirb bie ^)enfart unb 0teHung be^
(Sraömuö am beften bcutlid) macben. 3n bem ©efpräc^: 5)ie
Seid)e, toerben jtoei 0terbenbe gefd)ilbert. 3)er eine, ein getoefe*
ner Äriegömann, ber Diel ungered^t ertoorbenejJ @ut befi^t, lögt
fämmtlicbe E^ettelorben t)olcn, ftirbt in ber granci^canerfutte unb
lägt fid) in ber Äircbc begraben, oerinaebt fein ganje^ ESermögen
ben Drben unb sntingt SGßcib unb Äinber, gciftlicb ju werben.
^)er anbere, ein reebtfebaffener unb oerftänbiger SÜ^ann, ftirbt
ol)nc allen ^runf, im ESertrauen auf bao Söerbienft ^bt^ifü odein,
Oermaebt ben 5{löftern unb ben Elrmcn, ba er ben Unteren im
2eben nach Prüften ©uteö getban, feinen Pfennig, nimmt ^war
noch bie le^te Delung unb baö Elbenbmal)l, boeb ohne E3eicbte,
ba ibm, wie er fagt, fein 0crupel mehr in ber 0eele boftet.
5)abei wirb jugleid) bie ©rbfcbleicberei ber ajiöncbe, bie ®iferfucbt
jwifdjcn ihnen unb ben Pfarrern, wie ber oerfebiebenen Drbcn
unter einanber, unb bereu robe 0itten, anfd)aulicb gemaebt. 3u
bem @efpräd)e oom gifebeffen wirb unter anberem eine ö)efcbicbte
erjäblt, wie einer in töbtlicber itranfbeit ficb weigerte, nach bem
fRatb feiner Eler^te (wiber fein ©elübbe) @ier» unb SWild^fpeifen
effen, aber feinen Elnftaiib nahm, eine 0cbulb bureb einen 3Wcins
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^SmuS.
451
db abjufc^toörcn. 3m ©d^iffbruc^, mä^renb bic Uebriflen bcr
dnc biefcn, bcr anbere jenen ^eüiflcn anvufen, menbet fic^ bcr
üerftänbige ©preeber flcrabe^u an @ott fdbft, in bcr Ueberjeu^unfl,
bag fein anberer bie iöittcn bcr ajicnfc^cn fd)neller l)örc unb
lieber (jemäbre. 3n ber Unterhaltung über bae SBallfahrten ant^
mortet äJfenebemuö bem Oghgiui^ auf bie gragc, ob er nicht aud)
bic Pilgerfahrten, bie ihm biefer juoor gerühmt, machen molle?
er mache feine Söatlfahrtcn i^u ^aufe ab. 9lämlich fo: er gehe
in baö über bic ©ittfamfeit feiner Xöchter ju
machen ; oon ba in bie Söerfftatt, um ben gleiß ber Änechtc unb
ai^ägbe ^u bcauffichtigcn, unb fo ba unb borthin, um bad ganje
$au^ in Orbnung ^u h^iten. ?lbcr bad mürbe, menbet bcr an«
bere ein, menn bu ju if)m pilgern gingeft, ber hcü* Sofobuö für
bich beforgen. 5)ie heil- ©chrift, entgegnet 9J^enebcmui^, heiSt eö
mich felbft beforgen; baß ich ^en ^eiligen übcrlaffen foU, ßnbe
ich nirgeubö oorgcfdjrieben.
3n bem gahrjehnt, mclcheö bem Sluf treten Suther'ö ooran«
ging, ftanb ber fRuhm bcö ®raömuö auf feiner ^ößc. @r galt
für bic erftc literarifchc ÖJrößc bc^ Slbenblanbeö, unb toar c$
aud). S^on fernher reiften aufftrebenbe junge SJiänncr mie öltere
©eiehrte an feinen SBohnort nnb fehöhten fich glücflich, fein 9tn«
geficht gefehen ju haben, äöeltlichc unb Äird)cnfürftcn bemarben
fich am feine 33riefe unb lohnten feine Qaeignungen burd) ©c«
fd)cnfe. ^uf feinen pfeifen mürbe er in ben gebilbeteren ©täbten
mie ein Potentat empfangen: Deputationen erfepienen, h^dten
‘i?lnrcben unb überreichten ©cbichte, bie Dbrigfeitcn marteten auf
unb f^ieften ®crehrungen. 3n bequemer SD^uße, ohne §lmt, bem
er immer audmich, feit 1W6 mit bem Ditel eincö 9^otf)^ Äönig
Äarr« oon ©panien unb einem ©ehalte oon 400 gl., mo^u nod)
etliche fleinere Penfionen hochgeftellter ©önncr famen (bie freilid)
in ber iöJeifc jener gclbarmen ß^it ai^^l fdten ftoeften), lebte
(i^roiämuö, oon feinen Steifen nach granfreich, Italien, önglanb
5urücfgefehrt, erft ^u fiömen, bann ju löafcl, mo eö ihm am mohlftcn
mürbe, bivJ bie Unruhen in golge ber ^Deformation ißm ben
Aufenthalt oerleibcten unb ihn j^ur Ucberfiebelung nach greiburg
bemogen.
SBie i^u iJuthcr’ö Auftreten ber .ganbel SDenchlin’d gemiffer«
moßen ein Porfpicl loor, fo ließ fid) au^ bevj (Jraemne^ Verhalten
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462
II. Bu(^. ‘ 10. I^a))iiel.
bei bem (extern fc^on uiiflcfä^r abnel^mcn, toic er m jur
formation fteHen loürbe. 2)a ber ©treit fic^ über ben Xbnlnmb
unb anberc Subenbüc^er entfpann, bie bem ©ra^rnuö fremb, mo
nic^t mibermärtig mären, fo fonnte er in gemiffem 0inne mit
SGBal)rbeit fngen, baß il)ii berfclbe nid)t^ angele. ®ann mar
ober nueb bie ^eftigfeit, mit meld)er ber Äampf non beiben ©ei*
ten geführt mürbe, feiner ®enfart unb 9talur jumiber. ®r meinte,
bie greunbe ber beffern ©tubien foHten me^r aufbauenb aU pole*
mifcb 5U Söerfe geben, ficb lieber al§ @äfte aHmölig einfd)meU
cbeln, alö gemoltfani mie geinbe einbred)en. Sei bem friegerU
fd^cn ißerbalten, baö Stcucblin’ö ^Inbönger angenommen bitten,
mar eö ibm unangenebm, bafi ^irdbcinicr in feiner ©ebu^febrift
für benfelbcn aud) ibn bem SScr^eiebnib ber 9lcud)liniftcn einner*
leibt bötte. SDenn melcbcr gelehrte unb rcdjtfd)affene 9Jtann fei
ibm nicht bolb ?. fagte er ; maö er aber meinte, mar, bag ber
Jreunb ihn auf feine SBcife in einen ^arteienftreit hätte nerflecb'
ten foüen, ba er oueb f)kx, mie fpöter bei ber Sutberifeben Xra*
göbie, mie er e^ nonntc, nur 9Jtitfpieler fein
moflte. 3n ber ©tillc übrigen^ fpracb er bem Slngefocbtcnen
freunblid) ju, in biplomatifdjor gorm nevmcnbete er ficb für ihn
bei ^apft unb (Sarbinölen, unb alö am 30. 3uni 1522 ffteu^liu burd)
ben 2;ob bem ©treit entrüeft mar, feierte er il)n in einer Sipo*
tbeofe, bie er feinen ^Dialogen einoerleibte. (Sin oon Mbingen
fommenber ©ebüler 9leud}lin'^ erjöblt oon bem Ü)?orgentraume,
ober oielmebr ber SJifion, bie ein frommer graneiöcaner bafelbft
in Sftcudjlin'e! 3^obe^ftnnbe gehabt b^ibe. 3enfeitö einer S3rücfc,
bie über einen S^ad) führte, erblicfte er eine bcrrlidbc SEÖiefe: auf
bie S3rücfe febritt fReud)lin 5u in meinem, lichtem ©emanbe, hinter
ihm ein febönev glügeltnabc, fein guter ÖJeniuö. (Stlid)e fcbmar^c
Sögel, in ber ©röße oon OJeiern, oerfolgten ihn mit ©efebrei;
er aber manbte ficb nm, feblug boö ftreuj gegen fie unb b*c6 fic
meicben; mad fie tbaten, mit §interlaffnng unbefcbreiblid)en ®e=
ftanfciS. Sin ber Srücfe empfing ihn ber fpracbgelebrte heil. $ie*
ronpinuö, begrüßte ihn alö (SoHegen unb bradjte ihm ein ilieib,
mie er felbft einee anbatte, gaii5 mit Sungen in breierlei garben
befebt, jur Slnbeutung ber brei ©pracben, melcbe beibe oerftanben.
^ie SBiefe unb bie 2uft mar mit (Sngeln angefüllt; auf einen
^)ügel, ber ficb nnö ber SJiefc erhob, fenttc fid) oom offenen
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Sro8mu§ unb 9{eu(^lin.
463
^immcl eine 5<-’»crfäiife nieber, in biefer fliegen bie beiben ©e^
ligen, fid) umarmenb, unter bem (5Jefang ber @ngcld}öre empor.
2)er @r5ä()(er unb fein SUlitnnterrebner moflen nun ben @nts
f^lafenen in baö SSerjeic^niß ber ^eiligen, bem f)eil. §ieronpnuiö
l^nr ©eite, fepen, fein '^ilb in il)ren iöibliotbelen anffteüen nnb
H)ii fortan alö ©d)Upt)eiligen ber ©pra(^gelel)rfam{cit anrufen.
31(5 nun fintier onftrot, fehlte and) it)m Don Anfang meber
bie Xbeilnatjme be§ (Sra^muö, noc^ fein biptomatifc^ empfehlen*
be^ SBort. ^ie uertrautid)e 5teu6erung auf griebrid^'ö beö 2Bci*
fen Silage ju Ä'ötn, unmittelbar oor bem mormfer IReic^^tage,
Sutber J^ci ©tücfen gefcf)lt, bag er bem ^apft an bie
Ärone unb ben äKöneben an bie ©äuebe gegriffen, toirfte tief
auf be^ i^nrfürften ' ©emütb unb fiel ibm nod) fur^ oor feinem
Xobe mieber ein. 9ln ben ©arbinal §llbrecbt oon 2}?ain^ b^^ttr
@ra^mu^ febon oorber über ßutber einen fel)r günftigen Bericht
erftattet, mar aber oud) äufeerft ungehalten gemefen, alö §utten
ficb beigeben lieg, ben ®rief ohne fein SJonoiffen brurfen 511
laffen; mie er bie ilöln in gleichem ©inne gefebriebenen
Axiomata bem ©palatin halb mieber abforberte, ohne boeb bamit
ihren ^)rucf oerl)inbern ju fönnen. ®or allem begriff ©ragmuö
febr mobl, bag ßntber niegt ogne bie bringenbfte 33eranlaffnng
aufgetreten fei. maren ja biefelben Uebelftänbe, über melcge
auch er felbft bi^b»'’^ f^b^^^ Klagen niegt juriicfgegalten gatte,
^ie ißefegmernng be)3 cgriftlicgen SBolfö bureg 9)tenfd)enfapungen;
bie Serbunfelung ber Xgeologie bureg fcgolaftifcge Dogmen; bie
läftigc Uebermaegt ber iöettclmöncge ; ba^ Unmefen, ba^ fie mit
ber iöeicgte unb bem ^Iblag trieben; bie Entartung ber ^rebigt,
in mclcger, ftatt oon Ggriftuö unb d)riftlid)cm Seben, faft nur
noeg oon bem ^apft uiib feiner Diacgtoollfommengeit ober oon
finbifegen erlogenen äJtirafeln bie fRebe mar; ber megr alcJ jiU
bifdje Seremonienbienft, unter beffen ^rude ber lebenbigen 5röm=
migfeit bie (Srftidung brogte. ^ie fd)amtofe Uebertreibung auf
biefer ©eite oeronlagte Sutger jum SBiberfprud), unb biente nad)
becJ (Sraömmg Urtgeil aud) mand)em Uebermag auf feiner ©eite
j^ur @ntfd)ulbigung. ^uf eine egrlicge ^Ibficgt bei Sutger fcglog
er fegon barauö, bag e^i bemfelben meber um Oielb nod) um
@gren 511 tgun mar. §lucg fanb er, bag gerabe bie beften 9Jten='
fegen an ßutger'iJ ©d)riften am menigften ^nftog nagmen. ßutger
I
J
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454
U. $u(^. 10. StapM.
fc^icn i^m (unb baö fd^ricb er on ben $apft felbft) eine fc^önc
ÖJabc fiüx afcctifd)cn, praftifc^cn 0d)riftau§(cgung hoben, rodele
in ber bamoligen Qcit über fpipfinbigen fchotaftifchen gragen mehr
alö billig üernachläffigt mar. @r fah in Sutl)cr ein tüchtige^
SRüft^eug ^ur 5luffinbung ber 2öal)rheit, jur SBieberherftcÜung
eoangelifchcr grei^eit, ba^ ni^t j^erbrochen merben bürfe.
(Gleich oon Slnfang jebod) hotte Sra^muö in ßuther'ö
Schriften (non ^erfon fannte er ihn nicht) etnrnö bemerft, baö
feinem SBefen fremb, ja jumiber mar. mar ba« 0dharfe unb
$erbe, bie ^eftigleit unb Seibenfehaft in benfelben, maö ihn erft
bebentlid) mad)te, bann immer mehr abftieß. @r fah 5lufruhr
unb ßmiefpalt alö golge eines fo ftürmifchen SluftretenS norauS.
Slls baher Suther an ihn gefchrieben hotte, ermahnte er benfelben
in feiner 5lntmort jur 2jiä§igfeit unb ©efeheibenheit. äßie ftott
beffen Suther im SBerlaufe feines ©treiteS immer heftiger unb
fchonungSlofer mürbe, trat (SraSmuS immer mehr non ihm prücf.
(£r mürbe ^meifelhaft, melch ein (5Jeift ben SRann treibe. S^och
abgefehen non bem Inhalte feiner Sehre, mie er ftch mehr unb
mehr entmicfelte, fanb ©raSrnuS jebenfaUS bie 2lrt, mie Suther
j^u Söerfe ging, j^meefmibrig. 3e mißliebiger an ftch fchon baS @cs
fchöft fei, eingemurjelte ÜJ^ißbräuche ju befämpfen, meinte er, in
befto milberer gorm hotte eS gefchef)en müffen. SBoju ©chmö^
hungen gegen biejenigen, melche eS ju heilen galt? moju Ueber*
treibungen, bie Slnftoß erregen mußten? 2)ur(houS glaubte er bie
meife Defonomie, bie Urbanität ber ^rebigt ju nermiffen, mie
mir fic in ben Vorträgen ©hnfti unb ^auli finben. 3wU)eilcn
begriff er Suther al§ einen ^r^t, ben bie tiefen 0chäben ber 3cit
^u graufamen SJ^itteln, jum 0chneiben unb ©rennen, nöthigten;
aber er fanb bie 9J?ittel jum Xhdl fd^limmcr als bie Äranfheit.
gür ©raSmuS mar ©treit unb Ärieg ber Uebel größtes: er
moUte im SoHifionSfatle lieber einen Xheil ber SBahrheit bahin=
ten laffen, als burch ©eßauptung ber ganzen ben grieben ftören.
©on feinem ©tanbpunfte auS fd^ilbert ©raSrnuS Suther'ö
^JtatureH unb Slrt ganj treffenb. @r fanb in ihm bcS ©eliben
3orn, ber oon 9^ta(hgeben nichts meiß. §abe er etmaS ju behaupt
ten unternommen, fo merbe er gleich unb laffc nicht ab.
bis er bie ©adje auf bie ©pi^e geftellt höbe, ©rinnere man ihn.
fo fei er fo meit entfernt, bie Uebertreibung ju milbcrn, baß er
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^ra§mu§ unb fiut^er.
455
fic im ©cflcnt^cil noc^ mcitcr ftcigcrc. ®a^cr bic ^arobojen in
feiner Se^re, üon benen ©ra^mnö urtbcilte, bog fic nur bo^u
bienen fönnen, fdjäblic^c 2J^6öcrftänbniffe ju ücranlaffcn. 3“
biefen ^arobojen rcdf)nctc er gleich ben ßut^crifc^en §nuptfa^,
bag ber SWenfe^ ^^injig burc^ ben ©lauben geredet merbc, feine
2lnfid)ten üon bem freien SßiUcn, ben guten Söerfen u. bgl. m.
fonnte me^r gegen ben 0inn beö @radmug fein, ald
bog ßutber, mic ed if)m fd)icn, burc^ bic §ärtc unb fRiicffic^tö«
tofigfeit feinciS Serfo^renö bic 9Äac§t^abcr üon fic^ j^urüdftieg.
5)cö ®ra§muö 3bec mar, im (Sinücrftäubnig mit $apft, S3ifc^öfen
unb ^ii^ften bie Äirci^e reformiren, i^nen ba^cr bic bittere
^ifle fo füg roie möglich cinsumicfcln, unb lieber üon ber ©trengc
ber gorberung etma^ 9lamf)afteö nac^^uloffcn, alö fic j\u ©cgnern
ber Reform gu machen, ©o münfd^cnömcrtl} cö mar, bag bic
@ad)e biefen @ang nel)mcn möcgtc, fo miberfpraeg cö bod) fo
fegr aller bi^bengen ©rfagrung, bag nur bic unübcnoinblid)c
0cbeu üor jebet ©cmaltfarnfeit bem (Sraömuö, fogar noeg unter
Siemens VII., bic a)töglicbfcit bcö (5Jclingcn§ üorfpicgcln fonnte.
Söaö il)n aber gegen Sutber's unb feiner 5lnt)änger 33cs
ginnen noeg tiefer ücrftimmte, mar ber Umftanb, bag er gar halb
biejenige Slngelcgenbcit, bic i^m üor allem am ^cr^en lag, bic
bumaniftifebe ©Übung, barunter leiben fab. Unb jmar in bop^
peltcr $lrt: inbem tbcilö monebe frübere öJönner ber lepteren,
um ber reformatorifdjen ©emegung miHen, bic fic ouö bcrfclbcn
berüorgegangen glaubten, ibr feinb mürben; tbeilö ber reforma*
torifebe (Sifer bic bumaniftifeben ©eftrebungen auö bem ÜJfitteU
punftc be^ 3cil^*ücrcffcd üerbröngte. ^cö Sraömuö Älagen über
ben ^ag, melcben fiutber unb beffen ^Inbängcr ben befferen ©tu^
bien ^uge^ogen, nebmen fein ffinbe. ^)agcgcn bemüht er fid), ^u
jeigen, bag beiberlci ©eftrebungen cinanber gar nid)tö angeben ;
ücrficbcrt, bag ibm ilutger pcrfönlid) fremb fei, unb üiel j^u menig
claffifcbc ©tubien b«bc, um ^u ben |)umaniftcn gereebnet merben
;^u fönnen. S^iebt^ befto meniger madjtcn il)n feine (Gegner für
bic gan^c 9leformationöbcmcgung ücrantmortlid). 2)ie ©cttel^
mönebe prebigten, ffiraömiii^ b^be bic ®ier gelegt, Üntber ficau2^=
gebrütet. ermieberte (Sra^muö, er b^bc ein ^übnerci gelegt,
iiutber aber einen gan^ anbern ©ogel betauögebraebt. ©kr biö
an bnö Ufer üormörtö gegangen fei, ber fönnc bod) nicht al^
456
II. «u(^. 10. I^QpitcI.
I
SBornöngcr bcöjcniflcn aiiflcfc^cii locrbcn, bcr ftc§ nun mitten in
bic glutl)cn ftürsc. 2)em mibcrfpricf)t eö nur fc^cinbar, mcim
@raönuiö ein anbermal, bcr @crinc;fd)Q§unfl gegenüber, mit mU
d^cr ßut^cr unb beffen eifernbe 5Int)änger it)n bei ©eite fc^oben,
bic Ueberjeugung aiiöfpric^t, faft allc^, maö fintier Icbrc, mic^
fc^on gelehrt ,^u haben, nur in milbcrcr ^^^rni, ohne ©chnmhun-
gen unb ^arabojen. 5)arum fträubte er fid) and) lange, gegen
Suther aufjutreten: unter oerfdjicbenen ©rünben bodh audh bc6=
megen, meil er fürchtete, mit ßuther’ö Söerfe jugleid) feine eigenen
©aaten ju befd)äbigen.
3mmer ftörenber griff mittlerroeile mit icbem ihrer gort-
fd)rittc bie iRcformation in ba§ ßeben beö @raSmuö ein. 9>hcht
allein ba§ er fich mit einem male oon ber erften ©teile oerbrängt,
ja aus ber erften fHcihe in bie ^meite ^urücfgcfdhoben fehen mußte,
©onbern, inbem bie Slnhänger ber fReformation ihm ^umutheten,
mit ihnen Partei machen, bic ÖJegner, fich gegen biefclbc ju
crflären, unb er feine oon beiben gorberungen erfüllen mochte,
fanb er fid) jmifdjcn ^mei geuern. 2)ie einen fd)mähten ihn alö
feig, bic anbern hielten ihn für falfd) unb marfen il)m oor, baß
er mit Suther unter einer ®ede ftccfc. @r fah alte greunbfehafs
ten zertrennt, allcö mit ©treit unb bic halb in milbc
Äämpfe auöbrachcn, erfüllt; er betrachtete bic ^Reformation alö
baö Unglücf feinet Sebenö unb glaubte eine allgemeine SBermilbc=
rung im 5lnjug.
ßcptereö auch infofem, aU, neben ber Slnfcinbung oon außen,
ber huoioniftifche ^ilbung^trieb juglcid) innerlich abjufterben
brol)tc. ^er phüologifd)c @ifcr crfaltetc, mic bcr rcligiöfc j^unahm.
®ie grammatifd)en unb rhetorifdjen ©tubien fd)icncn il)rc öeftinu
mung erfüllt ju l)oi>cn, nadhbem fic bic Umgeftaltüng bcr Xßeo*
logic crmÖglid)t hotten. @incr um ben anbern ging aujJ bem
humaniftifdhen Säger in bag reformatorifchc über, unb baruntcr
gcrabc folchc, auf mclchc (SraömuiS alö bic ©einigen am meiften
gcrcd)nct hotte, ©o .^ermann 33ufch, Suftiiö Sonad, Jütten,
ä)tcland)tl)on, ben er fo menig mic cinft fReuchlin gern in 2öit=
tenberg fal). ®alb glaubte er bemerfen, baß, mo bo§ Suther^
tl)um hcrrfdjc, bic h«omniftifd)cn ©tubien ^u (^runbe gehen.
^cflagtc bemnad) ©raömuö in Jütten oor allen einen folchen,
bcr für bic ©achc, für mclchc fie früher beibe in ©cmcinfd)aft
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^raStnuS unb i^utten.
457
t^ätiß flctDcfcn, Ucrlorcn c^cf^angcn fei: fo crfc^icn bem (extern
uon feinem ©tonbpunfte auö ©ra^miid alö ein ÜJ?ann, ber bic
©runbfö^e feinet frühem Sebenö unb 3Birfenö jept ncrlänc^nc.
3n biefer Slici^tung batte er bemfelben frf)on uon ©terfelbert^ nnb
ber ©bernburfl qu^ jmei 53riefe öefdjrieben , uon benen ber eine
bereite atS ein Sßorlaufcr ber umfaffenben ©treitfe^rift erfd)eint,
mit melier Ratten feine fd)riftfte£lerifd)e Saiifbaf)u uor ber 3cit
befebtiefeen follte. ift bieg ber 33rief uom 15. ^tufluft 1520,
beffen mir, fomdt er bie piipftlicbe gabnbunt^ auf Ratten unb
feine 9^ettung betraf, fegon früher c^eba^t, ma^ aber fein SSerbält-
nig ja ©raömuä anflint;, abfidjtlicb bis bi^ber uerfpart b<^ben.
|)utten eröffnet bem ©raSmuS, maS er, bei biefem ©tanbe feiner
§lngeteflenbeiten, uon bemfelben uerlant^e, unb uerbebtt ^acileid)
nid)t, mag ibm in beffen bisberigem SBcrbaltcn migfallcn bf^be.
3n 9teucblin’S $anbel b^^be er fid) all^afdjmacb unb ängftlicb
gezeigt. ®ie S3riefe ber 5)anfelmänner, bie er erft bud)gepriefcn,
habe er betnaeb uerbammt. '-öejag auf Sutber fobann bube
er beffen Söiberfacber ^u Überreben gefaebt, als märe bieÄird)cm
reform eine ibm frembe ?lngelegenbeit. ®aS b*^be il)m bodj übel
angeftanben nab fei überbieg jmccfloS gemefen, ba feine magre
©efinnung auS feinen ©egriften mobl befannt fei, unb bager
niemanb feinem SSorgeben ©lauben gefegenft gäbe, ©o gäbe er
ber 9leformpartei gefegabet, ogne fivg 5a nügen. ©egon bisher gäbe
Ratten ber ßeute Sieben über (SraSmaS ungern gegört, boeg ben
greanb, obmogl er felbft nid)t gan^ mit igm ^ufricben gemefen,
entfcgulbigt. 3cgt, ba bie ©adje ign perfönlicg betreffe, motle er
fieg offen gegen ©raSmuS erflären. @v möge bemjenigen, ber ign
ftetS goeggefegäpt gäbe unb and) fegt noeg i\u ben beften ^ienften
für ign bereit fei, fo uiel j^u fiiebe tgan, bag er fieg nidjt and)
über ign fo mie über Sleucglin aab Satger öagere. ©illigang
feiaer ©aege, obmogl igm niegts ©grcnuollereS ^u Xgeil merben
föante, mode er nid)t uon igm uerlangen; nur möge er and)
niegt aas ajlcnfd)eafard)t fcglcdjt uon berfelbcn fprcd)cn, fonbern
fie lieber uöHig mit ©tillfd)meigcn übergegen, in ©rmägang, mie
naegtgeilig ein einziges angünftigeS SEBovt uon igm für .Ratten
fein mügte. ^aS gäbe er igm, als einem greaabe, freimütgig
gefegrieben 0-
1) <^ra3muS, 15. tlugug 1520. ©. oben ©. 318.
458
II. 10. ffopitel.
S^iod) gab ^uttcn ben ©raöimig für bic 0a^c ber fRcform
ni^t ücrlorcu. ^ou feiner innern 3uftinintun9 glaubte er über^
jeugt fein §u bürfen, unb ben iWutb ?ium äugern ^efenntnig
tonnten it)m oietleic^t halb bie S^er^öltniffe geben, wenn er fic^
nur mittlemjeile nic^t alljutief mit ben jj^inben beö g^ttfe^rittä
einlieg unb mit beffen görberern übermarf. Ober mie? menn
man ben öngftlii^en 9Jtann eben bei feiner 2(cngftli^feit ergriff?
Senn man i^n überrebete, er fei unter ben fRomaniften feinet
ßebend nidbt fieser? ©einen Sobnfi| tjatte er noc^ immer in
ßömen; bie ^nmefentieit bed i^aifer^ unb mehrerer dürften führte
il)n um Sinteröanfang 1520 aud) nac^ Äöln. 3)aö moren aber
bie ^auptfifee ber 5iiift<^i^^inge: an beiben Orten mürben eben
um jene ßeit bie ©c^riften 2utt)er'ö oerbrannt. ^Diefcn Umftanb
üerfud)te |)utten benu^en, um bem ©ra^muö bange ju machen.
Saö er benfe, fegrieb er i^m gerabe ein öicrteljabr nach bem
|o eben erörterten Briefe mieber oiel freunblicger, an Orten fic^ auf*
.yigalten, mo ber grögte .§ag gegen igre Partei (ju melc^er^uU
ten ben (Sra^muS je|t ol)ne Seiterei^ rechnet) gerrfc^e, unb bic
päpftlic^en 3J?anbate ot)ne ©c^onung ooüjogen merben? Ob et
glaube, ba noeg fieser j^u fein, mo man iiutger'ö ©üeger oerbraimt
gäbe? er, über ben bic geinbe längft fc^rcien, er fei ber Url)cbcr
unb erfte 2lnftiftcr aller biefer bem ^apfte fo ocrbrieglic^en 83es
megungen. ^)ieg oergalte fic^ j^mar nid^t fo (gibt ^ier |>utten
bem Sraömuö ^u, ber jenen Sormurf nic^t gerne ^örte); bod^
miffc er ja, mit mclc^erlci Seuten fic e^ ju tgun gaben, unb
fönnc fieg benten, bag igr ,§ag gegen bic Siffenfegaften meit
megr noeg ben treffen merbc, ber fic eingefügrt, ber ^)eutfcglanb
mit (SJelcgrfamfcit erfüllt gäbe. ®ag ber SSerfueg, ben @raömu^
feit gagren angefteflt, ben $apft unb feine 2lngänger bureg Sob
unb ©dgmeicgelci für bic gute ©ad)c ^u geminnen, ni^t jum
3iclc gcfügrt gäbe, fege er nun mogl fclbft ein. Darum möge
er fliegen, ege c^ ^^u fpät fei. Der gcmaltfamc So^brueg, ben
Jütten unb gran^ im ©innc gaben, merbe bie ©tcllung be^
@ra§muö noeg bcbcntlicger maegen, unb niegt offenen Eingriff
allein, and) (5Jift unb Dolcg gäbe er 511 füregten. Dager fei
|)utten'ö IRatg, er fofle Sömen mit Öafcl Oertaufegen, mo er längft
beliebt nnb oeregrt fei, mo bic ©ciftcr oon Statur fegon freier
unb nun überbieg bureg Üutgcr’ö ©egriften unb ein bcutfi^eö
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SroSntuS brrbitfei ft(^ ^utien’§ ^efud^. 459
©cbid^t .^utten'S (bie Älog mtb SScrmol^nung) errctjt feien.
^)arum bitten i^n burc^ Jütten (jemeinfc^aftlic^e J^eunbe, beren
SBerlangcn er nac^geben unb fic§ bem gemeinen heften erhalten
möge ‘).
Söenn (SraSmnö nod^ in bemfelben SBintcr fic^ mirflic^ nad^
33afel begob, um ni(^t mieber nac^ fiömen jurücfjufe{)rcn, fo lag
bobei neben ber Slbfic^t, ben 5)rucf feiner ©c^riften in ber
groben’fc^en Dfficin fctbft leiten ju fönnen, noc§ bie anbere jum
©runbe, ben fortmä^renben Eingriffen ber ginfterlinge jener
©tabt unb UniöerfitQt, auf Äanjeln, Ä'at^ebern unb fonft, fid^
j\u entjie^en. Elber feineömeg^, um nun in baößager berfRefor^
mation übcrjugef)en : üielmel)r betrachtete er E3afel alö neutralen
E3oben, ben er, aU berfelbe acht 3ahre fpäter üon ber ^Refor*
mation entfehieben erobert mar, mit einer altgläubig gebliebenen
©tabt oertaufchte.
3mei Sahre maren feit ber Elbfaffung jene^ iöriefö ücr^
floffen, feit britthalb fahren h^itt^n fid) beibe SDMnner nicht gefe*
hen, aU gegen bad @nbe bed ^ahreö 1522 $utten, mie fchon ermähnt,
aU Flüchtling auö 5)eutfchlanb, in Safel erfchien*). Schon un«
termegö, in ©chlettftabt, h^tte er gegen löcatu^ fRhenanu^ unb
anbere geäußert, menn er nach iöafel tomme, moUe er bem (Sxci^*
muö 9Ruth machen, benn Furchtfamfeit fei e^ hoch, bag biefer
fidh nicht günftiger für ßuther ^eige. i)ic erftc 9>lachricht oon
^utten'jJ Elnfunft in S3afel erhielt Sraömuö hierauf burch .t)eins
rieh 'JOtt ®i)penborf, einen jungen 3Rann, ber auf Äoften beS
^erjog^ ©eorg oon Sachfen bamalö feine Stubien in 33afcl
machte unb mit Jütten fchon oorher befannt mar. Ein ber
Freubc, melchc (JraSmug über biefe Nachricht empfunben h^'i^en
miü, bürfen mir bem meitern Erfolge nach billig ,^meifcln ; benn
nach ^en erften (Srtunbigungeu über ^uttcn’ö ©epnben unb Um*
ftänbe gab er bem (Jppenborf ben Eluftrag, bem E^litter freuublich
be^ubringen, berfelbe möge mährenb feineö Elufenthultö il)n nid)t
1) ?[n 6ro§niuS, 13. 3loö. 1620; St^riften I, 6. 423—426.
2) 5ür boS (^olgcnbc finb bie §ultcn’S in jeinft Exposlulatio
ouf bet einen Seife unb be§ ^raSmuS in jeiner Spongia auf ber onbern, in
^utten’S St^tiffen II, 6. 180 ff, 266 ff., ju nerflleidjen. Gbenbafelbfl finb
du(^ uerf(biebene auf bie 8a(f)c bejUgli(f)e Briefe abgebrueft.
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460
II. 10. ftopliet.
biird) feinen 33efuc^ compromittiren. ^)ie6 inar jebenfaßg ber
bentlidje ©inn ber ^eußerung beö @ra§mn^, onc^ loenn er, fet=
ner SBerfid^erung , zufolge, nod) bie ©infc^ränhing ^in^ufügte, faU^
glitten nidjtö 53efonbere^ mit i^m ju reben bötte, unb bnö Stner»
bieten, monn er i^m fonft in ettuaö bienen fönne, fei er ba^u
gern bereit. 9Beld)en ©inbrud biefe Sotfd)aft üon ©raömuö,
fie ibin nod) beffelben Xagö bureb ©ppenborf binterbraebt mürbe,
auf .^utten ntacben mußte, ließ fidb benlen, unb bad)te aud)
©roömuö felbft ; menngleicb, mie er cr^^äbtt, ber SJ^ittelgmann ißn
uerficberte, jener b^be bie ©oebe im beften ©inne aufgenommen.
Slnbere SKitglieber beö ©raömifcben itreifeö, mie Safiliuö Slmer^
bad), benen gegenüber §uttcn feiner ©ntrüftung freien £auf ließ,
batten ibm fid)er SGÖinfe gegeben. ®aber bie mieberbolten fragen
nad) ^utten’ö ©timmung gegen ißn, bie ©ra^nuiö an (gppenborf
richtete, ©o gebrängt, b^>^c (Sppenborf enblid) geäußert, oießeiebt
münfd)e Jütten boeb mit ©raiSmu^ ^u reben: unb barauf miß
biefer ficb erboten b^^ben, menn eö etmaö SSiebtige^ betreffe, ober
jenem fo Diel baran liege, fo fomme e^ ibm auch nid)t barauf
an, unb möge §utten iminerbin ju ibm fommen; eö frage fid)
nur, ob berfelbe bei feiner i^ranfbeit beö @ra§mu^ falte 3»”mer
(mo jeboeb ein Äaminfener nid)t fehlen foße) ertragen fönne;
fönnte er felbft bie Dfenmärme leiben, fo mürbe er bem fRitter
ben iöefucb mad)en.
2)aß ber leptere biefe nachträgliche, bti^b mibermißige @in=
labung mit ©tol^ ^urüdgemiefen müßten mir natürlid)
finben : nad) feiner S^erfidjerung aber ift fie ißm niemals ^ugefommen;
ob fie nun, mie ©raginuö fpäter anbeutete, oon bem
träger unterfdblagcn , ober oon jenem niemolö auögegangen ift.
2Baö bie gebeisten ©tuben betrifft, fo böttc, nach $ntten’iS ©er»
fid)erung, ©ppenborf ben ©radmiiö belehren fönnen, boß jener oft
jmei bi§ brei ©tunben lang mit feinen greunben auf bem ßjfarfte
aufs unb abgebe, aud) an beö @ra§mug §aufe miß er abfid)tlid)
mebrmalö oorübergegangen fein, um fid) biefem bemerflid) su
mad)en. 9lber @ra!^mio3 febrieb noch am SBeibnaebtöfefte an fei*
nen greunb, ben 2)om()errn 3ot)ann oon öopbcim nach Ä'onftan,v
,f)utten höbe er nid)t gefeßen, unb münfcl)e eö jefet auch nid)t.
(Sr meine e^5 gut mit ißm, fofern Jütten eö mit fid) felbcr gut
meine; aber er b^be anbereig ju tl)un.
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^uiicn in 9)lfil|au|en.
461
3)cr üornd)mftc 53ctpcg(jrunb bicfcr ^onblunfj^tüdfe tuar,
tüic Sras^muö fclbft fteftoub, bic 33cfor9ui6, burc^ bcu Scvfcf)r
mit glitten fid) feinen t)ol)en ©önnevn gegenüber blügjuftellcn.
$)ie 9tac^ric^t non biefem iöefud)e, fagt er, mürbe nad) $Rom ge-
langt fein an ben $apft; nac^ ©panien an ben Äaifer; nac^
iörabant, mo ic^ eifrige ^^(nfläger t)abe; nad) @nglanb, mo eö
nid)t an ßeuten fe()lt, bie mic^, ic^ mag moüen ober nic^t, ^um
ßut^craner machen. 2luc^ t)ütte fic^, meinte ©rmsinuö, nid)t
btü^ um eine Unterrebung get)anbelt: einmal in iöerüljrung mit
i§m getreten, ^ätte er ben beruntergefommenen franfen Stüter
in fein ^auö aufnel)men muffen; mobei il)m gleich fc^r üor ber
^(nfteefung, bie er burch blaßen ^auch möglich glaubte, üur
einem 5)arlehn, baö il)m angefunnen merben föunte, uor bem an^
geblich euangelifchen Anhang ^utten’ö, uon bem er überlaufen
j\u merben fürchtete, mie uor beffen eigener iöerbitterung unb
9tul)mrebigfeit graute, uon benen er uorauöfepte, baß fie mit
feinem Unglücf fid) noch gefteigert höben müßten.
* ißon §utteireJ iöefdjüftigungcn mährenb feinei^ Slufenthalt^
in iüafel erfahren mir burch (Sraömu^, baß er eine h^’ftige 3d)rift
gegen ben Äurfürften uon ber $falj uerfaßte, meil biefer, mie
oben ermähnt, feinen 3)icncr, megen cinc^ 9laubanfallö auf brei
klebte, hötte hi»richtcn laffen. @r fuchte aber uergeblich einen
53uchbrucfer, ber eö gemagt hütte, fie i^u bruefen. 2)agegen ließ
er eine 0atire auf einen basier ^rjt erfcheinen, ber fid) uermuth^
lid) in ber üöehanblung uon ^utten’ö Äranfl)eit 'flößen gegeben
hatte, ©raömuö fprad) gegen ©ppenborf feine ^ermunberung au«>,
mo $utten in feinem 8ied)tl)um unb (Slenb iütuße unb 0tim=
mung 5U folcßen ©paßen hcrnel)me? aber (Jppenborf meinte, ber*
gleichen mad)e er eben, um fich ^u ^erftreuen.
^aß er inbeß auch ernftere Umtriebe im ©inne cineö Um»
fturjed ber beftehenben itird)cn^uftönbe machte, erhellt barauS,
baß fofort auf bad Einbringen ber (^eiftlid)feit ber SÜiagiftrat uon
Ekfel ihm ben ^ugefagten ©d)irm auffünbigte. ©0 fal) §utten,
nad) einem Elufenthalte uon nid)t ganj ;^mei aJionaten, früher alö
eö in feiner Elbficht gelegen mar, fiel) genötl)igt, E3afel ju uer»
laffen. 2)ieß that er am 19. 3anuar, ol)ne baß felbft feine beften
greunbe mußten, mol)in er feinen SBeg genommen. @r l)ötte
aber feine E3licfe auf baeJ benadhbahe 3Jtüll)aufen gerichtet, bai$.
462
II. 8u(^. 10. StopM.
bajumal ber (Jibgenoffenfc^aft ^ugctuanbt, i^n tpic SBafel
gegen bic beutfc^en dürften hoffen lieg; tnägrenb bic reform^
frcunblicge ®enfart beö in^befonbere beö einflugreic^en
©tabtf(^reiberö Oötnalb @am6l)arft niit meld^cm Jütten üon früher
^er befannt gemefen ju fein fd^eint, ign gegen ben Hinflug ber
^eiftlic^feit becfen nerfprac^. Sluf 9icbemnegen , weil et bie
9iad^ftellungcn feiner geinbc ju fürchten ^atte, erreichte er in
ßppenborf'^ Begleitung inol^lbe^olten feinen neuen ßuflud^t^ort,
m il)m ©omö^arff^ gürfprad^e im 5luguftinerflofter um fo
Icicgter eine Verberge au^mitteltc, je günftiger beffen Bemo^ner
für boiS SBcrf il)re6 fäd^fifc^en Orbenöbruberö geftimmt waren.
Jütten gehackte ^ier ben 9ieft be^ SBinterg ^ujubringen; ju
welcher Arbeit aber er feine 2)tuge im Sluguftincrflofter benu|te,
Werben wir in Äurjem pnben.
©c^on wö^renb feine« Slufent^alte« in Bafel war bem
IRitter, Don ber i^m perfönlic^ wiberfa^renben Ärönfung abge*
fel)cn, unb auger bem, wa« er au« be« ®ra«mu« neueren ©c^rif'
ten wugte, über beffen Berbalten ju ber fHeformation unb beren
9lngöngern fo manche« 9löbere j\u Ogren gefommen, wa« nic^t
geeignet war, feine ©timmung gegen benfelben ju üerbeffern.
3e|t, in ÜKül^aufen, erfugr er oon bcfud)enben greunben au«
Bafel, wooon er fc^on früger bottc muntein b^ren, @ra«mu«
gege mit einem fcgriftlicgen Eingriff auf bie ßutgeraner um. (Sr
lieg ign bureg (Sppenborf wornen: wenn er Sutger angriffe,
fönnten fic niegt megr gute greunbe fein. (Snblicg, etwa im
2)Mr^, tarn igm be« @ra«mu« Brief an Saurinu«, ^)ecan be«
(SüHeg« oon ©t. 5)onatian in Brügge, gebrueft oor Slugen, ber
ba« Ungewitter, ba« oon §utten’« ©eite fegon längft bem (Sra«»
mu« gebrogt gatte, jum Slu«brucgc brad)te‘).
®a« au«fügrli^c ©egreiben an ben nieberlönbifcgen ©aft^
freunb oom 1. gebruar 1523 ift, bei aller fegeinbar abfegwei^
fenben ©ef^wügigfeit in SReife* unb Ort«befdgreibungen , boeg
burdgau« auf ben Qmd bereegnet, bic ungünftigen ©erüegte ju
jerftreuen, wclcge über be« (5ra«mu« ©tellung ju öutger unb
feinem Unternegmen im Umlaufe waren. 5)iefc ©erüegte gingen
jwar, je naeg ber ^artciftellung ber Urtgeilcnben, naeg jwei ent*
1) %ibgebcu(ft in Igutten^S Schriften II, 6. 158--177.
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L
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(SraSmui’ ^nef an fiaurinuS.
463
9egcnQcfe|ten ©eiten unb ©raßiimö njibcrfpric^t i^nen oud^
in beiben jRic^tuncjcn; boc^ fo, bog er nidjt ücr^el)lt, e^ liege
ibm meit mcljr baran, fid) üon bem Sßerbadjte reinigen, al^
Ijielte er ed mit fiutl)er, alö iljn ber SJormiirf befümmerte, er fei
ungerecht gegen il)n. ®en erfteren ®erbad)t gegen ©raemuö l)atte
feine ^Ibreife aus Üömen unb fein langeiä SBcrmeilen in iöafel
nerftärft. dagegen füljrt er nun bic litcrarifc^eu SSeranlaffungeu
feiner Steife nac^ iöafel auf uub ftellt fid), alö ob er feineiämeg^
bofelbft ju bleiben gebückte. 53ei bem Äaifcr mie bei bem neuen
^^))ft 5lbrian VI. fei er mit nickten in Ungnabe; an ber Sage,
bag ^oc^ftraten feine 33üc^cr uerbrannt ^abe, fei fein toat)re^
äöort. (£r möd)te faft glauben, bcrgleic^en ÖJerüd)te merben üon
gemiffen Sln^ängern ßutbcr'i^ aus^efprengt, um il)n mit ber (3c^
genpartei ju übermerfen. l)ei6e je^t, oielc Sut^eraner ftrömeu
in Öafel jufammen, um fic^ bei ©ras^muiS Slatt)!^ 511 erl)olen.
äöollte ölott, fämen alle Sut^eraner uub ?lntilutl)eroner ju
i^m uub folgten feinem Statl)e, fo mürbe eö beffer in ber SBelt
fteben. Unter ben uielen gremben, bic i^n befuc^en, möge fid)
mol)l mancher Slnl)ängcr ßut^er’^ befinben, barnad) frage er nid)t ;
Que^ üon. feinen altern greunben l)abe er feinem um beSmillen,
meil er fpöter alli^ueifriger üutl)eraner gemorben, fo menig alö
benienigen, bic il)m in ber ^Infeinbung £utl)er’ö ju mcit 5U gel)en
gefc^ienen, bic greunbfd)aft aufgefünbigt: fofern nur beiberfeitö
noc^ bie gute Slbficftt §u erfennen fei. ©0 fei Jütten menige
Xagc alö @aft in iöafel gemefen, ol)ne bag einer ben anbern
befuc^t ^abe: unb boc^ mürbe er, menn §utten ju il)m gefommeu
märe, bem alten greunbe, beffen fc^öne^ Xolent er noc^ je^t lic^
ben müffe, eine Unterrebung nic^t üerfagt ^enn maö
biefer fouft noc^ betreibe, ge^e il)n nichts an. 3öeil aber $utten
feiner itranf^eit megen bie Dfenmävmc nid)t l)abc miffen fönnen,
bie (Jradmud nid)t ertragen fönnc, fo fei ce; gefommen, bag fie
eiiianbcr nic^t gefcl)en b^ben.
Ueber Sutber'ö Sebre b^bc er ficb biel)cv‘ a\i^ maneberlei
(ilrünben fein Urtbeil erlaubt, üor allem, mcit baö eine ©acbe fei,
bic üor einen böbern (fird)licben) Sticbtcrftubl gebbtr; auch b^bc
er Sutber'ö ©ebriften bei mcitem niebt alle gelefcn, unb bie in
fäcbfifcber ©pracbe gefebriebenen (b. b- bie beutfeben) fönne er
nicht einmal lefen. Stur fo üiel b^be er l)in unb mieber in ge-
464
n. 93u(!^. 10. j^apttel.
brucften 33ricfcn bezeugt, bag er ber SBerbinbung ber Sut^craner
fremb fei unb in Sut()cr'ö iöüd^ern ju toenig c^riftlidjc JÖefd^eiben*
1) cit unb jiu Diel 53ittcrfcit finbe. i)abet läugne er uic^t, bag
2iitf)cr auf luanc^e^ aufmertfam gemalt ^abe, baö nic^t tanger
Jiu ertragen gewefen fei unb um bcs3 Söo^lö ber S^riftcnt)eit
tuillcn gebeffert mcrbcu foüte. 2)a übrigenö fiut^cr fein Sebenfen
trage, nidjt allein Äiird)cntct)rcrn, fonbern fclbft ^^irc^enuerfamms
lungen ^n mibcrfprec^cn, fo fönne er nidjtö bagegen l)abcn, menn
man and) il)m mibcrfprc(^c ; nnb ba fc^t ade SBclt gegen tl)n
fdjreibe, märe eö anc^ bem @ra^nui^ nid)t jn üerübetn, menu er,
bem !öefel)le folc^er fid) fngcnb, benen ju miberftreben gefä()rli(^
fei, bei gelegener ßeit feine 0timme über 2utl)er abgeben mürbe,
©ic^ perfönlic^ non beffen §anbel lo^^ufagen, fäl)rt er mit äc^t
(Sraömifc^er Ironie fort, fei für i^n einfad) eine 0ad)e ber
fc^eiben^eit gemefen. ®a er bei Dielen l)o^en Häuptern al3 ber
eigentliche Urheber uon ßuther’ö Sehre, ja alö ber öerfaffer mehrc^
rer Don feinen Schriften gegolten, fo höbe er eine fo h^h^
unmöglid) annehmen föunen, fonbern mic 3Dl)onneö ber Xäufer
rufen müffen: 3d) bin e^ nicht. Suther unb feine 5luhängcr
nennen ihn fo oft einen fchmad)en ©hriften, ber Don ^eiftlidjen
2) ingen nichts Derftehc: fo mögen fic eö il)m ^u @ute holten,
menn er fid) an ba^S Urtt)cil bemährter SSäter holte, unb Suther'^
Steuerungen mitjumachen fid) nid)t getraue. Sßem ber ^err grö^
fjere @eifte^3gabcn Derliel)cn, ber möge fie ju beffen @htc ge*
braud)en; er molle nicht fo hoch fliegen, aber befto ficherer gehen.
Sein SSnnfeh fei auf eoangetifche @intrad)t, auf frieb liehe Teilung
ber Sd)äben ber Äird)e, mit gleichinägiger Stücfficht auf bie Söürbc
beö ^riefterftanbe^, mic auf bie Freiheit beö chriftlichen S^olfeö,
gerid)tct. S33er bicfcö SBcge^ gehe, bem merbe beö ©raömuö §anb:=
reid)ung md)t fehlen, ßiehc aber einer Dor, lieber allcö burch=
einanber /\u merfen, ber merbe gemiß ihn meber jum Rührer,
nod) pm Begleiter hoben. „Sic menben (fd)lief3t er) ben
trieb beö heil, ©cifteö Dor. So mögen fie benn mit gutem @lücf
unter ben Propheten tan,^cn, menn ber ©eift bcö §errn fie angc^
mcl)t l)ot. älUch l)ot biefer (SJeift noch oicht ergriffen: mirb
einmal gefd)cl)en, fo merbe id) Diellcicht auch Saut unter ben
Propheten l)ei6en."
Sin biefem ©raioinifcheu Scnbfchrcibcn mußte unferem 9tittcr
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ßppfnborf qI§
465
aücö j^mribcr fein: bic ironifdje ßaltfinnigfcit flcflcn eine ©Qrf)e,
bic it)u in glammcn fc^tc; bic Dorgctncnbctc llnpartcilic^feit,
ipcic^c bic Parteinahme nur fd)lccf)t nerbedte ; bie Porficht unb
gvicbenöliebe enblidj, bie aber mit bcö ©ricfftcUcrö 33erja(^tt)eit
unb 0chioachhcit für bic (Großen unuerfennbor 5ufammcnhinfl
^aju fam nun, ba§ bic ©teile, in U)cld)cr §uttcn’ö gebadjt mar,
ücrfd)icbenc h^i^^Ü^eiflichc Unmal)rf)eitcn enthielt, burd) melchc
@raßmu5 feine ^anblun^ömeife, bei ber er offenbar fein gutes
©etoiffen hatte, ^u bcfchönigcn fu^tc. @S mar nicht mahr, bog
glitten nur menige Xagc in 33ofcl gemefen ; nid)t mahr, bag nur
ber Dfenpunft beibe SJMnncr auSeinonbcrgchaltcn; nid)t mohr,
baß cS nur bei $utten geftanben hölt<^ (fofern mon hierunter
ücrftcht, maS er mit ©htcu hötte tl)un fönnen) ju (SraSmuS ju
fommen. ©laubtc biefer uieflcicht gar, Jütten merbe cS ols eine
©djonung ertennen, meint er nicht öffentlid) erjähltc, mie er ftch
beffen 33cfuch oerbeten, fo oerrcdjnctc er fid) fchr. 5tm britten
Xagc fchon, nad)bcm ihm baö ©enbfehreiben ju ©cfid)t gefom*
men, mad)tc fich §uttcn baran , in einer auSführlid)cn ©treit*
fchrift mit ©raSmuS megen alles beffen, maS er fomohl pcrfönlich,
mie als ^Inhängcr ber SRcformpartei längft gegen ihn auf . bein
5>cr^cu hcitte, enblich 5lbrcd)nung ju halten. oerjog fich
bereu PoUenbung bis in ben anbern äJionat: hoch erhielt ©raS=
muS zeitig genug 9Zachricht, inbem namentlich ©ppenborf, ber
5mifd)cn ©afcl unb 9)?ülhaufcn hin* unb herrcifte, feine ©rünbe
hatte, ihn oon |mttcn'S übler ©timmung gegen ihn unb üon
bem brohenben Eingriff in itenntniß ju fchen.
tiefer 5cinrid) oon ©ppenborf, beffen oorgeblichc fRittcr*
fchaft jebod) SDMnncr, bic ber ®crhältniffe funbig fein fonnten,
in Slbrcbe ftellten, ein fal)renbcr, ocrfchulbeter Literat, ber, erft
5Uthulid)cr §auSfrcunb bcS SraSmuS, fid) bann an Jütten gc^
hängt hfiltf» fpiclt in biefem gan^^en Raubet eine minbeftenS ^mei»
heutige SRoUc. 2)aß er, mie ihm ©raSmuS ©chulb gab, ben ©treit
abfid)tlid) herbei^uführen gcfudjt unb ^u biefem fid) 3t^c^*
^üngigfeiten erlaubt, bem ©raSmuS bic Erbitterung ^utten’S,
biefem bic nad)träglid)cn Erbietungen bcS EraSmuS ocrfd)miegen
habe, möd)ten mir bem lehtern nid)t ohne meitercS nachfprechen.
"3)aß er aber fpätcr, als .^utten mirflid) fich baran gemacht halle,
gegen EraSmuS 3U fd)rcibcn, bieß als äJiittcl 311 benupen fud)le,
VII. 30
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n. 10.
um bcm ©vaömuä ober feinen f^^eiinbcn @elb Qb^upreffen, mirb
fomob^ nuö feinem ^enel}men bei biefer ©eleficnt)cit, alö auö
einem fpätern gallc mabrfd)cintid), luo er ben alten 3Rann, ber
ibm bei ^cr^og @eorg ein fcblccbtcö ßcwgnift gegeben botte, rec^t
mie ein §erfenrcitcr überfiel. (Sra^mu^^ gebt nur barin ;;u meit,
ba6 er biefe §(bficbt ber ©clbcrpreffiing ebenfo auch $uttcn un*
terlegt. ®ie Unfläterei einc^o iiartböufcrprior^ mochte biefeni
eine miütommenc ©elcgenbcit gemefen fein, feinen ginan^^en auf?
i^ubclfcn : in bem 0trcitc mit Sraömuö mar eö ibm ein heiliger
(£rnft um bie 0acbe, unb biefen @rnft atbmet feine 0(^rift
burd)Quö; menn er ou^, alö biefe fertig mar, eö gefebeben liefe,
bafe ber gefeböftige ^Inbänger fie p einer ©elbfpeculation -^u
benu^en fu^te.
Huf bie 9^lacbrid)t, bie ©ppenborf bei feiner 5meiten Söieber?
febr oon SWülbaufen mitOraebte, bafe §uttcn, über bie erfahrene
ßurücfmeifung erbittert, an einer ©djrift gegen (Sraömuö arbeite,
entfpann ficb junäcbft ein Sriefmecbfcl smifeben beiben. 9lad) be^
(Sra^muö ^arftellung mären cö feine greiinbe, inöbefonbere Söeatuö
IRb^manu^, gemefen, bie il)n gegen ‘feine eigene Hnfid)t ju bem
©djrittc berebeten, einen fcbriftlicben 0übneuerfnd) bei Jütten ju
mad)en: fo atlerbing^, mie er benfelben machte, tonnte er miffen,
bafe ber SSerfueb nicht 511m gicic führen mürbe, ^urdj §einrid)
©ppenborf, febrieb er ihm am t)on $uttcn’‘3
Unmillcn unb ber Strcitfd)rift gegen il)n, mit melcber ber fRitter
umgeben foUc, gehört. 2)arübcr müffe er fid) munbern, ba feine
greunbfebaft für Jütten unoeränbert geblieben fei, menn and)
für ben Hugenblid bie Umftänbe ihnen ben frühem oertrauten
Umgang unmöglich machen. 2öa^ neulich, mäbrenb §utten'i$
Hnmefenbeit in 33afel, j\mifd)cn ihnen Oorgefalleu, fei feine 3^='
rücfmeifung gemefen. Vielmehr höbe et oon §utten nur ba\J=
jenige ficb freunblid) au^gebeten, maö er an beffen 0tellc oou
felbft gethan halben mürbe: bem grennbe nidjt, ohne 9tupcn für
fid) felbft, burd) einen 53efuch 35erbrufe ju^u^iehen. Unb bod)
habe er ihm nachher burch ©ppenborf fagen laffen, menn Jütten
bie Ofenmärmc miffen fönne, bie ihm unerträglich fei, fo foUc
fein 93efudh ihm nicht unlieb fein, ^cleibigt alfo habe er Jütten
nid)t, meber jeht nod) fonft, üielmehr, um oon SäJohlthoten nicht
ju reben, ihm biö auf biefen Xag oon ^)er5en mohlgcmolU.
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@raSmu6’ St^reiOen an ^uttcn. 467
möchte i^m tDÜnfc^cn, boß er feinen fc^liminern 5^inb l^ätte alö
ben ©raömnö, ober bog er befäge, toaiJ biefer geinb il)m loünfdjc.
SBielleic^t locrbc er geflen ign aufgege^t uon iJenten, bic §uttcn'^
geber jur Sättigung igrec^ |)ciffeö gegen @rüömu<? migbrauc^en
möchten. SBoUc ^ntten biefen luiflfagren, fo möge er fürö erfte
bebenfen, bag er ci^ gegen einen tguc, ber cii ni^t um igu uer*=
bient gäbe; bann, bag er feinen eigenen ärgften geinben, bem
^oegftraten u. 2(., feinen grögern gefallen tgun fönne, alö gegen
@raömnö ju fegreiben. ©egon infofern bürfte e^ ber Äluggeit
gemäg fein, menn |)uttcn, ege eö jum mirfliegen Äricge fomme,
üovger in einem ^rioatfegreiben igm mit freunbfcgaftli^er Offen*
geit mittgcilte, maö er gegen ign gäbe; Jütten mügte gan^ ein
anberer gemorben fein, alö er egebem gemefen, menn eö bem @ra^=
miiö niegt gelingen foUte, igm bnrcgaiiö gcnugjutgun.
@0 mcit mar bae ©egreiben bcö @ra§miiö für feinen 3l^ccf
gan^ mogl bereegnet, ben cö ^mar fcgmerlicg erreiegt gaben mürbe,
ba ^mifegen beiben 2)^innern fieg alljuoiel ©toff 511111 ©treite
angefammelt gatte: nun aber nagm e!^ eine SBenbung, melcgc bem
rci5baren Jütten bic geber gegen ©raömuö, menn er fic noeg
nidgt ergriffen gegabt gatte, in bic §anb brüefen mugte. kluger
ber $Hü(fficgt auf bic alte greunbfegaft unb auf ben 3ubel ber
geinbe, fägrt niimlicg ©ra^muö fort, müffc aueg bic fRüeffiegt
auf feinen eigenen fRuf ben ^Ritter oon feinem JtBorgaben 5urücf*
galten. 9tid)t allein bag man einen Eingriff auf ben fcgulblofen
greunb inguman finben mürbe: ,,aud) an foldjen", fegreibt er,
„mürbe oiellcicgt niegt fcglen, bic, in (Srmögung, mic beine
©aegen jegt ftegen, argmögnen möcgten, e-8 fei bei bem gaii5cn
33eginncn nur auf 33eute abgefegen; unb eö mare fein 8ä3unber,
menn biefer Jöerbaegt bei Dielen $lag griffe, OI0 gegen einen
SanbfliKgtigen , ®crfd)ulbcten unb 511m äugerften SRangel an
allem ^ftotgmenbigen ^eruntergefommeucn. ^ir ift niegt unbe*
mugt, melege ©agen über bieg umgegcn; and) mcigt bu mögt,
marum ber ^fal5graf bir 5Ürnt unb ma^ er bir brogt, ber ja an
beinern Wiener bereite bic Xobeöftrafe Doll5ogcn gat. ^egmegen
mödjte id) nid)t, bag bu meine Erinnerung bev gurdjt ober bem
böfen EJemiffen 5ufcgriebcft : ba fic Dielmcgr uon ßiebe 511 bir
aiK^’gt, unb ieg bamit megr für bid) alö für mieg forge. ®u
magft fo gegäffig fegreiben al^ bu millft, fo mirft bu fürd erfte
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II.
10. Kapitel.
eö tpcbcr mit einem folc^cn p t^un Ijnbcn, bem bergleic^en
fc(^tungcn iingemo^nt finb, noc^ mit einem Stummen. *^ann
aber, gefegt and), ic^ febmiege, mirft bu boeb beinern D^ufe übler
tbun alö bem meinigen. ®arum fieb mobl ^cin Jütten,
ba6 bu bicr mehr beine Älugb^it 9latbe /^icbeft, alö ber 2cibcn=
fd)aft leiebtgefinnter SD^enfdjen folgeft. iiebe mobl. 3cb ermavte
beine Slu^forbcrung" ^).
darunter uerftanb @ta§muö bic üorläufige Darlegung non
^uttcn'ö öefebroerben über ibn in einem ^riuatbriefe, bie bann
auch, mie er crjäblt, in einem febr tro^igen Schreiben erfolgte,
bem aber nach ^utten'iS 3lnfünbigung binnen brei Xagen febon
bic Strcitfdjrift felbft (oorerft ^mar noch ungebrueft) naebfommen
foUtc, üon ber eö ein furjer 3n begriff mor. (Sinftmeilen bcant=
lüortete ®raömu§ baö oorlöufigc Schreiben, inbem er ficb $dnft
für ^unft auf ^utten'ö Söormürfe cinlieg unb ibm nodimalj?
bemerflicb ju mad)en fuebte, mie eö nicht minber in beä S^itterö
alö in feinem Sntereffe liege, iljren Streit in ber Stille abju*
machen. Sd)limme mar aber, bag bic §uttcn^fchc Streit^
fd)rift honbf^riftlicb bereite burcl) oiele .^änbe in iiöafcl gegangen,
je^t aud) nach 3^^icb öerfenbet mar, fo baß ©raömuö üon britten
^4^crfoncn oernabm, ma^ Jütten gegen ihn üorgebraebt habe. So
ertlärte auch biefer felbft in ber 5Intmort auf beö ©raömuö
ämcitciS Schreiben (in bereu milbcrcm Xonc biefer eine SBIrfung
üon bem mittlcrmeilc erfolgten gallc Sidingen’d ju erfennen
meinte), ba» äKanufeript fei bereits an ben Sudjbrudcr ab*
gegangen; hoch menn ©raSmuS ba^u febmeigen rnoUc, fo foüc
jmifchen ihnen gricb unb greunbfebaft befteben mie 5UUor. 3c^t
cnblicb fam eine 5lbfcbrift auch ^cm ©raSmuS ju, aber unücr*
fcbloffcn unb unücrfiegelt ; unb nun legte ©ppenborf ücrgeblich
it)m unb feinen 5^cunbcn nabe, ben Eingriff bureb eine ©clb^
fumme abäufaufen. ®cv SSerlcger ber ©raSmifdjcn SSerlc, Sobaun
groben, ^mar bot 50 gi., ber 2)oml)err Johann ^obbeim, im
Sd)recfen um ben 'greunb üon Äonftanj b^^i^üi^crgccilt, fpracb üon
70 gi., um bic eS fid) b^inble: aber ©raSmuS moUtc nid)t bei*
(Geprellte fein, menn bic in Slbfcbriftcn fchon üerbreitete Schrift,
mie oorauSjufehen mar, nachher boeb erfebiene; er gab niditS,
l) 6ra§mu§ an Jütten, 26. SJlcti 1523. §uttcn’§ Schriften II, ©. 178 f.
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jwijd^en ßraSmuS unb l^uHen. 469
unb bictt aud) feine greunbe ob, fic^ oiif ben ^anbel ein;^uliiffen.
^V^itUertneile l)attc ftd) Jütten Don 9}?ül^aufen nadj 3“^*^
öcben, üon tno er nod)malö an ©raöinuö fc^ricb, baö ®efc^e{)enc
tnollen fie auf bie l)omerifc^e Hte (ben ®ömon unbebac^t un^eil^-
noIIer X^alen) fd)iebeii; inöfünftiQC (fo lägt (Sra^muö ign fic^
mi^Sbrüden) njoüe er fidj norfic^tiger galten. 5Iucg bezeugte er
bein @ppenborf, biefer gäbe bic SSerbreitung» ber ©egrift njiber-
ratgen, b. g. ttjogl eben, igm 3ugerebet fie fi^ abfaufen 3U laffen.
^a bieg miglnngen mar, fo reifte nun (Sppenborf, fo beriegtet
(Sraömuö, naeg ©tragbiirg unb berebete ben 53ucgbruder Sognnu
©egott, ber fegon .oon früger ger mit Jütten in SBerbinbung ftanb,
ben 2)rud ber 53efcgmerbefd)rift 311 übernegmen, ben er noeg oor
ber SJiitte beö 3uli oollenbete*).
©0 roeuig bem ©raömuö, unb 3mar nid)t erft feit ^uttcn'ö
^^lufentgalt in ^afel, fonbern fdjon feit beffen Briefen oon ©tcdel-
berg unb (Sbernburg au§, ein Eingriff oon feiner ©eite unermartet
fein fonnte: fo fanb er fieg bod) burd) bie5lrt, mie berfelbe auö-*
gefügrt mar, betroffen. 3n gait3 ^cutfd)lanb, fdjrieb er an ^ird*
geiiner, gätte er fo oiel Snguinanitöt, Unoerfegämtgeit, (Sitelfeit
unb C^egäffigfeit niegt oermutget, alö bie @ine ©egrift oon ,^ut^
ten entgälte. @r fag in biefem einen llnbantbaren, ber igm bie
micbergolten @mpfeglungen an ben (Sarbinal oon ltD^ain3 unb
anbre gürften, bic egrcnooElcn ©rmögnungen in ißriefen unb
©egriften, bic moglmoüenbftc ©efinnung, nun fo ocrgeltc. @r
fdjmanltc, ober tgat boeg alö fegmanfte er einen Hugenblid, ob
er antmorten follc: mic er benn aud) feine basier greunbe mit
ber, feiner 5ßerfid)crnng nad) in fcd)ö Xagen oollcnbctcn ©egen^
fegrift überrafegte, bic er einen ©d)mamm, 3ur 5lbmifcgung oon
^uttcn'ö §lnfprigungcn, betitelte 2).
^uttcn’v^ Exj)ostulatlo ift eine, im ißergältnig 311 ber SUiegrs
3ogl feiner übrigen ©d)riftcn 3icmlid) umfangreiege Arbeit, unb
6ra‘3mii5 mollte feiner afiatifd)Cii fRebefüllc mit lafonifd)cr Ä'ür3e
antmorten: babei mürbe aber feine Spongia beinage noeg cinmol
1) Ulrichi ab HntU*n cum Eraömo Roterodamo preabytero th<*o-
logo Kxpostulatio. ber beutfdjfn Ueberje^ung Se^riften II, S. 180—248.
2) Spongia Erasmi adversus aspergines Iluticni. ©benboielbjl
e. 265-324.
470
II. ^ud^. 10 Kapitel.
fü ftnif. 00 luolltc er nurf), §utton’<J ßcibcnfdjaft cjcflcnüber,
fidj mägigen, ftd), loic fd)ou ber Z\ki feiner 0d)rift nnjeigt,
mc()r nur abmegrenb ocrgaltcn: aber bie ^^Ibwcgr führte ign
SluöfäUcn, bie um fo fränfenber maren, je megr fie fieg gegen
ben ß^garaftcr unb SBanbel bcö ©egncrö richteten; um fo grau^
famer, ba fie fic^ beö 0pottcö über fein Unglücf niegt enthielten,
unb baburd) niegt fd^onenber mürben, bag fie fieg meiftenö in
bloge Slnfpielungen oerftedten. iö3ir fnd)en uon beiben ©egriften
nach' unb jum nebeneinanber eine Sßorftellung ^u geben.
®cibe beginnen mit einer ?lu^einanberfe^ung ber S^eran^
laffung beS 0trcitcö, inbem§ntten, ber @ra^iyifd)en ©ntftellung
in bem 53rief an ßanrinnö gegenüber, ju erhärten fudjt, bag
beö ©ra^mnä ^Benehmen bei feinem Aufenthalt in 93afcl mirflid)c
!0cleibigung cine^ treuen greunbeS unb S^erehrcr^ gemefen fei;
mogegen ©ro^muö ermeifen ju fönnen glaubt, bei jener ©clcgens
heit bie ^flidjtcn ber greuiibfcgaft unb ^umanitöt in feiner
Sßeifc üerleljt jn halben. SDiefer 33cmeiö gelingt ihm ni(^t; beim,
menn man aud) fehr mohl einfiegt, bag ihm in feiner (Stellung,
bei feiner 5)enf= unb ©emüth^art, eine 33erührung mit §uttcn
in jenem nicht ermünfdjt fein, oielleid)t felbft nach=
thcilig merben fonnte, fo mar ja eben l)ic^ ein Jall, mo eine
höhere ^fliegt bie Abneigung ju überminben unb bie Älnggeitös
riieffiegten bei 0eite 5U fegen gebot. Söenn §ntten bem ©ra^mu^
^nrnft, ni^ht anberö al-o mie ein gögere^ Söefen gäbe er ign ftetö
oeregrt, gegen jeben feiner geinbe fei er immer fogleicg ju gelbe
gezogen, unb jener gälte ign jegt niegt einmal einer Unterrebung
mertg, ücrfdjliege igm au§ gnrdit oor ben clenbeftcn SUfenfdjen
bie 5;gür: fo gatte @raömu^ niegtö uor5ubringen, mag ber SBir*
fnng folcger SSormürfe begegnen fonnte.
Alg eine Art oon 0eitenftücf, alg eine uon §uttcn erlittene
^ränfung, über bie er aud) üicl Aufgebeng gättc mad)en fÖnnen,
fnd)t ©ragrnug eine gnbigcrction geltenb ju mad)en, bie fieg
Jütten oor hagren gegen ign gatte 511 0d)ulben fommen laffen.
gm gagr 1519 gatte ©ragmng ben oben ermägnten ©rief an
ben @r^bifd)of Albred)t uon SDfainj gefd)rieben, in mcld)cm er
ßutger, ogne beffen 0acgc üertreten 5U moUen, gegen bie ^ßcx^
fegerung oon Seiten ber lömener Xgeologen in 0cgug nagm.
liefen ^^rief gatte er in Umfcglag an .gutten gefegieft, mit bem
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^utten’S 3Bc|d)tt)erb«j4rift »ibfr ßroSmuS. 471
Vüiftroflc, bcnfclbcn, je uod)bem er es? paffenb finbe, ju überleben
ober 311 ocruidjten. 3tatt beffen lieg Jütten ben ©rief eilenbö
bruefen. iWatürlirfj niacgte er ein Sluffcgen, bad toeber bem ©r^*
bifegof noeg bem ©ra^rnuö lieb fein fonnte. ©rftcrer, bem erft
ein ©ierteljagr fpäter auf feine S^iargfrage ber gnnbfc^riftlicge
©rief, 3crriffen nnb üon ber ^rneferei befcgmn|jt, 3U $anbcn
fnm, befc^merte fid); ©raSinuö berichtete ihm 311 feiner @ntfd)uU
bigung, mie eö 3ugegangen, nnb ftelltc, aU er $utten mieberfah,
biefen 3ur9^ebe, ber nun mit befchämtem Sächeln (er3öhlt @raös
muö) bie Xh^'tf^^ch'^ 3Uflcftnnb, aber auf bic 9iachläffigfeit ber
©chrciber fchob. @inc ädht §utten'fd)e 3nbiöcretion , mie gefogt,
311 bem ^cr ©ad)c ßuther'ö ©orfd)ub 3U thun, unb mohl
and) ben @roi3mneJ uormärtö 311 fehieben; biefem bcgreiflichenocifc
höchft unangenehm: aber mit ber Äränfnng, um bereu millen
ie^t glitten mit il)m red)tctc, nicht 30 Dergleichen.
^od) bie perfönliche ©elcibigung, fährt. Jütten fort, mödjtc
er mol)l mit Stinfchiucigcn übergangen hoffen, tuenn nicht immer
mehr and) bc‘5 ©ra^miiö 5lbfall Don ber©ad)e bcö ©Dangelinmd
fid) hcrau^'ftellt hüHc, oni bciitlichften in bem ©rief an ßaiu
rinuö. 3n biefem liege min unläugbar Dor, bag er entiueber
feinen ©inn fdjinählid) geänbert jefct and
3J^enfchcnfurd)t fchmählid) Xriebfeber
folchcn ^bfollö fein? fragt fid) glitten. 9Zeib auf .Sutl)cr'd
9tnl)m? fleinmütl)ige furcht Dor ber (Gegenpartei? ©eftechung?
Ober tyittc fid) (Sradmud mirflid) eined anbern übcr3eugt? —
5ür bic tieffte Duelle bed Ucbeld fiegt |)uttcn jebenfaHd ben
Äleinmuth an, ber igm üon jeher an @radmud migfaüen h^^l-
5)ie ©erfchiüörung fo Dicler dürften gegen bie ©aege bed ®Daus
gelinmd, meint .Jütten, lägt ign am ©rfolgc Dcr3meifeln, unb fo
finbet er rätl)licg, fid) Don berfelben lod3ufagen, unb fieg um bic
(Gunft jener gürften auf jebe Söeifc 3U bemerben. grcunblicg üon
ihnen anfgenommen unb belobt, mill er fic boeg ber ©iegergeit locgen
erft burd) einen Dienft fieg uerpflicgten ; ID03U igm am paffenbften
fd)eint, luad jene längft üon igm üerlongtcn, gegen bieSutgeraner 3U
fd)reibcn. X)ag er bamit gleicg üon Einfang fo gart auftritt (in
bem ©rief an ßaurin) ift barauf berechnet, biefe 311 fd)recfen, bas
mit fic fieg um fo eger ergeben foHen; beim gelänge cd, fie gic3U
3U bringen, fo märe igm üicl 9tugm unb (Gunft gemig. Slber
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472
II. ®u(^. 10. ÄQpitel.
feine Slec^uunfl, meint Jütten, föimtc i()n täiifc^cn. bie
SJWc^tigcn fo cijricj um feinen iöeiftanb luerben, bemeift, bn§
boc^ nod) @efal)r bei ber 0U(^e ift: für ©raämiiö @efaf)r nid)t
für fein Seben, bod^ für feinen fRut)m. ßäuQft t)at feine SBaiu
belbarfeit SJ^ifefaHen erregt; boc^, fo lange fie fic^ auf S^teben^
fad^en bejog, l)at man fie feinen übrigen ^^orjügeu ju @ute gc^
galten. Söenn man aber nun fe^en toirb, in n>cld)er bebeutenben
Angelegenheit er feinen 'Sd)mad)hciten unb Sfleiguugen na^gibt,
mie gro6 toirb bie ©ntrüftung fein !
0ofort geht Jütten auf bie einzelnen fünfte ein, über
welche et ben ©ra^muö, Wenn er ihn in S3afcl ju fprcchen bc=
fommen h^H^/ münblid) jur fftebe geftcllt würbe,
nun fchriftlich unb öffentlid} jur fRebe fteüt. 3^^ pub
fie mehr pcrfönlicher ^rt: bag Sraömuö in einigen feiner neuern
©d)riften |mtten'i§ mißliebige Erwähnung getljan, beffen greunbe
gefdjmäht, beffen geinbe gelobt habe. 0o in einem Schreiben
an ben Äe^ermeifter ^ochftraten, in weld^em @raömu$ ber bit^
tern Briefe oon fRcudjlin, iRuenar, Sufd) unb Jütten gegen
benfelben mit ber biplomatifchcn SBenbung gebacht hotte, er höbe
fehr bebauen, baß §od)ftraten burd) oorau^gegangene gleichfalls
höchft bittere Schriften jene ju foldhem Unmaß gereift unb ba*
burch ehrenwerthen 9Rännern Einlaß gegeben l)obe, ju benfen,
jene bittern ^inge feien il)m nicht unoerbient gefügt worben.
§ier ift nun Jütten außer fid), gleidjerwcife barüber, baß fein
3orn gegen ^od)ftraten, ben ©raSmuS einft gebilligt, biefem je^t
ju oiel ift, wie über bie glimpflid}e, beinahe fchmei^elhafte Art,
in berSraSmuS mit einem ©d)eufal wie ^od)ftraten, baS er fclbft
früher für ein foldheS erflärt hot, ju SBerfe geht, ©ieht mon
ben angefdjulbigten 33rief felbft an*), fo pnbet man, baß @ras^
muS bem ^ochftraten in ber feinften Slrt, unb ^um Xhcil mit
füßen SBorten, hoch höchft bittere SSahrßeiten fagt; ob er etwa,
fragt er fefet ben fRitter, auf gut §uttenifd) fo an jenen hotte
fchreiben foHen: Unflätige ßloafe, bu crfredjft bich, große aRdn*
ner mit beinen ©ch . . . büchern 511 befchmihen? Sn oielen gäU
len freilich Weiß ©raSmuS feine nad) allen ©eiten hin Oerfchwens
beten ©djineicheleien nur burd) ©pipßnbigfeiten ^u red)tfertigcu.
1) ^Ibgebrudt in ^uttcn’S ©(Triften 1, ©. 303—306.
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i^uttcn’s 53ff(!^|ö}erbci^nft ttibcr 6ra§mu§. 473
unb aud) luir fönncn cinc^ wibrigcn ©inbnicf^ uoii bnifclbcu
um fü ujcnicicr cnud)rcn, al^ tuir mciftcnö aiii3 fonftigcn ?(cuge*
rungcn ©ra^mii^ lüiffcn, bog er über bie fo (^cfd)mcidbcltcii
. '^crfÖn(icf)feitcn für fiel) c^anj anber^ bad)te, @r ben (^ruiib^
fafe, ba6 mau fcinc^')ücö‘3 c^cbaltcn fei, überall uiib immer bie
2Ba()r^eit ju fabelt, ja in mand)en göden fei cö ^flic^t, fie
üerfc^meigen ; §uttcn meijj feinen 3lbfcbcn üor einem feieren
(^rnnbfa^e (bem er alö ^umanift felbft bi^meilen gebnlbigt bötte)
nicht ftart genug au^pbrüefen: burd) biefe 0tarrl)cit aber b^tte
er ficb anö allen 53erbältniffcn ber 2öirflid)fcit berau^gefe^t; mäb-
renb @raämuö, um gegen biefe in feinem S53irfen auf feiner 0eitc
,^u üerftofeen, nicht feiten SBabrbeit unb SBürbe auö ben Hugen
üerlor. ©o fteben fid) in btefem ©treite immer ^toei ganj^c
ÜJ^enfeben, ^mei gefcbloffene ©tanbpunfte entgegen, bereu jeber
feine einfeitige iöered)tignng l)öt, aber eben bnrd} biefe ©infeitigs
feit ber ©ebulb unb bem ©d)icffale ücrfällt.
^)ocb nicht nur geinbe |)utten'ö unb ber fchönen Söiffen*
.fchaften follte ©raeinu^ gelobt, and) greunbe beffelbcn ange^
fd)tüär-^t halben, oor allem ben bamal^ fürjlich oerftorbenen 9icud)s
lin. ^ier mad)t nun mirflich §utten auö einer gliege einen
©lepbonten. 2)ajj (Sraßinuö im .^ebräifchen dapito über ben
alten äWeifter geftellt, mirb auö feinem 9teib unb 5(erger barüber,
ba§ man 9'lcucblin unb ibn alö bie beiben iUugen ^eutfcblanbsJ
^nfammen^uftcllen pflegte, bergeleitet; über bie obneß^oeifel ganj
mabrbeitögemäge 9lotiä aber, bie Sra^ntn^ bem ©r^bifchof Oon
S^odbeftcr in einem 53riefe gab, ba§ IReuchlin bei ber Oorüber^
gebenben Söicberfunft bcö oertriebenen .^er^^ogö Ulrid) im ©om*
mer 1519 einigen ftuttgarter iöürgcrn, benen er erft oerfprochen
gehabt, mit ihnen nad) ©güngen au^^^muanbern , nad)ber nicht
SSort gehalten höbe, toirb er mie über bie febmär.^efte ^-öerläumbung
meitläufig unb brobenb ^ur fRebe geftellt.
®en Äern ber ^utteirfdjen Auflage gegen ©raömuö jebod)
bilbet bie ©tcllung, mclche biefer £utber nnb beffen ©ad)e
genommen batte. 0 beö umoürbigen ©d)aufpielö! ruft l)ier|)ut5
ten auö. ®ra^mud bat fid) bem ^apft ergeben. 3^on il)m bat
er ben Tluftrag, bem ^Infeben be^5 apoftolifd)cn ©tubles nicht-5
gefcheben ju laffen. ^)aö ift mie |)erculei^ im 3)ienfte ber Ompbale.
SBelchcn uermorfenen, uerächtlid)en aJienfchcn bat er fich bamit
474
II. $u(^. 10. j^apttel.
in !Dicnft (ict^cben! Unb er ()ot fc^on ben Äricg eröffnet, fd)on
eine SBunbe nerfe^t. )s|[Belc^c Unnuanbluni]! „%n'\ rebet il)ii
c^utten an, „ber nod) jün^ft bie De^rabenc grömmit^feit micber
au$c;rub, ba§ ©uanqelium qu3 bcni 2Bin!el an ba^ ßid)t jurürfs .
fiU)rte unb bie iRclißion luiebcr^crfteüte , bii Icif)ft je^t -^u bereu
ßcrftöriiuß, Sßertreifmnc;, S^licberiucrfunfl, SSernic^tuufl beine $anb."
0b er nod) bei ©innen fei? Um bic@rünbc folc^er ^anblunt;^^
mcife befragt, gebe (SraSmuö felbft nic^t 3Ki6falIcn an ber ©ad^c,
fonbern ba^ Einbringen eineö EUeanber unb ©lapion, cine§ EBiU
l)elm uon EJ^ontjoie unb ^erjogö (SJeorg uon ©ac^fen an; felbft
ber Äaifer, bringe er nor, f)abe if)n jur SSibcrIegung £utl)cr’ö
für ben (^ceignetften gel)altcn. „SDa fiet)t mair\ ruft Jütten ^
i()m ^u (unb biefe Eöorte trafen eine ber üerberblid)ften ©c^inäc^en
bcö ©raömud), „ba fiel)t man, mie eö bir im>I)lt^ut, bid^ titelt,
tuenn große Herren bid) grüßen, bid) Oertraulidj anreben, bir
il)rcn großartigen ^unft, ißre fürftlid^en hoffen uormac^en, in
ißrem ^ofprunfe mit frehoiUigcn ©naben bir entgegenfommen.
Eöäreft bu nid)t lüfteru noeß folcßem ßätten bir jene
oergeblicß gallen geftcUt, unb nie ßötte man bid} oon unö ob=
loenbig gemaeßt, menn bu nid)t eine große @ßrc für bieß bariii
fänbeft, baß bic oerlaffcnc römifeße (Suric auf bie Elacßri^t oon
beinern Uebertrittc loic oon feßmerem 2)rude toicber oufatßmct."
^oeß für feine 5^rcue gegen ben römifeßen ©tußl gebe
(Sraömuö ben ©rnnb an, baß bie römifeße Äircßc bic fatßolifcßc
Üird)e fei. „3cß mill auf ber ©teile oerloren fein an Seib unb
©celc", ruft ßier Jütten au^, „menn bu nidjt feßr gut meißt,
melcß großer Unterfeßieb jioifdjen ber fatßolifcß apoftolifeßen unb
biefer römifdjen ÄUrd)c ift." ^o märe bic göttlicßc apoftolifcßc
©cßrift, in loclcßer ftünbe, baß ju fRom eine Äircßc fei, bic bet
übrigen ^aupt fein unb einen E3i)cßof ßaben foUc, ber bic anbern
tprannifiren, baö (Suangelium abänbern bürfe; ber bei oUct
©d)led}tigfcit ßcilig genannt merben müffe; bem cd jufteßc, über
bie Eieicßc ber Eöclt .^u Oerfügen unb ben Fimmel ju oerfaufen?
©raömud fagc, jeber grommc fei bem Zapfte ßolb. 3m ©egen-
tßcil, meint glitten, fein grommer fönnc bemjenigen ßolb fein,
beffen ganjed SSefen ©Icidncrci ift, mit ber feine moßre Srömmic^*
feit befteßen fann.
Ein ßutßcr fe^c ©radmud fein ßodjfaßrcnbcd EBefen unb
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^utten’3 Sejd^toerbejc^rtft toibcr @ra§mu3.
476
feine ma^lofc 0d)iiiäl)fiicf)t ^lüein fclbft tt)enn il)m biefe
perföulid) ^ur fiaft fiele, enti]e9net |)utten, fo fliiu]e baö bie
»^ac^e beö ©üangeliumö nid)tö an. 5lud) au ciiv^elneu 2e[)ren
beffelben möge @raämii'3 immer mäfeln. 5?ragc man if)u jebod)
aiifi^ ^emiffen, maö C‘5 buc^ fei, ba^ ben $apft an iiutl)er fo
fel)r üerbriege, ba§ er i^u burc^au^^ tobt ^aben molle ? fo merbe
@raömii3 felbft antmorten muffen : baö, baf5 er, nid)t /^uerft, bod^
am gemaltigften ber päpftlidjen Xprannei fid) luiberfefet ()abe; bag er
ben aWenfe^enfapungen it)r Slnfeben entzogen, ben päpftlidjcn Xrug
ber 2öelt offenbar gemadjt, bie a)?ad)t ber iöullen üernidjtet, bem Slb*
laß iinb äbnlidjen 0piegelfcd}tereicn Teutfdjlanb ocrfd)loffen b^^be.
^)iefe^)ingc babc er, §utten, febon üor ßutber befämpft ; fiutber fei
meber fein ßebrer getoefen, nod) fic ©inoerftänb?
ni§, fonbern jeber treibe fein ^icfd)äft für fid}: aber lucil eö ein*
mal ©itte gemorben, bag jeber Jeinb ber päpftlicben 3^uingl)crrs
febaft unb greunb bei^ ©oangcliumö Sutberaner l)c\\ic, fo laffc
er ficb lieber bureb biefe Benennung Unrcd}t tbnn, um nid)t
bureb aiblcbnung berfclben ben ©d)cin erregen, alä moUte er
ba^ Sefenntnig ber ©aebe ocrlängnen. 3n biefem ©inne aber
fei auch ©raömnö ein Sutberaner, unb um fo mel}r, ba er be*
rebter aU irgenb einer, ebc noch bie SSelt oon Jütten ober fiutber
etmaö gemugt, gan^ auf baffelbe bingearbeitet gäbe. 2)aüon moUe
er i\mar nichts mehr luiffcn; aber, menn nid)t ber grögere^ ^bcH
feiner ©ebriften oeniidjtct merbe, müffe jeber, ber auf bie ©aebe
felbft, mib nid}t auf SÖ3orte ad)te, ibn ^u biefer Partei redjuen,
bie er jept befämpfe, bie aber .glitten, and) gegen il)n, oertt)cibi«
gen merbe. lüe^tereö tbue er ungern: ,,bod)", erflärt er, „meil
bu lieber bei jenen fd)maropen, alö mit mir ber ^4^flid)t getreu bleiben
luillft, fo mug icb’ö leiben, bag mir uiiiS trennen. Üüiagft bu bort
ein bebaglid)eö Seben fül)rcn, mo groge gerren finb, bie bir ÖJe-
fdienfe mad)en, unb menn bu gegen fiutl)er fd}reiben millft, 33iö=
tl)ümcr für bid) in ^ercitfd)aft galten unb fette ^jrünben bir
abtreten: id) miü I)ier in ÖJefal)r ftel)en, mo ernfte, red)tfd)affene,
mal)re, lautere, beftänbige unb freie 9}?änner finb, bie fid) burd)
feine ©efd)enfe bemegen, burc^ feine @l)ren umftimmen, burc^
feine @efaf)ren fd)reden laffen; benen (^cred)tigfeit l)eilig, Xreue
unoerle^lic^, bie g^eligion ger^em^--, bie 2Bal)rl)eit CMemiffcn<^fad)e
ift. äöüd gcl)en mic^ bie Dielen 9lücffid)ten an, burc^ meld)e bu
476
II. ^ud(|. 10. .^opttcl.
bicf) bcr römifd)cn (Suric ücrbmibcn bcfcnnft? 3c^ tücrbc cbcnfo
ftanbljaft um bc^ flcmciucn tüiücn jene
befämpfen, aU bu um eignen Sßortpeilö millen fte bel)artlid) 511
nertl)eibic|en ciebenfft. Uiib babei merbc ic^ leicf)terc Arbeit unb
ein freiere^ ©emiffen haben, ba ich offen unb einfach bie SCBalh^'
heit fa^en barf: mährenb bu in ber Übeln ©tellunci bift, erbich^
ten, erfinben, erfinnen, lügen unb täufchen ^u müffen."
9toch einmal mirb bem ©ra^rnuö am ©chluffe ju ^iemüt^c
geführt, mie fehr er fid) in feiner 9technung auf ben @rfoIg
feinet ÄampfcS gegen ßutl)cr, unb auf bic ^anfbarfeit ber Partei,
in beren ^)ienft er getreten, täufdicn bürftc. ^iefe ficute merben
il)n mehr mie einen, ber fid) ergeben höbe, mic einen ©efangeneu,
aU mie einen i^unbe^gen offen aufnehmen, ©ie meinen, mit
mu^ ber ©ad)e bc^ ©oangeliumö ihre möchtigfte ©tü^e ju ent=
;,iehen. 5tber fie merben finben, baß bie 2öahrl)cit folcher ©tü^en
nid)t bebürfe. 3o, fie merben finben, baß auch nach feinem
Uebertritt @ra§mu§ fort unb fort burd) feine frühem ©chriften
für bie ©ad)e beö ©oangeliumö unb gegen bic römifche ^^prannci
Mmpfen merbe. merben ipm bie 9lomaniftcn nie ocr^eihen.
©tet§ merben fie ipn alö benjenigen hoffen, bcr ihnen bic erfte
Söunbe gcfd)lagcn l)obc. ©0 ocrlicre er auf bcr einen ©eite mehr
5)anf, alö er auf ber anbern geminnc. @r bringe fiep um feinen
frühem mähren fWuhm, ohne neuen ^u ermerben. ©clbft menn er mit
feinen neuen Sunbeögenoffen fiegen foUte, mürbe cö ein trauriger
©icg für it)n fein. @r meiß cö mopl, unb fagt cö auch felhft,
baß mit bcr Unterbrüdung bcr Sutherifchen Partei auch bielco
Don bemjenigen, mofür er gemirft unb geftrebt, unterbrüeft mer»
ben mürbe. Unb bennod) fämpft er gegen fie! gür Jütten ift
er ein (^egenftanb bcö ^titlcibcnö. ^lud) bic übrigen ßutheroncr
bctlagen feinen Uebertritt mepr um feiner alsJ um ihretmiUen,
benen er nid)tö fehoben tann. ©ic fehen bem llampfc mit ihm
getroft entgegen, um fo mepr, ba bcr frühere @ra^muö fclbft in
ihren 9icihcn gegen ben jepigen ftreiten mirb.
SBir hoben Jütten al<S ben i^läger auörcben laffen, um
nun and) bic SSertheibigung unb SSicberflagc bcö @raömuö im
ßufammenhongc 311 oernchmen. .^utten bcfchulbigc ipn, jagt er,
früher fei er bcr £utherif(hcn Partei jugethan gemefen, jc^t be^
tämpfc er bie ©ad)c bc$ @oangclium§. @ineö fei fo falfcp tnie
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@ra§mu§’ S^Hoomm.
477
baö anbcrc. 3nt ©cgcntl^cil: t)on jc^cr fd er jener Partei ab*
geneigt genjcfen, nnb nie l)abc er anfgcljört, ein rcblic^cr görberer
ber 0ad)e beö ©uangcliiini^^ ju fein, ^arteimann fei er über*
l)aupt nic^t; baju fei U)m feine Unab()än9igfcit ju lieb. *3)q6 er
i)on ber iiutljerifd)en 'ißartei nid)tö lüiffen inoUe, l)abe er bem
fHittcr üor brei 3al)ten bei it)rcr Unterrebung in £ön>en felbft
gefügt. 2)er ganje $anbet fd raiber feinen fHatl) dngefangen
lüorben. @leic^ Slnfangi^ ()abe er erfliirt, er üermiffc an ßutljer
enangelifdjc iöefdjeibcn^eit unb 3Jdlbc, l)abe feine ^ortnäefigfeit
im Söe^aupten getabelt, an bem (Reifte, ber il)n treibe,
geäußert, ^iefe Stu^^ftellungen feien burc^ bie 0c^riften, bie
2utt)er feitbcin aus^gel)cn laffen, immer me^r beftätigt mors
ben. Xa er fid) in biefem 0innc oon oorne Ijerdn über 2utl)cr
auögefproc^en , fo miffe er fic^ Ijicrin feiner Söanbelbarfeit
fd)ulbig.
(Sbenfomenig in feinen ^[eugerungen über ben römifd)en
0tuf)l. $äpftlid)e Xprannei unb 9fiaubfud)t, morüber bie flogen
fc^on fo alt, l)abc er nie in 0c^up genommen, ^cn Slblafe fo
menig in iöanfc^ unb iöogen oermorfen, qU ben fc^mäl)lid)en
^anbel bamit gutgel)ci§en. ^ie (Srflärungen feiner @rgebenl)eit
gegen ?Rom, auö benen il)m Jütten ein ?öeibrec^en mac^e, feien,
in feinem 0innc oerftanben, burc^auö unoerfänglic^. 3a, er ^abe
gefügt, er merbe oon bem römifc^en 0tul)le niemalö meid^en.
Slber nur fo lange biefer nic^t oon (E^rifto meidjen merbe. @r
l)übe gefügt, jeber gromme fd bem Zapfte l)otb. 5lUein bem
^apfte ^olb fei, mer i^n gerne mit apoftolifc^en Xugenben ge*
jiert fel)e; man fönnc ben 2eo (ber mar tobt) Ijaffcn, unb boc^
ben ^^?apft lieben; mer mit ben Untl)atcn ber ^Üpfte halte,
ber meine cö midjt gut mit bem ^4^apfte felbft. Xa^ finb nun
freilich blo^c Sporte. SDenn eben bie Erfahrung mar bamalö reif
gemorben, ba§ baö Verfehlte unb ^erbcrblidje im SBcfen beö
^4^apftthum^ felber liege; bag alfo auch ein jufällig beffereö 3n*
bioibuum, baö in bie 0teüung cineö ^apftc!^ fomme (mie etma
ber bamalige ^4^apft Slbrian VI., auf ben fid) @raömu5$ auch
berief), entmeber burd) bicfelbe oerberbt, ober hoch fo gebunben
merbe, bofe feine perfönlichen Sor^üge bem 3nftitutc felbft unb
ber SÖelt nicht ju (^ute fommen.
Unter ben ^£)ingen, melche bem (Sra^mu^ an ber ^Reformation
478
11. 10. j^apitel.
migficlen, ftanbcn natürlid) bic (Strcitic^tciten iinb Unru^nt, btc
fic mit fid} fü[)rte, oben an. §uttcn mtcö bagegen auf ba§ Söort
(£t)^ifti biii/ bag er iüd)t ben ^rieben, foubern bQ)§ ®d}tt)ert unb
©nt^mciunc^ bringe; erinnerte, bag bie 0c^ulb biefer Unrul}cn
auf biejenigen falle, meldjc ba§ (Suangelium nic^t leiben mollcn;
unb meinte, auf bie 5rage, maö beffer fei, bie Unruhen in ben
Äauf äu nel)ineii, ober, um fie ^u uermciben, bie Unterbrüefung
beö ©üangelium^ fic^ gefallen ju laffen, fönne bie Slntmort nidjt
5tüeifel()aft fein. §(ber (Sraömuö glaubte ^JJiittel unb Sßege ju
miffen, mie bie 3ad)e (5uüngelium‘3 oljne Xumult burc^gefü^rt
merben fönne; er martete nur, bi^ i^n gürften unb ®elc()rtc um
fein (i^utac^ten angeben mürben. Xod) ganj feinen
9latbfd)lägcn aud) je^t febon nicht jurüd. Sluf beiben 0eiten fab
er Uebertreibung. SBo^^u führen foHe, menn ber eine Xbeil
nur noch non Unruhen, 3onf unb Schmähungen, ber anbre nur
non 'Bannbullen unb Sdjeiterhaufen miffen molle? Beibe Xhcilc
füllen fich in einanber fchiden. 3» allen alten unb ^auptartifcln
be^ chriftlid)en ©lauben^ nnb üebenö fei man ja einig. X)cr
Streit betreffe größtenthciliS nur gemiffe Boraboyen, bie thcil^
unoerftänblid), theilö unmefentlid) feien. Xarum foHtcn bic geift-
liehen unb meltlichen 9)^ichthaber ihre Seibenfehaften unb ihren
Brbatüortheil bem ©em'cinmohl unb ber ©Iji^r Shrifti* nachfe^cn
unb auch auö geringem 3Jhinbe Belehrung annchmen. Xie (^3elehrtcn
aber follten, ohne 3onf unb Schmähungen, über bic Beilegung
be^ 3^^^<^fpolteö unb ba^ Bcfte ber (Shriftenheit uerhanbcln unb bie
(Srgebniffe biefer Berhanblnngcn in geheimen Briefen bem Bopft
unb bem Äaifer -^ur Äenntniß bringen! — ^Ifo baö mar bo^
@raömifd}c Slrcanum: erft bic ganj begrünbetc, nur Icibcr in aUcn
3eitcn ber Bemegung ootltommen mirfung^lofc Brebigt ber 2Jiä=
feigung nad) beiben Seiten; bann ein Borfchlng, ber fo finbifd)
ift, ba^ man glauben müßte, (5ra§mu5 höbe fclbft im Stillcu
über bcnfclbcn gclächclt, müßte man nidjt, mic bic ^furcht Uor
SlcUolntionen bie' flügftcn 3Känncr (einer 5lrt über ba^ Un.vi-
reid;enbc ber Drittel, bic fie bagegen in Borfchlag bringen, ju
bcrblenben pflegt.
HU feinen SebciUbcruf erfennt @raömuö bic Beförbernng
ber beffern 2öiffenfd)üftcn, bic @rncucrnng einer einfachen, rcino^
reu Xheologie: unb bafür merbc er ^eitlebciU mirfen, ob eö Üuthern
(SraStnuS* ^d^itoamm.
479
lieb ober leib fei, ben er für einen 9}icnfd)en Ijolte, ber irren
unb anbre irrefü^ren fönnc. ?lucb glitten gebe ja nur ungern
bag man il)n £utl)craner neune, unb infofern mit fHcc^t, aU
üutl)er felbft il)n nid)t anertcnnc. 3a, er müfete fid) fel)r täufc^cn,
menn biefem nic^t ein C^iegner mie (Srav^rnuö lieber märe, al^ ein
Sln^änger mie $utten. ^amit ift mol)l nod) mel)u gemeint, old
mo^ ©radmuö an einer anbem ©teile fagt, feine 3wtüdt)altiing
fd}abe ber ©ac^c 2ut^er'ö meniger alö ^utten'ö unüberlegte ^i^e.
SBen boc^ biefer unter ben äöir unb Unö oerfte^e, bon benen er
fo oft rebeV Ob alle ol)ne Unterfc^ieb, bie irgenbmie ßutl^ern an^^
Rängen unb bem ^apfte übel moHen? 9Jac^ beö (Sra^muö Ur?
t^cile finb l)ier oerfdjicbene Äiaffen mo^l ^u untcrfc^eiben. Srftlid)
gelehrte unb mof)lgefinnte ßeute (er gehöre nic^t ^u il)nen, fagt
®raömuä, aber erfenne fie alö ebrenmertl)e ßeute an, unter benen
er gute g^eunbe ääl)le), meld)e bie mciften oon fiutbcr’ä 2el)rcn
billigen unb ber ^adjt ber 9^ömlinge ©d)ianfcn gcfe(jt münfd^en.
©ie moUcn, ba§ $apft unb iüifc^öfe ftatt meltlid^er gürften
eoangelifc^e 2el)rer, ftatt 5^i)ranncn öäter feien; baß ber Slblaß*
unb üöuücnl)anbcl bejcßronft, bie ÜJ^enge ber Zeremonien unb
gefttage geminbert, maljrc grömmigfeit bagegen belebt merbe;
baß bie fd^olaftijc^cn ßeßren ber ßeil. ©d}rift raeid)cn; allcrljanb
£aften, mie ©peifeoerbotc, Zl)el)inberniffe, crleidjtert, bie ie^t fo
ucrmeltlidjten ajiöndje ju mal)rl)aft gciftlicßem Seben jurüdgefüßrt
merben u. bgl. m. 5öon ollen biefen billige aber fein eiu5iger
$uttcn’^ Untcrueßmungen, fo menig alö 2utßcr felbft. Zinc an*
bere Älaffc oon £utßerancrn befteße auö 3Kenfd)cn oßne iöilbung
uiib Urtßcil, oon unreinem Söanbel unb unrußigem ©innc, bie
£utßeni anßängen, oßne feine £eßren i\u befolgen, ja nur rcd)t
ju fennen. ©ie ßalten fieß oor^ugdmeifc an bad 9fegatioe barin,
'geßen nießt in bie ilireße, oerleßcn bie ©peifeoerbote, feßimpfen
auf ben ^apft unb fd)ließen ißre coangcliftßcn 33ünbniffe am
liebften beim üöecßer. ^cren aufrüßrerifeßem ZJebaßren merben
bie gürften mit ZJemalt entgegentreten müffen. 3ßre ©cßulb
merbe eö bann fein, baß aueß ben gered)tcn ^cfcßmcrbcn nießt
obgeßülfen merbe. 3Kit biefer ^Irt oon SD^enfeßen münfd)e er
feine ZJemeinfcßaft, unb aueß Jütten feßeine nießte^ oon ißnen
miffen 511 mollen. 9fun gebe eö aber noeß eine britte Hlaffc,
benen cd gar nießt um bn<J Zoongelium, fonbern unter beffen
480
II. $ud^. 10.
Somanbc Icbic^lid^ um öeutc unb ^(ünberung ju t^un fei. ^iefc
crfcunc £utl)er nic^t an, mic bcnii auc^ i^rc Sc^rfä^e'uon ben
feinigen fc^r ücrfc^icbcn feien, nämiid) biefc: mer einigen ^bel
üonücnben fönne, ber b‘ibe boö $Hec^t, einen Söanbercr auf offener
©tvafec anjufallen unb entmeber ju berauben, ober gefangen meg?
äufü^ren; ba^ 3^edjt, menn er fein (SJelb bei SBein, kirnen unb
0piet burdjgcbradjt, jebem ^e^bc anjufünbigen, oon beni er ctnxijg
geioinnen ju fönnen glaube. Sl^ielleidjt gebe eö einige, bie, nac^*
bem fic aUeö ba^ 3l)rige ucrfc^menbet ^aben, fic^ nun alö 2utbc=
raner ftellen, um unter biefem Xitel fic^ (Gönner ju ermerben.
X)ü6 bamit auf Jütten unb (^ppenborf gejielt unb, außer frühem
angeblichen Xhaten beö erfteren, ber Singriff beiber auf ©raörnuö
gemeint ift, märe flar, menn auch iiicljl einer anbern 0tellc
@raömu^ gcrabeju fagte, bie iöenennung cine^ Sutheranero möge
für Jütten je^t Oon lliu^en fein, ba fie allein ihm 0chu6 unb
S^ahrung oerfchaffe.
Sluch folgenbe 0tellc ift ooll oerborgener 0pi^en gegen
Jütten. @r fehc, fagt ®raömu^, ^mar oielc Sutheraner, aber
menig ©oangelifdje. SlBenn Jütten iicute fenne, bie, ftatt mit
Söcin, Xirnen unb SBürfeljpicl, fid) burch ßefen ber h^-’il- ^ch^ift
unb fromme ©cfprädje ergeben; melche niemanb um baiS @elb^
baö fic ihm fchulbig, betrügen, fonbern freimillig, ma^ fie nidjt
fchulbig, ben Xürftigen fpenben; meldje, ftatt folche, bie ihnen
nichts ju ßeibe gethan, ^u fd)mähen, oiclmehr auf baj^ 0chcltmort
felbft eine Oerföhnliche Slntmort geben ; mel^c nicmanben bemalt
anthun ober anbrol)cn, fonbern fogar erlittene^ Unredjt mit
2öol)lthoten oergeltcn; mddje fo menig Unruhen erregen, baß fie
im ©egentheil, mo fie fönnen, ©intracht unb grieben ftiften;
meldje fich nicht felbft rühmen, nicht mit SSerbrechen ober mit
Xhoten, bie fie gar nicht gethan haben, prahlen, fonbern ba^
Üob aud) ihrer guten SBerfe auf ©h^^fUint übertragen: menii
§uttcn bem ©raömuö folcße ©oangclifchc ^eige, fo merbe er fid)
ihnen mit greuben anfchließen. Slber fie feien, menn eö über*
haupt bergleicßen gebe, menigftemg öußerft rar.
@egcn baö ©nbe feiner S^efchmcrbefchtift hatte fich Jütten
ber SBcnbung bebient, ©ra^muö gebe burd) feine Söanbel bar feit
unb llnjuoerläffigfcit ber beutfehen Sugenb ein übleö 33cif^>icl,
unb Jütten merbe baljer alle ermahnen, be^ ©rof^rnuö 0itten
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6ra§mu§’ S^toomm.
481
flic()cn, tüic er simmer ßcnmtjnt l^abc, feinen 0tubien nac^^ueifern.
(^ut, entejeanet biefer, fo möge benn bic beutfelje Sugenb fid)
|)uttcn'ö 0ittcn jum äliuftcr ne()men. 253ic er an einer anbern
0tcüe ber §utten'ö an il)n, ju fd^rcien unb bie
iiafter ber ^äpftc bem ^olfe 511 nerfünbigen, mit ber 53cmerfung
begegnet mar, er fei fic^ ju tief feiner eigenen geiler bemüht,
um ben 9iid)ter über frembe ju machen; aber Jütten möge
fd)reien, ber Steine, bem feine 33efd)ulbigung jurüefgegeben merben
fönne. §iegegen fann faft nod} f)armloö erfdjeinen, menn
©ra-^muö einmat fagt, mäf)renb feinet 5(ufentl)alteö in Trabant
f)abe er üon feiner 5(rmutb in Einern 3al)re mel)r an 0tubirenbe
gefpenbet, alö gemiffe £eute üon i^ren üotcrlic^cn (Gütern bcs
Rieben; ober menn er bem ^utteirf^en S^ormurfe gegenüber, bag
er fidj burd) 0d)meidjelei gegen ^äpfte unb gürften febü^en
fud}e, bemerft: Jütten freilid) l)abe Burgen unb SBälle, Xruppen
unb 33üd)fen, 9iaudj, geuer unb 0d)mcrtcr, gebbebriefe unb
ilriege §u feinem 0d)ube; baö alleö gebe bem (^raömuö ab. Qiu
bem befi^e Jütten je^t nidjte mehr, mofür er ^u fürd)ten braud}te;
üielleidjt fei er barum fo tapfer. (Sr, (Sraömuö, baö geftebe er,
fürd)te für feine SBerfc, üon benen auch $utten bezeuge, baß fie
in meiten Streifen nidjt menig S^ii^en ftiften. @r fpare fid) auf,
um ferner nüben ju fönnen.
3n iktreff ber ßueignungen feiner 33üd)er, bie ibm uon
Jütten ald (^elbjägcrei uorgemorfen maren, ermiebert (Sraömuö,
Don ^riuaten b^be er nid)t einmal eine ^anffagung bafür an-
genommen, unb üon ben gürften b^^ben ibm bie menigften etmaö
bafür gegeben; gebettelt l)‘ibe er bei feinem. Unb bod) märe eö,
in ^^etrad)t ber ilkbürftigfeit beö inenfd)licben Sebenö, oer.\eiblid)er,
burd) ebrlid)en gleiß auf bie greigebigfeit ber gürften 3agb ju
mad)en, alo oon ben greunben ju entlehnen, maö man ihnen
nicht mieber^ugeben, ju laufen, maö man nid)t ju befahlen ge-
benfe, ober burd) irobungen (belb oon fold)en 511 erpreßen, bie
nid)t^ oerfcbulbet b^ben. (Sr miffe nicht, fagt föraömuö an einer
anbern 0telle, ob ber Sßerbaebt^ berjenigen ganj grunblo^ fei,
melcbe behaupten, .^utten fei oom fRitter pm fißenben Slrbeiter
gemorben unb oerfertige bcrgleid)en 0d)riftcn, mie bie gegen il)n,
auf ben (Srmerb, unb j\mar einen boppelten, inbem er fid) erft
oon ben Jsöeftellern für bie 0d)rift, bann oon benen, gegen bie
VIL 81
482
II. 10. Rnpttel.
fic c\erid)tct, bafür bc5at)lcii laffc, bag fic ni^t gcbrucft tocrbc.
53crcitv btibc it)m aud), luic ucrlautc, (füv feine Expostulatio)
ber iöudjbruder ettua^ bc^a()lt. ift merfiuürbig, mit meld}cni
(Sifer ^uttcn'ö ^ertt)cibigcr gegen bie @raömifd)e Spongia, Otto
JÖrnnfelö, ben Icfjtern ^unft 511 miberlegcn fnd)t. |mttcn l)abc
ben Bruder feiner 0treitfd)vift gar nidjt gefannt, unb biefer
fönnc befc^ipören, il)m nic^tö für biefelbe gefd)entt 511 l)Qbcii.
^üd), meint er, lucnn biefi and) ber galt gemefen, fo mare bavoit
immer nid)U Unrechte». Ob man fid) benn für feine Arbeit
nid)t belol)ncn laffen bürfe? unb ob nic^t (Sraömn^ felbft jumcift
Don fold^em (Srmerbe (ebc? 53efannt fei bod), bag fein 93cr(ec)cr
groben if)n für mci)r alö 200 gt. jäl)rlid) 55afel unterhalte.
@benfü eifrig tuiberfpradj nun aber fofort (Sraöinuö biefer ^n*
gäbe, burd) meld}c er feiner @l)re ^u nal)c gethan glaubte,
ein 0dhriftfteüer oon @cfd)enfen nnb ^enfionen ber ©ro^eii lebe,
bie er fid) burch ^ebicationen erfd)mcid)elt, fanb man bamatö in
ber Orbnung: bagegen, 00m Verleger fid) besohlen su laffen, galt
für nicht gans ehrenhaft. ift eine ^efferung ber ißerhältniffe,
mie eine ^-öerid)tigung ber iöegriffe, bag fid) biefeö Urtheil feitl)cr
umge!el)rt h^t-
0cine Spongia eignete (Sraömu^ in einem oorangefd)icftcu
©d)reiben bem toelchem er, obmol)l mit feinem
reformatorifd)cn Sluftreten oiclfad) nnsnfriebcn, bod) immer nod)
in freunblidhcm SSerfehre ftanb, unb sn bem fiel) unterbeffen §ut»
ten oon ä)tülhaufcn au^ (loooon fogleich mehr) begeben hotte.
SBeil nad) 3ünd) suerft oon iöafel auö baö ÖJift (ba^ ^ntten’fchc
ßibell) gebracht morben, fo il)m paffenb gefchienen, aud)
ba^ ©egengift suerft bortl)in 511 fd)icfcn. 5)abei lieg er in einem
^rioatbriefe an biefen feine Unsufriebenheit über bie
Stüifchcn il)m unb ,'pntten beftehenbe Sßerbinbung inerten unb
mad)tc il)n nicht unbeutlid) für baö @rf(^einen ber ^utten’fchen
0trcitfd)rift ocrantioortlich.
Obioohl mir anf ben locld)cm bie ©ra^mifd)c
©egenfehrift erfd)ien, erft lociter unten ju fpred)en fommen, fo
fei bodh l)\cx ein Söort über ben ©inbruct gefagt, ioeld)cn bie
beiben 0d)riften auf bie 3fil9cnoffen t)cvoorbrad)ten. mar
im ©ansen ein peinlidhcr. ^en geinben ber mieberauflebenben
ill^iffenfchaften, ben 2)unfelmönnern, meinte ©rai^muö nicht mit
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ßinbrud Quf bic 3«töfnoffen.
483
Unrcrf)t, toerbc ^uttcn’ö Eingriff auf i()u bic größte grcubc niad}cn.
3m fiagcr ber ^immniftcn tuurbc bcrfclbc ^icmlict) allgemein
mißbilligt. (Sogar §uttcirö alter 33unbex^bruber (Sobau $cffc
mellte il)m bcnfelbcn nießt oerjeißen. @o ticfgcmur^clt mar noc^
immer baiS ^nfcbeii bc5 @ra^-mu§. Unter ben ©uangelifdjcn
maren ^mar mandjc, benen c§ g^enbe mad)te, beffen 3'^ct^<^utigs:
feit cnblicß cntlarot ju feßen, benen ^utten'd fdjroffer grcimutl)
beffer alö feinet ©egner^S ücrmittelnbc Diplomatie ^nfagte. ^ber
gcrabc in ßutßer'ö Umgebung mißbilligte man ^nttcn’ig (Seßrift.
9tad) allen 0eitcn ßin feßrieb äJiclandjtßon, man möge boeß nidjt
glauben, baß er ober Sntßcr an bcrfelbcn gefallen fänben. Den
Verleger 0cßott ftcütc er in einem überaus feßarfen ©eßreiben
megen bcS DrudS ^nr Siebe. Söenn aueß baS ^eneßmen bcS
SraSmnS ber Slcformation gegenüber ntaneßem Dabei unterliege
meint S)ic(and)tßon, fo ßätte man bod), in l!Öetrad)t feiner SScr^
bienfte unb feines Hüters, ein 9lugc ^nbrüden follcn. Slueß auS
MlugßcitSrüdficßtcn ßätte man bieß tßun follcn, ba eine foldjc
^cranSforbernng nur ba,yi bienen fönnc, tßcilS ben ©raSmiiS nod)
meßr gegen bic @uangclifd}en jn erbittern, tßcilS biefen in mciten
reifen ,!paß ^nmege 511 bringen.
Dod) beinaßc fd)cint cS, baß ainß foldjc, bic mit ber §ut=
ten’fcßen 0cßrift Einfangs feßr un^ufricben gemefen maren, imd)
bem (^rfeßeinen ber (SraSmifeßen @cgcnfd}rift milber über jene 511
beuten anßngcn. Die .geftigfeit beS Eingriffs erfdjien ßarmloS,
menn man fie mit ben Düden ber ^bmeßr oerglid). „3cß molltc'',
fd)ricb ifntßer über beibe ^-öücßcr, „baß Jütten feine 3^cfcßmcrbe
gefüßrt, norß oiel meniger aber, baß ©raSmnS fie abgemifeßt ßätte,
2Bcnn baS mit bem Seßmamm abmifeßen ßeißt, maS ift bann
0d3inäßen unb 2äftern?“ *) 0icßcr ßätte bamit Sutßcr ben
iöeften ber 3^'ilö(^ii offen anS ber Seele gcfprcd}cn.
^alb rüßrten fid) — ba glitten in§mifd)en 00m ©cßauplaße
abgetreten mar — aneß gebern ju feiner SScrtßcibigung. Der
feurige ^ermann Don bem ^^ufeße ging mit einer Seßrift gegen
ben 8d)mamm beS (SraSmnS um, bic aber, mic biefer meinte
auf Ü)klancßtßon's Slbmaßnung ßin, nid)t ^nr ^uSfüßrnng fam.
Dßnc 3^oeifcl märe fie beffer gcratßcn als bic bcS Otto ^rnns
1) V<x ^riff Dom 1. Cot. 1523 in ^ullcn’8 Sctiriften II, S. 370.
484
II. 10. ßa^ttel.
feU, bcu ,=^ur SScvt^eibigunci fdnc§ S3cfc^ü^cr-8 ^onlbarfcit unb
cüangclifc^cr (Sifcr trieb, auc^ pcrfönlic^c Söcfanntfc^aft befähigte,
tuäbrcnb er an @eift beiben SJMimerit, in beren @treit er firf)
mifc^te, QÜju unebenbürtig mar. 0einc 0d)rift*) ift in einer
?trt Don ÖJefpräc^^form abgefagt, inbem jcbc^mat erft eine l)erauö'
geriffene 0telle amS ber Spongia unter bem S^iamen bcö @ro^-
inuö angeführt, bann unter bem 9>lamcn Otto beantmortet mirb.
@0 ift eine tuot)lgemeinte, gemiffcnl)afte Slrbeit, ber mir inöbe=
fonbere auc^ manche fc^ä^barc biograpl)ifct)e S^otij über §uttcn
uerbanfen; bie aber ^mifc^en ben jmei 0d)riften, auf bie fic‘S3cs
j\ug nimmt, nic^t btoö burc^ it)r fc^tec^teä Satein eine fläglici)e
gigur mad)t, Sonbern, mä^renb Jütten unb @raömu^ auf bem
freien gelbe beö ^umaniömuö fämpfen, in bem meiten @efic^t^=
freifc beg Vernünftigen, lRed)ten unb ©c^idlid^en fid^ orientiren,
^cigt fic^ Vrunfelö bereite in bcu ^orijont einer blosS rcligiöfen,
\a confeffioncUen ^enfart gebannt. fehlte nur noc^, bag, mie
füfort Don (Sra^rnuö 5Uber gcfd)al), bie @raömifd)c ©trcitfd}rift
au^brücflid) nad^ i^rem Verljältniß ju ber ßel^re ßutber’^
geprüft, mitt)in an einem äJ^afeftabc gemeffen mürbe, meldjer ber
benfbar unpaffcnbftc ^u i^rer Vcurtl)eilung mar-).
©0 verengte fic^ ber @eift ber ober biefcö fid) Ver^
engen mar )iuglcic^ ein fid) ßi^fonimenncbmen , unb jufammens
nehmen mußte er fid), um feine ^lufgabc ^u löfen. ®cr .£>uma5
niemuäi mar meitberjig, aber aud) matll)eräig, mie mir an feinem
anbern beutlicl)er fe()en alö an @ra^mu^: er l)ättc bie Umbilbung
ber 3cit nic^t burd^gcfc^t. ßutljer mar engherziger, befd)räuftcr al^^
@raömu§: aber biefer fich zufammenhaltenbcn , nicht re^ti^ no^
linfö fehenben Äraft beburfte eö, um burchju brechen. ®cr |)uma=
ni^mu^ ift ber breite, fpiegclnbc Vingen: er muß erft
enger unb milber merben, menn er fich burdh baö ©ebirg bie
0traßc juni 9J?eere bahnen mill. ^aburch eben mar §utten
fo einzig, baß er mit ber humaniftifd)en ©eiftc^meitc ben refor*
matorifchen SSiden^brang öereinigte.
1) Othonis Brunfelsii pro Ulricho Ilutteno defuncto ad Erasmi
Roter. Spongiam Responsio. 3n ^utten’S 8(hriften II, ©. 325 — 351.
2) Judicium Erasmi Alberi de Spongia Erasmi Rot. adcoque qua-
tenus illi conveniat cum M. Lutheri doctrina. (Sbetibafclblt ©. 373 — 378*
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485
\
(gilftC5 flapitfl.
»
$t(ßittoeti'd itnb c^mtten’d fttbe.
1523.
•’puttcli uon feiner eibgenöfftfcljen JJreiftatt auö mit
iin^ftlic^er ^ufmerffamfeit bie ©utiuicflimt^ Don ©irfint^en'ö 0d)icfs
fal beobachtete, an bem feine le^te .§offnini(^ hini;, läßt fid)
benfen. 2(bev bie 9^iad)rid)ten , bic auö ^entfchlanb einliefcn,
lauteten nicht tröftlid). ,/-ßon 'ilienic^teiten", fd)rieb am 13. ge^
bniar Dtto iörunfclö, ber bamalfi^ ^leuenburc^ am fR()cin,
,^tüifd)en isöafel unb dreifach, fich anfhielt, an «l^on
9leuiflfeitcn habe id) im 2(nctenblicfe nid)t5, oU baß (ein übleä
^^or^eidjen!) 0icfincien’^ älterer 0ohn Don bem pfäl^ifdjen Z\)-
rannen flefantjen morben ift, unb mit ihm einige anbere SDiänner
elften fRangei^, auf loelche gran^ all feine Hoffnung gefegt hatte.
Söir Derfprachen un^ uicl Don biefem äRanne; aber alle feine
0ad)en iDanfcn unb fallen bal)in, unb nid)t bie feinigen allein#
fonbern aller 2lnl)änger beö (SDangeliuni!?. Unfer Jütten befindet
fid) übel, unb loir Uebrigen iDcrben allenthalben 53oben ge*
fchlagen. 2öir loerbcn Dcrfpottet burd) alle !iianbe, unb id) iDcig
nid)t, iDaö für ein Unglücf mir ahnet"*).
3u ber Xl)at tnar biefer Unfall feinet 0ohne!?, aber nid)t
bC‘o älteften, 0d)iüeicfarb,* fonbern be^ mittlern, ,'pan$ Don 0icfin*
gen, ber bei einem fRittc Don 0teinfaHenfelö im SBaögau nach
fianbftuhl mit |)ilchen Don ßord) unb ^(uejuftiu Don 33raunöberg
burch ben pfäljifchen S3ogt unb nadjinaligcu ÜJiarfchalf SBilhclm
1) ?ln ^uttcn’§ S(hn|t<n II, 177.
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466
II. tBuc^. 11. Kapitel.
üon ^abcru (gefangen gciiommcn tpurbc — biefer Unfall, fü l)cU
bcnmütt)ig auc^ ber ^ater bic 9^lad)vid)t aufna^m, tuar bod) bcu
Einfang bcö @nbcö ber Sidingifd)cn Xragöbie *). SBartenberg, tuo
noc^ im üorigen 3a^rc Jütten fic^ eine Qnfgd)nltcn
^atte, fiel ben 5üi^ftlid)cn in bie^änbe, nnb 0idingcn, nm bic
Serftärfungen abjumarten, auf bic if)m non i)crfd)icbcncn 0citcn
^cr Hoffnung gemad^t mar, fud)tc um einen SBaffcnftillftanb nad).
Allein bie brci.mibcv i^n berbnnbenen bic
33ermittlung^üorfc^läge be^ fHeic^^regiment‘5 j^nrücfgcmicfcn, fo
liegen fie fid) and) biird) gran§cin5 (^efud), beffen cigcntlid)c ^b^
fid)t fie mo^l burd)fcgantcn, nid)t irre mad)cn. @lcic^ nac^ Dftcrii
erhüben ‘fie fid) mit ftarfer 3Jdad)t ju Sftog nnb fjng nnb tüd^tis
gern 33clagcrung^gefd)ü^, üercinigten fid) bei itreu§nad), «ntueit
ber ©bernburg, ^ogen aber, al» fie üerna^men, baf) gran^ non
0icfingen in ßanbftu^l fei, nor biefe SSefte, um fie ju belagern.
53crgcben$ rictl)cn 5^anj feine gi^cunbe, fid) nod) bei feilen auö
bem Sd^lüg ju t^un: maö feine Wiener üon il)m l)alten mürben,
gab er jur ^ilntmort, menn er uon il)nen fliegen iinb fie allein
in ber 9flotl) mollte fteden laffen? 2)ocg feinen jüngften 0ogn
f^ranj ^onrab mit ben mid)tigften papieren fd)idtc er, in iöe-
gleitung feineö treuen öaltgafar 0d)lör unb eincö ^geil^^ feiner
SRciter meg, meld)e, obmogl non bengeinben angerannt, glüdli^
baüonfamen.
®em 53otcn, ber igm bic Äriegöerflärung ber gürften braegte,
gab 0i(fingen fd)crjcnb bic 5lntmort ^urüd, er göre, fein ^err
gäbe neu ©efegüg, fo gäbe er neue SJMuern , bie mögen fid) fegt
an einanber oerfuegen. Slber cö geigte füg halb, bag babei bic
legtern im S^acgtgeil maren. 9}^ittmofg ben 29. 9lpril begann
baö 0cgiegen unb mürbe bie folgenben Xagc aiuo §auptftücfen,
0cgarfmcgcn, ßartgaunen unb 9lotgfcglangen fo mörberifd) forü
gefegt, bag halb ber ftärffte STgurm beö 0cgloffc‘3 in Xriimmern
lag unb bie 3)2aucr eine ®refd)c oon 24 gug jeigte. 0idingcn,
1) S)ci' folgcnbc ®cnd)t über Sirfingcn’S ^uSflong ifl gcjc^BpIt qu§ ber
8^ler§^eimcr S^ronif, bei ilüntb, O'ronj öon ©itfingen III, 219—223; ber Gr*
jö^Iung bc§6^rn^oIb§ ^ajpor Sturm, ebenbaj. ©. GO [f.; ou§ Huberti Thonmc
Löodii Historiola etc., ebenboj. S. 288 ff., unb ben ?lctenf!ü(fen ebenbaf.
©. 42 ff.
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^elaoeruno Don Sanbfiu^I.
487
Uüin ließ fiel), um iiadj bcin (^aiu^c bei* ®cla»
, n^^ntui] aii<j,yifd)aucu, einem 3d)icßlod)e füßven, ßinter luelcßem
ein aufi]eftcllt mar: in bemfclben ?(ucjcnblid pel ein
3c^nß in baö 3d)ie6(od), ber bab (^efebüg 5ron,^ anf bic Jüßc,
il)n (elbft aber rüdmftrt^ auf fpi^e §ö^er marf, bic 511m ®crterraffen
balai]eu uub il)in in bic liufe Seite eine ent)eblid)e SBuubc riffelt.
lUiit ber .!pelbcufaf)mu], bic i()u nie ucrlicß, bcfaßl er feinen ®ie=
ncru, fein (^cfd)rci ,^n mad)en nnb i()n auf einer Xrai]bal)rc luej^*
,^ubriiu^en; aber er füllte mobl, baf3 ci^ mit il)in jn @nbc c^ing.
'3^al)cr ließ er in einem JÖrief, ben er nodj eigcnßänbig unter*
feßrieb, bic um eine iycfprcdjung erfud)en. ^iefe ftellten
füfort ißr Sd)icßcn ein, nnb 5lbgcorbnfte non beiben Seiten
traten nur ber 5Uirg jufammen. “Die 53elagerer üerlangten @r*
gebiing Sidingen'^ nnb ber übrigen (Jbeln nnb fHeifigen im
Sdjlüß in rittcrlid)Ci5 (?4efängniß, ?(bj^ng bc<3 übrigen ilriegeimlf);^
ol)ne 3Bel)r uub Uebergabe uon üianbftußl mit allem, lua^ barin
beßnblid). bemilligtc bie Hvtifel, inbem er jagte: 3d) mill
ißr ÖJefangener nid)t long fein.
^2lm 7. 9J^ai ^og erj't ba‘3 gemeine ilriegbuolf auö ber 43urg,
bann ßieltcn bic gürften ibren @in,^ug nnb ließen fid) al^balb,
ben @l)rcul)ülb uoran, Sirfingen füßren, ben fie in einem
bnnfeln OJemölbe, mo allein er nod) uor ißrem Sdjießen fidjer
gemefen mar, liegenb fanben. 5Sor bem ^^^fal^grafen, feinem alten
iießneßerrn, 50g gran^, alö jener ^n ißm trat, fein rotßeö iöarett
ab nnb reießte ißm bie §anb; beiJ Xriereris^ 33ürl)alt, ma^ er fieß
ge, gießen, baß er ißn nnb fein Stift fa fd)mer befd)äbigt ßabc?
mieö er mit einem mannlidjcn: 9tid)t'? oßnc Urfad), uub er liabe
jc^t mit einem großem §<^rrn ,;\n reben, ^urücf; ben .'peffen aber,
ber gleidjfallö mit iöormürfen fommcu mollte, mad}te ^4^fal^graf
Üubmig anfmerffam, baß mit einem Sterbenbeu nidjt ^n rcdjten
fei. 'i)er pfül.yfcßc .^ofmeifter, 2ubmig uon
an J^ran^eiiiJ ilagcr nnb fpradj ißm mit trüftlidjeii liyoiten ^n;
ißm antmortetc 5ran,^: Sieber §ofmcifter, um mid) ift ein
(^Jeringci^, id) bin nid)t ber .'paßn, barum man tanjt; um bic
llntcrbrüdnng bee^ gau,\cn 0titterftanbe<5, molltc er moßl fagen,
ßanblc e^J fid) in biefem ilriegc. 3nbcß maren bie J^ürften abgc»
treten, nnb auf be^ 'jj^fal^grafcn Erinnerung maeßte |>err 9tiflauö,
gran^enö Eaplan, ^Inftalt ^ur '^cießte unb Eommunion; ober
488
II. $ud^. 11. Hopitel.
bicfer faßte, er l)abe (^ott in feinem .^er,^en ßebeidjtet, ber (Saplart
mößc i^m nur 5(bfolutii)n fpred()en nnb baö (socraincnt i^eißcn;
baö t[)at ber Saptnn, unb inbem üerfd^ieb ijran^: e^ mar bic
2Jiittaßöftunbe bcö 7. äJiai 1528. „Unb mie er in ßcit feinet
SebcniS (finb bie SSortc feinet biebern 0d)maßer^, bcö S5erfaffcr§
ber gler^l)cimer ilronif) fein männlich, ef)rlid) nnb trn^iß
mütt) ßc()abt, ba^ ^at er auc^ bb5 in bie 0tunb feineö ^obe^
bct)a(tcn."
53innen SO^onaföfrift maren nun fämmtlid)c ©icfinßifd^eit
©c^löffer üon ben Uerbünbeten Sürften erobert unb grögtcnt^cil^
ausgebrannt; oon feinen ©ö^nen ber eine gefangen, bie beiben
anbern flüd)tig; baS ganje^ebäube üon gran^enc 9(J?ad)t, imn i^m
mä^renb eines tl)atenreid^en SebenS ^u fürftenmäßiger §ö()e aufs
geführt, lag am Jiöoben. ©ein gall gab ber päpftlid^en Partei
in ^eutfc^lanb neuen 9J^utl); ber 2(fterfaifer ift tobt, l)ief5 eS,
als um jene 2utl)er erfranfte: halb mirb cS and) mit bem
^^Ifterpapft ein (5nbe neljmen. 2tuf )^ut^er machte baS ©djicffal
beS fJUtterS, ber if)m einft grofjmütljig feinen ©d)up angeboten
l)atte, unb beffen 2lbfic^ten er, obmol)l mit feinen 9J^ittcln nidjt
einüerftanben, nidjt migfannte, einen tiefen ©inbrud. ?US it)in
^uerft baS ©erüc^t oon ©icfingen'S Xobe ^u Öf)ren fam, fd)rieb
er an ©palatin, er münfd)e, baß eS falfd) fein möge. Unb ctmaS
fpäter: „©eftern ()örte unb laS iep g'^anjenS oon©icfingen mal)re
unb fläglid)e (^efd)id)te. ÖJott ift ein geredjter aber munberbarer
Sftidjter'' *). ©icfingen'S 2luSgang mar i^m ein ®otteSurtl)cil, baS
if)n in ber Uebev^eugung beftörftc, bag SBaffengemalt oon ber
©ac^e beS ©oangeliumS ferne ju l)altcn fei. ßateinifd)e 5)ic^tcr
unb beutfdje SSolfSfd)riftftelIer befd)äftigte gran^cnS @nbe unb
feine Xl)aten. S3on erfteren Ijatte einer, als §utten’S unb ©icfiits
gen’S Unternebmungen nod) in boffnungSrcid)er ^lütbe ftanben,
il)r Sßerbienft burd) einen 2öed)felgefang jmifeben 5ilio unb
S^alliope gepriefen; je^t nad) ber ^ataftropbe fteflte ein anberer
©icfingen’S Unterfangen unb SluSgang 5U @l)ren beS triercrSi'^s
bifd)ofS als furdjtbar marnenbeS 33eifpiel bar 2). 3n einem oolfSs
1) ®eibc ^ricincßcn in ^utten’§ ©Triften II, S. 248 t.
2) 3cnc§ ^IjdepiuS ^orboluS in einem ^onegbificuS, aOßcbrucft in iput*
ten’§ S(^riften III, 6. 550 — 560: bic|c§ SotomuS in einem e))ij<t)fn
©ebid^t, bei 'iJlUncb, Ofronj üon Siefingen II, 8. 295 — 318.
s.
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Sidin0cn’§ 6nbe.
489
t()ümlirf)cn bcutfc^cu @cf|)röc^ bagcgcn crfd)icn bcr ?Rittcr üon
bcr ©Ocrnburg uor bcr .^immclepfortc alö SSoH^icIjcr bcr ®crcrf)=
tigfcit, bcr, um bcn Untcrbrücftcn ()dfcn unb bcm Smiugcliiim
freie ®af}u mad)cn, gürftcu unb getreu befriegt, bcn armen
3Wann nur ungern unb nott)gcbrungcn gcfc^äbigt, in biefem X()un
Scib unb @ut baran gefegt, uor feinem $(bfc^cibcu fid) feine
0ünben leib fein laffen unb ad fein 3Scrtrauen auf ®ott geftellt
^abc: in Slnbetrac^t biefc^ guten @nbcö fd)lo6 iljm 8t. fßetcr bic
$immcldpfortc auf *).
bic Äunbe uon ©icfingcn’ö 5^11 in bic 2anbe crfd)on,
()iclt fid) §uttcn nod) in SJäilbaufcn auf. 3n bcm milbern
XoM cincö iöricfö, ben er um jene un ©ra^muö fd)rieb,
glaubte biefer bic nieberfc^lagenbe Söirfung jenoö Xobet^fallö auf
fein (^3emüt^ ,^u erfenneu. SBnrc feine 0d)rift In tyrannos, b. l).
ol)ne Smcifcl gegen bic uerbünbeten dürften, bic feinen J^reunb
0idingcn ucrnid}tet unb beffen 53cfipimgcn an fid) geriffelt l)atten,
nod) uorl)anbcn, bic .'putten fur^ bernad) ucrfnfde, fo’iuürbcn mir
unö ol)uc über;\cugen, bafj fein tro^iger d)hitl) nod) immer
ungebeugt mar. löalb jebod) fnnb er fid) . and) in 9J^üll)aufen
nic^t mehr fieser. 0eiu raftlofer @ifcr für bie Sluc^brcitung ber
^Reformation mar bcn 5lnl)ängern be^i alten ilird)cmDefen'CJ fein
(-^el)eimni6. 8o mad)tc ein unrul)igcr Älopf bcn 5lnfdjlag, mit
einem ^laufen (^icfinbcl ba^ ^(uguftinerf (öfter, in mcld)cm .fmtten
eine 3»pud)t gefunben l)atte, ,^u ftürmen. ^er fRatl) traf 58ors
fclirung, bebcutetc jebod) ben iöcbrol)tcn, fid) lieber aiu5 ber 8tabt
<^u entfernen. ÜRitten in ber 9Iad)t, menn mir bem ©raömuö
glauben bürfen, entflol) .^utten uad) tuar im 3}^ai
ober 3uni 1523.
3n bamal^i frifd)en '^U'ginnc feiner
reformatorifd)en Xl)ätigfeit; ein 3)Mun, ber, unter einem freien,
mef)rl)aftcn SSolfe aufgemad)fen, bem maffcnluftigcn fRitter näl)er
1) rtjnloguS ober vebe onb gelprec^, jo ilfranci§cu§ oon Sitfingen t»or
bfB ^bmmct& pjortten mit jnnt ^Vter onb bem riltcr jont Jörgen gehalten,
juuor onb cebnnn er cingclatfen ift loorben. Kbgebrurft bet fjfrnnj oon
@i(ftngen II, 321—330. ?tu<^ bei C§far €4>obe, Sotiren unb ^oSguiUe QuS
^et »ej.-3dt II, 45-69.
2) SiaSmuS an (SocIeniuS, in i^utten’S 6(tirijten II, S. 405.
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II. ^u(^. 11. Jl^aDitct.
4‘>0
ftanb olb bei* tf)üvinnifrf)c ^Reformator. 33ci it)m fiid^tc unb fanb
.§uttcn ©c(}u^, ßülfe imb Xroft. 0ciuc Umftönbe marcit nad)
aUcn 0citcn ^in bctla^cn^oiocrtl). ^ic 33c^örbcn trugen iöebcnfcn,
beiu nic^t bloo oon ben fird)tic^en, fonbern and) oon ben poH*
tifd)cn 3Jiad)tl)abcrn oerfolgtcn, ^iilc^t fctbft U)ir!lid)cr (bemalt*
tbaten bcfdjulbigtcn ÜJIannc offenen 0d)up nngebeit)cn ju taffen *)•
33on yj^ittcln mar er gän^licl^ entblögt. Söon feinen ÖJütern fam
it)in nic^t§ p: fei eb, bafi feine trüber (bie ät^uttcr mar mittler»
meile bem Skater im 2obc nadjgcfolgt) bie S3crantmortlid)fcit
fdjeuten, menn fic ben tt)atfäc^lid) ©eä^teten unterftüpten; ober
bag er, mic Otto ^^kiinfelö ocrfid)ert, frcimiüig barauf oer,v(^tct
()atte2); ober enbtid), bafj fein Slnt^eil an ben fpärlic^en SflaturaU
einfünften bc^ oätcrlidjen @nte^, biö bcrfelbe, um it)m 5ugcfd)icft
^u toerben, 511 (^elbe gemadjt mar, beinol)e auf 91id)tö jufammens
fdpuanb. 00 mufite er greunbe'unb iöefannte um 2)artel)en in
IHnfprud) nct)mcn, unb mie cis fc^eint, felbft ^u ©rpreffungen,
bie feine (Sppcnborfö fid) erlaubten, bie .'panb bieten, ober bod)
ein 3(uge ^ubrüdeu. (Sin fold)cr Hnfdjtag märe ilpn, nad) bctS
(SraömuS SBerfidjerung, nod) in ber Icpten gelnngen, unb
()ätte bem ©ppenborf 30, Jütten felbft aber 200 gl. eingebrac^t.
2ludj ba^o 0piel follte Ijclfen^).
9lid)t minber traurig ftanb eö um ^uttcn’ö leiblic^eö
finben. 0d)on nad) '^afel mar er franf gefommen, uub in 3JiüU
l)aufen, in 3ütic^, mürbe cö nid)t beffer mit il)in. Ü}?it innigem
iöebaueru ocrnaljmcn im 3uli bie greunbe ber guten 0a^e in
Äonftanj, mic Ijinfällig ber äliann fei, ber burdjaui^ einer ciferneii
©efunbl)cit genießen müfdc*). ^er 2lbt j^u ^fäferö, mo bie
l)eif5cn Quellen fprubcln, mar ein greunb ßmingli'iS unb ber
Üteformation. Ü)^it @mpfel)lungcn an i^n fdjidte biefer ben Giranten
bal)in, bie SS^irfung ber Gaffer 511 ocrfudjcn. 2)er S^erfud^ mifes
lang: äRübe unb (yefal)r, fd)reibt Jütten (in bie fci^auerlic^c
gelfeidluft, mo bie QucHc entfpringt, mußten bamalö bie Äranfen
1) (Jrn§mu§ an ^ircfljeimcr, 19. 5uti 1523. J^utten’§ ©d^nflcu II, S. 252.
2) Resp. ad SpoDi?. in ^uttcn’S Sci^riften II, 6. 329.
3) 6ra§mu§ an ©oclcniuS, q. o. C.; an 331eIond^t^on, ebenbaj. 6. 414;
an ^ ircf Reimer , ebenbaj. 6. 260.
4) ?l. ^laurcr an 3®i«0ti/ ebenbaj. S. 264.
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^utten’ö Sage.
491
an l)änflciibcn Leitern l)n!abflcttcrn, ober an v^triefen I)inabs
(^cla)fcn werben), luarcii ücri^cMid) beftanben. Ucbcl luar
{d)ou ,yi tief cinflctmir,^clt überbauet biivd) iöiibcv aHcin nid)t
5U ()cücn; and) mar jener 0üinmcr befonberi^ iin^ünftiß für bie
ßur. llnaufbörlid)er fHec^cn fiel, unb lüllbc 23nd)c erhoffen fid)
uon ben gelfcn. Oft meinte man, fie merben baö fteine, an ben
5elö (geflehte 23abban'5 meflfdjmemmen, unb, lua^ fd)limmer mar,
U)r erfnltetc bie Onellen. 5(llc 5rcnnblid)feit jebod) cr^
mie-^ beni franfen fRitter ber ?Ibt, 3ül)ann 3afob fRuffiiifler mit
9Jamcn. @r moCite il)n burdjam^ nid)t fortlaffen, liib il)n erft
ein, nod) ctlid)c 2Bod)cn alb fein @aft bleiben, unb rietl) il)m
bann, menigftenb fpäter micberjufommen, um feine Sur uon
9ieucm auf,^une[)inen, bie jegt nur burd) ben t*?il^cn
Söaffer uercitelt mürben fei. ^^luf ben äBec^ nab er il)m $ferbe
unb alle fReifebebürfniffe rcid)lidj mit. So fel)rte .f)uttcn nad)
3ürid) ^urücf, mol)in er inbefe einen ^rief an ^minnli mit ber
Slnfranc uoraubfe^iefte, mo fie if)m nun ein Unterfommen bereitet
Ijaben *)?
®on önb erlieg §utten am 21. 3uli nod) ein 0d)reiben -
an ben alten ^erjenbfreunb Soban nad) Srfurt, bab (mit einem
ad)t Xane fpäter nc)cl)viebencn für^ern ^riefegen) n<^’tt)iffcrmagen
ben Sdjmancnnefang beb Ijinftcrbcnben gelben aubmad)t, oon
bem mir unb bal)cr fein Sä^ort entnegen laffen moUen. „Sßirb
eb beim einmal Sl^ag unb pnben, o Soban, bab mibrinc
ÖJefd)icf, bab fo bitter nnb oerfülgt? ^on il)in ,^mar nltmbe ic^
bab nic^t; aber mir, benfe id), l)abcn älhitl) neniiß, um feinen
2(nlänfcn Staub ju galten. SDiefen cin^inen Xroft, biefen .^ort,
bat unb berjeninc Uebrine jener fcinbfclinen
ä)iad)t überlaffcn l)at. Ä)^id) l)at bie gliid)t ^u ben Sd)mci^ern
nefül)rt, unb id) fel)e einer nod) meitern ^öerbannunn entnenen.
2)cnn 2)eutfd)lanb fann mid) nicht bulbcn in feinem qegenmäts
ticken irf) jebod) in ilur5cm erfreulid) geänbert ^u
fehen l)offe burd) ^Vertreibung ber 3^l)rannen. 3d) l)obe micl) aub
bem Ätriegbgetümmel ^u miffenfd)aftlid)cr ä)iugc ^urüefge^ogen
unb gan^ an bab Sd)reiben begeben. 3n biefem einen Stüde,
fann id) fagen, l)at eb bab Sd)idfal gut mit mir gemeint, inbeni
1) S. ben ®rief in ^uttcn’S ©(Triften II, 6. 256.
492
II. %ud(). 11.
cö mid) auö (irogcu unb mibrißcn ©türmen jur ftiCien iRu^c ber
©tubien jurücffü()rt. ^cr bicfeig bringt, l)at non mir eine
©d)rift gegen bie ^ijranncn, bie er ^um 2)rucfe beforgen foH.
hierin, bitte ict) bic^, mibme mir unb i^ni beine ^icnftc.' 5I)tc
©ad)e fann in ber ©title unb beimlic^ abgemad)t merben, tmb
ba^ nirgenbiJ beffer o(ö in eurer ©tabt, mo niemonb fo etiuaö
uermutl)en mirb, befonber^ ba ic^ fo meit entfernt bin.
unb abermatö bitte ic^ bid), oerföumc niebtö in einer ©ac^c, bie
t)öcbft notbioenbig für un^ ift. Sorbanben unb om ^age fei ber
©infprueb gegen eine neue unb unerhörte Untbot. ©eben unb
erfennen foflen fünftige SJ^enfeben biejeni*
gen gemefen finb, meld)e loiber . ÖJefcJ unb Sfteebt,
Xrjue unb grömmigfeit, mit greOcl unb S^ermegenbeit ficb gefegt
haben. Xod) loeitern 3»rebenö bebarf eö loobl nid)t, um bicb
^ur (iJefälligfcit gegen einen greunb ^u bemegen. ÖJar febr oer^
langt niid) ^u miffen, loo CSrotuö ift, unb mic c«Jil)m gebt ? Xenn
id) b>^be lange nidjt mehr in bie .^eimatb fdjreibcn fönnen, ba
bie Xbrannen allein befe^t b^iitcn, unb ueulid) 51t meinem großen
- ©djaben !öriefe aufgefangen morben finb. (^el)c eö ihm gut, tuo
er immer feil 3d) gebe bie Hoffnung nid}t auf, cö merbe eine
3eit fommen, tuo (^ott bie brauen äJ^änner auö biefer
ung mieber fammeln mirb: gebet auch ^b^ fic nicht auf, beim
bat fKöd)eraugen, benen nid)b5 entgebt. ©raemuiS ift fd;mäl)lic^
abgefatlen uon ber ©adje beö ©uangeliume; bod) reut ihn jc^t
ber fcbled)te Xaiifd), ben er getroffen. 3d) b^iöc ihn ^ur fRecbcn*
fd)aft gezogen (ich fonnte nid)t anberö, bo e^ eine öffentliche
gelegenbeit betraf) in einer gebrudten ©d)rift, meld)c bu hier
fiebft. Xl)nt audj ibr bort luaiS an eud) ift, bamit e^ nicht fd)ciuc,
ihr b^iöet eud) ber gemeinen ©ad)e entzogen, ©rü^e ©bcrbact)
uon mir unb alle bie Unfrigen, unb fprid) mid), fobalb eö angelt,
bvieflicb an. SBenn bu fd)reibft, fo fd)icfe eö an ober
nad) ©afel an Defolampab, unb lebe tuol)l*)."
.'putten bem Auftrag gab, feine, ©d)rift
gegen bie Xt)ranncn, b. b- geg^^n bie luetcbe ©icfingeu’ij
äliad)t uerniebtet b^ittcn (eine erlueiternbe Umarbeitung, mic cö
1) ^utten on Gobon, €d()riftcn II, ©. 262 f.
N
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fiepte Briefe J5uHen’§.
493
fc^cint, bcr in 33afcl üerfagtcn 0c^rift tuibcr bcn ^fal^grafcn)*),
^um ^5)rucfe ju bcförbcrn, iDufetc er frcilid) nid)t, baß @oban über
bic ÖeftvQfuiiq bcr 9fJäubcr (latrunculi) burd^ be» äanb^rafen
Don Reffen bem i^:anjlcr bc^ lottern feine greube bejeißt ijattc;
wie er oiic^ fpätcr noc^ bic iikficqunj; 0idin^en'^ alö eine bcr
@roßt()atcn ^ßilipp'ö befunden ßat. ^er gute @oban weinte
eö nid)t böfc; bic 0ac^e ließ fic^ non -^wd ©eiten bctrad)ten, nnb
er wünfc^tc bamalö eine ^nftcllung in SD^arbnrg, ba ißm in @rfnrt
bcr bittere C>ungcr brol)te: aber wir begreifen I)icraug, warum er
fic^ wol)l gcl)ütct ßaben wirb, bie ^utten’fd)c ©ci^rift gegen bic
Xt)ronncn, wenn fic anberö in feine ^änbe gelangt ift, ^um ^ruefe
beförbern. 5luc^ anbere mochten bei bem §luffc^wungc, bcn
mit ©iefingen’^ gallc bic gürftenmaeßt genommen, baffclbc 33c^
benfen tragen: nnb fo crflärt cö fic^, baß bic ©c^rift Oer?
loren ging.
§lc^t ^agc nad) biefem isörief an (£oban fd)rieb Jütten,
wabrfd)cinlid) noeß Don ßünd) auö, an iRifolauv ^rugner, bcr,
früßer ?(iiguftiner in -i}dill)aufcn, bann üon bcr Sfteformation an*
gezogen, fid) bamab^ in ^afcl aufl)ielt nnb l)ier ober in 3KüU
ßaufen fic^ mit Ratten befreunbet ßattc. fiebterem war in $fä?
ferö gefagt worben, ^rugner fei in ongefommen, wo er
ißn bann aber nic^t gefunben Ijattc. ^rugner war nämlid; oon
ber rcformatorifc^cn Partei in 3)?nlt)aufen alö ^rebiger bal)in
berufen worben, wo er in bcn nöc^fien 3al)ren unter mancherlei
©ehwierigfeiten in ocrbicnftlichcr SBirffamfeit ftanb. Jütten fchrcibt
ihm nun, wie er ihn OcrgcbeniS erwartet, wie er jeht oon feiner
^Inftellung gehört unb nun feine 23üchcr, mit bereu SSerfanf er .
beauftragt gewefen jn fein fcheint, -^u biefem gweefe einem anbern
übergeben h^öc. „2)cnn id)", führt er fort, „höbe bcfd)loffcn,
brei 3Keilcn üon hier bei einem Slr^^te einige Xgge mich oerborgen
511 halten. SÖic immer t>a^ ©lücf fügen mag, fo werbe id)
beiner Söohlthötigfcit unb @aftrreunbfd)aft eingebenf fein, fo lange
„bcr @cift mir bic ©lieber belebet*)": wirb e§ mir ©unft be*
weifen, fo foUft bu bein oollc^ Xl)cil baran haben; wo nidjt, fo
büßeft bu baö gcmcinfamc ®efd)icf. S)cinem 9tathc, oor allem
1) 6. oben 6. 461.
2) Virgil Aen. IV, v. 336.
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494
II. 11. Kapitel.
aber bem ©Treiber unb gagcnbac^, log niegt ab mid^ ju em^
pfcljlcn. Uebriejenö Jc^rcibc, unb iuaö cö fein mag, fd)idc an
ymingli. äöenn ic^ mieber gefunb merbc, fo tnerben mir feine
Urfac^c ()oben, ba^ 0d)icffal anjutlagen. Unb einmal, l)offc
„mac^t ein (^ott and) biefem ein @nbc ßebe mol)l." 2Bäl)rcnl)
in ben 0c^nft5Ügcn biefe» ^rief^, beffen Original einft bic ftrng^
burger ©tabtbibliütl)cf bcmal)i*tc, in Süergleic^ung mit anbern
®cnfmalen ber fraft^ unb Icben^uoUcn $anb beö 9Hitter§, feine
töbtlid)c 0d)ma^l)cit fid) ücvrictl), mar bod) ßcbcnömutl) unb
ßebenöluft in il)m nod) fo menig erlofc^cn, bag er in einer beutfc^cn
9iadjfc^rift ^rugner bittet, fo halb mie möglich ein gemiffee
„^üdjlin, oon bem geuermert ^u mad)en", für i()n abfd)reiben
ju loffen unb il)m j^u^ufenbeu“).
5)er gelehrte ©eiftlic^e, bem mir bic erfte 9Jiittl)cilung biefe«
unb mehrerer anberer mertl)OoUcn §utten’fd)en 23riefc oerbanfen,
bemerft über bcnfelben, cö erfülle unö mit 2öel)inutl), menn mir
fcljcn, mie Jütten fterbenb nur auf bie gortuna gel)offt gäbe.
Sßir merben barin, mie in ben Slnfpielungcn auf claffifd^e ^ieg*
tci'ftcUen ftatt bei* Öibclfprü^e, nur bic fRücffegr §uttcn’i3
feiner urfprünglid)cn 9latur unb gumaniftif^en 33ilbung erfennen.
3m 35ertegrc mit ßutger unb beffen publicum mar igm bie egrift^
lid) tgcologifcgc garbc angcflogcn: fie ocrlor fieg, al^ er im Un-
glücf ciä nur nodj mit fieg fclbft 511 tgun gatte.
®cr §lr^t, ^u meldjcm '^litten fid) gu begeben gcba(gte, mar
ber geilfunbige Pfarrer §an^^ 0d)ucgg, unb ber Ort, mo er fieg,
nod) immer oor SScrfolgung nid)t fieger, Oerborgen galten molltc,
bic 3nfel Ufnau im 3ü^icgcrfce. frcunblicge ^Iccfdjen Söei^
belaub mit feiner ölten i^irege unb Aiapcllc, V2 ©tunbe' uon fRap^
pcr^mgl, im oberen, breiteften öeefen be^ @ecö gelegen, gegörte
bem fdjmg^erifdjcn Äiloftcr ©infiebcln ju, mo
bem moglgcfinnten Pfleger beö Älofterd, Xgeobalb oon (^crolböccf,
berufen, jmei Sagre lang ^rebiger gemefen mar unb fieg mögrenb
biefer 8cit ogne ^ueg mit Sd)ncgg, ber Sonocntual boS
ÄUofters^ mar, befreunbet gatte. UeberoU crfd)cint fo, in ^uttcn’ö
1) Virgil Aen. I, v. 199.
2) 2)en juerft oon Üiöl^ri(^ mitfletbcilten iBricM. in gutten’S ©d^riften 1 1 ,
©. 265 f.
Iputtcn in Ufnau.
495
lebtet Über i^m milbc unb feftc ipanb, tüäbrcnb
Dcfolüinpab’ö frcunblicljc^^ ^lu^c miö bev 9Ml)o ()tTÜbcrbli(ft. ®ic
bcutfd)c Sficfünnatiün bnttc bcu üiittcr übgcldjiit: bic fdjtuci^cs
rifdjc naljm il)u auf. Ob er bei längerem £ebeu uid}t and) üon
il)r fid) eiittäufc^t gefunben batte, ift freilich eine anbere grage.
0cbmer,^lid) mürbe Jütten in feiner (Sinfnmfcit unb Sebmad)'
beit 5u Ufnau nod) einmal bnrd) ©raömuö geftört. 5liiö ^afel
fam ibm üon grennbcöbanb bie äBarnung ^)^^be ein
©ebreiben an ben ^üricber ^Ratl) gerichtet, moriu er Jütten nn*
freunblid) antaftc unb bcö 9tatbö Ungunft unb äöibenuillen gegen
il)n jn ermeefen fid) nnterftet)c. ^2lud) in ber ßnfdjrift an ^tuingli,
bie er feiner Spongia uorfebte, üerfid)crtc ©raömuö ^mar, er molle
ben fHitter feineömegö um bic greiftättc bringen, mcldjc ber ®bels
mntb 0d)mci,^er ibm gegen feine ^crfnlgcr gemäbre; bod)
maebte er gefliffcntlicb barauf aufmerffam, mic glitten in feinen
fiibcllcn nid)t nur mübluerbientc ßJelebrte, mie il)n, barnntcr
maefere Sd)tuci|^cr, angreife, fonbern and) ^apft, ilaifcr unb
gürften nid)t üerfdjone; morau^ lcid)t ber 8d)me4, bcrSraömn^
aüeö @utc münfebe, §aj3 unb Ungelegenbeit crmadjfen tonnte,
gaft glcicblantenb febrieb er nun an iÜürgermcifter nnb ^atl)
üon er l)ahc nid)t<g bagegen, baß ibre ©ntigfeit ben
Jütten alfo bei fiel) mobnen laffe, fonbern nur, bag biefer, ber
je^t nid)t» mebr 511 uerlicrcn l)übe, fold)e (^ntigteit nicht ju einem
geilen mutbmilligen Schreiben mißbrauchen möge. SBcnn fie bics
fen feinen iDhitbmillen ein toenig jäbmen, merben fie nid)t fomol)l
il)m, bem ISra^mu^, alö ben äöiffenfcbaften unb ihrer iJaubfd)aft
einen nüplidjen 5)icnft erioeifen^).
I^lnf bic 'DZacbridbt, baß ein Schreiben fold)cn gnbaltvJ üon
(SraiJmuö erlaffcn toorßen, bat ,’putten ben jürid)cr iönrgcimciftcr
nnb 9fiatb, aU feine lieben .sperren nnb greunbe, an bereu 3^*'
neigung ^u aller 9?eblid)feit, nnb infonber^^ d)riftlid)er SSJabr^
beit unb cüangclifcbcr Sehre, er nidjt i^tuciflc, um bie ÖJunft,
falle berglcicbcn ©djriftcn ihnen fd)on ^ngefommen mären, ober
nod) jntommen möd)ten, il)m beren Sinn nnb Inhalt nid)t üor*
juentbaltcn, fonbern 511111 43ebufe feiner J^crantmortnng il)m l£o=
pien angebeiben 511 laffen. ^)cnn er moUe je bafür gehalten
I) ^ojet, 10, 'flufluft. ^utlrn’ö Sdbriftfn II, 3. 25() i.
496
11. i^opitel.
fein, bo^ er olle 3cit l)er, feit er ouö feinen finblidjen Surren
eriüodjfen, anberö nid)t, beim einem tiiflenblidjcn unb frommen
^Hittermägiflen oon Slbcl mol)l ^icmlic^, geljanbclt unb gcmnnbclt
^obc. SBoüc jemanb, olö er nid}t l)offc, il)ii bcö C^cgentbeilö bc-
fc^ulbicjen, fo merbe er feine (5l)r unb ©limpf mit ÖJrunb ber
2öal)rl)eit (juu(ifamlid) 511 oertreten unb ^n cntfd)ulbicjen loiffen:
unb fo bitte er nun aud) fic, ein Vertrauen ^u il)m ju Ijoben,
unb fid) überbieß feftiglic^ j\u il)iu 5U Oerfel)en, bog er j^u il)ncn
unb gemeiner (Sib9cnoffenfd)aft, je^t mic immer, einen freunb^
licken guten ÄUen trage, il)ncn £ieb unb 2)icnft ^u erjeigen
oon ^erjen gefilmt fei*).
®od) glitten beburfte halb teineö mcnfc^lid)en 0d)upCiS
mel)r. (Sin heftiger ih*anfl}eitöanfaU loorf il)ii auf ba« Säger.
Sler^tc mürben gerufen, aber il)re mie beö guten ^farrcr^ ^leiU
tunft mül)te fic^ ocrgcbcim-). ^iln einem ber lebten ^age be^^
Sluguft, ober am erften ©eptember (beim bie üöeric^tc ftimmen
nid)t überein)®) mar Jütten aller 9iotl), bie il)n brüdte unb noc^
bebrol)te, burd) einen fdjnellen 2^ob entrüdt. @r mar 35 3al)re
unb 4 3J2onate alt gemorben. 9tur um Sßenigeö über ein ®icr-
teljal)r l)atte er feinen gran^ Oon ©idingen überlebt. S)ic Sluö-
fic^t, ^cutfdjlanb mittelft ber 9ftcformationöibcc politifd; mic firc^*
lic^ neu aufgebaut 5U fc^cn, ging mit beiben ju ®rabe. S^aö
ben Stittern miglimgcn mar, Oerfud^ten jmei Sa^re fpäter bic
S3auern mit nod) üblerem ©rfolge. S^ac^bem baö Äaifcrtl)um fid)
ber ^Reformation oerfagt l)atte, mar biefc jept nur noc^ mittelft
bcö Sanbcöfürftcntl)um^, alfo auf Äoften ber politifc^eu @inl)cit
unb 9Jtad^t bee bcutfcl)en S^olfcsS, burdjjufepeii. 5lber beffer auc^
fo alö gar nid)t ; beffer, baß ^)eutfd^lanb bod) tßcilmeife beutfd)
mürbe, alö baß eö ganj romanifcß blieb; unb ben politifd)eu
©cßaben finb mir ja eben im beften g«t ju machen.
^aß |)utten an ber Äranfßcit geftorben ift, an ber er feit
fo oielen Snßren gelitten ßatte, unb bic, naeß einer f(^cinbaren
Teilung, halb oon neuem auögebrocßcn mar, leibet feinen 3^oeifel.
1) Ufnau, 15. 9Iu0uft. ebenboj. 8. 257 f.
2) ®ofiltu§ ?lmerbod(), ®QjcI, 22. Oct. ßbfnboj. 8. 383.
3) ®fll. ben fo eben angeführten 93rief mit ben ?tngoben bon @T0§mu3
unb nnbern, in i^uiten’8 8(hrifien II, 8. 263 f. 352 f.
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J^ultcn’S lob.
497
0
3n Xcutfc^Ianb fpra^ man mancher Drten Don SSergiftmiq. Sei*
bcr jcboc^ braudjte cß, um Jütten ju tobten, feinet meitem @if*
teö, aU baö et fc^on lange in feinem Äörper trug. ÖJlarcan
fcl)rieb, mic^utten nac^iöafel gefommen mar, oon „feiner Ähanf*
l)cit" fei er nodj nic^t genefen; )öafiliu!g ^mevbac^ berichtete, bie
Ueberblcibjel ber franjüpfd)en itranfheit haben ihn auf ba^ Säger
gemorfen, baö fein Xobtenbettc mürbe, unb aud) ber jüri^er
^iebiciner Ätonrab (^cöner nennt in feiner um’ö 3ahr 1545 her*
außgegebenen iöibliothcf biefelbc Äranfheit alö biejenige, oon
meld)er §utten aufgeriebcu morben fei. 2)ah bagegen 3oadhim
(Samerariuö nur unbeftimmt oon Äranfhciten fpricht, ift in bcr
fdjouungi^ooUcn, üertufchenben 5lrt, bie mir an ihm tcnucn. 3Jian
hörte mohl auch ft^Qcn, meniger bie Äranfheit fclbft, alö bie mör*
berifche @uaiaf*(5ur, bie er burchgemacht, fei bie Urfad}e oon
^uttcn’ß frühem Xobe gemefen*).
Jütten ftarb, mic fich benfen lä^t, in ber öugerften ®ürf*
tigfeit. ä'^^ingli gibt uuö fein 3n0cntar. „@r hinterlieg'^ fchreibt
er, „lebiglid) nichts oon S33erth. iöüchcr h^He er feine, ;gauö=
ratl) auch ni^hlf auher einer gebet*" 2). onb anberc
greuube liehen il)m ibücher, bie fie nach feinem Xobe jurüefer*
hielten ^). 3n ^)eutfchlaub mar Jütten im iöcfih einer hübfehen
©ammlung oon ^anbfehriften unb gebrueften iöüchcrii gemefen,
bie er burch Xaufch unb Äauf ^u oermchreu fuchte. ^ber fie
ftanb jeht nicht 511 feiner SSerfüguug, menn fie nicht bereite für
il)n ocrloren mar. 3oachim Samerariuß ermähnt fpötcr, bag ein
^i5t, ^Jtameug Socher, ^uttcn'ß '^ibliothef „auß ber ^eute" cvfauft
habc<). 3ft hier Kriegsbeute gemeint, fo fdjcint alfo $utten'S
jurüefgelüffeue ^ücherfammluug, oielleicht mit ber (Sbernburg, in
bie $änbc bcr gürften gefallen unb mit ben ^cutcftücfen oerftei*
gert morben 5U fein. ®amit ftimmt, maS Otto iöruufelS oon
einer Sammlung §uffifchcr 0d)viftcn fagt, bie il)m oon ben megge*
nommenen isöüchern ^uttcirs, bcr fie auß 33öhmen jugefchieft bc*
1) ©. bic ©teflfn in ^uttcn’S Sf^riflcn II, S. 163. 352. 354. 362.
2) 3winflli on 33oui|Qä äöolfbart, 11. Oct. 1523. §utten’§ Sdjriftcn II,
®. 382 f.
3) 5)erj. on Ocfolomlxib, ebenbaf. 6. 882.
4) 3n ^utten’S Schriften II, ©. 446.
VII. • 32
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II. 11. i^apitel.
fommcii, juiücfcjccicbcn lüorbcu; eine 0ad)c, fe^t er t)inju, Don
ber übriqen^J loeitcr ju rcbcu (bcmi cö lic^e ficb eine lauge
fcbidjtc bauoii cr^äblen) lucbcr crjpncßlid) nod) vatl)fam fei; ein
anberimil betrad)tct er cö alö ein SSunber ber göttlichen
fcl)ung, baß biefc 0tücte qu^ bem ^uttcn’fchen öüd)er)chah er^
halten njorben*).
S^on fchnftlid}cn ©aeßen faß §utten’ö
laffenfehaft noch ein iöünbel ^Briefe üon greunben unb an foldhc ;
lüie Otto iörunfclö in 2)eutfchlanb eine ©aminlung oon 2000 ©tücf
bcrgleichen, oon gürften unb Herren, ©ciftlichen unb ©eiehrten
aller Aktionen an §utten, äum Xt)eil 3^^fii^inw”9^erflärungen
ju feinem Unternehmen gegen 9iom, bei ihm gefehen l)Qttc, bic
er in SJiußeftuiibcn orbnete unb unter bem Xitel: Vertraute
^iBricfe, hcrciu^jugeben gebuchte^). Xaß biefe ©ammlung obhan*
ben gefommen, ift ein großer SSerluft für bie 3eitgcfd)ichte.
2lußerbem foUen fich nod) mehrere ber eigenen Xrucffchriften
§utten’ö bei ißm oorgefiinben h^i^^en, bic er sum Öeljuf einer
neuen 2lu^gabe burdjgefehen unb oielfad) oerbeffert hotte. Xic
fo burchcorrigirten ©jcmplave beßiibcn ficli auf ber SBaffertirdjen^
bibliothef in 3örid), unb begreifen bic ©tecfclbevger ©ammlung
ber ©djriften gegen ^erjog Ulrich, bic Aula, ben großen Örief
an '4^ircfl)eimer, bie Xürfenrebe unb bie auf ben mormfer 9teichv=
tag fid) be^iehenben giiücctiuen unb ©enbfchrcibcn. Xic ®erän^
berungen (mic fie 43öding unter bem Xe^de, ju^üglich einer nach'
träglid)en Öeiid)tigung gibt) bcftchen, außer ber 2liiömer^ung
oon Xrucffehlern unb leichten fpradjlichen 35crftößen , houptfäd}-
lieh in Keinen ytad)hülfcn, meld)c ben ©inn beutlicher, ober ben
©til anmuthiger machen follen. biefem lehtern 3o)ccfe finb
inöbefonbere Diele größere ©üpe baburch in fleinerc jcrlegt, baß
bereu ©lieber, früher burd)Ä'olon unterfdjiebcn, nun burd^^^Sunfte
getrennt luurben. ©rfennen mir hierin bic ©orgfalt, mcld)c.'puts
ten ber gönn feiner ©chriften äuäumenben pflegte, fo ift eine fer=^
ncre ?lenberung, bic er in jenem ©jcmplare burd}fül)rte, alö ein
3cichcn merfmürbig, mie in ben menigen 3al)ren feit ßuther'ü<
1) (Sbenboj. 425 f.
2) Resp. ad Spong. 3n ^ulten’4 Sci^riften II, 6. 340 f.
3) Sor bem III. «onbe bet Sd^Uften ©. XIX-XXX.
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^utten’§ unb ^ibltoil^ef. 499
Auftreten ber qanje 3citcjcfcf)macf eine Umiüanblung erfahren
Oottc. ftiliftifc^c §cibcnt()um boö |)umaniömuö luar onftögig
gdüorbcii: fo c^riftiaiiifirtc jc^t auc^ Jütten feinen 0til. ®ie
(Götter unb ber .^crculcö feiner friUjern (Schriften mußten bem
®inen (^3ott unb bem §errn 6i)riftuö meieren,
3u ^utten’ö 9ia^laß gehörten aber aueß ©cßulben. ^er
Pfarrer ^öonifa^ SBolfßart ju ©t. ä)iartin iu ^afei ßattc nod)
eine gorberung an it)n ; ber Gommenbator Suiißarb ©d)mib ju
Äüßnacßt, ber ibn auc^ bem Slbte Don ^4^fäferö empfehlen ßelfen,
batte ibm, üieüeicbt eben ju biefer iöabereife, 20 gl. üorgeftreeft ;
ßiwingli felbft 3 gl. gur öefriebigung biefer unb anbereröläu^
biger (bie ©d)ulbeii füllen fieß im^anjen auf 150 gl. ober etmad
mel)r belaufen l)aben) mar, bei bem ©tanbe ber ®erlaffenfd)aft,
feine 2lu^ficbt. (Sinmol ßieß eö jmar, eö feien auö bem §utten^
fdjeu öermögenö^erfalle (üielleicbt üon feinem oäterlicben ^btl)eil
in ^eutfd)lanb?) nod) 200 gl übrig, bie bem ^einricb (Sppen*
borf ^ugeftellt merben mürben. Söirflicb rühmte ficb biefer in ber .
gülge, für Jütten nad) beffen Xobe ©cbulben bejol)lt ,^u l)aben.
^on jenen 200 gl. aber, unb baß (Sppenborf fie erhalten ßätte.
Oerlautet meiter nichts, unb ba er felbft tief iu ©cßulben fteefte,
fo l)at moßl @rnv<muö fein Vorgehen nid)t mit Unrecht bejmcifelt.
S)al)er faßte fid) 3n>ingli, ber auc^ nid)tj^ ju oerfd)enfen ßatte,
nießt bloö am großmütßigften, fonbern au^ am flügften, menn
er feßrieb: ,,9fad) meinem (^utßaben frage id) meiter nießt; mirb
etma« bejaßlt, fo neßm’ icß'ö, mo nießt, fo feßenf' icß’i^" *).
gür ein ^enfmal auf Jputten'i^ (^rab ßatten unter biefeu
Umftänben feine näcßftmoßnenben greunbe nießtö übrig. (Sin
fränfifeßer ^Ritter ließ in ben folgenben gaßren einen ©tein mit
einer lateinifeßen gnfeßrift auf bemfclben errießten*), ber jebod)
früß^^eitig, fammt ber itunbe beö $laßeö, mo Jütten begraben,
oerfcßmuuben ift. ^)ie einfiebeljcßen Pfaffen fonnten ein feßerifd)eö
^eiligtßum ber ^rt auf ißrer gnfel uießt braudjen.
^)aß ein Xßeil ooii ^utten’e ^^ibliotßef burd) Ä'auf in ben
!0efiß beiJ 2lrjteö 2od)er übergegangen fei, fam halb einem jün*
1) Sttingli an SBoIf^art, a. o. O. 3Jgl. 6ra§mu8 an
tfn’8 II» 433. i^. Öppenborf gegen 6ra8mu§, cbenbaj. S 451.
2) S. i^utien’8 Sd^riften U, 8. 353.
500
II. 11. I^apitel.
gern ®cttec be^ SSccftorbcncn, üou |mttcn, ju O^rcn.
2)iefcr, bcm bir!cufelbei* ßiiicigc ber ftoljcnbergifci^cn Sinic ent-
fproffcn, luar' in bic gciftüd)c ßaufba^n getreten , in töelc^er er
lim ba‘^ lij3G j^inn tropft in Söürjburg, etiua brei 3a^rc
fpäter 5UI11 '^ifei^of non ©ic^ftäbt anfftieg, mo er um 1552 ftarb.
©d)on frnl)c intcreffirte er fic^ für ben 9tul)ni unb bie SJcrloffen-
fd)iift feinet ii>etter^^, ber feinen ©roßobeim Subinig unb bejfcn
ermorbeten 0o()ii bureb feine Xobtenopfer unfterblicb gemad)t
batte, unb trug ficb mit ber 5lbfid)t, beffen 53ibliotbef non bcm
fremben ^efi^cr 5urücf5ufaufen. ^ber auch bie 33ucbbrudcr bot*
teil non bcm 0cbabc, namentlid) an |)anbfcbriften, SBinb befonis
men, unb bereite unterbanbeltc groben in 33afel mit £ocbcr um
bie ^d;rifteii non Ouintilian, ^liniuc> unb aJ^arceUuö ined., bie
.gmtten cinft in ber fulbifd)en iöibliotbcf gefunben b^ittc. Xer
^^udjbrucfcr <ScJcr ju §agenau glaubte mit beni ä)iarcelIU)S allein
30 (^olbgulbcn Oerbienen 5U fönnen. ^uf 0ebev’ig ^Inmabnung,
ber bureb ßamcrariUiiJ ben i8erlag ^u befommen buffte, gab nun
biefev im grübjabr 1529 bem liÜiori^ Jütten non bcm ©taube
ber ©ad)c 9tad)i*id)t unb forberte ibn auf, ben $lan bc^ 5ln*
tanfö ber §uttcn'fcbcn iöibliotbef, ebe biefe äcrftrcut merbe, aui^s
jufübren *).
(Sin ©tücf bcrfclbcn mar niellcicbt febon im 3a()r junor
neräufiert: bie Jölumenlefe auö ©alluft unb ßurtiuiS, bic3ol)anu
Vermag im 3- 1528 ju ©traßburg berauiggab *). (Sö ift bied
eine ^bi^flfcologic, bcrgleicbcn ficb bie |)unianifteii auö ben ß^laffi*
fern, bic fic lafen, jur ^ereicberung ibred lateinifdjcn ©pracb*
fdjafecö an^iilcgen pflegten: non Jütten auf feinen gaü ,^um
Xruefe beftimmt.
9^ocb ftärfer finbet man fid) nerfud)t, bic ^erfunft auö ber
üocbcr'fcben ©ammlung non bcm Xialog ^rminiu^ 511 nemintbcn,
ber im 3al)r 1529 aU ein nacbgclaffcncö SBcrf non .^utten er^
febien®). Xenn menn in bem norangcfdjicften (SJebiebte @oban
1) 6. ^utien’8 6(t)riftfn II, S. 446.
2) C. Sallustii et Q. Curtii Flores selecti per Hulderichum Hut-
t(.*num eq. ejusJemque seboliis non indoctis illustrati. S4|rift«n V,
499-503.
3) .Arminitis I>ialogus Huttenicus. Schriften IV, S. 407 — 418. 3n
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i^uttcn’S ?Irmtniu8.
501
$effc fagt, bcö iCcfcvö crftcr ®anf gebühre bem Ulrich, ber ^^tücitc
bem ÜÜiori^ Jütten, bcc brittc bem 3oad)im (ßamerariuis), uiib
ba überbiefi bic 0d)rift bei ©c^er in ^agenou gebrudt ift, fo
fd)cint ^ier bie erfte ^ruc^t beö unter ö^omerarius’ SScrmittluiig
^tülfc^cn ajiori^ üoit Jg)utten unb Soccer abgefc^loffencn .^aiibclö
liegen. äBenn nur nid)t baö ©obanifc^e ®ebid)t baö Saturn
bc^ 3- 1528 trüge, mo, menn bie 3o^re0,^nt)l bee oben befproc^cs
non Samerorifc^cn '3riefeö ridjtig ift, jener |)anbcl nod) nic^t
abge)d)loffcn mar. übrigen^ 3Jiori^ mirtlic^ bie ^^nc^er^
famnilung feinet nerftorbenen SSetterö nn ji^ getauft habe, mirb
barmi-g mat)rfc^einlid), ba&, nac^ !iöurdt)Qrb'‘5 ©rfunbigungen, ^n
21nfnng bc^ uorigen 3o^rf)nnbertö in ber bifd)öflif^en 5Öibliotl)ef
^n ©ir^ftobt noc^ üerfc^iebene mit ^utten’^^ .'panb^cidjen uerfet)ene
JÖüdjer üorI)anbcn maren^).
2Bo aber and) jener Dialog anfgefnnben fein mag: an fei=
ner 2led)t^eit ift nid)t jn ^meifcln. @r trägt ,'piitten'ö ©tcmpel
nac^ 3id)alt unb gönn. 3a, ein gan^ beftimmtcr Vlnfnüpfnngös
punft finbet fid). 3n bem ©enbfdjreiben an ben iturfnrften grie-
brid) ©ad)fen (üom ©eptember 1520) füt)rte er biefeni ben
^Irmininö ^n @emntt)e, ber, alö (^t)eru!äter ^n ben ©ac^fen ge--
l)örig, nac^ bem 3cugnifi ber geinbe fclbft ber befte unb tapferfte
aller gelbl)erren gemefen fei unb 5)eutfd)lanb non bem 3od)e ber
9?ömer in ber i^rer l)öc^ften 9Jtad)t befreit l)abc. !iiöaig biefer
unfer ©efreier in ber Untermelt beuten merbe, menn er fel)e, bag,
mäbrenb er bie tapfer n fHömer nic^t alö |)erven l)abe bulben
mollen, feine 9^ac^fommcn jefet meic^lic^en Pfaffen unb meibifd)en
iöifdjöfen bienen?*)
S3on biefen ÖJebanten ift bei* Dialog 2(rminiji^ nur bie
meitere 31nöfü^rung. 31rminiuö crfc^eint in ber Untermelt unb
mad)t fid) alö ben tapferften gelbl)errn geltcnb. proteftirt
üor bem fRic^terftul)le bcö aJUnoö gegen ben ©prnd), bnrd) mcld)en
biefer (in einem üon £ncian'!^ Xobtengefpräc^en) bic erfte ©teile
meiner lleberjeljung oon i^ultcn’5 ^^ejpräcben S. 390 — 412. S)a§ Ö^ebiebt
ßobon’ä in ^ulten’§ Schriften II, S. 439 f.
1) S. ^utten’S Schriften II, S. 474 f.
2) Schriften I, S. 390, §. 19. 20. 530l. oudh fchon bie brüte Siebe
gegen ben i^rjog non 29ürlcmberg öom 3laht 1517. Schnftm V, S. 45, §. 19.
502
II. %uc^. 11. jtapitel.
unter bcn ^ccrfiUjrcrn im @ll)ftum bcm 5llcjranber, bic jmcitc bcin
@c4>io, bie britte bcm ^annibal, i()m fclbft aber flor feine aiij^c*
miefen ^attc, bem boc^ non fRcdjtemegen ber erftc gebührt
haben mürbe. ÜJ^inoö, obmo()( er bcn 5Irminiuö tabdt, bag er
fich nicht rechtzeitig gemclbct ift bod) nicht abgeneigt, bie
©achc noch einmal aufzunchmen, unb lägt bal)er biirch SD^ercur
jene brei gclbherren, unb auf ba§ ißcrlangcn bciS Öcfd)mcrbcfüh=
rerö auch bcn römifchen @efd)id)tfd)rciber 3^acituö, rufen, bem
Jütten fein rühmliche^ beutfehe Station oon
jeher ho^ angercd)net heilte *). ^en Ichtcrn forbert nun Slrmis
niuö auf, bic (StcUc über ihn auö feinen 3lnnalen (am 0chluffe
beö Z'üciten iBuch^) oorzulcfen; morauf er in längerer fRebc feine
Slnfprüchc auf bcn erften $la^ unter bcn gelbhcrrcn burch bic
^lachmcifung begrünbet, bag berjenige, mcldjcr unter bcn grögtcii
0d)micrigfeitcn baö mächtigfte 5Solf ber @rbc in ber ^criobe fei*
ner höc^jf^cn iölüthe befiegt nothmenbig ber grögte gclbhcrr
fein müffc. ÜBcnn §lrminiuä in biefer Sflebc fagt, er ho^>c bieje^
nigen für gar feine ^cutfehen gehalten, meldjc bcm ^uslanbc
Xribut bezahlten, ober fonftmic frember Sotmägigfeit fidj fügten;
al^ ben ärgften ©räucl aber habe er eö auögerufen, bag zinifch^^u
fRljcin unb @lbe römifche ga^ccö unb SToga je crblicft morben
feien; er ho^’^ bahin bringen moUcn, jeben Ueberreft ber
römifchen ä)^acht, ja felbft il)r Slnbcnfen, in 3)eutfchlanb zu
ücrtilgen: fo bebarf cö feiner Erinnerung, bag §uttcn babei an
ba^ päpftliche fHom feiner 3cit unb feinen Äampf gegen bicfcö
gebucht hut. 00 fchilbert er auch bcn SBaruö mit feiner
fudjt unb feinem Uebermuthe ganz einen päpftlid)cn Segaten
feiner 3eit unb nimmt ihm ba^ befonberiS übel, ma^ ihn an ci^
nem Eajctan unb 5lleanber fo erbitterte, bag aud) er fdjon bic
®cutfdjcn für bumme S3cfticn hielt, benen man allc^ bieten
bürfc. Söenn Slrminiuö bie iöefchulbigung, nach ber Oberherr*
f^aft in ^eutfd)lanb geftrebt zu halben, alö SJcrläumbung zurücf*
mcift, ba er nur, um bie gemeine greiheit fd^ü^cn zu fönnen, bic
einmal erlangte SJ^acht nid)t auö ben^änben gegeben höbe; übri=
gcniS märe cö nidjt mehr alö ein uerbienter ^anf gemefen, menn
bic ^entfehen ihrem Befreier auö bcm ^i^cmbcnjochc frcimiHig bie
1) SBßl. ben ©abigeuS, ^t^riften IV, ©. 134 f., §. 11,
$
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503
^utten’S ?lriiumu§.
4
.^errfcljaft aiigcbotcn f)ättcu: fo mac^^nttcn f)iebci an ©icfingcii’ö
^lanc i^cbac^t babcn; luic bic Sbce, bic Dcibc grcunbe bcgeiftcvtc,
in folflcnbcr 8d)lu6vcbc bcö 3trinininö nid)t ^n ücvfcnncn ift.
,3^id)t um 9iubm, 9^cid)tl)iiin ober ^errfebaft fämpftc id), fonbcni
baö mcincö ganzen ©trebens mar, bcin öatcrlanbe bic i()in
rtcroaltfam entriffene greibeit ,yirncf^nßcbcn. So lebte id) in ber
2luöübuiu] ber l)öd)ftcn Xuetenben, biö inid) cin(ieiini|djcr 9ieib
iinb bic ^(rfllift ber eigenen Cermanbten fällte, unb id) ben freien
unb über aüeö fiegreidben @cift, im ^emufetfein ber größten 53cr=
bienfte um mein ®aterlanb unb cincö in allen Etüden tüül)lgc-
führten Sebent, j\n cud) binübcrfd)icftc/' ä)^ino!^, mit bc6 ^^rmis
niuö fRebe fel)r ^ufricben, gefteßt ju, baß ißm ber erfte ^la^
unter ben gelbbcrren gebühren mürbe; bod) meil ber frühere
0prud) nid)t nmgeftoßen merben fönnc, fo läßt er ^nm ©rfap
bnrd) SD^ercur aliJ ben erften unter ben ^aterlanb^befreiern, mie
iörntnö unb ähnliche, ben IShcriißfcr ^Irminiuö, ben greieften,
Unübcrminblidjftcn unb Xeutfdjcften, öffentlid) au^'rufen.
Xic auebrndlid)e 9tn(janmenbnng auf bie ©egenmart ift
bnrdjauö uerfdjmiegcn, unb biefc objectiu l)iftorifd)e .fpaltung gibt
bem 0Jan,\cn , bem mohl and) nod) mand)c rhetürifd)e 5Rad)hülfe
üürbehalten mar, ein mattereö CSolorit, alö man fonft an |)utten'5
fehen 0d)riften gemohnt ift. ^icrauc^ etma fchließcn ju mollen,
bn^ (^efpräd) fei in ,5)uttcir!5 Icptcr 3eit, bei abncl)mcnber Älraft
uerfaßt, ift gleichmahl mißlid) ; man fönntc ebenfo bic rußige Dbs
jcctiüität für biefe Icpte Unglücfij,^cit befremblich finben : unb menn
mir hic'r mirflid) ein 0tücf ber uon iiod)cr ..anö ber idente" ge*
fanften iBüd)crfammlung uor nnö haben, fe» mürbe fid) bie iHn-
nähme ergeben, baß bic 0d)rift auf einem nun ^icfingeirö
0d)lö)fcrn entmorfen unb bei .fputteircJ ^Ib.^tg auö X)eutfd)lanb
bafclbft äurücfgcblieben fei.
504
Bmdlftes fiopitd*
^fimmett ti6er ^ttden'$ itnb ^tt$()ättoe feiner afte»
^rennde.
0b bcm ftcrbcnbcn glitten bc^ ©raöimi^ bittere (>5eflciu
fd)vift noc^ ju @efirf)te (jefommen, ift iingenjig. Einige beI)Quptc*
ten eö; ©raömuö qtaiibtc cß nid)t, tueU ber ^ruef berfelben erft am
3. ©eptember uollenbet tüorben luar *), tüo §utten fei^ou im (SJrnbc
lat;. 3mmert)in !önnten i()m jebod) burc^ grciinbe^Dermittlunfl
bic einzelnen 33o(jen fc^on üor ber eigentlichen to^gabe ber ©d)rift
^ugefommen fein. 3m ^ublifum bagegen fam bie ft^unbe non
^uttcn'ö Xübe ber 58erbreitiing ber Spongia um fo niel jnuor,
ba| bic gehäffige 9^ad)rcbc cntftchcn fonnte, @raömu§ h^ibc fic
gegen ben ^^obten gefchricben. S3crmod)tc er glcid) biefj genngenb
^n miberlcgcn, fo mürbe feine ©c^rift bod) gelefcn, al§ ber @cg*
ner fdjon tobt mar, ben fic befämpftc, iinb ©raömuö fühlte felbft,
mic oicl ihr bieß oon ber ©unft beö £cfcr<g enh^iehen mn^te.
Sll^ nun nach menigen SBochen fdjon eine neue ?tuflagc
.nötl)ig gemorben mar, fonnte ©ra^muö biefe ©unft bnrd) ein
öcrföhnenbeö S8ormort ju geminnen fuchen. @r fonnte, nachbem
er ber Pflicht ber ©elbftocrthcibigiing genug gethan unb babei
ben ©egner, ber il)m in SBaffen gegenüberftanb, nid)t gefdiont
hatte, nun, ba biefer gefallen mar, fid) unb bic Sefer an feine
löor^ügc erinnern unb oon bem ehemaligen grciinbe, ben fpätere
SBermicflungen ju feinem ©egner gemad)t hatten, einen grogmiU
1) @ra§mu8 in ber Sorrebe jur neuen ?lu§ßabe ber Spongia, in
ten’§ ®d^riften II, 6. 263. ^ie entgegengeje^te SorauSje^ung anberer ebenbai.
6. 347 unb 352.
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6ra§mu§ nac^ J^utten'S £ob.
505
t[)igcu ^bfd)icb nehmen. 0tatt beffen rül)intc er fid) in bem
33orworte ber neuen Slu^gabc (baö er nid)t meJjr, tnic baö
ber erften, an fc^njerlid^ mit ber Spongia ^nfrieben
tnor, fonbern an ben £efcr richtete), in biefer 0d^rift nod) fel}r
fäuberlic^ mit Jütten gefatjrcn ju fein, unb frifd)t nun ba^ greUc
33ilb, baö er bort mieber^ott non bemfelbcn entmorfen, ^um lieber^
Puffe noc^ einmal auf. 3ugenb, äupert er, ergebe fid)
au^ ^utten')^ marnenbem Seifpiele bie Se^rc, über ber 33ilbung
be^ ©eifteö bie beö 6l)arafter^ nic^t ^u uerfäumen, bie Seiben?
fc^aften burc^ SSemunft ju ^ügeln. „2)enn manche", fcil)rt er
fort, „f^meid^eln 5(nfangö il)ren geilem, fel)eu 33ul)len unb
^raffen i^rer Sugenb nad^, l)alten 0piel unb S3erfc^menbung für
abelid^. 3Jtittlermeile nimmt ba^i 35ermögen ab, bie 0d)ulbcn
^u, ber fRuf leibet, bie ßJunft ber gürften ge^t üerloren, üon be^
ren 9Jälbtl)ätigfeit man lebte. 33alb lodt i)ürftigfeit 511m 9?aiu
ben, unb ^uerft gefdjiebt bie6 unter bem S^ürmanbe bei? itrieg^;
bann aber, menn für ben ^liifmanb, alö bad> leefe gaß ber ^a^
naiben, nid)tö mel)r l)inreid}t, erlaubt man fid) fd)led)te 0treid)e,
unb mad)t, mo eine Öeutc <^u erfc^nappen gilt, jmifd^en greunb
unb geinb feinen Unterfd)ieb mel)r; biö enblid) bie £eibcnfd)aft,
mie ein IRoß, ba^ ben ^Reiter abgemorfen, jäl)lingct ine 53erberben
rennt." ^ud) fpäter nod) berief er fid) gegen bie S^onuürfe, bie
il)m ber Spongia megen gemad)t mürben, baranf, baß er ja in
berfelben uon Jütten v anftögigem SebensSmanbel fein Söort gefügt
habe’); maö nur infofern rid)tig ift, alö er ber offenen 9tennung
feineiö S^amenö an folc^en 0tellen bie nid)t mi6,^uoerfteI)enbe Sin«
fpielung oorgepgen l)atte.
^Billiger unb richtiger l)atte fc^on oov einem 3al)re, auö
Ißeranlaffung einer uerfrül)ten Xobeefunbe, 5^eit Söerler in feiner
§lbgefc^iebenl)eit 5mifd)en ben iöergen uon 3Bicfenfteig überipntten
gcurtl)eilt, ber i()m uon einem frül)cn 3uff^*nmentreffen in £eip^ig
l)er unuergefelic^ geblieben mar. 9^ad)bem er ben uorjeitigen
|)ingang eineiS fo großen Xalent-^v eineiä in ^rofa unb Sevfen fo
glücflic^en 0c^riftftelIerö beflagt unb beö Urfprungö i()rer JsBes
fanntfe^aft fic^ mit £iebe erinnert pat, föl)rt er fort: „ÜJ^an machte
1) 3n bem ^rief an ßut^cr, 8. 1624, in J^uttcn’S 6c^ti|tcn II,
506
II. ^u(^. 12. ÄQ^)ilet.
i()in iöortmirfc, baft er oft allj^ubittcr (]cfcf)ricben , baft er
©djinöbungen auf ©djmäbunc^cu n]cl>r
alö trac^ifc^cm §affc ocrfolgt bobe. fei fo. Slber er luar gereift,
loar jung, uub t^at e^ mir in ber bc§ 0cbrcibciig, machte
and) nicmanb i)cr()ahtcr baburch nlö fid) fclbft. SBcnn ba^ ein
fehler ift, fo l)Qt er biefen mit Dielen gemein. 2Bir fönnen nid>t
alle unferem .^errn unb ältclftcr 6l)rifto äl)nlidj fein, ber nicht
läfterte, menn er geläftert marb, fonbern für bittere 0d)mach iin^
feine l)cilfame £el)re ^urüefgab. SBie bem fei: ich luünfchc §uttcn'^
0d}atten eine leichte unb nidjt laftenbe @rbe, unb buftenbe (5ro^
cuöblumcn auf fein @rab" 0-
Söie nun Dodenb^^ ber alte §er^cn^freunb @oban bie fWach-
rid)t Don §utten'$ Xobe erhielt, faunte fein 0d)mer,^ feine @ren»
^en. „D mein ^raco", fd)rieb er au biefen Xl)cologen, ber cinft
aud) bem erfurter itreife angehört hotte. ,,^3ld) mein ^raco! —
2öaö ift eö? — @iu Unglücf ohne gleichen. ~ 2öeld)e üble3ntuuö
melbeft bu, $effe, luarum beunrul)igft bu beinen ®raco! — 9>tcin,
(Sra^mue ift nicht geftorbeii. — ®ott fei ^anf! — Slbcr @r ift
hin. — äöer? — kv, ber Uufrige. — Slk'lcher Unfrige? 3ona^?
~ Sfiein, ba^ fei ferne: unb bod) ber Unfere . . unfer §uttcn ift
nid)t mehr. 33eurtheile nun, ob meine Seufzer Don ^erjen fom=
men . . Unfer Jütten ift an (55ift geftorben . . Sßer mar, faft
mödjte id) fagen ber feiubfelige (55ott, ber um biefen reichen @eift
unö beneibete? 3o, mieberholt unb oft brängt e^ mich
rufen: Sßehe, ihr graufomen @ötter! bu graufamcö ©efehief!
2)od) id) fehc, ich mufi meine ßoPocht j\ur Dichtung nehmen;
beim ein einfacher iörief fann meinen ©chmerj nid)t faffen. §lber
ad), bu tl)eurer Jütten, fo l)oft bu un§ Derlaffen? Ober bift bu
nur hingegangen? 2öol)in aber? unb mirft bu mieberfommen?
^2lch! bu marft burchau^ lieben^mcrtl). deiner mar fo mic bu ben
Schlechten gram unb ben ©Uten l)olb. 9lur mit 2J?ül)c holte ich
midh 5urücf, bag id) nid)t gaiij ^erfliege. Sag mich bei bir, mein
tl)eurcr unb Dcrel)rter ®raco, baö feierliche 3^090 ife nieberlcgen,
boh id) $utten innig geliebt höbe.'' ®ie poetifche ^lage , auf
meldhe @oban in bem iöriefe an 2)raco Dermieö, gab er mirflich
balb barauf in einer (Slegie, in meld)er .gutten fidh mit bem ^ obe
1) ®om 8. Oct. 1522. J&utten’ä 6(hriften II, S. 150.
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(Soban’S jllagc um J^utten.
507
untcrccbct unb bcffcu Xriumpl) über i^n buvet) bic ^imucifiin^
auf teinen unftcrblic^cn unb buve^ ^erj^äblmifl feiner S8ers
bienfte ju bompfen fud)tO-
im fülflenben 3oI)rc 9J?cIancI)tf)ün, in 53ci]leitunQ üon
3oad)im Samerarim5 uiib einioen anbern, bic fReifc in feine ,^eis
inat^ mad^te, fprad)cn fic in gulba bei ßrotuö fRiibianuö unb
5lbam Ärnft ein, unb erfuhren üon i()ncn erft ba^ 9^ä[)cre über
^utten’ig ©djciben. Son ollen umrbe fein '^Inbenfcn flcfeiert,
unb 2)klanc^tl)on, bem an beni lebenben Jütten feine ^eftigfeit
unb Steigung ju fyieuerungen immer unl)eimlic^ gemefen, ber ftc^
iüol}l aud) an feinem folbatifc^en SBonbel geftoßen unb ,sulept
über feinen Singriff auf ©rai^muö ficb fcl)r l)art au^Jgefproeben
batte, er nal)m jejt ben lobten gegen bie 0cbmäbungen eineö
gemiffen Otbmar 9lacbtigall ober iiufciniuö bureb ein Epigramm
in 0d)u^. S3ei ber ©i’^äblung bie'üon maebt Samerariuö, nacb'-
bem er üon ^utteiriS Slbel unb ©elebrfomfeit, greibeit)Sliebc unb
Ungeftüm, aber audj üon feinem fd)tt)ad)en unb unfebeinboren
Äörper unb feinen fpärlicben SU^itteln gefproeben, bic )!Öemerfuug:
oft feien il)m bei |)utten bie S^erfe eingefallen, melcbc befagen,
lücnn bem S^orfap unb @ifer be^ ^emoftbenee 3}^ad)t unb ^cr^
mögen entfproeben bitten, fo märe ber SÜ^acebonier niemals ^err
üon (fJriedjenlanb gemorben. Tenn menn eö Jütten bei feinen
planen unb Unternebmungen nicht an bem Üiücfbaltc mirflidjer,
in^befonbere fricgerifdjcr Sj^aebt gefehlt biiUc, fo mürbe eine allge=
meine Umrnäl^ung erfolgt unb ber gan,^e öffentliche
anberer gemorben fein*).
Sluf ber gebadjten fReife tarnen SÖklancbtbon unb feine
gleiter auch nach GJotba, mo SJ^utianuö fRufuö noch immer feinen
Söobnfib hotte. Slber in bem ftillen ^aufe ^aupt^
firebe mar üielcö anberö gemorben. 3al)re unb ©rlebniffe hotten
ben öemobner beffelben ernfter, büfterer gemadjt. @r hotte ben
S3irgil mit ben $falmen üertaufdjt. 9ticbt, baft er ju ben (Ilafs
fitem nicht immer mieber j^urücfgefcbrt märe: aber ber 0ap tonnte
1) ®cn 5ticf in ^uttcn’S Schritten II, 6. 354; bo§ cbenbaf.
©. 366—357.
2) ®ie ßrjöblunß b<§ ®omcrQriu§ j. in i^utten’S Schriften 11,6. 361—363.
Tag Epigramm non HRelon^lt^on ebenbaj. 6. 363.
508
II. ®uc^. 12. Äapitel.
jc^t feiner geber entfliegen, ba^ ein ^^riefter ci^entlid) feine f)eib^
nifd)en ^ic^tcr lefen foUtc. Seinen firc^lic^cn ^erriditungcn, bie
er früher (jernc burd) StcÜücrtretcr ^atte üerfel^en laffcn, unter-
50(^ er fid) nun fleigit^ felbft. @r empfonb ba^ öebürfnig tieferer
relifliöfer ^^clet)rnnq luib beflagtc nur, nirt^enbö einen @inflc=
u>eil)ten ju finben, ben er ju feinem f^übrer mö^len fönnte.
er aber bobei, mie mir auö feiner Stellung im
Streite miffen, bic bcfte()enbc i^irdb^ gefd)ont, bie Stößen ber
$rieftcrfc^aft nid)t aufgebedt, ben Untcrfd)ieb eyoterifd^er unb
efüterifd^er Sef)rart aufrecht erf)ültcn miffen moUte, fo fonntc it)m
ßutber’^ 3SerfaI)ren, baö ade biefc fRüdfid)ten unb Sc^ranfen
niebermarf, nid)t gefoden; nod) meniger §utten'ö gerobe^u auf
Äticg unb 5lufftonb gerichtetem iöcftrebcn. Schon im 3ahrc 1519
hatte fid) biefer über SJ^utian’m Schmeigfamfeit gegen ihn be-
flogen gehabt »). Söaö feitbem oorgefallcn mar , h^ffc nicht bn^u
beitragen fönnen, beffen Stimmung gegen bic Sfeformation unb
bereit ^erfcdjtcr ^u oerbeffern. Sie fing an, bic ©runblogen feiner
crfd)üttern, feine „glücffelige Stille'^ ju bebrohen-
ftaum mar im grühling 1521 Suther auf feiner fRcifc nach Söonnm
burch Erfurt gezogen, alm bafeibft ber fogenannte ^faffenfturm
aumbrach, ber gan^ bejonberm gegen bic öäufer ber Äononifer
gcridjtet mar. 2(chn liehe Sccncn mieberholten fid) brei 3at)rc
fpätcr in (^otl)a, unb babei fcheint aud) ^Jliutian ^u Schaben gc*
fommen ju fein. ^5)icfer hatte fid) im iöeitreiben feiner (Sinfünftc
immer fehr mitbe gezeigt; „er gebe bie §ölftc, fo ift cm gut",
mar ^flid)tigen gegenüber oft fein Spruch gemefen. 91un aber
moüten bie löauern, burch fRcforiuationmibcen aufgeregt, bem
Stift überhaupt feine 2lbgobcn mehr entridhten. i^urfürften
befehle ju ÜWutian'm ©unften frud)tetcn menig, feine ©clbfcn*
bungen halfen nicht auf bie ^aucr. 2Um ba()er im 3ahtc 152 4
ber üoraumeUenbe Samerar bem fUiutian ienen S5efud) 3Jtetanc^=
thon’m anfünbigte, fehlten biefem bereitm bie 3)Httcl, bic merthe
9feifcgefcHfd)aft in gemohnter SBcife in fein §aum unb on feinen
Xifd) ju nehmen, unb er mugte fid) begnügen, fic in ber $cr*
berge ju begrüben. il)am that bem alten 9Jfannc fchmcr5lid) mchc.
1) <B. oben 282.
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* 9Wutifln’§ 9lu8flon0. 609
ber in feiner befc^eibeitcn litcrarifdjcn ©aftfreiinblic^feit fo c^Uicflid)
(ictncfen imir.
2)üd) noc^ ocblimincre'^ füllte baö niid)fte Sa^r iljin bringen.
5)cr öauernfrieg brang and) nad) Xl)üriiigen, uub luemi gicidj
(SJüt^a fclbft üerfdjüiit blieb, fo n)ütl)cte bo^ ringöuml)cr ^ilufruljr,
^lünberung unb Öranb. äl^utian'ci @inual)nigk|uellcu uerfiegton
üüllcnbö, feine gan.^e ©i'iften^ njar an^ ben SSurjeln get)üben.
Unter biefen Umftänbeu fc^rieb er am ^ounerftag nac^ Cluafi^
mobogeniti einen ®rief an ben iiurfürften 5^’iebric^, ber il)n
innerlid) gebrüc^eu ^eigt. ,,^?ein gro6mäd)tiger gürft unb§err!
iöctrübt ift meine ©eelc bi^ jiim ^übe. gemaltfam, fo fc^reef-
Ikl), fü granfam uer^eert ba)^ rol)e ßanbüolf, ol)ne 0itte, @efej
unb fReligion, bie Ijeiligen Tempel iinfereö ÖJütte^. 2Bir finb
bie 0c^afe beiner SßJcibe. Sn beiner löblid)cn $errfd)aft bitten
mir für bie @l)re unb Sönrbe beined 9iameim ben ^llmäd)tigen
Xag nnb 9tad)t. @in jammcrüüUed 0d)aufpiel gemäl)ren bie ums
l)erirrenbcn ^ionnen unb ^riefter, bie, iiid)t freimiüig, fonbern
auö gnrdjt üon ben Iempelfd)änbern gefteinigt 511 merben, il)rc
^eiligen 9S3übnfifc üerlaffen. Sd) (Slenbcr, Unglücffeligcr, fd)ün
alternb unb mit grauem §anpte, fel)e mi^ genötl)igt, ^u betteln.
Unter bem grogmütl)igften unb löblid^ftcn gürften mug id), bei
bem äußerften äl^angel an allem 9Jotl)meubigcn , imr iöefümmers
niß fterbeu." Sn feiner ^rglofigfeit ßabe er fid) auf nidjtö ber*
gleid)en üerfel)eu; obmol)l er je^t au^i ben Sieben unb isöriefen
glaubmurbiger fieute erfenne, baß bie ^Heidj^Sftäbte eö feien, meld)e,
unter bem ©c^eine beö @üaugeliumc> unb mit ^ülfe ber Snben,
bie Säuern aufrei^en, in ber ^bfid)t, nid)t allein bie bifd)öflid)en^
fonbern aud) bie fürftlidjen (3tüt)le umjuftür-^en, um, nad) Hn^=
rottung aller crlanckten gamilien, eine Üiepublif nac^ bem Sor*
bilbe ber Senejianer ober ber alten Öriedjen 511 errid)ten. Son
bem rafenben Solle fei aUee 5U fürchten. SieUcid)t merben bie
0tifter, auc^ ba^j ^u ÖJotlja, nic^t miebcrßcrgeftcllt merben. ^ann
aber, fö^rt er fort, „möge boc^ mir, al§ bem ©infältigften unb
©eringften, geftattet fein, in biefem fRnl)cfi^e (Tranquillitate),
ben ic^ getauft, ben i^ mit Süc^ern auegefc^mürft, ben id) mir
jur fiebern 3nfluc^t meineiS Slltcrö auöerfel)cn l)abc, bid an mein
6nbe ju bleiben. 2luc^ menn ber 3^empel gcfc^loffen, bie heiligen
Sränd)e abgcfd)afft, bie ?Utäre nuigeftürjt finb, merbe id) bic^,
510
II. 12.
%
mein ^ulbrei^cr ©d)u^f)crr, t)crd)vcn im Xcmpel meinet ^erjenö,
im ^eiligen (Süangelium, im emigen ^ngebcnfoit. SÜter unb Sei*
bcöfc^mac^bcit geftatten mir nid^t, ju luanbcrn. 3n beinern ©ot^a,
gütigfter Satcr, mo ic^ ^armioä jtneiuubjumnj^ig Sa^re lang
gelebt, nicmanben gefvänft, gebient ^abe mem id) fonnte, möchte
id) altern . . . 5lber be^ Sebent 9lot^bnrft mirb mir gebrechen.
®ic geiftlic^en (Sinfünfte finb aufgel)oben. SBonon foH ic^ firmer
leben? ^urc^laud)tigcr gilrft! ic^ inerbe mit SBenigem ^ufrieben
fein. Düc^ ehrbaren unb gelehrten ßläften möge mein §auö
offen fteben. Sag mid) lörob t)aben unb etmaö Söenigeö an @clb
für S^foft, 3dj bin, ic^ geftcl)e eö, in nid)t unbebeutenbe ©c^uU
ben gerätsen. ®cnn ganje oier 3al)re ift mir oon ©erftungen
fein gefommen, feine g^ud)t geliefert morben: mein 33rob
mug id) Dom 53öcfer, meinen S33ein oon ber ©tabt faufen, unb
freilich ein forgfültiger ^audmirtg bin ic^ nii^t, mic ja folc^c
?ld)tlofigfeit ben @elel)rten eigen ift. 3)emütl)ig falle ic^ bir ju
gügen unb umfaffe bie Änie beiner ©nabe: meine Sffettung liegt
in beiner ^anb. ^on meiner banfbaren ©efinnung gebenfe i(^
ein $fanb ^urüd5ulaffcn. ßeugnig ablegen mill ic^ oor ber 9^ad)=
melt, bag ic^ burc^ bie Söoglt^aten bei§ erlauchten Jlurfürften,
bc^ frommen griebrid), unb feineö menfchenfreunblidjen iöruber^
unterftü^t morben bin . . . 5)eine fromme SSeiögeit mirb, fo
l)offe id), mir ein jäf)rlid)eö ©et)alt oerorbnen, bag ich
©d)atten beiner ineiner Xage ohne g^rd)t unb
©orgen hinbringen fann . . . äJ^ögen anbere lehren mit bem
©eiftc ihreö äl^unbc^: ich mill burd) 3)?ilbe, ©ebulb, Siebe unb
gutes ^öeifpiel, burch h^ii^ücn Söanbel nach eoangelifcher Drbnung
unb chriftlicher Sebenöregel, fo lange id) lebe, bie ©laubigen ju
untermeifen nid)t aufhören" ‘).
^2llö ber tiefgebeugte äKutian biefe^3 ^ülfögefuch an fjriebrich
ben Söeifen richtete, lag biefer bereite auf feinem lebten Äranfeu'
lagcr ju Sochau,. mo er am 5. äJtai, gleichfalls fatt einer Söelt,
aus ber er Siebe, SSahrheit unb Xreue gefchumnben meinte, oer^
fd)ieb. ©ein iöruber unb 9tachfolger 3ohann aber n>nr noch 9^*
raume ßeit mit ber Dämpfung beS 33auernaufruhrS unb .J)er«
1) 2)r ! ®ricf gibt ^en^cl, Supplcm. histor. Gothanae jtpeitc ®bt^.,
e. 75 t.
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?(u§f)anfl bf§ SraSntuS.
611
ftellung bcr Drbnuncj Dotlouf Ocfdjäftigt. ©o fam cö, bog ber
gute ÜJiutiau aiict) fernev bitterii 3Jiaiigel litt. 3)ocb feine (Srlö:=
fung njiiv niri}t iuel)i* weit. @egeu Dftern erh*anftc er. esS
fd)limmer mit i^m mürbe, fagte er bcii Xag iinb na^e^u bic
©tunbe feinet Xobe^ üoraii!^, bem er gefügt unb ohne ©angen,
unter (^ebet unb frommen löctrüc^tungen entgegenfalj. lüiit ben
äBorten: |)crr, bein 2öiüe gefcl)el)c! entfdjlief er, am 30. aj^är^ 152().
©ein Eingang mürbe oon allen, bie it)m nä^cr geftanben bitten,
tief betrauert; uon feinem inniger ale oon (£rotu^ fRubianuö, ber
bamaU febon fern an ben Ufern bcß baltifcben ÜJieerei^ lebte,
„aj^utian'ö Xob", fdjrieb er oon l)ier auö an (S^amerariu^ , „ift
mir nad) bem meiner Eltern ber bitterftc gemefen. Äeinei^ iü?en*
fd)en Jrennbfcbaft mar mir jemaU ttjcurcr, mit feinem ftimmte
meine @cmütl)öart mel)r überein. Xarnm bcflage icb nid)t fein
Sooö, fonbern baö meinige, eine^ fold)en greunbes^ beraubt ^u
fein. @r bat baö fterblidbe ficben mit ber Unfterblicbfeit oer?
taufebt, unb ift obne anfgenommen in bie emige ©elig*
feit, in bereu |mffnnng er fein Sieben fo fromm unb tugenbbaft
eingerichtet boUe."
Sin ber ^eit irre gemorben, mit ber üteformation 5erfallen,
mor a/hitiüu, mic mir faben, in feinen lebten 3nl}ren nid)t miiis
ber alö ©raömnö; nur bog feine ^urndge^ogene Slrt ibm ben
unmittelbaren ä^M^i^tw^cuftog erfvarte. iöei (Srai^muiJ bagegen
folgte auf ba^3 S^orpoftengefeebt mit Jütten unmittelbar bic
§auptfdjlad)t gegen iiutber. (yerei^t bureb biefcn‘), mic febon
löngft burd) feine fürftlid)en (Gönner gebrängt, ctma^ gegen ibu
5u tbun, gab er im 3al)rc 1524 feine ©d)rift über ben freien
Söillen beraub, mcldjer Sutber, ganj in feiner SBeifc, mic fie
©ra^inui^ fiüber gejeidjuet b^iUc, fein Öud) oom unfreien Sßillen
entgegen febte. SSon iept au mar bcr Älrieg bcr Oieformationö-
Partei gegen ©rai^muö erflart. Unb beinabe mar ibm jept
lieber, uon biefer ©eite gcfdjolten ald gelobt ju merben, mcil il)n
Icptereö auf bcr anbern uerbäd)tig maebte. Xenu c^ traf nun
gan^ fo ein, mie Jütten ibm uorl)ergefagt b^tte, bag ibm bic
päpftlicb ^efinnteu boeb nie red}t trauten, ^attc il)n febon früher
1) 59«|onber8 but(b b^n ^rief öom 1524, in ^mlten’S Schriften II,
e. 407 I
n. 12.
r>i2
bcr Sarbinal Slbrimt bei Sco X. olö benjenigen benuncirt, an
ben man fic^ al^ au bcu cigentlidjen Urheber ber iRefor-
matiün0unru()cn foUtc, fo marf ibm nun ?Ubcrt
5ürft üoii ßarpi, in einer eigenen 0c^rift uor, bag feine S3üc^er
bie SIrfenale feien, auö benen fcut()er unb beffen ^nl)önger Ü)rc
äöaffcn gegen bie iUrc^e genommen Ijätten. Unb inbem er fiel)
gegen Angriffe oon biefer Seite oerttjeibigte, ftürmte bann auf
einmal mieber jener ^einric^ ©ppeuborf, §utten’ö ^meibeutiger
Sdjilbträger in beffen lebten Xagen, in baiS hränf^
lid^en alten äRanne^ unb mußte ißm bureß 53orl)altung ber
fdjrift einev^ ^riefeö an ben $erj^og ÖJeorg oon ©ad)fen, in melcßem
er fidj oon ©rasinuiJ 5U naße getreten glaubte, einen bemütßigen-
ben Vertrag abjuängftigen *). ^n (gppenborf naßm (Sragmuö
unter anberm aud) baburc^ fRacße, baß er fein CEonterfei,
oßne S^tamen, bod) ben ßcitgenoffen moßl erfennbar, feinen 5)ialogcn
einoerlcibte. ^aö ©cfprod): ^er fRitter oßne 9^oß, ober bcr
erlogene ^ilbel, be^ie^t fieß nad)meb^bar auf (Sppenborf.
§lber and) auf |>utten foH (Sraömuö in äßnlic^er, ja nod)
oiel l)ämifd}erer Steife in einigen feiner Dialoge angefpielt ßaben.
3llö folc^e merben ba^ ©efpräd) eineö greier^ mit einem 9Räbd)en,
unb bie unßoc^ieitlicße ©odj^eit genannt. 5(Uein in bem erfteren
mirb nur gelegentlid), jur Tarnung einer ©pröben, angefüßrt,
mie eine, bie einen fdjönen ßiebßaber ßartßerjig abgemiefen ßattc,
5ur moßloerbienten ©träfe fieß in einen ßäßlid)cn, budligen. Der-
fcßulbeten, fd)äbigen iU^enfd)en, bem ber genfer ein Oßr abgc=
fdjnitten ßatte, üerlieben mußte, .^icr ift, mie eö in bem ©c^
fpräcße felbft ßeißt, ein Sbeal oon efelßafter §äßlidjfcit, ein
Xßerfiteö, ßngirt, unb feine tofpielung auf Jütten j^u fueßen.
®er anbre Oon ben genannten ^Dialogen ftellt fieß bie ^lufgabe,
bie 3lbfcßeulicßfeit ber ßnftfeudje au^jumalen, um babureß jeber*
mann, inöbefonbere (Sltern unb äRäbcßen, ^ur SSorfießt unb bie
^Regierungen ju oorbauenben SJ^aßregeln gegen ißre ^Verbreitung
511 oeranlaffen. 3^ biefem Qxdcdc mirb ein ungleicße^ 33raut-
unb angeßenbeö @ßepaar geftßilbert: ein junget, blüßenbeö, iin«
fcßulbigeö 9Räbcßen, unb ein Oon jener 5hanfßeit ganj\ ^erfreffener
33räutigom, ber biefen geßler nießt einmal bureß fReicßtßum,
1) 3)ic 58clcöc ]. in ^utten’ö Sd^riften II, 6. 429 ff.
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9u80on0 be§ 6ra8mu8.
513
fonbcrn einjig burd) feinen leeren Sfiittertitcl bebceft: iinb ^ier
finben fid) aUerbinti^ ineldje an bie 9lrt, tnie ©raömuö
fonft non Jütten fprid)t, erinnern unb ben (^ebanfen einer
fpielnnej auf il)n faft nnabiüeiöbar na^e legen.
®urd) baö gortfd)reiten ber ^Jieformation lüurbe bem @ra3=
mu!§ enblid) auc^ ber iljm lieb geiuorbenc Slufent^alt in Jöafel
üerfümmert. Statt ber S^ereljrung, bie ibni früher an biefeni
Orte uon allen ©eiten entgegengefommen mar, fa^ er fid) jejt,
ba bie iöemol)nerfc^aft in i^rer 9)iel)r^a^l fic^ ber Sfteformation
j^muanbte, burd) ^ubringlic^e ©d)rciben beljcüigt, halb ouc^ bur^
©d)mä^fd)riften unb ©pottbilber uerl)ö^nt. ^ie nun gar 33olfös
l)anfen fi^ jufammenrotteten, ©efc^ü^ auf bem 3Harlt aup^rten
unb einige 'ölädjtc bafelbft um ein grogciS unter SBapn
ftanben, glaubte (Sraemnö feinet Sehend nnb @utcö nid)t me^r
fieser ju fein. ®er 9tatl)dbepiu6, bie SDieffe ab^upapn unb
bie iöilbcr aud ben ÄÜrdjen ju entfernen, beugte jmar einem
'^ludbruc^e uor; boc^ nun trat bei ©radmud bie leibige fKücffic^t
auf feine l)ol)en Gönner ein, bie il)n, menn er aud^ jefet nod) in
^afel blieb, für einüerftanben mit ben Steuerungen galten mugten.
©0 bcfd)lo§ er ben Umjug nad) bem unter öfterreic^ifdjer ^err^
fd)aft altgläubig gebliebenen ^reiburg, ben er, unter ängftlid)en
^orfel)rungen , im 5rül)ling 1529 glüdlid) audfül)rte. §ier mar
er, mäljrenb feine übrigen Arbeiten il)ren (Sang fortgingen, be*
fonberd aud) um bie Beilegung bed firc^lic^en ©treited bemüht.
3m 3ul)te 1533 mibmete er biefer Angelegenheit eine eigene
©chrift, bie er bem tt)cologifd)en Diplomaten Snliud oon ^ugf
jueignete. 2öir moflen feine billigen Sorfd)läge (|^ur SJtößigung
oon beiben ©eiten, Abfel)en oom Unmcfentlichen u. bgl.) nid)t
barnm fchelten, meil fic ol)ue Söirfung blieben unb bleiben mu6=
ten; bad aber müffen mir tabeln, bag er in biefer ©d)rift fid)
fclbft bad Stecht benal)m, fo billig ^u fein. Denn menn ed mal)r
ift, mad er l)ier einräumt, baß berjenige fd)limmer fei, melchcr
oon ber ßel)re unb (Semcinfehaft ber ilird)e fich lodfagc, ald ber«
jenige, melcher lafter^aft lebe, aber an ber ilirchen lehre fcftholte,
fo ift aller (Slaubend^mang gcred)tfertigt, ja geboten. SBcnn (Srad=
mud früher feine Untermerfung unter bie ilirche burd) bad
bürfni^ ^u begrünben gefud)t h^^tte, bem enblofen ^in nnb $er
ber löernnnftgrünbe burch ben iDtachtfprud) einer unfehlbaren
VII. 33
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514
11. $u(^. 12. jfapitel.
^luctorltQt §alt ju gebieten, fo fonntc barin, bei feiner ©eiftc^^
art, imnterl)in einige S3at)rtieit liegen. Slber bie bogmatifdje 3“=
fainmenftiinmnng mit ber Ä^irdje bem fittlid)en ©erhalten gegen*
über al§ ba^ Sßie^tigere unb Sßefcntlic^e betrachten, tonnte er
mir bei cnt)d)iebenem IHbfall oon bem h«nianiftifd)fn ©tanbpunfte,
welcher in biefem 0tüde mit bem be^ fpätern fRationaliiSmu^i
gaii5 bcrfelbe roor.
3[n greibuvg wollte e^ bem ©ra^inuö Weber leiblich nod)
gemüthlid) )o wohl werben, alö eiJ ihm, wenigftenö in ber frühem
3eit, 511 iüafel gewefen war. 0o entfd)lo6 er fich enblich im
Sahre 1535, ber bringenben ©inlabung ber Königin SJ^oria,
Statthalterin ber ytieberlanbe, bül)in folgen. Slber in isöafel,
wo er auf ber ^urchreife erft nod) ben 2)rud einer Schrift über*
wadjcn wollte, überfiel ihn bie @id)t. Slnbere Selben traten
hinju, bie il)n, wäljrenb er feine gelehrten Slrbeitcn noch immer
fortfefete, unaufhaltfam bem Xobe entgegenführten. 3n ber stacht
üom 11. auf ben 12. :^uli 1536 ftarb er, h^Acn unb gefaxten
©eifteö, im ^Iter üon 70 Sohren. @r hoH*^ gearbeitet,
(s^rogeö gewirft, für feine SdjWöchen empfinblich gebüßt, unb
nahm einen ^war nicht unoerfehrten, bod) immer nod) überreidjeu
Äranj be^ SSerbienftev^ unb fHuhmes mit inö (SJrab.
Sn eine ähnliche Stellung wie ©rmSmuij fchen wir aud)
feinen unb Jütten’« greunb, SBilibalb ^^irdheimer 5U Dtürnberg,
währenb ber lebten S^djve feineiS Sebeni^ htm-’ingerathen. Xic
3eiten feiner frifdjen ilraft, in benen er bie Schu^fchrift für
9i'cuchlin unb ben gehobelten @d gc)d)rieben h^iUCf waren, ald
Jütten ftarb, bereite bohin. 5)en fatirifchen Dialog auf @d h^itte
^irefheimer nod) ber leipziger 2)iöputation oerfagt unb im Sdl)t’c
1520 heraui^gegebeu *). Sn bem gebilbeten, mit griechifchen Zitaten
gefpidten Satein ber ^umoniften gefchrieben, außer wo er einmol
mimifch in baö ilüchenlatein ber 2)unfelmännerbricfe fallt, ift
berfelbc übrigen« ganj in ber berben unb pl)antaftifd)en 91 rt
beutfdier Schwante jener 3cit gebad)t. 2)er ertranttc ®d (er
hatte fid) burch fein Schreien bei ber 3)i^putation ju fel)r erhifet
unb jeigt nun einen fieberhaften ^urft — nach SSein) läßt mit
1) Eccius dedolatus autore Joanne Francisco ('ottalainberpfio P. L.
3n iöwttfn’s Schriften IV, S. 615—543.
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^irrf^icimer’S ^ulgang.
515
.pcycitpoft einen SIjirnrgcn, ber aber e^er einem genfer gleicht,
aiifi^ ücip^ig Ijolcn. Xa tiefer eine gcfö^rlic^e 6ur in ^uöfid}t
ftclit, mirb ber ^j^atient ermahnt, üorl)cr feine ^^eic^te abjulegcn,
mübei er merfmürbige ^ctenntniffe mac^t, inöbefonberc nnb
.gabfiid)! bie einzigen Xriebfebern feinciS Slnftretenö gegen
Siit()er eingefteljt. 9iun gel)t ber ßbiriirg mit feinen (^etjiUfen
on ba^o SBerf: (Sef mirb erft mit prügeln abget)obelt, bann nad)
cinanber gefc^oren, purgirt nnb operirt. Seim 0d)eercn fommen
unter ben paaren gan^^e Unge^yeferfdimänne nun 6pflogi§men
nnb 0opt)ivinen ^um Sorfc^ein; auf bem SJege besi @rbred)en^
ge^cn allertjanb (Scfifd;e Bdjriften unb ein rotier Xoctor^nt, auf
bem nac^ unten ber päpfttidjc ^bta^ unb ba^ für bie Sertt)eibu
gung be^ S3ud}er^ uon ben Suggern empfangene Öelb ab; beim
Ceffnen ber Sruft aber merben, in (55eftalt non itarbunfelu nnb
Äieb^gefd)tuüren, ^ratjlerei, Serlöumbung^fudjt unb ät)nlid)e
üaftev gefunben nnb tl)eilö auogebrannt, ttjcilö auögefd^nitten.
'Otad)bem S^tient aüei5, bcfonbeii^ ungern nod} eine gemiffe le^te
Operation, buic()gcmad)t l)at, bittet er, nur ben rudjlojen mitten^
berget ^^oeten unb bem fd}mäf)füc^tigen Jütten nid)tö baüon ^u
fagen; bie mürben eine Älomöbic barauo machen. Xiefe 0atire,
meldjc ^4^irdl)cimer auf ^ureben feiner greunbe, ^mar unter er*
bid)tetem ^ftamen, bod) halb alö Serfaffer erratl)en, perauögab,
foUte i^n tljeuer ^u ftet)en fommen. @cf, ber halb barauf mit
ber Sannbuüe gegen fiutl^er auö 9^om ^urüdfam, fc^te laut einer
päpftlid)en Sollmad)t, bie er l)ie,^u l)atte, unter ben ^auptan^ängern
fiutber’ö and) Söilibalb- $ircft)eimer in bie SuCte. Um feinen
a)Utbürgern nid}t böfeö 8piel 5U machen, mußte fic^ tiefer 311
Unter^anblungen, unb julejt 311 einer Slrtoon ®berruf bequemen,
ber il)in nid)t einmal gaii3 au^ ber 0ad)e l)erauc5l)alf.
^2luö tiefer 3<^it, bem 3flf)re 1522, ift ber Icpte oor^anbene
Sr»ef uon ^ircfßeimer an Jütten, bie §lntmort auf ein (Uerlorneö)
©c^reiben bei< le^tern, baö Sucer, maprfcßeinlidj im befolge bei^
^^^fal3grafen gi^iebricß nad) 9^ürnbcrg gefommen, ißm übcrbrac^t
Ijatte. S^^c^bcimer’el Srief ift nidjt oßne Seid)en uon Slengftli^*
feit, ober bod} uon Serftimmung. feien, fd)reibt*er, me^r
übrigen^g um feiner ?lnl}änglic^feit an fReuc^lin olö an £utl)er
miHen, and) megen be^ gehobelten @d, für beffen Serfaffer man
il}n halte, Verfolgungen über ihn ergangen, bie aud) einen ftanb*
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516
II. %ud(|. 12. I^aDitel.
()aftcn 9J?ann pttcn crfd)üttcrn fömten. ^obe i^m @ott
biöber (jc()olfen unb tucrbc ido1)1 audj ferner l^elfcn. Obgleich in
einer freien (Stabt geboren, fei er bod^ nic^t fein eigener $enr,
fonbern Oabc bem fRatt)c get)orc^en müffen, ber ben ^anbel bi^*
t)er mit mef)r Älugt)eit aU 2)2utt), obrnot)! nid)t o()ne Äoften,
gcfütjrt ^abe. Siterarifc^eö tjabc er rnitttcrmcite nic^t^ 0tanbe
gebradjt, aU, mä^renb er am^obagra gelitten, ba§ Sob beffeU
ben gefdjrtebcn, baö er bem grcimbe, menn e^ biefer münfd^c,
jufc^iden molIeO.
tiefer ^Infcc^tungen ungcad)tet loor ^iref^eimer in jenen
3al)ren noc^ ein mariner ^In^ängcr ber ^Reformation. 9toc^ an
Slbrian VI., ber Einfang bc^ S^a^rc^ 1522 ben pöpftUc^en
0tul)l beftieg, gebadjte er ein 0d)reiben richten, baö aber
ma^rfc^einlid^ biird) ben unermarteten 2^ob biefe^ ^opfteö ab^
gebrochen mnrbe, morin er nlö ben Einlaß ber firc^lic^en Unrul^en
ben Uebemuitl) unb Sä5iffenfd)aft!3l)a6 ber Dominicaner, iljren
Eingriff auf fReud)liu, bann il)re gottcSläfterlid^e ©rljebung be§
2lblaffei^ angibt unb uon ^utl)er ebenfo rü^mlid), mie Oon beffen
erften ©egnern, @d, Sajetan u. f. f., üeräc^tlid) fprid}t. 3c me^r
aber, befonberö feit b. 3- 1524, bic ^Reformation in feiner näd)ftcn
Umgebung oormärtö brang, befto me^r sog fic^ ^ird^eimer oon
berfelbeu surüd. Die ©emaltfamfeiten, bie Unorbnungen, bie
ßöfung alter 0itte unb ©ntfeffelimg ber Seibeufc^aften , bie su*
näcbft oon i^r unsertrennlid) maren unb im dauern friege ju
einer crfd)rcdenben |>öbe ftiegen, madjtcn il)n alg 0toat^mann
bebenflid^. Die ^erfönlid)feiten, bic in S^lürnberg an bic ©pifec
ber firc^lid)en Söeränberungen traten, mic ber brutale Ofianber,
ftiegen ign ab. 2ludj ßutger’ö .^eftigfeit unb oft unnötgige C^rob*
l)cit gefiel igm niegt. Daneben machten gamilieuoerbältniffe
‘ igren Hinflug geltenb. 9Regrcre Segroeftern unb Döcgter ^ird*
geimer’iS gatten fid) bem geiftlicgen ßeben gemibrnet. Die ölterc
feiner ©egmeftern, ©garitaö, bem 33rubcr an Ocift unb Sgarafter
ebenbürtig unb oon biefem gumaniftifeg gcrangebilbet, ftanb bem
Glarcnfloftcr su Sflürnberg alö 5lebtiffin oor. @egen bie Älöfter
aber riegtete fieg ber UmoiHc bc^ bureg bie ^Reformation aufge^^
regten 55olfö am erften unb geftigften. Dag eö ein 3n:tgum
l) ®cn ^rief f. in ^utten’S Schriften II, ©. 112 f.
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^U(f()ftmcr’§ HuSflong.
517
früherer (jcipcjen, ben aud^ er c^etf)cilt ^abc, Xöcf)tcr unb
0c^iücftern im Älofter am beften uerforöt ju glauben, fa^ SSili*
halb jc^t ein. Slbcr bic §(rt, mic mau mit ben armen Dlonnen
ücrfii^r, bie fortmäljrcnben 9^ecfcreicu unb Üränfungen, mcldjc
ba^ ßeben feiner mürbigen ©c^mefter fortan einer ma()rcn
ficibcn^9cfd)ic^te machten*), erbitterten i^n nid)t bloö
^ßerfonen, fonbern and) flegen bic ^enfart unb fKid)tung, oon
ber fie auögingen. Salb traten nod) bie ©paltungeu innert)alb
ber Sfleformpartei ^inju, baö bebenflidjc 2Beitergef)en ber fc^mei*
jerifc^en S^eformatoren , burd) meldjcö man in’ö Sobenlofe ju ge^
ratzen fdjien. ©o anftögig nmr biefe $irdt)eimern, bag er mit
einem et}emaligen greunbe, bem 3ol). Oefolampabiuö, fic^ in
einen bittern ©c^riftemüed)fel über bie S(benbma()(öle^re üermidclte,
in melc^cr er fid), ;^um Sßerbruffe bc^ (Sra^mu^, im S33ef entließen
auf ben ßutt)erifc^cn ©tanbpunft ftellte. iöc,^eid)ncnb ift, maö er
in ber Sßorrebc ju ber erften biefer ©c^riften äußert, mo er bie
Ueberlegenbeit feineö ©egner^ aU 0jclet)rten anerfennt, bem er
fid) aber (jinmieberum in* ßebend» nnb @cfd)äftvJerfatjrung über*
legen meiß. ©tnnbe bie teptere mand)en fo mie bie erftcre jur
©eite, meinte er, fo lebte baö (S^riftenoolf frieblidjcr, unb uns
i^äßlige Unrußen mären oermieben morben.
3une^mcnbe ilränflid)fcit unb IBercinfamung in ben lepten
3aßren (1528 ftarb fein getreuer SÜbreeßt Xürer) oermetjrten
^iref Reimer 'ö S3erftimmung, bie um fo tiefer mürbe, al^ er fic^
oon ber fReformotion abmanbte, oßne bod) ^u bem alten Äirdjciis
mefen ein neueö Vertrauen geminnen <^u fönnen. @r fei anfäng*
lic^ gut Sut^erifc^ gemefen, mie ber fclige 5Ubred)t aueß, befennt
er furj oor feinem ^obe in einem merfmürbigen Briefe*), meil
fie geßofft Ijaben, bic römifcß Büberei, bcßglcidjcn ber a}iönd)
unb ^fa^en ©d)alfßeit, follte gebeffert merben. 2lllcin ftatt beffen
ßabc fic^ bic ©ac^c alfo oerfdjlimmcrt, baß in S^crglcidjung mit
1) Sßl. bic Denfwürbißfeiten ber ^^aritaS ^iref^etmer in ber Quellen»
jainmlung für fränf. @ejf(|. fjerouSg. oon bem b‘ftor. Jöcrein ju Bamberg,
^b. 4. Homberg, 1853.
2) Sd^reiben ^errn SBilibalb ^irrfbeimcr’S on 3o(|. Ijd^ertc, Ä. ÄorI’§ V.
39ou» unb ^rüdenmeißer in ffiien. 3n 6^. ö. 3Jlurr’5 Journal jur Äunßgcfd).
u. jur aUg. 2it., X. 5:^1., 9lürnbfrg 1781, B, 36—47.
518
II. 5Bud^. 12. iJopttcl.
bcn cüangdifc^cn iöuOcii bic Doricjcn fromm crfc^cincu. 2Bäl)vcnb
biefc mit ©Icigucrci unb Sift betroffen ^aOen, moUcn bic jc^igeu
offen unb ungcfcbcut ein fc^änblid) Sieben führen, unb babet bic
Seutc bei fetjenben klugen blinb reben, inbem fie nidjt nad) iljtcu
SBerfen, fonbern nad) i^rem ÖJlnubcn bcurtf)ci(t merben oer-
langen. 2)cr gemeine 9Jknn fei burd) biefe^ ©onngclium alfo
unterrid^tet, ba§ er ni^t anberö gebenfe, benn toie eine gemeine
X^eilung ‘gcfc^e^en möge; unb mo bie groge Strafe uic^t märe,
mürbe fid) halb eine gemeine ®cutc (^iüuberung) erl)ebcn, mic
an oielcn Orten aueg fd)on gcfd)cl)eu fei. 5)a^5 fd)rcibc er jeboe^
niegt barum, fäl)rt $irrfl)cimcc fort, bag er bc5 ^apftci^ unb
feiner Pfaffen unb 3Jiönc^e Söcfen loben tonnte ober möd)tc
oiclme^r miffe er, bag eö in oiel 2öeg fträflid) fei unb einer
iöeffcrung bebürfe: nur fei leiber oor klugen, bag aud) baö neue
SBcfen in teinem SBeg ^u toben; mie ja Sutljer felbft unb oiel
frommer, gelehrter fieutc, bie bem mal)ren ©oangelium angangeu,
mit Sd)mer5cn fegen unb bcfcnneii, bag biefe$ iBefeu feinen 33e-
ftanb gaben möge. 2)ic ^apiften feien bod) ^yim minbeften unter
ignen felbft einö: bagegen feien bic, fo fid) eoangelifeg nennen,
mit bem göd)ften unter einanber uncinö unb in Sccten jcrtgcilt;
bic inüffen igren Sauf gaben mic bie fegmärmenben dauern, biö
fie julcgt gar oermütgen.
So trüber Stimmungen SJ^eiftcr ju merben, in, ber oer*
morrenen ©ägrung ber ©egenmart bic fd)affeubcn Äräfte ber
^ufunft, bic Ücimc fd)öncrcr (Sntmicfluugcn 511 crfcnucn, ba^u
mar ber fecgöjigjägrige pobagrifd)e ^irdgeimer ^u alt unb traut:
er ftarb im S^agre bcö augöburgifegeu 53efcuutniffc!^, unb feine
Icptcn Seufjer maren 2öünfd)c für baö SBogl bcö S^atcrlanbc^
unb ben grieben ber ftirege.
iieiner oon ^uttcn’ö alten greunben blieb ber fRiegtung, bic
fie einft gcmcinfd)aftlicg oerfolgt gatten, babei ober .yiglcid) feinem
eigenen, oon bem feinet rittcrlicgcu greunbeö ocrfd)iebcueu SSefeu,
getreuer aU ber maefere (Soban |)cffc. 33ci aller grcigeit^= unb
53aterlanbölicbc mar er boeg feine politifd)c 9latur mie §utten,
ben Xricb, auf bic öffentlid)en Xingc eiujumirfen, empfanb er
niegt; oictmegr mar er ^oet unb Segrer burd) unb bureg unb
fanb fid) im Stubium, SBortrag uub ber 9^ad)bilbuug ber alten
^id)ter auf ber einen, in garmlofer (^efeHigfcit beim Söein auf
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Goban’S ?Iu90onfl.
519
bei* aitbcrn ©eite, üollfomincn befvicbic|t. ?lber bic ©adje bev
^Jtcformatiüii tuav iinb blieb il)in .^erjeusfadje. 5^üii ben C^jebid)*
ten, beneii il)it 2utf)er'‘3 ?(iifcutf)alt in @rfurt. auf bei* 0^eije
nad) Siknrnö beciciftevte, ift oben bie ^ebe (^eioefen. ©pnter
bid)tetc er in bei* J^orm bev oüibifdjcii ^croiben eine ©piftcl bev
i^cfancjcncn Äivd)e an Sutljev, tucldjc biefer cvfvcut ,yiin 2)vucf
befövbcvtc. äJ^ituntev tuanbelte oud) il)ii bO‘3 ^umaniftifdje ^e^
benfen an, nl^ föniitc bev fvomme (5ifev, ben bic S^efovmation
angcfac^t batte, bev n)iffcnfd)aftlid)en 53ilbung ©intvaej tbnn.
'^efonbeViS bag bic vclic^iöfcn ©egenftänbe anfingen, in beutfd)cn,
jebem nevftcinblidjen ©d)viftcn Ocvl)anbe(t ^n tuevben, gab bem
Satiniften bic 53cforgnib, cio locvbe nun bie 0jc(cbvfamfcit alö
ctioaii^ Ucbcvflnffige^^ cvfebeinen. ^iefe ©efovgnib nnivbc geniebvt
bnvcb ®cbal)vcn manebev euangclifdjen ^vebigev, bie, nid)t
feiten anögetvetene 9J^önd)e, il)vc Unu)iffenl)eit nnb ?lbneigung
gegen bic SÖ3iffcnfd)aft mit auf bie Änn^el bvadjten. (^egen fold)eö
Xveiben liefe @oban im 3al)vc 1524 bvei fativifd)e Dialoge cv'
fd)cincn, nad)bcm ev ba§ 3^1)1’ üüvl)ev Öviefe üon Sntl)cv, 9.Ue-'
lanebtbon nnb anbevn ^eiuegung, movin bie 9f?otl)-
menbigfeit bcö ©tnbiumö uon ^oetit nnb S^lb^^lavif betont mav,
^ur eigenen iöcrnl)ignng nnb ,^nv 9^acbnd)tnng füv anbeve feattc
bvncfcn laffen. Xovnm ivvte SJ^ntian, menn ev um bicfclbe |^eit
meinte, @oban buvd) fein ^^reben oom i!ntbevtl)iim ^nvndgc=
braefet ju haben*); nnv milb nnb ocvföbnlid) blieb biefev immer
gefilmt.
Sobaifö äufecre Sage mav bnvd) bie 9tefovmation iiid)t
uerbeffert movben. Xic SJermivvnng in ®vfnrt ftieg in 5olge
bcrfclbcn, nnb bic ,'pod)fchulc, an meld)cv cv Icferte, fam immev
mehr in ^^anernfvieg oollenb^5 brachte beven ©itu
fünfte inö ©toefen, nnb hätte @oban nicht an feinem (>ieovg
©tnr;^ einen grofemnthigen Äl^acena^ gehabt, fo hätte cv mit feiner
anmachfenben. gamilie uon SBaffer nnb '<örob leben muffen.
mar hohe’ ^afe ihm im folgenbcn gahve 3Jielanchtl)on eine
©teile an bem ncucrrid)teten (^Ihamafinm in Dlüvnberg i)crfd)affte.
Die 3J^id)t, bev 9^cid)thnm, bie iöilbung biefev fveien ©tabt
madjten auf ben 'I)ichter gvofeen ©inbvncf, mclchcm er in einer
1) Elution ait 6ra8mu§, 1. ^lerj 1624, in ^uttcn’8 €(^riftcn H, 401.
520
II. $u(^. 12. j^apitel.
I
poctifd^cn S3cfc^tcibuni] 9^ürnbcrcjö einen §(uöbrucf (lob, ber
uon bem 9iati)e eine ^^evc^runö non 70 gi. eintrug. $ier arbeitete
er anc^ feine Ueberfe^ung bci^ Xt)eofrit in Iateinifcf)en |>efametcrn
auö unb begann eine äl)nlid)c ber 3liaö. Sooc^ini Samerariuö
unb 3)iid^ael fRoting loarcn feine SoIIcgcn; ber fHatf)^l)err
ronpmuö 33anmgartner, ber iRatböfc^reiber ßajaruö ©pengler
feine @önner; mit SBenceölauö Sinef, 5^boma« SBenatorin^ u. ^t.
ging er freunbfdjaftli^ um; fein liebftcr ©efellc jebod) auf 0pajier^
gangen unb beim SBeine mar fein 9flad)bar, SBilbclm 53reitcn-
grafer ber SRufifu^, non bem er ficb auch gern beutf^e Sieber
norfingen lieg. Sßilibalb ^irdbcinier, mit bem @oban fegon x>ox-
ber in 33erübrung geftanben, feiner ^nfunft
5U einer non feinen glänjenben ©clebrtenmablsciten gelabcn unb
mar ibm ba freunblicb entgegenge!ommen. Jöalb aber brachte bie
nerfdbiebene ©tellung beiber äRönner jur ^Reformation eine Span-
nung in ibr Sßerbältnig. 5)er raf^e unb offenbersige ^oet batte
ficb am britten Orte über ^irdbeimer'^ biplomatifcbe ßnrüdbaltung
fdjarf geäugert , ma^ bem (extern bäderbraebt morben mar.
33eibc fprad)en ficb über bic Sad)e mit mürbiger Slufriebtigfeit
brieflid) gegeneinanber auö, unb alö ^irdbeimer halb barauf
ftarb, nerföumtc @oban nidjt, ibm einen ebrenben iRadbruf
mibrnen.
SBäre cö nur in bem reichen iRürnberg für einen armen
'^^oeten ni(bt fo tbeuer gemefen, unb märe nur ber arme ^oet
ein befferer SSirtl) unb norfid)tiger in ©efebäften gemefen. 3toör
nermittelten feine ©önncr, bag iljm bic Stabteaffe immer miebcr
anö feinen S3cr legenbeiten b^lf. ®ocb fühlte er ficb in ber ^an*
bclöftabt and) fonft nidjt in feinem Elemente. @r gebe nicht
gerne mit biefen Ä'auflcutcn um, fd;reibt er an feinen @. Stur^,
bie nur Oon Pfeffer unb Safran träumen, nur uon @olb, nnb
nid^tö Don Sßiffenfcbaften miffen. So lieg er fid) bureb alte
^Inbänglicbfeit unb neue Anerbietungen im 3- 1533 miebcr nach
Erfurt loden: ein Stritt, ben er halb ju bereuen Urfa^c fanb.
®cnn ber erfurter §od)fd)ule mar nid)t mehr auf.^ubclfen, unb bic
nürnberger ©rogmutl) unb greigebigfeit fanb er ni^t micber in
ber berunterfommenben, uon Parteien äcrriffcncn Stabt,
Sd)on alö um baö 3- 1526 t)on Reffen bic UnU
Uerfität 9Rarburg crricbtctc, gingen (Soban'ö bcö Reffen SBünfebe
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6obun*ö ^u§gang.
621
auf eine ^InfteUunfl an ber f)cimifc^en 2cl)ranftalt. Seitbem bc#
hielt er ben Sanbgrafen im ^tuc^c unb befang 1534 feinen mür^
tembcrgifchcn 0ieg. @nblich im 3. 1536 fom ber iRuf 0tanbc,
ber bem (Soban für ben S^left feiner ^age eine leiblichere @i*iftcnj
üerfebaffte. S^oar bie alten Uebelftänbe begleiteten ben ehrlichen
^oeten and) nach 3)?arbnrg. 0eine ©chulben, fogar bei Suben,
mußten auf feine 35ittc non Uniuerfitätdmegen abgemicfelt merben.
@r fcheine eine fonberbarc Söorftcflnng üon feinen J^inanjen
haben, fchrieb er bem iRector, ba§ er ihn auf bie orbentlid)en
IBerfaHtcrmine feiner 53cfolbnng befchränfen moUe: mo er bii^hc^^
getnefen, h^ljc er immer and) ^mifchen ber Seit auf Slbfd)lag holen
bürfen. SOiit bielcni 0elbftgcfül)l (benn er ftanb auf ber $öhe
feineö ^)ichterruhm5, unb feine 0d)riften fanben nid)t allein in
^eutfd)lanb, fonbern aud) in Stalien, granfreich, ©nglanb unb
0panien Slbfa^, nur trugen fie ihm menig ein) brohte er mehr
alö einmal, menn man nicht beffer für ihn forge, mieber megju*
gehen; bod} lieg er ftch immer mieber bcfd)n>i(^tigen unb mürbe
na^ unb nach burch ©clb? unb grud)täulagen immer beffer ge^
ftellt. 53efonbre J^reubc mad)tc il)m eine $frünbe ^u 0t. ©oar
bie er erhielt, meil fie jmei guber guten Söeinö ertrug, ^uch
ein ^auö hotte er ftd) auiSmählen bürfen, boö ber fionbgraf für
ihn taufen moUtc. ^enn biefer mugte @oban nicht blo§ alä
©eiehrten ,^u f^ä^en, fonbern mochte ihn and) Vetfönlid) mol)l
leiben. (Sinmal jmar oermarnte er ihn megen feines! Xrinfenö:
mogegen gd) @oban auf feine 5lrbeitcn, bie in 3)iarburg oollciu
bete Ueberfe^uug ber 3lio^ oor ollem, oliS gefchmorene
gir feinen fiebcnömanbel, berief. 2(ud) mar eö nicht fo böfe ge^
meint: ber fianbgraf ^og ben ^oeten nicht nur menn er fclbft^u
äRarburg mor, ober @oban nad) Üaffel tarn, gerne jur Xafcl,
fonbern biefer mugte il)n oud) ^um Sonüent in 0chmalfalbcn,
nach grantfurt unb bei ähnlichen ^Inläffen begleiten. Sii^meilen
fpielten ge ^ufommen 0chadj: ba mar ber forglofe ^oet ber 0tras
tegie be^ Sanbgrafen nid)t gemachfen; biefer machte ihn matt,
ber ^oct mürbe milb, unb baran hotte jener fein Srge^en.
Deftcr fchon mar ®oban Icibenb gemefen: er felbft leitete
Don feinem hcrjhoften Printen hci^^ oon bem er barum hoch
nicht laffen mochte. So Anfang beö 3. 1540 reifte er nach
Äaffel unb holte geh ba, er mugte nicht, foUtc er cö ber Sßitte-
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522
II. 12. j^Qpitcl.
runn, ober bem ,f)ofn)ciitc ^ufebveiben, einen 5latarr(), ber nirf)t
mef)r lucidjcn tuontc. ^obagra cjcfeüte fic^ Ijin^n, bic 0arfjc ^0=
ftaltete fid) allinäblif^er Slbjebning. @oban bereitete fid) •^uiii
Xobe; er fd)ricb an 9}ielancbtf)on, für i^n beten. Sanqe I)Qttc
man fein Söort me^r Don i^m üernommen: ba fprad) er auf
einmal, er moßc hinauf ,^u feinem §crrn. SJ^an meinte, er pbon*
taffere üon einem @ang auf ba^ 0d)lo6 i^nm Sanbgrafen; er
hatte aber einen anbern ®ong nnb einen anbern $errn gemeint
unb entfdhlief halb baranf am 4. Detober 1540 im 52. £cbcn§=
fahre. 9Jian mürbe irren, menn man barum, mcil @oban in ber
beutfdhen fiitcraturgcfchid}te feine ©teile I)ot, feine SBcbeutung
nnb feinen (Sinfluft gering anfchlagen moüte. @r mirftc alö
ßehrer unb ©d)riftfteüer für bic 2Infrcd)thaltung h^iiioniftifcher
Gilbung in einer olö biefe bereitiS mieber im ©infen mar;
er mad)te ben .^oiner nnb ^^h^ofrit ben ©cbilbeten in ihrer
©prache (ber Iateinifd)en) mit ©rhaltung ber Ä^unftform ^ugöng:--
lich; für bic ^Deformation aber mar cö oon hohem SEBcrthc, bog
ber anerfannt erfte Iatcinifd)e 3)id)tcr ber ßeif ih^^ begeifterter
SBcrfünbiger marb unb blieb.
@incn gan^ anbern SBcrIanf nal)m ba^ ßcben b^5 Ü}Danm^,
ber neben @oban ber liebfte unb oertrautefte Oon ^uttcn'ö 3u^
genbgenoffen gemefen mar, beffen er aud) noch in ben Icpten
SBod)cn feinet ßeben^ in einem 53riefe an @oban mit ^örtlicher
greunbfehaft gcbad)t hatte: bc^ Svotuö fRubianuö. Söenn ein ©utten,
@oban, ,5)crmann oon bem 53ufchc mit bemfclbcn frifchen SRuthe,
mit bem fie unter ber g^h^e bc^ ^umani^muci oorgebrungen
maren, nun and) für bic ©achc ber ^Reformation mciter gingen;
menn @raönu^5 bic bipIomatifd)c 3ai‘ücfhaltung, bic er in bem
Sntherifchen ^anbel bemicö, ebenfo and) fd)on in bem SDcuchlinU
fehen gezeigt hatte; menn ^irefheimer, bei mclchem ber fRücffchritt
merflichcr ift, biefen bod) mit aller Sßürbe eineö unabhängigen
9JDannc§, cineö ftaatömönnifchen ^haraftcrö that: fo fällt bagegen
bem Srotuö ^nr Saft, nachbem er faft fo mcit alö Jütten üor'
märt^ gegangen mar, mciter alö @ra^5mn^ jurüefgetreten i^u fein,
nnb biefen ©d)ritt ohne SBürbe, ja unter Umftänben gethon 511
haben, mclchc bic ^Reinheit feiner ^43emeggrünbe ämcifclhaft machen
mugten.
^JDadjbcm Srotu^ auf bem 33oben beö ^umani^mu^ burch
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^u§ganß t>c§ (^rotuS 9{ubianu§.
f)23
bic iöricfc bcr ^unfdnulnm't bcu fccfftcii 0trcid), ol^^uar
tappt, au^i]cfül)rt t)nttc, wax cv nidit ctuui auf bcr <Sd)tpdic bcr
^Kcformation tuicbcr iim^cfct)rt, tjattc bicfc aud) nic^t ^öc^crnb
uiib Icifctrctcub wie (Sraöimi‘5, fonbern rafd) uub mit ftarfem
5(uftritt ubcrfd)rittcii. üutt)cr'» ^^Udagftreit entbrannte, mar
drotuö gcrabc in Stalicn. 3ni ©ommer 1519 batte er 9tüm
befiid)t, unb ficb ba uoUenbe^ uon bcr iJtütbmcnbigfeit eincö ©in*
fd)rcitcuö, mie t^utt)er fo eben mogte, über-^eugt. ^an ben
iöriefen uoll t^ncrfcnnunii unb (^iuüerftänbnife, bie er nod)
in bemfetben Sf^b^e imn 33olücina, bann nad) feiner fRüdfebr nad)
3)eutfd}lanb im J^dib^wci 1520 üon iöamber^ üu5 an ben alten
erfurter ©tubiengenoffeu fd)rieb, ift oben am gebörigen Crtc bic
9icbc gemefen. Sic Cirotuö im folgcubcn Snb^'^ Erfurt
tarn, mürbe er ba ,^um Sftector ber Uuiuerfität gemäblt; maö er
nicht uerfeblte alöbalb Sutbern in einem Sd)reiben au^u^eigen,
morin er il)n bringeub ermabnt, fein unerfeplicbe^ £el>cn üor ben
^diftefiungen feiner g^inbe ju bemabren. münfd)t er
bem SUiclandjtbun ^u feiner tiöcrbeiratbung (^lücf unb befennt
fid), im (^egenfape 511 Ü)Jditian, bem IJobrebner bc‘5 Gölibat!?, alö
®ercbrer hei cbelidjen 2ebcuö *)• Hnb nid)t bloö in ^^riefen, uon
benen übrigens bcr leptere alöbalb ,^u Sittenberg gebrueft mürbe,
fonbern auef) burd) einen redjt auffallcnben öffcntlicben 3Ict patte
fid) CIrotU!? nid)t gefd)eut feine 3Serebrung für ben 9teformator
an ben Xag 311 legen. ^2llö biefer auf feinem *^öd) Sormö
311m fRcicpi^tage burdj ©rfurt tarn, mar ibm, mie oben er3Üblt
morben, CErotin^ alö 3eitigcr 9tcctor an bcr 8pipc bcr Uniuerfität
entgegengc3ogcn unb b^lte ibn mit einer fcierlid)cn ^Inrcbe cm^
pfangen. ^2(bcr eben biefe geierlicpfeit fd)t mibermärtige
folgen. (£ö ift fd)on ermäbnt morben, mie glcid) in ben näd)ften
Xagen Stubenteu unb ^bbcl in (Erfurt einen Sturm auf bic
;^äufer ber (^eiftlid)cn unternabmen. '3^ie Unterfud)uug, bie er
ali3 Üiector barüber 311 fübren b^itte, mar für ßrotu^ nid)t nur
ein l)üd)ft unangenebmeö (35efd)äft, fonbern ba^^ (^rcignif) gab ibm
aud) iöcbenfen gegen bic iiutt)erifd)c '^emegung, mit bcr c^ in
unleugbarem yufammenbange ftanb. töerftimmt 30g er fid) fo
halb mie möglicp in fein alteö gulba 3urücf, ol)ne jebod) mit
1) 3n ^uttcn’S Sd^riften I, e. 433 f.
624
II. %u(^. 12. jCIapitcI.
#
bcm iDittcnbcrflifc^on Äreifc aii6ci* SScrbinbiinfl ju treten. 3nt
3fil)re 1523 l)Qttc man bort bic Slbfic^t, iljii jum 2)ccan be^
^ülev^eiligcnftift^ 511 mad)cn, um einen beffern @cift in baffctbc
bringen; bod) ber ^(nn fam nid)t j\ur ^u^fiU)rung. Unb im
fülgenben 3aJ)tc mürbe er üon aj^ctanc^tl^on unb feinen Steife»
gcfaf)rtcn noc^ ganj einer ber 3i)riflcn in gulba bcfuc^t. Um
biefclbc 3cit mar ber ^od)mcifter be§ bcutfdjcn Orben^, ^Ibrcc^t
Don ^raubenburg, in ^cutfc^lanb ; ber marb mit anbern ®elef)r*
ten auci^ ßrotuö nac^ Äönigöberg an. §icr ftanb er bcm dürften
perfön lic^ na^e, mar i^m befonberö jur iöegrünbung einer ^i*
bliot^cf bcl)ütflic^, unb auc^ ati3 berfclbc im folgenbcn 3a^re
entfd^ieben jur S^eformatiou übertrat unb fein §oc^mciftertl)um
in ein mcltlic^e^^ ^erjogtfium uermanbeltc, änberte bieß i^r Scr^s
ßältniß nießt. 2lber bebenflid) crfc^icu bcm uorfic^tigen ß^rotui^
ein folcßcr 0^rittgemiß; mäßrenb bic §lbgcfd)iebcu^cit non allem
j^ufagenben Umgang feinem (5Jemüt()c, baö norbifc^e ^^lima feinem
Körper immer meniger besagten. 0d}on im 3öl^rc 1526 ging
fein ^raeßten nad) ®eutfd)tanb jurürf; boc^ erft 1530 führte er
baö SSorIjaben auö. @r fam juerft nad^ Söreälau, manbte fic^
bann nai^ ßcipjig ^u bcm eüangelifd^en Diplomaten 3uliu^ öon
^flugf, unb im folgenbcn grüßfa^rc finben mir i^n in $allc al^
Sanonicuö unb $Ratl) beö ©r^bifc^ofio Sllbrcd^t oon SJiainj unb
äJiagbcburg. 3n beffen Dieuften ßattc cinft auc^ Ulrich oon
Jütten, and) SBolfgang gabriciuö (Sapito geftanben; aber ntd^t
nur ber erftcre bQtte fidj gcnötßigt, fonbern halb au(^ ber anbere,
mollte er ber iReformatiou treu bleiben, fic^ ocranlaßt gefc^en,
fic jn ocrlaffcn, unb feitbem ßatten fid^ unb Stellungen
nod) grünblic^cr geänbert. 3n Äurfürft 2llbrcc^t'^ Dieufte treten
l)ieß ie|t gerabe^u gegen bie Sflcformation fic^ aumerben laffen,
2öic biefe Ummanblung bei ßrotuö allmä^lig ju Staube
fam, ift nidjt nicfjr im ©injclnen nadj^umcifen. 2luö ben 3ö^tcn
feiner Slbmcfenßcit in Preußen finb un^ nur menige S5riefc üon
ißm aufbcljalten '), auiS bciicn mir nic^t me^r erfahren, aliS maö
fic^ fd)on üor feiner (Entfernung bei mehreren $lnläffcn gezeigt
ßattc, baß Srotuö bic ^eftigfeit beiber ftreitenben Parteien miß*
billigte, jur 9Käßigung unb 9J^ilbe rict^. So fanb er in bcm
1) Sic ßnben ji(^ in ben Sameratijt^en ^ricfjammlungen.
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^uSoanfl b(§ 6rotu§ iRubianuS.
525
©c^riftentücd^fcl jtüifc^cn ©ra^inug imb fiut^cr über ben freien
Sillen auf beiben ©eiten ©puren nun @brfle^ unb tuünfc^te
ben ©treit beigelcgt, fprac^ aber mit befonbrer Särme gegen bie
^ur 3Wobe merbenbe geringfe^ä^ige öcbanblung beö ©raöinu^.
^ludb in ben Briefen, bie er nac^ feinem Abgang auö Preußen
an feinen ehemaligen §errn, ben ^erjog ^lbred)t fchrieb*), fprach
er fid) in ähnlichem ©inne auö. Hoffnung gab ihm üon Einfang
ber augöburger fReich^tag; er meinte, menn üon päpftlicher unb
faiferli^er ©eite bai§ Slbenbmahl unter beibevlei @eftalt unb bie
^riefterehe freigegeben mürben, fo füllte fid) ba^ Uebrige mohl
fdjiden; freilich müßten bann aud) bie ßutherifchen ^ugeftehen,
baß bie Äirche baö 9led)t gehabt hübe, nad) Gelegenheit ber ße'iten
anbere Drbnungen auf^urid)tcn. Sflachbem Srotus^ im folgenben
Sah^c in bie 5)ienftc bciS Gr^bifdjof^J ^llbrecht getreten mar, h^^ttc
er fid) gegen ben .^)er,^og, bem er mieber nad) Preußen ^u fom*
men üerfprochen hatte, 511 entfd)ulbigcn. @r tl)at eö tl)eilö burch
Darlegung feiner Gcfunbl)citöumftänbe, theilö burch baö (Singe*
ftänbniß feiner üeränberten ©tcllung in ber IRcligiongangelegcn^
heit. ^3ch betennc", fchrieb er, „baß id) bem ßutherifchen ^Bor*
nehmen etlid)e ^a[)xc fcl)r anl)änglid) gemefen. §(ber ba ich folchcn
58organg üernahm, baß man nid)t^ mollte unjerriffen unb unbe*
fubelt laffen, ob es gleich üon ber ßeit ber 5lpoftel unb ihrer
2)idciplin auf unö gebrad)t ift, unb baß immer eine ©ecte auä
ber anbern ermuch^, bachte ich mir, eö möd)te ber 5^eufel in
Geftalt üon etmaö Gutem ein großem Uebel einführen unb hoch
gleichmohl bie ©chrift ju einem ©chilbe gebrauchen. 3ch befchloß
alfo, in ber Äirche ^u bleiben, morin icf) getauft, er,^ogen unb
gelehrt märe. Obgleich an berfelben etmaö 3Jiangel gefpürt mirb,
fo möchte ba§ mit ber ßeit eher gebeffert merben alö in ber
neuen Äirche, bie burch furje 3al)re in fo üiele ©ecten jer*
riffen ift."
hierin irrte er fid) freilid) fehr, unb fein neuer $err mar
fo eben gerabc gegen ben Äelch im 3lbenbmal)l, ben (£rotui3 frei*
gegeben miffen moHte, in feiner magbeburger ^iöcefe gemaltfam
1) Bit finben |i(^ im ^uSjußc bei 3. ®oiflt, «riefwf(^|e( ber berü^m-
teflen ©ele^rten beS Seitolter« ber bietormalion mit ^erjog «dbrec^t üon ^reufeeit.
(tbnißSberß 1841.
526
II. 12. ÄQpitel.
cinflcfd)rittcn. Vorauf ()attc Sut^cr in ^inct gcl^arntf^tcn SSor*
veben, mit bcncn er im 3al)rc 1531 jmei ^rebigten bcö au^
^rcöbcn ücrtricbcncn cUQngeIifcf)cn ^rebigerö SUcyiuö (Srogner
begleitete, in fel)r fdjarfen ^uöbrüden Ijiiigciuiefen, unb babon
nal)m min ein e()emaliger greunb be^ Srotuö, beffen 9tame un^
nid)t angegeben ift, ^öcvanlaffimg, benfelben in einem ^ribatbriefc
fdjrauben. 5luf men er meine, fi^agte er i^n, baji bie
föQe jener S3orrcbcn gegen Xijramien unb Söütberid^e jiclen?
SBcnn auf ben (Si^bifdjof SUbreebt, üon beffen 5^erfal)rcn gegen
biejenigen, meld^e basg Slbenbmal}l unter beiberlei öeftaltcn gc=
niesen, man fid) in ber X()at gräuliche ®inge erzähle, fo märe ja
baö 2üb beffelben, baö man Don gemiffer ©eite )o laut an=
ftimme, eine arge Xäufd)ung. darüber merbe (£rotuö bem greunbe
bie befle SluiSfunft geben fünnen, ba er an bem Crte (^alle)
mül)ue, mo jene ^inge uorgefalleu fein füllen. 2lud) über bic
^eid)te, ob in berfelben bie 3luf^äl)luug aller ein^^elnen ©ünben
notl)menbig fei, ober ein fummarifdbee ®efeuntni§ genüge (ba*
maU eine brennenbe ©treitfrage ,^mi)c^en ^.ßapiften unb ißiitbera*
nernj, möge er feine Slnfidjt nid)t üorentl)alten.
ä)iit einer Labung fo l)äflicbcr Jrogen bei feiner Siüdfebr
in bic ^eimatl) empfangen 511 merben, mar bem (Srotuo
unangenehm, unb er fprad) bieg in einer ^2lntmort au‘3, bic er,
ba fie ^ugleid) eine ^crtljcibigung fcincö neuen §errn, bcö CSrj*
bifegogi $Übred)t, mar, nod) in bemfelben Sagre bem ®rud über*
gab^). 2)ic ©rünbe fennen mir fdjon, melche Srotuö gegen bie
Sftefürmation auf^ubieten hatte, ift in erfter fiinic bie gurcht
üor bem (Sinbrcdjcn fubjcctiucr reüolutionärcr Söillfiir in bic ob^
jectiuen ©a^ungen unb Orbnungen ber ilirchc. SSaö bic Äirdh*'’
fcftgeftcUt h^it/ fonn nur micber biircg bie Mircge abgeänbert
merben; fonft geht jeber feftc '^oben ücrlorcn. 9lbcr ber ^er?
faffer ber ^unfelmännerbriefe mugte fo gut mie mir, bag üon
bem, mag man auf päpftlicher ©eite Ätirch^ nannte, b. h- ^^n Der
1) Apolo^fia, qua respoudetur temeritati calumuiatorum , non
verentium, cuufictis criniini1>us in populäre odium protrahere Kev. in
(Miriatü Patrem et Dom. Alberlum . . . Archiep. Mog et Magd. etc. a Jo.
Croto Rubeano privatim ad queudam amicum conscripta. Lipsiae Michael
Blum excudebat meuso Septembri ao. 1531.
^luSflong bc8 9rotu5 SlubionuS.
527
5ierorc{)ic, eine flrünblidje ^Refonnotion niemals ju entarten ujor.
@in anbrer @cfid)t^punft i[t, bag ba^jenige, vorüber mit fo
i^rofeer $i(jc geftritten muibe, 5U111 Xt)cil bloße gönnen feien,
über benen ba^ 3Bcfentlid)e, baö ÜRoralifdjc, oerabfäumt merbc.
Allein and) l)icr fonntc bem (£rotu6 nid)t uerborgen fein, baß in
ißrein ßi^fonimeiißange mit ben beibevfeitigen ©vunbfä^en biefe
gönnen eine feßr mefcntlic^e ^ebeutiing ()atten, unb baß im
3aßre nai^ ber Uebergabe ber 5(ug-5buvgifd)en ßonfeffion bie
gortfc^rittiSpartei mit bem iticlc^ im ^benbmal}! fic^ felbft aufge^^
geben ßaben mürbe. 3n ^^ergleic^ung mit bem S3erfaf)rcn maiis
cl^er proteftantifd)en gürften gegen ißre fatl)olifc^en Untertl^anen
finbet ßrotii^ baö feinet (Srjbifc^of^ gegen bie 9^eucrer nod^
fc^onenb: in ber Xßat ßattc ßierin fein 2!l)eil bem anbern oiel
oorjumerfen, unb boeß ßnbet ein mefentlidjer Unterfeßieb ftatt.
5)ie reformirenben gürften ßanbcltcn, bei allen 3J^ißgriffcn in ber
gönn ißrci^ 3^crfal)ren^, bod) im (Sintlangc mit bem neuen (iwU
midlungiitriebe, ber fid) bamalö in allen ^ßcilen be^ beutfeßen
ißolfe» regte, unb ben fie, alö äeßte ©ößne ißre^ 93olfe^, mit-
empfanben; maßrenb bie anbern jenem Xriebc, ben fie in fieß
nid)t füßltcn, nad)^ außen ßin fid) miberfeßten, unb babureß bie
beutfeße ÜRation nidjt blosS in ben Xßcilcn, bie baiS Unglücf ßat=
ten, ißrem fRcgimcntc untermorfen i\u fein, ' fonbern bie Sflation
im ÖJan^en unmieberbringlid) befd)äbigten.
biefe 3d)rift feincö eßcmaligen Sereßrerö ßutßern ju
.^anben fam, feßiefte er fie an 3uftuö -iJieniu^, ber bamalö ^re^
biger unb 3upcrintenbcnt in (Sifenad) mar, mit ben SSorten:
„8ieße ba ben (5picurccr (Srotuö, ber un^ giftig angreift unb
bem ßallcfd)en Öifcßof fcßmeicßelt. 2öir jdjicfen bir baö 53ucß,
unb bu maeß bid) fertig, ißn unö moßlgefämmt mieber^ugeben
unb mit ben garben feined (Spicurei^^Jmuö 511 malen; benn ba^ ift
beineö ^2(mtcö" *). 3o fd)rieb ßutßcr an SRjniu^ am 18. October
1531; unb menn nun im folgcnben grüßjaßr jene feßon früßer
ermäßntc ^ntmort auf bcö ßrotuö Apologie oon einem unge=
nannten greunb erfdjien, unb menn in biefer §(ntmort (Srotu^
mirfließ al« @picureer in ßutßer'ö 0inne, b. ß. aU ein fU^enfdß
beßanbelt mirb, ber über bie religiöfen 0aßungen, bie er ber
Ij 3n l^utten’S ©(^riften H, ©. 456 f.
628
II. 9u(^. 12.
aWcnt^c (gegenüber in na^m, fic^ im Snnern luftig mac^e,
jo legt bic6 allerbingö bic 2^crmutl)uug na^c, bag ber Ungc^
nannte eben 2Jteniu^ fei. ^er e()emalige greunb läßt ben ?lbgc=
füUenen in ben Spiegel feiner il)m genau befannten 35ergangcn=
^eit bliefen, inbem er ol)uc SÖJeitercö annimmt, ba& bcrfelbc noc^
immer bie gleichen Ueberjeugungen mie bamalS b^ge, bie er jc^t
nur um äußerer iyortl)eile miUen ücrläugne. §lbcr er folle fic^
in '^c^t net)men, bag er üon feinem fingen (Sräbifc^of ni^t burc^-
jc^aut merbe. ^uc^ bemjenigen, ma^ er jefet mit mibertüiUigcn
ä)iufen gegen bie ^^^roteftanten fc^reibe, fei ber ältangcl an lieber*
j^eugung, baiJ böfe ÖJemiffen moljl au5ufel)en. ©o matt, fo len*
benla^m fei alleö, fo ftumpf unb bleiern bie ©ebanfen, fo un*
fieser, oermorreu unb lücfcn^aft bic 5lu§fü^rung, fo unrein bie
©prac^c, fo nüchtern unb t)uftenb bic ^crebtfamfeit, bag man
beutlicb merfe, er l^abe babei feiner Statur unb eigentlichen 31iei*
nung ©cmalt angetl)an, habe nicht fomohl an bic ©adjc, alö an
bic hollcfchen ©alipfannen gebadjt, bie er fich baburd) crfchrcibcu
möchte, ^efonberö einfehneibenb ift bic ©teile bcö ©cnbfdjrci*
ben^, mo ber Ungenannte ben ©chatten Ulrich $uttcn’ö gegen
ben 'Jicubcfchrtcn hcraujbcfchmört. @r führt biefen oor, mic er
bei bem ^ochamtc basJ fRauchfag fchmingt; luTc er, beibe ^Imie
oorgeftredt, bic ^lugcnbraueu ernfthaft jufammcngcäogcn, bic 3n*
ful bciS )slBcihbifd}ofö h^ll unb ihm mohl gar bic ©chuhe fü^t;
mie er mit ben l^horfüngcrn bic Änie beugt: menn ba Jütten
micberauflcbte unb cö fäl)c, ob er nicht, feurig unb heftig mic er
mar, unb ein gcfd)morener geinb aller ©Icihncrei, ben frechen
Heuchler mitten im Xcmpcl ju ©djanben maihcn mürbe? tluch
fiuther hielt fich uon ber öcrad)tlichfeit ber ^emeggrünbe bc^
(Srotuö überzeugt; biefer hieß ih*u fortan Dr. Äfrötc, bc^ (Sarbi*
na lg ju jUtainj XcHcrlecfer.
©egen biefe fränfenben Angriffe oon ©eiten ber ^rotcftaiitcn
hat fid) (Srotug nicht mehr öffentlich oerantmortet. Xroh mand)cr
Slufforberungen oon ber anbern ©eite trat er aug feinem 0tiU*
fchmeigen nicht mehr heraug. ©r oerfanf benn auch in folchc
^unfelhcit, ba§ felbft fein Xobegjahr nicht feftftcht. SBir miffen
nur, bah cg nid)t oor 1539 foUcn fann, ba in ©chriften aud bie*
fern Sah^e feiner nod) alg cincg ßebenben gebacht mirb, unb baß '
er 1551 nicht mehr gelebt hot, ba Sonchim ©amerariug in feiner
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^uSgang be§ SroiuS 9{ubtanuS.
529
in jenem 3o^rc gefc^ricbcnen ©tjä^lung öon @obonuö ^cffuö
Don if)m a(d einem SBcrftorbcncn fpri^t. ißermut^Uc^ mar er
fc^on 3ai)rc früher nid)t mc^r am ficben, mo 3uftuö 3onaö
aU erftcr lut^erifc^er ©uperintenbent nac^ ^aßc fam; fonft mür^
ben mir bod^ mo()( non biefem (Srotu^ mügte benn, ma^ bo^
faum ma^rfd^eintic^, in ber $allc mieber neriaffen
^aben) ctmaö über feine Begegnung mit bem abtrünnig gemor^
benen alten fjreunbe miffen. ©amerariug übrigen^, 2Welanct)t^on'g
greunb unb ein aufrichtiger ^roteftant, fpricht in jenem SBü^s
lein non ßrotuö feine^megd fo hart mie ßuther unb unfer Un-
genannter. @r fagt nur, nach feiner 9iütffeht au^ ^reu^en höbe
berfelbe bie ÖJemüther nieler fich entfrembet, au^ einer Urfa^c,
bie er, ßamerariuö, nid)t miffe, ober nielmel)r nicht f(^reiben
möge, bomit eö nidht fcheine, aU moHe er ben 9}?ann, ber ihm
im ßeben mertl) gemefen, nach feinem ^obe h^^unterfe^en.
33on bem gelben nerlangen mir, bofe er im Kampfe tapfer
fei ; ift er babei auch billig in feinem Urtheile, fo ift fchön,
aber in allen gäUcn eö non ihm ermarten bürfen mir nicht.
2)arum fann 2uther’)g unb feiner Äampfgenoffen Urtheil über
ben non ihrer ©emeinfehaft ßutücfgetretenen für unö nicht gerabe^u
maggebenb fein. IBorficht ift unö babei auch burdj bie
ftattliche S^teihe angerathen, in ber ßrotu^ mit feinem gurüd?
mcichen fteht. Söenn auch auffallenber unb anftößiger, that er
im ©runbe hoch nur baffelbe, ma^ bie Sfleuchlin unb (2^agmuö,
bie aWutian unb ^irefheimer thaten. Unb in ben Äeufeerungen
aller biefer Scanner finben mir auch biefelben ÖJrünbc ihrer S3er=
ftimmung gegen bie 9leformation. ift einerfeitö baö 9lenolu^
tionöre, ba^’ fie fchredEte, anbrerfeitö ber befürchtete 33ilbung^rüct'
fchritt, ber fie abflieg. 3ebe ßoöfagung non einem ölten (Sultur*
juftanbe, menn er auch öU brücfenbeö 3och empfunben
morben, ift /iunöchft ein ?luöjug in bie SGBüfte, mobei man bie
Sicif^htöpfe §(eghptenö hinter fid) logt, ^ber biefe ^öpfe finb
feineömeg^ blo^ moterieller, fonbem cbenfo auch
5)er 2lnonhmud fagt bem (krotuS auf ben Äopf ,^u, cö fei ihm
um bie hanefchen ©aljpfonnen, fiuther, ed fei ihm um bie ßar=
binaldtafel iju thun gemefen. Um maö e^ bem ßrotuö für fid)
pcrfönlich jn thun mar, ift höchfi^nd bie gelehrte 3ltuge gemefen ;
eine behagliche allcrbing^, aber gemig feine üppige. ®r l)ötte
VII. 34
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530
U. 12.
fein Sebenlanci hlntmerlic^ beholfen, unb mcnn er einmal
flagte, luor eö b^uptfäc^tid) barüber,bag ibm bie 9)iittel fehlten,
fid) nad) ^er^^enöluft S3ücber onjufcbaffcn. ift meine größte
öcgicr'', fd)rieb er noch 1530 nad) feiner ^Rüctfebr auö ^reußen
an ben bortigen ©erjog, „baß id) möchte ^nfrieben fein bei meinen
lieben 33ücbcrn; bie ftet)en in Seip5ig unb merben gar fcbimmelig.
3cb meiß nid)t, mann ieß mieber mit i()nen in ©inigfeit fommen
merbe.'' @r fam ba5U, mie er balb barauf bie ^InfteHung ol»
(Sanonicuö in §alle erhielt. §lber menn er meinte, bamit bie
„glücffeligc ©tiHe" ber alten gotha^crfurtifchcn Qc\t mieber^
gefnnben ju höben, fo taufchte er fich. 0ie mar mit ber
harmlofen Unfehulb jener golbenen ©rftling^tage für immer üer*
fchmunben.
®aß ehebem baö ßutherthum, mie fpäter bag rebolutionöre
Jran^thum, „ruhige ©Übung jurüdgebröngt" höbe, mar noc^
@oetl)e’ö ©ormurf, fo entfdhicbcn er fich übrigen^ bei jeber (Ge-
legenheit als ^roteftanten befannte. ®enn ju feiner ßcit muc^
ja aus bem ^roteftantiSmuS, ber einft ben ruhigen ©ilbungS-
proeeß beS ^umaniSmuS unterbrochen hötte, fo eben eine neue
fchönerc ©ilbung h^roor. ®ahin hötten jene alten ^umaniften
noch meit; bon bem fünftigen 33^orgenrothc trennte fie noch eine
britthalbhunbcrtjährige Stacht: unb fo finb fie mit Schonung ju
beurthcilen, menn fie fich «ö(^ ber 2lbenbröthe beS fdjminbenbcn
XageS urnmanbten, fo merüid) fie auch biefc Stunb' um ©tunbe
oerbleichcn fal)en; menn fie lieber bie alten betten au^ ferner
tragen moUten, als burd) reformatorifchen ©türm unb ^)rang
bie fich oerbreitenbe ©ilbung trüben unb fi(^ felbft in ben ftiflen
(GeifteSgenüffen ftören ju laffen, bie ihnen bisher jene betten cr^=
trägli(^ gemadjt hötten. 5lber ju tabcln finb fie hoch, unb baS
beffere ihe*^ hatten fie nicht ermäl)lt. 5)ie 3onaS, 3J?eniuS,
©ugenhagen, ©reu5 unb mie bie 3)iänner ber ßutherifchen (Garbe
mciter hießen, finb ben ÜJiutian unb (SrotuS , ben ©euchlin unb
(SraSmuS gegenüber gemiß nicht bie reichern unb feinem (Geifter
gemefen; aber baS (Gefühl für baS (Sine maS 9ioth tl)at, ben
tapfern SBiHen, als unmahr ©rtannteS nicht länger gelten, Uner*
träglicheS nicht länger befteßen ju laffen, bic SSitterung beS nod)
tief im ©chooße ber ßötunft oerborgenen neuen fiebenS hötten fic
üor ihnen hoch borauS.
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Humanismus unb Steformotion.
631
eö mit bcm §umani^mu^ nic^t qet^an, ba§ er nod^
nic^t bagjenige mar, maö bie beu SJanben bcö 3Jättelaltcrö fic^
entminbenben SSölfer bcburfteii, jcigte fic^ fc^on barin, ba& er
frembfprac^ici mar. 3n biefem ©tücfe ftanb er ber mittelolterlic^cn
^^irdje ganj gleich : mie ber ^rieftcr feine 2)?effe latcinifc^ la3, fo
fc^rieb ber §umonift feine ©ebic^te, feine Briefe unb $lb^anblun'
gen — menn auc^ etmaä beffer — lateinifd). 2)er ^ierarc^ie
bort trat ^ier eine ©eiftetoiftofratie gegenüber; bie SJiaffe be^
^atte ebenfo menig an biefer ©Übung mie an jener Sleligion
fclbftti)ätigcn 5(nt^eil. SBaS in^befonbere bie beutfc^c @prac^e
betrifft, fo mar fie jum @eföge ber ^umaniftifc^cn ©ilbung nod^
gar nic^t j\ubercitet, fie mar noc^ üiel ju ro^ unb ungelenf bafür.
@anj ebenfo aber ber^ielt eö fic^ mit bem beutfe^en ©olf im
großen ©anjen: beibe fonnten nur mit^* unb burc^einanber ju
Xrägern ber neuen ©Übung gemacht merben. ©eibeö jufammen
nai)m bie Deformation in bie .§anb: fie lehrte unfer ©olf, über
feine innerften Stnlicgen felbft benfen unb beutfe^ reben. 5)ie
bcutfc^c ^rebigt, bie beutfdje ©ibel mirften mel)r al^ aUe la^
teinifdjen ©tilübungen ber ^umaniften. ®ic lutbcrifd^en ^rebiger
maren feine ©raömuöe; aber fie löften eine Slufgabe, bie fein
Craömuö löfen fonnte. ^ie claffifc^e ßiteratur bed beutfe^en
©olfi^ im 18. unb 19. 3a^rl)unbcrt ift ber auö ber beutfc^cn
Deformation miebergeborene ^umaniömu^. §lber biefe Jruc^t
fonnte erft reifen, alä bie ßcit erfüllt, baö beutfc^c ©olf bur^
ben ^roteftantiiSmu^ in allen feinen ©c^id^ten burd)gefnetet mar.
^ic X^eile bcffclben, bie üon biefer ®urc^fnetung unberührt
blieben, merben immer etmag oon einem fijengcblicbenen Xcige
bemalten, ber au^ unferm neuen beutfd^cn Deiche nod) langcf)in
fermer im Dingen liegen mirb.
SBcnn bie SDänner, benen julcfet unferc ©etrac^tung ge^
mibmet mar, oon ben ©ntmicflungöfabcn i^rer Qcit je 5mci in
^ünben f)iclten, ben bumaniftifc^cn unb am Slnfang noch ben
reformatorifd)cn, halb aber (mit @incr ^luönabme), meil ber Ic^»
tere ben erftern ju oermirren broßte, jenen fahren ließen, um
biefen befto fefter ^u halten: fo mar e^ ber unterfcheibenbe ©or*
jug unfereö |)elben, baß er außer biefen beiben, fo lang ging,
auch ^^och ben politifchen gaben in ber $anb ^crfelbe
mar ihm mit ber ©ercitelung feiner auf Äaifer Äarl gefegten
532
II. $u(^. 12. I^(4)ttel.
J^offnungcu entglitten, ^ule^t mit bem ©tuqe feinet ©iefingen
ganj abgeriffen; üor bei* SoÜifion unb SSa^l jmifc^cn ben beiben
anbern gäben bemaljvte il)ii tl)eili§ fein frül)e)§ @nbe, tt)ciU feine
ftärtere ^^latur, üermöge beren er fi(^ nicljt mie ein SÄutian ober
©raömuö burd) baö erftc Sßaffengeräujc^ ber reformotorifc^en
Seftrebungen fc^on üerftimmen ließ, iöei längerem ßeben jeboc^
märe aiic^ il)m bie fc^mcr^lidje 3Bal)l nic^t erfparf geblieben.
Sßenn er nur nod) Sut^er'so Streit mit ©raönmö über ben freien
SBiUcn erlebt l)ätte, morin ber erftere, um bie göttliche ©nabe
5U erbeben, ber menfcblicben 9^atur jebe felbftftänbigc ^^raft jum
©Uten abfpracb; menn er üüUenb!^ 8<^wgc gemefen märe, mie bei
bem marburger fReligionögefpräd) in ber SBcrl)anblung über baö
Slbcnbmabl ber beutfebe fJ^eformator ficb bitter ein SSort Der*
fcbai^te, um ben fdjmeijerifcbcn ben örubernamen ju nerfagen:
ba mürbe ftcb $utten mit tiefem ©cbmcräc non bem SUiannc ob^
gemenbet b^ben, ben er einft feinen greunb, ben unüber^
minblicben ©nangeliften genannt bf^Hc- ®^ilc ber febmei*
^erifd)en fReformation fanb er fid) jule^t fd)on bureb feinen äußern
fieben^gang tieftellt; alö jeboeb natb beö bellen freifinnigen 8iüingli
galle ber geiftnolle aber finftere (lalnin ben Scbeiterbaufeii ©er*
net'^ febürte unb bie ^.ßräbeftination^lebre au^bilbete, ba märe
and) in biefem Säger feines isöleibenö nidjt länger gemefen. 3^^'
römifdjen üirebe jmar, mie fein greunb ßrotnö, mürbe |)utten
niemals j^urücfgefebrt fein; baju mar baS ©efübl in ibm lcb=
baft, mie unnerträglidj ber in ibr bcimifd}e ©eifteSbruef mit jebem
mirflicben gortfebritt, il)r auSmäitiger Scbmerpnnlt mit jebem
nationalen ©ebeiben fei; nur um fo unbenfbarer mirb aber für
biefe fpätere ^eriobe feine Stellung, unb um fo mehr muß man
ibn glüeflieb greifen, baß ibn ber Xob nod) ju rechter 3<^*l
ben graufamften Sonflicten entnommen b^it* ÜJ^öglid), baß er,
menn er nod) jmei gabre länger gelebt b^tte, ben abgeriffenen
politifeben gaben mieber aufgegriffen nnb uon feiner eibgenöffifeben
greiftatt auS ficb in bie Strubel beS nabe an ber fd)roei5erifcben
©ren,^c auSgebroebenen ^auernfriegS geftürjt l)dtte. ®ocb and)
l)ier mar fein ^eil ju finben; auch bi'-'^ fönnen mir il)n nur ent-
meber fallenb, mo nicht gar uon feinen geinben gefangen, im
beften gaCle Don 9^euem üertrieben unS oorftellen.
.^utten ift mit feinen Unternehmungen gefebeitert ; aber nicht
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Stüdblid auf i^uiten.
533
tDcil bicfc in fic^ unrcd)t ober bcrfc()rt toaren, fonbern nur, njcil
er juglctd) unb fofort burd)fü^rcn motltc, nur cinö nac^ bem
anbern unb in langen griffen burd)5ufü^ren toar. Sutber unb
ber gefammte beutfe^e ^roteftantiömuö befc^ränfte fid) auf ba§
retigiöfe Gebiet, fab öom ^olitifcben ab unb nahm aud) oon ben
(Srrungenfebaften beö |)umaniömu§ nur fo oiel auf, al§ für feine
groeefe unentbebrli^ ttjar; ber ^roteftantiömuö b«t, in feinem
Kampfe mit ber fatbolifcben 9^eaction, bie ©inbeit unb äJ^aebt
beö beutfeben 9fleid)eg ooöenbi^ gebrochen, unb ©itte unb 93ilbung
bed beutfeben SSolfes in enge ©anbe gefebnürt, in .raube ©emänber
gefleibet. !3)afür aber b^t er innerhalb feinet ©ebieteö feinen
gmeef erreicht, bie ^Befreiung ber gereinigten Äircbe oon fRom, bie
©r^iebung beö beutfd)en S^olfeö, fomeit fidb ibin nidjt oerfd)lo6,
felbftftänbigem religiöfcm ßeben burd)gefe^t. Unb alö bie ßcit
erfüllt mar, mürbe jene ftarre fRinbe gefprengt, auö ber eoiifeffionells
proteftantifeben ging mit uiiferer daffifeben beutfd)en Literatur
bie freie buinane iöUbung beroor. Unb abermalig mie bie
erfüllt mar, ift au-g biefer b»n^anen ^urcbbilbung be^ beutfeben
53olfeö bie politifd)e ©inbeit unb SD^aebt, baö neue beutfd}c fReicb
beröorgegangen. ge^t feben mir: |)utten b^^t bod) 9led)t gehabt,
bag er einö nicht ohne baig anbere moHte; in ber Xl)Cit
gehören auch fömmtlicbe ©tücfe — eö finb aber eigentlid) nur jmei:
bie im ^roteftanti^mu^ mur^elnbe buniane Gilbung unb bie pos
litifebe ©inbeit unb 3)tad)t ber fo gebilbeten S^tation — beibe
gehören auch tüidlicb ^ufammen, unb ^utten'ö Srrtbum ift nur
ber aller propbetifd)en 9>taturen gemefen, 5ugteid) unb in ©inem
alö glän^cnbe-g 3beal ju fdjauen unb ^u begehren, maö bie ÜJtenfcb'
beit nur ©ebritt um ©ebritt unb ©tüd für ©tüd in jabrbnnbert?-
langem S^tingen erreidjen fann.
$on;ebe
1»
„®e[prä(^e t>on Ulrtc^ »on Jütten
überfe^t uub erläutert
t)on
^abtb gnebrit^ Strauß,
ßeipjiß 1860."
587
nie bin id) bei einer Slrbeit fo fidler getnefen, bem
publicum einen ©efaUen, ber beutfe^en SRation einen ^ienft ju
t()un, al^ bei ber oorliegenben. 5Ratürlid): bi^^er brod)te id^
©genes, fo gut ober übel ic^ eS oermoc^te; biefemol bringe ic^
eine Ueberfe^ung bon Ulrich Jütten.
3)em lefenben publicum toirb bie frifc^e, gefunbe, reife
gruc^t fd^meden; ja fie mag il)m noc^ fo manchem fd)lecf)ten
Spontan ober nic^t beffern ©bauungSbuc^ 9Jtunb unb 9Kagcn
wieber^erftetten Reifen. @S ift nic^t ol)ne fRiidpe^t auf biefeS
publicum, bop id^ bon Jütten gerabe bie ©efpräc^e, in benen
er ben ®rnft feiner refomiatorifc^en (iJebanfen in gefc^madboUe,
p^antafiereic^e formen fleibet, jur Ueberfe^ung auSgetoQt)lt ^abe.
3a, baß ic^ eS nur gefte^e, id^ gel^öre in biefem ©tüd felbft ein
toenig ^um publicum.
®em beutfe^en IBolfe aber mac^e ic^ einen feiner Slaffifer
i^ugänglic^. befiel beren befanntlic^ auc^ fold^e, bie lateinifc^
gefc^rieben ^aben. 9Ran fann über ben begriff beS SlaffiterS
ftreiten: ic^ berfte^e ^ier einen ©c^riftftellcr barunter, in beffen
SBerfen bie tieffte ®igent^ümlic^felt feines SolfeS jum boHen 2luSs
brud fommt, unb jmar in einer gorm, bie, loenn nic^t für alle
Seiten muftergültig, boc^ für aHe bebeutenb unb anjie^enb ift.
5)ergleid^en ©c^riftpefler fönnen bem beutfd^en ®olfe am wenig»
ften in bem Sö^r^unbert gefel)lt ^aben, ba eS feine gröpte natio»
nale 5^^at boöbroc^te, bie Deformation, unb pe müßten bie erften
unfrer (Slafpfer ßeißen, felbft wenn pe fein beutfe^eS SBort ge»
feßrieben Jütten.
?lllcn anbern boran fteßt ^icr befanntlicß ßutßer felbft.
^u^ er ßat pcß noc^ bielfacß ber lateinifc^en ©prac^e bebient;
aber feine öibelüberfe^ung, feine ßieber, feine ÄateeßiSmen, feine
^cebigten mit fo bielem Anbern noc^ finb beutfe^, unb fo beutfe^,
5S8
$orrebe )u ben
bafe fic ju uufctcm aanjcn neueren unb ©c^riftwefen ben
@runb geletzt t)aben. ^)iefc beutfe^en 0c^rtftcn Sut^er’ö un^
me^r alö anbere auö ber gleichen 3cit frifc^ unb geniegbar
erhalten, \)at ein Umftonb beigetragen, über ben 0prac^forfd^cr,
ober üielmebr ^(tert()ümler, fc^mälen mögen, ber aber t>om bil'
bungögcjc^ic^tli^en ©tanbpunft au^ alg ^öc^ft fegenörcic^ crfc^eint.
3nbem nämltd^ jebeö fotgenbe 3Kenfcbenalter ni^t b(o§ bic 9^ed^t=
fc^reibung, fonbem auch manche neraltcnbe 0prac^eigen^citen hci
33ibe(über{e^ung , ber Sieber unb ber anbern gelcfenem
ten Sut^er’ö in feiner §Irt fic^ jurec^t ma^te, blieben pc in ci=
nem fortbauernben fprarf)lidben ©rncurungöproccg begrigen, ber
fie einer 9J2affc üon jefeigen Sefern jugänglicfe mac^t, benen fle in
iferer urfprünglicfeen ©eftalt nur fefeioer unb tfecilweife öcrftänblic^
fein mürben.
Jütten, beni unter ben claffifcfeen ©cferipftellcrn $)cutfc^^
lanbö im 9ieformation§jaferfeunbcrt fcferocrlic^ 3emanb bie ^meitc
0teHe naefe Sutfeer ftreitig maefeen mirb, ift, ma« bic 0pradfec bc»
trifft, feeut gu Xage gegen biefen junücfeft im S^iaefetfeeiL Üm fo
Diel feinSatein beffer ift ali8 Sutfecr'^, um fo öiel ift fein 5>eutfc^
geringer. Sllg J^umanift mar nur jcncö bic ©prai^e, in ber er
fidfe geläufig fcferiftlid^ auöbrücftc, unb menn er au^ in fpätern
3n^ren, um meitern Greifen oerftänblidfe ju merben, SKc^rcreö
beutfefe feferieb unb einige feiner lateinifefeen 0cferiften, mic nament^
liefe einen 2^feeil feiner ©cfpräcfec, in’ö 3)eutfcfec übertrug, ober
unter feiner 9J?itmirlung übertragen lieg, fo fefertc er boefe, memt
er pefe frei bemegen, unb oor SlUcm menn er fünftlcrifcfe ft^affen
moHte, immer mieber /^u feiner ölten §umaniftcnfpracfee jurücf.
Unb feinen beutfefeen 0d^riftcn mürbe bann füfig 2lnbcre, mcil
fic meniger gelefen unb mieber aufgelegt mürben, jener fortge*
feenbe SBerjüngungöproeeg , jene^ jeitenmeife mieberfeferenbe 0ic^:f
feäuten ni^t ju Xfecil, baö bie Sutfeerifefeen lebenbig unb mirffam
crfeiclt. ^)icg jefet auf @inmal nacfefeolen, b. fe. §utten^ä beutfefee
0d)riftcn fpraifelicfe mobernifiren 5U moUcn, mürbe tfeeilS uncr^
träglicfe affectirt fecrauäfommen, tfeciU niefet einmal feinreidfeen, fic
onjiefeenb ju madfeen. 9Jian mug feine beften lateinifcfeen @(^rip
ten überfefeen, unb jmar fo, bag man anefe bei ben Don ifem fclbft
fdfeon übertragenen biefe Ueberfefeung mofel pir ba^ SBcrftänbnig,
niefet aber aU fpracfelicfeeö SBorbilb benufet, fonbern fein Sotein
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Sombe )U ben @e|brfiö^en.
639
unmittelbar in baö l^cutige 2)cutfc^ überträgt. Uub tritt
nun bintnieberum §uttcu gegen ßutber in Sortbeil. ©ein ctajfi*
fdbeg Satein ftebt unfrem blutigen ^eutfdb nöber al^ Sutber’^
^rdbenlatein unb 33ibclbcutfd), Slber auch feine ^enfmeije, feine
mehr meltticbe, politifdbe 5lrt, bic menfcblicben unb in^befonbere
bic religiöfen SBerbältniffe anjufebcu, fpriebt un§ nermanbtei* an.
^£)er Serfu^, ^utten'^ ©ebriften, namentlid) aud) bie ©e^
fptädbe, bureb Ueberfejung mieber unter ben S)eutfcben einju^
bürgern, ift fdbon einigemale gemacht morben, boeb ohne fonber*
lidben @rfolg. SWon b^tte eö nicht red)t angegriffen, ©o gab
5Uob^ ©ebreiber bie beiben gieber, @rnft 2Jiüncb ougerbem nod)
ben SSabiöcu)^ unb bie Slnfdbauenben , mit aöerbonb SKobernifi^
rungen na^ ber alten ^utten'fcben Ueberfe^ung; mäbrenb ber
ßefetere bann .bie Uon Jütten felbft nid)t überfe|tcn ©efpräcbe,
fo uiel er beren gab, auf eigene ,g)anb in feiner befannten flücb^
tigen Spanier übertrug, ©o fehlte auf jeben gall bie ©leidjför*
migfeit. §(u§erbem fehlten Einleitungen, benßefer auf ben rieb'
tigen ©tanbpunft ju ftellcn, 5lnmertungen, um EJefcbicbtlicbed unb
maö fonft jum S3erftönbni6 nötbig, aber nidbt gebem gegenmär*
tig ift,* berbeijubringen ; benn Ueberfebungen macht man ja nicht
für ©elebrte, fonbern um einen ©cbriftfteHer febem ©ebilbeten
im eigenen Solle jugänglicb 5U machen. SSenn ich ie^t ben Ser^
fueb in anbrer Slrt toieberbolc, fo toirb mich menigftenä ber Sor*
murf nid)t treffen, ohne Sorbereitung an bie ©aebe gegangen j^u
fein. 5lucb toar i^ äußerlich begünftigter alö irgenb einer meiner
Sorgänger. Äeinem oon ihnen lag ja noch bic Söcfing'fcbe Sluö^
gäbe oon §utten'd Sßerfen oor, bie, mäbrenb fie eine 9J^enge oon
geblern unb ©cbmieri gleiten ber alten 2)rucfc au§ bem SBege
räumt, zugleich bureb ebenfo reiche mie grünblicbe biftorifebe unb
literarif(^c S^lacbmeifungcn bem Ueberfeber eine oon mir banlbar
benübte ^ülfc leiftet. 3b^ ^^*t (ba mir oom oierten Sanbe bic
Äu^büngebogen ju (Gebote ftanben) liegt meiner Uebertragung
burebauö jum ©runbe, loo nid)t in etlid)cn menigen gäßcii
au^brürflicb ein ?Inbereö angcmcrlt ift. •
SDoeb nicht überhaupt nur um ben Elaffiler, ben grunb=
beutfeben unb gciftOoUcn ©cbriftfteHcr , ift cö mir j^u tbnn, in«
bem ich Jütten bureb biefc Ueberfepung eincö XbeiliS feiner SSerle
in bic ^änbe be^ beutfeben Sollö ju bringen fucbc. 2)er SUiit*
640
®omb< }u bm
arbcitcr beö großen ^Reformators ift cS t)or wittern , ber mutlßigc
Kämpfer gegen SRom, bcn id), nacßbem fein üon mir biograp^ifcß
gejei^netcS 33ilb fo günftig oufgenommen morbcn, nunmelbi^ f^ibft,
in feinen eigenen 0d^riften, aufermeefen möchte. $)ieß h>ar auch
ein ^QUptgefidbt^pwnft, ber mid^ bei ber tluSmabt ber ju über*
fe^enben ©tücfe leitete. SBenn icb einerfeits nad^ folgen miä^
umfab, bie oermöge ihrer gorm auch blutige fiefer noch an^ieben
fönnten, fo mäb^tc icb unter biefen anbrerfeitS biejenigen auS, bie
ihrem Snbolt unb uiit fiutber’S 53eftrcbungcn , mit
ber großen Sfiationalongclegenbcit beS fed^Sjehnten Sabrbunbertl,
im 3ufammenbang fteben. ©o mirb man benn in ben folgcnbeti
©efpräcben erft noch ben ÜRorgenftem beS Humanismus am Hiui^
mel funfcln feben, bis allmäblig ber Horizont ficb rötbet unb
bic erften ©trablen ber felbft noch nicht fiebtbaren Soititc ber
^Reformation burdb ben Hjuimet feßießen. 3cpt tritt ftc b^^^ur
unb mirft bie 9^ebcl nieber; fic fteigt böb<^^» über biciRebcl fteü
gen aud), unb je märmer ißre ©traßlen merben, befto bi(bter
treten bie fünfte ju SEÖolfen ^ufammen, bie halb mit t>crbcrb=
lid)cn ©etoittern broßen.
9Ran maeßt bic Slcformation für biefc SBcttcr uerantttjort^
lid}, man ßört nießt auf, ißr oorjumerfen, baß fic unfer ®olf
gefpalten, baS beutfeße fReicß ^erriffen ßabc. 3Ran bebenft nießt,
toic j^erflüftet unb brüeßig biefeS feßon oorßer auS anbern Urfadßen
mar. 3Ran bebenft ferner nießt, baß bic Sfteformatoren außer
©d)ulb finb, memi ißre©aatcn nießt überall in beutfeben ßanben
SBur^el feßlagen burften, unb maneßer Orten, too ßc feßon 2Bur^
^cl gefaßt ßatten, gcmaltfam mieber auSgcrcutet mürben.
fäcßlid) aber bebenft man nid;t, baß cS immerhin beffer m>ar,
®eutfcßlanb mürbe, menn eS einmal mit bem ganzen nießt ging,
menigftenS jur Hälfte bcutfeß, als baß cS gan,^ romanifeß geblie-
ben märe, ^enn oor ber ^Reformation mar ^eutfcßlanb fo tt)c=
nig feßon eS felbft, als bic Saroe feßon bic 93ienc ober ber
©(ßmetterling felbft ift. ^aS ©runbmefen bcS germanifeßen
©cifteS ift inbioibuefle ©elbfttßätigfcit, ßeben auS bem eigenen
3nncrn eines 3cbcn ßcrouS. ^cm cntmicfeltcn 5)cutfd)cn fann
fein meeßanifeßes Slbtßun bcS IRcligiöfen, fein unOcrftänbli^cS
©eßaugepräng unb plappern, fein gcbanfenlofeS Slbfugcln non
9^ofcnfränicn genügen: er mill felbft mit feinem '^emußtfein,
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^orrebe )u ben ®ejprfid^en.
541
feinem innerften geiftigcn SBefen, babei fein. @r fann fid^ in bic
Üänge feinen ©lauben nid)t üon äugen üorfcgreiben , fic^ nid)t
uon einer ^rieftcrfaftc in geiftlic^en Gingen bcüormunben laffcn:
er mug felbft forfd)cn, fei cö uorläupg in bcr ©c^rift, ober meu
ter^in in bcr Vernunft, ^ag mir baö bürfen unb fönnen, bai^
üerbanfen mir proteftantifege S)cutfc^e ber fRcformation; bag
mir auc^ mirÜid) ti)un, unö in bcr ^gat unb 2öal)ri)eit oliS
!I)cutfc^e bemeifen, baö ift unfre ©oebe.
SBcnn nmn Jütten gefugt b^tte, bug bic römifebe ^>ierarcbic,
ju beren Umfturj er feine mächtige Sunje cinfe^tc , Sutber feinen
noch gemultigem 2lrm nid)t ruben lieg, unb alle S3effcrn in bcr
Sfiution ficb in cinbelligem Unmiüen ergoben batten, — menn man
ibm gefugt hätte, bug fie nueb mehr uig breibunbert 3ubren
noch fortbefteben, bug uu(^ bunn iiocb batb ^)eutfcblunb in rcli^
giöfen 2)ingcn fein ^eil oon jenen öcrgcii b^ ermurten mürbe,
über bic i^m feit Sugtbintberten fo oict Unbeil unb ®erberbcn
gefommen mur! ©o lungfum gebt eö mit bcr ©ntmicflung bcr
ißölfer unb ber 9J?cnfcbbcit , fo grüublicb treibt ber (5Jeift in bcr
©efebiebte fein ©efebüft. ^uö bürfen mir unö nicht oerbriegen,
noch meniger bie Hoffnung finfen luffen. Hber ebenioroenig unö
ocrblcnbcn über bic aj^uebt, bie bem immer nod) inmobnt, muiS
mir für ein (ängft Ucbcrlebteö halten möchten.
aJiuncbc^ freilich mürbe ^utten, menn er beute mieberfümc,
um ficb ben ©tunb bcr ^ingc bei uu3 unjufeben, un bcr römi*
feben Äircbe, feiner ulten geinbin, oerünbert finben. Ueber ben
©elbubflug nach fRom, bic finunjicüc aiuöbcutung ^cutfcblunbi^
bureb ben püpftlicben ^of, morüber er unb ufle Patrioten feiner
3eit fo laute Älugc erhoben, mürbe er ficb jept jicmlid) beruhigen
fönnen. 2öuö ein luftiger greunb oon ihm bumulö ben 3)cutfcben
5urief: klugen auf unb Beutel j^u! buuon haben ficb feitbem fRom
gegenüber buö ßebtere auch ^icienigen gefugt fein luffen, bic fid)
jum (Srftcren nod) nicht entfcbliegcn mod)tcn. Sind) feine fd)inu^is
gen iBettclmönd)e, feine pruffenben 2)ombcrren, bic üppigen ^of*
bultungcn ber !öifcböfe feiner ßeit mürbe er im jc^igen ^)cutfd)s
lunb ücrgeblicb fueben. ©clbft in ?Rom mürbe er fid) munbern,
mie boeb ?Ulc^ jebt fo oicl ehrbarer unb unftünbiger iugel)c.
^dber täufeben mürbe er ficb bureb biefe oerfd)önerte Vlugenfeite
gemig nicht luffen. '^ulb mürbe er finben, fei ^mur ^RelevJ
542
8orrel>e ju ben ©efpröd^n.
anberö, nic^t^ aber beffer getuorben. 3a öicUcid^t tuürbc er in
ber (Sprache ber üöibcl fagen, ber Xeufcl fei luo^l au^getricben, aber
burc^ ber Xeufel Dberften. Unb tuir fönnten i()in mit einem
einzigen Sorte baö fRät^fel löfen, üibem mir i^n barauf aufmerf^
fam madjten, mie 3gnatiuö fiopola jmar fein ßeitgenoffe gemefen,
aber nad^ feinem Xobe erft Drbenöftifter gemorben fei.
Senn in 5o(ge baoon, ftatt bag !5)ominifaner unb granjiS^
faner bie Siffenfd^aft gel)a6t unb oerfoigt t)atten, bie 3efuiten
fortan fid) mit berfelben einlie^en, aber nur um fie befto mirffa^
mer mit it)ren eigenen Saffen befämpfeu 5U fönnen; menn, mo
jene mit prügeln auf bie (SJeiftegfrei^eit loöfc^tugen, biefe il)r
tücfifd)e 2)old;ftic^e oerfe^ten uub fd^leic^enbe ©iftträufe eingaben :
moiS mar bamit beffer gemorben? Senn Jütten ftatt ber bid*
manftigen rot^baefigen ©cl^Iemmcr, bie er unter ber (^eiftlid^feit
feiner 3^it in fo großer §(njal)l faß unb in ben ^unfelmänuer?
briefen oeremigen ßalf, bie bl[eid)en, ßagern, oon ^errfeßfueßt Der*
jeßrten, uon ganati^muö auägebrannteu ©eftalten feßen be-
föme, bie fejt unter un^ umgeßen, ob er uießt ftatt biefer ßög^
liuge Soßola'g unb ÜJtacdjiaoefl'ö jene oerßältnißmößig ßarmlofe
^eerbe ©pitur'^ ^urüefmün feßen möcßte? 3mmer ßat er neben
ber materiellen 5(uöbeutung alö ba^ nodß oiel Unerträglicßere bie
politifeße !s8eoovmunbung, bie geiftige Äneeßtung angefeßen, bie
^eutfcßlanb OonStom erleibe unb fieß gefallen laffe. Unb bamit
ift cö fo menig beffer gemorben, baß biefe geiftlicße ^errfcßfudßt, bie*
fer .f)aß gegen bie ©eifteöfreißeit uub ^öilbung ber 3Sölfer, gegen
bie 0elbftänbigfeit unb politifeße ©ntmicflung ber Staaten, mit
bem uuaufßaltfamen gortfeßritt auf biefen ©ebieten nur grim*
miger unb giftiger gemorben ift.
2(ucß baö 35erßältniß, morein fieß ^eutfdjlanb ju 9tom ge*
fe^t ßat, mürbe Jütten tief unter bem ßnben, ma§ man ju fei*
ner 3cit ermarten burfte. ^Jtidjt ba^ allein, baß meßr alö bie
^älfte ber ^eutfeßen bei ber römifeßen ^tireße geblieben, mürbe
ißn in Sermunberung fe^en, fonbern baß aud) biefer Xßcil, ber
ba^ alte 33anb nießt jerreißen moeßte, eö nid)t längft menigftenö
loderer gemadjt ßat. Saö fage icß, loderer? ©r befäme ja uiel*
meßr ju feßen, mie baö üon ßell benfenben unb männlicß moflen«
ben IBorfaßren geloderte ^^anb jeßt bie 9tacßfommen fieß mit
freiem Sillen enger um bie .pälfe feßnüren. ©in 3)ing mie bae
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^orrebe ju ben @ejpra(^en.
543
Dcftcrrcic^ifd^c Soncorbat toürbc i^n fogar Don einem ^bfömmlingc
jenes gerbinonb, ber einft feine ©martunqen fo bitter ^ctoufd^t
batte, in (Srftaunen fe^cn. 2)aö bat fid) nun freilid) bereite felbft
ßeriebtet. foKtc ein Äitt merben für bic aii^ ihren gugen toei^
d)enbe (Jinbeit beö Äaifcrftaateö : unb feine erfte SBirfung mar, bag
Don ihren Pfaffen gebest bic Oefterreiebifdjen Äatbolifen ihre
proteftantifeben 9Jiitbürgcr nicht einmal im ®rabc mehr neben
ficb bulben moUten. Stalicu bat für Defterrcieb ni^t erhalten
fönnen, Ungarns Un^ufricbenbeit gefteigert, in ganj ^eutfdblanb
baS Vertrauen auf ben @rnft Don DcftcrrcicbS IRcfonnen ^erftört,
im Sanbe felbft bie Hoffnungen ber Patrioten niebcrgcfcblagcn.
SGBie freilidb nach folcbcm SSorgang bie proteftantifeben gürften
fübroeftbeutfeber ©taaten ßuft befommen fomiteu, ihre fatbolifd^cn
Untertbanen mit Goncorbaten nach bem aJhifter bcS Oefterreid)is
feben j^u beglüefeu, ift ein nod) ungclöfteS IRätbfcl. 2)ag eS ber
2Bunf(b ber JöcDölferung, felbft ber fatbolifeben , nicht mar, b^t
ficb feitbem in 5^abcn glönjcnb gejeigt, unb ber 2anbcsfürft bic?
fer SöolfSftimmc in üerfaffungSmä§iger SBeifc @cbör gegeben:
hoffen mir, ba§ fid} ber begangene gehler Dollftänbig mieber gut
machen laffe, unb baS 5^cifpicl in ben 9lacbbarftaatcn S^aebabmung
finbe. Denn baS ginge boeb über aßeS ÜJ^ag unb märe ber
febärfften Hidi‘'’^i'fd)cn ©otire mcrtl), menn in einem ß^itpunft,
ba ^etri ©tul)l feinem Dorgeblicben ^'tacbfolger unter bem ßcibe
manft, mäbrcnb bie gtaliencr unb DorauS bic öemobner beS
ÄirebenftaatS feiner fatt finb unb ol)ne bic fremben
iöabonnctte ihn längft fortgejagt hätten, menn jefet noch Deutfdjc
ihm Soncorbatc entgegenbräebten, beren ficb bic ^äpftc beS fed}S?
zehnten Sabrbunberts gefreut haben mürben.
gdnbc bemnaeb Hutten auf fatbolifeber ©eite noch beute
nicht meniger ju fcbelten unb anjuflagcn als ^u feiner ßeit, fo
bürfen mir ^roteftanten barum nicht meinen, er mürbe mit unS
um fo äufriebencr fein, ©o gcmiB er auf eine proteftantifebe
Äircbc bingearbeitet (}ut, fo jmcifclbaft ift, ob er in ber unfern,
mic fie jefet ift, bic erfennen mürbe, bic ihm im ©innc lag. ga^
ich meiß nicht, ob fein Unmille, ben er ber römifeben Äircbe ge?
genüber empfinben mürbe, mcil fie nicht anberS gemorben, nidjt
noch Diel heftiger gegen bie unfrige entbrennen müßte, ba fie fo
ganj anberS gemorben ift, als er Don ihr baffen ju bürfen
544
Sorrebe }u bcn ^efprSd^ni.
glaubte, ftc uom ©innc abgetoid^en fei, ^at er bei
crftcrcn genug üorgel^alten; baß fie fic^ aU römifc^cr treu ge=
blieben, l)at er i^r nic^t abfprec^en fönnen: an ber proteftanti=
fc^en Atirc^e tpürbe er ju rügen haben, lua^ allemal bai§ 0c^limmfte
ift, ba§ fie fich felbft untreu gemorben fei, ihr eignet ^rincip
leugnet habe. ®a6 eä bahin mit ihr fani, hätte ber Witter mdg»
lichermeife felbft noch erleben fönnen, benn eä fam leiber fe^r früh: '
aber auch heute mürbe er noch nicht finben, bafe fie im ©rogen unb
©anjen ihr ^rincip miebergefunben hätte. 2)ag $tincip, au»
bem ber ^roteftantiiJmud hcroormuch^, ift freie Ueberjeugung bcs
einzelnen : fich nichts oorglaubcn ju laffen, fonbern nur glau-
bcn, maö man felbft perfön lieh iui eignen Snnern erlebt. £uthcr
glaubte an bic @chrift, mo barauf anfam bi^ auf ba^ ciniiclnc
Söort hinauf: aber nicht mcil bic Äirche cd ihn hie6» fonbem
meil fein innerer SEÖahrhcitdfinn, bcn er ald bad 3eugni6 bed
heiligen ©cifted empfanb, ihn ber Wahrheit unb ©öttlic^feit bed
©chriftinhaltd oerfichertc. SRur fomeit biefer (jc^t burch gan^ an=
berc ajiittcl, ald Suther'n ^u ©cbote ftanben, uuterftütte) SSikihr-
heitdfinn ihn oon ber ©laubmürbigfeit ihrer ©rjählungen, ber
®ernunftmä§igfeit ihrer Sehren überführt, ift folgli^ ber
ftant ber 53ibcl ju glauben fchulbig. ©obalb an bic ©teile bie^
fed lebenbigen unb freien ©laubend ein tobter unb fncc^tifd)er
©pinboU ober Öibelglaube trat , mar ber ^roteftantidmud uon
fich felber abgefallen : unb mo hätte er benn feitbem bid auf bcn
heutigen biefcd Slfterprincip Don fich gethan?
©leichmohl lebte auch iu ber entarteten ^rche bad acht protc-
ftautifche ^rincip in ©injclnen unb in engeren Greifen beftänbig fort:
bad mar ber ©egen ber großen reformatorifchen Xhat, bie ben
äußeren 3u)ang, bic meltlidhc Ü)fad)t ber Hierarchie für ben rcid
bed ^roteftantidmud gebrochen hatte. ^cr3ujcifcl, biegorfchung,
bad philofophifchc Renten, in ^eutfchlanb julcht eine nationale
Siteratur, ermuchd auf biefem ©oben, unb cd ift g^cubc unb
©tol^ für ein protcftantifchcd ^erj, baß biefc neuere claffifche
Siteratur unfred Sßolfed oudfchließlich bem ^roteftantidmud angc^
hört. Sluf fatl)olifchem ©oben ift fie fchlechtcrbingd unbentbar;
ed ift unmöglich, fich einen fatholifchen Ä?ant, Seffing, ©oethe
unb ©chiller auch uur einen §lugenblicf oorjufteUcn. ^rcili^
felbft in ber protcftantifchcn Äirchc tonnte biefc Siteratur erft in
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53orrebe ju bcn ®efprö(i(|fn.
545
einer 3^it ertnac^fen, iüo ber in il)r anf()cfomniene ^Rationalismus
i^re confeffioneßen ©djranfen nicbergemorfen, i^ren ^orijont er^
meitert, bem ßid^t unb ber freien 2uft jugänglicl) gemacl)t Ijatte.
5lbcr eben aucl) biefer iRationaliSmuS fonnte nur auf proteftaus
tifc()em 53oben firf) entmicfeln, ®er ^atljoliciSmuS fc^manft emig
jmifd)cn §lberglauben unb Unglauben; ber granj^ofe, ber Stalie*
ner, mo er fi(^ bem 3)ogma feiner Äird)e entfrembet, mivb aße*
mal friool: ein teufen, baS mit bem itirdjenglauben feineSmegS
and) ben fittlic^en, ben glauben an eine l)öl)orc Söeltorbnung
unb bie iöegeifterung für baS Sbeale aufgibt, iÜ'ant’S fategorifd)er
3mpcratio, ift nur innerhalb ober unter bem @influ§ beS ^rote*
ftantiSmuS möglich.
yjMn mad^t eS ben heutigen frommen jum Sßormurf, ba§
fie bie Xräger unfrer großen !lJiteraturepod)e als Reiben oerbanu
men, oor ißren @d)riften marnen, and) in biefer §infid)t baS
beutfilje 33olf 5111- gän^lidjen Umle^r oon feinem bisherigen Söege
maljuen. 3d) geftehc, ich f^nn biefeS Xreiben unfrer fRechtgläus
bigen nur in ber Drbnung finben. 3n ihrem ©inne, überhaupt
in bem bisher üblichen (unb ob baS SSort noch meitern
©inn hoben fann, märe ja erft auS5umüd)cn) , ift feit Älopftocf
feiner unfrer CElaffifer mehr ein (Shrift gemefen. Sefftng l)Ot in
feinem 9fatl)an boS fpmbolijchc ®udj für biefc Ofichtung gefdjries
ben, unb ©oethe unb ©djißer, Sßiclanb unb Berber, ftel)en bei
aßer Freiheit ber inbioibueßen ?luffaffung bod) mefcntlich auf
bemfelben 33oben. Slße biefe ÜJMnner (aud) §erber nicht auSge«
nommen, beffen geiftlicher ©tanb unb qualmenbc ^hontafie mehr
nur auf bie gorm unb Jorbe, als auf ben ÖJchalt feiner Sin fich^
ten oon Einfluß mareu) jinb aßem ^ofitioen entmachfen; fie fen^
nen feine Offenbarung als bie im ©emüth, in 9>tatur unb ^e*
fchichte, fein SBunber als bie 9faturgefepc felbft, fein §eil unb
feine SSerföhnung als bie fich ber menfd)liche ÖJeift in fich burd)
Läuterung, burd) (Sntfagung unb Siebe feßafft. ^)ic biblifcßen
(Sr^öhlungen galten ihnen nur fo mcit für gefdjichtlicß, als fie
fich natürlich faffen ließen ; mos barüber hioouSging, mar ihnen
©age ober ©elbßtäufdjuug, unb nid)t immer ertoehrteu fie fich
nod) fchlimmeren S3erbad)tS. ^ie fird)lid)eii GUaubenSartifel ma=
ren ihnen im beften gaß ©pmbole, an bie fich fittliche SBahr^
heiten, religiöfc 3been anfnüpfeu ließen, galten bie S^echtgläu*
Vll. 36
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546
SSorrcbc in ben ©cjpröc^cn.
biflcn folc^crlci Slnfid^teu für undjriftUc^, ttJtc fic auf i^rnn
0taubpuufte müffen, fo ^abcn fic ein fRcd^t, uor bem Sefen ber
0d}riftcu, in benen biefdben mit fo üid@cift üürgetragen, ober,
noc^ (jefäbrlic^cr ift, fo unmerflic^ borau^gefc^t locrbcn, §u
manicn, unb bic 0d)riftftcflcr, bie n?ir Uebrigen alö ßlaffifcr
ucrel)rcn, ai^ ÄV^cr unb 3ttlcbrcr branbmarfen. fommt
ja nur auf unö an, ob mir it)ucn @et)ör geben, ober cö barauf
magen moUcn , mit ßeffing , (^oct^c unb 0d)iUcr in bie ^öüc,
ftatt mit $engftcnbcrg, 0ta^l unb SSilmar in ben ^imnicl ju
fommen.
3u ber bunbertjä^rigen Sebiderfeier neulicb b^^^^cn jene
iJrommcn natürücb öugerft faucr gefeben, unb eg ift nur ^oUtif,
um cg mit bem publicum nicht gar ju feb^ jw oerberben, uon
ihnen gemefen, menn fie ficb nid}t noch tocit ftärfer bagegen aug-'
gefproeben ba^^cn. S^laio ift cg freilich in hohem @rabc, bag eben
fie fo unbefangen gegen Abgötterei eifern, alg fönntc cg auf ber
Söclt S^iemanben cinfallen, ihnen bag Quis tulerit Gracchos de
seditione querentes? cntgegcn^nbalten. Auch einer ber @ebiU
beten unb 0ü6rcbcnben unter ihnen, ber bic @d)illerfeier in
0cbub nahm, glaubte ficb ^oeb bem Augruf bemüßigt: $in*
toeg mit aller 3)^enfd}enocrgötterung in mic oußer ber Äirebe!
idun, mir außerhalb fönnen ihn ocrfichcrn, baß nie einer ooii
ung baran gebacht hat ober benfen mirb, meber bem alten ^aupt^
mann ©chillcr 5U fünften cincg höb<^^^ SBcfcng bic SBaterfebaft
an feinem @o()ne ab^ufprcdjcn, nod) ben fRcceptcn, bic biefer alg
fRcgimcntgmebicug ücvfd)ricb, eine tobtcncrmccfcnbe Straft bei^u*
legen, noch ^^n Umftanb, baß über bem iöcgräbniß beg ^iebterg
big heute ein ©eheimniß rußt, 511 ber Söermuthung ju benüben,
er fei mohl bei lebenbigem Seib in himmlifebe Legionen erhoben
morben.
3nfofcrn inbeß mar bog gemäßigte Auftreten ber ^ochgläu»
-bigen gegen bic 0chillerfcicr oietlcicht mohlberechnet, alg bic SBc^
nigften im Sßolfe ficb ^er ganzen ^^ragmeite biefer Qeier bemußt
gemefen fein mögen. 2)Mn meiß mohl ungefähr, baß cg mit beg
ajianneg ©hnfteuthum nicht ganj richtig (in ber Xhat uiclmchr
feitßeffing bei feinem fo fcblimm) geftanben, ober man hdlt ihm
bieß alg 3eit9cbrcd)cn 511 @nte, mie man ihm fein 25,^eltbüvgcrs
thum, feine geringfebäbigen ^Jieben über particulärc SSaterlonbg^
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55orrebc su ben ©cipröc^cn.
647
liebe ©utc fjält. 3n ber jcbod^ Uer^ält eä ftc^ mit bei=
ben Xcfecten ganj uerfc^ieben. ^cr bcutfdje ^atrioti^muö fehlte
0d)iücr’u teiue^megö, mcmi er audj bem ilo^mopoUtiemiiiS in
i()m untcrgcorbnct tuar, mib mürbe, menn bei* 5)ic^ter bic 3^it
ber greitjeitöfricge erlebt Ijätte, cjemife in l)cllcn glammen empor'
flclübert fein, ol)ne baß ficß barum in feinem übrigen ^cnffljßem
baö ÜÜ^inbefte ßätte önbern müffen. S3on bem itircßenglaubcn
hingegen mar in ©cßillcr fcßledjterbingö feine ©pur, unb nic^t
baö fleinfte 3»g<^ftönbniß I)ätte er bemfelben machen bürfen, oßne
feine gan^e 2i3eltanfcßauung über ben Raufen ju merfen; fobalb
er fid) jum ©lauben an ein einjigeiS 2)ognia, an eine einj^ige
biblifd)e ÜÖJunbergefcßic^te bequemte, mar er mit bem @eift aller
feiner Söerfe in äUiberfprud) getreten. Unb baß nun gerabe bie
©cftalt biefe-5 SÜ^anneö, beffen geiftige unb fittlicßc ^oßeit üon
jeber firc^lidjen 3^eimifd)ung frei, rein ßuman unb rationell er=
morben mar, baß fie gerabe auf baö beutfdje 03emütl) biefe ^In^
jießungöfraft übt, in ©cßillcr gerabe mie in feinem ^^Inbern ber
beutfdje ^ülfögeift fid) fclbft miebererfennt, Daö ift ein S'^’i^ßen, baö
ienen Ätircßenmännern ebenfo bebenfließ, alö luiio erfreulicß unb
ßoffnungöreid) erfdjcinen muß.
Unfere claffifcßc Literatur ßatte fieß in ber^eriobe beöSfta^
tionaliömu» entfaltet, unb mar ^iir Qdt ber fransöfifdjen Steoos
lution unb ber grembßerrfdjaft ooüenbet morben: alo bie53cfrei=
ungöfriege anßubcn, mar ißre 3cit mie bic bcö Dftationalismuö
fd)on oorßer iim. fran^öfifeßen Dränger mären ber 3}^cßrs
jaßl nad) ungläubig gemefen, bie ^-ßorneßmeren meift 33oltairioner,
bie Gemeinen nad) ^erßältniß, SlUe ©ößenbiener ber materiellen
(bemalt: bic beutfeßen ä)^änner unb Jünglinge, bic gegen biefe
(bemalt aufftanben, tßaten ba^^ im begeiftemben (Glauben an eine
ßößerc fittlicßc 2J2acßt, ber fid) ißnen, im (^egenfaß gegen ben
fran5Öfifd)en Unglauben, mit ben alten ^ilnfcßauungcn bcö Sßriftciis
tßuim^ ücrfd)mo4. ©o mürben bic ^ießter unb übrigen ©d)rift=
fteller jener 3aßre mieber d)rifttid) fromm, unb mit ben Xßronen
reftaurirte fid) ßernad) aud) bic ttird)c, bie Xßeologie unb fclbft
bic ^ßilofopßie. griebrid) SÖilßelm III. trübte feine ßoeß- unb
freifinnige Xßat, bic Union ber beiben proteftantifd)eu itird)en,
bureß eine fatßolifirenbe Idgenbe, bie er ißr ^ur ä)Utgift gab; lilauö
^arm^ fd)ricb feine altlutßerifd)cn Xßefen; bie föoangelifcßc Ätir»
548
®orrcbc 3U bcn ©ejprö^cn.
c^cit^citunci tuurbc c^c^rüiibct, bic c§allc'fd)cn S^ationaliftcn bcnun-'
cirt. 9lbcr aud) §egd bilbcte fein urfprünglic^ auf bcii freieften
(^runblaßcn aufgcbautcö Softem ^ur fc^otaftifc^cn 33cfd^öntgunc; bei
(gegebenen ^uftänbe, in^^befonbere aud) beö fir^lid)cn um.
@iu SJton lebte in jenen Söhren, ber cbenfo flug n?k
fromm, oielleic^t aud) noc^ etmasS flüger al^ fromm luar: tucr
mißt baö fo genau? @r toar ber @rftc, ber baö öcfrcicnbc, nm?
in ber Union lag, erfannte unb auöbcutete. SSenn in jeber ber
beiben coangelifd)en (Sonfeffioncu baö aufl)örtc oerbinblic^ ju
fein, \va^ fie gegen bie anbere feftgefc^t ßatte, fo gab ba^ fc^on
eine bübfe^e Sßeitc, in ber fid) menfc^lidjer loo^ncn ließ, cUö in
bem bi^l)erigcn confeffioiieHen 9Zotl)ftalI beiberfeitö. ©Icic^tuobl
fanb aud) fo noc^ 0d^leiermac^cr ba^ 0c^iff ber ilircßenlc^rc für
fein mürbciä Filter unb bie l)od)ge^cnben SBogen ber oiel ju
fd)U)er befrachtet; er rietl), außer bem fjlothipenbigften über
iöorb äii merfen, unb feßte fich feinerfeitö ohne allen 33aHaft in
ben lcid)ten ital)n beö frommen 0elbftbemußtfeinö. Glicht all
^lulbeute aul ber heiligen 0d)rift, nicht all geftfejungen eine»
0l)mboll, all einfad)e Slulfagen bei d)riftlichen 93eioußtfeine
entmidclte er bic 0ähe ber coangelifd)cii ÖJlaubenllchre , bic er
nur nad)träglid) mit jenen beiben 3nftanjen jufammenhielt. Xaß
biefel 33ctoußtfein ganj anbcrl fprcd)cn mürbe, menn el nicht in
einer an Schrift unb ©pinbol erlogenen chriftlichen ®emcinbc
fid) gebilbet unb erfüllt hdttc, baß mithin feine Slblcitung fich
eigcntlid) im Ä^reife bemegte, machte il)n nidht irre. SBußte er
nur für feine ©ä^c einegaffung 511 ßnben, in ber fie meber ein*
anber gegenfeitig, nod) einer anerfannten S3ernunftcinficht miber-
fprai^en, fo glaubte er feiner Slufgabc genügt ju h^^^^en. 0o
brachte er ein überaul fcinci, aber ebenfo fünftlichel ©bftem
jiifammen, ein fRäbermerf, bal nur eine fo gemanbte $anb, mic
bic feinige, im ^ang ^u erhalten mußte. Äcin einziger feiner
ÖJlaubenlföhe mar meber nach Ableitung noch 3nl)ölt irgenb eu
' nem tird)lid)en 2)ogma mirtlich congruent, aber el maren trefflich
gefertigte, töufd)enb ähnliche ©unogatc, bic bem mobemen @ou=
men überbieß beffer all bic nachgcrabc altbacfcn gemorbenen
fird)lichen 0chaubrobe fehmedten. ®al @runbbogma, bem alle
übrigen nur bienten, mar bal oon ShriftuI, mit bem in innigem
perfönlichen ^ertehr fich ju fühlen, 0chlciermachcr'n oon feiner
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®orrcbf )u ben @c|prä(^en.
649
(Sr^ic^img in bcr 33rübcr(^emcinbc f)cr cjcniüt^lic^CiS iBcbürfnig tnav.
3(bcr biefer fein (5()riftiio tnar nid)t bie jtucitc $crfon in bev @ott:^
()cit, ni^t bei* anö einem frni)ern güttlirfjcn Unfein in einen 9J?en=
fcf)en(eib munberbariie^ fjernbejefommene unb bann mieber ;^n jener
^iU)ern ©^-iften^ ^urnefgefeftrte @otteöfol)n, fonbern lebiglid) ein
,^ioQr fittlid) normaicr, fonft aber burc^ nationale toie perfönlidje
Sebingungen befd)ranfter 3J^enfd). @o menig mit biefer SSor»
ftellung einerfeitö baö firc^lic^e ®ogma oon Sljrifto gebeeft mar,
fü leidet mar anbrerfeitö ein5ii)el)en, baß auf ©d)leiermad)cr’ö
(Stanbpunfte folgeridjtig immer nur ba^ Sbeal, nic^t aber bie
SEÖirflic^feit eineö fo(d)en 3Jk’nfd)en abjuleiten, ja and) nur ^u
begreifen mar.
9^od) meit übler jebod) alö bem ^ogma unter feiner .§anb
erging c^, faum bag @cf)leiermac^er bie Gingen gefdjloffen, ber
OucHe be^ ^ogma nad) proteftantifd^er 53orfteüung, bcr f)eiligen
0d)rift, unb man mugte nad)träglic^ nodj ben 9)iann bemunbern,
ber fic^ jum SSorauö fo flüglid) barauf eingerichtet, unb fein
Credo üon berfclbcn unab()öngig 511 machen gcfud)t
merben manche Sefer meinen, id) motte oon meinem Öueh über
ba^ Seben 3cfu reben, unb merben mir entgegen
biefeö ja längft miberlegt fei. 3n berXh^^^ moUtc id) ba^ nid)t;
meil aber oon SBibcrlcgung gcfprochcn mirb, fo mitt id) nicht
audmcid)en. Um über SBorte nicht ju ftreiten, fo fei id) alfo
meinetmegen miberlegt ; cö fragt fich nur, mic ? 5)aö mitt id) bem
oerftänbigen Sefer fagen. ©efeht, ich h^Ue bcred)uct, meinem
©laubiger 2000 fchulbig ju fein, unb e^i fämc ein 'lUnberer, rech*
nctc mir nach, wnb fagte bann: beine 9^ed)nung ift falfd), bu bift
ihm nid)t mehr ab5 500 fd)ulbig: fo mürbe ich über eine fold)c
S53iber(cgung meiner fRcd)nung, mofern fic ©runb l)öUc, gemife
cbenfo menig Urfache hi^^’cn oerbrieglid), alö mein ©läubiger,
oergnügt gu fein, ^icht anberiS ift mein ßeben 3efu miberlegt
morben.
Älö id) an bie 2(ui?arbeitung beö !sÖud)Ci§ ging, lagen mir
über bie coangclifd)c ©cfd)id)te, iimbcfonberc il)rc munberbaren
!0eftanbtheile, bie oon jeher ber ©laubenölchrc bie mid)tigftcn
maren, ^mci ober oiclmehr brcicrlci ^^Infichten oor. ^ie eine jaütc
biefelbcn, mie fie fich ßoben, alö 33erid)tc oon übernatürlichen
lilJorgängen, bie fic alö mirflid) fo gcfd)ehen annahm: fölchen
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550
Sorrebe ju ben @c|prö^en.
©tauben imibtc icf) nic^t uon mir crbalten. ^ic anbre
faßte ßleid^faü^: bie ©cfc^idf)ten finb n)al)v, aber cö ift §UIcö na*
türlic^ jußeßangen, bie ©r^äbler uerfc^meißen nur ßcmiffe äl^itteU
ßlieber, ßetniffe 9lebenumftönbe , nieHcid]t meil fic meinten, fic
nerftnnben fid) üon felbft, unb bat)er ber munberbare Schein:
^u einer fo ßcmaltfamen ^entiinß ber bibli)d)en @rjät)Iunßcn
fonnte ic^ mic^ nid^t entfdjlieben. @inc brittc Stnfid)t laß im
^interßrunb, welche halb bie Xt)atfad)en halb bie @rjät)lunßen
für ölenb* unb 9)?ad)merfe non '^etrüßcrn an^^ßab: ein fold^cr
Söerbac^t mar mir miberlid). SQBa^ alfo t^un, um einen ^luiSrocß
511 finben? 3d) blidte mic^ in ben beitißcn @rjät)lunßcn ber
alten fRelißionen nm, bie ()eute 9^iemanb me^r meber mit ^erobot
übernatürlid^ fa^t, nod^ mit @ul)emern§ natürlii^ erflört, eben*
fomeniß mit ben eifernben S^irc^enoätern 2^enfel$fpuf ober Setruß
barin fiel)t; fonbern man fafd fie alö 0aßcn, bie fid) auä ber
frommen ^b^ntafie ber 3Sötfer unb i^rer ^i^ter ol)ne
2lrß unb 5Ibficbt fo ßebilbet höben. <5o bemnad), alö @rjcuß*
niffe ber abficbt^loö bid)tenben nrd)riftlid)en 0aße, betradbtete id)
bie eoanßelifcben SCÖnnberßcfcbidjten mcnißftenö ihrer 3Rel)rhcit nad).
9^un bin id) ja aber miberleßt. ift nachßemiefcn , bafe
ein ßroger Xheil biefer @r,^ählnnßcn ßar fel)r abfidhtlidh j^u be*
ftimmten unb bemiigten ^artei^mcdlcn erbichtet ift. ©ut; mer
fann baßeßen etma^ höben? Sch ßc’mife nicht. SBer fann fid)
biefer SQ3iberlcßunß beö „lieben Sefu" freuen? ©emiß nicht meine
orthobojen ©cßucr. IRod) @inö. ^ag oierte ©naußclium ßiiiß
in meiner Sflechnnuß ni^t auf; e^ mar nicht mohl benfbar, mic
ber ©rjähtuuß^ftoff ber brei erften ©oanßclien ohne bemühte tlb^
fidhtlidhfeit eine fo bebcutenbe Ummanbluitß erlitten höben folltc,
mie fte im johanneifd)en ©oaitßclium oor Sliißen ließt. Sch höttc
ba^ SBort biefeiS fRäthfelö noch nicht ßcfunben: feitbem ift bemie*
fen morben, bag ba§ oierte ©oaiißelium eine ßompofition ift,
bereu Söerfoffer fid) feineö freien 0d)alteit‘o mit bem ßefchichtlichcu
unb 0aßenftoff ju ph^^ofophifch'boßmatifd)en ß^c’ccfcn fo bemngt
mar, mie ^lato beffen, bag er in feinen ^ialoßen ben ©ofratcö
ßar manche^ reben unb thun lieft, maö biefem in Söirftichfcit
nid)t einßefallen mar. ©nt; mer oerliert babei? Sd) mieber
nid)t; ich ü)ürbe eä nur, menn eö mir in ber ßanjen ©achc um
meine lU^einmtß unb meinen "iRamen p tl)nn ßemefen märe; cö
Sotrebe ju ixn ©ffpröc^cn.
551
war mir aber Diclmd)r barum ju tbun, Suft 5U fdjaffen für bic
freie ^Bcmegiinq bcö ©cifteg burc^ Sßegröumun^ bc^i alten
möuer^, ba^ i^n beengte: je grünblic^er biefcö mitljin megs
gcfc^afft, je nmt)ieberl)crftellbarcr in bießuft gefprengt inirb, befto
lieber mn| e^ mir fein. 3c^ alfo Ijabe auc^ Ijicr nidjtd verloren,
unb meine frommen (Gegner nic^t-S gewonnen; bie man ^ubem
je^t, wenn fie (übrigen^ mit fRec^t) gegen baö ßwteci^tmadjcn ber
@efc^id)te na^ pbüofopl)ifc^en Sbeen eifern, auf i^r fiieblingö^
coangelium alö ein wa^reiS 90?ufterbilb fold^en Sßerfa^renS Oers
Weifen fonn.
0old)er 3crftörnng ber ©runblagen ber bi^l)erigen 5!f)eos
(ogie arbeiteten gleicbjcitig bie übrigen SSiffenfe^aften in bie
.^änbe. 2)a$ eifriger ak je gepflegte @cfc^id)töftubium gab einen
äl^aßftab für bie Öllaubtoürbigfcit l)iftorifd)cr Urfunben, an welchem
gcrabc biejenigen biblifc^cn Süc^er, bie ber Xl)eologie bie mid)s
tigften waren, am wenigften beftanben. ®ie ^n ftaunenöwert^er
ij^lütbe ficb entfaltcnbcn 9tatnrwiffcnfcbaften bauten immer üolls
ftänbiger eine 2öcltanfd)auung au^, innerhalb bereu fid) ber^irs
d)englaube wie ber ftel)en gebliebene S^teft eine^ alten ,g)aufc!^ in
einem barüber gebauten ^alofte ftörenb unb entftcüenb anönal)m.
?ln baö 3KijiDerl)ältnift ber c^riftlid)en 33orftcllungen oon $inis
mel unb ^ölle ^ur ?lftronomie, ber ©cböpfnngögef(^id}te jn cbeits
betfelben unb jur Geologie, ber biblifc^en SBunber p ben rcd)ten
unb großen SSnnbern, in bie un« $l)i)fif unb Sbemie ben ©ins
blief öffnen, ift !aum nött)ig ^u erinnern. Unb biefe ©rgebniffe
ber ©efe^iebtös unb ^taturforfc^ung blieben nic^t, wie bieß in
früheren Sahrßunberten möglich gewefen war, ein Sonberbefiß
ber belehrten, fonbern würben, bem Reifte ber ©egenwart ge*
maß, albbalb im SBetteifer für baö Soll Oerarbeitet, in /^ahlreid)en
iBüchern unb 3citfchriftcn jum ©emeingut gemacht. 9tur allein
§umbolbt'ö Äoömoö mit feinen populären Bearbeitungen
bem Äiirchenglauben unberci^enbaren ^Ibbrucß gctlian, unb id)
fann eö .^umbolbt'ä ßeichenrebner in Berlin, meinem alten
Jreunbe, nicht oerbenfen, wenn er bem henngegangenen iRatur*
forfdier nur feßr bebingte 5luöfid)t auf ben ßotritt in ben djrift-
ließen ^immcl ^u eröffnen wußte'). Bergcffen wir audj unfre
1) rid^tig au(^ bugmal bie geiftlid^^ Witterung tvar, ^aben bie {eit*
bem erfc^ienenen Briefe J^umbolbt’8 an ^ain^agen fattjam gezeigt.
552
SJorrebc ju ben ©eipröc^cn.
Ötogcii ^id^tcr nic^t. ®rft in bcn lebten breigig 3nf)rcn würben
ftc grünblid^er ftiibirt, allgemeiner angccignet: jebe neue Slnflagc
üon ©c^iHer’ö ober ©oetljc'iS SBcrfcn mar eine neue 9licberlagc
für bie Drt^obojie.
ftanben alfo nun bie 0acl)cn fo. 3Son ©eiten ber miffen*
fc^oftli^en Xtjeologic mar bie 5luflöfung ber biö^crigen ÖHauben^
lel)rc, fammt beren ocrmcintlicl) ^iftorifc^cr ©runblage in ber
biblifc^en, inöbefonbere eüangelif^cn ©efdjic^te, (jene grogentbeiliS
fc^on burd^ ©c^leiermad^er, biefe weniger burcl) mid), al§ burc^
2lnbcre na(^ mir, bie e<S beffer gemacht l)aben) mit einer ©c^ärfc
nnb iöünbigfcit boH^ogen, bereit fid) fein Urtbcilöfä^igcr crmet)ren
fonnte. SSon ber anbern ©eite famen 9laturs unb ©cfc^ic^täs
forfc^ung biefen ©rgebniffen beftätigenb, ja fic forbernb, entgegen.
Unb cnblic^ mar bag allcö längft über bie abgefdjloffenen Greife
l)inauö rud)bar unb im ßufammenmirfen mit ben ©djriften unfrer
neueren ßlaffifer j^ur allgemeinen ©ilbungeatmofp^örc ber
geworben, bie auf geben, ber fid) nic^t gemaltfam abfd)lo6, un^
miberftel)lid) einbrang. 2Baö foHte nun bic^^eologie t^un? ®aiS
fRätl)fel ber ©pf)inj mar gelöft, aber in ben ?lbgrunb fpringen
mod)te fie nidjt. ^ir finb weit entfernt, il)r bieg ju oerargen;
nur über bie guten ^l)cbaner müffen mir un^ munbern, bag fie
fic^ all ben ©puf gefallen lic6cn unb nod) immer gefallen laffcn^
ben bie §lltc feitbem angeftcUt l)at.
^)cnn all i^r 53emüt)en ging üon je^t an bal)in, bie Sßelt,
unb am @nbe gar aud) fic^ felbft, glauben ju machen, eö fei mit
^tic^ten auö mit if)r, fie oiclmcljr immer nod) ein gutc^ $anö,
unb bie ©erüc^te oon il)rem Öanfrott nur oon lcid)tfertigen 33iu
ben audgefprengt. Äurj fie gebärbete fid) wie ein itaufmann,
ber fic^ oom unoermciblic^cn Sfiuin in ber lepten ©tnnbe noc^ ju
retten fuc^t: fie fc^minbelte, nal)m 3lnlel)cn auf wo man il)r nod^
borgte, unb oermirrtc baburd) i^rc Slngelegen^citen nur um fo
mel)r. @in ®lid auf bie tl)eologifd)c Literatur ber Gegenwart
j^cigt ein feltfameö, mibermärtige^ ©d)aufpicl. @inem Oerfc^miits
benb flcinen ^läuflein oon folc^en, bie miffen unb miffen wollen,
wie um bie Xl)eologie ftcl)t, bie fid) ;;um ÖJefd^äfte machen,
bie 2Bal)rt)eit ;\u erforfeben, unb ^ur Pflicht, maö fic^ il)iien alö
jolc^c ergeben l)at (oorbet)ältlic^ mand)ed menfc^lic^cn ge^lgriffsJ
im ®in|^elncn) ungefc^eut auöjufprec^en , ftel)t bie uncrmefelic^c
j
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55orrcbc ju ben ®cfprSd^en.
553
unb äußerlich f)crrfc^cnbc aJicf)rbcit bcrcr nc(^cnü6cr, benni im
@c(^citt()cil 9(llc!^ boraii licc^t, bic fic^ aufbrincicubc Sßal)rf)cit, Don
bcr fic fid) in il)rcm firc^lid)cu ^cfifftanbc öcfäi)vbct fd)cn, uor
ftc^ felbft unb Stübern ju ucrftccfcn, boö Unleugbare in 5(brebe
[teilen, ba^ Offenbare 511 uertufcljen, ätningenben ©rnnben fiel)
buve^ Seitenfprünge ent5iel)en, gegen jeben iöetnei^ eine 5ln^s
rebe, fei fie norl) fo fd)led)t, in 53ereitfd)aft 511 l)aben: nnb biefeö
@ebal)ren ge^t non ber ftnmpfen ober feinen 0elbfttäufd)nng bl3
jum frcd)en Umfid)merfen mit toiffentlic^ umoa^ren ^-öe^nnptungen
fort. ‘S>a§ man fid^ babei notl)gebrungen einzelne ©rgebniffe ber
Äritit ungeeignet, bieg aber bnrd^ ^djmäf)en auf bie S^ritifer ner*
bedt, nnb jebenfaUv bie Sonfequen^en ablel)nt, trägt nur bap
bei, bie Sennorren()eit unb Unlauterfeit bc^ gnn^en 2^reiben3
befto offenbarer ju machen. SBer l)at feit ^luan^ig 3al)ren gegen
bie Xnbinger @d)ulc, bie Xrägerin ber t^eologifc^en Äritif, nom
nermeintlic^ miffenfd)aftlic^en, religiöfen unb fittlidjen 0tanbpnnft
miö unermüblid}er gepoltert alö (Smalb? Unb nun ^at er eine (Sk-
fc^iegte Sl}rifti an’öSid)t treten laffen, bie nur alö ein fic^ felbft
miberfpred)enbeö @emifc^ non gläubiger, natürlicher nnb mptl)i*
fd)er ^uffaffung, gehüllt in ben 9tebel einer überfchtnenglichen
nnb bod) ^ngleid) hinterhältigen ©prad)c, bezeichnet tuerben fann.
^)a an biefem Öeifpiel alle bergleid)en fRettnng‘5* unb 33ermitts
lnngönerfud}e fich benrthcilen laffen, mill ich ^’inen ^^üigenblicf bei
bemfelben nenneilen.
Sefnö ift in biefer ^arftellung ber 0ot)n Snfepl)''^, babei
aber fünbloi^ nnb menfd)lidj nollfommen: @igenfd)aften , bie fich
Zmar für ben ©ohn ©ottcö non felbft ergeben, für ben ©ohn
Sofeph’ö aber fd)led}terbing^ nid}t enneifen laffen. Sßon ben
SBnnbern 3cfn merben bie .^eilung^munber gefd)id)tlid) gefagt,
aber nicht alö fchled}tl)in übernatürliche Xh^ten eine^^ ihm iinnoh^
nenben göttlichen ^rincipi^, fonbern alö natürlid)e, mohl and) bnreh
gemiffe ^anbgriffe nemtittelte unb burcl) baö 53ertranen ber Äran-
fen in ihrer 3Birffamfeit bebingte ?(n-gflüffe feiner (iJeifte^madjt
unb religiöfen ißollfommenhcit, al^ ettnaö, baö jebem 5ütenfd)en,
ber fich berfelben ©tnfe inie er erhöbe, möglid) fein mügte.
9lnn lägt fid) ber altfirchlid)c ©d)lng non ben 253nnbern
3efu auf feine ööttlid}feit gar tnol)l hören, nnb ino bie(e‘ im
©innc bcr M'irche anerfannt ift, machen hintüiebernm bic SBunber
554
3}orrcbf s« @cfprfl(^en.
feine 0rf}iüicrifl!eit; and) bag e^ borjngStoetfe .^eilunt^^munbcr
luaren, ftimmt bie Äranff)eit alö SBerf bc5 Xenfclö
betrachtet n)irb, beffen S^eid) ber (55otte^fo()n ^erftören h^t:
mit ber mcnfchlich reliqiöfcn ^oHfommcnf)cit hinßegen, UJO,^u t)ÜT
bie (Gottheit C£f)rifti abgeflärt ift, §ci[ung§mnnbcr nic^t^
,^n fdiaffen; fonft müßte, mo mir höhere ^iefigiofttät finben, menigs
ften^ ein ^^(nfang fotd)er höh^^*^ ^eilfraft 511 bemerfen fein,
bod) außerhalb be^ ©ebietö ber £egcnbe unb bc^ 91berglauben^
nid)t ber ift- Söunber mic 0ünblofigfcit ftammen au§ bem
altfird)lid)en 5^oben, unb fönnen in bem mobernen, in ben fic
fich ohne SBur^el geftedft pnben, unmöglid) fortfommen.
2öa^5 über bie .^ethtng gegenmärtiger ^erfonen hinauögebt,
mie bie Teilungen in bie 5ernc, bie ^obtenermeefungen, bic 0pei^
fnngÖA unb SKafferuertnanblnngömimber fammt ben Xh^ton auf
bem 0ee, alle bevgleid)cn ©r^ählnngcn ber ©nangclicn betrachtet
ßmalb ab3 ©rgebniffc banon, baß, mic er ftd) an^brüeft, „bem
wirbelten ber innerften Prüfte bcö reinften unb höchften ©ciftc^
in ©hviftu^ bic hochgefpanntc ©rmartnng unb ber miOige ©laubc
ber 0cinigen entgegenfam", ber nun in einzelnen Si^t- unb
§öhepunften „allcö baö Uncnblid)c üertüirflicht fal), ba$ er bon
3efu ahncte unb hoffte." ^aö entmeber: SefuiJ machte auf
feine ^Inhänger einen fo mächtigen ©inbrnef, baß biefc rnoßl ouch
SBunber imn i()m ju fehen glaubten, mo bod) SÜleö natürlich <511*
ging. Ober: ber Xrieb, ihren 0tifter ju Ocrhcrrlid)en , mar in
ber älteften ©hriftengemeinbe fo ftarf, baß fich bcrgleicßcn ©r^^oh'
lungen mßthifch bilbcten. SBenn @malb über ba^ 0peifungg=
mnnber bemerft, ma^? bie erfte Sßcranlaffung 5U ber ©rjahlung
gegeben, fei nidjt mehr au‘3^umitteln, jcbenfaHö lehre ßc nur, mie
ba, mo fid) ber höh<^^‘<^ ©lanbe mit ber mal)rcn Siebe oerhinbe,
baö 5frob nie au^ogehe, mic auf ben geiftigen 0egcn leicht auch
ber lciblid)c folge; menn er bicS^erflärungögcfchichtc einen ®erfuch
nennt, ba^5 (Srhabenftc faßlich geftaltcn, mobei alle^ flticbere,
ma‘3 ctma alö Einlaß jnm ©runbe liege, fich in bic rcinftc lichte
t^öl)c oerlicre; menn er über ben Vorgang auf ber |)och5eit ju
ft'ana fagt: „ba^ SBaffer fclbft mirb unter bem Reifte Sefu jum
heften SSei ne", nnb faft friüol hio.^ufeht: „mir mürben un§ biefen
Söcin, ber feit jener 3eit auch wnö nod) immer ßießen fann, felbft
übel ücnoäffcrn, menn mir hier im groben 0innc fragen moHtcn,
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SBombc p bcn ©efpräti^cn.
555
U)ic bcnii (luö bloßem SBaffer im Slncjcnblicf SBcin mevben föimc;
foü beim ba^ SBaffer im bcfteii 8inne beö SBortö nießt überall
iiod) SBein tuerben, too fein (5Jeift in uoUcr Alraft tßätifl ift?'' —
)o ßaben mir an allen biefen Stellen nic^tö ^Inbere^S alö bie ml)«
t^ifeße ?lnffaffnnfl, nuifl fiel) and) @malb biefes 5lu^brncfy, anc^ebs
lid) meil er 511 innic^ mit bcni beibnifdjen fRelißioneiuefen oer=
mac^fen fei, forflfättic; entl)alten. 5lber entljielte er fid) nur nid)t
eben fü forcifälti^, an irc;enb einer Stelle flan^ beftimmt nnb mit
bnrrcn SBorten fagen, baß er berglcid)en ©r^ä^lungen für nn*
ßiftorifd) anfießt! Slllein ba mirb mit nieberer nnb ßößerer @e-
feßießte, mit äd)ter ©rinnernng nnb ßößerer 2)arftcllung, gefpielt
unb gemunfelt, baß bod) ja nod) ein ßciliger ^nnft, nod) ein
Xroft mit oermeintlid) gefcßid)tlid)er ©rnnblage, bie aber ein rei»
ner Spuf ift, übrig bleibe.
^iefe j^meibeutige .Jaltung beßanptet bie Xarftcllung ©loalb’ö
bii3 5um Sd)luffe ber el)angclifd)en ©cfcßid)te, biö ^ur ^^nferfte«
ßung. Söenn er biefe alij bie emige Sßerßcrrlid)nng be^eießnet,
luenn er fagt, ^2llle^, maö Sefuö alä Gßriftnö leiften mußte, fei
mit feinem Xobe oollcnbet geioefen, maö non ißm über baö ©rab
ßinanörcießte, fei fd)on alö griußt unb ^-Birfiing feinet irbifd)en
XßuinJ 511 betrad)tcn, unb geßöre baßer eigentlid) ;\nr G)cfd)id)te
ber Slpoftel: fo ßatte SBeiße gemiß fRed)t , bieß juftimmenb fo jn
beuten, baß naeß (Smalb’s^ 5lnfid)t jene (Sreigniffe nur bem inne^
ren Seelenleben beö ^Ipoftelfreifeö, nid)t meßr ber äußeren Sebenö«
gefeßießte beö 3J?eifter^ angeßören; nnb mir ßinmieberum neßmen
nmS baöffted)t, and) biefe, immer no^ nießt gan^ unnmmnnbenen
'JBorte baßin erflären, baß iöeibe, SBeiße mic @malb , in ben
(ärfeßeinungen be§ Sluferftanbenen nur fubjectiue, pfßcßologifd) ,^u
erflärenbe Sifionen feßen.
®a^ allcö, mie gefügt, märe fd)on gut, mürbe ci nur oß'es
ner auögefprocßen. 5lber freilid), mie fann man bentlid) ßeranö«
fagen, baß man @r/\äßlnngen, mie bie oon bem SBunber ^i\ itana,
nnb OüHenbiS eine fo beftimmte unb umftänblicße mie bie oon ber
^Infermecfnng bei^ Öajarnö, nid)t für ßiftorifd) ßält, menn man
babei mie @malb gegen bie oerßaßte Xübinger Sd)nle barauf be«
ßarren mill, ber 33erfaffer beö ©oangelinmö, in bem fic fteßen,
fei ein ^Ingen^enge, ja ber oertrautefte 5?ünger bcö ,§errn gerne-
fen? Sd)on äöeiße ßat ißm oorgeßalten, mic menig ba^ i^ngeßt,
556
^orrcbe ju ben ©cjprä^icn.
unb firf) baf)cr, mcil er bod; bic iof)aimeifd)cn ^Rcbcn gan^
miffen imi(], feinevfeit^^ ,yir X^cilung bc^ uierten ©üangelium^ in
einen apoftolifc^en unb einen nid)tapoftolifc^en 35eftnnbt^cil cnt=
fd)Iüffen. SBäre nur nic^t gcrabe bicfc^S ©uantjelium felbft jener
un(]cnä()tc Seibroef, üon bem ciS unö cr^ä^It, um ben man
lüofen, ibn aber nidjt , zertrennen fann. ®auon finb nun Icibcr
olle bic ^tnfic^ten unb ^arftcüungcn, bic Ijeutigci^ Xagcö jtuifc^cii
bem ftreiii] fird}tidjcn unb bem freieften fritifc^cn ©tanbpunftc
bermittcln mödjtcn, ba^S (^crabc ÖJeqcnt^cit: fic .finb auö allerlei
fjepen ber uerfc^icbenften 0toffc zufommenczcflicft, bic unmöglich
in bic finngc zufflnimenpaltcn fönnen*).
Unb um füld;e, uic^t im eblcn ^ampf ^erfebte, fonbern t»on
§aufc aufJ (umpicic unb gcftücfeltc 5al)iicn folltc fid) eine @e*
mcinbe, füllte fid) inöbefonbere bic tl)cü(ügifd)c 3ugcnb fammeln?
Um meni(]ftcnö ba^^ ße^tcre z» crreid)cn, merben ganz befonbere
1) 3)ö i(^ fjicr jutäHifl auf ßwaR) ju jpred^fn gctoimncn bin, teirb man
öiclleid^t ein 3Bort über bie Unocjoflcn^eilen non mir erwarten, mit benen birfet
Wonn feit einer 9lei^ie non Sauren mirf) ju ttberfe^ütten ni(t)t mllbe wirb. 34
fnnn ober nur faflen, ba§ unb warum i4 mi4 um biejetben webet bisher ge*
fiimmert ^abe, no4 fortan tümmern werbe. SDaS will man mit einem Wanne
machen, ber offenbar ni^t üured^nungSfä^ig ifl? 3n öon ©elebrten*
bünfcl löngft am Uebcrfdfjnoppen, t)attc it)m feit feinem SGßeggang bon ®5ttingen
bie ßinbilbung, nun gar au4 eine politifd^c ®r5fee ju fein, ba§ (Se^irn nollcnba
jerrüttet, 2Bie er fid) bann ^erbeilieft, ben Stuf na4 3^übingen onjune^men,
glaubte ber ©öttingev ^rofeffor, an ber S^wabenuniberfität eine ^ufnatime an»
fpre^en ju bUrfen, äljnlid^ ber be§ Drp^euS unter ben ^eftien, ober bc§ Go*
lumbuS unter ben IBewol^nern ber neuen SBelt. fom aber anbcr§. 5;ic
Sebwoben fanben feine ©elebrfamfeit ni^t unerhört, wo^I ober feinen
mutb. X'abei bermi§ten fic pbilofopbifcbc 2)ur4bilbung beö 3)cnfen§ wie b»*
nmne be§ Gb^iottcrS. Sieben Gincm Wanne befonber§, bem fein nabe
fteflte, tonnte er in allen biejen iBejicbungen ni(bt ouffommen, unb in einer
woblbefannten Slnftalt war eine Silbung brrtönimlitb, ber er nicht Genüge tbat.
Daher halb bic wütbenben SluSbiüdbc feines J^affeS gegen fenen Wann unD
beffen Schüler, biefc Slnftalt unb ibve Ginriebtungen. Unb uneraebtet feine toer«
unglüdtte S(b*oabenmijfion ietjt löngft beenbigt ift, febren bcnnccb, jwifeben tbeo*
logifcbcm Crafeln, politifebem 3rrercbcn, Senbfebreiben au ^apft unb Garbinfile,
jene UButbanföllc unb SluSfflfle regelmäßig wicber. 3^ fieutc
einer gewiffen 9Irt ouf ber Stroße nadblcb^’^icn, ber tbut am flügften, feines
2Begc§ rubig weiter ju geben.
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®orrcbc ju ben @ciprö(^cn.
657
2J?ittcI fein. Huf biefe Sußcnb bringt ja in ber Htmo^
fppre ber §orf)fcf)u(cn ber (^cift ber Steuerung am gemaltigften
ein. SäJic gcfäljrlid) finb glcid) bic Sßürbcreitiing^miffcnfc^aftcn!
^ie ^l)ilologic mit i()ren alten Reiben; bic ^l)ilüfüpl)ie nun gar
mit i^rem nod) immer nic^t übertnunbenen panttKiftifdjen §ang.
$ier tocig man fid) ^mar babiird) 511 Reifen, bafe man nid)t leiert
met)r einen ^^l)ilofopl)en anftellt, C‘5 l)abe il)m beim juüor .^crr
5id)tc ber 0ol)ii ober §crr Söci§c ber @nfcl (mie einem 0d)öit5
l)cit^maffer ober S53an;\enpiilocr) bic Unfdjäblic^feit atteftirt; mo*
rauö fid), beiläufig gefügt, bie ftaunenöiocrt^c Ölütlje ber ^l)ilos
fopl)ie auf unfern bermaligcn $od)fc^ulen l)inlänglid) erflärt.
Hber bie fd)limmen gebrueften Öüc^er. 2öer mci§, ob ber Sau^
bibat nic^t in^^gcl)cim ben ^)cgcl, ben geuerbad) ftubirt? 3D^an
muft il)m feine 3^'it baju laffen. 9Äau mu6 ba<§ oorbereitenbe 0tus
bium möglic^ft abfürjen, unb maö bie $auptfad)e ift, gleid) oon Hiu
fang 5tüifd)en bie pl)itolügi)d)en uub pl)ilo)opt)iid)en 33orle[ungen
tl)eologifd)c ein[d)ieben. 0o ftört man ben Huöbau einer mobernen
2öcltanfd)auung in bem Äopfc bCiS 0tubireuben, fo geminnt unoer^
merft fein^ori^ont bic fird)lid)en 0d)raufeu, über bie er bolb nid)t
mel)r l)inauöfie()t. Um HUeö barf er fid) nie bie reine 5rage ftetlcu:
maöift mal)r? foubern nur: toie oicl barf ic^ einräumen, ol)uc mei='
ner geiftlid)en 53cftimmung ctmaö 311 uergebcu? Hu biefem gaben ift
bann ber (Sanbibot aud) mäprenb feineö eigentlichen tl)cologifd)cn
0tubiumöju halten. 9tid)t frühe genug fann man ben fird)lid)cn @ifer
in ihm meden. ^aö geiftliche $crrfd)cn hat aud) in ber proteftanti^
fehen irche, ber cö eigeutlidj fremb fein follte, uub in ber menig*
ften^ in®ergleid)ung mit ber fatl)olifd)cu merflid) bcfd)rönft ift, einen
unmibcrftehlid)cn Üteij. eeelcn leufen, gau^c '43cüölfcrungen uub
einzelne einflu6rcichc, oft auch übrigen^ fehr oerftänbige ÜUfcnfd)cn
an geheimem ^anbe führen, oiellcicht gar einmal hal)c, ja aller*
höchftc 0eclcn 511 regieren befommcu, melch locfenbeö Q\c[ für
ben jungen ^arch welcherlei Hufid)tcn man fid)
in ber Prüfung unb fonft uormärt^ bringe, burd) welche bagegeu
fich jebe Hu^ficht ocrfd)lic6e, barüber laffen bic ,f)crreu Dom
Äirchenregiment fein ^unfcl beftehen. Hlfo — fort mit Äritif uub
ßwcifel! ich glaube, $crr if'irchenratl)! fo gewiß aU 0ic felber
glauben.
®ie f^Jewaltfamfeit, mit ber ein fold)er (ianbibat feinerer*
558
Sorrebe 3u ben ®efpTö(^n.
nunft äum 0c^tücigcn gebracht mxU nun aber burc^ baö
ganje ßeben in ir^m nac§. ®r ift unbulbfam gegen 5(Uc, in be^
nen er eine minber fügfamc Sßernunft alö bie {einige antrifft
ober auef) nur oermutljet. Sein ganjeö Sßefen bemalt etnjaöUn*^
gefunbeiS, Seibenfd^aftüd)e^ ; er ift, bei aller ^^itbnng oieHeict)t,
bei aller ©elbftbe()en:fc^ung, bod) im Snnern ein göncitifer. Unb
nun frage ic^, ob ba^ nic^t ber ^urdjfdjnittdc^arafter unfrei
tl^eologifc^en ^^ac^mudjfeig ift? ®ie jungen Seute fann man be*
bauern; ber SJormurf trifft bie Se^rer unb bie Äirc^enbebörben.
^m meiften jebod) ift baö S^olf ju beflagen, beffen fünftige fRe^
ligiom^s unb ©ittenlc^rer ju nid)t^ früt)er unb eifriger ange^alten
toerben, aU ben unbefangenen 2öal)rt)eitöfinn in fic^ ju ertöbten,
fic^ felbft 5U belügen.
^)iefem neufird^lidjen Unmefen gegenüber l)Qi M böupt=
fäc^lid) aus Slnbängern Sc^leiermac^er'^ (nad)bem übvigeuiS meh-
rere feiner betrauteften ©djüler l)öc^ft oerberblid^e Pfaffen gemor*
ben finb) ein Äreiß oon 3old)en gebilbet, bie iiac^ beö 9)^eifterß ®or*:
gang baö fromme ®efül)l betonen, bie c^riftlidje {Religion oon
ber Xl)eologie mol)l unterfd;ieben, unb ber leiteten bie gorfd)ung
fo meit freigegeben miffen mollen, ab5 e§ unbcfc^abet ber erfteren
gefc^et)en fann. ÖJemiß, bie {Religion berul)t nid)t auf ber^ljeos
logie, fonbern umgefel)rt; allein bie {Religion bilbet fic^ naturge^
mä6 eine Xfjeologie an, unb meun biefe anbrüdjig mirb, fo fann
aud) jene einer {ßeränbening auf bie Sänge nid)t entgegen. ®e^
S3auiueö Sebeu ift iiic^t im §04, fonbern in ber {Rinbc, bem Saft,
bem «Splint; morauö fid) aber aHjäl)rlid) neue ^oljringe abfe^en
unb bem üöaum ©eftalt unb Haltung geben, ^un befommt ir^
genbujo bie {Rinbe einen {Rife, geuc^tigfeit bringt ein, baö §olj
fängt an ju faulen, mir paben einen öaum oor unö.
2)iefcr 93aum ift bie heutige iJivebe unb 3^beologie. ®aö
$ol^ ift baß ®ogma, baß ift t^eitß febon gefdjmunben, tbeilß
faul unb mit bem ginger ^u jerbrüden mobin man rübrt. ^)ie
{Iteligion lebt noch, eß fteigt noch Saft burd) üöaft unb {Rinbe
in bie Steige unb {Blätter auf; aber Sdjönbeit unb S^aft beß
{öaumeß finb babin, ber näd)fte Sturm brobt ibn ^u fpalten ober
gar um^ureiSen. {Da legen fieÄtlammern um bie riefte: baß finb
bie {öeicbtftüble unb Ätniebänfe, bie neuen {llgenben unb bie neue
iiird}en^ud)t, mit ber man ber proteftantifdbe« Äirdje aufbclfen
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lIBonebc in ben ®e|brfi(^n.
659
möchte; aflciu biefe plumpen ÄiQimncrn tüürbcn, lueim ber Sturm
fommt, ben gaU bcö 33aumcö nur befdjleuuiöcn. 3d) bin fonft
fein greunb üon langgcfpouncneu ^IHcgoricu; aber biefe ift bie
Sad)e felbft.
gür bie firc^lic^r ^rojiö, für bie ^^^ätigfeit be^ ©eiftlidjeu
at§ ^rebiger unb Scclforgcr, ift ber Stanbpuuft jener Schleiers
mac^er’fc^cn greunbe gemife ber befte ber fid) üorerft eiuncl)meu
(ic6, unb cö fann fid) auf bemfetben, mic bie (£rfai)rung jeigt,
eine t)öc^ft fcgciiöreic^e gciftlic^e SSirffamteit entmideln: aber
miffenfc^aftlid) ift er fc^mac^, meil er uon ber 2f)eotogie möglid)ft
abfici)t unb abfct)en mufe.
33on feiner Seite, finbe ic^, fagt man gerne ba^ lefjtc auf*
richtige Söort. Unb marum beim nic^t? 3ft eö bod) unter aücn
nur einigermaßen ©ebilbeten unb ^enfenben löngft ein offeneiS
@ef)eimniß, baß Äcincr met)r an baö firc^lic^e ^J)ügma glaubt.
3u glauben glaubt, ba^5 räume id) ein; aber mirflic^ glaubt, baiJ
leugne id). gär Äcinen mcl)r ift baö apoftolifd)e Si)iubülum ober
bie Slug^burgifd)c Sonfeffian ein angemeffener 5luebrucf fcincö
religiöfen Öemußtfeinö. Ä\'iner glaubt mel)r an irgenb eineö ber
neuteftamentlici^en 3Bunber (uon ben altteftamentlic^en gar nid)t
ju reben), uon ber übernatürlichen (Smpfänguiß an bii? jur|)ims
mclfal)rt. ©ntmeber er erfläit fic fid) natürlid), ober er faßt fie
alö Segenben. Unb ftcl)t eö bei benfenben 2aien fo, fo ftel)t e^
bei ben ©eiftlichen, mie mir gefe^en haben, nicht beffer. äBoju
alfo bie SSinfe^üge? Sßoju bie Heuchelei oor ^nbern unb oor
fich felbft? 3ft bcö aJienfchen in feinem ^erl)ältniß jurfRclis
gion mürbig, fich ihr gegenüber mie ein feiger unb tücfifcher
Sclaüe mit halben SSJorten unb leeren ^lueflüchten ju behelfen?
Söarum nicht offen mit ber Sprache herdu^flrhen? ^arum nicht
gegenfeitig befennen, baß man in ben biblifchen ÖJefchichten nur
noch 3)ichtung unb 2Bahrl)eit, in ben fird)lid)en Dogmen nur
noch bebeutfamc Spmbole anerfennen fann, baß man aber bem
fittlichen ©ehalt bce ©hnftenthumd, bem (Shf'raftcr feinet Stif*
tcri3 (fomeit unter bem 2öunbevgel)äufc, in bae feine erften 2ebenö*
befchreiber ihn geftceft halben, bie mcnfchlid)c (iJcftalt noch ju er*
fennen ift) mit unoeränberter 35erehrung jugethan bleibt? 5)och
ob mir uuö bann mohl'noch (^hriften heißen bürfen? 3ch toeiß
evJ nicht; aber fommt eö beim auf ben ^Jtamen an? ^)ad meiß
560
Sombe 3u ben ®efptfi(^en.
bag n?ir bann crft luiebcr tool^r, rebUd^ unb unDerfd^roben,
alfo bcffcrc älicnfc^cn fein tucrbcu, alö biöfjcr. §luc^ ^roteftanten
merben wir bleiben, ja bann erft red)te ^roteftanten fein.
3m C^vunbe ()aben einfid^ti^uolle ÖJeiftlidje mit ^ogma
unb bibtifc^er (^efd)id}te längft nic^t anber^ gehalten. SGÖenn
0d;lciermad)er über eine 2öunbererjäl)lung ju prebigen ^atte,
pflegte er fie regelmäßig Jiu allegorifiren. ^ei anbern Xejten ^ob
er nic^t bie bogmatifc^e, fonbern bie pfl)djologifd)e unb moralifdjc
©eite tjcrüor. 9^lur über bie ^erfon (S^rifti liebte er ju bogma^
tifiren; boc^, wie fid) nadj bem früher gejagten Don felbft uer^
fteljt, in ganj anberem al^ bem firdjlid) rechtgläubigen ©inne.
war gleid)fam eine Soiwerfation mit bem SDknfchhcit^ibeale,
beffen iöilb ©chleiermad)cr baburd) für fich unb Slnbere lebenbi*
ger unb anbringlicher machte, .ba& er e3 aU wirtlich einmal in
beftimmten menfd}lid}en ^erhältniffen bagewefeneö unb in ber Kirche
perfönlich fortwirfenbe^ fid) uorftellte. Uebrigenj^ waren biefe
d)riftologifirenben ^rebigten teineöwegö feine beften, vielmehr jum
großen Xheile üon einer gewiffen Sintönigfeit fo wenig ali3 baö •
uorjug^weife d)riftologifche (Suangelium freijufprechen ; weit reidjer
an realem (behalte waren bie pfi)d)ologifch^müralifd^en, wie jene
feitbem auch im ®rucf erfchienenen Vorträge über ba^ SD^arcuö^
euangelium, bie ber ©d;reiber biefer SSorrebe einen Sinter lang
in unuergeglidhen ©onntag^=grühftunben felbft mit angehört hot-
Slehnlid) wie ©chleiermadher üerfahren uerftänbige unb gebildete
©eiftliche, fo weit fie nicht neufirchlich pifirt finb, h^^itc nod). unb
tl)un ben Sßerftänbigften unb gewig aud) ben iöeften ihrer
rer bamit ©enüge.
Senn ein ber leiblichen 9lotl)burft bienenbe^ @r^eugni§ ber
iJrembe fo allgemeines^ 33ebürfni§ geworben ift, ba^ e^ trop aller
@infuhrl)crbote bod) fortwährenb in SWaffe eingefchwär^t wirb,
wa^ thut eine flUge unb Wohlmeinenbe9?egierung? ©ie läßt eö
gegen mäßigen ©ingangö^oU ju. $)iefer ©ingangejoU fei
bie ^Verpflichtung jum gefthalten an ben fittlichen Sal)rhciteu
beö Sh^iftenthum^, jur Dichtung für bie füllen, unter benen fie
ber SU^enfehheit 5uerft ^um 33ewußtfein gefommen, jur ©dhouuriQ
berer bie biefe füllen nod) nid)t miffen mögen, ©perrt man nur
ben @eift nid)t gewaltfam ah, jwingt man nur 9Ziemanb 5Uin
iiügen unb heucheln, fo wirb fchon ^Ue^ Don felbft werben.
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$^ortebc ju ben Öej^rä^icn.
561
Smmer mcl)r feigen n?ir ja bic pl)nntaftifc^c 0tra^(cnbred^ung
fdjiüiubcn, bic ber 3)?cnfd)I)eit, lua^ fic ftet^ nur auö fid^ fclber
fc^opfte, al^3 non äugen fommenbe Offenbarung üorfpicgcltc. SBcm
gelingen tuirb, aihj benr begriffenen Sßefen bei> iüicnfcgcn in
feinen natürlidjen unb gcfelligcn ^crl)ältniffen §UIeö n>a^ igm ob^
liegt, loaö il)ii ergebt unb berugigt, üollftänbig unb fieger obju*
leiten, unb bieg faglid) unb ergreifenb für 5Illc bar^ufteüen , ber
lüirb bic @efcgid)te ber iHcligion bcfcglicgcn.
Tag Xgema, in baö id) ba gincingcratgen bin, maegt mir
alte luiebcr neu. (Sben in biefen Xagen ift ein SSier=
tcljagegunbcrt, bag mein Seben 3efu jum crftcnmal in bre SBclt
auögcgangcn ift. ®ie Xgeologcn merben ba^ fünfuiibjuianjig^
jägrige Subiläum bie(cö 33ud)cö fcgmcrlid) feiern moUen, uneraegtet
inegr ai^ hinein üon ignen erft ^u allerlei gübfegen ©ebanten.
bann ^u Slmt unb SBürben ncrgolfcn gat. 5lber gar maneger
befferc SÖ^enfd) in allen fianben, ber non bem ©tubium biefcS
^ud)§ feine geiftige 53efieiung batirt, ift mir, baö mcig id), lebend*
länglid) bantbar bafür, unb mad)t fo, ogne baran 5U benfen, im
©tillen bie geier mit. 3d) felbft fogar tönnte meinem 53ucgc
grollen, benn ei? gat mir (oon Sfledjtömegcn ! rufen bie frommen)
uicl ©öfe);? getgan. gat mid) oon ber öffentlidjcn Segrtgätig«
feit auögcfdgloffen, ju ber id) fiuft, uiellcid)t aud) Xalent befag;
ciS gat mieg a\i^ natürlicgcn SSergältniffen gerau^geriffen unb in
unnatürlid)c gineingetricben ; es gat meinen Seben^gang cinfam
gcmad)t. Unb bod), bebenfe id), maö auö mir gemorben märe,
menn icg ba« Sßort, baö mir auf bie 0cclc gelegt mar, oerfcgmic*
gen, menn icg bic ßmeifel, bic in mir arbeiteten, unterbrüeft
gätte: bann fegne id) baö iöueg, mid) jmar äugcrlicg fegmer
befegäbigt, aber bie innere ÖJcfunbgcit bed ©eifteö unb ©cmütgö
mir, unb i(^ barf mid) beffen getröften, aueg manegem Hnbern
noeg, crgaltcn gat. Unb fo bezeuge id) igm benn ju feinem
©grentag, bag c^ gcfd)riebcn ift aiiö reinem ^)rang, in egrlicgcr
Slbficgt, ogne Seibenfegaft unb ogne iJlebcn^mccfc , unb bag id)
allen feinen CiJegnern münfegen möcgtc, fic mären, al^ fic bagegen
fegrieben, cbenfo frei uon 9Iebcnabfid)tcn unb JJönati^muö gcmcs
fcn. 3cg bezeuge igm ferner, bag c$ niegt mibcrlegt, fonbern
nur fortgebilbet morben ift, unb bag, menn ictjt menig megr
gclefcn mirb, bieg bagcr fommt, bag cö oon ber ßcitbilbung auf?
VII. 36
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562
®orrcbc ju bcn ©cjpräd^cn.
gcJoQcn, in ade Slbcrn bcr Ijcutigcn Sßiffcnfd^aft cincjcbnmgcn
ift. bezeuge i^m cnblidj, ba^ bic gongen fünfuub^tpan§ig
3abrc ^cr über bic (SJegenftänbe , uon benen cö l)anbelt, feine
ßcile uon ^ebeutung gcfdjviebcn luorbcn ift, in bcr fein ©influfe
nid)t ju er f ernten tuärc.
®od} ujoö rebe ic^ uon mir nnb meinem 33nc^ ? ^vufltc
ja bicßmal einen Slnbern, (^rößern cinfntjrcn; einen foldjcn Oders
bingö, ber über biefe S3orrebe, fönntc er fic Icfcn, gemig nm
tuenigften jürnen mürbe.
^cibelbcrg, im 9Wai 1860.
^auib 0tran6.
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'Mbrtnu , Cfaröinal , imc^maB '4Japft
Ttbrion VI , IfiL
X’llbcr, Gra§mu§, 481.
'Klbrcc^t oon 5?rnnbenburg, i?urfürft,
Rrjbift^ol unb (forbinnl, 11. 37.
72 I 75—77. im 205u 20£L 21S.
224. 248. 25Ü. 2ß22>83. 318 f. 4ÜL
441L 44iL 41ü f. 524—527.
TUbrcc^t, ^oc^mcifier, fpäter^crjog in
^reufecn, 524.
'KtbuS ^HanutiuS 3(1 130.
VUconbcr ^tcronbmuS, 318. 337. 397 f.
?lniftbQ(^, 50rafiliu§, 497.
'ilnbrennu§, ÖQuftuS, TL
'2Iu0il, ai^olfgang, 24. ML 2AM 247.
'flguilü, (lQ§par, 32.5. 433.
ai|ulanu§ 130.
'Äufjö^, a^ctcr oon, 127.
aiugufliiT, '^robfl, 56.
aijungiü, a^fter, KL 50, a^ubliuä 5Bi»
gitantiuS ^ocillonuS, 36. 38. 49 t.
a3onnifi§, 3lacob non, 217.
a3«atu§ 91bfnami§, 19. 466.
®ef)aim, 2orcnj, 136. 192.
^ombafiu4, '.poul, 1 14.
aSo^bfim, 3o^aiin bon, 468.
aJrunfelS, Otto, 416. 420 |. 445 f.
482. 483 f. 185. 498.
53ucer, ailortin, 325. 335. 355. 397
406 f. 415 i. 433. 439. 445 t.
^udott), ^finrit^, 43.
'8ubäu§, aOil^elin, 205.
a?ÜIon), 2)ietrirf) oon, 36. 49.
^ujcbe, ^ermonn öon bem, 12. 17.
40. 77 f. 156—159. 193. 206.
397. 410 t. 483.
a3u§tob .K., ^crjog üon a-^ommern, 47.
e.
6äforiu§, 3ot)ann, 17.
ÖQiclan, Oarbinol, 223. 248. 256.
294 f. 299.
ßolcogninuS, 6öliu§, 129.
6anicrariu§, 3oa^im, 13. 16. 31.
157. 200. 300. 497. 500 f. 507.528.
ßanter, (BebrUber, 22. 50.
Cnpito , SBollgong O^obrictuS , 314.
319. 368. 416.
ßoraccioU, 9)?ottno, 318. 398 f.
Garbac^, 9licoIau8, 247.
6elti8, i^onrab, 20. 32. 4(L 56.
Ooc^lfluS, 3o^ann, 118 f. 121. 128.
131. 201. 264. 274.
6onimitiu§, (^eorg, Tonnftetter, 19. 57*
CoppuS, ®rcgor, 245.
6oritiu§, Sobonn, 114.
6rocu8, IRicbarb, 124. 161. 165. 183.
6ronberg, ^ortmutb üon, 419—422.
437. 414 f.
564
^amcnrcgiflcr.
6rotu§, 3o^ann, 9iubianu§, 8. 13 f.
16 f. 20 f. 25 f. 33. 49—51.
53—56. 105-108. IIL ITL 13£L
155. 186-188. 194. 288. 304— 307.
312 f. 318. 335. 331 f. 405.511.
522—529.
Dürer, ?llbrcc^t, 228. 232. 5TL
iE
eberbat^, ^etcr, 28 f. 56. 193. 282 f.
©ber^orb im IBorl, 137.
6bcrpcin, ^Jlongolb öon, 7. 321 f.
'Änm.
öberftein, @raf, 41.
m, 3o^ann, 283. 311. 313 337.
ßgnatiuS, 33opti|lQ, 130.
(5m§, 3o!ob bon, 66.
ßngentinuS, ^^ilipp, 53.
ßppenborf, ^cinridb öon, 459 — 462.
465 f. 468 f. 480. 490.499. 512.
(SraSmuS, DefiberiuS, 8. 12 50. 71 f.
108. 110 [. 114. 119. 129 f.
132-134. 149. 155. 161. 163.
183. 189. 192 195. 209. 240.
253. 256 I 262 307. 310 f.
316. 395 409 f. 448—484. 495
504 f. 611—514.
6|(^eiifclbcr, S^riftopl), 307.
3r.
Oober bon 6taple§, 135. 206.
gobriciuS, Ulri^, 22 50.
8rO(^u§, ©alt^ojor, 50. 52 63 f. 124.
Sferbinonb, 6r3^erjog bon Oeflcrrcidb,
267. 301 f. 312 f. 316.
gfettic^, D^eobolb, 396.
tJicinuS, 5JlQrfiIiu§, 135.
2fi|(^er, ^riebrid^, 117 [. 22L 260.
^IcrS^cim, ^^ilipp bon, 372. 445.
i^önifeca, 3o^ann, (9JlQbcr), 218.
5ranä 1^ ffönig bon i^ranfrei(^, 1 16.
253. 267. 446.
Sriebric^ Jll., i?aijcr, 2 137. 220.
^riebrid^ ber Söeijc, Äur[ür[t bon
[cn, 29. 136. 209. 327—331. 509 f.
gfriebric^, 415
groben, 3lo^Qnn, 468.
OfrutibSberg, (Scorg bon, 254.
5urf)8, ^InbreüS, 305; 3afob 72 86.
IIX 122 192 202 305 f.
öürftenberg, ^^ilipp, 273. 310, 42L
öngger, 244. 269. 276.
©.
®niiiSl}orft, OötoQlb, 462
@eorg, ^fotjgraf, bon Speicr,
151.
iSerbcI, 9lifoIauö, 120. 122 f. 160.
©crolbSccf, 2:l;cobQlb bon, 494.
Okuber, ©ebrüber, 1 18.
©Inpion, 3o^nnn, 406.
©larcQnuä, ^cinric^, 19. 497.
©laubcrger , ?lrnoIb , 254. 258.
261-264. 272 289. ^ Äuni*
gunbe, 262. 274.
©oubo, 3üfob, 22 50.
@rntiu§, Ortuin, 17. 147. 149. 160.
171. 176. 184. 196 [.
©rejemunb, ©ebrüber, 22 50.
©rimoni, ßarbinnl, 152 16L
®ro§, ©eorg, 2i7.
§QCU§, S^riflof, 245.
^onbjcbudbgbeim. Dietrich bon, 372. 4 1 ft.
Jpnrlem, ©cbert, 45 42 194.
^Qrtmnnn, ^Burggraf oon i?ir(bbcvg,
goabjutor unb jpfttcr ?lbt ju gulba,
12 50.^130. 188.
^Qlftcin, 9)lQrquarb bon, 72 85
^eefmann, 3o^onn, 61.
9iQmenrc0iftcr.
5üß
J^cgiuS, ^lejonber, 29. 156.
^erjog oon ^rounjc^iüfig, 82.
^)cl[cnpein, Ulrtc^, ©rof ton, 218.
J^frbcrjtein, 8igmunb ton, 218.
.'5)cffu§, Jrpcliu§ ©obon, E 25—29. 95.
38. 49 f. 109 t. Uli. im m.
155. 157. 159. 193. 282 f. 300.
405. 411—413. 491—493. 506 [.
518-522.
i^cucrling, Jiicmann, 156.
J^od^jlroten, 3afob, II. LLL 151 [.
154. 156. 16L 172 f. im 206.
280 f. 316. 342. 472.
^ol^^oufen, ^ommon ton, 261. 263.
J^orläuS, ^ofob, 25 f.
Jütten, Srotoin ton, 5. 24. 17 f.
109. 204. 320. 441. 445. J^)anS,
79—83. 88. 91. 96 r. 99. 256.
fiorcnj. 7. 244. fiubtoig, 4 f. 24.
47. 79. 81.83—87.95. ÜE ^Jiorij,
500 f. Ottilia (lUri(b’§ 'Uluttcr), 7.
359. 49a Ulricb (lUricb’4 Jßatcr),
5.7U3. 53—55. EL 104. 109.418.
3oo(^im L, i^urftirft ton ^Brnnben»
bürg, IL 36.
Slo^onn, ^fnlagraf ju Simmcrn, 376 f.
3o^onn Siccro, Äurfürfl ton 5?ran^
bcnburg, IL 3E
3o^ann ton §cnncberg, ^bt ju fjrulba,
10 f. 12 f.
3ona§, 3uftu§, 3a 164. ISE 407.
3uliu§ II., 24. 68-71. 213.
Ä.
fforl IV., ÄQijer, 7E 29a
Äorl V., i^Qtfer, 267. 3ÜL 312.
326 f. 3EL 353—355. 395 f.
402—406.“
Äettcnbac^, J^cinricb ton, 442.
i^oClin, Äonrob, 17. 143—146.
9.
Scmpartcr, ©rcgor, 9L
2nng, 5)lQttOäu§, 5?i|djof unb Oarbinol,
64 f. 9E 243.
2cc, ©buQrb, 310 f.
2co X., ^a\)% 116. 123. 129. 151 f.
153. 163. 202—204. 213. 22L
246. 267. 286. 318. 338-340. 343.
2coniccnu§, 91ifo(au§, 129.
Öinbt)ol}, 9o^nnne§, 36 f.
Sobering, 3o^ann, 4E
2öQ, J9ebcg unb i^cnning, 43—51.
Subttig XII., Äönig ton ^i^anftcic^,
5E TL 116.
fiubmig V., ifurfürft ton bcr '-Ofalä,
25L 487.
Sutbcr, 5Jlartin,E IL 195 |.2Ü5. 2ü8r
223. 27a 283-285. 305—307.
313—315. 332 f. 336—343.
369—371. 39L 405-412. 453
— 456. 463 r. 47L 474 f. 476.
463. 488. 526 f.
3)ialt;an, 2loncbim ton, 6E
^Jlnnon, lUricb, 43. 4E
'JJlariuS, 50.
3Jlari(bn(f, ^lifoIauS, 25. 48 t.
^JlajimUinn L, i^oijcr, 56—60. 65 f.
85. 91 f. 95. 98 f. 113. 116 f.
122-124. 137. 14L 15a 198—
200. 215. 22a 227. 25L
^cloncbt^on, ^bUipp, 8 |. lia 157.
283 I 312. 343. 48E 50L 5ia
Genius, 3uftu§, 184 f. 527.
gjlfpcr, ^eter, 143. 15E 19L 207.
420—422.
^Jlörtin, ©cbrüber, la 5a
5Jloic£lQnu§, ^ftruS, 313.
SJlutinnuS, ftonrnb, Stufub, E 17, 22.
2a 29—35. 50 t. lOL lia 132.
14a 155 f. 282. 507—511.
9jQmcnreoiftcr.
5(;G
9ictlc5()cim, 'JlflrippQ von, oh'».
'J^iflcmann, 3oorf)im, Al^
DJueimr^ A^crmnnu, @vq| oon^ 22. 15G.
lüiL 20G— 210. 22&
C.
Ccfolnmpübiu^, 3o^ann , 218. 325.
410. 433. 14(». 402. 405. 517.
Cflen, 3o^ann mib ?ncfnnbcr uon, 3(L
54 f.
%
'4Jnucr, 3rtJot>/ 4iL
^Vutinger, ßonrab, 24. ir»3. 108—
2ÜÜ. 211. 224. (ion^tnnjc, 110.
^Mefferforn, 3oOtinn, in ilöln, 141 f.
140—143. 141. 143. 152. 150 |.
180. 210. Xcr in ^allc ocrbronntC;
14
3u(iul^ üon, 218. 305. 524.
'.pljinpp, fianbßrnt non ^cj|cn, 438.
4SI. 520 f.
^icuä, 3o^ann, ftnif non OJliranbula,
33. 135. 140.
'^lird^cimer^ ÜOUiboIb, 8. 100. 118 f.
110. 154. 104 [. 227—235. 210.
281. 305. 310.393. 514—518. 520.
'lOftoriS, SlloternuS, 17, 25.
^riftioS, Splocftcr, 153. 306.
'.prugner, 91ifoIau§, 403 f.
JH.
9?ei|(^o^,^an§2fon^arb uon, 25G. 250.
3icm, ?Ifgibiu§, 02. 218.
5Remüclu§, 22. 5a
9ifucblin, 3oIjann, a 12. 5a 77 f.
108 L 134. 132— 1G4. 1G5 f. 170.
105. 20a 222. 255. 270 - 283.
342-344. 451 f. 520 L
9?eutcr, Äitian, 51
5R^ngtu§, 3o^ann, ?lffticampianu§, 11.
la 21 24 f. 36-38. 40. 50. 171.
9l^cnnnu§, 'J3catu§, 4GG.
9?ld)arb oon ÖrciffcnclQU , Srjbijt^of
unb ilurfürft oon Syrier, 438 — 444.
487.
SliciuS, ^aul, 243.
Siojenberg, Spielt oon, Oa
O?olcn^nn, Sebaftinn oon, 285. 332.
JRuffingcr, 3o^onn 3oIob, 91bt ju
•iPföferS, 431
JHujfuS, Cubtoig, 205.
S.
Snbina, ^»erjogin 311 ilOürtcmbcrg, 80.
31 f. 34 f.
eüuernmnn, (^corg, 118.
'Sc^Iör, ^altl;ü|nr, 430. 4RG.
3rf)inib, Oun^Qtb, 400.
'Sdjiiegg, Jgan§, 404.
6ct)bffer, 3o^i>nn, 320.
Schott, 3obnnn, 410 f. 4(;0. 483.
6cbionlba(b, ®forg oon, 151
£d)tocbcI, 3o^ann, 325. 433
8icfingcn, ^röna oon, 252. 254 f.
253 201. 270—284. 314 f. 321
—323 342. 351. 308 L 372—370.
382 -303. 395. 403 409 f. 414 f.
418—421. 430-435. 43G-447.
485—489. SdoDcidorb oon, 5ron-
jen§ 31üter, 322. ^ronjenS 65^ne,
485 f. 488.
6pät, 1)iftn(^, 93 262.
Spalatin, 0corg, 13 3h 309 f. 39G.
©pifgcl, 3afob, 108. 203 217. 224.
etob, 3o^nnn, 103 200. 211. 224.
Stfin, Citclnjolf oorn, 10—13. 10.22.
3G-38. 73-78. 155.
'Etoientin, 33alcntin, 37.^41. 47,
Streitberg, Öcorg oon, 108.
Stromer, ^einrit^, 204. 217. 224.
242. 283 312.
9lomenrcflifter.
m
©corß, 28. 519.
X.
JcmoniuS; 35. 50.
JcrbotiuS, 218.
Äonrab Don, SO f. 259. Hr»
jula t)on, SO. 91 f. 100. 255.
®tanUInu§, 51L
JrebcUuS, /pennnnn, 51oüanu§, SfL
Sa 42. 19 f.
Jrud^jc^, 2:^omQ§, 151.
118.
iunbotuS, 10.
Jüngern, ^Irnolb öon, VL 143. 147.
149. m Ifiü.
U.
lUrid^, ^erjoQ 5u 2öürtcmbcr0, 79—82.
85—103. 125—127. 131. 150.
IßU. 200. 219. 251—259. 28L
Urbon, ^cinrid^, 30. 32 f.
Uriel, Äurfürft non ^kinj, 138.
Fabian, 3oad^im, 19. 41 f. 45. 56. 60.
58oflanb, ?(nibro[iuS, 103. 259.
3Ö.
UOncler, 3ol)ann, fS3igiliu§), 134.
ÜOeigev, 3of)ann, 51.
aikrier, «eit, 38. 444. 505 f.
aßil^elni, ^erjog non «oiern, 92. 254.
281. 342.
aßimp^eling, 2tnfob, 23 f. 50. 52. 191.
aBinipino, Äonrob, 36.
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3.
Särtün, Äonrob, 394.
3n[iu§, Utri^, 101.
^c^enber, «ort^oloinäuS, 158. 194. 201.
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