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Full text of "Gesammelte schriften"

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defatttmclte  5d)nften 


üon 


Irieörid)  Strauß. 


91ad)  beö  Söcrfoffcvö  (c(5ttüiUic;cn  53cftimmuii(tcn 

jufam  ni  cngcftellt. 


Singelcitet  iinb  mit  crflärcnbcu  9Jad;U)ei|uii9cn  ucrjcbcn 

t)on 

öbuarb  Beller. 


7.  58onb. 

1.  Ulricß  öon  J^utten. 

2.  ®orrcbc  ju  „^uttcn’S  ©efpräcßen  überjcßt 
t)on  2)aoib  ^nebricß  ©troufe". 


tBonn, 

Verlag  bon  6m il  ©Iraujj. 
1877. 


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Wlrid)  tion  ;|uttfn. 


S3on 


S)ritlc  ?(utlafle. 


ßonn, 

SScrtac;  üon  @mU  ©traiif3. 
1877. 


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iHnnuort  i)C5  i^crausgtbers* 


9^ad^bcm  0trau^  feine  erften  epod^cmaeöenben  SBerfc  l)cr== 
faßt  patte,  trat  befanuttiep  mit  bem  3apr  1841  in  feiner  litera^ 
rifepen  Xpätiqteit  ein  ©tittftaub  ein,  ber  nnenoartet,  mic  er  (^e^ 
fommen  mar,  mopl  ben  ©inbrnef  madjen  fonnte,  alö  pätte  ftd) 
feine  ^robnftiüität  in  ipren  fo  bebeutenben  nnb  fo  rofep  aufein^^ 
anbcrfolflenben  @i;^enßniffen  für  lange,  menn  nid)t  für  immer 
erfepöpft.  . 2)aß  nun  baö  teptere  nid)t  ber  5^11  ^uar,  pat  er  ber 
Ädt  in  ber  Jolge  ^nr  ©enüge  gezeigt;  unb  menn  er  junö^ft 
allerbing^  naep  ad)t  Snpren  eincö  unauögefepten,  faft  atpemlofcn 
geiftigen  0djaffenö  ber  (Srpolung  (leburfte,  fo  mar  eö  bo^  me^ 
niger  (Srmattnng  alö  Unluft,  maö  ipn  longe  abpiclt,  bie 
!öapn  mieber  ^u  betreten,  auf  ber  er  fepon  fo  früpe  bie  glün» 
.^enbften  ©rfolgc  errungen  patte.  Ueber  bie  SSerpältniffe,  melcpe 
bamal^  auf  feinem  ®eift  lafteten  unb  ipm  bie  illeigung  511  fdprifts 
ftellcrifdjcn  5lrbeiten  benapmen , pat  er  felbft  fiep  (Siterar. 
!Iientm.  15)  noep  nod)  f^man^ig  unb  mepr  Sapren  mit  einer  Öit^ 
terfeit  auögefprodjcn,  auö  ber  man  nur  ju  beutlicp  perau^füplt, 
mie  fepmer  fic  ipn  fogar  in  ber  bloßen  Erinnerung  nod)  be^ 
brüeften.  ^en  erften  cntfdjeibenbcn  5Inftoß,  um  auö  biefer  ßn^wcfpal* 
tung  peraib^.^itreten,  erpielt  er,  alö  fid)  ipm  Eelegenpeit  bot,  bie 
©riefe  (£cpubart’ö  ,^u  fammeln  unb  mit  biograppifepen  Einleitungen 
peronö^^ugeben ; nnb  uon  ba  an  maren  eö  löSopte  lang,  bi^  j\um 
Erfepeinen  beö  ^meiten  Seben«^  3efn,  faft  opne  ^^uönapmc  bio» 
grappifd)e  nnb  biograppifepditerarifepe  ^arftellungcn,  mit  benen 


VI 


^IBortoort  be§  Iperau^gebeiS. 


et  fic^  befc^äftißtc.  3rf)  f)abc  mic^  fo  eben  cvft  ini  ^Sonuort  jii 
ben  ©ebic^ten  (33b.  XII  biefer  (Sammlung)  barüber  geäußert, 
marum  gerabe  biefe  3(rt  non  SIrbeiten  feiner  ^nbiüibualität  be= 
fonbetiS  jufagte,  biefe  Stoffe  il)n  oor  anberen  anjogen,  mic  feine 
fünftlerifc^e  unb  feine  roiffenfd)aftlic^e  Begabung  fiel)  oereinigten, 
um  if)m  auf  biefem  ©ebietc  SBerfe  oon  eigenartigem  ©epröge 
unb  mufterl)aftcr  SBolIenbung  möglici)  ju  mad)cn.  S^teben  ben 
fleineren  biograpl;ifc^en  Sfij^en,  meldje  bie  erften  ^mei  iöänbc 
ber  gegenmärtigen  Sammlung  gebracht  l)aben,  gehören  l)ic^er  bie 
Schriften  über  Sc^ubart,  3JMrtlin,  gvifd)lin,  |)utten  unb  iRei* 
maru^,  nebft  ben  S3rncl)ftücfcn  auö  bem  ßeben  Ällopftod'ö,  mo^u 
1870  nod^  ba^^fieben  SSoltaire'ö  Ijin^iifam.  3Bie  nun  ba^  lefetere, 
alö  i^unftmerf  betrachtet,  über  alle  biographifdjen  3lrbcitcn  feineiJ 
JöerfafferiS  heroorragt,  fo  nimmt  unter  ben  früheren  ^arftelluiis 
gen  biefer  ©attung  bojg  SBerf  über  Ulrich  oon  §uttcn  unftreitig, 
fomohl  burch  bie  gefchidjtlidjc  33ebeutung  feinei^  .§dben,  alö 
burch  bie  gefchiefte,  lichtooUc  unb  fpmpathifdjc  33cl)anblung,  bie 
bem  anjiehenben  ©egenftanb  hic’t  ju  Xl)^^l  tourbc,  bie  erfte  Stelle 
ein.  3ch  ojeig  nid)t,  ob  eä  biefer  ©runb  mar,  ber  unfern  greunb 
ju  ber  3lnorbnung  oeranla§te,  bag  in  ber  nadj  feinem  Xobe  ju 
oeranftaltenbcn  Sammlung  feiner  SGÖerfc  ber  Jütten  bie  fReil)c 
ber  biographifchen  Sdjriften  eröffnen,  ber  33oltaire  fic  fd)liegcn 
folle.  SBir  moUten  oon  biefer  Slnorbnung  um  fo  meniger  ab* 
gehen,  ba  mir  bei  einigen  anberen  33unften,  mie  fd)on  33b.  I,  S.  Ul 
bernerft  ift,  amS  ben  bort  entmicfelten  ©rünben  an  ben  oon 
Strang  getroffenen  33eftimmungen  nid)t  feftl)alten  fonnten.  3Bnö 
fonft  jur  Einführung  in  baö  oorliegcnbe  SGÖerf  nod)  \\i  fagen 
märe,  hol  fein  33erfaffer  felbft  fd)on  theilö  in  ben  33orreben  ju 
ben  beiben  früheren  Sluögaben  tl)cilö  in  ben  Sitcrarifchen  ®enf* 
mürbigfeiten  (S.  36  ff.)  auSeinanbergefeht. 

33 erlin,  20.  9(loobr.  1877. 

(&.  3fUrr. 


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jDai5  $(nbcntcn  tl)curcr  '-öcrftorbcnen  erneuert  fid)  uiiö  in 
guten  lüic  in  böfeu  Xagcu:  baö  eincmal  üerlaugt  u n ad)  i() rem 
$Rat[)  uub  iBeiftaub,  ba<g  aubremal  und)  i()rer  Xtjciluatjiue  au 
uufrem  (^liirf.  Uub  maö  bcu  (Siu^elueu,  baö  begegnet  ebeufo  ben 
iöölferu:  in  Qcitcw  ber  Xraugfal  mic  ber  SGBo^lfa^rt  rufen  fie 
gerne  bic  ©elfter  if)rer  grofjen  lobten  t)erauf.  ^ie  grofu’n  9D?änner 
ber  Sflatiüuen  finb  aber  gemeint)ln  Atämpfer,  eö  finb  bieienigen, 
bie  für  bai?  ^id)t  gegen  bic  ginfternig,  für  Gilbung  gegen  S3ais 
barci,  für  grel^cit  gegen  5)eiSpütenbrnd,  für  baö  35atertanb  gegen 
ben  3lnbrang  ber  gremben  geftritten  haben;  gleich  chremuertl), 
glcid)  theuer  ben  5Rad)lebenben,  ob  fie  Dom  0iege  gefrönt  morben, 
ober  in  üergeblidjem  9iingen  untergegangen  finb.  @inc  „SBolfc 
Don  biefer  5Irt  um  fid)  511  miffen,  barin  beftel)t  ber 

?lbel  einer  ^Jiation;  unb  tuenn  einefold)cn  5(bel0  fid)  rühmen  barf, 
fo  ift  eö  bic  beutfchc. 

@ine  ©eftalt  auö  biefer  Söolfe  h'^^’c  id)  chebem 
rufen  in  einer  böfen  luaren  bic  gnhrc,  ba  ©ermania 

nach  einer  crfd)öpfcnben  gel)lgeburt  in  tiefer  0d)tuäche  lag,  ba 
bic  gro6cn  unb  fleincn  Dränger  il)rer  üon  iRcuem  2)^’iftcr  gc= 
mürben  maren,  ba  übermütbige  Utad)barn  fie  verhöhnten,  ba  fclbft 
jene  fd)mar5en  33ögel,  alö  märe  fie  fchon  eine  fieid)e,  hcrangeflogen 
famen  unb  fie  frächAcnb  nmfd)märmten.  mar  bic  ßeit  ^er 
(Soncorbatc,  jener  Alncchtunge^verträge  mit  IHom,  von  benen,  nad)? 
bem  Ccfterrcid)  üorangegangen,  and)  bic  übrigen  0taatcn  bcö 
füblichcn  ^eutfchlanbcJ  fich  bebraht  f«hen.  ^amald  rief  id):  ift 
beim  fein  .^litten  ba?  nnb  meil  unter  ben  ßcbenben  feiner  mar, 
unternahm  id)  eö,  baej  '^ilb  be«J  ^erftorbenen  erneuern  nnb 


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VIII 


SBormort  bc§  ®crfQ|'fcr§. 


bein  bcutfrfjcn  ^ol!e  uor  klugen  511  ftcUcn.  blieb  nid)t  ül)iie 
SBirfung;  man  faiib  in  bem  ßorncifer  $Rtttcrö  gegen  baö 

lid^ts  unb  freif)citöfcinblicl}c  iRom,  feinen  cinbringlicljcn  ÜJ^aljnuns 
gen  an  bic  ®eutfd)en,  einig  unb  felbftbetmifet  gegen  ben  Ueber* 
mut§  ber  gremben  jnfammen^^nfte^en,  ein  SSort  511  feiner 

S(uf  bic  böfen  ^:age  finb  unterbeffen  bic  guten  gefolgt: 
$Rom  ift,  rcd)t  im  0innc  ber  antifen  9Remeft§,  ba  eben  in 

ma^ntoi^igem  grcodmnt^c  feine  @rl)cbnng  über  baö  mcnfcblid)c 
äRag  ooQcnben  gebadjte,  mic  ein  morfd)eö  ©öjenbilb  ^ufam^ 
mcngcbrod^cn;  ber  übermüt()igc  9^ad)bar,  unfer  Dränger  feit 
Saljr^unbcrten,  l)at  burd)  ben  ruc^lofeftcn  feiner  ^^Ingriffc  nnfrer 
Uncinigfeit  ein  (Snbe  gemad)t,  @cfammtbcutfd)lQnb  I)at  il)n  in 
einem  ©iegeölauf  ol)nc  glcid^cn  ju  33oben  gemorfen,  nnb  ftel)t, 
angeftaunt  nnb  bencibet  Oon  ben  SSölfern  ringö  innrer,  an  ber 
©pige  ber  Sflationcn  ba.  SBir  bf»bcn  micber  einen  Äaifcr,  unb 
jmar  511m  crftcnmal  einen  fold)cn,  ber  ^err  bal)cim,  auömörtö 
nic^tö  fud)t,  unb  ebenbarum  @ebcif)en  im  3nncrn,  ©id)crt)cit 
unb  Unab^ängigfeit  nad)  äugen  ju  fd)affen,  megr  ab^  irgenb  einer 
feiner  Vorgänger  im  ©tanbe  fein  tuirb.  Unb  nun  foHtcn  mir 
nid)t  abermaU  unfreö  §uttcn  gebenfen,  ba  crrcid)t  ift,  mornad) 
er  Icben^Iänglid)  gerungen  gat,  nun,  ba  er  in  meit  ooUcrem 
©inn  (xU  ju  feiner  3e’it  fpred)cn  fönntc:  ift  eine  5^^cube 

5U  leben!"  2öir  mären  fcl)r  unbanEbar,  menn  er  unö  Ijcutc  nicl)t 
ein  fiele. 

Unb  magrljaftig,  nid)t  alö  mügigen  Xafclgaft  bei  unfrem 
©icgcöfeftc  lägt  fid}  Jütten  berufen,  noeg  mürbe  er  glauben,  mit 
einer  fcgmungoollen  Xifc^rebe  über  2)eutfd)lanbö  ^crrlicgfcit  fid) 
abgefunben  311  l)abcn.  Ober  er  mürbe  bod)  fc^on  in  biefer  Xifegs 
rebe  fagen:  geilte  feiern,  aber  morgen  mit  ocrboppcltcm  @ifer  an 
bic  Arbeit  gegen!  ®cnn,  mürbe  er  erinnern,  meint  cö  fdjiocr 
für  ein  33olE  ift,  311  einer  gemiffen  ,§ögc  fid)  ginan3uarbcitcn,  fo 
ift  cä  nod)  oiel  fd)micriger,  fid)  auf  bcrfelben  3U  begaupten.  Sr* 
forbert  jene^  in  ber  iRegcl  Sagrgunberte,  fo  ift  biefe  ©tcllung 
oft  in  menigen  3agrcn  micber  ucrfd)cr3t.  Unb  finb  mir  beim  in 
jeber  ®infid)t  fd)on  auf  ber  §öge?  SBcnn  mir  @in^  gemorben, 
finb  mir  barum  aueg  einig?  SSenn  mir  ftarf  finb,  finb  mir  and) 
frei?  ®er  ^au  nnfrcö  neuen  fRcicge^  nimmt  fieg  naeg  äugen 
ftattlicg  genug  auö,  aber  im  3nncrn  feglt  nod)  Diel,  bag  er  fegon 


55orttort  bc3  ScrtofferS. 


IX 


n)o()n(id)  cincicridjtct  ipörc.  9J^it  bcö  ^apftcö  )üc(tlid)cr  ^crr^ 
fd)aft  ()at  tüoI)t  ein  @nbc,  aber  mit  ber  qciftlic^cn  fo  meniq, 
ba^  üictmctjr  feine  finftern  0d)aaren,  nod)  mic  nor  jebem  Qciftic^en 
gortfe^ritt  mie  jebem  nntionolen  03ebei()en  feinb,  mitten  im  bcntfd)cn 
fianbe  fte()en,  ja  mitten  im  beutfe^en  9fieid)§taß  fifecn.  SSir  (affen 
iinö  ba^  nnterric^tctftc  ber  58ölfer  nennen  nnb  finb  and);  aber 
wie  laiifle  merben  mir  noc^  bniben,  baß  bie  iSrniinen  nnb  SSaffer^ 
leitungen  ber  @r!enntnig,  felbft  im  proteftantifd)cn  2)eutfd)(anb, 
fo  nielfac^  unter  ber  neibifc^en  SBermaltung  pfäffifc^  gefinnter 
ginfterlinge  berütmmern?  |)utten  an  feinem  ^^eile  I)at  fid) 
^entfd^Ianbw  95?ad)t  nnb  C35rößc,  für  bic  er  fd)märmtc,  ftetö  be= 
grünbet  gcbac^t  auf  mcnfd)lic^  freie,  üüu  feiner  Sterifei,  feiner 
fird)lid)cn  0a^ung  beengte  C^ciftcöbilbung,  nnb  mie  er  in  bem 
fo  eben  beenbigten  Kriege  unter  ben  SSorberften  gegen  ben  öiigern 
geinb  mitgefod^ten  haben  mürbe,  fo  mürbe  er  je^t,  nach  bem 
Jrieben,  abermals  unter  ben  ^Jorberften  gegen  bie  innevn  geinbe 
ber  greifjeit  nnb  ber  53ilbung  fämpfen. 

^)aö  fofl  er  nun  in  biefem  93ud)e  t()un,  unb  eeJ  mirb  il)in 
biegmal,  fo  hoffe  id),  leichter  merben  alö  oor  oier^ehn  fahren 
bei  beffen  crftem  @rfd)eincn,  fofern  fid)  feitbem  auger  ben  v^li* 
tifegen  auch  literarifd)cn  33erhältniffe  günftiger  geftaltct  hfiben. 
^)amalö  gab  cd  oon  .^utten’ö  SBcrfen  nod)  feine  .vioerlöffige  ©e* 
fammtauögabe ; feine  cinjelnen  3d)dften  aber,  unb  nod)  mehr 
bic  feiner  iüdtarbcitcr  unb  ©egner,  maren  feiten  nnb  .^erftreut, 
ben  menigften  fiefern  ^yigänglid).  3d)  mugte  alfo,  menn  id)  auf 
©teilen  barauö  oermcifen  unb  ben  2efcr  in  ben  ©tanb  fejen 
moHtc,  biefe  mirflid)  nachi^ufehen,  bic  ©teilen  au^fülirlid)  unter 
meinen  Xejt  fe^en.  ®aö  bclaftctc  aber  mein  iönch  unb  crfd)mcrte 
feinen  Umlauf  in  meiteren  .greifen.  Unterbeffen  ift  nun  bic 
33öcfing’fd)c  Huögabc  Don  §uttcn’^5  iilk'rfcn  crfchicncn,  bie  fold)c 
Umftänblid)feit  überflüffig  macht,  ©ic  gibt  nid)t  bloö  imn  feinen 
eigenen  ©diriften,  fonbern  and)  oon  ben  il)n  betreffenben  ©tücfcn 
auö  ben  ©egriften  feiner  offen  ben  Xejt  fo  corrcct,  unb 

baju  ben  fritifchen  unb  l)iftorifd)cn  §lpparat  fo  oollftänbig  unb 
genau,  bag  cö  fortan  genügt,  ben  Sefer,  ber  bic  ^^yelegftcllcn  Der* 
glcid)cn  unb  meine  ^arftellung  controliren  miß,  auf  biefe  SWuftcr* 
auögabc,  bic  in  feiner  beffern  öffentlichen  ^ibliothcf  fehlen  barg 
^u  oermcifen.  ^ueg  fonft  gat  in  ber  3^üifcgcnjcit  bie  ©mfigfeit 


X 


Vorwort  bc§  ^öerföffcrS. 


bcr  bcutfdjcii  ©cfd)ic^t!Sforfrf)unß  einer  .giittenbiograpfjic  mand)er(ei 
görberung  gebradjt,  auf  manchen  biö()cr  bunfeln  ^unft  befonber^o 
feiner  jüngern  ^al)ic  neuest  Sic^t  geiuorfcn:  auc^  biefe  SIrbeiten 
finb  Don  mir  banfbar  benu^t,  überi)aupt  mein  iöudj  an  unjä^ii« 
gen  Stellen  im  ©in^elnen  ctgän^t,  beridjtigt  unb  uerbeffert  mor= 
ben;  menn  ic§  gieid),  feinen  ©runbftod  unücränbert  ju  laffcn, 
alle  Urfac^e  i\u  f)«bcn  glaubte. 

Unb  fo  trete  benn  ber  S^itter,  bießmal  burdj  fein  ©epäcf 
befd)mert,  feinen  jmeiten  Slueritt  an,  jc^t,  ba  er  jur  guten 
Stunbe  fommt,  feineö  minber  freunblidjen  ©mpfangö  gemörtig, 
alö  er  einft  jur  böfen  gefunben  ^at. 

^armftabt,  im  SU^ai  1871. 


SD  e r 58  c r f a f f e r. 


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XI 


pnpaft  5eo  fieGenteii  ^anGeo. 

Seite 

SBortoort  bc§  i^crou§flcber§ V 

*j3orroort  be§  üSfrfofferg VII 

UeberHc^t  ber  ^SdinaMt^fti  ^uttenougflnbe XIV 

SerAcicbnife  ber  in  bielcm  2Üerfc  befproebtnrn  6d)riftcn  ^uttcn’S XV 


€r|lc5  iJurij. 

^^orübungen  unb  .Vlainpffpidc i 

©rftcö  5tapitcl. 

^ulten’S  'Äbfunft  unb  ÄloftcrUbfn 3 

Stveited  5Iapitc(. 

Uniocrfitätsjofirc.  Grfte  i^rfunbe 16 

XrUtci<  ^apUcl. 

2ßonbcrungcn  unb  Abenteuer  in  Dcutlc^tonb 40 

^ierted  ftapitd. 

(^rfter  ^ufcnt^alt  in  Italien  unb  9?üclff^r  noch  'I)cut|(^lQnb 62 

JVuuftciJ  5^lapitcl. 

§anS  ^uttcn’§  Grmorbung  bur^i  ben  ^vrjofl  Ulritb  bon  36üttfinberg, 

unb  lllritb  ^uttcn’4  3Iflitntion  gegen  ben  J^ersog 79 

Scrf)i3itfd  .Kapitel. 

^utton’ö  jtteitc  JRcife  nnc^  Italien 104 

0icbcttke<  jtapücl. 

91eu(^lin’§  i?anip|  mit  ben  i^ölnern  unb  ^utten’S  ^tjeilna^me  an  bemfclben  132 

9(d|tet<  iiapitd. 

3)ic  Epistülac  obsciirorum  viruruni 165 


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XII 


^eite 


9{euntel^  jlaphel. 

J^uttcn’6  ®ic^lcrfrönunfl  unb  |c|Ic  ^Inftctlung  in  9)Iainj.  6cinc  2ücn- 

bung  gegen  9lom 198 

^utten  in  'HugSburg  njä^ircnb  unb  na^  bem  9Icid(|§tQgc 211 

C^Ufted  Kapitel. 

^ultcn’ö  ^ranff;cit  unb  bic  ©uoiof^fiur 236 

3tuölflc<^  Kapitel. 

t^elbjug  unb  ^eirot^SpIanc 261 


3iuctte0  iBudj. 

glitten  im  Kampfe  c^cßcn  9iom 265 


(frftcö  5iapitc(. 

pullen  in  unüb()ängigcr  toiffcnfcbnttliebcr  'JJlufec.  Seine  'ilu§fi(blen  unb 

?lbjicbtcn 267 

3wcttc{$  Kapitel. 

Gntjc^iebencS  'Äuflreten  gegen  9iom.  5>erl)ältni&  ju  öut()er 279 

5topite(. 

^utten’ö  9iei|e  an  ben  .^o|  beö  6rjbcr$og§  öerbinanb,  (^nltäui(bung. 

^äpfUiebe  5BerfoIgung 312 

'Viertes  5{apitcL 

Jütten  auf  ber  Sbernburg  bei  f^ranj  öon  Sidingen 321 

3'unftcd  .UnpUcI. 

glitten  fängt  on  beutjd)  jju  jebreiben 345 

3erf)dtc{)  Kapitel. 

Sranj  bon  Sidingen  J^utten’§  Sdbülcr  unb  ber  ^elb  feiner  neuen  Biologe  372 

Siebentel  Kapitel. 

3)er  9Iei(b§trtg  ju  29orm§.  tputten’S  5)robungen 395 

91cbtc$  .Kapitel. 

Jütten  tummelt  fub  in  fleincrn  Sebben  unb  bemüht  ficb  um  eine  53er» 

binbung  jmiftben  ber  9Iitterf(bQft  unb  ben  Stäbten 414 

91euntci^  5iapUe(. 

Sidingen’S  fjelbjug  gegen  “^riet.  i^utten’S  Entfernung  qu8  55eutf(blQnb  436 


^n^alt.  XIII 

s 

©fitf 

3c^nted 

iputlcn’S  ©treit  mit  GroSmuS 448 

©idinßen’S  unb  ^utten’S  Gnbc 485 

3toö(fted 

Stimmen  über  ^utten’S  lob  unb  ^uSgänge  jeiner  ölten  ö04 

SJorrcbe  5U  bcu  ®cfprärf)cn 535 


9?omenregifler 


6G3 


\ 


bcr  Sööcf ing^fc^en  ^uttcitQuögabc.  ' 


Ulrichi  Hutteni  equitis  Germani  Opera  quae 
reperiri  potuerunt  omnia.  Edidit  Eduardus  Bücking.  Lipsiae 
in  aedibus  Teiibnerianis. 

inrid)!§  non  Jütten  ©c^viften  ()craiiögegcbcn  non  @buarb 
Sööcfing.  ßcip^^ig,  ^rucf  unb  SScrlag  non  33.  (3.  Xcubncr. 
Vol.  I et  II.  1859.  Epistolae  et  documenta.  @rftcr  unb 
ätücitcr  33anb. ' 33ricfe. 

Vol.  III.  1862.  Poemata.  dritter  33anb.  ^octifc^c 
©djriftcn. 

Vol.  IV.  1860.  Dialogi.  Item  pseudohuttenici  nonnulli. 
33icrtcr  33anb.  @c|'präc^c. 

(SSergl.  ©efprädjc  non  Ulrid)  üon  .'öuttcu,  übcrfc^t  unb  criöiu 
tert  uoii  g.  Strauß.  Scip^ig,  35rüdl)Quö,  1860.) 

Vol.  V.  1861.  Orationes  et  scripta  didascalia.  günftcr 
33anb.  Sieben  unb  2el)rfc^riften. 

Ulrichi  Hutteni  eq.  Operuin  Supplementum. 
Epistolae  obscuroruin  virorum  cum  illustrantibus  adver- 
sariisque  scriptis.  Collegit  recensuit  adnotavit  Eduardus 
Bücking.  Lipsiae  in  aedibus  Teubnerianis. 

Tomus  prior  1864.  Textus. 

Tomi  posterioris  Pars  prior  1869.  Indices  ad  Epistolas  0.  V. 
Toini  posterioris  pars  altera  1870.  Index  biographicus 
et  onoinasticus  et  Coinmentarius  ad  Epist.  0.  V. 

^aju:  Index  bi bliograp hicus  lluttenianus.  33er* 
^eid)ni&  bcr  ©d)riftcn  lUrid)’ö  non  |)uttcn.  ^erau^gegeben 
non  ßbuarb  33öding.  Seip^ig,  ®rucf  unb  33crlag  üon 
Xeubner.  1858. 


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ber  in  biefcm  SBerfe  befproc^enen  ©c^riftcn  §utten’l 


Seite 

duflenbgebic^te ,38 

Querelen  gegen  bte  25fte 46 

(Rebic^t  non  ber  %erSfunß 61 

^tufmobnunflggebtibt  an  ben  j^aijer  gjtagimUiQn 67 

@et)i(bt.  bafe  ^eutfiblanb  nii^t  entartet 59 

@rufc  an  20ien 60 

@ra6f(brift  für  fidb  felbft 63 

golferebtttramme 65 

Epigramme  gegen  ben  $abft 69 

gebiebt  Dom  bra&en  ^ann 71 

^lugrufung  über  ben  perbronnten  ^fefferforn 74 

^neg^rieug  auf  ^Ibredbt  Don  ^olnj 75 

3:roßf(breiben  an  Subtoig  Don  Butten 83 

3lrQuergebt(bt*auf  ^ang  Jütten 84 

Xeben  gegen  ben  ^eraog  UIrtcb  Don  gßürtemberg  ....  85.  92.  99.  258 

^er  gZtcmanb  . . . 106.  222 

Neffen  Quetgnung  an  Srotug 106 

Cbigromme  aug  9?om 112 

^rognofHcon  anf  bog  3abr  1519  an  geo  X 116 

Qebidbte  gegen  33enebig 121 

^oetiiebe  gptftel  3taIio*g  an  ben  P?aifer  ^JJ^agimtUon 122 

^Qg  ®eiprft(b;  ^balotigmug 126 

Cabnion’g  2^riumbb 166 

Briefe  an  Seutbtin 162.  343 

®ebi(bt  an  ben  Satblnal  ^abrion  p fünften  9teu^Un*g 161 

^tttten’g  ^ntbeit  an  ben  Briefen  ber  g)unfelmänner 183 

SBrief  an  ben  ®rafen  J&ermonn  Don  9?uenar 206 

3:flrfenrebe  Q12.  24fi 

3ujtbytft  an  QÜe  freien  unb  roabren  ^eutjeben  (gur  Dottitfinbigen  ^u§» 

gäbe  ber  ^ürfenrebe) 246 

(Beiprfitb  Dom  ^offeben 226 

6enbj(breiben  an  ^irdbeimer  über  feinen  ßebengblan 230 

€^rift  über  bo8  (8uaia!  unb  bie  Sranaofenfrantbtit 243 

(gebttbt  an  Cbnftopb  C>ocǤ 245 


XVI 


^erjeic^nig  Don  ^utten’S  8d(|rtften. 


€«ite  ' 

Sortebc  w ber  neuen  ^fuSflobe  beg  gioiuS 247 

^uttcn’g  gwcTgbricfe .♦ 263.  273 

3)ittIofle 

Sortuna 268 

?^eber  I 248 

glcbcr  11 275 

Sobigeug  ober  bic  r5mif(^c  ^reifaltißfett 285 

^ic  ^nfebouenben 293 

SSerbcutje^unfl  ber  ®cfpräcbe 356 

^uci^nung  an  ??rana  oon  Sidinflcn 373 

3ueiflnunfl  einer  alten  5c()u^j^rl|t  [ür  gnijer  ^cinrid^  IV.  an  ben  (&xh* 

Sferbinonb S02 

Butten  an  alle  f^^eien  ^cutfe^en  (3u  He  achiamate  extinguendo  etc-)  308 

Briefe  on  Sut^er 313.  333.  407.  408 

j^lttflidbrcibcn  an  btn  ffönig  ffarl 326 

an  ben  ^urfürften  griebricb  Don  Soebfen 328 

an  ben  i^urtürft»grabif(bof  ^Ibrtdbt 331 

an  bie  Xeutf(bcn  aller  Stänbe 333 

Serbcut|(btt  ftlagt^nibcn 355 

©loffen  au  Bannbulle  flcflcn  gutber 338 

®cbi(btf  über  bic  SBcrbrennung  Don  l^utbcr’g  Sebriften 340 

Plag  unb  ^ermobnung  flegen  ben  Übermöfelgen  ©eroalt  beg  ^gpftg  tc.  346 
^nacig  rote  antoegen  fitb  bie  ^äpfte  gegen  ben  j^atjern  gebalten.  . . . 363 

gntjcbulbtgung  roibtt  StUeber  mmabrbQftigcg  ^uggeben  :c 361 

6ln  Sieb  Don  Butten 365 

91eue  3)iaU>gc 376 

g)lc  ^6ullc  ob«  btt  guflentbbter 371 

gPorner  1 380 

aPamer  II 382 

2)U  gifluber 38Ö 

3nDcctiDcn 397 

g^egen  aiUanber 397 

(Rtgcn  Saracciolt 398 

(gegen  bic  aSiieböfe  tc.  au  gOormg 399 

gpci  6enbfdbreiben  an  jlaifcr  Pari 402.  404 

yoetij(!bc  aintrport  aut  (Soban^g  ^ufmabnungggebiebt 412 

grmabnung  an  äBormg 423 

aSetlggung  ber  greiftfitte  beutfeiber  91ation 426 

aSejebwerbejebtift  gegen  Sragmug 468 

8e^e  asriefe 491 

Xgg  naibgelaffene  (gcfbtäcb:  ^rminiug 600 


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Pud}. 

^orüüttitgen  imb  0am|)ff|iieIe. 


SiQcerlter  oitr»  pompam. 
(9Ieblt(4  unb  ol)n(  %<nint.) 

^utten’e  frUI)ertT  SBaI)(fbru(^. 


I 


I 

I 

»■ 


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(Erpes  fiapitd. 


JlBInnfi  ttni) 

ff 

1488—1505. 

Xa  tüo  grantens  unb  äufqmmenftoßcn,  jtüifc^cn 

bcm  Sogel^bcrfl,  bcm  0peffnrt  unb  bcr  9^l)üii,  an  bcn  Ufern  ber 
Äinjiq  unb  bcr  Sa^a,  Raufte  non  alten  ßcil^n  l)er  baö  ritter^ 
li^c  ©efc^le^t  bcr  ^utten.  ^acS)  ber  gamilicnübcrlicferunq  bi^ 
in  baö  10.  ^a^r^unbert  l)inaufrcid)cnb,  crfd)cint  cö  in  Uvfunben 
feit  ber  ^ujciten  §älftc  bcö  13.,  unb  jiuar  gleich  non  Einfang 
fo  ja^lrcic^,  ba§  aHerbingö  ein  fdjon  längerer  öcftanb  beö  ®c* 
fc^lec^te^  nja^rfc^einlid^  njirb. 

®ie  fränfifd^c  SUttcrfc^aft,  ju  luelc^cr  bic  Jütten  fic^  rcd)netcn, 
tnar  aU  eine  bcr  Iräftigftcii  unb  fampftüc^tigften,  aber  aud^  ftoU 
jeften  (SJenoffenfdjaftcn  in  beutfd)cn  fianben  anerfannt.  Seit  bcm 
©turje  bcö  §o^enftaufifd)cn  $aufcö  ol)nc  ^cr^^og,  menn  and)  bcr 
S3ifd)of  non  Söür^burg  biefen  3^itcl  füljrtc,  unter  allerlei  fleinc 
geiftlic^e  unb  meltlic^c  Herren  getl)eilt,  bot  baö 
Xreiben  einer  unabl)ängigcn  5Ritterfd)aft  bcn  gecignetften  0picU 
roum  bar.  Ißon  benad)bartcn  ^^rölatcn  unb  ÖJrafcn  ließ  man 
fic^  Remter  unb  £cl)cn  auftragen,  madjtc  in  J^ljbc^ügen  33cute, 
non  beren  Ertrage  man  Surgen  baute,  (iJütcr  unb  ÖJcfälle  taufte, 
ober  ^fanbfe^aften  ertnarb,  biömeilcn  auc^  Mlöfter  begabte,  ober 
0eelmcffen  unb  3ol)rcdtagc  für  SSerftorbene  ftiftetc.  2)abei  med)^ 
feite  man  nac^  ©clieben  ben  Xienft;  oft  traten  fic^  aud)  gegen 
einen  ber  grögern  Herren  bic  fRittcr  unter  fid)  in  fricgerifc^c 
®erbinbungen  jufammen.  ^)icfcn  freien  ^)icnftncrl)ättuiffcn 
beu  benachbarten  ßanbedherren  gegenüber  ertanntc  man  nur 


I 


4 I.  $ud^.  1. 

bcn  Ä'aifer  old  tüirfüc^en  Dbcr^errn  an;  ober  jebermann  tncife, 
lüie  njcuifl  baö  in  ben  Seiten  beö  finfenbeu  SDüttelalterö  ju  bebcu* 
ten  ^attc. 

Unter  folc^cn  Üßcrl)ältniffcn  tarnen  and)  bie  Jütten  empor, 
öci  mägi(^em  SUIobialbefi^e  maren  cö  bejonberö  bic  Slcmtcr  unb 
ßc()en,  bie  fic  non  bcn  Siebten  gulba  unb  ben  ©rafen  üon 
§auau,  ben  Sifdjöfen  unb  @r^bifd)öfen  oon  SBürgburg  unb  SD^iainj 
uatjmen,  moburc^  fte  fic^  au  fbalfcn,  2Bir  finben  fie  alö  S3urg^ 
mauueu  unb  Slmtleute,  alö  9^ätl)c,  9J^ar{d)olfe  unb  ^ofmeifter 
in  ben  Xienften  ber  genannten  §crrcn.  ©in^elnc  mürben  geift- 
lid)  unb  begegnen  un^  alö  ^oml^erren  ber  fränfifd}cn  ©tifter  ju 
SSürjburg,  iöambcrg,  ©idjftabt;  aud)  alö  Slbt  51t  ^eriSfclb  mirb 
ju  Slnfang  beö  14.  ^Q^r^unbert^  ein  Jütten  genannt.  2)oc^ 
maren  fic  im  2^urnier  unb  im  gelbe  mcf)r  alö  am  Sütar  in 
il)rem  (Elemente.  Einige  Ijabcn  größere  gclb^ügc  rül)mlic^  mit- 
gemad)t;  meit  öfter  jeboc^  fct)cn  mir  fie  in  jenen  uadbbarlic^en 
Sftaufereien,  gcl)ben  genannt,  fic^  tummeln,  mobei  fie  fic^  im 
©engen  unb  trennen,  Söüftlcgen  ber  Dörfer,  Sßegtreiben  ber 
beerben  unb  iöerauben  ber  ifauflcutc  mit  nidjtcn  aB  bic  lebten 
ermiefen. 

griil)5citig  tbeilte  fid)  baö  4?utten’fd)e  (^cfd}Icd)t  in  mcl)rcrc 
©tömmc,  bic  fid)  meiftensj  nad^  bcn  2öol)nfifeen  nannten,  melc^c 
bic  ©prößlinge  bcffclbcn,  in  uerfd)iebcnen  ^ic^tungen  fic^  auö^ 
breitenb,  fid)  nad)  unb  nac^  bauten  ober  ermarben.  ©0  finben 
mir  eine  £inic  5U  ©tol5cnberg  unb  ^u  Raufen,  5U  Fronau  unb 
ju  ©tcdclbcrg,  §u  Irimbcrg  unb  Slvnftein,  33ictcnfclb  unb  grau* 
tenberg.  Unö  finb  ^icr  neben  berjenigen  )ilinie,  mcld)cr  ber 
§elb  biefer  ficbcn^befc^rcibung  ongel)örte,  nur  jene  mid)tig,  oon 
benen  einzelne  ©lieber  in  bic  2ebcnögefd)ic^te  bcffclbcn  eingegrif* 
fen  Ijobcn. 

©egen  ba^  @nbc  be^  15.  unb  §u  Slnfang  bc‘5  folgenbcn 
ga^r^unbertg  mar  boö  ©cfd)lec^t  ber  ^utten  burd)  jal)lrcic^e 
©prößlingc  oertreten  unb  oon  Einfluß  unb  ©cmic^t  im  gran* 
fcnlanbe.  Ulrid)  oon  ,§uttcn  ^öl)lt  nic^t  meniger  aU  breißig 
feinet  S^amenö,  melc^c  bem  Äl’aifcr  Siajimilian  im  Kriege  gebient 
l)abcn,  unb  fein  iöcttcr  fiubmig  oon  Jütten  fagt  in  feinem  SlusJ- 
fd)reibcn  gegen  Ulrid)  oon  SBürtemberg,  biefer  ^erjog  merbe  ni^t 
im  ©tanbe  fein,  nur  l)alb  fo  oicle  Splitter  ju  feinem  5öciftaubc 


reü^^oo 


J^utten. 


5 


Qufju bringen,  al^  er,  ber  etnfad^c  Slbelige.  tiefer  Subnjig  bon 
Jütten,  bifc^öflicft  n)üräburgifcf)cr  9^at^  unb  ©rbomtmann 
berg,  burc^  beii  2tnfauf  be§  ©c^ioffeö  SBorberfranfenberg  (bei 
Uffen^eim)  ©tiftcr  ber  franfenberger  fiintc,  njar  bamal^, 

neben  bem  mainjifc^cn  2J^ar)c^Qlf  grotüin  üon  ^utten,  a(ö  baö 
^aupt  ber  gamilie  betrachten.  3n  jüngern  Saftren  h^tte  er 

njeite  ^Reifen  gemalt,  Stalien  unb  @riecf)enlanb  gefehen,  Serus 
folcm  befucht,  unb  tuar  nach  feiner  ^eimtehr  öom  Äaifer  mit 
Stuöjeichnung  empfangen  morben.  @r  mar  fo  begütert,  ba§  er 
bem  uerfchmenberifchen  §erjog  Ulrich  üon  SBürtemberg  10000  Ql. 
uorftreden  fonnte,  unb  feinen  ©influg  auf  bic  fränfifchc  fRittcr^ 
fchaft  höttc  berfelbc  gürft  erft  ju  feinem  93orthci(,  fpäter,  mie 
fchon  ermähnt,  ^u  feinem  SSerberben  ^u  erproben.  SBie  Submig'^ 
äRittcl  auch  bem  jungen  SSetter  Ulrich  ju  gute  famen,  unb  mie 
ein  gamilienunglücf,  bag  il)n  traf,  ein  ^aupthebel  in  Ulrid^’ö 
fchriftfteHerifchcr  (Sntmicflung  mürbe,  merben  mir  an  feinem  Orte 
finben. 

SSon  ber  ßinie  ju  Raufen,  einem  ßmeige  be§  ftolsenbergcr 
^ftc^,  lebte  bamalö  Ijochangefehcn  am  mainjer  §ofe  alö  SJ^ar^ 
fchalf  unb  fpäter  alö  ^ofmeifter  gromin  oon  §utten.  S^achein? 
anber  im  SSertrauen  ^meier  ©rjbifchöfc,  h^Uc  er  fich  burd^  feine 
©emanbtheit  in  ©efcljäften  auch  bei  bem  ^aifer  SlRafimilian  bc* 
liebt  gemacht,  ber  ihn,  neben  mancherlei  33egünftigungcn,  ju  feinem 
9^athe  unb  5)iener  oon  §au§  auö  ernannte.  Dh^c  fclbft  gelehrt 
ju  fein,  mar  er  hoch  ein  ©önner  ber  belehrten,  mie  er  an  feinem 
Setter  Ulrich,  unb  empfänglich  für  hohe  unb  fühne  ©ebanfen,  mie 
er  burch  feine  Serbinbung  mit  0icfingen  unb  feine  Sorliebe  für 
fiuther  bemieö. 

3luf  ©tccfelberg  fag  um  bie  SBenbe  beö  ^ahrhunbertö  Ulrich 
üon  §utten,  ber  Sater  beö  gleichnamigen  @of)neg,  bem  unfere 
Sebenöbcfchrcibung  gemibmet  ift.  ®icfc  Surg,  oon  ber  je^t  nur 
noch  loenige  Xrümmer  übrig  finb,  lag  auf  einem  fteilen  Serge 
(moher  ber  S^ame)  in  ber  fianbfd)aft,  melche  oon  ihren  Suchen« 
mälbent  Sud)au  ober  Sudjonia  hieg,  unfern  ben  Duellen  ber 
Äinj\ig,  oon  bem  heffifegen  ©täbtehen  0chlüchtcvn  ^mci,  oon  gulba 
fechö,  oom  3J^ain  ctma  neun  ©tunben  entfernt,  ßu  Slnfang  be3 
15.  Sahrhnnbert'S  mar  bie  ©tecfelburg  aU  mür^burgifche^  Sehen 
ein  ganerbfchaftlidjer  öJemeinbefife  fämmtlicher  ^utten'fchen  Sinien, 


6 


I.  %ud^.  1. 


unb  btcfe  faßten  um  bie  SKitte  be§  3Q^t^unbcrt§  ben  öcfd^Iuß, 
and)  über  bie  ©rennen  bergamilie  t)inau§  mciterc  32  ©anerben, 
gtcidjfam  tuie  5lctionäre,  aufjune^men,  melc^c  c^egen  ein  (Sinfauf^* 
gelb  unb  einen  jä^rlicben  S^eitrag  baö  9ted^t  ^aben  foHten,  fic^ 
im  üorfommenben  galle  bei*  Öurg  alö  eineö  Söaffenpla^e»  ju  be^ 
bienen.  9Run  müßte  man  aber  bie  S^tatur  ber  gelben  jener  Qcit 
menig  fennen,  um  nidjt  ju  miffen,  baß  ba§  nid^t  uiel  anbere^ 
Ijieß,  alö  bie  S3urg  jum  S^laubneftc  madjen:  mie  eö  auc^  bie  Um^ 
gegenb  gar  halb  ju  empßnben  betam.  2)er  Unfug  mürbe  fü  arg, 
baß  ber  2ef}n§^err,  ber  S3ifd)of  3ot)ann  non  SBürgburg,  fic^  be^* 
mögen  fanb  ein^ufd)reiten.  3m  3ul)^c  1458  vüdte  er  mit  einem 
5(ufgebüt  feineö  Sanbüoltiö  unb  etüdjcn  fRittern  oor  bie  33urg, 
belagerte  unb  eroberte  fie,  unb  gab  fie  erft  im  folgenben  3a^re 
unter  befd^ränfenben  iöebingungen  ben  ©anerben  5urücf.  Db  bieß 
ober  fpäter  ber  Sanbfriebe  ben  2^^eil^abern  ben  S3efi^  oerleibete: 
ju  @nbe  beö  3öl)U)unbertö  pnben  mir  nic^t  blo§  bie  meitere  gan* 
erbfc^aftlic^e  S^erbinbung  aufgelöft,  fonbern  auc^  bie  ^utten'fc^en 
ßinien,  meldje  neben  bem  auf  ©tecfelberg  angefiebelten  Steige 
beö'gronauer  Slfteö  an  ber  iöurg  X^eil  Ijatten,  sogen  fid)  jurücf, 
fo  baß  bie  Öurg  s^lefet  Ulrid)  oon  |)utten,  bem  SSoter  unfern 
gelben,  oerblieb,  ber  oergeblid)  bie  Lettern  ju  ben  Unterbaltung^* 
toften  beijusieben  fuebte. 

SBie  eö  auf  folcben  [Ritterfi^en  auöfab  unb  juging,  fönnen 
mir  anö  einer  0djilberung  unferö  fRitterö  felbft  entnehmen,  beren 
oornebnifte  ßüge  er  unftreitig  oon  feiner  oätcrlidbcn  33urg  l)cx^ 
genommen  b^^l-  @ebäulid)!eiten  maren  bunter  SBaU  unb 
Ü)?auern  sufammengebrängt,  unb  ber  enge  S33ol)nunggraum  üoeb 
bureb  iRüft*  unb  ^uloerfammern,  burd)  SSiel)'  unb  §unbeftälle 
befebränft  unb  oerbüftert.  5)ie  (um  <5 teef eiberg  menigftenö)  mas 
gern  gelber,  oon  armen  hörigen  mübfelig  befteHt , marfen  bem 
^öurgberrn  eine  fpärli^e  fRente  ab,  mäbrenb  fie  jabrauö  jabrein  bie 
§lrbeit  unb  0orgenidjt  au^geben  ließen.  ^eöD^itterö  ^Befdbäftigung 
mar  bie  3agb  in  feinen  SBälbern  unb  ba^  fd)on  ju  feinem  ©d)u§e 
unentbebrlidie  iHtieg^b^^t^^^crf.  Söaffen  unb  ^ferbe  maren,  näcbft 
ben  §unben,  fein  liebfter  Sefi^,  reiftge  Unechte,  o()nc  oiel  §Iu§- 
mal)l  angemorbeu,  jum  Xbeil  mabre  3^anbiten,  feine  täglid)e  Um* 
geOung.  3l)t^  kommen  unb  ©eben,  bie  $ferbe,  ^^arren,  S3ieb*' 
beerben,  machten  e^  lebljaft  unb  geräufcbooH  aufberöurg;  moju 


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lg>utten  bon  Sie^elberg. 


7 


auf  ©tecfelberg,  nad^  §uttcn’^  ©c^itberung,  nod^  ba^  @cf)eul  ber 
SEBölfe  auö  ben  bcnacbbarteu  SBälbcrn  fam‘). 

Unter  folc^cn  Umgebungen;  in  folc^en  iöerpltniffen  ertoud)^ 
ein  fräftigeö;  aber  aud^  l^arte^  unb  milbeS  ÖJefc^Icc^t.  ©einem 
©roBnater  Sürenj  Ulrid)  uon  Jütten,  ber  ben  ©reid  alö 
Änabe  no^  gefannt  batte,  um  feiner  altertbümücben  ©infadbbeit 
unb  3Äö6igfeit  miücn  in  einer  feiner  ©Triften  ein  EDenfmal  ge* 
fe^t.  ®er  33iebermann  lieg  feinen  Pfeffer,  ©afran  ober  ^ngmer 
inö  §au§,  fleibete  ficb  nur  in  einbeimifdbe  SSotte  unb  eiferte  laut 
gegen  bie  eben  ju  feiner  Qcit  einreigenbe  Ueppigfeit.  @r  mar  erft 
banauifeber  Slmtmann,  bann  fulbaifeber  fRatb,  b^^Hc 
gern  S^bren  an  ben  ©cmalttbaten  unb  fRäubercien,  meldbe  bie 
©anerben  ton  ©tecfelberg  auö  oerübten,  auch  fein  reblidbeö  Xbcil 
genommen. 

Söon  feiner  grau,  einer  geborenen  Oon  X()üngen,  b^iUc 
2orenj\  §utten  brei  ©öbne,  unter  benen  ber  fd)on  genannte  Ulrich 
ber  Sßater  unferö  fRitter^  mürbe,  tiefer  ältere  Ulricb  ftanb  in 
banauifeben  unb  beffifdjen  2)ienften,  b^^tte  im  faiferlii^en  §eere 
in  Ungarn  gefoebten,  mar  aber  auch  in  griebenSgefebäften  üon 
gürften  unb  ©tobten  oielfacb  gebraucht  morben.  äRit  feiner 
(Gattin,  Dttilia  oon  (Sberftein,  erzeugte  er  oier  ©ohne  unb  jmei 
Töchter,  ©einem  Sbornftcr  nach  erfebeint  er  al^  ein  harter,  Oer« 
fcbloffener  2J^ann,  beffen  ftarrfinnigeö  33eborren  auf  bem  einmal 
gefaßten  ißorfabc  für  ben  ©ol)n  oerbängnigOoU  gemorben  ift. 
^)agegen  tiitt  bie  ÜRutter,  obmobl  il)r  33ruber,  SRangolb  Oon 
©berftein,  bag  9)2uftcr  cined  raub«  unb  febbeluftigen  fRitterö  mar, 
fo  oft  ber  ©ol)n  ihrer  gebenft,  im  Siebte  ;\arter  SBeiblicbfeit  unb 
äJ^üttcrlicbfcit  beroor.  5)ie  Unfälle  feiner  jugenblicben  Srrfabrt 
mill  er  iljr  oerfdjmiegen  miffen,  um. ihr  nidbt  noch  mehr  Äummer 
^u  machen,  al^  er  ihr  febon  habe  machen  müffen;  unb  bei  bem 
fübnen  Söagnig  feiner  SIRanne^iobre  fallen  ihm  bie  Xbränen  feiner 
frommen  SUiutter  febmer  aufö  §cv5*). 

®on  ber  Söoblbabenbeit  feineö  3^aterö  macht  ber  ©obn  in 
einem  feiner  3ngenbgebid)te  eine  ©ebilberung,  bie  freilich  auf 

1)  Epistola  ad  Bilibaldum  Pirckheynier,  Ulrid^  t)on  Iputten’d  I, 

6.  201-203. 

2)  Querelarum  L.  II,  Eleg.  10,  v.  113 — 118.  UIri(!^  bon  l^utten’§ 
8d)rlften  III,  S.  71.  9teime  jum  ®e|prS(t|bU4|I(in,  C^iciften  I,  8.  450. 


8 


I.  ^ud^.  1. 


ben  ©ontraft  mit  bcm  9Kangel  unb  @(enbc,  morin  er  felbft  ftc^ 
ebcnbamolg  bcfanb,  angelegt  ift.  @r  fpric^t  t)on  mebrern  ®urgen 
unb  Dörfern,  jabtrcicber  S^ienerfebaft,  mabrljaft  fürftlicbem  S3e=* 
fibc*).  i)ogcgen  begrünbet  nun  jmar  bie  SDiittcHofigfeit , morin 
er  noch  bei  Sehweiten  beö  SBaterö  erfebeint,  infofern  feine  ©ins 
menbung,  al^  fie  bie  golge  eincö  jmifeben  beiben  eingetretenen 
ßermürfniffcö  mar.  ®ocb  befennt  Ulrid)  Jütten  fpäter  felbft, 
ba§  fein  oäterlicbc^  SSermögen,  bad  er  freilich  mit  fünf  ©es 
febraiftern  5U  tbeilcn  b^ttc,  ibm  bie  äßittel  nicht  gemübren  mürbe, 
mit  bcm  erforbcrlicben  Slnftanbc  ^u  leben*).  Ueber  bie  febmere 
93aulaft  ber  ihm  allein  ocrblicbencn  febabbaften  0tecfclburg  hc- 
flagtc  ficb  ber  alte  Ulrich  micberbolt;  boeb  baute  er  im  3abrc 
1509  ba^  nod)  jebt  in  feinen  Xrümmern  erfennbare  fRonbcl,  ba§ 
auf  bem  ©eblufeftein  beö  Xbürbogeng  feinen  Flamen  mit  ber 
Sab^^^äf^b^  cingebaucn  jeigt. 

©ö  mar  am  21.  2lpril  bc§  Sob^^e^  1^88,  SBormittagS  b<^^^ 
10  Ul)r,  al§  bem  fRitter  Ulrid;  auf  ber  genannten  93urg  ein 
©obn  geboren  mürbe,  melcbem  er  feinen  eigenen  SJornamen  beis 
legen  lieg.  äRcland;tbon  mit  feiner  ©d;mad;e  für  5lftrologie 
mollte  b^rnad^  au3  bcm  ©tanbe  ber  ©eftirnc  in  feiner  ©eburtös 
ftunbe  bie  förperlid)e  Äräntlicbfeit  ^uttcn’ö  ableitcn:  unglcidb 
bebeutfamer  jeigt  fid)  in  ber  biftorifeben  ©onftcUation,  ber  ©rups 
pirung  merfmürbiger  öegebenbeiten  unb  ©eburtgjabre  um  ba^ 
feinige  her,  feine  geiftige  unb  gefcbid)tlicbc  ©tcllung  üorgebilbet. 
Jütten  erblidte  baö  Siebt  ber  SSelt  in  ben  lebten  Scibt^cn  Äaifcr 
gricbricb’ö  III.,  mitten  unter  ben  33emegungen,  mclcbe  bie  Ums 
bilbung  ber  fReicb^oerfaffung  jum  3^cde  batten;  33  3obrc  nach 
9leucblin,  21  Sab^e  nacl;  ©ra§mu^,  18  nad)  Söilibalb  ^irefbeimer, 
16  nach  SiRutianug  fRufuö,  8 nach  ©rotuö  fRubionuö,  7 nach 
2franj  bon  ©idingen,  5 na^  Sutber,  4 nach 
felben  3al)rc  mit  ©oban  §cffe  unb  9 3abre  oor  SRelancbtbon. 
3Rit  aUcn  biefen  äRänncrn  bat  ihn  baö  ©cbidfal  hernach  in  S3es 
rübrung  gebracht;  märe  er  nicht  Jütten  gemefen,  fo  mürbe  bag 
freilich  menig  bebcutet  haben ; aber  auch  ein  Jütten  märe  ohne 


1)  Querei.  I,  10,  v.  17-24.  ©d^riften  III,  6.  43  f. 

2)  Fortuna,  Dial.  ©d^rtften  IV,  77  f.  3ln  meiner  Ueberfe^ung 
non  iQutten’s  ®efpr&d^en,  16. 


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l^utien*§  ®eburi.  . 


9 


folc^c  (SonfteUation  nid^t  tjctuorbcn,  lüaö  er  mittclft  bcrfclben  gc* 
tüorben  ift. 

Ulrich  war  bcr  (SrftgcDorcne;  gleid^wo()(  bcftimmtcn  i^n  bic 
(Sltcrn  für  bcn  gciftüc^cn  0taab,  waö  fonft  cl^cr  mit  nac^gebo* 
rcnen  0ö^ncn  ju  gc)d}eben  pflegte.  S8icHeicl)t  mar  ein  frommer 
Semeggrunb  im  ©eifte  jener  Qclt,  eine  ^rt  Don  ©elübbe  im 
©piele;  oiefleirfjt  bag  beö  5^nabcn  fieibeobefc^affenbeit  if)n  al§ 
minber  geeignet  |\um  friegerifeben  ©tammljalter  erfd)einen  lieg: 
benn  Ulrich  war  oon  fleinem  unb  fcbwäcblicbem  Körperbau. 
er  babei  früpi^eitlg  einen  aufgeweeften  Äopf,  ßernbegierbe  unb 
gaffungöfraft,  fo  lag  ber  Ölebanfe  an  eine  gciftlicbe  Saufbabn 
nabe;  wie  bei  bem  SlJerbältnig  ber  gfamilie  ju  ber  Slbtei  gulba 
unb  anbern  fränfifeben  (Stiftern  ber  ÖJebanfe,  bab  biefe  Saufbabn 
ibn  b*>b^^  führen  werbe.  So  fam  eö,  bag  im  elften 

Sabre  be^  Änaben,  mithin  im  ^al)xc  1499,  feine  Sltern  ihn,  wie 
er  felbft  ftcb  au^brüefte,  „auö  anböebtiger  guter  ÜJ^einnng"  in  baö 
benachbarte  Stift  gulba  brachten,  unb  jwar  nicht  bloö,  bag  er 
beffen  Schule  burd)laufe,  fonbern  „mit  bem  Söorfahe,  bag  er  barin 
oerharren  unb  ein  $üiönch  fein  foUte"‘). 

^)ie  iöenebictinerabtei  gulba,  be^  5lpoftel§  bcr  2)cutfchcn 
hochberühmte  Stiftung,  hatte  freilid)  oon  ihrem  alten  ÖHanj  unb 
9leid)thum  oiel  eingebügt ; auch  ftlr  ihre  Schule  waren  bie  Qdkn 
beö  9labanuö  31Muruö  lange  oorüber,  wo  fie  bie  blühenbfte  in 
gan,^  5)eutfchlanb  gewefen  war.  Sw  Saufe  be^  15.  Sc^h^^ianbcrt^ 
namentlich  waren  firchliche  §lnftalten  biefer  ^rt  nicht  mehr  im 
Staube,  mit  bcr  Sntwicflung  ber  ßeit  Schritt  ^u  halten.  ®er 
Schrer  ber  jungen  Seute  war  j\uglcid)  Snftructor  ber  DJ^önche 
unb  mu6te  fich  in  bcr  erftern  Xhätigfeit  burch  bac$  Icptcrc  Ser* 
hältniS  nothwenbig  gehemmt  fühlen.  2)cr  bamalige  ?lbt  aber, 
Sohann  II.,  auö  bem  Ölefd)lechte  ber  ©rafen  oon  ^enneberg, 
•war  ein  ftreng  firdjlichcr  3J?ann,  bcr  auö  ben  93?ancrn  feines 
Stifts  aUc  weltlichen  ®efchäftigungcn  auS^^ufd)lic6en  unb  feine 
Untergebenen  auf  geiftlichc  Uebungen  bcfchrönfen  fuchte.  2öaS 
Jütten  oon  ihm  hie’lt,  erhellt  bcutlich  auS  ber  5(rt,  wie  er  fpäter 
oon  ihm  fpra(^  unb  nicht  fprach.  ^uch  augerbem  fcheint  cS  an 
bilbungSfeinblichen  Elementen  im  Älofter  nicht  gefehlt  ju  haben: 


1)  (Snbtjd^Ulbigung  u.,  6(hnften  II,  145. 


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10 


I.  1. 


tocnn  ^uttcn  in  ber  feine  loonbcrnbe  3J2ufc  crmal^nt,  in 
' gulba  fid)  t)or  U)vem  gdnbe  Xunboluö  in  Slc^t  5U  nel^men,  fo 
batte  er  beffen  njibrige  ©efinnung  o^ne  njöbrcnb  feineö 

eigenen  ^lufcntbaltö  bafelbft  ju  erfahren  gehabt.  @bcnfo  bürfen 
tt)ir  aber  anbrerfeitd  njohl  annchmen,  bag  er  bie  ©ciftlichen,  @es 
brüber  9J?örlin,  toie  auch  ^^n  $cter  Stjungia,  beren  Stubien  unb 
SBohltüoüen  er  in  bcmfelben  3nfntnnicnhange  bei  Erwähnung 
gulba'ö  rühmt,  eben  mährenb  feiner  i^tofterjahre  bon  biefer  ©eite 
fennen  gelernt  Ä'enner  unb  ©önncr  ber  auffommenben 

beffern  ßiteratur  mar  §artmann,  53urggraf  bon  Äirchberg,  ben 
im  Sahre  1507  ber  §lbt  3ohann  ^u  feinem  Soabjutor  beftcllte, 
bi)§  er  nach  beffen  Xobe  1518  fein  fWachfolger  mürbe:  in  ben 
fahren,  bie  Jütten  in  gulba  5ubrachtc,  mar  er  freilich  Äanonifug  ' 
in  ÜJiainj;  bod)  fam  er,  mic  auö  S3riefen  erhellt,  borübergehenb 
auch  Wnn  bamalö  nach  5nlba  unb  founte  t)kx  bie  33cfanntfchaft 
beg  aufftrebenben  Ä^naben  unb  Sünglingg  machen,  ber  fpöter  mit 
fo  bicler  SBärmc  bon  il)m  fprach^). 

5llö  Ulrich  bon  Jütten  in  feinem  elften  Sahve  mit  beröes 
ftimmung  jum  ÜJ^öndjöftanbc  nad)  gulba  gebracht  mürbe,  hnttc 
er  fid)  nicht  miberfe|t,  ba  er,  nad)  feinem  eigenen  Sluöbrucf,  „bas 
SBerftänbnig  noch  nicht  hotte,  bag  er  hotte  miffen  mögen,  maö 
ihm  nüp  unb  gut  unb  mo^u  er  gcfd)idt  märe".  2öie  er  aber 
allmählid)  fich  felbft  unb  ba<S  Seben  beffer  fennen  lernte,  moHte 
ihn  „bebünfeu,  er  mügte  feiner  9tatur  nad)  in  einem  anbern 
©taub  bicl  bagöott  gefällig  unb  ber  SBelt  nüplich  511  manbcln"*). 
2)cr  51  bt  gab  fid)  aUc  3Jiül)c,  ihn  ^um  mirflirhen  @in tritt  in  ben 
Drbcn  511  bemegen.  ©einen  ©Itcrn  cröffnete  er  bie  glän^enbftcn 
5luöfichten  für  ben  ©ol)n,  um  fich  ihrer  SJdtmirfung  ju  bcr= 
fichern.  5lber  ein  bortrefflid)er  unb  bielgeltenbcr  ÜJMnn  hotte 
bciS  Süngling^  53eftimmung  beffer  erfannt  unb  fdhüpte  ihn  gegen 
folche  3nbringlid)feiten. 

2)ieg  mar  ber  fRitter  ©itelmolf  Dom  ©tein,  unb  er  l)ot 
nid)t  nur  auf  .^utten’ö  ßeben  fo  Oicl  ©influg  gehabt,  fonbern  ift 
oud)]^jür  jene  gaiije  3^it  unb  ihren  Sulturjuftaub  eine  fo  oor* 
bilbliche  ©eftolt,  bag  mir  oon  ihm  auöfül)rlid)cr  reben  müffen. 


1)  Quorel.  II,  10,  v.  135-166.  S(hnflen  III,  S.  72.  f. 

2)  €nbt|(hüU)i6ung  a.  a.  O. 


" v 


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^utien  im  ©tiftc  ju 


11 


(Sincm  cbeln  @efci^(cd)te  ui  ©^maBcn  cntfproffcn,  toor  ©itcltuolf 
erft  JU  ©c^lcttftabt  burd)  Graft  Uben()eim  untcrridjtct  roorbcn, 
bann  ber  eben  aufgefommenen  <Sittc  gemäg  nac^  Italien  gcioans 
bert,  tüo  ^croalbuö  ju  Bologna  fein  2ct)rcr  im  2atei= 

nifc^cn  mürbe,  itaum  ba§  er  ()crnac^  auc^  baiS  ©ried^ifc^e  ans 
gefangen  ^atte,  mürbe  er  non  feiner  gainilic  jurüdgerufen,  mag 
er  lebenölänglid)  beflagte.  §eimgefe^rt  trat  er  in  bie  ®ienfte 
beö  Äurfürften  3t>bann  Giccro  üon  ^^ranbenbiirg  unb  mürbe  öon 
biefem  fomot)(  ölö  non  jeinem  ©ot)nc  unb  9lad)folger  3oac^iniI. 
JU  ben  mid)tigften  0taatögefc^äften  gebraud)t.  ®ie  Stiftung  ber 
Uniüerfität  ju  gi^anffurt  an  ber  Ober  burc^  ben  le^tcrn  mar 
üorjugömeife  fein  SBerf.  Öefonberö  folgenreich  mar  fein  S3ers 
hältnig  JU  bem  2Jtarfgrafen  5Ubrecht,  bem  jüngern  Jöruber  3oas 
chim%  ben  fein  Umgang  oorjüglid)  mit  ber  9^ieigung  für  bie 
maniftifchen  Stubien  erfüllt  ju  höben  fcheint,  burdh  bie  ’ er  fich 
nachher  alö  Grjbifchof  üon  SJiagbeburg  unb  2J?ainj  auöjeichnetc, 
mo  er  bann  aUbalb  ben  alten  greunb  in  feine  ^ienfte  jog. 

Gitelmolf  hötte  fid)  jur  Lebensaufgabe  gemacht  maS  bamalS 
menigftenS  in  ^eutjchlanb  noch  neu  mar:  bie  ^hötig^eit  in  hohen 
©taatSämtern  mit  miffenfchaftlicher  Sefchäftigung  ju  oerbinben. 
$Wit  bem  ganjen  ®emid)tc  feiner  $erfönlidj!eit  unb  Stellung  trat 
er  bem  rohen,  ccntaurif(^en  SBefen  ber  9}?ehrheit  beS  bamaligen 
§lbels,  ihrem  Sorurtheil  gegen  feinere  ©eifteSbilbung  entgegen.  Gr 
mar  ber  GJönner  aller  belehrten  unb  t)öt  oiele  grogmüthig  unter* 
ftü^t.  Gin  belehrter  falle  ihm  nie  jur  Saft,  hotte  er  einft  einem 
fold)en  jur  3lntmort  gegeben,  ber  feinen  Gintritt  bei  ihm  ent» 
fd)ulbigen  ju  müffen  glaubte.  33riefe,  ßofeh^^ften  oon  miffen* 
fchaftlichen  9J^äniicrn  ju  erhalten,  mad)te  ihn  glüdlid).  GS  fam 
oor,  ba6  er  einen  oornehmen  ^ofmann,  ber  ihm  eine  michtige 
iUachricht  bringen  moUte,  märten  liefe,  bis  er  ein  GJcbicht  §cr* 
mann'S  oon  bem  53ufche,  baS  ifem  eben  ju  §anben  gefommen 
mar,  mieberholt  burchgelefen  hotte.  §ÜS  Jütten  einmal  mit  il)m 
oon  „Leuten  unferS  StanbeS"  fpvad),  fragteer:  melcheS  StanbeS? 
beS  gelehrten  ober  beS  9flitterftanbeS?  beim  mir  gehören  beiben 
an.  ^ie  23ücher  nannte  er  bie  anbere  ^ilrt  oon  Söaffen  unb  hotte 
felbft  JU  ^ferbe  immer  bergleid)en  bei  fid}.  Unter  ben  eilten  fchöhtc 
er  LioiuS,  Sirgil  unb  Lucan  befonberS;  oon  ben  jeitgenöffifchen 
GJröfeen  mar  ihm  feine  fremb.  ^en  lebhofteften  ^nthcil  nahm 


12 


I.  ^ud^.  1.  Pa))tiel. 


er  an  Äam^fe  mit  ben  fölner  ginfterlingen,  bic  er 

ßapnionöläufe  nennen  pflegte.  Äam  it)m  eine  neue  0c^rift 

non  (grasmu^  ©cfic^te,  fo  qing  i^m  frifc^c  ^offnun^  für 
^eutfc^lanb  ouf.  @inft  erfuhr  er,  ®ra§mu§  fei  mit  S^teuc^lin 
unb  |)crmann  üon  bem  ^ufc^c  in  gronffurt  am  3Wain;  eilig 
reifte  er  bat)in,  um  fic  mit  allen  Slnbängcrn  ber  neuen  fRid)tung, 
bie  bafclbft  ju  finben  mären,  gu  einem  fofratifcf)cn  0aftmalile 
laben:  al§  ein  Slnfall  uon  ©tcinfd)mcr.^en  il)n  barniebermarf  unb 
baS  ®or^abcn  Ocrcitcltc.  2(m  anbern  3)?orgen  reifte  ©ra^muö 
ab:  ©itelmolf  fonntc  e^  Jütten  lange  nid)t  üerjeiben,  bog  er 
il)n  baoon  niegt  jeitig  in  Ä'cnntnig  gefept  batte.  Jöcfonbcrö  oiel 
f)iclt  ©itelmolf  auf  bie  53elebrungen  ber  ÖJefd)ic{)tc.  @in  märfi* 
feger  fRittcr  mofltc  ign  cinft  nor  einer  SSerfammlung  burd)  bic 
S3cmcrfung  befegämen,  er  fei  ja  niegt  alt  genug,  um  ficb  ber  0ocbe, 
üon  ber  bic  0ftebc  mar,  erinnern  ju  fönnen.  ?Utcr,  ermiberte  igm 
(Sitclmolf,  ibr  möget  mogl  im  ©cbäcbtnig  1)®^^^^^ 

3abrcn  ober  etmo^3  barüber  fid)  jugetrngen  ,b^l;  gii^OTcn 
auch  ba^,  ma^  oor  gmeU  ober  breitaiifenb  Sagren.  Ueberboupt 
fprod}  er,  naeg  5lrt  ber  Slltcn,  gern  in  ©enteilten  unb  ©pigranis 
men.  ^llö  einer  berichtete,  ber  nenetianif^e  Äricg  fei  trefflicg  bc? 
febrieben  movben,  ermiberte  er:  mär’  er  lieber  glüeflieb  geführt 
morben.  ^ic  5^ugenb  führt  in  bic  $öhc;  Unglücf  erprobt  ben 
sodann;  man  mug  auf  bic  Umftänbe  ber 
bei  ber  iJladjmclt  fehen : baö  maren  ©prüchc,  bic  er  h^^Pö 
3Kunbc  führte*). 

3Bir  merben  auf  ©itclmolf  oom  ©tein  in  .^uttcn’ö  £cbcn^- 
gefchid)tc  noch  öfter  jurüefjufommen  SScranlaffung  h^*ben : hmr  ift 
cö  jum  crftcnmal,  bag  er  aU  fein  guter  ©eniu^  erfdjeint.  2Bäb= 
renb  feiner  branbenburgifd)en  2)icnft5cit  mug  er  einmal  in  5**iba 
unb  ber  Umgegenb  gemefen  fein,  ben  jungen  §uttcn  fennen  gc= 
lernt  unb  fid)  für  il)n  p intcreffiren  angefangen  h^*^cn.  2)ie 
Bemühungen  bcö  5lbt^,  bcnfclben  burch  'Ueberrebung  unb  Ber= 
fpred)ungen,  bic  in^befonbere  auf  bic  @ltcrn  berechnet  maren,  für 
ben  9Jtönch'5ftanb;  ^u  /geminnen,  erregten ‘ feine  Beforgnig.^  @r 

1)  S5gl.  über  Gitclmolf  ^utten’5  if)m  gcioibmeten  ÜfJefroIog  in  ber 
Epiatola  ad  Jac.  Fuchs,  ©c^riften  I,  S.  42  — 45.  ferner  bie  an 

©itelroolf  not  bem  ^aneg^rifuS  ouf  ben  drjbif(!^of  ?Ilbred)l  »on  Woinj,  ebenbof., 
6.  34—37. 


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(Sitelioolf  üom  Stein. 


13 


warnte  bie  @ttem,  ben  @ol^n  nid^t  ju  einem  ©d^ritte  ju  bereben, 
ber  i^n  fpäter  gereuen  fönnte;  ju  bem  5lbt  aber  fprac^  er:  2)u 
wollteft  ein  folc^eS  Talent  5U  @runbe  richten  ? ein  SEÖort,  bag  bie 
ÖJefc^ic^te  bem  ©itelwolf  fo  wenig  Uergeffen  wirb,  al^  ber  banf- 
bare  Jütten  eö  jemalö  üergeffen  t)at.  ?luf  §utten’iS  iöater  übrU 
gen^  fc^eint  bie  SSkimung  @ite(wolf'i3  nur  fo  weit  ©inbruef  ge- 
macht ju  ^aben,  bag  er  ben  @oI)u  nic^t  gerabeju  mit  bem  ^In- 
finnen,  ^rofefe  ju  t^un,  übereilte:  oou  bem  einmal  gefugten  53es 
fc^luffe  über  bie  SebeuiSbeftimmung  beffelben  ging  ber  ftarrfinnige 
2}iann  nic^t  ab.  0o  mugte  ber  0o^n  fid)  felbft  gelfen.  2)cr  @e^ 
banfe  ber  giucgt  ftieg  in  igm  auf. 

(Sin  ©djritt  wie  biefer  wirb  niegt  leiegt  ogne  ben  öeiratg 
oon  Sßertrauten  befcgloffen,  ogne  bie  23eigülfe  oon  äJtitwiffenben 
auggcfügrt.  (Samerariuö,  im  ßeben  SQielancgtgon'ig,  nennt  in 
biefer  9tolle  ben  ßrotuö  SHubianuö,  einen  Sugenbfreunb  §uttcn'ä, 
oon  bem  halb  aui?fügrlid)cr  bie  Siebe  fein  wirb.  2)er  gäbe  igm, 
wenn  niegt  ben  erften  Slatg  j^ur  glud)t  gegeben,  bod)  bei  ber 
Sluöfügtung  gegolfen.  ©ooiel  wir  wiffen,  lebte  ßrotuö  um  jene 
3eit  al^  0tubirenber  ober  üielmcgr  Sluöftubirter  auf  ber  Uni* 
oerfitot  (Srfurt;  oon  ba  auö  mag  er  giilba,  5U  beffen  3)lönd}cn 
er  ältere  S3e^icgungcn  gegabt  ju  gaben  fegeint,  zuweilen  befuegt, 
bei  ber  (SJelcgengeit  bie  iöefanntfcgaft  beö  jungen  $utten  gemad^t 
unb  fcglieglicg  ben  glucgtplan  mit  igm  entworfen  gaben.  ®ag 
(£rotu^  oon  früger  3ugenb  au  fein  oertrauter  greunb  gewefen, 
bezeugt  Jütten  felbft;  in  öejug  auf  feine  gludjt  aber  erwägnt 
er  feiner,  oiclleicgt  um  igm  feine  SScrantwortung  jujujiegen,  niegt, 
fonbern  fagt  nur:  wie  er  ,^u  ber  ©infiegt  gefommen,  bag  er  niegt 
für  baö  Älofterlebcn  tauge,  „gäbe  er  fieg,  alö  noeg  mit  feinem 
^rofeg  ober  (^egorfam  oerbunben  ober  oerftrieft,  barau^  getgon, 
um  anbern  2)ingen,  bie  ^u  oerwefen  er  fieg  gefd)idter  geaegtet, 
nad)5ugegen"  *}.  ^en  ffunft  mit  bem  ^rofeg  gebt  er  begwegen 
befonberi^  geroor,  weil  feine  Gegner  ign  fpöter  gern  aU^  entlaus 
fenen  SJlöneg  branbmarften,  ber  bereite  abgelegte  (^clübbe  gebros 
egen  gäbe,  ßcgtereö  fteHt  *§utten  niegt  allein  feierlid)  in  Slbrebe, 
fonbern  forbert  and)  feine  geiube  fo  naegbrüeflieg  auf,  ign,  wenn 
fie  fönnen,  2ügcn  ju  ftrafen,  igm  ben  ^bt,  ^rior,  $robft  ober 


1)  i^af.  Sc^rifttn  1,  S.  44.  @nbtjc(tUIbigung,  Schriften  II,  S.  145. 


14 


I.  1.  Äoj)itct. 


^)ctf)antcn  ju  nennen,  unter  bem  er  ^rofeg  getlE)Qn,  ober  ber  i^n 
ein^efegnet  ^abe,  U)aS  boeb  bei  einer  ©oc^e,  bie  mitten  in  ^)eutf(^s 
lanb  tjorgegangen,  noc^  möglich  fein  müßte:  boß  mir  an  ber 
SEBaßrbeit  feiner  öerfießerung  nid^t  ^meifeln  fönnen.  SBenn  cö 
ber  Sieget  na^  ging,  fo  mar  er  ja  au^  jur  Slblegung  ber 
lübbe  noc^  ju  jung. 

®er  ßeitpunft  üon  ^utten’ö  (Entfernung  au§  gulba  läßt 
fieß  öon  jmei  ©eiten  ßer  j^iemlid^  genau  beftimmen.  (Einerfeit^ 
fprießt  er  felbft  in  einem  ©cßriftftücf,  bag  im  Februar  1515  gc^ 
brurft  ift,  öon  ben  3Wüßen  unb  Strbeiten,  benen  er  au§  ßiebe  ju 
ben  SBiffenfd^aften  bereite  feit  jeßn  3at)ren  unter  ben  ßeftigften 
©c^icffalöftürmen  in  ^eutfd^lanb  unb  Stalien  fieß  unterzogen 
ßabe:  biefe  ©cßicffal^ftürme  aber  braeßen  mit  feiner  gegen  be§ 
öater^  SBillen  unternommenen  glucßt  au^  bem  Älofter  über  ißn 
ßerein.  Stnbererfeitö  mar  menigftenS  (Erotuö  im  ©ommer  1505 
noeß  in  Erfurt ; benn  am  17.  3uti  jeneg  3aßreö  erfolgte  Sutßcr'iS 
(Eintritt  in  ba§  Sin  guftinerf (öfter,  unb  oon  biefem  ©reigniß  fprießt 
ßrotuö  atS  einer,  ber  bamalö  an  Ort  unb  ©teile  mar*).  ®a- 
gegen  ßnben  fieß  ju  Stnfang  be§  SGBinterfemefterö  bie  Slamen 
beiber  greunbe  in  ber  fölner  Uniüerfität^matrifcl  eingetragen, 
unb  baßin  ging  oon  ©rfurt  unb  gulba  au§  ißr  SBeg. 

(5Jtei^fam  oorbilblicß  fteßt  in  bem  3ugenbleben  oerfeßiebener 
zur  freien  ©ntmicflung  unb  zu*^  S5efreiung  Stnberer  berufenen 
äJienfcßen  eine  folcße  glucßt.  ®er  ®rucf  beengenber  SSerßältniffe 
fpannt  unb  fteigert  bie  innemoßnenbe  Äraft;  ein,  ftarfer  SBiHe 
nimmt  hai  ©cßicffal  in  bie  eigene  §anb;  bie  geffet  mirb  gefprengt: 
unb  bamit  ßat  ber  (Eßarafter  unb  baö  fernere  Seben  fein  blei^ 
benbeg  ©epräge  erßalten,  ©o  bei  ©d)iller,  fo  bei  $utten:  Der* 
manbten  ©eeten,  nießt  allein  bureß  biefen  3**9- 
anbern  ©eite,  ganz  in  .ber  Stöße,  melcß  ein  feltfameg  ©egenftürf. 
Stur  menige  Söoeßen,  eße  Jütten  au^  bem  5Hofter  zu  gulba  in 
bie  SBett  entfloß,  flüeßtete  fieß  z»  Erfurt  Sutßer  au8  ber  Söelt 
in  bag  Äloftcr.  2Bie  bczcicßnet  biefer  (Segenfa^  Statur  unb  S3es 
ftimmung  beiber  SJtänner.  ®er  eine  miU  fieß  unter  3}tenf(ßen 
umtreiben,  ber  anbere  mit  @ott  inö  Steine  (ommen.  3^*^^  ertennt 


1)  Jütten  in  ber  3uf<^rift  beS  ^anegi^rifuS,  SrotuS  in  einem  Briefe  an 
Sutber,  in  ^utien’S  ®(ßnfien  I,  6.37.  311. 


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^utien’S  au%  ^ulba. 


16 


biefer  fpäter  bcn  falfc^cn  SBcg  unb  Derläjjt  baS  Ätoftcr:  ol^nc 
jeboc^  feiner  ®euf-  unb  ^anbeUrocife  baö  bort  erhaltene  ©epräge 
toieber  obt^un  ju  fönnen.  33ei  aller  Sreite  unb  ©rogartigfeit 
feinet  fpätern  SBirfen^  blieb  Sutljer  eine  ftreng  in  fid^  jufams 
mengefagte,  aber  auc^  eine  geiftlic^e,  baburc^  gebunbene  unb  oer^ 
büfterte  ^ßerfönlic^feit:  n)äl}renb  Jütten  eine  ujeltlic^e,  ritterliche, 
freie,  felbft  im  Unglücf  heitere,  aber  freilich  auch  unftete  unb  in 
ihrem  Xhun  fich  uielfach  übernehmenbe  9^atur  ift. 


16 


jutdlts 


^niverfifSidia^re.  frße 

1505  — 1509. 

2Bic  uub  auf  tücldjcm  2öcc\c  bie  bcibcn  Säncilinge  nac^  Äöln 
gefonimen,  ob  §uttcn  bcn  Srotuö  in  Erfurt  ober  biefer  jenen  in 
gulba  abge^olt,  jo,  ob  fie  überhaupt  miteinanber  gereift,  unb 
nidjt  oieöeidjt  ber  eine  bem  anbern  erft  fpoter  nac^gefommen, 
barüber  fehlen  unö  bie  S^oc^ric^ten.  2iuf  bie  festere  ®ermutt)ung 
fönnte  unö  ber  Umftanb  führen,  ba§  in  ber  fölner  Unioerfitätg= 
matrifel  Adelricus  hotten,  baö  ift  aber  fein  anberer  alö  unfer 
Utrid)  Jütten,  unter  bem  28.  Detober,  fein  greunb  hingegen  erft 
unter  bem  17.  9^toocmber  1505  al§  Stnge^örige  ber  2lrtiftenfacultät 
fid)  eingefc^rieben  finben. 

ben  oon  ^utten’s  9ffeife  nac§  5^öln  gibt  6^ama*ariuS 
baö  0tubium  „ber  beften  Mnfte  unb  SBiffenfe^often"  an.  ©o 
bejeid)nete  man  bamal^,  im  ©cgenfa^c  ju  ber  alten  @d)olaftif, 
bie  ^umaniftifd)en  0tubien ; bonis  literis  operam  dare  l^iefe  ßatein 
unb  (yriedjifdj  auö  ben  claffifc^en  ©d)iiftfteUern  beiber  0pra^en, 
ftatt,  mie  biö^er,  Icjtercö  gar  nid^t  unb  erftcre^  auö  Äird)enoätern 
unb  0d)olaftifern  lernen,  unb  @efd)macf,  0til  unb  2)enfart  nad^ 
i^nen  bilben.  9flun  fönnte  man  fid^  aber  tounbern,  mie  bie  beiben 
jungen  Seute  biefe  beffern  SBiffenfe^aften  gerabe  in  Äöln  fud^en 
mod)ten,  mo  bod),  mie  fic^  menige  Sa^re  bernoc^  in  bem  iReucblin^ 
fd)en  ©treit  auöroieö,  bie  ©djolaftif  uub  mittelalterlicbe 
ni6  nodb  i^rc  fefteftc  ^urg  batten.  SRiebt  umfonft  lagen  b*f^ 

©t.  2lnbreaS  2llbertuö  3Jiagnug,  bei  ben  TOnoriten  5)unö  ©cotug 
in  ihren  ©räbeni:  noch  immer  berrfebte  auf  ben  Äatbcbcrn  burdb 


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i^uttrn  in  j^5In. 


17 


einen  ?(rnolb  non  Xmiflern,  einen  ^onrab  5loUin,  benen  ber 
j^e^ermeifter  3atob  ^od)ftroten  alö  furd)tbare  3J?ad)t  ,;\nr  0eite 
ftanb,  bie  fd)oiaftifcbe  £ei)rnrt,  in  bereit  ®icnft  and)  Ortuinu^ 
@ratiii^  feine  '3)oi)enter  erhaltene  pbUolo^ifd^e  SUbiin^  fleftellt 
f)atte.  ^üd)  felbft  in  Slöln  rechte  fid)  in  jener  einj^icicn  3^'it  ba^ 
neue  ioiffenfc^aftlid)e  ßeben.  (^ebeU)en  ^tuar  fonnte  ex^  an  einem 
Orte,  lüo  bie  fird)lici^cn  Sntcreffen  fo  überinäcbtifl  lonrcn,  nic^t: 
einer  nad)  bem  anbern  nmrben  bie  33ertreter  ber  l)uinaniftifc^en 
fRid)tiin^  uertrieben:  fo  3oi)ann  ^äfarinö,  ^ermann  non  bem 
Sufd)c,  ^ßeter  oon  fRaoenna,  S^b^öinö  Slefticampinnu^;  bod)  lüQf)rs 
fd)einlic^  hielt  fich  eben  bamal^  ber  (entere  noch  on  ber  Unioers 
fität.  @ettfamcnneife  jog  übrigens  auch  bie  fölnifd)e  0d)olaftif 
loenigftenö  ben  altern  ber  beiben  ©tubiengenoffen  an,  auf  ben 
mir,  ba  fein  Sebenöfaben  üon  je^t  an  mit  bem  unferö  gelben 
üerfchlungen  bleibt,  an  biefer  ©teile  näher  eingehen  muffen. 

drotu^  iRubianud  hi^S  eigentlich  3ohnnn  Säger  unb  mar 
in  bem  thüringifd)en  glccfen  ^ornheim,  unmeit  ^rnftabt,  muth- 
maßlid)  um  ba^J  S^h^  geboren,  dr  fcheint  geringer  iieute 
ilinb  gemefen  ju  fein:  menigftenö  oerfid)erte  er  fpäter,  alö  Änabc 
Siegen  gehütet  511  hnben.  3ni  Sahre  1498  bc.^og  er  bie  Uniners 
fität  drfurt,  mo  er  ^^oei  Soh^e  fpäter  ben  @rab  eiltet  33accalaureu^ 
enuarb.  ©eine  ©tubien  maren  ^unädjft  herfümmlich  ber  fd)ola* 
ftifdjen  ^h^ofoph^e  unb  Xheologie  gemibmet.  ^)urd)  ben  freunb« 
liehen  fiel)rer  SDiaternu^  ^iftoriö  fd}einen  bie  erften  iteime  ber 
humoniftifd)cn  9iid)tnng  in  feinen  dJeift  gelegt  morben  fein, 
bie  in  ber  Solge  burd)  ben  Umgang  mit  bem  h^chgebilbeten  Äa^ 
nonifu^  in  bem  benachbarten  ®otha,  SDhitianuö  fRufuö,  geförbert 
mürben.  5)amit  hing  feine  9^amendänberung  i^ufammen; 
unb  ba  fic  ber  erfte  gafl  unter  Dielen  biefer  ?lrt  ift,  ber  unö  in 
unferer  @r,^ählung  begegnet,  fo  foU  unö  eine  fleine  dpifobe  über 
bergleichen  9^amen3änberungen  um  fo  meniger  Derbrießen,  je  be« 
^eichnenber  biefe  ©itte  für  bie  Seit  unb  bie  fRidjtung  ift,  momit 
mir  unö  befchäftigen. 

X>er  Gebrauch,  beutfd)e  9iamen  ^u  latinifiren,  ftammt  nid)t 
erft  auö  ber  bamaligen  Seit,  fonbern  bie  (Geltung  be-g  2ateinifd)en 
al^  Äircheiu  unb  (^elehrtenfprad}e  h^tte  benfelben  feßon  mäl)renb 


1)  3Jgl.  Comm.  De  Jo.  Croto  Rubiano,  B<mnae  1862. 

VII.  2 


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18 


I.  2. 


bc^  SD^ittelaltcrö  l^crbcigcfül)rt;  aber  jc^t  erft,  ba  man  fid^  bc§ 
toirflid^cn  Satein  unb  baju  beö  ©ried^ifi^en  mächtig  bün!tc,  ttjurbc 
jene  Umgcftaltung  in  größerem  SJiagftabc  unb  juglcic^  mit 
fc^madE  unb  aJEetljobc  betrieben;  menn  aud^  ber  ©efdjinacf  nid^t 
immer  ein  guter  unb  bie  2)ietl)obe  jum  X^eit  menig  beffer  qB 
3^oU^cit  mar.  ®er  ^umanift  fütjlte  fic^  alö  ^Bürger  beö  alten 
lHom§  unb  ©riec^enlanb^;  fo  l)atte  er  aud^  §lnfpruc§  ouf  einen 
lateinifdjen  ober  gric^ifc^eu  S^amen,  unb  an  ÖJefc^idf,  fic^  einen 
foldjcn  ^ured^tjumad^eu,  lonnte  e^  il)m  al^  Kenner  beiber  ©praßen 
nic^t  fehlen.  2J?bn  ging  babei,  mie  gejagt,  nic^t  ol§ne  SJiet^obe 
ju  SBerfe.  S3alb  maren  cö  bie  ^erfonennamen,  halb  bie  S^amen 
beö  @eburt^ort§  ober  ber  ©egenb,  halb  beibe  ^ugleic^,  morau 
man  fid)  l)ielt.  2)ie  ^erfonennamen  mürben  jum  X^eil  i^rcr 
mirflid^en  ober  oermcintlidjcn  S3ebeutung  nac^  überfe^t.  ®aju 
maren  oor  allem  bie  Dielen  beutfi^en  S^amen  geeignet,  bie  Don 
§anbmerfen  ober  öcruföarten  ^ergenommen  finb.  2)a  mar  fdjneU 
au§  bem  Piscator,  au^  bem  3J2üller  ein  Molitor,  au^ 

bem  Mrje^ner  ein  Pellicanus  gemadjt.  ^5)od)  finb  nid^t  aUe 
Ueberfc^ungen  biefer  5lrt  fo  leidjt  511  ratzen.  ®em  Foeniseca 
merben  eö  menige  auf  ben  erften  33lid  anfe^en,  bag  er  j\u  beutfe^ 
3J2aber  (SWäl^ber)  Ijieg.  SBo  bie  leidet  überfefeenben  Söerufös 
nameu  aufl)ören,  mirb  o^ne^in  bie  @ad)e  Dermidclter.  3n  Capito 
ift  Ä'öpflin  moljl  noc^  ungefähr  ju  erfennen,  in  Brassicanus  unb 
Cuspinianus  ilol)tburger  unb  ©pieg^ammer  fc^on  fd^merer,  unb 
in  Velociaiius  mürbe  menigften^  l^eutjutage  nid)t  leidjt  jemanb 
einen  iRefc^  Dermutl)en.  S^^^cileu  mußten  bie  Sftamen  erft  nDc^ 
geroaltfam  geredt  unb  Derbrel)t  merben,  eße  fid)  etma^  mit  i^nen 
machen  ließ.  ©0  ^atte  ber  9tame  ©c^mar^ert,  menn  aueß  in  ber 
jud)tlofen  Drtßograp^ie  ber  ßcit  nic^t  feiten  ©eßmarjerb  gefd)rie= 
ben,  barum  bod)  fo  menig  aU  bie  Denoanbten  garbennamen 
SBcißert,  ©runejt,  ©elbert  mit  ber  SWutter  @rbe  etmaö  ju  tl)un: 
nur  um  fo  mel)r  tßat  fid^  ©roßo^eim  Sieuc^lin  barauf  ju  gute, 
baß  iljin  ber  Sflame  Sü^clan^t^on  bafür  eingefallen  mar.  3)aä 
mar  überbieß  ein  gricc^ifc^er  S^tame,  unb  bie  galten  bcgreiflid^  alö 
bie  Dorneßmern.  iöei  Sfleucßliu  felbft  mürbe  bie  latcinifd^c  lieber^ 
fefeung  feinet  S^amen^;  Fumulus,  nur  fpottmeife  Don  ©egnern, 
baö  griecbifdje  Capnion,  momit  ißn  in  Stolien  ber  Denetianifc^e 
^umanift  ^ermolauö  Öarbaruö  befdjenft  l)atte,  Don  feinen  SBev^ 


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^umanifHfd^e  9{atnenfd^5pfung. 


19 


. extern  gebraust;  toä^renb  er  fctbft  fid^  am  UeOften  feinet  beutfd^cn 
9iameng  bebieiitc.  ©tatt  einer  Ueberfe^ung  ber  ©igennamen  be* 
gnügte  man  fic^  aber  nicf)t  feiten  audj  mit  einer  biogen  antifi^ 
prenben  Umlautung,  befonberiS  menn  ein  beutfcl^er  9tame  ba§ 
@lücf  l)atte,  Oon  felbft  fd}on  an  einen  lateinifcgen  ober  gricc^ifdjen 
anjuflingen.  §icg  einer  De^mler,  loie  na^e  lag  baö  eble  römifdje 
Aemilius;  ein  9Kaier  mar  im  Umfe^en  511m  Marius  gemacht; 
Soa^im  Don  SBatt  ^ieg  Vadiamis;  Sodann  IRacf  befam  ab5 
Rhagius  fogar  einen  gricc^ifdjen  Slnftric^.  3cber  ^umanifirenben 
Änftrengung  fd^ien  ein  S^tame  mic  Äradjenberger  511  flotten,  beffen 
Sep^er  pc^  ba^er  Pel^entlid)  an  ben  ©rogmeiftcr  IReuc^lin  um 
§ülfc  manbte:  unb  in  !urjem  felgen  mir  in  ber  Xl)at  auc^  biefe 
l)äglic^e  9laupe  f^lp^engaft  alö  Gracchus  Pierius  baoonfliegen. 
Äuger  ben  ^erfonennamen  merben  aber  aud)  gern  bie  Manien 
ber  Geburtsorte  ober  biefen  benachbarter  Ströme  5111*  Geminnung 
clafpfchcr  S3e§cichnungen  benu^t.  Unb  jmar  merben  biefe  latini* 
prten  Ortsnamen  halb  neben  bie  ^erfonennamen  gefept,  mie  ber 
eben  genannte  ?Rl)agiuS  oon  feinem  Geburtsorte  Sommerfelb 
Rhagius  Aesticainpianus,  Georg  Xannftettcr  oon  9lain  in  Ober= 
baiem  Tannstetter  Collimitius  l)ieg.  Sltod)  öfter  jebodj  fel)cn 
mir  oon  bem  ^eimatnamen  ben  ^erfonennamen  gan^  üerbrängt; 
fo  ift  Georg  iöurfarb  aus  bem  ic^t  Ijopfcnberühmten  Stäbtd)cn 
Spalt  als  Spalatinus,  Heinrich  ßoriti  auS  9)toUiS  bei  GlaruS 
als  Ölareanus,  93eat  95ilb  auS  iRgeinau  im  obern  @lfag  als 
Beatus  Rhenanus,  $eter  Sd)abe  auS  S3ruttig  an  ber  9Rofel  als 
Petrus  Mosellanus  bcrül)mt  gemorben.  Söei  ^Ibelichen,  felbft  bei 
pöbtif^en  ^atriciern,  benen  i^r  Slame  in  ber  Urform  mertl)  ju 
fein  pPegt,  pnben  mir  feltencr  eine  folcge  Umgeftaltung.  3)er 
humaniftifche  Graf  ^ermann  oon  S^tuenar  miirbe  oon  feinen 
greunben  olS  comes  de  nova  aquila  ober  Neaetius  ftilifirt;  bei 
bem  guten  ©itelmolf  Oom  Stein  oerftiegen  fic  fich^noch  über  ben 
de  Lapide  ginauS  5um  Ololycus  (0?.6lv7iog)  für  ben  Vornamen ; 
aber  nicht  allein  §utten,  fonbern  auch  ^irefheimer  unb 
tinger  liegen,  auger  ber  lateinifchen  (Snbung,  ihre  Spanien  un* 
Oerönbert. 

Um  fchlieglich  auf  ben  SRann  jurücf^ufommen , oon  bem 
mir  ^u  biefer  Spifobe  abgefegmeift  pnb,  fo  bietet  fein  9tome  ein 
rechtes  SRufter  oon  humauiftifcher  Umgeftaltung  unb  Steigerung. 


20 


I.  ?u(^.  2.  l^opitcl. 


3of)ann  ^öflcr  au^3  ^orn^cim  ^icß  er  noc^  1506  Joannes  , 
Dornheini  Venatoriiis;  aber  baniit  tuar  ber  ©eburt^ort  norf)  c^ar 
nic^t,  ber  ^erfonenname  nur  l)öc^ft  geinöbiilid)  überfe^t.  Säger 
U)ar  freilid)  Venator  ober  Venatoriiis;  aber  ein  Säger  niar  auc^ 

. ein  0djü^e,  nnb  ber  ©djübc  tvax  nic^t  bloi?  im  SBalbc  finben, 
fonbern  and)  am  ^immel  unter  ben  ©ternen,  nnb  biefer  ©cbüfcc 
al^  ©ternbilb  bieß  mit  feinein  Eigennamen  Crotiis.  Er  mar  ber 
©ot)n  ber  SJtufenamme  Eiipbemc  Dom  $an  gemefen,  batte,  neben 
feinem  Sogbnergnügen,  auf  bem  §elifon  mit  feinen  3Rild)fd)roeftern 
gefpielt,  unb  biefe  ibm  barum  Dom  SSatcr  Supitcr  bie  Erbebnng 
unter  bie  ©terne  erbeten,  ©o  lafen  eö  bie  bnmaniftifeben  greunbe 
im^bgin*),  »nb  mie  ließ  ficb  für  einen  angebenben  ä^hifenbiencr 
ein  aii^gefucbterer  S^tame  finben?  ^amit  bann  auch 
name  nid)t  in  feiner  bornigen  Urgeftatt  bliebe,  mürbe  er  mittelft 
einer  freilid)  nid)t  gaiij  genauen  Ueberfebiing  — beim  nibus  be'iSt 
üörombeerftraueb  — abS  Rubianus  ober  Rubeaniis  bem  Job, 
Crotus  beigefügt,  nnb  babnreb  and)  noch  ber  S^orfd)rift  beö  bcutfd)en 
Er^bwnianiften  itonrab  Eelti^  genugget()an,  ba§  ein  $oct  (mic 
einft  bie  alten  fRömer)  brei  iJtamen  l)flb<‘n  müffe. 

Um  bie  i}eit  inbeg,  ba  er  mit  Jütten  in  Äöln  feine  ©tubien 
fortfe^te,  mar  bei  Erotu^  meber  bie  9tamengs  noch  bie  ©innei^s 
änberung  fc^on  ooll^ogcn.  Er  mar  nod)  ein  SSerel)rer  ^(rnolb’d 
uon  Xungern  nnb  feiner  fd)olaftifc^en  9J?eifter,  lernte  mit  bem 
jüngeren  grennbe,  moran  biefer  it)u  fpäter  fd)er,\enb  erinnerte, 
mit  ©ijllogi^men  blifeen,  opponiren,  affumiren,  refponbiren,  pro 
unb  contra  argumentiren,  fur^  alle  bie  bialeftifd)en  ged)terfünfte 
bamaliger  $l)iiofopl)ie  unb  3^^eologie.  S3alb  aber  mürben  biefe 
2)inge  für  Erotuö  ^um  ©piel:  er  mugte  bie  Sebrer  trefflich  nach* 
5ual)nien,  unb  mad)te  fo  fd)on  in  Äöln  bie  SSorftubien  ju  ben 
üöriefen  ber  2)unfelmänner. 

Erotuö  rtiar  ein  SJienfcb  bon  bebeutenber  S3egabung  unb 
großer  ßicbenömürbigfeit.  ©ein  ^aupttalent  mar  ber  SBip.  ©ich 
über  bie  ^l)orl)eiten  ber  SJ^enfeben  luftig  ju  moeben,  fein  liebfte^ 
Xreiben.  28ic  mußte  bieß  bei  bem  jungen  Jütten  jünben,  in 
bem  gleichfalls  ein  beutfeber  Sueian  oerborgen  lag.  greilid)  mar 
bie  91icbtung,  bie  fittlicbe  EJrunblagc  biefeS  Talents  bei  beiben 


1)  Fab.  224  unb  Poet,  astronom.  II,  27. 


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^roiuS  d^ubtanug 


21 


eine  iH’rfc^icbcnc.  33ci  Jütten,  fo  mic  er  fpötcr  fid)  cntiüicfeltc, 
tuar  bem  SScrfcl)rtcn  flcc^cnübcr  bav^  Sachen  nid)t  basS  fiepte,  fan= 
bern  ber  SERigbtäueben,  bic  er  Uerfpottete, 

nic^t  blo^'  baö  Xbörid)te,  fonbern  nicf)r  noc^  ba^  Sßerbcrblic^c. 
®eö  ßrotuö  eic^cntlic^e^  (Element  lüar  eben  ba^  fiadjen  fcibft.  @r 
ließ  fid)  über  bie  ©d)Qben  biefer  närrifeßen  Söclt  feine  grauen 
§aare  inad)fcn.  Sind)  einen  fogenannten  fcßlcd)tcn  2öi^  uerfd)inöf)te 
er  nid)t.  3)?if  biefer  ftet^  anfgelüccften  2aune  mußte  er  ber  an^ 
gencßmfte  ©efeUfdjüfter  fein.  2)en  2J?ann  oller  Stunben  nennt 
il)n  SKutian.  Slber  eben  biefer  ältere  unb  ernftere  SJ^ann  fprießt 
non  Srotu^  mit  einer  toclcße  bemcift,  baß  er  jnglcid) 

ßöcßft  fd)ä^bare  moralifd)e  @igcnfd)aftcn  an  ißm  fannte.  @r 
feßilbert  ißn  alö  reblid)cn  Ü)^ann,  aufridjtigen  iinb  treuen  greunb, 
non  ber  fanfteften  03emntß^art  unb  einer  Sln^ieljung-^fraft,  bie 
felbft  einen  §nftfranfen  ju  einer  fReife  ^u  ißm  in  ©emegung 
fe^en  fönnte.  Äeinem  ging  in  ber  golge  bic  9Rißßanblung  beö 
cßnuilrbigen  ^Rcud)lin  non  'Seiten  ber  Äolner  ginfterlingc  meßr 
p iJutßer  empfanb  er  eine  3^^l  ^^*^9  öegeis 

ftening:  bod)  ßier  liefen  bic  ©rennen  feiner  äftßetifd)en,  guietiftifeßen 
Statur,  bie  er  moßl  einmal  überfpringen,  boeß  nidßt  für  bie  ^aucr 
ßinter  fieß  laffen  fonntc. 

®er  Sllterdoorfprung  Don  beiläupg  ad)t  3oßrcn  unb  baö, 
alö  Jütten  e^  anpng,  non  ißm  in  ber  ^auptfaeße  nollenbctc  ofa* 
bemifeße  ©tubium  befäßigten  ben  Grotuö,  in  maneßen  ©tücfen 
ben  fießrer  unb  Süicntor  beiiJ  jüngeren  Ji^^^wnbeö  j\u  mad)cn.  ^aß 
fpäter  in  @vfurt  biefcö  S3crßältniß  5mifd)eu  ißnen  ftattgefunben, 
bezeugt  Jütten  fcibft;  oßne  f^)on  in  Ä'öln 

fo  gcftaltct.  2öer  außerbem  ßier  .^utteirö  fießrer  gemefen,  läßt 
fid)  nur  uermutßen.  Xeö  fRßagiuö  ©d)ülcr  nannte  er  fid)  fpäter 
öffentlicß.  ^a  mir  aber  bo^^  3aßr  ber  SlJertreibung  biefer  SDtanncö 
auö  itöln  nid)t  genau  luiffen,  unb  Jütten  fpäter  nod)  einmal  mit 
ißm  pfammentraf,  fo  läßt  fid)  aud)  nid)t  mit  0id)crßeit  feft* 
fefeen,  baß  er  feßon  ßier  fein  Seßüler  gemefen  ift.  Soßann  fRßagiuö 
toar  <^u  ©ommerfelb  in  ber  Cbcrlaufip  um  14GO  geboren  unb 
ßattc  feine  pßilologifdic  iöilbung  erft  in  krafau,  bann  in  33ologna 
erßalten.  'i)iad)bem  er  in  fRom  üon  bem  ^apftc  felbft  ben  ^)id)ters 
lorbeer  empfangen,  fid)  ßicrauf  einige  Qc\t  in  $ariö  aufgeßaltcn, 
trat  er  nad)cinanber  an  oerfi'ßicbencu  Orten  ^cutfcßlanbö  aliJ 


22 


I.  2.  Plapitd. 


ßc^rer  auf.  3n  la§  er  unter  auberm  über  ^(iuiuiS.  @r 
war  ein  burd)  fittlid)c  SBürbc  wie  buvd)  ©cle^rfamfeit  qu%’s 
5cid)uctcr  2J2ann:  ben  Sßiebererweefer  ber  erftorbenen  ßatinität 
nannte  if)n  2J2utian;  ©itetwotf  üüiu  @tein  begrüßte  it)ii  al^  e()rs 
Würbigen  Sßater,  unb  (Soban  ^effe  woQte  ein  mäßiget  2J^aßt,  in 
feiner  öiefellfcßaft  genoffen,  nid^t  mit  einer  ©öttevtafet  üertaufd)cn. 
Sßeitcr  mag  Jütten  bei  Safob  ®ouba  gel)ört  ()aben,  ber  X()eolog 
unb  $oet  ^*^or,  unb  beffen  elegifdjeS  Xalent  er  fpätcr 

rnfjmte.  ^uc^  mit  S^lemaclu^  auö  Sioren^,  bem  SSerfaffer  oon 
©pigrammen  unb  Stmoren,  fpäter  faiferlicßcm  ©eßeimfe^reiber, 
unb  mit  einem  ber  brei  ©rüber  C^anter,  muti)inaßlid^  bem  jüngften, 
3afob,  ber  gteidjfall^  ^id)ter  war,  fc^eint  Jütten  fidj  bamalö  bc= 
freunbet  511  ßaben. 

bie  0tü^e  ber  §umaniftenpartei  in  Ä'ölu  erfd)eint 
einige  3al)re  fpäter,  in  |>ermann  ©ufc^'ö  unb  9teudjlin'^  $änbeln, 
ber  @raf  ^ermann  Don  9tuenar,  ober  9^teuenar,  uon  beffen  Stamme 
fd)Ioß  in  ber  benad)barten  $Ü)rgegenb  nod)  fc^öne  Xrümmer  ^u 
feßen  finb,  Älanonifuö  unb  nac^tjer  ^ompropft  bafetbft,  bamal^ 
and)  mit  J^utten  in  freunbfc^aftlidjer  ©erbinbung.  5)a  er,  brei 
3at)re  jünger  al<g  biefer,  ein  3aßr  oor  ißm  in  Ä'ötn  inferibirt 
Ijatte,  möd)te  man  ißre  ©erbinbiing  oon  jener  ©tubienjeit  ßer 
batiren;  baß  in  einer  @legie  au^  bem  3at)r  1510,  in  weld^er 
glitten  feine  9Jiufe  bei  ben  beutfdjen  §unianiften  bie  fRunbe 
madjen  läßt  ‘X  be^  ©rafen  oon  5Ruenar  leine  ©rwäßnung  gefd)icl)t, 
tonnte  feinen  ©riinb  barin  Ijaben,  baß  berfelbe  bamal^  Oermut^s 
lid)  in  Italien  abwefenb  war.  ^iefe  elegifc^e  SJ^ufenwanberung 
gebt  erft  oon  bem  norböftlid)en  ^eutfcblanb,  wo  fidj  ber  ^id)ter 
eben  aufbielt,  an  ben  ©bein  nad}  Ä'öln,  bann  über  Sioblenj  unb 
äJ^iinj  ftromaufwärtö;  le^tere^  jum  Xl)eit  wenigften^  berfelbe 
3öeg,  ben  $utten  entweber  bei  feiner  SReifc  nach  Äöln  in  inus 
gefebrter,  ober  bei  feiner  fRücfreife  Oon  ba  in  berfelben  Diiebtung 
gemadjt  b^^ben  muß.  ©on  felbft  ergibt  firb  bie  ©ermus 

tbung,  er  möge  bie  SJMnner  an  biefer  Straße,  ju  benen  er  feine 
ÜRufc  fenbet,  eben  auf  jener  $Rl)ciureife  tennen  gelernt  b^ben. 
^ieß  trifft  nad)  ber  ^auptftation  ^^öln  gleich  bei  ^oblenj  5U,  wo 
er  mit  befonberer  besg  Ulrid)  gabriciuö  gebenft,  ben 


l)  Quijrelar.  L.  II,  Elcg.  10.  ^uttcn’S  Sd^riiten  UI,  ©.64—81. 


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Siterorifd^e  %e(anntj(^aften. 


23 


i^m,  aU  er  jene  ©cflcnbcn  burd^hjanbert,  bie  frcunblid^e  $alla§ 
©tubiengenoffen  gegeben  ^abe.  Slrbeit  mib  Slaft,  ja  bnö 
gan^c  Seben  fei  if)nen  gemeinfam  getuefen;  enblirf)  habe  baiJ 
0c^icffal,  feinen  ©tiibien  feinbfelig,  fie  getrennt,  üt)ne  boc^  ben 
33unb  i^rer  ^er^en  jerreigen  ju  fönnen.  9Äit  biefem  I)at  nun 
,§utten  nermutblid),  wenn  and)  bie  53efanntfc^aft  in  Ät'obleni^  fic^ 
angefnüpft  haben  mag,  fofort  in  ilöln  ftubirt ; er  war  ein  humas 
niftifd)  gebilbeter  Surift,  ber  in  ber  Solge  feine  ©tcllung  am 
furtrierifd)en  §ofe  befonberö  auch  jur  ^Inffpürung  uerborgener 
^anbfehriften  non  Slajfifern  iinb  Ä’irchenüätern  benupte.  dagegen 
wirb  weiter  aufwärts,  bei  3J?ain^,  üon  ben  ^wei  ©refemunben, 
als  Suriften  unb  ^oeten,  in  einer  SBeife  gefprochen,  bie  nur  an 
eine  iöefanntfchaft  aus  ©chriften,  unb  nicht  einmal  eine  genaue, 
benfen  lägt.  'Jtahe  bei  ©peier,  heißt  eS  bann  weiter,  bewohne, 
mit  SBenigem  ^ufrieben,  Söimpheling  ein  engeS  .^auS.  9^ur  um 
.^eiliges  bemühe  er  fich;  ^^lleS,  waS  er  fdjreibe,  fei  erfprießlich ; 
Diel  üerbanfe  ihm  bie  beutfd)e  ^ugenb,  auS  ber  er  immer  manche 
burd)  feine  ^clehrfamfeit  an  fid)  i\iel)e;  aucl)  ihm  felbft,  ,§ntten, 
haben  feine  Unterweifungen  oft  genügt.  2)aS  fönnte,  ^umal  babei 
SäJimpheling  ongerebet  wirb,  auf  perfönlidjcn  ©inblicf  in  feine 
|)äuSlichfeit  ^u  beuten  fdjeinen;  allein  bie  ^öcrhältniffe  beS  oieU 
befud}ten  iiehrerS  waren  in  hMmaniftifd)en  Greifen  allbefannt,  unb 
ob  .^utten  bamalS  fo  weit  rheinaufwärtS  gefominen,  ift  mehr  als 
zweifelhaft.  @ben  um  jene  übrigens  gab  SBimpheling  zu 
einem  ©treite  93eranlaffung,  ber  ein  iöorfpiel  beS  üteudjlin'fdjen 
^anbelS  werben  follte.  3n  einer  um  baS  3al)r  1505  heraus^ 
gegebenen  ©chrift  ftellte  er,  ber  felbft  nid)t  ohne  S^orliebe  für 
baS  ©infieblerleben  war,  bie  ©ä^e  auf,  baß  bie  SßeiSheit  nicht 
an  ber  Äutte  h^fte,  baß  eS  and)  im  weltlid)en  ©taube  oerbiente 
ÖJel^hi^te  gegeben  hübe,  ja  bie  gelchrteften  Theologen  felbft  nicht 
3Könd)e,  fonbern  Söcltgeiftlid)e  gewefen  feien,  wie  inSbefonbere 
ber  h<^iiigc  Sluguftin  mit  Unrecht  zu  ben  ©remiten  ober  9J2önd)en 
gerechnet  werbe.  2)aS  nahmen  bie  2J?önche,  oor  allen  bie  5tugus 
ftiner,  gewaltig  übel,  fie  fchrieben  gegen  SSJimpheling  unb  oer* 
flagten  ihn  beim  ^^Japfte.  (Sr  Oertheibigte  fid),  unb,  wie  baS  gel)t, 
nun  bewies  er  fdjon,  baß  bie  9teben  an  bie  ©infiebler,  auf  welche 
feine  ÖJegner  fid)  huuptföchlich  beriefen,  gar  nid)t  oon  ^luguftin 
feien.  ®od)  wenbete  er  Jid)  zugleid)  mit  unbebingter  Unterwerfung 


24 


1.  2 j^apttel. 


an  bcii  ^apft  3^iiUnö  II.,  nnb  mit  ^)ülfc  bcbcutenbcr  güvfprcc^cr, 
mie  Äonrab  ^cutinc^or  u.  a.,  flelanQ  c^,  bie  SSorlabunc^  und)  9lom 
,yi  I)intcrtrcibcn.  än  bcvfclbcn  @ei]cnb,  fül)rt  §utten  in  jenem 
poetifdjcn  Sßegmeifer  fort,  l)alte  fid)  aiid^  Sä^olf^ancj  5tngft  auf, 
ber  einft  ber  0einii]e  ^ernefen,  b.  mit  bem  er  bamalö,  ober  bei 
einer  anbern  ©ele^entjeit  oor  bem  3al)r  1510,  greunbfdjoft  fle- 
fc^loffen  ®ie  iöriefc  ber  S)nnfe(männer  führen  il)n  in 

^aflenau  (ben  SGÖimpt)elin(j  in  ©d)lettftabt)  anf,  too  er  in  ber 
®rudcrei  be^  5^f)oma‘3  5lnöl)elm,  mie  fpäter  bei  ©d)öffer  in  9}?ain\, 
al§  gelehrter  Gorrector  t^ötig  mar  nnb  in  ber  goige  and)  ben 
^rnd  Don  Schriften  feinet  greunbeö  Jütten  leitete.  ®af3  biefer 
ben  S^erfaffer  beö  berühmten  Starren fd)iffö,  0ebaftian  58rant  in 
©tragburg,  beffen  ber  SBegmeifer  ferner  gebenft,  bamalö  perfon* 
lid)  fertnen  gelernt  Ijabe,  ift  nun  oollcnbö  unmaljrfdjeinlid);  nod) 
meniger  magen  mir  e§,  bcmfelben  meiter  lanbeimoärb5  nad)  ©tutt^ 
gart  nnb  hingen  ju  3ol)ann  S^eudjlin  imb  ^einrid)  :öebcl  jn 
folgen;  fonbern  mir  feieren  ju  Jütten  nac^  Ä'öln  ^urüd,  mo 
übrigen*^  feineö  93leibenö  nic^t  mel)r  lange  fein  follte. 

iliur  eine  brängt  fid)  nod)  auf,  el)e  mir  mit  itjm 

meiter  jiel)en:  mol)er  er  nämlid)  mäbrenb  feiner  afabemifd)en 
3al)ie  bie  SDiittel  ju  feinem  Unterhalte  genommen  habe?  0eit 
feiner  glnd)t  aug  gulba  hotte  ber  ®atcr  bie  §anb  üon  ihm  ab^ 
gej^ogen.  ^)eö  ©ohne^^  eigenmiüiger  0d)iitt  biirdjfreujte  bie  ße^ 
benöplane,  bie  er  für  benfelben  entmorfen  hotte,  nnb  fe^tc  ihn, 
bei  ber  oieljährigen  Serbinbung  ber  gamilie  mit  ber  5lbtei,  in 
Sßerlegenheit.  2Bir  miffen  and)  nicht,  ob  er  ben  5lufentl)olt  boig 
©obnesi  fogleid)  erfuhr;  oielIeid)t  hm'tt  biefer,  um  nicht  mit 
©emalt  ^urnrfgeholt  merben,  für  gerathen,  fiel)  eine  ß^'^t  long 
üerborgen  511  holten,  ^er  Später  aber  bachte  il)n  am  mirtfamften 
^ur  9tüdfehr  511  nötl)igen,  inbem  er  ihn  ohne  Unterftü^ung  lief). 
Sßenn  Ulrid)  Jütten  fpäter  an  feinen  SSettern  gromin  nnb  ßnbmig 
bie  greigebigfeit  rühmte,  mit  meld)er  fie  feine  ©tubien  unterftüpt 
hoben*),  fo  hotten  fie  l)ic§u  fd)on  bamalö  alle  SSeranlaffung. 

3m  3al)re  1506  foH  e»  ber  gemöl)nlid)cn  Einnahme  zufolge 
gemefen  fein,  ba§  bie  Umtriebe  ber  Dominicaner  ben  9U)agiu<5 

1)  ?ln  ®?arquorb  öon  ihotftdn  unb  on  Sitclwolf  öom  6tfin,  Schriften  I, 
e.36.  39. 


V 


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i^ultcn  in  6r|urt. 


25 


3lcfticampiaiiuö  nöt^igten,  Äöln  ;^ii  ucrinffcu;  unb  ba  in  bcmfcl= 
bcn  3abre  quc^  ßrotu^  unb  |)uttcn  auö  Äöln  Ucifc^tuinbcn,  um 
anbcr^tüo  micbcr  jiim  Sßorfd^cin  füinmcn,  fo  ift  nic^t 
tjcrmunbcrn,  bafe  man  in  bcr  SBcrtrciOung  bc^  öo^rcrö  bcn  ^Inla^ 
ju  bcr  SBanbcriincj  bcr  0c^ülcr  311  fndjcn  pflegt,  ^iefc  folgten 
übrigen^  nidjt,  mic  in  fold)cm  gaüc  3U  eimartcn  märe,  bem  2cl)rcr 
an  bcn  Drt  feiner  neuen  SäJivffamfeit;  fonbern,  mäljrenb  9tf)agiuö 
an  ber  im  ^Ipril  jene^^  eröffneten  Unioerfität  311  graidfurt 

an  ber  Ober  bie  il}m  übertragene  £el)rftcflc  antrat,  brad)te  (Irotu^S 
feinen  jungen  greunb  uorerft  nad)  ©rfurt,  mol)in  tl)n  bie  @rin^ 
ncrungen  unb  SSerbtnbungen  feiner  frühem  0tubienjal)re  3ogen. 

i)ic  gegen  bcn  0d)(ug  beö  14.  3ctl)r^iinbertö  geftiftete  er- 
furter  Unioerfität’)  genoß  am  Einfang  be^  16.  cineö  5lnfel)cnö 
in  2)cutfd)lanb,  baß,  mie  2utt)er  fid)  einmal  auebrüefte,  allc'anbern 
bagegen  aU  flcinc  0cßü^cnfd)ulen  galten.  Qxix  großen 

0d)iöma  entftanben,  ßatte  fic  langcßin  für  baö  bafeler  (£oncil 
unb  beffen  fReformibcen  Partei  genommen,  unb  unterfd)ieb  fid) 
aud)  fpätcr  nod)  oon  anbern  beutidjen  Unioerfitäten  burd)  einen 
liberaleren  ®cift.  ^)urd)  Seßrer  mie  ^iaternuiS  ^iftoriö  unb  9^i= 
folauö  3}^arfd)alf  mit  ißren  0d)ülern  mürbe  fic  bie  ^flan3ftättc 
bcö  ^nmanmmuö  in  5)eutfd)lanb.  3f)rc  ®lüte3cit  erftreefte  fid) 
oon  ber  iWitte  bciS  15.  3al)rl)unbert^  bb5  in  baö  erfte  3ol)r3e'l)nt 
bcö  folgenbcn,  mo  erft  bürgcrlid)c  Unrußen  in  ber  0tabt,  bann 
bie  firc^licßen  SEBirren  ißr  oerberblid)  mürben.  93on  einem  erften 
0toß,  einem  SBorboten  ber  ftärfern,  bie  tommen  folltcn,  einer 
©treitigfeit  3mifd)cn  Bürgern  unb  ©tubenten  im  3ol)r  1505,  l)attc 
fid)  bie  Unioerfität  fo  eben  crl)olt,  bie  ^orlejungen  gingen  mieber 
i^ren  @ang:  für  §utten’ö  (Sntmicflung  inbeß  mar  (5rotuö,  ber 
feine  freunbfd)aftlid)eficl)rtl)ätigfcit  l)ier  fortfe^tc,  maren  ein  talcnt- 
ooücr  l!Oiitfd)üler  unb  ein  l)od)gcbilbctcr  ^rioatgelcßrter,  bereu 
©cfanntjd)aft  er  fofort  mad)tc,  mid)tiger  alö  alle  ^ßrofefforen. 

3mei  3ol)rc  oor  glitten,  im  3al)re  1504,  mar  au‘5  graru 
fenberg  in  Reffen,  mo  er  bcn  Untcrvid)t  be‘5  3atob  ^orläio;J  gc^ 
uoffen  ßatte,  ber  fcd)3cl)njäl)rige  @oban  §cffe  nad)  Erfurt  ge^ 
fommen,  unb  mit  il)m  fd)loß  nun  $utten  bie  3mcite  jener  atabe^ 
mifc^cn  3ugenbfTcunbfd)aftcn,  mcldjc,  gleid)  bcr  mit  Srotnö,  il)ii 


1)  3j0l.  i^ompld^ulte,  3)ic  Unioerfität  Erfurt,  Xrier  1858.  1800. 


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26 


I.  %u(^.  2.  Kapitel. 


burc^  ba^  Scbcii  begleiten  foUtc.  SBcnu  ßrotu6  Uor  Jütten  ettua 
ad)t  ScbciBjaljrc  uorauöl^attc,  fo  weil  (Soban  in  bcmfelbcn  3a()tc 
mit  it)in,  nur  brei  SWonatc  t^^ül)cr,  öoefenborf  in  Reffen 
büren,  ©ein  3?ater  mar  ein  ^ienftmann  beö  benachbarten  Älofterö 
^aina,  beffen  ^ftarnc  nid)t  feftftet)t,  ber  aber  bem  ©oljne,  üon 
einem  in  ber  Umejeflenb  üerehrten  ^eili^en,  ben  SSornamen  iSoban 
fchöpftc.  tiefem  fe^te  ber  ©ot}n  in  ber  Solche  ftatt  beö  ©efchlecht^ 
nameiii^  ben  ^eimatnamen  Hessus  nach,  unb,  um  bie  ^reijaht 
ber  5)id)ternamen  DoU^umachen,  mit  33e^ug  fomohl  auf  ben  ©oniu 
taq,  an  bem  er  ejeboren,  alö  auf  ben  ©onnens  unb  5)ichter90tt, 
beffen  5)iener  er  mar,  ben  ^tarnen  Helius  uoran.  ©chon  in  bem 
i^naben  h^i^c  fich  baö  ^id)tertalent  in  be^eichnenber  SBeife  an* 
flcfünbiflt.  5(1^  einft  ^orläuö  ihm  unb  einigen  befferen  ©chiUern 
bie  Slufgabe  geftellt  h^^tte,  ben  Xejt  auig  bem  (Suangelium  So* 
hanniö:  Ego  suin  lux  mundi,  qui  sequitur  nie,  non  ambulat  in 
tmehris  — in  lateinifd)en  Serfen  mieber^ugeben,  bemerfte  ber 
junge  @oban  fogleich  in  ben  legten  Söorten  ben  hfll^*cn  $enta* 
meter  unb  brodjte  in  furj^er  grift  eine  fo  fchmungüoUe  Umfd}rcis 
bung  beö  3^ejteö  ^u  ©taube,  baß  ber  iiegrer  erftaunte  unb  üon 
ba  an  bie  größten  .^Öffnungen  üon  bem  ©chülcr  faßte.  S)iefer 
feßrieb  nun  immerzu  nnb  quälte  ben  ßeßrer  unb  2lnbere  mit  ber 
3umuthung,  ißm  feine  S^erfe  corrigiren,  Sind)  in  Erfurt 
madjte  fid)  @oban  halb  bureß  gelungene  Dichtungen  befannt:  be^ 
feßrieb  bie  ^luömanberung  ber  ©tubenten  auö  Einlaß  ber  $cft 
bcö  Süßrö  1505,  ben  ©tubentenframaH  beffelben  Soßre^,  fang  • 
baö  iJüb  ber  erfurter  Uniuerfität  unb  üerfudßte  fid)  naeßeinanber 
in  3bl)llen,  §eroiben,  epifeßen,  elegifd)en  unb  lßrifd)en  ©ebießten 
aller  ^rt.  ©cßon  bamalö  fagte  ßrotuö  üon  ißm,  er  fei  an  Sußven 
ein  Änabe,  an  bid)terifcßer  Ä'unft  ein  @rei(J;  ber  cßrmürbige 
yj^utian  rief  ißm  ben  5jerö  j^u,  ber  bem  @oban  lebemSlänglicß 
mie  ein  Orafel  tßeuer  blieb: 

^(jrtje^er  ^nabe,  ber  8to4  bu  be§  ^eiligen  Ouens; 
unb  in  furjem  galt  er  nid)t  allein  in  Deutfd)lanb,  fonbern  aueß 
im  yiuölanbe  für  ben  erften  neueren  Dicßter.  Sßenn  bie  ßuma^ 
niftifd)  miebererroeefte  ßatinität  in  ©raömuö  ißren  ^rofaiften  ßer* 
üorgebradjt  ßatte,  fo  ßatte  fie  nun  in  @oban  ißren  ^oeten.  2öar 
jener  ber  moberne  Sicero,  fo  mar  biefer  5^irgil  unb  Düib.  Die 
Icgtcre  ^ergleicßuug  ift  menigftenö  infofern  nießt  blo^  ?ßrafe, 


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6oban 


27 


alö  ®oban  mit  bie|cm  ?Römcr  bic  Scid^tigfcit  gemein  l^at,  bic 
5Bcrfc  luiv  fo  l)injufc^üttcn ; mcßwcflcii  uoii  it)m  i^efaßt  mürbe,  er 
fei  ber  cinjiflc  $oet,  ber  feine  SSerfe  i^uflleic^  marf)e  iinb  fc^reibc. 
(Soban  mar  aber  nic^t  blo^  ein  fllücflic^er  ®irf)tcr,  fonbern  auc^ 
ein  fleißiger  unb  tüd)tiger  ©eleßrter:  feine  SSorlefiingcn  an  ben 
§od)fc^utcn  ju  (Jrfnrt  unb  fpätcr  ju  9)iarburg  batten  großen 
9iuf  unb  ^ogen  oon  fern  bei' ©ebüler  berbei ; uon  3^ol).  Sange  unb 
3oacbiin  ßamerariuö . lernte  er  @ried)lfcb  unb  überfejte  in  ber 
golge  ben  Xbeofrit  unb  bic  Sliud  in  lateinifcbe  ^ejameter,  mic 
auf  Sutber’ö  unb  Ü}ictand)tbon’<S  Slntveiben  bic  ^falmen  in  la^ 
teinifebe  2)ifticbcn. 

^abei  mar  @oban  ein  SD^enfeb  oon  ber  feltenften  ©utber' 
jigfeit.  ©in  großer,  feböner,  moblgebautcr  2J^ann  mit  prächtigem 
5s8art  unb  martiolifdjcm  @efid)ti?auöbrud  (?llbrecbt  ®ürer  pflegte 
^u  fagen,  menn  er  ißn  nicf)t  fennte  unb  ein  iöilb  oon  ißm  i\u 
feben  befämc,  mürbe  er  eö  für  ba^  eineö  Ä'riegömanneö  b^'ilen), 
ein  au^e^eiebneter  5ed)tcr,  ^^äii^^er,  ©ebrnimmer  unb  leiber  au(b 
Xrinfer,  fünfte,  ju  beren  meiterer  Vlu^bÜbung  ißm  halb  ein  inebr^ 
iäbriger  Slufcntbalt  an  bem  $ofe  beö  Jsöifcbofö  ,§iob  ^u  S^liefen* 
bürg  an  ber  2öeid}fcl  bic  befte  ©elcgenbcit  bot,  mar  er  jmar  rafcb 
unb  berb,  aber  argloö  mic  ein  Äinb.  9Ud)tö  mav  ibm  mebt  ju* 
miber  alö  öcrflcinerung  anberer,  unb  er  bulbete  nid)t,  baß  in 
feiner  ÖJegenmart  oon  ^Ibmcfenbcn  übel  gefproeben  mürbe.  Sift 
unb  fclbft  SBorfiebt  maren  ißm  fremb;  hoppelt  meb  tljat  cjS  ißm 
baßer,  menn  er  fieß,  maö  ßäußg  oorfam,  jum  beften  geßalten  faß. 
5öci  fpärlicßem  ©infommeu,  mad)fcnbcr  Jomilie  (mir  greifen  ßier 
ber  3eit  oor)  unb  feiner  poctifeßen  (Sorglofigfeit  für  allc^  0cfo* 
nomifeße  ging  c«  ißm  ftct‘5  fnapp,  biömeilcn  mirflicß  elenb;  aber 
nie  Ocrlor  er  ben  ßeitern  Scbenömutß.  Patientia!  pflegte  er  bei 
mibrigen  '^egegniffen  fid)  ,yi,yirufen.  3J^it  einer  grau,  oor  ber 
feine  greunbe  ißn  gemarnt,  bie  ißm  feine  aJiitgift,  bagegen  einen 
unlciblidjcn  0d)miegcroater  unb  liebcrlid)c  0^mägcr  jugebraeßt 
ßattc,  lebte  er  halb  gang  frieblid)  unb  oergnüglid). 

S53ir  ßaben  gaßlrcicßc  33ricfe  oon  @oban ; fie  geßörcn  gu  ben 
gcmütßlid)ften,  ßerg*  unb  tempcramcntoollftcn,  bie  and  jener  3eit 
übrig  finb.  ©angc  Briefe,  burrßaud  perfönlid),  nießtö  ©tubirteiJ, 
aÜe^  ©timinung  unb  Eingebung  beö  3lugcnbticfö.  darunter  eine 
3J2enge  3ettel  an  greunbe,  bic  im  glcid)eu  Orte  moßnen,  ©ins 


28 


1.  ^ud^.  2. 


Inbimgcn  jum  Sabcn,  jum  iWittagcffcn  um  10,  ^um  ^benbeffcn 
um  4 Uf)r,  Quf  ein  paar  5ifd)c  mit  Änoblauc^,  ein  @tü(f  SBilb^ 
pret,  baö  er  (jefd)enft  befommen,  flcmür^t  burd)  ein  beitercö  ©cfpräd). 

fommt  Uür,  baß  er  einen  greunb  suflleid)  aliS  @aft  5um  @ffcn 
unb  um  ein  Xarleßn  üon  2 C^iulben  bittet.  ®a  ©obaii  bo‘5  33ier 
qIö  ein  fd^äblicße^S  ©ebroue  fd)eute,  fo  ßielt  er  fid)  befto  mel)r  an 
ben  SBein.  9tid)tö  ermunterte  ißn  fo  feßr  jum  gortfaßren  in 
bem  frommen  Söerfe  feiner  ^falmenübcrfejung,  al^S  baß  fein  er^ 
furter  a)?äcena^,  ber  rcid)c  ^Ir^t  unb  öergtoerf^befi^er  @eorg 
(Stiir5,  ißm  jebe^mal  einen  Ä^rug  SBein  oorfe^te,  fo  oft  er  i^ni 
eine  neue  Stummer  brachte.  Oft  erbittet  er  fid)  üon  biefem  aueß 
etmad  Oon  feinem  Söermutmein,  um  nad)  bem  gcflrigen  9^aufcßc 
fein  föniglid)c^  ©aupt  mieber  in  ben  ©tanb  p fe^en.  ®enn  au^ 
Einlaß  einer  Heußerung  iReucßlin'^,.  ber,  mit  33e^ug  auf  einen 
S3eriS  beö  ft\inimad)u^,  ben  Hessus  f-oor]v,  b.  l).  Äönig,  genannt 
lf)atte,  f)icß  er  nun  im  reife  feiner  greunbe  Rex,  unb  mit  biefem 
Ä'önig^mantel  loeiß  er  fid)  fortan  in  feinen  ©riefen  auf^  brofligftc 
ju  brapiren.  @r  gebietet  ben  greunben  al§  ^önig,  marnt,  fie 
mögen  ißn  nid)t  nötßigen,  ben  ^^prannen  ßerauö^ufepren,  grüßt 
Don  feiner  Königin,  berid)tet  oon  ben  ^rin^en  (reguli),  batirt 
feine  ©riefe  ber  armen  Äönig^burg,  Verlangt  eine  0albc  für 
feine  föniglid)e  S^tafe,  bic  ber  S33ein  etmaö  rotl)  j\u  färben  ange= 
fangen  patte.  SEßenn  er  bann  aber  für  einen  greunb,  einen 
S^otpleibenben  fid)  oermenbet,  fo  finb  feine  ©riefe  ooH  beö  tpeiU 
nepmenbften  @iferg;  ein  0d)reiben  üon  ipm  an  fReud)Iin  atpmet 
bie  reblicpfte  ölcfinnung  ber  ©ereprung  unb  Siebe;  an  Sutper 
unb  feiner  0ad)c  mie  an  §uttcn  ping  er  lebenölänglid)  mit  ber 
rcinften  ©egciftcrung.  gn  feiner  poetifepen  ii^önigöroUe  patte  fiep 
@oban  einen  ^erjog  (dux)  bcigefeHt  in  ber  ^erfon  be^  $eter 
©berbad),  eine^  förperlicp  fcpmäcplid)en,  aber  geiftüoUcn  unb  lie= 
beiüSmürbigen  jungen  SJ^anne^,  me(d)er,  ber  0opn  eines  erfurter 
5lr^teS,  bafelbft  bie  S^ceptSgeteprfamfeit,  mit  ©orliebe  jeboep  bie 
fepönen  2öiffcnfd)aftcn  ftubirte,  fpäter  gleid)jeitig  mit  §utten, 
Stalien  bereifte  unb  in  bem  tpüringifepen  §umaniften!rcife  eine 
auSge^eiepnete  0tellung  einnapm '). 

2)er  eigentlid)e  §crrfd)er  in  biefem  Streife  jeboep  loar  niept 


1)  ^gl.  Ilel.  Eobaui  ilessi  operura  farragines  duae,  1539.  2)e§* 


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WuttnnuS  9{ufuS. 


29 


@ü6aii,  er  tuor  überhaupt  nirf)t  in  (Srfurt  fcibft  finben,  fonbern 
in  bcni  brei  ^Keilen  baüon  entfernten  C^otpa,  in  ber  ^erfon  bc^ 
fc^on  öftere  enuöpnten  $Kutian.  Äonrab  3Jhibt  ober  ^utl),  ber 
fid)  aU  Mutiamis  latinifirte  imb  DieKcici^t  üon  feinen  rötl)lic^en 
paaren  fid)  ben  !0einomen  Riifiis  i^iitegte,  luar  um  1472  .'pom* 
biirg  in  Reffen  geboren,  mo  fein  iöatcr  ein  obrigfeitlid)c^  3(int 
beflcibete.  @r  mar  burd)  bic  <Sd)uIc  bcS  SUe^anber  ^cgiii^  in 
^^eoenter,  bic  frud)tbarftc  §umQniftcnpf(an5fd)ulc  jener  ßeit,  gc^ 
gangen,  l)attc  bann  in  (ärfart  ftubirt,  c^ber  üblicpermajicn 

ju  feiner  meitcren  Sluöbilbung  fid)  nac^  Italien  begeben,  gier 
erlangte  er  in  Bologna  bie  jnriftifd)c  5)octürmnrbc,  fnnpftc  mit 
ocrfdjicbcncn  ita(icnijcl)en  gumaniften  iik\ycl)ungen  an  nnb  enuarb 
fic^  aiK^  in  9ftom  unter  ben  Sarbinälen  Gönner  nnb  greunbe. 
9tad)  feiner  gcimfcl)r  im  gerbfte  1502  biente  er  eine 
om  l)effifc^en  gofe,  mo  fein  iöruber  ba^S  Ä'ai^leramt  Ocnualtete. 
öalb  jebod)  mürbe  er  be^  gof-  nnb  @efd)äft55lcbcn^  übcrbrnßig: 
ein  ;^meitcr  trüber  imn  i^m  mar  er,^bifd)öflid)  main^ifd)cr  löcamter 
ju  Erfurt,  ber  ücrfc^afftc  ipm  burc^  feine  SScrmenbuug  ein  Äta» 
nonifat  in  @otl)a.  gier  lebte  er  feit  1503  in  miffcnfd)aftlid)er 
SD^uge,  in  ber  er  fic^  fortan  burc^  leinen  noc^  fo  locfcnbcn  Eintrag 
mel)r  ftören  lieg.  3c  meniger  il)in  feine  Kollegen,  über  bereu 
©tumpffinn  er  fic^  miebergolt  bitter  beflagt,  5lnfnüpfiing^punftc 
boten,  befto  mel)r  fal)  er  fid^  auf  bie  benad)barte  Unioerfitöt  Erfurt 
gingemiefen,  bereu  augefegenfte  fiegrer,  mic  Dor  aßen  9Jlatcrnuö, 
feine  greunbe,  bereu  begabtefte  ©d)üler,  ein  (Jrotuö,  @oban,  ©bers 
baeg,  ©palatin,  halb  auc^  glitten,  feine  0d)üler  mürben.  SBir 
finben,  bag  in  jenen  3ogrcn  in  Erfurt  uerfd)iebenen  ©tubeuten 
„auö  §lcgtung  für  D.  aJhitianu^J"  bic  3nimatriculationögebül)ren 
erloffen  morben  finb.  3lber  and)  fein  je^iger  ßanbc'jgerr,  griebrieg 
ber  Sä>cife  Don  @ad)fcn,  lernte  il)n  halb  Icnncn  nnb  fc^öpen.  §luf 
SJ^utian’ö  @mpfcl)lung  l)in  crgielt  im  3agre  1508  ber  junge 
©palotin  bic  mii^tigc  ©teile  eineö  ©rjielicrö  bei  bem  Äurprinjen 


• 

{((ben  Epistolao  familiäres,  1543.  Joach.  Camerarii  Narratio  de  Eobano 
Hesso,  mit  ange^Sngter  ^ric|}omnilung,  1553,  ber  noc^  brei  meitere  folgten. 
— Der  ^roteft  gegen  bie  Wiblionblung  6oban’§  burt^  Dein^/orbftein  in  feinem 
€<^oufpieI,  unb  ouf  beffen  Serantmortung  burd^  Sor^ing  in  feiner  Oper 

fei  ou(^  in  biefer  neuen  Auflage,  toenigftenS  mit  jmei  ^Sorten,  n)ieberl()o(t. 


30 


I.  2 Popitel. 


3o^ann  gricbrid^.  §Iuf  feine  gürbitte  tnurben  nerurt^ciltc  SBcr^ 
brec^er  bcflnabicjt.  ^efe^entmürfc  ^tjurben  U)m  jur  S3egutac^tun9 
üorgelcflt.  bie  anfcl)nüc^e  ©teile  cineö  ^ropftcö  an  ber  ^Uer^ 
l)eiliflenfird)e  ju  SBittenberg  burd)  Henning  ©öbe’ö  Xob  erlebigt 
toar,  lic6  ber  Äurfürft  fic  bem  äJ^utian  anbicten.  aWutian  enipfal)l 
ben  3uftu^  3onaö,  unb  ber  erhielt  bie  ©teile,  ^öd^ftenö  eine 
f leine  ^frünbe,  bie  i^m  fein  ©efc^aft  mad)te,  na^m  er  noc^  an, 
um  @elb  •Jöüc^craufäufcn  gewinnen.  5)enn  bamit  unb  mit 
literarifc^er  ©aftfreunbfe^aft  ging  fein  rnäfeige^  @infommen  auf. 

mar  bie  gebrudten  5luögabcn  ber  lateinifi^en 

unb  griec^ifc^cn  Slaffifcr  eben  erft  anfingen,  bei  §llbuö  in  S5enebig 
unb  fonft  in  3talien  ju  erfc^einen  unb  nod)  jiemlic^  treuer 
maren : SKutian  mar  bei  meitem  nic^t  im  ©tanbe,  fid)  %Ueö,  mag 
er  münfe^te,  fclbft  an^ufd^affen ; feine  greunbe,  üor  allen  ber 
©ifter^ienfer  ^einrid)  Urban,  SBermalter  bc(8  georgent^aler  §ofiS 
in  Erfurt,  t^cilten  i^m  uon  tl)ren  ©infäufen  mit.  Älö  er  cinft 
burc^  einen  folc^cn  greunb  Siccro,  Sucre, v Surtiuö  u.  a.  ^lutoren 
jugleid)  befam,  meinte  er  uor  greuben.  5)ic  italienifc^en  Kriege 
jener  3al}rc  bebauerte  er  Ijauptfäc^lid^  befemegen,  mcil  fic  ben 
Serlagöartifcln  3talicnö  bie  Sllpcnpäffc  fperrten.  Sßenn  er  il)m 
feine  3Uic^er  fc^iefen  fönne,  bittet  er  ben  (5-rotuö,  fülle  er  i^m 
menigftcnö  bie  2:itel  mittt)cilen,  fd^on  biefe  machen  i§m  grcubc. 
9lid}tö  bcflagte  er  fc^merjticbcr,  alö  fo  manchen  Xag  o^nc  gute 
liöüdjcr  jubringen  ju  müffen. 

®ei  allem  fReic^t^um  feineö  äöiffcnS  unb  aller  Ueberlcgcn* 
l)cit  feiner  @infid)t  l^attc  SKutian  eine  ?lbneigung  gegen  ©d^rift» 
ftellcrci.  33riefe  fdjrieb  er  gern  unb  Diele,  unb  eine  beträd)tlici^e 
Sln^abl  ift  un«,  ^um  Xl)eil  noc^  ungebrueft,  aufbebalten  *).  SBenn 
@obanö  ©riefe  bie  l)erj\lic^ften  au^  jenen  3ol)ren  finb,  bie  @ro^- 
mifc^en  bie  gelel)rteften  unb  ^ierlid)ften,  fo  finb  bie  bc^  ÜÄutian 
bie  geiftreii^ften.  ©iömeilen  merben  fie  burc^  Älürje  bunfel,  nie 
ermüben  fic  burd)  SBcitfc^meifigfeit,  felbft  in  ben  gelehrten  ?lb= 


1)  ®ic  meipfn  in  einem  bflnbj(^riftli(^cn  ßobej  bet  franffurter  ©tabt» 
bibtiotbet.  ^uS^ttge  borau§  in  Tentzelii  Supplementum  Historiac  Gotbanae, 
1701.  ßinjclnc  ®riefe  oudb  in  ben  oben  angeführten  ^ameratifdien  Samm- 
lungen. 9Ba§  fub  in  TOulian’S  ®riefen  auf  iputten  bejiebt,  b<*t  ®5(fing  in  ben 
jroei  erflen  ®änben  feiner  'üu§gabe  abbrutfen  laffen. 

v'”  "X 


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ü}2uitanu§  9)ufu§. 


31 


fc^ioei fünften  nid)t,  in  bic  fie  fi^  ftcUemneife  uerüeren.  SWanci^* 
mal  t^eilt  3)2utian  ben  gveunben  ein  ©pifttamm  ober  fonft  ein 
{leinet  ^oem  nic^t  o^nc  ©elbftftefälliftfeit  mit;  aber  er  ift  fe^r 
unftc^alten,  menn  einer  fic^  einfaüen  läßt,  etloa^  bauon  bruefen 
ju  laffen.  33efroftte  man  i^n  über  bie  @rünbe  biefer  ^Ibneiftunft 
ftegen  bie  0effcntlid)teit,  fo  ern)iberte  er,  feine  Sachen  feien  if)m 
nie  ftut  ftcnug,  barum  moHe  er  fic^  lieber  an  ?lnberer  5^l)or^eit 
ergefeen.  @r  fanb  eö  bebcutfam,  baß  ©ofrateö  nnb  ßl)riftuö  auc^ 
nießtö  ©c^riftlic^eö  bi^terlaffcn  l)aben.  @r  mar  überjeugt,  ba^ 
iBefte  maö  mir  miffen  tauge  für  bie  SJienge  nic^t.  5)a^er  fudjte 
er  nie^t,  mic  (Sraömuö  unb  fReuc^lin,  burc^  gebrudte  Schriften 
auf  bad  geniifc^te  ^ublifum,  fonbern  burd)  münblic^e  unb  brief* 
lic^e  öele^rung  auf  einen  engeren  teiiS  ju  mirfen.  9lid)tö 
machte  i^m  größere  J^^wbe,  fagt  (Samerariuö,  alö  ju  pren,  baß 
junge  ikute  fieß  mit  @ifer  ben  pmaniftifd)cn  Stubien  mibmeten; 
unb  folc^en  pflegte  er  alle  görberung,  bie  in  feinen  Ähäftcn  ftanb, 
angebeipn  ju  laffen,  fie  gaftfrei,  fo  menig  er  auc^  im  Ueberfluß 
lebte,  bei  fic^  auf^uncpien. 

. hinter  ber  ^omfird)e  ju  ®otp  ftanb  fein  §au3,  ba<S  er 
fic^  nac^  eigenem  ©cfdpnacf  eingerichtet  hatte.  Ueber  bem  (Sin* 
gange  fah  man  auf  einer  fleinen  Xafel  bie  Snfehrift:  BEATA 
TRANQVILLITAS.  SllcJ  ©cgenftücf  hatte  er  einft,  alö  eö  i()m 
gelungen  mar  fid)  auö  bem  hcffifdjcn  ^ienftc  loiS^umad)en, 
auf  bie  Xl)üre  feiner  Ä^an^^lei  bie  Sorte  gefdjdeben:  VALETE 
SOLLICITVDINES.  Deffnete  fid)  bie  Pforte,  fo  lub  eine  jmeite 
Snfehrift:  BONIS  CVNCTA  PATEANT,  jur  ©elbftprüfung 
ein,  ob  man  au^  foldjcn  mürbig  fei.  Wn  ben  Sänben 

ber  fah  nian  bie  Sappen  erprobt  gefunbener  greunbe: 

ben  ©torch  ©palatin'ö,  beö  Srotuö  riemenumrnunbene  ^örner, 
®oban’^  Dom  Sorbcerftrauch  in  bie  Sollen  fteigenben  0chman. 
Sn  bem  ^auehc^^*'  l^at  bem  Slnfömmliug  bie  ebelfte  9J?anneö- 
unb  ©reifcngcftalt  entgegen;  fein  ^Benehmen  auö  Sürbe  unb 
greunblichleit  gemifd)t,  fein  ©efpräch  uoH  gebiegenen  SiffenS, 
reifer  (Sinficht  unb  anmuthigen  ©cherje^. 

Saren  bie  jungen  fieute,  bie  oon  (Srfurt  il)n  ,^u  befugen 
lomen,  burch  il)rc  afabemifchen  2cl)rcr  mit  ben  gönnen  bed  §Uter^ 
thumd  belannt  gemacht,  mit  einem  ®orrothe  uon  ^h^afen  unb 
mpthologifchen  ©Übern  für  ihre  eigenen  ©tilübungen  auögeftattct 


32 


I.  »ud^.  2.  ifa|)itcl. 


tüorbcn,  fo  fud^tc  5IWutian  fic  in  bcn  ©cift  unb  0inn  bcr  Slltcn 
cin,vifüt)rcn.  (Sbcufo  tuar  cö  it)m  in  bcr  äidit^ion  um  ein  tiefered 
SSerftnnbniS  0einc  junc^cn  greunbe  tbcild^u  prüfen,  tbcild 

förbern,  Ic^te  er  it)nen  bidiucilcn  ^lufgabcn  üor,  halb  ^ur  äugen« 
bHdlid)cn  fiöfung,  halb  jur  fd)riftlid)cn  ^ludarbeitung,  bic  er  nod^« 
t)er  ücrbcffertc.  So  b^ttten  fic  einmal  bcr  9flell)e  noch  3Serfe  auf 
bcn  üerftorbenen  ^id)tcr  ilonrab  (Seltid  511  mod)cn.  @in  anber« 
mal  gab  er  feinem  §cinricb  Urban  auf,  ctmad  ^um  Sobe  bcr 
Vlrmutl)  ju  fd)rcibcn;  bem  Spalatin  aber  legte  er  bie  gragc  öor: 
menn  boeb  adein  bcr  2S3cg,  bic  SS3at)rl)cit  unb  bad  Seben 

fei,  mie  beim  fo  oielc  l)unbcrt  Sa^re  oor  feiner  (>icburt  bie  9Äen« 
fdjcn  baran  gciocfen?  ob  fic  an  bcr  2Bal)rl)eit  unb  bem  §cile  gar 
feinen  §(ntf)cil  gehabt  b^^ben?  (Sr  looüc  il)m  einen  gingcr5cig  ^ur 
ßöfung  geben,  febrieb  er  ibm  bann.  SDie  ^Religion  ©brifti  b^t 
nicht  erft  mit  feiner  a}^cnfcbiuerbung  angefangen,  fonbern  fic  ift 
fo  alt  old  bic  SSelt,  ald  feine  Geburt  and  bem  Sater.  ^enn 
luad  ift  bcr  mabte  ßb^fi^^»  ^cr  cigcntlicbc  Sobn  ©otted,  Sin« 
bered  ald,  mic  ^^aulnd  fagt,  bie  Söcidbeit  C^Jotted,  mit  tücld)er  er 
nidjt  allein  bcn  Snben  in  einer  engen  fprifeben  Sanbfdjaft  beimobnte, 
fonbern  and)  ben  ®ried)en,  bcn  S^ömern  unb  ^eutfdjen,  fo  Der« 
fd)ieben  auch  ib^c  rcligiöfcn  (^cbräud)c  maren. 

Slueb  über  bie  ibibel,  indbefonbere  bic  (Soangelicn , b^Uc 
a)hitian  l)<^dc  S3lide,  bie  fiel)  aber  jum  Xl)cil  mit  mnnberlid)cn 
(grillen  mifebten.  iöon  bem  Unterfd)icbc  ejoterifeber  unb  efoteri« 
fd)cr  £el)rart  audgebenb,  meint  er,  bic  S^erfaffer  bcr  eoangelifdbcn 
©cfcbicbtc  böben  manebed  ©cbeimnifj  in  Oiätbfcl  unb  (SJleicbniffe 
cingcbüllt.  iBic  Slpulcjud  unb  Slcfop  fabeln,  fo  aueb  bie  b«-’iüüc 
Seprift  ber  guben.  ®al)in  reepnet  er  bad  iöueb  $iob,  babin  bic 
ÖJcfcbidjte  bed  gonad,  bereu  SBunber  er  bureb  bic  Slndfunft  löft, 
ber  SEÖalfifd)  fei  ein  33ab  mit  einem  folcben  Sdjilbc,  ber  Äiürbid 
ober  ein  iöabcbut  geiucfcn.  ^ad  ift  läcberlid),  fept  er  felbft 
binju.  ®ocb  icb  b^be  noep  fpaßb^iftcrc  ^ingc,  bic  auf  Sateinifeb 
sacramenta,  ©ricebifeb  SD^pftcrien  l^on  benen  iep  nidjtd 

fagen  merbc.  2)al)in  gepört  auep  bic  Slcußcrung  SJ^utian’d,  in 
ber  aWeinung  bcr  Sdhipammcbaner,  baß  Spriftud  nid)t  felbft  ge« 
freu^igt  loorbcn  fei,  fonbern  einer,  bcr  ipm  äpnlicp  gefepen,  fteefe 
eine  gepeime  SBcidpcit.  3'oar  beutet  er  cd  ;^unäd)ft  auf  Sprifti 
Stiüfdjiueigcn  oor  ^ilatud,  ba  bed  SÜtenfdpen  loapred  3cp  bic  Seele 


V 

9Ruttanu§  9tufu§.  83 

fct,  lueld^e  burd^.baS  SCBort  fid)  funbgcbc:  bod)  bel^ält  er  offenbar 
bie  ^auptfac^e  noc^  ^urüd,  benn  er  brid)t  mit  ben  Söortcn  ab, 
er  molle  ^ier  nid)t  aiiöfagen,  ma§  ©e^cimnig  bleiben  müffe. 

mar  etmaö  S^lcnplatonifc^eö  in  ben  Sbeen  biefer  ^uma^ 
niften,  baig  fie  mit  il)rcn  Sprad)fcnntniffen  in  Stalien  gel)olt  bitten, 
mo  Ü)2utian  in^befonbere  and)  mit  bem  ©rafen  ^icuö  oon  Wu 
ranbula  in  S3ejie()ung  getreten  mar.  ift  nur  ©in  ©ott, 
febreibt  er  feinem  Urban  ein  anbermal,  unb  ©ine  ©öttin.  ^ber 
e^  finb  oiele  ©eftaltcn  unb  Diele  ^tarnen:  3«piter,  ©ol,  5lpoIIo, 
SKüfcä,  ©briftuS,  Suna,  ©ereö,  ^roferpina,  Xelluö,  Üßaria.  Hber 
büte  bicb,  ba^  au^jubreiten.  2Wan  mug  in  ©cbmeigen  büßen, 
mie  ©leufinifebe  ü^pfterien.  3n  ©acben  ber  ^Religion  muß  man 
fteb  ber  2)ede  Don  fabeln  unb  9tätbfcln  bebienen.  ®u,  mit  3u^ 
piter’3,  b.  b-  be§  beften  unb  größten  ©otteö,  ©nabe,  oerad)te 
ftißc  bie  fleinen  ©ötter.  Söenn  id)  Jupiter  fage,  meine  icb  ©b^^f^w^ 
unb  ben  mabren  ©ott.  2)ocb  genug  Don  biefen  afl,^u  hoben  3)ingen. 

SBie  bem  SDhitian  Don  biefer  mobl  nod)  etma^  nebeligen 
$öbe  berob  baö  bamalige  iiird)enmefen  erfd)ienen  fein  möge,  läßt 
fid)  benten.  ®en  IRod,  feßreibt  er,  unb  ben  ^-öart  unb  bie  Sor*= 
baut  (©brifti)  Dereßrc  id)  nid)t:  id)  Dereßrc  ben  Icbenbigen  ©ott, 
ber  meber  9lod  nod^  33art  trägt,  aueß  feine  SBorßaut  auf  ber  ©rbe 
jurüdgelaffen  ßat.  i)k  goftenfpeifen  nannte  er  Xßorenfpeifen,  bie 
'^cttelmöncße  futtentragenbe  Untßiere;  Dermarf  bie  Dßrenbeicßte, 
bie  ©celenmeffen;  bie  ©tunben,  bie  er  mit  bem  ?lltarbienftc 
braeßte,  betracßtetc  er  alö  oerlorcnc  ßeit.  3n  feinem  $aufe  mar 
eö,  mo  ©rotu^  feine  fd)ärfften  SBißc  in  biefer  ?Ricbtung  lo<^ließ, 
mo  er  bie  SRcffe  eine  Äomöbie,  bie  9leliquien  Änodßcn  Dom  [Ra- 
benftein,  ben  ^oragefang  in  ber  ^iireße  ein  §unbegeßeul,  in  ben 
Käufern  ber  3)omberren  ein  ©ummen  iiicßt  Don  53ienen,  fonberu 
Don  foulen  ^roßnen  nannte,  ©an^  im  ©efeßmaefe  beö  ©rotu^ 
mar  ßinmieberum,  menn  ßJiutian  am  äJ^ogbalencntage  über 
biefe  magna  lena  fid)  aUerßanb  ©d)er/^e  erlaubte. 

®ocß  ed  mar  fcineömegö  bloö  biefeö  ilritifcßc  ober  aueß 
^ßilologifcße,  überhaupt  nießt  ein  bloßeö  [löiffen,  maö  Sß^ution 
in  feinen  jungen  greunben  511  pflanzen  fueßte.  Söir  manbeln, 
ffßreibt  er,  einen  engen  unb  fteilen  [pfab:  eng,  meil  nur  menige 
mit  unö  naeß  befferem  SSiffen  unb  milberen  ©itten  ftreben;  fteil, 
fofern  ^ur  i^enntniß  ber  lateinifcßen  ©prad)e,  unb,  maö  bamit 

VIL  ^ 3 


34 


I.  2. 


jufammcn^öngt,  bcm  ipa^ren  ®ute  bcr  ©ccle,  9liemanb  ol^ne 
9Jiüf)e  gelangen  fann.  Sßir  ftreben  nac^  @ercd)tigfeit,  ÜKafeigfeit, 
©ebulb,  @intrac^t,  SBabr^eit  unb  cinmütl)iger  greunbfc^aft. 
ber  übte  9Kutlan  über  bie  ibm  uerbunbcnen  Sünglinge  moralifcb 
faft  noch  mehr  aU  tniffenfcbaftlicb  eine  3“cbt-  Seine 

(Srmabnung^briefe  an  ben  talentüoUen  unb  fenntnigreicben,  aber 
eiteln,  anmagenben  unb  auöfcbnjeiienbcn  jungen  fRecbtögelebrtcu 
^erborb  uon  ber  3Kartben  finb  üoll  reifer  fittlicbcr  SBci^beit,  bic 
ftcb  nicht  feiten  in  äebt  ©ofratifd)e  3tonie  bwöt.  (£r  bulbetc 
Ecine  ©ntjiueiungen  unter  ben  jungen  fieuten,  bic  ficb  ju  il)ni 
hielten,  ©einen  Xabel  burften  fie  ihm  nid)t  übel  nehmen.  3ch 
meig  euch  ^u  fchelten,  fchreibt  er,  unb  euch  uerjeihen.  3h^ 
fönnt  mich  nidjt  beleibigcn,  aU  menn  ihr  mir  nicht  folgen  moUt, 
tüo  ich  euch  sum  S^lechtcn  anmeife.  Sßäre  euer  ©inn  rein,  fo 
mürbet  ihr  mir  noch  banfen,  bag  ich  ^wd)  jure^tmeife.  @in  fo 
überlegene^  Söefen  hielt  bie  3ünglinge  mie  ein  ßauber  feft.  SEöenn 
2Wutian  etmaö  höben  miü,  fchreibt  ^eter  ©bcrbach  an  iReud)lin, 
fo  ift  fein  Sßunfdh  für  mich  ein  3ö?öitg.  3n  ben  humaniftifd)en 
Ähcifen  fprach  man  üon  einer  „aJiutianifd)cn  ©chaar",  unb  fie 
mar  uidjt  ber  unbeträchtlidjfte  Xl)eil  bcö  „lateinifdjcn  §eereö". 

X>ie  greunbe  bcö  gortfehrittö  hatten  aber  auch  allen  @runb, 
fid)  gegen  bie  Slnhängcr  bcö  eilten  feft  jufammenjufchliegen. 
®enn  bereite  mar  bcr  Scrbacht  gegen  fie  ak  gefährliche  grei= 
geifter  rege  gemorben.  @r  ift  ein  ^J3oet,  er  fpricht  @ricd)ifch, 
alfo  ficht  c^  fchlecht  um  fein  C^heiftenthum,  hieß  c$.  $oet  galt  in 
fird)lichcn  Greifen  für  ein  ©chimpfmort,  baö  man  nidjt  auf  fid) 
fthen  laffen  mochte;  c$  mar  eine  Sraubmarfc,  mic  heut  §u  ^age 
^Pantheift  ober  SKatcrialift.  ^octen  oerberben  bie  Unioerfitäten, 
fagten  bie  alten  Herren;  ja  man  moUtc  fie  gar  uid)t  für  gute 
^cutfehe  gelten  taffen,  fonbern  nannte  fie  Böhmen  unb  SBalen. 
Huch  ^h^^afophen  l)ie6  man  fie,  aber  in  gleich  l)^uiifd)cm  ©innc. 
S^tatürlid)  fehlte  cö  babei  oon  ©eiten  bcr  frommen  SWänner  nicht 
an  Umtrieben  aller  Hrt,  bic  @eha§tcn  unb  befürchteten  nirgenb^ 
anfommen  ju  laffen.  SScr  fann  noch  glauben,  fchreibt  in  biefer 
^ejichung  ÜKutian,  ba§  biefc  Pfaffen  bic  mahrc  ^Religion  unb 
ein  ehrliche^  bemiffen  haben?  Um  mie  oict  heiliger  finb  ba  bie 
poetifchen  ÜRcnfchcn,  bic  menigftenö  S^iemanben  burch  oerborgene 
Äunftgriffc  ju  fehaben  fuchen.  3a,  mit  noch  tieferer  geinbfelig* 


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^RutianuS  SiufuS. 


35 


feit  fügt  er  einmal:  ®ie  X^eologcn  feigen  unö  l)offcn,  um  unS 
5u  betrügen;  mö^renb  mir  auf  beu  §immcl  warten,  ben  fie  un^ 
oerfprcc^cn,  eignen  fie  fi^  bie  irbifc^en  @üter  ju. 

2)ag  äJtutian,  wie  auf  @oban  unb  0palatin,  auf  $eter 
(Sberbac^,  @uriciuö  Sorbuö  u.  21.,  bie  ju  uerfc^icbenen  ßeiten 
bei  i^m  auö'  unb  eingingen,  fo  auc^  auf  ben  jungen  Ulrich 
Jütten  (ginbruef  gemad^t  unb  (Sinmirfung  au^geübt  b^^t,  Wiffen 
mir  auö  beffen  eigenem  Unmeit  (Erfurt,  fagt  er  in  ber 

Don  unö  fd)on  oft  angeführten,  fünf  ^a^re  nach  biefer  ßcit  9^^ 
febriebenen  Slegie,  lebt  IRufuö  frieblid}  nur  ficb  fclbft,  ob  er  mobl 
feinem  ju  meicben,  feinen  Äampf  ju  febeuen  nötbig  b^tte. 

fragt  ^rotuS  um  9tat^,  unb  ^effuS  ermöI^U  il^n  }um  ^ü^rer : 

Wir  auch  tl<^t  gar  oft  feine  Sele^rung  genügt*). 

ÜJ^utian  feinerfeitö  bemunberte  §utten'ö  Talent;  aber  fein  ungc^ 
ftümed  geuer,  feine  Sieijbarfeit,  maren  bem  Siiebbaber  ber  beata 
tranquillitas  unbeimlicb-  5)abcr  b^ttc  fid)  Jütten  in  ber  golge 
mebrmabs  über  bic  ©d^mcigfamfeit  be^  ocrebrten  2)tanneö,  mit 
bem  er  gern  fleißig  Briefe  gcmecbfclt  büttc,  ju  beflagen.  Ueber:= 
baupt  Oor  ben  $octen  im  engeren  0inne,  ben  2)icbtern  oom  §anbs 
merf,  feblug  ÜJtutian  boeb  bii^  wnb  mieber  ba^  Äreu^.  gb^^c 
©clbftgefälligfeit  mißfiel  ibm,  unb  baß  fie  ficb  nidjtö  fagen  laffen 
mollten.  (Soban  febien  ibm  noch  ber  beftc  §u  fein,  ber  nur  bureb 
feine  milbe  Xrinflaune  bem  mürbigen  2llten  bi^meilen  unbequem 
mürbe. 

2Ber  fonft  nod)  ju  ^utten'ö  erfurtcr  greife  gebörte,  ift 
nicht  ficber,  auf  feinen  gall  oollftäubig  befannt.  (5r  fagt,  mit 
allen  ^octen,  mclcbc  bamalö  am  Orte  gemefen,  fei  er  in  Serbin* 
bung  gefommen.  S^tambaft  aber  macht  er  (eben  in  jener  @lcgic) 
außer  Srotuö  unb  @oban  nur  noch  einen  Xemoniuö,  ber  mit 
munberbarem  ©rfolge  bic  gleichen  0tubien  treibe  unb  mit  nid)t 
geringem  Xalente  begabt  fei.  ^n  ihn  b^il  ^^web  @oban  al3  el)c* 
maligen  ©tiibiengenoffen  brei  ©ebiebte  geridjtct,  auö  benen  mir 
erfeben,  baß  er  auö  Xbüringen  gebürtig  mar,  unb  fpöter  eine 
IReifc  nach  Som  gemacht  b^^l-  |)utten  nid)t,  mic  früher 
(Srotuö,  in  @rfurt  auch  ßutber  fennen  lernte,  ift  natürlich,  ba 
Suther  bamaU  bereite  in  beug  iäofter  getreten  mar.  Son  langer 


1)  Quercl.  II,  10,  v.  89 — 94.  S^l’^iften  III,  S.  70. 


I.  ^u(^.  2.  Uaptid. 


36 

» 

kalter  übrigen^  luar  auc^  biefer  erfurter  ^ufent^alt  |)uttcn'ö 
uic^t.  X)cu  2öintcr  üou  1505  auf  1506  Ijattc  er  in  Ai  bin  juge- 
brac^t,  ben  Sommer  bcw  lotteren  in  Erfurt,  untr  im 

barauffolgcnbcn  iöintcr  finbcii  mir  il)u  auf  ber  neueröffneten 
Uniücrfität  ju  granffurt  au  ber  Cber,  mo^in  ber  iljm  oermutt)= 
lid)  fd)on  oon  ilölu  b'-'t  inertbc  2cbrcr  fR^ngius  ^leflicampianuö 
if)m  oorangegangen  mar.  3n  einem  nod)  1506  gefd)ricbenen, 
menn  aud}  erft  im  3ni)re  barauf  gebrudten  ©ebic^te  bcflagt 
@oban  ben  beuorftebenben  §(bgang  feinet  ^cr^euöfrcunbeö  Jütten 
nach  granffurt,  unb  biefer  fclbft  bot  ber  im  gebruar  1507  er^* 
fd)icncnen  Sefebreibung  ber  gcftlidjtcitcu  jur  ©inmeibung  ber 
neuen  Uniücrfität  ein  Ülcbidjt  beigegeben,  auf  beffen  Xitel  er  fid) 
einen  Sd)üler  be*^  3nbnnn  Üibngin^  ^lefticampianuij  nennt. 

3n  feinen  SJ^arten  eine  Unioerfität  ju  grünben,  bntte  fdjon 
fturfürft  3nbnnn  (Sicero  beabfidjtigt;  fein  Sobn  unb^3^ad)fülger, 
3oad)im  L,  oon  feinem  Sebrer,  Xietrid)  Don  iöülom,  33ifcbof  oon 
fiebuv,  unb  feinem  S^atbc,  (Sitelmolf  uom  Stein,  ermuntert,  führte 
ben  ©ebanfen  au»,  unb  am  26.  ^tprit  1506  mürbe  bie  neue  ^n^ 
ftalt  feierlid)  eröffnet.  X)er  genannte  Xietricb  oon  iöülom  mar 
it)r  Ä'nnjler  ober  donferoator,  »Honrab  S33impina,  ber  fid)  bernad) 
aU  dJegner  2utber’i?  befannt  gemad)t  bnt,  ibr  erfter  ^Rector,  3o= 
bannet  Sinbbo^  ber  erfte  Xecan  ber  pbilofopbifd)en  gacultät, 
^ubliuö  ®igitantiU‘3  33aciIIanii‘:5  ^li'ungia  mirb  aU  ber  i^uerft 
berufene  ober  am  Orte  befinblidjc  ^rofeffor  genannt,  iiebterer, 
ben  ditelmolf  Dom  Stein  ben  berebteften  Xeutfeben  nannte,  ben 
er  nie  genug  bören  fönne,  mie  ber  oon  ditelmolf  gleid)faüö  boeb' 
gefdjäbte  fRbagiu«?,  mögen  auf  fein  'betreiben  berufen  morben  fein, 
^ilußer  ihnen  lehrte  nod)  .germann  Xrebcliuö  an  ber  Unioerfität,  ben 
Jütten  feinen  fianb^mann  nennt,  mäbrenb  er  felbft  ficb  halb  al^ 
Notianus  (Surminb?),  halb  ale^  Isenacensis  be^eidjnet.  3Rit  ihm 
mar  $utten  sugleicb  burd)  greunbfd)aft  Oerbunben;  aber  aud) 
3^igilantiuö  muß  il)ni  febr  gut  gemefen  fein,  mie  mir  aue  ber 
SiJärme  feben,  momit  beibe  3Ränner  einige  g^b^e  fpäter  bei  einer 
Unbill,  bie  ihrem  ehemaligen  Schüler  miberful)r,  fid)  beffelben 
angenommen  hoben.  Xrebeliuö  mar  zugleich  ber  gübrer  jmeier 
jungen  pommerifeben  dbelleute,  3ol)onn  unb  Sllejanber  oon  ber 
Dften,  bie,  mie  fo  oiele  bamal^,  mit  bem  fRccbtigftubium  baö  ber 
.^nmanitäti?miffenfcbaften  oerbanben,  mit  Jütten  fomobb  oB  bem 


'V 


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Jütten  in  tVrQiif|urt  a.  b.  O. 


37 


crfurtifc^en  uitb  fpäter  bcm  tüittcnbcrgifd^cn  Greife  in  enge  SJer» 
binbung  traten,  unb  an  bcm  Ä^antpfc  mit  ben  frf)ülaftifd)cn  ^)un* 
fclmänncrn  ben  Icb^afteften  3(nt()cil  nahmen.  §(udj  noc^  mit 
einem  anbern  $ommcr,  SSalentin  0toicntin,  ber  bamalö  unter 
feine  0tubicngenüffcn  granffurt  i\äf)ltc,  mar  .§utten  in  greunb* 
fc^aft  unb  iörübcrfdjaft  ücrbunbcn. 

gür  §uttcir-5  Uutcrl)alt  mag  jept  außer  feinen  fd)on  gc^ 
nannten  beiben  Spettern,  üicHcid)t  auf  (Sitclmolf’d  ©mpfcplung, 
and)  ber  junge  aj^arfgraf  aUbrcc^t  üon  S^ranbenburg  ctmaö  ge= 
tßan  ßaben,  ba  |)uttcn  Üjm  in  ber  gotge  nac^rü^mtc,  er  pabc 
it)n,  fd)on  ct)c  er  (Srjbifdjof  unb  Garbinal  gemorben,  untcrftil^t. 
3(ud)  ber  '-öifdjof  üon  Sebuö  crmicö  fid),  ^uttcn’iS  jpätercr  Söers 
fid)crung  feinen  uäterlidjcn  ©onucr,  unb  naßm  it)ii 

gegen  ben  .§aß  ber  unmiffenben  ©ienge  (uon  bcm  mir  nidjt  miffen, 
mobureß  er  fid)  bcnfclbcn  ^ugejogen  ßatte)  in  0d)u^. 

®cm  ^erfommen  nad)  mar  c^  jept  nießt  mebr  /^u  früf)e  für 
|)uttcn,  ben  unterften  ÖJrab  bei  ber  atrtifteufacultät,  ben  cincö 
'^accataureuö,*  ju  ermerben.  5tber  er  ftelltc  fpäter  nad)brilcflicß 
in  atbrebe,  jemaU  2)octor,  a}^lgifter  ober  33accalaureu^  gemorben 
,^u  fein.  Unb  bod)  ift  er  bamals  in  granffurt  iöaccataureu^  ge^ 
morben;  ber  eben  genannte  fiinbbol^^  ßat  U)u  alö  ben  oierten 
mäf)renb  feinet  ^ecamiti^  promooirt*).  ^ie  fpätere  aibleugnung 
ift  tenben^iöö.  Xie  afabemifdjcu  Oirabe  mürben  üon  ben  ^uma* 
niften  at^  ©tüde  be^^  atpparati^  ber  alten  ©d)olaftif  üerad)tet. 
3n  ben  ^unfelmännerbriefcn  ift  eö  nießt  bie  leptc  Vlnflage  gegen 
bie  ^oeten,  baß  fie  ißre  ainl)anger  unter  ben  ©tubenten  abßaU 
ten,  jene  ÖJrabe  ju  ermerben.  aBeiin  §utten  in  ber  golge  alö 
.f)umanift  felbft  bie  geringfte  biefer  2Bürbcn  üon  fid)  ablc^ntc,  fo 
mar  cd  ber  tieffte  (^rab  üon  (%ringfd)äpung,  bie  er  biefem  gan* 
,^cn  alten  Söefen  bezeigen  mollte. 

3n  granffurt  fc^eiiit  c^  §utten  bod)  etmaö  länger  alä  in 
Äöln  unb  Erfurt,  nämlid)  ein  gan^eö  3nf)r,  gefallen  ^u  ßaben. 
aiber  lönger  geßel  eei  mm  feinem  Beßrer  fRßagiusi  bafelbft  nid)t. 
®ie  neue  5od)fd)ule  an  ber  Cber  patte  halb  üon  Einfang  eine 


1)  J^utten  in  ber  ®otrcbe  jum  Nemo,  S(^riften  1, 6.  180.  SqI.  Epiet. 
obscuror.  viror.,  J,  14.  Wogegen  bo8  3fügnift  quS  liecmanni  Notit.  uni- 
vers.  Fraucof.,  ©(^riften  I,  S.  5 f. 


38 


I.  %u(^.  2.  Kapitel. 


Sflid^tung  cinflcfd)lagcn,  btc  ben  'Slbfid^ten  bcö  2)?anneö,  ber 
il^rcr  ©rünbung  uov  allen  mitgciüirft  l)attc,  iuenig  entfprad^. 
9Äcbr  alö  einmal  geftanb  in  ber  golge,  mic  $uttcn  berid)tct, 
©itelmolf  Dom  <Stcin,  er  bereue  biefe  SJiitmirfung,  ba  er  fe^cn 
müffe,  lüie  bie  neue  Uniücrfität,  ftatt,  feiner  Slbfidjt  nad^,  mit 
^umaniftiW  gebilbeten  2Jtännern,  mit  unroiffenben  9)?enfd)cn  uom 
alten  ©erläge  befefet  fei.  3^^*^  Xrcbeliuö  unb  S^igilantiuö  blie- 
ben noc^;  aber  iR^agiuö  manbte  fic^  nac^  Scip.vg,  unb  i^m  50g 
Jütten  noc^  einmal  nac^.  3n  ber  leipziger  Uniüerfitätömatritcl 
üom  SBinterfemefter  1507  auf  1508  finben  mir  alö  erften  ber 
mciSnifc^en  S^tation  ben  ^rofeffor  ber  S^lcbehinft  unb  gefrönten 
^octen  Slefticampiannö,  bann  in  ber  9)7itte  ber  bairifd^cn  Station 
Ulrich  Jütten  aud  35ud)cn  eingetragen.  Scibe  erlegen  bie  ^öd)fte 
©ebübr  üon  10  @r. ; ein  iBemei-^,  bag  ^uttcn'ö  öfonomifd^e  Um^ 
ftänbe  bamalö  nic^t  übel  maren*).  3n  bem  glcid^en  ^albja^re 
mürbe  ber  fc^on  1500  immatriculirte  Sßeit  SScrlcr  3J^agifter,  ber 
fpäter  feinem  bamaligcn  Stubiengenoffen  ben  fc^önen  fltad^ruf 
mibmetc,  Pon  bem  mir  nur  aUjufrii^c  ju  reben  l)abcn  merben. 
fRad}  i^m  ^ätte  ber  junge  Öaccalaureuö  in  Scipjig  auc^  mit  ©ei* 
fall  gelefen;  mofür  jeboe^  in  ben  UniucrfitätiSacten  fein  33eleg  ju 
finben  ift. 

3n  biefe  Qdt  nun,  in  ^uttcn'ö  18.— 19.  3a^r,  faden  5mar 
fdpücrlic^  bic  erften  poetifc^cn  Sßcrfudjc,  bie  er  gcmad)t  ^at,  aber 
bie  erften,  bie  un^  aufbel)alten  finb.  @0  finb  il)rer  Pier:  eine 
(Slegie  an  (Soban,  bie  er  nocl)  in  Erfurt,  ein  fiobgebic^t  auf  bie 
ajtarf,  ba^  er  in  granffurt,  mutf)ma6lid)  im  3al)ie  1506,  fd^rieb, 
ein  paar  fiobPerfe,  bie  er  ju  feinet  fie^rerö  9tl)agiu§  1507  ge^ 
bruefter  ©pigrammcnfammlung  gab,  unb  eine  poctifdje  @nnal)= 
uung  5ur  Xugenb,  melc^e  er  ber  Pon  ebenbemfelben  beforgteii 
unb  im  gleichen  3abre  gebrudten  SluiSgabe  ber  Xafel  beg  Sebcö 
beifügte  *).  0ämmtlic^  alfo  f leinere  53eigaben  ju  größeren  0djriftcn 
ppn  greunben  unb  !ile^rern,  mie  fie  in  jenen  ßciten  üblich  maren: 
bie  erfte  Pon  18,  bie  jmeite  Pon  20,  bie  britte  Pon  7,  bie  pierte 
Pon  28  2)iftid)en.  3n  aden  geigt  fic^  im  lateinifc^en  Sluöbrucf 


1)  8b<nbaj.,  6.  8. 

2)  $on  btejen  (Sfbid^ten  ift  baS  erfte  in  ber  95d(ing’f(!^rn  Ausgabe  1, 
3 f.,  bie  brei  anbern  III,  6.  5—10  unb  563  abgebnuft. 


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)^utlen’§  crfie  ^)i(l(|tun0fn. 


39 


unb  Sßcr^bau  eine  bübfe^e  gertigfeit.  J^ärtcu,  Ungcfd^icflid^f eiten 
fehlen  nid)t,  aber  fte  fommen  gegen  ben  SBobHaut  unb  ging  bc§ 
©QUi^en  faum  in  Setrad^t.  Sßon  claffifcben  ^tarnen  unb  Söci:^ 
fpielen  fte()t  bem  jungen  Poeten  ein  erflccflicber  SSorrotb  ju  @e= 
bote.  5)er  ©ebanfengang  enttuicfelt  fd^icflic^,  obroobl  o^ne 
ftrengc  ^iöpofition.  alle  finb  noi^  @d)ülerarbeiten,  mehr 

ober  minber  auö  fremben  ©ebanfen  unb  Söenbungen  sufammens 
gefegt;  baä  eigentbümlic^e  ©epräge  öon  |)utten’ö  ©eifte  trögt 
noch  feinö  berfelben. 

Sflacb  allen  ©eiten  boltc  berSüngling  feine  ßebrjabrc  U)ol)l 
benupt:  um  aber  5um  2Kanne,  jum  fKeifter  beran^ureifen,  b^tte 
er  erft  bie  SBanberjabre  anjutreten,  mußte  ber  SBiberftanb  beö 
Sebent  bie  ganje  ^aft  feinet  ©eifteS  unb  SBillenö  jum  33emußt= 
fein  bringen  unb  in 


40 


Drittes  Äapitcl. 


^attberuttgen  uttb  ^Benteiter  in  |>eutf($r<inb. 

1509  — 1512. 

glitten  tuar,  lüic  unö  fc^ou  biö()cr  nid)t  cutflanflcu  ift,  ein 
unruhiger  @cift.  Sßanberluft  lag  tief  in  feiner  9iatur.  @ie  lag 
and)  in  ber  Qdt,  unb  Oefonber^  in  ber  ©eifteöric^tung,  ber  er 
fid)  frü^jeitig  angefd)loffen  l)atte.  ^ie  „fal)renben  ©djüler"  bc^S 
anögel)enben  ^iJ^ittelalterö  finb  befannt.  Unter  ben  bentfe^en 
maniften  jener  3of)re  luaren  bie  C£eltiö,'9tl)aginv?,  33nfd),  eigent^ 
lidje  SSanberlel)rer.  33ei  Jütten  fam  ber  praftifd)e  ßug  feiner 
9latur  ba5u.  @r  f)oUc  baö  iöebürfnig,  bie  SBelt  nid)t  bloö  anö 
iönc^ern  fennen  ju  lernen,  ©täbte  unb  Sänber  ^n  fel)en,  2J^en:= 
fc^en  aller  2(rt  ju  beobad)ten,  fic^  unter  i^nen  um;\ntreiben,  mit 
il)nen  5U  meffen,  baju  empfanb  er  einen  unmiberftel)lid)en  Xrieb. 
0elbft  bie  SSermief hingen,  ©türme,  (^efaljren  einest  foldjen  2ebene' 
reiften  i^n  alö  ein  fül^neö  ©piel,  beffen  ©eminn  il)n  lodte,  ol)ne 
bag  ber  möglid)e  SSerluft  beö  ©infageö  if)n  fd)reden  fonnte.  @r 
l)atte  auc^  @^rgeij.  @r  moUte  etmo^S  bebeuten  in  ber  SBclt:  ba 
fal)  er  mol)l,  bafe  er  fid^  mit  il)r  einlaffen  müffe.  SBasJ  einem 
9)iutian  glüdfeligc  9iul)e  mar,  erfc^ien  iljm  alö  tröge  2)unfell^eit, 
üon  ber  er  nid)t!&  miffen  molltc. 

3Jht  ©elbftgefül)!  fpric^t  Jütten  mel)r  ab3  einmal  uon  bie* 
fern  2)range.  SBö^renb  anbere  bie  lieben  ©Itern  unb  bie  ^eimifc^c 
^djüllc  nic^t  uerlaffen  mögen,  l)abe  er  baö  bel)aglidje  ßeben,  baö 
er  bal)eim  Ijötte  führen  fönnen,  bem  SBunfd)c  geopfert,  frembe 
ßönber  5U  bef liefen,  um  felbft  etma^  j^u  merben  unb  burc^  X^aten 
feinem  9tamen  2)auer  ju  oerfdjaffen.  ®arin  l)abe  er  ju  SSor^ 


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^utten’S  SBanbfruno  nac^  bem  tRorben. 


41 


bilbern  bic  lueifeftcn  SKämtcr  bcr  alten  Söcit,  einen  ^tjtba^oraö 
unb  ipiatü.  Unb  \m^  beim  and)  für  einen  frifd)en  jungen  3)2en= 
fc^cn  mct)t  fReij  ^aben  fönnc?  befennt  er,  tnobne  nirgenb^ 
lieber  alö  überall,  meine  ^cimat^  ift  allerorten ').  mar  ctmaö 
tjom  fa^renben  IRittcr  in  Ulrich  §uttcn. 

©0  litt  eö  il)n  benn,  nac^bcin  er  fie  oft  genug  gemed)fclt, 
überhaupt  auf  ben  afabcmifd)cn  Sänfen  nidbt  länger  mel)r.  SBic 
lange  nod),  miffen  mir  freilid)  nid^t  genau,  gür  ba<S  Sßinters 
femefter  1507  auf  1508  ^attc  er  in  Seip^ig  inferibirt.  3m  ©pöt* 
fommer  1509  treibt  er  Iran!  unb  mittellos  an  bic  pommerfc^c 
Äüftc.  Unb  in  einem  ©cbic^tc  oom  folgenbcn  grü^ling  rcd)nct 
er  bereits  ein  3a^r,  bag  er  für  bic  greunbe  ba^cim  ocrfc^oUcn 
fei®).  ^Ifo  fc^cint  er  fpäteftens  im  grü^ling  1509  ßeipj^ig  Oer* 
laffen  unb  feine  Steife  in  ben  Storben  angetreten  jn  b^^ben.  SöaS 
ibn  aber  babin  fül)rtc,  maS  er  auf  ber  Dftfce  molltc,  barüber 
gibt  cS  nur  Sermutl)ungcn,  bereu  mir  uns,  mo  fie  auf  feinem 
feften  iiöoben  beruben,  am  liebften  cntfcblagcn.  ^ic  ingranffurt 
gcfcbloffcnc  Scfanntfd)aft  mit  ben  jungen  ^^ommern,  oon  benen 
jmei  noch  bafelbft  mciltcn,  unb  nur  einer  (SSal.  ©toientin)  oieU 
leiebt  febon  bamals  in  feine  ^leimatl)  ^urüdging  ober  ^urüdge* 
gangen  mar,  reichte  boeb  für  fid)  fdpoerlid)  bio»  Steifeluft 
^uttcn’S  gerabe  biefe  Stiebtung  j^u  geben. 

Sbenfo  menig,  mic  über  bie  33emeggrünbe,  miffen  mir  über 
bic  ©tationen  unb  bic  cini^clncn  Jöegcbcnbcitcn  biefer  unglücf^ 
lieben  Steife,  bis  ,^u  bem  Übeln  ?luSgang  bcr  gabrt  auf  bcr  Dftfec. 
Unb  fcltfam,  nud)  biefer  ©ecfabrt  gebenft  ,§utten  fclbft  nicht 
ausbrüeflieb , fonbern  nur  beS  mannigfadjen  Ungemachs  einer 
SBanberung  ;^u  Sanbe,  mclcbe  auf  biefen  Unfall  folgte.  Soaebim 
SJabian  ift  eS,  ber  ,poci  3al)re  fpötcr  bcrid)tet,  mie  Ratten  ^u  ihm 
unb  anberen  greunben  nach  SBien  gefommen  unb  oon  ihnen  als 
oiclgeprüftcr  UlpffeS  mit  SluS^cidjnung  empfangen  * morben  fei. 
Sluf  ihr  S^crlangcn  er  ihnen  bann  bie  ^Ibcnteuer  feiner 
Steife  ber  Crbnung  nach  cr^öblt,  mic  er  auf  bem  bcutfdjcn  Ocean, 

1)  S)iejc  Sctbpbffenninilje  finben  in  t)cr|d)iebcnfn  Stellen  bcr 

Ouercten,  t^eilS  in  ^utten’§  firo^em  SBriefe  an  ^irtf^eimer  über  jeinen  ße* 
benSpIon,  jene  im  3.,  biejer  im  1.  99onbe  ber  SörfinQ’jc^en  ?lu80Qbe.  53on  bei* 
ben  ©(^rijten  unten  on  i^rem  Orte. 

2)  Querei.  II,  Eleg.  ü.  ad  Crotum^iib.  v.  9 f.  ©t^rijten  III,  >5.  54. 


A 


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42 


I.  ^ud^.  3.  PapUet. 


bcu  er  bcrül)vt,  bic  Sßut)^  ber  0c^lla  erfahren  l^abc,  fofort  am 
näd)ftcn  Ufer  in  bie  §änbe  ber  S^flopcn  gefallen  fei  u.  f.  tu.  0b  nun 
tüol)l  in  biefer  ^arfteünng  Sßabian'ö  auc^  ineitcr^in  SJianc^cg 
augenfd)einlid^  in  bie  gönnen  ber  0bl)ffee  gegoffen  ift,  fo  bürfen 
U)ir  bod)  ni(^t  fo  toeit  ge^en,  auc^  toaö  oon  bem  Unfall  jur  0ee 
gefagt  wirb,  bloö  für  eine  ber  ^omerifdjen  ^arobie  julieb  oorge^ 
nommenc  (Sintleibung  ju  galten:  um  fo  weniger,  ba  Jütten  felbft 
um  jene  ßeit,  wenn  and)  nur  poetifc^  unb  im  Allgemeinen,  neben 
ben  ©efa^ren  Öanbe  auc^  oon  folc^en  ju  SBaffer  fprid^t,  bie 
er  biird^gemac^t  §abe  ^).  SBorin  nun  aber  biefer  Unfall  beftanb, 
ob  nur  in  einem  ©türm,  ober  ob  baä  ©d^iff  ftranbete  u.  f.  f., 
wiffen  wir  wieber  nic^t. 

ift  eine  fläglic^c  ©eftalt,  in  weld^er  unfer  junger  ^R{U 
ter^mann  am  Ufer  ber  0ftfee  uu!§  wieber  begegnet.  @r  war  gänj^ 
lid)  mittellos,  nnb  überbieg  fc^wer  franf.  @r  bettelte  fid)  bur^ 
ba^  Sonb,  flopfte  an  arme  SÖauergütten  um  ein  ©tüd  93rot  unb 
ein  iRacgtlager,  mugte  aber  megr  al§  einmal,  abgewiefen,  im 
greien  ben  garten  löoben  jum  ^fügle  negmen.  Umwege  5U 
maegen,  um  nad^  ber  ©itte  fagrenber  ©tubiofen  bei  @elegrten 
Unterfd)leif  unb  ßegrung  5U  fuegen,  oerboten  igm  unabläffig  geg 
erneuernbe  ilranfgeitöanfölle.  ©0  fegilbert  er  halb  naegger  in  ben 
fd)on  oft  angefügrten  Älaggebicgten  feine  bamalige  Sage;  Wägrcnb 
mitten  auö  berfelben  geraut  ein  paar  33erfe  an  Xrebeliuö  ge» 
fd)rieben  finb,  bie  biefer  im  grügling  1509  einem  S3udg  @pi» 
gramme  beibruden  lieg.  §ier  wirb  buregauS  baö  unrugüolle 
fümmerltcge  Seben,  baö  §utten  in  ber  grembe  j^u  fügren  gat, 
fein  ^am^f  um  bie  9tagrung,  feine  9lotg  mit  unfiegerer  Siebe, 
bem  geimatg liegen  unb  göuälidgen  Segagen  beö  greunbeö  entge» 
gengeftellt^). 

3ene  tonfgeit  befegreibt  §utten  im  folgenben  3ogre,  wo 
fie  noeg  immer  fortbauerte,  aU  ein  oiertägigeö  gieber,  baö  ign 
aufö  äugerfte  gefcgwöd}t  unb  abgemagert  gatte,  in  löerbinbung 
mit  einer  ober  megreren  eiternben  SBunben.  gragen  wir:  wo» 
ger  bie  Söunben?  fo  fpriegt  Jütten  Oon  einer  garftigen  ©eud)e. 


1)  Sabion’S  '®rict  an  CfoIUmitiuS  f.  in  ^uttcn’S  ©d^riften  I,  S.  22  f. 
$utien’§  ©ebid^t  ebenbaj.  III,  6.  159. 

2)  ©(griften  I,  ©.  8 f. 


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Jütten  in  @reif§U}an>.  ^te  Cö^e. 


43 


on  ber  er  (im  Sci^rc  1510)  fc^on  feit  ^mei  Sagten  leibe,  unb 
bic,  ftatt  abjune^men,  immer  Ijefticjcr  mcrbc.  Sin  mclc^cr  SiranN 
beit  Jütten  fpäter  litt,  ift  befannt.  (Sö  ift  mie  bie  Äc^rfeitc 
feiner  begeifterten  Xl)ätigfeit  für  bie  Sbeen  ber  9teii,^eit,  bog  er 
an  ber  cigcntl)ümlicbcn  ?ßcft  biefer  mobernen 
erften  litt  unb  ©runbe  ging.  Slui^fübrRd)er  über  biefen  $unft 
banbeln,  merben  mir  fpäter  ©clegenbcit  nebmen. 

2)iübfclig  fcblepptc  fid)  ber  büiPofc  unb  franfe  SBanberer 
enblid)  nad)  ©rcifömalb,  mo  bie  ^o^fcbule  ibn  öciftanb  boffen 
lieg.  @r  manbte  fid)  an  bie  ßebrer  bcrfelbcn  (bic  jmar  fämmts 
lieb  nur  befebeibene  Siebter  maren):  unb  mirflieb  febneb  ibn  ber 
IRector,  ^rof.  jur.  §cinrieb  Suefom,  in  Slnbctracbt  feiner  gänj' 
lieben  ÜKittellofigfcit,  uncntgeltlid)  in  bie  Uniuerfitätömatritel  ein. 
®in  5)atum  ift  nicht  beigefügt:  meil  aber  Jütten  ber  üiertlcbte 
ber  im  ©ommcrbalbjabr  ©ingefebricbenen  ift,  fo  nimmt  man  mobl 
nicht  mit  Unrecht  an,  bag  feine  Slnfunft  unb  ÜWclbung  gegen 
ben  ^erbft  (1509)  bin  erfolgt  fei^). 

S3alb  fanb  fi^  auch  für  bie  meiteren  ©ebürfniffe  fRatb- 
(Jinc  ber  angefebenften  Familien  ber  ©tabt  fd)ien  an  bem  un^» 
glücflicben  Süngling  Slntgeil  i\u  nehmen.  Henning  Söb,  orbent:* 
lieber  ^rofeffor  be^  SReebt^,  j^ugleid)  Äanonifu^  ber  SoHegiat^ 
lirebe  ju  ©t.  9lifolai  unb  ©cneralofgcial  beö  S3ifd)offiJ  üon  dam- 
min jmifeben  ber  ©mine  unb  ber  Ober,  nahm  ibn  in  fein  ^aug 
auf.  @in  reicher  9}^ann;  fein  Später,  Söebeg  Söb,  mar  ©ürger* 
meiftcr,  unb  pflegte,  oermutblicb  alö  Kaufmann,  bic  franffurter 
aJieffe  bejicben.  ^er  ^rofeffor  intcreffirte  fid)  entmeber  mirf^ 
lieb  für  ben  jungen  ^oeten,  ober  moUte  bod)  baiS  Slnfcbcn  baoon 
haben.  (Sr  flcibete  ihn,  mabrfcbeinlicb  au^  ben  SSorrätben  feinet 
Satcrö,  unb  ftreeftc  ihm  @elb  oor.  Slueb  mar  bic  33ebanblung 
Slnfang^J  ganj  freunblicb;  §uttcn  fonntc  e^  nicht  beffer  münfeben. 
SUImöblicb  aber  änberte  ficb  bic  ©timmung.  äJ^an  lieg  ben  @aft 
im  $aufe  bie  frühere  ©efälligleit  oermiffen,  ber  |)audbcrr  cr^ 
febmerte  ihm  ben  bcrrfd)tc  ihn  mit  boebmütbigen  Sßorten 

an,  ober  machte  ficb  njobl  aud)  über  fein  f(^öngeiftigeö  Xreiben 
luftig.  (Sin  greunb,  ben  §utten  mittlcrtocile  am  Orte  ge^ 
monnen  Ulrich  2Ranom,  marntc  ihn  Oor  bem  SRanne:  ben 


1)  ^uttcn’S  ©(^tifien  I,  S.  9. 


44 


I.  ®U(^.  3.  itapilel. 


jcboc^  Jütten,  tuic  er  Dcrfirf)crt,  burd)  Salbung  p entmaffnen 
IjOfftC. 


Ratten  tair  nun  nnd^  non  ber  ßö^'fd)cn  ©eite  einen  Ü8crid)t, 
tvxc  tüir  i^n  nur  aon  ber  ^nttcn’fc^cn  t)aben  *),  fo  tuürbe  uns  bie 
SScrgIeid)ung  beiber  Ujol  manches  erflärenbe  SKittelglieb  an  bie 
$anb  geben.  Jütten  tuar  jn  feiner  SebenS  baS 

ßamni,  laie  er  fid)  ^ier  barftellt.  SBir  fönnen  nic^t  taiffen,  ob 
nic^t  and)  in  bem  53cnct)men  beS  poetifd^cn  3«nferS  manches 
war,  was  ben  ^rofeffor  aerbrießen  modjte.  Ratten  fetbft  ftellt 
ben  3orn  beffetben  als  eine  Sfrt  aon  @iferfnd)t  auf  feine  Ueber^ 
Iegent)eit  an  Äcnntniffen  bar.  3US  einem  Snriften  aom  alten 
©ci^lagc  fc^eint  bem  SJiannc  l)umaniftifd)c  S3ilbung  fremb  gewefen 
5U  fein;  allein  Ijicr  fragt  fid)  eben,  ob  ber  junge  $oet  fic^  immer 
entl)alten  ^abeu  wirb,  bie  ^löften,  bie  jener  gab,  empfinblid)  ;^u 
berühren.  SSic  fid)  bieg  aerl)alten  b^^ben  mag:  genug,  bie  ©ad)c 
fam  fo  weit,  baß  Ratten  einfal),  baS  befte  fei,  j\u  geßen.  9^un 
wollten  aber  bie  ßö^c  erft  il)re  ^orfd)üffe  wicbererftattet  l)abcn. 
^atte  ibnen  ber  entblößte  9lnfömmling,  wie  er  mit  erlaubtem 
@l)rgefüßle  gerne  tßat,  mand)eS  aon  ber  2öol)ll)abcnl)eit  feines 
Katers  unb  feiner  S^erwanbten  aorgcfproclicn,  fo  mochten  fic  bei 
il)ren  ©aben  gleich  §lnfangS  auf  @rfap,  wohl  auch  auf  reiche 
@egengefd)enfe,  gered)net  haben.  Ober  war  eS  erft  bie  feitbem 
eingetretenc  Erbitterung,  waS  fie  ju  biefer  ^orberung  aeranlaßte. 
Jütten  fud)te  ihnen  begreiflich  511  machen,  baß  gerabc,  wenn 
eS  ihnen  um  ^c^ahlung  ju  tl)un,  cS  baS  flügfte  fei,  ihn  pichen 
;^u  laffen:  aielleid)t  gelinge  eS  ihm,  anberSwo  fein  @lüd  ^u  machen 
unb  fie  bann  5U  befriebigen;  lao/^u  il)m  h^er  bie  äliittel  immer  ' 
fehlen  würben.  ÖJefept,  baß  eS  bei  biefer  (Gelegenheit  erft  an  ben 
Xag  fam,  baß  .gatten,  aon  feinem  3Sater  aufgegeben,  aon  biefer 
©eite  nid)tS  ju  erwarten  l)‘^^c,  fo  war  eine  folche  Entbeefung 
Wenig  geeignet,  bie  ©timmung  feines  SBirtßcS  511  aerbeffern.  Enb^ 
lid),  er,^äl)lt  er  unS,  l)flbe  biefer  feinen  SBorftellungen  nachgegeben, 
unb  er  mit  beffen  SBiffen  unb  Söillcn  fid)  ^ur  5lbreife  aorbc^  . 
reitet.  5lber  wir  erfahren  aon  ihm  jugleid),  baß  genning  ßö^ 
fpäter  in  §lbrebc  ftellte,  feine  Einwilligung  gegeben  5U  höben. 


1)  9läntli(b  eben  in  ben  Ouereten  ober  fflagegebichten,  oon  benen  fo» 
mehr. 


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Äbreife  unb  Ueberfofl. 


45 


©'S  toax  mitten  im  SBintcr,  in  ben  lebten  ^agen  bc§ 
cemberö  1509,  atö  Jütten  (^reifömalb  ucrlieg,  um  nac^  9toftorf 
;\u  manbern.  ^ic  itältc  mar  ftrcncj,  alle  äöaffcr,  felbft  boö  2}ieer 
an  ber  Siüftc,  gefroren.  mar  feine  itleiniqfcit  für  ben  noc^ 
feineömcflö  non  feiner  Ärantl)eit  (5Jef)eiltcn,  in  folc^er  Sabre^jeit 
einen  SBeg  non  12  iDieilen  ^u  guge  ^n rücfju legen : bod)  in  ber 
Hoffnung,  auf  ber  mecflenbnrgifcben  Uniücrfität  eine  beffere  21ufs 
nal)me  finben,  pilgertc  er  munter  ju.  (SJerabe  ging  er  über 
einen  gefronten  0iimpf  an  einer  Söeibcnpflan^nng  t*uf 

einmal  fReiter  an«  ben  iöüfd)en  bradjen  unb  mit  brof)enber 
©timme  if)m  ^alt  j^uriefen.  maren  2ö^'fd)e  2)iener,  bie  ibm 
bebrüteten,  menig  Umftanbe  ^u  macben,  unb  ibnen  ade«  ju  geben, 
ma«  er  b'ibe.  ?ln  SBiberftanb  mar  nicht  511  benfen,  fein  Bitten 
unb  5^ebfn  mar  oergeben«,  fie  j^ogen  ibm  bie  märrnenben  Obers 
(leiber  ab,  unb  einer  fefete  ibm,  menn  er  nid)t  febmiege,  bie  gelles 
barbe  auf  bie  53ruft.  ®er  alte  Söebeg  mollte  bie  Äleiber  jnrüd 
haben,  ju  benen  er  mabrfd)cinlid)  ben  3<^ug  gegeben.  2lber  nicht 
genug.  ^)cr  arme  SRiifenfobn  trug  ein  fleine«  löünbetcbcn,  in 
ba«  er,  nebft  etlichen  ^^üd)ern,  and)  eigene  Dichtungen  jufammeus 
gefchnürt  hotte.  Da«  fönne  fie  bod)  nicht  reid)  machen,  meinte 
er,  unb  mollte  c«  an  fid)  behalten:  and)  baö  nahmen  ihm  bie 
0d)ergen  ab.  Unb  ^um  ©chaben  ben  ©pott  fügenb,  trüfteten  fie 
il)n,  menn  er  ben  ßenten  ein«  oorfinge,  merben  fie  ihm  fchon 
onbere  iUeiber  fd)enfen.  ©0  §utten’«  eigene  poetifche  ©r^öhlnng. 

§atb  nadt  manberte  er  meitcr:  in  melchcni  ^aftanbe  er  in 
9loftocf  anfam,  lögt  fich  benfen.  3n  einer  clenben  Verberge 
fanf  er  auf  ba«  ©iechbette,  ba  Äölte  unb  iölöge  alle  feine  Uebel 
ücrfd)limmert  hatten.  2/Uttel,  fich  unb  (Srquicfnng  ju 

oerfchaffen,  hatte  er  feine.  9lad)  unb  nad)  ließ  er  ben  ^rofefforen 
ber  Unioerfität,  ließ  er  oornchnien  ©tubirenben  Äunbe  oon  feiner* 
9totl),  groben  feine«  Dalent«  ^nfommen.  2lnfmerffamfcit,  Dl)eiU 
nähme  blieben  nicht  au«.  (Sebert  ^arlem,  oon  feiner  nieberlän« 
bifd)en  @ebnrt«ftabt  fo  genannt,  ^rofeffor  ber  ^hilafophie  unb 
Stegen«  ber  ©nrfe  ^nr  ^immelspforte,  fueßte  ihn  auf  unb  nahm 
ihn  in  fein  ,gau«.  @r  lebte  al«  Sunggcfelle;  ein  gelehrter  unb 
rcd)tfchaffener  ÜJiann,  ber  aneß  anbern  außer  §utten  ßülfreid) 
mar.  Da«  mar  fein  ßöß:  feinen  @aft  ßielt  er  fo,  baß  SSabian 
glitten’«  Quartier  bei  ißm  mit  bem  be«  Ulßffe«  bei  Äalppfo  ocr« 


46 


I.  ^«d^.  3. 


gleid^cn  fonntc.  ^ forgtc  für  5lrj\nci-unb  pflege,  unb  gab  bem 
SO^ittellofcn  @elb  in  bic  §anb.  feinem  $aufe,  an  feinem 
2^ifcbe,  fing  glitten  an,  micbcr  aufiulebcn.  Slurf)  anbcrc 
fefforcn  crmiefcn  fid)  il)m  günftig;  ein  teiö  non  (Stubirenben 
fammcltc  fid)  um  it)n,  bencn  er  fc^önmiffenfd)afüic^c  SBorträgc 
hielt.  @r  fam  orbentlid)  in  bie  SJiobc  ju  fRoftocf;  man  hieß  ihn 
nur  ben  neuen  ^oeten;  bereite  fehien  eg  ber  SU^ühc  merth,  ih« 
ju  beneiben. 

9lun  fühlte  er  fich  auch  tnieber  im  Oollen  Sefi^e  feincg 
Xalentg.  3a,  er  fühlte  fid)  jum  crftenmal  barin.  ®er  furje- 
ßeitraum  feit  bem  Eintritt  feiner  norbifdjen  Dleife  mar  für  ihn 
reich  nn  Erfahrungen  gemefen.  9J^it  smeiunbjman^iig  3al)rcn  mar 
er  oom  3üngling  jum  SJknnc  gereift.  2öag  aber  bag  Entfchei^ 
benbe  mar:  bie  ©pi^c  biefer  Erfahrungen  mar  eine  empörenbe 
Unbill,  eine  offene  EJcmaltthat  gegen  ihn  gemefen,  bic  feine  ganje 
Entrüftung  heroorrufen  mu§tc  nnb  suglcid)  fein  Xalent  entbinben 
foüte.  ®ie  ^ebamme  Oon  ^utten'g  EJeiftc  mar  ber  ßorn.  ©eine 
SBerfc  fteigen  an  öcbcutung  in  bem  S^erhältnih,  alg  bic  EJegen* 
ftänbe  feineg  ßorncg  bcbcutenbcr  merben,  biefer  fclbft  reiner  mirb. 
SBag  §uttcn  bie^mal  hcroorbrachtc,  maren  bic  Klagen  gegen 
S53cbeg  unb  Henning  fiöp,  ober  bic  Soffier,  mic  er  fie  im  latci^ 
nifchen  S8erfc  nannte*).  S)icfc  ©chrift  nimmt  auf  ber  eben  an^ 
gebeuteten  ©tufenleitcr  jmar  bic  unterfte,  aber  eine  mefcntlichc 
©teile  ein,  alg  bic  erftc,  meld)c  bag  OoHe  EJepräge  beg  §uttcn'fchen 
EJeifteg  trägt,  ©eine  bigherigen  ^crfuchc  hüttc  aud)  ein  anberer 
begabter  3Jinfenfol)n  jener  Xagc  mochen  fönnen:  bic  Querelen 
gegen  bie  ßofficr  fonntc  nur  Ulrich  §uttcn  fchreiben. 

5)ic  ©d)rift  bcftcht  aug  jjmei  33üd)crn,  jebeg  oon  jehn  Elegien,  « 
bic  ^nm  ^hril  t)on  größerem  Umfange  finb.  SBorangef^ieft  ift. 


1)  ülrichi  Hutteni  equestris  ordinis  poetae  in  Wedegum  Loetz 
Consulem  Gripcsnaldensem  in  Pomerania  et  ßlium  eins  Henningum  Vir. 
Iuris  doctorem  Querelarum  libri  duo  pro  inaigni  quadam  iniuria  sibi 
ab  illis  facta,  i^inten:  Excussa  sunt  hacc  Francophordii  cis  Oderam  per 
Joannem  Hanaw. . . 1510.  §uttcn’§  Sd^riften  III,  S.  19 — 83  unb  I,  6. 10 — 15. 
®gl.  Södfing’S  Index  bibliographicus  Huttenianus  9lt.  IV,  S.  4.  S)ic|cr 
Index  toirb  öon  ^|icr  an  nid^t  mc^ir  für  jebc  Sd^rift  §utten’§  bejonberS  citirt, 
jonbrtn  dn  für  onemol,  toaS  Xitel  unb  Ausgaben  ber  ^utten’fd()en  SBerle 
betrifft,  ouf  benfclben  bertoiefen. 


i^utten’S  j^Iagen  gegen  bie  S5^e. 


47 


Dom  lö.Suti  (1510)  batirt,  eine  profaifd^e  Sueignunti  an  fed^se^n 
$rofefforen  ber  roftoder  Uniüerfität,  bie  fofort  norf)  jeber  ein^\eln 
in  einem  i^m  befonberö  gemibmeten  ^ctraftidjon  gepriefen  merben. 

3n  ber  erften  ©iegic  fobann,  glcic^fam  ber  Einleitung,  flogt 
ber  ®ic^tcr  ben  ©öttern,  in^^befonbere  bem  leibenöfunbigen  ©b^iftnö, 
fein  Unglüd,  unb  forbert  fic  ^ur  fRoct)e  gegen  benjenigen  auf,  ber 
fo  Unmenfc^lic^e^  an  il)m  üerübt  ^abe.  — 2)ie  jrocitc  @legic 
enthält  bie  (Sjpofition:  fie  erjäl)lt  bie  greüelt()at  bc^  fioffiuö 
(facinus  Lossii);  bie  onfc^auli^cn  ßüge  nuferer  obigen  ^arfteU 
lung  finb  grögtentbcilö  au^3  i^r  entleljnt.  — 2)^  britte  unb  oierte 
@legie  finb  §ülfögefuc^e:  einö  an  ben  jungen  ©rafen  ©berftein 
511  ^Raugarten,  ber  bomalg  j^u  fRoftoef  ftubirte,  baö  anbere  an 
ben  SoUegiaten  unb  ^rofeffor  ber  $^ilofopf)ic  3oac^im  iRigemann 
gerichtet.  finb  biefc  beiben  @ebicl)tc,  menn  fic 

auc^  l)ier  oerbeffert  erf (feinen  mögen,  an  bie  bc^cid)nctcn  ^erfonen 
Don  Jütten  um  bie  3^it  flcfdjicft  morben,  aU  er  nod)  IjülflosS  in 
ber  jperberge  lag.  baö  Icgterc  menigfteng  nic^t  o^nc  Srfolg 
loar,  fe^en  mir  auä  bem  für  ^igemann  beftimmten  Xetraftidjon. 
— 3n  ber  fünften  (Slegie  üerflagt  ,'putten  bie  ßö^e  bei  il)rcm 
£anbc5l)crrn,  bem  ©er^^og  3)u§too  X.,  beffen  grieben  fic  gcbrod)en 
^aben,  unb  beffen  Wiener  fic  üicllcid)t  bcftcc^cn  mö^ten:  mobei 
er  Don  öatcr  unb  0o^n,  ai^  fRedjtöücrbrcbcrn,  @f)cbrcd)crn  u.  bgl. 
ein  menig  fd)mcic^ell)afte!3  Öilb  entmirft  unb  i^re  S5eftrafung 
forbert.  — E)ic  fcd)ötc  Elegie  ift  baö  iöegleitfc^rciben  jur  oorigen, 
an  ^utten'ö  frantfurter  Unioerfitötöfrcunb  Valentin  ©toientin, 
ber  unterbeß  0ccretär  be§  §cr^og^  oon  ^ommern  gemorben  mar, 
nnb  nun  bei  i^rcr  alten  greunb^  unb  23rübcrfc^aft  gebeten  mirb, 
bie  Älagfc^rift  feinem  .^errn  511  übergeben  unb  bei  il)m  ju  bc^ 
fürmorten.  — 3n  ber  fiebenten  @legic  fc^ieft  ber  ^id)tcr  feine 
2Rufc  an  feinen  SSetter  unb  S33ol)ltl)ätcr  Submig  oon  §uttcn, 
mit  ber  Äunbe  oon  ber  i^m  miberfabrenen  2Ri6bnnblung.  ®r 
jeiebnet  ibr  ben  Sßcg  Oor,  ben  fic  j^u  nebmen  l)«^c  biö  ju  beffen 
0cblo§  unmeit  beö  ÜRainö,  febilbert  bie  rittcrlicben  Uebungen, 
morin  fic  ibn  antreffen,  bie  2!beilnabme,  momit  er  bie  SRaebriebt 
oon  Ulrich’^  Unfall  aufnebmen  mcrbc.  9JUt  ©clbftgcfübl  lögt 
er  oon  bem  b^djangefebenen  Setter  feine  üRufc  al^  ben  0tol^ 
beö  ^uttcn'fcben  ©cfcblccbtö  bejeiebnet  merben.  2)aö  cigentlicbc 
öegebren  nun  aber,  ba$  er  ibr  an  bcnfclbcn  aufträgt,  ift  cebt 


48 


I.  ^ud^.  3.  ÄQpitcI. 


rittcrlid^  unb  ed)t  ^uttcnifc^.  @ic  foH  bem  iRitter  toon  ^rtonffurt 
reben  (n)obd  xoix,  tuie  fortan  burd)au^,  unö  erlauben,  feine  latei« 
nifd)en  33erfe  fo  leiblich  aU  mög(i(^  511  oerbeutfc^cn): 

a®oI}l  ja  fennft  bu  bic  Stobt,  öorlänöfl  in  ben  Äricgcn  ber  t^ronfeii 
^föorb  fie  erbaut  unb  b^i^t  no^  ben  (Srbouern  no(b  je^t. 

Sie  burdbi^neibet  ber  3Jtoin,  ber  unter  ber  SBrürfe  bobinftiebt, 

Unb  nidbt  ferne  be§  StbeinS  mö^tigem  Strome  ficb  eint. 

§0(b  Qufrogen  bie  dauern,  c§  prangen  bie  ftoljen  (Sebäube, 

' Stolj  audb  ift  auf  ben  fKubm  ihrer  ®ctt)obner  bie  Stabt  . . . 

^Ißeitber  fudben  bie  Golfer  fie  auf  unb  roanbern  bie  ^enfdben, 

Denn  für  bie  9Öaaren  ber  933clt  ift  fie  ber  mimmelnbe  fDlarft. 

Unb  nun  baö  ^Inließen: 

Sie  toirb  2offiu§  audb,  jur  fUleffe,  ber  95ater,  befudben; 

3bnt  mit  criefener  Srfjaar,  JHitter,  oerlege  ben  9Beg: 

©reif’  unb  bntt’  ibn  in  ^aft,  meil  ibn  ju  erfteeben  bebenfli(b; 

3lbn  ju  beftrafen  fobann  bleibe  be§  Dieters  ©efdbäft. 

— ®ic  ac^tc  ©Icflie  ift  an  ^utten’ö  öreifötoolber  greunb  Ulrich 
ÜJianotü,  ber  ibn  oor  Henning  gcU)arnt  Ijattc,  — bie  neunte 
an  ben  oornialigcn  erfurter  Uniocrfitätöüenoanbtcn,  je^t  mecflcn- 
burgifeben  9totb  Sfiitolauö  9}^arfcbalf  gerid)tet,  ber  il)n,  faH^  ber 
Söiberpart  fid)  rubig  oerbielte,  uon  toeitern  gdnbfeligfeiten  ab^ 
gemahnt  b^^c.  5lbcr  Soffiuö  ftcUc  ibm  noch  immer  nad)  unb 
mödjte  ibn  gern  um^$  Seben  bringen.  — ^ic  jebnte  ift  bie  ©^lufe? 
elegie  an  ben  Sefer,  in  mclt^er  ber  Siebter  über  feine  .^erfunft, 
feine  fperfönlidjfcit  unb  feinen  ßebenöplan  Sluöfunft  giebt.  @r 
fcbilbcrt  bie  Söoblbobenbcit  feinet  SSatcr^,  baö  bebaglicbc  Seben, 
bem  er  au^  ßern*  unb  fReifebegicr  ben  iRüden  gemenbet  b^bc, 
unb  ftcUt  bamit  baö  tröge  ^raffen  be^  Soffiu^  in  Sontraft.  5“^ 
ben  Slugenblid  freilid)  habe  ba^  launifebe  @lücf  ibm  ge^ 
nommen,  biö  auf  feinen  @eift  unb  SWutb:  auch  biefe  möchte 
fioffiuö  gern  Uernid)tet  fel)en. 

3utn  ^^meiten  öuebe  ift  bie  erfte  ©legie  baö  ^ormort:  nodb 
fönnc  er  nidbt  fdjmcigen,  benn  Soffin^,  aufgebradbt  barüber,  bafe 
Jütten  ju  fRoftod  in  ©b^^cn  gebaltcn  merbe,  fud)e  nun  auch  fein 
ialent  unb  feinen  fRuf  an^^ugreifen,  unb  feinbe  jeben  an,  ber 
ibm  gut  fei.  — Snöbefonberc  fei  bcrfelbe,  führt  bie  britte  (Slegie 
auö,  über  ben  öeifaU  erboft,  ben  Jütten  bei  feinen 


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^utten’S  Alogett  ßcfien  btf  S5^c. 


49 


finbc:  bic  ftc^  nid)tö  barum  fümmcrn  unb  brnb  (cmcn  foHen.  — 
3n  bcr  j^tüciten  (Slegie  bringt  fic^  §uttcn  feinem  alten  ÖJönner, 
bem  öifd)of  ^ietrid)  non  Sülom,  in  ©rinnerunfl;  — in  ber 
nierten  fprid)t  er  feinem  Söirt^e,  (Sebert  ^arlem,*  feinen  ®nnf 
auö;  — in  ber  fünften  l^ölt  er  einem  fReiber  unb  Söiberfac^er, 
bcu  er  ^^ilüpompuö  nennt  (in  bem  aber  mit  S33al)rfc^einlk^feit 
Xilemann  ^euerlinci,  ber  neibifc^e  ©egner  ^ermann’ö  non  bem 
53ufd}e,  nermntf)et  mirb),  ba§  marnenbe  SBeifpiel  be^  Soffiuö  nor; 
— in  ber  fiebenten  fc^t  er  einem  fo  eben  nerftorbenen  2Bol)ltl)äter, 
Scifob  $aner  (^auer)  ein  Xcnfmal;  — bie  neunte  ift  an  ben 
3uriftcn  Sodann  Sobering,  ber  §utten'g  ©ac^e  aU  Sfled^tdanmalt 
übernommen  batte,  gerichtet.  — 3n  ber  fcd)^ten  @(cgie  menbet 
ficb  ber  dichter  an  feinen  alten  Sebrer  unb  Vertrauten,  ®rotu§ 
?Riibianu§,  — in  ber  achten  an  ben  .^erjengfreunb  (Soban  $effe: 
an  jenen  mit  einer  fürjeren  Hnbeutung,  an  biefen  mit  einer  au§s 
fübrlicben  ©r^äblung  ber  ßoffifeben  Untbat,  an  beibe  mit  ber 
Vitte,  gegen  feinen  unberföhnlichen  geinb  unb  Verfolger  entmeber 
auch  etmaö  ^u  febreiben,  ober  bodb  baö,  maö  er  gegen  benfelben 
gefebrieben  höbe,  ihm  nicht  -^u  berargen.  — ©nblidb  in  ber  zehnten 
unb  ©cblugelegic  an  bie  beutfeben  ^oeten  macht  §uttcn  feinen 
:^anbel  mit  ßoffiug  ^ur  gemeinfamen  @acbe  aßer  beutfeben  ^u^ 
maniften.  Qu  bem  ®nbe  febieft  er  feine  elegiftbc  9JJufe  auf  eine 
(i)on  unö  febon  früher  gelegcntlid)  ermöbntc)  Vunbreife  im  Vater« 
lanbe,  unb  lägt  fie  bei  aßen  belehrten  ber  neuen  Viebtung, 
9)?eiftcrn  unb  ©efeßen,  einfpreeben,  um  il)r  9)titgefübl,  toenn  oud) 
nicht  ihre  SKitmirfung,  für  baö  migbanbelte  ©lieb  ibreiS  Orbenö 
rege  ju  machen. 

Xiefev  ©emeingeift,  biefe  ©olibarität  unter  ben  freien  unb 
febönen  ©eiftern  jener  Seit  tuar  nicht  bloS  ein  S03unfcb  §utten’^, 
fonbern  fie  beftonb  in  ber  SBirflid)feit.  SBenige  3abre  fpätcr, 
fo  j^cigte  fie  ftcb  glänjenb  in  Veucblin'd  ^anbel  mit  ben  Kölnern. 
Zugleich  gibt  und  biefe  ©Icgic  gleicbfam  eine  bwntaniftifcbe  0ta« 
tiftif  bed  bamoligen  Xeutfcblanbd.  3ut  ßWecflenburgifd^cn  j^eigt 
fie  und  ben  ©cfcbicbtfcbrcibcr  unb  Xiebter  5Rifolaud  fütarfcbalf; 
in  Xanjig  bie  ©clebrten  ©btiftopb  ©ud^ten  'unb  ©berbatb  Verber; 
in  granffurt  o.  b:  0.  bic  und  fegon  befannten  greunbe  ^uttcn’d, 
Vigilantiud  unb  Xrebcliud  mit  ben  beiben  0ftcn;  im  Vranben« 
burgifeben  fonft  noch  ©itelmolf  Dom  ©tein;  in  ©cblcficn  ^oren,^ 
VIL  4 


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50 


I.  3.  ftapitd. 


(Sorüin  unb  ©igmuub  gagilucuss  (Söud^tvalb);  in  S3ö^mcn  ben 
nielcjebriefencu  3Käcena^,  ^ol)Uölau  üou  ^affcnftcin,  mit  feinem 
grcunbe,  bcm  2)i^tcr  Soljann  ©turnuö  (0tQr);  in  SBittenberö 
33altt)ajar  ^()acd)u^,  ©palatin,  fammt  ben  beiben  ^octen  ©ibutuö 
nnb  ©bruliu^;  in  Scip^iß  Si^agiu^  Slcfticompianuö  unb  §iero? 
nprnuö  @mfer;  bei  unb  in  ä^agbcburg  bie  2)ic^tcrin  9iifg  unb 
ben  ^id)terpQtron  Äa§par  ©teinbed;  in  Erfurt  ©rotuä  Sflubianuä, 
@übnn  §effe  unb  Xcmoniiiö;  in  ©otl^a  2Jiutianuö  S^ufuö;  in 
SBür^buvg  ben  5lbt  5:ritbcmiug.  ?Im  ©peffart  merben  (Sapeßa 
unb  ©üpfo  aufgefudjt;  in  gulba  ber  Soabjutor  ^artmann  öon 
^jirc^berg  mit  ben  ©cbiübern  9}iöi*lin  unb  ^ctruö  Slfungia  bc^ 
grüßt;  in  Reffen  SKiüiuö;  in  SBcftfalcn  IHubolf  ßnngc  unb  ^er= 
mann  üon  bem  önfdjc,  jener  einer  ber  Später,  biefer  einer  ber 
eifrigften  §(poftet  beö  ^umani^mu^,  mit  ißren  ©ebülfen  SWur* 
meßiud  unb  äJtontanuö;  in  Ä'ülii  ^alob  ©ouba,  fRemaclu^  unb 
Sanier;  in  Äoblen^  unb  tueiter  rßeinaufmärtö  bie  fd)on  ermähnten 
SJrefemunbc,  gabriciuö,  3ßimpheling,  SIngft,  ©eb.  53rant  unb  3af. 
Sod)er  (^hilomufu^);  in  ©chmaben  eublich  Heinrich  ®ebel  unb 
3ol)ann  9leuchtin.  äJ^an  fieht:  S^üruberg,  Slugöburg,  SBien  faden 
nod)  nicht  in  ben  @efid)töfreiö  be^  ©tatiftiferö;  becJ  SraömUiS 
tonnte  er  fd)on  beßmegeu  uid}t  mo{)l  in  biefem  ßufammenhange 
Srmähuung  thun,  meil  berfelbe,  fauni  au^  Italien  ^urüefgefehrt, 
nad;  Suglanb  gegangen  mar. 

®ie  ^anbfeprift  biefer  ^)id)tungen  fd)eint  §utten  nad)  grants 
furt  a.  b.  0.  an  feine  ehemaligen  £ehrer,  35igilantiu^  unb  2^rc= 
beliug,  gefd)icft  ^u  h^^ben:  biefc  befolgten  ben  SDrud  unb  fügten, 
nach  ber  ©itte  ber  eigene  fleinere  X>id)tungeu  bei,  morin  fie 
mit  märmfter  Xheilnahmc  bie  ©ache  be^  ©chülerö  unb  nuumeh^ 
rigen  SJeuoffen  ,^u  ber  ihrigen  machten.  ®cr  SJrunbgebanfe  ihrer 
Beigaben  ift,  mie  gefährlich  eö  fei,  einen  2)ichter  ju  beleibigen, 
ber  alle  SJötter  ^um  ©chup  unb  alle  ^oeten  ju  feinem  ©eiftanbe 
habe.  Sig  jeigte  fich  aber  in  biefem  galle  gerabe  l)öd)ft  ungefähr^ 
licl).  ®en  beiben  iiöpen,  bie,  menn  fie  aud)  fo  fd)lecht  maren, 
;gmtten  fie  macht,  burch  fReichthum  unb  gamilienelnfluß  ge* 
halten  mürben,  fchabeten  bie  §utten’fchen  ®ichterpfeile  fo  menig, 
baß  ber  ©ohn  uacl)  menigen  gahren  oom  Äanonifuö  ^um  ^opft, 
ber  Später  oom  ,^^meitcn  ^nm  erften  iöürgermeifter  aufftieg.  Unb 
aud)  ber  ©chmach  bei  ber  9tad)melt,  bie  ihnen  Jütten  bereiten 


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i^ultfn’8  @ebid(|t  Don  bcr  ScrSfunp. 


61 


tDoHtc,  f^ienen  ftc  mcrhüürbicjcr  S33cife  cntgd)cn  foflcn.  Db 
bie  ^uttcu'fc^e  0c^rift  nur  in  tucnigcn  ©jcmplarcn  gcbrurft 
ujorben  ttjar,  ober  ob  bic  ßö(je  fic  ouffauftcn : flenng,  nad)  einigen 
(Jnoä^nungen  in  ber  näc^ften  ßcit  fe^en  toir  an  200  ^af)xc 
long  jebe  Äunbe  Don  berfclben  unb  i^rcm  Sn^altc  oerfd)tt)unben. 
9ioc^  im  So^te  1717  fc^rieb  ber  gelehrte  unb  umfic^tige  S3urcfbo^^^ 
über  4>uttcn,  o^ne  oon  bcr  ©d^rift  unb  bcin  ganzen  grcifömalber 
2lufcnt()aUe  feinet  gelben  ctmaö  5U  miffcn.  @rft  feit  1722  taud^t 
toicber  eine  91ac^ric^t  Oon  berfelbcn  auf,  ein  ©jemplar  fpuft  in 
©c^lefien,  baö  aber  immer  nid^t  jum  SSorfd^cin  fommt,  bi^  am 
(Silbe  bc^  3o^r^unbcrt§  in  bie  .§änbc  Oon  3J?eincrö  fällt,  unb 
cnblic^  im  3ol)re  1816  äJ^o^nifc,  nad^  einem  Oon  il)m  unterbeg 
5U  Söolgaft  gefunbenen  ^locitcn  ©jcmplar,  mit  ©rgängungen  aug 
bem  göttingifc^cn,  eine  neue  2luögabc  Ocrmiftaltet.  ©citbem  ift 
noc^  ein  im  britifc^cn  SJiufcum  ^u  fionbon  bcfinblic^ciJ  ©jcmplar 
befannt  gemorben,  ba§  ben  Sl^orjug  befi^t,  oon  beö  ®id)tcrö 
eigener  $onb  burc^covrigirt  unb  mit  einer  poctifc^cn  SSibmung 
an  ben  mittenberger  Surifton  Äilian  iRcutcr  ocrfcl)cn  511  fein. 

SBäl)renb  Jütten  im  Sltorben  folcbe  2lbenteiier  beftanb,  loar 
er  unter  feinen  greunben  im  mittleren  ^eutfd)lanb  ocrfd)ollen. 
(Sin  53rief  oon  (Srotu^  9^nbianu§  ^attc  il)ii  oergebenö  in  ©ad)fen 
unb  granfen,  ber  Wlaxl  unb  ^^ommern  oufgefne^t.  @inmol 
mollte  oerlouten,  er  lebe  geplünbert  in  33raunfd)loeig.  @rft  auö 
ben  gebrueften  Querelen  erfuhr  man  etloaö  (^enauereö  über  fein 
©c^idfal.  (Srotuö  crljiclt  ba^  ^üd)lein  oon  3)hitian  jum  ©efdjcnfe. 
©egen  @nbe  be^5  3abreö  1510  bit'ü  cö,  Jütten  beabfiebtige  in 
granffurt  a.  b.  0.  als  £cbrer  auf5utreten:  ibn  j^u  l)ören,  ging  ein 
junger  3)?enfd),  SfiamenS  3ol)ann  SÄJciger,  bal)in  ab,  bem  SrotnS 
einen  äiociten  ^rief  an  ben  greunb  mitgab.  ©0  oiel  loar  rid)tig, 
Jütten  mar  inittlermeilc  oon  iRoftoef  abgegangen,  unb  bie  greunbe, 
bie  er  in  granffurt  muSte,  jogen  iljii  an:  aber  am  ©djluffe  beS 
3ol)reS  befanb  er  fid]  in  SBittenberg  unb  fd)icfte  halb  barauf 
feinen  jungen  S3erel)rern  an  bcr  Ober,  ben  beiben  Often,  ftatt 
feiner  baS  (^ebiebt  oon  ber  S8crStunft,  baS  er  auf  il)rcn  Sä>unfd) 
oerfogt  bottc,  ju. 

glatten  bic  ©Icgien  gegen  bic  ßö^c  nur  menig  SSerbreitung 
gefunben,  fo  fanb  .^iittcirs  „(Kroifd)Ci5",  b.  b-  lauter  .^icjea* 


52 


I.  3. 


mctern  gcfdjriebeneö  ©cbic^t  uon  bcr  Sßcr{c  5U  nmc^en*), 

eine  um  fo  mcitere.  @0  menig  uämlid^  ein  ©cbic^t  biefer  §[rt, 
beffcii  3^ul)alt  icbifllid)  tcdjnifc^e  iRegcIn,  nac^  unferm  ©cfci^macfc 
ift  fo  fc^r  mar  cö  im  @cfd)macfe  jener  Qdt  iiängft  gab  e^  uer? 
fd)icbenc  äf}nlic^e  S93erfc,  üon  3atob  Söimpijcling,  $einric^  33ebel 
u.  a.  ^utten'fd)e  mad)te  fic^  befonber^  beliebt.  3n  Seip^ig, 
^lürnberg  unb  namentlid)  and)  $ariä  erlebte  eö  eine  iRei^c  üon 
^luflagen,  jum  X^cil  mit  Kommentaren:  e^  ift  0c^ulbudö  gemor? 
bcn.  9tad)  einer  furzen  Kinleitiing  ^anbelt  eö  erft  oon  ben  S3udjs 
ftabeu:  SBocalen,  Konfonanten,  ®ipl)t()ongen;  bann  oonben  ©Üben, 
langen  unb  furjen;  hierauf  Don  ben  Öeröfügen;  meiter  oon  ben 
SSerömagen,  mobei  aber  nur  §cjameter  unb  Pentameter  mit  i^ren 
KJefe(jen  unb  Sicen^en  jur  ©pradje  fommen.  Uebrigen^  fönnen, 
mac^t  §utten  bemerflic^,  biefe  IRegeln  nic^t  ^lUe^S  umfaffen,  fonbern 
müffen  burd)  Sefen  ber  i)id)tcr  ergänzt  merben.  Ueber^aupt 
braucht  ber  ange^enbe  Poet  uicl  ©tubium:  in  pijilofop^ie,  Sfto# 
turfunbe,  KJef(^id)tc  u.  f.  m.  3ni^bcfonbere  muß  er  bie  ©efefee 
ber  9lcbe!unft  fid)  einprägen  unb  bcn  Unterfc^ieb  ^mifci^cn  bic|« 
terifd^er  unb  rebnerifd^er  5luöbrucfömeife  fid^  beutlic^  mad^en.  • 
Quiekt  mirb  noc§  üon  allcrljanb  poetifd^en  ^Rebefiguren  unb  Qkx^ 
ratl)en,  üon  Kpit^eton  unb  S(napi)oro,  SWetap^er  unb  SRctaUage, 
Xran^pofition  unb  ^iäreftjS,  SlUegorie  unb  3ronie,  ge^anbclt. 

Sln^ie^enber  al§  baö  Söerf  felbft  ift  für  unö  bic  üorongc# 
fdjicfte  profaifd)e  gueignung  an  bic  ©ebrüber  Dftcn.  ©ic  foUcn 
fi^  burc^  bcn  ©pott  bercr  nic^t  irren  laffen,  mclc^c  in  il)rem 
©tubium  über  bie  ^unmnioren  ^inmeg  ju  angeblich  Ijö^crn 
gackern  eilen:  ba  boc^  o^nc  jene  auc^  in  biefen  nichts  Sicdjtcö 
auöäurid^tcn  fei.  ©ein  in  ®ile  auf  i^r  S^crlangen  gcfc^ricbeneS 
ße^rgebic^t  mögen  fie  frcunblic^  aufne^men;  obgleich  taum  älter 
alö  fie,  l)abc  er  boc§  feinen  ^nftanb  genommen,  cg  für  fie  ju 
üerfaffen:  für  junge  Seute  fc^iefe  ftd^  ein  junger  ^id^tcr. 

2)icfcg  ©cbic^t  üoUcnbcte  Jütten  om  13.  gebruar  1511  in 
bem  §aufc  üon  Söalt^afar  goc^ug  (ober  p^aed^ug)  in  SBittenberg, 
mo  er  fid^  a(g  ©aft  aufl)ielt.  ®iefer,  ^alt^afar  gabriciug  aug 

1)  ülrici  Hutteni  de  arte  versificandi  über  unus  heroico  carmine 
ad  Jo.  et  Alex.  Osthenios  Pomeranos  equites.  (1511).  ^utten’S  €(^nftm 
III,  @.89 — 106.  ®ic  Zueignung  on  bie  Open,  I,  @.  15  f. 


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^uttrn  unb  jrtn  Saier. 


53 


S3oc^a  an  bcr  SGöerra,  tuar  §nttcn'ö,  tuic  bicfcr  fdbft  faßt,  alter 
niib  reblid)cr  greunb.  ©d)on  in  ben  Ducrclcn  tüirb  er  al^  folc^er 
ertpö^nt;  anö  Italien  fct)rieb  iljm  §utten  fpäter  im  3nl)v  1512 
einen  Pertraulic^en  33rief,  unb  in  ^Briefen  an  £ntl)er  unb  9Ke= 
land)t^on  lägt  er  ign  grügen.  @r  ßcgörte  bem  erfurt*ßotl)a5 
tuittenberßifdjcn  Äreife  an,  mar  ^rofeffur  artium,  einmal  and) 
9lector  ber  lebtern  Uniuerfität,  fc^eint  aber,  mie  $eter  ©berbad), 
eine  megr  befd)aulic^e  alö  tgötige  9Jatnr  gemefen  fein.  3n 
Söittenberg  befreunbete  fid)  §ntten  and)  mit  Philipp  (Sngelbredjt, 
pon  feinem  ©eburt^ort  @iißen  im  33abifd)en  Kngentiniis  ßenannt, 
ber  fid)  in  einem  ber  SSeröfunft  beö  greunbeiS  beißegebenen  3)ps 
be!aftid)on  beffen  ©ibbrnber  (conjiiratus)  nennt,  nnb  fpäter  alö 
anßefegener  £el)ver  in  greibnrß  i.  ^r.  crfd)cint. 

SBägrenb  biefer  mng  Jütten  mieber  in  brieflid)en  Söer* 
fel)r  mit  feinem  3Sater  ßetreten  fein.  bem  Umftanbe,  bag 

(Srotnö  biefem  bereite  ba^  3al)r  Porger  ein  0d)reiben  an  ben 
0ül)n  jnr  iöeftellnnß  ßab,  ift  511  fd)liegcn,  bag  ber  Söater  fd)on 
bamalö  53riefe  an  ign  abßegen  lieg.  3gr  3ngaLt  fd)eint  aber 
nnfreiinblicg  nnb  Ulrid)’ö  9?ncffegr  in^  ÄU öfter  alö  iöebinßuiiß 
alleö  SBeiteren  poranßeftellt  ßemefen  ju  fein,  ^a  manbte  fid) 
biefer  an  ben  alten  grennb  ©rotnö  um  ?lnffcglug  unb  33crmitt:* 
Innß.  ßrotuö,  ben  mir  feit  ^ntten’iJ  §lbßauß  Pon  Erfurt  auö 
ben  ?(ußen  Pciloren  gaben,  unb  über  beffen  £ebeiK^ßanß  mägrenb 
biefer  wniS  aueg  nägere  9litßaben  feglen,  gatte  eine  (^rjieger* 
ftellc  bei  ben  jiiiißen  ^)enneberg’fd)cn  (Grafen,  bic  er  julegt,  mir 
miffen  niegt  mo,  befleibet  gatte,,  aufßeßeben,  unb  mar  im  3agr 
1509  ober  1510  naeg  Erfurt  j^urücfßefegrt,  mogin  ber  iUeiö  alter 
©tubienßenoffen,  bie  nod)  bafclbft  lebten,  ign  )iog.  $(llein  ba  gel 
er  ßerabe  in  bie  müften  Unrugen  ginein,  meld)e  in  jenen  Sagren, 
in  golßc  eineö  ©treiteö  j^mifegen  9?atg  unb  ^ürßerfegaft,  bie 
©tabt  5errütteten,  unb  and)  ben  literarifd)en  Äreiö  bafelbft  aiuJ* 
einanberfpreiißten.  Unter  fold)en  Umftänben  fam  im  folßenben 
SEBinter  bem  ©tille  liebenben  SrotUiS  ein  ©rief  auö  gnlba  fegr 
ßeleßen,  ber  ign  bortgin  einlub.  @r  füllte  baö  ßeboppclte  ^mt 
cineö  ßegrer«  an  ber  itloftcrfcgulc  unb  eineö  3nftructorö  ber 
SWönege  übernegmen.  ®r  münfd)te  Xrennunß  beiber  Slemter: 
barniif  ßiiiß  man  niegt  ein,  fteUte  ign  nbrißenö  leiblid);  nod) 


64 


I.  Su(^.  3.  ftapitcC. 


33cffcrcö  ucrfprad)  fein  (SJöimcr,  bei*  (Suabjutor,  fo  bag  ber  (^enüß^- 
famc  aj^ami  fid)  galten  lieg. 

9Son  I)icr  au<3  crlic6  er  nun  an  Jütten,  bet  il)m  qu§  SiJit:* 
tenberg  gcfdjricbcn  Ijatte,  o^ne  njeber  ben  einen  nod)  ben  anbevn 
non  Srotiiö'  frühem  Briefen  erF)altcn  511  l)aben,  unter  bem  3.  ge= 
bruar  1511  ein  auöfül)rlic^C!5  5(nttuürtfcbreiben  i),  baö  ben  greunb 
erft  ber  gortbauer,  ja  ber  ©teiciernni]  feiner  greunbfdjaft  unb 
^üc^Qc^tnufl  nerfic^ert,  nnb  if;n  bann  non  bem  @tanbe  feiner  ^In* 
9elcflenl)eiten  in  ber  §cimatf)  unterrichtet.  @r  habe,  fchreibt 
Srotnö,  feit  er  fich  in  bie  fulbaifdje  ©infamfeit  jnrnefge^^onen, 
nid)tiJ  üerfönmt,  moüon  er  h^ibe  üermnthen  fönnen,  bag  e^  bem 
greunbe  SJürfd)ub  thnn  merbe:  oft  h^be  er  fomoht  mit  feinem 
SSater  alö  mit  ben  fd)mar^en  SSrübern  (ben  löcnebictinern  511 
gnlba)  ehrenüoU  uon  ihm  gerebet  unb  giivbitten  für  if)n  eingelegt. 
5(u§  feinem  SSater,  meint  ©rotuö,  fei  fd)iuer  fing  5U  merben,  0o 
oft  berfelbe  oou  bem*©ohn  rebe,  gefchehe  e§  in  ben  berädjtlichften 
?lnöbrüden,  uoU  ©pott  über  fein  5:rciben,  al§  ad)tcte  er  i()n 
feinc^5  ^fennigö  mertl).  ^^luf  ber  anbern  ©eite  jebod)  mad)e  eö 
ihm  nnOerfennOar  grenbe,  ben  0ohn  uon  Slnbern  gelobt  ju  hören. 
®aher  bringe  er  auch  ba^  ©efpräd)  fo  oft  auf  il)n,  unb  fange, 
menn  bie  anbern  fertig  feien,  uon  uorne  an.  ^J)aranö  glaube  er, 
©rotuö,  fd)lie6en  ^u  bürfen,  bag  eö  bem  alten  .gutten  mit  feinem 
Schelten  auf  ben  Sol)n  unb  feinem  bringen  auf  'beffen  fRüdfehr 
in  bie  Äutte  nid)t  fo  ernft,  bag  beibe^  uielmehr  nur  eine  SD^aöfe 
fei,  bie  er  uorneljme,  nm  fid)  uor  ben  3J^önd)en  Uon  jebem  S^er* 
bad)t,  als  märe  er  mit  ber  ©nOueichung  be^  Sol)ncö  einuerftan^ 
ben  getoefen,  j\u  reinigen.  S^eulidh  bei  einem  Schlaftninfe  h^be 
er,  nad)  bem  Slbgang  ber  übrigen  ©lüfte,  bem  ©rotuö  unb  nod) 
5toci  9Inbern  fid)  ohne  fHücfhnlt  aufgefd)loffen.  ©rftlich  h^^be  er 
geäußert,  er  loollte  toeiß  nid)t  ma§  barum  geben,  baß  ber  Sohn 
nicht  fo  uiele  3nl)ve  im  Älofter  jugcbracht  l)ötte.  gorner  habe 
er  jugeftanben,  er  ^meifle  feßr,  baß  fein  Ulrich  je  einen  guten 
ajiönd)  abgeben  mürbe.  ®rittenö  habe  er  eiltet  SJenoanbten  ©r^ 
mühnung  gethan,  ber  in  Stalien  lebe  unb  olö  Surift  emporges 
fommen  fei : toenn  ber  Soßn  ^urüeffehren,  feine  9?arrenöpoffen 
(bie  bonas  literas)  oufgeben  unb  fid)  bem  S^echts^ftubium  mibmen 


1)  3n  ^utten’S  ©(Triften  I,  ©.  17—21. 


grotuS  ol§  SScnnittlcr. 


56 


möd^tc,  fo  tvolltc  er  ju  biefem  Setter  fd^iefen;  e§  fei  beffer, 
er  tuerbe  ein  Scc^töUerbrc^cr  (rabula  forensis),  tüeld)cr  ber  ^ut- 
ten’fd)en  gamilic  nü^c,  al^  ein  9D?öndj,  ber  bei  feinen  Obern 
übel  angefd)ricben  fei.  SJiit  IRücffic^t  ouf  biefe  Slcngcrunßen  beö 
Sntcrö  ^ing  nun  ber  Satb  beö  greunbe^,  tuie  fd)on  in  ben  beiben 
öcrlorengegangenen  Sriefen,  bal)in,  §utten  foOc  ^urndffeljren,  nidjt 
um  mieber  in  bo^  Älofter  eiujutreten,  fonbern  um  erft  einen 
tiefem  ©inblicf  in  feinet  Satere  $(bfid)ten  ju  geminnen.  Xraue 
er  biefem  nic^t,  fo  !önne  er  ja  einftmeilen  bei  juuerlöfftgen  grenn? 
ben  unb  Sermanbten  abtreten,  bem  Sater  feine  §tnfnnft  an^eigen, 
unb  benfelben  um  (Sröffnung  feiner  SBillenömcinung  bitten,  ©ei 
er  mit  biefer  nid)t  einoerftanben,  fo  möge  er  eö  mad}en,  toic 
^omponiu^  ßätu^,  ber  ben  ©einigen,  bie  i^n  au5  Som  nac^ 
^aufc  beriefen,  ^urflcffc^ricb : ,,^omp.  Sötu5  feinen  Senuanbten 
nnb  greunben  feinen  ©ruß.  2ßaö  il)i*  oerlongt,  fann  nid)t  gc= 
fd)eßcn.  Sebet  moljl."  SDann  ftel)c  il)in  immer  nod)  bie  gan^c 
SGLk'lt  offen.  Sorßer  aber  fode  er  jenen  Serfud)  madjen;  mo^^t 
ber  greunb  ißn  ßiemit  crmal)ne  unb  eintabe. 

Um  feiner  bringenben  (SJelbnotl)  ab^ußelfen,  (jottc  fid)  Jütten, 
ber  feineö  Saterd  ©tarrfiun  fanntc,  mit  feder  3»t)erfid)t  an  baö 
Ällofter  felbft  geiucnbct,  bem  er  cntfprung'en  mar.  @r  ßatte  einen 
jungen  3J?ann  feiner  Sefanntfe^aft,  (Gürtler)  mit  Sftamen, 

nad)  gulba  gcfdjicft,  mit  Sriefen,  in  benen  er  für  ben  gall,  baß 
man  ißn  jefet  oon  jener  ©eite  mcrftßätig  unterftüjen  mürbe,  feine 
9ftüdfeßr  ing  Ä'lofter  in  ?luöfid)t  gcftellt  ßaben  muß.  ^ie  Säter 
ließen  ißm  bureß  Grotud  gan^  freunblid)  antmorten;  and)  für  fid) 
l)crfid)erte  biefer,  baß  bie  3jiönd)e,  befonber^  ber  ^2lbt  unb  ber 
ß^oabjutor,  bem  giüdjtling  rnoßl  mollen,  oiel  auf  ißn  ßalten  unb 
üon  il)m  ßoffen:  aber  @elb  brad)te  ber  Sote  fein^  ^urücf.  2)ie 
fingen  Söter  molUen  nießt  bie  Geprellten  fein:  er  möge  nur  erft 
feinem  Serfpredjen  naeßfommen,  ließen  fie  ißm  fagen,  fo  moUen 
fie  für  feine  ©tubien  auf’d  Sefte  forgen. 

©0  menig  aber  bie  geiftlidjen  §erren  511  gulba  auf  §utten'ö, 
fo  menig  mar  biefer  geneigt,  auf  feineö  greunbeö  (Erotu^  2(nfin' 
neu  ein.^ugeßen,  unb  fieß  feinem  Sater  ober  feiner  gamilie  mieber 
3U  ftellen.  3^tad)bcm  er  im  gebruar  nod)  311  SBittenberg  fein 
Gebicßt  Don  ber  SersJfunft  üoUenbet  ßatte,  erbliden  mir  ißn  im 
©ommer  beffclben  3aßrev3  auf  ber  iianbftvaßc  buvcß  Sößmen 


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56 


I.  3.  Papitcl. 


unb  a)iäl)rcn  nad)  Söicn.  Unb  jiuar  abcrmaU  im  fläglic^ftcn 
^(ufjuge  unb  in  bei*  äugerften  ^ürfticjfcit : alfo  oI)nc  Unterftü^ung 
uon  ©eiten  feineiJ  SSotevö.  @ö  fci^cint,  ei*  f)atte  fid)  noc^  nic^t 
ju  bem  SBerfprec^en  ^erbeigelaffen,  fic^  bem  9led}tdftubium  mibnien 
ju  moUen,  baö  ni^t  btoö  it)m,  fonbern  and)  bem  greunbe  ßrotuö 
al5  ein  trourifleö  ©tubium  evje^ien.  @anj  fo  clenb  übrigem^ 
ging  eö  bem  SBanberer  nur  biö  Dlmüb  in  Sü^ä^ren.  ^ier  mürbe 
er  burc^  ben  gelehrten  tropft  ?luguftin,  bei*  fd)on  beö  Äonrab 
©eltid  greunb  gemefen  mar,  bei  bem  trefflichen  !söifd)of  ©tanid? 
lau^  eingeführt,  tiefer,  gleich  feinem  trüber  Sohöun, 

bem  ®ifchof  non  lör^glau,  ein  S^ereljrer  bc^  (Srai^mu^  unb  gör^ 
berer  ber  auflebenbcn  SBiffenfdjoften , nahm  ben  irrenben  fRitter 
beö  ^umaniömug  gaftfreunblich  in  feinem  ^alafte  auf,  unb  be^ 
fchentte  il)n  beim  §lbfchiebe  mit  einem  $ferbe  uebft  fReifegelb,  baö 
bii$  52Bien  üorhielt,  moju  ber  tropft  einen  golbenen  S^ing  mit 
einem  foftbaren  (Sbelfteine  fügtet). 

3n  SBien  hf^Hc  ^cr  ^umaniömuö  befonberö  burch  Ätonrab 
ßelti^,  ber,  im  3ul)^c  1497  uon  itaifer  SDiajimiliau  berufen,  biö 
5U  feinem  1508  erfolgten  Xobe  bafelbft  gemirtt  hoH^r  5^6  ^efafet. 
Selti^  mar  ber  ©tifter  ber  gelehrten  ÖJefeÜfchaften  in  Xcutfd)- 
lanb,  unb  fo  lebten  in  3Bien  bie  Slnl)änger  ber  neuen  fRichtung 
^um  Xh<^ti  freien  ^auögenoffenfehaften  ^ufammen.  @in  folcheö 
cjontubernium  oereinigte  eben  bamaU  ben  ©t.  ©aller  Soadjim  oon 
SBatt  (IBabianuö),  einen  gemiffen  SRariuö  (SRaier)  *}  nnb  ben  Er- 
furter ?5eter  Eberbach-  Shnen,  oon  benen  er  oieHeicht  ben  Eber? 
buch  fchon  früher  fonnte,  gefeilte  fich  nach  fcio^i^  Slnhmft  in 
Söien  Ulrich  Jütten  bei.  ©^on  am  erften  Hbenb  erzählte  er 
ihnen  oon  ben  Abenteuern  unb  Unfällen  feiner  IReifen.  ©ic 
hörten  mit  Xheilnahme  unb  öemunberung  ju  unb  glaubten,  einen 
anbeni  Xulber  Obpffenö  oor  fid)  ju  fehen.  Unter  folgen  ©e? 
fprächen  griff  |)utten  in  ben  Sufen  unb  50g  etliche  Slötter  herauf, 
bie  mit  SBerfen  befchrieben  maren:  eö  fei  ein  ©ebicht  auf  ben 
Äaifer  ÜRajimilian,  fagte  er,  ba^  er  mährenb  ber  lebten  Xage 


1)  Ouette  ^liefüt  ifl  ®abion’§  ®rief  an  $annpcttcr,  ^uttcn’S  Sd()riflcn  I, 
©.22  — 24. 

2)  Ob  e§  3obonn  ober  ilugufHn  »or,  bie  ftd^  fpfiter  in  öer|(^iebenem 
©inne  befannt  modjten,  baS  }u  ent|(hciben,  ifl  nidjt  ber  Ort. 


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I^uttrn  in  ^ien.  &ctn  ^ufnta^nung§gebi(^t  an  ^asimiltan.  57 

unter  bcn  Scfc^njcrlid)fcttcn  bcr  Steife  gefc^riebcn  1)q(h’;  fie  inöc^cu 
urt^eiten,  U)aö  baran  fei.  2)en  J^eunben,  tuie  fie  eiö  üon  ben 
0ibl}flinifd}eu  33lättern  jufammcnlnfen,  (gefiel  bie  ©vfinbiiufl  fu 
gut,  ba6  fie  eine  Ibfc^rift  naljmcii  unb  biefc  ciU  ein  ^ud)  jiu 
fammenbinben  üc6en,  biö  nac^  |)utten’ö  ^^(bveife,  5U  Slnfmig  beö 
folgenbeu  So^reg,  S^bian  fic^  eutfd^loß,  baffclbe  in  beu  ^vuef 
ju  geben.  (Sr  luibmete  eö  bem  (5)corg  Sollimitiuö  (Xannftetter), 
$rofeffor  bcr  SJtati^ematif  unb  SJtebicin  iinb  SBicefanjler  ber  Unis 
öcrfitnt,  ber  bnn  jungen  ®ic^tcr  iväf)renb  feinet  SBiener  §(ufent= 
^oltcö  uiel  SBo^lmoUcn  beroiefen  i)attc*). 

^ufmal)nungiggcbic^t  an  ben  Äaifcr  9Jtai-iniiliaii  511111 
Kriege  gegen  bie  SSene^iancr  bejeic^nct  einen  luic^tigcn  ^unft  in 
^utten’ö  @ntmicf(ung.  Söon  beu  tl)ci(ö  pcrfönlic^en,  tt)ed)5  Ute-' 
rarifd)en  Sntcreffen,  benen  feine  bi^I)erigc  ©c^riftftellerei  geiuibs 
met  n>ar,  tuenbet  er  fid)  je^t  ben  5Utgelcgenf)eiten  beö  SSaterlanbe^ 
ju.  (Sr  fül)lt  unb  betljätigt  fid}  nid)t  nud)r  bloä  alö  2)titglieb 
bcr  @elel)rtenrcpublif,  fonbern  beö  beutfd)en  SSolfeö;  ftatt  über 
baö  $riuatunred)t,  baö  bie  £ö^e  i(}iii  unb  in  i()m  ber  ganjen 
^octeninnung  ^ugefügt,  5Ürnt  er  jc^t  über  bie  poUtifd)e  ©d)mad), 
ujeldjc  ®cutfd)lanb  unb  feinem  0ber()auptc  uou  ben  Venezianern 
miberfa^ren  ift.  äJtajimilian,  in  beffen  ()ü^em  aber  unftätem 
Reifte  bie  alte  3bec  beö  römifdjen  ilaifcrtl)uinö  beutfdjcr  Station 
noc^  einmal  auffladertc,  Ijattc  nad)  alter  0ittc  feinen  bemaffneten 
Stömerjug  madjen  unb  fid)  zum  ilaifer  frönen  laffen  moüen:  aber 
bie  Venezianer  l)attcn  il)m  ben  $>nrd)zug  burd)  iljr  ÖJebiet  uers 
meigert  (1508).  @r  l)attc  fic^  ftärfer  gerüftet,  um  z»üU’id)  über* 
l)aupt  bie  Verpitniffc  Stalicnö  micber  im  Sinne  ber  alten  Obers 
^crrlic^fcit  beö  Slcic^ö  zu  orbnen:  aber  nad)  einem  ©lücf  oers 
fprcc^enben  ?(nlaufc  fal)  er  fic^  zufüdgefd)lagen.  Von  ben  ©tänben 
beö  SRcic^ö  nic^t  gehörig  unterftü^t,  oon  ber  treulofen  italienifd)= 
franzöfifd)en  ^olitif  geäfft  (man  beide  nur  an  bcn  SBec^fel  ber 
?lllianzen  üom  Slbfc^lu^  bcr  ßiga  zu  Sambral),  10.  S)ecembcr  1508, 


1)  Ad  divum  Maximilianum  Caea.  Aug.  F.  B.  bello  in  Veuetoa 
euntem  (Jlrici  Hutteni  eq.  Exhortatio.  ?lm  ©d^tuffc:  Viennae  Pannoniae 
apud  Hieronyraum  Vietorem  et  Joannem  Singrenium.  Menae  Januario, 
Anno  1512.  mit  bcr  neuen  ^earbeitunß  beS  @ebid(|t8  bom  3a^r 

1518,  ©(Triften  111,  e.  123-158. 


58 


I.  %ud^.  3.  i^apitcl. 


Oiö  bcm  ©ünbnifj  Don  -24.  aWärj  1513),  bn^u  fclbft 

fd)iuaufcnb,  fc^tc  il^oyimitian  feinen  itainpf  O'^gen  bic  Söcnc^yancr 
mit  borüberge^enben  ©rfolgen  fort;  aber  bie  Hoffnung,  einen  Xl)eil 
if)ve!^  feftlänbifc^en  ©ebiete^  bem  fJieic^e  jnrücfi^uerübern , mugte 
anfgegeben  merben.  ®er  reidjen  fRepubtif  fom  e^,  nm  fRu^e  ju 
befüinmen,  auf  eine  5ln^al)lung,  ja  auf  baö  Jöevfpvec^en  einer 
jäl)rlid)en  2lbgabe  an  ben  Äaifer  nid)t  an  (1510):  bie  ©tönbe 
maren  bafnr,  ba^  ^Inerbieten  anjunefjmen,  non  bem  ber  ritterlich 
Ä'aifer,  in  biefer  ©efinnung  and)  burd)  fiubmig  XII.  uon  gran!= 
rcidj  beftärft,  für  je^  noc^  nidjtö  miffen  mollte. 

§ier  greift  baö  ©ebic^t  bon  §utten  ein.  iRadjbem  bic  SIcs 
ne^^iancr  — baö  ift  ber  ^auptgebanfe  — fic§  im  ©lücf  über* 
mütl)ig  gezeigt  nnb  ben  Ä'aifcr  biclfac^  belcibigt  I)abcn,  foUe  man 
il)nen  iefct,  ba  fic  ben  grieben  fnd)cn,  biefen  nid)t  gemäbren,  ba 
e^  itjiien  nur  um  grift,  fic^  511  berftürfen,  ^u  tt)Ub  fei.  ^abei 
mirb  baö  ^erfommen  unb  ^iluffommen  ber  ^enejiaucr  in  ba)§  ge* 
hfPöft'''  Öirf)t  gcftcUt:  morin  fid)  cineötl)cilö  bic  ©timmnng  ber 
3eit  gegen  ben  lange  ertragenen  bcne^ianifc^cu  Uebcrmutl),  tl)eil§ 
aber  and)  ber  Söibcrmille  nnfcrö  armen  iRitter^  gegen  eine  ?Rc= 
publif  rcidjgcmovbcner  Äauflcutc  aib^fpridjt,  beffen  er  fid),  aud) 
ben  bcutfdjen  9ieid)0ftäbten  gegenüber,  lebcinMänglid)  nid)t  ganj 
l)at  cntfd)lagen  fönnen. 

®ic  gbcc  beö  Slaifertl)nmö  faßt  ber  ritterlidjc  ®id^tcr  in 
il)rcr  gan,^cn  mittclalterlidjcn  §öl)c,  bod)  nid)t  oljne  bic  berän* 
berten  3eitcn  in  33ctrad)t  ju  5iel)cn.  ©igentlid)  unb  bon  9Icd)t§ 
megen  ift  bem  Äiaifer  bie  ganje  SSJclt  nntcrtl)an,  unb  infofern 
ftünbe  c^  il)m  allerbing^3  beffer  an,  gegen  bic  dürfen  ^n  jieljcn, 
?lfien  unb  l’lcgpptcn  j\n  erobern  n.  f.  f.  ®od)  ba  il)it  ba<5  ©efe^ief 
in  engere  ©renscu  cingcfd)loffcn  l)abc,  möge  er  immcrl)in  ba§  gc^ 
ringcre  Sob  511  geminnen  fnd)cn,  ba^S  ber  ©ieg  über  bic  Jöcncjiancr 
il)m  berfpred)c.  bebürfe  er  feiner  fremben  §ülfc:  menn  bic 

bentfe^en  ©tämme  (mctd)c  fofort  einzeln  rühnenb  anfgejoht 
merben)  511  il)in  ftel)cn,  fo  fei  er  jebem  geinbe  gcmadjfcn.  ^arum 
folle  er  fid)  nid)t  länger  bcrl)öf)nen  laffen,  fonbern  cnblic^  einmal 
lO‘5fd)  lagen. 

^aö  ®ebid)t,  ba§  §utten  in  einem  boraugefei^ieften  (gpigramm 
al^  eine  gugenbarbeit  bejcic^net,  ber  l)offcntlid)  reifere  grüc^tc 
folgen  iperben  (eö  fclbft  l)at  er  fed)ö  ga^c  fpätcr  forgfältig  um^ 


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59 


^uUen’S  bir  ®rulf(^cn  nid^t  entortet. 

(jearbeitet),  ift  jii  iDeitfrljtueifig  imb  nid^t  o^ne  SBieberljoluncjen: 
aber  biirrf)bruiiöen  uon  ^aterlanb^ßeffil)!,  unb  ftencmucife  aud) 
bev  (jcluntjen.  ®a^  53ilb  tjon  bem  ?tb(er  (mit 

Sliifpieüinß  auf  ba§  ^cid)gmabj)en),  ber  öftere  prüfenb  unb  mie 
ficb  befinnenb  bie  entfaltet  unb  bic  Älaucn  ftredt,  e()c  er 

mirflid)  Io§brid)t,  ift  ed)t  poctifd);  unb  cbenfo  cd)t  rebnerifd)  ber 
©c^lu6,  mo,  nac^bem  alle  ©riinbe  für  ben  Äriccj  entmicfclt,  unb 
^ur  Söer()crrlic^ung  bcö  fünftitjen  0ic(j$  in  ^vofa  unb  Werfen 
bereite  bie  geberu  eineö  @raömu^  unb  Srotu^,  53ufc^  unb  @oban 
befteHt  finb,  e§  jule^t,  alö  märe  bie  Ueberrebung  gelungen,  Ijeigt, 
SIlcö  möge  fid)  freuen: 

©ebt,  SHajimilion  gegen  Senebig  ju  3relb. 

3nbem  §utten  anfing,  fid^  mit  biefen  S8crt)ältniffen  511  bes 
fdjäftigeu,  mu|te  if)m  ber  SSiberfprud)  auffallcn,  mcldjer  .^mifdjen 
bem  litcrarifd)cn  bcutfd)en  93aterlanbcö,  ber  bii§ 

ba()in  fein  Hugenmerf  gemefen  mar,  unb  ber  politifd)en  Stellung 
bcffelbeu  obmaltcte.  ganb  er  in  erfterer  ^infidit  ®entfd)lanb  in 
rafc^em  @mporblüt)cn  begriffen,  fo  mar  in  ber  anbern  unläugs 
bar  tief  beruntergefüinmen;  bort  mar  5Ule5  jju  hoffen,  ^ier  Siel 
ju  fürd)ten.  2Bie  fid)  Jütten  biefen  SJibcrfpvud)  bamalö  anöju^ 
glcid)en  fud)te,  jeigt  unö  ein  (iJebidjt,  bas^  um  jene  ßeit  entftans 
ben  ju  fein  fd)eint,  ba  Sabian  eö  feiner  5lU‘ogabe  ber  ^^ufmal)nung 
an  5laifcv  äJtafimilian  beigefügt  bat.  ift  baö  ©ebidjt,  morin 
^uttcii  511  bemcifen  fud)t,  ba§  bie  bamaligen  ^eutfd)eii,  mit  bem 
^ul)m  ihrer  Sorfal)ren  uerglidjen,  nod)  feineiomegd  entartet  beißen 
föunen*).  3“  biefem  Sel)ufe  mad)t  er  jnüörberft  auf  baö  ge* 
fd)icbtlid)e  ©efejj  aufmertfam,  mornad)  auf  bie  ^eriobe  ber  frie* 
gcrifd)en  Äiraft  bei  einem  Seife  bie  ber  frieblidjen  (Kultur  ,^u  folgen 
Vflege.  2)eutfd)lanb  fei  je^t  in  ber  lebtern  begriffen:  SJiffen^ 
fd)aften  unb  Ätünfte,  §anbel  unb  ©emerbfleiß  blül)cn,  basS  einft 
unfrudjtbare  Sanb  fei  allenthalben  trefflid)  angebaut;  babei  bie 
Sitten,  einige  ^2lnftedung  oon  Stullen  unb  imibefonbere  non  9tom 


1)  Quod  Germania  nee  virtutibus  nec  ducibus  ab  primoribus  dc- 
generaverit,  Hcroicum.  ©J)fitcr.  umgearbeitet  unter  bem  ?^itcl:  Quod  ab 
illa  antiquitus  Germanorum  claritudino  noudum  degenerarint  nostrate«^ 
ülr.  do  Hutten  eq.  Horoicum.  ^eibe  tRebactionen  jut  5öergleid()ung  ^ufam« 
mengebrudt,  Schriften  III,  331—340. 


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60 


I.  $ud().  3.  j^optic(. 


nuö  ob(^crcrf)uct,  iiod)  rein  unb  unücrborbcn.  ®ie  Dorangegongene 
bcutfc^c  Äiraftpcriübc  aber  fei  minbeftenö  fel)r  einfeitig  getoefeir. 
SJ^nffen  bod)  bie  bilbungöeifrigcn  (Snfel  bie  ©rofdOoten  i^rer  33ors 
fahren  auö  fremben  (römifd)en)  @efc^id)t[c^reiberu  ^ufammeitlcfen, 
ba  unfre  friegerifc^en  5Uten  luo^l  X^aten  ju  t()nn,  ober  nid^t  ju 
bcfd)rciben  nerftonbeu  l)aben.  SBcrftünben  nun  bie  jejigen  X)eutfd)en 
nur,  frembe  Xl)Qtcn  ^u  befd)reiben,  o()ue  felbft  etiunö  ©roße^  tf)un 
ju  fönnen,  fo  tnärc  ba<§  freilid)  nur  bie  uingcfel)rte  ©infeitigfeit. 
©0  fdjiimm  jebod)  fte()c  eö  mit  i^nen  nod)  iange  nid)t.  Söären 
fie,  bei  aller  i^rer  Gilbung,  nid)t  noc^  immer  ein  friegerifdöc^  ■ 
iBüIf,  marum  beim  9tiemanb  tuage,  fte  innerhalb  i^rer  ©rängen 
anjngreifen?  marum  fid)  alle  Stationen  um  bie  X)eutfd)cn  al§ 
ilricg^le^rmeifter  unb  SDiitfänipfer  bemerben?  Unb  ein 
uon  .^cruntertommen,  üon  (Srfc^laffung,  fei  eö  boc^  and)  gemig 
nicht,  baß  mahrenb  biefer  lebten  Qc\t  bie  Xeutfehen  jmei  ^rfiiu 
bungen  gemacht  benen  meber  baiS  ^llterthnm  noch  bac; 

jefeige  Stalien  etma§  an  bie  0cite  j^u  fe|jen  h^'^’c  • 

Viilucrö  unb  be‘5  Sudjcrbrud^. 

9tüch  ein  flcineiS  ©ebicht  fügte  Sßabian  feiner  Sluögabe  ber 
Slufmahnung  an  ül^ajcimilian  bei:  ^uttcn’ö  @ru6  an  SBien  bei 
feinem  Eintritt  in  biefe  0tabt‘).  Xaß  er,  nad)bem  er  unter 
mand)erlei  (gefahren  beinahe  ganj  Xcntfd)lanb  burdjmanbert,  erft 
jeht  nad)  Söien  fomme,  möge  ihm  biefeö  nicht  übel  nehmen ; höttc 
eö  üon  ihm  abgct)angen,  mürbe  er  gerne  üor  ^üem  SBien  befud)t 
haben.  §Ulcin  baö  0d)idfal,  beffen  9?ufc  er  folgen  müffe,  h^^^c 
il)n  jiim  Söanbern  unb  Xulben  beftimmt.  Um  fo  mol)ler  merbe 
ihm  jeht  bie  @rl)olung  in  SBien  thun,  mo  er  enblid)  fRuhe  unb 
gute  Xage  ju  finben  h»jffc.  . ’ 

Xafj  Jütten  in  Söicn  einen  langem  §tufenthalt  beabfid)tigt 
habe,  maö  in  biefen  S5,^orten  beutlich  liegt,  mürbe  aud)  auö  einer 
@r;^ählung  in  ben  iöriefen  ber  Xuntclmönner  erhellen,  menn  biefe, 
mic  fehr  maljrfdjeinlich,  auf  il}n  bezogen  merben  bürftc*).  $icr 


1)  Huttoni  Viennam  intrantis  carmen,  btttirt  Ex  contubornio  Va- 
diani,  Marii  et  Aperbacchi.  ©(j^riften  III,  ©.  169f. 

2)  Epist.  obscurorum  virorum,  I,  14.  ®ci  ®Ödtng,  ü.  Hutteni 
Operum  Supplcmentum  I,  6.  22,  unb  baju  ®5rfing*8  €rlfiutetungen,  Suppl. 
II,  e..888f.,  554  f. 


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$utten*§  Abgang  oon  ^ten. 


Gl 


erinnert  fid)  näinlid)  ber  M.  ^ol^ann  ÄraDaciuS  quö  S^lürnberg, 
j\ur  ßeit  als  er  in  Söien  (jetnefen,  fei  einmal  ein  ©efeH  ou^ 
Ü}iät)ren  ejefommen,  üon  bem  e§  geheißen,  er  fei  ein  $oet,  audj 
()abc  er  SBerfe  gcfc^rieben  unb  über  bic  SBerSfnnft  lefen  mollcn, 
nnb  büdj  fei  er  meber  ®accalaureuö  nodj  ÜJiagiftcr,  überhaupt 
nic^t  grabuirt  gemefen.  2)er  bamalige  O^ector,  Magister  noster 
^erfmonn,  auö  granfen,  ein  eifriger  SD^onn  nnb  geinb  aller 
^oeten,  ^abe  (Sinfprac^e  get^an;  aber  ber  ©efell  fei  fo  anmagenb 
gemefen,  bag  er  fic^  baran  nid}t  gefel)rt  ()abe.  9^un  Ijabe  ber 
fRcctor  ben  ©tubenten  üerboten,  bic  fiectionen  bcö  ^oeten  ju  be* 
fuc^cn.  2)a  fei  ber  @efcll  i^m  auf’ö  Qcfticgcn,  ^abc^  i()m 

übermütl)igc^8ficbcn  gegeben  unb  il)n  fogav  gebubt.  ^)er  9J^cn[c^ 
fei  bal)crgefommen  mic  ein  Älricger,  mit  einem  $ut  auf  bem  Ä^opf 
unb  einem  langen  3)ieffer  an  ber  ©eite.  Der  [Rector  ^abc  nac^ 
ben  ©tabtfnec^tcn  gcfc^idt,  um  il^n  in’)3  ßarcer  füljrcn  ju  laffeu; 
aber  iöefannte,  bic  berfclbc  in  ber  ©tabt  gcl)abt,  b^beu  fid)  in’ö 
3Kittcl  gefd)lagcn.  Söirflid^  mar  3o^ann  §ccfmann  eben  im 
3.  1511  [Rector  ber  Söicner  Unioerfität;  iu  bem  ©cfeUcn  aber, 
ber  au$  [Diopren  fommt,  metra  mad^t  unb  über  bie  artem  inetri- 
ficandi  lefen  miH,  o()ne  grabuirt  ju  fein,  bal)erfommt  mic  einer, 
ber  in  ben  i^rieg  ^ic^cn  mill,  unb  ben  [Rector  bujt,  glauben  mir 
unfern  .^utten  nic^t  ju  uertennen. 

0b  biefe  ©c^micrigfeiten,  bic  fic^  feiner  afabemifc^cn  Dl)cU 
tigfeit  entgcgeuftellten,  ober  maö  fonft  feinen  ^ufcutl)alt  in  Sßien 
abfürjte:  genug,  fc^on  im  ©pätberbft  1511  uerfc^minbet  Jütten 
auö  biefer  ©tabt  *),  wnb  im  grü^liug  be^  nüc^ften  3al)rc^  erfc^cint 
er  in  3talien. 


1)  $gl.  mit  bem  oben  'S.  56  angeführten  Briefe  ^abian’S  ben  %rief 
^eter  ^berba<h’§  t>om  5.  Oct.  1511,  in  i^utten*d  S<btiften  I,  S.  22. 


G2 


Vitüts  ÄapUel. 


fttflex  ^ttfettt^afi  in  ^faften  ttttb  flüdiße^r  itai^  peufff^faitb. 

1512—1513. 

Qc^tc^  bcio  §umaniftciiorben§  l)ättc  fic^  ^uttcu 

faum  betrachten  bürfen,  ot)nc  narf)  bem  öeifpiele  fo  üiclcr 
göncier  bic  Sßaüfahrt  in  baö  ^cimathlanb  beö  §unmniänmö 
gemacht  ju  h^^t>cn;  mo  überbieß  auch  föt  bQ)S  9Jccht^ftubium, 
jn  metchem  ihn  ber  ißater  brängte,  bic  mcifte  görberung 
finben  mor. 

lieber  ben  2öcg,  ben  Jütten  nahm,  ift  nichtö  befannt;  aber 
um  bic  9JMttc  bcö  Slpril  traf  er  in  ^aüio  ein,  mo  er  in  ber  Xhat, 
be^  93aterö  Söunfehe  fich  fügenb,  ba^  fRcchtdftubium  in  Angriff 
nahm.  @r  höi^te’  S^orlefungcn  bei  bem  bcrnhnitcn  S'lcchtögclchrtcn 
Safon  ÜJiainuö;  boef)  nahm  er  baneben  auch  ©ricchifchcn  Un** 
terricht,  mobei  er  ben  Slng^burgcr  ?lcgibiuö  91cm  jum  91?itfchütcr 
hatte,  ^ber  mit  feiner  ©efunbheit  ftanb  cö  übel:  er  hinfte,  ba 
in  gülgc  feiner  Üranfheit  bic  Seine  burch  ©efehtpüre  unb 
mürfjfe  fchmcr^h^^fl ' befonber^  baö  linfe  beinahe  unbrauchbar 
gemorben  mar.  91och  granjofen  bic  ßombarbei;  aber 

menige  Xagc  üor  $utten’^  ^nfunft  mar  in  ber  mörberif^cn 
0chlacht  bei  fRauenna  ber  fran^öfifche  gelbhcrr,  (haften  be  goiy, 
fiegreici),  boct)  nncrfchlich,  gefaflen  (ll.Slpril  1512):  unb  nun 
brangen,  Pom  S^Pftc  gerufen  unb  Pom  ilaifcr  jugclaffcn,  20,000 
©chmeijer  in  ba^  2anb.  gm  gnli,  |)uttcn  faum  ein  SicrtcU 
jahr  feinen  ©tubien  obgclcgcn  rueften  fie  Por  ^aPia.  5)ie 
gran^ofen  fuchten  cö  ju  behonpten  unb  hielten  ben  jungen  fRittcr, 
ber  ihnen  jeht,  cii^  Unterthan  'Oci  ilaifcrö,  Pcrbä^tig  fein  mochte, 


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i^uttrn  in  j{rieg§noi^. 


63 


brci  ganj^c  Xoge  in  einem  engen  (Skmad^e  belagert.  9^od^  bo^u 
am  gieber  leibenb,  ^ielt  er  fic^  für  einen  üerlorencn  SDinnn.  2)a 
bic^tete  er  fic^  bie 

® t Q b f t i f t : 

®cr,  jum  3ommci  flcjeugt,  ein  unglücIfcliocS  ßcben 
ßebte,  oon  Hebeln  gu  2anb,  Uebcln  ju  ©oRcr  öcrfolgt, 

^ier  liegt  ^uttcn’S  ®cbein.  ber  nid^tS  ?[rge§  ticrfd^ulbet, 

9Burbe  non  gallif(bem  groujont  bo§  Seben  geraubt. 

SBar  bom  Oef^id  i^m  beftimmt,  nur  UnglUrfSjal^re  $u  fd^auen, 
bann  toar  e§  ertoUnj^t,  bab  er  fo  jeitig  erlag, 
non  (Sefabren  umringt,  toidb  nicht  nom  ^ienfte  ber  SRufen, 

Unb  fo  gut  er’§  oermoebt,  fbradb  er  im  Siebe  fub  au§'). 

6nblic^  mußten  bie  granjofen  bie  ©tabt  räumen,  bie  ©c^meijer 
brongen  ein,  aber  ^utten’iS  Sage  mürbe  barum  nic^t  beffer.  ^ie 
©c^meijer,  bie  in  i^m  einen  95titfämpfer  ber  granjojen  fal)en, 
plünberten  i()n  am§  unb  fc^leppten  il)n  elenb  ^crum,  biö  eö  il)m  enb:= 
lic^  gelang,  fic^  mit  bem  SScrluft  eineö  Xl)cild  üon  bem  Sßenigen, 
baö  il)m  nod)  geblieben  mar,  logjufaufcn.  ^auia,  mo  nun 
Getümmel  unb  3)lutöcrgie6en,  junger  unb  ^eft  mütl)cten,  mar 
für  i^n  fein  längere!©  Öleiben:  fo  manberte  er  noc^  im  3uli  nac^ 
öologna,  mo  er  einen  fc^önen  Älrci^  Oon  ÖJelel)rten  fanb.  Slber 
er  braud)te  ben  5(rjt,  unb  ber  9lcft  feiner  äJHttel  mor  halb 
crfc^öpft. 

Xad  öid^erige  ift  ber  betrübte  3nl)alt  eine^  gemütl)lic^cu, 
ja  mitunter  launigen  ©ebreibenö  auö  öologna  oom  21.  Sluguft 
an  ben  mittenberger  (^aftfreunb  Öaltbafar  gad)uö.  ^afj  Jütten 
i^m  fur^  fc^reibe,  gefdfe^e  nic^t,  alö  ob  er  aud)  oon  bem  greunbe 
nur  einen  furj^en  örief  f)obeu  moüte,  fonbern  Icbiglic^,  meil  bie 
Ueberbringer  fid^  befc^mert  meinen,  menn  man  il)nen  große  öriefc 
mitgebe.  3m  (^egentbcil  foUe  gadjuß  il)in  rec^t  auöfül)rlid)  über 
feßreiben,  mooon  er  benfen  fönne,  baß  eö  il)u  intereffiren 
ißn  betreffe,  fo  aßme  er  immer  nod)  ben  öulcan 
nac^,  unb  j^mar  noc^  bebeutenb  ärger,  aU  mic  ber  greunb  i^n 
fürj^lic^  gefeßen;  er  miffe  nic^t,  foUe  er  eö  bem  ©d^icffal,  ober 


1)  8o  in  bem  gleidb  anjufttbrenben  ^Briefe  on  f^adbu§,  Schriften  I,  6. 26. 
Sermebrt,  ober,  toie  biefe  mit  bergleidben  Soeben  fo  gerne  gebt,  nicht  oerbeffcit# 
IR  ()utten’§  (ft>igraramen  an  Äoifer  TOoj,  Schriften  III,  S.  225,  3tr.  47. 


64 


I.  4.  ÄQpitet. 


üielmd)r  feiner  Unüorfici^tigfeit  j\ufc^reibcn,  ba  er  ft^  im  j\arten 
lÄÜer  ju  menig  gefc^ont  I)abe.  2)ennod)  münfd^e  er  fid^  @lü(f, 
auf  bem  2öege  ju  beii  fc^önen  SBiffenfd^aften  fo  äWanc^eö  gefunben 
ju  [}aben,  maö  er  am  menigfteu  gcfiidjt.  S53ie  e^  beim  nun  aber 
bem  greuube  gc()e?  0b  er  fic^  entfd)loffen  f)abe,  ein  SEöeib  ober 
bie  ^lonfur  ju  nebmen?  ober  ob  er,  nad)  feiner  gemöbnti^en 
9(ntmort,  eben  bleibe?  hierauf  folgt  bie  bereite  mitges 

tbeilte  ©r^äblung  üon  §utten’§  ©rlebniffen  in  Stalicn ; bann  ber 
©ebluji,  baß  er  nun  halb  in  23ologna  oon  bem  greunbe  einen 
33rief,  bod)  nießt  bloö  oon  brei  ober  oier  Söorten,  loic  berfelbe 
an  gcioöbnlicbc  öefannte  ju  febreiben  pflege,  ^u  erbalten  boffc. 

2)ie  iöriefe  §utten')J  (oon  benen  bieß  eigentlich  ber  erftc 
ift,  ber  unö  begegnet]^  basg  toaren  3)cbicationen)  bilben 

einen  toefentlid)en  unb  bö^bfl  fd)ä^bürcit  ^b^^^  feiner  litcrarifeben 
^eroorbringungen.  ®urcbaug  finb  eö  mirf ließe  ©riefe;  uicmalö, 
loie  fo  oft  bie  (Sra^mifeben,  biömcilen  aueß  bie  SD^utianifeßen, 
bloße  ©tilübungen  ober  ©eleßrfamfeit^proben.  ^n  ©emütß  unb 
ßaunc  fteßen  fie  ben  (Sobanifeßen  naße,  oor  benen  fic  aber,  je 
loeiter  mir  im  fidben  ^utten’iJ  oorrüefen,  um  fo  meßr  baö  ÖJe* 
präge  feiner  brangenben  Xßatfraft  unb  fortreißenben  Ueberrebungö# 
gobe  oorou^  ßaben  merben. 

Um  biefe  f^m  2Wattßäu§  Sang,  ©if^of  oon  ^ur!  unb 
einer  ber  oa*trauteften  Sflätße  beö  i^aiferS,  alö  beffen  ©cfanbtcr 
an  ben  ^apft  Suliuö  IL,  ber  ben  grieben  mit  ©enebig  Oermit« 
teilt  moHte,  bureß  ©ologna.  ®ie  Italiener,  in  ißrer  ?lrt,  über^ 
ßäuften  ben  oermeinten  griebenöboten  mit  9teben  unb  ©ebießten. 
ia  mollten  bie  ®eutfcßen  in  ber  ©tabt  ben  ©eßein  nießt  ßaben, 
alö  märe  unter  ißnen  feiner  im  ©tanbe,  etmaö  Sleßnlidße^  5U 
maeßen,  unb  forberten  baßer  Jütten  auf,  ctmag  ju  biefem  ßweefe 
^u  feßreiben.  §utten  oerftanb  fid)  baju  unb  Oerfaßte  ein  ßob^ 
gebießt,  baö  nun  abgefeßrieben  unb  präeßtig  gebunben  bem  faifer* 
ließen  ©efanbten  überreießt  mürbe.  2)er  jeboeß  naßm  eS  mit 
einer  ©leießgültigfeit  auf,  bie  bem  jungen  $oeten  feßr  empfinbli^ 
mar.  ^ennoeß  maeßte  er  ben  ©erfueß,  auf  gemießtige  ©mpfeß* 
hingen  geftüjt,  unter  ba^  (SJefolgc  bcö  ©ifcßofö  (ben  gleicß  barauf 
ber  ©apft  jum  Sarbinal  creirte)  aufgenommen  ju  merben : Oer# 
gebend,  ^er  ©ifcßof  tßat,  alö  bemerfte  er  ißn  nießt,  menn  et 
ißm  in  ©ologna  begegnete;  ba  boeß  bet  bloße  ^ufjug  bc^  atmen 


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^uticn  nintmt  i(rieg8bT(nflr. 


65 


3)^ufcnfo^n§  eine  bringenbe  SD^a^nunq  an  ben  ^od)ftc^enben  ÜÄonn 
mar,  für  bie  empfangene  ^ulbigung  fic^  erfemitlirf)  ju  jeigen. 
3)iefe  SSernad^löffigung  Ijat  glitten  bem  ©orbinal  Sang  5citlebenö 
ni^t  üergeffen. 

^er  äufeerfte  ÜJ?ange(  nöt()igte  Jütten  enblid),  Ä'riegöbienfte 
ju  nehmen  ; obmo^l  i^ni  and)  baburc^  nur  notl)bürftig  gel)olfen 
mürbe.  @inc  traurige  Störung  feiner  ©tubien,  überbieg  bei  feinet 
anbauernben  Älranfbcit,  befonber^  bem  Seiben  am  guge,  ein  Seben 
üoH  dual:  aber  ber  geniale  9Jienfc^  fann  in  feine  Sage  fommen 
(fie  mügte  benn  feine  X^ätigfeit  üööig  aufbeben),  auö  ber  er  nic^t 
für  ficb  unb  bie  SEBelt  Jrüt^te  ju  geminneu  mügte.  ©o  gemann 
^)utten  unb  gemann  bie  SRacbmelt,  icb  mill  nic^t  fagen  auö  feinem 
Äriegöbienft,  aber  boeb  auS  bem  5tricgdgetümmel,  in  boö  fein 
italicnifcber  Sfufentbalt  bineinfiel,  eineg  feiner  frifebeften,  reijenb* 
ften  SBerfe;  fein  Sud)  (Epigramme  an  ben  Äfaifer  SJ^ajimilian  *). 
©ie  finb,  mie  er  felbft  in  bem  fpäter  gefebriebenen  Sonoortc 
fagt,  an  uerfebiebenen  Orten  unb  ju  nerfebiebenen  ßeiten  entftan* 
ben,  üeranlagt  bureb  Vorgänge,  beren  einige  er  miterlebtc,  anberc 
üon  britten  ^erfonen  erfuhr;  ein  erfd)eint  alg  gleichartig 
unb  mobt  auch  gleicbjeitig  mit  bem  noch  in  ®eutfd)lanb  entftan- 
benen  ^lufmabnungggebicbt  an  ajiajimilian ; ein  anberer  mag  in 
^aüia  unb  Sologna  uor,  möbrenb  unb  nach  ^utten’g  Ärieger^ 
leben  gebieptet  morben  fein ; ja  ein^jelne  ©tücfc  finb  erft  maprenb 
feineg  jmeiten  italienifcpcn  2lufentbaltg  p^^ä^gefügt  morben.  ©o 
folgt  bag  Sücplein  bem  mecpfclnbcn  ©ange  beg  fiep  pinjiepenben 
Äriegg,  unb  bringt  ung  ©iege  unb  9fieberlagen,  Hoffnung  unb 
gurept,  ©eminn  unb  Serluft  oon  ©täbten  unb  Sanbfepaften,  bie 
S^nüpfung  unb  Söfung  oon  Sünbniffen,  jur  lebenbigften  ^In« 
fepauung. 

^Jbep  5mei  Sinleitungggebicpten  über  bog  Suep  unb  ben 
2)icpter  menbet  fid)  biefer  ba^u,  bie  lange  Untpütigfeit  ber  beut* 
fepen  Äaifermaept  ju  entfcpulbigen  unb  alg  biogen  ©epein,  olg 
Vorbereitung  ouf  fünftige  Xpaten,  barjufteCien. 


1)  Ulrichi  do  Hutten  eq.  Germ,  ad  Caesarem  Maximiliatium  Epi- 
grammatum  Uber  unus.  6(^rifUn  III,  ©.  205—268.  '£>oS  ilorwort  on 
ben  ftaifer,  I,  €.  234  f- 

VII.  5 


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66 


I.  $U(^.  4. 


Son  betn  ?lbler. 

ben  genxiltigeit  ^ar,  ber  jegt  unblutig  unb  fiiebfam 
£ag’  unb  ^a^re  ftc^  ^alb  in  9tu^e  getoiegi. 

?lbcr  c§  greif’  i^n  einer  nur  on  unb  ftbre  bie  iRofl  i^m: 

Sterben  toill  i^,  toofem  ber  ficf)  ni^lt  Übel  get^an. 

9Ummer  iß  bieg  \a  ein  Sc^taf,  ou§  bem  fein  Q^mad^en  e§  gtlbe; 

Oft  jc^on  l^at  er,  gereift,  auf  auS  ber  Stu^ 

Unb  »enn  fü^n  er  bom  Soben  ß(^  jd^toingt  in  bie  oßenen  Stifte, 

2Be^e,  nie  breitet  er  bann  Sc^redten  unb  ^urdfjt  um  ßd(|  l^er ! 

SKajimilian  aöcrbingS  ift  mc^r  alö  fo  maiK^cr  feiner  trieg^e- 
ttjaltigcn  Söorgänger  mit  menfc^lid^cn  frieblic^en  ^^ugenben  ge^ 
j^iert;  boc^  ift  feine  gricben^licbe  nur  ßongmutt),  nic^t  SÄangel 
an  äJtut^,  mie  fein  enblid^cö  ßoöbrec^en  bemeift. 

Sofort  tücrben  mir  nor  ^abua,  mitten  in  ben  Äampf  ge^ 
filtert.  ®ie  SSenejianer  brinnen,  bie  Äaiferlid^en  äugen;  Jütten, 
bem  leib  ift,  bag  fein  gugübel  i^n  jur  2:^eilna5me  am  Kampfe 
unfögig  mac^t,  gibt  erft  fc^crjboft  üor,  nur  als  migbegicriger 
iReifenbcr,  nic^t  als  i^rieger  gefommen  ju  fein,  bann  aber  münfe^t 
er  fic^  ben  Xob.  (£in  anbermal  übrigens,  als  er  ben  3J^auem 
ju  na^e  gefommen  ift,  unb  bie  (j^efc^offe  ber  belagerten  um  i^n 
fc^mirren,  ^iegt  er  fid^  boc^,  fo  fc^nell  eS  mit  bem  lahmen  guge 
gcl)en  miU,  jurücf.  lieber  eine  fleine  ©c^lappe,  bie  fie  ben  ^fai* 
fcrlic^cn  beigebradjt,  froglocfen  bie  bene5ianer  ju  frü^ ; halb  mirb 
fid)  ber  Slbler  micber  ergeben,  bei  Sremona  l)at  er  ben  gröfd^cn 
übel  mitgefpielt: 

$om  ifaifer  unb  ben  $ene)ianern. 

l^ttngßl^in  toagte  ber  ^rofd^  ßd^  l^erbor  ouS  ben  Sümpfen  tSenebigS, 

Unb  auf  bem  trodenen  ßanb  quaft’  er:  ®er  99oben  iß  mein! 

^od^  ipn  erfpö^te  ber  $ogeI  beS  3^u§  non  erhabener  SBarte, 

^adt  mit  ben  (fraUen  unb  toirft  berb  in  ben  $fu^l  i^n  jurflef. 

SBaS,  mie  oerfd^iebene  anbere  biefer  Epigramme,  in  ber  Original^ 
auSgabc  burc^  einen  erge^licgen  ^oljfc^nitt  iHuftrirt  mirb.  2111« 
gemein  ift  benebigS  graufame,  röubcrifc^e  ^errfd^aft  Oer^agt. 
©ein  gelbl)err  bartolommeo  b'2ilt)iano  ein  SJfufter  Don  Xrcu« 
unb  ©ottlofigleit.  2)agegen  mirb  bem  beutfd^cn  gelb^auptmann 
Safob  Don  @mS,  ber  in  ber  blutigen  ©d^lod^t  bei  SlaOenna  fiel, 
ein  @()renbenfmal  gefegt,  aueg  bie  Xapferfeit  beS  jungen  föc^fifd^n 
@bcln,  3oac^im  üon  9JfaIpan,  mit  bem  fic^  Jütten  bamals  be« 


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^uttfn’3  (Spigramme  an  3)?a£tmilian. 


67 


frcunbctc,  in  jtoci  Spiöramtncn  gcpricfcn.  ^Dcm  ftoljcn  SScncbig 
roirb’^  no(^  f^limmer  ergeben  otS  Xroja  unb  öab^lou,  Äort^ago 
unb  Äorint^.  ^ic  SBanbluug  Don  ^cnebigö  @(ü(f  unb  bie  SBan? 
bclbarfeit  bcö  @lücf^  übcrljoupt  ift  baö  X^cma  einer  S^lei^e  üon 
(Epigrammen. 

hierauf  menbet  fic^  ber  2)id^ter  me^r  gegen  bie  gran^ofen, 
melc^e,  beim  beginne  beg  Äriegg  bie  93unbeögenoffen  be^  ^aiferö, 
i^m  äu(c|t  al6  geinbe  gegenüberftanben.  0c^on  halb  üon 
fang  mar  ein  (Epigramm  eingeftreut,  ba^  in  merfrnürbigem  löcU 
fpielc  jeigt,  mie  9iationen  über  ga^r^unberte  hinüber  gemiffc 

(Eigenfc^aften  beibe^alten. 

♦ 

9luf  bte  ^ranjofen,  als  fte  bem  ftaijer  bie  onbi(^ieten. 

%Ttner  ^ran)oS,  bu  trbfiefi  bi(b  felbfi  unb  eibi^ieÜ  bir  ^reuben, 

^a§  nur  feiner  im  $oIf  glaube,  bir  geV  (S  jo  fd^Iimm. 

£Uge  nur  )u  unb  trbfie  mit  fehlen  bi^  über  bein  UnglUcf, 

SBenn  nur  ber  ßaifer  inbeb  2!^aten  um  ^b^^ten  noUbringt. 

3iübme  bic^  immer,  er  jei  friegSmatt  unb  beginne  ben  9?üdsug, 

SBfi^ifnb  mit  Siegergetoalt  er  bid^  im  9taden  bebrfingt. 

Der  §ocf)mut^  beö  ©a()n^,  ber  fid}  über  ben  2lbler  bünfe,  aber 
einft  noc^  berupft  ^eimfd)ren  merbe,  mirb  in  uerfdjiebenen  SBen» 
bungen  üerfpottet.  tjier  folgen  bie  Epigramme  ben  ©d)man» 

fuugen  bed  Äriegöglüd^.  Die  granjofen  Ijaben  SÖ^ailanb;  mer^ 
ben  jurüdgefc^lagen ; unter  gräulid^cm  Unmetter  räumen  fie  bie 
ßombarbei.  ^ier  pnbet  fic^  ein  (Epigramm,  baö  man  geftern  ge^ 
bientet  glauben  lönnte. 

%uf  beS  $abn§  $Iu(^t  auS  ^ialien. 

ItBarum  ftiebt  mit  blutigem  ifamm  unb  jerrauftem  ®efieber 
3ebo  ber  ^a^n,  nodb  jüngft  Sdbreden  ber  !^BögeI  um^er? 

^rum,  n>eil  er  bem  ^rieben  ben  Streit  nor^og  unb  ben  PriegSIfirm, 

Ueber  ben  90>Ier  binauS  fed  ft(b  Su  fdbtningen  bebadbt. 

3)o(!(l  ber  merfte  ben  5trug,  unb  nat^bem  jd(|on  biel  er  ertragen, 

Segt’  et  ftdb,  enbticb  ergrimmt,  |(^arf  mit  ben  ftraüen  )ur  SBe^r. 

9Ber  ben,  ber  i^m  ein  Srreunb  fein  mollte,  fidb  lieber  jum  $einb  mad(|t, 

@ebt’S  bem  jcbled^t,  fo  bezeugt  jeber : ibm  inarb  nur  fein  Sted^t. 

SÄittlcrmeile  erlebt  man  bo3  Ueberrafc^enbe,  bag  §a^n  unb  grofe^ 
(ober  £ömc,  b.  ®encbig),  bic  fic^  bi§  ba^in  töbtlicb  befämpft 

l)attcu,  gegen  bcu  ^bler  fic^  oerbünben  (ÜJ^ärj  1513).  Äber  bic 


I.  4. 


Cd 

SBcrbinbung  ift  ju  unnatürlich  unb  bet  @egner  ju  gcnjaltig,  alö 
bafe  fic  [ich  günftic^en  @rfoIg  Ucrfprcchen  bürfte. 

5)ie  53e»crbeT  umbic  i^crrfd^oft  über  SMoIien. 

^ret  unmerben  mid^  je^t  (^talia  Üagi’S  bem  ^pobo), 

SBibrige  freier  jumal:  ®cnebig,  ber  2)cuti4)e,  ber  ^ronfe; 

2)er  Dotl  3Trug,  ber  9lnbrc  üoEl  2Bein,  ber  dritte  boU  ^o^imutt). 

5JluS  c§  benn  fein,  fo  bebenfe  mi^  bod^  mit  crträglicf)em  3<>4k.  — 
Stets  treulos,  ertoiebert  ber  ®ott,  ift  SJenebig;  ber  Öronle 
Stets  ^octimttt^ig;  ber  ^eutfd)e  nid^t  immer  betrunlen:  fo  tofi^le! 

aJ^erfiüürbigftc  für  §utten’ö  meitcre  ©ntroicflung  ift 
nun  aber,  bag  gegen  ben  0d)luf3  bie  Epigramme  fid)  tuiber  ben 
^apft  richten.  9^och  im  3ah^<^  ^or  ^utten’^  Slnhinft  ift  Italien 
mar  $opft  3uliu^  II.  alö  Ärieger  in  jenen  ©egenben  gemefen, 
hatte  bie  Belagerung  öoii  9}tiranbola  f)erfönlich  geleitet,  unb  mar 
in  bie  eroberte  ©tabt  mit  bem  ©chloert  in  ber  ^anb  auf  einer 
©turmleiter  eingeftiegen.  @r  mar,  menn  auch  nicht  ber  einzige 
Urheber,  bod)  ber  Senter  ber  i^riege  jener  ßeit : ber  SBibcrfpruch 
jmifchen  ber  gcifttichen  Beftimmung  unb  ber  mcltliijten  ©teHung 
be^  Bapftthuniig  mar  nie  greller  heruorgetreten.  2)a&  Jütten 
bem  ©chaupla^e  ber  burch  ihn  erregten  ^Iricge  fo  nahe  fam, 
beren  oerheerenbe  Solgcn  au§  unmittelbarer  (Erfahrung  fennen 
lernte,  mar  oon  großer  SSichtigfeit.  Suliu^  11.  unb  fein  SBirfen 
mar  eö,  moburd)  ihm  über  ba^  ^apftthum  überhaupt  bie  Slugen 
geöffnet  mürben.  Statt  eine^  §irten  ein  Söolf,  ftatt  ber  ©chlüffel 
^etri  mit  bem  ©chmerte  ^auli  bemaffnet,  aber  nicht,  um,  mie  ber 
^poftel,  baoon  ju  fallen,  fonberu  Slnbere  bamit  ju  fällen,  iltun 
menbet  fich  aber  §utten  auch  gegen  bie  ©itten  beö  gegen 

feinen  Slblag-  unb  Bullenhanbel,  bie  5luöbeutung  ^cutfchlanb? 
oon  ©eiten  beä  popftlidjen  §of^.  @r,  ber  fi^  in  ©tahl  h^Wl 
— fo  befchreibt  er  ihn  — burch  Bart  unb  §aar  fchrecfli^  an* 
^ufehen,  mit  bem  milben  $luge  unter  ber  tro^igen  ©tirn,  mit 
furchtbar  brohenber  älUene,  ber  mit  ©^mert  unb  ©efchog  ju 
ßanb  unb  ju  SBaffer  bie  Bölfer  morbet  unb  bie  gürften  in  SJncge 
oermicfelt;  er,  boö  Berberben  ber  Söelt,  bie  äJienfchen* 

gef^lechtg,  beffen  wirbelt  2;ob,  beffen  Erholung  bie  fchönblid^fte 
^uSfehmeifung  ift;  er,  in  allen  ©tüden  Sh^ifto  unb  B^tro  un* 
ähnlich:  ma^  thut  ober  mag  hcit  er  noch,  bog  beg  päpftlichen 
9>lameng  mürbig  märe? 


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C^pigramme  auf  ben  ^pf}. 


69 


®on  3UÜUS’  ffbUfe. 

2Bic  bo(!^  bte  gläubige  3BeIt  bet  l^rämer  l^uIiuS  anfU^rt, 

2Bel(ber  ben  ^immet  tietfouft,  bcn  er  bo(b  jelbfl  ni(bt  befi^t. 

®iete  mir  feil,  toaS  bu  ^oft!  2Bie  fc^iQmloS  ip’S,  ju  üerfoufen, 

2Ba§,  0 3uüu§,  bir  eben  am  meinen  gebricbi. 

Pämen  bie  9iiefen  )urü(!:  um  Jupiter  mär*  eS  gefdbe^en; 

3uliu§  gäbe  fürma^r  ihnen  )u  £fouf  benClpmp. 

9iber  fo  lang’  im  i^immel  ein  9lnberer  h^nfchet  unb  bonnert, 

6teQ*  ich  um  hiuimlijcheS  @ut  nimmer  qI§  i^äufer  mich  ein. 

Son  bemfelben. 

dreimal  hu6’  ith  tnir  nun  bie  f^reuben  be§  emigen  ßebenS, 

Unb  maS  meiter  ich  (uum  magte  3u  h<)ff^>  erlauft, 
dreifach  hub’  ich  bafür  ben  ©chein  mit  bem  Flamen  empfangen, 

Unb  mit  bem  Siegel  in  29ach§;  ober  nur  9tamen  unb  S^ein. 
dreifach  mar  ich  fiu  ^hor : benn  mcr  mag  hoffen,  ju  taufen, 

SöaS,  mer’§  etma  befigt,  ficher  oerfaufen  nicht  mag; 

SBoHt*  er  jeboch,  fo  fönnt’  et  eS  nicht  oerfaufen.  3)er  i^immel 
Steht  um  ben  einjigen  ^reiS  reblichen  9Banbel3  3u  Pauf. 

^ann  mie  lä^ierli^  auch,  als  bebürfte  baS  hiutmlifche  Seben 
Slrbifcher  beugen,  bafUr  Siegel  oerlangen  unb  $rief! 

?luc^  eine  ©Qtirc  auf  bie  ßciten  Don  Suliuö,  bie  mit  ben 
©Vifttunimen  erft  1519  crfc^icii,  ift  mo^l  im  3ufömmen()ancic  mit 
benfelben  entftanben  *). 

9Bie?  ber  menfchliche  @eift,  ein  $unfe  be§  göttlichen  fii^teS, 

$on  ®ott  felber  ein  Xheil»  läfit  foburch  9Bahn  ftch  oerblenben  ? 

So  fleh  berfinftern?  Äein  h&he«r  Strahl  jerftreute  benjjrrthum? 

Julius,  biefer  iBanbit,  ben  fämmtlidhe  fiafter  befieefen, 

^r  oerfchlöffe  ben  ^immel  nach  ^illlUr  biefem,  unb  fchlöffe 
Renern  ihn  auf?  Sein  SBtnf  befeligtc  ober  oerbammte? 


^uth>  Sanbdteiite,  gefaxt ! Q^rmannen  mir  unS  ju  bem  Glauben, 
mir  ba§  göttliche  9tei^  burch  reblicheS  Heben  ermerben ; 

2)ob  nur  eigenes  Xhun,  unb  nimmer  ber  heilißfle  S3ater, 
i^eilig  unS  macht;  bah  ^ugenb  allein  ben  l^immel  unS  auffchlieht, 

9licht  ber  S^lüffel  ®emalt,  mit  benen  ber  römifche  ©auller, 

Ittappert,  unb  fo  boS  Soll,  baS  arme,  betrogne,  fleh  nachsieht. 

5(iic^  ^liibcrn  mar  an  biefem  SuHuö,  beffen  trietierifdje 
.g)errfrf)er(ivö6e  Ü)in  üon  fold)cn,  bie  U)n  an  feiner  firdjlic^cn  33c* 


1)  In  tompora  Julii  Satyra.  Schriften  III,  S.  269  f. 


70 


I.  9ud^.  4.  Papitel. 


ftimmung  maßen,  nid^t  gutgefc^ricbcu  mcrbcu  !omitc,  ein  gefaßr? 
lic^e^  ßic^t  aufgegangen.  Ängcblic^  noc^  jii  feinen  ßebjeiten  er- 
fc^ien  in  ^cutfdjtanb  ein  @cbet  für  if)n ').  S^riftnö,  ber  ja  bureß 
feine  ^lUmac^t  au§  einem  Xenfcl  einen  Gcngel  beö  Sid^tö  -fd^affen 
fönnc,  möge  ben  ^opft  3nüu^  ou§  bem  Unreinften  feinem  Xitel 
gemäß  in  einen  ÄHcr^eiligften,  aug  einem  Xprannen  in  einen 
IBater  nertnanbeln;  möge  geben,  baß  er  l)infort  nur  noc^  öom 
(Seifte  tmnfen  fei,  nur  noc^  beffen,  mag  fc^änbUd^,  fic§  fct)ämc, 
nid)tg  mc^r  alg  bag  §immlifc^e  liebe  u.  f.  f.  Offen  aber  brac^, 
nad^bem  3uliug  am  21.  gebruar  1513  geftorben  mar,  bie  ©atirc 
gegen  i^n  log.  Jütten  mibrncte  bem  §irten,  ber  ein  SBolf,  bem 
öullenbänbler,  ber  felbft  nur  eine  53lafe  (bulla)  gemefen,  eine 
©rabfe^rift*).  (Kn  Xobtengefpräd^  ®)  fnl;rtc  ben  SSerftorbenen  in 
^Begleitung  feineg  ©eniug  öor  bie  ^immelgpforte.  ®r  mill  auf- 
fd^ließen ; aber  er  ^at  nur  ben  0c^lüffel  jur  ©elbtru^e,  nic^t  ben 
j\um  ^immelgtl&ore  bei  fic^.  2luf  fein  Klopfen  unb  ßärmen  er- 
fc^eint  betrug.  X)ie  Slnfprüc^c  feineg  Oorgebli^en  S^lac^folgerg 
imponiren  i^m  fo  menig,  alg  beffen  ?lugfel)cn,  ^njug  unb  SBe- 
gleitung  i^m  gefallen.  2)iit  0elbftgefül)l  jä^It  3uliug  feine  X()a- 
teil  ^cr;  mobei  ber  ganj^e  Sontraft  beffen,  mag  ^apft  unb  Äirc^e 
bamalg  in  ber  SBirflidf)feit  maren,  mit  i^rer  urfprflnglic^cn  S3e- 
ftimmung  5ur  Slnfc^anung  fommt.  X)a  ^ienac^  ?ßetrug  fic^  nur 
um  fo  meniger  jur  Oeffnung  ber  Pforte  ^erbeilößt,  fo  erflärt 
3uliug  ben  ^immel  in  öelagerunggftanb  unb  l)offt,  il)n  mit 
$ülfe  ber  60,000  Äriegerfeelen,  mel^e  aug  ben  oon  i^m  erregten 
Kriegen  in  ber  näc^ften  Ijerüberfommen  merben,  in  furjeni 
ju  erobern.  X)er  auggefperrte  3uling  mad^te  Snt^em  greube, 
unb  ©rogrnug  mürbe,  ju  feinem  großen  S3erbruß,  für  ben  SSer- 
faffer  gehalten.  Sluc^  Jütten  l^at  man  bag  ©efpräc^  fammt  bem 
©ebetc  für  3utiug  j^ugefc^rieben.  2lllein  beibe  0tücfe  ^aben  eine 
glättere,  gelinbere  Ä^etorif,  alg  §utten'g  ©djriften  äl^nlic^er  2lrt. 


1)  Oratio  ad  Christum  0.  M.  pro  Julio  U,  Ligure  P.  M.  a quo- 
dam  bene  docto  et  Christiano  perscripta.  ftbßcbrudt  in  ^utten’d  @(tirifim  IV, 
6.  469—464. 

2)  Julii  II.  Liguris  P.  M.  Epitaphium  Ilutteno  auctore.  Gekritten  111, 


8)  F.  A.  F.  Poetae  Regii  libellus  de  obitu  Julii  P.  M.  Anno  Dni. 
1613.  3n  §utten’8  ed^riften  IV,  0.  421-467. 


6.  270. 


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@ebid(|t:  ^er  brotx  Wann. 


71 


Unb  auf  bcm  2;itcl  bcS  ^ialoß^  ift  ber  toa^rfd^cinlid^c  SBcrfaffcr 
angcbcutet:  nämlid)  gauftuö  Slnbrclinuö  au^  5orli,  ein.  ^)id)ter, 
ber  unter  bcm  0c§u^e  Submicj'ö  XII.  üon  granfreid)  ftanb;  mic 
benn  quc^  bic  ^olemif  bc^  ©efpröc^ö  gegen  Suliuö  metjr  Dom 
fran^öfifc^en  al^  öom  bcutfc^cn  ©tanbpun!tc  auöge^t. 

3m  3a^re  1513,  üermut^lic^  noc^  mä^renb  |)utten’ö  Sluf^ 
enthalt  in  Stalien,  crfc^icn  aud),  fo  Diel  mir  miffen  jum  erftcumal, 
eine  2)icl^tung  non  i^m  unter  bcm  Xitel:  X)cr  braue  3}iann'), 
begleitet  uon  einem  feltfamen  aUegori feigen  ©Übe,  beffen  ^u§le^ 
gung  bad  ©cbic^t  ift.  X)aö  ©ilb  ftcHt  einen  Sliann  uor,  beffen 
mit  meiten  Dl)ren  ucrfc^cncr  Ä'opf  auf  einem  langen  gemunbenen 
(Schlangen»  ober  ©c^mancn^alfe  fibt:  baö  full  bebeuten,  bajs  ber 
braoe  Sliann  lieber  liört  aU  rebet.  2lug  feinem  3Äunbc  gcl)t  ein 
Siilicnj^mcig  unb  ein  ©c^mert:  jeher  bic  mohlthätigen  SSBirfungen 
feiner  9iebe,  biefeö  bie  gerechte  ©trengc  anjubcutcu,  bic  er,  mo 
gute  SBorte  nic^t  fruchten,  in  Slmoenbung  bringt,  ©orn  auf  ber 
©ruft  fifet  il)m  ein  Sömenfopf,  baö  ©innbilb  beö  9J^utl)eö;  ber 
eine  gu&  ift  eine  ©ärentabc,  baö  ©eftänbigfeit;  bic 

rechte  ^anb  ^ölt  einen  gefc^loffencn  ©cutel,  mäl)rcnb  bic  linfe 
@clb  auöftrcut:  b.  l).  ©parfamfeit  unb  greigebigfeit,  jebe  ^ur 
rechten  ßcit.  9>leben  biefen  aUcgorifchen  erinnert  ba«  (^c* 

bic^t  burd^  feine  moralifc^en  (5Jcmeinfprüd)e  an  baö  3«gcnbgebic^t 
oon  ber  Xugenb,  unb  mciin  mir  auf  bcm  Xitel  ben  ©cifap 
adolescens  ermögen,  ber  fic^  feit  jener  3^it  auf  ^utten’iS  ©djrif» 
teil  nic^t  mel)r  finbet  (er  mar  ja  audj  im  Sa^rc  1513  bereite  25 
3al)rc  alt),  fo  mirb  cö  mal)rfc^cinlich,  bag  mir  hier  eine  Üleliquic 
aud  früheren  Xagen  oor  un^  höben,  melchc  bie  erfurter  greunbe 
bomold  jum*  Xruefe  beförberten. 

9^och  ctmad  oorher  mar  ber  91iemanb  jum  erftenmal  im 
Xrud  crfchiencn*):  mir  miffen  nicht,  ob  biefer  glücf liehe  2öurf 
bem  Xichtcr  noch  iö  Xcutfchlanb,  ober  möhrenb  fcincö  Slufent* 
holtd  in  3tolien  gelungen  ift.  Xa6  cö  ein  folcher  mor,  mußte 
^utten  mol)l:  baher  nohm  er  bic  2lrbeit  fpöter  micber  auf,  unb 
ließ  fie  in  ermeiterter  Qlcftalt  noch  einmal  crfchcincn.  2Bir  fparen 

1)  Ulrici  Hutteni,  ex  equestri  ordine  adolescontis,  carnien  omun* 
ciistiniuin  . . Vir  bonus.  1618.  ©(ü^riften  HI,  11—17. 

2)  Stße  iluffoabc  * Ulrioi  Hutieni  Nemo.  Wit  ber  Ibfiteren  Umar* 
beitung  jufammengebrudt,  St^rißm  III,  S.  107—118. 


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72 


I.  %ud().  4. 


ein  3Jic^rerc§  über  bicfclbc  bi§  baf)in  auf,  um  borcrft  mit  §uttcn 
noc^  ^)eutfc^lanb  jurücf^ufc^ren. 

©cnauercö  miffcn  mir  über  biefe  fRücfreifc  nid^t,  außer  baß 
mir  fie  mit  übermiegenber  SBa^rfc^einlic^feit  in  bad  3at)r  1513 
fc^cn  fönnen.  S3om  lebten  ^age  biefeg  ßaben  mir  ein 

0cbreibeu  ^uttcn’iJ  an  einen  beutfd}en  gürften,  üielleicbt  §Ubrccbt 
uon  öranbenburg,  o^ne  Ortsangabe,  boeb  bem  3nbalte  nadj  nid^t 
fern  non  bem  ^lufentbaltSorte  bcS  gürften  gcfcbricben;  außerbem 
jmei  öillete  an  Ulricb'S  SSetter  ^Dietricß  uon  Jütten,  in  betreff 
ber  OrtSbeftimmung  Don  ber  gleichen  i8efd)affcnbeit,  baS  eine  ge^ 
f^rieben  aWittmoeb  nad)  UrbanuS  (=  25.  SWai)  ohne  lesbares 
3ob^f  anbere  3)ienftag  nad)  -gituocauit  anno  rcXiij,  baS  märe 
ben  16.  gebruar  1513 ‘).  Ob  mir  nun  auf  biefeS  einjige  ©ebrift* 
ftüd,  mo  boeb  möglicbermeife  ein  ©d)reib-  ober  ßefefebler  im 
©piele  fein  fönntc,  bie  SSorauSfe^ung  bauen  bürfen,  Jütten  fei 
febon  im  Söiuter  1512  auf  13  aus  3talien  ^urücfgefebrt,  miH  mir 
boeb  ^meifelbaft  borfommen.  2lber  auf  0tcdelbcrg  als  2lufent:= 
halt  Ulricb'S  febeinen  bie  beiben  jule|tgenannten  bi«5Ws 

meifen,  ber  barin  in  gamilien*  unb  fRitterfcbaftSangelcgenbeiten 
tbätig  erfebeint.  3ui  Uebrigen  febilberte  er  fpäter  bie  2(ufnabme, 
bie  er  bei  feiner  fRüeffebr  in  ber  gamilie  gefunben,  als  eine 
feineSmegS  erfreulid^e.  0tatt  nach  ber  oieljäbrigen  2lbmefenbeit, 
ben  meiten  ^Reifen  unb  jabHofen  öefebmerben,  bie  er  erbulbet, 
ben  ßwrücffebrenben  freunbli^  in  ber  ^cimatl)  miUtommen  ju 
beißen,  b^l’cn  il)n  mit  menigen  2luSnabmen,  unter  bie  mir  jeben^ 
falls  feine  gute  SThitter  merben  ^ablen  bürfen,  feine  2lngebörigen 
mie  ben  oerlorcnen  0obn  angefeben,  ber  eS  berbiene,  i^u  ben 
<Sd)meinen  unb  Xrebern  oermiefen  j\u  merben.  2)a  er  feinen  Xitel 
mitbraebte,  febien  er  feine  Qcit  oerloren  ju  haben.  §luf  bie  grage 
eines  dritten,  mie  man  ben  ^eimgefebrten  ju  betiteln  habe,  gab 
einer  feiner  IBenoanbten  jur  2lntmort,  er  fei  noch  nichts.  * Xureb 
ben  S3onoanb,  baß  er  ja  nichts  gelernt  habe  unb  nichts  fei,  mußte 
man  eS  befebönigen,  baß  man  ihn  bisher  batte  barben  laffen, 
unb  auch  ferner  nid}tS  für  feine  SBünfebe  tbat*). 

1)  8ömmtUd(|;  bwt  Hctcnßüdfe  bei  SBöding,  ü.  Hutteni  Opp.  Suppl.  I 
Addonda,  @.  3—6. 

2)  ^tttten’§  iBricf  an  6!rotuS  oot  ber  jioetten  Ausgabe  bcS  Nemo, 
©(briften  I,  S.  176. 


^r^d(tni§  Watn}. 


73 


3)od)  f^iencn  ftd^  t)ou  einer  nnbern  @eitc  ^er  cjünftiqc 
Äu^pd)ten  ju  eröpuen.  ^cr  eben  genannte  SDtarfgraf  ^lbre(f)t 
öon  Sranbenburg,  beS  5?urfnrften  Soad^im  jüngerer  öriiber,  fo 
eben  j\um  ©rjbifc^of  üon  3Kagbeburg  unb  ^Ibminiftrotor  uon 
^alberftabt  gewählt,  tuar  am  9.  3Jtör^  1514  überbieg  auf  ben 
cT5bifc^öpict)en  ©tugl  üon  SKainj  erhoben  morben,  unb  gatte 
nun  ben  Flitter  (Sitelroolf  oom  (Stein,  ^utten'ö  93cfcgü|er  fegon 
öon  gulba  ger,  au3  ben  branbenburgifegen  2)ienften  in  bie  feini* 
gen  gerübergejogen.  (Sitetmolf  pebeltc  al5  lurer^bifcgöpicger  §of^ 
mcifter,  SBicebom  beö  9tgeingau§  unb  ©tabtpräfect  naeg  9)?ainj^ 
über,  unb  gebaegte  feine  neue  ©teflung  gauptfäcglicg  ^um  SBeften 
ber  micberauPebenben  Sßiffenfcgaften  ju  benugen.  2Baö  igm  an 
ber  Ober  migtungen  mar,  foflte  igm,  fo  goffte  er,  an  ben  Ufern 
beö  fRgein^,  unter  einem  jungen  gürften,  ben  er  felbft  jum  Sieb^ 
gober  ber  neuen  9licgtung  in  ber  Söiffenfcgaft  gatte  geranbilben 
geifcn,  gelingen.  ^)ie  main^er  |)ocgfcgu(e,  bie  fegon  feit  bem 
Sogre  1477  alö  ©tiftung  be§  ©r^bifegofö  ^)ietger  uon  Sfeuburg 
beftanb,  gebaegte  er  in  einer  SBeife  ju  reformiren,  bag  fie  igre^^ 
gleicgen  in  (Suropa  fuegen  follte.  ®ie  untauglicgen  fiegrer  foHten 
abgefegafft,  bie  tücgtigften  aiMnner  uon  allen  ©eiten  gerangen 
l^ogcn  luerben.  ?ln  SKitteln  fonnte  e$,  bei  (Sitelmolf'ö  @inpug 
auf  ben  freigebigen  Ä'urfürften,  niegt  feglen ; aueg  gebaegte  er  fein 
^riuatuermögen  babei  niel)t  ju  fegonen.  @r  fegmärmtc  für  biefc 
3bec.  SWainj  mit  feiner  Uniuerfität  follte  ber  ©ip  ber  gelcgrten 
9Kuge  fcincö  Sllterö  fein,  menn  e^  igm  einft  gelänge,  aller  ^ofs 
ämter  entlebigt,  nur  ben  ©tubien  unb  ben  ©elegrten  ju  leben. 
3gm  leuegtetc  SWutiaii'^  ®eifpiel  uor,  beffen  er  im  QJefpröegc  mit 
©emunberung  5U  gebenfen  ppegte. 

5)abei  badgte  er  gleieg  uon  Einfang  gan^  befonberö  aueg  an 
Jütten.  3a,  tuenn  baS  Uorgin  ermägnte  ©egreiben  §utten'ö  uom 
lebten  ^ecember  1513  tuirflieg  an  5Ubreegt  geriel)tet  mar,  fo  gatte 
biefer,  fegon  ege  er  ©rjbifegof  uon  SWainj  gemorben,  ben  jungen 
ÜÄann,  bem  er  bereite  mägrenb  feiner  ©tubienjagre  gülfreieg  ge* 
mefen,  in  feine  ®ienfte  ju  liegen  Uerfuegt.  ©ieger  erfegeint  Jütten 
im  folgenben  ©ommer  unb  ^erbft  in  ©rfurt  unb  ^aUc  im  amts 
liegen  Sluftragc  beö  Äurfürften  tgätig.  maren  igm  riegter* 
liege  gunctionen  übertragen,  mobei  mir  ign,  naeg  bem  ?ludbruel 
eine^  ga^manneö  (©öefing),  „rigib  juriftifeg"  ouftreten  fegen;  ja 


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74 


I.  9u(l(|.  4.  Pat>itel. 


nod)  mc^r  qIö  ha^,  mcnii  ioir  bcm  frcilid)  tjertüorrcnen  Scrid^t 
einer  alten  erfurter  S^ronif  glauben  bürfen.  SlU  ein  gewiffer 
2lngeflagter,  tt)irb  l)ier  erjä^lt,  otjne  übenuiefen  luerben  tönnen, 
in^  @Jefängni§  jurüefgefü^rt  ujurbe,  ba  b^be  ber  mainjifebe  Sonis 
miffär  „Ulricb  öon  Rotten"  fnirfcbcnb  uor  Söutb  au^gerufen:  bu 
mugt  nach  Urtel  unb  SReebt  fterben,  unb  wenn  bu  ^bw^n^^ö^Ö^ 
bätteft!^  Unterfuebung^riebter  in  ber  Xbot  fehlte  Jütten 
ba^  geeignete  Xemperament,  unb  infofem  b^^Uc  er  fo  Unrecht 
nicht,  njenn  er  öom  juriftifchen  ©tubiurn  nichts  njiffen  ttJoUte. 
Sflücb  ein  anberer  gall  ereignete  fidj  in  bcmfelben  ©ommer,  ujobei 
Jütten  gleichfalls  roeber  als  fftiebter  noch  als  S)icbtcr  ßorbecren 
fammelte.  3n  ®odc  fcheint  er  an  ben  ©eriebtsfibungen  über 
einen  getauften  Suben,  3ol)anneS  ^fefferforn,  Xbcil  genommen  ju 
haben,  bie  beffen  martcrooHe  Söerbrennung  am  1.  ©eptember  1514 
jum  ©rgebnife  bitten.  S)er  5)elinquent  batte  ohne  ^rieftermeibe  ben 
Pfaffen,  unb  augerbem  ben  Slrjt  gemacht,  unb  befannte  nun, 
unter  ber  golter  natürlich,  9KöglicheS  unb  Unmögliches,  mie  man 
eS  haben  moHte.  @r  befannte  nid)t  nur  Äirchenraub  unb  ^oftien» 
febönbung,  ärstliche  IBergiftung  oon  ©b^^ffen  unb  ©cblacbtung 
l)on  (Sbtiftenfinbern,  fonbern  auch,  ba§  er  bie  geftocbcncn  ^oftien 
bluten  gefeben,  unb'  ba§  er  ficb  üon  ben  3uben  bafür  habe  be» 
jablen  laffen,  fämmtlichc  dauern  in  ben  beiben  ©tiftern  9Wagbc* 
bürg  unb  ^alberftabt  ju  Oergiften.  ^)a6  ^)utten  biefen  9Äenfcbcn 
Ocrurtbeilen  half,  ift  il)m  am  (5nbc  meniger  ju  oerbenfen,  benn 
nach  bamaligen  8ted)tSbegriffen  batte  berfelbe  ohne 
2:0b  oerbient.  Slber  er  bichtete  noch  baju  über  baS  rucblofe  2c* 
ben  3ob.  ^fefferforn’S  eine  5luSrufung  oon  119  ^ejametern, 
morin  er  S)inge  loie  baS  ©luten  ber  §oftien  u.  bcrgl.,  bie  er 
unter  anbern  Umftänben  als  ©faffen^  unb  ^öbelmäbrchen  oer* 
höhnt  haben  mürbe,  gläubig  mieberbolte  unb  feinem  Äurfürften 
@lüd  münfehte,  ein  folcheS  Ungeheuer  auS  ber  Söelt  gcfchafft  ju 
haben*),  ©on  bem  feltfamen  ©)3uf,  ju  bem  bie  ÖJleichnamigfeit 
biefeS  ©erbreeberS  mit  einem  anbern  ©fefferforn  ©eranlaffung 
gab,  mirb  in  ber  Solge  ju  fprechtn  fein. 

1)  6.  6(^tiften  I,  6.  33. 

2)  In  sceleratissimain  Io.  Pepericorni  vitara  Ulrici  ab  Hutten  eq. 
exclamatio.  Sd^rtften  III,  8.  345—848.  ^o5ei  bU  actenmft^ige  @ejd^id^te 
beS  SerbörS,  8.  349—852, 


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i^utten  als  main^ifd^ier  Sommiffär. 


75 


3n  bcr  X^Qt  jcboc^  trat  3cit,  bcn  neuanflcnonis 

menen  Xiener  in  ein  i^m  angcmcffcncrc^  ga{)riüaffcr  jii  bringen. 
Xaju  mar  je^t  eben  bie  befte  Gelegenheit,  bic  auch  fein  cinfid)tö^ 
UoHer  Gönner  fich  nicht  entgehen  lieg.  5liif  ben  8.  S^oüember 
ftanb  ber  feierliche  Sin^ug  bcö  neuen  Äurfürft  = Grjbifdjofö  in 
feine  äftefibenj  bcöor,  unb  biefen  5lnlag,  meinte  (Sitehuolf,  folltc 
Jütten  benü^en,  bemfelben  eine  $robc  fcincö  Xalentö  ju  geben 
unb  fich  feiner  Gunft  ju  Uerfichern.  Gr  Veranlagte  feinen 
ling,  einen  ^aneghricuö  auf  ba§  Grcignig  ju  bichten,  ben  Jütten, 
obmohl  unter  ungünftigen  Umftänben  (von  benen  mir  nichtö  910« 
hcreö  miffen),  bo(h  rafch  ^u  ©tanbe  brachte  *).  Xag  er  fein  Gebicgt 
nad^  bem  Verlangen  feines  Gönners  glcid)  auch  bruden  laffen 
follte,  ging  il)m  fchmerer  ein.  ©o  fehr  er  in  ber  ßueignung  an 
benfelben  *)  feinen  S3ebenflid)!citen  bie  SBenbung  gibt,  als  bezögen 
fic  fich  nur  auf  bic  9Äangclhaftigfeit  feiner  Slrbeit,  fo  ficht  man 
bochr  er  fürchtete  juglcich  bcn  Sormurf  bcr  ©chmeichclci.  Slber 
er  hielt  eS  für  erlaubte  nicht  nur,  fonbern  gebotene  ^olitif  ber 
Vertreter  einer  beffern  ßiteratur,  bic  Grogen  and)  burd)  $ul« 
bigungen, , bie  fie  meniger  fchon  verbienten,  als  verbienen  folltcn, 
ju  ihrer  Partei  h^i^öberj^ujichen.  Xag  einem  gürften  von  bcr 
Sebcutung  Sllbrecht’S  von  9Jiainj  ein  9Jionn  mic  Gitclmolf  jur 
©eite  gcfteClt  mar,  betrachtete  §uttcn  als  eine  befonbere  Gunft 
ber  Götter  für  bic  ©achc  bcr  Slnfftärung.  öeföge  Xeutfd)lanb 
viele  fcineSgleichcn,  meint  er,  fo  märe  cS  am  Gnbc  mit  bcr  S3ar« 
barei,  unb  mir  brauchten  unS  nicht  mehr  vor  anbern  ^Rationen 
unferer  felbft  ju  fehämen.  ©einen  ©tanbeSgenoffen  inSbefonbere 
ftcllt  er  ben  gelehrten  Slittcr  als  9J?ufter  vor.  Sei  biefer  Gele« 
genheit  leert  er  über  beren  centaurifchc  ©itten,  ihren  bummen 
Äbclftolj  unb  ihre  brutale  Verachtung  aller  Silbung  recht  fein 
$crj  aus.  2ÖO  ein  junger  §lbelicher  Von  Xalent  fid)  mit  liberalen 
©tubien  befaffc,  bcr  merbc  von  ihnen  ols  ein  Gntartetcr,  feiner 
Slhncn  Unmerther,  veraltet  unb  verfpottet;  moburch  fchon  mancher 
von  bem  bereits  betretenen  beffern  SBcge  fich  tt>icber  höbe  ob- 
fchrccfcn  laffen.  Unb  fo  unmiffenb  unb  ungebilbet  fic  feien,  fo 

1)  In  laadem  reverendisRimi  Alberthi  Archepiscopi  Moguntini 

ülrichi  de  Hutten  Panegyricoi.  III,  343,  363—400. 

2)  Ad  clariflsimiim  cqaitem  Eytelvolfum  de  Lapide  etc.  Ulriobi 
de  Hutten  eq.  in  Panegyricum  Praefatio.  ©d^riften  I,  S.  34—37, 


76 


I.  %u(^.  4.  Pat>itet. 


l)alten  fic  borf)  fid)  aKein  für  bic  ©tü^cn  uttb  bic  ^offnuitg  be§ 
SSatcrIanbeg,  unb  meinen,  olle  ©efc^öfte  bat^eim  unb  auömörtS 
foHten  nuöfd)lie6li^  biird)  i()rc  .^änbe  ge^en. 

2)aö  ©ebic^t  felbft  ftellt  im  (Eingänge  bie  feftlidje  greiibe 
ber  aj^ainjer  beim  ©in-^uge  i^reg  neuen  gürften  bar,  melc^em 

5U  machen,  jmei  ©r^bifeböfe  fc^neU  beider  einanber  hoben 
fterben  müffen.  ©cbon  beim  ^Ibleben  beö  alten  branbenburgifeben 
Äurfürften  Sübreebt  Slcbilleö  fei  bie  trauentbe  Germania  öon 
SKarö  bureb  bie  §inmeifung  auf  bie  brei  @nfcl  getröftet  morben, 
meld)e  ibr  ben  ^rogöater  bereinft  erfe^cn  füllten:  Soaebini  unb 
unfer  Sllbrecbt  Don  ©ranbenburg  unb  5?afimir  üon  ?lnöbad);  bic 
fofort  al^  Äinber,  boeb  bereits  mit  ben  ©puren  ihrer  fünftigen 
©igcntbümlicbfcit,  anfdjanlidb  uorgefübrt  merben.  3^^  5^icr  üon 
Sllbrccbt’S  iRegiernngSantritt  nun  bot  ber  Söater  9tb<^io  fämmt^ 
lid)c  beutfebe  glufegöttcr  ju  einer  gcftüerfammlung  eingelaben. 
@r  fclbft  im  geierfd)mudc  fährt  auf  feinem  ©trome  bem  dürften 
entgegen:  üon  feinen  ©d)ultern  mailt  ein  meiter  föftlid;er  3)?antel, 
in  mcld}en  bie  athmpb^u  bie  gan^c  beutfebe  @cf(bid)te  cingemoben 
haben.  Son  biefer  mirb  nun  ein  aibrig  gegeben,  unb  ^mar  ganj 
im  gbibeUinifeben  ©innc:  bie  §obenftaufen  toerben  bod^gepriefen, 
baS  SJerfabren  ber  ^äpftc  gegen  fic,  toenn  auch  mit  IRücfficbt, 
gctabclt;  bag  aber  ^arl  IV.  ficb  üom  ^apft  auS  IRom  mcifen 
lieg,  erfebeint  bem  ^id)tcr  als  baS  aicugcrftc  ber  ©cbmacb.  *5)eS 
aibcinftromS  ?lnrcbc  an  ben  neuen  Ä^urfürften,  mclcbc  nun  folgt, 
enthält  neben  ben  febönen  Sßorten  and)  gute  ßebren,  bic  üon 
bem  fürftlicben  Süngling  mit  ücrfdjämtem  ©rrötben  unb  erhabenen 
SBorfä^cn  aufgenommen  merben.  2)cmnäcbft  entmirft  ber  ^i^tcr 
üon  3llbrcd)t'S  ^erfönlicbfeit  eine  ©ebilberung,  in  mclcbcr  er  ihn 
als  einen  ^erculcS  am  ©ebeibemege  bic  5^ugcnb  mähten  lägt  unb 
ben  öifrböfcn  feiner  ß'-’il  ols  9J?ufter  ber  pflichttreuen  Xbätigteit 
im  gciftlicbcn  unb  fRegentenberufe,  ber  9J^ägigung  unb  ©ittfam? 
feit,  ber  ©obltbätigfcit  nnb  Siebe  ^u  ^unft  unb  SGBiffenfebaft 
barftcHt. 

öeibc,  ber  befungene  fomobl  als  bcr®bclmann,  bem 
baS  ©ebiebt  jugecignet  mar,  nahmen  eS  freunblicb  auf.  Sc^tcrer 
moUtc  eS  nicht  als  3)anf  für  bereits  ermiefene  Söobltboten,  fon* 
bern  als  Serpflidjtung  ju  neuen  gelten  laffen;  benn  maS  er 
bisher  für  §uttcn  getban,  fei  gcfdjcben,  um  feine  greunbfdhaft 


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^ulien’S  ^oneg^TicuS  auf  brn  Grsbifd^of  %[I6r((l(|t  uon  SRatn}.  77 

gu  getoinncn,  mithin  burci^  bicfe  bereite  vergolten  gchjcfcit.  S)cr 
Äurfürft  ober  Heg  if)m  burd)  (Sitcltoolf  ein  ©efe^enf  Don  200 
^olbgulbcn  übergeben  unb  beftimmte  ibm  eine  ©teile  an  feinem 
$ofe,  tnenn  er  erft  mit  feiner  Unterftü^img  bie  abgebrod^enen 
©tubien  in  Stalien  öoUenbet  ^oben  mürbe.  §Iudb  jefet  fc^on  üer^ 
meiltc  glitten  eine  3^*1  J^ng  in  SOiainj,  mo  er  außer  (Sitelmolf 
Que^  in  feinem  Sermanbten,  bem  SOiarfcßalf  gfromin  uon  Jütten, 
einen  angefebenen  ©Önner  b^tte.  Öeibe  metteiferten  gleicbfam, 
ben  uielncrfpredjenben  jungen  äJ^ann  ficb  jujueignen.  gromin 
ibn  einmal  in  eine  ©efellfdjaft  gelehrter  ÜJ^änner  mit  ber  2Ben* 
bung  einfübrte:  ba^  ift  mein  Ulricb!  üerfefete  ©itelmolf:  unb  auch 
ber  meinige.  ®aö  Söerbältniß  mit  ßc^terem  mor  infofern  bog 
innigere,  aU  gromin  mobl  ein  CSJönner  ber  ©elebrtcn,  felbft  aber 
ohne  gelehrte  Silbung  mar.  SJ^it  ©itelmolf  bagegen  fonnte  Ulrich 
uom  gaebe  reben,  unb  oft,  menn  fie  ficb  begegneten,  unb  ber 
ßebtere  ficb  febeute,  bem  oielbefd)öftigten  ©taatömanne  befcbroerlicb 
ju  fallen,  rief  biefer  ihn  ju  ficb  mit  ben  Sßorten:  Äommt,  ich 
min  ein  paar  ©tunben  für  unfere  ©tubien  fteßlen.  greilicb 
maren  folcbe  aiiönner  2luönabmen  oon  ber  Siegel.  ®ie  Herren 
uom  5)omfapitel  inöbefonbere  hielten  ber  SOlehrgahl  nach  ^uf  ^unbe 
unb  galten  mehr  alö  auf  33ücher,  auf  @elb  unb  SSohlleben  mehr 
alö  auf  QJclehrfamfcit.  2öar  aber  einer  in  Slom,  merin  auch 
im  ©tall  einc$  bortigen  Prälaten,  gemefen,  fo  mar  mit  einem 
folcben  Ooüenb$  nicht  audjufommen.  @r  moHte  auch  in  gelehrten 
S)ingen  ben  Äenncr  fpielen , ohne  hoch  etmaö  5u  oerftehen.  Unb . 
Jütten  fonnte  in  bergleichen  göllen  nidjt  mohl  febmeigen;  ma^ 
ihn  jebt  mie  fpäter  in  mand)e  Serbrießliebfeit  üermidelte '). 

3n  aJlainj  mar  e^  auch,  Jütten  bie  erfte  53efanntfcbaft 
mit  (Sradmui^  machte,  ber  im  ©ommer  1514  oon  (Snglanb  na^ 
öafel  unb  im  erften  griihling  be^  folgenben  Sahre^  mieber  oon 
ba  nach  ©nglanb  jurücfreifte,  mo  il)n  bann  $utten  in  granffurt 
am  ailain  noch  einmal  fprad}*).  S)a^  mar  bajumal,  alö,  mie 
febon  früher  gelegentlich  ermähnt  mürbe,  i^uglei^  Sleuchlin  unb 
^ermann  oon  bem  ^ufebe  bafelbft  maren,  unb  (Sitelmolf  bahin 

1)  S)teje  Stadtiricfitcn  f.  in  ^utirn’S  93rtef  an  äolob  Sd^iriften  I, 

6.  43 — 46,  unb  an  ^id^ael  öon  6cin§^|cim,  62 — 64. 

2)  Erasmi  Spongia,  in  ^utten’§  @^rifien  II,  ®.  318.  $gl.  mit  bfffm 
Briefen  aud  b<n  fahren  1614  unb  16. 


78 


I.  9u(^.  4.  ftapitel. 


reifte,  um  ben  auSgejeic^neten  äWönnern  ein  fofratifd^eS  ©aftma^l 
ju  geben:  woran  i^n  jcboc^  ein  Äranl^eit^fall  oerbinberte.  3für 
$utten  war  bie  öefanntfcbaft  mit  ^agmuS  ein  ©reignig,  Wie 
fie  e^  im  ßebcn  @oban3  unb  jebeö  ©umaniften  jener  Qc\i  war, 
bem  fie  ju  3:bcii  würbe.  @alt  er  bocb,  wie  er  eö  auch  war,  für 
ben  aWeifter  unb  baö  ^aupt  ber  ganjen  Stiftung,  bem  in^befom 
bere  auct)  Jütten,  wie  er  felbft  ficb  au^brücft,  eine  wahrhaft  reli^ 
giöfe  SJerebrung  wibmete.  SBon  feiner  pcrfönlicben  Sieben^wür^^ 
bigfeit  unb  bem  ßauber  feiner  ^ebe  wußte  biefer  nacß  jener 
ßufammenfunft  nic^t  genug  ju  rühmen;  iReucblin  unb  S3uf^ 
feien  oor  i^m  ocrftummt*).  9lun  würbe  ein  S^riefwecbfel  an^ 
gelnüpft,  unb  Ü)teifter  unb  Sünger  freuten  ficb  einer  beö  anbem, 
ohne  j^u  abnen,  wie  fie  einft  noch  fo  b^i^t  wiber  cinanber  ftoßen 
foüten. 

Unterbeffen  mußte  §utten  etwaö  für  feine  ©efunbßeit  tbun. 
3m  grübting  1515  ging  er  nadb  @mö,  unb  eg  febeint  fein  ^lan 
gewefen  ju  fein,  wenn  er  bureb  ben  ©ebraueb  ber  warmen  duellen 
(eiblicb  b^^^flcficllt  wäre,  unoerweilt  bie  IReife  nach  Stalien  anju« 
treten,  wo  er  mit  feinem  greunbe  Sofob  guebg,  ^omberrn  ju 
Samberg  unb  SBürjburg,  jufammenjii treffen  buffte,  ^ber  eben 
in  feine  emfer  Sur  pet  ein  gehoppelter  bunter  0d)lag.  §ln  einem 
unb  bemfelbcn  Xagc  beö  SJtai  erfuhr  er  ben  Xob  feineg  ©önnerg 
Sitelwolf  Oom  ©tein  unb  bie  Srmorbung  feineg  Setterg  ^ang 
oon  $uttcii  bureb  ©^^ä^g  Ulricb  oon  SBurtemberg. 

Sitelwolf  bötte  f^on  einige  3ob^e  an  ©teinbefebwerben  ge* 
litten,  ^ie  Slerjte  wußten  feinen  8^atb  alg  ben,  welchen  ber 
raftlofe  3Wann  am  wenigften  befolgen  mochte:  pcb  in  ber  Arbeit 
ju  fronen.  @r  war  noch  nicht  fünfzig  3nbi^c  ^ unterlag. 
Jütten  fühlte  tief  ben  Serluft  eineg  ©önnerg,  in  bem  er  zugleich 
. einen  eblen  unb  weifen  ÜJtann  Oerebrte,  unb  fe^te  ihm  in  bem 
©enbfebreiben  an  3nfob  guebg,  bem  wir  febon  früher  bie  meiften 
Eingaben  über  Sitclwolf  entnommen  höben,  ein  feböneg  2)entmal. 


l)  (SroiuS  on  9)Quttan,  ber  übrigens  bteje  3u|amtnenfunft  nod(i  3Rain} 
brrlegt.  3n  ^uttcn’S  6(briftcn  III,  @.  544. 


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79 


fünfltB  Kapitel. 


<$0119  Srtttor^ititg  beit  $er)og  3lfrl<p  noit 

^örlentberg,  itiib  $ittteit'9  <|tgitotloii  gegen  ben 

$et|og. 

1515—1517. 

®en  nnbcrn  Unfall,  bic  ©miorbung  feine«  SBettcr«*),  be= 
richtete  ber  main.vfc^e  !Dom^err  äWarquarb  Don  ^otftein  on  feinen 
3freunb  nnb  „©c^tnager"  Ulrich  nac^  @m«.  S55ir  erinnern  un« 
jene«  ßubroig  non  Jütten,  bem  wir  oben  al«  einem  ber  ^äupter 
ber  gomilie  nnb  al«  9Bo^ltl)äter  be«  üon  feinem  Sater  oerftoßenen 
Ulrich  begegnet  finb.  ®r  ^atte  felbft,  neben  einer  Xoc^ter,  Uier  . 
©ö^ne;  einen  ber  füngern  oon  biefen  b^tte  er,  naebbem  berfelbe 
bem  Äaifer  im  gelbe  gebient,  an  ben  ^of  be«  $erjog«  Ulrich 
bon  SGBürtemberg  gegeben,*  mit  bem  er  in  freunblicbem  SBernebmen 
ftanb,  nnb  ben  er  halb  barauf  burdb  rin  ®orlebn  unb  bureb  ?luf* 
bringung  einer  S'leiterbülfe  gegen  ben  armen  Äonrab  fteb  no^ 
weiter  berpfliebtete.  Äueb  ben  tübinger  ©ertrag  jwifeben  bem 
^erjog  unb  feinem  Sanbe  bntte  er,  aU  Äbgefanbter  be«  ©ifcbof« 
bon  SEBürjburg,  bermitteln  brlfcn. 

^an«  war  ber  ßiebling  bc«  alten  ©ater«,  unb  fein  SBunber: 
war  er  boeb  ein  angenehmer,  frifeber  3ungc,  bö^*fcb  ^nn  ©efiebt 
unb  wohlgebaut  bon  ©liebem,  im  ßouf  unb  Xanj,  im  9>lingen 
unb  ©ebwimmen,  ^feiten  unb  ßanjenrennen  ber  erfte  unter  feinen 


1)  ^ie  Cuellen  für  ben  (Segenfionb  btefei  ftapiielS  finbet  man 

in  ®Ming’§  Ausgabe  bon  i^uttrn’l  St^riften  I,  S.  39 — 101.  III,  ©.  401— 412. 
IV,  6.  1—83. 


80 


I.  99u(!^.  5.  Aa^tiel. 


©enoffen,  ftetS  loo^l  oufgclcßt,  fclbft  unter  ernften  ©efe^äften. 
@in  junger  fRittcr  biefer  3lrt  war  für  einen  jungen  leben^luftigcn 
gürften  inic  ©erjog  Ulrid}  ein  gunb:  er  mochte  i^n  ju  feinem 
0tallmeiftcr;  in  SSalb  unb  gelb,  U)ie  bo^cim  bei  ^irunf  unb 
©picl,  ^attc  er  i^n  an  feiner  0eite;  halb  tnaren  pe  un^ertrenn^ 
lic^e  ©efeßen.  Slber  fie  famen  fic^  aü^una^e,  unb  berührten  pc^ 
in  einem  fünfte,  mo  \>a^  gefö^rlic^  ift. 

©lücf  bciS  jungen  granfen  fd^ien  noßenbö  gemacht,  mic 
er  bie  fd)önc  Urfula  X^umbin  alö  (S^egemo^l  ^cimfül)rtc.  3§r 
öater,  ^onrab  Xl)umb  uon  fyteuburg,  mar  ber  erfte  3J2ann  am 
mürtcmbergifd^cn  $üfe:  für  il)ii  ^attc  §er^og  Ulrich  baö  ©rbmar* 
fc^aßamt  gegrünbet,  i^m  erft  ju  (Stuttgart  ein  §au3,  bann  au« 
feinen  pfäljifc^en  ©roberungen  ba«  S^lop  Stettenfcl«  mit  bem 
Xorfc  ©ruppenbacb  uertiel)en.  Oalt  ber  3^ater  beim  ^erjog  Diel, 
fo  mar  biefem  aud)  bie  Xod^ter  nic^t  gleichgültig.  S^on  al« 
junger  Sß^enfeh  mar  er  oft  in  ba«  $au«  gemanbelt,  ba«  er  feinem 
äl'^arfchalf  gefchenft,  unb  fich  befonber«  gern  im  grauen* 

^immer  aufgchaltcn,  mo  er  mit  ber  Xochicr  feine  Scherbe  trieb. 
5luch  nach  feiner  Serheirathung  h^tte  er  biefe  ^efudje  um  fo 
meniger  eingefteßt,  je  meniger  feine  ftol^c  unb  5onfifche  Sabine, 
ihm  oon  ber  ^olitif  al«  ©cmahlin  aufgebröngt,  thun  mochte  ober 
aud)  tonnte,  feine  Steigung  ju  gemiuneu.  ßiun  aber  mar  bie 
reijenbe  Xhumbin  (1514,  brei  3al)re  nad)  be«  ^erj^og«  öermäh^ 
lung)  bie  grau  feine«  Staßmeifter«  gemorben.  S)a«  junge  @hc* 
paar  führte  noch  feine  eigene  SSirthfehaft,  fonbern  mohute  Oorerft 
im  ©aiife  ber  Schmiegcrcltern,  moi)in  ber  ^erjog  noch  immer 
feinen  SBanbel  behielt.  X)a«  mar  nun  aber  hoch  bebenflich.  Xer 
$erjog  mürbe  jubringlich ; ber  junge  ©h^mann  machte  ihm  S5or* 
fteßungen:  unb  nun  oergap  fich  ber  leibenfchaftliche  gürft  fo 
meit,  bap  er  feinem  Stoßmeifter  ju  güpeu  pel  unb  ihn  mit  au«* 
gefpannten  Trinen  um  ^otte«  mißen  bat,  ^u  geftatten,  bap  er 
feine  eheliche  ^au«frau  lieb  hö^>cn  möge,  beim  er  tönn',  moU’ 
unb  mög’«  nicht  laffen. 

Sßie  fehmer  oer^eiht  ein  gürft  bemjenigen,  oor  bem  er  pch 
gebemüthigt  hot,  um  fo  fchmerer,  menn  an  ber  Xemüthigung  ber 
Stachel  be«  Lächerlichen  hoftet.  Sßa«  hulf  c«,  pch  oon  bem  Xiener 
Stißfehmeigen  über  biefe  Scene  oerfpredjen  ju  laffen:  halb  mar 
. ©eheimnip,  unb  ber  $erjog 


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Cnnorbunfl  i^an§  bur^l  öen  ^frjog  81 

fa^  ftc^  bem  0pottc  blog^cftcllt.  ©incrfcit^  fonntc  man  bcm 
jungen  §utten  nic^t  ncrargen,  menit  er  uoit  bem  SßorgcfaHenen 
ba  uub  bort^in  3J^ittf)cilung  machte.  3^n  feiner  bcbcnflic^cn  Sage 
brauchte  er  guten  Statt).  Um  ben  maiibtc  er  fic^  au  (einen  er^ 
fa^renen  ®ater.  ^er  meinte,  ba^  0ic§erfte  märe,  ber  ©o^n  fagte 
feinen  ^ienft  auf,  ritte  t)eim,  unb  liege  fic^  bic  grau  bann  bureg 
ben  ©c^miegerüatcr  nac^fc^iefen.  greilid^  mürbe  baö  niel  Stacks 
rebe  geben.  ®in  Stuömeg  märe,  menn  igm  fein  0c^mä()er  ein 
21mt  fern  öom  §ofe  auömirfcn  fönnte,  mo  bann  ju  goffen  märe, 
bag  eö  bcm  $crjog  „auSfegmi^en"  mürbe.  Uracl)  freilieg,  mogin 
ign  biefer  aU  Dbcruogt  gatte  fc|cn  mollcn,  mar  aU  galbe  Stefibenj 
ju  jenem  ßweefe  untauglicg,  unb  bager  au^  üon  igm  aui^gefcglagcn 
morben.  Söägrenb  ber  junge  Jütten  naeg  bcm  fRatge  feinet 
©egmägerö,  ber  einen  33rucg  511  nermeiben  münfegte,  noeg  jnj^us 
märten  öor^og,  mic  ber  ^jerjog  fieg  ferner  galten  mürbe,  fam  e§ 
;^u  Sluftritten.  §anö  gatte,  mie  feine  gamilic  naegger  fclbft  5U= 
geftanb,  non  ber  ©aege,  auger  mit  ©ater  unb  ©egmiegernater, 
noeg  mit  ©erjog  Ulricg'ö  0cgmager,  bem  ^erjog  §cinricg  non 
^^raunfegmeig,  mit  bcm  jener  niegt  jum  beften  ftanb,  ferner  mit 
5Jrübern,  33cttcrn  unb  greunben  gefprod)cn.  Ueber  folcgcn  SScr* 
ratg,  mic  eö  igm  erfegien,  ftelltc  ber  §crjog  ben  Wiener  ^ur  9tcbc, 
unb  fpraeg  uon  igm  bei  gürften  unb  Herren,  @bcln  unb  Unebcln 
al5  non  einem  treulofen,  nerrätgerifegen  glcifcgböfcmicgt,  ber, 
menfcglicg  ,^n  reben,  fo  übel  an  igm  gefagren  als  Subaö  an 
unfenn  |>errn  ®ott.  9tun  fanb  §anö  |)utten  boeg  gcratgen, 
ben  ^erjog  um  feinen  Urlaub  j\u  bitten;  aber  biefer  gcmägrte 
benfclbcn  niegt:  mürbe  boeg  .gand  ogne 
fortgenommen  gaben,  unb  überbieg  gatte  er  fieg  geäugert,  menn 
er  in  Ungnaben  megfäme,  motic  er  Urfaeg  fagen,  bag  ber  ©er^og 
feincä  gürften  unb  @gren  mertg  fei.  gc^t  fegiefte  ber  SSatcr 
Jütten  feinen  älteften  ©ogn  Submig  jum  $er^og  mit  ber  Sitte, 
ben  Sruber  ju  einer  gamilicnbefprecl)ung  naeg  grauten  reiten  511 
taffen.  2)cr  |)erjog  fagte  niegt  ga  unb  niegt  9^ein;  na(^  ber 
Segauptung  ber  §uttcn'fegcn  gätte  er  §an^  bureg  münbliegc  unb 
fcgriftliege  (Sintabnngen  jum  Slciben  fieger  gemaegt;  bag  er  am 
?lbcnb  üor  ber  fegreefliegen  Xgat  ign  noeg  bei  Xifege  gegabt,  ift 
nur  t)on  ber  gcmögnlicgcn  ^oftafel  ^n  oerftegen. 

?luf  ben  folgcnben  Xag,  ben  7.  9Rai,  mar  ein  9flitt  naeg 
VII.  6 


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I.  5.  j^apitel. 


6^ 

S3öDüngen  angcfejt:  unb  ^iev  6ef)auptcn  bic  ^utten’fd^cn , Ulrtc^ 
l^abc  $Qitö  in  gnäbigcm  0d)cin  mitrciten  l)cigen,  ba  tt)oHc  er  mit 
i^m  megcn  feinet  ferneren  33  leibend  t)anbeln  unb  i^m  bann  jum 
Sefud^e  bei  feinem  93ater  Urlaub  ejeben;  mät)renb  ber  ^erjog  im 
d^eflentljeil  behauptet,  §an5  fei,  üon  i^m  unaufgeforbert  unb  oon 
Slnberen  gemarnt,  im  unb  ^od)  mitgeritten.  Se^tere 
^at  um  fo  meniger  2öat)rfd)einlid)teit,  ba  er  o^ne  ©ornifc^  unb 
o^ne  anberc  SSe^r  alö  einen  ®egcn,  „auf  einem  Ueinen  unad^t- 
baren  ^ferbiin"  erfc^ien,  mä^renb  ber  ^erjog  ge^anjert  unb 
fonft  molf)lgerüftet  mar.  Untermeg^  fc^idte  biefer  bie  33eglciter 
uorauö,  ^ieß  bann,  aU  fie  in  einen  SBalb  gefommen  maren,  aud) 
feinen  5)iener  jjurücfbleiben,  unb  menbete  fid)  nun  gegen  ben  e^e^ 
maligen  ßiebling,  ber  jefet  ber  ©egenftanb  feinet  grimmigften 
^affeö  mar.  Ob  er  biefen  ^ier,  mic  bie  ^utten’fc^en  i^n  befd^ul^ 
bigen,  mit  9?o6,  §arnifd)  unb  Oemcl)r  „überrifc^t"  unb  unge* 
marnt  angegriffen  ^abe,  ober,  mie  er  felbft  ucrfid)ert,  il^n  juuor 
angefd^rien,  fidb  feinet  ßeibeö  unb  Sebenö  ju  meieren,  mad^t  bei 
bem  SSort^eil,  ben  bie  uoUftänbige  Stüftung  bem  §er^og  über 
feinen  faft  mel)rlofen  Gegner  gab,  nur  einen  geringen  Untcrfc^ieb. 
(Sin  orbentlic^cr  '^^r  eö  auf  feinen  gall;  auc§  mic§ 

ber  3(ngegriffene  jurüdf  (fein  $ut  mürbe  nachher  entfernt  Uon 
bem  Seic^nam  aufgefunben),  unb  üon  ben  7 SBunben,  unter  benen 
er  fiel,  maren  i^m  5 non  f)inten  beigebrad)t.  5)em  9Jtorbe  fügte 
ber  ^erjog  noc^  eine  ©d)mad)  bei.  @r  fc^long  bem  Xobten  einen 
(SJürtel  um  ben  $alö,  unb  befeftigte  benfelbcn  an  einen  ^l)egen, 
ben  er  ju  feinen  Raupten  in  ben  33übcn  ftieg.  ^aö  füllte  baö 
Rängen  bebeuten,  bag  ber  ©ntfeeltc  burd)  feine  Öubenftücfe  Der? 
bient  ^abe.  2)a^  fürftlic^e  Sagbgefolgc  fanb  ben  ficidjimm;  ber 
$^i^5og  ^einric^  üon  58raunfd)meig  ^ob  if)n  auf,  mahnte  ben 
33ruber  be^  ®rfd^lagenen  5u  fd()leuniger  ^eimfel^r,  unb  forgte  für 
bag  Segräbnig.  ®ie  3lnge^örigen  münfdjten  ^ernadj,  ben  Seic^* 
nam  auögraben  unb  in  ber  gamiliengruft  belferen  ju  bürfen: 
ber  ^erjog  üermeigertc  e^. 

33on  folc^em  0c^lage  betroffen,  füllten  fic^  bie  .^utten’fc^en 
a(§  5^imilie  unb  alö  3lngef)örige  eineö  mäd^tigen  0tanbeö.  (Sin 
gürft  ()atte  einen  üom  3lbel  ermorbet  unb  befebimpft:  boranent* 
^ünbete  fid)  ber  ganje  ©roll,  ber  feit  bem  bro^enben  Slnmad^fe 
ber  gürftenmac^t  in  ber  fRitterfc^aft  foc^tc.  ^Id^tje^n  ©rafen  unb 


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UInc^.$'utlen’§  STroftbrirf  unb  ^rouftgebid^t.  83 

@blc,  bic  in  bc^  ^crjogg  2)ienftcn  ftonbcn,  foqtcn  il^m  bicfe  auf. 
ÜKon  fc^IuQ  an  baö  0c^ttjcrt  unb  griff  geben  j^ur  (extern 
uor  S(Ucn  Ulrich  §utten,  bon,  neben  bem  gamilicn*  unb  0tan- 
be^intcreffe,  jugleid)  bie  fc^önc  Gelegenheit  rei5te,  fid)  fchriftfteüe^ 
rifch  hcTUorjuthun.  ^)ie  gamilie  hielt  alöbalb  eine 
funft;  bei  ber  aber  Ulrich,  uicUeicht  um  feine  Siabecur  nicht  j^u 
unterbrechen,  nidht  erfchien.  2)agegen  uerfagte  er,  möglicherrneife 
noch  @mö,  ein  Xrauergebicht  über  ben  iönimerlichcn  Untergang 
feinet  Sertuanbten,  unb  oon  ÜJ^ainj  au$  erlieg  er  fobann,  unter 
bem  29.  Suni,  ein  Xroftfehreiben  an  ben  Satcr  bcö  (Srmorbeten  •). 

^eibe  Slrbeitcn  fönnen  mir  i^mei  ^robcftücfc  nennen,  mit 
mcl^n  §utten  feinen  humaniftif^en  ßurfuö  cum  laude  abfol^ 
üirte.  3ciflt  baö  eine,  bag  er  feinen  Siccro,  ©cneca  unb  ^lutarch, 
ben  Xroftbrief  beö  ©eroiusS  <SuIpiciu§  an  ben  Grfteren  mit  ein- 
gcfchloffcn,  fi(h  grünblid)  eingeprägt  hatte:  fo  befunbet  baö  anbere 
ein  cbenfo  Uertrauteö  0tubium  bcö  ^iegter^,  mclcher  ben  früh 
ba()ingcrafften  2)apl)niö  unb  3J^arceüuö  befang.  ^Dcm  alten  IRitter 
£ubmig  trögt  ber  junge  lateinifchc  Sßetter  in  einer  Sprache,  bic 
ber  Sllte  nid)t  oerftanb,  eine  fRcihe  üon  Xroftgrnnben  oor,  bic 
jum  Xhcil  mahr  unb  natürlid),  j^um  Xl)cil  aber  auch  fchulmägig 
unb  froftig  finb.  ®ag  er  burch  biefen  ^obcöfall  nicht  uerein» 
famt  fei,  ba  er  noch  otehr  blühenbe  Äinber  um  fich  habe,  barauf 
mochte  ber  ®ater  mit  iSrfotg  h^aö^^'aiefen  merben:  mogeden  bic 
claffifchc  Erinnerung,  einen  Sterblichen  gezeugt  ju  haben,  bic 
grage,  ob  er  benn  jeht  fchlimmcr  baran  fei  ald  oor  ber  Geburt 
biefc^  Söhnet,  mo  er  fidh  ja  auch  ai^t  gegrämt  habe?  toenig 
bei  ihm  oerfangen  haben  mag.  SBon  ben  Jöcifpiclcn  cincg  ^riamuö 
unb  2(ntigonUig,  ^ßerifleö  unb  Xenophon,  2lemiliuö  $aulu^  unb 
Q.  9Jiarciuö  lenlt  ber  3^roftrebncr  benn  hoch  noch  jeitig  auf  ben 
näher  licgenben  93organg  bc^  Äaifer^  3)^05  bei  bem  Xobe  feinet 
einzigen  Söhnet  ^h^iipp  ein.  Uebereinftimmenb  mit  biefer  Spanier 
ift  auch  ^er  religiöfc  Stanbpunlt  beö  33ricfftcllerd  ber  heibnifche. 
®ag  bic  Seelen  na^  bem  Xobe  fortbauern,  müffen  mir  jmar  aU 


1)  Ulrichi  de  Hutten  eq.  Germ,  in  miserabilem  Joannis  Hutteni 
gentilia  sui  interitum  deploratio.  ©d^riften  III,  ©.401 — 412,  unb  Ulrichi 
de  Hutten  etc.  ad  Ludovichum  de  Hutten  eq.  auratum  super  interemp- 
tione  filii  consolatoria.  ©t()riften  I,  46—62. 


64 


I.  6. 


(5f)riftcn  glauben:  lücun  fie  aber  aud^  ju  ©runbe  flinöcn,  wäre 
ber  iob  bo^  fein  Üebel,  ba  er  mit  ber  (gmpfinbung  auc^  alfem 
ßeiben  ein  @nbe  mod^c.  Unb  nur  bicfcö  ßefetere  wirb  bann 
weiter  auöc^efü^rt.  0d;luffe  wirb  ber  gebeugte  5Ute  ju  feiner 
Slufridbtung  oud)  nuc§  auf  bie  ftarfc  bewaffnete  $ülfe  ^ingcwic- 
fen,  bie  uon  ©eiten  feiner  ©tanbe^genoffen  ju  feiner  SSerfügung 
ftebe:  obwohl  bei  ber  befannten  ©credjtigfeitöliebc  beö  ÄaifcriS 
nic^t  ju  fürchten  fei,  ba^  fie  uötbig  b^ben  werben,  ficb  fclbft  mit 
gewoffneter  ^anb  ©enugtbuung  5U  nehmen. 

@inc  ähnliche  öcwanbtniß  wie  mit  bem  Xroftfehreiben  h^t 
e^  au^  mit  bem  Xraucrgebidjt.  Sfteben  ©emeinplähen  unb  fRe^ 
minifeenjen  enthält  eö  monche  fdjöne,  empfunbene  ©teile.  SBäh' 
renb  ber  SUtörber  ober  bod)  feine  ?lmme  herfömmlich  cm  hh^^oni* 
fchen  Tigerinnen  gefougt  h^t,  oon  ©chlangen  er5eugt  unb  üon 
Seifen  geboren  ift  u.  f.  f.,  wirb  bie  Trauer  ber  jungen  grau  um 
ben  entriffenen  (SJatten  in  S^ilbcrn  unb  SBorten  bcfchrieben,  bic 
wahrhaft  rührenb  finb.  Sludh  hier  werben  alle  granfen  aufge- 
forbert,  eine  Unthat,  bic  fcineöwegö  bloö  bie  Jütten  angehe,  mit 
ben  SBaffen  ju  rächen:  eher  werbe  bie  ©ccle  beö  ©rmorbeten 
feine  fRuhe  haben,  alö  biö  feinen  Grabhügel  ba^  ölut  feinet 
SIRörberS  benehc. 

T)aö  93ebürfni6  ber  ©uttcn’fchen  gamilic,  jeht  für  @incn 
SRann  ju  ftehen,  unb  bie  befonbere  Sörauchbarfeit  Ulridj%  wo 
cö  neben  unb  oor  bem  ©d)werte  ber  geber  beburfte,  fcheint  jefet 
auch  feinen  SSater  oollenbö  umgeftimmt  ju  h^ben.  gm  guli 
reitet  Ulrich  in  ber  ^eimath  umher,  um  für  feinen  Eilten  ©chul* 
ben  ein^utreiben.  SBährenb  biefer  Splitte  aber,  unb  bann  auf  ber 
oäterlichen  ^urg,  oerfagte  er  feine  erfte  Siebe  gegen  ben  ^jerjog 
oon  SBürtemberg.  ©benbamal^  hatten  bie  ^utten'fchen  an  ben 
würtembergifchen  Sanbtag,  ber  gerabe  beifammen  war,  ein  ©chrci* 
ben  erlaffen,  worin  fie  biefen  erfudjten,  bie  ^onblung  ihres  ^er* 
gogS  gu  beftrafen,  fonft  würben  fie  fich  genöthigt  fehen,  bie  ©achc 
überaü  auSgubreiten  unb  jebcrmönniglich  um  ©eiftanb  angurufen. 
Tiefem  ©efuche  nöthigenfallS  gewaltfamen  SRadhbruef  gu  geben, 
hatten  fie  eine  abermalige  ßnfammenfunft  ber  gamilie  in  ihren 
Oerfchicbenen  ßweigen  nach  ©peier,  SBinbSheim,  griebberg  unb 
Slnfpadh  auSgefdjricben.  Db  Ulridh  babei  erfdjien,  wiffen  wir 
nicht;  cbenfo  wenig,  welchen  Slntljeil  er  an  ber  Slbfaffung  bcS 


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^utten’S  erpf  9?rbc  toibcr  ^erjoß  Ulrid^.  85 

*# 

?tudfc^rci6cnö  Siubtüig  $iitten'§  in  ba§  fRctd^,  baöjtnar  erft  fpätcr 
auii^cgcbcn,  boc^  um  bicfc  gcit  cntftanbcn  ift,  gehabt  ^abcn  mog. 
@cmi6  ift  nur  fo  üici,  bag  feine  erftc  9tcbe  gegen  ben  ©erjog 
nur  eine  rebnerifcf)e  3lu!?fü^rung  biefeö  Slctcnftürfeö  ift.  Snöbc* 
fonbere  ift  bie  i)arftellung  beö  ©cfc^ic^tlic^en,  bcö  Serf)ältniffeö 
,^mifc^cn  bem  ^cr^og  unb  §anö  J^utten,  in  beiben  0d^riften  bic 
gleiche. 

SJtan  ermattete,  bag  J^er,^og  Ulrich  üom  i^aifer  öor  @crid^t 
getaben  merben  mürbe,  unb  fo  componirte  nun  §utten  feine  IRebc 
fo,  mie  menn  er  oor  Äaifer  unb  9^eicf)  atö  5^läger  gegen  bcu  ^ers 
jog  auftreten  mollte.  @r  entfd^ulbigte  bei  einem  ber  greunbe, 
an  bic  er  fpätcr  ?lbfct)riftcn  ucrfd)i(fte,  bic  UnooHfommen^cit  feiner 
9lrbcit  bamit,  baß  er  fieß  im  gaeße  ber  ^Infiagcrcbcn  früher  nie 
geübt,  unb  nun  überbieß  oßnc  93ücßer  unb  oßnc  bie  gehörige 
fRußc  ßabc  arbeiten  müffen:  allein  baß  er  bie  ßatilinarien  unb 
3Serrincn  unb  ^^ilippifcn  grünblicß  ftubirt,  in  ®aft  unb  !ölut 
Oermanbclt  ßatte,  geigt  biefe  mie  bic  folgenbcn  fRebcn  über  ben^ 
felbcn  ©egenftanb  gur  ©cnüge.  9tcin,  um  Slnflagcrcbcn  gu  feßrei* 
ben,  brauchte  §uttcn  feine  S3üdjer.  SBcmi  er  Xroftbriefe,  Xrauer^ 
gebießte  Oerfaßte,  mar  er  nießt  in  feinem  gelbe  unb  arbeitete  nur 
fcßulmäßig:  bei  ber  gnoectioe  ßalf  il)m  ber  cigenftc  ÖJeniu^,  unb 
er  lieferte  SBcrfc,  bic  fieß  ben  Ißorbilbcrn,  beren  9ftad}al)mung  fie 
nid)t  ocrläugnen,  guglcid)  ebenbürtig  gur  ©eite  ftcllcn.  fRcinßcit 
ber  ©prac^c  unb  ber  rcbncrifc^en  Äunftform  ßat  natürlich  ber 
S^ömer  Ooraug:  aber  @eift  unb  fRebcfüllc,  bic  @abe,  alle  Um- 
ftänbe  ßcß  gu  SRupe  gu  machen,  ben  geinb  gu  feßlagen,  nieber* 
gufeßmettern,  ben  ^örcr  (ober  ßefer)  gu  rüßren  unb  fortgureißen, 
ßat  Ulrieß  oon  Jütten  gegen  ben  mürtembergifdjen  $ergog  ni^t 
minber  al^  ßiccro  gegen  (jatilina  unb  G^lobiud  bemiefen. 

SEÖir  fönnen  nod)  genau  beobad)ten,  mie  fieß  baö  Xßema  in 
§utten’g  ®ciftc  allmäßlig  entmidclt  ßat.  ©cßon  in  bem  früßeften 
isöriefc,  ben  er  in  ber  ©aeße  feßrieb,  an  ben  maingcr  ^)omßerrn 
3Karquarb  oon  ^atftein,  burd)  mclcßcn  er  bic  erftc  ^taeßrießt  oon 
bem  35orfall  crßaltcn  ßattc,  finb  alle  §auptpunftc  feiner  fpätern 
^arftcllung,  bod)  noeß  in  cmbrßonif^cm  cntßalten. 

®erbrcd)cn  neu,  uiicrßört,  geßäuft;  ber  ©rmorbctc  unfeßuU 
big,  3)tuftcr  jeber  Xugenb:  mirb  irgenb  eine  fRacßc  genügen?  mer^ 
ben  nid)t  bie  Jütten  aHe,  nidjt  fämmtlicße  fränfifeße  Witter,  ja 


86 


I.  $u4).  5.  j^apitcl. 

• 

ber  cjaitjic  bcutfc^c  ?lbd,  flcgeu  bcn  9Jiörbcr  fid)  ergeben?  Unb 
loaig  treibt  biefer  jebtV  bereut  er,  ober  nid)t?  SEÖa^  enblid)  ift 
Dom  Äaifer  ju  boffeu?  tuirb  er  ftrafeu?  tuirb  er  fd)onen?  ®ieß, 
neben  bem  33ebauern  mit  bem  uncjlüdlicben  SSoter,  morin  baö 
Xrauerj^ebiebt  unb  ber  Xroftbrief  feinten,  ift  fd)on  in  jenem  erften 
0(^reibcn  in  tür^efter  gorm  enthalten,  ©ntmicfelter  erfebeint  ber^ 
felbc  Snbalt  hierauf  in  bem  ©riefe  an  3afob  §ier  finben 

fid)  febon  bie  ©runbjügc  ber  öJcfcbicbtöerjählung ; baö  ^treiben 
beö  ©erbreeberö,  baö  ©erhalten  beö  ilaiferö,  bie  öffentliche  0tims 
munfl,  bie  ßiebenörnürbic^feit  bcö  gefallenen,  bie  ©erbienfte  feinet 
©aterö  um  ben  |)erjog  finb  fchon  rebnerifeber  auögeführt:  ci  be* 
barf  nur  noch  eineö  ©d)rittei^,  fo  finb  mir  in  ber 

(Srften  fRebe').  SRacb  einem  etmaö  fpiclenben  ©inejange 
über  baö  ÜJdßüerhältniS  jebe^  ^liiiSbrud^  511  bem  ©erbrechen,  baö 
ben  ©egenftanb  feiner  fRebe  bilben  fülle,  nimmt  .^utteu  erft  bie 
Xl)cilnahmc  ber  fRidjter  in  ?lufprucb,  inbem  er  ihnen  ben  greifen 
©ater,  bie  trauernben  ©rüber,  bie  jammernbe  ©djmefter,  bie 
üerlaffcnc  ©attin  beö  ©emorbeten,  hinter  ihnen  bie  ganje  ^ut^ 
ten'fche  ©ermanbtfd)aft,  bie  gefammte  fränfifebe  fRitterfdjaft  alö 
gegenmörtig  üor  Slugen  ftcUt.  ©egenfa^c  ba^u  malt  er  fo^ 
bann,  gleicbfallö  mie  menn  er  anmefenb  märe,  ben  ©erbreeber, 
an  beffen  §änben  unb  ©efidjte  man  nod)  bag  unfcbulbigc  ©lut 
feinet  @d)lacbtopfcrd  ju  bemerfen  glaube,  aug  beffen  jefet  noch 
milben  unb  fd)redlicben  5)iienen  abäunchmen  fei,  mie  gräulid), 
mie  gar  feinem  SUienfeben  mehr  äbnlicb  er  bei  ©erübung  ber 
Xhnt  felbft  aib^gefchcn  hnben  möge.  3a,  bie  3:bot,  über  melcbe 
hier  gerid)tet  merben  foUe,  fei  bie  fd)redlid)fte,  granfamftc,  un* 
menfcblid)fte,  bie,  feit  eö  SJienfcben  gebe,  üevübt  morben ; ber  ^In* 
* geflagte  unter  allen,  melcbe  bie  ©rbc  trage,  ber  üermorfenftc,  ab^ 
febeuliebfte,  büöhafteftc ; fein  ©erbrechen  ein  Inbegriff  aller  ©er* 
brechen,  mit  feinem  Flamen  üoHftänbig  unb  erfcböpfenb  ju  bejeiebnen. 

©üfort  mirb  jur  ©efcbid)töer,^ählnng  übergegangen,  ^a^ 
frcunblid)c  ©erhältnifj  beö  alten  Submig  §utten  ju  ©er^og  Ulrich; 
bie  2lufopferung,  meldje  barin  lag,  bag  er  ihm  feinen  liebfteu 
@ül)n  überließ;  beffen  ©Sühlberhnlten  unb  treue  ^ienftc,  üom 


1)  ülrichi  de  Hutten  eq.  Germ,  in  Ulrichum  VVirtenpergensem 
oratio  prima,  bcn  folgenbcn  Sieben  im  IV.  ®anbe  ber  Schriften  a.  a.  0. 


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CSrfic  Siebe  ttiber  Ulrid^. 


87 


$cr^o(^  felbft  ancrfonnt;  bie  SScrtraulid^fcit  jhjifc^en  bcibcn;  bic 
»eiteren  33crbinblid)feitcn,  »cldje  ^anfeirö  Später  bem  ©ersog 
nuferleflt ; baö  SSertvauen,  tDeld)C)J  er  auc^  barin  5eigt,  baß  er  bem 
So^u  erlaubt,  aud  besJ  |)cr,^oö!S  ßanbe  unb  §ofe  ein  SBeib  ju 
nehmen.  §icr  l)at  nun  aber  bic  ©jpofition  eine  feltfamc  ßücfc. 

ber  ^erjog  mit  biefer  grau  ein  SScrbältnig  gehabt  ober  ge^ 
fuc^t,  unb  hieran  baö  gute  3Scrne^men  ^»ifc^cn  §cvrn  unb  Wiener 
fic^  .^erftogen  ^abc,  baoon  »irb  fein  SBort  gefügt,  ^iefclbc  ßücfc 
pnben  mir  in  bem  5luöfd)rcibcn  ßubmig  ^utten’ö.  mochte 
im  3ntcreffe  ber  grau,  beren  @ad)c  bic  §uttcn'fd)cn  bamalö  nod) 
nic^t  non  ber  if)rigen  trennten,  gcratl)cner  fc^cinen,  uon  biefem 
fi^lid}cn  fünfte  lieber  ^u  fc^meigen.  greilid)  »irb  of)nc  benfeU 
ben  aClci^  golgenbe  uncrflärlic^.  ®cr  IRcbner  »ic  ber  SBcrfaffcr 
bc!^  ^u^fc^rcibenö  mochten  fic^  auf  bic  allgemeine  ÄÜunbc  Ucrlaffcn, 
üud  mcldjcr  §örcr  ober  ßefer  fic^  bic  ßücfe  auöfüllcn  fonnten. 
'ilud)  je^t,  cö  meitcr,  ()abe  ber  ^cr^og  ben  jungen  Jütten 
feine  Ungnabc  (morüber?)  merfen  laffen.  SlU  biefem  auf  bed 
®atcrö  Einberufung  ber  Urlaub  oermcigert  loorbcn,  ^aben  c4  bic  * 
©einigen  aU  ein  3^*^fiflwng  genommen,  oU  ob  fic^ 

ber  ^erjog  nic^t  oon  i^m  trennen  tönntc.  3lud)  ßubtoig  .^utten 
erlaubt  fi^  in  bem  $luöfdjrcibcn  biefen  gcfci^id)t^»ibrigcn  3^*9; 
»ä^renb  er  fpäter  fclbft  befannte,  bag  banmlö  löngft  j»ifd)en 
il)m  unb  feinem  ©oljnc  über  beö  §crjogö  bcbrol)lic^e  ßcibcnfd)aft 
Briefe  gcmcc^fclt  »aren.  3m  3wf‘i*^^nicnl)angc  bamit  »erben  »ir 
oud}  üon  ben  fo  Icbljaft  au^gemalten  3^^9^n,  tuic  ber  ©erjog  fic^ 
gcftellt  bobe,  alö  »oUte  er  §anö  mit  feinem  33rubcr  bcim5iebcn 
laffen,  nur  fülle  er  oorl)cr  nod)  ein  ©tücf  S53cg§  mit  il)m  reiten, 
aud)  möge  er  nur  ol)uc  SBaffen  fommen,  cä  gc^c  ja  liiert  »eit 
unb  ber  9Bcg  fei  ficber  u.  f.  f.,  auch  oon  biefen  Sügen  »erben 
»ir  nur  fo  oicl  aU  tl)atfäd)licb  fcftbaltcn  bürfen,  bag  in  beö 
^erjog^  öenebmen  nid)tö  lag,  »aö  §anfen'ö  33eforgni§  erregt 
hätte.  ®aoon  abgefeben  aber  unb  alo  rl)etorifcbcö  Äunft»erf  be* 
trachtet,  ift  bic  3)arftellung,  »ie  ber  ^erjog  ben  unglücflicbcn 
3üngling  bureb  frcunblicbe  9icbc  fid)cr  unb  »ebrlojg  mad)t,  »äb^ 
renb  er  fclbft  ficb  inögebeim  »affnet;  »ic  er  bann  braugen  erft 
bie  Begleiter  einen  nach  bem  anbern  fortfebieft,  hierauf,  einen 
0rt  für  fein  Sßcrbrcdjcn  fud)cnb,  freu^^  unb  quer  burch  bic  gelber 
reitet,  enblid)  ben  »ilben  Söalb  jum  fiebern  ajiorbfcbauplabc  au^^ 


88 


I.  %u(^.  6.  j^apitcl. 


erficht;  ^ier  fic^  üon  feinem  Wiener  ©attelcjurt,  ©poren  unb 
3oum  fefter  fd}nallen  lägt,  mä^renb  fein  auiSerlefeneiS  ©c^lac^t« 
Opfer  baS  fRog  be^  ®iencrö  ()alten,  mithin  5U  feinem  eigenen 
üRorbc  Reifen  muß;  bann  ber  SDiorbangriff,  ber  ungleiche  Äampf, 
bic  3Ki6l)anblungen  bc^  tobten  5^orper£J ; {^ule|t  nac^  bem  SD^orbc 
ber  graufen^aftc  ^(nblicf  beg  mic  Oon  gurien  gejagten  Sßerbro 
c^erö,  baö  ©taunen  ber  Seute  feineiS  ©efolgc^,  alö  er  fic^  mieber 
ihnen  finbet,  bi§  enblich  ba^S  tebige  blutbefpri^te  $ferb  beä 
©emorbeten  ihnen  bag  fRäthfel  fchrccflid)  löft:  biefe  5)arfteHung 
ift  burch  §lnfd^aulid^feit  unb  ergreifenbe  (bemalt  ein  äJceifterftücf 
ber  fRebefunft. 

^emnächft  beginnt  ber  j^toeite  2;heil  ber  8tebe,  beffen  2lufs 
gäbe  ift,  auf  ben  @runb  beg  bargetegteu  Xhatbeftanbeg  bie  iRid)ter 
jur  SSerurtheilung  beg  ?tngeflagten  ^u  bemegen.  ®ag  augge* 
5eid)uetc  SSerbrecheu  forbert  eine  auggejeichnete  ©träfe : ßeben  um 
Sebeu;  unb  ba  bag  fRedjt  für  SlUe  gleid)  feiu  muß,  fo  barf  oon 
feiner  Slugnahme,  feinem  ©tanbegoorred)te  bic  fRebe  fein.  S^tcbcu 
bem  fRed)te  aber  fommt  nod)  bag  (^cineimoohl  in  betracht.  ?luch 
auger  unb  Uor  biefer  Unthat  h^it  fid)  ^^erjog  Ulrich  uon  SBür* 
temberg  alg  einen  gemeinfchäblichcu  ^Regenten  enoiefen;  h^^l 
neulid)  burdj  feine  öcrfchnjcnbung  einen  S^olfgaufftanb  (beg  armen 
iionrab)  henjorgerufen  unb  bann  mit  ©raufamfeit  unterbrüeft: 
bic  brauen  ©djmaben  uerbienen,  uon  einem  folchcn  SSJütherid)  bc* 
freit  511  merben.  ©ingc  ihm  nun  uollcnbg  feine  Xhat  an  §ang 
glitten  ftraflog  hin.  fn  tuörc  cg  um  Drbnung  unb  ©itte  im 
^eid)c,  um  ben  guten  S^amen  ber  beutfehen  3^ation  im  Sluglanbc 
gefchchen.  SBer  fo  ctmag  gethan  h^t,  uon  bem  ift,  toofern  er 
nid)t  unfd)äblich  gcmad)t  mirb,  fortan  alleg  ©chlimmftc  ju  bc= 
fürd)tcn.  Unb  hifi^  ergeht  fich  nun  ber  SRcbncr  in  argen  ©hper^ 
bclu  gegen  feinen  geinb.  @r  fonntc  ihn  fdjmar^  genug  matten, 
auch  njcnn  er  bei  ber  ^orträtähnlidjfeit  blieb,  unb  einmal  nimmt 
er  5U  fold)cr  ©hnraftcriftif  einen  ganj  guten  3lnlauf.  SBcnn  er 
uon  ©er^og  Ulrid)  fagt,  bcrfelbc  hübe  bic  Seibcufchaft  jur  gührevin 
feineg  ßebeng  gcmählt ; ftctg  höbe  bei  ihm  bie  Söernunft  ber  33c^ 
gierbe  meichen  müffen ; meber  in  SBorten  nod)  in  SBcrfcn  hübe  er 
je  ein  aRittclmaß  cingchaltcn;  mo  er  ctmag  angegriffen  hübe,  fei 
er  entmeber  ju  mcit  gegangen,  ober  auf  hnlbcm  SBcgc  ftehen  ge* 
blieben;  nie  hübe  er  feine  ©djtuäche,  nie  bic  33eränberlid)fcit  beg 


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ßrfle  SRcbe  toiber  lUrid^. 


89 


bcbac^t,  nie  fic^  ratzen  laffen;  feine  g^inbe  t)aOc  er 
(gering  angcfc^logcn,  feine  greunbe  umgebrad)t:  mit  biefen  äugen 
mor  ber  ^er^og,  menn  and)  greü,  boc^  nidjt  eben  unmnljr  ge* 
jcid^nct.  mar  aber  bem  ^ebner  nic^t  genug.  @r  fteHt  feinen 
©egner  atö  ben  Inbegriff  aller  ©d)Icc^tigfeit  bar,  alö  einen  5<^inb 
nic^t  bloö  bc‘3  ganjen  mcnfc^Iic^en  @efd)tcd)t‘3,  fonbern  ber  iÜatnr 
felbft.  ,,^)u  0^anbflecf  be3  fdjmäbifdjen  S^amen^",  rebet  er  i^n 
an,  „emige  0d)mac^  beineö  SSolfeö,  burd)  ^rec^beit,  grenel,  Sßutf), 
©raufamfeit,  ^rculofigfeit,  Unbanfbarfeit,  S3o§t)cit  Unmenfd;licb* 
feit  für  alle  Sabr^unberte  ge^eicbneleö  ©d^eufal,  bn  l)aft  über  bic 
©renjen  menfeblirber  0itte  hinauf  geraft.  ©emetteifert  b^ft 
um  jeben  ©räncl.  iJficbtä  lag  bir  am  §erjen,  aU  mie  bu  bureb 
einen  Inbegriff  aller  Serbreeben  alle  53öfen,  bie  jemals  gemefen, 
übertreffen  mögeft."  ^>crjog  U(rid)  mar  ein  junger 
fie  ^u  fein  pflegen,  menn  einer,  mie  er,  mit  mitbem  9latiireH, 
mangelhafter  @r,vcbnng,  im  feeb^ebnten  3^abre  ^ur  9tegierung 
fommt:  rob/  toll,  cigenmillig,  rad)gicrig;  aber  ein  rcineö  Unge» 
bener,  moju  ^ntten  il)n  macht,  mar  er  fo  menig,  alö  irgenb  ein 
SKenfeb  ein  foicbeö  ift;  in  feiner  SBilbljeit  lag  boeb  eine  SBillenö* 
fraft,  unb,  um  nur  an  @ine§  ju  erinnern,  mie  fcltfam  märe  eö 
gemorben,  menn  unfer  fRebner  5mölf  3ubrc  länger  gelebt,  unb 
benfelben  dürften,  ben  er  bureb  ba§  0d)mert  feinet  SUfunbeö 
batte  üerjageu  Ijclfcn,  nach  feiner  SBieberberftcllung  alö  einen 
überzeugten  S3orfed)ter  ber  9leformation,  mitbin  in  benfelben  fRci* 
ben  gefunben  hätte,  in  meldjen  zulept  aud)  §utten  geftritten  hotte? 

®lö  ©egcnftücf  ju  bem  beö  §crzogö  mirb  nun  auS 

bem  ermorbeten  ^anö,  bem  macfern,  fröblidjcn,  bonulofen  ©e* 
fcHen,  ein  Sbeal  ber  ®ortreff liebfeit.  3^  jeber  Xugenb  hotte  er 
ben  fi(bern  ©runb  gelegt.  @r  mar  nicht  bloö  ber  @vfte  in  jebeni 
Kampfe,  fonbern  auch,  menn  er  gefiegt  hotte  (um  mit  bem  'J)id)ter 
ju  reben)  „nicht  im  minbften  eitel":  fein  SBunber,  bag  ber  fRuf 
cincö  fo  feltcnen  Süngling^,  nach  beö  Ütcbueri^  33evficberuug,  al^* 
halb  burdb  ganj  ^eutfcbloub  brang,  baß  Sebermann  ihn  feben 
mollte,  ein  allgemeine^  Söerben  um  feine  gi^cunbfcbaft,  ein  Sßett* 
cifer  in  feinem  £ob  entftanb ! S3on  bödjfter  SBirfung  ift  cö  bann 
aber,  mie  ber  fRebner  ben  0d)atten  beö  ©rmorbeten  felbft  fpred)cn 
läSt:  fanfte  SBormürfc  gegen  feinen  SOJörber,  ben  er  fo  geliebt; 
bic  ^43ittc  an  benfelben,  feinen  Seiebuam  ber  traucrubeu  gamilic 


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f)crauö5U9cbcii ; ein  Scbenjo^l  an  baö  t^eurc  SBntcrlanb,  für  bog 
;Vi  leben  iinb  ju  fterben  fein  böc^ftcr  ©ebanfe  gettjefen,  an  ben 
Skater,  bie  ©rüber,  ben  gan^^en  fränfifc^en  iinb  beutfe^en  ^^belftanb. 

@ine  ©emerfung  bürfen  mir  l)ier  nid)t  unterbrüefen,  mcil 
unö  bie  ©etradjtung  üon  §iitten’ö  grögern,  namentlidj  rebneri^ 
fc^en  SBcrfen  öftere  auf  biefelbe  jiirücffü^rcn  mirb:  ba§  in  biefem 
jmeiten  Xbcilc  ber  9tebc,  feit  ber  gaben  ber  ©cfc^ic^t^erjä^lung 
abgeriffen  ift,  eine  fefte  ^iöpofition  öermi^t  mirb.  ©c^on  fatt- 
fam  ericbigte  ©unfte  merben  noch  einmal  aufgenommen,  ©eU 
fpiele,  SBenbungen  micber^olen  ftc^,  man  l)at  nici^t  immer  ba^ 
(SJefü^l,  Dormärb3,  fonbern  biömcilen,  im  irtreife  ju  ge^en. 
l^ängt  bieg  mit  ber  3lrt  5ufammen,  mie  §utten  arbeitete. 
mar  immer  oiel  Scibcnfd)aft,  Diel  S^atnrgemalt  babei.  ©ebanfen 
imb  Sßorte  brängten  fic^  ju  unb  mürben  mo^l  im  allgemeinen 
einem  gemiffen  ^lane  bienftbar  gemad^t,  tummelten  fid^  aber  im 
einselnen  mit  uicler  greil)eit  bur^  einanber.  ^utten’ö  Renten 
mar  ein  r^ctorifdjeö,  fein  logifdjeö;  fc^merlid)  f)ot  er  je  nac^  einem 
üor^er  burd)bad)ten  ©djema  gearbeitet,  fonbern  er  überlieg  fic^ 
ber  ©trömung  feiner  ©mpfinbungen  unb  ©ebanfen;  fo,  felbft 
fortgeriffen,  rig  er  5lnbcre  fort.  Unb  nie  oerfel)lt  er,  ju  rechter 
3cit  mieber  ein^ulcnfcn,  am  gel)örigen  Orte  bie  nötljigen  (Sin* 
fd)nitte  an^ubringen,  gegen  ben  ©d)lug  aUe  Straft  ber  (Sebanfen 
unb  ber  SBorte  nod)  einmal  5u)ammen;^ufaffen.  ©o  aud^  ^icr.  3ii 
fur^em  Ucbcrblide  merben  noeg  einmal  alle  ^auptpunfte  ber  fRcbe 
oorübergcfül)vt,  unb  auf  ben  @runb  bcrfclben  bei  5taifer  unb 
gürften  auf  bie  ©crurtl)eilung  beä  ©cgulbigen  angetragen.  Ober 
oielmegr,  ücrurtgcilt  fei  er  fd^on,  ben  ?llleö  meibe,  9tiemanb  mcf)r 
grüge,  S^icmanb  anrebe,  ben  ?llle  Ijoffcn  unb  felbft  bie  Sfliebrigften 
oerac^ten,  9Uemanb  ber  ©erjeil)ung,  Sebermann  ber  ©eftrafiing 
mertf)  ^alte:  übrig  fei  nur  nod),  bad^  in  ber  Xl)at  fd^on  gefällte 
©erbammungdurtbcil  and)  mit  Söorten  audjufprec^en.  Söaö  bie 
geforberte  ©träfe  betrifft,  fo  beutet  §ntten  mieberljolt  bie  Xobe§* 
ftrafe  an;  bod)  jeigt  er  fid)  ein  anbermal  nid)t  abgeneigt,  aud^ 
mit  lebenslänglichem  ©efängnig  fieg  j^ufrieben  ju  geben. 

^)iefe  SRebe,  mie  aud)  bie  folgenben  über  benfelben  ÖJegeii* 
ftanb,  lieg  glitten  für  jept  nod)  nid)t  bruefen,  fonbern  er  unb 
eine  ©tanbeSgenoffen  breiteten  fic  in  Slbfcgriften  auS.  ©ie  toivU 
teil  bod).  ^ud)  ber  ^er^og  erfuhr  baoon,  unb  eS  märe  bem 


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SBer^aUen  bfS  Jf?aifer§. 


91 


S^cbncr  fc^lcc^t  flccjaiiöcn,  ttjcmt  er  in  bcffcii  §änbc  (^cfaUeit  toärc. 
?(ber  Dom  Äoifer  loar  ein  crnftlidjc^  ©infrijrciten  tjegen  ben  fd)uU 
bigen  gürften  faum  ju  enuarten.  SJ^on  n?ei6,  inie  füinmcrlid)  fic^ 
bamalö  bie  ilaifcrmad)t  in  ^entfc^lonb  nufvedjt  erhielt.  0i)ne 
auörcic^cnbe  eichene  ^iUf^queHcn,  an  ben  guten  SBillen  ber  üer^ 
fc^icbenen  9lcit^^ftänbc  gebunben,  nun  aud)  in  auswärtige  Kriege 
ücrwicfclt,  mufete  cS  9JiajiiniIian’S  ^olitif  fein,  einen  0tanb  bur^ 
ben  anbern  im  @d)ac^  ju  batten ; feinen  ju  inädjtig  werben,  aber 
Queb  feinen  gan^  fallen  ^u  taffen;  ficb  einzelne  ju  i)erpftid)tcn,  um 
fte  gegen  anberc  gebrauchen  511  fönnen.  ©0  hatte  er  fid)  biefen 
Ulrich  eigentlich  als  (SJefchöpf  herangejogen;  hatte  bie  Slbfcpung 
feines  ^luSfchließung  feines  geifteSuerwirrten  SaterS 

Don  ber  ^Regierung  genehmigt,  ihn  bann  üor  ben  fahren  münbig 
gcfprochen,  feine  (^oberungen  jm  ^fäl^crfricg  il)m  beftätigt,  enb^ 
lieh  bie  eigene  S^iiehte,  0abine  üon  iöaiern,  ihm  gur^hc  gegeben. 
^Begreiflich  woHte  er  biefen  ©infap  nicht  buref)  fcharfeS  @infd)rei* 
ten  gegen  einen  gürften,  auf  beffen  ^anf  er  red)nete,  uerlieren. 
<Bo  nahm  er  benfclbcn,  als  er  gteid)  nad)  ber  an  ®anS  §utten 
Derübten  ^h^t  ju  ihm  nad)  §(ugSburg  geritten  fam,  nicht  nur 
mit  ber  tröftlichen  ^crficherung  auf,  ihn  nid)t  im  ©tichc  laffen 
ju  wollen,  fonbern  lub  ihn  aud)  halb  nachher  j^u  ber  ^oppeloer* 
lobung  feiner  (5nfel,  gerbinanb  unb  3Raria,  nach  SBien.  3u  ber 
^uttcn’fchen  ©ache  aber  befteHte  er  ^fal^  unb  Söürjburg  als 
35ermittler,  einen  ißergleich  herbeipführen.  @S  foHte  eine  @rfläs 
rung  abgegeben  werben,  in  weld)er  §anS  üon  §utten  als  unbe- 
fchulbigt  unb  reblich  anerfannt,  bie  an  ihm  üerübte  ein 

Unfatt  bargeftellt  würbe,  in  ben  ber  ^erjog  aus  hi^igem  ©emütl) 
gerathen,  welcher  baneben  bem  alten  Jütten  ^^ur  ©rgeplichfeit 
feines  entleibten  @ohneS  10000,  unb  ju  ©ectmeffen  2000  gl.  j^u 
befahlen  hüttc.  2öer  weiß,  ob  fid)  bie  §utten'fchen  nicht  in  biefer 
ober  einer  ähnlichen  Söcife  hatten  abfinben  laffen,  wenn  nicht 
burch  ein  weiteres  9Ri6gefd)irf,  baS  ben  ^erj^og  betraf,  ihre  ©tcU 
lung  eine  üortl)eilhafterc  geworben  wäre. 

3n  ber  SRad)t  bcS  24.  9^foüember  1515  entfloh  biefem  feine 
©emahlin,  um  fich  in  ben  ©chu^  ihrer  ©rüber,  ber  ©aiernher^^ 
joge,  ju  begeben.  2)aS  fchon  üorher  gelocferte  @hcbanb  jwifchen 
beiben  war  burch  bie  @rfd)ütteruugen,  welche  bie  golge  ber  @r== 
morbung  ^anS  ^utten'S  waren,  üoUenbS  ^erriffen.  SBährcnb 


92 


I.  Sud^.  5.  j?apttel. 


Ulric^'ö  ^biocfcnl)cit  bet  ben  gcftüc^fcitcn  ju  Söicn  ^attc  Sabine 
flcmac^t,  U)ii  bei  bem  ntürtcmber^ifc^en  Sanbtagc  ncr- 
nogcti.  2)er  SSerbac^t  lag  na^c,  bag  fie  mit  ihrem  ©ruber,  bem 
®cr5og  SBilhelm,  ber  mit  Ulrich  löngft  cnt,^mcit  roar,  auf  beffen 
^bfejung  hinarbeite,  um  fclbft  an  bie  Spi^e  cincö  üormunbfchafts 
liehen  Ülegimentö  für  ihren  hnii^jührigen  Sohn  Shriftoph  ^vl  tre^ 
teil.  iWad)  feiner  9^ücffehr  befahl  ihr  baher  Ulrich,  loie  er ' bc^ 
hauptetc,  zugleich  ber  (Irfparnig  megen,  ihre  befoiiberc  $ofhal^ 
tung  ju  Urach  auf^ugeben  unb  ^u  ihm  nach  ©tuttgort  j\u  tommen. 
Sie  traute  nicht  (fein  SBunber  freilich,  njenn  ber  ©efehl  be^ 
(hatten,  mic  fpätcr  ihr  Ol)cim,  ber  Äaifer,  fchrieb,  bei  Renten 
ober  Stücfen  lautete),  fonbern  ritt  üon  9türtingen  auö,  mo  fie 
auf  halbem  SBege  bei  ber  oermittmeten  §erjogin  ©lifabeth  einge- 
fehrt  unb  nod)  oon  Ulrid)  befucht.morben  mar,  mit  Surücflaffung 
ihrer  j^mei  iifinber  bei  3^tacht  unb  S^ebel,  im  ©eleite  etlicher  Stitter, 
noch  ©hingen,  ber  öftcrreid)ifchcn  Stabt,  Don  mo  fie  glücflich  na(^ 
©aicrn  entfam.  $)iefe  gln^^t  mar  nach  ^mei  Seiten  hi^  ^i*i 
©lücföfall  für  bie  ^utteirfchen : fie  fonnten  nun  hoffen,  ba§  fich 
bie  §cr^oge  Oon  ©aiern  mit  ihnen  gegen  ben  oon  SBürtemberg 
oerbinben,  unb  baß  außerbem  ber  Äaifer  burch  bie  S^Uchte  gegen 
biefen  oerftimmt  merben  mürbe. 

§luch  Ulrich  oon  .^utten  Oerfäumte  nicht,  biefen  ß^oif^en^ 
fall,  fobalb  er  ba^u  9)^uße  befam  (maö  freilich  erft  nach  3ahre^' 
frift  ber  gall  mar),  ju  einem  neuen  rebnerifchen  Eingriff  auf  ben 
©er|\og  511  benupen.  Äaifer  unb  gürfteii  fehen  nun  (bieß  ift  ber 
flirre  Inhalt  feiner  jmeiten  fRebe),  moju  ihr  ©ögern  führe: 
bem  einen  greoel  höbe  ber  ©erbreeßer  bereite  einen  jmeiten,  ber 
©rmorbung  beö  greunbeö  bie  ©ebrohung  beö  Sebenö  feiner  @e^= 
mahlin,  hinsugefügt,  unb  fo  merbe  er  fortfahren,'  bi§  fie  ihn  un* 
fchäblich  gemacht  haben.  Sie  merben  nod)  fo  lange  jumarten, 
biö  er  an  ber  Spifee  einer  §ecre§mocht  il)reö  ©erichteS  fpotten 
merbe;  benn  bereite  ftel)e  er  mit  ben  Sd)mei5ern  unb  mit  gronfs 
reich  in  Unterhanblung.  3llfo  haben  fie  mit  ihrem  Urtheil^fpruch 
unb  beffen  ©ollftrecfiing  fid)  ^u  beeilen.  „9toch  hat  er  fich  nicht 
oerftärtt:  überfallet  ihn  nnoerfchenö.  ©r  ift  in  bie  @rube  ge^ 
ftürjt:  beefet  il)n  511.  3n  bie  Schlingen  oon  ©lefeh  unb  fRecht 
ift  er  oerftrieft:  haltet  ihn  feft,  ermürget  ihn.  ßaffet  il)n  nicht 
fich  lo^mideln.  ©Jebet  il)m  nicht  geit,  aufjuathmen  unb  fich  ju 


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l^utten’3  Siebe  totber  ^erjog  Ulrid^.  93 

fammdn."  3^^^  SBcrbrcd^ci*  in  feinem  eigenen  Innern 

fc^on  genug  gerichtet.  „2)enn'',  fagt  ber  9icbncr,  „fo  fc^lQu  er  cö  ucr« 
bergen  mag,  fül)rt  er  bod)  ba^  aüerunglücffeligfte  £eben.  Ä'ein 
SBertrauen,  ni^tö  a(ö  gurd)t.  Smmer  ift  er  in  ©orgen.  ^UeiJ 
ift  i^m  ucrbäc^tig.  ^ie  greunbe,  menn  er  foId)e  E)at,  t)ält  er 
für  ^eud)ler.  @r  fürchtet  feben  @rfolg.  S3ei  jebem  ©eräufc^ 
jittert  er.  9lie  glaubt  er  S3orfid)t  genug  angemenbet  ju  ^aben. 
(Jr  uerftedt  fic^  unter  bem  $affc  ber  ©einigen,  unb  unter  bem 
UnmiUen  2111er  tritt  er  ^erüor.  ©id)  felbft  mürbe  er  trauen, 
menn  er  allein  fein  fönnte.  2lbcr  auc^  fo  ^at  er  feine  IHaft.  3m 
SGBac^en  mic  im  Xraume  folgt  i^m  feine  ©träfe.  Sior  feinen 
Sugen  fd)meben  bie  ÖJeftalten  feiner  SBerbrec^en.  @r  nagt  fic^ 
im  3nnem,  jagt  nac^  außen.  2(nbere  ocrad)tcn  ißn,  er  felbft 
üerjmcifelt  an  fieß.  Umringt  ift  er  oon  einem  ^cere  üon  ©Freden, 
©elagert  üon  bem  täglichen  2lubcnfen  feiner  Uebeltl)aten.  3)ie 
Söcllen  ber  ©orge  treiben  i^n  um,  bie  33ränbe  feiner  ©eßanb- 
t^aten  jeßren  i^n  au^."  2)icfe  an  bem  Ißerbrecßcr  fid)  bcreitiS 
Don  felbft  ooUjiel)enbe  ©träfe  entbinbe  aber  bie  9lic^ter  ißre^ 
2lmteö  nid)t.  3^rc  2lufgabe  fei,  i^n  unfcßäblic^  ju  machen,  unb 
bieß  fönne  nur  burd)  feine  ^)inrid)tung  gefeßeßen.  SSenn  Ätaifer 
unb  gürften  jaubern,  follcn  bie  Untertljanen  beö  UcbeltßäteriS 
fieß  rüßren.  „2luf,  ißr  ©eßmaben,  ergreifet  bie  greißeit,  iiacß 
ber  ißr  fo  merfli^  oerlanget.  3ßr  merbet  nidjt  einen  iRäuber 
unb  SD^eucßclmörber  ald  gürften  bulben,  ißr,  beren  SJorfaßren 
nießt  einmal  Äönige  fieß  gefallen  laffen  mollten.  2)arum  entfejjet 
ber  ^errfdjaft  baö  blutige  Untßier;  befreiet  2lnbere  oon  ber 
gureßt,  cud)  felbft  erftlicß  oom  Serberben,  bann  aueß  oon  ber 
©eßmaeß;  un^  aber  oerpfließtet  eud}  bureß  eine  banfenemertße 
SBoßltßat,  unb  feßaffet  bie  Urfaeße  neuer  Unrußen  ßinmeg.''  „(Sr'^, 
ßeißt  e^  oon  Ulrieß  ein  anbermal,  „er  ift  fein  gürft,  fein  (Sbler 
meßr,  fein  2)eutfcßer  unb  fein  (Sßrift.  3ö  fein  3)ienfcß  ift  er 
meßr.  2)cnn  ©ittc  unb  Sebensart,  nießt  bie  Äörvergeftalt  maeßt 
ben  ÜJienfcßcn.  (Sr  ßat  bie  9Jienfcßlid)feit  auögcjogen,  unb  Söilb^ 
ßeit,  Söutß,  ©raufamfeit  unb  Unmenfdjlicßfcit  ongejogen.  SSom 
3Jtenjcßen  ßat  er  nießtiJ  meßr  al^  baö  ©efießt;  bod)  aueß  baö  ift 
fo  grimmig  unb  entfeßlid),  baß  eö  nießt  für  ein  menfcßließei^  gelten 
fann.  2lllc^  Uebrige  ßat  er  mit  ber  milbeften  Jöcftie  gemein." 

Max  in  ber  oorigen  9lebe  boa^  li^tc  (^egcnbilb  ju  ber 


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94 


I.  5.  Jl^apUel. 


fd^tüQrjcn  ©eftalt  bc§  ber  Qcmorbctc  Jütten,  fo  erfc^cint 

in  biefcr  aU  folc^cg  bie  ücrtriebcnc  ©ema()lin.  auggc* 

j\cid)nctcr  nlö  i^rc  ©eftalt,  nic^tö  fanftcr  alö  il)rc  Sitten,  nichts 
angenehmer  alö  il)r  Umgang.  $oher  §lnftanb  in  ?Ulem,  too^  fic 
thut  unb  fpridht;  ben  ©atten  ju  geminnen,  hat  fie  aUe  $ulb  unb 
ßiebenömürbigfeit  aufgeboten."  Söenn  mir  oben  bei  $anö  Jütten 
ücrmuthen  tonnten,  baß  fein  öilb  ftarf  ibealifirt  fein  möge,  fo 
fönnen  mir  bieß  1)*^  betreff  Sabinen^  bemeifen.  3h^*c  ©eftalt 
aHerbingö  mar  au^gc^eidjnet,  menigftenö  infofern  fic  größer  mar 
alö  mand}er  9J2ann;  aber  ihre  Sitten  nichts  meniger  alö  liebend 
mürbig.  Sie  mar  ein  SJtannmeib,  h^trt,  ftol^  unb  SBcnn 

Ulrich  über  fic  flagte,  „mie  fic  ihn  bicfermalen  burch  iht  über^ 
fchmenglich,  üppig,  ^ornig,  h^^ife  fRebcn  fo  gereift  h^bc,  baß  er, 
fich  ju  enthalten,  üiclmal  oon  ihr  oom  53ett  müffen  aufftehen  unb 
hingehen";  mobei  er  übrigen^  jugefteht,  baß  er  einmal  fieß  hoch 
nicht  enthalten,  fonbern  fic  gcfcßlagcn  habe:  fo  merben  mir  biefe 
Klagen  bc3  ÜJtanneö  über  bie  junge  grau  glaublid)  ßnben,  menn 
mir  miffen,  baß  fie  nod)  alö  breiunbfunf^igjährige  gegen  ihren 
33ruber  in  einer  @rbfd)aftöfad)c  fid)  fo  müthenb  bezeigte,  baß 
biefcr  fie  einfperren  unb  einige  9J?onatc  fi^cn  ließ.  ®cn  Umftanb, 
baß  ber  ©erjog  ^mci  feiner  Wiener,  bie  fich  chrentränfenbe  ^Icu^ 
ßerungen  über  Sabine  erlaubt  hatten,  bem  Älaifer  hcrauöjugcbcn 
fich  meigerte,  unb  Sabinenö  33chauptung,  fic  habe  fich  bei  Ulrich 
il)re^  ßcbenö  nicht  mehr  fichcr  gemußt,  breßt  ber  IRcbncr  5U  bem 
SSormurfc  jufammen,  ber  $crjog  habe  fic  umbringen  mollcn,  um 
ihr,  menn  fic  ftumm  gemacht  märe,  bie  entehrcnbftcn  ®ingc  nach' 
jufagen.  3ft  biefe  S3cr!nüpfung  abenteuerlich,  fo  ift  bie  Slnbcu* 
tung  auglänbifd)cr  ßaftcr,  benen  ber  ^erjog  ergeben  gemefen, 
burd)  feine  hiftorifchc  Spur  beftätigt.  §utten  fclbft  geftanb,  in 
feinen  Ulridh^rcben  fich  ber  h<^i^^öaimlid)cn  rebnerifchen  greißeit 
bebient,  eg  mit  ber  gcfcßicßtlidjcn  SSahrßeit  ber  einzelnen  ßüge 
nid)t  immer  genau  genommen  ^u  ßaben*). 

^ie  bairifeße  Sabine  mit  ben  licßtcftcn  garben  ju  malen, 
boju  mar  übrigeng  Jütten  nid)t  blog  bureß  ben  rcbncrifcßcn 
©ontraft,  fonbern  aud)  bureß  bag  SScrßältniß  oeranlaßt,  in  melcßcg. 


1)  B.  ben  33rtef  beS  ßorenj  ©eßaim,  ©d^rtften  I,  ©.  153,  164. 
(Seßdnbni^  bejog  ^undc^ft  nur  auf  bie  Uterie  IRebe. 


^ # 


^qS 


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VuSjd^reUxn  unb  Stillungen  ber  ^utten'f^en. 


96 


tt)ie  fc^on  angebeutet,  ©abtnen'ö  gluckt  bie  ^utten’fc^cn  ju  ben 
Jörübern  ber  ^erjogin  gebracht  t)^^tte.  5)ie  na^cliegciibe  S?er^ 
cinigung  beiber  üon  ©cr^og  Ulrict)  belcibigtcn  Xbeile  erfolgte 
tüirflic^  am  1.  gcbriiar  1516.  gejt  erft  fal)en  bie  §utteirfd)en 
eine  genügenbe  üliae^t  hinter  fi^;  ba()er  mcift  ihr  SRcbncr  nun 
bie  angebotene  ©ul)ne  Oeräd)tlich  jurücf:  nicht  ba^  (^olb  beö  Der« 
ruchten  ^enferd,  fonbern  feinen  i^opf  unb  fein  Seben  forbern  fie. 
©0  crtlärte  beim  auch  Submig  Jütten,  nachbem  er  mit  53aicrn 
ftch  ücrftönbigt,  an  Dftcrn  ben  Vermittlern,  auf  beu  oorgefchla* 
genen  ©ühneoertrag  nirf)t  eingehen  ju  fönnen;  an  bem  oom 
Äaifcr  auf  ben  7.  Slpril  nach  5lug^burg  angefepten  Verglei^ötoge 
crfchien  er  gar  nicht,  unb  ebenfo  meigerten  fid)  bie  Vaiernherjoge, 
fich  auf  ctmaö  ©ütlidjeö  einjulaffen.  Sluf  ben  fRath  ber  Icptern 
lie§  nun  Submig  uon  Jütten  fein  längft  gebrudte^  5(uöfchrciben 
über  feineö  ©ohneö  ©rmorbung,  baö  Ulrid)  ^utten'ö  erfter  Vebe 
parallel  lauft  unb  burch  einen  ben  ÜJbrb  oorfteHcnben  ^oljfchnitt 
iUuftrirt  mar,  enblich  au^gchen;  mäl)renb  jugleid)  bie  |mtten,  in 
Verbinbung  mit  Vaiern,  fid)  -\ur  ©elbfthülfe  rüfteten.  3m  ©ep^ 
tember  ftanben  fie  mit  nahezu  1200  ^ferben  bei  SSembingen  im 
9lie6.  ^ber  $erjog  Ulrid)  blieb  aud)  nicht  müßig.  Sßährenb  er 
eine  Sßiberlegung  beö  ^utteirfchcn  9ludfd)rcibenö  abfaffen  ließ, 
bot  er  feine  Unterthanen  auf,  fd)ricb  an  bie  mit  ihm  in  ©iniing 
ftehenben  gürften,  Herren  unb  ©täbte  um 
mit  ben  ©ibgenoffen  in  Unterhanblung.  ©o  ließ  fich  Sllleö  jum 
Kriege  an:  unb  hic^^  föüt  nun  Ulrid)  $utten'ö  britte  fRebe  ein, 
bie  jmar,  mie  f^on  bie  jmeite,  erft  fpäter  in  Stnlien  oerfaßt,  aber 
fo  componirt  ift,  mie  menn  fie  etma  ju  Slnfang  ©eptemberö  1516 
gehalten  märe. 

S3aö  er,  ber  Sflebner,  ben  gürften  Oorßergefagt,  fei  einge* 
troffen:  ber  jüngft  nod)  oon  willen  Oerlaffcne,  oon  §lngft  gejagte 
Verbred)er  fteße  ihnen  jept  in  fricgerifd)cr  9flüftung  gegenüber. 
Älö  achter  Gatilina  fchide'er  fich  an,  ben  Vranb,  ben  er  ent^ 
^ünbet,  burch  ben  IRuin  beig  Vaterlanbeö  j\u  löfd)en.  ftehe 
e«  in  beö  Äaiferö  unb  ber  gürften  9Racht,  ißn  burd)  ihren  ©prud) 
ju  entmaffnen:  menn  fie  baö  Verbammungöurtheil  über  ihn  auä* 
fprechen,  merben  bie  Vanbiten,  bie  fich  um  ihn  gefchaart,  fich 
Oerlaufen,  man  merbe  ihn  fangen,  binben  unb  jur  ©träfe  führen 
fönnen.  Stber  e^  fei  bie  höthftc  ßeit,  bie  bringenbfte  9lothmcn= 


96 


I.  5.  PapHel. 


bigfcit.  als  ob  fte,  bie  §utten,  fid^  lüd^t  im  S^otl^foOe  ge^ 

trauten,  auf  eigene  §anb  mit  i^rem  geinbe  fertig  merben. 
5lÜe  brennen  fie  oon  fHac^begier,  unb  maS  inSbefonbere  i()ii,  ben 
Sllebncr,  betreffe,  fo  merbe  iftn  baS  Streben,  jenen  ^enter  p üers 
folgen,  nur  mit  bem  £ebcn  felbft  ocrlaffen.  2lber  ben  gemeinen 
Schaben  foUen  bie  gürften  bebenfen,  ben  ein  innerlicher  Äfrieg 
biefer  5lrt  bringen  müßte;  bie  S<hmacl),  toelche  bem  beutfehen 
Flamen  barauS  ertt)acl)fen  mürbe,  menn  eS  ^eutfd)lanb 

fei  fein  fRccht  ju  erlangen  außer  burch  Söaffengctoalt.  3^  ben 
SBaffen  aber  merbe  eS  fommen,  menn  Ä'aifer  unb  gürften  nicht 
unoerjüglicl)  einfehreiten.  9^ur  barum  menben  fich  bie  §uttcn'fchcn 
noch  einmal  an  biefe,  bamit  gebcmiann  fehe,  baß  fie  ungern  unb 
nur  beßmegen  jur  Selbfthülfe  gefchritten  feien,  meil  fie  auf  bem 
SRochtSmege  ihre  Gebühr  nidjt  hoben  erlangen  fönnen. 

2)en  brohenben  Ältieg  ju  oermeiben,  lub  enblid)  ber  Äaifer 
ben  $erjog,  fornoßl  megen  feiner  ^anblung  an  $anS  Jütten  als 
megen  feiner  ©h^-'hönbel,  auf  bie  ÜJiitte  Septembers  nach  SlugS* 
bürg  oor  feinen  9?id)terftuhl.  3)er  ^orgelabene  fuchte  griffen, 
unb  ließ  unter  bem  6.  September  1516  ein  SluSfdjreiben  inS 
ÜReid)  auSgehen,  melchcS  bie  ^arftellung  2ubmig  ^utten’S  oon 
feiner  Xl)at  miDerlegen  foUte.  äöährenb  er  unmittelbar  nach  bem 
ajtorbe  bem  ^fali^grafen  brieflich  befannt  hotte,  baß  ißm  „folche 
Xhat  mit  freuen  miber  unb  leib  fei" ; mährenb  befreuiibete 
gürften  nachher  einen  SSergleich  auf  ber  (^runblage  ju  Staube 
ju  bringen  gefucht  hotten,  „baß  ber  oon  SBirtemberg  auS  Unfall, 
auch  hih^fleoi  ©emüth,  Ju  folcher  |)ünblung  gemachfen":  jjeht 
nun,  16  älionate  nach  bem  ©reigniß,  Ulrid^  baS  SllleS  jurüd, 
unb  nimmt  bie  Xßat  als  eine  ebenfo  moßlbebadjte,  mie-  mohU 
beredjtigte,  ganj  auf  fich-  @S  fei  fein  SJiorb,  fonbern  bie  rechte 
mäßige  Einrichtung  eines  UebclthäterS  gemefen.  Unter  ben  Uebel* 
thaten  beS  jungen  EoUen  mirb  oor  ollem  heroorgehoben,  baß  er 
bem  über  feine  gelobte  unb  hanbgegebene  Xreue  treulos 

unb  brühig  gemorben  fei.  SBorin  unb  miefern,  mirb  nid)t  gefagt. 
gerner  höbe  er  ben  bei  hoh^^’”  onb  iiiebern  StanbeSper» 

fonen  hört  unb  hod)  oerunglimpft;  inSbefonberc  über  ihn  erbichtet, 
als  batte  er  fich  unterftanben,  ein  ehrenreid)  grauenbilb,  löblichS, 
eßrlichS  StammenS,  5RamenS  unb  EertommenS,  bie  fid)  gegen  ihn 
unb  männiglich  löblich,  ehrlich  unb  mohl  gehalten  (baS  märe  eben 


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"WuSjc^iretben  bc§  ^crjo0§. 


97 


♦ 

^onfenö  Stöu),  nn  it)rcn  fraulichen  fdjn'ächcn,  unb  fic 

SBüübrinqunc;  feinet  uncicbül)rltd)cn  Söillcn^  burd)  2)rohung  mit 
Schlägen  unb  ^J)?i6l)anb(iing  nötl)igcn  moUcn.  9lud)  üon 
micbcrholtcn  SSovhalten,  bie  ber  §cr,^og  bem  jungen  9titter  megen 
feincig  pflichtmibrigen  53cnel)inenö  geniadjt,  unb  bem  halb  reu* 
müthigen,  halb  tro^igen  S^ejeigen  beffelben  ift  bie  9tcbe.  SBic 
menig  biefc  Urfachen  ,^ureid)ten,  bie  Xljat  bcö  ©erjogd  ju  ent^ 
jd)ulbigen,  fül)lte  ber  Guncipient  feineö  5tuö|d)reibenö  (nach  ^utten’ö 
©ennuthung  ber  mürtembergifdje  .ftanjler  ©regoriuö  ßampartcr) 
fclbft;  baher  beutete  er  nod)  „etlid)  namhaftig  Slrtifel  an,  in 
, benen  §anö  üon  Jütten  fdjönblich,  bö^^lich,  untreulid)  gegen  ben 
^er,^og  gehanbelt,  bie  er  aber  ju  @hrcn  unb  SSerfd)onung  anberer 
hohen  unb  niebem  0tanbcö  ^erfonen  üorbeigehen  mollc". 

®od)  gefept,  §aiiö  mar  ein  S^erbredjer:  mie  mar  beim  fein 
2)^orb  eine  Einrichtung?  mar  ein  feltfamcr  ©infall,  mer  ihn 
audj  gehabt  haben  mag,  mie  man  hier  bem  ©erjog  511  helfen 
f achte.  9^ad)bem  fein  0chlachtopfcr  gefollen  mar,  h<^He  biefer, 
mie  erzählt  morben,  am  guge  einee  33aumeö  einen  2)cgcn  in  ben 
©oben  geftogen,  unb  baran  einen  um  ben  Ealö  be^  ©nnorbeten 
gefd)lungenen  (Gürtel  feftgefnüpft.  0d)merlich  h^^He  er  babei  ur^ 
fprünglidh  eine  anberc  ?lbfid)t,  alö  benfelben  alö  einen,  ber  baö 
Eöngen  üerbient  h^iHe  (mie  er  ihm  and)  üorl)cr  gefügt  hf^ben 
miH),  ju  bcfchimpfcn.  9^un  fiel  aber  ihm  ober  einem  feiner  S^lath^ 
geber  ein,  ba§,  nach  ben  ©röud)cn  beö  meftfälifchen  ÖJcridhtö,  in 
ben  Saum,  an  meldjem  ber  0chulbige  aufgehenft  mürbe,  al^ 
ßeichen,  bag  eö  na^  gerichtlid)cm  Verfahren  gefchel)cn,  ein  3J^effer 
gefteeft  ju  merben  pflegte.  Ulrich  mar,  mic  mand)c  gürften  jener 
3cit,  greifdjöffc  be§  l)cii^did)cn  (sJeridjtö:  freilich  h^Ue  er  fed)ö 
gahre  üorl)cr  fich  unb  feine  Ünterthanen  burd)  ben  Äaifer  üon 
bcmfelben  befreien  laffen;  freilich  muhte,  nad)  ben  (^efehen  beö= 
felben,  ber  5Serbrecher  auf  ber  Xl)at  ertappt  fein,  ber  Einrichtung 
ein  Sprud)  bed  (5Jerid)t^  üorangehen,  unb  bei  ber  S3otlftredung 
brei  0chöffen  ,yigegen  fein;  gefcljmeige  baß  einer  in  eigener  0ad)c 
ben  Kläger,  Sftidjter  nnb  mad)en  burfte.  gm« 

merhin:  E^^^i^g  Ulrich  erflörte  je^t,  er  h^^be  an  E^n^  E^dten  ald 
miffenber  greifchöff,  gemöh  ben  ^ed)ten  ber  freien  ©tüljle  heim^' 
lieber  @erid)tc,  gehanbelt. 

2)ie  5iJerfd)meigungen,  SGüinfeljüge  unb  Unglaublirijfeiten 
VII.  7 


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98 


I.  6. 


bicfcr  ()cr5ü9lid^en  ©c^u^fd^rift  njarcn  fo  grell,  fo  ^anbgrciflic^, 
bafe  eine  ^)uplif  Uon  Seiten  ber  ^utten’fc^en  nic^t  lange  auf 
fid)  tüarteu  lieg,  ©ie  ift  uom  22.  September  1516  batirt.  lieber 
bad  SSergältnig  bcö  $cr^ogd  bem  Söeibe  beö  ©rmorbeten  gatten 
fic  bi^ger  gefegmiegen;  ber  $er^og  in  feinem  Äu^fegreiben  gatte 
bie  Saege  nur  gegeimnignoll  ablcgnenb  berügrt.  Segt  gingen 
bie  ^uttcn'fdgcn  mit  ber  Spraege  geraut.  Sic  braegten  einen 
öricfmccgfcl  ^anfenö  unb  feinet  Segmägerö  mit  bem  alten  Jütten 
jum  SSorfd)cin,  mcldjcr  bie  Scrfügrungöucrfucgc  bc8  ©erjogö  auger 
3tücifel  fegte;  fie  entgülltcn  bie  ücrgängnigUoHc  Scene  beS  gcr^ 
joglid)cn  gugfaHsg.  2luö  feinem  anbern  ©runbe,  fagen  fic,  gäbe 
ber  Xgrann,  mic  fic  ign  nennen,  „ben  frommen  unfcgulbigcn 
SD^tenfegen  ermorbet,  alö  bamit  er  fürber  feintgalb  unoerginbert 
fein  böfc  Öcgierb  mit  feiner  cglicgcn  ^auöfrau  befterbag  ju  SEBege 
bringen  möcgtc". 

3J?ittlermeilc  f^ien  aueg  ber  alte  Äaifer  bo^  cnblidg  @rnft 
mad;cn  gu  mollcn.  ®er  ^cr^og,  auf  ben  20.  September  nadg 
2lugöburg  citirt,  mar  nid)t  cvfdjiencn,  unb  bie  Sßcrganblungen 
mit  feinen  Slbgcfanbten  gotten  feinem  ßidc  gcfügrt,  ba  ber 
Äaifcr  fed)^iägrigcn  IHüdtritt  bcffelbcn  Oom  ^Regiment  mit  (£nts 
fernung  auö  bem  Sanbe  für  biefe  ßcit  verlangte,  ber  ^erjjog  aber 
fieg  biefcö  ßugeftönbniffcg  mcigertc.  3)arauf  gin  fpraeg  am 
ll.Dctübcr  ber  Ätaifer  bie  2lcgt  gegen  Ulrid)  au8,  entbanb  feine 
Untertganen  Oon  igrem  @ib  unb  unterfagte  benfelbcn,  igm  in 
bem  beoorftegenben  i^riege  öciftanb  ju  Iciften.  2)enn  ber  mar 
oor  ber  Xgürc,  ba  cinerfeitö  bie  )öaiern  unb  bie  Jütten,  an* 
bererfeitö  ber  murtcrnbcrgifcgc  ^erjog  unter  ben  Söaffen  ftanben. 
®ocg  auf  2lnbrängcn  ber  pfäl^ifcgen  unb  mürjburgifcgen  fRätgc 
gab  Icgtcrcr  eine,  menn  er  nur  bei  ßanb  unb  Scuten  bliebe,  naegs 
giebige  @rflärung  gegen  ben  Äaifcr  ab,  mögrenb  biefer  bureg  ben 
Sarbinal  9Jfattgäu^  Sang,  S3ifcgof  oon  @urf,  ju  ©unften  beS 
§crjogg  bearbeitet  mürbe.  So  fam  10  Eiage  naeg  ber  Siegte? 
erflärung,  am  21.  Detober,  in  ölaubeuren  ber  nadgger  in  2lug§^ 
bürg  beftätigte  SBertrag  ju  Stanbe,  mornaeg,  unter  Beilegung 
aller  gcinbfcligfeitcn  üon  beiben  Seiten,  Ulri^  gegen  baö  B^ge^ 
ftänbnig,  auf  6 3agre  bie  ^Regierung  feincö  ^erjogtgumg  einem 
oom  Äaifer  unb  igm  gcmcinfam  ju  beftellcnben  fRegimcntc  ju 
überlaffen,  oon  ber  Siegt  entbunben,  bie  S3efriebigung  ber  ©utten’s 


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9(^t§erT(antng  unb  Settrag. 


99 


fc^cn  aber  nur  ftiflf^toeigcnb  in  bcr  ©ummc  bon  27000  ©ulbcn 
üorc^cfebcn  rourbc,  bie  bon  bcr  njürtcmbcrgifc^cn  Sonbfc^aft  ju 
^anben  beö  Äaifer^  bcja^lt  iucrbeu  füllte. 

3Wan  fonn  fic^  bcnfen,  njie  aufgebracht  Ulri^  §utten  über 
biefen  SSertrag  tnor.  3n  feiner  britten  iRcbc,  bie  nad)  ber  2lufs 
ric^tung  beffelbcn  gcfc^ricbcn  ift,  er  ihn  ganj  ignorirt.  @r 
ignorirte  i()n  noc^  einmol  in  ber  bierten,  bie  no^  fpäter,  nadh 
feiner  ^weiten  fRüeffehr  auö  Stalicn,  im  2luguft  1517  ju  ©amberg 
berfagt  ift.  @r  fonntc  bieg  um  fo  füglidjcr,  ba  jener  ©ertrag 
bie  ©eftalt  bcr  ®ingc  nur  einen  2lugenblid  bevänbert  ju  httben 
fc^ien.  ®er  ^erjog  brad)  bcnfelben  fogleic^,  fiel  bem  ^aupt^ 
beiftanbe  feiner  entflohenen  ©emabün,  Dietrich  Spät,  uub  bem 
Xoc^termann  ßubmig’ö  bon  Jütten,  Scifolf  bon  9iofcnbcrg,  in 
ihre  ©c^löffcr  unb  Dörfer;  bie  Sanbfehaft  meigertc  fich,  bie  @nt^ 
fchäbigungöfumme  ju  befahlen;  ber  Äaifer  erneuerte  bie  ^Ic^tö*- 
erflärung,  bie  fßarteien  bie  Lüftungen:  unb  2lIIeg  ftanb  mieber 
mic  jubor. 

SBie  ^uttcn'ö  erfte  9lcbe  bem  erften,  fo  geht  nun  bie  bierte 
bem  jmeiten  3lu^fchrcibcn  bcr  ^uttcn'fdhcn  jur  ©eite,  unb  ftcht, 
mie  biefcig,  bcr  fRcchtfcrtigungöfc^rift  be§  ^>crjog^  entgegen,  ©ic 
ift  bie  umfongrcic^ftc  bon  ^utten'i^  ©eben  raiber  ben  Ic^tcrn,  ob 
fie  gleid)  in  menigen  Xogen  eilig  jufammcngcfc^rieben  mürbe. 
SGÖor  boc^  bad  h^tjogliche  SJionifcft  mic  gemadjt,  um  bon  Jütten 
fritifc^  unb  biolcltiid)  jerfeljt  ju  merben.  @r  nennt  c3  ein  Sieten^ 
ftücf,  in  bem  nic^tö  jufammenhängc,  2lllc^  fic^  gegenfeitig  auf^ 
§cbe.  gür'd  erfte  ftimme  nid)t  jufammen  unb  berrathe  fid)  baburdh 
ald  unmahr,  ma^  baö  Ijcr^oglichc  2luöfdhrciben  bon  bem  ©enchmen 
beö  jungen  Jütten  fage.  @r  foUe  bom  ©cmu6tfcin  feiner  UcbcU 
-traten  fo  5erfnirfdhl  öcmefcn  fein,  baß  er  me^r  alö  einmal  ^abc 
.fterben  ober  inö  @lenb  manbern  moHen:  uub  bod)  micber  gegen 
ben  ^erjog  gepocht  unb  feiner  gefpottet  h^^ben.  ©or  jenem  lebten 
ÄueJritte  foüe  er  bor  bem  §crjog  gemarnt  gemefen  fein,  feine 
brohenbe  ajhene  fclbft  gefchen  hf*^>cn:  unb  bod)  iinbcmaffnct  mit 
ihm  geritten,  allein  bei  ihm  geblieben  fein.  2öaö  fein  ©ergehen 
betreffe,  fo  fage  bcr  DJ^örber  immer  nur,  er  höbe  bie  Xrcue  gc^ 
brochen,  fei  meincibig  gemefen.  Slbcr  morin?  moburdh?  bamit 
möge  er  hoch  enblich  hctauörürfcn.  ßbenfo  boU  innerer  SSiber- 
fprüche  fei,  maö  bcr  ^erjog  bon  feinem  eigenen  ©enchmcu  fage. 


100 


I.  $u(^.  5.  i^apitd. 


SBcnn  ^aiiö  ^uttcn  ein  5Scrbrcd)cr  luor,  niarum  lieg  er  ign  nid)t 
öffentlich  bur^  §lnbere  richten  iinb  h^nrichten?  brauchte 

eö  ben  einfamen  S53alb,  unb  eigener  ^anbonlegung?  SBenn 
eö  eine  Einrichtung  tnar,  tuaö  brauchte  er  ben  E^^äurichtenben 
ai^ufchrcien,  er  fülle  fich  feinet  £eben^  ujehren?  @iue  Eim’id)tung 
ift  fein  Äanipf,  unb  ein  Ä'ainpf  feine  Einrichtung,  ©nblich,  tuenn 
er  fich  unfchulbig  unb  E^nö  mit  Ütecljt  umgebracht  mußte,  marum 
lieg  er  bem  ^atcr  beffelben  burclj  feine  äJtittclßmänncr  eine  ©elb- 
füljne  nebft  ©hrcncrflärung  für  ben  ^etöbteten  anbieten?  ®ie 
Berufung  auf  ba^  fRecljt  ber  meftfälifchen  @erid)te  mar  ohnehin 
leicht  ^urücf^umcifen. 

^ie  grau  betreffenb,  maren  in  bem  ^meiten  ^msfehreiben 
ber  Enttcn’fd)en  nur  beö  Ecri^ogö  ^ilnläufc  brieflich  belegt,  unb 
bem  aWorbe  bie  5lbfid)t  beffelben  untergeftellt,  befto  eher  feine 
Scibenfehaft  befriebigen  ^u  fönnen:  ob  fic  aber  in  biefe  §lbfid)t 
eingegangeu,  mar  nicht  gefagt.  ®ieg  thut  nun  Ulrich  E^tten  in 
feiner  üierten  fRcbe,  nachbem  er  eö  fd)on  in  ber  <^meiten  ange= 
beutet  hnttc.  @r  nennt- Ennfenö  SBcib  bie  Erlena  biefeö  ^^riegö, 
belegt  fie  mit  ben  fd)impflichften  %tmen  unb  behauptet,  fie  fei 
fchon  Oor  ihreö  fKanncö  ^obe  mit  bem  Errang  einoerftanben  ge^ 
mefen.  2)er  Umftanb,  bag  fie  nad)  ber  ©rmorbung  eineö  fold)cn 
(^emahlö  am  E^fc  unb  im  Umgänge  beö  9)törberö  oerharre,  reid)c 
allein  fegon  hiu,  fie  ju  oeruvthcilen.  ggr  ^ater,  ber  im  ^ienfte 
bcö  E^r^ogö  blieb,  heifet  jept  gerabe^u  ber  Äuppler,  mic  ber 
S3ruber  ber  ßuftfnabc  bcö  ältörber^.  0o  mirb  aud)  auf  biefem 
fPunfte,  nad)  Eutteu'ö  2)arftellung , bcö  Errjogö  SSertheibigung 
äunichte:  cö  mar  feine  5^erleumbung,  menn  Euuö  Eutten  il)ni 
unehrbare  3Serfuche  gegen  fein  SGÖeib  jur  Saft  legte. 

SJUt  einer  fo  hultlofen  5Sertheibigung  oor  Äaifer  unb  gürften . 
511  treten,  meint  ber  fRebner,  bajii  gehöre  oon  ©eiten  beö  UebcU. 
thätcriS  ein  hoh<^^‘  ®^^ub  Oon  Unoerfd)ämtheit,  ja  mirflicher  SBahu* 
finn.  UcbrigeitiS  oerlaffe  fid)  berfelbc  aud)  nidht  auf  bie  Äraft 
feiner  ©rünbe,  fonbern  auf  feine  friegerifchc  fHüftung  unb  ben 
93eiftanb  ber  gremben,  ben  er  ermarte.  @r  foUe  aber  nur  einmal 
lüöbrcchen.  @r  merbe  fid)  über  ben  (Srfolg  bod)  getäufd)t  hüben. 
5)ie  ©chmaben  finb  feinet  fRcgiment^,  baä  nur  auö  ©rpreffungen 
unb  ©raufamfeiten  beftanb,  unter  bem  Sllleö  fäuflich  mar,  fatt; 
im  übrigen  ^cutfchlanb  ift  er  allgemein  oerabfd)eut.  3m  9Runbe 


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§utten’§  öierU  9?rbe  toibcr  ^erjog 


101 


bc§  SSoIfcö  I)cigt  er  bcr  luürtembcrgifc^c  genfer;  ©ebid^tc  ocr^ 
breiten  feine  ©räuel  nnb  feine  0c^mac^.  2)iefer  allgemeine 
Derbunben  mit  ben  innern  ©cfjrccfniffen,  brüeft  fdjmerer  anf  it)n, 
alä  er  merfen  lägt.  (5r  ift  im  Seben  nnglüdlicger  aU  fein  ©djlacgts 
Opfer  im  2;obe.  @r  ift  fo  gequält,  bag  eö  0cgabe  tuärc,  menn  er 
fieg  ergenftc.  SBägrcnb  ign  inmitten  feiner  9)Mcgt  beftänbige 
gurd)t  umtreibt,  ftegt  igm  Ulrid)  Jütten,  nad)  beffen  Seben  er 
traegtet,  furd)tIoä  gegenüber,  erflärt  fieg  laut  für  feinen  abgefagten 
unuerfögnlidjcn  5^inb.  2)er  Xgronn  fteüe  fieg,  alö  ob  er  ign 
ocradjtete;  aber  eö  fei  nidjt  fein  @rnft.  @r  füregte  feine  gebet 
nnb  mürbe  oiel  barum  geben,  bag  er  niegt^  gelernt  gätte.  Xnrd) 
Jütten  nnb  feine  literarifegen  grennbe  merbe  er  nnb  feine  ^gaten 
nad)  SSerbienft  fortlcben.  ,,3d)  beneibe  bir  beinen  9tad)rugm,  bu 
genfer'',  fprid}t  ber  9tcbncr  ign  an:  „man  mirb  ein  gagr  nad) 
bir  benennen,  mirb  beiner  Untgat  einen  ^ueignen.  5)ie  9tacg= 
mclt  mirb  lefen,  cä  fei  einer  in  bem  Sngre  geboren,  in  meld)cm 
bu  X)cntfcglanb  mit  nnauötöfd)lid)cr  0cgmad)  beflccft  gaft.  ^n 
mirft  in  ben  Äalenbcr  tommen,  0d)urfe.  mirft  bie  (5Jcfd)id)te 
bereiegern.  ^einc  Xgat  ift  unftcrblicg,  bein  9kme  für  alle  golge-' 
^eit  mertmürbig:  bu  gaft  errcid)t,  maö  bu  mollteft."  greilid)  eine 
,^eroftratifd)e  Unfterblidjfeit;  aber  für  bic  3Bünfcge  eincö  Unge* 
geuerö  ein  gan-^  entfpred)enbee 

ßur  ^iuömalung  ber  S3crmorfengeit  feinet  fürftlicgcn  ©egnerö 
gatte  biefer  bem  tRcbner  um  bie  ßeit  bcr  9lbfaffung  feiner  oierten 
9tcbc  retd)lid)  neuen  0toff  gegeben.  Äaum  bnrd)  ben  blaubenrer 
©ertrag  mieber  fid)cr  gcftellt,  gatte  er,  gerci^^t,  mie  er  nun  mar, 
angefangen,  mit  goltern  unb  .f)inrid)tungen  gegen  bie  SKänner 
j\u  mütgen,  meld)e  igr  fianb  oor  bcr  ©cfd)äbignng  burd)  einen 
unbänbigen  gürften  mittelft  cinc-^  S^egimentö  gatten  fdjügen  mollen, 
baö  ben  .Öerj^og  eine  ßeit  lang  befeitigt  unb  blcibenb  befdjränft 
gaben  mürbe.  5lbcr  au0brücflid)c  (Srmägnung  burftc  Jütten  oon 
biefen  neuen  ©ranfamfeiten  nid)t  tgun,  ba  er  feine  9tebc  in  einen 
frügern  ocrlegte.  0o  fdjilbert  er  nur  im  allgemeineu 

ba0  gnncre  feiucij  C^egner^  al^  ein  ülabprintg,  auö  beffen  ÄUünis 
mnngen  unb  galten  immer  neue  ©räuel  fieg  cntmidcln.  Söenn 
er  ctmaö  ©ofe^  unterlaffe,  fo  fei  er  nur  ju  feig  e^  am^^u fügten. 
$ättc  er  fo  oiel  9J^itg  al3  Übeln  SBiHen,  fo  mürbe  er  längft 
ilUeö  um  fid)  gcr  gemorbet  gaben.  ,,^u  uid)t0mürbigfte'5  aller 


102 


I.  5.  j^apitel. 


jttjctbeinigcn  ©cfd^öpfe",  rebet  er  if)n  einmal  an.  baftSuft 
ju  allem  S3öfcn  imb  ju  nid)t^  ®utem.  5)u  bift  f^lec^tbin  böfe. 
SBelc^e^  ©lieb  Don  bir  einer  bcmcgcn,  mclc^cn  ©lutötropfen  n\u 
terfu^cn  mag:  eS  ift  nid)t§  ©uteg  barin.  ^IRan  mng  glauben, 
bie  Statur  ^obc  in  bir  eine  SEÖerfftätte  non  Uebcltl)öten  bereiten 
moflen." 

©egen  einen  fo  gefäl^rlid^cn  SSerbrec^cr  cinjufc^reiten,  forbert 
Jütten  ben  ^aifer  unb  bie  nod^  einmal  in  einer  fc^mung* 

l^aften  ©c^lugrebc  auf.  „©ib  unö  ©c^ör,  o Äaifer",  fagt  er. 
„©ib  un§  ©c^ör,  S3efc^ü5er  bcr  Unfc^ulb,  ©rljalter  bcr  ©erec^* 
tigleit,  ber  ^i^ei^eit  §ort,  Sieb^aber  ber  gi^ömmigfeit.  ©ib  unS 
©ebör,  bu  S^ac^folger  beä  5luguftu§,  9^ebenbul;ler  be^  Xrajanud, 
§crr  bcg  ©rbfrcifeö,  ßenler  be§  menfd^lic^en  ©efc^lec^tg.  ©ntfcme 
bie  allgemeine  gurc^t.  S^ette,  mag  öon  ^cutfdjlanb  noc^  übrig 
ift.  SRec^tfertige  bein  ßcitalter,  beinen  ?Ruf  unb  fieumunb.  3läc^e 
bie  ©Uten,  beftrafe  bie  33öfcn.  2)ic  Älage  ber  SBaifen,  bag  S3lut 
bcr  Unfd)ulbigen  fc^rcit  ju  bir.  ©r,  bcr  Sßtele  gemorbet  b^t,  bie 
Uebrigen  ju  morben  trachtet,  SlUcn  SJerberben  bereitet;  ber  ben 
©attinnen  bie  ©atten,  ben  SSäteni  bie  ©ö^nc,  ben  greunben  i^r 
anbereg  3cb,  bem  gefammten  2)eutfd)lanb  feine -.^offnung,  feine 
©nuartung  entriffen  Ijat;  bcr  ^eiligtbümcr  geplünbert,  an  ^rieftcr 
freuclnbe  §anb  gelegt,  Xempel  beraubt  l)at;  bcr  ®cutfcblanb  Uef^ 
lauft,  Seben  unb©ut  reblicber  93ürger  feil  geboten  b^t;  ber  feine 
©emorbeten  bem  b^iniatbli^cn  öegräbnig  Oorentbält,  ung  öers 
bietet,  um  unfere  ^^obten  ju  trauern;  er,  erfinberifeb  in  ©rau* 
famteit,  tbatfräftig  in  Unmenfcblicbfcit;  bcr  2JJörbcr,  93anbit, 
genfer  ber  ©Uten,  SBiberfad^er  ber  Unfebulb,  geinb  bcr  ©öttcr 
unb  SJ^enfeben:  merbe  jerriffen,  j^erftüdt,  jcrfi^mettcrt,  getöbtet, 
üerniebtet,  bem  ©cbmert,  bem  geuer,  bem  Äreuj  unb  ©triefe 
preiggegeben.  3b^^  Q^cr,  bcutfd^c  gürften  unb  iölänner,  rciget 
enblid)  aug  ber  ©d^eibe  eurer  Sööctwng  bag©d)mcrt  ber  ©crccb- 
tigfeit.  Saffet  in  bcr  S3eftrafung  biefeg  ÜRäuberg  bie  ©^neibe 
eurer  ©trenge  nid)t  ftumpf  merben.  Ünmürbig  ift  eg,  fcbänblidb, 
frcOelbaft  unb  üerbcrblicb,  einen  folcben  Söerbred^er  entrinnen  ju 
laffen.  ©ebömen  merben  fidb  eure  9lad)fommcn  an  Voreltern, 
bie  fo  Don  bcr  Xugcnb  ihrer  5lbncn  entartet  maren.  2)arum 
moblan,  entmeber  möge  (mag  unmöglich)  bie  9la(^mclt  niebt  miffen, 
mclcbc  Untbaten  Ijicr  begangen  morben,  ober  (mag  an  eurer  fRccbt- 


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103 


Sierte  9lebe  toibec  Ulric!^. 

lic^fcit  liegt)  möge  pc  sugteidj  tuiffen,  bog  fic  bcftroft  toorben 
pnb." 

©0  lange  bcr  alte  Äoifer  lebte,  lieg  er  burd)  bie  Söinfcljügc 
$erjog  Ulrid)'^  unb  feinet  neuen  Äonjlerö,  Slmbroftus^  IBoHojib, 
mic  er  felbft  einmal  unmut^ig  öugerte,  „fic^  um^iel)en":  mic 
Jütten  feinen  Äam^f  gegen  ben  ^erjog  fortfc^tc,  unb  enblid) 

ben  Xag  bcr  iRac^e  erlebte,  mcrbcn  mir  fpötcr  ju  berichten  gaben. 

# 


Ä 


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104 


c^itften’d  iweite  %tift  itacf  9>taneit. 

1515-1517. 

ift  oben  crnjö^nt  tüorbcn,  wie  btc  5(ufnal)mc,  tDcld)c 
glitten  nadj  feiner  erften  fRücffebr  in  bie  |)eiinat!)  bei  ber 
beit  feiner  ^(ngebörigen  fanb,  äugerft  fränfenb  für  ibn  tnar. 
©tatt  @b^c  i^nb  5(nertennnng  fanb  er  55eracbtnng  nnb  ©pott. 
Singer  ber  ritterlicb-friegerifcben  unb  ber  fircblicljen  fiaufbobn  er? 
fannte  ber  bomalicje  Slbel  (fo  n)eit  bitten  firfj  bie 
febon  geänbert)  aud)  no^  bie  juriftifd)e  als  eine  folcbc  an,  burd) 
iuelcbc  einer  igreS  ©tanbeä  fid)  nidjt  alljn  uiel  nergebe.  SJian 
ftubirte  neben  bem  fanonifdjen  ba^  römifebe  ober  fogenannte 
faiferlicbc  9led)t,  baS  in  jenen  3abren  immer  mehr  (Singong  in 
2)eutfd)(anb  fanb,  mürbe  2)octor,  nnb  machte  bann  am  faiferlid^en 
ober  an  dürften?  unb  §errenböfen  als  fRatl),  ^lan^ler  u.  bgl.  fein 
©lücf.  ®iefe  Saufbabn  lag  bem  alten  §utten  für  feinen  ©oI)n, 
nad)bem  biefer  bie  geiftlidje  üerlaffen  b^^HC/  ©inne.  9^un 
batte  aber  Ulrid),  nach  einem  furzen  Sin  laufe,  febon  in  Stalien 
fid)  mieber  ju  feinen  S^larrenSpoffen  (nugae),  mie  ber  Sllte  eS 
nannte,  jurücf gemenbet,  mar  nicht  als  9}2agifter  ober  ^octor, 
fonbern  als  S^iebts,  als  ber  9tiemanb  ^urüefgefommen.  ©einen 
Slbcl  fd)ien  er  burd)  bie  unritterlicben  ©tubien  Oermirft  ju  höben, 
unb  eine  anbere  SIuS^eid)nung  l)ötte  er  nid)t  gemonnen. 
S)ienfte,  meld)e  für  ben  Slugenblicf  feine  feböngeiftige  geber  in 
bem  ©treite  mit  bem  ^er^og  oon  SBürtemberg  leiftete,  nahm  man 
mit,  ohne  über  feine  ©tubien  im  allgemeinen  bie  Slnficbt  ju 
önbern. 


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Umarbeiiuno  bc§  ^icmanb 


105 


2)icfcS  uitb  9Zicmanb,  baö  |)uttcn  jo^t  fü  oft 

l)ören  ober  bod^  ju  empfinben  befam,  bracljtc  U)m  einen  voctifd)en 
(^c^erj  in  Erinnerung,  ben  er  fd)on  oor  ober  luäbrenb  feiner 
erften  italienifc^en  SReife  f)ingetoorfen  l)attc:  er  fudjte  feinen 
„3^iemanb"  loieber  arbeitete  i()it  um  unb  fügte  ein  pro- 

faifc^eö  JBonoort  an  feinen  greunb  Erotue  ()in^u.  33eibed  mar, 
einem  33riefe  §utten’ö  an  Era^muö  Dom  24.  October  1515  ^u^ 
folge,  bamalö  fd)on  j^um  ^)rucfe  bereit,  ber  jebodj  erft  brei 
fpätcr  0tanbe  fam.  3n  biefer  ß^^ifdjen^eit  mag  mol)l  nod) 
SRanc^e^,  befonberö  an  bem  S3ormorte,  oeränbert  unb  jugefe^t 
loorben  fein;  bod)  mollen  mir  barum  bie  fdjon  einmal  j\urüd= 
geftcllte  SBefpredjung  beö  33üd)lein<§  nid)t  länger  oerfd)ieben.  2)er 
S^liemanb  ift  junädjft,  mie  baö  griedjifd)e  SBort  auf  bem  STiteP) 
unb  fc^on  oor  ber  erften  5luögabe  ein  Epigramm  an^eigte,  ber 
^omerifdje  Gi  ng,  mit  melc^ein  Dbpffeuö  ben  Epclopen  öftte.  0o 
erfdjeint  er  auc^  im  jmeiten  Xl)eile  bei?  (55ebid)tö  alö  bie  ftel)enbe 
Sluörebe  nid)tönu^iger  ^ienftboten:  fie  mögen  jerbrodjen  ober 
fonft  ^u  EJrunbe  geridjtet  l)aben,  maö  fie  mollen,  immer  bat  e» 
ber  9^iemanb  getban.  liefern  fel)r  auögefübrten  befd)reibenben 
Xl)eite  ift  nun  aber,  fdjon  in  ber  erften  ^luiSgabe,  ein  tnr,^erer, 
meljr  epigrammatifdjer,  i)orauögefd)idt,  beffen  Söip  in  ber  ßmeis 
bcutigteit  beftel)t,  bag  ber  9^iemanb  ^unäd)ft  alö  mirflid)e  ^erfon 
erfebeint,  oon  ber  ganj  außerorbentlidje,  unglaii bliebe  ^inge  auö^ 
gefagt  merben,  biö  er  auf  einmal  alo  blojje  Verneinung  jerplapt. 
(2)er)  9^iiemanb  mar  uor  ber  Erfd)affung  ber  SBelt;  Dtiemanb 
!ann,  iRiemanb  meiß  Sllleö;  9tiemanb  bauert  immer,  9tiemanb  ift 
oon  gebient,  oon  3n:tbum  frei;  ^Riemanb  ift  in  ber  Siebe  meifc, 
9liemanb  fann  jmeien  .gerren  bienen  u.  f.  f. 

2)aö  fo  angelegte  EJebidjt  ift  in  ber  neuen  ^lu^gabe  mefent* 
lieb  Oerbeffert  unb  oon  43  ^iftid)en  auf  78  oermebrt.  ^em  5luö= 
bruef  ift  burebmeg  nad)gebolfen,  oermittelnbe  ßiige  angebradjt, 
ba  unb  bort  fdjärfere  Sidjter  aufgefe^t,  bas^  Oian^e  feiner  unb  be« 
5Üglid)er  gemadjt.  3ni  erften  Xl)eile  befonberö  finb  Verfe  ein* 
gefdjoben,  in  benen  nun  ber  SBife  nid)t  mehr  bloö  ber  logifdje 
beö  Umfdjlagenö  eiger  oermein tlid)en  ^erfon  in  eine  bloße  Ver* 


1)  OtT/f.  Nemo,  ©(tjtiftcn  III,  107  — 118.  2)tc  an 

CrotuS  i,  8. 175—187. 


106 


I.  9u(l(|.  6.  Pa))itel. 


ncinuntj  ift,  fonbcrn  einen  moralifd^cn  ober  politifd)en  0tac^el  . 
befommt.  S^iiemanb  bringt  fic^  burc^  reine  ©itten  in  ber  SCBelt 
empor;  S^iemonb  fe^t  ben  gemeinen  9tujen  üor  ben  eigene»; 
iJliemanb  ift  fromm  unb  ^ofmonn  5ugleic^;  S^iemanb  bringt  olle 
^)eutfc^en  unter  @inen  gut;  S^iemanb  me()rt  ben  3;ürfen  ab; 
iytiemanb  tommt  bem  feufjenben  Stalien  511  gülfe  unb  befreit 
bie  @tabt  be§  jQjiirinug  oon  ber  ^foffen^errfc^aft;  9liemanb 
mögt  eg  bie  Ueppigfeit  unb  ben  SKüffiggong  ber  ©eiftlic^feit, 
9iiemanb  ben  ^opft  511  tabeln : bag  finb  nic^t  mefjr  bie  ^ormlofcn 
SBifee  eineg  jungen  ©c^öngeifteg,  fonbern  Oebanfen  eineg  SO'^anneg, 
ber  bie  SBelt  gefe^en  unb  über  bie  menfd^lic^en  SBcrpltniffe  nac^s  . 
gebaut  t)at. 

©ein  perfönlic^eg  §(ntiegen  bringt  gutten  in  bem  ©ebid^tc 
felbft  nur  in  bem  ßwge  uor,  meieren  bie  neue  Bearbeitung  eins 
fc^iebt : S^iemanb  reiche  ben  redeten  ©tubien  ben  oerbienten  £ot)n. 
liefen  SRiemanb,  fagt  er  in  ber  profaifd^en  SBibmung  an  ben 
alten  greunb  ©rotug,  ^abe  er  bei  feiner  Sflücffel^r  in  bie  geimatl^ 
gefunben.  mac^t  er  fid^  nun  aber  l^ier,  in  bie  SKeinung 

beg  großen  gaufeng  feßerj^aft  eingeßenb,  felbft  jum  9>liemanb, 
unb  mag  er  rebet  unb  feßreibt,  ju  9tid^tg.  ®er  greunb  bcflagc 
fic^  (in  einem  ung  nießt  aufbeßaltenen  Briefe)  barüber,  baß 
gutten  ißm  ein  gau5eg  6aßr  nic^tg  gefeßrieben:  allein  mer  felbft 
S^id^tg  fei,  mie  fönne  man  Oon  bem  @tmag  oerlangen?  ©0  f(ßicfe 
er  il)m  beim  ßiemit  S^tießtg,  unb  5Hiemanb  fei  ber  Ueberbringcr. 
SBoäe  ©rotug  miffen,  moßer  auf  einmal  biefer  ©infall,  fo  bürfc 
er  fieß  nur  an  ißre  näc^ften  @rfal)rungen  erinnern.  Beibe  ßaben 
ße  ben  Berfueß  gemadf)t,  Wag  bureß  bag  eifrigfte  Betreiben  ber 
beften  ©tubien  ju  erreichen  fei.  (Srreießt  ßaben  fte,  baß  man 
öffentlich  oon  ihnen  fage,  ße  höben  S^ichtg  gelernt  unb  feien 
iltidhtg.  ^)em  greunbe  fei  eg  hictin  noch  leiblicher  gegangen  alg 
ihm,  ber  fo,  wie  oben  bef(^rieben,  bei  feiner  geimlchr  empfangen 
worben  fei.  Beßnbe  er  fich  unter  feinen  9tittern,  fo  fühlen  ßc 
ihn  nidht,  unb  auch  bie  ©eiehrten  erlennen  ihn  nicht  an.  ®ic 
IRitter  würben  ihn  gern  alg  ihrcggleichen  gelten  laffen,  wenn  er 
nur  nid)tg  gelernt  hätte.  ®ie  ©elehrten  aber  feßen  auf  folchc 
©tubien,  wie  er  unb  Srotug  ße  gemad)t  höben,  mit  ber  üußerften 
Berachtung  herab. 

3m  augfchließlichen  Bcfije  beg  SBiffeng  bünfen  fich  jejt  be* 


r 


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^utien  an  SrotuS. 


107 


fonbcrig  bic  beiben  Äaftcn  ber  3uriftcn  unb  bcr  Xbcologcn.  ^ic 
einen  fc^tnören  auf  ^Iccurftnö,  S3art^o(uö  unb  33albu^,  bic  ©loffa* 
toren  unb  Kommentatoren  bc3  Corpus  juris;  bic  anbern  auf 
X^omaö  unb  ©cotu^,  ^tbertuö  unb  Sonaücntura  mit  i^ren 
Cluäftionen  unb  ©püogi^mcn.  S3cibe  aber  feien  bie  $cft,  bie 
einen  bcig  S^cc^tiS  unb  beö  KJerncimoo^lö,  bic  anbern  ber  SRcIic^ion 
unb  Xb^otogie.  Sluf  beiben  «Seiten  fei  eine  einfache  ©runblagc 
burch  maffenbaftc  Kommentare  ocrbccft,  ein  urfprüngtich  faglichc^ 
©tubium  in  unburchbringliche  SRebcl  gehüllt  loorben. 

5)ie  3uriftcn  fehießen  jeht  an  ben  §öfen  mic  ^iljc  auf,  gc^ 
niesen  auöfchlicglich  bie  KJunft  unb  thcilen  bie  Schäle  bcr  dürften. 
SGBenn  biefc  burch  irgenb  ctmaS  ihren  Unoerftanb  bcmcifcn,  fo  fei 
cö  bur^  bic  SBegünftigung  jener  ^abuliftcn.  „Sllö  hätte  c3  nid)t 
beffer  um  5)cutfchlanb  geftanben,  ehe  biefc  ÜJicnfchcn  auffamen 
mit  ihren  Dielen  Söüchcrbänben ; bajumal,  alg  h^^^  (nach  Xacituö) 
gute  Sitten  no^  mehr  galten  alö  anberömo  gcfchricbcnc  ©efche. 
Ober  alig  ob  noch  jcbc5  ©emeinrnefen  um  fo  beffer 

Dcrujaltct  märe,  je  meitcr  biefe  KJloffotorcn  boDou  finb.  fehc 
nur  einer  jene  ©achfen  am  öaltifd)en  SKccre,  mic  fic  ohne  5luf* 
fchub  unb  ohne  KJefährbe  Sftecht  fprechen,  inbem  fic  5mar  nicht 
bic  genonnten  KJcfchfrämcr,  aber  bie  althcrgcbrochtcn  heimifchen 
öräuchc  befrogen:  mährenb  hi^^^  eine  Sache  20  3ah^^  jmifchen 
36  ^octoren  hängen  fann/'  3Kan  ficl)t:  in  bem  eben  bamalS 
entbrannten  Kampfe  jmifchen  bem  alten  beutfehen  Olcdhte,  ba§  un^ 
gelehrte  ebenbürtige  ?Ricl)ter  in  fur^cm  münblichem  Sßerfahren 
auö  bem  ^erfommen  fdjöpftcn,  unb  bem  au^  3talicn  cingemans 
berten,  burch  eine  gelehrte  öcrmaltcten  römifchen  fteßte 

fich  ber  beutfehe  S^titter  auf  bic  Seite  be^  erftcren;  mährenb  bcr 
|)umanift  in  $uttcn  ba^  römifche  IRccht  menigftcnä  unglofftrt, 
bic  altrömifchen  Duetten  Don  bem  SBufte  bcr  mittelalterlid)cn  Kr^ 
flärer  gefäubert  miffen  mottte,  unb  hierin  nicht  nur  einen  9J?utian, 
fonbern  ouch  philologifch  gcbilbetc  3uriften  mie  Ulrid; 
auf  feiner  Seite  h^^He.  Kinj^ig  auö  Mdficht  auf  ben  SBunfeh 
bcr  Seinigen,  fährt  §utten  fort  (unb  biefc  Stelle  möchte  mohl 
fpäter,  gegen  Knbc  feineö  j^mciten  ^lufcnthaltö  in  3talicn,  ein* 
gcfchoben  fein),  unb  auS  2lcrgcr  über  ben  §ochmuth  jener  IRabu* 
liften  höbe  er  früher  fich  entfchloffen,  ihnen  ihre  Äunftgriffc  ob* 
julernen  unb  ®octor  ju  mcrbcu,  um  fich  our  KJcljör  unter  ihnen 


108 


I.  ®u(^.  6.  i^npitct. 


ju  t)crfrf)Qffen.  SlK^^uoiclc  f)nbc  er  bamit  nid^t  ju  Verlieren 
gefürchtet,  ba  cö  fiel)  ja  nicht  um  baö  ©inbringen  in  ben  Äeni 
einer  SBiffenfefjaft,  fonbem  nur  um  ©rmerbnng  ber  gähigfeit  ge* 
hanbelt  höttc,  mit  ben  0chalcn  gu  ftappern.  liefen  ^lan  höbe 
er,  unter  Sieirath  beö  greunbeö  (hier  feheint  auf  eine  ßofoni* 
mentnnft  mit  ©rotnö  in  Senebig  angefpielt,  auf  bie  mir  batb  ju 
fprcchen  fommen  merben),  bahin  abgeänbert,  baß  er  iefet  ent* 
fchloffen  fei,  nicht  S)üctor  merben,  nnb  Urthcil  beö  großen 
§aufenö  ^n  oerachten. 

5^ein  uortheilhafteref^  33ilb  entmirft  $ntten  in  biefer  inhaltö* 
reifen  Siorrebe  oon  ben  ^h^^otogen  feiner  ßeit.  3)Mt  ©citerfeit 
mirb  ber  greunb  baran  erinnert,  mic  trefflich  er  einft  ihre  fchola* 
ftifchen  Älopffed)tereicn  nad}3uahmen  oerftanben  ho^JC.  ©r  felbft, 
glitten,  höbe  fie  früher  oft  geärgert,  oft  ihren  ^ochmuth  nnb 
ihre  S3erfehcrungöf licht  geregt:  je^t  finbe  er  eö  flüger,  olö  nichts* 
fagenber  9tiemanb  fid)  ihrem  3ornc  ent5ichen.  SBic  bie  Söor* 
läiifer  ber  fRcfornrntion  fchon  längere  3cit,  nntcrfcheibet  auch 
Jütten  Oon  ber  alten  nnb  ächten  ^^hcologic  bie  feit  300  3ahren 
aufgefommene  fd)olaftifche,  meld)e  bie  Sehre  ©hi'ifti  oiit  einer 
SJiaffe  abcrglänbifd)er  @cbränd)c  nnb  fchlcchtcr  53üchcr  ^ngebedt 
höbe.  «Statt  mufterhaften  Sebenö  pod)en  biefc  9Jienfd)cn  auf  ihre 
Äutten  nnb  ^rioilegicn ; mährenb  fie  bie  ungefaljenften  ©efehöpfe 
feien,  holten  fie  fid)  für  baö  Sal^  ber  ©rbe;  meil  fie  bie  53eid)tc 
ber  gürften  hören  unb  bie  ©eheimniffe  ber  SBeiblcin  erforfchen, 
meinen  fie  meifer  als  alle  übrigen  ä)?enfd)en  p fein.  2)aö  ©Jute 
unb  maljrhaft  ©hnftlidjc,  mie  bie  ^Irbcitcn  be^  ©raömiiö,  fei 
ihnen  jumiber;  ben  trefflidjcn  fRcudjlin  höbe  oor  ihrer  SButl) 
nur  ber  Sdjiip  bcö  Äaiferö  aßajimilian  gerettet.  ©Jclinge  e§ 
ihnen  aber,  einen  alö  ilehcr  ^u  ergreifen,  fo  gebe  cö  feine  grau* 
famern  Sieger  alö  fie.  ®a  ftellcn  fie  fid)  ganj  an  ©h^ip*  ^tatt: 
nur-  oon  feiner  ©armheräigfeit,  ber  oornchmften  feiner  ©igen* 
fchaften,  mollcn  fie  nid)tö  miffen.  Unb  nur  gegen  Schmad)e,  nur 
mo  man  fie  gar  nid)t  braud)c,  jeigen  fie  .ihren  ©ifer : bie  3!ürfcn, 
ober  aud)  bie  böbmifd)en  ^uffiten  ju  befchren,  falle  feinem  ein; 
mo  e^  Öefahr  gebe,  ba  jichen  fie  fid)  oorfichtig  in  ihre  angeblich  . 
fromme  9tuhc  ^urücf. 

Sold)e  2)ienfd)en  behcrrfd)en  bie  SJ^enge,  mclcher  $Rang  unb 
Xitel  imponiren,  mcld)c  nid)t  frage,  ob  einer  ctmai^  miffe,  fonbern 


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$uttcn’§  afteite  JReife  nod^  3to(ien. 


109 


üb  er  Xoctor  ober  äRagiftcr  fei.  tiefer  5IWcinung,  fo  fcfilicßt 
Jütten  feine  fönne  fein  lDQi)rf)aft  freibenfenber  9J^onn 

fic^  fügen;  er  toenigften^  njoUe  mit  SSergnügen  für  immer  9ftid)t^ 
bleiben,  fiel)  mit  bem  grennbe,  non  bem  er  ein  ®leid)eö  Dorauö- 
fe^e,  biömeilen  über  bie  X()orbcit  ber  2J?enfd)cn  luftig  machen, 
fi(^  aber  burc^  ben  @l)rgei^,  @tmaö  ju  merben,  feinen  ginger 
breit  Don  feinem  SBorljaben  oblenfen  taffen. 

Stuf  ber  anbern  ©eite  jeboc^  lieg  fid)  ber  alte  ©tecfelbcrger 
Don  bem  $lnne,  in  bem  ©ol)ne  bereinft  nodj  einen- cinflugreidjen 
^vuriften  fe^en,  gleidjfaHö  nid)t  abbringen.  @r  öffnete  iljm, 
in  ©emeinfe^aft,  mie  e^  fd)eint,  mit  nod)  anbern  gamiliengliebern, 
feine  Äaffe  unter  ber  33ebingung,  bag  er  nod)  einmal  nac^  Italien, 
unb  j^iüür  naeg  fRom,  ge^en  nnb  fein  abgebrodjeneö  fWeegt^ftubium 
lüieber  anfnüpfen  fülle.  Sind)  ber  ©rjbifdjüf  ?llbred)t  üün  äRain^ 
unterftüj^te  i^n  511  biefer  9feifc:  nm  9Jiagbalenentag  (22.  guli) 
1516  befd}einigt  ber  main,yfd)e  ÜRarfdjalf  grüiuin  üün  glitten, 
üon  ben  200  @ulben,  bie  ilurfürft  2llbred)t  „bem  üeften  Ulrich 
üün  §uttcn,  feinem  ^Setter,  gnäbig  i^ngefagt,  jur  SSüflfüljrung 
feineö  angefangenen  ©tubiumö  in  l)ül)er  ©d)ule  ^ur  ©teuer  ju 
geben",  auf  feine  53ittc  50  ©ulben  crljalten  ju  l)aben,  bie  er 
auc^  fofort  „gebad)tcm  feinem  3^ettcr,  alö  er  in  SBelfc^lanb  ge^ 
^ügen,  überliefert  gäbe"*},  ©ü  lucnige  ga^re  üürtjer  ber 

33ifd)üf  §iüb  üün  iRiefenburg  ben  gugenbfreunb  §utten’ö,  @üban 
^effe,  naegbem  er  ign  eine  geit  lang  an  feinem  §üfe  gehabt  unb 
lieb  gemüiinen,  jum  iRecgtiSftubiumö  nad)  ßeip^ig  gc^= 

fegieft,  um  ign  fpöter  beftü  beffer  unb  eljrenüüUer  in  feinen 
fc^äften  üenoenben  ju  fönnen.  Unter  ber  altern  (^eneratiün  ber 
^umaniften  mar  biefc  Serbinbung  be^  juriftifd)en  ©tubiumö  mit 
bem  pl)ilülogifc^en  niegt  ungemöl)nlic^  gemefen.  2)aö  lepterc  gab 
noc^  feine  bürgerliche  (Syiftenj:  ba  nagm  man  baö  erfterc  ju 
^ülfe.  ©0  mar  3ül)ann  lReud)Iin  erft  Jöeifiper  beö  mürtember? 
gifchen  ^ofgeridjtö,  bann  fchmäbifcher  33unbeörichter  gemefen  unb 
nannte  fid)  auf  ben  Xiteln  auch  feiner  philülogifdjdheologifdjen 
©üchcr  Legum  üoetor;  unb  SÖJilibalb  ^irdljeimer  galt  für  einen 
ebenfü  grügen  3uriften  alö  5^hilol‘>9en.  ^ie  Jüngern  SRänncr 
biefer  9tid)tung  aber  mülltcn  fid)  ju  fülcher  iBerbinbung  nicht 


1)  ^utlen’ö  Sd^riftfn  I,  3.  105. 


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110 


I.  9u4l-  6.  ftapiiel. 


mc^r  bequemen,  ©ie  uerfui^ten  e§,  i^r  Seben  auf  bie  ^umanü 
tät^ftubien  allein  begrünben;  maö  fic  nad)l^er  nic^t  feiten  ju 
bereuen  batten,  ©o  üerfaufte  @oban  eine^  fd}önen  ÜJ?orgen§  bie 
juriftifd)en  SÖücber,  bie  i^m  fein  0ifd)of  jum  0tubium  in  fiei^^ig 
angefebafft  batte,  unb  ging  nach  Erfurt  jurüd,  um  ficb  auöfcblie6= 
lieb  ben  febönen  Sßiffcnfcbaften  j\u  mibmen.  ^ber  eö  ging  il)m 
ba  halb  fo  fnapp,  bag  er,  um  ficb  unb  feiner  gamilie  S3rob  ju 
febaffen,  einmal  9J?ebicin  ju  ftubiren  anfing. 

©0  fam  eö  jept  auch  Jütten  febmer  an,  ficb  t)em  SBunfebe 
ber  ©einigen  ju  fügen;  boeb  machte  er  ficb  im  §erbft  1515  mit 
mebreren  33egleitern  auf  ben  933eg.  ©emc  märe  er  über  ®afcl 
gereift,  um  ben  ©raömug  mieber  ju  feben,  ber  ficb  eben  bort 
befanb;  bücb  feine  ©efäbrten  ^ogen  eine  anbere  ©trage  öor,  unb 
fo  febrieb  er  j\u  Söormö,  in  ber  Verberge,  unter  bem  ßärmen  ber 
®öfte,  einen  iÖrief  an  bcnfclben,  in  melcbem  er  feine  Ißerebrung 
für  ben  erhabenen  9J(eifter  in  begeifterten  SÖorten  auöfprad)*). 
®r  betrachte  eö  alö  ein  Unglüd,  bag  iljn  bie  SSerbältniffe  oon 
@raömu^  entfernt  halten,  bem  er  fo  innig  mie  ^llcibiabeö  bem 
©ofratei?  anbängen  möchte;  in  ber  ^Iljat  fei  ja  ©raSmug  ber 
beutfebe  ©ofrateg,  habe  fid)  um  bie  S3ilbung  beö  beutfeben  Ißollö 
nicht  minber  alö  biefer  um  bie  beö  grieebifeben  oerbient  gemacht. 
0b  er  ba§  @lücf  haben  mürbe,  einem  folcben  äJ^anne  ju  gefallen, 
miffc  er  freilich  nicht;  aber  ihm  - ju  bienen  märe  er  mobl  nidbt 
gang  unmertb  gemefen,  unb  bem  @raömu^  mürbe  e^  nicht  5ur 
Unel)re  gereicht  haben,  menn  ein  beutfeber  Dritter  mit  Xreue  unb 
Cifer  fid;  feinem  3)ienfte  gemibmet  hätte,  iöefonbcrö  ©rieebifeb 
hätte  er  ju  feinen  Sügen  lernen  mögen;  er  habe  im  ©innc  gc* 
habt,  JU  ihm  ju  reifen,  ign  oielIeid)t  nach  ©nglanb  ju  begleiten, 
unb  mürbe  biefeg  S8erbältnig  nicht  nur  bem  §ofleben,  ju  bem 
er  JU  feinem  Scibmefen  berufen  fei,  fonbern  auch  ber  fReife  nach 
Stalien  oorgejogen  haben,  mohin  ihn  bie  läftige  greigebigteit  ber 
©einigen  beö  IRechtöftubiumö  megen  fehiefe.  5^äme  aber  ®ragmu§ 
etma  nad)  Stalien,  fo  mürbe  er  ficb  burd)  nichts  abhalten  laffen, 
auö  bem  juriftifchen  Äerfer,  in  mclcbcn  bie  ©einigen  ihn  oerbon* 
nen,  ju  ihm  ju  eilen.  ^Rachbem  er  fobann  nodb  feineö  ^Ricmanb 


1)  ^utten’S  ©^iriftcn  I,  ©,  102.  §ier  auc^  bie  9?0(brid(|t  bon  ber  ®ei» 
fteuer  ber  i^utten’|4)en  tJoniilie  Ulric^’S  9tei}e. 


^ X 


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^utten’S  iKetje  nad^ 


111 


unb  bcr  e^rcnüoQen  (SrtDÖ§nung  bed  QhroSmuS  in  ber  iBorrebc 
(b.  f).  in  bcm  S3rief  an  (Srotu^)  gebac^t,  aud^  feine  ©efunb^eit 
betreffenb  gemelbet  ^at,  bog  er  üon  bem  unb  bem  guß- 

übel  gan5  geteilt  fei,  bittet  er  fc^lieglic^  ben  ^raSmuS  um  eine 
(Jmpfe^lung  an  einen  gelehrten  ©roßen  in  fRom,  bem  er  aber 
nic^t  ©tattfnec^töbienfte,  fonbern  litcrarifc^c  ^anbrcid)ung  5U 
t^un  ^ötte.  Seneg  nömlid}  loar  nic^t  feiten  bie  Saufba^n  ber 
üon  Jütten  fpäter  fo  fel)r  befämpften  ßurtifanen,  b.  beutfd^er 
©eiftlic^en,  bie  in  jungen  Sorten  na^  8ftom  gingen,  unb  fieß  ba 
jju  ben  elenbeften  ^ofbienften  bequemten,  um  betnac^  mit  ber  Sin» 
martfebaft  auf  beutfe^e  ^ircbenfteUcn,  unb  natürlicb  5ugleicb  mit 
burebau^  ultramontaner  ©efinnung,  jurUefjufebren. 

5(uf  melcbem  SBege  Jütten  nach  fRom  reifte,  unb  lyQÖ  ib^i^ 
untcrloeg^  begegnete,  miffen  mir  nicht,  menn  mir  nicht  ber  ®er« 
mutbung  0tatt  geben,  baß  un;^  in  einem  ber  ^unfelmönncrbriefe 
be^  jroeiten  ^cr,  mie  mir  unten  pnben  merben,  ihn  jum 

^auptoerfaffer  b^^lr  Ktnc  fReiferoute  aufbebalten  fei.  Sftämlicb 
einige^  oon  feiner  fReife  miffen  mir  boeb,  unb  baö  trifft  mit  bem, 
mad  M.  Söilbelmu^  2amp  oon  ber  feinigen  berichtet  0,  rnerfmürbig 
jufammen.  lieber  9Rain5  muß  Jütten  oon  0tecfelberg  auö  fo 
gut  mie  ber  SRagifter  oon  Äöln  auö  gefommen  fein;  baß  er 
hierauf  mie  biefer  in  SBorm^  einfebrte,  unb  oon  ba  nicht  meiter 
rbeinaufmärtd  in  ber  Sfliebtung  nach  S3afcl  reifte,  fonbern  einen 
anbern  SEöeg  einfeblug,  miffen  mir  auö  feinem  in  ber  Verberge  ju 
833orm^  gefebriebenen  5Jriefe  an  ©raömuö;  menn  ber  SJtagifter 
oon  SBormiS  aud  feinen  äBeg  Augsburg  5U  nahm,  fo  mar  bieß 
auch  für  ben  Flitter,  moHte  er  nicht  über  öafel  reifen,  bie  an« 
gemiefene  ©traße;  mie  ber  ^Regen  unb  Schnee,  morüber  ber  Än« 
bere  llagt,  ju  bcm  24.  October  ald  bem  ®atum  oon  ^utten’ö 
mormfer  Briefe  beftenö  paßt.  SSon  Slugöburg  auö  reifte  M.  Samp 
über  ßanböberg  unb  Sebongau  burd)  grunblofe  SBege  nach  3nn§« 
bruef,  mo  er  ben  Älaifer  mit  zahlreichem  ©efolge  fanb;  bann  über 
ben  bereits  fdtmeebebceften  Brenner  nach  Orient,  mo  er  S^uge 
bcr  faifcrlicbcn  ÄriegSrüftungen  mar,  bie  auch  Jütten  in  einem 
fpöter  zu  9lom  gebiebteten  (Epigramm  in  ben  2Upen  gefeben  z^ 


1)  Epist.  obsc.  viror.  II,  12.  Hutteni  Opp.  Supplem.  I,  & 206  ff. 


/ 


« 


112  1.  6.  Kapitel. 

fabelt  Dcrfid)crt  *).  Scrona  unb  3J?antua  fa^  fi^  bcr 

äl^afliftcr  burd)  bic  Äricö^mad)t  bcr  S^cnc^iancr  aufgcl^Qlten;  nac^ 
ÖüIognQ  mac)  nud)  .guttcn,  it)cnno(cid)  nid)t  flcrabc,  luie  bcr 
bcrc  uon  fid)  ücrfid)crt,  tuä{)rcnb,  bod)  nic^t  lange  nor  ober  nac^ 
bcr  bcö  ^apftcö  mit  bem  Äiöiiig  Don  gronfreie^ 

in  jener  ©tabt  (10.— 12.  2)ccembcr  151.5)  gefommen  fein;  unb 
ba6  er  oon  ba  gleich  feinem  obfeuren  5)oppclgänger  über  gloreng 
unb  ©iena  meitcr  gezogen,  merben  mir  ebenfo  mal)rfd)einlic^ 
finben,  alö  mir  ibm  uor  bem  ©intritt  in  bic  Sßeltbauptftabt  in 
Ül?üntefia§conc  bic  |)cr/iftärfung  gönnen  merben,  bic  bem  SJiagifter 
fo  unoergeßtid)  mar;  obgicid)  an  biefer  ©teile  bic  bem  '-Brief* 
fd)rcibcr  ,^ur  Saft  fallenbc  93ermcd)^(ung  beö  bort  cinl)cimifcben 
Est— Fist  mit  bcr  lacryma  Christi  üom  SSefuo  §uttcn'ö  ^efannt* 
fc^aft  mit  ber  Drtögelegcnijcit  smcifelliaft  mad)en  fann.  93ci  fo 
Übeln  SBegen  unb  mandjerlei  §inberniffen  fann  M.  ßamp  nid)t 
mof)l  oor  bem  grül)jal)r  fein  '^ki  erreid)t  b^^ben:  nnb  auc^  ba^ 
ftimmt  auf  §uttcn,  oon  bem  mir  miffen,  baß  er  jur  gaften^eit 
nac^  fRom  gefommen  ift  unb  einen  21I)eil  beö  ©ommer^  1516 
bafclbft  ^ugebradjt  Oat^). 

®en  ©inbruef,  mcldjen  ba§  päpftlid)c  $Rom  auf  Jütten 
mad)te,  ^at  er  in  mel)rcren  ©pigrammen  au‘5gcfprod)cn,  bie  er 
üon  fRom  au^  an  ©rotuö  fRubianuiS  nad)  2)eutfd)Ianb  feßidte®). 
©leid}  baö  erfte  lautet: 

?Ufo  td^  fic  benn,  91om§  ^olbjertrümmcrte  5)laufrn, 

3Do  mit  bfm  ^eiligen  mon  jclbcr  ben  @ott  au(^  öerfouft. 

Sq^  ben  erhobenen  ^rieflet,  o ßfrcunb,  mit  bem  tjciligen  ?Rot^c, 

Unb  ßorbinäle,  oejd^aart,  bröd)lig  in  jc^lebbenbem  3”9- 
©d^rciber  fo  oiel  unb  $ro&  oon  überfUlffigen  3Jlcnfd^en, 

mit  ben  Sterben  sugleid)  mallenb  ber  Purpur  bebceft. 

5:t)ätig  bie  einen  im  fdbQnbboren  SBerl,  bie  onberen  leibenb, 

Unter  bem  t;eiligen  Sd(|ein  frö^nenb  ber  roitbeften  fiufl. 

?lnbre  fobonn,  bie  felbft  ou^  ben  6d()ein  bc§  ®utcn  uedc^ma^cn, 

Unb  mit  erhobener  6tirn  Sitte  oerljo^nen  unb  3u<^t. 

9Be((^c  mit  Suft  fc^Iec^t  finb  unb  mit  ^ollmad^t;  ad^,  unb  in  beren 
2lod(|  boS  teutonifdfie  ^oU  leiber  fo  toilUg  ftd(i  fügt. 


miRsa. 


1)  Schriften  III,  6.  216,  9Ir.  18b. 

2)  Schriften  I,  S.  104.  105.  IV,  8. 186. 

3)  Ad  Crotura  Ilubianiim  de  statu  Romano  Epigrammata  ex  Url)c 
Sj^riften  III,  8.278  — 283. 


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9i5mtjd^(  ^inbrüde. 


113 


6te  ^nb^aben  l93erbot  unb  ^rlaubntb,  f<bHegen  unb  bffnen, 

UnD  tote  eS  ihnen  beliebt,  tbeilen  ben  l^immel  fie  ouS. 

Stömerinnen,  unb  9tÖmer  nicht  mehr;  ood  Ueppigfeit  ^deS, 

VdeS,  toohin  bu  auch  blicfft,  Ood  ber  Oertoorfenften  Sujt. 

Unb  baS  ^deS  in  9tom,  loo  (ÜuriuS  einft  unb  ^eteduS 
Unb  ^ompcjuS  gelebt:  o ber  oerfinberten  ^cxU 
S)rum  bem  Verlangen  entfoge,  mein  Sfreunb,  nach  ber  hri^gen  9loma: 
9tömijche§,  toelcheS  bu  juchft,  ftnbejt  in  3iom  bu  nicht  mehr. 

• 

ftärfcr  brücft  m Jütten  übtr  bic  SSerfäuflic^fcit  aller 
S)in9c  in  9iom,  inöbefonbere  über  ba^  Slblaßinefen,  in  einem 
anbern  (Spigramm  ouö: 

9luf,  ihr  dJUlnner,  toohlauf!  legt  ^anb  an,  lebet  Opm  Glaube, 
dJlorbet,  oom  hrÜigen  ®ut  ftehlet,  Oerlehet  ba§  IRecht  . . . 
ßuere  IRcbe  jei  @räul  unb  euer  §anbeln  Verbrechen; 

9BSl}t  euch  tm  Vfnhlr  ber  Suft,  leugnet  im  i^immel  ben  ®ott.  . . 
Vringet  ihr  @elb  nach  9lom,  jo  jeib  ihr  bie  rechtlichften  Seute: 

Xugenb  unb  himmlijchen  fiohn  tauft  unb  oerlauft  man  ju  9tom. 

^a,  auch  fUnftig  Verruchtes  }u  thun,  erlauft  man  )u  9tom  ftch: 

' ^rum,  wenn  ihr  tod,  fo  feib  gut ; wenn  ihr  oerftfinbig,  feib  fchlecht  I 

Unb  im  ^inblicf  auf  ben  i^m  befonberö  na()e  licgenben  gabt 
in  ÜKainj,  beffen  ginanjen  burc^  ben  ^oUienfauf  bei  mehreren 
fernen  oufeiiianber  eingetretenen  (Srlebigungcn  beö  erjbifc^öflic^en 
0tublö*)  jeiTÜttet  mären,  ruft  er: 

^uer  Vifchof  ift  tobt.  fianbSleute,  nun  braucht  ihr  rin  neues 
Radium:  jahlt  nur!  um  ®olb  gibt  eS  ber  Simon  oon  Vom. 

Vber  bu  felber,  fo  lang  ^Deutfchlanb  fein  i^irn  unb  fein  Vug  h^t, 

Viete  getcofi  jum  Verlauf  V‘»dien,  Simon  oon  Vom! 

®in  ähnlicher  ©to^feufjer  mac^t  ben  ©c^lu6  ber  frütjer 
Don  unö  betrodjteten  Epigramme  an  ben  Üaifer  äJiojimilian, 
unb  fönnte,  ba  jene  ©pigramme  erft  na^  ^uttcn'ö  jmeitern  ita> 
lienifc^en  Slufent^alt  im  2)rucf  erfd^ienen  finb,  au^  biefer  geit 
ftammen : 

SBann  hoch  tommt  eS  bahin,  bab  X)eutfchlanbS  Vugen  fich  bffnen, 
<Sin)ufehen,  wie  ganj  Vom  eS  )ur  Veute  gemocht? 

SBann  hoch  fommt  eS  bahin,  bab  um  @olb  man  bleierne  Vuden 
Vnberen  Vbllern  oiedeicht,  nur  nicht  bem  beutfehen,  oerlauft? 


1)  Vertholb  oon  l^enneberg  f 1504.  3<tlob  oon  ßiebenftein  f 1608. 
Uriel  Oon  Lemmingen  f 1514. 

VIL 


8 


114 


I.  I3ud^.  6. 


Ober  loirb  fo  tote  ie^t  bein  !S)euij^lanb,  ntfid^iigeT  Patfer, 

^mmer  eih  Spott  nur  fein  fUr  baS  beraubcnbe  9tom? 

9lein!  baS  Scepter  beS  9tei(^§,  unb  be§  9}ei(!(|S  ^auptftabt  unb  ber  2BeIt,  9tom, 
(äBa^r^eit  reb’  id^^  unb  lann  anberS  ni(l(|t  reben)  ift  bein. 

unb  nad^  ma(^te  §uttcn  in  fRom  allerlei  (iterarifd^e 
öefanntfe^aften.  mit  $aul  öombafiug,  an  ben  if)m  @ra^= 

mug  ein  ©mpfe^lungöfc^reiben  mitflegeben  b^tte  (er  ftonb  al^ 
0ecretär  im  ^ienfte  eineg  Sarbinolg),  geftaltete  ficb  fein  näbereg 
9Serbältni§.  ^)ag  aber  bie  93erebrung  für  ©ragmug,  bic  er  äugerte, 
beffen  ©ebriften,  bie  er  in  neuen  Huggaben  mitbraebte  unb  uor* 
jeigte,  ibm  manchen  ©elebrten  in  iRom  jum  greunbe  gemacht 
haben,  mie  er  fpäter  an  ©ragnuig  febrieb,  ift  ficber  nicht  alg 
blofeeg  (Kompliment  für  biefen  ju  betrachten. 

(Sin  eigentbümlicber  SSereinigunggpunft  ber  $octen  5U  $Rom 
mar  in  jenen  Qabren  ein  ©arten  in  ber  S^löbe  beg  Cluirinal  unb 
beg  tarpejifeben  Reifen,  ber  einem  ^)eutfcben,  Sobonn  (Koritiug 
aug  Sujemburg,  gehörte.  2)er  9Rann,  beffen  9flame  mit  bem 
beg  gartenbauenben  ©reifeg  bei  SSirgil  Georg.  IV,  125  ff.  in 
SBejiebung  gebracht  mürbe,  beflcibete  febon  unter  mehreren  $äp^ 
ften  eine  ©teile  in  ber  päpftlicben  Äanjlei,  mo  er  in  Suftig*  unb 
©nabenfadben  arbeitete  unb  alg  ßiebbober  ber 

SEßiffenf^aften  unb  ber  ©elebrtcn  befannt  mar.  3n  ©ragmug* 
^Briefen  mirb  feiner  freunblicb  gebaebt,  unb  alg  eg  galt,  IReucb- 
lin'g  §änbel  mit  ben  ^)ominicanern  ju  beffen  ©unften  ju  @nbe 
ju  bringen,  mürbe  er  alg  SRittelgmann  gebraucht,  ©ein  SSer^ 
mögen  mar  nur  mögig,  aber  er  machte  baoou,  bei  einfaebfter  Se^ 
bengmeife , einen  ebeln  unb  originellen  ©ebraueb-  (Stma  um 
1514  hotte  er  in  ber  Äircbc  beg  heiligen  Sluguftin  ber 
3lnna  mit  9Raria  unb  Sbriftug  eine  ÄapeHe  mit  Slltar,  brei 
SRarmorftatuen  unb  einem  2lltargemälbe,  baju  ein  täglicbeg  ÜReß» 
Opfer  unb  ©erätbe'geftiftet.  Sebeg  3obt  mürbe,  mie  eg  febeint, 
ber  ©tiftunggtag  erft  burdb  feierlichen  ©ottegbienft  in  ber 
peUe,  bann  bureb  eine  Sl^abljeit  in  bem  oben  ermähnten  ! ©arten 
gefeiert,  moju  alle  ©elebrte  unb  dichter  gelaben  maren,  bie  nun 
an  Säume  unb  Reefen,  Srunnen  unb  Silbfäulen  ihre  Serfe  jum 
2obe  beg  SRanneg  unb  feiner  ©tiftung  anbefteten.  ®ie  Serfc 
mürben  gefammelt  unb  finb  fpäter  bon  einem  greunbe  beg  ®ori= 
tiug  berauggegeben  morben;  mit  bem  guten  SRaune  felbft  aber 


Sefannifd^ofien  in  9tom. 


116 


HQ^m  eg  nod^  ein  bctrü6teg  @nbc.  ?IIg  im  Saläre  1527  bie  fat^ 
fcrlic^ett  ^Iruppen  IRomlcrobcrten,  geriet^  et  in  i^re  ©cfangen? 

ücrlor  feine  ^abfeligfeiten  unb  burc^  ben  SSerrotb  beg 
2)2aurctg,  bet  i^m  fein  @clb  b^tte  öergroben  Reifen,  auc^  biefeg. 
3n  äugerftcr  ^ürftigCeit  manberte  er  nad)  SJerona,  mo  U)n  bet 
bifd)öflic^e  ©oabjutor  eine  ßeit  lang  unterhielt,  unb  ftarb  enblich, 
t)on  Äummer  aufgerieben,  auf  bem  Sßege  in  feine  ^eimath. 

2luch  $utten  h^t  bem  ßoricifchen  Slltar  fünf  .Epigramme 
geroibmet  *)/  beten  Sn^alt  größtentheilg  bet  ^reig  biefer  fc^önen 
Stiftung  beg  2)ichteroaterg  ©oritiug  ift;  bod^  fleht  ber  öielges 
prüfte  Söanberer  gelegentlich  auch  @ro6mutter,  SKutter  unb  ©ohn 
in  ber  ilapeHc  um  Teilung  feineg  franfen  gugeg  an.  @g  mar 
alfo  bag  Uebel,  uon  bem  fidj  §utten  öor  feiner  Hbreife  aug 
^eutfchlanb  geheilt  meinte,  öon  Steuern  auggcbrochcn.  2)ie6  fehen 
mir  auch  ^ug  einem  ber  aug  IRom  an  Srotug  gefenbeten  @pis 
gramme,  beffen  Inhalt  ung  freilich  feltfam  bünten  mag.  ®g  be* 
fanb  fich  ju  iRom  ein  fpanifcher  S3ifchof,  ber  in  bem  iRufe  ftanb, 
bie  Suftfeu^e,  gegen  bie  man  bamalg  noch  oergeblich  ein  9tabi* 
calmittcl  fu^te,  heilen  ju  fönnen.  %n  biefen  menbet  fid)  nun 
Jütten,  unb  bittet  ihn  bei  ber  Sl^erbinbung  jmifchen  ^Dcutfchlanb 
unb  (Spanien,  bei  ben  gemeinfchaftlichen  ©öttern  unb  ben  IRech- 
ten  ber  ÖJaftfreunbfchaft,  um  feinen  öciftanb.  2lug  bem  übrigen 
Äörper  fei  bie  (Seuche  gemichen;  nur  in  ber  gerfe  holte  fie  fidh 
noch:  ber  ^rälat  möge  fie  ooUenbg  augtreiben;  ba  er  eg  fönne, 
möge  er  fich  öon  bem  beutfehen  Süngling  nicht  oergebeiig  bitten 
laffen. 

5)och  audh  an  2lnfechtungen  anberer  2lrt  foUte  eg  unferem 
Slittcr  nicht  fehlen.  5Rach  einer  Einbeulung  in  feiner  bierten  UU 
richgrebe  hotte  ein  Elbgefanbter  beg  mürtembergifchen  ©erjogg  in 
9tom  Elnfchlöge  gegen  ihn  gemalt;  mie  ihn  auch  h^^ooch,  alg  er 
in  E3ologna  fich  aufhiclt,  Söilibalb  ^irrfh^imer  bor  ^^örbern 
mamen  ju  müffen  glaubte,  bie  ber  ^)cr^og  gegen  ihn  hingen 
fönntc.  Söie  biel  hieran  mar,  ift  nicht  mehr  augjuma^en:  eine 
mirfliche  ÖJefahr  aber  lam  ihm  bon  anberer  ©eite  unb  hing  mit 
einer  ißerünberung  in  ber  politifchen  SCßclt  jufammen. 

©eit  bem  [altemben  SJtafimilian  ftatt  beg  gleichfaüg  bes 


1)  ©d^riftm  m,  ©.  271  ff. 


116 


T.  6. 


ja^rtcn  Subtoig  XTI.  in  granj  I.  Uon  granfrei^  ein  junger  feurio 
ger  gürft  entgegengetreten  tuar,  bitten  fid^  bte  SSer^öltniffc  3ta- 
Itenö  aufö  iJteuc  bebenfUc^  geftaltet.  @Ieic^  in  feinem  erften 
©ommer  mar  granj  über  bie  5Upen  gezogen,  um  baö  üon  feinem 
Vorgänger  cingebügte  äÄoilänbifcbc  mieberj^ugeminnen ; maö  i^m 
auc^  burc§  bie  ©d^Iac^t  bei  9Jiarignano  (13.  unb  14.  September 
1515),  menige  Söod^cn  c^c  Jütten  feine  jmeite  fReifc  nac^  3talien 
Qngetreten  ^attc,  gelungen  mar.  9tun  rüftete  aber  ber  Äaifer ; 
$uttcn  (bie  fRoute  beö  ^unfelmannö  a{&  bie  feinige  betrachtet) 
hatte  auf  feiner  §errcife  um  Orient  unb  Serona  fchon  SlUed  in 
friegerifcher  öemegung  gefunben,  unb  bei  SRantua  baö  ©efchü^ 
ber  SBcncjiancr  feuern  gehört.  Söenn  auch  ^cr  je^ige  ^apft, 
gleich  feinem  Slorgänger,  bie  Ärieggflammc  fchüren  h^lf»  fo  fah 
3talien  fchrecflichen  Xagen  entgegen,  ^ieg  ift  ber  3nhalt  Don 
^utten'ö  ^rognoftüon  auf  baö  3uhr  1516  an  ^opft  ßeo  X., 
eineö  fleinen  ©ebidhtö  in  ^ejametern '),  um  biefe  3^*^ 
ftanben  fein  muß.  Slftrologifch  mic  politifd),  mirb  aiiögeführt, 
beuten  alle  unb  Serberben  für  3talien;  ber 

i^aifer,  granfrcich  unb  Slcnebig  aufö  9teue  in  Söaffen:  ba  möge 
ber  ^apft  Don  ben  ©öttern  ©chonung  unb  gricben  erflehen,  ba^ 
mit  bie  Shriftenheit  il)rc  S^vöfte  gegen  bie  Xürfen  menben,  baö 
heilige  ßanb  unb  @rab  mieber  erobern  lönne. 

3m  5rül)ling  1516  rüdte  ber  Äaifer  in  bie  Sombarbei  ein, 
aber  nur,  um,  oon  ben  granjofen  getäufcht,  unb  Dom  @elbe, 
mie  gemöhnlid)  im  ©tiche  gelaffen,  halb  mieber  abju^iehen.  2)a 
burfte  er  für  ben  ©pott  Don  ©eiten  ber  3taliener  nicht  forgen. 
9Ran  oerhöhnte  ihn  in  ben  Xheatern,  e§  erfchienen  ^aSquiUc 
unb  Sarricaturen  auf  ihn.  ÜRan  malte  il)n  auf  einem  Ärebfc 
reitenb,  mit  ber  Unterfchrift : Tendimus  in  Latium.  SRan  jün^ 
bete  bei  hellem  Xage  ßicht,  unb  fteHte  fich  an,  ben  Äaifer  ju 
fuchen.  3)efonberö  aber  bie  granjofen  in  3talien  entmicfelten  bei 
bem  Ärieg^glücf  ihreö  jungen  Äönigd  ihren  ganzen  Uebermuth. 
liefen  S^erhültniffen  mibmete  Jütten  mehrere  Epigramme,  bie  er, 
mic  fcheint,  an  ®oban  ^effe  fchidte,  ber  fic  j\u  @nbc  b.  3- 
1516  aü  ^Beilage  ju  j^mci  meitcr  unten  ^u  befprechenben  5)ichs 


1)  St^rijlcn  III,  ©.  2r)2-2r>4. 


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^uttcn’S  Abenteuer  mit  btn  fünf  $ton}ofen. 


117 


tungen  brucfcn  ließ,  biö  ^utten  fpdtcr  bic  meiften  feinem  ®pi» 
grammeiibucß  an  ben  Äaifer  einüerleibte. 

bie  fran^öfifc^e  ©roßfpred^erei  auf  ber  einen  ©eite, 
unb  ^utteii'ö  beutf^eö  ^erj  unb  ßeftige^  Sölut  auf  ber  anbern, 
mußten  bei  ber  erften  ftärfern  S^leibung  auc^  nod^  einen  tbatföd)* 
licken  Auftritt  ^erbeifü^ren.  @ine^  Xageö  ritt  $utten  mit  einem 
33efannten  nac^  SJiterbo,  als  gerabc  ein  ©efanbter  beS  i^önigS 
non  granfreieß  an  ben  $apft  bort  burc^reifte.  günf  granjofen, 
üielleicßt  üom  befolge  beS  ©efanbten,  mad^ten  fic^  über  ÜKaji* 
milian,  ber  eben  nod^  um  SDiailanb  fämpfte,  luftig;  Jütten  na^m 
fieß  feines  ÄiaiferS  an.  Son  SBorten  fam  eS  f^\l  XI)ätli(^feiten ; 
bie  günfe  ßelen  über  ben  @inen  ber,  ben  fein  fRcifegefäßrte  im 
©tieße  ließ.  lHun  jog  Jütten  Dom  ßeber,  ftad)  ben,  ber  il)in  am 
näcbftcn  auf  bem  ßeibc  mar,  nieber,  unb  fd^lug,  felbft  nur  in  bie 
linfe  Sßange  oermunbet,  bie  übrigen  SSiere  in  bie  glucbt.  S'iicbt 
mit  Unred)t  ßielt  er  baS  für  eine  braue  Xßat,  ucrßenlicbte  fie 
bureß  fedßS  (Epigramme  ^),  bie  er  an  SrotuS  feßidte,  rüßmte  fieß 
ißrer  bem  Äaifer  gegenüber  in  ber  britten  feiner  UlridßSreben, 
unb  erjäßlte  uon  berfelben,  naeß  2)cutfcßlanb  jurüdgefeßrt,  feinen 
greunben,  moßin  ißr  ßftuf,  bureß  feine  93riefe  unb  Spigramme, 
ißm  bereits  üorangegangen  mar.  ^enn  je  meßr  er  fieß  ben  ©tu* 
bien  ergab,  befto  meßr  SBertß  legte  Jütten'  barauf,  boeß  aueß  als 
Flitter  unb  Ärieger  etmaS  ju  gelten;  meßmegen  ißm  (päter  feines 
feiner  Silber  lieber  mar  als  baSjenige,  melcßeS  ißn  in  SSaffen 
barfteHte. 

Segreifließ  ßatte  er  fieß  nun  aber  bureß  biefeS  S^fitterftücf 
bie  ganje  granjojenfcßaft  in  unb  um  9lom  auf  ben  ^als  gezogen, 
unb  fo  fanb  er  fieß  bemogen,  9füm  mit  Sologna  ju  uertaufdjen, 
mo  er  feßon  mäßrenb  feiner  erften  italienifcßen  fRcife,  freilidß  in 
fümmerließen  Umftönben,  eine  Qdt  lang  fidj  aufgeßalten  unb 
feßöjbare  Sefanntfeßaften  gemaeßt  ßatte.  Som  31.  guli  batirt 
er  bereits  einen  Srief  auS  Sologna.  ^ier  moßnte  er  mit  ben 
beiben  mürjburger  ^omßerren  gafob  gueßs  unb  griebrid)  gifeßer 
^ufammen.  Sin  ben  crftcren  ßatte  er  im  uorigen  gaßr,  als  gueßs 
fid)  bereits  in  gtalien  befanb,  ben  großen  Srief  über  ©itelmolf 
oom  ©teilt  unb  §anS  $utten’S  ©rmorbung  gerid)tet,  unb  barin 


1)  ©(ßriften  III,  8.  280-282. 


118 


I.  S3u(^.  6.  ftopitel. 


bemerft,  cr)pünfd)te  i()tn  halb  nad)fotgcn  fönncn.  Hud)  gricbric^ 
gifc^cr  gc()örte  ju  ©utten’j^  bcrtrauten  grcunbcn;  beibc  üerbonb 
mit  i^m  bie  gleiche  ^umaniftifc^e  ÖJciftcöric^tung. 

@d)on  in  9lom  t)atte  Jütten,  mie  er  an  SSabian  nac^ 
SSien  fd^rieb,  oorjug^mcife  bem  $Red)täftubium  gemibmct;  in  33os 
logna  fu^r  et  barin  fort,  unb  ocrtoenbetc  auf  baffelbc,  toenn 
auc^  bitter  ungern,  feine  mcifte  Qcxt  3luc^  in  ber  fpätem  @r- 
innerung  fc^medtc  i^m  biefe^  0tubium  noc^  mie  ein  SBermut^s 
tranf,  unb  er  red)nete,  feine  beiben  italienif^en  Aufenthalte  ju* 
fammengenommen,  beinahe  hier  3ahre,  mährenb  bereu  er  mit 
bemfelben  bie  oerborben^.  2)a  §utten  [in'!ibcr  Solge  oon 
^eutfchlahb  au^  ben  9led)tögelehrten  Sohann  ÜJ^aria  unb  ben 
©chlefier  @aucrmann  in  S3olognö  grügen  lägt,  fo  ift  ju  oermu:= 
then,|bag  er  bei  bem  crfterenjbamalö  gehört,  unb  mit  bem  anbern, 
einem  auch  ^uch  be^  ©ra^muö  Seugnig  treff lidhen|jungen  äJ^anne,  ber 
einmal  in  33ologna  9tcctor  unb  fpäter  ^robft  in  örcölau  mar, 
freunbfdjaftlichen  Umgang  gepflogen  hat. 

SBährcnb  er  fidh  aber  fo  bem  S33illen  feiner  gomilie  fügte, 
berlor  .gjutten  fein  eigene^  ßiel  nicht  aus  ben  Augen.  S3efonberö 
im  @ried;ifchen  fanb  er,  nadjbem  ber  Unterricht  in  biefer  Sprache, 
ben  er  mährenb  feineiS  erften  italienifchen  Aufenthalte^  ju  ^aoia 
genommen  hatte,  gaf  ju  frühe  abgebrochen  [morben  mor,  feine 
^enntniffe  un^ureichenb.  3n  Bologna  nun,  moj  eben  bamabJ  brei 
junge  @euber  au^  Sflürnberg,  Steffen  Sßilibalb  Prdh^i*acr% 
unter  ber  Seitung  beö  Sohann  ©od)läuö  ftubirten,  nahm  er  mit 
^meien  oon  biefen  unb  nod^  jmei  anbern  einen  ©riechen  5Ramenö 
Xrpphon  jum  ßehrer  an,  ber  mit  ihnen  ben  ßueian  unb  Arifto^ 
phanciS  la^.  ^ie  S^achahmung  ber  römifchen  Unfitte,  in  IgteU 
nifdje  33 riefe  unb  felbft  ©ebi^te  griechifdje  ^^h^afen  unb  33erfc 
eingumifchen,  bie  fich  fchon  nach  ber  erften  italienifchen  IReife^bei 
§utten  geigte,  mar  einJAuiSmu^ö  biefeö  griechifchen  ©iferiS;  mie 
aber  boö  ^tubium  gerabe  be^  ßueian  unb  Ariftophaneö  in  ^ut^ 
tcn'i^  ganzer  0chriftftcHerei  @podhc  machte,  merben^mir  in  Äurjem 
gnben. 

3JUt  ben  genannten  jungen  ßanb^Ieuten  unb  .ihrem  ^of* 


1)  ?ln  ®erM  toom  31.  3luU  1516;  on  ^irrf^etmer  Dom  26.  Del.  1518. 
6(^tiflen  1,  @.  105.  210. 


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Ser^aitnig  ju  SodiiauS. 


119 


mciftcr  lebte  glitten  in  freunblid&cm  Umgänge,  fpeiftc  btsmeilcn 
bei  i^nen,  unb  trot  aud^  mit  Söilibalb  ^ircf()eimcr  in  bricftid^cn 
Serfebr.  SKerfttJÜrbig  ift  eö  meld^en  ©inbruef  er  auf  einen 

3Rann  mie  (Soct)läug  machte,  ber  ißcrftanb  unb  Gilbung  genug 
befag,  einen  Jütten  fc^ä^en  ^u  fönnen,  möhrenb  bie  ©erf^iebens 
heit  ber  iWaturen  beibc  uon  einanber  in  biejenige  gerne  fteHtc, 
melchc  bic  Scobadjtung  begünftigt  *).  tiefer  gohann  ®obnecf 
au«  Söcnbelftcin,  ber  fich  öon  bem  genannten  Orte  al«  God^läu« 
latinifirtc,  mar  einer  üon  benjenigen,  mdlche,  urfprünglich 
liberalen  humaniftifchen  Partei  angchörig,  felbft  Suthem  bei 
feinem  erften  §luftrctcn  günftig,  halb,  öon  bem  ©treite  abge« 
fto6^,  auf  ber  einen  ©eite  non  ber  ÖJefahr  gcfchrecft,  auf  ber 
anbem  üon  ^ortheilcn  gclocft,  je  größer  bie  ©paltu ng  mürbe, 
fich  immer  mehr  öon  ber  ^Reformation  abmanbten,  unb  i^ulc^t, 
ohne  au«  ihren  humaniftifchcn  Serbinbungen  hctau«5utrctcn,  beren 
cifrigftc  ©egner  mürben.  2)amal«  nun  machte  ^uttcn'ß  SBcfen 
auf  ©ochlöu«  ben  ftörfften  ©inbruef.  ®r  fchalt  ^)cutfchlanb,  baß 
e«  einen  9D?ann  oon  folchcm  @cift  unb  fo  marmer  Satcrlanb«- 
liebe  bi«hcr  fo  üernachläffigt  3n«bcfonberc  feinen  fpru? 

bclnbcn  Söip,  fein  Talent  jur  ©atirc  bemunberte  ©ochlöu«;  er 
fah  in  Jütten,  ehe  biefer  noch  einen  feiner  Dialoge  gefchrieben 
hatte,  einen  jmeiten  ßueian.  ^abei  mar  ihm  aber  hoch  auch 
Manche«  an  bem  iRittcr  ju  oiel.  ©ein  QJeift  mar  ihm  ju  fcharf 
unb  herb,  er  oermißte  ?Ruhe  unb  SRilbc.  @r  fürchtete,  Jütten'« 
beutfeher  greimuth  möchte  il)m  nod^  ©efahr  bringen,  unb  meinte 
baher,  einflußreiche  greunbe  folltcn  il)n  ju  mäßigen  fuchen.  ?(uch 
im  perfönlichen  Umgang  mar  ihm  beffen  ^eftigfeit  läftig.  @in 
beleibigcnbe«  SBort  be«  $Rittcr«  ftcefte  er  moljl  um  bc«  grieben« 
millcn  ftilifchmcigcnb  ein ; hoch  befannte  er  nach  Jütten’«  Slbrcife 
feinem  Patron  ^^irefheimer  im  Sertrauen,  fic  beibe  merben  mohl 
in  ber  ©ntfernung  beffere  greunbe  bleiben,  al«  fic  c«  im  täglichen 
Umgang  geblieben  fein  mürben.  ®anj  ebenfo  ging  e«  mit  ^ut* 
ten,  mic  mir  gcfchcn  höben,  bem  3Rutian;  ähnlich,  mic  mir  noch 
fchen  merben,  bem  @ro«mu«;  nicht  anber«  auch  bem  SRclandh' 
thon:  er  fchäfetc,  aber  fürchtete  ihn:  unb  baffelbc  ift  bi« 


1)  fJgt.  Griffe  be§  Sod^ISuS  an  ^it(fb«nter.  ^utten'8 

6(^ri|ten  I,  S.  126—153. 


120 


I.  Sud^.  6.  ftapitel. 


bei  (graömifd^sSDicIanc^t^onifc^cn  Sfloturcn,  tpcnn  ftc  ftdb 
ten  bcfc^äftigcn,  ber  gaH,  bag  fic  i^n  bctüunbcrn,  aber  nic^t  lie* 
ben,  njeil  er  il)nen  un^eimlt^  ift.  Unö  öerrat^en  e§  bie  mittel* 
mögigen  93ilbniffe,  bie  üon  i^m  übrig  fiiib^),  freilich  nic^t  (fo 
menig  al3  fie  ung  feinen  @eift  ücrratl)en),  aber  ßcitgenoffen,  bie 
i^n  fannten,  bezeugen,  bag  ber  fleine,  fc^mäd)tige,  unje^einbare 
a^ann  mit  bem  blonbcn  §aar  unb  bem  bunflen  öarte*),  in  bem 
blaffen  ©efic^te  etma§  Strenget,  ja  SBilbeö  gehabt  ^abe,  unb 
feine  aiebe  oft  frf)neibenb  unb  jurücfftogcnb  gemefen  fei.  ®a6 
er  baneben  in  anbern  ©tunben  unb  ©timmungen  eine  l^crjge* 
minnenbe  grcunblic^fcit  entmicfeln  fonnte®),  miberfprid^t  bem 
nid^t;  aber  e^  mufete  einer  felbft  eine  ftarfe  unb  ettoaS  martialifc^e 
atatur  fein,  um  §utten,  mie  @oban  ^effe,  „burc^aug  liebenitoür* 
big"  ju  finben.  mir  fel)ren  ju  ben  bolognefifc^en  ©tubien 
unfereg  ähtterö  jurüd 

ganb  Jütten  neben  bem  pflid^tmägigen  fRcd^t^ftubium  3^it, 
fief)  im  @ried^ifd)cn  ju  oerooßfommnen,  fo  fonnte  er  aud^  bo5 
^id^ten  nid^t  ganj  (affen.  @nbe  3uli  1516  fc^idte  er  feinem 
greunbe,  bem  ?Red)tSgele^rten  aiifolauö  ©crbel  ju  ©tragburg, 
feine  poetifd)e  ©piftel  StalienS  an  9}^ajimilian ; Einfang  ©ep* 
tember  t^eilte  ®od)täug  bem  O^eim  feiner  §utten’S 

©pottgebid)t  SRarcuS  mit,  unb  auö  berfelben  ift 
©ebid^t  über  bie  gifd^erei  ber  SBenejiancr.  Sitte  biefe  ©ebic^tc 
liegen  in  gleidjer  ßinie  mit  bem  Slufmal)nungögebi(^t  an  ben 
Äaifer  jur  gortfe^ung  bcS  ^riegö  gegen  bie  Sßenejianer  unb  ben 

1)  i^oI)jc^mttbift>er  bon  Jütten  in  toerfc^tebener  ^orm  unb  ^uffaffung 

finben  fi(t)  bei  mehreren  feiner  ©Triften,  j.  ®.  bem  ^^oloriSmuS,  ber  ?lbbanb» 
lung  über  bo§  ©uaioc,  bem  ®efprä^büd^Iein,  ben  Conquostiones , ber  Ex- 
postulatio;  toouon  baS  l^inter  ber  {extern  6d(|rift  gu  ben  beffern  ge^bren  mödfite. 
85dfing  gloubtc  in  einer  ongebli^  2)ürer’fc^en  3d(^nung  bc8  berliner  ^ufeumS 
baS  fid^te  ^utienbitb  gu  finben,  bie  er  begtoegen  t)or  feiner  Ausgabe  ber  l^ut* 
ten’fd^en  SBerfe  toiebergeben  lieb ; allein  biefeS  ®ilb  mit  ber  gangen  Sammlung, 
ber  e§  ange^ört,  toirb  fe^t  al8  ^filfdbung  in  ^nfprudb  genommen.  6.  ^aufing, 
S)ic  falf(^)en  ^ürergeittinungen  in  Berlin  u.  f.  f.  3«üf4)rift  für  bilbenbe  ihinü, 
^erauSgegeben  oon  €.  b.  Sü^oto,  6.  4.  $eft,  8.  115. 

2)  8.  ben  pfeubo^utten’f^en  Dialog  Huttenus  captivus,  Schriften  1V> 
8.  594,  unb  ogl.  bie  ^euberung  gfranl’S  bon  i^ameng,  ebenbaf.,  I,  8.  420. 

3)  ®rftcre§  begeugt  ^amerariuS  im  Seben  ^Dlelam^t^on'S,  Se^tereS  Otto 
^runfelS  in  einer  8c()u^f(^rift  für  Jütten,  bon  toelc^er  fpöter. 


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l^utten’S  ®ebid(|te  gegen  Senebig. 


121 


(Jpiflrammen  an  bcnfelbcn,  bjc  non  nnä  früher  erörtert  morben 
finb.  Unb  sn)or  richten  fid)  ber  9}?arcuö  unb  ba^  ©cbic^t  nom 
gifc^fang  mc^r  gegen  3^encbig,  bem  fic  mit  ber  3J?ad)t  bc§  Ä^ai* 
fer^  bro^en ; mäbrcnb  bic  ©piftet  fic^  an  btefen  menbet,  mit  ber 
?luff orberung , bic  beutfe^e  ®i)xc  unb  Obmac^t  in  3talien  mieberi 
^er^ufteHen. 

3)ie  beiben  erftgenannten  ^id^tungen  *)  be^anbcln  eigentlid) 
einen  unb  benfetben  (^egenftanb : bad  Sluffommen  unb  ben  Ueber® 
mut^  53enebigö,  unb  maren,  mie  ß^oc^läuö  au^  J^uttcn’ö  SDiunbe 
berichtet,  junäd)ft  burdj  bie  nencjianifd^e  ^lu^mrebigfeit  in  einem 
©ebid^te  beö  ©abellicmg  Ocranlafet.  SebeiS  non  beiben  aber  be^ 
bient  fid^  einer  anbem  wnb  man  möchte  glauben,  nad)bem 

Jütten  ben  ©egenftanb  bereite  in  ber  eigentlidjen  unb  ernftbaften 
5orm  bebanbelt  b^ttc,  fei  i^m,  niefleidjt  beim  Sefen  ber  ^omeris 
feben  Satracbompomacbic,  ber  (SinfaH  gefommen,  baffelbe  liege 
fi^  noch  fcblagenber  in  ber  aHegorifcb^parobiftifcbcn  fagen,  melcbc 
biefeg  griccbifd)c  ®orbilb  an  bie  $anb  gab.  entmicfclt  nänis 
lieb  baö  ©ebidbt  non  ber  gifeberei  ber  ißcnejianer,  mie  biefc,  ur^ 
f^rünglicb  ein  auö  aßen  5^ölfern  jufammengelaufeneö  ©efinbcl, 
erft  clenbe  gemefen  feien,  bann  fid)  burd)  Schifffahrt  unb 

®anbel  bereichert,  bictauf  angefangen  b^ben,  Stabte  /\u  fifeben 
unb  ju  angeln  (maö  buid)  einen  |)olj\fcbnitt  ißiiftrirt 

ift);  mie  fic  non  bem  gcftlanb  Stalicnö,  non  5)almatien,  ©rie^ 
cbenlanb  unb  ben  3nfcln  immer  mehrere  unb  größere  Stücfe  an 
ficb  gebracht,  ihre  Stabt  mit  bem  Staub  aller  ßänber  gefd)mödt, 
unb  ficb  einer  Ueppigfeit  unb  einem  SBobßeben  ohne  33cifpiel  cr^ 
* geben  bnben.  Staebbem  fic  eö  in  biefer  Söeifc  lange  genug  ge- 
trieben,  b^^bc  fid)  cnblicb  ber  beutfebe  5lbler  ^um  Äiampfc  mit  ihnen 
non  ben  ^Ipcnböbcn  bcrabgefd)mungen,  nicht,  um  S3eutc  ju  machen, 
fonbern  um  gricben,  Stecht  unb  (^ercdjtigfcit  mieberhcr^uftcllcn, 
bic  Sßelt,  unb  3talicn  indbefonbere,  non  bem  3od)c  ber  S3cne^iancr 
ju  befreien,  unb  biefc  mieber  ju  ben  cinfadjcn  gifebern  j\u  mad)en, 
bie  fic  urfprünglid)  gemefen. 

SBie  gefugt,  baffelbe  Xbema  bebanbclt  bad  ©ebiebt  9}tarcu^ 
mit  iöenuhung  ber  53atrad)ümhomad)ic,  auö  ber  h^^ibe  unb  ganje 


1)  De  piscaiiira  Venetorura,  heroioum,  unb  Marcus,  heroicum. 
6d>tltten  lll,  287—300. 


122 


I.  6.  I^tt|)ilcl. 


§cyQmcter,  aud^  ^Rei^cn  l)on  foldjcn^  gricci^ifd)  bcm  übrit^cnö  la- 
tcinifdjcn  dJebid^t  eincjefügt  ftnb.  2öar  SScncbig  üon  §uttcn  fc^on 
in  feinen  ©pigrammen  unter  bcm  na^c  liegcnbcn  Silbe  cincö 
grofc^cö  bargeftcHt  tnorben,  fo  crfc^cint  nun  beftimmter  fein  dfeniuö 
ber  Äönig  S^iuSbad  {0L'oiyva&og)  ber  §omcrifd)cn  Sarobic, 
ber,  nic^t  nic^r  .^iifriebcn,  bie  cuganeifd)cn  ©ünipfe  ju  bemo^nen, 
auf  baö  fefte  £anb  l^criiberfomint,  fic^  in  eine  2ön)enl)aut 
baju  glügel  annimmt,  unb  fic^  ciU  SRarcuö  uere^ren  lägt  (baju 
glcicgfaHö  ein  .^oljfd)nitt).  §llö  fold)cr  l^ält  er  fic^  berufen,  bie 
römifd)c  SBcltgerrfcgaft  auf  Senebig  511  übertragen,  unb  maegt 
bgju  biird)  dJcmalttl)aten,  ^rculofigfcitcn  unb  fRäubcrcicn  jeber 
5lrt  einen  5icmlid)cn  Einfang.  @nblic^,  ba  er  in  feinem  lieber^ 
mut^e  bid  ^um  §immel  emporfliegen  miU,  beauftragt  Supiter 
feinen  §lbler  (mic  fegon  oben  im  Epigramm),  igu  5U  bemütgigen 
unb  in  feine  f)cimifd)cn  Sümpfe  ^urüd^uftürjen. 

i)ag  er  bem  übernommenen  fRccgt^ftubium  brei  Xagc  ge- 
ftoglcn,  um  bie  poctifege  @piftel  Stalienö  an  ben  Äaifer  SRajis 
milian*)  ^u  fegreiben,  baoon  fegiebt  glitten  in  bcm 
briefc  an  dicrbel  bie  Sd)ulb  auf  feinen  .^au^genoffen  in  Sologna, 
ben  Äanouifuö  3afob  guegö,  ber  igm  bamit  feine  fRuge  gclaffcn 
gäbe.  Söenn  er  babei  fagt,  er  gäbe  fieg  unterftanben,  in  einer 
fegr  ernften  Saege  511  fdjcrjen,  fo  ift  bieg  nur  oon  ber  giction 
unb  Setfonigeation  ^u  üerftegen,  beren  er  fid)  bebientc;  beim 
übrigenö  ift  bie  .^altung  bcö  dJebiegteö  nidjbi  meniger  alö  fcgerjgaft. 

®ic  ®amc  Stalia  fegreibt  an  ben  rittcrliegcn  9)tay,  fie  gäbe 
froglodt,  mic  fie  nculid)  oernommen,  er  fei  oon  Orient  aufge* 
broegen  unb  rüde  gcran;  halb  aber  fei  fie  aufö  neue  in  Trauer 
oerfunfen,  ab5  fie  gäbe  gören  müffen,  bag  er  fieg  micber  jurüd? 
jiege.  2)oeg  goge  fie  immer  noeg  auf  ign,  cntfd)ulbigc,  mie  fie 
nur  immer  fönne,  fein  Säumen,  unb  bleibe  igm,  unter  manegerlei 
^umutgungen,  im  §cr,^cn  treu.  Sergebenä  merben  Senebig  unb 
grantreieg  mit  glän^cnbcn  Sergeigungen  um  fie;  oergcblieg  fuege 
@incr  in  igrem  eigenen  £anbc  (ber  fie  t)on  bcm  Äaifer 

abiocnbig  ju  maegen ; fie  taffe  fieg  niegt  mit  igneu  ein ; nur  burdg 


1)  Epistola  ad  Maximilianum  Caesarem  Italiae  üctitia  eie. 
ten  I,  S.  106—113.  2)f§  ÄciferS  ?lnttoort  öon  6oban  ebenbof  , S.  113— 128. 
Der  Srief  ou  @erbcl  ebenboj.,  6.  105  f. 


123 


i^utien’S  Spiflel  5tatia’9  an  SRasimUtan. 

V ^ 

bcn  Äaifer  lüoUe  ftc,  wie  üor  SHterd,  frei  unb  cjrog  werben.  ?l6er 
er  jöflere  lange,  unb  inbeffen  habe  fie  böfe  3fit-  Seber  lege  $anb 
an  fie,  iftre  Oauen  unb  ©täbte  werben  uerwüftet,  SRom  fei  non 
florentinifc^cn  Krämern  (ben  aJicbiccern,  burc^  Seo  X.)  bebcrr(cl)t. 
5)oc^,  wenn  er  nur  wirflic^  fomme,  fo  Wolle  fie  gerne  fo  lange 
gebulbet  Ijaben;  aber  er  möge  eö  nic^t  länger  oerfc^ieben.  ©ie 
erinnert  ben  Äaifer  an  bie  alten  ©rogt^aten  ber  2)eutjd)en  gegen 
Sftom,  an  bie  Simbern  unb  2^eutonen  unb  an  Ärminiuö,  an  Ä'arl 
ben  Großen  unb  bie  Ottonen;  nid^t  minber  aber  auf  ber  anbern 
©eite  an  be§  alten  9lom  ©iege  unb  SBelt^errfc^aft,  bie  er  al^ 
römifc^er  Äaifer  geerbt  l)abe:  wie  er  boc^  bie  ©tabt  unb  baö 
2anb,  bie  il)m  biefc^  @tbe  jugcbrac^t,  im  ©tid^e  laffen  tönne? 
?luc^  fei  fie,  Stalio,  eine  35raut,  um  bie  in  SBaffen  j^u  werben 
wo^l  ber  SWü^e  lo^ne.  Slber  wie  fei  fie  ^ugeric^tet!  Unb  l)ier 
fommt  Julien,  nach  feiner  ?trt,  ben  ©trom  feiner  ©erebtfamleit 
bureb  feine  ftrenge  ^J)i§pofition  ein^ubämmen,  fonbern  wol)l  aud) 
einmal  naf)eju  im  Greife  fliegen  ju  laffen,  üon  neuem  auf  bie 
Söebrängnig  unb  baö  Sßerberben  Stalicnö  in  golge  ber  ^Ibwefen* 
^cit  feines  wal)ren  ^errn  jurücf;  wobei  ber  9lomS  mit 

feinem  ftumpfen  Solle,  begerrfc^t  oon  feigen  ©c^reibern  unb  fit^ 
tenlofen  S^ieftem,  fc^arf  gejeic^net  wirb.  SBenn  er  eS  nic^t  halb 
t^ue,  fü^rt  *3talia  bem  Äaifer  j\u  ©emütge,  fo  werben  anbere 
gürften  i^m  j^uDorfommen,  um  bie  italienifd^en  Slngelegen^eiten 
ju  orbnen.  Unb  er  ^ätte  eS  om  leid^teften  ^u  fommen:  fein  SBeg 
gef)C  nid^t  über’S  3Äeer,  fonbern  burd^  feine  eigenen  iReic^e.  Sei 
jebem  ©(^ritte  werben  neue  ^ülfstruppen  5U  if)in  flogen;  er 
braud^c  gar  feine  5)eutfd)en  mit^ubringen,  fönne  mit  italicnifc^en 
Flüchtlingen  unb  Serbonnten  ben  Ärieg  füljrcn.  @cwinn  unb 
®hre  feien  grog;  wie  je|jt  bie  ©chmach  unb  ber  igr  faum  ertrag* 
Ii(he  ©pott,  ber  über  ben  Haifer  ergehe.  Sei  bem  iRubme  feines 
©efchled^tS,  ber  SBürbe  beS  ?Reid)S,  bei  ben  ©öttern,  bie  ihn  an 
feine  hohe  ©teile  gefegt,  bei  ben  ©ebeinen  feines  SaterS  unb  ber 
SBohlfohrt  feines  @nfelS  Äarl  befchwöre  fie  ihn,  enblich  feine 
3ögerung  abjubrechen ; fein  ©rfcheinen  werbe  ihr,  burch  J ®ram 
unb  (Jlenb  h^lb  getöbtet,  neues  Seben  fchenfen. 

2)iefcS  ©ebicht  fehiefte  §utten  an  Kerbel,  ber  ihn  um  ein 
ßcbenS*  unb  F^cunbfchaftSj^eichen  aus  SBelfchlanb  gebeten  hotte; 
währenb  ein  Screhrcr  ^uttcn'S  in  Sologna  eine  Äbfchrift  beffclbcn 


124 


1.  9u(^.  6.  fta|>iteL 


uact)  iÖJittenberg  an  öalt^afor  abgc^en  lieg.  Anfang 

^ugiift  fct)rieb  Jütten  an  ^Ric^arb.  (Srocu^,  einen  (Jnglänber,  ber 
bamaU  in  iJei^jig  ©riec^ifc^  lehrte,  er  möge  fic^  ba^  (gjemplar 
Devfe^affen,  unb  wenn  er  DRuge  i“  SDiajimitian’ö  iRomen 

antmorten;  beim  baö  motte  §utten  Slnbem  überlaffen.  ®ie  Slnt^ 
movt  nberna^m  ber  alte  greunb  unb  2)idjterfönig  @oban  $effe, 
ie^t  iJebrer  an  ber  erfurter  ^oc^fc^ule,  ber  fie  auc^  halb  barauf 
mit  ^utteird  ©piftcl  5ufammen  bruefen  lieg. 

3l)r  !0rief,  antroortet  ber  Slaifer  ber  fc^önen  Stalia,  l)abe 
i()n  ganj  in  glammcn  gefegt: 

Rlage  ni(l()t  länger:  bereits  f(!^naubt  blr  entgegen  mein  9tog. 

VI ber  bie  ©d)mierig!eiten  feien  für  il)n  meit  größer,  atiS  biefelbeu 
für  feine  Vorgänger  gemefen,  auf  bereu  Seifpiel  fie  i^n  ßinmeife. 

.•Cjolte  mir  nimmer  ben  ®Ianj  ber  beiben  Ottonen  entgegen, 

^>eren  ^Beginnen  bie  ©unjt  befferer  3«ten  genoß, 
damals  woren  no(^  nic^t  |o  oiele  ber  Herren  in  2)eutfd^Ianb, 

5cgli«bft  fc^tc  no(!^  niä)t  über  ben  ffaijer  fi(^  weg. 

3e^t  bünft  3eber  fetbft  ein  Äaijer  ju  fein,  unb  lo  bleibt  benn, 

®ußer  bem  Flamen  unb  Sdjein,  nid^tS  |ür  ben  ilaifer  jurüd, 

@ar  ott  laff  i(^  ^efe^I  auSge^n  unb  berufe  ben  Steic^Stag, 

©in  Qud(i,  wenn  er  fidfi  trennt,  tröftlic^er  i^offnungen  ooH. 

, jietS  muß  id^  oon  oorn  onfongen,  oon  neuem  ©erjommtung 

galten:  eS  bre^t  enbloS  ßd^  ber  ©erot^ungen  ÄreiS. 

Unb  inbeß  wir  bie  3dt  unnü^  mit  ©crßonbeln  oerlieren, 

Rollen  wir  ®eut|d^en  als  Staub  lißigen  ^finben  anheim. 

5)ciinod[)  l^abe  er  jejt,  fö^rt  SRajimilian  fort,  bei  SSerona  einen 
Vlnfang  gemacht,  unb  gebenfe  el)eftenö  ju  fommen.  — Vittein  er 
fam  nirf)t,  unb  balb  mußte  er  audj  VSerona  ben  VScnejianern  ^er* 
auögeben,  gegen  eine  ©elbleiftung,  bie  i^n  menigften^  in  ben 
0tonb  fegte,  ben  STruppen  igren  ©olb  ju  bejaglen,  bie  er  ju  ber 
fcglgefcglagenen  Unternehmung  oermenbet  hatte. 

2)ie  brei  @ebid)tc,  Oon  benen  i^ulegt  3J^elbung  gefchehen, 
maren  übrigen^  nicht  bie  einzigen  5Rebenarbeiten,  für  melche  ^ut* 
teil  in  VSologna  neben  bem  Siechtöftubium  noch  2Ruße  fanb.  2)aß 
er  möhrenb  biefer  Qud;  bie  jmcite  unb  britte  feiner  Ulridj^s 
veben  Oerfaßte,  ift  oben  bemerft  morben.  Unb  nun  gaben  ihm 
bie  Sucianifchen  ©(^riften,  bie  er  mit  feinem  griechifchen  Seßr^ 
meifter  taö,  nod}  ju  einer  meitern  Vlrbeit  V3eranlaffung.  3n  biefen 


6intotr!un0  Cucion’8  auf  i^utien. 


125 


©c^riftcn  trat  unfcrm  ^Ritter,  bcr  ft(^  bis  je^t  in  ber  $rofa 
nur  bcr  Stiebe*  ober  öriefform  bebient  ^ottc,  bie  bialogifc^c  ent= 
pegen.  Seiner  lcbi)aften,  auf  Umgang  iinb  ©efpräc^  angelegten 
Sf^atur  mußte  biefe  3)arfteIIunggart  befonberö  jufagen.  @r  mußte 
fic^  geregt  ßnben,  felbft  auc^  etmaö  in  biefer  ^orm  berborjubrin« 
gen.  3n  ißr  fanb  atleö,  maö  über  ben  bloßen  fRebner  l)inauö 
^oetifebeö  in  Jütten  lag,  feine  Unterfunft;  mäbrenb  ba$,  maö 
ibm  jum  2)icbter  fehlte,  in  biefer  SJ^ittelfonn  nicht  bermißt  mürbe. 
2(lö  bie  feiner  ©eifte^art  fcbtcd)tbin  angemeffenc  mar  bie  ©e* 
fpröch^form  bie  böcbfte,  mclcbe  Jütten  für  feine  ^^robuction  ßn« 
ben  fonntc:  fic  eignete  er  ficb  baßer,  fobalb  fic  ißm  in  einem 
claffifcben  SRuftcr  naße  getreten  mar,  mit  @ifer  an,  unb  ßat  in 
ißr,  mic  mir  ßnben  merben,  feine  borjüglicßften,  unb  meil  er  bamit 
juglcicß  eine  ßieblingöfonn  ber  mirffamften  S^rifs 

ten  abgefaßt. 

öon  hier  auö  tönnen  mir,  in  ^Ibficßt  auf  bie  gorm,  §uts 
tcn’ö  ScßriftftcClcrci  in  brei  ^crioben  tßcilen.  S)ie  erfte  bie 
poctifeße,  bon  feinen  früßeften  epigrammatifeßen  unb  elegifcßen 
SJerfueßen  in  ben  Saßren  1506  unb  7 an,  bi«  jum  ^anegßricug 
auf  ben  ©r^bifeßof  ^Ibrecßt  unb  ber  ©piftel  Stalia’ö  in  ben  3aßren 
1514  unb  1516.  ^er  fRccßtößanbei  miber  ben  ^erjog  bon  3öürs= 
temberg  mirft  ißn  feit  1515  in  bie  rebnerifeße  gorm,  neben  meU 
eßer  er  aueß  bie  Briefform  mit  Sorgfalt  auöbilbet.  SSon  1517 
an  menbet  er  fieß  mit  Vorliebe  bcr  ©cfpräcßöform  5U,  greift  aber 
bei  ^cranlaffungen  jur  Streitrebc  ^urücf,  mic  er  bie  Briefform 
aueß  ferner  fleißig  anbaut;  lateinifeße  ©ebießte  merben  feiten; 
baß  mir  bagegen  bon  ba  an  nießt  menige  beutfeße  fReimc  bei  ißm 
finben,  ßängt  mit  feiner  §inmenbung  jur  beutfeßen  Spraeße  5U^ 
fammen,  bon  bcr  an  einem  anbern  Orte  ju  reben  ift. 

Unter  fiucian’ö  Dialogen  bilbcn  bie  Xobtengcfpräcße  eine 
üorjüglicßc,  oft  nacßgcaßmte  ^Partie.  Unb  gerabc  für  biefe  ^oxm 
brauchte  Jütten  ben  Stoff  nießt  mcit  ju  fueßen.  ^cr  crmorbetc 
Setter;  beffen  fürjlicß  berftorbener  Sater;  bcr  fürftlicßc  SRörber, 
ber  nur  leiber  no(^  nießt  in  bcr  Untermclt  mar,  mo  er  ju  feiner 
Seftrafung  löngft  ßingeßörte.  (Sinen  geftorbenen  Xßrannen  lößt 
aueß  üueian  in  einem  feiner  ©cfpräcßc  (^)ie  5Ricberfaßrt  ober  bcr 
Xßrann)  in  bie  Untermclt  gebraeßt  merben ; ßier,  bei  §utten,  muß 
bcr  Icbcnbc  Xßrann  ßinabfteigcn,  um  fieß  bei  ^ßalariö  fRatß^  ju 


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126 


I.  6. 


er^ofctt.  fbk  *@ituation  ‘bcö  [Dialog«  ^^olariöniug,  bcn 

§utten  ju  Bologna  auöarbeitetc  unb,  toä^rcnb  bie  Sieben  nur 
^anbfc^riftlic^  umliefen,  im  SKärj  1517  im  ^)turf  erfc^cinen  liefe*). 

©efpröd)  beftefet  Quö  jmei  0cenen,  beren  ierfte  am 
Ufer  be^  jmifefeen  ©fearon,  ÜJlerfur  unb  bem  X^rannen  (fo 
mirb  ©er^og  Ulrich  bejeic^net).  fpielt.  Sluf  Sfearon’S  öermunbe^ 
rungguoHe  grage,  mag  er  ba  für  einen  lebenben  SDlenfc^en  feer« 
unterbringe?  ertbeUt  ber  ©eelenfül)tcr  iüterfur  bie  5lughinft : ber 
längft  üerftorbene  i>on  bem  SBunfefee  befeelt,  audj  in 

3)cutfcblanb,  roo  bergleicfeen  big  babin  ni(bt  norgetommen,  ^tprannen 
j\u  feben,  fei  biefem  febmöbifeben  gürften  (perfönlicbe  Eigennamen 
■ merben  üermieben)  im  Xraume  erf^ienen,  um  ibm  bie  erforberlicben 
Slnmeifungen  ju  ertbeilen.  0b  bag  öieHeidbt  ber  Xprann  fei,  frägt 
hier  Ebaron,  über  ben  ficb  lürjlicb  ber  Schatten  eineg  jungen 
frönfifeben  Slitterg,  unb  batb  barauf  auch  ber  feineg  alten  SSaterg, 
möbrenb  ber  Ueberfabrt  beflagt,  unb  babei  bie  tragifebe  ©efd^iebte 
ber  Ermorbung  beg  jungen  Slitterg,  ju  allgemeiner  Slübrung  ber 
ScbiffggefeUfd^aft,  erjäblt  b^ben?  Eben  ber,  ermiebert  SWerfur, 
unb  nun  entfpinnt  fi^  ein  Streit  jmifd^en  Ebaron  unb  bem 
Xprannen,  ba  biefer  mit  gemobntem  Stolj  unb  Xtoje  fid^  mei^ 
gert,  bem  erftern  rubern  ju  halfen,  moju  er  ficb  am  Enbe  boeb 
bequemen  mufe. 

öon  907erfur  geleitet  lommt  hierauf  ber  Xprann  ;an  .bem 
Orte  ber  j^meiten  Scene,  in  bem  gelfentbale  an,  mo  feine  üorange* 
gangenen  Sßorbilber  häufen,  ^b^larig,  ben  er  alg  feinen  ßeferer 
begrüfet,  ift  hoch  erfreut,  feinen  Schüler  unb  Siebling  ju  feben, 
ber  ihm  junäcbft  Slecbenfcbaft  gibt,  mie  meit  er  in  ber  3roifcbem= 
jeit  feinen  ^nmeifungen  nad)geIommen.  ßu  bem  Enbe  erj^äblt 
er  ihm  bie  Ermorbung  beg  |)ang  Jütten:  mit  ber  fcbmeicbeU 
haften  SBirfung,  bafe  ^b^larig  ber  Ueberlegenbeit  feineg  Sebülerg 
bulbigt,  ba  er  felbft  eg  ni^t  fo  meit  gebracht  b^be,  greunbe  unb 
SBobltbäter  um^ubringen,  fonbem  fiib  auf  folcbe,  bie  ihm  alg 
geinbe  oerbäebtig  gemefen,  befcbränlt  höbe.  ®er  Slacbe  für  biefen 
ailorb,  er5äb^t  ber  S^prann  meiter,  fei  er  bur^  einen  Sßertrag 
(ben  blaubeurer)  entgangen,  ben  er  aber  nicht  böttc:  unter  bem 


1)  Phalarismus  dialogus  Huttenious.  Menae  Martio  1517. 
ten  IV,  S.  1-26. 


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^uiten’S  SDiotog  ^^atariSmuS. 


127 


Somanbc,  feine,  gu  ben  Soierfürften,  t^ren  Srübern,  entn>i(^enc 
@emal)lin  jurücfjuforbcrn,  rüfte  er  fid)  jum  ^nege.  3m  gaHc 
be^  (Siegel  gebenfe  er  feine  ganje  ©raufamfcit  ju  Befriebigcn : 
unb  um  fic^  ^ie^u  bie  Singerjeige  bcö  SlRcifter^  ju  erbitten,  fei 
er  lebt  b^rabgefommen.  ^^alariö  rät^  it)m  ju  feinem  ehernen 
©tier  unb  äbnlicben  claffifc^en  Sßorriebtungen;  bebauert,  bag  bem 
©d)üler  bie  Äenntniffe  abge^cn,  um  bie  ©efe^iebten  cine^  2^iberiu§, 
ßatigula,  9^ero  in  ber  Urfprad^c  lefen  ju  fönnen,  boci^  möge  er 
fie  ficb  überfeben  taffen.  §(ucb  uiertbeiten,  auö  ber  Äanone  febie^en, 
mic  neuerlicb  bie  S3öbmen  gett)an,  ^autabjiet)cn  unb  baö'gleifcb 
mit  ©atj  beftreuen  ober  mit  @ffig  befdjütten,  §änbe  unb  5üge, 
jungen  unb  stufen  abfdbneiben,  klugen  unb  auöreigen,  fei 

nicht  übel,  ©tlicbeö  baoon,  erwiebert  ber  ©djüter,  habe  er  bereite 
in  Stnmenbung  gebracht ; auch  fein  äöappen,  baö  ^irfchhorn,  eini* 
gen  auf  bie  S3acfen  brennen  taffen,  kleine  @ötter  glauben,  bie 
33eften  am  eifrigften  oerfolgen,  führt  $h‘^ineiö  fort.  2)aö  thuc 
er  lüngft  Oon  felbft,  unb  braudje  baju  feinen  ßehrmeifter,  meint 
ber  onbere.  9^fach  biefen  unb  ühnlid)en  Sieben  fteHt  ^hnlonö 
feinem  ®afte  fümmtUche  Xl)rannen,  bie  um  ihn  finb,  oon  Slfttja? 
geä  unb  (Sambhfe^  biö  Domitian,  oor,  gibt  ihm  ben  Sluftrag  mit 
auf  ben  Sßeg,  feinem  iUtarfchatf  (2!hnmb)  ba^  ^irfchh^^ni  aufs 
brennen  ju  laffen,  unb  jeigt  ihm  aud)  noch  feinen  Oheim  ©ber« 
harb  II.,  ber  mit  einem  2ieblingöaffen,  biiSroeileii  au^  unter  ber 
beerbe  be^  $luto,  ^furätoeil  treibt;  worauf  älierfur  ben  Xijrannen 
jur  Oberwelt  jurüefführt. 

®a&  eine  fo  beigenbe  ©atire  auf  einen  immer  noch  müd)s 
tigen  gürften  Huffehen,  unb  mancher  Orten  ^Inftog,  erregen 
mugte,  lügt  fich  benfen.  3n  SBüräburg,  beffen  ^ifchof  mit  bem 
§erjog  oon  Sßürtemberg  befreunbet  war,  jeveiß  ^er  Xomljerr 
$eter  oon  Äuffüß  ben  $h<^^Q^i^muö  auf  offenem  3)?arfte;  wofür 
er  oon  bem  gefrünften  Jßerfaffer  in  einem  gebrueften  ©enbfehreis 
ben  fcharf  jur  IRebe  gefteüt  würbe  *)• 

i)ad  S3ewu6tfein  beö  Söagniffeö,  welche^  in  ber  ^eraui^abc 
einer  folchen  ©d)rift  lag,  Oerantagte  Jütten,  ben  Rahmen  homa* 
niftifchen  äöahlfpruch,  beffen  er  fich  bi^h^^  aHerhanb  Variationen 

1)  ülriohi  Hatteni  eq.  Germ,  ad  Petrum  ‘de  AtifBas  Canonioiim 
pro  Pbalariamo  ab  illo  discerpto  Apologia.  I»  288 — 299. 


128 


I.  $u(^.  6. 


bcbicnt  ]^atte,  mit  jenem  SBorte  ßäfar'ö  ju  Uertaufd^en,  baö  feit* 
bem  in  ber  ©rinnerung  ber  SRenfc^cn  §utten'§  fte^enbeä  Attribut 
gemorben  ift.  Öi^^er  I)atte  er  unter  feine  ^Irbeiteii;  im  S5emu§t* 
fein  feinet  reinen  ©trebenö,  am  liebften  ben  ©prud^  gefc^rieben: 
„Slcblic^  unb  o^ne  $runf"  (Sinceriter  citrapompam),moäu  er  mo^I 
Quc§  einmal  ^^ugenbeifer"  (zelo  virtutis)  fügte.  Stuf  bem 
5^itel  bc^  ^i)alari^muö  fte^t  jum  erftenmal:  Jacta  est  alea.  3n 
ber  näc^fteu  Qcit  teerte  §utten  einigemalc  ju  feinem  alten  2Bal)t* 
fpruc^e  jurücf;  fobalb  er  aber  mit  bem  3al)t  1520  feinen  großen 
Äampf  miber  91om  begonnen  l)atte,  mar  nun  erft  baä  fü^ne  SBort 
Dom  gemorfenen  SBürfel  ju  feiner  rechten  Sebeutung  gelangt, 
unb  blieb  ba^er  fortan,  halb  lateinifc^,  halb  in  ber  SSerbeutfd^ung : 
„3dj  l)ab'iS  gemagt",  bi^meilen  nod^  burc^  anberc  oermanbte 
©prüc^e  üerftärlt,  baö  fte^enbe  SKotto  unferc^  fRitter^. 

®od}  mir  feeren  oon  biefer  Slbfcf)meifung  ^u  Jütten  nac^ 
Söologna  jurüdl.  Sind)  ^ier  follte  er  oon  feinen  gemö^nlic^en 
plagen,  Äranfl;eit  unb  ©treit,  nic^t  oerfd)ont  bleiben.  Sluf  ben 
brücfenb  l^eifecn  ©ommer  bcö  3o^re§  1516  mar  ein  ungemö^nlic^ 
ftrenger  SKinter  gefolgt,  mä^renb  beffen,  bei  ben  fc^lcc^ten  italieni* 
fd)en  ^eijung^anftalten , bie  2)eutfc^en  ganj  befonberö  litten, 
§utten  ober  gegen  @nbc  beö  3a^reö  fermer  erfranfte.  Äaum  mar 
er  mieber^ergcftellt,  aU  im  erften  fjrü^ling  beö  folgenbcn  3a^re^ 
Unrul)en  unter  ben  ©tubenten  auSbra^en.  maren  Slcibungen 
jmifd)en  ben  Uerfdjicbenen  Sanbörnaunfci^aften  ober  fogenannten 
Nationen.  ^Die  2)eutfc^en  maren  mit  ben  Sombarben  uneins  ge= 
morben;  oon  ben  ^^uälern,  ^kentern,  ©paniern,  Ungarn,  $olen 
unterftüpt,  jogen  fie  mit  2)egen  unb  S5ü^fen  burd)  bie  ©tragen 
unb  berannten  bie  Raufer,  in  melc^cn  bie  ßomborben  fid^  Der* 
fd^loffen  hielten.  ^^ge  bauerte  ber  Slufftanb,  mäl)renb 

beffen  jmar  niemanb  getöbtet,  boc^  einige  oermunbet  mürben; 
biö  eö  bem  ©tatt^alter  gelang,  bie  fRu^e  mieberfjerjuftellen.  ^a 
C£od)läuö  (beffen  Seriellen  an  $ircfl)eimer  mir  biefc  S^ac^ric^ten 
Uerbanfen)  üon  feinen  ßöglingen,  ben  jungen  ©euberö,  menigftend 
bie  beiben  altern  nid)t  oon  ber  5;^eilna^me  an  ben  ^änbcln  ab* 
jul)olten  mußte,  fo  fann  man  fic^  benten,  baß  um  fo  meniger 
§utten  gefeiert  ^aben  mirb.  Unb  nun  follte  er,  nac^bem  ber 
©tattl)alter  bie  ©ad)e  oor  fein  Xribunal  gezogen  ^atte,  ben  ©pre* 
c^er  ber  beutfe^en  Station  üor  bemfclben  madjen.  @r  meinte,  im 


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i^utien  in  ®fnebiß. 


129 


SSer^ältnig  ju  ber  UnbiH,  bic  feinen  Sanböleutcn  inibcrfa^ren 
tüar,  unb  ber  ^arteilic^feit,  luclc^c  ber  ©tattbalter  benjicfen  ^atte, 
fic^  nod)  fe()r  glimpftid)  aii^gebrücft  ju  ^aben:  allein  biefer,  ein 
©enuefe  au^  bcm  $Qufe  gieäco,  njar  entgegengefefeter  ^nfid)t, 
unb  jeigte  fic^  fo . aufgebrad)t,  bafj  §utten  für  gut  fanb,  ju  üer^ 
reifen ‘).  ?luc^  nod)  oon  anberer  ©eite  l)atte  il)in  ein  unoorjic^- 
tigcS,  wenn  aud)  unoerfänglic^eö  Söort  S3erbrug  gebraut.  @r 
^atte  üon  3)?aria,  ben  2eo  X.  ^u  fünften  eineö  Sftepoten 

auö  feinem  2anbe  Oertrieben  l)atte,  alö  oon  bcm  $erjog  Oon  Ur* 
bino  gefproc^en.  mar  aber  Oom  ^apftc  oerboten,  unb  fo 
mürbe  Jütten  alö  t^atfäc^lic^  bem  33anne  ocrfallcn  betrautet  *). 

(fr  begab  fid)  junäc^ft  nac^  gerrara,  mo  er  bic  Üöcfannts 
fc^aft  bc2i  neununbad)t5igjol)rigcn  9tifolauö  ficonicenuö  machte,  ber, 
ebenfomo^l  burd)  feine  SJ^äfeigfeit  alö  feine  @elel)rfamfcit  berühmt, 
bafelbft  fRcbefunft,  ‘ißl)ilo)opl)ic  unb  ÜJiebicin  Icl^rtc,  unb,  als5  ber 
le^te  auiä  ber  (Generation  ber  großen  italicnifc^cn  ^umaniften 
beö  15.  3al)rl)unbcrt^,  erft  ein  3al)r  nad)  §utten  ftarb.  SJtit 
biefem,  mie  mit  C£öliu^^  ßalcagninuö  unb  einem  fießrer  ber  gric- 
c^ifdjcn  ©prad)c,  5(ntimad)Uö,  mar,  außer  ber  ©ad)c  ber  beffern 
S^tffenfe^aften,  bic  beiberfeitige  '-üctanntjd)aft  mit  ©raörnuö  nod) 
ein  befonbercr  ?lnfnüpfungöpunft. 

Gtur  menige  Xage  mciltc  Jütten  in  gerrara,  ba  jmei  SSettern, 
bic  im  iöcgriffc  ftanben,  nac^  bem  ßeiligen  2anbe  unter  ©egcl 
ju  gc()cn,  il)u  nac^  Öenebig  beriefen.  |)ier  5cigte  fic^,  mie  baö 
(Gcmcingefübl  ber  ,§umaniften  in  allen  iJanben  ftävtcr  mar  alö  bic 
politifd)snationalen  (Gcgcnfä^e.  gn  feiner  ?lufmal)nung  an  ben 
ilaifer  ^^um  Älricge  miber  löencbig,  in  feinem  ©enbfe^reiben  3td' 
licn<^  an  bcnfclben,  — ba«  ©tärfftc,  mie  ber  fDi^arcu«,  bie  gifd)crci 
ber  Scne;\iancr  unb  bic  (Epigramme  an  SJ^a^imilian,  mar  freilid) 
nod)  ungebrurft  — aber  auc^  bort  fc^on  ßattc  fid)  §utten  l)öd)ft 
feinbfelig  gegen  SJenebig  geäußert.  i>cffenungead)tct  fanb  er  gc^ 
rabc  in  SJenebig,  bamaU  einem  SKittelvunftc  ber  ßumaniftifeßen 

1)  S.  ^uttfn’8  ?3riff  an  6ro§mu§,  Sänften  I,  S.  146.  $)ie  oben 

ertofi(fntcn  53crt(^tc  bei  6ot(|Iäu§  j.  ebenboj , 129.  132. 

2)  So  erjä^jlte  er  fpäter  in  feiner  Jürfenrebe.  S)ie  folßenben  9io(^» 
rid^ten  pnb  bem  anßcf.  Briefe  i^utlcn’S  an  CroSmuS  entnommen,  womit  nocl() 
ein  5Brief  beS  ^aptiftn  CßnotiuS  on  benf eiben,  J^utten’8  6d()riften  I,  6.  136, 
}u  bergleic^en  ift. 

Vll.  9 


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130 


I.  ^ud^.  6. 


:söcftrcbiui()cn,  eine  5lufnar)mc,  fo  freunbüd)  unb  fc^mcic^cU)aft, 
alö  fie  U)m  auf  allen  feinen  fReifen  nic^t  Xljeil  fleiuovben  ttjar. 
@ift  trat  er  bei  beni,  alö  0taatömaiin  luic  aU  @elel)rten  be^ 
rütjinten  33aptifta  ©cinatiu^  ab,  bem  er  ©rüge  üon  ©raöuiuä 
brad)te,  unb  ber  ign,  junädjft  um  biefer  @mpfef)lung,  halb  aber 
um  feiner  fetbft,  feiner  i^ilbimg  unb  ßiebensmürbigfeit  miüen, 
fegr  freunbfd)aftlid)  beganbette,  mit  feiner  |)üra5auögabe  befdjenfte, 
unb  H)m  für  ©raömuö  einen  isörief  unb  ein  (5i*emplar  feiner 
Caesares  nebft  einigen  anbern  0d;riften  auf  ben  ^eimmeg  gab. 
5(uf  bie  Äunbe  üon  ^uttcn'ö  5lufunft  fanben  fid)  gebilbete  3üng^ 
linge  auö  ben  erften  Käufern,  CEuntarini,  iöragabini,  and)  ein 
gleichnamiger  S^teffc  bei?  berühmten  ^ermolauig  33arbaruö  ein,  bie 
il)n  in  ber  ©tabt  hcnimführten,  ihren  33efannten  seigten,  unb 
enblich  in  baö  .§auö  beö  gelehrten  !iöud)bruderö  5l)ulanuö  brach^« 
ten.  tiefer  heilte  menige  3al)re  5uüor  feinen  berühmtem  ©chmie^ 
gerfühn  5llbuö  3Jianutiuö  üerloren;  aber  fein  ©uljn  Snhann 
5ran^  unb  anbere  gelehrte  ^au^genoffen  mürben  herbeigerufen, 
unb  fein  (Snfel,  ber  fünfjährige  ^2llbuö  Üü^anutiuö,  mugte  ben  ge^ 
lehrten  ?lnfömmling  mit  einem  ilug  empfangen;  and)  mürbe  feine 
23üd)erfammlnng.  burd)  ^^uögaben  uou  ©ueton  unb  ben  fpätern 
©efd)id)tfd)reibern  ber  römifdjen  itaifer,  Uou  ßicero’ö  Dfgcien 
unb  ber  fd)on  genannten  ©djrift  be^  (Sgnatiuö  de  Caesaribus 
bereidjert. 

5)ie  SSettern,  meldje  beii  S^titter  nadj  SJenebig  befchiebcii 
hatten,  fprachen  ihm  ^u,  bie  Üieife  nad)  bem  9J?orgenlanbc  mit* 
^umachen;  bcrgleichen  ^öallfahrten  maren  noch  immer  nidjt  auö 
ber  3Rübe  gefommen ; nadj  be^S  6od)läuö  iöriefen  an  ^irrfheimer 
mar  (Srotuö  S^ubianinS,  ber  ign  5urüdl)iclt.  tiefer  greunb 
mar  um  jene  Qcit  gleidjfallg  iii  Stalien  angefommen.  ©eine 
©tellung  in  giilba  mar  nichts  meniger  alö  gtänjenb  gemefen; 
unb  nun  foUte  er  auch  ©tü^c  bafelbft,  ben 

"^bt  ^artmann,  oerlieren.  S)en  mäeenatifdjen  Slir^enfürften  brach«^ 
ten  ho^Piegrnbe  ©ntmürfe  unb  Oerfdjmenberifcher  §auöhalt  in 
ßermürfniffe,  bie  in  bemfelben  Qahre  1517  feine  SSertreibung, 
fpäter  feine  Slbbanfung  jur  golge  h^^Hrn.  ©o  nal)m  SrotUiS 
mieber  eine  ©r^ieljerftelle  bei  jungen  Slbelichen,  biegmal  auö  bem 
ihm  unb  ßutten  befreunbeten  §aufe  5ud)ö,  an,  mit  benen  er 
nad)  Italien  ging,  unb  nun  mit  Jütten,  mie  fd)eint,  in  SSe= 


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Jütten  in  ^enebtg. 


131 


ncbi(^  jufammcntraf.  ^urd^  bcn  öcrftönbigcn  greunb  bon  bcr 
p^ontaftifc^en  Sfleifc  ab9ct)a(ten,  fc^rte  Jütten  crft  nad^  Bologna 
jurücf,  wo  er  am  ?tbenbe  beiS  25.  3uni  anfam,  unb  nad^  furj^em 
Aufenthalte  ganj  insgeheim,  um  9ftad)ftelluugen  ^u  bcrmeibeii,  am 
27.  ober  28.  3uni,  feine  iRüdfreife  nach  ^eutfchlanb  antrat. 

6od)löu^,  ber  übrigen#  in  (efeter  ßeit  eine  ©ntfrembung 
Jütten’#  ju  fpftren  meinte,  gab  ihm  55ricfe  an  ^irefheimer  in 
Nürnberg  unb  an  berfchiebene  33efanntc  in  Augsburg  unb  3n= 
golftabt  mit,  bei  benen  er  ihn  einführen  wollte ; bcn  erfteren  bat 
er  nach  $utten’#  SBunfehe,  biefen  nicht  mit  bem  gewöhnlichen 
nürnberger  ^runf  aufnehmen  j^u  wollen,  ba  er  nicht  feinen  leefern 
SD^ahljeitcn,  fonbem  feiner  gelehrten  Unterhaltung  juliebe  ben 
Umweg  über  SRürnberg  ju  machen  gebenfe.  ^)aß  c#  gcrabe  Sodh* 
lüu#  war,  bei  welchem  Jütten  noch  Qm  Xage  bor  feiner  Abreife 
bic  Schrift  bon  Saurentiu#  Salla  über  bie  erbidjtcte  Schenfung 
Äonftantin’#  fol),  mit  beren  ^erau#gabc  er  nach  feiner  ^cimfunft 
feinen  ^elbjug  gegen  fRom  cröffnete,  ift  ebenfo  merlwürbig,  al# 
ba§  Sochläu#  bamal#  jwar  wegen  bcr  $erau#gabc  ängftlich,  übri* 
gen#  mit  bem  3nhallc  ber  0d)rift  bollfommeu  einperftanben  war. 
2öir  fommen  (einer  ßcit  auf  bicfelbe  jurüd:  l)icr  lönnen  wir  e# 
unmöglich  länger  bcrfchieben,  über  bcn  iReuchlin'fchcn  Streit,  an 
welkem  $utten  auch  fdjon  früher,  ganj  befonberö  aber  jefet  in 
3talien,  Antl)eit  genommen  h^Ue,  im  ßQlQQ^ötcnhange  Bericht 
ju  geben. 


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132 


Siebentes  iKapitet. 


^etti^fiti'd  ^ampf  mit  ben  ^ofnern  itttb  c$uttett’$ 
§:9eirna9me  an  bemfeeben. 

1511  — 1517. 

Unter  beu  3)7änuern,  iueld)c  ouö  ber  Serbumpfunfl  bc!§  fiii= 
fenben  SKittclaltcrö  bic  ©elfter  an  bic  freiere  £uft  l)eraii!§füf)ren 
Ralfen,  inbem  fie  Umüiffcnl)eit  iinb  ©d^olaftif  bnre^  (Sröffnnng 
ber  Quellen  tualjrcr  öilbung  mittelft  t^rünblidjer  ilenntniffe  ber 
alten  ©prac^en  befämpften,  unter  ben  Tätern  beö  ^umaniiomuö 
mit  @inem  Söorte  nal)m  um  bie  SSenbe  beö  3nl)rt)unbcrtö  3o- 
f)anu  S^leuc^lin ‘X  ober  luie  ^ermolauiS  S3arbaruö  iljn  öröcifirt 

1) Qtte,  Sapuion,  eine  ber  erfteii  ©teilen  ein.  mar  baj?  allere- 
meine  Urtt)eil,  menu  §utten  il)n  unb  (Sraömuö  bie  beiben  Vlugen 
^)eutfc^lanbö  nannte.  3l)r  SSerbienft  fei  e^,  ba^  baö  beutfd}c 
®olf  aufl)öre,  ein  barbarifdjc^^  5U  fein*-*),  ©ie  (^enoffen  eine  bei- 
iuil)e  übermcnfc^lic^e  5^erel)rung.  SBer  ben  im  ©tillen  mirfenben 
aJiutiauu^  fRufuö  (genauer  fannte,  mar  mol)l  Qcneiflt,  i^n  sum 

2) ritten  im  8unbe  ber  beiben  großen  SJiänner  ju  mad)en:  er 
fclbft  lel)nte  eine  füldje  ßufammenftcUung  mit  feiner  ftet^J  etma^ 
ironifdjen  Öefc^eibenbeit  ab. 

Sleud^lin,  1455  in  ^forjl)eim  geboren,  mar  12  3al)re  älter 
alö  ®ra^muö,  unb  l)atte,  gleich  biefem  frübjeitig  ben  ßcitgenoffen 
bemerfbar  gemorben,  uor  il)m  nic^t  blo^S  bo^  Filter  feineiS  91ul)mö, 


1)  Sgl.  über  i^n  2.  ©ciger,  3o^.  Bleuc^Un,  jein  ficben  unb  feine  3öerfe, 
fieippg  1871. 

2)  3n  beni  oben  ®.  118  angeführten  Sriefe  on  (S^erbel. 


9{eud^Iin  unb  @ra§mu3. 


133 


fonbcrn  mic^  bic  ©tcHunj^  cincö  93Qf)nbrerfjcrg,  cinc§  venerabilis 
inceptor  uorau^.  @r  war  in  2)cutfd)lQnb  bcr  crftc  @clc()rtc  neuen 
©tild,  unb  and)  fo^lcic^  ber  erftc,  ber  fic^  beö  @cbict)§  bamalic^er 
Siffenfe^aft  in  feinem  ganzen  Umfange  bemäd)tigte,  unb  hierin 
hatte  er  unter  benen,  bie  übrigen^  feine  Anfänge  hinter  fich  liegen, 
hoch  nur  wenige  S^adhfotger.  ©elbft  ©ra^muö  war  nur  ber3tniC' 
fprad)ige,  wähvenb  S^tcnchlin  „bad  breifprachige  SBunber”  war. 
3u  bem  Satein,  ba$  er  reinigen  hntfr  lernte  er  Don  gelehrten 
©riechen,  wie  fic  bie  Eroberung  ^ionftantinopelö  tn^ö  Slbenblanb 
geführt  hnttc,  au^  ber  lebenbigen  dneHe  griechifch,  cbenfo  hernadh 
Don  3nben  hebrüifd).  SBenn  er  baö  ©tubium  beö  ©ricchifdjen 
in  ^cutfchlanb  einbnrgern  h^lf,  fo  hnt  er  baö  bcö  §ebröifchen 
überhaupt  im  neuern  ©uropa  begrünbet.  ©ein  SBerf  de  rudi- 
inentis  hebraicis  uoin  Sahre  1506,  SBörterbuch  unb  ©rammatif 
in  (Sinem,  war,  obwohl  im  2öcfentlid)en  auö  ben  ©djriften  ber 
alten  jübifd)cn  ©rammatifer  nnb  fiejifographen  gefdjöpft,  hoch 
baö  erfte  auf  djriftlidjem  !0oben  entftanbene  iiehrgebäube  ber 
hebräifchen  ©prache,  unb  er  hntte  ooUeö  ?Red)t,  am  ©chluffe  be^ 
iöufhö  baö  hnra5ifd)e  Exegi  rnonumentum  etc.  au^jufprechen.  ^a= 
bei  waren  aUe  biefe  gelehrten  Seiftungen  nur  grüchte  feiner  9J2uge* 
ftunben  neben  ben  öffentlid)en  5lemtern,  bie  er  befleibetc.  ^h^olog 
war  er  nur  auü^  Siebhaberei,  üon  ^rofeffion  war  er  fRechtögelehrter. 
'-öeffer  freilich  umgefehrt:  bie  SnriSpvnben^  war  nur  fein  Srob« 
ftubium,  üon  bem  er  gelegentlich  ohne  oiele  Dichtung  fprad).  ^aö 
©tubium  feiner  Sficigung  war  '^hH‘-'‘logi‘-'  unb  ^hilnfnphic.  §icrin 
war  ©raömu^  günftiger  gcftcHt.  Obwohl  mit  gürften  unb  ©rogen 
geiftlidjen  nnb  weltlid)en  ©tanbe^  in  weit  oiclfacheren  S^ergälts 
niffen  alö  fReuchlin,  hntte  er  cv  fid)  bod),  unb  /^war  jum  Xhcil 
gerabe  bnrd)  biefe  Serbinbungen,  möglich  i\n  machen  gewugt,  ohne 
eigentlidjeö  Slmt  auefd)lieglidj  feinen  ©tubien  unb  feiner  ©chrift^ 
ftellcrei  j^u  leben.  5tein  Sßunber,  bag  er  an  gru^tbarfeit  ben 
altern  ©enoffen  überbot,  in  bcrgolgcand)  an  Hinflug  unbiRuhm 
ihn  überholte,  Se^tcreö  aud)  barum,  weil  feine  Bemühungen  um 
bie  beiben  claffifchen  ©pradjcn,  wooon  er  überbieg  bie  lateinifdje 
mit  einer  (Slcgan^  fd)rieb,  bon  ber  Send^lin'ö  funftlofe  Slnöbrncfö= 
weife  Weit  entfernt  war,  mit  ben  humaniftifdjen  3clH’'^fl^<^l’nngen 
,^ufommentrafen;  währenb  Scuchlin  mit  feiner  fiiebhnbcrci  für  bie 
barbarifche  ©emitenfprache  oereinjelt  ftanb. 


134 


1,  ®ud^.  .7.  Äopitel. 


Ucbcrijaupt  ftebcn  bic  bcibcii  2J?ämtcr,  bic  man  flcmofint  ift, 
jufammen  alö  bic  Vertreter  beffdben  ^rincipö  nennen,  boc^ 
auf  biefem  gemeinfamen  33obcn  fid)  in  mcrflvürbigcm  ©cgcnfo^c 
gegenüber,  ©d^on  äugcrlid):  ber  fd)mäc^tigc,  unfc^cinbarc,  feine 
ftctö  roanfenbe  ©efunb^cit  ängftlic^  ^ütenbe  ©raönuig,  unb  bic 
ftattlic^e  imponirenbe  ©eftalt  fWend)lin'^,  ber,  fo  mägig  er  für 
gett)öt)nlid)  lebte,  cö  bei  ©elcgcnbcit  bo^  mobl  ertrug,  einmal  mit 
feinem  Sodann  SSaefer  (SSigiliuä)  in  ^cibclberg  biö  tief  in  bic 
9lad^t  beffen  SBcinc  burd^jufoften,  auf  bic  ©efa^r  ^in,  im  Sflcbcl 
bc^  @m)ad)cnö  am  anbern  SJiorgcn  bie  Kleiber  mit  benen  be^ 
greunbeö  ju  ücrmec^fcln.  3m  ßufönnnenbang  bamit  mar  auc^ 
in  fRcuc^lin'ö  ^anblung^meifc  ©erab^eit  unb  Offenheit  ebenfo  ein 
l)cruorftcc^cnber  ti>ie  bei  ©raömuä  ©cmanbt^cit  unb  ©d)micg= 
famfeit.  konnte  jener  aufbraufen  unb  zürnen,  unb  in  folc^cr  ©rrc= 
gung  bie  ©rennen  ber  ©erec^tigfeitmieber  ©c^icflic^fcit  überfc^rciten, 
fo  nehmen  fid)  bod)  feine  gauft-  unb  Äculenfd^lägc  neben  ben  in 
aller  ^rtigfeit  bcigebrac^ten  S^abel*  unb  moljl  auc^  ^)olc^ftic^en  in 
ber  ^olemif  be^  anbern  ocr^öltnigmä^ig  unfd^ulbig  aug.  9G0a« 
ben  9J2ut^  betrifft,  fo  mar  aud)  fReud)lin  gerabc  fein  |)elb;  er 
l)attc  t)on  Statur  ein  forglid)cs  Temperament  unb  ift  üor  brofien* 
bcr©cfa^r  mcf)r  alö  einmal  ängftlic^  ^urücfgcmic^cn ; bo^  l^at  er 
in  ber  ^auptfad^c  immerhin  fo  feften  ©taub  gehalten,  bag  ber 
gemalti^e  5^ampf  fic^  entfpinnen  fonntc,  morin  er  julept  alä  mof)rs 
baft'tragifc^c  gigur  crfd)cint.  95ei  ©raömuö  lägt  fic^  ein  tragu 
fdjcr  ßonflict  biefer  5lrt  gar  nid)t  benfen ; ber  S^ielgemanbte  gätte 
bemfelben  oon  ferne  ger  fd)on  auSjumeiegen  gemußt.  3^*  biefen 
im  9iatureII  unb  SbQi^Qftcr  ber  beiben  9J2änner  gelegenen  SBcr^ 
fd)iebenl)eiten  fam  aber  aueg  noeg  eine  in  igrer  geiftigen  Einlage. 
Söar  ber  jüngere  ein  nüchterner,  ironifeger  ©eift,  feine  Tenfart, 
meint  man  ben  ^u^bruef  niegt  migoerftegen  miß,  rationaliftifeg, 
fein  Söirfcn  ein  aufflärcnbeS:  fo  mar  ber  ältere,  bei  gleidjcr  Tenffraft 
unb  niegt  geringerem  933iffen,  ein  mgftifeger  ©eift,  ben  ein  bunflcr 
Trang  nadh  Uerborgenen  Tiefen  ^og.  ©ben  bamit  ging  aueg  feine 
SSorliebc  für  baö  ^ebräifege,  feine  ©unft  für  bie  3ubcnbüd)cr  ju^ 
fammen,  bic  ign  in  ben  ©treit  Oermiefelte,  oon  bem  mir  gier  ;;u 
reben  gaben. 

9fteud)lin'^  3ntcreffc  am  §cbröifegen  mar  ;iunäd)ft  baig  pgilo= 
logifd)c  an  einem  fo  cigentgümlidjcn  unb  bamolö  fo  menig  ge^ 


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^o^ann  ^cui^ün. 


135 


faimtcn  ©pracfjt^cbäubc.  Xic  Uncutbe^rlid)fcit  bicfcr  ihinbc  ^um 
33erftänbni6  boö  eilten  Xcftamciitö,  alfo  büö  tbcoloivfc^c  Sntcrcffc, 
fom  5lbci*  bi>5  .^cbräifd)c  luar  für  fRcuc^lin  Jiiölcid)  bic 

0prnd)c,  in  luclc^cr  Öott  fcibft  iiiib  bic  ©nqcl  gcrcbct  l)attcn,  bic 
heilige  0prad)c  tuie  feine  anbcrc.  Hub  in  bicfcr  Sprache  f)ot 
GJott  nidjt  nur  ba^jenige  gerebet,  lua^  in  ben  23nd)crn  ÜJ^ofiö  nnb 
jonft  in  ber  heiligen  3d)rift  für  alle  nicbcrgcicgt  ift,  fonbern  auch 
nod)  eine  üerborgene  Sehre  burd)  @ngcl  an  5lbain,  bic  ©r^uäter 
unb  SU^ofeä  gelangen  laffen,  bic  in  fpätern  jübifchen  Schriften 
anfbchaltcn  ift.  0ü  trat  jum  philolagifchen  unb  thcülogifdjcn 
3ntercffc  an  ber  hcbräifdjcn  Sprache  baö  mt)ftifd}c  hi»J»-  -^iefc 
mpftifdje  fRid)tung  luar  in  ^Rcud)lin  nod)  üon  einer  anbern  0eitc 
her  angebahnt.  @r  h^ttc  bic  0hftemc  ber  gried)ifd)cn  fPh^^ofophie 
ftubirt,  unb  fid)  unter  biefen  bcfonbei\^  511  bein  ppthagoreifchen, 
in  feiner  fpätern  Umbilbung  natürlich,  gefunben.  ^i\ 

einer  0djrift  uoni  Sahrc  1515  fprid)t  er  baö  '-8ürl)aben  auö,  luie 
in  Italien  3J^arfiliuö  J^icinu*?  bic  platonifd)c  ^hil‘^)i^Ph^'-'  begrüiu 
bet,  in  55i^onfrcid)  gelber  non  Stapleö  bie  ariftotelifd)c  erneuert 
habe,  fü  gebenfe  er,  Gapnion,  unter  beni  33eiftanbe  ber  (Sngcl 
^cutfd)lanb  mit  ber  pt)thagin*eifd)en  befd)aulichen 

3)^enfd)cn  ftetö  angenehm  gemefen , ,^u  befd)enfen.  *iHud)  hi'-'n» 
inbeß  mar  ein  Italiener  imrangegangen,  ber  (^raf  3ol)onn  '*^3icuö 
üon  Ü/iiranbula  nämlich,  unerad)tet  ihre  perfönliche  iöerührung 
nur  eine  flüd)fige  mar,  bod)  auf  bie  (Sntmidlung  üon  fRcud)liirö 
Sorftellungcn  uon  tiefgehenbem  ©influffe  gemefen  ift.  fpiciiö  mar 
ein  mhftifd)cr  (Sfleftifer,  ber  in  ncuplatünifd)cr  SBcife  nicht  bloe^ 
'’^^t^^tonminuö  unb  ^^^hthagorei^muiä,  fonbern  mit  beiben  nod)  bic 
jübifd)c  ©cheimlehrc,  bie  fogenannte  (Sabbalah,  ^u  eombiniren, 
unb  biefe  Üiijchung  übcrbiefi  ^u  fünften  beö  (5hiiftt’»fhum^;  ^u 
üermerthen  fud)te.  .^icrin  trat  fRenchlin  gan^  in  bie  guftftapfen 
\>c<$  ^icuö.  3n  feiner  Schrift  „uom  munberthätigen  SSorte"  au^J 
bem  3rthi^c  1494  finben  fid)  bie  Säpe:  (^iott  ift  bie  Siebe,  ber 
3Jienfd)  bic  Hoffnung,  ba^3  ^^anb  5mifd)en  beiben  ber  (Glaube, 
^urch  unbefd)rciblid)c  ^Bereinigung  aber  fönnen  fid)  beibc  fo  üer^ 
binben,  bafj  ber  mcntcl)lid)e  ÖJott  unb  ber  göttliche  iüienfd)  fortan 
nur  alö  ©in  ÜÖefen  bctrad)ten  finb.  ^iefc  ^Bereinigung  fommt 
j\u  Staube  burd)  baö  munberthätige  äSort,  b.  h-  ben  gcl)cimitift^ 
Dollen  3t'hDua=  unb  3e)uönamen.  ^on  biefen  einfach  mpftifchen 


136 


I.  7.  j^apitel. 


Slnfängcu  arbeitet  fid^  nun  aber  iReud^lin'^  SBorftellunci^iucife  in 
bie  üernjicfcitfte  $t)antaftif  bi^cin.  3n  p^tOagoreifdjer  5lrt  fpielen 
bie  3<^bitJcrbältniffc,  in  rabbinifc^er  bie  S3ud)ftaben  eine  gro§c 
Stolle.  3n  jebem  SBorte,  jebem  ©uc^ftaben,  ja  in  ben  S3ud)ftabcns 
^eic^cn  beö  SHten  Xeftamentö  fab  9^eud)lin  ©ebeimniffe.  ®en 
Saurenj  S3ebaim,  ^omberrn  ju  iöamberg,  b^^ttc  er  ju  fRom  ges. 
lebrt,  au^  @inem  S8erfe  beö  ^ttjeiten  ^öucbiS  3Rofiö  bie  72  unanö^ 
fpre^b^icben  Flamen  @otte^  bc^^^u^jufinben.  3n  ben  brei  S3ucb= 
ftaben  bcö  b^’i^i^difd)en  SBorteö,  mit  tueicbem  1 äRof.  1,1  bag 
göttlidbe  ©dbaffen  bejeid)net  ift,  fonb  er  bie  ^reieinig!eit ; nach 
eben  berfelben  ^eutung^art  in  ©prüd;m.  30,  31  eine  Söeiffagung 
(bie  ficb  freilich  nicht  erfüllte),  bag  nad)  ÜJtajimilian  fjricbricb 
üüu  ©adjfen  Äiaifer  merben  mürbe,  ^ergleidjen  öeftrebungen 
mie§  @raömu!3  im  „ßob  ber  ^Rarrbeit"  ihren  $la|j  an.  Söelcben 
SBertb  bagegen  für?Reud)lin  bie  fpätern  jübifeben  ©ebriften  herben 
mußten,  in  benen  fold;e  SSeisi^beit  ju  finben  mar,  erbcHt  üon 
felbft. 

Sßaö,  bicDon  abgefeben,  fReud)lin'ö  pbi^ologifd)eö  33emübcn 
um  bie  (SJrunbfpra^c  beö  2Utcn  STeftamentö  betrifft,  fo  mar  e^ 
auf  ber  einen  ©eite  jmar  ganj  fromm,  alö  ©egenmirfung  nid^t 
allein  gegen  bie  ©djolaftit,  fonbern  ebenfo  auch  gegen  bie  profane 
91id)tung  gemeint,  melcbe  ber  ^umanisJmuö,  befonbe^i  in  3talicn, 
genommen  b^itte.  2luf  ber  anbern  ©eite  jeboeb  mor  üielfacber 
ßufammenftog  mit  ber  bcrgebrad)ten  5lu‘3legung  nid)t  ju  Der* 
nieiben.  iReudjlin  ehrte  bie  Vorgänger,  aber  lieb  fid)  burdb  feine 
2lutorität  binben.  Xen  heiligen  |)icronbmuö,  febreibt  er,  oerebre 
id)  mic  einen  Sngel,  unb  ben  SRifoloiiö  oon  ^pra  achte  ich  aU 
Sebrer,  aber  bie  SBabrbcit  bete  id)  an  mic  einen  @ott.  Söic  bei 
folcbcn  örunbfö^en  9ieud)lin  über  bie  alte,  auf  febr  mangelhafter 
©prad)fcnntnib  berubenbe  lateinifdbc  33ibelübcrfcpung,  bie  fogcs 
nannte  SSulgata,  urtbcilcn  mufjte,  labt  ficb  benfen.  5ln  Dielen 
©teilen  feincä  Söcrfcö  über  bie  bebräifebe  ©praebe  mirb  fie  Don 
ihm  gctabclt,  bie  mabre  Ueberfebung  il)r  gcrabe^u  cntgcgcngeftcHt. 
yflun  aber  mar  bie  S^ulgata  in  ber  abenblänbifcbcn  üirebe  löngft 
an  bie  ©teile  bcö Originale  getreten,  beffen  ®crftänbnib  mit  ber 
Äunbe  ber  ©runbfpracben  möbrenb  ber  mittlcrn  Dcrlorcn 
gegangen  mar.  3n  ber  Ueberfepung  ber  SSulgata  allein  fannten 
bie  ÖJciftlidjcn  bie  33ibcl ; auf  St^tbümer  biefer  Ueberfefeung  maren 


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JReud^Un  unb  ^fcfferlotn. 


137 


firc^tic^c  ßct)rfä^c  unb  ^cbröud)e  ^cßrünbet  luorbcu.  9J^it  bcr 
SBuigata  festen  bid)cr  9icucl)liu  bie  Äirdjc  fcibft  anjutaften,  unb 
ba  er  feine  Sßerbefferunflcu  überbiefe  auö  bcu  33elcl)run(^cn  unb 
0c^riften  ber  Subeu  fdjöpftc,  fo  laß  e^^  nabe,  fein  Sbriftentl)um 
ju  üevbädjticjcn,  felbft  ebne  ben  Slnlag,  uon  bem  luir  fofurt  p 
bcridjten  hoben  loerben. 

^ereit^  botte  fRcud)lin  ba^  funfjic^ftc  Seben^jabr  überfdjrittcn, 
unb  fing  an  fid)  nach  iRube  ju  febnen.  @r  bottc  uicl  erlebt,  in 
jüngern  3al)rcn  in  granfreidj  ficb  aufgebaltcn  unb  gtalicn  njieber* 
bolt  bereift;  njar  in  bob^n  0taatiggefd)äften  gebraudd,  uomitaifer 
griebricb  III.  gcabelt,  non  einem  bcr  treffliebften  beutfeben  gürften, 
bem  mürtembcrgifd)en  ©tafen  unb  nadjuiali^  5cr^og  ©berbarb  im 
53art,  mit  freunbfd)aftlid)cm  SSertrauen  beebrt  morben ; nur  feinem 
unmürbigen  9lad)folgcr  bottc  er  fliehen  muffen,  mar  nad)  beffen 
^Ibfcfeung  5mar  nach  Stuttgart  in  fein  |)eimmcfcn 
bod)  fonntc  bcr  greunb  bcö  meifen  ©berbarb  an  bem  ^^3üd)cn  unb 
^raffen  bcö  jungen  ^er^^agö  Ulrid)  feine  greubc  hoben.  So  50g 
er  ficb,  ba  baö  9^Iid)tcramt  beö  fd)mäbifcbcn  33unbei^,  ba^^  er  K'il. 
1502  ücrmaltcte,  il)n  nur  ^citcnmcifc  in  5lnfprucb  nahm,  allmäblicb 
jurücf,  lebte  mit  feiner  fränfclnben  ^meiten  grau  am  liebften  auf 
einem  fianbgütdjen  unmeit  Stuttgart,  mc  er  feinen  £icbbabercien, 
5.33.  meige  Pfauen  ^u  pichen,  unb  feinen  Stubien  naebging. 

mar  im  September  1509,  alö,  mic  febeint  in  Stutt^ 
gart,  ein  getaufter  gube  au5  iiöln  mit  einem  feltfamcn  5(nfinnen 
bei  fRcucblin  eintrat*).  Der  äJ^enfd)  hotte,  nadjbem  il)m,  feine 
ehemaligen  @laubcni?gcnüffen  burd)  (Srmabnung  ^u  befebren,  nidjt 
gelungen  mar,  einen  anbern  3[Beg  eingefd)lagcn.  3n  einer  91eibc 
üon  Sd)riften,  non  benen  il)m  mcnigftcnö  bie  lateinifeben  bie 
tölner  Xb^’ologcn  unb  iD^agifter  äurcdjtmad)cn  bolfen,  forberte  er 
Dbrigfeitcn  unb  S^olf  ju  gcmaltfamcr  ^efebrung  ober  23ertrcilning 
bcr  Suben  unb  jur  Sßerbrennung  ihrer  23üd}cr  auf.  Xa  aud) 
bic6  ohne  S33irfung  blieb,  ritt  er  im  Süinmer  1509  ^um  Äaifcr 
SKajimilian,  bcr  eben  gegen  ©enebig  ,^u  gelbe  lag,  unb  mivfte  im 
Heerlager  uor  $abua  üon  ihm  unb  feinen  beftecblidjen  Sdjrcibern 


1)  2)ic  Äronif  bf§  folocnbcii  Streites  fmbet  man  bet  ®örfing,  Ilutteni 
operura  Supplem.,  Tom.  II,  S.  117 — 156;  boS  Serjeidjnife  ber  in  bem  Streite 
(jetoet^jelten  Schriften  ebenbaj.,  S.  66—115. 


138 


I.  ®u(^.  7.  Äopitcl. 


ein  ÜJ^Qubat  an  fämmtlidjc  Suben  bcö  auö,  fie  foUcn  alle 

il)ve  !söüd)cr,  bie  flcflcn  ben  d)viftltd}cn  glauben  c|cvid)tct  feien, 
ober  and)  il)rem  eigenen  C^Jefe^e  ^^utoibcrlanfen,  „unferem  unb  beö 
9ieid)^  getreuen  3o()annfen  ^fcffer!orn  (fo  ber  SJiann)  ali;^ 
einem  moblgcgrünbcten  unb  erfahrenen  il)re§  ©laubeuö"  oor^eigen, 
bem  bie  93oUinad)t  ert()eilt  mirb,  mit  beö  ^farrerö  unb 

jmeier  Dbrigfeitöperfonen  jebeiS  Crtö  biefe  33üd)er  uon  ihnen  ju 
nehmen  unb  ju  unterbrüden.  ®iefe^  9J?anbat  mieö  ^fefferforn 
je^t  9fieud)lin  oor  mit  bem  @rfud)cn,  er  möge  mit  ihm  an  ben 
9fU)cin  reiten  unb  bie  0adhc  in§  SGÖerf  richten  helfen.  Sltlein  meber 
ber  arienfd)  noch  fein  ?(nfinnen  fonnte  9ieud)lin  gefallen.  @r 
entfd)ulbigte  fich  mit  ©efdjäften,  auch  Ö^l^e  ba^  yj^anbat  etliche 
SUiängel  in  ber  gönn,  locldje  ber  red)t^funbigc  Wann  bem  3»ben 
erft  mit  bem  ginger  , geigte,  bann,  al§  biefer  fie  fchriftlid)  ^u  herben 
münfdjte,  vig  er  „ein  ^ebelin  ab  einem  iöap^ier"  unb  fd)rieb  fie 
ihm  auf. 

©0  fd)ieb  ber  üerbäd)tige  Wenfeh ; aber  S^eudjlin  foUtenoch 
nid)t  fo  halb  fRuhe  oor  ihm  h^^ben.  Um  löartholomäi  beö  folgen^ 
ben  3al)tö  fam  il)m  burd)  ben  5Uirfürften  Uriel  Oon  Wainj  ein 
faiferlidjer  Befehl  ju,  fein  (^3utad)ten  barüber  ab^ugeben  „ob  folchc 
23ücher,  fo  bie  Suben  über  bie  ^üd)er  ber  10  ©ebote  ÜRofiö,  bie 
Propheten  unb  $falter  beö  eilten  ^eftament^^  gebrauchen,  ab^iu 
tl)un,  göttlid)  unb  löblid),  unb  unferm  heiligen  ÖJlauben  nnglich  fei". 
Wan  loollte  alfo  bie  ©ad)e,  bie  ^fefferforn  aufjencö  erfte  Wanbat 
hin  in  granffurt  unb  ber  Umgegenb  gleich  h^h*Ü 
genommen  htiUc»  e’rft  noch  reiflid)er  überlegen;  aber  auberer» 
feit!^  ftcHte  man  bie  grage  nid)t  mehr  bloiä  auf  bie  S3ertilgung 
lüirflid)er  ßäfterbüd)er,  fonbern  aller  jübifd)en  33üd)cr  auger  ben 
biblifd)en:  fo  meit  hatten  cö  iu5toifd)cn  bie  Umtriebe  ^fefferforn'ö 
unb  ber  mit  ihm  Oerbünbeten  fölner  Dominicaner  gebracht.  Sieben 
fRcud)lin  mar  nod)  ber  Dominicanerprior  unb  i^epermeifter  3afob 
,§od)ftraten  ju  Äöln  unb  Victor  oon  (Farben,  oormalö  IRabbiner, 
jept  Shi^ift  nnb  (^eiftlicher,  bann  bie  Unioerfitäten  ju  ilöln,  Wain^, 
(Erfurt  unb  §eibelberg  )jur  ^Ibgabe  oon  @utad)tcn  in  ber  ©achc 
aufgeforbert. 

$Reud)lin’g  ®utad)ten  ober  „9?athfd)lag,  ob  man  ben  3uben 
alle  ihre  Bücher  nehmen,  abthun  unb  oerbrennen  foU",  gegeben 
Stuttgart  am  G.  9loo.  1510,  ift  eine  fchöne  ^robe  ber  Klarheit 


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9leud^Un’8  wegen  ber  3uben6ttd(|er. 


139 


fciiied  SSerftanbeg,  ber  S3iebcrfeit  feinet  ßb^rafterg  unb  bcr9)?ilbc 
feiner  ©efinnunfl;  obmobi  nid^t  ju  nerfennen  ift,  ba§  if)iu  bie 
@r()altung  ber  3ubenbüc^er  nic^t  bioö  um  ii)reö  üterarifd)en 
^ert^eö  ober  beiJfRec^tö  i^rer  53efiber,  fonbern  auc^  um  ber  bariu 
oermut^eten  ©ebeimniffe  miflen  rätblid)  unb  münfdjenömcrtb  er* 
festen;  bag  alfo,  toie  bieg  in  menfc^lid)en  Gingen  fo  gerne  ge^ 
fdbie^t,  an  bem  guten  SBerfe,  melc^eö  er  t^at,  neben  ber  SBobr* 
beit  Queb  ber  SBabn  feinen  Slntbeil  b^tte. 

laffe  ficb,  meint  fReucblin,  über  bie  oorgelegte  5rage  oiet 
bin  unb  mieber  biöputiren;  um  aber  auf  ein  fi^creö  ©rgebnig  ju 
fommen,  müffc  man  unter  ben  jübifeben  33ücbcrn  oerfebiebene 
Älaffen  unterfdjeiben.  Xa  finbe  man  benn  1)  bie  b<^ii»9c  ©ebrift 
be^  Stiten  ^eftamentö,  24  iöücber,  bie  aii§erl)alb  ber  5ragc  fteben. 
2)  ®en  2;bQiniub,  b.  b-  eine  ©ammlung  oon  Einbiegungen  beb 
mofaifeben  ©efejeb  aiib  Oerfdjiebenen  3^iten.  biefer  beb 

JJeuerb  mürbig,  fönne  feiner  fagen,  ber  feine  ©prad)en  nid)t  oer= 
-ftebc  (momit  fReucblin  nid)t  allein  bie  fölner  Xb‘^‘^^ogen,  fonbern 
oueb  ^fefferforn  meinte,  bem  er  bie  nötljigen  Äenntniffe  nid)t  ^u* 
traute):  er  felbft  b^bc  ein  ©jemplar  beffclben,  unerad)tet  er  cb 
gerne  hoppelt  bc5ablt  bdtte,  bib  jebt  nicht  erbalten  fönnen,  fein 
3nbalt  fei  ibm  baber  nur  aub  ben  SBiberlegungbfcbriften  befannt. 
^Darnach  ju  urtbeilen,  möge  toobl  $Wancbeb  miber  bab  C£briften* 
tbum  borin  fteben:  allein  bafe  bie  3uben  fur@ott 

anerfennen,  bab  fei  einmal  ibr  ©laube,  unb  nid)t  unb  ^ur  0d)inad) 
ju  rechnen;  baneben  aber  fei  auch  mand)eb  @ute  im  Xl)almub 
cntbolten,  bab  aub  bem  Jööfen  b^raub^ufueben  eine  b^ilförne 
Uebung  unfereb  ©laubenb  fei.  3)  pnbe  man  bei  benSuben  „bie 
bobe  ^eimlicbfeit  ber  SReben  unb  ‘SÖörtcr  ÖJotteb,  bie  fie 
Cabbalah".  X)ab  mar  nun  Sfleucblin’b  ©cboobfinb,  rücfficbtlid) 
beffen  er  ganj  mit  ber  Xbefib  beb  Grafen  Sobann  ^icub  oon 
SRiranbnlo  übereinftimmtc,  eb  fei  „feine  Äunft,  bie  unb  mehr  ge? 
miß  madje  oon  ber  ©ottbeit  (Sbnftb  3)iagia  unb  CSabbalab". 
6ine  4.  ftlaffe  bitben  bie  erflörenben  ©loffen  unb  grammatifdjen 
(Sommentare  über  cinj^elne  biblifebe  S3üd)er,  oon  Äimcbi  u.  El.; 
für  ein  riebtigeb  Serftänbnig  beb  Eliten  Xeftamentb  fo  unentbel)r? 
lieb  mie  0eroiub  unb  Xonat  jum  E3erftönbni6  beb  ESirgil.  5)  X)ie 
^rebigt?  unb  6ercmonienbüd)er  geboren  j\u  bem  ßultub,  ber  ben 
3uben  bureb  faiferlidbe  unb  päpftlicbe  fRecbte  jugeftanben  fei. 


140 


I.  ®ud().  7.  ÄQpUel. 


6)  3I)tc  Sucher  üon  allerlei  Ä'ünften  unb  SBiffenfe^aften  touren 
nur  infotoeit  511  oertilt^en,  al^  fie  oerOotene  Älünfte,  toie  §eyerei 
unb  0d)u^(^rüberei  (ehrten,  ©nblic^  7)  unter  iljren  ^oetereien, 
gabeln  unb  @jempelbnd)lein  mööen  fidj  etlidje,  obtool)!  toenige, 
finben,  toeld)c  ©pott  unb  ©djiimljungeu  ntiber  6l)riftn^,  feine 
iÜ^utter,  bie  5lpoftel  n.  f.  tu.  enthalten.  ®em  SSerfaffer  bee  @ut= 
ad)tenö  finb  nur  jntei  bergleid)en,  Nizahon  unb  Tholdoth  Jeschu, 
befannt,  bie  aber  oon  ber  äl^’brljeit  ber  guben  felbft  für  apofrpp^ 
unb  erlogen  gehalten  toerben.  „töei  toeld)em  Suben  nun  ntiffents 
lid)  gefnnben  toirb  ein  fold)  ^43nd),  ba^3  mit  an^gebrneften  SBorten 
fc^ledjtö  unb  ftrad^5  ,^u  ©djinac^,  ©c^anb  unb  Unc^re  unferm 
^erru  ©ott  gefu,  feiner  toertl)en  3)iutter,  ben  ^eiligen  ober  ber 
d)riftlid)en  Drbnung  gemadjt  märe,  ba^  mödjt  man  burc^  taifer^ 
lidjen  ^efel)l  oerbrenuen  unb  bcnfelben  guben  barum  ftrafen ; 
bod)  nic^t  anberö,  benn  nad)  genugfamer  93crl)örung  unb  redjts 
mägig ergangener llrtl)eil."  XieSBertilgung  i^rer  fämmtlid)en^üc^er 
ol)ue  Untcrfdjieb  mürben  bie  Suben  alö  ein  3^-’idjen  aufe^en,  bag 
bieß^riften  iljrer  eigenen  ©ad)e  nidjt  trauen;  mäbrenb  für  biefc 
511  fürchten  märe,  baft  fie,  menn  il)nen  ber  ©toff  511m  ©treite  mit 
aioJmäitigen  ©egnern  fehlte,  befto  mel)r  unter  fid)  felbft  verfallen 
mürben,  ^emnad)  gel)t  Oteud}lin’i?  ©utadjten  fdjließlid)  bal)in, 
„bag  man  ber  guben  53üd)er  nid}t  foll  oerbrennen,  foiibern  fie 
burd)  oernünftige  Xiöputationen  fanftmütl)ig  unb  gütlich  511  unferm 
©tauben  mit  ber $ilf  ©otteö  Überreben".  Unb  um  aihS  ber©ad)c 
überbieö  einen  ©eminn  für  bie  2Biffenfd)aft  311  sieben,  mac^t  er 
ben  SSorfebtag,  ber  Äaifer  möge  befehlen,  bag  febe  beutfd)e  UnU 
oerfität  auf  jel}n  3al)i^c  ^mei  ßebrftüble  ber  bebräifeben  ©pradje 
erridjte,  mo^u  oorerft  bie  3ubcn  bie  töüdjer  b^mjuteibeu  bütten. 

^ie  übrigen  ©utaebten  lauteten  freilid}  anber^l  Sitte,  biö 
auf  baö  bcibelbergifcbe,  baö  auf  S^erufung  einer  Gommiffion  an^ 
trug,  mollten  beu  3uben  oorerft  alle  ihre  iöücber  ^um  3tocde  ber 
Unterfud)ung  meggenommen  miffen,  mit  alleiniger  Sluönabme  bcö 
Slltcn  Xeftamentö;  ja  bie  ttf^ainjer  nabmen  and)  biefeö  nid;t  au§, 
biö  fid)  ermiefen  mürbe,  baf3  bie  ©jcmplare  nid)t  Triften' 

feinblicb  gefälfebt  feien.  9teud)lin  fdjidte  feinen  fttatbfcblag  Oer? 
fiegelt  bureb  einen  gefd)morenen  33oten  au  ben  Ä^urfürften  oon 
^Wiaiiti^,  tueldjer,  laut  be^5  faifcrlicben  äl^anbatö,  fämmtlicbe  ©ut* 
aebten  mit  feinem  S3ciberidjte  „bei  3obaunfen  '4^feffcrforn"  aU 


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^fefferforn’S  ^anbipifßet  unb  9?fud()Iin’§  ?lu0enj|)icQcl  141 

faiferlid^cm  ©oflicitotor  in  bcr  ©odjc,  an  bcn  Äoifcr  gelten  laffen 
füllte.  2)ic  brei  9J?änncr,  benen  biefer  fic  üorlcgte,  entfc^icben 
fic^  im  ©inne  bcr  9Äe^rljcit  bcr  @utacl)tcn ; bocl)  bcr  Äaifer,  chu 
mnl  bcbcnflic^  gcmacl)t,  fc|tc  bic  ©ad}c  auf  eine  öerat^ung  mit 
bcn  ©tänben  bcö  fReicl)cö  auiS,  unb  ba  ein  fRcic^^tag  fic^  tjcr^og, 
blieb  fic  liegen,  mittlcrmcilc  bie  Suben  bic  i^nen  Hon 

^feffertorn  abgenommenen  ©üc^cr  bisJ  auf  Sßcitereö  juriief erhielten, 
mar  biefem  uncrträglidj  unb  fteigerte  feine  S33utg  auf  Stcuc^lin, 
beffen  ©utadjten  er  für  bic  gan<^c  ©törung  feinet  fo  mogl  cin^ 
geleiteten  ?lnfdjlagö  ücrantmortlid)  mad)te.  ®icfcö  ©utadjten  ju 
Icfcn,  ^atte  er  o^nc  amtfic^eö  fRec^t  gel)abt;  um  fo 

meniger  aber  ba,^u,  üon  bem  amtlid)  511  feiner  i^enutnig  gelang* 
teil  in  einer  3)rudfd)rift  öffcntlid)cu  ©ebraud)  ^u  mad)cn.  (^leidjs 
iDol)l  tgat  er  bieg  in  feinem  „^anbfpicgel",  toorin  er  auf  jene^ 
Hetenftüd  gin  fReud)Iin  gcrabeju  befdjulbigtc,  er  ^abe  fidj  üon 
bcn  Snben  bcftcd)cn  laffen,  ein  @utad)ten  ju  il)ren  ©unften  auö- 
juftcllcn.  fpvtid)  et  fid)  über  beffen  ii^enntnig  ber  Ijebräi* 

fc^en  ©prad)c  äugerft  gcringfd)äpig  auö.  9ftcucglin  rügme  fid), 
ein  gebräifd)c^  SBörterbud)  gefdjricbcu  >^u  gaben;  aber  barin  fei 
iDcnig  ober  nid)t!^  üon  igm  felbft,  alleö  uon  bcn  !3üben  ^ufanis 
mcngcbettclt.  ^iefe  ©djinägfcgrift  gat  ^fefferforn,  nad)  Sfteucglin’ö 
SBerfiegerung,  auf  ber  franlfurtcr  0ftcrmcffc  1511  „fclbft  umge* 
tragen,  üerfauft  unb  bureg  fein  Slöcib  im  offenen  ©rempcltram 
3ebcrmann  fcilgcboten,  aud)  cincötgcilö  üerfegidt  unb  ücrfdjcnft". 
fturj  barauf  fam  ber  Slaifer  bureg  ©d)lüaben;  in  Reutlingen 
übergab  igm  Rcud)liu  flagcnb  baö  ^fcffevforn'fdje  ßibell;  ber 
Älaifcr  be5cigtc  fein  SRigfallcn,  aber  locil  er  @ile  gatte,  cntlicg  er 
ben  2)octor  mit  bem  5icfegeib,  ba»  gütlid)c  5^ergör  bem  iöifdjof 
üon  §lug§burg  übertragen  ^u  moUcn.  ^ieg  fdjciut  jeboeg  üer^ 
geffen  morben  511  fein:  baburd)  fag  Rcurglin  fid)  ücranlagt,  jur 
uäcgftcn  ^erbftmeffe  fieg  ju  üerantmorten,  unb,  mie  er  fid)  au^- 
brüeft,  „aU  ein  ®eriüunbctcr  fid)  fclber  5U  ar^^encien  unb 
geilen". 

©0  entftanb  Rcud)lir/ö  „^liigenfpicgcl"  (b.  g.  ©rille,  bic  aud) 
auf  bem  Xitel  ju  fegen  mar),  bic  ©d)rift,  um  melegc  ber  gansc 
fernere  ©treit  fid)  bregen  füllte,  ^ier  erj\öglt  er  ^uerft  bcn  Her- 
gang bcr  ©aege  üon  Einfang  an-,  rüdt  bann  fein  ©utaegten 
mörtlicg  ein;  güngt  biefem  eine  fcgülaftifd)c  (Sontroücrfe  in  latci^ 


A 


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142 


I.  9u4i.  7. 


nifd^cr  an,  in  toeld^cr  gecjcn  bie  Slnfid^tcn  be«  ©utoc^tcnd  >v 

eine  9ici^e  non  ^^cfd^ulbigungcn  uorgcbra^t,  aber  auc^  jcbc  ber- 
felbcn  n)ibcrlegt  njirb;  enblid^  fud)t  er  nac^^unjeifen,  ba§  „bcr  qc* 
taufft  3ub"  nid)t  loentger  alö  34  £ügen”  gegen  il)n  norgebrac^t 
habe.  33or  allem  meift  er  ben  Söormurf  ber  Seftcc^ung  mit  adern 
Umoidcn  eines  @f)renmanneS  jurürf.  (£r  bet^euert,  bag  er  „aU 
fein  ßebtage,  üon  feinen  finblic^cn  ö^f  biefc  ©tunbe, 

non  ben  Snben  ober  non  ibretmegen  meber  ^eUer  noch  Pfennig, 
meber  5lreu^  nod)  3)?nni\,  nie  empfangen,  genommen,  noch  nerfc^afft 
()abe,  auch  inöbefonbere  biefen  iRatljfcblag  betreffenb  il)m  ni^tiS 
bergleicben  nerfproeben  nod)  erboten  morben  fei;  unb  mer  non 
ibm,  SSerleJung  feiner  anberS  rebe  ober  fc^reibe,  bcr*> 

felbe  lüge  aU  ein  leichtfertiger  e^rlofer  33öfemicht".  ®benfo  cm:= 
pört  fid)  gegen  bie  §lnfd)ulbigung  ^fcfferforn'ö,  ideuchlin  höbe 
feine  hebräifche  ©rammatif  nicht  felbft  gemacht,  baö  node  ©clbft« 
gcfül)l  be$  grünbli^en  unb  nerbienftnoden  ©eiehrten.  Slnbcre 
nor  ihm  höben  toohl  einzelne  Spiegeln  gegeben,  aber  deiner  bie 
ganje  hebräifche  ©prad)e  in  ein  regulirt:  „unb  fpdt  ber 
9teib  (ruft  er  gegen  feinen  SEÖiberfachcr  aus)  fein  ^cr^  ^erbrechen, 
bennodb  bin  id)  ber  @rft".  2)er  ganje  £ärm  fei  nichts  meiter  als 
eine  ©peculation  beS  getauften  3uben,  „bag  er  mit  mir",  fagt 
?Reuchlin,  „als  ein  33ud)grempler  niel  ©elbS  möcht  gewinnen,  fo 
er  mich  iö  gebrueften  ©üchlein  hinterwärts  nerfaufte;  benn  er  höt 
jept  mehr  ©ulben  auS  mir  gelöft,  als  3uboS  Pfennig  auS  unferm 
$errn  ©ott".  5)aS  war  bie  ©rwieberung  ber  ^feffcrforn’fchcn 
Sßerböchtigung  gegen  Sfteuchlin,  unb  wenn  aderbingS  bie  le^terc 
einem  SD^anne  oon  ber  anerfannten  ©hnröfterwürbe  Sleuchlin'S 
gegenüber  eine  maglofe  Unüerfchämtheit  war,  fo  ift  hoch  auch 
gegen  ^fefferforn  bie  dleuchlin'fche  S3efd)ulbtgung  nicht  erwiefen. 
Sind)  reicht  i^ur  ©rflörung  feines  Benehmens  ber  ganatiSmuS 
bcS  ©onoertiten,  bie  $ipe  einer  leibcnfchaftlichen  iRatur,  Oerbun^ 
ben  mit  ber  Söetriebfamfcit  beS  3uben,  oodtommen  auS.  3nbeffcn 
gewinnt  er  faum  etwas  babei;  er  erfcheint  als  ein  bösartiger  unb 
rachgieriger,  anmagenber  unb  jubringlicher,  mit  feinem  cnblofen, 
ftetS  wieber  oon  oom  anfangenben  ©ebclfer  wahrhaft  unauS? 
ftchlichcr  ÜRenfeh- 

3ur  ^erbftmeffc  war  ^fefferfom  wieber  in  gronffurt  unb 
wußte  (fReud)lin  erinnerte  fich  nicht  mehr  genau,  ob  audh  bie 


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S5et^onbIunöcn  jwiidbcii  unb  ben  Äölnem.  143 

^üDfc^c.fJraii  *)  bc§  3ubcn  bobci  Dcrtucnbct  lüorbcn)  bcn  l^änbeU 
fäc^tigcn  Pfarrer  $ctcr  ÜJicljer  bcvcbcu,  ba§  er  i()n,  iDcnn 
aud)  nur  aujicu  uor  ber  5iird)c,  gegen  bie  3uben  unb  i()re  ©önner, 
namentlid)  ?Reud)(in,  prebigen  lieg,  ^cn  ^(ugenfpiegel  fa()  ber 
Pfarrer  bnve^,  erlieg  ein  Verbot  bagegen  unb  fd)idte  benfelben 
al^  ein  gefägrlicgeö,  genfermägigeö  iönd)  an  bie  tgcolügif^e  gas 
cultät  naeg  5l'öln.  ^iefe,  grögtentgeilö  bem  Xominicanerorben 
ongegörig,  unb  ben  Äe^crmeifter  felbft  unter  i^re  9)titglieber 
^öglcnb,  übergab  baffelbe  igrem  ,^octor  unb  $rofeffor  ^rnolb 
(2ut)bc)  Don  2:ungern  5ur  Prüfung  feiner  9ied)tgläubigfeit. 

l)ieuon  9^cud)lin  burd)  einen  il)tn  befreunbeten  Drben^s 
bruber  9flad)rid)t  ergiclt,  fanb  er  bod)  ratgfam,  baö  auf^iegenbe 
Ungeiüitter  tuo  niöglid)  nod)  ju  befd)tui)rcn.  @iner  ber  fölner 
5:i)cologen,  ber  ^rofeffor  Äonrab  itollin  (uennutglid)  ÄöHe), 
^rebigerorben^,  au^  Ulni,  luar  non  frügev  ger  fein  ®efannter: 
an  il)n  unb  glcid)^eitig  an  ^Irnolb  Don  3^ungern  felbft  tuenbete 
er  fieg  nun  in  überouö  artigen,  ja  untcnuürfigcn  Briefen,  ©ein 
ÖJutaegten,  fügrt  er  gier,  unter  Dielen  unüerbienten  CEomplimenten 
für  bie  itölner,  auö,  gäbe  er  auf  gögern  33cfegl  auö  fdjulbigem 
©egorfam  gefteüt,  babei  an  abiucid)enbe  Hnficgten  SInberer  niegt 
gebad)t,  inöbefonbere  ber  fölner  gacultät  niegt  Dorgreifen  njoUen. 
Xa  eine  gcfeglidje  S3orfd)rift  in  S3etrcff  ber  gubenbüeger  niegt 
üorgelegen,  fo  gäbe  er  barüber  frei,  alö  ein  9>?ebner,  biöputiren 
fönnen,  unb  er  gäbe  fieg  für  bie  milbera  5lnfiegt  auögefproegen. 
XgeoIogifd)e^  gäbe  er  aU  ßaie  nur  fo  eingemifd)t,  wie  ettoa  ein 
Sanbgeiftlid)er  einmal  aud)  ben  ^r^t  inaege.  9taegbrüdlieg  Der* 
fidjert  er  feine  burd)gängige  ©inftimmung  mit  bem  Äiregengtauben 
unb  feine  iöereitmilligfeit,  faüö  er  gegen  benfelben  in  etmaö  Der* 
ftogen  gätte  (beffen  er  fieg  jebod)  nid)t  entfinne),  bieg  5urücf5Us 
negmen.  ,,^abe  öiebulb  mit  mir",  fdjreibt  er  an  Xungern,  in 
?lnfpielung  auf  befannte  0d)riftftelIcn,  „icg  mill  bir  ^lleö  be* 
jaglen.  23egegl,  fo  ftede  id)  mein  Segmert  ein;  e5  fröge  mir 
ber  §agn,  fo  mill  icg  meinen;  bonnere  erft,  beoor  bu  bli^eft". 
(£troaö  fpigiger  lieg  er  fieg  glcid)^eitig  gegen  ben  alten  ^efannten 
Äoüin  auö,  inbem  er  unoergoglen  uon  ^fefferforn’ö  ©peculation 


1)  Hellula  mulier  nennt  fle  9?eu(!()lw.  ^n  ergiebißeS  ?;^cmQ  fflr  bie 
Fipistolae  ubseurorum  virorum,  n)ie  n>tr  balb  finben  werben. 


144 


I.  ©u(^.  7 StapM. 


auf  baö  Subcngdb  unb  bcm  Unbautc  bcr  Dominicaner  gegen 
irjn  ffjrac^,  bcr  au^3  ererbter  ^nl)änglic()feit  beni  Drben,  in  beffen 
Dienften  einft  fein  SSater  geftanben,  eine  fRci^e  oon  3at)ren  un* 
cntgclttic^  al^3  Slmoatt  gebient  t)abc. 

S^euc^lin  mochte  eö  für  5ttugbeitöfac^c  t)a(tcn,  in  biefer 
Söeife  feine  SiJürbc  einen  ?lugenblidE  bei  (Seite  ,^n  fe^cn:  aber 
Pfaffen  gegenüber  ift  eine,  menii  auc^  nur  fc^cinbare,  9(tad)gie‘ 
bigfeit  niematö  fing.  (Sie  meinen  bann  ben  (Gegner  in  gurd^t 
gefe(jt  j;u  l)aben,  unb  oerbop^eln  il)re  Unocrfd)ämt^eit.  Dic6 
jeigte  fid)  foglcic^  in  bem  Stntmovtfdjreibcn  ber  fölner  t^eoIo= 
gifd)en  gacnltät,  bereu  Defan  gcrabc  bama(v5  ber  ^efeermeifter 
3afob  .^oc^ftraten  fclbcr  mar.  Daö  ©rgebnifi  bcr  Prüfung  feiner 
©djrift  fei  aUerbing^^  fein  für  9^eud)lin  günftigeö.  @r  fuc^c  ba<3 
bnrdj  ben  ilaifcr  löblid)  begonnene  53crfat)rcn  gegen  btc  jübifdjen 
33üc^cr  511  ucrciteln ; moburd)  er  fid)  nic^t  nur  ber  ^egünftignng 
bei3  jübifd^en  Unglaubeui^  Uerbäd)tig  mac^e,  fonbern  anc^  ben 
Silben  ,^n  neuem  Spotte  gegen  bie  S()riften  ^Inlag  gebe.  Ueber- 
bieß  t)abe  er  nnftid)t)altige  '^emeife-  gebraud)t,  Stellen  unb  Sä^e 
anö  bcr  ^eiligen  Sdjrift  unb  beiben  9^ec^ten  nngd)örig  angcfül)rt 
unb  uerbrel)t,  and)  einige  anftögige,  übeltlingenbe  unb  für  fromme 
ärgerliche  S3el)anptungen  eingeftreut,  nnb  babnrd)  feine 
9iechtglänbigfcit  ^meifeÜ)aft  gemalt.  5(u§  TOtIcib  mit  bem 
franfen  (bliebe  fd)iden  fie  it)in,  e()c  fie  ^nm  ^lengerften  fd)reitcn, 
ein  3^cr^eid)ni6  bcr  Udn  ihm  falfch  angemenbeten  St^rift*  nnb 
9^echt‘5fähc  mit  bcm  33egcl)rcn,  bag  er  fid)  über  biefetben  genü? 
genber  in  ben  feinem  9^athfd)Iag  angel)ängten  latcinifd)cn 
Säpen  auöfprcchcn,  ober  nad)  bcm  33cifpielc  beö  bcmütt)igcn  unb 
mcifen  5luguftinu^5  einen  Söiberruf  Iciften  möge.  Diefcä  Sd)rciben 
bcr  gacnltät  bcgtcitetc  il'ollin  mit  einem  ^rioatbriefe,  ber  frennbs 
fd)aftlid)  fein  foHtc,  in  ber  Dt)at  jebod)  nur  barauf  bercd)nct 
mar,  9?cud)lin  cin^ufd)üd)tern  nnb  ben  Kollegen  inö  (3)arn  511 
jagen;  babei  ift  er  ganj  in  bcm  barbarifd)cn  fiatein  unb  mit  bem 
theologifchcn  öauernfto^c  abgefaßt,  morüber  fich  na^ßer  bic 
Epistolae  obscurornm  viroruin  luftig  machten. 

Sfioch  einmal  hielt  ?Hcnd)lin,  menigftenö  ber  gacnltät  gegen* 
über,  an  pch.  @r  lobte  in  feiner  Slntmort  ihre  grömmigfeit  unb 
9J^cnfd)cnliebc  unb  banftc  für  bic  Schonung,  ihn  uor  ber  S3cr* 
iirthcilung  erft  uerhören  ju  mollcn,  mic  @ott  ben  §lbam.  (£r  er* 


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®er^onblunßen  jnjijd^ien  Sifui^Iin  unb  bfit  <?ölncm.  14ß 

fcnnc  bie  33cfcf)ränft^cit  feiner  ©eifte^froft,  unb  maße  fid)  atS 
jnjeimal  üerijeira tretet*  Soie  über  feinere  tbeolocjifdje  Sra^en  fein 
Urtbeil  an,  fonbern  überlaffe  baö  ber  gacultät,  unb  molle 
fic^  gern,  luo  er  geirrt  l)abe,  belehren  laffen.  Xie  lateinifc^en 
Erläuterungen,  bie  er  feinem  ÖJutac^ten  im  Hugenfpiegel  an^ 
gebongt,  höbe  bie  gocultät  nic^t  genügenb  gefunben.  ^a  er  nun 
nid)t  miffen  fönne,  maö  fie  genügenb  Reifee,  fo  möge  fie,  jur  5lbs 
fd)neibung  Don  SBeitläufigfeiten,  bie  Erflärung,  bie  fie  uon  i^m 
uerlange,  fcpriftlid)  uerfagt,  bureb  eigenen  33oten  auf  feine  Äoften 
ibm  ^ufenben,  unb  biö  j\um  Einlaufe  feiner  5lntmort  ficb  njeiterer 
©d)ritte  gegen  ibn  enthalten.  ?lud)  biefemal  entfdjäbigte  fid) 
SReudjlin  für  ben  gocultät  gegenüber  aiu 

getban,  in  bem  ^egleitfdjreiben  an  ben  Uorgeblicben  greunb,  ber 
in  ber  Xb^t  einer  ber  bümmften  unb  gemeinften  in  ber  fölner 
fRotte  gemefen  ^u  fein  fd)eint.  Erft  jücbtigt  er  ibn  tuegen  feiner 
unlateinifcbcn  Schreibart.  ^)ie  <Sad)e  betreffenb,  miffc  er  uon 
einem  löblid)  begonnenen  ©efebäfte  gegen  bie  gubenbücber,  baö 
er  geftört  l)ütte,  fo  menig,  qlö  er  ficb  einer  iöegünftigung  beö 
jübifeben  Unglauben!^  bemufet  fei;  oielmebr  b^ibe  er  nur  nach 
Ueberjeugung,  mie  oon  ihm  oerlangt  gemefen,  ein  @utad)ten  ob* 
gegeben.  5lergerni§,  menn  je  baoon  bie  fRebe  fein  fönne,  habe 
nicht  er  gegeben,  fonbern  bie  Serrätber,  melcbe  ein  oerfiegelteö, 
für  ben  i^aifer  beftimmteö  ©utaebten  unredjtmäfeiger  SGBeife,  fogar 
im  2)rude,  befannt  gemacht  h^ben.  darauf  ftebe  nad)  bürger^ 
liebem  SRed)te  ber  EJalgen:  an  ben  mögen  ®ott  unb  SD^enfehen 
jenen  ©efellen  helfen. 

Sefet  enblicb  rüdten  bie  Ä'ölner  mit  ihrem  eigentlichen  ©e* 
gehren  beeuor.  $Reud)lin  möge,  fchrieben  fie  an  ihn,  Hnftalt 
treffen,  bag  jur  näd)ftcn  Dftermeffe  feine  Exemplare  feiner  Schrift 
mehr  feil  getban  merben;  ferner  burch  eine  öffentliche  Erflärung 
bie  bereite  auögegebenen  jurüdnebmen  unb  alle  iöefifeer  oon 
foldjen  bitten,  oon  ihm  nicht  anbere  benfen  ju  motten,  als  bog 
er  in  Allein  mit  ber  fatbolifd)cn  5iird)e  übereinftimme,  unb  bie 
Suben  mit  ihren  gottlofen  33üd)crn,  befonberS  bem  Xbalmub, 
oermerfe.  3m  SBeigerungSfattc  mürben  fie  genötl)igt  fein,  il)n 
oor^ulaben.  2)ie6  j;u  forberu,  fei  oon  ihrer  ©eite  Siebe,  eS  ^u 
leiften,  oon  ber  feinigen  nid)t  bloS  $flid)t,  fonbern  oud)  Ätlugbcit. 
5)enn  leicht  fönne  er  fid)  benfen,  bafi  fonft  nad)  feinem  Xobe  eö 
VII.  10 


I 


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146 


I.  7.  ÄnliilcI. 


nic^t  QU  fülc^cn  fehlen  tuürbe,  bic,  luenn  er  nic^t  mel)v  ber*» 
antiDorten  fönnc,  beu  tobten  ßöiocn  am  iöarte  ;\upfen,  unb  bon 
it)m  alö  einem  tiefften  §öllc  S^erbammten  fomo()(  reben  alö 
f^rciben  mürben.  9^od)  einmal  legte  ber  unbcrfd)ämte  ÄoUin 
ein  frcunbfc^aftlid)  einfd)iic^ternbe^  (Schreiben  bei:  boc^  nun  mar 
9lcud)lin’ö  (^ebulb  erfd)öpft,  nnb  er  trat  je^t  cnblic^  ben  ginfter* 
lingcn  fo  gegenüber,  mie  er  gleich  ^nfangö  ptte  tl)un  foHen. 

@r  l)ättc  bon  i^rer  menfdb licken  unb  d^riftlidjen  äJ^ilbe  gc* 
l)offt,  ba§  fi(v  il)m,  nac^bem  er  burc^  feine  (Srflärung  ben  geleljrs 
teften  SJiänncrn  gcnuggctl)an,  Gelegenheit  geben  mürben,  and) 
ihnen  genng^^uthun,  inbem  fic  ihm  genau  an^cigten,  in  mcldjcr 
^rt  nnb  5orm  er  bie  bcrlangte  Gvflärung  abjufaffen  hütte;  benn, 
menn  and)  ber  Geift  Danicri?  ^miefad)  in  ihm  märe,  fo  mürbe 
er  fidj  bod)  außer  ©tanbeö  fehen,  einem  3cben  feine  Xräume  au^ 
5ulegen.  Söcil  fic  nun  aber  biefe  feine  33itte  nid)t  gemährt  h^ben, 
fo  molle  jix,  um  bod)  ihrem  (Kollegium  millfährig  511  fein,  bic  Gr* 
läntcrung,  bic  er  im  5lngcnfpiegcl  feinem  Gutachten  lateinifeh 
angchängt  h^be,  ^ur  näd)ften  äJ^effe  in  ermciterter  Geftalt  unb 
bcutfd)cr  ©prad)c  h'-’i^^^^ögcbcn.  ^en  ^erfanf  ber  Gycmplare 
feinet  5lugenfpicgclö  Bnnc  er  nicht  ba  fic  Gigenthnm 

beö  Sudjbrucfer^  feien.  3^^  biefer  9Ibfcrtigung  erhielt  ber  greunb 
Ä'oüin  ben  Gommentar.  SBenn  er  fid)  mirflid),  mie  er  fchreibe, 
fo  fcl)r  für  9teud)lin  oermenbet  h^be,  fo  h^be  er  bamit  ebenfo  fcl)r 
feiner  gaenltät  nlö  il)m  einen  Gefallen  gethan.  ®enn  er,  fRcud)lin, 
fei  in  biefer  ©ache  fo  trcfflid)  bcratl)en,  unb  h^^c  fo  mächtige 
33cfd)ühcr  hinter  fid),  baß  ein  Gcmaltftreid)  gegen  ihn  für  feine 
Gegner  übler  al«  für  il)n  fclbft  auöfdjlagen  mürbe.  2cid)t  fei 
cö,  3nnf  ju  erregen,  aber  feßmer,  ihn  beijulegen;  baö  ßnbe  nidht 
bloö  er,  fonbern  and)  fic  jn  bebenfen.  „®cnn  melcße  Jöcmegung", 
fd)reibt  er,  „müßte  eö  ücrurfad)cn  unter  ben  Äricgölcutcn  uon 
§Ibel  unb  Unabel,  and)  jenen,  mcld)c  bic  üöruft  ohne  ^arnifeß, 
aber  Doller  Starben  haben,  menn  ein  fRcbncr  mit  ber  Ä'raft  cinc!? 
^emoftßcnc^  ißnen  Einfang,  SJUttcl  unb  Gnbc  biefeö  |)anbclg 
entmicfcln  unb  jeigen  mürbe,  mem  cö  babei  um  Gßriftug,  unb 
mein  um  ben  Sieutel  ^u  tßnn  gemefen  . . Unb  glaube  nur,  ju 
jener  Sdßaar  ber  ©tarfen  mürben  fieß  aueß  bic  ^oeten  unb  §ifto^ 
riter  gcfeHen,  beren  in  biefer  ßdt  eine  große  ^Injaßl  lebt,  bie 
mid)  ai^  ißren  ehemaligen  iießrer,  mie  billig,  eßren;  fic  mürben 


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9}(U(^Itn’S  „6farc  55rrflfntnu§"  unb  5Tun0ern’§  Articuli.  147 

ein  fo  großcö  Unrcdjt,  öon  meinen  gcinben  an  mir  öeriibt,  eroU 
flcm  ^Inbcnfen  übergeben,  unb  mein  unfd)iilbigeö  Selben  fc^ilbern, 
eurer  bot)cn  ©c^ule  unüergänglic^er  ©c^mac^*)". 

$iemit  mären  bie  Untertjonblungen  abgebrodjen;  9ieudjlin 
lie6  uerfproc^enermagen  feine  „Slare  Serftentnuö",  b.  1;.  feine 
beutfd)e  @rlQuterun9ßfd)rift  erfc^cinen,  bie  Äölner  aber  gaben 
ic^t  ba§  ©rgebnig  ber  Xungern’fd)en  ?ßrüfung  beS  5Tugenfpiegelö 
(Articuli  sive  propositiones  etc.)  lf)erouö.  SBoran  ftanb  ein  ©ebic^t 
üon  Drtuinu^  ©ratiu^,  b.  I).  Drtroin  be  (SJrae^,  ber,  aus  ber 
münfterfeben  ^iöcefe  gebürtig,  ju  ®euenter  unter  Slleyanber 
^egiuS,  ber  fonft  beffere  ©djüler  ju  j^ic^en  pflegte,  gcbilbet,  je^t 
an  ber  fölner  §od)frf)ule  bonas  literas  bocirte,  unb  ben  nun  bie 
Xbeologen  uoranfd)oben,  um  $ReucbIin  gegenüber  ju  geigen,  baß 
aud)  fie  einen  $oeten  auf  i()rer  ©eite  ()aben.  2)ie  ©c^rift  ift 
bem  Äaifer  gugeeignet  unb  üon  bem  fc^on  genannten  Slrnolb  üon 
Xuugcrn  mit  aller  ^ufgeblafenbeit  eines  t()eoIogifd)en  ©d)ülaftiferS, 
aUer  58erfcperungSfud)t  eines  Pfaffen,  unb  mit  ber  93cfd)ränftl)eit 
eines  ülicnfd)cn  abgefafet,  ber  im  ©tanbe  mar,  gegen  9ieud)lin'S 
auf  gang  anberm  ®oben  rul)enbe  öemeisfül)rung  mit  ber  5Iutos 
ritöt  eines  $übertuS  unb  2^t)omaS  ins  gelb  gu  rüden.  3“ölcid) 
mußten  aber  bie  Kölner  einen  faiferlidjen  33efebl  an  alle  ^Rci^S= 
angebörigen,  inSbefonberc  oueb  an  ben  franffurter  iRatt),  auSgus 
mirten,  baß  ber  §Iugenfpiegel,  mo  man  ißn  finbe,  confiScivt  merben 
foöte;  mäbrenb  ^fefferforn  gegen  benfelben  ein  SibeÜ  erfebeinen 
ließ,  baS  fid)  febon  bureb  feinen  Xitel:  „iöranbfpiegel"  binläng* 
lieb  fenngcid)nct. 

Sept  fal)  fid)  aber  aueß  iReucblin  Don  jeber  ^Rüdfidjt  ent= 
bunben  unb  überließ  fid)  gang  bem  ßuge  feiner  cbolerifcßen,  gmar 
bureb  SBellbilbung  unb  Sllter  gemäßigten,  nun  aber  lange  unb 
empßnblid)  gereigten  Statur.  @r  fd)rieb  eine  „SSertbeibigung  gegen 
feine  tölnifeben  Serläumber^'  bie  er  gleid)falls  bem  Äaifer  gueig^ 
ncte.  5ioran  fteßt  als  Summarium  beS  53ud)S  bie  ©rflärung: 
„9Beld)er  feßreibt  ober  fagt,  baß  ieß  obgenanntcr  Xoctor  in  meinem 
Sftatßfeßlag  bie  Subenbüeßer  betreffenb,  auS  ©efeßl  taiferlid)er 
äJiajeftät  gemaeßt,  ßabe  geßanbelt  anberS  bann  ein  d)riftenließer 


1)  5)icfer  ßnbet  in  ber  Sammlung:  Clarornm  virorum 

GpiKiolat»  nd  Uoticblinum,  mouon  batb  me^r. 


148 


I.  33u^.  7.  fiapitfl. 


frommer  erbar  Sibcrmann,  berfelb  lügt  alö  ein  ungloubl)afti9cr 
leichtfertiger  eh'rlofer  Söömicht;  beS  erbeut  id)  mich  ^u  (Shren  unb 
9fted)t  fürjufommen."  ^ättc  mau  in  feinem  Gutachten  etmaö  ^liu 
ftögige)^  gefunben,  fo  märe  ber  rechte  2öeg  gemefen,  ihn  oor  ber 
gefammten  Ä'irche  ober  bei  feinem  S3ifd)of  ju  oerflagen.  2)er  i^eher== 
mciftcr  höbe  feine  33efugni6,  über  <Etrcitfragcn  innerhalb  ber 
Äirche,  auch  nicht  über  biogen  Serbacht  ber  Äe^crei  ju  ridjten, 
fonbern  nur  gegen  entfehiebene  unb  beftimmt  oerurtheilte  Äe^erei 
oorjugehen.  ^od)  aud)  gegen  oermeintliche  iie^er  habe  man  mit 
©djonung  unb  3Wilbc  ju  oerfahren,  um  ihnen  mieber  auf  ben 
rechten  SGBeg  ju  h^^lfcn.  ^arum  freilich  fei  e^  ben  Kölnern  nicht 
ju  thun,  fie  moClen  ihn  nur  oerberben.  ©ie  feien  aber  auch 
feine  mirflichen  ^Ih^^ologen,  fonbern  2^h^ologiften,  bie  fich,  ftatt 
mit  ©rforfchung  ber  SBahrheit,  mit  leeren  SSortftreitigfeiten  ab= 
geben.  @in  S^ubengönner  fei  er  in  feinem  anbern  ©innc,  al^ 
mie  ^äpfte  unb  Äaifer  eö  gemefen.  @r  mollc  nur,  bag  fie  fein 
Unrecht  thun,  ober  aud)  fein  Unred)t  leiben.  3n  ^^ungern'ö 
©chrift  inöbefonbere  gnbet  fRcud)lin  mehr  (Schmähungen  alö 
©rünbe,  unb  bie  lehtern  meiftenö  auö  feinen  eigenen  ©chriften 
entlehnt,  bem  latcinifchcn  5lnl)ang  beiS  Slugenfpiegclg,  unb 
hierauf  im  „claren  S5erftänbnig",  hotte  fReuchlin  möglid)e  @ins 
mürfc  gegen  fein  (;^utad)ten  aufgcfteHt  unb  befeitigt:  biefe  hotte 
ber  SSerfaffer  ber  folnifd)en  ©d)rift  fid)  angeeignet,  aber  bie  ^2luf* 
löfungen  mcggelaffcn,  unb  ftatt  bereit  ein  breitet  theologifchcö 
©cmäfchc  hio^ugefügt.  ®o  brauchte  alfo  fRcuchlin  fich  Icbiglich 
auf  feine  frühem  Schriften  j^u  berufen.  @in  ^auptoormurf 
feiner  ÖJegner  mar,  bag  er  Stellen  ber  heiligen  Schrift  in  einem 
ihnen  fremben  Sinne  angemenbet  habe.  3ieuchlin  ftellte  in  Slbs 
rebe,  bag  er  bieg  gethan,  aber  auch  ^oenn  er  eö  gethan  hätte, 
bag  eö  unerlaubt  märe.  ®ie  5tirche  felbft  menbe  manche  Schrift^ 
ftclien,  bag  9lcue  ^eftament  mand^c  Stellen  beg  eilten  anberg 
an,  alg  fie  urfprünglid)  gemeint  gemefen.  So  merbe  bag  §ohe 
Sieb  auf  Shriftng  unb  bie  itirche  ober  bie  menfd)lid)e  Seele  ge= 
beutet ; fo  gebe  ^aulug  bem  ^Itar  in  Slthcn  eine  anbere  3nfd)rift, 
alg  berfelbe  mirfli^  gehabt  höbe;  fo  führe  3Jiatthäug  eine  Stelle 
beg  !3eremiag  an,  bie  gar  nidjt  fo  in  biefem  ftehc.  S3crfehlc  hiebei 
bie  fpätere  ^(nmenbung  ben  mörtlidhen  Sd)dftfinn,  fo  crrei^c  fie 
bafür  ben  tiefer  liegenben  allegorifchen,  melchcr  bie  eigentliche 


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9lcud(inn’§  SJertj^eibißiinö.  149 

§lbfic^t  bcö  §ci(igcu  (5JeifteS  beim  (Sinc^eben  jener  0c^riftfteHcn 
flemefen. 

®ocl^  nid^t  bloS  an  @rünben,  fonbern  auc^  an  0c^impfreben 
wollte  9?eud)lin  feinen  ©egiiern  nic^tö  fcf)ulbifl  bleiben.  S^ennt 
er  ben  ^fefferforn  ein  fliftige^  Xf)ier,  ein  ©cfieufai  iinb  Un9cl)cuer, 
fo  bfißt  er  beffen  tbeoloflifcbe  (Gönner  biffiqe  ^iinbe,  $ferbe  nnb 
9}?aiilefel,  2cf)Weine  unb  güctjfe,  reigenbe  &ölfe,  ft}vifd)e  Söwen, 
ßerberuffe  unb  ^öüifc^e  gurien.  Sbrem  gübrer,  ?(rnolb  oon 
hungern,  fteben  ^ur  ©eite  ein  b^tber  3ube  unb  ein  b^l^Jcr  §eibc, 
toclcbcr  ber  ©ebrift  fcblecbte  ®erfe  oorgefefet  höbe:  unb  bicr  ergebt 
ficb  ^Reucblin  ttjeilö  in  einer  fReil)e  oon  Sßortwiben  im  Ungef^maefe 
ber  tbeil^  b^^t  er  bic  ©cbmaebbeit,  bem  Ortuin,  weil  er  bie 
9)^aria  Jovis  alma  parens  genannt  b^^tte,  alö  über  eine  neue,  im 
^immet,  auf  @rben  unb  in  ber  ^ööe  unerbörte  Äe^erei  ganj 
fircbenuaterlid)  ben  ^ejt  ^\u  Icfeu;  worauf  er  mit  ber  Slnflage 
gegen  2(rnolb  aU  SSerläumber  unb  5ätfd)cr  ffbliefet. 

^uf  fRcudjlin'ö  greunbe  unb  ©efinnungögenoffen  mad)te 
biefe  ©treitfebrift  einen  uerfcbicbencn  ©inbnid.  3n  ber  SSenoers 
fung  feiner  (Gegner  waren  alle  einüerftanben ; aber  @ra§muö  unb 
'i^irefbeimer  urtbeilten,  9^cud)lin  bötte  ein  ©djeufal,  wie  ^feffer^ 
forn,  nicht  bureb  feine  ©ebriften  oerewigen  follen.  ?EcbenfalI^, 
meinten  fie,  bötte  er  eö  mit  weniger  £eibenfd)aftlicbfcit  tbun  follen. 
^em  bebutfamen  SJ^utian  war  befonberj^  baö  bebenflicb,  ba^ 
fRcucblin  ber  Ä'ircbe  falfcbe  ©d)riftauölegungen  ©ebulb  gab.  Tag 
er  bhmit  Jted)t  \)abc,  läugnete  ber  Älanonifuö  j^u  @otba  nicht, 
aber  fRcud)lin  b^tte  biefe  efoterifebe  Sinfiebt  für  fid)  behalten 
follen.  Ter  Äircbc  bürfe  ein  @lieb  berfclbcn  nidjt  wiberfpred)en, 
felbft  wenn  eö  einfebe,  bag  fic  geirrt  b^be.  löicteö  fei  oon  ben 
weifeften  3Jiännern  erbiebtet  worben,  unb  fromme  Täufd)ung  jum 
gemeinen  33eften  uncntbebrlid).  5lnbcrö  oerftebe  ber  einfältige 
Sefer,  anberö  ber  @elel)rte  bie  ©ebrift.  „Sn  feinem  Söege  jeboeb 
bürfen  wir  @el)eimniffe  auöplaubern,  ober  bie  9Keinung  ber  SJfenge 
erfebüttern,  ogne  bie  Weber  ber  Äaifer  ba^  fReid),  no^  ber  ^apft 
bic  Äircbe,  nod)  wir  boö  Unfere  in  bie  £änge  behaupten  fönnten, 
fonbern  Slllc‘3  in  baS  alte  Gbnoö  jurüeffinten  würbe.  Tarum 
lag  unö  ben  üäterlicbcn  ©lauben,  gclcbrtcfter  (£apnion,  unb  be* 
günftige  bie  3uben  niegt  fo,  bag  bu  ben  ©egaben  tbuft.'^ 

Tegwegen  urtbeilte  aber  SRutian  bod),  mügte  einer  gong  roh 


150 


I.  7.  Äapitel. 


uub  o^ne  3Jcrnuuft  fein,  um  bem  $Rcuc^Un  nid)t  mobtjumoflen, 
beffen  Slnfcd)tun9  er  mit  ber  bcö  ©ofratcö  in  eine  S^ei^e  ftellt. 

0eine  Sert()eibiöuii9  fanb  fRcuc^lin  @ele9cnl)eit  im  Suni 

1513  ölei^lingen  bem  Äaifer  jii  überrcidjcn’unb  ein  StRanbat 
bei  U)m  augj^umirfen,  baö  beiben  Xi)ei[en  ©c^tucicien  ouferle^te; 
aber  fc^on  einen  2J2ünat  fpäter  l)atten  feine  geinbe  benfelbcn 
Äaifer  bal)in  gebraeftt,  baS  er  einen  33efd)t  an  bie  r^einifc^en 
@rjbifd)öfe,  mie  auc^  an  ben  Äc^ermeiftcr  erlieg,  bie  fReuc^lin'fd^e 
©d)u^fd^rift,  mo  fie  fid)  fänbe,  meg^uneljmen  unb  ju  untere 
brüden.  Unb  nun  manbten  fid)  bie  Kölner,  mie  frütjer  megen 
ber  3ubenbüd)er  gefegegen  mar,  megen  fReud)(in'ö  ^(ugenfpiegel 
unb  S3ertgeibigung  um  @utad)tcn  an  bie  nambafteften  Uniüerfü 
täten,  ^u  benen  fie  bicgmal,  ftatt  beö  nid)t  miHfäbrig  befunbenen 
^eibelberg,  nod)  Sömen  unb  ^ariö  fügten.  S3on  aUcn  mürbe, 
mit  mehr  ober  meniger  ©djonung  gegen  ben  93erfaffer,  ber  Slugen^ 
fpieget  oerbammt;  am  meiften  Stuffeben  madbte  i^ulept  noch  bie 
©enten^  ber  parifer  X()cologen,  bie  nad)  44  ©ipungen  am  2.  ?luguft 

1514  fi^  faft  einftimmig  babin  aiiöfpracben,  bag  ba§  Sflcucblin'fcbc 
S3ucb  meg^unebmen  unb  ju  oerbrennen,  ber  Sßerfaffer  aber  ^um 
SBiberruf  anjubalten  fei. 

9lacbbem  bie  tbeotogifdbc  gacultät  ju  Äöln  febon  ein  3obr 
früher  über  ben  2(ugenfpiegel  baö  gleiche  Urtbcil  gefällt  botte, 
forberte  ber  Äepermcifter  §odbftraten  am  9.  ©eptember  1513 
9ieud)lin  auf,  am  15.,  alfo  fd)on  am  feeb^ten  Xage  nad)  ber 
^orlabung,  in  äJiainj  oor  feinem  fRicbterftuble  ju  erfebeinen. 
21  uf  ben  ^roteft  beö  Don  fReudjlin  gefd)icftcn  ^rocurator«  mürbe 
burd)  Sßermittlung  beö  main^ifeben  ^omfopitelö  ber  tomin  cr= 
ftreeft,  unb  fo  erfebien  am  Xage  ^ionpfii,  ben  9.  Detober,  fReucblin 
SJiainj,  in  SJegleitung  eine^^  ^)octorg  theol.  unb  juris  unb 
eineiS  abcligen  Dberoogtö,  bie  $erjog  Ulrid)  =\u  feinem  öeiftanbe 
Oerorbnet  l)Otte.  ^omfapitel  machte  billige  SBergleicböOor= 

febläge;  ber  ©rjbifcbof  oerlangte  ?luffcbub;  fReucblin  appeHirte  au 
ben  $apft:  ber  Äe^ermeifter,  ber  bie  SGöitterung  eine^  ©ebeiters 
baufeUiS  batte,  mar  nicht  mehr  j^u  halten,  geierlicb  jogen  am 
13.  Detober  bie  Dominicaner  auf  ben  fRid)tplap;  oon  Neugier 
unb  überbieg  oon  2lblagocrbeigungen  gelocft,  ftrömte  eine  uner- 
meglid)c  SSolfiSmenge  ^u;  $od)ftraten  nahm  feinen  fRicbterftubl 
ein;  febon  mar  ber  ©djeiterbaufen  aufgcfcbid)tct,  unb  eben  foUte 


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üDaS  ®eri(^i  }u  ^Dlatn}  unb  bie  fpeienjd^e  Renten}.  151 

baö  Urt^cil  Detlefen  iuerben,  iDelc^e^  ben  §(ugcnfpiegcl  jum  geuer 
Derbammtc:  ba  fam  ein  33otc  quö  ^Ifdjaffenburg  mit  einem  er^«» 
bifc^öflid)en  53efel)le,  ben  er  auf  bem  ^la^e  Detlefen  ließ,  ftaft 
beffen  baö  3nquifitionöi]etid)t  aufgehoben,  baö  meitete  Setfahten 
nntetfagt  nnb  fReudjlin'ö  5lppellation  an  ben  $apft  genehmigt 
mürbe.  Ätnitfdhenb  Dot  2öuth  trifte  §ochfttaten  ab,  h^llc  abet 
halb  hei'na^  bie  ^eftiebigung,  baft  in  feinem  Äöln,  auf  ben  ^nttag 
cineö  fehetmeiftetlichen  ©ollegen,  bet  §lugenfpiegcl  alö  ein  nach 
i^egetei  fehmeefenbeö,  iubenfteunblicheö,  gegen  heilige  Äitchenlehtet 
unel)tetbietige^,  ätgetlidjeö  iöudb  (am  10.  gebtuat  1514)  öffent* 
lieh  Detbtannt  mutbe. 

3Jiittlctmeile  h^tte  nun  abet  $apft  fieo  X.,  an  ben  bie, 
5lppellation  gelangt  mat,  bie  0arhe  bem  33ifd)of  Don  0peiet,  bem 
jungen  ^faljgtafen  (SJeotg,  übetttagen,  bet  feinetfeitö  feine  ^om* 
hetten,  ben  Dr.  ^l)oinaö  2^tud)fe6  unb  @eotg  Don  0d)malbad), 
ju  feinen  ©ubbelegitten  etnannte.  Untet  bem  29.  2)^ätj  unb 
24.  §lptil  1514  etfolgte  il}t  0ptudj  bahin,  baß  9teuchlin’ö  Slugeiu 
fpiegel  nid)t  nad)  Äejetei  fdjmecfe,  nid)t  ätgetlich,  nicht  unchrets 
bietig,  nid)t  all^u  jubenfteunblich  fei,  baßet  oerfauft  unb  gelcfen 
metben  bütfe;  baß  bagegen  ^ochfttaten  mit  feinet  SSetbammung 
beffelben  Unteeßt  gehabt  h^^t^e,  ihm  0tillfd)meigen  unb  Äofteiu 
etfa^  Don  111  gl.  tl)etnifd)en  ©otbeö  aufetlegt,  unb  bei  ©ttafe 
besJ  ^anneiS  geboten  fein  folle,  binnen  bteißig  Xagen  fidj  mit 
Steuchlin  ^u  Detgleidjen.  ‘ 

21  Hein  ^ochfttaten,  bet  gegen  ba«  fpeietifd)c  ©cticht  gleich 
2(nfang«  an  ben  ^apft  appellitt  h^ttc,  fehttc  fich  an  ben  2lu«^ 
fptud)  beffelben  nidjt,  unb  fo  fanb  and)  ?Reud)lin  fid)  Deranlaßt, 
bie  2(cten  nad)  9lom  ^u  fenben,  mit  bet  iöitte  an  ben  $apft,  bie 
Sad)e  ohne  Diel  (^etöufci)  unb  Äfoften  enbgültig  entfeheiben  ^u 
mollen.  ^iefe«  ©efuch  mat  Dom  Slaifct,  Detfd)iebenen  iiutfürften, 
gütften,  Söifdjöfen,  Siebten,  auch  53  fchmäbifdjen  ©täbten  untet« 
ftü^t,  meld)e  fämmtlid)  füt  9{eud)tin'«  etbaulid)e«  fiehten  unb 
öeben  ablegten.  Sluf  ben  neuen  ^opft  2eo  X.  obet, 

al«  einen  gteunb  bet  humanen  23ilbung,  glaubte  man  bie  beftc 
Hoffnung  fepen  ju  büvfen.  ^ie  il'ölnet  inbeß,  um  fid)  füt  alle 
gälle  ^u  beefen,  beeilten  fich,  bie  511  ißten  (fünften  ausgefallenen 
UniDctfitätSgutad)tcn  mit  einet  (Sinleitnng  auS  bet  gebet  ißteS 
Ottuin  ÖJtatiuS  im  X>iucf  ausgehen  ^u  laffcn. 


152 


1.  $U(^.  7.  jtapitel. 


®er  $apft  ()attc  bic  <Bad)c  bcm  ()clcf)rtcu  Sarbinal  ©rimmii, 

, Patriarchen  üon  ^quileja,  übertragen,  nnb  btefer  citirte  nun  ben 
^ochftraten  perfönlict)  (n^oüon  bei  iReuchlin  Umgang  genommen 
mürbe)  nach  iRom.  ®er  Äcfeermeifter  fam,  gleichfalls  mohl  empfoh» 
len,  mohl  beritten,  nnb  maS  bie  §auptfacl}e  mar,  mohl  mit  ©olb^ 
ftücfen  oerfehen:  baburd)  hoffte  er  mit  Üieuchlin,  ber,  jeht  ohne 
^mt,  oon  feinen  fpärli^en  dienten  lebte,  fid)er  fertig  merben. 
@S  mar  bereits  eine  9^achgiebigfeit  gegen  bie  2)ominicaner,  ba§ 
ber  Papft  nun  eine  Sommiffion  oon  18  Prälaten  ^ur  ©ntfehei* 
bung  ber  ©adje  ernannte;  bod)  auci)  in  biefer  fchien  fid)  bie 
©timmung  ju  9?eud)lin'S  ©unften  neigen,  unb  &co  felbft 
fagte  511  bem  gelehrten  g^orentiner  PoggiuS:  ©ei  unbeforgt, 
mir  merben  bcm  aRannc  nid)ts  gefdjehen  laffen. 

tiefer  fehmanfenbe  @ang  ber  ©achc  brad)tc  allen  Ueber^ 
muth  unb  alle  iieibenfehaft  ber  Prebigennönchc  in  33cmcgung. 
©ie  fehimpften  auf  ben  Sarbinal  ©rimani,  fprachen  oon  bcm 
Papftc  mie  oon  einem  ©chulfnabcn,  unb  brohten,  auf  ben 
einer  ihnen  ungünftigen  ©entenj,  mit  ber  Berufung  auf  ein 
ßoncil,  ja  mit  offenem  Slbfall  oon  bcm  römifchen  ©tul)lc.  ^ud) 
Pfefferforn  fuhr  fort  ju  j\ctcrn  unb  51t'  ht^cn;  bcm  „Pranb* 
fpiegcl''  liefe  er  eine  „©turmglocf"  folgen,  unb  mic  bie  SSerbren» 
nung  feines  9lomcnSbruberS  in  5aHc  unlicbfamc  SBcrmechSlungen 
herbeiführte,  nannte  er  fich  auf  feinem  nächften  Buchtitel  „3.  Pfeffer* 
!orn  ben  man  npt  oerbrannt  l)ol"- 

9leuchlin  feinerfeits  jeigte,  bei  med)felnbcr  ©timmung,  bod) 
im  QJan^en  feften  SRuth-  @r  felbft  Ocrglich  fich  einem  cblcn 
Pferbc,  baS,  menn  auch  fchon  alt,  hoch  nod)  muthig  bleibt,  @r 
hatte  einen  tüchtigen  ©achmaltcr  unb  thätige  ©önncr  in  9^om; 
maS  ihn  aber  am  meiften  erheben  mufete,  mar  bie  SBahrnchmung, 
mie  alle  heß  unb  gut  ®cnfcnben  in  ^)eutfchlanb  unb  Italien  fich 
um  il)n  fehaarten,  feine  ©achc  als  ihre  eigene  betrachteten,  ihn 
ihrer  Pcrchrung  oerficherten  unb  ihm  ihre  ®icnfte  anboten.  Um 
p beurfnnben,  melchc  auSgci\cichncte  geiftige  ^^räftc  unb  einflufe* 
reiche  9Jiänncr  ihm  jur  ©eite  ftehen,  ocranftaltctc  er  im  3qI)^c  1514 
eine  ©ammlung  Oon  „Priefen  berühmter  ajiönner"  an  ihn,  meldjc 
im  3öh^c  1519  in  neuer  Stuflage  mit  einem  anbern  Xhcilc  Oer* 
mehrt  mürbe,  mo  bann  auf  bcm  ^mciten  Platte  baS  „§ccr  ber 


%n:l()anblungen  }u  SRom.  Stimmung  in  Xcutj^Ianb.  153 

9ficud)liniftcn"  öcrjcic^nct  ftonb  *).  „?Reud)liniftcn  imb  ^rnoU 
biftciV'  imirbc  baö  gclbgcjc^rci  ^tpcicr  fcinblic^cn  fiaqcr:  cö  mit 
bcn  crftcrn  ju  Ratten,  lc^tcrc-i\u  ücrad)tcn,  ^alt  für  bic  ©c^uU 
bigfeit  jebeö  @t)renmannc^ ; ^Rcuc^linift,  tuar.  ^nrebe  unb  Untcr= 
fc^rift  in  Briefen;  ba§  einer  ein  guter  fReucl)linift  fei,  mar  bie 
befte  ©mpfe^Iung  in  ber  bamaligen  gelehrten  fRcpublif.  SD^erf* 
mürbig  ift  ba^  @emeingefül)l  unb  bie  SBetriebfamfeit  in  biefein 
ßager.  ®er  ftillroirfenbc  9}ktian  marb  münblic^  mie  fd)riftlic^ 
für  fReud)tin;  bie  ^eutingcr,  Sßelfer  u.  ?l.  üermenbeten  fic^  am 
faiferlic^en  unb  römifeben  §ofe  für  itjn;  (5raömu^  empfal)!  Ü)n 
unb  feine  0acbe  bem  ^apft  unb  ben  ß^arbinälen.  53ei  ©etegeiis 
beit  biefeö  §anbctd,  fann  man  fagen,  lernte  fiel)  bie  gortfd)ritt^= 
Partei  j^uerft  aU  gefcbloffcne  9Äacbt  fühlen. 

Unterbeffen  j\og  ficb  bie  gerid}tlicbe  ^Serbanblung  üor  ber 
,6ümmiffion  ju  fRom,  unter  immer  neuen  SBinfeljügeu  ber  Ü)iönd)ös 
Partei,  Sabre  lang  bi«-  @nblid)  am  2.  Suli  1?>16  fanb  bie 
öffentliche  0d)lu6fibung  ftatt,  in  melcber  baö  Urtbeil  gefällt  mer* 
ben  füllte.  2)er  Sorfibenbe,  ber  et)rmürbige  @r^bifd)of  üon  9ta» 
jaretb,  gab  feine  ©timme  für  ben  2lugenfpiegel  unb  miber  beffeu 
Slnflöger  ab,  unb  ihm  folgten  fömmtlidje  iBeifiper,  biö  auf  ben 
Magister  sacri  Palatii,  ben  Dominicaner  ©ploefter  ^rieriai^,  ber 
hier  an  lReud)lin  bie  Stolle  begann,  bie  er  halb  gegen  fiutber 
meiter  fpielte.  ©o  mar  ber  ©prud)  ^u  Steudjlin'ö  ©unften  ge? 
fallen,  unb  eö  fehlte  nur  nod)  beffen  Serfünbigung.  2lber  2eo  X. 
fürchtete  ben  mächtigen  ^rebigerorben  boeb.  @r  moUte  eö  nicht 
mit  ihm  oerberben  unb  ebenfo  menig  bie  beutfeben  gürften  ermu^ 
tbigen,  bie,  mäbrenb  fie  fid)  für  Steud)lin  oermenbeten,  jugleid) 
immer  nacbbrüdtid)er  auf  eine  ^Reformation  beö  päpftlicben  ^ofe^ 
brangen.  ©o  erfolgte  ein  Mandatum  de  supersedendo,  b.  b* 


1)  2)ie  crflc  ?lu§gabc  bcn  5!UcI:  Clarorum  virorum  — bic 

jtDcitc  öcrnicbrtc  IlluBtrium  virorum  — Epistolae  hebraicae  graecao  et 
latinae  ad  Jo.  Reucblinum  etc.  bem  Sicuc^ItniftcnbCTjeid^nil  ^anb  @ro3* 
mu§  al§  ,bcr  gclc^rtcjlc  9Konnbc§  3o^)rbunbcrt§“  oornn,  bann  folgten  bic  beiben 
^belieben  ü^uenor  unb  §uttcn,  bifwuf  ein  cnglij^er  ißif^of  u.  f.  f.,  meiterbin  bic 
^cutingcr  unb  ^irdbftmcr,  SJlution  mit  feinen  jüngern  gteunben  6rotu§,  Sobon 
unb  (Sbetba^b,  t^^i^aann  oon  bem  %ufcbc,  ^Sobion  unb  @(arean,  Weinnebtbon 
mit  Ocfolombob  unb  ^opilo,  jufommen  48  Flamen,  worunter  jebodb  ein  fdbon 
borber  mit  bem  eigentliebrn  9tamen  bagewefener  ^feubongmuS. 


154 


I.  7.  jlapitcl. 


bcr  ^anbcl  stüifc^cn  ?Rcud)lin  unb  bcn  itölucrn  nmrbc  nic^t  cnt^ 
fd)icbcn,  fonbcrn  niebcrgcfc^laj^cn. 

2)oc^  auc^  bicfo‘5  fc^on  luar  ein  ©leg  bcr  gortfd)ritt#partci. 
9?cud)lin  c|inn  auö  bem  fcd)öjäi)rigcn  j^ampfc  jiuar  mit  fd)mcrcn 
5iennö(\en^l)crluftcn  burd)  bic  ^ro^efdoften,  bic  er  fdjoii  1515 
auf  mcl)r  aiö  400  ©olbflulbcn  anfd)lufl,  aber  mit  bcr  ©lode  eiltet 
geretteten  ÜJ?ortl)rerö  t)crt)ür.  §od)ftraten,  nac^bem  er  ftc^  noc^ 
ein  3iat)r  lauß,  eine  ©ntfd^eibnnc^  feinen  fünften  ^cr^ 

bci5ufü()ren>  in  9^om  auffld)alten,  sulcht  unücrrid)tetcr  ©ac^e 
unb  atö  ©egenftanb  beS  §affed  nnb  bcr  SScrac^tung  aller  Sßof)U 
bentenben  nad)  §aufe.  ©c^riften  erfdjicncn  jur  SBcrf)crrlic^ung 
bcö  erftern,  ^ur  ^erfpottung  feiner  SBibcrfac^cr.  ^er  burd)  @e* 
lef)rfamfeit,  9?eid)tf)um  unb  f)o()c  bürgerliche  ©tellung  gleid)  auö^ 
ge^eid)netc  Söilibalb  ^^5irdl)cimcr , nürnbcrgifd)er  ©enator  unb 
faifcrlid)er  fRatI),  fc^idte  feiner  latcinifd)en  Ueberfehung  non  £ucian'ä 
5ifrf)er,  bic  im  3ial)rc  1517  crfchicn,, einen  ^rief  jur  S^ertheibi- 
gnng  fReudjlin'ö  oovauö,  in  lucidjem  er  fid)  beö  ebnoürbigcn 
ÜJ^inneö  mit  ebenfo  oiel  SBärinc  al^  SSürbc  aunahm.  ^^Rid^t^l 
mar  mehr  übrig,  befter  unb  ocrchrtcr  (iapnion“,  fo  rebet  er  ihn 
am.©d)Iuffe  an,  „maö  ^u  bem  ^ollmaße  beincr  Xugenbeu  hin^u» 
treten  fonntc.  ®ic  hbchftcn  ©h^enämter  hntteft  bu  oermaltct. 
@in  £cben  h^tteft  bn  geführt,  mie  cö  bic  33eften  fid)  nur  mün^ 
fehen  mögen.  Stuf  bid)  h^idc  bic  9iatur  alle  il)rc  @aben  gehäuft : 
burch  reid)c  ©clehrfamfcit  hiidcft  bu  bid)  auöge.^eichnet ; bie  latei- 
nifd)e  ©prad)c  hödeft  bu  geförbert,  bic  gried)ifd)c  beinahe  i^uerft 
in  2)cutfchlanb  cingeführt,  bic  hebräifchc  mit  feltcncm  ^leigc  i\u 
allgenidncr  53emunberung  gelernt ; Diele  unb  nicht  gemeine  ®ciif= 
male  bcincö  (^ieiftcö  h^tteft  bu  aufgcftclit;  mit  fo  zahlreichen  unb 
über  mcnfchlichc^  S3crftäubni§  fchmicrigcn  ßeiftungen  h^ltcft  bu 
beinen  Sauf  oollcnbct:  unb  nur  bail?  Sine  mar  nod)  übrig,  bag 
burd)  eine  auögczcid)netc  Söibcrmärtigfcit  bic  @rö§c  beiner  ©celc 
geprüft  unb  mie  baö  (5Jolb  im  geuer  bemäl)rt  mürbe,  ©iche,  ba 
hat  fid)  bir  eine  trcffli^e  (Gelegenheit  geboten,  um  Don  beiner 
. ^apferfeit,  ©tanbhaftigfeit  unb  ^echt[d)affenheit  bic  fd)önftc  ^robe 
abzu  legen." 

Sefonbere  Xh^dnahme  erregte  bei*  fReud)lin’fd)c  §anbcl  gleid) 
Don  Einfang  in  bem  engem  Greife,  bem  Ulrich  Don  §uttcn  an= 
gehörte.  Äeinem  ging  basi  ©d)idfal  bei^  h‘^d)Dcrbienten  ai^anncö 


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*5)08  ®cbi(^t:  ^Qpnion’S  Iriump^. 


155 


näl^cv,  alö  ^utten’g  älteftcm  grcunbe  (Erotuö  Ülubianiiö.  Äcinor 
uerfic^crtc  bcnfclbcn  trcut)erjic^er  feiner  ^erel)ruiu^  unb  ßiebe,  alö 
(£obau  §effc.  ber  ibm  ja  feine  (Srnennnn^  -\nin  ^icf)tcrföni(^  Der* 
banfte^).  S^iemanb  fprad)  fid)  fdjävfer  j]eflen  iHencbün’ö  Sä^iber^ 
fad)cr  anö,  alö  ^nttcii'^  ,@önner,  ©iteÜPülf  üom  0tein.  Sßie 
hätte  ba  Ulrich  nnerrec^t  bleiben  fönnen?  tuar  nicht  mehr 
bic  äufäUieje  örutalität  jmeier  holbcjebilbetcn  (^elbnmnner  hinten 
an  ber  Oftfec  (^eßcn  einen  armen  ^oeten;  nid)t  bie  ©rmorbunfl 
eineö  unbcbcutcnbcn  Sßetterö  nnb  ©tanbe^^enoffen  burd)  einen 
Icibcnfchaftlidjen  gürften : hier  mar  ein  planmaßic^cr,  burd)  (jemals 
tige  i^räftc  untcrftü^tci*  93crfud)  ber  9^tüctfd)rittöpartei,  in  einem 
ber  53orfämpfer  ber  33ilbung  unb  ©ciftcöfrciheit  alle^^  baöjenige 
^u  unterbrüefen,  mag  auch  für  §uttcn  ba^  ^nar. 

Hlö  Jütten  in  3)iainj  jnm  erftcnmolc  bic  'ik’fanntfd)oft 
bc$J  @ra<Smuö  machte  (eö  mar  üor  feiner  ^^meiten  D^teifc  und)  Italien 
im  3ahre  1514),  jeigte  er  biefem  ein  ölebid)t,  fHenchlin  v Irinmph 
betitelt.  (SraMus  fanb  bie  ^^rbeit  hübfeh,  bod)  rebetc  er  .*putten 
ju,  fie  Porerft  nod)  nid)t  bruefen  ^u  laffen,  um  nid)t  burd)  ben 
üorjeitigen  Xrinmpl)  tl)eiU  jum  Spott  ?(nla§  ,yi  geben,  tl)cilsJ 
ber  noch  fchmebenben  Sad)e  9tcnd)liirö  ^n  fd)aben.  ^afe  baö 
©ebicht,  mcld)eö  il)m  hi^^’V  §utten  )icigte,  biefen  felbft  ^nm  ^i^cr^ 
faffer  gehabt  h^be , fagt  ©raömniJ  einmal  ainibrndlid).  @in 
anbermal  aber  fchreibt  er  barüber  an  $utten  fo,  baji  man  an 
mehrere  S^erfaffer  benfen  möd)te*).  3m  3nh^'''  1517  fd)eint  bic 
^crau^gabe  im  SBerte  gemefen  jn  fein ; mirflid)  erfd)ien  Ci5  aber 
erft  ju  @nbc  beö  folgenben  3nl)rei5  unter  bem  erbid)teten  Spanien 
eine^  @lcuthcriud  23päennö®). 

Um  bicfelbc*  3cit  ungefähr,  ald  ,'pntten  bem  ©ra^Mu^i  ben  , 
Triuinphus  Capnionis  oorjeigte,  fam  and)  bem  ältutian  ein  (iJes 
bicht,  unter  bem  gleid)en  2itel  nnb  in  berfclben  3tid)tung  ge^ 


1)  3)ic  ®rie|e  biejer  ^Wänncr  an  5Keucf)lin  finben  fict)  in  Illustr.  viror. 
Opiat,  ad  Ucuchlinum. 

2)  2ln  bem  Briefe  öom  23.  9IpriI  1519,  ^uttcn’8  Sctiriftcn  I,  S.  261. 

3)ie  onbern  9feuf;erunocn  finben  jtet)  in  jetner  Spongia,  ^utten’S  Sctiriftcn  II, 
©.  274.  318.  376  ff. 

3)  Triumphua  Doc.  Rouchlini  . . . Enconiion  triunii)hanti  illi  . . . 
a>)  Eloutherio  Byzono  decantatum.  r^uhen’S  Stbriften  III,  0.  413—417. 
I)aS  ®or*  unb  91o(b»ott  cbenbaj.,  I,  ©.  236—238. 


/ 


156  I.  7. 

fc^ricbcn,  ju.  trug  aber  ftatt  ©Icut^criu^  93^jcnuö  ben  9iamcii 
eincö  Slcciuö  S^cobiui^.  Unb  alö  ioa()rcn  SSerfaffer  nennt  SWutian 
nic^t  , Jütten,  fonbern  ^ermann  üon  bem  iöufc^e;  üon  Jütten  fei 
nur  ein  ©piciramm  au^  bem  ©tegreife  babei  gelnefen  *). 

• ^ennann  non  bem  '^ufd)c,  etma  ätnanjig  3af)re  älter  als 
Jütten,  mar  burd)  ßebenSart  unb  0c^icffale  in  mancher  ^infic^t 
ein  Sßorbilb  non  biefem.  @inem  eblen  mcftp^älifdben  (5Jcfc^lec^tc 
angc^örig,  ©d)üler  beS  ?llei'anber  $cgiuS  in  ®cüenter,  bann  in 
Stalicn  meiter  gebilbet,  mit  iRubolf  §lgricola,  fRubolf  Sange,  bem 
©rafen  ^ermann  uon  S^uenar  unb  allen  S3orfec§tern  ber  neuen 
Stiebtung,  mic  fpäter  auc^  mit  §uttcn,  innig  befreunbet,  mar  er, 
beftänbig  auf  fReifen  in  ^eutfc^lanb,  grantrcici^  unb  ©nglanb, 
ein  mal)rer  9Riffionär  beS  Humanismus.  2öar  er  üon  einer  Uni* 
uerfität  burc^  ben  S^teib  ber  ^rofefforen  t)om  alten  ©c^lagc  uer^ 
trieben,  maS  il)m  in  Äöln,  Seip^ig,  iRoftoef,  jum  Xpeil  mieber*» 
polt,  begegnete,  fo  manbertc  er  an  eine  anbere,  laS  über  grie- 
d)ifd^e  unb  römifd)c  0d)rtftfteHer  unb  führte  beffere  0d)ulbüc^er 
ein.  ©eine  @mpfe()Iung  bcS  ®onat,  als  einer  auc§  für  berühmte 
Uniuerfitäten  nod)  l)öd)ft  nöthigen  Seetüre,  fanb  ber  ^rofefforen^ 
Hod)mutl)  beleibigenb.  gür  feinen  roftoefer  Sßiberfacher  Xilemann 
Heuerling  finb  bic  53  ©pigramme  feines  Oestrus  ein  ähnliches 
^)enfmal,  mic  H^dtcn’S  Querelen  für  ben  greifSroalbcr  Bürger* 
mciftcr  unb  ^rofeffor.  ©eltfam,  bag  bei  bem  §luSbruchc  bcS 
fRcuchlin’fdjcn  ©treites  33ufd)  fi^  h^H^  beftimmen  laffen,  bic 
©rhrift  5lrnolb’S  üon  hungern  mit  einem  ©pigrammc  gegen  3u= 
ben  unb  3ubcngönncr  ju  jieren.  ©r  h^t  eS  fpätcr  genug  bereut. 
9Rutian  fd)reibt  im  3ahrc  1514,  33ufch  höbe  eine  ^ßalinobic  gc^ 
^ fungen,  unb  ftehc  mit  fReuchlin  gut.  ScptcrcS  erhellt  auch  auS 
einem  33riefc  in  ber  fReu^lin’fchen  ©ammlung,  aus  ber  3^it  als 
Hochftraten  in  IRom  mar,  mo  3iufch  als  ber  märmfte  Slnhängcr 
9^euchtin'S  fpricht.  Ob  jene  ^alinobic  eben  ber  Triumphus 
Capnionis  bcS  SlcciuS  SRcobiuS  mar?  unb  ob  bieg  bcrfclbc  Tri- 
umphus mar,  ber  jeht  ben  9^tamen  ©IcuthcriuS  öp^^enuS  trögt, 
ober  ein  anbercr?  ©rftcrer  foll  üon  einem  H^dten’fchen  ©pi* 
gramm  begleitet  gemefen  fein:  Icptcrcr  h^l  profaifcheS  SBor^ 
unb  S^adjmort,  ganj  in  H^dtcn'fd)em  ©Jeift  unb  ©tilc.  ^iefe 

1)  5)ic  3Kutianijd^cn  j.  in  ^utten’S  Schriften  I,  @.  31  f. 


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S)a§  6Qpnion’§  $nump^. 


167 


felbft  fonnte  ÜJ?utian  nic^t  füglic^  ein  ©pigranim  nennen:  aber 
löä^renb  ber  3öt)re,  bie  jiuifc^en  ber  Slbfaffung  unb  bem  ^)rncf 
vergingen,  fonnte,  neben  anbern  Umarbeitungen,  and)  ba^3 
granim  mit  ^toei  ©tüden  in  $rofa  üertaufc^t  morben  fein.  (Soban 
§effe  f)atte  ben  (banbfc^riftlic^en)  Xriumv^  beö  ^Icciusi  9fleobiu§ 
feiner  ßcit  üon  SKutian  alö  eine  §lrbeit  ®ufd)'ö  mitgct^eilt  er* 
galten:  unb  bod),  mie  er  nun  burc^  ben  erfnrter  ^uguftiner  So^ 
f)onn  Sange  unfern  gebrudten  ert)iett,  mar  er  nur  einen  5(ugen« 
büd  5meifel^aft;  fobalb  er  fid)  tiefer  ^incingelefen  fjatte,  glaubte 
er  §utten’ö  ©d)i*eibart  fieser  p erfennen,  unb  fdjmur  barauf, 
baß  baö  ©ebidjt  oon  biefem  fei.  ©ntmeber  mar  eö  alfo  ein  an= 
bereit,  alig  baö  er  früher  gefel)en  ßatte,  ober  er  ßielt  3Jiution’§ 
Eingabe,  baß  eö  oon  ^ermann  isöufd)  fei,  aii!§  innern  ©rünben 
für  irrig.  (Sbenfo  fanbte  2Jielanc^tl)on  ben  Triuinphus  an  ©pa-* 
latin  alö  ein  feiner  2Jkinung  nad)  ^utten’fc^eö  ©ebic^t.  ©o  ift 
er  auc^  in  bie  ©ammlung  §utten'fc^er  2)ic^tungen  oom  Stifte 
1538,  bie  man  oon  @oban  oeranftaltet  glaubt,  aufgenommen, 
nnb  3oacßim  Samerariuö,  ber  §utten  unb  öufd)  perfönlic^  fanntc, 
fdjreibt  il)n  bem  erftern  ju.  ^aä  fRcuc^liniftenoer^eidjniß  oor 
ben  ©riefen  berüljmtcr  SDMnncr  an  fRcuc^lin  refpectirt  baä  3n^ 
cognito  beö  ©erfafferö,  unb  füf)rt  ben  ©leut^eriuö  ©l^jenuö  al^ 
befonbere  ^erfon  neben  ©ufd)  unb  Jütten  auf. 

^aß  nun  baö  profaifd^e  ©or^  unb  S^tadpoort  beig  ®ebid)t§ 
mirflid)  oon  Jütten  fei,  fann  feinem  ß^^ifel  unterliegen,  ^ic 
©l)ctorif  ift,  menn  mir  ä^nlic^e  Slrbeiten  .^utten'ö,  5.  ©.  bie 
Sieben  gegen  $erjog  Ulrich,  oergleicßen,  ganj  biefelbe.  §lucß 
bie  gleidjen  ©djlagmorte  ßnben  fic^ , bie  §uttcn  fonft  ge^ 
läußg  finb:  baß  ^eutfc^lanb  enblid)  Slugen  befommen  l)abe, 
baß  bie  2:i)eologiften  fic^  ßängen  foUcn,  unb  befonberö,  baß  ber 
Söürfel  gemorfen,  ber  Äcrfer  burc^brod)en  fei.  ®ie  5^eube  über 
baiJ  (Jrmaeßen  ber  ©cifter,  über  baiJ  rege  Seben  in  allen  3meigen 
ber  Sötffenfdjaft,  ift  ßier  ebenfo  ^uttenifd)  empfunben  unb  au)^ 
gebrüdt,  alö  bie  ^roßung  mit  me^r  beim  jmanjig  jum  ©erberben 
ber  Xl)eologiften  ©erfc^morenen,  unter  benen  er  nic^t  ber  oor« 
jüglic^fte,  aber  ber  ungebulbigfte  fei,  bem  ©itter  oollfommen  äljii« 
lid)  fiel)t.  X)a^  entfdjcibenbe  ^utten'fc^en  Ur« 

fprung  biefer  ©eilagen  aber  liegt  in  ber  burd^ge^enben,  ftcHen« 
meifc  mörtlic^en,  parallele,  meldje  ^mifdjen  bem  ©ormorte  jum 


158 


I.  $ud^.  7.  ftoptiel. 


Triiimphus  Capniotiis  unb  einem  ©d^rciben  ^utten’8  an  ben 
©rafen  ^ermann  Don  S^lucnar  in  berfelben  Slngelcgenbeit  ftatt* 
finbet  ‘). 

3n  bem  l)ejamctrifc^cn  ÖJcbic^tc  fclbft  ift  üor  adern  ber  oft 
n)iebcvfel)rcnbc  Sflefrain : 

3au(f|jc,  ttjofern  bu  bi(^  fciber  erfennft,  o jaud^je,  mein  S)eut|4iIonb ! 
bem  §utten’fd}cn  (SJebanfenf reife  oermanbt.  ,2)af3  eö  5)eutfd}lanb 
an  ni^tiä  fc^le  alö  an  ©dbftfcnntniß,  am  53emuj3tfcin  feiner  Ä'raft 
unb  be^  SUdßbrauc^fä , ber  oon  einer  auölönbifc^en  ^ierard^ie  mit 
it}m  getrieben  merbe,  ba^  fprid)t  .g)utten  an  Dielen  ©teden  faft 
mit  ben  gleichen  S53orten  auö^j^  8fleud)lin’)^  ©erbienfte  um 

bie  bcutfd)e  Salbung  merben  ^icr  mit  benfelben  Huöbrücfen,  mic 
fonft  Don . Jütten,  bezeichnet®);  ber  Subei  beg  ^riumpl)zuge^  Z“”' 
Xl)cil  mit  benfelben  33ilbcrn  mie  in  bem  ßobgebicht  ouf  ben  @rz^ 
bifdjüf  5llbred)t  Dorgeftedt ; bie  armen  ©ünber  treten  in  berfelben 
Orbnung  unb  znm  Xl)eil  mit  benfelben  ^4^räbicaten  tuic  in  §utten’iS 
gürbitte  bei  bem  (Sarbinal  ^brion  auf;  bie  beiben  Pfarrer,  $eter 
ajiehcr  in  granffurt  unb  !öartl)olomäuS  3<^()cnber  in  3)^ainz,  bie 
befonbern  ©egenftänbe  Don  ^utten’sS  äBibenoiden,  finb  thcilmeife 
mit  ben  glcidjen  5luöbrüden  lüie  in  einem  §utten'fct)en  Briefe  gc' 
fchilbert^);  bie  ^^bfclpoeifung  auf  SSenebig  unb  benXriumplj,  ben 
eö  geben  mürbe,  menn  bem  Äaifer  beffen  ^emüthigung  gelänge, 
tann  an  ben  Jöerfaffer  ber  §lufmahnung  gegen  S^euebig  unb  ber 


1)  Sgl.  bie  beiberjeitigen  StcIIfn  in  ^ulten’S  Sd^riften  I,  ©.  236  §.  2 
unb  3 mit  ©.  166  §.  2 unb  3;  ©.  237  §.  5 unb  6 mit  ©.  166  §.  11  unb 
167  §.  13.  3)aju  bie  ©teilen  üom  ©tritt  in  bem  Dtod^mort  jum  Triumphus, 
©d^riften  I,  ©.  237  unb  238,  unb  in  bem  ©enbiebreiben  on  ißiretbeimer,  ebenbaj., 
©.  217.  HDcnn  einer  früher  geäußerten  ^ermutbung  jufolge  bie  Steifebejebreibung 
bc§  M.  SBilbclm  fiamp  in  ben  Epist.  obscuror.  viror.,  II,  12  bie  IKoute  non 
^utten'3  gmeitcr  italienifcbcr  Steife  gibt,  fo  bitten  mir  noch  ein  meitcrcS  @r> 
tennungSscidben.  ^enn  fomobl  ber  IBorrcbner  als  ber  IBrieffteller  tooQen  in 
Italien  — leßterer  gibt  Bologna  an  — mit  §o(bftratcn  jufammcngelroffen  fein. 

2)  Bton  oergleicbe  mit  bem  oben  angeführten  9tefrain  beS  @ebid()tS  bie 
BrieffteOen  an  3ul.  Bftugf,  §utteu’§  ©tbriften  I,  ©.  185  §.  4;  an  ©renbergt, 
ebenbaf.,  ©.  259  §.  10. 

3)  Bgl.  mit  v.  965  f.  bcS  ©ebitbtS  §utten’§  Brief  an  ©erbel,  ©d()tipen  I, 
©.  106  §.  6. 

4)  Bgl.  mit  v.  772—841  ^utten’S  Brief  an  ben  @rafen  ^ermann  Don 
9luenar,  ©tbriften  I,  ©.  165.  166. 


S 

c 


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'DqS  @cbid^t:  Capnton’§  ^riump^. 


159 


(Jpigrammc  an  SWoyimiltan  erinnern.  ®ie  ettnaö  ^enfermägige 
^^antafie,  bic  fic^  in  ber  löcfc^rcibung  ber  üon  ^fefferforn  üer^ 
bienten  dualen  funbgibt*),  berechtigt  unö  Icibcr  nicht,  bie^lrbcit 
Jütten  ab^ufprechen ; währenb  boö  über  iöufd)  auögefprochcnc 
Sob*)  hoch  gar  ju  plump  märe,  menn  biefer  fclbft  eiS  fid)  gejpcn- 
bet  höben  foHte.  Son  ben  geplcrn  gegen  bie  $ro)übie  im  Tri- 
uniphus  höl  Won  (Süban  bie  größere  Sln^ahl  ben  Sehern  jur 
ßaft  gelegt 3);  maö  auch  fö  nod}  auf  9technung  beö  SSerfafferö 
bleibt,  ift  menig  mehr  alö  maö  mir  Jütten  mie  überhaupt  biefen 
9tenaiffance*^üeten  auch  fonft  nadjjujehen  haben.  ^Demnach  mirb 
baö  ©ebicht,  mie  e^  üorliegt,  für^utten'ei  Arbeit  ju  halten  fein; 
ob  er  bie  oon  iÖufch  mit  ber  feinigen  oerfchmoljen  ober  gan^  bei 
©eite  gelaffen,  ober  ob  eine  foldje  oielleidjt  gar  nicht  eyijtirt  habe, 
möchte  fchmer  ju  entfcljeiben  fein. 

©emö6  bem  Xitel  (bieji  ift  in  turpem  Umri§  ber  3nl)alt  beö 
(yebid)tö)  mirb  bem  alö  ©ieger  über  bie  ©ophiften,  b.  h-  öic 
theologifchen  ©cholaftifer,  heimfehrenben  9teud)lin  in  feiner  ^ater= 
ftabt  ein  feierli^cr  (Sii^ug,  nadh  3lrt  eineö  antifen  Xriumph^, 
bereitet,  ©ein  Sftuhm  gehört  Xcutfd}lanb,  in  befonberm  ©inne 
jeboch  ^forjheim  unb  ©chmaben  an,  meldje  baher  5ur  ^erherr^ 
lichung  feincö  Xriumph^  oor  anbern  berufen  finb.  Xer  ^iila^ 
biefer  5cftlid)feit  ift  fein  ©ieg  mit  leiblid)en,  jonbern  mit  geiftigen 
SBaffen:  unb  nun  mirb  ber  Xhatbeftaub  beö  ©trcitcij  jmifchen 
fHeuchlin  unb  ben  Äölnern,  bie  Xrefflid)feit  unb  baö  Jßerbienft 
be^J  erftern,  bie  Xollljeit  unb  öertoorfenheit  ber  Ichtern,  audein* 
anbergefeht.  Snöbefonbere  mad)t  fid)  ber  Unmille  über  bie  ^rebiger«' 
mönche,  ber  in  jenen  3al)ren  oufö  höd)fte  geftiegen  fcljien,  hoch 
halb  au^  ißeranlaffung  ber  Xe^cl  unb  ^4^rteriaö  noch  h^hcr  fteigen 
foUtc,  au^jführlich  iiuft,  unb  e^  merben  auiä  ihrem  ©ünbenregifter; 
olö  befonberö  fd)mere  5äUe,  hier  mie  in  einer  S^eihe  $utten'fcher 
unb  anberer  ©d)riften  jener  Qc\t,  bie  Vergiftung  beö  Ätaifcrö 
^einrid)  VII.  burch  eine  $oftie,  bie  betrüglichen  (Srfdjcinungen 
unb  V^unber  im  Xominicanerflofter  511  Vern  unb  cinigeö  ^^lehn^ 
liehe  angeführt,  ©ojort  eröffnet  fid)  burch  bie  mit  Üaub  unb 


1)  V.  704—735. 

2)  V.  678  I 

3)  9ln  3o^.  Cangc,  i^uttcn’s  8<^riften  I,  ©.  240. 


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ICO 


I.  Sud^.  7.  j^Q)>ltet. 


ölumen  beftrcutcn  Strogen  unb  5n)ifd)cn  fcftlic^  Behängten  Käufern 
ber  SSoron  Werben  bic  Sßoffen  unb  bte  @ö^cn  ber  UeBer^ 

wunbenen  getrogen:  jene^  fopBiftifdje  Schlüffe  unb  33ewcife,  cr^ 
taufte  Xitel,  Blutige  griffet,  S^citer^oufen  im  ^BBilb  u.  bergl.; 
bicfcö  bie  üier  Ungetl)üme:  ^IbcrglouBe,  iöarBorei,  Unwiffen^cit 
unb  9^cib,  üon  benen  eine  obfd)rccfcnbc  Öefc^rciBung  im  oUegoris 
fc^cn  ©cfc^mocfc  gegeben  wirb,  hierauf  folgen  in^^etten  bic  Be^ 
fiegten  geinbe:  üoron  $ocl)ftratcn,  ber  geuermonn,  ein  onberer 
ß^ocuö  unb  Xi}pl)ocuö,  ber  geuer  frigt,  geucr  fpcit,  unb  beffen 
onbereö  Söort:  inSgeuer!  ift;  bonn  ber  trunfene,  neibifc^c  Drtuin, 
ber  el)rfücBtige,  fc^einljcilige  Slmolb  oon  Xungern,  ber  guboö 
^fefferforn,  gegen  mcld)cn  berXic^tcr  ben  genfer  ^erBeiruft,  i^n 
^u  ocrftümmeln  unb  an  ben  gügen  ju  fc^Icifen ; cnblic^  bie  fRcuc^' 
linsfcinbc  ju  ältoinj  unb  gronffurt.  2luf  bic  befangenen  folgen 
Opferftierc,  bann  9Äufif  unb  Sänger,  bie  ein  ßoblicb  auf  (Sapnion 
anftimmen;  enblic^  ouf  einem  mit  allerlei  eblcm  ©efträue^  unb 
iBlumcn  gegierten  lilBagcn  bic  ebrwürbige  ©eftalt  be«  Xriumpl^atorS 
fclbft,  bie  grauen  Schläfen  mit  ßorbecr  unb  @pl)cu  ummunben, 
ben  ^ugcnfpicgcl  in  ber  rcdjtcn  unb  einen  De^mcig  in  ber  Unten 
^anb;  jum  53efc^lug,  gleichfalls  Betränkt,  bie  Schaar  bcrfRechtS*  • 
gelehrten  unb^octen,  bic  er  alle  Oom  Untergang,  ber  au^  ihnen 
oon  ben  Xuntclmänncrn  jugcbacht  mar,  Befreit  hot.  X)er  ganje 
Xriumphäug  ift  in  ber  öltcftcn  SluSgaBc  burch  einen  ^oljfchnitt 
anfchaulich  gemacht. 

SBie  aud)  immer  Jütten  an  biefem  Xriumphgefange  Bctheiligt 
fein  mag:  auS  feiner  Seele  ift  er  jebenfaUS  gcf^ricBcn.  9Wit 
regfter  Xheilnahmc,  im  Söechfcl  jmifchen  Hoffnung  unb  gurcht, 
mar  er  möhrenb  feines  jmeiten  5lufcnthalteS  in  gtalien  bem  fchman* 
ienben  bange  bcS  fReuchlin'fchen  fßroceffeS  gefolgt.  ?luS  fRom 
fclBft  hotten  mir  unmittelBar  teinc  9tachrid^t  oon  il)m,  menn  mir 
nicht,  moOon  Balb  mehr,  fo  manche  S^otijen  im  jmeiten  Xheilc  ber 
XuntelmönncrBricfe  bafür  nehmen  mollcn.  2Bic  genau  er  fich 
aber  bafclbft  um  alles  jenen  ^anbcl  iöetreffcnbc  ertunbigt  hotte, 
fchen  mir  barauS,  bag  er,  taurn  in  Söologna  angetommen,  bem 
SÖabian  oon  HUem  S^tadjricht  gab,  maS  mährenb  ber  lebten  üRonate 
ju  IRom  in  ber  Soche  fReuchlin'S  ocrljonbclt  morben.  X)ie  SluS' 
fichten  maren  bomals  günftig:  auch  on  SflitolauS  berbcl  fdjricB 
Jütten  aus  Bologna  unter  bem  leptcn  guli  1516,  bic  fRcttung 


^utien  an  dtrut^Itn. 


161 


fei  na^c,  ^oc^ftratcn  ^abc  mit  ben  unge^cucnt  ©ummcn,  bie  er 
uerfc^menbet,  nic^tö  auögcric^tet.  Sim  9.  5luguft  fc^rieb  er  an 
9licl|arb  ©rocuö  nad)  ficipjig,  bag  bie  ßomnüffion  über  iRcud^lin’^ 
0ad)e  ücr^anblc,  unb  man  täglich  ben  ©prudj  ermarte,  ber  alö 
eine  ©ntfe^eibung  nic^t  bloö  über  9tcud^lin,  fonbern  über  bie  ganje 
l^umaniftifc^e  Sflic^tung  anjufeljen  fei.  (5inen  9Konat  fpätcr  gaben 
i^m  feine  greunbe  auö  9lom  immer  noc^  gute  Hoffnung;  aber  er 
fürchtet  aufö  neue  ben  @influ§  besJ  0opi)iftengolbeö,  ba  er  bie 
ÖJelbgier  unb  ^eftec^lic^feit  ber  römifc^en  Höflinge  fennt.  @r 
münfd)te  bie  Gac^e  einmal  entfe^ieben,  um  nic^t  länger  jroifc^en 
gurc^t  unb  Hoffnung  fc^manfen  ju  müffen^). 

$atte  (Svaömuö  für  9leuc^lin  bei  bem  $opft  unb  bem 
©arbinal  ©rimani  ein  gute^  Söort  eingelegt,  fo  manbte  fic^  Jütten, 
mie  cd  fc^eint  um  biefe  ßeit,  menn  nic^t  fc^on  mäl)renb  femed 
Äufent^altd  in  9tom,  an  ben  Sarbinal  ^brian,  ber  fpäter  Seo’d 
9tad)folger  auf  bem  päpftlic^en  (Stul)lc  gemorben  ift.  3)er  redjt== 
fc^a^cne,  aber  befc^ränftc  unb  fc^olaftifc^  gebilbete  SD^ann  mar 
nic^td  meniger  ald  ein  ©önner  ber  ^umaniften,  einige  3a^rc 
fpäter  finben  mir  in  einer  bem  fRcuc^liniftcnfreifc  ange^örigen 
Satire  il)n  gerabc^u  ald  geinb  aller  miffcnfc^aftlid)cn  SDiänner 
bcjeic^net;  bod)  l)üfftc  i^n  Jütten  ald  2)eutfc^cn  (9ticbcrlänbcr) 
für  ben  angefod)tenen  beutfc^cn  ©elc^rten  geminnen  ju  fönnen. 
2)ad  elcgifc^e  ©ebiebt,  bad  er  an  il)n  richtete  fann  man,  mad 
bie  ßeiebuung  non  9teucblin’d  Sßerbienften  unb  ber  Sßermorfenbeit 
feiner  SSerfolgcr  betrifft,  ald  einen  Slud^ug  aud  bem  Triumphus 
Capnionis  betrachten.  Söirfcn  tonnte  cd  begreiflich  nichtd;  bafür 
mar  ed  }^u  fehr  an  bie  falfche  5lbrcffc  gerichtet. 

@ar  j^u  gerne  mürbe  Jütten  in  biefer  geit  öftevd  an  fReuchlin 
gcfchriebcn,  ihm  bie  9Rad)richtcn  über  ben  (^ang  feined  ^roceffcd 
fclbft  mitgctheilt,  il)n  feiner  unmanbclbarcn  Verehrung  unb  %i)ciU 
nähme  mieberholt  oerfichert  haben.  ?lber  Ütücffidjtcn  auf  IRcuchlin 
fclbft  oerbüten  cd.  @d  mar  bamald  in  SBürtemberg  eine  Qdt  bed 
politifchen  Slrgmohnd,  ber  ^ochnerrath^proceffc,  unb  bereitd  mar 


1)  S)iejc  Briefe  f.  tn  ^utten’S  8(t)riftcn  I,  S.  104.  106.  124—126. 

2)  S4iripcn  I,  6.  138  — 141.  %I8  2)cutjd^cn  tonnte  er  nur  biejen  Don 
Utrecht  gebürtigen , ni(^t  ben  anbern  Sarbinal  ^abrian  au8  t^orneto,  ber  aOer« 
bingg  9teu(tiltn  gUnftiger  uar,  oorjteüen. 

m 11 


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1G2 


I.  5Bud^.  7. 


aud^  9?cud)lin  bei  bem  ^erjoq*  tjerbäd)tigt  tvorben.  @r  ()attc 
auf  bem  fRat^^aufc  ju  Stuttgart  an  öcfprcc^ungen  t^eilgenommen, 
iüclcbe  ben  Snjcd  batten,  ba$  Sanb  gegen  bie  üerberblicben  folgen 
non  Utridj’ö  ungeftümem  ^t)un,  n)cnn  e^  fein  müßte  bnreb  beffen 
jeitmeitige  (Sntfernung  Dom  fRegimente,  fieser  ju  ftellen.  Sßäre 
nun  überbieß  ein  33riefmecbfef  ämifeßen  ißm  unb  bcö  ©erjogiS 
feinbe  Jütten  entbedt  morben,  fo  ßätte  baö  für  9ieud)lin  bie 
übelften  ßaben  tonnen.  So  fd)ineriilid)  cö  für  Jütten 

mar,  fo  fügte  er  fid)  biefer  9iücffid)t  bodj,  unb  beiberfeitige  greunbe 
Übernaßmen  feine  ©rüße  unb  9iad)ricßten  on  ben  oereßrten 
2Reifter  gelangen  ju  laffen ').  Einmal  jebod),  ba  ißm  fReueßlin 
felbft,  unb  in  gebeugter  Stimmung,  gefeßrieben  ßatte,  glaubte  er 
ißm  and)  felbft  antmorten  50  füllen,  ^ie  boößafte  ©inflüfterung 
berÄt^ölner,  menn  er  oor  (Sntfeßeibung  berSadje  ftürbe,  mie  leidjt 
ißn  bann  feine  geinbe  noeß  unter  bem  Soben  alö  Sicher  üer^ 
bammen  tönnten,  ßatte  boeß  ©inbruef  auf  ben  alten  9Rann  gemadjt. 

„Sei  beinern  £eben",  feßrieb  ißm  nun  Jütten  am  13.  ganuar 
1517  auö  Bologna,  „bei  beinern  ßeben,  unb  menn  unS  beiben 
etmaS  nod)  tßeurer  ift,  befdimöre  idj  bid):  gib  feinen  trüben 
5lßnungen  fRaum.  SBaö  min  boö  fagen:  SBcnn  icß  halb  fterben 
füllte?  £aß  bir  beine  eigene  SCugenb  barauf  antmorten. . . S55er 
fo  gelebt  ßat,  ftirbt  nießt.  Urib  ma^  bu  beinen  gaßren  nod)  ßin=-* 
jufügen  mirft,  ift  reiner  (^leminn.  ®e§  IRußmeö  ßaft  bu  genug. 
Silod)  bei  £eben  ßaft  bu  folcße  wber  bieß  ücrnommen, 

mie  fie  Söenigen  naeß  ißrem  ^obe  j\u  Xßeil  merben,  unb  bift  felbft 
unter  beiner  9^acßmelt  gemefen.  mieß  betrifft,  fo  glaube  icß 
meinen  @ifer  für  bidj  feßon  babureß  ßinlänglid)  beloßnt,  baß  icß 
mieß  öffentlicß  ju  ben  fReud)liniften  ge^äßlt  feße.  2)arnm  faffe 
äRutß,  tapferfter  Sapnion.  SSiel  üon  beiner  £aft  ift  auf  unfere 
Sd)ultern  übergegangen,  ßängft  mirb  ein  33ranb  üorbereitet,  ber 
5U  reeßter  ßoffe  icß,  aufflaminen  füll.  2)icß  felbft  ßeiße  id) 
rußig  fein,  gcß  gefelle  mir  fül^e  ^enoffen  ju , bereu  Sllter  unb 
SSerßältniffe  ber  3lrt  beö  Ä\impfe)$  angemeffen  finb.  Salb  mirft 
bu  baö  fläglicße  ^rauerfpicl  ber  2Bibcrfad)cr  üün  einem  lad)enben 
$aufe  au^gejifd)t  feßen.  2)amit  geße  icß  um,  mäßrenb  bu  ganj 


1)  SBrtef  on  ^ird^eimer,  I,  136.  ^ird^eiimt  an  ^utteUi  ebenso!., 
S.  137. 


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Jütten  Ubrr  Steud^Iin  on  ^irdf^eimer.  163 

Slnbcrcö  Don  mir  üermutr^cft.  2)cnn  tücnn  bu  richtig  Don  mir 
bäd)tcft,  fönnteft  bu  mir  nic^t  fc^reiben:  S3crlaffc  bic  ©oc^c  bcr 
SSäü^r^eit  nid^t!  fie  ober  bic^,  i^ren  gü()rcr,  Dcriaffen?  kleine 
gläubiger  Sapnion,  loie  menig  fennft  bu  §utteu!  S^ein,  menn  bu 
fic  l)eute  Derliegeft,  mürbe  icl)  (fo  Diel  in  meinen  Ä^röften  ftünbe) 
ben  Ä’rieg  erneuern,  unb  glaube  nid)t,  bog  idj  für  mein  Untere 
nel)mcn  untüchtige  ©ehülfen  Ijobc.  2Wit  foldjen  ©enoffen  um# 
geben  fd)reite  ich  einher,  Don  beiten  jeber  (Sinjelne,  bu  barfft  c3 
glauben,  jenem  ©cfiubel  gcmachfen  ift.  (Sapnion’ö  ^reiö  (im 
Triumphus?)  mirb  Don  SJ^unb  ju  SKunbe  fliegen,  ^arauö  mic 
ouö  §luberem  mirb  bir  hohe*^  Söb  ermachfen,  mährenb  bu  ruhig 
außer  ber  ©efaßr  bich  höilfl-  moHt'  id)  bir  ni^t  unange^ 
jeigt  laffen.  £cbe  mohl  unb  erhalte  bich  für  unö  frifd)'"^). 

Sin  ^irefheimer  aber,  bem  bcr  ®ang  bcö  Sfteuchlin'fchcn 
^^roceffciS  bebenflid)  511  merben  anfing,  fchricb  Jütten:  „2^apfcrcr 
SBilibalb,  marum  fürchteft  bu  fo  für  bic  ©ochc  unferö  ßapnion, 
ben  feine  Unfdjulb  gegen  mcnfd)lid)c  Singriffe  fidler  [teilt?  ©0 
Diel  taufenb  fchlcd)tc  ÜJienfchcn  Derfolgen  il)u:  einige  @ute  (beim 
gut  nenne  ich  bie  ©old)cö  thun),  einige  ©utc,  fagc  id),  bef^ühen 
ihn.  SBirb  mehr  gelten  bei  bcr  S^adpDclt,  baß  Diele  ©chlcdjtc 
ihn  Derfolgen,  ober  baß  einige  (^utc  ihn  Dcrtl)cibigt  hßl>cii?  Slbcr 
N.  N.  (bcr  ?^apft)  mirb  ißn  Dcrbammen,  biir^  baiJ  (^olb  bcr 
Drbenöbrüber  umgeftimmt.  dagegen  hDbcn  ein  (Sra-Smuig,  ein 
gaber  (Don  Staplet),  Sßilibalb,  äJiutian  unb  bic  beften  SüJönner 
ollc  eö  ihrer  mürbig  gehalten,  bcr  SSahrßeit  ßeugniß  5U  geben. 
Unb  menn  bu  midh  folterft,  ieß  muß  fagen  mag  maßr  ift:  baß 
mir  mehr  an  beinern  S3cifallc  liegt,  alg  an  bem  jeneg  SD?anncg, 
ber  leichter  alg  ©preu,  bemeglidjcr  alg  eine  glaumfebcr  ift.  Sind) 
mirb  mir  nie,  bu  magft  fagen  mag  bu  millft,  ein  ^fcil,  ben  ®rag= 
mug  auf  einen  ©churfen  abfd}neHt,  meniger  gelten  alg  jeßn  iöann* 
flücße  jencg  glorcntincrg,  bie  aug  Dielen  unb  triftigen  ©rünben 
Don  Sillen,  in  benen  noeß  einige  3)?anngfraft  ift,  nießt  meßr  ßoeß 
angcfd)lagcn  merben.  ^arum  mögen  jene  Slllcg  burd)fehcii:  mir 
feßirmen  bic  Partei,  bereu  Unfcßulb  aller  SÖelt  ebenfo  befannt  ift 
alg  jebem  ©innbegabten  beg  ßeiligftcn  £co  Unßeiligfcit;  beim  mer 


1)  ©(ßriften  I,  129  f. 


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164 


I.  %ud(|.  7.  Pfapttel. 


borübcr  noc^  im  Unftarcn  ift,  bcr  muß  eine  fc^Icd^tc  gaffung§= 
fraft  befi^en/' 

?lber  bcr  mclterfa^rcnc  ^ircf^cimer  fd^rieb  jurücf,  unter 
bem  0c^ilbc  bcr  Unfc^ulb  fei  fdjon  mand^cr  j^u  @runbe  gc= 
gangen »). 


1)  3)ic  beiben  Briefe  toom  Sommer  1517  in  ^uttcn’8  Sd^riften  1, 
6.  133-135  unb  S.  136  f. 


166 


:3lt^trs  iSiqiitrl. 


|He  Epistolae  obscnrorom  virorom. 

1515—1517. 

©cfton  ein  3a^r  nor  biefen  lebten  Briefen,  ^nfancj  9(ufluft 
1516,  ()ottc  tUric^  Jütten  in  Bologna  auö  ber  §cimat^  bic 
91ac^ric^t  erhalten,  bag  bafdbft  eine  ©otire  gegen  9leu^lin’g 
Söiberfac^er  unter  bem  ^ itei : Epistolae  obscurorum  virorum,  er^ 
fc^ienen  fei  unb  Diele  ßefer  finbe.  @ineö  gebrueften  (SyemplarS 
n>ar  er  noc^  nic^t  gabgaft  geworben,  ober  fegr  begierig,  eincö  ju 
befomnten.  ©inen  3)7onat  fpoter,  am  11.  ©eptember,  fegrieb  er 
an  fflic^arb  ©rocuS  nac^  ßcipjiö-  »»®ic  ^unfelmönner  ^abe  ic^ 
erhalten.  ©Jute  ©Jöttcr!  welche  nirfjt  unfeinen  ©d^er^e.  91un 
aber  l)aben  bie  ©opl)iften  mid)  alö  SSerfaffer  nic^t  bloö  im  S3ers 
backte,  fonbern  geben  mid),  wie  id)  t)öre,  öffentlid)  bafür  auö. 
9>limm  bic^  gegen  fie  beö  abmefenben  greunbeö  an,  unb  lag  mic^ 
nic^t  mit  biefem  ©c^muje  befubeln.  ©c^reibe  mir  aud)  auöfü^rs 
lic^  oon  ber  ©ac^e,  unb  lag*  mic^  miffen,  ma^  fie  im  ©cgilbc 
führen"  *)•  bereits  mürben  bie  ©riefe  aud)  in  ©nglanb  mit  ©ei^ 
fall  gelefen,  mö^renb  in  ^eutfcglanb  eine  jmeite  2(uögabe  ber« 
fclben  erfc^ieu. 

SGÖad  Jütten  oon  bem  ©d)muje  fpric^t,  mit  bem  er  geg  nid^t 
gern  befubeln  laffen  mode,  ift  nid)t  auf  bie  ©riefe  felbft,  bie  er 
ja  eben  oorger  gelobt  gatte,  fonbern  auf  bie  ^uöfäöe  ber  barin 
oerfpotteten  5)unfelmänner  gegen  ben  ocrmeintlicgen  ©erfaffer  ju 


1)  €(grigen  I,  ©.  125. 


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166 


I.  $ud^.  8.  jlapitel. 


Bcjicl^cn,  tuel^c  her  grcimb  Don  ibm  abttjc^rcn  folltc.  SBtc  fe^r 
bic  ©riefe  nadb  feinem  ©cf^maefe  maren/jeigte  fid)  borin,  bog 
er  bolb  borouf  feinen  Sonböleuten  in  ©ologno  ©riefe  berfelben 
Slrt  DorloiS,  morin  fie  U)n  alö  ©erfoffer  ju  erfennen  glaubten, 
toenn  er  bic§  gleich  mit  ber  fc^erjböftcn  SBcnbung  oblc^ntc, 
„@Jott  fclbften''  fei  c§  (est  Deusmet)  ^).  So  erfc^ienen  benn  ou(^ 
noc^  einonber,  juerft  jur  britten  §lu^gabe  ein  ^nl)ong,  bann  ein 
jmeiter  Xf)cil  ber  ©riefe,  bem  halb  ebenfalls  ein  ?lnl)ang  beige* 
fügt  mürbe.  hefteten  alfo  bie  Epistolae  obscurorum  virorum, 
mie  fie  un§  jefet  Oorlicgen,  1)  au§  ben  41  ©riefen  ber  erften  unb 
^meiten  5luögabe  Dom  ^erbft  1515  unb  Anfang  1516;  2)  auS 
ber  jur  britten  SluSgabc,  auc^  noc^  oom  1516, 
fommenen  Appendex  oon  7 ©riefen;  3)  bem  1517  erfd)icnenen 
^roeiten  X^eile  mit  62  ©riefen;  moju  4)  in  ber  jmciten  2luögabe 
noc^malö  ein  2ln^ang  oon  8 ©riefen  (benn  ber  neunte  ober  oieU 
met)r  erfte  ift  nur  SBieber^olung  einer  5)lummcr  au3  bem  erften 
2^1) eile)  fam.  3)cr  ac^te  ©rief  ber  erften  Appendex  erfc^ien  erft* 
mal^  in  einer  Sluögabe  oon  1556  unb  ift  ein  plumpe^  fpötercö 
SJiac^merf;  ber  fogenannte  britte  ^^bcil  ber  Epistolae  aber,  1689 
jum  crftenmal  gebrudt,  eine  Sammlung  oermcintlidjcr  Seiten* 
ftüde  ba^u  auö  oerfd)iebener  3^it,  ootlcnbiS  mit  bem  urfprüng* 
lid)en  ©uc^e  nid^tö  mcl)r  §u  fd)offen*). 

®er  iitel  unb  mol)l  ber  ganje  ©ebante  ber  Sdjrift  ift  alö 
©egenftüd  ju  ben  Epistolae  claroruin  virorum  ou  fReud)lin  ent* 
ftanben,  bic  im  3al)rc  1514  oon  feiner  Seite  oeröffentlid)t  morben 
maren,  um  in  bem  Streite  mit  ben  Kölnern  ein  @emid)t  in  feine 
SSagfd)ale  ju  merfen.  SBie  nal)e  lag  eö,  biefem  mirflicben  ©rief* 
mcd)icl  auö  bem  ?Rcudjlin'fd)en  Ärcifc  einen  erbiebteten  au^  bem 
Ä'rcifc  feiner  2Bibcrfa(^cr  cntgegcnjtiftellcn.  Stanben  auf  feiner 
Seite  rubmeöbrile,  allbcfanntc  ä)7änner,  fo  maren  bic  2lnbönger 
ber  (Gegenpartei  bunflc,  obfeure  SJiänncr,  oon  benen  iRiemanb 
ctmaö  mußte.  SBar  bic  crftcrc  Sammlung  barauf  berechnet,  ju 


1)  ßoc^IfiuS  an  ^irrflieimct,  in  $uttcn'§  Schriften  I,  126. 

2)  Epistolae  obscurorum  virorum  ad  venerabilem  virum  M.  Ortui- 
num  Gratium  etc.  ®cr  Jejt  in  i85(!ing’§  Hutteni  operum  Suppl.  I. 
6.  1—79.  181—300.  ®5din0’§  (Jommentat  ebenbaj.,  U,  6.515—784.  S)a8 
»iblioötapbilci^c  II,  1-37. 


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5)t<  Briefe  bet  25unfelmflnner. 


167 


\ 


jeiflcn,  tüclc^  eb(c  9J?cnf^cit,  tüeld)c  löblichen  S3eftrc6un(;cn  für 
SUbuno  unb  gortfebritt  fid)  um  $Rciid)lin  (jefammclt  l^attcn , fo 
galt  cö  ()icr,  einen  331id  in  ben  ^fnf)l  non  Unmiffenf}eit,  ®nmm^ 
^eit  nnb  (^emeinl)eit  ^u  eröffnen,  meld^cr  baö  ©lement  feiner  (5Jegner 
mar.  SBenn  jeneö  grögtent^eiU  S3riefe  an  ober  Oon  9?end)(in  ge* 
mefen  maren,  fo  mürbe  ^ier  alö  ?lbreffat  mit  gutem  5^afte  ni^t 
^fefferforn  (ber  mar  ^n  gemein),  nid)t  ^oc^ftraten  ober  Xungern 
(bie  maren  ^u  furchtbar),  fonbern  i^r  lateinifc^er  §anblnnger  unb 
poetifdjer  0d^ilb()alter  Cvtninu^  ©ratiu^  gemailt.  SKit  bem 
2Biberfprnd)e,  cinerfeit^  felbft  and)  ein  ^umanift  unb  fc^öner 
®cift  fein  ^u  moHen,  unb  bod)  anbererfeit^  ber  alten  0d)olaftif 
ju  bienen,  mar  er  fd)on  oon  $anfc  auö  ein  fomifd)eö  ©ubjcct; 
mä()renb  ^ngteid)  ein  foldjer  SU^enfe^,  ber  bie  ©Übung,  meld)e  er 
bem  neuen  ^rincip  üerbanft,  ju  beffen  ©cfämpfnng  im  ^ienftc  beö 
ölten  üermenbet,  alö  ©erröt^er  ein  ©egenftanb  befonbern  ©affcö 
für  alle  biejenigen  ift,  bie  eö  mit  bem  neuen  ©rincip  et)rlic^ 
meinen. 

äöie  aber  nac^  ber  einen  ©eite  ^n  ben  ©riefen  berühmter 
ÜWänner  an  9lend)lin,  fo  bilben  nad)  ber  anbern  bie  ©riefe  ber 
^unfclmänner  and)  ju  bem  Triumphus  Capnionis  ein  ergän^enbeö 
©egenftüd.  SSßaren  in  biefem  (^ebid)te  bie  (Gegner  lRcud)ltiüd  unb 
be^3  ^umaniömud  mit  (Srnft  unb  $atl)o^,  mit  allen  Söaffen  be^ 
UnmiHend,  ber  ©cradjtung  unb  beö  $affed  glcid)fam  tragifc^  be^ 
lömpft,  fo  gefd)iel)t  biefe  in  ben  ©riefen  ber  ^nnfelmänner  fomifc^, 
mit  ben  SBoffen  ber  ©atire.  ^ag  aber  nid)t  ein  §lnbcrer  über 
bie  ^nnfelmänner  fd)reibt,  fonbern  biefe  felbft,  bie  SJ^agifter  unb 
©accalaureiGenselinus,  Caprimulgiiis,  Scherschleiferius,  Dollen- 
kopfius,  Mistladerius  n.  bgl.,  einigemale  and)  Drtuin,  $oc^ftraten 
unb  Xungern  in  eigener  ^erfon  bie  angeblid)en  ©rieffteller  finb, 
ift  eine  SBenbnng,  meld)e  bie  @rl)ebnng  ber  ©atire  in  baö  6Jcbiet 
ber  reinen  Äomif  erleichtert.  ®ie  ©orbarei  mirb,  mit  @raömn§ 
^n  reben,  barbarifd)  Oerlacl)t,  b.  l).  baburd^,  baft  fie  fich  felbft 
ungefchent,  ohne  ^l)nung  il)vcr  ©crfcl)rl heit,  barlegt.  ©oH  biefe 
©elbftbarfteQnng  fd)lagenbe  Äraft  h^ben,  fo  muß  fie  il)tcn  ©egen- 
ftanb  ibcaliftren,  bie  in  ber  Söirflichfeit  5erftrentcn  ßöflc  tjon 
9^ol)eit,  ©löbfinn  u.  f.  m.  in  ©rennpnnfte  fammeln:  ba^  fntirifchc 
Sbcal  ift  nothmenbig  (Sarricatur.  5lber  Ä'unftmert  ift  biefe  nur 
bann,  menn  fie  fich  fo  meit  mäßigt,  bie  Ucbertreibnng  fo  mit 


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168 


I.  8.  ^a|)iiel. 


Sebcnöroal)t^cit  ju  mifd^cn  iDcig,  bog  bic  Xäufc^img  nic^t  gcftört 
tt)irb,  alö  Ijättc  man  cö  mit  mirflid^en  SBcfcn,  in  unfcrm  gallc 
nic^t  mit  frcmbcm  ©pottc,  fonbcrn  mit  bcm  eigenen  ©id^gel^ens 
laffen  unbefangener  33rieffteller  ju  t^un.  Xiefe  fj^robe  beftanben 
befanntlid)  bie  33riefc  ber  Xunfelmänner  in  bem  ©rabe,  bag  bei 
it)rer  erften  ©rf^einung  bie  Settelmönd)e  in  ©nglanb  jubelten, 
im  guten  ©lauben,  eine  0c^rift  ju  il^ren  fünften  unb  gegen 
9teucblin  in  ^änben  ju  ]^aben,  unb  in  33rabant  ein  Dominicaners 
prior  eine  Slnja^l  oon  ©jemplaren  jufammenfaufte,  um  feinen 
Dbem  ein  ©efd^enf  bamit  ju  ma'd^en.  @rft  ber  le|te  ©rief  beä 
5(n^angö  jum  ^meiten  Xljeile,  ber  auö  bem  Xone  ber  Stonie  in 
ben  ber  3nüectioc  fällt,  öffnete  ben  guten  Seuten  bie  5lugen '). 

©on  ber  3lrt  beg  SBerfeö  eine  ©orfteHung  ju  geben,  ift 
gteidj  ber  erfte  ©rief  befonber^  geeignet,  melc^er  mit  fünftlerifc^er 
©erec^ung  gleid)fam  al3  ©jpofition  oorangeftellt  ift.  Unter 
atter^anb  (Zitaten  aud  5lriftoteIe^  unb  ber  ^eiligen  ©djdft  legt 
ber  Theol.  ©accalaureuö  Xl)omag  Sangfd)neiber  feinem  e^emalis 
gen  Se^rer  Drtuin  ©ratiu^  eine  Streitfrage  jur  @ntfct)eibung 
oor,  bie  lür^lic^  bei  einem  fOiagifterfc^many  in  Seipjig  aufgemors 
fen  toorben  fei.  @r  Oergigt  nic^t,  oor^er  ju  befebreiben,  toie  bic 
Doctoren,  äJ^agiftcr  unb  Sicentiaten  fid)  bei  ber  ®clegenl)cit  auf 
^^often  ber  neuen  3J2agifter  gütli^  get^an  mit  gebratenen  ^übnern, 
i^apaunen  unb  gifdjen,  SJtaloaficr  unb  fRb^ii^^^cin,  einbeefer,  tors 
gaucr  unb  neuburger  ©icr.  So  erheitert,  beginnen  bic  fD^agiftcr 
fcbulgcrccbt  Don  mid^tigen  reben,  unter  anberm,  ob 

einer,  ber  Doctor  ber  Xbcologie,  b.  b-  ^^Qcb  bamaligem  Sprach' 
gebraud)c  Magister  noster,  j^u  merben  im  ©egriffe  ftebe,  Magister 
nostrandus  ober  noster  Magistrandus  ju  nennen  fei.  M.  Sßarms 
fcmmcl,  ein  feiner  Scotift,  entfebeibet  fid)  für  ba<g  Sc^tcre.  Denn, 
fagt  er,  magistrare  ift  ein  verbum,  f.  o.  a.  magistrum  facere, 
unb  baoon  fommt  magistrandus;  bagegen  nostro,  nostrare,  ift 
nicht  gebräuchlidh,  unb  fommt  nidjt  im  SSörtcrbuch.  ^iegegen 
hält  M.  Deli^fcb,  Slrtift,  9Kcbicincr  unb  3unft  juglci^  (eine 
mirflichc  ©erfon,  ©rofeffor  unb  cinigcmalc  auch  Spector  in  Seip5ig), 
ben  Söibcrpart.  fei  gar  nicht  einerlei,  ob  noster  oor  ober 
nach  Magister  ftehe:  Magister  noster  bezeichne  herfömmlich  einen 


1)  t»en  ^licf  be§  ©roSmuS,  ^uttcn’S  ©(Stiften  n,  6. 442. 


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3nl^alt  unb  g^orm  ber  ^uttfelmännerbriefe. 


169 


Dr.  Theol.,  noster  Magister  aber  fönnc  nac^  Umftänbcn  jcbcr 
aJieiftcr  in  irgenb  einer  freien  ober  unfreien  iJunft  genannt 
»erben ; alfo  fönne  nur  Magister  nostrandus  ba^  SRic^tige  fein. 
2)a§  ein  Serbum  nostrare  nic^t  gebräuc^lid),  ftc^c  bem  nic^t  im 
Söcge,  ba  eä  ja  narf)  $oraj  (Ars  poetica)  geftattet  fei,  neue  SBortc 
^u  bilben.  SBcIc^e  oon  beiben  Slnfic^tcn  nun  bic  richtige  fei, 
bittet  ber  öricffteüer,  möge  Ortuin  entfe^eiben,  unb  itjn  au^  in 
Kenntnis  fe^cn,  »ie  eö  mit  bem  Kriege  ^tt)ifd)en  i^nen  unb  bem 
Dr.  fReuc^lin  ftetje;  benn  er  ^abe  gehört,  bag  biefer  0d}uft  immer 
noc^  nic^t  »iberrufen  looHe.  • $(uc^  baö  artifclmcife  gefc^ricbcnc 
33ud^  ?(molb'ig  Don  Xungern  (gegen  fReud^lin)  möge  er  i^m  noc§ 
einmal  fc^iden,  unb  fein  t)crtrauli(^eö  ©c^reiben  nidjt  übel  nel)men. 
— $ln  biefem  erften  ©riefe  mit  feinem  prandium  magistrale 
l)atte  (Sraömu^,  bem  er  fc^on  oor  bem  ^ruef  abfd)riftlid)  iu* 
gefommen  nrnr,  eine  fold)c  greube  unb  laö  i^n  fo  oft  unter 
greunben  oor,  bag  er  i^n  beinahe  au^toenbig  nnigtc*). 

^)urc^  benfelben  finb  mir  nun  fc^on  oöllig  in  baö  ßeben 
unb  Xreiben,  in  ben  geiftigen  ^orijont  ber  aRcnfd)cn  Oerfe^t, 
mit  »eichen  eö  bic  Epistolae  obsc.  viror.  ju  t^un  b^^ben.  Slcbn» 
liebe  ©eenen,  öl)nlicbc  ©treitfragen eine  immer  fdjolaftifcbcr  aU 
bie  anbere,  »icberbolcn  ficb.  So  b^ttc  Drtuin  einmal  oon  einem 
gemiffen  Magister  noster  ben  ^uöbruef  gebraucht,  er  fei  ein  öUicb 
(membrum)  Oon  ^ebn  Unioerfitöten.  ^ber  ber  febarffinnige  Dr. 
Älorbiuä*)  moebt  ibn  aufmerffam,  »ic  unftattbaft  cö  fei,  oon 
einem  ©liebe  mehrerer  Äorper  511  fpreeben,  ba  loobl  ein  Äörper 
mehrere  ©lieber  haben,  aber  nicht  ein  ©lieb  mehreren  Äörpern 
angchören  fönnc.  genen  Magister  noster  ftatt  cincö  ©liebet 
oielmchr  Körper  oon  jehn  Unioerfitöten  ^u  nennen,  gehe  aber 
auch  nicht  an,  ba  ja  bann  bic  Unioerfitöten  feine  ©lieber,  alfo 
ihm  untergeorbnet,  unb  er  mehr  fein  mü6tc  aU  jehn  Uniocr* 
fitöten:  lüclfhc)^  für  biefe  ocrfleincrlicb,  unb  fclbft  für  einen  Ma- 
gister noster,  bic  ja  bod)  immer  noch  SUienfeben  feien,  ^u  oicl 
»Öre.  9Bad  bleibt  alfo  für  ein  Huöiocg?  2öcr  auf  ^ehn  Unioers 
fitöten  immatriculirt  ift,  entfebeibet  Dr.  Ä'lorbiuö,  loelcbcr  folcbc 
SBcidheit  ^u  ßöioen  gelernt  hat,  ber  fann  fagen:  gd}  bin  ©lieber 


1)  Erasmi  Spongia.  l£>utten’8  6<htift€n  IT,  6.  277, 

2)  Epist.  obsc.  viror.,  II,  13. 


170 


I.  93ud^.  8. 


(membra)  üon  ^cljn  Uniücrfitätcn ; h)obci  bic  Sncon^rucnj^  bc§ 
9?iinuTuö  fo  lücnit;  fc^abct,  al^  mcnn  SBirgil  bcn  einen 
delicias  feineö  ^errn  nennt.  5(ucl)  ©etniffenöföllc  geben  oft 
öbnlidjen  fd)Qrffinnigen  ©törterungen  SSeranlaffung.  igt  einer 
ein  @i,  tnorin  fd)on  ein  Sinigeö  ju  bemerfen;  nad)l)er  befinnt  er 
fid),  ba6  e§  Freitag  ift,  unb  bie  gebrochenen  giften  fallen  ihm 
onf§  ©emiffen.  @in  greunb  tröftet  ihn,  baö  junge  §nt)n(^en,  fo 
lange  e^  nod)  nicht  au^gefd)lüpft,  merbe  nicht  anber^J  betrachtet 
alö  toie  bie  Söünner  im  käfe  ober  in  Äirfd)en,  bie  man  au^h  un* 
gefcheut  jur  gaftenjeit  Oerfdjlucfe.  3(llein  ber  33rieffteIIer  ift 
bamit  nod)  nicht  beruhigt  unbmenbet  fich  um  ?(u^funft  an  Ortuin; 
benn  bie  äöürmer,  l)ot  er  Don  einem  Slr^te  gehört,  ber  ein  guter 
S^aturforfcher  fein  foll,  red)ne  man  ju  bcn  gifchen,  ftc  feien  alfo 
gaftenfpeifen,  bagegen  baö  au^^gcbilbete  |)ühnd)cn  im  @i  mirfs 
lidjciS  ücrboteneö  gleifch‘). 

SGBährcnb  fie  auf  biefe  Söeife  am  9^id)tö  ihren  <Sd)arffinn 
üben,  j\eigcn  fich  unfere  bunfeln  3)2änner  in  allem  bemjenigen, 
moran  fich  ber  geiftige  Jortf^ritt  fnüpfte,  in  Sprachen« 

unb  3lltcrthum)§fenntni6,  auf^^  5lcuhcifte  umoiffenb.  Sie  oer« 
toed)feln  bcn  ©rainmatifcr  2)iomebcö  mit  bem  §omerif^en  gelben. 
Sie  flagen,  bag  9^eud)Iin  (auf  hebräifeh  Capnion  genannt,  toie 
eö  ein  anbermal  oon  ihm  wnb  ein  5lnberer,  9tarnen§  Pro- 
verbia  Erasini  (bej^ieht  fich  auf  bic  oon  ©raörnuö  hcrau^gcgcbencn 
Adagia),  ein  ncuc§  Latein  in  bic  Rheologie  einführen  tooflen. 
Sie  holten  @ried)ifch  unb  ^ebräifeh  für  unnü^;  benn  1)  fei  bie 
^eilige  Schrift  fd^on  genügenb  überfe^t,  unb  2)  bürfc  man  bie 
ungläubigen  Subcu  unb  bic  fchi^matifd)cu  @ricd)en  nid)t  baburch 
ftolj  madjcn,  bag  man  ihi'c  Spradjen  lerne*).  5)ic  gragc  toirb 
aufgemorfen,  ob  cö  jur  cloigcn  Seligfcit  nothmenbig  fei,  bag  bic 
Sd)olaren  bie  ÖJrammatif  au§  mcltlid)cn  ^)id)tcrn,  toie  Sirgil, 
ßiccro,  ^liniuiS,  lernen?  Sie  mirb  ocrncint,  ba  nach  2lriftotelcö 
Metaph.  I.  bie  dichter  oicl  lügen,  unb  tocr  lügt,  ber  fünbigt, 
unb  mer  fein  Stubium  auf  Sügen  grünbet,  ber  grünbet  c§  auf 
Sünben,  maö  aber  auf  Sünben  gegrünbet  ift,  baö  ift  nicht  gut, 
fonbern  toiber  ©ott,  ber  bcn  Sünben  feinb  ift®).  tiefem  Stanb 

1)  Epist.  o.  V.,  II,  26. 

2)  I,  18.  II,  33.  35. 

3)  I.  7. 


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3n^a(i  unb  ^ortn  bet  ShtnlelntSnneibricfe. 


171 


i^rer  0prnd^femitniffc  ftnb  aud^  bie  Söortablcitunf^cit  (^cmöß,  bic 
fic^  in  bcn  Briefen  ber  2)unfctniQnncr  finben.  liDiQüorö,  ber 
Äriegögott,  ift  ber  3JMnncrfrcffcr,  mares  vorans;  SJ^'reuriuö  bet' 
jcnit^c,  qui  mercatores  curat;  Magister  ift  jufammenqcfcjt  ent^ 
toeber  au^  magis  unb  ter,  tt)eil  er  breimnl  met)r  iniffen  muß  aU 
ein  ?lnbcrer,  ober  au«  magis  unb  terreo,  mcit  er  feinen  0c^ülem 
fc^rccflic^  fein  foll  u.  bgl.  m.*). 

2)abei  geben  aber  Ortuin’ö  dorrefponbenten  fo  menig  q(3 
biefer  felbft  ben  5lnfpruc^  auf,  ^oeten  unb  0c^öngeiftcr  ju  fein. 
0ic  miffen  rbeturifd^  unb  poetifc^  ju  fc^rciben,  unb  tt)un  fic^ 
jum  Xl^eil  etmaö  ^u  gut  auf  i^ren  0til.  0ie  fc^iefen  if)rem  Se^rer 
i^re  bic^tcrifc^en  Slu^arbcitungcn  (dictamina)  mit  ber  öittc  ^u, 
fie  ju  üerbeffern  unb  j\u  feanbiren;  benn  itjrcr  0c^mäcbc  auf  ben 
güßen  ftnb  fie  fic^  bemußt.  Snbeffen,  maö  fümmern  fie  bie 
güße?  0inb  fie  bod)  feine  mcltlid)en,  fonbern  t^eologifc^e  ^oeten, 
bie  nur  auf  bcn  0inn,  nic^t  auf  bic  gorm  ju  fcf)cn  f)abcn.  @in 
Änberc^  nämlid)  fei  bie  gute  alte  ^oetcrei,  mcld)c  audö  bic  Ma- 
gistri  nostri  in  ^ariö  unb  Ätöln  gelten  laffen,  ein  Slnberc^  biefe 
neumobifc^c,  mcIC^c  jc^t  üon  ungrabuirten  ©cfellen  nad)  Einleitung 
cined  ®irgil,  ^liniuö  unb  anberer  neuen  Elutoren  aufgebracht 
luerbe.  ®icfe  mcltlichcn  ^octen  machen  fRarrenöpoffen,  möhrenb 
bie  firchlichen  baö  2ob  ber  ^eiligen  fingen;  bic  erfteren  crflörcn 
bic  heibnifchen  ©chriftfteller  bloö  bud)ftäblich,  möhrenb  bie  Ichtcrn 
fogar  auf  bic  Duibifchen  9}Zctamorphofcn  bic  üicrfachc  Eluölegung 
anmenben,  unb  in  ©cmclc  unb  E3acchu^  eine  Elllcgoric  auf  SWaria 
unb  ehriftuö  ju  finben  miffen*). 

33cfonbcrö  Ucrbcvbiid)  mirften  biefe  poetae  seculares,  menn 
mir  ben  Älagcn  unfercr  93ricfftcIIcr  ein  Ch^^  leihen,  auf  bic  Uni= 
öerfitöten.  3jiit  Subcl  mirb  bic  ißertreibung  cinc^  bcrfclben,  beö 
fRhofliuö  Elcfticampianuö,  au^i  ßeip.^ig  erzählt,  unb  bic  Äölner 
ermuntert,  cö  mit  ihrem  ^ermann  33ufch  ebenfo  ju  machen.  M. 
®clihfch,  unfer  33efanntcr  üon  bem  3J2agifterfd)maufc  hev,  h^^»c 
öon  jenem  gefügt,  er  fei  an  ber  Uniuerfitöt  mie  baö  fünfte  iRab 

1)  I,  28.  II,  23.  2ln  biefem  6lücfe  freilich  ^latle  mon  Dort  feiner  ©eite 

Urfod^e,  in  bie  ®ruß  ju  werfen.  Stbmologic  war  nic^t  bie  ftorfe  ©eite 

jener  3«t.  3Kond(|e  SBortobleitunoen  9leu4)Iin’§  geben  ben  oben  angcfü^irten 
Wenig  nad^. 

2)  I,  25.  28.  U,  27. 


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172 


I.  $u(i^.  8. 


am  SGBa^cn  unb  f)iubcre  nur  bic  übrigen  gacultätcn.  Unb  immer 
mehr  fal)  man  biefeö  Unmefen  um  fic^  greifen.  3^^  feiner  3cit, 
feftreibt  ein  alter  9J?agiftcr,  ^abe  cö  nur  (Sinen  ^oeten  gegeben, 
9lamenö  ©amuet  (ben  SSerfaffer  ber  crbaulid^en  fReime:  Disce, 
bone  Clerice  etc);  jc^t  gebe  cö  aÜein  ^ier  (ma^rfc^cinlid^  in 
Scibäig)  bereit  moi}l  ^manjig,  melc^e  ben  SIn()ängem  beö  mitten 
jeben  ©c^abernaef  ant()un.  Unb  mochten  biefe  9Uten  bie  ^oeten 
immer  ba^in  münfe^en,  mo  ber  Pfeffer  mäd)ft:  halb  mußten  fic 
fid^  überzeugen,  felbft  menn  ein  $oet  ba  märe,  mo  ber  Pfeffer 
mäd^ft,  mürbe  er  fommen  unb  fieß  an  it)rer  ©eite  ^abiütiren. 
ÖJing  baö  fo  fort,  fo  fonntc  e^  nid)t  fehlen,  bic  UniOerfitäten, 
unb  in^befonbere  bic  pbilofopßifc^c  gacultät,  mußten  ju  ©runbe 
ge^en.  Sntmer  mc^r  fc^manb  ja  ber  ®Ianz  unb  oeröbeten  bic 
^örföle  ber  Magistri  artium,  bei  meieren  oorbem  bic  Sugenb  fo 
feine  Untcrfrfjcibungen,  fo  fd^arfftnnige  ©inmürfe  unb  Söfungen, 
fo  bünbige  ©c^lüffe  l)atte  maeßen  lernen,  ^ueß  bic  afabcmifc^cn 
@rabe,  bic  fic  zu  crt^cilen  Ratten,  famen  in  3Wißad)tung:  bie 
3ut)örer  ber  ipocten  moUten  bic  fc^olnftif^cn  Stürben  eincö 
iBaccalaureuö,  einc^  SJ^agiftcr,  nid)t  meßr  ermerben.  Äamen  fic 
bann  nad)  §aufe,  unb  bic  ©Itern  fragten,  maö  fic  gemorben 
feien?  fo  mor  bie  Slntmort:  9lid)tö  (mic  bei  .^utten);  bie  @ltern 
bebauerten  i^r  I)inauggcmorfcncö  ®elb  unb  marnten  anbere,  i^re 
©ö^nc  auf  Uniüerfitäten  zu  fd)icfcn^). 

©0  nahmen  benn  bie  iRcibungen  zmifc^cn.  SJiagiftern  unb 
^octen,  unb  nehmen  bie  Scric^tc  oon  folc^en  ©eenen  in  unfern 
©riefen,  fein  @nbe.  ©alb  ftreiten  fic  fi^  bei  einer  (in 
una  zecha)  über  ben  triercr  ^od,  ben  ein  folc^cr  ^octcnfd}ülcr 
ein  laufigeö  altcö  Ä'leib  nennt;  über  bic  Steliquien  ber  ^eiligen 
brei  Könige  zu  Äöln,  uon  benen  berfclbc  greigeift  meint,  baß  fie 
leicht  oon  brei  mcftfölifdjcn  ©auern  ^errüf)rcn  fönnten;  über  bic 
alten  fd^olaftifd)cn  Scßrbüc^cr,  meldjc  bie  ilfeuercr  oerfpotten; 
bann  über  bic  2^agcöfragc:  fRcuc^lin  unb  ^od^ftraten,  meld^cr 
Ic^terc  bei  ben  $oeten  eine  oerflud)tc  ©cftic  l)eißt,  mic  bie  parifer 
Unioerfität  megen  il)rc<g  ©crbammung^urtl)eil§  geqen  ben  klugen» 
fpiegcl  fid)  gefallen  laffen  muß,  i^ren  alten  @l)rcntitcl  aU  mater 
Studiorum  mit  bem  einer  mater  stultitiae  oertaufc^t  zu  fc^cn*). 

1)  I,  17.  26.  n,  46.  58.  ^ 

2)  I,  22. 


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3n^|alt  unb  §orm  ber  3)un!clmannerbncfe.  173 

?(uc^  an  ^^^ätlid^feiten  ^mifc^en  bciben  Parteien,  tnic  fie  in  ein 
^offenfpicl  gehören,  fe^lt  cö  in  unfern  33riefen  nic^t.  2)ie  9leifc 
bed  M.  ©c^iauraff,  bie  er  in  ^Reimen  befdjreibt,  ift  eine  Äette 
non  ©erlögen,  puffen  unb  Dijrfeigen,  bie  er,  Söerber  gegen 
9teuc^Iin,  non  ben  ^oeten  unb  i^ren  '^inbängern  befommt,  unb 
mittelft  beren  er  Don  einer  Uniöerfität  ju  ber  anbern  in  bolb 
2)eutf(blanb  bei^umgeftogen  mirb.  Öefonberö  boö  ©aftbauö  jur 
Ähone  in  ©iainj  ift  bureb  feine  böfe  5!ifcbgefeflfcbaft,  aU  boiS 
Heerlager  ber  Poeten  unb  greigeifter,  ben  $Diagiftern  ein  ÖJräuel. 
3enc  ÜJtenfcben  gingen  mit  ©ebtuertern  unb  2)egen  an  ber  ©eite, 
mürfelten  um  §ocbftraten'ö  Slblag^ettel,  führten  läfterticbe  Sieben 
unb  ließen  einen  ebrfamen  ÜJlagifter  nicht  einmal  für  fein  ®elb 
mit  Slube  effen.  i)a  ging  and)  Ulrid)  Don  Jütten  j^eittueife  ein 
unb  auö;  ein  böcbft  beftialifeber  3)lenfcb,  mie  ein  ©rief  ihn  febilbert, 
ber  einmal  gefagt  b^tte,  menn  bie  ^rebigermönebe  il)m  baö  tbäten, 
mag  fie  bem  Sleucblin  tbun,  fo  moUte  er  ihnen  gebbe  anfagen, 
unb  jebem  Don  ihnen,  ber  in  feine  §änbe  fiele,  Slafe  unb  Obigen 
abfebneiben.  2)er  33riefftetlcr  ift  nur  froh,  baß  §utten  je^t  fort 
ift,  um  2)octor  ju  merben,  unb  feit  einem  3abre  ficb  in  ÜJlainj 
nicht  böt  bliden  laffen;  er  münfebt,  ber  Xeufel  holte  il)n*). 

dergleichen  ©treitunterrebungen  finb  eg  benn  auch,  mittelft 
beren  in  unferc  Briefe  ber  birecte  ernfte  5^abel  beg  Unmefeng, 
bem  bie  örieffteller  fonft  bag  Sßort  reben,  einbringen  fann.  ®ie 
guten  ßeute  berichten  einanber  treuherzig,  mag  fie  ba  unb  bort 
für  berbe  Söabrbciten  anbören  müffen.  Hm  faiferlicben 

$oflager  ju  3nngbrud  hört  M.  SBill).  ßamp  auf  ber  5)urcbreife 
laute  iöef^merben  über  bag  ßurtifanenmefen  unb  bag  SBanbern 
beg  beutfeben  ©elbeg  nach  Slom;  bei  einem  ©aftmabl  in  Sßormg 
ein  anberer  febarfe  Sieben  gegen  bie  ^öufung  ber  ^frünben,  bag 
SBobKeben  unb  bie  anftößigen  ©itten  ber  böb^^i*^'  ©eiftlicbfeit. 
®in  mür^burger  SJlagifter  flagt  über  ben  ^rebiger  an  ber  ^aupt« 
firebe  bafelbft,  3obann  Slepß,  ber  in  Hllem  einen  eigenen  2öcg 
gebe,  feiner  ©cbule  alg  ber  ©cbule  ©bnfti  angebören  moUe,  Oon 
ben  SJlöncbggelübben  unb  i^utten  menig  holte,  ba  @ott  nicht  auf 
bie  Kleiber  fehe.  Huch  im  ^rebigen  höbe  er  feine  befonbere  Hrt: 
er  biete  gar  leine  Äunft,  feinen  ©chorffinn  mit  S^ogen,  ®inmtirfen 


1)  I,  11.  II,  9.  12.  56. 


174 


I.  I9ud^.  8. 


unb  0c^lugfolgcrungcn  auf,  fonbern  gel^c  ganj  einfad^  ju  SBcrfc, 
unb  — fonbcrbar!  bic  Scute  ^örcn  boc^  gerne,  öefon? 
berd  Oebenflic^e  ^leußerungen  ^abe  er  fic^  über  ben  Slblaß  erlaubt. 
2)em  iöruber  :5afob,  ber  auf  ber  Äonjel  gefagt  ^abe,  lua^  in  ben 
^Iblaßbriefen  ftebc  fei  fo  lua^r  tuie  ba^  ©üangelium,  unb  mer 
biefelben  empfange  fei  fo  uoUftänbig  abfoloirt,  alö  l)ättc  S^riftug 
fclbft  if)n  oon  feinen  <Sünben  loögejä^lt,  b^bc  8flel)6  öffentlidb 
mit  ben  S53orten  miberfproeben:  „iJticlitö  ift  mit  bem  @üangelium 
ju  oerglcid}cn,  unb  loer  rec^t  b^nbelt,  mirb  felig.  SBenn  einer 
l)unbertmal  jenen  ^Iblag  empfängt  unb  nid)t  gut  lebt,  fo  mirb 
er  üerbammt,  unb  ber  ^blag  nic^tg.  dagegen,  toenn 

einer  recbtfd)affen  lebt,  ober,  fall^  er  gefünbigt,  öufee  t^ut  unb 
fidb  beffert,  ficbe  bem  oerfünbige  icb,  bag  er  ein  33ürgcr  beS 
^immelreidjö  fein  mirb,  ogne  anbere  ^ülfiSmittel  nötbig  ju 
haben  *)•" 

3ft  bicr  noch  uor  ßutber’^  Slblagftreite  ber  loefentlidie  3nbalt 
feiner  Xbefen  unb  0treitfcbriften  auögefprodjcn,  fo  5eigt  eine 
anbere  ©teile  ooUenbö  beutlid),  mie  meit  i()m  oorgearbeitet  mar. 
3n  granlfurt  a.  b.  D.  mug  ficb  M.  Äiingefor  oon  einem,  „ber 
ibm  immer  S53iberpart  Sßeiffagung  8^P?)ön.  I,  12:  Qu. 

berfelbigen  Qcit  miß  idj  3erufalem  mit  Saternen  burebfueben,  unb 
mill  l)cimfud)en  bie  £eute,  bie  auf  ibven  ^efen  liegen  u.  f.  f.,  fo 
au^legen  laffen:  ,,3d)  mill  3erufalem  burd)fud;cn'',  fpriebt  ber 
^err,  b.  b-  id)  mill  meine  iiircbe  unterfueben,  um  fie  ju  refor« 
miren  unb  bie  3rrtl)ümer  ju  entfernen,  bie  ficb  in  biejelbe  ein^ 
gefcblicbcn  b^ben;  unb  boö  miß  icb  tbun  „mit  fiaternen'',  b.  b- 
burd)  gelehrte  2}iänner,  bergleicben  in  Xcutfd)lanb  ©raömuö  oon 
9totterbam,  3ob(tuu  fßeucblin,  Ü)^utianu^  9tufu§  u.  finb;  „unb 
miß  beimfueben  bie  SWänner",  b.  b-  Xbeologen,  „bie  liegen'", 
b.  b-  b^^i^l^öcfig  beharren,  „auf  ihren  |H:fen",  b.  b-  ^uf  einer 
febmubigen,  pnftern  unb  miberfinuigen  Xbcologie,  meld)e  fie  feit 
einigen  bunbert  3ab^<^*^  aufgebracht  hoben,  mit  Slbmeicbung  oon 
jenen  alten  unb  gelehrten  Xbeologen,  bie  im  mabren  Siebte  ber 
©ebrift  geuxiubclt  batten;  mäbrenb  fie  fclbft  meber  Satein,  noch 
(i^riecbifcb  ober  ^ebroifd)  oerfteben,  um  bic  ©cbrift  au^lcgcn  ju 
lönnen.  fßaebbem  fie  alfo  jene  ächte  unb  urfprünglicbc  Xbeologie 


1)  II,  43. 


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3n^alt  unb  ^orm  bcr  5)unfeImflnneTbriefe.  176 

üerlaffcn  ^obcit,  t^un  fic  nichts  tueitcr,  aU  bag  fie  biöputiren 
unb  argumentircn  unb  uunü^c  5raflcn  oufiüerfcn.  S)aruin  luirb 
fic  bcr  $err  „l)cimfuc^cn''  unb  anberc  ^)üctorcn  fcnbcn,  tucldje 
jene  ©prad)cn  ücrftc^cn,  unb  nad)  Söegväumung  bcr  ,,§cfcn" 
b.  I).  jener  aOßcfdjinadten  ©pi^finbigteiten  einer  falfc^cn  Xf)cos 
logie,  i^re  „Saternen''  bringen,  b.  l).  unö  bie  <Sd;rift  bclcud)tcn 
unb  bie  alte,  maljrc  Xl)cologie  wiebcrt)crftcUcn ; tuic  für^lid)  ber 
genannte  (Sraömuö  bie  Sdjriften  bcö  ^ieronpmuö  uerbeffert  i)cu 
auögegcben  ^at.  5lud)  ben  Xcit  bcö  dienen  STeftainentö  l)at  er 
uerbeffert,  unb  l)altc  id)  für  nüblic^er,  fagt  unfer  0d^rift* 
aui^lcger,  aU  lucnn  20000  Geotiften  unb  2;t)omiften  100  3al)te 
lang  über  Ens  unb  Essentia  biöputiren  mürben  0- 

^od)  bcrglcid)cn  ©trafprebigten  ober  anbere  Unfälle  ncl)men 
unfre  2)unfelmänner  nic^t  alläufd)mcr.  @ffcn  unb  Xrinfen  fd)medt 
il)ncn  boc§,  Deo  gratias,  nid^t  minber  <©d)laf  unb  — 2icbe^= 
freuben.  ®ie  c()elid)en  jmar  finb  ihnen,  fomcit  fie  bem  geiftlidjcn 
©tanb  angehören,  burd^  ihr  öielübbc  unterfagt,  unb  bie  auger^ 
ehelichen  gelten  für  fünbhaft;  baö  erfennen  fie  an:  buch  miffen 
fic  fiel)  äu  halfen,  fogar  an  bcr  §anb  bcr  Schrift,  ©age  beim 
nicht  bcr  ^vebiger  ©aloino  i^ap.  XI,  SS.  9:  greuc  bich,  Jüngling, 
beiner  Swgenb?  unb  III,  12,  eö  fei  nichts  53cffcre-5,  alö  bag  ber 
9Kcnfch  fid)  freue  in  feinem  SBerfc?  unb  IV,  11,  menn  3^cie 
bcicinanbcriiegcn,  merbc  ihnen  marm,  @incr  für  fid)  aber  fönne 
nicht  marm  merben?  ©o  fei  ber  255anbcl  ©imfon’fS  jur  Mila 
unb  ©alomo'ö  Äebömeiber  ohne  betannt,  unb  bod)  fei  über 
ben  erftern  nad)inaU  bcr  heilige  ©eift  gefoinmen,  unb  bcr  Icpterc 
fei,  nad)  bcr  gemeinen  Sinnahme  bcr  3)octoren,  felig  gemorben: 
mithin  fönne  jene  ©ünbe  nicht  fo  groü  fein.  „3ch  bin  nid)t 
ftärfer  ai^  ©imfon'',  fchrcibt  M.  Sonrab  oon  ber  oor- 

äug^rocifc  crotifd)c  SSricfftcIlcr  bcö  erften  3!heilö,  „unb  bin  nicht 
meifer  alö  ©alomo  (eine  SSenbung  bcö  Slcneai^  ©pluiu^,  nach=* 
maligen  ^apftö  ^iuö  II.):  folglich  mug  man  bigmcilcn  eine  greube 
haben,  benn  baö,  fagen  bie  Slcrjte,  ift  gut  gegen  bie  2)iclancholie. 
Nachher  beichten  mir  bann,  unb  ©ott  ift  barmherzig,  unb  mir 
bürfen  auf  ©nabe  h'^ffen*  Sft  man  hoch  fein  ©ngcl,  fonbcni 
ein  aWenfeh,  unb  jeber  SJJcnfd)  irrt.  3a,  o>enn  ©ott  bie  £icbc 


1)  n,  60. 


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176 


I.  $u(^.  8.  Papltel. 


ift,  fo  fami  bie  ßicbc  ni^t§  ©d)Iimmc3  fein:  tpibcrleget  mir 
biefen  ^emciö",  fc^t  ber  ücrliebte  SJiogifter  fclbftjufriebcn  *). 
2J?an  wenn  überhaupt  bei  biefer  glücflid^cn  3J^enjc^cnart 
bic  ©rünbe  mol)lfeil  finb,  fo  finb  fic  eö  befonber^,  roo  e§  gilt, 
Ucbcrtretuiigcn  beg  fed^öten  ©ebotcö  befd^önigen.  ^£)a^er  laufen 
anftögige  Slnefboten  burc^  ba§  ganje  S3ud^ : mie  ein  Dominicaner 
gcnötl)igt  mirb,  naeft  auö  bem  genfter  feiner  ©eliebten  ju  fpringen; 
mie  bie  ^rebigermönc^e  in  ©tragburg  SSeiber  in  i^re 
nehmen  unb  alö  3)iönc^e  oerfleibet  5um  ©infaufen  auf  ben  ÜKarlt 
fc^iefen ; mie  ein  äJiagifter  oon  Drtuin  einen  fiiebe^auber  Oerlangt, 
unb  biefer  il)m  ftatt  beffen  aU  ©egenmittel  gegen  fleifc^lic^e 
fec^tungen  ^^reujfc^lagen,  SBei^maffer  unb  gemei^teö  ©alj  anrätg, 
baneben  übrigen^  ganj  nac^  ber  Sorfi^rift  ber  Doibifdjen  Reme- 
dia  il)n  baburd^  ^u  curiren  fud^t,  bag  er  ign  — freilich  in  fegr 
efelgafter  SBeife  — auf  bie  förperli^en  SJiängel  feiner  ©eliebten 
aufmerffam  ma^t^). 

Dabei  gehört  ein  intimeg  SSergöltnig  Drtuin'g  felbft  ju  ber 
grau  feineg  jubencgriftlicgen  ©unbeggenoffen,  jener  bellula  mulier, 
mie  fReud^lin  fie  genannt  gatte,  ^u  ben  ©runbooraugfejungen 
beg  33ucgeg.  ^fefferforn,  meint  ein  örieffteller,  follte  in  biefem 
gaHe  gar  niegt  eiferfücgtig  fein,  naeg  bem  ©pruege,  bag  jmifegen 
‘greunben  SlUeg  gemein  fein  müffe.  Daoon  moUen  jmar  einige 
bie  SBeiber  auggenommen  miffen:  aöein  eg  fomme  ginju,  bag 
Drtuin  feine  grau  gäbe,  unb  benen,  bie  nidgt  gaben,  foHen  mir 
mittgeilen  ^).  ©in  paar  mormfer  Suben,  bie  übel  oon  ^fefferfont 
reben,  miberlegt  ein  SJfagifter  unter  anberm  babureg,  menn  ber 
SJiann  fein  guter  ©grift  märe,  fo  mürben  ign  bie  Dgeologen  unb 
S3ürgermeiftcr  oon  Äöln  niegt  5U  igrem  ©pitalpfleger  unb  ©alj* 
meffer  gemaegt  gaben.  3^®^^  ^>öfe  ßiingen,  biefe  ©unft 

ber  Herren  oerbanfe  er  feiner  gübfegen  grau.  Äber  bag  fei  niegt 
magr,  benn  1)  gaben  bie  fölner  ^ürgemieifter  felbft  fegöne 
grauen,  unb  bie  Magistri  nostri  fragen  befanntlicg  ben  SBeibem 
niegt  naeg;  2)  aber  fei  grau  ^feffertorn  ein  fo  gonetteg  grauen* 
jimmer  alg  eineg  in  Äöln,  unb  ber  33rieffteHer  gäbe  fie  oft  fagen 
gören,  fie  gobe  oft  igre  3J?utter  fagen  gören,  bag  befegnittene 

1)  I,  9. 

2)  I,  4.  33.  47. 

3)  II,  39. 


Sln^Qlt  unb  5orm  bet  5)untclm5nnerbrtefe. 


177 


SD^önner  faciunt  feiiiinis  majorem  voluptatem  alö  nid^tbefd^nittcne, 
uiib  barum  ^cbenfe  fie  auf  bcn  Xobcöfaü  if)rcö  äJianne^  luicber 
einen  befc^nittenen  nehmen ; bcinnad)  fei  nid)t  ^u  glauben,  bag 
fie  ficb  mit  53ürgevmeiftern  einlaffen  merbe,  bie  ja  nid)t  in  biefe 
Älaffe  gehören ‘).  ift  ein  beigenber  ©pott  gegen  baö 
ftifd)c  SBefen,  menn  bergicidjen  unfaubere  ^inge  gan^  in  ben . 
formen  ber  (Schule  mit  Pro  unb  Contra  erörtert  merben.  ©o 
bie  5rage,  menn  ein  3ube  ßt)rift  merbc,  ob  bann  renascitur 
sibi  praeputium  ober  nic^t?  unb  menn  nic^t,  ob  bann  nid)t  am 
jüngften  Xagc  Srrungen  ^u  befürchten  feien?  ferner,  ob  Pfeffer* 
forn  in  ber  @igenfd)aft  alö  immer  noch  heimlicher  3ube,  ober 
nur  al#  gemefener  SDichger,  fo  übel  rieche?*)  ^iefe  ?lrt  be^ 
0chcrjcö  inbeg  mar  bcn  öerfaffern  ber  Epistolae  obscurorum  v. 
burd)  einen  öffentlichen  Gebrauch  ber  ßeit  an  bie  $anb  gegeben. 
3)en  5)iöputationen  an  ben  Unioerfitäten,  befonberö  bcn  foge* 
nannten  Quoblibetö,  pflegten  fich  fchon  feit  bem  15.  3ahrhi*ttbert, 
mittclft  ber  Unterfcheibung  oon  quaestiones  principales  unb  minus 
principales,  fomifche  9iad)fpiele  an^uhängen,  mo  in  ben  herge^ 
brachten  0chulformcn  niebrige,  am  liebften  fehlüpfrige  (55egenftänbe 
abgehanbelt  mürben.  finb  unö  oerfchicbene  ©tücfe  biefer  3lrt 
erhalten®),  auö  benen  mir  unfcre  ©riefe  theiU  beffer  oerftehen, 
tl)eilö  aber  auch  h^hcr  fchäpen  lernen;  beim  bei  aller  ©ermanbts 
fd^aft  übertreffen  fie  (in  ihren  ächten  Ä'unft  unb 

Reinheit,  felbft  im  ©chmuhigen,  jene  3)?uftcr  meit. 

^)urch  alle  biefe  0pä6e  unb  mol)l  aud)  Unjiemlichfeiten 
übrigen^  gel)t  mie  ber  rothe  gaben  bie  9fleuchlin’fchc  Angelegenheit 
hinburd);  momit  eineötheilö  für  ben  poffenhaften  ©orbergrunb 
ein  bunfler,  ernfter  .^intergrunb,  onberntheilö  für  bie  lofe  gönn 
einer  ©rieffammlung  ba^  ©anb  einer  gabcl  gemonnen,  baö  ölan^e 
bem  fRoman  nahe  gerüeft  mirb.  ©d)on  im  erften  ©riefe  beö 
erften  I HJirb  gefragt,  mie  eö  mit  ber  gehbe  jmifchen  fReuchlin 
unb  ben  Ä'öinern  ftehc?  unb  ber  Icpte  ©rief  beö  Anhemgö  üom 
jmeiten  Xh^ilc  mirft  bem  Drtuin  unb  feinem  Helfershelfer  nuns 

1)  I,  36. 

2)  I,  37.  II,  26. 

3)  6in  erfurter  OuobUbrt,  De  generibus  ebriosorum,  onflcblid^  ouS 
bem  So^te  1515,  mit  Seifen  u.  o.  oon  (Sobon  eingeleitet;  ein  h«belbergi|d^eg 
De  fide  meretricum  u.  bgl.  m. 

VIL 


12 


178 


T.  8.  J(la|)itcl. 


mcl)r  offen  bie  ©rf)led^ti(\tcitcn  Oor,  bic  fic  an  bcm  red)tfd)affcncn 
imb  gcief)rten  9leud)liii  ocrübt  t)abcn.  bcibcn  @nbs 

punttcn  aber  finb  nur  wenige  iöriefe,  in  toeid^cn  bicfcö  Xl)cina 
nic^t  5ur  ©pradje  !ämc.  ®alb  üon  Einfang  toirb  §od)ftratcn’^ 
alö  in  iRom  bcfinblic^  @nuät)nunß  ßctl)an,  nnb  fofort  ift  cö  ber 
. fc^ttjanfenbe  @anc^  bc^  9?cc^töf)anbcU  jtoifdjcn  i^m  unb  Sicuc^lin, 
ber  SSec^fcl  5U)ifc^cn  J^urdjt  unb  Hoffnung,  toic  mir  il)n  quö 
§uttcn’ö,  9Rutinn’^  u.  a.  Isö riefen  fennen,  ber  fic^  in  benen  ber 
^unfclmänncr  oon  ber  Äct)rfcite  abfpicßcU.  Söalb  enipfaiiflen 
ober  crtbcilen  fic  c^utc  3<^itin^n  aus  9?om:  §oc^ftratcn  ^atS33cd)fcl 
erhalten,  ben  ßarbinälen  unb  5lubitoren  ein  fettet  ^aftnial)! 
geben:  ba  finb  fie  OoH  Hoffnung  auf  einen  für  fic  günftigen  ^uö^ 
gang  bcr(Sad)c;  ^umal  menn  gleic^^^eitig  oerlautct,  baß  iReud^lin’ö 
9Rittcl  burc^  bic  ^rocejifoften  gän^lic^  erf^öpft  feien.  @in  a\u 
bcrmal  aber  Ijcigt  cö,  ber  $apft  moUc  bie  fpeicrfd^c  ©enten^  bc* 
ftätigen  unb  ben  2)rucf  be^  ?(ugcnfpiegeU  in  IRom  geftatten; 
ßeo  bcm  X.  trauen  fic  überhaupt  nid)t,  mcil  er  fclbft  ein  $oet 
fei  unb  ben  h-  2^homa§  Contra  gentiles  nicht  ücrftct)c ; nun  gcl)t 
auch  bem  §od)ftraten  baö  (5Jclb  auö,  ein  befuchenber  äRagiftcr 
ficht  feine  Äuttc  liegen  unb  finbet  fic  OoUcr  Saufe,  maö  ben 
guten  2Rcnfchcn  biö  511  STh^Önen  rührt.  ®er  erfte  ^h^d  ber 
Briefe  enbigte  urfprünglid)  mit  bcm  Gerüchte,  baS  jeboch  ber 
®riefftcUer  unglaublich  finbet,  baß  lRcud;lin  obgefiegt  höbe;  in 
ber  Oermehrten  5luögabc  ift  ein  örief,  angeblidj  oon  ^odhftratcn 
felbft,  auö  9ftom,  hinäugefommen,  in  meldjcm  er  gcftcht,  er  tooUte, 
er  höttc  ben  §anbcl  nid)t  angefangen,  benn  cö  ftcl)c  fd)led)t,  er 
habe  oft  nicht  ba§  liebe  33rob,  unb  menn  er  mit  $ctcr  SReper 
oon  gi^anffurt  auf  bcm  Campo  Fiore  fpasicren  gehe,  fo  fpotten 
bie  (Surtifanen:  ba  gehen  bic  3^Jei,  bie  ben  9tcud}lin  freffen 
toollcn^).  ©egen  ben  0d)lu6  bc^5  ^meiten  Xh'-'d^  fepmebt  i\toar 
ber  |)anbel  in  9^om  noch  immer,  bod)  ift  befannt,  baß  bic  9Rchr= 
heit  ber  nicbcrgcfcptcn  (^ommiffion  für  9^eud)Iin  ift,  unb  bicSluf* 
merffamfeit  unb  Hoffnung  toenbet  fid)  ber  großen  9teuchliniftcn*= 
ocrfd)mörung  j^u,  mclchc  fid)  mittlcnocilc  in  ^cutfdjlanb  gebilbet 
unb  bic  ©ad)c  3ftcuchlin')g  unb  ber  ©eiftcöfrcihcit  oor  bcm  Richters 
ftuhtc  ber  öffentlichen  SJWnung  burdhjufcchten  fid)  oorgefefet  höt*)- 


1)  I,  48.  2)  II,  53.  66.  69. 


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Sleud^Iin  in  ben  Briefen  ber  5)unfelmamtcr.  179 

9^iad)bem  fo  oft  Oon -Slcuc^lin  bic  SRcbc  gemefen,  bag  man 
gefponnt  fein  mug,  iljn  felbft  Quftreten  ju  fc^en,  eröffnet  enblid) 
ein  53rief  bcö  jlociten  Xl)cüö  ben  (Sinblicf  in  ba*^  ©tubirjimmer 
beö  et)rn?ürbigen,  nunmehr  61jät)rigen  iDianneö.  „2öic  ic^  in 
fein  $nu^  tarn",  er^ä^lt  ein  iöaccalaureuö,  „ba  fagte  er  ju 
mir:  SßiUfomnien , $crr  SBaccatanreuö,  fepet  @ud).  Unb  er 
^at  einen  ^rid  (unum  brillum)  auf  feiner  9^afc  unb  ein  öue^ 
uor  fic^,  ba^  mar  feltfam  gefd)riebcn,  unb  idj  fal)  gleich,  baff  eg 
meber  bcutfd),  nod)  bö^mifd),  auc^  nic^t  lateinifc^  gefc^rieben  mar. 
Unb  ic^  fagte  ju  it)m : SSortreffUc^cr  ^err  ^octor,  mie  nennt 
man  fott)aneg  53uc^?  @r  antmortete:  cg  nenne  fid)  ber  griec^ifd^e 
^lutard)ug  unb  b^nble  oon  ber  ^^?t)ilofopbi^-  fogte  ic^:  ©o 
lefet  eg  in  (^otteg  fJtamcn!  unb  ba^er  glaube  id),  bag  er  mun* 
bcrfanie  fünfte  ücrftc^t.  2)ann  fal)  ic^  ein  fleineg  23ud),  ncugc= 
brudt,  unter  ber  iöanf  liegen,  unb  fagte  §u  i^m:  SSortrcfflic^cr 
§err  ®octor,  mag  liegt  benn  ba?  @r  antmortete:  @g  ift  ein  an^ 
ftögigcg  93uc^,  bag  mir  fürjlid)  ein  greunb  aug  ilöln  gefc^idt 
l)at,  eg  ift  gegen  mid)  gefd^rieben,  unb  bic  fölner  ^b^^ologen  Ija^ 
ben  eg  uerfafft,  unb  fagen  nun,  3of)ann  ^feffertom  l)abc  folc^cg 
®uc^  gcmad)t.  ^a  fagte  ic^:  Söag  tt)ut  3l)i' bagegen?  moUet  3^r 
@uc^  nic^t  rcd)tfertigcn ? Slntmortct  er:  9Uc^tg  meniger;  ic^  bin 
fc^on  btnlönglid)  gcred)tfcrtigt,  id)  fümmere  miep  nid)tg  mehr  um 
biefe  Xl)orl)citcn,  meine  klugen  rcidjcn  faum  noc^  ^in,  bag  ju 
ftubiren,  mag  mir  nüfelid)  ift.  ^:ag  S3ü^lcin  aber  mar  betitelt : 
Defeusio  Jo.  Pfefferkorn  contra  famosas." ') 

§aben  mir  ung  big  baber  reblidb  bemübt,  Oon  wnb 

Snbalt,  gönn  unb  Anlage  ber  3)unfelmännerbriefe  bem  ßefer 
eine  SorftcElung  i^u  geben:  fo  fönnen  mir  ung  i^um  ©ebluffe  bag 
nicbcrfcblagcnbc  Sefenntnig  nid)t  erfparen,  bag  mirctmag  unternom* 
men  hoben,  bag  ficb  eigentlid)  niegt  leiften  logt,  ©offen  mir  mit 
@inem  2Bortc  ben  fßunft  biefer  Unmöglidjteit  bejcidjnen,  fo  liegt 
er  in  ber  ©praege  unferer  löriefe.  5)a  eg  bie  2)unfclmänner  beg 
beginnenben  fccgjebntcn  3abrbnubcrtg  felbft  finb,  mclcge  fieg  borin 
augfpred)cn,  fo  tgun  fie  cg  in  igrer  ©praege,  b.  g.  in  einem  ßa^ 
tein  (menn  eg  noeg  fo  genannt  merben  fonn),  mic  eg  fieg  im 
ßaufe  beg  ÜlUttelalterg  aug  ber  SJUfegung  fircglicger  unb  lanbeg^ 


1)  II,  34.  58on  ber  ^fefferforn’jc^cn  Defensio  balb  mehr. 


V 

180  I.  8.  i^aptiel. 

fpra^Iic^cr  S3cftanbt()ci(e  mit  bem  urfprüncjlic^en  ©runbftodc  gc* 
bitbet  l)attc.  2)icfc  0prad)e  ift  baburc^  fomifc^,  bag  fie  jmat  auf 
jcbcm  ©d)rittc  mit  bcn  ©cfc^cn  bcr  claffifd)en  ßatiuitöt  im  SBi^ 
bcrfprud),  ober  tro^bem  ctmaö  für  fii^,  eine  ©proc^c  ift,  ber  man 
t)cutc  nod)  anmerft,  bag  fic,  menn  and)  in  unfern  33riefen 
fomifd)  ibealifirt,  b.  übertrieben,  bod)  it)rer  ÖJrunbanlage  naci^ 
flelebt  ^at  unb  mirflic^  gcfprod)cn  morben  ift;  mie  bie  ©rief® 
ftcUcr  itjrcrfcitö,  trop  beö  flrcllcn  SBiberfpruc^ö,  morin  it)r  ^reU 
bcn  mit  35ernunft  unb  ^^ilbung  ftct)t,  bod)  fo  einig  mit  fic^,  fo 
üergnügt  in  fid)  unb  unter  fid)  fiub,  alö  nur  je  ein  galftaff, 
ober  fonft  ein  äd)t  tomifd)eö  Subject  gemefen  ift.  Slber  biefer 
fomifc^c  Stjarafter  ift  an  baö  ßateinifc^e  gebunben.  @r  ge^t  in 
jeber  Ucberfc^ung  uerloren.  2)iefe  Slrt  non  läc^erlid)er  93erberbs 
ni§  ^at  eben  nur  baö  Sateinifdje  in  feinem  ^urc^gangc  burd^ 
baiJ  üJ^ittelalter  unb  bie  anberörebenben  9tationa[itöten  erlitten. 
Ä^cine  5trt,  roie  ber  Ucberfc^cr  ba^  2)eutfd)e  ober  fonft  eine  ©prad^c 
^anb^aben  möchte,  fann  bcn  ©inbruef  bc(3  DriginaliS  micbergeben. 

§lm  et)eftcn  gel)t  e^  nod)  an  folc^en  0tcUcn,  mo  bas^ 
mifc^c  be^  HuöbrudiS  meniger  in  bem  grammatifc^cn  aU  in  bem 
togifc^en  unb  rt)etorifc^en  iöaue  liegt,  mie  5.  in  folgenbcm 
©ingange  bcö  Öriefö  üon  Sföillj.  ©c^erfc^leiferiuö  auö  granffurt. 

munbre  mic^  fc^t",  fc^reibt  er  an  Drtuin,  „marum  Stjr 
mir  nid)t  fc^rcibet,  unb  3l)r  fd)reibet  bod)  an  anbre,  bie  ©uc^ 
nid)t  fo  oft  fc^reiben,  alö  ic^  ©uc^  jc^reibe.  SBenn  3l}r  mein 
geinb  feib,  bag  3^r  mir  nid)t  fct)reibet,  fo  fdjrcibet  mir  boc^, 
marum  3^r  mir  nic^t  mel)r  fd)reiben  moUt,  bamit  id)  meiß,  marum 
31)^^  nic^t  fc^reibet,  ba  ic^  ©uc^  bod^  immer  fc^reibe,  mie  ic^  @ud) 
auc^  je^t  fc^reibe,  unerac^tet  i^  meiß,  bag  3l)t  mir  nic^t  mieber 
fc^reiben  merbet"  u.  f.  p).  Ober  menn  bie  liebe  Unmiffenl)cit  fo 
naio  fic^  oorträgt,  mie  in  bcin  33rief  cinecJ  monnfer  2)iagifterö 
an  Ortuin  auö  9tom:  „3l)t  ^abt  mir  (beim  5lbfc^iebc)  gefagt: 
$eter,  menn  3l)i^  nnc^  S^om  !ommt,  fc^et  ju,  ob  eö  neue  Süc^cr 
gibt,  unb  fc^iefet  mir  etliche.  @c^auet  nun,  ba  ^abt  3l)r  ein 
ncue^  iöud),  baö  ^icr  gebrueft  ift,  unb  meil  3^t  ein  $oet  feib, 
glaube  ic^,  ba§  3l)t  oiel  S^ujen  barauö  jie^cn  fönnet.  ®enn  ic^ 
l)abe  Ijier  in  ber  ^ubienj  oon  einem  9totariuö  gehört,  ber  perfect 


1)  I,  15. 


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groben  qu8  ben  5)unfclniömierbrtefcn. 


181 


fein  füll  in  biefer  ^imft,  fotljonc^  ©urft  fei  ber  Duellbrunn  ber 
^oeterei,  unb  fein  SSerfaffer,  mit  9>tamcn  §omeru§,  fei  ber  Sßatcr 
oller  ^octen.  Unb  er  ^ot  gefogt,  e§  gebe  nod)  einen  anbern 
§omeru^,  auf  (Mriec^ifd).  2)a  fogte  ic^:  moä  gcl)t  mid)  boö 
®ried)ifc^c  an?  ber  lateinifdic  ba  ift  beffer,  benn  ic^  mill  i^n  naci^ 
2)cutfd)lanb  fd^tden  an  M,  Drtuinuö,  ber  fragt  nid)tö  nad^  bie« 
fen  gried)ifd)cn  ^^antafeien.  Unb  idt)  fragte  il)ti : luaö  ift  in  bem 
33uc^  begriffen?  ?(ntmortct  er,  eö  ^anble  Uon  gemiffen  ßcuten, 
bie  ©ried^en  l)ie6cn,  bie  ^aben  Äricg  gcfüljrt  mit  anbern,  bic  fid) 
Xrojaner  nannten,  bic  ic^  ouc^  fc^on  uorbem  ^abe  nennen  l)ören. 
Unb  biefc  Xrojaner  Rotten  eine  große  ©tobt,  unb  jene  (5Jricd)cn 
legten  fieß  uor  bic  Stabt  unb  lagen  aUba  moßl  10  Soßre;  ba 
famen  bic  Xrojancr  biömcilcn  ju  ißnen  ßcrauö  unb  fdilugcn  fieß 
ßanbgreiflicß  mit  ißnen,  unb  mürgten  fieß  gar  fcltfam  untereiiis 
anber,  alfo  baß  bic  gan^e  @bcne  blutig  mar;  unb  c^  mar  ein 
SBaffer  ba,  bag  mürbe  üon  bem  3Uute  gefärbt  unb  ganj  rotl); 
unb^bag  (^efeßrei  ßot  man  im  ^immel  geßört,  unb  einer  ßat 
einen  Stein  gemorfen,  ben  12  SD^tänncr  nid)t  ergeben  tonnten, 
unb  ein  ..^ferb  ßat  angefongen  ju  reben  unb  ßat  gcmciffagt. 
9lber  icß  glaube  fplc^cö  nießt,  mcil  cö  mir  unmöglid)  oorfommt, 
aueß  feßeint  mir  ba^  S3ucß  nießt  feßr  autßentifcß;  bitte,  fdjreibct 
mir,  mag  3ßr  baoon  ßaltet."*) 

So  fann  man  moßl  aud)  oon  ben  latcinifcßcn  Werfen  nuferer 
3J?agiftcr  bureß  Ueberfeßung  bem  beutfeßen  Sefer  eine  öorftcHung 
«f^u  geben  fueßen,  33.  menn  Sorncliug  jcnftcrmacßcr  feine  Äla^ 
gen  über  bic  main/^cr  Äronengäftc  in  fReimc  faßt: 

3u  ^Qtn)  im  gemeinen  ®afl^au§  3ur  jhroiie, 

2Bo  i(^  mnlxä)  jd|Iief  in  eigner  ^erfone, 

^0  ftnb  jmei  unnerje^amie  Spo^mac^er, 

®ie  ll»ielen  gegen  unjre  Wogifler  bie  ßoe^er, 

^rftetien  nic^t  fbrmlict)  in  Schulen  ju  biSputiren, 

» 91o(!^  ou§  einem  Sc^lu^iaQ  Diele  @oroIIarien  ju  formiren, 

2Bic  ber  Doctor  subtilis  grUnblic^ 

(2Ber  i^|n  Derat^tet,  ifl  je^r  Derfelirt)  . . . 

53on  bem  allem  Derlle^en  nichts  bie  Poeten, 

Saturn  füliren  fie  jo  ungetonjt^ene  Sieben, 


1)  II,  44. 


182 


1.  $u(^.  8.  Kapitel, 


3öic  jene  jWfi  frechen  ^offenrei^cr, 

Die  unfre  üRagifler  9iarren  ^eifeen, 

?lber  unfer  SJiogiper  öon  igjocbftroten  mu§  fte  citiren, 

Dann  wirb  c§  i^nm  öerge^en,  erleuchtete  5Känner  ju  oejiien*). 

^od)  auc^  ()ier  öon  ben  cinjclnen  geint)citcn  bcö  SJligau^ 
bru(f0  abgefcljcn,  bic  JJorm  beö  tDÜben  ^^nittclreimö  mit  ber 
©iflcntbümlic^tcit  ber  bcutfc^cn  0prac^e  lange  nic^t  in  bem  fomU 
fc^en  SSiberftreite,  mie  mit  ber  e^atten  SJietrif  ber  (atcinifc^en; 
ber  gortfe^ritt  ber  S^erberbnig,  tt)ie  auö  bem  §ejameter  burc^ 
SScrmittlung  erft  beö  2eoninifd)en  SSerfeö  bann  beö  Söergeffen^ 
ber  Duantitöt,  ber  barbarifd)e  Änittelüerig  gemorben,  ift  nur  im 
latcinifc^en  Original,  nicht  in  ber  Ueberfehung  bemcrflich-  ©o 
bleibt  ber  uolle  unb  ganje  @enu§  ber  Epistolae  obscurorum 
viroruin  auf  biejenigen  befchränft,  luelchc  fie  in  ihrer  Urfpradje 
5U  lefen  üerftehen. 

®a^  thut  aber  ihrem  2öertl)e  fo  inenig  (Sintrag,  alö  eö  in 
jener  geit,  ino  baö  Sateinifd)e  noch  SBelt'  unb  @efd)äft!Sf^rache 
nmr,  ihrer  SlBirffamfeit  gethan  htit.  Untcrfcheiben  mir  biefe  beU 
ben  ©efichtöpunfte  für  ihre  3^eurtl)eilung,  fo  geht  bie  gemöhnliche 
3)teinung  bahin,  ben  SBcrtl)  ber  Epistolae  obscurorum  virorum 
mehr  in  ihrer  gefchichtlichen  SBir!ung,  alö  in  ihrer  33ebeutung 
alö  Äunftiücrf  ju  fu^en.  S33enn  unfere  bi^h'^^^Ö^^  3)arftellung 
ihren  Quuj  ücrfehlt  h^*t,  fo  merben  bie  ßefer  mit 

un^  anberer  5lnficht  fein.  Unö  ^Briefe  ber  ®unfel^ 

inänner  an  fein  Sud)  lebhafter  erinnert,  alö  an  baö  erfte  in 
feiner  5lrt,  ben  5)on  Ouijote,  biefe  meltgefchichtliche  ©atire,  ju 
melcher  ber  ©toff  in  bem  ßontraft  einer  abgängigen  ®enf*  unb 
Sebenöform  mit  einer  neu  auffommenben  gegeben  mar,  aber  oom 
©eiiie  ergriffen  unb  über  bie  ©phäre  ber  biogen  ©atire  h^t^^uö 
in  bie  §öhe  beö  §umor$  erhoben  mürbe.  @ine  ähnliche  33emanbts 
nig  hot  eö  mit  ben  ^Briefen  ber  ^unfelmänner.  ®ie  gefchloffene 
(Einheit  ber  fRomanform,  baö  plaftifche  §erüortrctcn  hoobelnber 
§auptperfoncn,  geht  ihnen  freilid)  ab:  fie  finb  einem  pguren* 
unb  gruppenreichen  ^Relief  ^u  oergleidjcn,  auf  meld)em  ©ilen  unb 
@fel,  ©atpr  unb  33acd)antin  fich  burd}cinanbertreiben , unb  mo 
ber  9^eid)thum  bci^  ©in^elnen  für  ben  äRangel  an  Einheit  besJ 


1)  I,  11. 


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brr  ^unfdmönnerbriefe. 


183 


(^an^eii  fc^abloö  f)ält.  biefc  gleic^tüo^l  nidjt  gan^  fe^lt, 

babeu  roir  nad)9ciüicfeii,  unb  bog,  njaö  bic  §auptfa^c  ift,  bic 
@rl)cbiuig  in  baö  (Gebiet  bcö  poctifc^cn  §umor^  in  ollen  §aupt- 
Partien  gelungen  ift,  bouon  luirb  jeben  ber  (Sinbruef  überjeugen, 
ben  boö  Öefen  be^  33üc^leinö  unb  feiner  cinjelncn  ^t)cile  in  il)nt 
,^urucflägt,  unb  luclc^cr  ber  islBirfung  einer  ^ilriftüp^onifc^en  Äo- 
niöbie,  einer  Sonc^os  ober  golftofföfcene,  üoUtüinmen  ebenbürtig  ift. 

So  aii!5fül)rlict)>  loie  gefdje^cn,  Don  ben  iöriefen  ber  i)mu 
felmönncr  ^ier  ^u  Ijonbeln,  l)otten  mir  fein  fRedjt  gcf)abt,  menn 
nid)t  unter  benen,  meld)e  auf  bic  5ßerfafferfd)aft  beö  ol)ne  fJlamen 
erfc^ienenen  Söerfeö  Slnfprudj  l)üben,  Ulridj  Jütten  in  elfter 
fReiljc  ftünbe.  ®aft  er  in  frühem  3al)ren  fic^  mit  bcrglcic^en 
anonymen  Spottfe^riften  gegen  bic  geinbe  ber  Slufflörung  obgc? 
geben,  gcftel)t  er  felbft,  menn  er  fpöter  einmal  an  ^45ircfl)eimer  fdjreibt, 
fallö  jene  3)ienfd)en  fo  fortmad)en,  l)obc  er  befd)loffen,  fie  nic^t 
mcl)r  blo^  l)intcrrücfi?  ^u  uerfpotten,  fonberu  fie  mutl)ig  inö 
gefickt  anjugreifen ‘).  So  fam  er  beim  aud),  faum  bag  bie  erfte 
iJicfcrung  ber  Xunfelmönnerbricfc  erfdjicnen  mar,  in  ben  Serbac^t 
ber  !Öerfafferfd}ait.  ©roi^imm  fagt  oon  bem  iürief  über  ben  3U^a= 
gifterfc^mauö,  cö  l)abc  gcl)ei6cn,  er  fei  oon  §uttcn®),  unb  biefer 
felbft  lernte  feinen  5tntl)cil  an  bem  JÖud)c  nic^t  fo  ernftlic^  ab, 
alö  beforgte  greunbe  um  feiner  Sid)crl)cit  millen  l)ätten  münfd)cn 
mögen*).  9?ur  oon  einem  5lntl)cile  nämlid),  nic^t  oon  auöfc^lics 
6enber  Url)eberfc^aft  ^uttciri^  ift  gleich  5lnfang<^  bei  ben  beffer 
Unterrid)tetcn  bie  9fcbe:  Sraömub  glaubte  beftimmt  oon  brei 
®erfaffern  ^u  miffen^j.  ^l)cilt  fid)  mitl)in  jefct  bie  gragc  in  bic 
beiben:  mcl^e  Xbeile  ber  Sammlung  für  ^uttcn’ö  3lrbcit  gelten 
fönnen?  unb  mcld}efi5  feine  ÜJiitarbeiter  unb  bereu  Slnt^eile  gemc^ 
fen  fein  mögen?  fo  fd)cint  er  fid)  oon  ber  SSerantmortlic^feit  für 
ben  erften  Xl)cil  in  ben  fdjon  crmäljnten  beiben  S3riefcn  an 
fRid)orb  (i£rocuö  los^jufagcn.  9^äl)cr  jugcfc^cn  inbc&  erfd)cint  bieg 
al3  ber  Stil,  morin  bic  fReuc^liniften  ben  Älampf  für  ben  oer* 
ehrten  SDfeifter  führen  ju  foUcn  meinten : mie  baö  ernfte  Xriumpl)* 


1)  €(^riften  I,  B.  197. 

2)  3«  iriner  Sponf^ia,  iputtcn’S  ©(tiriften  II,  ®.  277. 

3)  ®rie|  be§  Courenj  SBe^oim  an  ^irifbcinier,  J^utten’S  6(^ri|tcn  I,  8. 160. 

4)  %.  a.  C.  S.  278. 


184 


I.  $U(^.  8.  j^apitel. 


(jebid)t,  fo  foHteii  auc^  biefc  fatirifc^cn  ©cfc^offc  nid)t  bon  einem 
einzelnen,  fonbern  oon  einer  Ü}k^r()eit  5um  S3crbcrbeu  ber  ginfter^ 
lingc  Söcrfc^morcncr  (toie  ba^  9^ac^mort  jum  Triumphus  fid)  auö* 
brüeft)  5U  fonimcn  fc^cinen.  @o  faften  mir  ja  §uttcn  aud^  bic 
Ur^ebcrfd)aft  eineö  Briefs  im  jmeiteu  Xt)eit,  menn  gleich  nur 
fc^er^böft,  abie^nen,  ber  i^m  mit  ber  größten  SBa^rjc^cinlic^fcit 
pgcfc^riebcn  mirb;  bic  (Sinjclncn  traten  planmäßig  j\urücf,  um, 
ernftßaft  genommen,  alö  oertappte  $Räd)erfc^aar  befto  {urd^tbarcr,  fo^ 
mifc^  gefaßt  alö  namenlofer  SBe^penfe^marm  befto  unbequemer  ju  fein. 

©el^en  mir  unö  in  ben  bamaligen  ^umaniftentreifen  um, 
jiu  bem  einftmeilen  bie  (SJegenb  ju  ermitteln,  mo  mir 

ben  erften  Urfprung  ber  Epistolae  obsc.  v.  ^u  fud)en  l)aben, 
fo  meift  un^  eine  Sfici^e  oon  Slnjeic^en  auf  ben  unö  fc^on  mo^U 
befannten  gotlja^^erfurter  ICreiiS  l)in.  ,,^)u  paft",  fc^reibt  SrotUiS  , 
im  3of)rc  1514  an  ben  angefod)tenen  9ieuc^lin,  „bu  ^aft  für  bic^ 
ben  ganzen  äJtutianifc^en  Orben,  er  faßt  ^^ilofop^cn,  ^oeten, 
fRebner  unb  X^eologen  in  fic§,  alle  bir  ergeben,  ade  gerüftet  für 
bid}  ju  tömpfen.  iöepel)!  nur;  fobalb  bu  millft  finb  mir  bereit." 0 
3m  ©in^elnen  mad^t  ßrotuö  aus  biefem  Ä'reife  außer  bem  ßod)« 
gelehrten  3J?utian  ben  @oban  |>effc  mit  feinem  ^immlifd)en  2)ic^s 
tertalent  unb  Jütten  mit  feinem  geuer  unb  feiner  ©c^ärfe  nam= 
l)aft;  baß  er  babei  bereite  an  baS  Unternehmen  ber  Epistolae 
gebadet,  mirb  barauö  mahrfcheinlich,  baß  er  hinjufe^t,  mit  (Sinem 
Einlaufe  merbe  biefer  ben  faftlofen  Drtuiu  — ben  ^auptabreffaten 
ber  iöriefe  --  zermalmen,  gür  fich  fclbft  nimmt  ©rotus  in  bie= 
fern  §eerc  nid^t  bie  ©teile  beö  gelbf)errn,  fonbern  nur  bie  eines 
ÄriegStribunen  in  3lnfprud).  ®aß  er  inbeß,  menigftenS  bei  bem 
in  IHebe  ftehenben  Unternehmen,  mehr  als  nur  ein  ©ubaltems 
ofpeier  mar,  bafür  ift  unS  ein  unoermerflicheS  aufbchalten. 

SBir  befifeen  ben  Srief  eines  Ungenannten,  in  bem  man  frü» 
her  ben  auS  ber  fädjfifchen  OieformationSgefchichte  mohlbefannten 
3uftuS  3onaS  oermuthetc,  feit  ^öcfing'S  Unterfud)ungen  mit 
mehr  S33ahrfcheinlid)!eit  ben  bemfelben  Greife  angehörenben  3nftuS 
3JteniuS  ßnbet,  an  ©rotuS  fRubianuS,  gefchrieben  im  3^1)^^  1532*). 

1)  ^uttcn’8  6rf)nftcn  I,  S.  29. 

2)  Ad  Apologiam  Jo.  Croti  Rubeani  responsio  amici  etc.  3n 
§utten’8  @(briften  II,  6.  456—466.  SBomit  }u  öergl.  bie  ebenbojelbft  onge» 
führte  llb()anblung  bon  ^13öding. 


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Scrfoffet  b<r  5)un!clniänncrbne|e. 


185 


5)amald  war  ©rotii^,  bcr  cinft  ^uttcn'ö  33ufcnfrcunb,  fRcuc^Iin^i^ 
cifriflcr  SBcrt^cibiger,  halb  aiic^  i2utbcr’iä  warmer  SScrcfjrcr  gewc^ 
fen  war,  üon  ber  ©adjc,  beren  5lnfängc  er  nic^t  wenig  geförbert 
^attc,  ?\urücfgetreten,  b^^tte  fic^  ben  S3erti)eibigeru  ber  alten  Äird^e 
beigefeüt,  unb  biefer  SBanblung  in  einer  ©dju^fc^rift  für  ben  (Srj;* 
bif^of  5llbred)t  Sluöbrnd  gegeben.  ®iefc  neue  Stellung  be^  Slb* 
gefallenen  fuc^t  nun  ber  ©rieffebreiber  baburd}  311  untergraben, 
bag  er  feine  ?lntecebenticn  entl)üllt.  @r  erinnert  it)ii  an  bie 
beigenben  ©c^er^reben  gegen  baö  alte  S^irc^enwefen,  bie  er  im 
3)?utianifc^en  Ä'reife  ju  @ot^a  geführt,  an  bie  namenlofen  ©pott^ 
fc^riften,  wcld)c  noc^  uor  Sutber'ö  Sluftreten  non  i^m  unb  §ut^ 
ten,  ben  aber  er  erft  ba^u  aufgeftiftet,  gegen  ^apft  unb  Sarbi* 
näle,  X^eologen  unb  SJtöncbe,  verbreitet  worben  feien.  2)aö 
©c^ärffte  üon  allem  aber  feien  feine  Epistolae  obscurorum  viroriiin 
gewefen;  ein  ©uc^,  baö  ber  Ungenannte  mit  fRedjt  ein  „3war 
nic^t  unoergleid)lid)eö,  bod)  ewigem  ©ebic^t"  nennt,  bag  ^e^n 
'^emofriten  3U  lachen  geben  fönnte,  ein  ©ignal,  ba^  alle  biejeni» 
gen,  bie  für  fid)  fo  viel  2öip  nic^t  auf^ubieten  gehabt,  mit  neuen 
SBaffen  gegen  bie  ^apiften  auägerüftet,  unb  ber  päpftlid)en  ,§errs 
fc^aft  me^r  al§  vielleicht  irgenb  ein  anbereö  33uch  be^  ^ohtbuiis 
bertö  gefchabet  habe.  S)a6  er  ben  ©pott  beö  Srotu^,  ber  3unäd)ft 
gegen  bie  fcholaftifche  ©arbarei  unb  nur  mittelbar  gegen  bie  alte 
Kirche  ging,  unmittelbar  gegen  biefe  geridjtet  fein  läftt,  gehört 
3ur  Xenbenj  beö  Slnoupmu^.  5)er  ©rieffteüer  fpricht  alö  einer, 
bcr  bem  bamaligcn  Ärcifc  beö  Srotuö  angchörte  (SKeniuö  h^tte 
in  ben  ©rfurt,  wo  SrotivS  fich  feit  1515 

wicber  aufhielt,  ftubirt),  er  erinnert  ihn  an  ihre  Vertraulichen 
©efpröchc,  an  bie  ©pa^iergänge  unb  SD^ahl^citcn,  wo  ßrotuö  fein 
entftehcnbcö  SBerf  bei  fid)  gehabt  unb  barauö  vorgclcfcn  h^bc. 
3n  Kirchen  unb  §örfälcn,  berichtet  er,  habe  biefer  ein  ©chrcib- 
täfclchcn  mit  fich  geführt,  um  folche  fRebcn,  bie  ihm  ^ur  ©crar^ 
beitung  in  fein  SBert  paffenb  crfd)ienen,  barin  3U  verzeichnen. 
§luf  biefcö  höbe  er  fich  nid)t  wenig  ju  gute  gethan,  unb  bcr 
©ricffteller  fagt  c^  auch  bem  Slpoftaten  noch  auf  ben  Ä'opf  zu, 
ba6  er  baffclbc  aU  feine  ©rfinbung  immer  noch  im  ©tillen  zürt^ 
lieber  liebe  als  eine  §Ieffin  il)r  SungeS,  unb  eher  möd)te,  baß 
^omer'S  3liaS  z«  ©runbe  ginge,  als  beS  ßrotuS  anmuthige 
©cherze  unb  unfterblicheS  fiachen  über  bie  ^^Sopiften. 


186 


I.  ®u(^.  8.  Äopitcl. 


2)ie  ©rfinbuiiß  alfo,  bie  G^onccption  imb  erftc  Sbcc  bcr 
iöricfc  bcr  ^unfclmänitcr  niirb  l)icr  uoii  einem  offenbar  genau 
initmiffenbcn  Grotuö  äU9cfd)rieben.  |)uttcn'jJ 

5(nt()eil  tuivb  nic^t  geleugnet,  ein  isörief  itjm  auebrücflic^  beigelcgt, 
iDciter^in  jeboe^  bemerft,  in  biefem  5^^c^e,  mo  fic^  um  2)uvd)s 
j^iel)cn  bcr  ^apiften,  um  beifeenbe  3}crl)ö()nung  üon  ßarbinälen 
unb  iöifc^öfcn  gcl)anbeü  fjabe,  fei  §utten,  mit  n(l  feiner  l)ot)en 
9tcbncrs  unb  ^ic^tergabe,  bem  Srotiiö  bei  )iBcitem  nic^t  gemad)* 
fen  gemefen.  2öir  merben  nid)t  nergeffen,  ba§  ber  isörieffd^reiber 
ein  3ntercffc  ^attc,  fic^  t)ier  ftart  auö,^ubrücfen,  meil,  maö  er  in 
bie  2ßagfd)alc  beö  e[)cmaligen  (Srotuö  legte,  bie  bcö  abgcfallcncn 
in  bie  §öl)e  ^og;  beftmegen  ()at  er  fid)  mol)l  Qudj  über  bai§  S3cr- 
Ijältnift  feinet  fatirifdjen  Talents  ju  bem  üon  Jütten  allgemeiner 
au%'fprod^cn,  als^  baß  mir  fein  Urt[)cil  ül)nc  ©infe^ränfung  geU 
teil  laffen  tünnten.  9lur  fo  uiel  ift  richtig : für  fic^  märe  |)uttcn 
fc^meriid)  auf  biefc  2JJanier  üerfallen,  bie  feinem  greunbe  Grotu^ 
eigcnt^ümlid)  mar;  nac^bem  biefer  jebod)  einmal  ben  Ion  angc^ 
geben,  mar  er  oennöge  feineö  üielfcitigcn  lalcntö  im  ©tanbe, 
auf  benfclben  ein^uge^en.  ^ür  fid)  mar  er,  auc^  alö  ©c^rift== 
fteller,  ernftcr,  patl)ctifd)er  geftimmt.  üon  Jütten,  auc^ 

feine  ©atire,  fpornt  ^ur  Iliat,  nie  ücrgifet  er,  bag  man  baö 
Iiiminc  unb  ©c^led)tc  nic^t  blog  belachen,  fonbern  befömpfen 
mufj.  lern  Öerfaffer  ber  Kpistolae  bagegen  ift  cö  unter  feinen 
lunfelmänncrn  offenbar  gan^^  bct)aglid).  @r  ücrgi^t,  ba§  fie 
©c^ufte  finb,  meil  fie  fo  gar  ergc^lidjc  Il)orcn  finb.  @r  mutl)ct 
il)nen  nic^t  ^u,  anberä  ju  fein,  ja  eö  müßte  il)m  leib  tßun,  menn 
fie  anberö  mären,  meil  er  bann  nic^t)^  mcl)r  ^u  ladjen  ^ätte. 
lieber  bem  äftßctifc^en  (^cfic^täpunftc  fommt  il)m  bcr  praftifc^c 
au‘:^  ben  klugen:  unb  baö  pflegt  |)utten,  mo  er  ganj  er  fclbft 
ift,  nid)t  ju  begegnen. 

Um  fo  genauer  paßt  biefc  @igcntl)ümlid)fcit  be^  SBcrfeö  ju 
bemjenigen,  maö  mir  oon  bem  Sßarafter  beö  ©rotuö  miffen.  S3on 
jeßer  l)abc  biefer,  fagt  eben  jener  ungenannte  iÖricffc^reibcr,  eine 
Slbncigung  üor  ernften  politifd)cn  ®efd)äften  gct)abt;  nie  l)abc  er 
fid)  burd)  bie  SRotl)  ber  ßcit,  ben  bcö  ©taatö,  bie  ©nt^ 

artung  bcr  Äirc^c,  ©c^laf,  Slppctit  unb  ^urnor  üerberben  laffen; 
immer  lieber  im  Ärcifc  feiner  greunbe  fd)crj^en  mögen,  alö  fid) 
für  ba)§  gemeine  iöefte  abjuarbeiten  unb  abjuforgen.  loö  ift 


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ßrotuS’  Qn  ixn  ^Briefen  ber  3)unfclmänncr. 


187 


nun  ^ujar  einfeitig:  baö  ^umoriftifc^c  SBcfcn  in  Srotuö  fc^lofe, 
wie  wir  bereit!^  gcfe^cn  ^aben  unb  noc§  beftimmter  fc^en  njcrbcu, 
einen  innern  ^nt^cit  an  ben  ©egenfäten  unb  Kämpfen  ber  Qcit 
nic^t  auö;  fclbft  fein  0d)cr^  unb  ©pott  ioar  nidjt  blo^  a(g  ge* 
feUigciS  ©rgefeen,  fonberii  juglcic^  alö  SBaffc  gegen  baö  3Serfe()rtc 
gemeint,  Slber  jener  ernftc  Slntpcit  an  ben  Gingen  ging  niefjt 
fo  tücit,  ba§  ßrotuö  fiel)  bafür  t)ätte  auiäje^cn  mögen;  bag  er 
nic^t  lieber  fd)lie6licf)  mit  bem  mitten  feinen  grieben  gemalt 
^ätte,  als  burd)  entfd^iebeneS  (Eintreten  für  baS  9lcue  fic^  in 
meitauSfe^enbe  Kämpfe  ^u  uermicfeln.  ^arum  fanbte  er  bie 
Pfeile  feines  ©potteS  gern  auS  bem  iöerftede;  ^u  feiner  feiner 
©c^riften  ^at  er  feinen  Flamen  l)ergcgcben,  als  ju  jener  lepten, 
burc^  welche  er  fid)  bie  bittre  Slntmort  beS  ^ilnonpmuS  i^ujog,  bie 
i^n  bann  für  ben  9^eft  feines  ßebenS  ^um  ftummen  iD^ann’e  mad)te. 
®ine  befonbere  ©e^ieftung  ju  ben  ^£)unfelmünnern,  benen  bie 
Epistolae  obsc.  v.  galten,  b.  f).  ben  fölner  Xl)eologen,  nerleugnete 
er  gleid)mol)l  nic^t.  „älieine  Äölner“,  fc^reibt  er  fpäter  an 
üut^er,  „l)aben  beine  iöüd)er  üerbrannt."  ^abei  falle  if)m  bie 
Xragöbie  beS  e^rmürbigen  fReuc^lin  mieber  ein,  non  ber  er  ein 
lang  gufc^uuer  getoefen  fei,  unb  babei  baS  rafenbe  (^ebal)ren  ber 
Xbcologen  beobachtet  l)Qbe.  9Jiöd)ten  nur,  münfeht  er,  bie  b unfein 
2J2änncr  mit  ihrem  ^nfchlage  (gegen  ßuther  ebenfo,  mie  einft 
mit  bem  gegen  Sflenchlin)  hcroortreten,  um  aufS  neue  nach  58er= 
bienft  beleudjtet  ju  merben ; toaS  fie  nur  mit  ihrem  eigenen  ßichte 
— burch  fomifche  iRachahmung  — fönnen*);  eine  Sflachahmung, 
mit  ber  ftch,  mic  mir  burch  Ü)iutian  miffen,  in  ^Betreff  beS  Äü* 
chenlateinS  jener  ÜJiönner  ß^rotuS  auch  feinen  ©riefen  ju  bc> 
luftigen  pflegte. 

5(uS  biefer  ©tcHc  geht  nun  überbieg  h^r^ör,  bag  (SrotuS 
mährenb  beS  iRcud)linifd)en  ©tveiteS  fich  eine  ßeit  lang  an  einem 
ber  ^auptfdjauplähe  beS  Kampfes,  oermuthlich  iu  Äöln,  aufges 
halten  hoben  mug;  benn  ein  gofehouer  aus  ber  gerne  mar  er 
nicht  bloS  ein  Sagr  lang.  2)amalS,  1512  ober  1513,  hotte  er 
audh  ben  ^fefferforn  fennen  gelernt,  unb  ihn  abfichtlich  ouf  feinen 
$anbel  mit  SReuchlin  ju  reben  gebracht.  ®ag  er  an  biefem  mar^ 
men  Slntgeil  nagm,  miffen  mir  tgeilS  aus  2J2utian’S  ©riefen. 


1)  igutten’S  Sänften  I,  @.  433  f. 


188 


I.  58u(i^.  8.  ftüpitel. 


tl)cil§  auö  bcm  oben  anc;cfftf)rten  ©^reiben  bc§  ßrotuö  an  9?cuc^s 
lin,  in  njelc^cm  er  i{)m  mit  bem  gefammten  9J2utianifct)cn  §ccrc 
feine  ®ienftc  anbietet,  fallö  er  beren  bebflrfen  foUtc.  ^cn  @e= 
lehrten  nnb  S^erftänbigen  übrigen^,  meint  er  bort,  geben  $Rcud)' 
lin'ö  (SJegner  unb  if)rc  ©rf)riften  nur  ©toff  ^um  Sachen, 
mar  inöbefonberc  (Srotuö  aud)  unter  Umftänben  aufgelegt,  bic 
fonft  Diel  5U  mfinfd)en  übrig  ließen,  ßmar  maltetc  fein  alter 
©önner,  33urggraf  §artmann  oon  Äird)berg,  big  baßin  (Soab* 
jutor,  feit  1513  alg  9(bt  in  gulba.  9(uf  fein  3«i^cben  trat  Srotug 
in  ben  geiftlid)en  ©tanb,  mag  ißn  in  ber  mitunter  reuen 

moHte;  bodj  oerßalf  eg  ißm  ju  einer  ^frünbe,  mäßrenb  er  oon 
bem  Seßramte  bei  ben  9J2önd)en  entbunben  mürbe.  Hber  bie 
^frünbe  mar  gering  unb  ißre  föumig  fließenben  ©infünftc  reieß^ 
teil  faum  für  bie  befd)eibenften  öebürfniffe,  namentlidi  nießt  für 
bie  literarifd)en  ißreg  Snßaberg  ßin.  ®ai\u  tarn  ber  ©tumpffinn 
ber  ©tiftggeiftlicßfcit,  unter  ber  ißm  jeber  anregenbe  Umgang 
feßlte.  S3itter  beflagte  er  fieß  barüber  in  einem  33ricf  an  SJiutian*); 
gerne  ßättc  er  feinen  Slufentßalt  üeränbert,  g^ilba  mit  Erfurt 
ober  Äöln  oertoufeßt,  menn  nießt  feine  gciftlicßen  gunctionen  ißn 
feftgeßalten  ßötten.  gnbeffen  unterßiclt  er  fid)  bureß  allerlei  fati* 
rifeße  Hugarbeitungen,  beren  mir  in  SO^utian'g  Briefen  gebadßt 
ßnben,  unb  in  benen  mir  oßne  Vorarbeiten  unb  ^n» 

fange  ber  ^unfclmänncrbriefc  511  erfennen  ßaben.  3m  Soßre 
1515  feßte  er  enblicß  fein  Vorßaben  cineg  längeren  §lufcntßaltg 
in  Erfurt  bureß,  mo  er  im  Umgänge  mit  ben  alten  greunben, 
einem  @oban,  gonag,  halb  audß  (Sberbaeß,  unb  üor  5lllen  mit 
bcm  benaeßbarten  3Jiutian,  bic  feßon  in  gulba  begonnene  Slrbeit 
fortgefeßt  unb  oollenbet  ßoben  mag. 

Ulrieß  §utten  mar  feit  bcm  §erbft  1515  in  Stalicn.  Vorßer 
ßattc  er  bem  ©ragmug,  mic  mir  ung  erinnern,  ben  Triumphus 
Capnionis,  aber  nießtg  oon  ®un!clmönncrbriefcn  gejeigt.  5^er 
fReft  beg  gnßrcg,  big  ju  feiner  5lbreifc,  gefeßt  aueß,  baß  er  mit 
Srotug  nod)  einmal  jufammentraf,  oerging  unter  bem  erften 
©türme,  ben  bic  ©rmorbung  feincg  Vetterg  in  ißm  unb  feiner 
gamilie  erregte.  ®icfc  Umftänbe  mürben  crflören,  mie  eg  möglicß 
mar,  baß  er  an  einer  Unterneßmung,  bic  ißn  in  ißrem  gortgangc 


1)  ißuttcn’§  Schriften  III,  6.  543  f. 


jnjeitc  3ü(|etl  bei:  ^unfelmfinnerbrtefe.  189 

fo  (cbt)aft  intcreffirtc,  bod)  üon  Slnfang  an  Uicücic^t  feinen  tf)ä^ 
tiflen  ^Intijeil  Ijatte.  Sßenn  er  nun  aber  halb  barauf  feinen 
ßanböleuten  in  iBoIogna  ä()nlid)e  Briefe  üorlieft,  non  benen  mir 
je^t  menigften^  einen  beftimmt  im  .^roeiten  Xi)eile  ber  Epistolae 
obsc.  V.  finben,  unb  menn  er  fid)  fpoter  offenbar  mic  ein  9Wit= 
Urheber  beö  SScrfci^  äußert*):  fo  liegt  e^  nal)e,  feine  Xb^*ilnal)me 
baran  oor^ugemeife  auf  ben  jmeiten  5^l)eil  ju  belieben,  ^ie 
Äölner  febienen  bureb  ben  erften  noch  nicht  genug  gefd)lagen. 
^fefferforn  b^Hc  gegen  benfelben  feine  Defeusio'O  berauögegeben, 
morin  er  feinen  ^anbel  mit  iReucblin  nod)  einmal  oon  oorn  auf* 
nahm  unb  bie  2)unfelmönnerbriefe  aU  ein  uerläumberifcbeö,  got== 
te^löfterlicbci^,  mel)r  aU  faracenifd)e)ä  ^ud)  bei  ^5apft  unb  ilaifer 
benuncirte.  2)arauf  mar  eine  neue  ^Ibfertigung  nötbig,  unb  fo 
entftonb  ber  jmeite  Xb^^l- 

2)iefer  jmeite  einmal  befonber^ 

anfeben  muffen,  ift  einerfeitö  feinem  altern  trüber  ooUfommen 
ebenbürtig.  Sein  ober  feine  SSerfaffer,  fofern  fie  onbere  maren, 
hielten  ben  oon  (Srotuö  angegebenen  Xon  ein.  2)er  fpätere  Xbcil 
ber  Epistolae  obsc.  üerbält  fid)  ju  bem  frühem  in  mancher  ^iii^ 
fidjt  mic  ber  jmeite  ^on  Quijote  511111  erften.  @3 

mirb  fingirt,  bie  53rieffteüer  haben  ben  früher  erfchicnenen 
gelefen  unb  reflectiren  .nun  barüber.  (Siner  bebanft  fich,  ba§ 
man  einen  feiner  53riefc  in  ben  erften  aufgenommen  habe  ®).  2)er 
ißerfaffer  beö  ©chlauraff'fdjen  SleifegebichtiJ  mug  bereite  gemußt 
haben,  bag  ben  ©uasJniuö  ber  (Sröffnung^brief  befonberö  ergebt 
hatte,  ba  er  ihm  ba^  ©chlagmort  beffclben  aufiJ  neue  präfentirt. 
Sluch  bie  • 9tad)richt,  bag  manche  mirflid)en  ^untelmänner  bie 
©riefe  für  (Srnft  genommen  hatt'-’ib  gleich  im  erften  ©tücfe 
be<5  imeiten  Xheilb  benu|jt.  Sichtlich  ift  biefeiS  eine  9tachbilbung 
be^  Sröffnungöbriefeö  ^uni  erften  Xhcile.  ©eibeniale  mirb  über 
einer  SÖ^ahljeit  eine  Streitfrage  aiifgemorfen,  bie  in  fd)olaftifcher 
SBeifc  erörtert  mirb,  unb  ^mar  beibemalc  unter  Slnfühmng  beffeU 
ben  Spruch^  aud  bem  Slriftoteleö.  X)ie  Streitfrage  ift  biefemal, 

1)  3n  bfin  Briefe  an  ®ro8mu8  oom  21.  3luU  1617,  Sihriften  I, 
6.  147,  §.  16. 

2)  Defensio  Jo.  Peperioorni  contra  famosas  et  criminales  obsc.  v. 
epistolae  etc.  Hutteni  Opp.  Supplem.  I,  ©.  81 — 176. 

8)  II,  36. 


190 


I.  8.  Äat>itcl. 


ttjarum  M.^Drtuin  feine  33rieffammlung  gerabc  Epistolas  Obscu- 
rorum  genannt  ^abe?  unb  bic  Hntmorten  fo  njcnig  alö  bic  ganjc 
Jöebonblung  bleiben  hinter  bcm  SSorbilbe  ^urücf.  ^icg  gilt  über- 
haupt non  bem  ^njciten  Xhcile;  roeßmegen  toir  auch  oben  unfcre 
Öeifpicle  ohne  Untcrfchicb  au^  beibcn  genommen  hn^n^n. 

^och  finb  gcmiffe  Untcrfchicbc  smifchen  beiben  Xhcilen  nicht 
ju  oerfcnnen.  ©rftlich  ein  äufecrlichcr.  ^ieöriefe  beö  urfprüng^ 
liehen  erften  Zhcili^  finb  fömmtlich  üuö  beutfehen  Orten  (bic  S^icber«^ 
lanbe  mitcingcrcchnet)  gcfchricbcn;  erft  im  Slnhang  crfchcint  ein 
33ricf  aus?  ^Rom.  Unter  48  ©riefen  finb  9 auö  ^ipjig,  3 auö 
ajiainj,  ebenfo  Diele  auö  2Bittcnbevg,  4 (moriintcr  2 im  Slnhang) 
anö  ^eibclbcrg  u.  f.  f.  2)agegen  ift  Don  ben  70  ©riefen  be^ 
j^iDciten  mehr  alö  ein  2)ritthcil  auö  ?Rom  batirt.  9iach* 

richten  bal)cr  enthält  aud)  ber  crftc^h^il  häufig;  hoch  nur  mittcU 
bar,  inbem  bie  in  Xcutfd)lanb  befinblichen  ©ricffteHer  fchrcibcn, 
fic  hoben  biefj  ober  jeneö  burch  ©riefe  ober  9lcifcnbc  auö  9iom 
erfahren.  $icr  im  ;\mciten,  mic  fchon  in  jenem  ©riefe  §och= 
ftraten'ö  im  3lnhang  jum  erften,  merben  biefc  9tachrid)ten  nun 
auch  unmittelbar  auö  IRom,  Don  folchen,  bie  bafelbft  ftubiren, 
foHicitiren  u.  bgl.  gefdjrieben.  @^3  fommen  römifd)c  5lnfchauungen 
unb  Erfahrungen : ber  ©apft  unb  fein  Elephant,  ber  Campo 
Fiore  unb  bie  Orangen,  bic  uncrträglid)c  ©ommerhifee,  ja  eine 
(bereite  ermähnte)  Oleiferputc  au3  ^eutfchlanb  nach  ^f^om  mit 
Eingabe  ber  einzelnen  ©tationen  unb  beren  9J?erfmürbigfcitcn  Dor'). 
Erotuö  iRubianuö  aber,  baö  )tcl)t  feft,  mar  bamaU  noch  nicht  in 
Stalien  gemefen.  greilid)  tonnte  er  jene  S^otijen  Don  ^leifcnben 
unb  au3  ©nd)ern  hoben:  hoch  ©efonberheiten  mie  bic,  bag  in 
tRom  feine  gute  Ärcibe,  feine  orbcntlidjen  9teftel  jum  ©chnüren 
ber  ©tiefel  5U  befommen  feien*),  meifen  eher  auf  einen  folchen 
hin,  ber  an  Ort  unb  ©tcHe  biefc  fleincn  ßeiben  felbft  burchge* 
madjt  hotte. 

3u  biefem  äußerlichen  Untcrfchicbc  fommt  nun  aber  ein 
innerer,  ßmar,  maö  man  mohl  Don  einer  ©erfchiebenheit  beö 
3^oneö  fpricht,  muß  erft  näher  beftimmt  merben,  um  ju^utreffen. 
2)er  ©cherje,  ^offen  unb  ßolcn  finb  im  jmeiten  Xheile  nicht 


1)  II,  2.  8.  12.  23.  31.  48. 

2)  II,  19. 


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5)er  l»fr  5)unMmännfrbriefe.  191 

tücnicjcr  alö  im  crftcn;  aber  ba§  fommt  ^äufi^cr  Dor,  bag  unter 
ber  ^«^rm  bc^  Scric^tö  uon  cjcbaltcnen  ©cfpräc^cn  fe^r  ernfte 
Erörterungen  eingejTod)ten  loerben,  ©riefe  mie  ber  über  bie  Sebr^ 
meife  beä  mür^burger  ^rebigeriS,  ober  ber  mit  ber  Deutung  einer 
^rop^etenftetle  auf  bie  9tcform  ber  entarteten  Xt)eologie,  oon 
benen  oben  bie  SRebe  gemefeu,  finb  ot)ne  ©organg  im  erften  Xtjcitc. 
^)urd)  bie  Sronic  ff^lägt  im  ^meiten  Xt)eile  öfter  baö  ©att)oö 
burd).  darauf  unb  auf  einen  bamit  ^ufammenljängenben  Unter' 
fd^ieb  in  ber  ©pradje  be5iet)t  fic^  ©öding'ö  oortrefflidjeö  ©ilb: 
im  erften  3^bcil  arbeite  ein  ©ol)rer,  ber,  nid)t  minber  fc^arf  aii 
ber  im  ;\meiten,  boc^  meniger  ©eräufd)  unb  meniger  ©päne  mad)e‘). 
Unb  biefen  geräufc^üoücrn  ©ol)ier  bc^  ^roeiten  Xl)eiU  (b.  b- 
Jütten  alö  ©erfaffer)  glaubt  ©öcfiiig  f^on  in  bcu  ©riefen  be^ 
^nl)angö  jum  erften  X()eile  ,^u  bemerten.  ^leid)  im  erften  ber^ 
felben,  ber  oon  einer  ßofö^'^oenfunft  mit  Eraömu^  cr;^äblt  (mie 
fte  §uttcn  hir^  oort)er  in  ÜJ^ainj^  unb  granffurt  gehabt  unb  auf 
bem  SBege  nad)  Italien  erfel)nt  batte),  oerfällt  ber  ©erfaffer 
fteHenmeifc  in  ein  gan,^  guteö  (|)utteirfd)eö)  Satein,  aU^  märe  er 
beöSörgonö  ber  ^unfelnüinner  nod)  nid)t  mäd)tig;  mie  er  aubrer- 
feitö,  meint  itjm  einfätit,  men  er  reben  läßt,  bie  0pracbc  oict 
gemaltfamer  oerbrebt,  alö  bieft  ber  §auptoerfaffer  beö  erften  XbeiU 
mit  feiner  genauem  ©adjfenntniß  unb  feinem  OJUmif  getban 
batte.  3m  ^meiten  bamit  beffer,  bod)  bleibt  in 

ber  9J?ebr^abl  ber  ©riefe  ber  Unterfd)ieb  immer  nod)  bemerfbar. 
^)er  Anhang  jum  ^meiten  loit  beffen  jmciter  Huögabe 

jum  crftenmal  erfd)ien,  Oerrgtb  eine  fdjmererc  §ünb.  Er  ift  über« 
baupt  ein  Ueberflug.  3JUt  ben  110  ©riefen  bcö  erften  unb  jmeiten 
XbeiU  mnr  baö  Xbenia  erfeböpft,  bureb  alle  möglid)en  ©ariationen 
burd)gefüi)rt.  Einmal  mu6  aud)  ber  befte  ©pag  ein  Enbe  b^ben, 
menn  nid)t  Ueberfättigung  eintreten  foll.  5)er  ^anbel  ©Jimpbe* 
ling’d,  aU  eeitenftücf  be^  9teud)lin’fcben  beigebradjt,  möd)te  früher 
933irfung  getban  hoben ; jebt  ermübet  er.  9(ucb  fonft  üermigt  man 
in  ben  ©riefen  biefe^  Slnbangö  ben  redeten  Sd)icf,  gefebmaeflog 
Unflätigeö  läuft  mit  unter,  unb  ber  lefete  ©rief  OoU^iebt  bie  Ent* 
täufd)ung  über  ben  0iun  unb  Smd  ber  ©riefe  in  meit  gröberer 
SBcifc,  alö  ber  le^te  ©rief  bc^  urfprünglicben  jmeiten  XbeiU  febou 


1)  Hutteni  Opp.  Supplem.  II,  6.  647. 


192 


I.  ^ud&.  8.  i^(4>Uet. 


get^an  ^attc.  SBie  günftig  ba§  aüe^  bcr  Scrmut^ung  ift',  bog 
am  jmcitcn  X^cUc  bcr  Epistolae,  einfc^lieglic^  bcö  ^In^angöjum 
erften,  aber  Qu^fd)lie6lic^  beffen  ;\um  jmeiten  Xbcilc,  §uttcn  al§ 
^Qupturbeber  bctt}ciUgt  fei,  erhellt  üon  fclbft.  §lud^  bog  er  ^icr 
mel)rmalö  uon  ben  ÖricfftcUern  genannt  unb  fd)lcc^t  gemacht 
inirb  ^),  ftimmt  bamit  jufammen.  Söenn  er  bann  im  Januar  1517 
an  9lcud)lin  fdjrcibt,  halb  merbe  bic  Don  beffen  Jeinben  angc* 
fangene  Xragöbic  in  eine  Äomöbic  fic^  ücrtoanbcln,  biefe  non  einem 
lac^enbcn  ®aufc  auögcjifc^t  merben;  baju  t)abc  er,  |)uttcn,  fid^ 
mit  Ätampfgenoffen  uerbunben,  bereu  Sllter  unb  (Stellung  ju  einer 
feieren  Äricgfül)rung  paffe 2):  fo  fann  man  fic^  jmar  munbem, 
roic  Jütten  ba^  iiad)cu  unb  ^^luö^ifdjen  erft  ali^  ein  fünftige^  bar^ 
fteücn  mochte,  bad  boc^  mit  bcr  erften  ©rfc^cinung  ber  Epistolae 
bereite  laut  genug  begonnen  f)attc ; bodj  mirb  man  feine  2(cu6es 
rung  fcbmcrlid^  auf  ctmaö  ^nbere^  alö  auf  ben  jmeiten  I^eil  jener 
Sammlung,  beffen  ©rfc^cinen  beoorftanb,  belieben  fönnen. 

Sic  er  l)icr  felbft  üon  feinen  Ä^ampfgenoffen  in  bcr  9D7ebr» 
beit  fpriebt,  fo  bnt,  mic  mir  früher  faben,  (Sra^muö  im  ©anjen 
brei,  anbere  noch  mebrere  ^erfaffer  ber  Epistolae  angenommen. 
S^amboft  macht  Sra^muö,  aufeer  §uttcn,  feinen;  auch  bcr  Sßerf. 
bcr  Lamentationen  (moüon  naebb^^^)  öerfid)crt,  er  fennc  fie  mobl, 
aber  er  mollc  fie  nid)t  nennen,  ^er  bamberger  2)ombcrr  Saurenj 
33eboim,  ein  greunb  ^ircfbcimer’ö  unb  ein  SBcfanntcr  $utten’^, 
übrigen^  ein  fcbmacber  ^^opf,  oermutbete,  fein  College  3afob  guebS, 
juglcicb  2)ombcrr  in  Sürjburg,  b^^>c  einige  bcr  S3ricfc  oerfagt, 
ober  fei  bod)  nidjt  mcit  baoon  gemefen,  alö  fie  gemadjt  mürben*). 
S)aö  Icfetcre  bat  freilid)  feine  91icbtigfeit,  fofern  gueb^  mit  Jütten 
im  3abt^  1^16  in  iöologna  mar;  bad  erftcre  bleibt  möglich,  aber 
auö  ber  greube  bcö  geiftreicben  SJtanncö  an  bcrgleicbcn  ^robuften 
lögt  cö  ficb  fo  menig  mit  S3cftimmtbeit  crfd)lic6cn,  alö  auö  feiner 
übrigen  (^efinnung,  oermöge  beren  er  fpätcr  ben  gciftlicbcn  ©tanb 
ocrlaffen  unb  gebeiratbet  bat.  Ser  au6crbem  noch  an  ben  2)untel5 
männerbriefen  aü  äJtitoerfaffer  betbeiligt  gemefen,  barüber  finb 


1)  11,  9.  20.  66.  ben  %rief  be§  Sauren}  %ebaim  an  ^trefbeimer, 
^ulten’8  S^iriften  I,  6.  133. 

2)  «.  a.  O.  6.  130. 

3)  %.  a.  O. 


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^itorbeiter  an  ben  Griffen  ber  ^hinfelmanner.  193 

befonberö  in  neuerer  3cit  Derfd^iebcnftcn  SWutl^mogunflen  auf* 
geftellt  worben.  ÜKon  ^at  auf  ^ermann  oon  bem  S3ufc^e  unb 
J^ennonn  oon  S^uenar,  auf  (goban  ^effc  unb  ^etreju^  (gber^ 
bac^,  wooon  ber  (entere  im  3a^r  1516  mit  Jütten  in  9^om  ge* 
mefen,  mit()in  SSerfaffer  eineö  X^eilS  ber  bortljer  batirten  S3riefe 
beö  jmeiten  X^ciliJ  fein  fönnte,  gerat()en,  unb  aud^  SSerfu^c  gc^ 
mac^t,  jebem  feinen  mutbmaglic^en  Slnt^eil  äujufc^ciben.  @lücf= 
licbermeife  liegt  cö  in  unferer  Slufgabe  nicht,  un^  auf  bicfcö  weite 
gelb  p begeben,  ba  wir  böcbftenS  für  ben  Hntbeil  unfereö  gelben 
an  ber  in  Siebe  ftebenben  2(rbeit  oerantwortlid)  fein  fönnen. 

Slueb  bicr  übrigen^  fommen  Wir  über  SBcmiutbungcn,  bie 
freilich  gum  Xbcil  einen  hoben  ©rab.öon  SEÖabrfcbeinlicbfeit  hohen, 
nicht  hinawS.  Slm  ficherften  fcheint  mir  bic  @a^e  bei  bem  Steife* 
gebicht  bc^  M.  ©chlauraff*)  ju  ftehen,  fofern  biefe^  .^utten  in 
Jöologna  üorgelefcn  unb  bic  ihm  jugemuthete  Slutorfchaft  mit 
einem  fo  burchfichtigen  ©cherj\wort  abgclehut  hot.  Sogleich  hilbet 
cö  ein  ©citcnftücf  j\u  einer  früher  bcfprochcnen  @legic  in  $utten'ö 
Oucrelen,  wo  ebenfo  bic  ÜKufe,  wie  hier  ber  2)unfelmann,  bei 
fämmtlichen  bem  2)ichtcr  befannten  ^umaniften  2)cutfchlanbS  bic 
Slunbe  macht^).  ^iefeö  Carmen  rithmicale  mit  feiner  fprubelnbcn 
ßoune,  feinen  unerfchöpflich  fortqueUenben  93erfen  unb  hoffen, 
mit  ber  jcbcörnal  üugerft  glücflichcn  ©infprengung  bcütfcher  Steime 
unter  bic  latcinifchen,  3.  ö. 

Et  ivi  binc  ad  Hagenaw:  bo  lourben  mir  bie  äugen  blalo. 

Per  te  Wolffgaoge  Angst,  ®ott  gib  boS  bu  ^angft, 

Quia  me  cum  baculo  percusseras  in  oculo  — 

biefed  ©chlauraff’fchc  Steif cgcbicht  ift  ohne  grnge  baö  ^rachtftürf 
ber  ganjen  ©ammlung,  baö  lautefte  Slufjauchjen  ber  fatirifchen 
fiuft,  bie  höchftc  0chaumwelIc  in  biefem  SKccrc  bcö  ^umord.  Unb 
biefe  in  gewiffem  0inne  höchfte  ßeiftung  ift  nicht  bem  (grfinber 
ber  ganzen  (Sonception  unferer  33ricfc,  fonbern  einem  onbern  ge* 
lungen,  ber  in  biefem  gelbe  hoch  nur  Stachahmer  war.  SlUcin 
jener  (grfinber  war  jwar  in  bem  gache  ber  mimifchen  0atirc,  wie 
wir  bic  Epistolae  obsc.  v.  bejeichnen  möchten,  eine  0pccialitöt, 


1)  II,  9.  ®gL  ben  ®rief  t>on  6o(hIöu8  on  ^irdheimer  in  ^utten’8 
6(hrift<n  I,  126. 

2)  S.  oben  «.  22  f.  48  f. 

vn.  18 


.V 


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194 


I.  8. 


bet  S^lad^Q^mcr  hingegen  ba§  umfoffenbere  Xolent,  ber  bf)antafics 
reichere,  genialere  ^opf.  SBenn  @rotu8  mngefcl)rt  in  ©utten’ö 
gad^c  ücrfudjtc,  bem  ber  ernften  ?Rcbe  ober  beö  ßucianifc^en  5)ia* 
logg,  loic  in  einigen  anonymen  ©tücfen,  bie  i^m  mit  SBa^rfc^cin:* 
lic^fcit  jugefc^rieben  toerben^),  fo  l)ot  er  ben  greunb  nic^t  übcr= 
troffen,  fonbern  ift  merflicb  t)intcr  i^m  j\urücfgcbliebcn.  ?luf  baS 
Sfteifegebid^t  mirb  bann  gleich  in  bem  folgenben  Schreiben  beö 
M.  SBÜ^elm  ßamp*)  öcjug  genommen,  boö,  mic  fc^on  früher  bc^ 
merft,  nod^  auö  einem  anbern  ÖJrnnbc  ouf  §utten  als  SSerfaffer 
^in^umeifen  fc^eint,  fofern  nämlic^  bie  Steife,  oon  melier  ber 
^unfelmann  borin  berid)tet,  nac^  Qeit  unb  Stic^tung  mit  ^utten’ö 
jmeitcr  italicnifd^cr  ?Reifc  ^ufammentrifft.  3n  bem  S3rief  bed  M. 
ajteöoe*)  hierauf  mirb  bem  (Sebert  ^arlem,  ^utten’d  roftoder 
©oftfreunb,  ein  S)enfmal  gefegt;  in  bem  be^  M.  $acfftro*)  öon 
ben  ©taUbienften  ber  beutfe^en  ^^frünbenfud^cr  in  Sflom  in  ä^n* 
lieber  SBeife  mie  in  ^uttcn’g  ouf  ber  Sfleife  gefc^ricbenem  S5rief 
an  ®raömuö  gefproc^en;  ber  Sicenciat  ßapp'^)  fd^ilbert  bie  emigen 
©tic^blöttcr  oon  ^uttcn’j^  polemifd^er  5^ber,  bie  ^rebiger  ^eter 
3Äcper  in  gronffurt  unb  Söartbotomäug  ße^enber  in  Ü}tainj,  ganj 
mie  ber  Sßerfoffer  be^  Triumphus  Capnionis.  greilic^  fommen 
biefe  beiben  aud^  fd)on  im  erften  2^^cilc  ®)  baran,  mo  aufeerbem 
nod^  bie'  genaue  S3efanntfc^aft  mit  ben  mainjer  Äronengöften  ^), 
bie  ^ecfmannögefc^ic^te  auö  Söien®),  unb  manc^eö  Ste^nlid^e  auf 
bie  Sermut^ung  führen  fönnte,  Jütten  ^abe  fc^on  an  biefem 
©runbftocfe  beö  SEöerfcö  5lntbeil  gehabt.  2)oc^  mar  ja  auc^  SrotuS 
in  3)^ainji  befonnt,  unb  Steigungen  mie  2lbneigungen,  2lnefbotcn 
mie  SRebenöarten  in  bem  Greife  ber  jungen  ^umoniften  ©emeins 
gut.  2)a§  bie  ernfteren  ©tücfe  be^  jmeiten  XbeitiS,  mie  bie  ftro^ 


1)  3- Dialogi  septem  festive  candidi,  in  ^utien’S  ©d^riften  IV, 
6.  554—600.  §ier  jeigtn  nur  bieientgen  ©tüde,  bie,  wie  bttS  Conciliabulum 
theologistarum,  in  baS  mimifd^e  gel()ören,  bie  boSe  SrohtS^d^e  ÜReigerjd^aft. 

2)  11,  12. 

3)  II,  24. 

4)  II,  23. 

6)  II,  38. 

6)  I,  6.  26.  27. 

7)  I,  11. 

8)  (,  14.  $gl.  oben  ©.  59  f. 


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Vufna^me  ber  ^nfelmSnmrbrirfe. 


195 


fcnbe  ^ro^jl^ctenau^legunö  in  bcm  SBrtef  bc§  M.  Älingcfor*),  bic 
an  ©teilen  in  bem  ©omorte  jum  ^uttcn'f(^en  Nemo  onflingt, 
mit  befonbercr  ^a^rfc^einlic^teit  auf  $utten  jurüefgefü^rt  merben, 
ift  im  Allgemeinen  f^on  angebeutet^  im  ©injelnen  aber  möd^tc 
ic^  ^ier  nic^t  meiter  ratzen,  fonbem  bem  ©d^arffinn  ber  Äcfer 
auc^etmad  ju  leiften  überlaffen. 

9lur  ®ineö  fei  ^ier  noc^  bemerft,  toeil  eS  ben  rafc^cn  ®nt' 
micflungggang  jener  3^it  be^eid^nct.  ^ielBriefe  ber  ^unlelmönner 
fanben  fc^nell  bie  mcitefte  Verbreitung,  boju  fo  ni^lc  iRac^al^mer, 
bag  unferm  Jütten  julebt  ber  ßufrnbungcn  ad  modum  obscu- 
rorum  virorum  ju  biel  mürbe*).  Von  bem  erften  X^ilc  ber 
Epistolae  erfc^ienen,  b\&  ber  jmeite  binSbfam,  brei,  bann  öon 
biefem  bi^  jum  Sa^re  1518  ^mei  Aufgaben;  bon  ba  an  hingegen 
fe^It  bi^  5um  Saljre  1556  jebe  ©pur,  bag  bie  Vriefc  neu  oufge« 
legt  morben  mären.  Am  31.  October  1517  nämlicb  ^atte  fiut^er 
feine  X^efen  angefc^lagen,  im  ©ommer  1519  in  iieij^ig  mit  @(f 
bidputirt,  unb  bon  ba  an  ging  ba$  gani^e  geiftige  Sntereffe  ber 
3cit  in  ber  Bteformation^ngelegen^cit  auf. 

SEBie  bie  ^u  feinen  fünften  unb  ®^ren  beranftaltetc  ©c^rift 
bon  Steudjlin  felbft  auf  genommen  morben,  miffen  mir  auöbrüdlic^ 
nic^t : ber  Vrief  in  ben  Samentotionen , bcm  jufolgc  er  fie  ber^ 
morfen  unb  bermünfe^t  ^ätte,  ift  jebenfaß^  bon  ben  (Gegnern  er* 
bientet ; fobiel  aber  ift  und  bod^  glaubhaft  überliefert,  mie  ed  an 
ficb  glaublich  ift,  bag  bem  mürbigen  alten  ^erm,  menn  er  auc^ 
in  jüngem  Sauren  felbft  eine  fatirifd^e  Äomöbie  mit  fe^r  per^ 
fönlic^cr  Vejie^ung  geft^rieben  j^t  ber  9)>{utbmiße 

feiner  jugenblid^en  Vert^cibiger  gar  ju  bunt  mar »).  Von  (Sradmud 
miffen  mir  aud  feinem  eigenen  Vefenntni^,  mie  einjclne  i^m  bor 
bem  5)rucfe  bed  ßkmjen  jugefommene  V^oben  (er  felbft  fpric^t 
nur  bon  einem,  anbere  bon  jmei  Vriefen*)  i^n  beluftigten;  bag 


1)  II,  50. 

2)  Soureti)  an  ^träbeimer.  ^uiUn’S  6(briftnt  I,  6.  160. 

3)  Camerarius  de  vita  Melanchth.  ed.  Strobel,  pag.  18. 

m5bte  Sergius,  bie  9ieu(blin  1496  in  febtieb,  toar  eine  Satire  auf 

ben  SUnfUing  befi  ^rjogS  ^berbarb  II.  öon  SBürtemberg,  ben  HugufHnermönib 
^o4inger,  bor  bem  er  fi(b  geflUibtet  b<ttte. 

4)  Spongia,  ^utten’8  6(briften  II,  S.  277.  Epist.  Anonymi  adCrotum, 
ebenbof.,  S.  460. 


196 


I.  $u(^.  8. 


bo^  ßöc^cn  barübet  i^n  burd^  gcfö^rlid^cn 

©cfc^tpürö  gefunb  gemacht  b^bc,  ift  eine  alte  ©age.  öebenfücbcr 
.ttjat  ibm  febon  bie  erfte  gcbrudfte  Sammlung ; toie  nun  aber  natb 
furjer  5luflage  mit  einem  2lnbcmg  erfebien,  beffen 

erfte  Plummer  gleich  ben  ©radmug  felbft  bei  einem  ©aftmabt  im 
©efproebe  mit  einem  ^unfelmann  norfübrte,  uoCi  S3erebrung  jmar, 
unb  i^um  ©preeben  getroffen  mit  feiner  febma^en  (Stimme  unb 
feinem  feinen  Söcbeln  über  bie  X()orbeit  ber  SKenfd^en;  mic  enb^ 
lieb  gar  ein  ^toeiter  Xbeil  folgte,  morin  er  noch  öftere,  jmar  al§ 
„ein  3J?ann  für  ficb"^),  boeb  ber  Xbat  nach  al^  S3unbe^genoffc 
ber  jungen  Stürmer  unb  ^Dränger  erfebien:  ba  mürbe  ibm  bie 
Sache  fatal,  unb  er  fpracb  laut  feine  Un^ufriebenbeit  über  ba^ 
böfe  S3eifpiel  auö,  baö  nur  ba^u  beitragen  fönne,  bie  bwnwniftif^e 
Sftiebtung  oerbagt  ju  machen*).  (Sbenfo  fehlte  Sutbern,  menigftenS 
bamalö,  ber  ^urnor,  um  ein  SBcrt  mie  bie  Epistolae  rein  aufjus 
nehmen:  er  fanb  fic  frech  unb  nannte  ben  Söerfaffer  einen  $an^ 
murft  ®).  2lucb  hierin  jelgt  ficb^utten  alö  ber  umfaffenbe,  @egen* 
fäjje  in  ficb  Oereinigenbe  ©eift.  (SrotuS  fonnte  über  bie  SDunfcls 
mönner  nur  lachen ; Öutber  nur  jürnen  unb  gegen  fie  b^nbeln : 
|)utten  oermoebte  ®eibeö. 

2)ie  $lngegriffenen  ibrerfeitö  manbten  ficb,  ib^er  ganj  mürbig, 
j^unad^ft  an  bie  Äircbengemalt.  Sic  ließen  eS  ficb  'Jiel  @clb  foften, 
biö  fie  ein  püpftlicbcö  öreOe  auömirften,  melcbcö  allen  ©b^ft- 
gläubigen  bei  Strafe  ber  excommunicatio  ipso  facto  incurrenda 
gebot,  binnen  brei  Xagen  nad)  bem  IBcfanntmerben  ber  Ißerorbnung 
bie  ctma  in  ihrem  Sefibe  bcfinblicben  (Sjemplare  ber  Epistolae 
jiu  üerbrennen,  unb  Urheber,  ^ruefer  unb  S3cfibcr  berfclben,  bie 
fie  nicht  oerbrennen  moUten,  bem  Ort^pfarrer  anjujeigen.  3Äit 
biefer  SBaffe  oerfeben,  glaubte  nun  Ortuin  auch  literarifcb  gegen 
ben  geinb  ju  gelbe  jieben  ju  fönnen.  @r  febrtc  bie  öejeiebnung : 
Obscuri  viri  gegen  bie  Urheber  ber  unter  biefem  5!itel  erfebienenen 
Söriefc ; biefc,  im  2)unfcl  ber  ^nonbmität  oerfteeft,  feien  bie  mabren 
^unfclmänner,  bie  er  nun  über  ihr  angeblich  fo  übel  abgclaufene^ 


1)  II,  69. 

2)  SAfariuS,  ^uiten’8  Schriften  I,  6.  149. 

3)  3ln  einem  SBrief  on  Stob.  Songe  öom  6.  Dd.  1617.  ßutber’S  Briefe, 
berauSgegeben  non  be  SBette,  I,  8.  37  f. 


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i^Iagen  ber  ^unfetmAnner. 


197 


Untcmcl^mcn  lamcntiren  läßt*)-  ®o^cr  »irb  gleich  toon  ?tnfang 
ba§  päpftüc^e  Sreöc  unb  beS  ©roömu^  migbilligcnbcg  ©d^rcibcn 
abgcbrucft : ein  lucitcrbin  dngcrücftcö  angeblich  öon  9leuc^lin  ;jcigt 
but(^  feine  ^(ump^eit,  tnie  wenig  Ortuin  feinen  ©cgnem  ge» 
woebfen  war.  ®ie  SBcrfoffer  ber  Epistolae  lägt  er  ein  ganj  un^ 
gcfaljcneö  Pater  Peccavi  onftimmen,  in  matten  ?(uörufungen, 
langweiligen  heu  unb  eheu,  proh  Jupiter  unb  p’roh  dii  immor- 
talesl  i^re  S^ticberlage  unb  ben  ©icg  ber  X^cologcn  bcflagcn. 
Äuf  ein  fo  geiftöoÜeö  ^robuct  wie  bic  Epistolae  obsc.  v.  finb 
biefe  Älagcbricfe  eine  unerlaubt  gciftlofe  ffirwicberung.  3“*^ 
@lü(f  pnb  bie  weiften  fegr  fur^\,  bisweilen  nur  uon  wenigen 
Seilen;  aber  man  werft  au^,  bag  bad  Ißermögcn  in  ber  ^^at 
nic^t  weiter,  oft  faum  fo  weit,  reichte.  ^)a§  Iciblid^ftc  ©tücf  ift 
nod^  bo«  Scrjeic^nig  ber  moralifc^en,  b.  unmoralifc^cn  ©runb* 
fäbe,  wel^e  ben  ^tcuc^liniftcn  jugefc^rieben  werben*).  S)er  @til 
burfte,  ba  bic  oorgcblic^en  löricfftcHcr  in  ben  ßamentationen  bic 
^umaniften  finb,  nic^t  fc^lcdbt  fein,  bagcr  f^rcibt  Ortuin  offen* 
bar  fo  gut  er  fann;  wa§  ^war  immer  noci^  fc^lec^t  genug,  bod^ 
auc^  wieber  nic^t  fo  fd^led^t  ift,  um  wiber  rällen  ergeplid^.  ju 
fein.  Uebrigend  will  er,  wie  fold)c  ©efellen  pflegen,  billig  fd)eincn, 
unterfc^eibet  jwifc^cn  guten  unb  fc^lec^tcn  ^Reuc^liniftcn  unb 
^oeten,  woüon  er  nur  für  bie  le^tern  bebauert,  bag  bic  alte 
Äirc^enjuc^t  mit  .^änbeab^aefen,  Sw^^Ö^^^Qw^reigen  unb  (Srbroffeln 
abgefommen  ift,  unb  fic,  als  Vorläufer  bcS  ?lntic^riftS,  bem  ©traf* 
geriefte  beS  Weltlichen  ÄrmS  empfiehlt. 


1)  Lameniationes  obscarorum  virorura,  non  probibitae  per  »edem 
apostolioain,  Ortwino  Gratio  auctore.  erü(  HuS^abe  t>on  46  Briefen 
toar  )ur  Oßermeffe  1518  erf(^ienen;  eine  neue,  mit  einem  )tt>eiten  ton 
40  ^Briefen  »erme^rte:  Impressio  secunda  cum  additionibus,  erf^lien  im 
fluguit  beffelben  ^^re4  }u  H5In.  Sei  ^bding , Hutteni  opp.  Suppl.  I, 
6.  323— 4ia 

2)  Lament.  obsc.  v.  novaa  Ep.  16. 


196 


)lennle$ 


ßutten'$  i>iiftetlttdnun(^  unt  feße  Sinßeffung  itt  ^a!it|. 
feilte  ^eitbnitg  ^egeii  ^om. 

1517.  1518. 

SGBir  l^oben  oben  ben  gaben  oon  ^utten’S  ßebcnöcjefc^ici^tc 
ba  abgeriffen,  wo  er  gegen  6nbe  Sunt  1517  bie  9flü(freifc  Oon 
Sologna  nach  Xeutfd^Ianb  antrat.  (Sv  reifte  in  ©efeflfebaft  bed 
redjtögele^rten  SRitterg  ©eorg  oon  ©treitberg,  unb  öor  ber  äfiittc 
beö  Suli  finben  wir  i^n  in  2lugöburg,  wo  ber  gelehrte  ^tricier, 
Äonrab  ^eutinger,  i^n  goftfreunbli^  in  fein  $auö  aufnal^m. 
@ben  befanb  fic^  ^^aifer  ffl^iojimilian  in  ^ugöburg,  unb  biefe 
legenbeit  wollte  ^eutinger,  in  SSerbinbung  mit  bem  ©ecretär  bc^ 
Äaiferg,  SoJob  ©piegel,  unb  bem  laiferlicben  ^iftoriograbb^n  unb 
9Katbematicuö,  Sodann  ©tab,  welche  bie  ^umaniftenpartei  ju 
ben  rechnen  burfte,  benüfeen,  um  für  Jütten  etwoö  beim 

Äaifer  auö^uwirfen.  Um  biefem  ficb  befannt  ju  machen,  foHte 
Jütten  feine  italienifcben  Epigramme,  bon  benen  bis  je^t  nur 
einzelne  (mit  ber  (Spiftel  StalienS  unb  ©oban'S  Antwort)  gebrueft 
waren,  anbere  nach  bem  erften  Entwurf  in  fehlerhaften  Äbfchriften 
umtiefen,  mit  einer  ßueignung  an  ben  Äaifer  h^rauSgeben. 
@r  ging  auf  ben  ©ebanfen  ein.  fah  bie  ©ebichte  burdh  unb  fchrieb 
bie  3ucignung:  aber  fte  erfchienen  erft  im  folgenben  Soh’^c 
ber  gröbern  ©ammlung,  welche  an  erfter  ©teEe  einen  berbefferten 
Slbbrucf  bcS  ^ufmahnungSgebichtS  gegen  Söenebig  enthielt ‘). 

1)  Hoc  in  volumine  hoeo  continentur.  Ulrichi  de  Hutten  eq.  Ad 
Caesarem  Maximilianum  ut  bellum  in  Venetos  coeptum  prosequatur 
Exhortatorium.  Eiusdem  ad  Gaes.  Maximil.  Epigram,  über  I.  etc.  etc. 
S)ie  3wf*0nun0  ber  gptgromme  on  ben  Äoifer  f.  Schriften  I,  ®.  234  f.  S)te 
be4  ^nfma^nungSgebid^tS  ebenbaf.,  @.  233  f. 


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^utten’8  !E)t(^teTfT5nung  au  Augsburg. 


199 


Sl^ittlcriücilc  BracJ^tc  ^eutingcr  in  einer  ßlänjenbcn  SBer= 
fammlung  beim  Äoifer  bic  9^cbc  auf  Jütten,  fc^überte  feine 
0tubien,  feine  mü^fdigen  Sfteifen,  Uergag  baö  ju  beö  Äaifcrg 
®^rcn  uon  bem  ^Ritter  beftonbene  gran^ofenabcntcuer  nic^t,  unb 
brachte  aflcriei  Xitel  unb  ^^riuilegicn  in  IBorfd^lag,  mit  benen 
ein  fo  ouögcjcic^netcr  junger  Slbelic^cr  ju  gieren  märe.  SlRaji^ 
milion  bcfc^log,  i^n  feierlich  jum  Xic^ter  gu  frönen. 
flocht  bic  fc^önc  unb  tugcnbljafte  ßonftange,  ^cutingcr'ö  Xodjter, 
ba^eim  für  ^utten  ben  ßorbeerfrang.  ©ic  mar  bic  jüngere  ©c^mefter 
jener  früi^  reifen,  aber  auc^  frü^  uerftorbenen  3uliana,  melc^c 
öor  13  Sauren  alö  4jäl)rigc§  ^inb  ben  Äaifcr  2Raj  bei  feinem 
(Singug  in  bic  ©tabt  mit  einer  latcinifc^eu  Unrcbc  empfangen 
l^attc.  3n  glängenbem  Octeite  führte  ^cutinger  am  12. 3uli  ben 
@aft  bem  ^faifer  gu,  ber  i^m  in  ©egenmart  feinet  ^offtaateS  ben 
Ärang  auf  ba^  §aupt  fe^te,  mit  mclc^em  fic^  Jütten  non  ba  an 
fo  gerne  abbilben  lic6‘). 

93on  bemöbrten  SRännern,  beißt  cö  in  ber  barüber  auö» 
geftelltcn  Urfunbe,  fei  bem  Äaifer  Ulricb  t)on  §utten,  ber  ©pröß» 
ling  eines  ebeln  IRittergefcblecbtS,  als  ein  junger  ÜRann  empfohlen, 
ber  aus  2icbc  gu  ben  Söiffenfcbaften  bic  ^eimatb  ücrlaffen,  einen 
großen  Xpcil  oon  Europa  bur^manbert,  babei  oicl  Ungemad)  er^ 
bulbct,  aud)  ßebenSgefabren  beftanben,  biebureß  ober  eS  nunmebr 
babin  gebracht  b^bc,  bag  feine  ©ebriften  in  aller  ^änben  feien, 
bic  gclcbrteftcn  ÜRänner  in  3talicn  unb  X)eutfd)lanb  fiep  feine 
greunbe  nennen  unb  in  öffentlichem  Xrude  für  feine  feltcnen 
®orgügc  Beugniß  oblegen.  SBcil  er  fo  gu  bem  angeborenen  2lbel 
bcS  ©efchlechtS  ben  burch  bie  beften  ©tubien  ermorbenen  bi^^SU* 
gefügt,  b^be  auch  ber  Äaifcr  ibn  mertb  geachtet,  burch  ein  3Rer^ 
mal  feines  Beifalls  ihn  auSgugeichnen.  ©o  ertbeilc  er  ihm  benn 
aus  eigenem  Antriebe,  nach  gemiffer  Äunbfdjoft,  mit  faiferli^er 
ÜRachtoollfommenbeit  ben  Sorbeerfrang  unb  ben  golbenen  Üling, 
ernenne  ihn  gum  dichter  unb  91ebner,  mit  bem  Spechte,  an  allen 
©d)ulen,  inSbefonbere  an  ^ochfehuten,  in  ben  JJöchern  ber  Xicht- 
unb  IRcbefunft  gu  lehren,  überhaupt  mit  allen  ^rioilegien,  ®btcn, 
©naben  unb  greibeiten,  melcbe  bic  übrigen  foifcrli^  gefrönten 
^oeten  unb  Oratoren  oon  Spechts  ober  $erfommcnS  megen  ge* 


1)  Jütten  an  ^eutinger,  6<briften  I,  6.  178. 


200 


i.  99u(^.  9.  Po{)iteI. 


niefeen.  Unb  nm  il§m  nod^  ein  befonbere^  SWcrhnal  feiner  ©nabe 
ju  geben,  nefeme  ber  ^taifer  i^n,  genannten  Ulric^,  fammt  öden 
feinen  @ütem,  Slngelegen^eiten  unb  S^led^ten,  foroo^t  je|igcn  alö 
fünftigen,  in  feinen  unb  be^  beü.  iReicbeö  ©(^u^,  unb  ertbcUc 
il}m  ba§  Sßorrcebt,  üot  feinem  anbern  SRiebter  alö  bem  Äaifet 
unb  beffen  0latbc  gerichtet  merben  ^u  fönnen.  aHe^  jur 
^faebü^tung  für  aHe  beö  b^^^-  9feicbö  geift^  mie  meltlicbe 
gürften,  ©tobte,  Uniüerfitöten  u.  f.  f.,  unb  bei  ©träfe  non  15  9Rarf 
©olbeö  für  ben  Uebertreter,  moüon  bei  jebem  ein;\elnen  Ueber^: 
tretunggfaHe  bie  §ülfte  bem  faiferlicben  giöcuö,  bie  anbere  $ölftc 
aber  bem  befeböbigten  Ulricb  felbft,  ju  @ute  fommen  folle').  — 
5)0^  2a\)x  barauf  uernabm  $utten  überbiefe  öon  einem  faifer* 
lieben  (Sefebenfe,  baö,  auf  fßeutinger'ö  SSermittlung,  für  ibn  un* 
termegS  fei ; ob  etmag  an  bem  ©erüebte  mar,  erbeHt  meiterbin  nicht. 

3m  3i*f^i”iiJ^cnbang  mit  biefer  ©nabeuermeifung  fuebten 
^eutinger,  ©piegel  unb  ©tob  ben  neugefrönten  Siebter  an  ben 
faiferlicben  §of  ju  sieben;  anbere  g^eunbe  erinnerten  an  ben 
©r^bifebof  üon  9Rainj,  für  beffen  2)ienfte  er  cinft  üon  (Sitelmolf 
beftimmt  gemefen,  oon  bem  er  febon  früher  ein5elne  Sluftröge, 
bann  ^u  feiner  italienifcben  fRcife  Unterftü^ung  empfangen  b^tte. 
Jütten  fonnte  ficb  nicht  fogleicb  entfcbliefeen.  ßunöcbft  begab  er 
ftcb  (ohne  dlürnberg,  um  $ivcfbeimer  ben  oerfpro:» 

ebenen  S3efu^  ju  machen)  noch  Samberg,  mo  er  feinen  greunb, 
ben  2)omberrn  3ufob  5ucb3,  antraf,  ber  febon  oor  ihm  Sologna 
oerlaffen  unb  ben  fRücf meg  in  bie  ^eimatb  angetreten  butte,  ^ier 
fab  ihn  au^  ber  junge  Sooebim  Samerariu^  jum  erftenmale,  ber 
babei  oon  bem  glönjenben  fRufe  nicht  bloS  ber  ©elebrfamfeit, 
fonbern  auch  ber  Xapferfeit  berichtet,  melcber,  in  fjolge  feineö 
Äümpf^  mit  ben  fünf  granjofen,  bem  fRitter  bei  feiner  fRücffcbr 
nach  Xeutf^lanb  oorangegangen*).  3n  granfen  trat  biefem  ber 
gamilienbanbel  mit  bem  ^erjog  Ulrich  oon  S33ürtcmberg  oon 
Steuern  nobe;  Oielleicbt  fam  ihm  erft  hier  baö  Sluöfcbreiben  beö= 
fclben  roiber  bie  ^utten'fcben  jur  ^anb,  ^u  beffen  SBiberlegung 
er  je^t  in  menigen  Xagen  feine  oierte  ^ebe  gegen  ben  ^erjog 
febrieb®}.  Slufeerbem  ftattete  er  in  einem  Sriefe  bem  Grra^muö 

1)  ®te  Urfunbe  j.  in  ^utten’S  6<briften  I,  ©.  143  f.  . 

2)  Camerar.  Vita  Melanchthonis,  in  H/  361  f. 

3)  oben  @.99 — 103. 


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Verausgabe  einer  6(brift  non  Soren)  SaQo.  201 

23crid)t  uon  feiner  fReife  unb  feiner  ^)icbterfrönunß  ob,  unb  ban!tc 
i^JU  für  bic  e^rcnooHc  @m)äi)nunß  feincö  S^amenö  in  ber  S^orrebe 
ju  ®radmu^’  2lu^gabe  beö  Svenen  ^eftamentö.  ^)icfcr  ®rief  ift 
am  21.  3uli  öcfd)riebeu  *) : einen  ÜRonat  fpätcr  finben  mir  Jütten 
noc^  immer  in  33ambcrg;  auc^  an  ben  Sintritt  in  bie  ^ienftc 
beö  bortigen  Öif^ofö  fdjcint  er  gcbac^t  ju  hoben.  Seicht  lange 
hernach  reifte  er  ab ; 33efannte  in  !öambcrg  mußten  nicht,  mohin : 
gegen  baö  @nbe  be^  Sahreö  finben  mir  ihn  bei  ben  ©einigen 
auf  ©tecfclberg,  mit  einer  merfmürbigen  Slrbeit  befchäftigt. 

ift  oben  erzählt  morben,  mie  am  Xage  oor  feiner  2(brcifc 
auä  Bologna  nach  2)eutfchlanb  Jütten  bei  ßoehläuö  ein  ©fcmplar 
ber  ©chrift  beö  fiaurentiu^  Ißalla  über  bic  crbichtete  ©chenfung 
Äonftantin'ö  gcfchcn  hotte.  Sochläuö  hotte  bic  ©chrift  üon  einem 
Änbcm  geliehen  befommen;  Jütten  moUtc  fic  in  2)eutfchlonb 
micbcrabbrucfcn  loffen,  unb  münfehte  baher  eine  Slbfchrift  nehmen 
^u  bürfen ; maö  (Sochläuö,  obgleich  ihm  bei  ber  ©ache  nicht  ganj 
mohl  mar,  hoch  um  fo  meniger  abfchlagen  mochte,  je  mehr  er 
mit  bem  Snholte  ber  ©d)rift  bamalö  noch  einoerftanben  mar. 
gricbrich  Sifchcr,  ber  mürjburgcr  5)omherr,  ber  noch  in  S3ologna 
jurücfblieb,  beforgte  bic  ^bfchwft,  bic  bem  Flitter  nach  2)cutfch' 
lanb  nachgcfchicft  mürbe*). 

2)a6  bic  genannte  ©chrift  bed  um  ^h^^ologic  unb  firchen* 
gefchichtliche  ^riti!  hochoerbienten  italienifchen  ^umaniften  aud 
ber  erften  ©älftc  bcö  oorhergegangenen  Sohrhnnbertö  für  §utteu 
eben  jc^t  ein  miflfommener  gunb  mar,  begreift  fich  auö  ihrem 
3nhalt  unb  @eift,  mie  quö  ihrer  gorm.  2Bar  fie  in  lehtcrer 
IsBcjichung  ein  mahred  $rachtftücf  beä  homaniftifchen  iRenaiffancc« 
ftiU,  fofern  fic  in  claffifchem  ßatein,  burchauS  rhetorifeh  geholten, 
ihre  @rünbc  nach  Ätt  ber  alten  ^iftorifer  in  crbichtete  ?Rebcn  ' 
ber  betheiligten  ^erfonen  (ber  ©öhne  Ä^onftantin'ö,  be^  römifchen 
SBolf^,  bed  $Qpftc^  ©hlbcftcr)  cintlcibet:  fo  griff  fic,  ma<S  ihren 
3nholt  betrifft,  bag  ©pftem  ber  römifchen  Änmafeungen  an  einem 
ber  ücrmunbbarften  fünfte  an,  unb  thot  bie&  im  ©ciftc  jener 
freimüthigen,  opferbereiten  SBahrheit^liebe,  oon  ber  Jütten  fclbft 
bcfcelt  mar.  (£ine  ^auptftüpc  ber  popftlichcn  Änfprüchc  nämlich 


1)  6<hrtften  I,  6. 146—148. 

2)  ^H^lfius  an  $ir(!h<imer,  Vutten’S  I,  8.  14£. 


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202 


1.  $n(l^.  9.  j^a))itel. 


bUbctc  ba§  angebliche  @bict  bc§  Äaiferä  Äonftantin,  froft 
beffeu  er  bem  römtfehen  öifchof  ©hlbefter  unb  beffen 
gern,  alö  S^Ö^be  ju  bem  firdhlichcn  Primat,  nicht  blog  feinen 
lateroncnfifchen  ^alaft  in  9Rom  fammt  ben  faiferlichen  Snfignien, 
fonbern  auch  ©tabt  fRom,  ja  Stalien  unb  baS  ganj\e  Äbenb* 
lanb,  überlaffen,  unb  fid)  felbft  auf  ben  Orient  befchränft  ho^^w 
foH.  ®ie  Unädhtheit  unb  Ungereimtheit  biefeö  ?lctenftücfö  jeigt 
SSalla’g  2)eclamation  in  fo  fchlagenber,  ja  fchneibenber  Sßeife,  ba§ 
unö  meber  bie  SJerfolgung  befremben  fann,  bie  er  fich  baburdh 
juj^og,  noch  ber  SSerruf,  in  melchem  feine  ©chrift  bei  ben  firch* 
liehen  aRachthubern  ftanb. 

2)iefe  @^rift  nun,  meld)e  bie  meltliche  ^errfdhaft  beg  ^apftc« 
in  ihrer  ©runblage  angriff,  gab  jc^t  §utten  herauf,  unb  mibmete 
fte,  mit  öcht  ^utten'fcher  2)reiftigfeit,  bem  ^apfte  felbft^),  mib* 
mete  fie  ihm  fo,  alö  märe  er  oerfichert,  bag  ber  ?5apft  mit  ber 
§erau§gobe  einberftanben,  jo  bem  Herausgeber  für  biefelbe  banfs 
bar  fein  merbe.  ®ie§  mar  nichts  meniger  als  fein  @mft.  @r 
hatte  ßeo  bem  X.  mährenb  feiner  bereits  4jährigen  Olegierung 
längft  abgefehen,  bag  er  in  ber  H^tbptfache  ein  ^apft  mar  mie 
bie  anbern  auch;  h^tte  fchon  im  oortgen  ©ommer  an  ^irtfheimet 
über  ihn  als  einen  lei^tgefinnten,  gelbgierigen  glorentiner,  einen 
Heiligen,  beffen  Unheiligfeit  bei  allen  SSerftänbigen  eine  auSge* 
mad)te  ©ache  fei,  gefchrieben.  @S  mar  alfo  nur  eine  SBenbung, 
um  ben  ?apft  in  bie  Verlegenheit  ju  fepen,  mit  guter  Slrt  nidht 
mohl  eine  Un^^ufriebenheit  über  HuUcn’S  Unterfangen  äußern  ju 
fönnen. 

Hutten  fnüpft  feine  3ueignung  an  bie  3«fchtift  an,  mclche, 
im  ©egenfape  ju  feinem  friegerifchen  Vorgänger,  ßeo  bem  X.  als 
bem  „SBieberherfteller  beS  griebenS"  in  3talien  gefept  morben 
mar.  3Rit  bem  ^rieben  h^be  er  ©erechtigfeit,  SEÖahrheit  unb 
greiheit  jurücfgefül)rt : nun  fönnen  bie  SGÖiffenfdjaften  mieber  auf« 
leben,  nun  bürfe  anS  ßiept  treten,  maS  bisher  fidh  oerftcefen 
mußte,  unb  um  fo  ^uüerfidjtlicher,  je  maßrer  unb  lauterer  eS  ge^ 
fchrieben  fei,  mie  biefe  ©dhrift  beS  VaHa.  Slnbcrc  ^äpftc  hoben 
biefelbe  üerboten,  meil  fie  bie  SBahrheit  nicht  hören  mollten:  ßeo 


1)  De  donatione  Gonstantini  quid  veri  babeat  etc.  3^i0^ung 
in  iputten’S  S(|nlten  I,  S.  155-161. 


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3uetgnung  an  ben  Seo  X. 


203 


toerbc  ftc  lieben,  h)eil  er  ein  greunb  ber  SBal^r^eit  fei.  SBag  bic 
gegen  fd^led^te  ^äpfte  fagc,  gc^e  i^n  nid^tS  on,  ber  fid^ 
benm  jt  fei,  ein  guter  ^opft  fein,  ©^(ec^te  köpfte  aber,  ober 
Oielme^r  gar  feine  ^äpfte,  feien  biejenigen  gettjefen,  njeld)e  mit 
»cltlic^em  ©inne  jene  ©c^enfung  i^onftantin^ö  erbid^tet,  ober  bic 
fc^amlofe  ®id^tung  fic^  ju  9tupc  gemad^t  ^aben.  öeo  merbe  oon 
felbft  unb  gütlich  aufgeben,  mag  man,  menn  ein  fd^Icd)ter  ^opft 
an  feiner  ©tcHe  gemä^lt  morben  märe,  biefem  mit  ©emalt  abge^ 
nommen  ^aben  mürbe.  9lur  fo  fönne  er  fein  Sßort,  bafe  er  ber- 
SBieber^erfteüer  beg  gricbeng  fein  moHe,  ma^r  machen.  3)enn 
griebe  fönne  jmifc^en  fRäubern  unb  93eraubten  nid^t  e^er  ftatt* 
finben,  alg  big  erftcre  ben  le^tcrn  bag  beraubte  jurüdEgegeben 
^aben.  ©o  nennt  §utten  bic  früheren  köpfte  gerabeju  Räuber 
unb  Diebe:  unb  ju  meinen,  bag  fid^  ßco  babur^  beleibigt  finben 
merbe,  erflärt  er  eben  für  bie  grögte  Söeleibigung  gegen  einen 
^[kpft,  ber  mit  jenen  nid^tg  fönne  gemein  f)aben  mollen. 

Dabei  fü^rt  er  eine  ^eige  oon  9Wigbräu^en  unb  ©ebrüefungen 
fo  auf,  alg  ob  fic  nur  ben  SJorgängern  Seo’g  i^ur  ßaft  gclcn,  oon 
benen  er  boeb  fc^r  gut  mugte,  bag  fie  unter  ßeo  tgeilg  forts 
bouerten,  t^eilg  fid^  nod^  Oerfd^limmert  Ratten.  S^tic^tg  fei  fo 
bitter,  bag  cg  nid^t  gegen  jene  köpfte  gefagt  merben  bürfte,  „melcge 
oom  gcringften  Öormanbe  Slnlag  ju  cnblofen  ^lünberungen  ge* 
nommen,  ©naben  fcilgeboten,  mit  Digpenfationen  unb  öuHen 
aller  Ärt  fc^on  fo  lange  ßeit  ^anbel  getrieben  gaben.  Die  für 
bic  ©ünbenüergebung  einen  5?aufpreig  feftgefe^t  unb  aug  ben 
©trafen  beg  fünftigen  Sebeng  eine  ©rmerbgquelle  gemaegt  gaben. 
SBelcge  bic  geiftlicgen  ©teilen  bei  ung,  bic  milben  ©tiftungen 
unfrer  Voreltern,  fieg  abfaufen  liegen.  SBclege  bic  Deutfegen 
glauben  maegten,  bic  feien  feine  öifegöfe,  mclcgc  niegt  igr  Gallium 
für  oiclc  taufenb  ©olbftücfc  Oon  ignen  erganbclt  gaben.  SBcldge, 
niegt  jufricben,  einmal  beg  3agrcg  eine  augcrorbentliegc  ©teuer 
ju  erpreffen,  fo  oft  cg  ignen  gefiel,  Scutc  fegieften,  bie,  halb  unter 
biefem,  halb  unter  einem  anbem  Sormanbe,  fammcln  mugten, 
bag  einemal  für  einen  Dürfenfrieg,  bag  anbrcmal  um  ^u  S^iom 
bem  g.  ^trug  eine  l^irege  ju  bauen,  bic  fic  nie  fertig  maegen 
loffen.  SGBelcge  cnblieg,  mägrcnb  fie  afleg  bag  oerübten,  bennoeg 
Reg  alg  ©cligftc  unb  ^ciligftc  begrügen  liegen,  unb  gegen  igr 
Dreiben  fein  ©ort,  oicl  meniger  eine  ^anblung  bulbcn  moUten , . 


204 


I.  %U(!^.  9.  ffapiUL 


SBer  fold^en  iRäuBcrn,  fo  unl^otbcn  X^ranncit,  bic^  beijä^lcn 
tüoClte,  foCitcft  bu  bcn  nic^t  für  bcincn  ärgftcn  geinb  ad^tcn, 
großer  Seo  ?"  Sßaßrßaft  eßrc  ißn  bagegen  berjenige,  njelcßcr,  tote 
Jütten  bureß  bie  ßiicignung  ber  ©cßrift  beö  SSaüa,  t^atfäcßlic^ 
ba§  SSertraucn  ju  i^m  bereife,  baß  er  fid^  öon  ben  toeltlid^en 
tlnmaßungen  feiner  S8orgänger,  gegen  tocld^e  jene  ©eßrift  gerießtet 
fei,  burc^auö  toögefagt  ßöbe.  ©o  loenig  er  baßer  jtoeifle,  fcßließt 
$utten  mit  mutßmiHiger  Äecfßcit,  baß  ba§  35ü(ßlcin  bem  Zapfte 
gefallen  merbc,  fo  toöre  eö  ißm  boeß  lieb,  menn  biefer  feinen  ^cu 
fall  öffentlicß  bezeugen  möcßte:  bann  molle  er  SJiüße  geben, 
halb  mieber  ctmaö  ^cßnlicßeg  aufjupnben. 

®incn  in  biefer  bürfen  mir  nießt  außer  3(dßt 

laffen,  mcil  er  §uttcn’ö  ©rnppnbunggmcife  bejei^net,  unb  bur(ß 
feine  ganj^e  ^olcrnif  gegen  baö  ^apfttßum  ßinbureßgeßt.  5Ricßt3 
bringt  ißn  ßeftiger  auf  an  jener  untergefeßobenen  Urfunbe,  atö 
baß  ber  S3etrug  fo  plump  ift,  baß  man  fießt,  er  mar  oorjug^s 
mcife  auf  bie  ^eutfd^cn  bereeßnet,  oon  melcßen  bie  Staliener  fag* 
ten,  fic  ßaben  tein  $im.  Jütten  fic  eö  mit  anbern  Sftationen  ju 
tßun  geßabt,  meint  Jütten,  fo  mürben  pe  e§  feiner  angegripen 
ßaben.  SBößrenb  er  baßer  über  ben  ©tumpfpnn  unfrer  Sor* 
faßren  pcß  ärgert,  benen  man  fo  etmaS  bieten  tonnte,  füßlt  er 
pcß  jugleicß  ju  boppcltem  ^affe  gegen  biejenigen  entpammt,  bje 
unfre  ©infalt  fo  gu  mißbraueßen  im  ©tanbe  maren. 

SBie  feßr  biefe  bureß  Jütten  üeröpentlicßte  ©cßrift  in  bic 
Seit  eingrip,  erfeßen  mir  aug  bem  ©inbruefe,  ben  pe  oufSutßcr 
maeßte,  al^  pe  ißm,  etma§  oerfpätet,  ^u  §anben  tarn,  ©r  tonnte 
niißt  genug  barüber  ftaunen,  baß  fo  craffc  unüerfcßömte  ßügen 
fo  lange  gaßrßunberte  ßinbureß  pcß  ßaben  ßaltcn,  ja  mie  ©Jlaus 
ben^artitel  betrad^tet  merben  fönnen:  unb  nun  erft  feßien  eg  ißm 
immer  meßr,  alg  märe  ber  $apft  ber  leibßaftige  Slnticßrift  *).  8(u^ 
bem  $appe  feßeint  bie  ißm  5ugeeignete  ©(ßrift  bamalg  noeß  nidßt 
jugetommen  ju  fein:  menigfteng  naßm  er  üon  ^utten’g  ©cßrift» 
peUerei  erft  brei  Saßre  fpäter  öPentlicß  9^otij. 

2Kittlenoeile  ßatte  pcß  biefer  für  bie  mainjifeßen  2)ienfte 
entfeßiebeu.  ©ein  33etter  gromin  unb  ber  ßeibarjt  beg  ^r» 
fürften,  ^einrieß  ©tromer,  ein  eifriger  greunb  ber  ßumaniftifdßen 


1)  Sut^er  on  @|>alatm  oom  23.  gfebi.  1520.  ^utten’S  Sd^riften  I,  6. 324. 


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^uHrn’S  (Sintritt  in  main^ifd^e  ^ienfie.  205 

0üc^tung,  mod^ten  c«  bei  i^m  tpie  bei  bem  ©rjbifc^of  ?Ubrec^t 
üoflenbg  in^  iReine  gebracht  b^^ben.  ®q6  biefer  ben  3)^ann,  ber 
fo  eben  eine  0c^rijt  n>ie  bic  üorcrmäbnte  mit  einer  feieren  ®or* 
rebe  Verausgab,  o^ne  ^nftanb  an  feinen  ^of  na()m,  ift  bejeic^* 
nenb  für  bie  firc^tid^en  S^ftönbe  ber  ^eit.  ®ic  ^uöbcutung 
3)eutfcblanbö  burc^  bie  römifc^e  Surie  mar  iängft  fo  brücfenb  ge* 
morben,  ba&  baö  3ntercffc  eineig  beutfe^en  Äirc^enfürften  mit  bem 
beö  p(4)ftfid^en  ©tu()leö  nic^t  me^r  in  allen  ©tücfcn  |)anb  in 
^anb  ging;  unb  indbefonberc  bag  mainjifd^c  ®rjftift  mar  burc^ 
ben  auf  20000  ©olbgulbcn  gefteigerten  ^reiö  bed  crjbifd^öflid^en 
^alliumd,  ber  in  ber  lebten  geit,  bei  pufigen  (Srlebigungöfäüen, 
mieberbolt  böttc  erlegt  merben  müffen,  aufd  i^eufeerftc  erfc^öpft. 
9Rit  Stüdfic^t  barauf  botte  (Srjbifcbof  2llbrecbt  ficb  anbeifebig  ge* 
macht,  baffelbe  and  eigenen  ^^itteln  befahlen:  biefe  Ü)dttel 
foHte  ibm  ber  Slblafe  febaffen,  beffen  Scrmaltung  ibm  ber  ^apft 
uberlieg,  unb  auf  beffen  halben  Ertrag  nun  bie  Sugger,  bie  ihm 
bad  ^aUiengelb  oorgefeboffen  batten,  angemiefen  mürben.  S3on 
hier  auö  begreift  man,  mie  berfelbc  ©rjbifcbof,  ber  Sutber'^  2ln* 
griff  auf  ben  ^blag  fo  übel  aufnabm,  mit  ^utten'd  Kampfe  gegen 
bie  pöpftlicbcn  Uebergriffe  im  0tiüen  gar  nicht  fo  unjufrieben  mar. 

9^och  t^or  bem  (Snbe  bcS  Sabreig  1517  machte  Jütten  im 
Aufträge  feinet  gürftcu  eine  Steife  an  ben  ^of  beig  Äönigd  üon 
Jranfreicb  ^),  unb  mürbe  in  biefem  ßanbe,  nicht  bloö  biefer  äugem 
0tcUung  megen,  fonbem  auch  um  feinet  literarifeben  Slamenig 
mitten,  ebrenüott  aufgenommen.  2luf  feiner  ®urcbreife  bureb  $ari^ 
mürbe  er  ju  bem  Unterpräfecten  Submig  Stu^euö,  einem  ßiebbaber 
ber  febönen  äöiffenfcbaften  unb  ©önner  ber  ©elebrten,  einge* 
laben,  unb  lernte  hier  ben  »Secretair  bed  Äönig^,  Sßilbelm  33u* 
bäud,  ben  Sorrefponbenten  unb  Stebenbubler  bcö  (Sra^mud,  lennen, 
ber  bei  biefer  ©elegenbeit  gegen  biefen  §utten'^  feineig  unb  mabr* 
baft  abclicbed  Söefen  rühmt.  ®amaU  eilte  Jütten,  feinem  2luf* 
trage  gemög,  baö  föniglicbc  ^)oflagcr  ju  erreichen:  berührte  aber 
ouf  ber  Stüdreife  ^arid  noch  einmal,  unb  befreunbete  ficb  mit 


1)  ^er  furfürfUid()e  93e^aaung8bti(f  Dom  20.  @ept.  gebt  in  ^utten’8 
6<b^ftm  V,  S.  507  f.  Jütten  b(>bt  bartn  consiliariua  noster,  unb  als 
feiner  6enbung  ig  flbldbliegung  eines  ißünbniffeS  nebg  einigen  anbem  ®e» 
jebäften  angegeben,  moju  i^m  plenaria  potestas  ertbeilt  toirb. 


206 


I.  9. 


bcn  bort  Icbcnbcn  ^umaniften  nod^  genauer^).  0^ne  ßtoeifel 
tuat  eö  auf  biefer  iReifc,  bag  er  au^  bic  ©efanntf^aft  be6  alten, 
um  bie  5luölegung  bc^  Sfteuen  Xeftament^  mic  beö  SlriftotcleS 
^oc^üerbienten  gaber  uon  (Staplet  unb  ber  betben  gebilbeten 
Äcr^tc  ©opug  unb  IRueUiuö  machte,  beren  erfterer,  jc^t  granj 
beö  I.  Scibatit,  fic^  üor  einigen  galten  ücrgcblic^  bei  ber  parifer 
Uniüerfität  für  9teuci^lin  nermenbet  ^attc.  Söenigften^  Pflegte 
Jütten  t)on  ba  an  biefe  3Jtänncr  aU  bie  ^auptftüjen  be^  tnif* 
fenfc^aftlic^en  gortfd^rittö  in  granfreic^  ju  rühmen. 

9tadj  üKainj,  mic  cd  fc^eint,  Slnfang  gebruar  jurilcfgcfc^rt, 
fam  ^utten  eben  rec^t,  um  feinen  ^turfürften  in  beffen  fäd)fifc^ 
2)iöccfcn  5U  begleiten,  mo  biefer  bid  jum  beginne  bed  ougdburger 
9tcic^tagd  im  3uli  ücrmeilte,  feinen  neuen  S)iencr  aber  p ®nbc 
SÄärj  ober  Slufang  ?lprit  mit  einem  tluftrage  noc^  9Jtainj  jurüct^ 
reiten  ^ieg.  Ä;aum  Dom  ^ferbe  geftiegen,  erhielt  biefer  l^ier  einen 
©rief  non  bem  Grafen  ^ermann  non  9luenar  aud  Äöln,  fammt 
einer  ©d^rift  non  ^oc^ftraten*),  in  welcher  unter  onbern  Än* 
l}ängcrn  IRcuc^lin’d  auc^  ber  (jjraf  in  ber  Söeifc  jened  ke^cx^ 
mcifterd  gcfc^müt)t  tnar.  @rof  ^ermann  na^m  fic^  gegen  biefen 
Singriff  bolb  barauf  bic  ©enugt^uung,  bafi  er  einige  ßufc^riften 
gleic^gefinnter  SWänncr  an  i§n  über  bie  ©oc^c,  mit  Slntmort  non 
i^m  unb  ncrfc^icbcnen  bcn  ©treit  betreffenben  SlctenftüdEcn,  brurfen 
lieg®).  Unter  biefen  Briefen  befinbet  fic^,  neben  einem  non  fRcuc^^ 
lin  unb  einem  non  ^ermann  58ufc^,  aud^  eben  berienige  Ulric^’d 
non  §uttcn,  burc^  ujelc^en  biefer  bie  ermähnte  ©enbung  S^ucnar'd 
faft  noc^  im  ©tcigbügcl  bcantmortetc. 

Jütten  belennt  in  biefem  löriefc  gerabep,  bog  er  bic  ©c^anb* 
fc^rift  ©od)ftratcn’d  mit  Vergnügen  gclefen  ^abe.  3c  fred^r,  befto 


1)  Sgl.  über  biefe  Siet  je  bie  ©tiefe  öon  ©ubüuS  on  (5to8mu§,  ^utten’S 
Sänften  I,  162,  171,  unb  ^raSmuS’ Spongia,  ebenbof.,  II,  6.270,  §.  39. 

2)  C^ne  3^rifel  bie  Sd^rift:  Ad  Sanctiss.  D.  N.  Leonem  P.  X.  ac 
div.  Maxemilianum  Imp.  . . Apologia  R.  P.  Jac.  Hochstraten  oontra 
dialogum  6co.  Benigno  Arebiep.  Naz.  in  causa  Jo.  Reuchlin  asoriptum 
etc.  Colon.  1618.  ©gl.  Hutteni  Opp.  Suppl.  I,  6.  419 — 27  unbll,  6. 101. 

8)  Epistolae  trium  illuttrinm  viroram  ad  Hermannum  Com.  Nue- 
narium  E^usd.  Responsoria  etc.  ©gl.  Hutteni  Opp.  Sapplem.  1,  6. 
327—329.  427—429.  S)et  ©rief  ^utten’S  öom  8.  ©pril  1618  ln  beffen 
6(^riften  I,  6.  164—168. 


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Jütten  an  b«n  ®rofen  ^mnann  t>on  92uenar.  207 

beffcr,  meint  er;  um  fo  früher  merben  ber  beutfc^cn  Station  bic 
Äugen  über  biefe  iüienfc^cnflaffe  ouf^,  unb  bie  ©ebulb  mit  ber? 
felbcn  au^c^en.  Jreilid^  fei  cd  faum  ju  begreifen,  unb  in  Italien 
i^m,  ju  feiner  Sefc^ömung,  mc^r  ald  einmal  üorge^altcu  morben, 
mie  uiel  mir  $icutfc^cn  und  non  ben  Orbendbrübern  bieten  laffen. 
5Bon  Seuten,  bic  mir  üon  unferm  ©rbgutc  jum  ^c^ufc  bed  ©o^ 
tedbienfted  erhalten,  laffen  mir  und  be^crrf(^en  unb  mife^anbcln. 
S^tic^td  fei  ^od^müt^iger,  unbänbiger,  fd^onungdlofcr  ald  biefe 
SÄcnfc^enart;  menn  fic  einmal  „jene  öurg  if)rer  gredj^cit,  bic 
Äanjcl,  befliegen  ^aben",  fei  fein  9lamc,  fein  guter  fRuf  mc^r 
bor  ihren  Söftcrungen  fid)cr.  ^ier  nimmt  Jütten  gelegentlich 
jmei  folchc  Pfaffen  bor,  bie  mir  fchon  aud  ber  ©efchichtc  bed 
Äcuchlin’fchcn  ©treited  fattfam  fennen.  2)cr  franffurtcr  ^Icban 
^ter  aWeher  fommt  biefemal  mit  ber  furzen  öc^^eichnung  meg, 
er  fei  ber  Ungelchrtcftc  unb  babei  Unberfchämtefte  bon  allen, 
mclchc  bem  fReuchlin  übel  moHen.  2)efto  audführlicher  mirb  33ar* 
tholomäud  ßehenber  bon  SOtainjj  bebacht,  mit  bem  cd  mahl  frifchc 
ßufammenftöfee  gegeben  h^dtc.  Äcinc  ^rebigt  bor  ber  unmiffen» 
ben  aRenge  hoHe  ^cr  Söfcmicht,  in  bic  er  nid)t  irgenb  ein  ©ift 
cinflic§cn  ließe.  ®r  fönnc  ben  3Runb  nicht  auftl)un,  ohne  ©c^ 
höffigfeiten  borjubringen ; alle*  ©Uten  fche  er  fdjecl  an.  ©o  höbe 
er  ben  Slcuchlin  auf  ber  Äanjel  gefchmäht,  fo  ihn,  Jütten,  mie^ 
berholt  in  feinen  ^rebigten  heruntergeriffen.  3)ieß  mirfc  übri? 
gend  nur  bei  ber  ^efe  bed  ißolfcd:  bon  ©eiten  ber  ©cbilbctcn 
habe  er  fich  baburd)  gefährlichen  ^oß  jugejogen.'  ajian  bürfc 
aber  ben  üRenfehen  nur  onfehen:  er  fei  ber  cingefleifchte  ateib. 
©ein  Äudfchen  höbe  ctmad  bom  ©forpion.  3öic  beffen  ©chmanj 
immer  ^um  ©tiche  bereit  fei,  fo  jeige  bic  SRienc  biefed  ^fä^leind 
jeben  Äugenbtief,  baß  cd  ctmad  S3öfed  benfe,  auf  eine  ©^mähung 
finne,  einen  Xrug  bereite,  mit  ©inem  SGÖort  irgenb  ein  ©ift  fochc. 
„©0  fei  mir  Ö^^dbig,  mie  i^  jebe  suföUigc  ©egegnung 

biefed  ©churfen  für  ein  böfed  ^nb  baher  bon  bem 

fikg  obbiege,  bon  bem  i^  meiß,  baß  er  ihn  gehen  mirb.  ©olchc 
Äpoftcl  höt  jejt  3)eutfchlanb,  folchc  ©erlünbiger  bod  ©bangelium. 
SRan  lonntc  fic  bulben,  fo  lange  fic  bic  gehler  ber  3Renfchen 
mit  ©limpf.  rügten,  atun  aber,  ba  fic  fich  ^^ed  erlaubt  h^den 
unb  mit  i^ft  men  fic  motten  fdhmähcn;  ba  fich  in  ihren  ©re* 
bigten  fein  üchtcr  äicligiondeifcr,  feine  ©pur  bon  grömmigfeit 


208 


I.  9. 


jcigt;  ba  ftc  ftatt  ©ottc^  SBort  ©d^im^ftoörter  föcn,  im  öffcnt' 
liefen  ^ciligt^um  für  ^riüatbcieibigungen  ftc^  rächen,  ja  felbft 
JsSelcibigungcn  jufügen  unb  Unfc^ulbigc  in  ©efobr  bringen;  ba 
fic  baö  aUeö  ol)iie  mit  Uebermut^  unb  ©raufamfeit  betreib 
ben : mag  ^inbert,  bag  mir  nic^t  enblic^  mit  prügeln  unb  ©teinen 
auf  folc^c  ^euc^ler  lo^ge^en?" 

2)a6  ber  Äampf  gegen  biefe  innern  geinbe  ber  S^riften^eit 
bringenber  fei,  alö  ber  gegen  ben  Xürfen,  mirb  auc^  (miein 
ber  SBorrebc  jum  Triumphus  Capnionis)  auögefproc^en.  S)er 
SJerfaU  ber  grömmigfeit,  bie  ©pattungen  in  ber  Äirc^e,  in^be^ 
fonbere  ber  2lbfall  ber  Sö^men,  mirb  i^nen  ©c^ulb  gegeben,  auc^ 
bie  berner  ÖJefd^ic^te  nic^t  uergeffen.  ^ermann  öon  S'tuenar  bc* 
gebre  ^utten’^  ^^nfic^t,  mag  gegen  fie  ju  t^un  fei.  S3iäber  b^ibe 
er  bo^  ©cbmeigen  ber  93eracbtung  allen  S^ologien  üorgejogen. 
3lUcin  er  fange  an  ju  glauben,  ba§  bieß  nic^t  binreicbe,  um 
beijufübren  mag  fie  münfeben : 2lufblüben  ber  SKiffcnfcljaften,  SSer* 
bannung  ber  JÖarbarei,  SSerebrung  für  bie  mabren,  Verachtung 
für  bie  0cbeingelebrten.  (Sinigeg  baüon  fei  erreicht,  aber  noch 
lange  nicht  genug.  (Sr  möchte  fich  bem  ©rafen  münblich  mit^ 
theilen  fönnen:  unterbeffen  fei  eg  tröftlich,  bag  bie  geinbe  felbft 
fich  gegenfeitig  dufjureiben  anfangen. 

Unb  nun  ift  eg  merfmürbig,  bag  unter  biefem  (5Jefichtgpuntt 
— eineg  verächtlichen  ÜKönchggejänfg , bei  beffen*  ^nblicf  bie 
greunbe  beg  gortfehrittg  fich  fchabenfrob  bie  §önbe  reiben  — 
eine  ©ache  5uerft  in  ^)utten'g  ©efichtgfreig  tritt,  bie  jmei  gab^^ 
fpäter  bie  bciüöfte  5lngelegenbeit  für  ibn  mar : bie  (Sache  ßutber'g. 
(Srft  erinnert  er  an  bie  ©fanbale,  melche  ber  @treit  ber  3)ominU 
caner  unb  grancigeaner  über  eine  fo  nichtige  grage  mie  bic 
(Smpfängnig  ber  2)2oria  vor  menigen  gabten  berbeigefübrt  boi>c. 
„9^un  aber",  fährt  er  fort,  „mag  bu  oießeicht  noch  nicht  meigt, 
ift  ju  Söittcnberg  in  Soebfen  (aug  ber  5Rachbarfchaft  lam  Jütten 
fo  eben  jurücf)  eine  ?ßartei  gegen  bie  ©emalt  beg  V^Pfteg  aufge^ 
treten,  mäbrenb  bie  anbere  ben  päpftliihcn  2lblag  oertbeibigt. 
Von  beiben  ©eiten  nimmt  man  einen  gemaltigen  Einlauf  unb 
bietet  viel  Äraft  auf.  3Jtönche  fteben  an  ber  ©pi^e  ber  Kämpfen* 
ben.'  S)ie  $eerfübrer  felbft  finb  rafcb  unb  1)16*9,  öoU  SKutbunb, 
(Sifer;  halb  rufen  fie  unb  fchreien,  halb  jammern  fie  unb  flageit 
bog  ©chicffal  an.  S^leuefteng  hoben  fie  fich  ouch  an  bag  ©chreiben 


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^utifn’8  crpe  Äenntnifena^me  ton  fiul^ct’S  ?lbIo6fh:rit.  209 

flctnad^t.  5)ic  S3urf)brucfer  bcfommcn  ju  tl^un.  tDetben  0treit= 
fäje  unb  SoroHarien,  ©c^Iüffc  unb  (toa§  fc^on  mandjem  übel  bc^ 
fommeu  ift)  3lrtifel  üerfauft.  0o,  ^offc  id),  tücrbcn  fic  fic^  flcgcu* 
feitifl  ju  (5Jrunbe  ridjtcn.  3d)  fclbft  l^abc  nculid)  einem  Drbend^ 
bniber,  ber  mir  bic  aj^ittf)eilung  machte,  5ur  ?lutmort  gegeben : 
greffet  einanber,  bmnit  i^r  öon  cinanber  gefreffen  merbet.  SÖ^ein 
Söunjc^  ift  nämtic^,  bog  unfre  geinbe  fo  Diel  olö  möglich  in 
ßtüietracbt  leben,  unb  nid)t  ablaffen  mögen,  fic^  unter  einanber 
auf^ureiben.  ^a,  gebe  @ott,  bgg  ade  ju  @runbe  ge^en  unb  quö^ 
fterben,  mclc^e  ber  auffeimenben  23ilbung  l)inberlid)  ftnb,  bamit 
bie  lebenbigen  ^flanjungen  ber  l)errlic^ften  Xugenben,  bte  fie  fo  oft 
vertreten  l)aben,  enblid)  fic^  ergeben  mögen." 

0ofort  fpric^t  §utten  bem  ebeln  greunbe  2Jtutf)  ein.  Der* 
fid}ert  i^n  feiner  treuen  üöunbei§genoffenfd)aft  für  alle  gölle,  unb 
t^eilt  i^n\  ben  ^lan  mit,  ben  feine  jejige  ©tellung  il)m  nat)e 
legte:  an  ben  gürftcnljöfen  fo  oiel  möglid)  für  bie  gemeinfamc 
0ac^e  ju  merben.  tiefem  ^lane  ift  $utten  bie  ganje  ^cit,  bie 
er  im  crjbifdjöflidien  ^)ienfte  jubrac^te,  nad^gegangen.  2)ie  0ad)e, 
für  bic  er  marb,  nannte  fic^  nac^  iReuc^lin;  fic  mar  aber  bic 
0ac^c  bcö  ^umani^mu^,  ber  in  jeinem  SSorfämpfer  gcfäl)rbct  mar. 
5)em  |)umani0muö  burd)  §ulbigungcn  gegen  gebilbete  i^irc^ciu 
unb  0taatöobcrpuptcr  8d)u^  unb  iöobcn  ju  üerfd)affen,  mar 
aud)  bic  ^olitif  beö  @raömuö:  cö  mar  bic  natürliche  ^olitif  bcö 
^umaniömuö,  ber  auch  $uttcn  treu  blieb,  fo  lange  er  nur  §u* 
manift  mar.  ßuthcr'ö  ^olitif,  bie  -^olitif  ber  Sleformation,  mar 
eine  anbcrc.  0ie  manbte  fid;  nicht  an  biciöilbung  menigerSSor- 
nehmen,  fonbern  an  baö  33cbürfni6  aller,  audj  ber  ©eringen. 
2tufllären  lägt  fidj  mittelft  ber  (trogen:  aber  reformiren,  ein 
entartetet  itirchen*  ober  ©taattmefen  umbilben,  nur,  ob  mit,  ob 
gegen  bic  (trogen,  burd)  bic  SJtittleren  unb  Äleincn.  2)iefc  (Sr* 
fohrung  merben  mir  auch  ©utten  madjen  fehen,  fobalb  er  aut  bem 
9teuchlin’f chen  Äreifc  ju  ßuther’t  gähnen  übergetreten  fein  mirb. 

gür  jeht  freut  er  fid)  ber  oiclen  3Jiänncr, 

melchc  in  grantrcich  unb  ^eutfchlanb,  an  $öfcn  unb  in  Stabten 
bie  Sache  3leuchlin’t  uertreten.  3n  Seipjig  regen  unb  erheben 
fich,  troh  bet  hortnädigen  SBiberftanbet  ber  Sophiftc»»  ^ic  beffern 
Stubien.  ^ach  SBittenberg  beruft  Äurfürft  griebrid)  fichrer  bet 
©riechifchen  unb  ^cbräif^cn.  ©anj  befonbert  günftig  für  bic 
VIL  14 


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210 


I.  ^ud^.  9.  ft(4>iiet 


SBiffenfd)Qften  aber  fei  fein  Sürft,  ber  ©rj^bifd^of  5llbredbt,  ge= 
ftimmt.  @r  fei  ber  eifrigfte  Söetebrer  unb  Sefer  beö  ©ragmuö. 
(Sine  0(^mäbfcl)rift  ^fefferforn'ö  gegen  Üteudb^'^'g  greunbe,  bic 
ibm  fein  Seibar^t  ©tromer  mitgetbeilt,  bobe  er  jmar  gelcfen,  bann 
aber  in  baö  Äaminfeuer,  tnoran  er  eben  fag,  mit  ben  emig  benf* 
tüürbigen  Sßorten  gemorfen : ©o  mögen  ju  @runbe  geben  bie  alfo 
reben!  ^a^  aHe§  gebe  Hoffnung,  bag  man  baö  Dorgeftedte 
erreichen  merbe.  3)er  greunb  möge  fortfabren,  mie  er  angefangen ; 
mit  üöegierbe  febe  glitten  ber  üerbeibenen  ©ebrift  miber  ben  morb- 
brennerifdben  Äuttenträger  entgegen.  „3Kögen  fie  ung  immer 
baffen,  menn  fie  unä  nur  ^ugieicb  fürchten  müffen." 

®em  ©rafen  Don  S^iuenar  mie  noch  anbern  fjreunben  $uts 
ten’ö  mar  beffen  (Eintritt  in  ^ofbienfte  befremblicb,  ja  bebcnflicb. 
33iö  ficb  (SJelegenbeit  jur  münblicben,  ober  SUiuge  5U  ausführlicher 
fcbriftlicber  IRecbtfertigung  finbe,  bittet  Jütten  ben  greunb,  ju 
glauben,  ba§  er  feine  frühere  (literarifebe)  ßebenSgemobnbeit  barum 
feineSmegS  aufgegeben  höbe,  gür  bie  b^bc  er  im 

©inne,  ficb  ganj  mit  ben  33iufen  auSjuföbnen,  menn  biefe  ihm 
grollen  foUten  megen  feines  notbgebrungenen  Eintritts  in  bie 
^)ienfte  beS  ftoljen  äJdarS : boeb  eS  fei  fa  fonft  febon  oorgefommen, 
ba§  fie  im  Säger  unter  bem  ©etöfe  ber  SEÖaffen  übernachtet  haben. 


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211 


c$ittiett  in  JUtgdBttrg,  n)S$rett5  ttnb  itai^  bem  ^eii^tage. 

1518. 

9^ad)  furjcm  2(ufent^alt  in  3Raing  fc^rtc  ^uttcn  jii  feinem 
gürften  nac^  ©ac^fen,  b.  1^.  nac^  $aöe,  tt)o  biefer  olö  (grj^bifc^of 
üon  SJiagbcburg  feine  fRefiben^  ^atte,  j^urücf;  boc§  meil  bet  3^^ 
fammentritt  bed  Sleic^ötagö  in  §tugöburq  fic^  immer  (än^er  uets 
^ögerte,  finben  mir  i^n  im  9Rai  abermals  in  SRainj,  mo  er  fic^ 
bie  mit  einer  Arbeit  üertrieb,  beren  gorm  unb  3n^alt  burd^ 
ben  ©ebanfen  an  ben  fReie^Stog  unb  beffen  Sleranlaffung  bc* 
ftimmt  mar. 

0cit  ©ulton  ©elim'ö  I.  fReftierungSontritt  im  So^re  1512 
mar  bie  oSmanifc^e  9Rac^t,  bie  unter  feinem  Sorgonfter  einen 
©tillftanb  gemacht  l)atte,  üon  neuem  furchtbar  gemorben.  ©clim 
na^m  ©l)rien  unb  2leg^ptcn  bem  3Ramclufcnfultan  ab,  ber  grie» 
c^ifc^e  ^Renegat  $oruf  öarbaroffa  fe^te  fic^  in  XuniS  feft,  unb 
bie  3Raurcn  bis  gegen  gej  ^in,  jum  X^cil  ©panien  tributpflichtig, 
erhoben  fich.  S)ie  gan^e  abenblönbifche  ©hnftenheit  gcrieth  in 
©chreclen.  ®er  ^pft,  nachbem  er  bie  33otfchafter  ber  d^riftlid)en 
Könige  jur  33crathung  mit  einer  Sommiffion  oon  (Sarbinälen  ein^ 
berufen,  lieg  ein  ausführliches  ©utad}ten  über  ben  Xürfcnlrieg 
an  ben  Äaifer  gelangen,  ber  fofort  bie  ©ad)e  auf  bem  für  ben 
©ommet  1518  nach  Augsburg  auSgcfchriebenen  IRcich^tage  ben 
©tönben  beS  fReicheS  oor^ulegen  gebachte.  0b  eS 
^apftc  mirflich  um  ben  Xürfenfrieg,  ober  nur  um  baS  ©elb  ju 
thun  fei,  mar  mehr  [als  jmeifelhaft;  auch  ber  ilaifer  gebuchte, 
burch  bie  grögcni  ^Ib^  unb  Ü^riegSmittel,  bie  er  bei  biefer  ©e- 


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212 


I.  53ud^.  10.  Äo^Jttcl. 


Ie9cn()cit  in  bie  $anb  befommcn  buffte,  feine  Der? 

ftärfen;  aber  bieß  mußte  ja  aueß  ber  beutfeße  Patriot  münf^eu: 
unb  fo  ging  Jütten  in  ber  ^Jtebe  an  bie  beutfeßen  gttrften,  bie 
er  in  (Srmartnng  beö  Üleicß^tagö  auöarbeitete,  ganj  in  ben  ©es 
ficßtöpuntt  beö  Ä'aiferö  ein. 

gür  einen  2;ürtenfrieg  — mit  biefem  ©ebanfen  eröffnet  er 
feine  Siebe  — treffen  eben  je^t  bie  ßöc^fte  Slottjmenbigfeit  unb 
bie  beftc  ©elegeiißeit  glüefließ  ^ufammen.  S3ei  ber  Ueberüölferung 
2)cutfd)tanb‘5  unb  ber  brüßenben  X^eurung  in  5o(ge  beö  üors 
jäbrigen  SJtißmad)feö,  müßte  man  bie  S^eranlaffung  j^u  einem  aui^s 
märtigen  Ä'riege  fudjen,  um  ben  Stoff  511  innern  Unrußen  objus 
leiten,  menn  fie  fid}  nid)t  in  ber  Mrfengefaßr  uon  felbft  böte; 
bie  unö  äugleid)  in  feiner  günftigern  S3erfaffung  treffen  fönntc, 
alö  eben  je^t,  mo  mir  mit  unfern  9lad)barn  g^icben,  Solbaten 
im  Ueberfluß  unb  einen  güßrer  mie  SÄajimilian  ßaben.  3n  ber 
Sluöfüßrung  feinet  Xßema,  bittet  ber  fRebner,  offen  fprec^en  ju 
bürfen.  @r  merbe  oiele  unangenehm  berühren  müffen.  ^ ed 
ihm  aber  lebiglich  um  bie  Sad^e  ju  thun  fei,  möge  man  ihm 
nichts  übel  nehmen. 

3a,  bießmal  fei  eö  ©ruft  mit  bem  ^ürfenfrieg.  ©r  fei  in 
ber  Xhat  nothmenbig,  nid)t  mehr,  mie  fonft  fo  oft,  ein  00m 
^apfte  enegter  blinber  ßärm.  2)amit  bepnbet  fich  Jütten  be* 
reitö  in  jenem  gal}rmaffer,  in  bem  er  fich  fortan  am  liebften  unb 
fröftigften  bemegt.  58iö  je^t  allerbingd  h^ben  bie  ^äpfte,  fo  oft 
fie  ©elb  gebraust,  fich  baffelbe  unter  bem  S3ormanbe  ber  Xürfens 
gefahr  bei  unö  ^eutfdjcn  geholt.  Unb  boeß  follten  oon  fRecßt^ 
megen  fie  unö  ©elb  feßiefen,  nießt  mir  ißnen,  menn  unfer  römi« 
feßeö  Steieß  nießt  ein  bloßer  9lame  märe.  2)od)  baö  geße  ißn 
hier  nießtö  an,  mirft  fieß  ber  Slebner  ein ; er  füßlt,  baß  er  in  ©e* 
faßr  ift,  abjufdßmeifen,  unb  inbem  er  fieß  beffen  enthalten  ju 
mollen  erflärt,  tßut  er  eö  boeß,  meil  ißm  biefe  Slbfcßmeifung  min* 
beftenö  ebenfo  mid)tig  ift,  alö  ber  eigentlid)e  ©egenftanb  feiner 
Siebe.  Sind)  baö  fei  nießt  feine  Saeße,  fäßrt  er  baßer  fort,  fon^ 
bern  bes^  Äaifcrö,  ju  unterfueßen,  mie  e§  in  Slom  jugeße,  ob  ba^ 


1)  Ulrichi  Ilutteni  ad  principes  Germanos  ut  bellum  Turcis  infe- 
rant  exhortatoria.  Sd()riftpn  V,  97—136.  (5itic  Äeibe  onberer  auf  ben* 
felben  ©egenflanb  bejügl^et  üctenftüde  ebenbaj.,  137 — 300. 


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^utlcn’8  Xürfcnrcbe. 


21S 


ie^ißc  S?crp(tni6  bcö  Äoifcrö  jum  ^apftc  ba§  richtige  fei,  bog 
nämlid^  ber  erftcre  feine  Ärone  üon  be^  lejtem  gügen  aufnel^= 
men,  für  biefelbc  @elb  Oe^^ablcn  unb  §u(bigung  leiften  müffe. 
lieber  Äonftantin’ö  angebliche  ©chcnlung  magen  mir  nid^t  5U 
mueffen.  (Sin  patriotifcheö  §erj  müffe  ungebulbig  merben  über 
ben  ^aüienbanbel,  bie  ^enfionen,  bie  au^  ^eutfchlanb  nach  IRom 
fliegen:  ba  hoch  ba^^  opoftolifchc  Slmt  mit  fich  bringe,  baö  SBort 
®otte^  auä^ufäen,  frembeö  @ut  einjnärnten.  5luch  ^rieben 
ju  prebigen,  nidji  Ärieg  ju  führen,  h^be  ber  9flebncr  biö  je^t 
für  ben  Seruf  beö  Dberhauptö  ber  ß^h^f^enheit  gehalten,  biiS  er 
unter  Suliu^  II.  belehrt  morben  fei,  bie  Mirche  h^^^  ^n  $etri 
©chlüffeln  nicht  genug,  fonbern  müffe  auch  ©chmerteö  $auli 
fid)  bebienen.  £eo  X.  habe  fich  alö  griebenöfürften  angefünbigt; 
feinen  Äfrieg  gegen  ben  uertriebenen  §erjog  non  Urbino  muthe 
man  unö  511,  alö  Sflothmchrju  betrachten:  bag  aber  unter  biefem 
grieben^fürften  bie  Sarbinöle  unö  einen  auögearbeiteten  ilriegö^ 
plan  jufchiefen,  fei  hoch  feltfam.  nerftünben  mir  ®eutfd)en 
nichts  mehr  bom  Kriege,  fonbern  mügten  unö  bei  ben  ehrmürbi^ 
gen  SBätern  9flathö  erholen,  benen  eö  beffer  anftünbe,  für  unö  ^u 
beten.  Jütten  fie  unS  lieber  ®elb  gcfchicft,  einen  Xh^^i  beejenis 
gen,  melchesS  fie  auf  ihren  maglofen  §offtaat  menben,  ober  unö 
auch  nur  etmaä  oon  ben  ©ummen  narijgelaffen,  bie  mir  ihnen 
für  ^allien  unb  bergleichcn  /^u  jahlen  heitren. 

(Snblid)  lenh  ber  S^lebncr  ein,  unb  fommt  auf  bie  SEÖirflich' 
feit  unb  Ölröge  ber  üon  ben  dürfen  brohenben  ©efahr  jurüd. 
(Sr  gibt  eine  Ueberfidht  ihrer  QJefchichte,  ihrer  Eroberungen,  er 
jjeichnet  ihren  unbänbigen  mögen  fid)  bie  ®eut? 

fchen  ermannen,  ben  5Ruhm  ihrer  33orfal)ren  erneuern.  5)ic  ^off^ 
nung  auf  ben  ©chufe  burch  Gebirge,  SÖälber  unb  ©ümpfe,  auf 
bie  ^öglichfeit  ber  mürbe  neben  bem  ©d)inählid)en  in 

biefem  jjaHe  auch  töufchenb  fein. 

3ft  bemnadh  ber  Ärieg  unläugbar  nothmenbig,  unb  bie 
(SJelcgcnhcit,  ihn  ju  führen,  günftig,  fo  fragt  fich  für’ö  Slnbere, 
mie  er  am  beften  geführt  merben  möge.  ®ie  mefentlichftc  S3ebin=* 
gung  ift  Einigfeit,  einmüthige  Unterorbnung  unter  ben  Ä'aifer. 
Jütten  mir  biefe,  bann  mürbe  fid)  baö  5Icugerlichc,  bie  S3eifd)affung 
ber  ÄriegiJfoften  u.  f.  f.,  üon  felbft  geben.  ^)amit  ift  ber  fRcbner 
bei  einem  ä^eiten  Sieblingöthcma  angelongt,  beffen  ^Im^führung 


214 


I.  ^vkS).  10.  «aptUl. 


bicgmal  nic^t  eine  ^bfc^iDcifung  ift,  fonbern  jur  @q(^c  gehört. 
O^nc  ©inigfdt,  füfjrt  Jütten  auö,  muß  ^cutfd^Innb,  aueß  abeje* 
fe^en  Dom  Xürfen,  ©ruubc  geßen.  2)aä  gegenfeitige  0engcii 
unb  örennen,  @robcnt  unb  ^lüubern  unter  ben  beutfc^cn  gür? 
ften  muß  auf^ören.  Söo^cr,  fragt  er,  fommt  euere  Uncinigfeit? 
2tud  ©rcnjftrcitigfciten , ©iferfüc^teteien , JRaugftreitigfciten.  ®ie 
öortt)cile,  um  bie  i^r  cuc^  janfet,  finb  fämmtlicf)  üiel  geringer, 
al^  ber,  ben  ißr  äße  Don  ber  ©inigfeit  ßaben  mürbet.  Unb  miffet 
it)r,  loie  baö  Söolf  über  bie  @ac^e  benft?  ä!^an  moUe  fid)  uon 
eud^  mol)l  bet)errfcßen,  aber  nid)t  üerberbeu  laffeu,  fagt  man,  unb 
benft  aueß  mo^l  auf  gemaltfame  Slbßütfe.  „3n  ber  Xßat'^  fäßrt 
Jütten  fort,  unb  mirb  bamit  fd)ün  7 3aßre  oort)er  ber  ^ropßct 
beö  S3auern(riegö,  „menn  i^r  mir  fein  @ef)ör  gebet  (eud)  meine  id), 
benen  bergleicßen  jur  £aft  fällt),  fo  fürchte  ic^,  mirb  biefe  ^Ration 
etmaö  fe^en,  baö  il)rer  nic^t  mürbig  ift.  ^enn  menn  bie  0ac^c 
einmal  (mad  @ott  üerßüte)  5um  SBoltöaufftanbe  fommt,  bann 
mirb  man  feinen  Unterf^ieb  meßr  machen,  nießt  meßr  fragen,  mic 
üiel  jeber,  ober  überhaupt,  ob  einer  gefd)abet  ^abe,  unb  an  mem 
iRac^e  5U  nehmen  fei.  9Rit  ben  ©d)ulbigen  mirb  e8  bie  Unfe^uU 
bigen  treffen,  unb  oßne  9flücffid}t,  blinbling^,  mirb  man  müt^en." 
2Ran  nennt  und  Flitter  iRäuber.  SlUein  bie  dürften  geßen  und 
mit  if)rem  S3eifpicle  ooran,  gebraud)en  und  tl)cild  5U  iljren  iRäu* 
bercien,  tßeild  berauben  fie  und  felbft.  5lud)  im  3ludlanbc,  nament^ 
lic^  in  Stalicn,  finb  bie  beutfe^en  dürften,  i()re  Belage  unb  ©trei= 
tigfeiten,  ©egenftanb  ber  9Rißa^tung.  Ä^raft  l)aben  mir  2)eutfcßen 
im  Ueberfluß,  aber  bie  jmedmäßige  S3ermenbung  fe^lt.  SBir  geben 
und  ju  öicl  mit  unnötl)igcn  2)ingen,  mit  ben  bloßen  Vorübungen 
jum  Kriege,  mieSagb  unb  5:urnier,  ab:  fommt  ed  bann  j^ur  ©ac^c, 
^anbelt  ed  fieß  um  bie  ©r^altung  bed  Veießd  (beim  an  feine  Ver* 
mel)rung  benft  joi  boc^  leiber  9demanb),  um  Verfechtung  bed 
Vaterlanbd  unb  ber  Veligion,  fo  ift  nirgenbd  ©ifer.ju  oerfpürcn. 
„©0  bleibt  unfere  Xapferfeit  ftetd  eitel,  unfere  toft  nuplod,  unb 
unfere^  9flad)barn  laffen  und  moßl  für  gute  Kämpfer,  aber  nicht 
für  tüchtige  Ärieger  gelten.  Unb  bad  ift  nicht  ber  ©olbaten, 
foubem  oorjugdmeife  ber  gührer  ©chulb.  @d  lebt  in  ^eutfeh- 
lanb  eine  ftarfe  3ugenb,  große,  na^  maßrem  Vuhm  begierige 
§er^ett:  aber  berSeiter,  bergüßrer  fehlt.  @0  erftirbt  jene  kraft. 
Sie  Xapferfeit  fpannt  fich  ab,  unb  ber  glühenbe 


^uttcn’S  lürfcnrebe. 


215 


fommt  im  ^)unf du."  ^cr  Xürfc  mei§  ottjugut,  mie  unerlägltdö 
ju  großen  Xljatcn  ©inigfeit  unb  @e!)orfam  finb,  aU  baß  er  unS 
2)eutf4e  jemaU  fürchten  füllte.  2(6er  nid)t  blog  ber  Xürfe:  fo 
lange  un§  jene  ©tücfe  abge^cn,  fagt  §utten  üor^er,  merbe  fein 
noc^  fo  fc^road^c«  SBoltfcin,  boö  unö  fürchte,  ja  ba^  nic^t  bei 
©elegcn^eit  unö  anjugreifen  magen  foHte ! — SBte  ma^r  gutten 
gcfproc^en,  baoon  ^aben  mir  feitbem  Oicrtf)albl)unbert  3al)re  lang 
eine  Steife  oon  Erfahrungen,  eine  immer  fd}mäf)licl)er  unb  fdjmerj* 
lieber  aU  bie  anbere,  gemad)t;  enblid)  h^ben  mir  c§  und  gefügt 
fein  laffen,  um  aldbalb  ju  erproben,  mic  fRccht  er  auch  init  bem 
anbem  3öort  hotte,  bas  mir  halb  uon  ihm  hören  merben:  menn 
bic  S)eutfchen  einmal  begreifen,  mad  ihnen  S'totl)  thuc,  merben  ftc 
bad  erftc  SoU  ber  SBelt  fein. 

Sieben  ber  Einigfeit,  fährt  §utten  fort,  gebrid)t  ed  ben 
^eutfehen  auch  on  ^^efonnenheit,  an  fluger,  nüd)temcr  S3eratl)ung 
unb  planmäßiger,  ftetiger  Sludführung.  Hud)  hier  gel)t  bad  böfc 
5öeifpicl  oon  ben  ©roßen  aud,  bie  felbft  auf  fRcichdtagen  kaufen 
unb  ©pielen  ;^ur  §auptfache  machen.  Xk  gürften  finb  auf  bad 
Sllter  unb  ben  ©lanj  ihrer  ©efchled)ter  ftolj\:  allein  menn  fie 
ihred  hohen  ^oftend  fid^  nicht  au^  felbft  mürbig  jeigen,  hot  jene 
^Ibftammiing  unb  äußere  SBürbe  ebenfo  menig  ^erth  ald2)auer. 

3ur  Einigfeit  aber  gehört  ganj  befonberd,  baß,  mie  über« 
haupt,  fo  oor  allem  in  biefem  Kriege,  Einer  bad  §aupt,  ber 
Führer  fei,  bem  alle  ?lnbern  unbebingte  ^olge  leiften.  3m  5^riege 
liegt  am  gelbherrn  mehr  ald  am  ^eere.  2öad  mürbe  ber  Xürfe 
barum  geben,  euch  ohne  gührer,  ober  ohne  ©ehorfam  gegen  bie« 
fen  511  finben.  2)en  gührer  hobt  ihr : na^  bed  gefammten  ^cutfeh' 
lanbd  Söahl  unb  SBißen  ift  ed  iiaifer  üKajimilian.  Er  ift  biefer 
©tellung  mürbig : alfo  folget  ihm.  ®cr  Äaifer  ift  bereit : ed  fehlt 
nur  an  ben  dürften,  baß  fie  feinem  §lufruf  entfpre^en  unb  ihre 
©chulbigfeit  thun.  0chon  mehr  ald  30  3ahre  beftreitet  er  oon 
bem  Ertrage  feiner  Erblänber  bic  Saften  bed  Steiehd,  hot  feine 
Blühe  noch  Blaft  bei  2^ag  unb  bei  Blad)t : unb  mir,  menn  er  ein« 
mal  feiner  fßflidjt  gemäß  einen  ftraft,  fehreien  übet  ^)rucf  unb 
flagen  über  2)ienftbarfcit ; Freiheit  aber  nennen  mir  cd,  um  bad 
Bleich  und  nichtd  ju  fümmern,  bem  Ä'aifer  feine  5olge  5U  leiften, 
unb  ungeftraft  alled  und  ju  erlauben.  Einige  ~ 5mar  nicht  gür« 
ften,  aber  fürftlichc  Bläthe  (auch  hievin  fommt  Jütten  ben  ©ebanfen 


216 


I.  10.  Papltel. 


SJiajimilian'ö  entgegen)  gel)cn  mit  bem  ^lanc  um,  auf  ben  galt 
üon  bciS  iegigen  Äaifcrö  Ableben,  bic  Äronc  einem  gremben  ju 
übertragen.  @in  fc^mät)lic^er,  unbeutfe^er,  l^oc^ucrrät^erifc^cr 
^4^tan:  alö  ob  in  ^eutfe^tanb  baö  fürftlic^e  öliit  anögeftorben 
märe.  Stber  man  meint,  unter  einem  entfernten  ^errfc^er  befto 
freier  ju  fein,  unb  bebenft  nic^t,  bag  berjenige,  in  melct)ern  man 
nur  ben  läftigen  §erni  fie()t,  oielme()r  ber  ©r^alter  ber  greit)eit  ift. 

^ie  i!Öefd}affung  ber  äußern  SO^ittel,  ber  i^riegöfoften  be* 
treffenb,  äußert  fid^  Jütten  gans  einoerftanben  mit  bem  päpftlid^en 
5lnftnnen*)-  2)en  üppigen  Pfaffen  unb  jllöftern,  ben  reichen 
Äaufleuten,  ben  $5^üßiggängern  in  ben  freien  0täbten,  mie  er  ftc 
nennt,  in  bie  Seutet  greifen  ^u  taffen,  foftete  ben  tRitter  feine 
Ueberminbung.  Slm  liebften  b^tte  er  freili(^  moI)l  bie  ßarbinäte 
um  einen  Xt)eit  i()rer  auö  ^entfd)lanb  gezogenen  0c^ä^e  erteid^s 
tert,  unb  eg  gefc^iet)t  nur  um  fie  befto  pärter  onjuflagen,  menn 
er  augbrüdlic^  erftärt,  oon  it)nen  foüe  ju  biefem  Ä'ricge  uid)tg 
geforbert  merben,  cg  fei  genug,  menn  man  aueß  fie  nidjtg  forbern 
taffe,  unb  Sorfe^r  treffe,  baß  fie  nic^t,  mie  fie  fd}on  mc^r  get^an 
bog  töbtic^c  Unternehmen  ftören  fönnen.  ®icfc  Sfiömtingc  gönnen 
et)cr  ben  dürfen  atg  ben  2)cutfd)en  einen  ^umaeßg  an  9Jiacht. 
©0  haben  bie  ^äpfte  ben  oierten  unb  fünften  Heinrich,  fo  bic 
|)ohcnftaußfchcn  griebrichc,  burch  ih^c  9tänfc  oon  bem  ßug  iw 
ben  Orient  jurüefjuhatten  gcfud)t.  „^arum,  menn  id)  freimüthig 
fagen  fotl,  mag  id)  benfe,  h^bt  it)r  in  biefem  Kriege  ebenfo  fel)r 
gegen  Sftom  atg  gegen  Slficn  auf  ber  §ut  ju  fein;  mcit  entfernt, 
baß  ihr  irgcnb  etmag  nad)  ber  chrmürbigen  SSätcr  fRathc  thun 
bürftet.  ^ci  euch  ^hi^  fudhen,  unter  euch 

33cfchtüffc  ju  faffen,  unb  ni(^t  jene  ränfeüotlcn  fRathgebcr  oon 
außen  j^u^utaffen." 

Sflochmatg  ruft  fofort  ber  fRebner  jum  ^^ürfenfrieg  auf  unb 
mieberhott  einige  ber  bigher  auggeführten  ©rünbe;  gtaubt  hier- 
auf unter  feinen  3nhö^ern  eine  juftimmenbe  5tufrcgung  5U 
bemerfen,  unb  feptießt  mit  bem  SSunfdje  einer  bcharrtichcn  unb 
gtücftichcn  Slugführung. 

1)  SBä^renb  bie  Qrür^en  — oI§  ©tanbeSperfonen  — nod^  Selicbcn  jau- 
len jonten,  tt)ar  für  fämmtlic^e  ©eifilie^e,  »ic  für  Se^enStrflger  bet 

jc^Tite,  toeiler  abwärts  ber  jwanjigftc  u.  f.  f.  X^eil  beS  SinfommenS  für  brei 
l^a^re  in  ^nfprudfi  genommen. 


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^utten’S  ^ufent^It  unb  Umgang  in  9(ug§burg.  217 

®icfc  S^cbc  fd^icftc  ^uttcn  am  25.  SJ^ai  uon  SHainj  auö 
feinem  ©önner  unb  greunbe  ^eutinger  in  ^anbjd;rift= 

(irfj  ^u;  feiner  fpötern  @räiU)Iun(i  jufoiqe  ()atte  er  im  ©iune,  fic 
am  fReic^ötage  mirflid)  ju  ()alten  unb  ^ernac^  bruden  ju  laffen. 
211^  er  aber  halb  barauf  felbft  nac^  Slufliisburg  !am,  vietben  be^ 
formte  greunbe,  unter  iftnen  mabrfcbcinlifb  ^cutiitfler  felbft,  il)in 
uon  ber  SSeröffentlid)ung  ber  fRebe  ab,  mcil  fic  inöbefonbere  üon 
ben  ^luiSfäUcn  gegen  fRom  ^Inftofe  unb  ©cfabr  für  i^n  bcfürcbtctcn. 
Jütten  gab  i^nen  2(nfangö  nach,  unter  bittern  i^lagcn  über  bic 
fcblecbtc  3cit,  in  mclcbcr  ein  freimütl)igc^  2öort  feine  ©tättc  mct)r 
finbe.  0päter  fc^cint  er  ficb  mit  il)ncn,  bic  jumXb'-’il  faifcrlitbc 
TOtbe  unb  ©d)rciber  toaren,  ba^in  ocrglid)cn  ju  buben,  baß  bic 
Sflcbc  jmar  gebrudt,  aber  bic  anftögigen  ©teilen,  für  $uttcn 
gerabc  bic  miebtigften,  mcggelaffcn  mürben,  ©o  fd)idte  er  fic  am 
13.  Detober  an  3afob  uoniöannifiö  mit  bcriöittc,  fic  beniÄlaifer 
oor^ulegcn,  unb  il)m  bei  biefem  cnblicb  einmal  eine  öeförberung 
au^^umirfen ').  SBic  il)m  halb  barauf  bic  S3erftümmclung  feiner 
Siebe  unerträglid)  fiel,  unb  er  fic  üollftänbig  bruden  lie6,  merben 
mir  an  feinem  Drtc  finben. 

3n  2lugöburg  mobntc  Jütten  mäbrcnb  unb  noch  eine 
lang  nad)  bem  Slcicb^tagc  in  bem  |)aufc  bcö  abmefenben  2)onis 
^errn  @eorg  ^ro^,  mo  fein  S3crmanbtcr,  ber  ^om^err  unb  0ffi* 
cial  Xl)omai§  oon  Söiröbcrg,  ein  SJlann,  ber  ^uttcn’ö  (^eift  unb 
©c^riften  ^u  fc^äpen  mußte,  megen  äRangcld  an  Slaum  im  eige* 
nen  ^aufc  il)n  cingcfüßrl  ßattc  unb  für  feine  53cbürfniffc  ©orge 
trug.  Jütten  lebte  ßier  im  Umgänge  mit  oielen  trcfflid)cn  ÜRän* 
nern  oermanbter  ©cfinnung,  mcld)e  tßeilö  in  9lugöburg  rnoßn^aft, 
t^cild  burc^  ben  fRcic^ötag  bal)in  äufammengcfül)rt  maren.  Unter 
ißnen  befanben  fieft  außer  ^cutingcr,  ©tab,  ©picgcl  unb  bem 
ßeibarjtc  feinet  Äurfürften,  ^cinric^  ©tromer,  ber  eben  genannte 
3afob  oon  ©annipö,  ^)cfan  oon  Xrient  unb  einer  ber  oertrau* 
teften  Slät^c  ÜRaf imilian'd , ben  er  auc^  auf  feinen  oermegenen 
©emfeniagben  ju  begleiten  pflegte,  ©leicßfallö  im  ©cfolgc  bcö 


1)  lieber  bieje  ©d^ttflale  jetner  lürfenrebe  ögl.  bie  33riefe  an  Julius  oon 
^flugf,  ^irrfbeimer  unb  3ofob  oon  ®onnifiS,  6cf)riften  I,  6.  185.  206  f. 
192  f.  Qfetner  U.  Huttenus  liberis  omnibus  ac  vere  Germania,  ebenbaj. 
e>.  240  I 


218 


I.  Sud().  10.  j^apiiel. 


^aifcrö  war  bcr  gelel^vte  ÖJraf  Ulrich  Don  ^clfenpcin,  bcmSBilis 
halb  ^ircf^cimcr  eine  feiner  Ueberfelungen  auö  bem  ^lutord^ 
wibmete,  unb  ben  mit  §utten  nod^  befonberg  ber  gegen  ben 
^erjog  Ulrich  oon  Sßürtemberg,  ber  i^m  ein  0c^lo§  niebergc= 
brannt  l^atte,  oerbanb.  ^er  ^ngöbnrgcr  ©gibiuö  9flem  war  ^ut* 
ten’ö  ©tubiengenoffe  oon^aüia  ^cr;  mit  bem  Staliener  Xerbatiu^ 
Don  SSicenja  gab  beffen  au^ejeieftnete  ^lenntnife  beö  ©rie^ifc^en 
unb  ßateinifc^cn  einen  33erübrung§punft ; wie  mit  bem  ßicbl^aber 
geheimer  SSci^b^tt,  3obann  SJ^aber,  genannt  gönifeca,  bic  gemein* 
fame  S^erebrung  für  S^leucblin.  2)er  Xbeolog  Defolampabiuö  fam 
Don  33afet  unb  brachte  S^aebriebten  über  @ra§muö;  Sflitter  ©ig* 
munb  Don  |)erbcrftein,  Don  einer  ©efanbtfcbaft  ju  bem  ÜÄoSco* 
witerfürften  gurücfgefebrt,  belehrte  ben  nach  allen  ©eiten  bin  wiß* 
begierigen  |)utten  über  ben  Sauf  ber  SBolga,  nnb  bag  eö  feine 
rbbPbniWcn  unb  üöerge  gebe.  S)a6  eine  ©acbe, 

bie  in  berSWeinung  bcr.äJfenfcben  fo  feft  ftanb,  Don  ber  fo  Diele 
treffliche  SJiänner  al§  Don  einer  au^gemad)ten  gefebrieben  bitten, 
ficb  in  gabeln,  inS^iebtö  auflöfte,  machte  auf  Jütten  einen  tiefen, 
faft  erfebütternben  ©inbruef*). 

S)ancbcn  Derfolgte  Jütten  ben  @ang  be§  9feicb!§tagö  mit 
gefpannter  Slufmerffamfeit.  „2)a^  angenebmfte  ©ebaufpiel",  febreibt 
er  an  ben  meignifeben  Domherrn  Suliuö  Don  $flugf  nach 
Bologna,  „bietet  fid)  hier  Silier  Singen  ba.  ©o  Diele  gürften, 
ausgezeichnet  bureb  3ugenb  unb  Söoblgcftalt,  eine  fo  groge  3Jfenge 
Don  ©rafen  unb  9iittern,  bie  S3lütbc  beS  beutfeben  SlbclS:  wer 
fie  anfebaut,  bem  fönnen  bic  Mrfen  nicht  fel)r  furchtbar  erfebei* 
nen.  SBcnn  b^ntc  bic  2)cutfcben  fo  Diel  §irn  als  Äraft  b^*P^n, 
möchte  ich  bcr  SBclt  mit  Unterjoebung  broben.  ®cbe  @ott,  bag 
biejenigen  ficb  wohl  beratben,  Don  bereu  9latb  alles  abbüngt. 
5)cnn  Was  anbereS  müffen  wir  wünfeben,  als  bag  ic|t  eben  ^eutfeb* 
lanb  ficb  erfennen  möge?"  ©rfreulicb  war  babei  für  §utten  bie 
SBabrnebmung,  bag  weniger  Slufwanb  als  fonft  bei  folcbcn  S3cr» 
fammlungen  gemadjt  würbe;  er  wu^tc  freilich  nid)t,  burfte  er  cS 
als  ßcicben  befferer  S3cfinnung,  ober  nur  als  golge  bcr  eben 
berrfebenben  Xbciirung  betrauten.  5)cnn  in  Kleibern  war  noch 


1)  S)ifjc  9lotijcn  gibt  ^utten  in  bem  fo  eben  ongefü^rten  33riefe  an 
^irdheimer,  a.  o.  D.  6.  213  ff. 


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®ang  be§  9lei(^toQ§. 


219 


große  ®ctfc^locnbung  ju  bctncrfen,  tnbem  c3  bic  5)cutfcßcn  ben 
gronj^ofcn  nac^t()un  looHtcn;  imb  gctrunfcii  tourbc  auc^  iioc^ 
tücßtig,  um  babci  bic  bcutfc^e  5lrt  boc^  nid)t  gnuj  ücriäugncn. 

2öäi)rcnb  auf  biefcm  fRcid>5tagc  gegen  ^utten'^^  5einb,  ben 
’&CT^og  Uiric^  oon  SBürtemberg,  bie  erneuert,  aber  nic^t  OoUs 
jogen  mürbe,  miberfiibr  feinem  §crrn,  bem  @r^bifd)of  5Ubrcc^t, 
große  6t)rc.  ®cr  $apft  fanbte  i^m,  unb  jmar  511  aUgemcincr 
Sermunberung  unentgeltlich,  ben  (Sarbinal^hut  unb  Purpur,  mo^ 
mit  ihn  am  1.  5tuguft  bei  feierlichem  §o(^amt  im  ^Dome,  im 
Greife  uiclcr  gürften  unb  (£bcln  unb  unter  bem  ßubrang  einer  ^ahU 
lofen  SD^enfehenmenge  ber  pöpftlichc  Segat  beflcibetc.  ®er  ^aifer 
fclbft  gab  ihm  00m  ^om  au8  baö  ©elcitc  in  fein  Quartier,  unb 
fehiefte  ihm  hi^tauf  eine  fönigliche  ©önfte,  ^ferbc  unb  foftbarc 
Xcppiche  j\um  ©efehenfe.  ^ic  folgcnbcn  ^gc  famen  nadh  cinan* 
ber  bic  5ütftcn,  ihm  jju  feiner  S^eförberung  ©lüct  ^u  münfehen, 
unb  auch  Muferm  fRitter  fchien  fo  oiel  (5Jlücf  in  fo  fur^er 
(binnen  fünf  Sahnen  jroci  ®rjbiöthümcr,  bic  ii^ur?  unb  nun  bic 
©arbinal^mürbe)  eine  befonbere  ©iinft  ber  ©öttcr  für  ben  noch 
jugcnblichcn  §llbrccht  ju  berbürgen*).  Qb  übrigen^  ^uttcn'ä 
greube  über  biefc  feinem  §crrn  gemorbenc  ^(ugjeichnung  fo  un« 
gcmifcht  mar,  al^  er  fie  bem  gciftlid)cn  Diplomaten  pflügt  gegen* 
über  au^fpricht,  ift  ju  bejmeifcln.  Sßar  hoch  neben  bem  3(blaß 
ein  jmeiteg  S3anb,  um  ben  gebilbeten  unb  mohlmoUenben,  bafür 
auch  öon  glitten  mirflich  gcfd)ä6ten,  aber  bequemen  unb  beftimm* 
baren  gürften  an  ba^  Sutereffe  be^  römifchen  ©tuhlö  ;^u  fetten! 

9Rit  bem  |)auptgegcnftanbe  bc^  fReid)ötag^,  bem  auch  ^)utten 
feine  geber  gemibmet  hatte,  ber  Dürfenhülfe,  ging  cö  nicht  recht 
OormärtS.  Der  fiegat  hiett  einen  SSortrag,  in  meldjcm  er  bag 
päpftliche  ?(nftnncn,  namentlich  in  53ctreff  ber  5lufbringung  ber 
Shiegöfoften,  barlcgte.  2)iit  bemÄaifer  üerftönbigte  er  fid)  leicht; 
aber  bei  ben  gürften  ftieß  er  auf  Sßiberftanb.  Äm  24.  kuguft, 
alö  ^)utten  ben  ©rief  an  pflügt  fdjricb,  fchmebte  bic  Sßerhanb* 
(uug  noch:  ber  Äaifer  that  unb  §uttcn  hoffte  ba^  S3cftc.  Drei 
Dagc  barauf  mar  eine  entfehieben  ablehncnbe  $lntmort  ber  ©tänbe 
ba.  ©eine  halb  nachher  gebruefte  fRcbe  nannte  Jütten  je^t  ein 
©piel ; nid)t  mcil  c^  il)m  mit  bcrfclben  nicht  ®rnft  gemefen,  fon* 


1)  au§  bem  ongefU^rten  $rief  an  :^uliu3  non  ^flugl. 


J 


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220 


I.  $U(I^.  10.  ftapitel. 


bcrn  lueil  e§  bei  ben  bcutfd^en  dürften  für  gelte,  Dom 

Xürfenfriege  reben.  ^utten’ö  ©inpfinbungen  bobei  toareii 
gemifd^ter  Slrt.  bic  römifd)c  ßurie  mit  ihrem  ©clbgefudhc 

burchgefaHen  mar,  gönnte  er  berfclbcn  um  fo  eher,  je  mehr  er 
felbft  überzeugt  mar,  ba§  baö  ©elb  and)  bie^mal  mieber  nur  für 
bie  2!afchen  ber  römifdhen  Höflinge  beftimmt  gemefen.  aber 
bie  beutfdhen  dürften  gegen  bie  feincömegS  cingebilbete  Sürfen^ 
gefahr  fo  gleichgültig  maren,  oerbrog  ihn  hoch.  @r  fah  eine 
(Schlaffheit  barin,  auö  ber  er  ihnen  hütte  gönnen  mögen,  burch 
einen  mirfüdhen  ©infall  ber  Xürten  aufgerüttelt  jju  merben*). 

9Son  hier  au§  fäHt  auf  eine  ohne  tarnen  erfchienene  (Schrift, 
bie  fur^  t)or  ober  mährenb  be§  fHeich^tagä  gefdhrieben  fein  mag, 
ein  eigenthümliche^  2id)t.  0ic  h^^l  gorm  eineö  SRunbfchreU 
bend  an  bie  beutfd)en  »»gürften , bag  fie  ben  uerlangten  Xürfens 
jehnten  Oermeigern  foUen*).  2)aö  ®anje  fei  ein  fein  angefpon* 
neuer  betrug  ber  fRömlinge,  ben,  mie  fie  meinen,  9licmanb,  am 
menigften  bie  tollen  unb  oollcn  ®eutfd)en  merfen  merben.  2)er 
Xürfenfrieg  fei  nur  ein  ißormanb,  um  ba^  unmiffenbe  SSolf  auö- 
juplünbern.  §ätte  man  j^u  fRom  ober  in  ®eutfchlanb  ba^  ®elb 
aufbemahrt,  baö  nur  allein  unter  griebrich  111.  unb  SRajimilian 
für  Gallien  nnb  öhnlid)e  ©aufelcien  nad)  9tom  gefloffen,  fo  hätte 
man  je^t  ÄriegSmittel  im  Ueberflufi,  unb  brauchte  nicht  bie 
©h^iftenheit  mit  neuen  Sluflagen  ^u  befchmeren.  Unb  „ben  dürfen 
moHet  ihr  fchlagen?''  fragt  ber  ^ebner.  „3ch  lobe  euer  SSorha* 
ben;  ober  ich  fürchte,  ihr  irrt  euch  im  Spanien.  3n3talien,  ni^t 
in  Slfien  muffet  ihr  ihn  fuchen.  ©egen  ben  ofiatifchen  ift  jeber 
nuferer  gürften  jurSßertheibigung  feiner  ©rennen  fid)  felbft  genug: 
ben  anbern  aber  ^u  bejöhmen,  reicht  bie  gan^e  d}riftlid)e  Sßelt 
nid)t  hin.  3ener,  mit  feinen  ©renj^nachbarn  im  Streite,  h^t  un^ 
noch  nichts  gefdjabet:  biefer  müthet  überall  unb  bürftet  nach 
33lute  ber  Firmen ; biefen  §öHcnhunb  fönnet  ihr  auf  feine  anbere 
5lrt  al§  mit  einem  golbenen  Strome  befchmid)tigen."  ' Slermeigcrn 
fie  nun  ben  uerlangten  ßchnten,  fo  ho^cn  fie  fich  freilich  auf  ben 
päpftlichen  iBonn  gefaßt  ju  machen.  Sltlein  furdhtbar  fei  nur 


1)  ?ln  93Qnnift§  unb  ^Ptrd^ieinwr. 

2)  Exhortatio  viri  cujusdam  doctissimi  ad  pnnoipes,  no  in  decimae 
praestatiouem  cousentiaut.  9ln  ^uiten’S  S(htifttn  V,  0.  168 — 175. 


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?(non^inc  Sd^rift  ^eqtn  bfn  Xütfcnae^nifn. 


221 


(S^rifti  S3litftral^I,  nid^t  bcr  florcntinifd^c.  Xq6  ^ ftd^  ober 
bicgmal  nur  um  bic  5lngclc9ent)citcn  ber  glorcntiucr,  b.  i).  Seo'ö  X. 
unb  feiner  ^fJepoten,  bonble,  fei  offenbar.  3m  oorigen  @ommer 
fei  mit  ung(aub(irf)cn  i^often  ber  ^)crjiog  oon  Urbino  ju  ©unften 
be^  ßorenj  oon  fU^ebici  ocrtricben  unb  abgefunben,  bi^^^ouf,  um 
baö  @elb  baj^u  511  bcfc^affen,  unter  bem  S^ortoanbe  einer  5^cr* 
fc^mörung  gegen  baö  ßeben  beiS  ^ßopfteö,  büö  SScmiögen  bcr  rcidjs 
ften  Sarbinälc  cingc^ogen  morben.  Slblaji  merbe  geprebigt  für 
ben  öau  ber  ^cteröfirc^c : aber  bei  9tad)t  manbern  bie  <Stcinc 
j^um  ^alaftc  bcö  püpftlic^en  9^epotcn;  mät)rcnb  an  jener  i^irc^c 
nur  j\mei  ?lrbcitcr  bcfd)öftigt  feien,  moruntcr  ein  lahmer.  Unb 
ba  man  bem^apfte,  feiner  2)idlcibigfcit  megen,  fein  langet  ßeben 
üerfprcc^e,  fo  braud)e  man  ®clb,  um  bem  SRepoten  für  aUc  gäHc 
eine  üorncl)mc  grau  unb  ein  gürftentl)um  in  granfreie^  ^u  oer^ 
fd)affen.  2)ic6  ^abc  cö  auf  fic^  mit  bem  neuen  M 

baf)er  oon  ben  2)cutfc^cn  l)offcn,  bag  fic  fic^  ouf  einen  fo 
fc^ünbUc^cn  ^lan  nic^t  cinlaffen  merben. 

grüf}^eitig  touvbc  biefe  0d)rift  Ulrich  Oon  Jütten  juge* 
fc^ricben.  Söcil  man  i^m  in  feiner  Xürfenrebe  bie  SluöfäHe  gegen 
bic  römifc^cn  (Srpreffungen  gcftvic^en  tjatte,  fönnte  er  in  einer 
anonymen  ©c^rift  gcrabe  biefe  ©teilen  tociter  auögefül)rt,  unb 
bariiber  bic  ?lngelcgenl)cit  beö  Xürfenfriegö,  alö  unburc^fü^rbar, 
faden  gclaffen  ^aben.  ?ldein  fo  laltfinnig,  alsJ  in  biefer  namen* 
lofen  ©c^rift  gefd)icl)t,  fprac^  er  fic^  oud)  nad)  bem  fReic^^togc 
nic^t  barüber  auö.  @ine  ©tede  mie  bic,  ba§  jur  ^Ibmc^r  ber 
dürfen  jeber  einzelne  gürft  fid)  felbft  genug  fei,  mürbe  Jütten 
fc^mcrlic^  jcmalö  gcfc^vicbcn  ^aben.  ittuc^  ©prac^c  unb  ©a^bau 
bcr  ©c^rift  ift  minber  flar  unb  runb  atö  bei  Jütten,  ^aß  ber 
Serfaffer  fic^  gegen  ben  ©c^tu^  ald  einen  oon  Sorenj  oon  Öibra 
gemeinten  $rieftcr  be^cic^nct,  unb  für  biefen  33ifc^of  oon  SBürj^« 
bürg,  fo  mie  für  ben  oon  iöambcrg  befonberee  gntcreffe  an  ben 
Xog  legt,  fönnte  für  fid)  adein  genommen  alö  abfic^tlic^eö  Ißcr* 
ftccffpielcn  erfc^cinen,  aber  in  Söerbinbung  mit  bem  Uebrigen  leitet 
entfc^icbcn  oon  Jütten  ab.  3)agcgen  pa§t  oodfommen  ouf 
ben  mürjburgcr  ^om^errn  gricbric^  5iWcr,  bcr  in  iöologna 
^utten’d  ©tubcnburfd)e  gemefen  mar  unb  bort  bie  oben  ermähnte 
©c^rift  bed  ßaurcntiuiJ  ®ada  für  il)n  abgcfc^riebcn  ^atte.  2)o 
er  nac^  $uttcn’(^  Slbreife  nod^  bofelbft  jurürfblicb,  fo  fann  c^  gar 


222 


I.  10.  Stcä^t 


t 


too^l  fein,  baß  er,  tote  bet  SBcrfaffer  ber  Exhortatio  öoi!  fogt, 
bret  Don  ben  iregen  beS  Xürfenje^nten  au^efc^ieften  £egaten  in 
Öoiogno  ^at  einjic^cn  fe^en. 

Sieben  feiner  ^efc^äftigung  mit  ben  !ird^lic^b*>iitifci^cn 
gelcgenl^eitcn  fegte  inbeß  §utten  feine  gumaniftifc^e  SBerbung  für 
fRcuc^ün  noeg  immer  treulich  fort.  Siele  @änge  mdd^te  er  in 
^ugdburg,  um  bie  beften  SP'^änner  im  befolge  ber  onn>efenben 
gürften  für  bie  0ad^e  ju  gewinnen;  wobei  i^m  bie  angenehme 
SBagrncbmung  würbe,  baß  biefe  Semü^ung  faum  me^r  nöt^ig, 
bie  mciften  oon  felbft  fd^on  für  fReucglin  waren,  ©ein  9^ec^tö* 
^anbel  fegien  ganj  eingefd^Iafen.  Son  ^öln  lief  bie  9>locl^rici^t 
ein,  ber  @raf  oon  9tuenar  ^abe  ben  ^oc^ftroten,  wegen  gemeiner 
©c^mä^fd^riften  gegen  i^n,  au^  ber  ©tabt  Oertrieben.  5luS 
granfreid^  melbeten  bie  neuen  greunbe  (gäbet,  Subäu^  k.),  baß 
bort  fReucglin’ö  5Uome  ^oc^berügmt,  unb  ben  2;i)eotogiftcn  jebe 
^Öffnung  bCiS  ©iegcä  benommen  fei^). 

SBä^renb  feinet  augöbutger  Slufentbaltö  war  e^  auc^,  baß 
bie  oerbefferte  unb  oermc^rte  ^luögabe  beö  9tiemanb,  welche  Jütten 
größtcnt^cil^  fc^on  Oor  feiner  ^weiten  Slbreife  na^  gtolicn  fertig 
gemacht  ^atte,  enblic^  im  3)rucf  erfd^ien.  Äm  24.  2luguft  fün» 
bigte  er  bieß  bem  in  Sologna  wcilenben  Suliuä  $ftugf  mit  ber 
9lufforberung  an,  2ld^t  5U  geben,  waä  bie  gtaliener  ju  ber  ^offc 
fagen.  3n  2)cutfd^lanb,  in  Slug^burg  befonberö,  machte  fie  jiems 
lid^cn  Sumor.  3a,  bie  Slugfälle  ber  Sorrebe  machten  unter  benen, 
bie  fidb  getroffen  fügltcn,  böfeg  Slut.  5)ic  3uriften  oor  SlUen 
glaubten  fid)  gröblich  angetaftet,  jogen  bei  ßcc^cn  unb  äRa^ljeiten 
gegen  ben  Serfaffer  log,  unb  oerobrebeten  fid^,  i§m  ingfünftige 
i^ren  Sed^tgbeißanb  entjie^en  ju  WoUen.  ©elbft  bei  feinem  i^uts 
fürften  würbe  er  wegen  feineg,  wie  eg  ^ieß,  unbefd^eibenen  Slngrtffg 
auf  bie  3uriftcn  unb  3^1^eologen  alg  ein  fd^mäbfüd^tiger  3Kenf^ 
augefc^wörgt,  unb  fanb  ba^er  nöt^ig,  in  einer  feiner  näd^ften 
©d^riften,  bic  er  bemfelben  wibmete,  ju  Ocrftc^ern,  baß  er  nur 
biejenigen  gemeint  ^abe,  weld^e,  felbft  unwiffenb,  jebeg  beffere 
©tubium  ju  unterbrüefen  fud^en.  Uebrigeng  würbe  i^m  bic  Qk- 
nugt^uung,  baß  wa^rl^aft  gelehrte  unb  oerftänbige  fU^önner  mit 


N 

1)  3n  bem  oben  ongefU^rten  Srtef  an 


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^itiini  tn  ^lugSburg.  223 

i^m  bcr  X^orcn  lad^tcn,  unb  i^m  i^rcn  tjollcn  SBcifoII  bc^ 
zeigten  »)• 

Obwohl  ber  @ang,  ben  ^utten'ä  (Sntroicflung  na^m,  ftd^ 
immer  mc^t  bem  fünfte  näi)ertc,  too  er  mit  ßut^er  j^ufammen? 
treffen  mußte,  fo  faßte  er  boc^  für  beffen  ©aeße  qu^  ie|t,  mo 
beibe  moc^enlang  in  ßiner  ©tabt  jufammen  maren,  meber  eine 
ttwrmerc  X^cilna^me,  nod^  einen  ßö^ern  ©efid^ti^punft.  Som  7.  blS 
20.  Cctobcr  befanb  fic^  Sut^cr  in  bcr  befannten  SBerßanblung 
mit  bem  Sarbinol  CSajetan  ju  ^ugöburg,  oßnc  baß  Jütten  biefer 
Änmefcnßcit,  uielmenigcr  einer  perfönlic^cn  SSerüßrung  ermäi^ntc. 
grcilid^  machte  er  gerabc  njQ()rcnb  jener  S53od)en  feine  ©uaiafsSur 
burc^,  welche  ißn  auf  fein  Äranfenjimmer  befc^rän!tc,  unb  ben 
ßutritt  ju  i^m  nur  genaueren  öefannten  möglich  ober  münfc^cn^s 
mert^  machte.  ^)a^er  fprid^t  er  in  33ricfcn  auö  jener  3^it  Jtnar 
non  bcö  jungen  9J^cland)tbon  33erufung  nac^  SBittenberg  auf  ben 
£c^rftu()(  ber  gried)ifcbcn  ©praeße  mit  greubc ; non  @d’d  Angriff 
ouf  Äarlftabt  mit  lanb^männifc^cr  2^^eilna^mc:  luie  er  aber  auf 
fiut()cr’ö  Äriege  mit  eben  biefem  @d  unb  nicicn  Slnbcrn  ^u  reben 
fommt,  inciß  er  immer  noc^  nic^tö  Öcffercö  j^u  t^un,  alä  fic^  bie 
^önbe  ju  reiben  nor  Sergntigen  über  baö  ©c^aufpiel,  bie  ^t^eo^ 
logen  fic^  untereinonber  felbft  jerfleif^en  ^u  feßen*). 

SBon  bem  ßegaten,  mit  melcßcm  Sut^cr  in  ^ugöburg  ju 
t^un  ^attf,  unb  ber  ouc^  fc^on  bei  bem  SRcid^ötagc  tl^ätig  getnefen 
tnar,  naßm  bagegen  Jütten  mc^r  9lotij,  alö  bem  9Jionnc  lieb 
fein  tonnte.  ©d)on  al^  päpftlic^er  ßegat  njar  er  bem  Dritter 
jumiber:  nun  aber  trat  überbieß  biefer  Sarbinal  Sajetan  in 
Äugdburg  mit  einer  an  iltarr^cit  grenjenben  ®itcl!cit  unb  ^runfs 
fu^t  auf ; ein  ^oc^nafiger  Staliener,  mclc^em  in  bem  borbarifeßen 
2)cutfc^lanb  nic^tö  gut  genug  tnar.  S8on  allem  bem  foHtc  i^m 
nic^t^  gcf^cnlt  merben:  Jütten  na^m  ißn  jcbenfaH^  feßon  jc^t 
aufd  ilorn,  ttjcnn  auc^  fein  ©efpräc^ : baö  gieber,  in  tnelc^em  er 
i^n  burc^jie^t,  noc^  nic^t  in  Äugöburg  gcfc^rieben  fein  folltc. 

9toc^  tein  3u^r  lebte  $utten  im  ^ienfte  bc^  Äurfürften 

1)  ?ln  ^irdlictincr,  ©Triften  I,  6.  211.  De  Guaiac.  c.  7.  Sd^riflen  V, 
6.  419  f. 

2)  3ht  nett  39rtefen  an  ^uß!  öom  24.  Äuguft  unb  an  ^rtf^eimer  Dom 
25.  Cctober,  aifo  iener  uor  fiut^er’S  ^nfunfi  tn  ^(ugSburg,  btefer  na(^  feiner 
«btrife  geft^tieben.  St^riflen  I,  ®.  187.  216- 


224 


I.  10. 


uoii  9Rainj,  unb  tängft  ^atte  i^m  bag  ^ofteben  au^  feine 
©c^Qttenfeiten  gejcigt.  fra^ft",  fc^ricb  er  im  2Kpi  1518 

üon  3J^ainj  au§  an  ^eutinger,  „mie  baö  ^^oflebcn  mir  befomme? 

nic^t  i^um  bcften.  gmar,  ma^  lägt  fid^  nic^t  ertragen  unter 
einem  fo  äc^t  fürftlld)cn  ^errn,  ber  fo  buman  unb  freigebig  ift, 
mic  @ri\bifcbüf  ^lbrcd)t?''  unb  mit  einem  fo  aufrid^tigen,  um' 
gänglicben  greunbe  mie  fein  Seibarjt  ©tromer?  „3m  Uebrigen 
bin  icb  jener  2)iiige  äugerft  fatt : bc§  ^ünfeU  ber  ^ofteute,  ber 
gläuäcnben  SSerfpreebungen  unb  etteiilangcn  öegrügungen,  ber 
binterliftigen  Unterrebungen  unb  beö  leeren  2)unfte^.''  Unb  an 
©tromer  fd)ricb  er,  fic  beibc  feien  j\u  gerab  unb  aufrichtig  für 
ben  $of^).  igattc  boeb  ber  ßeibar^t  felbft  im  oorigen  Scib^e  be^ 
§leneaö  ©bloiU§  ©ebrift  über  baö  @lcnb  ber  ^ofleute  mit  einer 
SSorrebc  berau^gegeben,  bic  mau  al§  Sluöfübrung  bc^  beutfeben 
©prüd)tt)ort^ : Sang  bei  §of,  lang  bei  §öll,  bcjcicbncn  fönnte. 
©0  fanb  er  benn  auch  an  .^utten'ö  ^u^fäUcn  unb  ©d^erjen  über 
ben  ibm  neuen  ©tanb  Gefallen,  unb  möbrenb  ibreö  gemeinfebaft* 
lieben  5lufentbalt0  am  fRcidbötagc  forberte  er  ben  greunb  auf, 
etmaS  über  biefe^  Xbema  ju  febreiben,  um  ficb  ben  SSerfammeltcii 
(ba  ber  ^)rucf  feiner  Xurfenrebe  no^  bcanftanbet  mar)  bemerfbar 
ju  machen. 

mar  feine  Älcinigfeit,  möb^enb  ber  ^unbgtage,  förperlicb 
leibenb  unb  unter  ben  ©törungen  cineö  getümmelooHen  S^tcidjötagg, 
in  für^efter  J^rift,  mic  ©tromer  ücrlangtc,  fo  etmaö  auöjuorbciten; 
noch  meniger  für  einen  angebenben  ^ofmann,  am  §ofe  felbft, 
ctmaö  gegen  baö  §oflebeu  ^u  oeröffcntlicbcn.  ®a§  alles  führt 
Jütten  bem  greunbe  in  ber  ßueignung  ber  oon  ihm  ücraulagten 
©ebrift  ju  (^emütbc ; mobei  er  befonberS  feber/^b^ft  bie  ©efabren 
förpcrlicber  ÜJ^igbönblung  Oon  ©eiten  oierfebrötiger  ©ollegen  auS» 
malt,  bie  fo  etmaS  einem  „©ebreiber",  mie  fie  bie  belehrten  fo 
gerne  nennen,  nidjt  ungeftraft  merben  bmöcb^^«  laffeu.  2)odb 
nad)bem  bie  fertige  5lrbeit,  außer  ©tromer'S,  auch  bie  Billigung 
^eutinger'S,  ©piegePS  unb  ©tab'S  erhalten  bo^c,  fcbließt  Jütten, 
fo  gebe  er  nach,  inbem  er  ficb  megen  möglidjen  5InftoßeS  bamit 
beruhige,  baß  an  Äurfürft  Sllbrecbt’S  ^ofe  ein  ©cberj  feine 
öJefabr  bringe  unb  eine  fomifebe  Uebertreibung  5ured^tgelegt  merbe. 


1)  S(i^rifien  I,  S.  174.  219. 


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^uttni’8  über  baS  ^oflrbrtt.  225 

9Wit  feinem  ©cf^räc^  über  baö  ^ofteben*)  feierte  Jütten  ju 
ber  bialo9ifc()cn  gomi  i^urücf,  bie  er  im  $()alariömuö  juerft 
ergriffen,  t)ierauf  in  feiner  üierten  fRebe  gegen  ben  |)er5og  Ulri^ 
unb  ber  Xürfenrebe,  au^  ©rünben,  bic  im  ©egenftanb  unb  ber 
93eftimmung  biefer  ©c^riften  lagen,  mieber  neriaffen  böttc,  bie 
aber  non  jejt  an  feine  ßieblingöform  bleiben  füllte.  ^)er  2)ialog 
eröffnet  fic^  bamit,  bag  (Saftu^,  mie  er  ben  aJiifauluö  alg  ^ofmann 
mieberfiei)t,  an  beffen  fc^önen  Kleibern  ein  2öol)lgef allen  äußert : 
morauf  i^m  biefer  crmicbert,  er  ^abe  fic^  früher  in  feinen  ßumpen 
beffer  befunben ; benn  bamalö  fei  er  frei  gemefen,  jc^t  fei  er  ein 
©flaue,  ßaftud  ift  gemiffermagen  ber  frül)cre  glitten  felbft,  ber, 
nad)  einer  in  ©tubien  unb  auf  IReifen,  unter  ^Inftrengungen  unb 
©ntbc^rungen  j^ugebrac^ten  Sugenb , fic^  ba^  ^oflcben  äugerft 
anmutt)ig,  unb  aU  praftifcl)e  fiebenöfc^ule  auc^  f)öd)ft  lef)rreid^ 
benft.  ^Dagegen  ift  2)?ifaulu^  ein  alter,  erfal)rener,  jc^t  überbieß 
^urücfgefefttcr  ^ofmann,  ber  nur  bie  ©c^attenfeiten  l)öfifc^en 
Söcfcng  fict)t,  unb  jmar  bie  ßuft  beö  anbern  am  praftifc^cn  Seben 
billigt,  aber  ben  ^of  nid)t  alö  bie  redete  ©^ule  beffelben  gelten 
lägt.  ®r  üergleicgt  bag  ^ofleben  einem  ÜJ^eere,  unb  fleibet,  maS 
er  gegen  baffclbe  üor^ubringen  l)at,  oor^ugömeife  in  biefe  ^lüegorie. 
2)ic  §üfleute  finb  beö  Ulpffeö  ©djiffögefeUfc^aft,  bereu  *irug  unb 
^interlift  man  nur  bureg  befonbere  Äluggeit  unb  ®orfic^t  entgegen 
fann.  Ogne  IBerfteUung  unb  ©cgmcicgelci  namcntlicg  ift  bei  ^ofe 
•niegt  burcgjufommen.  ^)ann  finb  auf  biefem  ÜRecre  ©türme, 
nämlicg  @unft,  9leib,  (Sgrgeij,  Ueppigfeit  u.  bgl.,  melcge  alle  bem 
©cmütge  feine  IRuge  unb  Raffung  rauben,  gerner  ©grten  unb 
©cgHen,  an  benen  bie  ©cgiffenben  ju  @runbe  gegen,  b.  g.  bie 
SSerbreegen  (Unterfcglagung,  ®erratg),  moju  manege  fteg  bureg 
ÜRangel,  (Jgrfucgt  u.  f.  f.  üerleiten  laffen.  Älippen:  bie  größte 
unb  gefägrlicgftc,  ber  ßorn  beö  gürften;  Heinere,  fein  Ärgmogn 
(etma  wegen  freier  Sieben),  Sieib  unb  Änfcgwörjung  non  ©eiten 

1)  ülrichi  de  Hutten  eq.  Germ.  Aula  dialogus.  IV, 

6.  43—74  5)08  3“d0nung8|d()rciben  I,  ®.  217—220.  ?II8  3)lufi(T  lag  bem 

^erf.,  auber  ber  oben  genannten  8(bnft  beS  VeneoS  SbtotuS,  bie  Sucianif(^e 
^eclamation  IJn^l  rdiv  (nl  aw6yi(ov  oor,  bie  ft(b  iebocti  fpecieU  auf 

bie  Dienfle  griedfiijd^er  Siteraten  bei  römifeben  (Broten  beliebt,  unb  bei  gan) 
berfebiebener  Sombofition,  !aum  blc  unb  ba  in  einem  einzelnen  fünfte  mit  bem 
^utten’jiben  (Sefprficbe  jufammentrifft. 

VIL  16 


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226 


1.  10. 


bcr  ßoUcgcn;  ein  geig,  bor  bcm  man  fid^  fe^r  pten  mug,  ift 
auc^,  in  bic  fc^önc  ober  5^oc^tcr  beö  gürften  fic^  j^u 

öcrlicbcn,  ober  fic  in  fic^  üccliebt  mad^en.  2)ie  ©ecröubcr  auf 
biefcm  .gofmecre  finb  bic  gürftcn,  bie,  menn  fie  mit 

bicfcm  in  gc()bc  fielen,  feinen  3)iener  gefangen  nehmen  lönnen, 
mo  e§  bann  biefem  übcrlaffen  bleibt,  fic^  mit  feinem  eigenen  @ute 
lo^^ufaufcn,  oft  and)  äl^arter  unb  Xob  feiner  märten.  2lud^  an 
einer  garftigen  ©runbfuppc  fcljlt  e^  bem  §offc^iffc  nid)t:  ba§  ift 
bie  Unrcinlic^feit  in  ©efc^irren  unb  betten,  bic  oerborbenen  0pcifcn 
unb  ©etränfe , bic  unflät^igen  Xif^s  unb  öettgcfcUcn ; mobei 
Jütten  mit  fe^r  grcUcn , nac^  ben  ©itten  bcr  bamaligcn  3^*1 
fc^merlic^  übertriebenen , menn  auc^  für  ben  heutigen  ©efc^marf 
abfto§cnbcn  garben  malt. 

2)er  ©c^cin  bcS  ?Reict)tt)um§ , mirb  augerbalb  bcr  StUegorie 
bemerft,  bcr  mand^cn  an  ben  ^of  jict)t,  ift  eben  nur  ©c^ein. 
®ic  mciften  beutfdE)en  gürften  finb  je^t  arm,  in  golöc  i^rer 
Ißerfc^menbung , i^reö  ^raffenö  unb  ®ro§t^unö;  ber  §ofmann 
^at  feine  liebe  9^otl),  feinen  fargen  ©olb  oon  il)ncn  ^erauö- 
jupreffen,  unb  mug  oft  im  ^ienfte,  ftatt  ju  geminnen,  fein  ©igeneö 
l^ufe^eu.  Slud^  in  bcr  SGßa§l  unb  ©d^öpung  i^rer  ^)iener  i^cigen 
fid^  bic  gürften  ^öc^ft  unoerftänbig.  ©ic  moUen  at^letifc^e 
©eftalten  in  i^rein  ©cfolgc  ^aben,  gleid^üiel,  mie'^  im  §irnfaftcn 
auSfic^t;  bogegen  merben  fleinc,  magere,  unfe^einbare  Seutc,  menn 
fie  aud^  bic  flügftcn  unb  gcfc^icfteften  finb,  l^intangefcjt.  --  Unter 
biefen  unb  ä^nlic^en  S^teben,  meld^c  bic  $ofluft  be^  Saftug  fc^on 
j^iemlic^  l^crabgcftimmt  ^aben,  ertönt  mit  einem  ÜJtale  bic  ©c^ellc, 
mclc^e  ben  SWifaulu^  jum  2)icnftc  ruft,  unb  er  ge^t  ab,  nac^bem 
er  noc^  einmal  ben  greunb  üor  bcm  ©intritt  in  gleid^c  ^tned^tfe^aft 
angclegentlid^  gemarnt  Ijat. 

Unter  ben  ©rften,  benen  §uttcn  feine  neue  5lrbcit  mits 
t^eiltc,  mar  SCßilibalb  ^irdlieimer,  ju  bem  er  mä^renb  ber  lebten 
Sa^rc  in  ein  genauere^  93crl)ältni6  getreten  mar.  ^cin  SBunber, 
bag  biefe  fcnatorifc^c  ©cftalt  i^n  anjog,  mic  fie  unö  nod)  l)cutc 
anjic^t.  3n  feinem  ?lnbcrn  ift  baö  ^atrieiat  bcr  beutfe^en  SReid^ös 
ftäbte  bem  römifd^cn  nö^er  getreten.  $Rid^tö  mar  flcin  unb  eng 
angelegt  in  bcm  3Rann  unb  feinen  SJcr^ältniffen.  ©in  großer, 
gcmaltigcr  Körper,  üon  frü^  auf  rittcrlid)  geübt;  ©eburt  au^ 
einem  ebcln  ©cfc^lec^tc  bcr  banialö  erften  bcutfdjcn  ©tobt ; ererbter 


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igmHcn  unb  SBiliboIb 


227 


9ftcirf)t^um;  flcle^rtc  ^lugbilbunfl  in  Stalicn,  ^öfifd)c  unb  friegerifc^c 
im  2)icnftc  bcig  i8ifd}ofi?  üon  @id)ftabt;  mo  einem  ©eiftc  non 
ftarfer  unb  umfaffenbev  Einlage  fulc^e  3^iitgabeu  {)in^ufamen,  bo 
füimte  fic^  etmas  iöebeutenbe^'  entmicfeln.  Äaum  er  feine 
Gilbung  uoUenbet,  fo  nahm  er  im  fRat^e  feiner  33atcrftabt 
feine  imponirenbe  (^eftalt,  feine  äi>oI)lrebent)eit,  feine  biplomatifc^c 
Haltung  mad)ten  il)n  befonberö  ju  (^efanbtfd)aften  gefd^idt;  batb 
lernte  Äaifer  aj^ai-imilian  il)ii  fd)ä^en  unb  ernannte  il)n  ju  feinem 
$Ratl)e;  manche  (^unft,  bie  er  ber  0tabt  DZürnberg  bemieö,  ^atte 
fic  ber  ÖJeltung  ju  uerbanfen,  in  melc^e  il)r  0pred)er  fic^  bei 
bem  Älaifer  ^u  fc^en  mußte.  5(ud)  feine  friegerifd)en  @aben 
an,^umenben,  fanb  ^ilibalb  (Gelegenheit.  51U  ber  Sdjmeijerfrieg 
be^j  3nhre)g  1499  auc^braeß,  führte  er  bem  Äaifer  bie  nürnbergifchen 
Xruppen  alö  il)r  Dberfter  ^u.  ^)er  ilrieg  mar  unglüdlid),  ba 
an  ber  obern  ßeitung  fehlte:  ^irefhenner  an  feiner  0telle  erprobte 
feine  ^üdjtigfeit  unb  befdjrieb  nachher  felbft  feinen  ^elbjug,  mie 
3Eenopl)on  unb  (läfar.  2öäl)renb  biefcö  Sclb5ugö  mar  ey,  baß 
Üaifer  ÜJiayimilian  einmal  auf  bem  33obenfee  in  bemfelben  0d)iffe 
mit  ^irdhcinier  oon  2inbau  nad)  ilonftan,^  fuhr,  unb  ein  0tücf 
feiner  2)enfmürbigfeiten , baö  er  auf  bem  0d)iffe  bictirt  h^tte, 
bemfelben  üorlefen  ließ,  mit  ber  Jragc,  mie  ißm  baö  SHeitcrlatein 
gefalle?  ©cimifdjer  9^eib  unb  ^nfeinbung  fehlten  bem  h'-’i^^or*: 
ragenben  SU^annc  nicht:  einmal  trat  er  groüenb  auö  bem  IRathe, 
unb  ließ  fich  ein  anbernial  nur  burd)  bie  ehrcnoollftc  ÖJenugthuung- 
barin  jurüdhalten. 

2)ie  ihm  oon  öffentlichen  (Gefchäften  übrig  blieb, 

gehörte  ber  SBiffenfcljaft,  bem  pcrfönlidjcn  ober  bricflid)en  öerfchre 
mit  ihren  öertretevn.  oon  benen  bie  meiften  feine  33etanntcn,  bie 
beften  feine  greunbe  maren.  ^ber  auch  bie  bebeutenbften  unter 
bcnfelben  näherten  fid}  ihm  nur  mit  Verehrung,  legten  auf  fein 
Urthcil  unb  feinen  fRath  ba^  größte  (Gemidjt,  unb  nahmen  feine 
3ured)tmeifung  millig  h^o-  ^cin  $auö,  beffen  Gemächer  bie 
33efiichenben  föniglid)  nannten,  feine  mit  ittüd)ern  unb  $anb? 
fchriften  reich  oerfehene  '^ibliothcf,  ftanben  jebem  (Gelehrten  offen. 
0cine  glänjenben  (Gaftmahlc,  bei  benen  er  oor^ugömeife  Scute 
oon  öeift  um  fich  ju  ocrfammeln  liebte,  maren  berühmt.  ®urch 
il)n  oornehmlich  mürbe  Gtürnberg  ein  literarifcßer  liDiittelpunft. 
0einc  (Geiftcorichtung  mar  bie  Ijomaniftifdje;  in  bem  ^eere  ber 


228 


I.  Sud^.  10.  I^apitet. 


0flcud)(iniftcn  na^m  er  eine  ber  norberften  ©teilen  ein.  ©ein 
lateinifc^er  ©til  ift  -nic^t  tabefloiä,  aber,  befonberiS  in  feinen 
gebaltüoüen  3^orrcbcn  unb  3ucignnngcn,  einen  claffifcben  ©tric^ 
unb  römifdje  Söürbe.  @ine  feltcnc  ©tärfe  bejag  er  im  ©rrec^i^ 
fd)en.  ©ebriften  üon  ^loto  unb  36enopbon,  üon  ^(utareb  unb 
ßueian,  b^it  er  in^  ßateinifebe,  manche  auch  inö  ^eutfebe  über^ 
tragen.  S)cr  $ofmcifter  feiner  Steffen  bezeugte  ibm  non  Stalicn 
auö,  tüo  biefe  einen  geborenen  ®ricd)en  jum  ßebrer  b^ittcn,  ibr 
befter  Sebrer  im  @riccbi)cben  fei  boeb  ^irefbeimer  felbft  gemefen. 
Hui?  ©panien  erbat  ficb  nach  3abren  einer  biefer  S^teffen  ben 
5lbri6  ber  Stb^'dorif,  ben  ber  Dbci‘u  ^^einft  ju  il)rem  Unterrichte 
jufammengcftellt  ®cm  Steffen  mar  oom  aufgetra^ 

gen,  ihm  non  ben  neuen  ©eereifen  unb  ©ntbcefungen  ber  ©panier 
in  toerifa  immer  fogleicb  bic  genaueften  S^Zadjricbten  ju  geben. 
3Bie  üerförpert  ift  in  ^irdbeimer  ber  allfeitige  SBiffenö'  unb 
Öilbungöbrang  ber  3cit-  ^ermann,  @raf  oon  9^ucnar,  mccbfclt 
iöriefc  mit  ihm  über  ältere  beutfebe  ©efebiebte,  @raömuö,  Gocbläuö 
über  Rheologie;  ©abriel  §ummelbergcr  erbittet  fid)  ein  botani* 
febeö  'J3ud)  auö  feiner  33ibliotbcf,-unb  forbert  il)n  auf,  auch  einige 
ber  griccbifcbcn  ^^leri^tc,  mic  bereite  ben  Äirebenoater  ©regor  oon 
Sftajian^,  lateinifcb  reben  ^u  machen;  bdämifeben  legen  ihm  Slnbere 
oermicfelte  9lecbtöfäIIe  ^ur  ^Begutachtung  oor;  §ubert  Xboma^ 
oon  ßütticb  bittet  ihn  um  ©rflärung  etlicher  ^erfe  auö  §efiobj 
(SJlarean  freut  ficb  feinet  SBorbabenö,  bie  ©eograpbic  beö  ^tole^ 
mäu3  b^^f^uö/jugeben.  5lucb  bie  Äunft  mar  ^irefbeimer  nicht 
fremb.  2)ic  äliufif  übte  er  felbft  alö  ßiebbaber  auiS;  benßanbö= 
mann  ^^Ibrecbt  ®ürer  bemunberte  er  alö  9J?aIer  unb  liebte  iljn 
als  2Jienfcbcn,  unb  eS  mor  ein  tiefer  Kummer  für  ihn,  bag  er 
ben  trefflichen  greunb,  als  baS  Opfer  ber  Quälereien  eines  böfen 
SBeibeS,  mie  er  meinte,  oor  ber  Qc'it  binfebminben  fal). 

SBie  antit  fpridjt  baS  iöilb  unS  an,  baS  Sßilibalb  felbft  Oon 
feinem  ßanbleben  auf  bem  ®ute  feines  ©cbmagerS,  als  ju  S^üm* 
berg  bie  $eft  boufte,  unS  entmirft.  §ier,  entfernt  Oon  ftäbtifeben 
unb  ©taatSgefebäften,  lebt  er  ganj  bem  ©tubium  unb  ber  Ü^atur, 
lieft  SßormittagS  in  5^lato,  ficht  nach  Xifdjc  oon  b^bet  SBurg 
herunter,  ba  ihn  baS  ^obagra  am  ©eben  binbert,  bem  Xreiben 
ber  ßanblcute  auf  ben  gelbem,  ber  gifeber  unb  Säger  im  ^b^^ 
unb  auf  ben  umliegenben  ^ügeln  gu;  empfängt  unb  bemirtbet 


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SBinbaH)  ^ircf^etmer. 


229 


SBefuc^c  auö  ber  9^ac^barfc^aft,  ober  auc^  bic  eigenen  9Kaier  unb 
©auern  mit  SBeib  unb  Äinb;  ber  ^benb  get)ört  loieber  bem@tu* 
bium,  befonbcri^  gcfc^ic^tlic^er  Sßerfe  unb  folc^er,  loelc^c  oon  ben 
Bitten  ber  SJicnfc^en  ober  ber  ^errlic^feit  ber  S^latur  ^anbeln; 
bobei  mac^t  er  tief  in  bic  9^ac^t,  unb  ift'ber  ^iinincl  fo 
beobachtet  er  noch  mit  Snftrumenten'  ben  Sauf  unb  bie  Stellung 
ber  SBanbelfternc,  in  benen  er  bic  (5rcigniffe  ber  ßufunft,  bic 
©chieffate  ber  gürften  unb  Stationen  5U  lefen  glaubt*). 

93on  einem  3J?anne  folcher  ©tcHung  unb  Haltung,  ber  auch 
einem  fRcuchlin  unb  ©ra^muö  cö  nicht  oerbarg,  toenn  etma§  an 
ihren  ©chriften  ober  ^anblungcn  ihm  nicht  gefiel,  mußte  ^utten, 
wenn  er  il)m  eine  Slrbcit  üorlcgtc,  ein  freimüthigciJ  Urthcil  er* 
märten.  Som^oflcbcn  überbieß  h^ttc  ^irefheimer,  ber,  18  3ol)re 
älter  alö  |)utten,  einen  Xheil  feiner  Sugenb  an  einem  geiftlid)en 
§ofe  jugebracht,  unb  auch  feitbem  in  aßerlei  biplomatifdiem  S^er^ 
fehr  mit  Äaifer  unb  gürften  gelebt  hf^Hc^  ungleich  grünbs 
lichere  (Erfahrung  aU  fein  ritterlicher  greunb,  ber  barin  !aum 
erft  Anfänger  mar.  2)iefeö  Uebergemicht  ließ  er  ißn  jeht,  nid)t 
ohne  freunbfchaftlidje  Sronie,  empßnben.  @r  fanb  fein  ©efpröch 
über  ba^  §ofleben  ganj  h^bfd),  aber  unreif.  @rft  menn  Jütten 
gleich  ihm  20  Saßre  lang  alle  Xöufchungcn  unb  Sntrignen,  alle 
Ärönhingcn  unb  3urüdtfchungen  beö  ,^ofoerfehrö  erfahren  h^tte, 
mürbe  er  im  ©tanbe  fein,  grünblich  unb  nid)t  bloö  ausS  frember 
SWittheilung  oon  ber  ©adje  ju  reben.  Uebrigenö  münfd)e  er  bem 
greunbe,  baß  ihm  bie  Erfahrung  erfpart  bleiben,  er  im  §ofbienfte 
nicht  alt  merben,  oielmehr  halb  in  bie  Sage  fommen  möge,  einzig 
fich  fclbft,  feinen  greunben  unb  ben  ajinfen  leben  ju  fönnen*). 

iöeiber  SJiänner  mürbig  ift  bie  5lrt,  mie  ber  jüngere  biefe  2luSs 
ftellung  bcö  älteren  aufnahm.  Ohne  ftine  Slrbcit,  bic  in  ber 
Xhat  5u  feinen  fchmäd)crn  gehört,  mciter  ^u  oertheibigen,  menbet 
er  fich  gegen  ben  anbern  5;hcil  bcö  ^ircfhcimer’fchen  ©riefcö, 

1)  In  interpretationem  Dialogorum  Platonis , qui  inscribuntur 
AxiochuR  etc.  Praefatio  (on  33crn^arb  ^Ibclmonn  t)on  ^bcItnonnSfelben)  . . 
Ex  secessu  nostro  Neopagano  (9leu^of)  Cal,  Sept.  1521.  Pirckheimeri 
Opp.  ed.  Goldaat,  p.  282  ff.  SIBomit  ju  öergleid^fit  bic  Briefe  öon  unb  an 
^trcf^cimcT  in  bcdcd>cn  Sammlung,  in  l^eumann’S  Documenta  literaria, 
unb  in  ö.  ®lurr’§  Journal  jur  Äunjtgcfc^.  unb  jur  aflg.  fiiteratur,  X. 

2)  iBricf  an  §uttcn,  Stritten  I,  S.  193  f. 


230 


L 10.  StapM. 


bcr  eine  Unjufuicbenfieit  mit  feinem  Eintritt  in  ben  |)ofbienft 
nic^t  üerbar^.  @bcn  ba  er  fein  ©efpräd)  über  ba<g  ^oflebcn 
unreif  finbe,  fottte  ^irefbeimer,  fo  meint  ^utten,  ibm  um  fo  me^r 
ßett  (offen,  om^ofe  reif  ju  merben,  unb  i^n  nic^t  fd;on  non 
bcr  @d)mcUc  bcffelbcn  micber  binmegreigen  mollcn.  Unb  nun 
cntmidclt  §utten  bem  greunbe  feinen  flonjen  2ebcin3plan  in  einem 
ouöfübrlicbcn  0d)rcibcn,  boö  ju  bem  ^n^iebenbften  gehört,  moö 
ouö  feiner  geber  gcfloffen  ift,  unb  einen  glcid)  tiefen  (Sinblid  in 
fein  eigene^  Snnere  mic  in  bic  S3ilbungönerböltniffe  bcr 
geiDÖbrt  ^).  ©efermonn  fogt  cinnuü  nun  einem  @cbid)t,  boö  ©oetbc 
ibm  ju  Icfen  gab : „cö  möljtc  ficb  ftctö  um  feine  eigene  2ljc  unb  febien 
immer  bobin  jurücf.^ufebren,  mober  cö  auögegangen"^).  0b  bieg 
für  ein  ©ebidjt  cinSobfprueb  ift,  mag  man  be^mcifcln;  für  einen 
iörief  ift  c^  gemig  fein  Xabcl.  Unb  auf  biefeö  |)uttcn’f^c  ©enb* 
febreiben  trifft  e^  genau  Uebrigenö  ift  baffclbe  ebenfo  auf 
ber  einen  ©eite  eine  meitcre  5lu^3fübrimg  einciS  früher  ermähnten 
©ebreibenß  an  ben  ©rafen  ^ermann  üon  9lucnar,  mo  Jütten 
ähnliche  33ebcnfcn  gegen  feinen  (Eintritt  in  böfifd)c  5)icnftc  ju 
befeitigen  boUc,  mie  eö  auf  bcr  anbern  ©eite  ben  ©toff  ju  bem 
©efpräd)  gortuna  geliefert  bat,  baö,  mic  mir  feiner  finbeu 
merben,  unter  ^uttcn'ö  fünftlcrifcben  ©cböpfungcn  eine  ebenfo 
hohe  ©teile  cinnimmt,  mic  baö  ©enbfebreiben  an  $ircfbcimcr  unter 
feinen  S3ricfen. 

^)afe  eine  S^erbinbung  bcö  miffenfcbaftlicben  Sebenö  mit  bem 
proftifeben  fomobl  an  ficb  möglich,  alö  für  eine  Statur  mic  bie 
feinige  33ebürfnig  fei ; bag  inöbefonbere  feine  ©teßung  am  mainjer 
§ofc  bie  Xbätigteit  für  bic  SBiffenfebaften  nidbt  au^fcbließcn,  biefen 
melmcbr  ju  ÖJutc  fommen  folle:  bieg  ift  bcr  fur^c  Snbalt  bciS 
©cnbfd)reibcnd,  auö  melcbcm  mir  einzelne  biograpbtfcbc  ^ata 
febon  bisher  entlehnt  haben,  uon  bem  mir  aber  hier  eine  jufam- 
menbängenbe  Uebcrfid)t  geben  müffen. 

^cr  greunb  febc  ihn  nid)t  gern  im  §ofbicnftc.  ^u^  er 
felbft  mornc  in  feinem  Dialog  Slnbcrc  baüor,  unb  boeb  bleibe  er 


1)  ülrichi  do  Hutten  ad  Bilibaldum  Pirckheymer,  patricium 
Norimbergensem,  epistola,  vitae  suae  rationem  exponens.  ©d^riften  I, 
6.  196—217. 

2)  (^(jprfid^  mit  @oet^e,  )um  27.  Cct.  1823. 


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i^utlen’8  Senbjc^reiben  on  SBUibalb  ^tr^etmet.  281 

borin.  SBa§  er  bcnn  aud)  Slnbcrcä  t^un  foöte?  ^enn  tf)un 
muffe  er  etmaö;  5uni  Dlogcn  ©tubirftubenlcben  fei  er  nod)  ju 
jung  (er  mar  eben  brei§ig),  menn  er  überhaupt  baju  gemod^t  fei. 
Sßor^cr  müffc  er  fid)  nodj  in  ber  Sßclt  ^erumtummeüi.  Slud^ 
feine  SSermanbten  unb  grennbe  bürfe  er  um  bic  praftifdien  ^ienftc 
nid)t  tQiifc^en,  bie  fie  oon  it)in  nod^  ermarten  fönnen.  2öaS  er 
benn  mit  ben  Xbeilne^mern  feiner  gelehrten  93efd)äftigungen  fünftig 
reben  füllte,  menn  er  nic^t  Dörfer  etmaö  erlebt  ^ättc?  ^er 
greunb  merbc  i^n  an  feine  ^mölfiaprige  SSanberfd)aft  erinnern. 
@efel)en  allerbingö  unb  fennen  gelernt  f)abc  er  mö^renb  berfelben 
SBieleö ; aber  nic^tö  get^an,  nid)tö  geleiftet,  ©ic  fei  nur  ein  öor= 
fpicl  beö  Sebenö  gemefen:  mirflid)  ju  leben  muffe  er  erft  anfan* 
gen.  ^ircfljeimer  fennc  il)n  nid)t  genug,  ©eine  Statur  üerlange 
neben  ben  ©tubien  Umgang  mit  SWenfe^en  aller  §lrt,  aud^  foldjcn, 
bie  il)m  unöl)nlic^  feien.  Unb  biel  leichter  ertrage  er  biefeS  ge- 
fellige  ÖJcräufd),  unter  bem  er  fic^  üoUftänbig  j^u  ifoliven  im 
©tanbe  fei,  alö  bic  (Sinfamfeit.  ^al)cr  fud)c  er  beibeö  ju  ücts 
binben,  unb  mic  er  bereite  burd^  ©(^riften  einige  Sluö^cic^nung 
erlangt  l)abc,  fo  üerjmeiflc  er  nidjt  baran,  and)  nod)  in  großen  2Bclt:= 
gefeßöften  ßftußm  ju  ermerben.  ®abei  foUcn  ißn  jebod)  bie  tßcus 
ren  ©tubien  beftänbig  begleiten.  3)ic  gveunbe  irren,  menn  fie 
meinen,  feit  er  fid)  bem  |)ofbicnft  ergeben,  ßabe  er  aufge^ört  ju 
ftubiren;  meßmegen  fie,  jju  feinem  großen  ßeibmefen,  mit  erfreu^ 
lieber  Slu^na^mc  ^irdßeimcr’ö  unb  bcö  Grafen  oon  Sliucnar,  i^m 
nic^t  meßr  fc^reiben. 

äöic  tiefgemurjelt  bic  Siebe  ju  ben  ©tubien  in  ißm  fei,  ßabe 
er  feßon  burd)  feine  bc^arrlid^c  Sßcrt^cibigung  ^Icucßlin’ö  bemiefen. 
Slueß  ferner  merbe  er,  mcnnglcicß  nid)t  immer  ein  oorfic^tiger, 
bod)  ein  eifriger  Kämpfer  gegen  biejenigen  fein,  bie  fic^  ber  auf? 
geßenben  ©onne  ber  iöilbung  alä  ^inbernbe  SBolfen  entgegcnftellcn, 
baö  Sic^t  ber  SBaßr^cit  in  feinem  Slnbrud^c  ju  Uerfinftern,  ja 
ouö^ulöfc^cn  trachten.  Sßren  §aß  merbc  er  nießt  ju  Ocrmcibcn 
fud)en,  fonbern  nur  barnac^  ftreben,  baß  fie  ißn  baneben  auc^ 
fürchten  müffen.  künftig  gcbcnlc  er  fie  nid^t  mel)r  ßinterrüdö 
ju  oerfpotten,  fonbern  inS  Hngcficßt  ^u  befämpfen.  2)en  lang= 
famen  gortfeßritt  ber  guten  ©a^c  bürfe  man  fieß  nießt  oerbrießen 
laffen.  ©nblicß  merbc  cö  boeß  baßin  fommen,  „baß  bic  beffern 
SBiffenfcßaften  micber  ouflebcn,  bictontniß  beiber  ©praeßen  um3 


232 


1.  $u(^.  10.  I^opitel. 


mit  ©riechen  uiib  StoUcnern  oerbinbe,  in  ®cutfc^Ianb  33ilbung 
i^ren  SBo^nfife  ne^mc,  bie  Barbarei  über  bic  b^perboreifdbei'  ®erge 
t)inau§  imb  bis  jum  baltifc^en  ÜJ^cerc  üerbannt  fei.  Unterbeffen 
moHen  mir  baS  ^0(5  ber  $alme  nac^a^men,  inbem  mir,  je  fdb^uerer 
jene  unS  aufliegen,  um  fo  beharrlicher  emporftreben,  unb  gegen 
bie  löftigen  Unterbrürfer  mit  unbeugfamer  ^artnäefigfeit  unS  er^ 
heben."  ®abei  moUen  fic  beibe,  ^irefheimer  als  Veteran  unb 
gührer,  Jütten  als  munterer  iRefrut,  baS  Sh^iflc  thun;  Jütten 
bie  geinbe  uon  bem  gelbe  abmehren,  baS  ^irdPheimer  unb  anberc 
mit  bem  ©amen  ber  beffern  33ilbung  anbauen  mögen. 

2öie  (SraSmuS  im  9tieberbeutfchlanb  bic 

©eiftcr  gemeeft,  mie  fReuchlin  feine  ©chmaben  unterrichtet  unb 
gebilbet  höbe,  fo  fei  ^irefheimer  ber  Schrcr  9türnbcrgS  gemorben  : 
iRümbcrg'S,  mclchcm  an  biefer  ©teile  ein  Sob  ju 
baS  ber  ÖJcIchrtc  in  Jütten  bem  ^Ritter,  ber  gegen  bic  ©täbte 
unb  bic  ©runblagc  ihrer  ©röge,  ben  ^anbel,  eine  ftanbeSmögige 
^Ibneigung  h^fitc,  bie§mal  abgemann.  Unter  allen  beutfehen 
©täbten  fei  S^ürnberg  bic  fruct)tbarftc  an  guten  Ä'öpfcn,  unb 
miffc  biefe  am  beften  ju  fchä^en.  Sin  Sftegiomontan , an  ScltiS 
habe  eS  baS  bemiefen.  gn  SBcncbig  gebe  eS  ein  ©prichmort:  alle 
anbern  ©täbte  in  2)eutfchlanb  feien  blinb,  nur  ^Rürnberg  fchc 
auf  @incm  Sluge.  Sluch  in  5?unft  unb  Snbuftric  jeichnc  iRürns 
berg  fid)  auS:  nürnberger  gabrüatc  gelten  fd^on  als  folchc  in 
allen  Sänbern  für  Oortrcfflich,  unb  houptfächüch  für  unöcrfälfcht. 
^cr  SlpcUeS  ber  neuen  Sllbrecht  ®ürer,  fei  ber  3h^^9c,  bem 
bic  3talicner,  bie  fonft  nichts  grembeS  anerfennen,  ihre  SBcrfc 
unterfchicben,  um  fic  oerfäuflichcr  ju  mad)en.  @ine  folchc  ©tabt 
fei  für  ^ircfhcimer'S  SSirffamfeit  ein  banlbarcr  ©oben  gemefen: 
ungleich  fchmercr  unb  langfamer  gehe  cS  mit  ber  Einführung  f}iu 
mancr  ©Übung  in  §uttcn'S  ©tonbe.  3ntmer  fei  hier  nod)  bie 
SJieinung  herrfchenb,  bag  ©clehrfamlcit  unter  ber  SBürbc  eines 
9tittcr'S  fei:  biefe  SReinung  höbe  ber  treffliche  Eitclmolf,  ber  für 
ihn  unb  bic  SBiffenf^aften  ^u  früh  geftorben,  ju  entgelten  ge* 
habt.  3c&t  eröffnen  fich  aHmälig  beffere  SluSfichten:  bic  oor^ 
nehmften  S^äthe  beS  ÄaiferS  unb  ber  gürften,  auch  cinj^elne  gürften 
fclbft,  feheinen  ber  Partei  beS  §umaniSmuS  günftig  ju  fein,  ^aruni 
lobe  man  fic,  nenne  fie  3Jtäccnaten  unb  Sluguftc^,  nicht  mcil  fic 
cS  oerbienen,  fonbern  jur  Stufmuntcrung.  S)aburch  feien  fchon 


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l^utten'S  Senbjd^r eiben  an  SQßilibalb  ^irdf^etmer.  ^33 

einige  unter  i^nen  in  bie  Sage  uerfe^t  toorben,  ehrenhalber  @e^ 
lehrten  ©uted  thun  müffen,  inbem  bie  Ueber^eugung  fiel)  feft* 
ftellc,  bag  öegünftigung  ber  SBiffenfchatteu  einem  gürften  mol)l 
anftehc.  ^)aher  gehe  fein  fRath  bahin,  bafe  man  uon  huntaniftU 
fcher  ©eite  ber  @unft  ber  gwrften  alle  möglidhcn  9tehc  ftcllc^): 
um  aber  bieg  ju  fönnen,  müffe  man  in  ihre  Xienftc  treten  unb 
Äemter  non  ihnen  annchmen,  mie  e§  bie  fünften  unb  ^hrologen 
auch  machen,  benen  man  fid)  hierin  gleichjnftcllcn  h^^be. 

5)anon  möge  ihn  (hiemit  ift  Jütten  non  feiner  §lbfchmeis 
fung  jum  Xhema  feinet  ©d)reibcnö  ^urücfgelangt)  ber  greunb 
nicht  abmahnen.  @r  fönnte  mit  @runbc  nur  bann,  meim  bei* 
beö  unücreinbar  möre:  aber  gcrabe  ^irefheimer  fclbft  h^bc  am 
fchlogenbften  bemiefen,  bag  man  unter  ©taat^gefchäften,  ja  im 
Äricgögctümmcl,  noch  3Ruge  für  bic  Söiffcnfchaft  übrig  behalten 
fönne.  ©o  grogen  33eifpielen  mlü  fid)  $utten  nid)t  /\ur  ©eite 
fteUen:  aber  baö  mng  er  miebcrholt  erflorcn,  bag  bie  iöefchräns 
fung  auf  ein  reineö  ©elchrtenleben  feiner  Statur  entroeber  über^ 
haupt  nicht,  ober  hoch  jept  nod)  nicht,  angenieffen  ift.  „Sag 
erft",  ruft  er  bem  gereiften  greunbe  ^u,  „biefe  |)ipe  oerbraufen, 
biefen  raftlofen  unb  bemegtid)cn  ÖJeift  ein  menig  mübc  loerben, 
lag  ihn  jene  9?uhe  erft  oevbienen,  j\n  ber  bu  mich  t)or  ber  ßeit, 
mie  eö  mir  fcheint,  beruf  ft.'' 

5ür  jene  SJereinigung  üon  QJefchäften  unb  ©tubien  fei  ge* 
rabe  feine  ©teHung  am  main^er  $ofc  befonberd  geeignet,  ^er 
gütige  5ürft  höbe  ihn  üon  ben  gemöhnlichen  iöerathungen  unb 
bem  gemeinen  @cfd)öftögange  biis^penfirt.  ©o  höbe  er,  trop  ber 
üielen  Unruhe,  bic  ihm  mährenb  bicfcö  erften  Söhreö  bic  ©orge 
für  feine  Einrichtung  unb  bic  Erlernung  ber  ^ofbränche  gemacht 
habe,  hoch  üicl  ftubirt,  and)  etliches  gefd)ricbcn.  Um  überall  Icfen 
unb  arbeiten  ^u  fönnen,  führe  er  eine  tragbare  33ibliotl)cf  mit 


1)  ®ltt  »eld^cr  Tronic  gegen  bte  großen  lg>crren  /g)utlen  biefe  betrieb,  tonn 
man  j.  33.  au9  jeinem  Briefe  an  6ra§mu8  öom  6.  1519  (Sctiriflen  I» 

S.  248)  erleben,  ^ier  forbert  er  ben  6ra§mu8  auf,  feinen  ^rjbifd^of  lllbred^t 
um  ber  ©unfl  toiflen,  bie  er  i^m  (Jütten)  wiberfat)ren  laffc,  nur  re^t  ju 
loben;  er  unb  anbere  ©elefirte  werben  e§  ju  geniefeen  feoben;  Der  6rjbif(^of 
boffe  glei(^,  e8  werbe  in  eine  oon  bc8  Cra8mu8  6(tiriften  fommen,  wenn  et 
einem  ^umaniflen  eine  ®unß  erweife. 


234 


I.  %ud(|.  10. 


unb  eben  jc^t  fud^e  er  einen  jungen  3)?enfc§ert  al^  Sßorlcfer, 
©d^rciber  unb  $anblonger  bei  feinen  geleierten  Arbeiten. 

2ÖÜ  er  benn  l)tn  follte,  ioenn  ^iref epimer  i^n  nic^t  am 
§ofc  tüiffen  molle?  tiefer  bürfe  ^utten’ö  Sage  nicht  na^  ber 
[einigen  beurthcilen.  Sn  ©täbten  laffc  fich  ruhig,  ja  bequem  ftus 
biren:  nicht  fo  auf  einer  9tittcrburg.  ^ier  laffen  bie  @nge  unb 
Unruhe,  bie  ©orgen  für  bie  SBirthfehaft  unb  für  bie  SBcrtheibis 
gung,  einer  miffcnfchaftlid)cn  33efd)äftigung  feinen  [Raum. 
fei  nicht  ber  ruhige  ^ort,  mohin  ihn  ^irefheimer  auö  ben  ©türmen 
beä  §üflcbenö  rufen  bürfte.  58oIlfommene  fRuhc  unb  ©icherheit 
fei  auf  @rben  nirgenb»  511  fiuben;  nid^t  allein  ber  §of  fei  ein 
ftürmifchc!^  9)te,  fonbern  ba§  Seben  überhaupt.  ©0  fchlimm 
fei  boi§  ^üflcbcn  auf  feinen  al^  §utten'^  frühere^  Steife« 
leben,  mo  eö  ihm  oft  om  9löthigften  gefehlt,  unb  er  auö  Ü)?angel 
fid)  ^um  ^Iriegöbienft  l)obc  bequemen  müffen. 

sticht  Siebe  511111  SBcd^fel  ober  ©enußfucht,.  ba§  bürfe  SBilU 
halb  ihm  glauben,  fonbern  bie  flar  erfannte  9lothujenbigfeit  höbe 
il)u  bem  $oflcbcn  angeführt.  @r  höbe  fid)  fein  beftimmteg  ßi^l 
gefterft:  ober  um  biefe^  511  erreichen,  bebürfe  er  einer  Unters 
ftü^ung,  einer  SBeg^chrung  glcichfam,  unb  bie  folle  ber  $of  ihm 
reichen.  2öie?  ba§  loolle  er  bem  ^reunbe  bei  (Gelegenheit  münb* 
lid)  auöcinanberfehen.  fei  ein  üernünftiger  @1)^9^^»  ber  ihn 
antreibe,  feinen  S^tamen  unb  feine  SBürbe  ju  behaupten,  feinen 
angeborenen  Slbel  burd)  perfönlicheö  SSerbienft  fidh  erft  nmhrhoft 
an^ucignen,  ben  fRuhm  unb  ©lan^  feiner  gamilie  ju  ocrmchrcn. 
SSerfäumte  er  biefi  über  feinen  gelehrten  33efchäftigungen , fo 
mürbe  er  gerabe  baburch  feine  ©tanbeögenoffen  in  ihrem  SBoruts 
tl)eil  gegen  bie  SBiffenfi^aft  beftärfen.  @cioifferma§en  rechne  er 
bei  feinem  ^lane  auch  ouf  ba^  @lücf.  ÜRancheö  fönne  nur  ba§ 
@lücf  ihm  geben;  mäl)renb  ihm  auf  ber  anbern  ©eite  nichts, 
baä  ber  fRebe  mertl),  nehmen  fönne.  ^5)a  fein  Sßermögen  auf 
feinen  gaü  jureiche,  um  baoon  fo,  loic  er  münfehte,  leben  ju 
fönuen,  fo  löge  menig  baran,  menn  er  auch  tjollenbs  barum 
fäme.  ©einen  5lbcl  aber  fönne  baö  (Glücf  toohl  erhöhen,  aber 
nid)t  üerminbern.  ©eine  (Gemüth^ruhe  merbe  er  ju  behaupten 
toiffen;  benn  er  glaube  bie  Raffung  ftch  errungen  511  hoben,  bag 
er  ju  gleicher  ßeit  nach  ®hren  trachten,  unb  fie  oerad^ten  fönne. 

©0  möge  ber  greunb  ihn  erft  bann  oom  ^ofleben  abs 


t 


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i^utten’8  ©enbjd^reiben  on  ©ilibalb  ^irdf^eimfr.  235 

pflüffcn,  tDcnn  er  barin  reif  gcn)orbcn  fein  unb  feinen 
reicht  Ijaben  werbe,  c^pabe  er  erft  einmal  etwaö  gctt)an,  bag 
ßeugnig  gebe,  baß  er  gelebt,  bann  wolle  er  fieß  in  wiffcnfc!^aft= 
ließe  9iuße  unb  SSerborgcnßeit  begraben,  unb  ber  ftol^^en  §ofleute, 
ber  Slbelicßen,  Xßeologcn  unb  Suriften  lacßeu. 

S^aeß  aüerßanb  2.Vittl)eilungen  über  beii  9teicßetag,  über 
fein  förperlidjCiS  öefinben  unb  feinen  Umgang  in  ^Jlugöburg, 
fommt  .^litten  auf  £iterarifcßc^,  auf  be^^  ©rawinuö  neue  ^luögabe 
be^  Svenen  Xeftamentö,  öuböu^’  Sommentar  ben  ^anbeften 
unb  anberc  3'^^cßen  bc^  Sluflcbenö  ber  2öiffcnfd)aftcn  in  2)eutfcß= 
lanb  unb  Jranfreid)  511  reben;  worauf  er  feinen  iörief  mit  bem 
feßönen  Xriumpßrnfe  fdjlicgt:  „C  Saßrßunbert!  0 SÖiffcnfdjaftcn! 
(£ö  ift  einegreube,  511  leben,  wenn  aueß  nod)  nießt,  fid)  jur  Dluße 
ju  feßen,  mein  S53ilibalb.  blüßen  bie  'Stubien,  bie  ÖJeifter 
regen  fieß:  bu,  nimm  ben  0trid,  iöarbarci,  unb  maeße  bid)  auf 
Verbannung  gefaßt!" 

2)urcß  biefeö  0enbfcßrciben  war  Jütten  fieß  bewußt,  feiner 
greunbfcßaft  mit  ^ivdßeimer  unb  biefem  felbft  ein  bleibenbe^ 
5)cnfmal  gefeßt  ju  ßaben.  ^^ud)  feßrieb  er  bieß  offenherzig  an 
ben  greunb,  alö  er  ißm  eine  Sln^aßl  gebruefter  @i*emplarc  (fammt 
berglcicßen  oon  bem  (^efpräcß  über  baö  ^oflcben  unb  ber  ^ür* 
fenrebe)  jur  ?lblieferung  an  ben  nürnberger  Vud)füßrer  unb  zur 
Veforgung  naeß  ßeipzifl  übcrfdjicfte  ^). 


1)  €(ßnften  I,  S.  221  f. 


236 


(Stifter  iKapitel. 


c^ttifeti’d  itttb  6ie 

(1508—1518.) 

0cf)on  ju  tüicbcr^oltcn  äJ^alcn  ift  in  imfcrct  ©rjäl^lung  non 
bcr  ftranff)cit  bic  9tcbe  gcnjcfcn,  toelc^c  bcn  gelben  bcrfclben  bei^ 
no^c  non  feinem  erften  §ernortreten  an,  unter  allerlei  SBec^fel 
non  ßinberung  iinb  neuem  5lnöbruc^,  biö  t)icl)cr  nerfolgte,  mo  er 
cnblic^  burd^  eine  fRabicalcur  mit  berfelbcn  fertig  ju  merben 
f)offte,  unb  bem  SD^ittel,  baö  it)m  fotneit  get)olfen,  in  einer  eigenen 
©rf)rift  ein  2)enhnal  fe^te,  in  welcher  er  jugleid)  eine  (Sefd^ic^te 
feiner  Äranffteit  gab*).  @ben  auö  biefem  ©runbe  ^aben  mir  ein 
genauere^  ©inge^en  auf  ben  ©egenftanb  biö  ju  biefer  ©tefie  auf* 
gefpart. 

33e!anntlic^  mar  e^  bie  nenerifd^e  Äranf^eit,  an  melc^er 
Ulrich  Jütten  bereite  feit  beiläufig  10  3a^ren  litt  *).  @in  Seiben, 
baö,  mie  e^  i^n  förperlid)  ju  ©runbe  gerid^tet  ()at,  fo  non  ben 
©egnem  feiner  !0eftrebungen  benupt  morben  ift,  i^n  mo  möglid^ 
aud^  moralifd}  ju  nernic^ten.  Öefonberjg  bie  fatl)olifd^e  ^olemif, 
non  9^lainalbi  biö  auf  SBeiölinger,  unb  non  biefem  bi^  auf  bic 
Ultramontanen  unferer  2^age  ^erab,  l)at  biefen  Umftanb  mit  SSor* 
liebe  auögebeutet.  3^r  gegenüber  b^ben  fid)  §utten^g  Sere^rer 

1)  De  Guaiaci  medicina  et  raorbo  GalHco  Uber  unus.  Sö^rifien  V, 
397—497. 

2)  S)te  2)auer  bcr  nranfbeit  beireffenb  i^gl.  De  Guaiac.  med.  c.  4, 
Q Q.  D.  S.  409  §.11  mit  Querei.  I,  1,  v.  31—34,  ©(tiriften  III,  S.  22. 
Xiornae^  fiele  i^r  ftnfanfl  in  bo§  3abt  1508  ober  9,  too  l^utten  in  ßeiujig  ober 
no(!()  |(tion  ouf  feiner  Steife  no(^  bem  Slorben  begriffen  toar« 


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i^utten’§  Äronf^rit. 


237 


in  ber  ?Rcgel  l^intcr  bic  9J2öglic^feit  äurücfgejogen,  bag  man  5U  • 
jener  at^  bae  Ucbel  noc^  in  ber  ganzen  ^eftigfeit  feineö 
erften  ^nöbrud^^  loüt^ete,  mc  5.  ^erber  firf)  auöbrücft,  „fe^r 
unfcgulbig  ba^u  fommen  fonnte'';  bag  aber  Jütten  njirfiie^  fo 
baju  gefommen  fei,  auö  ber  Dffen^erjigfcit  gefolgert,  U)omit  er 
überall  oon  ber  0ad)c  rebe.  2öir  laffen,  um  un^  nic^t  befangen 
ju  mad^en,  ben  moralifd;en  ®efid)töpunft  cinftmeilen  ganj  auö 
bem  ©piele,  unb  fegen  üorerft  nur  ju,  maiS  fid)  über  bie  Slrt, 
toie  Jütten  ju  ber  ^Iranfgeit  gefommen,  auö  feinen  ©egriften 
entnegmen  lägt. 

(Sine  auöbrüdlicgc  Eingabe  über  biefen  $unft  fuegen  mir 
barin  üergebenö.  “5)ie  frügeftc  ©d^rift,  in  melcger  §utten  feiner 
Äranfgcit  gebenft,  bie  Klagen  gegen  bie  iiöge,  geben  nur  ®auer 
unb  0gmptome,  ni^tö  über  bie  ©ntftegung^art.  darüber  gegen 
aueg  bie  gelegentlicgen  5leugcrungen  in  fpätern  Briefen  unb 
biegten  ni(gt  ginau5.  SGBcnn  §utten  in  einem  ©riefe  an  gad)uö 
oon  feinem  ^infen  (einer  golge  ber  in  9tcbe  ftegenben  ^franfgeit) 
fagt,  er  miffe  nidjt,  foHe  er  eö  bem  Unglüd,  ober  ber  ^^oUfügn^ 
geit  jufegreiben,  mit  ber  er  fidg  im  garten  ^Itcr  ju  menig  gefd)ont 
gäbe’);  menn  er  an  ^irdgeimer  fegreibt,  nid)t  bureg  unmägigeö 
Seben,  mie  feine  nägeren  ©efannten  miffen,  fonbern  bureg  ©tu^ 
bium  unb  fRcifcn,  mobei  er  oon  groft  unb  $ige,  ©rmübung, 
junger  unb  ®urft,  gar  ju  oft  unb  geftig  gelitten,  gäbe  er  fid^ 
(nun  fagt  er  aber  nid)t:  jene  Äranfgeit,  bie  er  ja  baüon  aud) 
nidjt  mogl  ableiten  fonnte,  fonbern:)  feine  l^ränflicgfcit,  näger 
eine  Sffiagen*  unb  allgemeine  Äörperfcgmädje,  jugejogen;  moju 
noeg  ber  übermägige  ©lutoerluft  auö  feinen  .SBunben  gefommen 
fei,  ber  feine  Äräfte  erfegöpft  unb  fein  Slu^fegen  bleicg  gemadgt 
gäbe  2):  fo  ift  gier  immer  nur  üon  folcgen  Uebeln  bie  fRebe,  bic 
fieg  ju  feinem  ^auptübel  gefeilten,  ober  oon  Urfaegen,  bie  baffelbe 
unb  feine  golgen  oerfcglimmertcn,  öon  feiner  (Sntftcgung  erfagren 
mir  niegtg. 

3n  ber  ©egrift  über  baö  ©uaiaf  aber,  mo  §uttcn  bie  ©c* 
fegiegte  be^  erften  Sluftretcn^  unb  Umfieggreifenö  ber  granjofen» 
franfgeit  in  Europa  gibt,  grcn5t  er  baö  erfte  ©tabium,  mägrenb 


1)  6.  ob«n  6.  62  f. 

2)  6i^riften  I,  6.  206. 


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238 


I.  Sui!^.  11.  ftopitel. 


beffcii  bic  ©euc^c  ebibemifc^  gemefcn  unb  auc§  o^ne  Sontacjium 
entftanbcn  fei,  beiläufig  mit  bem  fiebenten  Sa^re  feit  il)rcm  @r- 
fc^einen,  alfo  mit  b,  3-  1500  ab;  feitbem,  fagt  er,  fei  eö  glaube 
lid),  ba6  fie  feiner  me^r  anberö  alö  burc^  Sontagium,  unb  jtoar 
uorjugömeife  burc^  beu  S3eifc^laf,  befomme*):  in  biefei^  festere 
©tabium  fällt  aber  feine  eigene  Hnfteefung.  greilid)  barf  man 
fic^  aber  nur  an  bic  Unrcinlic^teit  jener  3cit  erinnern,  unb  non 
ben  ^ofbetten,  bic  §nttcn  in  feiner  Aula  bcfc^reibt,  ben  ©d^lug 
auf  bic  ßagerftätten  in  ben  elcnben  Verbergen  machen,  in  benen 
er  auf  feinen  fficifen  fo  oft  5U  übernachten  hnttc,  um  allcrbing^ 
ein  anfteefenbeö  Sontagium,  auch  ohne  jene  fpccififche  33eranlaf* 
fung,  in  biefem  ^mciten  ©tabium  ber  ilranfheit  noch  fel)r  mögli^ 
ju  finben.  2öic  lcid)t  mar  e^  für  Jütten,  mit  einem  einzigen 
Sßorte  auf  eine  folche  ©ntftchung  feinet  Uebel^  h^näumcifen:  aber 
nirgenbd  hnt  er  gethan. 

9^lun  barf  man  aber  hierauf  and}  micber  nicht  ju  eilig 
fchliefecn,  bag  er  fich  alfo  einer  anberu,  minber  unf^ulbigcn, 
Urfa(he  feiner  Äranfheit  müffe  bemugt  gemefeu  fein.  3n  unferer 
3cit  mürbe,  mer  funbbar  au  biefem  Uebel  litte,  unb  fich  bemugt 
märe,  auf  jenem  uuncrfänglichcn  Söege  baju  gefommen  ju  fein, 
bieg  gemig  nicht  ücrfchmeigen:  aber  in  unferer  3eit  mürbe 

au^  fRicmanb,  mic  Jütten,  feine  iöeobachtungen  über  bie  Suft* 
feud)c  unb  bereu  Teilung  einem  ®r^bifchof  mit  ber  naioen  SBcnbung 
jucignen,  er  münfdjc  nicht,  bag  ber  hochmürbige  ^err  fie  jemals 
fclbft  nöthig  hoben  möge,  baö  moUc  ©hnftn^  ber  ^cilanb  oerhüten! 
aber  an  feinem  §ofc  fönnen  fie  oiclleicht  gute  i)icnftc  leiften^); 
9^icmanb  mürbe  heut  ju  Xage,  mie  abermals  ©utten,  ohne  iRoth 
■ oon  feinem  noch  lebenben  93atcr  bruefen  laffen,  bag  auch  er  an 
biefem  Uebel  gelitten  höbe“),  ^arauö  gcl)t  heroor,  maö  Kennern 
jener  3^nf  nnb  ihrer  Sitcratur  ohnehin  befannt  ift,  bag  biefe 
^anfheit  überhaupt  bamalö  nod)  anbersJ  angcfchen,  bag  bic  befonberc 
©d)anbc,  mic  jc^t,  noch  nicht  mit  bcrfclbcn  oerbunben  mar; 
menn  bieg  aber  ju  einer  3cit  ber  gall  mar,  mo  man  bereitst 
mugte,  bag  fie  fich  in  ber  fRcgel  nur  noch  gcfchlcihtlichc 


1)  C.  1.  71.  a.  O.  ©.  402  f. 

2)  ©d^Iwjfe  ber  6d^)rtft,  S.  496. 

3)  föbrnboj.,  c.  3 unb  12.  S.  407.  438. 


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^utten’S  i^ranH^rlt. 


239 


©crü^rmtfl,  beflrciflidjerlocifc  öomcftmlic^  bic  Doge,  fortpfloiijte, 
fo  folgt,  bo§  man  oud)  uon  biefer  leiteten  fclbft  bomatg  onbctiS, 
olö  l)cutc  bei  ocrfcincrtcn  ©ittcii,  gcbod)t  ^oben  mub- 

5)oö  gon^c  ÜJhttcloltcr  mar,  mic  befannt,  in  biefem  ©tüdc 
mcit  meniger  ftreng,  aU  man  uon  feiner  religiöfcn  333cltanfd)auung 
ermorten  foHte.  9}tanbcnfe  nur  on  bic  breite  unb  unbefangene S^toUe, 
mclcbc  in  ber  ©efe^gebung  unb  ßitcratur  jener  Qtit  bic  gemeinen 
5raucnl)äufer  fpiclcn.  0d)on  ber  cr^mungene  (Zölibat  ber  ©eift* 
liefen  näbrtc,  gerabc  in  ben  gebilbetern  Greifen,  eine  lajc,  um 
nic^t  ju  fagen  friuole  2)cnfart  über  foldjc  2)inge.  3m  funfjcl)nten 
3al)rl)unbcrt  fam  nun  in  eben  biefen  Ä^rcifen,  burc^  baö  erneuerte 
<ötubium  ber  ^Iten,  bereu  naturaliftifd)c  £cbcnöanfd}auung  l)in^u. 
2Baö  biö  ba^in  für  eine  läßliche  0ünbc  gegolten  ^atte,  bie  fic^ 
burd)  33cic§tc  unb  eine  leierte  Öuge  abt^un  liefe,  ba^  crfd)icn 
je^t  al^  etmaö  9^latürlid)c0,  mobei  auf  bie  näfeern  Umftänbe 
anfam,  ob  eö  überhaupt  ju  fcfecltcn  fei.  ®al}er  brüden  fic^  bie 
^umaniften  jener  Xagc  über  öcrböltniffc  unb  SSergebungeu  biefer 
?lrt  in  einer  SScife  auö,  in  bie  mir  unö  faum  finben  fönnen. 
2)cr  mürbige  ÜJhitian  crfcfecint  unö  in  foldjen  Stellen  feiner 
93ricfc  gar  ju  cl)nifcfe,  unb  Sllbrecbt  ®ürer'^  0cbci>'  über  23öilibolb 
^irdbeimer')^  jial)lrcicbc  53uljlfcbaftcn  gar  ju  plump.  ®aber,  alö  ^ 
nun  jene  Ätranfbeit  auftrat,  erfebien,  uon  il)r  befallen  ju  merben, 
gerobe  in  biefen  23ilbungöfreifcn  am  menigften  ai^  ein  Sebanb^ 
flcd,  ben  man  uerfteden,  fonbern  aU  ein  Unfall,  über  ben 
man  fo  laut  mic  über  jeben  anbern  ju  flogen  baö  fReebt 
Älö  im  3obr  1523  £utl)cr  bebenflieb  frünfclte  unb  bic  ulmer 
ältönebe  bereite  über  feinen  Xob  jubelten,  liefe  itjin  ber  bortige 
• ?lri^t  SBolfgong  9tpcbarb,  ber  in  Sutfecr  einen  anbern  ©liaö  ucr^^ 
ebrte,  bureb  einen  greunb  in  SBittenberg  ärjtlicbc  fRatbfcblögc 
ertbcilen,  morin  auch  auf  ben  gaü  iöcbacbt  genommen  mar,  bafe 
baö  malura  Franciae  mit  unterlaufe. 

göUt  aber  bienaeb  ber  Seblufe  babin,  bafe  §utten,  menn  er 
ficb  bemufet  mor,  „unfcbulbig"  p feinem  Ucbcl  gefommen  511 
fein,  biefe  jn  feiner  notbmenbig  audj  gefagt  b^ben 

müfetc:  fo  läfet  ficb  ^oeb  auf  ber  anbern  Seite,  §uttcn  alsS  Sobn 
feiner  Qcit  unb  ifercr  Xenfmeife  betrachtet,  oueb  niefet  mcl)C  uon 
uombcrcin  mabrfebeinlid)  finben,  bafe  er  ficb  bcrjcnigcn 
!iücrübrungcn  entbaltcn  b^^ben  merbe,  mobei  auf  bem  gemeinen 


240 


I.  11. 


SBcge  ju  jenem  Uebel  ju  gelangen  mar.  ?lud^  maS  mir  $crfön- 
lic^eö  üon  t()m  miffen,  fül)rt  nidjt  auf  eine  fold}e  SBa^rfc^cinlid^feit. 
©eine  ©djriften  jmar  zeigen  fic^ , menn  mir  feinen  2lnt^cil  an 
ben  ^)unfelmänncrbriefen  abrec^nen,  mo  aber  ©c^mu^  unb  3oten 
burc^  ben  fatirifc^en  gmeef  geforbert  maren,  merlmürbig  rein, 
unb  inöbefonbere  feine  iÖriefe  unterfci^ciben  fic^  hierin  üort^eilljaft 
non  mani^cn  anbern  33riefmed)feln  jener  3‘^it.  ^ber  man  bebente 
fein  SfiaturcU  unb  feinen  SebenSgang.  2Jiit  einem  rafc^en,  feurigen 
Temperamente  trat  er  au§  flöfterlic^em  :3a^r  in 

baö  abenteuerube  ßcben  eincö  fa^renben  ©c^ülerö  über,  baö  i^n 
jule^t  fogar  in  ba§  Säger  gemorbener  ©olbtruppen  führte.  SBenn 
fpäter  (Sra^muö,  mit  Berufung  auf  alle,  bie  Jütten  genauer 
gefannt,  non  feinem,  gelinb  auögebrüdt,  folbatifc^en  Sffianbcl, 
feinem  $angc  ju  SScrfc^menbung , ©piel  unb  Tirnen,  uon  2luS* 
fd)meifungen  fprac^,  bie  felbft  feine  clcnbe  Äranfljeit  i^m  nic^t 
^abc  abgemö^nen'  fönncn‘):  fo  merben  mir  jmar  nic^t  uergeffen, 
ba6  ba«  bie  Dtac^rebe  cineö  geinbeg  ift,  ber  bamal^  burc^  einen 
Singriff  §utten’i§  (uon  bem  an  feiner  ©teile  bie  9^ebc  merben 
mirb)  auf’iS  Slcußerfte  gereift  mar.  Slber  ©raömuö  fpric^t  bauon 
öffentlich  fo  alö  üon  etmaä  9totorifd)em,  mic  er  fchmerlidh  magen 
tonnte,  menn,  bei  aller  Uebertreibung  üieHeicht,  nid^t  bod^  etmaö 
an  ber  ©ac^e  mar.  Unb  eine  ftarle  Steigung  5um  finnlid)en 
Siebeögenuffe,  bie  nur  burch  feine  Äräntlidhfeit  in  ©dhranfen 
gehalten  fei,  befennt  §utten,  menn  au^  in  fcherjhofter  gorm, 

' felbft*).  ®alb  fd)cr^l)öft  mag  e^  audh  gemefen  fein,  menn  ber 
felbft  nicht  fittenftrenge  ^ivdheimer  ihn  möhrenb  feiner  @uaiaf^ 
(5ur  ermahnte,  fich  ber  Siebeömerfe  ju  enthalten:  aber  Jütten 
beruft  fidh  bagegen  auch  *^ur  auf  feine  ©rfdhöpfung  burch  bie 
ftrenge  T)iät  bei  biefer  ßur,  um  bem  greunbe  jeben  SSerbacht 
folcher^rt  ju  benehmen*).  Sluch  ber  incertus  amor,  üon  bem  er 
in  bem  Sugenbgebidjt  an  Trebeliuö  fpneht,  mug  unä  f^kx  eim 
fallen  *). 


1)  9ln  Sutber,  ^utten’§  Sd^riften  II,  6.  409.  ?tn  ®o^bdni,  cbenbaf., 
0.  396. 

2)  Febris  secunda,  6(^riftctt  IV,  S.  136.  3n  meiner  Ueberje^ung 
ber  ^uttcn’fd(|en  ©efprfle^e  0.  86  f. 

3)  3n  bem  0enb|(l^reiben  an  ^irdf^cimer,  0d^riften  I,  0.  212. 

4)  0d^riften  I,  0.  8,  v.  11. 


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(Suren. 


241 


man  mag  auf  bicfc  Wu^fagen  unb  Slui^ci^cn  fo  menig 
©cmic^t  legen  alö  manmifl:  man  erinnere  fid)  nur,  ma-g  man 
mügte  ermeifen  fönnen.  9J?an  müßte,  mic  fdjon  gefagt,  alö  übers 
miegenb  maßrfc^einlicß  ermeifen  fönnen,  baß  Jütten  üon  Sugenb 
auf  fi(^  aller  ber  S^erüßrungen  entl)alten  ßabe,  bie  auf  bem 
gemöl)nlid)en  Söegc  ^nftedung  ßerbeifüßren  fonnten.  ©etraut 
man  fic^  nid)t,  bieß  ju  ermeifen,  fo  mirb  eö  bann  aber  für  bie 
moralifd^e  33eurtl)eilung  ganj  unerßeblicß , ob  er  nun  bei  einer 
folc^en  ©elegen^eit  oon  bem  Uebel  betroffen  luorben,  ober  ^iebei 
jmar  jufällig  frei  au^Sgegangen,  bafüraber  ein  anbermal  „unfc^ulbig" 
ba^u  gefommen  ift. 

3ebenfaIIö  inbeffen  ßatte  er  ben  3ugenbfel)ler,  beffen  mir 
il)n  fcßulbig  oc^ten,  in  einem  @rabe  ju  büßen,  melcßer  felbft  be^ 
unerbittlid)ften  0ittenrid)tcr^  Strenge  in  9Jätleib  oermanbeln  muß- 
2)ic  Äfranfbeit,  mie  fd)on  ermößnt , mar  bamal^  jmar  nießt  meljr 
in  if)rcm  erften,  boc^  immer  no(i)  in  einem  Stabium,  beffen  furd)ts 
bare  Symptome  über  il)re  l^eutige  @rfd)einungöform  meit  l)inau^s 
gingen;  mäl)renb  bie  ^rjneifunft  4ljrerfeitö  nodi  im  unftd)em 
2^appcn  nad)  ber  rechten  ®el)anblungöart  begriffen  mar.  9J?an 
meiß  bal)er  nießt,  maö  fd)redlic^er  ift,  bie  !öefd)reibung , bie  unö 
Jütten  oon  feinem  ßi^ftönbe,  ober  bie  er  unS  oon  ben  Duälereien 
mad)t,  meld)e  oon  unoerftänbigen  ^lersten  ald  Suren  über  ißn 
oerljängt  mürben,  ^ie  ©drüben,  an  benen  er  litt,  maren  tljeilö 
offene,  fließenbe  ©efc^müre,  tßeilö  gefd)loffene  ?lnfd)metlungen 
unb  fnodjenartige  9Scrl)ärtungen,  enblid)  Sd)minben  beö  gleifc^cö 
unb  Sloderung  ber  iüänber  an  einzelnen  Äörpertl)eilcn ; ©teßen, 
@el)en,  ?lrmaufl)ebcn  unb  ®rel)cn  beö  Üopfeö  mar  erfc^mert; 
jeitenmeifc  trat  ein  ßittern  aller  ©lieber  ein;  bie  ©efc^müre  unb 
S3erl)ärtungen  maren  jum  ^ßeil  unleiblid)  feßmer^baft;  bie  5luös 
flüffe  fo  efel^aft  unb  übelriecßenb,  baß  ber  Äranfc  nic^t  allein 
Slnbern,  foubern  and)  ficb  felbft,  jur  ßaft  unb  ^um  ^(bfdjeu  mar. 
Äein  SBunber,  baß  Äurfürft  ^Ibredjt  äußerte,  er  fönntc  Jütten 
mol)l  gebrauchen,  menn  er  nur.  in  beffern  ©efunbbeitöumftänben 
märe,  kein  äBunber  aber  aud),  baß  biefer  e^  \)o6)  anfcßlug, 
menn  einer,  mie  fein  5^ermanbtcr,  ber  augöburger  Domherr 
Sohann  oon  SBiröberg,  burd}  ben  Dunftfreiö  feinet  luftbicht  oers 
fchloffencn  ÄlranfenjimmercJ  fid)  nicht  abhatten  ließ,  ftunbcnlang 
bei  ihm  ju  fijjcn  unb  il)n  buri^  ©cfpräch  unb  Sr^ähtungen  aufs 
VIL  16 


242 


I.  »ud&.  11.  ÄaWtel. 


^ul)citcrn.  J^üfjcr  ^attc  ein  anberer  greunb,  alö  er  §utten’ö 
flrägüdjcn  unb  tt)ie  fc^ien  Ijoffnunflölüfcn  ii)ni 

ejerabe^u  ben  9iatl)  cicgcbcn,  fic^  umjubrinqcn.  Unb  biefe  ©droben 
unb  ficiben  ()attc  bi^^^cr  Jütten  nic^t  chua  rul)iö  abiuarten  fönnen, 
fonbern  fic  auf  feinen  S^leifen  uon  ©reifönjolb  bi^  9f^om,  üon 
Söien  unb  Dlmüjj  bid  ilJiain^  unb  ^ariö  mit  fiel)  (jerumgefc^teppt. 

fehlte  i{)in  an  9iul)e,  fehlte  ihm , ba  er  noch  baju  meiften^ 
üon  ÜJ^itteln  entblöfit  mar,  an  ^flec^e,  unb  er  mar  uicl)t  feiten 
genöthiflt,  in  ©rmaugeluiu]  uon  Herzten,  bie  freilich  ihrer  3Jiehr- 
äal)l  nach  and)  menig  §ülfe  bradjten,  fid)  ^^3fufchern  unb  Ouaefs 
falbem  an,^uuertraueu.  ^^Qe^  9J?öglid;e  mar  im  Saufe  biefer  jeljn 
^[ahre  an  ihm  oerfucht  morben : iöäber  unb  ^^riinfe,  Bähungen 
unb  2(epmittel  jeber  3lrt.  !Dic  gräuliche  0chmiercur,  bie  ben  mit 
(Salden,  ^^uloern  unb  Delen  aller  ^rt  eingeriebenen  Ätranfen 
20—30  Xage  lang  in  löettcn  gemicfelt  im  glüheubheigen  3immer 
hielt,  biefe  fd)recftid)e  (£ur.  bie  mandjem  ba^  Seben,  anbern  ben 
^Öerftanö  gefoftet,  h^il  er  in  oerfchiebeneu  gönnen  cilfmal  burch- 
gemacht.  SlUe  biefe  ÜJiittel  unb  Suren  aber  h^iUen  im  beften 
galle  phlliatiü  gemirft.  Sine  S^abicalcur  hoffte  ber  ilranfe  oon 
bem  SJiiaiafholje,  ju  beffen  ©ebraud)  ihm  fein  greunb  ©tromer, 
ber  Seibar,3\t  fcinci^  gürften,  gerattjcn  l)öUe. 

^ie  Sur  mar  einerfeit^  eine  §ungercur,  anbererfeitö  mürbe 
ba^i  ^ecoct  oon  ben  Spänen  beö  SJuaiafhol^e^  getrunfen,  mährenb 
ber  .Hranfe  in  einem  mägig  geheilten,  bem  ^oltiUe  ber  Suft 
möglidhft  Oerfd)loffenen  ßimmer,  einen  Xheil  bes^  ^ageö  im  33ette, 
fid)  aufhiclt.  ^)ie  offenen  0d)äben  mürben  babei  mit  einer  0albe 
Oon  33leimeig,  ober  auch  our  oon  bem  0d)aume  bed  SJuaiafbccocteJ, 
behanbelt.  iltoch  40  ^agen  burfte  Jütten  mieber  ouögehen;  hoch 
ftaub  eö  noch  einmal  40  Xagc  an,  biö  ber  begaben  an  feinem 
©djienbein  ganj  ^ugel)cilt  mar.  9^un  aber  fühlte  er  fid)  auch 
mie  neugeboren,  bie  gefchmunbenen  Äräfte  ftellten  fich  mieber 
ein,  unb  er  fdjerjte  halb  barauf  über  fein  gettmerben.  93on  bem 
$ol^c,  bem  er  feine  Stettung  ju  Oerbanfen  glaubte,  fpricht  er  aU 
oon  einer  göttlidjcu  32öohltl)at,  einer  Oom  §immel  herab  gebotenen 
$ülfc,  mit  einer  2lrt  oon  religiöfer  S3crehrung,  unb  er  h^elt 
gemiffermagen  für  Pflicht  ber  ^anfbarteit,  eö  burd)  eine  Schrift 
^u  oerherrlichen  unb  ber  Icibcnben  äJ^enfehheit  befannt  f^u  machen, 
lieber  boö  SJuaiafholj  alö  ocrmeintlidjc^  Specigeum  gegen 


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^utien’S  Sd^rifi  Uber  bte  t^Tan^ojentranf^ett  unb  ba§  @uata!.  243 

bic  fiuftfcuc^c  Tjattc  fd)on  baö  3at)v  üorl^cr  bcr  ^rofcffor  unb 
faiferlid)c  $t)t)ficuö  S^üolauö  ^oU  einen  5^ractat  uerfagt,  unb 
benfelbcn  bem  Sarbinal  üon  öurf,  SJiattböuö  Snnc;,  flemibmet, 
ber  um  bic  @rfovfd)un9  unb  iöcfanntmac^unc^  bcö  uon  ben  v^paniern 
auf  0t.  ^ominflü  ^efunbenen  .gcilmitteU  ein  bejonberes  S^erbienft 
in  5tnfprud)  nai)m.  3c^t  forbertc  (Soüege,  ber  getaufte 

3ube  ^aul  iRiciuö,  |)uttcn  auf,  bem  (^uaiaf  feine  geber  ju 
tüibmen,  unb  feine  0d)rift  gleid^fallö  jenem  Gavbinale  ^u^^ueignen. 
3um  Srfteven  mar  glitten  febon  üon  felbft  geneigt;  aber  bic 
lefetcrc  ^ufforberung  empörte  fein  ganjeö  0elbftgcfüt)l,  ba  er 
bem  ftül5cn  iiird}cnfürftcn  bie  gcringfdjäbige  ^cl)anblung  nidjt 
üerjeÜ)en  fonnte,  bie  er  üor  6 3ob^cn  in  Bologna  non  bemfelben 
batte  erfahren  müffen').  glitten  begann  feine  0cbrift  nad) 
5öccnbigung  feiner  6ur  in  5tug^burg  im  §crbft  1518,  unb 
üollcnbctc  fie  mit  einer  ß^cignung  an  feinen  Murfürftcu  um 
9tcujabr  1519. 

2)ic  0d)rift  l)(Jnbclt  in  26  Äapitcln  fd)r  metbobifeb  unb  in 
auegejeiebnetem  Latein  uon  bem  Urfprung,  ben  mutbmaglicben 
Urfacben  unb  ben  ©biiiptomen  ber  2nft)cud)c ; ben  bis^b<-’^»  *inb 
inöbefonbere  aud)  üon  .giuttcn  felbft,  gegen  fie  gebrauchten  Ddt* 
tcln;  lommt  fofort  auf  baeJ  neue  0pecificum,  ba$  ©uaiafbolä, 
feine  Vluffinbung,  9iatur  unb  ßübereitung,  ^u  reben;  gibt  bi»-'rflüt 
üon  bcr  mittclft  bcffelbcn  üor^unebmenben  6ur,  mit  allem  maö 
babei  j^u  bcobad]tcn  unb  j\u  üermciben  ift,  eine  umftänblidjc  2)arfteU 
lung;  l)ict  tbcilt^uttcn  and)  üon  feinem  eigenen  Äranlbtit^suftanbe, 
ben  jeneö  SDdttcl  geboben,  eine  genaue  iöejd)rcibnng  mit ; morauf 
35erbattungörcgeln  für  bic  (^cne)cnen  ben  Sdjlujs  macben.  ÜJ^erl^ 
mürbig  ift  bicbei,  j\u  feben,  mic  .£)utten,  beffen  ^rofa  ftd)  unö 
bi«>b<^i^  *1»^  0turmlaufe  bcr  rebncrifdjcn  ^eclamation,  ober 
in  bem  rafd)cn  SBccbfclfpicle  be^  ^5)ialogö  gezeigt  b^'l»  ^ueb  ben 
gcmcffcncn  0d)ritt  bcr  bibaftifeben  ^)arftellung  fid)  fo  üollfommen 
aui^ucignen  ücrftanb,  aU  bdtte  er  von  jeber  in  biefem^clbe  gearbeitet. 

9tur  an  öincr  0telle  tbut  er  ficb  auch  in  biefer  0cbrift  aliis 
9iebner  gütlich:  mo  er  nömlii'b,  aud  (yclegenl)cit  bcr  j^ur  ©uaiaf- 
(Sur  erforberlicben  ftrengen  ^)iät,  auf  ben  fiuiuid  ju  fpred)en 
fommt,  bcr  511  jener  Qc\t  in  ^cutfcblanb  bcrrfd)enb  gemorben  mar. 


1)  S.  oben,  0.  64. 


244 


I.  ^u(^.  11.  l^opiteL 


tiefem  ©ccjcnftanbc  lüibmct  er  ein  eigene^,  unb  jmar  baö  um^ 
fangrcic^fte  Äopitcl  feiner  ©c^rift  *).  @r  beginnt  mit  bem  SSunfc^c, 
ben  mir  fd)on  fennen,  bag  unfere  ^Kation  fic^  enblic^  felbft  ers 
tennen  möge,  b.  b-  bicgmal  einfeben,  mie  menig  ficb  folcbe  SSöHerci 
für  baö  meltbcrrfcbcnbe  83olf  gezieme.  2)ie  SBorfabren,  bie  unö 
biefen  S^ang  ertömpft  b^ben,  meicben  bie  übrigen  Sölfer  unö 
nur  noch  i^um  §obnc  laffen,  b^^beii  ein  anbercö  ßeben  geführt, 
ßunäcbft  mirb  bicr  gegen  baöSaftcr  ber  Xrunfenbeit  loögejogen; 
büd)  noch  meniger  entfcbulbbar  ber  ßujuö  in  ©peife  unb  Ön^ug 
gefunben,  ber  jc^t  einreige,  ber  ^ug  ^u  auölänbifcben  ©emürjen, 
SBübIgcrürbcn  unb  ilieiberftoffen , mclcber  bie  Xeutfeben  jugleicb 
entnerue  unb  arm  mache.  „2)en  ächten  alten  3)cutfcben  biente 
nach  ^^Jliniu^,  mie  noch  je^t  üielcn,  §aberbrei  ^ur  9kbrung.  SGßir 
hingegen  fpeifen  überfeeifebe  iöiffen,  bie  mir  für  fo  unentbehrlich 
halten,  bag  eö  bei  unfern  ^auöüätern  ©ruubfa^  gemorben  ift, 
ma^  hier  mächft  ^\i  uerfaufen,  um  jene^  grembe  ein^uhanbeln. 
9tid)tig  ^Inbcreg  h^^i  bie  Jugger  fo  reich  gemad)t,  melche,  mähreub 
mir  unfereö  ßeibeö  Pflegen,  allein  in  2)eutfchlanb  ®elb  unb  foft^ 
bare  .Käufer  befi^en.  ®enu  fo  fchr  finb  biefc  Kliener  unferer  Suft 
emporgefommen,  bag  il;r  S^ermögen  für  gröfeer  aLS  bo^  eines 
jeben  Don  unfern  dürften  gefchäht  mirb."  ©o  bringt  benii  Jütten 
bem  ©afran  unb  ber  ©eibe  ein  förmliches  Pereat,  unb  münfeht 
allen  benen  baS  ^^obagra  unb  bie  gi^anjofeu,  bie  nicht  ohne 
^J[$feffer  fein  fönnen.  Äernfprüchc  unb  ^eifpiele  auS  ber  alten 
Söclt,  uon  ©ofrateS  unb  Diogenes,  ßato  unb  §annibal,  auS  ber 
neuern  baS  feines  ©rogoaterS  Soreui^,  merben  beigebracht;  eiiu 
mal,  mo  eS  gegen  bie  ©eiftlichen  als  bie  Heerführer  ber  Ueppig- 
feit  geht,  auch  etliche  Sibclfprüche  inS’Jelb  geführt. 

^en  eigentlichen  (^egenftanb  feiner  ©chrift  anlangeub,  be* 
fdjeibet  fich  Hutten,  basjenige  ju  geben,  maS  er  als  gebilbetcr 
3^tichtmebiciner  allein  geben  fonnte:  nämlich,  außer  bem  ®cfchicht= 
liehen,  feine  eigenen  (Erfahrungen  in  liöejug  auf  bie  Äraufheit 
unb  Sur,  mit  gelegentlichen  ©eitenblicfcn  auf  baS,  maS  er  an 
nnbern  beobachtet  h^^Hc.  öei  ber  ?luSarbeitung  mar  ihm,  ba 
©tromer  nadh  bem  ©chluffc  beS  fRei^StagS  mit  bem  er^bifchöflichcn 
Hofe  nach  ©achfen  gegangen  mar,  ber  jmeite  Scibarjt,  ®regor 


1)  Cap.  19.  Contra  luxum  parsimouiae  laus.  S.  457 — 470. 


5)ie  Jürlenrebc  oollpönbig  mit  3ufebrift  an  oHe  freien  ©eutfd^en.  245 

(Soppuö,  in  cintflcm  bc^ülftic^,  bcr  auc^  bie  ^anbfdjrift  üor  bem 
^rucfc  burc^fa^.  @cbrucft  tüurbc  fic  9J?ainj,  alö  §uttcn  bc^ 
reitö  jum  würtembcrciifc^en  fic^  auf(icmarf)t  ^attc ; luefj* 

1) alb  bcr  Qclcljrtc  gactor  bcr  ©djöffcr’fd^cn  i)rudcrci,  SSolfflant] 

§lncift,  Urfac^e  fanb,  lucgcn  bcr  ütclcn  ^rucffe^Icr  um  @ntfd)ul= 
biguncj  ju  bitten.  ®ic  3d)rift  fanb  fd)ncüc  unb  mcitc  Serbrei* 
tung,  mürbe  inö  ^cutfc^c  (üon  ÜJ?urner),  @nglifd)c  unb 

gran,^öfifc^c  iibcrfc^t,  unb  bct)auptct  noc^  ^cute  in  bcr  ®cfd)ic^tc 
bcr  ©eueren  unb  bcr  ^cilfunbe  i^ren  ^la^. 

Snbem  mir  nun  aber,  bem  iiefer  unb  unö  fclbft  ju  ©efaflen. 
bie  nähere  Erörterung  üon  ^uttcn'ö  ^ranfheit^umftänben  biö  ju 
biefer  ©teile  ucrfd)oben  höt>cn,  muffen  mir  unö  cineö  Unred)t§ 
gegen  unfern  gelben  fd)ulbig  befennen.  SBir  haben  ihm  nämlich 
bamit  bisher  bie  5(ncrfcnnung  untcrfchlagen , bie,  neben  bcr  !0e* 
munberung  feiner  ©chriften  alö  folchcr,  bcr  ©eiftci^ftärfc  gebührt, 
melche  baju  gehörte,  um  mäl)renb  cine^  fo  fchrcdlichcn,  langmic^ 
rigen  unb  hoffnungölofcn  ©icchthumö  SBerfe  hcruorpbringen,  an 
benen  nidjtä  matt,  allcö  ©efunbheit,  grifd)c  unb  Seben  ift.  Sind) 
mährenb  feiner  Öuäiaf=Eur  lieg  fich  §utten  Dom  ©tubium,  ja 
üüu  eigenen  Aufarbeitungen,  mic  baf  aufführlichc  ©cnbfchrciben 
an  ^irefheimer,  bur^  baf  Verbot  bcr  Acrjtc  nid)t  abhaltcu,  bie 
nicht  mußten,  baß  berglcichen  für  ihn  nidjt  Anftrengung,  foubern 
Sßergnügen  mar.  ^af  ©ebießt  an  Ehriftoph  $acuf,  beffen  33cfud) 
ben  Äranfen  auf  ©tunben  gefunb  unb  h^'il^t  machte  (mit  menigen 
feiner  italienifchcu  Epigramme  in  einem  jener  iKaßc  gcfchriebcn,  , 
beren  SBorbilber  nicht  auf  93irgil  unb  Ouib,  fonbern  auf  §oraj^ 
unb  Satuü  genommen  maren),  feheint  bcr  lebten  Qcit  in  SJiainj, 
uor  bem  Anfang  ber  Eur  in  Augfburg,  anjugehören  *). 

iRoch  maren  bie  ©chäben  an  feinem  ©d}icnbcinc  nicht  ooU* 
ftänbig  jugcßeilt,  alf  |)utten  im  ftrengen  SBintcr  (Sf^oOember  ober 

2) cccmber  1518)  Don  Augfbnrg  nach  ©tcdclberg  reifte,  um  feine 
bamalf  noch  lebenben  Eltern  ju  bcfuchcn*).  §icr,  auf  bcr33urg 
feiner  33ätcr,  hotte  er  jebcfmal  freier  Athem;  bie  ^Rücffichten 
beren  er  jmar  auch  fonft  nicht  niete  ju  nehmen  pflegte,  ßclen  ba 
OoHenbf  hioioeg.  ®aß  feine  ^ürfenrebe  im  ^rude  burch  bie 

1)  Äd  Christophorum  Ilacum.  Schriften  I,  S.  239. 

2)  Do  Guaiac.  c.  8.,  @.  424. 


246 


I.  Sud^.  11. 


^cngftlic^feit  feiner  im  {aifer(id)cn  5)ienfte  fte^enben  ^reunbe 
öerftümmclt  morbni  mar,  iinb  5mar  gcrabe  biejenigen  X^eile  üer^ 
loren  ^atte,  auf  bie  er  am  meiften  ©emic^t  legte,  mar  i^m  fc^on 
auf  feinem  ^franfen^iinmer  ju  ^ug^bnrg,  atü  er  fie  an  ^iref^eis  ^ 
mer  fc^iefte,  empfinbüd)  gemefen.  2eb()aft  f)attc  er  bie  Soflifion 
gefüt)lt,  ba6  er,  menn  er  5lmt  unb  3!^erfürgung  ^aben  moHe,  bie 
^flic^t  beö  Patrioten,  nngefc^eut  bie  2Bal)rf)eit  511  fagen,  nid)t 
erfüllen  bürfe.  in  ber  freien  Suft  feiner  ^eimifd)en  'iöerge 

l)ielt  er  baö  nic^t  mel)r  au^.  @r  entfc^lofe  fic^,  feine  Diebe  üolls 
ftänbig  bruefen  ju  laffen,  unb  gab  i()r  eine  3nfd)rift  an  alle  freien 
unb  magren  ®eutfc^en  mit*). 

2öüf)Imeinenbe  greunbe,  fagt  er  l)ier,  haben  if)n  gemarnt, 
feine  Xürfenrebe  bruden  ju  laffen,  and  giirdjt,  einige  aDjii  frei* 
müthige  ©teilen  gegen  ben  römifd)en  §of  fönnten  i^m  ©efa^r 
bringen.  @r  hnbe  ihren  DJlahnungen  unb  iöitten  fid)  gefügt,  unb 
feinen  @ifer  jurücfgchaltcn : ungern  fd)un  bamalö,  unb  nun  fei 
eö  ihm  nid)t  länger  möglid).  fdheine  ihm  unebel,  auö  gurdjt 
üor  perfönlicher  (Gefahr  bem  öaterlanbe  feinen  ^ienft  ^u  ent,yes 
f)en.  Unb  ^ubem  fönne  er  in  ber  ©ad)e  nid)t  einmal  ©cfahr 
entbeefen.  ©eine  Diebe  bebiene  fich  nur  einer  rechtmäßigen  unb 
nothmenbigen,  feiner  rnuthmiCligcn  Freiheit,  unb  non  ßeo  X.  Der- 
fehe  er  fief)  nur  beö  33eften ; abgefchen  bauon,  baß  er  ja  mit  bem* 
felben  in  ber  51ufforberung  i^um  ^ürfenfrieg  übeveinftimme.  ^)och, 
füllte  ihm  and)  (Gefahr  brohen,  fü  üerläßt  fich  §utten  auf  ben 
iöeiftanb  feiner  ®eutfd)en,  für  bie  er  fid)  berfelben  unterzogen 
hat.  Unb  felbft  bie  geinbe  unb  Unterbrüefer  2)eutfd)lanbö  foll* 
teil  in  ihrem  eigenen  S^ntereffe  fid)  hnlcn,  bie  ©ad)c  jum  5(eiu 
ßerften  ju  treiben.  „3n  ber  (mit  biefen  Söorten,  meld)e 
bie  Dleaction  aller  ß^iten  fid)  füllte  gefagt  fein  laffen,  aber 
freilid)  feine  fich  flffngt  fein  läßt,  fd)ließt  .^utten  fein  ©enbfehreiben), 
menn  eö  einen  gibt,  melcher  bie  beutfehe  greißeit  fo  ücrnichtet 
münfd)t,  baß  mir  gegen  fein  Unred)t,  feine  ©d)mad)  mehr  (Siti' 
rebe  tf)un  bürfen,  ber  möge  zufeßen,  baß  nid)t  jene  fo  gefnebelte 
unb  faft  ermürgte  greißeit  einmal,  zn  ber  Unterbrüefer  größtem 


1)  ®gl.  oben,  8.  212  ff.  ®tc  neue  91u§gabe  mit  bem  3ufa^  ouf  bem 
iitet : Inßunt  quae  priori  editione  exerapla  erant.  5)if  guft^rift : Li- 

beris  omuibus  ac  vere  Gerinanis,  Schriften  I,  8.  240  —242. 


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3uetgnung  einer  Ausgabe  be§  Qtblui. 


247 


©c^abcn,  plö^lic^  auöbrcc^c  unb  fic^  tütcbcr  ^erfteHc.  SBic  Diel 
flügcr  tüäre  ücrftänbig  angcfepeu,  mic  uici  gerätsener  fclbft 
üon  bem  ©tanbpunft  unferer  Unterbrüefer  and,  i^r  immer  noep 
etmaö  5ltSem  ju  laffen  unb  fic  nid)t  gar  ju  eng  jufammenju* 
preffen,  alö  bapin  ^u  treiben,  baß  fie  im  @efül)l  ber  broßenben 
©rftiefung  fieß  getraltfam  burd)  einen  jerftörenben  5lnebrud)  ßuft 
maeßen  muß.  ^)cnn  einfangen  unb  teidjt  binben  laßt  fie  fid) 
rnoßl,  jumal  menn  e^  einer  gcfd)idt  unb  fcßlau  an^ugreifen  meiß; 
umbringen  unb  ab(d)lacßten  aber  läßt  fic  fid;  nid)t,  unb  fic  ganj 
^u  üernießten  ift  unmöglid).  5)arum  möge  man  un^  frcimillig 
ctmaö  jreißeit  geben,  bamit  mir  unö  nidjt  mit  @cmalt  allcö  nel)= 
men.  Dbrnoßl  nur  menig  ift,  maö  ieß  mir  ßerau^genommen 
ßabc:  nämlid)  einen  gereeßten  (Sdjmerj  nid}t  oßnc  Slui^brud  ^n 
laffen,  unb  bem  gemeinfamen  UnmiUcn  bci^  Satcrlanbeö  ein  be^ 
feßeibeneö  SSort  ^u  leißen.  ?llfü  9Jhitß!..  unb  ißr,  benen  bcisJ 
5Satcrlanbe^  greißeit  am  §er;\en  liegt,  bic  ißr  ^eutfd}lanbö  @ßre 
erfennet,  unb  noeß  nießt  gan^  bem  5(bcrglauben  ücrfallen  feib, 
lefet,  maget  Slcßnlicßeö  unb  lebet  moßl." 

9^acß  ü)?ain^  um  ben  Einfang  b.  3. 1519  ^urücfgcfcßrt,  bereitete 
Jütten  feinem  gürften  eine  hoppelte  litcrarifcße  §ulbigung : bureß 
bic  ßw^iflnung  feiner  0d)rift  über  baö  ©uaiat,  mooon  bereite 
gcfprod}en,  unb  burd)  bic  2Bibmung  einer  neuen  Slusgabc  beö 
2ioiuö.  3^*  3D?artin  in  SJ^ainj  mären  @tüdc  oon  jmei  Sücßern 
auö  ber  oierten  ®ccabe  bcö  2iuiuö,  bic  biößer  gcfcßlt  ßatten, 
aufgefunben  morben,  unb  c^  ßatten  nun  bie  beiben  Öelcßrtcn, 
9lifolauö  Sarbaeß  unb  SÖolfgang  ^^Ingft,  beibc  unS  fd)on  auö  ben 
2)unfclmännerbricfen  alö  älätglieber  bci^  ^umaniftenfreifeö  befannt, 
beren  erftercr  fdjon  einige  gaßre  über  2iüiuö  ®orlefungen  geßaU 
ten  ßatte,  eine  neue,  and)  fonft  ocibeffertc  ^luägabe  biefeö  0d)rift^ 
ftcllerö  in  ber  8d)öffer'fd)cn  i)rudcrei  bafclbft  oeranftaltet  ‘).  0ic 
fonnten  bk  ßweignung  felbft  abfaffen;  aber  fic  fprad)en  Jütten 
barum  an,  mcil  c?  ißnen  in  Uebereinftimmung  mit  ben  gelcßrten 
Xomßerrcn,  bem  ®efan  2orenj  Xrudifeß,  2)ictrid)  3^^’cl  unb 
äJiarquarb  §atftein,  für  ben  ©rsbifeßof  fcßmeidjclßafter  fdjien,  menn 

1)  T.  Livius  Paiavinus  historicus,  duobus  libris  auctus  etc.  5)ie 
neuen  Stücfe  waren  Lib.  XXXIII  o^nc  bic  17  crflen  Äapitel,  unb  Lib.  XL 
oon  Cap.  37  an.  ^uttcn’8  In  T.  Livium  . . . praefatio,  ©(^riften  1,  $.  249— 2B1. 


248 


I.  11.  ftapHel. 

bic  öon  einem  3Ranne  feinet  ^offtaat^  auöflinge.  ®er 

römifc^e  @efc^id)t)d)reiber  felbft,  fül)rt§utten  in  biefer  SBibmnng 
Quö,  menn  er  fic^  einen  "ipotron  5U  tt)äi)len  l^ätte,  mürbe  feinen 
anbern  mäftlen  moUen,  feinen  mürbigern  mä^lcn  fönnen,  olö  einen 
um  bie  beffern  ©tubien  unb  ®clel)rten  fo  uerbienten  gürften  mic 
2Ubre(^t : auf  ber  anbern  ©eite  aber  fei  auc^  bie  ßueignung  eineö 
§lutorö  toie  SiuiuiS  für  ben  S^urfürften  eine  f)ol)e  @^rc,  meld)e 
biefer  mo^l  halb  burc^  neue  mäcenatifd^e  SSerbienfte  /\u  ermiebern 
miffen  merbe.  „^u  erfennft  beinen  Öeruf,  unb  fo  fte^t  e^  gut; 
bu  begünftigft  bie  SBiffenfd)aften,  unb  mirft  ^inmieberum  oon 
if)nen  Oerl^errfic^t.  9J^it  ber  ^Barbarei  ift  eö  ju  @nbe:  biö  ^ie^er 
mürben  bie  ©tubien  gering  geachtet;  jefet  fef)rt  man  5ur  magren 
©ele^rfamfeit  jurücf,  bie  ©eifter  bilben  fid^." 

3m  gebruar  1519  erfd^ien  nun  au^  ba^  @efpräc^,  baö, 
menngleic^  üieHcid)t  erft  ju  SJiain^  ober  auf  ©tecfelberg  auögear= 
beitet,  bod)  feinem  SD^otioe  nad)  in  3(ugöburg,  unter  bem  ©in^ 
fluffe  beffen,  ma§  §utten  oon  bem  ßavbinal  Sajetan  fa^  unb 
^örte,  auggebac^t  mar.  Uebrigen^  ift  bicfcö  ©efpräd),  baögicber 
betitelt^),  eine  ©atire  auf  baö  üppige  ßeben  ber  ©ciftli^en  unb 
9ieic^en  jener  ßcit  überhaupt,  mit  einem  befonbem  ©tac^el  aßer- 
bingS  auf  ben  Sarbinal.  ®ie  ©ituation  ift  biefe.  Jütten  miß 
baögieber,  baö  bei  if)m  im  Ouartier  gemefen,  auötreiben;  biefeö 
bittet  fid)  auö,  menn  eö  fein  müffe,  menigftenö  in  eine  anberc 
gute  Verberge  geführt  j\u  merben.  §utten  mcift  eö  jum  Sarbinal* 
S.  Sixti  (Sajetan),  ber  aug  fRom  nad)  ®eutfdbiönb  gefd)icft  fei, 
um  (5JeIb,  angeblid)  ^um  Xürfenfrieg,  in  ber  X^at  aber  für  bic 
S3crfc^menbung  bcö  römifc^cn  §ofc§,  auöjumirfcn.  Xa  fönnc  eg 
gemig  hoffen,  mohl  gehalten  ju  fein;  beim  ber  9JMnn  rul)e  in 
purpurnem  ©emanbe  hinter  oiclcn  SSorhängen,  fpeife  auf  ©ilber, 
trinfe  aug  @olb,  unb  fei  ein  folcher  geinfchmccfcr,  bag  ihm  in 
Xeutfd)Ianb  nid)tg  miinben  moßc:  bic  bcutfd)cn  fRcbhühner  unb 
5^rammctgOögct  feien  nicht  nach  feinem  ©aumen,  bag  beutfehe 
SSilbpret  fei  ihm  jum  @fcl,  unfcr33rob  nenne  er  gcfdhmacfiog,  unb 


1)  Febris,  Dialogus  Huttenicus.  hinten:  Mense  Febr.  an.  1519. 
3m  folgcnbcn  3öbi^  tn  bic  ©ommlung  ber  Dialogi  al8  Febris  prima  üufgc» 
nommen.  Schriften  IV,  6.  27 — 41.  3«  meiner  Ueberfe^ung  öon  ^utlen’S 
®c|pril(^en  S.  50—62. 


N 


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^utten’l  ©efpröc^):  Qfieber  (bo§  erfie). 


249 


unfcr  SBcin  UoIIenbö  prcffc  i^m  Xf)röncn  au§.  2)a^cr  l^cigc  er 
^eutfc^lanb  ein  33arbaren(anb,  unb  ^abe  fid)  feit  t>icr  9}?onatcu 
nic^t  fatt  (^egeffen,  ouö  ÜJtoqcl  an  feinen  Riffen.  Mein  bas; 
gicber  [)Qt  feine  Snft  ju  bem  binfenbünnen  faftlofcn  ,^opff)önöer, 
ber  flegen  feine  2)ienerfcl)aft  ber  ärgfte  itniefer  fei,  nnb  e^3  getoife 
gleich  mit  bem  )öanne  belegen  würbe,  fo  wie  eö  über  feine  ©cbmcllc 
träte.  S3ei  ben  gürften  nnb  reid)cn  ilauflcuten  aber  fürchtet  eö 
bie  5terjte,  f)inter  meld)e  biefe  fiel)  uerfebanjen.  Snbein  ba^  gie^ 
ber  fofort  .feine  33itte,  in  eine  gute  .'perberge  geführt  jn  werben, 
mit  ber  Berufung  auf  eine  alte  ^of)ltl)at  gegen  glitten  wiebcrbolt, 
biefer  aber  üon  feiner  folcben  miffen  will,  erinnert  eö  il)n  baran, 
wie  eö  öor  ac^t  niertägigeö  ein  f)alb  3at)r  lang 

bei  i()m  ©afte  gewefen*),  ibn  fo  fleißig,  fromm  unb  gebulbig 
gemacht  h^be.  3a,  gequält  habe  e^  il)n,  nnb  er  fid)  bann  and 
Ueberbruß  in  bie  5lrbeit  geworfen,  erwiebert  ^utten,  unb  broßt 
bem  gieber,  wenn  eö  nid)t  fort  wolle,  mit  fd)inaler  5ioft  unb 
Äerjten  wie  'Stromer:  aber  baö  feinen  Patienten; 

eö  weiß,  baß  Jütten  lieber  ein  3al)r  lang  franf  fein,  alö  ein 
$aar  Semmel  fRßabarber  ober  S^ießwur^  einneßmen  will.  So 
gibt  fid)  biefer  abermal^3  baran,  fieß  mit  bem  böfen  öafte  wegen 
bcö  OuartierWeeßfeU  gütlicß  p oerftänbigen : er  will  cö  ^n  ben 
äJiöncßen  füßren,  bereu  SSoßUeben  oßnc  53ewegnng  für  ba3  gic? 
ber  gan^  befonberö  einlabenb  fein  müffc:  allein  bie  ä)^önd)c,  er? 
innert  biefeö,  ßaben  oon  ben  alten  SBeibern,  bie  bei  ißnen  beid); 
ten  geßen,  3o»l>crformeln  gelernt,  e3  ab^ntreiben.  Hueß  unter 
ben  ^)omßerrcn,  meint  ßicrauf  Jütten,  ßnben  fieß  fette,  woßlges 
näßrtcßeute,  bei  benen  eö  fid)  woßl  beßnben  müffe;  ^war  maeßen 
fieß  biefe  burd)  fReiten  nnb  3agen  meßr  ^öewegung  ald  bie  äl^öncße, 
bod)  werbe  baö  bnrd)  wilbere  ?ln«fcßweifung  mit  ^raffen  nnb 
33ußten  wieber  audgcglicßen.  ^lllein  bie,  wenbet  ba3  gt^^ber  ein, 
feien  oon  allen  möglid)en  anbern  Älranfßeiten  fd)on  oorßer  fo 
eingenommen,  baß  ißm  fein  fRanm  meßr  bei  benfclben  übrig  fei. 
So  füßrt  benn  Jütten  eö  i^ulcßt  einem  jüngft  auö  fRom  an* 
gefommenen  ßurtifan,  bei  bem  alle  (Srforberniffe  beö  SBoßl* 


1)  T>ai  war  ju  Sloftorf,  im  SBinter  1509—10.  ®.  Querel.  L.  I, 
Eleg.  1,  V.  9. 


250 


I.  ®u(^.  11.  Po^ttel. 


lebend  uub  ber  SmpfänQlidjfeit  für  bog  gicber,  tüte  fte  biefeö  nur 
tüünfc^en  mag,  firf)  finben. 

Unter  bergleid)en  fcf)riftftellerifc^cn  Arbeiten  ücrleibete  un» 
ferm  Stitter  ba^S  eigentlirf)c  §ofleben  immer  mel)r.  @r  f)Qtte  mit 
biefen  leeren  aufgeblafencn  t&c^ran^cn  fo  gar  nirf)tö  gemein.  Unb 
bod)  fonnte  er  baö  ©infommen,  ba^  feine  J^offtellc  if)m  brachte, 
nid)t  mot)l  miffen.  ®a  it)u  fein  gütiger  ©unften  fei^ 

ner  ©tubien,  bereite  ber  getüöbnlid^eii  Xiienftleiftungen  entbun^ 
ben  t)atte,  fo  lieg  fieg  goffen,  bag  berfelbe  ign  nod)  freier 
ftcHen,  igm  eine  ^enfion  auömerfcn  merbe,  bie  er  an  einem 
beliebigen  Orte  üer^egren  moegte.  |)alb  mar  eö  igm  fegon  juge* 
fagt,  unb  nun  follte  ©ra^muö  ben  Äurfürften  öffentlicg  bariim 
loben,  bamit  eä  befto  gemiffer  in  Erfüllung  ginge*). 


1)  6rtt§mu§,  SJlainj,  G.  1619.  6d^riften  I,  6.  248. 


k. 


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251 


BmWflcs  fiapitfl. 

1519. 

5ür  bcn  ^(ugcnblicf  jcbod)  njurbc  .^uttcn'^  üterarifc^c 
burd)  ein  uncnüartctcö  ©rciflnig  untcrbrod)cn.  5(m  12.  Suniun* 
1519  iimr  itaifer  Sl^ijimilian  SBelö  in  Cbcröfterreic^  nerfdjieben, 
unb  t)on  ber  ^llabljeit  bei  feiner  ^obtenfeier  ,yi  Stuttgart  mar 
auf  bic  91ac^ric^t,  bag  j^mei  9tentlinc^er  feinen  ^Mir^üoc^t  non  ber 
^c^alm  erftod^en,  ^erjoc^  Ulrid)  anfgefprunc\en,  511  ^ferbe  c^eftieflen, 
unb  nad)beni  er  im  fianbe  Sturm  fc^tac^en  laffen,  ben  21.  mit 
Ärieci^üol!  unb  (%fc^ü6  uor  bic  Stabt  geriidt,  bie  am  ad)ten 
Xagc  erobert  unb  ain3  einer  faiferlic^en  9^eic^öftabt  ^iir  toürtems 
berflifc^en  fianbftabt  gemad)t  mar. 

^)er  Siaifer  mar  tobt;  ber  9?eiri)öbcrmefer  für  baö  füb* 
meftlic^c  ^eutfc^lanb,  ^faljciraf  Slubmig,  mollte  ben  it)m  be^ 
freunbeten  beißen.  $(ber  ^Reutlingen  mar  ^Jd^itglieb 

be^  fd)mdbifd)en  53unbe§  auö  meldiem  Ulrid),  auf  feine  @igen* 
maeßt  eiferfü(^tig,  au^%'treten  mar,  unb  in  meld)em  beffen  grollenbe 
Sd)mäger,  bie  iöaiernl)er,^oge,  eine  l)eruorragenbe  Stellung  ein* 
naljincn.  5)cr  fd)möbifd)e  iÖunb  alfo  fammelte  gegen  ben  £anb- 
frieben^bredjer  ein  .§eer,  ,^u  bem  oiele  üon  ber  fränfifdjen  9?itters 
feßaft  fließen,  bie  Jütten  uoran,  meld)c  bie  il)iien  im  blanbeurer 
Vertrage  ^^ugefprodjcne  ©ntfdjäbigungöfummc  immer  nod)  nid)t 
empfangen  b^^tten.  SÜJic  ßätte  ba  Ulrich  non  .'putten  baßeim 
bleiben  fönnen,  mo  ißm  bie  ©elcgenbeit  ficb  bot,  ben  alten  SBibers 
fachet,  gegen  bcn  er  nergeblid)  bcn  i^aifer  unb  ba«  9lcid)«gerid)t 
aufgerufen  hatte,  cnblich  bod)  noch  ftürjcn  ju  halfen,  unb  babei, 


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252 


I.  ®u(^.  12.  ÄQ^ntfl. 


nad^bcm  er  firf)  nun  längere  auSfc^licglic^  al^  ©elel^rtcr 
bcrDorgetl)an,  nun  auc^  tt)icber  ben  ^Ritter  in  fic^  fe^cn  laffen  ? 
^^ä()rcnb  er  bai)er  feinen  ^^alari^mu^  micberauflcgen  liefe,  rüftete 
er  fid)  juglcid)  im  Februar  unb  9Rär-^  eilig  mit  SBaffen  unb 
^ferben  au^3  ’),  ritt  rnittlcrmcilc  aud)  einmal  ju  granj  von  ©idingen, 
ber,  frül)er  in  g^onfreie^^  ©olbe  unb  mit  Ulrich  von  SBttrtembcrg 
in  SSerbinbung , jejt  ooniefemlicfe  burd)  feinen  ©egenfc^ioä^er, 
2)ictrici^  ©pöt,  ©abineiiv  ^ßalabin,  für  ben  fd)mäbifc^en  ©unb 
jum  gelbjuge  gegen  ifen  genjonnen  mar. 

3n  biefem  gcmeinfc^aftlic^en  3ntereffe  traten  fid^  bie  beiben 
SJiänner  j^uerft  nöfeer,  bie  fic^  halb  gegenfeitig  an^ogen,  unb  au3 
beren  Serbrüberung  fo  grofee  ©ntmürfe,  aber  aud^  fo  grofee  Unfälle 
für  beibe  feevoorgcljen  follten.  SSäferenb  bcö  §utten’f(i)en  Öefuc^g 
mürbe  beffen  (^efpräd):  Febris,  oorgelefen,  unb  ma§  ©iefingen 
baoon  oerftanb,  ober  ifem  überfept  mürbe  (benn  baö  ßatein  mar 
be^  iRitterö  ftarfc  ©eite  nid)t),  gefiel  i^m  fo  mol)l,  bafe  er  merfen 
liefe,  er  möd)tc  gern  bcutfdj  fjaben.  3)icfcm  SBunfefee  ju  ent^ 
fprcd)cn,  oeronftaltcte  $uttcn  eine  beutfe^e  Ueborfefeung  beffelben, 
bie  er  am  l.SRärj  von  ©tedelbcrg  auö  bem  eferenoeften,  t^euren 
unb  ]^od)berüt)mtcn  gran^  Don  ©iefingen  mit  einer  beitem  ßuf(^rift 
mibmete^).  @in  fcberjbaftcö  tleineö  33ücblcin  mie  biefeö  eigne  fi(^ 
jmar  alö  @abc  für  einen  2)^ann  von  fo  ernften  unb  ritterlichen 
^haten  menig;  bod)  meil  cö  ihm  jüngft  mob^ugefallen  gefc^ienen, 
bauptfä^licfe  ober  mcil  Sranj,  mie  Jütten  gcl)ört,  bem  gieber 
auf  feinem  §auö  unb  ©djlöffcrn  aud)  fcf)on  Deffnung  unb  §er* 
berge  feabe  geben  müffen,  möchte  er  ihm  etma^  jur  Slbmchr  gegen 
baffclbc  in  bie  §änbc  geben;  höbe  bafecr  „folcheö  Öüchlein  vom 
fiatein  in  baö  Xeutfeh,  miemoht  eö  im  fiatein  viel  lieblicher  unb 
fünftlid)er  bann  im  Xeutfehen  lautet,  ocijoanbeln  laffen",  unb 
eigne  eö  il)m  l)icmit  alö  ßeichen  feiner  2)ienftbefliffenhcit  ju. 

Silod)  ben  Xag  üorl)cr,  am  lebten  gebruor,  mar  Jütten  j\u 
^Rotenburg  on  ber  Zauber  gemefen,  h^tte  feinen  ^höloriömuö 

1)  ?ln  ^Irnolb  ©laubergcr,  ©Triften  I,  ©.  256. 

2)  S!)iatogu§  ober  e^n  gejpTed^.  genont.  burd(|  ben  ©rnbeften  önb 

bod^berumpten  SIrtd(|  non  Julien  tn  latein  befd^riben,  ^e^  burd^  gut  gunner  )u 
beutfd^  gemodelt.  — Unter  bem  loteintjd^en  ^e£t,  mit  ben  toentgen  ^bfinberungen 
ber  Ibätem  ©efommtauSgabe  ber  ©efpräd^e,  abgebnuft  in  ^utten’8  6(^rlften  IV, 
6.  29  If. ; bif  an  ©idfingen  I,  6.  247. 


Slfifhtng  )um  $elb)uge  lotber  tHrid^  bon  SOfiritmberg.  253 

mit  einem  ©rief  an  ^iref^eimer  na^  S^ümberß  gefc^ieft,  bann, 
gleic^fam  fc^on  mit  einem  gug  im  ©teigbügcl,  an  ben  i^m  non 
feiner  ©efanbtfc^aft  ^cr  pcrfönlicf)  befannten  ilönig  gran^^  I.  non 
granfreic^,  non  bem  cö  ben  §er5og  non  Söürtem» 

berg  unterftü|cn,  ein  '2lbmat)nung^fc^reiben  erlaffen*).  @r  fönnc 
eö  nic^t  glauben,  fül)rt  er  bem  Honig  ju  @emütl)e,  bog  biefer 
fi(^  in  eine  Serbinbung  eingelaffen,  bie  ebeufo  fc^mä^lid^  al^ 
geföbrlicft  für  i^n  fein  mürbe,  ©rftereö  mirb  in  einer  9teit)e  non 
©egenfä^en  ^mifdjen  beiS  Hönigö  angeblichen  Xugenben  unb  bcö 
^erjogö  ßaftern  unb  Untljaten  burd)geführt;  in  le^terer  ^infic^t 
auf  bie  nerjroeifelte  Sage  beg  ^erjogö,  bie  ftarfen  Lüftungen  be^ 
Sunbei^,  unb  auf  baö  alte  ©prichmort  tjingemiefen:  mer  unglücflich 
fämpfen  mode,  müffc  mit  ben  ^cutfdjcn  fämpfen.  SBomit  nicht 
gefagt  fein  foHe,  fügt  ©utten  h***ä**f  S)eutfd)lanb  fei  unüber^ 
minblich;  mohl  aber,  baß  nod)  feiner  über  5)eutfche  einen  erfreu^ 
liehen  ©icg  banongetragen.  Söenn  §utten  bem  Honig  ben  53organg 
ber  „bäurifchen  unb  rohen  ©djmei^cr  norhält,  bie  ^nfangö  mit 
ftarter  $cereömacht  bem  ^erjog  jugejogen,  bann  aber,  nom 
ÖJemiffen  gefdjlagen,  nicht  ohne  SSortbruch  ihn  neriaffen  (jol>c’ir, 
fo  märe  bieß  am  lepten  gebruar,  menn  eö  bamalö  fd)on  in  bem 
erft  fpäter  gebrueften  ©riefe  ftanb,  nod)  ein  rebnerifcher  ©orgriff 
gemefen,  ba  erft  nad)  ber  2)2itte  beö  3Jiärj  biefe  jum  3^achthcit 
beö  ^cr5ogö  entfeheibenbe  ©Jenbung  mirflid)  eintrot. 

Genauer  fchrieb  §utten  am  6.  3Jiärj  non  ajiain^i  au^,  rnoßin 
er  non  9totenburg  unb  ©tedelberg  nor  bem  9lufbrud)  jum  gelb? 
jug  nod)  einmal  jurücf geritten  mar,  an  Crasrnuö,  baß  er  ^mar 
ben  ©anbiten  nicht  fürd)te,  biefer  aber  gleid)mol)l  noch  Htäfte 
unb  ©unbe^genoffen  ha^c,  unb  rnöglichcrmeife  ganj  2)eutfchlanb 
in  bie  Hriegöunruhen  nermicfclt  merben  fonne.  ©odte  ihn,  fcjt 
er  h***äUf  Hampf  nerfchlingen , fo  möge  (Srosinuö  burch 

feine  unfterblidhen  ©chriften  für  fein  Slnbenfcn  forgen^).  ?luch 
ou^  ben  mährenb  bcö  gclbjugö  gefchriebenen  ©riefen  ^utten'ö 
geht  hernor,  baß  ber  ^)cr5og  Ulrich  fehl’  gefürchtet,  unb  bem 
bünbifchen  Hriegöjugc  non  manchen  ©eiten  ein  übler  ^luögang 
prophezeit  morben  mar.  ^ber  freilich , menn  bie  ©chmeijer  ab« 


1)  Som  28.  fStht.  1619.  ©d^riften  I,  6.  242—246. 

2)  6<^riftcn  I,  248. 


254 


I.  12. 


jogcn,  itjQt  feine  beftc  Äraft  gebrochen.  Singer  i^nen  ^atte  ber 
§ev^og  nur  bciuüffnctc  öanblcutc  iinb  lucnige  0ölbncr,  iuctc^c 
bem  h'icgögcübtcn  S3unbci§t)pcrc  mit  Dielen  fRittcrn  unb  felbft 
einer  Xruppc  Icicgtcr  albancfifdjcr  fRcitcr,  Stratioten  genannt, 
niegt  cntgcgcnjuftcUcn  moren.  mugten  bic  fcgmäbifc^en 

S3unbcörätl)c,  unb  batten  baljer  bei  ber  fcbmcijcrifcbcn  ^agfa^ung 
bie  fRüdberufung  ber  fReiöläufer  außgemirtt.  Slueb  $crjog  Ulricg 
mugte  cö,  barum  meinte  er,  mie  er  am  17.  ä)Zärj  fic  fdjaarens 
meiß  ab^ieljen  fab:  jept  mar  ber  Ärieg  febon  Dor  feiner  @röffs 
nung  entfebieben  unb  eß  blieb  ibm  niebtö  übrig,  alß  fid)  in  fein 
©d)log  Tübingen  ju  merfen  unb  fein  2anb  bem  anrüdtenben 
geinbe  ju  überlaffen. 

Slm  28.  SDMrj  brad)  baß  Sunbeßbeer  auß  ber  ©egenb  uon 
Ulm  auf,  unb  rüdtc  über  §eibenbcim  unb  Göppingen  in  baß 
3öürtembergifd)e  ein.  ^J)eß  iöunbeß  oberfter  gclbbauptmann  mar 
ber  ^er^og  Söilbelm  üon  33aicrn,  @eorg  uon  grunbßberg  Oberfter 
ber  gugfneebte;  Örauj  uon  8idingen  mit  789  fReitern,  morunter 
oueb  §utten,  ftieg  in  ben  erften  Xagen  beß  Slpril  unmeit  Äird)- 
beim  bem  33unbcßbecr.  ®er  gelb^ug  glich  einem  ©pajier= 
gange.  9lirgenbß  geigte  fiel)  crnftlicber  Söibcrftanb.  Slm  7.  Slpril 
bulbigte  bie  .^auptftabt  «Stuttgart  ben  Siegern. 

ißon  |)utten  bf^ben  mir  auß  biefem  Selb^ug  eine  fReibc  uon 
S3riefen  an  greunbe,  bie  unß  jmar  nid)t  in  ben  Ärieg,  aber  mit- 
ten in  baß  bemegte  Seben  beß  Sagerß  uerfeben*)-  Slm.  14.  Slpril 
febrieb  er  auß  Stuttgart  an  ben  fRed)tßgelel)rtcn  Slrnolb  ÖJlaus 
berger  nad)  gi'^^nffurt,  noch  b^be  er  feinen  geinb  gefegen,  aber 
bie  meiften  Stabte  unb  Dörfer  b^ben  ficb  ergeben,  nur  Tübingen 
ftel)e  nod)  auß,  in  beffen  fefteß  Seblog  fid)  ber  Slbcl  gemorfen 
habe,  mäbrcnb  ber  ^erjog  auß  bemfelben*  mit  menigen  Gleitern, 
man  miffe  nicht,  nad)  granfreid)  ober  in  bie  Schmeiß  (in  ber 
Xl)at  nach  ber  ^fal^)  geflohen  fei,  uermutblicb  uni  fid)|)ülfe  jn 
holen.  Slber  baß  Öunbeßl)eer  uon  30000  3JJann  ju  gug  unb 
4000  fReitern  (in  fpätern  ißriefen  gibt  §utten  richtiger  etmaß 
geringere  ßüblen),  mit  trefflichem  (5Jefd)ü^  unb  uoü  aRutl),  iuttnfd)c 
gd)  uicbtß  üöeffercß  alß  einen  tüchtigen  geinb,  um  iöcute  unb 
fRubm  geminnen.  gbm  felbft  fei  biß  jefet  uon  ber  33eute  noch 


1)  Sie  fielen  in  ^mtten’S  Sd^riften  I,  266.  ff. 


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i^utlen  im  »ürtcmbcrßifd^en  ^flbjugc. 


255 


nic^tö  5U(jefaUen:  fobolb  er  feinen  erhalte,  merbe  er  ben 
greunben  etnjaö  bauen  fdjicfcn.  mcrftuürbicjc  9leuigfeit  ineU 
bet  §uttcn,  bo6  wenige  ^^ai^e  uur  beö^erjog^  ^luc^t  bie-öMttwe 
feineö  ermorbetch  Setter^  in  Tübingen  bei  jenem  gewefen  fei; 
©c^abe,  bag*  bie  Helena  biefeö  itriegö  nidjt  in  i^re  §änbe  gefaUen, 
um  i^ren  fio[)n  jii  empfangen. 

2)iefen  ^^rief  fc^rieb  §uttcn  im  §aufe'9teud)lin'‘5,  f“^’ 
er  lang  einen  litcrarifc^cn  ilrieg  gcfül)rt  l)attc,  unb  bem 

er  nun  au^  im  wirtlichen  Ärieg  aU  Reifer  erfd)cinen  füllte.  3)er 
gute  Slltc,  ber  mehr  morolifchen  alö  phpfifcheu  3J^utlj  befag,  war, 
alö  baö  fcinblichc  §cer  fid)  ber  ©tabt  näherte,  in  taufenb  5lcng* 
fteii  gewefen.  ©eine  geliebten  53üd)er  er  uergraben.  (Jr 

wugte  nicht,  welcher  Jreunb  ihm  unter  biefen  geinben  lebte. 
®urd)  ©idiugcirö  Vermittlung  fepte  Jütten  e^  bei  ben  ^Inführeru 
burd),  bag,  im  galt  einer  gewaltfamcn  ©roberung  ©tuttgartö, 
burch  öffentlichen  Sluöruf  im  ^cere  fReudjlin’ö  §auö  fid)er  geftellt 
werben  foHte.  ©o  f^limm  tarn  eö  aber  nid)t:  ©tuttgart  ergab 
fid)  auf  Vebingungen,  unb  nun  ging  ©idingen  felbft  mit§uttcn 
5U  iReudjlin,  bezeigte  ihm,  ber  feiuerfeitö  bie  itrieger  aUÖeigclu 
ÖJütteö  anrebetc,  feine  @hefurd)t,  unb  uerfprad)  ihm  aud)  in 
Vejug  auf  feinen  alten,  immer  uüd)  nidjt  aiu^getragenen  ©treit= 
hanbel  alle  |)ülfe. 

^aö  würtemberger  ßanb  gegel  bem  uielgereiften  fRitter  über 
bie  9Ragen  wohl.  ,,Äaiim  h«l  2)cutfchlanb",  fcljreibt  er,  „eine 
öJegenb,  bie  fdjöner  wäre.  Xcx  Voben  ift  uortrefflid),  baö  Älinia 
gar  milbe  unb  gefunb,  Verge,  VJicfen,  ^hölc’v,  glüffe,  Duellen, 
SBälber,  5lHeö  l)öd)ft  angenehm,  bie  grüd)te  gebeitjen  wie  faft 
nirgenb  fonft.  2)er  2Bcin  ift  nadj  Sanbe^art.  ©tuttgart  felbft 
nennen  bie  ©chwabeu  ba»  irbifdje  ^JBarabicö,  fo  anmuthig  ift  feine 
Sage.''  Um  fo  mehr,  meint  Jütten,  uerbiene  bae  Sanb  einen 
beffern  §crrn,  alö  e^  an  $crjog  Ulrich  gehabt  höbe. 

^m  21.  2lpril  fchrieb  |)utten  an  bie  greunbe  nad)  9)^ain5 
au6  bem  Säger  ^wifdjcn  ©tuttgart  unb  Xübtngen.  9loch  immer  hatte 
fein  geinb  im  gelbe  fid)  bilden  laffen,  bie  Uebergabc  Uon  ©täb^ 
ten  unb  5)örfern  bauerte  fort,  gejjt  war  ^lleö  auf  Xübiugcn 
gefpannt;  man  war  entfdjloffen,  fallet  e^  fid)  nicht  ergäbe,  e^auf)^ 
^eugerfte  ^u  beftürmen.  ÜSieberholt  rühmt  §utteu  bie  2luörüftung 
unb  ben  ®futh  beö  ^)ecreö.  „©teilet  mir  bie  Xürfen  entgegen, 


256 


I.  12.  ftapitet. 


unb  geiget  mid^  Elften  befriegen  mit  biefen  Gruppen!"  ruft  er 
Qu^.  ^anii,  uQC^bem  er  fidj  nad)  bem  Sarbinol  ßajetan,  ber  eben  in 
SDiüinj  angefommen  mar,  qIö  ^utten’ö  2)ialog  Febris  in  beutfc^cr 
Ucbcrfc^ung  aui^ging,  fpöttifd)  erfunbigt,  fd)lic6t  er  mit  ben  SBor^ 
ten:  ,,®od)  id)  fann  nidjt  mciter.  ©d^on  bläft  b'ie  Xrompete. 
©päter  ^ilubfübrlic^creö,  id)  ^offc  nad)  ber  (Sinna^me  Xübingenö. 
Sebet  moi)l  unb  gebenfet  mein. . . @itig,  unter  Xrompeten,  ^ferbe^ 
gemie()er,  Xrommeln  unb  Sagcrlärm." 

3lm  lebten  5Tprit  gibt  §uttcu  auö  bem  Säger  bei  ©tuttgart 
ben  greunbeu  bic  3fiac^rid)t,  - ba§  üorgeftern  (genauer  mar  eö  am 
^2lbenb  beg  25.)  Xübingen  übergegangen  fei.  S3ei  ber  JJeftigfeit 
be^  ©cbioffciS  gegen  jeben  Eingriff  finbet  er  in  biefem  ©rfotge, 
mic  über[)aupt  in  bem  ©äuge  be^  ganzen  Äricgö,  @otteö  ^anb 
ober  {)ie  2Jiad)t  beö  ©emiffen^  mirffam.  Sflun  fotlte  eö  gegen 
Slfperg  gei)cn,  üon  beffen  ^öefapung  unter  bem  mitben  ^anö  Seon* 
^arb  S^cifd^ad),  bem  trefftic^ei^  ©efe^üp  unb  ^utocr  im  Ueberflug 
ju  Gebote  ftaiib,  man  eine  oerämelfclte  (^cgcnmel)r  ermartete ; bod^ 
and)  biefe  öefte  capitidirte  imc^  fünftägiger  öefc^iegung,  unb 
Sflcuffcn  ergab  fid)  bann  üon  felbft. 

Unterbeffen  Ratten  bic  §uttcn'fd)cn  auc^  i^rcr  ^flic^t  gegen 
ben  ermorbeten  SSettcu  ^u  genügen  gcfud)t.  ^egen  (Snbe  ber 
gaften^cit  gruben  fic  in  bem  tt)umbifc§en  Xorfe  Äöngen,  nic^t 
meit  uon  bem  ©c^auplape  ber  graufen  X()at,  feinen  Seii^nam  auö, 
unb  bag  er  nac^  oicr  3al)rcn  noc^  nic^t  uermeft,  baö  Slngefic^t 
noc^  fenntlid)  mar,  unb  bei  ber  53erü()tung  58lut  auö  ben  2öun* 
ben  trat,  galt  i^nen  aU  ein  SBunberjeid^en  feiner  Unfc^ulb.  ©ie 
brad)ten  il)n  nac^  ©felingcn,  mo  er  aufgefteüt  mürbe,  um  fpäter 
in  ber  gamiliengruft  in  granfen  ‘ bcigefc^t  ju  merben. 

iBäl)rcnb  biefcö  gelbjugc^  l)atte  fid^  ^uttcn'ö  ®crf)ältni6 
^u  gran,^  uon  ©idingen  enger  gefnüpft.  @r  [erlief  in  beffen 
Seite,  fam  feiten  üon  feiner  ©eite,  unb  ba!$  gemeinfamc  Sager^ 
leben  führte  fd)ncll  Jßertraulic^feit  l)erbci.  ^utten'd  Jöriefe  auö 
biefer  Seit  finb  ooH  oon  ©idingen’)^  Sobe.  (Sr  nennt  i^n  einen 
großen  a/tann  in  atten  ©tüden,  uon  ßoßem,  auf  @lüd  unb  Un- 
glüd  gleich  gefaßtem  3Äutl)c,  großen  ©ebanfen,  bcbcutenbcr,  mür= 
biger  3lebe,  babei  einfad^  unb  leutfclig  im  33cncl)mcn,  baßer  bei 
ben  ©olbaten  ungemein  beliebt.  „(Sin  3Jiann",  feßreibt  er  an 
(Sro^mU)^,  „mie  Xeutfcßlanb  lange  feinen  geßabt  ßat,  unb  uon 


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^tten  tm  ^Ibbabe. 


257 


bem  id^  ^offe,  bag  er  biefcr  S^iation  einmal  nod^  ju  großem 
Sf^u^mc  gereichen  mcrbe.  bemunbern  mir  an  ben  2üten, 

bem  er  nic^t  eifrig  nad)ftrebtc.  @r  ift  fing,  ift  berebt,  greift 
^Ue^  raf^  an,  unb  entmicfelt  eine  ^^ßätigfeit,  mie  fie  bei  einem 
Dberanfü^ref  crforberlic^  ift. . . ®ott  möge  ben  Unterneßmmigen 
beiS  tapfern  SJtanneö  beifte^en!" 

9tac^  iöcenbigung  beö  gelbjugcö  begab  fic^  §utten  in  ba^ 
SBilbbab,  um  feine  ©efunbßeit  jju  ftärfen,  unb  erhielt  l)ier  Briefe 
Don  ^ermann  S3ufc^  au^  Äöln  unb  S3eatu§  Sißenanuö  au^ 
©G^lettftabt,  nac^bem  i^m  feßon  Dörfer  bei  Sannftatt  ein  ©c^rei^ 
ben  oon  (SraömmS  auö  Sömen  oom  23.  2lpril,  aU  tlntmort  auf 
^utteirg  lebten  93rief  aus  a}?ain^,  jugefommen  mar.  @an^  tonnte 
eS  ber  friebliebenbe  ©raSmuS  ßier  boc^  nic^t  laffen,  ben  jugenb- 
licken  greunb  mit  feiner  ÄriegSluft  aufju^^ieljen.  Sftaeßbem  er  i^m 
gemclbet,  baß  er  am  Sefen  feiner  Aula  bisher  burc^  ©efc^äfte 
oerßinbert  gemefen,  unb  baß  feine  Febris  (fammt  bem  il)r  beige- 
brueften  ^ßalariSmuS)  megen  ber  perfönlic^en  2lnjüglic^teiten 
barin  ju  £ömen  üerboten  fei,  übrigens  allgemeinen  Beifall, ßnbe, 
fäljrt  er  fort:  „^)oc^  maS  ^re  ic^?  Jütten,  ganj  oon  @ifen, 
mirb  in  ber  ©c^lac^t  feeßten?  ®a  feße  id^  ja  moßl,  baß  bu  jum 
Kriege  geboren  bift,  ba  bu  nießt  allein  mit  geber  unb 
fonbern  auc^  mit  beS  SJtaoorS  SSaffen  fämpfeft.  grcilic^,  maS  ift 
eSaudj  ©roßeS,  menn  bu  jc|t  unter  fo  oielcn  gegen  @inen  ju 
förnpfen  magft,  ba  bu  cinft  Bologna  allein  fo  oiele  in  bic 
glud)t  gefdjlagen  ßaft?  3cß  lobe  beinen  3Jtut^;  boc^  menn  bu 
mir  @el)ör  gibft,  mirft  bu  ben  9Jtufen  i^ren  Jütten  erhalten." 
Unb  mie  bie  eigentliche,  fo  fueßt  ©raSrnuS  bem  greunbe  meiter^ 
^in  aueß  bie  litcrarifd^e  ÄriegSluft  auS,^ureben.  ^en  Triumphus 
Capniouis  ßabc  er  noeß  nid)t  gefel)en,  unb  ßoffe,  mie  man  ißn 
auf  feinen  IRat^  fo  lange  jurücfge^alten , merbe  man  au(^  bic 
gonje  0d^rift  noc^  gemilbert  l)aben.  i)er  gänfercien  fei  fein 
@nbc,  im  löcrläumbcn,  Sügen  unb  0c^impfen  bic  Gegenpartei 
ißnen  meit  überlegen:  aber  biefen  ©ieg  folltcn  fie,  bie ^umaniften, 
ißren  Gegnern  millig  laffen,  ba  fie  SeffereS  ju  tl)un  ^aben,  als 
il)re  3cit  mit  unmürbigen  ©treitigfeiten  ßinjubringen  *). 

8(uS  bem  äöilbbabc  begab  fic^  Jütten  @nbe  ^tai  nad) 

1)  3n  ^utlen’S  Schriften  I,  S.  2C0-2G2. 

VU.  17 


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268 


I.  12. 


©Slingen,  tpo  nad^  SEÖÜrtcmbcrgö  ®ro6cruitfl  bic  33ünbifc^en  eine 
joblreic^  bcfuc^tc  Serfommlung  hielten.  0c^on  öon  (Stuttgart 
auö  ^atte  er  feinen  Sfreunb  Strnotb  ©lauberger  in  granffurt 
gebeten,  feine  Sieben  gegen  ben  .§er^og  Ulrich  abfi^reiben  ju  laffen ; 
jefet  fa^  er  fie  noc§  einmal  burd),  ba  üon  Dielen  ©eiten  ber  2)ru(f 
gemünfd^t  mürbe,  unb  Derfagte  eine  ©d^lugrebe  baju‘).  2)ie 
Dierte,  bie  er  Dor  i^mei  Salären  ju  ©amberg  gef c^ri  eben  l^atte, 
fd^log  mit  jenem  erfc^ütternben  Slufrufe  on  ben  Äaifer  unb  bie 
gürften  jum  ©eric^t  über  ben  ©erbrec^er;  einem  Slufrufe,  beffen 
rebnerifc^e  2)onner  in  ben  O^ren  unferer  Sefer  noc^  nic^t  Der* 
ballt  fein  fönnen,  Sßad'bort  geforbert  mürbe,  mar  nun  erreicht : 
ber  X^rann  mar  beftraft,  mar  unfebablid)  gemacht.  Slber  cg  mar 
nid)t  in  ber  Söeife  gefommen,  mie  eg  bort  geforbert  morben  mar : 
‘ nid)t  in  ©oH^iiebung  eineg  Slicbterfprucbg  ber  oberften  Sleicbgge^ 
malt,  fonbern  auf  bemSBege  ber  ©elbftbülfe,  bureb  einen  ©ercin 
cin5clner  ©eicbgftänbc.  !I)ic6  mar  meniger  alg  jeneg,  aber  boeb 
immer  Diel.  (Sin  (Srfolg  — bieg  ift  bag  Xbema  Don  $utten'g 
fünfter  Siebe*)  — melier  bic  ©etbeiligten  ebenfo  ju  5)anf 
unb  ^ßreig  gegen  @ott,  ber  fo  augenfcbeinlicb  baju  rnitgemirft, 
Dcrpflicbtet,  alg  er  fie  für  fid)  jur  lebbofteften  5^eubc  berechtigt. 
Slber  nicht  fo  bürfe  man  ficb  jene  göttliche  SJlitmirfung  Dorftcllcn, 
alg  ob  (SJott  auch  ohne  unfer  geholfen  bo^c*'  mürbe. 

3m  ©egentbeil  h^be  ber  ©rfolg  biejenigen  befebämt,  mclcbe  nun 
in  bog  Dierte  3ab^  ficb  biogen  SBünfeben  unb  mügigen  ®e= 
beten  begnügt  höben,  ©ie  höben  niebtg  auggeriebtet : ihnen  ba» 
gegen,  bic,  ohne  bog  (SJebet  ju  Derabfüumen,  frifch  jum  SBcrfc 
unb  jum  ©chmerte  gegriffen,  fei  cg  gelungen.  Sh^en  fei  @ott 
fomohl  äugerlid},  bureb  Slaturcreigniffe  unb  onbere  gügungen 
(mie  ber  Slücfjug  ber  (Sibgenoffen),  alg  innerlich,  burdh  bag  (3c- 
riebt  beg  (Slemiffeng,  bag  ben  ©erbreeber  ju  ©oben  gefcblagen,  ju 
$ülfe  gefommen.  Um  nun  aber  bie  @röge  ber  göttlichen  SBohl- 
thöt,  bog  ©rfreuliebe  beg  erreichten  (Srfolgcg,  onfcbaulid^  ju  machen, 
mirb  bie  ©ermorfenheit  beg  Derjagtcn  gürften,  bie  ©cföhrlicbfeit 
feiner  Slnfcbläge,  noch  einmol*  mcitläugg  auggemalt.  |)icrübcr 
mar  nach  ben  frühem  Sieben  nicht  mohl  ctmag  Slcucg,  auf  feinen 


1)  ben  %rtef  on  Chilianus  Salens.,  Sd(|rtften  I,  S.  267. 

2)  S(^rittcn  V,  ©.  84—95. 


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l^utitn’S  ffinfte  9lcb«  totber  ^erjog  lUnd^.  259 

gfan  ctU)a8  ©tärferc«,  ju  fagcn:  unb  fo  ift  e§  nid^t  j\u  leuflnen, 
bag  biefc  3!bcilc  ber  9lcbc  burc^  SBicberljolunc;  unb  ßönge  ennü* 
bcn.  ÄbcrmalS  unb  auifü^rlic^er  aU  je  tt)irb  ©erjog  Ulrich  als 
3nbcgriff  aller  ßaftcr  unb  SScrbrcc^cn  bargcfteHt.  $ifant  ift  bic 
S33enbung:  als  er  in  ^anS  ßconl^arb  IRcifc^ac^  einen  fünffad^en 
SKörber  (non  SBeib,  3Kagb  unb  ^nec^t,  beibe  crftcren  fc^manger) 
fennen  gelernt  f^aht,  fei  i^m  fein  bisheriger  SJtarfchalf,  Äonrab 
Xhwutb,  ber  ^ppler  ber  eignen  Xodhtcr,  als  ein  ju  gewöhnlicher 
©erbred^er  crfchienen,  unb  er  hfl^*e  feinen  $often  bem  erftem 
übertragen.  ®o  fei  fein  ßanjler  (SBolIanb)  ein  2)ieb,  ^eftamentS^ 
uerfälfeher  unb  Angeber  ber  (SJuten  gewefen;  fein  Äammerbiener 
ein  5)icner  unnatürlicher  ßuft ; fein  S3arbier  ein  genfer  unb  ®r^ 
finber  neuer  Folterqualen,  ^em  ^erjog  wirb  nachgefagt  (wie 
in  ber  ^h^l  ««ter  bem  53olfe  bie  Dftebe  ging),  er  habe  fich  jum 
Äönig  machen  unb  bic  beutfd^e  Sßerfaffung  umftürjcn  wollen;  in 
feinen  feien  ^rofcriptionSliften  gefunben  worben,  auf 

benen  oerfchiebenc  ©rafen,  mehr  benn  200  IRitter,  üoran  alle 
waffenfähigen  §utten,  geftanben  hätten. 

3m  ©eptember  barauf  (währenb  $erjog  Ulrich,  ^uguft 
wieber  in  fein  ßanb  gefallen,  cS  bem  überrafchten  33unbe  mit 
uujurcichenben  ©treitfräften  wieber  abjuringen  fuchtc,  um  im 
October  5um  5Weitenmal,  unb  nun  für  lange  3oh^<^/  barauS  Oers 
trieben  ju  werben)  lieg  bann  Jütten  fömmtliche  auf  bic  (5rmor* 
bung  feines  SSetterS  bejüglichen  ©chriften  unb  ©riefe  jufammen 
bruefen*),  angeblich  auf  ©tecfclbcrg,  in  ber  Xhat  jeboch  bei 
©chöffer  in  SWainj,  bem  er  burch  jene  Eingabe  nur  ©crantwor* 
tung  unb  (SJefahr  erfparen  wollte.  0ic  fanben  nicht  allein  in 
5)cut|chlanb,  fonbem  auch  F^anfreich  unb  ©nglanb,  Spanien 
unb  3talicn  begierige  ßefer.  ^)ic  ©eben  bienten  in  ben  Schulen 
als  UebungSftücfe,  ber  machte  ben  würtembcrgifchen 

Xprannen  neben  bem  alten  ficilifchen  jum  Sprüchwort.  ©emägigte 
ober  ängftliche  SWänncr  mochten  bic  $eftigfcit  unb  Uebertreibung 

1)  Unter  bem  ütel:  Hoc  in  volumine  haec  continentur:  Vlrichi  * 
Hutteni  eq.  super  interfectione  propinqui  sui  Jo.  Ilutteni  cq.  Deplo- 
ratio.  Ad  Lud-  Huttenum  super  interemptione  filii  Consolaioria.  ln 
Vlrichum  Vuirtenpergensem  Oratioucs  V etc.  etc.  Hoc  . . . opus  excu- 
Bum  in  arce  Stekelberk  an.  1519  mense  Sept.  Si^rifien  I,  6.  39 — 101. 

III,  6.  401—412.  V,  e.  1-96. 


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260 


I.  12. 


mißbilligen:  bcr  Söirfung  lonntcn  fie  nid^t  mehren,  mclc^e  bod 
im  beften  ©efe^moefe  ber  ßcit  mit  geuer  unb  Talent  gefc^riebene, 
^anb  in  §anb  mit  einem  großen  ©rfolge  gc^enbe  SBcrf  in  ben 
meiteften  Greifen  ßeroorbrac^tc. 

^oc^  mir  feeren  oon  biefem  SBorfbtungc  in  bie  Sftei^c  ber 
ßeitorbnung  unb  ju  Jütten  nad^  ©ßlingen  ^^uriltf,  mo  mir  i^n 
beö  unruhigen  ßagcr^  unb  SSerfommlungälebemS  nunmehr  fatt 
finben.  bliefe'',  fd^reibt  er  @nbe  9Jiai  an  einen  greunb, 
„nac^  meinen  @tubien  mit  großer  0e^nfuc^t  jurücf,  fo  baß  id^ 
bi^meilen  im  @d)lafe  auörufe:  o SD^ufe!  o SBiffenfd^aft.''  Unb 
menige  2;age  frül)er  an  einen  anbern:  „S3on  ^ier  auS  merbc  ic^ 
nac§  9Kainj  jurücf feeren,  j^u  meinen  S5üc^ern  unb  ©tubien:  freilich 
cinftmeilen  auc^  an  ben  $of.  O bie  $öfc  unb  i^re 

3)amit  ^ing  aber  noc^  ein  anbereö  Sebürj^iß  jufammen, 
baö  um  biefelbe  $utten  j^u  regen  begann.  5)ic 

SKuße,  nad^  ber  i^n  oerlangte,  fonnte,  bei  einer  SRatur  mic  bie 
[einige,  burc§  miffenfc^aftli^e  öefc^äftigung  nur  gum  X^eil  auö* 
gefüClt  merben.  1)QU^  Süßten 

ba^  (SJefü^l  ber  ®e[unbl)eit  unb  fid^  erneueruben  ßebenöfraft. 
©0  ftiegen  ^eirat^sggebanlcn  in  i^m  auf.  „TOd£|  be^errfc^t'', 
fc^rieb  er  am  21.  ^JJtai  an  ben  alten  gi^eunb,  ben  mürjburger 
^om^erm  gn^bric^  5ifc^er,  „mic^  be^errfc^t  je^t  eine  ©e^nfuc^t 
nad^^u^e,  in  bie  id)  mid^  fünftig  begeben  möchte.  ^a5U  brauche 
ic^  eine  grau,  bie  midj  pflege,  ^u  fennft  meine  2lrt.  3c^  ton 
nicf)t  mo^l  aClein  fein,  nid^t  einmal  bei  Sflac^t.  Sßergeben^  preift 
man  mir  bo^  @lücf  ber  @l)elofigfeit,  bie  Sßort^eile  ber  ©infamfeit 
an.  3c^  glaube  mic^  nic^t  bafür  gefc^affen.  3c^  muß  ein  2öcfen 
l)aben,  bei  bem  id^  mic^  oon  ben  ©orgen,  ja  au^  oon  ben  ernften 
©tubien  erholen  fann.  2Rit  bem  id^  fpielen,  ©d^erje  treiben, 
angenehme  unb  leichtere  Unterhaltung  pflegen  fann.  SBo  idj  bic 
©^ärfe  be^  ÖJramS  abftumpfen,  bil:  ^i^e  be^  Kummers  milbem 
fann.  @ib  mir  eine  grau,  mein  gricbrich,  unb  baß  bu  miffeft, 
ma!§  für  eine:  laß  fie  fchön  fein,  jung,  mohl  erjogen,  heiter, 

* jüc^tig,  gebulbig.  S3efi^  gib  i^r  genug,  nid^t  oiel.  ®enn  ^feidh' 
t^um  fu^e  ich  nicht,  unb  mag  bag  ©ef^lccht  betrifft,  fo  glaube 


1)  @<i&riften  I,  6.  267.  273. 


^tttien’S  ^rat^plan.  261 

ic^,  tuirb  biejentge  abelld^  genug  fein,  melc^er  Jütten  bte  $anb 
reichen  toirb*)/' 

Äönntc  cd  ^icrnoc^  fd^cinen,  ald  ttjörc  Jütten  übet  ben 
allgemeinen  SGBunfcf)  unb  ^lan;  fic^  ju  ucr^cirat^cn,  bamald  noc^ 
nicht  hinaud  gemefen,  fo  erhellt  oud  einem  bcrcitd  brei  Söoehen 
früher  gefdhriebenen  53riefc  an  §trnoIb  ©tauberger,  ber  auf  ein 
noch  frühered,  audführlid)cd,  aber  und  nicht  crhaltened  Schreiben 
ucrmcift,  bag  er  üieimchr  fchon  gang  beftimmte  Slbfichtcn  hatte. 
?trnotb  (SJIaubcrgcr  ober  oon  ©tauburg,  ©prögling  eined  franf* 
furter  ^atricicrgefchtcchtd,  jmei  3oh^c  ölter  ald  Jütten,  mit  biefem 
fchon  ald  ^Jnabc  befannt,  hatte  fpäter  in  Stalien,  mo  er  1515 
ju  ^aoia  bic  junftifchc  ^octonoürbe  ermarb,  greunbfehaft  mit 
ihm  gefchloffcn.  Söic  oertraulicher  Slrt  biefe  mar,  fel)en  mir  aud 
allerlei  häudlichen  Scftellungen  (Empfangnahme  oon  Effecten, 
^ferbdfauf),  bie  ihm  Jütten  furj  oorher  aufgetragen  hatte. 
„SBad  ich  ^am  ^eirathen  gefchrieben'',  bemerft  er  ihm  ie^t,  „haft 
bu  fo,  mic  ed  gefchricben  ift,  ju  oerftehen.  Ed  ift  fein  bloged 
5Borgcben,  cd  ift  mein  beftimmted  93orhaben,  fofern  jene  ed 
gefchehen  laffen*)."'  ®amit  ift- offenbar  bie  gamilie  ber  ?(uds 
erfomen  gemeint;  aber  melchc  gamilie?  ©eben  mir  bic  brei 
Briefe  an  ©lauberger  aud  ber  geit  oor  unb  möhrenb  bed  gdb^ 
jugd  nöher  an,  fo  faßt  bic  ^ünftlichfeit  auf,  mornit  er  jebedmal, 
fclbft  in  bem  eiligft  gcfchricbencn  ßdtel,  beffen  grau  unb  ©chmiegers 
oater,  ben  ocrchrungdmürbigcn  ©rcid  .^ammon  (b.  h-  ^Imanbud 
oon  ^othhaufen,  einen  hochangefehenen  ^Patricicr),  j^mcirnal  auch 
bic  33rüber,  grüßen  läßt,  überbieß  oon  ber  5öeutc,  fobolb  er  feinen 
Xhcil  erholten  haben  merbe,  jebem  ein  ©tüd  ju  Oerehren  Oer» 
fpricht.  Söir  moßen  und  biefe  Slufmerffamfeit  cinftmeilen  merfen. 

gmifchen  bem  21.  SJtai  unb  5.  3uni  fam  §utten  nach 
SWainj  jurücf®),  mo  man  ihn  unterbeffen  tobt  gefagt  hatte.  Ed 
hieß,  er  fei  im  Kriege  geblieben.  Öicbhaber  feined  Xalentd  unb 
Anhänger  ber  ©ache,  melcher  er  biente,  trauerten*);  bic  geinbe 


1)  «.  0.  O.  &.  273. 

2)  6(hriften  I,  8.  263.  2)te  anbem  ^uftrAge  8.  256. 

8)  8oftrn  ti  unter  erfterem  Saturn  no(h  Don  Q^Iingen  au8  an  Srijd^r, 
unter  legerem  Don  Stainj  auS  an  (SraSmuS  fc^rieb. 

4)  ftUtan  Selb  an  ^irtf^dmer,  ^utten’8  Schriften  I,  8.  307. 


262 


1.  12. 


jubelten,  uiib  böttc  cd  beftätigt,  meinte  ©utten,  fo  mürben 
pe  gefugt  hoben,  bud  hoben  pe  bei  burch  ih^^  ©ebet 

audgemirft^). 

SEÖud  ^uttcn'd  ©tcHung  in  3Kuinj  betrifft,  fo  hielt  ^rfürft 
?Ubrcdht,  mod  er  ihm  jugefugt  hotte.  ®r  entbunb  ihn  bed  $of» 
bienfted,  ohne  ihm  fein  Schult  ju  entziehen*),  ©inmol  fchien  cd, 
uld  moCle  ber  gürft  burdh  Jütten  öitelmolfd  0eholf>lon  in  Sud* 
fühtung  bringet  luffcn.  Such  machte  er  in  ber  golße  mohl  ein* 
mul  ben  Sßerfuch,  ihn  bodh  micber  für  ben  ^ofbienft  ju  getoinnen : 
ober  Jütten  lieb  P^  oicht  Überreben.  0o  hätte  ber  mäccnutifchc 
Slbrecht  gerne  auch  oiit  ©radmud  feinen  $of  gegiert,  unb  lub 
ihn  burch  Jütten  micbcrholt  gu  fich  ein.  3c^t  hätte  ihm  (Sradmud 
feine  Snleitung  gur  mähren  2;hcologie  gemibmet,  unb  ihn  babei 
befonberd  auch  om  bet  @unft  mitten  gelobt-,  bie  er  Jütten,  bem 
Sicbling  ber  lateinif^en  ©prachc,  bemcife.  ^aburch  ho£^  9^' 
fchmeichelt,  beftimmte  ihm  ber  Äurfürft  eine  fdhön  gearbeitete 
plbcme  unb  Oergolbete  0chole,  mit  beren  Uebermittlung  er  §uttcn 
beauftragte»).  5)icfen  bem  gürften  old  einen  jungen  SJtann  gu 
empfehlen,  ber  einft  eine  h^h^  ^eutfchlanbd  gu  merben 

Oerfpreche,  üerfäumte  ©radmud  in  ber  nöchften  ß^^t  nid^t  leicht 
eine  Gelegenheit;  bie  jebtge  Sudgelaffenheit  feined  Xalentd,  fefet 
er  hiogu,  merbe  bad  gunehmenbe  Slter  üon  felbft  oerbeffern  ^). 

3n  einer  fo  forgenfreien  Sage  ocrfolgte  nun  Jütten  feinen 
^eirathdplan  mciter.  Sbcrmald  menbet  er  pd)  (am  26.  3uli)  on 
feinen  grcunbSmolb ; benn  ber  Glauburg'f^cn  gamilie  gehörte,  mie 
jeht  ermittelt  ift,  bad  ttliäbchen  an,  auf  bie  feine  Sbpeht  gerichtet 
mar.  ®d  mar  Äunigunbe,  bie  Xo^tcr  eined  3ohonncd  Glauburg 
üon  einem  onbern  3o>eigc  ber  gamilie,  beren  Ißormünbcr  nach 
bed  SBaterd  2:obc  Smolb'd  ©chmiegerüater  unb  S3ruber  moren, 
möhrenb  bie  ttÄuttcr  eine  gmeite  gefchlopcn  hotte»).  2)arum 
betrachtete  ed  ^utten  ald  einen  günftigen  Umftanb  für  feine  Sn* 
gclegenheit,  baß  eben  jefet  bie  beiben  S3rüber  fammt  bem  alten 

1)  ?ln  6ro§muS,  ©Triften  I,  6.  274. 

2)  Jütten  on  ®oban  §effc  unb  % gberbotb-  ©(b^iften  I,  @.  802. 

3)  4)utten  an  SraSmuS,  a.  a.  O. 

4)  g.  in  bem  briete  öom  16.  ttugufl  1619,  in  ^utten’8  ©d^riften  I, 
©.  306  f. 

6)  Sgt.  bie  3lotij«t  bei  55Ming,  Hutteni  Opp.  Suppl.  11,  ©.  796  f. 


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^ititen  als  ^freier. 


268 


^oI^^Qufen  in  gfronffurt  betfammen  nmren.  liBon  ber  S0>{utter 
bc6  SD?dbc^en6  befürchtete  er  ©chroierißteiten ; ftc  fc^ien  ihm  mit 
ber  Xochter  hoch  hiicau^  ju  moUen,  unb  mug  eine  h^üd^  ^ame 
gemefen  fein.  0ie  folltc  ber  alte  ©arnmon  mit  feinem  biploma* 
tif(^en  Xahe  augforfd^en  unb  bearkiten:  augforfchen,  auf  mog 
für  eine  gamilic  fie  benn  eigentlich  mit  ber  Xochter  fpeculire; 
bearbeiten,  inbem  er  ihr  ^utten’g  Siebe  jur  Xochter,  feine  ^och* 
achtung  für  bie  äJiutter,  fein  frcunbfchaftli^eg  SBcrhältnig  ju  ber 
ganjen  gamilie,  ju  (Semüth  führte,  unb  ihr  ben  Verbucht  benähme, 
alg  ob  er  ein  9leöolutionär,  ein  gefährli^er  SWenfeh  märe.  SEBenn 
pe  erfannt  hoben  mirb,  pnb  ^utten'g  eigene  SBorte,  <»ba§  in  mir 
nichtg  Unruhigeg,  nichtg  Slufrührifcheg  ift,  meine  ©tubien  ooll 
Slnmuth,  ©^erj  unb  SBiJ,  fo  hoffe  ich,  0)irb  fie  mich  ertragen 
unb  fi^  felbft  erträglich  pnben  laffen."  ®er  33ruber  fobann 
foll  fich  auf  Äunbfchaft  legen,  mag  an  bem  Vermögen  beg  2Käbcheng 
fei,  mag  ihr  bie  3Rutter  gleich  mitgeben,  mag  nad^laffen  merbe. 
E£)ie  ©eforgnip  befonberg,  üon  ber  ihm  ein  anberer  franffurter 
greunb,  ^hc^W  ^on  gürftenberg,  gefchriebeu,  baß  man  fie  hege, 
foU  er  ben  Seuten  augreben,  alg  beabfichtigte  §utten,  bie  9leu^ 
oermählte  mit  fich  auf  ein  gelfenneft  in  ber  SBÜbnig  j^u  nehmen, 
^ort  mürbe  er  eg  am  menigften  aughalten:  unb  eben  bieg  fei 
ja  einer  ber  (SJrünbe,  • marum  er  eine  ftäbtifche  öerbinbung  fuche, 
um  felbft  in  bet  ©tabt  mohnen  ju  fönnen.  „$aHag  hat  bie 
©täbte  gegrünbet : pe  ift  bie  ©öttin  meiner  ©tubien.  Kentauren 
mögen  pch  am  beften  in  SEöälbem  behagen."  — „SKöchte  euch"', 
fo  fchliegt  er  feinen  ©rief,  „möchte  euch  Jütten  mürbig  unb 
tauglich  erfcheinen,  mit  eurem  Bürgerrechte  befchenft,  in  eure 
©chmägerfchaft  aufgenommen  ju  merben.  ®r,  ber  nicht  oiele 
©täbte  erobert  hat,  mie  einer  jener  (Sifenfreffer , aber  Diele  Gleiche 
mit  bem  fRufe  feineg  iltameng  burchmanbert;  nicht  Diele  um* 
gebracht  hat,  mie  jene,  bafür  aber  Diele  liebt,  unb  Don  Dielen 
innig  geliebt  mirb.  2)er  nicht  auf  ellenhohen  ©chienbeinen  baher* 
fteigt,  noch  ^arch  riefenmägigen  Ä'örper  bie  Begegnenben  fehreeft, 
hoch  an  ©eiftegftärfe  nicht  leicht  einem  nachfteht.  ®er  jmar  nicht 
mit  ©chönheit  prangt,  ober  burch  Söohlgeftalt  pch  augjeichnet, 
aber  burch  bie  Bilbung  feineg  ©eifteg  liebengmürbig  unb  be* 
gehrengmerth  ju  fein  pdh  fchmeidheln  barf.  EDer  nicht  grogju* 
fprechen  Derfteht,  nicht  prahlerifch  pch  hcraugjuftrei^en  pPegt, 


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264 


I.  Snd^.  12. 


aber  weit  er  einfad^,  offen  unb  rcblic^  ^anbclt  unb  rebet,  hoffen 
barf,  ba6,  wer  i^n  fennen  getemt  t)at,  i^n  nid^t  oerwerfen  werbe. 
®od^  bieg  ift  felbft  beinahe  pral^lcrifd^.  3c^  wünfe^e  bir  mit 
Sruber;  ©c^Wä^er,  grau  unb  ganzer  gamilie  langes  ^o^lfein, 
unb  erwarte  halb  einen  crfreulid)en  ©rief  oon  bir,  ober  was  eS 
für  einer  fei,  wenn  er  nur  auf  ade  einzelnen  fünfte  beS  meinigen 
antwortet.  S^loc^  einmal  lebe  wo^l,  unb  antworte  mir  halb  unb 
ausführlich.  — dladhfchrift.  3ch  arbeite  jefet  an  Schriften,  burch 
bic  ich  euch  5^^  erfreuen  gebenfe.  gür  jefet  fehiefe  ich  bic 
Febris  beinern  ©ruber.  3ch  lebe  in  ben  ©tubien  mit  grogem 
@enug.  SBären  wir  nur  beifammen,  bamit  bu  fehen  fönnteft,  mit 
Welchen  ©chcr5cn  ich  mi(h  ergebe.  biefen  ©rief  fogleich, 

wenn  mein  Sftuf  bir  am  ^erjen  liegt:  bei  beiner  Xrcue  befchwörc 
ich  bichO-''  ®er  greunb  ift  biefer  ©ittc  nicht  nadhgelommen,  ber 
©rief  hat  fidh  im  Strehio  feiner  gamilie  erhalten,  ohne,  feit  er 
befonnt  geworben,  bem  SRufe  beS  iRitterS  bei  ber  SRachwelt  ben 
minbeften  ©chaben  ju  thun. 

2)ie  Unterhanbtungen  fcheinen  Oon  Einfang  @rfotg  ocr» 
fprodhen  ju  haben;  benn  ein  halb  3aht  fpäter,  am  8.  gebruar 
1520,  fchrcibt  ß^ochläuS  auS  granffurt  über  Jütten,  halb  werbe 
er,  wenn  feine  Hoffnung  nicht  fchlfchlagc,  eine  eble  unb  reiche 
grau  heimführen*). 

©0  träumte  auch  ©utten  einmal  ben  Xraum  eines  einfach 
menfehlichen  ^5)afeinS  in  ben  frieblichen  ©chranfen  ber  S^tatur  unb 
ber  ©itte;  er  hielt  fich  einen  Ilugenblicf  für  einen  harmlofen 
2Renfchcn  unb  feine  Slrbeiten  für  anmuthige  ©piele:  burch  bic 
er  gerabe  im  ©egriffe  ftanb,  einen  ©tunu  gu  entfeffetn,  ber  ihn 
üon  bem  §afen,  in  welchen  er  eben  cingulaufen  meinte,  weit  unb 
für  immer  oerfchtagen  foHte, 


1)  6d^riflen  I,  @.  286-288. 

2)  2[n  ^utten’S  Schriften  I,  S.  321. 


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^writes  |^ud). 


Jütten  im  gegen  9iiim. 


Jact»  cat  alea. 
3d>  l)ab'9  gmaflt 


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267 


Butten  in  nnaSßangiget  n»if|fenff^ftrii$er  ^n||e. 
$eine  jinsßt^ieu  unb  S^ß(ßten. 

1519.  1520. 

SSknigc  SBoci^en  nad^  ^utten’sg  SBicbcranlunft  Üliainj  ttjar 
Quf  bem  politifc^eu  gelbe  eine  miditige  ©ntfe^eibung  gefallen. 
3)cr  junge  Ä'arl  non  Oefterreic^,  nom  SSater  ^er  @rbe  non  S3ur* 
gunb,  burc^  bie  SWutter  ^önig  non  Spanien  unb  9ieopel,  mar 
am  28.  3uni  1519  ju  granffurt  non  ben  nerfammelten  Äurfür« 
ften  an  bie  ©teile  feinet  ©rofenaterö  SJiajimilian  jumÄönig  ber 
^)eutfc^cn  gemö^lt  morben.  ßängere  Ratten  bie  gürften 
jmifc^en  i^m  unb  Äönig  granj  non  granfrei^  gcfc^manft : jule^t 
aber  mar  feine  SBa^l  unter  Umftänben  erfolgt,  bie  gerabe  für 
Jütten  unb  beffen  öeftrebungen  niel  ©rmutbigenbeö  Ratten, 
©ein  $err,  ber  i^urfürft  2(lbrecbt  non  SDiainj,  unb  fein  ritter* 
lieber  greunb,  gronj  non  ©iefingen,  maren  unter  ben  tl)ätigften 
Seförberem  non  ÄurFig  SSa^l  gemefen:  mä^renb  $apft  ßeo  X. 
unb  feine  Legaten  Stilen  getl)an  batten,  berfelben  entgegenjumirfen 
unb  bem  franjöfifcben  iitönig  bie  beutfebe  ftrone  jju  nerfebaffen. 
©0  gegen  ben  ^opft  non  norne  betein  nerftimmt,  ben  ®önnem 
^utten’S,  bereu  einen  biefer  immer  mehr  für  feine  2lnficbten  unb 
©eftrebüngen  ju  geminnen  mußte,  nerpflicßtet,  fonnte,  fo  feßien 
ed,  ber  junge,  neunjebnjöbrige  ^errfeber  leiebt  in  eine  fRiebtung 
gelenft  merben,  mclcbe  ben  planen  unfrei  IRitterS  günftig  mar. 
©on  einer  anbem  ^itc  b^r  nerfpraeb  man  ficb  non  Äarl’d  jün* 
gerem  ©ruber,  bem  ©räberjog  gerbtnanb,  ber  fo  eben  aui5  ©pa* 


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268 


II.  Su(^.  1.  Pa|)ttel. 


nien  in  ben  9licbcrlanbcn  angefommcn  tnar,  uiel  @utc^.  @r 
galt  für  einen  ©önner  ber  ^umaniftif^en  fRic^tung,  jeigte  in^ 
befonbere  für  @raömu§  lebhafte  SSerct)rnng,  unb  man  f^offte  in 
il^m  einen  mä(^tigen  öunbeggenoffen  gegen  bie  alte  ©arbarei  *). 

Unter  folc^en  Umftänben  fonnte  Jütten  unmöglid^  bei  lite^ 
rarifd^cn  0d^crjen  ftel)en  bleiben:  er  mußte  lauter  unb  ernfter 
alö  je  feine  ©timme  gegen  bie  SBurjcl  aller  Hebel,  bie  römifc^e 
grembßerrfc^aft  in  ^cutfcßlanb,  ergeben,  um  mo  möglich  bem 
neuen  ^errfeßer  bie  klugen  ju  öffnen  unb  ißn  für  feine  Slbfid^tcn 
ju  geminnen. 

Jütten  arbeitete  barnal«  an  üerfeßiebenen  ©cßriften,  unter 
anbern  aueß  fc^on  am  Sabi^u^  ober  ber  römifeßen  5)reifaltig* 
feit*);  boeß  bie  erfte,  mit  ber  er  fertig  mürbe,  fd)eint  ber  5)ia= 
loggortuna  gemefen  ju  fein*),  ber  fid^  auc^  an  feine  am  ©c^luffc 
beö  Oorigen  ©uc^^  bargelegtcn  Seben^^  unb  ^eiratß^plane  unmit? 
telbar  anfeßließt.  Unter  |)utten'ö  ©efpräcßen  ift,  ma§  bie  Einlage 
unb  §lrbeit  betrifft,  bie  gortuna  baö  anmut^igfte.  Unb  menn 
fie  an  reformatorifeßem  Sbeengeßalte  minber  fct)mer  miegt  alö  ber 
SBabi^cuö  ober  einige  fpätere  ^utten’fcße  Dialoge,  fo  ift  fie  bafür 
j\ur  Ä^enntniß  oon  ^utten’ä  ^erfönlid^feit  oom  ßöd^ften  gelange. 
9Baö  fein  meltl)iftorifc^eö  ^atßo^  mar,  miffen  mir  auö  einer  Gleiße 
oon  SBcrfcn  feineig  ©cifteö  ^ur  genüge:  mag  er  bagegen  für  fic^, 
alg  ^rioatd)araftcr  fonft  noc^  gemefen  ift,  bag  ÖJanje  eineg  lebcng- 
ooHen,  liebengmürbigen,  öeßt  menfc^licßcn  9taturellg,  ßat  er  nir* 
genbg  fo  mie  in  bem  ©efpräc^  gortuna  bargelegt.  @g  fteHt 
glei^fam  ein  ^arlamentiren  ber  Vernunft  mit  ben  SBünf^cn 


1)  Jütten  an  6ra§mu§,  5.  3uni  1519,  ©Triften  I,  6.  276. 

2)  ^utten  an  öoban  u.  ^bcrba^i,  3.  Äuguß  1619.  ©d^riftml, 
e.  302. 

3)  ®ie  2)ebtcQtion  ber  Qfortuna  an  ben  neuen  Äonrab  bon  Söfirs* 

bürg  iß  bom  1.  Januar,  bie  beS  !93abi§cud  an  ©ebaßian  bon  9ioten^an  botn 
13.  Qrebruar  1620.  ?(u(^  ße^t  bie  erßere  in  ber  im  Tlpril  b.  3.  erfd^ienenen 
Sammlung  ber  ^utten’jc^en  ©efbrfit^e  boran.  2)ieje  §at  ben  Xitel : Halderichi 
Hutteni  eq.  Germ.  Dialogi.  SDBeiter^in  bie  S^Inl^altSanjeige : Fortuna.  Fe- 
bris  1.  u.  II.  Trias  Romana.  Jnspicientes.  i^inten:  Moguntiae  ex  offi* 
oina  libraria  Jo.  Sebeffer,  mense  Aprili  anno  1520.  ©d^riften  IV,  bie 
Fortuna  6.  76—100.  3n  meiner  Ueberfe^ng  bon  ^utten’6  @e||)rS(^ 
6.  12—49.  Die  S<^riften  I,  8.  820. 


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^uttrn’i  @eft>rad^e:  8?ortuno. ' 


269 


bar;  rtobei  bie  leiteten,  lote  bem  0cbtflcr'fcben  SBaUcitftein  jufolgc 
bie  Söciber,  itac^  ftunbenlangem  SScrnunftfprcc^cn  immer  loieber 
auf  i^r  erfteS  Söort  prüeffommen. 

2lud  feinem  ©enbfd^reibcn  an  ^^ivef^eimer  erinnern  mir  um^ 
ber  2leu6erung  ^uttcn'ig,  bag  er  bei  feinen  ßeben^plancn  gemiffer^ 
maßen  auc^  auf  ba<^  ©liicf  red^i^c-  3^^  finbet  fid)  eine  ©teile 
in  biefem  ^Briefe,  bie  uni^  fc^on  gang  in  bie  ©ceneric  unfereö 
©cfpröc^ö  oerfe(jt.  gibt  S)ingc",  fc^reibt  bort  Jütten,  «bie 
o^ne  badöJlürf  auc^  für  bie  Xugcnb  nidjt  ju  erreichen  finb,  unb 
ba  munfe^'  ic^  jenc^  fRab  gebre^t,  ba  fc^au’  ic^  auf  jene  blinbe 
@öttin  bin,  bie  tolle  ^errfeberin,  aller  ®emegung,  allein  S55ecbfcl)S 
Äönigin  . . ba  glaub'  i^  3n fülle  nötbig  ju  b^ben,  ba  eincö  glüefs 
lieben  IRabfcbmung^  ju  bebürfen,  um  aufjutommen,  um  oormärtsJ 
ju  fommen*)." 

3m  ÖJefpracbe  nun  tritt  |mtten  bie  ©lücf^göttin  perfönli^ 
mit  bem  ©efu^c  an,  il}m  oon  ihrem  Ueberfluffe  fo  oiel  jutommen 
ju  laffen,  aU  jum  Unterhalt  eined  ftillen  miffcnfd)aftlicbcn  fieben^J 
erforberlid)  fei.  3nm  Sebenöunterbalt  im  ftrengen  ©inne  mürbe 
fein  (Sintommen  aud  ben  oäterlicben  )Befipiingcn  oiclleicbt  bin' 
reichen : aber  um  mit  Slnftanb  unb  Söürbc  ju  leben,  bebürfe  er  noch 
eine«  3nfcbnffe«  oon  ©eiten  be«  (^lücf«.  ^Befragt,  mie  oiel  er 
benn  höben  moüe?  meint  $utten,  menn  er  eine  5^öu  befomme, 
fo  münfebte  er  bort  (in  ihrer  Jpeimatb ; e«  ift  ohne  3njcifel  granf^ 
furt  gemeint)  ein  $auö  511  foufen,  baneben  ©arten,  auömürtö. 
fianbgüter  mit  gifcbteicben,  ferner  ^unbe  jum  Sagen,  ^ferbe  nur 
menige,  um  bi«meilen  au«reiten  ^u  lönnen;  bann  jur  länblicben 
äöirtbfcbaft  brauche  er  2)iener,  |)üter,  Söieb ; im  $aufe  2;ifdbc, 
IBetten,  ^olfter,  ©änften,  ©alerien,  eine  53ibliotbef,  ©peifeiimmer, 
iBabeftuben;  für  bie  grauÄleiber  unb©cbmucf:  alle«  jmar  nicht 
jum  $runf  unb  im  Ueberfluß,  aber  boeb  dnftüubig  unb  mürbig; 
überbieß  müffe  man  noch  etma«  für  bie  Äinber  jurüdlegen  föns 
nen.  Um  biefe«  ficb  anyifcbaffen  unb  im  ©taube  j^u  halten, 
glaubt  |)uttcn  ein  jährliche«  ©inlommen  oon  lüOO  ©olbgulben 
nötbig  5U  haben,  gortuna  jmeifelt,  ob  er  hiemit  fo  meit  reichen 
mürbe;  jebenfall«  feien  ba  bie  gugger  meit  bebürftiger,  benn  bie 
behaupten,  fte  brauchen  200000  gl.  jährlich,  um  ihre  ^anbcl«« 


1)  6.  büS  6enbi(hreib«n  an  ^Irdh^imet,  I,  6.  208,  §.  77. 


270 


n.  «u(^.  1.  ftoMiet. 


monopolc  aufred^t  ju  erhalten:  irrten  mügte  olfo  gortuna  juerft 
gclfcn,  unb  Jütten  fic^  fo  lange  gebulben.  SSergeblic^  fe|t  bic* 
fer  auöcinanber,  tnic  bic  öebürftigfeit  nid^t  fubjectiö  noc^  ber 
(Sinbitbung  ber  egen,  fonbern  objectiü  meffen  fei: 
liegt  auf  Äebürftigfeit,  SBürbigfeit  u.  bgl.  übergaupt  niegt,  ba 
fie  ja  blinb  ift,  toon  Swpitcr  geblenbet,  n)eü  fte,  fo  lange  fic  fog, 
ben  ^uten  gab,  unb  btefe  baburdg  oerberbte.  fegüttet  fic 

blinblingö  auö,  men’^  eben  trifft,  unb  äloar  öJuted  unb  UebleS 
burdgeinanber. 

©0  ttjerbe  er  fieg  mit  feinen  33itten  an  Supiter  j^u  menben 
gaben,  meint  Jütten;  allein  gortuna  belcgrt  ign,  bag  für  bic 
tgöriegten  ^Bitten  ber  SD^enfegenfinber  Supiter  längft  taub  gemor^ 
ben,  baö  einjig  riegtige  ®cbct  bo3  um  eine  gefunbe  ©eelc  in  ge» 
funbem  ßeibe  fei.  ^ier  oermicfeln  fieg  bie  Unterrebner  in  ein 
©efpräcg  über  bie  grage,  ob  e^  eine  IBorfegung  gebe?  5)ie  guten 
©rfolge  ber  Sööfen  fegeinen  bagegen  ju  fpreegen ; aber  ein  ftarfer 
S3emei^  bafür  ift  bie  ©träfe,  bie  fo  eben  ben  fegmäbifegen  Xgran^ 
nen  getroffen  got.  ©o  oiel  ift  jebenfallS  entfegieben,  bag  bic 
Xgeologen  über  biefen  ^unft  göcgft  clenb  unb  metterlounifcg 
räfonniren.  @egt  e§  ben  @uten  gut,  fo  ift  e^  jenen  ein  ÖemeiS 
bofür,  bag  nicgtööuteö  unbelognt  bleibe;  menn  fdglccgt,  fo  geigt 
eö:  men  @ott  lieb  gat,  ben  jücgtigt  er.  gür  baS  ©lücf  berS3ös 
fen  miffen  fie  toufenb  @rünbe  anjufügren,  j.  33.  bag  ©ott  bie* 
felben  burdg  ßangmutg  i^ur  öefferung  einlaben  moUe;  trifft  ba= 
gegen  einen,  ben  fie  für  böfe  galten,  ein  Unglücf,  fo  gaben  fic 
üorau^gemugt,  bag  @ott  niegt^  33öfeö  ungeftraft  lügt,  ©o 
feglt  e§  ignen  für  bag  @ntgegengefegte  nie  an  ©rünben,  unb  fic 
jeigen  audg  gier  biefelbe  ß'^ci^futigfeit  mie  barin,  bag  fic  mit 
Söorten  jmar  ben  fReiegtgum  oermerfen  unb  geringfegdgen , mög- 
renb  in  ber  Xgat  9tiemanb  gelbgieriger  ift,  alg  eben  fie,  bic 
Xgeologen. 

®om  öeten  auf  bag  3lrbcitcn  oermiefen,  ernjiebert  ^)utten, 
er  gäbe  lange  genug  gearbeitet,  unb  feinen  ^oeg  niegt  er* 
reiegt.  @r  gäbe,  entmicfelt  er  auf  gortuna^g  grage,  morin  benn 
feine  Slrbeit  beftanben?  ber  beften  SBiffenfegaften  unter  grogen 
©egmierigfeiten , mie  fein  ^nberer  ^u  biefer  Qdt,  fieg  befliffcn, 
inbem  er  mie  ein  33erbannter  in  ber  grembe  umgergejogen  fei 
unb  mit  3lrmutg,  ^rangfal  unb  ^ranlgeit  gefümpft  gäbe,  ^aju 


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Örorhma. 


271 


^o6c  i^n  bic  ßiebe  jum  SBiffcn  ongctricbcn,  unb  baö  3^^^» 
er  babd  im  ?(ugc  gehabt,  fei  gemefen,  bercinft  in  unabhängiger  SWuge 
ftubircn  ju  fönnen.  ^Ifo  habe  er,  belehrt  ihn  gortuna,  bisher 
nur  gearbeitet,  um  j\u  lernen:  nun  fofle  er  arbeiten,  um  reich  ju 
merben.  ^a§,  habe  er  gehofft,  mirft^utten  ein,  merbc  il)m  oon 
felbft  5ufaüen,  menn  er  nach  jenem  trachte ; auch  h^tbe  er  ja  bc§^ 
megen  fdhon  j^mci  ganzer  3ahtc  om  $ofe  gelebt,  um  fich  ba,  mic 
Snbere,  ju  bereichern.  5)ic6  fei  ihm  jeboch  ni(^t  gelungen*;  fei 
eg,  tt)eil  bag  @lüdf  eg  nicht  gemoflt,  ober  meil  er  jum  ©chmeicheln 
nicht  geeignet,  unb  bie  @unft  ber  ©roßen  monbelbar  fei.  @g 
nun  bei  einem  anbern  §ofe  ju  Oerfuchen,  fönne  ihm  Jortuna 
nicht  ^umuthen;  er  toollc  nicht  fein  ganjeg  Seben  mit  SSerfuchen 
hinbringen,  fonbem  glaube,  er  höbe  fchon  je^t  oerbient,  baß  er 
ju  leben  hötte. 

2!)ag  habe  er  ja,  oerfeht  Fortuna,  menn  er,  mie  Oiele  ber 
größten  SJMnner,  arm  fein  toollc.  Äber  $utten  oerbittet  fich  bic 
?lnuuth,  bic  er,  menn  auch  oießt  für  ein  Uebcl,  hoch  für  ctmag 
(Jlcnbeg  hält  Unb  hoch,  gibt  ihm  gottuna  ju  bebenfen,  fei  fie 
mcit  förbcrlicher  für  bic  ©tubien,  alg  ber  Stcichthum  mit  feinen 
ftörenben  ©orgen  unb  ©efehäften.  0b  er  jemanben  miffc,  ber 
bei  großem  fReichthum  noch  ruhige 3Kußc  habe?  5)och,  meint  Jütten, 
bic  Pfaffen.  ?lber  benen,  belehrt  ihn  gortuna,  fehiefe  3upiter 
beßmegen  gicber,  ©ießt  unb  anberc  Äranfhdtcn,  baju  |)aber, 
9leib  unb  geinbfehaft  untereinanber,  hauptfächlich  aber  bic  ^ct 
fehläferinnen,  bic  fie  bchcrrfchen,  betrügen,  beftehlen,  oft  um  ihre 
©teilen  unb  in  ©cßmach  unb  ©Icnb  bringen,  ©o  moUüftig  unb 
oerborben  mürbe  auch  er  merben,  menn  er  reich  märe,  ^ber  er 
begehre  ja,  meint  Jütten,  nicht  S^leichthum,  fonbern  nur  anftän= 
bigeg  ?(ugfommcn  ju  mäßigem  ©enuß:  bic  ©lücfggöttin  möge 
ihm  ctmag  aug  ihrem  güClhornc  fpenben. 

Äuf  ihre  33cmcrfung,  baß  barin  ©öfeg  unb  ©uteg  bcicin* 
anber  liege,  mirb  Jütten  ^ubringlich,  mill  in  bag  §orn  hinein* 
fehen,  um  bag  ju  bezeichnen,  mag  er  haben  möchte ; aber  gortuna 
heißt  ihn  aug  bem  Söege  gehen,  um  einen  SBurf  aug  ihrem  $ornc 
ZU  thun.  Vluf  bic  örbc  hinuntcrfchaucnb,  crblicft  jept  $uttcn  großen 
Äuflauf  unb  ©ctümmcl  unter  ben  2J?enfchen:  bie  einen  fehen 
oergnflgt,  bic  anbern  betrübt  aug.  S)er  ©lücfgmurf  ift  nach 
©panien  gegangen  unb  hot  bem  jungen  ^Äönig  Äarl  zn  fo  oielcn 


272 


n.  «ud^.  1.  IU))iiel. 


tonen  Qud)  nod^  bie  beg  römifd)cn  gebraut.  Vorüber 

finb  einige  bena^barte  Könige  üerbriegl id^,  beten  ©efanbte  lange 
@efid)ter  jeigen;  not  allen  aber  ber  $apft,  beffen  Segat  fid^  bei*» 
nalje  l)enfen  möd^tc.  Unglüd  ift  auf  §lfrifa  gefallen,  n>o  einige 
Söarbarenfürften  burc^  §eer  eine  9>lieberlage  erlitten  ^aben: 
ein  l^offnung^reic^er  Slnfang  ber  neuen  ^errfc^aft! 

Um  fo  mef)r  tuill  nun  aber  §utten  auc^  für  fic^  ein  $lns 
gebinbe  Don  ber  ©lücfögöttin  ^aben.  Unb  jtnar  üor  allem  eine 
grau,  gortuna’g  SSarnungen  uor  ben  ®efal)ren  unb  öefc^mers 
lic^feiten  ber  (S^c  machen  auf  il)n  feinen  ©inbruef.  „3u  ber  SKuße", 
fagt  er,  „bie  id^  im  ©inne  b^be,  bebarf  icb  einer  grau,  bic  mir 
bie  befcbmerlicbe  3orgc  für  ba^  §auömcfen  abnel)me,  ba§  Sllötbigc 
berbeifebaffen  unb  erbalten  b^Ife,  bie  mir  tober  febenfe,  bie, 
menn  id^  fvanf  bin,  mich  pflege,  im  Unglüd  mit  mir  traure,  im 
@lüd  ficb  mit  mir  freue,  in  beren  33ufen  i(^  Sllleig  auöfd)ütten 
fann,  ma^  bag  ßJemütb  fo  bemegt,  bafe  eä  fidb  nicht  jurüdbalten 
lägt,  fonbern  älUttbeilung  jum  iöebürfnig  moebt."  $abe  et  ein 
foldbeio  Söeib,  fo  moUe  er  in  gefebäftiger  SJ^uge  leben,  ficb  mit 
iöetrad;tung  unb  @tubien,  2efen  unb  fecbriftftellerei  Unterbalten. 
„O  münfebenörnertbeö  ÖJut!  erfebnter  §afen!  glüdfelige  iRube! 
(®er  SEBablfprudb  t>cß  greunbeö  DÄution.)  ^omm,  führe  mich  ju 
biefem  ßeben,  \>a^  ÜJ^uge  mit  SBürbe  üerbinben,  ©efebäfte  ohne  ©e* 
fahren  höben  toirb.  ®aö  fei  bie  Summe  meiner  Söünfcbe!" 

?lucb  jebt  flicht  gortuna  noch  aHerbanb  5luöflücbtc,  glaubt 
namentlich  eine  folche.grau,  mie  Jütten  fie  oerlange,  in  ihrem 
ganjen  §orne  nid)t  5U  höben;  bod)  nun  fe^t  biefer  eö  bureb, 
felbft  in  ba^  §orii  biocinjufehen,  unb  „§altl"  ruft  er  auö  „bölt! 
fie  ift  gefunben.  ^a  fchaut  ein  2)Mbd)en  hcröor:  fie  ift'ö,  biefe 
habe  i^  gemoHt : hübf^eö  ©eficht,  fchöne  ©eftalt,  für  ihre  Sitten 
jeugt  bie  Schamrötbc  auf  ihrer  Stirn,  ibr  ganjeö  SBefcii  ooll 
Slnmutb,  0 ein  begebremSmertbeö  ©efchöpf  V Huch  ©olb  bie  gülle 
trägt  fie  bei  ficb,  unb  trop  gortunen^  SSarnung,  ba§  ihn  bie& 
ju  ihrem  Wiener  machen  merbe,  ift  nun  ^utten  fo  hi&^Ö»  ^ö§  er 
basg  fchöne  Äinb,  menn  fein  mug,  bei  ben  paaren  au^  bem 

§orne  hcrau^jiehen  miÜ.  S)a^  mirb  fie  ihm  nicht  übel  nehmen, 
meint  er:  fie  läi^elt  ihm  ja  bereite  ju;  menn  auch  nicht  feiner 
Schönheit,  mie  gortuna  fpottet,  hoch  ben  reeUeten  ®ot5Ügen, 
mclche  fie  oerftänbig  genug  ift  an  ihm  ju  bemerfen  unb  ju  frühen. 


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9u8gan(i  oon  ^utfen’S  BrauttDerbung. 


273 


ÄUcin  bie  ©lücf^dttin  lägt  ficg  nic^t  in  i^rÄmt  greifen:  fie 
t^ut  abermals  einen  SBurf:  ba§  SÄäbc^en  ift  bcrau^fflogcn,  unb 
— 0 Unglürf!  — einem  ^ofmanne  ju  X^eil  gemorben,  nn  welchem 
nun  ber  turg  gefommene  9tebenbu^ler  au(^  fein  gute«  ^oar 
lägt.  Cin  aufgeblafener , grogfprec^erifc^er  Gefell,  in  bunten 
Kleibern,  mit  Äcttcn  um  ben  unb  Sltngen  an  ben  Jingem, 
aber  innerlid^  ein  gemeiner  äl^enfc^  unb  nic^t  einmal  ein  rechter 
3Kann:  mit  i^m  merbe  boö  BÄäbc^en  nic^t  glücflic^  fein.  Unb 
augerbem  ^at  ber  böfe  SBurf  noc^  ^uttcn'ö  näterlic^c  ©ütcr  bur(^ 
Ungemitter  uermüftet,  bie  0aaten  nerbcert,  iBäume  au^eriffen, 
bie  Käufer  umgemorfen:  feine  gamilie  fie^t  bem  junger  entgegen. 
<Sü  uerjmeifelt  Jütten  cnblicb  ganj  an  bem  öJlucfc,  unb  fd^ieft 
fid)  an,  in  ber  näcbftcn  Äapelle  ben  (Srlöfcr  C^briftuß  um  mens 
Sana  in  corpore  sane  anjurufen. 

3Jtit  feiner  33rautn>crbung  ftanb  eß  übrigenß,  menn  ba^ 
©cfpräcb  Jortuna  am  1.  Januar,  non  bem  bie  3u<^iflnung  batirt 
ift,  mirflicb  febon  noUenbet  mar,  bamalß  noch  nicht  fo  t>er5mcifelt. 
5)cnn  einen  SJionat  fpätcr  febreibt,  mie  mir  oben  faben,  ein  58e-' 
fanntcr  in  granffurt,  ber  in  jenen  Xagen  Jütten  bafclbft  gefproeben 
batte,  üon  ber  <Sacbc  noch  ^;iemlicb  boffnungöooll*j.  Slber  bebenf* 
liebe  ßeicben  bitten  geb  boeb  eben  bei  biefem  Sefuebe  in  granf- 
furt  b^wui^eftcllt.  deinen  greunb,  ben  öürgermeifter  ^bilipp 
üoii  gürftenberg,  meinte  ^utten  ganj  umgemanbelt,  gan^^  angefteeft 
üon  ben  SSorurtbcilen  gegen  ben  S^titterftanb  ,^u  gnben,  bie  er 
früher,  auf  einen  Smnf  gürftenberg'^,  bag  fic  ibm  entgegenfteben, 
in  einem  ©ebreiben  an  ^rnolb  ©lauberger  ^u  miberlegen  gcfud)t 
batte.  Än  biefen  Ic^tcrn  menbet  er  gd)  baber  jebt,  nach  jenem 
^^efuebe  (üermutblicb  im  gebruar)  noch  einmal.  !iJtan  tbue  — 
menigften^  ibm  — febr  Unrecht,  menn  man  fage:  „2)u  fennft 

ber  $Ritter  Ärt;  fie  madben  gagb  auf  unfer  S3crmögen,  unb  nur 
’ barum  fueben  ge  geh  mit  un^  ;^u  üerfd)mägern ; l)ötte  er  ge  ein- 
mal, fo  mürbe  er  fo  unb  fo  üiel  ^aufeube  üerlangcn;  gäbe  mau 
bie  nid)t,  mürbe  er  gel)bc  anfangen,  all  feine  Sippen  gegen  uuß 
aufbieten,  unb  mäbrenb  er  bie  Summe  und  abpregte,  unfre  '^er- 
manbte  nicht  ald  grau,  fonbern  ald  geringe  Sll^agb  holten.  Sie 


1)  ^o^IäuS  on  ^ird^Klnier,  bom  8.  gebruar  1520,  ln  ^utten'S  6d)rlftenl 
S.  321.  «Ql.  oben  6.  263. 

VII.  18 


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274 


TI.  Su^.  1. 


foü  einen  i()rc§gtcid^cn  nef^men,  bannt  fic  nic^t  5U  tt)rcm  unb  ber 
Sbi^igen  ©c^aben  ein  umnürbigeö  3oc^  ju  tragen  gejnjungcn  fei. 
©0  ettoaö,'  mein  §lrno(b,  menn  bu  mic^  fennft,  mie  bu  foHteft, 
trauft  bu  meinem  ©b^^ratter  ju?  ober  roirb  jemanb,  ber  §utten 
fennt,  itjin  jutrauen?  §l6cr  gibt  Seutc,  bic  mit  üielcr  @eböf' 
figfeit  gegen  mich  eine  fo(cbe  aj^einung  auöfprecben.''  $)aö  möchten 
fic  immcrt)in,  fä^rt  er  fort,  menn  i^m  nur  nidjt  biefe  ungercdjtc 
Scurtbcilung  einen  ^(an,  an  bem  if)m  fo  nict  gelegen,  ju  nereitcln 
brobte.  ©0  möge  beim  ber  JJ^eunb  non  feinem  33ruber  unb  beffen 
grau  ju  erforfd)cn  fueben,  ob  noch  Hoffnung  übrig  fei,  unb  im 
günftigen  gaUe  bie  ©ad)e  mie  bisher  förbern,  im  anbern  fie  in 
baö  tieffte  ©ebtoeigen  büllen^). 

anieö  öemüben  mar  Oergebenö:  am  18.  ©eptember  beffelben 
3abre3  1520  oerbciratbctc  fid)  Äunigunbe  ©lauberger,  boeb 
nicht,  mic  im  .©efpräd),  mit  einem  aufgeblafenen  ^ofmannc, 
fonbern  mit  bem  ebrfamen  2lbl)ocaten  2lbolf  5fnoblaudj  in 
granffurt  a 3)?.*). 

2)cr  2)?ann,  bem  mir  bic  ataebriebten  Oon  Jütten 2lufent:^ 
halt  in  granffurt  Einfang  be<i(  3abreö  1520  oerbanfen,  ift  fein 
35efannter  oon  5^ologna  brr,  3obann  ßocbläu^,  ber  unterbeffen 
Domherr  in  granffurt  gemorben,  aber  nod)  nid)t  offen  5ur 
Sicactionöpartei  übergetreten  mar.  3bm  f^gte  Jütten  non  ben 
@efpräd)cn,  bic  jur  näd)ften  9Kcffe  non  ibm  erfebeinen  mürben: 
ber  gortuna,  bem  ^meiten  gicber,  ber  Trias  Romana  u.  f.  f., 
auch  non  einem  gunbe,  ben  er  auf  ber  gulbaifcben  Söibliotbcf 
gemacht  b^bc  unb  brrau^jugeben  gebenfe;  mobei  er  bei  meitem 
nicht  bie  b^ii^mlofe  ©timmung  jeigte,  bic  er  nor  einem  bnlben 
3öb^r  in  jenem  greieröbrief  an  2lrnolb  ©lauberger  ficb  5U' 
gefebrieben  bötte,  niclmebr  gegen  ben  ^apft  unb  für  ®eutfd)lanbS 
@bi^c  eine  äufeerft  fübne  ©praebe  führte*).  SSon  granffurt  reifte 
er  am  7.  gebruar  nad)  ©tecfelberg  5U  feinem  franfen  SSater,  mo 
er  am  13.  bie  ^nrignung  ^u  feinem  3)ialog  SBabmcuö  fd)rieb. 
^oeb  mir  mollcn  erft  non  einem  onbern  Dialoge  reben,  ber  in 
ber  ©ammlung  nor  bem  SSabigeuö  ftebt,  unb  ficb  an  bie  gortuna 


1)  jDer  ®rief  in  Ilutteni  Opp.  Supplem.  II,  ©.  798  f. 

2)  5)iefc  9lotijen  gibt  ®5dMnß  a.  0.  O.  ®.  796  f. 

3)  6od)läu§  in  b«m  ongef.  ^rief  on  ^irrf^fiincr. 


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Sieber  (ba§  jarite).  Ö76 

unb  boö  fc^on  frii^cr  bcfonbcrö  crfc^icncne  (crfte)  gieber  an- 
fc^Ueßt. 

SBir  haben  in  bcm  crftcrn  ©efpröche  bcn  §lbfQ|  über  bie 
^faffen  benicrft,  benen  Supiter,  um  ihnen  ihr  SBohUcbcn  511  üfr= 
bittem,  Äranfheiten  unb  Üjiibhelligfeiten  jeber  ^rt,  befonberö  ober 
bie  ßoncubinen,  jugclegt  habe,  ^iejer  tlbfofe  bilbct  bo^  Xhema 
eine)?  fernem  öJcfprächä,  baö,  alö  jmeiter  ^ct  beS  ^ialoflS  mit 
bem  gieber,  um  jene  ßeit  üon  Jütten  auögearbeitet  tnurbe  0. 

Gleich  ber  ©inganfl  ift  ein  3)?eifterftücf  ber  biologifchen 
govm.  3)ie  @cene,  mie  eö  an  §utten^g  ^h^re  podht,  biefer  ben 
il^nabcn  jum  genfter  hiaaiigfehen  unb  im  gaH  eine^  läftigen 
Sefuch^  ihn  ücrlcugnen  h^i6tf  gicber  braugen  ihn  an  ber 
©timmc  erfannt  hat  unb  fid^  ju  erfennen  gibt;  ber  <öchrecf  beg 
Änaben,  Jütten'«?  S3cfehl,  Sthüre  unb  genfter  ^u  uerrammcln,  bo)? 
Stnftürmen  beö  gieberö,  melcheö  baö  ^auö  gittern  macht,  feine 
ücrgcblichen  S3erfuche,  Jütten  ju  berüefen:  ba^  §UIeö  ift  fo  bra^ 
matifch,  fo  Icben^uott  gemacht,  bab  man  bie  Ädegorie  uergißt 
unb  eine  mirfliche  ^anblung  oor  fich  ju  fchen  glaubt.  2)aö 
gieber  (fo  fnüpft  fich  ^i^f^  gortfepung  an  baö  crfte  ©efpröch 
gleichen  iRamen^  an)  hat  fich  Oeranlabt  gefunben,  uou  bem 
ßurtifan,  ju  bem  Jütten  c§  bort  am  ßnbe  gefchieft  fif^  ^ 

toieber  5U  trennen,  meil  bei  biefem  unterbeffen  anbere  Äranfhcitcn, 
oor  aücn  bie  franjöfifchc,  bann  aber  auch  ©tein  unb  ®icht,  über^ 
bieb  Srmuth.  cinge^ogen  finb,  mit  benen  eö  ni^t  5ufammenttJohnen 
mag.  Äuch  feine  Soncubine  hat  ihn  oerlaffen  unb  ift  ju  einem 
alten,  garftigen,  aber  reichen  5)omhcrrn  ge^^ogen,  ju  bcm  baö 
gieber  ihr  boSmegen  nicht  folgen  nwg,  meil  ber  ÜÄann  mit  jener 
fchon  Unglücf  genug  im  ©aufc  habe.  SBelchc  ^eft  eine  S3eifchlös 
ferin  im  §aufc  fei,  mirb  nun  juerft  im  5ll(gcmcinen,  burch  pftjcho^ 
logifchc  3cid)nung  beö  fittlichen  ßaftanbe^  folcher  SGBeib^perfpncn 
unb  beö  ©cclenjuftonb:^  ihrer  ßiebhaber,  hierauf  aber  im  öefonbern 
on  bem  ©eifpiel  enj  , :nacht,  mclchc^  baö  gieber  julcht 

hatte  bcobachteu  fönnen:  bcm  SSerhältnib  beö  ß^urtifanö  ju  feiner 
geliebten  ffilfe.  ^ic  ausführliche  ©chilberung,  melche  Jütten  hiev 
oon  bcm  ßcben  ber  concubinarifchen  ^rieftcr  entmirft,  ift,  mic 


1)  Febris  secunda.  IV,  101 — 143.  3«  Otriwr  lieber» 

fe^unfl  ber  ^utten’i(ben  (Seiprd^e  S.  61—93. 


276 


IF.  1.  {(opitel. 


man  mo^I  aug  nielfod)er  öeobac^tunfl  gefd^öpft,  unb  läfet 
biefe^  fieben  aU  ein  ebenfo  unglüctlic^cö  mie  unfittlic^eö  erfc^einen. 
Supiter  felbft,  aU  er  e«  mit  angefel^en,  erjä^lt  ba§  gieber  (mie 
fc^on  in  ber  gortuna  angebeutet  mar),  ^abe  gefagt:  boig  foQe 
ba^  ^faffenfieber  fein,  unb  it)m,  bem  eigentlichen  gieber,  bc^ 
fohlen,  fich  an  anbere  Seute  ju  hallen.  0b  bei  biefer  Gelegenheit, 
fragt  Jütten,  Supitcr  fid)  nicht  auch  über  bie  @a|ung  beS  ^Sapfte^ 
Äalliftu^  (ßalijtuö  II.)  au^gefprochen  habe,  melche  ben  ^rieftern 
bie  ®he  oerbietc?  0b  er  eö  gut  geheißen  habe,  baß  man  biefelbcn 
auö  bem  oon  it)in  eingefepten  ©heftanbe  hetauiSgeriffen  unb  ju 
einem  §urcnleben  ueranlaßt  habe?  9Zcin,  ermiebert  ba^  gieber, 
fonbern  er  habe  gefagt,  baö  fei  ohne  fein  Sormiffen  gefchehen; 
man  habe,  alö  er  sufäQig  im  Götterrathe  nicht  gegenmärtig 
gemefen,  über  bie  ©a^e  berichtet  unb  53cfchluß  gefaßt,  ber  aber 
feineö  Grachten^  caffirt  merben  müffe,  bamit  bie  ^riefter  mieber 
mie  üorbem  ©hemeiber  nehmen,  unb  nicht,  oom  buhlerifchen 
ßagcr  aufgeftanben,  mit  unreinem  ^erjen  unb  §änben  baö  §eilig^ 
thum  beriihren. 

lieber  §utten  ift  bem  gieber  ju  0hren  gefommen,  baß  er  im 
begriff  ftche,  fid)  5U  Oerheirathen.  ®amit  iftcggarnid)tcinoerftanben. 

% gn  ber  Xßat  beßmegen  nicht,  meil  eüj  burch  bic  pflege  ber  grau  für 
immer  oon  ihm  abgehaltcn  ju  merben  fürchtet;  allein  eö  lehrt  bü^ 
Vlnbere  üor,  baß  ißm  bie  grau  feine fRuhe  j^um  ^Stubium  laffen  mcrbc. 
Jütten  ermiebert  fur,v  eine  grau  ju  nehmen,  fei  er  ^mar  nod)  nicht  * 
entfchloffcn,  bod)  menn  er  e«  tl)un  mollte,  fähe  er  nicht  ein,  maö 
bamit  gefehlt  märe.  3Sergebenö  preift  il)m  baö  gieber  (mie  ;^um 
Xh^il  f^an  in  ber  frühem  Unterrebung)  feine  heilfamen  SBirfun^ 
gen  an:  mie  eö  ihn  fleißig,  ernft,  leufch  mad)en  mollc;  mie  bie 
intereffante  öläffe,  bie  ci  mit  fid)  bringe,  ihn  aud^  bei  ben 
SBeibern  mehr,  alö  gemeine  fRötl)e,  empfehlen  merbe:  Jütten 
heißt  e^  fid)  paden.  „Geh",  ruft  er,  ben  Pfaffen,  ^u  ben 
Öuhlern,  j^n  ben  Xrinfern,  3U  ben  guggern,,  ben  Äaufleiiten,  ben 
Slcr^ten,  ober,  menn  e^  bir  beliebt,  uor  allen  ^u  Äaifer  9Rüji= 
milian’ö  Schreibern"  — bie  bei  bem  fcligen  ^errn,  ergänzt  ba^ 
gieber,  fich  nur  gar  ^u  fehr  bereichert  haben,  unb  nun  in  ööllerei 
unb  Söohlleben  bie  großen  §erren  fpielen.  ^ie  ^erjte,  fießt 
man,  hat  ber  fRitter  oon  ben  qualuoHen  unb  Uergeblichen  (Suren 
her,  bie  fie  ihn  au^ftehen  laffen,  auf  bem  iüorne:  er  meint,  eö 


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Sieber  (ba§  jweile). 


277 


ftünbc  bcffcr  um  2)cutfc^(anb , mcnn  man  btc  ganjc  ©ippfc^aft, 
fammt  iRb^barber  unb  Soloquinten,  auS  bcm  fianbc  jagte.  Sinen 
0tromer  unb  Soppug,  Sbel  unb  SliciuS,  nimmt  er  au^,  benn 
bo^  feien  .rec^tfe^affene  SKänner,  aber  eben  barum  oft  weniger 
äcrjte. 

9Bie  e^  jener  ^nmeifung  fo  eben  nac^fommen  unb  fortgct)en 
min,  wirb  bo^  gieber  oon  .Jütten  nod)  einmal  ^urüefgerufen  unb 
gefragt,  ma§  benn  für  bic  Urfadje  biefeö  oerfet)rten  ßebend 
ber  ©eiftlic^en  l)Qlte?  S)cn  SJiüfeiggang,  erwiebert  c^,  unb  beffen 
9laf)ruiig,  ben  fReic^tl)um.  Söie  alfo,  meint  l)ierauf  Jütten,  menn 
55cutfc^lanb  hierin  9ftatt)  fc^affte,  i^nen  bie  ^frünben  fd^mälerte, 
unb  fie  bann  l}ie6e  ben  3lrfer  bauen  unb  mic  anbere  SJ^cnfc^cn 
im  ©c^mcige  i^re^  Slngefic^tiä  il)r  33rob  oerbienen:  ob  mir  bann 
rec^tfd)affene  SJeiftlic^e  befommen  mürben?  2)06  gieber  jmeifclt 
baran  nic^t,  unb  f)offt  auc^,  cö  merbe  nic^t  me^r  allju  lange  an^ 
ftel)cn,  bid  fic^  bie  ®eutfd)cn  ba^u  • ermannen  merben.  foUc 
nur  einmal  eine  X^eurung  fommen,  bann  merben  el)rlid)c,  fleißige 
2eute  nid)t  mef)r  bulben,  bag,  maö  i^nen  gebührte,  oon  trögen 
unb  unnüpen,  ja  fc^öblic^en  2Jienfc^en  oerpragt  merbe,  fonbern 
fie,  alö  bie  faulen  ^)robnen,  auötreibcn.  2)ie  beutfc^cn  gürften, 
meint  §utten,  fönnten  bcm  9ieic^c  feinen  beffern  ^ienft  ermeifen, 

Qhi  menn  fie  bad  unermefelic^e  @elb,  meld)c§  jegt  bic  oiclcn  tau« 
fenb  geiftlic^en  iViü§iggänger  oer5cl)ren,  t^cil-?  ju  el^rlic^en  Ä'rie=»  . 
gen,  t^eil^  jur  Srnöl^rung  gclcf)rter  Seute  oermenben  mürben. 
Dem  .^l:önig  Äarl  gebenft  .*pntten  felbft  biefen  ?Rat^  ju  geben; 
gebenft,  i^m  oor^uftcllen,  mie  unmnrbig  einc5  guten  .ftaifer^ 
fei,  iium  ©c^abcn  bcö  ©emeinmefenö  folc^c  nid^tönupige  30^enfdjcn 
fid)  nic^t  nur  möften,  fonbern  aud)  über  ade  ^nbern,  bie  gürften 
nid^t  ausgenommen,  ^crrfc^en  laffen.  2)o6  er  fic^  burc^  folc^e 
9tat^fd)lägc  unb  ^lanc  bie  5Rad^c  ber  itlcrifei,  überhaupt  Unge« 
mad)  aller  Hrt,  iujiel)en  merbe,  barüber  töufd;t  Jütten  fid)  nic^t; 
aber  er  mill  eS  gern  auf  ficb  neunten,  menn  er  feine  patriotifdjcn 
51bfic^ten  burc^fepen  tann.  UebrigenS  gel)cn  biefe  feineSmegS  ba= 
l)in,  ba§  man  bic  Pfaffen  oertilge,  fonbern  nur  baf)in,  baß  mau 
fie  oon  bcm  ÜJ^’tßiggang  unb  ber  Ueppigfeit  abjießc,  fie  anroeife, 
mirflic^  (^ciftlid)c  fein,  bie  fid)  nur  mit  bcm  .^eiligen  befc^öfs 
tigen,  unb  bic  Sicligion  nic^t  ju  einer  gunbgrubc  fc^nöben  SJe* 
minneS  mad)en. 


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278 


II.  1-  fta))UeI. 


3)ic  öcmcrfmtg,  wcld^c  baS  tüo^lgcfittntc  Jic'&cr  sulcht  noc^ 
t)intt)irft,  unb  in  welche  Jütten  einftinimt,  ba§  öor  aÜcn  Gingen 
^om,  aU  bic  Oueüc  biefer  Uebel,  gereinigt  lucrbcn  müffc,  ift 
gleic^fam  eine  SBertücifung  auf  bag  näc^ftc  ©cfpräc^:  SBabi^uö, 
ober  bie  römifc^e  S)reifaltigfcit,  baö  iftom  unb  feine  SSerberbnig 
j^um  unmittelbaren  ©egenftanbe  ^at. 

^uf  ber  anbern  ©eite  trifft  in  biefen  am  ©c^luffe  ber  Fe- 
bris  secunda  Oorgetragenen  Sbeen  Jütten  mit  Sut^er  jufammen, 
an  beffen  Spanier  auc^  in  formeller  §infid)t  ber  ßug  erinnert, 
bag  Jütten  fic^  burc^  baä  gieber  anfforbern  lägt,  fein  Sßor^aben 
burc^  Sibelfprücge  ju  begrünben;  maö  er  fofort  mittelft  Slnfü^- 
rung  oon  allerlei  ^ropljetenftcllen  tl)ut. 


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279 


# 


JBmtxUs  fiopittl. 

Stt!f(^ie6nte$  Jiitffreteti  gegen  Itom.  I^et^afttiil  |tt  c^ntper. 

1519.  1520. 

Um  bicfe  mar  ^uttcn'ö  2(ufmcr!famfcit  auf  fiutl)cr 
liiert  bic  glcid)ßültifle,  halb  ironifc^c  mc^t,  bic  fic  itoc^  mö^renb 
fcincö  augöburger  ^(ufcntt)attö  gemefen  mar.  Snöbefonbere  feit 
ber  leipziger  2)iigputation  im  ©ommer  1519  unb  ben  burd)  fic 
ucran tagten  ©c^riften  ßiit^er'^  mar  cö  nidjt  länger  möglicg,  fei^ 
nen  $anbel  alö  ein  blogeö  SJ^önc^^gejän!  nehmen.  Jütten 
erfannte  in  i^m  einen  ©treiter  für  biefelbe  ©aege,  ber  aud)  er 
felbft  fic^  gemibmet  gatte,  unb  mürbe  gerne  mit  igm  in  SBcrbin^ 
bung  getreten  fein,  gatten  niegt  äugerc  ©ergältniffe  uorerft  im 
fiJege  geftanben.  Unmerflicg  fegob  fieg  in  ben  SJiittelpunft  uon 
^uttcir^J  Sntereffe  ftatt  bc^  ^^umaniömuö  bic  ^Reformation , ftatt 
fRcucgÜirö  ßutget  üor:  ogne  bag  er  barum  in  ber  treuen  ^In^ 
gänglicgfeit  an  bie  alten  ©egenftänbe  feiner  Seregrung  natgs 
gelaffen  gätte. 

2öic  er  mägrcnb  beS  mürtembergifegen  gclb^ugcö  feinen 
ritterlicgcn  greunb  oon  ber  ©bernburg  für  IReucglin  ju  intcreffi- 
ren  mugte,  ift  an  feiner  ©teile  gemelbct  morben.  9ticgt  nur 
angenblidlifgen  ©cgup  gatte  ©iefingen  bem  angefoegtenen  ^Itcn 
gemägrt,  fonbern  aueg  fernem  ^ugefagt.  2)urd)  boi?  päpftlicge 
mandatum  de  supersedendo  tuar  IReu^lin’d  ^anbcl  mit  ben 
if^ölncrn  nur  niebergefcglagen,  niegt  nu^ctragen;  ber  in  ©peier 
5U  feinen  fünften  gefällte  ©prueg  mar  auger  i^raft  gefept,  mag* 
renb  ,god)ftratcn  unb  bic  ©einigen  nid)t  aufgörten,  ign  unb  feine 
greunbe  in  9tebc  unb  ©egrift  Uerunglimpfen.  Äaum  auö  bem 


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280 


II.  $U(^.  2.  jlopitel. 


gelbe  ^urücf(^efel)rt,  erliefe  ba^er  gran^  oon  0icfingcn,  am  grei= 
tag  nac^  @t.  Safobi^  Xag,  eine  ©rforberung  unb  3^crfünbung  an 
^rooinjial,  ^rioren  unb  Sonuente  bc^  ^rebigerorben^  beutfc^cr 
^Jiation,  unb  fonbcrlic^  an  ben  iöruber  gafob  |)od^ftraten,  oon 
megen  beö  l)orf)gelel)rten  unb  meiJ  berühmten  §errn  gewann 
9ieuc^lin,  beiber  9flcd}te  2)üctür!S.  5lllgemein  fei  cs  befannt,  mic 
fte  biefen  betagten,  erfahrenen,  froimnen,  funftreichen  Ü)iann,  miber 
päpftlicheö  Verbot  unb  faiferliche  2öillen(Smeinung,  burch  unbe* 
grünbete  ^ppcllatiüu  gegen  ba^  fpeierfchc  Urtf)eil  aufjuhalten  unb 
ju  befchabigen  gefuc^t  haben,  auch  ^^och  immer  burch  unjiemliche 
©chmadhfehriften  auäutaften  fortfahren.  2)a  nun  ober  er,  granj, 
alg  Liebhaber  oon  9^cd)t  unb  Jsbilligfeit,  in  iöetracht  ferner,  bafe 
S^euchlin  feinen  (Jltern  oftmals  gefällige  ^)ienfte  erjeigt,  aud),  fo 
üicl  an  ihm  geiuefen,  fidj  befleifeigt  höbe,  ihn,  gronj,  in  feiner 
gugenb  j^u  fittli(^er  Xugenb  ^u  untermeifen,  ob  fold)em  ihrem 
gnrnchmen  nicht  unbillig  SJtifefaüen  trage:  fo  ftehc  an  ©ruber 
|)ochftraten  unb  beffen  Drbenöobere  fein  ©egehren,  gemelbten 
Doctor  Sfleuchlin  fortan  ruljig  ju  laffen,  auf  ben  @runb  beö  fpei^ 
erfchen  Urtheilö  ihm  ©enugthuung  ;\u  geben,  unb  in^befonbere 
bie  ihnen  auferlegten  ©rocefefoften  im  ©etrage  oon  1 1 1 gl.  an 
ihn  ^u  entridjten,  unb  jmar  binnen  3J?onatöfrift  nach  Ueberant= 
toortung  biefe^  ©rief^ ; fonft  toerbe  er,  (Eictingen,  fammt  anbern 
feinen  .Herren,  greunben  unb  ÖJönnern,  loiber  fie,  bie  ganje  Drben^^ 
orooin^  unb  bereu  ^^Inhänger.  fo  hönbeln,  bafe  Dr.  Sfteuchlin,  al^ 
ein  VUter,  gvommer,  unter  ben  .pochgelehrten  nidjt  ber  Weberft, 
oefe  (S()re,  .^tunft  unb  2ob  in  loeiten  fianben  erfchoUen  unb  aue^ 
gebreitet,  fold)er  gemoltiger  2)urchochtung  enblid)  Oertragen,  in 
Diefem  feinem  ehrlich  hergebrachten  ^iUter  bei  fRuhe  bleiben,  boffelbe 
auch,  fö  oicl  (^ott  gefalle,  frieblich  befchliefeen  möge,  unb  baburch 
oermerft  merbe,  bafe  oielen  hohen  abelichen  unb  anbern  trefflichen 
melt liehen  ©tönben,  gefchioeigc  ber  §od)gelehrten  unb  ©eiftlichen, 
ihre  (ber  2)ominicancr)  bisher  gegen  Dr.  fReuchlin  geübte  ^anb^ 
Inng  oon  öer^en  unb  (SJemütl)  leib  gemefen  unb  nod)  fei^. 

©alb  noch  (Jrlafe  biefeö  gehbebriefcö  gegen  feine  geiftlidjen 
©erfolger  brach  inbefe  über  fReuchlin  oon  neuem  ein  mirflicher 
ÄriegiJftnrm  herein,  gm  ©eptember  fiel  ber  faum  anögetriebene 

1)  llutteiii  Operum  Supplem.  I,  ^,^438 — 440. 


Sidingen^S  Sertoenbung  fUr  9{eud^Hn. 


281 


Ulrich  wiebcr  in  fein  2anb.  SBic  er  gegen  bie  ^nuptftobt 
^eranjog,  gebockte  iRcuc^lln,  ber  i^n  ^agte  unb  fürrf)tete,  erft 
ju  entweichen,  blieb  bann  aber,  um  feine  ^abfeligfeiten  nicht 
preidjugeben,  hoch  ^urücf.  @)roge  (Sinbuge  warb  ihm  gleichwohl, 
als  ber  Vertriebene  fich  ber  (Stabt  wieber  bemächtigte,  nicht  er» 
fpart,  unb  aU  nach  bangen  S35ochen  Ulrich  äum  jweiten  male 
Stabt  unb  ßanb  räumen  mugte,  legten  bie  cinrüefenben  Vünbifchen 
auf  Vcuchlin'd  ©igeuthum  Vefd)lag,  biö  $erjog  SBilhclm  üon 
Vaiern  ihn  in  feinen  Schuh  nahm.  ?(ber  e«  war  ihm  unbehag« 
lieh  ^cr  oon  Parteien  jerriffenen,  julept  auch  ?^^ft 

hcimgefuchteu  Stabt,  unb  im  9looember  1519  ficbelte  er  Oom 
Sllccfar  an  bie  ^onau,  nach  Sngolftabt  über.  ?tuch  hi^^  jeboch 
war  er  3(nfang3  in  fehr  gebrüefter  Stimmung;  erft  burch  ben 
Vtocefe,  bann  burd)  ben  Ätieg  in  feinen  9Witteln  erfchöpft,  hätte 
er  feine  mühfam  geretteten  golbenen  Sparpfennige  oerfilbern 
müffen,  wenn  ihm  nicht  ber  ftattliche  ^irdheimer  30.  (^olbgulben 
oorgeftreeft  hätte. 

®och  jept  fing  auch  Sidingen'ß  gehbebrief  an,  feine  2Bir= 
fung  j^u  thun.  Um  SBeihnachten  fam  ber  ^ominicanerproüinjial 
bem  Flitter  nach  ßanbftuhl,  unb  auf  fein  Vebeuten  machten 
fich  balb  barauf  jwei  Slbgefanbte  bed  0rben§  ju  9leud)lin  nach 
Sngolftabt  auf  ben  Söeg.  So  fleinmüthig  biefer  oft  war,  fo  war 
er  hoch  flug  genug,  fie  an  J^ran,^  oon  Siefingen,  al^  feinen  Ve* 
DoUmächtigten,  ^urücf^uweifen.  Von  biefeni  „^ereule^"  erwartete 
er,  ba§  er  ben  i)Ud)töWÜrbigfeiten  feiner  VJiberfad)er  ein  (Snbe 
machen  werbe.  Grft  oerfuchten  bieje  allerhanb  Sßinfel/^üge , oer^ 
langten  griften  u.  bergl.,  aber  Siefingen  jeigte  ihnen  ben  @rnft. 
Um  bie  Unterhanblung  mit  ihm  ^u  erleichtern,  ueranlofetcn  fie 
nun  ben  ^ochftraten,  feine  ?lcmter  al8  $rior  unb  3nquifitor 
nicbcTj^ulegen,  unb  ;\u  @nbe  bed  ÜJ^ai  1520  hatte  9leu^lin  bie  ihnen 
in  Speier  aufcrlcgten  Vroeeßfoften  in  gutem  @olb  in  .gänben, 
baö  ihm  nad)  ben  fd)weren  ©inbuhen  jeber  2lrt  wohl  ju  Statten 
fam.  Ueberbieh  erlieheu  bie  ^)ominicaner  ein  Schreiben  an  ben 
Vapft,  in  welchem,  unter  ehrenoofler  ©rwäl)nung  Vcuchlin'ö,  um 
gän^^liche  ^inlegung  beö  ©anbelö  auf  ewige  ßciten  gebeten  war '). 


1)  ^Die  Sdege  )u  obtQcr  flnbrn  ftfb  in  HutieniOpp.SuppIom.  I, 

S.  440—448.  SflI.  Erasmi  Spongia,  Si^riften  11,  S.  279,  unb 


282 


II.  $uc^.  2.  ftapUel. 


®aüon  ipar  inbcffen  btc  SÖQarjaI)lun0  ba^  cinätfle  Sflccöc;  allcö 
SBcitcre  war  bcr  fd^änblic^fte  ^faffcntruß,  toh:  ber  bicbere  S^cuc^lm 
nur  gar  ju  halb  erfal)ren  foHte. 

SäJöbrenb  Jütten  auf  biefc  SSkifc  für  fRcucblin  uub  bcn 
^umaniömu^  ju  inirfcn  fortfu^r,  fu^tc  er  nun  boc^  juglctcb  bie 
tüc^tigftcn  feiner  alten  greunbe,  feine  löunbcgßcnoffen  im  Äampfc 
gegen  bie  fölnifc^cn  2)unfelmönner , in  baö  neue  entfe^eibenbe 
Unternehmen  gegen  ?Rom,  aU  ben  Äopf  be^  SBurmS,  hineinju* 
jtchen.  ©chon  im  ?luguft  1519,  fur^  nach  feiner  §eimfchr  au8 
bem  mürtcmbcrgifchen  gelbjuge,  fchrieb  er  nach  längerer 
mieber  an  bie  erfurter  greunbe,  @oban  ^effc  unb  ^etreju^  ®bcr= 
bach.  @r  befchmert  fich,  ba§  bem  erftern,  ber  im  nötigen  ^erbfte 
burch  SRainj  gefommen,  bie  jehn  bi^  gloölf  Steilen  ju  oiel  gc* 
roefen  feien,  um  ihn  (muthmaglich  auf  ©tccfelbcrg,  mohin  er  nach 
IBoHenbung  ber  ©uaiaMSur  um  SSinteröanfang  1518  non  Äug^ 
bürg  auö  fich  begeben  hotte)  ju  befuchen;  bag  ©berbach  feit  nicr 
3al)ren  ihm  nicht  gefchrieben : bag  2)^utian  nollenbS  burch  feinen 
)örief  noch  fonft  ein  bezeuge,  bag  er  ihm  nicht  böfc  fei. 

Jütten  ahnt,  bag  fein  5luftretcn  in  neuefter  3^‘it  bem  behutfamen 
SJfanne  migfallcn  fönnte;  er  lägt  ihn  chrfurchtönoU  gtftgen  unb 
nerfpricht,  bei  ehefter  Gelegenheit  an  ihn  ^u  f^rciben.  3)cu  bei= 
bcn  jüngern  greunben  fegieft  er  bie  imcite,  noUftänbigc  ^tuögabc 
feiner  Xürfenrebe  ju  unb  fnüpft  bie  grage  baran,  ob  niegt  aueg 
fic  cinmol  ettnaö  für  5)eutfcglanbö  greigeit  ^u  magen  gebenfen? 
@oban  höbe  in  feiner  5lnttnortöcpiftel  gtalienö  eine  gcmaltige 
grciheitöliebe  angefünbigt;  nun  ftege  er  ab,  nicUciegt  bureg  bag 
©(gelten  eines  (SurtifanS  ^urüefgef^reeft.  @r  folle  feine  guregt 
gaben.  @S  merben  megr  ©cgriftftcller  biefer  fHiegtung  auftreten, 
als  et  benfe.  Unb  fein  rugmlofeS  Söagnig  merbe  eS  fein.  SEBic 
er,  Jütten,  ber  Gelegenheit  mahrnegme,  folcge  ^u  gewinnen,  bic 
oiel  oermögen,  aber  biSger  bic  ©aege  niegt  oerftanben  gaben,  unb 
fiel)  nun  gerne  üon  igm  unterrichten  laffen  (er  meint  oor  allen 
granj  oon  ©iefingen),  follcn  fic  fünftig  erfahren.  @r  fegmiebe 
jefet  an  einem  Gefpräcg  mit  bem  Xitel : Trias  Roinana,  baS  ^cf*= 
tigftc  unb  greimütgigfte,  maS  bis  bager  miber  bic  römifegen  Golb= 


ben  X)tolo0,  Conciliabulum  theologistarum  mit  B5dltna*g  ^InmeifMng,  in 
gutten’9  ^(^riften  IV,  8.  575. 


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Ratten  loitbt  für  bte  Sleformation. 


283 


fauler  ^ci^öuöcfcfommeit.  @o6a(b  ci  fcrtt(^,  fotten  fic  cö  fiaben. 
Urtb  ßberbod^,  ber  felbft  in  9lom  gcinefcn  fei  unb  bie  fRäufc  ber 
* bortitjen  Sctrüflcr  fennen  gelernt  ()abe,  ob  er  bem  SBaterlanbe  bie 
gruc^t  feiner  @tubien  ganj  ent^ie^en  rooUe?  „Öleibe  nic^t  für 
immer  ftumm",  bittet  er  if)n,  „fonbern  bric^  einmal  loö!"  Unb 
c^e  er  noc^  ?lntmort  batte,  fc^rieb  er  im  Detober,  oon  ©tecfelberg 
aus,  noch  einmal  an  ßoban  in  gleichem  0inne.  SöaS  er  biefem 
fürjlicb  oon  feinen  ?(rbeiten  gefrf)rieben,  b^be  ben  ßmeef  gehabt, 
ju  erfahren,  maS  er,  ßoban,  unterbeffen  treibe?  ob  er  nicht  auch 
für  ben  fRuhm  beS  öaterlanbeS  unb  feine  Befreiung  oon  bem 
päpftlichen  Soche  etmaS  magen  moUe?  @r  möge  hoch  etmaS  unter» 
nehmen,  unb  tooS  eS  fei,  ihm  j^u  feiner  Slufmunterung  oorher 
mittheilen.  2)Ut  Suther  gemeinf^oftlichc  Sache  ^u  machen,  \)xn^ 
bere  ihn  bie  fRücfficht  auf  ben  ßrjbifchof  ^llbrecht,  ber,  ob^mor 
ohne  @runb,  ber  SReinung  fei,  biefer  §anbcl  gehe  ihn  an;  mo* 
burch  ihm,  Jütten,  fürjlich  eine  treffliche  Gelegenheit  entgangen 
fet,  bie  Schmach  beS  öaterlanbeS  (ohne  3^cifel  burch  §luftretcn 
gegen  einen  oon  Suther'S  Gegnern)  ^u  rächen.  Snbeg  thuc  er 
boS  nichtSbeftoroeniger,  unb  oieüeicht  beffer,  meil  er  nur  feinem 
eigenen  ?(ntriebe  folge ; mährenb  Suther  feinerfeitS  an  fütelamhthon 
einen  tüchtigen  SRitarbeiter  habe  ‘). 

3m  3anuar  1520  mar  Jütten  bei  ©iefingen  aufSanbftuhl 
unb  fucl)te  ihn  ebenfo  für  Suther,  mie  furj  oorher  im  mürtember' 
gifchen  gelblager  für  fReuchlin,  ^u  ftimmen.  £utl}cr  hatte  fich  in 
ber  leipziger  Disputation  gegen  ben  öt^imat  beS  römifchen  Stuhls, 
gegen  baS  jtoingenbe  9lnfehen  ber  ßoncilien  erflärt,  hatte  beS 
Oerbronnten  §u6  fich  angenommen;  fein  SBiberfachcr  ßcf,  burch 
ben  Schriftenmechfel  über  bie  Disputation  noch  mehr  erbittert, 
bereitete  fich  5“^  ^cife  nach  fRom ; ba  mar  unfehmer  oorauSju» 
fchen,  maS  fommen  mürbe.  öereitS  mar  £utl)er  burch  einen 
Grafen  Oon  SolmS  brieflich  bei  Siefingen  empfohlen ; um  fo 
leichter  gelang  eS  §utten,  biefen  ju  überzeugen,  bag  Suther  ein 
Öiebermann,  unb  gerabe  beghalb  ben  9lömlingen  oerhagt  fei. 
3cjt  erhielt  er  oon  Siefingen  ben  Sluftrag,  an  ßuther  zu  fchrei» 
ben,  menn  ihm  in  feinem  ^anbel  etmaS  SBibrigeS  begegnen  foüte 


1)  f)ie  mi§  Vtain)  unb  @te(feI6erg  bom  3.  Vuflitfl  unb  26.  Cc> 
tober  1519  in  ^tkn*S  1,  8«  301—303.  313  f. 


284 


II.  2.  jfa)}tiel. 


unb  er  feine  nnbere  §ü(fe  ^ätte,  möd^te  er  nur  ju  i^m-  fommen, 
er  wolle  für  if)ii  tf)un,  waö  er  fönne.  S(n  ßutfjer  felbft  fd^rieb 
nun  Jütten  auö  9^iücffid)t  auf  (Srjbifcbof  ^llbrec^t  nic^t,  fonbern, 
nac^  SD^ainj  jurüdgefe^rt,  an  9Welanc^tl)on , ber  eö,  o^nc  oon 
^utten’dSBermittelung  etwa^  ju  fagen,  anßutf)cr  auöric^ten  unb 
ibn  ^ugleic^  üeranfnffen  jotlte,  feinen  I)od)f)erjigen  S3cfc^ü|er  in  • 
einem  Schreiben  ^u  begrüSenO-  SBie  fefjr  biefe^  Anerbieten 
©icfingen%  bem  halb  ein  äf)nlid()eö  be)§  frönfifd^cn  fRitter^  0liU 
üefter  oon  (Schauenburg  folgte,  ba^u  beitrug,  Sut^er  in  einer  be® 
benflichen  ßcit  5U  ermuthigen,  unb  wie  er  ber  Anbeutung  ^utten'^ 
erft  burch  ©riefe  an  it)n  unb  ©iefingen,  in  ber  golge  bur^3u^*9' 
nung  einer  (Schrift  an  ben  iefetern,  cntfprach,  ift  befannt. 

3J^it  fchrieb  §utten  fech^  Sßo^cn  fpöter  in  einer 

©eilage  5U  bem  oorigen  ©riefe,  ber,  fchledhtbeftellt,  an  ihn  jurücf^ 
gefommen  war,  oon  (Stecfelberg  au^  an  äRelanchthon,  mit  ^vanj^ 
habe  er  gro^e  unb  überaus  wichtige  ^lane;  wäre  9)kIanchthon 
bei  ihm,  fo  wollte  er  ihm  münblich  etwoö  baoon  oerratl)cn.  ^)en 
ginfterlingen,  hoffe  er,  foüe  eg  fchlimm  gehen,  unb  allen,  welche 
bag  römifchc  3och  über  ^eutfchlanb  bringen.  @r  laffe  jeht  ®e= 
fpräche'  bruefen : ®ie  römifche  2)reifaltigfeit  unb  ^ie  Anfehauen* 
ben,  00m  höchften  5^*eimuthe  befonberg  gegen  ben  ©apft  unb  bic 
^lünberer  2)eutfchlanbö ; er  hoffe,  fic  follen  bem  SJtelanchthon 
gefallen,  ober  bocl)  nicht  mißfallen,  ©or  allem  möge  er  mit 
Suthern  reben.  äöeun  beffen  .Jpanbel  fich  irgenbwie  zweifelhaft 
anlaffe,  fo  möge  bcrfelbc  fid)  nur  ungefäumt  zu  auf  ben 

iöeg  machen.  Unterwegg  fönnte  er  mit  ihm,  |)utten,  zufammen- 
treffen;  hoch  wiffc  er  nicht,  ob  er  gerabe  auf  0tcdelbcrg  fein 
werbe,  benn  er  muffe  in  wenigen  Xagen  reiten,  ßuther  foöte 
über  gulba  reifen,  bort  werbe  er  bei  bem  Söirthc  z^ioi  ©ären 
erfahren  fönnen,  ob, Jütten  baheim  fei;  er  habe  bann  nur  wenige 
ÜUieilen  big  Stedelberg.  treffe  ihn  Suther  hier,  fo  wolle  er  il)m 
auch  ein  fReifegelb  fchenten,  wenn  er  cg  bebürfen  foUtc.  9Jielanch' 
thon  möge  ihm  nur  ungefäumt  entweber  nad)  gulba  ober  2)^agbcs 
bürg  Antwort  geben  *). 

Auf  Stecfelberg  oollcnbctc  .^litten  bie  oben  enoähnten  ^ia^ 


1)  ^(lanc^t^on,  ^atn),  20.  ^n.  1520.  St^riften  I,  6.  320  f. 

2)  stedelberg,  26.  Februar  1520.  S(^Vi|ten  I,  S.  324  f. 


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J^utten  unb  Sui^er. 


286 


löge  unb  ^atte  gerabe  öierje^n  Xage  üor  bem  lebten  ^Briefe  an 
SWclanc^t^on,  am  13.  gebruar  1520,  bie  Zueignung  be^SSabi^cu^ 
an  ben  uiclgerciften  iRitlcr  unb  furfürftlic^  mainjifc^cn  Sflatl), 
@€baftian  non  91oten()an,  gefc^rieben.  @r  nimmt  bem  ©c^mager 
beinahe  übel,  bafe  er  (in  einem  ©riefe,  mic  fd^eint)  erft  fragen 
lönne,  ob  Jütten  etma^  fc^reibe?  $abc  er  bieg  in  ber  Unruhe 
bc^  §oflebcn^  nicht  laffen  lönnen,  fo  labe  i^n  ja  auf  ©tccfelberg 
bie  (Jinfamfeit  hoppelt  bo^u  ein.  „®aüon  h^ft  bu",  fährt  er 
fort,  „einen  ©emdö  an  bem  ©efpräch  ©abiäeug,  melche^  mir  mit 
anbern  biefe  Sfluhe  unb  biefe  ©erge  gebracht  SBenn  cö  ^ 

beinen  ©eifall  geminnt,  fo  wirft  bu  auch  meinen  (5ntfcf)(u§,  mid) 
auf  einige  3cit  uom  §ofc  ju  entfernen,  nicht  miSbilligcn.  3ch 
will  bir  ba^  ©üchlcin  nicht  al?  gut  empfehlen,  ba  ber  ©egeits 
ftanb,  Don  bem  cg  hanbclt,  ber  fd)lcchtcfte  ift ; alg  frei  unb  wahr 
möd)te  ich  eg  oiclleid)t,  unb  unter  biefem  9tamen  mug  eg  bir 
auch  om  willfommenftcn  fein,  geh  felbft  bin,  wenn  irgcnbwo, 
in  biefem  ©üchlcin  mit  mir  jufrieben.  Unferc  grcil)cit  war  gcfeffelt 
unb  oon  beg  ^apfteg  Striefen  gebunben:  id)  löfc  fie.  ©erbannt 
war  bie  SBahrheit,  oerwiefen  über  bie  ©aramanten  unb  3nbcr 
hinaug:  ich  P^h^c  fie  ^urücf.  @iner  folchcn  unb  fo  großen  Xl)ot 
mir  bewußt,  mache  ich  ouf  feine  öffentliche  ©elol)nung  9lnfpruch. 
®ag  nur  wünfehe  id},  baß,  wenn  mid)  jemanb  beßwegen  oerfolgeii 
foUte,  alle  ^uten  bie  ©crtl)cibigung  meiner  Sache  übernehmen 
mögen.  3)ag  foll  ber  üol)n  biefer  Arbeit  fein."*) 

^)cr  ©abigeug  ober  bie  römifd)c  ^rcifaltigfeit  nimmt  unter 
ben  fünf  Dialogen,  welche  fofort  im  2lpril  1520  gebrueft  erfchie* 
nen,  ber  Drbnung  nad}  bie  uierte,  ber  SBichtigfeit  beg  3nl)altg 
wie  bem  Umfange  nach  bie  erftc  Stelle  ein.  @r  ift  Jputten'g 
aiianifcft  gegen  ©om,  ber  §anbfd)ul),  ben  er  ber  $icrar^ie  l)in= 
warf;  mit  ihm  war  in  ber  3!höt,  wie  ^uttcn'g  2Bahlfpru(h  fogte, 
bog  iloog  geworfen.  Unb  ^^war  ging  biefer  hierin  2utl)ern  er^ 
muthigenb,  5um  Xl}cil  felbft  weg^cigenb,  uoron ; beffen  2lbfagebrief 
gegen  ©om,  feine  Schrift  Don  ber  babplonijchen  (%fangcnfd)oft 
ber  Äirchc,  erft  im  October,  unb  aud)  bie  Schrift  an  ben  eprift* 

1)  3)ie  3ueienun(t  in  ^uttrn’S  S4>tiftfn  I,  S.  322.  DoS 
feU)ß  IV,  6.  146—269.  3n  meiner  Ueberjegung  öon  ^utten’S  @ejprä(^en 
e.  94—185. 


286 


II.  %u(l^.  2. 


(idjen  Slbcl  bcutfc^cr  Ölntiou  crft  im  3uni  beffelbcn 
erfc^ienen  ift. 

®cr  0d^oupla|  bcd  ©efprä^ö  ift  granffurt  om  Warn. 
^uttcn,  uüc^  immer  qU  mainjifdjet  ^ofmami,  bod^  in  freiem 
®icnftucrl)ültnig  üorgeftcUt,  fommt  mit  bem  Üurfürften  niib 
beffeu  näd^ftcr  Umgebung  (morunter  ©tromer)  bal^in.  §icr  trifft 
er  einen  alten  greunb,  ®rubolb  genannt,  an,  ber  einft  mit  it)m 
in  ^om  getuefen  ift,  unb  mit  betn  er  fic^  nun  unterhält.  ®en 
®ingong  mad)t  in  gar  anmut^iger  SBeife  baö  jiiob  be^  „ golbenen 
. SD'tains",  mit  feinem  milben  $immcl,  ber  gefunben  2uft,  ber  aii^ 
genehmen  Sage,  ben  beiben  ^errlid^cn  (Strömen,  melc^e  baö  fReifcn 
fon)ül)l  al^  baö  ©inlaufen  üon  9tac^ric^ten  auö  ganj  ®cutfd)lanb 
erleichtern.  „SDaun  bin  ich  auch  Ü)toung",  fährt  Jütten 
fort,  „bag  e^  für  ©elchrtc  ein  befonberg  jufagenber  SBohnort 
fei;  beim  fo  oft  id)  anberömoher  jurüdfomme,  faum  bag  ich 
Stabt  tüieber  im  ©efichte  h^ibe,  fül)le  ich  mich  erfrifcht  unb  cx^ 
muntert,  merbe  auch  nie  bc^  Sefenö  ober  beä  Schreibend  mübe, 
unb  nirgenbd  geht  mir  bie  Arbeit  leichter  oon  ber  ^anb.'' 

ÜJtach  mainjer  S^teuigfeiten  befragt,  melbct  §utten  juerft  eine 
fpafehnftc,  bad  angemeffene  ©ube  eined  reichen  unb  geizigen  ^foffen 
ju  Ä'üln;  bann  aber  eine  oerbrieglichc,  bajs  nämlid}  ber  mainjer 
iöuehbruefer  (Schöffer  oermuthlich)  aud  Scheue  uor  bem  SJerbotc 
ßco’d  X.  fid)  gemeigert  h^bc,  oon  Xacitud  mit  fünf  neu  aufge^ 
funbenen  33üd)ern  eine  l^udgabc  für  2)cutfchlanb  ju  ueronftaltcn. 
|)icr  lüciS  §utten  nid)t,  morüber  er  unmilliger  fein  foU,  über 
bad  ncibifche  Verhalten  bed  römifchen  §ofed  ^u  ber  ©Jeiftedbilbung 
bed  beutfehen  SSolfed,  ober  über  bie  ftumpffinnige  ©ebulb  eben 
biefed  5^oIfcd,  fich  fo  etioad  bieten,  fich  ben  2)rud  ber  SBerte  eined 
SchriftfteUerd,  ber  oon  unfern  ißorfahren  fo  rühmlich  gcfprochcn, 
unterfagen  ju  laffen.  2)ic6  führt  bie  Unterrebner  auf  fo  mandhed 
^Inbere,  mad  fich  ^ic  beutfehen  uon  9lom  gefallen  laffen ; ^^ugleich 
aber  auch  auf  bie  Hoffnung,  bag,  bei  ben  ind  SJ^aglofe  fteigenben 
ÜJUgbräuchen  unb  ^^ranbfdjahungen,  bie  ©Jebulb  nächftcud  rcigen 
bürfte.  ®iefe  Hoffnung  mirb  gegrünbet  auf  ben  ©ieift  ber  greU 
heit,  meldjer  ba  unb  bort  fid}  ju  regen  anfangc;  auf  ben  Umoillen 
aller  23effcrn,  Uornchmlich  auch  unter  ben  gürften,  über  bic 
römifchen  ^Inmogungen,  ber  fid)  bei  |ebcr  ©Jelcgcnheit  audf^reehe; 
indbefonbere  and)  auf  ben  neuen  iJaifer.  Söie  immer,  fo  finbet 


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0 


$abiScu§  ober  bie  r5ntifi!(|e  ^reifaliigfeii. 


ÖS7 


fic^  aurf)  ^ter  ^utten'd  Qoxn  baburc^  am  cmbfinbficl^ften  gcftacbelt, 
ba§  biefc  Stolicncr  bcn  ^cutfc^cn,  bereit  @utmütl)i(tfeit  fie  mi6= 
brauchen,  erft  foiiieu  ®an(  miffen,  foiibcni  fie  bafür  nur  üerac^ten 
unb  ucr^ö^nen. 

^)üc^  fangen  fie,  fäf)rt  §utten  fort,  felbft  ju  merfen  an, 
bog  c«  mit  leiten  @nbc  gebe,  ba  i()nen  nid)t  oerborgen  bleibe, 
mad  gegen  pe  je^t  olIcntl)albcn  gcrebet  unb  felbft  gefebrieben 
Werbe,  ©o  fei  neulid)  ein  getoiffer  Sßabiöcuö  in  biefen  ©egenben 
gemefen,  ber  feine  511  ?Rom  gemad)ten  33eobad)tungen  in  einer 
für  jene  Station  äuperft  befebimpfenben  unb  geböffigen  äöeifc 
oorgetragen  ^^be  ollcS,  loa^  er  gegen  bie  jebigen 

Sflömer,  ober,  um  feine  ^luöbrflcfe  ju  gebraudjen,  gegen  bie  ^0= 
maniften  unb  S^ömlingc  auf  bem  ^er^en  gehabt,  in  Xriaben 
gebracht,  b.  b-  in  (Gruppen  oon  jebeöinal  brei  ©tücfcn  jufammens 
gefteüt.  ,f)ierburd)  beftimmt  ficb  nun  bie  gönn  unb  erflärt  ficb 
ber  3]itel  beö  @cfpröd)ö:  iubem  §uttcn  bie  oon  löabidcuö  aufge= 
fteHten  Xriaben  auö  ber  ©riuncrung  mittbeilt,  aud)  bureb  eigene 
oermebrt,  fo  jebod),  bag  bie  ein, feinen  gefpräcb^tocife  erläutert, 
bisweilen  löngere  ^Ibfdjweifungen  ba, ^mifdjen  gefeboben  werben, 
oon  benen  aber  jcbcömal  wieber  5U  ben  Xriaben  bed  Sabi^cu^, 
alö  bem  cigcntlid)en  ^^b^^nta,  jurücfgelcuft  wirb.  ®iefe  Freiheiten 
macben  pd)  fo,  bag  5.  gefagt  wirb:  brei  Finge  bat  n^on  in 
9tom  im  UeberPug  — brei  Finge  pnb  fetten  j^u  Sftom  — brei  Finge 
pnb  in  9toni  oerboten  ->  brei  Finge  bringt  mau  au§  9tom  b^iw, 
u.  bgl.  m.  ift  nid)t  ^u  leugnen,  bag  biefe  gomi  etwad  epi» 
grammatifd)  ^ifante^,  unb  befonber^  etwaö  SSolfötbümlicbcö  unb 
iöebältlicbcd  bot;  woburd)  bie  ungemeine  SGÖirffamfeit  unb  oiel* 
fa^e  Sßerarbeitung  gerabe  biefeö  ^utten’fcben  Fialogö  bebingt 
war.  Fad  l)Ot  S^tiemanb  beffer  eingefeben  ald  Sutber;  benn  in 
feiner  wenige  ÜJionatc  nachher  erfebienenen  ©ebrift  oon  ber  babp* 
lonifcbcn  Ölefongenfebaft  fpriebt  er  gteicbfaCld  oon  brei  3J?auern, 
Welche  bie  Üiomaniften  um  fid)  gesogen,  oon  brei  ^Ruthen,  bie  fie 
und,  um  felbft  ungeftroft  su  bleiben,  geftoblen  hoben.  Uber  ber 
^inoerleibung  in  ein  (^efpräd)  wiberftrebt  biefe  gorm.  Fie  Friaben 
pnb  etwad  gertiged;  ber  wiftige  5Jopf,  ber  fie  erfonnen  l)Ot,  unb 
noch  mehr  ber  (Srsäbler,  ber  fie  and  bem  ©ebä^tnig  wiebergibt, 
bringt  fie  gleicbfam  in  ber  Fafcbe  mit  unb  wirft  fie  wie  ÜRünseu 
ober  ^Jtüffc  aud;  wäbreub  im  Fialog  allcd  entfteben,  ein  Söort 


288 


II.  «ud^.  2.1»a|ntel. 


baö  anbere  geben,  ein  ©ebonfe  fic^tbar  auö  bem  anbern  l^erDor* 
fproffen  fofl. 

5ragt  man,  wie  |)utten  ju  einer  fo  miberftrebenben  SWifcftung 
tarn,  fo  barf  man  fic^  nuV  ber  5^age  erinnern,  mie  er  benn  ju 
bem  luftigen  Xone  feiner  2)unfelmännerbriefc  gefommen  fei.  3n 
ber  X^at  ift  bie  Äntmort  biefelbe : beibe  male  ftecft  greunb  6rotu^ 
baf)inter.  3n  einem  anonymen  @efpräc^,  beffen  Serfaffer  aber 
Oermutl^lic^  (Jrotug  ift,  bem  ’„Äompf  ber  grömmigfeit  unb  be^ 
?lberglauben^",  ift  üon  einem  römifd^cn  (Sonful  SBabi^ug  bie 
IRebe,  beffen  einjigc^  ©efc^äft  fei,  ber  SWenfci^cn  ©itten  ju 
beobachtend).  5)iefer  mutige  !iRenfchenbeobachtcr  ift  toie 
bort  ©rotuö.  9tur  fann  Jütten  nicht,  mie  cd  in  unferm  (^fproche 
,l)ci6t,  feine  Sieben  über  bie  römifchen  3“flänbc  oor  ^ur^eih 
münblich  Don  ihm  oernommen  haben ; benn  (Srotuö  mor,  ald  jener 
ben  Sobidcud  fdhrieb,  nicht  „in  ber  Oegenb'',  fonbern  noch  ab- 
mefenb  in  Stalicn,  unb  tarn  erft  um  bie  3cit,  ald  bie  ©efpräch* 
fammlung  im  ^ruef  crfchien,  nach  ^eutfchlanb  jurücf.  Slber  er 
!anu  feine  Freiheiten  bem  ^reunbe  fchriftlid)  heraudgcfchicft  haben, 
unb  fo,  ohne  ÖJefprädj,  finb  fic  auch  mirflich  in  jenen  Sahren 
oerfchiebentlid)  gebrueft  morben;  einmal  freilich  fa,  baß  man  fieht, 
fie  finb  aud  bem  ©cfpräch  gezogen,  ein  anbermal  aber  fo,  mie 
fie  oermuthlich  beffen  (SJrunblage  gebilbet  haben  *).  S^on  hier  aud 
begreifen  mir  nun  auch  Jütten 'd  SSerfahren.  Fie  Freiheiten 
feined  mipigen  greunbed  reij^ten  ihn,  mie  ben  SJhifiler  eine  SWe^ 
lobie  reij^t,  SSariationen  barüber  511  fdjreiben.  Unb  ben  Sefer  rei^t 
ed  nun,  menn  er  aud  bem  reichen  bialogifchen  Geflechte,  momit 
Jütten  fic  burchfchlungcn , immer  oon  neuem  jene  neefifdhen 
Friabcn  hetDorfpringen  ficht.  Fer  logifdjcn  Drbnung  freilich 
mar  eine  folche  Einrichtung  nicht  förberli^.  $utten  hat  bieg 
felbft  gefühlt  unb  burch  ben  Sludruf  cntfchulbigt,  ben  er  auf  bie 
gragc  bed  Ernholb,  in  melcher  Orbnung  er  fein  Fhema  i^u  be^ 
hanbeln  gebenfe,  fich  in  ben  9Jiunb  legt:  „533ad  Drbnung?  ald 
ob  in  fold)er  Sierfchrtheit  Drbnung  mörc!"  Fod)  nicht  blöd  in 
bem  ^abidcud,  fonbern  auch  in  bem  Ernholb  unfered  @efprächd 

1)  ^uttrn’S  ©c^xiftfit  IV,  6.  571. 

2)  S.  bei  SSöding,  0.  0.  O.  6.  262—268.  SJgl.  meine  Ueber|e^ung 
ber  l^utten’fdben  Oi^ejprad^e,  S.  95  f. 


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5iobi§cu§  obrr  bic  tömijc^e  'SreifaHiflfcit. 


280 


finben  toir  einen  alten  S3efannten.  Jütten  tnill  il)nt  feinen  S3or^ 
trag  nur  unter  ber  33ebin9uncj  galten,  bog  i()m  ber  greunb  bie 
Angelegenheit,  in  ber  er  feinen  ©eiftanb  erbeten,  fleißig  beforgen 
tnoüe;  toorauf  @rnf)olb  enuiebert,  an  3ureben  tuoüe  er  e§  nid)t 
fehlen  laffen,  eö  fominc  nur  barauf  an,  ob  e§  ihm  gelingen  merbe, 
„jene  jiu  Überreben''.  ®iefc  „3enc"  fennen  mir  auö  ber  ©efchichte 
non  |)utten’ö  Srautmerbung;  unb  ba  mir  mit  bem  iBabi^cu^  im 
Jahresanfang  1520  unb  auf  franffurtcr  Soben  ftehen,  fo  fennen 
mir  auch  ben  Srnholb:  eS  ift  fein  anberer  als  §utten'S  5^eunb 
Arnolb  ©lauberger  bafclbft,  ber  Setter  ber  non  ihm  bergeblich 
begehrten  Äunigunbe,  mit  bem  er,  mie  angeblich  mit  @rnholb, 
in  Jtalien  5ufammen  gemefen  mar. 

5Jladh  biefen  Sorbemerfungen  geben  mir  erft  bon  ben  5)reis 
heiten,  melchc  bie  gorm  beS  ©efprächS  bebingen,  etliche  groben, 
bann  bon  ben  ,§auptgcbanfcn  beffelben  eine  Ueberficht.  'S^rei 
^inge  erhalten  91om  bei  feinen  SBürben:  baS  Anfehen  beS  Söl>ftcS, 
bie  4ebeine  ber  ^eiligen  unb  ber  Ablafefram.  ®rei  ^inge  finb 
ohne  3ahl  in  Som:  gemeine  grauen,  Sf^^ffen  unb  @d)reiber. 
®rei  ^inge  bagegen  finb  auS  ?Rom  berbannt:  ©infalt,  aiiöfeigfeit 
unb  grömmigteit ; ober  mie  eS  ein  anbermal  h^i&t-  Armuth,  bie 
Serfaffung  ber  alten  5lird}e  unb  Serfünbigung  ber  SBahrheit. 
5)rei  iinge  begehrt  Jebermann  j^u  IRom:  furje  SWeffen,  alt  @olb 
unb  ein  moUuftigeS  Sieben.  Son  breien  hingegen  1)0^1 
felbft  nicht  gern:  bon  einem  allgemeinen  Soncil,  bon  Deformation 
bcS  gelftlichen  ©tanbeS,  unb  ba§  bie  ^eutfehen  anfangen  flug  ju 
merben.  9JMt  brei  Gingen  h^nbeln  bie  Dömer:  mit  Shrifto,  mit 
geiftlichen  Sehen  unb  mit  SBeibent.  3Dit  brei  Gingen  finb  fie 
^u  Dom  nicht  ju  erfättigen : mit  @elb  für  SifchofSmöntcl,  ^apft^ 
monaten  unb  Annaten*)-  ®rci  ^)inge  macht  Dom  zunichte:  baS 
gute  ©emiffen,  bie  Anbacht  unb  ben  @ib.  ^rei  X)inge  pflegen 
bic  ^ilgcr  auS  Dom  jurücf jubringen : unreine  ©emiffen,  bofe 
D^agen  unb  leere  Seutcl.  ‘I)rci  ^ingc  h^^ben  bisher  S)eutfd)lanb 

1)  j(hrcicnbflen  ^nmofeungen,  wona^  1),  ®i8t^ünifr 

unb  Hbteün  ouSflenommen,  üon  jämmttitben  geifUtthf*'  Steflen  in  Xieuiftbionb 
oUe  bUipnigen,  tncicbc  roil^rcnb  bft  jc(h§  ungfTobtn  SMonotc  (3onuflr,  Wdrj 
u.  l.  f.)  crlcbigt  tourbtn,  ber  ^ejetjung  burc^  bfn  rtaren; 

2)  oon  lebet  0eifUi<hen  SteOe,  bie  über  24  Dutaten  jährÜtb  «trug,  bei  ber 
«ejetjung  ein  3a^re«erlrog  no(b  9t om  beimhÜ  werben  niufttc. 

VU. 


19 


290 


II.  $U(^.  2.  I^apttel. 


nic^t  Hug  tocrbcn  (offen:  bcr  (Stumpffimi  bcr  S^^rftcn,  bcr  Sers 
fall  ber  SBiffenfe^oft  unb  ber  ^IDeröloubc  bcö  Solfö.  ®rei  ^ingc 
fürchten  fic  ju  Som  am  meiften:  bag  bie  dürften  einig  merben, 
bo6  bem  Solle  bie  Gingen  aufgel)cn,  unb  bag  if)te  Setrügereien 
an  ben  Xag  fommen.  Unb  nur  burc^  brei  ^ingc  märe  Som 
juredjt  ju  bringen : burc^  ber  gürften  @rnft,  be^  Solfcjg  Ungebulb 
unb  ein  Xürfenbeer  oor  feinen  X^oren. 

X)en  3nbalt  be5  ©efprödb^  betreffenb,  lönnen  mir  bie  Se^ 
fc^merben  Don  ben  Sorfc^lögen  5ur  Sefferung  untcrfc^ciben.  3enc 
finb  bie  fd^on  feit  mc^r  alö  einem  3o^t()unbert  ^ergebrad^ten ; 
nur  ba§  fte  Don  Jütten  mit  befonberer  ©d)ärfc  unb  Slnbrings 
lid)feit  oorgetragen  merben.  @r  mci^  öor  allem  baö  bebro^lid)c 
Sorfc^reiten,  baö  fc^amlofe  Umfic^greifen  ber  römifc^cnSlnmaguns 
gen  anfc^aulici^  ju  madjen:  bag.  ma$  ebebem  alö  @unft  erbeten 
morben,  fe^t  aU  9lccbt  geforbert  merbe;  bag  doncorbate,  fc^on 
on  fid)  ^um  S^acbtbetl  bcr  beutfegen  9iotion  gefd)loffen,  in  bcr 
päpftlicbcn  §luölcgung  unb  Slnmenbung  noch  mcit  überfebritten 
merben ; bag  bie  Sefefeung  immer  mebrercr  beutfeben  ^^ircbenftcllcn 
nach  Som  gezogen,  bie  greife  bcr  Sifcbofömäntcl  u.  bgl.  immer 
böl)cr  gefteigert,  immer  melir  ÜÄittel  unb  SBege,  bem  bcutfd)cn 
Solle  fein  ®elb  abjuloefen,  erfunben  unb  eröffnet  merben.  Unter 
anbern  groben  Slcnbmcrlcn  mirb  oueb  beis  tricrer  Sodd  gebaebt, 
bcr  oor  menigen  3al)rcn  auögcgraben,  unb  Oon  bem  ^apftc, 
gegen  einen  ?lntbeil  on  ben  ©pciiben  bcr  Pilger,  jum  fieibrorfc 
dbrifti  gcftempclt  morben  fei.  Äueb  bie  Uebergriffe  in  bie  Seebte 
bcr  fürftlicben  dJemalt  merben,  mit  befonberer  Sereebnung  auf 
ben  jungen  5^arl,  in  bag  gehörige  Bicbt  gefteflt;  bie  angeblicbc 
0^cnlung  jilonftantin'g  augfubrlicb  alg  £ügc  bargetban.  Hlg 
unmörbig  beg  laiferlicben  iltameng  mirb  auch  b^^r  jener  böbmifebe 
Äarl  IV.  bingefteflt,  ber  ficb  oon  bem  ^apftc  Urbon  oon  S^tom 
ougfpcrrcn  unb  aug  3talicn  meifen  lieg.  Xaoor  mirb  bcr  fünfte 
Äarl  bie  Äaifcrebre  ju  retten  miffen,  mirb  feine  5^rone  nicht  oon 
beg  $apftcg  gügen  nebmen,  noch  biefe  güge  lüffen  moUcn.  drfüHt 
er  biefe  drmartung,  fo  mirb  man  ibn  für  meifc  halten ; bie  gelcbrs 
teften  Ültänner  merben  fioblicber  auf  ibn  fingen  unb  Sücber  5U 
feinem  S^Iubmc  fdbreiben ; man  mirb  ibn  alg  Sefcbüjcr  bcr  beut* 
feben  greibeit  begrügen,  unb  mo  er  gebt  unb  ftebt,  ihm  alg  bem 


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SobiScuS  ober  bic  rötnijd^e  2)relfalti0fcit. 


291 


tapfcrftcn,  9crcd)teften , l)od)r)crjigftcn , maf)rl)aft  frommen  unb 
c^rift(id)en,  5ujau^jen. 

2)üd)  bic  finansieHe  Slu^Oeutung  unb  politifc^c  93coormun^ 
bung  ber  bcutfd)cu  Station  ift  noc^  nic^t  einmal  ba^  Slcrgfte,  mad 
biefer  oon  9?om  auö  miberfä()vt.  moralifd)c  SSerberben  ift 

ba^g  gvöfecrc  Ucbel,  baö  lWom  feinen  <B\^  ()at  nnb  oon  bort 

anö  nad)  ^cutfc^lanb  fic^  oerbreitet.  ©eit  3^n[irl)unbertcn  l)at 
auf  $ctri  ©tu^le  fein  achter  9ftad)folger  be^  ^etrnö  me^r,  mol)l 
• aber  9tad}folger  unb  9^ad)al)mcr  bcö  9iero  nnb  .^eliogabalng, 
gefeffen.  ®cr  päpftlit^e  ^offtaat  ift  ein  ^fuljl  aller  SSerborben^ 
^eit.  5)ie  fiegaten,  bie  in  nnfre  Sänber  fommen,  bringen  abfc^eu= 
lid)e,  biefer  Station  fonft  unbetanntc  Safter  mit.  5llfo  nic^t  nur 
feine  geiftlid)en  ©nter,  feine  33clel)rung  unb  (Erbauung,  erfaufen 
mir  ^eutfd)cn  uinS  burd^  ©pcnbnng  nnfrc§  jcitlid)en  ©nteö  an 
9lom,  fonbern,  maö  un^  l)iefür  oon  ba  ^urüeffommt,  ift  nur  ®crs 
berbnig  unb  ©ittenpeft.  2Bir  ^anbeln  nidjt  bloö  fing,  mir  ^an^ 
bcln  fromm  nnb  gottgefällig,  menn  mir  nnfre  ©penben  cinftcllcn 
nnb  bamit  bem  römifd)cn  SBerberben,  ba$  and)  auf  uu3  übers 
ftrömt,  feine  9^al)rung  ent^icf)cn. 

„©cl)ct  ba"  — in  fRom ; mit  biefen  SSorten  im  SRunbe  beö 
Srn^olb  fdjließt  §utten  feine  ^)arftellnng  — „fe^et  ba  bie  grogc 
©trenne  bed  ©rbfrcifeö,  in  mcld)e  ^nfammengefd)lcppt  mirb,  ma«3 
in  allen  fianben  geraubt  unb  genommen  morben ; in  bereu  9}2ittc 
jener  uncrfättlic^c  Ä^ornmurm  fi^t,  ber  nngeljeure  Raufen  grnd)t 
ücrfdjlingt,  umgeben  oon  feinen  §al)lreid)en  äJiitfreffern , bic  un^ 
^nerft  baö  iölut  au^5gefogen,  bann  ba<3  Slcifd)  abgenagt  l)aben, 
je|t  aber  an  ba5  9Rarf  gefommen  finb,  nn^  bic  innerften  ©ebeine 
5erbrec^en  unb  aUeö,  ma§  noc^  übrig  ift,  jcrmalmcn.  SEÖerbcn 
ba  bic  ®entfc^en  nic^t  ^u  ben  SBaffen  greifen?  nic^t  mit  geucr 
unb  ©c^mert  anftümien?  ^ag  finb  bie  ^lünbcrer  unfcrcö  SJa^ 
terlanbcö,  bie  oormalö  mit  @icr,  jept  mit  5rcd}l)cit  unb  SBntl), 
bic  melt^errfc^enbc  Station  berauben,  oom  33 tut  unb  ©c^meiße 
beö  beutfc^cn  33olfe^  fdjroetgen,  auö  ben  ©ingemeiben  ber  Firmen 
i^ren  S53anft  füllen  unb  i^rc  SBollnft  näl)rcn.  3^nen  geben  mir 
^olb;  fie  l)altcn  auf  nnfre  Äloftcn  ^ferbe,  |)unbe,  3D?aultl)icre, 
unb  (o  ber  ©c^anbe!)  J^uftbirnen  nnb  ßuftfnaben.  SJ^it  nnfenn 
@elbc  pflegen  fie  il)rer  33oöl)eit,  mad)en  fic^  gute  Xage,  fleibcn  fid; 
in  ^urpnr,  jänmen  i^re^ferbe  nnb  ÜJianltljierc  mit@olb,  bauen 


292 


II.  2.  Äopitcl. 


^aläftc  üon  lauter  ■äWarmor.  Pfleger  ber  grömnügfeit  ucr^ 
fäumen  fic  biefc  nic^t  alleiu,  tuaö  bod)  }d)on  fünblic^  genug  märe, 
jüubern  üeradjtcn  fie  fogav;  ja  fie  üerle^cn,  bcflecfcn  unb  fd^önben 
fic.  Unb  tüö^renb  fic  früher  burd)  ©^önt^un  unö  föberten  unb 
burc^  Sügen,  Xidjtcn  unb  ^^rügen  uitiS  @clb  abjulocfcn  ttjugten, 
greifen  fic  je^t  ju  ©d^rcefen,  ^roi)ung  unb  ©ewatt,  um  unö,  mie 
hungrige  Söölfe,  ^u  berauben.  Unb  biefc  müffen  mir  noc^  licb= 
fofeu ; bürfen  fic  nic^t  fted^cn  ober  rupfen,  ja  nid^t  einmal  bcrül)- 
ren  ober  antaften.  22ßann  merben  mir  einmal  fing  merben  unb 
unfre  0c^anbe,  ben  gemeinen  ©d)aben,  räd^cn?  ^at  un§  baoon 
frül)cr  bic  oermeinte  9fleligion  unb  eine  fromme  ©djeu  jurücfgcs 
l)altcn,  fo  treibt  unb  ^mingt  um3  baju  je|t  bic  S^otl)." 

iöele^rt,  meint  §uttcn,  baß  ma^re  @ottc5furc^t  unb  abgöt« 
tifdjc  Sercl)rung  ber  päpftlidjen  ^^prannei  fcl)r  ocrfcpicbcne  ^)ingc 
feien,  foUc  unb  merbe  näcpftcnö  baö  beutfepe  ®olf  einpcUig  ben 
mannhaften  ©ntfehlug  faffen,  biefcö  Soep  ab^umerfen.  2)em  5^ör* 
per  ber  Spriftenbeit  folle  fein  bilhcrigc§  §aupt,  ber  ^apft  unb 
feine  ©urie,  nid)t  abgefepnitten,  foiibern  biefc^  nur  oon  ben  unge« 
funben  ©äften,  bic  fid)  in  bcmfclben  angefammclt,  befreit  merben ; 
meld)eö  cinfa^  baburd)  gefepeben  fönne,  baß  ber  ^ranfbeit  bic 
9ial)rung  entjogen,  b.  b-  ben  ÖJclbfpenbcn  naep  9iom  ein  @nbc 
gemaebt  merbe.  ®ann  merbe  ber  römifdjc  $of  fiep  fepon  oon 
felbft  ber  Dielen  9JUijiiggängcr  unb  feiner  anftögigen  Ueppigfeit  • 
entfcblagcn;  aber,  ma-g  er  an  (^lan^  ücrlierc,  an  mabrer  SBürbc 
geminnen.  (@in  anbcrmal  jeboeb  mirb  mcitcr  gegangen  unb  gc^ 
fagt,  jeber  33ifcbof  b^be  fo  oicl  ©cmalt  alö  ber  ju  ?Rom,  benn 
Sbriftuö  fei  ein  Siebbaber  ber  @lcid)beit  unb  ein  geinb  bed  @br^ 
gcpicö  gemefen.)  5lucb  in  ben  übrigen  Säubern  merbe  bic  Ueber* 
japl  ber  ©eiftlicben  fiep  minbern;  menn  aber  oon  bonberten  nur 
(Silier  bleibe,  merbe  c^  genug  fein.  'J)tc  gciftlicben  ©tcHcn  merbe 
man  ben  beften  unb  gclebrtcften  2Känncrn  geben,  unb  biefc  merben, 
menn  fic  mollcn,  aud)  beiratben  bürfen,  um  ben  Einlaß  ^ur  ^u^* 
febmeifung  ab^ufebneiben. 

baö  aUeö  nidjt  fo  glatt  abgeben,  bag  ^apft  unb  Älcrifei 
mit  allen  Sßaffcn,  gciftlidjcn  unb  mcltlicben,  fiep  mebren  merben, 
ba&  mitbin  auep  il)m,  menn  er  ^u  jenen  3)2a6regeln  ratl)c,  (SJefabr 
brot)e,  barüber  töufcbt  fiep  §utten  nicht.  SBobl  tbuft  bu  recht, 
fagt  ipm  ©rnbolb,  gegen  biefe  Xprannei  -^u  fpreeben.  ^ber  bu 


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?(nj(!^Quenbfn. 


298 


mirft  birf)  üor  i()rcn  ^RadjftcHunöcn  ptcn  mttffcn,  bamit  bir  nid)t 
cttvaö  tüibcrfa^rc,  ba^  folf^cn  üJ^ut^cö  nic^t  raurbifl  roärc.  ^cnn 
* mau  barf  jene  gdnbc  nic^t  ucrac^ten.  — t^uc  id)  and)  nic^t, 
crmicbcrt  §uttcn;  aber  ohne  (5Jcfabr  9efd)ic^t  feine  grogc  unb 
benfmnrbigc  ^()at.  — SBo()l  ift  e«  eine  grogc  unb  i)errlid)e  3:bat, 
entgegnet  (Srn^olb,  burd)  9flatt)en,  SOiabnen,  Treiben, 
unb  drängen  baö  SSaterlanb  ju  nötbigen,  bag  e§  feine  0d)mad} 
erfenne  nnb  ficb  ermanne,  feine  urüäterlicbc  ^i^eibeit  mieber  ^u 
erringen,  eine  bnr^s 

fe^t.  — 2öenn  er  cö  aiicb  nid)t  burebfe^t,  meint  Jütten,  fo  ift 
febon  ber  33erfucb  üerbienftlicb,  unb  uielleicbt  mirft  ba^  55cifviel, 
bafi  and)  anberc  baffelbe  magen,  unb  enbü^  bie  SBelt'  in  5^emcs 
gung  fomme  unb  ®cutfd)lanb  fing  merbe.  ^)iefeö  fünnte  nach 
meiner  SJteinung  (Sbnfto,  fönnte  ber  Äird)e  feinen  grö^ern  2)ienft 
erzeigen,  aU^  menn  eö  bemnäd)ft  ben*  ungered)ten  @rvreffungen 
ein  @nbe  mad)tc  unb  fein  (^elb  bebielte:  möchten  bann  jene 
Gopiften  unb  ^rotonotarien  j^n  fRom  immerbin  uerbungern.  — 
ÜJiöd)teft  bu  bie  ^entfeben  ba^n  bereben!  miinfd)t  ©rnbolb.  — 
3d)  will  ed  tücnigftenö  berfndjen,  üerfept  ,?)utten.  — ^ie  SBabr-' 
beit  fagen?  fragt  jener.  - 3cb  werbe  fie  fagen,  ob  fie  mir  and) 
mit  Söaffen  nnb  bem  3:obe  broben.  - 2Bcld)e  Siften  werben  fie 
bagegen  erfinnen ! — Ä'ld)e  33nnbeSgenoffen  werbe  icb  mir  ^uge* 
felicn , welche  <Sd)ubtocbren  aufwerfen ! — ^a^u  gebe  (Sbriftw^ 
feinen  Segen!  ift  (Srnbolb’ö  (^ebet. 

SBcnn  baö  bi^bev  bon  unö  betraditete  (^efpräcb,  bei  aller 
3öud)t  feinet  reformatorifeben  Sub^lt^,  boeb  in  betreff  feiner 
fönftlerifcben  Jbtw  einigem  33ebenfen  unterlag,  fo  finben  wir 
bagegen  in  bemjenigen,  511  bem  toir  un^  nun  wenben,  beibe  Sei^ 
ten  im  febönften  (Gleichgewichte.  atbwet  Sucian’ii^  (Geift  (bem 
and)  ber  Xitel,  bod)  eben  nur  biefer,  entlehnt  ift)  unb  erbebt  ficb 
burd)  bie  SBenbung  am  Sd)tiiffe  i\u  ^^Iriftoph^nifcbcr  §öl)e. 
ift  baö  lepte  in  ber  Sammlung  uom  grübjabr  1520  nnb  beifit 
Inspicientes,  ober  in  §uttcn'!3  fpöterer  93erbeutfd)ung  bie  ^n* 

fd)auenben')- 

Xiefc  5(nfd)auenben  finb  ber  Sonnengott  mit  feinem  Sofin 


1)  €(^ri|ten  IV,  8.  269—308.  3n  meinet  Ueberje^unfl  ber  fputtcn’jc^en 
@ejpräd)c  8.  18tl— 219. 


294 


II.  ?8u4  2.  ifapM. 


unb  SBac^cnlcnfcr  ^^actf)on,  bie,  U)Ql)rcnb  i()rc  9iüffc  nac^  crrcid)* 
tcr  aj^ittOßäl)ö[)c  fidj  ücrfdjnauOcn,  burd)  bic  /icrüjciltcu  SBolfen 
einen  Slief  auf  bie  @rbe  merfen.  @in  t^vogeö  ©ctüminel,  bn^  - 
gerabc  in  ^eutfd^tanb  511  Dcmerfcn  ift,  lenft  ir)te  ?(ufmer!famfeit 
auf  biefeö  ßanb.  53cn)affiiete  unb  UnDetnaffnetc  ,vcl)cn  fd)iieller 
ober  langfamcr,  aHe  nad^  bcmfelben  Drte  l)in,  loo  man  bie  einen 
be^aqlic^  fc^maufen,  bic  anbern  ernftlid)  rat^fd)lagcn,  nod)  anbere 
beibeö  SiiQlcid)  ober  abme^öinnfl^meife  treiben  fict)t.  S)cr  0rt  ift 
Hngöburg,  cd  ift  ber  S^cid^dtag  üon  1518.  ^cm  aKfdiaucnben 
©onnengotte  finb  21?enfd}cn  nnb  SSert)ä(tniffc  Idngft  befannt;  aber 
ber  ©o^n  munbert  fid)  über  manc^ed,  bad  er  fic^t,  unb  erbätt 
nun  Dom  33atcr  5Indfunft  barüber.  3“crft  fällt  ibm  ber  SSiber« 
fprud)  auf,  in  mclcbem  mit  bem  ernften  3'üccfe  ber  33erfammlung 
bad  ungebcure  Xrinfen  ftebt.  ^cr  ^atcr  ftcHt  ben  Sßiberfpriid) 
nid)t  in  5lbrebe,  madbt  übfigend  ben  ©obn  auf  ein,^clnc  9^üdjterne 
aufmerffam,  bic  fidb  in  ber  53crfammlung  finben,  bafür  aber 
freilidb  öon  ber  SD^cbr^abl  ald  gremblingc  angefeben  unb  üeraebtet 
merben.  S^nbeffen  feien  boeb  ein  paar  oerftänbige  gürften  ibnen 
gnnftig,  unb  aud)  mand)c  non  ben  Xrunfenen  fangen  an,  fic  ald 
gelehrte  unb  gefebidte  ßcutc  gelten  ^u  laffen.  Söenn  Jütten  jene 
^runfenen  näher  ald  ^oflcute,  non  bobcni  Söudbfc,  in  geftidten 
Älcibcrn,  mit  gcfräufeltcn  §aarcn  unb  Ä>ttcn  um  ben  .^ald,  bic 
Söaffcrtrinfcr  bagegen  ald  Icibarmc  aber  gciftveid)c,  magere  aber 
febarffinnige  fDMnndbcn  befebreibt;  menn  er  in  ^e;^ug  auf  bic 
leptcrn  ben  (Sonnengott  audrufen  lägt:  „53ebntcn  bic  Götter  bic 
grogen  kleinen!"  fo  fiegt  man  mogl,  bag  er  babei  an  fieg  unb 
eigene  ©rlcbniffe  gebaegt  gol- 

SBäbrcnb  biefer  fllcben  mirb  in  ben  ©tragen  5lngdburgd 
eine  ^^roceffion  fid)tbar:  fie  gilt  bem  päpftlid}cn  Segaten  Sajetan, 
ber  and  feiner  SKognung  in  bic  ^Rcidjdocrfammlung  geleitet  mirb, 
um  gier  bad  33egegrcn  bed  ^apfted  in  betreff  bed  Xürfenfrieged 
oor^utragen.  ^cr  ^rieg,  erläutert  ©ol,  ift  babei  nur  93ormanb, 
bad  ©anje  eine  ©pecnlation  auf  bad  beutfege  ®elb,  bie  aber 
bicgmal  fdjmcrlidg  gelingen  mirb,  mcil  fic  fd)on  allju  oft  fieg 
micbcrgolt  gat.  ^ic  2)eutfdjen  finb  gemipigt,  biegürften  mad)cn 
,yim  2:beil  böfe  @cfid)ter  unb  ber  ßegat  fiegt  niegt  luftig  brein. 
^od)  mirb  ber  bödartige  ©d)leid)cr  noeg  allcrganb  SBcgc  oerfuegen, 
um  ^u  feinem  3iclc  §u  gelangen.  S53ic  lange  mirb  er  biefed  ©picl 


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^te  Vnfd(|QU(nben. 


295 


noc^  fpielcn  ? fragt  ^icr  ^f^aet^on.  ©o  lange,  anttnortct  bcr  ®as 
tcr,  bi^  bic  ®cutfd)cn  loeifc  werben,  welche  jc^t  no^  fRoin  bur(^ 

• §lbcrg(aiibcn  in  öetbörung  Ijölt.  Unb  ift  cö  na^c  baran,  fragt 
jener,  bag  fic  weife  werben?  5lta^c.!  nerfid^ert  ber  Sonnengott;  ' 
benn  biefer  ba  wirb  ber  @rfte  fein,  bcr  mit  leeren  §änbcn  ^eim^ 
fommt,  jiim  großen  Sc^rcefen  bcr  ßeiligcn  Stabt,  wo  man  nießt 
geglaubt  hätte,  baß  bie  Barbaren  fieß  folcßcö  unterftchen  würben. 
So  nämlich,  erläutert  Sol,  nennen  fic  bic  ®cutfchcn,  wie  über? 
haupt  alle  Söller  außerhalb  Stalienö;  ba  hoch  h^wlsutagc,  wenn 
man  auf  eeßte  ©efittung  ficht,  bie  ^cutfehen  baö  gebilbetfte  Soll, 
bie  IRömer  hingegen  bic  ärgften  Sarbaren  finb. 

§icr  fügt  fich  nun  ein  Sunbgemälbe  uon  ben  Sitten  unb 
ber  Staatöoerfaffung  ber  Xcutfehen  ein,  in  weld)cö  fich  §uttcn 
mit  Siebe  oertieft,  ohne  hoch  babei  bic  ÖJefichtöpunfte  au^  bem 
Sluge  5U  ocrlicrcn,  wcld)c  für  fein  ganje^  fchriftftcllerifd)eö  SSir« 
len  bic  Icitcnbcn  geworben  waren.  9tad)  bem,  wag  bcr  Satcr 
oon  ihnen  fage,  lönnten  ihm  bic  2)eutfd)en  fchon  gefallen,  meint 
Sh^Jclßon,  wenn  fic  nur  ihr  Saufen  laffen  wollten.  5luch  bem 
Satcr  gefällt  biefeg  nicht,  befonberg,  baß  bic  dürften  barin  mit 
üblem  Seifpicl  üorangehen ; buch  gloubt  er  bereitg  einige  Seffe^ 
rung  ju  bcmcrlen.  ^ic  hortnäcfigftcn  Xtiiilcr  feien  jebenfaflg  bic 
Sachfen.  Sie  fipen  beftänbig  hinter  ben  Scchcrn  unb  ocrtilgcn 
unbillige  SHaffen  Sicr;  beim  tränlcn  fic  SBcin,  fo  würbe  bcr@r^ 
trag  beg  ganzen  ^cutfchlanbg  für  ihr  Sebürfniß  nid)t  augrcid)en. 
3h^  Hppetit  bleibt  hinter  bem  S)urftc  nicht  jurüd,  unb  bem  Uc^ 
berfluffc  machen  fic  uugefcheut  auf  bic  unpthigftc  SGBcife  Suft. 
Shnethon,  wie  er  fic  fehmaufen  ficht,  glaubt  einem  ©aftmahlc  bcr 
Kentauren  ober  Sapitl)cn  ju^^ufchen.  ör  meint,  bieScutc  müffen 
gar  leine  Seruunft  hoben.  5lber  weit  gefehlt:  bcr  Satcr  belehrt 
ihn,  baß  biefe  toücn  unb  oollcii  (S^icber*)  Sachfen  fo  Ilug  feien 
wie  anbere,  ja  llügcr;  benn  nirgenbg  fei  bag  ©emeinwefen  fo 
woljl  regiert,  nirgenbg  mehr  Sicherheit;  oon  Äörper  feien  fic  ge* 
fünber  unb  ftärlcr  alg  alle  anbern  2)outfchcn,  unb  im  Ähricgc 
tapfer  ohne  ÖJleichen.  ^utten^g  ölunft  ober  S^tachficht  fichert  ihnen 
fchon  bag,  baß  fie,  wie  Sol  berichtet,  oon  Slcrjtcn  nidjtg  wiffen 
unb  oon  ben  Sflechtggclchrtcn  nidjtg  wollen.  Sic  fprcchcn  nach 
bem  ^crlommen  fRed)t  unb  beßnben  fich  babei  beffer  alg  anbere 
bei  ben  gefcheicbciicn  (iJcfcJcu.  ältich  wuubcrt,  feherjt  hi^^’^  ^h^^* 


29Ü 


II.  «u(^.  2.  i^QpitcI. 


tI)ou,  bag  bu  utd)t  fagft,  fic  tücrbcn  burd^  ibr  Xrinfcn  befjer. 
X)aö  faflc  icb  nidjt,  ciitgcflnct  ©ol ; bas?  aber -^cigt  bcrXf)atbcftanb, 
bag  fic  üiclCiS  beffer  aui^ric^tcn  unb  flüger  cinrid)tcn  aU  irgenb 
tpcid^e  9flüd)ternc.  ®icHcic^t,  picint  ber  ©o()it,  ift  if)ncn  ba^  Xrin= 
fen  fd)on  jo  jur  anbern  f)flatur  getporben,  bag  man  fürchten  mug, 
ipcnn  fic  bapon  liegen,  möd;tcn  fic  and)  Pon  igrer  '^icberfeit 
laffen.  200^1  möglid),  Perfekt  ber  anbere. 

Xoc^  fegon  jiegt  ben  jungen  Öetra(^tcr  ein  anbere^  beutfegeö 
^^arobojon  an.  @r  fiegt  Scanner  unb  SBciber  naeft  mit  einaiu 
ber  haben,  fic^  einanber  füffen  unb  uml)alfcn,  unb  baö  aüc^, 
Perfic^ert  ber  SSater  (ja  noc§  mel)r,  benn  fic  legen  fic^  aud^  ipobl 
^ufammen  fc^lafen)  in  3üd)tcn  unb  @^ren.  2iirgcnb^  fei  bic 
ipeiblic^e  0c^am^aftigfeit  reiner  beipal)rt  als?  in  X)eutfd)lanb , rno 
fic  fü  ipcnig  bcmad}t  fei,  nirgenbö  merbe  bic  @()c  ^eiliger  gct)al= 
teil.  Xie  Männer  feien  nid)t  ciferjüd)tig  mic  in  3^talien;  über» 
l)aupt  l)crrjc^c  in  allen  Xingen  Sßertrauen,  0ffenl)cit  unb  Unbe* 
fangenl)eit.  „SEBa^rlid)  fein  fc^limme^  SSolt!"  ruft  l)ier  fßl)act^ou 
anö,  unb  nun  mirb  ber  rotl)bacfigc,  garms  unb  arglofc  Xeutfc^c  mit 
bem  bleid)en,  ncibifd)en,  Pon  Scibenfd)aften  jerfreffenen  Italiener  mit 
feinem  Xolc^  unb  ®ift  in  einen  fpredjcnbcn  (£ontraft  gefegt. 

Einmal  im  3ngc  beä  2Bol)lgcfalIen^  an  ber  beutfe^en  Station, 
finbet  unfer  23cobac^tcr,  nid)t  ganj  mit  9ftcd^t,  auc^  ba-5  l)übfc^, 
baö  bie  Xeutfd)en  feine  gemeine  Äaffc  gaben,  fonbern  im  gaü 
eincö  Äriegö  bie  iioften  erft  j^ufammenfteuern ; ipoburcg  er  auf 
bie  Vülitifcgc  2Serfaffung  Xeutfcglanb^J  ju  fpredjen  fommt.  iöon 
ber  iBicbe  berXeutf(^en  jur  Unabgängigfeit  gegt  er  aug.  Sgren 
gürften  bienen  fie  treu,  aber  in  freier  SBcifc,  ber  eine  biefem, 
ber  anbere  jenem;  inggemein  erfennen  fie  jenen  eilten  bort  (3J?ai*i= 
milian  ift  gemeint)  für  igren  §crrn,  ben  fic  Ä^aifer  nennen;  ben 
egren  fic,  fo  lange  er  nad)  igrem  ©innc  ganble,  ober  fürdjteii 
ign  iüd)t,  feien  igm  aueg  nid)t  fegr  gegorfam : bager  igre  langen, 
unergiebigen  23cratgungcn,  in  benen  fic  menig  ©emeinfinn  geigen  ; 
bager  bie  Piclcn  ©treitigfeiten  unb  inncrlid)en  Äriege  unter  igncii, 
unb  bag  'Scglimmfte,  bag  ber  Äaifer  genötgigt  fei,  biefe  ^u  näg» 
ren,  um  burd)  gegenfeitige  ©djmäcgung  ber  gürften  fieg  oben 
galten,  ©igentgümlidjfciten  freilid),  ipclcgc  bic  Xcutfd)en  j\ur 
.Jierrfdjaft  über  anbere  iöölfer  jiemlid)  untücgtig  maegen.  Unter 
ben  gnrften,  fägrt  0ol  in  feiner  ftatiftifd)cn  23clcgrung  fort, 


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Die  9(nj(^aucnbcn. 


207 


feien  bie  einen  geborene,  bic  anbern  emätjltc:  (e^tcrey  bic  33is 
fc^öfc  unb  gciftlic^en  Herren.  Unb  feien  biefe  an  SÜ^ac^t 
wie  nn  ben  anbern  überlegen:  mer)r  halb  ^entfdjlanb 
fei  Don  Pfaffen  befeffen.  d)aben  bic  3fiac^fominen  bem 

51bcrglaubcn  i^rcr  ®orfa()ren  jii  üerbonfen,  welche  bnre^  3Scrga^ 
bung  ii)rer  @ütcr  an  bicÄirc^e  ihren  ucrarmenben  @nfcin  Herren 
erfauft  hoben.  9lach  ben  gürften  fommen  bic  ©rafen,  unb  an 
fic  fchücgc  fich  ber  gemeine  Slbci  an. 

§ier  fommt  Jütten  auf  feinen  eigenen  @tanb  p reben, 
unb  ba  jeigt  er  gan;\  ben  fWitter^mann.  Unter  bic  fcltfamcn  Er- 
wartungen, bic  man  non  grofeen  EJeiftern  5U  h^-’Ö^n  pflegt , gehört 
auch  bie,  fie  non  ^aufe  auö  über  ©tanbeöuorurthcilc  erhaben  j;u 
finben.  gm  ©egenthcil,  je  ftärfer  in  berglcichen  SJicnfchcn  bic 
9latur  wirft,  befto  ftärfer  jicheu  and)  fold}c  iöanbe  an.  gür  fich 
ift  .Jütten  über  biefe  33efangcnheit  fein  Seben  lang  nid)t  hi»ou3^ 
gefommen:  nm  fo  l)öh<^r  müffen  wir  e^  ihm  anre^nen,  baß  er, 
wo  eö  honbeln  galt,  baö  ®orurtheil  bei  ©eite  ju  fepen  wußte, 
wie  wir  an  feinem  Orte  pnben  werben.  |)ier  fpridjt  er  feine 
ritterlichen  3“=  onb  5lbncigungcn  nod)  mit  ber  nniuften  Offeiu 
herjigfeit  auö.  a)iitfRed)t  läßt  er  bic  fricgcrifd)c  Xüchti^feit,  mit 
3^lccht  and)  baö  an  bem  fRitterftanbe  rühmen,  baß  berfelbe  nod) 
einen  9left  oon  uroätcrlid)cr  0ittc,  oon  altbcntfd)cr  öieberfeit 
bewahre.  ®aß  auf  ber  anbern  'Seite  bic  ^Ritter  burd)  if)tc  geh= 
ben  unb  fRäubcrcicn  Dielen  befchwerlid)  fallen,  leugnet  er  nid)t. 
Er  fucht  eö  aber  ju  erflären.  30m  Xhcil  tl)un  fie  cö,  fagt  er, 
im  i)icnfte  ber  gürften,  bie  fiel)  ber  fRitter  al§  Stü^en  ihrer 
Elcwalt  bebienen.  3oni  2^hf'l  flcfchehe  eö  aber  auch  auö  §aß 
gegen  bic  Äaufleiite  unb  bic  freien  Stäbte.  ^cr  SBiberwiße  ber 
fRittcr  gegen  bie  Äauflente  wirb  auö  ihrer  $lnhänglid)fcit  an  bic 
oatcrlänbifchc  Sitte,  ihrer  ^(bneigung  gegen  baö  grembc  h''*’^ÜC= 
leitet.  Sie  hoffen  in  ben  Älaufleuten  biejenigen,  wcld)c  mit  au^s 
länbifd)en  Stoßen  unb  EJewürsen  Suju^  unb  2Beid)lid)feit  in 
^)eutfchlanb  cinführen.  E‘3  wäre  fein  Seßaben,  meint  ber  junge 
.^ipfopf  ^hoethon,  wenn  cö  ben  fRittcrn  cincö  Xageö  gelänge,  alle 
biefe  fremben  SSaaren  fammt  ben  Äauflcutcn  ju  Dcrtilgcn. 

^utten’ö  Slnfchounng  Dom  .^onbcl  war,  äße  feine  5leußcs 
rungen  über  benfelben  ^nfammcngerechnct,  ftaatöwirthfchoftlich 
wie  culturl)iftorifd)  gleich  ciufeitig.  Er  fal)  in  erfterer  $infid)t 


298 


II.  93uc^.  2.  Papiiel. 


mir  auf  bcu  (bamalö  frcilid^  übertuicgenbcn)  Sinport^aiibcl,  bcr 
ba§  @clb  Quö  bcm  ßanbc  gicl^t;  in  Icgtcrcr  nur  auf  bic  SSer= 
mcl^rung  bet  33cbürfniffc , bic  bcrfclbc  im  ©efolgc  Oat.  SBic 
bcibc§  ftd)  U)icbcr  in's  @Icid)c  bringt,  mie  insbcfonberc  bcr  $anbcl 
als  unfd)ä^barcr  S3itbung^t)cbcl  Don  jc^cr  gcmirft  I)at,  ba§  über* 
fa^  $uttcn,  ^alb  auö  rilterlid)em  SßorurtI)cil , l)alb  anö  fc^uls 
müßig  rt)ctorifd)cm  ©toiciömuö.  ©benfo  menig,  unb  au^  ä^nlic^cn 
Wrünben,  ßat  er  ba3  SBcfcn  bcr  ©tobte  begriffen.  §ln  biefer 
©tcüc  gibt  er  eine  ^öd)ft  fpaß^afte  65cfc^ic^tc  i^rcr  ©ntftebung, 
in  tt)ctd^cr  fic  Icbiglid)  alö  @r5cugniffe  ber  5ßermcid)lic^ung,  atg 
©d^ufemc^ren  für  bic  geigen  unb  Xrögen,  bic  fic^  nic^t  me^r  im 
freien  gelbe  mehren  mochten,  crfc^cinen.  ©olc^c  ®crbcrbniß, 
foldjcn  Slbfall  üon  altbcutfc^cr  ©ittc  ju  l)affcn  unb  511  beförnpfen, 
l)übcn  bic  S^ittcr,  aU  SSertreter  bcr  Icjtcrn,  allc^  ^cd^t;  bo  fic 
aber  jenen  ©ntorteten  f)intcr  ben  SBöHcn  unb  3J2auern  i^rer 
©tobte  nic^t  beifommen  fönnen,  fo  bleibt  i^nen  nid)tö  Slnbercö 
übrig,  olö,  mciin  einer  ouöreift,  if)n  untermegS  nicbcriumcrfcn 
unb  ouö^uplünbern.  ' ©0  bringt  Jütten  am  @nbc  gar  I)crau^, 
baß  bic  ©tobte  für  folc^e  93efel)bung  ben  fRittern  nod^  banfen 
müffen,  meiere  allein  i^r  uöUigcö  S3crfinfcn  in  tröge  Ueppigteit 
uerl)inbcrn.  33cgrciflid)  mußte,  mer  einen  ^irdf)cimer , einen 
'4?cutingcr  ju  greunben  ßattc,  Sluönal)men  unter  ben  ©töbtcbc- 
iüot)ncrn  üorbcl)altcn ; mie,  mer  ber  öffentlichen  ©timmc  jener 
^age  nicht  aH^u  grcH  mibcrfpredjcn  moHtc,  baö  ritterliche  fRaubs 
lücfcn  nid^t  loben  burftc.  5lllcin,  inbem  ^uttch  c^  tabclt,  nennt 
er  cö  hoch  einen  „mannhaften  grcOel";  jene  ©tegreifritter  Oer? 
fahren  ihm  nur  ^u  rauh  gcloaltfam : cö  müßte  fich  ein  gcfe|= 
lieber  SBcg  finben  laffen,  bic  fremben  Söaorcn  au^jufchließen, 
unb  jenen  ©chnjelgcrn  unb  Wienern  bcr  ©chiuclgcrei  bie  SBahl 
,^iüifchcn  einer  anberu  Sebentot  ober  bcr  Sluömanbcrung  ju 
fleUcn. 

^od}  nod)  fchlimmcr  al3  bic  ^auflcutc,  fährt  bcr  bclchrchbc 
©ol  fort,  feien  bic  Pfaffen : fic  tragen  jum  gemeinen  S^luhcn  gar 
iiidjtä  bei,  fonbern  unffen  nur  in  Trägheit  unb  Ueppigfeit  ihten 
üctb  5U  pflegen,  gn  ihnen  fei  gar  nichts  uon  bcutfd)cr  5lrt  mehr, 
unb  cö  fei  eine  ©chonbe  für  bic  Station,  boß  fic  au§  mißOcrftau= 
bener  grömmigfeit  fic  noch  bulbc.  (Sine  glcid)c  Semanbtniß  h^^^c 
C‘5  mit  ben  äl^öndjcu,  oon  beren  53cichthörcn  unb  ?tbfoloircn  eine 


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2)«  9lnf(^oucnbcn. 


299 


fomifd^c  93cfd^rci(nutc^  qcc^cbcn  tüirb.  oKcbcm  ivirb  am  @nbc 
bcr  0rf)Iu6  flcjotjcn,  bag  bcni  bcutfc^cn  SSolfc  eine  aUflcmcIiic 
Sßerbefferung  bcr  ©itten  t^ue,  bic  f)auptfäd}nrf}  gegen  Pfaffen 
unb  ÄQufIcute  ftd)  rieften  mügte. 

3nbcm  bic  beiben  erhabenen  Sefc^auev  fo  reben,  benterfen 
fie,  bag  au^  bcr  ^roceffion  bort  unten,  bic  fic  eine  SBeilc  aug 
ben  klugen  gelaffcn,  einer  i^ornig  ju  ihnen  hcroufruft  unb  herauf? 
blieft.  @g  ift  bcr  päpftiidhe  ßegat,  tuclcher  bem  ©onnengotte 
SBortoürfc  macht,  bag  er  nid}t,  mic  jener  ihm  hoch  bei  feiner  ?tb? 
reife  aug  3talien  befohlen,  mährenb  feineg  Slufenthaltg  in  bem 
falten  ^Dcutfd)lanb  beffer  unb  märmer  fdjcine.  ©eit  ^chn  2^agcn 
habe  ©ot  feinen  33lidf  burch  bic  Söolfcn  getljan.  0b  er  nidjt 
miffc,  bag  bcr  ?^apft  (unb  ber  habe  jept  feine  gan.^e  ©cmalt  auf 
ßajetan,  alg  feinen  Legatus  a latere,  übertragen)  allcg,  nicht 
blog  auf  @rben,  fonbern  aud)  im  §immcl,  nach  belieben  binben 
ober  löfen  fönnc?  5llg  bcr  ©onnengott  crmicbcrt,  baoon  habe 
er  mohl  gehört,  cg  aber  nicht  geglaubt,  nennt  ihn  berSegat  einen 
fdjlechtcn  (Shriften  unb  broht,  i()n  cjcommunicircn  unb  bem 
Xcufcl  j\u  übergeben,  menn  er  nid)t  ciligft  um  Vergebung  bitte 
unb  bem  (Sopifteu  beg  Segaten  beichte.  — Unb  locnn  er  bag  tt)uc, 
mag  bann?  fragt  bcr  ©onnengott.  — ^ann  merbe  er  ihm,  ant? 
mortet  bcr  Segot,  jur  S3u6c  entmeber  ein  mehrtägigeg  f^aften 
oufcrlcgcn,  ober  eine  5lrbcit,  eine  Pilgerfahrt,  ?llmofcn,  ober  auch 
Sluthcnftreichc  für  feine  ©ünbe.  — ^Ig  ©ol  über  folchcn  SBahn? 
mife  fid)  luftig  macht,  mirb  bag  Pfäfflcin  brunten  gan^^  müthenb 
nnb  thnt  bie  ©onnc  in  ben  33ann.  ©ol  befänftigt  cg  burd) 
ücrftclitc  Slbbitte  unb  bemerft  ju  feiner  @ntfd)ulbigung  boghaft, 
bog  er  nid)t  hcHcr  gcfdjicncn,  bamit  habe  er  bem  Segaten  einen 
©cfaflen  tl)un  mollcn,  in  ber  9J?cinung,  biefer  habe  mand)cg  ju 
betreiben,  mag  bic  ®cutfd)cn  nicht  fehen  fotten,  iö.  feine  Um? 
triebe,  um  Äarl’g  3^cftimmung  ^um  9^achfolgcr  feineg  ©rogüatcrg 
^n  oerhinbern.  5lug  ben  2)cutfchcn  mad)c  er  fich  nidjtg,  ermiebert 
(Sajetan;  hoch  möge  ©ol  cg  ihnen  nidjt  oerrathen  nnb  ^mittler? 
mcile  in  ®cntfchlanb  Peft  erregen,  bamit  oicle  Pfrünben  unb 
geiftlichc  Sehen  Icbig  merben,  aug  benen  bic  neuernannten  (Sar? 
binälc,  moruntcr  er  fclbft,  ©clb  pichen  fönnen.  Stuf  ©ol’g  @in? 
menbung,  bag  er  bonn  nid)t  hcÖ  fd)cincn  bürfe,  beim  jur  Peft 
fei  9tcbel  nnb  trübe  Suft  crforbcrlid),  ^eigt  fid)  algbalb,  bag  bem 


300 


II.  ^ud(|.  2.  ffül)itcl. 


ßcflntcn  om  @clbc  boc^  iiorf)  mcl)r  als  am  ©onncnfdjeinc  liegt: 
unb  nun  f)ält  .^uttcn’S  (SBcnbilb,  ^^act^on,  fid)  nid)t  länger. 
@r  fd)ilt  il)u  einen  t)errud)ten  33öfcmic^t,  ^ei§t  i^n  bem  ^apftc 
fagen,  menn  er  nic^t  fortan  anftänbigerc  £egaten  nad^  2)eutfc^s 
lanb  fd)ide,  merbe  eS  einer  ©mpörung  ber  Sd)afe  gegen  einen 
fü  iingercd)ten  unb  blutbürftigcn  Wirten  fommen,  unb  mibmet 
il)n,  als  ber  ßegat  nun  auc^  über  i^n  ben  53ann  auSfprid)t,  bem 
^ol)iigeläc^ter  aller  ^eutfe^en , bic  i^m  oicllcici^t  noc^  etttwS 
0d^limmereS  ant^un  merben.  @ol  aber,  mit  Scrac^tung  gegen 
ben  ©Icnbcn,  mcld^em  ^^aetl)on  nod)  eine  Söermünfebung  l)inuns 
terruft,  Ijcigt  biefen  ben  Söagen  mciter  Icnfcn. 

3n  bemfclben  grü^jal)r  mit  ben  öiefpräc^en,  bie  mir  in 
biefem  nnb  bem  oorigen  ^^apitel  betrachtet  haben,  gab  Jütten 
eine  ältere  uon  ihm  aufgefunbene  (Schrift,  mie  früher  bie  oon 
ßoren^  93aHa  über  bie  ©chenfung  Äonftantin’S,  mit  einer  gel)ar> 
nifchten  Sorrebe  hci'on^-  3n  gulba,  aus  beffen  SDomftift  er  einft 
als  junger  Wenfd)  entlaufen  mar,  unb  mo  nun,  nach  bem  Sftücf- 
tritt  §artmann'S  Don  ^^irdjberg,  ber  S^effe  feines  ehemaligen  SJor* 
gefegten,  ©raf  3ol)ann  oon  §enneberg,  als  2lbt  regierte,  hic^l 
fid)  je|t  Jütten,  auS  (SJelegenheit  feiner  üöefuchc  auf  ber  oäter* 
liehen  33urg,  bismcilen  auf.  SBaS  ihn  an^og,  mar  howptföchlich 
bie  uralte  ^öibliothef,  bie  einen  fdjäpbaren  SSorrath  oon  ^anb= 
fehriften  befafe.  §ier  fanb  .gutten  einen  ^liniuS,  ©olin,  Duin= 
tilian,  9JMrcelluS  mediciis,  bic  er  in  5lbfd)riftcn  feiner  SibliotheC 
cinocrlcibtc.  3n  gulba  mar  im  3al)rc  1519,  als  ,§utten  eben 
beS  mainjifdjcn  .g)ofbicnftcS  entbunben  mar,  Joachim  SamerariuS 
mehrere  iagc  in  oertranlid)cm  öertchr  mit  il)m  jufammen.  S^icU 
leicht  mar  eS  bn^umal,  bag  t^utten,  mie  er  am  26.  Detober  beS# 
fclben  3ahreS  oon  ©tcdclberg  auS  an  (Soban  berid)tete,  beim 
©töbern  unter  alten  93üchern,  oon  ©taub  unb  SJ^ober  bebeeft, 
einen  ®anb  ohne  3!itel  unb  ©(^lug,  in  fehr  altcrthümlid)cn 
©d)rift5Ügen,  fanb,  in  mcld)cm  er  halb  eine  ©chrift  auS  ben 
Seiten  §einrich'S  IV.,  511  beffen  ©unften  unb  miber  ©regor  VII. 
Oerfagt,  ertanntc.  „Xu  mirft",  fchrieb  er  barüber  on  ben  greunb, 
„einen  ©chriftfteller  fennen  lernen  (benn  id)  gcbente  baS  Such 
heraus, ^ugeben),  mie  bu  ihn  in  jenen  h^IIcft. 

©d)arf  beftreitet  er  ber  ^äpfte  Xprannci  unb  fämpft  muthig  für 
bic  beutfd)e  greiheit.  gd)  lennc  nid)ts  greimüthigercS,  nid)tS 


'S 


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Sfunb  auf  brr  fulbifc^en  ^ibllot^et.  3uf(^rift  an  Sr^rjeriog  t^erbtnanb.  301 

JJcinercö  in  bicfcr  fo  fd)Iäcjt  c^5,  fo  jcrmahnt  unb  crn)ürftt 
eö  bie  Betrüger.  3c^  i)abe  ber  9J?ül)c  tücrt^  gcijaiten,  eine 
3Jorrebc  bn5U  ju  {djreibcn,  njelc^e  in  Sßerbinbung  bamit  crfc^einen 
mirb.  S^iad^c  Don  biefem  fdjöncn  gunbe  ben  greiinbcn  in  beiner 
iRal)e  2Kittl)eilung,  um  i^rc  ©rmartung  ju  erregen;  beim  ic^ 
glaube  nic^t,  bag  cö  fd)on  3emanb  gefegeu  l)at,  unb  tbuc  mir 
Diel  barauf  ju  @utc,  ctma^S  )o  9Sortrcfflid)cö  unb  Sflotbmcnbigc^ 
in  biejer  3»-'^  an'ö  2i^t  ju  bringen"  ‘). 

5)ie  0c^rift  ift,  mic  fic^  auö  il)rem  Sn^alt  ergibt,  um  ba-g 
3u^r  1093,  alö  ©regor  VII.  fegon  tobt  mar,  aber  bie  burd)  i^n 
ocrurfac^ten  firc^lic^en  unb  politifd)cn  SSirreu  nod)  fortbauerten, 
für  ^einric^  IV.  unb  beffen  ^apft  Siemens  III.  gefc^ricbeu  unb 
gat,  mic  fpöterc  gorfegungen* ergeben  t)abcn,  ben  33ifc^of  SEßalram 
Don  9taumburg  5UIU  SBerfaffer.  ^ie  2obfprüd)e,  bie  Jütten  i^r 
crt^cilt,  oerbient  fic  in  ber  ftcflt  fic^  auf  ben  53obcn 

bciS  gciftlidjen  ^rimat^  ber  römifc^en  Äird)c,  meift  aber  nur  um 
fo  entfe^iebener  bie  pöpftlic^cn  Uebergriffe  in  baö  ©ebiet  ber  melt^' 
licken  ©emalt  jurücf.  Äönige  5U  machen  ober  abjufc^cn  ift  nic^t 
ber  Rupfte  §lmt;  baö  Sinben  unb  Söfen,  mo5U  6l)riftu^  bem 
^ctruö  bie  33ollmac^t  gab,  beliebt  ficb  nur  auf  bie  ©ünben,  nicht 
auf  ben  @ib  ber  Xreuc,  ben  i^ölfcr  unb  gürfteu  ihrem  Dbcrhcrrii 
gefchmoren  2)cm  ^Jlachfolger  ^etri  gebührt  eö,  gdebeu 

unb  ©inigfeit  ^u  ftiften,  nid)t  »ötreit  unb  <Epaltung:  fein  Schmert 
ift  nur  ein  geiftlicheö,  fein  Äriegerfchmert.  ^Diefe  unb  ähnliche 
3bcen  merben  flar  unb  büubig,  mit  0chärfe  gegen  ©regor,  unb 
bodj  im  ©eiftc  apoftolifchcr  SKilbe  oorgetragen. 

^ci  einer  ©egrift,  bie  jur  S3erthcibigung  beö  beutfehen 
nigthumd  gegen  päpftliche  Uebergriffe  gefchrieben  mar,  lag  cö 
nahe,  an  ben  neugcmählten  Äöuig  Äarl  ^u  benfen.  fonnte 
nichtig  fd)aben,  ihn  in  biefeu  ©piegel  bliefen  ^u  laffen,  um  ihn 
im  iöeginnc  feiner  ^Regierung  fd)on  mit  bem  uollcn  iöcmugtfcin 
feiner  ©tcllung  gegen  9lom,  ber  9tothmcubigfeit  cineö  fcfteu  2lufs 
trctciiig  gegen  baffelbe,  ju  burchbringen.  2)od)  Ä\irl  mar  noch  in 
©pan len.  dagegen  mar  fein  ©ruber  gerbiuaub  in  beu  S^ieber? 
lanbcii  angefommeu,  unb  fchieu  jmedmägig,  einftmcileu  biefeu 
ju  geminnen,  um  uad)l}er  burch  ihn  nuf  ben  ©ruber  mirfeu  ju 


1)  @o(>on,  S4iriftfn  I,  6.  313  f. 


302 


n.  Sud(|.  2.  i^opttel. 


fönncn.  5tuc^  ©icfingen  Oattc  cö  bamalö  Dcfonberö  auf  gctbi^ 
uanb  abgefctjcn  *).  tiefem  tüibmcte  ba^cr  ^utten  bie  gefunbene 
©c^rift,  bie  im  1520  ju  äf^ainj  ^crauöfam*). 

Xcm  neuen  ^Hegenten  Äarl,  fü^rt  Jütten  in  feiner  S^^ig- 
nung  auö,  fei  jebeu  üerpflidjtct,  naclj  5^räfteii  bie  beften  fRatl)- 
fd)läge  ju  geben.  2öä()renb  anbere  i^ii  in  aubern  üöe§ic^ungcn 
berat^en,  Ijalte  er,  §utten,  für  feinen  Söernf,  i^n  anfiä  briiu 
genbfte  anfiuforbern,  bafe  er  bie  beutfe^e  9lation  nid;t  länger  ber 
fc^impflic^en  2^ijrannei  bes^  ^apfteö  preiggegeben  fein  laffc.  ©ie 
abäumc^ren,  fei  nütl)menbiger  aU  ben  Xürfen  jn  befampfen.  3)iefc 
Söa^r^it,  biefe  9^otl)menbigfeit  anfc^anlic^  jn  machen,  merbe  er 
aHeiS  ^iöglic^e  tf)un,  ol)ne  gurd^t  nur  (^efal)r  unb  mit  bem  Söc^ 
mugtfein,  fid)  baburc^  ein  SJerbienft  ^u  ermerben.  ^£)arum  ^abe 
i^n  auc^  ber  unerroartetc  gunb  biejeö  2&nc^  fo  erfreut,  ba 
ganj  in  bie  ßeit  unb  feine  ^bfic^ten  paffe.  SBärc  bamalö  Äarl 
jur  ©teile  gemefen,  fo  mürbe  er  in  feiner  grenbe  ju  U}m  gclaus 
fen  fein,  in  ber  Ueberjengnng,  ba§  berfelbe  feine  @abe  ju  fc^öjen 
gemußt  unb  üiellcid)t  auc^  in  bem  @eber  ctmaö  für  il)n,  ben 
Äöuig,  ^5)ienlid}e!§  gefunben  ßätte.  @inen  größern  2)ienft  fönne 
ja  beiben  jungen  gürften  9liemanb  ermeifen,  als  mer  fie  nidjt 
länger  Älnedjte  fein  laffe.  ilnedjte  ber  römifc^en  öifc^öfe  aber 
feien  alle  biejenigen  beutfe^en  ilaifer  gemefen,  melc^e  fic^  bie  5)C' 
müt^igungen  bei  ber  SJrönung,  bie  Eingriffe  in  bie  fHegierung, 
bie  ^lünberung  2)eutfd)lüubS,  mie  fie  feit  longem  ^erfömmlic^ 
gemorben,  Ijaben  gefallen  laffen.  SlnberS  §einric^  IV.  g^n,  mie 
biefe  ©c^rift  i^n  ma^rljeitSgemäß,  gegen  ultramontane  SBerläum* 
bungen,  barftelle,  möge  Äarl  fid)  jum  SSorbilbe  nehmen,  unb 
gcvbinanb  ben  trüber  ba^u  ermuntern.  Jütten  oßneljin  merbc 
i^nen  als  fleißiger  2Jiaßner  jur  ©eite  fte^en,  o^ne  fic^  burdß 
^roßungen  fdjreden  ju  taffen.  SBon  2eo  X.  (bem  fofort  äl)nlic^c 
(Komplimente  mie  in  ber  S3orrebe  ju  Sorenj  SSalla'S  ©c^rift,  bod) 
fc^on  Diel  ^meibeutiger,  gemad)t  merben)  perfc^e  er  fieß  feines 
Uebeln.  2luc^  fönnten  ja  bie  römifdjen  Söifc^öfe  nichts  ÄlügercS 

1)  Jütten  an  9JteIanc^t()on,  SJlainj,  20.  Sfonuar  1520.  8d^riftcn  I,  6.  321. 

2)  De  unitate  ecclesiae  conservanda,  et  schisinate,  quod  fuit  inter 
Henrichum  iV.  Imp.  et  Gregorium  VII.  P.  M.  etc.  Soron  Ulrichi 
ITutteni  eq.  ad  111.  principom  Ferdinandum  Austriae  Arcbid.  etc.  in 
soquentem  librum  praefatio.  3)ic|c  in  ^)utten’8  Sd^riften  1,  6.  326—334. 


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Si&dflellen  bet  Jütten. 


303 


t^un,  a(ö  einer  ©etuatt  unb  ©teflunfl,  bic  fic  ollgemein  tJcrboBt 
mac^e,  fie  inenfc^lic^er  fRac^e  unb  göttlicher  ©trofe  auöfefte,  frei- 
willig 511  entfagen.  S3on  bem  @rpreffung^=  unb  ^euortl)eilung^'s 
f^ftem,  welche^  bie  ^ßäpftc  gegen  S)eutfd)innb  in  Slnwenbung  brin^ 
gen,  wirb  hi^i^iiuf  eine  fummarifchc  0chilberuug  entworfen  unb 
babei  al§  ba)g  ©chmäl)lict)fte  bOiS  gefunben,  „ba§,  wäl)reub  unferc 
Vorfahren  für  unwürbig  ^cn  ^Römern,  bic  bamatö  ba^ 

frieg^ewaltigfte  SBolf  waren  unb  bic  SSelt  bejwungcn  hatten,  511 
gehorchen,  wir  nun  biefe  SSeichlingc,  ©flauen  ber  SBoKuft  unb 
SSöücrci,  ein  faulet,  wcibifchc^,  muth=  unb  nmrtlofeö  ©efinbcl, 
nicht  bloö  bulbcn,  fonbern  auch,  um  ihnen  ihr  SBohßcbcn  mög* 
(ich  macheu^felbft  fchmöhlidh  barben,  ihnen,  glcidh  alö  hätten 
fie  unö  im  Äricg  überwunben,  Xribut  befahlen  unb  unfre  (Srb.* 
gütcr  an  fie  ucrfchwcnbcn."  ^cm  foUcn  bic  bcibcu  erlauchten 
trüber  ein  @nbc  machen,  fie  foüen  i()r  ^Regiment  bamit  eröffnen, 
bag  fie  ben  5)cutfchcn  bic  greiheit  wicbergeben,  unb  jenen  ihr 
Stauben,  ^lünbcrn  unb  Xrügen  legen:  ‘Da^u  mitjuwirfen,  fommc 
biefc^  Büchlein  gcrabc  recht,  iubem  cö  geige,  baß  auch  ff^on  frü- 
her unter  weit  ungüuftigern  Umftänben  baä  ÖUcichc  gewagt  wor- 
ben  fei. 

©chon  in  ben  uorhin  betrachteten  ^cfprächcn  waren  uon 
Jütten  guweilcu,  befonberö  wenn  eö  barauf  aufam,  bie  ©ntars» 
tung  ber  römifchen  itirche  anfchaulid)  gu  machen,  biblifchc  ©teilen 
angeführt  worben.  2)och  h^iUc  er  fich  ebenfo  oft  nod),  wie  früher, 
- claffifchcr  ©teilen,  uornchmlid)  auö  römifchen  2)id)tcru,  bebient. 
5)ie§,  wad  feinem  ^öilbungögange  cutfprach,  gibt  er  nun  gwar 
auch  ferner  nid)t  auf.  2)od)  im  gleichen  S^erhältnig,  wie  er  uon 
bem  huwaniftifchen  S3oben  nad;  unb  na^  auf  ben  fir^lich=refor.« 
matorifchen  hinüberrüeft,  fangen  auch  bic  33ibelfprüd)c  bic  claffi» 
fehen  9lcminifcengcu  gu  überwiegen  an.  3^^”^  crftenmalc  fällt 
biefe  iDianier  in  ber  SBorrebe  auf,  bic  wir  fo  eben  bcfprochcn  h^* 
ben.  ©ie  fällt  auf,  weil  fie  bichmal  weber  uon  ber  ©adhc,  noch 
Uon  ben  ^erfonen,  mit  benen  Jütten  eä  gu  thun  h^ttc,  gefor^ 
bert,  jo  für  bie  le^tcrn  faum  geeignet  war.  2luf  bic  beiben  jun? 
gen  gürften,  bic  er  für  feine  3bcc  einer  @mancipatiou  uon  ^om 
gewinnen  wollte,  wor  fichcr  burch  politifchc  @rünbc  mehr  Öin- 
bruef  gu  machen,  aU  burdj  bic  ©tcHcn  aud.3cfaiaö  unb  (Jgcchicl, 
SJ^atthäuö  unb  Sohauueö,  mit  benen  er  feine  9tebe  uergierte.  2)a 


304 


U.  $u(^.  2.  ilapitd. 


er  an  ber  alten  0^rift,  bie  er  beuonnortet,  unter  anberm  rü^mt, 
U)ie  gefc^ieft  fie  au^  bein  ©uangclium  unb  ben  Sßorten  S^rifti 
jufammengefügt  fei,  fo  fann  fc^cinen,  bag  fie  junäc^ft  il)n  jur 
9iac^Ql)niung  ueranlafit  Ijabe.  ^oeb  bcl)iclt  er  biefe  IMrt  fortan 
bei  unb  bilbete  fie  njeiter  auö.  2)arin  beftärtte  i^n  Sut^er'ö 
Sßorgang.  Unb  toie  er  nun  oom  näc^ften  3al)r  an  fic^  an  bie 
Sßerbeutfdjung  feiner  latcinifd)en  unb  an  Slbfaffung  oon  beutfe^en 
Schriften  begab,  fo  toar  aüerbingö  in  benjenigen  Älreifen,  für 
njelc^c  er  je^t  fd)rieb,  biefe  ÜJianier  bie  n)irffamfte.  ^)ag  fic 
§uttcn  unb  feinen  Söerfen  gut  ju  ©efic^te  ftünbe,  fönnen  wir 
nic^t  fagen.  ®em  alten  öifc^of,  beffen  0cbrift  er  baruni  lobt, 
ftcl}t  fie  ganj  wol)l.  2utl)er’n  au^.  Xenn  beren  ganje  ^enfart 
ift  au!^  gäben  gefponnen,  bie  auö  öibel  unb  Äirdje  gejogen  fitib. 
$)a  ift  C!^  alfo  ganj  natürlich,  bafe  bie  oon  tl)Cologifc^em  ®ciftc 
burc^brungene  33ctrac^tung  fid)  oon  5^  Seit  in  biblifd^e 
©c^lagworte  jufammenfaßt.  2)a^  ift  bei  §utten  gan^  anberö. 
©eine  33itbung  ift  eine  burc^au^  weltliche,  tl)cilö  l)umaniftifr^, 
tf)ciU  politifd^.  ©elbft  baö  Älird}lic^e  unb  fReligiöfc  betrachtet 
unb  behanbelt  er  auö  biefem  ©cfichtöpunfte.  ^aju  paffen  nun 
bie  '^ibelfprüchc  nid)t,  bie  einer  ganj  anbern  SBeltanfchauung  ent- 
ftammen.  0o  gefc^idt  fie  im  ©injclnen  eingefügt  finb,  fo  bleiben 
fie  hoch  bem  ©anjen  fremb.  (Sie  ftören,  ftatt  ju  förbern.  3J2on 
gloubt  ftellenweife  §utten  in  Äutte  unb  Äapu^e  fich  üermummen 
ju  fehen,  ben  hoch  nur  ^arnifch  unb  Sorbeer  fleibetcn.  2)a6  er 
babei  für  feine  lateinifchen  Schriften  an  bie  SBulgata,  für  bie 
beutfehen  an  Oorluthcrifdje  ^ibclüberfchungcn  gewiefen  war  ’),  in 
benen  üiele,  befonberö  altteftamentlidjc  Stellen  gar  nicht  ju  Der? 
ftel)en  finb,  war  noch  befonbrer  Ucbelftanb. 

Um  bie  julclt  oon  und  betrachteten  Schriften 

erfd)ienen,  oermutheten  ^uttcn’d  franlfurtcr  33ctannte,  oon  benen 
er  ,^u  Anfang  gebruard  in  ber  9lichtung  nach  Stccfelbcrg  fich 
getrennt  hotte,  ihn  in  Bamberg  bei  ßrotud  fRubianud,  ber  oor 
iurjem  aud  gtalien  jurüdgefommen  war.  33cibe  greunbe  hoUen 
fid)  Jiulept  im  guni  1517,  wie  ed  feheint  in  ®enebig,  gcfchcn;  . 


1)  2u!l|fr’§  ®ibfIübfT|c^un(i  fittfl  erft  ju  crf4|cinfn  an,  toxt 
jd^ntt^ellrTifd^c  Saufbobn  natif}u  grfcbloficn  toar;  baS  3).  %.  erf^irn  im  Sept. 
1522;  boni  «(trn  1523  bi(  ^üd)a  ^oftS. 


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Jütten  unb  6rotu§. 


305 


im  ^luguft  bc^  folgcubcu  mar  ßrotii§  mit  feinen  Söglin- 

gen  in  53ülogna,  tuol)in  if)n  glitten  an  Suliue  üon  pflügt  ein? 
pfal)l;  büvtt)in  ober  nad)  fRom  luaren  and)  bie  ©rüße  gerichtet, 
melcße  §ntten  @nbc  SJiai  1519  bem  Chilianus  Salensis  briefließ 
an  ißn  nad)  Italien  auftrug;  benn^  in  jenem  Sommer  befueßte 
(Srotuö  9tom;  im  grüßling  Soßre^  1520  feßrte  er  nad) 
Deutfd)lanb  ßeim,  unb  tarn  über  9türnberg,  tuo  er  bei  ^ircfßcimer 
einfpraeß,  nad)  öamberg,  n>o  3lnbreaö  unb  Safob  gueßö,  bie 
öenuanbten  feiner  S^günge,  aU  $)omßerrcn  lebten '). 

Äud)  für  Srotud,  mie  früßer  für  $utten,  gemann  biefe  ita= 
lienifeße  9leife,  inöbefonbre  ber  5lufentßalt  in  fRom,  eine  tiefgrei' 
fenbe  3)ebeutung.  ^er  geinb,  ben  er  biö  baßer  betämpft  ßatte, 
mar  bie  0d)olaftif  mit  ißrer  Unroiffenßeit  unb  Unbilbung  geme^ 
feil.  5)a  mar  bie  SBaffe  hei  ßäcßer ließen,  in  bereit  güßrung  ci 
ißm  oon  ben  SDtitftrebenben  feiner  juüortßat,  ganj  an  ißrer 
©teile.  9tun  fam  er  an  ben  ©i^  hei  Äird)enregiment^,  beffen 
©tüfee  jene  ©cßolaftif  mar,  unb  oon  bem  fie  ßinmieberum  geßaU 
teil  mürbe.  Söaö  er  ßier  faß,  ging  au^  bem  „alleö  belad)enben 
(Srotu^"  über  ben  ©paß.  „S^eulicß  mar  icß  in  fRom'',  feßrieb  er 
au)S  iöülogna  an  ßutßcr.  „3cß  faß  bie^)enfmale  ber  eilten,  faß 
ben  ©tußl  ber  ^eftilen;^.  ^aß  i(^’ö  gefeßen,  ift  mir  lieb  unb  ift 
mit  leib*).'^  2)ie  moralifeße  ^cffuntenßeit,  ber  SRangel  jebeiS 
ernften  religiöfcn  ©inneö,  gingen  über  feine  ISnuartung.  Unb 
füld)ed  SJerberben  näßren  mir  mit  unferm  ©elbe  1 ÜRan  muß  ben 
^)eutfcßen  bie  klugen  öffnen,  muß  fd)rcien  unb  feßreiben  „gegen 
bie  f^öblicßen  ©itten,  bieSlom  un^  ßerau^fd)idt".  ®a5U  beburfte 
ei  aber  eineö  anbern  Xonö,  einer  anbent  Äampfmeifc  aii  gegen 
bie  ©cßolaftif.  9lun  maren  bem  (Srotuö  eben  erft  in  Italien  bureß 


1)  Obige  ?lngQben  bcrulien  auf  ben  ^tiefen  öon  6ocl(|iau§  an  ^irrf* 
Reimer,  5ranff.,  6.  ^ptil  1520,  in  ^utten’8  ©c^riften  I,  336;  öon  Jütten  an 
^flugf,  «ugSburg,  24.  ?lug.  1518,  a.  o.  O.  S.  187,  an  Chilianua  Salensis, 
efelingen,  (5nbe  3Kai  1619,  q.  q.  O.  6.  267,  on  grieb.  5if«^er,  bei  Cfelingen, 
21.  Wai  1619,  0.  o.  O.  6.  273;  bon  ßrotuS  an  fintier,  j.  bie  nä(l)fie  Tin» 
nterfung. 

2)  2)ie  brei  benftoürbigen  ®rie|e  öon  CrotuS  an  Cut^r»  owS  Bologna 
öont  16.  Octobet  1519,  ebenba^er  ol^ne  5)atuni,  aber  ettt)a8  Ipfiter,  unb  auS 
® amberg  oom  28.  Tlpril  1620,  finb  abgebrueft  in  ^utten’S  ©d()riften  I, 
S.  307—312.  337—341.  , 

VII.  20 


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306 


II.  «ud(|.  2. 


feinen  grculib  3ofob  gud)ö,  ber  nad)  i^m  bo^in  pilgcrte,  bie 
erften  S'lodjric^ten  non  Sut^er’ö  Auftreten  jngefonunen.  ©o  lang 
er  in  ^eutfdjlanb  njar,  f)Qtte  man  „non  biefem  punifc^en  Kriege'" 
nodj  nid^t«  gehört.  @rfte,  moö  i^m  oon  ©djriften  in  ber 
@ac^e  in  bic  ^änbe  fam,  myr  ber  5)ialog  beö  ©ilüefter  fßrierioö 
gegen  Sut^er.  nmr  berfelbe  ^nnfeimonn,  ber  fdjon  gegen 
S^eudjlin  gemirft  ()atte,  i^n  alfo  an  feine  alten  Kämpfe  erinnerte. 
Uebert)aupt  maren  eö  auc^  jept  mie  bamal^  ^aiiptföd^lic^  mieber 
bie  ^Dominicaner,  bie  fic^  bem  neuen  Sichte  entgegenfteHten.  ®ann 
la§  er  ßut^er'ö  Öerid^t  über  feine  ©erbanblungcn  mit  bem  ßar^ 
binal  ßajetan  in  ?lugöburg.  ^ein,  mar  baö  mirtlid^  fein  e^ema= 
liger  0tubiengenoffe  non  (Erfurt  ^er?  ber  finnige  SD^ufieug  uiib 
^l)i(ofopb,  ^cr  i^m  bann  hinter  ber  Pforte  be^  2luguftinerfIoftcrö 
Oerfd^munben  mar?  3a,  er  ib«  ö^^^^^nt,  biefen  SUiartin, 
nnb  boeb  nicht  gelaunt;  jept  erft  gingen  i^m  über  ben  alten 53e= 
fannten  bie  redeten  Sichter  auf.  3cpt  fah  er  in  ihm  ben 
SKann,  mie  bie  3^it,  mie  bie  Shtiftenheit  unb  2)eutfchlanb  ihn 
beburften;  jc(jt  hielt  er  ihn  al)S  ben  erften,  ber  e§  gemagt,  baö 
SBoll  beö  §errn  oom  fd)öblid)en  Söahne  loöjnmadhen,  beö  S^amenö 
©ater  bei8  öaterlanb^,  einer  golbnen  Silbfäule  unb  iäl)rlid}er 
gefte  mcrtl).  Unb  nun  erinnerte  er  fi^  au^  mieber  bc0  befon^ 
bern  Umftanbed,  ber  Suther’i^  ©intritt  in  baö  Älofter  junächft 
oeranlagt  h^tte:  ber  33üpftrahl  ber  ben  Don  feinen  ©Itern  ^urüefs 
fommenben  oor  ber  ©tabt  ©rfurt  ju  33oben  marf,  be^;eichnete  ihn 
al^  anbern  ^aulu§,  freilich  erft  für  ein  Diel  fpätereiS  Serftänbnig. 

3()?it  biefen  ©efinnungen,  bic  er  bem  fern  unb  unbeachtet 
üon  ihm  jum  großen  9J?anne  emporgernachfenen  3ugenbbelannten 
in  mehreren  ^Briefen  auöjubrüden  fich  gebrungen  gefühlt,  fanb 
nun  ber  hcimgelehrte  ©rotm?  ben  $er^en§freunb  ^uttcu  mieber 
@r  hcitte  ihm  auö  fRom  eine©d}tift  beö9licolauä  oon©lemangi§ 
au'g  bem  Einfang  beö  15.  3ohrhunbertö  über  ben  Oerborbenen 
©tanb  ber  mit  Äircheeiner  ßueignung  unter  erbichteten  Flamen 
^ugefchidft  ^),  anbrerfeit)^  bon  ihm  3iifcubungen  erhalten,  bic  eine 


1)  SHe  3uf4rtfi:  Eubulus  Cordatus  Montesino  suo,  oor  ber  ba« 
mal§  toteber  ^erauSgegebenen  Sc^irift  be§  SlemangiS  De  corrupto  ecolesiae 
Btatu,  toirb  mit  SBo^rfilicinn^ffit  bem  6rotu8  beigelegt.  S.  ^utten'S 
6(^riften  I,  ©.  277  f. 


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Jütten  unb  6rohi§  in  Bamberg.  d07 

ä^nlic^c  SBenbung  in  bcn  öcftrcbungcn  bc8  grcunbe^  bciirfun» 
beten,  ^efet  war  er  faum  einige  2;agc  in  Homberg  bei  ben  ®e* 
brübem  alö  er  burc^  §utten'd  Stnfunft  übcrrafc^t  würbe. 

war  nic^tö  j^wifc^cn  ben  greunben  üerabrcbct,  fonbern  S^riftuö, 
meinte  er,  ^abe  fie  fo  jufammengefü^rt,  ber  ja  feinet  Opfert  fic^ 
fo  fe^r  erfreue,  alg  ber  wec^felfeitigen  ßiebe  ber  SJicnfc^en.  3n 
i^rc  Cfterfeier  fielen,  üon  ©ra^muö  an  Jütten  gefetjieft,  bic  Uer^ 
bammenben  ©prüc^e  ber  löwener  unb  fölner  X^eologen  gegen 
ßut^er  hinein,  bie  ben  greunben  reiche  Seranlaffung  jum  Sachen 
Wie  5um  boten,  gortan  fc^ienen  beibc,  wie  einft  für 

Sleud^lin  unb  ben  ^umani^muig,  fo  nun  für  ßut^er  unb  bie 
Sleformation  oerbunben. 

S3alb  nac^  biefer  3uf^^”inienfunft  mit  ©rotuö  ;;u  Samberg 
pnben  wir  Jütten  wieber  an  unb  auf  bem  fRf)ein.  3m  3Wai  fuf)r 
er  ben  ©trom  fjiuuntcr,  unb  ^atte  ba  511  Sopparb  eine  greube, 
wie  fie  5Wei  oort)er  Sraömuö  cbcnbafelbft  gehabt  ^atte. 

Äuf  ber  fReife  üon  Safe!  nac^  ßöwen  begriffen,  war  ber  (entere 
an  jener  trierfd}en  ßoüftätte  auögeftiegen , unb  ging,  wä^renb 
bad  ©c^iff  burdjfuc^t  würbe,  mit  feiner  ©efcHjc^aft  am  Ufer  auf 
unb  ab.  5)a  erfannte  if)n  einer  unb  fagte  bem  ßoflbeamtcn  (Sfeben^ 
felber:  ba§  ift  (Sraömuö.  S)crgreube  be^  wadern  äRanneS  glic^ 
nur  bie  Ucberrofd)ung  bcö  ©ragmuö,  an  ber  3oübanf  einen  fo 
warmen  Sere^rer  ju  finben.  @r  mußte  mit  il)m  in  fein  |)auö 
fommen,  grau,  Äinber,  greunbe  unb  Sefanute  würben  jufam^ 
mengcrufen.  ^uf  bem  ©c^relbtifc^  be^  ÜRanne^,  jwifd^en  ßoß" 
regiftem,  fanb  ®raömu^  feine  ©d)nftcn  liegen.  ®ie  Ungebulb 
ber  ©c^iffer  bcfcßwic^tigte  (Jfc^enfetber  burd)  wieberßolte  SBein» 
fenbungen,  oerbunben  mit  bem  Serfprcc^en,  i^nen  auf  ber  fRüds 
fa^rt  ben  ßotl  nac^laffcn  j^u  wollen,  ba  fie  i^m  einen  folc^cn 
SD^ann  jugefüßrt  hätten.  Sßie  jc^t  $utten  nac^  Sopparb  fam^ 
fanb  er  bei  öinicampianud,  wie  ®raömuö  unterbeffen  ben  ^uma* 
niftifd}en  3ößuer  latinifirt  ßatte,  eine  öl)nlid}e  ^ufna^me.  @r 
mußte  fein  (5Jaft  (ein,  fein  <5)auö,  feine  Süc^er  fe^en,  unb  unter 
biefen  fanb  Jütten  eine  alte  ^anbfd^rift,  bie  il)it  beim  Slättern 
unb  ßefen  immer  mebr  an^og.  2öie  ba§  fein  SCÖirt^  bemerfte, 
machte  er  i()m  mit  bcrfelben  ein  ©efe^enf,  unb  Jütten  fanb  bie 
©c^ift,  wenn  auc^  ber  für^lic^  ju  gulba  gefunbenen  au  Sßertl) 


308 


II.  2.  j^apitcl. 


* 


nic^t  glcid^,  bod^  in  ba^,  mag  i^m  je^t  cin^^ig  am  §erjcn  lag,  fo 
einfdjlagenb,  baß  er  fie  l)erau3äugebcn  bcjc^log. 

(£ö  mar  eine  ©ammlnng  Uon  ©enbfe^reiben  auö  bem  (5nbe 
beö  nierj^ebnten  3[al)r^nnbevtö,  ber  Qcit  ber  großen  Äirc^enfpaU 
tung  ätoifeßen  ben  römifeßen  nnb  aoignonfd)en  ^äpften:  gegenfei? 
tige  ber  ojforber,  prager  unb  parifer  Unioerfität; 

biefer  brei  Ünioerfitäten  an  ben  ^apft  Urban  VI.  unb  ben  S^önig 
Söcnjel;  ein  ^uöfc^reiben  beö  (extern  an  aßc  c^riftüc^en  S^atio? 
nen,  unb  enblicß  eine  SJ^a^nung  an  bie  ®eutfd^en,  Ilug  ju  mer? 
ben.  tiefer  Sammlung  fe|te  Jütten  eine  „unter  bem  SReiten" 
Oerfaßte  ^^Öe  greien  in  ®eutfd^lanb  Oor*),  in 

melcßer  er  biefen  über  feine  bi^^erige  Xl)ätigfeit  gleidjfam  fRed^en? 
fd^aft  ablegt.  „S^lodj  bin  ic^  nießt  läffig  gemefen",  fagt  er,  „Oon 
bem  Xage  an,  ba  id^  bie  fc^on  lange  gebunbene  unb  beinahe  erftiefte 
greil^cit  biefer  ^Ration,  fo  oiel  on  mir  ift,  ju  löfen  unb  roieber? 
^erjuftellen  unternommen  l)abe;  halb  fud^e  unb  erforfeße  i^,  ma^ 
irgenbmo  oon  ^ltertl)ümern  Oerborgen  liegt,  baö  meinem  SSor? 
^aben  bienen  möchte;  halb  fdjrcibe  ieß  unb  laffe  au?gel)en,  toaö 
ber  beä  Söaßren  fic^  bemußte  Sinn  nic^t  länger  im  Verborgenen 
laffen  mag."  S^lun  erjä^lt  er,  mie  er  ju  ber  oorliegenben  Schrift 
gefommen  fei,  unb  fäßrt  bann  fort:  ,,^a  ßabt  i^r  alfo  baö  ®aft? 
gefcßenl  be^  greunbeö,  i^r  freien  SD^änner!  ^enn  toaö  fann 
Jütten  erfreuen,  baö  er  allein  genießen,  unb  nießt  fogleic^  allen 
©Uten  mittbeilen  möd^te?  ober  maö  mag  jur  görberung  beö  gc? 
meinen  ^Ru^eniS  in  ^eutfc^lanb  bienlid^  fein,  ba§  er  im  Verbor? 
genen  laffen  bürffe?" 

2)ie  freifinnigen  (Srlaffe  ber  brei  Unioerfitäten  au8  früherer 
ßeit  mußten  ißm  5ur  Vefc^ämung  ber  folner  unb  lömener  §od^* 
fcßulen  bienen,  bie  im  §(uguft  unb  9iooember  beö  oorigen  3al)reö 
fiutßer'ö  ju  Vafcl  erfd)ienene  Heinere  Sd^riften  öffentlich  ocr? 
bammt  hatten.  ,,^ie  alten  Xh^ologen",  fagt  nun  Jütten  — unb 
bieß  fönnte  mit  ben  2lbänberungen,  bie  im  Unterfchiebe  ber  Seiten 


1)  De  schismate  extinguendo  et  vere  Ecclesiastica  libertate  ad- 
serenda  epistolae  aliquot  etc.  5?oran  Hulderichus  de  Hutten  liberis 
in  Germania  omnibus  Salutem.  ^atirt  Inter  equitandum.  6.  Cal.  Junii 
(27.  9Jloi)  Anno  1520.  Vive  libertas.  Jacta  eat  alea.  ©Triften  I, 
®.  349—352. 


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glitten  an  alle  freien  ^eutfc^rn. 


309 


liegen,  ^cutc  njicber  ebenfo  gefd}ricbcn  tnerben  — „liegen  fteg  bureg 
baö  ©ewiffen  leiten : geute  finb  lauter  ©cgmeicgler  unb  SBogls 
biener,  bie,  lucnn  fie  einmal  igr  SImt  tgun  moUen,  entmeber  über 
leere  hoffen  ?lufgebenö  moegen,  ober,  ben  SRöcgtigen  ju  ©efallen, 
egrlicge  Seutc  in  $ag,  öJefagr,  biömeilcn  felbft  inö  SBcrberben 
ftürjen.  SBaö  lägt  fieg  aueg  Unmürbigereö  benfen,  ald  bic 
leiegtfertige,  mutgmilligc  unb  bösartige  33eganblung,  melcgc 
ben  0cgriften  reegtfegoffener  2J?änner  fegou  ntcgr  aU  einmal 
oon  folcgcn  miberfagren  ift,  bic  niegt  auö  Srrtgum,  fonbem 
au^S^eib  unb93oögeit  baöjenigc  oerbammten,  maö  fie,  menn  man 
igr^emiffen  befragen  mollte,  bieSrften  fein  mügten,  511  begaup^- 
ten  unb  ju  billigen?  ^)abci  gebnrben  fie  firf)  olö  gelben,  menn 
fie  §u  ©unften  be^  römifegen  öifcgofd  ober  feiner  Segaten  bic 
©tacgeln  igreg  Urtgeilö  gegen  biejenigen  fegren,  mclcgc  beftrebt 
finb,  mit  bem  B^^gnig  coangelifeger  SBagrgeit  ben  9(bcrglanben 
auö  ben  QJemütgern  ber  ©löubigcn  anöjurcuten  unb  bic  magre 
fRcligion  oon  jeber  0cgminfc  511  befreien,  ©ingegen  miber  bic 
fegäblid)cn  ßurtifanen,  bic  abfcgeulidjcn  Simoniften  unb  bie  gott^ 
lüfen  Slblagfrämcr  entmeber  oor  bem  SSolfe  ju  prebigen,  ober 
eine  ©egrift  geraufS^u geben,  ober  im  fRatgc  fi^  freimütgig  oernegmen 
j^u  loffen,  got  biö  fegt  noeg  feiner  oon  jenen  Xgcologen  ben 
ÜKutg  gegabt."' 

,,i)ocg'',  feg^iegt  Jütten,  „fo  oiel  icg  fege,  mirb  igrcXgrans 
nci  bic  längfte  B^it  gebauert  gaben,  unb  menn  mieg  niegt  aücö 
trügt,  halb  oernid)tet  merben.  ®cnn  gelegt  ift  bereite,  ja  gelegt 
ift  an  ber  Säume  SCBur^cl  bic  §ljt,  unb  auögcrottct  mirb  jeber 
Saum,  ber  niegt  gute  grud)t  bringt,  unb  bcö  ^errn  Söcinberg 
gereinigt  merben.  S)a#  fotlct  igr  niegt  megr  goffen,  fonbern 
näegften^  mit  Singen  fegen.  3njmifd)cn  feib  guten  SJfutgeä,  igr 
bcutfegen  3]?änner,  unb  muntert  eud)  mccgfclfcitig  auf.  9^id)t 
unerfagren,  niegt  fegmaeg,  finb  enregügrer  ^ur  SBicbergeminnung 
ber  greigeit.  Scmcifet  nur  igr  eud)  unerfegroefen  unb  erlieget 
ni^t  mitten  im  Stampfe,  ^enn  bureggebroegen  mug  cnblieg  mer^ 
ben,  burd)gcbroegen ; befonberö  mit  folegen  Kräften,  fo  gutem 
©emiffen,  fo  günftigen  ÖJelegengcitcn , einer  fo  gercd)tcn  0aegc, 
unb  ba  ba^  SBütgen  biefer  Xgrannci  oufö  ^öegftc  geftiegen  ift.  ^aS 
tgut  unb  gegabt  cueg  mogl.‘  lebe  bic  j^cigeit!  3cg  gob'd 
gemagt!'' 


310 


II.  ^uc^.  2.  i^apticl. 


Äuf  bicfcö  <Scnbfd}rci6cn  unb  bic  barin  aitflcnommcnc 
tiinc^  bc^icl)t  cö  fid)  üf)nc  Swcifcl,  inaö  Ratten  an  feinen  JJrennb, 
ben  franffuvter  iiöürßcrmeiftcr  ^on  fei^rieb: 

„9Jicincn  Srief  loibcr  bie  S^^eologiften  boft  bu.  ©efpren^t  !)ab’ 
icb  nun  alle  0d)ranfen  ber  ©ebulb,  unb  mid  berbortreten  (jan;^ 
U)ie  id)  bin"*). 

@bc  §uttcn  in  SScrfoIgunc^  biefer  @ntn)ürfc  ujeitcr  flinci, 
erlüicö  er  ßclegentlicb  noch  bem  (5raömu§  einen  literarifeben  Süttcr* 
bienft.  @in  englifcber  Xbcolog,  ber  ficb  Söroen  aufbicit,  mit 
^tarnen  (Sbuarb  See,  nid)t  leer  an  Äcnntniffcn,  boeb  nod)  üoUer 
-uon  ©inbübung,  unb  uon  jener  fcbted)teften  ^rt  uon  dtubmfncbt 
getrieben,  bic  fid)  bureb  |)eruntcrrei6cn  anerfannter  ©rögen  ju 
beben  trachtet,  b^tte  über  bic  ©raömifcbc  ^iluögabc  bcö  9Zcucn 
2^cftamcnt§  Slnmcrfungen  gefebrieben,  in  benen  er  an  ber  Slrbcit 
bcö  9J2ciftcrö  mebrere  b^nbert  nacbgcmicfcn  ^u  b^'^cn 

glaubte.  SSkiren  audb  uiitcr  feinen  ©immlrfcn  luandbc  nicht  ohne 
^runb,  fo  böttc  er  ftc  boeb  in  einem  fo  ücrlcbcnben  Xonc  uors 
getragen,  bag  unter  ben  öerebrern  beö  @raömu§,  in  2)cutfd)Ianb 
uornebmlicb,  nur  (Sine  S^emegung  bcö  UnmiHen^  mar.  @ra§muiS 
fclbft  febrieb  eine  §(pologic  miber  See,  uon  melcbcr  ^irdbeimer 
urtbciltc,  er  böttc  entmeber  febmeigen,  ober  ücrnicbtcnber  ant» 
morten  müffen : unb  nun  crltcg  §utten  einen  orbentlidjen  gebbe^ 
brief  an  bcnfelben.  @r  bejeiebnet  ihn  alö  einen  ^eroftrat,  alö 
einen  Unbanf baren,  melcbcr  bem  SJianne,  uon’bcm  auch  er,  mic 
alle  geitgenoffen,  gelernt  mit  0cbmöbungcn  lohne;  an  fei? 
ner  Söutb  merben  bie  trefflichen  englifeben  belehrten,  bic  iunftaH, 
üKoruö,  Sinacer  u.  f.  f.,  am  meiften  3)?i6fallen  hoben;  bic^euU 
feben  aber  merben  fic  nid)t  mit  ihren  2)egcn,  mic  er  ju  fürchten 
oorgebe,  fonbern  mit  ber  geber  ju  abnben  miffen.  @bc  nun  aber 
er,  glitten,  ihn  mirflicb  angreife,  forbere  er  ihn  j^uoor  auf,  crft= 
lieb,  feine  ©cbmöbungen  gegen  (Sraömuö  öffentlid)  ju  miberrufen, 
unb  i^mcitcnö,  biefen  um SSer^cibung  ju  bitten:  baö  fei  ber  cinjige 
SBcg,  mic  er  ber  ßncblißnng,  bie  §utten  an  ihm  ju  boUftredcn 
gebenfe,  entgehen  fönnc.  3njmifd)cn  crllärc  er  fein  ÖJefdjrcibc 
für  Sügen,  ihn  fclbft  für  einen  0cbclm,  unb  merbe  ihn,  menn 
er  bic  üerlangtc  ©enugtbuung  nicht  Iciftc,  auch  ber  idadbmclt  als 


l)  St^riften  I,  356. 


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Befürchtungen  unb  SBarnungen. 


311 


folc^cn  barftcUcn  *).  Unferm  ^Ritter  fclbft  fdjite  fpäterßeit 
unb  2uft;  aber  in  bem  halb  barauf  auö  feinem  Greife  Ijernorges 
(^auflenen  Dialog:  Hogstratus  ovans,  ift  See  (meld^cr  in  ber 
SBirflic^fcit  ^^ulc^t  biö  5ur  SBürbc  cineö  ^rjbifc^ofö  üon  ?)ort  auf- 
flieg)  §unb  üeremigt*). 

53creitö  fingen  bic  j^ulebt  non  pulten  l)crauögegebcncn 
0d^riften  Sflumor  ju  mad)cn  an.  Sieben  bem  Beifall  auf  ber  eU 
neu  ©eite  i^cigte  fid}  @rbittcrung  auf  ber  anbern ; bic  ©önncr 
marnten,  bie  SBibcrfad^cr  brüllten ; ©ra^rnuö  ermahnte  ben  jungen 
greunb,  bic  grciljcit  feiner  geber  ^u  bänbigen,  um  bic  @unft 
feinet  gürften  nid)t  ju  ücrfc^er5cn;  Slnberc  fprad^en  öon  ^ann 
unb  (iJefängnig,  üon  ÖJift  unb  3)oIdj,  bic  i()m  bcüorftünbcn®). 
©d)on  im  üorigen  3al)re  ^attc  @d,  luic  Julien  burc^  Srotuö 
nmgte,  in  einem  nad)  Slom  gefd)ricbcncn  Briefe  il)n  benuncirt: 
unb  nun  mar  @cf  fclbft  nadj  9?om  gereift.  Sin  baö  aUeö  fe^rte 
fid)  $uttcn  üorerft  nic^t,  fonbern  faßte  im  (5)cgentl)cil  ben  @nts 
fd)luß,  feine  Slnfidjtcn  unb  iöcftrebungen  an  ßödjftcr  ©tcHc  per^ 
fönlid)  geltenb  ^u  madjen. 


1)  ü.  HuUenus  eq.  Eduardo  Leo,  Anglo,  rosipisccru.  Ex  Mo- 
giiutia  (20.  9)lai).  3chtiflen  I,  <5.  346—348. 

2)  Hogstratus  ovans,  dial.  etc.  Interlocutores:  Hogstratus  . . . . 
Ed.  Leus,  canis  ex  hotniue  factus.  llutteui  Opp.  Supplem.  I,  461 
bis  488. 

3)  lluttenus  oninibus  omnis  ordinis  ac  status  in  Germania  etc. 
Schtiften  I,  S.  407.  Erasm.  Si>ongia,  in  ^uttcn’5  Schriften  II,  318. 


312 


Drittes  fiapitei. 


fteife  an  ben  be$  grs9crjoö$  g^rrbinanb. 
'^äpflti^e  '^erfofgnttg. 

1520. 

% 

^ ^cr  ncugciüä^ltc  bcutfd^c  Äöntt^  Äarl  V.  ^attc  am  20.  2}^ai 

Spanien  üerlaffen  unb  njar  nac^  Xcntfd)lanb,  ^unäc^ft  nnc^ 
ben  9^icberlanben,  untcnncg‘3,  m fein  iöruber,  ©r^licr^oij  gerbU 
nanb,  i^n  crtDartcte.  2)icfem  ^Qtte,  luic  iniv  unö  erinnern,  |)utten 
im  9J?är^  bie  alte  Sd)u^)d3rift  für  §cinrid)  IV.  ^eflen  §ilbebranb 
mit  einer  SSorrebe  flemibmet,  in  ber  er  iftn,  unb  burd)  i^n  feinen 
iüruber,  für  ben  $Ian  einer  ^efreiunt^  ®eutfc^tanb‘5  non  ber  rö* 
mifd)en  grcmbl)errfct)nft  511  c\etüinnen  fud)tc.  ®nl)in  mollte  er 
nun  aud)  burd)  pcrfönlid)e  Uebcrrcbuug  mirteu,  unb  fd)idtc  fid) 
bat)cr  um  ben  Einfang  bcö  3uni  5»  einer  fReife  liac^  ben  ^Ricber^ 
lanben  an. 

®ie  greunbe  beö  gortfe^rittö  fnüpften  bie  fü^nften  @rmar» 
tungen  au  biefe  31eife.  „§uttcn  gc()t  ju  gerbinanb",  fd)ricb 
9J^’land)U)on,  „ber  greU)cit  einen' 3öeg  511  bahnen  burd)  bie  gröfi* 
teil  gürften.  SCBaö  bürfen  mir  aifo  nid)t  I)üffeu?"  Srotu^  fprac^ 
gegen  2utl)er  bie  Hoffnung  auö,  ben  greunb  bemnäd)ft  an  ger= 
binanb’ö  §ofe  ju  fiut^er'ö  unb  ber  guten  Stubien  SBort^cil  an* 
geftellt  ju  fet)en;  uiib  Stromer,  ber  inbeffen  nad)üleip3ig  berufene 
mainjer  greunb,  bejeic^nete  U)n  bereite  alö  fRat^  ber  bcibcit 
gürften,  2llbrcd)fö  oon  3J^ain/\  unb  gerbinanb'ö  oon  Oefterrei^ 
glitten  felbft  fai)  bie  Sac^c  meniger  fanguinifd)  an.  .§eute  reife 


1)  9)lclond^tbon  an  3ob.  ^effuS,  in  ^uttcn’S  6<^riftcn  I.  6.  368.  6totu§ 
• an  Sutber,  ebenbaj.  6.  341.  üDie  ^eugerung  Stromer ebenbaj.  8.  344. 


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J^utten’S  S(^|reibcn  an  fintier. 


313 


er  5<^rbinanb  ob,  fd^ricb  er  am  4.  Suni  an  ^etruö  SP^ofclIanuö^ 
Düfl  ber  größten  borgen,  neuen  ©tellung  fei  nod)  fein 

@rnnb,  il)m  @lüd  ju  rtnlnfd)en.  yiur  fattä  er  feinen  cr^ 

reid^e,  bag  bann  bie  gute  0ac^e  ben  S^ort^eit  baüon  ^aben  folle, 
glaubt  er  uerfprec^en  ^u  fönnen^). 

3m  ©egriff  einen  fo  entfd)cibenben  ©c^ritt  ju  t^nn,  l)ielt 
. §utten  eö  an  ber  ßeit,  alle  fRüdfid)ten  bei  ©eite  ^u  fefeen,  unb 
mit  bem  SD^anne,  mit  bem  auf  @in  3^^^  Ijinjuftreben  er  fic^  bc* 
mugt,  über  beffen  öoHe  S3ebeutung^  er  fo  eben  nod}  burd)  ßrotnö 
in^  Älare  gefegt  morben  mar,  nun  aud)  äußerlid)  in  Ißerbinbnng 
ju  treten.  5lm  4. 3uni  fc^rieb  er  noc^  non  2Jtain^  auö  an  2utl)er 
folgenben  ®rief:  „SBenn  bir  in  bemjenigen,  mad  bu  bort  mit 
i)of)em  9Jtutl)c  betreibft,  fid)  ein  ^inbernig  in  ben  SB3eg  fteHt,  fo 
ift  mir  baö  non  ^er^en  leib.  S53ir  baben  l)ier  nid)t  ganj^  ol)ne 
(Srfolg  gearbeitet.  (S^nftu^  fei  mit  unö!  (Sbriftuö  l)elfe!  ^)enn 
feine  S3orfd)riften  üerfed)ten  mir;  feine  bnrd)  ben  ^unft  ber  päpft» 
lieben  ©a^ungen  oerbunfelte  2ef)re  bringen  mir  mieber  anö  2id)t : 
bu  glücfli^er,  id)  nach  Prüften.  äJ^öebten  entmeber  alle  bief}  eiUf 
fel)en,  ober  jene  oon  freien  ©tücfen  in  ficb  geben  unb  auf  ben 
rechten  SBeg  j^urüeftebren.  bci&t,  bu  feieft  in  ben  iöann  ge* 
tban."  (2)ief3  mar  im  ^Jlugenblicf  nod)  nid)t  ber  gall,  oermirflid)te 
fid)  jeboeb  halb  genug:  bie  iknnbuHe  gegen  Sutber  trägt  baö 
55atum  be^  15.  3nni.)  „SBie  grob,  o Sutber,  mie  grob  bift  bu, 
menn  baö  mal)r  ift.  5)eini  oon  bir  merben  alle  frommen  fagen: 
©ie  fuebten  bie  ©eele  be^  Gerechten,  *unb  baö  unfcbulbige  ®lut 
Oerbammten  fie;  aber  ®ott  mirb  ihnen  ihre  a)^iffetl)at  oergelten, 
unb  in  ihrer  ^o^b^^l  ber  ^err  unfer  (SJott  fie  oerberben. 
®aö  fei  unfre  Hoffnung,  ba^S  unier  (Glaube.  @cf"  (über  beffen 
Umtriebe  Srotuö  bem  greunbe  baö  9ieuefte  l)citte  melben  fönnen), 
„(Sef  febrt  oon  fHom  snrücf,  oom  fßapfte  mit  ^frnnben  unb,  mie 
man  fagt,  mit  ©elbe  befd)enft.  SäJaß  ift'ö  mel)r?  Gelobt  mirb 
ber  ©ünber  in  feinen  Söünfcben,  unö  aber  leite  (^ott  in  feiner 
SBabrbeit.  ^aruni  bie  SBcrfammlung  ber  g^eoler, 

unb  mit  ben  ©ottlofen  fi^en  mir  nicht.  X)ocb  fieb  bich  oor  unb 
halte  Slugen  unb  ©inn  auf  fie  gerid)tet.  5)u  fiebft,  menn  bu 
jebt  fieleft,  ma^  eö  ber  gemeinen  ©acbe  für  ein  ©ebaben  märe. 


1)  Sc^riflcn  IV,  8.  690. 


314 


II.  %ud^.  3.  j^a^iiel. 


^)cmt  für  bid),  ici^,  bift  bu  fo  gcfinnt,  bag  bii  lieber  in 
beinern  SSorl)nbeii  fterben,  cii^  elenb  leben  tniCift.  2luc^  mir  fteHt 
man  nac^;  id)  merbe  mid)  f)üten  fo  (\nt  ic^  fann.  SBerben  fic 
bemalt  braud)en,  fo  ^abe  id)  Kräfte  gegen  fie  aufjubieten,  bie 
it)ncn  nid)t  allein  gcmad)fen,  fonbern,  mie  \6)  Ijoffe,  überlegen 
fein  follen.  9Jiöd)ten  fic  mid)  nur  ocrad)ten.  @cf  l)at  mic^  an*= 
gegeben,  bag  id^  cö  mit  bir  ^altc;  barin  l)at  er  fid^  nicht  getäufd)t. 
i)enn  immer  habe  ich  in  3lUcm,  mag  ich  ücrftanb,  bir  beigeftimmt, 
obfehon  big  jefet  fein  S^erfehr  .^mifchen  ung  ftattfanb.  SBag  er 
meiter  gefagt  hat,  mir  hnben  )chon  früher  nach  5Serabrcbung  ge* 
hanbclt,  bag  h^t  er  bem  ^apftc  Gefallen  gelogen.  @in  fcham^ 
lofer  33öfemid)t!  2J?an  mug  fehen,  bag  il)m  ücrgoltcn  merbe,  mag 
er  oerbient.  fei  feft  unb  ftarf  unb  manfe  nicht!  ^od)  mag 
mahne  ich,  ^no  nid)tg  j^u  mahnen  ift?  ^In  mir  hoff  bu  einen 
Vlnhängcr  für  jeben  möglid)en  gnK-  ^ntmn  magc  eg,  mir  ing^ 
fünftige  alle  bciuc  $lanc  an^uOertraucn.  9Scrfed)tcn  mir  bie  ge* 
meine  greil)eit!  befreien  mir  bag  uuterbrüdtc  Satcrlanb!  @ott 
haben  mir  auf  unfrer  ©eite.  Sft  ®ott  für  ung,  mer  mag  miber 
ung  fein?  3)ic  ilölner  unb  öömener  hnben  bich  Oerbammt.  ^ag 
finb  jene  teuflifchen  fRotten,  mel^c  gegen  bie  SSahrheit  ftreiten. 
^0^  mir  merben  burchbrcd)cn,  burchbredhen  unter  ^h^ifü  33ciftanb 
frifdh  unb  mannhaft.  Senen  aber  hätte  eg  gebührt,  im  oorfom* 
menben  gaHc  mahrhoft  unb  freimütl)ig  ju  urthcilen.  darüber 
habe  ich  fic  jur  9^cbc  gcftcllt  in  einem  Sormorte,  bag  bu  Icfcn 
mirft^).  Sapito  (|)ofprcbigcr  unb  noch  in  bcmfclben  3nh^c  9?ath 
beg  ^urfürften  Don  BJioinii)  mirb  eg  bir  fehiefen.  $cutc  reife  ich 
j^u  gerbinanb  ab.  2öag  ich  bort  für  unfre  ©achc  mirfen  fann, 
merbe  ich  öerfäumen.  N.  (Sranj  oon  ©iefingen)  lägt  bir 
fagen,  ^u  il)m  ju  fommen,  fallg  bu  bort  nicht  gehörig  ficher  bift; 
er  mirb  bich  beincr  Söürbc  gemäg  chtlid)  halten  unb  gegen  aUcrtei 
5einbc  mannhaft  ücrthcibigcn.  ^ag  h^t  er  midh  fchon  brei  ober 
oicrmal  geheigen  bir  ju  fchrcibcn.  3n  SBrabant  gnben  mi^  beine 
Briefe;  bal)in  fchrcibe  unb  lebe  frcunblich  unb  in  Sh^ifto  mohl* 
©rüge  SDManchthon  unb  gachug  unb  alle  ÖJuten  bort,  unb  lebe 
nod)malg  mol)l"®). 


1)  S.  oben  S.  308  ff. 

2)  Schriften  I,  S.  366  f. 


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i^uttfn’5  Steife  on  ben  ^of  bc8  ßrj^crjoQS  ^rbinanb.  315 

?(n  9lcifefldb  gebrad^  c3  §iittcn  nid)t:  ber  Äurfürft  Don 
Üliainj  l)atte  i^m  unmittelbar  jfuüor  burd)  ^rnolb  ©louberger 
in  grauffurt  100  gl.  au#jal)lcn  laffeit*).  §llbrec^tö  Scr^ältnig 
ifu  §uttcn  beftanb  olfo  noc^  immer  fort,  uneraditct  biefer  in  feinen 
lebten  Schriften  ber  römifc^en  ßurie  einen  Ärieg  auf  Seben  unb 
Xob  angefünbigt  ^atte.  Snmiefern  eine  33efc^ränfung  9lomö  bem 
(Jr^bifc^of  üon  2Äain>f  ermünfebt  fein  fonnte,  l)abcn  mir  oben  an* 
gebeutet,  ba  mir  unö  bereite  über  bie  erftc  5lufnal)me  §uttcn'ö 
in  mainjifc^e  ®ienfte  munbern  mußten.  Sc^t  mod)ten  J^utten'^ 
unb  0idingen'ö  fid^  auöbe^nenbe  (Sntmürfe  bem  erften  beutf(^en 
Äird^enfürften  noc^  locfcnbere  Slu^fid^ten  bieten.  2Bir  miffen, 
bag  in  ber  erften  ß^it  ber  Xb^^onerlebigung  ba§  SBerfpredjen  beä 
^pftc^,  fallö  burd)  Hlbrec^t’ö  3Jtitmirfung  granjf  I.  oon  granf* 
rcic^  ;^u  ÜJtajimilian'ö  ^lac^folger  ermä^lt  mürbe,  il)n  jum  ßegaten 
i)on  ^^eutfc^lanb  5U  ernennen,  ftarf  auf  ben  ©r^bifebof  gemirft 
l)atte.  Söenn  fid)  je^t  burd)  |)utten'i^  unb  0idingen’ö  Xl)ätigfeit 
bie  bcutfci^c  Ä'irc^e  für  fic^  abfc^loft  unb  ber  römifc^en  nur  etma 
nod)  etliche  S^renre^te  übrig  lieg,  fo  fd)icn  ber  mainjer  (Srjs 
bifegof  al^  ^rimaö  üon  ®eutfcglanb  berjenige,  bem  baö  SKeifte, 
maß  man  fRom  entj\og,  jufallen  mugte.  .fmtten’ß  5lbfel)en  ging 
allerbingß  meiter;  aber  bie  eine  ©eite  feineß  ^lanß  mar  jeneß 
bo<^:  ®eutfcglanb  follte  üon  ber  firc^lid)en  grembgerrfegaft  be= 
freit,  meitergin  aber  freilieg  bie  Äircgc  felbft  cntmeltlicgt  mert^eii; 
erftereß  mar^utten’ß,  legtereß2utger’ߧauptgeficgtßpun!t:  morauß 
fieg,  felbft  ogne  bie  entgegengefegten  perfönlicgen  33erügrungcn, 
abermalß  erflört,  mic  (Srjbifcgof  2llbred)t  Sutgev’ß  geinb  fein 
mugte,  unb  boeg  §utten’ß  Gönner  fein  fonnte. 

SSofl  üon  feinen  @ntmürfcn  reifte  §utten  mit  einigen  gleicg^ 
gefinnten  ^Begleitern  ben  9tgein  ginuntcr.  gn  Äöln  traf  er  mit 
Ägrippa  üon  9tetteßgcim  ^ufammen,  jenem  feltfamcn  @cmifcge 
üon  gutem  Äopfc,  ©egmärmer  unb  ßgarlatan,  ber  ein  ägnlicg 
abentcuerlicgeß  ßeben  mie  §uttcn  ginter  fteg  gatte,  aueg  üon 
3Röncgen  unb  Pfaffen  fegon  üerfegert,  babei  aber  boeg  ein  ©egner 
ber  9teformation  geblieben  mar.  @r  fag  in  ^utten’ß  9}tittgei5 
lungen  einen  erfegreefenben  33emeiß,  mie  meit  bie  greeggeit  gemiffer 
ßcute  jegt  gege;  in  feinen  planen  bie  i^cime  üerberblicger  fReüOs 


l)  So(gtfiuS  an  ^irdf^etnnr,  in  igutten’S  6(gn|ten  I,  8.  859. 


Slfi  II.  S?ud^.  3. 

lutioneii:  oUeö  fommc  nun  auf  bic  dürften  unb  ingbefonbere  ben 
ncu(iclüät)ltcn  i^aifer  an,  beffen  ,,0aturnifc^eö''  SGöefcn  jebod)  bem 
§oroffopftcHcr  aud)  fein  SScrtraucn  cinflößtc*). 

3n  Sömen  luobntc  bamalö  @raömuö;  i^n  bcfuc^tc  Jütten, 
bat  ibn  um  Empfehlungsbriefe  an  ben  ^of  unb  um  eine  geheime 
Uuterrebuug.  S3eibcS  erhielt  er;  aber  auS  bem  iiriege  gegen  bie 
S^ömlinge,  ben  §utten  eröffnen  ^u  moÜen  äußerte,  machte  EraS? 
muS  einen  0paß;  er  fragte  nach  ^cn  SKitteln  ju  einem  folchen 
lluternehmeu  unb  rietl)  bem  enthufiaftifchen  S^fittcr  ernftlich,  üon 
einem  fo- tollfühnen  §anbel  bie  §anb  ju  laffen*). 

Sßie  eS  biefem  fofort  am  .§ofe  ju  Trüffel  ergangen,  miffen 
mir  im  Einjelnen  nicht.  9Iuch  mie 'lange  er  bageblieben,  fönnen 
mir  uidjt  beftimmen.  0^roerlich  h^l  Äarl’S  ^nfunft  abge* 
märtet ; fdjmerlich  ift  er  bei  gerbinanb  ju  EJel)ör  gefommen.  EJleich 
imn  Infang  marnten  ihn  feine  33efannten  am  ^ofe  uor  iRad)^ 
ftellungen,  bie  eben  hier  if)m  broheu,  unb  benen  er  nur  baburch 
entgehen  fönne,  menn  er  fo  fd)leunig  mie  möglich  fid)  Dom  §ofe 
entferne.  ^2lnfangS  beadjtetc  §utten  biefe  SBaruungen  nicht ; aber 
fie  mürben  immer  bringenber  unb  beftimmter.  ®ie  päpftlid)en 
EJefchäftöträger  in  2)cutfchlaub  feien  eS,  bie  baS  betreiben,  unb 
oor  ber  Eurtifanen  EJift  unb  Solchen  l)fll>e  er  fid)  in  Sicht  ju 
nehmen.  ®a  nun  .überbieß  §utten  bie  Pfaffen  am  brüffeler  ^of 
mächtiger  fanb,  als  baß  er  auf  günftigeS  EJel)ör  hätte  hoffen 
fönnen,  fo  folgte  er  bem  9iatl)e  ber  beforgten  greunbe  unb  jog 
fich  5urüd®). 

Sluf  ber  9hicfreife  begegnete  ihm  ein  fomifeßeS  Slbenteuer, 
baS  er  in  ber  5olge  gern  erzählte.  S33ie  er  mit  feinen  5mei 
Unechten  inberS^ähe  uon  Sömen  ritt,  fei  il)m  ^ochftraten  in  ben 
SBcg  gefommen.  |)utten  erfonnte  ihn  unb  ließ  il)n  burd)  feine 
ßeute  greifen.  „Enblid)",  fd)rie  er  ihn  an  unb  /\og  ben  E)egen, 
„enblicl)  fäll  ft  bu  in  bie  rcd)ten  §änbe,  bu  0d)eufal!  Söelchen 
Xob  foH  id)  bir  nun  antl)un,  bu  geinb  aller  EJuten  unb  SBiber« 


1)  9l0ri|)pa’§  ©rief  öom  16.  3uni  1520  in  §uttcn’§  6(hnften  I, 
©.  359  f. 

2)  Spongia,  in  ^utten’S  ©d()riften  II,  ©.  276,  §.  84.  85.  ©.  317  f. 
§.  373.  374. 

3)  Iluttoims  onmibus  uomis  ord.  etc.  ^d^riften  I,  0.  407. 


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^uttcn  auf  ber  Äürfreijc  ou§  ben  9iiebctlQttben.  317 

fad^cr  bcr  S9Ja^rf)cit?"  halb,  tüic  er  ben  @(enben  um 

bon  bittenb  oor  fid)  auf  beni^nien  fagte  er  fid),  unb  „9^eiu!" 
rief  er,  inbem  er  fein  ©c^mert  mieber  in  bie  ©c^eibc  ftieg,  „nein, 
mein  5)egen  foll  fic^  mit  fo  fc^lec^tcm  Slute  nic^t  Oefubeln;  ba^ 
aber  miffe,  bag  Diele  onbere  ©c^merter  auf  beine  Äel)le  sielen, 
unb  bein  Untergang  eine  au^gemadjte  ©ac^e  ift^)''. 

§utten  reifte  nun  mieber  ben  fRl)ein  Ijinauf,  unb  ba  mürben 
il)m  untermegö  bie  in  iörüffcl  erhaltenen  Sßarnungen  beftätigt. 
9fteifenbe,  bie  Don  fRom  jurärffamen,  mollten  miffen,  ber  $apft 
fei  öu^erft  erbittert  auf^  il}n,  unb  höiJC  eine  nachbrücflichc  Ser? 
folgung  gegen  ihn  befchloffen.  Söie  er  bonn  nach  S^ainj  juriief? 
fam,  liefen  feine  greunbe  jufammen  unb  münfehten  ihm  (^lücf, 
ja  einige  munberten  fi^,  ihn  mieberjufchen,  beim  fie  hotten  Don 
folchen  fRachfteUungen  gegen  ihn  gehört,  bag  fic  il)n  für  einen 
Derlorenen  ÜRann  hielten.  3h^em  9tathe  jufolge,  fi^  oud)  in 
ÜJtains  nicht  lange  aufeuhalten,  ging  er  nad)  granffurt  unb 
erfuhr  l)iet  burch  Sriefe  unb  münbliche  Seridjte,  baß  ber  $apft 
an  Derfchiebenc  beutfehe  gürften,  inöbefonbere  auch  on  ben  (£rs? 
bifchof  Don  2Rains,  baö  Hnfinncn  gcfteHt  höbe,  il)n  gefeffelt  nach 
8flom  ju  fenben.  Sei  Äönig  Äarl  aber,  fo  Derlautcte  halb  barauf, 
fuchtc  ein  päpftlicher  Orator  bie  ©rlaubnig  nach,  $utten,  mo  eö 
fei  im  beutfehen  fReidje,  greifen  unb  boju  bie  §ülfe  beö  mcltlichcn 
Slrm^  in  Slnfpruch  nehmen  ju  bürfen*). 

Son  granffurt  aud  machte  Jütten  einen  Sefuch  auf©tectcU 
berg,  mo  bamalö  feine  beiben  (Sltern  noch  lebten.  Untermegö  in 
©elnhaufen  f^rieb  er  am  8.  Sluguft  an  ßapito  nach  äRoinj,  ec 
möge  bie  an  ihn  einlaufenben  Sriefe  bi^  auf  fichcre  Gelegenheit 
an  fich  nehmen,  unb  gab  ihm  sogleich  Slachricht,  faüö  er  ^ noch 
nicht  miffe,  Don  bem  pöpftlichen  ^Xnfinnen  an  ben  ©rsbifchof. 
„9tun  enblich'",  fchrieb  er,  „fängt  biefe^  geuer  ju  brennen  an, 


1)  UroiuS  an  Sutbet,  in  ^ulten'S  Sd^riften  I,  6.  434.  Otto  iBrun» 
fcl§,  Reep,  ad  Spong.  Erasmi,  cbenbof.  II,  6.  338,  unb  Hochstratus  ovans, 
Hutteni  opp.  Suppleni.  I,  S.  484. 

2)  Jütten  an  Sapito,  8.  Wugufl  1520,  an  @ra§mu§,  15.  ^ugufl,  @(^tif* 
ten  f,  6.  367  f.  71.  Qfranl  aud  Äamenj  an  ^irdbeimer,  in  l^uttcn^S  Stbrif- 
ten  I,  S.  420.  Huttenus  omnibus  omnis  ord.  eto.,  ebenbaf.  @.  407  f. 
Dcffelben  U(ag  unb  uormanung,  Sebtiften  III,  509  f. 


818 


II.  $u4l-  S. 


unb  Cd  »irb  ein  SBuiiber  fein , tnenn  cd  nid)t  mit  meinem 
©turje  rnirb  gclöfc^t  merben  müffen.  2)oc^  in  biefem  ^anbel 
^abc  ic^  met)r  ald  jene  Ä'räfte  ()abcn.  2luf,  auf ! cd  mag 

burc^gebrod^cn  merben.  3Kit  meiner  ÜJ^ilbc  fei  ed  nun  am  (5nbe; 
beim  id^  fc^e,  bag  bic  römifc^cn  Scuen  nac^  33lute  lec^jcn.  Slber, 
menn  rnict)  nidjt  afled  trügt,  merben  fie  c^er  fcibft  SÖlut  laffen, 
e^cr  öanbe  unb  Äerfcr,  momit  fie  mir  fo  graufam  bro^en,  crbul^ 
ben  müffen."  5(uf  ©tcdclberg  fc^rieb  einige  Xage  fpätcr  |)uttcn 
an  (Jradmud,  er  munberc  fic^  über  bie  blinbe  2öut^  bed  ^apfted, 
üon  einem  gürften  mie  2llbred^t  fo  etmad  ju  ücrlangcn.  3()n, 
Jütten,  meinen  fie  jefet  fc^r  in  gur^t  gefegt  ju  ^aben;  ob  er 
gleich  auf  ber  aubcrn©eitc  üerne^me,  baß  fie  il)m  ^öc^ft  anftäns 
bige  S3cbingungcn  bieten,  menn  er  fic^  ^um  griebcu  bequemen 
moüte.  2)ad  t^un  fie,  nac^bem  er  burc^  feine  jeitige  (Sntfemung 
aud  3J?ainj  i^ren  ^änben  entgangen  fei.  §luc^  gulba  befuc^tc 
.^utten  bei  biefer  Gelegenheit  mieber,  unb  brachte  hier  noch 
mal  fünf  2^age  im  trauten  SSerfehr  mit  bem  alten  ^eräendfreunbe 
Crotud  ju‘). 

Jütten  fpridht  oon  j^mei  päpftlid)cn  ©chreiben  an  ben  Äur^ 
fürften  oou  ajjoinj^:  in  ber  tarnen  biefem  am  5.0ct.  burch 
bie  beiben  5Runtien  5Ueanber  unb  (Saraccioli  beren  fünf  ju,  mo^ 
oon  jeboch  nur  eined,  oom  12.  3uli,  bem  aber  ein  $rit)atf(^rcU 
ben  bed  main^er  Domherrn  SBalentin  oon  Xetlebcn  an  ben  Äur* 
fürften  in  ber  gleichen  ©achc  jur  ©eite  ging,  fich  auf  Jütten 
be5og.  (5d  fei  ihm,  fchreibt  bariu  ber  $apft,  ein  öudh  gezeigt 
morben,  bad  oon  einem  gemiffen  Ulrich  $utten  entmeber  Oerfagt 
ober  aufgefunben  unb  mit  einem  SSormortc  begleitet  fei,  in  melc^’m 
fich  fltöbften  ©chmähungen  gegen  ben  römifchen  ©tuhl  befin- 
ben.  @d  ift  bieg  ohne  ©chrift  De  unitate  ecclesiae 

mit  ber  SBibmung  an  ©r^iherjog  gerbinanb,  unb  feheint  alfo  bie 
oor  jmei  3ahtcn  Oon  ^>utten  heraudgegebene  unb  ßeo  X.  jugc= 
eignete  ©d)rift  bed  Saurentiud  SSaßo  bcmfelben  nidjt  ju  ^onben 
gefommen,  ober  oon  ihm  ignorirt  morben  ju  fein.  Sugleich, 
fährt  ber  ^apft  in  feinem  Grlaffe  fort,  hoben  bie  Ueberreidjer 
ber  ©chrift  (Oermuthlid^  @cf  u.  21.)  ihm  gefagt,  oon  bemfelbcn 


1)  ©.  bie  ln  ber  öorlßen  Unm.  ongefübrten  Briefe  ^utten’S  unb  ben 
ln  ber  notierten  angeführten  55rlef  öon  SrotuS  an  fiuther. 


9 


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^öp|itt4)c§  5?rct)c  ßcgen  i^uttcn. 


319 


Söcrfaffcr  feien  nod)  öiel  örgerc  SBüc^cr  in  if)ten  ^änben;  tneg* 
njcflcn  fie  i^n,  ben  $apft,  aufgeforbert  ^aben,  gegen  einen  fo 
fredjen  Söfterer  mit  fc^arfer  ©träfe  cinjufd)reiten.  Sei  nä()erer 
@rfunbignng  über  feine  fßerfon  t)abe  er  nun  crfaf)rcn,  ba6  ber* 
felbe  ein  2)iener  beö  @t5bifc^ofö,  unb  bic  angefd)uibigten  33üd)er 
in  beffen  ©tabt  SJ^ain^  gebrueft  feien.  0b  eö  nun  gleid)  fouin 
benfbar  fei,  bag  biefc§  oljue  bcö  @r5bifd)ofö  SSiffen  b^be  gcfdjcben 
"(önnen,  fo  fönnc  boeb  er,  ber  $opft,  üon  einem  gürften,  bem  er 
fo  'maiK^c  iöetoeife  befonbern  SGBobliuoHcnö  gegeben  (er  febidte 
ibm  je^t  eben  bie  golbene  fRofe),  fo  ctmaö  unmöglich  glauben,  unb 
fe§e  baber  lieber  oorau^,  berfelbe  habe  nichts  baoon  gemußt.  Um 
fo  mebr  aber  ermarte  er  jebt  üon  bemfelben,  baß  er  bie  greebbeit 
berjenigen,  melcbe  fid)  gegen  ben  heiligen  ©tuf)l  auflebnen,  unters 
brüden  unb  fie  entmeber  ^ur  33efd)eibenbeit  ^urüdfübren,  ober 
an  ben  ßäfterern  @i*empel  üon  ©trenge  aufftellen  merbe,  mcld)c 
fie  felbft  unb  anbere  fortan  üon  fo  ftrafbarem  SKutbmillen  ab- 
halten  mögen  ^).  ^on  geftnabme  übrigen^  unb  ^Ibfübrung  nadj 
9^om  ftebt  in  biefemiöreüe  ni^tö;  fei  e^,  baß  bicsJ  nur  münblidjer 
3luftrag,  ober  aud)  üorerft  bloßem  @erüd)t  mar;  um  eine  2lbfd)rift 
ber  Urfunbe  felbft  bemühte  ficb  Jütten  lange  ßcit  ücrgebenö*). 

3n  feiner  ?lntmort,  üon  ber  ^anb  feineö  nunmehrigen  9^as 
tbei2^  Sapito,  beö  biplomatifcben  greunbeö  ber  ^Reformation  unb 
.^utten'ö  inöbefonbere,  beruft  fid)  ber  ©r^bifebof  ju  feiner  fReebts 
fertigung  barauf,  boß  er  alle  biejenigen,  an  benen  er  eine  (£nts 
frembung  üon  bem  römifeben  ©tuble  mabrgenommen,  üon  ficb 
entfernt  habe;  fo  habe  er  Jütten,  ber  ihm  bi)^  babin  febr  mertl) 
gemefen,  fobalb  er  üon  feiner  ©cbmaebfebrift  gegen  ben  tobinal 
(Sajetan  (ber  Febris  prima)  5^unbe  erhalten,  üon  feinem  ^offtaat 
auögefcbloffcn  (b.  l).,  mie  mir  miffen,  ihm  ben  erbetenen  Urlaub  mit 
fortlaufenbem  (i^ebatte  gemährt);  üon  feinen  neueften  abfcbeulicben 
©ebriften  h^ibe  er  erft  nach  feiner  IRüdfebr  ouö  ber  magbeburger 
^)iöcefe  etmaö  erfahren,  gegen  Jütten  felbft  aber  nicht  einfebreiten 
tönnen,  ba  ficb  biefer  biö  auf  ben  heutigen  Xag  in  ben  fefteften 
iöurgcn  l)uUc  unb  jeben  Slugenblid  im  ©tanbe  fei,  eine  ftartc 


1)  fommt  ^Ibred^itS  ^nttoort  in  J^utten’§  Schriften  I, 
6.  3fi2— 366. 

2)  Jütten  an  @^ito,  Schriften  1,  S.  365  f. 


320 


H.  ^uc^.  3. 


©ti’citmac^t  äufammcn^ubringen,  mit  mclc^cr  er  bem  @rjbi{c^of 
fclbft  gcfät)rlid)  merben  fönntc.  ^Dagegen  [)Qbc  er  fid)  an  ben 
iBud)brurfer  (Sot).  0cböffer,  bei  bem  bie  2)ialoge  unb  bie  Sd)ri{t 
mit  ber  SSorrebe  au  gerbiuanb  erfdjicneu  maren),  einen  main^er 
Jöürger,  getjalten,  ben  er,  trofe  ber  ^i(bmat)nungen  uornel)mer 
ä)^änner,  in  ein  ^arteö  (Gefängnis  ^abe  merfen  laffen. 

()abe  er  in  feinen  2)iöcefen  ben  Äauf  unb  SSerfanf  biefer  nnb 
anberer  gegen  ben  römifd}en  £tul)l  gerichteten  ©d)riften  üerboten.  * 
SäJaö  ben  iöuehbruder  betrifft;  fo  fcheint  alfo  beö  ^ofmeifterö 
grmuin  üon  Jütten  günuort,  baö  Ulrid)  fchon  im  ©ommer  in 
^nfpruch  genommen  batte,  ot)ne  SBirtung  geblieben  ju  fein‘). 

2)ie  feften  iöurgen,  in  benen  Jütten  um  biefe  ßeit  fid)  hielt, 
maren  bie  feinet  greunbeö  uon  0icfingen,  unb  bal)in  mu6 
il)m  jeht  iinfere  (Sr^^ählung  folgen. 


1)  i^utten  an  ^apito,  8.  ?lufiufi  1620,  6(^ri|tfn  I,  ®.  3G7. 


\ 


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321 


Viertts  fiojittel. 


ßutiett  auf  öet  SBemdurg  Bei  §frani  von  ^Mingen. 

1520. 

% 

®cn  ritterlichen  ©eftalten  jener  3^^^  Stons  t>on 

0icfingen,  ©ö^  uon  55erlichingen  unb  ihrc^c^leichen , ift  für  un^, 
bie  n?ir  in  einem  qan^  anbern  SBeltäuftanbc  leben,  nicht  leicht, 
in  iinferm  Urtheile  gerecht  ju  merben.  ©ntmeber  mir  nehmen  fic 
ju  hoch,  ober  ju  niebrig.  ©rftercö  begegnet  un»  iniJgemein,  fo 
lange  mir  nur  Allgemeinem  unb  Unbeftiinintem , Icfeterem,  menn 
mir  einmal  bam  ©injelne  üon  ihnen  miffen.  ®enn  ber  2Bal)n 
uerfchminbet  in  biefem  galle  grünblid),  aim  hätten  jenefRitter  il)r 
©chmert  in  ber  IRegcl  jum  53eftcn  ber  Unterbrüeften , aum  uneis 
gennü^iger  ßiebe  ju  IRecht  unb  g^eiheit  gezogen,  ©ie  erfcheinen 
nicht  allein  roh,  fonbern  auch  mit  Berechnung  eigennühig- 
'ihren  Jc^ht^c^n  empört  unm  ni^t  blom  bie  Unbarmljerjigfeit , mit 
ber  einer  bem  anbern  arme  ßeute  plünbert,  ihreS)örfer  anjünbet, 
ihre  gelber  üermttftet;  fonbern  faft  mehr  noch  bie  Beobachtung, 
ba§  bam  allem  mie  ein  ©emerbe  betrieben  mirb , bei  bem  ber  ©c* 
minn  an  Beute  ober  ßöfegelb  ber  3t®^cf,  bam  fRed)t  ober,  bie 
angebliche  Beleibigung  burd)  einen  anbern  ©beimann,  eine  ©tobt 
u.  f.  f.,  meiftenrn  nur  ein  Bormanb  ift,  um  bie  Bauern^  bem  einen 
branbfdjohen,  bie  Äoufleute  ber  anbern  niebertoerfen  unb  beraiu 
ben  ^u  fönnen.  ^ieg  mirb  aum  ©öhenm  naioen  ©elbftbefenntniffen 
jum  ©reifen  beutlich*)  unb  ouch  granj  oon  ©idingen,  ben  man 


1)  ttuger  biejer  ©elbftbiograb^te  gibt  e§  taum  eimS  2e^rrci(^ere§ 

Übel  bicjfn  ^unft  ol8  bic  Heine  Schrift ; , Dem  Conbf rieben  ift  ni(^t  ju  trauen  * 

VII.  21 


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322 


II.  Sud).  4. 


nic^t  mit  Unrcd)t  einen  ©öfe  in  t)öt)crni  ©tilc  genannt  ^at,  mar 
büd)  auö  bcmfelOen  ^oljc  gcfdjni^t. 

@e[d)Icd)t  ber0tdingcn  mar  a(t,  bod)  fdjricb  fid)  feine 
Sebeutnng  erft  non  granjenö  ®atcr  f)er.  tiefer,  ©c^meidarb 
üon  ©idingen,  be^nte  burd)  aflerlei  gelben,  bic  er  t()eiU  im 
^ienftc,  tl)cild  unter  bem  ©dju^e  ber  ^fatj,  bereu  9J?arfd}alf  er 
mar,  befonberi^  auc^  gegen  ©tobte  füljrte,  feine  Sefifeungen  auö. 
2öie  aud)  er  ju  fold^en  gct)ben  fam,  baüon  nur  ein  33eifpicl. 
@inft  ging  er  in  Äöln  ^erum  uid)  trug,  mie  er  pflegte,  feinen 
®olc^  im  @urt.  2)a  bieg  miber  bie  ©tabtorbnung  lief,  fo 
mugte  er  benfclbcn  auf  ber  ©trage  üon  ftd)  tgun  unb  abliefcrn. 
3)a^  erfd)ien  il)m  alö  eine  folcge  ©c^maeg,  bag  er  üon  ©tunb 
on  ber  ©tobt  geinb  mürbe,  it)r  üiel  ©c^aben  tgat  unb  fogar 
5lnfd)läge  machte,  fte  ju  erobern.  2)er  ^oc^ftrebenbe  SJiann  mar 
ein  3J^atgcmaticu§  unb  bcoba^tete  bie  ©terne.  3n  feineö  ©oI)= 
neig  granj  ©eburtöftunbe  fotl  er  am  §immel  eine  munberbarlid)c 
ßonftcUation  bemerft  t)aben,  auö  ber  er  abnagm,  bag  bcrfclbc 
ein  trefflicgc^  ^Infegen  in  ber  Söelt  geminnen,  fein  @nbe  aber  be^ 
fcgmertic^  fein  merbe*).  5lud)  ©c^meidarb’ö  @nbe  mar  tragifd^. 
3n  bem  bairifd)en  (Srbfolgefriege  üon  1503  unb  1504  üerfocftt  er 
bie  ^Infprüc^e  feineö  §errn  üon  ber  ^faij^  gegen  ben  ©pruc^  beö 
Äaiferö  3)?ajimilian,  unb  mugte  biefen  Ungel)orfam,  fo  mie  manche 
anbere  ©emaltt^at,  morüber  fic^  bei  ber  @clegcn()eit  itlagc  er^ob, 
auf  bem  33lutgerüftc  bügen. 

Sluf  ber  ©bernburg  bei  Ärcujnac^  (neben  ßonbftu^l  bei  Äai^ 
feröloutern  bem  mic^tigften  ©ct)loffe  be»  ©idingerö)  mar  granj 
im  3oi)re  1481  geboren,  ©eine  ©rjie^ung,  ob  er  gleich  bem 
geleljrten  3ol)ann  fRcudjUn  ©inftug  auf  biefelbe  jufc^reibt,  mar 
bod)  nur  eine  rittcrlidjc.  ^eig  SSaterig  UngUid  unb  frütjer  Xob 


Sc^bc  SlongoIb’S  oon  ßbciftcin  jum  Sronbenflcin  gegen  bie  3lei(^)§f[abt  9lürn* 
berg,  1516—1622.  ^erouSgegeben  nodb  utfunbUt^rn  ^lufjei^nungcn  unb  Sric» 
fen  im  f.  Wrd^iu  ju  9Iürnberg  üon  2.  g.  Qfrei^errn  üon  ßbcrflcin.  5lorbIjau|en 
1868.  — S)ie  Öe^bc  toor  noch  ?lnIofe  unb  ^ü^rung  cjcmblorij^),  Slongolb 
übetbiefe  ^uttcn’S  mütterlicher  unb  mit  ben  Stedelbcrgern,  »ic  cS 

jeheint,  in  je^r  genauem  Serhöltnife. 

1)  8.  bie  5Iet§hfiwier  ßh'^oni!  (üon  S^onjenS  Schwager  SbÜmP  öon 
tirlerSheim,  ©omfönget  unb  fböter  Sifchof  üon  Speiet),  obgebrudt  bei  Slünch, 
3frani  üon  Sidingeii,  III,  S.  223.  jf. 


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Öronji  öon  Sidmgen. 


323 


I)intcr(ic6  il)m  bic  ^luf^abc,  bcn  @lan-^  bc^^  ©cfdjlcdjtö  »uicbcr 
^cr^ufteUcn.  3n  allerlei  2)ienften  unb  Kämpfen  arbeitete  er  fic^ 
empor,  ©eine  gel)be  mit  SEÖormö  mar  biejenige,  loelc^e  juerft 
bie  allgemeine  Slnfmerffamfeit  auf  i^n  lenfte;  bie  gegen  ben  ^er= 
äog  üon  fiot^ringen  biejenige,  meld)e  feinen  Sfluf  auf  ben  ©ipfel 
bradjte.  33ei  biefen  unb  anbevn  §änbeln  nnb  S^gen  mar  Einlaß 
unb  Äriegfül)rnng  im  SäJefentlic^en  oon  gleid)er  Slrt.  Verbannte 
^Bürger  einer  ©tabt,  beeinträdjtigte  Untertl)anen  ober  9kcbbarn 
cine^  gürften,  riefen  gegen  mirflic^eö,  ober  öfter  bloö  oermcintlidjeö 
Unrecht,  gegen  3Jer^ögerung  eineö  fRed)tiSl)anbelö  burc^  bie  ©erid^te, 
ben  3flitter  §ülfe,  traten  etma  auc^  (SJüter  ober  ©c^ulbforbe* 
rungen  an  if)n  ab ; nun  oerlangte  er  i^re  SBieberanfna^me  unb 
(£ntfc^äbigung,  bie  ^erauggabe  il)rer  ©üter  ober  Sluö^al)lung  il)red 
©utljobenö  an  il)ii ; mürbe  bieg  Oermcigert , ^og  er  oor  bie  ©tabt, 
ober  fiel  in  ba§  2anb,  oermnftete  biefe^,  bcfdjäbigte  jene,  plün= 
berte  nnb  fing  bie  untermegi^  betroffenen  Äanfleute,  benen  fegmere 
IRan^ionen  aufgelegt  mürben ; nm  bie  Slbmal)nungen  beö  Älammer» 
gcrid^t^,  in  ber  mormfer  gel)be  felbft  bie  taifcrlicge  Siegt,  flimmerte 
er  fid)  nidjt,  unb  lieg  fieg  enblicg  feinen  Slb^ug  oon  ben  Slnge= 
griffenen  meiftenä  mit  grogen  ©ummen  (oon  3J^e^  mit  20000  gi,, 
oon  Reffen  mit  50000  gl.  u.  f.  f.)  abfaufen.  ^eniÄaifer  mad)tc 
feine  fegmanfenbe  ©tellung  unmöglicg,  in  folcgen  gällen  fid)  immer 
aliS  ftrengen  Ülicgter  jn  begaupten.  2)ie  megrjägrige  gegbe  gegen 
Söorniö,  bie  geiüofe  löefcgäbigung  einer  fReiegöftabt , mürbe  bem 
fRittcr  5ule(jt  oerjiegen,  meil  Äaifer  fD^ajimilian  feine  ^ienfte 
gegen  Ulrid)  oon  SBürtemberg  niegt  miffen  mollte.  ©tatt  bic 
Äd)t  miber  ign  aufreegt  ju  crgalten,  nagm  er  ign  in  feinen  ©olb, 
unb  alö  halb  baranf  füJajimilian  ftarb,  ftanb  ©idingen  aU  eine 
3)iacgt  im  fRcicge  ba,  um  mclcgc  fieg  bie  beiben  Xgronbemerber, 
gran^  oon  granfreieg  unb  Ätarl  oon  ©panien  nnb  Defterreid), 
metteifernb  bemügten.  ©idingen  löftc  eine  frügere  S^erbinbnng 
mit  bem  erfteren,  bei  ber  er  feine  fRecgnnng  nid)t  gefunben  gatte, 
ouf  unb  mibmetc  fieg  bem  2)ienftc  Äarl'ö,  mirftc  ju  feiner  ^ag( 
naeg  Kräften  mit,  unb  oerpfliegtete  ign  überbieg  bureg  ein  baareö 
5)arlcgn  oon  20000  gl.  ilarl  ernannte  ign  ;^u  feinem  gclbgaupt^ 
mann,  9iatg  unb  Äiämmcrer  mit  einem  Sugrgcgalt  oon  3000  gl., 
unb  gcftattctc  igm  eine  Seibmad)c  oon  20  Änrafficren. 

©0  meit  ift  ©idingen'd  Xreiben  cinfaeg  bad  cineii  fRittciv?, 


324 


II.  4. 


bcr  mit  unb  miber  fcinciSglci^cn , neben  unb  auf  Äoften  ber 
ftäbtifd)en  unb  iiJcnn  and)  nad)  Umftänben  an  bic 

Ic^tcre  gelernt,  fid)  emporjubringen  fuc^t,  baju,  ot)ne  niel  33ebenf* 
lid^teit  über  ben  9fted}t^pnntt,  jeben  tauglid)en  SBormanb  ergreift, 
unb  feiner  SfJittere^re  genügt  ju  ^aben  glaubt,  menn  er  feinem 
Eingriff  jebe^^mal  einen  orbcnttid)en  get)bebrief  uorauögeI)en  ließ. 

3n  bem  lodern  Sßerbanbe  beö  bamaligen  beutfe^en  9?eid)ö  füllte 
fic^  ber  9titter  aU  felbftftänbige  3J^ac^t,  bic  im 
mit  anbern  öljnlid^en  3}iäd)tcn  cbenfo  nur  burc^  fRüdfic^ten  beö 
SBort^eiU,  unb  ebenfo  menig  burc^  ©runbfäfec  beä  Sflec^tä  unb 
ber  aj^oral  fic§  leiten  ließ,  alö  oon  jc^cr  in  bcr  politifc^en 
S33elt  bic  (Staaten  im  Serljältniß  ju  cinanber:  fo  oft  auc^  ^ier 
mic  bort  jene  ^oc^tönenben  SBortc  im  3J?unbc  geführt  merben. 

^od)  @in  gaH  mcnigftcnö  ift  unö  oorgefommeu,  mo  ©idiugen, 
fo  oicl  mir  einfc^cn  fönnen,  fic^  uncigennüpig  unb  cbel  eine^ 
!Öebröngten  annal)m:  bcr  §anbcl  ^tcud^lin'ö;  unb  ein  anberer 
mirb  unö  foglcidj  begegnen,  mo  er  fic^  für  eine  ©ac^e,  bie  il)m 
freilich  auc^  politifc^  bienlidj  merben  fonnte,  bod)  ä^^glcid)  um 
il)rcr  fclbft  millcn  begeifterte:  bic  ^Reformation,  öcibc»  infolge 
bc!^  (Sinfluffeö  oon  Jütten,  bcr,  mic  ein  gefc^idtcr  ©örtner,  auf 
ben  raul)cn,  aber  tüchtigen  ©tamm  bic  ebelften  Steifer  ju  pfropfen 
mußte.  0l)uc  gclcl)rte  isüilbung,  mar  ©idingen  bod)  nic^t  ol)ue  . 
©inn  für  biefelbc  unb  für  baö'Sbcale  überhaupt;  fo  tarn  ihm 
bic  S3cfanmfd)üft  ^uttcn’i^,  bie  er  im  mürtcmbergifchcn  Sclbjuge 
machte  ober  enger  fnüpftc,  gan,^  gelegen,  unb  mürbe  halb  511 
einer  greunbfehaft,  melchc,  ob  il)r  fchon  ba^  ©djidfal  nur  menige 
Sahrc  gegönnt  hat,  bod)  unter  ben  33cifpiclcn  biefer  5lrt,  an 
benen  bic  beutfehe  ©efehidhte  fo  reich  ift,  eine  ber  oberften  ©teilen 
cinnimmt.  ©idingen  mar  um  ficben  3al)re  älter  ald  Jütten,  unb 
biefem  eben  fo  mcit  an  ^leichthum,  2Rad)t  unb  (Sinfluß  überlegen, 
al^  Jütten  il)m  an  ©cift  unb  23ilbung;  babei  ftanb  jenem  reid)c 
Scbenöcrfal)rung,  Uebung  in  @cfd)äftcu  bcsS  i^riegö  unb  gricbciii^, 
jur  ©eite;  fo  ergön^ten  fich  beibe  mic  3bcc  unb  ^rajiä,  mic 
Ä^opf  unb  Slrm. 

©idingen  mar  big  bahin  in  ben  hci^^öntmlichen  rcligiöfcii 
SBorftcüifngcn  mitgegangen.  feinem  unb  bcr  ©einigen  ©celcn» 
heil  hatte  er  in  (^cmcinfd)aft  mit  feiner  ©h^fi^au,  ^cbmig  ’oon 
glcrghcim,  unmeit  bcr  (Sbernburg  eine  üöeguttcnclaufc  erneuert 


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^uttcn  auf  bcr  66cmburg. 


325 


unb  boflobt;  ja  er  ging,  iüomit  §uttcn  i^n  fpätcr  nufjog,  alö 
biefer  it)ii  fennen  lernte,  mit  bem  $lmtc  um,  „beit  l^ol^fügigcn 
grnnciöcancni  ein  ncnciS  9^cft  ^n  bauen".  Jütten  mußte  il^n  erft 
fur  ^Reuc^Iin,  bann  für  Sutßer,  ^\u  intereffiren ; er  führte  ißn  ben 
gleidjen  2Bcg,  ben  er  felbft  in  feiner  ©ntmicflung  gegangen  mar. 
3tnf  fein  iöetreiben  bot  ©iefingen  beiben  Scannern  eine  greiftatt 
auf  feinen  ©eßlöffern  an.  ©ie  machten  oon  feinem  Slnerbietcn 
feinen  ©ebrauef),  ba  ber  erftere  nid)t  mirflid)  oerfolgt,  für  ben 
anbern  aber  bie  neutrale  Haltung  feineö  meifen  ^lurfürften  ber 
fic^erfte  ©cßup  mar.  S^un  aber  beburfte  Jütten  biefer  greiftatt, 
ben  fein  geiftlicßer  Äurfürft,  mollte  er  nid)t  förmlich  mit  fRom 
breeßen,  nießt  meiter  fd)üpen  fonnte,  ber  aud)  mit  bloßem  ©eßu^e 
nid)t  mie  Sntljer  jufrieben  mar,  fonbern  Uon  ben  ©c^löffern  feineö 
^rennbeö  au^,  mie  mir  feßen  merben,  neben  bem  geiftigen  Kampfe 
,Vigleid)  einen  mirflicßen  5^lb-\wfl  Ü^^flcn  bie  ©enblinge  unb  ?ln*  , 
ßänger  9lomö  üorjnbereiten  fud)te. 

5)ie  ©bernburg,  in  bem  SBinfel,  ben  (an  ber  9^orbfpi|e  ber 
jepigen  bairifdjen  ^fal^)  bie  ©inmünbung  ber  Älfenj  in  bie  S^aße 
bilbet,  auf  einem  fteilen  gelegen,  unb  Don  f?ranj  oon 

©iefingen  alö  fein  §auptfife  mit  ftattli^en  Söoßnröumen  ^unb 
feften  SBerfen  oerfeßen,  mar  in  ben  gaßren  1520—1522  einer 
ber  merfmürbigften  ©cßanplüpe  ber  beutfd)en  ©efdßidjte.  Berber* 
gen  ber  ©ereeßtigfeit  nennt  §utten  bie  önrgen  feineö  Ji^eunbeö. 
2(nßer  ißm  öffneten  fic  fieß  aueß  anbern,  bie  um  ißrer  ©egeifte* 
rung  für  bie  Äiri^enoerbefferung  millen  Verfolgung  litten. 
par  2lqnila  mar  einft  granjenä  gelbprebiger  gemefen,  bann  ^faner 
in  ber  ©egenb  Don  2lug^burg  gemorben,  biö  feine  ?lnßänglidjfeit 
an  bie  ^Reformation  ißn  in  ben  bifd)öflicßen  Werfer  p !DilIingen 
braeßte.  gelang  ißm,  311  entfließen:  unb  bie  ©d)löffer  feineö 
eßemaligen  §errn  gemäßrten  ißm  mit  Sßeib  unb  Äinbern  ©d;nß 
unb  Vrob.  SWartin  Vueev,  ber  nacßmalige  ftraßbnrger  Sflefor^ 
mator,  mar  anö  bem  ^ominicanerorben  getreten:  bei  ©iefingen 
fanb  er  eine  3“P»cßtöftätte.  ^er  meinöberger  3oßann  0efo» 
lampabiuö,  fpäter  alö  ber  fd)mei3erifcße  3J^elan^tßon  ßoeßberüßmt 
unb  ßod)Uerbient , mar  and  bem  Vrigittenflofter  ^lltenmünfter 
entfloßen : ißm  öffnete  fid)  bie  ©bernburg.  ?Heucßlin'd  Sanb^mann, 
3oßmin  ©cßmebel,  ßatte  ben  ßeil.  ©eiftorben  oerlaffen,  unb  mar 
in  feiner  ^eimatß  nießt  meßr  fid)er:  ©iefingen  ftcllte  ißn  alö 


326 


II.  ®ud).  4.  Äapilfl. 


ÖJciftüc^cn  an  unb  rid)tctc  if)m  halb  l^crnac^  auf  Saubftuf)!  bic 
.5)ocl)^cit  auö. 

S3om  ©cptcmbcr  1520  an  crfrfjdnt  ,§nttcn  auf  bcr  @bcrn^ 
burn,  nnb  fein  crftcö  ÖJcfcf)äft  tuar  ^iev,  bic  ^Infc^läqc  fRomö 
(jegen  i^n  öffentlich  j\u  enthüllen,  um  ft'aifcv,  gürften  unb  alle 
freien  beutfcl)cn  SOMnncr  gegen  eine  9)kcht  auf^nbringen,  bic 
fülchc  ?lbfichtcn  h^ge,  folchcr  SO^ittel  fiel)  bebicnc.  @ben  fd}ic!tc 
gran^  oon  ©idingen  fid)  an,  ^ur  S^cgrüßnng  bc^  ang  Spanien 
angefommenen  Äönigö  5^arl  ab^ureifen,  non  bem  er  auch  fofort 
bei  feiner  .(laifcrtrönung  ^n  ^adjen  (23.  October)  mit  einer 
jcichnung  bchanbelt  mürbe,  bic  ihm  eine  cinflngrcidjc  0tcHung 
j^u  üerfprechen  fchien.  glmi  i^&l  §uttcn  ein  iilagfd^reibcn 
an  ben  Äaifer^)  mit,  in  roclchcm  er  bic  51nfd)lägc,  bie  an  beffen 
§ofc  gegen  fein  Seben  gefponnen  morben,  ben  auö  bcr  römifd}en 
öurie  an  nerfdjiebcnc  bentfehe  gürften  ergangenen  ^^efchU  ih« 
gcfcffelt  nad)  iRom  fdjirfen,  ju  feiner  Ä'enntnig  bringt  nnb 
il}n  bittet,  bem  an  ihn  fclbft  gcftclltcn  9tnfinncn,  biefe  Slu^licfc* 
rung  ju  geftatten,  feine  golge  geben  ^u  moHcn.  @in  beutfd)cr 
3tittcr  höi»c  mit  t)cm  röniifchen  S3ifd}of  nid)tö  j^u  fehaffen;  er 
bürfe  nur  in  ®cntf(^tanb,  nur  bom  i^aifer,  gcridjtct  merben. 
Ueberhanpt  fud^t  §uttcn  in  biefem  Schreiben  feine  Sache  zugleich 
alö  Sadjc  bc‘3  Äaifer^,  ben  §afi  bcr  IRömlinge  gegen  il)n  alö 
golge  feiner  taiferli^cn  ©cfinnnng , jebc§  ßeib , baö  Äarl  jeht 
il)m  gcfd)chen  liege,  als  löecintröchtigung  feiner  eigenen  ^aifer^ 
macht  barjuftellcn.  ßuerft  h^be  er  c§  mit  jenen  9Jienfchcn  bur^ 
feine  3:ürfenrcbc  oerborben,  mo  er  ihren  Umtrieben  gegen  Äarl’ö 
©rmählung  -^um  römifd)cn  Ä'önig  entgegcngctrctcn  fei.  5luch 
mciterhin  höbe  nid)t^  fic  fo  gegen  iljn  aufgebracht,  alö  bag  er 
ihren  maglüfen  Eingriffen  in  bic  9lcd)tc  bcö  i^aiferö,  bcr  täglichen 
^lünbcrung  bCiS  5Satcrlanbeö , höbe  ein  Enbe  madjen  toollen, 
bag  er  bcr  beutfehen  Station  ein  3J2ahner  an  il)re  SBürbc  gcs 
mefen  fei. 

Offen  gefleht  Jütten,  bag  er  c§  mit  feinen  Schriften  auf 
eine  Umfehr  ber  beftehenben  Orbnnng  abgefchen  höbe.  Unb  (yim 
^emcifc,  mie  menig  er  fich  babei  einer  Scgulb  bemugt  fei,  Der* 


1)  Carole,  Romanorum  et  Hispaniarum  regi,  U.  de  Hutten,  eq. 
Germ.  €(^nften  I,  6.  371—383. 


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^ulten'S  j^laojc^rctbcn  an  ,Q5nig  j^arl. 


327 


fid)crt  er,  ju  biefem  and)  ferner  nad)  Kräften  tuirfen  5U 

iDoIIen.  0eien  e^  boc^  nur  bie  ©et^ner  ber  SBa()r()cit,  ber  c^e* 
meinen  grei^eit  unb  ber  taiferlid)cn  SSürbe,  bie  er  befämpfe. 
„Äeine  ^riüatfad)e  ift  eö,  bie  id)  betreibe,  fein  eigener  §anbe(, 
fein  perfönlid)eS  ©efei^äft.  SEBic  mürben  jene  fic!^  anfteüen,  mie 
flbermütbig  mürben  fic  triumpbiren,  menn  irtjenb  ctmaö  non  alle 
bem,  ma^  irb  unternommen,  mid)  fclbft  beträfe!  ®ennud)  oer= 
folgen  fic  midj  unb  mollen  mid)  oerberben,  ja  fie  mö^ten  bo5u 
beincr  9J?ocbt  fid)  alö  SBerf^eugö  bebienen.  3d)  bagegen  ftcUc 
mid)  juoörberft  unter  ben  0d)irm  meinet  ©emiffend,  bann  fe^c 
icb  SScrtraucn  auf  beine  löilligfcit.  E5)urcb  freimütl)ig  gcfcbriebcuc 
!söüd)cr  l)abe  id)  ber  !^Bal)rl)cit  ß^ugnig  gegeben;  auö  ^flid)tgcfül)l 
l)abc  id)  bir,  aug  ?lnf)änglicbfeit  bem  Sßatcrlanbe  bienen  mollen. 
9Jiit  feften  ÖJrünbcn  l)abc  id)  gegen  ben  päpftlicben  Xrug  ge= 
ftritten,  b^bc  bie  ^Infcblägc  gegen  beine  .gerrfd)aft  unb  bie  ge? 
meine  Jreibeit  511  oercitcln  gefud)t.  2Bo  ift  ber  ßobn  für  fold)cö 
S^erbienft?  frage  id),  bamit  iltiemanb  meine,  icb  fürd)tc  ©träfe 
mic  für  ein  S8crbrcd)cn."  ©ofort  mirb  ba‘5  ganje  ©ünbenregifter 
ber  päpftlidien  ^Inmaßungcn  unb  ©rpreffungen  oorgelcgt  unb 
Äarl  befonber^  auf  bereu  gcfäbrlid)cö  SBeitergreifeu , menn  beiu 
fclbcn  nicht  fräftig  entgegengetreten  merbe,  aufmerffam  gcmad)t. 
3öcnn  .^utten  nid)t  mehr  frei  ermal)ncn  bürfe,  merbe  ber  Ä'aifcr 
halb  nicht  mehr  frei  befd)lic6cn  bürfen.  @r,  Jütten,  märe  bc? 
reebtigt  gemefen,  gegen  ben  ihm  brol)cnbcn  Eingriff  ficb  mit  ben 
SBoffen  ^u  mehren,  moju  cö  ihm  an  Äräftcn  unb  iöciftanb  nid)t 
gefehlt  höben  mürbe;  hoch  höbe  er  oorgejogen,  aUeö  in  Äarrö 
|)önbc  ju  legen,  oon  bem  er  jejt  nicht  blo^  ermarte,  bag  er  ihm 
Der, Reihen,  fonbern  auch,  bag  er  feine  Söerfolgcr  für  il)rc  ftrafbaren 
?lnfchlägc  jur  S3erantmortung  j^ichen  merbe. 

Äaum  minber  michtig  alö  bie  ©efinnung  bcö  neuen  Äaiferö 
• mar  für  Jütten  bie  beiJ  l)örf)öngcfehcncn  unb  einflugreidhen  Äiir* 
fürften  Don  ©ad)fcn,  beffen  Haltung  in  ber  ©adhc  Sutl)cr’ö,  fo 
menig  fie  and)  bem  gcucrcifcr  ^utteirö  genügte,  il)m  bod)  mcl)r 
.^Öffnung  gab,  alö  il)m  in  '^ejug  auf  i^arl  beffen  kuftrctcu  unb 
Umgebungen  übrig  licfecn.  3n  i)erfd)iebencn  iöriefen  ging  er 
baher  um  jene  ßcit  ©palatin  mit  ber  Öitte  au,  feinen  J^errn 
au^uforfchen,  meffen  man  fid)  mol)l  für  ben  50H,  bag  eö  in  bem 
Kampfe  gegen  bie  IRömlingc  jur  ?lnmenbung  ber  SBaffen  fomc. 


328 


II.  53u(^.  4.  ÄQpitel. 


Don  i()m  ju  Dcrfcl)cn  l^ätte.  Ic^tc  er  fein  näci^ftc^  ^(nlicgen 
bem  Äurfürften  fclbft  in  einem  freimütljigen  Schreiben  bar*). 

5)ic  go^nbung  ouf  il)n  unb  bie  23annbuHe  gegen  Sutl)cr 
(mit  ber  eben  bamaU  @cf  ouö  Stalien  jurüeffam)  feien 
ba6  in  ®ütc  mit  fRom  nic^t^  auöjuric^ten  fei,  fonbern  feiner 
X^rannei  ©emalt  entgegengefefet  merben  müffe.  ßiitber'e  unb 
ljutten’jJ  ganjeö  S3erbrcd)en  befiele  barin,  baß  fie  bie  üon  ben 
fRomaniften  um  i^reö  (5igennuje§  miOen  beina()e  üertilgte  ebau' 
gelifd^e  ße^re  mieber^erftellcn  unb  bie  ber  greit)eit  fo  mürbige 
bcutfic  ^Ration  nid)t  fncc^ten  taffen  motten.  XiefeS  Unternehmen 
habe  jenem  römif^en  Dberhirtcn  migfatten,  aber  'Sh^Kto  h^ibe  e^ 
gefatten;  ber  ^abfucht  ber  römifd)en  (£urie  hö^*c  ^ ©intrag 
gethan,  aber  bem  berarmten  Saterlanbc  fange  bic  neue  greiheit 
fchon  5U  nü^en  an.  SBenn  ßuther  unb  er  Söahrhcit 

unb  bem  SSatcrlanbc  bienen  mottten,  fo  höben  fie  unmöglich  mit 
ber  iöanbe  ber  SRömtinge  grieben  hölten  fönnen.  fei  Qcit, 
©rnft  5U  braud)en,  ba  ber  grebcl  auf^  $öchfte  geftiegen,  aber 
auch,  ^enn  nicht  alle  trügen,  bie  große  ©abel  ihrem 

gatte  nahe  fei.  Xiefen  herbe^uführen  unb  boö  SBerborbene  ju 
beffern,  fei  freilich  ©otteö  0od)e;  aber  barum  bürfen  mir  nicht 
müßig  fein,  ba  ®ott  burch  SRcnfchcn  ju  mirfen  pflege.  Unb 
^mar  fei  eö  ^unächft  ber  gürften  S3eruf,  fich  ber  gemeinen  grei* 
heit  unb  SBohlfahrt  an^unehmen;  in^befonberc  griebrich’S,  alö 
beö  gürften  jener  ftctö  freien,  nie  befiegten  ©achfen.  S8on  bem 
^apftc  höben  biefc  fich  freilich,  mie  bie  gefammte  ©hriftenheit, 
unterjochen  laffen;  bodj  fönnen  fie  biefen  glecfcn  glänjenb  abs 
mafchen,  menn  fie  nun  ber  Elation  in  5lbmcrfung  jeneö  3od)eö 
üorangchen.  Xaoon  fei  biö  je^t  nichts  ju  bemerfen,  alö  baß 
griebrid)  bem  oon  allen  oerlaffenen  Suther  Slufenthalt  gebe,  unb 
nod)  einen  gunfen  ber  alten  SJiannhoftigfeit  in  fiel)  ju  nähren 
fcheine,  ber  einft  jum  heilfamften  ®ranbe  auöbrechen  möge.  Sßaö 
fie  bod)  benfen,  bie  gürften,  menn  fie  fel)en,  mie  Jütten,  ein 
bloßer  ^Ritter,  in  biefer  ©adje  fo  uiel  ©ifer  jeige,  mährenb 
bod)  meit  el)cr  ihnen  gejiemen  mürbe,  fich  barein  j^u  legen,  öeibc 
©tänbe  müffen  ^^ufammenrnirfen , bie  gürften  ihre  SRadht  mit  bem 


1)  Invictissimo  Principi  Fridericho  Sax.  Duci,  Elect.  ülrichus  de 
Hutten  eq.  G.  ßfiernburg,  11.  8cpt.  1520.  ©chriften  I,  ©.  383—399. 


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i^uttcn’ö  Senbfd^rcibcn  an  bcn  ^urfürflrn  ^nebrtc^  üon  SotSjcn.  329 

aWut^c  bcr  SRittcr  ücrcinigen,  tücnn  bicfcn  ©d)äbcn  (^c^olfcii  Xüa^ 
bcn  follc.  6r  fclbj't,  §utten,  tücrbc  mn()ncn  nid)t  ablaffen, 
biö  er  cntttjcber  felgen  tnerbe,  baft  bic  gflrftcn  fid)  ermannen,  ober, 
ba^  fte  feiner  2KanntjQftic|feit  mel^r  fäf}ig  feien.  3m  festem 
gaüe  merbe  er  anbere  9J?ittcl  crörcifen;  bo^  bitte  er  bie 
eS  nid^t  fo  mcit  tommen  ^\x  laffen,  fonbern  bie  0d)mncb  nnb  bcn 
©c^aben  ju  bc^cr^iflcn,  bic  mit  bem  jefeigen  0tanbc  bcr  2)ingc 
üerfnüpft  feien. 

SBelc^c  ©c^ma^,  bog  eine  tapfere  S^fation,  bic  Königin  bcr 
anbem,  jemanben,  gefc^meige  benn  faulen  Pfaffen,  bienftbar  fein 
fofle!  Sieber  ben  dürfen,  bie  boc^  ein  mann^aftcö  S3olf,  nnb 
beren  3od)  auc^  mirflic^  meniger  brücfcnb  fei.  2)er  ©d^aben  aber 
liege  in  ber  93crarmung  ^Dcutfc^lanbö  oor  Singen.  Unb  roenn  nur 
baä  @clb,  baö  mir  un^  ent.vcbcn  unb  nac^  9tom  fenben,  bort  ,^u 
guten  oermenbet  mürbe.  Slbcr  eö  biene  bcn  fd)limmften. 

„SBol)lan",  ruft  §uttcn  au^,  „roenn  mir  $^ilofopl)cn  fein  unbunfer 
@clb  megmerfen  moUcn,  fo  ^aben  mir  in  ber  9lnt)c  2J?ccre  unb 
glüffe  genug:  bei  unö  bcn  SJ^ain,  mcitcr  bcn  9ffl)cin,  bort  bei  ben 
©adöfen  bic  @lbc  unb  anbere  S93affer;  ba  laffet  unö  baö  @elb 
^incinmerfen , bamit  c§  lieber  fclbft  oerberbe,  alö  bag  cö 
SSiclcn  aller  Drtcn  Urfac^c  beö  SSerberbenö  fei,  inbem  mir  baburd) 
jene  römifc^e  ©ittenpeft  ernähren,  unb  5mar  fo  überflüffig,  baß 
fic^  Don  bort  bic  Slnftecfung  aud)  l)icl)cr  unb  in  alle  SBelt  ergießt. 
5)od)  nein,  nic^t  megmerfen  laffet  cd  und,  fonbern  nur  nid)t  bulbcn, 
bag  cd  anberdmo^in  gcfül)rt  unb  ’oermenbet  merbe.  ^ad  mirb 
bad  erftc  unb  befte  9)^ittcl  fein,  jene  ^prannci  ju  ^erftören.  ®enn 
roenn  itian  iprer  Ueppigfeit  biefc  9lal)rung  ent^iept,  fo  merben  fic 
fid)  befto  meniger  erbeben  nnb  ,^obmcr  merben.  Slldbann  mollcn 
mir  unter  einem  Raupte,  mic  bcr  alte  Äaifcr  Otto  mar,  ben 
päpftlicben  Sflatb  muftern  unb  bic  ©tabt  fRom  bcfid)tigcn,  baraud 
üiclc  ööfc  oertreiben,  unb  ctlicbc  Söenige  ^um  ^^mtc 

perorbnen,  fte  aber  nicht  über  und  betrfeben  laffen.  ^cm  Äaifer, 
roenn  er  mill,  merben  mir  bcn  ©ip  bed  fReicbd  (9lom)  ^urnef^ 
geben,  bcn  römifeben  S3ifcbof  bcn  übrigen  ®ifcböfcn  gleicbfteUcn. 
2)en  ©ciftlicben  mollen  mir  auch  bict  ihre  ©infünfte  minbern, 
fic  jur  SRöbiglcit  jurüctfübren  unb  ibre  oerringern,  inbem 
mir  oon  bunbert  nur  (£incn  bcbaltcn.  SGBad  aber  merben  mir 
mit  benen  nmeben,  mclcbc  5örübcr  ober  9J^öncbc  genannt  merben  ? 


330 


II.  $u(^.  I.  j!apitel. 


anbcr^,  aU  bag,  meiner  ÜJ^einung  nad),  bie  gan^e  5lrt  ob^ 
get()nn  merben  full,  jiim  grogen  S^ii^en  gemeiner  Sbriftenl)eit,  mic 
fic^  balb  finben  mürbe/'  9^{od)bem  Jütten  fufort  über  bie 
menbung  bcö  fo  erfparten  ÖJelbeö  bie  gieic^en  Sbecn,  mic  fc^on 
im  9Sabiöcib5,  uorgetragen  unb  bie  Hoffnung  auögefprodjen  bat, 
bab  eine  fo(d)e  ^Reinigung  unfere‘5  Äircbcnmcfcn^^  bie  Söbmen 
nnö  jurürffübren,  bie  @ried)en  imb  9tuffen  mit  imö  uereinigen, 
unb  felbft  ben  dürfen  unb  Reiben  beffere  ©eftnnungen  gegen 
nnö  beibringen  mürbe,  fragt  er:  „§eibt  bieb  baö  febmanfenbe 
©d)iffteiu  ^^3etri  uerfenfen?  bie  5^irri)e  ©utte^  5erftören,  unb  (mic 
bie  fird)enräubcrifcben  ^Römlinge  unb  unreinen  0^mclgcr  fd^rcien) 
ben  uugcnäbtcu  S'tocf  ©b^ifti  äcrrciben?  unb  nid)t  uielmebr  bureb 
ben  ßutritt  fo  Dieter.  Sölfer,  burd)  S3efferung  ber  ©itten,  SBeg* 
rüiimung  böfer  unb  anftedenber  ^eifpiele,  bie  Slirdbc  reinigen, 
förbern  unb  mebreu?" 

„SBuIttc  ®ott,  bob  eutmeber  itjr  ba^u  ben  SBitIcu  böttet, 
bie  it)r  bie  äRacbt  befiget,  ober  icb  bie  3Jtod)t  bcfäfie,  mic  id)  ben 
3BiUen  ()obc.  i^anu  id)  aber  cueb  nicht  bemegen,  uod)  auch  aiu 
bcr‘5mo  einen  üöranb  erregen,  ber  jene  5)ingc  Dcr^ebrcn  mag,  fo 
merbc  icb  bod),  ma^  id)  für  mich  allein  tarnt,  Iciftcn : id)  merbc 
nichts  tt)un,  maiJ  cincö  tapferu  iRitterö  unmürbig  märe;  merbc 
nie,  fo  lange  icb  bei  gefunben  ©innen  bin,  and)  nur  einen  ©ebritt 
Dou  meinem  SSorbabeu  meicben ; cud)  aber,  bie  icb  ^on  männlid)er 
geftigfeit  abfatlcn  febc  (menn  id)  ba§  feben  füllte),  merbc  id)  be^ 
bauern.  3^cb  felbft  merbc  frei  bleiben,  mcil  icb  ben  %oh  nicht 
fürchte,  ^ueb  mirb  man  nie  Don  Jütten  hören,  bafe  er  einem 
fremben  Äönig,  mie  grub  unb  mäd)tig  ber  auch  fei,  gefebmeige 
beuu  bem  untbätigen  ^apftc  bienftbar  gemorben . . . 2)ocb  nun 
Dcrlaffc  icb  bie  ©täbte,  meil  icb  bie  3öal)rbcit  nicht  Dcrlaffen 
fann,  unb  holte  mich  aufö  greiefte  Dcrborgen,  meil  ich  nicht  mehr 
frei  unter  beii  3Rcnfd)en  manbeln  borf,  mit  großer  SScraebtung 
ber  ©efabr,  bie  mich  umringt,  ^enu  fterben  fann  ich,  aber 
Änecbt  fein  fann  ich  uid)t.  ^ud)  3)eutfcblanb  gcfnccbtct  feben 
fann  id)  nid)t.  ^2Ibcr  ber  %a^  mirb  fommen,  benfe  ich,  an  bem 
ich  auö  biefen  ©d)lupfminfeln  b^i^^orbrccben,  ber  2)eutfcbcn  Xrcu 
unb  ©lauben  anrufen  unb  Dielleicbt  eben  ba,  mo  bie  grögte  iBer^ 
fammlung  ift,  au^rufen  merbc:  Sft  ^incr  ba,  ber  um  gemeiner 
greibeit  mitten  mit  §uttcn  ^u  fterben  magt  ? — 2)aä  höbe  ich  an 


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J^utten’5  6d()rcU>cn  an  bcn  Grjbifdjof  '2(Ibrerf)t. 


331 


bi(t),  mcl)r  bcr  S^eiucgung  meine»  ©emüttjö,  al§  bciiier  SSürbc 
(icmög,  freimütf)i(j  gefc^rieOen.  ^^IQein  ic()  Ijoffe  üou  btr  ba^  '^eftc. 
5)a^ev  glaubte  iri),  an  einen  greien  frei  fd)reiben  füllen, 
bab  bic^  mobl  unb  ermanne  bicl)." 

3)a§  burd)  ^utten’iS  jugenblid^en  geuereifer,  fo  rein  er  and) 
gerabe  in  biefen  iilagfc^reiben  flammt,  ber  alte  Äturfürft  griebricb 
auä  bcr  !0a^n  meifer  iWäfeigung,  bie  er  fid)  üürgc5cid)net  batte, 
fid)  werbe  t)crauöwcrfcn  laffen,  war  freilich  eben  fo  wenig  er? 
warten,  al§  ba§  bei  bem  feiufinnigen,  aber  fd)laffen  unb  oielfadj 
abhängigen  ^^urfürft-Srjbifchof  Wibrecht  Don  9J^ain^  §utteu\^3^' 
fprache  etwoö  auörichten  werbe.  Uebrigenö  fchricb  er  an  biefen 
(unter  bem  13.  ©eptember)  mit  aller  ber  9^ücffid)t,  bie  er  feinem 
uuoerfennbaren  Söühlwüllen  fchulbig  war*).  @rft  fprid)t  er  feine 
(Smpfiublichfcit  barüber  auö,  bag  bcr  ©r^bifchof  ihn  üon  bem 
päpftlid)eu  5(nfinncu  nicht  fclbft  in  ^^enntnijj  gefept  wol)l 

in  golge  feiner  (Ergebenheit  gegen  bcn  ^^apft,  uon  bcr  töntten 
nur  wünfd)t,  ba§  fie  gute  golgen  für  bcn  ©r^bifdjof  halben  möge. 
Slllcin  er  fürchtet,  bcr  $apft  werbe  biird)  einen  fo  unerhörten 
©chritt  über  bie  ganje  Älerifci  ein  fd)limmeö  (Gewitter  herbeige^ 
^ogen  hoben.  ®em  ^iioorjufommcn,  wäre  jeht  Sache  bcr  33ifchöfc. 
(5Jar  ju  gerne  mödjtc  §uttcn  eben  jeht  bcn  ©rjbifchof  fpred)cn, 
unb  ocrwüufd)t  benjenigen,  bcr  ihn  oon  bem  Umgang  cinciä  für 
wahre  grömmigfeit  unb  für  alle  @utcn  fo  wohlgefinnten  ^errii 
gefd)icben  hot.  iiaum  ift  ihm  etwaiJ  in  feinem  jehigen  3JUhgefdjicf 
empfinblicher.  2)odj  er  will  allcisJ  ertragen  unb  ftch  nichtig  merlcu 
laffen.  „iian  fchlieht  mid)  auö",  ruft  er,  „oon  ben  .^öfeu,  oon 
bcn  Stäbteu  (ju  meinem  Schmer^  aud)  oon  bem  golbeneu  SJiain^), 
oon  bcr  0cffentlid)feit  unb  bcr  mcnfdjlichen  @efellfd)aft ; eiucu 
SJiann,  bcr  fcincö  grcoclö  befd)ulbigt,  feiueö  SBcrbrcd)cuö , feiner 
Unthat  überwiefeu  ift,  einen  Verfechter  bcr  SS3ahrhcit,  einen  9)^ah' 
ncr  jum  Veften ; unb  mau  fd)lic6t  mid)  auö,  ohne  mich  gehört  ^u 
haben,  ja  man  will  mich  jur  Vcftrafuug  imd)  9lom  pichen.  Söer 
l)Ot  noch  einen  tropfen  beutfehen  Vluteö  in  fid),  bcn  folchc  gred)^ 
heit  uid)t  bewegte,  folcher  grcocl  uid)t  empörte?"  Söenu  ber  $apft 
gegen  ihn,  im  grellen  Söiberfprud)  mit  bem  Söefcu  bcr  Äirchc, 


1)  Alberto  Cardinali  et  .Vrchiepiscupo  Ulriclius  de  Hutten. 
len  I,  6.  400-403. 


332 


II.  «U(l^.  4.  ÄQpilcI. 


bcn  tucItUci^cn  STrm  anrufc , fo  fei  bQ^cflcn  ii)m,  §uttcn , flcnufl, 
oiif  bcn  Sinn  bcu  ^errn  ju  l)offcn.  3ni  S^crtraucii  auf  i^ii 
fürd)tc  er  baö  9Äi§faflen  bereu  nirf)t,  lueld^e  bie  Sßa^rl)eit,  bie  er 
flcfagt,  liiert  ertrac^cn  !önnen.  3)em  ©rjbifc^of  tnünfd^e  er  aHcö 
@lücf,  befonberö  bag  er  fic^  burd)  ba^  Oöfe  iöeifpicl  ni^t  anfteefen 
laffcn  möfle. 

5)effelDen  lüie  an  feinen  e^emalitjen  .^errn,  fc^rieb 

§uttcn  and)  an  beffen  fRatf),  ben  fRitter  ©ebaftian  uon  iRoten^an, 
bem  er  ju  Slnfanfl  beö  3abrc^  feinen  ®abiöcn^  ungeeignet  ^atte  *). 
„SBätjrenb  gegen  mic^",  beginnt  ber  ©rief,  „biefer  2)onncr  bc^ 
jc^nten  Seo  ba^erroUt,  t^uft  bu?  n?a3  finb  beine  ^offnim* 
gen,  beine  SRutbmagungen  für  bie  ß^tunft  ? Unb  incnn  bu  l)örft, 
maö  üon  ben  gciftlic^en  Sötern  töglid)  gegen  mic^  ^Ibroefenbcn 
gcfprüd)cn  tnirb,  roa)S  inagft  bu  ^u  numfcln?  roaS  frei  511  reben? 
SBobnt  in  bir  fein  frönfifc^er  3)tut^  metjr,  fein  angeftammter 
greifinn?  Unmöglich  fann  id)  an  foldjcn  ber  ^imirilifdjcn 
gegen  ^)cutfd}[anb  gloubcn,  bag  fid^  nid)t  bie  meiften  mit  mir 
Uerbinben  foütcn,  um  ba^  Ijcrbeijufü^rcn,  Ujaö  halb  gcfd^cf)cn 
muß,  füH  eö  nid)t  um  unfere  greifjeit,  um  bie  c^riftlic^c  SBa()rs 
I)cit  gctf)an  fein.  menu  man  mid)  im  ©tic^c  lögt,  tröfte 

ic^  mic^  mit  meinem  Semufetfein  unb  mit  ber  Hoffnung  auf  bie 
S^tac^mdt.  ®enn  biefc^  geucr  lögt  fic^  nic^t  fo  erftiefen,  bo6  cö 
nid)t  bcrmaleinft,  jum  Serberben  üon  jenen,  furd)tbQr  micber 
auöbred^en  foUte."  3nbcffcn  möge  ber  greunb  auf  aüc§  achten, 
load  bort  (ju  SRainj)  gcfc^ebe,  unb  barüber  an  §utten  ©cric^t 
erftatten.  ©ei  bem  ?lbel  möge  er  für  i^n  unb  bie  gute  ©q(^c 
reben,  feine geinbe  aber  burc^  ben2öa()it  fieser  machen,  al§  ob  er 
febr  cingcfc^üc^tert  märe,  hierauf  tt)ut  Jütten  feiner  Äfogfe^rif' 
ten  an  bcn  Äaifcr  unb  bie  gürften  @noöl)uung,  unb  fc^liegt  mit 
bem  SGBunfc^c,  bag  iiart  fid)  feiner  Stellung  mürbig  bemeifen 
unb  bie  ©aebe  felbft  in  bie  ^anb  nebmen  möge. 

Äueb  an  ßutber,  bem  er  noch  unmittelbar  oor  feiner  ?lbrcifc 
5U  gerbinanb  gcfd)ricbcn  b^itte,  gab  er  jebt  üon  ber  über  ibn  üer» 
bängten  ©crfolgung  unb  feinem  (Sntfcbluffe,  mit  ©ebriften  unb 
©jaffen  gegen  bie  pöpftlicbc  ^b^Qünci  ju  gelbe  j^u  jicben,  in  ci= 
nem  ©riefe  üoll  lcibcnfd)aftlicben  SD^utbciS  5Ra(bri^t,  üon  bem  mir 


1)  Sebastiano  de  Rotonbau.  I,  403—405, 


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i^utten’§  8enbf4>reiben  an  bir  ^euljd^rn  qIIct  ^ifinbe.  333 

nur  ouö  einer  ^leugerung  ßut^cr’d  tuiffen,  ber  jufolfle  er  auf 
biefen  geujalticjcn  ©inbruef  gcmad)t  r)atte‘).  S)urcl^  ben  (5rla§ 
bcö  maiujcr  ©r^bifdjofd  gegen  ^uttcn’ö  „unb  ähnliche  ©c^riften'^ 
fanb  fintier  auc^  fic^  berührt  unb  ftclltc  in  3(u8fid)t,  fobalb  er 
ou^brücflid)  genannt  toürbc,  „feinen  ©eift  mit  bcm^uttcn'ö  Der- 
blnbcn  unb  fic^  fo  cntfd)ulbigcn  ^u  moflen,  bag  eS  bem  Öifc^of 
feine  J^cube  niadjcn  follte.  ®ieHeid)t  inbeß",  fefet  er  t)in5U, 
„befc^lcunigcn  fic  buv^  foldjcg  SSorge^en  fetbft  ba-ä  @nbc  i^rer 
X^rannel." 

®oc^  nic^t  blo3  cinjelnen  gürften  unb  glcic^gefinntcn  SJ^än^ 
nern,  ben  2)cutfc^cn  aller  0tänbc  moUtc  §utten  feine  5lngclegcni= 
l)cit,  meldjc  ja  mirflic^  bie  ber  ganzen  9^ation  mar,  an  baö  ^erj 
legen*).  ^)amit  erft  erhielt  bie  IReibe  feiner  flagenbcn  unb 
anf(agenben©cnbfc^reibcn  i^ren  angemeffenen,  uoUtönenben^c^luß. 
2(uöfü^rlid)cr  alö  in  ben  übrigen  legt  er  ^icr  bie  römifd)cn  ?Iiis 
fd)lögc  gegen  ibn  unb  bie  beßbalb  an  if)n  ergangenen  SGÖarnuns 
gen  bar,  mclc^e  il)ii  ju  bem  ©ntfc^luffc  bemogen  ^aben,  fic^  uon 
bem  öffentlidjcn  öerfebre  jurüd^ujiefjen.  3a,  bal)in  fei  eö  gefom* 
men,  bag.er,  ber  nod)  Dor  fur5em  nac^  SDfitftreitern  im  Ätampfc 
für  SBaljr^eit  unb  beutfc^c  5^cil)eit  gerufen  ^abc,  je^t  um  ©d^u^ 
unb  ^ülfe  für  feine  eigne  ^erfüll  fid^  umfc^cn  müffe. 

,,^bcr  mo^in  foll  ic^  mid)  menben?  mo^ülfe  fud)en?  @uc^ 
rufe  id)  an,  bcutfdje  gürften  unb  SDiänucr!  SBollet  i^r  mül)l* 
ücrbiente  fieutc  auetreiben,  uufd)ulbigc  beftrafen  laffen?  S33o  ift 
bie  bcuifd^c  9lebtic^fcit  unb  Xugcnb?  mo  jene  bei  allen  S3ölfcrn 
gepriefene  beutfc^c  Xapferfeit?  ^cjdjirmct  alle  einen,  ba  einer 
für  cuc^  alle  gearbeitet  l)at.  ^enn  bie  ^(rbeit  unb  ba^  Unterfangen 
maren  mein:  ber  Erfolg  freilid)  ftel)t  in  ©ottcö  SBillen,  nic^t  in 
beig  SDtenfdjen  SBunfdje.  3d^  jd)mebe  je^t  nidjt  minbev  in 
@cfal)r,  alö  menu  id),  ma^  i^  eud)  <\u  ßiebe  gemoUt  habe,  glücf? 
lic^  erreidjt  l)ättc.  3d)  ftüube  jejt  in  bcö  römifc^en  iöifc^ofg 
(>iunft,  l)üttc  ic^  nic^t  bem  33atertaubc  ju  ®ute  unb  jii  gemeinem 


1)  fiut^er  an  8patotin,  aBillfnlxrQ,  11.  8ept.  1620,  in  ^utten’S  Sd^tif- 
Icn  I,  369  f. 

2)  Omnibus  omnis  ordinis  ac  Status  in  Germania  Principibiis, 
Nobilitati  ac  Plebeis,  Ulrichus  de  Hutten  K(iues  Orator  ct  Pocta  lau- 
reatus  S.  33oin  28.  Sept.  1520.  ©c^riften  I,  8.  105—419. 


834 


IL  $u(^.  4.  j^apitel. 


9^lu|cn  aflcö  bag  ücnoenbcn  njoCtcn,  tüaö  ic^  mit  fo  tjiclcr  3)?ü^c 
auf  einer  fu  Ijarteu  unb  fd)mercn  Söanberung,  unter  }o  t)erbcn 
Unfäüen  unb  im  Kampfe  mit  einem  fo  mibrigen  ©efe^iefe  geflickt 
unb  enuorben  ()abe:  biegrudjt  fo  üieler  9^Qd)tn)ad)en,  fo  mancher 
S^leifen  ^icr  unb  bort  bei  Xag  unb  9iad}t,  ber  ^rmut^  unb  9Ser? 
ad)tung,  bie  ic§  auf  mid;  naijm,  ber  l)ieljät)rigcn  ^cimatblofigfeit, 
bie  id)  mir  im  blütjenbften  2üter  auferlegte.  §lber  c§  trieb  mic^ 
ba^u  ber  ^)urft  nod)  SBal)rt)cit,  trieb  mid)  bie  £icbc  5um  SBa= 
tcrlanbe.  Um  fo  meniger  bürfet  il)r  jugeben , baß  id)  um  ben 
Sobn  für  meine  ®icnfte  fomme.  SÖJottet  i^r  mic^  unüerßört,  un^ 
oerurt^eilt  ^inmorben  laffen  ? . . 5)ag  Stecht  fd)cue  ic^  nic^t ; in 
eurer  SÜtitte  mcile  ic^  mit  gutem  ^öertrauen.  9^ur  @emalt  laffet 
mir  nid)t  geic^cl)cn,  fc^on  beßmegen  nid)t,  bamit  nic^t  meine 
geinbe,  menn  fie  ben  Unfc^ulbigcn  gcmaltfam  umgebrac^t,  gegen 
ben  Xobten  eine  ©d^ulb  erbid)ten  mögen.  3d)  foUte  oon  ^ier 
meggeriffen  merben,  ic^  Unfeliger?  Son  biefer  @rbe,  bie  mid) 
bei  meiner  ©eburt  empßng?  biefem  ^immel,  ber  mic^  nößrtc? 
biefen  3)?enfcßen,  unter  benen  i^  fo  freunblid)  gemo^nt  ßabe? 
®icfe  §erbe,  biefe  Elitäre  follte  id^  oerloffen?  unb  nic^t  um  in 
ber  SSerbannnng  elcnb  ju  leben,  fonbern  5U  graufamer  SJiarter, 
511  fd)mäl)lid)em  2!obe  foU  id)  gefc^leppt  merbenV  3^1  $iUKf 
meine  öanböleute!  fielet  mir  bei!  Saffet  ben  nic^t  in  iöanbe 
legen,  ber  eure  iöanbe  ^u  löfen  unternommen  ^at!" 

(Sben  nur  bieß,  in  ber  baö  l)öd)fte  SSerbienft,  fei  fein 
SBcrbrccben.  0onft  fei  er  fic^  feiner  ©c^ulb  bemußt.  ©eine 
geinbe  feien  aueß  2)eutfc^lanbö  geinbe;  in  i^m  üertbeibigen  bie 
3)eutfc^en  fic^  felbft.  „Xt)Ut  bie  klugen  auf,  ißr  2)eutfc^cn,  unb 
fel)ct,  mer  eö  ift,  ber  euc^  ba^eim  beraubt,  anömärtö  in  Übeln 
9fluf  bringt  unb  oon  allem  Unglüd,  allem  Sütißftanbc  bei  eueß  bie 
©d)ulb  trögt.  (SS  finb  bie  ^eillofen  llblaßfrömer,  bie  ocrruc^ten 
§önbler  mit  ©naben,  Xi^penfationen,  ^bfolutionen  unb  allerlei 
Nullen,  bie  einen  SJiarft  mit  l)ciligen  Gingen  in  ber  il‘ird)e  ©otte§ 
eingerichtet  haben,  baranö  er  einft  biejenigen  trieb,  bie  hoch  nur 
geringe  lueltlichc  Söaarcn  tauften  unb  oerfauften.  ©ie  finb  bie 
^erfmeifter  allcö  2!rug§,  bie  (Srfinber  aller  Siften,  bie  Urheber 
ber  iilned)tfi^aft  unb  ©efangenfehaft  biefcä  SSolfö.  ©ie  finb  cd 
aud),  bie  mich  i«  ^-liotl)  unb  ©efohr  gcbrad)t  hoben,  um 
feiner  anbern  Urfad)c  mitlen,  ald  meil  ich  ihtc  fünfte  ocrrall)en. 


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J^uttfn*§  @enb|4)reiben  on  bte  ^eutj^icn  oHer  6tfinbe.  335 

t^re  ©c^anbc  aufgcbcrft,  ihrer  SRäuberci  tüibcrftanbcn,  ihrem  greuel 
einen  Sfliegel  üorgefd)obcn  habe,  unb  lueil  biirrf)  mid)  bereits  ihrem 
©erninn  etroaS  abgegangen,  ber  mähren  grömmigfeit  üiel  juge^ 
machfen  ift.  ©tetS  i)abc  id)  §üifru()r  gemieben,  jur  ©mpörimg 
nid)t  Urfache  geben  moUen,  unb  jum  iöemeifc,  mic  menig  eS  meine 
2lbfid)t  mar,  einen  Umfturj  ber  öffentlidjen  ßMftünbc  herbei5ufü[)ren, 
habe  ich  lateinifd)  geid)riebcn,  glcichfam  um  fic  unter  üier  Singen 
ju  ermahnen,  unb  nicht  gleich  ben  grüßen  Raufen  ^\um  SJ^itmiffer 
ju  machen;  obmohl  ich,  bie&  ju  thun,  mehr  als  genug  Urfache 
gehabt  hätte."  0elbft  je^t,  ba  fie  bcutlich  i\u  erfenneu  geben, 
mie  menig  freunbliche  ©rnmhnung  bei  ihnen  auSridjte,  malle  er 
immer  nod}  nid)tS  ©emaltfameS  gegen  fie  ucranlaffcn,  molle  fie 
nicht  für  ihre  Uebelthaten  beftraft,  fonberu  nur  theilS  fid)  felbft 
gegen  fie  gefchü|t,  theilS  fie  an  fernerem  Uebelthuu  uerhinbert 
miffen.  — 3)arunter  fefetc  Jütten  ben  ©pruch  auS  bem  ^meiteu 
^falm,  ber  üon  jc^t  au  bei  ihm  öfters  neben  ober  ftatt  feiileS 
eigentlidjcn  SöahlfpruchS  mieberfehrt:  fiaffet  uuS  3crrei6eu  ihre 
geffeln  unb  üon  uuS  merfeu  ihr  3ad)! 

3m  Oetüber  1520  erfchieu  bie  ©ammluug  biefer  Älagfd}rifteu, 
mürbe  halb  mehrmals  miebergebrueft,  unb  mo  bie  löuchhäubler 
fich  fürdjteten,  burd)  ^utten'S  greunbe  aertrieben.  @S  mar  ein 
lebhofter  öerfehr  üon  ber  ©bernburg  h'^T^i^ntcr  ^mifchen  §utteu 
unb  feinen  greunben  in  äJ^ain^,  ©peier,  233ormS  unb  anbern  0r;= 
ten;  fein  ©djreiber  manberte  hi«  unb  h^t  mit  ^aefeten  unb  Sluf^ 
trägen;  3J^artin  Sucer  mar  ein  gefälliger  Vermittler;  auch  ein 
Vruber  Ulrid)’S  erfcheint  als  Vertraueimmaun,  bem  Vriefe  unb 
©enbungen  an  ihn  übergeben  mcrbcu  fönnen.  ®ie  ©jemplarc 
ber  $uttcn’)chcn  ©chriften  mürben,  fo  meit  et  fic  nicht  ucrfchcnttc, 
entmeber  gegen  anbere  Vüchcr.  bie  er  hüben  moHte,  Äird)cnüäter, 
Slaffifcr,  gefchid)tlid)e  SäJertc,  i)ertaufd)t,  ober  and)  oerfauft,  unb 
üon  bem  ®elbe,  mclches  bafür  ciüging,  Vüchcr  eingefauft  unb 
beren  (Sinbaub  beftritten Sin  Öuther  unb  ben  ^^urfürften 
griebrid)  fehiefte  Jütten  (ijemplare  feiner  iUagfdjriftcn  burd) 
ßrotuS,  ber  für5ltd)  jum  IHcctor  ber  erfurter  §ochfd)ulc  gcmählt 


1)  Jütten  on  ?uccr  öom  26.  unb  28.  9toö.  1520,  6(^ri|lcn  1,  ©. 
427—429.  ^apito,  n.  a O.  ®.  865  f. 


336 


II.  $U(^.  4.  Kapitel. 


iDorben  toax ; ba§  ©cnbfc^rcibcn  an  ade  ^eutfc^eu  aber  ließ  er 
(üieüeic^t  in  dJ^ainj?)  öffcntlid)  anfc^lagen  *)• 

^er  päp^ttidje  ?lnfd)lag  auf  ^utten'ö  ^^ci^cit  unb  Seben 
biente  nur  ba5u,  i^n  um  fo  meßr  (neben  Süt^er)  jum  DoU^^tpin* 
licken  gelben  ju  machen.  erfc^ienen  um  jeneßeit  unter  bem 
Spanien  Slbl^benu)^  Soraduö  eine  fRebe  an  Äaifer  Äarl  unb  bie 
beutfdjen  gürften  für  Jütten  unb  Sut^er,  bie  SSerfe^ter  beö 
SSaterlanbe^  unb  ber  beutfe^en  greiljeit*),  unb  jmei  ©efpräc^e, 
baö  eine  ber  gefangene,  baä  anbere  ber  öerl)errlic^te  Jütten  bc= 
titelt^).  3n  ber  fRebe  mirb  befonberö  baö  gormtofe  unb  fRec^t^' 
mibrige  in  bem  SSerfa^ren  gegen  Jütten,  baö  ©c^mö^lic^e  beS 
angeblidjen  ©ergiftungöuerfu^ö,  ^ernorge^oben.  3n  bem  erftern 
ber  ©efpräc^e  ruft  $apft  Seo  bie  ©urtifanen  gegen  2utl)cr,  unb 
nod^  me^r  gegen  Jütten,  beffen  Slnfc^läge  gefährlicher  feien,  auf. 
SBon  einem  granciöcaner  geführt,  jiehen  fie  auö,  um  ben  Flitter 
am  füiferlichcn  ^ofe  ju  greifen;  Jütten  mehrt  fid);  ©iefingen 
fommt  hinju,  erbietet  fich,  bie  0ache  bem  IJaifer  üorjutragen; 
mittlermcile  füll  fid)  Jütten  auf  ©tedelberg  in  Sicherheit  brin= 
gen,  Don  mo  er  alle  ^5)eutfdhen  ju  feinem  Öeiftanb  unb  jum  Kampfe 
gegen  bie  ßurtifanen  aufjurufen  gebeult.  3u  bem  anbern  ©cfpvächc 
mirb  Jütten  üon  ber  perfonificirten  Söahrheit  feiner  irbifchen 
Sßaffen  entf leibet,  unb  mit  ben  gciftlichen,  bem  i^rebiS  ber  ©crech* 
tigfeit,  bem  Sd^ilbe  betS  @lauben!§,  bem  Seßmerte  bc;^  SBorteS 
ÖJütteö  (baö  gau5  anberö  gcljanbhabt  fein  motle  aU  baö  ber  33e- 
rebtfamfeit)  auögerüftet.  3n  biefer  IRüftung  eineö  chriftlichen 
©tveiterö  füll  er,  otjue  irbifcheö  Xra(^ten,  ohne  perfönlidje  fRach- 
fud}t,  mit  guten  ^üdjern,  befonberö  bem  ©uangelium,  üerfehen, 
üon  einem  einfamen  Xhurme  auö  für  bie  Sache  ©otteä  unb  beS 
^aterlanbeö  fämpfen;  mobei  er  jelbft  gürften,  menn  fie  fich  miber 


1)  ßutper  an  ©polatin,  16.  2)«.  1520,  in  ^uttcn’8  S^riften  I,  @.  437. 
^utten'S  (Snbtjd^UIbigung,  Sd^riften  II,  8.  131,  §.  5. 

2)  Oratio  ad  Carolum  max.  Augustum  et  Germanos  Principos, 
pro  Ulricho  Hutteno  eq.  G.  et  Martine  Luthero,  patriae  et  Christianae 
libertatis  adsertoribuB.  Authore  S.  Abydeno  Corallo.  8.  ^utten’S 
8(^riften  I,  8.  442—445. 

3)  IliittenuB  captivuB.  Iluttenus  illustris.  3n  Dialogi  Reptem, 
festive  candidi,  authore  S.  Abydeno  Corallo  Germ.  3n  ^utten’S  84)nf* 
ten  IV,  8.  593—600. 


r- 


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Cut^er’8  ®(^Titten  Derbranni. 


837 


bie  S5ki[)r^eit  fc^cn,  fdjeltcn  borf,  unb  bcö  0icq^,  ipenn  oud)  nid)t 
bc!^  ficben^,  fieser  fein  fann.  Sitte  Äenn,^eic^cn  beuten  auf  ben 
fe^t  in  Erfurt  lueilenben  Srotuö  alö  SSerfaffer  biefer  ©c^riften, 
ber  wa^rfc^einlidj  ouc^  bei  ber  fogenannten  Intimatio  Erfurdiami, 
bet  öffentlichen  (Irflärung  ber  bärtigen  Uniöerfität  für  Suther  unb 
gegen  bie  wiber  ihn  crlaffene  pöpftlichc  S3utte,  betheiligt  tuar. 

Unterbeffen  n>ar  nämlich  3ohann  ®cf  in  ^Begleitung  beö 
pöpftlichen  S^tuntiuö  Slleanber  mit  bet  23annbutte  gegen  fiuther 
nach  5)eutfd)lanb  ^urüdgetommen.  3n  biefer  (au^gefertigt  in 
9iüm  am  15.  3uni  1520)  maren  41  ©äje  auö  ßuther'ö  ©chriften 
tl)eilö  aU  fe^erifch,  thcilö  bo^  alö  falfch  unb  anftögig  bejeichnct, 
feine  öüchcr,  fo  meit  fie  biefe  ©ä^c  enthielten , jum  geuer  uet^ 
bammt,  ihm  felbft  aber  noch  Slnfchlag  ber 

öuUe  an  ben  2)omfirchen  ju  S3ranbenburg,  Meißen  unb  äJicrfc* 
bürg  ä^m  SBiberruf  gclaffcn,  nach  ^cren  fruchtlofem  SSer* 
ftreichen  er  al§  h^^^lt^^cfiger  Sicher  oon  ber  Äirchcngemcinfchaft 
abgefonbert  unb  nach  S^lom  jur  33eftrafung  auSgelicfcrt  werben 
foUte.  2Bäl)renb  @cf  im  2aufe  bcö  ©eptemberö  bic  iöuttc  in 
^öaiern  unb  ©achfen  anfchlagen  liefe,  reifte  Slleanbcr  ben  9tl)cin 
hinunter,  um  fie  bort  ju  üerbreiten.  ©chnett  h^tttc  er  uon  bem 
jungen  Ätönig  Äarl  bie  ©rlaubnife  au^gemirft,  in  beffen  burginu 
bifchen  ®rblanben  Suther’d  ©chriften  oerbrennen  ,^u  laffen. 
Sind)  in  ben  beutfdjcn  ^faffenftäbten  Äöln  unb  SÜ^ain^  rauchten 
halb  bic  unblutigen  ©chcitcrhaiifen.  ®od)  war  felbft  in  bem 
pnftem  Äöln  bie  ©timmung  ber  ©eoölferung  fehr  gethcilt  unb 
in  bem  gebilbetern 3J?ainj  entfehieben  gegen  bie  üü^aferegd.  „Suthev", 
fchrieb Jütten  barüber  an  ttJ^artin  53uccr,  „h^^l  (Su  SD^ain^^  gebrannt; 
hoch,  wie  ich  glaube,  ohne  c^  ju  fül)lcn.  5)aö  tönnen  jene  9J^orb* 
brennet,  fonft  nichtö’).''  3n  Erfurt  würbe  bie  iiöuflc  jerriffen, 
(Sef  in  feiner  SSohnung  belagert. 

l)urch  biefe  ©orgängc  fanb  fid)  Jütten  ^^u  unglaublicher 
Xl)ötigfeit  angeregt.  91od)  tuahrenb  bcö  Detober  unb  9^ooember 
fehen  wir  ihn  mit  uicr  bii  fünf  ©d)riftcn  gegen  bic  Bannbulle, 
bic  ©(hriftenücrbrennung  unb  bic  römifdjc  Xljramtei  überhaupt, 


1)  pulten  an  »uctr,  Sdjnflcn  I.  6.  427  f.  »gl.  Jütten  on  Cutter, 
ebenbaj.,  436,  unb  bie  »eri(l|tc  uon  »ratuS  9il)fnanu8  unb  ^bio,  cbenboj. 
6.  429  unb  438. 

VII.  22 


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II.  mä).  4.  ffattlifl 


dS8 

bcfc^äftigt.  S)a  fic  ^um  X^ctl  neben  einanber  ou§gcorbeitet  tourben, 
fo  fönnen  mir  fie  bicr  in  her  Drbnung  nonte^men,  bie  un^  i^rem 
Sn^alte  jufolge  bie  bequcmfte  ift. 

5)ic  33utte  ßeo'^  X.  gegen  fintier  reifte  ^mttcn,  fte  ju 
gioffiren.  ^en  pdpftUc^en  @ä|en  bie  ©egenföpe,  ben  Änfprüc^cn 
ben  Söibcrfprudbr  ^un!t  für  $un!t  auf  bemfelben  Sölottc  gegen* 
über^uftellen,  ben  falbungöüoUen  S3ombaft  eineö  folc^en  5lctenftücf§ 
burc^  nüchterne  Slnmerfungen  ober  fpi^ige  Querfragen  ju  ftören, 
tonnte  ganj  befonberä  bienlic^  erfc^einen,  um  auc^  ftumpferen 
ßefern  bie  ?lugen  ju  öffnen.  <So  lieg  benn  §utten  bie  S5uHc 
mieber  aufiegcn,  mit  bem  pöpftlid^en  SSappen  auf  bem  ^titclblatte, 
unb  fo,  bag  ber  gröger  gebructte  %CTct  berfclben  burc^  feine  ©(offen 
in  (leincrem  2)rucfc  t^ciU  unterbrod^n,  t^eilö  am  8^anbe  eingc* 
fagt  crfc^icn  0-  SSorauö  gebt  eine  Ißorrebe,  in  melcger  au^efü^rt 
ift,  bag  cd  ficb  fcincdmcgd  blöd  um  Sutbcr  b^inblc,  fonbcrn 
ber  ^apft  beabficbtigc,  mit  Sutber  bie  micbcrouflcbenbe  cbriftlicbc 
SEÖabrbeit  unb  beutfcbe  greibcit  ^u  erfticten.  Slbcr  mehr  ald 
jemald  fei  jept  bie  ©elcgcnbeit  einer  rcttenben  ^^böt  günftig,  ju 
melcber  ficb  bie  ^eutfcbcn  bodb  mobl  enblicb  mit  .^utten  ent* 
fcblicgen  toerben. 

3)ie  ©(offen  hierauf  finb,  mic  cd  bie  5Ratur  einer  folcben 
?lrbcit  mit  ficb  bringt,  balb  ironifcb,  halb  patbetifcb,  häufig  treffenb, 
bidmeilen  aber  boeb  auch  matt.  äBenn  Seo  ficb  im  ©ingang 
gebraebtermogen  ben  Äncebt  ber  Änecbte  ©otted  nennt,  fo  mirft 
Jütten  bai^mifeben:  SBad  gebieteft  bu  alfo  unb  fpiclft  mit  fo 
grogem  ^oebmutb  ben  ^errn?  SBenn  bie  Sude  fclbft  mit  ben 
SBorten  anfängt:  ©rbebe  bicb,  o^err  — fo  bemerft  Jütten:  ja, 
er  mirb  fiel;  erbeben,  boeb  ju  bed  ^Sapfted  grögtem  ©ebaben.  SGÖo, 
in  Änmenbung  eined  befannten  öibclfprucbcd,  bie  neuen  Äeper 
gücbfe  genannt  merben,  bie  bed  ^erm  SEÖcinbcrg  benoüftcn,  er* 
miebert  ber  ©loffator,  bag  oielmebr  ber  $opft  in  ber  ^rt,  mic 


1)  Bulla  Decimi  Leonis  contra  errores  Lutheri  et  sequaoium.  Kitf 
ber  Slüdffeite  beS  XitelS:  ülrichus  de  Hutten  eq.  Germanis  Omnibus  S. 
5)if  gloffirte  SuIIe  |.  in  ^«tten’8  6d^riften  V,  6.  301—333;  boS  SJonoort  I, 
8.  430  (.,  baS  ^lad^tooTi  an  ben  ^apfi  ebenbaf.,  8.  481  f.  6in  Seitenftüd 
|u  btejer  ^utten'fd^en  8d^rift,  bie  Oratio  Constantii  Eubuli  Moveniini  de 
virtute  claviuro  et  bulla  condemnatioois  Leonis  X.  contra  Mart.  La> 
therum  etc.  (f.  ^utten’ö  8d^riften  V,  8.  351  ff.)  ift  öermut^tid^  öon  SrotuS. 


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l^utten’S  ®lofffiT  )u  ber  ^onnbufle.  33^ 

er  ben  ^eutfc^en  i^r  ^elb  tbet(S  ab^ulocfen,  tbctlS  oB^utro^cn 
njtffc,  fic^  Uftiger  als  ein  guc^ö,  räuberifcber  olg  ein  Söolf  bc* 
»cife.  jDa^  Äuffommen  folc^cr  Äc|ereicn  in  2)cutfc^lanb,  fährt 
bog  ^Ictenftücf  fort,  bctümmerc  ben  ^Qpft  um  fo  tiefer,  mcil  er 
unb  feine  Vorgänger  gerobe  biefe  9lotion  jcberjeit  in  ben  (Singe- 
meibcn  ihrer  Siebe  getragen  höben:  — freilich  in  ben  (Singemciben ! 
ruft  hic^  Jütten,  benn  ihr  höttet  fie  Ocrfchlungcn ; ober  ie|t 
merbet  ihr  fie  oon  euch  fpeien  muffen,  unb  @ott  felbft  mirb  pe 
oug  eurem  Mouche  giehen.  @onft,  meint  bie  ^uUe,  feien  bie 
3)eutfchcn  bie  eifrigften  ©eftreiter  ber  Äe^erei  getoefen:  — o^, 
tt)ären  fie  cg  bodh  gemefen!  feufjt  bo  Jütten,  bann  hötten  fie  oor 
allem  gegen  bie  $äpfte  fich  gemehrt.  IBon  Suther  fagt  ber  $apft, 
märe  berfelbe  feiner  Sabung  nach  9iom  gefolgt,  fo  fei  fein  3ö)eifel, 
er  mürbe  in  fich  gegangen  unb  jur  (Srfenntnig  feiner  Srrthümer 
gefommen  fein:  — gcfprochen  menigfteng,  meint  Jütten,  mürbe 
er  ferner  nichtg  mehr  höben,  märe  er  einmal  oon  bir  ju  9iom 
empfangen  morben.  SSenn  bie  Söulic  Suther’g  Sehren  oerberblich 
nennt,  fo  erläutert  bieg  Jütten  bahin,  bag  aUcrbingg  burch  bie- 
fclbe  öiele  ^ochmürbigftc  mit  junger,  unb  ihr  §err  felbft  mit 
SJtongel  bebroht  merbe.  Unb  mic  nun  ber  $apft  bei  ber  ®er= 
brennung  oon  Suther'g  ©egriften  anfommt:  — bu  höft’g  meicht! 
ruft  ba  Jütten,  fie  brennen,  aber  in  ben  ^erjen  aller  ÖJuten.  ‘ 
SEÖelch  ein  oerberblicher  ®ranb  für  bich!  SRun  löfche  ihn,  menn 
bu  lannft! 

^en  ^efchlug  macht  ein  (Spilog  an  Seo  X.,  morin  ihm  511 
bemerfen  gegeben  mirb,  er  märe  beffer  mit  feiner  SuHe  baheim 
geblieben,  bie  ihm  nur  ©chanbe  mochc.  Sängft  fage  man  in 
Xeutfchlanb  oon  ben  päpftlichen  53ullcn,  eg  fei  mit  ihnen  mic 
mit  bem  @elbe:  je  neuer,  befto  fchlechtcr.  (Sr  möge  feiner  ^ab= 
fucht,  feinem  Xruge  (Sinhalt  thun,  bie  Qeugen  ber  Söahrheit  nicht 
ferner  reijen,  ingbefonbere  aufhören,  Suther  unb  bie  oon  i()m 
Ängercgtcn  ju  ocrfolgcn,  benn  ihrer  feien  bereitg  mehr,  alg  bag 
irgenb  ein  ©if^of  fo  oiele  ©celcn  oerberben  fönnte.  @r  folle 
fein  ^irtenamt  recht  oerfehen,  feine  ^cerbe  fortan  mit  (Srfenntnig 
unb  Sehren,  nicht  mehr  mit  öuflen  mciben,  beren  man  überbrügig 
fei,  mie  man  ouch  oor  bem  ^blag  nachgerabc  (Sfel  cmpgnbc. 
„(Sineg  ^apfteg  Qkibcn  finb  SSkigheit,  9teinheit,  j^eufchhrit  unb 
Verachtung  glleg  grbifchen.  2)cncn  trachte  noch-  ^onn  mirb 


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340 


II.  4.  fiapHel. 


®ciitf^lünb  bid^  ocrc^ren,  loenn  cö  fic^t,  bafe  bu  cS  (icbft,  nid)t 
bic^,  tüic  je^t,  befämpfen,  ba  cä  bcmerft,  baß  bu  cö  fd^recfcn  toiUft. 

jiemt  bir  aber,  burc^  ©üte  alle  ju  überwinben,  niemanben 
burc^  ©cioalt  ju  ^tuinflcu.  ®ic§  frcimüt^ig  aber  lua^r,  luie  bic 
0ac^c  fic^  üer^ölt  unb  bie  ßcit  cö  mit  fic^  bringt,  ßebe  mo^l! 

2)cutf(^lanb.'' 

Stieben  ben  ©toffen  ber  päpftlic^en  öuHe  arbeitete  ^utten 
um  jene  ßeit  an  einem  ©ebid^t  über  bie  SSerbrennung  üon  fiut^cr'iS 
©c^riften,  unb  jmar  in  boppcltcr  ©eftalt,  lateinifc^  in  ^ejametern 
unb  beutfe^  in  Dficimen,  moüon  bic  erftere  bie  frühere  ift*). 
(Sigentlic^  ftnb  beibc  ^roei  üerfcf)iebenc  ©ebid^tc,  bie  nur  in  menigen 
fünften  jufammentreften.  ^ag  lateinifd^e  ^at  ben  Sor^ug  größerer 
Äürj^c  unb  cblercr  bad  beutfe^e  mac^t  feine  SScitfeßmeifig» 

feit  unb  feine  ungelenfcn  ®erfc  bureß  üolfötljümlid^c  Iftbctorif 
gut.  233ic?  fo  beginnt  ba^  erftere,  menn  mir  bic  latcinifc^cn  in 
cntfprccßcnbc  beutfd^e  SBcrfe  übertragen  — 

2Bie?  5)cm  ®tanbc  gewelkt  ijt  bie  |o  mand^er  bur^toac^ten 

9lo(^t?  bem  53erbcrben  bie  Schriften  bc§  wal^rbcitrebenbcn  iiutber? 

®a§,  i^r  Siönimen,  erf rettet  if)t  cud^?  fo  fünbigft  bu,  geuer? 

^ilf  ben  Q'rommen,  bu  f^lut,  oom  Jg>immel  ergieße  fid(|  Kegen, 
KuS)uI5f(^rn  ben  @räul!  . . 

* 

9Rad)bcm  fofort  auf  ber  einen  (Seite  bie  römifd)c  SWißberr? 
fd)aft,  auf  ber  anbern  £utl)er'^  SSerbienft  um  aöieberbcrftcUung 
ber  Söabrßeit  inö  Sic^t  gefept  ift,  mirb  ©att  felbcr  jum  @in^ 
feßreiten  aufgerufen: 

Unb  nun  fd^iou  (fic  ent^ioltcn  bein  SBort)  ouf  bic  brennenben  ®üd^cr, 
@dbuu,  Ql(mäd(|tiger  iBater,  ^erab,  unb  xäö)t  bie  Untfiat! 

5)ir  ja  gilt  bie  Empörung,  bie  ©d^mod^  bir,  beinern  ©ejetje 
^liut  man  ©emait.  ^Dagegen  toirb  feglid^er  O^reoel  gebilligt, 

3ebe4  Kerbrec^en  getobt.  6o  ectoad^e  bo(^  enblic^,  erioac^cl 
5fflie  eS  ein  jeber  oerbient,  fo  toerb’  i§m  »ieber  oergolten; 
äBa^r^eit  trage  bie  ^alrne  baoon  unb  ^ugenb  bie  ftrone! 


1)  In  incendiiim  Lntherianum  exclamatio  TTlrichi  Ilutteni  <^q. 
anno  dom.  1520.  ©d^riften  II  t,  ©.  451—455. 

©pn  Ätog  über  ben  Öuterifeben  ®ranbt  ju  Went?  burdb  Stridb 
öonn  Jütten.  8d(iriften  III,  ©.  455—59. 


^uiten’S  Aber  ben  9ranb  oon  Sut^er’S  841 

^ber  (§  fajfe  bte  ®(ut  ben  jübif^en  Sd^elm  9ileanbet^), 

Strafe  bie  Stifter  ber  freüelen  X^at;  natf)  bem  wütbenben  2eo 
Sofien  bie  fjurien  greifen,  bie  er  entfeffcit;  bie  Rommen, 

!^ie  e§  bem  rebliti^en  Cutter  geftbürt,  Korn  felber  öerje^ren. 

Unter  bic  uoU^rcbncrifd^cn  luclc^c  bem  bcutfc^cn  (3c- 
bid)tc  ju  ©Ute  fommcn,  gehört  üor  allem  bie  für  ein  ge()äufteö 
^ünbenrec^ifter  fo  paffenbe  brei§igmali(je  2Bieber()olung  beö  $ie  — 
(\efd)iebt  bieg  ober  baö,  j.  Jö.: 

^ie  brennen,  lg>err,  öiel  guter  SBort, 
i^ie  tt)irb  bein  göttli(^|  fie^r  ermorbt; 

J^ie  t^ut  man  ©»alt  ber  ^rebigt  bein, 

)^ie  gibt  man  afieS  CofterS  Schein;  . . 
l^ie  gibt  man  ^bla§  unb  @enab, 

‘S)o(b  feinem,  ber  nit  Pfennig  ^at; 
l^ie  toirb  gelogen,  ^ie  gebid^t, 

^in  Sünb  uergeben,  eb  fie  gftbitbi;  • • 

^ie  toirb  öerfauft  ber  Jpimmcl  bein, 

©curtbeilt  )u  ber  ^ein 

6in  jeber  ber  binwiber  fagt; 

j^ic  ift,  »er  SPabrbfit  pflegt,  nerjogt ; 

j^ie  wirb  teutf(b  IWation  beroubt, 

UmS  ©elb  Diel  bbfer  5)ing  crioubt; 

^ie  bbenit  man  nit  ber  Seelen  i^eil; 

^ie  bift  bu,  ^rr  ®ott,  felber  feil  u.  f.  f. 

?lm  €d)luffe  beö  beutfdjen  ©ebic^td  luirb  ßutl)cr  anflerebet: 

®idb  aber,  liebfler  trüber  mein, 

^urdb  fofiieb  ^Jtadbt  bergtoaltigt  fein, 

$in  beinetbalben  ieb  bef(b»eri; 

^o(b  boff'  toiberfebrt, 

Unb  »erb  geroeben  bein  Unfebulb; 

^rum,  S)icner  @ottc§,  b^b  ®ebulb. 

W5(bt  i(b  bir  aber  IBeiftanb  tbun, 

Unb  ratben  biefen  Saeben  nun, 

So  roöfit’  i(b>  i4)  b^^l* 

9lit  fparen,  no<b  mein  eigen  ®lut. 

Unter  baö  latcinifd)c  ®ebid)t  fepte  §uttcn  feinen  SBaglfprud): 
Jacta  est  alea,  ben  er  in  bei*  beutfd)en  Searbeitiniö,  mie  uon  ba 
an  immciv  bnrd):  t)ob’ö  nemagt!  miebergab. 

®od)  giemit  finb  mir  in  ben  ®ercid)  oon  §utten'ö  beiitfcgcr 

1)  '3)er  pöpflli(b<  8luntiuS  ?lleanber  golt  für  einen  getauften  3uben. 


342 


II.  «u(^.  4.  ffopitcl. 


0c^riftftcücrci  übcrgctvctcn,  bcr  roix  eine  befonbere  ^ctrac^tunfl 
tpibmen  müffen,  tuenn  luir  erft  uoc^  feinem  S8erl)ä(tni6  ju  Sfleuc^* 
lin  big  bem  ^bfd^luffe,  beit  eg  um  biefe  3^it  erteilte,  Qcfolflt 
fein  merben. 

2Bir  fa[)en  oben  ben  e^rmürbigen  Sßeteran  beg  ^umanigmug 
burc^  0icfingen'g  ritterlid^e  2)aämifc^entuiift  Don  ben  ^obfeuren 
Äutten"  befreit,  bie  i()n  3n^re  lang  bebrängt  Rotten;  fic  Ratten 
i()re  Jöuggelbcr  erlegt,  nac^  9flom  fclbft  um  eine  für  S'teu^lin 
gunftige  Beilegung  Der  ©treitfac^e  gefc^rieben.  ?lbcr  alg  öc^tc 
Pfaffen  f)attcn  fie  bag  mit  bem  ftiHen  SBorbef)alte  get^an,  eg  un= 
mittelbar  barauf  alg  erjroungen  ju  miberrufen.  3n  biefem  ©inne 
fc^ieften  fie  jenem  erften  ©c^reiben  eilig  anbere  nad).  3n  9tom 
ftanben  bie  SJer^ältniffe  eben  günftig  für  fic:  oon  ^Icuc^lin’g 
©önnern  am  päpftlic^en  ^ofe  maren  bie  einen  geftorben,  anbere 
entfernt;  ber  ßutl)crifc^c  ©treit,  ber  fid)  alg  ein  ©c^ögling  beg 
Stcuc^linifc^en  barfteUcn  lieg,  toarf  auf  biefen  ein  bcbcnflic^cg 
Üic^t,  unb  fo  erfolgte  im  ©ommer  1520  ein  pöpftlicfteg  Sörcoe, 
bag  bie  fpeicrfc^c  ©enten^i  förmlich  caffirtc  unb  9ieud)lin’g  iöue^ 
ücrurtt)cilte.  ®od)ftraten,  in  feine  nur  jum  ©c^cin  ocrlorcncn 
©teilen  algbalb  mieber  cingefe|t,  unb  feine  mürbigcn  ©rüber 
fdjlugen  bag  ©reoc  in  Äöln  mit  3»bel  on;  ?Rcu(^lin  fuc^tc  ba^ 
gegen  aufjufommen;  ©iefingen  mußte  fid^  noeß  einmal  in  ben 
§anbcl  legen;  er  ließ  fic^  burc^  Jütten  ein  ©^reiben  an  ben 
Äaifcr  auffejen,  aueß  bie  Äurfürften  Don  SJiainj  unb  ©ac^fen 
um  ißre  ©enoenbung  in  ber  ©aeße  bitten;  9leuc^lin  fclbft  lub  er 
auf  bie  ©bernburg  ein*);  ^ fdicint  aber,  biefer,  ber  auf  ben 
Eintrag  beg  ^icrjogg  SBilßclm  Don  ©aicrn  ju  Anfang  beg  3öb= 
reg  1520  ben  ßcßrftußl  beg  @ried)ifc^en  unb  J^ebräifdicn  an  ber 
ingolftäbtcr  UniDcrfitöt  angenommen  ßattc,  erlitt  Don  ber  ©eite 
feine  cmftlic^c  ©erfolgung  meßr. 

?lbcr  fcS^ioacß  loar  er  bo(^  gemorben,  unb  geigte  bieß,  mic 
freilich  halb  einer  ber  ^umaniften  naeß  bem  anbern,  gegenüber 
ber  bcginnenbeii  IRcformotion.  ^aß  er  in  3ngolftabt  Änfangg 
im  $aufc  beg  berufenen  Dr.  6d  lüobntc,  loar  fc^on  fein  guteg 


1)  an  Sloingli,  15  Oct.  1520  ; ^uttrn  an  Vueer,  25.  9Ioo.;  an 
Sut^cr,  9.  2)rc.  1520;  an  @l>a(atin  unb  an  (Sapito,  16.  3an.  1521,  in 
ten’S  6(^riftfn  I,  6.  421.  427.  437.  II,  4 f. 


Ig^utten’d  Irrtet  Srtrf  an  9tcu(^Un. 


843 


Qctc^cn;  obwohl,  alö  bicfcr  fic^  anfc^icftc,  ßut^cr’d  ©c^riftcn  ücr= 
brennen  ju  laffen,  er  cö  ber  Unioerfltät  miberrietJ).  ^ber  feinen 
^^ilipp  3Welanc^t^on,  ben  er  fctbft  borbem  nod^  SBittenberg  em- 
pfohlen, hätte  er  nun  gerne  amJ  ßuther’ö  Greife  hintoeg  ju  ftd) 
nach  Sngolftabt  gezogen.  2)a6  ber  S^effe  ber  Slufforberung  feine 
fjolgc  leiftetc,  h^^t  ihn  bie  ihm  bereite  alö  (Srbfehaft  jugefagte 
^ibliothcf  be«  ©rofeoheim^  gefoftet.  Unb  nun  fcheint  9leuilin, 
burch  bie  SRochricht  geöngftigt,  bafi  man  in  9ffom  feinen  ^anbcl 
mit  bem  ßuthcrifdhen  in  Serbinbung  bringe,  ein  rechtfertigenbeS 
Schreiben  an  bie  bairifc^en  $erjoge  crlaffen  ju  h^ben. 
©^reiben  fam  glitten  ju  ©eficht,  unb  bei  aller  Verehrung  für 
ben  ^lltmeifter,  baju  fonnte  er  bo^  nicht  fchttjcigen.  „deinen 
^rief  an  bie  iBaicrn'',  fchrieb  er  ihm  am  22.  gebruar  1521  oon 
ber  ®bernburg,  „habe  ich  gelefcn,  benen  bu  auf  bie  Slnllage 
ßeo’ig  X.  antmorteft.  Unftcrbliche  ©öttcr,  toaö  fchc  ich!  ©o  tief 
bift  bu  in  gurcht  unb  ©d)n)äche  uerfunfen,  bag  bu  bich  fogar 
ber  ©chmühungen  nicht  enthältft  gegen  biejenigen,  bie  ftetö  beinc 
Slcttung  getoünfeht,  jumeilcn  auch  ^it  großer  ©efahr  beineu  9tuf 
uertheibigt  h^»5en.  gronj  ift,  ba  ich  ihm  bie  ©ad^e  oortrug,  ba- 
üon  aufd  äußerfte  erregt  morben.''  Sßarum  er  ftch  nicht  loic 
Craigmuö  mit  ber  (Srflörung  begnügt  h^bc,  boß  er  mit  fiuther  nie 
etmad  gemein  gehabt,  moju  bie  audbrücfliche  ÜJ^ißbiHigung  feiner 
©achc  unb  bie  ICerfichcrung,  er  h^bc  auch  fei^e  greunbe  üon 
berfelben  ab^^u^iehen  gefucht  ? ,,2)urcl)  eine  fo  fchimpfliche  ©chmeiche^ 
lei'',  fragt  ihn  Jütten,  „hoffft  bu  jene  ju  oerföhnen,  bie  bu,  menn 
bu  ein  aKann  fein  modteft,  nicht  etnmal  freunblich  grüßen  bürf* 
teft,  fo  oiclfach  unb  unerhört  hoben  fte  bich  mißhanbelt.  5)odh 
oerföhne  fic.  Unb  menn  bir'ö  altcrdholber  möglich  tft,  thu’  auch 
bad  noch,  mmä  bu  fo  fehr  j^u  münfehen  oerficherft,  baß  bu  nach 
aiom  gehft,  bem  §errn  Seo  bie  güße  ju  füffen,  unb  noch  oben* 
brein,  maö  bu  ja  nicht  oerfdjmähft,  baß  bu  gegen  m\i  fdhrcibft. 
2)ennoch  foll  man  fehen,  baß  mir,  auch  gegen  beinen  Söiden  unb 
beinen  mit  ben  gottlofcn  (Surtifanen  einftimmigen  SBiberfprud), 
baö  fchmählichc  3od)  abfchütteln  unb  auö  ber  fchimpflichen  ilnecht^ 
fdhaft  und  befreien  . . . gdh  fchäme  mich,  t)ich  fo  oieled  gefchrie* 
ben,  oicled  gethan  ju  hoben,  nachbem  bu  ben  Raubet,  für  ben 
mir  fo  muthig  und  getummelt,  mit  einem  fo  clenbcn  Äudgang 
bcfchließeft.  i)ad  moUte  ich  oicht  ocrholtcn.  ^u  fchouc  ju. 


344 


II.  $ud(|.  4. 


tüaö  bir  cicj^icmc,  ob  cö  löblicher  fei,  beinen  2Bo^ltl)ätcrn  bic^ 
banfbar  ju  bcjciflcu,  ober  burd)  fd)marf)üolIe  ©altuiifl  bicieniflen 
äu  üerpfliebten,  bic  ftetö  beiu  SBcrberben  gewollt  ^aben.  5öon 
mir  foUft  bu  miffen,  nid)t  bloö  menn  bu  je  Sut^er'ö  0a(^c 
bcfömpfcn,  fonbern  oud)  menn  bu  bid)  fo  bem  römifc^cu  33ifc^of 
untenoerfen  miflft,  bag  ic^  ßar  iiid^t  mit  bir  einoerftanben  bin 
Db  §utten'ö  53rief  ^Reuc^lin  noc^  in  Sngolftabt  getroffen, 
miffen  mir  nidjt.  SCBar  auc^  bie  geift(id)c  Verfolgung  faum  no^ 
ju  fürchten,  ber  Sitte  foHtc  boc^  feine  S^u^e  meljr  finben.  Vor 
^mei  3al)ren  Ratten  Äricg  unb  ^eft  i^n  ou§  Söürtemberg  bers 
trieben:  je^t  bra^  bie  Voiern  auö  unb  trieb  it)n  micber 

nac^  SCÖürtemberg.  3m  grü^ling  1521  fudjtc  er  fein  atteö  ^auö* 
mefen  in  Stuttgart  mieber  auf.  Slber  bie  bomalige  öftcrreid)ifc^c 
S^egicrung  in  SBürtemberg  münfdjte  mit  einem  folc^cn  Spanne 
il)re  Uniberfität  jii  jieren.  ©o  ging  er  nadb  Mbingen  unb  laS 
ba  imSöintcr  1521  auf  22  über  gried^ifd)c  unb  tjebräifc^e  ©rammatif ; 
momit  ber  bonnalige  Vunbe^ric^tcr  fid)  fdjon  in  Sugolftabt  mic 
2)iom)ö  ber  Xi)rann,  ber  Sd)ulmeifter  gemorben,  uorgefommen 
mar.  ^)od)  er  füt)lte  feine  (^efiinb^cit  manfen.  3J^it  ber  beffern 
3uf)rcöjcit  fud)te  er  §ülfe  in  bem  8djmar^malbbabe  2icben^ell. 
@r  fanb  fic  nidjt.  ilvanf  nad)  Stuttgart  ^urüdgelctjrt , ftarb  er 
am  30.  3uni  1522  an  ber  ÖJelbfudjt,  ber  t)od)berbicntc,  bielge* 
ärgerte  lil^ann.  @r  tjatte  ein  Sitter  bon  67  3al)vcn  unb  4 ÜJios 
naten  erreicht. 


1)  Iluttcni  Opp.  Supplem.  II,  S.  803  f. 


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345 


4Fönftca  fiapHcL 


c^ntten  fättof  an  bentfi^  f(^rd6en. 

1520.  1521. 

9lorf)  in  bcm  ©cnbfd)rci5cn  an  bic  SDcntfcfjcn  allci*  0tnnbc, 
mitl)in  @nbc September  1520,  ()ottc  ficb.5uttcn  al*5  auf  einen  iöemeiö, 
lüic  lücnic)  cö  i()m  um  gemaltfamcn  Umftur^  j^n  tl}un  gemefen, 
barauf  berufen,  bnß  er  biöf)er  lateinifd)  (jefd)rieben  ^abe,  um  bic 
jn  reformirenben  Äird)cnf)önptcr  erft  c^leic^fam  unter  nier  5(n(^cn 
jn  ücrmamen,  unb  niept  (jleic^  ba^  gemeine  Ißolf  in  bie  SWitmiffen* 
fd)oft  jicfien:  ob  er  gleich,  f)attc  er  l)in^ugefcpt,  baö  le^tcrc 
tf)iin,  mc^r  al^  genug  2ln(a§  gehabt  fjäiic.  9^o^  mar  baö 
3a()r  nid)t  @nbe,  alö  er  biefem  ^nlag  golge  gab,  unb  beutfe^ 
^u  fc^reiben  begann. 

ßotein  ic^  öor  Qcfc^rteben  bot>/ 

fagt  er  in  einer  foglcid)  näl^cr  befprcdjcnbcn  ©d}rift, 

^a§  IDOT  eint  jeben  nit  belannt; 

fc^rei  t^l  an  ba§  ^aterlanb, 
ieutfe^  ülation  in  ibrer  Sprad^, 

3u  bringen  biefen  gingen  9?od^. 

aWit  alleiniger  |)ülfc  ber  ßateinberftänbigen , baö  mar  bem 
fRittcr  nunmcl)r  flar  gemorben,  liefe 'eine  firc^lic^=poIitifc^c  S^efots 
motion,  mic  er  ftc  bc5mccfte,  fic^  nic^t  l)crbeifüt)rcn.  Denn  bic 
einen  oon  jenen,  bic  ÄHrdicn Häupter,  fud)tcn  fie  feinbern;  bic 
anbern,  bic  ^umaniften,  mären  nic^t  ftarf,  nid)t  entfc^loffen  ge* 
nug,  ftc  reefet  jn  förbern.  ÜJian  brand)tc  minbeftenö  nod)  baö 
0dimcrt  bcö  fRitterftanbeö,  baö  Qlcmic^t  ber  0täbtc,  um  auf 


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316 


II.  !Bu(^.  5.  I^Qpiiel. 


folg  rechnen  tönnen:  aber  511  bcibcii  mufetc  beutfe^  gcfprod^cn 
ipcrbcn,  ba  unter  ben  fRittem  bei  tueitem  bie  äRebrja^l  im  gafle 
0icfingen'ö  war,  für  ben  $utten  nor  halb  jWei  3a^rcn  fein  (3c^ 
fpräd^  Febris  ^atte  üerbeutfi^en  laffen,  unb  anc^  in  ben  ©tübten 
bie  ^eutinger  ,nnb  $ircf Reimer  ju  ben  Äuöna^men  gcl^örten. 
SBie  unermeßlich  aber,  bei  ber  tiefen  Erregung  jener  ßcit,  burch 
beutfeße  ©chriften  ^u  mirfen  war,  fah  Jütten  an  ßuthcr'ö  93eis 
fpiel  üor  Singen,  ber  eben  bamalö  burch  feine  ©c^rift  an  ben 
d)riftlid)en  Slbel  beutfeher  ^Ration  alle  ©c^ichten  beö  beutfehen 
ißolfeS  aufgeregt  hatte.  2)aju  fam  für  Jütten  jept  noch 
i^toeiter  @rnnb.  @r  mußte  ju  feiner  eigenen  ^Rechtfertigung  mün=» 
fchen,  baß  ber  ungelehrte  fRitter  unb  Bürger  feine  ©chriften  nicht 
bloö  au<§  ben  cntftellenbeu  ^öerichten  ber  Pfaffen  fennen  lernen 
möchte.  @ineö  wie  ba^  anbere  war  nur  ju  erreichen,  wenn  er 
felbft  bem  gemeinen  SJtannc  tl}eilö  feine  angefochtenen  lateinif^en 
©chriften  in  beutfeher  Ueberfehung  oorlegte,  theitö,  ba  lieber^ 
fepungen  immer  nur  hdll*  wirten,  neue,  urfprünglich  beutfd)  gc^ 
büd)te  ©chriften  hi^äufHötc.  S3cibeiS  that  er,  unb  eben  in  ber 
lefetern  Slrt  gelang  ihm,  faum  baß  er  ben  ©ntfehluß  ^ur  beutfehen 
©chriftfteUerei  gefaßt  hatte,  ein  älieifterftreich. 

SBir  meinen  feine  gereimte  5l'lag  unb  Sßermahnung  gegen 
ben  unchriftlichen  ÖJewalt  beö  ^apfteö  unb  ber  ungeiftlichen  @eift^ 
liehen^),  bie  jebenfaUg  fd)ou  ju  Slnfang  ^ecember«  1520  gebrueft 
war,  ba  §utten  fic  am  9.  an  Suther  fehiefte,  unb  bereite  über  bie 
Slufregung  berichtete,  bie  fie  unter  ben  Pfaffen  h^’^ai^flcBrocht 
habe.  Sllö  ben  nächften  Sluloß  ju  ihrer  Slbfaffung  unb  bem  hef® 
tigen  3^one,  worin  fie  gcfchrieben  ift,  gibt  $utten  bo^  ©efchrci 
ber  ßiurtifanen  über  fein  ©enbfehreiben  au  bie  ®eutfchen  aüer 
©tünbe  an,  auf  beffen  ®rmib  fie  ihn  für  einen  geinb  aller  @eift^ 
lichfeit,  für  einen  9Renfchen  auSgaben,  oor  bem  man  fleh  in  Sicht 


1)  g^Iag  imb  bortnanung  gegen  bem  fibermöjfigen  bnd^rlfin^en  gemalt  beS 
93abft8  3U  IRom,  bnb  ber  bngei|Hi(!^(n  getjlli^ien,  burt^  b^rren  Sitten  bon  ^uHeft, 
^oeten  onb  Orator,  ber  gan^n  ^tinftenbeit  onb  juuoran  bem  oatterlanb  Xeutfd^et 
9tation  )u  nug  onb  gut,  oon  toegen  gemeiner  befd(imernu^,  onb  aud^  feiner  eigen  net« 
turfft,  in  3iebmen§  n>cb§  beje^riben.  Jacta  est  aloa.  3(1^  b<tb8  gemagt.  — 9(ttf  ber 
9tU(ffette  be§  Titelblatts  beS  9HtterS  befräniteS  IBruftbilb,  barüber:  Dirumpamus 
vincula  eorum  & proiicianius  a uobis  iugum  ipsorum.  Sd^riftrn  III, 
e.  473-526, 


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i^utifti'9  unb  SerntQ^nung. 


347 


nehmen  müffc,  unb  ben  crftcc^cn  ein  SSerbienft  tnörc*).  2)cr 
Steinte  ungeachtet,  ift  biefc  ©chrift  nicht  alö  ^ocfic,  fonbern  n>ic 
eine  bon  §uttcn'^  8fleben  betrachten,  mit  benen  ftc  auch 
meiftert  ©genfehaften  thcilt.  Sluch  h*^^  ©utten  ganj^ 

gehen,  fommt  bon  einem  auf  ba^  anbre  ju  reben,  mic  eö  ihm 
eben  cinfänt,  fcheut  ®eberholungcn  fcincöroegö  u.  bgl.  m.  2öa^ 
ihti  ober  berhinbert,  fich  an  eine  fefte  3)i§pofition  j\u  binben,  ift 
ou^  h^ct  ctmoS,  moburch  er  biefen  SKangcl  reichfith  erfeht:  bic 
©ärme,  bie  ^erälichfelt,  fteUenmeife  ber  Ungeftüm  feiner  @mpfin* 
bung  unb  fRcbe,  mclche  ben  ßefer  befto  gemiffer  fortreiht,  je  me* 
niger  fic  ihn  logifdh  jju  belehren  2Kienc  macht.  3n  bringenber, 
ftilrmenber,  mit  immer  neuen  0tögcn  jufchenber  Ermahnung  ift 
Jütten  ein  unbcrglcichli^cr  3Weiftcr.  Älö  folchen  höben  mir  i()n 
f^on  in  feinen  lateinifchen  kleben  mic  in  einzelnen  ©tcQcn  feiner 
^)ialogc  erfannt:  bringt  nun  aber  bic  beutfehe  ©prachc  auf 

ihrer  bamaügcn  finblichen  (Sntmicflungöftufc  unb  ber  fchlid)tc 
SWeifterfängerSreim  noch  einen  mcitem  gug  bon  höchfter  ©irfung 
herein:  bic  Xreuherj^igteit.  finb  ©teilen  in  bem  ©cbichtc, 
mo  man  fo  recht  fpürt,  mic  ber  SD^enfeh  in  §utten  bon  bem  (Sifer 
für  bic  ©ochc,  ber  er  fich  ergeben  höt,  mic  bic  Äcrj\e  bon  ber 
flamme  berjehrt  mirb,  unb  bie  eben  baburch  überouö  rührenb 
mirfen.  Sh^^cm  Snholte  nach  ift  bic  Älag  unb  SBermahnung  bie 
gufammenfaffung  allcö  beffen,  maö  Jütten  jematö  gegen  bic 
ultromontanc  Äuöbeutung  ®cutfchlanbd  unb  baö  ®crbcrbcn  bet 
Äirchc  gefchrieben  hötte ; bic  üöefchmcrbc  Über  bie  neueftenö  gegen 
ihn  berhöngte  IBcrfolgung  geht  nebenher ; bic  fteigenbe  ©inmirfung 
bon  ßuthcr'ö  3bccn  ift  unoerfennbar;  baö  SBcrtraucn  auf  S^aifer 
5^arl  ift  nodh  nicht  bahin;  auf  bie  ©täbte,  bic  eine  befonbre  @m= 
pfänglichfeit  für  bic  IRcformation  geigten,  fängt,  neben  bem  ^Ritter» 
ftanbe,  bic  5(ufmcr!fam!cit  unb  Hoffnung  fid)  j\u  richten  an. 
Sflanbanmcrfungen,  melchc  theils  ben  3nhalt  im  ©in^^elnen  angc^ 
ben,  theiU  bic  im  Xejt  ange^ogenen  ©ibelftcUcn  nachmcifen,  boU= 
enben  ebenfo  bic  Solföthümlichfcit  bc^  SüchlcinS,  mic  fic  beffen 
poctifchen  ©chein  bodenb^  jerftören. 

Jütten  (fo  leitet  bod  (SJebicht  fich  ein)  fühlt  fich  gebröngt, 
bic  ©ahrheit  ju  fagen,  Imlage  ju  erheben  über  3eethümcr  unb 


1)  li^nnbtfihüIbigunQ  k.  6<^ritten  11,  6.  131. 


348 


II.  5.  ito))iteI. 


©cbrcc^cu,  burcf}  njelc^c  bic  bcutfc^c  Elation  bcf(f)it)ert  unb  bie 
©ittcn  üerbcrbt  lucvbcn.  5)ic  öcrblcnbetc  Ü)?cnfc^^eit  (baiS  ift  i^m 
nirf)t  unbefannt)  iDcbrt  ftcb  gegen  ni^t^  fo  eifrig,  als  gegen  bie 
SBabr^eit  unb  beren  53crKinbiger : bal)er  ruft  er  @ott  an,  er  möge 
bie  9J?eiifcl)cn,  inSbefonbre  biegürften,  burc^  feinen  ©cift  erleuc^* 
ten,  ba§  fie  ^Religion  non  ?lberglauben,  ®f)nftentl)um  non  Pfaffen* 
tl)um  unterfc^ciben  lernen.  @r  felbft  fif^  <^*1  ben  Xroft,  bog 
bic  3Scrfolgungcn,  bic  um  feines  Sßa^rljcitSjeugniffcS  millcn  über 
il)n  crgcl)cn,  nur  ben  ßeib  betreffen,  bic  ©eele  aber  nid)t  töbten 
fönnen.  S3on  ber  Unterfc^eibung  beS  ©eiftlic^en  unb  SGBcltlicben, 
ber  ^inmeifung  auf  baS  llcbcrgrcifcn  beS  ^apfteS  unb  ber  Älcrifei 
in  baS  leptere,  gel)t  bann  bic  eigentliche  S)arftcllnng  aus.  ^err* 
fdjaft,  9flcichtl)um,  SEÖol)Uebcn,  mornad)  ic^t  bie  $äpftc  unb  i^irchen* 
l)änptcr  üor  allem  tradjtcn,  finb  iprem  urfprünglichen  23crufe 
fremb.  9lad)cinanbcr  werben  bann  0d)lüffelgcmalt  unb  Slblafe, 
Xnrfenfrieg  unb  ^cterSfivd)c,  ^J5allienf)anbcl  unb  Surtifanenmefen, 
fur^  alle  bic  befannten  Älagcpunftc  gegen  bic  römifchc  Suric,  aufs 
neue  burdjgcnommcn.  Sßortrcfflich  nerwertbet  ^utten,  um  bic 
päpftlichc  3Birtl)fchaft  red)t  Icbcnbig  §u  malen,  feine  eigenen  rö= 
mifd)en  ^ilnfchouungcn. 

^)o(^  foll  man  roiffen  unb  t|l  wal^r, 

(5§  feint  öerganßcn  etlic^  3obr, 

5)0  wont  9?om  erfennen  oud^, 

Unb  tnoS  bo  mär  ber  9t5mer  (f^brout^. 

9Bie  inöcbt  ^te  non  oder  6(^anb 

Ser^ö^lung  t^un,  bie  i(^  bo  fonb? 

^on  |id()t  bergleid^  in  feinem  t^onb. 

Unb  nit  oflein  moS  ?lnber  t^un, 

(^I§  bann  bic  2BeIt  fic^  ärgert  nun) 

9Jlit  Sünben,  bie  bo  feinb  gemein : 

55icl  ©odben  9Iom  betreibt  oflein, 

Der  etlidb  toiber  menfcblidb  ^rt 
Unb  ofl  notürlidb  SBciS  gefort. 

Sonfl  i<^  öfeb^n  grobe  ©(^oor 
Die  ©offen  treten  bin  unb  bor, 

S3iel  6fel  unb  niel  ftoljer  ^ferb, 

Der  etli^  niel  Ducoten  wertb, 

Unb  fein  gesäumet  ouf  mit  ©olb; 

Oft,  menn  idb  oudb  fbojieren  toofli. 

So  lom  idb  mitten  in§  ©ebräng, 


^utten^S  ftlag  unb  Slkrnia^nutifl. 


849 


Son  bem  bte  @af|en  loaren  eng 
Unb  biejcr  Steuter  ßfKcfct  öol, 

t)on  ®IUd  mag  faßen  mol, 
mt(^  fein  6fel  trat  }u  tobt, 

99iemol  li)  ^ab  ßelitten  !Rot^. 
t)a  ritten  ^er  bie  6arbinäf, 

2) en  folgten  nQd()  Officifil, 

9(ebt,  lBif(^5f  unb  Prälaten  uiel, 

^ie  i(^  nit  nennen  fan  no(^  toiQ, 

$iel  ^e^jant,  kröpft  unb  anber  ®f^mei§, 
9}on  ben  i(^  t>iel  )u  faßen  toeiß, 

3n  6fiben,  Purpur  all  gcllcibt, 

^it  Stauben,  Putten  auSgebreibt. 

$)ann  fatn  ber  ®opft  ju  biefcr  @(^aar, 

?(uf  einer  woIgef(^inü(ften  ®a^r, 

3) en  trugen  jmbif  Trabanten  ^er, 

9US  ob  er  möt^t  nit  ge^en  mc^r; 

10a  mugt  man  ft^reien  vivo  laut, 

^ofieren  ber  geflenten  (b.  gepulten)  IBraut : 
3)rum  gibt  er  ®enebiction, 

So  loirb  man  reid)  unb  fclig  uon. 

Sag  einer  nun,  wo  ©ott^eit  fei, 

Cb  ^^riftuS  ou(^  m5g  mo^nen  bei, 

Sa  ift  ein  fo  tprannifc^  Ißrac^t? 

S)ann  in  ber  ^-öcfd)rcibuuö  besJ  lucitcv: 

Sa  liefen  oiel  (Sopiften  mit, 

IBiel  taufenb  Sdjreibcr,  au(!()  ein  ©Ueb 
Ser  Äirc^en,  bie  ju  9iom  regiert; 

3n  bem  je|  inanc^ier  Q^l^riften  irrt, 

Sonn  nid^t  ju  9tom  bie  Pir^  allein, 

%11  Oi^riften  fein  ba»  in  gemein  .... 

9lo(b  df'^cn  lang  ^roeeg, 

©in  %ol(,  ber  f^rommfeit  ungemd^: 

Siel  f(b5ner  grauen,  wobtgefleibt, 

Sie  jebem  fein  um§  ©etb  bereit; 

3Wit  ben  ber  9iüffioner  ^eer, 

Son  ben  lein  ©ag  in  9tom  ift  leer; 

8)tan(b  ^oocat  unb  Vubitor, 

9totorien  unb  Stocurator, 

Sie  Süllen  geben,  fpretfien  Siee^t, 

Ser  ieber  fein  ©finb  unb  Pnec^t, 
Sarunter  ift  man(!f)  toilb  ©efeO, 


I 


350 


n.  5. 


2)en  man  (Surfor,  ben  ^beU, 

^ie  aud^  ein  @lteb  bcr  ftirc^en  fein 
3u  91  om,  unb  nehmen  tfigli^i  ein 
93on  2;eutjd^en  unfer  St^toeig  unb  $Iut. 

9|}  baS  )u  leiben?  unb  iftS  gut? 

3(5  ratf),  man  geb  ifjn’n  fürber  me^ 

Äein  Pfennig,  bafe  fie  i^ngerStoe^ 
grfierben  unb  burd^  ?lrmut^ 

S)ab  nit,  jutoibet  (S^r  unb  (Sott 
@o(^  unnüg  Sott  auf  6iben  leb. 

3ff  lefctere^  ein  un§  fd^on  bctannter  ^uttcn’fc^cr  SJorfd^lag,  fo 
ift  ber  ©ebanfe,  bag  bie  Äirdfc  feincStoegS  bloS  in  9iont  ju  fud^en, 
fonbern  überall  jn  finben  fei,  njo  eine  SBerfammlung  gläubiger 
©Triften  fid)  befinbe,  bur(^  ßut^er'iS  ©c^riften  in  Jütten  5um 
S3en)ugtfein  gefommen.  2öaö  weiterhin  auögefü^rt  toirb,  ba&  alle 
Söifcböfe  gleichen  iRangeg  feien,  unb  bie  ©etualt  bed  römifc^en 
ebenfo  mit  bem  S3e3irfe  oon  ?Hom,  mie  bie  beö  main^ifc^en  ober 
mürjburgifd^en  mit  ben  @rän5en  biefer  ©ebiete  ein  @nbe  ^obe, 
mar  fc^on  im  SBabiScuö  angebeutet.  2)ie  SGÖa^l  ber  öifc^öfe  mill 
Jütten  bem  Söolfe  jurüdgegeben  miffen,  baö  babei  me^r  auf 
geiftlic^e  (Sigenfd^aften  fe^en  roerbe  al^  ber  $apft,  bem, 

SBenn  man  ibm’ß  @elb  hinein  gat  btad()t, 

@0  le6  ein  Sifd^of  »ie  ein  j?ub. 

®a  gebt  bem  93apft  niegts  ab  nodb  )u. 

2) ie  S3if^öfe  finb  jejt  Säger,  Krieger,  tüchtige  ©c^melger;  ba§ 
^rebigen  böngen  fie  an  einen  armen  Äned^t.  ^5)agegen  merben 
reebtf^affene  üßrieftcr,  bie  bem  Söolfe  boiS  SBort  ©otteg  auölegen 
fönnten,  nic^t  beförbert. 

©anj  befonberö  finbet  ficb  ^uttcn’ö  patriotifd^cö  §erj  ba= 
burdb  empört,  bag  alle  biefe  SWißbräuebe  uorjffiglicb  auf  bem 
beutfeben  Sßotfe  lafteten.  ^£)ie  Staliener,  fagt  er,  benfen  nicht 
baran,  für  bie  ^eterSfirdbe  ju  fteuern,  ober  2)iöpen§  oon  ben 
gaftengeboten  ju  laufen. 

fdlein  bie  Xeutftben  Warten  fein. 

2)aS  tbut  mir  toeb  unb  madbt  mir  $ein. 

3) ie  bcutfdben  gürften  töbere  ber  ^apft  mit  golbenen  9iofen, 
unb  nod)  feiner  bobe  ftcb  gefunben,  ber  ben  Xrug  gemerft,  unb 
bie  9fiofe  miber  bie  Söanb  gemorfen  b^tte.  2)ocb  b^fft  Jütten 


^utten’S  unb  $erma^nung. 


851 


®cffcre§  Don  Äönig  Äarl.  3^n  bittet  er,  i^m  gnäbig  jujupren ; 
ofleS,  fügt  er,  ic^  in  biefen  S)ingen  t^ue. 


6oQ  gf<b«^en  oIS  ju  (S^ren  bir. 

^ann  fonft  nit  aolt  gebühren  mir, 

Sieid^  Vufru^r  }u  ^eben  an. 

9tn  freie  Xeutf(ben  i(^  nerma^n, 
bir  }u  UntertbAnigteit 
3u  fein  in  biefem  6dbimbf  bereit, 

S)ag  gbolfen  merb  bem  gongen  fianb, 

Unb  au§getrieben  6(bab  unb  Sd^anb. 

^eS  foQt  ein  ^uptmann  bu  allein, 
Vnbeber,  audb  l^oQenber  fein. 

@0  min  mit  aflem  baS  idb  mag 
3u  f)ienft  bir  fommen  ^ladbt  unb  7ag, 
Unb  bgef)r  non  bir  beS  (einen  fiobn. 
nRöcbt  i(b  aüein  erlebet  b»n/ 

^a^  mttrb  gelegt  ^fdbmernuS  ab, 

!Son  ber  i(b  uiel  gefebrieben  bat>: 

3n  Vrmutb  mbnt  idb  fterben  gern, 

9(u(b  aOe§  eigen  9iub  entbebrn. 

6o  foH  man  audb  bi<>^fn  (ein  @b^ 
nJHr  fdbreiben  }u,  bu  bift  ber  ^err, 

Unb  maS  hierin  gebanbelt  mirb, 
f)ut^  ba§  bein  Sob  foü  »erben  gjiert. 
^rum  bub  ein  ^er)  unb  fdbaff  ein  8Kutb! 

min  bir  meden  auf  }u  gut 
Unb  reifen  manchen  ftoljen  ^i(b; 
i^abS  febon  ibr  nieten  eingebilbt, 

Unb  fehlt  ancin  an  beim  @ebot. 

^ilf,  mertber  ((5nig,  e§  iß  IRotb! 

2aß  ßieben  aud  beS  9bIerS  $abn, 

@0  monen  mir  eS  beben  an. 


3n  ber  frühem  bunfeln  3cit  lourbc  jeber,  ber  für  bie  SSkt^rs 
^cit  jeugte,  imtcrbrücft:  fo  j^ulcfet  noc^  unb  ^icronljmuö 
Dcrbrannt. 


Seither  but  niemanb  gmbnt  blnnadb, 

Unb  forebten  an  beS  S^uerS  ^5n: 

%ifi  febo  unfer  rflffen  3u>een  (äutber  u.  Jütten). 
9Ber  meiß,  maö  jebem  iß  befebeert? 


852 


II.  5. 


^od)  f)offt  er,  man  tücrbc  iljn  nid)t  im  ©tic^c  loffcn. 

ftoljcn  ?lbfl  id(|  bfruff; 

3bt  frommen  ©täW  eu(^  merfet  uQ: 

JBBir  loöIIcnS  polten  inflcmein, 

Sofet  bo(b  nit  ftreUen  mi^  allein, 
erbormt  eu(b  über’§  Saterlanb, 

3^r.  mert^ien  3leut|d(ien  regt  bie  jg>onb! 

ijt  btc  Seit,  )u  ^cben  an 
Um  Sfrei^jeit  friegen.  ®otttt)ifl8  l^an. 

^>er3u,  roer  9Jlanne§  ^)erjen  bot, 

@ebt  oorber  nit  ben  2ügen  Statt, 

®amit  fte  bon  oerfebrt  bie  SBelt. 

5Jor  bot  eS  an  ®ermabnung  gfeblt, 

Unb  einem  ber  eu(^  fägt  ben  @runb, 
ftein  Sab  euch  bamaU  meifen  funb, 

Unb  maren  nur  bie  'fJfaffen  gicbrt. 

3ebt  bot  un§  ®ott  au^  Äunft  befebeert, 

3?afe  mir  bie  93üdber  auch  oerpabn!  ^ 

SOoIauf,  ift  Sf‘t,  mir  müffen  bran.  . . 
äöir  hoben  aller  Soeben  ßfug, 

@ut  Utfatb  unb  berjelben  gnug. 

Sic  hoben  ®otte§  9Bort  oerfebrt, 

5)a§  dbrifUicb  Solf  mit  ßugen  bfdbmert: 

^ic  i!ugcn  mblln  mir  tilgen  ab, 

Uff  ba^  ein  Siebt  bie  SBabrbeit  hob, 

2)ie  mar  oerfinftert  unb  üerbämpft. 

®ott  geb  ihm  i^cil,  ber  mit  mir  fämpft, 

2)o§,  hoff  itb,  moneber  Slitter  Ibu, 

^aneb  0raf,  moneb  ®betmann  boju, 

9Jlaneb  Burger,  ber  in  feiner  Stabt 
^er  Soeben  aueb  $efebmernu§  bot, 

%uf  bag  i(b§  nit  anbeb  umfunft. 

SBoIouf,  mir  hoben  ®otte§  ®un^! 

S©er  mollt  in  Solebcm  bleiben  bbeim? 

3<b  bobS  gemogt!  ba§  ift  mein  fReim. 

$uttcn  fclbft  {a(^t  üon  biefer  Schrift,  er  [jabc  fic  „in  einer 
^i^e  (über  bie  aiiigbeutunfl  feine«  i^laflf^reibcn«  an  alle  ^Deutfc^cn) 
au^et)en  laffen",  unb  nennt  fie  einen  „jomiiien  ©priicft"  : fein 
SöunbeV,  baß  feine  geiftlic^en  ÖJegner  ber  aJWnunt;  mären,  er 
ffabe  in  berfelben  alle  ©rennen  ber  (Jbrbarfeit  überfc^ritteu,  unb 
baß  ißnen  feine  ©träfe  bafür  fd)arf  flenufl  bünfte.  ©ie  ließen 


^utien’S  toie  fid^  bie  it,  858 

nun  jencö  ©cnbfc^rciDcn  fa()ren,  unb  n)arfen  fic^  auf  bic  gereimte 
Ä'lage,  bie  Hjneu  weit  mc^r  ©toff  bot,  um  gegen  Jütten 
ju  erregen.  3Bie  er  fic^  nac^  einiger  ^eit  bemüßigt  fol),  eüie 
eigene  0c^ufefc^rijt  5ur  Slblel;nung  biefet  !öe)c^ulbigungcn  ju  oer^ 
f affen,  merben  mir  halb  fiiiben. 

3ökir  in  ber  fo  eben  erörterten  ©c^rift,  neben  bem  Äcrne 
be^  beutfe^en  ^öoltej^,  auc^  auf  ben  jungen  Äaifer  Äarl  gerechnet, 
fo  fefete  Jütten  um  biejelbe  ^eit  gleic^fam  eine  eigene  ^nftruction 
für  i^n  über  ben  $uuft,  um  ben  eö  oor  allem  ju  tljuu  mar,  auf, 
in  ber  Äurjen  ^njeig,  mie  aHmegen  fic^  bie  ^üpft  gegen  ben 
beutfe^en  Äaifern  gehalten  Ijaben*).  öebenft  man,  baß  l^arl 
nidjt  felbft  'J)euttc^  lefen  fonntc,  baß  auf  bem  Xitel  ber  ©c^rift 
fteljt:  St.  ajtajeftät  für^ubringeu,  unb  baß  granj  üon  ©iefingen 
bamald  §äufig  am  ^ofe  mar,  bei  jlarl  oiel  galt  unb  fic^  (Einfluß 
auf  benfelben  jutrautc*),  fo  fönnte  man  fic^  ©icEingen  als  ben^ 
jenigeu  benfen,  ber  nad)  ^ilnleitung  beiS  oon  feinem  greunbe  auf* 
gefegten  ©efc^ic^tj^abriffcd  bei  guter  ölelegen^eit  ben  jungen  $err= 
fc^er  iuftruiren  joUte. 

ÖUücftid^  ift,  fagt  bie  öorrebc,  roer  burc^  fremben,  nic^t 
unglücflic^  auc^,  mer  burc^  eigenen  ©c^aben  flug  mirb;  mer  aber 
burc^  feinem  oon  beiben  fic^  mi^igen  läßt,  bem  ift  nic^t  ^u  bdfeu 
unb  gefc^ie^t  im  ©runbe  auc^  fein  9iec^t.  äBaid  er  oom  ^apfte 
für  Siebet  unb  @utej^,  für  Xreu  unb  QUauben  ^u  ermarten  ^abe, 
baoon  böl  Äaifer  Äarl  tl)eild  an  fic^  felbft  fc^on  bie  (Srfa^ruug 
gemadjt.  tljeiU  mirb  i^m  ^ier  auö  ben  ©efc^ic^ten  feiner  ^or^ 
ganger  in  Erinnerung  gebracht,  mie  eö  benen  mit  ben  $öpften 
ergangen  ift.  SlU  (irgebniß  ftcUt  fic^  ^erauö,  „baß  feinem 
beutfe^en  it:atfer  oon  $äpften,  ed  märe  beim  ^u  i^rem  eigenen 
^ujen  gefc^e^en,  ÖUeic^esJ  (JöilligwJ)  je  miberfabren  ift",  fonbern 
fie  oon  benfelben  immer  nur  betrogen,  oerratt)en,  mit  Unbanf 
belohnt,  ober  fonft  miß^anbclt  morben  finb. 

X)er  gef^ic^tlic^e  2lbriß  gc^t  oon  Otto  1.  bi^  auf  SD^aji' 


1)  ^eri  9)Irtd(i§  Don  Jütten  Qn)5ig  9Bic  oUtoegen  fi(t)  bie  Tbmijdl^en  IBU 
ober  SApft  gegen  ben  teUtjd^en  itapgeren  gegolten  ^aben,  off  b)  fttrgft  oft 

St^roniden  onb  ^tßorien  gezogen,  k.  inaieftöt  fUr^ubringen.  b<^b§  genagt. 
©(Reiften  V,  ©.  863-384. 

2)  Jütten  an  2ut()er,  ^betnburg,  9.  S)cc.  ©(^riften  1,  ©.  436. 

Vll.  23 


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354 


II.  5.  I^Q))tteI. 


milian  unb  Äarl  herunter.  3)cr  ^ampf  bcö  „tucrt()cn  gelben 
.^cinric^'iS  IV.,  bc§cjtcid)cn  in  beutfc^cn  Sanben  nie  geboren", 
mit  Gregor  VII.;  „bcö  auöermä^ltcn  hegend  griberic^'ö  I.,  ber 
nad}  §einric^  IV.  für  ben  allerftreitbarften  beiitfdjen  i^aifer,  fo 
je  gelebt,  ju  achten",  mit  SUcjaiibcr  III.;  griberic^’ö  II.,  „ber 
fic^  fein  Seben  lang  mit  ben  köpften  .Ijat  müffen  beißen",  mit 
brei  ^äpften  nad^einanber;  ^einric^'ö  VII.  rät^fel^afteö  @nbe, 
bilben  ^auptpunfte  biefcig  @cfc^id)töfpicgeU.  ein  abf^reefen- 
33eifpiel  erfd^eint  and}  ßier,  mic  immer  bei  Jütten,  ^arl  IV., 
„ber  fteß  ganj^  meibifc^  finben  laffen",  inbem  er  fic^  oom  ^apft 
aug  SRom  unb  gtahen  meifen  ließ,  auc^  fonft  unel}rcn^aftc  23ünb' 
. niffe  mit  bemfelben  einging. . gricbric^  ben  III.,  ^arl'^  V.  Ur^ 
großüater,  muß  Jütten  fdjonen:  fo  leitet  er  feinen  Umoillen  ouf 
ben  ^opft  ab,  mit  bem  jener  ^u  tl}un  l^atte,  „ben  aHer- 
untreueften  unter  allen  ^üpften,  bic  je  gelebt,  $iuö  ben  Slnbern". 
@r  ^abe  bie  öefc^merung  ber  bcutfi^cn  Station  auf  i^re  je^ige 
§ö^e  getrieben,  bie  Slnnaten,  greife  ber  Gallien  u.  bgl.  gefteigert, 
au^  bic  Appellation  uon  bem  ?3apft  an  ein  ßoncilium  oerboten. 
Ißon  aWajimilian  mirb  ber  Auöfprud)  a'ngcfül}rt,  ju  bem  il)n  fur^i 
oor  feinem  Ableben  eine  XrculofigEeit  ßeo'öX.  Ocranlaßte:  „S^Iun 
ift  biefer  fßapft  aud)  ^u  einem  Öö^mic^t  an  mir  morben.  iliun 
mag  id^  fagen,  baß  mir  fein  $opft,  fo  lang  ic^  gelebt,  ,je  Xreu 
ober  ©lauben  gehalten  bol;  i^ieß  foll  ber 

le^te  fein."  i^n  auch  @ott  gcmäbrt,  fe|t  Jütten  l)in^u,  benn 
@ott  b^t  halb  barnacb  über  ibn  geboten. 

^aß  ber  gegenmärtige^apft  aud}  auf  ben  gegenmärtigen  Äaifcr 
Äarl  fein  Abfel}en  b^^be,  crl}eHc  baraug,  baß  er  einen- Segaten 
über  ben  anbern  ju  ibm  fd}idEc,  it}n  auch  mit  33ifcböfcn  unb  (Sarbi* 
nälen,  bic  im  päpftlicben  gntcreffe  fteben,  fo  gang  bebönge,  baß 
er  nicht  miffc  mo  au^  unb  ein.  ®a  gelte  eö,  aufäumerten,  benn 
i^arl  bürfc  nid}t  glauben,  baß  bie  köpfte  ibm  mehr,  alö  anberen 
Äaifern  oor  ibm,  Glauben  beiten  merben.  bereits  b^^bc  er,  auf 
s bie  ^efdbmcrben  ber  bcutfd}cn  gürften  bin,  ficb  eine  9Icformation 
oorgenommen:  oon  fold}em  guten  S3orl}abcn  fud}cn  ber  $apft 
unb  bie  ©einigen  ibn  abjubringen;  gelänge  baö,  fo  lad}ten  fie  in 
bic  gauft.  5)arum  muffe  man  ben  Siaifer  untermeifen,  baß  er 
fidb  nid}t  burd}  bcö  ^apftcö  gute  SBortc  bemegen  laffc,  bic  Sü^änncr, 
bic  511  folcbcm  beilfamen  SBerfe  vatben,  511  oerfolgcn.  2)cnn  eben 


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Jütten  Uftbeutj(^l  jcinc  ÄlQfljd|Tctbcn. 


355 


barin  bcftcljc  baö  ®lücf,  boiS  er  Dor  fni()crn  ^ervfe^ern  uorauö 
^Qbe,  ba6  jc^t  Scutc  nor^anben,  bic  miö  (^niub  ber  ©rfjrift  bic= 
fer  Sachen  berietet  feien  unb  ben  Äaifer  barüber  bevicljtcn  fönnen ; 
ber  fie  bal)er  billig  nicf)t  nerijinbern  taffen,  foubevn  förbern  unb 
unter ftüfeen  füllte. 

2Benn  Äarl  bamalö,  U)ie§utten  an  £utt)cr  fc^rieb*),  grausen 
bic  3wfa0C  gab,  er  werbe  §uttcn  nic^t  unterbrüefen  laffen,  nod) 
ungc^rt  üerbammen,  fo  fönntc  bieg  baä  ©vgebnig  äljnlidjcr  ^or* 
ftctlungcn  gewefen  fein. 

Sieben  ben  neuen,  urfprünglic^  bcutfd)cn  ©c^riften,  üon 
benen  bi^^cr  bic  9lebc  gewefen,  arbeitete  nun  aber  §uttcn  ju? 
glei(^  an  ber  Ueberfe^ung  berienigen  öon  feinen  lateiuifdjen, 
welche  in  ben  üon  i^m  begonnenen  Äampf  gegen  9?om  einfc^lugen. 
Querft  überfefete  er  (üielleic^t  mit  $ülfc  öuecv’ö,  ber  menigftenö 
fpäter  igm  bergleici^en  5)icnftc  leiftete),  fein  iilagfd)reiben  an  bic 
2)cutfc^en  aller  ©tänbe^);  wobei  er  in  einer  ^Jiadjfdjdft  fein 
^ior^aben  anfünbigte  unb  beffen  (^rünbe  barlcgtc.  @r  Ijabc  in 
©rfa^rung  gebracht,  fagt  er  l)ier,  bag  (Sttid^c  feine  0c^riften  bei 
ben  Unoerftänbigen  übel  auölegen,  unb  anbcri^  al^  fie  an  i^nen 
fclbft  ücrftauben  werben  wollen,  Oerbeutfc^cn.  Um  fid)  nun  bei 
iebermann  allcö  SSerbaegtö  ^u  entlebigcn,  unb  aueg  bem  gemeinen 
SJiann  erfennbar  ju  mad)cn,  wie  billig  ober  unbillig  er  get)anbelt, 
unb  ob  er  bem  ^apft  unb  feinen  ^Romaniften  Urfad)  gegeben  l)abe, 
il)n  5U  ocrfolgcn,  ^abc  er  fieg  oorgenommen,  alle  feine  in  iiatein 
gefc^ricbenen  '^üc^cr,  in  benen,  wie  er  jefet  erft  fel)e,  bem  ^apftc 
üon  il)m  niegt  511  Gefallen  gelebt  fei,  in  bie  beutfege  ©praege,  fo 
gut  er  immer  fönne  unb  cö  fieg  fegiefen  wolle , /^u  überfegen. 
®enn  er  trage  ganj  feinen  ^bfegeu,  begegre  oiclmegr  üon  ^eri\cn, 
bag  jebermann  Söiffen  gobe,  weld;cd  bic  Sraut  fei,  barum  mau 
igm  5U  tanjen  jugemutget.  ^ud)  j\weiflc  er  niegt,  wenn  biefe 

1)  !5»t  b«m  363  ongeftt^rten  ©rief- 

2)  ein  eiogjcfirift  be§  ^o^iberümten  unb  eernueften  ^lenn  ®(ri(jf)§  uon 
Jütten  geftbneten  Poeten  Unb  Orotor  an  olle  ftenb  2)eütfctifr  notion,  wie  uiiform» 
lid^er  weife  unb  gon^  ge|4iwinb,  unerfuefit  ober  erforbert  einiges  rc^lcnS,  Cr  mit 
eignem  tpronnijeben  gewalt  uon  ben  Äomoniften  an  leib,  eet  unb  gut  bej(t)Wfrt 
Unb  benbtiget  werbe,  ein  grofjcS  bingl  ift  bie  wa^r^eit,  unb  ftord  über  alle. 
3 esbrä  4.  Schriften  I,  6.  40.5-419.  ©etreff  ©ucer’S  ugl.  feinen  ©rief 
uom  ^bril  1521  in  Ilntinni  Opp.  Suppl  II,  S.  800. 


356 


II.  Su^.  5.  ftapttcl. 


feine  ©rf)tiften  uäd^ften§  in§  ^eutf^e  fommen,  tnerbe  man  fin* 
ben,  bag  er  anberö  nici^t  benn  e^rbarlic^,  e^rlic^  unb  ol^  ein 
grommer  üou  3lbel,  nid}t  unflebü[)rlid^,  flefc^rieben  ^abe. 

^abe  er,  feiner  S^lut^biirft  nac§,  ^uüor  onjeigen  unb  nertünben 
motten. 

2öie  biefcd  Unterneljmen  §nttcn’iS  einem  ß^itbebtirfnig  ent= 
(jcflenfom,  unb  toeldje  ©tjmpatbien  er  fid)  in  bem  beffern  X^cilc 
be^  beutfdjen  Solfeö  bereits  gemonnen  ^otte,  fe^cn  mir  barauS, 
bab  ungefäf)!'  um  bicfelbc  ßcit  ein  „unbefannter  ßieb^aber  ber 
göttlichen  SBat)rI)eit  unb  beS  ^SatertonbeS"  ftch  boran  machte,  bic 
fämmtli^en  Älagfchrciben  ,§utten'S  in  baS  2)eutfche  j^u  überfe^en 
unb  mit  einem  Öormorte  oott  mariner  ßuftimmung  ju  begleiten. 
„SBohlauf ruft  ber  Unbefannte  allen  ^eutfehen  ju,  „eS  ift  S^it, 
baß  mir  unfre  jeho  langher  oerlorene  greiheit  mieberum  ju  er* 
langen  fuchen.  §ier  (in  §utten)  höbt  ihr  ben  rechten  Slnrcijer, 
ber  uns,  ob  ®ott  mitt,  bie  großen  ^äupter,  als  ^aifer,  gürften 
unb  ben  ^bel,  ju  ^ülf  in  biefer  ©ad)e  ermeefen  fott.  ®aju  unb 
ju  anbrem  feinem  löblid}en  gühmehmen  geb  ißm  @liicf  unb  $eil 
ber  allmächtig  ®ott,  meldjem  ju  Slji^cn,  mie  unS  allen  ju  9^u| 
unb  QJut,  er  biefeS  ohne  fürgenommen  höt.  Um  gemei* 

neu  S^uJenS  mitten,  fährt  er  fort,  l)öb’  ich  etliche  feiner  ©Triften, 
mie  mir  bie  ,§änben  fommen,  auS  bem  ßatein  in^S  ®eutfd}c 
tranSferirt,  fo  oiel  als  bie  3icr  lateinifcher  ©prach  (bie  in  etlichem 
nid)t  ^u  üerbeutfehen  ift)  höt  leiben  mögen.  (5Jott  geb'  euch  allen 
üicl  feiles  unb  ein  beftänbig  feft  ©emüth,  chriftliche  Sßahrheit 
unb  greiheit  beS  SSaterlanbeS  ju  oerfechten,  ^ieneben  laffet  euch 
ben  frommen  Jütten  befohlen  fein.  Zxo^  D^omanift*)!'" 

$utten  feinerfeitS  ließ  ber  Ueberfe^ung  beS  angejeigten  unb 
noch  eines  anbern  feiner  Älagfchreiben*)  eine  Uebertragung  jener 
©efprächc  folgen,  bie  er  im  oergangenen  grühjahr  lateinifch 
herausgegeben  hötte.  @S  finb  bie  beiben  gieber,  ber  ®abiScuS 
ober  bie  römifd)e  ^reifaltigfeit  unb  bie  ^Infchauenben®):  bie  gor* 


1)  ^uttcn’S  6(!^rtften  I,  @.  871. 

2)  ®ic  ticrtcutld^t  cIqq  Slrit^S  öon  Jütten  an  Sribrttben  ju 

6o(blen»  bc8  bdL  9to.  9lei(b§  er|morjd^Qld  unb  ic.  6(brift«n  I, 

383—399. 

3)  @c|prä(b  bü(hlin  SSIrid^S  tion  Jütten.  Seber  bo§  6rß.  Sreber 


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l^utien  üerbrutfc^t  jeinc  laiciniji^en  (3cjprö(i()e. 


357 


tuna  üermiffcn  iuir  in  bcr  Ucbcrfe^ung,  ol^nc  ßbJcifc!  tücil  i^r 
3nl)aU  mc^r  pcrföiUic^cr  S(rt,  mit  SRcformntorifd^ein  nur  beiläufig 
burc^fto^tcn  mar,  mäbrcnb  ^uttcn  f)icr  nur  baö  fermere  ©efe^ü^ 
gegen  fRom  noc^  einmal  aufla^ren  moHte.  2)iefc  5(bfic^l  jeigt 
fc^on  bie  merfmürbige  SSerjicrnng  beö  ^^itclblattcig.  i)ie  Sßortc 
beö  Xitclö  fielen  in  einem  SSicreef,  bae>  non  üier  bilblirfjen  ^ars 
ftcüungcn  umgeben  ift.  Oben  (rcd}t^  bem  ^efd)aucr)  über  SBoIfen 
ber  Äönig  55auib  mit  feiner  |)arfe,  ber  auf  einer  Xafel  bie  SBorte 
bejg  94.  ^falmö  Sß.  2 (latcinifc^):  Sr^ebe  bid),  ber  bu  rid^teft 
ben  ©rbfreiö,  ja^le  Sßcrgeltung  ben  ©toljcn!  bem  bärtigen  @ott 
®ater  (linf^)  Uürl)ält,  melc^er  auc§  fdjon  jürnenb  abmärtö  blidt 
unb  ben  ^feil  ergebt,  um  i^n  auf  bie  @rbe  binabjufc^leubcrn. 
2(uf  beiben  ©eiten  beö.^itetö  finb  jmei  ©tanbbilber:  linfö  fintier 
in  ber  3Jiönc^öfuttc,  ein  Sud)  in  ber  §anb,  mit  bcrllnterfdjrift  auö 
r^roverb.  8,  v.  7:  Veritateni  raeditabitur  guttur  meum;  redjtö 
§utten  im  $arnifd)  unb  mit  bem  ®egen  umgürtet,  unter  it;m 
fein  SBaf)lfpruc^ : Perrumpendum  est  tandcin , perrumpendum 
est.  (^iefe  beiben  ©tanbbilber  ftel)cn  nod)  einmal  am  @nbe  beö 
®uc^ö  mit  beutfd)en  fReimcn  alö  Unterfc^riften;  bei  Sut^cr: 
2Ba^r()cit  bie  reb  id),  i^auf  bcö  9^eib  an  mic^.  @ott  geb  mir 
ben  Süf)n,  §ab  ic^ö  falfc^  get^on.  33ci  §uttcn  ber  fc^Öne  3Serö: 
Um  SBal)rl)eit  ic^  fid)t,  9ticmanb  mid)  abric^t;  brec^  ober 
gang,  @ottö  ®eift  mic^  be^^mang.)  2)aö  luftigfte  öilb  aber  ift  baö 
unter  ben  Xitelmorten.  i)a  rennt  linfö  ein  l)eller  ^anfe  ©e* 
mappneter,  fReiter  unb  gi^ßgängcr,  mit  üorgeftreeften  ©piegen 
auf  eine  ebenfo  bid)tc  ©^aar  non  Pfaffen  aüer  Slrt  ein,  bie  fic^ 
(rec^tö),  ber  ^pft  mit  ber  brcifac^cn  Ärone  im  SSorbergrunb, 
hinter  il)m  ein  ßarbinal,  93ifchof,  Hbt,  Etappen  nnb  Äutten  jeber 
gorm,  gar  jämmerlid)  gebärben.  Ueber  bem  93ilbe  bie  Söortc 
auö  $falm  26,  5:  Odivi  ecclesiam  malignantium. 

SBie  fchon  früher  bie  Ueberfepung  beä  erften  gicberö,  fo 
mibmete  $nttcn  jc^t  aud)  bie  fämmtlicher  nier  ^efpräc^e  „bem 
ebcln,  hnchberühmten,  ftarfmütl)igen  unb  chrenneften  granj  non 
©idingen,  Äaiferlichcr  iiajcftät  S^att),  Wiener  unb  ^auptmann. 


bo§  ?lnbet.  3öabi8cu8  ober  bie  ÜRömijj^e  brebfottigteit.  ®ic  ?ln|(^att)enben. 
©d^tiflen  IV,  S.  101  ff. 


I 


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358 


II.  ^u(^.  5.  I^apitcl. 


feinem  bcfonbeni  ücrtraiitcn  imb  tvöftlic^eu  (juten  Jf^cunbe''. 
SSJiv  fommen  auf  biefe  fpäter  j^urücf,  Don  bereu  3us 

Ijalte  mir  tjier  mir  baö  auöi)ebeu,  maö  bie  Ucbcrfebuug  betrifft, 
uon  me(cf)er  §utteu  fagt,  bag  er  fie  „ucid;ft  ucrfc^ieuer  Xageu  (üor 
9^teuiol)r  1521)  in  ber  (5Jcred}ti(ifeit  §erberflcu  eileub^  uub  ot)ue 
(irögcru  ^abe.  SSaö  Jütten  uüu  bem  erfteu, 

gieber  gefugt  ^atte,  ba&  e^  „im  Sateiu  üiel  lieblicl^cr  uub  fünfte 
lieber  benn  im  2)eutfd)eu  laute“,  trifft  freilich  and)  bei  beu  übrigen 
©efprüdjeu  ju,  uub  l)utte  tbeilö  in  bcr^ad^c,  tl)cil§  in  ber  $crfou 
beö  Ueberfe^er^  feinen  @runb.  Seneö,  meil  ein  SS3erf,  in  einer 
audgebilbeten  ©prad)e  üerfafet  unb  in  bereu  (Reifte  gcbad)t,  burd) 
Uebertragung  in  eine  ungebilbctc,  mie  bie  beutfd)e  @prad)e  ba* 
malö  nod^  mar,  notfjmcnbig  verlieren  mug;  biefe^,  meil  |)utten 
im  ®eutfcgfcgreiben  ein  ^Infünger  mar  (unb  feine‘^  frühen  2obe§ 
megen  blieb),  bem  inobefonberc  bie  gemaltige  görberung,  mcld)e 
auö  Sutl)cr’‘5  0d)riften,  üor  adern  auö  feiner  iöibelüberfc^ung, 
für  bie  beutfd)e  ^pradje  in  ber  nnd)fteu  ^c\i  erma^fen  füllte 
bamali^  nod)  nid)t  51t  @ute  fommen  fonutc.  ^ie  Ueberfepung 
ift  fegr  getreu,  unb  menn  e^  an  gürten  nidjt  fclilt,  bod)  im 
C^an^en  red)t  leöbar.  3a,  imn  einem  ber  öJefpräcge  möchten  mir 
fugen,  bag  c§  fid)  im  ^cutfegen  beffer  auönimmt  alö  im  2atei= 
nifegen.  ^)aö  ift  ber  Öabiöcuö  mit  feinen  ^reigeiten.  ®er* 
glcidjen  ®crfröpfuugcn  paffen  trefflieg  jum  bamaligen  beutfegen 
0tljl,  mügrenb  fie  ben  lateinifegen  entfteden. 

®au^  ogne  fleine  iÖerüuberungen  aud)  beb  Sngulteb  finb 
bie  (^efpiäd)e  gleid)mogl  nid)t  geblieben.  ^)ie  rafeg  fortfegreitenbe 
^eit  fegien  foldje  511  ergeifegen.  2>o  mar  im  lateinifegen  S^abibcuö 
unter  ben  Urfaegen,  mclcge  bibger  bie  2)eutfcgen  ni^t  gaben  mcife 
merben  laffen,  literariim  iniperitia  angefügrt.  ^aüoii  ift  „Un* 
befanntnig  ber  ©d)rift“  im  üerbeutfegten  ©efprüege  feinebmegb 
bie  bloge  Ueberfe^ung;  fonbern  bie  lutgerifd}e  iöetrad)tungbmeife 
tritt  gier  an  bie  €tcde  ber  gumaniftifdjen.  3m  lateinifdjen 
('jrunbtejtc  beb  ^meiten  gieberb  mar  tabelnb  bemerft,  bag  mand)e 
^i^faffen  igre  ßugülterinncn  geiratgen.  ©erabe  bieg  gatte  nun 
aber  inittlermeile  (für  ben  bag  beibe  cinanber  mit  löcftäus 
bigfeit  lieb  gaben)  Sutger  ben  (^eiftlicgen  geratgen,  mie  eb  benu 
in  ^urjem  aud)  ^ra^ib  ^u  merben  unb  bem  Üutgertgum  ^um 


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$utten§  SReime  ju  j^incn  öerbcutf(^|ten  ©cfprä^cn.  859 

Somjiirfc  JU  gcrcirfjcn  anfing:  bal)cr  lieg  Jütten  in  ber  Ucbcr= 
fc^ung  biefe  ©teile  ineg*). 

Ungleirf)  n)id)tiger  jebod)  al3  folcge  f leine  Slenberungen  im 
Xcjte,  finb  bie  melcge  §utten  in  ber  ©eftalt  üon  ge^ 

reimten  unb  ^^adjmorten  ber  Ueberfegung  feiner  ©efpräd^e 
beigab.  3m  2ateinifdjen  Ijattc  nur  bie  Trias  Roinana  eilten 
©pilog  in  ^iftid)en,  ber  ben  Snljalt  beö  ©efpräc^ö  furj  jufanis 
menfagte.  3n  ber  Ueberfebung  haben  alle  uier  ©efprädje  jebeö 
fein  33ors  unb  S^adjmort,  meuon  jebod)  baö  Sßonoort  beö  erften 
mie  ba^3  9lad)mort  be^  lebten  oieImel)r  5Bors  unb  9^ad)U)ort  jum 
ganjen  33uche  finb®).  ®aoon  gegört  gleid)  baö  erftere  jum  @rs 
greif enbften,  maö  §utten  gefegrieben  gat. 

2)te  2Ba^rl)cit  i|l  öon  neuem  ßbotn, 

Unb  t|Qt  ber  531rug  fein  ©d(|ein  üerlorn. 

5)eS  fag  Wott  jeber  2ob  unb 
Unb  Q(bt  nit  fürber  fingen  nie^r. 

3n,  fog  t(b,  SBabr^eit  war  öerbrurft, 

3ft  wieber  nun  ^erfür  gerudt. 

^eS  foll  man  billig  gniegen  Ion, 

!2>ic  baju  b<iben  Arbeit  gt^on  . . . 

^l(h,  fromme  teutfeben,  b^U  ein  9iatb, 

1)a  '§  nun  fo  weit  gegangen  bat, 

35a^  nit  geb  wieber  hinter  fub- 
8Jlit  freuen  bat)*ä  geforbert  icb, 

Unb  bgebr  be§  weiter  feinen  ®niefe, 

®ann,  wo  mir  gfcbfib  be§balb  oerbric^, 

!J)ob  man  mit  ipilf  mich  nit  berla^; 

€o  wiQ  icb  au^  geloben,  bag 
Son  Sfiobrbeit  idb  will  nimmer  Ion, 

Dn§  fotl  mir  bitten  ab  fein  Wann, 

9lu(b  ffbafft/  jn  füllen  micb,  fein  29ebr, 

J[?ein  '8anii,  fein  ?tcbt,  wie  fop  unD  febr 
Wan  micb  bamit  ju  febredfen  meint; 

2lüewobl  mein  fromme  Wutter  weint, 

®a  icb  bie  €acb  bött  gfangen  an: 

@ott  wöU  fie  trbften,  eö  mu&  gabn; 

Unb  foHt  c§  breeben  auch  norm  6nb, 


1)  Die  ©teilen  f.  in  J^utten’S  ©ebriften  IV,  6.  220.  127. 

2)  cebtiften  1,  ©.  460—152. 


360 


II.  ^ud^.  5.  »Qpitel. 


StQS  ®ott,  fo  mQg§  nit  »erben  g»enbt, 

'Darum  »itt  braud^en  unb  l^dnb. 

^abs  ge»ogt. 

^Qitn  bic  33cfd)Iugrcbc: 

3(b  ^ab  eu(b’§  gfagt,  t^r  ^abt§  gehört: 

SBtr  ^einb  ge»efen  lang  bet^ört, 

9t§  ba§  un§  bod^  l^at  @ott  bebad^t, 

Unb  »ieberum  ju  @tnnen  brad^t. 

®r,  ^uttcn,  loiffc  felbft  nid)t,  tuie  er  in  bag  ©picl  gefommen; 
@ineö  nur  woHc  er,  bei  ber  Icpten  S^otl)  unb  fo  loapr  i^m  @ott 
pelfcn  möge,  betf)eucrn,  baß  if)n  fein  Soßn  itoc^  bemege: 
nur  bie  0c^alfbcit  oerbrieße  ii)n,  bamit  bic  SKelt  betrogen  unb 
mancher  jämmerlid)  oerfü^rt  mcrbc.  ©o  fönntc  ed  il)m  ja  aud) 
gicieß  gelten,  ob  biefer  ober  jener  regiere,  unb  ob  ber  $apft  toirf- 
lid)  oon  ßJott  jum  ^erru  ber  Söclt  cingefept  fei,  ober  nic^t. 

^nein  atleS  ^ab  gettian 
Dem  Saterlanb  ju  unb  (But; 

Die  äOa^rbeit  mid^  bemegen  ttiut. 

Da  fann  id()  nimmer  lajfen  öon. 

Ipab  ic^  beS  nie  empfangen  So^n, 

3q  mc^r  ju  ©dfiaben  lommcn  bin, 

Dann  ^a^r  unb  9lotb  ift  mein  ®e»inn. 

Das  fie^t  nunmehr  in  @oiteS  l^nb. 

Dem  aUc  ^erjen  feinb  befannl. 

^iefe  feine  uneigcnnü|igc  Slbfic^t  fei  ouc^  oon  nicmanben 
mibcrjproc^en,  atö  Oon  folcßen,  bie  fid)  mit  Siügen  abgeben,  mic 
ein  gemiffer  frecher  Pfaffe  unb  Surtifan,  ber  hinter  feinem  iRüden 
oiel  böfer  ©tüdc  gegen  ißn  auögefagt  ßabc;  maö  er,  Jütten,  ißm 
aber  noch  einmal  cinjutränfen  hoffe.  Uebrigenö  fei  er  bereit, 
jebem,  ber  il)m  ing  ©efidht  etmaä  S3öfeö  nachfagen  ^u  fönnen 
glaube,  iRcbe  ju  ftcl)cn,  bamit  bic  SBahrheit  an  ben  2:ag  fommc. 

Die  3Babr^eit  mub  Vrfür,  ju  ®ut 
Dem  ®olcrIanb,  baS  ifl  mein  SKulf). 

Pein  anber  Urfaep  ifl  noc^  @runb, 

Drum  id^  ^ab  aufget^an  ben  3)tunb 
Unb  mid^  gefegt  in  ^rmutp  9Iot^: 

Das  weife  öon  mir  ber  ewig  (Sott. 

Der  feelf  mir  bei  ber  SBohrfeeit  Baä). 


^»utlcn’S  ©ntjd^iulbigung. 


361 


Sag  gefeit  ou§  jein  gSttlid^ 

!S)omtt  ber  ^58  nit  triumptjir, 

Unb  bag  QU(^  merb  t>ergo(ten  mir, 

Cb  \ä)  oirlleid^t  o^n  ^ug  unb 
ipdtt  gfangen  an  ein  folt^en  ®(bimpf, 

“^er  niemanb  grögcrn  Sd^abcn  bringt, 

^ann  mir,  als  nod^  bie  6a(^  gelingt, 

^a^in  mi(^  ®ott  unb  SBa^r^eit  bringt. 

34)  gemagt. 

2Bic  fic^  in  bicfcn  ©c^lugrcimen  §uttcn  cjegcn  ^crläum= 
bunten  öcma^rt,  unb  fiel)  erbietet,  über  feine  §anblungöiueife 
jebem  Siebe  ftet)en,  fo  tt)at  er  baffelbe  notf}  auöfütjrlidjer  in 
einer  eigenen  ©djrift.  2)urd)  feine  Äi'lag  unb  S8erma()nung  an 
bie  beutfd^e  Slation  befonberö  ^atte  er  bie  illerifei  luiber  fic^  anf^ 
geregt,  bie  it)n  bafür  olö  geinb  aller  ©eiftlidjfeit , inaö  bamalä 
fo  oiel  ^iefe  U)ie  aller  Üleligion  unb  0taatöorbnung,  ju  üerfc^reien 
fudjte.  Obniül)l  nun  Jütten  jenen  „jornigen  ©prud)",  richtig 
üerftanben,  „fo  böö  nic^t"  finben,  aud)  nid^t  glauben  tonnte,  fid) 
bamit  geirrt  j\u  Ijaben,  fo  ^ielt  er  bod)  für  gerätsen,  fic^  ju  einer 
„®ntfd)ulbigung"  Ijerbei^ulaffcn^).  ®ag  er  nidjt  aller  ©eiftlic^en 
geinb  fei,  bafür  war  ei^  i^m  leid)t,  fid)  auf  oerfd)iebene  ©teilen 
jene^  @ebid)te^  felbft  ju  berufen,  wo  gcflagt  wirb,  bag  fromme 
unb  gelel)rte  ©eiftlid^e  Ijintangefe^t  unb  mit  feinen  ober  geringen 
^frünben  bebad)t  werben.  ®ie  ganje  Bewegung,  an  ber  Jütten 
mitwirfe,  fei  üielmel)r  jum  S3eften  ber  wahrhaft  (yciftlic^en  ange^ 
fangen,  bie  ja  in  erfter  Sinie  üon  ben  römifc^en  Höflingen  unb 
il)rem  Sln^ange  gu  leiben  ^aben.  Söogegen  feine  ©d)rift  gerid)tet 
fei,  liege  am  Xage:  unb  eö  wirb  bei  biefer  ®elegcnl)eit  gegen 
^apft  unb  iilerifei  alle!?  baöjcnige  noc^  einmal  gefagt,  waö,  fo 
lange  bie  Uebelftänbe  fortbauerten,  nid)t  oft  genug  gefagt  wer* 
ben  tonnte. 

Slber,  Werbe  man  fragen,  warum  benn  gerabe  er  fid)  biefer 
2)inge  mel)r  alö  anbere  2eute  unterwinbeV  „2öal)r  ift,  fagt  er 
barauf,  baß  ic^  l)ierin  nic^t  mel)r  benn  anbere,  ja  and)  weniger 
benn  mancher,  ju  forgen  l)ab : allein  ba§  mic^  @ott  mit  bem  ©e- 

1)  GnnbljclitilbtgunQ  Slritl^s  öon  i^utten  SUpbet  etli^lfr  öntoarbafftigeS 
auggebfit  öon  pm,  als  folt  er  »tber  aUe  gcpfllitbfcit  önb  prie|ler|(bafH  lepn, 
mit  crflörung  ctli^ier  feiner  gej(brifftcn.  Schriften  II,  ©.  130  — 149. 


362 


II.  5.  I^opitel. 


mütf)  (id^  fördjt)  bcfdjtücrt  tjat,  bn^  mir  Qcmcincr  ©d)mcr^  mcl)cr 
iiub  tiefer  beim  uielleid)t  anberii  ju  §erjen  gel)t."  @r 
laiuic  flemartet,  ob  nidjt  ein  @efd)icfterer  fid)  ber  (Sac^c  aiu 
iieljmeu  moUe.  SBeit  er  aber  c^efeben,  baß  niemanb  b^rfür  gemoHt, 
babei  ber  Surtifanen  ^Regiment  fid)  immer  mehr  erbebe  imb  Qii^- 
breite,  SSabrI)cit  ober  unb  greibeit  immer  mehr  unterbrüdt  merbe, 
magc  er  cö  im  SRamen  @ottcö,  imb  boffc,  bafi  fromme  -D^eiifdien 
ibm  menigftcniS  ©lüd  unb  §eil  baju  münfd)en  luerben.  ßu  oer= 
lieren  b«be  er  in  biefem  .Raubet  nichts  alö  Seib  unb  (^ut,  mclcbc 
beibc  er,  felbft  roenn  fein  @ut  mit  eincö  jeben  SReid)tbum  ju  ocr» 
gleidjen  möre,  geringer  adjtc,  alö  bafj  er  um  ibretmiflen  ein  fotd) 
ebrbar^  unb  billigt  gürnebmen  untcrloffen  fofltc.  3(bcr  bie 
mollc  er,  mit  öotte*^  §ülK/  unoerfebrt  mit  ficb  in  bie  ©rubc 
% bringen;  fie  foHe  ficb  biefer  0ad)e  halber,  fo  b^ffc  er,  mebren, 
nid)t  minbern.  0elbft  menn  er  in  biefem  gürfeben  untergeben 
folltc,  getröftc  er  fid)  bod)  ber  d)riftlid)en  5lbfid)t,  bie  er  babei  gehabt, 
fo  mie  beiS  guten  0amen^,  ben  er  au^^geftreut,  unb  ben,  mie  er 
ba;^  liüertrauen  b^ibe,  feine  Sift  nod)  Öefd)äbigung  aller  (Surtifanen 
je  mehr  gan^  loerbc  vertreten  ober  auötmivi^eln  fönnen.  Slueb 
boffc  er  fo  gelebt  ju  bc^ben,  baß  biird)  ibn  nod)  feinem  grommen 
0d)aben  unb  33efd)mcrnifi  miberfabren  fei,  fonbern  er  b^be  ficb 
fein  ßeben  unb  junge  Qc\t  faucr  merben  taffen,  in  ^frinutl),  9lotb 
unb  gat)r  nad)  i^»b  guten  Äünften  geftanben,  unb  feinem 

£eib  berbalben  mebc  getbaiu  „!iöie  möd)ten  beim,  mo  eö  mir 
übel  ging,  ficb  flute  fieutc  meinet  Unglüd^  freuen?  iöielmebr 
miß  id)  mid)  guten  SöiUenö  unb  ©rbarmcnö  oermutben." 

@ine-^  Uebergriffö  in  baiJ  geiftlidje  IHint  miffe  er  ficb  nicht 
fdjulbig,  ba  er  nid)t  ai^  ^rebiger,  fonbern  al^  Patriot  ennabnt 
habe;  mo  e^^  oon  9iotbcn  gemefen,  feinem  0d;reiben  einen  ÖJrunb 
^u  fdjöpfen,  b^be  er  in  bie  l^il- fl<^flnffen;  allein  baiJ  ftel)c 
jebem  Gb'^Ute'n  ^;u,  unb  er  b^ffc,  eö  „nid)t  mit  ungemafdjenen 
^iinben''  getban  ju  buben;  ob  er  aber  babei  baö  9icd)te  getroffen 
ober  nicht,  baö  gebe  er  ben  (belehrten  unb  Unparteiif^en  ju  bc* 
urtbeilen  anheim. 

^Jfodj  meniger  fönne  er  ficb  cineö  93ergebenö  gegen  bie  Obrig* 
feit,  mcil  er  ohne  Webeiß  berfelben  gebanbelt,  fcbulbig  befennen. 
3«  bem,  mad  jebem  befohlen  ift,  bebarf  feiner  befonbern  (Jr* 
laubni§.  „@inen  getreuen,  macfern  §unb  b^ifef  fein  $crr  nimmer 


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^uttcn’8  önlic^ulbiounfl. 


863 


bcücn;  fobalb  er  aber  einen  5)ieb  erficf)t,  betnetit  i^n  natürlid^e 
Xrene  unb  SBo^lineinuncj  gegen  feinen  ^errn,  U)m  jur  SGÖarnnng 
benfelben  an^u^eigen/'  Uebrigenö  ()abe  er  üor  aßen  ben  i^aifer 
anfgerufen,  fic§  ber  ®ad)e  anjune^men.  3(ud)  bie  gürften  Ijobe 
er  ermahnt,  ein  ©infeben  hoben,  nnb  ihnen  norgcftellt,  „baß 
ju  fürchten  fei,  ujo  bie  Dberfeiten  nidjt  felbft  biefen  Gingen 
rathen,  baß  ettt)a  ein  gemeiner  §anf  unb  baö  nnfinnige  S^olt, 
nachbem  ber  (Surtifanen  unb  ungeiftlichen  ©ciftlichen  Ungebühr 
anfö  ^öchfte  geftiegen,  fid)  erhebe,  nnb  al^bann  mit  Unüernnnft 
in  Raufen  fd)Iage''.  SSJer  fo  nur  Slnfruhr  warne,  ob  ber  ein 
Slufruhrftifter  fei?  SBenn  aber,  bei  längerm  ßögern  beö  ÄaiferS 
unb  ber  gürften,  Jütten  ober  fonft  jemanb  etmaö  ©cwaltfameö 
gegen  bie  ßurtifanen  unb  ihren  5Inhang  oornähme,  fo  fönntc  bieß 
fein  Sanbfrieben^bruch  h<^^6cOf  ba  nurDtothwehr  gegen  nnteib* 
liehe  ©emalt,  gegen  ßeute  wäre,  bie  felbft  al^  gemeine  griebs 
brecher  nnb  geinbe  be^  öaterlanbeiJ  ju  betrachten  feien. 

9tun  h^^ißc  eö  aber,  gegen  geiftliche  Seute  fei  eö  Unred)t, 
Söaffen  nnb  il^ehr  ju  brand)en.  |)ier  werben  bie  ungeiftlid)en 
^riefter  auf  einmal  geiftlich.  0onft  gehen  fie  einher  wie  Älrieger, 
fchämen  fid)  be5  Shorljcnibö  nnb^ber  glatten:  fobalb  aber  jemanb 
etwaö  mit  ihnen  abiumachen  l)ot,  fo  finb  fie  geiftlid)e  SSäter, 
rufen  ben  character  indclebilis  beö  ^riefterthumö  an,  unb  nel)* 
wen  bie  <Sd)onung  in  5lnfprud),  weld)e  man  biefem  ©taube  fd)uU 
big  fei.  ®aö  fönnte^  man  fid)  gefallen  Inffen,  wenn  fie  fich  wirN 
lieh  geiftlich  hi^'^ten;  bann  wäre  bie  beutfehe  9lation  unbefd)wert, 
unb  Ci  bebürfte  beö  gaui^en  ©treite^^  nicht.  3)a  fie  aber  fo,  wie 
man  fiel)t,  leben,  fo  hoben  fie  burd)  ben  Ueberfluß  ihrer  böfen 
SäJerfe  ben  geiftlid)en  (Sl)orafter  fSängft  in  fid)  anögetilgt,  ben^liu 
fprud)  auf  ©d)onung  längft  üerwirtt.  9S3enn  ein  (iJeiftlicher  oor^ 
fäplich  nnb  beharrlid^  übel  tt)nt,  barf  man  i()n  wie  einen  anbern 
ftrafen,  barf  (Gewalt,,  fJtaub  unb  ©rpreffung  mit  (>3ewalt  abtrei- 
ben. gebeö  S3olf  l)Ot  bai^  fRed)t,  für  feine  greiheit  gegen  ^t)raiu 
nei  511  friegen.  (Sine  ärgere  Xprannei  unb  ^ienftbarfeit  aber, 
aliJ  bie  ^äpfte  unö  auflegen,  ift  nie  gewefen.  Ueberbieß  gebraud)en 
fie  ja  felbft  bad  ©chwert,  folglid)  barf  man  ci  auch  g^geo  fi»^ 
gebraud)en.  „©oll  man,  obfehon  billige  Urfach  wär,  wiber  ^apft 
unb  iöifd)of  nid)t  friegen:  warum  hoben  beim  etlich  hoo^c^t 
3al)r  h^’t  bie  ^43äpft  große  ilrieg  gegen  ben  römifd)en  ilaifern, 


864 


II.  5.  i^al)itel. 


bcncn  ftc  boc^,  alö  6f)riftu§  angejeitit,  unb  ^auluö  geheißen 
haben,  crnftlich  untemorfen  fein  foHen,  auch  anbern  ©htiften* 
fürften,  äum  Xheil  burch  ^nhehung  anbret,  geführt?  . . . ^amm 
hat  üor  wenig  3ahrcn  ber  53luthunb  Suliuö  naheju  bie  gan^c 
Sh^^ftrnheit  in  ein  gemein  SJ^örberei  unb  Seutüerberben  ucrmifcht 
unb  gehippett?  . . . ^arum  hat  ber  oüerheiligft  2eo,  auf  bafe  er 
feinen  Sßetter  jum  $er,^og  ma^tc,  ben  rechtlich  regierenben  gür* 
ften  üon  Urbin  mit(5Jewalt  unb ©chwertfchlag  oertrieben?..  Unb 
ba§  ich  ouch  mein  felbft  nicht  uergeffe,  warum  fehiefet  bann  ber^ 
felbig  jornig  Seo  oon^Rom  hrrauö,  unb  heißt  mich  ihm,  auf  bag 
er  fein  tprannifch  ©chwert  mit  meinem  unfchulbigcn  33lut  ne^en, 
ober  oieKeicht  noch  ein  ©öfereö  beginnen  möge,  gefangen  gen  fRom 
fdjicfen?  3ft  bieg  biegreiheit,  bei  ber  wir  fic  halten  unb  befchir* 
men  foUen?  ©inb  bieß  bie  ©efalbten  ©otteö,  an  bie  niemanb 
^anb  anlegen  foH?'' 

!Daß  er  für  ben  äußerften  gall  ;\ur  Gewalt  aufrufe,  mißbeuten 
feine  geinbe  bal)in,  baß  fie  U)m  ©chulb  geben,  er  bejwecfc  mit 
feinem  ©chrciben  nicljtö,  atd  leichtfertige  Scute  unb  ein  loö  ©eftnb 
an  fict)  höiiüra»  wai  mittclft  bcffclbcn  nicht  burch  SBernunft, 
fonbern  burch  ungeftüme  Gewalt,  feinen  SRuthwillen  au^juführen. 
Slllein  in  erfter  ßinie  habe  er  fich  ja  j\um  ©treit  auf  bem  ©runbe 
ber  hril.  <2chrift,  j^um  Sßerhör  oor  bem  ^aifer  felbft,  erboten. 
SBcnn  nun  aber  feine  SBibenoärtigen  ihn,  wie  bi^hri^^  «i^ht 
)Öerhör  fommen  loffen,  fonbern  tprannifch^unterbrücfen  wollen, 
bann  gebenfe  er  allcrbingö  mit  ©cwalt  fich  ju  wehren ; baö  werbe 
aber  fein  lofer  §aufc,  fonbern  ehrbare,  rcbliche  unb  tapfere 
Seute  fein. 

Äußer  feinen  ©eßriften  freiten  bie  Gurtifanen  unb  bereu 
Änhänger  auch  fri”  Seben,  unb  gehen  babei  bi^  in  feine  Äinb^ 
heit  jurücf.  ^ier  ift  cö,  wo  fich  §utten  gegen  ben  Sorwurf,  burd) 
feine  glucht  auS  gulba  ein  bereits  abgelegtes  Ä^loftergelübbc 
gebrochen  ^u  haben,  in  ber  nachbrücflichen  SBeife  üertheibigt,  beren 
wir  ju  Änfang  biefer  2ebenSbef^reibung  gebenfen  mußten.  Äuch 
hier,  wie  in  bem  iRachwort  ju  ben  oerbeutfehten  ©efprachen,  wirb 
unter  benen.  Welche  ^mtten’S  9ffuf  ongreifen,  oor  aßen  „ein  großer 
9tomanift"  hrroorgehoben , ber  ihn  hinter  feinem  fRüden  einen  Söfc- 
wicht  unb  9?erräther  genannt  habe,  welcher  nid)t  werth  fei,  wo^^u 
er  fich  erbiete,  für  baS  beutfehe  üöaterlanb  in  ben  %oh  ju  gehen, 


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@tn  Sieb  üon  ^utien. 


365 


öiclme^r  alö  ein  grinbig  ©d^af  non  bcr  ©enicinbc  obgefonbert, 
unb  oon  reblid^cn,  frommen  Seuten  gemieben  merben  foHte. 
nun  $utten  nic^t  toiffe,  mer  bcrfelbige  iöicbermann  fei,  fo  fönne 
et  auf  fein  ©dielten  ioeiter  nicbtö  t()un,  atö  if)n  ocrfid^ern,  bag 
er  i^m  oor  @ott  Unred)t  t^ue,  unb  i^n  aufforbern,  mit  feiner 
öefc^ulbigung  niffentlic^  ^erooräutreten.  „i^ann  ic^  mic^  bann 
nic^t  oerantmorten,  fo  mc^  mir,  bag  ic^  je  einen  S3ucbftaben 
fc^rieb,  je  ein  Suc^  la§,  je  jur  ©c^ulen  ging,  ja,  ba§  id)  je  ge- 
borcn  marb:  fo  mic^  alfo  oiet  guter  Ä'ünft  nic^t  §aben  meifen, 
fo  oiel  ^eilfamer  (5)efc^rift,  in  benen  id^  (o^n  fRul^m  ;^u  reben) 
mic^  geübt,  nic^t  lehren,  fo  oiel  (belehrte,  mit  benen  ic^  umgangen, 
fo  oiel  reblic^et  Seut,  bei  benen  id)  gemot)nt,  mit  guten  Unters 
meifungen  unb  33eifpicten  nic^t  l)abcn  non  folc^en  böfen  ©itten 
abjieben  unb  ^ur  ©b^barfeit  rei5en  mögen." 

?lu^  in  bic  cineö  fangbaren  SSoUöliebeiS  b^t  um 

biefe  §utten  bie  b^bc  unb  bocb  elcgifcbc  ©timmung,  toclcbe 
baö  ^^etüubtfcin  feinet  patriotifcben  SBagniffc^  ibm  gab,  gebracht. 
3m  3al)r  1521  erf^ien  „(Sin  neu  ßieb  ^errn  Ulricbö  oon  Jütten"*) : 

3d(|  ^ak’S  gctoagt  mit  Sinnen, 

UnD  trag  beS  no^l  tein  9teu; 

3)tag  i(b  nit  bran  gewinnen, 
mub  man  jpUcen  £reu, 
üDarmit  i(b  mein 
9tit  eim  allein 

Sßenn  man  eS  tnollt  ertennen: 

^em  Sanb  )u  gut, 

SBicmoI  man  t^ut 

@in  ^faffenfeinb  mich  nennen. 

®a  Ia)l  idb  ieben  lUgen 
Unb  reben  ma§  er  miQ: 
i^ätt  Söabrbeit  ic^  gejd^toiegen, 

3Rir  toärcn  ^ulber  bil; 

9lun 

IBin  brum  berjiagt, 

^a§  Mag  i(b  aSen  Sfrummen; 

SBietool  no(b  i(b 
9lit  toeiter  flitb, 

Siellei(bt  toerb  loieber  (ummen. 


1)  ?[in  nett  lieb  Slri(b8  bon  Jütten.  Äm  ©cblujfe:  ©etrurft  bm 


366 


II.  5. 


@r  bitte  nic^t  um  @nabc,  bo  er  o^nc©d^utb  fei;  er  ^abe  ftd^  ju 
iRec^t  erboten,  aber  man  t)abe  il)u  nic^t  ju  @e^ör  fommen  laffen ; 
er  tröfte  fic^  mit  bem  S3(*tou6tfein  feiner  ^uten  3lbfidt)t  unb  unter- 
legten @^re;  bagegen  möge  man  auf  ber  anbern  0eitc  bebenlen, 
bag  oft  grofte  glömme  ton  einem  fleinen  günflein  gefommen  fei, 
unb  ba§  bie  Umftönbe  i^m  üieHeid)t  noc^  ©elegeni^eit  geben  mer? 
ben,  fic^  JU  röchen;  er  njenigftenS  fege  alleö  baron,  bag  e^  ent^ 
meber  geben  ober  breegen  möge. 

äOttt  nun  i^r  feU>§  nli  ratzen 
^ieS  fromme  9lation, 

©d^QbenS  fi^l  ergotten, 
fUS  i(^  Oerma^net  ^on: 

©0  tfl  mir  leib; 
l^iemit  fc^etb, 
äBin  mengen  ba^  bie  {harten; 

Sin  unoerjagt, 

^ab§  gemagt, 

Unb  miß  beS  6nb§  ertoorten. 

Ob  bann  mir  no^  t^ut  benfen 
5)er  fiurtifonen  ßift: 

6in  $er)  lagt  nit  fränfen, 

2)aS  red^ter  Sleinung  ift. 

weig,  nodfi  öiel 
äB5IIn  aud^  in’S  ©piel, 

Unb  foßtenS  brüber  fterben: 

^uf,  l^anbslnedbt  gut, 

Unb  fReuterS  ffltut^, 

Sagt  ^utten  nit  oerberben! 

3llö  eine  ?(rt  ton  SBiebevball,  ton  Slntmort  auö  bem  6l)orc 
beö  SBoK^  ouf  biefe  ?lnfpra^e  be§  ritterlichen  ^elbenfpieletiS  fann 
man  jttei  fiieber  betrachten,  beren  cineö  nach  ber  Söoife  eine^ 
Sfleiterliebö  ouf  granj  ton  <Bidingen , boö  anbere  nod)  ber  eine^ 
ajiarienlicbö  ju  fingen  toav.  ©ang  man  ton  bem  fRitter  ber 
(Sbernburg: 

8ran3  ©idtinger  bo§  cbel  Stut 

^a§  ^Qt  gar  oil  ber  SanbSfned^t  gut  u.  f.  f., 


jar  XXI.  ©Triften  II,  ©.  92—94.  5)ie  beiben  folgenben  Sieber  (oon  6onj 
Seffcl)  cbenbaf.,  ©.  04—98. 


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2ict>cr  über  Jütten. 


367 


fo  ^ic6  cö  mm  Don  bem  ©tccfclbcrc^cv,  frcilid)  etwaö  tpcnigcr 
poetifd) : 

Ulrid^  üon  l^uttcn  bo§  cbet  93Iut 
jo  fofllid^c  33ü(^r  gut; 

er  lüirb  33efd)ü|3et  ber  eüangcUJdjcn  2el)rc,  aliä  S3ürfcd)tcv  bcö 
Söüvtc^  (Siüttcö  (gefeiert,  iiub  am  ©c^luffc  fo  auflcrcbct: 

Ulrie^  Don  i^utien,  bi6  toolßcmut, 
bitt,  baH  ®ott  bi(!^  ^alt  in  l^ut 
3c^t  unb  ju  QÜcn 
@ott  b^Ut  an  d^tljUic^  Sekret  gut, 

2ÖO  pe  gc^in  ober  reiten. 

3q  reiten. 

anbere  fiieb  rebet  im  (Sinc^ang  ben  ^Ritter  an: 

?l(§  ebter  ^ut  ou§  t^ranfen, 
jRun  pe^  bi(^  tt)ei§Ii(b  für, 

®ott  jolt  bu  loben  unb  bonlen, 

2)er  tt)irb  nod^  l^elfen  bir 
*3)ie  ©ret^tigfeit  Dorjee^ten: 

Xu  jolt  beipo^n  bem  Steckten, 

^it  anbern  IHittcrn  unb  ftnc<i^ten, 

5Jlit  frommen  jJriegSlcutcn  gut 
IBejc^irmen  ba§  6f)ripcn  ®lut. 

@r  möge  fid)  nur  nid)t  bctf)örcn,  nic^t  üon  bem  SBorte  ^iotteö 
abmcifbig  machen  laffen.  Xod),  bcrul)igt  fid)  ()crnad)  ber  2)ic^ter 
feibft 

iputtenuS  boll  bepc, 

Xü§  l)Qb  i(b  guten  IBj^eib; 

®r  »olt  gern  t^un  boS  IBepe 
Xer  frommen  6bripenl)eit, 

Xbwt  fein  6eel  für  un»  fegen, 

Hebt  nit  wer  i^n  tl)u  legen  .... 

®ott  geb  i^m  @lüd  unb  6i(f, 

Xop  er  oll  Satb  wol  j(3(|irf. 

33on  biefem  SEÖicberflang,  ben  feine  äUorte  unb  Jsöcftrcbungen 
in  ber  TObe  unb  Jcnie  fanben,  blieb  glitten  nid)t  of)ne  91ad)ri^t. 
3al)lrcicbe  S^riefe,  bic  it)u  beffen  Ucrficbcrtcn,  aiiö  ^)eutfdblanb 
unb  ben  9fiacbbarlänbern,  liefen  bei  il)m  ein.  ^uö  iööl)mcn 


368 


II.  5.  ffapiiel. 


fd)icften  bic$uffiten  i()m  tüicßut^ern  bic  ©Triften  i^re^  9Kcifter§ 
^u.  S)aö  oUeö  ucrme^rtc  nur  bic  fieberhafte  Ungebulb,  bie  ihn 
njäljtrenb  feiner  unfrein)ifligcn  9)iu6e  auf  ber  ©bernburg  üerjehrte. 
2)a)§  ©chreiben  genügte  ihm  nicht;  er  hätte  gar  ju  gerne  mit  bem 
©chmerte  breingefchlagen.  SebeuiSlänglich  ftanben  in  Jütten  ber 
©djriftfteller  unb  ber  Splitter  im  SBettftreite:  ber  erftere  mochte 
thun  unb  leiften  maö  er  moUte,  fo  mar  ber  lefetere  unjufrieben, 
bag  ihm  bie  Gelegenheit,  auch  etmaö  ju  leiften,  fo  ganj  entgehen 
foUte.  mor  eineiäujchung;  benn  maö  hätte  ber  9iitter  Jütten 
thun  fönnen,  bad  bemienigen,  maö  er  aliä  ©chriftfteßer  mirfte,  ju 
oerglei^en  gemefen  märe?  ®ie  5^äufchung  mar  für  ^utten’jg  £eben 
üerhängnigüoll;  aber  feiner  ©chriftfteUerei  fam  fie  ju  Gute:  ber 
ganje  Ueberfchug  beö  ritterlichen  geuerö  in§utten,  baö  fidh  burch 
ben  ®egen  nicht  ßuft  machen  tonnte,  ergoß  fich  burch  5eber 
in  feine  ©Triften,  unb  gab  ihnen  jenen  friegerifchen,  jugenblich 
helbenl)uften  Xon,  ber  ihren  unoergönglichen  fReij  au^macht. 

„2Jitich  quälen",  fchrieb  er  um  jene  ßeit  an  (Sapito,  „biefc 
immer  neuen  unb  immer  mieber  getäufchten  Gnoartungen  oon  ben 
greunben.  $ätte  ich  hoch  gleich  uon  Slnfang  an  gemagt,  mir  felbft 
ju  rathen  unb  auf  eigene  gauft  ju  huubeln.  ^enn  biefe  anbern 
9?athgeber  moHen  mir  je  länger  je  meniger  gefallen.''  2ln  Suther 
aber  fchrieb  er:  „Gemiß,  bu  mürbeft  SKitleib  mit  mir  hüben,  menn 
bu  fehen  follteft,  mie  ich  5^1  tämpfen  fo  menig  fann 

man  fich  ouf  bic  SJlcnfchen  ücrlaffen.  SBährenb  ich  »cue  S5unbcgs 
genoffen  anmerbe,  fallen  bie  alten  ab.  Gin  jeber  hut  eine2Kengc 
Oon  öcbenfen  unb  SBormänben.  S8or  allem  ift  eö  ber  Slberglaubc, 
ber  bie  2J^cnf(hen  fchrccft,  bie  eingefogene  SJ^einung,  bem  Zapfte, 
unb  märe  eö  auch  ber  ungerechtefte  unb  fchlechteftc,  ju  miberftreben, 
fei  ein  unfühnbareö  SSerbrechen.  5)och  thue  ich  waö  ich  ^onn, 
unb  mcichc  nimmer  bem  2Jiißgefchicf."  9^ur  granjen^  Gefinnung 
fanb  gutten  probehaltig;  hoch  biefer  gerabe  mar  c^,  ber  ihn  ob^ 
hielt,  einen  Gemaltftreich  ju  thun,  inbem  er,  mie  |)utten  an 
GraömuS  fchrieb,  erft  einen  ^erfuch  mit  bem  jungen  Äaifer  machen 
moHte,  in  ber  Hoffnung,  biefer  merbe  entmeber  bie  ©oche  ber 
fHeform  felbft  in  bie  §anb  nehmen,  ober  berfelben  hoch  nichts  in 
ben  2öeg  legen;  eine  Hoffnung,  melche  freilich  burch  ultramom 
tanen  Ginfluß  f^on  fo  gut  mie  oereitelt  mar,  meßmegen  §uttcn 
eine  gemaltfame  ©chilberhebung  äulc^t  hoch  für  unoermeiblich 


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f)uttcn’8  Unflcbuft). 


369 


anfaJ)  *).  ®ar  Qcrnc  ftöttc  fc^on  bamal§  tt>ic  nocft  fpätcr 
JSputtcn  bcn  bcibcn  päpftlidjcn  ^Jhmtien,  bic'  fiel)  jiad)  Äarri^  Ärö* 
nuiiö  in  5töln  bcfaubcu,  um  bcn  Äl'ai(cr  iinb  bic  dürften  c^c^cn 
£utl)cc  5U  ftimmcii,  bic  SBcgc  ücrlcgt  unb  fic  abacjangcii:  allein 
lüo^u  füllte  ein  fülc^es»  9iittci)tücfcl)cn  l)clfcn  ? tüiintc  einen 
^ücten  lüie  @oban,  fclbft  £ntl)cr  bamaU  nod)  in  mand)eii  ©tim* 
mimflcn,  ergeben aber  0icfiiigen  l)atte  fRed)t,  cd  bem  grennbe 
aud^ureben. 

§utten  fclbft  fal)  bei  tälterm  ^lute  ein,  ba§,  um  einen 
blcibenbcn  @rfolg  Ijerbci^nfüljrcn,  er  fic^  bebeutenbever  Äröftc  üer*  , 
fiebern  muffe.  3)af)cr  lag  cd  il)in  fo  fcl)r  an,  bic  ©cfinnung  bed 
iturfnrften  üon  ©ac^fen  ju  erforfd)en  unb  it)n  mu  möglich  j^u 
gcminucn.  ®a  iljii  0palatin  auf  üerfd)icbcnc  ^Infragcn  in  biefer 
^ic^tung  ol)iic  )dntmort  gclaffcn  l)attc,  fo  menbete  er  fidj  je^t  an 
Üntljer.  mürbe  feine  üerlorcne  3)iü^c  fein,  fd)rieb  er  il)m  am 
y.  ^)ccembcr,  mcim  er  audfnl)vlic^  auf  bic  ©bernbnrg  berichten 
müd)te,  mad  in  feiner  Umgebung  Uürgcl)c,  mad  uon  jebem  ju 
l)üffen,  mcldjcd  ^Bagnig  jebem  ^u^ntraucn  fei.  iöür  allem  mnnfd^c 
Jütten  miffen,  in  mic  meit  man  auf  ben  6tnrfürften  rcd)ucn 
bürfc.  iiutber  möge  fclbft  and)  feinen  (Sinfln^  aufbieten.  (£r 
glaube  nidjt,  mie  mid)tig  cd  für  il)rc  0ad)c  märe,  menn  ber  Atnr* 
fürft  entmeber  fclbft  i()nen  bemaffneten  43eiftanb  leiften  ober  bod) 
iiu  einer  fd)üiicn  X l)at  burc^  bic  ginger  fcl)en  mödjte:  b.  l).  il)nen 
geftatten,  innerl)alb  feined  (^iebietd  ^lufent()alte  ^u  fiidjcn,  menn 
Cd  bie  Umftönbe  crl)eifd)cn  füllten.  0übalb  er  barüber  Cyemif3t)eit 
l)abc,  fei  fein  (Sntfd)ln6,  einmal  in  SS^ittenberg  einen  iiücfud)  ^n 
madjen.  ®cnn  langer  fünne  er  fid)  nid)t  mcl)r  l)altcn;  er  müffe 
einen  i^iann,  bcn  er  feiner  Xugcnb  megen  fü  icl)r  liebe,  einmal 
fel)cn.  3^igleid)  fd)icfte  Jütten,  mie  fd)üii  üben  ermähnt,  feine 
neueften  0d)riftcn  an  iJiitl)er,  unb  ^mar  in  beridjtigten  (Siduplaren, 
meil  er  uermutbete,  biefer  merbc  fic  bürt  neu  auflcgcn  laffen ; mad 
and)  mit  einigen  gefcbal). 


1)  Das  i’iS^criflc  in  ^en  5?ricffn  i^uttrn’S  an  Papito  ooni  Soninur 
1620,  an  fiul^cr  unb  ^raSniuS  boin  9.  Dfc.  unb  13.  3iot).  bfijdbfn  3af)r5, 
Schriften  I,  5.  365— 3Ü7.  »23  ff.  436  ff. 

2)  2uU)cr  an  3poIalin,  13.  91oo.  1520.  3n  öultfu'S  »(firiften  I, 
3.  420. 

VII.  21 


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370 


II.  6.  ffQlntel. 


3n  bcmfc(6en  93rtcfc  beflagt  fic^  Ratten  barüber,  baß  ißm 
ßutber’^  neuere  «Sachen  noeß  nießt  ^ugefommen,  unb  iaunbert  fid), 
baß  biefer  fie  ibm  nießt  i^ufenbe,  ba  boeß  Äeute,  bie  ße  an  ^ran^ 
i)on  0icfingen  mitneßmen  fömiten,  bort  fo  leießt  ju  pnben  fein 
müßten.  Slueß  am  16.  Sonuar  beö  folgenben  Sa^re^  flagt  §utten 
©palatin,  baß  in  fo  betaegter  ßeit  fiutßcr  eö  ni(ßt  ber  SJ^üße 
mertß  pnbe,  an  ißn  ju  feßreiben*).  jmar  unterblieb  bieß 

nießt;  boeß  gefeßaß  e^  mebev  fo  oft,  noc^  fo  rüdßaltloiS,  aU 
‘Jütten  münfeben  mo^te,  ber  feinerfeitö  £ut()ern  mit  licbenötoürs 
bigfter  Offenheit  unb  begeiftertcr  Eingebung  entgegenfam.  2)er 
©raub  oon  fiat()er'g  ßwtüdbaltang  offenbart  ficb,  ba  unS  feine 
Briefe  an  Jütten  oerlorea  finb,  in  einer  ?leußerung  bcffelben 
gegen  ©palatin,  bem  er  eben  jenen  ^ntten’fd}en  S3rief  oom  9. 
cember  mittbeilte.  „SBa^  Ratten ^ begehrt,  fießft  bn.  3cb  ntöcbtc 
nicht,  baß  mit  ©emalt  nnb  3J2orb  für  ba^  (Soangelium  geftritten 
toürbe:  in  biefem  ©inne  habe  id)  an  ben  2Jiann  gefeßrieben.  ^ureß 
ba^  Söort  ift  bie  SBelt  übertt)unben,  bureß  baö  SBort  bie  SHreße 
erßalten  tt)orben:  fo  mirb  fie  and)  bureß  ba§  SSort  mieberßerge* 
ftellt  ttjerben;  unb  aueß  ber  läntidßrift,  mic  er  oßnc  ©cmalt  ange^ 
fangen  ßat,  fo  mirb  er  oßne  ©emalt  j^ennalmt  merben  bureß  bod 
SBort*)."  Seibe  3J?önner  maren  in  ben  9)tittc(n  jn  bem  gemein^ 
famen  ßmeefe  nießt  einig:  maö  Sutßcr  alö  etroaiS  betraeßtete,  baö 
mon  im  öußerften  gaüe  gefeßeßen  laßen  müffc,  menn  eg  nießt  ju 
oenneiben  fei,  bag  brannte  §nttcn  oorUngebulb  jept  fd)on  felbft 
ßerbei^ufüßren.  SBenn  eg  bnreß  bie  SButß  ber  9lömlinge  jnm 
©rueße  fomme,  f(ßrieb  Sutßer  halb  nacßßer  an  ©palatin  (unb 
bag  merbe  bann  ein  bem  bößmifeßen  äßnlicßer  ^Infrußr  mit  blu* 
tigen  ^Ingbrücßcn  gegen  bie  ©ciftlicßen  merben),  fo  fei  er  anßer 
<^nlb:  beim  fein  Ütatß  fei  gemefen,  baß  ber  beutfeße  ?lbel  nießt 
mit  bem  ©eßmerte,  fonbern  bureß  S3efeßlüffe  unb  öerorbnnngen, 
jenen  ItDienfcßen  ©eßranfen  fepe.  Allein  eg  feßeine,  biefe  mer» 
ben  fieß  bureß  gelinbe  2)iittel  nießt  meifen  laffen,  fonbern 
in  ßartnöcfigem  S^tßcn  bag  öerberben  felbft  über  fid)  ßerbei* 
füßren. 


1)  Schriften  II,  6.  4. 

2)  16.  3ön.  1521.  3n  0«ttcn’§  ©(^riften  II,  ©.  5 f. 


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I^utten  unb  Sut^ec. 


371 


3n  feiner  9lrt  liefe  eö  übrigen^  ßutfeer,  auefe  neben  feinen 
©c^riften,  an  ber  fröftigften  Xcmonftratiun  nidjt  fehlen. 

10.  jDccembcr  1520  n^arf  er  uor  bem  ©Iftcrtfeore  ju  Söittcnberg 
bie  öannbuKe  gegen  il)n,  fommt  ben  päpftlicfecn  S^lecfetöbüc^ern, 
in  ba^  5<^uer;  eine  3^f)at,  bie,  in  ifercr  fl)inbolifdjen  ^ebcutung 
non  unenblicfeer  Xragujeitc,  für  il)n  baö  SBerbrennen  feiner  ©efeiffe 
nmr,  looburcfe  er  ftc^  jebe  Umlefer  unmöglid)  machte. 


372 


Sfd)5te$  fiaiiitcl. 


^ratt}  »Olt  ^tifiinoett  c^^mtten'o  §(^»fer  tinb  bet  ^etb  fdtter 

tiettett  3>iafoge. 

1520-1521. 

tocni(^cr  5(uöfirf)t  auf  Untcrftü^unc|  feiner  ^lanc  .^utten, 
beö  Äaifcrä  511  gefrijmeiflcn,  felbft  uou  0eiten  bc^nificn  gürftcu 
I)attc,  toel^er  bei*  <Sarf)c  ber  fRefüvniatlon  nm  cjünfti(^ftcn  511  fein 
festen,  beftü  mc{)v  furf)te  er  fid)  feinet  (^aftfrcunbcv 
©iefingen,  beffen  9}iad)t  iinb  Öebeiitung  um  jene  ber  ciucS 
gürften  faum  uac^ftaub,  j^u  uerfid)ern.  @‘5  fcl)lte  uidjt  au  fold)cu, 
mctc^c  biefeu,  t^eilö  auö  üermaubtfd)aftlic^cm,  tf)cilö  auö  ^artei^ 
intereffe,  uou  §utteu  uub  ber  9^efürmatiou  ab-\u,vcl)eu  fud)tcu. 
©ein  übrigen^  trefflicher  ©djroager,  Philipp  uou  5ler«l)eim,  ba^ 
mal^  ®omfangcr,  in  ber  golgc  33ifd)of  uou  ©peier,  beffeu  .Slrouif 
eine  ^auptquelle  für  ©icfiugcn'iJ  @efd)id)tc  ift,  mic  fein  ©egeu- 
fd)tüäf)cr,  ber  Dritter  ^ietrid)  uou  J5anbfd)ud)?l)eim,  au  beffen 
Umftimmung  er  in  ber  golge  ein  eigene^  ©enbfd)rcibcn  toenbeto, 
tuaren  ohne  ßiocifel  and)  mit  unter  brn  Söermaubten  nnb  greuuben, 
uon  benen  |)utten  fdjrcibt,  baft  fie  in  S^an^  gebvungcu,  fiep  uon 
einer  fo  gefährlichen  ©achc  lo^äufagcn.  3J^au  fud)te  il)m  uon 
Suther'ö  ÜJieinungen  uub  planen  eine  abfd^reefenbe  S8orftcUung 
bc^ubriugen,  unb  führte  babei  mohl  auch  ©teilen  aiu^  beffen 
©chriften  au,  bie  in  beufetben  gar  nicht  511  fiuben  maren. 

J^ranj  h^tte  b\^  baher  uon  £uther  nur  menigeö  obenhin 
gelefcn:  jeht  benupte  Jütten  bie  minterlidje  SH^uge  auf  berSbenu 
bürg,  ben  greunb  tiefer  in  bie  ©djriftcn  bco  ^)teformator'5  cin.yis 


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i^utten  lieft  mit  ©irfinßcn  'Sut^erS  ©c^riftcir. 


373 


fiU)rcn.  @ini(fc  groben,  bic  er  il)m  üorlaö  unb  münblid)  crläus 
terte,  muf3ten  i()U  erft  bccficviff  machen;  halb  fincf  bic  0ac^c  i()m 
cin,^ulcud)tcii  an,  unb  bei  lucitercm  ßefen  fam  cö  jnr  Ueberjeus 
1311119.  (Jr  überfaf)  bie  (^runblatjen,  ermaß  ben  §(ufbau  ber  £utl)es 
rifd)en  Seßre,  nnb  2öie?  rief  er  auö,  ba^  mac^t  jemanb  crfd)üttcrn 
,311  monen,  ober  menn  cr'vJ  maßt,  f)offt  cr'ö  fönnen?  3n 
,3em  lief3  er  feine  ^J^aßljcit  oornbcrßcijcn,  nad)  ber  ißm  nid)t 
.'pntten  ctma^3  oon  Sntßer  ober  and)  uon  fieß  felbft  oorlcfen  mußte; 
moran  fid)  @cfpräd)c  fnüpften,  in  benen  .gtutten  bie  gaffuncf^^i 
fraft  feinc^^J  grennbeö,  fein  Xalent,  baö  ^Inf^cfaßtc  berebt  micber* 
,3uaeben  nnb  felbftftiinbi^  mcitcr  anö^nfüßren,  bemnnbern  lernte. 
Se^t  mar  ©idin^cn  fletfcn  bic  35erfud)e,  il)ii  manfenb  ju  mad)cn, 
9cftäl)lt:  auf  bie  fd)on  oben  ermäl)itte  353arnun9  feiner  33ermanbten 
oor  ber  ^öetßciliflnncf  an  einer  fo  ,3meifcll)aften  ©ad)c  mar  jc^t 
feine  l^lntmort,  bie  ©ad)c  fei  feineömei]^^  ^meifcü)aft,  benn  eö  fei 
bie  ©arße  (Sßrifti  nnb  ber  S53af)rl)cit;  überbieß  fromme  c^S  bem 
bentfdjen  (_^5emeinmefen,  baß  iint()erV'  nnb  .5)ntteir^  9J?al)nun9en 
®el)ör  pnben  nnb  ber  (^ilaube  i3cfd)irmt  merbe^). 

©teben  mir  einen  ^(ncfcnblid  imr  biefem  isöilbc  ftill:  eö  ift 
eine-^  ber  fdjönften  in  ber  03efd)icßte  nnferc‘j  S^olfeö.  3(m  gaft^ 
lid)cn  Xifdjc  ber  ©bcrnbnri]  fi(jen  in  ben  SäJinterabenben  ^mei 
bentfeße  Stitter,  in  (^Jefpräeßen  über  bie  bentfd)efte  ^Incfclecfcnßcit. 
^)er  eine  glüditlin^,  ber  anbere  fein  miidjtißer  iöefd)ttßcr : aber 
ber  glnd)tlin(3,  ber  jüngere,  ift  ber  Beßrer,  ber  ältere  fd)dmt  fid) 
bcio  fiernenö  nid)t,  mic  ber  ritterlid)c  Mjrer  fcibft  neiblo^  bem 
cfrößern  äJicifter,  bem  9Jiönd)  511  SBittenber^,  fid)  nntcrorbnet. 

biefer  isölütßc^cit  bec^  Jöerßdltniffeö  beiber  9}tdnner  ift 
bie  fd)önc  ^tminnnn^  an  ©idin9cn,  meUße  .^ntten  ber  bcntfd)en 
Ueberfeßnn^  feiner  (^3efprdd)e  oorancfcftellt  ßat*),  nnb  bereu  nd* 
ßerc  ^etrad)tun(3  mir  cbenbeßme^en  bi^  an  biefe  ©teile  oerfd)obcn 
ßaben.  Cßne  Urfaeße,  jacft  .^ntten  in  biefer  5Bibmnn9,  fei  baö 
©prid)mort:  9^tötßen  erfennt  man  ben  grennb,  nid)t  auf^cs 

fommen.  'J'enn  niemanb  biirfe  faffen,  baß  er  mit  einem  greunbe 
üenoaßrt  fei,  er  ßabe  ißn  benn  in  feinen  notßbnrfti^en  anlics 


1)  'Kflcy  bieft  bem  oben  niißcfllOrlcit  Briefe  ^uttcn’ö  nn  üiult)cr  toom 
0.  5)cc.  1520. 

2)  ScTjriftfn  1,  3.  117-440. 


374 


IL  «U(^.  6.  RapHtl 


öcnbcn  ©nrf)cn  bcrmagcn,  bog  er  i^ii  iniücnbifi  unb  ou^toenbig 
fenne,  ucrfuc^t  unb  (\epriift.  S53ictt)o()t  nun  ber  fllticffclifl  ju 
ad)tcn,  bem  nie  non  S^öt^cn  geujefen,  einen  greunb  biefergeftalt 
ju  pvobiren,  mögen  bod^  and)  bie  fi^  ber  ©nabe  @otte«  berü^s 
men,  bie  in  if)ren  Sflöt^en  beftänbige  unb  ^art  l)oltenbe  greunbe 
erfunben  ^aben.  „Unter  meieren",  fährt  Jütten  fort,  „ich 
bann  nit  menig  bei  ®ott  unb  bem  @lücf  ju  bebauten  t)ab.  ®enn 
alö  ich  auf  ba^'  §leu6crfte  an  ßeib,  @hi^c  unb  @ut  üon  meinen 
geinben  genöthigt  mar,  fo  ungeftüm,  ba§  ich  faum  greunbe  anju* 
rufen  Qc\i  gehabt,  bift  bu  mir,  nit  (alö  oft  gefd}ieht)  mit  tröft« 
liehen  SSorten,  fonbern  hülftragenber  Xhat,  begegnet,  ja,  mag  ich 
(alö  ba^  ©prichmort  ift)  fagen,  oom  ^immel  h^^öb  ^ugefallen/ 
©0  menig  barum  bie  greunbfehaft  im  ©lüde,  menn  fie  ouch  mehr 
eine  luftige  ©efeöfchaft,  aU  mat)re  greunbfehoft  genannt  merben 
füllte,  ju  üermerfen  fei,  fo  finbe  hoch  jmif^en  beiben  ber  Unter- 
fdjicb  ftatt,  mic  jmifchen  ©peifen,  bie  nur  füg  unb  mohlfchmecfenb, 
unb  fold}en,  bie  jugleid)  gefunb  unb  hctlfcmi  feien,  ©o  h^be  er, 
Jütten,  in  einer  ßcit,  ba  er  nicht  luftigen  ^efehmaefö,  fonbern 
heilfamer  ^Ärjnei,  nicht  fröhlichen  53eimefcnö,  fonbern  gemärtiger 
^ülfe  beburft  höbe,  — bo  höbe  ich,  föh^^t  er  fort  „(id)  acht,  auiS 
göttlidhem  3öfchicfcn  unb  SSerfehung)  bich  gefunben,  ber  nicht 
gcadjtet,  mag  ein  jeber  oon  meiner  ©ad)e  rebe,  fonbern,  mic  bie 
an  ihr  felbft  geftaltet  fei,  beherziget.  $aft  bich  nicht  bur^  ©chreefen 
meiner  SGÖibcrmärtigcn  oon  Sßerfechtung  ber  Unfehulb  abziegen 
laffen,  fonbern  aug  ßiebe  ber  SBahrheit  unb  ©rbarmnig  meiner 
^ergemaltigung  für  unb  für  über  mir  gehalten.  Unb  ba  mir 
aug  ÖJröge  ber  gahr  bie  ©täbt  ocrfdjloffcn  gemeft,  algbalb  beinc 
Raufer  (bie  id}  aug  ber  unb  anbern  Urfachen  Verbergen  ber  @e* 
red)tigfeit  nennen  mag)  aufgethan,  unb  alfo  bie  angefochtene  unb 
uerjagte  SBahrheit  in  ben  ©choog  beiner  ^ülf  empfangen,  unb 
in  ben  Firmen  beiner  35efchirmung  gonj  fecflich  gehalten.  2)arang 
bann  gefolgt,  bag  ich  iö  meinem  gürfag,  ben  auch  bu  ehrbar 
unb  reblich  nenneft,  nicht  menig  geftärft,  aUc  belehrten  unb 
ilunftliebenben  beutfd)er  Sflation  (benen  nicht  meniger  alg  mir 
felbft  an  biefer  ©achen  gelegen)  fich  in  grohlocfen  erhaben,  unb 
gleich  ölg  nach  einem  trüben  SBetter  oon  ber  frenbenreichen  ©on*^ 
nen  erquiefet  morben.  Wogegen  bie  boghaftigen  Surtifanen  unb 
fRomaniften,  bie  mich  öerlaffen  gemeint,  unb  berhölb  beinahe  einen 


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i^uttcn’S  unb  Sidingcn’S  öreunbjd^aft. 


876 


Xriump^  uon  mir  gcfüOrt  l;attcn,  ba  fie  gcfcljcn,  bag  id;  mid) 
(tüie  im  ©prid)U)ort  ift),  on  eine  fefte,  unerfeftütterte  Söanb  ge^= 
le!)net  (jab,  i^reii  ©tolg  unb  Uebermuti)  gegen  mir  ctmos^  nieber* 
gelaffen,  fic^  foft  einget^an  unb  flcinen  ßautö  morben/' 

gür  folc^e  2Bof)lt^at  bem  greunbe  genugfamen  ^anf  ^u 
fagen,  fe^le  eö  Jütten  nic^t  an  (^emütl)  unb  SÖJillen,  fonbern 
am  (^lücf  unb  SSermögen.  äöerbe  iljm  aber  je  eine  beffere  ßeit 
erfc^einen,  unb  fic^,  mie  er  ^u  @ott  ^offe,  Slenbcrung  beö  öUndö 
begeben,  fo  mofle  er  il)m,  allem  feinem  Vermögen  nad),  bermagen 
mieber  bienen,  baß  granj  fpüren  fülle,  er  l)abe  menigften^  feinen 
gleiß  gefpart,  ißm  ^anf barfeit  ^\u  erzeigen,  iöiö  baßin  moUe  er 
mit  bemjenigen,  maö  ißm  fein  grcücl  noeß  bemalt,  fein  Xro^ 
nod)  Uebermaeßt,  fein  ^Irrnutß  noeß  (Slcnb  beneßmen  möge,  nänu 
ließ  mit  feinen  ©innen  unb  ißerftanb,  bem  greunbe  treuließ  unb 
fleißig  ju  ^)icnften  fein,  ißm  aud)  je^t  feßon,  mie  cinft  33irgil  ben 
,^mei  moßloerbientcn  günglingen  (9f?ifuö  unb  ©urßaluö,  Aen.  IX, 
446  f.)  jugefagt  ßaben: 

,9Bo  (itoas  mein  @ef4iriftt  nermag, 

V !S)ein  !Sob  mug  fterben  feinen  Xag.* 

Uebrigenö  aueß  oßne  baö  befonbre  Söerbienft,  baö  er  fidj 
um  ißn  eriüürben,  ßätte  boeß  gran^  burd)  feine  ritterließcn  eßr^ 
lid)en  ^ßaten  an  fieß  fdjon  uerbient,  baß  Jütten  unb  ade,  bereu 
93ermögcn  eö  fei,  gegenmärtige  ober  oergangene  ^Dinge  bureß  üöe^ 
ßelf  ber  ©eßrift  5ur  (Srfenntniß  ^ufünftiger  geit  gu  bringen,  feinen 
9iamen  auö  biinflem  3Scrgeß  in  baö  fiidjt  ber  emigen  ®ebäd)tniß 
feßten.  „®enn  oßne  ©eßmeießelei  unb  )^iebfofen  gu  reben,  bift 
bu  ber  gu  biefer  Qc'\t,  bo  jebermann  beböudjt,  bcutfd)er  §lbel 
ßabe  etmaö  an  ©trengfeit  ber  (^emütßer  abgenommen,  bid)  ber« 
maßen  ergeugt  unb  beioiefen  ßaft,  baß  man  feßen  mag,  beutfeß 
iölut  fei  noeß  nid)t  oerfiegt,  noeß  baeJ  abelid)  6Jemäd)ö  bcutfeßer 
Xugenb  gang  audgemurgelt.  Unb  ift  gu  münfdjen  unb  gu  bitten, 
baß  @ütt  unferem  $aupt,  Haifer  Äarlen,  beiner  tugcnbßaftigen 
unerfeßrodenen  3)^utßfamfeit  (Jrfenntniß  eingebe,  bamit  er  bieß, 
beiner  ÖJefeßidließfeit  nad),  in  ßoßen  treffließen  feinen  ^onbeln, 
bad  römifcß  IReidj,  ober  aueß  gange  ßßriftenßcit  betreffenb,  fo 
mit  IRatß  toie  mit  ber  Xßat  braud)e;  benn  alöbann  mürbe  bie 
grueßt  beiner  Xugenb  gu  meiterem  3ffuß  fommen.  günoaßr,  einen 


376 


II.  ^ud^.  6.  Äüpitel. 


folc^cit  'JJiutI)  foIU  man  nic^t  ru[)cn,  nod)  inner  fleincr 

®ad)cn  flcbraiidjt  lucrbcn  loffen." 

®od)  $ntten')g  5(bfic^t  fei  nid^t,  in  biefer  3iürrebe  gvan,^en$J 
Jüob  ^n  befd}reiben,  fonbern  mir,  feinem  .^ler^en  einmal  2nft 
mad)cn,  ba«;  ^eftedt  uolIer  ejuter  (SJebanfen  nnb  freunblid)er  ©nt* 
milli(^feit  für  bic  unüerneltlid)en  SÖoI)ltf)aten  fei,  bic  ber  grennb 
il)in  ermiefen  l)abc  nnb  und)  töglid)  je  mel)r  nnb  mel)r  l)öwft* 
ba()cr  fd)cnfe  er  il)in  ^nm  9flcnjal)r  bic  auf  ber  (Sbcrnbnr^  üW* 
tickten  Uebcrfejnngen  feiner  @cfpräd)e.  hierauf  ber  ^errlidjc 
0d)lu§,  ber  in  feiner  tbatluftigcn  9J?(mnt)aftißfeit  au?  bem  Sn- 
nerften  uon  §uttcn'?  SBcfcn  fam:  „Unb  münfd)  bir  bamit,  nid)t 
al?  mir  oft  unfern  grennben  pflec^en,  eine  fröl)lid)e,  fanftc  9inb, 
fonbern  groge,  ernftlidje,  tapfere  unb  arbeitfame  (^efd)äft,  barin 
bii  Dielen  9J^enfd)en  ^n  Oiut  bein  ftol,^e?  belbifc^  (^einiitl)  brauchen 
nnb  üben  möcieft.  ia^n  moll  bir  @ott  (^lürf,  §eil  nnb  ifiJobl- 
fal)ren  Dcrleil)cn.'' 

^üdj  mä^renb  Jütten  feine  altern  ^ialo^e  in?  ^5)eutfd)c 
überfepte,  arbeitete  er  5ugleid)  neue  lateinifd)e  an?*).  Sft  bic 
^ueiflnunfl  jener  Ueberfe^unii  Dom  1.,  fo  ift  bie  ber  lateinifd)en 
Wefprädjc  Dom  13.  Sfluuar  1521.  ©inb  bic  bentfdjen  feinem 
iyefdjü^cr,  0d)üler  unb  ritterlid)en  Sbcale,  granj  Don  0icfinc\en, 
(^icieeicinet,  fo  tritt  biefer  in  ben  latcinifd)cn  al?  bramatifd)c^erfon 
mitrebenb  unb  mitbanbclnb  auf.  Unb  ^mar  immer  in  ber  ljöd)ftcn 
0tellnnn,  al?  SSertreter  bc?  fRec^ten  unb  SBal)ren,  ber  grcil)cit 
mie  ber  iüiäftiqnnci.  ^a?  iöefte,  ma?  Jütten  meifi,  ()at  er  feinem 
gran^  in  ben  ä)^nnb  (lelccit,  mie  $lato  feinem  ©ofratc?.  ^us 
(leeiipiet  finb  bie  neuen  Dialoge  einem  fürftlid)cn  9iad)bar  ber 
(Sbernbnrci,  bem  ^^Jfal<\ßrafcn  Sol)ann  Don  ©immern,  bem  öater 
be?  nadjmalipen  .Stnrfürften  griebrid)  111.,  unb  ©tammDatcr  jener 
l)od)ftrebenben  fimmernfd)en  ßinie  pfäl,yfd)er  Äurfürften,  meld)e 
bic  ^flcfornmtion  in  iljrcr  Dorgefdjrittenften  ©eftalt,  al?  (SalDi» 
ni?mn?,  ergriffen ; mäl)rcnb  ber  ©tammDater  3*-'l)ann,  ein  tüd)tis 
(^er,  i;cbilbetcr  unb  im  fReic^e  geachteter  (t  1557),  noch  bei 


1)  Dialogi  llutteiiici  novi,  perquain  festivi.  Bulla,  vcl  Bullicida. 
Monitor  primus.  Monitor  secuudiis.  Praedoncs.  @(t|riftcn  IV,  S. 
300 — 406.  3lu  meiner  Ueberjetjuno  Der  ^uUen’jc^en  @ejprä(^e  ©.  221 — 389. 

2)ie  3»fiö»u**0/  3(^riften  II,  S.  4. 


j 


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^utlen’ö  9lcue  ©cjpräd^e. 


377 


bcm  alten  Äirc^cinucfcn  üeiblicb.  greimutt)  fei  dj,  luas  er  Dom 
0d)riftftcHer  üerlaiige,  ()attc  ^fol^t^vaf  Sotjonii  im  L^icfpvädje  mit 
.^uttcii  einmal  flcänßcrt  unb  jnj^lcid)  ben  äönnfdj  aiiycjefprodjcn, 
menn  biefer  micber  ctmaiJ  greimütt)i(]c^  fc^riebe,  alöbatb  mit^ 
(\ctl)cilt  ^n  cr()atten.  ©o  fd)icft  tbm  beim  §nttcn  biefe  neuen 
2)ialü9c  atö  einem  foldjen  ber  fic  foiuol)l  mit  @infid)t  511  lefen, 
al^J  anc^  jn  fd)ü^en  miffen  merbe.  greimutt)  merbe  ber  ^fa^graf 
in  bcnfelben  nic^t  ücrmiffen,  menn  uielleic^t  and)  geile  iinb  Sßols 
tenbung.  Xer  ^erfaffer  bfibc  fic  auf,  biefer  SBarte,  bie  fic^  Idngft 
ber  greiljcit  geöffnet,  eilig  auegearbeitet , über  ba5  5;f)cnm,  baö 
i^m  in  biefer  einzig  jur  '^k’l)anblnng  übrig  fei,  nnb 

mit  bcm  SSor^aben,  ben  2Öa()nfinn  ber  geinbe  jc^t  auf  jebe 
mögliche  31rt  511  rc^cn.  ©o  mcit  fei  er  entfernt,  fie  511  fürd)ten, 
bereu  Unterncl)mungcn,  fic  mögen  beginnen  maö  fie  moUen,  \\\u 
möglid)  ®aner  ^aben  fönnen.  Malier  fprcd)c  er  and)  benen  9Jhitl) 
ein,  mcld)e  C!^  crfd)redt  l)abe,  mic  fie  für,^Iid).  ben  Äaifer  imn  fo 
• Dielen  Sarbinälen  nnb  ^^^rotonotarien  umgeben  nad)  2)entfd)lanb 
haben  fommen  fel)en.  ^arin  liege  fein  @rnnb,  für  bic  gute 
0ad)c  5U  fürd)tcn,  fonbern  nur,  ben  jnngen  gürften  ,^n  bc- 
bauern,  ber  fid)  in  feiner  l)ol)cn  0tellnng  Don  jenen  ©cheufalen 
mifeleiten  laffc. 

5^oran  ftel)t  unter  ben  Dicr  neuen  Dialogen  berjenige,  Don 
tDcld)cm  glitten  in  bem  ^eccmbcrlniefe  be-i?  Dorigen  gahrc‘3  an 
iinttjer  gefchricben  hatte,  er  arbeite  jept  an  einem  (^efpräd):  ^ic 
iöuUe,  ^^war  eilig,  hoch  folle  eö  nid)tö  Unfeinem  merben,  beide  er, 
nnb  £ntl)cr  loerbc  eö,  fobalb  eö  crfd)ienen  fei,  erhalten,  ^ie 
!0uUe,  ober  ber  iöuUentöbter,  gehört  ,yi  bem  bramatifd)  iiebeiu 
bigften,  maö  |mtten  gefchrieben  l)Dt.  ®ie  päpftlid)e  ^^nlle  nnb 
bic  bentfd)c  grcil)cit  fd)impfcn  unb  balgtn  fid)  glcid)  ^^Infangö  fo 
natürlich  l)cnim,  bah  man  (loie  oben  beim  gieber)  ftatt  blofjcr 
'ißerfonipcationen  lüirflid)e  ^erfonen  511  fehen  glaubt.  33on  ber 
erftern  loicbcrholt  mihhanbclt,  ruft  bie  anberc:  „ßu  $ülfe,  ihr 
bentfehen  3Jiitbürger ! iöefd)ühet  bie  iintcrbrüdte  greil)eit!  Sä^agt 
cö  feiner,  mir  bei^uftehen?  $^ft- fein  wahrhaft  greicr  ba?  Äeincr, 
ber  nach  Xugcnb  ftrebt,  9ied)t  unb  53illigfcit  liebt,  ben  Xrng 
habt,  ben  grcDclDerabfd)ent?  3)^it  (hinein  Sßortc:  ift  fein  äd)ter 
i)eutfcher  ba?''  ®ad  ift  ba^  0tid)tüort  für  §iitteirö  ?luftrctcn, 
ber  fid)  fchon  neben  bcm  Xitelbilbe  beiJ  !iöüd)leinö  alö  ben  üßer* 


878 


II.  $u(^.  6.  Kapitel. 


fcc^tcr  bcr  bcutfd)cii  grei^cit  kj\cid)iict  f)Ottc.  „®icfcr 
faßt  er  ((ilcid)fani  nod)  in  bcr  (louliffc),  „bon  luem  er  immer 
fommen  moej,  gc^t  mid)  au.  miß  fd)aucn,  mn§  cö  braunen 
gibt.  SBa^r^aftig,  um  bic  grci^cit  Rauheit  c^  fic^,  fo  biel  id) 
fef)c.  muß  id)  eilig  ßiuauö.  2Bqö  gibt  cö  ßier?  mer  ift  ba? 
iDcr  ruft?"  — ,,^ic  gi^ci^eit",  autmortet  biefc,  „bic  greißeit  mirb 
uutcrbrürft,  Jütten.  fclbft  bin  c§,  id^  rufe.  2)icfc  bort  ift 
cö,  bic  mic^  uuterbrüdt,  bcö  jcßutcu  2eo  ®uUc."  3e^t  befommt 
cö  bic  Satte  mit  bem  bcißblütigeu  fftitter  ju  t^uu.  intern 
uid^t  geringen  ©eßreefeu  nennt  er  fic^  ben  Suttentöbter,  ber,  menn 
and)  fein  ßutfjcrancr,  bod)  gegen  bic  Sutten  unb  gegen  ^om 
überhaupt  noeß  fcinbfcligcr  afg  fclbft  Sutßcv  geftimmt  fei.  ®r 
tbirft  fid)  ibrem  Sorbringen  in  ben  2Bcg,  unb  berfießt  fidb  ju 
feinem  löblid)en  SGßcrtc  bcS  Seiftanbeö  aller  guten  3)cutfcben,  bor 
allen  g^an^enö  bon  0irfingen,  ber  längft  ber  greibeit  Xempcl 
unb  ^Itar  gebaut  l)abc.  ^ie  Sülle  bcrl)öbnt  er  alö  eine  leere 
Slafc  (bulla),  bic  lcid)t  ^u  ^erftören  fei.  9)iit  niebten  fei  fic 
leer,  crmicbcrt  jene,  bielmebr  bott  bon  grömmigfeit,  ©cmalt, 
^errfebaft,  @b^c  unb  @öttlid)fcit.  — 3u,  berfept  §uttcn,  bon 
5lbcrglaubcn,  @ei^ , ^dcbinntl)  unb  eitler  @b^<^  öott  unb 
aufgeblafen,  ober  leer  an  mabrer  fRecbtfd)offcnbcit.  — ©ic  fommc 
au^  bem  meltberrfdjcnben  fRom,  rübmt  fid)  bie  Sülle:  — mo, 
fäl)rt  bie  beutfd)c  g^^ibeit  fort,  ÜJkulcfel  tl)eurcr  alö  ^ferbe,  bie 
ttJ^änncr  feine  Sttiönncr,  bic  SRcnfcbcn  @öttcr,  (SJöttcr  ober  feine 
borbanben  feien;  mo  baö  Söfc  gut,  baö  &utc  böfe  b^*6^f 
man  bureb  ©d)lcd)tigfcit  ficb  mobl  berbient  mache,  bic  äRcnfcben 
bem  @clbc  bienen,  bic  Xreue  bcrbannt,  bic  grömmigfeit  bcrtilgt, 
alle  fRcblicbfcit  auögerottct  fei.  — Unb  er  im  ©cgentbcil , er« 
micbert  Jütten,  fomme  bon  ber  ©bernburg,  bcr  ;^erbergc  bcr 
©crccbtigfcit,  mo  Sferbe  unb  S53affcn  im  Söcrtbc,  gaulbeit  unb 
geigbeit  in  Seraebtung  ftel)cn,  mo  bic  ttRönncr  rechte  ttJiönncr 
feien,  ®ut  unb  Söö  jebeö  für  ba§  genommen  merbe,  maö  cö  fei, 
(SJottcöfurcbt  unb  SRenfcbcnlicbc , 9?ed)tfcbaffcnbeit  unb  Xreue 
berrfd)en,  mäbrcnb  ^abfuebt,  anbere  )lJaftcr  ocr^ 

bannt  feien. 

®er  Sülle  l)tit  @cf  ben  SBeg  gemiefen,  fid)  aber  jept  in 
eigenen  ÖJcfcbäften  abfeitö  Üftban;  ein  bummer,  ungebilbeter 
aJienfeb,  mic  Jütten  il)u  nennt,  boeb  ju  biefem  ÖJefeböfte  oott^ 


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^ie  ^ullc  ober  brr  ^uflrntöbter. 


379 


fommen  geeignet,  ^ucil  er  fd)Icd)t  ift  iiub  mib  ftctö  bei  ber 
$anb,  tocmi  cö  ettuaö  iööfciS  unternehmen  gilt.  S33aö  bic 
iöuüc  gegen  ßutt)er  fagt , ginge  if)r  bei  Jütten  allenfall‘5  nod) 
^in;  aber  bag  fic  bie  beutfd)e  greibeit  it)re  ©flaüin  511  be^ 
banbcln  äRiene  madjt,  trägt  i^r  ©d)läge  non  i()m  ein.  9lun 
rnft  fie  aße  frommen  ®entfd)en,  bie  Sdjaaren  ber  Sßiöndje,  bic 
gottCiSfürcbtigcn  SEöciblein,  bie  (Surtifanen  jum  üöeiftanb  auf,  oers 
beifet  bemienigen,  ber  ben  §utten  ermürgen  mürbe,  ^frünben 
unb  Slbtag  nach  ^erjenötuft:  ber  gräiilidjfte  Serbredier  fönne 
hier  SSergebung  aller  oergangenen  nnb  fünftigen  ©ünben  ucr^ 
bienen;  bic  ©aebfen,  menn  fie  bie  gute  3:b^^l  üoübringen,  bürfen 
fnnftig  an  gafttagen  33uttcr  unb  @ier  effen  unb  ficb  be^  5^ag§ 
5meimal  in  33ier  betrinfen,  bie  ^olcn  immerfort  fteblen  u.  bgl.  m. 
SBirflid)  fommen  fofort  ber  ÖuIIc  bie  ßurtifanen,  bem  Flitter 
nnb  ber  beutfeben  greibeit  aber  ^^n  ©idingen  mit  ben 

©einigen  ^u  |)ülfc,  oor  benen  bic  erftern  bic  ergreifen. 

Äueb  Äaifcr  Äarl  unb  bic  jü^ften  ftcHen  fid)  ein,  an  mcld)e  nun 
Jütten  nnb  ©idingen  IRcbcn  böHcHf  i»  benen  fie  bicfelbcn  ;\ur 
^Ibmcrfung  bcö  römifeben  Soebeö  aufforbern.  SBaö  bic  greibeit 
oorbergefagt  b^ttc,  Jütten  braud)c  ficb  an  ber  53nfle  nicht  i^u 
üergreifen,  fic  merbe  halb  Oon  felbcr  blauen,  gefebiebt  cnbliib: 
fic  pla^t,  nnb  alö  ibr  Inhalt  fommen  (nebft  mepbitifebem  Öle* 
ftanfe,  gegen  mcld)cn  bic  är5tlid)en  greunbe,  ©tromer  u.  f.  m., 
®ermabrungömittcl  an  bic  ^anb  geben)  Slblag,  llbcrglanbc,  @br* 
geij,  ®abfud)t,  öcucbclci,  |)intcrlift,  2J^eincib,  SBoUuft  u.  f.  f., 
fnrj  ein  folcbcr  ^anfe  oon  Gräueln  unb  Saftern  i\um  55orfd)ein, 
baß  fic  notbmenbig  baoon  berften  mubte.  Um  frei  ^u  merben, 
rätb  fofort  ^ntten  ben  S)eutfcbcn,  äße  Surtifanen,  bic  fo  eifrig 
für  biefe  93nßc  geftritten  baben,  üon  ®runb  auä  311  oertilgcn; 
ber  geplagten  ©ußc  aber  fc|t  er  bic  (^rabfebrift : 

Schuft  bte  OSuIIe  Iwflt  ^icr,  bie  oerweflne,  bcS  ^lujcifc^en  8fo; 

2öq8  fie  Änbern  gewollt,  gab  fie  fi^  jetber:  ben  iob. 

2)ic  beiben  mittlcrn  @cfpräd)c  ber  neuen  ©ammlnng,  ber 
erftc  unb  gmeite  Sßarncr  betitelt,  Unter* 

rebner,  inbem  ficb  in  bem  erften  ßutber,  im  gmeiten  5rang  oon 
©idingen  mit  einem  marnenben  iöcfannten  untcrbaltcn.  33cibc 
finb  infofern  ÖJegenftüde,  aU  ficb  ^cr  erfte  SBarncr  Oon  Sutber 
nicht,  mol)l  aber  ber  gmeite  oon  ©idingen  nmftimmen,  b.  b- 


380 


II.  ^u4).  G.  Kapitel. 


bie  ©ad)c  ber  fRcforinatiou  (^eunniicn  lägt,  üöcibc  @cfprärf)c  finb 
minber  brafti(d),  al^  bib^  uornnt^cbenbe  inib  biv^  nndjfolgcnbc; 
enthalten  uiclmcl)r  in  rid)ii]cr  9^cbe  mib  ©cflcnrobc  eine 
cinanbcvfc6im(i  bei*  fünfte,  uicld)c  in  jenen  Xai^eii  bie  (Scmütl}cr 
immer  megr  trennen  anfiii(^cn. 

Sm  erften  non  beiben  tritt  ein  9J^inn,  ber  bi‘^^l)cr  iiiit()cr'^^ 
greiiub  unb  ^lnl)ün(^er  rt^-'^uefen,  mie  fid)  im  5^erlauf  ergibt,  ein 
l)öl)erer  (^ciftlid)er,  ben  fReformator  an,  um  il)m  erflären, 
bag  unb  marum  er  mit  mand)en  anbern  fid)  non  i()in  lo‘o)^nfaflen 
entfd)lüffen  fei.  kleben  ber  5*^ird)t  uor  bem  päpftlid)en  iöannc 
nämlid)  fei  e^  ber  Ueberbrng  an  iintger’^S  £el)re,  bie  ignen  an* 
fäiifllid)  , ungefaßt  gäbe,  ign  nnb  anberc  ba^^u  bemecie.  Un* 
mößlkg  fönne  e«^  ignen  (gefallen,  ma^  fid)  megr  nnb  megr  ald 
feine  ^Hbfid)t  gerauvjftelle,  bag  er  bie  .Stird)e  non  igrem  ^ei^eiu 
märtii^en  (Mlan.^e  ,^n  ber  ^Hrmfelic^feit  nnb  bem  Sd)mng  igrer 
^Infän^e  ;^urnrffngren  moüe.  — Wegentgeil,  enuiebert  üntger, 
fnd)e  er  bie  Äiird)e  nun  bem  0d)mii|5c  ber  yj^enfd)enfagnngcn  nnb 
ber  ^'enueltlkgung  ,yi  reinigen  nnb  igrem  nrfprnnglid)en  (^lan^e 
^nrncf.yigeben,  inbem  er  C£grifti  (%bote,  bie  göttlid)e  SBagrgeit, 
^nr  alleinigen  9ticgtfd)nnr  bevS  I^eben^  mad)e.  — Vlber  ber  Slöagrs 
geit,  meint  ber  Söarner,  muffe  bod)  ber  ^$apft,  aU  ^Jtad)folger 
^^ietri  nnb  0telluertreter  (Sgrifti,  näger  ftegen  al^  £ntgcr,  ber 
fid)  üiigftlid)  an  bai?  8d)riftmort  anflammere,  mögrenb  jener  mit 
(^grifto  fü  @in^o  fei,  bag  er  feftfejjen  fönne,  er  molle.  — 
.§ier  greift  iintger  erft  bie  Dürgeblid)e  Uebergabe  ber  ©eglüffeU 
gemalt  an  $etrio5,  bann  bie  ^Jkid)folge  beö  ^apfte^3  in  berfelben 
bnrd)  bie  beiben  Säge  an,  bag,  erftlicg,  6griftio5  bie  ©d)lüffeU 
gemalt^  nid)t  bem  ^etrn^  allein,  fonbern  allen  9(pofteln , über* 
tragen  gäbe;  unb  .^meiteiK^  menn  and),  fo  bemeife  bieg  nid)t‘^  für 
ben  ^apft.  ®em  ^4^etrn^,  überganpt  ben  ^^Ipofteln  nacgfolgen, 
geige  igr  Seben  nad)agmen;  ba^5  fei  aber  nid)t  ein  Seben  in 
3^eid)tgnm  unb  .^errfd)aft,  fonbern  ber  ^rebigt  nnb  ^ienftleiftnng 
gemefen;  igre  'Jkugfolge  mitgin  fei  eine  iiaft,  eine  Allheit,  bie 
einer  auf  fid)  negme,  nid)t  eine  (ägre,  ober  ein  !syorrcd)t,  beffen 
er  ^n  geniegen  gätte.  3n  jenem  ein.yg  magren  Sinne  aber  fei 
bie  ^Jtad)folge  ^.ßetri  nnb  ber  ^Kpoftel  nid)t  an  9tom  gebnnben, 
fonbern  allcntgalben,  mo  apoftolifd)c  Xngenb  geübt  merbe,  imr* 
ganben;  im  ÖJcgentgeil  niemanb  meiter  oon  bcrfelbcn  entfernt 


2Borner  I. 


881 


al^  ein  ®ifd)of,  ttjcld}cr,  tüic  ber  römi)d)c,  in  ^rnnf  unb  ^urpnr 
(jcrrlic^  unb  in  gveuben  iebe,  bon  33ctbaffnctcn  umgeben  fei, 
Kriege  fü()re  unb  ßänber  fidj  §u  untenuerfen  trndjte.  — $ier 
mac^t  ber  2J2af)ner  ben  Unterfdjieb  ^mifdjen  ber  anfnnglid)en  uns 
boHfomnienen  unb  ber  jegigen  triumpijirenben  Äirc^e  geltcnb,  in 
njeld)cr  aüeö  glän,^cnb  unb  f)errlid)  fein  müffe.  ^^Uein  ßutljer 
t)äit  i[)m  entgegen,  bag  bie  djriftlic^e  6tird)c  it)ren  mefentlidjen 
ö^runbjügen  imd)  §u  allen  3citcn  nur  @inc  fein  fönnc : menn  Un* 
redjtleiben  ben  ^pofteln  qI^  ©ieg  gegolten  Ijobe,  fo  fei  barauS 
ab5une^inen,  in  il)rein  (Sinne  Xriumpl)ircn  Ijeiße.  ®ie  ^flic^t 
eiltet  djriftlidjcn  ^ifdjof^S  fei  ^u  allen  3cdcn,  feine  ^eerbe  311 
meiben,  biircl)  ßel)re,  ^eifpiel,  Oiebet  unb  üöorforge.  2lber  2eo  X, 
(oon  beffen  fprioatlcben  er  aii^  Sd)onung  fd)n)cigcn*molle)  prebige 
gar  nidjt,  unb  ftatt  Seelen  3U  erretten,  l)abe  er  beren  fcf)on  oiele, 
t^eilo  burd)  feine  Älriegc,  tljcilö  biirdj  bie  Xaufdjungen  beö  ?lbs 
lagljanbel^,  uerberbt.  (Sine  fo  fdjinu^igc  iträmerei,  ein  fo  fc^änbs 
lidjer  53etrng  alf§  biefer  follte  bem  Söarner  boc^  bie  *!?lugen  öffnen; 
ma^  an  ben  'Nullen  fei,  barüber  fönnte  il)n  fd)on  ber  ÜJame 

beleljren;  baö  gan^e  piipftlidjc  ^Jiedjt,  ab3  eine  Sammlung  oon 

f)errfd}s  unb  pabfüdjtigen  ä)^'nfd)cnfapungen,  follte  oon  allen 
djriftlid)en  gürften  unb  53ölfern  oerbranut  unb  abgefdjafft  merben. 

2)ergleid)ca  gefäl)rlid)e  fRcbcn  luill  ber  SSJarner  nid)t  länger 
anljören;  er  bleibt  babei,  bafi  auf  Seiten  beö  ^apfteö  unb  ber 
iüiel)rl)eit  bie  größere  Sidjerßeit  fei;  bie  äußere  ^rad)t  feine^^ 
Stelloertreteri^>  uub  feiner  Wiener  finbet  er  föi^  (Sßriftum  eßreiu 

^ooll;  baß  Sutßer  oon  ben  Sdjeiifungen  an  bie  Ätircße  abmaßne 

unb  bie  (iJeiftlid)feit  arm  madjen  loolle,  ßat  feinen  iöeifall  gar 
nid)t.  5)nbei  finbet  er  auf  päpftlid)er  Seite  bie  gorberungen  an 
ben  iUienfd)en  erträglidjer  unb  minber  abioeidjenb  00m  geioößus 
lid)en  2eben.  Ü)^in  bürfe  fiel)  moßler  fein  laffen;  fd)ioerere 
(Gebote  erleidjtere  ber  Cbevßirte,  ober  laffe  fie  looßl  and)  ganj 
nad);  gelnfte  einen,  etioa^  Sdjledjte^  311  tl)un,  fo  madjc  ber 
milbe  ^ater.  baß  e^^  erlaubt  fei:  ioa‘5  oon  2utl)er,  fept  ber  Söars 
ner  l)iu3U,  niemab^  3U  erhalten  fein  mürbe.  — greilid)  nic^t,  ers 
micbert  2utl)cr,  ba  er  nid)t  geben  fönnc,  ma^S  er  nid)t  ßabe  unb 
nid)t  geben  mödjte,  felbft  menn  er  e‘3  fönnte,  meil  er  nlö  redjt* 
fdjaffener  aj^ann  eiä  nid)t  geben  bürfte:  uämlid)  (Srlaubniß  311 
fünbigen.  ,^ier  ftellt  fid)  ber  (%genfa^  beiber  Stanbpunfte  redjt 


382 


II.  6.  ftapitel. 


^crau§.  ^cr  SBdrncr  beru^if^t  fi(^  bet  ber  päpftlic^cn  (grlmibniß, 

!0öfcö  t^un:  tücnn  bariii  eine  ©c^ulb  fei,  fo  falle  fie  bem 
Zapfte,  nid)t  i^m,  juv  Saft;  er  üerläfet  fic^  barauf,  bag  beim 
iüiiflften  ^ric^te  ber  $apft  für  i^n  einfte^eii,  mit  einem  einzigen 
Söorte  alle  0ünbcn  ber  ©läubiflcn  au^löfc^en  merbe.  S^iac^  Sutl)cr 
batjeflcn  (fo  mie  Jütten  feine  Sef)re  noc^  rationeller,  al^  fic  gc= 
meint  mar,  fafetc)  fann  feiner  auf  frembe  S^erantmortung  leben, 
barf  nid^t  frembem  Urtl)eile,  fonbern  nur  bem  eigenen  ©emiffen 
im  §anbeln  folgen,  ba  jeber  für  fic^  felbft  ein^^uftc^en  ^at. 

Snnerlic^  fcl)eint  ber  SBanier  bie  ^o^l^eit  feinet  ©tanb* 
punfteS  unb  ba^  fRid^tige  in  Sut^er’ö  ^luffteUungen  mol)l  ju 
füllen;  aber  äußere  ^ücffic^tcn  galten  i^n  feft.  i)ie  Schmäle- 
rung ber  gciftlichen  $frünben,  mie  Sut^er  fic  beabfichtigt,  mürbe 
auch  ihit  uin  feine  ^ferbe  unb  2)icnerfchaft  bringen;  mogegen  er 
feine  Slnhänglichfcit  an  ben  päpftlichen  Stuhl  halb  mit  bem  6ar* 
binalßl}utc  belohnt  ju  fehen  hofft.  So  fcljeibct  er  oon  Suther 
mit  ber  öerfichcrung  fortbouernber  pcrfönlicher  greunbfehoft, 
aber  mit  Soöfagung  Don  feinen  SWeinungen ; mährenb  biefer,  noch= 

• bem  er  ihn  oergebenö  ouf  beffere  SGöegc  ju  bringen  oerfucht  l)olf 
ihn  aufridhtig  bebauert  unb  ftch  anfdhicft,  ftatt  biefer  einen  uer^* 
lorenen  Seele  alöbalb  jmei  ober  brei  anbere  für 
geminnen. 

jmeite  ©efpräch  gleichen  Xitelö  fcheint  unmittclbor  uor 
berßueignung  bcö  ganzen  iöüchleinö,  juSlnfang  be^Sohi^cg  1521, 
gefchricben  ju  fein,  ba  c^  bereite  auf  ben  (mormfer)  Sflcich^tag 
SBejug  nimmt,  tiefer  mürbe  jmar  erft  am  28.  3anuar  förmlich 
eröffnet;  aber  ber  Äaifer  mar  fchon  im  2)eccmbcr  tnSßormö,  unb 
nach  unb  nach  fonben  ftch  bie  dürften  ein.  2luf  bie  Übeln  9>la^5 
reben,  mclchc  in  biefer  gürftenüerfammlung  über  ihn  ergehen, 
mirb  nun  granj  oon  Siefingen  burch  einen  jener  beforgten  fjrcunbc 
aufmerffam  gemalt,  Don  benen  Jütten  j^u  ®nbc  beö  oorigen  3ah* 
re^  an  Suther  gcfchrieben  hotte,  mie  fic  alleö  Oerfuchen,  5ranj 
üon  ber  Sache  ber  IRcformation  abmenbig  ju  madhen.  heiße 
bort,  er  fei  ein  2lnhänger  Suther'^  unb  enthalte  ben  J^utten  bei  ^ 

fich,  einen  SJicnfchen,  ber  einft  noch  Urfachc  üon  großem  Unheil 
merben  merbe;  überbieß  höbe  er  fich  üorgenommen,  bie  ^foffen 
unb  ^öifchöfe  jur  Orbnung  511  bringen,  ohne  S(hcu  üor  Sco'jS  iöulic 
unb  ben  si^erbotcit  fo  üicler  fnlhern  ^äpfte.  — ®a^  fei  mal)r,  ' 


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SBomcr  II. 


383 


crtpicbcrt  ©icftngcn,  aber  fein  ©ruiib,  übel  üon  ifjm  ju  reben. 
5)cr  fc^mu^igen  ^faffenberrfc^aft  SBiberftanb  leiften,  fei  jc^t 
jebed  ®icbcnnannc«  ßut()ern  günftig  fein,  ber  ba^ 

©nangelium  prebige,  fein  ®erbrecbcn;  Jütten  aber  fei  für  feine 
©(griffen,  fo  öiel  man  miffe,  bii^  je|jt  U)eber  angeflagt  nod)  üer^ 
urt^eilt.  5(uf  bie  Bemerfung  be^  Söarner^,  bafe  Sutber  unb  feine 
Anhänger  al^  9icuerer  gelten,  entgegnet  Sran^,  bab  fic  melmel)r 
bad  cntftellte  5llte  mieberberäufteüen  trachten,  unb  barin  gemig  im 
@innc  (5l)rifti  Oanbeln.  ©o  follen  fie  eö  ©brifto  ju  beffern  über^ 
laffen,  meint  ber  anbere,  ober  (ba  i^m  S^anj  al^alb  einmirft, 
bag  ficb  @ott  ber  ffflenfc^en  al§  SBcrfjcuge  bebienen  pflege) 
boeb  ben  ^rieftern:  i^n  unb  §utten,  al§  Saien,  geben  geiftlicbe 
©aeben  nichts  an.  Allein,  gefept  felbft,  entgegnet  5ranj,  ju  folcber 
Xbeifung  beö  ßbriftenüolfö  in  ^rieftcr  unb  Saien  mären  jene 
berechtigt  gemefen,  fo  fei  boeb  flar,  bag  bie  Pfaffen  nicht  geneigt 
fein  roerben,  ipre  eigenen  Sepler,  bie  Sutber  ihnen  gezeigt,  j^u 
oerbeffern;  baber  berufe  @ott  Saien  j^ur  5lbbülfe,  unb  er  inöbe* 
fonbere  finbe  fiel)  oom  ÖJeiftc  getrieben,  bie  !öefcbirmung  ßutber'ö 
unb  ber  cbriftlicbcn  greibeit  auf  fi^  ;^u  nehmen.  211^  ber  SBarner 
feine  93efovgnift  oor  ben  Gefahren  äugert,  benen  ficb  ©iefingen 
bureb  ein  folcbeö  Unterfangen  auöfepe,  ermiebert  biefer,  er  höbe 
nur  bie  eine  ©nabe  ju  oerlieren,  menn  er  nichtig 

tbue.  ÜJ^ebr  unb  mehr  gebe  ihm  ber  traurige  3nftanb  ber  Äirdje 
ju^erjen  unb  bie  immer  fteigenben  Uebeltbaten  ber  ^riefterfebnft. 
Unb  nun  entrollt  er  in  langer  SRebc  baö  befannte  (5)emälbe  ber 
oerfebiebenen  äJ^ibbräuebe,  melcbe  ooUftünbig  b^^n, johlen  feine 
©pracbe  binreicbe,  unb  in  ©ej^ug  auf  melcbe  bie  9>iacbmelt  ben 
©efebiebtf^reibern  biefer  ben  ©lauben  oerfagen  merbe.  öc- 
reitd  ift  ber  Söarner  baran,  umgeftimmt  ju  merben : boeb  bnlt  er 
3rran5  noch  bie  gemeine  fRcbc  entgegen,  bafe  feiner  je  ein  glücf» 
liebet  önbe  genommen  habe,  ber  bem  $riefterftanb  entgegen  ge- 
mefen fei. 

5)ocb,  ermiebert  granj  — unb  b*c^  eröffnet  ficb  nnö  ein 
merfmürbiger  23lid  in  ^utten'i^  unb  mobl  aud^  ©icfingen'ö  ®nt* 
mürfe:  — ber  23öbme  QUfa.  „$at  er  nicht  ben  Sffubm  bildet 
ficb  gelaffen,  fein  ®atcrlanb  Don  ber  3^ingbcn:fcbaft  befreit,  au^ 
gan^  üBöbmeu  bie  nicbtdmürbigen  ^enfeben,  bie  faulen  Pfaffen 
unb  unnüpen  a)iöncbe,  oertrieben,  ipre  ©fiter  tpeiU  ben  ®rbeu 


384 


II.  6.  ftoliitel. 


bcrcr,  bic  fic  flcftiftet,  t()cilö  bcm  aüflcmeinen  33cftcn  jurücfticftcllt, 
bcn  römifc^cii  ©incjriffcn  unb  bcu  Sfläubcrcicn  bcr  köpfte  baö 
ßonb  ucrfc^lüffen,  bcn  clcnbcn  Untcrflanq  bc‘3  ()eüi(^cn  SWanncö 
§u6  mutt)üon  gerächt,  unb  in  alle  bcm  feine  iöente  gefne^t,  fid) 
felbft  nidjt  bereichert  511  halben?  Unb  bcnnoch  er,  ohne  eine 
Unterbred^ung  feinet  ©lücf^laufeö,  geliebt  unb  oermifet  oon  feinen 
iianböleuten , bie  er  noch  oor  feinem  Xobe  mit  heiU^nien  . 
Ermahnungen  ücrfehcn,  fein  ßeben  befchloffcn."  5lld  ^ßerbrechen, 
meint  0idingen,  feien  ßiöfa'd  SEhaten  nur  Oon  feinen  Jeioben, 
ober  oon  folgen  ocrfdjrien,  melche  bic  ©cfchidjte  nicht  fennen; 
ma$  er  gethan,  fei  recht  unb  für  Böhmen  nü^lid)  geiocfcn.  — 
®u  fcheinft  mir,  bemerft  ber  Söarner  borauf,  nid)t  übel  Suft  ju 
haben,  ^h^ilr  ^i^enn  cö  angingc,  auch  hier  nach^uahmen?  — 
Er  fei  nicht  ot)nc£uft  ba^ii,  befennt  gronj,  oorauogcfcht,  bafe  bie 
^rieftcrfd)aft  aud)  ferner  auf  Ermahnungen  nichts  geben  merbc : 
in  biefem  gallc  müffc  man  ÖJctoalt  gegen  fie  gebrauchen. 

'üöcreitö  burd)  5ranj  überzeugt,  erinnert  ber  SSarner  ihn 
nur  nod)  an  bie  cntgcgengefejjte  ©efinnung  be^  ^l^aifcr^^,  mcldjer 
bie  Slnhängcr  Siither'ö  bebroht  unb  ocrfprochen  höl>e.  ba^§lnfel)en 
bc!§  römifchen  0tul)t^  mit  3)aranfehung  feiner  ganzen  9J?ad)t  aufs 
recht  erhalten  511  luollen;  bem  Äaifer  aber  fei  er  hoch  EJehorfam 
fdjulbig.  — Allein  biefc  9^ücfficht,  entgegnet  3ran^  mit  l)oh<^^' 
J^reimnthe,  loerbc  il)n  am  allcnocnigften  oon  feinem  Vorhaben 
,^urücfl)alten.  VII0  feine  ^flidjt  erfenne  er,  bemÄ'aifer  ^u  rathen 
unb  für  il)n  ,^u  tl)un,  nid)t,  maö  biefem  für  bcn  ?lugcnblicf  gcs 
fällig,  fonbern  loa^^  ihm  für  bic  2)aucr  nü^li^  fei.  ©0  lange 
aU  möglich  loerbe  er  baljcr  babei  beharren,  ba^  nid)t  ;^u  thun, 
mo^u  frembc  Einflüftcrung  ben  Äaifcr  jeht  berebet  h^bc,  loooon 
er  aber  bic  OcrberbIid)ftcn  Solgcn  fieser  Ooraudfcl)e.  Eö  gebe 
gäüc,  100  Ungchorfam  bcr  beftc  EJehorfam  fei.  EJefeht,  Äarl 
/^ürntc  ihm  bcfeholb,  fo  getröfte  er  fich  beffen,  bag  bcrfclbc  c^  ihm 
fpäter  banfen  loerbc,  loenn  einmal  bie  3cit  bic  ?lnfd)lägc  berer 
loerbe  auc^Sidjt  gebracht  höben,  burd)  loeld)cÄ^arl  jept  511  feinem 
Unheil  fich  leiten  taffe.  3n  biefem  ©innc  gcbenle  er,  fogar  gegen 
bcö  Älaifcrö  SBillcn,  fo  lange  für  beffen  ^efteö  jn  forgen,  bi^  er 
fid)  geioaltfam  entfernt  fcl)en  loerbe.  ©icher  loürben  aud)  anbere 
bemfclbcn  in  gleichem  ©inne  rathen,  loenn  fic  nid)t  burd)  pöpft* 
lid)c^  (^elb  bcftod)cn  loären.  Äiarl  l)ötte  jept  fo  oiel  ^nbere«?^, 


ft 


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Sßarner  II. 


385 


S^ot^ujcnbigcred  t^un,  qIö  bcn  ?^faffcn  ein  0^r  ju  leiden: 

5.  ^bfteüimfl  bc^  Sftaubmefenö,  ber  fQufmännifdjcn  3Jionopole, 
53c}c^ränfuiifl  ber  ©ac^iualtcr,  Scrminbcrunci  ber  3al)l  ber  ßJeift' 
liefen  uiib  ber  äJiönc^e,  fatl^  bic  lefeteren  nic^t  beffer  gar  obge^ 
fc^afft  lüürben,  fiiifuögefe^c,  sperre  ber  ©elbau«)c^leppung  burd) 
bic  5uggcr  unb  nac^  Ülom.  SBäre  bic6  getiion,  bann  möchte  er 
fid)  um  jcnc3)inge,  bie  i^u  eigentlich  nichts  angchen,  bekümmern. 
Unb  auf  beö  Sßarncrö  ©imuurf,  bag  eö  hoch  tuohl  nicht  ganj 
uniiü^  jein  bürfte,  auf  bic  auö  Slnlag  ber  reformatorifchen  iöctues 
guug  cntjtanbcnen  Unruhen  ein  ^uge  ^u  hoben,  bamit  fic  nicht 
gefährlich  merben,  gibt  ^ranj  bie  treffenbe  ^ntmort:  mürben 

gar  feine  Unruhen  cntjtanbcn  fein,  menn  Äart  fich  nicht  in  bcn 
§anbcl  gcmifcht  hätte.  @r  hätte  ber  ©achc  ihren  Sauf  laffen, 
unb  nicht  burch  fein  ®aän)ifd)entrctcn  ben  ^arteicifer  reijen  füllen. 
2)anu  mürbe  bic  burd)  Suther  in  ^eutfchlanb  fich  ücrbreitenbc 
©rfenntnig  ber  cüangelifchen  Sehre  in  Äurjem  üon  fclbft  baö 
beutfehe  Äirchenmefeii  uingcftaltet,  ber  ^faffenl)crrfchaft  ein  (5nbc 
gemad)t,  unb  baiS  ^nfehen  bcö  S^aifer^  gehoben  hoben,  mclcher 
nun  in  feltfamcr  iöcrblcnbung  gegen  fein  eigene^  Sntereffe  bem 
beiJ  ^opftcö  fich  bienftbar  mache. 

ßunächft  hot  nun  5^0115  im  'Sinne,  Suther  ju  fchühen. 
SSenn  ihm  bal)cr  ber  Ätaifer  etmad  ©emaltfamcd  gegen  bcnfclben 
{^umuthen  mirb,  fo  ift  fein  33orfah,  fich  erft  möglichft  ^u  fträuben, 
bann  im  iJiüthfalie  offen  bcn  ©chorfam  ^u  oermeigern.  9läd)ftend 
mirb  er  bcn  fchlechtcn  SHathgebern  bci^  Äaiferö  bie  3rcunbfd)aft  auf* 
fagen,  juvor  jebod)  biefen  felbft  ermahnen,  fich  nicht  bem  ^^^apfte 
ju  untermerfen.  5)eutfd)lanb  brand)t  jc^t  einen  feharfen,  friege* 
rifchen,  nicht  einen  trögen  ^^faffentaifer.  Seo  juchte  erft  i^arl’ö 
2Öal)l  ju  hinbern,  bann  fehiefte  er  feine  ßreatnren  hinter  ihn,  bic 
ihn  je|t  ganj  bchcrrfchcn.  ^lllc«J  hängt  nun  baran,  bag  berÄaifcr 
,^u  befferer  (Sinficht  fomme,  feine  übclgcfinntcn  fRathgcbcr  entferne, 
bie  greunbfehaft  mit  bcn  ^Jfaffen  abbrcche,  ftatt  ihrer  bie  topferften 
unb  beftgefinnten  bcutfd)cn  a)iänner  an  fich  jiehe  unb  mit  biefen 
bic  ®crbeffcrung  ber  firchlid)en  3nfiänbc  unb  bic  Befreiung 
Xcutfd)lanb^  burd)führe.  Ob  er  fid)  ba^u  granjenö  bebiene, 
ober  cincö  anbern,  gilt  ienem  gleich,  menn  er  nur  tüchtige  ü)ian*  • 
ner  mäl)lt. 

Xl)ut  itarl  bieg  nicht,  bann  l)Ot  Sranj  im  Sinne,  ctma« 

VII.  25 


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386 


II.  39u^.  6.  ffopilcl. 


auf  feine  eigene  ^anb  tnaqen,  ma^  eö  au^fdjlaqcn  tnie 
toiö.  5)a,^u  ^at  er  an  glitten  einen  eifrigen  unb  i^eftiflcn  Ü)ial)s 
ner,  beffen  (^eift  bem  Unternel^men  ijen)acl)fen,  bem  jeber  ^er^ng 
unlciblt^  ift,  unb  ber  alleö  in  ^Beiuegnnci  fefet,  um  ben  Unter' 
Qanc^  jener  üerberOlic^en  ^ienfd)en  berbeijnfü^ren.  Unter  0eßenös 
münfe^en  beö  umgeftimmten  Sßarnerö  unb  beffen  ^anfe  für  bie 
35ele^rung  burdj  ©idingen  fdjliegt  ber  Dialog. 

5)a§  üierte  unb  le^te  ©efpriid)  ber  neuen  ©ammlung,  bie 
fRönber  betitelt,  mar  fdjon  uor  Stiljtcgfrift  angefangen,  unb  foüte 
bereite  mit  ben  altern  @cfpräd)en  erfd^einen  *).  SSoUenbet  femn 
eö  gleic^mo^l  erft  ju  5lnfang  1521  fein,  ba  e§,  mie  ber  jmeite 
SBarner,  auf  ben  mormfer  9fteid)0tag  löe^ief)ung  nimmt.  be« 
jeidjnet  einen  SBcnbepunft  in  ber  ©ntmidlung  non  ^utten'ö  Sbeen 
unb  (Sntmürfen,  ber  fir^  fd)o:i  feit  einiger  3cit  i^i  il)ni  öorbereitete. 
%gen  bie  Stabte  unb  bie  §auptquelle  iprer  33lütt)c,  ben  §anbel, 
batte  er,  mie  mir  fattfam  gefel)en  l)aben,  ben  SSibermiUen  feineö 
Stanbeö  mit  ber  3Ruttermild)  gefogen.  SRun  faben  ficb  ober  in 
jener  Qcii  gleid)ermagen  fRitter  nnb  Stabte  immer  mel)t  Don  ber 
fid)  erl)ebenben  gürftenmadjt  bebrängt.  mar  folglid)  ^l)or*  . 
beit,  menn  fie  ficb  länger  gegenfeitig  befel)beten,  ftatt  gegen  ben 
gemeinfamen  geinb  fid)  ju  Uerbinben.  äcigte  ficb,  ^md)ft 

ber  9^itterfd)aft,  nirgenbö  mehr  @mpfänglicl)feit  für  bie  Sbcen  ber 
iiRefürmation  alö  in  ben  freien  Stabten.  ®aö  ertannte  Jütten, 
unb  bon  ba  an  fuebte  er,  mit  iöeifcitefebung  ber  perfönlicben  ?lbs 
neigiing,  auf  eine  Serbinbung  jmifeben  9titterfd)aft  unb  Stabten 
jur  ^5)urd)fübrung  einer  politifd)en  unb  religiöfen  ^Reform  im 
iRcicbe  bin^^oiwir^cn.  3)ieg  ift,  menn  and)  nid)t  ber  gan^c  Snbalt, 
bücb  boig  ßiel  biefeö  ©efpräd)^,  baö  mit  einer  Stauferei  ^mifd)en 
einem  fRitter  unb  einem  Stäbter  ficb  eröffnet,  unb  mit  ber  gegen= 
feitigen  $anbreid)ung  beiber  5um  Öunbe  jmifeben  it)ren  Stän^ 
ben  fcbliegt. 

3n  einem  @cfpräd)c  über  ben  gegenmärtigen  Steid)ötag  (bief) 
ift  bie  5obel,  melcbc  ber  2)ialog  Uorauöfept)  mar  üon  ber  kenge- 
riing  bc!§  itaiferö  bie  Siebe  gemefen , baß  er  bem  Staubmefen  in 
^5)eutfd)lanb  ein  @nbe  mad)en,  ben  fianbfrieben  bctftellen  unb  mit 


1)  ^0(i^Töu§  an  ^ird^cimer,  8.  1520;  in  ^utten’§  Schrillen  I, 

6.  321. 


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Sie  92äuber. 


387 


©iltcm  ©d)Ia(^e  qUc  grcibcutcr  ücrnicl)tcn  tPoUc.  ‘Daüon  batte 
ein  Ätaufinauu,  ein  CEonuni^  ber  S^iflgev,  fiel)  böc^ticb  erbaut 
flc^eicit,  babei  ^uöfälle  auf  bie  fRittcr,  alö  bie  9täiiber  2)eutfcb= 
laubö,  fid)  erlaubt  uiib  qeäuSert,  er  tjoffe  ^u  erleben,  baß  ber 
qan,^e  9litterftanb  bertilcit  fei.  Unc^lüdlicbcnueife  lüar  Ulricb 
uon  Jütten  j^uflegen,  ber  bei  fold)cn  fReben  gegen  feinen  ©tanb, 
nod)  ba^u  »uon  einem  Äaiifmanne  geführt , alöbalb  geuer  fing. 
3m  Söürtmecbfel  mit  biefem,  unb  uon  t()ätlid)er  3Jiißl)anblung 
beffelben  faum  burd)  bie  SBürbc  be^  Drte^,  mo  fic  fid)  befinben, 
j\urücfgebalten,  tritt  nun  §utten  auf  bie  ©eene.  S)er  Äaufmann, 
auf  bie  Unuerlefelicbfeit  beö  Drteö  unb  ben  ©d)u|j  ber  reid)^' 
ftiibtifc^en  Obrigfeit  uertrauenb,  nennt  Jütten  ein  S^läuberc^cn 
unb  mieberl}ült,  ber  fRitterftanb  fei  eö,  ber  ^)eutfd)lanb  nic^t  ^ur 
fRu^e  fommen  laffe;  i^m,  unb  nur  i^m,  gel)ören  bie  Söcgelagerer 
an,  meld)e  bie  fReifenben  behelligen ; Jütten  felbft  aber  finbe  er 
um  jo  meniger  Urfad)e  uon  biefem  Urtl)eil  au^^unehmen,  je  mel)r 
fid)  berfelbc  uon  bem  ÖJeifte  feincö  ©tanbeö  befeelt  ^eige.  Jütten, 
and)  nod)  bureß  ben  ©pott  beö  Äaufmannö,  al^  magte  er  nicht, 
ihm  lüirtlid)  etmaö  ju  £eibe  jn  tl)un,  gereift,  ift  eben  im  53egriffe, 
biefe  äl^einung  l)C»nbgreiflid)  ju  miberlegcn;  beim,  rebet  er  feinen 
©egner  an,  „ich  bir  luahrhaftig,  fichcr  unb  gemiß,  luenn  bu 
nicht  anbere  ©aiten  aufjiehft  unb  befd)eibener  luirft,  fo  tuerbe  id)  bir 
erftlid)  hitr  beine  33aden  ^crbrefd)en  unb  baö  gai^e  @efid)t ; bann  bir 
bie  gähne  reihemueii^  einfd)lagen  mit  meinen  gänften ; hi^^^^öuf 
bir  bie  S53ampen  malten,  baß  bir  bie  fRippen  frachen;  bi«  bu 
enblid)  erfd)öpft,  h^lbtobt  hier  im  Klothe  liegen  bleibft,  unb  Pfeffer 
pfunbmei«  unb  ©afran  lothmei«  uon  hinten  fahren  läffeft". 

@iu  glücflid)e«  Ungefähr  führt  jept  3rai^  uon  ©iefingen 
herbei,  um  ben  burd)  Scibenfehaft  übermältigten  greunb  uon  einer 
unmürbigen  §anblung  jurücf5ul)alten.  3h*n  berichtet  Jütten  bie 
Seranlaffung  be«  ©treite«,  in«befonbere,  baß  ber  ilaufmann  and) 
©iefingen'«  Ahnten  bloße  fRüubereien  genannt  l)uije.  ältit  großem 
©inne  über  ba«  ^erfönlid)e  fnr|^  hinmeggel)enb,  beruft  fich©idins 
gen,  ben  iöegriffen  feine«  ©taube«  gemäß,  barauf,  baß  er,  mie 
®eutfd)lanb  unb  bie  S^tachbarlänber  miffen,  mie  e«  aud)  bereit« 
in  bie  (^efd)icht«büd)er  eingetragen  fei,  niemanb  befd)äbigt  h^be, 
ohne  ihm  uorl)er  gel)be  angefünbigt  ^u  h^ben.  2)icfe  iöefchöni* 
gung  berÜiäuberei  mill  berilaufmcfmi  nid)t  gelten  laffen,  ba  ben 


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888 


II.  8u4l-  6.  i^apifel. 


Sflittcrn  baö  fRcc^t  niefit  juftcfic,  für  fiefi,  o^nc  Öefieifi  ber  gürften, 
Ärieg  anjutünbiflcn.  Slbcr  ©idinflcn  treibt  ifin  mittelft  einer 
platonifirenbcn  ^ioleftif,  burd)  ©ntinicflunci  ber  S3e9riffe  Don 
^bel,  ingenb,  Xopferfeit,  511  bem  ©ingeftänbnifi,  bafi  auefi  ber 
blofie  S^titter  bie  33efugnifi  unb  ben  33eruf  fiabe,  baö  fRccfit  ini 
S^totfifalle  mit  SBaffengemalt  511  fd)ü^en;  mobei  freiliefi  tfieiU  ber 
lofe  mittclalterlidje  ©toatöüerbanb,  ber  ja  eben  bamcftö  einer  ge= 
fdjloffenern  ©infieit  meiefien  foUte,  tt)eiU  ba§  norau^gefc|t  ift, 
maö  in  ben  menigften  gälten  jutraf,  bafi  e^  bei  jenen  ritterlicfien 
©cfiilberfiebungen  mirllicfi  um  iöefcfiü^ung  beö  iRecfite^  ju  tfiun  fei. 

©ofort  aber  auf  baö  ©tiefimort  beö  gani^en  ©treite^  ein^ 
gefienb,  übernimmt  eö  ©idingen,  maö  Jütten  gleicfi  Slnfangö  bem 
Kaufmann  entgegengerufen  fiatte,  grünblid)  ;^u  jeigen:  bag  nänu 
lid)  meber  ade  bitter  fRäuber,  uoefi  ade  dtäuber  fRitter  feien. 
3)aö  erftere  mirb  furj  abgemad)t,  inbem  tljeilö  §utten  uon  fiefi 
betfieuert,  nie  jemanben  baö  ©einige  geraubt  ju  fiaben,  tfteil^^ 
©idingen  üerfiefiert,  bag  fold)e  9litter,  bie  fiefi  mirflid)  ©tragen* 
raub  /^u  ©cfiulben  fommen  laffen,  üon  ben  übrigen  ber  ©tanbeiS* 
efire  uerluftig  geaefitet  merben.  ®a)5  anberc  aber,  bag  niefit  ade 
dtöuber  bem  $Ritterftanbe  angefiören,  uielmefir  in  gemiffen  anbern 
©tänben  meit  mefirerc  unb  üerberblid)ere  fRöuber  fiefi  finben,  ift 
baö  eigentliefie  Xfiema  beö  ÖJefpröefiö.  5)abei  mirb,  roie  mir  fefien 
merben,  baö  Söort  9^äubcr  in  mciterem  ©inne  genommen;  boefi 
auefi  oon  ben  fRöubern  im  eigentlidjen  ©inne,  in  SBalb  unb  gelb, 
gefiören,  nad)  ©idingen')^  iöefiauptung,  bie  menigften  bem  Üiitter* 
ftanbe  an.  ^en  33emciö  maefit  er  fiefi  jiemliefi  leiefit;  er  fragt 
nömlid)  ben  Kaufmann,  ob  er  felbft  jemoli^  uon  einem  Stitter  bc* 
raubt  morben  fei?  unb  biefer  mng  geftefien,  bag, bieg  nie  bergad 
gemefen,  fonbern  er  fid)  immer  nur  bauor  gefürefitet  fiabe,  meil 
eö  adgemein  fieige,  bag  bicfRitter  baö  ju  tfiun  pflegen.  ©0  über* 
rumpelt,  bittet  ber  ocrblüfftc  Kaufmann  bie  fRitter  um  öer^eifiung, 
unb  nun  gibt  ©idingen  fiefi  baran,  fein  ^Xfiema  au^jufüfiren,  in* 
bem  er  oier  Slrten  oon  fRäubern  in  2)cutfefilanb  untevfd)eibet. 
Jütten  (ber  fiefi  mit  feiner  ficibenfcfiaftlicfiteit  in  biefem  ©efpräefie 
gan^  befonberö  trefflicfi  in  ©eene  gefegt  fiat)  ruft  ooreilenb:  3a, 
unb  bie  erfte  unb  oerbcrbliefifte  Slrt  finb  bie  Pfaffen  I Slber 
©idingen  ^\iefit  oor,  ftufenmeife  oon  ben  fleinern  unb  minber 


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’X'ie  ?Räut>cr. 


389 


fdjäblic^cn  ?(rtcii  ben  fd)limmcrn  auf^^uftcigcn  imb  mit  ber  ucr* 
bcrblic^ftcn  ,^u  fc^Iic^cn. 

1.  9Ili?  bic  unbcbciitcnbftcn  unb  orträglid)ftcn  iRäubcr  ftclit  ^ 

5rait5,  ,vi  bcö  5^aufmannä  nid^t  geringem  33efrembcn,  bie  eigent* 
lid)cn  Söcgclagcrer  bar.  feien  arme  Xeufet,  bie  meiftenö  bie 
9iotf)  treibe,  bie  fidj  üor  0cf)macl^  unb  fei^merer  ©träfe 
fürd)tcn  ^oben , unb  uor  benen  man  .fir^  leicht  i)ütcn  fönne. 
ßmar  meint  ber  Kaufmann,  ja,  bie  kleinen  ^enfe  man,  aber 
bie  ©rogen  unb  3lbelic^en  taffe  man  taufen:  unb  ©iefingen 
meig  if)m  nur  einige  Jälle,  mo  bod)  auc^  ebet  geborene  fRäuber 
beftraft  morben  feien,  entgegenju^ntten.  bO‘$  ©c^timmere 

ift,  nac^  ©iefingen^ä^afür^otten,  bag  eben  nur  auf  biefe  geringfte 
unb  b^itmtofe  ^rt  ber  fRäuberei  in  Xeutfcbtanb  ©träfe  gefegt  ift, 
mäbrenb  bie  brei  t)öt)crn  (Staffen  gau,^  offen  rauben,  unb  babei 
unangcfod)ten,  ja  in  (S^ren  bteiben.  §tt^  bic  erfte  biefer  böbem 
fRäuberctaffen,  mitbin  atö  bic  ^toeitc  oon  unten  b^nauf,  nennt 
granj,  ,^u  noch  größerer  Ueberrafd)ung  beä  guten  (Sommi^, 

2.  ^ic  J^aufteutc.  '^xiv  gan^  unnttbe,  ja  fd)abtid}c  SBaaren 
führen  fic  jäbriicb  eine  Unmaffc  (?5etbed  au§  ^eutfebtanb  fort, 
^ier  fommt  Jütten  auf  fein  atte§  ©tedenpferb  j^u  fi^en,  bic  $o= 
temif  gegen  Pfeffer,  3ngmer,  ©afran,  ©cibc,  gegen  Suyuö  unb 
SBcrfeincrung  überbaupt.  ^oeb  nicht  atle  ,^auftcute  (fährt 

fort,  benn  er  ift  auch  ferner  berfRebcnbc)  mirten  fo  febäbtieb;  am 
meiften  jene  reiebften,  bic,  in  ^anbctögcfctlfcbaftcn  ocreinigt, 
nopotc  auöübcn  „moruntcr",  fagt  er  bem  Sommiö  iny  ®efid)t, 
„beine  §erren,  bic  gugger,  bic  nid)tömürbigftcn  finb“.  Söenn  bict 
.^utten  feinen  5ran^  ficb  auf  baö  Urtbeit  atter  reebtfebaffenen 
iWänner  in  ®cutfd)tanb  berufen  tagt,  ob  man  nicht  bic  Sugger 
oor  aticn  auö  bem  ßanbe  jagen  fottte,  fo  ift  bieß  faum  eine  Ueber* 
treibung.  Üutber  fprid)t  oon  benfetben  nießt  anberd  alö  Jütten, 
unb  in  ben  öcfcbioerben  auf  ben  fRcicbötagcn  jener  3ot)i^c  febren 
bic  Ätagcn  über  ißr  Treiben  öftere  mieber.  .gatten  bic  5'uggcr 
bic  Ungnnft  ber  fReformfreunbe  iuöbefonbcrc  aud)  bureb  ibre^n* 
febtießung  an  ben  römifeben  .gof,  bei  beffeu  gciftlicber  ilrämcrci 
fic  at^  3^^i^^)<^”Wnbler  betbeiligt  maren,  ficb  j^uge^ogen,  fo  benubt 
.gutten  biefe  (^etegenbeit  ,^ug(cid),  um  auf  bie  Vorfahren  Sco'ö  X., 
atö  bie  itatienifeben  Sugger,  einen  ©treid)  511  führen.  Unb  fo  fel)r 
2tnfong3  Oerficbert  mar,  baß  nur  oon  einem  berÄaufteute 


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390 


II.  6.  Äapitcl. 


bic  9lcbc  feilt  füUe,  fo  -^eint  firf)  bod^  halb,  baß  baö  (jan^c  ^rincip 
bc^  .ganbclöftanbc^  — baö  ^raeßteu  nacl)  ©elbt^ciuiun  alö 
Älugßcit  unb  2ift  al^  ÜU^ittcl,  oerfeinerter  iieben^genuß  aU  ^rci^ 
— ber  rittcrlicß=antifcn  2)enfart  ^utten'^i  alö  ctroa^  Uucblcö  uiib 
Unfittlicße^  crfd)ien.  §icr  loagt  5tr)av  ber  bebvnngte  Ätaufmann, 
um  fid)  ettüo^  ßuft  ju  maeßen,  einen  SluöfaH.  §(nd)  bie  iRitter 
ßaben  ißre  5eß(er,  bemerft  er,  unb  nid)t  geringere  alö  bie  ®aiis 
belöleute.  ®efe^t,  biefe  feien  gemhmfücßtig  unb  nnreblicß,  fo 
feien  bie  ©tanbeöfeßler  be^  Slbelö  Unmiffenßeit  unb  §o^mntl). 
^)er  feinem  ©cßmelgerei  ber  einen  fteße  baö  roße  0aufen  ber 
anbern  gegenüber.  SDa  fieß  jeboeß  ßieburd)  bie  beiben  fRitter  nidjt 
irre  mad)en  Inffen,  fonbern  babei  bleiben,  baß,  principiell  betraeßtet, 
ißr  ©tanb,  feiner  ©roßmntß,  5(bßärtung  unb  ©infacßßeit  megen, 
ben  Sorjug  nerbiene,  fo  ift  e§  nid)t  jn  üertounbern,  baß  ber 
Äanfmann  baö  (SJefpräcß  üon  biefem  fünfte  oonoärt^  ^u  bringen 
fließt,  unb  fo  geßt  beim  auf  feine  Sßerantaffung  granjj  511  feiner 
3ten  ^Räuberclaffe,  ben  ©eßreibern  nnb  Surifteu,  über, 
.^ntten’ö  SGöibermitte  gegen  biefe  ift  nnö  fo  menig  ald  feine  Slb^ 
neigung  gegen  bie  itanfleute  neu,  unb  ßat  511m  äßcil  gleid)fallö 
in  ©tanbeöeiferfud)t  feinen  ^rnnb.  ^aß  bie  ^ui^iftcn  in 
rätßen  nnb  an  i^^^ßr  nnb  meßr  ben  5lbel  ^urüefs 

brängten ; baß  fie  maneßeö  @ut,  baö  ber  fRitter  @igen  511  be^ 
figen  glaubte,  alö  fürftlicßeö  ßeßen  in  §lnfprucß  naßmen;  baß 
Äaifer  ÜJkjimilian'ö  befted)lid}e  0cßreiber  reidj  geroorben  maren, 
lüäßrenb  eö  feinen  feeren  regelmäßig  an©olb  gefeßlt  ßatte,  wirb 
nnüer^eißlicß  gefnnben.  2)ie  gute  Qcit  ber  (^roßoäter  mirb  ^urüd* 
gemünfeßt,  al§  man  bei  unö  oon  biefen  ®octorlein  noeß  nid)tö 
gemußt  ßabe,  unb  nnoerßoßlen  mirb  an^gefproeßen , 2)entfcßlanb 
fei  beffer  baran  gemefen,  mie  noeß  ba^  fRed)t  in  ben  SBaffen  lag, 
ald  je^t,  ba  man  eö  in  ben  53ücßern  finße.  Slber  mit  @runb 
mirb  and)  über  bie  Serbreßungen  nnb  ®erfcßteppnngen,  baö  Sucß= 
ftaben*  nnb  gormenmefen  ber  9iecßt^geleßrten  gef  lagt  unb  babei 
abermals  bag  2ob  ber  ^Jlieberfacßfen  gefangen,  bie  fieß  oßne  fic 
^u  ßelfen  miffen.  granj  ßötte  nießtö  bagegen,  menn  an  einem 
2^age  alle  fRecßtöbücßer  oerbrannt  mürben,  unb  Ulrid)  möd)te 
beren  5luöleger  in  bie  platonifdje  fRepublif  ober  beö  Xßomoö 
SRoruö  Utopia  feßiefen  fönnen.  ®ocß 

4.  bie  oberfte  (klaffe  unter  benen,  meldje  ®cutfd)lanb  be* 


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!S)te  diöuber. 


391 


rauben,  nehmen  in  Sicfiuflcu’ö  ©intbeUung,  mic  fd}üu  ermähnt, 
bic  (^ciftlic^cn  du,  iucld)c  fclbft  lieber  iu  brei  5lrtcn  , verfallen: 
SSdt(jciftlid)c,  Orbcu!39dftlid)c  unb  bic  ^liicjdjöriöcu  bc^  vömi)djcu 
fein  SRäuber  an^utafteu  wagt,  baö  rauben  bic  Pfaffen, 
unb  waö  fic  d)cma(^  erbettelten,  ba«  nehmen  fic  jc^t  mit  ÖJemalt. 
'J)ic  beften  ©egcnbcu  ^cutfd)lanbö  ()abeu  fic  an  fid)  geriffen;  ben 
fRb<^in  nannte  Äaifer  griebrid)  III.  bic  ^faffengaffe;  and)  bic 
granfen  (o  ber  8ci^anbc !)  ftef)cn  gai^  unter  geiftlidjcm  iHcgimcnt. 
5)ic  Pfaffen  finb  in  il)rcr  3)ie^r^abl  nod)  nid^t^wurbiger  aU  bic 
Äauflcutc,  weil  fic  9?eid)tbum  unb  SBobücbcn,  mornaclj  fic  boc^ 
einzig  tradjtcn,  cigeutlid;  ücrad)tcn  füllten.  <Sie  leben  gan^  gegen 
bic  urfprnnglic^c  Öcftiimnung  il)rcö  ©taube».  SSou  ben  l)öljern 
(^eiftlidjcn,  bic  il)rc  ©teilen  in  ber  fRcgcl  burd)  @clb  erlangt 
l)aben,  finb  bie  meiften  ungcleljrt  unb  ungciftlidj,  unb  benfen  nid)t 
barau,  iljrc  ,*pccrben  ^u  meiben.  Xljut  einmal  einer  ibrer  Untere 
gebenen  ctmaö  für  bic  Erbauung  ber  (^emeiube,  wie  jept  Sutber 
unb  einzelne  feiner  3lnl)änger,  fu  werben  fie  üou  jenen  alö  Steuerer 
üerfülgt.  Äcin  bcutfdjcr  !iüifd)of  ift  je^t  du  ^rebiger;  bagegen 
gibt  ei?  üielc  treffliche  Säger  unb  iRrieger,  nur  benen  nicmanb» 
Erbgüter  fichcr  finb,  and)  auegelernte  SBoIlüftliiige  unter  il)iien. 
§ier  wirft  ber  Kaufmann  ein,  bie  ^eutfehen,  inöbefunberc  bic 
©täbte,  Wüllten  gern  bie  Pfaffen  muftern  unb  jum  Xl)cil  quö= 
treiben,  aber  ber  ^bcl  wiberfepe  fid),  weil  er  ®erwanbtc  baruntcr 
habe,  läßt  jebod)  gran^  nid)t  gelten.  Xic  Slbelid)en,  bic 
in  ben  Älcruö  ciiitrcteu,  werben  bem  ^Ibelftanbc  iu  ber  Siegel 
untreu,  unb  fallen  nicmanben  bcfd)wcrlichcr  aU  ihren  ^nücr^ 
wanbten.  SSiel  fofte  biefc  fd)on,  bi^  fic  einen  ber  Sh^^Ü'-’i^ 
eine  höhere  geiftlichc  ©teile  bringen,  unb  bann  wolle  ein  folchcr 
erft  nod)  mit  feinen  ölcfchwiftern  erben.  Sluch 
jeher  mehr  alö  anbere  ©taube  an  bie  Äirchc  ucrfd)wenbet  unb 
tl)ue  c^  noch,  i^um  größten  ©chaben  feiner  Äinber.  ®ie  gürften 
feien  e^  oielmehr,  wcld)c  bie  ^Jfaffen  fchühen,  weil  fic  für  ihre 
nachgebornen  ©öhnc  ober  'trüber  auf  iöifchoföftühle  Sagb  machen, 
oon  weld)en  fie  ben  uiebern  2lbcl  nächftenö  gan^  oerbrängt  haben 
werben,  ©ie  feien  CiJ,  bie  lieber  ihre  ©igcnmacht  oergrößert,  aU 
bem  §lUgcmcincn  geholfen  wiffen  wollen. 

^uf  bie  i^weite  Unterart  biefer  oberften  fRäubcrclaffe,  bie 
3Itönd)e,  üornchmlid)bie43cttclmönchc,beu  befoubern  (Segen ftaub  üou 


392 


II.  6.  I^apitct. 


^uttcn’ö  luic  bcnicrft,  !ommt  bicfcr  au$  ©clc^cnbcit 

bcr  O^rcnbdc^tc  ju  fprerfjcn,  U)cld)c,  luic  ind)t  minbcr  bic  ^J^rc= 
bigt,  fie  mciftcrüd)  olö  ©clbqucllc  au^^ubcutcn  ücrftcljcn.  Uiib 
bod^,  fällt  Jütten  fpottcnb  ein,  tuoUteft  bu  ben  f}ol5tü6igen  grau* 
5iöfancrn  ein  neueö  9^cft  bauen,  ipenn  ic^  eä  bir  nic^t  aui^gerebet 
^ötte.  ®en  Itaifer,  meint  Jütten,  follte  granj  über  ben  Urfprung 
ber  S5etteIorbeit  aufflären:  bag  fie  nämlid)  feinem  anbern 
3tpcde  geftiftet  feien,  q(ö  um  ben  köpften  gegen  bic  i^aifer  aU 
^ilij  ju  bienen.  Sftac^bem  noc^  non  intern  §affe  gegen  bic 
SBiffenfe^aft,  bic  i^nen  aber  auch  ben  Untergang  bringen  merbe, 
bie  9lebc  gemefen,  fagt  gran^  baö  ©rgebnig  in  ben  ©a|  j^ufam* 
men,  2)eutfc^lanb  fei  nic^t  ;\u  helfen,  menn  nicht  bic  (SJeiftlichen 
auf  eine  fcl)r  geringe  ßahl  jurüefgeführt,  ihr  @infommcn  gefchmö^ 
lert,  bic  3Jiönche  aber  ganj  abgcfc^afft  merben.  ®ie  ^rad)t 
an  @olb  unb  ©Über  füllte  man  au3  ben  Äirchen  entfernen,  im 
Äricg^fatl  cinfchmeljen  unb  §eere  baüon  unterhalten. 

SBic  cnblich  bieiRcbc  auf  ben  römifchen^of  fommt,  forbert 
gran;^  üon  §uttcn,  nun  foHc  er  feine  römifdjcn  Erfahrungen 
^um  öeften  geben,  tiefer  fpricht  alfo  ^uerft  üon  bem  ^apfte 
felbft,  feiner  angemagten  9Kad)t  unb  ungciftlid)cm  ficben;  bann 
üon  feinen  Wienern,  ben  Eurtifanen,  beren  er  fich  befonberö  jur 
^u^bcutung  ®cutfchlanbö  bebiene,  unb  bic  bal)cr  Jütten  noch 
mehr  h^ißt  filö  felbft  ben  $apft;  üon  ben  Segaten,  mclchc  bic 
thörichten  gürften  alö  ©pione  auf  unfern  fRcid)!§tagcn  bulbcn, 
gegen  mclchc  nun  aber  Jütten  ctmaä  auö^uführen  h^fft.  n)cnn 
grnn^  ihn  nicht  im  ©tiche  lägt,  tiefer  fagt  ihm  feinen  3iciftanb 
5U ; aber  hier  jeigt  fich  benn  auch,  tuorin  beibe  SJiänncr  noch 
nicht  einig  toaren.  Jütten  mollte  feine  3eit  Ocrlicrcn ; ©iefingen 
eine  günftige  Gelegenheit  abmarten.  iörächcn  fie  ^ur  Unjeit  toS, 
meint  er,  fo  fönnten  fie  gcrabc  ben  geinben  ^5)cntfch(anbS  gemon* 
neu  ©piel  machen,  ^aö  miß  and)  §uttcn  nicht  unb  bequemt  fich 
baher  jumSBarten,  menn  cö  mir  ni^t  gar  jn  lange  bauern  foü. 
5)aö  fürchtet  gran,^  nicht,  benn  ^cutfchlanb  fei  burd)  Jütten  unb 
Suther  am3  bem  ©chlafc  gemeeft,  fange  an,  ben  Xrug  ^\i  merfen, 
unb  merbc  ba§  fdjänblichc  Beben  jener  unnühen  Ü}Jcnfchen  nid)t 
lönger  ertragen  motten. 

„SBenn  aber  biefe  Qcit  fommen  mirb^',  bcfd^ließt  ©utten, 
„bann,  glaube  id),  müffen  mir  unö  bemühen,  bic  beften  ©täbte 


J^utten’§  f^rnnjcnS  ^iMiot^cf:  CFoncilia  2C.  303 

^)cutfc^la!tbö,  mit  ^cifeitcfcgmiß  frül)crer  ßcrmürfiiiffc  unb  5cinb= 
fcliflfcitcn,  in  unfern  33nnb  nuf5unct)mcn.  ®cnn  ^cmaltiq  fcl)c 
id)  fic  f^\xx  grci^cit  fic^  mifric^ten  unb  ber  frf)mä()iid)cn  Änedds 
fc^oft  fic^  fc^ämen  mic  fein  nnberer  <Stanb.  @ie  ^aben  aber 
Kräfte  nnb  @e(b  im  Ueberftiiß,  fo  baß,  menn  eg  ^um  Ärietje 
fommt,  mo;^u  eö  meincg  @roc^teng  fommen  mug,  fic  ben  9leru 
bajii  liefern  fönnen."  ^nmit  erflärt  ftc^  Sc^n^  einuerftanben 
unb  Uerfic^ert,  er  (}abe  fid)  lüntjft  norgenommen,  mit  ben  0täbten 
(gegen  bie  er  nid)t  menig  auf  bem  ©emiffen  botte)  ficb  augjus 
föbnen;  ber  5^aufmann  aber  glaubt  ju  miffen,  bag  bie  Stabte 
nic^tg  eifriger  münfd)en  alg  eine  folcbe  Bereinigung.  CiJegen  einen 
^faffenfrieg,  auf  ben  bie  ®ad)e  binauglaufen  merbe,  er  nid)tg 
ein^umenben;  uielmel)r  bittet  er  glitten,  im  *^ü^c 

^u  merben,  unb  ficb  nicht,  mie  einige  ben  Berbad)t  geäußert,  bureb 
33cfted)ung  abmenbig  machen  ,^u  laffen.  S^^it  biefem  Berbacbtc 
tl)ue  man  ihm  Unred)t,  erflärt  Jütten,  unb  Sidingen  fagt  gut 
für  ihn,  benn  er  fenne  ben  ganzen  9}?enfcben  unb  miffe,  in  metebe 
Gefahren  er  ficb  flcftür^t  um  ben  geinben  ßutbcr’g  unb 

ber  guten  Sache  Berberben  ju  bereiten.  3^*^  Schluffe  reicht 
Jütten  fomobl  alg  Sidingen  bem  Kaufmann  bie  §anb  mit  bem 
©unfebe,  bag  biefeg  Beifpiel  unter  beiben  Stänben  in  ben  mci« 
teften  Greifen  9^fa^abmung  finben  möge. 

3n  gleichem  Sinne  febrieb  |)utten  einige  ÜJ?onate  fpäter  an 
^irdbeimer  *),  unb  fo  lange  nod)  in  biefer  Bidjtung  ^u  mirfen 
mar,  b.  b-  fjiö  Sidingen’g  gall,  hörte  er  nicht  auf,  mit  SBort 
unb  Schrift  für  eine  Berbrübernng  /^mifeben  Slitterfebaft  unb 
Stäbten  tbätig  ^u  fein. 

SBöbrenb  biefeg  SBinterg  auf  ber  (Sbernbiirg  unterließ  |)utten 
nicht,  bie  Bibliotbef  feineg  „tvöftlid)cn  guten  greunbog  unb@nt= 
balterg“,  mie  unbebeutenb  fie  fein  mod}te,  ,yi  burd)muftern,  unb 
auch  hier  machte  er  einen  gunb,  meldjcr  it)m  ber  ^erauggabe 
mertb  ju  fein  febien.  Unter  anbern  alten  Büdjern  nämlich, 
granjen  „uießeiebt  oon  feinem  Bater  feligen  üerlaffen",  fanb  er 
eine  Seßrift  aug  ben  lebten  3citen  beg  bagler  CSoncilg,  üon  einem 
?lnbängcr  gelij  V.  gefebrieben,  ben  jeneg  (£oncil  ftatt  beg  oon 
ihm  abgefebten  @ugen  IV.  im  g.  1439  ^um  Rupfte  gemäblt  b^^ttc. 


1)  'Äm  l.  3Rai  1621.  5c(>ti|tcn  II,  S.  61. 


894 


II.  6. 


©ic  öcrfid)t  bie  9>loÜ)n)cnbiqfeit  bcr  Äird^cnücrfammlunflcu,  i^re 
Stellung  über  bem  Zapfte,  i^re  33cfugni6,  fid)  in  Orte  ju  Der* 
(cflen,  bie  ber  päpftlic^en  Obmac^t  nic^t  unterroorfeu  feien,  unb 
betänipft  bie  römifdjcn  9Jii6bräud)e  in  ^efefeung  nnb  S3elaftung 
ber  Äird)enftetten,  ineldjen  bag  basier  ßoncil  I)atte  ein  @nbe 
mad)en  mollcn.  33alb  nac^  biefem  gunbe  erl)iclt  .gutten  non  bem 
bambergifc^en  SSicar  Äonrab  eine  non  i^m  nerfagte  unb 

bem  fRitter  §anö  ©d)ott  gemibmete  Heine  Schrift,  inorin  bie 
mittenbergifd)e  Sef)re  (ßärtlin  I)ielt  fid)  eben  felbft  in  SSJittenberg 
auf)  alö  bie  alte  urc^riftlidje,  bie  ber  römifc^en  Ä'irc^e  alö  ein 
©einebe  menfd)Iic^er  S^leuerungen,  non  3Jiönd)en  unb  Uninerfitäten 
erfimben,  bargefteüt  mar.  ^eibe  0d)riften  lieg  nun  Jütten  mit 
einem  tur^ien  Sormort  an  „alle  ber  d)riftlid)engreigeitfiiebl)aber" 
unb  etlichen  S^eimen  auf  bem  2;itelblatte  jufammenbruefen*) : es 
follte  nid)tö  umfommen,  maS  im  Kampfe  gegen  fRom  irgenbmie 
als  SEBaffe  511  gebrauchen  mar. 


1)  doneiÜQ  wie  man  bic  b^Itcti  fol.  ®nb  non  t)crlc\jbwnö  0ci[tU(!()ct 
Icbenpjrunbcn  . . . ^rmannng  ba§  ein  ^eber  bcQ  bem  rechten  alten  d^riftl. 
fllauben  bleiben  . . joll,  bur^  Ijerc  Gunrot  3ärtÜn  in  7G  artidfcl  öeruaffjt. 
'Auf  ber  'JUitffeite  be§  2iitel§  bo§  SSorwort  Jputtcn’ö  nom  Jag  5BaIerii  1521. 
6d^ti|ten  II,  @.  78  f. 


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395 


tiapitcL 

Per  ^eii^dtai)  )it  ^ortttd.  c$ttttett’$  pro^uttgett. 

1521. 

Untcrbeffcn  U)ar  am  28.  Januar  1521  bei*  $Rcid)^tag 
ißlormö  mirflicl)  eröffnet  morben.  ^ie  S(iu]e^p9enl)eit  ber  firc^= 
licken  Slefurm  tuor  eine  ber  erften,  meld)e  auf  bemfelben  ^ur 
®erl)anblung  fummen  mußten.  §lber  bie  (^rmartuitflen,  bie  man 
non  bem  neuen  Äaifer  in  biefer  ©ad}e  ßec^en  fonnte,  maren  bc- 
reitö  fe^r  gefunfen.  0d)on  im  Sfioüember  be^  norigen 
ßatte  Sutßer  an  0palatin,  ber  mit  iturfürft  griebrid)  bei  ber 
Krönung  in§(ad)en  unb  nad)ßer  inÄöln  fid)  befanb,  gefeßrieben, 
er  ermartc  ißn  halb  ^urüd,  mit  üielem  S'ieuen  unb  etmaö  Gütern, 
baß  nömlid}  non  Äarl'ö  ,gofe  nießtö  ;\u  ßoffen  fei.  (Sbenfo  ur- 
tßeiltc  (Jraömuö,  ber  fieß  gleicßfaüd  eine  3^it  lang  in  Ä^arl'ö 
IWäße  befanb  unb  ißn  üon  ^apiften  unb  Slnl)ängern  bed  ^Iten 
umlagert  faß.  2(uö  bemfclben  ©runbe  ßatte  aud)  §utten  menig 
Hoffnung  meßr:  nur  3ran;^  non  ©iefingen  gab  fid)  uod)  ber@rs 
martung  ()in,  gerabe  auf  bem  9leid)ötage  merben  bem  Äaifer  über 
bie  nerberblid)en  fRatbfcßläge  feiner  Umgebung  bie  Singen  auf® 
geßen,  unb  er,  ©iefingen,  bann  ©elegenßeit  ßnben,  feinen  @iiu 
flnß  bei  bemfelben  geltenb  j\u  maeßen*). 

5Bon  allen  Seiten  naßin  man  rnoßl  ben  jungen  §errfd)er 
für  fcßmäd)er  alö  er  mar.  ^)aß  er  bie  Saeße,  um  bie  ed  fid) 
ßanbelte,  in  ißrer  geiftigen  iöebeutung  nießt  oerftanb,  ift  rid)tig. 


1)  Sui^er  an  6polatin,  15.  9lob.  1520;  Jütten  an  fintier,  9.  ^cc. 
1620.  ©(^riften  I,  ©.  426.  436. 


3% 


II.  7. 


?(»d}  baß  cv  fic  nicfjt  uom  bcutfcßcn  (Sicfi^töpunfte  auö  auffaßte: 
foferu  er  eben  nid)t  bloö  beutfe^er  ^taifer,  fonbevn  i^upleicß  ^err 
ber  9tiebcrlanbe,  ©panien^  unb  S^eapelö  tuar,  unb  ^nfprüd^e  auf 
9)Milanb,  ^egen  ^i^anfrcicf),  ^cltcnb  inacßcn  ßatte.  3n  biefen 
aiidtüärtigcn  !:8ei\icßunflen  lagen  aber  ©rünbe  für  i^arl,  fic^ 
bem  Zapfte  gefällig  j^u  geigen:  oßne  fie  ßättc Slleanbcr  nod^  län* 

' gcr  alö  brei  (Stunben  üor  ber  SReicßöüerjammlung  gegen  Sutßer 
reben,  unb  noc^  meßr  ®clb  gur  33eftccßung  ber  Umgebungen  be^ 
Äaiferö  üermenben  mögen,  er  mürbe  fcßmcrlicß  gum  ßiele  gelangt 
fein.  Xafür  nun  aber,  baß  ber  ^apft  eö  aufggb,  mie  er  angc^ 
fangen  ßatte,  bie  fpanifd)e  Snguifition,  alö  bie  0tü^e  ber  Äönig§- 
mac^t  in  jenem  Sanbe,  gu  erfd)üttern,  baß  er  ßoffen  ließ,  Äarl’ö 
?lnfd)lägen  auf  3)iailanb  nicht  entgegen  gu  [ein,  öergic^tete  Äarl 
barauf,  mogu  ißm  5lnfangö  fein  ©efanbter  in  9ftom  geratßcn 
hatte,  burd)  eine,  menn  auch  nur  augenblidliche  33cgünftigung  be^ 
fächfifchen  2J?önd}^^ben  ^apft  gu  fehreefen,  unb  bot  ihm  bie^anb 
gu  ßuther’iS  UnterbrücfiHig. 

Äarrö  SOkinnng  mar  gunächft  gemefen,  ber  Äurfürft  oon 
0ad)fen  möge  Suther  auf  ben  ^teich^tag  mitbringen,  mo  er  burch 
gelehrte  üeute  nerhört  merben  folle.  2uther  mar  bereit;  ber  Äur* 
fürft  nicht  ohne  53eforgniffe:  biepäpftlich  ©efinnten  aber  mehrten 
fich  bagegen  auö  allen  ÄH‘äjten.  ^n^befonbere  fprach  fich  au(^ 
ber  päpftliche  ^flimtiuä  in  feiner  [Rebe  gegen  fiuther’ö  [Berufung 
au^.  §abe  biefer  bod)  fclbft  erflärt,  nicljt  einmal  burch  einen 
@ngel  uom^immel  fich  belehren  laffen  gu  moUen;  auf  bie  päpft* 
liehe  [ßorlabung  fei  er  nid)t  erfchienen ; ben  ^taifer  unb  ben  [Reich^^ 
tag  aber  gehe  bie  0adje  nidhtö  an.  @r  foßte  ungehört  gum 
©chmeigen  gebradjt  merben,  unb  bereite  mar  ber  Äaifer  bafür 
gemonnen : er  legte  ben  ©tänben  ben  @ntmurf  eineö  ©bietet  öor, 
burd)  meldjeö  2utl)er  ohne  SBeitereö  aU  offenbarer  i^e^cr  oerur^ 
theilt  merben,  bie  päpftlid)e  ÜBuße  gegen  il)n  für  gang  5)eutfd)lanb 
©efege-Sfraft  erlangen  foßte. 

?üif  ber  nur  fed)ö  9)?eilen  entfernten  ©bemburg  mar  man 
in  [Betreff  ber  [ßorgänge  gu  SBorm5  gut  unb  fd)neß  unterrichtet. 
3n  biefer  ©tabt  befanb  fiel)  in  ber  [Begleitung  beö  i^urfürften 
Don  ©adjfcn  beffen  $ofprebiger  nnb  (5Jeheimfd)reiber  ©palatin, 
ber  längft  in  brieflichem  [ßerfehre  mit  Jütten  ftanb;  befanb  fich 
im  §aufe  bed  5lrgtei5  Xheobalb  Rettich,  ben  mir  auö  ben  [Briefen 


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i^uttrn’§  i^nüectioe  gegen  Sleanber. 


397 


bcr  ^)unfelmänner  alö  einen  ©enoffen  beö  ^umoniftifc^en  Reifee 
fennen,  ber  feurige  Hermann  üon  bem  ®ufc^e,  ber,  njie  Jütten, 
ben  gortfd)ritt  üon  ber  ©ac^e  beö  $umaniömuö  511  ber  ber  iRe? 
formotion  in  fid)  burd)mac^te.  ^iluf  ber  ©Oeriiburg  aber  l)atte 
au^er  Jütten  nod)  ber  au^igetretene  2)oniinicancr  aj^artin  iöueer 
fidj  eingefnnben:  für  Briefe  unb  ajac^ric^ten  nad)  uub  oon  Söormö 
ein  geeigneter  SSerinittler.  35on  SUeanber’iS  langer  Siebe  l)atte 
man  auf  ber  ©bentburg  fc^on  besS  anbern  SÜiorgenö  um  9 Ul)r 
genaue  Sladjric^t.  3)iefe  Siebe,  überl)aupt  ber  @ifer  ber  Sloma^ 
niften,  bie  Sleic^öoerfammlung  5ur  SBerbammung  Sutber'ö  ol)ne 
SSer^ör  j^u  bemegen,  mar  eö,  moburd)  fidj  Jütten  jur  Slbfaffung 
ber  Snoectioen  oeranlagt  faub,  bie  er  nun  gegen  bie  beiben  püpft^ 
lid)en  Sluntien  unb  bie  ju  Söorm^  üerfammelten  ÖJeiftlid)en  erlieg  ^). 

2)en  breiftünbigen  Slebner  gegen  ßutl)er,  ^ieronpmu^ 
anber,  traf  bie  erfte  £abung  feinet  ^^*6  er  unb  feine 

^enoffen,  ol)ne  alle  Slüdfic^t  auf  bie  oerünberten  ßeiten,  auf  ben 
grogen  Umfd)iuung  in  ber  öffentlichen  9}leinung,  ihr  @efd)äft  fo 
frech  unb  gemaltfam  treiben,  bag  fie  meinen,  burch  ben  33efel)l 
jur  ^Verbrennung  oon  Sutl)er’ö  ©d)iiften  in  ben  Slieberlanben, 
ben  fie  bem  faiferlichen  Süngling  abgeliftet,  ganj  2)eutfd)lanb 
eingefchüchtert  ju  hoben,  fei  ^loar  oon  ihrer  ©eite  fehr  thöricht, 
offenbar  aber  eine  göttliche  ©d)icfung,  um  fie  burch  ihve  eigene 
©icherljeit  ju  oerberben.  ^leanbcr  foüe  nur  fo  fortmad)cn,  feiner 
2Buth  bie  Sögel  fd)iegen  laffen:  bie  Seit  njerbe  fommeu,  eö  ju 
rächen.  3)ie  2)eutfd)en  feien  mit  nieten  fo  forgloö,  fo  gleid)^ 
gültig,  ak  fie  feheinen.  Äein  Sluge  Oenoenben  fie  oon  bem  Xrei- 
ben  ber  Slömlinge.  SSon  ber  (Sbernburg  befonberö,  mie  oon  einer 
SBarte  herunter,  bcobad)te  man  jeben  il)rer  ©chritte.  fei  ein 
Seichen,  mie  menig  fie  fid)  in  ber  d)riftlid)en  2Bahrl)eit  gegrünbet 
miffen,  bag  fie  (Srlaffe  bcr  ioeltlid)en  SJlacht  für  fich  in  2lnfprud) 
nehmen.  Unb  fie  mögen  nur  nid)t  ju  oicl  auf  bie  (^unft  beö 
ilaifcrö  bauen,  beffen  Sugenb  fie  migbraud)cn  unb  oerführen,  bcr 
aber  bei  reiferen  Sohren  ju  befferer  ©infi^t  fommen  mcrbc. 

1)  Ulrichi  ab  Hutten  eq.  Germ,  in  Hieron.  Aleandrum  et  Mari- 
num  Caracciolum  Oratores  Leonis  X.  spud  Vormaciam  Invectivae  sin- 
^ulae.  In  Cardinales  Episcopos  et  sacerdotes,  Lutherum  Vormaciae 
oppiifTuanteis  Invectiva.  Ad  Carolum  Imp.  pro  Luthero  exhortatoria. 
©4)ntten  II,  12—31.  38—46. 


398 


II.  7.  i^opitel. 


3nöbcfonberc  tuirb  ^(canbern  eine  §IcugermiQ  öorgcrücft,  bie  i^m 
füri^lid)  gegen  einen  rec^tfd}affencn  9J?ann  entfallen  fei,  bem  er 
jinar  nid)t  eben  uertraut,  ben  er  aber,  luie  alle  ^eutfd^en,  für 
ju  bnmm  gcl)alten  ^abe,  um  fid}  i^m  gegenüber  in  Sldjt  nel)men 
• ju  müffen ; eine  Sleußerung,  beren  and)  2utl)er,  alö  burd)  ©pala^ 
tin  nac^  SGßittenberg  berichtet,  mit  (Sntrüftnng  gebenlt.  @efe^t 
auc^,  Ijatte  er  fid)  uerlauten  laffen,  ben  2)eutfc^en  gelänge  eS, 
baö  pöpftlid)e  3oc^  abjufc^ütteln , fo  mürbe  man  uon  fRom  auS 
fo  Diel  Uneinigfeit  unter  il)ncn  -^u  fäcu  miffen,  baß  fie  fic^  felbft 
unter  einanber  aufreiben  unb  einem  uiel  fc^mercren  3od)c,  alö 
baä  abgemorfene,  ücrfallen  müßten.  2)aß  er  fo  fd^amloö  mit  ber 
©prac^e  ^crau^geße,  bemeife  abermals  feine  blinbe  3ut)crfi(^t. 
5lber  fie  merbe  i^n  täufd^en.  merbe  bal)in  fommen,  baß  bic 
33ifd^üf^müpen  unb  (Sarbinaläßüte,  auf  beren  $ülfe  er  je^t  baue, 
felbft  l)ülflüi5  fein  merben.  ®ie  fc^limmen  ^ienfte,  bie  er  bem 
beutfe^en  9teid)e  ermiefen,  merben  il)ren  SRäc^cr  pnben;  Jütten 
feinerfeitö,  ba^  rnoHe  er  il)m  l)iemit  angefagt  l)aben,  merbe  t^un, 
mae  in  feinen  Kräften  ftel)c,  baß  er,  ^lleanber,  nid)t  lebenbig  au5 
®eutfc^lanb  fomme. 

^cn  anbern  päpftlicßen  9*tuntiuö  in  SEÖormö,  SWarino  6a- 
raccioli,  bem  §utten'i^  ^meite  3nuectioe  gemibmet  ift,  l)at  biefer 
jmar  nie  für  rec^t[d)affcncr , mobl  aber  für  flüger  alö  feinen 
Sotlegen,  unb  alö  fein  ie^igeö  iöeneßmen  ju  erfennen  gibt,  gcs 
l)alten.  ®ie  äJiißbräuc^c,  über  melcßc  bic  ®eutfd^cn  eben  jept  fo 
empört  feien,  ben  ^anbel  mit  3nbulgcn5cn  unb  ®iöpcnfationcn, 
treibe  er  im  5lngefid)tc  bc^  ^feießötagö  fo  fc^amloö  fort,  mic  menn 
er  in  ber  ßnfterften  ßcit  be^  2Jtittclalterö  lebte.  6r  follc  nic^t 
oUj\ufef)r  auf  bic  ©ebulb  ber  3)cutfcßcn,  auf  bie  6Junft  beg  Äloi«^ 
ferö  regnen.  2)eutfd)lanb,  allj^ulangc  bci3  ©inneö  beraubt,  fange 
an,  flug  j^u  merben.  Söaö  aber  ben  ^aifer  betreffe,  fo  befi^cn 
für  ben  Slugenblid  allerbingö  bic  fRömlingc  fein  Dl)r.  ^)ocß 
nic^t  für  immer.  „@inft  merbe  id^",  ruft  Jütten,  ,,^u  i^arrsS 
mir  jept  oerfd)loffencn  Oßren  burd)bringcn.  |)örcn  mirb  er  ein* 
mal,  pren  auf  ben,  ber  ißm  ^um  33eften  rätl),  unb  bir  (bem 
S^untiuö)  5um  Xrop  bem  fHüdfid)t  fd)cnfen,  ber  il)ii  ^um  9^otl)* 
menbigen  ermahnt.  ^)ann  merbe  ic^  i^m  beinc  trcß’lid)cn  2;f)atcn 
an^eigen,  il)in  auäcinanberfe^en , melc^  ein  frommer  2egat  bu 
gemefen.  3d)  merbe  il)in  barlegeu,  ma^  bu  ^ier  gcfud)t,  ma§  bu 


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^uiien^§  ^nücctitie  gegen  ^araccioli. 


399 


gefunbcn  3d)  tücrbc  fagen,  bog  i^r  ficgotcn  oUc,  fo 

üicl  eurer  feit  ctlid)en  Huberten  uon  ben  römifc^en  53ifd)öfen 
tjicljer  gefc^idt  luorbeu , 58errött)er  2)eutfd)tonbö,  S^öuber  an  un= 
ferem  SSolfe,  :8^rftörer  oUeö  unb  oder  iöillij^feit  getuefen 

feib.  ^)o§  luerbc  icg  ignt  fogcu,  unb  njenn  id)  it)m  boö  foge, 
tüirft  bu  nid)t  im  ©taube  fein,  boö  @egentt)eü  bor^utl)un.  ^o* 
rum  moege  bic^  fort  uon  ^ier,  mad)c  bid)  fort.  ®enn  moö  ^ögerft 
bu  noc^,  ^öfemic^t?  moö  fuc^ft  bu  ^uffdjub,  bu  grögter  uon 
ollen  2)iebcn,  bie  jemals  l)ier  geftoglcn  f)obcn?  bu  gemoltt^ötigfter 
oder  8läubcr,  oder  ©ctrüger  oerf^logenftec,  liftigfter,  unoerfc^öm- 
tefter,  ruc^lofcftcr ! ^oS,  miffc,  ift  bie  le^te  ©rmognung  ju  beinern 
§eil.  S3equcmc  bid),  ber  geber  ju  ge^ordjen,  bomit  bu  bic^  nid)t 
genötgigt  fel^cft,  bem  ©egmerte  ju  meidjen." 

9^iäd)ft  ben  beiben  pöpftlid)en  9iuntien  monbte  fic^  nun  ober 
Jputten  oud)  gegen  bie  ouf  bem  IRcic^Stoge  omoefenben  Äird)eus 
fürften  unb  l)öl)ern  @ciftlid)cn,  meld)c  i()rer  SffJegrgeit  nod)  boS 
^nfinnen  ber  erfteren  gegen  ßutl)er  unterftü^ten.  2öoS  er,  menn 
if)re  9ftod)ftedungcn  igm  ein  og'entlid)cS  ^luftretcn  erloubten,  ignen 
om  9ieic^Stoge  felbft  in  bie  0l)rcn  gcfc^rien  ^oben  mürbe,  boS 
mode  er  ignen  fd)riftlid)  fogen,  unb  ^mor  el)c  fic  mit  il)rem  5ln* 
griff  an  i^n  !ommen,  möl)renb  cS  fieg  noc^  um  £utl)cr  l)onblc. 
5)obei  fomme  il)m  nichts  beffer  }^n  ©totten,  olS  igre  ungeiftlic^e 
Äompfmeife,  ftott  burc^  Ueberjeugung  burc^  Cyemolt,  ftott  burd) 
boS  Söort  6l)rifti  bureg  ©ebote  ber  mcltlic^en  SDioc^t  mirfen  511 
moden.  greilid^,  fie  l)oben  fid)  löngft  über  ßgriftuS  erhoben, 
unb  fpreegen  nid)t  met)r  oermöge  beS  ^eugniffeS  ber  ©egrift, 
fonbern  froft  igrer  eigenen  SDiojeftät,  @cl)orfom  an.  ?lber  eben 
borum  foge  man  i^nen  je^t  ben  ÖJc^orfam  auf.  3a,  menn  fic 
(^ciftlic^c,  ^ifd)öfc  im  ©innc  S^rifti  unb  ^auli  mären!  (beffen 
^Inforbcrungcn  an  folcgc  aus  feinen  (Spifteln  bcigcbrac^t  merben.) 
Unb  felbft  bann  fönnten  fie  nur  pricftcrlic^c  föbren,  nifgt  bie 
uon  mcltlid)cn  ^errfegern,  in  Slnfprud)  negmen.  ?lbcr  fie  feien 
feine  mat)ren‘^rieftcr.  ©d)on  begmegen  nid)t,  mcil  bie  ^ifegöfe 
unter  it)ncu  fammt  unb  fonberS  igre  ©teden  getauft  gaben.  2)ocg 
aueg  abgefegen  baoon,  igreS  ficbcnSmanbclS  megen  niegt.  SBcit 
entfernt  oon  prieftcrlicger  SSodfommengeit,  treten  fic  fogar  bie 
^Jebote  ber  gemeinen  9)foral  mit  j^ügen.  ©ie  leben  fo,  bog  ein 
egrbarer  3)fonn  ^ebenfen  trage,  fein  Söeib  in  igre  Käufer  ju 


400 


II.  ^u(^.  7.  j^apiiel. 


fü()rcn.  3n  ©clbfac^cn  traue  i^nen  fein  9}knfc^,  ba  fte  unter 
bem  SSüHuanbe  bcö  ißortf)eiU  ber  Äirc^c  fid)  jebe  Ueberi)ortf)ei(un9 
erlauben,  Don  Ißertracj  unb  (£ib  fid)  leidet  burd)  beu  $apft  ent* 
binben  laffen  fönnen.  3l)r  Qon^e^  Xrac^ten  fei  fleiid)lic^  unb 
ineltlic^,  ba  boc^  fc^on  ber  9tame  ^lerifer  anbeutc,  bag  nur  ber 
§err  i^r  !I^eil  fein  folltc.  ^5)oc^  fie  lebten  jtuar  fo  un= 

geiftlid),  prebigten  aber  babei  baö  (Suangelium,  fo  fönnte  man 
mo^l  über  ben  Söiberfpruc^  jmifdien  i^rer  ^rebigt  unb  il)rem 
Sanbel  murren,  boc^  immer  noc^  ©ebulb  mit  il)nen  fabelt, 
©tatt  beffen  aber  oerfteben  bie  menigften  ju  prebigen,  unb  bie 
eä  oerftünben,  febämen  fid)  beffen.  3*1,  wenn  einmal  ein  ^rebiger 
aufftcl)e,  mie  2utber,  fo  fueben  fie  il)u  ju  unterbrüden.  Äein 
SEBunber:  meil  baö  reine  ficben,  baö  er  oerlange,  auf  ihre  Un* 
fittlicbfeit,  bie  eoangelifcbe  SSabib^it,  bie  er  oerfünbige,  auf  bie 
SÜienfcbenfagungen,  bie  fie  aufgebrad)t  l)Qben,  ein  greüe^  ßiebt 
merfe. 

EDoeb  boö  2J^a§  ift  ooU.  „§ebet  euch  locg"',  ruft  Jütten, 
„oon  ben  reinen  Quellen,  it)r  unfaubern  ©d)meine ! §inauß  mit 
euch  aus  bem  ^eiligtl)um,  ibr  üerrud)ten  ^^römer!  53erül)ret  nid)t 
länger  mit  ben  oft  entmeibten  Rauben  bie  Altäre.  äBaS  b^i^il 
ibr  mit  bem  Sllmofen  unfercr  Sßöter  ju  febaffen,  baS  biefe  für 
5lrmen==  unb  itir(ben5mecfe  geftiftet,  unb  borum  unS,  ihren  Äin^ 
bern,  entzogen  boben?  Söie  fommt  ibr  ba^u,  baS  ju  frommen 
3meden  ©efpenbete  ^u  SSöücrei,  Unjuebt,  5^rad)t  unb  5^runf  ^u 

red)tfcbaffene  unb  fromme  2)^enfcbcn 
[a6  ift  uoll. 


ba6  bie  SWenf 

^ ^uftanb  berbeijufübren  fud)cn?"  moju 

Jütten  reblicb  ju  helfen  oerfpriebt.  „3cbiüerbe",  fagt  er,  „ftacbeln, 
fpornen,  reifen  unb  brängen  ^ur  greil)eit.  S)ie  mir  nicht  fogleicb 
beifallen,  merbe  id)  bureb  unabläffige  ©rmabnung  befiegen,  bureb 
notbioenbige  93cl)arrlicbfeit  smingen.  5)abei  b'ibc  ich  feine  ©orge 
nod)  gueebt  oor  2Jti6gefcbicf,  fonbern  bin  auf  ÖeibcS  gefaßt,  ent» 
meber  euch  ben  Untergang  ^u  bereiten  ^um  großen  ^ortbeil  beS 
SBaterlanbeS,  ober  mit  gutem  ©emiffen  ehrlich  511  unterliegen. 
Unb  baS  ift  feine  tolle  Jöermegenbeit,  mie  ihr  eS  bafür  ballet, 
fonbern  männlicher  unb  ebler  greifinn  iffs.  S)arum,  bamit  ihr 
febet,  mit  melcber  3ut)erficbt  id)  eure  EDrobungen  oeraebte,  erflärc 


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^utlen’S  ^noectbf  gegen  bie  93i|45|e  :c.  ju  SöotmS.  401 

ic^,  jo  laiifle  \{)x  2ut()ev  ober  jeinanb  }cmcögleid)cn  oerfolftcn 
tücrbct,  mic^  aU  euren  obgefoc^teii  5<^inb.  Unb  biefen  SBiUen 
wirb  mir  feine  (Gewalt  üon  eurer  Seite,  fein  Schlag  bei^  Sc^ief^ 
fal<J  iicbmen  ober  aud)  nur  ünbern.  fieben  fönnet  i^r  mir 
rauben:  aber  baß  mein  35erbienft  um  ba§  33aterlanb  nidjt  baure, 
bieje  flute  Xftat  fterbe,  werbet  il)r  nid)t  bewirfen.  im  Sauf 
ift  möflet  i()r  oielleidjt  511m  Stilljtanbe  bringen,  waö  flcfd)c()en 
foflte,  oerf}inbern : wa^  aber  getf)an  ift,  werbet  i^r  nic^t  un* 
flefc^el)en  mad)en;  beim  unmöglich  ift’,  mit  bem  fieben  jugleid) 
aud)  ba'5  ^Inbenfen  be^  2ebenö  5U  üernid}ten.  9fcin ! jo  ungewiS 
ic^  barüber  bin,  waö  bie§  alle©  für  einen  ^Jluögang  haben  werbe, 
jo  ficher  bin  ich,  ba§  bie  Sfnerfennung  meinet  reblichen  SBillend 
auf  bie  ^fachwelt  fommen  wirb.  ®aö  joü  ber  beftc  Ertrag  meineig 
iieben-j^  fein."  äBa^  aber  bie  Sad)e  betreffe,  fo  werben  bie  geinbe 
burch  feine  unb  2utl)cr’ö  Unterbrüefung  nid)t  einmal  etwaö  ge^ 
Winnen;  i)iclmel)r  werbe  auö  ber  ©rftiefung  biefer  löewegung  eine 
neue  unb  üiel  gewaltfamerc  hrroorgehen.  „2)enn  an  ^wei  9J?eiu 
fd)en  liegt  fo  uiel  nid)t:  wiffet,  bag  nod)  oiele  Sutl)cr,  oielc 
Jütten  gibt.  Unb  wenn  unö  etwaö  wiberfal)ren  foUte,  fo  brol)t 
euch  um  fo  größere  ÖJefahr  oon  anbern,  weil  fich  bann  mit 
ben  Verfechtern  ber  greiheit  bie  SRöcher  ber  Unfehulb  oerbinben 
werben.'' 

Unter  ben  itirchenfürfteu  auf  bem  9ffeidjsJtage,  an  welche 
• biefeö  uorwurföuolle  ©enbfd)reiben  gerichtet  war,  nahm  §utten  v 
ehemaliger  V^tron,  ber  Äurfürft  'illbrecht  oon  SDMin^,  bie  erfte 
Stelle  ein.  gür  biefen  fprad}  immer  nod)  etwaö  in  ^utteireJ 
§erjen : er  fügte  bah«  ber  ^weiten  Slui^gabe  feiner  3nüectioen 
einen  befonbern  Vrief  an  ihn  bei  *),  in  weld)em  er  ihn  verfönlid) 
feiner  fortbauernben  ßiebe  unb  Verehrung  oerfid)ert  unb  bebauert, 
wenn  berfelbc  fich  baö,  wad  |)iitten  gegen  ben  9feid)^tag 
gefchrieben,  beleibigt  fühle ; aber  bie  Vehauptuug  ber  SBahrheit 
unb  greiheit  gehe  allen  perfönlichen  9tücffichten  uor.  fei  bacj 
Unglücf  2)eutfchlanb^  unb  ber  ^Infdjlag  be«  ^eufelö,  bag^llbredjt 
oon  ber  Sad)e  ber  Stubien  unb  ber  greiheit  loi^geriffen  worben 
fei.  Üüiöge  (Shriftuö  geben,  baß  er  in  fid)  gehe  unb  jene  Vlfter* 


1)  ®om  2.5.  ®lcrj.  II,  6.  37  f. 

VII.  26 


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402  n.  33u(^.  7. 

Ürc^c  t)cr(affe:  bag  toolltc  §uttcn,  ^ocmi  möglich  tpärc,  mit 
feinem  Slute  erfaufen. 

3ln  bem  ©enbfd)reiben  an  Ä'aifer  Äarl,  bog  §utten  feinen 
Snüectiüen  fc^on  in  ber  erften  ?(uggabe  beifügte,  fuc^te  er  jenen, 
mie  früf)er  in  öegug  auf  fic^  felbft,  fo  jc^t  jn  ©unften  ßut^efg, 
5U  überzeugen,  bag  er  mit  biefem  bie  beutfe^e  greitjeit  untere 
brüefen  unb  feine  eigene  SBürbe  -.befc^äbigen  mürbe,  ßmifd^en 
ben  eigenen  guten  ©inn  unb  fc^limme  9tatbgeber  in  bie  SD^itte 
geftellt,  miffe  ber  junge  ^errfc^er  nic^t,  mo^in  fic^  menben;  baljer 
fei  eg  ^füc^t,  i^m  mit  gutem  unb  ^eilfomer  9Jta()nung  an 
bie  ^anb  ju  get)en.  35or  allem  möge  er,  menigfteng  auf  einige 
Seit,  jene  Pfaffen  non  fic^  treiben,  bie  gerabe  bei  bem  je^igen 
0tanbe  ber  2)ingc  bie  unpaffenbften  Stätte  für  it)n  feien,  mie 
fie  üon  jel)er  ben  Äaifern  üßerberben  gebracht  f)abc\x.  Sßag  il)n 
ber  ^ripatljag  ber  33ifd^öfe  angele?  ob  er  auf  biefem  ?Reic^gtage 
nid)tg  9iotl)menbigereg  firc^lid^en 

0treitigfeiten  zu  befaffen?  auc^  an  fic^  fei  i^r  Verlangen 

ein  ungcrec^teg,  uner^örteg,  unb  uerrotbe  menig  Vertrauen  auf 
bie  ©üte  i^rer  ©ac^e.  ©ie  liegen  bem  Äaifer  an,  ßut^er  un^ 
gehört  z»  oerbammen.  Söärc  biefer  auc^  nic^t  ein  um  bie  [Religion 
unb  um  ben  Ä'aifer  felbft  Ijoc^oerbienter  SJ^ann,  märe  er  fogar 
Öcrbrec^er,  fo  müßte  man  bo^  feine  Serantmortung  l)örcn.  ältan 
müßte  ißn  bazu  oorlaben,  felbft  menn  er  zu  crfc^einen  fic^ 
fürchtete:  um  fo  ineßr,  ba  er  fid)  bazu  erbiete.  ^Ue  red)tfcßaffcs 
nen  unb  tapferen  äRänner  in  ^eutfc^lanb  feien  über  jeneg  9liis 
finnen  entrüftet,  unb  in  ßößerem  ©rabe,  alg  fie,  meßr  on  bag 
,f)anbeln  alg  an  bag  [Reben  gemößnt,  lout  merben  taffen;  nur 
bie  Pfaffen  mollen  ßutßer  auf  bem  fürzeften  SSJege  Derber bt  miffen, 
meil  er  gegen  ißre  unmäßige  ©ematt,  ißre  ©rpreffungen , ißr 
fc^änblicßcg  ßeben  gefprod)en  unb  gefeßrieben  ßobe.  2)en  erftern, 
jenen  3Rännern,  bie  ißm  in  Ätrieg  unb  grieben  Don  [Rujen  fein 
tonnen,  fotle  ber  Äaifer  zu  ©efallen  ßanbeln,  nid)t  biefen  un* 
nüpen,  meber  im  gelbe  no^  im  [Ratße  zu  braueßenben  [Dienfdjcn. 
©ie  ßängen  ißm  jept,  im  ©lüefe,  an:  im  Unglürfc  mürben  fie 
ißn  Derrätßerifcß  im  ©tid)e  laffen.  ©ic  ßaltcn  eg  nur  fo  lange 
mit  bem  Äoifer,  alg  ber  $apft  eg  genehmige,  unb  ratßen  jenem 
zum  S3ortßeil  Don  biefem.  gnbem  er  ben  Äaifer  zur  Entfernung 
feiner  geiftlidjen  S'tatßgcber  aufforbere,  trete  er,  fäßrt  Jütten 


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^uttcn’S  6enb|(^reiben  an  ben  ^atfrr. 


403 


fort,  bcu  reci^tfdjQffcncn  ^ricftcrn  nicf)t  ju  nat)c.  2)cnn  biefc 
toerbcn  fic^  üon  felbft  ni^t  in  tocltlic^c  ^inqc  inifc^cn  tooUcn, 
unb  bcr  Äaifev  tljuc  Unrcd)l,  fic  i^rem  gciftli^cn  Berufe  ent^ 
j^ic^cn.  ?(ud)  fönnc  er  it)iicn  ininicr^iu  @brfurd)t  bcjicigcn,  ol)itc 
fie  über  fic^  I)ervfd}cn  ju  loffen.  9tic  fönnc  er  ^cutfc^lanbö 

@unft  genjinnen,  njcnn  er  nid}t  jene  9}tcnfd)cn  uon  fid}  tl)ue. 
ffir  ^abe  ben  Übeln  iSinbrud  bemerfen  fönnen,  ben  cö  bei  feiner 
5af)rt  ben  SR^ein  herauf  gemacht  f)obe,  alö  man  it)n,  ftntt  mit 
Äriegern,  mit  Pfaffen  ringö  umgeben  gefef)en.  Unb  mie  ^emod) 
9Ueanber  feine  gorberungen  uorgebrac^t,  t)oben  manche  Suft  gehabt, 
ctmnö'  5u  untcrneljinen,  Jütten  fie  nid^t  gebockt,  Äarl  merbe  felbft 
über  bic  Unucrfcbämtl)cit  fid)  entrüftet  jeigen.  Süö  ongebenber 
IRcgent  müffe  biefer  feine  ©c^rittc  hoppelt  überlegen ; müffe  gleich 
oon  oorne  herein  ba^  fRec^t  ^cutfc^lanbö  gegen  bic  römifd)cn 
Uebergriffe  oertreten.  Sn  biefer  $infic^t  fei  e^  oon  größter 
3Bid)tigfcit,  mie  iiutßer  uon  il)m  bcßanbclt  merbc,  beffen  §lns 
gelcgenßeit  baßer  jeßt  für  Jütten  mießtiger  al^  feine  eigene  ift. 
Cb  Äarl  5)eutfd)lanb  unb  fieß  felbft  bem  ^apft  in  bic  ^änbe 
liefern  moHe,  bcr  fo  eben  allc^  baran  gefeßt  ßobe,  ißn  oon  bcr 
bcutfd)cn  Äaiferfrone  entfernt  ju  ßaltcn? 

(Sr  möge  feine  Söürbc  bemaßren,  ober  menn  er  baö  nid)t 
moHc,  mcnigftcib^  ^)cutfcßlQnb  nid)t  mit  fieß  inö  ^erberben  );ießen. 
„2)cnn  ma^“,  fragt  $utten,  „ßat  ^cutfcßlanb  fo  Ucble^  uerbient, 
baß  c^  mit  bir,  nießt  für  bieß,  ju  (SJrunbe  geßen  foll?  fjüßrc 
un^  lieber  in  augenfcßeinlicße  (5Jefaßr,  füßre  unö  in  bic  0cßmcrtcr, 
in  bic  glammen.  ÜRögen  aüc  ^Rationen  fieß  gegen  unö  feßaaren, 
alle  ®ölfcr  fieß  auf  und  ftilrj^cn,  aller  SäJaffcn  nad)  und  fielen: 
menn  mir  nur  in  bcr  ©efaßr  unfern  SRutß  erproben  bürfen,  unb 
nießt  fo  niebrig,  fo  unmännlid),  oßne  SBaffen  unb  0eßlaeßt,  naeß 
SBcibcrart  unterliegen  unb  bienftbar  merben  follcn.  Ünfere  ^off= 
nung  mar,  bu  merbeft  bad  römifeßc  Soeß  oon  und  neßmen,  bic 
päpftließe  3i^^i”ößcrrfeßaft  ^erftören.  ©eben  bic  ©ötter,  baß  bic^ 
fern  Einfang  S^effered  nad)folgen  möge ; beim  ßid  jeßt,  menn  aueß 
noeß  nid)t  bad  Äeußerfte  p füreßten  ift,  mie  fönntc  man  bei 
foleßer  (Srniebtigung  SBertrauen  faffen  ? (Sin  fo  großer  ilaifcr, 
bcr  Äönig  fo  oiclcr  33ölfcr,  fo  millig  ^nx  i^nceßtfeßaft , baß  er 
nießt  einmal  märtet,  bid  er  gc^mungen  mirb!"  ^n  feinem  Oiroßs 
oater  aRajimilian  ßal>c  man  cd  mißbilligt,  baß  er  feinen  0d)rei? 


404 


II.  7.  i^apitel. 


bcrii  511  üicl  eiiifleräumt,  unb  bod)  f)abe  er  immer  uoc^  {eiue 
üö3ürbe  gegen  fie  5U  bebaupten  gemugt:  luie  bie  3Jienfd)en  uon 
Äarl  rebeii  merben,  ber  fo  uielc  §em‘ii  l)abe,  alö  Sarbinalögiitc 
unb  öi|d)of^mü^en  fidj  um  il)u  brängen?  ^ortl)eil  fönne  biefer 
iöunb  mit  bem  ^4^apfte  unmögli^  bringen,  ba  fein  ^apft,  am 
menigften  ein  glorentiner,  jemalö  Söort  ob  Äarl  feineö 

(^roguaterö  @rfal)rungen  oergeffen  Ijabe?  Xoc^  frlbft,  menn  ber 
^^^apft  benfclben  bttiten  mollte,  märe  eö  ein  fd)inäl)lid)er  iöunb, 
ba  er  bem  Äaifer  Italien  nnb  9tom  nel)me  imb  bem  ^apfte  bie 
Vluöbeutung  Xeutfcblanbö  geftatte. 

Ob  Jütten  nad)  iyeröffentlidjung  biefe^  ©cnbfd}reiben^^ 
üieUeid)t  bureb  ©idingen,  9^ad)rid)t  erpielt,  bag  ber  Äaifer  e^S 
ungnäbig  aufgenommen,  ober  ob  er  felbft  füglte,  bag  er  ju  meit 
gegangen ; genug,  er  fanb  fid)  halb  beioogen,  bernfelben  ein  jmeitei^ 
nad)5u|d)icfen  0,  in  meld}eni  er  megen  bei?  crjten  fid)  gemiffer^ 
niagen  ent(d)ulbigt.  (Sr  geftel)t,  baffelbe  habe  ju  ()art  gelautet, 
bodj  fei  es  au^  ber  reinften  (^efinnung  unb  Slbficbt  gefloffen. 

@r  t)abe  geglaubt,  feiner  (Sntrüftung  um  fo  mehr  freien  Sauf 
laffen  ju  bürfen,  al^  er  bamit  nur  beö  Äaifer^  ^efteö  bejmeeft 
gäbe.  2)ie  unbilligen  gninutgungen,  bie  er  an  biefen  gäbe  ftel* 
len  fegen;  bie  ©eroiggeit  oon  bem  5lbbrucg,  ben  bie  (SJemägrung 
berfelbcn  bem  faiferlidgen  5lnfegen  unb  bem  S53ogle  ber  beutfegen 
Station  tgun  mürbe;  bie  gurdjt,  Äarl  mödjtc  bei  feiner  Sngenb 
noeg  niegt  bie  ©tanbgoftigfeit  befigen,  meldje  ba^u  gegöre,  um 
fcglimmcn  fKatgfcglägen  5U  miberftegen:  baö  alleö  gäbe  ign  oieU 
leid)t  ju  öngftlid),  5U  eifrig  gemad)t,  unb  menn  er  barüber  bie 
fcgulbige  iRücfficgt  auf  bcö  Äaifer^  ÜDiajeftät  au^  bem  ^uge  ge* 
laffen  gaben  foHte,  fo  möge  eö  biefer  ber  reblid)en  äficinung  ju 
(^utc  galten.  SBa$  bie  päpftlidjen  S^untien  betreffe,  fo  gättc  er 
münfd)en  mögen,  bag  biefclben  fieg  unuermeiölieg  gegaltcn  gatten, 
bann  märe  feine  Urfaege  für  ign  jum  UnmiHen,  für  alle  jur 
guregt,  oorganben  gemefen.  Slbgefanbte  gingegen,  bie  nid)t  allein  . 
Unbillige^  forbern,.  fonbern  mägrenb  beffen  aueg  oerberblicge  Um* 
triebe  madjen,  gaben  igr  ^rioilegium  oermirft.  3^  griebrid)'«  1. 
ßciten  fei  einer  bem  Segaten,  melcger  begauptete,  ber  Äaifer  ftege 
unter  bem  ^^Sapfte,  oor  ben  klugen  be^  Äaifer^  mit  bem  ©egmerte 

1)  SJom  8.  ?[|)rU,  @^riften  II,  S.  47 — 50. 


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^utten’8  3tt)citf8  Sd^rcibcn  nn  brn  Äatjer. 


405 


Scibc  qegnnt^en:  ioorin  .^uttcn  fid)  ücrfc^It  ^abc,  fei  im  ßornc 
über  nod)  fd)mäi)lid)crc  fRcbcn  n^fd)d)on,  unb  mcnn  Äarl  it)m 
bieg  nid)t  ücr^ci()c,  fo  möd)tc  er  üinftic^  Heber  taub  fein,  um  ber* 
flleid)cu  uic^t  md)r  auböreu  ^u  müffeu.  9tod)malö  bittet  .^uttcu 
um  SBcr^^eibiiufl,  um  ein  ^oiebcrcrlnufltcu  fai)crlicl)cu 

(■^uabc,  uub  ücrfpricbt,  meun  ber  Äaifcr  cö  befehle,  iu 
uid)tö  berf^lcicbeu  mehr  ^u  fd)reiben ; benu  nicht  bloö  iu  feiucu 
^nnblunc^en,  fonbern  auch  in  feinen  ©chriften  moUe  er  qerue 
bem  Älaifer  Söiden  fein,  für  ben  er,  meit  entfernt,  mit  ?(bfid)t 
etroaö  511  feiner  33erfleincrunc3  ju  thun,  vielmehr  fein  S3lut  ^u 
üerflieften  bereit  fei. 

2Baö  Jütten  in  feinem  erften  ©enbfdjreiben  an  ben  Äaifer 
uerlauflt  h^tte,  ÖJehör  fürSiuther,  baöiuuftteÄarl  bem  ^Inbrüiiflen 
ber  ©tänbe  beö  Sfleichö  ^emähren.  @r  berief  ihn  unter  3”f^f^)'-'' 
runfl  freien  ©eleite^  nad)  ^ormö,  um  über  feine  Sehre  unb 
üBüd)er  5lu2Jfunft  ^u  geben,  unb  fanbte  einen  ,'perolb  nad)  SSitten- 
berg,  um  ihn  ab^uholen.  2öaö  fiuthern  auf  biefer  Steife,  im 
SIpril  1521,  maö  ihm  auf  bem  Steichötage  felbft  begegnete,  bürfeu 
mir  alö  befannt  imrauöfehen,  unb  ermähnen  nur,  maö  mit  ^utten'ö 
(^efd)id)te  in  näherem  iöe^uge  fteht.  @in  foldjer  ^unft  ift  gleiri) 
ber  ©mpfang  Suther'ö  in  Erfurt,  bei  meld)em  §utten'ö  ältefte 
greunbe,  ßrotuö  nnb  ^Rubianuö  unb  @oban  §effe,  ganj  befons 
berö  tt)ätig  maren.  ®ie  Uuiüerfität  }\og  ihm  feierlid)  entgegen, 
nier^ig  3Jtann  ju  ^ferbe  unb  eine  große  Sln^ahl  ^u  guß,  an  ber 
©pi^e  Srotug  alö  zeitiger  Stector,  ber  ben  Steformator,  aU  er 
auf  feinem  Stollmageu  baherfam,  mit  einer  Slnrebe  begrüßte. 
Slud)  (Joban  mar  unter  ben  Steitern,  unb  i)cii  nachher  Suthcr’eJ 
Sin^ug,  ^rebigt  in  Erfurt  unb^?lb^ug  gen  SBorm^  in  einer  Steil)e 
l)on  Slegien  oerherrlid)t.  llnb  gar  nid)t  unbenflmr  umre  eö,  baß 
(^rotud  in  jenen  Xagen  bie  (namenlos  erfri)ienene)  ^Ji^arobie  ber 
Sitanei  üerfaßt  meld)er  für  Suther,  ber  näd)ftenö  nad) 

‘ äSormö  fommen  merbe,  um  it^ehütung  üor  italieuifd)em  @iftc; 
für  glitten,  Suther’ö  ^^plabeö,  um  53cftärfung  in  feinem  guten 
'-öorhabeu;  für  ben  jungnt  Ä'aifer  um  ^Befreiung  oon  uerbcrblichen 
Stathgebern ; für  ^)eutfd)lanb  um  Srlöfung  00m  päpftlid)en  goeße 
u.  bgl.  m.  gebeten  mirb  ‘)- 


1)  AITANEIA  Germanorum  ctc.  3n  Schriften  II.  S.  52 — 54. 


406 


II.  7.  .Qopitel. 


bcv  (Sbcriiburfl  tuar  inittlmücilc  ein  fcltfamcr  ®aft 
ciitflctroffcn.  mx  ein  gi^ancißcaucr,  bcö  Äaifcrö  33cic^tiflcr, 
ber  ©iefingen  anlag,  er  möge  fintier  ueranlaffcn,  nntcrmcgö  bei 
il)m  einjute^ren,  inbem  ©lapion,  fo  ^ieg  ber  9Kann,  i^n  üor 
feiner  ^nfunft  in  SBorm^  noc^  fprecl)en  möd)te.  ®er  2Jiöncf) 
l)attc  ftd)  erft  an  ben  födjfifd)en  S^anjler  53rücf  gemacht,  um  burc^ 
i^n  bei  bem  ^Inrfürften  Jriebrid)  ju  @ef)ör  ju  fommen,  ber  fid^ 
aber  mit  i^m  nic^t  etnlaffen  moUte.  3efet  münfe^te  er  Sutl)er 
felbft  bearbeiten.  @r  meinte,  menn  biefer  nur  feine  lepte,  an^ 
ftögigfte  ©d}rift  über  bie  babplonifc^e  @efangenfd;aft  ber  Äirc^e, 
al^  im  Qüxn  über  bie  päpftlic^e  53annbuIIe  gefc^rieben,  jurücf- 
nehmen  mollte,  fo  liegen  fteg  mogl  nod)  9J?ittel  unb  S5?egc  ju  güt* 
Heger  Beilegung  feinet  §anbeU  finben.  ©o  fprad)  er  benn  oueg 
auf  ber  ©bernburg  ^u  bem  öurggerrn  unb  beffen  nttcrlid)em 
(^afte,  ber  eben  unbag  mar,  ganj  günftig  über  Sntger.  ©elbft 
beffen  5<^inbe  mügten  geftegen,  meinte  er,  bag  burd)  ign  juerft 
ber  Sgriftengeit  bie  Xgür  tieferem  ©cgriftüerftänbnig  geöffnet 
morben  fei.  Unb  auf  §utten'ö  grage,  maö  benn  alfoSutger  fo 
©rogeö  üerbroegen  gäbe,  baö  burd)  biefer  ®erbienft  niegt  gut 
gemaegt  mürbe?  mar  (fo  beridgtet  menigftenö  §utten)  feine  ?lnts 
mort,  er  fege  niegtö*).  S33aö  babei  audg  bie  eigcntlid)e  Slbficgt 
beö  SJ^annei^  fein  moegte,  ben  @raömu3  unb  Jütten,  gierin  ein* 
ftimmig,  aU  einen  ber  abgefeimteften  Pfaffen  fd)ilbern:  ob,  ßutgern 
5U  einem  falfcgen  ©egritte  ^u  uerleiten,  ober  ign  aU  ein  2Bcrf= 
^eug,  beffen  berÄaifcr  oielleicgt  nod)  cinmol  gegen  9^om  bebürfen 
fönnte,  ^u  fparen:  gemig  fag  bamolö  ©idingen  nod)  niegt,  mie 
fpäter  §utten,  in  igm  Sutger'ä  fd)limmften  geinb,  fonft  mürbe 
er  nid)t,  mie  er  tgat,  in  fein  Slnfinnen  gcmilligt  gaben.  (£r  fanbte 
nämlicg  feinen  @aft  2)?artin  Sucer  mit  etlicgen  9teitern  nad) 
Dppengeim,  um  bem  buregreifenben  Sutger  bie  (Sinlabung  auö^u* 
rid)ten.  Hber  biefer,  mie  er  fieg  bureg  gleicg^eitig  einlaufenbe 
Söarnungen  nid)t  üon  bem  Orte  feiner  Öeftimmung  abfcgrcifen* 
lieg,  fo  lieg  er  fieg  and)  bureg  feine  ©inlabung  feitab  loefen : menn 
ber  !aiferlid)e  53eiegtiger  etma§  mit  igm  ju  reben  gäbe,  mar  feine 
^ntmort,  fo  fönne  bag  in  SBormg  gefd)egen,  bagin  fei  er  berufen. 


1)  Ilutteni  Expostulatio  cum  Erasrao,  ©dritten  TI,  ©.  210  l. 
ben  ®rief  ^ucer’S,  Hutteni  Opp.  Suppl.  II,  ©.  806. 


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fiut^er’ö  ®frutl^fiIuno.  ßinbrudf  ou|  Jaulten.  407 

5(m  16.  tarn  Sutl)cr  ^u  Söormö  an,  iinb  fc^ou  am 
folflenben  Xagc  begrüßte  .'puttcn  i^n  uub  feinen  Segteitcr  3nftuö 
3onaö  in  jioei  ®c()rciOen,  tuelcße  93ucer  non  ber  (Sbernburg  nad) 
Sorinö  überbraeßte.  Süö  unübenoinblirijen  ^rebiger  bes^  ©oan* 
gclium!^,  al#  feinen  ^eiligen  greunb,  rebet  er  i^n  an.  Unb  in 
feine  tßeologifc^e  iUianier  cingeßenb,  tritt  er  ißm  mit  einem  biefen 
3ftauc^mer!c  biblifeßer,  inöbefonbere  altteftamentlic^er  ©prüeße  cnt= 
gegen.  meit  man  burc^feßen  fann,  münfeßt  er  i[)in  ©taub= 
^aftigfeit,  ba  auf  ißn  je^t  fo  Diel  anfomme,  unb  uerfießert  it)n 
feiner  2ln^ängUd)teit  biv  jum  legten  §aucße.  Sgrer  beiber  ^u* 
fcßläge  unterfc^eiben  fid)  barin,  baß  bie  feinigeu  menfd)lid)  feien, 
mäßreub  ßutßcr,  fd)un  üoHfommener , aüc!^  öJott  außeimgeftellt 
gäbe.  ©e()en  möcßtc  Jütten  jegt  bie  mütgeuben  iöliefe,  bie  ge* 
runzelten  ©tirnen  unb  'Brauen  üon  ßutger'i?  geinben.  gür  bie 
©aege  gat  er  bie  beften  .^Öffnungen,  aber  für  Sutger'ä  ^erfon 
ftegt  er  in  fegmeren  ©orgen*). 

^n  3uftu^  Sonaö  fegrieb  Jütten  üoll  greube  uub  üob,  baß 
jener  fieg  mit  Sutger  in  ©efagr  begeben.  .Jiabe  er  igu  fd)üu 
Uorger  geliebt,  fo  liebe  er  ign  um  beßmilleu  gunbertmal  megr. 
@r  bebauert,  baß  fein  ßrotus^  burd)  baö  leibige  fRectorat  uon 
ber  Xgeilnagme  an  biefet  ÖJefagr  abgegalten  fei.  @r  münfd)t, 
er  fönntc  felbft  in  SBorinö  fein  unb  einen  ©türm  erregen,  ^od) 
fei  eö  beffer,  rugig  ^u  bleiben,  unb  Sutger  lebenb  ju  befdjügen, 
alö  feinen  Xob  ju  räd)eu.  Sonaö  möge  igm  üon  ben  Borgiingeu 
bort,  üon  feinen  Hoffnungen  unb  Befüregtungen,  ^Jtad)rid)t  geben-). 

?lm  17, 2(pril  beftanb  £utger  fein  erfte^  Bergör,  in  iüeld)em 
er  auf  bie  grage,  ob  er  feine  fämmtlicgen  Büeger,  fo  mie  fie 
feien,  begaupten,  ober  baö  5lnftößige  bariu  miberrufeu  mollc,  fid) 
Bebenf5eit  erbat;  am  18.  baö  jmeite,  mo  er,  mit  Slbmeifung  ber 
Sluctorität  üon  $apft  unb  (Soucilien,  menn  er  niegt  auö  ber  geil, 
©egrift  mibcrlegt  mürbe,  ben  SSiberruf  ablegnte.  @r  tgat  bieß, 
nad)bem  igm  bereite  burd)  ben  trierfegen  Dfficial  angcfüubigt 
mar,  mcife  er  jeben  SBiberruf  ab,  fo  merbe  bae^Reicg  fd)ou  miffen, 
mie  eö  mit  einem  Äeger  ^u  üerfagren  gäbe.  @r  mar  alfo  jmar 
üorgeloben  unb  befragt,  aber  niegt  eigentlicg  gegört  morben : mau 


1)  Jütten  an  Sulb^r,  Schriften  II,  <8.  65  f. 

2)  Kn  ^onaö,  a.  a.  O.  8.  56. 


408 


II.  ®U(^.  7.  i^apilcl.. 


^attc  fic^  über  bic  ftrcitiflcn  fünfte  nic()t  mit  t[)m  cin^clnffcn, 
it)m  uid)t  bemiefen,  bag  er  Äc^crifc^cö  gelehrt  ^abc,  fonbern  bieg 
fd)on  oorauSgefc^t , borauf  ()in  ben  Söibcrruf  üon  igm  ücrlangt, 
iinb  alö  er  biefen  ablel)ntc,  i^n  aU  itejer  fallen  gelaffen. 

5ÜÖ  Jütten  üon  biefem  ÖJangc  ber  0ac^c  burc^  2ntl)er 
fclbft  9^ad)ric^t  erhielt,  fannte  feine  ©ntrüftung  feine  ©renj^cn. 
!Öogen  nnb  Pfeile,  ©c^merter  unb  löüc^fcn  l)ielt  er  für  nötbifl, 
um  ber  SBntl)  biefer  Teufel  @in()alt  t()un.  Slber  oudf)  feine 
5lncrfcnnung,  feine  öemunberung  ßutber'ö  mar  unbebingt.  SJiand^c 
feien  5U  il)m  gefommen  in  jenen  Xagen,  fd^ricb  er  i()m,  mit  ber 
ängftlid^en  $Ieugcrung:  Söenn  er  nur  nid}t  abfäüt!  menn  er  nur 
ftanbl)aft  antmortet!  fid)  nid}t  einfd)üc^tcrn  lögt!  ©eine  @rmie= 
berung  fei  jcbcömat  gemefen,  2utl)er  merbe  Sutl)cr  fein,  ^iefc 
ßuuerfic^t  l)abe  ign  nid^t  getäufd)t : £utl}er’d  ^Intmort  laffc*nid^tö 
511  roünfdjcn  übrig.  Slucb  in  ben  gcljcimen  Sicrganblungen , üon 
benen  er  fc^reibe  (üon  ©eiten  etlicher  ©tänbe  fudjtc  man  Sutt)cr 
,^n  bemegen,  bag  er  in  einzelnen  fünften  nad)gcben,  Äiaifer  nnb 
©tänbe  al§  9tid)tcr  über  feine  ßc()re  anerfennen  foCite),  merbe  er 
fid)  fo  ju  galten  miffen,  mic  cö  am  beften  fei.  @r  möge  jc|t  nur 
biö  anö  @nbe  begarren,  bie  geinbe  fegreien  unb  toben  laffen  unb 
igrer  fpotten.  ®cnn  megr  unb  megr  ^eige  fid),  bog  alle  beften 
SU^änner  igm  gemogen  feien:  merbe  igm  niegt  an  SSertgeibigern, 

nid)t  an  Üläcgern  fcglcn.  3gn  fclbft,  Jütten,  ^minge  bic  S3orfid)t 
feiner  greunbe,  igre  5^tcgt,  er  mödjtc  oicl  mögen,  immer  nod) 
i^ur  Sfluge:  fonft  mürbe  er  unter  ben  dauern  oon  Söormö  jenen 
äJiü^cn  ein  ©piel  angerid)tet  gaben,  ^od)  in  ^Jur^cm  merbe  er 
geroorbreegen ; bann  foHc  ßutger  fegen,  bog  aiii^  er  ben  (^cift 
nid)t  Ocrläugnen  merbe,  ben  ®ott  in  igm  crmedt  gäbe.  @r  brenne 
oor  33crlangen,  2utger  ^u  fegen,  ben  er  fo  fegr  liebe,  unb  ber  igm 
über  alleö,  maö  igm  begegne,  Dlacgricgt  jufommen  laffen  möge*)- 

S^odg  einmal  oor  feiner  Slbreife  au§  SBormö  (bic  am  20. 
Slpril  erfolgte)  fd)rieb  fiutger  an  Jütten  unb  gob  igm  oon  bc§ 
Äaiferö  ungnöbigem  Slbf^ieb  unb  bem  Verbote  Ä'unbe,  untermeg*^ 
prebigen.  Jütten  oermod)tc  biefeö  öriefegen  niegt  ogncXgrö' 
neu  Icfen,  unb  fein  Unmille  über  baö  gegen  Sutger  cingcgaltcnc 
^erfagren  erneuerte  fid).  ®aö  Sßorgeben,  al^  fei  biefer  berufen 


1)  'Än  Cutter,  20.  ?tpril.  ?l,  q.  O.  'S.  58,  unb  Supplem.  II,  6.  806  f. 


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l}frQnjen§  3ö0c^wno-  Warnung. 


400 


ioorbcn,  um  ftc^  511  ücrautmortcn,  fd)vicb  er  am  1.  au  Söilis 
halb  $ircff)cimcr*),  fei  eine  £ü(\c  gemcfeii.  9J^nn  f)abc  i()m  ja 
feine  ^öerantmortnnfl  (^eftattet.  Unb  nun  bcljmiptcn  einige  Snriften, 
ber  Äaifer  fei  nid)t  bcrpflic^tct , if)m  ba§  freie  Öeleit  j^u  galten, 
ja,  er  fei  ücrpflic^tet,  ec?  nid)t  ju  i)olten.  ^ic  gottlofen  33ifc^öfe 
möchten  baö  Öeifpicl  if)rer  S3or(jän(^er  auf  bem  conftanjer  (Soncil 
nac^abmen.  ^er  i^aifer  foUe  ben  SJorfa^  mißgefprocbcn  haben, 
ben  ?5apft  unb  bic  römifebe  Älircbc  auf’g  öngerftc  ^n  ücrt()eibi()en. 
^Darüber  jubeln  bie  Pfaffen  unb  meinen,  bae  0tncf  fei  ;^u  @nbe; 
boeb  biö  babin  fei  e^  noch  meit,  eö  fehle  noch  ber  leptc  9lct.  S^on 
ber  onbern  ©eite  fei  -\u  SBormö  ein  ongefchlacjeii  morben, 

bafe  400  Dom  §(bel  ficb  für  fiuther  nerfd)moren  h^üen,  mit  bem 
ßufafe:  löunbfcbuh,  öunbfcbuh!  (ber  auf  eine  Sßerbinbunc^  mit  ber 
iöanerfcbaft  hinbeutetc)  ein  ©d)ritt,  fo  c^efohrlid)  füriiuther,  baft 
man  nermnthen  fönnte,  er  fei  non  feinen  geinben  an^fleoant^en. 
(Sö  follc  ihm  ein  fchr  fdjarfc^  (Sbict  nad)c^e= 

fd)icft  merben  (bie  §ld)töerflärnn(^  erfolc^tc  am  26.  äJiai),  baö 
aber  mohl  in  einem  groben  ?Reidjö  auf  äBiberfprnd) 

ftoben  bürfte.  ^enn  jept  müffe  fid)  feigen,  ob  icntfcblanb  gürfteii 
habe,  ober  ob  eö  non  gepulten  ©tatuen  regiert  fei.  5^an^  uon^ 
©iefingen  fei  feft  unb  eifrig  auf ßuther’^g ©eite;  er  h^^üe  gefebtno* 
ren,  allen  (Gefahren  ^nm  Xro^c  bie  ©ari)e  ber  Söahrheit  nid)t 
neriaffen  j^u  moHen,  unb  biefcö  SBort  fei  einem  Crafel  gleid),^nad)tcn. 

?lber  loöfd)lagen  luoUtc  S^^an^  immer  nid)t,  fo  mancbcömal 
and)  befonberö  ben  geiftlid)en  .sperren  auf  bem  $Reicbötagc  nor 
feiner  brobenben  9^äl)e  bange  mürbe.  ^)ic  Hoffnung  auf  ©olb 
unb  Äriegöbente,  aber  ancb  auf  fteigenbe  Geltung  im  ^)ienfte  beö 
Äaiferö,  bem  ein  itrieg  mit  granfreid)  nid}t  mehr  lange  an^= 
bleiben  fonnte,  mar  nid)t  bie  lepte  ber  Urfad)en,  meld)c  ©idingen 
unb  feine  ^Inbängcr  unter  ber  Sfitterfchaft  non  ©emaltfamfeiten 
norerft  nod)  jurncfhielten.  ©0  blieben  .^utten'ö  Drohungen  non 
ber  (Sbcrnbnrg  herunter  SSorte,  unb  er  ftanb  non  ,^mei  ©eiten 
her  bem  ^abel  blog:  entmeber,  bag  er  gebrogt 
nicht  auöfübren  fonnte,  ober  bag  er  nicht  auch  an^führte,  macj  er 
gebrogt  hotte.  Söenn  (Jraömnö  gegen  ®nbe  jeneö  gohrc«  in  einem 
93rief  an  ^irefbeimer  fieg  über  ßutber’cJ  unb  feiner  ^Ingänger 


1)  %.  Q.  C.  6.  59-62. 


410 


II.  53ui(>.  7.  Äopifcl. 


ftciciciibe  ^cfticifcit  mit  ber  Slciifecuuug  bcfloflte,  mcr  fo  brot)c, 
müßte  ein  f(^laflfertic;eö  |)eer  hinter  fieß  ßaben,  fo  hielte  er  bamit 
fießer  aueß  auf  §utten.  mar  (Sraömnö,  ber  mit  feinem  Xabel 
auf  biefe  ©eite  trat:  .^nttcirö  junc^ere  ober  heißblütigere grennbe 
hatten  fid)  feiner  Drohungen  flefreut,  ja  mohl  felbft  auf  feine 
9tcchnunc|  mitgebroht,  unb  machten  ißm  nun  IBormürfe,  baß  er 
über  baö  Großen  nid)t  ßinanöfam. 

Hermann  oon  bem  ^önfeße  mar,  mit  feinen  5man3ig 
mehr,  bod)  faft  noch  braufenber,  nod}  leibenfd)aftlicher  aU^ntten. 
@r  befanb  fieß,  mic  feßon  ermäßnt,  mäßrenb  beö  fReieß^taejö  in 
SSorm^,  unb  füßrtc,  mic  Sod)länö  bejeut^t,  münblicß  nid)t  minber 
milbc  SReben  qecten  Sntßcr’ö  SBiberfad)cr,  ol^  glitten  fd)riftlicß 
oon  ber  (Sbernburß  ßernnterfanbte.  Snfofern  ßattc  er  biefem 
nid)ti^  oor^nmerfen:  oßne  ^ber  hatte  er  fieß  babei  auf 

$ntten'ö  SSerfpreeßen , näcßftcnö  mit  granjen^  ^lülfc  lo^bred}en 
3u  moUen,  oerlaffen,  unb  mar  nun  boppcit  unmillicj,  baß  bieß 
nid}t  9cfd)aß.  Unter  bem  5.  9Rai,  alö  baiS  (^efcßäft  gcflcn  Sutßer 
(er  mar  fdjon  feit  ad)t  Xagen  abgereift ) oßne  alle  ©töriing  naßc* 
3U  oollenbet  mar,  erließ  Hermann  )öufd)  üon  2Borm§  aui^  ein 
©enbfdjrcibcn  an  §utten  ‘),  in  mclcßem  er  ißm  feine  SOUßftim* 
mnng  nießt  Oerßeßlt,  unb  burd)  bic  bitterften  5)inge,  bic  er  bem 
greunbe  fagt,  ißn  3ur  Xßat  311  ftacßeln  fließt.  @r  melbet  ißm, 
mic  bie  IRömlinge  auf  bem  $Rcid}ötagc,  bic  fieß  erft  oor  ißm  gcs 
füreßtet,  jeßt  über  ißn  lacßcn  unb  SBiße  ma^en.  @r  belle  nur, 
unb  beiße  nidßt,  fagen  fic.  2)ic  päpftlicßcn  5Runtien  füßrt  er 
rebenb  ein;  äöenn  ißnen  feine  fd)limmere  ©efaßr  broße  alö  oon 
glitten,  fo  feien  fie  geborgen,  ^arum  ßaben  fic  aueß,  oßne  fid) 
an  feine  citcln  ^roßungen  311  feßren,  ißr  (5Jefd)öft  nur  um  fo 
eifriger  betrieben  unb  ßoffen  eö  näcßftcnö  oollenbet  ißrem  $errn, 
bem  ^apfte,  311  güßen  3U  legen.  ^Icanbcr’i^  innigeö  IBcrßältniß 
3um  Äaifer,  bic  ^intanfe^ung  ber  beutfeßen  gürften,  ber  Ueber* 
mutß  ber  ©panier,  melcßc  auf  3Raultßiercn  ftol3ierenb  ben  ^ciiU 
fd)en  ben  2)iarft  fperren,  ^utten'ö  gloffirtc  ^uUe,  ßutßer’ö  babß* 
lonifcßc  ©efangenfcßaft  ben  33udßfüßrcrn  megneßmen,  3errcißen 
unb  in  ben  Äotß  treten:  baö  aUcg  mirb  3um  SSormurfc  gegen 


1)  ©.  bo§  6d^|retb<n  in  i^utten’§  Sl^riften  II,  ®.  62 — 64.  ^ie  Stelle 
au§  @0(^läu§’  Ilistor.  du  actis  et  scriptis  Lutheri  ebenbafelbft,  S.  64  f. 


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Sobon’S  ^a^nang  unb  l^uHen’S  ^niiDort. 


411 


Jütten,  ber,  ipcnn  er  (glaube  ()clfcn  ju  fömten,  ()ättc  ba.^u 
tbim  foücn.  Huf  ^larriS  Hbreife  iparten,  luärc  fd)v  unpaffenb, 
ba  mit  if)m  bic  fdjtimmftcn  geinbe  ^uttcii’ö  imb  ber 

bcutfc^cu  grei^cit,  bic  pöpftlic^cu  9tiintien,  ab5icf)cu  merben. 
Söenn  Jütten  biefe  mit  beilcr  ^aut  auö  ®eutfd)lanb  tommen 
laffe,  menn  er  t)icnn  bic  erregte  (gnuarliuig  täufc^e,  fei  e^  eine 
©ertappe  für  feinen  iRuf.  0tatt  ber  ^lacfcreicn  gegen  biejenigen, 
meiere  Pon  ^icr  auö  nact)  9tom  reifen,  folltc  er  uielmcbr  jene 
römifc^cn  ©enbtinge,  bic  eigentlichen  ©d)ulbigcn,  beftrofen. 
SBenigften^  möge  er  nicht  aüc  ungefränft  bauon  fommen  laffen, 
bnmit  feine  Drohungen  nicht  ganj  leer  erfunben  merben;  benn 
fo  Picl  fönnc  öufch  ihm  fügen,  fein  biöherigcö  tl)uc  felbft 

feinen  beften  grcunben  leib. 

Ungefähr  um  bicfelbe  3^tt  erließ  aud)  ber  alte  crfurtifd)c 
greunb  (Süban  ;J)effc  eine  poetifchc  SUtahnung  al)nlid;en  3nl)alt^, 
nur  in  feiner  Hrt  frcunblidjcr  unb  gemüthlicher,  an  Jütten  *)• 
2)er  beutfehe  iRittcr  möge  jegt  ßuther  unb  bic  beutfd)c  greiheit 
mit  bem  ©chmerte  befchühen,  ba  cd  mit  ©chriften  unb  ißerfen 
nicht  mehr  getl)an  fei.  ^aju  bürfc  er  fich  aud  allen  ®aucn 
^)eutfchlanbd  ^eiftanb  ucrfprcchcn,  befonberd  pon  granj  Pon 
©iefingen.  ©ic  beibe,  fo  ahnet  bem  2)id)ter,  werben  bem  römi- 
fehen  Ünmefen  ein  @nbc  machen;  befonberd  aber  fe^t  er  feine 
Hoffnung  auf  Jütten,  ben  er  Pon  Sugenb  auf  beobachtet  h^t, 
beffen  hoh^m  (}jcift,  gefaßten  9)iuth  unb  tapfere  ^anb  er  genau 
fennt.  3n  biefen  @igcnfd)aftcn  möge  er  fich  nun  aud)  ber  Station 
jeigen;  2)eutfchlanbd  greiheit  unb^uhm  wicberhcrjuftcflcn,  ba,^i 
rufe  ihn  bad  ©chicffol.  ^aburch  werbe  er  ben  fchon  je^t  glän* 
^enben  9tamcn  ber  Jütten  noch  mehr  Perherrlichen,  wie  ihm  hm* 
wicberum  ber  (.^lan^  biefed  Sftamend  im  Äampfc  93orfd)ub  Iciften 
werbe.  5)er^)ichtcr  erinnert  ben  ritterlichen  greunb  an  beniBeU 
fall,  ben  fein  gewaffneted  iöilb  ßnbe,  an  ben  Vorgang  feined 
Äampfcd  für  ben  ermorbeten  fetter,  ©o  möge  er  eublich  bic 
Hoffnungen,  bic  er  erregt,  erfüllen,  unb  bed  greunbed  Hufruf 


1)  Ilelii  Eobani  Hossi  ad  Hulderichum  Huttenum,  ut  Christianac 
veritatls  caussam  ot  Luthori  inittriam  armis  contra  Romanistaa  prose- 
quatur,  Exbortatorium.  3n  Jj>ult«n’§  6(^ri|tcn  II,  <5.  68 — 71. 


412 


II.  7.  ü^ajjtlcl. 


(llcirfjfnm  alö  ©icinal  511m  Äaiiipfc  fan  bom  bicfcr  (]ornc  felbft 
Xl)cil  nehmen  möd)tc)  frcunblic^  aufne^men. 

Sßic  citift  @obon  bic  $uttcn’fd)c  ©piftcl  3talia'i^  an  ÜO^oji^ 
milian  biird)  Eingabe  ber  Urfac^cn  beantwortet  ^atte,  welche  ben 
Ä'aifer  biö  je^t  nod)  oerftinbern,  ihrer  ^lufforberung  folgen: 
fo  fanb  fid)  nun  umgefehrt  Jütten  in  bem  galle,  (Soban'ö 
jjoetifdhe  5(ufmahnnng  in  berfelben  entfdjulbigenben  nnb  befd)Wic^= 
tigenben  SBeife  beantworten ').  0cine  @rma()nung  hätte  ber 
greunb  j^war,  wenn  er§utten  recht  gefannt,  fparen  fönnen,  bod) 
fei  fie  biefem  wiüfommen,  alö  ein  bag  eö  noch  freie 

SD^änner  in  ^eutfchlanb  gebe.  ÜJiödjten  alle  fo  benfen!  21  ber 
ftatt  beffen  j;agen  nnb  ^aubern  bic  Öunbeögenoffen.  @r  jebod) 
werbe  aüeö  oerfnehen,  unb  obwohl  bon  Dielen  im  0tiche  gelaffen, 
in  feinem  23orhaben  bis  in  ben  Xob  beharren.  23i^hct  er 
bnrd)  Schriften  511  wirfen  gefudjt;  je^t  fei  bic  ßeit  ber  SBaffen 
gefommen : er  ergreife  fie.  ^aö  ©erüd)t,  er  hcibe  fein  Unternehmen 
anfgegeben,  fei  falfch,  Dom  S^cibe  auögefprengt.  2)eö  ^apfte^  nnb 
feiner  2lnhönger  3)rohungen  Derachte  er.  23on  Suther'ö  23lutc 
foüe  in  feiner  Gegenwart  nidit  einXropfen  Dergoffen  werben,  ber 
fich  nicht  mit  bem  feinigen  mifche.  @r  werbe  biefen  feinen  SHit^ 
arbeiter,  wie  früher  mit  bem  Reifte,  fo  je^t  mit  bergauft  unters 
ftühen.  Db  er  e^  burchfepen  werbe,  wiffe  er  nicht;  aber  wagen 
werbe  er  barum  bod).  23erbannung  unb  Xob  fehreefen  il)n 
nicht:  in  einem  getnechteten  SBaterlanbe  leben,  hol’c  feinen  SBcrtl), 
unb  ber  ^ob  werbe  ihn  ja  in  greiljeit  fepen.  ®och  hoffe  er  baö 
Sefte.  23iellcicht  werbe  5^anj  bie  SBaften  ergreifen,  ber  gan^c 
2lbelftanb  fich  in  bie  ©a che  legen,  bic  ihn  im©tid)c  gelaffen,  j\us 
rüeffehren : jcbenfaHö  fel)c  er  im  ©eifte  ben  gatt  be^  fßapftthum^, 
ben  ©ieg  be^  ©uangelium^  Dorauö.  ®o6  bie  beiben  Sffuntien 
unDerfehrt  entfommen,  fei  nid)t  feine  ©d)ulb.  @r  höbe  nichts 
Derfäumt:  bie  ©tragen  befe^t,  ^interholtc  gelegt:  aber  beö  S^ai* * 
ferö  §eer  l)Dbe  fie  gefchü^t*).  SöieHeicht  laufen  fie  ein  anbermal 
inö  ÖJarn;  auf  jebengaU  müffe  man  annchmen,  e^  fei  fo@otte§ 


1)  Ilulderichi  Hutteni  ad  Hel.  Eobanum  Hessnnt  pro  eadem  re 
Responsorium.  ßbfnboj.  ©.  71 — 76. 

2)  gine  Spur.  ba§  er  einen  tprer  ©eßleiter  erflod^en,  weijl  ^befing  nodp ; 
Schriften  II,  S.  89  f. 


* 


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J^utten’S  ^tntwoTt  ouf  ^obon'S  ^a^nung. 


413 


SBJiUc  flctpcfcn.  3n  (5J)rifti  SBiücn  ergibt  fidj^uttcn  ganj:  tüoüc 
ber,  bag  ßco  ibu  feglc,  fo  )ud)c  er  uergebenö  511  entrinnen;  fo 
U)ie  umgefebrt  feine  römifdjcn  öfegner,  tuenn  (Ibriftuö  fie  in  feine 
^änbe  geben  tuolle.  ^ber  niöge  it)m  beifteben,  ba  il)n 

5U  biefem  Kampfe  niebtö  alö  bie  Unterbrnefung  bei? 
glaubend  bewege.  Streiter  feien  genug  bereit:  ßb^iftU‘^  niögc 
nur  ba^  ©ignal  geben,  ben  Ätrieg  anbefeblen.  ©onft  blafe  aud)- 
(Soban  umfonft.  3nbeffcn  fei  eö  gut;  er  möge  nur  fortfabren, 
bie!üeutc  ouf^umabnen : Diele  b^btn  bieß  nötl)ig,  wäbrenb  §uttcn 
Don  felbft  bereit  fei.  ?(ud)  feien  bie  S23irfungen  feiner  Xbötigfeit 
nicht  gan5  511  Derfennen:  fRom  fd)ide  feit  einiger  3cit  feine  iöuUen, 
feine  iiegaten,  feine  ^Iblaßfrämer  inebr,  unb  bie  (Surtifanen  tbun 
fid)  ein.  ©eniig  fei  ba^  freilich  i^och  nicht:  bie  böfe  ^rut  inüffe 
mit  ber  lEönrsel  auögerottet  werben.  2)aj^u  werbe  §utten  tbun, 
wn^  in  feinen  Kräften  ftel)e;  fei  ibm  baö  Unterfangen  ju  fd)wer, 
fo  müffe  ba^  SBaterlanb  feinen  3Billeii  für  bie  Xl)at  nel)men. 

Uiib  io  bce^l'  i(^  ()tnt>ur4l ! brect)*  icb,  ober  ic^  falle 
itäinplenb,  mürbem  td)  einmal  alfo  gcioorfcn  bas  ü!oo4. 


414 


<$ttftett  tttmmeft  itt  ßfeinerett  ^e^bett  ttttt»  Bemüht 
um  ettif  '^erOlnbuttg  ber  'giitterfifaft  tittb  ben 

§iäHen. 

1521.  1522. 

®ic  2:ngc  bcö  S^lcidjötagö  5U  SGBormö  Dilbcn  einen  9Benbe:= 
pnnft  in  ^nttcn’ö  fieben.  Unb  feinen  glüeflidjen.  0ein  Einlauf 
broc^  fic^,  er  mußte  maf)rnef)mcn,  baß  er  meit  uorgerannt  mar. 
mußte  nad)  ber  einen  ©eite  ßin  bieß,  nac^  ber  anbern  ba§  ßus 
rüdblciben  ber  Xßat  ßinter  bem  SBort  cntfcßnlbigen.  ©cineSc^rifs 
ten  l)attcn  je  länger  je  beftimmter  über  fid^  ßinau^  auf  Xßaten 
gemiefen:  ba  er  biefc  nid)t  einfe^en  fonnte,  fo  mußte  üon  felbft 
auc§  in  feiner  ©c^riftftellerei  eine  $aufc  ber  SSerlegen^eit  ein» 
treten. 

2Iuc^  bie  fruchtbare  Qcit  beg  rußigen  3ufammenlebenö  mit 
granji  üon  ©idingen  auf  ber  ©bernburg  ging  ißrem  @nbe  511. 
granj  faß  im  ©ommer  1521  im  SBilbbabe,  baö  er  alg  Kipper- 
tinenjftücf  uon  ©tabt  unb  21mt  9feuenbürg,  bem  ißin  jugefeßiebe^ 
nen  ^ntßeil  an  ber  mürtembergifdjen  33cute,  in  2lnfprucß  naßm, 
alö  ißn,  morauf  er  längft  gemartet  ßatte,  eine  faiferlicße  Söotfcßaft 
5U  ben  SBaffen  rief,  ©egen  ben  ^erjog  non  33ouiüon,  9lobert 
Don  ber  SWarf,  unb  grantreid),  baö  ißn  unterftü^te,  füllte  granj 
2000  IReiter  unb  15,000  9Kann  5U  guß  merben  unb  mit  ben- 
felbcn  auf  ©t.  gafobötag  ober  fpätefteng  ben  1.  Huguft  in  ®ie^ 
benßofen  eintreffen.  @r  bradßte  feine  SBerbung  ju  ©taube  unb 
rücfte,  ben  ©rafen  §einricß  oon  S^affau  al^  j^meiten  DberbefeßU^ 
ßaber  jur  ©eite,  in  33ouiHon  unb  meiter  in  granfreieß  ein.  ?(ber 


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^uttcn  im  SScrflecf. 


415 


biefcr  5^lb^u0,  bcr  granjcnö  ©teUiing  bei  beni  ^aifer  befcfti^cn 
foUte,  brachte  toiclmebr  gegciifeitifleS  ai^igDergnügen.  ^)en  beiben 
5elb()errcn  fehlte  eö  an  ©inigfeit,  unb  bavum  an  @rfolg;  bcr 
Äaifer  aber  lieg  eö  an  ÖJelbe  fehlen,  ©iefingen,  ber  feine  20,000 
©olbgulben  non  Äarl  noch  jurücfcrhalten  h^tte,  mußte 
fich  je^t  and)  für  einen  rücfftänbigcn  Solbeö  bei  ben 

Xruppen  oerbürgen.  0o  mar  er  mit  bem  Staifer  un^ufrieben, 
nnb  biefer  mit  il)m. 

Jütten  finben  mir  gegen  @nbe  9)?ai  noch  her  @berns 
bürg;  hoch  ba  er  oon  einem  atitte  nach  ^for^heim  fchrcibt,  ben 
er  oor  S^urjem  gemacht,  fo  fcheint  eö,  er  hotte  5^anj\  im  Söilb^ 
habe  befucht,  ober  fid)  auch  fc^hft  eine  ßcit  lang  bort  aufgchalten. 
2lber  er  jmeifelte,  ob  er  noch  lange  bei  Srauj  merbe  bleiben  fön* 
neu,  fo  tpünfd)cnömerth  eö  ihm  and)  erfchien,  bag  biefem  ein 
9Wann  jur  0eite  bliebe,  ber  ben  unabläffigen  Jöemühungen  ber 
onbern  Partei,  ihn  oon  ber  ©ache  ber  IHcformation  abmenbig  ju 
machen,  baö  ©egengemicht  hielte.  ®arum  mnr  §utten  über 
öueer  fo  ärgerlid),  bog  er,  bcr  §luöficht  auf  eine  aSerforgung  bei 
gron^  oon  ©iefingen  ungeachtet,  fich  hotte  oerführen  laffen,  alö 
i^aplan  in  bic  S)icnftc  beö  faiferlid}cn  ©tattholtcrö,  ^fal^grofen 
griebrich  ^u  treten,  oon  beffen  högffh  floucr  ©efinnung  für  bic 
©achc  beö  (Soangcliumö  nichts  ju  ermarten  ftanb  ‘).  ©criic  märe 
er  mit  ©iefingen  ju  gelbe  gcj^ogcn;  ober  feine  ©cfunbljcit  mar 
aufö  atcuc  manfenb  gemorben,  unb  er  fah  fich  genöthigt,  ju  ihrer 
pflege  oorerft  einen  ruhigen  2lufenthalt  ju  mühlcn.  Änfangö 
©eptember  finben  mir  ihn  in  biefem  58crfterfe,  mie  er  ihn  nennt, 
ben  atamen  jcboch,  ouö  gurcht  oor  atachftcllungen , bem  Rapier 
nicht  anoertraut:  menige  SBertrautc  mugteu  ben  Drt,  bcr  ohne 
3mcifcl  in  ber  atöhe  oon  Söormö  ober  Sanbftuhl  ju  fuchen  ift. 
atoch  20  Xogc  gebachtc  er  ba  ju  bleiben,  unb  bann,  menn  eS 
mit  feiner  ©cfunbljcit  fich  gebeffert  l)üttc , ju  granj  ind  ßager 
fich  ju  begeben,  ^ahin  hotte  er  gerne  ouch  33uccr  mitgenommen, 
bem  fein  ^ofbienft  bereite  ju  migfaüen  begann ; mährenb  bcr 
grogmüthige  ©iefingen  ihn  ^ur  aiücffehr  in  feine  Umgebung  mit 
ber  Äudficht  auf  bie  nächfte  lebig  merbenbe  ^^forrftelle  einlaben, 
ja  ihm,  menn  er  juoor  nod)  einen  (iurfud  in  äBittenberg  burd)* 

1)  ^utten  Olt  ®ucfr,  27.  Wal  1521.  ?(.  o.  O.  ©.  75  f. 


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416 


II.  8.  Ilfapitd. 


machen  tpofle,  ©tubicnfoften  auf  ein  3at)t  anbicten  ließ. 
uicl  ui^eßaltcncr  aber,  atö  auf  iöueer,  luar  §uttcu  bamalö  auf 
ISapitü , über  ben  er  iu  feiner  ®erftimmuucj  bem  (^erüeßte 
(Glauben  feßeufte,  berfelbc  fei  uom  ©uangelium  abgefallcn  uub 
l)abe  unter  anqeuommenem  Sf^amen  (Jecken  bic  £utberaner  gcfcßric* 
beu‘);  ein  @erücl)t,  uou  beffeu  ©ruublofigfeit  er  fid)  halb  ßer* 
nad)  überzeugte,  uub  luiebcr  in  bie  alte  freuubfdjaftlid)e  Sßerbin* 
buug  mit  (Sapito  trat. 

Db  Jütten  fein  SSor^abcu,  Srauj  inö  gelb  zu  folgen,  fpäter 
luirflicß  noc^  in  §lu‘3fül)rung  gebracht  l)abe,  ift  zweifelhaft.  Otto 
^runfeU  beridjtet  zwar,  ber  Äaifcr  höbe  ihm  jährlich  200  QJulben 
bezahlt;  al)5  er  unter  ©icfingcirö  ^auptmannfehaft  geftanben, 
habe  et,  loie  anbere  au^gezeid)uete  3)^änner,  ben  hoppelten  0olb 
erhalten;  auf  biefeö  Schalt  jebod),  um  bed  Äaiferö  uneoangelifcher 
(SJefinnung  millen,  uon  freien  ©tücfen  oerzii^tet^).  2Ulein  faft 
möchte  man  glauben,  iÖrunfebJ  fpred)e  uon  bem  luürtembergifchcu 
gelbzug  unb  betrad)te  ^utten'ü  ^ienftücrhältniß  alö  ein  feitbem 
fortbauernbe^.  ®aß  er  bem  ^iaifer  ben  5)ienft  getünbigt,  war 
im  3)tai,  mo  ^ucer  eö  oernommen  hattet),  jcbenfallS  oerfrül)t;  ciS 
tonnte  aber  bod)  gefd)el)en  fein,  el)e  er  mirtlich  inö  gelb  gc^ 
rüdt  war. 

2)agegen  fcl)en  mir  ihn  oon  jeljt  an  in  einer  IReihe  tleinerer 
mehr  perfönlidjer  gchben  bem  Unmuth  über  bie  Vereitelung  feiner 
großen  $lanc  in  einer  Söcife  ßuft  mochen,  bic  mir  ihm  höchftcnö 
ücrzeihcn  fönnen.  3«  feinem  oorl)in  erwähnten  Verfteefe  gab  er 
bem  Otto  Vrunfelö  2lufentl)alt,  ber  auö  bem  Äartl)äuferflofter 
bei  aJiainz  entfprungen  unb  ol)nc  anbere  ßufludjt  war.  9J?ochtc 
bieß  bie  mainzer  iilarthäufer  üerbrießen,  fo  befchulbigten  ißn  bie 
bei  ©traßburg  gcrabczu,  mit  §ülfc  beö  bortigen  Vuehbruefer^ 
^auö  ©d)ott  zwei  ihrer  Orbenöbrüber  bem  Ätlofter  entführt  z» 
haben.  21U  Äe^er  galt  ihnen  ber  Verfechter  ßuther'6  ohnehin, 
unb  ba  fic  ihm  fclbft  nichts  anthun  tonnten,  fo  nahm  ber  $rior 
an  feinem  Vilbc  eine  ©enugthuung,  noch  fchliwmcr  al^ä  biejenige, 


1)  Jütten  an  $ucer,  4.  Sept.  1521.  Sd^nften  II,  6.  61  f. 

2)  Otto  ^runfelS,  Kesp.  ad  Spoiig.  Erasmi,  ebenbaj.  S.  340. 

8)  %ucer  an  %eatuS  9ttienanu§,  22.  SJtai  1521,  Hutteni  Opp.  Sup- 
plera.  II,  S.  807. 


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i^utten  unb  bic  iC^art^öufer. 


417 


iDclrf)c  jener  conftanjer  Pfaffe  au  bem  bcö  ©roeniug  naf)m,  baö 
er,  fü  oft  er  im  anfpiicfte.  Unfer 

Stitter  ließ  eine  ©cl)mad)  nic^t  einmal  auf  feinem  iöilbe  fi^en. 
Unb  er  müßte  nid)t  ein  9Utter  im  (Reifte  feiner 
ein  armer  S^itter,  c^emefen  fein,  menn  il)m  nid)t  jucjlei^  bie  ©e^ 
Icc^en^eit  enonnfdjt  ejemefen  märe,  üon  ben  BJiön^en  ein  'Sn^nes 
flelb  , baö  feine  Äaffe  mieber  anf  eine  geit  Inni] 

in  beffern  ©tanb  fefete.  @cgen  @nbe  bc^  October  mürbe  0icfin= 
gen  mit  feinem  §eere  auf  bem  fRüefjuge  auö  granfreid)  am 
Cbcrrßein  ermartet.  3l)m  ooran,  mie  eö  fd^eint,  fam  .J)utten 
nac^  'Dürmftein  unfern  SBormö  (menn  bieß  nic^t  gar  ber  Serfteef 
mar,  in  melc^em  er  fic^  feit  bem  (Snbe  be^j  Sommert  aufgel)a(ten 
l)atte),  unb  erließ  am  ^onnerftag  nac^  bem  Xagc  ber  11000 
Jungfrauen  (21.  Detober)  an  ben  ^rior  unb  (Sonoent  gebadjter 
ftartljaufe  einen  gel)bebrief.  (5^  ßabc  if)n  üor  langer  SBeile  burd) 
glaubl)afte  l)od)  nnb  nieberö  ©tanbi^  ^erfonen  angelangt,  meldjer* 
maßen  fie  ißn  nic^t  allein  für  einen  Äc^cr  aue^gefdjrien,  fonbern 
eö  l)abe  anc^  ber  ^rior,  jur  ^In^eigung  feinem  nnc^riftlidjen  uiu 
menfd)lid)en  9teib  unb  .^)affe^,  fid)  öffentlid)  berühmt,  etlid)eüon 
^nttcn’ö  auf  Rapier  gebrueften  33ilbniffen,  il)in  ^ur  8c^mad)  unb 
^ol)it,  „5ur  Säuberung  unreiniger  feinet  Üeibö  Crtcn"  gebrand)t 
511  haben,  ^aö  habe  er  bisher  mit  SBeradjtnng  überfehen;  nun 
fie  ihn  aber  außerbein  jener  3)Uinchöentführung  Reihen  unb  ben 
unfd)iilbigen  43uchbrucfer  barum  bebrängen,  erforbere  feine  @h^c, 
baß  er  fie  ßügen  ftrafe.  Unb  biemeil  er  uicl  lieber  üon  feinen 
C^ütern  unb  Silahrung  10,000  menn  er  fo  üiel  hätte,  üerlieren 
moüte,  alo  jold)e  Unbill  meiter  ju  bulben,  fo  fei  an  fie  fein 
ernftlich  Begehr  unb  OJefinnen,  fie  mögen  „^u  §lbtrag  unb  Heiner 
(Jrftattung  angeregter  Schmähe  unb  Jnjurien  il)m  in  SD^onatö- 
frift  nach  dato  bieß  iöriefd  bief eiben  10,000  gi.  an  Orte,  bie  er 
ihnen  an^eigen  merbe,  in  gutem  rheinifd)en  ®olbe  liefern",  fid) 
ähnlicher  Sd)mähungen  ferner  enthalten,  ihm  aud)  burd)  feinen 
gefchmornen  iöoten  ihre  ©ereitmilligfeit  fd)riftlich  i\nfichern:  mo 
nicht,  fo  merbe  er,  fammt  anbern  feinen  Herren,  greunben,  Gön- 
nern unb  guten  ÖJefeHen,  bie  an  ber  itarthäufer  gürnehmen  gleid)^ 
falld  höchlich  3)Hßfallend  tragen,  miber  fie  nad)  allem  feinem 
SBermögen  trachten  unb  hanbeln;  barnad)  foUcn  fie  fiel)  richten. 

Stättmeifter  unb  9^atl)  üon  Straßburg,  bei  benen  Jütten 
VII.  27 


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418 


II.  8.  ftopitel. 


fein  SSorne^men  entfci^ulbi^te,  ü6crnat)mcn  bic  Vermittlung,  unb 
i^ren  Slbgcfanbten  nerfprad)  er  (am  ^onnerftag  nac^  ©lifabetl), 
19.  Sftoüember)  auf  ber  ©idfingifc^cn  Vurg  SBartenberg  fid^  nod^ 
ad)t  ^age  lang  finben  laffen  ^u  motten,  ^er  ©ntmurf  einer 
Uebercinfunft  liegt  üor,  melc^er  eine  @l)renerflärung  unb  §lbbitte 
für  .Jütten,  aber  nid)t^  uon  einer  ©elbcntfc^öbigung  enthält. 
@leid)mol)l  mußten  fid^  bie  itürtl)öiifer,  ba  granj  uon  ©idingen 
fein  ©c^mert  in  bie  SBagfdjaale  gemorfen  ju  l)aben  fdjeint,  auc^ 
ju  einer  folc^en  uerftel)en,  meldje,  menn  fie  fd)on  nur  */&  l>cr  uon 
Jütten  anfänglich  geforberten  ©umme  betrug,  hoch  immer  noch 
ein  anfehnlichcr  für  ben  ©paß  tuar,  ben  fid)  ber  ehrmürbige 
Vrior  erlaubt  h^tte*). 

®a^  beginuenbe  3ahv  1522  brachte  allerlei  mit  fid),  ma§ 
J^utten'ä  Veftrebungen  unb  , Hoffnungen  aufö  9teue  belebte,  ^urch 
ben  Xob  feinet  Vaterö  eröffnete  fich  ihm  bie  2luöficht,  in  @emein* 
fd)aft  mit  feinen  jungem  Vriibern  beffen  Vefi^ungen,  inöbefonbre 
bie  Vurg  ©terfelberg,  j^u  erhalten,  mclche,  uermöge  ihrer  un^u* 
gönglichen  fiage  in  SBalb  unb  Vergen,  ihm  für  ben  ÄriegöfaU 
ein  haltbarer  fchien-).  3'^mr  hatte  ber  mirflidje 

Eintritt  biefeö  Vefige^,  bei  reuolutionärer  ©tettung  ju 

ben  öffentlid)en  ©cmalten,  uorerft  ©d)mierigfeiten,  bie  möhrenb 
ber  nur  nod^  furzen  feineö  Sebent  nid^t  mehr  befeitigt 
mürben:  bod)  hob  bie  2luöfid)t  auf  ©elbftftönbigfeit  feinen  SKutl)/ 
ben  aud)  bie  ©tettung,  melche  ©iefingen  mehr  unb  mehr  einnahm, 
ftärfen  half. 

5ür  bie  Sache  ber  Deformation  fonnte  biefer  jeht  cntfchic* 
ben  gemonnen  heißen.  Suther  eignete  ihm,  ^um  2)anfe  für  ba-ä 
mieberholte  l^lnerbicten  fcincö  ©d)u|c3,  feine  ©chrift  über  bie 
Veichte  511,  unb  ©iefingen  felbft  trat,  mitten  unter  feinen  friege= 
rifchen  Unternehmungen,  alö  ©d)riftftetter  für  bie  @runbfä|e  beö 
Deformatorö  auf.  ©ein  ©egenfehmäher,  Ditter  ^Dietrich  uon 
fd)uchöheim,  hotte  fid)  gegen  ßuther'^  fichre  einnel)mcn  laffen 
unb  motttc  aU  „Vefter"  beim  eilten  bleiben.  .Dun  belehrte  ihn 


1)  S)ic  ^etenftürfe  in  ^utten’8  Sti^tiften  II,  83—89.  iBgt.  ben 
'-Brief  öon  Oerbel,  ebenbaf.  91,  unb  oon  6ra§mu§,  S.  409. 

2)  l^utten  on  ^fürflenberg,  SBortenberg,  31.  2Rerj  1622.  ©c^riften  II, 
©.  114  f. 


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Sicfingen  unb  i^artmui^  bon  Sronberg. 


419 


gronj  in  einem  auöfü^rlic^en  0enbfc^reiben  erft  im  Slllßcmeinen, 
ba6  bic  9teforination  feine  ^feuerunfl,  üielmel)v  SSMeber^erftellnnci 
beö  Urfprüncilid^en  fei:  bann  im  (Sin^elnen  über  baö  $lbenbmal)I, 
meld)e^  unter  beiberlei  ©eftalt  auöjut^eÜcn;  SJ^effe,  melc^e  beutfe^ 
p lefen;  (Sölibat  unb  SJiünc^^ftanb,  bic  nid)t  uon  ©ott  cingcfejt 
feien,  luo^l  aber  bic  @^e;  .Jiciligc,  meld)c  ^u  el)ren,  bod)  bic 
betung  ©Ott  allein  nor^ubc^alten  fei;  Silber,  bic  leicht  uom  SÜJeflc 
ber  ^nbad)t  abfü^ren,  „barum  fic  fc^icr'",  meint  granj,  „in 
fc^önen  ©cmad)cn  ^ur  ßierbe  mct)r  nu^  bann  in  ben  Äirt^en 
mären".  2)icjcniflcn  aber,  gibt  er  fc^licBlid)  bem  0d)magcr  ;^u 
bebenfen,  mcld)e  fic^  nic^t  cntfc^cibcn,  fonbern  jufc^cn  moUen, 
mer  Siecht  beljoUe,  bic  merben  ba^i  mol)l  c()er  nidjt  erfal)ren,  alö 

fie  fommen  in  j^IepperlinS  i^au§, 

2)q  |d)(ä9t  boS  pöflije^  5furr  jum  Sanfter  pinmi§." 

5^011  ©idingcn’iii  ©tanbeögenoffen  ()atte  fid)  befonberiS  §art= 
inutl)  Don  (Sronberg  an  il)n  angcfc^loffcn,  ber  burd)  )^utl)cr’ö  0enbs 
fc^reiben  an  ben  beutfdjcn  ^^Ibel  ermedt  morben  mar  unb  halb 
and)  ein  eigene^  ÜJfiffiuc  non  bem  Üieformator  crbielt:  ein  bie« 
berer,  uon  .§erj\cu  frommer,  aber  ctmaö  bcfc^ränftcr  iÜiann,  unb 
borum  befto  leid)ter  ^u  unbebingter  öegeifterung  fort^urciSen. 
©r  muibc  mit  (hinein  iüMlc  ein  fruchtbarer  tl)cologifd)cr  ©cl)rift» 
fMlcr,  erlieg  0enbbriefe  nid)t  allein  an  0icfingen,  fonbern  and) 
an  £utl)cr,  an  bic  löcttclorbcn  unb  bic  ©ibgeuoffen,  an  ^^apft 
unb  Maifer,  — mclchem  leptern  er  bic  nid)t  lcid}tc  ?lufgabe  ftcUte, 
ben  erftern  „mit  Ijöchftcr  ©utigfeit"  ju  überj^eugen,  bog  er  ber 
Statthalter  beö  Xeufcld,  ja  ber  ^ntichrift  fclbcr  fei.  3u  lieber^ 
cinftimmung  mit  it)m  lieg  nun  Sidingeu  burd)  Oefolampabiuö, 
ber  i)om  ^^ttpril  bie  Sflooember  1522  auf  ber  (Jbernburg  lebte,  feis 
nen  iöurggotte^bicnft  im  Sinne  feinet  Scnbfd)rcibene  refonniren '): 
C£oangclium  ober  Spiftcl  in  ber  liüicffe  mürben  beutfeh  uerlefen, 
unb  feine  Pfarrer  oerheiratheten  fid). 

.^artmuth  tJon  (ironberg  mar  ber  näd)ftc  ^lachbor  ber  Stabt 
granffurt,  unb  fo  ücrbanb  fid)  je^t  |)utten  mit  il)m  jur  gel)be 
gegen  einen  alten  geinb  auö  bem  9Fteud)linifchen  Streite  l)cr,  ber 
il)n  fo  eben  aufiJ  'Jleue  gereift  ben  franffurtcr  Pfarrer 

1)  OclolompQbiuS  an  6bern6urg,  3unil622;  in  ^)uttcn’8  3(^rif» 

len  11,  S.  122  f. 


420 


II.  58ud^.  8.  Äa^Uft. 


<St.  53artl)ülomäi,  ^ctcr  ÜJicl)cr.  Sieben  Sdnnä^uii(\  bei*  £ut()c= 
rifc^cnSe^re  auf  bevÄtaii,^cl,  l)attc  biefer  uic^t  aUcin  if)reu  erften 
^rebigor  in  granffurt,  ^artmnmi  gbac^,  fonbern  nud),  tuic 
uigften^  .sjuttcu  glaubte,  jeiuen  0d)ü^liug  Otto  isöruufel^,  ber 
unterbeffen  ^^farrer  in  Stein Ijeim  gemovben  roar,  bei  bem  main^cv 
^ombedjanten  al^  £utl)craner  angegeben  unb  il)m  boburd;  eine 
Verfolgung  j^ugejogen,  loeldjer  Vrunfelö  nur  burd^  fdjleunigc 
gludjt  entfommen  njar.  2^a^er  loarfen  fidj  nun  in  ber  gaften  1522 
beibe  9titter  auf  ben  Pfarrer  unb  trieben  il)n  bi«8  3^rinitati§, 
tl)eib3  mit  ^rol)briefen  an  il)ii  felbft,  tl)eilö  mit  Älagfd^reiben  an 
feine  Obrigfeit,  um.  9lad}bem  fc^on  am  ©onntag  S^emtni^cerc 
^artmutl)  eine  SBarnungöfc^rift  uor  ben  falfdjcn  $ropt)eten  unb 
Söölfen,  mit  beiitlidjer  ^inmeifung  auf  3)ie^er,  am  50^aintborc 
ber  Stabt  l^atte  anfd)lagen  laffen,  fd)idte  am  ^ienftag  nad)  ßä= 
tare  §utten  oon  ber  Sidingifd)en  Veftc  SBartenberg  auö  einen 
ge^bebrief  an  i!)n.  „Dr.  ^etcr  mife,  bag,  nac^bem  fein  2luft)ös 
ren^  an  bir  ift,  mir  unb  meinen  guten  greunben  unb  ölönncrn 
VJibermärtigfeit  ,^u  crj^cigen,  fonbern  bu  beineiS  und)riftlic^en  ^offesJ 
unb  beö  tcuflifc^en  (^ifteö,  fo  bu  miber  unö  in  beinern  (^einütl) 
empfangen,  täglid)  je  meljr  unb  meljr  fd)affeft,  unb  anber^  nit, 
beim  mie  ein  leibiger  Scorpion  ftetö  unb  oI;ne  UnterlaS  ^um 
Stid^  bereit  bift;  alg  bu  bann  je^o  an  bem  frommen,  d)riftlid)en  unb 
mo^(gelol)rtcii  $errn  Dtten  Vrunfelö  unb  $errn  ^ortmann  gbad), 
äiueien  coangeIifd)cn  ^rebigern,  inbem  bu  fie  oerrät^erife^  in  gal)r 
unb  9^otb  bracht,  fc^einbarlid)  ju  erfennen  l)aft  geben : fo  foüt  bu 
miffen,  ba§  ic^  t)infür,  mit  allem  meinem  Vermögen,  burdj  mid) 
felbft  unb  alle,  bie  ic^  ^u  meiner  ^ulf  bringen  mag,  in  alle  2öeg 
unb  ©eftalt  mir  möglid)  fein  mirb,  nac^  beinern  fieib  unb  ©ut 
trad)ten  toill;  unb  foll  bieg  mein  enblic^  Vermaurung  gegen  bir 
fein,  ba  l)aft  bn  bic^  nad)  ju  rid)ten." 

^m  gleidjen  Xagc  erlieg  §utten  ein  Schreiben  an  Vürger- 
meifter  unb  9iat^  ^u  granffurt  in  ber  Sac^c,  in  beffen  ©ingang 
er,  um  fid)  ©unft  /^u  ermerben,  fic^  barauf  beruft,  mic  er  „oon 
feinen  tinblic^en  Xagen  auf , unb  befonberö  feit  er  burd)  Uebung 
©lüdö  unb  Unglücfö  etlic^ermogen  511  ©rfa^rnig  meltlidjer  Sachen 
fommen,  aHmegen  ber  SÄeinung  gemefen,  unb  fo  oiel  i()m  möglich 
angebalten  gäbe,  bag  Irrung,  fo  etma  oiel  gagr  ger  jmifdjen 
etlicgcn  be^  geil.  9teid)ö  Stabten  unb  ctlidgen  00m  gemeinen  2lbel 


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^utlcn’S  mit  ^cter  ^(^er. 


421 


ru’übt  lüorbcu“  (grciinb  ©icfiiicicu  Ijattc  aud)  mit  grniiffurt  einen 
böfen  0pan  (icl)al)t),  „auf9et)a6cn  mürbe,  nnb  bie  5meen0tonbe, 
an  benen  bic  me()ver  ^Ü^ac^t  bentfd)er  Station  gelegen , nnterein* 
onber  ^ur  3Scrcinigung  nnb  grennbfc()aft  fämen."  «hierauf  fingt 
er  ben  Herren,  mie  il)r  Pfarrer,  Dr.  5Ifet)er,  moI)I  fd)on  ^elin 
3al)rc  ber  fomoI)l  gegen  (SJönncr  nnb  grennbe  .fmtten')^,  mie  Dr. 
SRcudjlin,  alig  gegen  il)n  felbft,  obne  ade  Urfad)  ein  giftig,  nat= 
terifcb  nnb  überaus  grimmig  ©einiitb  nnb  SJfcinung  getragen  nnb 
in  9^eb  nnb  §anblungen  bemiefen  l)abe.  0b  if)m  nun  gleidj  baö 
mebe  getban  unb  er  fid)  auch  b^tte  rächen  fönnen,  fo  b^be  er  eö 
bi^bet  ^)od)  bei  ficb  uerbrudt,  unb  mürbe  bieg  mobl  auch  ferner 
getban  b^ben,  mo  nicht  3)?eber  nur  menig  Xagen  bie  SSunben, 
fo  fid)  in  feinem  §erjen  ^ur  Teilung  geftellt  unb  febon  mit  einem 
iRumpf  übcr5ogcn  gemefen,  mieber  aufgeriffen  unb  erneuert  batte 
bureb  bie  $anblung  gegen  Otto  iörunfelö,  ben  |)utten,  um  beffen 
0ad)e  ber  feinigen  mad)cn  j^u  fönnen,  alö  feinen  5)iener  in 
3(nfprud)  nimmt,  ^aburd)  fiebt  er  fid)  ^u  ernftlicber  ©egenmebr 
genotbbrängt  unb  fteüt  nun  an  ben  franffurter  9^atf),  bem  er 
auch  bie  gefäl)vlid)en  Unruhen  ju  bebenfen  gibt,  meld)c  bie  gifti« 
gen,  und)riftlicben  ^rebigten  il)re§  S^farrerö  leid)t  ftiften  fönnten, 
bad  Slnfinnen,  fie  mögen  ficb  „genannten  Dr.  ^eter'ö  gän^lid) 
entfcblagen,  ihn  alö  einen  unter  bie  Sd)afe  eingeriffenen  Si^olf, 
alö  einbeimifeb  @ift  unb  oerle^licbe  ^eftilen,^  öuö  ihrer  0tabt  tbun 
unb  abfonbern'';  beim,  mer  fürberbin  mehr  mit  biefem  5!eufel!S= 
apoftel  (JJemeinfebaft  hätte,  burd)  ben  mürbe  ihm,  Jütten,  fieib  ge^ 
fd)eben,  unb  ob  aud)  er  ruhig  fteben  mollte,  fei  ju  bebenfen,  baß 
oielleicbt  jemanb  anber^  (il)r  9^acbbar  uon  Sronberg)  um  .^ntten’i^ 
millen  bem  ^octor,  menn  fie  biefen  bei  fid)  behielten,  ^u  ihrem 
0d)aben  ^ufe^en  möchte. 

1)iefeö  Schreiben  an  ben  9tatl)  unterftübte  Jütten  burd) 
einen  ^rioatbrief  an  feinen  greunb,  ben  einflußreichen  Siathe^» 
herrn  ^hÜipV  t)on  gürftenberg.  (Sr  folle  feine  (5oHegen  einzeln 
^u  (fünften  be^J  §utteirfd)en  (^efud)^  bearbeiten  unb  nichts  unters 
laffen,  maö  j^ur  isßertreibung  ^d?et)er’ö  bienen  fönne.  0egen  ben 
©rjbifchof  unb  ba^  ^)omfapitel  in  ^J)fain,v  an  meld)e  .^litten  gleid)* 
fallet  einen  uormurf^JooIlen  unb  bod)  freunblid)en  iörief,  mie  er 
fagt,  gefchricben  h^iUe,  unb  ebenfo  gegen  ben  ilaifer,  mögen  fie 
fiel)  mit  ber  (Gefahr  entfchulbigen,  melche  ihnen  oou  etlid)cn  bcs 


422 


II.  ^ud^.  8.  I^npitcl. 


nad)bartcn  §(bclic^cn  brofie,  bic  i^ncn  gef)bc  aiigcfa^t  ^abcn,  fallö 
fic  bcn  unruhigen  Pfaffen  nod)  länger  bei  fic^  biilben  mürben. 
Ueberl)aupt  fei  i()nen  jejt  ein  grofeeö  genfter  jur  greibeit  aufgc= 
tban:  fte  follen  nur  9J?utb  foffen  unb  fid)  nid)t  bureb  ein  ober 
ba«  anbere  @bict  gleich  einfcbüd)tcrn  loffen.  ^)ie  früher  fo  mäd)= 
tig  gemefen,  merben  jejt  ohne  9)kcht  fein,  ba  ber  Slbel  ftch  nadb 
unb  nach  ^on  benfclben  trenne.  3lud)  er  felbft,  $utten,  fönue 
ihnen  in  ber  (Sache  Söorfchub  thun,  befonber§  babur^,  baß  er 
ihnen  unter  bem  §lbel  greunbe  oerfchaffe,  unb  menn  er,  toie  ^u 
hoffen,  nächftenö  in  ben  iöefij  oon  Stecfelberg  trete,  moüen  fic 
gute  9tachbarfchaft  jufaminen  heilen.  SBicr^ehn  Xage  fpätcr,  am 
11.  2lpril,  ließ  Jütten  an  ba^^  ^^hor  ber  ßicbfraucnfirdhe  in 
granffurt  ^mei  5lbfagebricfe  anfd}lagen,  beren  einer  gegen  bie 
^rebigcrmönche,  ber  anbere  gegen  bic  Surtifanen  gerichtet,  unb 
worin,  für  ben  gall,  baß  fte  fich  nicht  mit  ihm  Ocrglichen,  aUc 
ilricgöleutc  aufgeforbert  waren,  ihm  heij^ufpringen  unb  jene  fammt 
ihren  Sßerwanbten  in  2)cutfd)s  unb  Söelfchlanb  an  Seib  unb 
@ut  an^ugreifen. 

^cr  ©chriftenwechfel  in  bem  ^anbcl  mit  3J?eher  ging  noch 
länger  fort : ber  ^Pfarrer  löugnetc,  waö  ihm  ©chulb  gegeben  war ; 
iBürgermeifter  unb  fRath  bon  granffurt  oerwiefen  bcn  fRittcr  an 
bic  gciftlichc  DDrigfeit,  ba  fie  bcn  Pfarrer  nicht  ^u  feheu  ober  ju 
entfegen  hnben;  Jütten  meinte,  aber  aud)  ©(^u^  foUten  fic  ihm 
feinen  gewähren,  fonbern  ihn  fein  5lbcntcucr  gegen  §uttcn  unb 
bie  ©einigen  bcftchen  laffen;  worauf  ^üvgcrmcifter  unb  fRath 
erwieberten,  ©ewalt  gegen  jemanb  in  ihrer  ©tabt  ober  ÖJebiet  511 
geftatten,  wolle  ihnen,  wie  ber  Dritter  felbft  ermeffen  werbe,  nicht 
gebühren.  ^iefeiJ  3lbfcrtigung^fd)reiben  an  .Jmtten  ift  00m  3)on» 
nerftag  nach  ßantate*):  nun  banb  aber  am  ^fingftmontag  §art* 
mutl)  uon  (Sronberg  mit  SReper  an  unb  fuhr  mit  Q^cfchrungöber* 
fliehen  unb  Drohungen  fo  i\ubringlich  fort,  baß  ber  beläftigte 
Pfarrer  am  ®on nerftag  nad)  Xrinitatiö  bcn  ©chu^  bcö  9iathce 
in  Slnfpruch  nahm.  Söenige  3ahrc  fpötcr  inbeß,  1525,  jagten 
bic  granffurter  felbft  ben  hünbelfüchtigen  Pfaffen  auö  ber  ©tabt. 

2Benn  eö  un^  befremben  muß,  bic  bcabfichtigte  IBcrbrübcs 


1)  -5)ie  ?lctenflü(fc  f.  in  ^utten’8  ©(^rifien  II,  6. 116—122.  2)cr  ^rief 
an  SUrftcnDcrg  ebenbaj.  6.  114  f. 


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^utten'S  ^rma^nunQ  an  9Borm§. 


423 


runfl  .^wifc^cn  §lbct  iinb  @täbtcn  uon  §uttcn  burc^  einen  3^«^ 
biefer  2(rt  eingcleitct  ju  fe^cn,  fo  finben  toir  unö  burd)  bie  üöc^ 
jie^unp,  in  bic  er  fic^  ipcniflc  2J^onate  fpätcv  mit  bei*  ©labt 
SBovmö  fc^te,  auö  einem  onbern  ©runbe  überraf^t.  Son  ©iefins 
flen'ö  SJJcftc  Sanbftu^l  auiS  erlieg  er  am  ©onntag  nac^  Safobi 
ein  ©enbfe^reiben  an  biefelbe  ©tabt  2öürmö‘),  melc^e  mie  feine 
anbere  eine  0leil)e  non  fahren  f)inburcb  uon  ©iefingen  aufig  Un* 
uerantmortlic^fte  befc^äbigt  unb  mit  biefem  nod)  fo  menig  grünb» 
lic^  uertragen  mar,  bag  er  roä^renb  bcS  lebten  S^leicgötagö  fieg 
nid)t  getraut  fie  ju  betreten.  2)ie|eg  |>anbelö  gebenft 

$utten  in  feinem  ©c^reiben  gar  nic^t,  unb  mirfli^  mar  er  auc^ 
uon  ber  Slrt,  bag  er  nic^t  entfc^ulbigt,  fonbern  nur  etma  burc^ 
ein  böl)eted,  ber  ©tabt  unb  bem  SRitter  gemeinfameiS  Sntereffe, 
menn  ein  folc^eö  fic^  fanb,  in  S^ergeffen^eit  geftetlt  merben  fonnte. 
2)aö  glaubte  nun  Jütten  in  ber  IReformation  gegeben,  unb  in= 
bem  er  bie  Xgcilnagme  berSöormfer  an  biefer  belebte,  moegte  er 
hoffen,  nebenbei  auch  jur  ^ludgleichung  ihred  3‘^^*®ürfniffeö  mit 
©iefingen  baö  33efte  gethan  ju  h^ijcn. 

2)ic  SBormfer  hatten  einen  ^rebiger  5Ramenö  Ulrid),  ber 
ihnen  bie  euangelifche  Sehre  uortrug.  unb  neben  uielem  ?(nflang 
unter  ber  33ürgcrfd)aft,  uon  ©eiten  ber  römifch  gefilmten  ©eift= 
lichfeit,  befonberö  eine«  ^farrerig  2)aniel,  uiel  ^Infeinbung  fanb. 
2)er  ©tobt  megen  biefeö  ifl  ihr  aufgegangeneu  SichteiJ  ÖUüd  ^u 
münfehen,  fie  jum  33ehanen  bei  ber  SBahrheit,  ^um  3Ruthe  für 
ben  gall  ber  Slnfcchtung  ju  ermahnen,  ift  bie  Slufgabe,  bie  fich 
Jütten  in  feinem  ©chreiben  fe^t.  ^en  meltlichen  Herren  fei  man 
nur  in  meltlichen  Gingen  Öehorfam  fchulbig;  uerlangen  fie  mehr, 
fo  fei  SBiberftanb  nidjt  nur  erloubt,  fonbern  Pflicht.  Stuf  bie 
geiftlichen  Herren  aber,  bie  !öifchöfc,  gebühre  ben  ÖJcmciuben  boiJ 
^uffichtörecht,  unb  beffer  märe,  menn  fie  auch  baö  SSJahlrecht 
hätten  unb  biefer  ni^t  ben  trunfenen  3)omherrcn  übcrliegen:  fo 
mürben  mir  nid)t,  ftatt  frommer  unb  gelehrter  Seute,  fo  uiel 
reifiger  üöifchöfc  in  beutfehen  Sanben  gnben.  S5or  bem  ^^ifchof 
uon  SBormö,  9teinl)arb  uon  Dlieppur,  hotte  fegon  uor  anberthalb 
Sohren  Jütten  feinen  greunb  iöueer  ald  uor  einem  3J^anne  ge* 


1)  din  bemütigr  rrmanung  an  rin  grmrqne  flatt  9Bormbi  8(^nfitn  II, 
e.  124—130. 


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424 


II.  ^u(^.  8.  Änpitct. 


lüarnt,  bcr  um  feinet  $affe^  gegen  bie9?efürmation  willen  bereite 
aud)  bcr  Ijumaiiiftifc^cu  SRic^tung  feinb  geworben  fei. 
er  ben  Söormfcrn  ocrftönblic^  genug,  wo  fic  einen  ^i|d)of  ober 
^robft  bei  ftd^  ptten,  bcr  feine  weltliche  ÖJewalt  bem  ©oongcs 
lium  ^uwiber  brauchte,  unb  auf  oorangegangene  gütliche  @rmal)- 
nung  unb  iöcbro^ung  oon  feinem  gürnc^men  nid)t  abftet)en 
wollte,  bem  mögen  fie  auö  gutem  ©ewiffen  mit  bem  ©d)Wert  begeg^ 
nen  unb  i^n  mit  ©cwalt  oon  fid^  treiben.  ®abei  fei  il)ncn  @ots 
te^  0d)u^  gewiß,  unter  bem  fic  fieß  oor  gürften  nießt  j\u  fürchten 
braud^cn;  unb  fclbft  mcnfd^licßcr  öeiftanb  werbe  ißnen  nidjt 
fehlen,  inbem  ißre  23el)arrlicßfcit  in  ber  guten  0acße  ißnen  oielc 
greunbe,  fclbft  unter  benen,  bic  it)uen  bii^ljer  feinb  gewefen 
(©idingen),  erwerben  werbe:  fie  fcl)cn  ja,  wie  jc^t  faft  olle  ©tobte, 
bcr  mehrere  Xßcil  oom  Slbel  unb  baö  gemeine  SSolf  bem  ©oan* 
gelium  anl)angen.  ©ic  mögen  an  ißm  unb  anbern  ein  33eifbiel 
iiel)mcn,  bic  and)  um  iöcfenntniß  ber  SSal)rl)cit  willen  eine  ßeit 
laug  unauöfprccßlicß  große  Verfolgung  erlitten  ßaben  unb  nod) 
leiben,  aber  bod)  beftänbig  bleiben,  gür  fieß  oerfprießt  §uttcn, 
' mit  ©otteö  §ülfe,  Vcßarrlid^fcit  biö  anö  @nbe.  „©old)  gür^ 
neßmen",  fagt  er,  „foH  mir  fein  Vitt  abfcßmcicßcln , fein  2)rau 
abfeßreefen,  fein  (SJelb  abfaufen ; benn  id^  weiß,  an  wen  icß  glaub, 
unb  baß  mieß  @ott  nießt  ocrlaffcn  wirb."  Neffen  mögen  aueß 
fic  mit  il)m  fid)  tröften,  unb  ißn,  ber  ißnen  ju  allem  ©Uten  in 
ßßrifto  geneigt  fei,  in  ißre  Vrüberfcßaft  befohlen  ßaben. 

3um  ©d^lagen  fam  c§  bei  all  biefen  ?Inläffen  nic^t;  boc^ 
fc^cint  cö  für  .^utten  ein  Vebürfniß  gewefen  j^u  fein,  fo  Icibenb 
er  aud)  feßon  war,  fid)  für  bic  Unmöglic^feit,  im  ©roßen  ju 
wirfen,  bur^  fRittcrftrci^c  im  kleinen  fd)abloö  ju  l)altcn.  Um 
biefc  ßeit  war  cö  ol)nc  3tt?cifel,  baß  er,  wie  (Sraömuö  ißm  wicber^ 
l)olt  alö  etwaö  allgemein  VcfanntciS  oorwirft,  im  pfäljifc^cn  ©e= 
biete  brei  Siebte  auf  offener  ©traße  röuberifcß  überßcl,  wofür 
bcr  ^^urfürft  Oon  bcr  ^Sfalj  einem  feiner  Wiener  ben  Äopf  ab= 
fd)lagcn  ließ  unb  il)n  felbft  mit  feiner  fRaeße  bcbro^tc.  Db  an 
ber  weitern  @rüömifd)cn  Staeßrebe  etwaö  ift,  baß  Jütten  auc^ 
§wei  V^^^^iü^nnöneßen  bie  Oßren  abgefeßnitten , ober  ßabc  ah- 
fd)ncibcn  laffen'),  wollen  wir  nid)t  cntfd)eiben;  fic  erinnert  an 

1)  6rQ§mu§  nn  Jütten,  25.  3Jlerj  1B23;  an  Cutter,  8.  3Jloi  1524,  in 
^uttcn’S  ©d^ciften  II,  6.  178  f.  409  f. 


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Äilicrflrcid|c. 


425 


eine  ©teile  in  ben  2)un!clinönncrbricfcii,  tüo  cts  Jütten 

l)nbe  cininol  wenn  il)in  bic  ^rcbit^erinönc^c  träten,  wa^ 

ftc  Slcuc^lin  9ctI)Qn,  wollte  er  il)r  geinb  werben,  nnb  wo  er  einen 
fänbe,  i^m  9ia{e  nnb  Obren  abfebneiben  ^). 

3m  3J?Qi  1522  war  ber  ifaifer,  bureb  Unrnben  in©panien 
nb^eriifen,  auö  ben  9iieberlanben  babin  abßcfcßelt,  mit 
laffiincj  eineö  ?Reid)öre9iment‘5,  baö  er  ungern  genug,  feiner  2öabl=' 
CQpitnlation  gemäg,  auf  bem  9ieicb‘otage  ^u  2Öormö  bem  5liis 
bringen  ber  Ä'urfürften  bewilligt  b^Hc.  3n  biefent  waren  bic 
Änrfürftcn  jeber  bureb'  einen  5lbgcorbnctcn , bann  geiftlicbe  nnb 
weltliche  5^rftcn,  Prälaten  nnb  ©rofen  narf)  6 Älrcifcu,  cnblicb 
bie  fömmtlicbcn  fReicb^ftäbte  burd)  ^wei  2(bgcorbnctc,  bic  9titter* 
febaft  aber  gar  nicht  oertreten.  Äein  SBunber,  bag  fic  nn^nfricben 
war  unb  in  ihre  Un^ufriebenbeit  bic  ©töbte  hinein, yijicben  fud)tc, 
bie  im  SScrl)ältnib  j^u  ihrer  iöcbcutung  unb  ihren  Seiftungen 
gleichfalls  ju  febtnaeb  oertreten,  unb  bamalS  überbicb  burd)  ben 
^lan  beS  fRcicbSregimcntS,  baS  gefammte  beutfebe  5Rcid)  mit  einer 
ßolllinic  ^u  umjiebcn,  beunruhigt  waren,  ^cn  ©oangclifd)^ 
(SJefinnten  im  fRcicbc  bnttc  j^ubem  baS  ^Regiment  gleid)  nach  feiner 
(Jinfe^ung  §(nla§  j^um  9J?ibücrgnügcn  gegeben.  SGBäbrenb  fiutber’S 
2lbwcfenbeit  auf  ber  Söartburg  waren  ^u  Söittcnbcrg  unter  ilarU 
ftabt'S  Einführung  jene  gcwaltfamen  fireblicben  Steuerungen  oor* 
genommen  worben,  welche  im  SQter)^  ben  fReformator  jur  eigen* 
mächtigen  Slücffcbr  oeranlaftten.  Elbcr  febon  im  3unuar  butte 
ber  oltgläubige  $cr;\og  @eorg  oon  ©ad)fen,  ber  eben,  bem  ein* 
geführten  5^urnuS  gemäß,  ^u  Stürnberg  anwefenb  war,  bem 
Siegiment  ein  (Sbict  abjugewinnen  gewußt,  welches  bie  53ifcböfc 
oon  Staumburg,  SReißen  unb  SRerfeburg  anwieS,  fid)  ben  Steu* 
crungen  in  SBittenberg  ju  wiberfe^cn  unb  bie  alten  fireblicben 
Bräuche  aufrecht  ju  erhalten. 

5)iefe  EJerbältniffc  fd)ienen  ber  3bcc,  welcher  glitten  in 
feiner  lebten  3rit  oorjugSweifc  naebging,  ber  3bee  einer  ^er* 
cinigung  .^wifeben  fRittcrfcbilft  nnb  ©täbten  i\um  iöel)ufc  einer 
fircblicb'Volitifd)en  fRcicbSrcfonu,  fid)  oon  felbft  bor^u bieten,  unb 
er  fpracb  fic  baber  oon  Steuern  in  ber  anbringlid)cn  gönn  eines 


1)  Epist.  übsc.  virorum  II,  55. 


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426 


II.  ®ud^.  8.  ffopitfl. 


beutfd)cn  ©cbic^tc*:^  au^,  iDcldE)eä  er  Scflaguiifl  bcr  J^ciftöbte 
bcutfcf)cr  9intion  benannte^.  3^r  frommen  0täbtc,  beginnt  er, 

frommen  Stöbt,  nun  ^abt  in  ?ld(|t 
2)f§  flmeinen  beutfe^en  9lbcl8  föloc^t, 

3ief|t  ben  ju  eud^,  oertraut  i^m  toobl: 

34  ft«rb,  tt)o’§  eu4  gereuen  foll. 

3^r  fc^t,  bafe  i^r  mit  i^m  suglci4 
33|4toert  »erbt  bur4  ber  Xironnen  9tei4# 

5)ie  je^t  all  onber  Stönb  oerbrudt, 

3UIein  fi4  ^onb  ^erfürgerudt  — 

nömlic^  bic  gürften;  oon  benen  jeboc^  nur  bic  fc^limmen,  nid^t 
bie  guten,  gemeint  fein  follen. 

2)en  armen  ?lbel  freffen  fie, 

Unb  fu4en  tägli^  Söeg  unb  9tat^, 

S)afe  je  bei  Sreil^cit  bleib  fein  Stabt; 

6in  J^eil  fie  ^anb  gejtounßen  |4on, 

®ie  anbern  igt  fte  festen  an  . . . 

Unb  ijt  allein  i^r  9Kut^  unb  Sinn, 

3u  nehmen  beutf^c  Srei^eit  ^in  . . . 

9lun  ifi  brin,  meim  93ebunfen  na4, 

3u  pnben  fRat^  ein  leiste  Sa4, 

2>ann  e§  toirb  fta^n  barauf  allein, 

2)q&  mir  un§  rotten  in  gemein, 

Unb  fe^en  Stöbt  bem  ?lbel  ju, 

Xer  9lbel  fol^S  au4  micber  t^u; 

S)ann  burtb  ein  fol4  SJereinung  mag 
Un§  merben  greifen,  mic  i4  fog, 

Unb  ift  fein  onber  ?lr3enei, 

®ie  un§  mo4  unfrer  Äronf^eit  frei. 

@inft  fei  bie  Äaifermac^t  in  ^eutfc^lanb  bcr  ^ort  bcr  ©c^mac^cn 
gegen  ©cmalt  geiocfcn: 

Xa  mo4t  ein  armer  9littermann 
6in  dürften,  ber  i^m  ßeibS  get^on, 

3u  Tlntwort  bringen  unb  ju  9te4t, 

Unb  marb  ein  jebe  Stabt  oerfe^t. 

2öem  jofl  man  ober  flogen  i^t? 

^ic  Äaifcrmac^t  ift  burc^  ben  fc^nöben  ^onbcl,  mclcl)cn  bic  gürfteu 
bei  bcr  Ickten  SBa^l  mit  bcrfelben  getrieben,  burc^  bic  SSerfprcs 

1}  33eflagunge  ber  Ofreiftette  teutj^er  notion.  S^riften  III,  S.  627—537. 


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§utten’§  ®cffn0uttfl  ber  f^rfifläWc  t>eutj(^fr  9lotion.  427 

d)ungcii,  metc^c  Äarl  bcii  cinschtcn  für  iljrc  ©timmcn  nmd]cn 
mußte,  tief  I)cruntcr^cbvacßt.  9tun  fönnen  bic  gürftcii  firf)  allc^ 
erlauben. 

Xtum  ri(t)ten’8  neu  ^efc^werunfl  on, 

2)er  njiU  ein  3ofl,  ber  onbreS  ^on, 

3;;q8  ntuft  i^m  »erben  confirmirt, 

J^in»ieber  niemonb  apbetütt: 

2(m  ilürtQQ  worb’S  i^m  jufiefngt. 

3c^  meiß,  fäßrt  §uttcn  ßier  fort  (eine  Slbnuntj,  meldjc  mir  ißn 
auc^  in  bem  ©rmicberung^gebid^t  au  (Soban  auöfprcc^cn  gürten), 

»etfe,  »erb  nodf)  ConbS  üerjagt, 

Um  ba^  8old)§  ntc^t  f4l»eioen  fann, 

Unb  nimm  beS  '2)ing8  allein  mi(^  an; 

ift  e§  »a^r,  unb  i[t  nit  re^t, 

3Jtan  »otl  benn  mactien  frumm  ju  jfbleebt 
Unb  »anbeln  f(^»ar)  in  »eig  ® eftalt: 

Tlflein  bie  Sürßen  (jan  ben  @»alt, 

®en  brau^enS  i^rem  ©lüften  nad), 

^t)an'§  Unre<t|t  f(bon,  fo  ift  fein  9ta(ti; 

9limmt  jd^on  ein  §ürÜ  mir  »iber  9?cct)t, 

2Bem  fofl  icb§  flagen?  IBin  fein  Änet^t, 

3d>  »oHt8  bann  flogen  bem  ber§  nimmt, 

b.  l).  ben  im  fRcid)^rcgiment  übermiegenb  ücrtrctcncn  gürften; 
bic  übrigenö  ber  ©ac^cn  fid)  nidit  einmal  perfönlid)  annel)men, 
fonbern  auö  2lrbcitöfd)eu  aücd  il)ven  beftedjlidjcn  ©c^rciberu  über» 
laffen,  burc^  mclc^e  bic  fRcgicvuug  foftfpielig  unb  bic  öcbvücfung 
bcö  Ißolfd  immer  t)ärtcr  mirb.  ^al)in  mirft  aber  aud)  bic  unbe» 
grenzte  ^abfuc^t  ber  gürften  fclbft. 

3ft  au4l  ein  5ürft,  ber  ^ob  su  oiel? 

3(f)  frag:  ift  einer,  ber  baf>  flnug, 

Unb  nit  auf  »citer  Ütutjung  lug? 
flJtftctlt  i(^  (fie  fprec^en)  finben  9iot^, 
mir  ȟrb  bienftbar  biefe  6tabt! 

^at  et»a§  bann  ein  ßbelmann, 

®aS  ftöftt  ein  dürften tierrfcbaft  an 
Unb  ift  gelegen  feinem  Sanb: 

9alb  »irb  if)m  f^orbrung  jugefanbt; 

Tlud)  balten'8  IBrief  unb  Siegel  feim  . . . 

®a§  Umgreifen  ber  gürftenmadjt  mirb  einem  uncrfättlid)cn  9lac^cn 
ocrglic^cn : 


428 


II.  8.  ilflpitel. 


Xrn  ?lbcl  ^at  er  ftfrcffcn  f(^on; 

loiH  er  ju  ben  Stöbten  gon, 

Teil  je^t  er  auf  ein  neuen  3oU- 
Sag  on,  bu  2DoI[,  tt)ann  bift  bu  üoü? 

Tenffi  nif,  bofe  etioan  Ifim  ein  Tag, 

Ter  bir  bis^ier  nerborgen  log, 

Taft  bu  niufet  jpeien  ou8  ben  i^roft? 

^Jiun  i]cbc  uuüciibi:^  bic  ©ntfernung  bcig  Äaifero  baö  iRcid)  ber 
cli}cnjüd)ticicn  5ürftcnmad)t  preiö : 

Tie  i)enfen  ihre  Äbpf  jugleicb 
3n  einen  iRott),  bnfe  ibnii  bo§  9ieii^ 

9Io(b  Villen  gonj  bleib  untert()an: 

Ten  iloijer  obgefertigt  ^on, 

Ter  jeud^t  nun  üon  un§  über  5Recr, 

@ie  molln  nit,  bnß  er  roiebericbr; 

Tenn  oflen  ©malt  beS  ü^oiferS, 

®on  i^m  gegeben,  b^alten  fte. 

Um  aber  jebe  ÄUijic  über  if)rc  511  cvfticfen, 

Trum  bobcn’S  nod)  ein§  giongen  an, 

58erbieten  Toctor  Cut^er’S  ße^r, 

'ÄI8  ob  fte  irgenbS  jlräflitb  wär; 

Tenn  SOo^rbeit  inögcn’S  leiten  nit, 

3ft  »iber  i^ren  33roucb  unb  Sitt  . . . 

Trum,  fromme  otflbt,  eu^  moc^t  bereit, 

Unb  neOmt  be§  9lbel§  greunbfd^aft  on. 

So  mag  man  biefen  miberfto^n, 

Uno  Reifen  beutfe^er  fRotion 
53ermeiben  Sd^oben,  Spott  unb  ^o^n  . . . 

iDü.^u  ber  .^crr  6l)riftuö  um  feinen  iöciftanb  gebeten  luirb. 

©et)en  mit  in  ber  jule^t  betrachteten  9^cihc  ^utten'fchcr 
©cfiriften  burd)  ben  ®rang  ber  Sierhältniffc  ben  ©tolj^  beö  SRit* 
tevö  fo  meit  herabgeftimmt,  bag  er  ben  ©täbten,  ben  üon  i()m 
fonft  fo  ocrachtctcn  ^irämern,  bie  $anb  ^um  ^-öunbe  rcid)t:  fo 
liegt,  befonber»  roenn  man  in  ber  ®cfd)i^tc  um  etliche  3^1)^^ 
i)orau‘5blicft,  bie  ual)e,  ob  er,  um  feinen  ^^lanen  ben  gcl)ö* 
rigeu  9tad)brud  ju  uerfchaffen,  nidjt  noch  einen  0d)ritt  mcitcr 
gegangen  fei  unb  barauf  gebucht  h^ibe,  aud)  bie  33auerfchaft  jur 
Söerbefferung  ber  öffentlichen  ß^^ftünbe  aufjubieten.  ihui 

ber  ©ebnnfe  nid)t  fremb  mar,  ein  länger  fortgefe^ter  SBiberftnnb 
ber  äRadjthaber  gegen  bie  fReform  bürfte  am  (Jnbe  einen  Slufs 


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9{eu  l^arft^an§. 


429 


ruljr  beö  flcnicinen  S3olfö  ()crbcifü{)ren,  ^aben  tüir  bereite  gcfun= 
ben,  unb  fiub  nomcutlid)  in  feiner  fnU)ev  erörterten  (£ntfd)iilbi< 
fliingöfdjrift  auf  eine  Stelle  cjefto6en,  bie  eine  SiJeiffaflung  be$ 
iöauernfriegd  ^ei§en  tonnte*}.  Db  er  mm  aber  ein  folc^eö 
©reignig  nur  befürchtet  unb  fein  möglichecJ  (Eintreten  ben  §err^ 
fchern  aU  iEBnrnuufl  oorcjehalten,  ober  ob  er  gemeint  getuefen, 
im  oorfommenbeu  galle  fiel)  beffelben  ju  feinen  3^*^ccten  ju  be* 
bienen  unb  jc^t  fd)on  eine  S3erbrüberung  nid)t  blo6  ^mifdjen  ?Ibel 
unb  Stabten,  fouberu  and)  jtuifchen  beibeu  unb  ber  '^auerfdjaft 
an^uba()uen,  ift  eine  anbere  grage.  9toch  in  ber  gebuchten  @nts 
fchulbigung!^fchrift  oei-fid}ert  Jütten,  für  ben  gall,  bag  er  miber 
3fiecht  mit  thrannifcher  ©emalt  überfallen  mürbe,  folle  man  fehen, 
bag  er  nicht,  mie  man  ihm  Sd}ulb  gebe,  einen  lofen,  leichtfertig 
gen  Raufen,  fonberu  ehrbare,  reblidje  unb  tapfere  iieutc  an  fich 
gehöugt  h^be*).  Db  er  unter  bem  lofen,  leid)tfertigeu  Raufen, 
mit  bem  er  nid)tö  ^u  tl)un  l)^*ben  mill,  bie  '.Üauerfchaft  oerftanben 
ober  nid}t;  ob  er,  menu  er  ihre '-bunbe^ägenoffeufchaft  bamalö  noch 
üerfd)inähte,  in  3olge  ber  Srgebniffe  beß  mormfer  9ieid)ßtagß  fid} 
ba^u  bequemt  h^be,  aud)  fie  in  ^nfprud) /^u  nehmen:  biefegragen 
hängen  mit  ber  über  feine  ibc^iehuug  511  bem  bcutfd}en  (^3efpräd)e: 
9teu  Äarfthanß,  jufammen,  baß,  ohne  .^putten  » ^Jtamen  ,^u  tragen, 
ihm  bod)  bon  jeher  üon  manchen  ^ugefdjriebeu  morben  ift. 

gn  feinem  Xitel  meift  biefeo  QJefpräd)  auf  ein  früher  unter 
bem  Flamen  Äarftljanß,  gleidjfallß  ohne  Eingabe  beö  SSerfafferß, 
erfchieneneß  jurücf,  meldjeß  eine  511  C33unfteu  ßiither'ß  gefchriebeue 
Satire  auf  Xhomaß  ä)iurnet’ß  Seithcibiguug  beß  ^apftthumß 
mar  unb  oielen  Änflong  gefunbeu  h^tte.  3n  bemfelben  unters 
reben  fich  ^dJiercur,  ein  Stubent,  iJuther  unb  Üarfthanß,  biefer  in 
ber  Literatur  jener  gahre  eine  tqpifche  gigur,  bie  reformluftige, 
bibel»  aber  aud)  ht*nbfefte  unb  im  9iotl)falle  ^um  Xreinfd}lagen 
aufgelegte  iöauerfdjuft  oorftelleub,  mit  Ü)iurner,  ber  auf  bem 
Xitelblatte  neben  feinen  iüiitunterrcbnern  mit  einem  Ataterfopfe 
abgebilbet  ift.  SBährenb  man  bei  biefem  frühem  C^Jefprüche  burch 
nichtß  an^utten  erinnert  mirb,  h^t  bagegen  ber  neue  Äarfthanß*) 

1)  S.  oben,  8.  361  f. 

2)  SebrifUn  II,  8.  144  f. 

3)  Ökiprrtb  bied)Un  iifUtt)  ÄarflbonS.  i^uttcn’8  Schritten  IV,  8.649— 681. 


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430  II.  8.  j^apitel. 

mit  bcö  JRittcr^  Slrt  in  ©cbanfcn  unb  SBortrag  eine  bemerfenS= 
mcrtljc  ^ef)nlid)fcit. 

2öie  in  ben  meiften  bcr  neueren  ©efpvöd^e  ^uttcn’ö  ift 
5ron^  üon  ©iefingen  einer  bcr  Unterrebenben,  bereit,  mie  im 
jmciten  Söarner,  außer  i^m  nur  nod^  einer,  nämlic^  Äarft^an5, 
ber  isöauer,  ift,  mcld)cm  gegenüber  bie  .*pQuptroüe,  bie  ber  betet)- 
renben  Stuctorität,  bem  Ütittcr  ^ufäüt.  Jütten  tritt  in  biefem 
®efpräd)e  nic^t,  mie  in  ber  ÖuUe  unb  ben  SRäubern,  mitrebenb 
unb  ^anbelnb  auf;  bafür  meift  aber  ©iefingen  für  bie  eigentlich 
gelehrten  unter  ben  üöclel)rungen,  bie  er  bem  33aueri^mann  crtheilt, 
jebe^mal  auf  §utten,  al^  auf  bie  OucUe  berfelben  l)in.  2)ie  ^eit, 
in  melcher  ba^^efpräd)  gehalten  fein  luill,  ift  ber  Sommer  1521; 
benn  biefen  SEöinter,  fagt  barin  Siefingen,  höbe  er  mit  §utten  auf 
ber  (Sbernburg  ßuther')§  Sd)iiften  getefen,  unb  ber  ©aucri^mann 
münfeht  ihm  (^lücf  ^u  bem  33cfel)l  unb  ilricg^j^eug,  moju  ihn  ber 
Äaifer  uerorbnet  l)obe:  j\u  bem  guge  gegen  ben  $er5og  oon 
öouillon  unb  gegen  granfreich  aber,  ber  hier  allein  gemeint  fein 
fann,  mürbe  grans,  mie  mir  gcfcljen  ho^cn,  im3util521  befteUt. 

®ie  Situation  ift  bie,  baß  beriöaucr,  inbein  er  bemfRittcr 
gebad)termaßcn  (^lücf  münfeht,  oon  biefem  megen  feinet  „crnftifchen" 
Öuöfehenö  berufen  mirb;  mooon  er  bie  ^lacfercicn  üon  Seiten 
ber  Pfaffen  alö  bie  Urfadjc  angibt.  (Se  ift  ^unäd)ft  bie  alte 
Älage  über  bie  fogenannten  Senbgcridjte,  bie  and  einem  Organ  bcr 
Ä‘irchcn5ud)t  längft  ju  einer  (^elbquelle  für  bie  @ciftlid)cn  gcmor= 
ben  maren,  mclchc  biefe  burdj  aufgcftellte  ?lngeber  möglichft  er* 
giebig  j\u  mad)en  fud)ten.  So  mar  Äarfthan^  megen  einer 
perci  erft  im  Senb  angegeben,  bann  oon  bem  Official  in  ®elb- 
ftrafe  genommen  unb  cnblich,  mcil  er  auch  ben  ermäßigten  betrag, 
auf  mclchcn  jener  mit  fich  hotte  honbctn  laffen,  nicht  foglcich 
gaiii\  erlegen  fonnte,  in  ben  33ann  gethon  morben.  Sranj  ücrs 
fpricht  il)m  fein  gürmort  beim  33ifchof,  aber  bcr  ^aucr  meint, 
menn  eä  einmal,  mie  er  hoffe,  jur  5lbrcd)nung  mit  ben  Pfaffen 
fomme,  merbe  er  bieß  unb  anbcrcö  nicht  oergeffen.  „Jürmaht 
fehlet  e^  allein  baran",  fc^t  er  hmju,  „baß  mir  bcr  Sachen  einen 
^auptmann  hotten,  fo.mürb'  cö  gehen.''  SBie  alfo  in  ben  5Räu- 
bem  ber  fftittcr  bem  Stäbter  bie  $anb  ;^um  8unbe  gegen  bie 
Söcbrücfungcn,  houptfäd)lich  ber  ©eiftlichfeit,  bietet,  fo  mirb  hier 
oon  Seiten  ber  löaucrfdjoft  ein  ritterlicher  ^Inführer  ^um  itampfc 


9{eu  S^arft^onS. 


431 


flCQcn  bie  Pfaffen  geforbert,  unb  ^tuar  ift  ipic  fid)  bolb  ergibt, 
auf  ©iefingen  fctbft  abgcfet)cn,  t)on  iüelc^cm,  fagt  Äarftljon^,  fein 
unb  feinc^gleid}en  fefte  ßanerfic^t  fei,  er  merbe  noc^  einmal  „al^ 
ein  ^au^)tmann  il)rc  (ber  ^fa^cn)  böfe  ©tud  Reifen  ftrafen". 
(^anj  mie  e^  üicr  3al)re  fpäter  mirflid)  fnm:  mo,  nadjbem 
0idingcn  bal)in  mar,  bie  empörten  dauern  fein  9tac^bilb  im 
kleinen  unb  ©roben,  ®öp  üon  Scrlic^ingen , jur  ^auptmann* 
fc^aft  preßten. 

3u  biefem  5lnfinncn  uerßält  fid)  bev  ©idingen  bcö  ©cfpräc^ö 
junäc^ft  au^mcic^enb.  einem 

§lufi*ut)r  beö  gemeinen  Söolf^  fommen  merbe,  ift  au^  feine  Ueber* 
jeugung;  aber,  mie  Jütten  in  feiner  (£ntfd)ulbigung,  fürchtet  er 
biefen  Srfolg  unb  fud)t  ißn  abjumenben,  meil  ber  große  |)aufe 
mit  Unoernunft  brein  ^u  fc^lagcn  unb  gegen  ben  Unf^ulbigcn 
mic  gegen  ben  ©d^ulbigcn  ,j^u  mütßen  pflege,  ©o  oft  bal)er  ber 
liöauer  nac^itarft  unb^4^flegcl  ruft,  um  bamit  ^ujufc^logen,  mirb 
er  oon  Siefingen  erft  jum  gcbulbigen  Slbmartcti  oenoiefen,  bann, 
für  ben  gall,  baß  e§  bod)  ;^um  2)reinfcßlagen  fommen  foHte,  er^ 
moßnt,  nid)t  au^  iitigennu^,  3^teib  ober  S^ac^begier,  fonbern  in 
c^riftlicßer  9Jteinung,  um  ©ottcö  unb  ber  @ered)tigfeit  miüen  ju  l)ans 
beln,  ba  nur  bann  ba^  ißorgeßen  ißm  mol)l  erfd)ießen  merbe.  2öa^ 
aber  bie  Hoffnung  ber  öaucrfc^aft  betrifft,  baß  ©idingen  felbft 
an  il)re  ©pi^e  fic^  fteHen  merbe,  batauf  antmortet  er  oorerft, 
bojjJ  miffc  er  noc^  nic^t,  unb  l)abc  eä  bi^  ba^cr  unferm  $errn 
• ©Ott  befohlen,  miemo^l  er  oiel  UebeU  burd^  bie  ©eiftlic^en  geübt 
merben  feße.  Söciter  aber  auf  bie  ©inmenbung  be^  ^auerö,  baß 
er  fic^  ja  an^eifc^ig  gemacht  b^be,  fiut^er  ju  febirmen,  mie  er 
Jütten  febon  je(jt  in  feinen  ©ebu^  genommen’  höbe,  befennt 
©idingen,  baß  er  ßutber,  beffen  ©ebriften,  fo  meit  er  fie  gclefen, 
er  anberd  nicht  benn  cbriftlicb  unb  mobl  gefebrieben  erfennc,  falld 
ibm  ©emalt  unb  Unred)t  miberfübre,  mit  ^ülf  unb  $Ratb  nicht  • 
uerloffen  mürbe.  Jütten  holte  er  bei  fid)  ald  feinen  guten  greunb, 
unb  ber  in  feinen  9tötben  3oflucbt  bei  ihm  gefuebt  höbe;  auch 
Oon  ihm  miffe  er  nicht  anberö,  aU  baß  er  bi^bet  bie  lautere 
SGöabrbcit,  auö  ehrlichen  Urfacben  unb  ju  feinem  großen  perfön^ 
lieben  ©ebaben,  gefebrieben  höbe;  baber  merbe  er  auch  il)n,  fo 
lange  er  bei  ihm  fei,  nicht  oergemaltigen  laffen.  ^)ocb  auch  über 
biefe  5)efcufioc  l)ioouö  erflärt  ber  ©idingen  bcij  ©efpröcb*^,  ba 


432 


II.  8.  I^Qpiiet. 


er  bic  ber  ©träfe  für  bie  Uebe(t(}äter  gefommen  glaubt,  fid) 
bereit,  fallö  (^ott  aud)  iljii  511  folc^cm  ©efc^äfte  brauchen  tvoüc, 
fein  (ijebüt  ju  erfüllen.  er,  noc^  ben  (Erfahrungen  beö 

tuormfer  Slcich^tagö,  nod;  immer  bic  Hoffnung  äußert,  Ä^aifcr 
Äarl  merbe  nicht  länger  päpftifd)  fein  unb  bann  felbft  bie  9fteform 
in  bic  ^anb  nehmen,  ift  freilid)  anffallenb  unb  uom  SSerfaffer 
aud)  tüühl  fchmcrlid)  ernft  gemeint.  Unerachtet  alfo  eine  auö= 
brüdlichc  bcö  StitteriS  an  ben  ^auerämann  in  betreff  ber 

,5)anptmannfchaft  fid)  im  (^e)präche  nid)t  finbet,  fagt  bod)  i^arft* 
hanö  (um  üon  ben  angel)ängtcn  ^rtifcln  noch  öbi^ufehen)  in  ben 
Steimen  auf  bem  Xitclblatt,  er  fei  „mit  @beln  (Eiui^  getoorben", 
nnb  merbe  feinerfeitö  „mit  §änben  jugreifen;  ein  anbrer  möge 
auch  ^eftcö  thun". 

5lHc  übrigen  Sbecn  beö  ©cfpräch^  finbfo  ganj  §uttcnifch, 
baß  fich  bem  ©inne  nach  ju  allen,  ju  manchen  auch  ben  Söortcn 
nach,  ^araUelcn  in  ben  un^meifclhaften  ©(hriften  ^utten’jS  fin= 
ben.  Unb  ßc|tercd  ift  gcrabe  bei  folchen  gbeen  ber  gall,  bie  me* 
niger  allgemeine  3‘^*^‘^*U’<i}t^uungcn  alö  perfönlid)c  iiicbling-Sgc* 
banfen  unfreiS  S^itterS  bilben,  ober  biefem  bod)  befonber^  nahe 
lagen,  ^ahin  gehört  ber  Söibcrfprud)  gegen  bic  oerbreitete  3)iei* 
nung,  alö  mären  bie  ^omftifter  Slnftalten , bereu  Erhaltung  im 
Sntereffe  beö  ^ilbel^  liege,  ^ier  ift,  maö  im  neuen  Ä'arfthauiS 
gefagt  mirb,  faft  Ueberfepung  einer  ©teile  in  ben  iHäubern.  ®ic 
©rfchöpfung  beö  main^^er  ©r^ftiftö  burch  ben  höußgen  Radien* 
lauf  binnen  SÜ^enfehengebenfen,  bie  ^faffenherrfchaft  im  granfen*  • 
lanbe,  merben  hier  ebenfo  mie  im  Sabiöcuö  unb  in  ben  IRäubcrn 
gerügt,  unb  babei  beö  @r;\bifchofö  2llbred)t  mit  bcrfclbcn  fehonen* 
ben  ^ödfid)t  gebucht,  mie  mir  fie  fonft  oon  ©eiten  $utten'^  ge* 
gen  ihn  beobachtet  ßnben.  ^ie  öemunberung  für  3i®^o  wnb 
feine  fcharfen  3)iaßregcln,  um  Böhmen  oon  ben  faulen  iKönd)cn 
• ju  fäubern  unb  oon  ber  römifchen  Äncchtfchaft  ^u  befreien, 
fpricht  fich  hier  ebenfo  mie  im  ^meiten  äöarncr  au<J^).  5lber  c^ 
fonnte  auch  ein  anbercr,  befonberö  menn  cö  einer  auö  bem  bama* 


1)  SJßl.  9lcu  i^orfi^QnS  §.  95  mit  Praedones  §.  109.  110.  114;  9leu 
i^or|i^an§  §.  96  mit  VadiscuB  §.  92  unb  Praed.  §.  178.  179;  9tcu  Äorg» 
hnn§  §.  92  mit  Monitor  II,  §.  24—27. 


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Jttu  Porfl^anS.  483 

ligcn  ebcrnburgcr  toifc  voax,  biefc  ©ebanfen  ^uttcn'g  ftd)  ongc^ 
eignet  ^aben. 

6^  ift  bereite  ertüä^nt  tnorben,  bag  ber  (Sicfingen  bc§  ®e= 
fVräd)ö  n)iebed)oU  auf  Jütten,  alö  feine  gelehrte  Vluctoritöt,  fich 
beruft.  2)ie  §lrt,  n)ic  bic6  gcfchie^t,  ift,  fünftlcrifch  betrachtet, 
QÜerliebft.  9tachbem  ber  S^tittcr  bcn  mähten  53cruf  ber  ©eiftlid)- 
feit,  im  ©egenfa^e  gegen  ihre  bamalige  SBermeltlidjung,  mit  großer 
!Öibelfeftigfeit  and  bcn  ^aulinifchcn  ^Briefen  bargclcgt  h^t,  fällt 
Äarfthanö  ein:  „Snnfer,  mid)  munbert,  mo  il)r  folch  3)ing  ge? 
lernt  höbt;  i^  bin  an  euch  nit  gemohnt,  bag  il)t  alfo  grünblich 
pfleget  au^  ber  l)til-  ©efehrifft  ju  reben."'  SSorauf  ihm  granj 
erzählt,  mie  er  ücrgangcnen  Söinter  mit  §utten  in  ber  IRegel 
nach  ^ifcht  ßuther'ö  Bücher  gelefcn  unb  über  baö  ©üangelium 
unb  bie  apoftolifchen  Schriften  fid)  unterhalten  höbe.  @in  anber? 
mal  hötte  ber  ^Ritter  non  Zeremonien  gcfprochen.  ,,3unfer'', 
fragt  ihn  itarftl)anö  barauf,  „roaö  feinb  Zormoniuö?''  Söorauf 
©idingen  antmortet:  „^ain^,  Zeremonie,  alö  mid)  Jütten  bericht, 
heiSen  äu6erlid)c  ZJebärben"  u.  f.  m.  §(bcr  aud)  bie  öuUe  In 
coena  Domini  l)öt  Jütten  feinem  (^jaftfreunbe  ücrbcut)cht,  unb 
maö  ber  $oct  ^lautuö  ^u  bcn  geizigen  grauen  fprid)t,  höt  lehtercr 
üon  crftcrcm  gehört.  3nbcffen  auch  biefeö  IBcrhältnig  mar  ba? 
moU,  fclbft  über  bcn  ebernburger  Ärei§  hiööuö,  burd)  gebrudte 
©chriften  |)uttcn'!g  bcfamit,  unb  man  tonnte  fogar  finben,  bag 
cö  Jütten  fclbft  meniger  alö  einem  ^»ritten  anftanb,  feine  gelehrte 
?(uctorität  über  ben  ©aftfreunb  in  fold)cr  SBcifc  httuoräuheben. 
?luch  bie  ©emeiöführung  auö  Sibclftclien,  bie,  obmohl  h^trin 
Jütten  in  ber  lebten  Zrtlcdlid)cö  leiftete,  hoch  in  biefem 
Zlejprächc  noch  um  ein  ZJutCiS  breiter  gerathen  ift,  mehr  no^  bie 
patriftifche  ZJclchrfamteit,  bie  cd  cntmidelt,  fd)cinen  auf  einen  ber 
tl)cologifchcn  ZJäftc  hinj^umcifen,  beren  bamald  Slquila,  ©uccr, 
Dcfolampabiud  unb  0chmcbel  auf  ber  Zbernburg  im  oertrauten 
Umgänge  mit  bem  !0urghcrrn  unb  feinem  ritterlichen  ©qftc  fid) 
befanben.  iööding'd  Sermuthung  auf  bcn  feingebilbeten  Oefo? 
lampabiud  ald  3^erfaffcr  höt  üiel  für  fich- 

Sßon  Sffeuem  bietet  fid)  und  l)irr  eine  Sßöhrnchmung  bar, 
auf  bie  mir  im  ^öcrlaufc  unferer  ^arftellung  fd)on  öfter  ge? 
ftofeen  finb.  3n  mo  gro^e  geiftige  Strömungen  alle 

ZHicber  unb  Sd)id)tcn  cined  S3olted  bemegen,  mirb  and)  bie  fd)dft? 

Vn.  28 


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434 


II.  8.  Ä(OiHel. 


ftcflcrifd^c  ^robuction  t)crr)ältniSmä6i(^  c^cgcn  fonft  eine  gemein* 
famc  @abc,  unb  cö  gibt  feinen  §omer,  bem  nid)t  ^omeriben  jur 
0citc  träten,  bereu  ©r^eugniffe  ben  {einigen  j\um  SSermcc^feln 
ö()nlic^  fef)cn. 

?lbfid)tliclj  l)abcn  mir  biöber  ben  ^Intjang  iinfere^  ©efpräd^«, 
bie  breißig  5frtifel  nömlidj,  „fo  Runter  ^clfcric^,  9lciter  ^cinj 
nnb  Äarft^anä  mit  fammt  i()rcm  ^2tnf)ang  ()art  unb  feft  jn  f)alten 
gcfc^moren  f)aben",  uon  bem  Mrei^  un{rer.  53etrad)tung  au$gc* 
fd)toffen.  cinj^igen  alten  Sluögabc,  bie  mir 

non  bem  neuen  Äarftl)aim  befifeen,  bcmfelbcn  ange^ängt ; boc^ 
fc^merlic^  in  unmittelbarem  ^uftimnien^ang  mit  bcmfclben  ent* 
{tauben.  ®enn  nur  ber  Äarftljanö  ber  ^Irtifel  finbet  {ic^  aud) 
im  üorangegangenen  (De{prädjc;  non  bem  3^unfer  |)elferid)  aber 
unb  bem  S^lciter  ^ein,^  mcife  man  nic^t,  too  {ie  l)crfommen,  nad^= 
bem  bei  bem  @e{präc^e  ber  Sunfer  granj,  ein  {Reiter  aber  gar 
nic^t,  bctf)eiligt  gemc{en  mar.  2luc^  ber  Xon  ber  5lrtifel  ift 
[)e{tigcr,  milber  aU  ber  im  (^e{präc^.  3)em  3ul)altc  nad^  aber 
gemahnen  {ie  ung  bereite  mie  SSorläufer  ber  betannten  ^mölf 
Vlrtifel  ber  !öauer{chaft  Dom  Saljre  1525,  nur  baß  {ic  {ich  noch 
au{  baö  gei{tliche  Gebiet  bc{d)ränfen.  ^ie  {ic  jejunb 

leben,  {ollen  nid)t  mehr  gciftliche  iöäter,  {onbern  flei{chlichc  {örüber 
heißen,  il)r  Jsöann  mie  bai^  Slnbla{en  einer  (SJanö  gcad)tet,  ber 
{Popft  für  ben  ^ntid)rift,  {eine  Sarbinäle  u.  {.  f.  für  beö  Xeufel§ 
^Ipoftel  gehalten,  ber  ^of  ^u  {Rom  bie  {BorhÖüe  genannt  merben. 
^ie  {öerbünbeten  mollen  feinen  Drbenäbruber  mehr  ind  |>au§ 
taffen;  jebem  iöcttclmönd),  ber  ihnen  abforbert,  einen  oier* 
pfünbigen  ©tein  nachmerfen;  bie  Officiäl  ober  ©enbpfaffen  mit 
§unben  au^hehen  nnb  mit  Üoth  bemerfen  laffen ; alle  ßurtifanen 
mie  tolle  §unbc  achten,  bie  man  fchlagcn,  fangen,  mürgen  unb 
tobten  barf.  Sn^befonbre  foU  Jütten  gegen  fie  gcfchü^t,  aud) 
ßuther  miber  feine  geinbe  ücrtheibigt  merben.  ®cm  geiftlichen 
Specht  .uiib  ben  päpftlichen  {Bullen  mirb  emige  geinb{d)aft  ge{d)moren ; 
ben  {pebellcn,  bie  fotche  überbringen,  {ollen  bie  Chren  obgc* 
fd)nittcn,  unb  menn  fie  mieberfommen,  bie  Slugen  auögeftochcu 
merben.  {5)ic  geiertagc  außer  bem  ©onntag  fotlcn  abgefdjafft, 
fein  {Bilb  mehr  angebetet,  bie  {Beichte  nach  ßuther’^  Slnmeifung 
eingerichtet,  fein  {Pfarrer  mehr  gebulbet  merben,  ber  nicht  ^ur 
{prebigt  beö  ©uangeliumö  befähigt  unb  ehrbaren  ßeben^  ift,  auch 


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Äorfi^n§. 


435 


feinem  mef)r  aU  @ine  Pfarre,  bic  er  fei b[t  uerfelje,  (jeftattet  mer* 
ben.  fc^möreu  bie  ^erbünbeten,  in  allen  nürbcrflcmelbeten 

^rtifeln  Seib  nnb  ÖJut  jufammenfefeen  jn  moUen , unb  rufen 
(%tt  ,^um  fi^'’  eigene  0aclje,  fonbern 

bie  göttliche  3Bal)il)eit  nnb  beö  S^atcrlanbeö  SSül)lfa()rt  bc^meefen, 
unb  ba§  alle«,  maö  fie  tl)un,  in  einer  cf)riftlicl)en,  eljrbaren,  guten 
3}feinung  gefc^e^c. 

^od)  mer  eö  and)  immer  getuefen  fei,  ber  auf  biefe  SBcifc 
bie  SJerbrüberung  ^mifd)en  bem  Slbel  unb  ber  ^auerfdjaft  jur 
^)nrd)fül)rung  ber  Äird)enüerbcfferung  in  Icj^te  §(u!§fid)t  nal)m 
unb  burc^  bie  ^erau^gabe  ber  fo  eben  betrad)teten  beiben  0d^rift= 
ftücfe  an^nbal)nen  juckte:  ber  näd)fte  S3erfuc^,  ben  0ictingen 
machte,  galt  meber  rein  fird)lid)en  ^ 

auf  anbre  aU  biejenigen  ^treitfräftc  gerechnet,  melc^e  ber  fRitter 
uon  jef)er  bei  feinen  gel)bcn  auf^nbieten  gemül)iit  gemefen  mar. 


43G 


ttcuntt$  iKapittl. 

gniferttitttg 

am  penffi^raitb. 

1522. 

SRad^bcm  fid)  in  golgc  bcö  Übeln  ^Inö^an^ö,  ben  ber  3^9 
()egcn  gvanfreid)  genommen,  gron^enö  5ßcr()ältni6  ^um  Äaifcr 
getrübt  tjattc,  tnar  er,  raeit  entfernt,  feine  ()od)fließenben  ^lanc 
auf^ugeben,  melmel)r  bemül)t,  ben  Stügpnnft,  ben  er  für  biefelben 
fd)on  üorljer  innerijalb  feinet  eigenen  ©tonbeiS  gefunben  l^atte, 
inöglic^ft  511  Derftärfen.  gab  il)in  ber  9lbgang  beö  Äoiferö 

nac^  Spanien  im  2}?ai  unb  bie  Sd^mäc^e  beö  üon  bcmfelben  ju- 
rüdgelaffenen  fReidjöregimentö  enuünfd)ten  Spielraum.  5ni  §lngnft 
ueranftaltete  er  eine  ßi^f^nimentunft  ber  freien  r^einif^en  fRitter^ 
fd)aft  5U  Sanbau,  bei  melc^er  fid)  bie  @beln  aus  bem  ihaic^gau 
unb  bem  SBeftric^,  uom  .^unbSrüd  unb  ber  9^al)e,  auS  bem  Sflljein- 
gau,  SöaSgau  unb  ber  Drtenau  ^at)lreic^  einfanben.  ®ie  ®e* 
müt^er  mären  uorbereitet,  ba  feiner  mar,  ber  nid)t  Urfad)e  jii 
haben  gemeint  hütte,  über  ^arteilid)feit  ober  Saumfeligfeit  beö 
iRcid}SregimentS  unb  ÄammergeridjtS,  über  S3eeinträd)tigung  burcö 
benachbarte  dürften  ober  33ifd^öfe  fich  ju  befchmeren;  ba  manche 
and)  ber  firchlichen  Sfleuerung  günftig  unb  mit  ber  Stellung  un* 
jufrieben  maren,  melche  ber  le^te  fRei^Stag  311  ber f eiben  eingc= 
nommen  ^0  mürbe  am  SD^ittmod)  na^  St.  Säurenden 

Xag,  ben  13.  ^nguft  1522,  bie  Urfimbe  eines  „brüberlidjen  SSer* 
ftänbniffeS"  oon  ben  2lnmefenben  unterzeichnet,  unb  ben  2lb* 
mefenben  ber  33eitritt  mittelft  einzufenbenber  9ieoerfe  offen  gehalten, 
beffen  jnnächft  bahin  ging,  bie  fRitterfdjaft  burch  möglichfte 


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Sidinßcn’S  ^(ane. 


437 


9lb(cftnun(^  frcmbcr  ÖJerirf)töbarfcit  unobpntjifler  machen.  9?id)t 
allein  bic  0tvcitiötcltcn  ^tnifc^cn  ben  ^^uiibeöncrtüanbten  iiämlic^ 
foHtcn  burrf)  ritterlid)c  ©cl)icbv'gcrid)tc,  o^nc  Weitere  5lppeflation, 
crlebiqt  tuerben,  foiibcrn  and)  uon  3lnflel)örißen  anberer  ©tanbe 
füllten  bic  ücrbnnbencn  fRittcr  nur  üor  3^reö(^lcid)cn  belauert 
luerben  fönnen.  2öcr  über  ba‘3  ©rbicten  folc^cm  Sliiötrat^e  Don 
feinem  (Gegner,  melc^eö  ©tanbeö  biefer  fei,  mit  (bemalt  bebrängt 
mürbe,  bem  füllte  jeber  ©enüffe  ber  S^erbrüberung  ^ülflic^  fein 
gute  9Jiad)t  l)abcn;  bagegen  bem,  ber  ben  5lu^trag  abgefd)lagen, 
feiner  l)clfcn  bürfen.  ^afe  in  gelben  ^mifc^en  jürften,  ©rafen 
nnb  Stabten  Angehörige  ber  @inung  auf  entgegengefe^ten  Seiten 
bienen,  mugte  man  nidjt  ^u  t)inbern ; büch  füllten  fic  einnnber 
möglid)ft  fd)onen,  unb  fübalb  bic  j^ehbe  beenbigt,  einanber  mieber 
laut  be^J  33crftänbniffed  mie  ^uuor  ucrpflichtet  fein.  ^!ie  ®er« 
binbung  mürbe  auf  fed)ö  S^hte  gefchlüffen,  J^an,^  üon  Siefingen 
,Vim  .f)auptmann  gemählt,  unb  ihm  nach  ben  üerfd)iebenen  ^e= 
,Vrfcn,  in  meld)en  bie  Sßerbünbeten  faßen,  j\mölf  SBertrauenömänner 
,Vigcorbnet  *). 

Schon  ben  Xag  üorher,  che  bie  Urfunbe  ber  lanbauer  @innng 
auögefcrtigt  mürbe,  Siefingen  mit  ^ran^  üon  Sombrief 

einen  Vertrag  gcfchloffcn,  il)m  ctlidh  fRcifige  j^u  merben  unb  ju 
führen;  feine  Schlöffer,  befonberö  (^bernburg  unb  £anbftul)l, 
hatte  er  neu  befeftigt  unb  mit  SJorräthen  üerfchen;  bic  Stellung 
ab^  faifcrlicher  ^'-'i^hauptmann  unb  ?Rath,  bie  er  noch  immer 
einnahm,  unb  bic  9)feinung,  bic  er,  mo  nid)t  üeranlaßte,  boeß 
gerne  beftehen  ließ,  baß  er  in  faiferlid)cm  Aufträge  miber  granf* 
rcid)  merbe,  führten,  neben  feiner  pcrfonlichcn  Geltung  alö  Ärieg^= 
fül)rcr,  halb  ein  zahlreichem  $eer  $fcrb  unb  zti  uidcr 
feine  j^ahnen. 

granzenm  ^meef  h^i  biefen  Üfüftungen  mar  freilid)  nicht 
blom,  mie  ber  gute  ^artmuth  üon  (^ronberg  meinte,  „bem  SEBortc 
ÖJotteiS  bic  Xhürc  z«  öffnen";  fonbern  in  bem  meniger  fdpüars 
mcrifd)en  Siefingen  mirften  perfön  lieber  ©h^Ü^'^Sf  ritterlicher  Staiu 
bemgeift  unb  frommer  (Sifer  für  bie  9ieformation,  bereu  3bcen  er 

1)  'Dicje  unD  ant»rc  Urfunben,  worauf  bic  C^rjä^Iunß  be§  gegenwärtigm 
itapitcls  beruht,  finbet  man,  obwohl  wenig  correct,  obgebrueft  in  (5.  Wüni^’S 
t^ranj  oon  Sidingen,  %anb  II  unb  III. 


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488 


II.  9.  ftayntel. 


cinflcfogcn  ^attc,  rcd)t  mcnfd)lid)  burd)cinaiibcr.  ©eine  idituans 
fenbe  ©tcüung  jiU)ifc^cu  rittcrlid)cm  53cfi^  imb  bcinal)c  für)’tlid)cr 
äJiad)t  tüoHtc  er  fefter  begrünben ; ju  biefem  @nbc  mit  $ütfc 
feiner  ©tanbe-^m offen  in  bie  fid)  immer  fefter  fc^lie^enbe  Äette 
beutfe^er  gürftentl)ümer  eine  £üde  bredjen;  unb  baju  foüte  i^ni 
bie  reiigiöfc  iUeuerung  ebenfo  ,§ebcl  bienen,  mic  fie  it)m  anbrer^ 
feitd  al^  begeifternber  Äronc  ber  neu  begrün- 

benben  Orbnung  üorfc^mebte. 

§icnad)  mahlte  er  fic^  auc^  ben  geinb,  ben  fein  erfter  2ln*= 
griff  treffen  foüte,  mit  gutem  53cbad;te  au^5.  Söärc  er  perfön* 
lieber  Erbitterung  nac^gegangen,  fo  mod)te  er  fic^  moljl  oor  aÜen 
auf  §effcn  getoorfen  ^oben,  beffen  Slbet  unter  bem  ©d)u|jc  bcö 
ßanbgrafen  ben  SSerpflic^tungen  nad);^ufommen  fic^  mcigertc,  bie 
er  bei  ©idingen'ö  Ueberfaü  oor  oicr  Sagten  gegen  biefen 
übernommen  ^atte.  5(bcr  $f)ilipp  juon  Reffen  mar  ibm  tl)cilö 
bnre^  fic^  fclbft,  t^eilö  burc^  feine  Söerbinbnngen  jn  ftarf,  unb 
mar,  menn  aud)  bamalö  nod)  nid)t  für  bie  ^Reformation  entfc^ic- 
ben,  bodj  fein  geiftlidjcr  gürft,  in  me(d)cm  Jürfteiu  unb  ^faffciu 
mac^t  mit  Einem  ©erläge  getroffen  merben  fonnten.  2tüe  ©riinbe 
l)ingcgen,  perfönlidbe  mic  föd)lid)c,  fc^ienen  auf  ben  Erjbifdjof  unb 
Älurfüiften  oon  5^rier  ^u^utreffen.  iRidjarb  oon  ÖJreiffcncIau*9SoI= 
ratf)^  mar  jmar  mit  ©idingen  burd;  beffen  oerftorbenc  ^auöfrau 
ocrfd)mögcrt;  boc^  ^atte  fid)  auf  bem  augeburger  fReid)§tagc  bcö 
3al)rcö  1518  über  ben  gleichzeitigen  Sclbzug  ©idingcn’ö  gegen 
Reffen  feiner  ber  dürften  fo  fdiarf  mie  er  auggcfprodjcn.  Eö  fei 
ZU  üid,  maö  granz  fid)  unterftel)e:  erft  bie  ©täbte,  bann  bie 
dürften  einen  nad)  bem  anbern  üorzuncI)mcn;  bie  Äbur^  unb 
gürften  mögen  bebenfen,  moö  barauö  merben  foüc;  märe 
man  il)m  gefolgt,  fo  hätte  man  längft  ernftlich  gegen  gtanz  ge* 
hanbelt;  er,  fRicharb,  fei  ber  erftc  unb  mol)l  auch  iiur- 

fürft  in  feinem  Ecfd)lccht,  bie  gebornen  Äurfürften  gehe  bie  ©och^ 
nod)  nö()cr  an.  Eben  ai§  gciftlid)er  Äi'urfürft  aber  mar  Slicharb 
cinciS  ber  ^äupter  beö  beutfehen  Siird)enfürftenthumö,  unb  maö 
fein  S3cr[)ältni6  z^*^  ^Reformation  betrifft,  fo  mar  oon  ihm,  nad) 
$artmutl)’ö  Sluöbrud,  „bem  9äJorte@ottcö  bic2^h^rc  nach  mcnfd)= 
lichem  Vermögen  auf  baö  geftefte  befd)loffcn".  ©eine  h^de, 
übrigens  ftaatSmännifd)  mic  friegerifeh  tüchtige  91atur  mar  für 
bie  reformatorifd)cn  Sbeen  ohne  Empfänglid)feit.  SBcnn  fein 


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©ttfingcn’S  Qcgen  Srter. 


439 


9laci^bar  in  3}2ain^  ein  Sco  X.  im  Älcincn  mar,  fo  foUtc  man 
fic^  burc^  9^ic^arb  nun  Xricr  baib  an  ben  Äricflöfürftcn  3uliuö  II. 
erinnert  finben.  2)icfc  @ic;enfcbaft  bc^  crtnäijitcn  geinbeö  ^attc 
granj  boc^  nic^t  geböriß  in  Ülcdjnnng  genommen;  ober  glaubte 
er,  fic  locrbc  ?\um  ediu^c  bcffclben  nidjt  bini’cidjen,  entmurjclt 
nnb  uercinjclt,  mic  er  i^n  ju  finben  buffte.  SSie  gemobnlicb  in 
bifd)öflid)en  0täbten,  mar  and)  in  3;rier  ein  Xbcil  ber  Jöiirger^ 
fd)aft  gegen  ba^  geiftlicbe  S^egiment ; eine  Stimmung  nnb  Partei, 
bie  jejt,  in  golge  bc^  Sinbringenö  ber  Sutberifeben  £ebren,  noch 
uerftörft  fein  mußte.  Son  außen  aber  b^tte  0idingcn  oon  bem 
jmcibeutigen  Sllbrecßt  oon  SOiain,^  feine  SSerbinberung  jn  befiird)^ 
ten;  fein  (Gegner  oon  bem  friebfertigen  Soflegen  ,^u  i$öln,  ^ermann 
oon  Söicb,  fdjmerlicb  friegerifdje  §ülfe  ^n  ermarten.  iöei  ^fal^ 
hoffte  %xan^  bureb  früßere  ^erbienfte  nod)  etma<^  ju  gelten,  nnb 
biiS  ^b^^^PP  beranrüefte,  mit  Xvier  fd)on  fertig  ju 

fein.  3)en  Äaifcr  aber,  außer  feiner  augenblidlicben  ßanbeö^ 
abmefenbeit,  glaubte  er  am  menigften  geneigt,  fid)  beö  gürften, 
meld)er  ber  moblbc^aljltc  Slgcnt  nnb  bt^rtnärfigfte  Slnbänger  feinest 
9lebcnbublerö  um  bie  beutfeße  ilrone  gemefen  mar,  merftbätig 
an^unebmen.  2Bar  boeb  im  9icid)c  bie  SUieinung  oerbreitet,  baß 
0icfingen  im  gebeimen  Sluftrage  beö  Äaifevö  miber  2;vier  ^icl)e. 

?(uf  ber  anbern  Seite  ftanb  aber  bod)  auch  mand)ei8,  mas^ 
©idingen  marnen  fonnte.  '2)aß  er  Oon  SBittenberg  auö  feinerlei 
^orfeßub,  fonbern  nur  5(blebnung  ju  ermarten  b^^Pt,  fonnte  er 
miffen,  ba  man  bort  febon  bamalö  grunbfäblid)  gegen  ben  Älrieg 
alö  SÜ^ttcl  jur  ^)urd)fül)rung  ber  9icformation  mar.  ßutber  nnb 
SDfelancbtbon  beflagten  bernaeb  Sidingcn’ö  Treiben  al^  ein  fold)e^, 
ba^  ber  guten  ©acbe  nur  ^afi  jumege  bringen  fönnc.  ©elbft  in 
feiner  näcbften  Umgebung  fehlten  ihm  marnenbe  Stimmen  nid)t. 
SDiartin  33ucer,  ber  feit  bem  Ü)iai  jeneö  3al)rcö,  ber  pfal^gräflid^en 
^ienfte  iiberbrüßig,  ^u  S*ranj  ^nrndgefebrt  mar,  urtbeilte  me^ 
nigftenä  fpiiter,  berfclbe  b^iPc  biefen  Ärieg  ^mar  in  befter  ^bfid)t, 
boeb  ohne  rechten  üöernf  unternommen.  Unb  berfclbe  SDMnn, 
beffen  ^ilnfprnd)c  an  ben  Statl)  ^n  SBorm»  bem  SfUttcr  einft  jum 
IBormanbe  ber  mcbriäbrigen  gebbe  gegen  biefc  Stabt  gebient 
batten,  nnb  ber  il)m  je^t  mit  ber  geber  ^ienfte  leiftete,  ^^altbafar 
Sdjlör,  marnte  il)n  in  einer  eigenen  ^enffdbrift  oor  bem  ^^uge 
gegen  Xrier.  Selbft  menu  er  cö  eroberte,  meinte  Sd)lör,  mürbe 


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440 


11.  9.  j^aptid. 


er  eö  boc^  uidjt  bemalten,  fonbern  ba§  Sfteie^  über  il)n  fommen, 
!üic  über  SUbredjt  oon  üöüiern  luegeii  Stegenöburg,  über  Ulrich 
uon  SBürtemberg  loegeu  9fleutlingen.  5luc^  fein  ®utl)aben  beim 
Äaifer  (bad  je^t  mit  ben  ©olbrüefftänben,  für  melc^e  ©iefingen 
eingetreten  mar,  60,000  gl.  betrug)  feje  er  aufö  ©piel.  @r  foHe 
einen  anbern  gegen  Xrier  (jcfeen;  jebenfall^  nod)  jnmarten,  mie 
fic^  bie  großen  politifc^en  SSer^ältniffe  ^mifc^en  bem  Äaifer,  bem 
Äönig  non  granfreic^  u.  f.  m.  geftalten.  Stuc^  feine  Ätranflic^s 
feit  (ber  41jä{)rige  ©idingen  mar  fermer  tmm  ^obagra  geplagt) 
unb  be^  ^ftrologeii  gol)ann  ^agfnrt  marnenbed  ^rognoftifon  für 
bie  3a^re  1522  unb  1523  möge  er  bebenfen. 

2ülein  bei  ©idingen  mar  bie  Unternehmung  gegen  ^ricr 
befd)loffene  ©ache,  aud)  ber  S3ormanb  jiir  Striegöerflörung  mar 
bereite  gefunben.  @r  mar  ganj  im  0)efd)inade  beö  bamaligcn 
gcl)bemefenö : üom  ß^^iine  gebrod)cn,  um  §önbel  anfangen  ^u 
fönnen.  @in  unruhiger  3)ienfch,  bem  ©idingen  2(ufenthalt  gab, 
©erharb  33örner,  h^^Uc  jmei  ©^ulthei^en  auö  bem  trierf^en 
(iJebiete  gefangen  unb  meggefchleppt ; auf  ihr  Sitten,  moju  fie  jo 
hoch  nachh^i^  behaupteten  ge^mungen  morben  ju  fein,  fdjlug  fich 
gran^  inö  SJUttel,  erlegte  bem  Sörner  für  biefelben  an  ©(^ahung 
5000  unb  für  2l^ung  150  rheinifd)er  ©ulben,  loorauf  er  fie  in 
greiheit  fefete  gegen  boö  übliche  ©elöbnig,  il)m  entmeber  auf 
eine  beftimmte  ßeit  bie  für  fie  aufgelegte  ©umme  ju  bejahlcn, 
ober  fid)  mieber  in  feine  |)anb  ^u  ftellen.  ^eimgefehrt  jeboch 
menbeten  fich  bie  ©chnltheigcn,  ohne  fid)  an  baf  er^mungenc 
Serfprechen  gebnnben  ju  ad)ten,  an  baf  fKeidjf regiment  ju^türns 
berg,  unb  auf  ©idingen’f  Sefchmerbe  erflärte  ber  ilnrfürft  üon 
Xrier,  bem  ©pruche  bef  fftegimentf  nicht  oorgreifen  jii  mollcn. 
^af  h^Uf^  ©iefingen  nicht  blof  üorauffehen  fönnen,  fonbern  mahr« 
fcheinlich  gemünfd)t,  um  einen  Sormanb  jur  gehbe  ju 
melche  er,  fobalb  er  fich  hinlänglich  gerüftet  gloubte,  am  SÖiittmod) 
nad)  Sartholomäi  bem  iturfürften  anfünbigte. 

2)er  @rfte,  an  ben  ber  bebrohte  Äird)enfürft  fid)  nm  Sei^ 
ftanb  manbte,  mar  fein  9(tad)bar  unb  ©oUege  oon  9Jiainj,  ben  er, 
ber  ^mifchen  ihnen  bcftel)enben  (Sinung  gemäg,  um  100  mol)lgcs 
rüfteter  Sferbe  bat,  um  fold)em  muthmilligcn  gürnehmen  äöiber« 
ftanb  tl)un  §u  fönnen.  Allein  Äurfürft  3llbrecht  bebauerte  j^mar, 
bag  feiner  Sieb  etmaf  Sefd)merlichef  juftchen  foUte:  aber  feine 


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(Sidingfn’S  ^clbjug  gegen  girier. 


441 


Sflcifigcu  brauchte  er,  tuic  er  fc^rieb , tf)eilö  für  ben  fcljU)äbifc()cn 
isöunb,  tbcilö  5um  frantfurtcr^erbftmefegclcite;  uon  jeiucn  2cbu!3= 
(eilten,  bie  er  fofort  aufbot,  crfc^icncn  ftatt  200  nur  20,  unb 
biefe  ineicjerten  fic^,  fo  berichtete  er,  jemanb  3(nbercm  alö  i()in 
5U  bienen;  /^ule^t  nioQtc  er  ©ölbner  inerben,  bie  tuaren  aber, 
fchrieb  er,  „in  Wahrheit  ber  betommen".  @nb(ich, 

auch  Dom  IRcichöregiment  an  feine  Pflicht  gemahnt,  erbot  fid) 
3llbrecht,  200  9)iann  gu§,  unb  bann  aud)  bie  bem  fdjioäbifchcn 
iöunbe  5ur  iöerfügung  geftellten  fRciter  bem  S^lachbar  ^yijichcn  ^u 
(affen:  ba^  mar  aber  fo  fpät,  bag  ihm  Äurfürft  9licharb  ^uriicf= 
fchrieb,  er  höbe  fich  mittlermeilc  bcjä  geinbeö  fe(bft  ermchrt,  unb 
^[tbrecht  möge  mit  feiner  §ü(fe  ^u  §aufe  bleiben,  ^od)  nicht 
bioö  feinet  SBciftanbcö  hotte  fid)  crftcrer  oou  bem  Ichtern  511  gcs 
tröften,  fonbern  bie  gö()ren  bcö  Sthcmflouö  führten  9J^inu  uiib 
9^o6  über,  meld)e  ©icfiugeu’ö  gahneu  j^ujogen;  Unterthouen  uub 
Schulträger  Don  SÜtaiu^  bienten  bem  iRitter  ^egen  Xricr;  ja  uon 
§((brcd)t'ö  uornehmfteu  33eamteu  thoten  ber  ^ofmeiftcr  gromin 
uon  Jütten  unb  ber  SRarfchalf  Ä'aöpar  Serd),  mie  aud)  ein^etne  5)onu 
herren,  bem  Unternehmen  ©iefingeu’^  allen  S3orfd)ub. 

3mar  erlieg  nun  auf  Üiicharb’ö  Slnrufen  baö  9lcid)!5regimeut 
,Vi  5Rürubcrg  unter  bem  1.  ©eptember  ein  SD^aubat  au  Sicfiugeu, 
in  melchem  biefer  unter  §(ubrohung  bereicht,  unb  überbieg  einer 
^ön  uon  2000  9Rarf  lötgig^  ©olbcö,  aufgeforbert  mürbe,  fein 
©ernerb  gegen  Xricr,  aU  ber  golbenen  iöuUe  unb  bem  Sanbfrieben 
jumiber,  uon  ©tunb  an  abjuftcücu:  allein  alö  biefeö  3)^anbat 
cinlief,  mar  Siefingen  bereite  in  baö  furfürftlid)c  Gebiet  cingc= 
fallen,  hotte  isölicöcaftel  genommen  unb  lagerte  uor  0t.  SEBcnbcl. 
@r  hotte  eine  ^lufprache  au  feine  Gruppen  unb  SJerbünbeteu  auö- 
gehen  (offen,  in  melcher  er  erflärte,  mie  biefer  fein  ßug  uid)t 
feine  i8ercid)crung  au  (iJut  ober  Üütacht,  bereu  er  für  einen  @bcln 
uorhin  genug  befipe,  fonberu  ©ottc^  ($hi^c  ?^um  3mccf  höbe,  fofern 
cö  miber  bie  geiube  be3  ©uaugeliunm,  bie  33ifd^öfc  unb  ^foffen, 
gehe.  2)aju,  hotte  er  gemeint,  foDten  d)riftlid)e  gürften  il)m 
helfen;  ftatt  beffen  aber  jiegeu  fic  fid)  ab.  ®od)  ®ott  merbe 
fein  unb  ber  0ciuigen  Reifer  fein  unb  ihnen  cutmeber  feligcu 
Xob  für  fein  ©uaugelium  ober  herrlichen  0ieg  ucrlei()cn.  Um 
fid)  jeboch  beffen  mürbig  j^u  mad)eu,  müffen  fic  ctlich  ^üultlcin 
merlen,  bie  er  mclbeii  mode;  fie  feien  ou^  ber  @cfd)rift  gcjogeu. 


442 


II.  9.  j^o|)iieI. 


Unb  mm  ipirb  mcnfcl)lic^cr  Äried^fü^rung , jur  ©c^onunti  bcr 
Unfdjulbincn  in  eroberten  ©täbten  nnb  auf  bem  platten  Sanbe 
ermähnt,  uor  unnngem  ©engen  unb  trennen,  ®erl)ccren  ber 
gelber,  5(bbauen  ber  23änmc  unb  fHeben  geroarnt,  beffen  fic^ 
gran,^  bei  früf)ern  Sügen  nicl)t  immer  entbalten  l)atte,  unb  alle 
biefc  @nnal)nungen  mit  SBeifpielcn  belegt,  mcldje,  im  ä^ten 
naiffanceftil,  bunt  burc^einanber  auö  ber  biblifcften  unb  bcr  rö- 
mifdjen  @efd)id)tc  genommen  finb,  fo  bag,  äl)nlid)  mic  am  Dttbcim 
ridj^bau  auf  bem  geibelberger  ©c^loffe,  gofua  neben  |)oratiuö 
®oclc§  unb  ^aoib  neben  Xituö  ^u  ftegen  fommt. 

• (Stmaö  meniger  ^agm  nnb  gottfelig  alä  in  biefem  2)^anifcft, 
in  meld)em  ber  ehemalige  granci^caner  §einrid)  oon  Äcttcnbac^, 
jept  ein  begeiftertcr  §erolb  ber  ^Reformation,  bic  geber  für  ign 
geführt  hatte,  fprad^  fich  granj • mü üblich  gegen  bic  ©enbboten 
beö  9leid)öregimcntö  auö.  ,,©ag  bem  ©tatthaltcr",  fprach  er  ju 
bem  Ueberbringer  beö  ©chreibenö,  „bag  er  gemad)  thnc;  eS  gehört 
mehr  beim  ©rief  ba^ii.'^  Uebrigcn^3  fei  er  beö  ÄaiferiJ  Wiener 
fo  gilt  U)ie  bie  §erren  imfRegiment;  nicht  gegen  biefen  moUc  er 
hanbcln,  fonbern  mir  gegen  ben  (Srjbifchof  oon  Xrier,  unb  ba 
luiffe  er  fürmahr,  fein  §err  berÄ'aifer  merbe  nidjt  jürnen,  ob  er 
ben  Pfaffen  ein  menig  ftrafet  unb  ihm  bic  ftronen  eintrönfet, 
bic  er  (oomÄönig  oon  grau freid)  oor  bcr  Äaifenoahl)  genommen, 
©ein  lücitereö  5(bfehcn  gehe  baranf,  ein  beffereö  Sflccht  in  S)eutfch= 
lanb  jii  mad)cn,  al^  baö  ^tegiment  bisher  gctt)an;  gelinge  igm 
fein  S^orhaben,  fo  loerbe  bcr  Äaifcr  bei  feiner  ßurücffnnft  mehr 
£anb  unb  (SJelb  (burd)  ©injichnng  bcr  gciftlichcn  @nter  oermuth' 
lid))  im  fRcidje  pnben,  alä  er  jeht  auömärt^  ju  geminnen  fuchc. 
9Ba$  aber  bic  9lufforbcrung  betreffe,  feinen  ^anbcl  bcmÄammcr- 
gcrid)t  511  übcrlaffen,  fo  h^ibe  er  ein  ©cricht  um  fich,  baä  mit 
fReifigcn  befeht  fei  unb  mit  33üchfen  unb  ^arthannen  biftinguirc. 

^2(nd)  auf  gran^en^  ©chaaren,  an  loclchc  ähnliche  Slbmah' 
nnngen  oon  ©eiten  be^  iRegimentö  ergingen,  machten  biefc  menig 
©inbrnef,  unb  fo  gel,  nad)  miebcrholtcr  33cftürmung,  auch  ©t.  2Bcn^ 
bei  burd)  Ucbcrgabc  in  bic  §änbc  bcö  ©iegerö.  ®a§  ©lücf  löftc 
biefem  bie  über  feine  ^Ibfichten:  „3h^  feib  gefangen",  foH 

er  ^n  ben  SbcUcuten,  bie  ©t.  SSenbcl  ocrtl)cibigt  hotten,  gcfprochcn 
haben,  „eure  $ferb  unb  ^arnifd)  ocrlorcn.  3l)i^  hoöt  aber  einen 
Äurfürften,  bcr  fann  unb  mag  euch,  too  er  auberig  bleibt,  voohl 


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©itfinßcn  öor  Jrier. 


443 


bc^o^lcn;  luo  aber  3ran<^  ein  ^^iirfürft  ,^11  ^ricr  tnirb  --  alö  er 
toobl  tbun  fönntc,  and)  tf)un  tuiU,  unb  nid)t  allein  bieft,  alö  baö 
(^crinc^ft,  fonbern  ein  SÜie^rereö  — |o  roirb  eud)  bei*  and)  n)ol)l 
erflehen." 

2)a  ©idingen,  o()ne  fid)  üor  ©aarbrüd,  baö  er  nad)- 
brüdtic^cr  SJertbeibignng  gefaßt  fal),  n)eiter  aufjul)alten,  geraben 
Sßcgd  gegen  Xrier  j\og,  fo  njarf  fid)  ber  Äurfiirft,  ber  biö  baßin 
üon  ^fali^cl  unb  Sßrenbrcitftcin  auö  ^ülßogcfucße  nadj  allen 
©eiten  gcrid)tet  unb  bereite  aueß  non  Reffen  nnb  fPfalj  tröftlid)c 
ßufießerungen  crßalten  ßatte,  in  feine  ^auptftabt,  um  biefc  in 
Sßertßcibigungöftanb  ^u  fefecn  nnb  gegen  ben  anftürmenben 
geinb  fo  lange  ^u  ßoltcn,  biö  üon  ©eiten  ber  oerbünbeten  jü^ften 
(SntfaJ  ßeranfämc.  Unb  ßiebei  entmidcltc  fRicßarb  oon  ©reiffen* 
clau  eine  !ricgerifd)e  Xüd)tigfeit,  bic  nur  eben  für  einen  iöifd)of 
nießt  red)t  paßte,  ^nf  bem  SJ^arftc  ßielt  er  9Jhiftcrung  über 
feine  Ärieg^macßt,  bie  er,  fammt  ber  iöürgerfd)aft,  bnrd)  eine 
§lnrebc  befeuerte;  er  fclbft  ging  auf  9Jkuern  unb  Xßünncn  um= 
ßer,  um  ©cßabßafteö  au^beffern,  .§inberlid)c^  megräumen  ^u  laffen; 
in  feinem  SBammö  Oon  ©Icnoßant,  unter  feinen  Üiittern  unb 
©ölbnern,  fanb  er  fieß  gan,^  in  feinem  (Elemente,  unb  alö  er  beim 
^Inrüden  be^  gefüllte  5lloftcrfd)cune  oor  ber  ©tabt 

cigcnßänbig  in  53ranb  fteden  toollte,  mußte  ein  ©olbat,  inbem 
er  ißm  bic  gadcl  auö  ber  |)anb  naßm,  ißn  aufmerffam  maeßen, 
baß  folcßeö  SSerf  ißm  beffer  al^  bem  @rj\bifd)of  gezieme. 

loar  am  3)?ittag  bc^5  gefte^i  oon  2Jiariä  ©eburt  (8.  ©cp^ 
tember),  alö  ©idingen  mit  feinen  ©d)aaren  unter  XrommeU  unb 
XrompctenfdjaCl  ben  äJ^ariSberg  ßcrunter/\og  unb  fid)  imXßalc  oor  ber 
©tabt  lagerte,  ^ie  erfeßredte  5^ürgcrfd)aft  glaubte  fd)on  alleö 
oerlorcn.  5lbcr  ber  (Srjbifcßof  gab  ben  ^loei  fReitern,  burd)  tocld)e 
ißn  ©idingen  ^ur  Uebergabe  aufforbern  ließ,  bic  entfdjloffcnc 
Slnüüort,  toenn  ^rnnj  etmaö  oon  ißm  moHe,  fo  toerbe  er  ißn 
ßier,  in  ber  ©tabt,  finben.  3cpt  ließ  ©idingen  bie  ©tabt  bc- 
feßießen:  bic  belagerten  fielen  auä  unb  oernageltcn  ißm  ctlidjc 
@efd)üpc;  er  feßoß  glüßenbe  Ringeln  unb  außerbem  briefe  in  bie 
©tabt,  um  Uneinigfeit  in  berfclben  511  ftiften:  aber  bic  Äliigßeit 
unb  geftigfeit  be^  ©r^bifeßofö  mußte  allcö  nicber.yißattcn.  Vlbgc= 
fanbte  bes^  Äurfürften  Oon  ilöln  fueßten  oergeben^  j^n  oermitteln ; 
bie  200,000  GJülbgulben,  bic  gran^  alö  'ißrciö  beö  vHbjugö  for= 


444 


II.  ®U(^.  9.  Äa^itcl. 


bcrtc,  meinte  9iid)arb,  moHe  üietmetjr  er  fid)  non  @nt* 

fd)äbiiviit(i  ^ülen.  ^2(uf  ber  nnbevn  ©eite  fdjmärmtcu  bic  ©icfiiu 
(^ifd)eu  für  i^ren  giU)rer.  Sei  jenem  5(iii§faII  f)atten  bie  non 
Xrier  einen  feiner  ©olbaten  meggefnnc^en  iinb  fdjleppten  i()it  in 
bie  ©tabt.  ‘Da  rief  er  er  moUc  lieber  fterben  mit  granjeuö, 
feineö  .g)crrn,  @nab  nnb  (^unft,  al^  am  Seben  bleiben,  um  bem 
3üd)e  ber  Driercr  fic^  fü{jen;  moraiif  ber  Umfte^enben  einer 
fluflö  baö  ©d}mcrt  ^og  unb  il)in  ben  S^opf  ab^icb.  ©o  feljlte  eö 
im  ©idingifd)en  Säger  an  Segeifterung  nic^t,  aber  nach  fünf 
©türmen,  tiner  immer  mörberifd)er  al^  ber  anbere,  an  S^Itjer. 
?lud)  blieb  ber  S^anj  ertuartet  ^attc,  and,  mä^renb 

für  S^idjarb  ber  @ntfa^  l)crannal)tc,  1500  SUiann,  bie  ^tifolauö 
üon  Üliincfmip  gran^  auö  bem  Sraunfd)tDeigifd)cn  5ufül)ren  foÜte, 
maren  biird)  S^)Ütpp  uon  Reffen  abgefd)nitten  mürben,  nnb  bieg 
gatte  and)  anbere,  bie  igm  ftogen  moUten,  abgefegredt.  ©o 
l)üb  er  an  Äreu/\erl)öl)ung  (14.  ©ept.)  bie  Selagerung  auf  unb 
trat  in  guter Drbnung  ben  9iüd5ug  au;  mobei  grunbföglid),  in 
9tad)agmung  Älöftcr  unb  Äirdjen,  aber  aud),  mie  menig^ 

ftenö  bie  befegäbigten  gürften  begaupteten,  im  SBiberfprucg  mit 
feinem  legten  SO^anifeft,  Dörfer  unb  §ütten  niebergebrannt  mürben. 

SBcnn  mir  bie  gan^e  (^efcgid)te  uon  ©icfingcn’s>  uergeblicgem 
3uge  gegen  Dricr  er,^äglt  unb  babei  $utten'^  mit  feinem  SJorte 
gebaegt  gaben,  fo  ift  bieg  genau  fo  uiel,  aU  mir  au-S  biefer  Qcit 
uon  unferm  gelben  miffen.  feglt  uns«  jebe  9ftad;ricgt,  ob  er 
ben  greunb  inö  J^elb  begleitet,  ob  er  mit  §artmutg  uon  Sron= 
berg  juiii  ©cguge  ber  (^bernburg  ^urüdgeblieben , ober  fonft  in 
einem  Uon  jran^enö  |)äufern,  uielleicgt  aud)  bureg  Äranfgcit  bc* 
giubert,  fieg  aufgegalten  gäbe.  Deffeuuugead)tct  mar  ein  Seriegt 
über  ben  trierer^ug  gier  erforberlid),  meil,  mie  ber  beffel- 
beu  oguc  smifd)en  beiben  ^Rittern  gemeiufd)aftlicg  mar, 

fo  fein  ^linjgang  über  §utteu'iJ  ©ntmürfe  unb  ©cgidfale  niegt 
niinber  aU  über  bie  feiueö  SefegügeriJ  entfegieben  gat.  ©d)on 
jegt  mürbe  .gutten  mand)cr  Crten  tobt  gejagt:  uermutglicg  meil 
er  fo  gau,^  uom  ©cgauplage  uerfd)munben  mar.  Der  egrlicgc 
Seit  SBerler  ju  S3iefenfteig  gatte  bauon  in  feiner  (^egenb  fo  oft 
unb  beftimmt  reben  gören,  bag  er  eö  beimige  glauben  mugte  unb 
bem  magrgaft  ebcln  3ünglingc,  bem  grogen  Dalentc,  einen 


I 


Stdtngen  unb  Jütten.  445 

fc^öncn  S^QC^ruf  tpibmctc  ^).  tuar  nod^  um  brct  SSicrtcljabrc 
JU  frü^c. 

S(6er  aug  bem  ®atcrlaube  ^u  meieren,  faiib  fid^  $uttcn  jc^t 
bemogen.  2)ie  SBerbannung,  bie  er  längft  für  fic^  uorou^gefe^cn, 
trat  er  nun  mirflic^  an.  ift  eine  ©ntftellung,  bie  ber  erftc 
auf  bie  Ser^ältniffe  miberlegt,  tnenn  ©ra^muö  bct)auptct, 
©iefingen  ^abe  feinen  biöt)erigen  ©c^ügling  meggefc^iett,  um  fietj 
nic^t  feinetmegen  bem  §affe  aiiöjufe^en.  ^ac^  bem  trierer  ßuge 
mar  §utten’d  33e^erbergung  baö  ©cringftc,  mag  S^^nj  jur  ßaft 
fiel,  unb  er  mußte  fet)r  gut,  baß  burd)  ©ntlaffung  beffelben  nießt 
me^r  ju  Reifen  mar.  @in  Vertrauter  üon  ^utten’g  lebten  3aß^ 
reu,  Otto  Vrunfelg,  beruft  fic^  auf  bag  überlebenbcn 

©ö^ne  ©icfingen'g,  baß  i^r  Vater  feine  ©efinnung  gegen  Jütten 
niemals  geänbert  ßabe,  unb  ^einrid^  0d)mebel,  ber  ©oßn  eineg 
ber  Vi^'^bigcr,  bie  auf  granjeng  Vurgen  ßuflucbt  gefunben,  erjö^lt 
alg  bie  uerbünbeten  gürften  fid)  gegen  it)n  in  Vemegung  gefegt, 
unb  cg  fid)  jur  Velagerung  ßanbftid)lg  angelaffen,  ^abe  ber 
SRitter  biejenigen,  bie  il)m  treuer  maren , nid)t  mit  in  bie  ©efa^r 
ßinein^ict)en  mollen,  fonbern  bie  ^um  SBaffenbienftc  minber  ^aug* 
lid)en  (unter  meld)c,  feiner  üon  9^euem  auggebrod)cnen  Äranf^eit 
megen,  bamalg  aud)  §utten  gehörte)  freunblicß  enttaffen^).  2)a* 
mit  ftimmt  eg,  baß  aud)  Iiüiartin  Vncer  im  9buember  jeneg  3aß= 
reg,  um  ben  friegerifd)en  ©törungen  511  entgegen,  ©idingeirg 
Vurgen  uerließ  unb  ein  Vi^^^^ötamt  in  VJeißenburg  annaf)m. 

gür  ben  ^^(ugenblid  ;^mar,  nad)  granjeng  S^^üd^ug  aug  bem 
!Jrierfd)en,  fanben  bie  uerbünbeten  gürften  non  Xrier,  unb 
Reffen  nod)  nid)t  für  gut,  i()ii  felbft  anjugreifen ; fonbern  mä()renb 
beg  ^erbfteg  unb  Si^interg  nahmen  fie  an  feinen  geifern  unb 
Vermanbten  9tad)c:  eroberten  Sronberg,  trieben  gromin  oon 
.'putten  uon  feinen  Öiütern,  büßten  ben  Älnrfürftcn  oon  9Jiainä 
um  25,000,  granjeng  ©d)ioager,  griebrid)  oon  glergßeim,  nm 
1000  ÖJuIben  u.  f.  f.  2)aß  aber  ein  ^auptangriff  auf  ©iefingeu 
beoorftanb,  mar  ooraug^ufel)en , unb  biefer  fud)te  fid)  für  ben» 

1)  9Bie|cnftei0,  8.  Cct.  1522.  I^uttcn’8  Sfbnftcn  II,  ®.  149  f. 

2)  6rQ§mu§,  Sponj^ia  etc.  in  ^utten’5  8(^nftcn  II,  ©.  270,  §.  36. 

^runfflS  Resp.  ad  Sponp.  ebenbaj.  S.  328  f.  i^cinr.  an  5Reinb‘irtJ 

üon  8idin0cn,  ebenboj.  8.  472  f. 


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446 


II.  8ud(|.  9.  ftapitel. 


fclOcn  buvd^  ^otfd^aften  unb  ©riefe,  bie  er  an  9titter  nnb  ©täbte, 
biö  nad)  ©üf)men  l)incin  auf  ber  einen,  unb  biö  in  bie  0d)tpeij 
auf  ber  anbern  0eite  frf)icfte,  ju  uerftärfen. 

Um  biefe  ßeit  mag  gemefen  fein,  bag  Jütten,  mic  Otto 
©ruiifet^  berid)tct,  üon  bem  Äönige  5ran5  üon  granfreie^  bie 
ISinlobung  erhielt,  mit  einem  3a()rgcl}alte  üon  400  ihonen  unb 
freier  beö  Äufcnt()alt^ortcö,  alö  fRatl)  in  feine  ®ienfte  ju 
treten.  ®ie  Verfolgung,  ber  Jütten  in  ^cutfc^lonb  au^gefe^t 
mar,  mürbe  einen  fold^cn  0djritt  cntfc^ulbigt  ^aben:  aber  er 
moütc  !einc  unbeutfe^en  ^ienftc  nehmen  unb  fc^lug  ba§  tlncr* 
bieten  au)S’)- 

333ann  Jütten  fid^  üon  ben  ©urgen  feinet  ©efe^üferg  unb 
auö  2)e«tfd)lanb  übcrf)aupt  entfernt,  mcld)en  Söcg  er  genommen 
^abe,  mer  ctma  feine  ©eglcitcr  gemefen,  barüber  fet)tcn  un§  auö- 
brücflidje  9^ac^ric^tcn.  SBir  miffen  nur,  auö  bem  Saturn  feiner 
@rma^nung  an  SSormö  (27.  Sidi),  baß  er  gegen  @nbe  Suli  noc^ 
auf  Sanbftu^l  mar;  miffen  ferner,  bag  im  9^oücmber  ©ucer  unb 
Ocfolampabiu^  bie  ©urgen  ©icfingcn'v  ücrliefecn  unb  fic^,  ber 
eine  nadj  SBeigenburg , ber  anbere  nac^  ©afcl,  begaben;  miffen 
augerbem,  bag  Jütten,  ct)e  er  nac^  ©afel  fam,  fic^  einige  3^^^ 
in  ®d)lettftabt  auf^ielt,  mo  il;m  ©efannte  @clb  üorftreeften ; miffen 
cnblid),  baß  gegen  @nbe  Sftoüember  §uttcn  unb  Ocfolampabiu^,  mie 
auc^  ber  üertriebenc  $artmut^  üon  Sronberg,  in  ©afel  maren*), 
bie  alfo  möglid^ermeife  bie  Veifc,  menigftem^  ^um  Xb^il»  mit= 
einanber  gemacht  ^aben  lönnten.  §uttcn  fud)te  in  ©afel,  mo  er 
in  ber  Verberge  jur  ©lume  motjnte  unb  bi«  jum  5^üf)ling  ju 
bleiben  gehackte,  0id)er^cit  unb  ?Ruf)e:  ©ic^erl)eit,  bie  er  in 
2)eutfc^lanb  nic^t  mel)r  fanb,  feit  bie  feftc  SBanb,  an  bie  er  fic^ 
geleljnt  l)atte,  5^anj  üon  <$icfingcn,  manfte;  9lu^e,  bereu  er  jur 
©flege  feiner  @efunbl)cit  bringenb  beburfte.  Xenn  feine  SJranf* 
^cit  mar  üon  Steuern  aui^gcbroc^en , unb  ber  gefc^mäc^te  Äörper 
^attc  nicht  mehr  üiel  SDUttel  übrig,  ihr  Söibcrftanb  ju  leiften. 
©eine  Sicherheit  aber  mar  jept  nicht  mehr  bloö  burch  bie  9^öm* 
linge,  fonbern  ebenfo  burch  bie  bebroht,  bie  in  ihm  eined 


1)  Resp.  ad  Sponj?.,  q.  a.  0.  340. 

2)  6ra3niu3  an  ^danc^tbon,  6.  Sept.  1524;  i^uttcn’3  Schriften  II, 

8.  414.  ßlarean  an  28.  9!od.  1522,  ebenbaf.  6.  153. 


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I^utten  in  %afe(. 


447 


bcr  t^ätigftcn  5Kitglicber  bei*  ritterlichen  ©chilberhebung  gegen 
ihre  Uebermacht  uerfolgten.  2)al)er  bat  er  (^uni  Ueberfluß,  tuie 
e^  manchen  fchien)  ben  9lath  üon  iöafel  um  feinen  <Schu|j,  ber 
ihm  auch  jugefagt  mürbe.  3Jkn  bot  ihm  ein  ©aftgefchenf  uon 
(Seiten  ber  Stabt;  bie  3}iagiftratöpcrfonen  machten  ihm  isöefuche; 
Seilte  aller  Stänbe  famen,  il)n  ^u  fehen;  an  ©inlabungen  unb 
3Jial)liieiten  fehlte  e^  nidjt.  2)och  gerabe  bem  ÜJianne  mar  ^utten’iS 
Aufenthalt  in  iöafel  uuertpünfeht,  ber  für  il)n  ber  michtigfte  am 
Orte  mar:  bem  @raömu^‘). 


1)  iöafll.  ?lmcrbQd()  on  33oui|aj  6.  3K»n.  1623,  ^^utten’S  Schriften  II, 
6.  156.  ©iQTfQn  an  2)crjdbc  an  ^^abian,  18.  3an.  1523, 

Ilutteni  Opp.  Siipplem.  II,  813.  ®ßl.  ^uttcn’ä  Expostulatio  cum 
Flrasmo,  ©(^riften  II,  ©.  184  f. 


448 


BttfnUs  ^Kapitel. 

$treif  mit  Sra$mtt$. 

1522.  1523. 

©ragmuS  unb  beö  Sßcrbaltniffc^,  in  tncld^cm  ^uttcn 
ju  i^m  ftanb,  l)abcn  tnir  im  crften  X^eilc  unfcrcr  ©rjö^lung 
micbcrbolt  (jcbcnfcn  müffen.  tuar  bamalö  uon  Seiten  §uttcn^^ 
ba^  ber  reinen  SJcve()runö  unb  53cmunberuni]  beö  älteren  SReifterö 
unb  ^^orbitbciS;  Hon  ©eiten  be§  ©ra^nmö  baö  beö  2Bol)lgefanen3 
an  einem  bec^abten  jünger,  gegen  beffen  §ulbigungcn  ber  SJieiftcr 
nic^t  unemppnblic^  ift,  beffen  Traufen  unb  Ueberfdjäumen  er  mit 
feiner  Sugenb,  in  ®rmartung  fünftiger  ßäuterung,  entfd)ulbigt; 
®cr  ©egenfa^  ber  Staturen  mar  burd^  bie  ©emeinfamfeit  be^ 
l)umaniftifcben  ©tanbpunftcö  fc^einbar  au^gegli^en:  fobalb  ber 
eine  uon  beiben  biefen  üerlie§,  mö^renb  ber  onbere  auf  bemfelben 
oerbarrte,  fo  mußte  aud)  ber  S53iberftreit  ber  Staturen  ^^um  Sor* 
fdjcin  fommen.  91un  mar  aber  Jütten  mäbrenb  ber  lebten  Sa^rc 
aus  bem  §umaniften  immer  me!)t  jum  ^Reformer  gemorben,  mäb= 
renb  ©raSmuS  ^umanift  blieb : unmöglich  fonnte  i^m  biefer 
fortan  in  bemfelben  Sichte  mie  früher  erf^einen;  an  bem  ftrah» 
lenben  Sorbilbc  feiner  Sugenb  mußten  ihm  jeht  mancherlei  glecfen 
bemerflich  merben. 

®or  allem  höben  mir  unS  hi^i^/  ber  benfmürbigC  ©treit 
jmifchen  beiben  SRännem  ju  entmicfeln  ift  mit  ber  ganzen  ^rößc 
unb  gefchichtlichen  ©ebeutung  beS  ©raSmuS  ^^u  burchbringen.  @S 
ift  leidjt  gefagt,  ihn  in  ®ergleid)ung  mit  Suther  feid)t  unb  fchmach, 
im  SSerhältniß  p Jütten  fogar  feig  unb  jmeibeutig  ^u  pnben. 
5)aS  maren  bie  beiben  Präger  ber  gejchichtlichen  SRacht,  bie  ihn  ob» 


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@raSmu§. 


449 


löftc:  in  SScrgleic^uiifl  mit  biefcr  ober,  fo  lang  eine  @efd)id)t^^ 
pciiobc  im  5(uffteigcn  begriffen  ift,  erfdjeint  ber  Vorgänger  regele 
müfeig  im  ■Jtadjt^eilc.  3^m  geredjt  ju  merben,  müffenmir  rüdmärtö 
bilden,  il)n  mit  bemjenigen  üerglei^en,  morauf  er  fugte,  ma»  er 
meiterbilbete , in  fic^  jufammenfagte.  2)a  fc^en  mir  benn  in 
©raemud  ben  lebenbigen  Inbegriff  faft  aUeö  beffen,  mo^,  in  golge 
ber  Söieberermedung  bej^  0tubium^  ber  SUten,  bic  ÖJeifter  ber 
Qbenblänbifc^en  S^lationen  feit  me^r  alä  l)unbert  galjren  errungen 
Rotten.  @2i  maren  bieg  nic^t  blos^  0prad)lenntniffc,  nic!^t  blo^ 
iöilbung  beö  0til^,  be^  (iJefc^madd:  fonbern  bamit  Ijatte  bie  gan^e 
dJeiftci^form  einen  freieren  Söurf,  einen  feineren  0trid)  befommen. 
3n  biefem  umfaffenben  Sinne  fann  man  fögen,  bag  Sraömuö 
ber  gebilbetfte  äJiann  feiner  ßcit  mar. 

gugleic^  uerftanb  er  feine  Qcit,  fanntc  il)re  ^ebürfniffe, 
unb  fam  benfelben  burd)  feine  Schriften  nadj  ben  üerfdjicbenften 
©eiten  biii  entgegen,  ©eine  fritifi^cn  ^iiögaben  üon  (Elaffifern 
unb  Äir^enuätern,  feine  iölumenlefen  non  ©prüc^mörtern,  (yieid):= 
niffen  unb  ©enteilten,  feine  Ueberfejungen  aus  bem  ©riec^ifc^en, 
feine  ^ilnmeifungen  ium  ©tubium  überhaupt,  5ur  mal)ren  Xl)eologie, 
^um  richtigen  unb  eleganten  Sprechen  unb  Schreiben  bcö  iiatei? 
nifc^en,  morin  feine  5al)lreic^en  53riefe  praftifc^e  3Jhifter  ma= 
ren,  famen  ^ur  rechten  Seit  unb  mirften  in  ben  meiteften 
Äreifcn.  ©eine  griec^ifc^dateinifc^e  Sluögabe  beö  9teuen  3^cftamcntö, 
bic  erfte  gebrudte  bcö  gricd)ifd)cn  ÖJrunbtciteö,  crfdjicn,  bem 
^apfte  £co  X.  ^^ugecignet,  ein  Sa^rüarbem  Slnfangöjaljrc  ber 
fonnation.  ©eine  ^arapbrafen  ju  ben  ncutcftamentlicben  ©d)riftcn 
folgten ; mobei  il)n  be^cid)net,  bag  er  bie  jur  ^pofalppfc  febuU 
big  blieb,  ©o  menig  er  aber,  mic  febon  frül)cr  bemerft,  SÄijfti? 
febeö  in  feiner  3^tatur  fo  fcbltc  il)m  barum  ber  ©inn  für 

praltifcbc  ^Religion,  fclbft  für  fittlicbc  5lfcefe  fcineiämeg^:  mic  feine 
Untermeifung  eine^  djriftlidjen  ©trcitcrö,  feine  ©djriften  über 
baiJ  ÖJebet,  ben  cbriftli^en  ©b'^flQ*'^  i*-  Uebcrall  bringt 

er  in  ber  fRcligion  auf  ba^  gnncre,  bic  ©cfinnung  unb  33cbeu= 
tung,  obne  mclcbc  ibm  baö  ^engere,  bic  fircblidje  Zeremonie, 
feinen  SBertl)  b^t.  @r  uerfpottet  ben  Slbcrglcrubcn  beö  S^olterä, 
bie  Unmiffenbeit  unb  iüarbarci  ber  ÖJciftlid)cn , inöbefonbere  ber 
iüiöncbc,  ben  ^bermib  ber  ©djolaftif,  flogt  über  bie  ^^^ladercicn 

VII.  * 29 


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450 


II.  ^ud^.  10.  I^apitet. 


ber  gaftengeOotc  unb  tragt  felbft  gegen  bie  ^errfdb»  unb  ^abfud)t 
bcö  römifd)en  §ofeö  manc^  freiet  SBort. 

3UIe  SBelt,  bie  ganje  menfc^Uc^e  ©efellfc^aft,  untertoirft  er 
in  feinem  fiob  ber  9tarvl)eit  einer  ironifc^en  SO^ufterung.  |>icr 
tritt  im  ÖJefc^maefe  jener  3^^»  freilich  nid)t  mef)r  ber  unfrige 
ift,  bie  perfonificirte  Xt)ort)eit  rebenb  auf,  rübmt  i^re  SJer^ 
bienfte  um  bie  9J^enfd)t)eit  unb  lobt,  inbem  fie  bie  ocrfc^icbencn 
0tänbc  nac^  ber  fRcil)e  burcbgel)t,  an  beu  einzelnen  gerabe  bai$, 
toaö  an  benfelben  alö  S^erfel)rtt)eit  j^u  rügen  ift ; mobei  fie  freilich 
oft  genug  auö  ber  fRoIlc  unb  auö  bem  uerftellten  2ob  in  birecten 
$abel  fäüt.  2)ie  ©^rift  ift  bei  fiebjeiten  il)reö  SBcrfaffer^  min^ 
beftenö  27mal  aufgelegt  toorben. 

Äaum  minbern  Beifall  erhielten  feine  S3crtrauten  ©efpräc^e, 
bie,  au§  einer  Einleitung  lateinifc^en  (^onoerfation , in  ben 
fpdtern  Eliu^gaben  ^u  einer  0ammlung  oon  Unterl)altungen  tour^ 
ben,  in  benen  ©raömnö  halb  0ittcn  ober  Unfitten  feiner 
fdjilberte,  halb  feine  Elnfic^ten  über  mic^tige  fragen  ber  Sebent 
tuei^beit  ober  ber  fHeligion  nieberlcgte.  ®ie  Eingabe  be)8  3nbalt^ 
oon  einigen  biefer  ©efprädjc  toirb  bie  ^)enfart  unb  0teHung  be^ 
(Sraömuö  am  beften  bcutlid)  macben.  3n  bem  ©efpräc^:  5)ie 
Seid)e,  toerben  jtoei  0terbenbe  gefd)ilbert.  3)er  eine,  ein  getoefe* 
ner  Äriegömann,  ber  Diel  ungered^t  ertoorbenejJ  @ut  befi^t,  lögt 
fämmtlicbe  E^ettelorben  t)olcn,  ftirbt  in  ber  granci^canerfutte  unb 
lägt  fid)  in  ber  Äircbc  begraben,  oerinaebt  fein  ganje^  ESermögen 
ben  Drben  unb  sntingt  SGßcib  unb  Äinber,  gciftlicb  ju  werben. 
^)er  anbere,  ein  reebtfebaffener  unb  oerftänbiger  SÜ^ann,  ftirbt 
ol)nc  allen  ^runf,  im  ESertrauen  auf  bao  Söerbienft  ^bt^ifü  odein, 
Oermaebt  ben  5{löftern  unb  ben  Elrmcn,  ba  er  ben  Unteren  im 
2eben  nach  Prüften  ©uteö  getban,  feinen  Pfennig,  nimmt  ^war 
noch  bie  le^te  Delung  unb  baö  Elbenbmal)l,  boeb  ohne  E3eicbte, 
ba  ibm,  wie  er  fagt,  fein  0crupel  mehr  in  ber  0eele  boftet. 
5)abei  wirb  jugleid)  bie  ©rbfcbleicberei  ber  ajiöncbe,  bie  ®iferfucbt 
jwifdjcn  ihnen  unb  ben  Pfarrern,  wie  ber  oerfebiebenen  Drbcn 
unter  einanber,  unb  bereu  robe  0itten,  anfd)aulicb  gemaebt.  3u 
bem  @efpräd)e  oom  gifebeffen  wirb  unter  anberem  eine  ö)efcbicbte 
erjäblt,  wie  einer  in  töbtlicber  itranfbeit  ficb  weigerte,  nach  bem 
fRatb  feiner  Eler^te  (wiber  fein  ©elübbe)  @ier»  unb  SWild^fpeifen 
effen,  aber  feinen  Elnftaiib  nahm,  eine  0cbulb  bureb  einen  3Wcins 


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^SmuS. 


451 


db  abjufc^toörcn.  3m  ©d^iffbruc^,  mä^renb  bic  Uebriflen  bcr 
dnc  biefcn,  bcr  anbere  jenen  ^eüiflcn  anvufen,  menbet  fic^  bcr 
üerftänbige  ©preeber  flcrabe^u  an  @ott  fdbft,  in  bcr  Ueberjeu^unfl, 
bag  fein  anberer  bie  iöittcn  bcr  ajicnfc^cn  fd)neller  l)örc  unb 
lieber  (jemäbre.  3n  ber  Unterhaltung  über  bae  SBallfahrten  ant^ 
mortet  äJfenebemuö  bem  Oghgiui^  auf  bie  gragc,  ob  er  nicht  aud) 
bic  Pilgerfahrten,  bie  ihm  biefer  juoor  gerühmt,  machen  molle? 
er  mache  feine  Söatlfahrtcn  i^u  ^aufe  ab.  9lämlich  fo:  er  gehe 
in  baö  über  bic  ©ittfamfeit  feiner  Xöchter  ju 

machen ; oon  ba  in  bie  Söerfftatt,  um  ben  gleiß  ber  Änechtc  unb 
ai^ägbe  ^u  bcauffichtigcn,  unb  fo  ba  unb  borthin,  um  bad  ganje 
$au^  in  Orbnung  ^u  h^iten.  ?lbcr  bad  mürbe,  menbet  bcr  an« 
bere  ein,  menn  bu  ju  if)m  pilgern  gingeft,  ber  hcü*  Sofobuö  für 
bich  beforgen.  5)ie  heil-  ©chrift,  entgegnet  9J^enebcmui^,  heiSt  eö 
mich  felbft  beforgen;  baß  ich  ^en  ^eiligen  übcrlaffen  foU,  ßnbe 
ich  nirgeubö  oorgcfdjrieben. 

3n  bem  gahrjehnt,  mclcheö  bem  Sluf treten  Suther'ö  ooran« 
ging,  ftanb  ber  fRuhm  bcö  ®raömuö  auf  feiner  ^ößc.  @r  galt 
für  bic  erftc  literarifchc  ÖJrößc  bc^  Slbenblanbeö,  unb  toar  c$ 
aud).  S^on  fernher  reiften  aufftrebenbe  junge  SJiänncr  mie  öltere 
©eiehrte  an  feinen  SBohnort  nnb  fehöhten  fich  glücflich,  fein  9tn« 
geficht  gefehen  ju  haben,  äöeltlichc  unb  Äird)cnfürftcn  bemarben 
fich  am  feine  33riefe  unb  lohnten  feine  Qaeignungen  burd)  ©c« 
fd)cnfe.  ^uf  feinen  pfeifen  mürbe  er  in  ben  gebilbeteren  ©täbten 
mie  ein  Potentat  empfangen:  Deputationen  erfepienen,  h^dten 
‘i?lnrcben  unb  überreichten  ©cbichte,  bie  Dbrigfeitcn  marteten  auf 
unb  f^ieften  ®crehrungen.  3n  bequemer  SD^uße,  ohne  §lmt,  bem 
er  immer  audmich,  feit  1W6  mit  bem  Ditel  eincö  9^otf)^  Äönig 
Äarr«  oon  ©panien  unb  einem  ©ehalte  oon  400  gl.,  mo^u  nod) 
etliche  fleinere  Penfionen  hochgeftellter  ©önncr  famen  (bie  freilid) 
in  ber  iöJeifc  jener  gclbarmen  ß^it  ai^^l  fdten  ftoeften),  lebte 
(i^roiämuö,  oon  feinen  Steifen  nach  granfreich,  Italien,  önglanb 
5urücfgefehrt,  erft  ^u  fiömen,  bann  ju  löafcl,  mo  eö  ihm  am  mohlftcn 
mürbe,  bivJ  bie  Unruhen  in  golge  ber  ^Deformation  ißm  ben 
Aufenthalt  oerleibcten  unb  ihn  j^ur  Ucberfiebelung  nach  greiburg 
bemogen. 

SBie  i^u  iJuthcr’ö  Auftreten  ber  .ganbel  SDenchlin’d  gemiffer« 
moßen  ein  Porfpicl  loor,  fo  ließ  fid)  au^  bevj  (Jraemne^  Verhalten 


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462 


II.  Bu(^.  ‘ 10.  I^a))iiel. 


bei  bem  (extern  fc^on  uiiflcfä^r  abnel^mcn,  toic  er  m jur 
formation  fteHen  loürbe.  2)a  ber  ©treit  fic^  über  ben  Xbnlnmb 
unb  anberc  Subenbüc^er  entfpann,  bie  bem  ©ra^rnuö  fremb,  mo 
nic^t  mibermärtig  mären,  fo  fonnte  er  in  gemiffem  0inne  mit 
SGBal)rbeit  fngen,  baß  il)ii  berfclbe  nid)t^  angele.  ®ann  mar 
ober  nueb  bie  ^eftigfeit,  mit  meld)er  ber  Äampf  non  beiben  ©ei* 
ten  geführt  mürbe,  feiner  ®enfart  unb  9talur  jumiber.  ®r  meinte, 
bie  greunbe  ber  beffern  ©tubien  foHten  me^r  aufbauenb  aU  pole* 
mifcb  5U  Söerfe  geben,  ficb  lieber  al§  @äfte  aHmölig  einfd)meU 
cbeln,  alö  gemoltfani  mie  geinbe  einbred)en.  Sei  bem  friegerU 
fd^cn  ißerbalten,  baö  Stcucblin’ö  ^Inbönger  angenommen  bitten, 
mar  eö  ibm  unangenebm,  bafi  ^irdbcinicr  in  feiner  ©ebu^febrift 
für  benfelbcn  aud)  ibn  bem  SScr^eiebnib  ber  9lcud)liniftcn  einner* 
leibt  bötte.  SDenn  melcbcr  gelehrte  unb  rcdjtfd)affene  9Jtann  fei 
ibm  nicht  bolb  ?.  fagte  er ; maö  er  aber  meinte,  mar,  bag  ber 
Jreunb  ihn  auf  feine  SBcife  in  einen  ^arteienftreit  hätte  nerflecb' 
ten  foüen,  ba  er  oueb  f)kx,  mie  fpöter  bei  ber  Sutberifeben  Xra* 
göbie,  mie  er  e^  nonntc,  nur  9Jtitfpieler  fein 

moflte.  3n  ber  ©tillc  übrigen^  fpracb  er  bem  Slngefocbtcnen 
freunblid)  ju,  in  biplomatifdjor  gorm  nevmcnbete  er  ficb  für  ihn 
bei  ^apft  unb  (Sarbinölen,  unb  alö  am  30.  3uni  1522  ffteu^liu  burd) 
ben  2;ob  bem  ©treit  entrüeft  mar,  feierte  er  il)n  in  einer  Sipo* 
tbeofe,  bie  er  feinen  ^Dialogen  einoerleibte.  (Sin  oon  Mbingen 
fommenber  ©ebüler  9leud}lin'^  erjöblt  oon  bem  Ü)?orgentraume, 
ober  oielmebr  ber  SJifion,  bie  ein  frommer  graneiöcaner  bafelbft 
in  Sftcudjlin'e!  3^obe^ftnnbe  gehabt  b^ibe.  3enfeitö  einer  S3rücfc, 
bie  über  einen  S^ad)  führte,  erblicfte  er  eine  bcrrlidbc  SEÖiefe:  auf 
bie  S3rücfe  febritt  fReud)lin  5u  in  meinem,  lichtem  ©emanbe,  hinter 
ihm  ein  febönev  glügeltnabc,  fein  guter  ÖJeniuö.  (Stlid)e  fcbmar^c 
Sögel,  in  ber  ©röße  oon  OJeiern,  oerfolgten  ihn  mit  ©efebrei; 
er  aber  manbte  ficb  nm,  feblug  boö  ftreuj  gegen  fie  unb  b*c6  fic 
meicben;  mad  fie  tbaten,  mit  §interlaffnng  unbefcbreiblid)en  ®e= 
ftanfciS.  Sin  ber  Srücfe  empfing  ihn  ber  fpracbgelebrte  heil.  $ie* 
ronpinuö,  begrüßte  ihn  alö  (SoHegen  unb  bradjte  ihm  ein  ilieib, 
mie  er  felbft  einee  anbatte,  gaii5  mit  Sungen  in  breierlei  garben 
befebt,  jur  Slnbeutung  ber  brei  ©pracben,  melcbe  beibe  oerftanben. 
^ie  SBiefe  unb  bie  2uft  mar  mit  (Sngeln  angefüllt;  auf  einen 
^)ügel,  ber  ficb  nnö  ber  SJiefc  erhob,  fenttc  fid)  oom  offenen 


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Sro8mu§  unb  9{eu(^lin. 


463 


^immcl  eine  5<-’»crfäiife  nieber,  in  biefer  fliegen  bie  beiben  ©e^ 
ligen,  fid)  umarmenb,  unter  bem  (5Jefang  ber  @ngcld}öre  empor. 
2)er  @r5ä()(er  unb  fein  SUlitnnterrebner  moflen  nun  ben  @nts 
f^lafenen  in  baö  SSerjeic^niß  ber  ^eiligen,  bem  f)eil.  §ieronpnuiö 
l^nr  ©eite,  fepen,  fein  '^ilb  in  il)ren  iöibliotbelen  anffteüen  nnb 
H)ii  fortan  alö  ©d)Upt)eiligen  ber  ©pra(^gelel)rfam{cit  anrufen. 

31(5  nun  fintier  onftrot,  fehlte  and)  it)m  Don  Anfang  meber 
bie  Xbeilnatjme  be§  (Sra^muö,  noc^  fein  biptomatifc^  empfehlen* 
be^  SBort.  ^ie  uertrautid)e  5teu6erung  auf  griebrid^'ö  beö  2Bci* 
fen  Silage  ju  Ä'ötn,  unmittelbar  oor  bem  mormfer  IReic^^tage, 
Sutber  J^ci  ©tücfen  gefcf)lt,  bag  er  bem  ^apft  an  bie 

Ärone  unb  ben  äKöneben  an  bie  ©äuebe  gegriffen,  toirfte  tief 
auf  be^  i^nrfürften ' ©emütb  unb  fiel  ibm  nod)  fur^  oor  feinem 
Xobe  mieber  ein.  9ln  ben  ©arbinal  §llbrecbt  oon  2}?ain^  b^^ttr 
@ra^mu^  febon  oorber  über  ßutber  einen  fel)r  günftigen  Bericht 
erftattet,  mar  aber  oud)  äufeerft  ungehalten  gemefen,  alö  §utten 
ficb  beigeben  lieg,  ben  ®rief  ohne  fein  SJonoiffen  brurfen  511 
laffen;  mie  er  bie  ilöln  in  gleichem  ©inne  gefebriebenen 
Axiomata  bem  ©palatin  halb  mieber  abforberte,  ohne  boeb  bamit 
ihren  ^)rucf  oerl)inbern  ju  fönnen.  ®or  allem  begriff  ©ragmuö 
febr  mobl,  bag  ßntber  niegt  ogne  bie  bringenbfte  33eranlaffnng 
aufgetreten  fei.  maren  ja  biefelben  Uebelftänbe,  über  melcge 
auch  er  felbft  bi^b»'’^  f^b^^^  Klagen  niegt  juriicfgegalten  gatte, 
^ie  ißefegmernng  be)3  cgriftlicgen  SBolfö  bureg  9)tenfd)enfapungen; 
bie  Serbunfelung  ber  Xgeologie  bureg  fcgolaftifcge  Dogmen;  bie 
läftigc  Uebermaegt  ber  iöettclmöncge ; ba^  Unmefen,  ba^  fie  mit 
ber  iöeicgte  unb  bem  ^Iblag  trieben;  bie  Entartung  ber  ^rebigt, 
in  mclcger,  ftatt  oon  Ggriftuö  unb  d)riftlid)cm  Seben,  faft  nur 
noeg  oon  bem  ^apft  uiib  feiner  Diacgtoollfommengeit  ober  oon 
finbifegen  erlogenen  äJtirafeln  bie  fRebe  mar;  ber  megr  alcJ  jiU 
bifdje  Seremonienbienft,  unter  beffen  ^rude  ber  lebenbigen  5röm= 
migfeit  bie  (Srftidung  brogte.  ^ie  fd)amtofe  Uebertreibung  auf 
biefer  ©eite  oeronlagte  Sutger  jum  SBiberfprud),  unb  biente  nad) 
becJ  (Sraömmg  Urtgeil  aud)  mand)em  Uebermag  auf  feiner  ©eite 
j^ur  @ntfd)ulbigung.  ^uf  eine  egrlicge  ^Ibficgt  bei  Sutger  fcglog 
er  fegon  barauö,  bag  e^i  bemfelben  meber  um  Oielb  nod)  um 
@gren  511  tgun  mar.  §lucg  fanb  er,  bag  gerabe  bie  beften  9Jten=' 
fegen  an  ßutger'iJ  ©d)riften  am  menigften  ^nftog  nagmen.  ßutger 


I 

J 

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454 


U.  $u(^.  10.  StapM. 


fc^icn  i^m  (unb  baö  fd^ricb  er  on  ben  $apft  felbft)  eine  fc^önc 
ÖJabc  fiüx  afcctifd)cn,  praftifc^cn  0d)riftau§(cgung  hoben,  rodele 
in  ber  bamoligen  Qcit  über  fpipfinbigen  fchotaftifchen  gragen  mehr 
alö  billig  üernachläffigt  mar.  @r  fah  in  Sutl)cr  ein  tüchtige^ 
SRüft^eug  ^ur  5luffinbung  ber  2öal)rheit,  jur  SBieberherftcÜung 
eoangelifchcr  grei^eit,  ba^  ni^t  j^erbrochen  merben  bürfe. 

(Gleich  oon  Slnfang  jebod)  hotte  Sra^muö  in  ßuther'ö 
Schriften  (non  ^erfon  fannte  er  ihn  nicht)  etnrnö  bemerft,  baö 
feinem  SBefen  fremb,  ja  jumiber  mar.  mar  ba«  0dharfe  unb 
$erbe,  bie  ^eftigleit  unb  Seibenfehaft  in  benfelben,  maö  ihn  erft 
bebentlid)  mad)te,  bann  immer  mehr  abftieß.  @r  fah  5lufruhr 
unb  ßmiefpalt  alö  golge  eines  fo  ftürmifchen  SluftretenS  norauS. 
Slls  baher  Suther  an  ihn  gefchrieben  hotte,  ermahnte  er  benfelben 
in  feiner  5lntmort  jur  2jiä§igfeit  unb  ©efeheibenheit.  äßie  ftott 
beffen  Suther  im  SBerlaufe  feines  ©treiteS  immer  heftiger  unb 
fchonungSlofer  mürbe,  trat  (SraSmuS  immer  mehr  non  ihm  prücf. 
(£r  mürbe  ^meifelhaft,  melch  ein  (5Jeift  ben  SRann  treibe.  S^och 
abgefehen  non  bem  Inhalte  feiner  Sehre,  mie  er  ftch  mehr  unb 
mehr  entmicfelte,  fanb  ©raSrnuS  jebenfaUS  bie  2lrt,  mie  Suther 
j^u  Söerfe  ging,  j^meefmibrig.  3e  mißliebiger  an  ftch  fchon  baS  @cs 
fchöft  fei,  eingemurjelte  ÜJ^ißbräuche  ju  befämpfen,  meinte  er,  in 
befto  milberer  gorm  hotte  eS  gefchef)en  müffen.  SBoju  ©chmö^ 
hungen  gegen  biejenigen,  melche  eS  ju  heilen  galt?  moju  Ueber* 
treibungen,  bie  Slnftoß  erregen  mußten?  2)ur(houS  glaubte  er  bie 
meife  Defonomie,  bie  Urbanität  ber  ^rebigt  ju  nermiffen,  mie 
mir  fic  in  ben  Vorträgen  ©hnfti  unb  ^auli  finben.  3wU)eilcn 
begriff  er  Suther  al§  einen  ^r^t,  ben  bie  tiefen  0chäben  ber  3cit 
^u  graufamen  SJ^itteln,  jum  0chneiben  unb  ©rennen,  nöthigten; 
aber  er  fanb  bie  9J?ittel  jum  Xhdl  fd^limmcr  als  bie  Äranfheit. 
gür  ©raSmuS  mar  ©treit  unb  Ärieg  ber  Uebel  größtes:  er 
moUte  im  SoHifionSfatle  lieber  einen  Xheil  ber  SBahrheit  bahin= 
ten  laffen,  als  burch  ©eßauptung  ber  ganzen  ben  grieben  ftören. 

©on  feinem  ©tanbpunfte  auS  fd^ilbert  ©raSrnuS  Suther'ö 
^JtatureH  unb  Slrt  ganj  treffenb.  @r  fanb  in  ihm  bcS  ©eliben 
3orn,  ber  oon  9^ta(hgeben  nichts  meiß.  §abe  er  etmaS  ju  behaupt 
ten  unternommen,  fo  merbe  er  gleich  unb  laffc  nicht  ab. 
bis  er  bie  ©adje  auf  bie  ©pi^e  geftellt  höbe,  ©rinnere  man  ihn. 
fo  fei  er  fo  meit  entfernt,  bie  Uebertreibung  ju  milbcrn,  baß  er 


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^ra§mu§  unb  fiut^er. 


455 


fic  im  ©cflcnt^cil  noc^  mcitcr  ftcigcrc.  ®a^cr  bic  ^arobojen  in 
feiner  Se^re,  üon  benen  ©ra^mnö  urtbcilte,  bog  fic  nur  bo^u 
bienen  fönnen,  fdjäblic^c  2J^6öcrftänbniffe  ju  ücranlaffcn.  3“ 
biefen  ^arobojen  rcdf)nctc  er  gleich  ben  ßut^crifc^en  §nuptfa^, 
bag  ber  SWenfe^  ^^injig  burc^  ben  ©lauben  geredet  merbc,  feine 
2lnfid)ten  üon  bem  freien  SßiUcn,  ben  guten  Söerfen  u.  bgl.  m. 

fonnte  me^r  gegen  ben  0inn  beö  @radmug  fein,  ald 
bog  ßutber,  mic  ed  if)m  fd)icn,  burc^  bic  §ärtc  unb  fRiicffic^tö« 
tofigfeit  feinciS  Serfo^renö  bic  9Äac§t^abcr  üon  fic^  j^urüdftieg. 
5)cö  ®ra§muö  3bec  mar,  im  (Sinücrftäubnig  mit  $apft,  S3ifc^öfen 
unb  ^ii^ften  bie  Äirci^e  reformiren,  i^nen  ba^cr  bic  bittere 
^ifle  fo  füg  roie  möglich  cinsumicfcln,  unb  lieber  üon  ber  ©trengc 
ber  gorberung  etma^  9lamf)afteö  nac^^uloffcn,  alö  fic  j\u  ©cgnern 
ber  Reform  gu  machen,  ©o  münfd^cnömcrtl}  cö  mar,  bag  bic 
@ad)e  biefen  @ang  nel)mcn  möcgtc,  fo  miberfpraeg  cö  bod)  fo 
fegr  aller  bi^bengen  ©rfagrung,  bag  nur  bic  unübcnoinblid)c 
0cbeu  üor  jebet  ©cmaltfarnfeit  bem  (Sraömuö,  fogar  noeg  unter 
Siemens  VII.,  bic  a)töglicbfcit  bcö  (5Jclingcn§  üorfpicgcln  fonnte. 

Söaö  il)n  aber  gegen  Sutber's  unb  feiner  5lnt)änger  33cs 
ginnen  noeg  tiefer  ücrftimmte,  mar  ber  Umftanb,  bag  er  gar  halb 
biejenige  Slngelcgenbcit,  bic  i^m  üor  allem  am  ^cr^en  lag,  bic 
bumaniftifebe  ©Übung,  barunter  leiben  fab.  Unb  jmar  in  bop^ 
peltcr  $lrt:  inbem  tbcilö  monebe  frübere  öJönner  ber  lepteren, 
um  ber  reformatorifdjen  ©emegung  miHen,  bic  fic  ouö  bcrfclbcn 
berüorgegangen  glaubten,  ibr  feinb  mürben;  tbeilö  ber  reforma* 
torifebe  (Sifer  bic  bumaniftifeben  ©eftrebungen  auö  bem  ÜJfitteU 
punftc  be^  3cil^*ücrcffcd  üerbröngte.  ^cö  Sraömuö  Älagen  über 
ben  ^ag,  melcben  fiutber  unb  beffen  ^Inbängcr  ben  befferen  ©tu^ 
bien  ^uge^ogen,  nebmen  fein  ffinbe.  ^)agcgcn  bemüht  er  fid),  ^u 
jeigen,  bag  beiberlci  ©eftrebungen  cinanber  gar  nid)tö  angeben ; 
ücrficbcrt,  bag  ibm  ilutger  pcrfönlid)  fremb  fei,  unb  üiel  j^u  menig 
claffifcbc  ©tubien  b«bc,  um  ^u  ben  |)umaniftcn  gereebnet  merben 
;^u  fönnen.  S^iebt^  befto  meniger  madjtcn  il)n  feine  (Gegner  für 
bic  gan^c  9leformationöbcmcgung  ücrantmortlid).  2)ie  ©cttel^ 
mönebe  prebigten,  ffiraömiii^  b^be  bic  ®ier  gelegt,  Üntber  ficau2^= 
gebrütet.  ermieberte  (Sra^muö,  er  b^bc  ein  ^übnerci  gelegt, 
iiutber  aber  einen  gan^  anbern  ©ogel  betauögebraebt.  ©kr  biö 
an  bnö  Ufer  üormörtö  gegangen  fei,  ber  fönnc  bod)  nicht  al^ 


456 


II.  «u(^.  10.  I^QpitcI. 


I 


SBornöngcr  bcöjcniflcn  aiiflcfc^cii  locrbcn,  bcr  ftc§  nun  mitten  in 
bic  glutl)cn  ftürsc.  2)em  mibcrfpricf)t  eö  nur  fc^cinbar,  mcim 
@raönuiö  ein  anbermal,  bcr  @crinc;fd)Q§unfl  gegenüber,  mit  mU 
d^cr  ßut^cr  unb  beffen  eifernbe  5Int)änger  it)n  bei  ©eite  fc^oben, 
bic  Ueberjeugung  aiiöfpric^t,  faft  allc^,  maö  fintier  Icbrc,  mic^ 
fc^on  gelehrt  ,^u  haben,  nur  in  milbcrcr  ^^^rni,  ohne  ©chnmhun- 
gen  unb  ^arabojen.  5)arum  fträubte  er  fid)  and)  lange,  gegen 
Suther  aufjutreten:  unter  oerfdjicbenen  ©rünben  bodh  audh  bc6= 
megen,  meil  er  fürchtete,  mit  ßuther’ö  Söerfe  jugleid)  feine  eigenen 
©aaten  ju  befd)äbigen. 

3mmer  ftörenber  griff  mittlerroeile  mit  icbem  ihrer  gort- 
fd)rittc  bie  iRcformation  in  ba§  ßeben  beö  @raSmuö  ein.  9>hcht 
allein  ba§  er  fich  mit  einem  male  oon  ber  erften  ©teile  oerbrängt, 
ja  aus  ber  erften  fHcihe  in  bie  ^meite  ^urücfgcfdhoben  fehen  mußte, 
©onbern,  inbem  bie  Slnhänger  ber  fReformation  ihm  ^umutheten, 
mit  ihnen  Partei  machen,  bic  ÖJegner,  fich  gegen  biefclbc  ju 
crflären,  unb  er  feine  oon  beiben  gorberungen  erfüllen  mochte, 
fanb  er  fid)  jmifdjcn  ^mei  geuern.  2)ie  einen  fd)mähten  ihn  alö 
feig,  bic  anbern  hielten  ihn  für  falfd)  unb  marfen  il)m  oor,  baß 
er  mit  Suther  unter  einer  ®ede  ftccfc.  @r  fah  alte  greunbfehafs 
ten  zertrennt,  allcö  mit  ©treit  unb  bic  halb  in  milbc 

Äämpfe  auöbrachcn,  erfüllt;  er  betrachtete  bic  ^Reformation  alö 
baö  Unglücf  feinet  Sebenö  unb  glaubte  eine  allgemeine  SBermilbc= 
rung  im  5lnjug. 

ßcptereö  auch  infofem,  aU,  neben  ber  Slnfcinbung  oon  außen, 
ber  huoioniftifche  ^ilbung^trieb  juglcid)  innerlich  abjufterben 
brol)tc.  ^er  phüologifd)c  @ifcr  crfaltetc,  mic  bcr  rcligiöfc  j^unahm. 
®ie  grammatifd)en  unb  rhetorifdjen  ©tubien  fd)icncn  il)rc  öeftinu 
mung  erfüllt  ju  l)oi>cn,  nadhbem  fic  bic  Umgeftaltüng  bcr  Xßeo* 
logic  crmÖglid)t  hotten.  @incr  um  ben  anbern  ging  aujJ  bem 
humaniftifdhen  Säger  in  bag  reformatorifchc  über,  unb  baruntcr 
gcrabc  folchc,  auf  mclchc  (SraömuiS  alö  bic  ©einigen  am  meiften 
gcrcd)nct  hotte,  ©o  .^ermann  33ufch,  Suftiiö  Sonad,  Jütten, 
ä)tcland)tl)on,  ben  er  fo  menig  mic  cinft  fReuchlin  gern  in  2öit= 
tenberg  fal).  ®alb  glaubte  er  bemerfen,  baß,  mo  bo§  Suther^ 
tl)um  hcrrfdjc,  bic  h«omniftifd)cn  ©tubien  ^u  (^runbe  gehen. 

^cflagtc  bemnad)  ©raömuö  in  Jütten  oor  allen  einen  folchen, 
bcr  für  bic  ©achc,  für  mclchc  fie  früher  beibe  in  ©cmcinfd)aft 


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^raStnuS  unb  i^utten. 


457 


t^ätiß  flctDcfcn,  Ucrlorcn  c^cf^angcn  fei:  fo  crfc^icn  bem  (extern 
uon  feinem  ©tonbpunfte  auö  ©ra^miid  alö  ein  ÜJ?ann,  ber  bic 
©runbfö^e  feinet  frühem  Sebenö  unb  3Birfenö  jept  ncrlänc^nc. 
3n  biefer  Slici^tung  batte  er  bemfelben  frf)on  uon  ©terfelbert^  nnb 
ber  ©bernburfl  qu^  jmei  53riefe  öefdjrieben , uon  benen  ber  eine 
bereite  atS  ein  Sßorlaufcr  ber  umfaffenben  ©treitfe^rift  erfd)eint, 
mit  melier  Ratten  feine  fd)riftfte£lerifd)e  Saiifbaf)u  uor  ber  3cit 
befebtiefeen  follte.  ift  bieg  ber  33rief  uom  15.  ^tufluft  1520, 
beffen  mir,  fomdt  er  bie  piipftlicbe  gabnbunt^  auf  Ratten  unb 
feine  9^ettung  betraf,  fegon  früher  c^eba^t,  ma^  aber  fein  SSerbält- 
nig  ja  ©raömuä  anflint;,  abfidjtlicb  bis  bi^ber  uerfpart  b<^ben. 
|)utten  eröffnet  bem  ©raSmuS,  maS  er,  bei  biefem  ©tanbe  feiner 
§lngeteflenbeiten,  uon  bemfelben  uerlant^e,  unb  uerbebtt  ^acileid) 
nid)t,  mag  ibm  in  beffen  bisberigem  SBcrbaltcn  migfallcn  bf^be. 
3n  9teucblin’S  $anbel  b^^be  er  fid)  all^afdjmacb  unb  ängftlicb 
gezeigt.  ®ie  S3riefe  ber  5)anfelmänner,  bie  er  erft  bud)gepriefcn, 
habe  er  betnaeb  uerbammt.  '-öejag  auf  Sutber  fobann  bube 
er  beffen  Söiberfacber  ^u  Überreben  gefaebt,  als  märe  bieÄird)cm 
reform  eine  ibm  frembe  ?lngelegenbeit.  ®aS  b*^be  il)m  bodj  übel 
angeftanben  nab  fei  überbieg  jmccfloS  gemefen,  ba  feine  magre 
©efinnung  auS  feinen  ©egriften  mobl  befannt  fei,  unb  bager 
niemanb  feinem  SSorgeben  ©lauben  gefegenft  gäbe,  ©o  gäbe  er 
ber  9leformpartei  gefegabet,  ogne  fivg  5a  nügen.  ©egon  bisher  gäbe 
Ratten  ber  ßeute  Sieben  über  (SraSmaS  ungern  gegört,  boeg  ben 
greanb,  obmogl  er  felbft  nid)t  gan^  mit  igm  ^ufricben  gemefen, 
entfcgulbigt.  3cgt,  ba  bie  ©adje  ign  perfönlicg  betreffe,  motle  er 
fieg  offen  gegen  ©raSmuS  erflären.  @v  möge  bemjenigen,  ber  ign 
ftetS  goeggefegäpt  gäbe  unb  and)  fegt  noeg  i\u  ben  beften  ^ienften 
für  ign  bereit  fei,  fo  uiel  j^u  fiiebe  tgan,  bag  er  fieg  nidjt  and) 
über  ign  fo  mie  über  Sleucglin  aab  Satger  öagere.  ©illigang 
feiaer  ©aege,  obmogl  igm  niegts  ©grcnuollereS  ^u  Xgeil  merben 
föante,  mode  er  nid)t  uon  igm  uerlangen;  nur  möge  er  and) 
niegt  aas  ajlcnfd)eafard)t  fcglcdjt  uon  berfelbcn  fprcd)cn,  fonbern 
fie  lieber  uöHig  mit  ©tillfd)meigcn  übergegen,  in  ©rmägang,  mie 
naegtgeilig  ein  einziges  angünftigeS  SEBovt  uon  igm  für  .Ratten 
fein  mügte.  ^aS  gäbe  er  igm,  als  einem  greaabe,  freimütgig 
gefegrieben  0- 

1)  <^ra3muS,  15.  tlugug  1520.  ©.  oben  ©.  318. 


458 


II.  10.  ffopitel. 


S^iod)  gab  ^uttcn  ben  ©raöimig  für  bic  0a^c  ber  fRcform 
ni^t  ücrlorcu.  ^ou  feiner  innern  3uftinintun9  glaubte  er  über^ 
jeugt  fein  §u  bürfen,  unb  ben  iWutb  ?ium  äugern  ^efenntnig 
tonnten  it)m  oietleic^t  halb  bie  S^er^öltniffe  geben,  wenn  er  fic^ 
nur  mittlemjeile  nic^t  alljutief  mit  ben  jj^inben  beö  g^ttfe^rittä 
einlieg  unb  mit  beffen  görberern  übermarf.  Ober  mie?  menn 
man  ben  öngftlii^en  9Jtann  eben  bei  feiner  2(cngftli^feit  ergriff? 
Senn  man  i^n  überrebete,  er  fei  unter  ben  fRomaniften  feinet 
ßebend  nidbt  fieser?  ©einen  Sobnfi|  tjatte  er  noc^  immer  in 
ßömen;  bie  ^nmefentieit  bed  i^aifer^  unb  mehrerer  dürften  führte 
il)n  um  Sinteröanfang  1520  aud)  nac^  Äöln.  3)aö  moren  aber 
bie  ^auptfifee  ber  5iiift<^i^^inge:  an  beiben  Orten  mürben  eben 
um  jene  ßeit  bie  ©c^riften  2utt)er'ö  oerbrannt.  ^Diefcn  Umftanb 
üerfud)te  |)utten  benu^en,  um  bem  ©ra^muö  bange  ju  machen. 
Saö  er  benfe,  fegrieb  er  i^m  gerabe  ein  öicrteljabr  nach  bem 
|o  eben  erörterten  Briefe  mieber  oiel  freunblicger,  an  Orten  fic^  auf* 
.yigalten,  mo  ber  grögte  .§ag  gegen  igre  Partei  (ju  melc^er^uU 
ten  ben  (Sra^muS  je|t  ol)ne  Seiterei^  rechnet)  gerrfc^e,  unb  bic 
päpftlic^en  3J?anbate  ot)ne  ©c^onung  ooüjogen  merben?  Ob  et 
glaube,  ba  noeg  fieser  j^u  fein,  mo  man  iiutger'ö  ©üeger  oerbraimt 
gäbe?  er,  über  ben  bic  geinbe  längft  fc^rcien,  er  fei  ber  Url)cbcr 
unb  erfte  2lnftiftcr  aller  biefer  bem  ^apfte  fo  ocrbrieglic^en  83es 
megungen.  ^)ieg  oergalte  fic^  j^mar  nid^t  fo  (gibt  ^ier  |>utten 
bem  Sraömuö  ^u,  ber  jenen  Sormurf  nic^t  gerne  ^örte);  bod^ 
miffc  er  ja,  mit  mclc^erlci  Seuten  fic  e^  ju  tgun  gaben,  unb 
fönnc  fieg  benten,  bag  igr  ,§ag  gegen  bic  Siffenfegaften  meit 
megr  noeg  ben  treffen  merbc,  ber  fic  eingefügrt,  ber  ^)eutfcglanb 
mit  (SJelcgrfamfcit  erfüllt  gäbe.  ®ag  ber  SSerfueg,  ben  @raömu^ 
feit  gagren  angefteflt,  ben  $apft  unb  feine  2lngänger  bureg  Sob 
unb  ©dgmeicgelci  für  bic  gute  ©ad)c  ^u  geminnen,  ni^t  jum 
3iclc  gcfügrt  gäbe,  fege  er  nun  mogl  fclbft  ein.  Darum  möge 
er  fliegen,  ege  c^  ^^u  fpät  fei.  Der  gcmaltfamc  So^brueg,  ben 
Jütten  unb  gran^  im  ©innc  gaben,  merbe  bie  ©tcllung  be^ 
@ra§muö  noeg  bcbcntlicger  maegen,  unb  niegt  offenen  Eingriff 
allein,  and)  (5Jift  unb  Dolcg  gäbe  er  511  füregten.  Dager  fei 
|)utten'ö  IRatg,  er  fofle  Sömen  mit  Öafcl  Oertaufegen,  mo  er  längft 
beliebt  nnb  oeregrt  fei,  mo  bic  ©ciftcr  oon  Statur  fegon  freier 
unb  nun  überbieg  bureg  Üutgcr’ö  ©egriften  unb  ein  bcutfi^eö 


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SroSntuS  brrbitfei  ft(^  ^utien’§  ^efud^.  459 

©cbid^t  .^utten'S  (bie  Älog  mtb  SScrmol^nung)  errctjt  feien. 
^)arum  bitten  i^n  burc^  Jütten  (jemeinfc^aftlic^e  J^eunbe,  beren 
SBerlangcn  er  nac^geben  unb  fic§  bem  gemeinen  heften  erhalten 
möge  ‘). 

Söenn  (SraSmnö  nod^  in  bemfelben  SBintcr  fic^  mirflic^  nad^ 
33afel  begob,  um  ni(^t  mieber  nac^  fiömen  jurücfjufe{)rcn,  fo  lag 
bobei  neben  ber  Slbfic^t,  ben  5)rucf  feiner  ©c^riften  in  ber 
groben’fc^en  Dfficin  fctbft  leiten  ju  fönnen,  noc§  bie  anbere  jum 
©runbe,  ben  fortmä^renben  Eingriffen  ber  ginfterlinge  jener 
©tabt  unb  UniöerfitQt,  auf  Äanjeln,  Ä'at^ebern  unb  fonft,  fid^ 
j\u  entjie^en.  Elber  feineömeg^,  um  nun  in  baößager  berfRefor^ 
mation  übcrjugef)en : üielmel)r  betrachtete  er  E3afel  alö  neutralen 
E3oben,  ben  er,  aU  berfelbe  acht  3ahre  fpäter  üon  ber  ^Refor* 
mation  entfehieben  erobert  mar,  mit  einer  altgläubig  gebliebenen 
©tabt  oertaufchte. 

3mei  Sahre  maren  feit  ber  Elbfaffung  jene^  iöriefö  ücr^ 
floffen,  feit  britthalb  fahren  h^itt^n  fid)  beibe  SDMnner  nicht  gefe* 
hen,  aU  gegen  bad  @nbe  bed  ^ahreö  1522  $utten,  mie  fchon  ermähnt, 
aU  Flüchtling  auö  5)eutfchlanb,  in  Safel  erfchien*).  Schon  un« 
termegö,  in  ©chlettftabt,  h^tte  er  gegen  löcatu^  fRhenanu^  unb 
anbere  geäußert,  menn  er  nach  iöafel  tomme,  moUe  er  bem  (Sxci^* 
muö  9Ruth  machen,  benn  Furchtfamfeit  fei  e^  hoch,  bag  biefer 
fidh  nicht  günftiger  für  ßuther  ^eige.  i)ic  erftc  9>lachricht  oon 
^utten'jJ  Elnfunft  in  S3afel  erhielt  Sraömuö  hierauf  burch  .t)eins 
rieh  'JOtt  ®i)penborf,  einen  jungen  3Rann,  ber  auf  Äoften  beS 
^erjog^  ©eorg  oon  Sachfen  bamalö  feine  Stubien  in  33afcl 
machte  unb  mit  Jütten  fchon  oorher  befannt  mar.  Ein  ber 
Freubc,  melchc  (JraSmug  über  biefe  Nachricht  empfunben  h^'i^en 
miü,  bürfen  mir  bem  meitern  Erfolge  nach  billig  ,^meifcln ; benn 
nach  ^en  erften  (Srtunbigungeu  über  ^uttcn’ö  ©epnben  unb  Um* 
ftänbe  gab  er  bem  (Jppenborf  ben  Eluftrag,  bem  E^litter  freuublich 
be^ubringen,  berfelbe  möge  mährenb  feineö  Elufenthultö  il)n  nid)t 


1)  ?[n  6ro§niuS,  13.  3loö.  1620;  St^riften  I,  6.  423—426. 

2)  5ür  boS  (^olgcnbc  finb  bie  §ultcn’S  in  jeinft  Exposlulatio 

ouf  bet  einen  Seife  unb  be§  ^raSmuS  in  jeiner  Spongia  auf  ber  onbern,  in 
^utten’S  St^tiffen  II,  6.  180  ff,  266  ff.,  ju  nerflleidjen.  Gbenbafelbfl  finb 
du(^  uerf(biebene  auf  bie  8a(f)c  bejUgli(f)e  Briefe  abgebrueft. 


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460 


II.  10.  ftopliet. 


biird)  feinen  33efuc^  compromittiren.  ^)ie6  inar  jebenfaßg  ber 
bentlidje  ©inn  ber  ^eußerung  beö  @ra§mn^,  onc^  loenn  er,  fet= 
ner  SBerfid^erung  , zufolge,  nod)  bie  ©infc^ränhing  ^in^ufügte,  faU^ 
glitten  nidjtö  53efonbere^  mit  i^m  ju  reben  bötte,  unb  bnö  Stner» 
bieten,  monn  er  i^m  fonft  in  ettuaö  bienen  fönne,  fei  er  ba^u 
gern  bereit.  9Beld)en  ©inbrud  biefe  Sotfd)aft  üon  ©raömuö, 
fie  ibin  nod)  beffelben  Xagö  bureb  ©ppenborf  binterbraebt  mürbe, 
auf  .^utten  ntacben  mußte,  ließ  fidb  benlen,  unb  bad)te  aud) 
©roömuö  felbft ; menngleicb,  mie  er  cr^^äbtt,  ber  SJ^ittelgmann  ißn 
uerficberte,  jener  b^be  bie  ©oebe  im  beften  ©inne  aufgenommen. 
Slnbere  SKitglieber  beö  ©raömifcben  itreifeö,  mie  Safiliuö  Slmer^ 
bad),  benen  gegenüber  §uttcn  feiner  ©ntrüftung  freien  £auf  ließ, 
batten  ibm  fid)er  SGÖinfe  gegeben.  ®aber  bie  mieberbolten  fragen 
nad)  ^utten’ö  ©timmung  gegen  ißn,  bie  ©ra^nuiö  an  (gppenborf 
richtete,  ©o  gebrängt,  b^>^c  (Sppenborf  enblid)  geäußert,  oießeiebt 
münfd)e  Jütten  boeb  mit  ©raiSmu^  ^u  reben:  unb  barauf  miß 
biefer  ficb  erboten  b^^ben,  menn  eö  etmaö  SSiebtige^  betreffe,  ober 
jenem  fo  Diel  baran  liege,  fo  fomme  e^  ibm  auch  nid)t  barauf 
an,  unb  möge  §utten  iminerbin  ju  ibm  fommen;  eö  frage  fid) 
nur,  ob  berfelbe  bei  feiner  i^ranfbeit  beö  @ra§mu^  falte  3»”mer 
(mo  jeboeb  ein  Äaminfener  nid)t  fehlen  foße)  ertragen  fönne; 
fönnte  er  felbft  bie  Dfenmärme  leiben,  fo  mürbe  er  bem  fRitter 
ben  iöefucb  mad)en. 

2)aß  ber  leptere  biefe  nachträgliche,  bti^b  mibermißige  @in= 
labung  mit  ©tol^  ^urüdgemiefen  müßten  mir  natürlid) 

finben : nad)  feiner  S^erfidjerung  aber  ift  fie  ißm  niemals  ^ugefommen; 
ob  fie  nun,  mie  ©raginuö  fpäter  anbeutete,  oon  bem 
träger  unterfdblagcn , ober  oon  jenem  niemolö  auögegangen  ift. 
2Baö  bie  gebeisten  ©tuben  betrifft,  fo  böttc,  nach  $ntten’iS  ©er» 
fid)erung,  ©ppenborf  ben  ©radmiiö  belehren  fönnen,  boß  jener  oft 
jmei  bi§  brei  ©tunben  lang  mit  feinen  greunben  auf  bem  ßjfarfte 
aufs  unb  abgebe,  aud)  an  beö  @ra§mug  §aufe  miß  er  abfid)tlid) 
mebrmalö  oorübergegangen  fein,  um  fid)  biefem  bemerflid)  su 
mad)en.  9lber  @ra!^mio3  febrieb  noch  am  SBeibnaebtöfefte  an  fei* 
nen  greunb,  ben  2)om()errn  3ot)ann  oon  öopbcim  nach  Ä'onftan,v 
,f)utten  höbe  er  nid)t  gefeßen,  unb  münfcl)e  eö  jefet  auch  nid)t. 
(Sr  meine  e^5  gut  mit  ißm,  fofern  Jütten  eö  mit  fid)  felbcr  gut 
meine;  aber  er  b^be  anbereig  ju  tl)un. 


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461 


3)cr  üornd)mftc  53ctpcg(jrunb  bicfcr  ^onblunfj^tüdfe  tuar, 
tüic  Sras^muö  fclbft  fteftoub,  bic  33cfor9ui6,  burc^  bcu  Scvfcf)r 
mit  glitten  fid)  feinen  t)ol)en  ©önnevn  gegenüber  blügjuftellcn. 
$)ie  9tac^ric^t  non  biefem  iöefud)e,  fagt  er,  mürbe  nad)  $Rom  ge- 
langt fein  an  ben  $apft;  nac^  ©panien  an  ben  Äaifer;  nac^ 
iörabant,  mo  ic^  eifrige  ^^(nfläger  t)abe;  nad)  @nglanb,  mo  eö 
nid)t  an  ßeuten  fe()lt,  bie  mic^,  ic^  mag  moüen  ober  nic^t,  ^um 
ßut^craner  machen.  2luc^  t)ütte  fic^,  meinte  ©rmsinuö,  nid)t 
btü^  um  eine  Unterrebung  get)anbelt:  einmal  in  iöerüljrung  mit 
i§m  getreten,  ^ätte  er  ben  beruntergefommenen  franfen  Stüter 
in  fein  ^auö  aufnel)men  muffen;  mobei  il)m  gleich  fc^r  üor  ber 
^(nfteefung,  bie  er  burch  blaßen  ^auch  möglich  glaubte,  üur 
einem  5)arlehn,  baö  il)m  angefunnen  merben  föunte,  uor  bem  an^ 
geblich  euangelifchen  Anhang  ^utten’ö,  uon  bem  er  überlaufen 
j\u  merben  fürchtete,  mie  uor  beffen  eigener  iöerbitterung  unb 
9tul)mrebigfeit  graute,  uon  benen  er  uorauöfepte,  baß  fie  mit 
feinem  Unglücf  fid)  noch  gefteigert  höben  müßten. 

* ißon  §utteireJ  iöefdjüftigungcn  mährenb  feinei^  Slufenthalt^ 
in  iüafel  erfahren  mir  burch  (Sraömu^,  baß  er  eine  h^’ftige  3d)rift 
gegen  ben  Äurfürften  uon  ber  $falj  uerfaßte,  meil  biefer,  mie 
oben  ermähnt,  feinen  3)icncr,  megen  cinc^  9laubanfallö  auf  brei 
klebte,  hötte  hi»richtcn  laffen.  @r  fuchte  aber  uergeblich  einen 
53uchbrucfer,  ber  eö  gemagt  hütte,  fie  i^u  bruefen.  2)agegen  ließ 
er  eine  0atire  auf  einen  basier  ^rjt  erfcheinen,  ber  fid)  uermuth^ 
lid)  in  ber  üöehanblung  uon  ^utten’ö  Äranfl)eit  'flößen  gegeben 
hatte,  ©raömuö  fprad)  gegen  ©ppenborf  feine  ^ermunberung  au«>, 
mo  $utten  in  feinem  8ied)tl)um  unb  (Slenb  iütuße  unb  0tim= 
mung  5U  folcßen  ©paßen  hcrnel)me?  aber  (Jppenborf  meinte,  ber* 
gleichen  mad)e  er  eben,  um  fich  ^u  ^erftreuen. 

^aß  er  inbeß  auch  ernftere  Umtriebe  im  ©inne  cineö  Um» 
fturjed  ber  beftehenben  itird)cn^uftönbe  machte,  erhellt  barauS, 
baß  fofort  auf  bad  Einbringen  ber  (^eiftlid)feit  ber  SÜiagiftrat  uon 
Ekfel  ihm  ben  ^ugefagten  ©d)irm  auffünbigte.  ©0  fal)  §utten, 
nad)  einem  Elufenthalte  uon  nid)t  ganj  ;^mei  aJionaten,  früher  alö 
eö  in  feiner  Elbficht  gelegen  mar,  fiel)  genötl)igt,  E3afel  ju  uer» 
laffen.  2)ieß  that  er  am  19. 3anuar,  ol)ne  baß  felbft  feine  beften 
greunbe  mußten,  mol)in  er  feinen  SBeg  genommen.  @r  l)ötte 
aber  feine  E3licfe  auf  baeJ  benadhbahe  3Jtüll)aufen  gerichtet,  bai$. 


462 


II.  8u(^.  10.  StopM. 


bajumal  ber  (Jibgenoffenfc^aft  ^ugctuanbt,  i^n  tpic  SBafel 
gegen  bic  beutfc^en  dürften  hoffen  lieg;  tnägrenb  bic  reform^ 
frcunblicge  ®enfart  beö  in^befonbere  beö  einflugreic^en 

©tabtf(^reiberö  Oötnalb  @am6l)arft  niit  meld^cm  Jütten  üon  früher 
^er  befannt  gemefen  ju  fein  fd^eint,  ign  gegen  ben  Hinflug  ber 
^eiftlic^feit  becfen  nerfprac^.  Sluf  9icbemnegen , weil  et  bie 
9iad^ftellungcn  feiner  geinbc  ju  fürchten  ^atte,  erreichte  er  in 
ßppenborf'^  Begleitung  inol^lbe^olten  feinen  neuen  ßuflud^t^ort, 
m il)m  ©omö^arff^  gürfprad^e  im  5luguftinerflofter  um  fo 
Icicgter  eine  Verberge  au^mitteltc,  je  günftiger  beffen  Bemo^ner 
für  boiS  SBcrf  il)re6  fäd^fifc^en  Orbenöbruberö  geftimmt  waren. 
Jütten  gehackte  ^ier  ben  9ieft  be^  SBinterg  ^ujubringen;  ju 
welcher  Arbeit  aber  er  feine  2)tuge  im  Sluguftincrflofter  benu|te, 
Werben  wir  in  Äurjem  pnben. 

©c^on  wö^renb  feine«  Slufent^alte«  in  Bafel  war  bem 
IRitter,  Don  ber  i^m  perfönlic^  wiberfa^renben  Ärönfung  abge* 
fel)cn,  unb  auger  bem,  wa«  er  au«  be«  ®ra«mu«  neueren  ©c^rif' 
ten  wugte,  über  beffen  Berbalten  ju  ber  fHeformation  unb  beren 
9lngöngern  fo  manche«  9löbere  j\u  Ogren  gefommen,  wa«  nic^t 
geeignet  war,  feine  ©timmung  gegen  benfelben  ju  üerbeffern. 
3e|t,  in  ÜKül^aufen,  erfugr  er  oon  bcfud)enben  greunben  au« 
Bafel,  wooon  er  fc^on  früger  bottc  muntein  b^ren,  @ra«mu« 
gege  mit  einem  fcgriftlicgen  Eingriff  auf  bie  ßutgeraner  um.  (Sr 
lieg  ign  bureg  (Sppenborf  wornen:  wenn  er  Sutger  angriffe, 
fönnten  fic  niegt  megr  gute  greunbe  fein.  (Snblicg,  etwa  im 
2)Mr^,  tarn  igm  be«  @ra«mu«  Brief  an  Saurinu«,  ^)ecan  be« 
(SüHeg«  oon  ©t.  5)onatian  in  Brügge,  gebrueft  oor  Slugen,  ber 
ba«  Ungewitter,  ba«  oon  §utten’«  ©eite  fegon  längft  bem  (Sra«» 
mu«  gebrogt  gatte,  jum  Slu«brucgc  brad)te‘). 

®a«  au«fügrli^c  ©egreiben  an  ben  nieberlönbifcgen  ©aft^ 
freunb  oom  1.  gebruar  1523  ift,  bei  aller  fegeinbar  abfegwei^ 
fenben  ©ef^wügigfeit  in  SReife*  unb  Ort«befdgreibungen , boeg 
burdgau«  auf  ben  Qmd  bereegnet,  bic  ungünftigen  ©erüegte  ju 
jerftreuen,  wclcge  über  be«  (5ra«mu«  ©tellung  ju  öutger  unb 
feinem  Unternegmen  im  Umlaufe  waren.  5)iefc  ©erüegte  gingen 
jwar,  je  naeg  ber  ^artciftellung  ber  Urtgeilcnben,  naeg  jwei  ent* 


1)  %ibgebcu(ft  in  Igutten^S  Schriften  II,  6.  158--177. 


0 

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(SraSmui’  ^nef  an  fiaurinuS. 


463 


9egcnQcfe|ten  ©eiten  unb  ©raßiimö  njibcrfpric^t  i^nen  oud^ 
in  beiben  jRic^tuncjcn;  boc^  fo,  bog  er  nidjt  ücr^el)lt,  e^  liege 
ibm  meit  mcljr  baran,  fid)  üon  bem  Sßerbadjte  reinigen,  al^ 
Ijielte  er  ed  mit  fiutl)er,  alö  iljn  ber  SJormiirf  befümmerte,  er  fei 
ungerecht  gegen  il)n.  ®en  erfteren  ®erbad)t  gegen  ©raemuö  l)atte 
feine  ^Ibreife  aus  Üömen  unb  fein  langeiä  SBcrmeilen  in  iöafel 
nerftärft.  dagegen  füljrt  er  nun  bic  litcrarifc^eu  SSeranlaffungeu 
feiner  Steife  nac^  iöafel  auf  uub  ftellt  fid),  alö  ob  er  feineiämeg^ 
bofelbft  ju  bleiben  gebückte.  53ei  bem  Äaifcr  mie  bei  bem  neuen 
^^))ft  5lbrian  VI.  fei  er  mit  nickten  in  Ungnabe;  an  ber  Sage, 
bag  ^oc^ftraten  feine  33üc^cr  uerbrannt  ^abe,  fei  fein  toat)re^ 
äöort.  (£r  möd)te  faft  glauben,  bcrgleic^en  ÖJerüd)te  merben  üon 
gemiffen  Sln^ängern  ßutbcr'i^  aus^efprengt,  um  il)n  mit  ber  (3c^ 
genpartei  ju  übermerfen.  l)ei6e  je^t,  oielc  Sut^eraner  ftrömeu 
in  Öafel  jufammen,  um  fic^  bei  ©ras^muiS  Slatt)!^  511  erl)olen. 
äöollte  ölott,  fämen  alle  Sut^eraner  uub  ?lntilutl)eroner  ju 
i^m  uub  folgten  feinem  Statl)e,  fo  mürbe  eö  beffer  in  ber  SBelt 
fteben.  Unter  ben  uielen  gremben,  bic  i^n  befuc^en,  möge  fid) 
mol)l  mancher  Slnl)ängcr  ßut^er’^  befinben,  barnad)  frage  er  nid)t ; 
Que^  üon.  feinen  altern  greunben  l)abe  er  feinem  um  beSmillen, 
meil  er  fpöter  alli^ueifriger  üutl)eraner  gemorben,  fo  menig  alö 
benienigen,  bic  il)m  in  ber  ^Infeinbung  £utl)er’ö  ju  mcit  5U  gel)en 
gefc^ienen,  bic  greunbfd)aft  aufgefünbigt:  fofern  nur  beiberfeitö 
noc^  bie  gute  Slbficftt  §u  erfennen  fei.  ©0  fei  Jütten  menige 
Xagc  alö  @aft  in  iöafel  gemefen,  ol)ne  bag  einer  ben  anbern 
befuc^t  ^abe:  unb  boc^  mürbe  er,  menn  §utten  ju  il)m  gefommeu 
märe,  bem  alten  greunbe,  beffen  fc^öne^  Xolent  er  noc^  je^t  lic^ 
ben  müffe,  eine  Unterrebung  nic^t  üerfagt  ^enn  maö 

biefer  fouft  noc^  betreibe,  ge^e  il)n  nichts  an.  3öeil  aber  $utten 
feiner  itranf^eit  megen  bie  Dfenmävmc  nid)t  l)abc  miffen  fönnen, 
bie  (Jradmud  nid)t  ertragen  fönnc,  fo  fei  ce;  gefommen,  bag  fie 
eiiianbcr  nic^t  gefcl)en  b^ben. 

Ueber  Sutber'ö  Sebre  b^bc  er  ficb  biel)cv‘  a\i^  maneberlei 
(ilrünben  fein  Urtbeil  erlaubt,  üor  allem,  mcit  baö  eine  ©acbe  fei, 
bic  üor  einen  böbern  (fird)licben)  Sticbtcrftubl  gebbtr;  auch  b^bc 
er  Sutber'ö  ©ebriften  bei  mcitem  niebt  alle  gelefcn,  unb  bie  in 
fäcbfifcber  ©pracbe  gefebriebenen  (b.  b-  bie  beutfeben)  fönne  er 
nicht  einmal  lefen.  Stur  fo  üiel  b^be  er  l)in  unb  mieber  in  ge- 


464 


n.  93u(!^.  10.  j^apttel. 


brucften  33ricfcn  bezeugt,  bag  er  ber  SBerbinbung  ber  Sut^craner 
fremb  fei  unb  in  Sut()cr'ö  iöüd^ern  ju  toenig  c^riftlidjc  JÖefd^eiben* 

1) cit  unb  jiu  Diel  53ittcrfcit  finbe.  i)abet  läugne  er  uic^t,  bag 
2iitf)cr  auf  luanc^e^  aufmertfam  gemalt  ^abe,  baö  nic^t  tanger 
Jiu  ertragen  gewefen  fei  unb  um  bcs3  Söo^lö  ber  S^riftcnt)eit 
tuillcn  gebeffert  mcrbcu  foüte.  2)a  übrigenö  fiut^cr  fein  Sebenfen 
trage,  nidjt  allein  Äiird)cntct)rcrn,  fonbern  fclbft  ^^irc^enuerfamms 
lungen  ^n  mibcrfprec^cn,  fo  fönne  er  nidjtö  bagegen  l)abcn,  menn 
man  and)  il)m  mibcrfprc(^c ; nnb  ba  fc^t  ade  SBclt  gegen  tl)n 
fdjreibe,  märe  eö  anc^  bem  @ra^nui^  nid)t  jn  üerübetn,  menu  er, 
bem  !öefel)le  folc^er  fid)  fngcnb,  benen  ju  miberftreben  gefä()rli(^ 
fei,  bei  gelegener  ßeit  feine  0timme  über  2utl)er  abgeben  mürbe, 
©ic^  perfönlic^  non  beffen  §anbel  lo^^ufagen,  fäl)rt  er  mit  äc^t 
(Sraömifc^er  Ironie  fort,  fei  für  i^n  einfad)  eine  0ad)e  ber 
fc^eiben^eit  gemefen.  ®a  er  bei  Dielen  l)o^en  Häuptern  al3  ber 
eigentliche  Urheber  uon  ßuther’ö  Sehre,  ja  alö  ber  öerfaffer  mehrc^ 
rer  Don  feinen  Schriften  gegolten,  fo  höbe  er  eine  fo  h^h^ 
unmöglid)  annehmen  föunen,  fonbern  mic  3Dl)onneö  ber  Xäufer 
rufen  müffen:  3d)  bin  e^  nicht.  Suther  unb  feine  5luhängcr 
nennen  ihn  fo  oft  einen  fchmad)en  ©hriften,  ber  Don  ^eiftlidjen 

2) ingen  nichts  Derftehc:  fo  mögen  fic  eö  il)m  ^u  @ute  holten, 
menn  er  fid)  an  ba^S  Urtt)cil  bemährter  SSäter  holte,  unb  Suther'^ 
Steuerungen  mitjumachen  fid)  nid)t  getraue.  Sßem  ber  ^err  grö^ 
fjere  @eifte^3gabcn  Derliel)cn,  ber  möge  fie  ju  beffen  @htc  ge* 
braud)en;  er  molle  nicht  fo  hoch  fliegen,  aber  befto  ficherer  gehen. 
Sein  SSnnfeh  fei  auf  eoangetifche  @intrad)t,  auf  frieb liehe  Teilung 
ber  Sd)äben  ber  Äird)e,  mit  gleichinägiger  Stücfficht  auf  bie  Söürbc 
beö  ^riefterftanbe^,  mic  auf  bie  Freiheit  beö  chriftlichen  S^olfeö, 
gerid)tct.  S33er  bicfcö  SBcge^  gehe,  bem  merbe  beö  ©raömuö  §anb:= 
reid)ung  md)t  fehlen,  ßiehc  aber  einer  Dor,  lieber  allcö  burch= 
einanber  /\u  merfen,  ber  merbe  gemiß  ihn  meber  jum  Rührer, 
nod)  pm  Begleiter  hoben.  „Sic  menben  (fd)lief3t  er)  ben 
trieb  beö  heil,  ©cifteö  Dor.  So  mögen  fie  benn  mit  gutem  @lücf 
unter  ben  Propheten  tan,^cn,  menn  ber  ©eift  bcö  §errn  fie  angc^ 
mcl)t  l)ot.  älUch  l)ot  biefer  (SJeift  noch  oicht  ergriffen:  mirb 
einmal  gefd)cl)en,  fo  merbe  id)  Diellcicht  auch  Saut  unter  ben 
Propheten  l)ei6en." 

Sin  biefem  ©raioinifcheu  Scnbfchrcibcn  mußte  unferem  9tittcr 


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ßppfnborf  qI§ 


465 


aücö  j^mribcr  fein:  bic  ironifdje  ßaltfinnigfcit  flcflcn  eine  ©Qrf)e, 
bic  it)u  in  glammcn  fc^tc;  bic  Dorgctncnbctc  llnpartcilic^feit, 
ipcic^c  bic  Parteinahme  nur  fd)lccf)t  nerbedte ; bie  Porficht  unb 
gvicbenöliebe  enblidj,  bie  aber  mit  bcö  ©ricfftcUcrö  33erja(^tt)eit 
unb  0chioachhcit  für  bic  (Großen  unuerfennbor  5ufammcnhinfl 
^aju  fam  nun,  ba§  bic  ©teile,  in  U)cld)cr  §uttcn’ö  gebadjt  mar, 
ücrfd)icbenc  h^i^^Ü^eiflichc  Unmal)rf)eitcn  enthielt,  burd)  melchc 
@raßmu5  feine  ^anblun^ömeife,  bei  ber  er  offenbar  fein  gutes 
©etoiffen  hatte,  ^u  bcfchönigcn  fu^tc.  @S  mar  nicht  mahr,  bog 
glitten  nur  menige  Xagc  in  33ofcl  gemefen ; nid)t  mahr,  bag  nur 
ber  Dfenpunft  beibe  SJMnncr  auSeinonbcrgchaltcn;  nid)t  mohr, 
baß  cS  nur  bei  $utten  geftanben  hölt<^  (fofern  mon  hierunter 
ücrftcht,  maS  er  mit  ©htcu  hötte  tl)un  fönnen)  ju  (SraSmuS  ju 
fommen.  ©laubtc  biefer  uieflcicht  gar,  Jütten  merbe  cS  ols  eine 
©djonung  ertennen,  meint  er  nicht  öffentlid)  erjähltc,  mie  er  ftch 
beffen  33cfuch  oerbeten,  fo  oerrcdjnctc  er  fid)  fchr.  5tm  britten 
Xagc  fchon,  nad)bcm  ihm  baö  ©enbfehreiben  ju  ©cfid)t  gefom* 
men,  mad)tc  fich  §uttcn  baran , in  einer  auSführlid)cn  ©treit* 
fchrift  mit  ©raSmuS  megen  alles  beffen,  maS  er  fomohl  pcrfönlich, 
mie  als  ^Inhängcr  ber  SRcformpartei  längft  gegen  ihn  auf . bein 
5>cr^cu  hcitte,  enblich  5lbrcd)nung  ju  halten.  oerjog  fich 

bereu  PoUenbung  bis  in  ben  anbern  äJionat:  hoch  erhielt  ©raS= 
muS  zeitig  genug  9Zachricht,  inbem  namentlich  ©ppenborf,  ber 
5mifd)cn  ©afcl  unb  9)?ülhaufcn  hin*  unb  herrcifte,  feine  ©rünbe 
hatte,  ihn  oon  |mttcn'S  übler  ©timmung  gegen  ihn  unb  üon 
bem  brohenben  Eingriff  in  itenntniß  ju  fchen. 

tiefer  5cinrid)  oon  ©ppenborf,  beffen  oorgeblichc  fRittcr* 
fchaft  jebod)  SDMnncr,  bic  ber  ®crhältniffe  funbig  fein  fonnten, 
in  Slbrcbe  ftellten,  ein  fal)renbcr,  ocrfchulbeter  Literat,  ber,  erft 
5Uthulid)cr  §auSfrcunb  bcS  SraSmuS,  fid)  bann  an  Jütten  gc^ 
hängt  hfiltf»  fpiclt  in  biefem  gan^^en  Raubet  eine  minbeftenS  ^mei» 
heutige  SRoUc.  2)aß  er,  mie  ihm  ©raSmuS  ©chulb  gab,  ben  ©treit 
abfid)tlid)  herbei^uführen  gcfudjt  unb  ^u  biefem  fid)  3t^c^* 

^üngigfeiten  erlaubt,  bem  ©raSmuS  bic  Erbitterung  ^utten’S, 
biefem  bic  nad)träglid)cn  Erbietungen  bcS  EraSmuS  ocrfd)miegen 
habe,  möd)ten  mir  bem  lehtern  nid)t  ohne  meitercS  nachfprechen. 
"3)aß  er  aber  fpätcr,  als  .^utten  mirflid)  fich  baran  gemacht  halle, 
gegen  EraSmuS  3U  fd)rcibcn,  bieß  als  äJiittcl  311  benupen  fud)le, 
VII.  30 


r 


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466 


n.  10. 


um  bcm  ©vaömuä  ober  feinen  f^^eiinbcn  @elb  Qb^upreffen,  mirb 
fomob^  nuö  feinem  ^enel}men  bei  biefer  ©eleficnt)cit,  alö  auö 
einem  fpätern  gallc  mabrfd)cintid),  luo  er  ben  alten  3Rann,  ber 
ibm  bei  ^cr^og  @eorg  ein  fcblccbtcö  ßcwgnift  gegeben  botte,  rec^t 
mie  ein  §erfenrcitcr  überfiel.  (Sra^mu^^  gebt  nur  barin  ;;u  meit, 
ba6  er  biefe  §(bficbt  ber  ©clbcrpreffiing  ebenfo  auch  $uttcn  un* 
terlegt.  ®ie  Unfläterei  einc^o  iiartböufcrprior^  mochte  biefeni 
eine  miütommenc  ©elcgenbcit  gemefen  fein,  feinen  ginan^^en  auf? 
i^ubclfcn : in  bem  0trcitc  mit  Sraömuö  mar  eö  ibm  ein  heiliger 
(£rnft  um  bie  0acbe,  unb  biefen  @rnft  atbmet  feine  0(^rift 
burd)Quö;  menn  er  ou^,  alö  biefe  fertig  mar,  eö  gefebeben  liefe, 
bafe  ber  gefeböftige  ^Inbänger  fie  p einer  ©elbfpeculation  -^u 
benu^en  fu^te. 

Huf  bie  9^lacbrid)t,  bie  ©ppenborf  bei  feiner  5meiten  Söieber? 
febr  oon  SWülbaufen  mitOraebte,  bafe  §uttcn,  über  bie  erfahrene 
ßurücfmeifung  erbittert,  an  einer  ©djrift  gegen  (Sraömuö  arbeite, 
entfpann  ficb  junäcbft  ein  Sriefmecbfcl  smifeben  beiben.  9lad)  be^ 
(Sra^muö  ^arftellung  mären  cö  feine  greiinbe,  inöbefonbere  Söeatuö 
IRb^manu^,  gemefen,  bie  il)n  gegen  ‘feine  eigene  Hnfid)t  ju  bem 
©djrittc  berebeten,  einen  fcbriftlicben  0übneuerfnd)  bei  Jütten  ju 
mad)en:  fo  atlerbing^,  mie  er  benfelben  machte,  tonnte  er  miffen, 
bafe  ber  SSerfueb  nicht  511m  gicic  führen  mürbe,  ^urdj  §einrid) 
©ppenborf,  febrieb  er  ihm  am  t)on  $uttcn’‘3 

Unmillcn  unb  ber  Strcitfd)rift  gegen  il)n,  mit  melcber  ber  fRitter 
umgeben  foUc,  gehört.  2)arübcr  müffe  er  fid)  munbern,  ba  feine 
greunbfebaft  für  Jütten  unoeränbert  geblieben  fei,  menn  and) 
für  ben  Hugenblid  bie  Umftänbe  ihnen  ben  frühem  oertrauten 
Umgang  unmöglich  machen.  2öa^  neulich,  mäbrenb  §utten'i$ 
Hnmefenbeit  in  33afel,  j\mifd)cn  ihnen  Oorgefalleu,  fei  feine  3^=' 
rücfmeifung  gemefen.  Vielmehr  höbe  et  oon  §utten  nur  ba\J= 
jenige  ficb  freunblid)  au^gebeten,  maö  er  an  beffen  0tellc  oou 
felbft  gethan  halben  mürbe:  bem  grennbe  nidjt,  ohne  9tupcn  für 
fid)  felbft,  burd)  einen  53efuch  35erbrufe  ju^u^iehen.  Unb  bod) 
habe  er  ihm  nachher  burch  ©ppenborf  fagen  laffen,  menn  Jütten 
bie  Ofenmärmc  miffen  fönne,  bie  ihm  unerträglich  fei,  fo  foUc 
fein  93efudh  ihm  nicht  unlieb  fein,  ^cleibigt  alfo  habe  er  Jütten 
nid)t,  meber  jeht  nod)  fonft,  üielmehr,  um  oon  SäJohlthoten  nicht 
ju  reben,  ihm  biö  auf  biefen  Xag  oon  ^)er5en  mohlgcmolU. 


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@raSmu6’  St^reiOen  an  ^uttcn.  467 

möchte  i^m  tDÜnfc^cn,  boß  er  feinen  fc^liminern  5^inb  l^ätte  alö 
ben  ©raömnö,  ober  bog  er  befäge,  toaiJ  biefer  geinb  il)m  loünfdjc. 
SBielleic^t  locrbc  er  geflen  ign  aufgege^t  uon  iJenten,  bic  §uttcn'^ 
geber  jur  Sättigung  igrec^  |)ciffeö  gegen  @rüömu<?  migbrauc^en 
möchten.  SBoUc  ^ntten  biefen  luiflfagren,  fo  möge  er  fürö  erfte 
bebenfen,  bag  er  ci^  gegen  einen  tguc,  ber  cii  ni^t  um  igu  uer*= 
bient  gäbe;  bann,  bag  er  feinen  eigenen  ärgften  geinben,  bem 
^oegftraten  u.  2(.,  feinen  grögern  gefallen  tgun  fönne,  alö  gegen 
@raömnö  ju  fegreiben.  ©egon  infofern  bürfte  e^  ber  Äluggeit 
gemäg  fein,  menn  |)uttcn,  ege  eö  jum  mirfliegen  Äricge  fomme, 
üovger  in  einem  ^rioatfegreiben  igm  mit  freunbfcgaftli^er  Offen* 
geit  mittgcilte,  maö  er  gegen  ign  gäbe;  Jütten  mügte  gan^  ein 
anberer  gemorben  fein,  alö  er  egebem  gemefen,  menn  eö  bem  @ra^= 
miiö  niegt  gelingen  foUte,  igm  bnrcgaiiö  gcnugjutgun. 

@0  mcit  mar  bae  ©egreiben  bcö  @ra§miiö  für  feinen  3l^ccf 
gan^  mogl  bereegnet,  ben  cö  ^mar  fcgmerlicg  erreiegt  gaben  mürbe, 
ba  ^mifegen  beiben  2)^innern  fieg  alljuoiel  ©toff  511111  ©treite 
angefammelt  gatte:  nun  aber  nagm  e!^  eine  SBenbung,  melcgc  bem 
rci5baren  Jütten  bic  geber  gegen  ©raömuö,  menn  er  fic  noeg 
nidgt  ergriffen  gegabt  gatte,  in  bic  §anb  brüefen  mugte.  kluger 
ber  $Hü(fficgt  auf  bic  alte  greunbfegaft  unb  auf  ben  3ubel  ber 
geinbe,  fägrt  niimlicg  ©ra^muö  fort,  müffc  aueg  bic  fRüeffiegt 
auf  feinen  eigenen  fRuf  ben  ^Ritter  oon  feinem  JtBorgaben  5urücf* 
galten.  9tid)t  allein  bag  man  einen  Eingriff  auf  ben  fcgulblofen 
greunb  inguman  finben  mürbe:  ,,aud)  an  foldjen",  fegreibt  er, 
„mürbe  oiellcicgt  niegt  fcglen,  bic,  in  (Srmögung,  mic  beine 
©aegen  jegt  ftegen,  argmögnen  möcgten,  e-8  fei  bei  bem  gaii5cn 
33eginncn  nur  auf  33eute  abgefegen;  unb  eö  mare  fein  8ä3unber, 
menn  biefer  Jöerbaegt  bei  Dielen  $lag  griffe,  OI0  gegen  einen 
SanbfliKgtigen , ®crfd)ulbcten  unb  511m  äugerften  SRangel  an 
allem  ^ftotgmenbigen  ^eruntergefommeucn.  ^ir  ift  niegt  unbe* 
mugt,  melege  ©agen  über  bieg  umgegcn;  and)  mcigt  bu  mögt, 
marum  ber  ^fal5graf  bir  5Ürnt  unb  ma^  er  bir  brogt,  ber  ja  an 
beinern  Wiener  bereite  bic  Xobeöftrafe  Doll5ogcn  gat.  ^egmegen 
mödjte  id)  nid)t,  bag  bu  meine  Erinnerung  bev  gurdjt  ober  bem 
böfen  EJemiffen  5ufcgriebcft : ba  fic  Dielmcgr  uon  ßiebe  511  bir 
aiK^’gt,  unb  ieg  bamit  megr  für  bid)  alö  für  mieg  forge.  ®u 
magft  fo  gegäffig  fegreiben  al^  bu  millft,  fo  mirft  bu  fürd  erfte 


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468 


II. 


10.  Kapitel. 


eö  tpcbcr  mit  einem  folc^cn  p t^un  Ijnbcn,  bem  bergleic^en 
fc(^tungcn  iingemo^nt  finb,  noc^  mit  einem  Stummen.  *^ann 
aber,  gefegt  and),  ic^  febmiege,  mirft  bu  boeb  beinern  D^ufe  übler 
tbun  alö  bem  meinigen.  ®arum  fieb  mobl  ^cin  Jütten, 
ba6  bu  bicr  mehr  beine  Älugb^it  9latbe  /^icbeft,  alö  ber  2cibcn= 
fd)aft  leiebtgefinnter  SD^enfdjen  folgeft.  iiebe  mobl.  3cb  ermavte 
beine  Slu^forbcrung"  ^). 

darunter  uerftanb  @ta§muö  bic  üorläufige  Darlegung  non 
^uttcn'ö  öefebroerben  über  ibn  in  einem  ^riuatbriefe,  bie  bann 
auch,  mie  er  crjäblt,  in  einem  febr  tro^igen  Schreiben  erfolgte, 
bem  aber  nach  ^utten'iS  3lnfünbigung  binnen  brei  Xagen  febon 
bic  Strcitfdjrift  felbft  (oorerft  ^mar  noch  ungebrueft)  naebfommen 
foUtc,  üon  ber  eö  ein  furjer  3n begriff  mor.  (Sinftmeilen  bcant= 
lüortete  ®raömu§  baö  oorlöufigc  Schreiben,  inbem  er  ficb  $dnft 
für  ^unft  auf  ^utten'ö  Söormürfe  cinlieg  unb  ibm  nodimalj? 
bemerflicb  ju  mad)en  fuebte,  mie  eö  nicht  minber  in  beä  S^itterö 
alö  in  feinem  Sntereffe  liege,  iljren  Streit  in  ber  Stille  abju* 
machen.  Sd)limme  mar  aber,  bag  bic  §uttcn^fchc  Streit^ 
fd)rift  honbf^riftlicb  bereite  burcl)  oiele  .^änbe  in  iiöafcl  gegangen, 
je^t  aud)  nach  3^^icb  öerfenbet  mar,  fo  baß  ©raömuö  üon  britten 
^4^crfoncn  oernabm,  ma^  Jütten  gegen  ihn  üorgebraebt  habe.  So 
ertlärte  auch  biefer  felbft  in  ber  5Intmort  auf  beö  ©raömuö 
ämcitciS  Schreiben  (in  bereu  milbcrcm  Xonc  biefer  eine  SBIrfung 
üon  bem  mittlcrmeilc  erfolgten  gallc  Sidingen’d  ju  erfennen 
meinte),  ba»  äKanufeript  fei  bereits  an  ben  Sudjbrudcr  ab* 
gegangen;  hoch  menn  ©raSmuS  ba^u  febmeigen  rnoUc,  fo  foüc 
jmifchen  ihnen  gricb  unb  greunbfebaft  befteben  mie  5UUor.  3c^t 
cnblicb  fam  eine  5lbfcbrift  auch  ^cm  ©raSmuS  ju,  aber  unücr* 
fcbloffcn  unb  unücrfiegelt ; unb  nun  legte  ©ppenborf  ücrgeblich 
it)m  unb  feinen  5^cunbcn  nabe,  ben  Eingriff  bureb  eine  ©clb^ 
fumme  abäufaufen.  ®cv  SSerlcger  ber  ©raSmifdjcn  SSerlc,  Sobaun 
groben,  ^mar  bot  50  gi.,  ber  2)oml)err  Johann  ^obbeim,  im 
Sd)recfen  um  ben  'greunb  üon  Äonftanj  b^^i^üi^crgccilt,  fpracb  üon 
70  gi.,  um  bic  eS  fid)  b^inble:  aber  ©raSmuS  moUtc  nid)t  bei* 
(Geprellte  fein,  menn  bic  in  Slbfcbriftcn  fchon  üerbreitete  Schrift, 
mie  oorauSjufehen  mar,  nachher  boeb  erfebiene;  er  gab  niditS, 


l)  6ra§mu§  an  Jütten,  26.  SJlcti  1523.  §uttcn’§  Schriften  II,  ©.  178  f. 


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jwijd^en  ßraSmuS  unb  l^uHen.  469 

unb  bictt  aud)  feine  greunbe  ob,  fic^  oiif  ben  ^anbel  ein;^uliiffen. 
^V^itUertneile  l)attc  ftd)  Jütten  Don  9}?ül^aufen  nadj  3“^*^ 
öcben,  üon  tno  er  nod)malö  an  ©raöinuö  fc^ricb,  baö  ®efc^e{)enc 
tnollen  fie  auf  bie  l)omerifc^e  Hte  (ben  ®ömon  unbebac^t  un^eil^- 
noIIer  X^alen)  fd)iebeii;  inöfünftiQC  (fo  lägt  (Sra^muö  ign  fic^ 
mi^Sbrüden)  njoüe  er  fidj  norfic^tiger  galten.  5Iucg  bezeugte  er 
bein  @ppenborf,  biefer  gäbe  bic  SSerbreitung»  ber  ©egrift  njiber- 
ratgen,  b.  g.  ttjogl  eben,  igm  3ugerebet  fie  fi^  abfaufen  3U  laffen. 
^a  bieg  miglnngen  mar,  fo  reifte  nun  (Sppenborf,  fo  beriegtet 
(Sraömuö,  naeg  ©tragbiirg  unb  berebete  ben  53ucgbruder  Sognnu 
©egott,  ber  fegon  .oon  früger  ger  mit  Jütten  in  SBerbinbung  ftanb, 
ben  2)rud  ber  53efcgmerbefd)rift  311  übernegmen,  ben  er  noeg  oor 
ber  SJiitte  beö  3uli  oollenbete*). 

©0  roeuig  bem  ©raömuö,  unb  3mar  nid)t  erft  feit  ^uttcn'ö 
^^lufentgalt  in  ^afel,  fonbern  fdjon  feit  beffen  Briefen  oon  ©tcdel- 
berg  unb  (Sbernburg  au§,  ein  Eingriff  oon  feiner  ©eite  unermartet 
fein  fonnte:  fo  fanb  er  fieg  bod)  burd)  bie5lrt,  mie  berfelbe  auö-* 
gefügrt  mar,  betroffen.  3n  gait3  ^cutfd)lanb,  fdjrieb  er  an  ^ird* 
geiiner,  gätte  er  fo  oiel  Snguinanitöt,  Unoerfegämtgeit,  (Sitelfeit 
unb  C^egäffigfeit  niegt  oermutget,  alö  bie  @ine  ©egrift  oon  ,^ut^ 
ten  entgälte.  @r  fag  in  biefem  einen  llnbantbaren,  ber  igm  bie 
micbergolten  @mpfeglungen  an  ben  (Sarbinal  oon  ltD^ain3  unb 
anbre  gürften,  bic  egrcnooElcn  ©rmögnungen  in  ißriefen  unb 
©egriften,  bic  moglmoüenbftc  ©efinnung,  nun  fo  ocrgeltc.  @r 
fdjmanltc,  ober  tgat  boeg  alö  fegmanfte  er  einen  Hugenblid,  ob 
er  antmorten  follc:  mic  er  benn  aud)  feine  basier  greunbe  mit 
ber,  feiner  5ßerfid)crnng  nad)  in  fcd)ö  Xagen  oollcnbctcn  ©egen^ 
fegrift  überrafegte,  bic  er  einen  ©d)mamm,  3ur  5lbmifcgung  oon 
^uttcn'ö  §lnfprigungcn,  betitelte  2). 

^uttcn’v^  Exj)ostulatlo  ift  eine,  im  ißergältnig  311  ber  SUiegrs 
3ogl  feiner  übrigen  ©d)riftcn  3icmlid)  umfangreiege  Arbeit,  unb 
6ra‘3mii5  mollte  feiner  afiatifd)Cii  fRebefüllc  mit  lafonifd)cr  Ä'ür3e 
antmorten:  babei  mürbe  aber  feine  Spongia  beinage  noeg  cinmol 

1)  Ulrichi  ab  HntU*n  cum  Eraömo  Roterodamo  preabytero  th<*o- 
logo  Kxpostulatio.  ber  beutfdjfn  Ueberje^ung  Se^riften  II,  S.  180—248. 

2)  Spongia  Erasmi  adversus  aspergines  Iluticni.  ©benboielbjl 
e.  265-324. 


470 


II.  ^ud^.  10  Kapitel. 


fü  ftnif.  00  luolltc  er  nurf),  §utton’<J  ßcibcnfdjaft  cjcflcnüber, 
fidj  mägigen,  ftd),  loic  fd)ou  ber  Z\ki  feiner  0d)rift  nnjeigt, 
mc()r  nur  abmegrenb  ocrgaltcn:  aber  bie  ^^Ibwcgr  führte  ign 
SluöfäUcn,  bie  um  fo  fränfenber  maren,  je  megr  fie  fieg  gegen 
ben  ß^garaftcr  unb  SBanbel  bcö  ©egncrö  richteten;  um  fo  grau^ 
famer,  ba  fie  fic^  beö  0pottcö  über  fein  Unglücf  niegt  enthielten, 
unb  baburd)  niegt  fd^onenber  mürben,  bag  fie  fieg  meiftenö  in 
bloge  Slnfpielungen  oerftedten.  iö3ir  fnd)en  uon  beiben  ©egriften 
nach'  unb  jum  nebeneinanber  eine  Sßorftellung  ^u  geben. 

®cibe  beginnen  mit  einer  ?lu^einanberfe^ung  ber  S^eran^ 
laffung  beS  0trcitcö,  inbem§ntten,  ber  @ra^iyifd)en  ©ntftellung 
in  bem  53rief  an  ßanrinnö  gegenüber,  ju  erhärten  fudjt,  bag 
beö  ©ra^mnä  ^Benehmen  bei  feinem  Aufenthalt  in  93afcl  mirflid)c 
!0cleibigung  cine^  treuen  greunbeS  unb  S^erehrcr^  gemefen  fei; 
mogegen  ©ro^muö  ermeifen  ju  fönnen  glaubt,  bei  jener  ©clcgens 
heit  bie  ^flidjtcn  ber  greuiibfcgaft  unb  ^umanitöt  in  feiner 
Sßeifc  üerleljt  jn  halben.  SDiefer  33cmeiö  gelingt  ihm  ni(^t;  beim, 
menn  man  aud)  fehr  mohl  einfiegt,  bag  ihm  in  feiner  (Stellung, 
bei  feiner  5)enf=  unb  ©emüth^art,  eine  33erührung  mit  §uttcn 
in  jenem  nicht  ermünfdjt  fein,  oielleid)t  felbft  nach= 

thcilig  merben  fonnte,  fo  mar  ja  eben  l)ic^  ein  Jall,  mo  eine 
höhere  ^fliegt  bie  Abneigung  ju  überminben  unb  bie  Älnggeitös 
riieffiegten  bei  0eite  5U  fegen  gebot.  Söenn  §ntten  bem  ©ra^mu^ 
^nrnft,  ni^ht  anberö  al-o  mie  ein  gögere^  Söefen  gäbe  er  ign  ftetö 
oeregrt,  gegen  jeben  feiner  geinbe  fei  er  immer  fogleicg  ju  gelbe 
gezogen,  unb  jener  gälte  ign  jegt  niegt  einmal  einer  Unterrebung 
mertg,  ücrfdjliege  igm  au§  gnrdit  oor  ben  clenbeftcn  SUfenfdjen 
bie  5;gür:  fo  gatte  @raömu^  niegtö  uor5ubringen,  mag  ber  SBir* 
fnng  folcger  SSormürfe  begegnen  fonnte. 

Alg  eine  Art  oon  0eitenftücf,  alg  eine  uon  §uttcn  erlittene 
^ränfung,  über  bie  er  aud)  üicl  Aufgebeng  gättc  mad)en  fÖnnen, 
fnd)t  ©ragrnug  eine  gnbigcrction  geltenb  ju  mad)en,  bie  fieg 
Jütten  oor  hagren  gegen  ign  gatte  511  0d)ulben  fommen  laffen. 
gm  gagr  1519  gatte  ©ragmng  ben  oben  ermägnten  ©rief  an 
ben  @r^bifd)of  Albred)t  uon  SDfainj  gefd)rieben,  in  mcld)cm  er 
ßutger,  ogne  beffen  0acgc  üertreten  5U  moUen,  gegen  bie  ^ßcx^ 
fegerung  oon  Seiten  ber  lömener  Xgeologen  in  0cgug  nagm. 
liefen  ^^rief  gatte  er  in  Umfcglag  an  .gutten  gefegieft,  mit  bem 


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^utten’S  3Bc|d)tt)erb«j4rift  »ibfr  ßroSmuS.  471 

Vüiftroflc,  bcnfclbcn,  je  uod)bem  er  es?  paffenb  finbe,  ju  überleben 
ober  311  ocruidjten.  3tatt  beffen  lieg  Jütten  ben  ©rief  eilenbö 
bruefen.  iWatürlirfj  niacgte  er  ein  Sluffcgen,  bad  toeber  bem  ©r^* 
bifegof  noeg  bem  ©ra^rnuö  lieb  fein  fonnte.  ©rftcrer,  bem  erft 
ein  ©ierteljagr  fpäter  auf  feine  S^iargfrage  ber  gnnbfc^riftlicge 
©rief,  3crriffen  nnb  üon  ber  ^rneferei  befcgmn|jt,  3U  $anbcn 
fnm,  befc^merte  fid);  ©raSinuö  berichtete  ihm  311  feiner  @ntfd)uU 
bigung,  mie  eö  3ugegangen,  nnb  ftelltc,  aU  er  $utten  mieberfah, 
biefen  3ur9^ebe,  ber  nun  mit  befchämtem  Sächeln  (er3öhlt  @raös 
muö)  bie  Xh^'tf^^ch'^  3Uflcftnnb,  aber  auf  bic  9iachläffigfeit  ber 
©chrciber  fchob.  @inc  ädht  §utten'fd)e  3nbiöcretion , mie  gefogt, 
311  bem  ^cr  ©ad)c  ßuther'ö  ©orfd)ub  3U  thun,  unb  mohl 

and)  ben  @roi3mneJ  uormärtö  311  fehieben;  biefem  bcgreiflichenocifc 
höchft  unangenehm:  aber  mit  ber  Äränfnng,  um  bereu  millen 
ie^t  glitten  mit  il)m  red)tctc,  nicht  30  Dergleichen. 

^od)  bie  perfönliche  ©elcibigung,  fährt. Jütten  fort,  mödjtc 
er  mol)l  mit  Stinfchiucigcn  übergangen  hoffen,  tuenn  nicht  immer 
mehr  and)  bc‘5  ©ra^miiö  5lbfall  Don  ber©ad)e  bcö  ©Dangelinmd 
fid)  hcrau^'ftellt  hüHc,  oni  bciitlichften  in  bem  ©rief  an  ßaiu 
rinuö.  3n  biefem  liege  min  unläugbar  Dor,  bag  er  entiueber 
feinen  ©inn  fdjinählid)  geänbert  jefct  and 

3J^enfchcnfurd)t  fchmählid)  Xriebfeber 

folchcn  ^bfollö  fein?  fragt  fid)  glitten.  9Zeib  auf  .Sutl)cr'd 
9tnl)m?  fleinmütl)ige  furcht  Dor  ber  (Gegenpartei?  ©eftechung? 
Ober  tyittc  fid)  (Sradmud  mirflid)  eined  anbern  übcr3eugt?  — 
5ür  bic  tieffte  Duelle  bed  Ucbeld  fiegt  |)uttcn  jebenfaHd  ben 
Äleinmuth  an,  ber  igm  üon  jeher  an  @radmud  migfaüen  h^^l- 
5)ie  ©erfchiüörung  fo  Dicler  dürften  gegen  bie  ©aege  bed  ®Daus 
gelinmd,  meint  .Jütten,  lägt  ign  am  ©rfolgc  Dcr3meifeln,  unb  fo 
finbet  er  rätl)licg,  fid)  Don  berfelben  lod3ufagen,  unb  fieg  um  bic 
(Gunft  jener  gürften  auf  jebe  Söeifc  3U  bemerben.  grcunblicg  üon 
ihnen  anfgenommen  unb  belobt,  mill  er  fic  boeg  ber  ©iegergeit  locgen 
erft  burd)  einen  Dienft  fieg  uerpflicgten ; ID03U  igm  am  paffenbften 
fd)eint,  luad  jene  längft  üon  igm  üerlongtcn,  gegen  bieSutgeraner  3U 
fd)reibcn.  X)ag  er  bamit  gleicg  üon  Einfang  fo  gart  auftritt  (in 
bem  ©rief  an  ßaurin)  ift  barauf  berechnet,  biefe  311  fd)recfen,  bas 
mit  fic  fieg  um  fo  eger  ergeben  foHen;  beim  gelänge  cd,  fie  gic3U 
3U  bringen,  fo  märe  igm  üicl  9tugm  unb  (Gunft  gemig.  Slber 


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472 


II.  ®u(^.  10.  ÄQpitel. 


feine  Slec^uunfl,  meint  Jütten,  föimtc  i()n  täiifc^cn.  bie 

SJWc^tigcn  fo  cijricj  um  feinen  iöeiftanb  luerben,  bemeift,  bn§ 
boc^  nod)  @efal)r  bei  ber  0U(^e  ift:  für  ©raämiiö  @efaf)r  nid)t 
für  fein  Seben,  bod^  für  feinen  fRut)m.  ßäuQft  t)at  feine  SBaiu 
belbarfeit  SJ^ifefaHen  erregt;  boc^,  fo  lange  fie  fic^  auf  S^teben^ 
fad^en  bejog,  l)at  man  fie  feinen  übrigen  ^^orjügeu  ju  @ute  gc^ 
galten.  Söenn  man  aber  nun  fe^en  toirb,  in  n>cld)er  bebeutenben 
Angelegenheit  er  feinen  'Sd)mad)hciten  unb  Sfleiguugen  na^gibt, 
mie  gro6  toirb  bie  ©ntrüftung  fein ! 

0ofort  geht  Jütten  auf  bie  einzelnen  fünfte  ein,  über 
welche  et  ben  ©ra^muö,  Wenn  er  ihn  in  S3afcl  ju  fprcchen  bc= 
fommen  h^H^/  münblid)  jur  fftebe  geftcllt  würbe, 

nun  fchriftlich  unb  öffentlid}  jur  fRebe  fteüt.  3^^  pub 
fie  mehr  pcrfönlicher  ^rt:  bag  Sraömuö  in  einigen  feiner  neuern 
©d)riften  |mtten'i§  mißliebige  Erwähnung  getljan,  beffen  greunbe 
gefdjmäht,  beffen  geinbe  gelobt  habe.  0o  in  einem  Schreiben 
an  ben  Äe^ermeifter  ^ochftraten,  in  weld^em  @raömu$  ber  bit^ 
tern  Briefe  oon  fRcudjlin,  iRuenar,  Sufd)  unb  Jütten  gegen 
benfelben  mit  ber  biplomatifchcn  SBenbung  gebacht  hotte,  er  höbe 
fehr  bebauen,  baß  §od)ftraten  burd)  oorau^gegangene  gleichfalls 
höchft  bittere  Schriften  jene  ju  foldhem  Unmaß  gereift  unb  ba* 
burch  ehrenwerthen  9Rännern  Einlaß  gegeben  l)obe,  ju  benfen, 
jene  bittern  ^inge  feien  il)m  nicht  unoerbient  gefügt  worben. 
§ier  ift  nun  Jütten  außer  fid),  gleidjerwcife  barüber,  baß  fein 
3orn  gegen  ^od)ftraten,  ben  ©raSmuS  einft  gebilligt,  biefem  je^t 
ju  oiel  ift,  wie  über  bie  glimpflid}e,  beinahe  fchmei^elhafte  Art, 
in  berSraSmuS  mit  einem  ©d)eufal  wie  ^od)ftraten,  baS  er  fclbft 
früher  für  ein  foldheS  erflärt  hot,  ju  SBerfe  geht,  ©ieht  mon 
ben  angefdjulbigten  33rief  felbft  an*),  fo  pnbet  man,  baß  @ras^ 
muS  bem  ^ochftraten  in  ber  feinften  Slrt,  unb  ^um  Xhcil  mit 
füßen  SBorten,  hoch  höchft  bittere  SSahrßeiten  fagt;  ob  er  etwa, 
fragt  er  fefet  ben  fRitter,  auf  gut  §uttenifd)  fo  an  jenen  hotte 
fchreiben  foHen:  Unflätige  ßloafe,  bu  crfredjft  bich,  große  aRdn* 
ner  mit  beinen  ©ch  . . . büchern  511  befchmihen?  Sn  oielen  gäU 
len  freilich  Weiß  ©raSmuS  feine  nad)  allen  ©eiten  hin  Oerfchwens 
beten  ©djineicheleien  nur  burd)  ©pipßnbigfeiten  ^u  red)tfertigcu. 


1)  ^Ibgebrudt  in  ^uttcn’S  ©(Triften  1,  ©.  303—306. 


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i^uttcn’s  53ff(!^|ö}erbci^nft  ttibcr  6ra§mu§.  473 

unb  aud)  luir  fönncn  cinc^  wibrigcn  ©inbnicf^  uoii  bnifclbcu 
um  fü  ujcnicicr  cnud)rcn,  al^  tuir  mciftcnö  aiii3  fonftigcn  ?(cuge* 
rungcn  ©ra^mii^  lüiffcn,  bog  er  über  bie  fo  (^cfd)mcidbcltcii 
. '^crfÖn(icf)feitcn  für  fiel)  c^anj  anber^  bad)te,  @r  ben  (^ruiib^ 
fafe,  ba6  mau  fcinc^')ücö‘3  c^cbaltcn  fei,  überall  uiib  immer  bie 
2Ba()r^eit  ju  fabelt,  ja  in  mand)en  göden  fei  cö  ^flic^t,  fie 
üerfc^meigen ; §uttcn  meijj  feinen  3lbfcbcn  üor  einem  feieren 
(^rnnbfa^e  (bem  er  alö  ^umanift  felbft  bi^meilen  gebnlbigt  bötte) 
nicht  ftart  genug  au^pbrüefen:  burd)  biefe  0tarrl)cit  aber  b^tte 
er  ficb  anö  allen  53erbältniffcn  ber  2öirflid)fcit  berau^gefe^t;  mäb- 
renb  @raämuö,  um  gegen  biefe  in  feinem  S53irfen  auf  feiner  0eitc 
,^u  üerftofeen,  nicht  feiten  SBabrbeit  unb  SBürbe  auö  ben  Hugen 
üerlor.  ©o  fteben  fid)  in  btefem  ©treite  immer  ^toei  ganj^c 
ÜJ^enfeben,  ^mei  gefcbloffene  ©tanbpunfte  entgegen,  bereu  jeber 
feine  einfeitige  iöered)tignng  l)öt,  aber  eben  bnrd}  biefe  ©infeitigs 
feit  ber  ©ebulb  unb  bem  ©d)icffale  ücrfällt. 

^)ocb  nicht  nur  geinbe  |)utten'ö  unb  ber  fchönen  Söiffen* 
.fchaften  follte  ©raeinu^  gelobt,  and)  greunbe  beffelbcn  ange^ 
fd)tüär-^t  halben,  oor  allem  ben  bamal^  fürjlich  oerftorbenen  9icud)s 
lin.  ^ier  mad)t  nun  mirflich  §utten  auö  einer  gliege  einen 
©lepbonten.  2)ajj  (Sraßinuö  im  .^ebräifchen  dapito  über  ben 
alten  äWeifter  geftellt,  mirb  auö  feinem  9teib  unb  5(erger  barüber, 
ba§  man  9'lcucblin  unb  ibn  alö  bie  beiben  iUugen  ^eutfcblanbsJ 
^nfammen^uftcllen  pflegte,  bergeleitet;  über  bie  obneß^oeifel  ganj 
mabrbeitögemäge  9lotiä  aber,  bie  Sra^ntn^  bem  ©r^bifchof  Oon 
S^odbeftcr  in  einem  53riefe  gab,  ba§  IReuchlin  bei  ber  Oorüber^ 
gebenben  Söicberfunft  bcö  oertriebenen  .^er^^ogö  Ulrid)  im  ©om* 
mer  1519  einigen  ftuttgarter  iöürgcrn,  benen  er  erft  oerfprochen 
gehabt,  mit  ihnen  nad)  ©güngen  au^^^muanbern , nad)ber  nicht 
SSort  gehalten  höbe,  toirb  er  mie  über  bie  febmär.^efte  ^-öerläumbung 
meitläufig  unb  brobenb  ^ur  fRebe  geftellt. 

®en  Äern  ber  ^utteirfdjen  Auflage  gegen  ©raömuö  jebod) 
bilbet  bie  ©tcllung,  mclche  biefer  £utber  nnb  beffen  ©ad)e 
genommen  batte.  0 beö  umoürbigen  ©d)aufpielö!  ruft  l)ier|)ut5 
ten  auö.  ®ra^mud  bat  fid)  bem  ^apft  ergeben.  3^on  il)m  bat 
er  ben  Tluftrag,  bem  ^Infeben  be^5  apoftolifd)cn  ©tubles  nicht-5 
gefcheben  ju  laffen.  ^)aö  ift  mie  |)erculei^  im  3)ienfte  ber  Ompbale. 
SBelchcn  uermorfenen,  uerächtlid)en  aJienfchcn  bat  er  fich  bamit 


474 


II.  $u(^.  10.  j^apttel. 


in  !Dicnft  (ict^cben!  Unb  er  ()ot  fc^on  ben  Äricg  eröffnet,  fd)on 
eine  SBunbe  nerfe^t.  )s|[Belc^c  Unnuanbluni]!  „%n'\  rebet  il)ii 
c^utten  an,  „ber  nod)  jün^ft  bie  De^rabenc  grömmit^feit  micber 
au$c;rub,  ba§  ©uanqelium  qu3  bcni  2Bin!el  an  ba^  ßid)t  jurürfs  . 
fiU)rte  unb  bie  iRclißion  luiebcr^crfteüte , bii  Icif)ft  je^t  -^u  bereu 
ßcrftöriiuß,  Sßertreifmnc;,  S^licberiucrfunfl,  SSernic^tuufl  beine  $anb." 
0b  er  nod)  bei  ©innen  fei?  Um  bic@rünbc  folc^er  ^anblunt;^^ 
mcife  befragt,  gebe  (SraSmuö  felbft  nic^t  3Ki6falIcn  an  ber  ©ad^c, 
fonbern  ba^  Einbringen  eineö  EUeanber  unb  ©lapion,  cine§  EBiU 
l)elm  uon  EJ^ontjoie  unb  ^erjogö  (SJeorg  uon  ©ac^fen  an;  felbft 
ber  Äaifer,  bringe  er  nor,  f)abe  if)n  jur  SSibcrIegung  £utl)cr’ö 
für  ben  (^ceignetften  gel)altcn.  „SDa  fiet)t  mair\  ruft  Jütten  ^ 
i()m  ^u  (unb  biefe  Eöorte  trafen  eine  ber  üerberblid)ften  ©c^inäc^en 
bcö  ©raömud),  „ba  fiel)t  man,  mie  eö  bir  im>I)lt^ut,  bid^  titelt, 
tuenn  große  Herren  bid)  grüßen,  bid)  Oertraulidj  anreben,  bir 
il)rcn  großartigen  ^unft,  ißre  fürftlid^en  hoffen  uormac^en,  in 
ißrem  ^ofprunfe  mit  frehoiUigcn  ©naben  bir  entgegenfommen. 
Eöäreft  bu  nid)t  lüfteru  noeß  folcßem  ßätten  bir  jene 

oergeblicß  gallen  geftcUt,  unb  nie  ßötte  man  bid}  oon  unö  ob= 
loenbig  gemaeßt,  menn  bu  nid)t  eine  große  @ßrc  für  bieß  bariii 
fänbeft,  baß  bic  oerlaffcnc  römifeße  (Suric  auf  bie  Elacßri^t  oon 
beinern  Uebertrittc  loic  oon  feßmerem  2)rude  toicber  oufatßmct." 

^oeß  für  feine  5^rcue  gegen  ben  römifeßen  ©tußl  gebe 
(Sraömuö  ben  ©rnnb  an,  baß  bie  römifeße  Äircßc  bic  fatßolifcßc 
Üird)e  fei.  „3cß  mill  auf  ber  ©teile  oerloren  fein  an  Seib  unb 
©celc",  ruft  ßier  Jütten  au^,  „menn  bu  nidjt  feßr  gut  meißt, 
melcß  großer  Unterfeßieb  jioifdjen  ber  fatßolifcß  apoftolifeßen  unb 
biefer  römifdjen  ÄUrd)c  ift."  ^o  märe  bic  göttlicßc  apoftolifcßc 
©cßrift,  in  loclcßer  ftünbe,  baß  ju  fRom  eine  Äircßc  fei,  bic  bet 
übrigen  ^aupt  fein  unb  einen  E3i)cßof  ßaben  foUc,  ber  bic  anbern 
tprannifiren,  baö  (Suangelium  abänbern  bürfe;  ber  bei  oUct 
©d)led}tigfcit  ßcilig  genannt  merben  müffe;  bem  cd  jufteßc,  über 
bie  Eieicßc  ber  Eöclt  .^u  Oerfügen  unb  ben  Fimmel  ju  oerfaufen? 
©raömud  fagc,  jeber  grommc  fei  bem  Zapfte  ßolb.  3m  ©egen- 
tßcil,  meint  glitten,  fein  grommer  fönnc  bemjenigen  ßolb  fein, 
beffen  ganjed  SSefen  ©Icidncrci  ift,  mit  ber  feine  moßre  Srömmic^* 
feit  befteßen  fann. 

Ein  ßutßcr  fe^c  ©radmud  fein  ßodjfaßrcnbcd  EBefen  unb 


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^utten’3  Sejd^toerbejc^rtft  toibcr  @ra§mu3. 


476 


feine  ma^lofc  0d)iiiäl)fiicf)t  ^lüein  fclbft  tt)enn  il)m  biefe 
perföulid)  ^ur  fiaft  fiele,  enti]e9net  |)utten,  fo  fliiu]e  baö  bie 
»^ac^e  beö  ©üangeliumö  nid)tö  an.  5lud)  au  ciiv^elneu  2e[)ren 
beffelben  möge  @raämii'3  immer  mäfeln.  5?ragc  man  if)u  jebod) 
aiifi^  ^emiffen,  maö  C‘5  buc^  fei,  ba^  ben  $apft  an  iiutl)er  fo 
fel)r  üerbriege,  ba§  er  i^u  burc^au^^  tobt  ^aben  molle  ? fo  merbe 
@raömii3  felbft  antmorten  muffen : baö,  baf5  er,  nid)t  /^uerft,  bod^ 
am  gemaltigften  ber  päpftlidjen  Xprannei  fid)  luiberfefet  ()abe;  bag  er 
ben  aWenfe^enfapungen  it)r  Slnfeben  entzogen,  ben  päpftlidjcn  Xrug 
ber  2öelt  offenbar  gemadjt,  bie  a)?ad)t  ber  iöullen  üernidjtet,  bem  Slb* 
laß  iinb  äbnlidjen  0piegelfcd}tereicn  Teutfdjlanb  ocrfd)loffen  b^^be. 
^)iefe^)ingc  babc  er,  §utten,  febon  üor  ßutber  befämpft ; fiutber  fei 
meber  fein  ßebrer  getoefen,  nod)  fic  ©inoerftänb? 

ni§,  fonbern  jeber  treibe  fein ^icfd)äft  für  fid}:  aber  lucil  eö  ein* 
mal  ©itte  gemorben,  bag  jeber  Jeinb  ber  päpftlicben  3^uingl)crrs 
febaft  unb  greunb  bei^  ©oangcliumö  Sutberaner  l)c\\ic,  fo  laffc 
er  ficb  lieber  bureb  biefe  Benennung  Unrcd}t  tbnn,  um  nid)t 
bureb  aiblcbnung  berfclben  ben  ©d)cin  erregen,  alä  moUte  er 
ba^  Sefenntnig  ber  ©aebe  ocrlängnen.  3n  biefem  ©inne  aber 
fei  auch  ©raömnö  ein  Sutberaner,  unb  um  fo  mel}r,  ba  er  be* 
rebter  aU  irgenb  einer,  ebc  noch  bie  SSelt  oon  Jütten  ober  fiutber 
etmaö  gemugt,  gan^  auf  baffelbe  bingearbeitet  gäbe.  2)aüon  moUe 
er  i\mar  nichts  mehr  luiffcn;  aber,  menn  nid)t  ber  grögere^  ^bcH 
feiner  ©ebriften  oeniidjtct  merbe,  müffe  jeber,  ber  auf  bie  ©aebe 
felbft,  mib  nid}t  auf  SÖ3orte  ad)te,  ibn  ^u  biefer  Partei  redjuen, 
bie  er  jept  befämpfe,  bie  aber  .glitten,  and)  gegen  il)n,  oertt)cibi« 
gen  merbe.  lüe^tereö  tbue  er  ungern:  ,,bod)",  erflärt  er,  „meil 
bu  lieber  bei  jenen  fd)maropen,  alö  mit  mir  ber  ^4^flid)t  getreu  bleiben 
luillft,  fo  mug  icb’ö  leiben,  bag  mir  uiiiS  trennen.  Üüiagft  bu  bort 
ein  bebaglid)eö  Seben  fül)rcn,  mo  groge  gerren  finb,  bie  bir  ÖJe- 
fdienfe  mad)en,  unb  menn  bu  gegen  fiutl)er  fd}reiben  millft,  33iö= 
tl)ümcr  für  bid)  in  ^ercitfd)aft  galten  unb  fette  ^jrünben  bir 
abtreten:  id)  miü  I)ier  in  ÖJefal)r  ftel)en,  mo  ernfte,  red)tfd)affene, 
mal)re,  lautere,  beftänbige  unb  freie  9}?änner  finb,  bie  fid)  burd) 
feine  ©efd)enfe  bemegen,  burc^  feine  @l)ren  umftimmen,  burc^ 
feine  @efaf)ren  fd)reden  laffen;  benen  (^cred)tigfeit  l)eilig,  Xreue 
unoerle^lic^,  bie  g^eligion  ger^em^--,  bie  2Bal)rl)eit  CMemiffcn<^fad)e 
ift.  äöüd  gcl)en  mic^  bie  Dielen  9lücffid)ten  an,  burc^  meld)e  bu 


476 


II.  ^ud(|.  10.  .^opttcl. 


bicf)  bcr  römifd)cn  (Suric  ücrbmibcn  bcfcnnft?  3c^  tücrbc  cbcnfo 
ftanbljaft  um  bc^  flcmciucn  tüiücn  jene 

befämpfen,  aU  bu  um  eignen  Sßortpeilö  millen  fte  bel)artlid)  511 
nertl)eibic|en  ciebenfft.  Uiib  babei  merbc  ic^  leicf)terc  Arbeit  unb 
ein  freiere^  ©emiffen  haben,  ba  ich  offen  unb  einfach  bie  SCBalh^' 
heit  fa^en  barf:  mährenb  bu  in  ber  Übeln  ©tellunci  bift,  erbich^ 
ten,  erfinben,  erfinnen,  lügen  unb  täufchen  ^u  müffen." 

9toch  einmal  mirb  bem  ©ra^rnuö  am  ©chluffe  ju  ^iemüt^c 
geführt,  mie  fehr  er  fid)  in  feiner  9technung  auf  ben  @rfoIg 
feinet  ÄampfcS  gegen  ßutl)cr,  unb  auf  bic  ^anfbarfeit  ber  Partei, 
in  beren  ^)ienft  er  getreten,  täufdicn  bürftc.  ^iefe  ficute  merben 
il)n  mehr  mie  einen,  ber  fid)  ergeben  höbe,  mic  einen  ©efangeneu, 
aU  mie  einen  i^unbe^gen offen  aufnehmen,  ©ie  meinen,  mit 
mu^  ber  ©ad)e  bc^  ©oangeliumö  ihre  möchtigfte  ©tü^e  ju  ent= 
;,iehen.  5tber  fie  merben  finben,  baß  bie  2öahrl)cit  folcher  ©tü^en 
nid)t  bebürfe.  3o,  fie  merben  finben,  baß  auch  nach  feinem 
Uebertritt  @ra§mu§  fort  unb  fort  burd)  feine  frühem  ©chriften 
für  bie  ©ad)e  beö  ©oangeliumö  unb  gegen  bic  römifche  ^^prannci 
Mmpfen  merbe.  merben  ipm  bie  9lomaniftcn  nie  ocr^eihen. 
©tet§  merben  fie  ipn  alö  benjenigen  hoffen,  bcr  ihnen  bic  erfte 
Söunbe  gcfd)lagcn  l)obc.  ©0  ocrlicre  er  auf  bcr  einen  ©eite  mehr 
5)anf,  alö  er  auf  ber  anbern  geminnc.  @r  bringe  fiep  um  feinen 
frühem  mähren  fWuhm,  ohne  neuen  ^u  ermerben.  ©clbft  menn  er  mit 
feinen  neuen  Sunbeögenoffen  fiegen  foUte,  mürbe  cö  ein  trauriger 
©icg  für  it)n  fein.  @r  meiß  cö  mopl,  unb  fagt  cö  auch  felhft, 
baß  mit  bcr  Unterbrüdung  bcr  Sutherifchen  Partei  auch  bielco 
Don  bemjenigen,  mofür  er  gemirft  unb  geftrebt,  unterbrüeft  mer» 
ben  mürbe.  Unb  bennod)  fämpft  er  gegen  fie!  gür  Jütten  ift 
er  ein  (^egenftanb  bcö  ^titlcibcnö.  ^lud)  bic  übrigen  ßutheroncr 
bctlagen  feinen  Uebertritt  mepr  um  feiner  alsJ  um  ihretmiUen, 
benen  er  nid)tö  fehoben  tann.  ©ic  fehen  bem  llampfc  mit  ihm 
getroft  entgegen,  um  fo  mepr,  ba  bcr  frühere  @ra^muö  fclbft  in 
ihren  9icihcn  gegen  ben  jepigen  ftreiten  mirb. 

SBir  hoben  Jütten  al<S  ben  i^läger  auörcben  laffen,  um 
nun  and)  bic  SSertheibigung  unb  SSicberflagc  bcö  @raömuö  im 
ßufammenhongc  311  oernchmen.  .^utten  bcfchulbigc  ipn,  jagt  er, 
früher  fei  er  bcr  £utherif(hcn  Partei  jugethan  gemefen,  jc^t  be^ 
tämpfc  er  bie  ©ad)c  bc$  @oangclium§.  @ineö  fei  fo  falfcp  tnie 


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@ra§mu§’  S^Hoomm. 


477 


baö  anbcrc.  3nt  ©cgcntl^cil:  t)on  jc^cr  fd  er  jener  Partei  ab* 
geneigt  genjcfen,  nnb  nie  l)abc  er  anfgcljört,  ein  rcblic^cr  görberer 
ber  0ad)e  beö  ©uangcliiini^^  ju  fein,  ^arteimann  fei  er  über* 
l)aupt  nic^t;  baju  fei  U)m  feine  Unab()än9igfcit  ju  lieb.  *3)q6  er 
i)on  ber  iiutljerifd)en  'ißartei  nid)tö  lüiffen  inoUe,  l)abe  er  bem 
fHittcr  üor  brei  3al)ten  bei  it)rcr  Unterrebung  in  £ön>en  felbft 
gefügt.  2)er  ganje  $anbet  fd  raiber  feinen  fHatl)  dngefangen 
lüorben.  @leic^  Slnfangi^  ()abe  er  erfliirt,  er  üermiffc  an  ßutljer 
enangelifdjc  iöefdjeibcn^eit  unb  3Jdlbc,  l)abe  feine  ^ortnäefigfeit 
im  Söe^aupten  getabelt,  an  bem  (Reifte,  ber  il)n  treibe, 
geäußert,  ^iefe  Stu^^ftellungen  feien  burc^  bie  0c^riften,  bie 
2utt)er  feitbcin  aus^gel)cn  laffen,  immer  me^r  beftätigt  mors 
ben.  Xa  er  fid)  in  biefem  0innc  oon  oorne  Ijerdn  über  2utl)cr 
auögefproc^en , fo  miffe  er  fic^  Ijicrin  feiner  Söanbelbarfeit 
fd)ulbig. 

(Sbenfomenig  in  feinen  ^[eugerungen  über  ben  römifd)en 
0tuf)l.  $äpftlid)e  Xprannei  unb  9fiaubfud)t,  morüber  bie  flogen 
fc^on  fo  alt,  l)abc  er  nie  in  0c^up  genommen,  ^cn  Slblafe  fo 
menig  in  iöanfc^  unb  iöogen  oermorfen,  qU  ben  fc^mäl)lid)en 
^anbel  bamit  gutgel)ci§en.  ^ie  (Srflärungen  feiner  @rgebenl)eit 
gegen  ?Rom,  auö  benen  il)m  Jütten  ein  ?öeibrec^en  mac^e,  feien, 
in  feinem  0innc  oerftanben,  burc^auö  unoerfänglic^.  3a,  er  ^abe 
gefügt,  er  merbe  oon  bem  römifc^en  0tul)le  niemalö  meid^en. 
Slber  nur  fo  lange  biefer  nic^t  oon  (E^rifto  meidjen  merbe.  @r 
l)übe  gefügt,  jeber  gromme  fd  bem  Zapfte  l)otb.  5lUein  bem 
^apfte  ^olb  fei,  mer  i^n  gerne  mit  apoftolifc^en  Xugenben  ge* 
jiert  fel)e;  man  fönnc  ben  2eo  (ber  mar  tobt)  Ijaffcn,  unb  boc^ 
ben  ^^?apft  lieben;  mer  mit  ben  Untl)atcn  ber  ^Üpfte  halte, 
ber  meine  cö  midjt  gut  mit  bem  ^4^apfte  felbft.  Xa^  finb  nun 
freilich  blo^c  Sporte.  SDenn  eben  bie  Erfahrung  mar  bamalö  reif 
gemorben,  ba§  baö  Verfehlte  unb  ^erbcrblidje  im  SBcfen  beö 
^4^apftthum^  felber  liege;  bag  alfo  auch  ein  jufällig  beffereö  3n* 
bioibuum,  baö  in  bie  0teüung  cineö  ^apftc!^  fomme  (mie  etma 
ber  bamalige  ^4^apft  Slbrian  VI.,  auf  ben  fid)  @raömu5$  auch 
berief),  entmeber  burd)  bicfelbe  oerberbt,  ober  hoch  fo  gebunben 
merbe,  bofe  feine  perfönlichen  Sor^üge  bem  3nftitutc  felbft  unb 
ber  SÖelt  nicht  ju  (^ute  fommen. 

Unter  ben  ^£)ingen,  melche  bem  (Sra^mu^  an  ber  ^Reformation 


478 


11.  10.  j^apitel. 


migficlen,  ftanbcn  natürlid)  bic  (Strcitic^tciten  iinb  Unru^nt,  btc 
fic  mit  fid}  fü[)rte,  oben  an.  §uttcn  mtcö  bagegen  auf  ba§  Söort 
(£t)^ifti  biii/  bag  er  iüd)t  ben  ^rieben,  foubern  bQ)§  ®d}tt)ert  unb 
©nt^mciunc^  bringe;  erinnerte,  bag  bie  0c^ulb  biefer  Unrul}cn 
auf  biejenigen  falle,  meldjc  ba§  (Suangelium  nic^t  leiben  mollcn; 
unb  meinte,  auf  bie  5rage,  maö  beffer  fei,  bie  Unruhen  in  ben 
Äauf  äu  nel)ineii,  ober,  um  fie  ^u  uermciben,  bie  Unterbrüefung 
beö  ©üangelium^  fic^  gefallen  ju  laffen,  fönne  bie  Slntmort  nidjt 
5tüeifel()aft  fein.  §(ber  (Sraömuö  glaubte  ^JJiittel  unb  Sßege  ju 
miffen,  mie  bie  3ad)e  (5uüngelium‘3  oljne  Xumult  burc^gefü^rt 

merben  fönne;  er  martete  nur,  bi^  i^n  gürften  unb  ®elc()rtc  um 
fein  (i^utac^ten  angeben  mürben.  Xod)  ganj  feinen 

9latbfd)lägcn  aud)  je^t  febon  nicht  jurüd.  Sluf  beiben  0eiten  fab 
er  Uebertreibung.  SBo^^u  führen  foHe,  menn  ber  eine  Xbeil 
nur  noch  non  Unruhen,  3onf  unb  Schmähungen,  ber  anbre  nur 
non  'Bannbullen  unb  Sdjeiterhaufen  miffen  molle?  Beibe  Xhcilc 
füllen  fich  in  einanber  fchiden.  3»  allen  alten  unb  ^auptartifcln 
be^  chriftlid)en  ©lauben^  nnb  üebenö  fei  man  ja  einig.  X)cr 
Streit  betreffe  größtenthciliS  nur  gemiffe  Boraboyen,  bie  thcil^ 
unoerftänblid),  theilö  unmefentlid)  feien.  Xarum  foHtcn  bic  geift- 
liehen  unb  meltlichen  9)^ichthaber  ihre  Seibenfehaften  unb  ihren 
Brbatüortheil  bem  ©em'cinmohl  unb  ber  ©Iji^r  Shrifti*  nachfe^cn 
unb  auch  auö  geringem  3Jhinbe Belehrung  annchmen.  Xie  (^3elehrtcn 
aber  follten,  ohne  3onf  unb  Schmähungen,  über  bic  Beilegung 
be^  3^^^<^fpolteö  unb  ba^  Bcfte  ber  (Shriftenheit  uerhanbcln  unb  bie 
(Srgebniffe  biefer  Berhanblnngcn  in  geheimen  Briefen  bem  Bopft 
unb  bem  Äaifer  -^ur  Äenntniß  bringen!  — ^Ifo  baö  mar  bo^ 
@raömifd}c  Slrcanum:  erft  bic  ganj  begrünbetc,  nur  Icibcr  in  aUcn 
3eitcn  ber  Bemegung  ootltommen  mirfung^lofc  Brebigt  ber  2Jiä= 
feigung  nad)  beiben  Seiten;  bann  ein  Borfchlng,  ber  fo  finbifd) 
ift,  ba^  man  glauben  müßte,  (5ra§mu5  höbe  fclbft  im  Stillcu 
über  bcnfclbcn  gclächclt,  müßte  man  nidjt,  mic  bic  ^furcht  Uor 
SlcUolntionen  bie'  flügftcn  3Känncr  (einer  5lrt  über  ba^  Un.vi- 
reid;enbc  ber  Drittel,  bic  fie  bagegen  in  Borfchlag  bringen,  ju 
bcrblenben  pflegt. 

HU  feinen  SebciUbcruf  erfennt  @raömuö  bic  Beförbernng 
ber  beffern  2öiffenfd)üftcn,  bic  @rncucrnng  einer  einfachen,  rcino^ 
reu  Xheologie:  unb  bafür  merbc  er  ^eitlebciU  mirfen,  ob  eö  Üuthern 


(SraStnuS*  ^d^itoamm. 


479 


lieb  ober  leib  fei,  ben  er  für  einen  9}icnfd)en  Ijolte,  ber  irren 
unb  anbre  irrefü^ren  fönnc.  ?lucb  glitten  gebe  ja  nur  ungern 
bag  man  il)n  £utl)craner  neune,  unb  infofern  mit  fHcc^t,  aU 
üutl)er  felbft  il)n  nid)t  anertcnnc.  3a,  er  müfete  fid)  fel)r  täufc^cn, 
menn  biefem  nic^t  ein  C^iegner  mie  (Srav^rnuö  lieber  märe,  al^  ein 
Sln^änger  mie  $utten.  ^amit  ift  mol)l  nod)  mel)u  gemeint,  old 
mo^  ©radmuö  an  einer  anbem  ©teile  fagt,  feine  3wtüdt)altiing 
fd}abe  ber  ©ac^c  2ut^er'ö  meniger  alö  ^utten'ö  unüberlegte  ^i^e. 
SBen  boc^  biefer  unter  ben  äöir  unb  Unö  oerfte^e,  bon  benen  er 
fo  oft  rebeV  Ob  alle  ol)ne  Unterfc^ieb,  bie  irgenbmie  ßutl^ern  an^^ 
Rängen  unb  bem  ^apfte  übel  moHen?  9Jac^  beö  (Sra^muö  Ur? 
t^cile  finb  l)ier  oerfdjicbene  Äiaffen  mo^l  ^u  untcrfc^eiben.  Srftlid) 
gelehrte  unb  mof)lgefinnte  ßeute  (er  gehöre  nic^t  ^u  il)nen,  fagt 
®raömuä,  aber  erfenne  fie  alö  ebrenmertl)e  ßeute  an,  unter  benen 
er  gute  g^eunbe  ääl)le),  meld)e  bie  mciften  oon  fiutbcr’ä  2el)rcn 
billigen  unb  ber  ^adjt  ber  9^ömlinge  ©d)ianfcn  gcfe(jt  münfd^en. 
©ie  moUcn,  ba§  $apft  unb  iüifc^öfe  ftatt  meltlid^er  gürften 
eoangelifc^e  2el)rer,  ftatt  5^i)ranncn  öäter  feien;  baß  ber  Slblaß* 
unb  üöuücnl)anbcl  bejcßronft,  bie  ÜJ^enge  ber  Zeremonien  unb 
gefttage  geminbert,  maljrc  grömmigfeit  bagegen  belebt  merbe; 
baß  bie  fd^olaftijc^cn  ßeßren  ber  ßeil.  ©d}rift  raeid)cn;  allcrljanb 
£aften,  mie  ©peifeoerbotc,  Zl)el)inberniffe,  crleidjtert,  bie  ie^t  fo 
ucrmeltlidjten  ajiöndje  ju  mal)rl)aft  gciftlicßem  Seben  jurüdgefüßrt 
merben  u.  bgl.  m.  5öon  ollen  biefen  billige  aber  fein  eiu5iger 
$uttcn’^  Untcrueßmungen,  fo  menig  alö  2utßcr  felbft.  Zinc  an* 
bere  Älaffc  oon  £utßerancrn  befteße  auö  3Kenfd)cn  oßne  iöilbung 
uiib  Urtßcil,  oon  unreinem  Söanbel  unb  unrußigem  ©innc,  bie 
£utßeni  anßängen,  oßne  feine  £eßren  i\u  befolgen,  ja  nur  rcd)t 
ju  fennen.  ©ie  ßalten  fieß  oor^ugdmeifc  an  bad  9fegatioe  barin, 
'geßen  nießt  in  bie  ilireße,  oerleßcn  bie  ©peifeoerbote,  feßimpfen 
auf  ben  ^apft  unb  fd)ließen  ißre  coangcliftßcn  33ünbniffe  am 
liebften  beim  üöecßer.  ^cren  aufrüßrerifeßem  ZJebaßren  merben 
bie  gürften  mit  ZJemalt  entgegentreten  müffen.  3ßre  ©cßulb 
merbe  eö  bann  fein,  baß  aueß  ben  gered)tcn  ^cfcßmcrbcn  nießt 
obgeßülfen  merbe.  3Kit  biefer  ^Irt  oon  SD^enfeßen  münfd)e  er 
feine  ZJemeinfcßaft,  unb  aueß  Jütten  feßeine  nießte^  oon  ißnen 
miffen  511  mollen.  9fun  gebe  eö  aber  noeß  eine  britte  Hlaffc, 
benen  cd  gar  nießt  um  bn<J  Zoongelium,  fonbern  unter  beffen 


480 


II.  $ud^.  10. 


Somanbc  Icbic^lid^  um  öeutc  unb  ^(ünberung  ju  t^un  fei.  ^iefc 
crfcunc  £utl)er  nic^t  an,  mic  bcnii  auc^  i^rc  Sc^rfä^e'uon  ben 
feinigen  fc^r  ücrfc^icbcn  feien,  nämiid)  biefc:  mer  einigen  ^bel 
üonücnben  fönne,  ber  b‘ibe  boö  $Hec^t,  einen  Söanbercr  auf  offener 
©tvafec  anjufallen  unb  entmeber  ju  berauben,  ober  gefangen  meg? 
äufü^ren;  ba^  3^edjt,  menn  er  fein  (SJelb  bei  SBein,  kirnen  unb 
0piet  burdjgcbradjt,  jebem  ^e^bc  anjufünbigen,  oon  beni  er  ctnxijg 
geioinnen  ju  fönnen  glaube.  Sl^ielleidjt  gebe  eö  einige,  bie,  nac^* 
bem  fic  aUeö  ba^  3l)rige  ucrfc^menbet  ^aben,  fic^  nun  alö  2utbc= 
raner  ftellen,  um  unter  biefem  Xitel  fic^  (Gönner  ju  ermerben. 
X)ü6  bamit  auf  Jütten  unb  (^ppenborf  gejielt  unb,  außer  frühem 
angeblichen  Xhaten  beö  erfteren,  ber  Singriff  beiber  auf  ©raörnuö 
gemeint  ift,  märe  flar,  menn  auch  iiicljl  einer  anbern  0tellc 
@raömu^  gcrabeju  fagte,  bie  iöenennung  cine^  Sutheranero  möge 
für  Jütten  je^t  Oon  lliu^en  fein,  ba  fie  allein  ihm  0chu6  unb 
S^ahrung  oerfchaffe. 

Sluch  folgenbe  0tellc  ift  ooll  oerborgener  0pi^en  gegen 
Jütten.  @r  fehc,  fagt  ®raömu^,  ^mar  oielc  Sutheraner,  aber 
menig  ©oangelifdje.  SlBenn  Jütten  iicute  fenne,  bie,  ftatt  mit 
Söcin,  Xirnen  unb  SBürfeljpicl,  fid)  burch  ßefen  ber  h^-’il-  ^ch^ift 
unb  fromme  ©cfprädje  ergeben;  melche  niemanb  um  baiS  @elb^ 
baö  fic  ihm  fchulbig,  betrügen,  fonbern  freimillig,  ma^  fie  nidjt 
fchulbig,  ben  Xürftigen  fpenben;  meldje,  ftatt  folche,  bie  ihnen 
nichts  ju  ßeibe  gethan,  ^u  fd)mähen,  oiclmehr  auf  baj^  0chcltmort 
felbft  eine  Oerföhnliche  Slntmort  geben ; mel^c  nicmanben  bemalt 
anthun  ober  anbrol)cn,  fonbern  fogar  erlittene^  Unredjt  mit 
2öol)lthoten  oergeltcn;  mddje  fo  menig  Unruhen  erregen,  baß  fie 
im  ©egentheil,  mo  fie  fönnen,  ©intracht  unb  grieben  ftiften; 
meldje  fich  nicht  felbft  rühmen,  nicht  mit  SSerbrechen  ober  mit 
Xhoten,  bie  fie  gar  nicht  gethan  haben,  prahlen,  fonbern  ba^ 
Üob  aud)  ihrer  guten  SBerfe  auf  ©h^^fUint  übertragen:  menii 
§uttcn  bem  ©raömuö  folcße  ©oangclifchc  ^eige,  fo  merbe  er  fid) 
ihnen  mit  greuben  anfchließen.  Slber  fie  feien,  menn  eö  über* 
haupt  bergleicßen  gebe,  menigftemg  öußerft  rar. 

@egcn  baö  ©nbe  feiner  S^efchmcrbefchtift  hatte  fich  Jütten 
ber  SBcnbung  bebient,  ©ra^muö  gebe  burd)  feine  Söanbel  bar  feit 
unb  llnjuoerläffigfcit  ber  beutfehen  Sugenb  ein  übleö  33cif^>icl, 
unb  Jütten  merbe  baljer  alle  ermahnen,  be^  ©rof^rnuö  0itten 


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6ra§mu§’  S^toomm. 


481 


flic()cn,  tüic  er  simmer  ßcnmtjnt  l^abc,  feinen  0tubien  nac^^ueifern. 
(^ut,  entejeanet  biefer,  fo  möge  benn  bic  beutfelje  Sugenb  fid) 
|)uttcn'ö  0ittcn  jum  äliuftcr  ne()men.  253ic  er  an  einer  anbern 
0tcüe  ber  §utten'ö  an  il)n,  ju  fd^rcien  unb  bie 

iiafter  ber  ^äpftc  bem  ^olfe  511  nerfünbigen,  mit  ber  53cmerfung 
begegnet  mar,  er  fei  fic^  ju  tief  feiner  eigenen  geiler  bemüht, 
um  ben  9iid)ter  über  frembe  ju  machen;  aber  Jütten  möge 
fd)reien,  ber  Steine,  bem  feine  33efd)ulbigung  jurüefgegeben  merben 
fönne.  §iegegen  fann  faft  nod}  f)armloö  erfdjeinen,  menn 
©ra-^muö  einmat  fagt,  mäf)renb  feinet  5(ufentl)alteö  in  Trabant 
f)abe  er  üon  feiner  5(rmutb  in  Einern  3al)re  mel)r  an  0tubirenbe 
gefpenbet,  alö  gemiffe  £eute  üon  i^ren  üotcrlic^cn  (Gütern  bcs 
Rieben;  ober  menn  er  bem  ^utteirf^en  S^ormurfe  gegenüber,  bag 
er  fidj  burd)  0d)meidjelei  gegen  ^äpfte  unb  gürften  febü^en 
fud}e,  bemerft:  Jütten  freilid)  l)abe  Burgen  unb  SBälle,  Xruppen 
unb  33üd)fen,  9iaudj,  geuer  unb  0d)mcrtcr,  gebbebriefe  unb 
ilriege  §u  feinem  0d)ube;  baö  alleö  gebe  bem  (^raömuö  ab.  Qiu 
bem  befi^e  Jütten  je^t  nidjte  mehr,  mofür  er  ^u  fürd)ten  braud}te; 
üielleidjt  fei  er  barum  fo  tapfer.  (Sr,  (Sraömuö,  baö  geftebe  er, 
fürd)te  für  feine  SBerfc,  üon  benen  auch  $utten  bezeuge,  baß  fie 
in  meiten  Streifen  nidjt  menig  S^ii^en  ftiften.  @r  fpare  fid)  auf, 
um  ferner  nüben  ju  fönnen. 

3n  iktreff  ber  ßueignungen  feiner  33üd)er,  bie  ibm  uon 
Jütten  ald  (^elbjägcrei  uorgemorfen  maren,  ermiebert  (Sraömuö, 
Don  ^riuaten  b^be  er  nid)t  einmal  eine  ^anffagung  bafür  an- 
genommen, unb  üon  ben  gürften  b^^ben  ibm  bie  menigften  etmaö 
bafür  gegeben;  gebettelt  l)‘ibe  er  bei  feinem.  Unb  bod)  märe  eö, 
in  ^^etrad)t  ber  ilkbürftigfeit  beö  inenfd)licben  Sebenö,  oer.\eiblid)er, 
burd)  ebrlid)en  gleiß  auf  bie  greigebigfeit  ber  gürften  3agb  ju 
mad)en,  alo  oon  ben  greunben  ju  entlehnen,  maö  man  ihnen 
nicht  mieber^ugeben,  ju  laufen,  maö  man  nid)t  ju  befahlen  ge- 
benfe,  ober  burd)  irobungen  (belb  oon  fold)en  511  erpreßen,  bie 
nid)t^  oerfcbulbet  b^ben.  (Sr  miffe  nicht,  fagt  föraömuö  an  einer 
anbern  0telle,  ob  ber  Sßerbaebt^  berjenigen  ganj  grunblo^  fei, 
melcbe  behaupten,  .^utten  fei  oom  fRitter  pm  fißenben  Slrbeiter 
gemorben  unb  oerfertige  bcrgleid)en  0d)riftcn,  mie  bie  gegen  il)n, 
auf  ben  (Srmerb,  unb  j\mar  einen  boppelten,  inbem  er  fid)  erft 
oon  ben  Jsöeftellern  für  bie  0d)rift,  bann  oon  benen,  gegen  bie 
VIL  81 


482 


II.  10.  Rnpttel. 


fic  c\erid)tct,  bafür  bc5at)lcii  laffc,  bag  fic  ni^t  gcbrucft  tocrbc. 
53crcitv  btibc  it)m  aud),  luic  ucrlautc,  (füv  feine  Expostulatio) 
ber  iöudjbruder  ettua^  bc^a()lt.  ift  merfiuürbig,  mit  meld}cni 
(Sifer  ^uttcn'ö  ^ertt)cibigcr  gegen  bie  @raömifd)e  Spongia,  Otto 
JÖrnnfelö,  ben  Icfjtern  ^unft  511  miberlegcn  fnd)t.  |mttcn  l)abc 
ben  Bruder  feiner  0treitfd)vift  gar  nidjt  gefannt,  unb  biefer 
fönnc  befc^ipören,  il)m  nic^tö  für  biefelbe  gefd)entt  511  l)Qbcii. 
^üd),  meint  er,  lucnn  biefi  and)  ber  galt  gemefen,  fo  mare  bavoit 
immer  nid)U  Unrechte».  Ob  man  fid)  benn  für  feine  Arbeit 
nid)t  belol)ncn  laffen  bürfe?  unb  ob  nic^t  (Sraömn^  felbft  jumcift 
Don  fold^em  (Srmerbe  (ebc?  53efannt  fei  bod),  bag  fein  93cr(ec)cr 
groben  if)n  für  mci)r  alö  200  gt.  jäl)rlid)  55afel  unterhalte. 
@benfü  eifrig  tuiberfpradj  nun  aber  fofort  (Sraöinuö  biefer  ^n* 
gäbe,  burd)  meld}c  er  feiner  @l)re  ^u  nal)c  gethan  glaubte, 
ein  0dhriftfteüer  oon  @cfd)enfen  nnb  ^enfionen  ber  ©ro^eii  lebe, 
bie  er  fid)  burch  ^ebicationen  erfd)mcid)elt,  fanb  man  bamatö  in 
ber  Orbnung:  bagegen,  00m  Verleger  fid)  besohlen  su  laffen,  galt 
für  nicht  gans  ehrenhaft.  ift  eine  ^efferung  ber  ißerhältniffe, 
mie  eine  ^-öerid)tigung  ber  iöegriffe,  bag  fid)  biefeö  Urtheil  feitl)cr 
umge!el)rt  h^t- 

0cine  Spongia  eignete  (Sraömu^  in  einem  oorangefd)icftcu 
©d)reiben  bem  toelchem  er,  obmol)l  mit  feinem 

reformatorifd)cn  Sluftreten  oiclfad)  nnsnfriebcn,  bod)  immer  nod) 
in  freunblidhcm  SSerfehre  ftanb,  unb  sn  bem  fiel)  unterbeffen  §ut» 
ten  oon  ä)tülhaufcn  au^  (loooon  fogleich  mehr)  begeben  hotte. 
SBeil  nad)  3ünd)  suerft  oon  iöafel  auö  baö  ÖJift  (ba^  ^ntten’fchc 
ßibell)  gebracht  morben,  fo  il)m  paffenb  gefchienen,  aud) 

ba^  ©egengift  suerft  bortl)in  511  fd)icfcn.  5)abei  lieg  er  in  einem 
^rioatbriefe  an  biefen  feine  Unsufriebenheit  über  bie 

Stüifchcn  il)m  unb  ,'pntten  beftehenbe  Sßerbinbung  inerten  unb 
mad)tc  il)n  nicht  unbeutlid)  für  baö  @rf(^einen  ber  ^utten’fchen 
0trcitfd)rift  ocrantioortlich. 

Obioohl  mir  anf  ben  locld)cm  bie  ©ra^mifd)c 

©egenfehrift  erfd)ien,  erft  lociter  unten  ju  fpred)en  fommen,  fo 
fei  bodh  l)\cx  ein  Söort  über  ben  ©inbruct  gefagt,  ioeld)cn  bie 
beiben  0d)riften  auf  bie  3fil9cnoffen  t)cvoorbrad)ten.  mar 
im  ©ansen  ein  peinlidhcr.  ^en  geinben  ber  mieberauflebenben 
ill^iffenfchaften,  ben  2)unfelmönnern,  meinte  ©rai^muö  nicht  mit 


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ßinbrud  Quf  bic  3«töfnoffen. 


483 


Unrcrf)t,  toerbc  ^uttcn’ö  Eingriff  auf  i()u  bic  größte  grcubc  niad}cn. 
3m  fiagcr  ber  ^immniftcn  tuurbc  bcrfclbc  ^icmlict)  allgemein 
mißbilligt.  (Sogar  §uttcirö  alter  33unbex^bruber  (Sobau  $cffc 
mellte  il)m  bcnfelbcn  nießt  oerjeißen.  @o  ticfgcmur^clt  mar  noc^ 
immer  baiS  ^nfcbeii  bc5  @ra^-mu§.  Unter  ben  ©uangelifdjcn 
maren  ^mar  mandjc,  benen  c§  g^enbe  mad)te,  beffen  3'^ct^<^utigs: 
feit  cnblicß  cntlarot  ju  feßen,  benen  ^utten'd  fdjroffer  grcimutl) 
beffer  alö  feinet  ©egner^S  ücrmittelnbc  Diplomatie  ^nfagte.  ^ber 
gcrabc  in  ßutßer'ö  Umgebung  mißbilligte  man  ^nttcn’ig  (Seßrift. 
9tad)  allen  0eitcn  ßin  feßrieb  äJiclandjtßon,  man  möge  boeß  nidjt 
glauben,  baß  er  ober  Sntßcr  an  bcrfelbcn  gefallen  fänben.  Den 
Verleger  0cßott  ftcütc  er  in  einem  überaus  feßarfen  ©eßreiben 
megen  bcS  DrudS  ^nr  Siebe.  Söenn  aueß  baS  ^eneßmen  bcS 
SraSmnS  ber  Slcformation  gegenüber  ntaneßem  Dabei  unterliege 
meint  S)ic(and)tßon,  fo  ßätte  man  bod),  in  l!Öetrad)t  feiner  SScr^ 
bienfte  unb  feines  Hüters,  ein  9lugc  ^nbrüden  follcn.  Slueß  auS 
MlugßcitSrüdficßtcn  ßätte  man  bieß  tßun  follcn,  ba  eine  foldjc 
^cranSforbernng  nur  ba,yi  bienen  fönnc,  tßcilS  ben  ©raSmiiS  nod) 
meßr  gegen  bic  @uangclifd}en  jn  erbittern,  tßcilS  biefen  in  mciten 
reifen  ,!paß  ^nmege  511  bringen. 

Dod)  beinaßc  fd)cint  cS,  baß  ainß  foldjc,  bic  mit  ber  §ut= 
ten’fcßen  0cßrift  Einfangs  feßr  un^ufricben  gemefen  maren,  imd) 
bem  (^rfeßeinen  ber  (SraSmifeßen  @cgcnfd}rift  milber  über  jene  511 
beuten  anßngcn.  Die  .geftigfeit  beS  Eingriffs  erfdjien  ßarmloS, 
menn  man  fie  mit  ben  Düden  ber  ^bmeßr  oerglid).  „3cß  molltc'', 
fd)ricb  ifntßer  über  beibe  ^-öücßcr,  „baß  Jütten  feine  3^cfcßmcrbe 
gefüßrt,  norß  oiel  meniger  aber,  baß  ©raSmnS  fie  abgemifeßt  ßätte, 
2Bcnn  baS  mit  bem  Seßmamm  abmifeßen  ßeißt,  maS  ift  bann 
0d3inäßen  unb  2äftern?“  *)  0icßcr  ßätte  bamit  Sutßcr  ben 
iöeften  ber  3^'ilö(^ii offen  anS  ber  Seele  gcfprcd}cn. 

^alb  rüßrten  fid)  — ba  glitten  in§mifd)en  00m  ©cßauplaße 
abgetreten  mar  — aneß  gebern  ju  feiner  SScrtßcibigung.  Der 
feurige  ^ermann  Don  bem  ^^ufeße  ging  mit  einer  Seßrift  gegen 
ben  8d)mamm  beS  (SraSmnS  um,  bic  aber,  mic  biefer  meinte 
auf  Ü)klancßtßon's  Slbmaßnung  ßin,  nid)t  ^nr  ^uSfüßrnng  fam. 
Dßnc  3^oeifcl  märe  fie  beffer  gcratßcn  als  bic  bcS  Otto  ^rnns 


1)  V<x  ^riff  Dom  1.  Cot.  1523  in  ^ullcn’8  Sctiriften  II,  S.  370. 


484 


II.  10.  ßa^ttel. 


feU,  bcu  ,=^ur  SScvt^eibigunci  fdnc§  S3cfc^ü^cr-8  ^onlbarfcit  unb 
cüangclifc^cr  (Sifcr  trieb,  auc^  pcrfönlic^c  Söcfanntfc^aft  befähigte, 
tuäbrcnb  er  an  @eift  beiben  SJMimerit,  in  beren  @treit  er  firf) 
mifc^te,  QÜju  unebenbürtig  mar.  0einc  0d)rift*)  ift  in  einer 
?trt  Don  ÖJefpräc^^form  abgefagt,  inbem  jcbc^mat  erft  eine  l)erauö' 
geriffene  0telle  amS  ber  Spongia  unter  bem  S^iamen  bcö  @ro^- 
inuö  angeführt,  bann  unter  bem  9>lamcn  Otto  beantmortet  mirb. 
@0  ift  eine  tuot)lgemeinte,  gemiffcnl)afte  Slrbeit,  ber  mir  inöbe= 
fonbere  auc^  manche  fc^ä^barc  biograpl)ifct)e  S^otij  über  §uttcn 
uerbanfen;  bie  aber  ^mifc^en  ben  jmei  0d)riften,  auf  bie  fic‘S3cs 
j\ug  nimmt,  nic^t  btoö  burc^  it)r  fc^tec^teä  Satein  eine  fläglici)e 
gigur  mad)t,  Sonbern,  mä^renb  Jütten  unb  @raömu^  auf  bem 
freien  gelbe  beö  ^umaniömuö  fämpfen,  in  bem  meiten  @efic^t^= 
freifc  beg  Vernünftigen,  lRed)ten  unb  ©c^idlid^en  fid^  orientiren, 
^cigt  fic^  Vrunfelö  bereite  in  bcu  ^orijont  einer  blosS  rcligiöfen, 
\a  confeffioncUen  ^enfart  gebannt.  fehlte  nur  noc^,  bag,  mie 
füfort  Don  (Sra^rnuö  5Uber  gcfd)al),  bie  @raömifd)c  ©trcitfd}rift 
au^brücflid)  nad^  i^rem  Verljältniß  ju  ber  ßel^re  ßutber’^ 
geprüft,  mitt)in  an  einem  äJ^afeftabc  gemeffen  mürbe,  meldjer  ber 
benfbar  unpaffcnbftc  ^u  i^rer  Vcurtl)eilung  mar-). 

©0  verengte  fic^  ber  @eift  ber  ober  biefcö  fid)  Ver^ 
engen  mar  )iuglcic^  ein  fid)  ßi^fonimenncbmen , unb  jufammens 
nehmen  mußte  er  fid),  um  feine  ^lufgabc  ^u  löfen.  ®cr  .£>uma5 
niemuäi  mar  meitberjig,  aber  aud)  matll)eräig,  mie  mir  an  feinem 
anbern  beutlicl)er  fe()en  alö  an  @ra^mu^:  er  l)ättc  bie  Umbilbung 
ber  3cit  nic^t  burd^gcfc^t.  ßutljer  mar  engherziger,  befd)räuftcr  al^^ 
@raömu§:  aber  biefer  fich  zufammenhaltenbcn , nicht  re^ti^  no^ 
linfö  fehenben  Äraft  beburfte  eö,  um  burchju brechen.  ®cr  |)uma= 
ni^mu^  ift  ber  breite,  fpiegclnbc  Vingen:  er  muß  erft 

enger  unb  milber  merben,  menn  er  fich  burdh  baö  ©ebirg  bie 
0traßc  juni  9J?eere  bahnen  mill.  ^aburch  eben  mar  §utten 
fo  einzig,  baß  er  mit  ber  humaniftifd)en  ©eiftc^meitc  ben  refor* 
matorifchen  SSiden^brang  öereinigte. 

1)  Othonis  Brunfelsii  pro  Ulricho  Ilutteno  defuncto  ad  Erasmi 
Roter.  Spongiam  Responsio.  3n  ^utten’S  8(hriften  II,  ©.  325 — 351. 

2)  Judicium  Erasmi  Alberi  de  Spongia  Erasmi  Rot.  adcoque  qua- 
tenus  illi  conveniat  cum  M.  Lutheri  doctrina.  (Sbetibafclblt  ©.  373 — 378* 


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485 


\ 


(gilftC5  flapitfl. 

» 

$t(ßittoeti'd  itnb  c^mtten’d  fttbe. 

1523. 

•’puttcli  uon  feiner  eibgenöfftfcljen  JJreiftatt  auö  mit 
iin^ftlic^er  ^ufmerffamfeit  bie  ©utiuicflimt^  Don  ©irfint^en'ö  0d)icfs 
fal  beobachtete,  an  bem  feine  le^te  .§offnini(^  hini;,  läßt  fid) 
benfen.  2(bev  bie  9^iad)rid)ten , bic  auö  ^entfchlanb  einliefcn, 
lauteten  nicht  tröftlid).  ,/-ßon 'ilienic^teiten",  fd)rieb  am  13.  ge^ 
bniar  Dtto  iörunfclö,  ber  bamalfi^  ^leuenburc^  am  fR()cin, 
,^tüifd)en  isöafel  unb  dreifach,  fich  anfhielt,  an  «l^on 

9leuiflfeitcn  habe  id)  im  2(nctenblicfe  nid)t5,  oU  baß  (ein  übleä 
^^or^eidjen!)  0icfincien’^  älterer  0ohn  Don  bem  pfäl^ifdjen  Z\)- 
rannen  flefantjen  morben  ift,  unb  mit  ihm  einige  anbere  SDiänner 
elften  fRangei^,  auf  loelche  gran^  all  feine  Hoffnung  gefegt  hatte. 
Söir  Derfprachen  un^  uicl  Don  biefem  äRanne;  aber  alle  feine 
0ad)en  iDanfcn  unb  fallen  bal)in,  unb  nid)t  bie  feinigen  allein# 
fonbern  aller  2lnl)änger  beö  (SDangeliuni!?.  Unfer  Jütten  befindet 
fid)  übel,  unb  loir  Uebrigen  iDcrben  allenthalben  53oben  ge* 
fchlagen.  2öir  loerbcn  Dcrfpottet  burd)  alle  !iianbe,  unb  id)  iDcig 
nid)t,  iDaö  für  ein  Unglücf  mir  ahnet"*). 

3u  ber  Xl)at  tnar  biefer  Unfall  feinet  0ohne!?,  aber  nid)t 
bC‘o  älteften,  0d)iüeicfarb,*  fonbern  be^  mittlern,  ,'pan$  Don  0icfin* 
gen,  ber  bei  einem  fRittc  Don  0teinfaHenfelö  im  SBaögau  nach 
fianbftuhl  mit  |)ilchen  Don  ßord)  unb  ^(uejuftiu  Don  33raunöberg 
burch  ben  pfäljifchen  S3ogt  unb  nadjinaligcu  ÜJiarfchalf  SBilhclm 


1)  ?ln  ^uttcn’§  S(hn|t<n  II,  177. 


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466 


II.  tBuc^.  11.  Kapitel. 


üon  ^abcru  (gefangen  gciiommcn  tpurbc  — biefer  Unfall,  fü  l)cU 
bcnmütt)ig  auc^  ber  ^ater  bic  9^lad)vid)t  aufna^m,  tuar  bod)  bcu 
Einfang  bcö  @nbcö  ber  Sidingifd)cn  Xragöbie  *).  SBartenberg,  tuo 
noc^  im  üorigen  3a^rc  Jütten  fic^  eine  Qnfgd)nltcn 

^atte,  fiel  ben  5üi^ftlid)cn  in  bie^änbe,  nnb  0idingcn,  nm  bic 
Serftärfungen  abjumarten,  auf  bic  if)m  non  i)crfd)icbcncn  0citcn 
^cr  Hoffnung  gemad^t  mar,  fud)tc  um  einen  SBaffcnftillftanb  nad). 
Allein  bie  brci.mibcv  i^n  berbnnbenen  bic 

33ermittlung^üorfc^läge  be^  fHeic^^regiment‘5  j^nrücfgcmicfcn,  fo 
liegen  fie  fid)  and)  biird)  gran§cin5  (^efud),  beffen  cigcntlid)c  ^b^ 
fid)t  fie  mo^l  burd)fcgantcn,  nid)t  irre  mad)cn.  @lcic^  nac^  Dftcrii 
erhüben ‘fie  fid)  mit  ftarfer  3Jdad)t  ju  Sftog  nnb  fjng  nnb  tüd^tis 
gern  33clagcrung^gefd)ü^,  üercinigten  fid)  bei  itreu§nad),  «ntueit 
ber  ©bernburg,  ^ogen  aber,  al»  fie  üerna^men,  baf)  gran^  non 
0icfingen  in  ßanbftu^l  fei,  nor  biefe  SSefte,  um  fie  ju  belagern. 
53crgcben$  rictl)cn  5^anj  feine  gi^cunbe,  fid)  nod)  bei  feilen  auö 
bem  Sd^lüg  ju  t^un:  maö  feine  Wiener  üon  il)m  l)alten  mürben, 
gab  er  jur  ^ilntmort,  menn  er  uon  il)nen  fliegen  iinb  fie  allein 
in  ber  9flotl)  mollte  fteden  laffen?  2)ocg  feinen  jüngften  0ogn 
f^ranj  ^onrab  mit  ben  mid)tigften  papieren  fd)idtc  er,  in  iöe- 
gleitung  feineö  treuen  öaltgafar  0d)lör  unb  eincö  ^geil^^  feiner 
SRciter  meg,  meld)e,  obmogl  non  bengeinben  angerannt,  glüdli^ 
baüonfamen. 

®em  53otcn,  ber  igm  bic  Äriegöerflärung  ber  gürften  braegte, 
gab  0i(fingen  fd)crjcnb  bic  5lntmort  ^urüd,  er  göre,  fein  ^err 
gäbe  neu  ©efegüg,  fo  gäbe  er  neue  SJMuern , bie  mögen  fid)  fegt 
an  einanber  oerfuegen.  Slber  cö  geigte  füg  halb,  bag  babei  bic 
legtern  im  S^acgtgeil  maren.  9}^ittmofg  ben  29.  9lpril  begann 
baö  0cgiegen  unb  mürbe  bie  folgenben  Xagc  aiuo  §auptftücfen, 
0cgarfmcgcn,  ßartgaunen  unb  9lotgfcglangen  fo  mörberifd)  forü 
gefegt,  bag  halb  ber  ftärffte  STgurm  beö  0cgloffc‘3  in  Xriimmern 
lag  unb  bie  3)2aucr  eine  ®refd)c  oon  24  gug  jeigte.  0idingcn, 


1)  S)ci'  folgcnbc  ®cnd)t  über  Sirfingcn’S  ^uSflong  ifl  gcjc^BpIt  qu§  ber 
8^ler§^eimcr  S^ronif,  bei  ilüntb,  O'ronj  öon  ©itfingen  III,  219—223;  ber  Gr* 
jö^Iung  bc§6^rn^oIb§  ^ajpor  Sturm,  ebenbaj.  ©. GO  [f.;  ou§ Huberti  Thonmc 
Löodii  Historiola  etc.,  ebenboj.  S.  288  ff.,  unb  ben  ?lctenf!ü(fen  ebenbaf. 
©.  42  ff. 


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^elaoeruno  Don  Sanbfiu^I. 


487 


Uüin  ließ  fiel),  um  iiadj  bcin  (^aiu^c  bei*  ®cla» 

, n^^ntui]  aii<j,yifd)aucu,  einem  3d)icßlod)e  füßven,  ßinter  luelcßem 
ein  aufi]eftcllt  mar:  in  bemfclben  ?(ucjcnblid  pel  ein 

3c^nß  in  baö  3d)ie6(od),  ber  bab  (^efebüg  5ron,^  anf  bic  Jüßc, 
il)n  (elbft  aber  rüdmftrt^  auf  fpi^e  §ö^er  marf,  bic  511m  ®crterraffen 
balai]eu  uub  il)in  in  bic  liufe  Seite  eine  ent)eblid)e  SBuubc  riffelt. 
lUiit  ber  .!pelbcufaf)mu],  bic  i()u  nie  ucrlicß,  bcfaßl  er  feinen  ®ie= 
ncru,  fein  (^cfd)rci  ,^n  mad)en  nnb  i()n  auf  einer  Xrai]bal)rc  luej^* 
,^ubriiu^en;  aber  er  füllte  mobl,  baf3  ci^  mit  il)in  jn  @nbc  c^ing. 
'3^al)cr  ließ  er  in  einem  JÖrief,  ben  er  nodj  eigcnßänbig  unter* 
feßrieb,  bic  um  eine  iycfprcdjung  erfud)en.  ^iefe  ftellten 

füfort  ißr  Sd)icßcn  ein,  nnb  5lbgcorbnfte  non  beiben  Seiten 
traten  nur  ber  5Uirg  jufammen.  “Die  53elagerer  üerlangten  @r* 
gebiing  Sidingen'^  nnb  ber  übrigen  (Jbeln  nnb  fHeifigen  im 
Sdjlüß  in  rittcrlid)Ci5  (?4efängniß,  ?(bj^ng  bc<3  übrigen  ilriegeimlf);^ 
ol)ne  3Bel)r  uub  Uebergabe  uon  üianbftußl  mit  allem,  lua^  barin 
beßnblid).  bemilligtc  bie  Hvtifel,  inbem  er  jagte:  3d)  mill 

ißr  ÖJefangener  nid)t  long  fein. 

^2lm  7.  9J^ai  ^og  erj't  ba‘3  gemeine  ilriegbuolf  auö  ber  43urg, 
bann  ßieltcn  bic  gürften  ibren  @in,^ug  nnb  ließen  fid)  al^balb, 
ben  @l)rcul)ülb  uoran,  Sirfingen  füßren,  ben  fie  in  einem 
bnnfeln  OJemölbe,  mo  allein  er  nod)  uor  ißrem  Sdjießen  fidjer 
gemefen  mar,  liegenb  fanben.  5Sor  bem  ^^^fal^grafen,  feinem  alten 
iießneßerrn,  50g  gran^,  alö  jener  ^n  ißm  trat,  fein  rotßeö  iöarett 
ab  nnb  reießte  ißm  bie  §anb;  beiJ  Xriereris^  33ürl)alt,  ma^  er  fieß 
ge, gießen,  baß  er  ißn  nnb  fein  Stift  fa  fd)mer  befd)äbigt  ßabc? 
mieö  er  mit  einem  mannlidjcn:  9tid)t'?  oßnc  Urfad),  uub  er  liabe 
jc^t  mit  einem  großem  §<^rrn  ,;\n  reben,  ^urücf;  ben  .'peffen  aber, 
ber  gleidjfallö  mit  iöormürfen  fommcu  mollte,  mad}te  ^4^fal^graf 
Üubmig  anfmerffam,  baß  mit  einem  Sterbenbeu  nidjt  ^n  rcdjten 
fei.  'i)er  pfül.yfcßc  .^ofmeifter,  2ubmig  uon 
an  J^ran^eiiiJ  ilagcr  nnb  fpradj  ißm  mit  trüftlidjeii  liyoiten  ^n; 
ißm  antmortetc  5ran,^:  Sieber  §ofmcifter,  um  mid)  ift  ein 
(^Jeringci^,  id)  bin  nid)t  ber  .'paßn,  barum  man  tanjt;  um  bic 
llntcrbrüdnng  bee^  gau,\cn  0titterftanbe<5,  molltc  er  moßl  fagen, 
ßanblc  e^J  fid)  in  biefem  ilriegc.  3nbcß  maren  bie  J^ürften  abgc» 
treten,  nnb  auf  be^  'jj^fal^grafcn  Erinnerung  maeßte  |>err  9tiflauö, 
gran^enö  Eaplan,  ^Inftalt  ^ur  '^cießte  unb  Eommunion;  ober 


488 


II.  $ud^.  11.  Hopitel. 


bicfer  faßte,  er  l)abe  (^ott  in  feinem  .^er,^en  ßebeidjtet,  ber  (Saplart 
mößc  i^m  nur  5(bfolutii)n  fpred()en  nnb  baö  (socraincnt  i^eißcn; 
baö  t[)at  ber  Saptnn,  unb  inbem  üerfd^ieb  ijran^:  e^  mar  bic 
2Jiittaßöftunbe  bcö  7.  äJiai  1528.  „Unb  mie  er  in  ßcit  feinet 
SebcniS  (finb  bie  SSortc  feinet  biebern  0d)maßer^,  bcö  S5erfaffcr§ 
ber  gler^l)cimer  ilronif)  fein  männlich,  ef)rlid)  nnb  trn^iß 
mütt)  ßc()abt,  ba^  ^at  er  auc^  bb5  in  bie  0tunb  feineö  ^obe^ 
bct)a(tcn." 

53innen  SO^onaföfrift  maren  nun  fämmtlid)c  ©icfinßifd^eit 
©c^löffer  üon  ben  Uerbünbeten  Sürften  erobert  unb  grögtcnt^cil^ 
ausgebrannt;  oon  feinen  ©ö^nen  ber  eine  gefangen,  bie  beiben 
anbern  flüd)tig;  baS  ganje^ebäube  üon  gran^enc  9(J?ad)t,  imn  i^m 
mä^renb  eines  tl)atenreid^en  SebenS  ^u  fürftenmäßiger  §ö()e  aufs 
geführt,  lag  am  Jiöoben.  ©ein  gall  gab  ber  päpftlid^en  Partei 
in  ^eutfc^lanb  neuen  9J^utl);  ber  2(fterfaifer  ift  tobt,  l)ief5  eS, 
als  um  jene  2utl)er  erfranfte:  halb  mirb  cS  and)  mit  bem 
^^Ifterpapft  ein  (5nbe  neljmen.  2tuf  )^ut^er  machte  baS  ©djicffal 
beS  fJUtterS,  ber  if)m  einft  grofjmütljig  feinen  ©d)up  angeboten 
l)atte,  unb  beffen  2lbfic^ten  er,  obmol)l  mit  feinen  9J^ittcln  nidjt 
einüerftanben,  nidjt  migfannte,  einen  tiefen  ©inbrud.  ?US  it)in 
^uerft  baS  ©erüc^t  oon  ©icfingen'S  Xobe  ^u  Öf)ren  fam,  fd)rieb 
er  an  ©palatin,  er  münfd)e,  baß  eS  falfd)  fein  möge.  Unb  ctmaS 
fpäter:  „©eftern  ()örte  unb  laS  iep  g'^anjenS  oon©icfingen  mal)re 
unb  fläglid)e  (^efd)id)te.  ÖJott  ift  ein  geredjter  aber  munberbarer 
Sftidjter''  *).  ©icfingen'S  2luSgang  mar  i^m  ein  ®otteSurtl)cil,  baS 
if)n  in  ber  Uebev^eugung  beftörftc,  bag  SBaffengemalt  oon  ber 
©ac^e  beS  ©oangeliumS  ferne  ju  l)altcn  fei.  ßateinifd)e  5)ic^tcr 
unb  beutfdje  SSolfSfd)riftftelIer  befd)äftigte  gran^cnS  @nbe  unb 
feine  Xl)aten.  S3on  erfteren  Ijatte  einer,  als  §utten’S  unb  ©icfiits 
gen’S  Unternebmungen  nod)  in  boffnungSrcid)er  ^lütbe  ftanben, 
il)r  Sßerbienft  burd)  einen  2öed)felgefang  jmifeben  5ilio  unb 
S^alliope  gepriefen;  je^t  nad)  ber  ^ataftropbe  fteflte  ein  anberer 
©icfingen’S  Unterfangen  unb  SluSgang  5U  @l)ren  beS  triercrSi'^s 
bifd)ofS  als  furdjtbar  marnenbeS  33eifpiel  bar 2).  3n  einem  oolfSs 

1)  ®eibc  ^ricincßcn  in  ^utten’§  ©Triften  II,  S.  248  t. 

2)  3cnc§  ^IjdepiuS  ^orboluS  in  einem  ^onegbificuS,  aOßcbrucft  in  iput* 

ten’§  S(^riften  III,  6.  550 — 560:  bic|c§  SotomuS  in  einem  e))ij<t)fn 

©ebid^t,  bei  'iJlUncb,  Ofronj  üon  Siefingen  II,  8.  295 — 318. 


s. 


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Sidin0cn’§  6nbe. 


489 


t()ümlirf)cn  bcutfc^cu  @cf|)röc^  bagcgcn  crfd)icn  bcr  ?Rittcr  üon 
bcr  ©Ocrnburg  uor  bcr  .^immclepfortc  alö  SSoH^icIjcr  bcr  ®crcrf)= 
tigfcit,  bcr,  um  bcn  Untcrbrücftcn  ()dfcn  unb  bcm  Smiugcliiim 
freie  ®af}u  mad)cn,  gürftcu  unb  getreu  befriegt,  bcn  armen 
3Wann  nur  ungern  unb  nott)gcbrungcn  gcfc^äbigt,  in  biefem  X()un 
Scib  unb  @ut  baran  gefegt,  uor  feinem  $(bfc^cibcu  fid)  feine 
0ünben  leib  fein  laffen  unb  ad  fein  3Scrtrauen  auf  ®ott  geftellt 
^abc:  in  Slnbetrac^t  biefc^  guten  @nbcö  fd)lo6  iljm  8t.  fßetcr  bic 
$immcldpfortc  auf  *). 

bic  Äunbe  uon  ©icfingcn’ö  5^11  in  bic  2anbe  crfd)on, 
()iclt  fid)  §uttcn  nod)  in  SJäilbaufcn  auf.  3n  bcm  milbern 
XoM  cincö  iöricfö,  ben  er  um  jene  un  ©ra^muö  fd)rieb, 
glaubte  biefer  bic  nieberfc^lagenbe  Söirfung  jenoö  Xobet^fallö  auf 
fein  (^3emüt^  ,^u  erfenneu.  SBnrc  feine  0d)rift  In  tyrannos,  b.  l). 
ol)ne  Smcifcl  gegen  bic  uerbünbeten  dürften,  bic  feinen  J^reunb 
0idingcn  ucrnid}tet  unb  beffen  53cfipimgcn  an  fid)  geriffelt  l)atten, 
nod)  uorl)anbcn,  bic  .'putten  fur^  bernad)  ucrfnfde,  fo’iuürbcn  mir 
unö  ol)uc  über;\cugen,  bafj  fein  tro^iger  d)hitl)  nod)  immer 

ungebeugt  mar.  löalb  jebod)  fnnb  er  fid) . and)  in  9J^üll)aufen 
nic^t  mehr  fieser.  0eiu  raftlofer  @ifcr  für  bie  Sluc^brcitung  ber 
^Reformation  mar  bcn  5lnl)ängern  be^i  alten  ilird)cmDefen'CJ  fein 
(-^el)eimni6.  8o  mad)tc  ein  unrul)igcr  Älopf  bcn  5lnfdjlag,  mit 
einem  ^laufen  (^icfinbcl  ba^  ^(uguftinerf (öfter,  in  mcld)cm  .fmtten 
eine  3»pud)t  gefunben  l)atte,  ,^u  ftürmen.  ^er  fRatl)  traf  58ors 
fclirung,  bebcutetc  jebod)  ben  iöcbrol)tcn,  fid)  lieber  aiu5  ber  8tabt 
<^u  entfernen.  ÜRitten  in  ber  9Iad)t,  menn  mir  bem  ©raömuö 
glauben  bürfen,  entflol)  .^utten  uad)  tuar  im  3}^ai 

ober  3uni  1523. 

3n  bamal^i  frifd)en  '^U'ginnc  feiner 

reformatorifd)en  Xl)ätigfeit;  ein  3)Mun,  ber,  unter  einem  freien, 
mef)rl)aftcn  SSolfe  aufgemad)fen,  bem  maffcnluftigcn  fRitter  näl)er 


1)  rtjnloguS  ober  vebe  onb  gelprec^,  jo  ilfranci§cu§  oon  Sitfingen  t»or 

bfB  ^bmmct&  pjortten  mit  jnnt  ^Vter  onb  bem  riltcr  jont  Jörgen  gehalten, 
juuor  onb  cebnnn  er  cingclatfen  ift  loorben.  Kbgebrurft  bet  fjfrnnj  oon 

@i(ftngen  II,  321—330.  ?tu<^  bei  C§far  €4>obe,  Sotiren  unb  ^oSguiUe  QuS 
^et  »ej.-3dt  II,  45-69. 

2)  SiaSmuS  an  (SocIeniuS,  in  i^utten’S  6(tirijten  II,  S.  405. 


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II.  ^u(^.  11.  Jl^aDitct. 


4‘>0 

ftanb  olb  bei*  tf)üvinnifrf)c  ^Reformator.  33ci  it)m  fiid^tc  unb  fanb 
.§uttcn  ©c(}u^,  ßülfe  imb  Xroft.  0ciuc  Umftönbe  marcit  nad) 
aUcn  0citcn  ^in  bctla^cn^oiocrtl).  ^ic  33c^örbcn  trugen  iöebcnfcn, 
beiu  nic^t  bloo  oon  ben  fird)tic^en,  fonbern  and)  oon  ben  poH* 
tifd)cn  3Jiad)tl)abcrn  oerfolgtcn,  ^iilc^t  fctbft  U)ir!lid)cr  (bemalt* 
tbaten  bcfdjulbigtcn  ÜJIannc  offenen  0d)up  nngebeit)cn  ju  taffen  *)• 
33on  yj^ittcln  mar  er  gän^licl^  entblögt.  Söon  feinen  ÖJütern  fam 
it)in  nic^t§  p:  fei  eb,  bafi  feine  trüber  (bie  ät^uttcr  mar  mittler» 
meile  bem  Skater  im  2obc  nadjgcfolgt)  bie  S3crantmortlid)fcit 
fdjeuten,  menn  fic  ben  tt)atfäc^lid)  ©eä^teten  unterftüpten;  ober 
bag  er,  mic  Otto  ^^kiinfelö  ocrfid)ert,  frcimiüig  barauf  oer,v(^tct 
()atte2);  ober  enbtid),  bafj  fein  Slnt^eil  an  ben  fpärlic^en  SflaturaU 
einfünften  bc^  oätcrlidjen  @nte^,  biö  bcrfelbe,  um  it)m  5ugcfd)icft 
^u  toerben,  511  (^elbe  gemadjt  mar,  beinol)e  auf  91id)tö  jufammens 
fdpuanb.  00  mufite  er  greunbe'unb  iöefannte  um  2)artel)en  in 
IHnfprud)  nct)mcn,  unb  mie  cis  fc^eint,  felbft  ^u  ©rpreffungen, 
bie  feine  (Sppcnborfö  fid)  erlaubten,  bie  .'panb  bieten,  ober  bod) 
ein  3(uge  ^ubrüdeu.  (Sin  fold)cr  Hnfdjtag  märe  ilpn,  nad)  bctS 
(SraömuS  SBerfidjerung,  nod)  in  ber  Icpten  gelnngen,  unb 
()ätte  bem  ©ppenborf  30,  Jütten  felbft  aber  200  gl.  eingebrac^t. 
2ludj  ba^o  0piel  follte  Ijclfen^). 

9lid)t  minber  traurig  ftanb  eö  um  ^uttcn’ö  leiblic^eö 
finben.  0d)on  nad)  '^afel  mar  er  franf  gefommen,  uub  in  3JiüU 
l)aufen,  in  3ütic^,  mürbe  cö  nid)t  beffer  mit  il)in.  Ü}?it  innigem 
iöebaueru  ocrnaljmcn  im  3uli  bie  greunbe  ber  guten  0a^e  in 
Äonftanj,  mic  Ijinfällig  ber  äliann  fei,  ber  burdjaui^  einer  ciferneii 
©efunbl)cit  genießen  müfdc*).  ^er  2lbt  j^u  ^fäferö,  mo  bie 
l)eif5cn  Quellen  fprubcln,  mar  ein  greunb  ßmingli'iS  unb  ber 
Üteformation.  Ü)^it  @mpfel)lungcn  an  i^n  fdjidte  biefer  ben  Giranten 
bal)in,  bie  SS^irfung  ber  Gaffer  511  ocrfudjcn.  2)er  S^erfud^  mifes 
lang:  äRübe  unb  (yefal)r,  fd)reibt  Jütten  (in  bie  fci^auerlic^c 
gelfeidluft,  mo  bie  QucHc  entfpringt,  mußten  bamalö  bie  Äranfen 


1)  (Jrn§mu§  an  ^ircfljeimcr,  19. 5uti  1523.  J^utten’§  ©d^nflcu  II,  S.  252. 

2)  Resp.  ad  SpoDi?.  in  ^uttcn’S  Sci^riften  II,  6.  329. 

3)  6ra§mu§  an  ©oclcniuS,  q.  o.  C.;  an  331eIond^t^on,  ebenbaj.  6.  414; 
an  ^ ircf Reimer , ebenbaj.  6.  260. 

4)  ?l.  ^laurcr  an  3®i«0ti/  ebenbaj.  S.  264. 


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^utten’ö  Sage. 


491 


an  l)änflciibcn  Leitern  l)n!abflcttcrn,  ober  an  v^triefen  I)inabs 
(^cla)fcn  werben),  luarcii  ücri^cMid)  beftanben.  Ucbcl  luar 

{d)ou  ,yi  tief  cinflctmir,^clt  überbauet  biivd)  iöiibcv  aHcin  nid)t 
5U  ()cücn;  and)  mar  jener  0üinmcr  befonberi^  iin^ünftiß  für  bie 
ßur.  llnaufbörlid)er  fHec^cn  fiel,  unb  lüllbc  23nd)c  erhoffen  fid) 
uon  ben  gelfcn.  Oft  meinte  man,  fie  merben  baö  fteine,  an  ben 
5elö  (geflehte  23abban'5  meflfdjmemmen,  unb,  lua^  fd)limmer  mar, 
U)r  erfnltetc  bie  Onellen.  5(llc  5rcnnblid)feit  jebod)  cr^ 

mie-^  beni  franfen  fRitter  ber  ?Ibt,  3ül)ann  3afob  fRuffiiifler  mit 
9Jamcn.  @r  moCite  il)n  burdjam^  nid)t  fortlaffen,  liib  il)n  erft 
ein,  nod)  ctlid)c  2Bod)cn  alb  fein  @aft  bleiben,  unb  rietl)  il)m 
bann,  menigftenb  fpäter  micberjufommen,  um  feine  Sur  uon 
9ieucm  auf,^une[)inen,  bie  jegt  nur  burd)  ben  t*?il^cn 

Söaffer  uercitelt  mürben  fei.  ^^luf  ben  äBec^  nab  er  il)m  $ferbe 
unb  alle  fReifebebürfniffe  rcid)lidj  mit.  So  fel)rte  .f)uttcn  nad) 
3ürid)  ^urücf,  mol)in  er  inbefe  einen  ^rief  an  ^minnli  mit  ber 
Slnfranc  uoraubfe^iefte,  mo  fie  if)m  nun  ein  Unterfommen  bereitet 
Ijaben  *)? 

®on  önb  erlieg  §utten  am  21.  3uli  nod)  ein  0d)reiben  - 
an  ben  alten  ^erjenbfreunb  Soban  nad)  Srfurt,  bab  (mit  einem 
ad)t  Xane  fpäter  nc)cl)viebencn  für^ern  ^riefegen)  n<^’tt)iffcrmagen 
ben  Sdjmancnnefang  beb  Ijinftcrbcnben  gelben  aubmad)t,  oon 
bem  mir  unb  bal)cr  fein  Sä^ort  entnegen  laffen  moUen.  „Sßirb 
eb  beim  einmal  Sl^ag  unb  pnben,  o Soban,  bab  mibrinc 
ÖJefd)icf,  bab  fo  bitter  nnb  oerfülgt?  ^on  il)in  ,^mar  nltmbe  ic^ 
bab  nic^t;  aber  mir,  benfe  id),  l)abcn  älhitl)  neniiß,  um  feinen 
2(nlänfcn  Staub  ju  galten.  SDiefen  cin^inen  Xroft,  biefen  .^ort, 
bat  unb  berjeninc  Uebrine  jener  fcinbfclinen 

ä)iad)t  überlaffcn  l)at.  Ä)^id)  l)at  bie  gliid)t  ^u  ben  Sd)mci^ern 
nefül)rt,  unb  id)  fel)e  einer  nod)  meitern  ^öerbannunn  entnenen. 
2)cnn  2)eutfd)lanb  fann  mid)  nicht  bulbcn  in  feinem  qegenmäts 
ticken  irf)  jebod)  in  ilur5cm  erfreulid)  geänbert  ^u 

fehen  l)offe  burd)  ^Vertreibung  ber  3^l)rannen.  3d)  l)obe  micl)  aub 
bem  Ätriegbgetümmel  ^u  miffenfd)aftlid)cr  ä)iugc  ^urüefge^ogen 
unb  gan^  an  bab  Sd)reiben  begeben.  3n  biefem  einen  Stüde, 
fann  id)  fagen,  l)at  eb  bab  Sd)idfal  gut  mit  mir  gemeint,  inbeni 


1)  S.  ben  ®rief  in  ^uttcn’S  ©(Triften  II,  6.  256. 


492 


II.  %ud().  11. 


cö  mid)  auö  (irogcu  unb  mibrißcn  ©türmen  jur  ftiCien  iRu^c  ber 
©tubien  jurücffü()rt.  ^cr  bicfeig  bringt,  l)at  non  mir  eine 
©d)rift  gegen  bie  ^ijranncn,  bie  er  ^um  2)rucfe  beforgen  foH. 
hierin,  bitte  ict)  bic^,  mibme  mir  unb  i^ni  beine  ^icnftc.'  5I)tc 
©ad)e  fann  in  ber  ©title  unb  beimlic^  abgemad)t  merben,  tmb 
ba^  nirgenbiJ  beffer  o(ö  in  eurer  ©tabt,  mo  niemonb  fo  etiuaö 
uermutl)en  mirb,  befonber^  ba  ic^  fo  meit  entfernt  bin. 
unb  abermatö  bitte  ic^  bid),  oerföumc  niebtö  in  einer  ©ac^c,  bie 
t)öcbft  notbioenbig  für  un^  ift.  Sorbanben  unb  om  ^age  fei  ber 
©infprueb  gegen  eine  neue  unb  unerhörte  Untbot.  ©eben  unb 
erfennen  foflen  fünftige  SJ^enfeben  biejeni* 

gen  gemefen  finb,  meld)e  loiber  . ÖJefcJ  unb  Sfteebt, 

Xrjue  unb  grömmigfeit,  mit  greOcl  unb  S^ermegenbeit  ficb  gefegt 
haben.  Xod)  loeitern  3»rebenö  bebarf  eö  loobl  nid)t,  um  bicb 
^ur  (iJefälligfcit  gegen  einen  greunb  ^u  bemegen.  ÖJar  febr  oer^ 
langt  niid)  ^u  miffen,  loo  CSrotuö  ift,  unb  mic  c«Jil)m  gebt  ? Xenn 
id)  b>^be  lange  nidjt  mehr  in  bie  .^eimatb  fdjreibcn  fönnen,  ba 
bie  Xbrannen  allein  befe^t  b^iitcn,  unb  ueulid)  51t  meinem  großen 
- ©djaben  !öriefe  aufgefangen  morben  finb.  (^el)c  eö  ihm  gut,  tuo 
er  immer  feil  3d)  gebe  bie  Hoffnung  nid}t  auf,  cö  merbe  eine 
3eit  fommen,  tuo  (^ott  bie  brauen  äJ^änner  auö  biefer 
ung  mieber  fammeln  mirb:  gebet  auch  ^b^  fic  nicht  auf,  beim 
bat  fKöd)eraugen,  benen  nid)b5  entgebt.  ©raemuiS  ift  fd;mäl)lic^ 
abgefatlen  uon  ber  ©adje  beö  ©uangeliume;  bod)  reut  ihn  jc^t 
ber  fcbled)te  Xaiifd),  ben  er  getroffen.  3d)  b^iöc  ihn  ^ur  fRecbcn* 
fd)aft  gezogen  (ich  fonnte  nid)t  anberö,  bo  e^  eine  öffentliche 
gelegenbeit  betraf)  in  einer  gebrudten  ©d)rift,  meld)c  bu  hier 
fiebft.  Xl)nt  audj  ibr  bort  luaiS  an  eud)  ift,  bamit  e^  nicht  fd)ciuc, 
ihr  b^iöet  eud)  ber  gemeinen  ©ad)e  entzogen,  ©rü^e  ©bcrbact) 
uon  mir  unb  alle  bie  Unfrigen,  unb  fprid)  mid),  fobalb  eö  angelt, 
bvieflicb  an.  SBenn  bu  fd)reibft,  fo  fd)icfe  eö  an  ober 

nad)  ©afel  an  Defolampab,  unb  lebe  tuol)l*)." 

.'putten  bem  Auftrag  gab,  feine,  ©d)rift 

gegen  bie  Xt)ranncn,  b.  b-  geg^^n  bie  luetcbe  ©icfingeu’ij 

äliad)t  uerniebtet  b^ittcn  (eine  erlueiternbe  Umarbeitung,  mic  cö 


1)  ^utten  on  Gobon,  €d()riftcn  II,  ©.  262  f. 


N 


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fiepte  Briefe  J5uHen’§. 


493 


fc^cint,  bcr  in  33afcl  üerfagtcn  0c^rift  tuibcr  bcn  ^fal^grafcn)*), 
^um  ^5)rucfe  ju  bcförbcrn,  iDufetc  er  frcilid)  nid)t,  baß  @oban  über 
bic  ÖeftvQfuiiq  bcr  9fJäubcr  (latrunculi)  burd^  be»  äanb^rafen 
Don  Reffen  bem  i^:anjlcr  bc^  lottern  feine  greube  bejeißt  ijattc; 
wie  er  oiic^  fpätcr  noc^  bic  iikficqunj;  0idin^en'^  alö  eine  bcr 
@roßt()atcn  ^ßilipp'ö  befunden  ßat.  ^er  gute  @oban  weinte 
eö  nid)t  böfc;  bic  0ac^e  ließ  fic^  non  -^wd  ©eiten  bctrad)ten,  nnb 
er  wünfc^tc  bamalö  eine  ^nftcllung  in  SD^arbnrg,  ba  ißm  in  @rfnrt 
bcr  bittere  C>ungcr  brol)te:  aber  wir  begreifen  I)icraug,  warum  er 
fic^  wol)l  gcl)ütct  ßaben  wirb,  bie  ^utten’fd)c  ©ci^rift  gegen  bic 
Xt)ronncn,  wenn  fic  anberö  in  feine  ^änbe  gelangt  ift,  ^um  ^ruefe 
beförbern.  5luc^  anbere  mochten  bei  bem  §luffc^wungc,  bcn 
mit  ©iefingen’^  gallc  bic  gürftenmaeßt  genommen,  baffclbc  33c^ 
benfen  tragen:  nnb  fo  crflärt  cö  fic^,  baß  bic  ©c^rift  Oer? 
loren  ging. 

§lc^t  ^agc  nad)  biefem  isörief  an  (£oban  fd)rieb  Jütten, 
wabrfd)cinlid)  noeß  Don  ßünd)  auö,  an  iRifolauv  ^rugner,  bcr, 
früßer  ?(iiguftiner  in  -i}dill)aufcn,  bann  üon  bcr  Sfteformation  an* 
gezogen,  fid)  bamab^  in  ^afcl  aufl)ielt  nnb  l)ier  ober  in  3KüU 
ßaufen  fic^  mit  Ratten  befreunbet  ßattc.  fiebterem  war  in  $fä? 
ferö  gefagt  worben,  ^rugner  fei  in  ongefommen,  wo  er 

ißn  bann  aber  nic^t  gefunben  Ijattc.  ^rugner  war  nämlid;  oon 
ber  rcformatorifc^cn  Partei  in  3)?nlt)aufen  alö  ^rebiger  bal)in 
berufen  worben,  wo  er  in  bcn  nöc^fien  3al)ren  unter  mancherlei 
©ehwierigfeiten  in  ocrbicnftlichcr  SBirffamfeit  ftanb.  Jütten  fchrcibt 
ihm  nun,  wie  er  ihn  OcrgcbeniS  erwartet,  wie  er  jeht  oon  feiner 
^Inftellung  gehört  unb  nun  feine  23üchcr,  mit  bereu  SSerfanf  er  . 
beauftragt  gewefen  jn  fein  fcheint,  -^u  biefem  gweefe  einem  anbern 
übergeben  h^öc.  „2)cnn  id)",  führt  er  fort,  „höbe  bcfd)loffcn, 
brei  3Keilcn  üon  hier  bei  einem  Slr^^te  einige  Xgge  mich  oerborgen 
511  halten.  SÖic  immer  t>a^  ©lücf  fügen  mag,  fo  werbe  id) 
beiner  Söohlthötigfcit  unb  @aftrreunbfd)aft  eingebenf  fein,  fo  lange 
„bcr  @cift  mir  bic  ©lieber  belebet*)":  wirb  e§  mir  ©unft  be* 
weifen,  fo  foUft  bu  bein  oollc^  Xl)cil  baran  haben;  wo  nidjt,  fo 
büßeft  bu  baö  gcmcinfamc  ®efd)icf.  S)cinem  9tathc,  oor  allem 


1)  6.  oben  6.  461. 

2)  Virgil  Aen.  IV,  v.  336. 


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494 


II.  11.  Kapitel. 


aber  bem  ©Treiber  unb  gagcnbac^,  log  niegt  ab  mid^  ju  em^ 
pfcljlcn.  Uebriejenö  Jc^rcibc,  unb  iuaö  cö  fein  mag,  fd)idc  an 
ymingli.  äöenn  ic^  mieber  gefunb  merbc,  fo  tnerben  mir  feine 
Urfac^c  ()oben,  ba^  0d)icffal  anjutlagen.  Unb  einmal,  l)offc 
„mac^t  ein  (^ott  and)  biefem  ein  @nbc  ßebe  mol)l."  2Bäl)rcnl) 
in  ben  0c^nft5Ügcn  biefe»  ^rief^,  beffen  Original  einft  bic  ftrng^ 
burger  ©tabtbibliütl)cf  bcmal)i*tc,  in  Süergleic^ung  mit  anbern 
®cnfmalen  ber  fraft^  unb  Icben^uoUcn  $anb  beö  9Hitter§,  feine 
töbtlid)c  0d)ma^l)cit  fid)  ücvrictl),  mar  bod)  ßcbcnömutl)  unb 
ßebenöluft  in  il)m  nod)  fo  menig  erlofc^cn,  bag  er  in  einer  beutfc^cn 
9iadjfc^rift  ^rugner  bittet,  fo  halb  mie  möglich  ein  gemiffee 
„^üdjlin,  oon  bem  geuermert  ^u  mad)en",  für  i()n  abfd)reiben 
ju  loffen  unb  il)m  j^u^ufenbeu“). 

5)er  gelehrte  ©eiftlic^e,  bem  mir  bic  erfte  9Jiittl)cilung  biefe« 
unb  mehrerer  anberer  mertl)OoUcn  §utten’fd)en  23riefc  oerbanfen, 
bemerft  über  bcnfelben,  cö  erfülle  unö  mit  2öel)inutl),  menn  mir 
fcljcn,  mie  Jütten  fterbenb  nur  auf  bie  gortuna  gel)offt  gäbe. 
Sßir  merben  barin,  mie  in  ben  Slnfpielungcn  auf  claffifd^e  ^ieg* 
tci'ftcUen  ftatt  bei*  Öibclfprü^e,  nur  bic  fRücffegr  §uttcn’i3 
feiner  urfprünglid)cn  9latur  unb  gumaniftif^en  33ilbung  erfennen. 
3m  35ertegrc  mit  ßutger  unb  beffen  publicum  mar  igm  bie  egrift^ 
lid)  tgcologifcgc  garbc  angcflogcn:  fie  ocrlor  fieg,  al^  er  im  Un- 
glücf  ciä  nur  nodj  mit  fieg  fclbft  511  tgun  gatte. 

®cr  §lr^t,  ^u  meldjcm  '^litten  fid)  gu  begeben  gcba(gte,  mar 
ber  geilfunbige  Pfarrer  §an^^  0d)ucgg,  unb  ber  Ort,  mo  er  fieg, 
nod)  immer  oor  SScrfolgung  nid)t  fieger,  Oerborgen  galten  molltc, 
bic  3nfel  Ufnau  im  3ü^icgcrfce.  frcunblicge  ^Iccfdjen  Söei^ 
belaub  mit  feiner  ölten  i^irege  unb  Aiapcllc,  V2  ©tunbe'  uon  fRap^ 
pcr^mgl,  im  oberen,  breiteften  öeefen  be^  @ecö  gelegen,  gegörte 
bem  fdjmg^erifdjcn  Äiloftcr  ©infiebcln  ju,  mo 
bem  moglgcfinnten  Pfleger  beö  Älofterd,  Xgeobalb  oon  (^crolböccf, 
berufen,  jmei  Sagre  lang  ^rebiger  gemefen  mar  unb  fieg  mögrenb 
biefer  8cit  ogne  ^ueg  mit  Sd)ncgg,  ber  Sonocntual  boS 

ÄUofters^  mar,  befreunbet  gatte.  UeberoU  crfd)cint  fo,  in  ^uttcn’ö 


1)  Virgil  Aen.  I,  v.  199. 

2)  2)en  juerft  oon  Üiöl^ri(^  mitfletbcilten  iBricM.  in  gutten’S  ©d^riften  1 1 , 
©.  265  f. 


Iputtcn  in  Ufnau. 


495 


lebtet  Über  i^m  milbc  unb  feftc  ipanb,  tüäbrcnb 

Dcfolüinpab’ö  frcunblicljc^^  ^lu^c  miö  bev  9Ml)o  ()tTÜbcrbli(ft.  ®ic 
bcutfd)c  Sficfünnatiün  bnttc  bcu  üiittcr  übgcldjiit:  bic  fdjtuci^cs 
rifdjc  naljm  il)u  auf.  Ob  er  bei  längerem  £ebeu  uid}t  and)  üon 
il)r  fid)  eiittäufc^t  gefunben  batte,  ift  freilich  eine  anbere  grage. 

0cbmer,^lid)  mürbe  Jütten  in  feiner  (Sinfnmfcit  unb  Sebmad)' 
beit  5u  Ufnau  nod)  einmal  bnrd)  ©raömuö  geftört.  5liiö  ^afel 
fam  ibm  üon  grennbcöbanb  bie  äBarnung  ^)^^be  ein 

©ebreiben  an  ben  ^üricber  ^Ratl)  gerichtet,  moriu  er  Jütten  nn* 
freunblid)  antaftc  unb  bcö  9tatbö  Ungunft  unb  äöibenuillen  gegen 
il)n  jn  ermeefen  fid)  nnterftet)c.  ^2lud)  in  ber  ßnfdjrift  an  ^tuingli, 
bie  er  feiner  Spongia  uorfebte,  üerfid)crtc  ©raömuö  ^mar,  er  molle 
ben  fHitter  feineömegö  um  bic  greiftättc  bringen,  mcldjc  ber  ®bels 
mntb  0d)mci,^er  ibm  gegen  feine  ^crfnlgcr  gemäbre;  bod) 
maebte  er  gefliffcntlicb  barauf  aufmerffam,  mic  glitten  in  feinen 
fiibcllcn  nid)t  nur  mübluerbientc  ßJelebrte,  mie  il)n,  barnntcr 
maefere  Sd)tuci|^cr,  angreife,  fonbern  and)  ^apft,  ilaifcr  unb 
gürften  nid)t  üerfdjone;  morau^  lcid)t  ber  8d)me4,  bcrSraömn^ 
aüeö  @utc  münfebe,  §aj3  unb  Ungelegenbeit  crmadjfen  tonnte, 
gaft  glcicblantenb  febrieb  er  nun  an  iÜürgermcifter  nnb  ^atl) 
üon  er  l)ahc  nid)t<g  bagegen,  baß  ibre  ©ntigfeit  ben 

Jütten  alfo  bei  fiel)  mobnen  laffe,  fonbern  nur,  bag  biefer,  ber 
je^t  nid)t»  mebr  511  uerlicrcn  l)übe,  fold)e  (^ntigteit  nicht  ju  einem 
geilen  mutbmilligen  Schreiben  mißbrauchen  möge.  SBcnn  fie  bics 
fen  feinen  iDhitbmillen  ein  toenig  jäbmen,  merben  fie  nid)t  fomol)l 
il)m,  bem  ISra^mu^,  alö  ben  äöiffenfcbaften  unb  ihrer  iJaubfd)aft 
einen  nüplidjen  5)icnft  erioeifen^). 

I^lnf  bic  'DZacbridbt,  baß  ein  Schreiben  fold)cn  gnbaltvJ  üon 
(SraiJmuö  erlaffcn  toorßen,  bat  ,’putten  ben  jürid)cr  iönrgcimciftcr 
nnb  9fiatb,  aU  feine  lieben  .sperren  nnb  greunbe,  an  bereu  3^*' 
neigung  ^u  aller  9?eblid)feit,  nnb  infonber^^  d)riftlid)er  SSJabr^ 
beit  unb  cüangclifcbcr  Sehre,  er  nidjt  i^tuciflc,  um  bie  ÖJunft, 
falle  berglcicbcn  ©djriftcn  ihnen  fd)on  ^ngefommen  mären,  ober 
nod)  jntommen  möd)ten,  il)m  beren  Sinn  nnb  Inhalt  nid)t  üor* 
juentbaltcn,  fonbern  511111  43ebufe  feiner  J^crantmortnng  il)m  l£o= 
pien  angebeiben  511  laffen.  ^)cnn  er  moUe  je  bafür  gehalten 


I)  ^ojet,  10,  'flufluft.  ^utlrn’ö  Sdbriftfn  II,  3.  25()  i. 


496 


11.  i^opitel. 


fein,  bo^  er  olle  3cit  l)er,  feit  er  ouö  feinen  finblidjen  Surren 
eriüodjfen,  anberö  nid)t,  beim  einem  tiiflenblidjcn  unb  frommen 
^Hittermägiflen  oon  Slbcl  mol)l  ^icmlic^,  geljanbclt  unb  gcmnnbclt 
^obc.  SBoüc  jemanb,  olö  er  nid}t  l)offc,  il)ii  bcö  C^cgentbeilö  bc- 
fc^ulbicjen,  fo  merbe  er  feine  (5l)r  unb  ©limpf  mit  ÖJrunb  ber 
2öal)rl)eit  (juu(ifamlid)  511  oertreten  unb  ^n  cntfd)ulbicjen  loiffen: 
unb  fo  bitte  er  nun  aud)  fic,  ein  Vertrauen  ^u  il)m  ju  Ijoben, 
unb  fid)  überbieß  feftiglic^  j\u  il)iu  5U  Oerfel)en,  bog  er  j^u  il)ncn 
unb  gemeiner  (Sib9cnoffenfd)aft,  je^t  mic  immer,  einen  freunb^ 
licken  guten  ÄUen  trage,  il)ncn  £ieb  unb  2)icnft  ^u  erjeigen 
oon  ^erjen  gefilmt  fei*). 

®od)  glitten  beburfte  halb  teineö  mcnfc^lid)en  0d)upCiS 
mel)r.  (Sin  heftiger  ih*anfl}eitöanfaU  loorf  il)ii  auf  ba«  Säger. 
Sler^tc  mürben  gerufen,  aber  il)re  mie  beö  guten  ^farrcr^  ^leiU 
tunft  mül)te  fic^  ocrgcbcim-).  ^iln  einem  ber  lebten  ^age  be^^ 
Sluguft,  ober  am  erften  ©eptember  (beim  bie  üöeric^tc  ftimmen 
nid)t  überein)®)  mar  Jütten  aller  9iotl),  bie  il)n  brüdte  unb  noc^ 
bebrol)te,  burd)  einen  fdjnellen  2^ob  entrüdt.  @r  mar  35  3al)re 
unb  4 3J2onate  alt  gemorben.  9tur  um  Sßenigeö  über  ein  ®icr- 
teljal)r  l)atte  er  feinen  gran^  Oon  ©idingen  überlebt.  S)ic  Sluö- 
fic^t,  ^cutfdjlanb  mittelft  ber  9ftcformationöibcc  politifd;  mic  firc^* 
lic^  neu  aufgebaut  5U  fc^cn,  ging  mit  beiben  ju  ®rabe.  S^aö 
ben  Stittern  miglimgcn  mar,  Oerfud^ten  jmei  Sa^re  fpäter  bic 
S3auern  mit  nod)  üblerem  ©rfolge.  S^ac^bem  baö  Äaifcrtl)um  fid) 
ber  ^Reformation  oerfagt  l)atte,  mar  biefc  jept  nur  noc^  mittelft 
bcö  Sanbcöfürftcntl)um^,  alfo  auf  Äoften  ber  politifc^eu  @inl)cit 
unb  9Jtad^t  bee  bcutfcl)en  S^olfcsS,  burdjjufepeii.  5lber  beffer  auc^ 
fo  alö  gar  nid)t ; beffer,  baß  ^)eutfd^lanb  bod)  tßcilmeife  beutfd) 
mürbe,  alö  baß  eö  ganj  romanifcß  blieb;  unb  ben  politifd)eu 
©cßaben  finb  mir  ja  eben  im  beften  g«t  ju  machen. 

^aß  |)utten  an  ber  Äranfßcit  geftorben  ift,  an  ber  er  feit 
fo  oielen  Snßren  gelitten  ßatte,  unb  bic,  naeß  einer  f(^cinbaren 
Teilung,  halb  oon  neuem  auögebrocßcn  mar,  leibet  feinen  3^oeifel. 


1)  Ufnau,  15.  9Iu0uft.  ebenboj.  8.  257  f. 

2)  ®ofiltu§  ?lmerbod(),  ®QjcI,  22.  Oct.  ßbfnboj.  8.  383. 

3)  ®fll.  ben  fo  eben  angeführten  93rief  mit  ben  ?tngoben  bon  @T0§mu3 
unb  nnbern,  in  i^uiten’8  8(hrifien  II,  8.  263  f.  352  f. 


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J^ultcn’S  lob. 


497 


0 

3n  Xcutfc^Ianb  fpra^  man  mancher  Drten  Don  SSergiftmiq.  Sei* 
bcr  jcboc^  braudjte  cß,  um  Jütten  ju  tobten,  feinet  meitem  @if* 
teö,  aU  baö  et  fc^on  lange  in  feinem  Äörper  trug.  ÖJlarcan 
fcl)rieb,  mic^utten  nac^iöafel  gefommen  mar,  oon  „feiner  Ähanf* 
l)cit"  fei  er  nodj  nic^t  genefen;  )öafiliu!g  ^mevbac^  berichtete,  bie 
Ueberblcibjel  ber  franjüpfd)en  itranfheit  haben  ihn  auf  ba^  Säger 
gemorfen,  baö  fein  Xobtenbettc  mürbe,  unb  aud)  ber  jüri^er 
^iebiciner  Ätonrab  (^cöner  nennt  in  feiner  um’ö  3ahr  1545  her* 
außgegebenen  iöibliothcf  biefelbc  Äranfheit  alö  biejenige,  oon 
meld)er  §utten  aufgeriebcu  morben  fei.  2)ah  bagegen  3oadhim 
(Samerariuö  nur  unbeftimmt  oon  Äranfhciten  fpricht,  ift  in  bcr 
fdjouungi^ooUcn,  üertufchenben  5lrt,  bie  mir  an  ihm  tcnucn.  3Jian 
hörte  mohl  auch  ft^Qcn,  meniger  bie  Äranfheit  fclbft,  alö  bie  mör* 
berifche  @uaiaf*(5ur,  bie  er  burchgemacht,  fei  bie  Urfad}e  oon 
^uttcn’ß  frühem  Xobe  gemefen*). 

Jütten  ftarb,  mic  fich  benfen  lä^t,  in  ber  öugerften  ®ürf* 
tigfeit.  ä'^^ingli  gibt  uuö  fein  3n0cntar.  „@r  hinterlieg'^  fchreibt 
er,  „lebiglid)  nichts  oon  S33erth.  iöüchcr  h^He  er  feine,  ;gauö= 
ratl)  auch  ni^hlf  auher  einer  gebet*"  2).  onb  anberc 

greuube  liehen  il)m  ibücher,  bie  fie  nach  feinem  Xobe  jurüefer* 
hielten  ^).  3n  ^)eutfchlaub  mar  Jütten  im  iöcfih  einer  hübfehen 
©ammlung  oon  ^anbfehriften  unb  gebrueften  iöüchcrii  gemefen, 
bie  er  burch  Xaufch  unb  Äauf  ^u  oermchreu  fuchte.  ^ber  fie 
ftanb  jeht  nicht  511  feiner  SSerfüguug,  menn  fie  nicht  bereite  für 
il)n  ocrloren  mar.  3oachim  Samerariuß  ermähnt  fpötcr,  bag  ein 
^i5t,  ^Jtameug  Socher,  ^uttcn'ß  '^ibliothef  „auß  ber  ^eute"  cvfauft 
habc<).  3ft  hier  Kriegsbeute  gemeint,  fo  fdjcint  alfo  $utten'S 
jurüefgelüffeue  ^ücherfammluug,  oielleicht  mit  ber  (Sbernburg,  in 
bie  $änbc  bcr  gürften  gefallen  unb  mit  ben  ^cutcftücfen  oerftei* 
gert  morben  5U  fein.  ®amit  ftimmt,  maS  Otto  iöruufelS  oon 
einer  Sammlung  §uffifchcr  0d)viftcn  fagt,  bie  il)m  oon  ben  megge* 
nommenen  isöüchern  ^uttcirs,  bcr  fie  auß  33öhmen  jugefchieft  bc* 


1)  ©.  bic  ©teflfn  in  ^uttcn’S  Sf^riflcn  II,  S.  163.  352.  354.  362. 

2)  3winflli  on  33oui|Qä  äöolfbart,  11.  Oct.  1523.  §utten’§  Sdjriftcn  II, 
®.  382  f. 

3)  5)erj.  on  Ocfolomlxib,  ebenbaf.  6.  882. 

4)  3n  ^utten’S  Schriften  II,  ©.  446. 

VII.  • 32 


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498 


II.  11.  i^apitel. 


fommcii,  juiücfcjccicbcn  lüorbcu;  eine  0ad)c,  fe^t  er  t)inju,  Don 
ber  übriqen^J  loeitcr  ju  rcbcu  (bcmi  cö  lic^e  ficb  eine  lauge 
fcbidjtc  bauoii  cr^äblen)  lucbcr  crjpncßlid)  nod)  vatl)fam  fei;  ein 
anberimil  betrad)tct  er  cö  alö  ein  SSunber  ber  göttlichen 
fcl)ung,  baß  biefc  0tücte  qu^  bem  ^uttcn’fchen  öüd)er)chah  er^ 
halten  njorben*). 

S^on  fchnftlid}cn  ©aeßen  faß  §utten’ö 

laffenfehaft  noch  ein  iöünbel  ^Briefe  üon  greunben  unb  an  foldhc ; 
lüie  Otto  iörunfclö  in  2)eutfchlanb  eine  ©aminlung  oon  2000  ©tücf 
bcrgleichen,  oon  gürften  unb  Herren,  ©ciftlichen  unb  ©eiehrten 
aller  Aktionen  an  §utten,  äum  Xt)eil  3^^fii^inw”9^erflärungen 
ju  feinem  Unternehmen  gegen  9iom,  bei  ihm  gefehen  l)Qttc,  bic 
er  in  SJiußeftuiibcn  orbnete  unb  unter  bem  Xitel:  Vertraute 
^iBricfe,  hcrciu^jugeben  gebuchte^).  Xaß  biefe  ©ammlung  obhan* 
ben  gefommen,  ift  ein  großer  SSerluft  für  bie  3eitgcfd)ichte. 
2lußerbem  foUen  fich  nod)  mehrere  ber  eigenen  Xrucffchriften 
§utten’ö  bei  ißm  oorgefiinben  h^i^^en,  bic  er  sum  Öeljuf  einer 
neuen  2lu^gabe  burdjgefehen  unb  oielfad)  oerbeffert  hotte.  Xic 
fo  burchcorrigirten  ©jcmplave  beßiibcn  ficli  auf  ber  SBaffertirdjen^ 
bibliothef  in  3örid),  unb  begreifen  bic  ©tecfclbevger  ©ammlung 
ber  ©djriften  gegen  ^erjog  Ulrich,  bic  Aula,  ben  großen  Örief 
an  '4^ircfl)eimer,  bie  Xürfenrebe  unb  bie  auf  ben  mormfer  9teichv= 
tag  fid)  be^iehenben  giiücctiuen  unb  ©enbfchrcibcn.  Xic  ®erän^ 
berungen  (mic  fie  43öding  unter  bem  Xe^de,  ju^üglich  einer  nach' 
träglid)en  Öeiid)tigung  gibt)  bcftchen,  außer  ber  2liiömer^ung 
oon  Xrucffehlern  unb  leichten  fpradjlichen  35crftößen , houptfäd}- 
lieh  in  Keinen  ytad)hülfcn,  meld)c  ben  ©inn  beutlicher,  ober  ben 
©til  anmuthiger  machen  follen.  biefem  lehtern  3o)ccfe  finb 
inöbefonbere  Diele  größere  ©üpe  baburch  in  fleinerc  jcrlegt,  baß 
bereu  ©lieber,  früher  burd)Ä'olon  unterfdjiebcn,  nun  burd^^^Sunfte 
getrennt  luurben.  ©rfennen  mir  hierin  bic  ©orgfalt,  mcld)c.'puts 
ten  ber  gönn  feiner  ©chriften  äuäumenben  pflegte,  fo  ift  eine  fer=^ 
ncre  ?lenberung,  bic  er  in  jenem  ©jcmplare  burd}fül)rte,  alö  ein 
3cichcn  merfmürbig,  mie  in  ben  menigen  3al)ren  feit  ßuther'ü< 


1)  (Sbenboj.  425  f. 

2)  Resp.  ad  Spong.  3n  ^ulten’4  Sci^riften  II,  6.  340  f. 

3)  Sor  bem  III.  «onbe  bet  Sd^Uften  ©.  XIX-XXX. 


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^utten’§  unb  ^ibltoil^ef.  499 

Auftreten  ber  qanje  3citcjcfcf)macf  eine  Umiüanblung  erfahren 
Oottc.  ftiliftifc^c  §cibcnt()um  boö  |)umaniömuö  luar  onftögig 
gdüorbcii:  fo  c^riftiaiiifirtc  jc^t  auc^  Jütten  feinen  0til.  ®ie 
(Götter  unb  ber  .^crculcö  feiner  friUjern  (Schriften  mußten  bem 
®inen  (^3ott  unb  bem  §errn  6i)riftuö  meieren, 

3u  ^utten’ö  9ia^laß  gehörten  aber  aueß  ©cßulben.  ^er 
Pfarrer  ^öonifa^  SBolfßart  ju  ©t.  ä)iartin  iu  ^afei  ßattc  nod) 
eine  gorberung  an  it)n ; ber  Gommenbator  Suiißarb  ©d)mib  ju 
Äüßnacßt,  ber  ibn  auc^  bem  Slbte  Don  ^4^fäferö  empfehlen  ßelfen, 
batte  ibm,  üieüeicbt  eben  ju  biefer  iöabereife,  20  gl.  üorgeftreeft ; 
ßiwingli  felbft  3 gl.  gur  öefriebigung  biefer  unb  anbereröläu^ 
biger  (bie  ©d)ulbeii  füllen  fieß  im^anjen  auf  150  gl.  ober  etmad 
mel)r  belaufen  l)aben)  mar,  bei  bem  ©tanbe  ber  ®erlaffenfd)aft, 
feine  2lu^ficbt.  (Sinmol  ßieß  eö  jmar,  eö  feien  auö  bem  §utten^ 
fdjeu  öermögenö^erfalle  (üielleicbt  üon  feinem  oäterlicben  ^btl)eil 
in  ^eutfd)lanb?)  nod)  200  gl  übrig,  bie  bem  ^einricb  (Sppen* 
borf  ^ugeftellt  merben  mürben.  Söirflicb  rühmte  ficb  biefer  in  ber . 
gülge,  für  Jütten  nad)  beffen  Xobe  ©cbulben  bejol)lt  ,^u  l)aben. 
^on  jenen  200  gl.  aber,  unb  baß  (Sppenborf  fie  erhalten  ßätte. 
Oerlautet  meiter  nichts,  unb  ba  er  felbft  tief  iu  ©cßulben  fteefte, 
fo  l)at  moßl  @rnv<muö  fein  Vorgehen  nid)t  mit  Unrecht  bejmcifelt. 
S)al)er  faßte  fid)  3n>ingli,  ber  auc^  nid)tj^  ju  oerfd)enfen  ßatte, 
nießt  bloö  am  großmütßigften,  fonbern  au^  am  flügften,  menn 
er  feßrieb:  ,,9fad)  meinem  (^utßaben  frage  id)  meiter  nießt;  mirb 
etma«  bejaßlt,  fo  neßm’  icß'ö,  mo  nießt,  fo  feßenf'  icß’i^"  *). 

gür  ein  ^enfmal  auf  Jputten'i^  (^rab  ßatten  unter  biefeu 
Umftänben  feine  näcßftmoßnenben  greunbe  nießtö  übrig.  (Sin 
fränfifeßer  ^Ritter  ließ  in  ben  folgenben  gaßren  einen  ©tein  mit 
einer  lateinifeßen  gnfeßrift  auf  bemfclben  errießten*),  ber  jebod) 
früß^^eitig,  fammt  ber  itunbe  beö  $laßeö,  mo  Jütten  begraben, 
oerfcßmuuben  ift.  ^)ie  einfiebeljcßen  Pfaffen  fonnten  ein  feßerifd)eö 
^eiligtßum  ber  ^rt  auf  ißrer  gnfel  uießt  braudjen. 

^)aß  ein  Xßeil  ooii  ^utten’e  ^^ibliotßef  burd)  Ä'auf  in  ben 
!0efiß  beiJ  2lrjteö  2od)er  übergegangen  fei,  fam  halb  einem  jün* 


1)  Sttingli  an  SBoIf^art,  a.  o.  O.  3Jgl.  6ra§mu8  an 

tfn’8  II»  433.  i^.  Öppenborf  gegen  6ra8mu§,  cbenbaj.  S 451. 

2)  S.  i^utien’8  Sd^riften  U,  8.  353. 


500 


II.  11.  I^apitel. 


gern  ®cttec  be^  SSccftorbcncn,  üou  |mttcn,  ju  O^rcn. 

2)iefcr,  bcm  bir!cufelbei*  ßiiicigc  ber  ftoljcnbergifci^cn  Sinic  ent- 
fproffcn,  luar'  in  bic  gciftüd)c  ßaufba^n  getreten , in  töelc^er  er 
lim  ba‘^  lij3G  j^inn  tropft  in  Söürjburg,  etiua  brei  3a^rc 
fpäter  5UI11  '^ifei^of  non  ©ic^ftäbt  anfftieg,  mo  er  um  1552  ftarb. 
©d)on  frnl)c  intcreffirte  er  fic^  für  ben  9tul)ni  unb  bie  SJcrloffen- 
fd)iift  feinet  ii>etter^^,  ber  feinen  ©roßobeim  Subinig  unb  bejfcn 
ermorbeten  0o()ii  bureb  feine  Xobtenopfer  unfterblicb  gemad)t 
batte,  unb  trug  ficb  mit  ber  5lbfid)t,  beffen  53ibliotbef  non  bcm 
fremben  ^efi^cr  5urücf5ufaufen.  ^ber  auch  bie  33ucbbrudcr  bot* 
teil  non  bcm  0cbabc,  namentlid)  an  |)anbfcbriften,  SBinb  befonis 
men,  unb  bereite  unterbanbeltc  groben  in  33afel  mit  £ocbcr  um 
bie  ^d;rifteii  non  Ouintilian,  ^liniuc>  unb  aJ^arceUuö  ined.,  bie 
.gmtten  cinft  in  ber  fulbifd)en  iöibliotbcf  gefunben  b^ittc.  Xer 
^^udjbrucfcr  <ScJcr  ju  §agenau  glaubte  mit  beni  ä)iarcelIU)S  allein 
30  (^olbgulbcn  Oerbienen  5U  fönnen.  ^uf  0ebev’ig  ^Inmabnung, 
ber  bureb  ßamcrariUiiJ  ben  i8erlag  ^u  befommen  buffte,  gab  nun 
biefev  im  grübjabr  1529  bem  liÜiori^  Jütten  non  bcm  ©taube 
ber  ©ad)c  9tad)i*id)t  unb  forberte  ibn  auf,  ben  $lan  bc^  5ln* 
tanfö  ber  §uttcn'fcbcn  iöibliotbef,  ebe  biefe  äcrftrcut  merbe,  aui^s 
jufübren  *). 

(Sin  ©tücf  bcrfclbcn  mar  niellcicbt  febon  im  3a()r  junor 
neräufiert:  bie  Jölumenlefe  auö  ©alluft  unb  ßurtiuiS,  bic3ol)anu 
Vermag  im  3-  1528  ju  ©traßburg  berauiggab  *).  (Sö  ift  bied 
eine  ^bi^flfcologic,  bcrgleicbcn  ficb  bie  |)unianifteii  auö  ben  ß^laffi* 
fern,  bic  fic  lafen,  jur  ^ereicberung  ibred  lateinifdjcn  ©pracb* 
fdjafecö  an^iilcgen  pflegten:  non  Jütten  auf  feinen  gaü  ,^um 
Xruefe  beftimmt. 

9^ocb  ftärfer  finbet  man  fid)  nerfud)t,  bic  ^erfunft  auö  ber 
üocbcr'fcben  ©ammlung  non  bcm  Xialog  ^rminiu^  511  nemintbcn, 
ber  im  3al)r  1529  aU  ein  nacbgclaffcncö  SBcrf  non  .^utten  er^ 
febien®).  Xenn  menn  in  bem  norangcfdjicften  (SJebiebte  @oban 


1)  6.  ^utien’8  6(t)riftfn  II,  S.  446. 

2)  C.  Sallustii  et  Q.  Curtii  Flores  selecti  per  Hulderichum  Hut- 
t(.*num  eq.  ejusJemque  seboliis  non  indoctis  illustrati.  S4|rift«n  V, 

499-503. 

3)  .Arminitis  I>ialogus  Huttenicus.  Schriften  IV,  S.  407 — 418.  3n 


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i^uttcn’S  ?Irmtniu8. 


501 


$effc  fagt,  bcö  iCcfcvö  crftcr  ®anf  gebühre  bem  Ulrich,  ber  ^^tücitc 
bem  ÜÜiori^  Jütten,  bcc  brittc  bem  3oad)im  (ßamerariuis),  uiib 
ba  überbiefi  bic  0d)rift  bei  ©c^er  in  ^agenou  gebrudt  ift,  fo 
fd)cint  ^ier  bie  erfte  ^ruc^t  beö  unter  ö^omerarius’  SScrmittluiig 
^tülfc^cn  ajiori^  üoit  Jg)utten  unb  Soccer  abgefc^loffencn  .^aiibclö 

liegen.  äBenn  nur  nid)t  baö  ©obanifc^e  ®ebid)t  baö  Saturn 
bc^  3-  1528  trüge,  mo,  menn  bie  3o^re0,^nt)l  bee  oben  befproc^cs 
non  Samerorifc^cn  '3riefeö  ridjtig  ift,  jener  |)anbcl  nod)  nic^t 
abge)d)loffcn  mar.  übrigen^  3Jiori^  mirtlic^  bie  ^^nc^er^ 

famnilung  feinet  nerftorbenen  SSetterö  nn  ji^  getauft  habe,  mirb 
barmi-g  mat)rfc^einlid),  ba&,  nac^  !iöurdt)Qrb'‘5  ©rfunbigungen,  ^n 
21nfnng  bc^  uorigen  3o^rf)nnbertö  in  ber  bifd)öflif^en  5Öibliotl)ef 
^n  ©ir^ftobt  noc^  üerfc^iebene  mit  ^utten’^^  .'panb^cidjen  uerfet)ene 
JÖüdjer  üorI)anbcn  maren^). 

2Bo  aber  and)  jener  Dialog  anfgefnnben  fein  mag:  an  fei= 
ner  2led)t^eit  ift  nid)t  jn  ^meifcln.  @r  trägt  ,'piitten'ö  ©tcmpel 
nac^  3id)alt  unb  gönn.  3a,  ein  gan^  beftimmtcr  Vlnfnüpfnngös 
punft  finbet  fid).  3n  bem  ©enbfdjreiben  an  ben  iturfnrften  grie- 
brid)  ©ad)fen  (üom  ©eptember  1520)  füt)rte  er  biefeni  ben 
^Irmininö  ^n  @emntt)e,  ber,  alö  (^t)eru!äter  ^n  ben  ©ac^fen  ge-- 
l)örig,  nac^  bem  3cugnifi  ber  geinbe  fclbft  ber  befte  unb  tapferfte 
aller  gelbl)erren  gemefen  fei  unb  5)eutfd)lanb  non  bem  3od)e  ber 
9?ömer  in  ber  i^rer  l)öc^ften  9Jtad)t  befreit  l)abc.  !iiöaig  biefer 
unfer  ©efreier  in  ber  Untermelt  beuten  merbe,  menn  er  fel)e,  bag, 
mäbrenb  er  bie  tapfer n fHömer  nic^t  alö  |)erven  l)abe  bulben 
mollen,  feine  9^ac^fommcn  jefet  meic^lic^en  Pfaffen  unb  meibifd)en 
iöifdjöfen  bienen?*) 

S3on  biefen  ÖJebanten  ift  bei*  Dialog  2(rminiji^  nur  bie 
meitere  31nöfü^rung.  31rminiuö  crfc^eint  in  ber  Untermelt  unb 
mad)t  fid)  alö  ben  tapferften  gelbl)errn  geltcnb.  proteftirt 
üor  bem  fRic^terftul)le  bcö  aJUnoö  gegen  ben  ©prnd),  bnrd)  mcld)en 
biefer  (in  einem  üon  £ncian'!^  Xobtengefpräc^en)  bic  erfte  ©teile 


meiner  lleberjeljung  oon  i^ultcn’5  ^^ejpräcben  S.  390 — 412.  S)a§  Ö^ebiebt 
ßobon’ä  in  ^ulten’§  Schriften  II,  S.  439  f. 

1)  S.  ^utten’S  Schriften  II,  S.  474  f. 

2)  Schriften  I,  S.  390,  §.  19.  20.  530l.  oudh  fchon  bie  brüte  Siebe 
gegen  ben  i^rjog  non  29ürlcmberg  öom  3laht  1517.  Schnftm  V,  S.  45,  §.  19. 


502 


II.  %uc^.  11.  jtapitel. 


unter  bcn  ^ccrfiUjrcrn  im  @ll)ftum  bcm  5llcjranber,  bic  jmcitc  bcin 
@c4>io,  bie  britte  bcm  ^annibal,  i()m  fclbft  aber  flor  feine  aiij^c* 
miefen  ^attc,  bem  boc^  non  fRcdjtemegen  ber  erftc  gebührt 
haben  mürbe.  ÜJ^inoö,  obmo()(  er  bcn  5Irminiuö  tabdt,  bag  er 
fich  nicht  rechtzeitig  gemclbct  ift  bod)  nicht  abgeneigt,  bie 

©achc  noch  einmal  aufzunchmen,  unb  lägt  bal)er  biirch  SD^ercur 

jene  brei  gclbherren,  unb  auf  ba§  ißcrlangcn  bciS  Öcfd)mcrbcfüh= 
rerö  auch  bcn  römifchen  @efd)id)tfd)rciber  3^acituö,  rufen,  bem 
Jütten  fein  rühmliche^  beutfehe  Station  oon 

jeher  ho^  angercd)net  heilte  *).  ^en  Ichtcrn  forbert  nun  Slrmis 
niuö  auf,  bic  (StcUc  über  ihn  auö  feinen  3lnnalen  (am  0chluffe 
beö  Z'üciten  iBuch^)  oorzulcfen;  morauf  er  in  längerer  fRebc  feine 
Slnfprüchc  auf  bcn  erften  $la^  unter  bcn  gelbhcrrcn  burch  bic 
^lachmcifung  begrünbet,  bag  berjenige,  mcldjcr  unter  bcn  grögtcii 
0d)micrigfeitcn  baö  mächtigfte  5Solf  ber  @rbc  in  ber  ^criobe  fei* 
ner  höc^jf^cn  iölüthe  befiegt  nothmenbig  ber  grögte  gclbhcrr 

fein  müffc.  ÜBcnn  §lrminiuä  in  biefer  Sflebc  fagt,  er  ho^>c  bieje^ 

nigen  für  gar  feine  ^cutfehen  gehalten,  meldjc  bcm  ^uslanbc 
Xribut  bezahlten,  ober  fonftmic  frember  Sotmägigfeit  fidj  fügten; 
al^  ben  ärgften  ©räucl  aber  habe  er  eö  auögerufen,  bag  zinifch^^u 
fRljcin  unb  @lbe  römifche  ga^ccö  unb  SToga  je  crblicft  morben 
feien;  er  ho^’^  bahin  bringen  moUcn,  jeben  Ueberreft  ber 
römifchen  ä)^acht,  ja  felbft  il)r  Slnbcnfen,  in  3)eutfchlanb  zu 
ücrtilgen:  fo  bebarf  cö  feiner  Erinnerung,  bag  §uttcn  babei  an 
ba^  päpftliche  fHom  feiner  3cit  unb  feinen  Äampf  gegen  bicfcö 
gebucht  hut.  00  fchilbert  er  auch  bcn  SBaruö  mit  feiner 
fudjt  unb  feinem  Uebermuthe  ganz  einen  päpftlid)cn  Segaten 
feiner  3eit  unb  nimmt  ihm  ba^  befonberiS  übel,  ma^  ihn  an  ci^ 
nem  Eajctan  unb  5lleanber  fo  erbitterte,  bag  aud)  er  fdjon  bic 
®cutfdjcn  für  bumme  S3cfticn  hielt,  benen  man  allc^  bieten 
bürfc.  Söenn  Slrminiuö  bie  iöefchulbigung,  nach  ber  Oberherr* 
f^aft  in  ^eutfd)lanb  geftrebt  zu  halben,  alö  SJcrläumbung  zurücf* 
mcift,  ba  er  nur,  um  bie  gemeine  greiheit  fd^ü^cn  zu  fönnen,  bic 
einmal  erlangte  SJ^acht  nid)t  auö  ben^änben  gegeben  höbe;  übri= 
gcniS  märe  cö  nidjt  mehr  alö  ein  uerbienter  ^anf  gemefen,  menn 
bic  ^entfehen  ihrem  Befreier  auö  bcm  ^i^cmbcnjochc  frcimiHig  bie 


1)  SBßl.  ben  ©abigeuS,  ^t^riften  IV,  ©.  134  f.,  §.  11, 


$ 


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503 


^utten’S  ?lriiumu§. 

4 

.^errfcljaft  aiigcbotcn  f)ättcu:  fo  mac^^nttcn  f)iebci  an  ©icfingcii’ö 
^lanc  i^cbac^t  babcn;  luic  bic  Sbce,  bic  Dcibc  grcunbe  bcgeiftcvtc, 
in  folflcnbcr  8d)lu6vcbc  bcö  3trinininö  nid)t  ^n  ücvfcnncn  ift. 
,3^id)t  um  9iubm,  9^cid)tl)iiin  ober  ^errfebaft  fämpftc  id),  fonbcni 
baö  mcincö  ganzen  ©trebens  mar,  bcin  öatcrlanbe  bic  i()in 
rtcroaltfam  entriffene  greibeit  ,yirncf^nßcbcn.  So  lebte  id)  in  ber 
2luöübuiu]  ber  l)öd)ftcn  Xuetenben,  biö  inid)  cin(ieiini|djcr  9ieib 
iinb  bic  ^(rfllift  ber  eigenen  Cermanbten  fällte,  unb  id)  ben  freien 
unb  über  aüeö  fiegreidben  @cift,  im  ^emufetfein  ber  größten  53cr= 
bienfte  um  mein  ®aterlanb  unb  cincö  in  allen  Etüden  tüül)lgc- 
führten  Sebent,  j\n  cud)  binübcrfd)icftc/'  ä)^ino!^,  mit  bc6  ^^rmis 
niuö  fRebe  fel)r  ^ufricben,  gefteßt  ju,  baß  ißm  ber  erfte  ^la^ 
unter  ben  gelbbcrren  gebühren  mürbe;  bod)  meil  ber  frühere 
0prud)  nid)t  nmgeftoßen  merben  fönnc,  fo  läßt  er  ^nm  ©rfap 
bnrd)  SD^ercur  aliJ  ben  erften  unter  ben  ^aterlanb^befreiern,  mie 
iörntnö  unb  ähnliche,  ben  IShcriißfcr  ^Irminiuö,  ben  greieften, 
Unübcrminblidjftcn  unb  Xeutfdjcften,  öffentlid)  au^'rufen. 

Xic  auebrndlid)e  9tn(janmenbnng  auf  bie  ©egenmart  ift 
bnrdjauö  uerfdjmiegcn,  unb  biefc  objectiu  l)iftorifd)e  .fpaltung  gibt 
bem  0Jan,\cn , bem  mohl  and)  nod)  mand)c  rhetürifd)e  5Rad)hülfe 
üürbehalten  mar,  ein  mattereö  CSolorit,  alö  man  fonft  an  |)utten'5 
fehen  0d)riften  gemohnt  ift.  ^icrauc^  etma  fchließcn  ju  mollen, 
bn^  (^efpräd)  fei  in  ,5)uttcir!5  Icptcr  3eit,  bei  abncl)mcnber  Älraft 
uerfaßt,  ift  gleichmahl  mißlid) ; man  fönntc  ebenfo  bic  rußige  Dbs 
jcctiüität  für  biefe  Icpte  Unglücfij,^cit  befremblich  finben : unb  menn 
mir  hic'r  mirflid)  ein  0tücf  ber  uon  iiod)cr  ..anö  ber  idente"  ge* 
fanften  iBüd)crfammlung  uor  nnö  haben,  fe»  mürbe  fid)  bie  iHn- 
nähme  ergeben,  baß  bic  0d)rift  auf  einem  nun  ^icfingeirö 
0d)lö)fcrn  entmorfen  unb  bei  .fputteircJ  ^Ib.^tg  auö  X)eutfd)lanb 
bafclbft  äurücfgcblieben  fei. 


504 


Bmdlftes  fiopitd* 


^fimmett  ti6er  ^ttden'$  itnb  ^tt$()ättoe  feiner  afte» 

^rennde. 

0b  bcm  ftcrbcnbcn  glitten  bc^  ©raöimi^  bittere  (>5eflciu 
fd)vift  noc^  ju  @efirf)te  (jefommen,  ift  iingenjig.  Einige  beI)Quptc* 
ten  eö;  ©raömuö  qtaiibtc  cß  nid)t,  tueU  ber  ^ruef  berfelben  erft  am 
3.  ©eptember  uollenbet  tüorben  luar  *),  tüo  §utten  fei^ou  im  (SJrnbc 
lat;.  3mmert)in  !önnten  i()m  jebod)  burc^  grciinbe^Dermittlunfl 
bic  einzelnen  33o(jen  fc^on  üor  ber  eigentlichen  to^gabe  ber  ©d)rift 
^ugefommen  fein.  3m  ^ublifum  bagegen  fam  bie  ft^unbe  non 
^uttcn'ö  Xübe  ber  58erbreitiing  ber  Spongia  um  fo  niel  jnuor, 
ba|  bic  gehäffige  9^ad)rcbc  cntftchcn  fonnte,  @raömu§  h^ibc  fic 
gegen  ben  ^^obten  gefchricben.  S3crmod)tc  er  glcid)  biefj  genngenb 
^n  miberlcgcn,  fo  mürbe  feine  ©c^rift  bod)  gelefcn,  al§  ber  @cg* 
ner  fdjon  tobt  mar,  ben  fic  befämpftc,  iinb  ©raömuö  fühlte  felbft, 
mic  oicl  ihr  bieß  oon  ber  ©unft  beö  £cfcr<g  enh^iehen  mn^te. 

Sll^  nun  nach  menigen  SBochen  fdjon  eine  neue  ?tuflagc 
.nötl)ig  gemorben  mar,  fonnte  ©ra^muö  biefe  ©unft  bnrd)  ein 
öcrföhnenbeö  S8ormort  ju  geminnen  fuchen.  @r  fonnte,  nachbem 
er  ber  Pflicht  ber  ©elbftocrthcibigiing  genug  gethan  unb  babei 
ben  ©egner,  ber  il)m  in  SBaffen  gegenüberftanb,  nid)t  gefdiont 
hatte,  nun,  ba  biefer  gefallen  mar,  fid)  unb  bic  Sefer  an  feine 
löor^ügc  erinnern  unb  oon  bem  ehemaligen  grciinbe,  ben  fpätere 
SBermicflungen  ju  feinem  ©egner  gemad)t  hatten,  einen  grogmiU 

1)  @ra§mu8  in  ber  Sorrebe  jur  neuen  ?lu§ßabe  ber  Spongia,  in 
ten’§  ®d^riften  II,  6.  263.  ^ie  entgegengeje^te  SorauSje^ung  anberer  ebenbai. 
6.  347  unb  352. 


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6ra§mu§  nac^  J^utten'S  £ob. 


505 


t[)igcu  ^bfd)icb  nehmen.  0tatt  beffen  rül)intc  er  fid)  in  bem 
33orworte  ber  neuen  Slu^gabc  (baö  er  nid)t  meJjr,  tnic  baö 
ber  erften,  an  fc^njerlid^  mit  ber  Spongia  ^nfrieben 

tnor,  fonbern  an  ben  £efcr  richtete),  in  biefer  0d^rift  nod)  fel}r 
fäuberlic^  mit  Jütten  gefatjrcn  ju  fein,  unb  frifd)t  nun  ba^  greUc 
33ilb,  baö  er  bort  mieber^ott  non  bemfelbcn  entmorfen,  ^um  lieber^ 
Puffe  noc^  einmal  auf.  3ugenb,  äupert  er,  ergebe  fid) 

au^  ^utten')^  marnenbem  Seifpiele  bie  Se^rc,  über  ber  33ilbung 
be^  ©eifteö  bie  beö  6l)arafter^  nic^t  ^u  uerfäumen,  bie  Seiben? 
fc^aften  burc^  SSemunft  ju  ^ügeln.  „2)enn  manche",  fcil)rt  er 
fort,  „f^meid^eln  5(nfangö  il)ren  geilem,  fel)eu  33ul)len  unb 
^raffen  i^rer  Sugenb  nad^,  l)alten  0piel  unb  S3erfc^menbung  für 
abelid^.  3Jtittlermeile  nimmt  ba^i  35ermögen  ab,  bie  0d)ulbcn 
^u,  ber  fRuf  leibet,  bie  ßJunft  ber  gürften  ge^t  üerloren,  üon  be^ 
ren  9Jälbtl)ätigfeit  man  lebte.  33alb  lodt  i)ürftigfeit  511m  9?aiu 
ben,  unb  ^uerft  gefdjiebt  bie6  unter  bem  S^ürmanbe  bei?  itrieg^; 
bann  aber,  menn  für  ben  ^liifmanb,  alö  bad>  leefe  gaß  ber  ^a^ 
naiben,  nid)tö  mel)r  l)inreid}t,  erlaubt  man  fid)  fd)led)te  0treid)e, 
unb  mad)t,  mo  eine  Öeutc  <^u  erfc^nappen  gilt,  jmifd^en  greunb 
unb  geinb  feinen  Unterfd)ieb  mel)r;  biö  enblid)  bie  £eibcnfd)aft, 
mie  ein  IRoß,  ba^  ben  ^Reiter  abgemorfen,  jäl)lingct  ine  53erberben 
rennt."  ^ud)  fpäter  nod)  berief  er  fid)  gegen  bie  S^onuürfe,  bie 
il)m  ber  Spongia  megen  gemad)t  mürben,  baranf,  baß  er  ja  in 
berfelben  uon  Jütten  v anftögigem  SebensSmanbel  fein  Söort  gefügt 
habe’);  maö  nur  infofern  rid)tig  ift,  alö  er  ber  offenen 9tennung 
feineiö  S^amenö  an  folc^en  0tellen  bie  nid)t  mi6,^uoerfteI)enbe  Sin« 
fpielung  oorgepgen  l)atte. 

^Billiger  unb  richtiger  l)atte  fc^on  oov  einem  3al)re,  auö 
Ißeranlaffung  einer  uerfrül)ten  Xobeefunbe,  5^eit  Söerler  in  feiner 
§lbgefc^iebenl)eit  5mifd)en  ben  iöergen  uon  3Bicfenfteig  überipntten 
gcurtl)eilt,  ber  i()m  uon  einem  frül)cn  3uff^*nmentreffen  in  £eip^ig 
l)er  unuergefelic^  geblieben  mar.  9^ad)bem  er  ben  uorjeitigen 
|)ingang  eineiS  fo  großen  Xalent-^v  eineiä  in  ^rofa  unb  Sevfen  fo 
glücflic^en  0c^riftftelIerö  beflagt  unb  beö  Urfprungö  i()rer  JsBes 
fanntfe^aft  fic^  mit  £iebe  erinnert  pat,  föl)rt  er  fort:  „ÜJ^an  machte 


1)  3n  bem  ^rief  an  ßut^cr,  8.  1624,  in  J^uttcn’S  6c^ti|tcn  II, 


506 


II.  ^u(^.  12.  ÄQ^)ilet. 


i()in  iöortmirfc,  baft  er  oft  allj^ubittcr  (]cfcf)ricben , baft  er 
©djinöbungen  auf  ©djmäbunc^cu  n]cl>r 

alö  trac^ifc^cm  §affc  ocrfolgt  bobe.  fei  fo.  Slber  er  luar  gereift, 
loar  jung,  uub  t^at  e^  mir  in  ber  bc§  0cbrcibciig,  machte 
and)  nicmanb  i)cr()ahtcr  baburch  nlö  fid)  fclbft.  SBcnn  ba^  ein 
fehler  ift,  fo  l)Qt  er  biefen  mit  Dielen  gemein.  2Bir  fönnen  nid>t 
alle  unferem  .^errn  unb  ältclftcr  6l)rifto  äl)nlidj  fein,  ber  nicht 
läfterte,  menn  er  geläftert  marb,  fonbern  für  bittere  0d)mach  iin^ 
feine  l)cilfame  £el)re  ^urüefgab.  SBie  bem  fei:  ich  luünfchc  §uttcn'^ 
0d}atten  eine  leichte  unb  nidjt  laftenbe  @rbe,  unb  buftenbe  (5ro^ 
cuöblumcn  auf  fein  @rab"  0- 

Söie  nun  Dodenb^^  ber  alte  §er^cn^freunb  @oban  bie  fWach- 
rid)t  Don  §utten'$  Xobe  erhielt,  faunte  fein  0d)mer,^  feine  @ren» 
^en.  „D  mein  ^raco",  fd)rieb  er  au  biefen  Xl)cologen,  ber  cinft 
aud)  bem  erfurter  itreife  angehört  hotte.  ,,^3ld)  mein  ^raco!  — 
2öaö  ift  eö?  — @iu  Unglücf  ohne  gleichen.  ~ 2öeld)e  üble3ntuuö 
melbeft  bu,  $effe,  luarum  beunrul)igft  bu  beinen  ®raco!  — 9>tcin, 
(Sra^mue  ift  nicht  geftorbeii.  — ®ott  fei  ^anf!  — Slbcr  @r  ift 
hin.  — äöer?  — kv,  ber  Uufrige.  — Slk'lcher  Unfrige?  3ona^? 
~ Sfiein,  ba^  fei  ferne:  unb  bod)  ber  Unfere  . . unfer  §uttcn  ift 
nid)t  mehr.  33eurtheile  nun,  ob  meine  Seufzer  Don  ^erjen  fom= 
men  . . Unfer  Jütten  ift  an  (55ift  geftorben  . . Sßer  mar,  faft 
mödjte  id)  fagen  ber  feiubfelige  (55ott,  ber  um  biefen  reichen  @eift 
unö  beneibete?  3o,  mieberholt  unb  oft  brängt  e^  mich 
rufen:  Sßehe,  ihr  graufomen  @ötter!  bu  graufamcö  ©efehief! 
2)od)  id)  fehc,  ich  mufi  meine  ßoPocht  j\ur  Dichtung  nehmen; 
beim  ein  einfacher  iörief  fann  meinen  ©chmerj  nid)t  faffen.  §lber 
ad),  bu  tl)eurer  Jütten,  fo  l)oft  bu  un§  Derlaffen?  Ober  bift  bu 
nur  hingegangen?  2öol)in  aber?  unb  mirft  bu  mieberfommen? 
^2lch!  bu  marft  burchau^  lieben^mcrtl).  deiner  mar  fo  mic  bu  ben 
Schlechten  gram  unb  ben  ©Uten  l)olb.  9lur  mit  2J?ül)c  holte  ich 
midh  5urücf,  bag  id)  nid)t  gaiij  ^erfliege.  Sag  mich  bei  bir,  mein 
tl)eurcr  unb  Dcrel)rter  ®raco,  baö  feierliche  3^090 ife  nieberlcgen, 
boh  id)  $utten  innig  geliebt  höbe.''  ®ie  poetifche  ^lage , auf 
meldhe  @oban  in  bem  iöriefe  an  2)raco  Dermieö,  gab  er  mirflich 
balb  barauf  in  einer  (Slegie,  in  meld)er  .gutten  fidh  mit  bem  ^ obe 


1)  ®om  8.  Oct.  1522.  J&utten’ä  6(hriften  II,  S.  150. 


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(Soban’S  jllagc  um  J^utten. 


507 


untcrccbct  unb  bcffcu  Xriumpl)  über  i^n  buvet)  bic  ^imucifiin^ 
auf  teinen  unftcrblic^cn  unb  buve^  ^erj^äblmifl  feiner  S8ers 

bienfte  ju  bompfen  fud)tO- 

im  fülflenben  3oI)rc  9J?cIancI)tf)ün,  in  53ci]leitunQ  üon 
3oad)im  Samerarim5  uiib  einioen  anbern,  bic  fReifc  in  feine  ,^eis 
inat^  mad^te,  fprad)cn  fic  in  gulba  bei  ßrotuö  fRiibianuö  unb 
5lbam  Ärnft  ein,  unb  erfuhren  üon  i()ncn  erft  ba^  9^ä[)cre  über 
^utten’ig  ©djciben.  Son  ollen  umrbe  fein  '^Inbenfcn  flcfeiert, 
unb  2)klanc^tl)on,  bem  an  beni  lebenben  Jütten  feine  ^eftigfeit 
unb  Steigung  ju  fyieuerungen  immer  unl)eimlic^  gemefen,  ber  ftc^ 
iüol}l  aud)  an  feinem  folbatifc^en  SBonbel  geftoßen  unb  ,sulept 
über  feinen  Singriff  auf  ©rai^muö  ficb  fcl)r  l)art  au^Jgefproeben 
batte,  er  nal)m  jejt  ben  lobten  gegen  bie  0cbmäbungen  eineö 
gemiffen  Otbmar  9lacbtigall  ober  iiufciniuö  bureb  ein  Epigramm 
in  0d)u^.  S3ei  ber  ©i’^äblung  bie'üon  maebt  Samerariuö,  nacb'- 
bem  er  üon  ^utteiriS  Slbel  unb  ©elebrfomfeit,  greibeit)Sliebc  unb 
Ungeftüm,  aber  audj  üon  feinem  fd)tt)ad)en  unb  unfebeinboren 
Äörper  unb  feinen  fpärlicben  SU^itteln  gefproeben,  bic  )!Öemerfuug: 
oft  feien  il)m  bei  |)utten  bie  S^erfe  eingefallen,  melcbc  befagen, 
lücnn  bem  S^orfap  unb  @ifer  be^  ^emoftbenee  3}^ad)t  unb  ^cr^ 
mögen  entfproeben  bitten,  fo  märe  ber  SÜ^acebonier  niemals  ^err 
üon  (fJriedjenlanb  gemorben.  Tenn  menn  eö  Jütten  bei  feinen 
planen  unb  Unternebmungen  nicht  an  bem  Üiücfbaltc  mirflidjer, 
in^befonbere  fricgerifdjcr  Sj^aebt  gefehlt  biiUc,  fo  mürbe  eine  allge= 
meine  Umrnäl^ung  erfolgt  unb  ber  gan,^e  öffentliche 
anberer  gemorben  fein*). 

Sluf  ber  gebadjten  fReife  tarnen  SÖklancbtbon  unb  feine 
gleiter  auch  nach  GJotba,  mo  SJ^utianuö  fRufuö  noch  immer  feinen 
Söobnfib  hotte.  Slber  in  bem  ftillen  ^aufe  ^aupt^ 

firebe  mar  üielcö  anberö  gemorben.  3al)re  unb  ©rlebniffe  hotten 
ben  öemobner  beffelben  ernfter,  büfterer  gemadjt.  @r  hotte  ben 
S3irgil  mit  ben  $falmen  üertaufdjt.  9ticbt,  baft  er  ju  ben  (Ilafs 
fitem  nicht  immer  mieber  j^urücfgefcbrt  märe:  aber  ber  0ap  tonnte 


1)  ®cn  5ticf  in  ^uttcn’S  Schritten  II,  6.  354;  bo§  cbenbaf. 

©.  366—357. 

2)  ®ie  ßrjöblunß  b<§  ®omcrQriu§  j.  in  i^utten’S  Schriften  11,6. 361—363. 
Tag  Epigramm  non  HRelon^lt^on  ebenbaj.  6.  363. 


508 


II.  ®uc^.  12.  Äapitel. 


jc^t  feiner  geber  entfliegen,  ba^  ein  ^^riefter  ci^entlid)  feine  f)eib^ 
nifd)en  ^ic^tcr  lefen  foUtc.  Seinen  firc^lic^cn  ^erriditungcn,  bie 
er  früher  (jernc  burd)  StcÜücrtretcr  ^atte  üerfel^en  laffcn,  unter- 
50(^  er  fid)  nun  fleigit^  felbft.  @r  empfonb  ba^  öebürfnig  tieferer 
relifliöfer  ^^clet)rnnq  luib  beflagtc  nur,  nirt^enbö  einen  @inflc= 
u>eil)ten  ju  finben,  ben  er  ju  feinem  f^übrer  mö^len  fönnte. 
er  aber  bobei,  mie  mir  auö  feiner  Stellung  im 
Streite  miffen,  bic  bcfte()enbc  i^irdb^  gefd)ont,  bie  Stößen  ber 
$rieftcrfc^aft  nid)t  aufgebedt,  ben  Untcrfd)ieb  eyoterifd^er  unb 
efüterifd^er  Sef)rart  aufrecht  erf)ültcn  miffen  moUte,  fo  fonntc  it)m 
ßutber’^  3SerfaI)ren,  baö  ade  biefc  fRüdfid)ten  unb  Sc^ranfen 
niebermarf,  nid)t  gefoden;  nod)  meniger  §utten'ö  gerobe^u  auf 
Äticg  unb  5lufftonb  gerichtetem  iöcftrebcn.  Schon  im  3ahrc  1519 
hatte  fid)  biefer  über  SJ^utian’m  Schmeigfamfeit  gegen  ihn  be- 
flogen gehabt »).  Söaö  feitbem  oorgefallcn  mar , h^ffc  nicht  bn^u 
beitragen  fönnen,  beffen  Stimmung  gegen  bic  Sfeformation  unb 
bereit  ^erfcdjtcr  ^u  oerbeffern.  Sie  fing  an,  bic  ©runblogen  feiner 
crfd)üttern,  feine  „glücffelige  Stille'^  ju  bebrohen- 
ftaum  mar  im  grühling  1521  Suther  auf  feiner  fRcifc  nach  Söonnm 
burch  Erfurt  gezogen,  alm  bafeibft  ber  fogenannte  ^faffenfturm 
aumbrach,  ber  gan^  bejonberm  gegen  bic  öäufer  ber  Äononifer 
gcridjtet  mar.  2(chn liehe  Sccncn  mieberholten  fid)  brei  3at)rc 
fpätcr  in  (^otl)a,  unb  babei  fcheint  aud)  ^Jliutian  ^u  Schaben  gc* 
fommen  ju  fein.  ^5)icfer  hatte  fid)  im  iöeitreiben  feiner  (Sinfünftc 
immer  fehr  mitbe  gezeigt;  „er  gebe  bie  §ölftc,  fo  ift  cm  gut", 
mar  ^flid)tigen  gegenüber  oft  fein  Spruch  gemefen.  91un  aber 
moüten  bie  löauern,  burch  fRcforiuationmibcen  aufgeregt,  bem 
Stift  überhaupt  feine  2lbgobcn  mehr  entridhten.  i^urfürften 
befehle  ju  ÜWutian'm  ©unften  frud)tetcn  menig,  feine  ©clbfcn* 
bungen  halfen  nicht  auf  bie  ^aucr.  2Um  ba()er  im  3ahtc  152  4 
ber  üoraumeUenbe  Samerar  bem  fUiutian  ienen  S5efud)  3Jtetanc^= 
thon’m  anfünbigte,  fehlten  biefem  bereitm  bie  3)Httcl,  bic  merthe 
9feifcgefcHfd)aft  in  gemohnter  SBcife  in  fein  §aum  unb  on  feinen 
Xifd)  ju  nehmen,  unb  er  mugte  fid)  begnügen,  fic  in  ber  $cr* 
berge  ju  begrüben.  il)am  that  bem  alten  9Jfannc  fchmcr5lid)  mchc. 


1)  <B.  oben  282. 


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* 9Wutifln’§  9lu8flon0.  609 

ber  in  feiner  befc^eibeitcn  litcrarifdjcn  ©aftfreiinblic^feit  fo  c^Uicflid) 
(ictncfen  imir. 

2)üd)  noc^  ocblimincre'^  füllte  baö  niid)fte  Sa^r  iljin  bringen. 
5)cr  öauernfrieg  brang  and)  nad)  Xl)üriiigen,  uub  luemi  gicidj 
(SJüt^a  fclbft  üerfdjüiit  blieb,  fo  n)ütl)cte  bo^  ringöuml)cr  ^ilufruljr, 
^lünberung  unb  Öranb.  äl^utian'ci  @inual)nigk|uellcu  uerfiegton 
üüllcnbö,  feine  gan.^e  ©i'iften^  njar  an^  ben  SSurjeln  get)üben. 
Unter  biefen  Umftänbeu  fc^rieb  er  am  ^ounerftag  nac^  Cluafi^ 
mobogeniti  einen  ®rief  an  ben  iiurfürften  5^’iebric^,  ber  il)n 
innerlid)  gebrüc^eu  ^eigt.  ,,^?ein  gro6mäd)tiger  gürft  unb§err! 
iöctrübt  ift  meine  ©eelc  bi^  jiim  ^übe.  gemaltfam,  fo  fc^reef- 
Ikl),  fü  granfam  uer^eert  ba)^  rol)e  ßanbüolf,  ol)ne  0itte,  @efej 
unb  fReligion,  bie  Ijeiligen  Tempel  iinfereö  ÖJütte^.  2Bir  finb 
bie  0c^afe  beiner  SßJcibe.  Sn  beiner  löblid)cn  $errfd)aft  bitten 
mir  für  bie  @l)re  unb  Sönrbe  beined  9iameim  ben  ^llmäd)tigen 
Xag  nnb  9tad)t.  @in  jammcrüüUed  0d)aufpiel  gemäl)ren  bie  ums 
l)erirrenbcn  ^ionnen  unb  ^riefter,  bie,  iiid)t  freimiüig,  fonbern 
auö  gnrdjt  üon  ben  Iempelfd)änbern  gefteinigt  511  merben,  il)rc 
^eiligen  9S3übnfifc  üerlaffen.  Sd)  (Slenbcr,  Unglücffeligcr,  fd)ün 
alternb  unb  mit  grauem  §anpte,  fel)e  mi^  genötl)igt,  ^u  betteln. 
Unter  bem  grogmütl)igften  unb  löblid^ftcn  gürften  mug  id),  bei 
bem  äußerften  äl^angel  an  allem  9Jotl)meubigcn , imr  iöefümmers 
niß  fterbeu."  Sn  feiner  ^rglofigfeit  ßabe  er  fid)  auf  nidjtö  ber* 
gleid)en  üerfel)eu;  obmol)l  er  je^t  au^i  ben  Sieben  unb  isöriefen 
glaubmurbiger  fieute  erfenne,  baß  bie  ^Heidj^Sftäbte  eö  feien,  meld)e, 
unter  bem  ©c^eine  beö  @üaugeliumc>  unb  mit  ^ülfe  ber  Snben, 
bie  Säuern  aufrei^en,  in  ber  ^bfid)t,  nid)t  allein  bie  bifd)öflid)en^ 
fonbern  aud)  bie  fürftlidjen  (3tüt)le  umjuftür-^en,  um,  nad)  Hn^= 
rottung  aller  crlanckten  gamilien,  eine  Üiepublif  nac^  bem  Sor* 
bilbe  ber  Senejianer  ober  ber  alten  Öriedjen  511  errid)ten.  Son 
bem  rafenben  Solle  fei  aUee  5U  fürchten.  SieUcid)t  merben  bie 
0tifter,  auc^  ba^j  ^u  ÖJotlja,  nic^t  miebcrßcrgeftcllt  merben.  ^ann 
aber,  fö^rt  er  fort,  „möge  boc^  mir,  al§  bem  ©infältigften  unb 
©eringften,  geftattet  fein,  in  biefem  fRnl)cfi^e  (Tranquillitate), 
ben  ic^  getauft,  ben  i^  mit  Süc^ern  auegefc^mürft,  ben  id)  mir 
jur  fiebern  3nfluc^t  meineiS  Slltcrö  auöerfel)cn  l)abc,  bid  an  mein 
6nbe  ju  bleiben.  2luc^  menn  ber  3^empel  gcfc^loffen,  bie  heiligen 
Sränd)e  abgcfd)afft,  bie  ?Utäre  nuigeftürjt  finb,  merbe  id)  bic^, 


510 


II.  12. 


% 


mein  ^ulbrei^cr  ©d)u^f)crr,  t)crd)vcn  im  Xcmpel  meinet  ^erjenö, 
im  ^eiligen  (Süangelium,  im  emigen  ^ngebcnfoit.  SÜter  unb  Sei* 
bcöfc^mac^bcit  geftatten  mir  nid^t,  ju  luanbcrn.  3n  beinern  ©ot^a, 
gütigfter  Satcr,  mo  ic^  ^armioä  jtneiuubjumnj^ig  Sa^re  lang 
gelebt,  nicmanben  gefvänft,  gebient  ^abe  mem  id)  fonnte,  möchte 
id)  altern  . . . 5lber  be^  Sebent  9lot^bnrft  mirb  mir  gebrechen. 
®ic  geiftlic^en  (Sinfünfte  finb  aufgel)oben.  SBonon  foH  ic^  firmer 
leben?  ^urc^laud)tigcr  gilrft!  ic^  inerbe  mit  SBenigem  ^ufrieben 
fein.  Düc^  ehrbaren  unb  gelehrten  ßläften  möge  mein  §auö 
offen  fteben.  Sag  mid)  lörob  t)aben  unb  etmaö  Söenigeö  an  @clb 
für  S^foft,  3dj  bin,  ic^  geftcl)e  eö,  in  nid)t  unbebeutenbe  ©c^uU 
ben  gerätsen.  ®cnn  ganje  oier  3al)re  ift  mir  oon  ©erftungen 
fein  gefommen,  feine  g^ud)t  geliefert  morben:  mein  33rob 
mug  id)  Dom  53öcfer,  meinen  S33ein  oon  ber  ©tabt  faufen,  unb 
freilich  ein  forgfültiger  ^audmirtg  bin  ic^  nii^t,  mic  ja  folc^c 
?ld)tlofigfeit  ben  @elel)rten  eigen  ift.  3)emütl)ig  falle  ic^  bir  ju 
gügen  unb  umfaffe  bie  Änie  beiner  ©nabe:  meine  Sffettung  liegt 
in  beiner  ^anb.  ^on  meiner  banfbaren  ©efinnung  gebenfe  i(^ 
ein  $fanb  ^urüd5ulaffcn.  ßeugnig  ablegen  mill  ic^  oor  ber  9^ad)= 
melt,  bag  ic^  burc^  bie  Söoglt^aten  bei§  erlauchten  Jlurfürften, 
bc^  frommen  griebrid),  unb  feineö  menfchenfreunblidjen  iöruber^ 
unterftü^t  morben  bin  . . . 5)eine  fromme  SSeiögeit  mirb,  fo 
l)offe  id),  mir  ein  jäf)rlid)eö  ©et)alt  oerorbnen,  bag  ich 
©d)atten  beiner  ineiner  Xage  ohne  g^rd)t  unb 

©orgen  hinbringen  fann  . . . äJ^ögen  anbere  lehren  mit  bem 
©eiftc  ihreö  äl^unbc^:  ich  mill  burd)  3)?ilbe,  ©ebulb,  Siebe  unb 
gutes  ^öeifpiel,  burch  h^ii^ücn  Söanbel  nach  eoangelifcher  Drbnung 
unb  chriftlicher  Sebenöregel,  fo  lange  id)  lebe,  bie  ©laubigen  ju 
untermeifen  nid)t  aufhören"  ‘). 

^2llö  ber  tiefgebeugte  äKutian  biefe^3  ^ülfögefuch  an  fjriebrich 
ben  Söeifen  richtete,  lag  biefer  bereite  auf  feinem  lebten  Äranfeu' 
lagcr  ju  Sochau,.  mo  er  am  5.  äJtai,  gleichfalls  fatt  einer  Söelt, 
aus  ber  er  Siebe,  SSahrheit  unb  Xreue  gefchumnben  meinte,  oer^ 
fd)ieb.  ©ein  iöruber  unb  9tachfolger  3ohann  aber  n>nr  noch  9^* 
raume  ßeit  mit  ber  Dämpfung  beS  33auernaufruhrS  unb  .J)er« 


1)  2)r  ! ®ricf  gibt  ^en^cl,  Supplcm.  histor.  Gothanae  jtpeitc  ®bt^., 
e.  75  t. 


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?(u§f)anfl  bf§  SraSntuS. 


611 


ftellung  bcr  Drbnuncj  Dotlouf  Ocfdjäftigt.  ©o  fam  cö,  bog  ber 
gute  ÜJiutiau  aiict)  fernev  bitterii  3Jiaiigel  litt.  3)ocb  feine  (Srlö:= 
fung  njiiv  niri}t  iuel)i*  weit.  @egeu  Dftern  erh*anftc  er.  esS 
fd)limmer  mit  i^m  mürbe,  fagte  er  bcii  Xag  iinb  na^e^u  bic 
©tunbe  feinet  Xobe^  üoraii!^,  bem  er  gefügt  unb  ohne  ©angen, 
unter  (^ebet  unb  frommen  löctrüc^tungen  entgegenfalj.  lüiit  ben 
äBorten:  |)crr,  bein  2öiüe  gefcl)el)c!  entfdjlief  er,  am  30.  aj^är^  152(). 
©ein  Eingang  mürbe  oon  allen,  bie  it)m  nä^cr  geftanben  bitten, 
tief  betrauert;  uon  feinem  inniger  ale  oon  (£rotu^  fRubianuö,  ber 
bamaU  febon  fern  an  ben  Ufern  bcß  baltifcben  ÜJieerei^  lebte, 
„aj^utian'ö  Xob",  fdjrieb  er  oon  l)ier  auö  an  (S^amerariu^ , „ift 
mir  nad)  bem  meiner  Eltern  ber  bitterftc  gemefen.  Äeinei^  iü?en* 
fd)en  Jrennbfcbaft  mar  mir  jemaU  ttjcurcr,  mit  feinem  ftimmte 
meine  @cmütl)öart  mel)r  überein.  Xarnm  bcflage  icb  nid)t  fein 
Sooö,  fonbern  baö  meinige,  eine^  fold)en  greunbes^  beraubt  ^u 
fein.  @r  bat  baö  fterblidbe  ficben  mit  ber  Unfterblicbfeit  oer? 
taufebt,  unb  ift  obne  anfgenommen  in  bie  emige  ©elig* 

feit,  in  bereu  |mffnnng  er  fein  Sieben  fo  fromm  unb  tugenbbaft 
eingerichtet  boUe." 

Sin  ber  ^eit  irre  gemorben,  mit  ber  üteformation  5erfallen, 
mor  a/hitiüu,  mic  mir  faben,  in  feinen  lebten  3nl}ren  nid)t  miiis 
ber  alö  ©raömnö;  nur  bog  feine  ^urndge^ogene  Slrt  ibm  ben 
unmittelbaren  ä^M^i^tw^cuftog  erfvarte.  iöei  (Srai^muiJ  bagegen 
folgte  auf  ba^3  S^orpoftengefeebt  mit  Jütten  unmittelbar  bic 
§auptfdjlad)t  gegen  iiutber.  (yerei^t  bureb  biefcn‘),  mic  febon 
löngft  burd)  feine  fürftlid)en  (Gönner  gebrängt,  ctma^  gegen  ibu 
5u  tbun,  gab  er  im  3al)rc  1524  feine  ©d)rift  über  ben  freien 
Söillen  beraub,  mcldjer  Sutber,  ganj  in  feiner  SBeifc,  mic  fie 
©ra^inui^  fiüber  gejeidjuet  b^iUc,  fein  Öud)  oom  unfreien  Sßillen 
entgegen febte.  SSon  iept  au  mar  bcr  Älrieg  bcr  Oieformationö- 
Partei  gegen  ©rai^muö  erflart.  Unb  beinabe  mar  ibm  jept 

lieber,  uon  biefer  ©eite  gcfdjolten  ald  gelobt  ju  merben,  mcil  il)n 
Icptereö  auf  bcr  anbern  uerbäd)tig  maebte.  Xenu  c^  traf  nun 
gan^  fo  ein,  mie  Jütten  ibm  uorl)ergefagt  b^tte,  bag  ibm  bic 
päpftlicb  ^efinnteu  boeb  nie  red}t  trauten,  ^attc  il)n  febon  früher 


1)  59«|onber8  but(b  b^n  ^rief  öom  1524,  in  ^mlten’S  Schriften  II, 
e.  407  I 


n.  12. 


r>i2 

bcr  Sarbinal  Slbrimt  bei  Sco  X.  olö  benjenigen  benuncirt,  an 
ben  man  fic^  al^  au  bcu  cigentlidjen  Urheber  ber  iRefor- 
matiün0unru()cn  foUtc,  fo  marf  ibm  nun  ?Ubcrt 

5ürft  üoii  ßarpi,  in  einer  eigenen  0c^rift  uor,  bag  feine  S3üc^er 
bie  SIrfenale  feien,  auö  benen  fcut()er  unb  beffen  ^nl)önger  Ü)rc 
äöaffcn  gegen  bie  iUrc^e  genommen  Ijätten.  Unb  inbem  er  fiel) 
gegen  Angriffe  oon  biefer  Seite  oerttjeibigte,  ftürmte  bann  auf 
einmal  mieber  jener  ^einric^  ©ppeuborf,  §utten’ö  ^meibeutiger 
Sdjilbträger  in  beffen  lebten  Xagen,  in  baiS  hränf^ 

lid^en  alten  äRanne^  unb  mußte  ißm  bureß  53orl)altung  ber 
fdjrift  einev^  ^riefeö  an  ben  $erj^og  ÖJeorg  oon  ©ad)fen,  in  melcßem 
er  fidj  oon  ©rasinuiJ  5U  naße  getreten  glaubte,  einen  bemütßigen- 
ben  Vertrag  abjuängftigen  *).  ^n  (gppenborf  naßm  (Sragmuö 
unter  anberm  aud)  baburc^  fRacße,  baß  er  fein  CEonterfei, 
oßne  S^tamen,  bod)  ben  ßcitgenoffen  moßl  erfennbar,  feinen  5)ialogcn 
einoerlcibte.  ^aö  ©cfprod):  ^er  fRitter  oßne  9^oß,  ober  bcr 
erlogene  ^ilbel,  be^ie^t  fieß  nad)meb^bar  auf  (Sppenborf. 

§lber  and)  auf  |>utten  foH  (Sraömuö  in  äßnlic^er,  ja  nod) 
oiel  l)ämifd}erer  Steife  in  einigen  feiner  Dialoge  angefpielt  ßaben. 
3llö  folc^e  merben  ba^  ©efpräd)  eineö  greier^  mit  einem  9Räbd)en, 
unb  bie  unßoc^ieitlicße  ©odj^eit  genannt.  5(Uein  in  bem  erfteren 
mirb  nur  gelegentlid),  jur  Tarnung  einer  ©pröben,  angefüßrt, 
mie  eine,  bie  einen  fdjönen  ßiebßaber  ßartßerjig  abgemiefen  ßattc, 
5ur  moßloerbienten  ©träfe  fieß  in  einen  ßäßlid)cn,  budligen.  Der- 
fcßulbeten,  fd)äbigen  iU^enfd)en,  bem  ber  genfer  ein  Oßr  abgc= 
fdjnitten  ßatte,  üerlieben  mußte,  .^icr  ift,  mie  eö  in  bem  ©c^ 
fpräcße  felbft  ßeißt,  ein  Sbeal  oon  efelßafter  §äßlidjfcit,  ein 
Xßerfiteö,  ßngirt,  unb  feine  tofpielung  auf  Jütten  j^u  fueßen. 
®er  anbre  Oon  ben  genannten  ^Dialogen  ftellt  fieß  bie  ^lufgabe, 
bie  3lbfcßeulicßfeit  ber  ßnftfeudje  au^jumalen,  um  babureß  jeber* 
mann,  inöbefonbere  (Sltern  unb  äRäbcßen,  ^ur  SSorfießt  unb  bie 
^Regierungen  ju  oorbauenben  SJ^aßregeln  gegen  ißre  ^Verbreitung 
511  oeranlaffen.  3^  biefem  Qxdcdc  mirb  ein  ungleicße^  33raut- 
unb  angeßenbeö  @ßepaar  geftßilbert:  ein  junget,  blüßenbeö,  iin« 
fcßulbigeö  9Räbcßen,  unb  ein  Oon  jener  5hanfßeit  ganj\  ^erfreffener 
33räutigom,  ber  biefen  geßler  nießt  einmal  bureß  fReicßtßum, 


1)  3)ic  58clcöc  ].  in  ^utten’ö  Sd^riften  II,  6.  429  ff. 


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9u80on0  be§  6ra8mu8. 


513 


fonbcrn  einjig  burd)  feinen  leeren  Sfiittertitcl  bebceft:  iinb  ^ier 
finben  fid)  aUerbinti^  ineldje  an  bie  9lrt,  tnie  ©raömuö 

fonft  non  Jütten  fprid)t,  erinnern  unb  ben  (^ebanfen  einer 
fpielnnej  auf  il)n  faft  nnabiüeiöbar  na^e  legen. 

®urd)  baö  gortfd)reiten  ber  ^Jieformation  lüurbe  bem  @ra3= 
mu!§  enblid)  auc^  ber  iljm  lieb  geiuorbenc  Slufent^alt  in  Jöafel 
üerfümmert.  Statt  ber  S^ereljrung,  bie  ibni  früher  an  biefeni 
Orte  uon  allen  ©eiten  entgegengefommen  mar,  fa^  er  fid)  jejt, 
ba  bie  iöemol)nerfc^aft  in  i^rer  9)iel)r^a^l  fic^  ber  Sfteformation 
j^muanbte,  burd)  ^ubringlic^e  ©d)rciben  beljcüigt,  halb  ouc^  bur^ 
©d)mä^fd)riften  unb  ©pottbilber  uerl)ö^nt.  ^ie  nun  gar  33olfös 
l)anfen  fi^  jufammenrotteten,  ©efc^ü^  auf  bem  3Harlt  aup^rten 
unb  einige  'ölädjtc  bafelbft  um  ein  grogciS  unter  SBapn 

ftanben,  glaubte  (Sraemnö  feinet  Sehend  nnb  @utcö  nid)t  me^r 
fieser  ju  fein.  ®er  9tatl)dbepiu6,  bie  SDieffe  ab^upapn  unb 
bie  iöilbcr  aud  ben  ÄÜrdjen  ju  entfernen,  beugte  jmar  einem 
'^ludbruc^e  uor;  boc^  nun  trat  bei  ©radmud  bie  leibige  fKücffic^t 
auf  feine  l)ol)en  Gönner  ein,  bie  il)n,  menn  er  aud^  jefet  nod)  in 
^afel  blieb,  für  einüerftanben  mit  ben  Steuerungen  galten  mugten. 
©0  bcfd)lo§  er  ben  Umjug  nad)  bem  unter  öfterreic^ifdjer  ^err^ 
fd)aft  altgläubig  gebliebenen  ^reiburg,  ben  er,  unter  ängftlid)en 
^orfel)rungen , im  5rül)ling  1529  glüdlid)  audfül)rte.  §ier  mar 
er,  mäljrenb  feine  übrigen  Arbeiten  il)ren  (Sang  fortgingen,  be* 
fonberd  aud)  um  bie  Beilegung  bed  firc^lic^en  ©treited  bemüht. 
3m  3ul)te  1533  mibmete  er  biefer  Angelegenheit  eine  eigene 
©chrift,  bie  er  bem  tt)cologifd)en  Diplomaten  Snliud  oon  ^ugf 
jueignete.  2öir  moflen  feine  billigen  Sorfd)läge  (|^ur  SJtößigung 
oon  beiben  ©eiten,  Abfel)en  oom  Unmcfentlichen  u.  bgl.)  nid)t 
barnm  fchelten,  meil  fic  ol)ue  Söirfung  blieben  unb  bleiben  mu6= 
ten;  bad  aber  müffen  mir  tabeln,  bag  er  in  biefer  ©d)rift  fid) 
fclbft  bad  Stecht  benal)m,  fo  billig  ^u  fein.  Denn  menn  ed  mal)r 
ift,  mad  er  l)ier  einräumt,  baß  berjenige  fd)limmer  fei,  melchcr 
oon  ber  ßel)re  unb  (Semcinfehaft  ber  ilird)e  fich  lodfagc,  ald  ber« 
jenige,  melcher  lafter^aft  lebe,  aber  an  ber  ilirchen lehre  fcftholte, 
fo  ift  aller  (Slaubend^mang  gcred)tfertigt,  ja  geboten.  SBcnn  (Srad= 
mud  früher  feine  Untermerfung  unter  bie  ilirche  burd)  bad 
bürfni^  ^u  begrünben  gefud)t  h^^tte,  bem  enblofen  ^in  nnb  $er 
ber  löernnnftgrünbe  burch  ben  iDtachtfprud)  einer  unfehlbaren 
VII.  33 


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514 


11.  $u(^.  12.  jfapitel. 


^luctorltQt  §alt  ju  gebieten,  fo  fonntc  barin,  bei  feiner  ©eiftc^^ 
art,  imnterl)in  einige  S3at)rtieit  liegen.  Slber  bie  bogmatifdje  3“= 
fainmenftiinmnng  mit  ber  Ä^irdje  bem  fittlid)en  ©erhalten  gegen* 
über  al§  ba^  Sßie^tigere  unb  Sßefcntlic^e  betrachten,  tonnte  er 
mir  bei  cnt)d)iebenem  IHbfall  oon  bem  h«nianiftifd)fn  ©tanbpunfte, 
welcher  in  biefem  0tüde  mit  bem  be^  fpätern  fRationaliiSmu^i 
gaii5  bcrfelbe  roor. 

3[n  greibuvg  wollte  e^  bem  ©ra^inuö  Weber  leiblich  nod) 
gemüthlid)  )o  wohl  werben,  alö  eiJ  ihm,  wenigftenö  in  ber  frühem 
3eit,  511  iüafel  gewefen  war.  0o  entfd)lo6  er  fich  enblich  im 
Sahre  1535,  ber  bringenben  ©inlabung  ber  Königin  SJ^oria, 
Statthalterin  ber  ytieberlanbe,  bül)in  folgen.  Slber  in  isöafel, 
wo  er  auf  ber  ^urchreife  erft  nod)  ben  2)rud  einer  Schrift  über* 
wadjcn  wollte,  überfiel  ihn  bie  @id)t.  Slnbere  Selben  traten 
hinju,  bie  il)n,  wäljrenb  er  feine  gelehrten  Slrbeitcn  noch  immer 
fortfefete,  unaufhaltfam  bem  Xobe  entgegenführten.  3n  ber  stacht 
üom  11.  auf  ben  12.  :^uli  1536  ftarb  er,  h^Acn  unb  gefaxten 
©eifteö,  im  ^Iter  üon  70  Sohren.  @r  hoH*^  gearbeitet, 

(s^rogeö  gewirft,  für  feine  SdjWöchen  empfinblich  gebüßt,  unb 
nahm  einen  ^war  nicht  unoerfehrten,  bod)  immer  nod)  überreidjeu 
Äranj  be^  SSerbienftev^  unb  fHuhmes  mit  inö  (SJrab. 

Sn  eine  ähnliche  Stellung  wie  ©rmSmuij  fchen  wir  aud) 
feinen  unb  Jütten’«  greunb,  SBilibalb  ^^irdheimer  5U  Dtürnberg, 
währenb  ber  lebten  S^djve  feineiS  Sebeni^  htm-’ingerathen.  Xic 
3eiten  feiner  frifdjen  ilraft,  in  benen  er  bie  Schu^fchrift  für 
9i'cuchlin  unb  ben  gehobelten  @d  gc)d)rieben  h^iUCf  waren,  ald 
Jütten  ftarb,  bereite  bohin.  5)en  fatirifchen  Dialog  auf  @d  h^itte 
^irefheimer  nod)  ber  leipziger  2)iöputation  oerfagt  unb  im  Sdl)t’c 
1520  heraui^gegebeu  *).  Sn  bem  gebilbeten,  mit  griechifchen  Zitaten 
gefpidten  Satein  ber  ^umoniften  gefchrieben,  außer  wo  er  einmol 
mimifch  in  baö  ilüchenlatein  ber  2)unfelmännerbricfe  fallt,  ift 
berfelbc  übrigen«  ganj  in  ber  berben  unb  pl)antaftifd)en  91  rt 
beutfdier  Schwante  jener  3cit  gebad)t.  2)er  ertranttc  ®d  (er 
hatte  fid)  burch  fein  Schreien  bei  ber  3)i^putation  ju  fel)r  erhifet 
unb  jeigt  nun  einen  fieberhaften  ^urft  — nach  SSein)  läßt  mit 


1)  Eccius  dedolatus  autore  Joanne  Francisco  ('ottalainberpfio  P.  L. 
3n  iöwttfn’s  Schriften  IV,  S.  615—543. 


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^irrf^icimer’S  ^ulgang. 


515 


.pcycitpoft  einen  SIjirnrgcn,  ber  aber  e^er  einem  genfer  gleicht, 
aiifi^  ücip^ig  Ijolcn.  Xa  tiefer  eine  gcfö^rlic^e  6ur  in  ^uöfid}t 
ftclit,  mirb  ber  ^j^atient  ermahnt,  üorl)cr  feine  ^^eic^te  abjulegcn, 
mübei  er  merfmürbige  ^ctenntniffe  mac^t,  inöbefonberc  nnb 
.gabfiid)!  bie  einzigen  Xriebfebern  feinciS  Slnftretenö  gegen 
Siit()er  eingefteljt.  9iun  gel)t  ber  ßbiriirg  mit  feinen  (^etjiUfen 
on  ba^o  SBerf:  (Sef  mirb  erft  mit  prügeln  abget)obelt,  bann  nad) 
cinanber  gefc^oren,  purgirt  nnb  operirt.  Seim  0d)eercn  fommen 
unter  ben  paaren  gan^^e  Unge^yeferfdimänne  nun  6pflogi§men 
nnb  0opt)ivinen  ^um  Sorfc^ein;  auf  bem  SJege  besi  @rbred)en^ 
ge^cn  allertjanb  (Scfifd;e  Bdjriften  unb  ein  rotier  Xoctor^nt,  auf 
bem  nac^  unten  ber  päpfttidjc  ^bta^  unb  ba^  für  bie  Sertt)eibu 
gung  be^  S3ud}er^  uon  ben  Suggern  empfangene  Öelb  ab;  beim 
Ceffnen  ber  Sruft  aber  merben,  in  (55eftalt  non  itarbunfelu  nnb 
Äieb^gefd)tuüren,  ^ratjlerei,  Serlöumbung^fudjt  unb  ät)nlid)e 
üaftev  gefunben  nnb  tl)eilö  auogebrannt,  ttjcilö  auögefd^nitten. 
'Otad)bem  S^tient  aüei5,  bcfonbeii^  ungern  nod}  eine  gemiffe  le^te 
Operation,  buic()gcmad)t  l)at,  bittet  er,  nur  ben  rudjlojen  mitten^ 
berget  ^^oeten  unb  bem  fd}mäf)füc^tigen  Jütten  nid)tö  baüon  ^u 
fagen;  bie  mürben  eine  Älomöbic  barauo  machen.  Xiefe  0atire, 
meldjc  ^4^irdl)cimer  auf  ^ureben  feiner  greunbe,  ^mar  unter  er* 
bid)tetem  ^ftamen,  bod)  halb  alö  Serfaffer  erratl)en,  perauögab, 
foUte  i^n  tljeuer  ^u  ftet)en  fommen.  @cf,  ber  halb  barauf  mit 
ber  Sannbuüe  gegen  fiutl^er  auö  9^om  ^urüdfam,  fc^te  laut  einer 
päpftlid)en  Sollmad)t,  bie  er  l)ie,^u  l)atte,  unter  ben  ^auptan^ängern 
fiutber’ö  and)  Söilibalb-  $ircft)eimer  in  bie  SuCte.  Um  feinen 
a)Utbürgern  nid}t  böfeö  8piel  5U  machen,  mußte  fic^  tiefer  311 
Unter^anblungen,  unb  julejt  311  einer  Slrtoon  ®berruf  bequemen, 
ber  il)in  nid)t  einmal  gaii3  au^  ber  0ad)e  l)erauc5l)alf. 

^2luö  tiefer  3<^it,  bem  3flf)re  1522,  ift  ber  Icpte  oor^anbene 
Sr»ef  uon  ^ircfßeimer  an  Jütten,  bie  §lntmort  auf  ein  (Uerlorneö) 
©c^reiben  bei<  le^tern,  baö  Sucer,  maprfcßeinlidj  im  befolge  bei^ 
^^^fal3grafen  gi^iebricß  nad)  9^ürnbcrg  gefommen,  ißm  übcrbrac^t 
Ijatte.  S^^c^bcimer’el  Srief  ift  nidjt  oßne  Seid)en  uon  Slengftli^* 
feit,  ober  bod}  uon  Serftimmung.  feien,  fd)reibt*er,  me^r 
übrigen^g  um  feiner  ?lnl}änglic^feit  an  fReuc^lin  olö  an  £utl)er 
miHen,  and)  megen  be^  gehobelten  @d,  für  beffen  Serfaffer  man 
il}n  halte,  Verfolgungen  über  ihn  ergangen,  bie  aud)  einen  ftanb* 


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516 


II.  %ud(|.  12.  I^aDitel. 


()aftcn  9J?ann  pttcn  crfd)üttcrn  fömten.  ^obe  i^m  @ott 

biöber  (jc()olfen  unb  tucrbc  ido1)1  audj  ferner  l^elfcn.  Obgleich  in 
einer  freien  (Stabt  geboren,  fei  er  bod^  nic^t  fein  eigener  $enr, 
fonbern  Oabc  bem  fRatt)c  get)orc^en  müffen,  ber  ben  ^anbel  bi^* 
t)er  mit  mef)r  Älugt)eit  aU  2)2utt),  obrnot)!  nid)t  o()ne  Äoften, 
gcfütjrt  ^abe.  Siterarifc^eö  tjabc  er  rnitttcrmcite  nic^t^  0tanbe 
gebradjt,  aU,  mä^renb  er  am^obagra  gelitten,  ba§  Sob  beffeU 
ben  gefdjrtebcn,  baö  er  bem  grcimbe,  menn  e^  biefer  münfd^c, 
jufc^iden  molIeO. 

tiefer  ^Infcc^tungen  ungcad)tet  loor  ^iref^eimer  in  jenen 
3al)ren  noc^  ein  mariner  ^In^ängcr  ber  ^Reformation.  9toc^  an 
Slbrian  VI.,  ber  Einfang  bc^  S^a^rc^  1522  ben  pöpftUc^en 
0tul)l  beftieg,  gebadjte  er  ein  0d)reiben  richten,  baö  aber 
ma^rfc^einlid^  biird)  ben  unermarteten  2^ob  biefe^  ^opfteö  ab^ 
gebrochen  mnrbe,  morin  er  nlö  ben  Einlaß  ber  firc^lic^en  Unrul^en 
ben  Uebemuitl)  unb  Sä5iffenfd)aft!3l)a6  ber  Dominicaner,  iljren 
Eingriff  auf  fReud)liu,  bann  il)re  gottcSläfterlid^e  ©rljebung  be§ 
2lblaffei^  angibt  unb  uon  ^utl)er  ebenfo  rü^mlid),  mie  Oon  beffen 
erften  ©egnern,  @d,  Sajetan  u.  f.  f.,  üeräc^tlid)  fprid}t.  3c  me^r 
aber,  befonberö  feit  b.  3- 1524,  bic  ^Reformation  in  feiner  näd)ftcn 
Umgebung  oormärtö  brang,  befto  me^r  sog  fic^  ^ird^eimer  oon 
berfelbeu  surüd.  Die  ©emaltfamfeiten,  bie  Unorbnungen,  bie 
ßöfung  alter  0itte  unb  ©ntfeffelimg  ber  Seibeufc^aften , bie  su* 
näcbft  oon  i^r  unsertrennlid)  maren  unb  im  dauern friege  ju 
einer  crfd)rcdenben  |>öbe  ftiegen,  madjtcn  il)n  alg  0toat^mann 
bebenflid^.  Die  ^erfönlid)feiten,  bic  in  S^lürnberg  an  bic  ©pifec 
ber  firc^lid)en  Söeränberungen  traten,  mic  ber  brutale  Ofianber, 
ftiegen  ign  ab.  2ludj  ßutger’ö  .^eftigfeit  unb  oft  unnötgige  C^rob* 
l)cit  gefiel  igm  niegt.  Daneben  machten  gamilieuoerbältniffe 
‘ igren  Hinflug  geltenb.  9Regrcre  Segroeftern  unb  Döcgter  ^ird* 
geimer’iS  gatten  fid)  bem  geiftlicgen  ßeben  gemibrnet.  Die  ölterc 
feiner  ©egmeftern,  ©garitaö,  bem  33rubcr  an  Ocift  unb  Sgarafter 
ebenbürtig  unb  oon  biefem  gumaniftifeg  gcrangebilbet,  ftanb  bem 
Glarcnfloftcr  su  Sflürnberg  alö  5lebtiffin  oor.  @egen  bie  Älöfter 
aber  riegtete  fieg  ber  UmoiHc  bc^  bureg  bie  ^Reformation  aufge^^ 
regten  55olfö  am  erften  unb  geftigften.  Dag  eö  ein  3n:tgum 


l)  ®cn  ^rief  f.  in  ^utten’S  Schriften  II,  ©.  112  f. 


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^U(f()ftmcr’§  HuSflong. 


517 


früherer  (jcipcjen,  ben  aud^  er  c^etf)cilt  ^abc,  Xöcf)tcr  unb 

0c^iücftern  im  Älofter  am  beften  uerforöt  ju  glauben,  fa^  SSili* 
halb  jc^t  ein.  Slbcr  bic  §(rt,  mic  mau  mit  ben  armen  Dlonnen 
ücrfii^r,  bie  fortmäljrcnben  9^ecfcreicu  unb  Üränfungen,  mcldjc 
ba^  ßeben  feiner  mürbigen  ©c^mefter  fortan  einer  ma()rcn 
ficibcn^9cfd)ic^te  machten*),  erbitterten  i^n  nid)t  bloö 
^ßerfonen,  fonbern  and)  flegen  bic  ^enfart  unb  fKid)tung,  oon 
ber  fie  auögingen.  Salb  traten  nod)  bie  ©paltungeu  innert)alb 
ber  Sfleformpartei  ^inju,  baö  bebenflidjc  2Beitergef)en  ber  fc^mei* 
jerifc^en  S^eformatoren , burd)  meldjcö  man  in’ö  Sobenlofe  ju  ge^ 
ratzen  fdjien.  ©o  anftögig  nmr  biefe  $irdt)eimern,  bag  er  mit 
einem  et}emaligen  greunbe,  bem  3ol).  Oefolampabiuö,  fic^  in 
einen  bittern  ©c^riftemüed)fel  über  bie  S(benbma()(öle^re  üermidclte, 
in  melc^cr  er  fid),  ;^um  Sßerbruffe  bc^  (Sra^mu^,  im  S33ef entließen 
auf  ben  ßutt)erifc^cn  ©tanbpunft  ftellte.  iöc,^eid)ncnb  ift,  maö  er 
in  ber  Sßorrebc  ju  ber  erften  biefer  ©c^riften  äußert,  mo  er  bie 
Ueberlegenbeit  feineö  ©egner^  aU  0jclet)rten  anerfennt,  bem  er 
fid)  aber  (jinmieberum  in*  ßebend»  nnb  @cfd)äftvJerfatjrung  über* 
legen  meiß.  ©tnnbe  bie  teptere  mand)en  fo  mie  bie  erftcre  jur 
©eite,  meinte  er,  fo  lebte  baö  (S^riftenoolf  frieblidjcr,  unb  uns 
i^äßlige  Unrußen  mären  oermieben  morben. 

3une^mcnbe  ilränflid)fcit  unb  IBercinfamung  in  ben  lepten 
3aßren  (1528  ftarb  fein  getreuer  SÜbreeßt  Xürer)  oermetjrten 
^iref Reimer 'ö  S3erftimmung,  bie  um  fo  tiefer  mürbe,  al^  er  fic^ 
oon  ber  fReformotion  abmanbte,  oßne  bod)  ^u  bem  alten  Äirdjciis 
mefen  ein  neueö  Vertrauen  geminnen  <^u  fönnen.  @r  fei  anfäng* 
lic^  gut  Sut^erifc^  gemefen,  mie  ber  fclige  5Ubred)t  aueß,  befennt 
er  furj  oor  feinem  ^obe  in  einem  merfmürbigen  Briefe*),  meil 
fie  geßofft  Ijaben,  bic  römifcß  Büberei,  bcßglcidjcn  ber  a}iönd) 
unb  ^fa^en  ©d)alfßeit,  follte  gebeffert  merben.  2lllcin  ftatt  beffen 
ßabc  fic^  bic  ©ac^c  alfo  oerfdjlimmcrt,  baß  in  S^crglcidjung  mit 


1)  Sßl.  bic  Denfwürbißfeiten  ber  ^^aritaS  ^iref^etmer  in  ber  Quellen» 
jainmlung  für  fränf.  @ejf(|.  fjerouSg.  oon  bem  b‘ftor.  Jöcrein  ju  Bamberg, 
^b.  4.  Homberg,  1853. 

2)  Sd^reiben  ^errn  SBilibalb  ^irrfbeimcr’S  on  3o(|.  Ijd^ertc,  Ä.  ÄorI’§  V. 
39ou»  unb  ^rüdenmeißer  in  ffiien.  3n  6^.  ö.  3Jlurr’5  Journal  jur  Äunßgcfd). 
u.  jur  aUg.  2it.,  X.  5:^1.,  9lürnbfrg  1781,  B,  36—47. 


518 


II.  5Bud^.  12.  iJopttcl. 


bcn  cüangdifc^cn  iöuOcii  bic  Doricjcn  fromm  crfc^cincu.  2Bäl)vcnb 
biefc  mit  ©Icigucrci  unb  Sift  betroffen  ^aOen,  moUcn  bic  jc^igeu 
offen  unb  ungcfcbcut  ein  fc^änblid)  Sieben  führen,  unb  babet  bic 
Seutc  bei  fetjenben  klugen  blinb  reben,  inbem  fie  nidjt  nad)  iljtcu 
SBerfen,  fonbern  nad)  i^rem  ÖJlnubcn  bcurtf)ci(t  merben  oer- 
langen.  2)cr  gemeine  9Jknn  fei  burd)  biefe^  ©onngclium  alfo 
unterrid^tet,  ba§  er  ni^t  anberö  gebenfe,  benn  toie  eine  gemeine 
X^eilung  ‘gcfc^e^en  möge;  unb  mo  bie  groge  Strafe  uic^t  märe, 
mürbe  fid)  halb  eine  gemeine  ®cutc  (^iüuberung)  erl)ebcn,  mic 
an  oielcn  Orten  aueg  fd)on  gcfd)cl)eu  fei.  5)a^5  fd)rcibc  er  jeboe^ 
niegt  barum,  fäl)rt  $irrfl)cimcc  fort,  bag  er  bc5  ^apftci^  unb 
feiner  Pfaffen  unb  3Jiönc^e  Söcfen  loben  tonnte  ober  möd)tc 
oiclme^r  miffe  er,  bag  eö  in  oiel  2öeg  fträflid)  fei  unb  einer 
iöeffcrung  bebürfe:  nur  fei  leiber  oor  klugen,  bag  aud)  baö  neue 
SBcfen  in  teinem  SBeg  ^u  toben;  mie  ja  Sutljer  felbft  unb  oiel 
frommer,  gelehrter  fieutc,  bie  bem  mal)ren  ©oangelium  angangeu, 
mit  Sd)mer5cn  fegen  unb  bcfcnneii,  bag  biefe$  iBefeu  feinen  33e- 
ftanb  gaben  möge.  2)ic  ^apiften  feien  bod)  ^yim  minbeften  unter 
ignen  felbft  einö:  bagegen  feien  bic,  fo  fid)  eoangelifeg  nennen, 
mit  bem  göd)ften  unter  einanber  uncinö  unb  in  Sccten  jcrtgcilt; 
bic  inüffen  igren  Sauf  gaben  mic  bie  fegmärmenben  dauern,  biö 
fie  julcgt  gar  oermütgen. 

So  trüber  Stimmungen  SJ^eiftcr  ju  merben,  in,  ber  oer* 
morrenen  ©ägrung  ber  ©egenmart  bic  fd)affeubcn  Äräfte  ber 
^ufunft,  bic  Ücimc  fd)öncrcr  (Sntmicfluugcn  511  crfcnucn,  ba^u 
mar  ber  fecgöjigjägrige  pobagrifd)e  ^irdgeimer  ^u  alt  unb  traut: 
er  ftarb  im  S^agre  bcö  augöburgifegeu  53efcuutniffc!^,  unb  feine 
Icptcn  Seufjer  maren  2öünfd)c  für  baö  SBogl  bcö  S^atcrlanbc^ 
unb  ben  grieben  ber  ftirege. 

iieiner  oon  ^uttcn’ö  alten  greunben  blieb  ber  fRiegtung,  bic 
fie  einft  gcmcinfd)aftlicg  oerfolgt  gatten,  babei  ober  .yiglcid)  feinem 
eigenen,  oon  bem  feinet  rittcrlicgcu  greunbeö  ocrfd)iebcueu  SSefeu, 
getreuer  aU  ber  maefere  (Soban  |)cffc.  33ci  aller  grcigeit^=  unb 
53aterlanbölicbc  mar  er  boeg  feine  politifd)c  9latur  mie  §utten, 
ben  Xricb,  auf  bic  öffentlid)en  Xingc  eiujumirfen,  empfanb  er 
niegt;  oictmegr  mar  er  ^oet  unb  Segrer  burd)  unb  bureg  unb 
fanb  fid)  im  Stubium,  SBortrag  uub  ber  9^ad)bilbuug  ber  alten 
^id)ter  auf  ber  einen,  in  garmlofer  (^efeHigfcit  beim  Söein  auf 


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Goban’S  ?Iu90onfl. 


519 


bei*  aitbcrn  ©eite,  üollfomincn  befvicbic|t.  ?lber  bic  ©adje  bev 
^Jtcformatiüii  tuav  iinb  blieb  il)in  .^erjeusfadje.  5^üii  ben  C^jebid)* 
ten,  beneii  il)it  2utf)er'‘3  ?(iifcutf)alt  in  @rfurt.  auf  bei*  0^eije 
nad)  Siknrnö  beciciftevte,  ift  oben  bie  ^ebe  (^eioefen.  ©pnter 
bid)tetc  er  in  bei*  J^orm  bev  oüibifdjcii  ^croiben  eine  ©piftcl  bev 
i^cfancjcncn  Äivd)e  an  Sutljev,  tucldjc  biefer  cvfvcut  ,yiin  2)vucf 
befövbcvtc.  äJ^ituntev  tuanbelte  oud)  il)ii  bO‘3  ^umaniftifdje  ^e^ 
benfen  an,  nl^  föniitc  bev  fvomme  (5ifev,  ben  bic  S^efovmation 
angcfac^t  batte,  bev  n)iffcnfd)aftlid)en  53ilbung  ©intvaej  tbnn. 
'^efonbeViS  bag  bic  vclic^iöfcn  ©egenftänbe  anfingen,  in  beutfd)cn, 
jebem  nevftcinblidjen  ©d)viftcn  Ocvl)anbe(t  ^n  tuevben,  gab  bem 
Satiniften  bic  53cforgnib,  cio  locvbe  nun  bie  0jc(cbvfamfcit  alö 
ctioaii^  Ucbcvflnffige^^  cvfebeinen.  ^iefe  ©efovgnib  nnivbc  geniebvt 
bnvcb  ®cbal)vcn  manebev  euangclifdjen  ^vebigev,  bie,  nid)t 
feiten  anögetvetene  9J^önd)e,  il)vc  Unu)iffenl)eit  nnb  ?lbneigung 
gegen  bic  SÖ3iffcnfd)aft  mit  auf  bie  Änn^el  bvadjten.  (^egen  fold)eö 
Xveiben  liefe  @oban  im  3al)vc  1524  bvei  fativifd)e  Dialoge  cv' 
fd)cincn,  nad)bcm  ev  ba§  3^1)1’  üüvl)ev  Öviefe  üon  Sntl)cv,  9.Ue-' 
lanebtbon  nnb  anbevn  ^eiuegung,  movin  bie  9f?otl)- 

menbigfeit  bcö  ©tnbiumö  uon  ^oetit  nnb  S^lb^^lavif  betont  mav, 
^ur  eigenen  iöcrnl)ignng  nnb  ,^nv  9^acbnd)tnng  füv  anbeve  feattc 
bvncfcn  laffen.  Xovnm  ivvte  SJ^ntian,  menn  ev  um  bicfclbe  |^eit 
meinte,  @oban  buvd)  fein  ^^reben  oom  i!ntbevtl)iim  ^nvndgc= 
braefet  ju  haben*);  nnv  milb  nnb  ocvföbnlid)  blieb  biefev  immer 
gefilmt. 

Sobaifö  äufecre  Sage  mav  bnvd)  bie  9tefovmation  iiid)t 
uerbeffert  movben.  Xic  SJermivvnng  in  ®vfnrt  ftieg  in  5olge 
bcrfclbcn,  nnb  bic  ,'pod)fchulc,  an  meld)cv  cv  Icferte,  fam  immev 
mehr  in  ^^anernfvieg  oollenb^5  brachte  beven  ©itu 

fünfte  inö  ©toefen,  nnb  hätte  @oban  nicht  an  feinem  (>ieovg 
©tnr;^  einen  grofemnthigen  Äl^acena^  gehabt,  fo  hätte  cv  mit  feiner 
anmachfenben.  gamilie  uon  SBaffer  nnb  '<örob  leben  muffen. 
mar  hohe’  ^afe  ihm  im  folgenbcn  gahve  3Jielanchtl)on  eine 
©teile  an  bem  ncucrrid)teten  (^Ihamafinm  in  Dlüvnberg  i)crfd)affte. 
Die  3J^id)t,  bev  9^cid)thnm,  bie  iöilbung  biefev  fveien  ©tabt 
madjten  auf  ben  'I)ichter  gvofeen  ©inbvncf,  mclchcm  er  in  einer 

1)  Elution  ait  6ra8mu§,  1.  ^lerj  1624,  in  ^uttcn’8  €(^riftcn  H,  401. 


520 


II.  $u(^.  12.  j^apitel. 


I 


poctifd^cn  S3cfc^tcibuni]  9^ürnbcrcjö  einen  §(uöbrucf  (lob,  ber 
uon  bem  9iati)e  eine  ^^evc^runö  non  70  gi.  eintrug.  $ier  arbeitete 
er  anc^  feine  Ueberfe^ung  bci^  Xt)eofrit  in  Iateinifcf)en  |>efametcrn 
auö  unb  begann  eine  äl)nlid)c  ber  3liaö.  Sooc^ini  Samerariuö 
unb  3)iid^ael  fRoting  loarcn  feine  SoIIcgcn;  ber  fHatf)^l)err 
ronpmuö  33anmgartner,  ber  iRatböfc^reiber  ßajaruö  ©pengler 
feine  @önner;  mit  SBenceölauö  Sinef,  5^boma«  SBenatorin^  u.  ^t. 
ging  er  freunbfdjaftli^  um;  fein  liebftcr  ©efellc  jebod)  auf  0pajier^ 
gangen  unb  beim  SBeine  mar  fein  9flad)bar,  SBilbclm  53reitcn- 
grafer  ber  SRufifu^,  non  bem  er  ficb  auch  gern  beutf^e  Sieber 
norfingen  lieg.  Sßilibalb  ^irdbcinier,  mit  bem  @oban  fegon  x>ox- 
ber  in  33erübrung  geftanben,  feiner  ^nfunft 

5U  einer  non  feinen  glänjenben  ©clebrtenmablsciten  gelabcn  unb 
mar  ibm  ba  freunblicb  entgegenge!ommen.  Jöalb  aber  brachte  bie 
nerfdbiebene  ©tellung  beiber  äRönner  jur  ^Reformation  eine  Span- 
nung in  ibr  Sßerbältnig.  5)er  raf^e  unb  offenbersige  ^oet  batte 
ficb  am  britten  Orte  über  ^irdbeimer'^  biplomatifcbe  ßnrüdbaltung 
fdjarf  geäugert , ma^  bem  (extern  bäderbraebt  morben  mar. 
33eibc  fprad)en  ficb  über  bic  Sad)e  mit  mürbiger  Slufriebtigfeit 
brieflid)  gegeneinanber  auö,  unb  alö  ^irdbeimer  halb  barauf 
ftarb,  nerföumtc  @oban  nidjt,  ibm  einen  ebrenben  iRadbruf 
mibrnen. 

SBäre  cö  nur  in  bem  reichen  iRürnberg  für  einen  armen 
'^^oeten  ni(bt  fo  tbeuer  gemefen,  unb  märe  nur  ber  arme  ^oet 
ein  befferer  SSirtl)  unb  norfid)tiger  in  ©efebäften  gemefen.  3toör 
nermittelten  feine  ©önncr,  bag  iljm  bic  Stabteaffe  immer  miebcr 
anö  feinen  S3cr legenbeiten  b^lf.  ®ocb  fühlte  er  ficb  in  ber  ^an* 
bclöftabt  and)  fonft  nidjt  in  feinem  Elemente.  @r  gebe  nicht 
gerne  mit  biefen  Ä'auflcutcn  um,  fd;reibt  er  an  feinen  @.  Stur^, 
bie  nur  Oon  Pfeffer  unb  Safran  träumen,  nur  uon  @olb,  nnb 
nid^tö  Don  Sßiffenfcbaften  miffen.  So  lieg  er  fid)  bureb  alte 
^Inbänglicbfeit  unb  neue  Anerbietungen  im  3-  1533  miebcr  nach 
Erfurt  loden:  ein  Stritt,  ben  er  halb  ju  bereuen  Urfa^c  fanb. 
®cnn  ber  erfurter  §od)fd)ule  mar  nid)t  mehr  auf.^ubclfen,  unb  bic 
nürnberger  ©rogmutl)  unb  greigebigfeit  fanb  er  ni^t  micber  in 
ber  berunterfommenben,  uon  Parteien  äcrriffcncn  Stabt, 

Sd)on  alö  um  baö  3-  1526  t)on  Reffen  bic  UnU 

Uerfität  9Rarburg  crricbtctc,  gingen  (Soban'ö  bcö  Reffen  SBünfebe 


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6obun*ö  ^u§gang. 


621 


auf  eine  ^InfteUunfl  an  ber  f)cimifc^en  2cl)ranftalt.  Seitbem  bc# 
hielt  er  ben  Sanbgrafen  im  ^tuc^c  unb  befang  1534  feinen  mür^ 
tembcrgifchcn  0ieg.  @nblich  im  3. 1536  fom  ber  iRuf  0tanbc, 
ber  bem  (Soban  für  ben  S^left  feiner  ^age  eine  leiblichere  @i*iftcnj 
üerfebaffte.  S^oar  bie  alten  Uebelftänbe  begleiteten  ben  ehrlichen 
^oeten  and)  nach  3)?arbnrg.  0eine  ©chulben,  fogar  bei  Suben, 
mußten  auf  feine  35ittc  non  Uniuerfitätdmegen  abgemicfelt  merben. 
@r  fcheine  eine  fonberbarc  Söorftcflnng  üon  feinen  J^inanjen 
haben,  fchrieb  er  bem  iRector,  ba§  er  ihn  auf  bie  orbentlid)en 
IBerfaHtcrmine  feiner  53cfolbnng  befchränfen  moUe:  mo  er  bii^hc^^ 
getnefen,  h^ljc  er  immer  and)  ^mifchen  ber  Seit  auf  Slbfd)lag  holen 
bürfen.  SOiit  bielcni  0elbftgcfül)l  (benn  er  ftanb  auf  ber  $öhe 
feineö  ^)ichterruhm5,  unb  feine  0d)riften  fanben  nid)t  allein  in 
^eutfd)lanb,  fonbern  aud)  in  Stalien,  granfreich,  ©nglanb  unb 
0panien  Slbfa^,  nur  trugen  fie  ihm  menig  ein)  brohte  er  mehr 
alö  einmal,  menn  man  nicht  beffer  für  ihn  forge,  mieber  megju* 
gehen;  bod}  lieg  er  ftch  immer  mieber  bcfd)n>i(^tigen  unb  mürbe 
na^  unb  nach  burch  ©clb?  unb  grud)täulagen  immer  beffer  ge^ 
ftellt.  53efonbre  J^reubc  mad)tc  il)m  eine  $frünbe  ^u  0t.  ©oar 
bie  er  erhielt,  meil  fie  jmei  guber  guten  Söeinö  ertrug,  ^uch 
ein  ^auö  hotte  er  ftd)  auiSmählen  bürfen,  boö  ber  fionbgraf  für 
ihn  taufen  moUtc.  ^enn  biefer  mugte  @oban  nicht  blo§  alä 
©eiehrten  ,^u  f^ä^en,  fonbern  mochte  ihn  and)  Vetfönlid)  mol)l 
leiben.  (Sinmal  jmar  oermarnte  er  ihn  megen  feines!  Xrinfenö: 
mogegen  gd)  @oban  auf  feine  5lrbeitcn,  bie  in  3)iarburg  oollciu 
bete  Ueberfe^uug  ber  3lio^  oor  ollem,  oliS  gefchmorene 
gir  feinen  fiebcnömanbel,  berief.  2(ud)  mar  eö  nicht  fo  böfe  ge^ 
meint:  ber  fianbgraf  ^og  ben  ^oeten  nicht  nur  menn  er  fclbft^u 
äRarburg  mor,  ober  @oban  nad)  Üaffel  tarn,  gerne  jur  Xafcl, 
fonbern  biefer  mugte  il)n  oud)  ^um  Sonüent  in  0chmalfalbcn, 
nach  grantfurt  unb  bei  ähnlichen  ^Inläffen  begleiten.  Sii^meilen 
fpielten  ge  ^ufommen  0chadj:  ba  mar  ber  forglofe  ^oet  ber  0tras 
tegie  be^  Sanbgrafen  nid)t  gemachfen;  biefer  machte  ihn  matt, 
ber  ^oct  mürbe  milb,  unb  baran  hotte  jener  fein  Srge^en. 

Deftcr  fchon  mar  ®oban  Icibenb  gemefen:  er  felbft  leitete 
Don  feinem  hcrjhoften  Printen  hci^^  oon  bem  er  barum  hoch 
nicht  laffen  mochte.  So  Anfang  beö  3.  1540  reifte  er  nach 
Äaffel  unb  holte  geh  ba,  er  mugte  nicht,  foUtc  er  cö  ber  Sßitte- 


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522 


II.  12.  j^Qpitcl. 


runn,  ober  bem  ,f)ofn)ciitc  ^ufebveiben,  einen  5latarr(),  ber  nirf)t 
mef)r  lucidjcn  tuontc.  ^obagra  cjcfeüte  fic^  Ijin^n,  bic  0arfjc  ^0= 
ftaltete  fid)  allinäblif^er  Slbjebning.  @oban  bereitete  fid)  •^uiii 
Xobe;  er  fd)ricb  an  9}ielancbtf)on,  für  i^n  beten.  Sanqe  I)Qttc 
man  fein  Söort  me^r  Don  i^m  üernommen:  ba  fprad)  er  auf 
einmal,  er  moßc  hinauf  ,^u  feinem  §crrn.  SJ^an  meinte,  er  pbon* 
taffere  üon  einem  @ang  auf  ba^  0d)lo6  i^nm  Sanbgrafen;  er 
hatte  aber  einen  anbern  ®ong  nnb  einen  anbern  $errn  gemeint 
unb  entfdhlief  halb  baranf  am  4.  Detober  1540  im  52.  £cbcn§= 
fahre.  9Jian  mürbe  irren,  menn  man  barum,  mcil  @oban  in  ber 
beutfdhen  fiitcraturgcfchid}te  feine  ©teile  I)ot,  feine  SBcbeutung 
nnb  feinen  (Sinfluft  gering  anfchlagen  moüte.  @r  mirftc  alö 
ßehrer  unb  ©d)riftfteüer  für  bic  2Infrcd)thaltung  h^iiioniftifcher 
Gilbung  in  einer  olö  biefe  bereitiS  mieber  im  ©infen  mar; 
er  mad)te  ben  .^oiner  nnb  ^^h^ofrit  ben  ©cbilbeten  in  ihrer 
©prache  (ber  Iateinifd)en)  mit  ©rhaltung  ber  Ä^unftform  ^ugöng:-- 
lich;  für  bic  ^Deformation  aber  mar  cö  oon  hohem  SEBcrthc,  bog 
ber  anerfannt  erfte  Iatcinifd)e  3)id)tcr  ber  ßeif  ih^^  begeifterter 
SBcrfünbiger  marb  unb  blieb. 

@incn  gan^  anbern  SBcrIanf  nal)m  ba^  ßcben  b^5  Ü}Danm^, 
ber  neben  @oban  ber  liebfte  unb  oertrautefte  Oon  ^uttcn'ö  3u^ 
genbgenoffen  gemefen  mar,  beffen  er  aud)  noch  in  ben  Icpten 
SBod)cn  feinet  ßeben^  in  einem  53riefe  an  @oban  mit  ^örtlicher 
greunbfehaft  gcbad)t  hatte:  bc^  Svotuö  fRubianuö.  Söenn  ein  ©utten, 
@oban,  ,5)crmann  oon  bem  53ufchc  mit  bemfclbcn  frifchen  SRuthe, 
mit  bem  fie  unter  ber  g^h^e  bc^  ^umani^muci  oorgebrungen 
maren,  nun  and)  für  bic  ©achc  ber  ^Reformation  mciter  gingen; 
menn  @raönu^5  bic  bipIomatifd)c  3ai‘ücfhaltung,  bic  er  in  bem 
Sntherifchen  ^anbel  bemicö,  ebenfo  and)  fd)on  in  bem  SDcuchlinU 
fehen  gezeigt  hatte;  menn  ^irefheimer,  bei  mclchem  ber  fRücffchritt 
merflichcr  ift,  biefen  bod)  mit  aller  Sßürbe  eineö  unabhängigen 
9JDannc§,  cineö  ftaatömönnifchen  ^haraftcrö  that:  fo  fällt  bagegen 
bem  Srotuö  ^nr  Saft,  nachbem  er  faft  fo  mcit  alö  Jütten  üor' 
märt^  gegangen  mar,  mciter  alö  @ra^5mn^  jurüefgetreten  i^u  fein, 
nnb  biefen  ©d)ritt  ohne  SBürbe,  ja  unter  Umftänben  gethon  511 
haben,  mclchc  bic  ^Reinheit  feiner  ^43emeggrünbe  ämcifclhaft  machen 
mugten. 

^JDadjbcm  Srotu^  auf  bem  33oben  beö  ^umani^mu^  burch 


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^u§ganß  t>c§  (^rotuS  9{ubianu§. 


f)23 

bic  iöricfc  bcr  ^unfdnulnm't  bcu  fccfftcii  0trcid),  ol^^uar 
tappt,  au^i]cfül)rt  t)nttc,  wax  cv  nidit  ctuui  auf  bcr  <Sd)tpdic  bcr 
^Kcformation  tuicbcr  iim^cfct)rt,  tjattc  bicfc  aud)  nic^t  ^öc^crnb 
uiib  Icifctrctcub  wie  (Sraöimi‘5,  fonbern  rafd)  uub  mit  ftarfem 
5(uftritt  ubcrfd)rittcii.  üutt)cr'»  ^^Udagftreit  entbrannte,  mar 
drotuö  gcrabc  in  Stalicn.  3ni  ©ommer  1519  batte  er  9tüm 
befiid)t,  unb  ficb  ba  uoUenbe^  uon  bcr  iJtütbmcnbigfeit  eincö  ©in* 
fd)rcitcuö,  mie  t^utt)er  fo  eben  mogte,  über-^eugt.  ^an  ben 
iöriefen  uoll  t^ncrfcnnunii  unb  (^iuüerftänbnife,  bie  er  nod) 
in  bemfetben  Sf^b^e  imn  33olücina,  bann  nad)  feiner  fRüdfebr  nad) 
3)eutfd}lanb  im  J^dib^wci  1520  üon  iöamber^  üu5  an  ben  alten 
erfurter  ©tubiengenoffeu  fd)rieb,  ift  oben  am  gebörigen  Crtc  bic 
9icbc  gemefen.  Sic  Cirotuö  im  folgcubcn  Snb^'^  Erfurt 
tarn,  mürbe  er  ba  ,^um  Sftector  ber  Uuiuerfität  gemäblt;  maö  er 
nicht  uerfeblte  alöbalb  Sutbern  in  einem  Sd)reiben  au^u^eigen, 
morin  er  il)n  bringeub  ermabnt,  fein  unerfeplicbe^  £el>cn  üor  ben 
^diftefiungen  feiner  g^inbe  ju  bemabren.  münfd)t  er 

bem  SUiclandjtbun  ^u  feiner  tiöcrbeiratbung  (^lücf  unb  befennt 
fid),  im  (^egenfape  511  Ü)Jditian,  bem  IJobrebner  bc‘5  Gölibat!?,  alö 
®ercbrer  hei  cbelidjen  2ebcuö  *)•  Hnb  nid)t  bloö  in  ^^riefen,  uon 
benen  übrigens  bcr  leptere  alöbalb  ,^u  Sittenberg  gebrueft  mürbe, 
fonbern  auef)  burd)  einen  redjt  auffallcnben  öffcntlicben  3Ict  patte 
fid)  CIrotU!?  nid)t  gefd)eut  feine  3Serebrung  für  ben  9teformator 
an  ben  Xag  311  legen.  ^2llö  biefer  auf  feinem  *^öd)  Sormö 
311m  fRcicpi^tage  burdj  ©rfurt  tarn,  mar  ibm,  mie  oben  er3Üblt 
morben,  CErotin^  alö  3eitigcr  9tcctor  an  bcr  8pipc  bcr  Uniuerfität 
entgegengc3ogcn  unb  b^lte  ibn  mit  einer  fcierlid)cn  ^Inrcbe  cm^ 
pfangen.  ^2(bcr  eben  biefe  geierlicpfeit  fd)t  mibermärtige 

folgen.  (£ö  ift  fd)on  ermäbnt  morben,  mie  glcid)  in  ben  näd)ften 
Xagen  Stubenteu  unb  ^bbcl  in  (Erfurt  einen  Sturm  auf  bic 
;^äufer  ber  (^eiftlid)cn  unternabmen.  '3^ie  Unterfud)uug,  bie  er 
ali3  Üiector  barüber  311  fübren  b^itte,  mar  für  ßrotu^  nid)t  nur 
ein  l)üd)ft  unangenebmeö  (35efd)äft,  fonbern  ba^^  (^rcignif)  gab  ibm 
aud)  iöcbenfen  gegen  bic  iiutt)erifd)c  '^emegung,  mit  bcr  c^  in 
unleugbarem  yufammenbange  ftanb.  töerftimmt  30g  er  fid)  fo 
halb  mie  möglicp  in  fein  alteö  gulba  3urücf,  ol)ne  jebod)  mit 


1)  3n  ^uttcn’S  Sd^riften  I,  e.  433  f. 


624 


II.  %u(^.  12.  jCIapitcI. 


# 


bcm  iDittcnbcrflifc^on  Äreifc  aii6ci*  SScrbinbiinfl  ju  treten.  3nt 
3fil)re  1523  l)Qttc  man  bort  bic  Slbfic^t,  iljii  jum  2)ccan  be^ 
^ülev^eiligcnftift^  511  mad)cn,  um  einen  beffern  @cift  in  baffctbc 
bringen;  bod)  ber  ^(nn  fam  nid)t  j\ur  ^u^fiU)rung.  Unb  im 
fülgenben  3aJ)tc  mürbe  er  üon  aj^ctanc^tl^on  unb  feinen  Steife» 
gcfaf)rtcn  noc^  ganj  einer  ber  3i)riflcn  in  gulba  bcfuc^t.  Um 
biefclbc  3cit  mar  ber  ^od)mcifter  be§  bcutfdjcn  Orben^,  ^Ibrcc^t 
Don  ^raubenburg,  in  ^cutfc^lanb ; ber  marb  mit  anbern  ®elef)r* 
ten  auci^  ßrotuö  nac^  Äönigöberg  an.  §icr  ftanb  er  bcm  dürften 
perfön lic^  na^e,  mar  i^m  befonberö  jur  iöegrünbung  einer  ^i* 
bliot^cf  bcl)ütflic^,  unb  auc^  ati3  berfclbc  im  folgenbcn  3a^re 
entfd^ieben  jur  S^eformatiou  übertrat  unb  fein  §oc^mciftertl)um 
in  ein  mcltlic^e^^  ^erjogtfium  uermanbeltc,  änberte  bieß  i^r  Scr^s 
ßältniß  nießt.  2lber  bebenflid)  crfc^icu  bcm  uorfic^tigen  ß^rotui^ 
ein  folcßcr  0^rittgemiß;  mäßrenb  bic  §lbgcfd)iebcu^cit  non  allem 
j^ufagenben  Umgang  feinem  (5Jemüt()c,  baö  norbifc^e  ^^lima  feinem 
Körper  immer  meniger  besagten.  0d}on  im  3öl^rc  1526  ging 
fein  ^raeßten  nad)  ®eutfd)tanb  jurürf;  boc^  erft  1530  führte  er 
baö  SSorIjaben  auö.  @r  fam  juerft  nad^  Söreälau,  manbte  fic^ 
bann  nai^  ßcipjig  ^u  bcm  eüangelifd^en  Diplomaten  3uliu^  öon 
^flugf,  unb  im  folgenbcn  grüßfa^rc  finben  mir  i^n  in  $allc  al^ 
Sanonicuö  unb  $Ratl)  beö  ©r^bifc^ofio  Sllbrcd^t  oon  SJiainj  unb 
äJiagbcburg.  3n  beffen  Dieuften  ßattc  cinft  auc^  Ulrich  oon 
Jütten,  and)  SBolfgang  gabriciuö  (Sapito  geftanben;  aber  ntd^t 
nur  ber  erftcre  bQtte  fidj  gcnötßigt,  fonbern  halb  au(^  ber  anbere, 
mollte  er  ber  iReformatiou  treu  bleiben,  fic^  ocranlaßt  gefc^en, 
fic  jn  ocrlaffcn,  unb  feitbem  ßatten  fid^  unb  Stellungen 

nod)  grünblic^cr  geänbert.  3n  Äurfürft  2llbrcc^t'^  Dieufte  treten 
l)ieß  ie|t  gerabe^u  gegen  bie  Sflcformation  fic^  aumerben  laffen, 
2öic  biefe  Ummanblung  bei  ßrotuö  allmä^lig  ju  Staube 
fam,  ift  nidjt  nicfjr  im  ©injclnen  nadj^umcifen.  2luö  ben  3ö^tcn 
feiner  Slbmcfenßcit  in  Preußen  finb  un^  nur  menige  S5riefc  üon 
ißm  aufbcljalten '),  auiS  bciicn  mir  nic^t  me^r  erfahren,  aliS  maö 
fic^  fd)on  üor  feiner  (Entfernung  bei  mehreren  $lnläffcn  gezeigt 
ßattc,  baß  Srotuö  bic  ^eftigfeit  beiber  ftreitenben  Parteien  miß* 
billigte,  jur  9Käßigung  unb  9J^ilbe  rict^.  So  fanb  er  in  bcm 


1)  Sic  ßnben  ji(^  in  ben  Sameratijt^en  ^ricfjammlungen. 


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^uSoanfl  b(§  6rotu§  iRubianuS. 


525 


©c^riftentücd^fcl  jtüifc^cn  ©ra^inug  imb  fiut^cr  über  ben  freien 
Sillen  auf  beiben  ©eiten  ©puren  nun  @brfle^  unb  tuünfc^te 
ben  ©treit  beigelcgt,  fprac^  aber  mit  befonbrer  Särme  gegen  bie 
^ur  3Wobe  merbenbe  geringfe^ä^ige  öcbanblung  beö  ©raöinu^. 
^ludb  in  ben  Briefen,  bie  er  nac^  feinem  Abgang  auö  Preußen 
an  feinen  ehemaligen  §errn,  ben  ^erjog  ^lbred)t  fchrieb*),  fprach 
er  fid)  in  ähnlichem  ©inne  auö.  Hoffnung  gab  ihm  üon  Einfang 
ber  augöburger  fReich^tag;  er  meinte,  menn  üon  päpftlicher  unb 
faiferli^er  ©eite  bai§  Slbenbmahl  unter  beibevlei  @eftalt  unb  bie 
^riefterehe  freigegeben  mürben,  fo  füllte  fid)  ba^  Uebrige  mohl 
fdjiden;  freilich  müßten  bann  aud)  bie  ßutherifchen  ^ugeftehen, 
baß  bie  Äirche  baö  9led)t  gehabt  hübe,  nad)  Gelegenheit  ber  ße'iten 
anbere  Drbnungen  auf^urid)tcn.  Sflachbem  Srotus^  im  folgenben 
Sah^c  in  bie  5)ienftc  bciS  Gr^bifdjof^J  ^llbrecht  getreten  mar,  h^^ttc 
er  fid)  gegen  ben  .^)er,^og,  bem  er  mieber  nad)  Preußen  ^u  fom* 
men  üerfprochen  hatte,  511  entfd)ulbigcn.  @r  tl)at  eö  tl)eilö  burch 
Darlegung  feiner  Gcfunbl)citöumftänbe,  theilö  burch  baö  (Singe* 
ftänbniß  feiner  üeränberten  ©tcllung  in  ber  IRcligiongangelegcn^ 
heit.  ^3ch  betennc",  fchrieb  er,  „baß  id)  bem  ßutherifchen  ^Bor* 
nehmen  etlid)e  ^a[)xc  fcl)r  anl)änglid)  gemefen.  §(ber  ba  ich  folchcn 
58organg  üernahm,  baß  man  nid)t^  mollte  unjerriffen  unb  unbe* 
fubelt  laffen,  ob  es  gleich  üon  ber  ßeit  ber  5lpoftel  unb  ihrer 
2)idciplin  auf  unö  gebrad)t  ift,  unb  baß  immer  eine  ©ecte  auä 
ber  anbern  ermuch^,  bachte  ich  mir,  eö  möd)te  ber  5^eufel  in 
Geftalt  üon  etmaö  Gutem  ein  großem  Uebel  einführen  unb  hoch 
gleichmohl  bie  ©chrift  ju  einem  ©chilbe  gebrauchen.  3ch  befchloß 
alfo,  in  ber  Äirche  ^u  bleiben,  morin  icf)  getauft,  er,^ogen  unb 
gelehrt  märe.  Obgleich  an  berfelben  etmaö  3Jiangel  gefpürt  mirb, 
fo  möchte  ba§  mit  ber  ßeit  eher  gebeffert  merben  alö  in  ber 
neuen  Äirche,  bie  burch  furje  3al)re  in  fo  üiele  ©ecten  jer* 
riffen  ift." 

hierin  irrte  er  fid)  freilid)  fehr,  unb  fein  neuer  $err  mar 
fo  eben  gerabc  gegen  ben  Äelch  im  3lbenbmal)l,  ben  (£rotui3  frei* 
gegeben  miffen  moHte,  in  feiner  magbeburger  ^iöcefe  gemaltfam 


1)  Bit  finben  |i(^  im  ^uSjußc  bei  3.  ®oiflt,  «riefwf(^|e(  ber  berü^m- 
teflen  ©ele^rten  beS  Seitolter«  ber  bietormalion  mit  ^erjog  «dbrec^t  üon  ^reufeeit. 
(tbnißSberß  1841. 


526 


II.  12.  ÄQpitel. 


cinflcfd)rittcn.  Vorauf  ()attc  Sut^cr  in  ^inct  gcl^arntf^tcn  SSor* 
veben,  mit  bcncn  er  im  3al)rc  1531  jmei  ^rebigten  bcö  au^ 
^rcöbcn  ücrtricbcncn  cUQngeIifcf)cn  ^rebigerö  SUcyiuö  (Srogner 
begleitete,  in  fel)r  fdjarfen  ^uöbrüden  Ijiiigciuiefen,  unb  babon 
nal)m  min  ein  e()emaliger  greunb  be^  Srotuö,  beffen  9tame  un^ 
nid)t  angegeben  ift,  ^öcvanlaffimg,  benfelben  in  einem  ^ribatbriefc 
fdjrauben.  5luf  men  er  meine,  fi^agte  er  i^n,  baji  bie 
föQe  jener  S3orrcbcn  gegen  Xijramien  unb  Söütberid^e  jiclen? 
SBcnn  auf  ben  (Si^bifdjof  SUbreebt,  üon  beffen  5^erfal)rcn  gegen 
biejenigen,  meld^e  basg  Slbenbmal}l  unter  beiberlei  öeftaltcn  gc= 
niesen,  man  fid)  in  ber  X()at  gräuliche  ®inge  erzähle,  fo  märe  ja 
baö  2üb  beffelben,  baö  man  Don  gemiffer  ©eite  )o  laut  an= 
ftimme,  eine  arge  Xäufd)ung.  darüber  merbe  (£rotuö  bem  greunbe 
bie  befle  SluiSfunft  geben  fünnen,  ba  er  an  bem  Crte  (^alle) 
mül)ue,  mo  jene  ^inge  uorgefalleu  fein  füllen.  2lud)  über  bic 
^eid)te,  ob  in  berfelben  bie  3luf^äl)luug  aller  ein^^elnen  ©ünben 
notl)menbig  fei,  ober  ein  fummarifdbee  ®efeuntni§  genüge  (ba* 
maU  eine  brennenbe  ©treitfrage  ,^mi)c^en  ^.ßapiften  unb  ißiitbera* 
nernj,  möge  er  feine  Slnfidjt  nid)t  üorentl)alten. 

ä)iit  einer  Labung  fo  l)äflicbcr  Jrogen  bei  feiner  Siüdfebr 
in  bic  ^eimatl)  empfangen  511  merben,  mar  bem  (Srotuo 
unangenehm,  unb  er  fprad)  bieg  in  einer  ^2lntmort  au‘3,  bic  er, 
ba  fie  ^ugleid)  eine  ^crtljcibigung  fcincö  neuen  §errn,  bcö  CSrj* 
bifegogi  $Übred)t,  mar,  nod)  in  bemfelben  Sagre  bem  ®rud  über* 
gab^).  2)ic  ©rünbe  fennen  mir  fdjon,  melche  Srotuö  gegen  bie 
Sftefürmation  auf^ubieten  hatte,  ift  in  erfter  fiinic  bie  gurcht 
üor  bem  (Sinbrcdjcn  fubjcctiucr  reüolutionärcr  Söillfiir  in  bic  ob^ 
jectiuen  ©a^ungen  unb  Orbnungen  ber  ilirchc.  SSaö  bic  Äirdh*'’ 
fcftgeftcUt  h^it/  fonn  nur  micber  biircg  bie  Mircge  abgeänbert 
merben;  fonft  geht  jeber  feftc  '^oben  ücrlorcn.  9lbcr  ber  ^er? 
faffer  ber  ^unfelmännerbriefe  mugte  fo  gut  mie  mir,  bag  üon 
bem,  mag  man  auf  päpftlicher  ©eite  Ätirch^  nannte,  b.  h-  ^^n  Der 


1)  Apolo^fia,  qua  respoudetur  temeritati  calumuiatorum , non 
verentium,  cuufictis  criniini1>us  in  populäre  odium  protrahere  Kev.  in 
(Miriatü  Patrem  et  Dom.  Alberlum  . . . Archiep.  Mog  et  Magd.  etc.  a Jo. 
Croto  Rubeano  privatim  ad  queudam  amicum  conscripta.  Lipsiae  Michael 
Blum  excudebat  meuso  Septembri  ao.  1531. 


^luSflong  bc8  9rotu5  SlubionuS. 


527 


5ierorc{)ic,  eine  flrünblidje  ^Refonnotion  niemals  ju  entarten  ujor. 
@in  anbrer  @cfid)t^punft  i[t,  bag  ba^jenige,  vorüber  mit  fo 
i^rofeer  $i(jc  geftritten  muibe,  5U111  Xt)cil  bloße  gönnen  feien, 
über  benen  ba^  3Bcfentlid)e,  baö  ÜRoralifdjc,  oerabfäumt  merbc. 
Allein  and)  l)icr  fonntc  bem  (£rotu6  nid)t  uerborgen  fein,  baß  in 
ißrein  ßi^fonimeiißange  mit  ben  beibevfeitigen  ©vunbfä^en  biefe 
gönnen  eine  feßr  mefcntlic^e  ^ebeutiing  ()atten,  unb  baß  im 
3aßre  nai^  ber  Uebergabe  ber  5(ug-5buvgifd)en  ßonfeffion  bie 
gortfc^rittiSpartei  mit  bem  iticlc^  im  ^benbmal}!  fic^  felbft  aufge^^ 
geben  ßaben  mürbe.  3n  ^^ergleic^ung  mit  bem  S3erfaf)rcn  maiis 
cl^er  proteftantifd)en  gürften  gegen  ißre  fatl)olifc^en  Untertl^anen 
finbet  ßrotii^  baö  feinet  (Srjbifc^of^  gegen  bie  9^eucrer  nod^ 
fc^onenb:  in  ber  Xßat  ßattc  ßierin  fein  2!l)eil  bem  anbern  oiel 
oorjumerfen,  unb  boeß  ßnbet  ein  mefentlidjer  Unterfeßieb  ftatt. 
5)ie  reformirenben  gürften  ßanbcltcn,  bei  allen  3J^ißgriffcn  in  ber 
gönn  ißrci^  3^crfal)ren^,  bod)  im  (Sintlangc  mit  bem  neuen  (iwU 
midlungiitriebe,  ber  fid)  bamalö  in  allen  ^ßcilen  be^  beutfeßen 
ißolfe»  regte,  unb  ben  fie,  alö  äeßte  ©ößne  ißre^  93olfe^,  mit- 
empfanben;  maßrenb  bie  anbern  jenem  Xriebc,  ben  fie  in  fieß 
nid)t  füßltcn,  nad)^  außen  ßin  fid)  miberfeßten,  unb  babureß  bie 
beutfeße  ÜRation  nidjt  blosS  in  ben  Xßcilcn,  bie  baiS  Unglücf  ßat= 
ten,  ißrem  fRcgimcntc  untermorfen  i\u  fein, ' fonbern  bie  Sflation 
im  ÖJan^en  unmieberbringlid)  befd)äbigten. 

biefe  3d)rift  feincö  eßcmaligen  Sereßrerö  ßutßern  ju 
.^anben  fam,  feßiefte  er  fie  an  3uftuö  -iJieniu^,  ber  bamalö  ^re^ 
biger  unb  3upcrintenbcnt  in  (Sifenad)  mar,  mit  ben  SSorten: 
„8ieße  ba  ben  (5picurccr  (Srotuö,  ber  un^  giftig  angreift  unb 
bem  ßallcfd)en  Öifcßof  fcßmeicßelt.  2öir  jdjicfen  bir  baö  53ucß, 
unb  bu  maeß  bid)  fertig,  ißn  unö  moßlgefämmt  mieber^ugeben 
unb  mit  ben  garben  feined  (Spicurei^^Jmuö  511  malen;  benn  ba^  ift 
beineö  ^2(mtcö"  *).  3o  fd)rieb  ßutßcr  an  SRjniu^  am  18.  October 
1531;  unb  menn  nun  im  folgcnben  grüßjaßr  jene  feßon  früßer 
ermäßntc  ^ntmort  auf  bcö  ßrotuö  Apologie  oon  einem  unge= 
nannten  greunb  erfdjien,  unb  menn  in  biefer  §(ntmort  (Srotu^ 
mirfließ  al«  @picureer  in  ßutßer'ö  0inne,  b.  ß.  aU  ein  fU^enfdß 
beßanbelt  mirb,  ber  über  bie  religiöfen  0aßungen,  bie  er  ber 


Ij  3n  l^utten’S  ©(^riften  H,  ©.  456  f. 


628 


II.  9u(^.  12. 


aWcnt^c  (gegenüber  in  na^m,  fic^  im  Snnern  luftig  mac^e, 

jo  legt  bic6  allerbingö  bic  2^crmutl)uug  na^c,  bag  ber  Ungc^ 
nannte  eben  2Jteniu^  fei.  ^er  e()emalige  greunb  läßt  ben  ?lbgc= 
füUenen  in  ben  Spiegel  feiner  il)m  genau  befannten  35ergangcn= 

^eit  bliefen,  inbem  er  ol)uc  SÖJeitercö  annimmt,  ba&  bcrfelbc  noc^ 
immer  bie  gleichen  Ueberjeugungen  mie  bamalS  b^ge,  bie  er  jc^t 
nur  um  äußerer  iyortl)eile  miUen  ücrläugne.  §lbcr  er  folle  fic^ 
in  '^c^t  net)men,  bag  er  üon  feinem  fingen  (Sräbifc^of  ni^t  burc^- 
jc^aut  merbe.  ^uc^  bemjenigen,  ma^  er  jefet  mit  mibertüiUigcn 
ä)iufen  gegen  bie  ^^^roteftanten  fc^reibe,  fei  ber  ältangcl  an  lieber* 
j^eugung,  baiJ  böfe  ÖJemiffen  moljl  au5ufel)en.  ©o  matt,  fo  len* 
benla^m  fei  alleö,  fo  ftumpf  unb  bleiern  bie  ©ebanfen,  fo  un* 
fieser,  oermorreu  unb  lücfcn^aft  bic  5lu§fü^rung,  fo  unrein  bie 
©prac^c,  fo  nüchtern  unb  t)uftenb  bic  ^crebtfamfeit,  bag  man 
beutlicb  merfe,  er  l^abe  babei  feiner  Statur  unb  eigentlichen  31iei* 
nung  ©cmalt  angetl)an,  habe  nicht  fomohl  an  bic  ©adjc,  alö  an 
bic  hollcfchen  ©alipfannen  gebadjt,  bie  er  fich  baburd)  crfchrcibcu 
möchte,  ^efonberö  einfehneibenb  ift  bic  ©teile  bcö  ©cnbfdjrci* 
ben^,  mo  ber  Ungenannte  ben  ©chatten  Ulrich  $uttcn’ö  gegen 
ben  'Jicubcfchrtcn  hcraujbcfchmört.  @r  führt  biefen  oor,  mic  er 
bei  bem  ^ochamtc  basJ  fRauchfag  fchmingt;  luTc  er,  beibe  ^Imie 
oorgeftredt,  bic  ^lugcnbraueu  ernfthaft  jufammcngcäogcn,  bic  3n* 
ful  bciS  )slBcihbifd}ofö  h^ll  unb  ihm  mohl  gar  bic  ©chuhe  fü^t; 
mie  er  mit  ben  l^horfüngcrn  bic  Änie  beugt:  menn  ba  Jütten 
micberauflcbte  unb  cö  fäl)c,  ob  er  nicht,  feurig  unb  heftig  mic  er 
mar,  unb  ein  gcfd)morener  geinb  aller  ©Icihncrei,  ben  frechen 
Heuchler  mitten  im  Xcmpcl  ju  ©djanben  maihcn  mürbe?  tluch 
fiuther  hielt  fich  uon  ber  öcrad)tlichfeit  ber  ^emeggrünbe  bc^ 
(Srotuö  überzeugt;  biefer  hieß  ih*u  fortan  Dr.  Äfrötc,  bc^  (Sarbi* 
na  lg  ju  jUtainj  XcHcrlecfer. 

©egen  biefe  fränfenben  Angriffe  oon  ©eiten  ber  ^rotcftaiitcn 
hat  fid)  (Srotug  nicht  mehr  öffentlich  oerantmortet.  Xroh  mand)cr 
Slufforberungen  oon  ber  anbern  ©eite  trat  er  aug  feinem  0tiU* 
fchmeigen  nicht  mehr  heraug.  ©r  oerfanf  benn  auch  in  folchc 
^unfelhcit,  ba§  felbft  fein  Xobegjahr  nicht  feftftcht.  SBir  miffen 
nur,  bah  cg  nid)t  oor  1539  foUcn  fann,  ba  in  ©chriften  aud  bie* 
fern  Sah^e  feiner  nod)  alg  cincg  ßebenben  gebacht  mirb,  unb  baß  ' 
er  1551  nicht  mehr  gelebt  hot,  ba  Sonchim  ©amerariug  in  feiner 


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^uSgang  be§  SroiuS  9{ubtanuS. 


529 


in  jenem  3o^rc  gefc^ricbcnen  ©tjä^lung  öon  @obonuö  ^cffuö 
Don  if)m  a(d  einem  SBcrftorbcncn  fpri^t.  ißermut^Uc^  mar  er 
fc^on  3ai)rc  früher  nid)t  mc^r  am  ficben,  mo  3uftuö  3onaö 
aU  erftcr  lut^erifc^er  ©uperintenbent  nac^  ^aßc  fam;  fonft  mür^ 
ben  mir  bod^  mo()(  non  biefem  (Srotu^  mügte  benn,  ma^  bo^ 
faum  ma^rfd^eintic^,  in  ber  $allc  mieber  neriaffen 

^aben)  ctmaö  über  feine  Begegnung  mit  bem  abtrünnig  gemor^ 
benen  alten  fjreunbe  miffen.  ©amerariug  übrigen^,  2Welanct)t^on'g 
greunb  unb  ein  aufrichtiger  ^roteftant,  fpricht  in  jenem  SBü^s 
lein  non  ßrotuö  feine^megd  fo  hart  mie  ßuther  unb  unfer  Un- 
genannter.  @r  fagt  nur,  nach  feiner  9iütffeht  au^  ^reu^en  höbe 
berfelbe  bie  ÖJemüther  nieler  fich  entfrembet,  au^  einer  Urfa^c, 
bie  er,  ßamerariuö,  nid)t  miffe,  ober  nielmel)r  nicht  f(^reiben 
möge,  bomit  eö  nidht  fcheine,  aU  moHe  er  ben  9}?ann,  ber  ihm 
im  ßeben  mertl)  gemefen,  nach  feinem  ^obe  h^^unterfe^en. 

33on  bem  gelben  nerlangen  mir,  bofe  er  im  Kampfe  tapfer 
fei ; ift  er  babei  auch  billig  in  feinem  Urtheile,  fo  ift  fchön, 
aber  in  allen  gäUcn  eö  non  ihm  ermarten  bürfen  mir  nicht. 
2)arum  fann  2uther’)g  unb  feiner  Äampfgenoffen  Urtheil  über 
ben  non  ihrer  ©emeinfehaft  ßutücfgetretenen  für  unö  nicht  gerabe^u 
maggebenb  fein.  IBorficht  ift  unö  babei  auch  burdj  bie 
ftattliche  S^teihe  angerathen,  in  ber  ßrotu^  mit  feinem  gurüd? 
mcichen  fteht.  Söenn  auch  auffallenber  unb  anftößiger,  that  er 
im  ©runbe  hoch  nur  baffelbe,  ma^  bie  Sfleuchlin  unb  (2^agmuö, 
bie  aWutian  unb  ^irefheimer  thaten.  Unb  in  ben  Äeufeerungen 
aller  biefer  Scanner  finben  mir  auch  biefelben  ÖJrünbc  ihrer  S3er= 
ftimmung  gegen  bie  9leformation.  ift  einerfeitö  baö  9lenolu^ 
tionöre,  ba^’  fie  fchredEte,  anbrerfeitö  ber  befürchtete  33ilbung^rüct' 
fchritt,  ber  fie  abflieg.  3ebe  ßoöfagung  non  einem  ölten  (Sultur* 
juftanbe,  menn  er  auch  öU  brücfenbeö  3och  empfunben 

morben,  ift  /iunöchft  ein  ?luöjug  in  bie  SGBüfte,  mobei  man  bie 
Sicif^htöpfe  §(eghptenö  hinter  fid)  logt,  ^ber  biefe  ^öpfe  finb 
feineömeg^  blo^  moterieller,  fonbem  cbenfo  auch 
5)er  2lnonhmud  fagt  bem  (krotuS  auf  ben  Äopf  ,^u,  cö  fei  ihm 
um  bie  hanefchen  ©aljpfonnen,  fiuther,  ed  fei  ihm  um  bie  ßar= 
binaldtafel  iju  thun  gemefen.  Um  maö  e^  bem  ßrotuö  für  fid) 
pcrfönlich  jn  thun  mar,  ift  höchfi^nd  bie  gelehrte  3ltuge  gemefen ; 
eine  behagliche  allcrbing^,  aber  gemig  feine  üppige.  ®r  l)ötte 
VII.  34 


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530 


U.  12. 


fein  Sebenlanci  hlntmerlic^  beholfen,  unb  mcnn  er  einmal 
flagte,  luor  eö  b^uptfäc^tid)  barüber,bag  ibm  bie  9)iittel  fehlten, 
fid)  nad)  ^er^^enöluft  S3ücber  onjufcbaffcn.  ift  meine  größte 
öcgicr'',  fd)rieb  er  noch  1530  nad)  feiner  ^Rüctfebr  auö  ^reußen 
an  ben  bortigen  ©erjog,  „baß  id)  möchte  ^nfrieben  fein  bei  meinen 
lieben  33ücbcrn;  bie  ftet)en  in  Seip5ig  unb  merben  gar  fcbimmelig. 
3cb  meiß  nid)t,  mann  ieß  mieber  mit  i()nen  in  ©inigfeit  fommen 
merbe.''  @r  fam  ba5U,  mie  er  balb  barauf  bie  ^InfteHung  ol» 
(Sanonicuö  in  §alle  erhielt.  §lber  menn  er  meinte,  bamit  bie 
„glücffeligc  ©tiHe"  ber  alten  gotha^crfurtifchcn  Qc\t  mieber^ 
gefnnben  ju  höben,  fo  taufchte  er  fich.  0ie  mar  mit  ber 
harmlofen  Unfehulb  jener  golbenen  ©rftling^tage  für  immer  üer* 
fchmunben. 

®aß  ehebem  baö  ßutherthum,  mie  fpäter  bag  rebolutionöre 
Jran^thum,  „ruhige  ©Übung  jurüdgebröngt"  höbe,  mar  noc^ 
@oetl)e’ö  ©ormurf,  fo  entfdhicbcn  er  fich  übrigen^  bei  jeber  (Ge- 
legenheit als  ^roteftanten  befannte.  ®enn  ju  feiner  ßcit  muc^ 
ja  aus  bem  ^roteftantiSmuS,  ber  einft  ben  ruhigen  ©ilbungS- 
proeeß  beS  ^umaniSmuS  unterbrochen  hötte,  fo  eben  eine  neue 
fchönerc  ©ilbung  h^roor.  ®ahin  hötten  jene  alten  ^umaniften 
noch  meit;  bon  bem  fünftigen  33^orgenrothc  trennte  fie  noch  eine 
britthalbhunbcrtjährige  Stacht:  unb  fo  finb  fie  mit  Schonung  ju 
beurthcilen,  menn  fie  fich  «ö(^  ber  2lbenbröthe  beS  fdjminbenbcn 
XageS  urnmanbten,  fo  merüid)  fie  auch  biefc  Stunb'  um  ©tunbe 
oerbleichcn  fal)en;  menn  fie  lieber  bie  alten  betten  au^  ferner 
tragen  moUten,  als  burd)  reformatorifchen  ©türm  unb  ^)rang 
bie  fich  oerbreitenbe  ©ilbung  trüben  unb  fi(^  felbft  in  ben  ftiflen 
(GeifteSgenüffen  ftören  ju  laffen,  bie  ihnen  bisher  jene  betten  cr^= 
trägli(^  gemadjt  hötten.  5lber  ju  tabcln  finb  fie  hoch,  unb  baS 
beffere  ihe*^  hatten  fie  nicht  ermäl)lt.  5)ie  3onaS,  3J?eniuS, 
©ugenhagen,  ©reu5  unb  mie  bie  3)iänner  ber  ßutherifchen  (Garbe 
mciter  hießen,  finb  ben  ÜJiutian  unb  (SrotuS , ben  ©euchlin  unb 
(SraSmuS  gegenüber  gemiß  nicht  bie  reichern  unb  feinem  (Geifter 
gemefen;  aber  baS  (Gefühl  für  baS  (Sine  maS  9ioth  tl)at,  ben 
tapfern  SBiHen,  als  unmahr  ©rtannteS  nicht  länger  gelten,  Uner* 
träglicheS  nicht  länger  befteßen  ju  laffen,  bic  SSitterung  beS  nod) 
tief  im  ©chooße  ber  ßötunft  oerborgenen  neuen  fiebenS  hötten  fic 
üor  ihnen  hoch  borauS. 


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Humanismus  unb  Steformotion. 


631 


eö  mit  bcm  §umani^mu^  nic^t  qet^an,  ba§  er  nod^ 
nic^t  bagjenige  mar,  maö  bie  beu  SJanben  bcö  3Jättelaltcrö  fic^ 
entminbenben  SSölfer  bcburfteii,  jcigte  fic^  fc^on  barin,  ba&  er 
frembfprac^ici  mar.  3n  biefem  ©tücfe  ftanb  er  ber  mittelolterlic^cn 
^^irdje  ganj  gleich : mie  ber  ^rieftcr  feine  2)?effe  latcinifc^  la3,  fo 
fc^rieb  ber  §umonift  feine  ©ebic^te,  feine  Briefe  unb  $lb^anblun' 
gen  — menn  auc^  etmaä  beffer  — lateinifd).  2)er  ^ierarc^ie 

bort  trat  ^ier  eine  ©eiftetoiftofratie  gegenüber;  bie  SJiaffe  be^ 
^atte  ebenfo  menig  an  biefer  ©Übung  mie  an  jener  Sleligion 
fclbftti)ätigcn  5(nt^eil.  SBaS  in^befonbere  bie  beutfc^c  @prac^e 
betrifft,  fo  mar  fie  jum  @eföge  ber  ^umaniftifc^cn  ©ilbung  nod^ 
gar  nic^t  j\ubercitet,  fie  mar  noc^  üiel  ju  ro^  unb  ungelenf  bafür. 
@anj  ebenfo  aber  ber^ielt  eö  fic^  mit  bem  beutfe^en  ©olf  im 
großen  ©anjen:  beibe  fonnten  nur  mit^*  unb  burc^einanber  ju 
Xrägern  ber  neuen  ©Übung  gemacht  merben.  ©eibeö  jufammen 
nai)m  bie  Deformation  in  bie  .§anb:  fie  lehrte  unfer  ©olf,  über 
feine  innerften  Stnlicgen  felbft  benfen  unb  beutfe^  reben.  5)ie 
bcutfc^c  ^rebigt,  bie  beutfdje  ©ibel  mirften  mel)r  al^  aUe  la^ 
teinifdjen  ©tilübungen  ber  ^umaniften.  ®ic  lutbcrifd^en  ^rebiger 
maren  feine  ©raömuöe;  aber  fie  löften  eine  Slufgabe,  bie  fein 
Craömuö  löfen  fonnte.  ^ie  claffifc^e  ßiteratur  bed  beutfe^en 
©olfi^  im  18.  unb  19.  3a^rl)unbcrt  ift  ber  auö  ber  beutfc^cn 
Deformation  miebergeborene  ^umaniömu^.  §lber  biefe  Jruc^t 
fonnte  erft  reifen,  alä  bie  ßcit  erfüllt,  baö  beutfc^c  ©olf  bur^ 
ben  ^roteftantiiSmu^  in  allen  feinen  ©c^id^ten  burd)gefnetet  mar. 
^ic  X^eile  bcffclben,  bie  üon  biefer  ®urc^fnetung  unberührt 
blieben,  merben  immer  etmag  oon  einem  fijengcblicbenen  Xcige 
bemalten,  ber  au^  unferm  neuen  beutfd^cn  Deiche  nod)  langcf)in 
fermer  im  Dingen  liegen  mirb. 

SBcnn  bie  SDänner,  benen  julcfet  unferc  ©etrac^tung  ge^ 
mibmet  mar,  oon  ben  ©ntmicflungöfabcn  i^rer  Qcit  je  5mci  in 
^ünben  f)iclten,  ben  bumaniftifc^cn  unb  am  Slnfang  noch  ben 
reformatorifd)cn,  halb  aber  (mit  @incr  ^luönabme),  meil  ber  Ic^» 
tere  ben  erftern  ju  oermirren  broßte,  jenen  fahren  ließen,  um 
biefen  befto  fefter  ^u  halten:  fo  mar  e^  ber  unterfcheibenbe  ©or* 
jug  unfereö  |)elben,  baß  er  außer  biefen  beiben,  fo  lang  ging, 
auch  ^^och  ben  politifchen  gaben  in  ber  $anb  ^crfelbe 

mar  ihm  mit  ber  ©ercitelung  feiner  auf  Äaifer  Äarl  gefegten 


532 


II.  $u(^.  12.  I^(4)ttel. 


J^offnungcu  entglitten,  ^ule^t  mit  bem  ©tuqe  feinet  ©iefingen 
ganj  abgeriffen;  üor  bei*  SoÜifion  unb  SSa^l  jmifc^cn  ben  beiben 
anbern  gäben  bemaljvte  il)ii  tl)eili§  fein  frül)e)§  @nbe,  tt)ciU  feine 
ftärtere  ^^latur,  üermöge  beren  er  fi(^  nicljt  mie  ein  SÄutian  ober 
©raömuö  burd)  baö  erftc  Sßaffengeräujc^  ber  reformotorifc^en 
Seftrebungen  fc^on  üerftimmen  ließ,  iöei  längerem  ßeben  jeboc^ 
märe  aiic^  il)m  bie  fc^mcr^lidje  3Bal)l  nic^t  erfparf  geblieben. 
Sßenn  er  nur  nod)  Sut^er'so  Streit  mit  ©raönmö  über  ben  freien 
SBiUcn  erlebt  l)ätte,  morin  ber  erftere,  um  bie  göttliche  ©nabe 
5U  erbeben,  ber  menfcblicben  9^atur  jebe  felbftftänbigc  ^^raft  jum 
©Uten  abfpracb;  menn  er  üüUenb!^  8<^wgc  gemefen  märe,  mie  bei 
bem  marburger  fReligionögefpräd)  in  ber  SBcrl)anblung  über  baö 
Slbcnbmabl  ber  beutfebe  fJ^eformator  ficb  bitter  ein  SSort  Der* 
fcbai^te,  um  ben  fdjmeijerifcbcn  ben  örubernamen  ju  nerfagen: 
ba  mürbe  ftcb  $utten  mit  tiefem  ©cbmcräc  non  bem  SUiannc  ob^ 
gemenbet  b^ben,  ben  er  einft  feinen  greunb,  ben  unüber^ 

minblicben  ©nangeliften  genannt  bf^Hc-  ®^ilc  ber  febmei* 

^erifd)en  fReformation  fanb  er  fid)  jule^t  fd)on  bureb  feinen  äußern 
fieben^gang  tieftellt;  alö  jeboeb  natb  beö  bellen  freifinnigen  8iüingli 
galle  ber  geiftnolle  aber  finftere  (lalnin  ben  Scbeiterbaufeii  ©er* 
net'^  febürte  unb  bie  ^.ßräbeftination^lebre  au^bilbete,  ba  märe 
and)  in  biefem  Säger  feines  isöleibenö  nidjt  länger  gemefen.  3^^' 
römifdjen  üirebe  jmar,  mie  fein  greunb  ßrotnö,  mürbe  |)utten 
niemals  j^urücfgefebrt  fein;  baju  mar  baS  ©efübl  in  ibm  lcb= 
baft,  mie  unnerträglidj  ber  in  ibr  bcimifd}e  ©eifteSbruef  mit  jebem 
mirflicben  gortfebritt,  il)r  auSmäitiger  Scbmerpnnlt  mit  jebem 
nationalen  ©ebeiben  fei;  nur  um  fo  unbenfbarer  mirb  aber  für 
biefe  fpätere  ^eriobe  feine  Stellung,  unb  um  fo  mehr  muß  man 
ibn  glüeflieb  greifen,  baß  ibn  ber  Xob  nod)  ju  rechter  3<^*l 
ben  graufamften  Sonflicten  entnommen  b^it*  ÜJ^öglid),  baß  er, 
menn  er  nod)  jmei  gabre  länger  gelebt  b^tte,  ben  abgeriffenen 
politifeben  gaben  mieber  aufgegriffen  nnb  uon  feiner  eibgenöffifeben 
greiftatt  auS  ficb  in  bie  Strubel  beS  nabe  an  ber  fd)roei5erifcben 
©ren,^c  auSgebroebenen  ^auernfriegS  geftürjt  l)dtte.  ®ocb  and) 
l)ier  mar  fein  ^eil  ju  finben;  auch  bi'-'^  fönnen  mir  il)n  nur  ent- 
meber  fallenb,  mo  nicht  gar  uon  feinen  geinben  gefangen,  im 
beften  gaCle  Don  9^euem  üertrieben  unS  oorftellen. 

.^utten  ift  mit  feinen  Unternehmungen  gefebeitert ; aber  nicht 


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Stüdblid  auf  i^uiten. 


533 


tDcil  bicfc  in  fic^  unrcd)t  ober  bcrfc()rt  toaren,  fonbern  nur,  njcil 
er  juglctd)  unb  fofort  burd)fü^rcn  motltc,  nur  cinö  nac^  bem 
anbern  unb  in  langen  griffen  burd)5ufü^ren  toar.  Sutber  unb 
ber  gefammte  beutfe^e  ^roteftantiömuö  befc^ränfte  fid)  auf  ba§ 
retigiöfe  Gebiet,  fab  öom  ^olitifcben  ab  unb  nahm  aud)  oon  ben 
(Srrungenfebaften  beö  |)umaniömu§  nur  fo  oiel  auf,  al§  für  feine 
groeefe  unentbebrli^  ttjar;  ber  ^roteftantiömuö  b«t,  in  feinem 
Kampfe  mit  ber  fatbolifcben  9^eaction,  bie  ©inbeit  unb  äJ^aebt 
beö  beutfeben  9fleid)eg  ooöenbi^  gebrochen,  unb  ©itte  unb  93ilbung 
bed  beutfeben  SSolfes  in  enge  ©anbe  gefebnürt,  in  .raube  ©emänber 
gefleibet.  !3)afür  aber  b^t  er  innerhalb  feinet  ©ebieteö  feinen 
gmeef  erreicht,  bie  ^Befreiung  ber  gereinigten  Äircbe  oon  fRom,  bie 
©r^iebung  beö  beutfd)en  S^olfeö,  fomeit  fidb  ibin  nidjt  oerfd)lo6, 
felbftftänbigem  religiöfcm  ßeben  burd)gefe^t.  Unb  alö  bie  ßcit 
erfüllt  mar,  mürbe  jene  ftarre  fRinbe  gefprengt,  auö  ber  eoiifeffionells 
proteftantifeben  ging  mit  uiiferer  daffifeben  beutfd)en  Literatur 
bie  freie  buinane  iöUbung  beroor.  Unb  abermalig  mie  bie 
erfüllt  mar,  ift  au-g  biefer  b»n^anen  ^urcbbilbung  be^  beutfeben 
53olfeö  bie  politifd)e  ©inbeit  unb  SD^aebt,  baö  neue  beutfd}c  fReicb 
beröorgegangen.  ge^t  feben  mir:  |)utten  b^^t  bod)  9led)t  gehabt, 
bag  er  einö  nicht  ohne  baig  anbere  moHte;  in  ber  Xl)Cit 

gehören  auch  fömmtlicbe  ©tücfe  — eö  finb  aber  eigentlid)  nur  jmei: 
bie  im  ^roteftanti^mu^  mur^elnbe  buniane  Gilbung  unb  bie  pos 
litifebe  ©inbeit  unb  3)tad)t  ber  fo  gebilbeten  S^tation  — beibe 
gehören  auch  tüidlicb  ^ufammen,  unb  ^utten'ö  Srrtbum  ift  nur 
ber  aller  propbetifd)en  9>taturen  gemefen,  5ugteid)  unb  in  ©inem 
alö  glän^cnbe-g  3beal  ju  fdjauen  unb  ^u  begehren,  maö  bie  ÜJtenfcb' 
beit  nur  ©ebritt  um  ©ebritt  unb  ©tüd  für  ©tüd  in  jabrbnnbert?- 
langem  S^tingen  erreidjen  fann. 


$on;ebe 

1» 

„®e[prä(^e  t>on  Ulrtc^  »on  Jütten 

überfe^t  uub  erläutert 
t)on 

^abtb  gnebrit^  Strauß, 
ßeipjiß  1860." 


587 


nie  bin  id)  bei  einer  Slrbeit  fo  fidler  getnefen,  bem 
publicum  einen  ©efaUen,  ber  beutfe^en  SRation  einen  ^ienft  ju 
t()un,  al^  bei  ber  oorliegenben.  5Ratürlid):  bi^^er  brod)te  id^ 
©genes,  fo  gut  ober  übel  ic^  eS  oermoc^te;  biefemol  bringe  ic^ 
eine  Ueberfe^ung  bon  Ulrich  Jütten. 

3)em  lefenben  publicum  toirb  bie  frifc^e,  gefunbe,  reife 
gruc^t  fd^meden;  ja  fie  mag  il)m  noc^  fo  manchem  fd)lecf)ten 
Spontan  ober  nic^t  beffern  ©bauungSbuc^  9Jtunb  unb  9Kagcn 
wieber^erftetten  Reifen.  @S  ift  nic^t  ol)ne  fRiidpe^t  auf  biefeS 
publicum,  bop  id^  bon  Jütten  gerabe  bie  ©efpräc^e,  in  benen 
er  ben  ®rnft  feiner  refomiatorifc^en  (iJebanfen  in  gefc^madboUe, 
p^antafiereic^e  formen  fleibet,  jur  Ueberfe^ung  auSgetoQt)lt  ^abe. 
3a,  baß  ic^  eS  nur  gefte^e,  id^  gel^öre  in  biefem  ©tüd  felbft  ein 
toenig  ^um  publicum. 

®em  beutfe^en  IBolfe  aber  mac^e  ic^  einen  feiner  Slaffifer 
i^ugänglic^.  befiel  beren  befanntlic^  auc^  fold^e,  bie  lateinifc^ 
gefc^rieben  ^aben.  9Ran  fann  über  ben  begriff  beS  SlaffiterS 
ftreiten:  ic^  berfte^e  ^ier  einen  ©c^riftftellcr  barunter,  in  beffen 
SBerfen  bie  tieffte  ®igent^ümlic^felt  feines  SolfeS  jum  boHen  2luSs 
brud  fommt,  unb  jmar  in  einer  gorm,  bie,  loenn  nic^t  für  alle 
Seiten  muftergültig,  boc^  für  aHe  bebeutenb  unb  anjie^enb  ift. 
5)ergleid^en  ©c^riftpefler  fönnen  bem  beutfd^en  ®olfe  am  wenig» 
ften  in  bem  Sö^r^unbert  gefel)lt  ^aben,  ba  eS  feine  gröpte  natio» 
nale  5^^at  boöbroc^te,  bie  Deformation,  unb  pe  müßten  bie  erften 
unfrer  (Slafpfer  ßeißen,  felbft  wenn  pe  fein  beutfe^eS  SBort  ge» 
feßrieben  Jütten. 

?lllcn  anbern  boran  fteßt  ^icr  befanntlicß  ßutßer  felbft. 
^u^  er  ßat  pcß  noc^  bielfacß  ber  lateinifc^en  ©prac^e  bebient; 
aber  feine  öibelüberfe^ung,  feine  ßieber,  feine  ÄateeßiSmen,  feine 
^cebigten  mit  fo  bielem  Anbern  noc^  finb  beutfe^,  unb  fo  beutfe^, 


5S8 


$orrebe  )u  ben 


bafe  fic  ju  uufctcm  aanjcn  neueren  unb  ©c^riftwefen  ben 

@runb  geletzt  t)aben.  ^)iefc  beutfe^en  0c^rtftcn  Sut^er’ö  un^ 
me^r  alö  anbere  auö  ber  gleichen  3cit  frifc^  unb  geniegbar 
erhalten,  \)at  ein  Umftonb  beigetragen,  über  ben  0prac^forfd^cr, 
ober  üielmebr  ^(tert()ümler,  fc^mälen  mögen,  ber  aber  t>om  bil' 
bungögcjc^ic^tli^en  ©tanbpunft  au^  alg  ^öc^ft  fegenörcic^  crfc^eint. 
3nbem  nämltd^  jebeö  fotgenbe  3Kenfcbenalter  ni^t  b(o§  bic  9^ed^t= 
fc^reibung,  fonbem  auch  manche  neraltcnbe  0prac^eigen^citen  hci 
33ibe(über{e^ung , ber  Sieber  unb  ber  anbern  gelcfenem 
ten  Sut^er’ö  in  feiner  §Irt  fic^  jurec^t  ma^te,  blieben  pc  in  ci= 
nem  fortbauernben  fprarf)lidben  ©rncurungöproccg  begrigen,  ber 
fie  einer  9J2affc  üon  jefeigen  Sefern  jugänglicfe  mac^t,  benen  fle  in 
iferer  urfprünglicfeen  ©eftalt  nur  fefeioer  unb  tfecilweife  öcrftänblic^ 
fein  mürben. 

Jütten,  beni  unter  ben  claffifcfeen  ©cferipftellcrn  $)cutfc^^ 
lanbö  im  9ieformation§jaferfeunbcrt  fcferocrlic^  3emanb  bie  ^meitc 
0teHe  naefe  Sutfeer  ftreitig  maefeen  mirb,  ift,  ma«  bic  0pradfec  bc» 
trifft,  feeut  gu  Xage  gegen  biefen  junücfeft  im  S^iaefetfeeiL  Üm  fo 
Diel  feinSatein  beffer  ift  ali8  Sutfecr'^,  um  fo  öiel  ift  fein  5>eutfc^ 
geringer.  Sllg  J^umanift  mar  nur  jcncö  bic  ©prai^e,  in  ber  er 
fidfe  geläufig  fcferiftlid^  auöbrücftc,  unb  menn  er  au^  in  fpätern 
3n^ren,  um  meitern  Greifen  oerftänblidfe  ju  merben,  SKc^rcreö 
beutfefe  feferieb  unb  einige  feiner  lateinifefeen  0cferiften,  mic  nament^ 
liefe  einen  2^feeil  feiner  ©cfpräcfec,  in’ö  3)eutfcfec  übertrug,  ober 
unter  feiner  9J?itmirlung  übertragen  lieg,  fo  fefertc  er  boefe,  memt 
er  pefe  frei  bemegen,  unb  oor  SlUcm  menn  er  fünftlcrifcfe  ft^affen 
moHte,  immer  mieber  /^u  feiner  ölten  §umaniftcnfpracfee  jurücf. 
Unb  feinen  beutfefeen  0d^riftcn  mürbe  bann  füfig  2lnbcre,  mcil 
fic  meniger  gelefen  unb  mieber  aufgelegt  mürben,  jener  fortge* 
feenbe  SBerjüngungöproeeg , jene^  jeitenmeife  mieberfeferenbe  0ic^:f 
feäuten  ni^t  ju  Xfecil,  baö  bie  Sutfeerifefeen  lebenbig  unb  mirffam 
crfeiclt.  ^)icg  jefet  auf  @inmal  nacfefeolen,  b.  fe.  §utten^ä  beutfefee 
0d)riftcn  fpraifelicfe  mobernifiren  5U  moUcn,  mürbe  tfeeilS  uncr^ 
träglicfe  affectirt  fecrauäfommen,  tfeciU  niefet  einmal  feinreidfeen,  fic 
onjiefeenb  ju  madfeen.  9Jian  mug  feine  beften  lateinifcfeen  @(^rip 
ten  überfefeen,  unb  jmar  fo,  bag  man  anefe  bei  ben  Don  ifem  fclbft 
fdfeon  übertragenen  biefe  Ueberfefeung  mofel  pir  ba^  SBcrftänbnig, 
niefet  aber  aU  fpracfelicfeeö  SBorbilb  benufet,  fonbern  fein  Sotein 


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Sombe  )U  ben  @e|brfiö^en. 


639 


unmittelbar  in  baö  l^cutige  2)cutfc^  überträgt.  Uub  tritt 
nun  bintnieberum  §uttcu  gegen  ßutber  in  Sortbeil.  ©ein  ctajfi* 
fdbeg  Satein  ftebt  unfrem  blutigen  ^eutfdb  nöber  al^  Sutber’^ 
^rdbenlatein  unb  33ibclbcutfd),  Slber  auch  feine  ^enfmeije,  feine 
mehr  meltticbe,  politifdbe  5lrt,  bic  menfcblicben  unb  in^befonbere 
bic  religiöfen  SBerbältniffe  anjufebcu,  fpriebt  un§  nermanbtei*  an. 

^£)er  Serfu^,  ^utten'^  ©ebriften,  namentlid)  aud)  bie  ©e^ 
fptädbe,  bureb  Ueberfejung  mieber  unter  ben  S)eutfcben  einju^ 
bürgern,  ift  fdbon  einigemale  gemacht  morben,  boeb  ohne  fonber* 
lidben  @rfolg.  SWon  b^tte  eö  nicht  red)t  angegriffen,  ©o  gab 
5Uob^  ©ebreiber  bie  beiben  gieber,  @rnft  2Jiüncb  ougerbem  nod) 
ben  SSabiöcu)^  unb  bie  Slnfdbauenben , mit  aöerbonb  SKobernifi^ 
rungen  na^  ber  alten  ^utten'fcben  Ueberfe^ung;  mäbrenb  ber 
ßefetere  bann  .bie  Uon  Jütten  felbft  nid)t  überfe|tcn  ©efpräcbe, 
fo  uiel  er  beren  gab,  auf  eigene  ,g)anb  in  feiner  befannten  flücb^ 
tigen  Spanier  übertrug,  ©o  fehlte  auf  jeben  gall  bie  ©leidjför* 
migfeit.  §(u§erbem  fehlten  Einleitungen,  benßefer  auf  ben  rieb' 
tigen  ©tanbpunft  ju  ftellcn,  5lnmertungen,  um  EJefcbicbtlicbed  unb 
maö  fonft  jum  S3erftönbni6  nötbig,  aber  nidbt  gebem  gegenmär* 
tig  ift,*  berbeijubringen ; benn  Ueberfebungen  macht  man  ja  nicht 
für  ©elebrte,  fonbern  um  einen  ©cbriftfteHer  febem  ©ebilbeten 
im  eigenen  Solle  jugänglicb  5U  machen.  SSenn  ich  ie^t  ben  Ser^ 
fueb  in  anbrer  Slrt  toieberbolc,  fo  toirb  mich  menigftenä  ber  Sor* 
murf  nid)t  treffen,  ohne  Sorbereitung  an  bie  ©aebe  gegangen  j^u 
fein.  5lucb  toar  i^  äußerlich  begünftigter  alö  irgenb  einer  meiner 
Sorgänger.  Äeinem  oon  ihnen  lag  ja  noch  bic  Söcfing'fcbe  Sluö^ 
gäbe  oon  §utten'd  Sßerfen  oor,  bie,  mäbrenb  fie  eine  9J^enge  oon 
geblern  unb  ©cbmieri gleiten  ber  alten  2)rucfc  au§  bem  SBege 
räumt,  zugleich  bureb  ebenfo  reiche  mie  grünblicbe  biftorifebe  unb 
literarif(^c  S^lacbmeifungcn  bem  Ueberfeber  eine  oon  mir  banlbar 
benübte  ^ülfc  leiftet.  3b^  ^^*t  (ba  mir  oom  oierten  Sanbe  bic 
Äu^büngebogen  ju  (Gebote  ftanben)  liegt  meiner  Uebertragung 
burebauö  jum  ©runbe,  loo  nid)t  in  etlid)cn  menigen  gäßcii 
au^brürflicb  ein  ?Inbereö  angcmcrlt  ift.  • 

SDoeb  nicht  überhaupt  nur  um  ben  Elaffiler,  ben  grunb= 
beutfeben  unb  gciftOoUcn  ©cbriftfteHcr , ift  cö  mir  j^u  tbnn,  in« 
bem  ich  Jütten  bureb  biefc  Ueberfepung  eincö  XbeiliS  feiner  SSerle 
in  bic  ^änbe  be^  beutfeben  Sollö  ju  bringen  fucbc.  2)er  SUiit* 


640 


®omb<  }u  bm 


arbcitcr  beö  großen  ^Reformators  ift  cS  t)or  wittern , ber  mutlßigc 
Kämpfer  gegen  SRom,  bcn  id),  nacßbem  fein  üon  mir  biograp^ifcß 
gejei^netcS  33ilb  fo  günftig  oufgenommen  morbcn,  nunmelbi^  f^ibft, 
in  feinen  eigenen  0d^riften,  aufermeefen  möchte.  $)ieß  h>ar  auch 
ein  ^QUptgefidbt^pwnft,  ber  mid^  bei  ber  tluSmabt  ber  ju  über* 
fe^enben  ©tücfe  leitete.  SBenn  icb  einerfeits  nad^  folgen  miä^ 
umfab,  bie  oermöge  ihrer  gorm  auch  blutige  fiefer  noch  an^ieben 
fönnten,  fo  mäb^tc  icb  unter  biefen  anbrerfeitS  biejenigen  auS,  bie 
ihrem  Snbolt  unb  uiit  fiutber’S  53eftrcbungcn , mit 

ber  großen  Sfiationalongclegenbcit  beS  fed^Sjehnten  Sabrbunbertl, 
im  3ufammenbang  fteben.  ©o  mirb  man  benn  in  ben  folgcnbeti 
©efpräcben  erft  noch  ben  ÜRorgenftem  beS  Humanismus  am  Hiui^ 
mel  funfcln  feben,  bis  allmäblig  ber  Horizont  ficb  rötbet  unb 
bic  erften  ©trablen  ber  felbft  noch  nicht  fiebtbaren  Soititc  ber 
^Reformation  burdb  ben  Hjuimet  feßießen.  3cpt  tritt  ftc  b^^^ur 
unb  mirft  bie  9^ebcl  nieber;  fic  fteigt  böb<^^»  über  biciRebcl  fteü 
gen  aud),  unb  je  märmer  ißre  ©traßlen  merben,  befto  bi(bter 
treten  bie  fünfte  ju  SEÖolfen  ^ufammen,  bie  halb  mit  t>crbcrb= 
lid)cn  ©etoittern  broßen. 

9Ran  maeßt  bic  Slcformation  für  biefc  SBcttcr  uerantttjort^ 
lid},  man  ßört  nießt  auf,  ißr  oorjumerfen,  baß  fic  unfer  ®olf 
gefpalten,  baS  beutfeße  fReicß  ^erriffen  ßabc.  3Ran  bebenft  nießt, 
toic  j^erflüftet  unb  brüeßig  biefeS  feßon  oorßer  auS  anbern  Urfadßen 
mar.  3Ran  bebenft  ferner  nießt,  baß  bic  Sfteformatoren  außer 
©d)ulb  finb,  memi  ißre©aatcn  nießt  überall  in  beutfeben  ßanben 
SBur^el  feßlagen  burften,  unb  maneßer  Orten,  too  ßc  feßon  2Bur^ 
^cl  gefaßt  ßatten,  gcmaltfam  mieber  auSgcrcutet  mürben. 
fäcßlid)  aber  bebenft  man  nid;t,  baß  cS  immerhin  beffer  m>ar, 
®eutfcßlanb  mürbe,  menn  eS  einmal  mit  bem  ganzen  nießt  ging, 
menigftenS  jur  Hälfte  bcutfeß,  als  baß  cS  gan,^  romanifeß  geblie- 
ben märe,  ^enn  oor  ber  ^Reformation  mar  ^eutfcßlanb  fo  tt)c= 
nig  feßon  eS  felbft,  als  bic  Saroe  feßon  bic  93ienc  ober  ber 
©(ßmetterling  felbft  ift.  ^aS  ©runbmefen  bcS  germanifeßen 
©cifteS  ift  inbioibuefle  ©elbfttßätigfcit,  ßeben  auS  bem  eigenen 
3nncrn  eines  3cbcn  ßcrouS.  ^cm  cntmicfeltcn  5)cutfd)cn  fann 
fein  meeßanifeßes  Slbtßun  bcS  IRcligiöfen,  fein  unOcrftänbli^cS 
©eßaugepräng  unb  plappern,  fein  gcbanfenlofeS  Slbfugcln  non 
9^ofcnfränicn  genügen:  er  mill  felbft  mit  feinem  '^emußtfein, 


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^orrebe  )u  ben  ®ejprfid^en. 


541 


feinem  innerften  geiftigcn  SBefen,  babei  fein.  @r  fann  fid^  in  bic 
Üänge  feinen  ©lauben  nid)t  üon  äugen  üorfcgreiben , fic^  nid)t 
uon  einer  ^rieftcrfaftc  in  geiftlic^en  Gingen  bcüormunben  laffcn: 
er  mug  felbft  forfd)cn,  fei  cö  uorläupg  in  bcr  ©c^rift,  ober  meu 
ter^in  in  bcr  Vernunft,  ^ag  mir  baö  bürfen  unb  fönnen,  bai^ 
üerbanfen  mir  proteftantifege  S)cutfc^e  ber  fRcformation;  bag 
mir  auc^  mirÜid)  ti)un,  unö  in  bcr  ^gat  unb  2öal)ri)eit  oliS 
!I)cutfc^e  bemeifen,  baö  ift  unfre  ©oebe. 

SBcnn  nmn  Jütten  gefugt  b^tte,  bug  bic  römifebe  ^>ierarcbic, 
ju  beren  Umfturj  er  feine  mächtige  Sunje  cinfe^tc , Sutber  feinen 
noch  gemultigem  2lrm  nid)t  ruben  lieg,  unb  alle  S3effcrn  in  bcr 
Sfiution  ficb  in  cinbelligem  Unmiüen  ergoben  batten,  — menn  man 
ibm  gefugt  hätte,  bug  fie  nueb  mehr  uig  breibunbert  3ubren 
noch  fortbefteben,  bug  uu(^  bunn  iiocb  batb  ^)eutfcblunb  in  rcli^ 
giöfen  2)ingcn  fein  ^eil  oon  jenen  öcrgcii  b^  ermurten  mürbe, 
über  bic  i^m  feit  Sugtbintberten  fo  oict  Unbeil  unb  ®erberbcn 
gefommen  mur!  ©o  lungfum  gebt  eö  mit  bcr  ©ntmicflung  bcr 
ißölfer  unb  ber  9J?cnfcbbcit , fo  grüublicb  treibt  ber  (5Jeift  in  bcr 
©efebiebte  fein  ©efebüft.  ^uö  bürfen  mir  unö  nicht  oerbriegen, 
noch  meniger  bie  Hoffnung  finfen  luffen.  Hber  ebenioroenig  unö 
ocrblcnbcn  über  bic  aj^uebt,  bie  bem  immer  nod)  inmobnt,  muiS 
mir  für  ein  (ängft  Ucbcrlebteö  halten  möchten. 

aJiuncbc^  freilich  mürbe  ^utten,  menn  er  beute  mieberfümc, 
um  ficb  ben  ©tunb  bcr  ^ingc  bei  uu3  unjufeben,  un  bcr  römi* 
feben  Äircbe,  feiner  ulten  geinbin,  oerünbert  finben.  Ueber  ben 
©elbubflug  nach  fRom,  bic  finunjicüc  aiuöbcutung  ^cutfcblunbi^ 
bureb  ben  püpftlicben  ^of,  morüber  er  unb  ufle  Patrioten  feiner 
3eit  fo  laute  Älugc  erhoben,  mürbe  er  ficb  jept  jicmlid)  beruhigen 
fönnen.  2öuö  ein  luftiger  greunb  oon  ihm  bumulö  ben  3)cutfcben 
5urief:  klugen  auf  unb  Beutel  j^u!  buuon  haben  ficb  feitbem  fRom 
gegenüber  buö  ßebtere  auch  ^icienigen  gefugt  fein  luffen,  bic  fid) 
jum  (Srftcren  nod)  nicht  entfcbliegcn  mod)tcn.  Sind)  feine  fd)inu^is 
gen  iBettclmönd)e,  feine  pruffenben  2)ombcrren,  bic  üppigen  ^of* 
bultungcn  ber  !öifcböfe  feiner  ßeit  mürbe  er  im  jc^igen  ^)cutfd)s 
lunb  ücrgeblicb  fueben.  ©clbft  in  ?Rom  mürbe  er  fid)  munbern, 
mie  boeb  ?Ulc^  jebt  fo  oicl  ehrbarer  unb  unftünbiger  iugel)c. 
^dber  täufeben  mürbe  er  ficb  bureb  biefe  oerfd)önerte  Vlugenfeite 
gemig  nicht  luffen.  '^ulb  mürbe  er  finben,  fei  ^mur  ^RelevJ 


542 


8orrel>e  ju  ben  ©efpröd^n. 


anberö,  nic^t^  aber  beffer  getuorben.  3a  öicUcid^t  tuürbc  er  in 
ber  (Sprache  ber  üöibcl  fagen,  ber  Xeufcl  fei  luo^l  au^getricben,  aber 
burc^  ber  Xeufel  Dberften.  Unb  tuir  fönnten  i()in  mit  einem 
einzigen  Sorte  baö  fRät^fel  löfen,  üibem  mir  i^n  barauf  aufmerf^ 
fam  madjten,  mie  3gnatiuö  fiopola  jmar  fein  ßeitgenoffe  gemefen, 
aber  nad^  feinem  Xobe  erft  Drbenöftifter  gemorben  fei. 

Senn  in  5o(ge  baoon,  ftatt  bag  !5)ominifaner  unb  granjiS^ 
faner  bie  Siffenfd^aft  gel)a6t  unb  oerfoigt  t)atten,  bie  3efuiten 
fortan  fid)  mit  berfelben  einlie^en,  aber  nur  um  fie  befto  mirffa^ 
mer  mit  it)ren  eigenen  Saffen  befämpfeu  5U  fönnen;  menn,  mo 
jene  mit  prügeln  auf  bie  (SJeiftegfrei^eit  loöfc^tugen,  biefe  il)r 
tücfifd)e  2)old;ftic^e  oerfe^ten  uub  fd^leic^enbe  ©iftträufe  eingaben : 
moiS  mar  bamit  beffer  gemorben?  Senn  Jütten  ftatt  ber  bid* 
manftigen  rot^baefigen  ©cl^Iemmcr,  bie  er  unter  ber  (^eiftlid^feit 
feiner  3^it  in  fo  großer  §(njal)l  faß  unb  in  ben  ^unfelmänuer? 
briefen  oeremigen  ßalf,  bie  bl[eid)en,  ßagern,  oon  ^errfeßfueßt  Der* 
jeßrten,  uon  ganati^muö  auägebrannteu  ©eftalten  feßen  be- 
föme,  bie  fejt  unter  un^  umgeßen,  ob  er  uießt  ftatt  biefer  ßög^ 
liuge  Soßola'g  unb  ÜJtacdjiaoefl'ö  jene  oerßältnißmößig  ßarmlofe 
^eerbe  ©pitur'^  ^urüefmün feßen  möcßte?  3mmer  ßat  er  neben 
ber  materiellen  5(uöbeutung  alö  ba^  nodß  oiel  Unerträglicßere  bie 
politifeße  !s8eoovmunbung,  bie  geiftige  Äneeßtung  angefeßen,  bie 
^eutfcßlanb  OonStom  erleibe  unb  fieß  gefallen  laffe.  Unb  bamit 
ift  cö  fo  menig  beffer  gemorben,  baß  biefe  geiftlicße  ^errfcßfudßt,  bie* 
fer  .f)aß  gegen  bie  ©eifteöfreißeit  uub  ^öilbung  ber  3Sölfer,  gegen 
bie  0elbftänbigfeit  unb  politifeße  ©ntmicflung  ber  Staaten,  mit 
bem  uuaufßaltfamen  gortfeßritt  auf  biefen  ©ebieten  nur  grim* 
miger  unb  giftiger  gemorben  ift. 

2(ucß  baö  35erßältniß,  morein  fieß  ^eutfdjlanb  ju  9tom  ge* 
fe^t  ßat,  mürbe  Jütten  tief  unter  bem  ßnben,  ma§  man  ju  fei* 
ner  3cit  ermarten  burfte.  ^Jtidjt  ba^  allein,  baß  meßr  alö  bie 
^älfte  ber  ^eutfeßen  bei  ber  römifeßen  ^tireße  geblieben,  mürbe 
ißn  in  Sermunberung  fe^en,  fonbern  baß  aud)  biefer  Xßcil,  ber 
ba^  alte  33anb  nießt  jerreißen  moeßte,  eö  nid)t  längft  menigftenö 
loderer  gemadjt  ßat.  Saö  fage  icß,  loderer?  ©r  befäme  ja  uiel* 
meßr  ju  feßen,  mie  baö  üon  ßell  benfenben  unb  männlicß  moflen« 
ben  IBorfaßren  geloderte  ^^anb  jeßt  bie  9tacßfommen  fieß  mit 
freiem  Sillen  enger  um  bie  .pälfe  feßnüren.  ©in  3)ing  mie  bae 


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^orrebe  ju  ben  @ejpra(^en. 


543 


Dcftcrrcic^ifd^c  Soncorbat  toürbc  i^n  fogar  Don  einem  ^bfömmlingc 
jenes  gerbinonb,  ber  einft  feine  ©martunqen  fo  bitter  ^ctoufd^t 
batte,  in  (Srftaunen  fe^cn.  2)aö  bat  fid)  nun  freilid)  bereite  felbft 
ßeriebtet.  foKtc  ein  Äitt  merben  für  bic  aii^  ihren  gugen  toei^ 
d)enbe  (Jinbeit  beö  Äaifcrftaateö : unb  feine  erfte  SBirfung  mar,  bag 
Don  ihren  Pfaffen  gebest  bic  Oefterreiebifdjen  Äatbolifen  ihre 
proteftantifeben  9Jiitbürgcr  nicht  einmal  im  ®rabc  mehr  neben 
ficb  bulben  moUten.  Stalicu  bat  für  Defterrcieb  ni^t  erhalten 
fönnen,  Ungarns  Un^ufricbenbeit  gefteigert,  in  ganj  ^eutfdblanb 
baS  Vertrauen  auf  ben  @rnft  Don  DcftcrrcicbS  IRcfonnen  ^erftört, 
im  Sanbe  felbft  bie  Hoffnungen  ber  Patrioten  niebcrgcfcblagcn. 
SGBie  freilidb  nach  folcbcm  SSorgang  bie  proteftantifeben  gürften 
fübroeftbeutfeber  ©taaten  ßuft  befommen  fomiteu,  ihre  fatbolifd^cn 
Untertbanen  mit  Goncorbaten  nach  bem  aJhifter  bcS  Oefterreid)is 
feben  j^u  beglüefeu,  ift  ein  nod)  ungclöfteS  IRätbfcl.  2)ag  eS  ber 
2Bunf(b  ber  JöcDölferung,  felbft  ber  fatbolifeben , nicht  mar,  b^t 
ficb  feitbem  in  5^abcn  glönjcnb  gejeigt,  unb  ber  2anbcsfürft  bic? 
fer  SöolfSftimmc  in  üerfaffungSmä§iger  SBeifc  @cbör  gegeben: 
hoffen  mir,  ba§  fid}  ber  begangene  gehler  Dollftänbig  mieber  gut 
machen  laffe,  unb  baS  5^cifpicl  in  ben  9lacbbarftaatcn  S^aebabmung 
finbe.  Denn  baS  ginge  boeb  über  aßeS  ÜJ^ag  unb  märe  ber 
febärfften  Hidi‘'’^i'fd)cn  ©otire  mcrtl),  menn  in  einem  ß^itpunft, 
ba  ^etri  ©tul)l  feinem  Dorgeblicben  ^'tacbfolger  unter  bem  ßcibe 
manft,  mäbrcnb  bie  gtaliencr  unb  DorauS  bic  öemobner  beS 
ÄirebenftaatS  feiner  fatt  finb  unb  ol)ne  bic  fremben 

iöabonnctte  ihn  längft  fortgejagt  hätten,  menn  jefet  noch  Deutfdjc 
ihm  Soncorbatc  entgegenbräebten,  beren  ficb  bic  ^äpftc  beS  fed}S? 
zehnten  Sabrbunberts  gefreut  haben  mürben. 

gdnbc  bemnaeb  Hutten  auf  fatbolifeber  ©eite  noch  beute 
nicht  meniger  ju  fcbelten  unb  anjuflagcn  als  ^u  feiner  ßeit,  fo 
bürfen  mir  ^roteftanten  barum  nicht  meinen,  er  mürbe  mit  unS 
um  fo  äufriebencr  fein,  ©o  gcmiB  er  auf  eine  proteftantifebe 
Äircbc  bingearbeitet  (}ut,  fo  jmcifclbaft  ift,  ob  er  in  ber  unfern, 
mic  fie  jefet  ift,  bic  erfennen  mürbe,  bic  ihm  im  ©innc  lag.  ga^ 
ich  meiß  nicht,  ob  fein  Unmille,  ben  er  ber  römifeben  Äircbe  ge? 
genüber  empfinben  mürbe,  mcil  fie  nicht  anberS  gemorben,  nidjt 
noch  Diel  heftiger  gegen  bie  unfrige  entbrennen  müßte,  ba  fie  fo 
ganj  anberS  gemorben  ift,  als  er  Don  ihr  baffen  ju  bürfen 


544 


Sorrebe  }u  bcn  ^efprSd^ni. 


glaubte,  ftc  uom  ©innc  abgetoid^en  fei,  ^at  er  bei 

crftcrcn  genug  üorgel^alten;  baß  fie  fic^  aU  römifc^cr  treu  ge= 
blieben,  l)at  er  i^r  nic^t  abfprec^en  fönnen:  an  ber  proteftanti= 
fc^en  Atirc^e  tpürbe  er  ju  rügen  haben,  lua^  allemal  bai§  0c^limmfte 
ift,  ba§  fie  fich  felbft  untreu  gemorben  fei,  ihr  eignet  ^rincip 
leugnet  habe.  ®a6  eä  bahin  mit  ihr  fani,  hätte  ber  Witter  mdg» 
lichermeife  felbft  noch  erleben  fönnen,  benn  eä  fam  leiber  fe^r  früh:  ' 
aber  auch  heute  mürbe  er  noch  nicht  finben,  bafe  fie  im  ©rogen  unb 
©anjen  ihr  ^rincip  miebergefunben  hätte.  2)ag  $tincip,  au» 
bem  ber  ^roteftantiiJmud  hcroormuch^,  ift  freie  Ueberjeugung  bcs 
einzelnen : fich  nichts  oorglaubcn  ju  laffen,  fonbern  nur  glau- 
bcn,  maö  man  felbft  perfön  lieh  iui  eignen  Snnern  erlebt.  £uthcr 
glaubte  an  bic  @chrift,  mo  barauf  anfam  bi^  auf  ba^  ciniiclnc 
Söort  hinauf:  aber  nicht  mcil  bic  Äirche  cd  ihn  hie6»  fonbem 
meil  fein  innerer  SEÖahrhcitdfinn,  bcn  er  ald  bad  3eugni6  bed 
heiligen  ©cifted  empfanb,  ihn  ber  Wahrheit  unb  ©öttlic^feit  bed 
©chriftinhaltd  oerfichertc.  SRur  fomeit  biefer  (jc^t  burch  gan^  an= 
berc  ajiittcl,  ald  Suther'n  ^u  ©cbote  ftanben,  uuterftütte)  SSikihr- 
heitdfinn  ihn  oon  ber  ©laubmürbigfeit  ihrer  ©rjählungen,  ber 
®ernunftmä§igfeit  ihrer  Sehren  überführt,  ift  folgli^  ber 
ftant  ber  53ibcl  ju  glauben  fchulbig.  ©obalb  an  bic  ©teile  bie^ 
fed  lebenbigen  unb  freien  ©laubend  ein  tobter  unb  fncc^tifd)er 
©pinboU  ober  Öibelglaube  trat , mar  ber  ^roteftantidmud  uon 
fich  felber  abgefallen : unb  mo  hätte  er  benn  feitbem  bid  auf  bcn 
heutigen  biefcd  Slfterprincip  Don  fich  gethan? 

©leichmohl  lebte  auch  iu  ber  entarteten  ^rche  bad  acht  protc- 
ftautifche  ^rincip  in  ©injclnen  unb  in  engeren  Greifen  beftänbig  fort: 
bad  mar  ber  ©egen  ber  großen  reformatorifchen  Xhat,  bie  ben 
äußeren  3u)ang,  bic  meltlidhc  Ü)fad)t  ber  Hierarchie  für  ben  rcid 
bed  ^roteftantidmud  gebrochen  hatte.  ^cr3ujcifcl,  biegorfchung, 
bad  philofophifchc  Renten,  in  ^eutfchlanb  julcht  eine  nationale 
Siteratur,  ermuchd  auf  biefem  ©oben,  unb  cd  ift  g^cubc  unb 
©tol^  für  ein  protcftantifchcd  ^erj,  baß  biefc  neuere  claffifche 
Siteratur  unfred  Sßolfed  oudfchließlich  bem  ^roteftantidmud  angc^ 
hört.  Sluf  fatl)olifchem  ©oben  ift  fie  fchlechtcrbingd  unbentbar; 
ed  ift  unmöglich,  fich  einen  fatholifchen  Ä?ant,  Seffing,  ©oethe 
unb  ©chiller  auch  uur  einen  §lugenblicf  oorjufteUcn.  ^rcili^ 
felbft  in  ber  protcftantifchcn  Äirchc  tonnte  biefc  Siteratur  erft  in 


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53orrebe  ju  bcn  ®efprö(i(|fn. 


545 


einer  3^it  ertnac^fen,  iüo  ber  in  il)r  anf()cfomniene  ^Rationalismus 
i^re  confeffioneßen  ©djranfen  nicbergemorfen,  i^ren  ^orijont  er^ 
meitert,  bem  ßid^t  unb  ber  freien  2uft  jugänglicl)  gemacl)t  Ijatte. 
5lbcr  eben  aucl)  biefer  iRationaliSmuS  fonnte  nur  auf  proteftaus 
tifc()em  53oben  firf)  entmicfeln,  ®er  ^atljoliciSmuS  fc^manft  emig 
jmifd)cn  §lberglauben  unb  Unglauben;  ber  granj^ofe,  ber  Stalie* 
ner,  mo  er  fi(^  bem  3)ogma  feiner  Äird)e  entfrembet,  mivb  aße* 
mal  friool:  ein  teufen,  baS  mit  bem  itirdjenglauben  feineSmegS 
and)  ben  fittlic^en,  ben  glauben  an  eine  l)öl)orc  Söeltorbnung 
unb  bie  iöegeifterung  für  baS  Sbeale  aufgibt,  iÜ'ant’S  fategorifd)er 
3mpcratio,  ift  nur  innerhalb  ober  unter  bem  @influ§  beS  ^rote* 
ftantiSmuS  möglich. 

yjMn  mad^t  eS  ben  heutigen  frommen  jum  Sßormurf,  ba§ 
fie  bie  Xräger  unfrer  großen  !lJiteraturepod)e  als  Reiben  oerbanu 
men,  oor  ißren  @d)riften  marnen,  and)  in  biefer  §infid)t  baS 
beutfilje  33olf  5111-  gän^lidjen  Umle^r  oon  feinem  bisherigen  Söege 
maljuen.  3d)  geftehc,  ich  f^nn  biefeS  Xreiben  unfrer  fRechtgläus 
bigen  nur  in  ber  Drbnung  finben.  3n  ihrem  ©inne,  überhaupt 
in  bem  bisher  üblichen  (unb  ob  baS  SSort  noch  meitern 
©inn  hoben  fann,  märe  ja  erft  auS5umüd)cn) , ift  feit  Älopftocf 
feiner  unfrer  CElaffifer  mehr  ein  (Shrift  gemefen.  Sefftng  l)Ot  in 
feinem  9fatl)an  boS  fpmbolijchc  ®udj  für  biefc  Ofichtung  gefdjries 
ben,  unb  ©oethe  unb  ©djißer,  Sßiclanb  unb  Berber,  ftel)en  bei 
aßer  Freiheit  ber  inbioibueßen  ?luffaffung  bod)  mefcntlich  auf 
bemfelben  33oben.  Slße  biefe  ÜJMnner  (aud)  §erber  nicht  auSge« 
nommen,  beffen  geiftlicher  ©tanb  unb  qualmenbc  ^hontafie  mehr 
nur  auf  bie  gorm  unb  Jorbe,  als  auf  ben  ÖJchalt  feiner  Sin fich^ 
ten  oon  Einfluß  mareu)  jinb  aßem  ^ofitioen  entmachfen;  fie  fen^ 
nen  feine  Offenbarung  als  bie  im  ©emüth,  in  9>tatur  unb  ^e* 
fchichte,  fein  SBunber  als  bie  9faturgefepc  felbft,  fein  §eil  unb 
feine  SSerföhnung  als  bie  fich  ber  menfd)liche  ÖJeift  in  fich  burd) 
Läuterung,  burd)  (Sntfagung  unb  Siebe  feßafft.  ^)ic  biblifcßen 
(Sr^öhlungen  galten  ihnen  nur  fo  mcit  für  gefdjichtlicß,  als  fie 
fich  natürlich  faffen  ließen  ; mos  barüber  hioouSging,  mar  ihnen 
©age  ober  ©elbßtäufdjuug,  unb  nid)t  immer  ertoehrteu  fie  fich 
nod)  fchlimmeren  S3erbad)tS.  ^ie  fird)lid)eii  GUaubenSartifel  ma= 
ren  ihnen  im  beften  gaß  ©pmbole,  an  bie  fich  fittliche  SBahr^ 
heiten,  religiöfc  3been  anfnüpfeu  ließen,  galten  bie  S^echtgläu* 
Vll.  36 


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546 


SSorrcbc  in  ben  ©cjpröc^cn. 


biflcn  folc^crlci  Slnfid^teu  für  undjriftUc^,  ttJtc  fic  auf  i^rnn 
0taubpuufte  müffen,  fo  ^abcn  fic  ein  fRcd^t,  uor  bem  Sefen  ber 
0d}riftcu,  in  benen  biefdben  mit  fo  üid@cift  üürgetragen,  ober, 

noc^  (jefäbrlic^cr  ift,  fo  unmerflic^  borau^gefc^t  locrbcn,  §u 
manicn,  unb  bic  0d)riftftcflcr,  bie  n?ir  Uebrigen  alö  ßlaffifcr 
ucrel)rcn,  ai^  ÄV^cr  unb  3ttlcbrcr  branbmarfen.  fommt 
ja  nur  auf  unö  an,  ob  mir  it)ucn  @et)ör  geben,  ober  cö  barauf 
magen  moUcn , mit  ßeffing , (^oct^c  unb  0d)iUcr  in  bie  ^öüc, 
ftatt  mit  $engftcnbcrg,  0ta^l  unb  SSilmar  in  ben  ^imnicl  ju 
fommen. 

3u  ber  bunbertjä^rigen  Sebiderfeier  neulicb  b^^^^cn  jene 
iJrommcn  natürücb  öugerft  faucr  gefeben,  unb  eg  ift  nur  ^oUtif, 
um  cg  mit  bem  publicum  nicht  gar  ju  feb^  jw  oerberben,  uon 
ihnen  gemefen,  menn  fie  ficb  nid}t  noch  tocit  ftärfer  bagegen  aug-' 
gefproeben  ba^^cn.  S^laio  ift  cg  freilich  in  hohem  @rabc,  bag  eben 
fie  fo  unbefangen  gegen  Abgötterei  eifern,  alg  fönntc  cg  auf  ber 
Söclt  S^iemanben  cinfallen,  ihnen  bag  Quis  tulerit  Gracchos  de 
seditione  querentes?  cntgegcn^nbalten.  Auch  einer  ber  @ebiU 
beten  unb  0ü6rcbcnben  unter  ihnen,  ber  bic  @d)illerfeier  in 
0cbub  nahm,  glaubte  ficb  ^oeb  bem  Augruf  bemüßigt:  $in* 
toeg  mit  aller  3)^enfd}enocrgötterung  in  mic  oußer  ber  Äirebe! 
idun,  mir  außerhalb  fönnen  ihn  ocrfichcrn,  baß  nie  einer  ooii 
ung  baran  gebacht  hat  ober  benfen  mirb,  meber  bem  alten  ^aupt^ 
mann  ©chillcr  5U  fünften  cincg  höb<^^^  SBcfcng  bic  SBaterfebaft 
an  feinem  @o()ne  ab^ufprcdjcn,  nod)  ben  fRcceptcn,  bic  biefer  alg 
fRcgimcntgmebicug  ücvfd)ricb,  eine  tobtcncrmccfcnbe  Straft  bei^u* 
legen,  noch  ^^n  Umftanb,  baß  über  bem  iöcgräbniß  beg  ^iebterg 
big  heute  ein  ©eheimniß  rußt,  511  ber  Söermuthung  ju  benüben, 
er  fei  mohl  bei  lebenbigem  Seib  in  himmlifebe  Legionen  erhoben 
morben. 

3nfofcrn  inbeß  mar  bog  gemäßigte  Auftreten  ber  ^ochgläu» 
-bigen  gegen  bic  0chillerfcicr  oietlcicht  mohlberechnet,  alg  bic  SBc^ 
nigften  im  Sßolfe  ficb  ^er  ganzen  ^^ragmeite  biefer  Qeier  bemußt 
gemefen  fein  mögen.  2)Mn  meiß  mohl  ungefähr,  baß  cg  mit  beg 
ajianneg  ©hnfteuthum  nicht  ganj  richtig  (in  ber  Xhat  uiclmchr 
feitßeffing  bei  feinem  fo  fcblimm)  geftanben,  ober  man  hdlt  ihm 
bieß  alg  3eit9cbrcd)cn  511  @nte,  mie  man  ihm  fein  25,^eltbüvgcrs 
thum,  feine  geringfebäbigen  ^Jieben  über  particulärc  SSaterlonbg^ 


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55orrebc  su  ben  ©cipröc^cn. 


647 


liebe  ©utc  fjält.  3n  ber  jcbod^  Uer^ält  eä  ftc^  mit  bei= 
ben  Xcfecten  ganj  uerfc^ieben.  ^cr  bcutfdje  ^atrioti^muö  fehlte 
0d)iücr’u  teiue^megö,  mcmi  er  audj  bem  ilo^mopoUtiemiiiS  in 
i()m  untcrgcorbnct  tuar,  mib  mürbe,  menn  bei*  5)ic^ter  bic  3^it 
ber  greitjeitöfricge  erlebt  Ijätte,  cjemife  in  l)cllcn  glammen  empor' 
flclübert  fein,  ol)ne  baß  ficß  barum  in  feinem  übrigen  ^cnffljßem 
baö  ÜÜ^inbefte  ßätte  önbern  müffen.  S3on  bem  itircßenglaubcn 
hingegen  mar  in  ©cßillcr  fcßledjterbingö  feine  ©pur,  unb  nic^t 
baö  fleinfte  3»g<^ftönbniß  I)ätte  er  bemfelben  machen  bürfen,  oßne 
feine  gan^e  2i3eltanfcßauung  über  ben  Raufen  ju  merfen;  fobalb 
er  fid)  jum  ©lauben  an  ein  einjigeiS  2)ognia,  an  eine  einj^ige 
biblifd)e  ÜÖJunbergefcßic^te  bequemte,  mar  er  mit  bem  @eift  aller 
feiner  Söerfe  in  äUiberfprud)  getreten.  Unb  baß  nun  gerabe  bie 
©cftalt  biefe-5  SÜ^anneö,  beffen  geiftige  unb  fittlicßc  ^oßeit  üon 
jeber  firc^lidjen  3^eimifd)ung  frei,  rein  ßuman  unb  rationell  er= 
morben  mar,  baß  fie  gerabe  auf  baö  beutfdje  03emütl)  biefe  ^In^ 
jießungöfraft  übt,  in  ©cßillcr  gerabe  mie  in  feinem  ^^Inbern  ber 
beutfdje  ^ülfögeift  fid)  fclbft  miebererfennt,  Daö  ift  ein  S'^’i^ßen,  baö 
ienen  Ätircßenmännern  ebenfo  bebenfließ,  alö  luiio  erfreulicß  unb 
ßoffnungöreid)  erfdjcinen  muß. 

Unfere  claffifcßc  Literatur  ßatte  fieß  in  ber^eriobe  beöSfta^ 
tionaliömu»  entfaltet,  unb  mar  ^iir  Qdt  ber  fransöfifdjen  Steoos 
lution  unb  ber  grembßerrfdjaft  ooüenbet  morben:  alo  bie53cfrei= 
ungöfriege  anßubcn,  mar  ißre  3cit  mie  bic  bcö  Dftationalismuö 
fd)on  oorßer  iim.  fran^öfifeßen  Dränger  mären  ber  3}^cßrs 
jaßl  nad)  ungläubig  gemefen,  bie  ^-ßorneßmeren  meift  33oltairioner, 
bie  Gemeinen  nad)  ^erßältniß,  SlUe  ©ößenbiener  ber  materiellen 
(bemalt:  bic  beutfeßen  ä)^änner  unb  Jünglinge,  bic  gegen  biefe 
(bemalt  aufftanben,  tßaten  ba^^  im  begeiftemben  (Glauben  an  eine 
ßößerc  fittlicßc  2J2acßt,  ber  fid)  ißnen,  im  (^egenfaß  gegen  ben 
fran5Öfifd)en  Unglauben,  mit  ben  alten  ^ilnfcßauungcn  bcö  Sßriftciis 
tßuim^  ücrfd)mo4.  ©o  mürben  bic  ^ießter  unb  übrigen  ©d)rift= 
fteller  jener  3aßre  mieber  d)rifttid)  fromm,  unb  mit  ben  Xßronen 
reftaurirte  fid)  ßernad)  aud)  bic  ttird)c,  bie  Xßeologie  unb  fclbft 
bic  ^ßilofopßie.  griebrid)  SÖilßelm  III.  trübte  feine  ßoeß-  unb 
freifinnige  Xßat,  bic  Union  ber  beiben  proteftantifd)eu  itird)en, 
bureß  eine  fatßolifirenbe  Idgenbe,  bie  er  ißr  ^ur  ä)Utgift  gab;  lilauö 
^arm^  fd)ricb  feine  altlutßerifd)cn  Xßefen;  bie  föoangelifcßc  Ätir» 


548 


®orrcbc  3U  bcn  ©ejprö^cn. 


c^cit^citunci  tuurbc  c^c^rüiibct,  bic  c§allc'fd)cn  S^ationaliftcn  bcnun-' 
cirt.  9lbcr  aud)  §egd  bilbcte  fein  urfprünglic^  auf  bcii  freieften 
(^runblaßcn  aufgcbautcö  Softem  ^ur  fc^otaftifc^cn  33cfd^öntgunc;  bei 
(gegebenen  ^uftänbe,  in^^befonbere  aud)  beö  fir^lid)cn  um. 

@iu  SJton  lebte  in  jenen  Söhren,  ber  cbenfo  flug  n?k 
fromm,  oielleic^t  aud)  noc^  etmasS  flüger  al^  fromm  luar:  tucr 
mißt  baö  fo  genau?  @r  toar  ber  @rftc,  ber  baö  öcfrcicnbc,  nm? 
in  ber  Union  lag,  erfannte  unb  auöbcutete.  SSenn  in  jeber  ber 
beiben  coangelifd)en  (Sonfeffioncu  baö  aufl)örtc  oerbinblic^  ju 
fein,  \va^  fie  gegen  bie  anbere  feftgefc^t  ßatte,  fo  gab  ba^  fc^on 
eine  bübfe^e  Sßeitc,  in  ber  fid)  menfc^lidjer  loo^ncn  ließ,  cUö  in 
bem  bi^l)erigcn  confeffioiieHen  9Zotl)ftalI  beiberfeitö.  ©Icic^tuobl 
fanb  aud)  fo  noc^  0d^leiermac^cr  ba^  0c^iff  ber  ilircßenlc^rc  für 
fein  mürbciä  Filter  unb  bie  l)od)ge^cnben  SBogen  ber  oiel  ju 
fd)U)er  befrachtet;  er  rietl),  außer  bem  fjlothipenbigften  über 
iöorb  äii  merfen,  unb  feßte  fich  feinerfeitö  ohne  allen  33aHaft  in 
ben  lcid)ten  ital)n  beö  frommen  0elbftbemußtfeinö.  Glicht  all 
^lulbeute  aul  ber  heiligen  0d)rift,  nicht  all  geftfejungen  eine» 
0l)mboll,  all  einfad)e  Slulfagen  bei  d)riftlichen  93eioußtfeine 
entmidclte  er  bic  0ähe  ber  coangelifd)cii  ÖJlaubenllchre , bic  er 
nur  nad)träglid)  mit  jenen  beiben  3nftanjen  jufammenhielt.  Xaß 
biefel  33ctoußtfein  ganj  anbcrl  fprcd)cn  mürbe,  menn  el  nicht  in 
einer  an  Schrift  unb  ©pinbol  erlogenen  chriftlichen  ®emcinbc 
fid)  gebilbet  unb  erfüllt  hdttc,  baß  mithin  feine  Slblcitung  fich 
eigcntlid)  im  Ä^reife  bemegte,  machte  il)n  nidht  irre.  SBußte  er 
nur  für  feine  ©ä^c  einegaffung  511  ßnben,  in  ber  fie  meber  ein* 
anber  gegenfeitig,  nod)  einer  anerfannten  S3ernunftcinficht  miber- 
fprai^en,  fo  glaubte  er  feiner  Slufgabc  genügt  ju  h^^^^en.  0o 
brachte  er  ein  überaul  fcinci,  aber  ebenfo  fünftlichel  ©bftem 
jiifammen,  ein  fRäbermerf,  bal  nur  eine  fo  gemanbte  $anb,  mic 
bic  feinige,  im  ^ang  ^u  erhalten  mußte.  Äcin  einziger  feiner 
ÖJlaubenlföhe  mar  meber  nach  Ableitung  noch  3nl)ölt  irgenb  eu 
' nem  tird)lid)en  2)ogma  mirtlich  congruent,  aber  el  maren  trefflich 
gefertigte,  töufd)enb  ähnliche  ©unogatc,  bic  bem  mobemen  @ou= 
men  überbieß  beffer  all  bic  nachgcrabc  altbacfcn  gemorbenen 
fird)lichen  0chaubrobe  fehmedten.  ®al  @runbbogma,  bem  alle 
übrigen  nur  bienten,  mar  bal  oon  ShriftuI,  mit  bem  in  innigem 
perfönlichen  ^ertehr  fich  ju  fühlen,  0chlciermachcr'n  oon  feiner 


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®orrcbf  )u  ben  @c|prä(^en. 


649 


(Sr^ic^img  in  bcr  33rübcr(^emcinbc  f)cr  cjcniüt^lic^CiS  iBcbürfnig  tnav. 
3(bcr  biefer  fein  (5()riftiio  tnar  nid)t  bie  jtucitc  $crfon  in  bev  @ott:^ 
()cit,  ni^t  bei*  anö  einem  frni)ern  güttlirfjcn  Unfein  in  einen  9J?en= 
fcf)en(eib  munberbariie^  fjernbejefommene  unb  bann  mieber  ;^n  jener 
^iU)ern  ©^-iften^  ^urnefgefeftrte  @otteöfol)n,  fonbern  lebiglid)  ein 
,^ioQr  fittlid)  normaicr,  fonft  aber  burc^  nationale  toie  perfönlidje 
Sebingungen  befd)ranfter  3J^enfd).  @o  menig  mit  biefer  SSor» 
ftellung  einerfeitö  baö  firc^lic^e  ®ogma  oon  Sljrifto  gebeeft  mar, 
fü  leidet  mar  anbrerfeitö  ein5ii)el)en,  baß  auf  ©d)leiermad)cr’ö 
(Stanbpunfte  folgeridjtig  immer  nur  ba^  Sbeal,  nic^t  aber  bie 
SEÖirflic^feit  eineö  fo(d)en  3Jk’nfd)en  abjuleiten,  ja  and)  nur  ^u 
begreifen  mar. 

9^od)  meit  übler  jebod)  alö  bem  ^ogma  unter  feiner  .§anb 
erging  c^,  faum  bag  @cf)leiermac^er  bie  Gingen  gefdjloffen,  ber 
OucHe  be^  ^ogma  nad)  proteftantifd^er  53orfteüung,  bcr  f)eiligen 
0d)rift,  unb  man  mugte  nad)träglic^  nodj  ben  9)iann  bemunbern, 
ber  fic^  jum  SSorauö  fo  flüglid)  barauf  eingerichtet,  unb  fein 
Credo  üon  berfclbcn  unab()öngig  511  machen  gcfud)t 
merben  manche  Sefer  meinen,  id)  motte  oon  meinem  Öueh  über 
ba^  Seben  3cfu  reben,  unb  merben  mir  entgegen 
biefeö  ja  längft  miberlegt  fei.  3n  berXh^^^  moUtc  id)  ba^  nid)t; 
meil  aber  oon  SBibcrlcgung  gcfprochcn  mirb,  fo  mitt  id)  nicht 
audmcid)en.  Um  über  SBorte  nicht  ju  ftreiten,  fo  fei  id)  alfo 
meinetmegen  miberlegt ; cö  fragt  fich  nur,  mic  ? 5)aö  mitt  id)  bem 
oerftänbigen  Sefer  fagen.  ©efeht,  ich  h^Ue  bcred)uct,  meinem 
©laubiger  2000  fchulbig  ju  fein,  unb  e^i  fämc  ein  'lUnberer,  rech* 
nctc  mir  nach,  wnb  fagte  bann:  beine 9^ed)nung  ift  falfd),  bu  bift 
ihm  nid)t  mehr  ab5  500  fd)ulbig:  fo  mürbe  ich  über  eine  fold)c 
S53iber(cgung  meiner  fRcd)nung,  mofern  fic  ©runb  l)öUc,  gemife 
cbenfo  menig  Urfache  hi^^’cn  oerbrieglid),  alö  mein  ©läubiger, 
oergnügt  gu  fein,  ^icht  anberiS  ift  mein  ßeben  3efu  miberlegt 
morben. 

Älö  id)  an  bie  2(ui?arbeitung  beö  !sÖud)Ci§  ging,  lagen  mir 
über  bie  coangclifd)c  ©cfd)id)te,  iimbcfonberc  il)rc  munberbaren 
!0eftanbtheile,  bie  oon  jeher  ber  ©laubenölchrc  bie  mid)tigftcn 
maren,  ^mci  ober  oiclmehr  brcicrlci  ^^Infichten  oor.  ^ie  eine  jaütc 
biefelbcn,  mie  fie  fich  ßoben,  alö  33erid)tc  oon  übernatürlichen 
lilJorgängen,  bie  fic  alö  mirflid)  fo  gcfd)ehen  annahm:  fölchen 


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550 


Sorrebe  ju  ben  @c|prö^en. 


©tauben  imibtc  icf)  nic^t  uon  mir  crbalten.  ^ic  anbre 
faßte  ßleid^faü^:  bie  ©cfc^idf)ten  finb  n)al)v,  aber  cö  ift  §UIcö  na* 
türlic^  jußeßangen,  bie  ©r^äbler  uerfc^meißen  nur  ßcmiffe  äl^itteU 
ßlieber,  ßetniffe  9lebenumftönbe , nieHcid]t  meil  fic  meinten,  fic 
nerftnnben  fid)  üon  felbft,  unb  bat)er  ber  munberbare  Schein: 
^u  einer  fo  ßcmaltfamen  ^entiinß  ber  bibli)d)en  @rjät)Iunßcn 
fonnte  ic^  mic^  nid^t  entfdjlieben.  @inc  brittc  Stnfid)t  laß  im 
^interßrunb,  welche  halb  bie  Xt)atfad)en  halb  bie  @rjät)lunßen 
für  ölenb*  unb  9)?ad)merfe  non  '^etrüßcrn  an^^ßab:  ein  fold^cr 
Söerbac^t  mar  mir  miberlid).  SQBa^  alfo  t^un,  um  einen  ^luiSrocß 
511  finben?  3d)  blidte  mic^  in  ben  beitißcn  @rjät)lunßcn  ber 
alten  fRelißionen  nm,  bie  ()eute  9^iemanb  me^r  meber  mit  ^erobot 
übernatürlid^  fa^t,  nod^  mit  @ul)emern§  natürlii^  erflört,  eben* 
fomeniß  mit  ben  eifernben  S^irc^enoätern  2^enfel$fpuf  ober  Setruß 
barin  fiel)t;  fonbern  man  fafd  fie  alö  0aßcn,  bie  fid)  auä  ber 
frommen  ^b^ntafie  ber  3Sötfer  unb  i^rer  ^i^ter  ol)ne 

2lrß  unb  5Ibficbt  fo  ßebilbet  höben.  <5o  bemnad),  alö  @rjcuß* 
niffe  ber  abficbt^loö  bid)tenben  nrd)riftlid)en  0aße,  betradbtete  id) 
bie  eoanßelifcben  SCÖnnberßcfcbidjten  mcnißftenö  ihrer  3Rel)rhcit  nad). 

9^un  bin  id)  ja  aber  miberleßt.  ift  nachßemiefcn , bafe 
ein  ßroger  Xheil  biefer  @r,^ählnnßcn  ßar  fel)r  abfidhtlidh  j^u  be* 
ftimmten  unb  bemiigten  ^artei^mcdlcn  erbichtet  ift.  ©ut;  mer 
fann  baßeßen  etma^  höben?  Sch  ßc’mife  nicht.  SBer  fann  fid) 
biefer  SQ3iberlcßunß  beö  „lieben  Sefu"  freuen?  ©emiß  nicht  meine 
orthobojen  ©cßucr.  IRod)  @inö.  ^ag  oierte  ©naußclium  ßiiiß 
in  meiner  Sflechnnuß  ni^t  auf;  e^  mar  nicht  mohl  benfbar,  mic 
ber  ©rjähtuuß^ftoff  ber  brei  erften  ©oanßclien  ohne  bemühte  tlb^ 
fidhtlidhfeit  eine  fo  bebcutenbe  Ummanbluitß  erlitten  höben  folltc, 
mie  fte  im  johanneifd)en  ©oaitßclium  oor  Sliißen  ließt.  Sch  höttc 
ba^  SBort  biefeiS  fRäthfelö  noch  nicht  ßcfunben:  feitbem  ift  bemie* 
fen  morben,  bag  ba§  oierte  ©oaiißelium  eine  ßompofition  ift, 
bereu  Söerfoffer  fid)  feineö  freien  0d)alteit‘o  mit  bem  ßefchichtlichcu 
unb  0aßenftoff  ju  ph^^ofophifch'boßmatifd)en  ß^c’ccfcn  fo  bemngt 
mar,  mie  ^lato  beffen,  bag  er  in  feinen  ^ialoßen  ben  ©ofratcö 
ßar  manche^  reben  unb  thun  lieft,  maö  biefem  in  Söirftichfcit 
nid)t  einßefallen  mar.  ©nt;  mer  oerliert  babei?  Sd)  mieber 
nid)t;  ich  ü)ürbe  eä  nur,  menn  eö  mir  in  ber  ßanjen  ©achc  um 
meine  lU^einmtß  unb  meinen  "iRamen  p tl)nn  ßemefen  märe;  cö 


Sotrebe  ju  ixn  ©ffpröc^cn. 


551 


war  mir  aber  Diclmd)r  barum  ju  tbun,  Suft  5U  fdjaffen  für  bic 
freie  ^Bcmegiinq  bcö  ©cifteg  burc^  Sßegröumun^  bc^i  alten 
möuer^,  ba^  i^n  beengte:  je  grünblic^er  biefcö  mitljin  megs 
gcfc^afft,  je  nmt)ieberl)crftellbarcr  in  bießuft  gefprengt  inirb,  befto 
lieber  mn|  e^  mir  fein.  3c^  alfo  Ijabe  auc^  Ijicr  nidjtd  verloren, 
unb  meine  frommen  (Gegner  nic^t-S  gewonnen;  bie  man  ^ubem 
je^t,  wenn  fie  (übrigen^  mit  fRec^t)  gegen  baö  ßwteci^tmadjcn  ber 
@efc^id)te  na^  pbüofopl)ifc^en  Sbeen  eifern,  auf  i^r  fiieblingö^ 
coangelium  alö  ein  wa^reiS  90?ufterbilb  fold^en  Sßerfa^renS  Oers 
Weifen  fonn. 

0old)er  3crftörnng  ber  ©runblagen  ber  bi^l)erigen  5!f)eos 
(ogie  arbeiteten  gleicbjcitig  bie  übrigen  SSiffenfe^aften  in  bie 
.^änbe.  2)a$  eifriger  ak  je  gepflegte  @cfc^id)töftubium  gab  einen 
äl^aßftab  für  bie  Öllaubtoürbigfcit  l)iftorifd)cr  Urfunben,  an  welchem 
gcrabc  biejenigen  biblifc^cn  Süc^er,  bie  ber  Xl)eologie  bie  mid)s 
tigften  waren,  am  wenigften  beftanben.  ®ie  ^n  ftaunenöwert^er 
ij^lütbe  ficb  entfaltcnbcn  9tatnrwiffcnfcbaften  bauten  immer  üolls 
ftänbiger  eine  2öcltanfd)auung  au^,  innerhalb  bereu  fid)  ber^irs 
d)englaube  wie  ber  ftel)en  gebliebene  S^teft  eine^  alten  ,g)aufc!^  in 
einem  barüber  gebauten  ^alofte  ftörenb  unb  entftcüenb  anönal)m. 
?ln  baö  3KijiDerl)ältnift  ber  c^riftlid)en  33orftcllungen  oon  $inis 
mel  unb  ^ölle  ^ur  ?lftronomie,  ber  ©cböpfnngögef(^id}te  jn  cbeits 
betfelben  unb  jur  Geologie,  ber  biblifc^en  SBunber  p ben  rcd)ten 
unb  großen  SSnnbern,  in  bie  un«  $l)i)fif  unb  Sbemie  ben  ©ins 
blief  öffnen,  ift  !aum  nött)ig  ^u  erinnern.  Unb  biefe  ©rgebniffe 
ber  ©efe^iebtös  unb  ^taturforfc^ung  blieben  nic^t,  wie  bieß  in 
früheren  Sahrßunberten  möglich  gewefen  war,  ein  Sonberbefiß 
ber  belehrten,  fonbern  würben,  bem  Reifte  ber  ©egenwart  ge* 
maß,  albbalb  im  SBetteifer  für  baö  Soll  Oerarbeitet,  in  /^ahlreid)en 
iBüchern  unb  3citfchriftcn  jum  ©emeingut  gemacht.  9tur  allein 
§umbolbt'ö  Äoömoö  mit  feinen  populären  Bearbeitungen 
bem  Äiirchenglauben  unberci^enbaren  ^Ibbrucß  gctlian,  unb  id) 
fann  eö  .^umbolbt'ä  ßeichenrebner  in  Berlin,  meinem  alten 
Jreunbe,  nicht  oerbenfen,  wenn  er  bem  henngegangenen  iRatur* 
forfdier  nur  feßr  bebingte  5luöfid)t  auf  ben  ßotritt  in  ben  djrift- 
ließen  ^immcl  ^u  eröffnen  wußte').  Bergcffen  wir  audj  unfre 

1)  rid^tig  au(^  bugmal  bie  geiftlid^^  Witterung  tvar,  ^aben  bie  {eit* 
bem  erfc^ienenen  Briefe  J^umbolbt’8  an  ^ain^agen  fattjam  gezeigt. 


552 


SJorrebc  ju  ben  ©eipröc^cn. 


Ötogcii  ^id^tcr  nic^t.  ®rft  in  bcn  lebten  breigig  3nf)rcn  würben 
ftc  grünblid^er  ftiibirt,  allgemeiner  angccignet:  jebe  neue  Slnflagc 
üon  ©c^iHer’ö  ober  ©oetljc'iS  SBcrfcn  mar  eine  neue  9licberlagc 
für  bie  Drt^obojie. 

ftanben  alfo  nun  bie  0acl)cn  fo.  3Son  ©eiten  ber  miffen* 
fc^oftli^en  Xtjeologic  mar  bie  5luflöfung  ber  biö^crigen  ÖHauben^ 
lel)rc,  fammt  beren  ocrmcintlicl)  ^iftorifc^cr  ©runblage  in  ber 
biblifc^en,  inöbefonbere  eüangelif^cn  ©efdjic^te,  (jene  grogentbeiliS 
fc^on  burd^  ©c^leiermad^er,  biefe  weniger  burcl)  mid),  al§  burc^ 
2lnbcre  na(^  mir,  bie  e<S  beffer  gemacht  l)aben)  mit  einer ©c^ärfc 
nnb  iöünbigfcit  boH^ogen,  bereit  fid)  fein  Urtbcilöfä^igcr  crmet)ren 
fonnte.  SSon  ber  anbern  ©eite  famen  9laturs  unb  ©cfc^ic^täs 
forfc^ung  biefen  ©rgebniffen  beftätigenb,  ja  fic  forbernb,  entgegen. 
Unb  cnblic^  mar  bag  allcö  längft  über  bie  abgefdjloffenen  Greife 
l)inauö  rud)bar  unb  im  ßufammenmirfen  mit  ben  ©djriften  unfrer 
neueren  ßlaffifer  j^ur  allgemeinen  ©ilbungeatmofp^örc  ber 
geworben,  bie  auf  geben,  ber  fid)  nic^t  gemaltfam  abfd)lo6,  un^ 
miberftel)lid)  einbrang.  2Baö  foHte  nun  bic^^eologie  t^un?  ®aiS 
fRätl)fel  ber  ©pf)inj  mar  gelöft,  aber  in  ben  ?lbgrunb  fpringen 
mod)te  fie  nidjt.  ^ir  finb  weit  entfernt,  il)r  bieg  ju  oerargen; 
nur  über  bie  guten  ^l)cbaner  müffen  mir  un^  munbern,  bag  fie 
fic^  all  ben  ©puf  gefallen  lic6cn  unb  nod)  immer  gefallen  laffcn^ 
ben  bie  §lltc  feitbem  angeftcUt  l)at. 

^)cnn  all  i^r  53emüt)en  ging  üon  je^t  an  bal)in,  bie  Sßelt, 
unb  am  @nbe  gar  aud)  fic^  felbft,  glauben  ju  machen,  eö  fei  mit 
^tic^ten  auö  mit  if)r,  fie  oiclmcljr  immer  nod)  ein  gutc^  $anö, 
unb  bie  ©erüc^te  oon  il)rem  Öanfrott  nur  oon  lcid)tfertigen  33iu 
ben  audgefprengt.  Äurj  fie  gebärbete  fid)  wie  ein  itaufmann, 
ber  fic^  oom  unoermciblic^cn  Sfiuin  in  ber  lepten  ©tnnbe  noc^  ju 
retten  fuc^t:  fie  fc^minbelte,  nal)m  3lnlel)cn  auf  wo  man  il)r  nod^ 
borgte,  unb  oermirrtc  baburd)  i^rc  Slngelegen^citen  nur  um  fo 
mel)r.  @in  ®lid  auf  bie  tl)eologifd)c  Literatur  ber  Gegenwart 
j^cigt  ein  feltfameö,  mibermärtige^  ©d)aufpicl.  @inem  Oerfc^miits 
benb  flcinen  ^läuflein  oon  folc^en,  bie  miffen  unb  miffen  wollen, 
wie  um  bie  Xl)eologie  ftcl)t,  bie  fid)  ;;um  ÖJefd^äfte  machen, 
bie  2Bal)rt)eit  ;\u  erforfeben,  unb  ^ur  Pflicht,  maö  fic^  il)iien  alö 
jolc^c  ergeben  l)at  (oorbet)ältlic^  mand)ed  menfc^lic^cn  ge^lgriffsJ 
im  ®in|^elncn)  ungefc^eut  auöjufprec^en , ftel)t  bie  uncrmefelic^c 


j 


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55orrcbc  ju  ben  ®cfprSd^en. 


553 


unb  äußerlich  f)crrfc^cnbc  aJicf)rbcit  bcrcr  nc(^cnü6cr,  benni  im 
@c(^citt()cil  9(llc!^  boraii  licc^t,  bic  fic^  aufbrincicubc  Sßal)rf)cit,  Don 
bcr  fic  fid)  in  il)rcm  firc^lid)cu  ^cfifftanbc  öcfäi)vbct  fd)cn,  uor 
ftc^  felbft  unb  Stübern  ju  ucrftccfcn,  boö  Unleugbare  in  5(brebe 
[teilen,  ba^  Offenbare  511  uertufcljen,  ätningenben  ©rnnben  fiel) 
buve^  Seitenfprünge  ent5iel)en,  gegen  jeben  iöetnei^  eine  5ln^s 
rebe,  fei  fie  norl)  fo  fd)led)t,  in  53ereitfd)aft  511  l)aben:  nnb  biefeö 
@ebal)ren  ge^t  non  ber  ftnmpfen  ober  feinen  0elbfttäufd)nng  bl3 
jum  frcd)en  Umfid)merfen  mit  toiffentlic^  umoa^ren  ^-öe^nnptungen 
fort.  ‘S>a§  man  fid^  babei  notl)gebrungen  einzelne  ©rgebniffe  ber 
Äritit  ungeeignet,  bieg  aber  bnrd^  ^djmäf)en  auf  bie  S^ritifer  ner* 
bedt,  nnb  jebenfaUv  bie  Sonfequen^en  ablel)nt,  trägt  nur  bap 
bei,  bie  Sennorren()eit  unb  Unlauterfeit  bc^  gnn^en  2^reiben3 
befto  offenbarer  ju  machen.  SBer  l)at  feit  ^luan^ig  3al)ren  gegen 
bie  Xnbinger  @d)ulc,  bie  Xrägerin  ber  t^eologifc^en  Äritif,  nom 
nermeintlic^  miffenfd)aftlic^en,  religiöfen  unb  fittlidjen  0tanbpnnft 
miö  unermüblid}er  gepoltert  alö  (Smalb?  Unb  nun  ^at  er  eine  (Sk- 
fc^iegte  Sl}rifti  an’öSid)t  treten  laffen,  bie  nur  alö  ein  fic^  felbft 
miberfpred)enbeö  @emifc^  non  gläubiger,  natürlicher  nnb  mptl)i* 
fd)er  ^uffaffung,  gehüllt  in  ben  9tebel  einer  überfchtnenglichen 
nnb  bod)  ^ngleid)  hinterhältigen  ©prad)c,  bezeichnet  tuerben  fann. 
^)a  an  biefem  Öeifpiel  alle  bergleid)en  fRettnng‘5*  unb  33ermitts 
lnngönerfud}e  fich  benrthcilen  laffen,  mill  ich  ^’inen  ^^üigenblicf  bei 
bemfelben  nenneilen. 

Sefnö  ift  in  biefer  ^arftellung  ber  0ot)n  Snfepl)''^,  babei 
aber  fünbloi^  nnb  menfd)lidj  nollfommen:  @igenfd)aften , bie  fich 
Zmar  für  ben  ©ohn  ©ottcö  non  felbft  ergeben,  für  ben  ©ohn 
Sofeph’ö  aber  fd)led}terbing^  nid}t  enneifen  laffen.  Sßon  ben 
SBnnbern  3cfn  merben  bie  .^eilung^munber  gefd)id)tlid)  gefagt, 
aber  nicht  alö  fchled}tl)in  übernatürliche  Xh^ten  eine^^  ihm  iinnoh^ 
nenben  göttlichen  ^rincipi^,  fonbern  alö  natürlid)e,  mohl  and)  bnreh 
gemiffe  ^anbgriffe  nemtittelte  unb  burcl)  baö  53ertranen  ber  Äran- 
fen  in  ihrer  3Birffamfeit  bebingte  ?(n-gflüffe  feiner  (iJeifte^madjt 
unb  religiöfen  ißollfommenhcit,  al^  ettnaö,  baö  jebem  5ütenfd)en, 
ber  fich  berfelben  ©tnfe  inie  er  erhöbe,  möglid)  fein  mügte. 
9lnn  lägt  fid)  ber  altfirchlid)c  ©d)lng  non  ben  253nnbern 
3efu  auf  feine  ööttlid}feit  gar  tnol)l  hören,  nnb  ino  bie(e‘  im 
©innc  bcr  M'irche  anerfannt  ift,  machen  hintüiebernm  bic  SBunber 


554 


3}orrcbf  s«  @cfprfl(^en. 


feine  0rf}iüicrifl!eit;  and)  bag  e^  borjngStoetfe  .^eilunt^^munbcr 
luaren,  ftimmt  bie  Äranff)eit  alö  SBerf  bc5  Xenfclö 

betrachtet  n)irb,  beffen  S^eid)  ber  (55otte^fo()n  ^erftören  h^t: 
mit  ber  mcnfchlich  reliqiöfcn  ^oHfommcnf)cit  hinßegen,  UJO,^u  t)ÜT 
bie  (Gottheit  C£f)rifti  abgeflärt  ift,  §ci[ung§mnnbcr  nic^t^ 

,^n  fdiaffen;  fonft  müßte,  mo  mir  höhere  ^iefigiofttät  finben,  menigs 
ften^  ein  ^^(nfang  fotd)er  höh^^*^  ^eilfraft  511  bemerfen  fein, 
bod)  außerhalb  be^  ©ebietö  ber  £egcnbe  unb  bc^  91berglauben^ 
nid)t  ber  ift-  Söunber  mic  0ünblofigfcit  ftammen  au§  bem 
altfird)lid)en  5^oben,  unb  fönnen  in  bem  mobernen,  in  ben  fic 
fich  ohne  SBur^el  geftedft  pnben,  unmöglid)  fortfommen. 

2öa^5  über  bie  .^ethtng  gegenmärtiger  ^erfonen  hinauögebt, 
mie  bie  Teilungen  in  bie  5ernc,  bie  ^obtenermeefungen,  bic  0pei^ 
fnngÖA  unb  SKafferuertnanblnngömimber  fammt  ben  Xh^ton  auf 
bem  0ee,  alle  bevgleid)cn  ©r^ählnngcn  ber  ©nangclicn  betrachtet 
ßmalb  ab3  ©rgebniffc  banon,  baß,  mic  er  ftd)  an^brüeft,  „bem 
wirbelten  ber  innerften  Prüfte  bcö  reinften  unb  höchften  ©ciftc^ 
in  ©hviftu^  bic  hochgefpanntc  ©rmartnng  unb  ber  miOige  ©laubc 
ber  0cinigen  entgegenfam",  ber  nun  in  einzelnen  Si^t-  unb 
§öhepunften  „allcö  baö  Uncnblid)c  üertüirflicht  fal),  ba$  er  bon 
3efu  ahncte  unb  hoffte."  ^aö  entmeber:  SefuiJ  machte  auf 
feine  ^Inhänger  einen  fo  mächtigen  ©inbrnef,  baß  biefc  rnoßl  ouch 
SBunber  imn  i()m  ju  fehen  glaubten,  mo  bod)  SÜleö  natürlich  <511* 
ging.  Ober:  ber  Xrieb,  ihren  0tifter  ju  Ocrhcrrlid)en , mar  in 
ber  älteften  ©hriftengemeinbe  fo  ftarf,  baß  fich  bcrgleicßcn  ©r^^oh' 
lungen  mßthifch  bilbcten.  SBenn  @malb  über  ba^  0peifungg= 
mnnber  bemerft,  ma^?  bie  erfte  Sßcranlaffung  5U  ber  ©rjahlung 
gegeben,  fei  nidjt  mehr  au‘3^umitteln,  jcbenfaHö  lehre  ßc  nur,  mie 
ba,  mo  fid)  ber  höh<^^‘<^  ©lanbe  mit  ber  mal)rcn  Siebe  oerhinbe, 
baö  5frob  nie  au^ogehe,  mic  auf  ben  geiftigen  0egcn  leicht  auch 
ber  lciblid)c  folge;  menn  er  bicS^erflärungögcfchichtc  einen  ®erfuch 
nennt,  ba^5  (Srhabenftc  faßlich  geftaltcn,  mobei  alle^  flticbere, 
ma‘3  ctma  alö  Einlaß  jnm  ©runbe  liege,  fich  in  bic  rcinftc  lichte 
t^öl)c  oerlicre;  menn  er  über  ben  Vorgang  auf  ber  |)och5eit  ju 
ft'ana  fagt:  „ba^  SBaffer  fclbft  mirb  unter  bem  Reifte  Sefu  jum 
heften  SSei ne",  nnb  faft  friüol  hio.^ufeht:  „mir  mürben  un§  biefen 
Söcin,  ber  feit  jener  3eit  auch  wnö  nod)  immer  ßießen  fann,  felbft 
übel  ücnoäffcrn,  menn  mir  hier  im  groben  0innc  fragen  moHtcn, 


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SBombc  p bcn  ©efpräti^cn. 


555 


U)ic  bcnii  (luö  bloßem  SBaffer  im  Slncjcnblicf  SBcin  mevben  föimc; 
foü  beim  ba^  SBaffer  im  bcfteii  8inne  beö  SBortö  nießt  überall 
iiod)  SBein  tuerben,  too  fein  (5Jeift  in  uoUcr  Alraft  tßätifl  ift?''  — 
)o  ßaben  mir  an  allen  biefen  Stellen  nic^tö  ^Inbere^S  alö  bie  ml)« 
t^ifeße  ?lnffaffnnfl,  nuifl  fiel)  and)  @malb  biefes  5lu^brncfy,  anc^ebs 
lid)  meil  er  511  innic^  mit  bcni  beibnifdjen  fRelißioneiuefen  oer= 
mac^fen  fei,  forflfättic;  entl)alten.  5lber  entljielte  er  fid)  nur  nid)t 
eben  fü  forcifälti^,  an  irc;enb  einer  Stelle  flan^  beftimmt  nnb  mit 
bnrrcn  SBorten  fagen,  baß  er  berglcid)en  ©r^ä^lungen  für  nn* 
ßiftorifd)  anfießt!  Slllein  ba  mirb  mit  nieberer  nnb  ßößerer  @e- 
feßießte,  mit  äd)ter  ©rinnernng  nnb  ßößerer  2)arftcllung,  gefpielt 
unb  gemunfelt,  baß  bod)  ja  nod)  ein  ßciliger  ^nnft,  nod)  ein 
Xroft  mit  oermeintlid)  gefcßid)tlid)er  ©rnnblage,  bie  aber  ein  rei» 
ner  Spuf  ift,  übrig  bleibe. 

^iefe  j^meibeutige  .Jaltung  beßanptet  bie  Xarftcllung  ©loalb’ö 
bii3  5um  Sd)luffe  ber  el)angclifd)en  ©cfcßid)te,  biö  ^ur  ^^nferfte« 
ßung.  Söenn  er  biefe  alij  bie  emige  Sßerßcrrlid)nng  be^eießnet, 
luenn  er  fagt,  ^2llle^,  maö  Sefuö  alä  Gßriftnö  leiften  mußte,  fei 
mit  feinem  Xobe  oollcnbet  geioefen,  maö  non  ißm  über  baö  ©rab 
ßinanörcießte,  fei  fd)on  alö  griußt  unb  ^-Birfiing  feinet  irbifd)en 
XßuinJ  511  betrad)tcn,  unb  geßöre  baßer  eigentlid)  ;\nr  G)cfd)id)te 
ber  Slpoftel:  fo  ßatte  SBeiße  gemiß  fRed)t , bieß  juftimmenb  fo  jn 
beuten,  baß  naeß  (Smalb’s^  5lnfid)t  jene  (Sreigniffe  nur  bem  inne^ 
ren  Seelenleben  beö  ^Ipoftelfreifeö,  nid)t  meßr  ber  äußeren  Sebenö« 
gefeßießte  beö  3J?eifter^  angeßören;  nnb  mir  ßinmieberum  neßmen 
nmS  baöffted)t,  and)  biefe,  immer  no^  nießt  gan^  unnmmnnbenen 
'JBorte  baßin  erflären,  baß  iöeibe,  SBeiße  mic  @malb , in  ben 
(ärfeßeinungen  be§  Sluferftanbenen  nur  fubjectiue,  pfßcßologifd)  ,^u 
erflärenbe  Sifionen  feßen. 

®a^  allcö,  mie  gefügt,  märe  fd)on  gut,  mürbe  ci  nur  oß'es 
ner  auögefprocßen.  5lber  freilid),  mie  fann  man  bentlid)  ßeranö« 
fagen,  baß  man  @r/\äßlnngen,  mie  bie  oon  bem  SBunber  ^i\  itana, 
nnb  OüHenbiS  eine  fo  beftimmte  unb  umftänblicße  mie  bie  oon  ber 
^Infermecfnng  bei^  Öajarnö,  nid)t  für  ßiftorifd)  ßält,  menn  man 
babei  mie  @malb  gegen  bie  oerßaßte  Xübinger  Sd)nle  barauf  be« 
ßarren  mill,  ber  33erfaffer  beö  ©oangelinmö,  in  bem  fic  fteßen, 
fei  ein  ^Ingen^enge,  ja  ber  oertrautefte  5?ünger  bcö  ,§errn  gerne- 
fen?  Sd)on  äöeiße  ßat  ißm  oorgeßalten,  mic  menig  ba^  i^ngeßt, 


556 


^orrcbe  ju  ben  ©cjprä^icn. 


unb  firf)  baf)cr,  mcil  er  bod;  bic  iof)aimeifd)cn  ^Rcbcn  gan^ 
miffen  imi(],  feinevfeit^^  ,yir  X^cilung  bc^  uierten  ©üangelium^  in 
einen  apoftolifc^en  unb  einen  nid)tapoftolifc^en  35eftnnbt^cil  cnt= 
fd)Iüffen.  SBäre  nur  nic^t  gcrabe  bicfc^S  ©uantjelium  felbft  jener 
un(]cnä()tc  Seibroef,  üon  bem  ciS  unö  cr^ä^It,  um  ben  man 
lüofen,  ibn  aber  nidjt  , zertrennen  fann.  ®auon  finb  nun  Icibcr 
olle  bic  ^tnfic^ten  unb  ^arftcüungcn,  bic  Ijeutigci^  Xagcö  jtuifc^cii 
bem  ftreiii]  fird}tidjcn  unb  bem  freieften  fritifc^cn  ©tanbpunftc 
bermittcln  mödjtcn,  ba^S  (^crabc  ÖJeqcnt^cit:  fic  .finb  auö  allerlei 
fjepen  ber  uerfc^icbenften  0toffc  zufommenczcflicft,  bic  unmöglich 
in  bic  finngc  zufflnimenpaltcn  fönnen*). 

Unb  um  füld;e,  uic^t  im  eblcn  ^ampf  ^erfebte,  fonbern  t»on 
§aufc  aufJ  (umpicic  unb  gcftücfeltc  5al)iicn  folltc  fid)  eine  @e* 
mcinbe,  füllte  fid)  inöbefonbere  bic  tl)cü(ügifd)c  3ugcnb  fammeln? 
Um  meni(]ftcnö  ba^^  ße^tcre  z»  crreid)cn,  merben  ganz  befonbere 


1)  3)ö  i(^  fjicr  jutäHifl  auf  ßwaR)  ju  jpred^fn  gctoimncn  bin,  teirb  man 
öiclleid^t  ein  3Bort  über  bie  Unocjoflcn^eilen  non  mir  erwarten,  mit  benen  birfet 
Wonn  feit  einer  9lei^ie  non  Sauren  mirf)  ju  ttberfe^ütten  ni(t)t  mllbe  wirb.  34 
fnnn  ober  nur  faflen,  ba§  unb  warum  i4  mi4  um  biejetben  webet  bisher  ge* 
fiimmert  ^abe,  no4  fortan  tümmern  werbe.  SDaS  will  man  mit  einem  Wanne 
machen,  ber  offenbar  ni^t  üured^nungSfä^ig  ifl?  3n  öon  ©elebrten* 

bünfcl  löngft  am  Uebcrfdfjnoppen,  t)attc  it)m  feit  feinem  SGßeggang  bon  ®5ttingen 
bie  ßinbilbung,  nun  gar  au4  eine  politifd^c  ®r5fee  ju  fein,  ba§  (Se^irn  nollcnba 
jerrüttet,  2Bie  er  fid)  bann  ^erbeilieft,  ben  Stuf  na4  3^übingen  onjune^men, 
glaubte  ber  ©öttingev  ^rofeffor,  an  ber  S^wabenuniberfität  eine  ^ufnatime  an» 
fpre^en  ju  bUrfen,  äljnlid^  ber  be§  Drp^euS  unter  ben  ^eftien,  ober  bc§  Go* 
lumbuS  unter  ben  IBewol^nern  ber  neuen  SBelt.  fom  aber  anbcr§.  5;ic 
Sebwoben  fanben  feine  ©elebrfamfeit  ni^t  unerhört,  wo^I  ober  feinen 
mutb.  X'abei  bermi§ten  fic  pbilofopbifcbc  2)ur4bilbung  beö  3)cnfen§  wie  b»* 
nmne  be§  Gb^iottcrS.  Sieben  Gincm  Wanne  befonber§,  bem  fein  nabe 

fteflte,  tonnte  er  in  allen  biejen  iBejicbungen  ni(bt  ouffommen,  unb  in  einer 
woblbefannten  Slnftalt  war  eine  Silbung  brrtönimlitb,  ber  er  nicht  Genüge  tbat. 
Daher  halb  bic  wütbenben  SluSbiüdbc  feines  J^affeS  gegen  fenen  Wann  unD 
beffen  Schüler,  biefc  Slnftalt  unb  ibve  Ginriebtungen.  Unb  uneraebtet  feine  toer« 
unglüdtte  S(b*oabenmijfion  ietjt  löngft  beenbigt  ift,  febren  bcnnccb,  jwifeben  tbeo* 
logifcbcm  Crafeln,  politifebem  3rrercbcn,  Senbfebreiben  au  ^apft  unb  Garbinfile, 
jene  UButbanföllc  unb  SluSfflfle  regelmäßig  wicber.  3^  fieutc 

einer  gewiffen  9Irt  ouf  ber  Stroße  nadblcb^’^icn,  ber  tbut  am  flügften,  feines 
2Begc§  rubig  weiter  ju  geben. 


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®orrcbc  ju  ben  @ciprö(^cn. 


657 


2J?ittcI  fein.  Huf  biefe  Sußcnb  bringt  ja  in  ber  Htmo^ 

fppre  ber  §orf)fcf)u(cn  ber  (^cift  ber  Steuerung  am  gemaltigften 
ein.  SäJic  gcfäljrlid)  finb  glcid)  bic  Sßürbcreitiing^miffcnfc^aftcn! 
^ie  ^l)ilologic  mit  i()ren  alten  Reiben;  bic ^l)ilüfüpl)ie  nun  gar 
mit  i^rem  nod)  immer  nic^t  übertnunbenen  panttKiftifdjen  §ang. 
$ier  tocig  man  fid)  ^mar  babiird)  511  Reifen,  bafe  man  nid)t  leiert 
met)r  einen  ^^l)ilofopl)en  anftellt,  C‘5  l)abe  il)m  beim  juüor  .^crr 
5id)tc  ber  0ol)ii  ober  §crr  Söci§c  ber  @nfcl  (mie  einem  0d)öit5 
l)cit^maffer  ober  S53an;\enpiilocr)  bic  Unfdjäblic^feit  atteftirt;  mo* 
rauö  fid),  beiläufig  gefügt,  bie  ftaunenöiocrt^c  Ölütlje  ber  ^l)ilos 
fopl)ie  auf  unfern  bermaligcn  $od)fc^ulen  l)inlänglid)  erflärt. 
Hber  bie  fd)limmen  gebrueften  Öüc^er.  2öer  mci§,  ob  ber  Sau^ 
bibat  nic^t  in^^gcl)cim  ben  ^)cgcl,  ben  geuerbad)  ftubirt?  3D^an 
muft  il)m  feine  3^'it  baju  laffen.  9Äau  mu6  ba<§  oorbereitenbe  0tus 
bium  möglic^ft  abfürjen,  unb  maö  bie  $auptfad)e  ift,  gleid)  oon  Hiu 
fang  5tüifd)en  bie  pl)itolügi)d)en  uub  pl)ilo)opt)iid)en  33orle[ungen 
tl)eologifd)c  ein[d)ieben.  0o  ftört  man  ben  Huöbau  einer  mobernen 
2öcltanfd)auung  in  bem  Äopfc  bCiS  0tubireuben,  fo  geminnt  unoer^ 
merft  fein^ori^ont  bic  fird)lid)en  0d)raufeu,  über  bie  er  bolb  nid)t 
mel)r  l)inauöfie()t.  Um  HUeö  barf  er  fid)  nie  bie  reine  5rage  ftetlcu: 
maöift  mal)r?  foubern  nur:  toie  oicl  barf  ic^  einräumen,  ol)uc  mei=' 
ner  geiftlid)en  53cftimmung  ctmaö  311  uergebcu?  Hu  biefem  gaben  ift 
bann  ber  (Sanbibot  aud)  mäprenb  feineö  eigentlichen  tl)cologifd)cn 
0tubiumöju  halten.  9tid)t  frühe  genug  fann  man  ben  fird)lid)cn  @ifer 
in  ihm  meden.  ^aö  geiftliche  $crrfd)cn  hat  aud)  in  ber  proteftanti^ 
fehen  irche,  ber  cö  eigeutlidj  fremb  fein  follte,  uub  in  ber  menig* 
ften^  in®ergleid)ung  mit  ber  fatl)olifd)cu  merflid)  bcfd)rönft  ift,  einen 
unmibcrftehlid)cn  Üteij.  eeelcn  leufen,  gau^c  '43cüölfcrungen  uub 
einzelne  einflu6rcichc,  oft  auch  übrigen^  fehr  oerftänbige  ÜUfcnfd)cn 
an  geheimem  ^anbe  führen,  oiellcicht  gar  einmal  hal)c,  ja  aller* 
höchftc  0eclcn  511  regieren  befommcu,  melch  locfenbeö  Q\c[  für 
ben  jungen  ^arch  welcherlei  Hufid)tcn  man  fid) 

in  ber  Prüfung  unb  fonft  uormärt^  bringe,  burd)  welche  bagegeu 
fich  jebe  Hu^ficht  ocrfd)lic6e,  barüber  laffen  bic  ,f)crreu  Dom 
Äirchenregiment  fein  ^unfcl  beftehen.  Hlfo  — fort  mit  Äritif  uub 
ßwcifel!  ich  glaube,  $crr  if'irchenratl)!  fo  gewiß  aU  0ic  felber 
glauben. 

®ie  f^Jewaltfamfeit,  mit  ber  ein  fold)er  (ianbibat  feinerer* 


558 


Sorrebe  3u  ben  ®efpTö(^n. 


nunft  äum  0c^tücigcn  gebracht  mxU  nun  aber  burc^  baö 
ganje  ßeben  in  ir^m  nac§.  ®r  ift  unbulbfam  gegen  5(Uc,  in  be^ 
nen  er  eine  minber  fügfamc  Sßernunft  alö  bie  {einige  antrifft 
ober  auef)  nur  oermutljet.  Sein  ganjeö  Sßefen  bemalt  etnjaöUn*^ 
gefunbeiS,  Seibenfd^aftüd)e^ ; er  ift,  bei  aller  ^^itbnng  oieHeict)t, 
bei  aller  ©elbftbe()en:fc^ung,  bod)  im  Snnern  ein  göncitifer.  Unb 
nun  frage  ic^,  ob  ba^  nic^t  ber  ^urdjfdjnittdc^arafter  unfrei 
tl^eologifc^en  ^^ac^mudjfeig  ift?  ®ie  jungen  Seute  fann  man  be* 
bauern;  ber  SJormurf  trifft  bie  Se^rer  unb  bie  Äirc^enbebörben. 
^m  meiften  jebod)  ift  baö  S^olf  ju  beflagen,  beffen  fünftige  fRe^ 
ligiom^s  unb  ©ittenlc^rer  ju  nid)t^  früt)er  unb  eifriger  ange^alten 
toerben,  aU  ben  unbefangenen  2öal)rt)eitöfinn  in  fic^  ju  ertöbten, 
fic^  felbft  5U  belügen. 

^)iefem  neufird^lidjen  Unmefen  gegenüber  l)Qi  M böupt= 
fäc^lid)  aus  Slnbängern  Sc^leiermac^er'^  (nad)bem  übvigeuiS  meh- 
rere feiner  betrauteften  ©djüler  l)öc^ft  oerberblid^e  Pfaffen  gemor* 
ben  finb)  ein  Äreiß  oon  3old)en  gebilbet,  bie  iiac^  beö  9)^eifterß  ®or*: 
gang  baö  fromme  ®efül)l  betonen,  bie  c^riftlidje  {Religion  oon 
ber  Xl)eologie  mol)l  unterfd;ieben,  unb  ber  leiteten  bie  gorfd)ung 
fo  meit  freigegeben  miffen  mollen,  ab5  e§  unbcfc^abet  ber  erfteren 
gefc^et)en  fann.  ÖJemiß,  bie  {Religion  berul)t  nid)t  auf  ber^ljeos 
logie,  fonbern  umgefel)rt;  allein  bie  {Religion  bilbet  fic^  naturge^ 
mä6  eine  Xfjeologie  an,  unb  meun  biefe  anbrüdjig  mirb,  fo  fann 
aud)  jene  einer  {ßeränbening  auf  bie  Sänge  nid)t  entgegen.  ®e^ 
S3auiueö  Sebeu  ift  iiic^t  im  §04,  fonbern  in  ber  {Rinbc,  bem  Saft, 
bem  «Splint;  morauö  fid)  aber  aHjäl)rlid)  neue  ^oljringe  abfe^en 
unb  bem  üöaum  ©eftalt  unb  Haltung  geben,  ^un  befommt  ir^ 
genbujo  bie  {Rinbe  einen  {Rife,  geuc^tigfeit  bringt  ein,  baö  §olj 
fängt  an  ju  faulen,  mir  paben  einen  öaum  oor  unö. 

2)iefcr  93aum  ift  bie  heutige  iJivebe  unb  3^beologie.  ®aö 
$ol^  ift  baß  ®ogma,  baß  ift  t^eitß  febon  gefdjmunben,  tbeilß 
faul  unb  mit  bem  ginger  ^u  jerbrüden  mobin  man  rübrt.  ^)ie 
{Iteligion  lebt  noch,  eß  fteigt  noch  Saft  burd)  üöaft  unb  {Rinbe 
in  bie  Steige  unb  {Blätter  auf;  aber  Sdjönbeit  unb  S^aft  beß 
{öaumeß  finb  babin,  ber  näd)fte  Sturm  brobt  ibn  ^u  fpalten  ober 
gar  um^ureiSen.  {Da  legen  fieÄtlammern  um  bie  riefte:  baß  finb 
bie  {öeicbtftüble  unb  Ätniebänfe,  bie  neuen  {llgenben  unb  bie  neue 
iiird}en^ud)t,  mit  ber  man  ber  proteftantifdbe«  Äirdje  aufbclfen 


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lIBonebc  in  ben  ®e|brfi(^n. 


659 


möchte;  aflciu  biefe  plumpen  ÄiQimncrn  tüürbcn,  lueim  ber  Sturm 
fommt,  ben  gaU  bcö  33aumcö  nur  befdjleuuiöcn.  3d)  bin  fonft 
fein  greunb  üon  langgcfpouncneu  ^IHcgoricu;  aber  biefe  ift  bie 
Sad)e  felbft. 

gür  bie  firc^lic^r  ^rojiö,  für  bie  ^^^ätigfeit  be^  ©eiftlidjeu 
at§  ^rebiger  unb  Scclforgcr,  ift  ber  Stanbpuuft  jener  Schleiers 
mac^er’fc^cn  greunbe  gemife  ber  befte  ber  fid)  üorerft  eiuncl)meu 
(ic6,  unb  cö  fann  fid)  auf  bemfetben,  mic  bie  (£rfai)rung  jeigt, 
eine  t)öc^ft  fcgciiöreic^e  gciftlic^e  SSirffamteit  entmideln:  aber 
miffenfc^aftlid)  ift  er  fc^mac^,  meil  er  uon  ber  2f)eotogie  möglid)ft 
abfici)t  unb  abfct)en  mufe. 

33on  feiner  Seite,  finbe  ic^,  fagt  man  gerne  ba^  lefjtc  auf* 
richtige  Söort.  Unb  marum  beim  nic^t?  3ft  eö  bod)  unter  aücn 
nur  einigermaßen  ©ebilbeten  unb  ^enfenben  löngft  ein  offeneiS 
@ef)eimniß,  baß  Äcincr  met)r  an  baö  firc^lic^e  ^J)ügma  glaubt. 
3u  glauben  glaubt,  ba^5  räume  id)  ein;  aber  mirflic^  glaubt,  baiJ 
leugne  id).  gär  Äcinen  mcl)r  ift  baö  apoftolifd)e  Si)iubülum  ober 
bie  Slug^burgifd)c  Sonfeffian  ein  angemeffener  5luebrucf  fcincö 
religiöfen  Öemußtfeinö.  Ä\'iner  glaubt  mel)r  an  irgenb  eineö  ber 
neuteftamentlici^en  3Bunber  (uon  ben  altteftamentlic^en  gar  nid)t 
ju  reben),  uon  ber  übernatürlichen  (Smpfänguiß  an  bii?  jur|)ims 
mclfal)rt.  ©ntmeber  er  erfläit  fic  fid)  natürlid),  ober  er  faßt  fie 
alö  Segenben.  Unb  ftcl)t  eö  bei  benfenben  2aien  fo,  fo  ftel)t  e^ 
bei  ben  ©eiftlichen,  mie  mir  gefe^en  haben,  nicht  beffer.  äBoju 
alfo  bie  SSinfe^üge?  Sßoju  bie  Heuchelei  oor  ^nbern  unb  oor 
fich  felbft?  3ft  bcö  aJienfchen  in  feinem  ^erl)ältniß  jurfRclis 
gion  mürbig,  fich  ihr  gegenüber  mie  ein  feiger  unb  tücfifcher 
Sclaüe  mit  halben  SSJorten  unb  leeren  ^lueflüchten  ju  behelfen? 
Söarum  nicht  offen  mit  ber  Sprache  herdu^flrhen?  ^arum  nicht 
gegenfeitig  befennen,  baß  man  in  ben  biblifchen  ÖJefchichten  nur 
noch  3)ichtung  unb  2Bahrl)eit,  in  ben  fird)lid)en  Dogmen  nur 
noch  bebeutfamc  Spmbole  anerfennen  fann,  baß  man  aber  bem 
fittlichen  ©ehalt  bce  ©hnftenthumd,  bem  (Shf'raftcr  feinet  Stif* 
tcri3  (fomeit  unter  bem  2öunbevgel)äufc,  in  bae  feine  erften  2ebenö* 
befchreiber  ihn  geftceft  halben,  bie  mcnfchlid)c  (iJcftalt  noch  ju  er* 
fennen  ift)  mit  unoeränberter  35erehrung  jugethan  bleibt?  5)och 
ob  mir  uuö  bann  mohl'noch  (^hriften  heißen  bürfen?  3ch  toeiß 
evJ  nicht;  aber  fommt  eö  beim  auf  ben  ^Jtamen  an?  ^)ad  meiß 


560 


Sombe  3u  ben  ®efptfi(^en. 


bag  n?ir  bann  crft  luiebcr  tool^r,  rebUd^  unb  unDerfd^roben, 
alfo  bcffcrc  älicnfc^cn  fein  tucrbcu,  alö  biöfjcr.  §luc^  ^roteftanten 
merben  wir  bleiben,  ja  bann  erft  red)te  ^roteftanten  fein. 

3m  C^vunbe  ()aben  einfid^ti^uolle  ÖJeiftlidje  mit  ^ogma 
unb  bibtifc^er  (^efd)id}te  längft  nic^t  anber^  gehalten.  SGÖenn 
0d;lciermad)er  über  eine  2öunbererjäl)lung  ju  prebigen  ^atte, 
pflegte  er  fie  regelmäßig  Jiu  allegorifiren.  ^ei  anbern  Xejten  ^ob 
er  nic^t  bie  bogmatifc^e,  fonbern  bie  pfl)djologifd)e  unb  moralifdjc 
©eite  tjcrüor.  9^lur  über  bie  ^erfon  (S^rifti  liebte  er  ju  bogma^ 
tifiren;  boc^,  wie  fid)  nadj  bem  früher  gejagten  Don  felbft  uer^ 
fteljt,  in  ganj  anberem  al^  bem  firdjlid)  rechtgläubigen  ©inne. 

war  gleid)fam  eine  Soiwerfation  mit  bem  SDknfchhcit^ibeale, 
beffen  iöilb  ©chleiermad)cr  baburd)  für  fich  unb  Slnbere  lebenbi* 
ger  unb  anbringlicher  machte,  .ba&  er  e3  aU  wirtlich  einmal  in 
beftimmten  menfd}lid}en  ^erhältniffen  bagewefeneö  unb  in  ber  Kirche 
perfönlich  fortwirfenbe^  fid)  uorftellte.  Uebrigenj^  waren  biefe 
d)riftologifirenben  ^rebigten  teineöwegö  feine  beften,  vielmehr  jum 
großen  Xheile  üon  einer  gewiffen  Sintönigfeit  fo  wenig  ali3  baö  • 
uorjug^weife  d)riftologifche  (Suangelium  freijufprechen ; weit  reidjer 
an  realem  (behalte  waren  bie  pfi)d)ologifch^müralifd^en,  wie  jene 
feitbem  auch  im  ®rucf  erfchienenen  Vorträge  über  ba^  SD^arcuö^ 
euangelium,  bie  ber  ©d;reiber  biefer  SSorrebe  einen  Sinter  lang 
in  unuergeglidhen  ©onntag^=grühftunben  felbft  mit  angehört  hot- 
Slehnlid)  wie  ©chleiermadher  üerfahren  uerftänbige  unb  gebildete 
©eiftliche,  fo  weit  fie  nicht  neufirchlich  pifirt  finb,  h^^itc  nod).  unb 
tl)un  ben  Sßerftänbigften  unb  gewig  aud)  ben  iöeften  ihrer 
rer  bamit  ©enüge. 

Senn  ein  ber  leiblichen  9lotl)burft  bienenbe^  @r^eugni§  ber 
iJrembe  fo  allgemeines^  33ebürfni§  geworben  ift,  ba^  e^  trop  aller 
@infuhrl)crbote  bod)  fortwährenb  in  SWaffe  eingefchwär^t  wirb, 
wa^  thut  eine  flUge  unb  Wohlmeinenbe9?egierung?  ©ie  läßt  eö 
gegen  mäßigen  ©ingangö^oU  ju.  $)iefer  ©ingangejoU  fei 
bie  ^Verpflichtung  jum  gefthalten  an  ben  fittlichen  Sal)rhciteu 
beö  Sh^iftenthum^,  jur  Dichtung  für  bie  füllen,  unter  benen  fie 
ber  SU^enfehheit  5uerft  ^um  33ewußtfein  gefommen,  jur  ©dhouuriQ 
berer  bie  biefe  füllen  nod)  nid)t  miffen  mögen,  ©perrt  man  nur 
ben  @eift  nid)t  gewaltfam  ah,  jwingt  man  nur  9Ziemanb  5Uin 
iiügen  unb  heucheln,  fo  wirb  fchon  ^Ue^  Don  felbft  werben. 


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$^ortebc  ju  ben  Öej^rä^icn. 


561 


Smmer  mcl)r  feigen  n?ir  ja  bic  pl)nntaftifc^c  0tra^(cnbred^ung 
fdjiüiubcn,  bic  ber  3)?cnfd)I)eit,  lua^  fic  ftet^  nur  auö  fid^  fclber 
fc^opfte,  al^3  non  äugen  fommenbe  Offenbarung  üorfpicgcltc.  SBcm 
gelingen  tuirb,  aihj  benr  begriffenen  Sßefen  bei>  iüicnfcgcn  in 
feinen  natürlidjen  unb  gcfelligcn  ^crl)ältniffen  §UIeö  n>a^  igm  ob^ 
liegt,  loaö  il)ii  ergebt  unb  berugigt,  üollftänbig  unb  fieger  obju* 
leiten,  unb  bieg  faglid)  unb  ergreifenb  für  5Illc  bar^ufteüen , ber 
lüirb  bic  @efcgid)te  ber  iHcligion  bcfcglicgcn. 

Tag  Xgema,  in  baö  id)  ba  gincingcratgen  bin,  maegt  mir 
alte  luiebcr  neu.  (Sben  in  biefen  Xagen  ift  ein  SSier= 

tcljagegunbcrt,  bag  mein  Seben  3efu  jum  crftcnmal  in  bre  SBclt 
auögcgangcn  ift.  ®ie  Xgeologcn  merben  ba^  fünfuiibjuianjig^ 
jägrige  Subiläum  bie(cö  33ud)cö  fcgmcrlid)  feiern  moUen,  uneraegtet 
inegr  ai^  hinein  üon  ignen  erft  ^u  allerlei  gübfegen  ©ebanten. 
bann  ^u  Slmt  unb  SBürben  ncrgolfcn  gat.  5lber  gar  maneger 
befferc  SÖ^enfd)  in  allen  fianben,  ber  non  bem  ©tubium  biefcS 
^ud)§  feine  geiftige  53efieiung  batirt,  ift  mir,  baö  mcig  id),  lebend* 
länglid)  bantbar  bafür,  unb  mad)t  fo,  ogne  baran  5U  benfen,  im 
©tillen  bie  geier  mit.  3d)  felbft  fogar  tönnte  meinem  53ucgc 
grollen,  benn  ei?  gat  mir  (oon  Sfledjtömegcn ! rufen  bie  frommen) 
uicl  ©öfe);?  getgan.  gat  mid)  oon  ber  öffentlidjcn  Segrtgätig« 
feit  auögcfdgloffen,  ju  ber  id)  fiuft,  uiellcid)t  aud)  Xalent  befag; 
ciS  gat  mieg  a\i^  natürlicgcn  SSergältniffen  gerau^geriffen  unb  in 
unnatürlid)c  gineingetricben ; es  gat  meinen  Seben^gang  cinfam 
gcmad)t.  Unb  bod),  bebenfe  id),  maö  auö  mir  gemorben  märe, 
menn  icg  ba«  Sßort,  baö  mir  auf  bie  0cclc  gelegt  mar,  oerfcgmic* 
gen,  menn  icg  bic  ßmeifel,  bic  in  mir  arbeiteten,  unterbrüeft 
gätte:  bann  fegne  id)  baö  iöueg,  mid)  jmar  äugcrlicg  fegmer 
befegäbigt,  aber  bie  innere  ÖJcfunbgcit  bed  ©eifteö  unb  ©cmütgö 
mir,  unb  i(^  barf  mid)  beffen  getröften,  aueg  manegem  Hnbern 
noeg,  crgaltcn  gat.  Unb  fo  bezeuge  id)  igm  benn  ju  feinem 
©grentag,  bag  c^  gcfd)riebcn  ift  aiiö  reinem  ^)rang,  in  egrlicgcr 
Slbficgt,  ogne  Seibenfegaft  unb  ogne  iJlebcn^mccfc , unb  bag  id) 
allen  feinen  CiJegnern  münfegen  möcgtc,  fic  mären,  al^  fic  bagegen 
fegrieben,  cbenfo  frei  uon  9Iebcnabfid)tcn  unb  JJönati^muö  gcmcs 
fcn.  3cg  bezeuge  igm  ferner,  bag  c$  niegt  mibcrlegt,  fonbern 
nur  fortgebilbet  morben  ift,  unb  bag,  menn  ictjt  menig  megr 
gclefcn  mirb,  bieg  bagcr  fommt,  bag  cö  oon  ber  ßcitbilbung  auf? 

VII.  36 


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562 


®orrcbc  ju  bcn  ©cjpräd^cn. 


gcJoQcn,  in  ade  Slbcrn  bcr  Ijcutigcn  Sßiffcnfd^aft  cincjcbnmgcn 
ift.  bezeuge  i^m  cnblidj,  ba^  bic  gongen  fünfuub^tpan§ig 
3abrc  ^cr  über  bic  (SJegenftänbe , uon  benen  cö  l)anbelt,  feine 
ßcile  uon  ^ebeutung  gcfdjviebcn  luorbcn  ift,  in  bcr  fein  ©influfe 
nid)t  ju  er f ernten  tuärc. 

®od}  ujoö  rebe  ic^  uon  mir  nnb  meinem  33nc^  ? ^vufltc 
ja  bicßmal  einen  Slnbern,  (^rößern  cinfntjrcn;  einen  foldjcn  Oders 
bingö,  ber  über  biefe  S3orrebe,  fönntc  er  fic  Icfcn,  gemig  nm 
tuenigften  jürnen  mürbe. 

^cibelbcrg,  im  9Wai  1860. 


^auib  0tran6. 


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'Mbrtnu , Cfaröinal , imc^maB  '4Japft 
Ttbrion  VI  , IfiL 
X’llbcr,  Gra§mu§,  481. 

'Klbrcc^t  oon  5?rnnbenburg,  i?urfürft, 
Rrjbift^ol  unb  (forbinnl,  11.  37. 
72  I 75—77.  im  205u  20£L  21S. 
224.  248.  25Ü.  2ß22>83. 318  f.  4ÜL 
441L  44iL  41ü  f.  524—527. 
TUbrcc^t,  ^oc^mcifier,  fpäter^crjog  in 
^reufecn,  524. 

'KtbuS  ^HanutiuS  3(1  130. 

VUconbcr  ^tcronbmuS,  318.  337.  397  f. 
?lniftbQ(^,  50rafiliu§,  497. 

'ilnbrennu§,  ÖQuftuS,  TL 
'2Iu0il,  ai^olfgang,  24.  ML  2AM  247. 
'flguilü,  (lQ§par,  32.5.  433. 
ai|ulanu§  130. 

'Äufjö^,  a^ctcr  oon,  127. 
aiugufliiT,  '^robfl,  56. 
aijungiü,  a^fter,  KL  50,  a^ubliuä  5Bi» 
gitantiuS  ^ocillonuS,  36.  38.  49  t. 

a3onnifi§,  3lacob  non,  217. 
a3«atu§  91bfnami§,  19.  466. 

®ef)aim,  2orcnj,  136.  192. 

^ombafiu4,  '.poul,  1 14. 
aSo^bfim,  3o^aiin  bon,  468. 
aJrunfelS,  Otto,  416.  420  |.  445  f. 
482.  483  f.  185.  498. 


53ucer,  ailortin,  325.  335.  355.  397 
406  f.  415  i.  433.  439.  445  t. 
^udott),  ^finrit^,  43. 

'8ubäu§,  aOil^elin,  205. 
a?ÜIon),  2)ietrirf)  oon,  36.  49. 

^ujcbe,  ^ermonn  öon  bem,  12.  17. 
40.  77  f.  156—159.  193.  206. 
397.  410  t.  483. 

a3u§tob  .K.,  ^crjog  üon  a-^ommern,  47. 

e. 

6äforiu§,  3ot)ann,  17. 

ÖQiclan,  Oarbinol,  223.  248.  256. 
294  f.  299. 

ßolcogninuS,  6öliu§,  129. 

6anicrariu§,  3oa^im,  13.  16.  31. 

157.  200.  300.  497.  500  f.  507.528. 
ßanter,  (BebrUber,  22.  50. 

Cnpito , SBollgong  O^obrictuS , 314. 
319.  368.  416. 

ßoraccioU,  9)?ottno,  318.  398  f. 
Garbac^,  9licoIau8,  247. 

6elti8,  i^onrab,  20.  32.  4(L  56. 
Ooc^lfluS,  3o^ann,  118  f.  121.  128. 

131.  201.  264.  274. 

6onimitiu§,  (^eorg,  Tonnftetter,  19.  57* 
CoppuS,  ®rcgor,  245. 

6oritiu§,  Sobonn,  114. 

6rocu8,  IRicbarb,  124.  161.  165.  183. 

6ronberg,  ^ortmutb  üon,  419—422. 
437.  414  f. 


564 


^amcnrcgiflcr. 


6rotu§,  3o^ann,  9iubianu§,  8.  13  f. 
16  f.  20  f.  25  f.  33.  49—51. 
53—56.  105-108.  IIL  ITL  13£L 
155. 186-188. 194. 288. 304— 307. 
312  f.  318.  335.  331  f.  405.511. 
522—529. 

Dürer,  ?llbrcc^t,  228.  232.  5TL 

iE 

eberbat^,  ^etcr,  28  f.  56.  193.  282  f. 
©ber^orb  im  IBorl,  137. 

6bcrpcin,  ^Jlongolb  öon,  7.  321  f. 
'Änm. 

öberftein,  @raf,  41. 

m,  3o^ann,  283.  311.  313  337. 

ßgnatiuS,  33opti|lQ,  130. 

(5m§,  3o!ob  bon,  66. 
ßngentinuS,  ^^ilipp,  53. 
ßppenborf,  ^cinridb  öon,  459 — 462. 

465  f.  468  f.  480.  490.499.  512. 
(SraSmuS,  DefiberiuS,  8.  12  50.  71  f. 
108.  110  [.  114.  119.  129  f. 

132-134.  149.  155.  161.  163. 
183.  189.  192  195.  209.  240. 
253.  256  I 262  307.  310  f. 

316.  395  409  f.  448—484.  495 
504  f.  611—514. 

6|(^eiifclbcr,  S^riftopl),  307. 

3r. 

Oober  bon  6taple§,  135.  206. 
gobriciuS,  Ulri^,  22  50. 

8rO(^u§,  ©alt^ojor,  50.  52  63  f.  124. 
Sferbinonb,  6r3^erjog  bon  Oeflcrrcidb, 
267.  301  f.  312  f.  316. 
gfettic^,  D^eobolb,  396. 
tJicinuS,  5JlQrfiIiu§,  135. 

2fi|(^er,  ^riebrid^,  117  [.  22L  260. 
^IcrS^cim,  ^^ilipp  bon,  372.  445. 


i^önifeca,  3o^ann,  (9JlQbcr),  218. 
5ranä  1^  ffönig  bon  i^ranfrei(^,  1 16. 
253.  267.  446. 

Sriebric^  Jll.,  i?aijcr,  2 137.  220. 
^riebrid^  ber  Söeijc,  Äur[ür[t  bon 
[cn,  29.  136.  209.  327—331.  509  f. 
gfriebric^,  415 

groben,  3lo^Qnn,  468. 

OfrutibSberg,  (Scorg  bon,  254. 

5urf)8,  ^InbreüS,  305;  3afob  72  86. 

IIX  122  192  202  305  f. 
öürftenberg,  ^^ilipp,  273.  310,  42L 
öngger,  244.  269.  276. 

©. 

®niiiSl}orft,  OötoQlb,  462 
@eorg,  ^fotjgraf,  bon  Speicr, 

151. 

iSerbcI,  9lifoIauö,  120.  122  f.  160. 
©crolbSccf,  2:l;cobQlb  bon,  494. 
Okuber,  ©ebrüber,  1 18. 

©Inpion,  3o^nnn,  406. 

©larcQnuä,  ^cinric^,  19.  497. 
©laubcrger , ?lrnoIb , 254.  258. 

261-264.  272  289.  ^ Äuni* 
gunbe,  262.  274. 

©oubo,  3üfob,  22  50. 

@rntiu§,  Ortuin,  17.  147.  149.  160. 

171.  176.  184.  196  [. 

©rejemunb,  ©ebrüber,  22  50. 
©rimoni,  ßarbinnl,  152  16L 
®ro§,  ©eorg,  2i7. 

§QCU§,  S^riflof,  245. 

^onbjcbudbgbeim.  Dietrich  bon,  372. 4 1 ft. 
Jpnrlem,  ©cbert,  45  42  194. 
^Qrtmnnn,  ^Burggraf  oon  i?ir(bbcvg, 
goabjutor  unb  jpfttcr  ?lbt  ju  gulba, 
12  50.^130.  188. 

^Qlftcin,  9)lQrquarb  bon,  72  85 
^eefmann,  3o^onn,  61. 


9iQmenrc0iftcr. 


5üß 


J^cgiuS,  ^lejonber,  29.  156. 

^erjog  oon  ^rounjc^iüfig,  82. 
^)cl[cnpein,  Ulrtc^,  ©rof  ton,  218. 
J^frbcrjtein,  8igmunb  ton,  218. 
.'5)cffu§,  Jrpcliu§  ©obon,  E 25—29.  95. 

38.  49  f.  109  t.  Uli.  im  m. 
155.  157.  159.  193.  282  f.  300. 
405.  411—413.  491—493.  506  [. 
518-522. 

i^cucrling,  Jiicmann,  156. 

J^od^jlroten,  3afob,  II.  LLL  151  [. 
154.  156.  16L  172  f.  im  206. 
280  f.  316.  342.  472. 

^ol^^oufen,  ^ommon  ton,  261.  263. 
J^orläuS,  ^ofob,  25  f. 

Jütten,  Srotoin  ton,  5.  24.  17  f. 
109.  204.  320.  441.  445.  J^)anS, 
79—83.  88.  91.  96  r.  99.  256. 
fiorcnj.  7.  244.  fiubtoig,  4 f.  24. 
47.  79.  81.83—87.95.  ÜE  ^Jiorij, 
500  f.  Ottilia  (lUri(b’§  'Uluttcr),  7. 
359.  49a  Ulricb  (lUricb’4  Jßatcr), 
5.7U3. 53—55.  EL  104. 109.418. 

3oo(^im  L,  i^urftirft  ton  ^Brnnben» 
bürg,  IL  36. 

Slo^onn,  ^fnlagraf  ju  Simmcrn,  376  f. 
3o^onn  Siccro,  Äurfürfl  ton  5?ran^ 
bcnburg,  IL  3E 

3o^ann  ton  §cnncberg,  ^bt  ju  fjrulba, 
10  f.  12  f. 

3ona§,  3uftu§,  3a  164.  ISE  407. 
3uliu§  II.,  24.  68-71.  213. 

Ä. 

fforl  IV.,  ÄQijer,  7E  29a 
Äorl  V.,  i^Qtfer,  267.  3ÜL  312. 
326  f.  3EL  353—355.  395  f. 

402—406.“ 

Äettcnbac^,  J^cinricb  ton,  442. 
i^oClin,  Äonrob,  17.  143—146. 


9. 

Scmpartcr,  ©rcgor,  9L 
2nng,  5)lQttOäu§,  5?i|djof  unb  Oarbinol, 
64  f.  9E  243. 

2cc,  ©buQrb,  310  f. 

2co  X.,  ^a\)%  116.  123.  129.  151  f. 
153.  163.  202—204.  213.  22L 
246.  267.  286.  318.  338-340. 343. 
2coniccnu§,  91ifo(au§,  129. 

Öinbt)ol},  9o^nnne§,  36  f. 

Sobering,  3o^ann,  4E 
2öQ,  J9ebcg  unb  i^cnning,  43—51. 
Subttig  XII.,  Äönig  ton  ^i^anftcic^, 
5E  TL  116. 

fiubmig  V.,  ifurfürft  ton  bcr  '-Ofalä, 
25L  487. 

Sutbcr,  5Jlartin,E  IL  195  |.2Ü5. 2ü8r 
223.  27a  283-285.  305—307. 
313—315.  332  f.  336—343. 

369—371.  39L  405-412.  453 
— 456.  463  r.  47L  474  f.  476. 
463.  488.  526  f. 

3)ialt;an,  2loncbim  ton,  6E 
^Jlnnon,  lUricb,  43.  4E 
'JJlariuS,  50. 

3Jlari(bn(f,  ^lifoIauS,  25.  48  t. 
^JlajimUinn  L,  i^oijcr,  56—60.  65  f. 
85.  91  f.  95.  98  f.  113.  116  f. 
122-124.  137.  14L  15a  198— 
200.  215.  22a  227.  25L 
^cloncbt^on,  ^bUipp,  8 |.  lia  157. 

283  I 312.  343.  48E  50L  5ia 
Genius,  3uftu§,  184  f.  527. 
gjlfpcr,  ^eter,  143.  15E  19L  207. 
420—422. 

^Jlörtin,  ©cbrüber,  la  5a 
5Jloic£lQnu§,  ^ftruS,  313. 

SJlutinnuS,  ftonrnb,  Stufub,  E 17,  22. 
2a  29—35.  50  t.  lOL  lia  132. 
14a  155  f.  282.  507—511. 


9jQmcnreoiftcr. 


5(;G 


9ictlc5()cim,  'JlflrippQ  von,  oh'». 
'J^iflcmann,  3oorf)im,  Al^ 

DJueimr^  A^crmnnu,  @vq|  oon^  22. 15G. 
lüiL  20G— 210.  22& 

C. 

Ccfolnmpübiu^,  3o^ann , 218.  325. 

410.  433.  14(».  402.  405.  517. 
Cflen,  3o^ann  mib  ?ncfnnbcr  uon,  3(L 
54  f. 

% 

'4Jnucr,  3rtJot>/  4iL 

^Vutinger,  ßonrab,  24.  ir»3.  108— 
2ÜÜ.  211.  224.  (ion^tnnjc,  110. 
^Mefferforn,  3oOtinn,  in  ilöln,  141  f. 
140—143.  141.  143.  152.  150  |. 
180.  210.  Xcr  in  ^allc  ocrbronntC; 
14 

3u(iul^  üon,  218.  305.  524. 
'.pljinpp,  fianbßrnt  non  ^cj|cn,  438. 
4SI.  520  f. 

^icuä,  3o^ann,  ftnif  non  OJliranbula, 
33.  135.  140. 

'^lird^cimer^  ÜOUiboIb,  8.  100.  118  f. 
110.  154.  104  [.  227—235.  210. 
281.  305.  310.393.  514—518.  520. 
'lOftoriS,  SlloternuS,  17,  25. 

^riftioS,  Splocftcr,  153.  306. 
'.prugner,  91ifoIau§,  403  f. 

JH. 

9?ei|(^o^,^an§2fon^arb  uon,  25G.  250. 
3icm,  ?Ifgibiu§,  02.  218. 

5Remüclu§,  22.  5a 

9ifucblin,  3oIjann,  a 12.  5a  77  f. 
108  L 134.  132— 1G4.  1G5  f.  170. 
105.  20a  222.  255.  270  - 283. 
342-344.  451  f.  520  L 


9?eutcr,  Äitian,  51 

5R^ngtu§,  3o^ann,  ?lffticampianu§,  11. 

la  21  24  f.  36-38.  40.  50.  171. 
9l^cnnnu§,  'J3catu§,  4GG. 

9?ld)arb  oon  ÖrciffcnclQU , Srjbijt^of 
unb  ilurfürft  oon  Syrier,  438 — 444. 
487. 

SliciuS,  ^aul,  243. 

Siojenberg,  Spielt  oon,  Oa 
O?olcn^nn,  Sebaftinn  oon,  285.  332. 
JRuffingcr,  3o^onn  3oIob,  91bt  ju 
•iPföferS,  431 
JHujfuS,  Cubtoig,  205. 

S. 

Snbina,  ^»erjogin  311  ilOürtcmbcrg,  80. 
31  f.  34  f. 

eüuernmnn,  (^corg,  118. 

'Sc^Iör,  ^altl;ü|nr,  430.  4RG. 

3rf)inib,  Oun^Qtb,  400. 

'Sdjiiegg,  Jgan§,  404. 

6ct)bffer,  3o^i>nn,  320. 

Schott,  3obnnn,  410  f.  4(;0.  483. 
6cbionlba(b,  ®forg  oon,  151 
£d)tocbcI,  3o^ann,  325.  433 
8icfingcn,  ^röna  oon,  252.  254  f. 
253  201.  270—284.  314  f.  321 
—323  342.  351.  308  L 372—370. 
382  -303.  395.  403  409  f.  414  f. 
418—421.  430-435.  43G-447. 

485—489.  SdoDcidorb  oon,  5ron- 
jen§  31üter,  322.  ^ronjenS  65^ne, 
485  f.  488. 

6pät,  1)iftn(^,  93  262. 

Spalatin,  0corg,  13  3h  309  f.  39G. 
©pifgcl,  3afob,  108.  203  217.  224. 
etob,  3o^nnn,  103  200.  211.  224. 
Stfin,  Citclnjolf  oorn,  10—13.  10.22. 

3G-38.  73-78.  155. 

'Etoientin,  33alcntin,  37.^41.  47, 
Streitberg,  Öcorg  oon,  108. 

Stromer,  ^einrit^,  204.  217.  224. 
242.  283  312. 


9lomenrcflifter. 


m 


©corß,  28.  519. 

X. 

JcmoniuS;  35.  50. 

JcrbotiuS,  218. 

Äonrab  Don,  SO  f.  259.  Hr» 
jula  t)on,  SO.  91  f.  100.  255. 
®tanUInu§,  51L 

JrebcUuS,  /pennnnn,  51oüanu§,  SfL 
Sa  42.  19  f. 

Jrud^jc^,  2:^omQ§,  151. 

118. 

iunbotuS,  10. 

Jüngern,  ^Irnolb  öon,  VL  143.  147. 
149.  m Ifiü. 

U. 

lUrid^,  ^erjoQ  5u  2öürtcmbcr0,  79—82. 
85—103.  125—127.  131.  150. 
IßU.  200.  219.  251—259.  28L 
Urbon,  ^cinrid^,  30.  32  f. 

Uriel,  Äurfürft  non  ^kinj,  138. 


Fabian,  3oad^im,  19.  41  f.  45.  56.  60. 
58oflanb,  ?(nibro[iuS,  103.  259. 

3Ö. 

UOncler,  3ol)ann,  fS3igiliu§),  134. 
ÜOeigev,  3of)ann,  51. 
aikrier,  «eit,  38.  444.  505  f. 
aßil^elni,  ^erjog  non  «oiern,  92.  254. 
281.  342. 

aßimp^eling,  2tnfob,  23  f.  50. 52.  191. 
aBinipino,  Äonrob,  36. 
aöirSbcrg,  3o^onn  non,  211. 
aOoIf^orb,  «onifQj,  499. 

3. 

Särtün,  Äonrob,  394. 

3n[iu§,  Utri^,  101. 

^c^enber,  «ort^oloinäuS,  158. 194. 201. 
QonariuS,  f?abiu§,  85. 

Stningli,  Uhi^  8.  482.  489  f.  492. 
495.  491  f. 


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