PEABODY MUSEUM OF AMERICAN
ARCHjEOLOGY AND ETHNOLOGY.
I
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ARCHIV
pür
ANTHROPOLOGIE.
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«nt dem xjlographltchen Atelier
vot» Friedrich Vieweg und Sohn
Sn Brauntvbwelg.
Papier
■tu der mechanltcbCD l*»picr- Fabrik
der Gebrüder Vieweg in Wendliaunett
t>ei BrauntchwtSg.
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4 . ARCHIV
FÜR
ANTHROPOLOGIE.
ZEITSCHRIFT
FOB
NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE DES MENSCHEN.
Organ
der
deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie undllrgeschichte.
Heransgegebea
von
C. E. v. Baor in St. Petersburg, E. Dosor in Neuenburg,
A. Ecker in Freiburg, F. v. Hellwald in Wien, W. Hia in Basel,
L. Lindensohmit in Mainz, O. Luoae in Frankfurt a. M., L. Rütimeyer in Basel,
H. Sobaaffhausen in Bonn, O. Semper in Würzburg, R. Virchow in Berlin,
0. Vogt in Genf und H. Welcker in Halle.
lledaction:
A. Eoker, L. Lindensohmit
und der Generalsucretair der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
$
Vierter Band.
1 87 0 .
Mit in den Text eingedruckten Ilolxst iclicu und lithogrnphirten Tafeln.
BRAUNSCHWEIG,
DRUCK UND VERLAO VON FRIEDRICH VIEWEO UND SOHN.
1 8 7 0 .
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HorvtuJ
Die Herausgabe einer U ebene Uung in franiötiftcher und englischer Sprache,
sowie in anderen modernen Sprachen wird Vorbehalten.
, MlCROFILMED
AT HARVARD
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?
INHALT
DES
VIERTEN BANDES.
8*1»
I. Steinerne Ackcrbaugerftthe der nordamerikaniechen Indianer. Von Carl Kan in New -York. . 1
II. Ucber den Einfluss der Etrusker und (»riechen auf die Brontecnltur. Von Dr. C. J. Wiberg
in Gefle. (Uebersetit von J. MestorO II
III. Bemerkungen go der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Mftftk. (In diesem Archiv
Bd. III, 8. 267.) Von L, Lindenachmit . 89
IV. Die altnordischen Schädel za Kopenhagen, beschrieben und in ihre» Beziehungen zu anderen
Schädeln tltia jfaEikm grliiutürl. YüjiJL Yirshow . A : . . . . . . . . . . . . , . , £&
V. Ueber die Eingeborenen Costaricaa. Von Dr, Alexander v, Frantzius , . . . . . . . . . . 93
VI. Die Höhlenbewohner der Kennthierzeit von lea E PW von ( -ro-Magnon) in Pcrigord nebst
einigen B<-mcrkimg«»n übpr das Verhitltniss der Cnuiiologu- x ur Kthmdogio. Vnn A. Ecker 1(;9
AUL Referate.
1. Lotto. Mikrokosmos. Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit
Zweiter Band. Zweit» Auflage, lief, von W. Hi
2. AVibel. Die Veränderungen der Knochen Inn langer Lagerung im Erdboden und die
Bestimmung ihrer Lagorungszeit durch die chemische An ilye. K<-f, \on H. Fischer I2H
3. Luschka. Die Anatomie des Menschen. Dritter Band. Zweite Abtheilung. Der
Kopf. Ref. von H. Welcker 130
4. Bell. Qu tlic üülive race of Keg -Ale lieg. Rof. van A. v. Frantxiaa 131
5 Qerendt. Report of Exploration in Central • Amerika. Ref. von A. v. Frantzius . 133
6. Wallace. Per mtlayiacha Archipel 134
7. Geiger. Der Lraprung der Sprache. Ref. von K. Martin 138
d. lli fl. Leiter <Iie Bedeutung der Knt.wickelungsgeschichte für die Auffassung der orga-
üi&L-lieii Natur . . . . . . . Liii
VIII. Kleinere Mitteilungen 140
IX. Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
1. Verhandlungen der Section für Authropologie und Ethnologie bei der
43. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerste zu Innsbruck, Sep-
tember 1669. Von Professor It. Selig mann . . 144
2. Verhandlungen der die Anthropologie oiiischtiessendcn Seolion bei der
Versammlung der British aasoeiation zu Exeter. August 1809 150
X. Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt 151
2i Anatomie. Von A. Ecker .................. . . « . . iliö
3, Ethnographie nnd Reisen 109
1. Allgemeines. Von F. v. Hellwald in Wien —
2. Kuropa. Von V. v. He 11 wähl in Wien 172
L Asien. Vnn lir. A. Ru.ati.ii.ii. in Be r lin .... ^ ........... Lin
L Australien. Yen Professur Me in icke in Üreaden . . .......... lad
Ii. Oeeiinirn Vnn Pmünsanr Mg i nicke in IirnsiLm . . =
Ü. Afrika Vnn ÜrafaaaoE B. linimiM in Barik. . läti
L Amerika. Vmi 1'. v. llellwald in Wien Id»
XI. Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. Von Wilhelm Hi». 1 137
XII. Ueber die künstliche Verkrüppelung der Küsse der Chinesinnen. Von H. Welcker 221
XIII. l>er stereoskopisch- geometrische Zeicheuapp-irat. Von Dr. Julius Jenson, zweitem Arzte der
Irrenanstalt Allenberg (Ostpreußen!. (Hierzu Tafel 1.) 231
XIV. Der Kuss der Chinesinnen. Von Wilh. Stricker, I)r. mied. in Frankfurt am Main 241
XV. Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. Von H. Schaaf Ihausen 245
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VI
Inhalt des vierten Bandes.
S^Hi>
XVI. Ueber die verschiedene Krümmung «leg Schädclrohre» und über die Stc.lnng de« Schade!« auf
XVII. Der Fm» eine» Japanischen Seiltänzer». Von Joh. Cbriitn. O. Liioe. (Hierxu Tafel IV.) . 313
XV III. Die Theorie» der geschlechtlichen Zeugung. Von Wilhelm Hin. II 317
XIX Itefr rata.
1. Wallace. Beitrage y,ur Kenntnis der natürlichen Xnchtwah 1 . Rif, vm A. Ecker . 333
2. Charles Darwin. Thu Descent of Mau aud Selection in Relation to Sex. Ref. von
L. Rütimeyer 835
3. Oscar Peschcl. Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde ah Versuch einer
Morphologie der Erdoberfläche. Ref. von L. Rii time. vor 337
4. Carl August Aehy. Ppber Hie «inorganim.-hr Metamorphose der Knocheuimbfttanz,
dargethan an schweizerischen Pfahlbuutenknochen um! über den («rnnd derUnvcr-
änderlichkeit der organischen Knochcn»ubstaftz. Ref. von fL Fischer . . . t , 3 38
5. Archi vio per L/Antropologia e la Ktuologia, pubhlicato 340
XX. Verhandlungen gelehrter Versammlungen. Von II. Schaaffhaosen 341
XXI. Kleinen» Mittheilnngen 856
XXII. Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
I. Urgeschichte. Von C, Vogt 867
£ ZSmE San A. EEül 55
3. Ethnographie und Reisen ; 373
1. Allgemeines. Von F. v. Ilellwald in Wien —
2. Europa. Von F. v. Hellwald in Wien 375
3« Afrika, Von Pr9fr?g?r labert llarnaflnü in lkTiiu ........... Ai r i
l. Aaierikat V<->a l\ x -. Hdlw a j d in W ien ....... . . . . . übd
. r >. Asien. Von Pr. (t. <j tri and in Halle .‘iP8
IL Aiiatralicü. \'ih Proftragm Mcinicku in Drratlcn . üä\
7. Uceanien. Von Professor Meinickc in Dresden —
I, Zoologie. Von L. Rn time > er . RJU
5. Allgemeine Anthropologie. Von F. v. Hellwald, L. Kutimever und Anderen . . . 410
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RÜCKBLICK UND VORWORT.
Als vor nunmehr vier Jahren (Mai 186G) das erste Heft des Archivs für
Anthropologie erschien, sahen die Herausgeber nicht ohne einige Unruhe der
Aufnahme desselben entgegen. Sie mussten sich sagen, dass in Deutschland — ganz
abgesehen von dem, wissenschaftlichen Bestrebungen keineswegs günstigen Jahr-
gang — die Stimmung, wenigstens der gelehrten Kreise im Ganzen, der neu auf-
strebenden Wissenschaft gegenüber eine ziemlich kühle, fast ablehnende sei Manche
Anatomen, insbesondere unter den die Mehrzahl dieser bildenden Histologen, be-
trachteten (und tliun dies zum Theil heute noch) anthropologische Studien als Etwas,
was sich mehr für Dilettanten als für ernste Forscher schicke, die Paläontologen
sahen den Menschen als ganz ausserhalb ihres Bereichs stehend an, und die Archäo-
logen alten Stils endlich entsetzten sich förmlich ob der unbefugten kühnen Ein-
dringlinge, welche die behagliche Ruhe ihrer Domäne zu stören wagten. So waren
die Anthropologen allerseits nicht besonders freundlich angesehen, und ein kleines
Häufchen gleichstrebender Freunde war cs allein, auf die sich die Herausgeber
verlassen konnten. Gerade diese Verhältnisse waren es aber auch wieder, die um
so dringender die Notli wendigkeit erkennen Hessen, sich ein eigenes Organ zu
schaffen, das nur den eigenen Interessen diene; denn jede neue Richtung hat mit
entgegenstehenden alten zu kämpfen, und kann sich ihre Bahn nicht brechen, ohne
'links und rechts an- und umzustossen, und dazu bedarf sie eines eigenen Fahr-
zeugs. Es ist nicht zu verkennen, dass heute die Verhältnisse schon wesentlich
andere, bessere, geworden sind. Die Fortschritte — ganz besonders der Urge-
schichte — haben angefangen, die Aufmerksamkeit auch der bis dahin Indifferenten
zu erregen, und die unverkennbar in Zunahme begriffene Theilnahme bewährter
und nüchterner Forscher an den anthropologischen Arbeiten hat es dahin gebracht,
der jungen Wissenschaft allmälig einen festen Credit zu verschaffen. Neben dem
Archiv ist im vorigen Jahre eine weitere Zeitschrift mit ähnlicher Tendenz: die
„Zeitschrift für Ethnologie von Bastian und Ilartmann“, erschienen, und zahlreiche
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VI
Rückblick und Vorwort.
populiire Blatter sind bemüht, den wissenschaftlichen Stoff nach C. E. v. Biir’s
Ausdruck zu „zermahlen“ und dem grossen Publikum mundgerecht zu machen.
Ob das Archiv einen Antheil an der Hervorrufung dieser günstigeren Strömung
habe, mag eine zukünftige Geschichtschreibung entscheiden, die Thatsache selbst
wird jedenfalls für dasselbe ein Sporn sein , auf dem betreteneu Wege weiter zu
gehen.
Mit besonderer Freude bogrüssen es die Herausgeber, dass ein Institut ins
Leben getreten ist, für das sie von Anfang an das grösste Interesse hegten. Schon
im Jahre 1805 in Frankfurt a. M. wurde von den dort zur Gründung des Archivs
versammelten Anthropologen zugleich auch die Gründung einer deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft lebhaft besprochen, und es war nur die Erwägung, dass
für ein derartiges Unternehmen die Zeit wohl noch nicht hinreichend vorbereitet
sei, welche sie abhielt, sofort den Versuch der Ausführung dieser Idee zu machen.
Was damals unthunlich erschien, ist jetzt Wirklichkeit geworden. Die in Innsbruck
angeregte Bildung einer deutschen Gesellschaft ftir Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte hat am 1. April dieses Jahres in Mainz deiinitiv stattgefunden,
und die Herausgeber haben die Genugthuung gehabt, dass das Archiv zum wissen-
schaftlichen Organ dieser Gesellschaft bestimmt wurde, und dass sich ihnen aus der
Reihe der Mitglieder derselben und der hervorragendsten Localvereine weitere
hochwillkommene Mitarbeiter beigcsellten. ln die Iledaction tritt von Seite der
Gesellschaft der Gcneralsecretür derselben ein, so dass dieser die direete Mitwir-
kung in ullen sie betreffenden Fragen gesichert ist.
Das Archiv wird von diesem Bande an vierteljährlich in Heften von
circa 10 bis 12 Bogen erscheinen, wovon vier einen Band und Jahrgang bilden
(das vorliegende umfasst noch das erste und zweite Viertcljahrsheft). Das von der
Gesellschaft herausgegebene monatlich erscheinende Correspondenzblatt wird in
Vierteljahrsheften jeweils dem Archiv beigegeben werden. Im Uebrigen wird dieses
seine frühere Eintheilung beibehaltcn und neben Originalartikeln Referate, Berichte
über die Versammlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen , kleinere
Mittheilungcn und vermischte Nachrichten und endlich ein ausführliches Vcrzeich"
niss der Literatur in allen Zweigen des anthropologischen Gebiets bringen.
Möge die Theilnahmc, die dasselbe bei seinen ersten schwierigsten Schritten auf
ziemlich einsamer Bahn begleitete, ihm auch fernerhin auf der mehr geebneten aber
auch mehr begangenen Heerstrassc nicht fehlen!
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INHALT
fi ES
ERSTEN UND ZWEITEN HEFTES DES VIERTEN BANDES.
Soll*
I. Steinerne Ackerbauger&the der norriamprik*ni*chen Indianer. Von Carl Rau in Xew.York ... 1
II. Ucber den Binflow der Etrusker und Griechen auf die Brontcculttir. Yon Dr. C. J. Wiberg in
Gefle. (Uebemtzt von J. Meatorf) 11
III« Bemerknngen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. t, Maak. (ln dienern Archiv
Bd. III, 8. 267.) Von L. Lindenachmit $9
IV. Die altnordischen Schädel tu Kopenhagen, beschrieben und in ihren Bezichnngcn zu anderen Schä-
deln de» Korden» erläutert. v?n R. Virchow . , . . » . . t t . t . ■ . , t , . . « . . . ca
V. Ueber die Eingeborener! Coat a rieft». Von Alexander v. Frantziu« 93
VI. Die Höhlenbewohner der Rennthierioit von Ich Kyrie* (Hohle von Cro-Magnon) in Perigord nebst
einigen Bemerkungen über das Verh<nisa der Uraniologie zur Ethnologie. Von A. Kcker . 109
YIL Referate.
1. Loire. Mikrokoemo«. Ideen zur Naturgeschichte und Geschichte der Menschheit.
Zweiter Band. Zweite Auflage. Ref. von AV. Hi» 120
2. Wihel. Die Veränderungen der Knochen bei langer Lagerung im Erdboden und die
Beatimmung ihrer Lagerungszeit durch die chemiache Analyse. Ref. von II. Fischer 128
3. Luschka. Die Anatomie de» Menschen. Zweite Abtheilung. I>er Kopf. Ref. von
H. W ekker , , , , « . , ■ ■ , . . . 13Q
i. RfilL Ün the native nee of K^ w- Mg xfco, Ref. von A= y- F rantzju g , , t A . • .131
6. Berendt, Report of Exploration in Central -Amerika, lief, von A. v. Frantziua. . . 133
B. Wallace. Der malayiache Archipel 134
7. Geiger. Der Ursprung der Sprache. Ref. von E, Martin. ............. 138
3. Hi«! l'cber die Bedeutung der Entwicklungsgeschichte für die Auffassung der organi-
«dien Natur ....... . , t » ? • • i . . . , . , , a r , . t . , , « « « « « 1S9
VIIL Klein e™ Mittheilungen 140
IX. Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen
Von rryfe fgr R Seligmann 144
2. Verhandlungen der die Anthropologie einnchlieasonden Section bei der Ver-
sammlung der British association zu Kxetcr. August 1869 150
X. Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
1. Urgeschichte. Von C. Vogt 151
2. Anatomie, Von A. Ecker -
3. Ethnograph i»‘ und Reisen 1B9
1 . Allgemeine«. Von P. t. üellwald in Wien ~
2. Europa. Von F. v. Ilellwald in Wien 172
a \ s ifO. Vo n l>r. A . in Berlin 173
4 Australien. Von Professor Me i nicke in Dresden 185
6 , Octiaia Vnn Bnfe-flr M einicke in Preeden =.
6 . Afrika. Von Professor R. Hurt man n in Berlin 186
2. Amerika. Vnn F. v. Ilellwald in Wien . ■ t i . i «... . 1UQ
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L
Steinerne Ackerbaugeräthe der nordamerikanischen Indianer.
Von
Carl Rau in Newyork.
Vor einigen Jahren veröffentlichte ich zum ersten Malo 1 ) Beschreibungen und Zeich-
nungen von nordanterikanischen Flintgeräthen , die sich durch Grösse und sorgfältige Be-
arltoitung auszeichnen , und augenscheinlich den früheren Einwohnern heim Ackerbau und
anderen Erdarbeiten dienten. Diese Werkzeuge treten unter zwei verschiedenen Formen
auf, welche über ihre Anwendung wenig Zweifel lassen, weshalb ich sie ohne Zögern als
Schaufeln (shovels) und Hauen (hoes) bezeichnet«. Die Schaufeln (Fig. 1) bestehen aus
ovalen Flintplatten, welche auf einer Seite flach Bind und auf der andern eine leichte, nach
dem Bande hin sehr gleichmässig abfallende Wölbung zeigen. Dieser Band ist ringsum durch
gelinde Schläge sorgfältig und regelmässig geschärft, besonders am breiteren, die Schneide
bildenden Ende. Das hier abgebildete Exemplar, welches das beste meiner Sammlung ist,
hat etwas mehr als einen englischen Fuss Länge; die grösste . Breite beträgt fünf Zoll und
einige Linien, die Dicke in der Mitte etwa dreiviertel Zoll. Andere sind schmäler und we-
niger gewölbt. Die nächstfolgende Zeichnung (Fig. 2) veranschaulicht die Gestalt einer der
•) Agricultural Implement! of ths North American Stone Pcriod. Smitbsonian Report for 1863, p. 879.
Archiv für AoUwopologte. Bd. IV. Haft 1. 1
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2
Carl Rau,
Hauen meiner Sammlung. Dieselbe ist sieben und einen halben Zoll lang, fast sechs Zoll
breit, und in der Mitte ungefähr einen halben Zoll dick. Der gekrümmte Rand bildet eine
scharfe Schneide. Diese Werkzeuge sind aus einer besonderen Gattung von blaugrauem oder
bräunlichem Flint verfertigt, welcher flachmuachelig bricht und sich daher in grosse flache
Stücke trennen lässt. Ich habe denselben nie anstehend gesehen. Die Ackerbaugerät he
meiner Sammlung wurden alle in dem gegen Westen vom Mississippi begrenzten Bezirke
(County) St Clair im südlichen Illinois gefunden, mit Ausnahme einer Schaufel, welche im
Jahre 1861 in St. Louis (Missouri) zum Vorschein kam, als der General Frdmont Erdwerke
zum Schutze der Stadt gegen befürchtete Angriffe der südlichen Secessionisten aufwerfen
Kess. Die aus Illinois stammenden Exemplare wurden ebenfalls an der Oberfläche beim Be-
arbeiten des Bodens oder nach heftigen Regengüssen entdeckt, welche sie blossgelegt hatten.
Schaufeln sowohl wie Hauen waren ohne Zweifel mit Stielen versehen, und diejenigen der
Hauen muthmasslich so gestellt, dass sie einen rechten oder selbst einen spitzen Winkel mit
der Steinplatte bildeten, welche stets am oberen Ende mit zwei Einkerbungen versehen ist,
um die Befestigung zu ermöglichen ').
Einige der Schaufeln, wie z. B. das oben abgebildete Exemplar, sind über einen Fuss
lang, und gehören demnach zu den grössten Flintgeräthen, welche bis jetzt irgendwo gefun-
den worden sind. Die rohgearbeiteten axt- und lanzenförmigen Werkzeuge, die man in Ge-
meinschaft mit den Knochenresten des Mammuths, des Nashorns und anderer Geschöpfe
einer verschwundenen Fauna in den Diluvialgcbilden Nordfrankreichs und Englands entdeckt
hat, kommen ihnen nicht an Grösse gleich; auch haben, soviel ich weiss, die Höhlen der
Rennthierperiode im südlichen Frankreich und in Belgien, die einst wilden Jägerstämmen
zum Aufenthalt dienten, keine aus Flint verfertigten Geräthe von gleichem Umfange gelie-
fert. Die einzigen derartigen Gegenstände von gleicher Grösse sind, wie ich glaube, jene in
den skandinavischen Ländern und in Norddoutschland vorkommenden grossen, tlieilweise ge-
schliffenen Flintäxte, welche einer späteren Periode der europäischen Steinzeit angehören.
Dass die von mir beschriebenen nordamerikanischen Geräthe wirklich zur Erdarbeit
dienten, unterliegt knum einem Zweifel, denn abgesehen von ihrer dem obigen Zwecke ganz
entsprechenden Gestalt, lässt sich an ihnen eine Abnutzung wahrnehmen, welche auf die Art
ihrer ursprünglichen Anwendung auf das Bestimmteste hinweist. Es erscheint nämlich der-
jenige Theil des Werkzeuges, der beim Graben mit der Erde in Berührung kam, trotz der
Härte des Gesteines, gleichsam polirt, oder wie mit einer Glasur überzogen, und überdies
sind in jenen geglätteten Stellen unzählbare feine Linien sichtbar, die genau der Richtung
b Da Pratz thut der Hauen der Eingebornen von Louisiana Erwähnung, deren sich diese bei der Be-
arbeitung des Bodens zum Behufs des Maisbnues bedienten: „Ce* pioebes sont faites eommc une I, capitale;
elles tranchent par les oötca du bout baa qui c*t lout plat.“ (Hiatoire de la Louiaiane, Pari» 1758, T. II,
p. 170.) Er giebt nicht an . aus welchem Stoffe der untere Theil der Hanen bestand , die er jedooh ausdrück-
lich als eine Erfindung der Indianer bezeichnet. Vielleicht hat seine Bemerkung auf die von mir beschriebe-
nen Hauen Bezug, die in der That in einer ehemals zu Louisiana gerechneten Gegend gefunden wurden. —
In dem alten Werke von De Bry sind auf Tafel XXI des zweiten Bundes (Frankfurt a. M. 1691) mit Feldbau
beschäftigte Eingeboren« von Florida beider Geschlechter dargostellt. Di« Männer bearbeiten den Boden mit
Hauen, während die Weiber säen. Der die Kupfertafel hegleitende lateinische Test (von Le Moync) giebt
an, dass die Hauen auf Fischknochen bestanden (ligonea e piteium oesibua) and an hölzernen Stielen befestigt
waren.
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Steinerne Ackerbaugeräthe der nordamerikauischen Indianer. 3
entsprechen, in welcher das Gerätli den Beulen durchdrang. Diese eigenthiimlicho glasurartige
Glättung ist an allen wirklich gebrauchten Exemplaren meiner Sammlung wahrnehmbar,
und ich habe sie ebenfalls an den wenigen beobachtet, welche ich im Besitz Anderer zu
sehen Gelegenheit hatte. Werkzeuge dieser Art werden nicht sehr häufig gefunden, und ihr
Vorkommen scheint auf gewisse an den Mississippi grenzende Staaten beschränkt zu sein.
Vor Kurzem wurde ich durch die Nachricht überrascht, dass man eine nicht unbedeu-
tende Niederlage solcher Gegenstände in East St. Louis — früher lllinoistown genannt —
entdeckt habe. Dieser Ort liegt in Sb Clair County in Illinois, nahe am Mississippi, und der
Stadt St. Louis gerade gegenüber. Das Ufer von Illinois bildet hier den sogenannten „Ame-
rican Bottom“, eine fruchtbare, von Anhöhen begrenzte Ebene, die sieb auf eine bedeutende
Erstreckung dem Ufer entlang hinzieht, und wegen ihres Reicbthums an indianischen Kesten
mancher Art die Aufmerksamkeit amerikanischer Archäologen von jeher in Anspruch genom-
men hat '). Die wichtigste Hinterlassenschaft der früheren Bewohner dieser Gegend sind
jedoch die in grosser Zahl vorhandenen Erdwerke, unter denen der berühmte pyramidenartige
Bau, Cahokia Mound oder Monk's Mound genaunt, durch seine riesigen Verhältnisse beson-
ders hervorsticht, und den Beschauer unwillkürlich an die Pyramiden des Nilthaies erinnert').
Die Einzelnheiten der obenerwähnten Entdeckung erfuhr ich durch Dr. Patrick von
Belleville (Illinois), einen gebornen Irländer, der mich schon Beit vielen Jahren in meinen
archäologischen Bestrebungen auf das Freundlichste unterstützt hat. Sobald er von dem
Funde hörte, eilte er nach East St. Louis, um sich von den näheren Umständen an Ort und
Stelle Kenntniss dh verschaffen, und, um Uber gewisse von mir angedeutete Punkte Gewiss-
heit zu erlangen, besuchte er später noch zu wiederholten Malen den Fundort, welcher nur vier-
zehn oder fünfzehn englische Meilen von Belleville entfernt ist* und überdies durch eine Eisen-
bahn mit letzterer Stadt in Verbindung steht Die Flintwerkzeuge kamen im Verlaufe von Erd-
arbeiten zum Vorschein , welche in East St Louis beim Verlängern einer Strasse unternom-
men wurden, und Dr. Patrick erfuhr alle Einzelnheiten von dem Unternehmer der Strassen-
arbeit, Herrn Sullivan, welcher im Augenblike der Entdeckung gegenwärtig war, und da-
her als zuverlässiger Berichterstatter angesehen werden kann. Seine dem Dr. Patrick ge-
*) leb habe den American Bottom bereits im „Archiv 4 * beschrieben. Käst St bouis ist der Ort. in dessen
Nähe ich vor mehreren Jahren die Spuren einer indianischen Töpferei entdeckte (Archiv, BU. 111, S. 20).
*) Dieser otwa sieben englische Meilen östlich von East St. Louis gelegene merkwürdige Erdbau hat die
Gestalt einer stark abgekürzten Pyramide mit seitlich angefügter Terrasse , auf weiche man mittelst eines ge-
neigten, auf beiden Seiten schräg abfallenden Weges gelangt. Die Grundfläche des Werkes bildet ein Rechteck
von 700 Euse Länge und 500 Kuss Breite, und bedeckt demnach beinahe ö Acres; die obere oder Gipfelftäche
ist 450 Fuss lang und 200 Kuss breit; die Dimensionen der Terrasse sind SSO und 100 Kuss. Man hat berech-
net. dass der ganze Bau. dessen senkrechte Höhe 90 Kuss betragt, eine Erdmasse von beinahe 20 Millionen
Knbikfuss enthält Allerdings sind durch die serstörenden Wirkungen der Jahrhunderte die Ecken und Kan*
ten bedeutend abgerundet worden, und das Werk hat seine Regelmässigkeit theilweise verloren; al»er dennoch
lasst sich die ursprüngliche Form sehr deutlich erkennen, besonders im Winter, wenn das verhüllende Laub-
werk fehlt. Auf der oberen Fläche befindet sich ein geräumiges Gebäude, nebst Brunnen, Garten und dem
übrigen Zubehör einer Farm. Das Werk ragt aus einer Gruppe von kegelförmigen llügeln empor, von denen
einige ciuo nicht unbeträchtliche Höhe haben; sie erscheinen aber unbedeutend neben dem Riesenbau, um den
sie gelagert sind. Aehnlicbe pyramidenartige Erdwerke werden im Süden der Vereinigten Staaten angetrof-
fen; das hier beschrielsene ist jedoch das bedeute miste. Sie dienten wohl hauptsächlich zu religiösen Zwecken,
wie die tuexicanischen Tcocallis, denen sie sich auch iu der Form nähern.
1 *
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4 Carl Hau,
gebenen Aufschlüsse, welche mir von Letzterem brieflich mitgetheilt wurden , sind in Nach-
stehendem enthalten :
Im December 1868 stiessen einige Arbeiter, welche mit Wegräumen von Erde zum Be-
hüte der Verlängerung der sechsten Strasse (Sixtb Street) in East St Louis beschäftigt wa-
ren, plötzlich auf eine Niederlage indianischer Gegenstände, bestehend in vielen Flintgcräthen,
welche sämmtlich den bereits erwähnten beiden Arten angehören, und in kleinen fossilen,
theilweisc durchbohrten Seemuscheln, deren Menge ungefähr dem Inhalt eines amerikanischen
Scheffels oder Busheis gleiclikam. Dicht dabei befanden sich einige Rollsteine oder kleine
erratische Blöcke, jeder von fünfzehn bis dreissig Pfund Schwere, sowie zahlreiche Flintbruch-
stücke. Der Boden in der unmittelbaren Nähe besteht aas schwarzer lehmartiger Erde, die
auf einer Schicht von sandigem Charakter ruht. Letztere enthielt die genannten Gegen-
stände, welche mit einer achtzehn bis vierundzwanzig Zoll dicken Lage der schwarzen Erde
bedeckt waren. An der Oberfläche der Fundstelle zeigte sich üppiger Rasenwuchs. Nach
Sullivan's Aussage lagen die Flintgeräthe , Muscheln und Blöcke in drei verschiedenen im
Sande ausgehöhlten Vertiefungen, welche jedoch nicht mehr wie einen Fusa von einander
entfernt waren, und gleichsam die Stellung der drei Punkte eines Dreiecks einuahinen. Sei-
ner Ausdrucks weise gemäss bildeten die Flintgegenstände ein „Nest“ für sich, sowie auch die
Muscheln und ebenfalls die Steinblöcke. Während jedoch die Muscheln und Rollsteine dicht
zusammengehäuft lagen, zeigte sich eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung der
Werkzeuge, welche theils an einander lehnend auf der Kante standen, theils übereinander
geschichtet waren und eine kreisförmige Fläche bedeckten. Die ganze Niederlage dehnte
Bich in keiner Richtung Uber sieben bis acht Fuss aus. Sullivan versäumte es, die Gerätbe
zu zählen, ist aber der Ansicht, dass deren iin Ganzen siebenzig bis füufundsiebenzig waren,
nämlich einige fünfzig Hauen und etwa zwanzig Schaufeln. Andere aus Stein verfertigte
Gegenstände, wie z. B. Pfeil- und Lanzenspitzen, Tomahawks oder Aexte u. s. w., wurden
nicht in Gemeinschaft mit den Ackerbaugcräthen gefunden. Letztere gelangten sehr bald in
den Besitz von Einwohnern des Ortes, welche die Neugierde herbeigelockt hatte, und es ist
zu bedauern, dass viele, ja vielleicht die meisten derselben, in die Hände von Personen gefal-
len sind, welche ihren Werth nicht kennen. Dies ist jedoch gewöhnlich der Fall, wenn solche
Funde gemacht werden. Dr. Patrick untersuchte mehr wie zwanzig der Werkzeuge, und
fand , dass keines derselben benutzt worden war, da sich nicht die geringste Glättung an
den Schneiden wahmehmen licss.
Die Fundstätte liegt ungefähr fünfviertel Meilen (engl.) vom Mississippi entfernt, und hin-
reichend erhaben, um ausSerhalb des Bereiches von gewöhnlichem Hochwasser zu »ein. Aber
früher, ehe das Flussbett durch den Damm eingeengt war, welcher das Illinois-Ufer mit der
Mississippi-Insel , Bloody Island 1 ) genannt, verbindet, kann die Entfernung kaum mehr wie
eine halbe Meile betragen haben. —
Einige der in East St Louis gefundenen Gerätbe sind nun in meinem Besitze. Sie be-
stehen aus einer gelblich-braunen Abänderung der früher erwähnten Gesteinsart und stimmen in
>) Auf der .blutigen !n«el“ pflegten in früheren Zeiten die Amerikaner der Nachbaracbaft ihre Sehuas-
dudle anerufeehten ; daher die Bezeichnung.
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Steinerne Ackerbaugcräthe der nordamerikanischen Indianer. 5
der Form mit den von mir beschriebenen Schaufeln und Hauen liberein; bei den meisten
Schaufeln jedoch ist das der Schneide gegen überstellende Ende nicht abgerundet; wie in
Fig. 1, sondern bildet einen mehr oder minder spitzen Winkel. Bei allen sind die Schneiden
durch leise Schläge sorgfältig geschärft, und zeigen keine Spur von Abnutzung, woraus her-
vorgeht, dass die Geräthe ganz neu waren, als sie der Erde übergeben wurden.
Die fossilen Seemuscheln sind alle kleine Univalven und gehören fast ausschliesslich dem
Geschlechte Melampus an. Unter fast dreihundert Exemplaren, welche mir Dr. Patrick
übersandte, befinden sich nur neunzehn, welche andere Gattungen vertreten; diese sind Co-
lumbella, Marginelln, Conus und Bulla. Alle haben ein kalkiges und verwittertes Aus-
sehen. Sie wurden muthmasslich in der Nachbarschaft erlangt, und waren augenscheinlich
zum Aufreihen und zur Herstellung von Hals- und Armbändern bestimmt Dies lässt sich
aus der Thatsache entnehmen, dass manche der Melampus-Muscheln am untern Theil eine
künstliche Durchbohrung zeigen (Fig. 3, w. Gr.), welche hinreichend war, um das Aufreihen
zu ermöglichen, da der verbindende Faden ohne Schwierigkeit durch die natür-
liche Oeffnung der Muschel gezogen werden konnte. Bei einigen der Muscheln lässt
sich sehr deutlich wahrnehmen , dass sie an der Durchbohrungsstelle dünn geschlif-
fen worden sind, um das Durchlöchern zu erleichtern.
Die Rollsteine, welche einen Theil der Niederlage bildeten, waren wohl zur
Verfertigung von Geräthen bestimmt Ein Bruchstück eines der Blöcke befindet
sich in meinen Händen; er besteht aus Diorit — derselben Gesteinsart, welche die nordame-
rikanischen Indianer häufig zur Herstellung ihrer Aexte, Meissei, Stampfer u. s. w. ver-
wendeten.
Es wäre nutzlos, Vermuthungen über das Alter dieser durch Zufall entdeckten Hand-
erzeugnisee der früheren Race aufzustellen, da es durchaus an Anhaltspunkten fehlt, nm auch
nur annähernd die Zeit zu bestimmen, welche verflossen ist, seitdem sie vergraben worden
sind. Weit leichter ist es, von den Beweggründen Rechenschaft zu geben, welche die Eigen-
thümer der Werkzeuge und der übrigen Gegenstände veranlassten, mit ihnen in der angegebenen
Weise zu verfahren. Ihr Zweck war ohne Zweifel, dieselben zu verbergen. Vielleicht
verliessen sie den Ort mit der Absicht, zurückzukehren und von ihrem Eigenthume wieder
Besitz zu nehmen, ohne jedoch ihr Vorhaben ausführen zu können. Vielleicht auch geschah
das Vergraben in Kriegszeiten, während welcher sie getödtet, vertrieben oder in die Gefangen-
schaft geführt wurden, und ihr „verborgener Schatz“ lag ungestört im Boden, vielleicht Jahr-
hunderte lang, bis der Spaten des irländischen Arbeiters ihn wieder an's Licht brachte. Es
ist durchaus kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass diese Niederlage eines jener reli-
giösen Opfer bildete, wodurch, wie die Untersuchung gewisser Hügel (sacrificial mounds) er-
geben hat, die alten Bewohner des Mississippithaies die Mächte zu versöhnen oder zu be-
friedigen suchten, welche sie als die Lenker ihrer Geschicke betrachteten.
Aehnliche Niederlagen fertiger oder unvollendeter Flintgeräthe sind wiederholt in den
Vereinigten Staaten entdeckt worden') und Squier "und Davis thun in ihrem Werke „An-
') Oleichfalla in Europa; [in SchoUlsnd z, B. wurden Niederlagen von steinernen Pfeilspitzen gefunden.
Logen, „The Scotlish Gael“, London 1831, T. I. p. 339.
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6
Carl Itau
cient Monuments of the Mississippi Valley“ verschiedener Funde dieser Art Erwähnung, un-
ter denen der bedeutendste in einer erstaunlichen Menge von grossen scheibenartigen Flint-
stücken bestand, die sie in einem der Hügel der als „Clark s Work“ bezeichneton Gruppe von
Erdwerken am Paint Creek in Ohio (Ross County) antrafen. Dieser Hügel , der nur sechs
bis sieben Fuss Hohe, aber einen Durchmesser von mindestens achtzig F'uss hatte, enthielt
an der Grundfläche zwei über einander geschichtete horizontale Lagen von dicht zusammen-
gestellten Scheiben von runder, ovaler oder herzförmiger Gestalt, die aus einem sehr schönen
bräunlichen, mit Streifen durchzogenen Hornsteine verfertigt sind. Sie haben nicht alle die-
selbe Grösse, jedoch sind sie im Durchschnitt sechs Zoll lang, vier Zoll breit und dreiviortel
bis einen Zoll dick, d. h. in der Mitte, da der Rand durch kräftige Schläge in ziemlich roher
Weise ringsum zugeschärft ist. Ihr Gewicht beträgt in der Regel fast zwei Pfund. Die Aus-
dehnung der beiden Lagon dieser eigenthümlichen Gegenstände ist nicht ermittelt worden,
da man den Hügel nicht in seinem ganzen Umfang untersucht, sondern sich damit begnügt
hat, mit einer schachtartigen Vertiefung von sechs Fuss Länge und vier Fuss Breite nieder-
zugehen, welche indessen Uber sechshundert Exemplare entblösste. Nimmt man an, dass
sich das Doppellager Uber die ganze Grundfläche des Hügels oder auch nur über den grössten
Theil derselben erstreckt, so muss ihre Zahl in der That erstaunlich sein. In dor von Dr.
Davis an das Blackmore-Musoum in Salisbury (England) verkauften, mir wohlbekannten
Sammlung waren mehrere dieser Stücke, und ich besitze jetzt selbst eine Anzahl derselben,
Fig. 4 stellt eines meiner Exemplare in halber Grösse
dar. Man glaubt, diese Flintstücke seien als ein
Sühn- oder Dankopfer der Erde übergeben worden,
und die eigenthümliche Beschaffenheit des sie um-
schliessenden Hügels 1 ) begünstigt allerdings einiger-
massen diese Ansicht. Da sie jedoch allem An-
scheine nach keine vollendeten Gcräthe darstellen,
sondern nur oberflächlich zurechtgehauene Stücke,
die ihre endliche Form erst durch fernere Bearbeitung
erhalten sollten, so hat die Ansicht, dass diese Nieder-
lage eine Art von Magazin bildete, ebenfalls einige
Berechtigung. Manche der beschriebenen Stücke sind
den sogenannten Flintäxten ausserordentlich ähnlich,
welche Boucher de Perthes und Dr. Rigollot in
den Kieslagern des Somme -Thaies im nördlichen
Frankreich entdeckt haben*). Diese äussere Aehti-
lichkeit ist jedoch die einzige Uebereinstimmung, welche sich in Bezug auf die erwähnten
Steinerzeugnisse der beiden Continente in Anspruch nehmen lässt, da sie unter ganz ver-
schiedenen Verhältnissen entstanden sind. Während nämlich die rohen Flintwerkzeuge des
l ) Squier and Daria, Ancient Monuments, p. 158.
*) Fhntgegenstände, welche denen aus Ohio gleichen, sind ebenfalls in den Hohlen des Dordogne-GehieU-s,
namentlich der von Le Mousticr. gefunden worden. Lartot und Chris ly haben dieselben in ihrem präch-
tigen Werke ..Reliquiae Aquitanicae“ abgebildet und beschrieben.
die mir von Ohio zugeschickt wurden.
Fig. 4.
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Steinerne Ackerbaugeriithe der nordamerikanischen Indianer. 7
europäischen Schwemmlandes ohne Zweifel für die niedrige Culturstufe ihrer barbarischen
Verfertiger Zeugnis* geben, sind die in Ohio gefundenen Flintscheiben als die unvollendeten
Oeräthe eines Volkes zu betrachten, welches Erdwerko von erstaunlichem Umfange hinterlas-
sen hat, und nicht nur höchst vollkommene Gegenstände aus Flint herzustellen verstand,
sondern auch überhaupt, wie ich bereits in einem früheren Aufsatze nachgewiesen habe '), in
der Bearbeitung von Stein ganz Erstaunliches leistete. Doch zweifle ich kaum an der künf-
tigen Auffindung amerikanischer Flintwerkzeuge, welche mit denen der europäischen Dilu-
vialscbichten nicht nur in der Form, sondern auch in der Art des Vorkommens Ubereinstim-
inen werden , da viele Anzeichen die Bevölkerung der westlichen Hemisphäre als uralt er-
scheinen lassen, und ausserdem die Resultate archäologischer Forschungen auf eine merkwür-
dige Aehnlichkeit in den ursprünglichen Zuständen der Menschen in verschiedenen Erdthei-
len hinweisen.
Eine in Lapham’s „Antiquities of Wisconsin'“ enthaltene, von Dr. Hoy mitgetheilte No-
tiz thut eines andern Vorkommens von scheibenartigen Flintstücken Erwähnung. Einige
Arbeiter, die in der Nähe von Racine (Wisconsin) einen Graben durch ein Torfmoor zogen,
stiessen auf eine Niederlage von etwa dreissig Hornsteinscheiben, welche zwei und einen
halben Fuss tief im Boden unmittelbar auf der
die Unterlage des Torfes bildenden Thonschicht
ruheten. Ihr Gewicht schwankt zwischen einem
halben und einem ganzen Pfunde. Einige dersel-
ben werden in der Sammlung des Smithson-
schen Instituts in Washington aufbewahrt.
Im Jahre 18C0, während ich in St. Louis wohnte,
wurde eine Anzahl rohgefonnter Flintgegenstände
von ähnlicher Beschaffenheit an einer Stelle des
Mississippiufers zwischen St Louis und dem sechs
englische Meilen weiter südlich gelegenen Orte
Carondelet gefunden. Die Stücke lagen dicht bei-
sammen und waren wahrscheinlich durch den Ein-
sturz eines Theiles des Ufers eutblösst worden.
Inh konnte über ihre Anzahl nichts Bestimmtes
erfahren, sah jedoch etwa acht derselben, von denen
ich drei erlangte. Sie sind alle ungefähr von glei-
cher Grösse, oval, am Rande auf ziemlich rohe Art
zugeschärft, und bestehen aus weisslichem Flint
In Fig. 5 gebe ich die Abbildung eines meiner
Exemplare in wirklicher Grösse. Dasselbe ist in
der Mitte siebenachtel Zoll dick und wiegt unge-
fähr zehn Loth. Diese Stücke sind augenscheinlich
nicht als fertige Geräthe zu betrachten, sondern
Fig 5.
') Dieses Archi» H»n>l III.. S. 187.
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8 Carl llau,
als vorläufige Formen, aus denen später wahrscheinlich Pfeil- und Lanzenspitzen hergestellt
werden sollten. Ihre jetzige Gestalt war ihnen ohne Zweifel mit Rücksicht auf bequemere
Fortschaffung und Raumersparnis« gegeben worden. Mnn glaubt, dass Flint leichter gespal-
ten werden kann, nachdem er einige Zeit dem feuchten Einfiusse der Erde ausgesetzt gewesen
ist, und dieser Umstand mag zum Tbeil für den Gebrauch der Indianer, ihre Flintvorräthe
an geeigneten Stellen zu vergraben, als Erklärung dienen. —
Auf meinen frühem Gegenstand zuriiekkounnend , will ich bemerken , dass das Auffinden
von landwirtschaftlichen Werkzeugen der Indianer nicht mehr überraschen kann , wie da«
Vorkommen anderer Steingeräthe, welche zu weniger friedlichen Zwecken bestimmt waren,
denn es ist bekannt , dass viele der nordamerikanisclieu Stämme vor der Ankunft der Euro-
päer Mais und andere Nährpflanzen baueben *). Die Maiserzeugung muss in der That be-
trächtlich gewesen sein. Gallatin hat sich einige Mühe gegeben, die Grenzen im Osten der
Felsengebirge und nördlich von Mexico zu bestimmen, innerhalb welchen Ackerbau stattfaDd.
Dieses Culturgebiet wurde im Osten durch den atlantischen Ocean und im Süden durch den
Golf von Mexico begrenzt; gegen Westen erstreckte es sich bis an den Mississippi und selbst
darüber hinaus bis au die Prairien; im Norden schwankte die Culturgrenze der klimatischen
Verschiedenheit gemäss, lag aber an der atlantischen Küste in der Region der Flüsse Kenne-
bec und Penobscot im heutigen Maine. Nördlich von den grossen Seen trieben nur die Hu-
ronen und einige verwandte Stämme Feldbau. Den Ojibwaya, welche im Süden des Lake
Superior ihre Sitze hatten, sowie ihren Nachbaren, den Menoinoniee, lieferte , wie es scheint,
der wilde Reis, vou den Franzosen „folle avoine“ genannt, die wichtigste Pflanzennahrung
Die irokesisehen Stämme , die über den jetzigen Staat Newyork und noch weiter verbreitet
waren, erzeugten Mais in grosser Menge, wie z. B. aus folgender Thatsaclio hervorgeht! Im
Jahre 1687 machte eine Heereaabtheilung unter der Leitung des Marquis de Nonville einen
Einfall in das Gebiet der Senecas, in Folge dessen alle ihre Muisvorräthe verbrannt oder auf
andere Weise unbrauchbar gemacht wurden, und es sollen bei dieser Gelegenheit nicht weni-
ger als 400,000 Minots oder 1,200,000 Busheis zu Grunde gegangen sein 9 ). Diese Schätzung
mag allerdings etwas übertrieben sein; sie beweist aber dennoch, dass jene Stämme dem
Maisbau grosse Aufmerksamkeit widmeten.
Die Völkerschaften, welche die ehemals Louisiana und Florida genannten weiten Bezirke
innehatten, scheint in der That das Pflanzenreich vorzugsweise mit Nahrung versehen zu haben.
Sie pflanzten vornehmlich Mais, Bohnen, Erbsen, Kürbisse, Melonen und süsse Kartoffeln
(Convolvulus batatus); Mais bildete jedoch ihr Haupterzeugniss. In den alten Berichten über
den abenteuerlichen Zug des Spaniers De Soto durch die eben erwähnten Gegenden (1539
bis 1543) wird nicht nur häufig der ausgedehnten Maisfelder der Eingeborenen Erwähnung
gethan, sondern es lässt sich aus jenen Schilderungen auch entnehmen, dass De Soto's
Schaar verhungert wäre, wenn die Indianer dieselbe nicht mit Mais versehen hätten. Die
1 ) ln Betreff der merkwürdigen „Gartenbeete“ (garden-beda) von Michigan, Wisconsin und Indiana, die
eine ältere llodcncultur andeuten, man ich auf Sohooleraft, Lapham und Andere verweilen.
*) Gallatin, Synopai* of tbe Indian Tribe» of North America in: Archaeologia Amcricana. Cambridge
1936, Vot II, p. 149
s ) üoeumentary llistory of New York. T. I, p. 238.
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Steinerne Ackerbaugeriithe der nordamerikanischen Indianer. 9
Spanier trafen auf ihrem Marsche gelegentlich grosse Vorräthe dieser nahrhaften Getreideart
an, und es wird unter anderen Thatsachen angeführt, dass einer von De Soto's Offizieren
in einem einzigen Hause fünfhundert Scheffel Maismehl nebst einer grossen Menge Aehren
fand 1 ). Es ist indessen zu berücksichtigen, dass gerade diejenigen Indianer, mit denen De
Soto und seine Gefährten in Berührung kamen, bereits eine höhere Culturstufe erreicht hat-
ten, wie die weiter nördlich hausenden Stämme. Sie waren nicht mehr Jägervölker im eigent-
lichen Sinne des Wortes, sondern durch den Feldbau an den Boden gefesselt. Grosse Ge-
meinden bildend, wohnten sie in Häusern, die bequemer waren als die ihrer roheren Nach-
baren, und lebten überhaupt, den älteren Schilderungen zufolge, in etwas geordneteren Ver-
hältnissen als die letzteren. Adair, welcher im vorigen Jahrhundert viele Jahre als Händ-
ler unter diesen südlichen Stämmen zubrachte, fuhrt an, das» die Franzosen von West-Flo-
rida und die englischen Ansiedler von ihnen verschiedene Arten von Bohnen und Erbsen
erhielten, mit denen sie verlier gänzlich unbekannt gewesen waren. Sie zogen auch eine
Art von niedrigem Taback (small tobaccoj, der von den weissen Ansiedlern nicht gebaut
wurde. Die Weiber pflanzten Kürbisse und verschiedene Melonenarten in abgesonderten,
ziemlich weit von deu Dörfern entlegenen Feldern’). Es ist sogar wahrscheinlich, dass die
früheren Bewohner dieser Gegenden Fruchtbäume pflegten; Bartram fand wenigstens in
Georgia und Alabama auf den Stätten alter indianischer Niederlassungen verschiedene Baum-
arten, die, wie er glaubt, von den Eingeborncn ihrer Früchte wegen gepflanzt worden
waren 3 ).
Die Florida-Indianer Hessen, wie es heisst, zu Do Soto’s Zeit ihre Felder durch Kriegs-
gefangene bearbeiten, deren Entweichen sie dadurch verhinderten, dass sie ihnen die Sehnen
an den Fersen durchschnitten und sie auf diese Art tlieilweise lähmten *). Bei den meisten
Ackerbau treibenden Stämmen Nordamerikas scheint jedoch die Feldarbeit das Geschäft der
Weiber gewesen zu sein, da die Männer die Zeit, welche nicht durch Jagd oder Kriegsziigw
in Anspruch genommen war, in unthätiger Ruhe hinzubringen pflegten.
M Garcilasso de la Y e g a, ConquiHe de la Fforide. Leyden 1731. T. I, p. 250.
Adair, Hietory of the American Indians. London 1775, |>. 408.
*) Er führt an: the persimmon, honey-locmt , Chickasaw plurn, mulberry , hlack walnut and nhell-barked
hiccory, „which were cultirated by the ancienta, on account of Iheir fruit, n» bring wliolcsome and nouriih-
ing food.“ Travels in North America. Dublin 1793, p. 38.
+) Garcilasso de la Vega, Conqucte de la Florida, T. I, p. 286 und T. II, p. 389.
Ar eh Ir für Anthropologe- Bd. IV. lieft I.
2
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II.
TQVt l 3
T/, \ L 1 - — ^
'/I A
Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die
Bronzecultur.
Von
Dr. 0. F. Wlberg in Gefle.
(1‘et, ersetzt Ton J. Meikorf.)
Eiserne Waffen und Werkzeuge waren in Dänemark, Siidschweden und Norddeutsch-
land bis zum zweiten und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wenig bekannt Erst
mit der römischen Herrschaft am Rhein beginnt auch für den Norden Europas die Eisenzeit; '
doch hatte man in den genannten Ländern längst begonnen, die einem niedere Culturstadium
eigenen Waffen und Werkzeuge aus Stein gegen solche aus Bronze zu vertauschen.
Die nordischen Bronzen bestehen aus ungefähr */io Kupfer und '/it Zinn. Da die ge-
nannten metallarmen Länder weder Kupfer noch Zinn produciren, so muss die Bronze, und
zwar als fertiges Fabrikat daselbst importirt worden sein. Es hat sich herausgestellt, dass
die griechischen Bronzen dieselbe Mischung haben wie die nordischen.
Wir finden im nördlichen, mittlem und westlichen Europa mancherlei schön gearbeitete und
geschmackvoll verzierte Bronzewaaren, wie z. B. Aextc, Schwerter, Dolche, Sägen, Meissei,
Schnitz- und Rasirmesser , Paalstäbe, Celte, Lanzenspitzen, Schilde, Hörner, Diademe, Kronen,
Kopf- und Halsringe; ferner Armbänder, Fingerringe, Fibeln, Vasen von Bronze und Gold, dem
einzigen Metalle, welches den Völkern der Bronzezeit ausser der Bronze bekannt war. Diese
Metalllabrikate bilden die Hinterlassenschaft einer Culturperiode, die wir, ohne Rücksicht
auf den ungleichen Zeitpunkt, in denen sie in den verschiedenen Ländern auftritt (im Nor-
den muss der Anfang derselben einige Jahre hinter Christi Geburt zurückverlegt werden),
die Bronzezeit zu nennen pflegen.
Ein berühmter dänischer Alterthumsforscher 1 ) nimmt an, dass die Schweden, Dänen,
') Worute: Oio Sleswig» eller Sönderjytlanda Oldlidsminder. S. 41—44.
2 *
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12
C. F. Wiberg,
Norddeutschen , und zum Theil auch die Mitteldeutschen, während der .Bronzezeit gleichsam
eine Völkergruppe bildeten, die in der Metallindustrie ebenso hoch stand wie die meisten
anderem Länder, ja höher als das westliche Europa, wo die Ornamentik der Bronzegeräthe
einfacher ist, als in den Ostseeländern. „Erst im Süden und Südosten Europas: in Italien,
der Schweiz, Süddeutschland, Ungarn und Griechenland — so äussert sich der Verfasser —
zeigen die Bronzen eine solche Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Form , dass sie sich mit
den nordischen messen können,“ von denen sie sich gleichwohl durch nicht geringe, in die
Augen fallende Eigentümlichkeiten unterscheiden.
Wir werden auf diese letzte Bemerkung später zurückkommen und erinnern hier einst-
weilen an eine andere Behauptung, dass nämlich die im Norden gefundenen Bronzen nicht
durch den Handel und die Colonien eines einzigen Volkes (gleichviel ob Etrusker, Griechen,
Römer oder Phönicier) dahin gelangt sein können.
Professor Nilsson ist bekanntlich zur entgegengesetzten Ueberzeugung gekommen, die
er in seinem Werke Uber das Bronzealter ') näher erörtert. Er sucht nämlich gerade die
Möglichkeit einer weiten Verbreitung der Bronzegeräthe durch den Handel und durch Han-
delsetablissements zu beweisen, und zwar durch den Handel und die HandeLscolonien der
Phönicier, von welchem Volke er die ganze Bronzecultur ausgehen lässt. Nilsson’s An-
sichten haben in wissenschaftlichen Kreisen viele Anhänger, aber noch mehr Gegner gefunden.
Aus der Weltgeschichte wissen wir, dass die Colonien der Phönicier sich vor reichlich
2000 Jahren über den Rand des Mittelmeerbeckens ausbreiteten. Wir kennen deren auf grie-
chischen Insieln, Sicilien, Sardinien, an der afrikanischen Küste, in Spanien, vielleicht auch in
Italien und Gallien, bis nach den im erdumspannenden Ocean gelegenen Ka-ssitcriden (Bri-
tannien). Es lässt sich voraussetzen und ist auch zum Theil bekannt, dass sic durch ihren
Handel und ihre Ansiedelungen in diesen Ländern auch die Bronzecultur daselbst einfUhrten,
wobei indessen nicht übersehen werden darf, dass sie damals schon die Nutzanwendung des
Eisens kannten und selbiges namentlich zu Werkzeugen für Mctallfabrikate verwandten. Zeug-
nisse für eine so grosse Verbreitung der phönicischen Bronzecultur finden wir bei den klassi-
schen Schriftstellern und in verschiedenen Funden an Münzen nnd anderen Gegenständen mit
phönicischen Inschriften. ,
Sobald man aber für die Bronzecultur in Mittel- und Nordcuropa phönicischen Ur-
sprung annimmt, steht man nicht mehr auf sichern! Boden , weil diese Conjectur durch keine
Beweise zu stützen ist Wir finden in den klassischen Schriftstellern keine dicta probantia,
die als Belege dafür dienen könnten und ebenso wenig lässt sich diesseits der Alpen ein
Denkmal von unbestritten phönicischem Ursprünge nach weisen’).
Wir müssen den Ursprung und die Verbreitung der Bronzecultur aus anderer Quelle
herzuleiten suchen. Können wir nun einerseits diese nicht mit Prof. Nilsson in phönici-
schem Handel und phönicischen Colonien erblicken , so wollen wir doch andererseits nicht
leugnen, daas diese merkwürdige Culturperiode sehr wohl und zwar am leichtesten durch den
Handelsverkehr zu erklären ist Und das ist was wir in diesen Blättern versuchen wollen.
*) N i 1 1 so n : Da» Bronzealter. Hamburg 18G3--1866.
s ) Dm Ki Yik-Monument (•, Nilsson a. a. O. S. 9) und andere Denkmäler der Vorzeit im Lande Scho-
nen vermögen wir aus später zu ersehenden Gründen nicht als solche anzuerkennen.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 13
Wir haben uns schon früher dahin ausgesprochen, dass nach unserer Uebcrzougung deh
Griechen und Etruskern ein bedeutender Einfluss auf die Entwickelung der Bronzecultur zu-
erkannt werden müsse, und wir glauben um so mehr dieser Ansicht treu bleiben zu dürfen,
als sie von den grössten Alterthumsforschern unserer Zeit (v. Sacken, Kenner, Linden-
schrnit, Morlot, v. Bonstetten etc.) getheilt wird.
Bei einem von uns angestellten Vergleich zwischen den Abbildungen verschiedener nord-
und mitteleuropäischen und etruskischen Bronzen liess sich eine gewisse Aehnlichkoit dersel-
ben nicht verkennen, die namentlich auch bei einer Vergleichung der Schwerter unserer
Bronzezeit und deren Ornamente mit griechischen Schwertern, und den Ornamenten einiger
Vasen Gross-Griechenlands aus der archäischen Periode, stark in die Augen fiel. Es lag nahe,
aus dieser Aehnlichkeit auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Bronzcindustrie
Gross-Griechenlands und Etruriens und der transalpinischen Bronzecultur zu schliessen.
Wir haben denselben bereits früher befürwortet 1 ), und sehen uns nunmehr veranlasst,
den Gegenstand zu abermaliger Besprechung aufzunehmen und ihn einer selbstständigen Be-
handlung zu würdigen.
Ein bekannter Schweizer Alterthumsforscher, Baron v. Bon Stetten, Verfasser eines Bu-
ches Uber die Alterthümer seines V'aterlandes, brachte vor einigen Jahren in einem Supple-
mentbande *) verschiedene Abbildungen , die für unsere Frage höchst wichtig sind. Die von
uns vertretene Ansicht findet in ihm einen warmen Vertheidiger, wohingegen er als ent-
schiedener Gegner der „Hypothese" bezüglich des phönicischen Ursprungs der Bronzecultur
auftritt.
Der gelehrte Forscher stellt ein in Dänemark gefundenes Bronceschwert (s. Worsaae:
Nord. Olds. 133) neben ein von einer griechischen Vase abgezeichnetes Schwert (s. unsere
Tafel Fig. 7); beide von der sogenannten Lancett- oder Xiphosform. Krsteres, in */« der natür-
lichen Grüsae dargestellt, muss ungefähr 2'/, Fuss lang sein; letzteres dürfte, abgesehen von
dem geringen Maassstabe der Zeichnung, nicht Uber l*/i Fuss gemessen haben — die ge-
wöhnliche Länge dieser Waffe.
Dieses griechische Schwert ist keineswegs das einzige, welches wir kennen. Wir be-
sitzen viele ähnliche in Copien von Vasen, Gemmen u. s. w., welche Scenen aus der griechi-
schen Geschichte oder Sage darstellen, und überall, selbst auf etruskischen Vasen- und Wand-
malereien, welche griechischen Stoff behandeln, haben diese Schwerter dieselbe Form.
Die antiken lancettförmigen Bronzeschwerter (Tafel Fig. 2, 3, 4) sind offenbar, wie auch
v. Bonstetten glaubt, eine entwickelte Form des J/qpog, gleichwie dieses eine weitere Ausbil-
dung des Opfermessers ist, was sich bei einem vergleichenden Studium der altgriechischen
Malereien gar nicht verkennen lässt. Die Länge unserer antiken Bronzeschwerter ist sehr
ungleich.
Der" Verkehr mit asiatischen Völkerschaften liess die Griechen Gefallen an langen Schwer-
tern finden. Die griechischen Schwerter sind im Allgemeinen länger als die römischen von
gleicher Form. Wir geben hier nach einem französischen Autor, welcher diese Waffe zum
] t Wiberg: Der Einfloss der klassischen Völker auf den Norden durch den Handelsverkehr. Mit einer
Fundkarte. Hamburg 1867. 8. IS u. ff.
-i Second Supplement au Recueil d'antiquitea Suissee par 1c Baron de Bonstetten, Lausanne 1667.
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14
C. F. Wiberg,
Gegenstände besonderer Studien gemacht '), die Abbildungen zweier griechischen Schwerter,
von welchen das eine, in der Scheide (Fig. 1 7 J , bei Nirues in Frankreich gefunden ist, das
zweite, von welchem der Fundort unbekannt, die grösste Aehnlichkeit mit unseren antiken
Bronzesch wertem zeigt.
Obgleich bis jetzt nirgend Bronzeschwerter von nachweislich phöniciscliem Ursprünge ge-
funden sind, betrachtet doch Nilsson die Bronzeschwerter im Allgemeinen als Producte phö-
nicischer Industrie*) und Rougemont 3 ), der sich Nilsson in manchen Punkten anschliesst,
betrachtet die Funde von Bronzeschwertern in irgend welchem Lande als unzweifelhatte
Zeugnisse für einstmalige Handelsverbindungen desselben mit den Phöniciera. Man begeht
hier den Fehler, als schon bewiesen zu betrachten, was erst hätte bewiesen werden sollen.
Herr v. Bonstetton stellt ferner zwei Dolche zusammen, von denen der eine (Tafel
Fig. 1) in Maccdonicn, der andere in Skandinavien gefunden ist. (Vergl. Nilsson a. a. O.,
Taf. I, Fig. 3.) Die zwischen beiden herrschende Aehnlichkeit ist trotz der geringen Ver-
schiedenheit der Griffe unverkennbar. Rougemont erzählt (S. 214), dass das Museum in
Neufchfttel einen Dolch nus Ithaka besitzt, welcher den nordischen Bronzedolchen vollkom-
men gleicht, ein Umstand, der in seinen Augen den phönicischen Ursprung dieser Waffe
ausser Zweifel stellt; andere würden sich damit begnügen, sie für griechisch zu halten. Auf
der grossen Ausstellung in Paris 1867 sahen wir einen in der alten griechischen Colonie Cu-
mae in Gross-Griechenland ausgegrabenen grossen Bronzedolch, dessen Klinge die grösste
Aehnlichkeit mit unseren gewöhnlichen Bronzeschwertern batte 3 ).
Wir kennen noch eine andere Art von Bronzedolchen mit breiter, dünner, trinngelfor-
miger Klinge und glattem cylindrischen Griff. Sie sind im Norden nicht eben selten. Man
findet deren zwei bei Worsaae abgobildet (Nord. ülds. 143, 144) und einen bei Nilsson
(Bronzealter, Taf. II, Fig. 12). Auch in Sachsen 3 ), Süddeutschland, der französischen Schweiz,
und in der Lombardei (bei Peschiera) 6 ) sind ähnliche Exemplare gefunden. Man erkennt
in ihnen ursprünglich griechische Form. In der Waffensammlung des Musde d’Artillerie in
Paris zeigt man nicht weniger als vier solche Dolche, von denen drei aus Gross-Griechenland
stammen, einer bei Palermo gefunden ist. Abbildungen von diesen giebt Lindenschinit
a. a. O. I : H, 4; I : XI, 2. — Lacombe, welcher diese Waffe mit Bestimmtheit für grie-
chisch erklärt, giebt (PL Fig. 10) eine Zeichnung derselben; Lubbock 7 ) theilt eine solche aus
Irland mit, welche einen merkwürdigen Uebergang zu dem von Bonstetten vorgelegten
inncedonischen Typus zeigt. Dies ist um so interessanter, da man die Uebereinstimmung
der irländischen und italischen, d. i. etruskisch-griechischen Bronzen, mehr und mehr zu er-
kennen beginnt. Nilsson hält diese Dolche für jünger als die übrigen Bronzen; Gründe für
diese Annahme sind mir nicht bekannt
•) Lacombe: Le» arme» et le» armoret. Pari» 1968, pag. 40. — Vergl. auch: Lindenicbmit: die
Altertb. u. b. V. II, I, Taf. 3.
3 ) E» ist gleichwohl zu beaebten, dass Nileaon zwischen den importirten phönicischen Bronzen und den
jüngeren inländischen Nachbildungen derselben »treng unterscheidet P. Ceber».
9 ) Rougemont: L’Age du Bronze. Pari» 1866.
* ) Mortillot: Promenade» hiatoriques. p. 141.
3 ) Preu»ker: Bücke in die Vaterland. Vorzeit. 11, Taf. 3. — *) Rougemont a. a. 0. p. 227.
? J Lubbock: Prehistoric Time», p. 18, Fig. 24.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur.
15
Herr v Bonstetten setzt seine Vergleiche fort, indem er eine Lanzenspitze aus Ita-
lien aus seiner Privatsammlung mit einer eben solchen aus Dänemark (s. Worsaae: Nord.
Olds. 169) zusammenstellt; ferner einen Paalstab mit Schaftlappen aus dem Thunor-Sce mit
einem andern aus der Provinz Basilicata am Busen von Taranto (Süditalien), s. Tafel Fig. 14;
einen andern in Italien gefundenen Gelt, der am oberen Ende gleichsam in einen Stiel aus-
länft (Fig. 13), mit einem ähnlichen aus Dänemark (Worsaae a a 0. 179). Auch bei Lub-
bock (Prehistoric Times, p. 14, Fig. 9) finden wir einen eben solchen Celt aus Irland, der
sich nur hinsichtlich der Ornamente von den übrigen unterscheidet.
Wir wollen hier an den bekannten Fund in Apulien erinnern, wo ausser einer Fabrik-
stätte von Steinkeilen oder Celten ’) auch eine grosse Anzahl bronzener Gelte gefunden sind,
die hinsichtlich ihrer Form und Legirung den nordischen durchaus gleich sind 1 ).
Der letzte Vergleich, den wir dem genannten Werke des Herrn v. Bonstetten zu ent-
lehnen uns erlauben, ist der einer in Italien gefundenen Armschiene (brassard) mit einer
ähnlichen aus Mecklenburg. Es Hesse sich zu dieser Glosse von Alterthümem auch dieser und
jener Bronzescbuiuck (prydebe) des Kopenhagener Museums zählen (s. z. B. Worsaae a. a. O.
265). Auch bei Lindenschmit finden wir ähnliche Armschienen aus deutschen Fun-
den. Sie stammen sämmtlich aus Italien und dienten dazu, den Arm beim Abschiessen des
Pfeiles gegen die Reibung der Bogensehne zu schützen.
Wir wiederholen, dass die Aehnlichkeit der hier besprochenen Bronzewaffen , trotz der
grossen Entfernung der Fundorte von einander, unverkennbar und bisweilen bis in die klein-
sten Details nachweisbar ist. Diese AehnUchkeit, meint der Schweizer Forscher, dem wir
die Hauptpunkte der hier vorgelegten Vergleiche entlehnten, darf um so weniger als eine
zuläUige betrachtet werden, als es sich um Gegenstände handelt, die mit Recht als Kunst-
werke gelten können.
Finden wir hier einen unzweifelhaften Beweis für einen einstmaligen Zusammenhang der
transalpinischen Bronzecultur mit der Metallindustrie in Griechenland, so sehen wir uns doch
gemüssigt einzuräuinen, dass das Verdienst, die Bronzecultur in dem innem barbarischen Eu-
ropa begründet zu haben, nicht den italischen Griechen allein zugesprochen werden darf, in-
dem noch ein anderes Volk der italischen Halbinsel eben so grosses, vielleicht grösseres liecht
darauf hat — wir meinen die Etrusker.
Die Etrusker haben durch ihre grosse vortreffliche Metallindustrie und ihren Handel
zu Wasser und zu Lande einen so grossen Einfluss auf die Civilisation der im Norden der
Alpen gelegenen Länder geübt, dass das Verdienst, die Bronzecultur nach jener Richtung
ausgedehnt zu haben, wiederholt ihnen allein zuerkannt worden ist.
Die edlen Metalle verarbeiteten sie zu allerlei Schmuck und Toilettensachen und zwar
mit einer Meisterschaft, die derjenigen der Griechen nicht nachstand. Das Eisen , welches
*) Her Verfasser bezeichnet hier denselben Gegenstand bald als Paalstab, bald als Celt, und wendet letzte-
res sogar anf Steinkeile an. Eine positive Bezeichnung der einzelnen Geräthe und ihrer verschiedenen For-
men scheint uns, namentlich wo keine Zeichnungen vorliegen, zum richtigen Verständnis» durchaus nothwen-
dig. — Ueber din Bedeutung der Bronzekeile für die Bronieperiode ist zu vergleichen I*fr. And. Peter-
»en: Ueber das Verhältnis» des Bronzcaltcra zur historizehen Zeit bei den Völkern de« Alterthnms. Ham-
borg 1666. b. Uebera.
*) Kougemont a. z. O., p. 223.
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IC C. F. Wiberg,
ihnen schon von altorshor bekannt war, diente wahrscheinlich zu Werkzeugen für die An-
fertigung der Metallwnaren. Eine grosse Vorliebe hatten die Etrusker für die Bronze,
deren Mischung von dem Zwecke, zu dem sie verwandt wurden, wie auch von den mehr
oder minder reichlichen Zinnvorrathen abhängig war; wie denn überhaupt in der Legirung
der etruskischen Bronzen eine ungleich grössere Verschiedenheit herrscht als in jener der
griechischen.
Bei der Anfertigung grösserer Gegenstände pflegten die etruskischen Metallarlieiter an-
fangs dio Bronzeplatten auf ähnliche Weise zusammen zu nieten, wie die Sidonier; auch ver-
standen sie die Kunst der Assyrier, mittelst Hammer und Stempel die einfachen Ornamente
einzuschlagen, die wir auf ihren Vasen wahrnehmen. Der Brozeguss beschränkte sich zuerst
auf kleine Gegenstände. Grössere Sachen und die eigentlichen Kunstwerke zu giessen, lern-
ten sie erst später.
Die letztgenannten lassen wir, als ausser dem Bereich unseres Themas liegend, unbeach-
tet und erinnern vielmehr daran, dass aus der etruskischen Bronzeindustrie eine Menge Sa-
chen hervorgingen, die für das praktische Leben von unmittelbarem Interesso sind.
Unter den gegossenen Waaren dieser Art nennen wir Schwerter, Dolche, Celte,
Aexte und andere Workzeuge aus Bronze. Vasen und Hausgeräth, Schilde, Har-
nische, Helme, Blasinstrumente n. s. w. wurden aus Bronzehlech gehämmert. Wie
diese Sachen aussehen, lehrt uns ausser dem Inhalte zahlreicher Museen noch eine andere sehr
merkwürdige Fundgrube.
Ein verdienstvoller Forscher des etruskischen Alterthums, Mr. Noel Des Vergor», hat
in der alten Stadt Caere, dem heutigen Corvetri, ein etruskisches Grab aufgedeckt, welches
in mehrfacher Hinsicht von hohem Interesse ist ').
Er führt uns in einen vollkommen viereckigen Raum von 25 Fuss Länge und Breite, des-
sen schlichtes Dach von zwei Stelen oder viereckigen Pfeilern getragen wird. Ringsumher
an den Wänden sieht man Betten in den Stein gehauen, deren Kissen und Laken mit Farbe
Ubertüncht sind. Diese Betten, der Zahl nach elf und durch eben solche Pfeiler wie die oben-
genannten von einander getrennt, waren zu Ruhestätten für die Todten bestimmt; desglei-
chen einige freistehende Steinsärge in der Form eines Rechtecks und mittelst eines Deckels
verschlossen. Das Bett, dem Eingänge gegenüber, scheint für das Oberhaupt der Familie be-
stimmt und ist bewacht durch zwei in den Stein gehauene, eolorirte mythische Figuren:
einen Typhon und einen Cerberus. Wände und Pfeiler sind mit einer Menge Hausgeräth,
Werkzeuge, Möbel, Angriffs- und Sch utz wallen , musikalische Instrumente u. s. w. bedeckt,
die in erhabener Arbeit aus dem Stein gemeisselt und mit den ihnen natürlichen Farben bemalt
sind. Das Ganze bildet ein äusserst lehrreiches Museum, vor allem geeignet, uns ein treues
Bild der häuslichen Einrichtung und der Civilisation der Etrusker zu gehen.
Diese bildlichen Darstellungen erleichtern die Aufgabe, unter den Bronzefunden in Mittel-
und Nordeuropa etruskische Originale und Nachbildungen zu erkennen, und wollen wir hier-
nach zu einer Vergleichung etruskischer Fabrikate mit nordischen Fundgegen-
ständen übergehen. -
l ) L’Ltrune cl les Etruaquca. Pari» 1S62 — 1864, nebst AUas.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 17
Obgleich die Mehrzahl der bisher für ausschliesslich etruskisch gehaltenen Bronzen hin-
sichtlich ihrer Bestimmung und ihrer Formen Eigentümlichkeiten zeigen, welche sie als be-
sonders fUr dio Etrusker selbst und einige andere mit ihnen auf gleicher Cutturstufe stehende
Völker geeignet erscheinen lassen, so ist doch leicht einzusehen, dass die grossen Fabriken,
welche für den Verkauf nach dom Auslande arbeiteten 1 ), auch eine Menge solcher Waaren
liefern mussten, wie sie von den barbarischen oder halbbarbavischcn Völkern des Binnenlandes
am stärksten begehrt wurden. Es ist ferner klar, dass gleichwie unsere grossen Fabrikan-
ten noch heutigen Tages beim Exportgeschäft den Geschmack der verschiedenen Völker-
schaften zu berücksichtigen haben, so auch die etruskischen Metallarbeiter sich nach dem
Geschmacke der Barbaren richten mussten. „Diese Verschiedenheit des Styls und der Be-
handlungsweise, welche nicht allein in den Leistungen der etruskischen Keramik, sondern
auch in der Erzarbeit je nach Gegenstand und Art der Bestimmung zu Tage tritt, darf als
bekannt vorausgesetzt worden,“ sagt Lindenschmit, der über diesen Gegenstand viel ge-
dacht hat. Er erinnert daran, dass nicht allein diese Stylcontraste, sondern auch eine merk-
liche Abstufung in Hinsicht auf Sorgfalt und Geschick der Ausführung, sowohl bei tuski-
schen Arbeiten ausserhalb Italiens als bei einer Menge von Grabfunden der italischen Halb-
insel, zu Tage treten 1 ).
Unter den etruskischen Bronzen, welche nach dem Norden gelangten, haben wir bereits
früher*) auf dio in den Pfahlbauten der lombardischen Seen und in den Terraiuaralagern an
den Ufern des Po gefundenen Gelte, Meissei und Paalstäbe hingewiesen, welche den im
Norden gefundenen durchaus ähnlich sind; desgleichen auf die Bicheln, Dolche, Messer und
Lanzenspitzen und deren Scitenstücke aus den Pfahlbauten der Schweizer Seen , aus Deutsch-
land und Skandinavien. Da wir indessen hierüber bereits ausführlich verhandelt haben,
wollen wir uns nur noch einige Zusätze erlauben.
Es giebt unter den Bronzen kaum einen Gegenstand, der ausserhalb des alten römischen
Reiches eine grössere Verbreitung gefunden hätte, als die Fibeln oder Gewandnadeln. Sie
zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit der Form und dienten theils um die Kleider zu befesti-
gen, theils als Schmuck. Am gewöhnlichsten ist eine Fibula mit vertical gegen den Nadel-
dorn liegender langer Spiralfeder. Mau trifft sie im Rheinlande, in Hannover bis nach Lüne-
burg hinauf, in Hallstadt, Grossbritannien, Frankreich, Livland und Bohuslän. Linden-
schmit nimmt für diese Fibeln einen gemeinsamen und zwar altitalischen Ursprung in An-
spruch (a. a. O. IL VII, 3 und Beilage). Wir geben auf unserer Tafel die Abbildungen zweier
Fibeln von anderer Form. Fig. 11 ist in Dänemark gefunden (vgl. Worsaao Nord. Olds.
230), die andere bei Perugia im alten Etrurien (vgl. Lindenschmit: I, VIII, 3, 7). Unsere
Leser mögen selbst urtheilen.
In gewissen etruskischen Bildwerken, z. B. in den Wandmalereien von Vulci (s. Noel
des Vergers, Atlas) sicht man freilich Kriegsleute mit den bekannten kurzen, lancetttörmi-
gen Schwertern, allein es ist klar, dass die etruskischen Künstler bei der Behandlung alt-
>) „Tuttcanic* »igna per terra« düpersa.“ Plin.
*) Lindetischmit a. a. 0. II, VIII, Beilage.
*) IViberg a. a, 0. S. 19 u. ff.
Archiv für AothropoLoft«. IM. IV, Heft L 3
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C. F. Wiberg,
griechischer Stoffe auch die altgriechische Bewaffnung treu darstellen mussten. Auch ist
immerhin möglich, dass etruskische Waffenschmiede bisweilen derartige Schwerter fabricirt
haben. Es giebt übrigens etruskische Schwerter von ganz anderer Form, die z. B. in den
Wandmalereien von Caere Vorkommen (N. d. Vergers a. a. O. PI. I — III).
Diese Schwerter sind, so viel sich aus der Farbe schliessen lässt, theils von Eisen oder
Stahl, theils von Bronze, einige mit der Scheide, andere ohne und messen, insoweit die Länge
sich überhaupt berechnen lässt, 2 Fuss 7 Zoll. Sie sind zweischneidig, ungefähr zwei Drittel
ihrer Länge gerade und danach in eine Spitze auslaufend, sonach der römischen Spatha
ähnlich, ein Typus, der sich wahrscheinlich aus dem etruskischen Schwert entwickelt bat.
Unter den transalpinischen Bronzeschwertern nähern sich viele dieser Form. Wir geben hier
die Abbildung eines solchen Schwertes von Caere, die eines etruskischen Bronzeschwertes
von Hallstadt und eines dritten, wenn wir nicht irren, in Schweden gefundenen (vgl.
Figg. 21 bis 23).
Es ist bekannt, dass die Römer ihre musikalischen Instrumente, z. B. die lydische Metall-
trompete und die phrygische Doppelflöte von den Etruskern erhielten. Erstere wurde lituus
genannt und es sind deren gefunden, an welchen das Schallende hakenförmig gebogen ist.
In dem Grabe von Caere bemerkt man sowohl diese wie die halbzirkelformigen. Drei in
Dänemark gefundene Bronzehömer finden wir bei Worsaae (Nord. Olds. 15(9 — 201), und bei
Nilsson ein ebensolches ans einem Torfmoore in Schonen. Sie sind S-förmig, oder wie
Nilason sich ausdrückt: gekrümmt wie das Horn eines Auerochsen 1 ). Die Hornisten des
K ivik- Monuments tragen hingegen nach der von Nilsson mitgetheilten Zeichnung halb-
zirkelformige Hörner. (Vgl. Bronzealter S. 9 und Taf. 4, Fig. 50, S. 145.) Sowohl die nordi-
schen als die etruskischen Hörner sind aus mehreren Stücken zusammengesetzt und die dä-
nischen obendrein am Mundstücke mit einer Reihe angehängter Zierbleche versehen, wie
man deren unter den Hallstädter Bronzen findet. Die nordischen Hörner zeichnen sich über-
haupt durch feine, geschmackvolle Arbeit aus, weshalb ihr etruskischer Ursprung nicht zu
bezweifeln ist.
Auch auf die bekannten Bronzewagen müssen wir hier noch einmal zurückkommen.
Ihren etruskischen Ursprung und ihren Gebrauch als Räucherfäaser haben wir bereits dar-
gethan*) und sind nach einem eingehenderen Studium des trefflichen Werkes von Dennis*) in
unserer Meinung nur bestärkt worden. Dieso 0-uuiorrjpts, wie die Griechen sie genannt haben
würden, sieht man in allen Sammlungen etruskischer Altorthümer und in fast allen etruski-
schen Gräbern , woselbst sie einem bestimmten Zwecke dienten. Diese Wagen mit ihren mit
glühenden Kohlen und Räucherwerk gefüllten Schalen wurden nämlich durch die Grabkam-
mer gerollt, um diese mit Wohlgerüchen zu füllen, eine Ceremonie, die namentlich bei den
Parentalien stattfand, welcho alljährlich in dem Grabe selbst gefeiert wurden. Es ist wahr-
’) Kt verdient Beachtung, den, so weit ans bekannt, alle gefundenen Bronzehörner nicht am Gräbern,
sondern an» Mooren oder beim Pflügen au Tage gefördert wurden. Vgl. „Das Ausland“ 1868, Xro. 32, S. 751;
Meckl. Jahrbücher I und III; Friedr. Francisc. Taf. IX. D. Cehert.
*) Wiberg a. a. 0. S. 22.
Dennis; Die Städte and Ilegräbnisspliitze Etruriens. Leipzig 1852, S. 594, Not. 67.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur.
scheinlich, dass diese Wagen aus den geplünderten Gräbern Etruriens zur Zeit der Völker-
wanderung als Kriegsbeute nach Norden, bis nach Skandinavien bin&ufgebracht sind.
Durch den Handel werden sie schwerlich eine so weite Verbreitung gefunden haben.
„Wenn wir in Etrurien Goldfabrikate finden, obgleich dies Edelmetall kein Product des
Landes ist“ — sagt N. d Vergers a. a. O. S. 255 bis 258 — „wenn wir dort Bernstein aus der
Ostsee finden, Elfenbein aus Afrika, Zinn von den Kassiteriden, Purpur aus Tyrus, Vasen und
Amphoren von jener eleganten Form und Reinheit der Zeichnung, welche den griechischen
Künstler charakterisiren , so sind die« eben so viele Zeugnisse für die ehemaligen Handels-
verbindungen dieses Landes.“ Mit dem verschlossenen Aegypten, ja mit dem fernen Indien
sollen die Etrusker Handel getrieben haben, wie der Verfasser aus dem Reichthum an Sma-
ragden schliesst, womit sie ihre Halsketten zu zieren pflegten und die sic vor anderen Stei-
nen liebten.
Die orientalischen Handelsverbindungen der Etrusker, ihre orientalische Herkunft, als
Emigranten aus dem alten Lydien, mit dessen Bevölkerung sie hinsichtlich ihres Geschmackes,
ihrer Kunst, Religion, Sprache 1 ) und Sitten manche Gemeinschaft haben, erklären jene
orientalischen Eigenthümlichkeiten , die wir in der Bronzecoltur zu erkennen glauben. Es
ist indessen nicht der etruskisch-orientalische Handel, auf den wir hier unsere Aufmerksam-
keit lenken wollen. Für unsere Aufgabe ist es wichtiger, uns nach weiteren Beweisen um-
zusehen, welche den europäischen Handel der Etrusker und die Verschickung der Fabrikate
etruskischer und griechischer Metallindustrie nach den nördlich von den Alpen gelegenen
Ländern, ausser Zweifel stellen.
Hier kommen uns die Aussagen klassischer Schriftsteller und interessante Funde zu
Hülfe. Pindar und Herodot sprechen von der heiligen Strasse des Herakles, die von
allen umwohnenden Völkern geschützt und geschirmt wurde, Polybius weiss, dass zur Zeit
als die Tyrrhener, welche von den Griechen Etrusker genannt werden, noch in der Po-Niede-
rung wohnten, zwischen ihnen und den benachbarten Kelten (Galliern) lebhafter Handels-
verkehr gepflogen wurde. Angelockt durch di© Fruchtbarkeit de« schönen Landes, liberfie-
l ) Die etruskische Sprache ist weder ein phönicischer noch semitischer Dialect and die Etrusker sind keine
Semiten, wie von Nilsson behauptet worden ist (a. a. O. 8. 31). Ich bin von einem sonst ausser*! wohlwol-
lenden Recensenten meines „Einfluss der klassischen Völker auf den Norden“ etc. (s. Altgr. Monatsschrift 1868)
getadelt worden, dass ich aus dieser von meinem gelehrten Landsmann gegebenen Auskunft keinen Nutzen
gezogen, sondern die etruskische Sprache, dio nunmehr, Dank sei es deutschem Fleias und deutscher Gelehr-
samkeit, erschlossen, trotzdem eine uns verschlossene genannt habe. Ich bedauere, diese Freude nicht
theilen zu können, weil sie mir verfrüht erscheint.
Es ist allerdings wahr, dass ein Deutscher, Namens Stickel, nach französischer Anregung ein Buch ge-
schrieben hat, betitelt: „Das Etruskische durch Erklärungen von Inschriften und Namen als semitische Sprache
erwiesen. Leipzig 1858.*, und dass sich mehrere Gelehrte seinen Ansichten angeschlossen haben. Allein es
ist auch wahr, dass er viele angesehene Gegner hat. Unter diesen nennen wir vor allen und zwar als Auto-
rität: Fabrotti, welcher in seinem grosseu Wörterbuch altitalischer Sprachen sub voce EULAT sagt: de
hac re nihil apta argumentatione concludunt interpretes, nec feliciores sunt, qni voces ctruscas graviter repe-
tunt a radicibua hebraicis. Die grosse Verschiedenheit der üebersetzung, welche die Semitisten uns von dem
hier fraglichen Sprschmntiument geliefert (es ist die Rede von einer ziemlich umfangreichen Inschrift anf
einem im Jahre 1822 bei Perugia gefundenen Säulcnstumpf), beweist, wie wenig auf die Erklärung dieser ge-
heimnisvollen Sprache zu bauen ist. — Ein neueres Gerücht, es sei dem bekannten Grafen Conestabile ge-
lungen, den Schlüssel znr etruskischen Sprache in bilinguen Inschriften zu finden, hat sich nicht bewahrheitet.
S*
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20 C. F. Wiberg,
len sie ohne eigentlichen Grund die ahnungslosen Tynrhener mit einem grossen Kriegsheere,
vertrieben sie aus der Po-Ebene und nahmen selbst Besitz von dem Lande (Hist. II, 17. 19).
Diese Eroberung ward fortgesetzt von 600 bis 391 v. Chr. , weshalb man den etruskisch-kel-
tischen Handel bis in das 6. Jahrhundert v. Chr. zurück verlegen darf.
Horaz (Epist. H, 2, 180) singt von kleinen etruskischen Bronzefiguren, „tyrrhena si-
gilla,“ dem gewöhnlichen Schmuck in den Häusern der Reichen. Plinins erzählt, dass die
etruskischen Bronzen über alle Länder verbreitet waren: „signa tuscsnica per terras dis-
persa“ Und wenn er Hist. Nat. XXXIV'. VH, 16 ausdrücklich sagt, dass dieselben in Etru-
rien fabricirt wurden, so haben wir darin ein kostbares Zeuguiss für den wichtigen Antheil,
den die etruskische Metallindustrie an der Verbreitung der Bronzecultur nach dem west-
lichen Europa gehabt hat.
Grosse Aufmerksamkeit verdient, was auch v. Bon stetten (a. a. O. S. 9) hervorhebt,
dass in den Alpenpäasen Funde aus dem sogenannten Bronzealter gemacht worden sind. So
z. B. hat man, wie v. Bonstetten uns mittheilt, auf der Grimsel in den Berner Alpen
zwei Lanzenspitzen von Bronze gefunden, und auf dem Julier im Oberhalbsteinthaie in Grau-
biindten verschiedene andere Gegenstände desselben Metalls Aus welchem andern Grund
als dem der Handelsinteressen würde man zu jener Zeit mit so kostbaren Waaren über die
Alpen gezogen »ein!
Ein anderer Schweizer Alterthumsforscher, den wir bereits als einen Anhänger der An-
sichten Xilssons hinsichtlich eines phönicischen Handels und phönicischer Ansiedelungen
im Norden genannt haben, kennt nichtsdestoweniger einen alten etruskischen Handolswcg
von Norditalien ins innere Europa, den er jedoch von der Nordküste des Adriatischen Mee-
res Uber den Brenner bis nach Rügen führt. (Rougemont a. a. O. S. 143, 235).
Wir haben früher darauf hingewiesen •)■ dass die zahlreichen etruskischen Funde in der
Schweiz und im MoBelgebiete , mehrentheils Kunstwerke von unbestritten etruskischer Ar-
beit, den deutschen Archäologen Prof. Lindenschmit zu der Behauptung veranlassten , es
habe schon vor der Romerherrschaft am Rhein ein etruskischer Handelsweg durch jenes Ge-
biet gen Norden geführt Wir traten dieser Ansicht aus voller Ueberzeugung bei, weil sie
die einzig vernünftige Erklärung der etruskischen Bronzefunde in unseren Gegenden möglich
macht, und wollen wir <liesem Punkte nur die Bemerkung hinznfiigen, dass dieser Handel
sich unser» Bedünkens nicht auf etruskische Waaren zu beschränken brauchte, indem kein
Grund vorliegt, warum die Erzeugnisse der Metallindustrie, welche derzeit im südlichen
Theile der italischen Halbinsel, dem sogenannten Gross-Griechenland, ttorirte, davon aus-
geschlossen werden sollte.
Es gilt hier die Strasse zu zeigen, auf welcher dieser griechische Handel, möge er nun
von Hellas oder Gross-Griechenland ausgegangen sein, sich nach dem innere Europa be-
wegte. Adria, welches dem Adriatischen Meere seinen Namen gegeben, und Pataviom, «las
heutige Padua, sind bekannt als Stapelplätze für den vom Norden kommenden und für den
Weitertransport nach südlicheren Landern bestimmten Bernstein, vielleicht auch für das Zinn
’) Wiberg >. s. 0. S. 18.
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lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 21
von «len Kassiteriden. Dahingegen ist Altinum als Stapelplatz für die aus Süditalien kom-
menden und nach dem Norden destinirten "Waaren bekannt. Vom 8. Jahrhundert v. Chr.
an war das Adriatische Meer die Hauptstrasse für die Korinther und deren Colonisten, die
Korcyräer, auf ihren Fahrten gen Norden und wahrscheinlich auch für den Seeverkehr Gross-
Griechenlands und Siciliens.
Der Reichthum an Kupfer, welcher das alte Bruttium auszeichnete, lockte erst die Phö-
nicier 1 ), danach die Griechen zur Anlage einer Colonie an der Küste, wo mit der Zeit eine
Metallindustrie aufblühte, die sich Uber die japygischo und apulische Küste ausdehnte. Ta-
rentum, Brundusium, des auf Sicilien gelegenen Syracusae nicht zu erwähnen, besessen, nach
Plinius, ansehnliche Fabriken für die Bronzeindustrie (Plin. XXXIII, XXXIV, ed. Sillig).
Wir erwähnten bereits , dass an der Küste von Apulien Bronzecelte gefunden seien , die den
nordischen gleichen, und dass auch die Mischung der Metalle dort der im Norden gleich sei,
nämlich */io Zinn und */io Kupfer (Rougemont a. a. O. p. 224, 236). Es heisst, Brundusium,
das griechische Brentesion und das heutige Brindisi , sei der Mittelpunkt für diese Industrie
gewesen, und Plinius berichtet an zwei Stellen, dass aus den Brundusinischen Werkstätten
Spiegel aus einer Mischung von Kupfer und Zinn hervorgingen, die als die schönsten und
besten geschätzt wurden, bis man in der Glanzperiode Pompejis Spiegel aus Silber anfertigen
lernte (XXXIII, 30 u. 50). Bronzene Spiegel gingen weit nach dem Norden hinauf, wo sie sogar
auf der Insel Oeland in alten Gräbern gefunden sind. Durch ihren ausgezeichneten Hafen
eignete sich die Stadt Brundusium vortrefflich zum Ausschiften von Metall waaren , welche
nach dem Norden versandt werden sollten.
In» 8. Jahrhundert v. Chr. wurden die griechischen Colonien in Süditalien gegründet,
oder richtiger: sie gewannen damals eine solche Ausdehnung, dass dieser Theil der Halbinsel
den Namen Gross-Griechenland erhielt. In den beiden darauf folgenden Jahrhunderten lern-
ten die Griechen von den Lyiliem in Sardes die Kunst des Metallgiessens. Man kann dem-
nach nicht wohl die gross-griechische Metallindustrie über das 6. Jahrhundert v. Chr. hinaus-
schieben.
Die etruskischen und griechischen Bronzen, welche wir in Mittel- un«l Nordeuropa antref-
fen, waren, nachdem sie von der adriatischen Küste längs den Ufern des Po auf verschiede-
nen Strassen über die Alpen gelangt, längs dem Rhein, dem Inn oder der Donau, nach ihrem
jeweiligen Bestimmungsort gekommen. Sio dienten anfnngs nur, das Gelüsten der Barbaren
nach blanker Zier oder einer guten Waffe zu befriedigen ; später erhielten sie höhere Bedeu-
tung als Vorlagen oder Muster, nach welchen die Barbaren selbst zu arbeiten begannen. So
entstanden an verschiedenen Orten des innern Europa dio vielen Bronzewerkstätten , von
denen man noch heutigen Tages in gewissen Anhäufungen von gegossenen Waaren, Guss-
abtällen, Gussformen u. s. w. Spuren gefunden haben will.
Es ist begreiflich, «lass diese Waffenschmiede selbst mit dem besten Willen nicht immer
den klassischen Typus in seiner Vollkommenheit treu nachzubilden vermochten, vielmehr in
Versuchung geriethen, zu ändern und zu carikiren, der eine so, der andere so — wodurch
>) Movers: Die Phfinicier, II, 2, 342 u. ff.
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22 C. F. Wiberg,
denn die Eigentümlichkeiten der Fabrikate in don verschiedenen Ländern entstanden
sind, bedeutend genug, um sofort in die Augen zu fallen, aber doch nicht so gross, dass
man nicht durch die verderbte Form den reinen klassischen Typus herauszuerkennen
vermöchte.
Es dürfte nicht überflüssig sein, hier einige Proben dieses Individualisirungs-Processes in
der Bronzecultur vorzulegen. Und da ziehen zunächst die merkwürdigen Hallstädter Funde
unsere Blicke auf sich.
Wandern wir von dem alten Adria nordwärts , längs dem durch seine etruskischen und
griechischen Funde ausgezeichneten Etschthale, danach eine Strecke durch das Innthal und
auf irgend einer Alpenstrasse ins Salzburgische und weiter ins Salzkammergut in Oberöster-
reich, so erblicken wir am Fusse eines 6000 bis 7000 Fuss hohen Berges, am Ufer eines an-
mutbigen, eine Meile langen Sees, den kleinen Markt Hallstadt 1 ).
Wir befinden uns nun in dem alten Noricum, dem Lande der keltischen Taurisci, dem
einstmaligen Wohnsitze der Alauni — insofern dieser Name nicht richtiger Halauni geschrie-
ben wird. Derselbe weist, gleich dem davon abgeleiteten Hallstadt, auf die Salzsiedereien
hin — vgl. das griechische als — welche hier ausser dem Bergbau und einer bedeutenden
Metallindustrie von altersher betrieben worden sind.
Auf einem heidnischen Begräbnissplatz in der Nähe des Marktes sind in den Jahren
1847 bis 1864 über tausend Gräber geöffnet und ausser den verbrannten und unverbrannten
Leichenresten gegen G000 Antiquitäten zu Tage gefördert worden. Wir waren vor einigen
Jahren so glücklich , die bedeutendsten dieser Fundstücke im k. k. Münzen- und Antiken-
cabinette in Wien in Augenschein nehmen zu können.
Diese Alterthümcr, die, wie mit vieler Wahrscheinlichkeit angenommen wird, aus den
nächsten 500 Jahren vor Christi Geburt herstammen , bilden hinsichtlich des Stils gewisser-
massen ein Zwischenglied zwischen den Bronzen des Südens und des Nordens. Wir finden
dort Schwerter , Dolche , Brustplatten , Gürtel , Zierbleche , Ketten , Fibeln, Arm-, Finger- und
Ohrringe u. s. w., verschiedene andere Schmuck- und Toilettesachen, Nähnadeln, Angel-
haken u. s. w., grössten thcils von Bronze, Bernstein und Glas; Kessel, Schalen, Vasen und
andere Gefasst) von Bronze; bronzene Deckel mit prachtvollen Thierzeichnungen, bisweilen
im alten etruskischen Stil; endlich Werkzeuge von Bronze und Eisen.
Viele von diesen Sachen verrathen etruskischen Ursprung; dio meisten scheinen jedoch
Producte einer an Ort und Stelle heimischen Industrie zu sein, welche nach etruskischen Mu-
stern arbeitete’). Die verschiedene Legirung beweist nichts gegen eine solche Nachbildung
— wie von einigen Forschern behauptet worden — selbst dort nicht, wo man dem Kupfer
Nickel zusetzte und dadurch eine den Etruskern und Griechen unbekannte Bronzemischung
erzielte.
Man hat ferner gesagt, dass die Hallstädter Bronze den Grabfunden im Donaugebiete
und in der Schweiz am nächsten stehen. In der Schweiz bieten sowohl die Pfahlbauten als
•) t. Sacken: Da» Grabfeld von Hallstedt. Wien 1868; nnd Simony: Die Altcrthilracr vom Hallstidler
Salzberg. Wien 1851.
>) Morlot: Quelques remarques eur Mallstadt, in Mortillet’s Matvrianx etc. 1865.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 23
die Grabfunde interessante Analogien. Am fernsten sollen sie den nordischen Bronzen
namentlich den skandinavischen stehen.
Wir erkennen dieWichtigkeit dieses Urtbeiles an, insofern es sich auf die Producte der
an Ort und Stelle sich entwickelnden Metallindustrie beschränkt Es ist indessen zu berück-
sichtigen, dass man sowohl im alten Noricum als in Skandinavien Bronzen findet, die von
einer vollendeten Technik und von einem so edlen, reinen Geechmacke zeugen, wie wir ihn
bei den einheimischen Arbeitern jener Zeit nicht voraussetzen können.
Gehen wir über die Donau, das Marchfdd hinauf, nach Böhmen, dem alten Wohnsitze
der Quaden und Markomannen und weiter eine Strecke die Elbe hinunter, so, finden wir noch
manche Spuren jener Metallindustrie, die wir in Hallstadt aufblühen sahen. Armbänder
und Üew&ndn&deln scheinen zwar bisweilen noch rein italischen Ursprunges zu sein; die
Form des griechischen Schwertes aber ist entstellt und geht alsbald io die breite Spatba-
Form über 1 ).
In Ungarn bleiben die Schwerter dem griechischen Typus treuer, obwohl derselbe ziem-
lich stark carikirt ist. Die ungarischen Bronzeschwerter zeichnen sich aus durch Uebertreibung
der Formen und Dimensionen’).
Schlagen wir dahingegen einen andern Weg ein: von dem obern Lauf des Po Uber den
grossen St. Bernhard, durch die Schweiz, das Rheinthal hinab, so finden wir auf diesem Wege
— die eigentlichen Kunstwerke unberücksichtigt lassend ■ — eine Menge kleiner Bronzen,
welche als aus den etruskischen und griechischen Werkstätten Italiens hervorgegangen zu
betrachten sind.
Wir werden uns hier ausschliesslich an die Bronzeschwerter halten, überzeugt, dass
das Resultat, zu dem wir in Betreff ihrer Verbreitung nach dem Norden kommen werden, im
Grunde wenn nicht für alle, doch für die meisten nach Norden geführten Bronzen gelten darf.
Dass eine heimische Bronzcindustrie in den Spuren der vom Süden zu uns herauf gedrunge-
nen sich nach und nach bei uns entwickelt, hnben wir bereits zugestanden.
Am See Viverone in der Provinz Ivrea ist ein Bronzeschwert gefunden*), ohne Griff
zwar, aber mit derselben spathaförmigen Klinge, die wir in dem Grabe von Caere finden und
als etruskischen Typus bezeichnet haben. Im Pfahlbau bei C'onciee im Neüfchüteller-See
fand man ein Bronzeschwert mit vierfach gerippter Klinge und einem Griff, welcher in zwei
einander gegenüberstehende Spiralen ausläuft*). Ein drittes, bei Bex im Waadtlande gefun-
denes, ist dem vorbenannten in allen Einzclnheiten gleich, nur sind die Spiralwindungen
durch einen Metallknopf vereinigt. (Lindcnschmit I. III, 3.)
Gehen wir das Rheinthal hinunter, so finden wir dort mehre Schwerter desselben Typus,
doch ohne Spiral verziei-ung an» Griffende. Sie kommen vor in Karlsruhe, Worms, Mainz und,
mit dem griechischen Typus abwechselnd, am Rhein und Main, in Baden, WUrtemberg, Hes-
sen, bis nach Hannover hinauf. (Lindenschmit I. III, 3.)
Vergleichen wir diese Bronzeschwerter mit den Hallstädtern und anderen aus österrei-
ü Wocel: Böhmuche Alterthomtkunde. Prag 1816, Tsf. Ilf. — Preuskcr a. a. U. II, Taf. III.
*) Kenner: Chronik der archäologischen Funde in der öeterreichiechen Monarchie 1856 bi« 1858, S. 127 a.ff.
’) Zur. Mitth. XIV, 1, Taf. II, Fig. 22.
*1 Zür. Mitth. VIII, 2, 3, Taf. III, Fig. 36, dem Hefte unterer Fig. 23 nicht unähnlich.
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C. F. Wiberg,
chischen und mitteldeutschen Funden, so kann es unserni Auge nicht entgehen, dass diejeni-
gen des Rheinlandes von so vollendet schöner Form und Arbeit sind, dass wir sie nicht für
Producte oiner heimischen, halbbarbariscben Industrie halten können, sondern sie aus den
italischen etrusko-griechische» Waffenfabriken herleiten müssen.
Nach einer genaueu Prüfung der in den Ostsecländern (Pommern, Mecklenburg und Skan-
dinavien) gefundenen Bronzeschwertern glauben wir von diesen dasselbe behaupten zu dürfen.
In Pommern sind mehrere Bronzeschwerter von etruskischem Typus gefunden worden;
ob auch vom griechischen, ist uns nicht bekannt In Mecklenburg kommen beide vor; viel-
leicht der griechische am häufigsten. Man bemerkt oftmals zwischen den Verzierungen de«
Heftes gewisse Vertiefungen , die mit einem Kitt ausgefüllt gewesen sind. Obwohl diese Art
häufig im Norden vorkommt, gehört sie ihm doch nicht ausschliesslich an, weil ähnliche
Exemplare auch anderswo, z. B. in Schlesien und Baiern gefunden sind. Die Füllung bestand
aus Kupferasche und wohlriechendem Harze 1 ). — Lindenschmit I I, 2; L VH, 2. — Meck-
lenb. Jahrb. 1865, S. 150 u. ff.
Dänemark ist reich an Schwertern beider Art, die tbeils im Lande gefunden , tlieils von
Schonen herüber gekommen sind. Abbildungen derselben findet man in dem Atlas der Nord,
antiquar. Gesellschaft und bei Worsaae: Nord. Olds. Nro. 121 — 137.
Die Nilsson’s Werke beigefügten Zeichnungen in Schweden gefundener Bronzeschwerter
berechtigen zu dem Ausspruche, dass unter ihnen und den ihnen nacbgebildeten Dolchen der
griechische Typus vorherrscht Von diesen Zeichnungen sind Fig. 1 bis 5 nach Originalen aus
dem Museum in Stockholm, 7 und 8 aus dem Museum zu Lund (Bronzeulter Taf. 1 und 2).
Von Schwertern etruskischen Typus besitzt das erstgenannte Museum nur ein Exemplar
(s. Nilsson, Fig. 6, und unsere Taf. Fig. 23). Es ist sehr gerade und wie die etruskischen
allmälig in eine Spitze verlaufend, und am Griffende mit den oben genannten Spiralen ver-
ziert. Das Museum in Lund besitzt zwei ähnliche Klingen, von welchen die eine der Länge
nach mit bogenartigen Figuren verziert ist (Nilsson, Fig. 9 und 10.)
Die Beschaffenheit der Form, Arbeit und Legirung, wenn nicht aller, doch der meisten
dieser Schwerter, ist der Art, dass wir klassische Ahnen für sie beanspruchen müssen.
Es ist mehrfach beobachtet worden, dass etliche ßronzegegenständo hinsichtlich der Rein-
heit des Stils und der Schönheit der technischen Ausführung desto höher stehen, je höher
hinauf nach Norden sic gefunden wurden. Da es indessen ungereimt sein würde, für Däne-
mark und die Länder südlich der Ostsee, welche woder Kupfer noch Zinn besitzen, eine
Bronzeindustrie mit vollendeten technischen und artistischen Kräften anzunehmen, wie sie
für Mitteleuropa erwiesen ist, so müssen wir diese Thatsache als die Folge einer directeren
und länger fortgesetzten Handelsverbindung mit dem Süden betrachten, wo, wie wir gesehen,
eine ausgezeichnete Industrie der Art florirt*.
: ) Heber die „Kmaillirang“ der Bronzen , die Bestandtheile de« farbigen Kittes und die in Gräbern der
Bronzezeit (nach Liech nur in Urnen au« «päterer Zeit) gefundenen Harzkuchen u. ». w. «ind zu vergleichen:
Mccklenb. Jahrb, 33. Jahre., S. 131 u. 132 und Aarböger f. Otdkyndh. v. Hist. 1SG8 H. II, S. 116, 119, 121.
Der Gegonztand verdient eine genaue, umfassende Untersuchung. Dass die Composition der Masse eine «ehr
ungleiche ist, lehrt schon ein einfacher Scbmelzungsvcrsuch. Gleichartige Bestandtheile des Kitte« bei gleich-
artig verzierten Bronzen desselben Stils aus verschiedenen Landern wurden den Schlüssen auf einen gemein-
samen Ursprung derselben grössere Sicherheit verleihen. 1). Uebert.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 25
Es ist ferner beobachtet worden, dass die Bronzecultur im Norden keine allmälige Ent-
wickelung verräth, sondern plötzlich in schönster Vollendung auftritt und dass überhaupt die
ältesten Bronzen die schönsten sind, — eine neue Bestätigung des von uns hingestellten
Satzes, dass nämlich diese Bronzen von einem fremden, in technischer und künstlerischer Be-
ziehung hochgebildeten Volke nach* dem Norden gelangt sind. Es liegt darin andererseits
der Beweis, dass die jüngeren schlechteren Fabrikate Copien sind, in welchen eine junge hei-
mische Industrie ihre Kräfte versuchte.
Für den Umfang dieser Industrie des Aiterthums in den verschiedenen Ländern sind die
Gussformen besonders lehrreich. In Skandinavien sind solche Formen zu Celten, Sägen,
Messern, Paalstäben oder Meissein und Knöpfen gefunden '). Es leidet sonach keinen Zwei-
fel, dass die Gegenstände, die in diesen Formen gegossen werden konnten, wirklich im Nor-
den angefertigt worden sind. Dasselbe gilt von den Lanzenspitzen , die mit den Guaanähten
gefunden sind (Worsaae a. a. O. 212). Als ein skandinavisches und norddeutsches Fabrikat
möchten wir auch die mit Drachschiffen , Sonnen, Monden und Sternen verzierten kleinen
bronzenen Kasirmesser betrachten *) (Worsaae, 171 bis 175; Lindenschmit II. III, 3, Fig. 7
bis 9), eine Ornamentik, die kaum anderswo als in der Nähe des Meeres benutzt sein wird
(Tafel Fig. 25). Wir führen dies nur beispielsweise an.
Auffallend dünkt es uns, dass bisher im Norden keine Gussform für Schwerter gefun-
den ist. In Italien hat man die Guasform für solche Schwert griffe gefunden wie sie aus den
Funden im Rheinlande bekannt sind (Tafel Fig. 5 und 6). Es scheint, dass dieser Zweig der
Bronzeindustrie hier noch keine Wurzeln geschlagen hatte, als die anbrechende Eisenzeit dem
Nordländer wenigstens zum Theil andere Waffen und namentlich auch andere, vollkommnere
Werkzeuge in die Hände gab.
Ein wichtiger Ein wand gegen unsere Ansicht, betreffend den griechisch-etruskischen Ur-
sprung der Bronzecultur, liegt in dem Ausspruch, dass das in den Ländern im Süden der
Ostsee (Mecklenburg) aus den Gräbern der Bronzezeit ans Licht geforderte Gold und Kupfer
wenigstens zum Theil die grösste Aehnlichkeit mit dem Gold und dem Kupfer des Uralgebir-
ges zeigt, wo man in der That Spuren ehemaligen Bergbaues angetrotfen hat*). Demnach
müssten diese Bronzen durch Russland nach dem Baltischen Meere hinauf gebracht sein.
Diese Behauptung trifft indessen nur einen Theil der dortigen Bronzen und wir tragen kein
Bedenken, diese aus der alten griechischen Colotiie Olbia zu verschreiben, deren grosse Be-
deutung für die Civilisation der Ostseeländer man zu erkennen beginnt. Olbias pontiseb-
baktriseber und pontisch-baltischer Handel eignete sich vortrefflich zum Transport dieser
Bronzewoaren von Osten nach Westen, vorausgesetzt, dass die Bewohner ihnen die griechische
Legirung und griechischen Formen gaben oder geben lieBsen, welche diesen an der Ostsee-
’) Aarböger f. Nord. OMkyndt. v. Hist. 18CS, H. II, S. 129. — Antiquarisk Tidsk. of Nord. Oldskr. S. 1656
bis 1857. S. 66.
x ) Warum der Verfasser gerade diese zum Theil sebr schön verzierten kleinen Messerchen für inländisches
Fabrikat hält, ist nicht wohl einzusehen, ds Schiff»- und Schlangen- oder Drachenomamentc auf den griechisch-
etruskischen Vasenbildern oft genug Vorkommen. Das Schiff auf dem Tafel Fig. 26 ahgehildeten Rasirmesser
erscheint geradezu als eine mangelhafte Nachbildung eines solchen anf einem GefäB» aus der Feoli’schen
Sammlung in Rom. Vgl. Gerhard: Griech. Vasenb. hauptsächl. etrusk. Fundortes. Tafel CCLXXXV und
CCLXXXVI. D. l'ebers.
7) Lindenschmit 1.11, Fig. 10 Lis 12. *) Worsaae: Om Slesw. cller Sondcrjpüands Oldtidsminder, p, 4t.
Archiv für Anthropologin, IUL IV, Hoft I. 4
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2G C. F. Wiberg,
küste gefundenen Bronzewaaren eigen sind. Wir sind geneigt, diese griechische oder halb-
griechische Metallindustrie in nahen Zusammenhang mit der Nutzung der reichen Schätze an
Gold, Kupfer und Zinn zu setzen, welche der Kaukasus in seinem Schoosse trägt und die schon
früh die Aufmerksamkeit der Griechen auf sich zogen (Rougemont a, a. O. 8. 87). Wir füh-
len uns bei dieser Untersuchung unwillkürlich hingezogen nach diesem reichen Gebirgslande,
wo die Waffen der Männer und zum Theil auch der Schmuck der Frauen noch jetzt gewisser-
massen an die Form und Ornamentik des Bronzealters erinnern '). Es entgeht uns nicht, dass
wir uns hier in einem Lande befinden, welches einstmals das Material für eine noch ältere
Bronzecultur lieferte, deren Spuren jetzt ans den Ruinen des alten Ninive und an den Ufern
der grossen Zwillingsflüsse in Vorderasien zu Tage treten.
Herr Prof. Nilsson legt, um den phöniciscben Ursprung der Bronzecultur zu beweisen,
grosses Gewicht auf die Ornamentik der Bronzewaaren. Er nennt sie eine geometrische,
weil sie aus geraden und krummen Linien bestehen, die zu geometrischen Figuren gebogen
oder zusammengesetzt sind. Der gelehrte Verfasser führt folgende Zusammensetzungen an:
1. Die Spirale.
2. Der Uebergang von der Spirale zum Ringe.
3. Der Ring, einfach, doppelt, mehrfach verdoppelt und mit oder ohne Punkt in der Mitte.
4. Das Rad.
5. Der Bogen.
6. Die Zickzacklinie, einfach und doppelt.
7. Die Raute oder der Rhombus, einfach, doppelt oder dreidoppelt. (S. das Bronze-
alter, S. 4.)
Die Liste scheint uns nicht vollständig. Wir glauben schon allein für den Norden noch
folgende anfügen zu müssen :
8. Die doppelte Spirale.
9. Die wellenartige Verzierung.
10. Das Schiffs-Ornament.
11. Das Drachen-Ornament.
12. Die punktirte Linie.
Mit Hinzuziehung ausländischer Bronzen würden wir diese Liste noch um einige Figuren
bereichern können. In der Anwendung sind es begreiflicherweise oftmals die Zusammenstel-
lung dieser Elemente und deren Proportionen zu einander und dem Gegenstände, den sie zie-
ren sollen, welche für die grossere oder geringere Schönheit desselben maasgebend sind.
Die phönicische Ornamentik bestände sonach aus einer mehr oder minder geschmack-
vollen Zusammenstellung der genannten Linien und Figuren.
Um den sich dawider erhebenden Zweifeln entgegen zu treten, wäre es richtig gewesen,
einige anerkannt phönicische Bronzen vorzulegen und zu zeigen, daas dieselben mit den
') Vereachaguine: Voyage dam le« provincea duCaucaae in „Le Tour da Monde“ 1863, p. 192, 193 , 206.
— Gilles: Lettrea aur le Caucaae, p. ISS o. ff., spricht von der Vorliebe der Kaakiaier für ihre alten Waffen
und dem Geschick und dem edlen Geschmack der Waffenachmiede. Diese Waffen sind jetzt allerdings ton
Stahl und Eisen.
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Uebcr den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 27
fraglichen Zierformen geschmückt sind. Sollte es indessen — wie es unsere Ueberzeuguug
ist — keine anerkannt phönicischen Bronzen geben ') , so hätte auf andere Gegenstände aus
der Hinterlassenschaft der Phönicier, auf welchen man die fraglichen Zierformen wahrnimmt,
hingewiesen werden müssen. Wäre auch dies nicht ausführbar, so hätte ans irgend einem
Schriftsteller des klassischen Alterthums der Beweis geliefert werden sollen, dass nach dessen
Ausspruch die Phönicier ihre Metallfabrikate derartig zu verzieren pflegten. Von allem die-
sen ist nichts geschehen.
John Lubbock sieht gerade in dem Charakter der ornamentalen Formen der Bronze-
waffen und Gerätbe einen starken Beweis gegen Nilssons Lehre von dein phönicischen Ur-
sprünge der Bronzecultur. „Sie bestehen fast ausschliesslich in geometrischen Figuren; selten,
wenn überhaupt jemals, bemerken wir auf ihnen Darstellungen von Thieren und Pflanzen,
während auf den von Homer beschriebenen verzierten Schilden u. s. w. und in den decora-
tiven Elementen in Salomo’s Tempel Pflanzen und Thiere reichlich vertreten waren“ (Lub-
bock: Prehistoric Times p. 49). Man darf diesem Zweifel Lubbock ’s hinsichtlich der Iden-
tität der nordischen Bronzen-Ornaroeutik mit der phönicischen ohne Bedenken beitreten,
namentlich wenn man gleich uns überzeugt ist, dass es niemals einen Stil gegeben, der
mit Recht als phönicisch hat bezeichnet worden oder mit Recht den Phöniciern
hat zuerkannt werden können.
Rdnan, der bis jetzt das grösste Verdienst um die Erforschung des phönicischen Alter-
thums hat, versichert 1 ), dass die Denkmäler und Alterthümer, welche man in Phönicien fin-
det, nichts weiter sind als Anleihen und Copien von anderen Nationen. Die Phönicier ha-
ben von den Aegyptem entlehnt, von der assyrischen Kunst und deren Abart, der persischen.
Die assyrische und persische Cultur waren von der Hochebene Irans und den Ufern des Ti-
gris westwärts bis ans Meer und in die Anatolischo Halbinsel vorgedrungen, wo sie nicht nur
treue Spiegelbilder der eigenen Cultur, sondern auch andere neuere Culturformen hinter-
liessen, die wir die phrygische, lydisebe und lycische Civilisation nennen können. Alle diese
„Civilisationen“ offenbaren eine gewisse Selbstständigkeit, während die phönicische Cultur
nur auf Kosten ihrer mächtigen Nachbarn lebt Schon vor Alexander geriethen die Phö-
nicicr sowohl im Mutterlande als in den Colonien unter den Einfluss griechischer Kunst und
griechischen Geschmacks, welcher Einfluss mächtiger als jeder andere und nach und nach
ebenso gewaltig wie die siegreichen Waffen des Feindes, zur Vernichtung der phönicischen
Nationalität beitrug.
Was für ein selbstständiger nationaler Kunststil Hesse sich denn auch erwarten auf die-
' t Vgl. Fetcrscn: l'eber das Verhältniss des Bronzealters z. hält. Zeit etc., S. 14. D. Uehers.
*) Renan begleitete bekanntlich im Aufträge des Kaisers Napoleon dio französische Expedition na'ch
Syrien (ISflO — 1861). Mit Hülfe der Oihciere und Mannschaft wurden auf den wichtigsten Punkten, z. B. in
Byblus (Gehalt . Sidon (Saida), Tyrue (bür). Aradus (’Ruad). Marathus (Amrit) u. s. w. systematische Auagrabun*
gen betrieben. Die zu Tage geförderten Alterthümer bestanden hauptsächlich in Bauüberresten und deren
Ornamenten, Grabkammern, Sarkophagen, auf freiem Felde stehenden Grabdenkmälern, Schreinen für Götter-
bilder [««), Felscnbildcrn , Altären, Steinen mit phüniciechen Inschriften, menschliche Häupter nnd Löwen-
bilder darstellenden Scolpturen u. a. w. Die Resultate dieser grossartigen Arbeit hat Renan in einem Pracht-
werke niedergelegt: La Mission de Phenicie, Paris 1661. nebst Fortsetzung. Dies allen Freunden des Atler-
thums bekannte Werk antiqnirt alle früheren, namentlich Gcrhard’s nach schlechten Vorlagen bearbeitetes
Werk über phönicische Kunst.
4 *
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28
C. F. Wiberg,
sem schmalen Landstrich von kaum 100 Quadratmeilen, an einer felsigen Küste, deren Be-
völkerung ihre ganze Kraft dem Handel, der Schifffahrt und der Industrie zu wenden musste!
Die Gräber der Phönicier sind von ganz anderer Bauart als die der Griechen und Etrus-
ker. Es sind meistens lange, in den Felsen gesprengte Gänge, Katakomben, in die von oben
eine Trep]>e hinabführt. Ringsum an den Wänden sind reihenweise über einander eine Menge
backofenformiger Oeffnungen angebracht, gerade gross genug für die Leichen, die hinein-
geschoben wurden. Bisweilen findet man auch Nischen für Steinsarkophage darin, die neben
oder Uber einander gestellt wurden. Sie erinnern an die Gräber der Aegypter, der Juden
und der ältesten Christen. Es war bei allen semitischen Völkern Braucli , die Todten unver-
brannt zu bestatten, eine Sitte, welche später von den Christen beibehalten wurde •).
Rönan meint in den Gräbern der verschiedenen phönicischen Städte einen bestimmt
ausgeprägten Unterschied der Bauart zu erkennen und unterscheidet, je nachdem er solche
in Byblus, Sidon u. s. w. gefunden, einen byblitischen, sidonischen u. s. w. Stil. Bei näherer
Untersuchung der Sache finden wir, dass der Unterschied hauptsächlich darin besteht, dass
am einen Orte der ägyptische, am andern der assyrische Stil vorherrscht. (Rdnan a. a. O.
S. 206.)
Was wir hier von den Katakomben gesagt, gilt auch von den in denselben freistehenden
Sarkophagen. Unter dreizehn, die wir im Museum des Louvre zählten, waren einige in
ägyptischem, andere in assyrischem Stil, ln Sidon entdeckte die französische Expedition
eine bedeutende Anzahl, von denen jetzt einige im Original im Museum des Louvre auf-
gestellt sind, andere abgebildet in Rdnan’s Prachtwerk Taf. LIX u. LXI. Sie haben alle
die Form einer Scheide (gaine) und jedes unbeschädigte Exemplar zeigt am Kopfende das
Haupt eines Aegypters oder Assyrers in halbem Reliof. Für den bei den Phöniciem herr-
schenden vollständigen Mangel an Originalität des Geschmacks und Stils im höchsten Grade
bezeichnend ist es, dass der sidonische König Eachmunazar sein Ruhebett in einem Sarkophag
von Syenit erhalten hat, der, wie Material und Arbeit bekunden, in Aegypten gemacht wor-
den und dass der König selbst auf dem Deckel als Aegypter dargestellt ist, wiewohl eine
an dem Monument angebrachte phönicische Inschrift seine phönicische Geburt und die hohe
Würde, die er in Phönicien bekleidete, ausser Zweifel stellt, (VgL Wiberg a. a. O. S, 25.)
Diesen Mangel an Originalität sollte man am wenigsten in solchen Dingen erwarten,
welche zum Handelsgebiete gehören, und trotzdem verräth er sich auch da. Wie nahe liegt
0 Man sollte denken, data die Phönicier, wenn eie durch Colonien im Norden die llronzocultur begrün-
det, dort auch ihre Begrübnissbraucho eingeführt hätten. Nun aber herrscht zwischen den phöniciachen Grä-
bern und denen der Bronzezeit ein himmelweiter Unterachied.
Man wird einwenden, daaa daa Volk der Bronzeperiodo nicht immer aeine Todten verbrannte, die Aeche
in Urnen thet und dieae in dem Grabhügel beisetzte; daes ea vielmehr ein älterea Bronzealter gab, wo man
die Leichen unverbrannt in den alten Steinkammem des Steinalters beiaetzte, in langen Steinkisten, hölzernen
Sergen, Todtenbänmen o. e. w Wir antworten, daaa dieser Einwand die erwähnte Verschiedenheit der Grä-
ber nicht anfhebt.
Es scheint ein charakteristischer Zng der arischen Völkergruppe au sein, die Wohnungen der Todten denen
der Lebenden möglichst treu nachzubilden nnd dem Verstorbenen Waffen, Werkzeuge, Schmack — alles was
ihm im Leben nützlich, nothwendig nnd theuer war, ina Grab zu legen. Wir finden diesen Brauch, dem wir
manchen wichtigen Blick in die alte Zeit und alten Sitten verdanken, nicht nur in den einfachen Gangbauten
im Norden, sondern auch in den oft mit grosser Pracht ausgeatatteten Gräbern der Etrusker und Griechen.
Bei den Phöniciern eher findet sich nichts dem Aehnlichea.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 29
die Annahme, dass das erste Handelsvolk der alten Welt, dasselbe Volk, welches zuerst das
Silber als allgemeines Tausclnnittel und als Werthmesser in den Handel einführte, seinen
Münzen ein nationales Gepräge verliehen ! Dies war gleichwohl nicht der Fall. Griechische
Kunst und griechischer Geschmack behielten die Oberhand, so dass z. B. carthagischc Münzen
das Bildniss griechischer Gottheiten und daneben phönicisclie Inschriften tragen (Tafel Fig. 24).
Das Wenige was wir von der Ornamentik in Pbönicien wissen — wir umgehen den
jedenfalls unberechtigten Ausdruck „phönicische Ornamentik“ — lernen wir aus Rdnan’s
trefflichem Werke und den dazu gehörenden mit grosser Sorgfalt ausgeführten Abbildungen.
Der genannte V erfasser giebt uns mehrere Proben einer Zierform , die wir nach ihm als
„Treppenomament“ (ornement ä gradins) bezeichnen möchten. Es besteht in von einem
ebenen Plan treppeuartig aufsteigenden Linien , die sich mit jedem Absätze näher rücken und
endlich zu einer Pyramide vereinen. Diese Treppenpyramide finden wir angebracht an dem
obern Rande phönicischer Altäre in Byblus, Marathus und Aradus; in grösseren Proportionen
auf einigen Grabdenkmälern, welche die Reichen sich auf freiem Felde errichten Hessen; in
den Ruinen von Petra; in den Terracotten von Constantineh und auf dem Gebiete des alten
Karthago (Rönan, p. 161).
Dies Treppenoraament ist nicht selten mit einer Blumenleiste verbunden. Welche unter
der Basis und parallel mit derselben hinläuft. Wir finden es auf den phönicischen Bauresten
des alten Byblus und auf den Gewändern assyrischer Krieger , wie man sie auf den ReHefbil-
dem von Ninive dargestellt sieht. Auf unserer Tafel Fig. 15 geben wir eine Probe dieser
Verzierung nach Rdnan Taf. XX.
Es darf indessen nicht verschwiegen bleiben, dass die Originalität — wenn wir den Phö-
niciern überhaupt eine solche zutrauten — auch hier nur eine scheinbare ist Das Motiv ist den
grossen assyrischen Festungswerken entlehnt, was wir im Musöe Assyrien du Louvre auf einem
aus dem Palaste Koyundjik nach Paris geführten BasreUef zu entdecken Gelegenheit hatteD.
Ein anderes auf antiken Bronzen häufig angebrachtes Ornament: die doppelte Spirale
(Tafel Fig. 20), würden wir gern als Eigenthum der Phönicier erkennen, da Rdnan uns die
Zeichnungen zweier kleinen mit diesen Figuren geschmückten Gegenstände giebt, die nachweis-
lich in Phönicien gefunden sind: ein Scarabäus und ein Amulet, beide am Hafen in Qebal,
dem alten Byblus, gefunden. Wir sehen uns indessen gemüssigt, auch für diese ägyptischen
Ursprung zu beanspruchen, weil das Amulet mit einem Henkelkreuz geschmückt ist, das aus
dem ägyptischen Alterthum genugsam bekannt und als ein Symbol des Lebens aufgefasst ist.
Uebrigens stimmen die Windungen der Spiralo auf dem Amulet nicht genau mit denen un-
serer antiken Bronzen. (Tafel Fig. 16, 20.)
Die Entdeckungen in Phönicien bestätigen Lubbock’s oben erwähnte Ansicht hinsicht-
lich der Gewohnheit der Phönicier, die Elemente ihrer Ornamentik aus der Thier- und Pflan-
zenwelt zu entlehnen. Dieser Gewohnheit huldigten die phönicischen Künstler sowohl, wenn
sie im assyrischen Stil arbeiteten, als wenn sie sich dem ägyptischen anschlossen. Sie kenn-
zeichnet die älteste Zeit und den hier vorliegenden Renaissancestil , welcher in die Zeit der
Antoninen und selbst in die christliche Zeit hineinreicht. Als ein Beispiel was die älteste
Zeit in dieser Beziehung zu leisten vermochte, können wir (He Katakomben von Byblus und
Sidon nennen, deren innere Räume mit Blumen auf weissem Grunde bemalt sind ; ferner
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C. F. Wiberg,
einige Sarkophage, deren Deckel mit Ranken, Kränzen, Blättern, Ochsen- und Löwenköpten
geschmückt sind. (Rdnan a. a. O. Atlas passim).
Löwenbilder, freistehend und als architectonisches Ornament, sind nicht selten, kommen
aber auch in Assyrien häutig vor. Vielfach sieht man auch sogenannte vooqpopoi, Priester-
statuen, die einen Schrein mit Götterbildern tragen; oder einen leeren vaöj oderThebah oder
„Arche“ aus Stein mit einer Borde von Blättern oder anderen Pflanzentheilon (Rdnan, Atlas
PI. IX, X). Bisweilen findet man diese Figur in den Felsen gehauen, das Bild eines jagenden
Mannes oder eines trauernden Weibes umrahmend. Man will hier griechischen und gar
etruskischen und cvpriotischen Stil erkennen. (Ibid. PI. XXXI, XXXIV, XXXVIII etc.) Ge-
wiss ist, dass nicht alles pbönicisch ist.
Einen Beweis, daas der Geschmack an Darstellungen aus dem Thier- und Pflanzenreiche
sich bis in die Renaissanceperiode erhielt, liefert eine zwei französische Meilen von Tyrus ge-
fundene sehr schöne Mosaik, deren Anfertigung in christlicher Zeit durch eine griechische In-
schrift bestätigt wird. Auch ist augenscheinlich, dass sie unter dem Einflüsse griechischen
Kunstgeschmackes entstanden ist. Wir finden sie bei Rdnan, Taf. XLIX.
Auf diese Angaben fussend, können wir getrost behaupten, dass die Phönicier der das
Bronzealter charakterisirenden geometrischen Ornamentik vollkommen fremd
waren, und deshalb ist jeder Versuch, den Bronzen ihrer geometrischen Zierformen wegen
einen phönicischen Ursprung beizumessen, durchaas unberechtigt.
Beben wir uns jetzt um , ob wir die Quelle dieser Ornamentik anderweitig zu entdecken
vermögen.
Die Grundelemente der dem Bronzealter eigenen Ornamente finden wir
bei den Griechen, namentlich während der archäischen Knnstperiode und bei
den Etruskern. Zu dieser Ueberzeugung gelangten wir während eine« Aufenthalts in Paria
1807, wo sich die Gelegenheit bot, sowohl im Louvre als in der mit der kaiserlichen Biblio-
thek zusammenhängenden antiquarischen Sammlung verschiedene Studien zu machen.
Wir sahen dort einige Thongefasse der genannten Kunstperiode (vases primitifs grees),
unter denen eine mit Nro. 4709 bezeichnete Vase mit dunkelbraunen Zeichnungen auf gelb-
braunem Grunde unsere Aufmerksamkeit ganz besonders fesselte. Der Leser findet Tafel
Fig. 8 eine Abbildung des obem Theiles dieser Vase, nach einer Zeichnung, welche ein Freund
voriges Jahr ftir uns anzufertigen die Güto hatte. Der untere Theil bietet nichts Merkwür-
diges und trägt nur einige parallel mit dem Boden rings um das Gefäss laufende schlichte
Linien ; der obere Theil dahingegen zeigt uns, reihenweise über einander stehend, gerade die-
selben Verzierungen, die wir an unseren nordischen Bronzen wahrnchmen , und ausser diesen
noch einige andere bekannte Figuren. Wir sehen da die Zickzack- und Uebergangslinien,
den Kreuz- und Pendelstab, ein anderes Ornament, welches aus zwei gegen einander gekehr-
ten Winkehnaassen besteht, und zwei Irisvögcl. Man vergleiche diese Zierformen mit denen '
au den Griffen der nordischen Bronzeschwerter, Figg. 2, 3 und 4, und an dem griechischen
Schwerte, Fig. 18.
In derselben Sammlung bemerkten wir an einem grossen Krater dieselben Drachenzeicb-
nuugen oder S-fÖrmigen Figuren, die wir so häufig an den Rasirmessern und Bronzeschalen
der Bronzezeit in Dänemark und an der Südkilste der Ostsee wahrnehmen.
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Ueber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur.
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An anderen Vasen bemerkten wir Zeichnungen vierfüssiger Thiere und zwischen diesen
aufgehängte Kränze. Wir nennen besonders eine Weinkanne, olvo%6rj , mit zwei Reihen con-
centrischer Ringe am Halse , darunter durch Kränze geschiedene Löwen und Böcke. Diese
Kanne gehört unzweifelhaft derselben Zeit an wie die vorige und weist gewissennassen hin
auf die Bronzezeit.
Wir legen Gewicht auf vorstehende Notizen, weil sie nicht allein Licht über den Ur-
sprung der Bronzecultur werfen, sondern ausserdem einen wenn auch noch so schwachen An-
halt hinsichtlich der Zeit gehen *), hinter welcher zurück dieselbe nicht wohl nach Norden ge-
langt sein kann. Die Nothwendigkeit gewisser Vorbehalte bei einer derartigen Zeitbestim-
mung räumen wir gern ein, weil bei einer solchen Berechnung der Einfluss, den die Etrusker
auf die nordische Bronzecultur geübt, nicht ausser Acht gelassen werden darf.
Die alten etruskischen Gräber enthalten übrigens nicht nur etruskische, sonderft auch
griechische Alterthümer, und da beide oft sehr ähnlich sind, so hält es schwer, zu unterschei-
den was griechisch, was etruskisch ist. Jedenfalls dürfen wir behaupten, dass sich auch bei
den Etruskern, und vielleicht am häutigsten bei ihnen, die Ornamentik der Bronzezeit nach-
weisen lässt. Dass sie die Spirale zur Verzierung ihrer Grabgefasse an wandten, bezeugen die
Haus- und Cylinderurnen , welche bekanntlich im Jahre 1817 im alten Latium im Albaner
Gebirge unter einer Peperinschicht gefunden wurden. Wir haben an anderem Orte ausführ-
licher darüber gesprochen und wollen hier nur noch die Abbildung einer dieser Urnen brin-
gen (s. Tafel Fig. 19)*), deren etruskischer Ursprung durch die in den Gefassen gefundenen
etruskischen Kleinigkeiten bezeugt ist. (S. Wiberg a. a. 0. S. 22.)
Einen gewissen Anhalt bezüglich des Alters und der Herkunft der Pariser Vase gewinnen wir — in-
sofern äussere Uebereinstimmung der Form. Ornamentik u. s. w. zu Schlüssen auf gleiches Alter und Her-
kommen eines Gegenstandes berechtigt — durch ein zweites dem vorbenannten ähnliche« Gefäss, dessen Alter
eich annähernd bestimmen lässt. Es wurde von L. Ross aus Thera heimgebracht und befindet eich jetzt im
Prindsen-Palais in Kopenhagen. Eine Abbildung dieser Vase finden wir bei Conze: Die Melischen Thon-
gefässe, als Vignette unter dem Text. Sie ist ans sehr grobem hellgelben Thone mit brauner Bemalung,
circa 74 Ctm. hoch und 45 Ctm. im weitesten Durchmesser. Der untere Theü ist wie bei der oben beschrie-
benen mit schlichten rings um das Gefass parallel laufenden Linien verziert; der obere Theil mit denselben
geometrischen Ornamenten: Spirale, Zickzack, Ucbergangsünie, Mäander, Raute u. s. w.; nur herrscht mehr
Mannigfaltigkeit in der Combination der Linien und sind die Vögel (Ibis? — Gerhard bezeichnet diese Vö-
gel als Krnniohe) zu vieren gruppirt. — Conze hält diese Vase aus Thera für gleichzeitig mit den von ihm
gezeichneten und erläuterten Meliüichen Ge fassen , die von übereinstimmender Form , aber mit Menschen- und
Tbiergestnlten geschmückt sind, und findet in den ornamentalen Formen , sowohl in den organischen als den
geometrischen, assyrische Anklänge. Melos war vor den Doriern von Phöniciern bewohnt. Hatten diese
aus assyrischer Kunst geschöpft, vererbten sie was sie gelernt auf die Griechen und sind diese als Lehrmei-
ster der Etrusker zu betrachten oder hatten letztere selbst an der Quelle geschupft? Sind dieso Vasen von
den Phöniciern angefertigt, so bteibt auffällig, dass keine derartig verzierten Fabrikate in Phönicien gefunden
worden sind. Der Grund, dass sie als kluge Kaufleute die werthvollen Sachen nicht in die Erde vergruben,
sondern lieber zu Gelde machten, ist uns nicht ganz einleuchtend, da man, wenn nicht die Gegenstände selbst,
doch die zu ihrer Verschönerung übliche Ornamentik an den Altären, Denkmälern etc. des Landes zu finden
erwarten dürfte. Eine Zusammenstellung der bekannten geometrischen Zierformen unserer antiken Bronzen,
die uns noch frappanter scheint als die der hier genannten Vasen, finden wir auf den Mänteln zweier „Brett-
spieler - (Achill und Ajax) auf dem Gegenhilde eines Prachtgelasses des Exekias im Vatican. — S. Gerhard:
Etruskische und Campanische Vasenbilder, Berlin 1843, Taf. E, Fig. 23, S. 46; desgleichen auf den von Ger-
hard herausgegebenen griechischen Vasen hauptsächlich etruskischen Fundortes, namentlich auf den Zeich-
nungen eines Ruhekissens. (Bd. 2, Taf. CVIII.) D. Uebert.
2 ) Lindenschmit I. X, Taf. 3. Fig. 3.
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C. F. Wiberg,
Als eine Eigentümlichkeit, die bei der Untersuchung der Vasen- und Wandmalereien
der etruskischen Gräber sofort in die Augen fallt, sei noch erwähnt, dass die Etrusker die zahl-
reichsten Beweise für ihren Einfluss auf die Ornamentik des Bronzealters auf ihren Kleidern
tragen.
Die Zickzacklinie zum Beispiel, die zwar auch auf etruskischen Vasen und den Wand-
malereien der Grabkammern Vorkommen, findet man doch am häufigsten als Kante der etruski-
schen Tuniken und Togen, wo indessen auch die Ringlinie und die punktirtc Linie angebracht
sind. Auf den Vaeenbildem sieht man den Eierstab und die Wellenlinie als Querränder
der Kleiderstoffe ■). Die Griechen lieben zu diesen Zwecken vorzugsweise die Mäander-
borde (A la griscque) und zeigen sich in der Erfindung neuer Zierformen unerschöpflich und so
vielseitig, dass es schwer halten würde, dieselben zu untersuchen, was übrigens für unsere
Aufgabe auch ganz unnütz ist.
Es wäre indessen ein Irrthum, wenn man annehmen wollte, dass die Etrusker diese Zier-
rathe nur auf ihren Kleidern anwandten: man findet sie ebenso häufig auf etruskischen
Bronzen. Vor uns liegen die Zeichnungen von Armbändern, Halsbändern, einer Fibula und
eines anderen unbekannten Schmuckes , alle reich verziert mit der einfachen, doppelten und
schraffirten Zickzacklinie oder abwechselnd mit einfachen und doppelten Randlinien, Ring- und
Mäanderloisten, Bandzierrathen und Zeichnungen von zwergartigen Wesen und fabelhaften
Thieren (Italie ancienne I, pl. 18).
Es ist viel geredet und geschrieben worden über die tiefe Mystik , die der einfachen Or-
namentik der Bronzen zu Grunde liegen soll. Wir verstehen uns nicht auf diese Dinge, glau-
ben indessen vom genetischen Standpunkt eine Erklärung finden zu können. Am leichte-
sten erklärt man diese Figuren, wenn man sich entschliesst , sie als Verkürzungen gewisser
auf etruskischen und griechischen Kunstwerken vorkommenden decorativen Elemente zu be-
trachten — als eine Anleihe des Kupferschmiedes von dem Künstler!
Die concentrischen Ringe sind nach unserer Erklärung nichts anderes als die Kränze, mit
welchen die Alten bei ihren Mahlzeiten und Trinkgelagen ihre Wände und Triclinien zu
schmücken liebten. Die Ringe mit dem Punkt in der Mitte dürften ursprünglich nichts an-
deres vorstellen sollen als das auf etruskischen Vasen so häufig vorkommende menschliche
Auge; das vierspeichige Rad ist eine Verkürzung der antiken Biga, wie aus den gallischen
Münzen hervorgeht, auf welchen der Künstler eine Biga hat anbringen wollen, aber sichtlich
die grösste Mühe gehabt hat, sie einigermassen kenntlich zu machen*). Die bogenförmige
Verzierung ist aus dem in der griechischen Architectur so oft vorkommenden Eieretabe ent-
standen und die Spirale aus der Voluta der jonischen Säule oder aus den in den Ornamenten
der Alten häufig vorkommenden Rankenverzierungen. Wir legen übrigens kein Gewicht aut
diese Muthmassungen und geben sie nur als solche. Eines glauben wir jedoch behaupten zu
dürfen: dass nämlich die geometrische Ornamentik der Bronzezeit ihre Wurzeln in
einer organischen hat*).
•) Vgl. die Abbildungen bei Nocl dei Vergers, Dennis und in der Italie ancienne im Cnivtre pit-
toresque.
*) Meyer: Beschreibung der in der Schweiz aufgefundenon gallischen Münzen. Zur. Mitth. XV. I.
Gegen diesen Anstpruch liease sich manches einwenden. Ee fehlt in der Kunstgeechichte nicht an Bei-
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Uebcr den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultur. 33
Wir müssen zugeben, dass eine solche Verkürzung und Verstümmlung ein Frevel an der
Kunst ist; allein hier handelte es sich weniger um den Schönheitssinn, als um das Verlangen
nach Gewinn. Für den Verkauf an die halbbarbarischen Völker Mittel- und Nordeuropas mussten
die italischen Bronzeschmiede ihren Waaren ein prunkendes Aussehen geben, und dazu eig-
nete sich die geometrische Ornamentik ganz besonders. Sachen von wirklichem Kunstwerlhe
kamen nicht an den Markt, schon aus dem einfachen Grunde, weil die Barbaren solche Dinge
nicht zu schätzen wussten. Dahingegen ist sehr wohl glaublich, dass die an den Bronzen
angebrachten Verzierungen oft als Zaubermittel oder Schutz vor bösem Zauber von den Bar-
baren in Ehren gehalten wurden, da in ihren Augen alle schöne Kunst gewisserniassen als
Zauberkunst betrachtet wurde. Von ihrem Gesichtspunkte könnte man sonach den Zierrathen
wohl eine symbolische Bedeutung beilegen, obwohl sie von den civilisirten Völkern jener Zeit
kaum als solche geachtet sein werden.
Man hat der Bronzecultur einen orientalischen Ursprung zuschreiben wollen. Auch wir
sind geneigt, einen solchen einzuräumen — aus erster Iland, oder insofern man die Etrus-
ker und Griechen als die nächsten Vermittler dieser Cultur für Mittel- und Nordeuropa aner-
kennen will. So aufgefasst, liegt die Frage bezüglich des orientalischen Ursprungs der Bronze-
cultur eigentlich ausser dem Bereich unserer Aufgabe. Wir erlauben uns deshalb nur hier
daran zu erinnern, dass, wie viel auch die Griechen und Etrusker von den Phöniciern gelernt
haben mögen, es doch nicht diese, sondern die Völker Kleinasiens: die Lydier und Phrygier,
sind, welche sic als ihre Lehrmeister anerkennen.
Wir wollen hier noch ein paar Anmerkungen beifügen.
Ungeachtet aller Lobeserhebungen , welche Homer den Phöniciern wegen ihrer grossen
Ueborlogcnheit in der Bearbeitung des „Kupfers“ — hier der Bronze — zollt, scheint, was
die griechisch-italischen Völker in der Metallurgie vbh ihnen profitirten, doch Dicht weit her zu
soin. Die vergleichende Sprachforschung liefert nämlich der Archäologie auf diesem Gebiete das
unwiderlegliche Resultat, dass den arischen Völkerstämmen schon vor ihrer Berüh-
rung mit den Semiten die wichtigsten Metalle bekannt waren.
Man darf mit voller Gewissheit annchmen — sagt Max Müller in seinen Vorlesungen
über die Wissenschaft der Sprache (II , 22) — dass die arischen Stämme vor ihrer Trennung
Gold, Silber und noch ein drittes Metall: das Kupfer, in mehr oder minder vermischtem
spielen, dass ein Volk, welches in Arabesken nnd ähnlichen Ornamenten Vorzügliches leistete, in der Darstel-
lung von Menschen and Thicren kaum über die sogenannten „Plankenbilder“ hinaus kam, Dass zu einer be-
friedigenden Darstellung sachlicher Gegenstände eine grüsaero Hebung des Auges und der Hand gehört, be-
stätigen die Erfahrungen der eigenen Kindheit. Gegen die Ansicht des Verfassers spricht auch, dass man —
um in seinem Sinne zu reden — die Originale und die verkürzten oder verstümmelten Copien oft auf dem-
selben Bilde neben einander findet: neben dem Thier* oder Menschonaugo die concentrischen Hinge; die ein-
fachen Sterne, Kreoze neben den künatlich verschlungenen u. s. w. — Conze sieht auch in dieacn Grund-
mustern (den Sternen, Blumen, Hingen, Rosetten, Kreuzen etc.) assyrische Elemente. Ob ihnen allen symbo-
lische Bedeutung zu Grande liegt, ist schwer zu segen. Bezchtenswerth ist immer, dass namentlich da# Kreuz
sich aus urarischer und vielleicht noch älterer Zeit bie in die Gegenwart als religiöses Symbol erhalten hat;
seihst bei den Chinesen lässt ob sich als Zeichen der Ehrfurcht neebweisen und hierin finden wir einen Ile-
weis gegen diejenigen Gelehrten, welche das erweiterte Hakenkreuz als vier verschlungene Mäander erklären
wollen. (Vgl. Müller: Religiae Symboler. Kjöbenbavn 1861.) D. Uebcre.
Archiv für Anthropologie, 1*1. IV, Heft I. 5
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34 C. F. Wiberg,
Zustande gekannt haben; dos Eisen ist ihnen dahingegen erst nach der Trennung bekannt
geworden. Er stützt diesen Satz durch den Umstand, dass die Arier das Wort für die Be-
zeichnung der erstgenannten drei Metalle aus dem heimischen Sprachschätze, ihrem gemein-
samen Eigenthum, geschöpft haben, wohingegen das Eisen von jedem arischen Volksstamme
mit besonder™ Namen benannt ist.
l>as Zinn, dies zur Herstellung der edlem Bronze unentbehrliche Metall, tritt bei den
indo-europäischen Völkern unter verschiedenen Namen auf, die hauptsächlich aus zwei Quel-
len entspringen und in Bezug auf die Herkunft des Gegenstandes auf zwei entgegengesetzte
Weltgcgendcn hinweisen: Indien und Britannien.
Wir könnten die eine dieser Quellen die indo-griechische nennen, aus welcher das in-
dische Kastira und das griechische xaodiieQog entspringen, beide Zinn bedeutend. Essei hier
bemerkt, dass die Versuche, Indien jeglichen Antheil an der ältesten Zinnproduction abzuspre-
chen, um. sie ausschliesslich auf Cornwallis zu beschränken, uns keineswegs fremd sind. Es
war hierzu nötbig, die Inder ihre Benennung des Zinns aus der griechischen Sprache entleh-
nen zu lassen. Dieso Versuche sind indess durch Pictet (Los Origines indo-europeennes,
Paris 1859, I, p. 177), als durchaus verfehlt, für immer verworfen worden. Er belehrt uns zu-
gleich darüber, dass es im Sanskrit nicht weniger als dreissig verschiedene Benennungen für
Zinn und Zinn und Blei zusammen giebt, ein Wortreichthum, der sich schwer mit der von den
Semitisten vorausgesetzten Unbekanntschaft der alten Inder mit der Sache vereinen lässt.
l>er zweiten Hauptquelle der Bezeichnungen des hier genannten Metalls müssen wir den
langen Namen der kelto-germnnisch-lateinischen geben. Dieselbe giebt uns aus den keltischen
Formen ystaen (kymrisch), stean (komisch), stdan, sten, stin (armorikanisch) , stan, stain (ir-
ländisch) und staoin (ersisch), das lateinische Wort stannum (italien. stagno, span, estafio,
portugies. estanho, franz. dtain) und auf der andern Seite die germanischen Formen tin (alt-
nord., dän., engl.), tenn (schwcd.) und das deutsche Zinn, dem sich lithauisch cinnas und pol-
nisch cyna anschliessen. Dieser Derivationsversuch hat zum wenigsten den Werth, dass er
uns in Cornwallis den vornehmsten Productionsort desjenigen Zinns kennen lehrt, welches in
Westeuropa verbraucht wurde, womit wir jedoch die einstmalige Zinnproduction in Spanien
und an der Westküste Galliens keineswegs in Abrede stellen wollen.
Nach diesen Untersuchungen bleibt nicht viel mehr von den Phönicicrn zu holen. Wir
kennen mit Sicherheit nicht mehr als zwei Wörter auf diesem Gebiete, für die wir unleugbar se-
mitischen Ursprung annehmeu können. Es sind die griechischen Wörter fihaklov und Oaxxia.
p/raAAoi', von dem wir den Gesammtnamen für Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Eisen u. s. w.
ableiten, bedeutet in der griechischen Sprache ursprünglich „Grabe“, „Stollen“. Es kann mit
Sicherheit von dem hebräischen Verbum hpc (Mathai), schmieden, abgeleitet werden. Ebenso
stammt das griechische Verbum daxxiu, sichten, durchschlagen, ohne Zweifel von dem gleich-
bedeutenden hebräischen Zeitworto ppz (ZaQaQ) und ppt (SaQaQ). Es Hesse sich hiernach
muthmassen, dass die Griechen ihre Grubenterminologie von den Phöniciem entlehnt haben.
(Rdnan: Histoire gdndrale des langucs sdmitiques. Paris 1863, I, 206.)
Ob das lateinische Wort Marcus, Hammer, mit dem hebräischen Zeitwerte p-yo (MaRaQ),
poliren, zusarnmenliängt, wollen wir nicht entscheiden; erinnern jedoch daran, dass das he-
bräische Vnp (B'dil), Zinn, Blei, von dem man das griechische iiülvßSog hat herleiten wollen,
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lieber den Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzeeultur. 35
und das griechische xQvadg, das von dem hebräischen -pTn (Charuts) , Gold, herstammen soll»
beide vollgültige arische Wurzeln haben. Ebenso unbarmherzig rauben die vergleichenden
Sprachforscher der Theorie von dem phönicischen Ursprünge der Bronzeeultur die Stütze,
welche sie in dem Versuche finden konnte, das griechische Wort xccOfltrtpo; von dem semiti-
schen r -p y pp abzuleiten, welches seinerseits als ein Derivat aus dem Sanskrit erkannt ist.
(Pictet a. a. O.)
Um den Phöniciem indessen allo mögliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wollen
wir nicht verschweigen, dass diese sprachlichen Untersuchungen sich zu ihren Gunsten wen-
den, sobald es sich um die Namen der Edelsteine handelt. Das griechische iäöxig, lateinisch
jaspis, stammt unbestritten von dem hebräischen nurri (Jasch’päh); das griechische aiattpiiffog
von dem hebräischen 1-09 (Sapphir); das griechische pdpuydog oder efidgaySog von dem he-
bräischen rppr 1 Harnij.it), wobei gleichwohl zu beachten ist, dass die erste griechische Form
dem primitiven indischen Marakata näher steht u. s. w. (Rdnan a. a. O.) Die Hache erklärt
sich dadurch, dass die edlen Steine erst durch den Handel der Fhönieier zu den Griechen ge-
langten und dass diese, wie später die anderen Völker im Westen, den ausländischen Kost-
barkeiten die Namen Hessen, unter welchen sie sie von den fremden Kaufleuten bekommen
hatten. Man hat übrigens gefunden, dass diese Namen, welche den fremden Ursprung der
Edelsteine bekunden, nicht im Homer Vorkommen und folglich nicht früher auftreten kön-
nen, als im 8 . Jahrhundert v. Chr., über welchen Zeitpunkt hinaus ein solcher Handel sich
demnach nicht wohl erstrecken kann, (Rena n a. a. O.)
Nachträgliche Bemerkung der Rcdaction.
Zur Unterstützung der von Herrn Professor Wiberg zuerst von allen nordischen Ge-
lehrten ausgesprochenen Anerkennung des altitalischen Ursprungs vieler skandinavischen
Bronzefunde vermögen wir seiner Abhandlung einige weitere bestimmte Nachweise anzu-
schlicascn , auf welche es zur Feststellung dieser Thatsache vor Allem ankommt. Merkmale
etruskischen Styls der Metallarbeit sind bei einer Anzahl gerade sehr wichtiger Gegen-
stände des Kopenhagcner Museums für Jeden der sehen will unverkennbar. Unter den
Waffen bieten namentlich die Erzschilde und von den übrigen Geräthen einige Erzgefüsse
ganz bestimmte Zeugnisse für ihre Ueberlieferung aus dem fernen Süden. Es lassen sich die-
selben zunächst an den Verzierungen des Schildes Nro. 203, Worsaae nord. Oldsager (Af-
bildninger 149), nachweisen. Die runden Buckeln, welche sich nuf der platten Schildfläche
erheben, finden sich weiter bei keinen andern in Dänemark entdeckten Erzgeräthen, als bei
den grossen Tromjieten, Lurer, Nordisk. Oldsager Nr. 199 und 201 (Afbildninger 147),
und zwar auf den Scheiben, in welche die Schallöffnung mündet. Ganz abgesehen, dass die
Trompete überhaupt nach den übereinstimmenden Zeugnissen des Alterthums als eine Erfin-
dung der Tyrrhcner gelten muss, so zeigen jene merkwürdigen Instrumente noch eine wei-
. 6 *
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36 Nachtrag zu C. F. Wiberg: Ucber den Einfluss der Etrusker etc.
tere Verzierung, welche auf ihre Herkunft hinweist. Es sind dies die ihrem Mundstück an-
gchängten Klappenbleche, welche in massenhafter Verwendung bei den alpinisehen, nament-
lich den hallstädter und steierischen Erzgerätlien erscheinen, sich in diesen Gegenden bis
heute noch theilweise im Gebrauch erhalten haben, und ihre frühesten Vorbilder in den hoch-
alterthümlichen etruskischen Erzarbeiten finden.
Ausser diesen wichtigen Beziehungen ergeben sich ganz unmittelbare in dem Ornamente,
welches zwischen den erhabenen Buckeln des Schildes in punktirten Linien dargestellt, drei-
mal wiederkehrt- Es bestellt dasselbe aus vielen conoentrischen Kreisen, von welchen nach
beiden Beiten hin zwei gekrümmte Hälse langschnäbliger Vögel auslaufen.
Diese Art von Verzierung (Fig. 6) kann durchaus nicht etwa in die Reihe der überall
vorkommenden, allen Völkern gemeinsamen Ornamentmotive gestellt werden; Bie ist voll-
Fig. 6. Fig. 7 Fig. 8.
Siem in Schleswig.
dein in Steiermark.
kommen auf einen bestimmten Kreis von Denkmalen beschränkt, welche auch sonst durch
Styl und Technik eine besondere Gruppe bilden und in dem alten Italien zunächst ihren
Ausgang haben.
Es findet sich diese eigenthiimliche A r erzicrung noch in sehr charakteristischer Ausbil-
dung bei Grabhügelfunden der citnbrischen Halbinsel und zwar auf zwei Erzgefassen von
Siem und Rönning (Figg. 7 und 8)'), welche in Bezug ihrer Form, der Herstellung
ihrer Ornamentlinien durch eingeschlagcne Punkte, ihrer Verniethung durch
konische Erzknöpfe und die Art ihrer Henkel mit den Funden von Erzblechgefässen
in der Steiermark, dem S&lzkammergut und weiterhin mit den etruskischen Erzarbeiten völ-
lig coogruent erscheinen.
Die Vorliebe für eine Verwendung gerade von Vogelgestalten zur Verzierung von Ge-
räthen und Gefässen reicht aber, wie wir bereits anderwärt« dargelegt haben (Die Alterthü-
mer unserer heidnischen Vorzeit, Band H, Heft III), in eine noch höhere Vorzeit, bis zu der
im Alterthum so hochgepriesenen Gefässbildnerei der Phöniker; dass sie aber nirgend
anderswo von so vorwiegender Bedeutung war, als in dem alten Italien, zeigt schon ein Blick
auf die Tafeln des Museum Etruscum Gregorianum und auf die altitnlischen Bronzen, welche
Kemble inseinen Horae Ferales, plate XXXIV, aus der Sammlung von Payne-Knight
darstellt.
Die eigcnthümliche Bildung dieser hier überall auf Schrouckgeräthen und Gefässen, im
') Afbildninger af Donake Oldsager og Mindesmaerker ved. A. P. Madien. Siem Fwndet, Aalborg Amt
Rönninge Fundet, Odenee Amt.
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37
Nachtrag zu C. F. Wiberg: Ueber den Einfluss der Etrusker etc.
Vollguss oder in getriebener Arbeit angebrachten Vögel, ist unverkennbar dieselbe, welche
wir auch im Norden, wie überhaupt in dem ganzen Bereich des etruskischen Handels-
gebietes finden. In Verbindung häufig mit angehängten Klapperblechen bezeichnen sie ziem-
lich genau den Umfang dieses Verkehrs und seine Wege nach dem Norden. An der Donau
reichen diese Vogelornamente mit Krotalen tief nach Ungarn hinab (Mus. in Pesth) und Bind
auch in Böhmen (Mus. in Prag) constatirt. Einfache wie gekuppelte Vogelgestalten aus
Erz finden sich selbstständig und als Verzierungen von Gewandnadeln im ganzen Elbgebiete
(Mus. in Berlin) und zeigen sieh in Dänemark wie in Deutschland und Frankreich auf Mes-
sern und Werkzeugen verschiedener Art, überall aber in demselben eigentümlichen Styl-
charakter.
Noch weiter im Norden, in Schweden, begegnen wir der entschiedensten Gleichartigkeit
dieser Vogelornamente mit den alpinischen und transalpinischen, auf dem merkwürdigen in
Holland gefundenen Erzschildc, welcher einerseits durch den halbmondförmigen Ausschnitt
seiner inneren Buckelringe mit einem dänischen Schilde (Nr. 204 der Nord. Oldsuger von
Worsaae) übereinstimmt, andererseits genau die nämlichen Vogelgestalten aufweist, welche
wir in den Darstellungen der Gefässe, Blechgürtel etc. auf Tafel XXn, Nr. 3, XXTV, Nr. 6,
7 und ö des „Grabfeldes von Hallstadt von E. v. Sacken“ finden.
Alle diese Thatsachen haben bis jetzt noch nicht entfernt die gebührende Beachtung von
Seiten der Systematiker erhalten können. Aus dieser Fülle von Denkmalen eines höchst
markirten Stylchnrakters wusste man im Allgemeinen Nichts weiter zu gewinnen, als die
oberflächliche, für eine wichtige Entdeckung erklärte Beobachtung, dass die Bronzen die-
ses Styls, weil sie häufig bei Eisengeräthen gefunden werden, dem Uebergange der Bronze-
periode in die Eisenzeit angehören müssen.
L. Lindenschmit.
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Inhalt der TafeL
1. MacedoniBcher Dolch, nach v. Ho nutet len.
2 . ßronzeschwert aus Dänemark |
3. * „ „ \ nach dem Atlas f. Nord. Oldk.
8 .
9 .
10
11 .
12 .
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20 .
21 .
22 .
23.
24.
25.
Hronzescbwert aus Deutschland i _ . r . , ,
_ . nach Lmdenschmit.
OuaBfonn aus Italien I
Griechisches Schwert, nach einem Vasenbilde.
Griechische archaische Vase in der Kaiser). Bibliothek in Baris.
Oinochoe, nach der Gewerbehalle 1866, Heft VII.
Griechischer Dolch, nach Lacomhe.
Fibula aus Dänemark, nach Worsaae: Nord. Olds.
Fibula au« Italien (Perugia), nach Lind en sch mit.
I'aalstab aus Italien 1 ,
nach v. Honstetten.
nach Renan.
Phönicischcs Treppenornament
Amulet nu» Phönicien
Griechisches Schwert in der Scheide, gefunden bei Nimes,
Griechische*» Schwert
Cylinderurne von Albano, nach LindenschmiL
Bruchstück eines Schilde« aus Dänemark, nach Worsaae.
Etruskisches Schwert aus Caere, nach Noel des Vergors.
Etruskisches (?) Schwert aus Hallstadt, nach v. Sacken.
Etruskisches (?) Schwert aus Schweden, nach Nilsson.
Karthagische Goldmünze, nach Müller; Numiimatique de lancicnue Afrique,
Altnordisches Rasirroetser bub Dänemark, nach Worsaae.
nach Lacombe und Lindenschmit.
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Archiv für Ar>t)iro|xili*rio. IV lieft I. Zu S. 3K
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ß
■^1
5 Q
1 <~
in.
Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von
Dr. v. Maak:
Sind das Stein-, Bronze- und Eisenalter der vorhistorischen Zeit nur die Entwicke*
lungsphusen des Culturzustandes eines Volkes, oder sind sie mit dem Auftreten
verschiedener Völkerschaften verknüpft?
(Archiv für Anthropologie. XVI. Band UI, Heft 3, 8. 237.)
V on
L. Lindenschmit ')•
Es giebt jetzt keine Frage mehr in dem ganzen Bereich unserer Alterthumskunde, welche
nicht alsbald ihre Lösung erhielte, sowie sie nur mit den Kelten in Berührung gebracht
wird. Wunderbare Aufschlüsse, wie sie bis jetzt für keinen der alten Stämme unsere Welt-
theils erreichbar waren, haben sich, wie man versichert, für jenes Urvolk aufgethan, ja wir
finden zu unserer Ueberraschung das fern geglaubte Ziel der Erforschung vorhistorischer Zeit
bereits erreicht , sobald wir uns nur umschauen und überzeugen wollen , dass jenes merkwür-
dige Volk die Grundlage der europäischen Menschheit bildet und damit, wie Herrn. Müller
längst nachgewiesen, als der Urquell der gesummten neueren Gesittung zu betrachten ist.
Es war auch wirklich an der Zeit, endlich einmal etwas Sicheres in dieser alten Streit-
frage zu erfahren. Das schwerfällige complicirte Rüstzeug der Forschung arbeitet fatal lang-
sam, um den Vorhangzu heben r hinter welchem wir eine Darstellung in lebenden Bildern
von der Geschichte und den Culturzuständen der fernsten Vergangenheit schon so lange er-
warten. Nur pedantische Consequenz konnte sich dabei befriedigt fühlen, dass die BUUc seit-
J ) Eine Weiserführung der Verhandlungen über die«« Frage, zumal über ihre von I>r. v. Maak vorge-
schlagene Lösung, können wir nicht für förderlich halten, sowohl an« Gründen, welche in den folgenden
Bemerkungen dargelegt «ind, ale auch deshalb, weil Alle«, was die von Dr. v. Maak vertretene Ansicht be-
trifft, bereit« wiederholt und in amführlicher Weise zur Sprache gebracht ist. Speciell linguistische For-
schungen, in welchen diese Auflassung ihre wichtigste, ja einzige Begründung sucht, linden andenwo
vielfache Gelegenheit, rur Kunde und Prüfung der Fachgenossen zu gelangen — sie liegen ausserhalb der
nächsten Aufgabe des Archivs für Anthropologie. Die Redaction.
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40
L. Linde ns chm it
her von Zeit zu Zeit mit einem kleinen Ruck sieh liob, und dass es uns bis jetzt erst ver-
gönnt war, den Boden der Bühne und was auf ihm herumliegt, mit unseren Blicken zu errei-
chen, uns von der Anwesenheit der wilden Acteurs wirklich zu überzeugen.
Kein Wunder, wenn damit die Ungeduld der Wissbegierde aufs höchste gesteigert wurde,
und einige besonders eifrige Forscher sich entschliessen konnten, unter dem Vorhänge durch-
zuschliipfen, um einen vollen Ueberblick vorweg zu erhalten, und wir dürfen uns freuen, dass
ihnen dies so wohl gelungen ist und dass sie einen so mittheilsamen Drang fühlen, uns das
Gescbauete zu offenbaren.
Sie haben nur Kelten, nichts als Kelten gesehen und dieselben nicht allein sofort an der
Ursprache erkannt, sondern die letztere sogar verstanden, da sie glücklicherweise des jetzigen
Irischen und Kymrischen vollkommen mächtig, zu einer schnellem Verständigung gelangen
konnten, als dies umgekehrt unseren Philologen mit ihrem homerischen Griechisch bei den
modernen Hellenen gelingen will.
Damit war aber eine Kunde von höchster Wichtigkeit gewonnen, die bis in alle Einzel-
fr&gen der Forschung um so gewisser Licht und Auskunft gewährt, als sich das Urvolk in
zwei an Körperbilduug, Sprache und Cuitur merklich verschiedene Stämme, die Gaelen und
Kyrnren theilt, und Alles was dem Einen fehlt, bei dem Andern zu finden ist
Wir können jetzt Alles erfahren, mögen wir fragen nach der Deutung dunkler Worte und
Namen unserer Sprache, nach dem Ursprung alter Rechtsbräuche oder der monumentalen
Ueberreste und Grabfunde unserer Vorzeit, überall erhalten wir schnellen Bescheid, und es
hängt nur von uns ab, uns belehren zu lassen und uns den Gewinn eines geordneten voll-
endeten Bildes der vorgeschichtlichen Zoit anzueignen.
Gewiss ist dass wir in unserer beschränkten Zweifelsucht noch weit entfernt sind, etwas
gleichmässig Fertiges und Abgerundetes entgegonzustellen , und es wären, offen gestanden,
gerade noch keine glänzend und harmonisch gruppirten Resultate zu opfern, wenn wir Alles auf-
geben wollten , um was sich unsere antiquarische Forschung seither bemühte. Können wir
dies übers Herz bringen, so verschlägt es im Grunde auch nicht viel, uns des werthlosen
Aberglaubens an ein uraltes Recht auf uuser Land zu entäussern, unsere Vorgeschichte und
selbst einen Theil unserer Geschichte an die Gaelen und Kyrnren abzutreten.
Was bedeuten überhaupt noch geschichtliche üeborlieferungen und die römischeu Quel-
len? Die Sprachwissenschaft allein fiat jetzt die Existenz wie die Grenzen der alten Völker
zu bestimmen, und es ist uns schon wiederholt auf das Nachdrücklichste dargetban worden,
dass die Kimbern , die belgischen wie rheinischen Germanen aus unserer Geschichte zu ent-
fernen sind, ja man bat uns gesagt, dass die Deutschen erst zur Zeit der Völkerwanderung
den Boden unsers Landes und jenen der Gescliichte betreten haben.
Auch v. Maak's „antiquarische Untersuchung“ bestätigt aufs Neue diese Forderungen
an unsere Resignation. Nur der elfte und letzte Artikel seiner Lehrsätze gedenkt der Ger-
manen, welche nach dem Beginno des Eisenalters auf der kimbrischen Halbinsel zu den älte-
ren Gaelen und Kyrnren ein wandern, bald aber durch Skandinaven und Wenden verdrängt
und vermischt werden. Wir erhalten damit schon auf einem kleinen Fleck Landes eine so
bunte Völkertafel, dass es sich allerdings fragt, ob irgend noch ein Gebiet bliebe, auf welchem
in höherer Frühzeit überhaupt noch Deutsche zu finden wären. Bedenken wir ferner, dass
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 41
sich nun einmal, wie uns versichert wird, „nur auf diese Weise (d. h. durch Einführung
eines gälisehcn Urvolks) klares Licht und einfache Ordnung in die bis dahin ver-
wirrte Masse der Erscheinungen bringen lässt", so sollten wir uns wohl endlich einer
so oft schon ertheilten Entscheidung fügen. Erhalten wir ja doch dafür als Ersatz das er-
hebende wissenschaftliche Bewusstsein, nach erlangtem Verständniss einiger Fluss- und Dorf-
namen, fürder nicht mehr „als geistige Fremdlinge auf eignem Boden“ umherzuwandeln,
und die Enthebung von jeder Sorge, weiter als bis zur Zeit der Eisenperiode hin, uns Air
die Interessen unserer Geschichte und Altcrthümer ferner noch bemühen zu dürfen. Für die
weiter zurückliegenden Zeiten ist schon gesorgt und Alles in geeigneter Weise an die ver-
schiedenen Völker vertheilt.
Es bliebe uns damit immer noch ein schönes Stück Geschichte, und dieses allerdings rück-
sichtsvolle Zugeständniss an die Germanen verdiente Anerkennung, erhöbe sich nicht das
Bedenken, dnss die gegebene Grenze unmöglich respektirt blcilen könnte. Was sollte aber
werden, wenn uns die Vertreter der Gat-len und Kyrnren auch bis in das (>., ja 8. Jahrhun-
dert heraus mit ihren siegreichen Waffen den irischen Lexiken und Grammatiken folgen
wollten ? Von ihrem acht keltischen Eifer ist Alles zu erwarten, und an Beispielen, wie weit
die Consequenzen systematischer Aufstellungen führen, fehlt es hier gerade am wenigsten.
Hat ja doch Leo die malbergischen Glossen zur Lex salica unbedingt für keltisch erklärt,
und die fränkischen Frauennamen Chrodhild, Grimhild, Ilerlind und Berta auf keltische
Lautverhältnisse und Wurzeln zurückgeführt.
„Die letzte Entscheidung Uber das Nordendorfer Gräberfeld", mit welcher
Math. Koch diesen alamannischen Friedhof den Kelten zu überweisen dachte, zeigt in Fra-
gen des 6. und 7. Jahrhunderts ganz dieselbe Zuversicht, wie alle anderen „Entscheidungen"
bezüglich der rein keltischen Erz- und Steinperiode, von den „entschieden keltischen
Bronzen“ Heinr. Schreiber’s bis zu den „erwiesen gälischen Hünenbetten und
kymrischen Aaehenurnen“ v. Maak's.
Zu allem Glück hat es mit diesem entschiedenen und bedrohlichen Wesen aller solcher
Verfügungen auf antiquarischem Gebiete wenig Gefahr. Seit mehr als vierzig Jahren erflies-
sen diese keltischen Erlasse, denen an Haltung und Art richterlicher Erkenntnisse nichts
fehlt als Wirkung und Erfolg. Sie haben die Parteien abgehört, die Gründe der Verurtheil-
ten erwogen, widerlegt, beseitigt, vernichtet und doch — Wer gedächte noch dieser mit so
viel Selbstvertrauen und Eifer proclamirten Resultate keltischer Forschungen, würde nicht
das oft gebrauchte Material immer wieder hervorgeholt, suchte man nicht mit unerschöpf-
licher Ausdauer nach irgend einer Stelle, wo dasselbe eine Geltung erhalten könnte.
Deshalb bedürfte auch die Abhandlung des Dr. v. Maak keiner eingehenderen Prüfung,
da sie durchweg nichts Neues bringt, als eine abermals etwas veränderte Gruppirung der
Thatsachen zu den vielen übrigen , welche zu Gunsten einer fremdartigen keltischen Ur-
bevölkerung bereits vorliegen. Allein als Zeichen eines frischen Anlaufs, welchen neuerdings
diese Bestrebungen von allen Seiten her versuchen, veranlasst, sie immerhin einige Betrach-
tungen, zu welchen ich mich von Seiten des Verfassers schon dadurch aufgefordert sehe, dass
derselbe meinen Bericht über das Gräberfeld bei Monsheim (Archiv f. Anthrop. Band III,
S. 101) zur Grundlage seiner Erörterungen nimmt, und an eigenthümliche Auffassungen mei-
Archiv for Anthropologie, Hd. IV, Heft I. (j
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42
L. Lindenschmit,
ner Ansicht vielfache Berichtigungen und Belehrungen knüpft. Dies und der „Standpunkt
über den Parteien“, welchen er für sich in Anspruch nimmt, die vorwiegende Bedeutung,
welche er der „Sprachwissenschaft“ für die Beurtheilung urzeitlicher Verhältnisse vindieirt,
verlangen einige Verwahrungen und Bemerkungen. -
Vor Allem muss ich es als eine gründliche Täuschung bezeichnen, wenn v. Maak sich
das Ansehen geben zu können glaubt, von mir aufgestellte „Fundamentaltheorien und Hy-
pothesen“ in Bezug einer Urbevölkerung beseitigen zu können. Dies ist schon deshalb
durchaus unmöglich, da die Forschungsrichtung, der ich angehöre, die „Partei, als deren
eifrigster Vorkämpfer“ bezeichnet zu werden ich die Ehre habe, gerade die Beseitigung aller
Systeme und Hypothesen anstrebt, welche seither die Beurtheilung der Verhältnisse so sehr
erschwert haben.
Die Mittheilung der auf dem Gräberfelde von Monsheim gewonnenen Ergebnisse, der
Hinweis auf ihre nahe Beziehung zu anderen wenig beachteten Thatsachen , war nur die
Folge der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer Erweiterung des Gesichtskreises der
Beobachtung, welche von den Systematikern seither in viel zu enge Grenzen gehannt blieb.
Wenn ich der Auffindung dolichocephaler Schädel in Gräbern der Steinzeit Gewicht beilegte,
und die Untersuchung ihres Verhältnisses zu den gleichartigen der Hügel- und Reihengräber
den Sachkundigen empfahl, so habe ich damit allerdings den Ungrund einer bisher herr-
schenden Vorstellung von der Brachycephalie der ältesten Bevölkerung unseres Landes her-
vorgehoben, mit keinem Worte jedoch einen germanischen Urtypus zu constatiren versucht
Im Gegentheil, ich gestehe gern, dass ich nicht im Stande bin, wie v. Maak es vermag, Sie-
ger und Besiegte in den alten Gräbern zu unterscheiden und aus dem einzigen Schädel von
Plau den Sklaventypus der unterdrückten Urbevölkerung festzustellen.
Dass aber bei der Einseitigkeit und Werthlosigkeit aller Gründe, welche bis jetzt für
die Behauptung eines unablässigen Völkerwechsels in ältester Zeit vorgebracht worden , die
Möglichkeit eines ursprünglich einheitlichen Zusammenhangs der mitteleuropäischen Völker
gerade im Interesse der Wissenschaft und zur möglichst allseitigen Ergründung dieser Frage
immer noch aufrecht zu halten ist, bleibt auch nach der bestimmtesten Versicherung des
Herrn v. Maak Uber ihre glückliche Lösung, unsere fortdauernde Ueberzeugung.
Wir glauben, dass die Entscheidung mehr gefördert wird durch Erweiterung unserer
Kenntniss des Thatbestandes , durch sorgsame Wahl und Prüfung der Untersuchungsmittel
selbst, als durch wiederholtes Probiren, durch beständiges Hin- und Herordnon des vorhande-
nen, offenbar ungenügenden Materials. Will v. Maak in dem Ausdruck dieser Ansicht ein
„Interdiet gegen wissenschaftliche Classificirung“ erkennen, so wünschten wir nur, wir beses-
sen die Macht zu einem solchen Interdiet gegen jene Combinationen zu vorher bestimmtem
Zweck, gegen jenes Herumwürfeln einer verhältnissmässig geringen Zahl von Beobachtungen,
welches auch nicht entfernt einen Vergleich mit den Systemversuchen der Naturwissenschaft
verdient, denen es v. Maak ohne Weiteres an die Seite stellt.
Systeme eines vollkommen wissenschaftlichen Charakters konnten sich wohl auf dem
Gebiete der Naturkunde entwickeln, auf welchem die Erforschung eines in Fülle vorhande-
nen allseitig zugänglichen Stoffes in demselben raschen Fortgang sich ausbildete und erwei-
terte, als der immense Werth die universelle Bedeutung ihres Erfolgs zu allgemeinster Er-
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 43
kenntniss gelangte. Es lag in der Sache seihst, dass Männer, welche den jeweiligen Umfang
dieser Forschungsergebnisse vollkommen beherrschten, dieselben auch zu gliedern und
zu ordnen strebten, und aus dem gewonnenen Ueberblick weitem wissenschaftlichen Gewinn
zu erreichen bemiiht waren.
Mussten diese Versuche boi der Beschränkung auch der höchsten menschlichen Befähi-
gung unvollkommen bleiben, so dass sich der Fortgang der Wissenschaft gerade in der Be-
seitigung dieser als mangelhaft erkannten Aufstellungen äussern konnte, so waren diese Sy-
steme immerhin das Product eminenter Leistungen, einer unendlichen Summe von Entdeckun-
gen und Wahrnehmungen, welche den ganzen Erdkreis umfassten, und nur durch den Wett-'
eifer aller gebildeten Nationen zu erreichen waren.
Wie sich dagegen die Systeme unserer Alterthumskunde verlialten mUssen, bedarf nur
eines Hinweises auf die Stellung der letzteren als eine Hülfswissenschaft. Was hier an Er-
gebnissen vorliegt, welche als Bausteine zur Bildung eines Systems gelten können, verdan-
ken wir einer niemals hoch genug anzuerkennemlen Hingebung vereinzelter Männer, welche
die Bedeutung dieser Forschungsrichtung erkannten und die Theilnahme fllr dieselbe in wei-
teren Kreisen zu I «'leben wussten. Aber eben so wenig ist zu verkennen, dass die Versuche
jener Männer zur Bildung eines Systems viel zu frühzeitig unternommen waren, und dass
ihre Aufstellung einer Stein-, Bronze- und Eisenperiode im Allgemeinen kaum eine grössere
Bedeutung hat, als die Eintheilung der Naturproducte in ein Mineral-, Pflanzen- und Thierreich.
Mit Allem was neuerdings jener archäologischen Classification zugeftigt wurde, mit den
Unterabtheilungen einer paläolithischen und neolithischen Zeit einer ersten und zweiten
Bronzeperiode, einer ältern und jüngere Eisenzeit, ist nur ein weiteres Fachwerk aufgestellt,
ohne dass man über die Sachen selbst, welche in dasselbe zu vertheilen wären, zu jener
Sicherheit gelangte, welche nur durch vollkommen freie Beobachtung und keineswegs nach
einem fertigen Schematismus zu erreichen ist. Gerade auf dem wichtigsten Gebiete der
Bronze- und Eisenperiode werden die Resultate einer unbefangenen Vergleichung mit
den Aufstellungen einer im Voraus gebildeten Ansicht niemals zu vereinigen sein. Ein
wesentlicher, ja fundamentaler Nachtheil ergiebt sich aber für die letztere von vornher-
ein aus dem Umstande, dass die Beobachtungen, aus welchen sie hervorging, nur das viel zu
beschränkte Gebiet der Küstenländer der Nord- und Ostsee umfassen, und was weit mehr
noch bedeuten will, dass man die vorhistorische Zeit in vielfacher Weise von der geschicht-
lichen ablöste und sich damit aller jener Aufschlüsse beraubte, welche nur bei der letzte-
ren Uber die Gesetze und Bedingungen der Bildungsentwickelung der Völker zu gewin-
nen sind.
Sehen wir nun aber, dass neu aufgefundene Thatsachen selbst in diese nach rein
stofflichen Merkmalen weitläufig genug angelegten Abtheilungen oft nicht ohne Weiteres
unterzubringen sind, und dass neue eben so willkürlich eingesetzte Seitenfacher für diesel-
ben eingefügt werden mUssen, so können wir diesem Rahmenwerk, mit dem man sich bisher
in völlig unfruchtbarer Weise für die Erkenntniss der Sachen selbst zu behelfen suchte, un-
möglich die Eigenschaft eines wissenschaftlichen Systems zugestehen.
Mit der Einsicht dieser verfehlten Richtung und im Bewusstsein näher liegender Auf-
gaben bat sich denn auch die neuere Forschung von diesem und jedoin Schematismus abge-
0 *
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44 L. Linden sch mit,
wendet und allo ihre Thätigkeit auf eine tiefere Erkundung und übersichtlichere Kenntniss-
nahme ihres Gebietes concentrirt.
Sind wir einmal so weit, dass wir ein Material beisammen haben, welches an Verläss-
lichkeit und Fülle mit jenem der Naturwissenschaft nur vergleichbar ist, so werden sich
ohne Zweifel auch die Männer für Systeme linden, welche Werth und Bedeutung haben wie
jene Blumenbach’s, Linne's und Cuvier's. Bis dahin aber werden wir Alle und wohl
auch v. Maak auf die Ehre versiebten müssen, mit gleichen Leistungen auf antiquarischem
Gebiete jenen Männern an die Seite zu treten.
In diesem Sinne verstehe ich das sogenannte „Interdict“ gegen freie Bewegung der For-
schung. In der That aber bleibt es von geringer Wichtigkeit, ob einstweilen noch so viele
Versuche mit alten Völkerzügen, noch so viele Abtheilungen nach geographischem (Hier einem
andern Fundnmentum divisionis gemacht werden. So lange man nicht den alten Bereich
einer auf locale Beobachtungen beschränkten Auffassung verlässt, dreht sich jene vermeintlich
freie Bewegung der Forschung mit komischer Gravität doch nur auf dem alten Fleck, wie
v. Maak mit seinen antiquarisch-linguistischen Theorien.
Was jedoch die überlegene Haltung v. Maak's betrifft, die erhabene Stellung, die er
über den Parteien und Sectcn der Antiquare einnimmt, die richterliche Autorität, mit wel-
cher er unter den Ansichten und Resultaten derselben aus dem Falschen und Misslungenen
das Wahre und Richtige scheidet und zurecht legt, so gewährt alles dieses neben einer durch-
gehend erheiternden Wirkung doch auch eine nicht gerade erfreuliche Vorstellung, wie
es um die rationelle Forschungsmethode derjenigen bestellt ist, welche uns Antiquare
unausgesetzt auf das mustergültige Verfahren der Naturwissenschaft verweisen zu müssen
glauben. Recht vielseitige Herausforderung zu einer Prüfung dieser Berechtigung liegt in
v. Maak’s fraglicher Abhandlung vor, es genügt aber, wie wir glauben, nur der Blick auf
einige seiner Entscheidungen und Behauptungen , um aufs neue zu constatiren, dass heute
noch unsere Alterthumskunde, wie Künssberg 1 ) vor neun Jahren schon treffend bemerkte,
als ein Revier behandelt wird, in welchem Jedem freie Pirsche zusteht, der ein Gewehr zum
Knallen bringen kann.
Wir können zunächst nur diejenige Frage näher ins Auge fassen , welche die Contro-
verse über eine wesentliche Verschiedenheit der alten Bevölkerung unseres Landes wirklich
berührt, die Untersuchung, ob die von mir angedeutete nahe Beziehung mehrerer nordischer
Erdgräber der sogenannten Steinperiode zu jenen in Süddeutschland aufgofundenen von Sei-
ten der Forschung zu beachten ist oder nicht, wie v. Maak behauptet. Betrachten wir seine
Darstellung im Allgemeinen und Einzelnen.
Seine Eintheilung der Urzeit unserer Erdperiode in ein paläolitliischeg und neolithisches
Steinalter, die Unterabtheilung des letztem in eine ältere und jüngere Zeit, die orstere mit
gespaltenen Feuersteinmessem und Beilen, die zweite mit geschliffenen und gut gearbeiteten
Steingeräthen, ist die bekannte.
Neue Aufschlüsse aber erhalten wir sofort damit, dass wir das jüngere neolithische Zeit-
alter in zwei weitere und zwar gleichzeitige Abtheilungen zu scheiden haben, in eine
Ü Wanderungen ine germanische Altert iiu m vnn licinr. Küneeberg. Berlin ItSJl.
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 45
megalithische und eine cryptolithische Steinzeit, und zwarnach geographischer Ver-
breitung und damit parallel gehender Nationalität.
Dem megalithischen Steinalter sind eigenthiimlich die Hünengräber, Dolmens
und die gleichartigen Steindenkmale Englands, Spaniens und Portugals etc., es hat
seine Verbreitung an der Meeresküste von West- und einem Theile von Nord-
europa. Dagegen gehören dem cryptolithischen Steinalter und dem Binnenlande die
mit flachen Steinen ausgesetzten Gräber und die einfachen Erdgräher ohne allen
Steinbau.
Die Bestimmtheit dieser auf das „wichtige Moment der geographischen Verbrei-
tung“ begründeten Entscheidung wird jedoch wieder durch das Zugcständniss aufgehoben,
dass „sich die megalithischen Gräber bis nach Thüringen und Schlesien verfolgen
lassen,“ dass jene den Meeresküsten eigentümliche Erscheinung also bis tief ins Binnen-
land reicht, und „sich keine scharfen Grenzen zwischen beiden Gebieten ziehen
lassen, die hier und da in einander übergehen.“
Aber auch noch eine weitere Verbindung der beiden seiner Ansicht nach national
getrennten Bereiche bilden die „Plattengräber, welche beiden gemeinschaftlich
sind.“
Er weisB jedoch so viel mit Gewissheit, dass „dieselben bei dem megalithischen
Volke die niederste Form des Gräberbaues, bei dem cryptolithischen die höchste
Entwickelung desselben darstellen,“ eine Unterscheidung, in welcher wir leider nur
eine jener wichtig tuenden Phrasen und gesuchten Distinctionen zu erkennen vermögen,
mit welchen man vollkommen Gleichartiges, nach Form und Gehalt Zusammengehöriges
nach Belieben in eine ganz getrennte und selbst entgegengesetzte Stellung bringen zu kön-
nen glaubt. Seine Scheidung raegalithischer und cryptolithischer Plattengräber beruht einzig
nur darauf, dass die nordischen „in der Regel“ auf der Erde, die südlichen (immer?) un-
ter der Erde angelegt sind.
Wir erfahren weiter, dass wir nur die Gaelen als das Volk des megalithischen Zeitalters
zu betrachten haben. Es ist dies auf linguistischem Wege festgestellt, wenn auch noch nicht
für das übrige Europa, Afrika und Asien, so weit die Dolmens reichen, aber doch für Schles-
wig-Holstein. Hier hat es v. Maak übernommen, alles Erforderliche nachzuweisen.
Das cryptolithische Volk ist noch völlig unbekannt und bestand wahrscheinlich ans ver-
schiedenen Stämmen. Es wird uns jedoch auch weiter mitgetheilt, dass selbst auf crypto-
lithischem Gebiete möglicherweise später oder früher Gaelo-Liguren eingedrungen sind,
und dass selbst die Plattengräber der Schweiz und Suddeutschlands, obgleich in der Erde
angelegt, mit jenen der cimbrisehen Halbinsel, die auf die Erde gebaut sind, in Bezie-
hung zu briugen wären, sobald man nur auch im Süden eine Untersuchung der Ortsnamen
auf das Gälische in die Hand nehmen wollte.
Wäre damit aber wirklich etwas zu erreichen, so müsste man Uber das unbekannte crypto-
lithische Volk schon längst im Klaren sein, denn wir haben in Siiddeutschland keine Meile
Landes, auf welcher nicht unsere Linguisten, je nachdem sie mehr das Gälische oder Kym-
rische bevorzugen, eine ganze Masse von gälisehen oder kymrischen Ortsnamen herausgefun-
den haben. Auf rein cryptolithischem Gebiete, in der Gegend des Monsheimer Gräberfeldes
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L. Lindenschinit,
selbst, kann ich der Aufforderung v. Maak's um Nachweise gälischur Namen entsprechen,
und zwar mit dem ältesten Namen der Landcahevölkerung im Bereiche der Vogesen, mit
jenem der Tribocci, welcher von Niemand Geringerem als C. Zeuss , der höchsten Autori-
tät in keltischer ‘Sprachkunde, dem Verfasser der Grammatica celtica, als undeutsch und
gälisch erklärt ist 1 ). Dass Jacob Grimm diese Erklärung gründlich beseitigte, ist freilich
eine andere Sache und gehört vor der Hand nicht hierher.
Gerade der linguistische Weg, auf welchem v. Maak die nationale Verschiedenheit der
alten nordischen und südlichen Bevölkerung entdeckt hat, führt ihn zu dem GeBtändniss der
Möglichkeit, ja zu der Annahme eines gemeinsamen Ursprungs derselben. Haben wir nach
seiner Auffassung die Liguren des Südens als die Brüder der nordischen Gaelen zu betrach-
ten, so wäre damit gerade das festgestellt, was er bekämpfen will: die Einheit der alten Be-
völkerung, gleichviel ob mit dem gegebenen Namen die Sache richtig bezeichnet ist oder
nicht.
Aber auch auf dem speciell antiquarischen Gebiete hat der Verfasser das Unglück, dass
seine Behauptungen gerade zu den seiner Ansicht entgegengesetzten Ergebnissen führen.
Zur Begründung einer gänzlichen Verschiedenheit der nordischen und süddeutschen Erd-
griiber der sogenannten Steinperiode weiss v. Maak genau darzulegen, dass der Schädel von
Flau „weder den Germanen, noch dem megalithischen Steinaltervolk angehört, wenn er auch,“
wie er zugiebt, „zu raegalithischer Zeit gelebt haben mag.“ Er ist überzeugt, „dass er dem
Volksstamme zu überweisen sei, welcher in den Speiseabfallhaufen die Spur seines Daseins
hinterlassen hat“, und damit glaubt v. Maak das Grab von Plau vollständig isolirt, von jeder
Beziehung zu anderen Erscheinungen getrennt zu haben. Wem aber dieser einzige Schädel
für den Repräsentanten eines ganzen Volkes gilt, der wird wohl auch die Art des Grabes,
welchem er entnommen ist, als die Gräberform der Zeit der Kjökkenmöddings gelten lassen
müssen, und wir hätten damit auf megalithischem Gebiete gewiss eine grosse Zahl sehr
alter, ihrer Art nach nur zufällig zu entdeckender cryptolithischer Gräber vorauszusetzen,
welche ohne allen Stein bau und ähnlich jenen in Süddeutschland gefundenen, nach v. Maak's
eigener Ansicht bis in seine megalithische Zeit herabreichen können.
Zu derselben durch v. Maak jetzt bestrittenen Annahme aber waren auch wir gelangt,
freilich auf anderem Wege. Wir konnten das vielbesprochene Grab von Plau so wenig als
die eben so vereinzelten rheinischen Gräber von Dienheim und Hermsheim als isolirte Er-
scheinungen betrachten, auf Grund ihrer vollkommenen Uebereinstimmung mit jenen des
grossen Friedhofes von Monsheim.
Die nahe Verwandtschaft aller beruht auf einer Zahl bestimmter Merkmale, welche die
Forschung aus einer Reihe von Beobachtungen für gleichartig erkannt hat, und nicht auf
eiuer Beurtheilung der Schädel, für welche bis jetzt die Zahl dieser „er ypto Ethischen“
Fundstücko viel zu gering Ist, während nach der Sicherheit zu schlicssen, mit welcher
v. Maak über die Schädelbildung des megalithischen Volkes spricht, unfehlbar demselben
zahlreiche, noch unbekannte Messungen und Untersuchungen von Cranien der Hünengräber
vorliegen müssen.
') G, Zttt m: Die Deutschen und ihre Nachbarstamme, S. 220. _>•
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 47
Aber das Grab von Plau ist nicht etwa das einzige cryptolithische in dem nordischen
Megalithien, wir haben da auch noch die Gräber von Roggow. Sehen wir zu, wie v. Maak
dieselben zu beseitigen sucht.
Seiner Ansicht nach kann diese Gräbergruppe, unsers Wissens bis jetzt die erste, welche
in Mecklenburg entdeckt wurde, schon deshalb gar nicht in Betracht kommen, weil die
Grabstellen „eine anomale Lage haben.“ Diese Bezeichnung setzt unbedingt die Kennt-
nis» einer überwiegend grösseren Anzahl gleichartiger, aber in ganz anderer Weise angeord-
neter Gräber voraus, v. Maak muss demnach wohl von solchen eiyptolithischen Gräbern
im Norden Kunde haben, und hätte uns eine Mittheilung über dieselben nicht vorenthalten
dürfen. Auffällige und besondere Anordnungen finden sich jedoch erweislich unter den
Gräbern aller Zeitperioden.
Er weis» ferner, dass diese Grabstätten deswegen nicht der megalithischen Zeit ange.
hören können, „weil die 16 Leichen alle zugleich begraben sind.“ Er erkennt dies
an der Regelmässigkeit der Richtung und der Zwischenräume der Grabstellen.
Ganz abgesehen von der gänzlichen Bedeutungslosigkeit dieses originellen Grundes für die
Altersbestimmung der Gräber, so kann er überhaupt für die Gleichzeitigkeit der
Bestattung nicht das mindeste Gewicht haben. Es müssten sonst auch die 300 bis 500
regelmässig neben einander gelegten Todten der fränkischen Friedhöfe alle zugleich begra-
ben sein, und es wäre ganz unmöglich Lage und Richtung eines Grabes ohne mogalithi-
sche Blöcke selbst für lange Zeitdauer auf der Oberfläche des Bodens bemerkbar zu
inachcu.
Jedenfalls aber hält er für sicher, dass diese Gräber jünger seien, als die Zeit der Speise-
abfallhaufen. Möglich immerhin, aber hören wir seine Gründe.
Dass in diesen Muschel- und Knochenhaufen anderer Länder verhältnissmässig sehr spät-
zeitliche Gegenstände und auch in Dänemark sehr gut gearlioitete Steingeräthe gefunden
sind, ist deshalb von geringer Bedeutung, weil „man darüber einig ist,“ dass die letz-
teren dort nur durch Zufall und in späterer Zeit verloren wurden!
Obgleich das Pferd sonst überall bereits in sehr ferner FrUbzeit, wie auch in den
ältesten Pfahlbauten der Schweiz nachgewiesen ist, so darf ein. mecklenburgisches Grab, in
welchem ein Pferdeschädel gefunden wird, doch nicht älter sein, als die Zeit, aus welcher
Pferdereste in dänischen Gräbern beobachtet sind.
Dass aber v. Maak nicht das geringste Bedenken findet, 16 Gräber, alle nur mit Bei-
gaben von Steingeräthen, in die Spätzeit seiner Eisenperiode, welche er den Germanen und
Wenden zuweist, zu versetzen, giebt wohl das sprechendste Zeugnis», was man Alles zu Gun-
sten einer vorgefassten Idee gestattet hält, und was man uns als Ergebniss strenger natur-
wissenschaftlicher Behandlnngswei.se bieten zu dürfen glaubt.
Nur der Sache Beibst wegen berühren wir noch die grosse Seltenheit der Entdeckung
solcher Gräber. Auffallend, wie v Maak meint, ist sie keineswegs, da ihre äusseren Merk-
male in weit früherer Zeit schon verschwunden sein mussten, als jene der morovingischen
Reihengräber, welche alle ohne Ausnahme nur durch zufällige Erdarbeiten entdeckt wurden.
Es bedarf kaum des wiederholten Hinweises, daas selbst in dichtbevölkerten Gegenden, wo
jede Erdscholle so zu sagen umgekehrt wird, äusserst selten nur durch den Ackerbau selbst,
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48 L. Lindenschinit,
sondern zumeist durch Schleifen von Anhohen durch die Eisenbahnbauten etc. die Entdeckun-
gen herbeigeführt werden.
In Hinsicht einer ausgedehntesten Benutzung des Bodens können aber gerade Mecklen-
burg und Dänemark kaum in 'Betracht kommen, und wenn die Wissenschaft dort noch
wenig oder Nichts von Erdgräbem entdeckt hat, so hat dies wie anderwärts seinen Grund
darin, dass sie ihre Untersuchungen nicht auf das Geradewohl, sondern nach bestimmten
äusseren Merkmalen unternimmt Nur wenn die „fleissige und genaue", auch von uns aufs
höchste anerkannte Forschung jener Länder ausgedehntere und bessere Hiillsmittel zur Ver-
fügung hätte, als sie anderwärts zu Gebote stehen, wenn sie in den Besitz von Erdspiegeln
und WUnschelruthen zur Entdeckung verborgener Gräber gelangte, könnten allenfalls höhere
Ansprüche an sie erhoben werden, und dürften wir hoffen , allein von ihr alle Aufschlüsse
zu erhalten.
Derselben Willkür aber wie in Beurtheilung der einzelnen Thatshcben der Grabfunde
begegnen wir bei v. Maak auch in allgemeinen Fragen. Wir brauchen, um auf antiquari-
schem Gebiete zu verbleiben, nur das nächstliegende Verhältniss des Verbrennens und Be-
grabens der Leichen zu beachten. Keine dieser Bestattungsweisen lässt sich, wie bekannt
ohne Zuhülfenalime unhaltbarer Voraussetzungen mit einer der verschiedenen Arten der
Grabesbeigaben oder mit sonst einem Merkmale in Verbindung bringen, welches für eine
Zeitabtheilung der Gräber bestimmend wäre. Es ist noch nicht gelungen, eine von beiden
als durchaus alleinherrschenden Brauch auf dem Boden Deutschlands nachzuweisen, oder auf
allgemein gültige Vorstellungen und Lehren des germanischen Heidenthums zurückzuftihren.
Wer aber, wie v. Maak, mit Berufung auf eine Ansicht des Thucydides und mit der
Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Kenntniss späterer Zeiten für die Beurtheilung
der früheren, an die Erklärung das Verhältnisses der beiden I’estattungsweisen herantritt,
von dem sollte man wohl zuerst erwarten, da»! er nicht aus eigener Phantasie, sondern aas
den Andeutungen der historischen Ueberlieferung Aufschlüsse suchen werde. Er wäre dann
wohl auf das wechselnde, zeitweise und örtliche Vorherrschen bald des einen, bald des an-
deren Brauches durch den Umstand hingewiesen worden, dass sich von der Zeit der römi-
schen Nachrichten bis zu jener, in welcher wir selbstständige Kunde von den deutschen
Stämmen erhalten, bei vielen der letzteren eine Wandelung der Bestattungsweise vollzog.
Weder durch die „Völkerpsychologie“, noch durch Gaelen und Kymren erhalten
wir eine Erklärung, dass, während die nordgermanischen Stämme zu dieser Zeit ihre Todten
verbrannten, die Mehrzahl der übrigen Deutschen dieselben zur Erde bestatteten, dass in den
alten Volksrechten keine Spur des Leichenbrandes mehr begegnet, und jede Erinnerung an
denselben sogar in der Sage erloschen ist, obschon dieselbe bei epischen und tragischen Zü-
gen gern verweilt Unmöglich konnte die erste äusserliche Berührung mit dem Christen-
thum überall die gleiche Wirkung äussern, dnss nicht nur die heidnischen Alamannen, wie
Gothen, Vandalen, Burgunden und Langobarden zur Bestattung übergingen, sondern seihst
die Franken, bei welchen der Germanenname am längsten haftete, und bei deren Vorfahren,
den Sigambem, Ubiern, Bructerem etc., die Römer den Leiclienbrand fanden.
Zwischen der Zeit des Tacitus aber und den Gräbern Alarich’s, Albuin’s, Theo-
derich’s des Westgotlien und Childerich’s des Franken liegt kein so grosser Zeitraum,
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 49
als andererseits zwischen dem Erscheinen der Römer am Rhein und der Zeit der Hünengrä-
ber. Es erscheint deshalb die Frago vollkommen berechtigt, ob sicli ein ähnlicher Weclisel
der Bestattungsweise auch ohne Völkerwechsel nicht eben so für die vorhergehende Zeit
annehmen lässt, als er für die spätere nachweisbar ist. Jedenfalls wäre allen selbstgeschaf-
fenen Erklärungen eine Untersuchung vorzuzieheu, welche aus einer umfassenden Uebersicht
der Grabfunde darüber Licht zu verschaffen suchte, ob den bestimmten Nachrichten des
Tacitus über die Bestattungsweise der Germanen, auch nur für seine Zeit, eine allgemeine
oder eine nur auf gewisse Stämme beschränkte Geltung zukommt, und ob sie etwa für
die früheren Zustände des Volkes als massgebend betrachtet werden können, was sie we-
nigstens für die späteren nicht sind. Ungeachtet seiner Versicherung von der Abneigung
der Germanen gegen Steindenkmale über ihren Todten, setzt sich der Bau der Plattenhäuser
und Steinkaramern fort bis in die Friedhöfe merovingischer Zeit, und wenn v. Maak für
diese Thatsache eine einfache Erklärung in dem Einflüsse der alten Megalithier findet, so
vergisst er, dass diese Friedhöfe seinem Cryptolithien angehören, in welchem doch keinerlei
megalithische Gewohnheiten und Neigungen eigentlich gesucht werden dürften.
Solche schwierige und weitaussehende Untersuchungen sind allerdings überflüssig für
denjenigen, welcher, wie v. Maak, anderswoher vollkommen Bescheid weiss und mit
der Sicherheit eines Augenzeugen Uber Alles ausführlichen Bericht giebt, in welchem
wir nur eine einzige aber wesentliche Lücke finden gerade in der Erklärung der Be-
gräbnissweise. Wenn er uns belehrt, „dass die Beerdigung mit dem Cultus der
unterirdischen, der Leichenbrand mit jenem der himmlischen Mächte znssra-
menhängt,“ so vergisst er uns zu sagen, welche Art von Cultus der Bestattungsweise sei-
nes megalithischen Volkes zu Grunde lag, das seine Todten weder verbrannte, noch in eigene
lichem Sinne begrub, sondern auf der Erde unter Steinhäusern beisetzte, ein Brauch,
welchem er für die Scheidung dieses Volkes von allen Uebrigen, doch so grosses Gewicht
zulegt.
Etwas darüber mitzutheilen war immerhin erforderlich, denn nimmt der Verfasser an,
dass alle megalithisohen Denkmale, wie es von einer grossen Zahl derselben erwiesen,
mit Erdhügeln bedeckt waren , und die Bestattung der Todten hienach als eine föripliche
Beerdigung zu betrachten ist, so wären diese Denkmale ja unbedingt zugleich als
oryptollthisohe zu betrachten, und die ganze scharfsinnige Abtheilung der Völker-
geschlechter beruhte allein darauf, dass die Grabdenkmale der einen unter der Erde, und
die der anderen unter Erdhügeln errichtet sind.
Die Sache muss denn doch ihre eigenthümliche Bewandniss haben, und so viel ist gewiss,
dass v. Maak seiner Fundamentaltheorio einer Unterscheidung in ober- und unterirdische
Gräber selbst nicht einmal vollkommen sicher ist. Wir ersehen dies auf das Bestimmteste
daraus, dass nach seiner Ueberzeugung die Steinkammer, in welcher nach der Erzählung
Gregors von Tours (IV. c. 4 .) Macliav geborgen wird, eine altgnelische megalithische
war, obgleich sie sub terra angelegt und der Hügel erst über sie gehäuft wurde.
Doch alles dieses ist Nebensache im Vergleich zu der umfassenden Kunde, die der Verfas-
ser uns sonst zu schenken vermag.
Erbauer der Hünengräber, Dolmens etc. war also das Urvolk der Gaelen, welches von
Archiv für Anthropologie, Bd. IV, lieft I. 7
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L. Lindeuschmit,
Afrika zu uns einwanderte, und zwar nicht in Masse, sondern in einzelnen kleinen Clans.
Wir wissen genau, wo sich dieselben niederliessen und wie sie die Berge und Flüsse, Dörfer
und Städte dieser Gegenden genannt haben, denn diese Namen haben sie heutigen Tages
noch.
Jedes einzelne Mitglied des Urvolks, und nicht der Häuptling und dessen Geschlecht
allein, erhielt sein megalithisches Grab. Wir müssen das als gewiss betrachten nicht allein
wegen der „Ungeheuern Anzahl“ dieser Steindenkmale, sondern auch, weil »mit
denselben kein eigentlicher Prachtbau“ beabsichtigt war, sondern nur Sicher-
heit für die Todten, wie uns ein Vergleich mit Aegypten belehrt, der allerdings recht zu-
treffend wäre, wenn auch jedes Mitglied des ägyptischen Volkes „den Riesendeckel einer
Pyramide“ auf sein Grab erhalten hätte.
Die Gaelen bildeten das zweite neolithische Steinalter, aber auch vermittelst ihrer
Handelsverbindungen die Bronzeperiode Nro. I, und deshalb müsste auch die Begräbnissweise
in ausgehöhlten Baumstämmen als megalithisch und gälisch betrachtet werden. Als
das letzte Hünengrab vollendet war, erschienen die Kymren, welche, obgleich Erzkünst-
ler und Begründer der zweiten Bronzeperiode, doch keine Freunde von grossen Grabbauten
waren und ihrer auch nicht bedurften, da sie ihre Todten verbrannten. Die sociale Stellung
der Gaelen wurde jetzt eine andere und untergeordnete, im Nonien zwar auf mehr fried-
lichem Wege, in Deutschland aber durch gewaltsame Unterdrückung. Wir ersehen dies dar-
aus, dass im Norden die Kymren weit rücksichtsvoller mit dem Einsetzen ihrer Aschenumen
in die älteren megalithischen Gräber verfuhren, als in Deutschland. Auf der cimbrischen
Halbinsel und in Dänemark finden sich dieselben nur in dem Umkreise des Tutnulus bei den
Steingräbern niedergelegt, in Deutschland aber stellten sie die „rohen Sieger“ in die Stein-
kammern selbst, freilich hier wie dort nicht ganz in systematischer gleichartiger Weise, wie
es zu wünschen wäre, denn die Ausnahmen bilden eine bedauerliche Anzahl. Dass aber diese
Besieger des Urvolks auch wirklich die Kymren waren und hier nicht etwa schon gar an
die Germanen zu denken ist, bezeugt Tacitus, der uns den Abscheu der letzteren vor
Steindenkmalen überhaupt berichtet Hier allein lässt v. Maak das Spätere als Maas» für
das Frühere gelten.
Nach allen dem sollen wir als ausgemacht betrachten, dass die megalithischen Gräber mit
Leichenbestattung und Beigaben von Stein und Bronze den Gaelen, jene mit Leichenbrand
und Beigaben aus Bronze und Stein den Kymren zu überweisen sind. Die einfachen Erd-
gräber aber mit Stein- und Knochengeräthen, die weder bei den Gaelen noch Kymren unter-
gebracht werden können, sind die Gräber „der zu Sklaven gemachten Urbewohner,“
welche bis auf den brachyoephalen Schädel von Plau und den stenocephalen des Siilzer
Moorgrundes spurlos abhanden gekommen sind.
Wir haben hiernach neben dem Urvolk der Gaelen noch das bewusste verschwundene
Ururvolk, welches, imgeachtet durch v. Maak als völlig überflüssig beseitigt (S. 282), doch für
den Norden so unentbehrlich scheint, dass es bei jeder Combination, und somit auch bei der
seinigen, unfehlbar wieder auftauchen muss.
Und diese Aufstellungen sollen allen Ernstes „endlich die gewünschte Ordnung in die
bisherige Verwirrung bringen!“ In diesem cryptolithischen Megalithien und megalithischen
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von Dr. v. Maak. 51
Cryptolithien , sollen wir lichtgebende Entdeckungen erkennen, und diese fiir bestimmten
Zweck bereitete Mischung von Forschungsergebnissen und willkürlichen Annahmen, diesen
Coinpromiss zwischen veralteter und neuer Anschauungsweise, als erleuchtete Bestimmung
des einzig Richtigen betrachten.
Unbedingt bleibt „das bisherige Chaos“ einstweilen noch viel aussichtgebender, als die-
ser verunglückte prätensiöse Versuch seiner Klärung, welcher nicht allein die Ergebnisse
einer noch langwierigen und umfassenden Forschung vorwegnehmen, sondern derselben zu-
gleich bestimmte Bahn und Richtung vorzeichnen will.
Der ganze „antiquarische“ Aufbau, dessen wesentliche und einzige Stütze der Ver-
fasser selbst in dem sprachlichen Theil erkennt, ist nur ein passend arrangirter Hinter-
grund für das Spiel linguistischer Fhantasmagorien.
Ueber die Tendenz und den „wissenschaftlichen“ Charakter derselben nur noch einige
Worte, dio letzten in diesen Blättern über die auf antiquarischem Gebiete lange schon ver-
lassene Keltenfrage.
Dio Keltomanie ist zwar ein verleugnetes , aber offenbar vollkommen legitimes Kind
jener eigentümlichen Richtung deutscher Gelehrsamkeit, deren Fanatismus für unparteii-
sche Beurthcilung nationaler Verhältnisse nur zu rasch in heftigste und verkehrteste Partei-
nahme umzuschlagen pflegt Wenn unseren Nachbarn der sogenannte „berechtigte Patrio-
tismus“ auf dem Gebiete der Forschung oft schlimme Streiche spielt, so ist es bei uns das
unberechtigte Gegentheil, welches Verirrungen veranlasst, die für die verursachte Störung
nur einen geringen Ersatz in der erheiternden Art ihres Auftretens bieten.
Nachdem es gelungen schien, die deutschen Völker durch dio Annahme ihrer weit spä-
teren Einwanderung von dem grossen alten Keltenstamme zu trennen, und sogar in das
Verhältniss einer Racenfeindschafl zu demselben zu bringen, fühlte man doch das Bedürf-
niss, dieser Behauptung, welche nirgend anderswo einen Anhalt findet, durch den Nachweis
einer Verschiedenheit der Sprache eine tiefere Begründung zu geben.
Ein Unglück blieb es zwar, dass von germanischen Sprachdenkmalen nicht das Ge-
ringste, von keltischen nur äusserst Weniges, selbst aus römischer Zeit, erhalten war, doch
man wusste sich zu helfen, und wunderbar erscheint es, wie man mit einem Male zur Kennt-
nis® des alten Keltischen gekommen ist
In der Sprache der Irländer und jener der Welschen in Cornwales und der Betragne
fand man die gesuchten Aufschlüsse, die sich um so ergiebiger gestalteten, da man hier
nicht vereinzelte dunkle Sprachreste, sondern eine ganze noch lebende Sprache zur Verfü-
gung erhielt, welche ausserdem, wie cs scheint, die ganz besondere Eigenthiimlichkeit besitzt,
seit mehr als 2000 Jahren keine wesentliche Veränderungen erfahren zu haben.
Wir müssen nämlich auf eine solche Ausnahmestellung des Irischen nach der Zuversicht
schlicssen, mit welcher die Spitzen der Sprachwissenschaft dasselbe sofort zu dem ausgedehn-
testen Gebrauche für Vergleichungen und Bestimmungen von Wortbildungen der ältesten
Vorzeit herangezogen haben.
Es erscheint dies insofern einigermassen bemerkenswert!} , da im Deutschen wenigstens
Niemand ungestraft die Verwendung neuern Sprachstoffs zur Erklärung älterer Formen
wagen darf, und die Wortbildung selbst des frühem Mittelalters nur mit Hülfsmitteln zu-
7»
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L. Lindenschmit,
gänglich ist, welche, obgleich das Resultat eingehender Forschung und strenger Kritik, den-
noch fiir die älteste Zeit keineswegs Geltung haben. Zum Glück also fehlen diese Schwie-
rigkeiten bei der „keltischen“ Sprache der Iren, welche ausserdem nur eine verschwindend
kleine Anzahl Fremdwörter besitzt und selbst für Gegenstände der Kunst und der Gewerbe,
überhaupt für Bildungsverhältnisse, die erst Beit nicht gar langer Zeit den Bewohnern jener
Insel bekannt geworden, Bezeichnungen und Worte hat, welche nur aus einer Urverwandt-
schaft mit den Culturvölkem von Arien her ihre Erklärung linden. Ebenso müssen wir
auch glauben, dass gerade in Irland und bei den Herausgebern der bretonischen Sprach-
denkmale nicht im Geringsten Einwirkungen nationaler Eitelkeit anzunehmen Bind, und
müssen unbedingt die strengste,, unerbittlichste Kritik bei Abfassung der irischen Wörter-
bücher für die Ausscheidung entliehener Aasdrücke voraussetzen.
Um so überraschender bleiben die Ergebnisse, zu welchen Jedermann mit Hülfe dieser
Lexiken gelangen kann, besonders in Bezug auf Namen von Städten, Bergen und Flüssen etc.,
deren Erklärung für Syrien und Aegypten nicht mehr oder minder zutreffend erscheinen,
als für Deutschland oder Italien.
Die Wirkungen dieser in jeder Beziehung neuen Angriffswaffe auf die alte Geschichte
unsers Landes musste deshalb von ausserordentlichem Erfolge sein. Schon im ersten An-
läufe wurde Belgien, das linke Rheinufer ') und die Donauländer weggenommen, wenn auch
nicht Alles im fortgesetzten Kampfe behauptet werden konnte. J. Grimm eroberte das
linksrheinische Gebiet wieder zurück, während die Belgier auf eigene Faust ihren altnatio-
nalen Zusammenhang mit den nördlichen Germanen vertheidigten und selbst zum Angriff
auf das feindliche Gebiet übergingen *).
Nur in Suddeutschland und hauptsächlich in Oesterreich, wo man noch nicht genug
fremde Völker im Lande hatte, wollte man die liebgewonnenen Kelten nicht aufgeben und
so war der Kampf noch nicht vollständig entschieden, als ein neuer Aufschwung der kelti-
schen Studien in Frankreich denselben frisch belebte.
Bereits haben nun die Süddeutschen“) die Mainlinie überschritten und selbst im Norden
hat eine Partei von keltischen Qeheimräthen , Professoren, Pastoren und Doctoren schon die
Harzgegend 4 ) und das ganze Land bis nach Köln an der Spree den fremden Urbewohnern
wieder überliefert. Das Keltenthum der Preussen ist ohnehin durch ihre Theilnahme als
Prausi an dein intendirten Tempelraub von Delphi beglaubigt“), und nach solchen Erfolgen
sind gewiss noch weit glänzendere zu erwarten 6 ), sobald, wie ein Herr Rieke meint, man
erst „noch zu grösserer Sicherheit und zu voller Aneignung des keltischen Sprachschatzes
gelangt sein wird.“
C. Zeuss: Dis Deutschen und ihre Nacbbarstämme. — Hermann Müller: Die Marken de« Vater-
land».
-i Molto und General Renard, de lldentite de Race de« Gasloi« et dca Germaim.
“) W. Ofaermüller's deutsch-keltisches Wörterbuch zur Erklärung der Fluss-, llerg-, Orts-, Gau-, Yölker-
uud Fersunennamen Europas, Westasiens und Nordafrikas im Allgemeinen, wie im Hesondem Deutschlands, 1868.
*) Die t'rbewohner und Alterthümer Deutschlands von Dr. med. L. F. Rieke. Nordhausen 1868.
r '| Die Pfahlbauten und Völkerschaften Osteuropas (§. 11, S. 38) von Dr. E. Rückert
fl ) Selbst Amerika ist nicht mehr sicher vor den Kelten. Siehe Pastor Frenzei, der ßelus oder Son-
nendienst auf den Anden oder Kelten in Amerika. Leipzig 1867.
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Bemerkungen zu der antiquarischen Untersuchung von L>r. v. Maak. 53
Wir wissen recht wohl, dass diese übrigens sehr bezeichnenden Extravaganzen den
eigentlichen Vertretern dor Sprachwissenschaft höchst unbequem und lästig erscheinen und
dass sie sich durch bestimmteste Zurückweisung gegen Anmasslichkeitcn verwahren, die
jenes Gebiet der keltischen Ansprüche weit überschreiten, welches, wenn auch nach sehr
allgemeinen und verschwommenen Begriffen, nun einmal von der historischen Sprachfor-
schung nach dem Bedürfnis» ihrer Construction der Vorgeschichte fest abgesteckt worden
ist. Es entlastet dies jedoch keineswegs von aller Verantwortlichkeit.
Man hat durch einseitige Ueborhebung, durch zuversichtliche Ablehnung jeder anderen
Untersuchungsmittel aLs der sprachlichen, durch die weitreichende Bedeutung, welche man
der Sprache einiger von Alters her gemischten Völkchen beilegte, eine Bewegung hervor-
gerufen, die man unterschätzte und nicht mehr beherrschen kann. Man sollte sich deshalb
nicht erstaunt und befremdet zeigen , wenn Erscheinungen wie die oben bezeichneten auf-
taueben, und mehr Wust „aus dem Schatz der Sprache“ heraufgewühlt wird, als die unbe-
rufendsten Hände jemals „aus dem tauben Gestein der Ueberlieferung“ zu Tage gebracht
haben.
Mainz, December 1S69.
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Xi'
IV.
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen,
beschrieben und in ihren Beziehungen zu anderen Schädeln des Nordens erläutert
Ton
Rud. Vireliow.
>
Ueber die Beschaffenheit der altnordischen Schädel und die ethnologische Stellung
des Volkes oder der Völker, denen sie angehörten, besteht schon seit längerer Zeit eine
nicht geringe Meinungsverschiedenheit. Nilsson (Skand. Fauna. Lund 183D, p. 43) hatte
zuerst die Meinung aufgestellt, dass die ältesten dieser Schädel einer den Grönländern ver-
wandten Raee angehörten. Dagegen wies schon Eschricht (Dct koningl. Danske Videnskab.
Selskabs Afhandl. Kjöb. 1841. VIII. p, LV) nach, dass dies ein Irrthuin sei und dass die
Schädel einer kaukasischen Raee zugeschrieben werden müssen. Er bezog sich dabei haupt-
sächlich auf einen Gräberfund bei Stege auf der Insel Möen, wo in einer Steinsetzung ausser
den Menschenknochen Steinwaffen und Bcrnsteinschmuck gefunden waren. Neuerlich hat
Nilsson (Das Steinalter oder die Ureinwohner dos skand. Nordens. Aus dein Sehwed. Hamburg
1868, S. 84.) allerdings seine frühere Ansicht zuriickgonoimnen ; er hat auch, namentlich auf
Grund von Messungen v. Düben's, zugestanden, dass ein gewisser Theil dieser Schädel
dolichocephal sei, indess hält er jetzt die Meinung aufrecht, dass andere, mehr bra-
cbycephale Schädel den Lappenschädeln in hohem Maasse ähnlich seien. Letztere An-
sicht hat durch Vogt (Vorlesungen über den Menschen. Giessen 1863. Bd. II, S. 117, 320),
der sich auf Messungen und Abbildungen von Busk stützte, eine grosse Verbreitung ge-
funden.
Bei Gelegenheit des internationalen (Kongresses für prähistorische Archäologie, der im
August 186!) zu Kopenhagen abgehalten wurde, bildete diese Frage einen Gegenstand der
Verhandlungen. In der Tliat konnte wohl kein Ort günstiger für die Discussion gerade die-
ses Gegenstandes sein, als Kopenhagen, wo seit so langer Zeit mit der grössten Sorgsamkeit
Alles gesammelt worden ist, was die Vorzeit betrifft, und wo neben dem grössten Reichthum
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56
11 ud. Virchow,
an den mannichfachsten Fundgegenständen auch eine lange Reihe von Schädeln und zwar
gerade aus Steingräbern zusammengebracht ist Allein durch ein eigenthiimliches Missgeschick
ist diese Seite der Forschung fast allein unbearbeitet geblieben, und es konnte daher während
des CougTesses nur wenig von dem vorhandenen Material für die Verhandlung verwerthet
werden. •
Es war dies ein Grund für mich, eigene Messungen zu veranstalten, anfangs mehr zum
Zwecke einer übersichtlichen Vergleichung, später zu einer mehr eingehenden Untersuchung.
Die Zeit war mir nur kurz gemessen und ich konnte daher nicht alle Gesichtspunkte,
welche in Betracht kommen , erschöpfen. Da ich nicht mit der Absicht, Schädelmessungen
zu veranstalten, nach Kopenhagen gegangen war, so fehlten mir anfangs die nötliigen
Messgeräthschaften, und einzelne der später beschafften Hessen in einer oder der andern Rich-
tung Manches zu wünschen. Indess habe ich mich bemüht, so correct als mögUch zu ver-
fahren, wie ich später noch genauer ausfubren werde. Der grösste Theil der Angaben kann
daher als zuverlässig gelten; wo es nicht der Fall ist, werde ich es erwähnen. Ihdcss habe
ich doch auch die letzteren nicht unterdrücken wollen, weil der etwaige Fehler sieb wieder-
holt und eine Vergleichung der verschiedenen Schädel unter sich sehr wohl zulässt.
Es ist diese Vergleichung namentlich von Bedeutung für die grönländischen , lappländi-
schen und finnischen Schädel, von denen sich in Kopenhagen ungewöhnUch reiche Samm-
lungen finden. Die Kenntnis» dieser Schädel ist au den meisten anderen Orten sehr er-
schwert durch die Seltenheit, zumal der Lappenschädel, und es erschien mir daher eine
gleichzeitige Untersuchung derselben um so mehr wichtig, als gerade durch eine nach dieser
Richtung ausgedehnte Vergleichung ein definitives Ergebnis» sich erwarten liess.
Erst nach dem Schlüsse des Cön grosses war es mir möglich , meine Messungen , welche
sich auf 71 Schädel, nämlich 48 aus der Stein-, 3 aus der Bronze- und 6 aus der Eisenzeit,
sowie 6 aus Lappland, 5 aus Grönland und 3 aus Finnland erstreckten, zu Ende zu führen.
Der Umstand, dass ausser dem altnordischen Museum auch das anatomische und das physio-
logische Museum neben ihren Racenschädeln Gräberschädel besitzen, wirkte als erschwe-
rendes Moment mit. Denn obwohl sowohl die Beamten des altnordischen Museums, die Herren
Worsaae, Herbst, Strunk und W, Schmidt, als auch die Vorstände des anatomischen und
des physiologischen Instituts, die Herren Schmidt und Panum, mir mit der liberalsten
und freundlichsten Zuvorkommenheit behülflich waren, meine Zwecke zu verfolgen, so trat
doch durch die räumliche Entfernung der Anstalten ein wesentliches Hinderniss ein. Ich
habe daher keine Zeit gefunden, sämmtUche alten Schädel der letztgenannten beiden Insti-
tute zu messen, sondern mich auf diejenigen beschränkt, welche nachweisbar der Steinzeit
angehören und von denen einige dadurch ein besonderes Interesse darbieten, dass sie schon
von Eschricht beschrieben sind. Alle anderen Gräberschädel, über deren Fundorte und
Fundverhältnisse keine genauen Nachrichten erhalten sind, sowie eine gewisse Zahl sehr
interessanter Torfschädel mussten unberücksichtigt bleiben. Auch von den Racenschädeln
habe ich nur die Lappen sämmtlich gemessen, während ich aus der sehr grossen Zahl der
Grönländer und der nicht geringen der Finnen nur diejenigen auswählte , welche sich durch
vorzügliche Conservirung und Vollständigkeit auszeichneten. Ebenso war es mir nicht mög-
lich, die durch Herrn Steens trup im zoologischen Museum gesammelten Gräberschädel,
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen- 57
unter denen einzelne sehr merkwürdige sich befinden, diirchzumegsen ; ich musste mich auf
eine oberflächliche Betrachtung beschränken, da ich zu spät von ihrer Existenz Kenntnis»
erhielt. Ganz vollständig ist also nur die Sammlung des altnordischen Museums in meiner
Arbeit berücksichtigt
Aus dem Mitgetheilten erklärt sich, warum ich für die Verhandlungen des internationa-
len Congresses von meinen Untersuchungen keinen Gebrauch machen konnte. Eine kurze
Uebersicht gab ich jedoch bald nachher auf der Naturforscherversammlung zu Innsbruck in
der Sitzung der anthropologischen Section am 22. Septbr. v. J. (Tageblatt Nr. 6, S. 155). Die
nachfolgenden Mittheilungen, insbesondere die tabellarischen Zusammenstellungen der ge-
fundenen Zahlen, sollen eine weitere Ausführung liefern, obwohl auch diese nicht erschöpfend
ausfallen kann, da mir dazu augenblicklich die Zeit mangelt
Bevor ich jedoch zu den ^tatsächlichen Ausführungen schreite, muss ich einige Bemer-
kungen über die Art der Messungen voranschicken, nicht nur, um das Gegebene zu erläu-
tern und zu rechtfertigen, sondern auch, um in mancher Beziehung eine allgemeine Verstän-
digung anzubahnen. Letzteres scheint mir namentlich deshalb von Wichtigkeit, weil meine
früheren Angaben über Schädelmessung trotz mannichfacher Anerkennung docli nicht allge-
meine Zustimmung gefunden haben, und zwar, wie nur scheint zum Theil deshalb, weil man
ihnen mehr einen Werth für pathologische, als für ethnologische Schädelformen beilegte.
Allerdings bin ich in meinen Untersuchungen wesentlich von pathologischen Formen ausge-
gangen, indess habe ich (Gesammelte Abhandlungen. Fraukf. 1856, S. 93G) ausdrücklich her-
vorgehoben, dass das von mir im Gegensätze zu den meisten früheren Craniologen betonte
genetische Princip auch auf die Raceuschädel Anwendung finde, indem bei einzelnen
Völkerschaften dieser, bei anderen jener Scliädelknocbeu stärker wächst, und daas jede ethno-
logische Form bei Gelegenheit in der Pathologie ihre Aequivaleute habe.
Aus dem genetischen Princip heraus war ich zu der Schlussfolge gekommen (Würzburger
Verhandl. 1852, Bd. II, 8. 243), dass die Zahl der Messungen an den einzelnen Schä-
deln bedeutend Uber das gewöhnliche Verhältniss vermehrt werden müsse, dass
man namentlich die Grenzen der einzelnen Schädclknochen bestimmen und die einzelnen
Nähte messen müsse. Dieser Gesichtspunkt ist seitdem von der Mehrzahl der Craniologen
angenommen, jedoch keineswegs überall genügend ausgebeutet worden. Seitdem ich mich
mit der Untersuchung von Gräberschädeln beschäftige, ist noch ein wesentlicher Grund für
diese Vervielfältigung der Messungen hinzugekommen, auf welchen ich früher nicht aufmerk-
sam war, nämlich der defecte Zustand vieler dieser Schädel Bald fehlt ein Stück der
Oberfläche, bald eines der Basis, an einem Schädel sind die Kiefer zerstört, an einem andern
die Jochbogen. In den nachfolgenden Tabellen bedeuten die Lücken solche defecte Stellen ;
wo sich mit grosser Wahrscheinlichkeit das Fehlende hinzudenken liess, ist zuweilen eine
bestimmte Zahl mit einem Fragezeichen eingesetzt. Manche dieser Defecte lassen sich
aber durch parallele Maasse decken, und deshalb ist es für die Vergleichung sehr wich-
tig, an den vollständigen Schädel» eine grössere Zahl von Messungen, als unmittelbar nötliig
ist, anzustellen. Man Ist dann im Stande, die defecten Schädel mit den normalen bald nach
der einen, bald nach der andern Art der Messung in Vergleich zu stellen.
Es gilt dies namentlich für die basilaren und facialen Längenmaasse, deren grosse
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Haft I. g
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58
Rud. Y'irchow,
Bedeutung ich früher (Untersuchungen Uber die Entwickelung des Schädelgrundes. Berlin
1857, S. 69) dar gelegt habe und die ich auch jetzt noch um so mehr betonen muss, als meh-
rere neuere Arbeiten auf dieselbe nach meiner Meinung nicht genug Werth legen. Die Lange
der Schädelbasis kann vom äussern Gehörgange oder von dem grossen Hinterhauptsloche
aus gemessen werden ; erstcre Messung ist deshalb besonders wichtig, weil sic auch an Leben-
den angewendet werden kann. Obwohl beide Arten der Messung fast immer verschie-
dene Ergebnisse liefern, so liegen die Differenzen doch in so kleinen Grenzen, dass man sie
öfters, wenn auch nicht ganz mit Recht, übersieht. Wenn jedoch, wie nicht ganz selten, die
Schläfenbeine an einem Gräberscbädel fehlen, so ist es gewiss sehr noth wendig, das Fora-
men rnagnum als Ausgang der Messungen zu nehmen. Und wenn wieder das Foramen mag-
num an seinem vordem oder hintern Rande eingedrückt ist oder der ganze Occipitalwirbel
defcct ist, so bleibt nichts übrig, als sich mit dem Meatus auditorius externes zu begnügen.
In einer Beziehung habe ich gegen meine früheren Methoden eine erhebliche Conceesion
gemacht. Ich ging ursprünglich davon aus, überall möglich bestimmte anatomische Funkte
als Grenzen der Messung festzuhalten, wie es nachher vorzüglich Welcker gethan hat. Aber
ich erkenne an, dass es ethnologisch oft sehr wichtig ist, eine mehr künstlerische Be-
trachtung zu wählen und die hervorragenden Stellen ohne Rücksicht auf die anatomische
Grundlage als Messpunkte zu nehmen. Dies gilt namentlich für die so wichtig gewordenen
Verhältnisse von. Länge, Hohe und Breite. Trotzdem beharre ioh bei dev Meinung, dass diese
mehr plastische Betrachtung nicht ausreicht, und dass sie erst durch die genetische Erklä-
rung wahren Werth gewinnt.
Ich bemerke ausdrücklich, dass ich die gegenwärtig von mir gelieferten Tabellen nicht
als Muster betrachte. Ein gewisser Mangel an Vorbereitung und die schon geschilderten
bedrängten Verhältnisse des Ortes erklären diese Verwahrung hinlänglich. Aber für spätere
Vergleichungen werden sie trotzdem hoffentlich sich als nützlich erweisen. Als besonders
wichtig möchte ich namentlich die Messungen der Breite der Nasenwurzel und diejeni-
gen des Unterkiefers betrachten, welche für die Charakteristik des Gesichts von bestim-
mendem Werthe sind.
Ich gehe nun kurz zu einer Besprechung der einzelnen Maasse über:
1) Der grösste Horizontalumfang des Schädels ist stets mit einem Bandmaassc genom-
men und zwar in der Art, dass nicht bestimmte, für jeden Schädel wiederkehrende Mess-
punkte gewählt, sondern jedesmal der wirklich grösste Umfang aufgesucht wurde. Im All-
gemeinen traf das Bandmaass vom den untern Tlieil des Stirnbeins über den ürbitalrändcm,
hinten die Protuberantia occipitalis externa.
2) Die grösste Höhe des Schädels wurde (ebenso wie die Maasse 3, 11, 12, 14) bei
den ersten sechs Schädeln von Borreby mit einem Schiebeinstrument von Busk gemessen,
welches mir Herr v. Düben geliehen hatte. Später stellte ich mir mit Hülfe des Herrn
Panum eine analoge Einrichtung her, in der Art, daas an einem horizontalen Metallstabe,
der an dem einen Endo einen senkrechten, feststehenden Arm trug, an dem andern ein
gleichfalls senkrechter, jedoch verschiebbarer Arm angebracht wurde. Als Endpunkte für das
Höhenmaass wurden der vordere Rand des Foramen rnagnum und die höchste Stelle des Schä-
dels gewählt. leb ziehe diese Punkte, obwohl sie keine Anwendung für den Lebenden ge-
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 59
I
statten, denen von v. Baer und Hi» gewählten vor, weil sie eine nicht bloss künstlerische
Bedeutung haben.
3) Die grösste Länge des Schädels wurde anfangs (vgl. zu 2) mit dem Busk 'sehen In-
strument, später mit dem Tasterzirkel gemessen. Die Mitte des untern Stirnrandes und die
stärkste Hervorwölbung de« Hinterhauptes, beziehungsweise (jedoch nicht immer) die Protu-
berantia occipitalis externa, stellen die Endpunkte der Linie dar. Wo eine besonders starke
Entwickelung der Supraorbital-Höcker bestand, ist in Klammern ein zweites kleineres Maass
angegeben, welche« oberhalb derselben genommen ist
4 — 6) Die Sagittal-Durchmesscr der Schädeldachknochen wurden mit dem Bandntaasse
zuerst einzeln und dann zusammen gemessen. So einfach diese Operation erscheint, so
schwierig erweist sie sich doch. In der Mehrzahl der Fälle stimmte die Summe der gefun-
denen Einzelmaasse nicht mit der durch directe Messung gefundenen Länge des Gesammt-
maasses (Schädeldach- oder Scheitelbogens). Es erklärt sich dies aus der grossen Unsicher-
heit für die Bestimmung der Endpunkte dor einzelnen Knochen, welche durch das Ineinander-
greifen der Nahtzacken, durch theilweise Verknöcherung der Nähte, durch Einschiebung von
Naht- und Fontanellknochen bedingt wird. Selbst das Anzeichnen einer Bleistiftlinie an
den schliesslich oft sehr willkürlich gewählten Endpunkten hilft nicht durchweg, weil ein
anderer Umstand störend eintritt. Das Bandmaass legt sich nämlich bei dem Messen der
einzelnen Knochen (Stirn- Scheitel-, Hinterhauptsbein) inniger der Knochenoberfläche an,
es folgt genauer jedem Vorsprunge und jeder Vertiefung, während bei der Messung des gan-
zen Scheitelbogens es sich leichter über die Unebenheiten hinwegspannt und daher in der Regel
kürzer ausfällt. Ich habe deswegen gerade diese Messungen stets mehrmals wiedorholt und
darnach Correcturen eintreten hissen ; nie ist das Gesammtmaass durch blosse Addition be-
rechnet, sondern stets ist es wirklich gemessen. Einige Mal ist es trotz wiederholter Mes-
sungen nicht gelungen, eine ganz vollständige Uebereinstimmung herbeizuführen.
7 — 8) Entfernung des Meatus auditorius externus von der Nasenwurzel und dem Kinn.
Das eine Ende eines Tasterzirkels wurde in den äussern Gehörgang und zwar an den vor-
dem Umfang desselben, das andere an die Sutura naso-frontalis, beziehungsweise an die
Mitte des Unterkiefers, etwas oberhalb des untern Randes, angesetzt.
9 — 10) Entfernung des Foramen magnum occipitale von der Nasenwurzel und der Spina
nasalis anterior. Der eine Arm des Tasterzirkels wurde an den vordem Umfang dos Fora-
men occipitale, der andere an die Sutura naso-frontalis, beziehungsweise dicht unter die In-
sertionsstello der Spina nasalis anterior angesetzt.
11) Entfernung des Foramen magnum occipitale von der Protubcrantia occipitalis
externa, beziehungsweise der stärksten Hervorwölbung der Hinterhauptsschuppe. Diese Entfer-
nung, oder, genauer gesagt, die Länge des Hinterhauptes wurde mit dem oben unter 2) ge-
schilderten Werkzeuge in der Art gemessen, dass die feststehende Branche in das Hinterhaupts-
loch cingeführt, die bewegliche gegen die Wölbung der Squama occipitalis angedrückt wurde.
Der horizontale Stab des Instruments wurde möglichst der Horizontalaxe der Condyli occi-
pitales artic. (Proc. condyloides) parallel gestellt. Indess bemerke ich, dass diese Messung
zu manchen Bedenken Veranlassung giebt, da sie mehr, als jede andere , zu willkürlichen
Aenderungen in der Anlegung der einzelnen Abschnitte des Instruments Gelegenheit bietet.
8 *
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Rud. Virchow,
12) Grösste Breite des Schädels, zuerst mit dem Instrument von Busk, später mit dem
Tasterzirkel gemessen. Zuweilen entspricht das Maass der Entfernung der Tubera parieta-
lia von einander; meist liegen jedoch die Ansatzpunkte tiefer. Jedenfalls ist immer der
grösste Parietal-Durchmesser gemeint. Bei den Racensehädeln ist jedesmal die Entfernung
der Tubera parietalia besonders gemessen und in Klammem angemerkt worden ; daneben
ist die grösste Entfernung der seitlichen Wölbung der Scheitelbeine hinzugefügt. Diese
Maasse entsprechen dem, was ich früher (Gesammelte Abhandl. S. 916) den oberen und
unteren Parietal-Durchmesser genannt habe.
13) Tom poral- Durchmesser , mit dem Tasterzirkel an der Sutura spheno-parietalis und
zwar an der hinteren Ecke an der Schläfenschuppe gemessen.
14) Mastoidal-Durchmesser. Während der früher (Gesammelte Abhandl. S. 91C) von mir
vorgeschlagene Punkt, „die Mitte der unteren Fläche oder die Spitze der Zitzenfortsätze“,
von den meisten der späteren Schiidelmesser angenommen worden ist, so bin ich hier inso-
fern abgewichen, als ich die Ansatzstelle des Proc. mastoides gewählt habe. Für die Gestal-
tung des Kopfes ist diese Stelle von grösserer Bedeutung als die erstere, welche sogar
wesentlich von der bald mehr senkrechten, bald mehr schrägen Richtung des Fortsatzes ab-
hängig ist. Durchschnittlich fällt das Maass nach dieser Methode etwas grösser aus. Ge-
wöhnlich wurde mit dem Tasterzirkcl gemessen und die Branchen äusserlich auf die Wur-
zel des Knochenfortsatzes aufgesetzt.
15) Jugal-Durchmesser (Wangenbreite), von dem am meisten hervortretenden Punkte des
einen Jochbeins zum anderen mit dem Tasterzirkcl gemessen.
16) Maxillar-Durchmessor (Oberkieferbreite). Hier wurden die Branchen des Instruments
über dem 4. Backenzahn jederseits, also unterhalb der Wurzel des Proc. zygomaticus angesetzt.
17) Grösste Breite der Nasenwurzel, gemessen mit dem Tasterzirkel, dessen Branchen
etwas unter der Sutura naso-frontalis jederseits an die äussere Seite der Spitze des Proc.
front&lis des Oberkiefers angeeetzt wurden. Diese» wichtige Maass entspricht beim Leben-
den nahezu der Entfernung der inneren Augenwinkel von einander.
IS) Unterer Umfang des Unterkiefers, mit dem Bandmaasse gemessen von einem Win-
kel zum anderen.
19) Mediane Höhe des Unterkiefers, mit dem Tasterzirkel von dem unteren Rande des
Kiefers bis zum oberen Rande des Alveolarfortsatzes, die Zähne nicht mitgerechnet, gemessen.
Dies Maass ist wegen der verschiedenen Altersentwickelung des Alveolarfortsatzes etwas un-
sicher, indes» doch nicht zu unterschätzen.
20) Höhe des Kieferastes, vielleicht genauer Länge desselben, mit dem Tasterzirkel ge-
messen, dessen eine Branche auf die Gelenkfläche, die andere auf den hinteren Umfang des
Kiefenvinkels gesetzt wurde.
21) Eutfernung (Abstand) der Unterkieferwinkel von einander.
22) Gesichtswinkel. Vielleicht hätte ich diese Rubrik ganz unterdrücken sollen, denn
sie bietet die geringste Bürgschaft der Zuverlässigkeit. Es fehlte mir hier ein direct anzu-
wendendes Instrument, und ich musste mich datier mit einem gewöhnlichen Winkelmaass be-
gnügen , an dem ich durch Visiren die Einstellung zu machen suchte. Als Maass nahm ich
den moditicirten Camper’schen Gesichtswinkel, indem ich nicht die Stirn-, sondern die Nasen-
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 61
wurzcl als Ansatz des ersten Schenkels nahm; der zweite Schenkel wurde durch den
äusseren Oehörgang gelegt, und der Winkel an der Spina nasalis anterior abgelesen. Ich gebe
die Zahlen unter aller Reservation.
23) An einer kleineren Zahl von Schädeln, namentlich bei den grönländischen und tinni-
schen, habe ich auch die Entfernung der beiden Plana gemicircularia (temporalia) von ein-
ander bestimmt. Ich wurde dazu veranlasst durch die Wahrnehmung, dass die obere Grenze
dieser Fläche, welche durch die Linea semicircnlaris bezeichnet wird, sich bei einigen dieser
Stämme ganz ungewöhnlich weit heraufschiebt Die grösste Annäherung beider Lineae semicir-
cularcs an einander wurde mit dem Bandraaaase gemessen.
Die Ergebnisse aller dieser Messungon , bei deren Aufzeichnung mir die Herren Stud-
Salomonsohn und Krohn mit grösster Hingebung hiilfreich waren, finden sich in den bei-
gegebenen sieben Tabellen zusammengestellt. Ueberall ist der Centimeter als Einheit ge-
braucht. Die ersten fünf Tabellen enthalten die einzelnen Messungen, und zwar die ersten
drei für die Schädel der Steinzeit, die vierte für die Schädel das Bronze- und Eisenalters,
die fünfte für die Raccnschädel.
In der sechsten und siebenten Tabelle sind sodann die berechneten Mittelzahlen zusam-
mengestellt und zwar zunächst auf der sechsten für die Schädel der Steinzeit nach den ein-
zelnen Fundorten, auf der siebenten für säinmtliche Schädel nach den grossen Kategorien der
prähistorischen Perioden und der jetzigen Racon. Für die Borreby-Schädel ist das Längen-
maaas nach den kleineren Zahlen berechnet, welche in Klammern stehen, da es ungerechtfer-
tigt schien, die grösseren, nur durch dio starke Entwickelung der Supraorbitalbogen be-
dingten Maasse in Rechnung zu ziehen. Für die finnischen Schädel sind bei der Breite um-
gekehrt die grösseren Zahlen genommen, welche dem untern Farietal-Durehmesser entsprechen.
Sowohl auf der sechsten als siebenten Tabelle sind die kindlichen und jugendlichen
Schädel, im Ganzen sieben, ausgeschieden, so dass hier in Berechnung gezogen sind:
41 Schädel der Steinzeit,
3 „ „ Bronzezeit,
5 „ „ Eisenzeit,
6 „ von Lappen,
ä , „ Grönländern.
3 „ „ Finnen.
Bei den Lappen ist überdies eine doppelte Berechnung angestellt , weil der Schädel
Nr. 58 so ungewöhnliche Grössenverhältnisso darbietet, dass es fraglich erscheint, ob er noch
als normaler anzusehen ist oder ob eine hydrocephalische Vergrösserung stattgefunden hat.
Dagegen habe ich mich nicht für berechtigt gehalten, diejenigen Schädel auszuschliessen,
welche ich für weibliche zu halten Veranlassung hatte. Ich fühle mich nicht im Stande,
überall mit Bestimmtheit die Grenzen zwischen männlichen und weiblichen Schädeln zu zie-
hen und ich habe daher lieber auf eine solche Unterscheidung verzichtet, um nicht willkür-
liche und daher zweifelhafte Trennungen zu machen. Indess muas ich doch darauf aufmerk-
sam machen, dass die berechneten Mittelzahlen gerade für einzelne Rubriken dadurch
wahrscheinlich ein falsches Bild gewähren. Am meisten gilt dies für die Schädel der
Bronzezeit. Von den drei überhaupt nur vorhandenen sind wahrscheinlich zwei weibliche, und
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Rud. Virchow
der dritte ist so defact, dass nur wenige Maassc an ihm genommen werden konnten. Diese
sind aber durchweg ungleich grösser, Ws die der beiden anderen Schädel, und es muss da-
her wohl angenommen werden, dass die berechneten Mittel zu klein sind. — Gerade umge-
kehrt sind die droi Finne nachädel sämmtlich männliche und sie gehörten offenbar recht kräf-
tigen Individuen an. Sowohl die einzelnen Zahlen, als die Mittel sind daher wohl etwas
grösser, als der Durchschnitt aus einer reicheren Anzahl männlicher und weiblicher Schädel
ergeben würde.
Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Mittelzahlen für die einzelnen Gruppen von
Schädeln bei den verschiedenen Maassstellen derselben Kategorie aus ganz verschiedenen
Summen berechnet sind. Viele Schädel hatten keinen Unterkiefer ; andere waren in ande-
ren Stucken dcfect. Bei den Schädeln von Borreby ist die Länge aUB 25, die Höhe und
Breite aus 24, der Jngaldurchmesser aus 18, der Umfang des Unterkiefers aus 13 Schädeln
berechnet. Hätte ich alle defecten Schädel ausacheiden wollen, so wäre ein sehr werthvolles
Material unbenutzt geblieben. Eine absolute Bedeutung haben ja die Mittelzahlen an sich
nicht; ihr relativer Werth wird nur »lässig beeinträchtigt durch das eingeschlagene Verfahren,
und für diejenigen, welche weiter eindringen wollen, bieten die ausführlichen Tabellen I
bis V alle Gelegenheit zu Correcturen.
Für uns hat den Haupt werth die schliessliche Feststellung der Verhältnisszahlen, wie sie
aus der siebenten Tabelle für die Hauptdimensionen sämmtlicher Schädel berechnet sind.
Die nachstehende Tabelle A. mag dies sofort anschaulich machen:
Tabelle A.
1
Stein-
alter. ;
Bronze*
alter.
Eisen-
alter I.
! Eisen-
alter u.
Verhältnis» »1er
ohne |
Nr. 58. |
mit
Nro. 58-
Höhe zur Länge ....
77,0
7M
69,4
72,3
75,1
76 Jö
74,0
73,2
Breite zur Lauge . . .
77,S
66,6
69,1
*9,2
»5,1
71,8 i
80,3
HintcrhauptslAnge zur
Länge
32/»
■27, S
31.5
32,3
80,6
30,2
3->,4
32,7
Höhe zur Breite ....
100,7
n>7.i
106.0
101,6
00*2
89,2
103,0 |
91,1
Entfernung der Spina na-
»alis vom Fora men oo
cipitale zur Entfernung
der Nasenwurzel von
demselben ...... 1
38,0
92,4
un,2
32,8
03,0
513,8
| 34,0
90,3
Es ergiebt sich daraus auf den ersten Blick, dass keine dur Gruppen der anderen ähnlich
ist. Jede hat ihre Maxima und Minima an anderen Stellen, als die andeTe. Was insbesondere
die uns vorwiegend beschäftigenden Schädel der Steinzeit betrifft, so unterscheiden sie sich
sowohl von den Lappen- und Finnen-Schädeln , als auch von denen der Eskimos in höchst
auffälliger Weise. Ja, mau könnte eher die Lappen und Finnen identificiren , woran doch
Niemand denken wird, als etwa die altnordischen Schädel für lappische oder finnische erklären.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Auch der Einwaml trifft nicht zu, dass durch die Vereinigung sämmtlicher Schadet der
Steinzeit etwa unzusatnmenhängende Gruppen zusammen geworfen seien und dadurch ein fal-
sches Bild entstehe. Allerdings bieten die einzelnen, je einer Localität angehörenden Grup-
pen unter einander nicht unerhebliche Verschiedenheiten dar, welche sich in den grossen
Mittelzahlen der Gesammtsumme nicht wieder erkennen lassen, allein keine dieser Special-
gruppen schliesst sich deshalb mehr an eine der jetzigen Racen an. Ich füge zum Beweise
eine Zusammenstellung der wichtigsten Localgruppen an:
Tabelle B.
*
Borreby,
Skovs-
goani
Nae».
Udby.
Stege.
Höhe : Lange .
77,9
77,2
78,1
77,6
75.9
Breite : Länge
79,0
70,2
75,4
78.2
75,9
Hiuterbauptalänge : Lang«* ....
31,4
36,9
90,0
28,4
31,8
Höhe : Breite . • . .
9S, 6
101,3
103, G
99,2
100,0
Entfernung der Spina na*ali» vom
Foraraen magnum : Entfernung
der N&senwuriel von demselben
91,1
91/1
93,2
I
101,0
95.8
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist hier die letzte Horizontalspalte, welche ein, von
mir hier zum ersten Mal eingeführtes Verhältnis» erläutert Während nämlich die vier
ersten Horizontalspalten, welche auch sonst viel angewendet sind, sich durchweg nur auf
den Schädel beziehen und die Verhältnisse der Dolichocephalie, Brachycephalie u. s. w. er-
läutern, lässt die fünfte Horizontalspalte zugleich die Stellung des Oberkiefers zur Schädel-
basis (letztere = 100 gesetzt) erkennen, stellt also zahlenmässig Prognathismus, Orthogna-
thismus u. s. w. dar, soweit sich ein solcher an der Wurzel der Spina nasalis anterior und
am Ansatz des Alveolarfortsatzes erkennen lässt Von der weiteren Prominenz der Alveo-
larfortaätzo und der Zähne selbst, welche eigentlich erst den Prognathismus vollenden, sehe
ich hier ab; sonst müssten die Zahlen weit grösser ausfallen. Bei den Eskimos erreicht der
Oberkieferindex (so will ich der Kürze wegen die berechnete Zahl nennen) im Mittel 94;
bei den Gräberschädeln von Stege erreicht er fast 96, hei denen von Udby sogar 101. Nun
sind dies gerade Schädel von der Insel Möcn, aus deren Gräbern Nilsson lappenähnliche
Köpfe beschreibt, während unsere Tabellen ergeben, dass sie weder in diesem, noch in irgend
einem andern Punkte den Lapjien ähnlich sind. Scheidet man aber die Schädel von Möen
ab, so gewinnt man für die Schädel von Borreby und Skovsgaard, den beiden wichtigsten
Fundstellen, einen sehr kleinen Oberkieferindex.
Betrachtet man das Schädelverhältniss, so zeigen die Tabellen deutlich, dass die Lap-
pen und Finnen bracbycephal, die Grönländer dolichocephal, die Stämme der
Steinzeit meso- oder orthocephal mit grösserer Hinneigung zur Brachycepalie,
dagegen die Schädel der Bronze- und Eisenzeit dolichocephal mit grösserer Hin-
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Rud. Virchow
neigung zur Hy psocephalie sind. Gerade die letzteren stehen demnach den Grönlän-
dern ') craniologisch näher, als die Schädel der Steinzeit, ja sie unterscheiden sich von letzteren
mehr, als von den ersteren. Iudess gehen der Höhen- und Breitenindex doch so scharfe
Unterschiede zwischen den Gräber- und Raccnscliädeln, dass es gcnilgt darauf hinzuweisen.
Wenn sich umgekehrt die Schädel der Steinzeit der Brachycephalie und damit den Lappen
und Finnen nähern, so gilt auch hier dasselbe, wie vorher: Höhen- und Breitenindex und
überdies das Verhältniss von Höhe und Breite sind so verschieden, dass keine Möglichkeit
einer Vereinigung oder auch nur Verwandtschaft vorhanden ist. Am auffälligsten ist dies
bei den Lappen; die Finnen nähern sich den Schädeln der Steinzeit ungleich mehr und im
einzelnen Falle möchte es nicht immer leicht sein, einen Unterschied sicher aufzutinden. IJie
Gruppen aber trennen sich sehr scharf und ich möchte auch hier gerade das Verhältniss der
Breite zur Höhe hervorheben.
Ganz besonders zu bedauern ist es, dass für die Bronze- und Eisenzeit keine grösseren
Samudungeu von Schädeln zur Verfügung standen und dass, wie schon orwähnt, unter den
Bronzeschädeln die weiblichen so sehr verwiegen. Immerhin ist es höchst merkwürdig, dass
die Schädel der Bronze- und Eisenzeit unter sich eine weit grössere Aehnlich-
keit haben, als mit irgend einer der anderen grösseren Gruppen, und dass auch
von allen Localgruppen der Steinzeit nur eiuzelne sich ihnen nähern. Dahin ge-
hören, wie später genauer dargelegt werden wird, die Schädel von Borre, Frelsvig, Naes
(Nr. 30 bis 31) und Skovsgaard; an letztem Orte wurde überdies Bronze gefunden. Es
scheint durch diese Erfahrung der Ansicht Vorschub geleistet zu werden, nach welcher die
Kenntniss der Metallverarbeitung durch eine neue Einwanderung eingeführt worden ist.
Die weiteren Bemerkungen werden sich am passendsten an eine Betrachtung der ein-
zelnen Ländergruppen anknüpfen lassen. Ich stelle an die Spitze;
I. Die Schädel der Steinzeit.
Vorweg bemerke ich, dass bis jetzt in den Kjökkenmöddinger keine Schädel gefunden
sind. Alle hier in Betracht gezogenen Schädel stammen aus Gräbern, in denen polirtes
Steingeräth niedergelegt war.
A. Gräber der Insol Seeland.
I
1) Borreby, Soroe Amt, im südwestlichen Seeland, Ist die weitaus interessanteste Fund-
stelle, weil hier in einem Grabhügel eine ganze Masse menschlicher Skelete aufgefunden wurde,
so dass (ausser manchen anderen defeoten Stücken) in unserer ersten Tabelle 25 Schä-
del von da aufgelührt werden konnten. In der kurzen Beschreibung von C. Engelhardt
(Guide illustre du Museo des antiquites du Nord ä Copenhague. 1368. p. 6) heisst es davon;
Ü Dasselbe gilt von dir von His unter dein Namen de« Hohbergs- oder römischen Typus beschriebenen
Form der altechweiserischen Schädel, für welche er im Mittel findet: Höbe : Longe — 73,3, Breite : Länge
= 70,7, Höhe : Breite = 103, U.
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Die altnordischen Schädel .zu Kopenhagen. (15
„Das ganze Grab war angefüllt mit den Skeleten von Männern , Frauen und Kindern,
mebr als 80 an der Zahl. Noch tiefer, etwa in der Mitte des Grabes, fand man halb ver-
brannte und gespaltene Menschenknochen zwischen den übrigen, welche nicht die mindeste
Spur von Anbrennung zeigten, zerstreut. Im Grunde lag eine Anzahl gebrannter Menschen-
knochen und die Ueberreste eines Rehs auf platten calcinirten Steinen ausgebreitet und noch
mit Asche und Kohlen bedeckt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Einweihung
des Grabes zu einer Festlichkeit Anlass gegeben hat, bei welcher man den Göttern geopfert
und zum Theil gegessen haben mag nicht nur Rothwild, sondern auch Menschenopfer.“ Auch
Herr Worsaae führte bei Gelegenheit der Debatten des internationalen Congresses diesen
Fund als Beweis der Anthropophagie der altnordischen Stämme an und erwähnte besonders,
es sei die Masse der Skelete so dicht in einem mit einem grossen Steine bedeckten Raume
eingeschlossen gewesen, dass nicht wohl zu begreifen sei, wie eine so grosso Zahl von mensch-
lichen Körpern darin hätte Platz finden können , wenn sie noch mit dem Fleische bekleidet
gewesen wären. Madsen (Antiquitds prdhistoriques du Dänemark. Copenh. 1869, p. 13,
PL XVII — XVIII) bildet die in dem Grabe gefundenen Kunstgegenstände aus Knochen,
Feuerstein und Thon ab und berichtet zugleich, (lass es sich um ein grosses Ganggrab han-
delte, dessen Steinkammer 5 Meter lang, 1 Meter breit und 1,60 Meter hoch war. Er spricht
nur von 50 Individuen, von denen sehr wenige der Länge nach begraben waren; die meisten
seien sitzend oder kauernd bestattet, da die Schädel zwischen den Schenkel- und Fuaskno-
chen lagen. In der Augenhöhle eines der Schädel steckte noch ein abgebrochener Feuorsteinpfeil.
Ich habe diese Nachrichten besonders deshalb angeführt, weil dadurch die Frage ent-
steht, ob die aufgefundenen und namentlich dio aufbewahrten Schädel wirklich der alten Be-
völkerung Seelands oder nicht vielleicht Kriegsgefangenen von ausserhalb gehört haben.
Unter den gemessenen 25 Schädeln befindet sich ein kindlicher (Nr. 6), 2 jugendliche (Nr.
14 und 19), 5 wahrscheinlich weibliche (Nr. 17, 18, 20, 21, 23). Einer der letzteren (Nr. 18),
sowie mehrere der männlichen Schädel (Nr. 9, 24, vielleicht 2) zeigen starke Spuren von
Brand. Einer (Nr. 3) hat eine alte geheilte Verletzung an der Stirn. Einer (Nr. 1), der
gleichfalls sehr gelb aussieht, wurde ausserhalb der Steinkammer gefunden. An sich paast
das wohl auf Kriegsgefangene, die man opferte, indes« folgt daraus noch nicht ohne Wei-
teres, dass dieselben von weither ins Land geschleppt waren. Bei dem damaligen Zustande
der Schifffahrt war es wohl kaum möglich, 80 Gefangene von weither zu transportiren ; wa-
ren diese aber von derselben Insel oder einer der benachbarten, so gehörten sie wohl auch
zu einem verwandten Stamme. Jedenfalls waren sie weder Lappen noch Finnen.
Unsere Tabelle I. zeigt, dass auch unter den männlichen Schädeln gewisse Unterschiede
sind, indem einzelne schmälere und längere, andere dagegen breitere und kürzere Formen
vertreten. Letztere machten im Ganzen auch den Eindruck grösserer Stärke der Entwicke-
lung. Gewöhnlich zeichneten sie sich aus durch ein flacheres und breiteres Hinterhaupt mit
sehr grosser und hoher Squama occipitalis, durch grössere Höhe überhaupt und dem ent-
sprechend durch einen beträchtlichen Scheitelbogen (Schädeldachbogen); alle Breitendurch-
messer, besonders der temporale und mastoidalo , jedoch auch die facialen und subinaxilla-
ren waren gross; ganz besonders auffallend waren jedoch die Superciliarbogcn, welche stel-
lenweise zu wahren Höckern ausgebildet waren und den Schädeln einen Ausdruck von Wild-
Archiv für Anthropologie, B L IV, Heft. I. Jj
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66
Rud. Virchow,
heit verleihen, der ihnen eine ungewöhnliche Aehnlichkcit mit den Schädeln der jetzigen
Australier verschallt. In mehreren Fällen (Nr. 2, 3, 5, 3, 14) stellten sielt diese Zustände als
wirkliche Hyperostosen von jedoch sehr poröser (gefässreicher) Beschaffenheit und unregel-
mässig hügeliger Oberfläche dar. Nicht immer beschränkte sich die Hyperostose auf den
Superciliarrand, sondern sie dehnte sich selbst auf den ganzen Orbitalumfang aus (Nr. 2).
Durch die Grosso der Auflagerung geschah es, dass der Superciliarrand sich verlängerte und
dachförmig vorschob, ja dass die Incisura supraorbitalis sich in einen wirklichen .Kanal ver-
wandelte (Nr. 3). Die Häufigkeit gleichzeitiger partieller Synostosen und das zweimalige
Vorkommen stärkerer Exostosen (Tubercula) am vordem Umfange des Foramen occipitale
scheinen dafür zu sprechen, dass auch die superciliare Hyperostose etwas Pathologisches an
sich hat.
Der Oberkiefer zeigte zuweilen eine geringe Neigung zum Prognathismus, doch trat
dies in der ganzen Ma&se weit in den Hintergrund. Der mächtige Unterkiefer hatte meist
ein etwas vorspringendes, öfters dreieckiges Kinn, zuweilen eine im Ganzen etwas vorragende
Symphyse. Niemals theilte Bich jedoch der Prognathismus den Zähnen mit.
Die Borreby-Scbädel sind daher als schwach zur Brachycephalie neigende
mesocephale und orthognathe zu betrachten. Die Abbildungen und Beschreibungen
von Busk, welche Vogt (a. a. 0. S. 118, Fig. 99 bis 100) mitthcilt, treffen nicht vollstän-
dig zu. Wenn Busk aus 20 von ihm gemessenen Schädeln den Breitenindex — 78 berech-
net, so stimmt dies ziemlich mit meiner Rechnung, welche bei 25 Schädeln 79 ergab, aber
deshalb sind die Borreby-Schädcl weder rund, noch klein, noch dieser Eigenschaften wegen
den Lappenschädeln ähnlich. Die grösste Länge der Borreby-Schädel beträgt im Mittel 18,1,
die der Lappenschädel 17,3; der longitudinelle Schädeldachbogen misst dort 38,7, hier 35,1,
wovon auf das Stirnbein dort 13,1, hier 11,7 fallen; dem entsprechend haben die Borreby-
Schädel eine Höhe von 14,1, die Lappenschädel von 13,0, Nirgends sind zugleich die Unter-
schiede auffälliger, als am Gesicht. Die Lappen mit einer Nasenbreite von 2,6 im Mittel bieten
ein total anderes Aussehen als die Borreby-Leute mit 2,3 Nasenbreite. Dazu kommt der ganz
abweichende Bau des Unterkiefers, der sich aus einer Vergleichung der Zahlen von selbst
herausstellb Der Oberkieferindex der Lappen beträgt 93, der Borreby-Schädel 91. Selbst
in den von Vogt (a. a. O. S. 321 bis 323, Fig. 127, 128) roitgetheilten Abbildungen eines
Lappenschädcls sind diese Verschiedenheiten zu bemerken, indess hat es an sich seine Schwie-
rigkeiten, an blossen Abbildungen selbstständige Schlüsse zu ziehen. Meiner Meinung nach
fallen alle Analogien zwischen Borreby- und Lappenschädeln vor der directen Betrachtung
schon in sich zusammen. Die Messung zeigt dasselbe für die finnischen Schädel, welche das
gerade Gegenstück der Borreby-Schädel bilden. Die Höhe verhält sich zur Breite bei den
Finnen wie 91,1 ; 100, bei den Borreby-Schädeln = 98,6 : 100; ebenso beträgt der Höhen-
index dort 73,2, hier 77,9. Bei den Finnen misst der longitudinolle Schädeldachbogen 37,6
und die Hinterhauptsachuppe davon 1 1,5, bei den Borreby-Schädeln 38,7 und 12,0. Dafür be-
trägt der Temporaldurchmesser bei den Finnen 12,6, bei den Borreby-Schädeln nur 12,0. Was
der finnische Schädel breiter ist, ist der Borreby-Schädel höher.
2) Ebenfalls in Seeland bei Nybölleby (Smörum Sogn, Kjöbnhavn-Amt) ist ein im Anato-
mischen Museum befindlicher und unter A B y 40 inventarisirter Schädel gefunden. Er lag in
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Die altnordischen Schädel -zu Kopenhagen. 67
einem grossen Grabhügel, Aalehöi genannt, ohne eigentliche Steinkammer, jedoch mit Flint
und anderen Knochen. Gegenüber den Borreby-Schädoln bietet er grosse Verschiedenheiten,
namentlich sind fast alle seine Verhältnisse ungleich kleiner; nur am Kieferapparate und Ge-
sicht treten grossere Maasse hervor. Der Höhenindex beträgt 76,3, der Breitenindex 75,7,
das Verhältnis« von Höhe zur Breite 100,7; er kommt daher in seinen Verhältnissen am
nächsten den Schädeln von Skovsgaard, und er entfernt sich nicht von der Gosammtgruppe
der Steinscbädel.
B. Gräber der Insel Falster.
1) Bei Skovsgaard fand man im Grunde eines mächtigen Steingrabhügels drei an ein-
ander stossende, aus rohen Steinen errichtete Räume, in welchen fast 100 Skelete und da-
neben allerlei Fundgegenstände aus Stein lagen. In der Decke einer dieser Abtheilungen
standen auf einer Steinplatte drei Urnen, gefüllt mit gebrannten Knochen, unter denen feine
Bronzegegenstände befindlich waren. Engelhardt (1. c. p. 6) bemerkt ausdrücklich, dass
dieses Zusammenvorkommen von Stein und Bronze in Dänemark Behr selten sei. Nimmt
man an, was doch wahrscheinlich ist, dass die Urnen mit den gebrannten Knochen und der
Bronze nicht erat später in den Hügel gebracht sind, so kann es fraglich erscheinen, ob über-
haupt dieses Grab noch der Steinzeit zuzurechnen ist. Wenn ich trotz dieses Bedenkens
den Bestimmungen der dänischen Alterthumsforscher folge, so muss ich doch für wahrschein-
lich halten, dass die Zeit dieser Grabsetzung mindestens an die Grenze der Bronzeperiode
verlegt werden muss. Sehr nahe liegt es, auch hier die Hunderte von Skeleten , welche in
den tieferen Grabkammern gefunden wurden, auf Menschenopfer zu beziehen.
Aus der früher mitgetheilten Tabelle B. ergiebt sich ein nicht geringer Unterschied die-
ser Schädel von denen von Borreby. Sowohl der Höhen- als der Breitenindex sind kleiner,
während die Höhe im Verhältniss zur Breite ungleich beträchtlicher ist. Die Hinterhaupts-
länge ist im Verhältniss zur Gesammtlänge bei diesen Schädeln grösser (35,9), als sie über-
haupt in einer der Gruppen unserer Zusammenstellung vorkommt. Es erklärt sich dies zum
Theil durch das Vorkommen eines hinteren Fontaneliknochens (Os interparietale), der für die
peruanischen Gräberschädel eine gewisse Berühmtheit erlangt hat (Os Incae). Durch die
verhältnissmässige Länge des Hinterhauptes entsteht für die Berechnung der Schädei der
Eindruck einer wirklichen Dolichocephalie, wodurch sie sich den Schädeln des Bronzealters
nähern. Leider sind von den 100 Skeleten nur drei Schädel conservirt und von diesen
scheint der eine (Nr. 28) weiblich zu sein. Indess ergiebt die Zusammenstellung auf Ta-
belle VI, dass in der That die grösste Länge dieser Schädel (18,9) mit derjenigen der Bronze-
schädel übereiustimmt und unter den Steinschädeln nur durch die von Borre (19,2) Ubertrof-
fen, von allen anderen nicht erreicht wird, dass ferner die Länge des Schädeldachbogens
(39,1) und des Hinterhauptsbogens (12,6) die aller anderen Steinschädel überragt Trotzdem
ist die grösste Breite der Schädel von Skovsgaard (14,4) und die Breite der Nasenwurzel
(2,4) verhältnissmässig sehr stark, ja der Mastoidal-Durchmesser (13,4) ist grösser, als bei den
anderen Gruppen der Steinzeit Dazu kam noch bei zweien (Nr. 26 und 27) der Schädel
eine auffallend schräge Stellung des Supraorbitalrandes, der nach innen gegen die Incisura
supraorbitalis in die Höhe stieg.
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Rud. Virchow,
2) Der eine Schädel von Breininge-Mark, Horbelev Sogn, ist wesentlich verschieden.
Er macht den Eindruck der Brachycephalie und des Prognathismus ; zugleich giebt ihm die
starke Entwickelung der Supraorbitalhöcker etwas Wildes. Die Berechnung zeigt, dass
hauptsächlich die grosse Höhe des Schädels in Betracht kommt : der Höhenindex ergiebt
82,6, das Verhältniss der Höhe zur Breite ist ss 105,1 : 100, dagegen beträgt der Breiten-
index nur 78,6 und die Länge des Hinterhauptes 32,1 Proc. der Gesammtlänge. Der
Oberkieferindex erreicht 94,9. Dagegen ist der Schädeldachbogen (36,2) verbal tnissmässig
klein.
3) Unter den drei Schädeln von Naes, Sönder-Herred, scheint ein weiblicher (Nr. 3)
zu sein. Obwohl der eine dieser Schädel (Nr. 32) den Eindruck der Brachycephalie macht
und in der That den Breitenindex von 82,3 ergiebt, so sind doch die beiden anderen so
stark dolichocephal, dass im Gesammtmittel die Zahl 75,4, die kleinste unter allen Zahlen
der Steinschädel, herauskommt. Es trägt dazu ganz besonders der erste Schädel bei, welcher
ein grosses Os interparietale besitzt und einen Schädeldachbogen von 40,1 bei einer Ge-
sammtlänge von 19,8 und einem Horizontalumfang von 55,0 darbietet Dafür beträgt sein
Breitenindex nur 67,1. In keiner der Localgruppen zeigt sich eine so grosse Verschieden-
heit der einzelnen Schädel; nirgends sieht man deutlicher, dass die Mittel und kleinen Sum-
men das Gesammtbild nicht deutlicher, sondern undeutlicher machen. Jedenfalls schliessen
sich die beiden ersten Schädel (Nr. 30, 31) weit mehr den Skovsgaard-Schädeln und noch
mehr als diesen, den Bronzeschädeln an.
C. Gräber der Insel Möen.
1) Bei Udby, Möenbo Herred, Praostoe Amt, war in einem Hügel von 100 Ellen im
Umkreise und 5 Ellen hoch eine mit einem Deckstein geschlossene Steinkammer mit einem
Eingänge von Osten her. Bei der Eröffnung fand man darin 20 Skelete und daneben 'ein
Hundsskelet Stein- und Bernsteinsachen. Indess sind nur 6 Schädel aufbewahrt von denen
überdies 1 kindlicher und 2 jugendliche mit noch offener Synchondrosis spheno-occipit&lis bei
der Berechnung ausgeschlossen wurden. Ich bemerke jedoch, dass dies nur um der Gleich-
förmigkeit mit anderen Gruppen willen geschehen ist da im Uebrigen die zwei jugendlichen
Schädel (Nr. 36 und 37) nahezu ausgewachsen zu sein scheinen und zum Theil sogar so be-
trächtliche Maasse ergeben, dass unter Hinzunahme derselben die Mittel sich nur wenig er-
niedrigt haben würden. Bemerkenswerth ist es, dass mit Ausnahme des kindlichen alle
übrigen fünf Schädel Schaltknochen in der Lambdanaht, zum Theil sogar sehr starke, der
erste überdies ein Os interparietale und der vierte (Nr. 36) Schaltknochen in dem hinteren
Theile der Pfeilnaht in einer Länge von fast 6 Cent, besitzen. Obwohl dadurch ein wenig-
stens zeitweise verstärktes Wachsthum der Hinterhauptsgegend angedeutet wird, auch in
einem Falle (Nr. 34) das Hinterhaupt capsulär vorsprang, in einem andern (Nr. 38) sehr
steil war, so ergiebt sich doch aus der Tabelle B, dass diese Schädel sich mehr der Brachy-
cephalie nähern. Ihre Occipitallänge ist die allergeringste in der Gruppe der Steinschädel.
Dagegen wird der Eindruck eines gewissen Prognathismus, den die einfache Betrachtung
hervorbringt, bestätigt durch die Grösse des Oberkieferindex (101), welche die beträchtlichste
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
unter allen Schädeln der Steinzeit ist Bei dem ersten Schädel (Nr. 33) findet sich überdies
eine Art von Crista sagittalis und frontalis mit starker Vorwölbung der Glabella, offenbar
bedingt durch stärkeres Wachsthum in der Nahtgegend. Der zweite Schädel (Nr. 34) hat
sehr starke Supraorbitalhöcker. — Sieht man von dem Prognathismus ab, so stehen diese
Schädel denen von Borreby am nächsten.
2) Die Schädel des physiologischen Museums stammen nach dem Kataloge aus einem
Steinkammergrabe, in dem ausserdem Steingerath gefunden wurde. Die beiden ersten davon
(Nr. 39, 40) hat Eschricht im Dansk Folkeblad, 1837, Sept, p. 3 1 ) beschrieben. Nach der
etwas zweifelhaften Fassung des Katalogs schien es, als seien sie bei einem Orte Hage ge-
funden. Indess bezog sich die erste Mittheilung Eschricht's (Danske Vidensk. Selsk. Af-
handl. 1841. VIH. S. LV) auf einen bei Stege auf Möen gemachten Fund. Aus den Mit-
theilungen von Nilsson (Das Steinalter. S. 93, 96. Taf. XIII. Fig. 240. Taf. XIV. Fig. 245),
der zum Theil als Augenzeuge berichtet, geht hervor , dass der Mann, welcher 1836 die Eröff-
nung des Grabes in Stege leitete, Slage hiess. Ist daher anzunehmen, was sich wohl durch
weitere Nachforschungen noch wird feststellen lassen, dass die Schädel Nr. 89 bis 41 von
Stege herstammen, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch der gleichfalls von Esohricht
aufgestellte Schädel des anatomischen Museums (Nr. 43 meiner Tabelle, im Katalog A B y 33)
derselben oder einer sehr nahen Stelle angehört. Ueber den Fund von Stege finden sich
genauere Nachrichten bei Madsen (1. c. p. 14. PI. XYI); darnach war es ein grosses Gang-
grab, in welchem Geräthe aus Feuerstein und Knochen, Geschirre aus Thon und Holz, sowie
Bernsteinschmuck und mehrere Skelete , theils in dem Gange, theils in der Steinkammer ge-
funden wurden. Nilsson bildet einen der von Esohricht beschriebenen Schädel nach einem
Gypaabgusse ab; aller Wahrscheinlichkeit nach ist dies unsere Nr. 39, da ich bei Nr. 40 aus-
drücklich notirt habe, dass die Nase fehlt Er parallelisirt ihn mit den Lapj>enschädeln, und
es lässt sich nicht leugnen, dass er eine gewisse äussere Aehnlichkeit damit hat. Ich habe
in meinen Notizen den Gesammteindruck durch die Bezeichnung Trochocephalus (Rundkopf)
wiedergegeben und zwar bei drei von den vier Schädeln; den vierten, bei dem das Hinter-
haupt stark vorspringt, habe ich als „breiten Dolichocephalus“ angezeichnet Indess ergiebt
eine genauere Maassbestimmung ganz abweichende Verhältnisse von denen der Lappenschä-
del. Ein Blick auf unsere Tabelle B. genügt, um dies klar darzulegen: der Breitenindex die-
ser Schädel ist nur 75,9. Der Schädel Nr. 39 hat sogar nur einen Breitenindex von 75,5
bei einem Höhenindex von 79,5, und wenn auch bei dem Schädel Nr. 40 der Breitenindex
78,1 beträgt so ist dieses Maass doch fern von dem der LappenschädeL Selbst der Schädel
Nr. 4, welcher die bemerkenswortho Breite von 14,5 erreicht und eine Breite der Nasenwur-
zel von 2,8 zeigt hat doch nur einen Breitenindex von 73,6. Es erklärt sich dies aus seiner
absoluten Grösse: seine Länge misst 19,7 und sein Horizontalumfang 55,7, mehr aLs irgend
ein anderer Schädel der Steinzeit Er fällt also in das Gebiet der Macrocephali (Kephalo-
nes). Das hindert jedoch nicht, dass sowohl er, als die gesammte Gruppe der Schädel von
Stege, zu der dolichocephalen Klasse gehören. Die geringe Höhe zeichnet sie vor den übri-
gen Gruppen aus.
>) Diese Schrill heb« ich nicht telbtt cinechen können.
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70
Rud. Virchow
3) Der sehr defecte Schädel des anatomischen Museums (Xr. 43), den ich schon in der
vorigen Localgruppe mit erwähnt habe, schliesst sich sehr eng an die letztere an.
4) Bei Borre, Möenbo-Herred, Praestoe Amt, also nahe bei Udby, in einer Gegend, die
reich an Hünengräbern ist, fand man in einer Grabkammer ausser zahlreichen Steinsachen
die Schädel Nr. 44 und 45. Der letztero ist sehr defect, zeigt aber durchweg beträchtliche
' Längenverhältnisse; namentlich nähert er sich durch die grosse Länge seiner Basis den Schä-
deln von Skovsgaard. Der Schädel Nr. 44 ist ein ausgezeichneter Dolichocephalus von
grosser Länge und stark entwickeltem Schädeldachbogen. Beide Schädel haben verhältniss-
mäsaig breite Nasenwurzeln ; auch der Temporal- und Mastoidal-Durchmeeser sind beträchtlich.
D. Grab der Insel Langeland.
Aus einem Grabe bei Frclsvig sind zwei stark defecte Schädel auf bewahrt, welche mit
denen von Borre im Uebrigen viel Aehnlichkeit besitzen. Der grosse Schädeldachbogen des
eisten (Nr. 46) erklärt sich zum Theil aus der Anwesenheit starker Schaltknochen in der
hinteren Fontanelle und der Lambdanaht ; jedoch ist auch zu bemerken, dass bei beiden Schä-
deln der Sagittalbogen des Stirnbeins sehr gross ist.
Blicken wir nun noch einmal auf die Schädel der Steinzeit zurück, so werden wir uns
der Thatsache nicht verscbliessen können, dass sowohl die einzelnen Localgruppen unter
sich, als auch die einzelnen Schädel jeder Gruppe vielfache und nicht unorhcbliche Verschie-
denheiten darbieten. Falster und Möen sind kleine Inseln und doch zeigt ein Blick auf die
Tabelle VI, dass gewisse Gräber auf beiden Inseln mehr übereinstimmende Schädel enthalten
haben, als die Gräber jeder dieser Inseln für sich betrachtet. Die Schädel von Skovsgaard
und N aes auf Falster , von Borre auf Möen und Frelsvig auf Langeland stehen sich durch
Grösse und Länge sehr nabe; ihnen schlicssen sich die freilich etwas kleineren Formen von
Nybölloby auf Seeland und Stege auf Möen an. Diese ganze Gruppe neigt mehr zur
Dolichocephalie und ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, dass in dem Grabhügel
von Skovsgaard selbst Bronze gefunden ist Dagegen zeigen die Schädel von Borreby auf
Seeland, von Breininge Mark auf Falster, von Udby auf Möen eine grössere Annähe-
rung an die Brachycephalie. Nirgends tritt die locale Differenz so auffällig hervor, als
bei den Schädeln von Udby und Borre, welche Orte in derselben Harde (Amtsbezirk) der In-
sel Möen gelegen sind, und von denen der erstere mehr brachycephale, der letztere mehr do-
lichocephale Schädel geliefert hat Bei der Analyse des Fundes von Naes auf Falster habe
ich schon bemerkt wie gross die individuelle Verschiedenheit der einzelnen Schädel sei, und
für die anderen Ortsgruppen gilt in gewissem Grade dasselbe.
Eine genauere Bekanntschaft mit den Einzelnheiten der Fundstätten mag dazu beitra-
gen, solche Verschiedenheiten aufzuklären. Sind Kriegsgefangene hingeschlachtet, sind Men-
schenopfer gebracht so kann ja eine gewlsso Mischung von Volksstämmen Btattgefunden ha-
ben. Allein keine der mehr abweichenden Formen berechtigt uns anzunehmen, dass selbst
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 71
unter den Kriegsgefangenen Lappen, Finnen oder Eskimos gewesen sind. Einer der Schädel
von Naes (Nr. 32) steht seinem Breitenindex (82,3) nach zwischen den Lappen (83,2) und den
Finnen (80,3), aber er hat einen Höhenindex von 82,9 gegenüber dem lappischen von 75,1
und dem finnischen von 73,2, und das Verhältnis von Höhe : Breite ist bei ihm = 100,6
: 100, während es bei den Lappen = 90,2 und bei den Finnen = 91,1 ist. Ein anderer Schä-
del von Naes (Nr. 30) hat einen Höhenindex von 74,7, einen ßreitenindox von 67,1, einen
Oberkieferindex von 92,5 und eine Hinterhauptslänge von 33>3 Proc.; die entsprechenden Zah-
len bei den Grönländern lautun 74,0 — 71,8 — 94,0 — 32,4. War dies nun ein Eskimo-
Schädel? Gewiss nicht. Das Vorhältniss von Höhe und Breite ist bei den Grönländern
= 103,0 : 100, bei dem Schädel von Naes — 111,3 : 100; sein longitudineller Schädeldach-
bogen beträgt 40,1 , der der Grönländer 37,0. Wollen wir Analogien zu dem Schädel von
Naes suchen, so finden wir sie viel vollständiger bei den Schädeln des Bronzealters, wo die
den obigen entsprechenden Zahlen lauten: 71,4 — 66,6 — 92,4 — 27,5 — 107,1 — 35,9. Diese
Zahlen stehen den grönländischen näher, als die von Naes, und man könnte daher mit mehr
Grund die Schädel des Bronzealters auf Eskimos beziehen, was wohl keinen Beifall finden
möchte.
Es scheint mir bis jetzt unmöglich zu sein, ein bestimmtes Urtheil darüber abzugeben, ob
Bämmtliche Schädel der dänischen Steinzeit einem Volke angehört haben oder mehreren. In den
heutigen Verhältnissen bietet jedes Volk Europas ähnliche Differenzen der individuellen Schädel-
formen dar. Wenn wir nun eine ähnliche Mischung, wie sie im Laufe der Culturperioden
sich in Europa allmählich vollzogen hat, für die altnordischo Bevölkerung kaum annehmen
können, so ist doch nicht zu übersehen, dass in roheren Zeiten die Abgrenzung kleinerer
Stämme und Genossenschaften möglicherweise erbliche Besonderheiten in grösserer Stabilität
befestigte. Die grosse Häufigkeit des Os interparietale und der Schaltknochen in der Lambda-
und hinteren Sagittalnaht, welche wir verzeichnet haben, z. B. bei den Schädeln von Udby,
könnte auf solche erbliche Verhältnisse hindeuten. Immerhin verdient der Umstand, dass
ein Theil der Steinschädel sich mehr zur Brachyceplialie , ein anderer mehr zur Dolichocepha-
lie neigt, eine besondere Aufmerksamkeit, znmal wenn es sich darthun liesse, dass die Grä-
ber der mehr brachycephalen Schädel älter, die der inehr dolichocephalen jünger wären.
Zu meinem Bedauern bin ich nicht im Stande gewesen, meine Messungen auch auf die
modernen Dänenschädel auszudehnen, von denen die Kopenlmgener Museen reiche Schätze
besitzen. Auch diese Schädel zeigen grosse individuelle Verschiedenheiten und ich erwähne
namentlich den Schädel eines bekannten Adeligen im anatomischen Museum, dessen wildes
Aussehen, namentlich dessen kolossale Supraorbitalhöcker jeden Alterthumsforscher in grosse
Verlegenheit setzen würden. Im Allgemeinen habe ich den Eindruck gewonnen, dass der
neudänische Typus siel) am meisten den Borreby-Schädeln annähert, also mesocephal mit Nei-
gung zur Brachycephalie ist, und ich möchte daher annehmen, dass in der That schon zur
Steinzeit die Ahnen der jetzigen Bevölkerung im Lande gewohnt haben. Nirgends ist in Eu-
ropa eine solche Annahme durch die geographischen und historischen Verhältnisse des Lan-
des mehr gerechtfertigt. Vielleicht werden meine Mittbeilungen dazu anregen, auch den mo-
dernen Typus des Dänenschädels zahlenmässig genau festzustellen.
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72
Rud. Virchow,
IL Die Schädel der Bronzezeit.
Worsaae unterscheidet innerhalb des Bronzealters zwei Perioden, je nachdem man die
Leichen verbrannte oder nicht verbrannte. Erste res ist das Gewöhnliche und daher sind
Schädel aus der Bronzezeit Überaus selten. Im altnordischen Museum zu Kopenhagen finden
sich nur drei, überdies sehr defecte Schädel, auf welche ich schon früher zu sprechen kam.
Sie stammen aus einem grossen Grabhügel bei Gjerdrup, Kjöbnhavns Amt, Somme Herred,
auf Seeland, worin sich eine vier Ellen lange Steinkiste befand. Darin lagen 6 Schädel von
Erwachsenen mit Sand bedeckt. Die noch vorhandenen sind ausgezeichnet dolichoce-
phal. Der erste (Nr. 49) hat gar keine Tubera parietalia und das Planum semicirculare
reicht sehr hoch hinauf. Sein Breitenindex beträgt G9,6, der Höhenindex 74,5, Höhe zur
Breite 107,1, Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge 29,2, Oberkieferindex 92,4. Da die beiden
anderen Schädel vielfache Defecte besitzen, so sind die hier erwähnten Maasse vielleicht
etwas zuverlässiger, als die in den Tabellen verzeichneten Mittel. Die Gesammtverhältnisse
dieses Schädels nähern sich dann noch mehr denen der zweiten Eisenperiode. — Von den
anderen beiden Schädeln ist der erste (Nr. 50) durch eine lange und stark vorspringende
Nase, eine flache Ginbella und stark vorspringendes Hinterhaupt charakterisirt.
Bei der geringen Zahl dieser Schädel enthalte ich mich für jetzt eines weitern Eingehens.
Dass ähnliche dolichocephale Formen auch in einzelnen Gräbern der Steinzeit verkommen,
habe ich schon früher ausgeführt. Dagegen muss ich noch aniühren , dass sich im physiolo-
gischen Museum zu Kopenhagen einige dolichocephale Torfschädel finden, welche sehr
bemerkenswerth sind. Schon auf dem internationalen Congrcsse zu Paris habe ich ähnliche
Beobachtungen aus Norddeutschland erwähnt (Congrös internat. d'anthrop. et d’archdologie
prdbistoriques. Paris 1866, p. 407) und meine Funde haben sich seitdem noch vermehrt. Es
dürfte sich daher empfehlen, künftig eine genauere Vergleichung der Torfschädel mit den
Gräberschädeln anzustellen.
Es giebt ausser den Schädoln noch einzelne andere Knochen der Bronzezeit von ande-
ren Fundstellen in Kopenhagen. Ich habe im altnordischen Museum einige derartige Kno-
chen gemessen, weil die Frage von den kurzen Schwert griffen direct dazu auffordert. Ich
gebe diese Maasse, obgleich sie zur Beantwortung dieser Frage nicht genügen. Das untere
Ende des Os femoris war an den Condylen 9,3 breit und 9,6 dick; das untere Ende der Tibia
5.3 breit und 4,0 dick, ein Paar Motatarsalknochen je 7,6 und 7,3 lang (Nr. 6. 297). In
einem anderen Falle (Nr. 15273) zeigte das obere Ende der Ulna, das kräftig entwickelt war,
eine Dicke von 3,3 am Gelenk; eben so hoch war der Gelenktheil. Eine Finger-Phalanx
(Nr. 1801), um welche noch ein King aus Bronzedraht sass, war 4,1 lang, am hinteren Ende
1.4 breit und 1,0 dick, am vorderen 1,1 breit und 0,6 dick. Alle diese Maasse machen den
Eindruck einer zarteren Entwickelung.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
73
m. Die Schädel der Eisenzeit.
Auch hier unterscheiden die dänischen Alterthumsforscher mehrere Perioden, von denen
sie die erste auf das 3. bis 5., die zweite auf das 5. bis 6., die dritte auf das 8. bis 11. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung verlegen.
A. Erste Periode.
1) Der erste Schädel (Nr. 82; aus Sanderunigaard, Ansum Herred, Odense Amt, auf
der Insel Fünen, ist schon von Eschricht wegen seiner kolossalen Länge beschrieben. Ob-
wohl daran eine offenbar posthume Verdrückung des Hinterhauptes, auf der rechten Seite vor-
handen ist, so ist doch die Hauptform offenbar erhalten und natürlich. Der Schädel hat die
kolossale Länge von 22,4 und einen Längsschädeldachbogen von 43,0, wovon 14,2 aufdie Squama
occipitalis und 15,2 auf die Sagittalnaht fallen, — höchst ungewöhnliche Verhältnisse. Es
stimmt damit, dass die Protubcrantia occipitalis externa und die Linea nuchae überaus stark
ausgebildet sind und dass das Planum semicirculare sehr hoch hinaufreicht. Der Höhenindex
beträgt 63,3, der Breitenindex 54,8, Höhe zur Breite = 106,2 : 100, Hinterhauptslänge 30,8.
2) Der zweite Schädel (Jir. 53) wurde in Varpelev, Stevns Herred, Praestoe Amt, auf
der Insel Seeland gefunden. Die Beschreibung des Fundes hat Herbst (Annaler f. nord.
Oldkyndighed. 1861.) geliefert. In einem Sandhügel, bedeckt mit sechs mächtigen Steinen,
war das Skelet horizontal niedergelegt. Neben ihm fanden sich ausser Thiorknochen römi-
sche Glasgetasse mit Thier-, Pflanzen- und Fruchtbildern in verschiedenen Formen, sowie
Bronzegeräth. Ein Bronzesieb mit seiner Kaaserole hat Engelhardt (1. c. p. 16, Fig. 19)
abgebildet. An dem Schädol beträgt der Höhenindex 72,4, der Breitenindex 71,8, Höhe
zur Breite 100,7, Hinterhauptsindex 33,3. Auch hier ist das Hinterhaupt stark ausgebildet,
die Protuberanz sehr entwickelt, dabei die Supraorbitalhöcker stark. An den Gelenken des
Hinterhauptes Spuren von Arthritis deformans. Die Dolichocephalie ist demnach sehr ausge-
sprochen, obwohl der Mastoidaldurchmesser 14,6 boträgt-
3) Der dritte Schädel, von Dueaasen, Nörre Herred auf der Insel Bornholm, ist gleich-
falls von Herbst (Ann. f. nord. Oldkyndigh. 1849.) erwähnt. Es ist ein starkknochiger Do-
lichocephalus mit leichten Verletzungen am Stirnbein. Leider gestatten seine vielen De-
fecte nur wenig Vergleichungen. Im Ganzen steht er dem Schädel von Varpelev näher.
Sein Breitenindex beträgt 72,5, der Hinterhauptsindex 31,6. Der Scheitelbogen misst 40,
woran besonders Stirn (14) und Hinterhaupt (13) betheiligt sind.
Es ist ausserdem zu bemerken, dass bei allen drei Schädeln eine zu ihrer sonstigen Grösse
geringe Breite der Nasenwurzel vorhanden ist.
B. Zweite Periode. - '
Beide Schädel sind von Vester Egitsberg, Baarse Herred, Praestoe Amt. Sie stimmen
unter einander sehr überein und sind ausgesuchte Dolichocephali. Ganz besonders gilt dies
Archiv für Anthropologie, ß«l. IV, Holt I. IQ
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74
Ruil. Virchow,
von Nr. 55, dessen Breitenindex 67,1 beträgt und dessen Sagittallinie so stark hervortritt, dass
ich ihn als Lepto-Scaphocephalus in meinen Notizen eingetragen habe. Die Muskelansätze des
Tem|)oralis reichen so hoch hinauf, dass, Uber den Schädel gemessen, der Abstand der Lineae
semicirculares nur 9,5 beträgt, so dass der Schädel in dieser Beziehung zwischen den Grön-
ländern (7,4) und den Finnen (13,3) mitten inne steht Allerdings sind dabei Synostosen vor-
handen, die wohl nicht ganz ohne Einfluss auf die Gestalt des Schädeldaches waren. Die
Nase ist gross und sehr stark vorspringend, ebenso das Kinn, wie denn auch der Unterkie-
fer eine sehr beträchtliche Entwickelung darbietet.
Der andere 'Schädel ist ähnlich und wenngleich im Ganzen etwas breiter, doch im Tem-
pored- und Mastoidaldurchmesser schmaler. Sein Schädeldachbogen ist fast um 2 Cent, län-
ger und zwar besonders wegen der starken Entwickelung des Hinterhauptes. Der Hinter-
hauptsindex hat hier die ganz ungewöhnliche Grösse von 37,9, dagegen beträgt der Oberkie-
ferindex nur 92.3. Der in der Anmerkung zur Tabelle erwähnte leichte Prognathismus des
Oberkiefers muss demnach mehr in der Stellung der Gesichts- und Schädelkuochen zu ein-
ander begründet sein.
Die Schädel der Eisenzeit sind demnach ausnahmslos wahre Dolichocepha-
len. Sie zeigen ungleich geringere individuelle Differenzen, als die Schädel der Steinzeit,
und sie machen den Eindruck, als seien sie einem anderen Volke angehörig.
IV. Die Racensohädel.
A. Die Lappen.
Von den (Unf in den Kopenhagencr Museen befindlichen Lappenschädeln scheinen zwei
(Nr. 59 und 62) weibliche zu sein. Einer (Nr. 58) hat, wie schon erwähnt, so ungewöhnliche
Grössenverhältnisse, dass man versucht wird, an Hydrocephalie zu denken, doch bemerke ich
ausdrücklich, dass ein positives Zeichen dieser Krankheit nicht vorliegt. Dagegen kann ich
nicht unerwähnt lassen, dass der Habitus aller dieser Schädel etwas Pathologisches an sich
hat and an diejenigen Racen unserer Hausthicro erinnert, für welche der Mops das llaupt-
beispiel darbietet Bekanntlich ist bis in die neueste Zeit immer wieder die Frage erörtert,
in wie weit die Rachitis für gewisse Raconverhältnisse bestimmend sei. Ich will diese Frage
keineswegs entscheiden, da ein grösseres Material dazu gehört, als ich besitze, indess scheint
es mir doch richtig zu sein, dass die „Mops-Racen“ der Hausthiere, wie ich mich ganz all-
gemein ausdriieken möchte, eine grosse Verwandtschaft mit der Rachitis zeigen. Nirgends
tritt die Theorie Darwin's meines Wissens so nahe an die Lehre der menschlichen Racen
heran, wie gerade bei den Lappen, und es verdient eine ernsthafte Untersuchung, ob nicht
wirklich, wie auch Guerault (Mdm. de la soc. d'anthrop. de Paris. I. p, 179) scbliesst, un-
günstige Emährungsverhältnisse einem ganzen Stamme einen erblichen Typus aufgedrückt
haben.
Der Lappenscbädel repräsentirt die breiteste Form der nordischen Brachycephalie. Grosse
Kürze des Hinterhauptes bei starker Entwickelung der unteren Breitendurchmesser erzeugt
fast durchgehende trochocephale (runde) Formen. Die grösste Länge des Schädels beträgt
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
(immer abgesehen von dem Schädel Nr. 58) 17,3 im Mittel, der Schiideldaclihogen misst nur
35,1, die Länge des Hinterhauptes 5,3. Dagegen hat der untere Parietaldurehmesser 14,4,
währeud die Tubera parietalia wenig entwickelt sind und nur 13,5 von einander abstehen.
Trotzdem reichen die Lineae semicirculares nicht hoch hinauf; ihr Abstand am Schädel ist
sehr beträchtlich. Der Breitenindex berechnet sieb auf 83,2. Auch der temporale (11,8) und
mastoidale (13,1) Durchmesser sind gross, und dem entsprechend namentlich die mittlere
Schädelgrube weit, die hintere kurz. Verhältnissmässig häufig erscheinen Synostosen der
Nähte, namentlich der seitlichen. Unter den sechs Schädeln haben vier eine Synostose des
unteren (temporalen) Abschnittes, einer zugleich des mittleren Theiles der Krauznaht, zwei eine
Synostose des hinteren Abschnittes der Pfeilnaht Dafür hat der grosse Schädel eine per-
sistirende Frontalnaht, ein anderer eine besonders starke Glabella,' und zweimal finden sieh
Schaltknochen der Lambdanabt.
Das Gesicht ist niedrig und verhältnissmässig breit, was einen mürrischen oder leidenden
Eindruck macht Die Nasenwurzel ist ungewöhnlich breit, 2,G im Mittel, bei zwei Schädeln
sogar 3,1. Die weit von einander stehenden Orbitae haben eine mehr viereckige Gestalt
Die Jochbogen entsprechen dieser Breite wenig; ihr Abstand beträgt nur 13.fi, bleibt also
selbst unter dem Mittel der schmalköpfigen Grönländer. Auch der untere inaxillare Durch-
messer und der Abstand der Unterkieferwinkel ist verhältnissmässig gering, was mit der
schwachen Entwickelung des Kauapparats zusammenhängt Ganz besonders niedrig ist der
Unterkiefer in seinem mittleren Theile(2, 9); was höchst charakteristisch ist, da selbst der grosse
Schädel Nr. 68 hier nur 2,8 misst. Nur das rundliche Kinn springt stärker vor. Der Ober-
kiefer erscheint in Folge davon zuweilen leicht prognath und seine Sclmeidezähne greifen
Uber die unteren vor. Trotzdem ist das Gesiclitsskelet wesentlich orthognath.
• B. Die Grönländer.
Der Typus des Eskimoschädels ist so ziemlich in allen einzelnen Stücken dem des Lap-
punschädels entgegengesetzt gleichwie er im Grossem und Ganzen davon abweieht Ein ho-
her Grad von Dolichocephalie, ja man kann sagen, Leptoacaphocephalie mit Prognathis-
mus und kolossaler Ausbildung des Gesichtsskelets charakterisirt die Grönländer.
Und auch hier scheint gerade die Art der Ernährung bestimmend eiugewirkt zu haben Der
fast ausschliesslich thierischen Nahrung und der grossen Anstrengung des Kauens entspricht
die auffällige Entwickelung dos Kauapparates, die sich nicht nur in der Stärke und Grösse
der entsprechenden Knochentheilc, sondern und fast noch mehr in der Ausdehnung der An-
satzflächen der Kaumuskeln zu erkennen gieht
Die fünf Schädel , welche zur Grundlage meiner specielleren Betrachtung dienten und
welche sämmtlicli aus Omenak an der Westküste Grönlands (etwa 71 — 72® n. Br.) stammen,
wurden von mir aus eiuer grösseren Anzahl in dem physiologischen Museum zu Kopenhagen
ausgewählt, weil sie die am besten erhaltenen und mit Unterkiefer versehen waren. Sie
unterscheiden sich jedoch im Wesentlichen von den übrigen in keiner Weise. Zwei darunter
(Nr. 64 und 65) scheinen weibliche zu sein. Trotz nicht unerheblicher individueller Diffe-
renzen stimmen doch die Verhältnisszahlen ungewöhnlich scharf zusammen.
10 ‘
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7G
Rud. Virchow,
Bei einer nicht anbeträchtlichen Höhe (der Index zeigt im Mittel 74) ist die Breite sehr
gering. Die absoluten Maasse der letzteren schwanken zwischen 12,7 und 13,8 (bei den Lappen
zwischen 14,2 und 14,8, in maximo 17,3); der Breitenindex beträgt im Mittel 71,8 (bei den Lap-
pen 83,2, in maximo 83,1). Darin gleicht der Eskimoschädel dem lappischen, dass die Tubera
parietalia sehr verstrichen sind, aber ihr Abstand ist weit geringer, nämlich 1 1,4 — 13,0, im Mittel
12,0 (bei den Lappen 12,9 — 13,9, im Mittel 13,5). Dazu kommt ein im höchsten Grade charak-
teristischer Umstand, nämlich die Höhe und die abweichende Begrenzung des Pla-
num semicirculare. In allen Fällen erreicht die Linea semicircularis, d. h. die obere Grenze
dieser für den Ansatz des grossen Schläfenmuskels bestimmten Fläche, das Tuber parietale;
in zwei Fällen (Nr. 66 und 67) überschreitet sio sogar das Tuber beiderseits, so dass
dasselbe ganz zur Muskelinsertion gedient hat, — ein Verhältniss, für das wenigstens in
Europa meines Wissens alle Analogien fehlen. In diesen beiden Fällen war die Entfernung
der Lineae semicirculares von einander bis auf 7,3 und 7,0 Cent, vermindert; in den anderen
drei betrug sie einmal 7,5 und zweimal 7,8. (Der oben erwähnte Schädel aus der zweiten
Periode der Eisenzeit zeigte eine Annäherung bis auf 9,5). Ihre grösste Annäherung erreichen
jedoch die Lineae semicirculares nieht an den Tubera parietalia, sondern dicht hinter der
Kranznaht, wo sie eine gegen die Mittellinie des Schädels einspringende Curve bilden. Das
gesammte Planum ist sehr glatt und nur die Linea semicircularis selbst, zuweilen der nächst
an sie anstossende Theil des Planum, bilden einen leicht höckerigen, gegen die Mittcltheile
des Schädeldaches scharf abfallenden, niedrigen Wulst. Zweimal (Nr. 63 und 67) fand sich
innerhalb des Planum semicirculare eine Synostose des temporalen Abschnitts der Kranznaht.
Jedesmal erscheint die Schläfengrube ganz platt
Aus der Tabelle VII ist zu ersehen, dass auch der Tetnporaldurchmesser des Eskimoschä-
dels geringer ist (1 1,2), als der irgend einer anderen meiner Gruppen. Der Mastoidaldurchmeaser
(12,8) steht nur dem Schädel der Bronze- und der jüngeren Eisenzeit (12,6 um! 12,5) nach.
Umgekehrt zeichnen sich die Längeninaasse vor den meisten anderen aus. Nur die
Schädel der Bronze- und jüngeren Eisenzeit (18,9 und 18,8) ergeben höhere Zahlen für die
grösste Länge, welche bei den Eskimos 18,5 beträgt. Der longitudinelle Schädeldachbogen
(37) ist jedoch bei diesen grösser, als bei den Bronzeschädeln (35,9) , welche in diesem Punkte
den Lappenschädeln (35,1) nahe Btehen. Höchst auffallend ist jedoch die starke Betheili-
gung des Hinterhauptes. Das Verhältniss der Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge ist
= 32,4 : 100. Von den in der Tabelle A. zusammengestellten Gruppen besitzt nur die der
jüngeren Eisenzeit angehörige eine grössere Zahl (32,9), und auch die Specialberechnung der
Localgnippen in der Tabelle B. zeigt nur eine Gruppe der späteren Steinzeit, die von Skovs-
gaard, mit einem höheren Index (35,9). Die Lappen haben ein geringeres (30,6), die Finnen
ein höheres (32,7) Maass.
Noch weit correcter und genetisch mehr anschaulich erweist sich die bezeichnete Tliat-
sache bei der Vergleichung der absoluten Längen. Diese lehrt nämlich, dass die Sagittal-
längen des Stirnbeins (12,7), der Scheitelbeine (12,3) und der Hinterhauptssehuppe (12,0) ein-
ander ganz nahe kommen, während sonst in der Regel, selbst bei dolichocephalen Schädeln,
die Hinterhanptsschuppe kürzer ist. Auch bei den Finnen misst sie nur 11,5, während das
Stirnbein 13,4, die Schädelbeine 12,7 zeigen. Nur bei den auch sonst so merkwürdigen Do-
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 77
liehocephalon der älteren Eisenzeit misst die Hinterhauptsschuppe im Mittel 13,3 bei einer
Sagittallänge des Stirnbeins von 13,1 und der Scheitelbeine von 13,8. Die Schädel der jün-
geren Eisenzeit haben nur ein Mittel von 11,5 für die Höhe der Hinterhauptsschuppe, da-
gegen sind die Schädel von Skovsgaard auch hier zu erwähnen , welche bei einer Sagittal-
länge der Hinterbauptsschuppe von 12,6 am Stirnbein 13,1, an den Scheitelbeinen 13,4 mes-
sen. Die überwiegend occipitale Ausbildung des Eskimoschädels tritt hiernach deutlich
hervor, und ich bemerke, dass sich damit noch eine physiognomische Eigenthiimlichkeit ver-
bindet, die nämlich, dass die Hinterhauptsschuppe an der Linea semicircularis occipitalis
superior (Linea nuchae) fast winklig gebogen ist, so dass der untere Theil mehr horizontal
verläuft. Im Gegensätze zu diesem Verhalten des Hinterhaupts steht die Thatsache, dass
die eigentliche Basis cranii (Entfernung der Nasenwurzel vom Meatns auditorius oxtemus
und vom Foramen occipitale) fast genau so gross ist, wie bei den kurzköpfigen Lappen
und den leicht brachycephalen Steinschädeln.
Am Gesicht harmonirt mit der Dolichocephalie eine trotz der starken Entwickelung
aller übrigen Knochen so geringe Breite der Nasenwurzel (2,0), wio sie sich sonst nur als Mit-
tel der Steinschädel ergiebt. Dagegen ist der maxillaro Breitendurchmesser (6,7) grösser,
als bei irgend einer anderen Gruppe. Dem entsprechend ist die Nasenöffnung oval und hoch,
und die grosso Orbita mehr rundlich. Letztere ist überdies besonders ausgezeichnet durch
die wahrhaft bestiale Ausbildung der Supraorbitalgegend. Der obere Rand der
Augenhöhle ist nämlich fast constant so sehr vergrössert (verlängert), dass die Incisura
supraorbital is einen wirklichen Kanal bildet und dass noch Uber diesen hinaus der Rand
sich wie ein Dach vorschiebt Nächst der Gestaltung des Planum semicirculare ist dies der
am meisten thierische Zug des Eskimoschädels.
Was den Kauapparat anbelangt, so ist zunächst der zum Theil sehr starke Prognathis-
mus zu erwähnen. Der Oberkieferindex (94) wird nur von der Schädelgruppe des älteren
Eisenalters (96,2) übertroffen, indess wirkt seine Länge bei den Eskimos viel mehr, weil
die Höhe des Obergesichts (die Entfernung der Spina nasalis von der Nasenwurzel) imgleich
grösser ist Im Allgemeinen stehen die Zähne gegen einander; nur einmal (Nr. 64) finde ich
hintereinanderstehende Zähne notirt. Die Mitte des Unterkiefers ist höher (3,5), als in
irgend einer anderen Gruppe; ebenso sind der untere Umfang dieses Knochens (20,2) und
der Abstand der Kieferwinkel von einander (10,2) die grössten überhaupt von mir verzeich-
neten. Der Kieferwinkel erscheint dabei sehr stark winklig abgesetzt.
Auch die Jochbreite (13,8) wird nur von derjenigen der breitköpfigen Finnen übertrof-
fen. Die Joohbogen stehen massig ab. Das Jochbein und der Processus zygomaticus des
Oberkiefers sind sehr stark.
C. Die Finnen.
Auch bei den finnischen Schädeln habe ich mich auf eine kleine Auswahl beschränkt.
Es kam hier ausser der Rücksicht- auf den Erhaltungszustand und die Vollständigkeit der
Schädel noch ein Umstand in Betracht, den ich besonders hervorheben möchte, um vor et-
waigen Irrthümem zu warnen. Gerade in Finnland schieben sich die Lappen und die eigent-
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78 Kud. Virchow,
liehen Finnen so durcheinander, dass eine sehr sorgfältige Scheidung nothwendig ist. Im
anatomischen Museum in Kopenhagen findet sich eine gewisse Zahl von Schädeln aus Finn-
land als finnische bezeichnet vor, die mindestens Mischformen darstellen. Aehnliches mag
auch anderwärts Vorkommen. Ich habe mich daher auf drei Schädel beschränkt, bei denen
die Namen der Geber, der Professoren Ilmoni und Bonsdorff in Helsingfors eine besondere
Bürgschaft gewährten; sie stimmen mit anderen, mir bekannten, jedoch bei dieser Gelegen-
I
heit nicht zu besprechenden finnischen Schädeln überein.
Der finnische Schädel ist unzweifelhaft brnchyceph&l und orthognath. Sein Breiten-
index beträgt 80,3, ist also um Weniges kleiner, als der der Lapponschädel. Da auch sein
Höhenindex kleiner ist, so stimmt das Verhältnis- von Höhe und Breite bei beiden ziemlich
nahe überein. Nichtsdestoweniger ist »eine ganze Erscheinung eine wesentlich verschiedene.
In allen seinen Theilen zeigt sich eine kräftige, man könnte fast sagen, stolze
Entwickelung. Der Ausdruck Brachyeephalus (Kurzkopf) giebt gerade hier leicht eine
falsche Vorstellung; es ist vielmehr vorwiegende Breite bei verhältnissmässig be-
trächtlicher Länge, welche diese Schädel charakterisirt. Eine speciellere Betrachtung
wird dies sofort darthun.
Die grösste Länge (18,3 im Mittel) erreicht beinahe die der Eskimoschädel (18,5); der
Schädeldachbogen (37,6) ist sogar länger als bei den Eskimos (37,0). Auch das Verhältnis»
der Hinterhauptslänge zur Gesammtlänge (32,7 : 100) ist grösser als bei den Eskimos (32,4
: 100). In diesen Beziehungen nähern sich die Finnenschädel denen der Stein- und Eisen-
zeit. Aber die Entwickelung ist trotzdem keine wesentlich occipitale. Die Sagittallänge der
Hinterhauptsschuppe ist nur 11,5, dagegen die des Stirnbeins 13,4, die der Scheitelbeine 12,7,
In keiner anderen Gruppe hat der Sagittalumfang des Stirnbeins ein so hohes Mittel, und
die Stirn, obwohl etwas schmal, erscheint daher über den Tubera frontalia hoch. Dazu
kommt die bemerkeuswerthe Erscheinung, dass die Alae temporales des Keilbeines sehr gross,
besondere breit, dagegen die Squamae temporales des Schläfenbeins klein siud. Es haudelt
sich hier demnach um eine sincipitale Ausbildung des Schädels.
Was die Breite augeht , so sind fast sämmtliche Querdurchmesser dabei betheiligt. Die
grösste Breite erreicht mit 14,7 im Mittel das Maximum aller Gruppen. Dasselbe gilt von
dom Schläfendurchinesser mit 12,6. Nur der mastoidale ist kleiner (12,9) als der der Lap-
pen (13,1), der Steinschädel (13,0) und der Schädel der ältesten Eisenzeit (14,6). Gegenüber
den Lappen ist besondere zu betonen, dass die Tubera parietalia stark entwickelt
sind und dass ihr Abstand (13,6) um ein Weniges grösser ist. Dagegen reichen die sehr
glatten Plana semicircularia sehr hoch hinauf, jedoch überschreiten sie niemals die Tubera
parietalia, wenngleich es vorkommt, dass sie dieselben kreuzen (Nr. 68). In keinem Falle be-
trägt die verticale Annäherung der Lineac semicirculares an einander mehr als 13,5 — 13,0
Cent., was einen durchgreifenden Unterschied gegenüber den Eskimos begründet. Zugleich
ersieht man daraus, was für die allgemeine Craniologio von nicht geringem Interesse ist,
dass die Ausdehnung dieser Plana oder der Schläfenmuskeln keine nothwendige
Einwirkung auf die Gestalt des Schädels ausübt.
In einem Falle (Nr. 69) fanden sich Schaltknochen in der Lambda- und Schuppennaht.
Sonst sind die Knochen sehr kräftig. In einem anderen Falle habe ich besonders die starke
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 79
Entwickelung der Protuberantia externa und Crista nccipitalia (Nr. 70) und zugleich die
grosse Ausbildung der Arcus superciliares notirb
Auch die Gesichtsknochen sind kräftig. Die lange und schmale, stark vorstehende Nase
hat eine verhältnissmäasig breite Wurzel (2,6), so dass sie in letzterer Beziehung der Lappen-
nase gleich steht, von der sio sich doch in allen anderen Beziehungen unterscheidet. Auch die
Spina nasalis ist stark. Der Oberkiefer ist hoch und gross ; die untere Maxillarbreite be-
trägt 6,2, steht also unter derjenigen der Grönländer (6,7). Der Oberkieferindox beträgt
nur 90,3, jedoch springen die Zähne des Oberkiefers etwas vor. Die Jochbogen sind ange-
legt und etwas klein ; trotzdem ist der Jugaldurchmesser (14,0) der grösste in sämmtlichen
Gruppen.
Der Unterkiefer ist im Ganzen kräftig, jedoch mehr an den Seitenthoilen , als in der
Mitte. Hier beträgt seine Höhe 3,1, ungefähr so viel als das Mittel der Stein- und jüngeren
Eisenschädel (3,2 und 3,1) ergiebt, dagegen weniger als bei den Eskimos (3,5). Dafür ist
der Gelenkast (7,0) länger als bei den Eskimos (6,0), ungefähr von gleicher Grösse, wie an
den Unterkiefern der Eisenzeit. Der untere Umfang des Knochens (18,1) ist sogar geringer,
als in allen anderen Gruppen und der Abstand der Kieferwinkel von einander (9,6) wird nur
noch von dem Unterkiefer der späteren Eisenzeit (9,3) unterboten. Es resultirt daraus eine
mehr winklige Stellung beider Kieferhälften zu einander, sowie ein stärkeres Vorspringen des
Kinns, charakterisirt durch die Entfernung des letzteren von dem Meatus auditorius externus
(13,3), welche bedeutender ist, als in irgend einer der anderen Gruppen. Am nächsten kom-
men darin die Schädel der Steinzeit (13,2), während selbst der stark entwickelte Kieferappa-
rat der Eskimos ein geringeres (12,9), der schwächliche und mehr ausgerundete Unterkiefer
der Lappen ein «ehr viel geringeres (12,2) Moass ergiebt.
Ich schliesse damit meine Bemerkungen , so verführerisch es nuch sein möchte, auf zahl-
reiche andere Arbeiten Uber Gräber- und Racenschädel einzugehen. Nur einen Punkt der
vergleichenden Anthropologie will ich noch berühren, weil ich dazu directe Veranlassung
habe.
N. G. Bruzelius (Svenska Fornlemningar. Lund 1860. II. S. 15) tindet bei einer
Untersuchung der in Schonen ausgegrabenen Steinschädel, dass sie mit den dänischen auf das
Genaueste Ubereinstimmen, und er schliesst daraus, dass schon im Steinalter derselbe Volks-
stamm Dänemark und Süd-Schweden bewohnt haben müsse. Er bezieht sich zum Beweise
dessen einerseits auf einen von Worsaae in Seeland gemachten Fund, welcher kein anderer
sein kann, als der von Borreby, andererseits auf Schädel, welche im Priestergarten zu Hvel-
linge in Schonen ausgegraben wurden. Hier fand man in einem Sandhügel innerhalb eines
Kreises von grossen Rollsteinen 8 Skelete, worunter zwei von älteren Kindern, ferner einen
ausgezeichneten Steinhammer, hübsch verzierte Thongefässe und einen bearbeiteten Eberzahn.
Von zwei dieser Schädel, die jetzt im Museum zu Lund sind, finden sich auf PI. IV.
Fig. 5 und 6 die Abbildungen und von dreien auf S. 14 die freilich nur unvollständigen Mes-
sungen. Darnach betrug bei einem jugendlichen Schädel (Fig. 5) die Lange (von der Gla-
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80
Rud. Virchow,
bella zur Spitze der Lambdanaht) 7" 4'", die interparietale Breite 5" 3"', bei einem älteren
Schädel (Fig. 6) die Länge 7" 2"', die Breite 5" 5"', bei einem zweiten, gleichfalls älteren
7" 6"' und 5" 3"'. Ich berechne danach den Breitenindex zu 71,6 — 75,5 — 70,0. Ist dies
richtig, so stimmen diese Schädel weder mit denen von Borreby, deren Breitenindex 79 be-
trägt, noch mit denen der dänischen Steinzeit im Ganzen, deren Breitenindex 77,3 ist. Aller-
dings sind diese Maasse nicht ohne Corrcctur zu vergleichen, da Bruzelius die intertuberale,
ich dagegen die grösste, in der Kegel also infratuberale Breite gemessen habe, indess kann
der Unterschied kein sehr erheblicher sein. Die Hvellingo-Schädel sind, wie übrigens Bru-
zelius selbst richtig bemerkt, entschieden dolichocephal , wofür auch dio Abbildungen spre-
chen. Die starke Entwickelung der Superciliarbogen, der tiefe Ansatz der Nasenwurzel und
die beträchtliche Prominenz der Nase erinnern freilich an mehrere der Borreby-Schädel. Ihre
sonstigen Eigenschaften dagegen möchten sie eher den Skovsgaard-Schädeln annähern.
Ungleich ähnlicher den Ilvellinge-Schädeln sind dagegen die 1863 bei Lockegird in West-
gotbland in einem Ganggrabe gefundenen und von v. Düben gemessenen Schädel (Nilsson
Steinalter, S. 91, Taf. XIII, Fig. 235 — 238.). Bei diesen berechne ich nach den von Nilsson
mitgetbeilten Maasse n den Höhenindex auf 74,7, den Breitenindex auf 72,6, das Verbal tu iss
von Höhe und Breite auf 102,8. Aus 12 Ganggräberscbädeln berechnet v. Düben selbst einen
Breitenindex von 73,1 ; sie waren nach seiner Angabe, mit Ausnahme eines einzigen , sämrat-
licb dolichocephal. Er vergleicht sie daher mit den Schädeln der heutigen Schweden, von
denen sie sich hauptsächlich durch die Grösse der Superciliarbogen, die geringere Höhe der
Orbitae und einen gewissen Prognathismus unterscheiden sollen.
Die Mittheilungen, welche Ecker (Crania Germ, merid. occ. Freiburg 1865. S. 91) über
neuschwedische Schädel giebt, stimmen damit erträglich. Er giebt nach vier Exemplaren den
Höhenindex zu 73,9, den Breitenindex zu 71,5, das Verbältniss von Höhe zur Breite zu 96,2
an. Allein es scheint, dass diese Angaben als allgemein gültige nicht betrachtet werden dür-
fen. v. Düben, gewiss ein competenter Zeuge, findet einen Breitenindex von 77,1, und
Weleker (Archiv fiir Anthropologie, I, S. 138), der eine grössere Zahl von Messungen zu-
sammenstellt, giebt für sich 75, für Ketzius und Pruner-Bey 77, für Davis und Thur-
n am 78 an. Rechnet man die sämmtlichen von Weleker angeführten 49 Schädelmessun-
gen zusammen, so erhält man gleichfalls einen Breitenindex von 75. Dabei ist jedoch zu be-
achten, dass Weleker die interparietale Breite misst; er selbst giebt (S. 139 Anm.), wenn
man die grösste Breite der Rechnung zu Grunde legt, 77,3 als Index an.
Immerhin möchte daher vorläufig angenommen werden können, dass die schwedischen
Steinschädel mehr Aehnlichkeit mit den heutigen Schwellenschädeln, als mit der Mehrzahl der
bis jetzt bekannten dänischen Steinschädc! besitzen. Sollte es sich weiterhin bestätigen, was
ich, freilich nur nach dem Augenscheine, erwähnte, dass die heutigen Dänenschädel sich mehr
zur Brachycephnlie neigen, so könnte es scheinen, als ob jedes der beiden Völker schon in
den Gräbern der Steinzeit seinen heutigen Typus wiederfindet.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
»1
Nachtrag.
ln dem soeben ausgegebenen Bande der Memoirs read before the Anthropological So-
ciety of London (1870. VoL III. p. 378) finde ich eine Abhandlung des Präsidenten dieser
Gesellschaft, Herrn Beddoe, Uber die Schädelform der Dänen. Seine Untersuchungen sind
nur an Lebenden und zwar Matrosen und Schiffsleuten, 28 an der Zahl, angestellt, indess
für die allgemeine Frage von grossem Interesse. Sie bestätigen dasjenige, was ich oben
(S. 71) gesagt habe. Im Mittel der 28 Fälle fand er einen Breitenindex von 80,5; darunter
waren 14 Inseldänen und zeigten einen Iudex von 80,6. Ein Blick auf meine Durchschnitts-
Tabellen (S. 62, 63) ergiebt, dass dieses Verhältniss den Borreby -Schädeln am nächsten
kommt.
Herr Beddoe schildert mit einiger Aufregung unter den Inseldänon einen Mann von
Möen (p. 383), dessen Erscheinung von allen anderen „toto coelo“ abweichend gewesen sei.
Sein Kopf erinnerte ihn an die Schädel von Borreby „in Möen“. Unglücklicherweise liegt
Borreby nicht auf Möen, sondern auf Seeland, und es durfte bei genauerer Vergleichung auch
die Aehnlichkeit geringer werden.
We Icker (Archiv f. Anthr. L S. 154) führt die Dänen mit einem Breitenindex von 76,1,
einem Höhenindex von 71,3 auf. Da er nicht von der grössten, sondern der intertuberalen
Breite ausgeht, so muss das Breitenmaass natürlich sehr erhöht werden.
Einen Gräberschädel von Stege (Möen) nach einem Gypsabgusse bildet auch Retzius
(Ethnologische Schriften. Leipzig und Stockholm 18G4. S. 20. Taf. HI, Fig. U) ab. Wie
er sich zu denen von Nilsson (Steinalter PI. XH, Fig. 230 bis 232, und PL XIH, Fig. 240)
verhält, vermag ich nicht zu beurtheilen. Immerhin ist es bemerkenswerth , dass auch
Retzius gegen die Lappenähnlichkeit Bedenken hat.
Endlich hat Carus (Atlas der Cranioskopie. Leipzig 1843. Heft I. PI. VI) nach einem
ihm von Eschricht zugestellten Schädelabguss eine Abbildung geliefert. Die von Escliricht
gewählte Bezeichnung: Homo aborigo Daniae ist leider nicht geeignet, auf die Spur dieses
entschieden mehr dolichocephalen Schädels zu leiten. Indess wäre es sehr erwünscht, wenn
einer der dänischen Anatomen sich die Mühe geben wollte, durch Vergleichung mit den
Originalen die genaue Feststellung der letzteren herbeizufiihren und dadurch neuen Ver-
wirrungen vorzubeugen.
AnUt für AQtbropoiogi«, B<L IV, Hafk I
11
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82
Kud. Virchow
Tabelle I.
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Durchlaufende Nummer.
1.
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Nummer de« Katalog«.
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Grösster IlorizontaJumfang de«
i
Schädels
52,0
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' 54,5
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i
Grösste Höhe de« Schädels . .
14,1
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j
(18,6)
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(18,2)
(17,9)
(179)
Grösste Länge des SchädelB . .
17,9
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Sagittal-Umfang des Stirnbein«
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1
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10, B 1
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1
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1
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bis Kinn
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13,2
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142
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Nasenwurzel
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10,9
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10,7
V
*
Entfernung des For. magn. bi«
Spina nas
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10.1
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Entfernung de« For. magn. bis
j
Protub. occip
5,9
7,2
6,3
6,0
5,6
5,0
6,7
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6,4
i
Grösste Breite de» Schädels . .
14,0
14,8
15,4
14,8
14,4
13,7
14,2
14,9
14,4
10
Temporal-Durchmesser ....
IW
12,7
13,2
12,0
12,2
n,i
11,5
19,2
12,9
-1
Mastoidal-Durchmesser ....
12,8
14,1
14.2
13,9
14,3
11.6
13,1
142
12.9
Jugal -Durchmesser
13,0
13,6 (?)
14,4 (?)
14,0
14, g
11,4
13,5
142
13,5
-1
Maxillar-Durchmessor
7,5
7,5
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7,8
6,7
7,1
72
7,1
4
Breite der Nasenwurzel ....
2,5
2,6
2,8
2,3
2,9
2,3
2,0
2,4
2,2
9
Unterer Umfang des Unter-
kiefers
19,0
20,0
18,5
20,0
22,0
14,4
—
22,0
IM
Mediane Höhe des Unterkiefer»
3.8
8,7
3,2
3,4
3,2
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3,2
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j
Höhe de« Kieferastes
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—
6,8
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*’*
—
-
tfi
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1(MM?!
winkeis
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Hl
Gesichtswinkel
70
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70
78
74
1
70
73
73
J
*) A uwrKilb der StfinkiuBmfr gefnndt!,. S«hr jc«Ib- Drei.« kijir« Kino. — J ) Osw. intere*]. I.mbd. — ®) S«hr gtlb. Hr;-:'
ganxcn Umfange der Augenhöhle. Dreieckige« Kinn. — 4 ) Verletzung auf «lein Stirnbein. Starke Supraorbitalhöcker. Sch»«* 1 ’
Sytnph. ment. — ft ) Sehr schwer, ungewöhnlich wei«#, in allen Vertiefungen und Nahten mit Grp# besetxt. — * *) IVugnathe
talia. — *) Sehr gelb. Höckerige porö*e ]|ypero*ta»c de« Superciliarbogen# mit Verlängerung de« Margn «upcrc. und Bildung *'**.
«uprnorb. Sut. »agitt. et lainbd. aerratae. Schwach dreieckige Symph. ment. — fl ) Starke SupmorbitnlhÖcker. — ®) Kind. Sdnmh -
Symphyne de* Unterkiefer*. — ,0 ) Anfang der Sutura fruntali* erhalten. Starke Glalella. Dreieckige* Kinn. — **) Starke
ciliar. Mebrjibgerundete», in der Mitte »chwach hervortretendc# Kinn. — ,z ) Syno*to*is temporal!* duplex (*phenofrnnto-pftrietali»V > f
fa*t braun an manchen Stellen (Feuer? Eben?) Srnoatosi« «agittali« et mantoidali* mp. Dreieckige* Kinn. — ia ) Sehr «tarke l’ r ‘ ^
und Criala oce. Mediane F,*o*toMj am vordem Umfang de« Foram. magn. Defect der rechten Schläfeusehupf e. Unterer ltned de* l
im mittleren Theile «türk vortrcteiul.
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!
t
eby (Seeland).
Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
83
Tabelle I.
1.
12.
18.
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16.
17.
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19.
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_
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69
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77
76,5
75
77
65.5
73
77
70
78
74
—
—
'*) Jugendlich. — lft ) Leichte Synostosis coron. Ist. Or intercal. lambd. Synost. sagitt. post. incompleta. — **) Synost. cor. lat. inf. Kurze an«
tindig* Synost. sagitt. post. Zwei Exostosen am vordem Umfang den For. magn. — ,7 ) Synost. cor. lat. inf. und Mgitt. post. Starke Arcus tupercil. —
tark prognathe Syropb. mentalis. — **) Synost. cor. laL duplex, sagitt. aut. und coron. raed. tarda. — *°) Weiblich? Erhaltene Sut. front., starke capsu*
Vortreibung des oberen Thcile* der Squama occipit. ai ) Grosse Brandstellen an der rechten Temporal- und Orbitalgegend. Synost. sagitt. post, and lambd.
Srn. coron. lat. spheno-front. und fronto-j.arietal. Inf. Weiblich? — **) Jugendlich. — **) Weiblich? Defect. — **) Synost- spbeno-front. und t'ronto-
L mf. Weiblich?? — Oaaa intercalaria lambd., font. ant., post, und lat. Synost. frontopariet. inf. duplex. Capsul. Hinterhaupt. — *•) Sehr defect und
orhen. Stark prognather Oberkieferrand. Weiblich? — 87 ) Stark defect. Auf der rechten Seite sehr braun (Feuer). Sehr stark prominente Nase. Grosses
•aenigts Os fonticulare post.
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84
Uud. Virchow
Tabelle III.*)
»1
1
Nr. 1469. Udby,
Durchlaufende Nummer.
33.
34.
35.
36.
87.
1
Nummer de« Katalogs.
i. >)
II.
*)
10 (C) •)
11 (F) *)
V. (D) •)
i
Grösster Horizontal - Umfang des
Schädels
524
514
47,8
60,0
624
SU
Grösste Höhe des Schädels ....
14.5
-
13,7
13,4
13,0
111
Grösste Länge des Schädels . . .
19,0
174
17,1
17,7
184
Ul
Sagittal- Umfang de« Stirnbeins . .
13,1 u
14,1
1341
13,81
Länge der Sutura sagitt
is,» 1 ) |
11,5
jg
i2 - 6 s
11,8
s
“j
SagittaLUmfangder Squama occipit.
114 >
114J
r
1041
13.lJ
iJ
Entfernung des Meat. lud. ext.
J
bis Nasen wurzol
10,3
10.2
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9,0
10,4
Entfernung des Meat. aud, ext.
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—
—
—
Entfernung des For. magn. bis
Nasenwurzel . . .
10,6
—
10,0
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9,8
u
Entfernung des For. magn. bis
Spina nasalis
10,0
—
9,0
7,8
84
-
Entfernung des For. magn. bis
Protub. occip
5,4
5.4
54
6,1
54
ü
Grösste Breite des Schädels . . .
13,8
14,1
12,6
13,5
13,4
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Temporal-Durchmeaser ......
11,6
12,0
10,6
10,3
11,8
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11,9
12.7
12,0
11,7
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Jugal-Durchmesser
13,4
13,7
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Maxillar-Durchmesser ......
6,0
6,1
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4
Breite der Nasenwurzel
2.4
2,6
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14
24 l
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—
—
—
—
—
4
Mediane Höhe des Unterkiefers .
3,4
—
—
—
—
Höhe des Kieferastes
5,7
—
—
—
—
-1
Entfernung der Unterkieferwinkel
—
—
—
—
—
Gesichtswinkel
68
72
70
75
79
1
*) Set. «agitt. und Mittellinie de« Stirnbeins «ehr ronpriagend. O« interad. in der hinteren FooUnrU* ^* J|
jederzeit* in der Lunbdnnnht. Starke GlabelU. Etwa» proguather Oberkiefer. Dreieckige« Kinn mit starkem
druck, — *) Os intercal. — *) Starke Aren« «upercil. Capsulir» Hinterhaupt mit starken Schaltbeinen der
Stark pronnther Oberkiefer. — 4 ) Kindlich. (Miene Synchondr. spheno-oedp. — 6 ) Jugendlich. Offene Synch. »l'J**!
Sehr grw*e Schaltknochen der ganzen Lambdanaht, die «ich fast 4 Centim. hoch in die Pfeilnaht fortsetxen. — *1
Offene Sjncb. spheno-occip. Starke Schaltknochen der Lambdanabt, insbesondere ihrer seitlichen Abeckxt*
Weisheit »rahn ist entwickelt. — 7 ) Sehr «teile« und abgeplattete« Hinterhaupt mit einigen Schaltknochen m der M
Lambdanabt.
•) Tabelle II. »iehe auf Seite 86.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
»it- TabeUe HL
Langeland.
Frelsvig.
Seeland.
Nybölleby.
Sen.
Stege (PhyaioL Mu*.'
Anat.
Museum.
Borre.
89.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48 .
P.
• •)
Nr. 2. •)
Nr. 4. >»)
Nr. 6. »)
Nr. A B y 33.
Nr. 4901.
“)
Nr. 4902.
Nr. 6276.
,3 )
Nr. 6267.
Nr. AB y 4a
“)
48,0
61,0
65,7
50,0(7)
51,0
64,0(7)
498
13,7
13,5
138
—
—
148
—
13,6
—
13,2
17.2
16^)
19,7
17,4
18,1
18,9
198
18,5
18,5
17,3
V
12,41
158|
128]
12,8.
12,9
13,7]
13 ’ 4 1 „
13,4.
12,0,
1,0
p»
12.9 5
12,8/—
1 1 ,2 } —
12, ol—
14,0
£
138 -
»( 7 ) 1
128 -
ii.&lii
2,1
10, 4^
_ J
_ J
- J
11,6J
- J
12,2 r
- J •
11,6)
98
98
10,7
9,9
10,7
10,6
118
98 ( 7 )
10,8
10,0
-
-
13,0
-
-
13,6
-
-
—
12,7
10,1
9,4
-
-
-
10,6
-
9,9(7)
-
98
98
88 ( 7 )
-
—
-
108
-
-
-
88
4,7
6,7
—
—
—
6,3
—
6,4
—
6,5
13.0
13^2
14,5
14,0
13,0
—
—
—
—
13,1
11,1
118
11,7
11,5
11,4
12,1
—
—
—
11,3
11,9
12,3
13,3
—
—
13,1
—
—
12,3
12,3
12,6
13,0
—
—
—
—
—
—
12,2 ’
6,1
6,5
68
6,9
68
6,6
6,1
—
—
5,6
28
2,4
28
2,3
2.4
2,8
2,6
—
2,7
2,7
—
—
18,7
—
—
18,0
—
—
—
20,0
—
—
6.1
—
—
2,8
—
—
28
8,8
9.1
—
8 X)
73
73
70
72
71
8S
75
—
—
728
85
*) TrochocephaJus. Hohe« Hinterhaupt, etwas kurze, stark TorBpringende, grosse Nasenbeine; starke Spina naa., etwas
natber Oberkiefer. Sehr breite« Palatum, *,3 Cent, messend. — •) Trochoceph. Etwas kurze*, hohes Hinterhaupt. Naa«
. — *•) Breiter Dolicbocephalua. Stark vorspringendes Hinterhaupt. — **) Trorhocephalus. Jung. — **) Ausgezeicb-
lolichocephal. Starke Are. auperciUares. Platte Jochbogen. Starke Muskelansitze. — lS ) Sehr starke Schaltknochen in
Lambdanaht und der hinteren Fontanelle. — ,4 ) Sut. front, persistena. Vorspringendes Hinterhaupt. Schwach progna-
Oberkiefer. Vorspringende*, schwach dreieckiges Kinn.
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86
Rud. Virchow,
Tabelle II.
Steinzeit.
Falster.
}fr. 17,306.
Nr. 18,594.
Nr. 4630.
Skovsgaard.
Breininge«
Naes.
Mark.
Durchlaufende Nummer.
29.
27.
28.
29.
80.
31.
82.
Nummer des Katalogs.
| ;
j UI. s )
*)
’j
•)
“>
Grösster Horizontal-Umfang des
Schädels
52,7
54,7
53.0
483
55,0
60,6
61,4
Grösste Höhe des Schädels . . .
14,5
14,8
14.6
143
14,8
13,7
14,6
Grösste Länge des Schädels . .
19,4
19,0
18,3
173
19,8
17,6
17,6
Sagittal-U mfang des Stirnbeins .
13,21
12.9|
18.21
12,81
19.21
(?)
13,0j
12,61
Länge der Sutura sagilt
S»gi*t»M,'mf»ng der Squuna oc-
H.kg
[V
12,5 tj
’ Ji»
1 «4
>3.0 g
I'“
12,0 «
Iko
13,0
I
1 2,7 lg
Ka
13,0
I
ca
s
QD
dpit
Entfernung des Meat, aud. ent
11,51 »)
13,31 *)
18,0/
11,4)
13,9'
")
103)
12,2)
bis Nasenwurzel
12,0
11,4
IM
10,2
10,9
10,6
10,9
Entfernung des Meat. aud. ext.
bis Kinn
—
12,8
—
—
—
—
—
Entfernung des For. magu. bis
Nasenwurzel
10.2
10,1
9,8
9,9
10,7
10,1
: 10,4
Entfernung des For. mag. bis
Spina nasal is
8,9
9,2
9,3
9,4
9,9
9,6
—
Entfernung des For. magn. bis
Protub. oedp.
6,9
6,4
5,5
—
43
Grösste Breite des Schädels . . .
13,8
14,8
14,8
13,6
13,3
13,7
143
11,4
12,5
11,5
10,6
123 (?)
14.6
11,9
Mantoidal-Durchmesser .....
1S.S
13,8
13,4 (?)
12,1
12,9
—
13,4
JugaUDurchmeeser
12,9
13,0
?
13,7 (?)
—
—
—
M axillar- Durchmesser
5,8
6,2
6,6 (?)
6,7
6,0
6,3
—
Breite der Nasenwurzel
2.3
2,0
2,9
2,0
2.4
23
2,4
Unterer Umfang des Unterkiefers
—
18
—
—
—
—
—
Mediane Höbe des Unterkiefers .
—
3,5
—
—
—
—
—
Höhe des Kieferastes
—
7,5
—
—
—
—
—
Entfernung der Unterkiefcrwinkel
—
10,9
—
—
—
—
—
Gesichtswinkel
80«?)
71 (?)
69 (?)
70 (?)
68
68 *
—
1 ) Dolichoc. Schmale Stirn, Srnost. coron. later, duplex. Superriliarrand schräg liegen die Iuris. »upraorb. auf*
steigend. — * a ) Schahknochen der hinteren Fontanelle. — *) Dolirhoceph. Schräg nach innen aufsteigender Superdliarrand. —
*) Grosser hinterer Fontanellknochcn. — a ) DoJicbofltph. Weiblich V Glattere Knochen. Ausgedehnte Hvperostoeia eit. Sehr
breite Nasenwurzel. Saperciltorrand mehr horizontal. — ®) Scheinbar bracbjceph. Sehr steil and stark prognath. Wilde
SuperciliarbUge]. Srno*t. spheno - frouto • parietali*. — ') Grosser Defect auf de» Scheitel. Grosses Os fontkulare
post., starke Dolicboceph. Starke Are. supercil. — *) Einschlieaslkh des Fontaneliknochens. — •) Doticbocephal mit kicb-
ter Abplattung des Hinterhauptes. Weiblich? — * Iü ) Brmchrceph. mit abgeplattetem Hinterhaupt.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen. 87
Tabelle IV.
Durchlaufende Nummer.
Bronce- Alter.
Eisenalter I.
Eisenalter II.
49. ')
50. *)
61. *)
52. <)
1 58. >)
54. •)
55. *)
56. •)
Nummer des Katalog*.
Sr. 11,463.
Nr. 527.
Nr. 19083
Nr. 10257.
Grösster Horizontal- Um-
r
fang des Schädel* , . .
50
50
—
—
54(7)
53,8
51,6
62,5
Grösste Höhe des Schädel*
13,5
—
—
14,8(7)
13.9
—
14(7)
13,3
Grösste Länge des Schädel*
18,1
17,9
20,9
22,4
19,3
19,3
18,9
18,7
Sagittal-Uznfang des Stirn-
beins
12,0.
12,1
12,8(7)
13,6
11,8
* 4 |
12,8
12,6,
Lange der Sutura sagitt.
12,4 L
la^lc.
13,5
15,2
13,4
$
13 s
12,6
s
18^ g
Sagittal-Umfangd. Squama
|c*
fv
"o
h=
Ci
r
occipit
u,i 1
11,0.1
14,2
12,8
13'
11,2
12,5'
Entfernung des Meat. aud.
ext, bis Nasenwurzel .
10,6
9,7
—
>1.2
11,0
10,8
11,3
10,2
Entfernung des Meat, aud.
ext. bis Kinn
—
12,3
—
—
11,8
—
—
12,1
Entfernung des For. magn.
bis Nasenwurzel . • • .
10,6
—
—
10,8
—
—
9,2
Entfernung des For. magn.
bis Spina nas
9,8
—
—
—
10,4
—
—
8.5
Entfernung des For. tnagn.
bis Protub. occip. . • .
5,3
5,1
—
6,9
6,4
6,1
6,3
7,1
Grösste Breite de* Schädels
12,6
12,6
—
12,3(7)
13,8
14,0
12,7
13,6
Temporal -Durchmesser
—
—
—
—
—
12,0
12^
11,1
Mastoidal-Durchmeeser . .
12,6
—
—
—
14,6
—
12,6
12,5
Jugal- Durchmesser . . . .
—
—
—
—
—
—
13,6
—
Maxillar-Durchmesser . .
—
5,4
—
—
6,8
6,3
6.8
5,7
Breite der Nasenwurzel -
2,7
2,0
—
2,2
w
2,4
2,6
2,5
.Unterer Umfang desUnter-
kiefert
—
—
—
19,2(7)
—
21,6
18,0
Mediane Höhe des Unter-
kiefern
—
2,9
3,0
—
2,7
—
9,2
3,1
Höhe des Kieferastes . .
—
6,6
6,5
—
7,1
—
7,0
—
Entfernung der Unterine-
ferwinkel .......
—
—
—
—
—
—
10,3
8,5
Gesichtswinkel .....
71,5
66
—
71
69
68
69
73
*) Senil- Weiblich? Dulichocepholus ohne Tubern panet. und mit hohem Planum •emictrc- Synost. spheno-fronto-
pariet. Zahnlos, ohne AlreolarforDütze. — *) Weiblich. Dolichoceph. mit stark rorsp ringendem Hinterhaupt, sehr flacher
ülabella und stark rorsprlo ^ender langer Nase. Stark abgenutzte und defecte Zähne. — *) Dolicbocephalu». Sehr dünne
Knochen- — *) Kolossale Protub. occip. und Crista transv. Posthume Verdrückung des Hinterhauptes nach rechts. Sehr
hohe Lineae »emicirc. — *) Sehr starkes Hinterhaupt, starke Protub. occip, und Are, supracil. Arthritis deform, proc* con-
dvl. occip. — *) Starkknochiger Dolichoceph. mit leichten Verletzungen am Stirnbein. — *) Sehr schmaler Dolichoceph.
(Lepto-scaphoccph.) mit vollständiger Synostose der unteren Coron. und beginnender der Sagitt. und Lambd. Lineae semic, bis
auf 9,5 genähert. Sehr grosse, prognathe, zum Theil synostotische Nasenbeine. Stark vortretendes Kinn mit leicht drei-
eckigem Ansatz. — *) Dolichoceph, mit starkem, breitem Hinterhaupt und leicht pmgnnthetn Oberkiefer.
Digitized by Google
88
Rud. Virchow,
Tabelle V.
Lappen.
Kacenschädel.
Anatomisches Museum.
Ph.mi
Durchlaufende Nummer.
67.
58.
69.
60.
61.
G
Nummer de» Kataloge.
A B . 16 •)
A B o 17 *)
A B « 18 *)
•)
•)
V
Größter Horizontal • Um-
fang dca Schädeln • . .
51,5
57,6
50,5
50,3
52,5
«|
Grösste Höhe des Schädel»
13,1
14,5
12,6
13,1
13,0
Ul
Grösste Länge des Schädels
Sagittal-Umfsng des Stirn*
18,1
18,8
17,2
17,2
17^5
K;
beins
12,0.
14,0.
12,6.
11,4.
11,6,
W,
Länge der Sutura sagitt. .
Sagittal-Umfaug d. Squama
13,5 1 cg
-
14,01 ±
-
34,4
1
12, 2 g
Io
12,0 g
1 0
w'J
occip
Entfernung des Meat. aud.
lO^ 1
15,1 1
11,0'
11, oJ
ll,4l
1U 1
ext. bis Nasenwurzel . •
10,8
11,1
10,7
10,5
10,8
Entfernung des Meat. aud.
1U
ext. bis Kinn . . . • .
—
13.2
—
—
13,3
Entfernung des For. magn.
16
bi» Nasenwurzel ....
10,2
9,8
9,9
10,0
10,8
Entfernung des For. magn.
bis Spina
Entfernung des For. magn.
9,2
8,8
9,1
9,4
9,7
U
bis lYotub. occip. • . .
5,9
5,5
5,3
6,6
5,3
«
Grösste Breite dos Schädels
| 14,3
17,3
14,5
14.5
14,8
U2
fW
1 (12,9)
(10,5)
(13,9)
(13,7)
(13,6)
Temporal-Durchmesser . .
11,5
14,9
n,4
12,0
12, S
ui
Mastoidttl-Durchmessor • •
Ilfl
15,4
12,5
13,3
13,8
Jugal-Durchmesser ....
—
15,2
—
13,3
14,5
Ul
M axillar- Durchmesser . ♦ .
6,2
6fi
6,5
6,1
7,1
u
Breite der Nasenwurzel . .
Unterer Umfang des Unter*
8,1
8,1
2,4
2,4
2,8
tl
17J
kiefe.ru
—
18,5
—
—
19,4
Mediane Höhe des Unter*
V
kiefers . .
—
2,7
—
—
2,9
Höhe des Kieferastes . . .
Entfernung der Unterkie-
—
6,9
—
—
7,2
i)
a
fcrwinkel
—
10,6
—
—
10,3
Gesichtswinkel
74
73
73
69
65
70
') Von Pajela bei Keugii in TorneS-Lepmark. SynoatOB. aagitt. mediu et posterior. — *) Hjrdroceph*!»?
telandi-Lapmwk. Üulura froat. persist.; Syuoatoeia conmaria lat. dopl. compl. ; sagitt. poat. inconpl. 0 *m iaterc. J&*
8 ) Weiblich? Syuost. corou. lateralis dupL loeompl. — 4 ) Hcidoiachea Grab bei Kliibolgen in Haeseby-Soga in öitös**
SrsottoftU ooron. dupl. lateralis. Ob intercalarc lacnbd. dextr. Rxoatoaia dir! Blumenb. Vom Jahre 1858 . — ' \ 1= *.
Matrose, in Kopenhagen gestorben. Starke Glabella, jprognathcr Oberkiefer mit stark fibergreifenden Zahnen, ri3tl>
springendes Kinn. Vom Jahre 1869. — ®) Weiblich? Ans ChriatUnia. Synoat. coron. lat. compl., media kneip.
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle V.
Xi»
Grönländer.
Finnländer.
Physiologisches Museum.
Physiologisches Museum-
03.
64.
65.
1
67.
68.
69.
70.
1. 1
2. ")
»■ »5
4. '»)
5. '•)
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“)
“i
52,8
54,8
49,8
52,3
60,4
64,0
6", 2
633
«3
14.2
12,8
14,2
133
13,6
13,5
13,3
19.0
19,1
17,7
18,6
18,3
183
17,8
18.3
13,0.
!33|
12,0
12,6.
12,0
13,7
13,4
133
11.01 g
X
13,o(g
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12, 6| S»
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18.1 1 8
1 04
37,0
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f' 4
12, 8 1
13.1’
11,31
11, 8 J
11,2»
113)
11,71
11.21
113
10,5
9.8
lu,7
10.7
10.7
10,2
11,1
11,0
12,7
12,0
13,7
13,2
133
123
13,3
10,8
10,0
9,5
10,5
10,0
10,5
10,2
10,2
10 r l
9,2
9,1
9,8
9,7
9,9
0,3
6,8
5.5
6,6
6.4
6,3
6,4
6,5
5,5
6,1
13.4
13,8
12,7
133
12,8
14,3
15,0
14,8
(12,4)
(13,0)
(11.4)
(11,6)
(11,6)
(13,6)
(14.0)
(18,0)
11,1
11,3
10,7
11.6
11,4
12,6
12,8
12,4
13.1
12,5
12,1
13,3
12,0
13,0
13,2
12,6
15,1
13,1
12,1
13,8
18,S
133
13,6
14,6
73
6,8
6,3
7,0
6,1
63
63
63
2,3
2,0
1.9
2,0
1.9
23
2.1
2.9
21,0
20,3
ie,o
21,6
20,5
18,5
173
18,5
3,8
8,7
9,3
3,6
3,2
3,1
3,0
3,2
M
5,5
5,0
6,6
6,5
7,0
7,0
6,9
Hfl
9,7
»3
10,1
9,6
10,6
8,8
9.5
68
70.5
65
663
73
74
70
78
') Stark« Glabella; Verlängerung der Are» supercil. unter Bildung eine* Foratn. »u|raorbital. Sumst. cor. lat. tompl. ;
hütende Vergrößerung de* Plan, »emieirc. bi* auf eine Entfernung von 7,8 Cent. — w ) Weiblich f Starker Pr<>',matliisii).
der Kiefer mit hinter einander »lebenden Zähnen; vorstehende* Kinn. Plan. »ernte. bi* auf 7,8 genähert. — *) Weiblich V
tr »tarker Prognatluam. beider Kiefer mit gegen einander *t ebenden Zäh um; Plan, seroicirc. bi* auf 7.5 gr nähert —
St»|.Wcj>halu* ; Pion, »emicifc. bi» auf 7,3 genähert, die Tubern parietal!» überschreitend. — **) Beginnende SrnosL roron.
,r *h; Plan, •etoicirc. bi» auf 7 genähert, das Tuber, überschreitend. — ,3 *) Vom Jahre 1839. Line.ie *emicire. hi* auf
Vml. einander genähert, die Tubera kreuzend. — ,: ) Au» Wu*a Lehn. 0**a intercalari» *ut. latnbd. und squamosxe,
•ot'ier* link». Linear »emicirc. 13,5 Cent, von einander entfernt. Vom Prof. Ilmoui in Hehiugfor« gefichenkt. — *•) Sehr
**• Protal. und <’ri*U. orcip.; »ehr glatte Plana seiuicirc. bis auf 13,5 genähert; starke Are. »upernliares. Vom Prof.
a»dorf 1843 geschenkt.
Archiv fOr Anthrojio'ouie, Bd. IV, Heft L ]2
Digitized by Google
90
Rud. Virchow
Tabelle VI.
Mittel für die Schädel der
Steinzeit nach den ein-
zelnen Fundorten.
Seeland.
t alster.
Möen.
Longe-
land.
>%
£
m
t
o
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53
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Jj
£
u*
Grösster Horizontal - Um-
fang de« Schädels . . .
52,5
49,3
53,4
48,8
52,3
61,3
51,6
51,0
54,0
_
Grösste Höhe des Schädels
14,1
13,2
14,0
14,3
14,3
13,9
13,6
14,2
13,6
Grösste Länge des Schädels
18,1
17,3
18,9
17,3
18,3
17,9
17,9*
18,1
19,2
18,5
Sagittal-I ' in fang de« Stirn-
beins * . .
13.1
12.0.
13,1 j
12,8,
12,9
18,2,
13,4
12,8\
13,3.
1S.4
Länge der Sutura sagitt.
13,6
S
13,4 U
i2 -°U
12,9
8
12,5 la
•Hs
12,0
13,6 Ug
13,4 lg
Sagittal-Umfangd.Squama
p-
©
f*
p»
1°
occip
12,0
11.6)
12,6'
11, 4'
12,2
10,9)
11.2)
J
11,5»
12.2)
Entfernung de« Meut. aud.
ext. bis Nasenwurzel .
10,6
10,0
11,5
10,2
i<ys
10,1
9,8
10,7
10.9
10,3
Entfernung des Meat. aud.
ext. bis Kinn
12,2
12,7
12,8
—
—
13,6
13,0
13,6
—
Entfernung deeFor. raagn.
bis Nasenwurzel . . .
l<tf
9,9
10,0
9,9
10,4
9,9
9,7
10,6
9,9
Entfernung desFor. magn.
-
bis Spina »at*
9,8
8,8
9,1
9,4
9.7
10,0
9,3
—
10,5
—
Entfernung des For. magn.
bis Protub. occip. . . .
5.7
5,5
6,8
5,5
5,1
5,7
—
6,3
0,4
Grösste Breite de« Schädels
14,3
13,1
14,4
18,6
13,8
14,0
13,6
13,0
Temporal- Durchmesser
12,0
1U
11,8
10,6
12,0
11,6
11,5
11,4
12,1
Mastoidal-Durchmesser
13,2
12,8
13,4
12,1
13,1
12,4
12,5
—
13,1
—
Jugal ‘Durchmesser . • .
133
123
12,9
13,7
—
13,6
12,0
_
—
— '
MaxiUar-Durchmesser . .
6,7
5,6 ,
6,2
6,7
6,1
6,0
6,4
62*
6.3
—
Breite der Nasenwurzel
2,3
2,7
2,4
2,0
2,4
2,5
2,5
2,4
2,6
2,7
Unterer Umfang des Unter-
kiefers
19,8
20,0
18,0
—
—
—
18,7
—
18,0
—
Mediane Höho des Unter-
kiefers .
3,3
2,8
3.5
—
—
3,4
3,1
—
2.8
—
Hoho des Kieferaste« . .
63
6.2
7,5
—
-
5,7
6,2
—
—
—
Entfernung der Unterkie-
ferwinkel .......
103
8,0
10,9
—
—
—
8,8
—
9,1
—
3«
*) Die kindlichen und jugendlichen
und 37 *ind nicht raitg* rechnet. — “)
Schädel Nr. 6, 11 und 10
Der Schädel Nr. 42 Ut atu »er
sind nicht raitgcrechnet- — *) Die Schidel
Rechnung geblieben.
Nr. 35,
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Die altnordischen Schädel zu Kopenhagen.
Tabelle V1L
91
Mittel für die Schädel
”
Stein-
Uronce-
Eisen-
Eisen-
Lappen
der einzelnen Perioden
zeit-
zeit-
zeit-
zeit-
ohne
mit
lander.
Finnen.
und Racen.
alter.
alter.
alter 1.
alter II.
Nr. 58.
Nr. 58.
Grösster Horizontal - Um-
fang des Schädels . • .
52,2
50,0
63,9
62,0
50,9
52,0
52,0
53,5
Grösste Höhe des Schädels
14,1
13,5
14,1
13,6
13,0
13,3
13,7
13,4
Grösste Länge de« Schädels
18,1
18,9
20,3
18,8
17,3
17,5
18,5
18,3
Sagittal-Umfang des Stirn*
bei ns . . .
13,lj
12,2
13,1.
12,7%
11,7
12,1 .
12,7
13,4\
Länge der Sutura sagitt. .
IVg
iwlg
19 Aß
12,3
¥
12.61«
12,3 u
iw SS
Sagi ttal-U m fang d. Squama
r
f tO
—
1°
IV
occip
Entfernung des Meat. oud.
1 1,0 '
11,0)
13,3)
ll-sj
11,1
11,4'
12, 0|
11,5'
ext. bis Nasenwurzel .
10,6
10,1
11,6
10,7
10,5
10,6
10,6
10,6
Entfernung dee Meat. aud.
ext, bis Kinn
13,2
12,3
iiß
12,1
12,2
12,5
12,9
13,3
Entfernung des For. magn.
bis Nasenwurzel ....
10,1
10,6
10,8
9,2
10,0
9,8
10,1
10,3
Entfernung de« For. magn.
9,4
9,8
10,4
8,5
9.3
9,2
9,5
9,3
Entfernung des For. magn.
bis Protub. occip. . . .
5,8
5,2
6,4
6^
5,3
5,3
6,0
6,0
14.4
14,9
13,3
14,7
Grösste Breite des Schädels
1
13,3
■
l 14,0
12,6
13,0
(13,6)
(14,0)
(12,0)
(13,6)
Temporal-Durchmesser
11,7
—
12,0
11,6
11,8
12,3
11,2
12,6
Mastoidal-Durchmesser .
13,0
12,6
14,6
12,5
13,1
13,5
12,8
12,9
Jugal-Durchmesser . . .
12,7
—
—
13,6
13,6
14,0
13,8
14,0
Maxillar-Durchmesser . .
0.5
5,4
6,5
6,2
6,3
6,7
6,2
Breite der Nasenwurzel .
2,0
2,3
w
2,5
2,6
2,7
2,0
2,6
Unterer Umfang des Unter-
kiefern
19,1
—
19,2
19,8
16,4
13,4
20,2
18,1
Mediane Höhe des Unter*
kiefers .
3,2
2.9
2,7
3,1
2,9
2,8
3,5
3,1
Höhe des Kieferastes . .
5,9
6,0
7,1
7,0
6,8
6,5
6,0
7,0
Entfernung der Unter-
kiefcrwinkel . . . • .
• 10,1
—
—
9,3
95
10,1
10,2
9,0
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Digitized by Google
-d'
V.
Ueber die Eingeborenen Costaricas.
Von
Dr. Alexander von Frantzius.
Die alte spanische Provinz Costa rica hatte stets das herbe Schicksal zu erdulden, von
der spanischen Krone als einer der werthlosesten Theile des ihr durch die Kntdeckung der
neuen Welt zugefallenen grossen Reiches betrachtet und demgemäss behandelt zu werden.
Obgleich schon im Jahre 1502 von Columbus entdeckt, fand sich erst im Jahre 1570 ein
Conquistador zweiten Ranges, der dieselbe eroberte. Diese Eroberung war jedoch keine voll-
ständige, denn nach einem höchst beschwerlichen Streifzug durch den südöstlichen Theil , wo
man vergeblich grosse Goldschätze zu linden hoffte, setzten die Spanier sich im heutigen
Cartago fest, gaben sich aber niemals grosse Mühe, den übrigen Theil des Landes zu erobern.
Auf diese Weise ist Costarica selbst bis zur Unabhängigkeitserklärung (1821) weder durch
Waffengewalt, noch durch die Bemühungen der Missionäre in seinem ganzen Umfange wirk-
lich erobert worden.
Da der im Besitz der eingeborenen Bevölkerung angetroffene Goldschmuck nicht von
solchem Werthc gewesen war, dass er die Habsucht der Eroberer gereizt hätte, so hielt man
sich an die Arbeitskraft der Eingeborenen. Schon von Panama und Nicaragua aus hatte man
früher, um dem immer mehr fühlbar werdenden Maugel an Arbeitskräften abzuhelfen, plan-
massige Jagdzüge gegen die Indianerstämme von Costarica unternommen; nach der sogenann-
ten Eroberung aber wurde dieses Vertilgungswerk der Eingeborenen sogar von dem Clerus
fortgesetzt, indem die Indianer, welche im Bereiche der Convente wohnten, rücksichtslos zu
.Sklavendiensten verwendet wurden und den ihnen von den Missionären auferlegten über-
mässigen Frohndiensten erlagen.
Ein grosser Theil Costaricas, der ursprünglich von einer äusserst dichten Bevölkerung
bewohnt war, ist dadurch vollständig menschenleer geworden und daher findet man heute
meilenweit© Strecken dichtbewaldeter Ebenen und Gebirge, die jetzt kein menschlicher Fuss
mehr betritt. Nur an wenigen Theilcn haben sich noch Reste der Urbevölkerung erhalten,
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94
Dr. Alexander von Frantzius,
die, obgleich an Zahl gering, doch ihre alten Eigentümlichkeiten bis heutigen Tages beibehal-
ten haben ; unter diesen findet sich sogar ein kleiner Stamm, die sogenannten Guatusos, der
in absolutester Abgeschlossenheit lebend , nur durch unzugängliche Gebirge und Sümpfe ge-
schützt, bis heutigen Tages sich seine völlige Unabhängigkeit erhalten hat.
Obgleich die Schilderungen der Zustände der Eingeborenen Costaricas zur Zoit der Ent-
deckung des neuen Continents nur spärlich sind, so zeigen dieselben dennoch eine grosse
Uebereinstiinmung mit den Zuständen, wie sie heute bei den noch vorhandenen Resten der
Indianerbevölkerung angetroffen werden. Berücksichtigen wir ausser diesen historischen Mitthei-
lungen auch noch die bis jetzt in Costarica gesammelten Altertliümer 1 ), so kommen wir zu
dem bisher wenig oder gar nicht beachteten Resultat, dass das heutige Rio Grande-Thal,
welches gegenwärtig der Sitz der civilisirten Bevölkerung des Landes und zugleich der ein-
zig gut cultivirte Theil desselben ist, ehemals ein in ethnologischer Beziehung sehr wichtiges
Gebiet bildete, indem sich hier die Grenzen dreier ihrer Gesittung und Abkunft nach sehr
verschiedener Stämme berührten. Diese Stämme waren die C'liorotegas und zwei andere,
den Cuevas und den Chontales verwandte Stämme.
1. Die Cnevastämme.
Da die Spanier nach Entdeckung des Festlandes (tierra firme) zuerst mit den Cueva-
indianern in nähere Berührung kamen, so fehlt es uns nicht an genauen Schilderungen die-
ses Stammes, von denen die von Oviedo, And an goya, Navarette und aus späterer Zeit
die von Lionel Wafer die wichtigsten sind. Da die meisten dieser Werke aber schwer zu-
gänglich siud und wir eine meisterhafte Zusammenstellung derselben in der Geschichte des
Zeitalters der Entdeckungen von O. Peschei (S. 453 u. flgde.) besitzen, wodurch uns ein vor-
treffliches Gesammtbild über den C'ulturzustand jenes Stammes gegeben ist, so verweise ich
den Leser auf dieses höchst anziehende Werk.
Obgleich man annimmt, dass die Cuevas, die zur Zeit der Entdeckung zu beiden Seiten
des Isthmus von Darien wohnten, auf der Südseite der Cordillere von Veragua nach Westen
hin sich nur bis Chame ausbreiteten ’), welcher Ort als westliche Grenze angegeben wird, bis
zu welchem der der Cuevasprache ähnliche Coibadialect gesprochen wurde, so glaube ich,
dass diese Grenze noch viel weiter nach Westen und zwar bis zum Golf von Nicoya ausge-
dehnt werden muss. Auf diese Vermuthung führten mich zuerst eine Anzahl in Costarica
vorhandener indianischer Ortsnamen und andere im Volke gebräuchliche, der Cuevasprache
angehörender Namen von Bäumen und Pflanzen. Als solche erwähne ich: Tibd (Häuptling),
ein Ort nahe bei Heredia, Parita, Grenzfluss zwischen dem Dota- und Candelariagebirge , Cu-
riogre bei Pacaca und Buriogre bei Cartago; die Endung ogre kommt häufig im Cuovagebiete
’) Meinem Freunde, dem norddeutschen Consul Fr. Lahmann aus Bremen, gebührt das grosse Verdienst,
dass er zuerst die indianischen Alterthümer Costaricas planmässig zu sammeln begann , wahrend dieselben
ehemals als Curiositaten in die verschiedensten Hände kamen und ao verschleudert oder gar vernichtet wur*
den. Pas Studium dieser Sammlung in den Händen eine« sachverständigen Ethnologen lässt uns gewiss einst-
mals sehr wichtige Aufschlüsse erwarten.
») S. Peschei a. a. 0. S. 502.
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95
Ueber die Eingeborenen Costaricas.
vor; Pacacft und Paquitn (Paco, der Leibeigene); Quepo, ein Vorgebirge, Quibel, ein Neben-
flUsscben den Rio Grande de Piris; ferner als Baumnamen: Espavei' (Herrin) und Yra (Frau).
Auch Oviedo 1 ) giebt schon an, dass die Bewohner der im Golf von Nicoya gelegenen
Insel Chara, die heute unter dem Namen San Lucas bekannt ist, die Cuevasprache verstän-
den (entienden algo con la de Cueva). Als eine besondere EigenthUinlichkeit der Cueva-
indianer wird ferner von mehreren Schriftstellern auf die ungewöhnliche Dicke der Schädel-
wandungen aufmerksam gemacht Ein costaricanischer Goldsucher, der viele der nördlich
von Terraba bei Hato viejo befindlichen Indianqrgräber untersucht hatte, theilte mir gelegent-
lich seine Verwunderung über die auffallend dicken Schädel mit, die er in einigen jener
Gräber gefunden hatte. Auch die ebendaselbst und an mehreren anderen Orten in Costa-
rica gefundenen Goldarbeiten, die ich im laufe meines Aufenthalts daselbst zu sehen Ge-
legenheit hatte, zeigten dieselben Formen wie die bei Chiriqui gefundenen, welche ohne Zwei-
fel ebenfalls von den alten Cuevaindianern herriibren. Hauptsächlich bestanden dieselben
in runden Platten von dünnem Goldblech , sowie in Figuren von der Gestalt von Adlern,
Fröschen oder Menschen. Viele dieser Geldsachen sind stark mit Kupfer legirt und scheinen
in Formen gegossen zu sein. Die Legirung ist aber der Art, dass sie von den heutigen Gold-
schmieden sehr geschätzt wird, weshalb der grösste Tbeil dieser alten Goldarbeiten von den
Findern an die Goldschmiede verkauft, von diesen verarbeitet wird und so für immer der
Wissenschaft verloren geht.
Besondere Ueberlieferungen und Schilderungen der auf diesem Gebiete von Costarica
zwischen dem Barrancaflusse und dem Golfo dulce ehemals lebenden Indianer fohlen uns lei-
der 1 ). Nur Juarros 3 ) erwähnt, dass der Missionär Juan Pizarro im Jahro 1568 von den
„ (Jottos und Queppanos“ ermordet wurde, welche offenbar die Bewohner des ehemaligen öfters
erwähnten Ortes Quepos sind, in dessen Nähe auch heute noch ein Flüsschen den Namen
Rio Coto führt.
Als Beweis, wie dicht die Bevölkerung zur Zeit der Ankunft der Spanier auf diesem
Gebiete war, dienen die zahlreichen imlianischen Gräber (huacas), sowie die Stein- und Thon-
geräthe, die in der Ebene von Pirris und Parita, bei Quepos, Terraba und Hato viejo 4 ) heute
noch gefunden werden, sowie die zahlreichen ebendaselbst noch vorhandenen Reste alter
Cacaoanpflanzungen. Von dieser ehemals so zahlreichen und dichten Bevölkerung, deren
Ortschaften einst Tausende von Bewohnern hatten und von denen die meisten jetzt gänzlich
verschwunden sind, hat sich nur in Pacaca, Tavarcia sowie in Bornca *) ein kleiner Ueberrest
erhalten, deren Gesammtzahl heute kaum dio Zahl 1500 erreicht
Die heutigen Pacaca- und Borucaindianer unterscheiden sich von den benachbarten Stäm-
J ) Oviedo, Ed, Madrid 1855. Tome III, p. 108.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eich in einem Manuecript, welches mir bie jetzt noch nicht zugäng-
lich geworden ist, manche dieecn Stamm betreffende Mittheilungen Anden werden. Unter den verschiedenen
Manuacripten , welche der um die Kenntnis* S'icaiWgua* wohlverdiente amerikanische Ethnologe Squier zu
veröffentlichen beabsichtigte, finde ich auch den viel versprechenden Titel: Ausführliche Erzählung, Brief an
den König über die Erfolge von Juan Vaaqoez in den Provinzen Nen-CarUgo und Costarica bei der Ent-
deckung und Unterwerfung derselben; vom Jahre 15C2.
3 ) D. J uarroa Compendio de la historia de la Ciudad de Guatemala, Guatemala 1867. T. II, p. 204.
*) Siehe P e t e r in a n n ‘ s Geogr. Mittheilungen. 1869. S. 323 u. flgde.
n ; Die Bewohner von Terraba gehören einem andern Stamme an; siehe weiter unten.
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96
Dr. Alexander von Frantzius,
men durch die geringe Grösse, breite, untersetzte Statur, dunklere Hautfarbe, durch breite
Gesichter mit niedriger Stirn, hervorstehenden Backenknochen und breitem Munde. Die Bo-
rucaindianer bedienen sich noch ihrer alten Sprache, deren genaueres Studium gewiss den
besten Aufschluss über ihre ethnologische Verwandtschaft geben würde.
2. Die Chorotegas.
Auch Uber die Zustände der Chorotegas, wie sie zur Zeit der Ankunft der Spanier
(1522) angetroffen wurden, fehlt es uns nicht an genauen Schilderungen, unter denen ich
namentlich die von Oviedo hervorhebe, der einige Jahre unter ihnen lebte und Gelegenheit
hatte, die Cultur dieses hochgebildeten Stammes durch eigene Anschauung kennen zu lernen.
Bekanntlich befinden sich die Wohnsitze der Chorotegas auf dem schmalen Landstreifen
zwischen der Lagune von Nicaragua und dem Stillen Occan; nördlich dehnten sie sieh noch
etwas weiter bis zur Fonsecabai aus, im Süden aber bis Guanacaste und bis zur Halbinsel
Nicoya, hier wohnten die Indianer dieses Stammes rings um den Golf dieses Namens und
auf den in demselben gelegenen Inseln.
Das so begrenzte Gebiet war indessen nicht ausschliesslich von Chorotegas bewohnt,
denn schon im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren aus Mexico ausgewanderte
Stämme toltekischer Abkunft bis dahin vorgedrungen, hatten sich zwischen den Chorotegas
niedergelassen, ihre eigene Cultur und Sprache aber beibehalten, und viele ihrer Gebräuche den
Chorotegen aufgedrungen. Auf dom bezeichneten Gebiete finden sich daher sowohl chorote-
gische als auch mexicanische Ortsnamen. Dem grossen Kenner der mexicanirchen Sprachen,
Prof. Buschmann, gebührt das Verdienst, zuerst auf die Verschiedenheit zwischen der Clio-
rotegaasprache und dem Mexicanischen aufmerksam gemacht zu haben. Was die Sitten und
Gebräuche betrifft , sowie die gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen , so ist es zu-
weilen sehr schwer, zu entscheiden, was ihnen ursprünglich eigeuthümlieh war.
In kaum glaublich kurzer Zeit wurde auch hier einer der bestbevölkerten Landstriche
Amerikas durch die kurzsichtige Grausamkeit der Spanier in dem Maasse seiner Bewohner
beraubt, dass man sich schon früh genöthigt sah, Negersklaven einzufubren. Die vielen ge-
rechten Anklagen des muthigen und von uneigennütziger Menschenliebe beseelten Mönches
Las Casas beziehen sich meistens auf die von den Spaniern in Nicaragua verübten Schand-
thaten und wurden durch die zahlreichen Grausamkeiten angeregt, von denen er während sei-
nes Aufenthalts in diesem Lande nur zu oft Augenzeuge sein musste. Auch in Costarica wurden
nach Vertilgung der Chorotegas in Guanacaste und Nicoya als Ersatz einige Negersklaven
eingeführt, weshalb man in Nicoya und mehr noch in Guanacaste jetzt noch statt der ein-
stigen Chorotegas eine Zamboracc 1 ) findet, der man die Pflege der zahlreichen daselbst be-
findlichen Vielihacienden nicht gerade zum Gedeihen derselben anvertraut hat
Meine Nachforschungen, ob sich in Nicoya gegenwärtig noch unter der äusserst dünnen
') Sie und in den Uauptstiidtcn , im Innern des Landes, als Virtuosen auf einem afrikanischen Instrumente
bekannt, welches Marimba genannt wird und welches man oft irrthümlich als den amerikanischen Indianern
eigeuthümlieh gehalten hat. Livingatone fand dieses Instrument jedoch im Innern Süd-Afrikas bei den Bs-
londanegem. S. dessen Reise Cap. X1Y. (Mission Travels p. 293.)
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lieber die Eingeborenen Costaricas. 97
Indianerbevölkerung die Chorotegensprache erhalten habe, hatten leider keinen Erfolg. Da-
gegen gelang es mir, eine Anzahl chorotegischer Ortsnamen aus jenen Gegenden zu sam-
nicln, die einen Theil der von mir gesammelten indianischen Ortsnamen aus dem ganzen
Bereiche der heutigen Republik bilden. In Quanacaste finden sich nur die Namen: Chiringa,
Oro^l, Orotina, Curibici, Curubandd, Chorotega am Miravallesvulkan und vielleicht Tilaran.
Zahlreicher sind sie jedoch in Nicoya; hier fand ich folgende Namen: Nicoya, Morote, Ma-
tina, Rejundores, Matambu, Curimd, Nantiüme, Mararomd, Diriä , Talolinga, Chira, Tiringote,
Nandayures, Canjel, Nosarä, Cuiriman, Cuiriyal, SamarÄ, Musitnillama, Cautrdn, C'horote, und
vielleicht auch die Inselnamen: Cachoa, Chara, Yrca , Yrco. Charakteristisch für die G'horo-
tegenworte ist das häufige Vorkommen des Buchstaben r, der in der mexicanischen Sprache
gänzlich fehlt.
Ich zweifle nicht, dass in Nicaragua, wo die Zahl der Indianer weit grösser ist als in
Nicoya und Guanacaste, sich noch einige Chorotegendörfer finden, deren Bewohner ihre alte
Sprache erhalten haben. Es wäre daher sehr verdienstlich, wenn Reisende, mit den nöthi-
gen Sprachkenntnissen ausgerüstet, die Ueberreste dieser Sprache sammeln würden , ehe die-
selben gänzlich verschwinden, da unsere Kenntnisse derselben sonst bloss auf Ortsnamen und
ein dürftiges Yerzeichniss einiger Worte beschränkt bleiben dürften.
Entsprechend der hohen Cultur der Chorotegen, durch welche die ersten Spanier in-
Staunen versetzt wurden, zeichnen sich auch die AlterthUiner, welche von diesem Volke her-
riihren, durch einen seltenen Grad von Kunstfertigkeit aus. Nirgends findet man daher in
Costarica so fein gearbeitete Steinarbeiten, als im Bereich der ehemaligen Chorotegenbevölke-
rung. Vor allem sind es die zum Maismahlen gebräuchlichen Mahlsteine aus jener Gegend,
die sogar jetzt noch sehr geschätzt werden. Man hat an einigen Stellen von Nicoya so
viele derselben gefunden, dass die Besitzer sie planmässig ausgruben, um sie zu verkaufen.
Bei wohlhabenden Familien findet man daher heute noch hin und wieder derartige ausge-
grabenc Steine im Gebrauch. Dieselben zeichnen sich durch bedeutendere Grösse, höhere
Küsse und einen mit eigenthiimlichen Verzierungen versehenen Rand aus; andere sind da-
gegen bedeutend kleiner als die heute gebräuchlichen und stellen ein vierfüssiges Thier dar.
Vom an der Platte befindet sich ein Kopf; der Schwanz des Thicres bildet eine Schlinge
und dient zugleich als Handhabe. Diese Steine haben ringsum einen hervorragenden Rand
und demgemäss ist auch die sogenannte Hand (mano), mit welcher die Maiskörner zerquetscht
werden, nicht wie bei den heute gebräuchlichen Steinen von walzenförmiger Gestalt, sondern
von der Form eines Steigbügels. Wahrscheinlich dienten diese kleinen zierlichen Steine
zum Cacaomahlen oder zum Zerkleinern der bei ihnen gebräuchlicnen Uewürze oder anderer
feiner Speisen.
Die zum Maismahlen dienenden Steine sind in ethnologischer Beziehung von ganz be-
sonderer Wichtigkeit, denn «ic gehören zu den unvergänglichsten Beweisen für die einst-
malige Anwesenheit derjenigen Stämme, bei denen die Zubereitung des Mais zu Tortillas
mittelst der Mahlsteine Sitte war. Nicht alle Völker nämlich, deren Hauptnahrungsmittel
der Mais war, bereiteten ihn in dieser Weise zu. Die Zubereitung der Speisen gehört aber
zu denjenigen Gebräuchen, an welche die verschiedensten Völker stets mit einer merkwürdi-
gen Zähigkeit festgehalten haben.
Arobl* für Anthropologie , Bi IV, Ulft I. IS
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98
Dr. Alexander von Frantzius,
In Bezug auf den Kunstgeschmack, der sich in den im Chorote gengebiete gefundenen
Steinarbeiten ausspricht, wird es die Aufgabe späterer Ethnologen sein, die mexicanische
Beimischung und den Einfluss der mexicanischen Cultur, die sich in vielen derselben nicht
verkennen lässt, auszuscheiden. Diese Aufgabe wird aber dadurch, das« wir das Alter der
bekannten, von Squier in Nicaragua, im eigentlichen Chorotegengebiete , aufgefundenen ko-
lossalen Steinflguren noch nicht kennen und noch nicht wissen, in welchem Verhältnis« die
Verfertiger derselben zu den Chorotegen standen, ganz besonders schwierig. Zur Lösung
dieser Aufgabe bedarf es gewiss weit ausgedehnterer Studien und eines weit vollständigeren
Materials, als das bis jetzt vorliegende.
In Costarica hat man keine Statuen von ähnlicher Qröase und Vollkommenheit wie in
Nicaragua gefunden. Nur auf der Halbinsel von Nicoya bei Lepanto 1 ) fand man vor einigen
Jahren ein steinernes Götzenbild, dessen Abbildung (Fig. 9) beifolgt und welches grösser und
sorgfältiger gearbeitet ist, als diejenigen, die in grosser Anzahl an anderen Stellen Costarica.«
gefunden werden. Diese Steinfigur befindet sich gegenwärtig in der archäologischen Samm-
Fig. 9.
■) Ueber eine andere bei Tnrialba gefundene Statue liehe veiler unten 8. 10S.
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»9
Leber die Eingeborenen Costaric&s.
lang zu Mainz. Obgleich sie ziemlich roh gearbeitet ist, so zeigt das Gesicht so charakteri-
stische Züge, dass man an einer gewissen Portraitähnlichkcit wohl nicht zweifeln kann.
Für die höhere Bildung und für einen gewissen Sinn für Luxus spricht auch das häufige
Vorkommen des bei den Mexicanern so hoch geschätzten Chalchihuitl (Amazonenstein in
Südamerika, Punamu in Neu-Seeland, Jade im Orient, Nephrit und Saussirit der Mineralogen).
Diese Steine, welche man bis jetzt nur in Guanacaste und Nicoya, nicht aber im übrigen C'o-
starica gefunden hat, sind äuseerst sorgfältig bearbeitet und glänzend polirt; alle sind quer
durchbohrt, so dass sie, an einer Schnur hängend, als Halsschmuck getragen werden
konnten *).
Die bei den Cborotegen gefundenen Thonwaaren wurden schon von Oviedo hoch ge-
priesen; derselbe versichert, „dass Fürsten über ein solches Geschenk nicht zu errötheu
brauchten.“ Die in Guanacaste und Nicoya gefundenen Thonwaaren , die ich zu sehen Ge-
legenheit hatte, zeichneten sich durch ihre -zierlichen Formen sehr entschieden vor denjeni-
gen anderer Orte Costaricas aus. Die auf ihnen mit schwarzem und rotlien Ocker (Curiol)
angebrachten Malereien haben sich ganz vortrefflich erhalten und scheinen fast eine Art
Hieroglyphenschrift zu bilden. Auch jetzt noch gelten die Nicoyaner für die geschicktesten
Verfertiger von Thonwaaren , obgleich Arbeiten wie die aus alten Zeiten von ihnen nicht
mehr hergeetellt werden.
Goldarbeiten werden sicher bei einem Volke nicht gefehlt haben, welches eine so hohe
Stufe der Cultur erreicht hatte. Zufälliger Weise aber habe ich niemals Gelegenheit gehabt,
aus jener Gegend derartiges zu schon; wahrscheinlich wohl deshalb, weil die Spanier sorgfäl-
tig danach gesucht haben und Alles was sie fanden fortnahmen.
3. Die im Nordosten der Gebirgskette wohnenden Jagdvölker.
Während die zum Cuevastamme gehörenden Indianer schon einen gewissen Grad von
Bildung basassen, die Chorotcgas aber auf einer verbältnissmässig hohen Bildungsstufe stan-
den , finden wir im übrigen Theile von Costarica, auf der nordöstlichen Abdeichung der Ge-
birge, nur rohe Jagdvölker.
Schon Wappäus*) macht auf die Verschiedenheit der Culturstufe der an der Südsee
und der an der atlantischen Abdachung wohnenden Eingeborenen aufmerksam, eine Verschie-
denheit, die sich nicht nur auf Costarica beschränkt, sondern durch ganz Mittelamerika nach-
zuweisen ist. Wie ich in einer Arbeit 0 ) über die klimatischen Verhältnisse gezeigt habe, ist
dieselbe durch die klimatischen Verhältnisse ihrer Wohnsitze bedingt, weshalb ihre Grenzen
mit der Wetterscheide zusammenfallen. Auf der Südwestseite begünstigt die Regenzeit wäh-
■ i Käsige der von mir gesammelten bestellen eus einem hellgrünen Diabas , andere aus einem schönen
grünen Diorit nnd einige kleine Stücke von Olivenfonn aus braunlichgrünem Quarz.
s ) Handb. d. Geogr. u. Statistik. Band 1. 3. Abtheil. Leipzig 1862. S. 244.
*) Versuch einer wissenschaftlichen Begründung der klimatischen Vcrhültnisee Central-Amerikas. — Ko-
ner's Zeitsohr. d. Uesellsch. f. Erdkunde. Bd. III. 1868. 8. 318.
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Dr. Alexander von Frantzius,
rend der einen Hälfte des Jahres das Wachsthum der Culturpflanzen ; während die trockene
und fast regenlose andere Hälfte eine sichere Ernte ermöglicht und die Reinigung und Zu-
bereitung des Bodens für die folgende Aussaat begünstigt. Auf der Nordseite befördern die
weit häufigeren, nur mit kurzen Unterbrechungen fallenden Regengüsse das Wachsthum der
Anpflanzungen zwar in noch höherem Grade, was sich in der weit grösseren Ueppigkeit der
ganzen Vegetation kund thut; indessen macht das Fehlen der Trockenzeit die Ernte hier
fast unmöglich und ebenso gestattet es nicht, wie es auf der andern Seite üblich ist, das zur
Reinigung des Bodens nöthige Abbrennen des verdorrten Unkrautes. Die Eingeborenen be-
schränken sich daher auf dieser Seite auf den Anbau einiger weniger Nahrungspflanzen, deren
Ertrag nicht an eine Trockenzeit gebunden ist, wie der Yame, des Maniot und des Arum
esculentum, zu denen später der jetzt so wichtige Pisang kam. Einen Hauptantheil ihrer
Nahrung bildet bei ihnen daher die Ausbeute der Jagd und Fischerei.
Wio alle Jagdvölker leben sie nicht in Städten, sondern ohne staatlichen Verband in
kleinen Dorfschaftcn, häufig in beständiger Fehde, und stets auf derselben Stufe der Bildung
verharrend. Die Schilderungen, welche die Spanier bei ihrem ersten Zusammentreffen mit
denselben entwarfen , passen daher auch noch auf die heutigen Zustände der jetzt freilieh
an Kopfzahl nur noch sehr geringen Ueberreste derselben.
So wenig es den Spaniern jemals gelungen ist, die auf dem nordöstlichen Theil von
Mittelamerika wohnenden Stämme vollständig zu unterjochen, eben so wenig scheint dies vor
der Ankunft der Spanier den Mexicanem möglich gewesen zu sein, obgleich sie schon seit
Jahrhunderten als Herren des Landes zwischen den hochgebildeten Chorotegas wohnten. Auch
hier haben die kriegerischen Erfolge der Spanier aufs glänzendste gezeigt, dass es weit leich-
ter ist, einen mächtigen Feind zu überwältigen, sobald es geglückt ist, seine Hauptmacht in
einem Treffen zu schlagen und sich in den Besitz seiner Hauptstädte zu setzen, als ein an
Zahl weit geringeres Gebirgsvolk zu unterjochen, welches sich bei der Verfolgung stets in
schwer zugängliche Waldgebirge zurückzieht, wo dem nachrüekenden Feinde ein sicherer
Untergang droht.
Auch der friedliche Verkehr mit diesen unbesiegbaren Nachbaren scheint bei den Mexi-
cauern vor der Ankunft der Spanier nur höchst gering gewesen zu sein; denn sie erhielten
von den Mexicanem den sehr passenden Namen der Chontales, d. h. der Fremden oder Aus-
länder, welches Wort aber noch die Nebenbedeutung eines rohen ungebildeten Menschen hat.
Die Mcxicaner blieben auf diese Weise in solcher Unkenntniss Uber ihre Naclibarcn und deren
Wohnsitze, dass die Spanier den heutigen San Juan-Fluss, der als Abfluss (Depaguadero) der
Nicaragualagunu wie zu einer Hauptverkehrsader mit der atlantischen Küste geschaffen zu
sein scheint, erst entdecken mussten, und diea gelang dem Diego de Machuca, obwohl Nica-
ragua schon im Jahre 1522 erobert worden war, erst im Jahre 1539, und zwar nach mehre-
ren vergeblichen Versuchen.
Dass die beiden mächtigen Cniturreiche der Azteken und der Incas bis zur Ankunft der
Spanier in völliger Unkenntniss von dem Vorhandensein des andern geblieben waren, wird
uns daher ebenfalls weniger unbegreiflich und wunderbar erscheinen, wenn wir berücksich-
tigen, (iass zwischen beiden weite Landstrecken lagen, deren Bewohner auf ebenso niedriger
oder gar noch tieferer C'ulturstufe standen aLs jene Jagdvölker Mittelamerikas.
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Ueber die Eingeborenen Costaricas.
Auch alle direct von dor atlantischen Küste aus versuchten Unternehmungen sind
in Mittelamerika sämmtlich gescheitert, gleichviel, ob sie darauf ausgingen, mit Waffengewalt
diese Ländergebiete zu erobern, oder in friedlicher Weise von Mönchen oder Colonisten gelei-
tet wurden.
Die erwähnte Wetter- und Völkerscheide zieht sich in Costarica von dem im äusserBten
Nord westen der Republik gelegenen Vulkan Orosi in südöstlicher Richtung längs der Vulkan-
reihe bis zum Irazü, von hier nach Süden zum Dotagebirge und dann Ulier den Chirripö und
Pico Blanco bis zum Chiriquivulkan.
Die historischen Ueberlieferungen aus älterer Zeit und die neueren Mittheilungen von
Reisenden Uber die hier wohnenden Stämme und deren noch vorhandenen Ueberreste sind
leider sehr dürftig und wenig ausführlich; sie haben daher zu vielen Irrthümern und Ver-
wechselungen Veranlassung gegeben, welche sich in den neueren Schriften Uber Costarica
immer tiefer einwurzelten.
Ira Westen beginnend finden wir am Rio Frio, östlich von den Vulkanen La Vieja und
Miravalles, die Guatusos, bekannt wegen ihrer merkwürdigen Beharrlichkeit, mit der sie von
jeher bis auf den heutigen Tag jeden Verkehr mit den Europäern gemieden haben, was frei-
lich zur Folge gehabt hat, daas wir sehr wenig über dieselben wissen, und dass sich dafür
eine Menge wunderbarer Geschichten über dieselben verbreitet haben.
Da bis zum Jahre 166G die Indianer dieser Gegend in den historischen Ueberlieferungen
Vottos oder Votos genannt werden, später aber nur der Name Huatusos oder Guatusos als
Bezeichnung derselben gebraucht wird, so kann man wohl diesen letztem Namen als eine
Verstümmelung des ersteren ansehen und Vottos und Guatusos als einen und denselben Stamm
betrachten, um so mehr, da ihr feindseliger Charakter gegen alle fremden Eindringlinge schon
in den frühesten Urkunden hervorgehoben wird. Oviedo') theilt uns mit, dass Martin
Estete im Jahre 1529 bei seinem Versuche, den heutigen San Juan-Fluss zu befahren und
dessen Mündung zu entdecken , im Gebiete der Vottos elendiglich zu Grunde ging. Später
findet sich der Name Votos in einem Actenstücke vom Jahre 16G6 im Archiv von Cartago.
Ausserdem hat sich der Name auch als Beiname des Poasvulkans erhalten, auf dessen Nord-
seite die Vottos ehemals wohnten, und der daher diesen Namen erhielt und heute noch
führt
Späterhin ist, wie gesagt, nur von den Huatusos die Rede, die nach Pelaez ') damals
noch am heutigen San Carlos-Flusse lebten, welcher, wie es scheint, ehemals den Namen
Rio Frio führte. Auch aus dieser sehr sorgfältigen Zusammenstellung der bis dahin bekann-
ten historischen Ueberlieferungen ersehen wir, daas sämmtlichc im vorigen Jahrhundert ge-
machten Versuche, in das Gebiet jener Indianer einzudringen, durchaus keinen Erfolg hatten.
Die erwähnten abenteuerlichen Mährchen Uber die Guatusos beziehen sich auf deren Ab-
stammung; nach denselben sollen sie von europäischen Flibustiern abstammen und daher
blondes röthliches Haar und blaue Augen besitzen. Fred. Boyle hat sie uns kürzlich in
den Transact of tho ethn. Soc. of London (N. Ser. VI, 1867, S. 207) in einer Weise wieder-
i) Oviedo, hiat. d. ). Ind. ocoid., lib. XXIX, Cap. 2.
*) .Memoriiu para I. hist, del ästig. Reino de Guatemala. Tom. UI, p. 141.
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Dr. Alexander von Frantzius,
erzählt, dass man fast zu glauben versucht wird, er selbst sei von der Wahrheit derselben
überzeugt. Sehr abweichend von diesen dem ungebildeten Haufen entnommenen mündlichen
Ueberlieferungen, deshalb aber um so werthvoller, und besonders, weil der Verfasser nur
Selbstgesehenes berichtet, ist die einfache Schilderung des Capt. O. J. Parker'), welcher im
Jahre 1867 in einem Boote den Rio Frio hinauffuhr. Er vergleicht ihr Aeusseres mit dem
der Comanches. Die neuesten Mitthoilungen erhielt ich kurz vor meiner Abreise von Costa-
rica im Anfänge des Jahres 1868. Damals war eine Anzahl Oautschoucsammler aus Creytowu
gewaltsam in das Gebiet der Guatosos eiugedrungen. Als bei dieser Gelegenheit der Häupt-
ling derselben von ihnen getödtet wurde und die übrigen die Flucht ergriffen hatten, konn-
ten die Angreifer sich ungestört Umsehen. Dieselben fanden, dass die Guatusos in Bezug auf
die Körperbeschaffenheit und ihre Lebensweise eine grosse Aebnlichkeit mit den ihnen be-
nachbarten, nördlich von San Juan wohnenden Ramaindianern haben; und auch die von
ihnen mitgebrachten Waffen , bestehend in Pfeilen und Bogen , unterschieden sich in keiner
Weise von denen der Romas.
Auf der grossen Strecke zwischen dem Sau Carlos-Fluss und der Küste des atlantischen
Oceans wohnen heute ausser einigen wenigen spanischen Ansiedlern keine Menschen. Durch
historische Ueberlieferungen ist nicht einmal der Käme derjenigen erhalten, die hier einst
wohnten, und doch war diese ausgedehnte Waldebene früher dicht bevölkert. Am Toro ama-
rillo fand Dr. Diezmann ganze Strecken bedeckt mit Rcsteu von Tbonwaaren; am Sorapirjui
bei La Virgen fand man Gräber mit kleinen Steinfiguren und weiter östlich in der Ebene
von Santa Clara sollen dieselben noch häufiger zu finden sein. Am zahlreichsten trifft man
dieselben aber an der atlantischen Küste und in don höher gelegenen Gegenden am Fusse
der Vulkane Irazu und Turialba, und zwar am Rio Blanco, Plataneres, Las Piedras, Novillo
uud Destierro.
Sehr merkwürdig sind die leider noch nicht von Sachverständigen untersuchten Ruinen
am Novilloflusse. Auf einer Ebene am Fusse des Turialbavulkans , in einer sehr regnerischen
Gegend, finden sich viele Mauerüberreste aus behauenen Steinen, welche geradlinig laufen und
ehemals Strassen gebildet zu haben scheinen; auch fand man an verschiedenen Stellen zerstreut
elf Steinfiguren in Lebensgrö&se und in sitzender Stellung. Diese Ruinen nehmen einen sehr
grossen Raum ein, so dass die Stadt, von der sie herrühren, wahrscheinlich sehr volkreich
war. Da sich hier ausser einigen Aguacate-, Sapote-, Cacaobäumen und Pejebayepalmen keine
Bäume von hohem Alter finden, der Boden vielmehr mit der unter dem Namen Bijao oder
Bihni bekannten Heliconia bedeckt ist, so lässt sich aus dieser Vegetation nicht leicht ein
Schluss auf das Alter der Ruinen ziehen. Wahrscheinlich sind dieselben gleichaltrig und von
demselben Ursprünge wie die in Chontales von Friedrichsthal und Fröbel*) gesehenen, aber
leider von denselben nicht beschriebenen Ruineu, von denen ich im Jahre 1865 eine Beschrei-
bung durch mündliche Mittheilungen eines Alhajuelensers erhielt, der früher in der Nähe der-
selben Goldminen bearbeitet hatte. Sie befinden sich zwischen Acoyapa und Yuyagalpa und
sind so ausgedehnt, dass man auf das einstige Vorhandensein einer Stadt zu schliessen be-
') Frank Lealiea illoatr. Xewapaper. New York. Jan. 25. 1808, p. 299.
*) Journ. of the 1t. OvogT. Soc. of London. XI. p. 100. — J. Fröbel: Seren Yeara trarel in Central
America. London 1859. p. 120.
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Ueber die Eingeborenen Costaricas.
rechtigt ist. Auch hier erkennt man noch die geradlinigen Strassen und einen ungefähr
hundert Schritt im Geviert umfassenden viereckigen Platz; Steinfiguren von Manneshohe fin-
den sich an mehreren Stellen dieser Ruinen.
Offenbar rühren die Ruinen am Novilloflusse nicht von den Vorfahren der in der Nähe
wohnenden Jagdvölker her, sondern von einem ganz verschiedenen Volke, welches, wie die
Tolteken und Mayavölker, auf einer weit höheren Culturstufe stand. Dies geht nicht nur aus
den an der Reventazonmündung gefundenen Gräbern hervor, die aus behauenen Steinen ge-
fertigt sind und, was wohl zu beachten ist, aus einer Steinart, die in der Umgegend nirgends
angetroffen wird. Ganz besonders zeigt sich der hohe Grad der Kunstfertigkeit jenes
Volksstammes in einer Steinfigur, welche ich im Jahre 1861 in Cartago zu sehen Gelegen-
heit hatte, und die später an die ethnologichc Gesellschaft in Philadelphia geschenkt wurde.
Sie war am obern Laufe des Reventazon bei Turialba am Azul gefunden, stellte eine unge-
fähr fünf Fuss hohe männliche nackte Figur dar und war so gearbeitet, dass sie aufgerichtet
ohne umzufallen auf den Fiissen stand. Die Oberfläche des Steines war sorgfältig geglättet,
er bestand aus einem dunkeln, ziemlich harten Grünstein. Auch diese Statue zeigte sehr aus-
gesprochene Geeichtszüge; die niedrige Stirn, die lange gebogene Nase und der grosse Unter-
kiefer gaben ihr eine gewisse Aefanlichkeit mit dem Gesichte der in Lepanto gefundenen
Steinfigur.
Wenden wir uns weiter nach Slidosten, so kommen wir zu einer Anzahl von Stämmen,
von denen noch lebende Ueberreste vorhanden sind, und über welche wir auch einige spär-
liche geschichtliche Mittheilungen besitzen. Als Felipe Gutierrez im Jahre 1536 Costa-
rica zu erobern versuchte, landete er an der Mündung des heutigen Pacuarflusses , der eho-
rnals den Namen Suerre führte; von hier liess er sich durch die daselbst wohnenden India-
ner in das gebirgige Innere locken , wo er und fast die ganze Mannschaft den Tod fanden.
Unter den Wenigen, welche dem Untergang 'entrannen , befand sich Hieron. Benzoni, der
Verfasser der Storia del Nuovo Mundo. Durch ihn erhielten wir die ersten, leider aber auch
die letzten Mittheilungen über die damals dort wohnenden sogenannten Suerreindianer, denn
sie verschwanden bald, wie so viele ihrer Bruderstämme, vollständig vom Erdboden, und die
schönen Ufer des Pacuarflusses blieben seitdem unbewohnt. In gleicher Weise ist auch die
äusserst fruchtbare, aber ihres verderblichen Klimas wegen gemiedene Niederung des Matina-
flusses jetzt fast gänzlich unbewohnt; von den ehemaligen Bewohnern findet sich nur am
oberen Laufe des Chirripö ein in wenigen zerstreuten Hütten lebender, unter dem Namen
Chirripöindianer bekannter Stamm, deren Gesammtzahl kaum noch hundert erreicht.
An dem Küstenstriche, welcher sich von der Matinamündung bis Cnguita erstreckt, leb-
ten ehemals die sogenannten Blancos, sogenannt, weil sie sich durch ihre helle Hautfarbe
auszeichneten. Der genannte Küstenstrich heisst daher auch houte noch Costa de los
Blancos. In Folge der Bedrückungen der Spanier zogen diese sich jedoch schon im Anfänge
des siebenzehnten Jahrhunderts in das gebirgigo Innere bis in die Thäler der Nebenflüsse
des Sixaula zurück. Man nennt diese Indianer jetzt gewöhnlich die Viceitas oder Bizeitas,
ein Name, der sich jedoch in den älteren Urkunden nicht findot Da aber der Sixaulafluss
ehemals von den Spaniern auch Rio de Estrella genannt wurde , so findet man als Gesammt-
namen derselben zuweilen auch den Namen Estrellaindianer. Auch der Name Talamanca-
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Dr. Alexander von Frantzius,
Indianer bezeichnet fast dasselbe, denn als Bodrigo Arias Maldouado, Sohn des ehemali-
gen Oobemadors Andres Arias Maldonado, im Jahre 1660 einen Eroberungszug gegen
jene Indianer unternommen und dabei sein ganzes väterliches Vermögen verwendet hatte,
erhielt er als Entschädigung den Titel Marquez de Talamanca, seit welcher Zeit das Gebiet
vom Chirripöflusse bis zur Grenze von Veragua Provincia de Talamanca genannt wurde.
Der Name Talamancaindianer ist daher ein Collectivname , der sowohl alle im Flussgebiete
des Sixaula wohnenden , als auch die im Thale des Chanquenaula wohnenden Terrbis um-
fasst und daher keine ethnologische Bedeutung hat; mit Vorliebe bedienen sieb die Missio-
näre dieses Namens in ihren Berichten.
Irrthümlich sind diese hier erwähnten Namen in den meisten • Schriften Uber Costarica
als Namen verschiedener Stämme dieses Landes aufgeführt worden.
In ethnologischer Beziehung verschieden von den Vieeitas sind die sogenannten Terrbis,
die seit Jahrhunderten mit den ersteren in unversöhnlicher Feindschaft lebten und zwischen
welchen es oft zum offenen Kriege kam. Schon der ehrwürdige Missionär Antonio Mar-
jil fand die Vieeitas im Jahre 1690 in einem Kriege mit jenen Nachbarn begriffen, was ihn
veranlasste, sich zu den auf der Südseite wohnenden Borucaindianern zu begehen.
Dadurch, dass eine ähnliche Feindschaft der Terrbis auch mit ihren auf der Ostseite
wohnenden Nachbarn, den Valientes, bestand, waren sie beständig von zwei Feinden einge-
schlosscn, und dies ist offenbar der Grund , weshalb sie trotz ihres wilden kriegerischen We-
sens meistens unterlagen und ihre Zahl so sehr abgenommen hat. Ihre jetzigen Wohnsitze
befinden sich im Thale des Chanquenaula ; ausser einigen Ortsnamen, deren Klang von dem
der Namen anderer benachbarter Stämme sehr verschieden iBt, wissen wir fast Nichts über
dieselben.
Ob die ehemaligen Tojares, die Bewohner der in der Chiriquilagune gelegenen, heute
ganz unbewohnten, unter dem Namen Isla de Bastimentos bekannten Insel, auch zu jenem
Stamme gehörten , ist jetzt schwer zu entscheiden. Sie werden ebenso wie die Terrbis als
sehr kriegerisch und widerspenstig geschildert und ihre Zahl wurde noch im Anfang des
siebenzehnten Jahrhunderts auf 8000 bis 9000 geschätzt
Im vorigen Jahrhundert machten sich die Mosquitoindianer jene Feindschaft der Terrbis
und Blancos zu Nutze, indem sie erstere zum Menschenraub veranlassten und die von ihnen
geraubten Blancoindianer als Sklaven an die Engländer nach Jamaica verkauften. Der auf
diese Weise lange Zeit hindurch getriebene Menschenraub wurde die Veranlassung, dass die
damals noch dicht bevölkerte Küstengegend von den Blancos ganz verlassen wurde und seit-
dem menschenleer geblieben ist.
Obwohl auf der südlichen Abdachung der Gebirge gelegen, gehören die Bewohner des
heutigen Indianerdorfes Terraba ebenfalls zum Stamme jener Terrbis. Dieser Ort entstand
nämlich erst im Jahre 1709 dadurch, dass man einige Hundert Indianer von der Nordseite
auf einem nach jener Gegend unternommenen Streifzuge gefangen nahm und sie zwang, auf
der anderen Seite des Gebirges in die Nähe von Boruca überzusiedeln.
In den älteren Urkunden werden die kriegerischen Terrbis Texabas genannt, welches
Wort zuweilen auch Terrabas geschrieben wird ; später veränderte sich dieser Name all-
mählich in Terebas, Terebis, Tiribis und Terrbis. Die heutigen Terrabaindianer sollen sich
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lieber die Eingeborenen Costaricas.
datier jetzt noch mit den am Cbanquouaulu wohnenden Terrbis verständigen können, wäh-
rend die nahebei wohnenden Borucaindianer eine ganz andere Sprache sprechen.
Sämmtlicbc Berichte Uber die ehemaligen Blancos und heutigen Yiceita-s stimmen darin
überein, dass sie sanfte, friedliche und gelehrige Menschen seien, während die Terrbis als
äu*8erst wild und kriegerisch geschildert wurden. Obgleich sich bei den Viceitas eine
wohlbegründete Abneigung und Furcht gegen Spanier bis auf den heutigen Tag erhalten hat,
sind sie Fremden anderer Nationen sehr zugethan. Es leben daher seit Anfang dieses Jahr-
hunderts eine Anzahl fremder Tauschhändler unter ihnen , welche die daselbst gesammelte
Sarsaparille und einige andere Landesproducte gegen verschiedene europäische Fabrikate
eintauschen.
Ben Namen Blancos verdienten sie mit Recht, da ihre Hautfarbe ungewöhnlich hell ist.
Sie sind von grosser Statur, kräftig gebaut und zeichnen sich durch einen sanften Gesichts-
ausdnick vor anderen Indianern aus. Der indianische Typus ist bei den mit spanischem
Blute gemischten Abkömmlingen der Blancos, die in der Nähe der Städte unter dem civili-
sirten Landvolk ziemlich zahlreich leben, nicht leicht zu erkennen. Das Haupt tragen die Vi-
ceitas unbedeckt und als Schmuck desselben sieht man zuweilen eine Federkrone. Die Frauen
tragen als Halsschmuck eine Menge bunter Glaaperlcnschnüre, oft von bedeutendem Ge-
wicht; bei Männern dagegen siebt man statt dessen die Eckzähne vom Jaguar auf einer
Schnur gereiht, sowie auch runde Scheiben von Meeresmuscheln, die genau von gleicher
Grösse geschliffen und durchbohrt, wie Geldrollen an einander liegend, ebenfalls an einer Schnur
gereiht um den Hals getragen werden. Sie gleichen vollständig den bei Monsheim gefunde-
nen und in diesem Archiv Bd. III, Taf. II, Fig. 8 abgebildeten, in der Mitte durchbohrten
runden Musclielsehcibcn ').
Die technischen Fertigkeiten der Blancos beschränken sich nur auf wenige Zweige des
Lebensunterhaltes. Am geschicktesten sind sie im Weben von Baumwollenstoffen und im
Flechten von Hängematten, Netzen u. dgL, die aus den Fasern einer Agaveart, genannt Ca-
buya, und aus der sogenannten Pita, einer in Centralamerika häufig wachsenden Bromeliacee,
verfertigt werden. Ihre Waffen, bestehend in Pfeil und Bogen, bereiten sie aus verschiede-
nen dazu geeigneten Holzarten.
Der Ackerbau, der ganz den Frauen überlassen ist, spielt bei ihnen eine ganz unterge-
ordnete Rolle und beschränkt sich nur auf den Anhau von etwas Manhiot, Fisang undCacao.
Ihre Wohnungen sind sehr sorfältig aus unbehauenen Baumpfählen, Rohr, Palmblättcrn und
Schlingpflanzen gefertigt. Die Männer betreiben die Jagd und Fischerei. Die Fische wer-
den entweder mit dem Pfeil und Bogen geschossen oder durch Vergiftung des Wassers gefan-
gen. An einigen Steilen sind über die reissenden Gebirgsströme Hängebrücken aus Schling-
pflanzen angebracht, die beständig von den Bewohnern der betreffenden Ortschaften in Stand
gehalten und alle Jahre vollständig erneuert oder ausgebossert werden.
Wenngleich unsere ethnologischen Kenntnisse der Bewohner Mittelamerikas noch äusserst
mangelhaft sind, so lässt sich bei einem genaueren Vergleich der vielen einzelnen älteren
und neueren Mittheilungen eine grosse Verwandtschaft der an der Nordes tseitc wohnenden
') Auch die durchbohrten Zähne von wilden Thiercn fanden «ich hei Monsheim. S. * e. 0. Fig. 9.
Archiv for Anthropologie. Bd. IV. lieft 1. 14
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Dr. Alexander von Frantzius,
Jagdvölker unter einander nicht wegleugnen. Wenn auch die Sprache der einzelnen Stämme
verschieden ist, was ja bei Völkern auf so niedriger Bildungsstufe weit mehr der Fall ist
als bei gebildeten, so zeigt die physische Beschaffenheit derselben und ihre Sitten und Ge-
bräuche so viel Uebercinstimmcndes, dass wir sämmtlicho von Honduras bis zur Chiriquilagune
die Nordostseite von Mittelamcrika bewohnenden Stämme, die unter den Namen der Poyais,
Toacas, Coocras, Woolwas und Rumas bekannt sind, sowio die auf costaricanischem Gebiete
wohnenden Guatusos, Viceitas nebst den Valientes als zu einem grosson Stamme gehörig be-
trachten müssen.
Ausser dieser Verwandtschaft jener Stämme unter einander glaube ich aber auch noch
auf eine andere gemeinsame Aehnlichkeit mit den ehemaligen Antillenbewohnem und den
am Nordrande Südamerikas wohnenden Arowaken aufmerksam machen zu müssen. Obgleich
ein dirccter Nachweis einer Verwandtschaft schwer zu führen ist, da die ehemaligen Antil-
lenbewohner schon lange ausgestorben Bind , so liegt bei der geringen Entfernung und bei
der die Schifffahrt begünstigenden starken Meeresströmung im caribischen Meere die An-
nahme, dass zwischen beiden einstmals directe Verbindungen bestanden haben, sehr nahe
und um so näher, da wir wissen, dass sich unter beiden geschickte Seefahrer fanden.
Peschel’s Schilderungen der ehemaligen Antillcnbewohner in seinem bereits oben er-
wähnten Werke: Das Zeitalter der Entdeckungen, führten mich zuerst auf diese Vermuthung.
Die physische Beschaffenheit derselben, der sanfte Charakter, ihre Lebensweise, die Woh-
nungen, Nahrungsmittel, sowie ihre Kunstfertigkeit sprechen sämmtlich für eine solche Ver-
wandtschaft. Später fielen mir die vielen in Costarica gebräuchlichen Namen auf, welche
der Tainisprache ') angehören und Gegenstände des gewöhnlichen Lebens bezeichnen. Wenn
nun auch Humboldt mit Recht darauf aufmerksam macht, dass die Namen der Anti llen-
bewobner erst durch die Spanier in ihre übrigen Colonien eingeführt worden sind, so ist die
Anzahl dieser Worte, besonders die Namen von Nutzpflanzen und solcher Thiore, die für
den Menschen ein gewisses Interesse haben, in Costarica so gross, dass ich geneigt bin, ge-
rade hier an einen (lirecten Zusammenhang zu glauben.
Wie ich oben zeigte, stiessen dio Grenzen der Wohnsitze der drei Costarica bewohnen-
den und ethnologisch verschiedenen Volksstämme in dem jetzt dicht bewohnten Theile des
Landes, nämlich im Rio Grande-Tliale zusammen. Indessen ist sicher anzunehmen, dass sich
diese Grenzen vor der Entdeckung des Landes, je nachdem der eine oder andere Stamm der
mächtigere war, zeitweise verschoben haben; aus diesem Grunde ist es nicht immer leicht,
nur nach dem Fundorte der ausgegrabenen Altertümer zu entscheiden , welchem der drei
Hauptstämme dieselben angehörten.
- In den frühesten Berichten der Spanier werden auf diesem Grenzgebiete zwei Stämme
genannt, von denen wir, da plle weiteren Angaben über die Eigentümlichkeiten derselben
fehlen, nicht wissen können, welchem Volke sie angehörten. Es sind dies die ehemaligen
Chomezindianer und die Guetares, welche letztere nach Oviedo ein sehr kriegerischer und
■) Dr. C. F. l’h. v. Msrtius Beiträge sur Ethnographie und Sprachknndo Amerikas, Bd. II, S. 317. und
Bd. I, S. 75Ö. Die Taini sind die Ureinwohner von Haiti. Dio Sprache der Taini ist erloschen, wie das Volk,
welches sie redete, aber mehrere Worte klingen jetit noch in europäischen Sprachen nach und sind weit ver-
breitet durch die Colonien der Entdecker.
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lieber die Eingeborenen Costaricas. 107
mächtiger Stamm gewesen sein müssen, denn er nennt den Oolf von N icoy a auch Golfo de
los Guetares.
Von welchem Volke die vielen Steinringe hcrrUhren, die als die Fundamente der ein-
stigen Wohnungen anzusehen sind und sich von sehr verschiedenen Formen besonders zahl-
reich an der Barranca finden und hier unter dem Kamen der Trinchcra bekannt sind, sowie
diejenigen am Parritaflusse, ist ebenso schwierig zu entscheiden.
Sehr merkwürdig und gewiss von hohem Alter sind zwei mit menschlichen Gesich-
tern bedeckte grosse Steinblücke. Der eine derselben, der bei Alhajuelita liegt und
Piedra de los negros genannt wird, ist ein Syenitblock von ungefähr 20 Fuss Durchmesser,
auf dessen einer ziemlich ebenen und nur wenig gewölbten Oberfläche sich eine Anzahl von
anderthalb bis zwei Fuss hoher menschlicher Figuren findet. Diese Figuren sind in kindisch
roher Weise nur durch Umrisse angedeutet, die als vertiefte Linien in den Stein eingemeis-
selt sind. Von einem Kreise, in welchem zwei Punkte die Augen und eine Querlinie den
Mund andeuten, läuft eine gerade Linie senkrecht hinunter, an deren Ende wieder ein ähn-
liches Gesicht folgt ; seitwärts von dieser Linie läuft unter dem Gesichte jederseits eine an-
dere Linie herab, die sich in drei kürzere Linien theilt und so die Arme und Hände an-
deutet. *
Sorgfältiger sind die Gesichter auf dem andern weit kleineren Blocke, der an einem
Nebenwege seitlich von Tresrios liegt. Auf diesem finden sich nur Gesichter; sie sind von
etwas viereckiger Form; ausser dem Querstriche, der den Mund andeutet, sind auch die
Augenbrauen angebracht, die in der Mitte nach unten convergiren, sich über dem Munde
wieder von einander entfernen und so die Nase mit den Nasenflügeln andeuten. Auch diese
Figuren, die durch besondere unregelmässige Linien umgrenzt und von einander getrennt
sind, l>efinden sich- auf der rohen Oberfläche de« unbehauenen Steinblockes. Die Verfertiger
dieser Zeichnungen verstanden demnach wohl Linien in eine Steinfläche einzugraben, aber
noch nicht, den Steinbloek zu einer bestimmten Form zu verarbeiten. Hieraus muss man
gewiss auf eine noch sehr niedere C'ulturstufe und zugleich auf ein sehr hohes Alter der Ver-
fertiger schliessen.
Auch in Mittelamerika haben gewiss im Verlaufe des langen Zeitraumes seit dem Be-
stehen des Menschengeschlechts ebenso wie an vielen anderen Stellen der Erde grosse Ver-
änderungen der Wohnsitze der Bewohner stattgefunden. Wenn auch geschriebene und münd-
liche Ueberlieferungen über derartige Vorgänge gänzlich fehlen und die in der Erde ver-
grabenen Zeugen erst in der neuesten Zeit derselben entrissen werden und daher noch viel
zu unvollständig sind, um jetzt schon Schlüsse daraus ziehen zu können, so zeigen die geogno-
st isclien Verhältnisse Mittelamerikas doch so bedeutende, den jüngsten Zeiten angehörende
Niveauveränderungen, dass die während jener Zeit hier lebenden Menschengeschlechter den
dadurch bedingten Einflüssen nicht entgehen konnten. Die Erforschung, in welcher Weise
die stete sich ändernden Umrisse des Festlandes in Mittelamerika einerseits die Auswande-
rung und den Untergang der Bewohner, andererseits das Vorrücken und Einwandern ande-
rer bedingten, wird die Aufgabe künftiger Forscher sein.
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C r.
r ! ,
; -I
VI.
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies,
(Höhle von Cro-Magnon) in Perigord,
nebit einigen Bemerkungen über das Verhältnis« der Craniologie rar Ethnologie.
Von
A. Ecker >).
Unter den Funden aus vorhistorischer Zeit in dem in dieser Beziehung so reichen Boden
deB mittäglichen Frankreich hat mit Recht kaum einer ein so bedeutendes Aufsehen erregt,
als der in der Ueberschrift genannte neueste derselben. Es vervollständigt dieser die früher
an anderen Stellen der Dordogne gemachten Entdeckungen nach einer sehr wichtigen Seite
hin. Haben uns diese die unzweifelhaften Beweise des Zusammenlebens des Menschen mit
dem Mammuth geliefert und über die Sitten der alten Troglodyten die interessantesten Auf-
schlüsse gegeben, so haben wir doch diese so zu sagen nicht von Angesicht zu Angesicht kennen
gelernt. Diese Lücke ist nun durch die Auffindung der Skelette und Schädel von les Eyzies
in erwünschter Weise ausgefiillt. Mag nun auch zwischen der Periode, in welcher die Ver-
>) Literatur *
3) L. Lartet, Memoire tur une sepulture de« ancien« Troglodytw du Perigord. — Pruner-Bey,
Description soramaire de reute« hnmains decouverta dans le» grottes de Cro-Mngnon, — L artet, Remarques
«ur la Faune de Cro-Magnon. Annale» des Sciences naturelles, V. serie. Zoologie, T. X, 1868, S. 133 — 160.
2) E. Lartet et Chritty, Reliquiae ftquitanieao, being contributions to the archaeology and palaeonto-
logy of Perigord. London, 4°. 1) VI, S. 62, L. Lartet, a burial place of the cave dwellers of Perigord.
2) VII, 8. 73, Pruner-Bey, an account of the human hone« fournl in the cave of Cro-Magnon in Dordogne.
3) VIII, 8. 93, L. Lartet, remarks on thp fnuna found in the cave of Cro-Magnon. 4) IX, 8. 97, Broca, on
the human Bkulls and bone« found in the cave of Cro-Mngnon, near les Eyzies. 5) X, S. 123, Quatrefugeu,
remarks on the human remainB from the cave of Cro - Magnon. (Letztere Arbeit in der mir vorliegenden
letzten (X.) Lieferung noch nicht vollendet. — Dazu die Tafeln: A. XIX und XX (Kieselwerkzeuge), B. XI
durchbohrto Muscheln und Elfenbeinplättchen , B. XII Knochen Werkzeuge, C. 1, II, IV und V Schädel,
III Schädel, Unterkiefer und Rippen, VI humerus, femur, tibia, fihuta.
3) Bulletins de la Societe d’Anthropologio de Paris, 2. scrio, T. III, S. 335 — 392; 8. 416 — 514; S. 554 — 574 ;
8. 578— 6 )0.
4) Materiaux pour l*histoire primitive et naturelle de l'homme, 5»® annee, 2. aerie, Nr. 2, Ferner 1869
S. 97.
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110
A. Ecker,
fertiger der Zeichnungen und Sclinitzereien von la Madelaine u. 8. w. lebten und derjenigen,
welche die Rennthierjäger von los Eyzies lebend sah, eine beträchtliche Spanne Zeit liegen,
indem dort das Rennthier schon viel mehr vorherrscht als hier, so haben doch wohl beide
unzweifelhaft demselben Volke angehört und wir sind berechtigt, die hier aufgefundenen
menschlichen Reste als die der Voreltern derjenigen zu betrachten, denen man — ob durch-
weg mit Recht oder nicht, lassen wir für heute dahingestellt — die Kunstwerke derDordogne
in Rennthiergeweih zuschreibt.
Wir halten es der Wichtigkeit der genannten Funde entsprechend, auch in dieser Zeit-
schrift etwas ausführlicher Uber dieselben zu berichten.
In den felsigen Ufern des Flüsschens Vezcre finden sich zahlreiche Höhlen, die theils
natürliche Bildungen, theils von Menschenhand gemacht (oder erweitert) siud und die von
den allerältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag und in der verschiedensten Weise benutzt
wurden. Die Häufigkeit der Höhlenbildung in diesen Uferwänden scheint dadurch bedingt, dass
die einzelnen Schichten des nicht ganz horizontal streichenden Kalkgebirges in sehr ungleichem
Grade der Zerstörung durch atmosphärische Einflüsse unterliegen und verwittern. In Folge
der allmäligen Zerbröckelung einzelner dieser Schichten entstehen so theils längere, horizon-
Fig. 10.
d e
Ansicht des rechten I’fers im Thal der Vezcre mit den in
der Richtung der Schichteu streichenden rinnenfhrmigen
Aushöhlungen der Ufervrande.
d Fels von Tnyac. e Gorgo d'Enfer.
Fig. 11.
a b e de
tal verlaufende, schon von weitem sichtbare
Rinnen (Fig. 10), theils stellenweise Ueber-
hänge und wirkliche Höhlen (Fig. 11) •>-
Durch die Verwitterung und den allmäligen
Sturz der nicht mehr unterstützten hän-
genden Schichten bilden sich dann Schutt-
haufen, Röschungen am Ufer, durch welche
tiefer gelegene Rinnen, Höhlen und Ueber-
hänge oft vollständig zugedeckt werden.
So war es mit der Ider in Rede stehenden
Höhle von Cro-Magnon, die etwa 080 Meter
vom Flecken les Eyzies entfernt liegt.
Ohne den Eisenhahnbau, der im März 18G8
die Durchbrechung und tlieilweise Entfer-
nung einer solchen Böschung nöthig machte,
zugleich mit der eines mächtigen herabgo-
stürzten Blockes (c Fig. 12), wäre diese
Fundstätte vielleicht niemals entdeckt
Ansicht des linken Ufers vom Thal der Vezcre mit den
gleichen rinnenförmigen Aushöhlungen der Uferwände,
a Kirche von Taysc. 6 Station von les Eyzies. c Höhle
von Cro-Magnon. d Fels von Tsysc. t Schloss von
Tayac.
worden. Nach Entfernung des Schuttes
(b Fig. 12) kam man in eine der genannten
partiollen Rinnen oder Höhlen (f Fig. 12),
die unter einem Uberhängenden Felsen hin-
eiulief und hier entdeckten endlich Arbei-
*) Die Cliches der Figuren 10 bis 20 verdsnke ich dor
logie und des Herrn Ed. I. srtet in Paris.
Gefälligkeit des Vorstandes der Societö d'Authropo-
E.
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
111
ter die menschlichen Reste. Es war ein glücklicher Zufall, der leider viel seltener ein-
tritt, als man zu erwarten berechtigt wäre, dass die Eisenbahnbau -Unternehmer vernünf-
tige Leute waren, die die Bedeutung des Fundes ahnten, den Arbeitern ein „manu tu de
Fig. 12.
i gcg —
— - - — ^ — —
Querprofi] di*s Thals der Vezere durch den Fela von Cro-Mapjnon.
a Ei^nbahndamm, b SchuttbÖBchuiitf. c großer Kalkblock. d Fels-
überhang (nicht mehr vorhanden), P Kalkfel». At .Schutthaufen und
Anschwemmung des Thiilgrundes.
t Fels von Cro-Magnoti. / Hohle von Cro-Magnon mit ihrem ebenfalls
von Schutt überdecktem Dach.
Die Ziflero bedeute» metrische» M.-uu».
tabula" zuriefen und an passen-
der Stelle Anzeige erstatteten.
Auf diese wurde sofort vom Mi-
nister des öffentlichen Unter-
richts Herr Lartet jun. dabin
entsendet, der nun mit aller
Sorgfalt die weiteren Ausgra-
bungen leitete.
Zunächst wurde der Uber-
hängende, den Sturz drohende
Fels durch einen aufgemauerten
Pfeiler (/ Fig. 1 3) unterstützt und
dann die Untersuchung begon-
nen. Die Höhle von Cro-Magnon
ist durch einen Felsiiberhnng
( V Fig. 14) gedeckt, der in hori-
zontaler Richtung etwa 8 Meter
Ansicht cler Hohle von Cro-Magnon, von dem Schutt, der den
sich hinaus erstreckt und eine Ausdehnung von otwa 17 Meter, bei einer Dicke von circa 5 Meter,
besitzt. Die Reste der unter demselben liegenden Schichten, durch deren Verwitterung eben
die Höhlo entstanden ist, bildeten auf
dem primitiven Boden der Höhle (den
liegenden Schichteu) zur Zeit als die
ersten Rennthierjäger sie betraten,
eine Schicht von mindestens 70 Cen-
timeter (2 1 /,') (A Fig. 14). Diese hiu-
terliesscn als die Spur ihres ersten,
Eingang bedeckte, befreit und mit dem Unterst Atzungspfeiler (/). jedenfalls nur kurzen Aufenthalts eine
schwärzliche Schicht (B Fig. 14) von
etwa 15 Centimeter ('//) Dicke, welcho bearbeitete Kiesel, Kohlenfragmcnte und Thier-
knochen (zerbrochen oder calcinirt) oinschloss. In dieser Schicht lag auch ein Elepbanteu-
stosszahn, der schon bei dem Graben des Fundaments für den oben erwähnten Pfeiler auf-
gefunden wurde. Auf dieser Schicht lag eine weitere (C in Fig. 14), von etwa 25 Centimeter
Dicke, aus Kalksteinfragmenten bestehend, welche im Lauf einer längeren Zeit, während
welcher die Höhle unbewohnt war, von der Decke herabgefallen waren; dann folgte aber-
mals eine dünne Schicht mit Kohlen, Knochen und Kieseln ( D in Fig. 14) und darauf wieder
eine (F) von Kalksteinfragmenten, etwa in der Dicke von ungefähr 50 Centimeter. Ueber
diesen fanden sich nun eine Reihe von Lagen, die sich offenbar während einer längeren
Bewohnung der Höhle gebildet haben mussten. War diese Bewohnung auch keine ununter-
brochene, so waren doch jedenfalls die Zwischenräume, in denen sie nicht bewohnt war, so kurz
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112
A. Ecker,
gewesen, dass sich keine erheblichen Schichten von Kalksteinfragmenten mehr ablagern konn-
ten. Die genannten Lagen der „Culturschicht“, wie man sie etwa nach Analogie ähnli-
cher Schichten in den Pfahlbauten nennen konnte, enthielten in verschiedenem Verhältnis«
Kohlen, zerbrochene, verbrannte nnd bearbeitete Knochen, bearbeitete Kiesel '), insbesondere
Schabsteine, Steinkerne, abgerundete Stücke von Quarz und Granit aus dem Flussbett der Vdzere,
alle mit deutlichen Spuren des Gebrauchs und folgten sich von unten nach oben in folgender
Weise. Zu unterst eine Kohlenschicht ( F Fig. 14) von circa 20 Centimeter Dicke, dann ein
Lager fetter röthlicher Erde von 30 Centimeter Dicke (ibid. G), darauf eine sehr ausgebreitete
Kohlenschicht (7f), die in der Mitte 60 Centimeter, gegen die Peripherie hin etwa 10 Cen-
timeter und im Mittel 50 Centimeter dick war. Diese Schicht war die reichste an Kohle,
Knochen, Kiesel- und Knochenwerkzeugen und kann, da sie offenbar eine sehr lange Zeit
repräsentirt, während welcher die Höhle fortwährend bewohnt war, die Culturlage x. f(.
genannt werden. Auf diese folgte eine ebenfalls noch Knochen , sowie Kiesel - und Knochen-
instrumente nnd Amulette enthaltende Schicht einer gelblichen thonigen Erde (/) und zu
Fig. 14.
Durchschnitt der Höhle von Cro-Magnon. Der Schnitt geht durch die Mitte der Höhle längs der
Linie aß Fig. 15. Maassstab -= I : 100 (I Cent im. p. Meter). P Dach der Höhle. IV Riss in dem-
selben. X Schuttböschung, welche entfernt werden musste. Der Unterstützungspfeiler | T Fig. 15) ist
auf dieecr Figur durch zwei senkrechte Linien angedeutet.
A Kalksteiniragmentc , den Boden der Höhle bildend. B erste Kohleuschicht. C Schicht von Kalkstein-
fragmenten. I) zweite Kohlenschicht. E Kalkstcinbruchstücke, in der Nähe der darüber liegenden Koh-
lcnschicht durch Feuer geröthet. E Dritte Kohlenschielit. tf Rothe Erde mit Knoehen u. s. w. H Duke
Schicht von Aache mit Knochen (Hanptheerd). I (leibe Erde mit Knochen u. s. w. J Dünne Schicht von
Kien mit Tropfsteinincrustatinnen. Kaum sichtbare Spur einer Heerdschicht. K Kalksteinbruchstückr-
a Elephantenstosszahn. b Skelet des alten Mannes (Nr. 1). c Gneissblock. d menschliche Knochen,
e Kalksteinblöcke, im Laufe der Zeit von der Decke hcrabgestürzt.
■) Die Kieselwerkzcuge sind abgebildet: Reliquiec aquitanicac, Tafel A. XIX und A. XX, die Knocheunerk-
seuge Tafel B. XI und XII.
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit vop les Eyzies.
oberst ondlicli eine nur- 5 Centiuieter dicke und nur wenig ausgebreitete Kohlenschicht (./),
die bei Ankunft des Herrn L artet nicht mehr vollständig beobachtet werden konnte. In
dem obersten Theil der gcdbüchen Schiclit I und ganz im Hintergrund der Höhle lagen nun
die menschlichen Skelet« nebst Zubehör, das Ganze, eine kleine bohle Stelle (4), den Rest
der ursprünglichen Höhle, ausgenommen, mit Kalksteinbnichstücken (K) bedeckt. Diese
letztere Schicht enthielt noch einige bearbeitete, Kiesel mit ganzen und gebrochenen Knochen
von kleinen Xagethieren und einem Fuchs. Endlich über allen diesen Schichten, welche die
Höhle erfüllten und über der Decke der Holde (P) selbst lag eine 4 bis ti Meter (12 bis lts')
dicke Schu tt masse , die eine Böschung (Lj bildete, von einer Ausdehnung, die au und für
sich schon auf ein sehr hohes Alter des darunter befindlichen Todtonlagers hinweist
Was nun die menschlichen Skeletreste betrifft, so lagen diese alle in einem Umkreis
von etwa 1 Meter 50 Centiuieter und gehörten wohl nicht mehr als fünf Individuen an. Der
eine, männliche Schädel (Xr. I, siebe unten) lag in dem Reste des freien Raumes (6) der
Grotte und war daher Knlkincrustationen ausgosetzt; links davon lagen die Skcdetreste
Fig. 15. Fig. Iß.
Grundriss der lieble von (’ro - Magnon , mit Angabe der Lage der Durchschnitt durch einen seitlichen
Skelete u. s. w. Theil der Hohle von t’ro-Magmm in der
}' Kalkfel». X Centraler und dickster Theil der Schicht i/lKig. Hi. Richtung der Linie ,f y fl'ig. 15)
Y Basi» de» Unterstiitzungppfeiler*. « Stosaaalm de» Klcpliantcn. MuassataU “ 1 100.
t Schädel de» alten -Manne» (Xr. 1». d menschliche Knochen. Bezifferung wie in (Big. 14).
r Heruntcrgefallene Kalksteinplatten, in Skelet liw Weibes, n Kno-
chen eines Kindes, n p Richtung de* Durchschnitt» Fig. 14. dyRich*
tung de» Durehschnilt» Fig. Di.
Ilis Zittern b o-lcuteo tnetrisclie» Mn*»».
eitles Weibi'S (Xr. II) und neben diesen die eines noch nicht reifen Kindes. Die übrigen
Skeletreste gehörten Männern an. Zwiseben diesen Knochen lagen eine Menge von Gehäusen
von Seeselmecketi (bei 300), meist von Litturina littorea, alle durchbohrt; in geringerer
Anzahl, ebenfalls durchbohrt, fanden sich Specimina von Purpura lapillus und Turritella
communis. Ulme Zweifel waren dies Schmuckgegenstände , die zu Arm- oder Halsbändern
aufgereiht waren >). Ebenfalls in nächster Nähe der Skelete fand sich auch ein ovales schei-
benförmiges, mit zwei Löchern versehenes Stückchen Elfenbein (Amulet ?)*), ferner durch-
bohrte Zähne, ein gespaltener Gneisblock mit abgeebneter Fläche, bearbeitete Rennthier-
knochen und bearbeitete Kiesel.
>» tieli.). p.it B. l»l. XI. Fig. 1. - ») Haid. Fig. 2, S, 4
Archiv fUr Anthropologie. Bd- IV, Heft II. I >
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A. Ecker,
Was die Fauna der Höhle von Cro-Magnon betrifft, welche von Ed. Lartet untersucht
wurde '), so besteht dieselbe neben den vorgenannten Mollusken aus 14 bis 16 Säugethieren
und einein Vogel (dieser nur durch einen Knochen rcpräsentirt). Von Carnivoren fand sich
ein grosser Bär, jedoch in so wenigen Fragmenten (ein o« nietatarsi und zwei Phalangen), dass
eine genauere Bestimmung nicht möglich war, dann ein grosses Raubthier aus der Gattung
Felis (Stück Oberkiefer), wahrscheinlich Felis spelaea; ferner der Unterkiefer eines Wolfs
und Bruchstücke vom Fuchs, theils unserem gewöhnlichen ähnlich, tlieils davon verschieden.
Ausserdem fanden sich der Femur eines nicht bestimmbaren Spermophilus, und am Eingang
der Höhle Reste von zwei Hasen. Dass in einer Lage der Culturschicht ein Stück des
Stosszahns eines Elephanten (Mammuth) gefunden wurde, ist schon oben erwähnt. Vom
genus Sus, das in Perigord überhaupt selten erscheint, fanden sich auch hier nur zwei
Molaren und ein unterer Eckzahn, die dem heutigen Wildschwein entsprechen. Am zahl-
reichsten sind die Reste vom Pferd, das offenbar einen Haupt- Nahrungsartikel der Be-
wohnor von Cro - Magnon bildete; das Rennthier dagegen ist viel weniger zahlreich als
in anderen Stationen der Dordogne vertreten und ebenso der Auerochs. Vom Hirsch und
Steinbock fänden sich nur einige Zähne. Vom Moschusochsen und der Gemse fanden sich
keine Knochenreste in unserer Höhle, obgleich in einer anderen benachbarten Station (Gorge
d'Enfer), auf dem anderen Ufer der Vezere, diese Thiere dem Höhlcnvolk zur Nahrung dien-
ten. Der einzige Vogelknochen, der sich faud (Mittelstück eines Humerus), mag einem
Kranich angehört haben. Lartet macht hierbei darauf aufmerksam, dass in diesen älte-
sten Stationen Vogelknochen viel seltener sind als in den relativ neueren, in welchen dies
Rennthier vorherrscht. Damit falle zusammen, dass die Pfeile in den ersteren einfache, in
den letzteren geflügelte Spitzen haben. Ferner fehlen in den ersteren auch die Fischknochen
und die Reste der Saiga-Antilope.
Die Skeletreste des Menschen in der Höhle von Cro-Magnon, die sowohl von Broca
als Pruner-Bey auf das Genaueste untersucht wurden, nehmen nun unsere Aufmerksamkeit
ganz besonders in Anspruch, da in ihnen uns ein Bild des frühesten vorhistorischen Menschen
entgegentritt, und verlangen ein genaueres Eingehen. Die Mehrzahl der gefundenen Knochen
gehören drei Individuen an ; ganz zusammensetzen konnte man jedoch keines dieser Skelete.
Ausser den diesen drei Individuen angehörenden Knochen fanden sich noch unbedeutende
Schädelreste eines Erwachsenen und eines Kindes. Jedenfalls waren daher wohl nicht weni-
ger als fünf Individuen, wohl kaum aber auch mehr in diesem Grabe beigesetzt. Die Reste
der drei erstgenannten Individuen, die bei der Untersuchung allein in Betracht kommen,
gehörten: 1) einem grossen alten Mann, in der Folge stets mit Nr. I bezeichnet, 2) einem
Weibe (Nr. II), 3) einem erwachsenen Mann (Nr. III). Der Schädel von Nr. I Ist vollstän-
dig (es fehlt nur ein Jochbein und der eine Ast des Untorkiefers) und gehörte offenbar einem
alten Mann an. Die Nähte sind geschlossen. Von den Zähnen, die, wie aus dem Offen-
sein der Alveolen entnommen werden kann, zur Zeit des Todes noch vorhanden waren,
konnte nur einer (zweite Backzahn) aufgefunden werden, der durch die bedeutende Abschlei-
fung seiner Krone ebenfalls auf ein vorgeschrittenes Alter hinweist. Wie dieser Schädel der
*) Heliq. aquit. V IT I . S. 93.
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
grösste ist, so sind such die zu diesem Schädel gehörigen Knochen (Hüftbein, zwei ossa femoris,
tibia, mehrere Rippen u. s. w.) sehr gross und massiv. An dem einen der beiden Schenkelbeine
befindet sich unmittelbar über denCondylen eine umschriebene, offenbar alte traumatische De-
pression mit Eindriickung der compacten Rinde in die schwammige Substanz (ohne Unterbrechung
der Kontinuität des Knochens), die nach Broca’s Meinung wohl durch ein stumpfes Wurfge-
schoss, vielleicht aber durch den Stoss eines Horns oder eines Elepliantenzahns veranlasst wurde.
Nr. II sind die Reste eines Weibes, welches Broca trotz der vorgeschrittenen Verschliessung der
Nähte, da diese bei uncivilisirten Racen viel früher eintritt, und nach der Beschaffenheit der Zähne
für nicht älter als 35 bis 40 Jahre zu halten geneigt ist. Der nach links und hinten unvollständige
Schädel zeigt im Stirnbein einen während des Lebens entstandenen, möglicherweise durch
ein Feuersteinbeil veraulassten penetrirenden Substanzverlust. Die zu diesem Skelet gehö-
rigen Knochen sind ebenfalls sehr gross und stark, jedoch viel weniger massiv und rauh als
die von Nr. L Die mit Nr. 111 bczeiehneten Reste sind die eines Mannes von etwa 45 Jahren.
Der Schädel ist unvollständig, es fehlt das ganze Gesicht und vom Cranium die Schläfen-
beine. Diese drei Individuen, wenn sie auch im Einzelnen, wie dies wohl nicht anders mög-
lich ist, zahlreiche Verschiedenheiten zeigen , weisen doch so viel gemeinsame Züge auf,
dass man sie als nahe verwandt und zu einer und derselben Race gehörig erkennen muss,
und zwar zu einer Race, die von allen bis jetzt bekannten sehr verschieden ist Waa zunächst
die Statur der Individuen betrifft, deren Skelete uns hier vorliegen, so war diese eine sehr
grosse und ii bortraf die bei uns die Regel bildende um ein bedeutendes. Direote Messun-
gen der Länge des Skelets waren natürlich nicht möglich, da man kein einziges von diesen
vollständig zusammensetzen konnte, und man war daher darauf angewiesen, aus der Länge
einzelner Knochen, die stets eine proportionelle int, die Länge des ganzen Skelets zu erschliessen.
Bei dem heutigen französischen Volk entspricht nach der Messung der Gerichtsärzte ein Schen-
kelknochen von 490 Millimeter Länge mindestens einer Körperlänge von 1,80 Meter (= ”>’/;/) ')■
Broca schätzt nun die Länge des os femoris des Skelets Nr. I im Minimum auf 493 Millim.
(wahrscheinlich aber hatte es 504 Millim.) und man geht daher gar nicht zu weit, wenn man
fiir den alten Mann Nr. I eine Statur von mehr als 1,80 Meter, also wohl nahezu von (>' an-
nimmt. Eine solche Körpergrösse ist nun aber sowohl bei Europäern als anderen Racen
jedenfalls selten, sie war dies aber wohl sicher nicht bei dem Volk der Troglody ten, deren Reste
uns hier vorliegen, denn das Weib (Nr. II) und der erwachsene Mann (Nr, III) waren kaum
minder gross. Es ist diese Thatsaehc um so bemerk enswerther, nls der quaternäre Mensch
in Belgien, nach den dortigen Höhlenfunden zu schliessen, die heutige mittlere Grösse bei
weitem nicht erreichte, und es hat der frühere Glaubenssatz, dass der vorhistorische Mensch
durchweg von kleiner Statur und brachvcephal gewesen sei, durch den Fund von les Eyzies
einen weiteren bedenklichen Stoss erhalten. Nicht minder als durch die Statur zeichneten
sich diese alten Rennthierjäger durch die Stärke ihrer Knochen aus.
Was die Tbeilo des Skelets im Einzelnen betrifft, so verdient vor allem der Schädel
eine genaue Erwähnung.
l ) Es ist übrigens von Broci mit Recht hervorgehoben, dass die Messungen hierüber alle an unserer
Kace angestellt, die Proportionen aber uicht hei allen Racen die gleichen sind,
i 15*
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11 «
A. Ecker,
Die Schädel sind sehr gross und dolichocephal und die Dolichocephalie ist dabei keines-
wegs die Folge einer besonderen Schmalheit des Schädels, sondern, da die Breite eine ziemlich
bedeutende ist (grösser als die der meisten brachyceph&len Schädel), das Resultat einer be-
deutenden Länge. Der Rauminhalt konnte allerdings nur bei einem der drei Schädel (dem
des alten Mannes Nr. I) gemessen werden, doch liesa sich wohl erkennen, dass derselbe bei
den beiden anderen (II, III) ebenfalls ein bedeutender war. Bei Nr. I betrug die Capacität (mit
Schrot gemessen) 1,090 □ C., bei Nr. II darf man sie nach Broca wohl auf 1,450 □ C., und bei
Nr. III auf nicht viel weniger schätzen.
Selbstverständlich ist hierbei die grosse Statur nicht ausser Acht zu lassen, da das Gehirn
(allerdings nicht in Proportion, denn grosse Personen haben ein relativ kleineres Gehirn)
mit der Statur wächst; jedoch ist, alles dies wohl berücksichtigt, doch nicht zu verkennen,
dass die Rennthierjäger von les Eyzics sich durch ein sehr grosses Hirnvolum auszeiclmen.
Es wird um so mehr erlaubt sein , hieraus einen günstigen Schluss auf die Intelligenz dieser
Race zu ziehen , als die Geräumigkeit der Schädelhöhle insbesondere im Stirntheil des Schä-
dels eine sehr bedeutende ist. Die Stirn ist vcrtical gewölbt, besonders in der Medianlinie.
Die Länge des Stirnbogens beträgt bei Nr. I 145, Nr. II 135 und Nr. III 143 C., Ubertrifft also
um zwei Centimeter das heutige Mittel. Dabei ist die Stirn auch in der Breite sehr wohl
entwickelt, gewölbt. Der Schädelindex beträgt bei Nr. I 73, 7j, Nr. II 71, 74, Nr. III 74, 75,
im Mittel 73, 41 , erreicht also nicht den mittleren Index der grossen Reihe merovingischer
Schädel, die doch von den auf französischem Boden bisher gefundenen Schädeln die am mei-
sten dolichocephalen sind.
Dio grösste Breite des Schädels findet sich in der Nähe der Scheitelhöcker, während die
Schläfengegend keineswegs vorspringend ist. Die Arcus superciliares sind bei den Männern
sehr stark. Die Hinterhauptgegond ist bei allen drei Schädeln sehr wohl entwickelt, die
Protuberantia occipitalis jedoch klein oder fehlend. Die Nähte sind wenig gezackt. Am Ge-
sichtstheil des Schädels Nr. I ist besonders charakteristisch: 1) das Tiefeingedriicktsein der
Nasenwurzel, das dadurch noch mehr hervortritt, dass die Nasenbeine concav und am untern
Ende etwas nach aufwärts gerichtet sind. Das ganze Gesicht erscheint 2) sehr kurz und
breit, ist aber in Wirklichkeit nur das Letztere, und zwar fallt diese Breite insbesondere auf
die Jochgegend (143 Millim.), und ist durch eine ungewöhnliche Breite der Augenhöhlen be-
dingt (Augenhöhle 44 Millim. breit, 27 Millim. hoch). Der Index der Augenhöhle(Breite= 100),
der in der Regel 70 beträgt, beträgt hier CI, 36. Der obere Theil des Gesichts ist sehr senk-
recht gestellt, der untere dagegen erscheint. sehr prognath, ohne dass jedoch deshalb die Schneide-
zähne (wie das aus der Stellung der Alveolen hervorgeht) schief gestellt gewesen wären. Am
Gaumengewölbe bildet die Naht eine mediane Leiste. Der Unterkiefer *) ist besonders durch
die starke Divergenz der beiden Seitenhälften ausgezeichnet, und unterscheidet sich hierdurch
sehr auH'alleud sowohl von dem Unterkiefer von Naulette, als dem der Affen. Das Kinn ist
sehr hervorragend, die Aeste steigen, obschon der Winkel abgerundet ist, ziemlich senkrecht
auf und sind von einer Breite, welche nach Broca's Vergleichungen von keinem europäischen
Schädel erreicht wird, ja selbst nicht einmal von solchen wilder aussereuropäischer Raeen
*) S. Reliq. aquit. C, Tafel III.
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
(z. B. Buschmann, Kaffer, Japanese). Durch diesen Charakter stelle sich, so schliesst Broca,
der Schädel des alten Mannes von Cro-Magnon zwischen die wilden Racen und dio anthro-
pomorphen Affen, von welchen letzteren sich jedoch der Unterkiefer in allen anderen Bezie-
hungen ganz entschieden unterscheide. Der Gcsichtstheil dos weiblichen Schädels Nr. II (am
Schädel Nr. III fehlt das Gesicht) lässt nach Broca's Ausspruch, obgleich er auf den ersten
Anblick von dem oben beschriebenen sehr verschieden zu sein scheint, doch die meisten Cha-
raktere des ersten, wenn auch sehr gemildert, wieder erkennen. Wie weit die Unterschiede
durch das Geschlecht bedingt sind, wird, so. lange man nicht mehr Schädel kennt, schwer zu
entscheiden sein. Jedoch bleibt, wenn man auch nur die den beiden Schädeln gemeinsamen Cha-
raktere in Betracht zieht, immer noch Uebereinstimmendes genug, um dieselben von ande-
ren quaternären Schädeln, z. B. denen der belgischen Höhlen, genügend zu unterscheiden.
Von den übrigen Knochen sind insbesondere die Schenkelbeine des alten Mannes durch
ihre Breite und Dicke bemerkenswert!!. Unter 35 Schenkelbeinen aus dem alten Kirchhof
von St- Jean de Luz kam denselben in dieser Beziehung keiner gleich. Der auffallendste
Charakter der Schenkelbeine von les Eyzies liegt aber in der Linea aspera, welche eine ganz
ungewöhnliche Breite und Dicke und eine Stärke der Muskelnusätze besitzt, wie Broca sonst
niemals gesehen zu haben behauptet.
Die Tibia ist, wie am besten an den in Fig. 17 abgebildcten Durchschnitten zu erkennen
Gewöhnliche Tibia. Tibia von Rhachitisrhe Tibia Rluchitiache Tibia
lev E>zica. mit sagittsler mit frontaler Krümmung
Krümmung. (A' B ,V normale Stellung
der Flachen).
Schienbeine im Querschnitt. A vorderer Rand (Crista tihiae). K lateraler Rand (Crista intcroeeea). / media-
ler Rand. N Lage des Foramen nutritium. K 2? AnsalrHäche des M. tibialis posticus. 12? AnsaUHitche des
M. poplitaeus.
int, in querer Richtung abgeplattet. An der Tibia des alten Mannes, von der nur das Mittel-
ntück vorhanden ist, die aber wahrscheinlich eine Länge von 41 Centimeter hatte, betrug
der nagittale Durchmesser (von oben nach unten an drei Stellen gemessen) 54, 45 und 31 Mil-
limeter; der frontale, an derselben Stelle gemessen, 37, 27 und 27 Millim. Vergleicht man
damit eine Tibia der heutigen Generation, so ergiebt sich, dass die erstere im Verhältnis« zur
Länge im sagittalen Durchmesser viel dicker, im frontalen Durchmesser viel schmäler ist.
Die Tibia, wie wir sie bei der heutigen Generation finden, hat bekanntlich ein dreieckiges
prismatisches MittelstUck, an dem man drei Flächen unterscheiden kann, eine mediale, eine
laterale und eine hintere. Es ist nun besonders die letztere, die an den vorhistorischen Schien-
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118
A. Ecker,
beinen abweichend gebildet ist, jedoch nur in der obern Hälfte dos Knochens. Diese hintere
Fläche, deren Ebene dort eine frontale ist, erscheint hier durch eine mittlere Erhebung in
zwei abgotheilt, eine laterale und eine mediale, die beide in mehr sagittaler Richtung ver-
laufen, so dass die Tibia eigentlich nur zwei Flächen und zwei Ränder zeigt. Dieser Cha-
rakter ist, wenn auch in viel geringerem Grade, schon wiederholt an Skeleten aus vorhisto-
rischer Zeit wahrgenouimen worden, so z. B. an solchen aus dem Diluvium von Montmartre,
aus Dolmen , aus den Höhlen von Gibraltar , fehlt dagegen denen der belgischen Höhlen der
Rennthierzeit. — Die drei vorhandenen Ossa humeri zeigen nichts Auffallendes ; die Fossa
olecrani ist nicht durchbohrt. An derülna ist die geringe Tiefe der Fossa sigmoidea auffallend
und unter dieser zeigt der Knochen eine ziemlich ausgesprochene Krümmung, deren Concavi-
tät nnch vorn sieht, und unterhalb welcher der Knochen ganz gerade verläuft. Am Kreuz-
bein fällt die bedeutende Breite auf; dasselbe zeigte (bei Nr. III i in seinem obern Tbeil einen
Qncrdnrchmesser von 11C Millini. , der nur sehr selten erreicht wird, das Becken ist in Folge
davon sehr weit.
Ich bin in der Schilderung der Skeletreste der alten Rennthierjäger insbesondere der
Darstellung von Broca gefolgt und will nun dieser zunächst die Schlussfolgerungen, die derselbe
aus seinen anatomischen Untersuchungen zieht, anschlicssen. Vor allem weist Broca auf den
Umstand hin, dass bei dieser Race eine merkwürdige Vereinigung von hohen und niederen
Charakteren, wie sie sonst nicht combinirt sich finden, vorkomme. Das grosso Hirnvolumen,
die Entwickelung der Stirngegend, die orthognathe Bildung des obern Gesichtstheils, seien
ohne Zweifel ebenso viele Attribute einer höbern Stellung, während die enorme Breite des
Gesichts, der alveolare Prognathisnius, die Breite des Unterkieferastes mit den rauhen Mus-
kclerhabenheiten auf ein rohes, gewaltiges und barbarisches Volk binweisen. Von gleichem
Charakter sei die bedeutende Entwickelung der Linea aspera am Os femoris und die Form und
die frühe Verschliessnng der Nähte. Ja, einzelne Bildungen des Skelets zeigen sogar eine
entschiedene Annäherung an die anthropomorphen Allen. So die Breite des Unterkieferastes;
So nähern sich die Schenkelbeine des alten Mannes von Cro-Maguon durch ihre Breite, nicht
aber durch ihre Dicke, den Schenkelbeinen dieser. Noch weniger Aehnliclikeit bestehe in
Betreff der Länge, da die Ossa femoris der Affen absolut und relativ kürzer sind als die des
Menschen. Die Tibia nähere sich durch ihre Abplattung ebenfalls einigermassen denen der drei
genannten Allen, ebenso die Ulna durch ihre Krümmung. Dass diesen, eine niedrigere Stel-
lung anzeigenden Bildungen in der That auch barbarische Sitten entsprachen, gehe auch noch
aus anderen Umständen hervor, so aus der eben erwähnten Verwundung am Schenkelbein
des alten Mannes, der Verletzung am Stirnbein des weiblichen Schädels u. a. m. Und diese
Combination von höheren intellectuellen Anlagen mit brutaler physischer Gewalt begreife sich
am Ende, wenn wir bedenken, wie diese Menschen inmitten undurchdringlicher Wälder,
umgeben von gewaltigen Thieren, wie das Mammuth, und nur mit Steinwaffen versehen, in
einem steten schweren Kampfe um’s Dasein leben mussten. Ihre Schädel und Hirnorganisation
befähigt« sie aber, wenn auch nach langer Barbarei, aus diesem Kampfe als Sieger hervor-
zugehen, und jenen Grad industrieller und künstlerischer Ausbildung zu erringen, den uns
die Funde von la Madelaine u. s. w. anzunehmen nöthigeu. — In einer hiervon sehr verschie-
denen Weise äussert sich der zweite Forscher, der diese Ueberreste zum Gegenstand seines
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Evzies.
119
Studium» gemacht hat, Pruner-Bey. Diejenigen Charaktere des Skelets, in welchen Broca
eine morphologische Eigentümlichkeit, eine niedere Form und Hinneigung zum Affentypus
erkennt, erklärt Pruner-Bey für Folgen pathologischer Einflüsse, der Bhachiti», und während
Broca sich sorgfältig hütet, einen Versuch der ethnologischen Classification dieser alten Feri-
gordianer zu machen, erklärt Pruner-Bey dieselben für „mongoloid“ und zwar demselben Volks-
Stamm angehörig, wie die heutigen Esthen. — Man sieht, die Anschauungen der beiden
Hauptforscher gehen ziemlich weit auseinander, und es ist nicht zu verwundern, ■ dass die
beiden Kämpen in der Discussion bisweilen ziemlich hart aneinander geriethen. Aber auch
hier zeigtees sich wieder, in welch’ manierlicher Weise man in französischer Sprache seinem
Gegner Sachen ins Gesicht sagen kann, die man im Deutschen nur mit Umschreibung zu
sagen wagen würde. So sagt Broca, um seinen Standpunkt gegenüber dem von Pruner-Bey
zu bezeichnen, ganz einfach: „Je subordonne les thdories aux faits et mon savant collögue
subordonne les faits aux thöories“. An der Discussion betheiligten sich noch Bertilion,
Lagneau, Gaussin, Bertrand und — schriftlich — Guerin und Welcker, die sich alle im
Wesentlichen für Broca’s Anschauungen erklärten.
Was zunächst nun den ersten Streitpunkt betrifft, die Frage, ob die cigenthümlichen
Form Verhältnisse der Extremitätenknochen als Folgen pathologischer Processe, und zwar der
Rliacliitis, wie Pruner-Bey will, oder aber als Ausdruck einer eigentümlichen niedriger ste-
henden morphologischen Bildung zu betrachten seien, welche Ansicht Broca verteidigt, so
wird wohl kaum Jemand im Ernste glauben, dass die Pruner-Bey 'sehe Ansicht festzuholten
sei, und es ist nicht unmöglich, dass der Urheber derselben froh wäre, wenn er diese Be-
hauptung, die er nun nimmer so leicht los werden kann, und die doch kaum zu halten ist,
nicht aufgestellt hätte. In seiner Kritik dieser Hypothese weist Broca zunächst auf die be-
kannte Thatsache hin, dass die Khachitis die Entwickelung des Skelets hemme und dass daher
bei solchen, die in der Jugend rbacliitisch gewesen, das Skelet, auch nach vollständiger Hei-
lung der Krankheit, den morphologischen Typus (die Pro[>ortionen) des Kindes beibehalte.
Nun sind aber die Arme der Kinder im Verhältniss zur ganzen Statur und zu den Beinen
länger als beim Erwachsenen, und so ist es auch bei solchen Erwachsenen, die in der Jugend
rbacliitisch waren. Dieses Proportionsverhältniss hängt nun aber natürlich nicht von einem
excessiven Wachsthum der obern, sondern vielmehr von einem Zurückbleiben der untern Ex-
tremitäten ab. Will man daher nach einem rliachitischen Schenkel- oder Schienbein die
ganze Statur berechnen, so muss man dies im Auge behalten und die Statur etwas höher an-
setzen. Daraus ergiebt sich aber nun, dass, wenn der einstige Besitzer von Femur und Tibia
des Skelets Nr. I rhachitiseh gewesen war, seine Statur mehr betragen haben musste als die
oben angenommenen sechs Fnss. Das scheine doch etwas viel, meint Broca schliesslich, für einen
Rliachitischen, die doch sonst das Material für die Tainbour-majors nicht zu liefern pflegten ! —
Dass die Schienbeine von les Eyzies platt sind und dass dies die rhacliitischen Tibia« auch
sind, ist ganz richtig, allein zwischen beiden bestellt doch, wie Broca darthut und jeder Kun-
dige zugeben muss, ein sehr grosser Unterschied. Die rliachitischen Schienbeine sind näm-
lich offenbar nur platt in Folge der Krümmung, welche sie durch die Erweichung erlitten
haben. Die Schienbeine unserer Troglodyten sind aber ganz gerade. Ferner ist die rhaebi-
tisclie Deformation niemals nur auf die obere Hälfte des Knochens beschränkt, sondern be-
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120
A. Kcker,
trifft mehr den ganzen Knochen, das Eigenthündiche der Conformation der Schienbeine von
les Eyzies liegt aber nur in der obern Hälfte; ferner ist bei rhachitischer Abplattung der
Tibia, da diese eine Folge der Krümmung ist, immer auch die Fibula mit gekrümmt und abge-
plattet, während hier die Fibula ganz normal ist. Endlich ist die Art der Abplattung liei
beiden eine ganz verschiedene. Stellt man Querschnitte des obern Drittheils der Tibia eines
gesunden Individuums der heutigen Bevölkerung, eines Rhachitischen und unserer Troglody-
ten zusammen, so ergeben sich nach Broca folgende Unterschiede: 1 ( Bei der normalen Tibia
der heutigen Bevölkerung ist das Jlittelstück in seinem obern Theile dreieckig, die Crista tibia
(Fig. 17, Nr. I A) ist subcutan, der mediale Rand (ibid. I) ebenfalls, der laterale (ibid. E), die
Crista interossea, ist ganz von Muskeln bedeckt; dadurch sind drei Flächen abgetheilt, von
denen hier insbesondere die hintere in Betracht kommt. Auf dieser (a Fig. 18) verläuft eine
Biß. 19.
Liuie, die Linea poplitaea (pp), von der
Mitte dieser geht eine zweite (jf) ge-
rade abwärts gegen den lateralen Rand.
Dadurch entstehen auf der hintern Flä-
che drei Abtheilungeu , eine (Pop) für
den Ansatz des M. poplitaeus, eine zweite
(Flech. comm.) für den des M. flexor di-
gitorum communis, eine dritte(Jamb.post.)
für die Insertion des M. tibialis posticus.
Etwa am Kreuzungspunkt der zwei Li-
nien liegt das Fommen nutyitium (N).
2) Bei der Tibia von les Eyzies
(Fig. 17, Nr. 2) ist nach Broca die
hintere, sonst in frontaler Ebene lie-
gende Fläche gleichsam in zwei abge-
theilt, wovon die eine (EN) lateral wärts,
die andere (IN) medianwärts sieht und
die beide in mehr sagittaler Richtung
liegen. So ist die Tibia (im obern Theil)
von beiden Seiten abgeplattet und hat
eigentlich nur zwei Flächen und zwei Bän-
der. Pie eine dieser Flächen (Fig. 1 7 u. 1 9),
die laterale (AEN), ist der ganzen
Länge nach von einer Linie durchzogen,
Gewöhnliche Tibia von
hinten.
Laterale Fläche einer Tibia von le*
Kyrie». A Crista tibiac. Jamb. ant.
Ansatz Huche des Mu*c. tibialis anti-
cus. E Crista interossea Jamb.
post. AnsatzHäche des M. tibialis
l»osticus. p p' jf wie in Fig 1 . 18.
der Crista interossea (E), welche weiter
unten in den lateralen Rand übergeht.
Was vor dieser Linie liegt (AE), ent-
spricht der lateralen Fläche unserer
Schienbeine, was dahinter liegt (EN),
dom lateralen Theil der hintern Fläche.
Die mediale Fläche ( AIN ) ist im ganzen abgeplatteten Theil der Tibia ebenfalls breiter, in
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121
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
der untern Hälfte derselben erkennt man den medialen Rand (7) ganz deutlich, nach oben hin
wird er aber allmälig undeutlich und verschwindet endlich bis auf eine von kleinen Rauhig-
keiten gebildete Linie, durch welche die mediale Fläche in zwei Abtheilungen getlioilt wird,
wovon die vordere (AI) der medialen Fläche der gewöhnlichen Schienbeine, die hintere (IN)
dem medialen Theile der hintern Fläche dieser entspricht. Was den hintern Rand betrifft,
so findet sich ein solcher nur in der obern Hälfte des Mittelstiicks. Oben, über dem Foramen
nutritium ist er dick und rund, weiter unten tritt er allmälig als ein Kamm deutlicher her-
vor, verwischt sich aber dann mehr und mehr und geht etwa in der Mitte des Knochens in
den lateralen Rand über. Broca fügt dem bei, dass diese Beschreibung nicht nur für die
Tibias von les Eyzies gelte, sondern auch für viele andere aus vorhistorischer Zeit, und mit
geringen Modificationen auch fiir die der anthropomorphon Affen.
Was endlich 3) die Abplattung der Schienbeine durch Rhachitis betrifft, so findet sich eine
solche nur dann, wenn (wie gewöhnlich) die Krümmung eine seitliche, in frontaler Ebene
liegende ist Die Convexität der Krümmung sieht dann modianwärts und ist vom me-
dialen Rand des Knochens gebildet, die Concavität sieht lateralwärts und wird vom latera-
len Rande gebildet. Bei der selteneren Krümmung in einer sagittalen Ebene fehlt nach Broca
eine eigentliche Abplattung. Der Knochen ist, wenn auch dünner im frontalen Durchmesser,
doch immerhin noch dreieckig.
Den Beschreibungen von Broca kann ich auf Grund meiner Vergleichungen nur beistim-
men und muss mich ebenfalls entschieden gegen die Rhachitistheorie von Pruner-Bey aus-
sprechen. Dagegen möchte ich die Grenzen zwischen der ersten und der zweiten Form kei-
neswegs so scharf ziehen. Man findet auch in der heutigen Bevölkerung und bei ganz gesunden
Individuen häufig genug Schienbeine, welche denen von Eyzies in ihrer Form sehr nahe
kommen, und es finden sich zwischen der ersten und der zweiten Form alle möglichen Ueber-
gäuge, wie dies aus don (in Fig. 20 a. f. S.) bezeichneten Umrissen erhellt, von denen Nr. I die
eines kräftigen Mannes ■) aus hiesiger Gegend, Nr. II die einer Frau darstellt. Dieselben
nähern sich der Form von Eyzies bei weitem mehr als die Schienbeine eines jungen Austra-
liers (Nr. III) und einer Australierin (Nr. IV) vom Murray-Fluss, deren Skelete unsere anthropo-
logische Sammlung besitzt. Es ist daher immerhin möglich, dass die in Rede stehenden Form-
abweichungeu wenigstens zum Theil nur individuelle sind und daher jedenfalls rathsam, noch
weitere Funde abzuwarten.
Den zweiten Differenzpunkt zwischen Broca und Pruner-Bey bildet die vom letzteren
Forscher gewagte bestimmte ethnologische Diagnose, während der erstere eine solche durch-
aus vermeidet. Die Schädel der Esthen sind es, mit welchen nach Pruner-Bey die unserer
Troglodyton in so auffallender Weise übereinstimmen, dass er diese demselben Volksstamme
zurechnen zu müssen glaubt. Es würde mich zu weit führen , wollte ich hier die ganze Dis-
cussion Uber diesen Gegenstand in allen ihren Einzclnheiten reproduciren, und ich muss mich datier
auf die Hervorhebung des Wichtigsten beschränken. Was zunächst den Hirnschädel betrifft,
so hebtPruner-Bey als das am meisten charakteristische Merkmal desjenigen ethnologischen
Schädeltypus, welchen er den r mongoloiden u nennt und der eben den beiden in Rede stchon-
i
*) Der sagittale Durchmesser dieser Tibia beträgt 40 Millim., der frontale 22 Millim., einer mehr dreiecki-
gen Tibia 32 und 24 Millim.
AroblT fOr Anthropologie, M<L IV. H«fl U. jq
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122
A. Ecker,
den Schädelformen gemeinsam zukommen soll, die sogenannte ogivale (ogive ■= gothischer Ge-
wölbbogen) Form des Kopfes liervor, d. h. eine Form, bei welcher das Gesicht breit ist und
Fig. 20.
Querschnitt der Tibi*. Xr. I eine» starken Mannes aus der Gegend von Freibarg. Nr. II einer Frau, eben-
daher. Xr. III eines Australiers vom Murray-Flus» (Siulaustralien). Nr. IV eine» Weibe», ebendaher.
A vorderer Rand (Crista tiliiae). E lateraler Hund (Crista interossea). J niedinier Hand. -V Lage des Fora-
tuen nutritium. Alle vier Schienbeine sind in die gleiche Lage gebracht, in welcher die Linie a b vom late-
ralen *um medialen Hand verläuft. (Yergl. damit Fig. 17, Xr. 1 und 2).
der Schädel nacli oben dachförmig (eu dos d ane) zugeht. Dass nun aber diese Form bei
irgend einem der Schädel aus der Hohle von Cro-Mngnon deutlich ausgeprägt sei, wird von
ßroca bestritten; bei keinem derselben sei eine dachförmige Zuschrägung des Schädeldachs
der ganzen Lange nach vorhanden; Nr. I habe nur an der Stirn eino kleine Andeutung davon,
während die Scheitelnahtgegend eher abgeplattet sei, Nr. II zeige eine leise Andeutung einer
dachförmigen Gestalt in der vordem Hälfte der Pfeilnaht, Nr. III nirgends. Was die Esthen-
Schädel betreffe, so finde sich nur an einem der in Paris befindlichen Exemplare (Nr. 4) eine
Andeutung davon. Das» der von lluek abgebildete Esthenschiidel, der sicherlich ein charak-
teristisches Exemplar der Race ist, sie nicht zeigt, zeigt ein Blick auf die Abbildung io der
Schrift des genannten Gelehrten. Broca bemerkt hierbei übrigens, und, wie ich glaube, gnnz
mit Recht, dass solche partielle Bildungen sich sehr häufig und bei sohr verschiedenen Stäm-
men, — und wie ich hinzufügen möchte — insbesondere beim männlichen Geschlecht fin-
den. Ich habe in meinen Urania Germanine racrid. occ. mehrere solche Schädel abgebildet. In
einem sehr wichtigen Punkt zeigt sich dagegen nach Broca zwischen den beiden Schädelrei-
hon ein nicht zu verkennender Unterschied; die Schädel von Eyzies sind dolichocephal, die
Esthenschädel nicht Von den Esthenschädeln (4 <f 1 9), die in Paris zur Vergleichung Vor-
lagen, sind die 4 cf entschieden brachycephal (Index zwischen 00,66 und 82,77; Mittel =81,82).
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123
Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzies.
Der weibliche, den Broca nicht für rein hält, hat dagegen nur einen Index von 75,82, und
das Mittel aller fünf beträgt daher nur 80,59. Ich füge dem bei, dass der von Huek abge-
bildete Schädel (in der Abbildung gemessen) eine Länge von IC, 7, eine Breite von 13,4, also
einen Index von 80,4, wie ihn zahlreiche unserer süddeutschen Schädel zeigen (Mittel von
100 Schädeln 83,0) aufweist. Von den Schädeln von les Eyzies dagegen hat der eine Nr. I
einen Index von 73,76 , Nr. II von 71,72, Nr. III 74, 75 , das Mittel aller drei beträgt also 73, 41 .
Eine Index-Differenz von circa 7 ist aber eine so bedeutende, dnss sie wohl an sich genügt,
zwei Schädelgruppen von einander zu trennen, und Broca spricht daher auch seine Ansicht
dahin aus, dass dieselbe einen absoluten Unterschied zwischen den zwei verglichenen Grup-
pen begründe. Eine directe Vergleichung der Capacität der beiden Schädelreihen war nicht
möglich; Broca schliesst aber aus verschiedenen Umständen zusammengenommen, dass die
Capacität der Troglodyten- Schädel jedenfalls um 15", grösser ist als die der Esthenschädel.
Das Wenigste dieses Plus kommt offenbar auf die Breite, das Meiste auf Höhe und Länge.
Broca hebt dann weiter die Verschiedenheiten hervor, welche das Gesichtsprofil der bei-
den Scbädelroihen wahrnehmen lässt. Von der stark vorspringenden Glabella, dem tiefen
Nasenwurzeleinschnitt, dem starken Vorsprung der Nasenbeine, Zügen, die so charakteristisch
sind, insbesondere für den Schädel Nr. I von les Eyzies, von all' dem finde sich nichts an
den Schädeln der Esthen, ebensowenig von dem alveolaren Prognathismus, den die Troglo-
dyten-Schädel, an welchen das Gesicht erhalten ist, wahrnehmen lassen. Dagegen fallt mir
an der Huek sehen Abbildung die Breite des Unterkieferastes (42,2 Millim.) auf und begründet
eine gewisse Aehnlichkeit mit den Schädeln von les Eyzies. Die Achnliclikoiten, die einem
unbefangenen Beobachter, der keine anderen Vergleichungsobjecto hat als die Abbildungen
der Schädel von les Eyzies in den Beliq. aquitan. und den Annales des sc. nat. und die mit
diesen auf gleiche (*,'« natürliche) Grösse gebrachte Abbildung des Esthensebädels von Huek
allein auffallen und als eine gewisse Uebereinstimmung begründend gelten können, sind nach
meiner Meinung die Breite des Gesichts in der Jochgegend und die Breite und Niedrigkeit
der Augenhöhlen. Die Uebereinstimmung zwischen den beiden Schädelgruppen ist daher
nur eine sehr geringe und es stimmen damit auch die Angaben von Welcker über den Esthen-
schädel im Wesentlichen überein.
Ausser craniologischen Gründen hat aber Pruuer-Bey für seine ethnologische Classifica-
tion der Troglodyten von Cro-Magnon keine angeführt, weder historische noch archaeologi-
sclie, wohl aber, wie bemerkt, merkwürdigerweise einen linguistischen; er schliesst nämlich
aus der Form des Gaumens der Bewohner von Cro-Magnon, dass sie weder einen arischen
noch einen semitischen Dialekt gesprochen, sondern eine Sprache, die „ zugleich weich und
schwach" war, und das seien die finnischen Idiome.
Ueberblickt man die ganze Argumentation von Pruner-Boy, so kann man sich des Ein-
drucks nicht erwehren, dass der ihm von seinen Gegnern gemachte Vorwurf, seine Behaup-
tungen seien Consequenzeu seiner vorgefassten Thcorieen mehr als seiner Beobachtungen, nicht
ganz ohne Begründung sei. Die alte Rotzius’sche längst widerlegte Hypothese, dass die
Urbewohner Europas den Lappen ähnlich, klein und brachyoephal gewesen seien, scheint in
der That von ihm nicht ganz aufgegeben zu sein. Nur hat er die nicht mehr zu haltende
Braeliycephalie durch einen andern Charakter, „mongoloider Typus“ genannt, ersetzt und
16 *
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124
A. Ecker,
in diesem Charakter stimmen nach ihm die entschieden dolichocephalen Perigordiner mit den
entschieden brschycephalen Lappen, den ebenfalls — wenn auch weniger — brachycephalen
Finnen und den (nach ihm) dolichocephalen Esthen überein. Dass die heutigen Esthen klein,
die Perigordiner sehr gross sind, glaubt Pruner-Bey damit erklären zu können, dass die
heutigen Esthen unter hartem Druck und in sehr schlechten Verhältnissen lelwn.
Es zeigt das vorstehend Mitgetheilte wieder einmal recht deutlich, wie wenig wohlgethan
es ist, wenn man gewisse Schädelformen sofort mit gewissen bestimmten Völkergruppen, heu-
tigen oder erloschenen, in Verbindung bringt und annimmt, die beiden müssten sich decken.
Der Begriff eines Volkes ist keineswegs ein für lange Zeiträume so fester und unwandelbarer,
sondern ist so zu sagen in beständigem Fluss begriffen, und wir wissen gar nicht, ob die Con-
glomerate, wie sie sich zu einer gewissen Zeit als Volk darbioten, mehr primitiver oder aber
sehr secundärer Natur sind. Die Sprache wechselt gewiss sehr leicht und das relativ Festeste,
was aber der Mischung und Kreuzung auch nicht widerstehen kann, ist das Knochengerüst. —
Wie hat sieh z. B. der Rahmen des sogenannten griechischen Volkes seit dem Alterthum mit
anderm Inhalt gefüllt! Und gewiss war das bei sehr vielen anderen Völkern ganz ebenso,
nur dass wir nicht so viel davon wissen, als eben hier. Einen Schädel celtisch, griechisch,
esthisch, germanisch zu nennen muss man daher — wenigstens heutzutage noch — für verfehlt
halten. Zur kurzen Bezeichnung von Schädelformen wähle man, wie His und Referent es ge-
than, Namen von Fundorten oder von Grabstätten, halte aber vorläufig jederzeit craniolo-
gische und ethnologische Classification scharf aus einander. Der Fachmann weiss, was er
unter solchen Bezeichnungen zu verstehen hat und alle anderen Nebenbedeutungen, die durch
ethnologische Benennungen von Schädelformen unzweifelhaft hereinkommen und alle bloss
subjoctiven und für andere unfassbaren Bezeichnungen werden dadurch vermieden.
Was hat man nicht Alles unter „celtischem“ Schädel verstanden, fast so vielerlei als
unter „celtisch“ überhaupt, und was wissen wir heute eigentlich von celtischem Schädel ? Für
jetzt wenigstens ist wohl die C'raniologie noch nicht so weit, um Diagnosen der genannten
Art nufstellen zu können. Es ist dieselbe eine noch junge Wissenschaft mit keineswegs
sichern Methoden und einem schwierigen Boden, aus dem sich das Gold nur mühsam Korn für
Korn heben lässt Nichts ist für ihren Credit schädlicher als das Aufstellen solcher unzei-
tiger Diagnosen. Man arbeitet damit nur jenen populären ethnologischen Autoren in die Hände,
welche, weil ihnen die Craniologie nicht, wie sie erwartet haften, sofort einen Registratur-
kasten darbot, in welchem sie die Völker bequem nach ihrer Schädelform einreihen konnten,
nun die Bestrebungen dieser Wissenschaft verspotten, und indem sie die Forscher auf die-
sem Gebiet durch witzig sein sollende Benennungen , wie „Calvarienberger“ u. a. w. bezeich-
nen, die Lacher im grossen Publikum auf ihre Seite zu ziehen suchen. Man kann sich dies,
wenn man auf dom richtigen Weg voranschreitet, ruhig gefallen lassen; eine Ethnologie, die
nicht eine anatomische und eine linguistische Grundlage hat, wird nie auf den Namen einer
Wissenschaft Anspruch machen können.
Zu unserm eigentlichen Gegenstand zuriiekkehrend glauben wir, dass man sich vorläufig
wird darauf beschränken müssen, die Race von les Eyzies nach ihron anatomischen Charak-
teren zu schildern und ihre nicht geringen Eigentümlichkeiten zu constatiren, ohne sofort
den Versuch zu machen, sie einer früheren oder heutigen Völkergruppe einzureihen. — Dass
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Die Höhlenbewohner der Rennthierzeit von les Eyzieä. 125
die Bewohner von Cro-Magnon nuf einer sehr niedern Stufe der Cultur standen, geht aus der
Beschaffenheit ihrer Kiesel- und Knochen Werkzeuge hervor, und dass ihre Sitten barbarische
waren aus den Spuren der Knochen wunden an den Skeleten der Troglodyten, denn wenn
auch die Verletzung an dem Schenkclknochen des alten Mannes (Nr, I) etwa durch einen
Zufall auf der Jagd herbeigeführt sein konnte, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass der Sub-
stanzverlust am Stirnbein des weiblichen Schädels durch einen gewaltigen Wurf oder Stoss
und wahrscheinlich durch ein Steinbeil veranlasst wurde und die in der Nähe dieses Skelets
gefundenen Reste eines unreifen Foetus lassen Überdies noch annehmen, dass die Frau schwan-
ger war, als sie getödtet wurde.
Die Thiere, die zugleich mit den Bewohnern der Höhle lebten, sind oben namhaft ge-
macht. Ob jedoch aus dem Auffinden des Mammuthzahnes ein Schluss auf Gleichzeitigkeit
der Existenz des Mammuth mit deuselben gemacht werden darf, ist doch wohl noch zu be-
zweifeln; auch heute kommt es vor, dass an Orten, wo Mammuthzähne nicht so selten sind,
wie z. B. bei uns im Löss des Rheinthals, Knaben solche in ihre Wohnungen und Unter-
schlüpfe bringen. Viel wichtiger sind in dieser Beziehung die oben (S. 113) namhaft gemach-
ten Elfenbeinplättchen, da sie wohl kaum aus anderem als frischem Elfenbein gemacht werden
konnten.
Lartet nimmt an, dass die alten Rennthieijäger diese Höhle vielleicht anfänglich nur
als ein Stelldichein bei der Jagd benutzten, wo sie ihre Beute vertheilten, später aber dieselbe
bleibend bewohnte», bis der Boden sich allmälig hob und die Wohnung dadurch unbequem
wurde. Darauf wurde sie wahrscheinlich verlassen, um endlich noch einmal besucht und als
Grabstätte verwendet zu werden. Dann war die Höhle vielleicht noch einige Zeit lang Füch-
sen zugänglich und wurde endlich ganz allmälig durch den herabfallenden Schutt zugedeckt
und für die folgenden Jahrtausende abgeschlossen.
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VII.
Referate.
h
Mikrokosmus. Ideen zur Naturgeschichte und
Geschichte der Menschheit — Versuch einer
Anthropologie von Hermann Lutze. 2. Bd.
2. Aufl. Leipzig 1869. Bei S. Ilirzel.
Der Umstand, dass das Werk in 2. Anfluge
vorliegt, kann eine Anzeige desselben überflüssig
erscheinen lassen. Auch behandelt es, trotz der
Titelübereinstimmung mit unserem Archiv, nur zu
einem kleinen Theil die Fragen, deren Verfolgung
sich das letztere bis dahin zur Aufgabe gestellt
, hat. Wenn Schreiber dieser Zeilen , einer Auf-
forderung der Redaction folgend, gleichwohl die
Besprechung übernimmt, so erfüllt er damit we-
sentlich eine Pflicht der Dankbarkeit gegen den
hochverehrten Verfasser, aus dessen Schriften er,
wie noch mancher andere naturwissenschaftliche
Arbeiter, seit seiner Studienzeit reichliche Förde-
rung empfangen hat.
H. Lotze’s erstes literarische« Wirken füllt
in den Beginn der Vierziger Jahre, d. h. in die
Zeit, da die Naturforschung , der schädigenden
Ucbergriffe der Schulphi tosophie müde, von dieser
bereits sich abgewandt, und ihr des Bestimmtesten
die fernere Gemeinschaft gekündet hatte. Bei An-
wendung rein spekulativer Methoden ist es Lotzu
nichtsdestoweniger gelungen, von Anfang an in
miturforschenden Kreisen offene Aufnahme und
dankbares Gehör sich zu sichern. Allerdings waren
die ersten Schriften (die allgemeine Pathologie,
Leipzig 1842, 2. Aufl. 1848, die Aufsätze über
Leben und Lebenskraft, über Instinct, Über
Seele und Seelenleben in R. Wagner’« Hand-
wörterbuch, die allgemeine Physiologie, Leip-
zig 1851 und die medicinische Psychologie,
Leipzig 1852) zunächst an Mediciner adressirt, uud
sie behandelten grossentheils ein speciell naturwis-
senschaftliches Material. Dieser Umstand würde
indess kaum hingereicht habeu, Lotze s Schriften
unter Naturforschern und speciell unter Medicinem
zu verbreiten, hätten sie nicht zugleich durch tiefere
Vorzüge sich Geltung verschafft. Diese Vorzüge
lagen einerseits in einer, jeglichen Schulapparat
verschmähenden ungemein schönen Sprache, und
sodann vor Allem in einem, durch gediegene Vor-
studien begründeten tiefem Verständnis« für natur-
wissenschaftliche Aufgaben und naturwissenschaft-
liche Fragenstellung. So sehen wir Lotze, der
Autorität hochgefeierter Naturforscher entgegen-
tretend, sofort den Kampf zu Gunsten einer conse-
quont mechanischen Lebensauffassung unternehmen,
einen Kampf, den er im Verein mit der gleichzeitig
aufblühenden physikalisch* physiologischen Schule
rasch zum siegreichen Ende geführt hat. Auch im
weiteren Verlauf seiner Arbeiten hat Lotze wieder-
holt die Fachphysiologen auf das Wirksamste se-
cundirt. Ich erinnere nur nn die bekannte Lehre von
den Localzeichen, welche gegenüber der älteren un-
klaren Auffassung von Bildreproductionen im Ge-
hirn ein so erheblicher Fortschritt der Sinnesphy-
siologie geworden ist; ferner an die Kritik der
Pflüger’schen Versuche über die sensorischen Func-
tionen des Rückenmarks, welche zum fruchtbaren
Princip von der materiellen Erziehung unserer ner-
vösen Centrolorgano geführt hat.
Nicht an medicinische Fachmänner allein, auch
nicht bloss nn Naturforscher, sondern au ein wei-
teres Publikum denkender Leser ist der Mikrokos-
mus gerichtet, wovon der zweite der drei Bände
zur Besprechung vorliegt. Der Verfasser hat sich
die Aufgabe gestellt, in diesem Werke „Reflexionen
zu sammeln über die Bedeutung, welche dem Men-
schen und dem menschlichen Leben mit seinen be-
ständigen Erscheinungen und dem veränderlichen
Lauf seiner Geschichte im grossen Ganzen der Na-
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128
Referate.
tur zukommt. u Dabei steht ihm als letztes Ziel die
bleibende Versöhnung mechanischer und idealer
Naturauffassung vor Augen. Die bezeichnet« Auf-
gabe hat Lotze in reichlichem Maas9e erfüllt, ln
wie weit er Beinen Lesern auch zur Erreichung de«
Endzieles verhelfen hat, steht nicht in meiner
Macht zu entscheiden. Nicht jeder Leser bringt
jene« Bedürfnis« mit nach Versöhnung des bezoich«
neten Gegensatzes, und gerade der, der es tiefer
empfindet, wird wohl kaum durch das blosse Stu-
dium eines Werkes, und wäre es auch das vortreff-
lichste, das Ziel erreichen ; es wird ihm nicht er-
spart bleiben, auf dem langsamen Wege seiner
Lebensentwickelung den subjectiv befriedigenden
Abschluss zu erstreben. Mag also der eiue oder
der andere I.eaer den Mikrokosmus unbefriedigt
aus den Händen legen, woil er sich in der ange-
strebten Hauptfrage nicht über den Standpunkt
eines resignirenden Zu warte ns hinaus gefordert
findet, so wird doch keiner ohne reiche Anregung
von dem Buche scheiden. Die verschiedensten an
die Stellung des Menschen in derXatur anknüpfen-
den Probleme finden darin ihren Platz und eine
ungemein vielseitige Beleuchtung. Reichthum au
Gedanken, scharfe Kritik, fein psychologische Be-
obachtung und glänzende Darstellungsweise, das
sind die Eigenschaften, welche das Buch auszeich-
nen, und die beinahe eine jede, einzeln herausge-
rissene Seite zu einer genussreichen LectÜre machen,
Ehen der reiche Inhalt macht es auch schwor, Ein-
zelnes hervorzuheben. Soll ich aus dem vorlie-
genden Bande Abschnitte namhaft machen, welche
speciell den anthropologischen Leser iutcressiren,
so kann ich im vierten Buch die Capitel 2 und 3,
„die Natur aus dem Chaos 44 und „die Einheit der
Natur“ nennen, im fünften Buch das Capitel von
der Sprache und im sechsten Buch die Capitel vom
menschlichen Naturell und von dun Sitten und Ge-
bräuchen, welche letztere ganz besonders reich au
ansprechenden Bemerkungen sind. Für manchen
Leser mag auch die Kritik morphologischer Sym-
bolik Interesse darbieten, sowie der Nachweis von
der Leerheit aller der Bestrebungen, welche den
reichen Lebensinhalt durch Einzwingen in einige
schematische Formeln zu vergeistigen meinen.
Zura Schlüsse noch eine Bemerkung: dor vor-
liegende Baud nennt sich eine zweite Auflage; so-
weit ich indess verglichen habe, ist er ein unver-
änderter Abdruck der ersten Ausgabe. Diese ist
im Jabre 1858, also unmittelbar vor dem Anbruch
jener Bewegung erschienen, welche die organische
Naturforschung so tief erregt und welche auch
speciell dem Aufblühen der Anthropologie einen
Anstoss gegeben hat. Von der ganzen durch Dar-
win cingeleiteten Bewegung des verflossenen Jahr-
zehntes sagt der neuo Band Nichts, auch auf die
wichtigen Arbeiten der neuen Sinneslehre wird mit
keinem Worte hingewiesen. Es ist dies zu be-
dauern, denn gewiss hätte es manchen Leser ge-
freut, die Stimme eines so besonnenen und mit so
tiefem VerständnisB begabten Kritikers wie Lotze,
über diese Fragen und über ihre bereits stehend
gewordene Behandlung zu hören. Ein Eingehen
auf den Gegenstand hätte den Verfasser allerdings
zu einer weitergehenden Umarbeitung des Buches
genöthigt, und diese zu vermeiden, mochte er seine
persönlichen Gründe haben. Der Mangel ist zu
verschmerzen und auch in der unveränderten Form
wird der neu erscheinende Mikrokosmus seinen
Einfluss auf die heranwachsenden Generationen zu
bewahren vermögen. Von denen aber, die ihn ein-
mal kennen gelernt haben, wird ihn fernerhin ein
Maucher gleich einem Freunde schätzen, zu dessen
bildendem Umgang man, auch nach längeren Un-
terbrechungen , auf Zeiten immer wieder gern zu-
rückkehren wird. His.
II.
Dr. F. Wibol, Die Veränderungen der Knochen
bei langer Lagerung im Erdboden und die Be-
stimmung ihrer Lagerungszeit durch die che-
mische Analyse. Ein chemischer Beitrag zu
geologischen und archäologischen Forschungen,
llcrausgegebcn von K. W. M. Wiebel. Wis-
senschaftliche Abhandlung zum Osterprogramm
des Akad.- und Realgymnasiums. Hamburg
1869. 4. 45 Soiten.
Aus den bisher besonders durch v. Bibra
publicirten Analysen von Menschen- und Thier-
knocheu, deren wenige sich auf fossile beziehen,
ist die spontane Umwandlung dor Knochensubstanz
nicht wohl zu entnehmen. Weit lehrreicher in üssun
desfalsigo Untersuchungen an Knochen aus den
neueren und neuesten Formationen erscheinen, da
hier weniger von einem Einfluss des umgebenden
Gesteins die Rede ist. F. Wibel hat deshalb seiu
Augenmerk auf die gegenwärtig eine so grosse
Rolle spielenden Knochenhöhlen, -Schichten, Küchen-
abfälle, Gräber gewendet (ähnlich wie Couerbe
u. A.). Er verwendete zu seinen Analysen nur
menschliche intacte Knochen von wohl bekannten
Lagerstätten und suchte vorzüglich die Gesichts-
punkte festzustellen, nach welchen aus dem Sta-
dium der Zersetzung auf die Zeit ihrer Ablagerung
möglichst zuverlässige Schlüsse zu ziehen wären.
Im Ganzen wurde hierbei der Weg einge-
schlagen, den Fresenius bei der Untersuchung
des Knochenmehles einhält. Bezüglich der sorg-
fältigen und umsichtigen Erwägung der einzelnen
Analysen- Rosul täte müssen wir den Leser auf die
Schrift selbst verweisen.
Bei den Veränderungen, welche die Knochen
nach dem Tode des Thieres erleiden, kommt ihre
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Referate.
129
feste, flüssige und gasförmige Umgebung in Be-
tracht, ferner der Umstand, ob der Knochen eben
einfach in Zerfall gerftth oder dem Process der
aogenaunten Versteinerung anheimlallt, wobei unter
Erhaltung der Form seine Subetanz mehr weniger
vollständig einer andern weichen muss. Erateres,
d. h. der Zerfall, ist der in den oberen Erdschichten
gewöhnliche Vorgang, Letzteres in den Schichten
älterer und den Sintern neuer Formationen.
Zur richtigen Beurtheilung der Veränderungen
bedarf es aber vor Allem einer genauen Kenntnias
der ursprünglichen Substanz der Knochen und der
an frischen Knochen lebender Thiere vorfind-
licben Verschiedenheit je nach deu Theilen de«
Skelets, nach Geschlecht, Alter u. a. w.
F. WibePs Schrift zeichnet sich nun vor so
manchen anderen dadurch vorth eil haft aus, dass sie
dem Leser nicht zumuthet, aus den Details das
Facit selbst zu ziehen, sondern klar und bündig
ihm die gewonnenen Resultate Schritt für Schritt
zuaammenfasst und vorlegt. So hebt er als we-
sentliche Ergebnisse folgende hervor:
1. Bei der Veränderung der Knochen im Erd-
boden treten weder wesentlich neue Körper hinzu,
noch bilden sich aus den vorhandenen neue che-
mische Verbindungen.
2. Die erste Hauptveränderung der Knochen
im Erdboden besteht in der Abnahme der organi-
schen Substanzen, auszudrückun durch den „orga-
nischen Quotieuten“.
3. Die zweite wird durch die Abnahme des
Calcium- Car bona tos (Kreide) gegenüber dem Cal-
ci umpheusphat, „den Kreidequotienten“, dargestellt.
4. Die dritte besteht in einer theilweisen
Umwandlung des Knorpels in stickstoffurmcre Sub-
stanz und wird durch den „Stickstoffquotienten“
ausgedrückt.
In obigen Quotienten prägen sich die Unter-
schiede eines fossilen Knochens von einem glei-
chen frischen aus. Nun können aber auch noch
die l>agerstätten bei sonst gleichen Knochen ver-
schiedene Grade der Veränderung bedingen. Die
organische Substanz wird vorzugsweise unter dem
Einflüsse von Luft und Wasser, die anorganische
durch das Wasser und die darin gelösten Salze
vernichtet. Die Lagerstätten der Knochen werden
deshalb sich füglich trennen lassen in solche mit
Luftzutritt (freie Erde nahe der Oberfläche ; Wohn-
und Grabkammern, Särge, Knochenhühlen) gegen-
über jenen ohne Luftzutritt, wie x. B. die freie
Erde in bedeutenderer Tiefe, Küchenabfalle, Pfahl-
bauten, Torf, Moor, Kuochenschichten. Marchand’s
Analysen von Knochen des Höhlenbären aus ver-
schiedeneu Niveaus der Gailenreuther Höhle liefern
für obige Sätze den factiscben Beweis. Starker
Luftzutritt kann eine rasche Zersetzung herbei-
führen, worauf ein grosser Stickstoffquotient bei
kleinem organischem Quotienten deuten würde.
Archiv för Anthropologie. B<1. IV. Heft II.
Der Kreidequotient kann eventuell höher als
im betreffenden frischen Knochen sich ergeben,
wenn während der Zersetzung Zufuhr von Calcium-
carbonat stattfand (solche von Phosphat ist nicht
erweislich). Die Lagerstätten sind sonach auch zu
unterscheiden in solche ohne Petrification (freie
Erde, Wohn- und Grabkammern, Särge, Küchen*
abfalle, Pfahlbauten, Moor, Torf) und in solche
mit Petrification (Knochen höhlen , Knochen-
schichten).
Während die obigen Resultate sich auf die
Untersuchung von Meuschenknochen gründen, wur-
den auch Knochen von Thiereu in Betracht ge-
zogen und dabei ermittelt, dass verschiedene le-
bende Gattungen und Arten aller Altersstufen in
Betreff der Analyse der Knochen geringere Unter-
schiede zeigen, als wenn man solche von mehreren
Individuen gleicher Speciea und gleichen Alters
untersucht. Beim menschlichen und thierischen
Skelet ist der Unterschied in der Zusammensetzung
der langen, der platten und der kurzen Knochen
besonders bedeutungsvoll.
Die Thierknochen finden sich häufig eigent-
lich versteinert, wobei ausser der Verminderung
der organischen Substanz gegenüber dem Calcium-
phosphat noch die höhere Ziffer des Calciumcarbo-
nats und -Sulfats besonders in Betracht kommt. —
Knochen gleicher Lagerstätten zeigen meist auch
sehr ähnliche Quotienten, ln Kalkschichten älterer
Formationen erhöht sich die Zunahme an Calcium-
phosphat, im Huntaandstein tritt an die Stelle des
gänzlich weggeführten Calciumcarbonats das
Sulfat.
Rücksichtlich des wichtigen Punktes der aus
der chemischen Analyse zu entnehmenden Zeit
der Lagerung findet F. Wibel, das« wenn zu-
nächst nur das relative Alter zweier Objecte ver-
glichen werden will, der Forscher hier bei älteren
geologischen Formationen leichteres Spiel habe
wegen der gleichartigeren und regelmäse igeren Ab-
lagerungen im Vergleich mit Tertiär- und Quar-
tär-Gebilden.
Die von anderen Chemikern als hierfür maass-
gebend aufgestellten Gesichtspunkte kann Wibel
nicht adoptiren, wendet vielmehr auch in diesem
Betreff seine schon früher entwickelten Principien
gleichmäßig wieder an, indem er behauptet, bei
der Altersbestimmung fossiler Knochen seien neben
gewissenhaftester Ermittelung ihrer Art und Masse
eben wiederum erstlich die Lagerstätte von Bedeu-
tung (ob etwa Versteinerung oder Luftzutritt im
Spiele war), ferner das Aufsuchen des Organischen,
des Stickstoff- und des Kreidequotienten.
Bei fossilen Thierknochen fällt freilich we-
gen des ganz fehlenden Stickstoffquotieuten diese
Bestimm unggart weg; der Verf. beschränkt sich
jedoch auch grundsätzlich hierin auf Meuschen-
knochen und verwerthet die brauchbaren Analysen
17
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130
Kel'erate.
in Tabellen (wobei z. B. die Zahl 0,20 als orga-
nischer (Quotient bei einem Humerus andeuten soll,
dass in demselben das Verhältnis» der organischen
Substanz zum Calciumphosphat nur */* vom ent-
sprechenden Verhält niss im frisohen Humerus be-
trage).
Er zieht nun aus seinen Studien folgende
Schlüsse für die Altersbestimmung aus der Analyse:
1. Je kleiner einer der Quotienten, desto älter
wird im Allgemeinen der analysirte Knochen sein.
2. Sind bei zwei verschiedenen Knochen die
•immtlichen Quotienten des einen übereinstimmend
kleiner, als die des andern, so ist jener der Ältere.
3. Knochen, deren drei Quotienten überein-
stimmen, lassen auf gleiches Alter scbliessen.
4. Wo alle sechs Quotienten je unter einander
ungleich oder ein Paar unter sich gleich, die beiden
anderen im selben Sinn ungleich sind, entscheidet
die Majorität über das Alter.
5. Stellt sich bei zwei Knochen ein Paar der
Quotienten unter sich gleich heraus und die beiden
anderen entscheiden in entgegengesetztem Sinn
über das Alter, so wird der Stickstoffquotient
massgebend , wofern Gleichheit zwischen organi-
schen und Kreidequotienten sich ergibt, oder aber
es wird der Kreidequotient massgebend, sofern die
Stickstoffquotienten harmoniren.
6. Bei der Vergleichung zweier Knochen aus
Lagerstätten einerseits mit, andererseits ohne Luft-
zutritt wird in erster Linie der Kroidequoticnt, in
zweiter der StickstofTquotient., erst in dritter der
organische Quotient massgebend.
Bei der Vergleichung seiner aus chemischen
Studien geschöpften Ergebnisse über das Alter der
Knochen mit archäologischen Altersbestimmungen
scheint dem Verf. die chemische Methode sich bis
jetzt als zuverlässig bewährt zu haben.
Für absolute Altersbestimmungen hält der
Verf. die Zeit noch nicht gekommen und verwahrt
sich mit Beeilt gegen vorfrülie, wissenschaftlich
nicht begründete Schlussfolgerungen. Derselbe
wird bei in Aussicht gestellten späteren Arbeiten
leicht Gelegenheit finden, sich darüber auszuspre-
eben, wie sich bei den verschiedenen Veränderungen
der Knochen die Eigenschaft, au der Zunge zu
hängen, ergibt, was in vorliegender sehr werth-
voller Schrift noch nicht geschah.
Freiburg. Fischer.
III.
Die Anatomie des Menschen, in Rücksicht
auf die Bedürfnisse der praktischen Heil-
kunde hearbeitet von Dr. Hubert v. Lusch-
ka, Prof, der Anatomie zu Tübingen. 3. Bd.,
2. Abtheilung: Der Kopf. Tübingen 1867.
Es ist hier nicht die Aufgabe, über ein Werk
zu urtheilen, dessen Inhalt grösstentheils ausser-
halb der Strebungen dieses Archivs liegt und über
dessen Vortrefflichkeit überdies das einstimmige
Urtheil der Aorzto und Anatomen längst entschie-
den hat. Doch interessiat es uns, zu verfolgen, in
wie weit das im Gebiete des anatomischen Theiles
der Anthropologie von uns Beigebrachte in den
Lehrbüchern der speciellen Anatomie Aufnahme
und Anklang findet und welcher Gestalt die Skizze
der anatomischen Thatsachen ist, die in jene Werke
übergeht. Ist manche Wahrnehmung allgemein
oder speciell anatomischen Inhaltes, weil gelegent-
lich einer Anthropologischen Forschung gemacht
und publicirt, von den Referenten über reine Ana-
tomie übersehen worden, haben mehrere, den so-
genannten rein praktischen Bedürfnissen dienende
Autoren sich geradezu abweisend verhalten, so ist
es dem Herausgeber des oben genannten Buches
nachzurühmen, dass er in seinem reichhaltigen,
nach allen Seiten hin erschöpfenden Werke auch
nach der genannten Richtung hin Vollständigkeit
angestrebt hat.
Nicht ganz mit Unrecht hat man der neueren
Anthropologie eino etwas einseitige Behandlung
des Schädels zum Vorwurfe gemacht; doch hoffe
ich, man werde es nicht als ein Zeichen eines
solchen Standpunktes ausdeuten, wenn unser Re-
ferat, nachdem es die früheren, die Anatomie des
Rumpfes umfassenden Bände des genannten Werkes
vorübergehen Hess, nun mit einer Berichterstattung
über den dem Kopfe gewidmeten Abschnitt an-
hebt; erscheint ja doch selbst dem rein anato-
mischen Standpunkte „das Haupt des Menschen",
wie Luschka’s Werk, Seite 1, beginnt, als „das
Wesentlichste der ganzen Organisation 14 .
Nach allgemeinen Bemerkungen über den
Kopf, über die Haltung, Beweglichkeit, über das
Gewicht und die Grösse desselben, gebt Verf. auf
die Schädelmessung ein und findet für die Zwecke
des Arztes das von v. Baer gegebene Schema,
welches Seite 5 näher erörtert wird, am meisten
empfehlen« werth. Seite 7 beschäftigt sich mit den
allgemeinen Verhältnissen der Kopfform, es wird
des Baer’schen -.cranium medium totius gencris
humani" mit der procentigsn Breite von SO und
der Unterscheidung in Dolicho- und Brachycephali
gedacht. Was die Liste der brachy- und dolicho-
cephalen Völker anlangt, welche Luschka (S. 7)
„nach C. Vogt’s Zusammenstellung 41 giebt, so darf
ich die Verantwortung der Un Vollständigkeit und
etwaigen sonstigen Mängel dieser meiner ersten
Zusammenstellung unmöglich meinem Collegen
Vogt überlassen, und hätte es auch ausserdem
lieber gesehen, wenn Verf. statt dieser noch sehr
unvollständigen (auf Tafel XVII in „W'achstbum
und Bau" niedergolcgten) Liste, welche Vogt
S. Ö9 seiner „Vorlesungen“ wiedorgiebt, das weit
reichhaltigere, auf die Messung von mehr als
1300 Schädeln «ämmtlicher in den Cabinctten
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Referate.
181
Deutschlands und Hollands vertretenen Hacen ba-
sirte Tableau, welches ich in diesem Archive, I, 135,
gegeben habe, benutzt hätte.
Seite 9 werden die Unterschiede der prog-
nathen und orthognathen Gosichtabildung bespro-
chen, es geschieht des Camper 'sehen Gesichtswin-
kels und des zuerst von Virchow als wichtig er-
kannten Sattelwinkels Erwähnung. Betreffs des
Sattelwinkels bezeichnet Verf. es als nacltgewieeen,
„dass das Keilbein um so stärker geknickt, der
Keilbein winkel also um so kleiner ist, je senk-
rechter die Zähne stehen , u dass dagegen der
Winkel um so grösser wird, je prognather der
Kieferapparat. — Eine Schilderung der Ge-
schlechtseigenthümlichkciten des Schädels findet
sich Seite 11. Bei Betrachtung der Alters- und
Wachsthums Verhältnisse wird die mit Prognathie
verbundene Dolichocephalie des Kindesachädels be-
stätigt; Verf. erwähnt die Angabe Schaaffhnu-
sen's über eine zwischen dem sich entwickelnden
Kindeeschädel und dem Menschenschädel der ver-
schiedenen historischen und vorhistorischen Epochen
bestehenden Analogie. Die anthropologische Ueber-
sicht schlieest mit Angaben über die künstliche
Schädelformung der Flatheads und Altperuaner
und einer Zusammenstellung der von Virchow
und Lucae aufgestellten pathologischen Schädel-
formen.
Aber auch in der weiteren Darstellung des
Werkes, inmitten der Behandlung des rein anato-
mischen Materials, hat Luschka zahlreiche anato-
mische Beiträge, welche in anthroi>ologischen Wer-
ken und Abhandlungen sich zerstreut vorfinden,
nicht verloren gehen lassen. Es ist nicht Aufgabe
dieses Referates, dem Verf. in das weitero Detail
zu folgen, und ich beschränke mich gegenüber den
zur Anthropologie in näherer Beziehung stehenden
Daten nuf die Erwähnung der wenigen, bei welchen
ich mit Verf. nicht ganz übercinstimme.
Seite 27 wird das os interparietale als ein
„rhomboidaler Knochen“ bezeichnet und auch in
Fig. VII als ein vierseitiger Knochen mit einer
oberen, zwei seitlichen und einer unteren Spitze
abgebildet, während das os interparietale (*eu tri-
quetrum), soweit Referent bekaunt ist, allgemein
als jener dreiseitige, durch die „sutura transversa
occipitis“ abgetrennte. Knochen aufgefasst zu wer-
den pflegt, dessen unterer, horizontaler Rand in
derjenigen Richtung liegt, welche durch die be-
kannten, als Nahtreste oftmals am Schädel sichtbar
bleibende „sutnrao mendosae“ (deren rechtsseitige
in Luschka's Fig. VII, weit abwärts von dem
dort als os interparietale hezeiebneten Knochen,
wiedergegeben ist) angedeutet wird. Seite 72 wird
dieser Zustand des Hinterhauptsbeines genau ge-
schildert und bemerkt, dass nicht er, sondern der
in Fig. VII abgebildete Fontanellknochen dem os
interparietale der Thiere entspreche.
Von der Synchondrosis ioterspheuo-
i dal 18 wird Seite 59 gesagt, dass sie beim Neu-
geborenen entweder „noch vollständig erhalten“,
oder schon theil weise ossificirt sei; ich habe das
erstere niemals, sondern constant das letztere ge-
funden (Arch. I, S. 115).
Auf derselben Seite heisst es von der Basi-
larfuge (Synchondrosis sphenobasilaris), dass ihre
OsBiBcation „erst mit dem 13. I^ebensjahre beginnt“.
Ich habe dies niemals gefunden, dagegen bei
zahlreichen 18- bis 20 jährigen Individuen die
Basalfuge noch durchaus unverknöchert und nach
der Maceration und Weglösung des Knorpels stets
einen durchgreifenden, Millimeter- bis Linienbreit
klaffenden Spnlt bildend , so dass ich einen Schä-
del mit ossificirender Basalfuge für „19- bis
20 jährig“ nehme.
* H. Welcher.
IV.
Dr. A. W. Bell. On the Native Race of N«w-
Mexico. (The Journal of the Ethuolog. Soc.
of London. Vol. I. Nro. 3. October 1669.
pag. 222 — 274).
Der Verfasser giebt uns in dieser Arbeit eine
naturgemäße und befriedigende auf eigene genaue
Ortskenntnis» gegründete Aufklärung über den
bisher so rätselhaften Ursprung der Bewohner
von Neu-Mexiko, über die merkwürdigen Bauwerke
derselben, ihre Verwandtschaft mit den Mexikanern
und über ihre Traditionen, nach denen sie einst
von Norden her eingewandert sein sollen.
Die sehr reiche Literatur über diesen Gegen-
stand ist gewiss ein hinreichender Beweis, wie sehr
jene großartigen und wohlerhaltenen Baudenk-
mäler von jeher die Ethnologen, sowie Sprach- und
Geschichtsforscher beschäftigt haben, ohne dass es
jedoch den Bemühungen derselben gelangen wäre,
den bi« jetzt darüber liegenden Schleier de« Ge-
heimnisses zu lüften, ln wie fern der Verfasser
hierin glücklicher gewesen ißt, als seine Vorgänger,
werden wir au« seiner Arbeit selbst ersehen.
Derselbe giebt uns zuerst eine möglichst ge-
naue statistische Angabe über die Bevölkerung von
Neu-Mexiko. Ausser den sogenannten Pueblo-
indianeru und den wilden Navajos und Apache*,
die uns in der Folge hauptsächlich beschäftigen
werden, leben hier gegenwärtig auch noch viele
Mexikaner und Amerikaner, d. h. Vereinigte Staa-
tenbürger, jenen ersteren an Zahl fast um das
Doppelte überlegen.
Die im Rio Grandethal bei Santa Fe wohnen-
den halbcivilisirten Puebloindianer zeichnen sich
durch ihr stilles, schweigsames Wesen und durch
ihre Arbeitsamkeit «ehr vorteilhaft vor den Rath-
häuten« d. h. den rothen Indianern der Ebenen
17 *
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132
Referate.
Nordamerikas am». Von dieser einstmals so mäch-
tigen Nation existiren aber gegenwärtig nur noch
fünf kleine Ueberreste: die eigentlichen Pueblo-
indianer, die Zuüiindianer, die Sieben-Motiuiimlia-
ner, die Primas im Gilathale und die südlich von
diesen wohnenden Papagos. Im ganzen Gebiete
derselben findet man überall, wo nur irgend
Wasserleitungen vorhanden wareD, auch die so
häufig beschriebenen Ruinen der sogenannten Casae
gramles und volkreicher Städte. Bell unterschei-
det dreierlei Ruinen : erstens zum Theil sehr wohl-
erhaltene mehrstöckige indische Festungen, dann
unter spanischer Herrschaft gebaute Gebäude (Kir-
chen) und drittens Gebäude, von denen nur die
Grundmauern vorhanden sind. Nördlicher als im
Thale des Rio de San Juan kennt Bell keine
Ruinen, wohl aber südlicher, im Rio de Chelly, im
Canon de Chaco und besonders schöne und grosse
Ruinen am Rio Gila.
Die genannten fünf Stämme lebten stets im
Kriege mit den wilden Navajoe und Apaches. Von
ersteren wurden sie von Norden und Osten her be-
ständig belästigt, wobei dieNavajos sich als grosse
Räuber namentlich der Viehheerden zeigten. Seit
1863 jedoch sind dieselben von den Truppen der
Vereinigten Staaten besiegt und nach dem Rio Pe-
cos versetzt worden. Bell hält die Navajos für
verwilderte Abkömmlinge der alten Städtebauer
und nicht der nordamerikanischen Rothhäute. Als
Zeichen früherer Cultur findet man bei ihnen noch
die Webekunst in sehr hoher Vollkommenheit.
Während im Norden und Osten von Neu-
Mexiko die Navajos Schrecken und Verwüstung
hervorriefen, so befolgen die Apaches dasselbe Plün-
derungssystem im Süden sowie in Arizona und So-
nora; ohne aber wie jene dabei das Leben der
Geplünderten zu schonen, zeichnen sie sich im Ge-
gen theil durch rohe Grausamkeit aus.
Die Spanier schützten Anfangs die betrieb-
samen Bewohner Neu -Mexikos, die sich vorher
selbst vor den Ceberlallen der Apaches geschützt
hatten , durch die unter dem Namen Presidios be-
kannten militärischen Posten. Auf diese Weise
blühte das Minenwesen und die Viehzucht schnell
empor. Als aber die spanischo Macht später zu
sinken begann, und die Truppen von hier zurück-
gezogen wurden, so blieben jene Gegenden unbe-
schützt und wurden von ihren alten räuberischen
Feinden allm&lig ganz und gar verwüstet. Ob-
gleich die Vereinigte Staatenregierung seit 1854
die Verpflichtung eingegangen war, die Apaches
zu verhindern in Mexiko einzufallen und zu rauben,
so war sie nicht im Stande, diese Verpflichtung zu
erfüllen, da die Apaches ihre Raubzüge mit solcher
Schnelligkeit und Gewandtheit auszuführen und
sich in ganz unzugängliche Gebirgshöhen zu ver-
bergen wissen, dass die Verfolgungen derselben
vollständig vereitelt werden.
Auf eine ausführliche Schilderung der Ruinen
lässt Bell die alte Geschichte der Entdeckung
dieser Gebiete folgen, wobei er auch manche bisher
noch unbekannte Quellen benutzen konnte. Aus
den verschiedenen Berichten über die während der
Jahre 1526 bis 1582 ausgeführten Expeditionen
unter Jose de Vasconzales (1526) Cabeza de Vaca
(1527), Fray Marco de Niya (1539), Fr. Vaaquex
de Coronado (1540) und Antonio de Espojo (1582)
geht hervor, dass im sechzehnten Jahrhundert
allein im Rio Grandethal eine grössere Bevölkerung
lebt« als jetzt in ganz Neu -Mexiko und Arizona
zusammen.
Bell kommt nun zu dem wichtigen Schluss,
dass die Städtebauenden Indianer als Vorposten-
plänkler der aztekbehen Race anzusehen sind, die
zu der Zeit, als diese vereinigt und in der Fülle
ihrer Macht dastand, von den südlichen Provinzen
Mexikos wahrscheinlich in getrennten Abtheilungen
aufbrachen und verschiedene Dialekte sprechend
in jene nördlich gelegenen Länder eindrangen und
eie zu colonisiren versuchten.
Der Weg war ihnen von Natur durch die
physikalische Geographie jener Gegenden vorge-
zeichnet, nämlich durch die Provinz Sinaloa in
Sonora westlich von den Cordilleren zum Thal des
Rio Gila und dann nordwärts bis zum Canon
grande des Colorado. Einige folgten dem Rio Gila
bis zur Mündung durch die Wüste und dann den
Colorado aufwärts und scheinen mit den hier an-
ge troffen en Stimmen fraternisirt zu haben. Daher
fand Alarcon 1540 hier verschiedene Stämme. Der
Hauptstrom der Einwanderer aber wendete sich
nach Norden. Dia Apaches wurden bei dem all-
mäligen Vordringen in die Gebirge getrieben, da
man aber nicht im Stande war, sie zu überwältigen
und zu unterjochen, so bauten die Einwanderer zum
Schutz ihr er reichen Ansiedelungen die befestigten
Städte. Dieses System des Schutzes und der Ver-
theidigung gelang ihnen so gut, dass Fray Marco
und Yasquez Coronado mittendurch diese Districte
geführt wurden, die jetzt verwüstet sind und wo-
selbst erst wieder in der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts von den Plünderungen der Apaches
die Rede war. Die Städtebauer wurden in ihrem
Fortschritte nach Norden durch den Pueblo-Creek,
die Aztek-Mountains, den San Francisco Peak und.
durch die Canones vom Colorado und Flaxfluss,
welche vereinigt einen 300 engl. Meilen fast von
Ost nach West fliesaenden langen Golf bilden, im
Westen und Norden aufgehalten. Sie wendeten
sich daher nach Osten den Colorado chiquito ent-
lang aufwärts bis zu seinen Quellen und gründeten
die Königreiche von Cevola (Hauptstadt der Zunis),
drangen dann ins Navajoland ein und schütaten
es ebenfalls durch den Bau von Städten (Sieben
Moquis, Ruinen von Canon de Chaco und Volle de
Chelly). Noch weiter vordringend kamen sie von
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Referate.
133
den Quellen des San Juan ins Rio Grandetba), wo
sie noch weit geeignetere Terrains zum Anbau an*
trafen. Nun drangen sie allmälig flussabwärts,
also von Norden kommend ihrer Sage gemäss
vor, gründeten die Stadt Taos und bevölkerten das
schöne Thal so dicht, dass nur im äussersten Osten
und Westen an den Grenzen Befestigungen nöthig
waren. Endlich gelangten sie weiter im Süden bis
zu El Paso, Laguna de Gusmann und Casas Gran*
des, und so geschah es, dass das daselbst wohnende
Volk mit Recht dem Reisenden Bartlett sagen
konnte, sie wären von Norden gekommen und ihre
Festungswerke seien von Montezuma erbaut worden.
So löst sich das Rithsel, dass die Städtebau*
enden Indianer von Neu-Mexiko, nachdem sie die
Erinnerung an die frühere Einwanderung von Alt-
Mexiko verloren hatten, die Verehrung Monte*
zuma’a beibehielten und einen Grad von Civili-
sation, der in Nordamerika ganz unbekannt ist,
besitzend, dennoch sagen konnten, sie seien von
Norden, von den Quellen des Rio Grande gekom-
men.
So weit haben sie Recht, sind aber im Irrthum,
wenn sie zu beweisen suchen, sie seien vom Nord-
westen Amerikas (sogar von Kamtschatka) gekom-
men und hatten dio ungastlichen Gegenden des
oberen Colorado durchwandert und ihre Städte-
bauer und Montezuma seien von endogener Her-
kunft
Am Schlüsse seiner Arbeit berührt Bell noch
die Frage, ob die jetzige Entvölkerung eine Folge
der Verschlechterung des Landes durch geologische
und meteorologische Einflüsse sei oder ob sie durch
menschliche Vernachlässigung der Bodenverhält-
nisse hervorgebracht sei und neigt sich der letz-
teren Ursache zu. Die Entholzungen von Seiten
der Spanier behufs der Minenarbeiten und die Sitte
der Apaches, die Wälder anzuzünden, haben die
Berge entwaldet, dadurch versiegten die Quellen,
die Wasserleitungen blieben ohne Wasser und das
Land wurde trocken und unfruchtbar. Wir haben
demnach auch hier wieder einen wichtigen Beitrag
zu der von Liebig angeregten Ansicht von der
vermeintlichen Bodenerschöpfung als Ursache des
Verfalls der Cultur ehemals mächtiger Reiche (sieho
J. Conrad Liebig 1 s Ansicht von der Bodener-
schöpfung. Jena 1864). Auf der der Arbeit bei-
gefügten Karte sind leider die Abschätzungen der
Gebirgsverhältnisse vom Lithographen so dunkel
gehalten worden, dass daa ao wesentliche Verständ-
nis* der physikalischen Geographie dieser Gegen-
den ganz verloren geht und die Ortsnamen nur
mit der grössten Mühe zu lesen sind.
A. v. Frantzius.
V.
Report of exploration in Centralamerica by Dr. C.
H. Berendt. (Animal. Report of the Board of
Regents of the Smithsoniim Institution for the
year 1867. Washington 1868. pag. 420 —
426).
Dr. II. Berendt aus Danzig, der früher schon
einige Zeit als Arzt in Nicaragua und Mexiko ge*
lebt und von hier einige Arbeiten in Petermann’s
Geographischen Mittheilungen veröffentlicht hatte,
unternahm im Jahre 1865 eine wissenschaftliche
•Reise nach Peten und Chiapas, um hier seine ethno-
logischen und geographischen Untersuchungen über
die Mayavölker zu erweitern, ganz besonders aber
deren Sprache behufs der Herausgabe eines Wör-
terbuches an Ort und Stelle zu studiren.
Aufs beste vom Smithson’schen Institut in
Washington ausgerüstet, begab er sich nach Belize,
wo ihm vom Gouverneur und Kroningenieur durch
Rath und Belehrung jede gewünschte Unterstützung
zu Theil wurde, besonders aber erhielt er von dem
englischen Missionär Al. Henderson, der der
Mavasprache kundig, schon verschiedene Schriften
veröffentlicht hatte und ebenfalls mit der Her-
stellung eines MayawörterbQches beschäftigt war,
manche für seine Zwecke werthvolle Beiträge. Ira
Januar 1866 fuhr Berendt den Belizeflut» hinauf
bis Pedro Buenavisto, wo er einen Monat auf Trä-
ger warten musste. Die hier wohnenden Indianer
hassen die Mexikaner und Spanier, sind aber an*
deren Fremden sehr freundlich gesinnt.
Die Ilauptstrasse von hier bis Peten führt
durch unbewohnte Waldebenen. Die Sierra de
Yucatan der Karten existirt demnach gar nicht.
Der bewohnte Theil von Peten ist nach allen
Seiten hin. in einem Umkreise von sechs bis zehn
Tagereisen, durch unbewohnte dichte Waldungen
von den ferner liegenden bewohnten Gegenden ge-
schieden. Berendt wählte das 20 engl. Meilen
von der fast im Petensee gelegenen Hauptstadt
Flores entfernte Indianerdorf Saduk zu seinem
Aufenthalt und machte von hier ans Ausflüge bis
zum Rio Pasion, wobei er Gelegenheit hatte, die
beiden zur Mayasprache gehörigen Dialekte, den
der Petenindianer und den der am Rio Pasion
wohnenden Lacandones, zu studiren und zu ver-
gleichen; auch traf er hier zufällig Indianer von
Cahabon und Coban, durch welche er in Stand ge-
setzt wurde, sein Vocabularium der Quecchi spräche
zu bereichern, welche zwischen dem Isthmus von
Tehuantepec und dem von Honduras gesprochen
wird.
Von allen Indianern dieses Theilea von Cen-
tralamerika verdienen die Lacandones das grösste
Interesse. Einst eine zahlreiche und mächtige Na-
tion, machten sie im Verein mit den Manches und
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134
Referate.
Acalanes, welche beide jetzt vollständig ausgorottet
sind, den erobernden Spaniern viel zu schaffen;
und obgleich sie nie gänzlich unterjocht wurden,
so sind sic jetzt auf eine ganz unbedeutende Zahl
zusammengeschmolzen, die an den Quellen und im
Thale des Rio Pasion lebt.
Einige alte Schriftsteller unterscheiden die
östlichen von den westlichen Lacandoues und es
scheint in der That, dass beide verschiedenen Stäm-
men angeboren, indem die letzten an den Grenzen
des mexikanischen Staates Chiapas wohnend, eine
verschiedene Sprache, das Bogenannte Putnm iwler
Chol sprechen, welches zu einer dein Maya ver-
wandten Sprachfamilie gehört. Die Erzählungen
von Stephens, von einer grossen unzugänglichen
Stadt, beziehen sich auf diese westlichen Lacan-
dones, welche sich ebenso sehr von dem Verkehr
mit den Weissen, als von dem mit den östlichen
Lacandones fern halten.
Diese letzteren sind ein harmloser Stamm,
leben in offenen Palmblätterhütten, bauen das Feld,
pflanzen Zuckerrohr und Sisalhanf (von Fourcroya
Jaquiniana) und jagen mit Bogen und Pfeilen, die
mit Steinspitzen versehen sind. Obgleich sie ge-
tauft sind und gern ihre Gebete hersagen, so
hängen sie doch dem Heidenthum an und leben in
Polygamie, indem sie so viele Frauen nehmen, als
sie kaufen oder stehlen können.
Berondt hatte einen kleinen Waisenknaben
angenommen, und da er ausserdem bald ihre Sprache
erlernt hatte, so gewann er schnell das Vertrauen
und die Freundschaft der Lacandones, die ihm bei
seinen Ausflügen oft wesentliche Hülfe leisteten
und vom grössten Nutzen waren.
AIb Berondt im October 1866 »eine Reine
weiter nach Westen fortsetzen wollte, und von Be-
lize aus die nöthigen Reisemittel erwartete, war
durch die zwischen den Indianern und der eng-
lischen Colonic in Folge des mexikanischen Krieges
ausgebrochenen Unruhen jeder Verkehr mit jenem
Orte abgeschnitten, wesshalb sich derselbe ent-
schließen musste, nach Tabasco zu geben. Nur
mit seinen wichtigsten Papieren versehen, begab er
sich im April 1867 nach Tenosique und San Juan
Ilantistn, der Hauptstadt von Tabasco, und benutzte
die unterdessen begonnene Regenzeit zur Unter-
suchung des Usumasinta und besuchte die Ruinen
von Palenque. In dieser Gegend sammelte er Vo-
cabularien der Putum und Tzondalsprache, die in
Chiapas gesprochen wird, sowie auch vom Chontal
von Tabasco.
Privatgeschäfte führten ihn darauf nach den
Vereinigten Staaten, »her im Sommer 1868 kehrte
er wieder nach Tabasco zurück, um seine Forschun-
gen zu erweitern und seine naturhistorischen Samm-
lungen, die er zurückzuhissen gezwungen war, nb-
suholen.
Vor seiner Abreise nach Tabasco bat Berondt
der ainerikan. othnolog. Gesellschaft ein von ihm
angefertigtes analytisches Alphabet für die mexi-
kanischen und centralamerikanischen Sprachen über-
geben, welches von der Gesellschaft im Jahre 1869
veröffentlicht wurde 1 ). Mit Hülfe dieses Alphabets
ist die richtige Aussprache der in jenen Gegenden
gebrauchten Sprachen sehr erleichtert. In den
Worten derselben giobt es eine Menge feiner Ab-
stufungen in den Nasen-, Gaumen- und Zischlauten
sowie in Bezug auf die Länge und Kürze der Vo-
cale, deren Kenntnis« und Beachtung beim Lernen
jener Sprachen von der grössten Wichtigkeit ist,
da viele Worte nach diesen feinen Unterschieden
eine ganz verschiedene Bedeutung erhalten.
Nach einem Briefe den Reisenden vom 21. No-
vember 1868 an die genannte ethnolog. Gesellschaft
hat derselbe seitdem viele neue werthvolle Manu-
Bcripte der Mayasprache aufgefunden, darunter eine
wichtige unter dem Namen Libro de Cbilam ßalarn
bekannte Schrift.
A. v. Frantzius.
VI.
Der malayische Archipel, die Heimath des
Orang-utan und des Paradiesvogels. Reiseer-
lebnisse und Studien über Land und Leute
von Alfred Rüssel Wallace. Autorisirte
deutsche Ausgabe von A. B. Meyer. Braun-
schweig. 1869. 2 Vol. 8 fl .
Obschon der Hauptzweck der Wanderungen
de« unternehmenden Reisenden die Sammlung von
Insecten und Vögeln war, so konnte es doch
nicht fehlen, dass ein so guter Beobachter auch
auf anderen Gebieten Gelegenheit fand, sein Talent
zu erproben, und so ist diese Reise auch für die
Anthropologie von Wichtigkeit, und zwar nach zwei
Richtungen hin. Einmal durch die darin nieder-
gelegten Beobachtungen über die Menschen -
racen dieses Archipels und dann durch die
Nachrichten über die Lebensweise des dort heimi-
schen anthropoiden Affen, des Orang-utan.
1. Was das Erstere betrifft, so mögen wohl
seine Ansichten einigermaßen von seinen Anschau-
ungen über die geographischen Verhältnisse des
innlayischon Archipels beeinflusst sein, obgleich er
sagt, dass er schon, ehe er die Ueberzeugung er-
langt hatte, daß die östliche und westliche Hälfte
des Archipels zu verschiedenen Haupt-Erdregionen
gehören, sich veranlasst gesehen habe, die Nationen
des Archipels unter zwei scharf geschiedene Racen
zu gruppiren. Wie dem nun sei, immerhin sind
die vom Verf. mitgetheilten Beobachtungen und
*) Atuüyticsl Alphabet (»r the Meiku and Centrsl-
Auu'riran LMi?uage* bjr C. II. Heren dt. New- York 1869.
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Referate.
135
die vom Verf. mitgetbeilten Beobachtungen und
die daraus gezogenen Schlüsse der Beachtung der
Anthropologen im höchsten Grade werth.
Es war zuerst G. W. Earl, der nach wies,
dass ein seichtes Meer die grossen Inseln Sumatra,
Java und Borneo mit dem asiatischen Festland
verbinde, mit welchem auch die Naturproducte
dieser Inseln übereinstimmen, während ein ähn-
liches seichtes Meer Neuguinea und einige der an-
grenzenden Inseln, alle charakterisirt durch die
Anwesenheit von Beutelthieren , mit Australien
verbinde. Wallace hat diese Behauptung genauer
im Einzelnen geprüft und glaubt nun, auf die
Vergleichung der Naturproducte gestützt, eine
Linie ziehen zu können, welche die Inseln der-
gestalt von einander trennt, dass die eine west-
liche Hälfte sich ganz an Asien anschliesst, wäh-
rend die östliche Australien zugetheilt werden
muss. Dieeratere nennt er den indomalayi sehen,
die letztere den austral-mslayischen Archi-
pel. Diese Trennungslinie verläuft zwischen den
Inseln Bali und Lomhos, dann zwischen Borneo
und Celebes und wendet sich daun zwischen den
Molukken und Philippinen Östlich. Diese beiden
Hälften des Archipels sind nun nach Wallace auch
von zwei scharf geschiedenen Menschenraoen be-
wohnt, die westliche von der malayiachen, die
östliche von der Papuarace. Die Trennungslinie
dieser beiden Ilacen fällt jedoch, wohl ohne Zweifel
in Folge des wanderlustigen (’harakteia der Ma-
layen, mit der vorerwähnten nicht ganz zusammen,
sondern liegt etwas weiter östlich , sie verläuft
nämlich zwischen den Inseln Timor und Rotti,
geht westlich um die Insel Sumba, dann zwischen
Sumbawa und Floris durch , von da östlich durch
die Insel Buru, längs der westlichen Küste der Mo-
lukken hinauf und flieset im Norden dieser mit
der erstgenannten Linie zusammen.
A. Was nun dieMalayeu betrifft, so unterschei-
den sich die ächten malayischen Racen von andern,
welche lediglich ein malayisches Element in ihrer
Sprache haben, durch eine grosse Einförmigkeit
in ihren physischen und intellectuellen Eigen-
tümlichkeiten, während sie grosse Unterschiede
in ihrer Civilisation und Sprache zeigen. Die
Schilderung zunächst der KörperbeschafFenheit, die
Verf. als die für alle gütige giebt, ist die folgende :
Die Farbe aller dieser Stamme ist hellröthlich-
braun, mit mehr oder weniger olivenfarbigem An-
flug. Das Haar ist ausnahmslos schwarz, straff und
von ziemlich grober Textur, so dass jede hellere
Tinte oder jede Welle oder Locke darin einen fast
sichern Beweis für die Vermischung mit fremdem
Blut ahgiebt. Das Gesicht ist fast ganz ohne Bart
und Brust, Arme und Beine sind frei von Haaren.
Ihre Statur ist ziemlich gleich gross und stets be-
trächtlich unter dem Durchschnitt der europäischen;
der Körper ist stark, die Brust gut entwickelt, die
Füsse klein, dick und kurz, die Hände klein und
ziemlich zart. Das Gesicht ist ein wenig breit
und neigt zur Flachheit, die Stirn gerundet, die
Brauen niedrig, die Augen schwarz und leicht
schief stehend; die Nase ziemlich klein, nicht her-
vorragend, sondern grade und gutgeformt, die
Spitze ein wenig gerundet, die Nasenlöcher breit
und leicht aufgeworfen, die Backenknochen ziem-
lich hervorstehend, der Mund gross, die Lippen
breit und schön geschnitten, aber nicht heiwor-
stehend, das Kinn rund und wohlgebildet.
Ihrem Charakter nach schildert Wallace die
Malayen als sehr zurückhaltend, blöde, misstrauisch.
Der Malaye ist, sagt unser Autor, nicht demon-
strativ. Die Gefühle der U eberrasch ung, der Be-
wunderung, dor Furcht werden nie offen zur Schau
getragen und wahrscheinlich auch nicht tief em-
pfunden. Er spricht langsam und überlegend,
spricht und singt nie, wenn er allein ist; wenn
Mehrere zusammen in einem Canoe rudern, so
singen sie gelegentlich ein monotones nnd klagen-
des Lied. Wirkliches Scherzen ist seiner Natur-
anlage ganz zuwider. Eino Verletzung der Eti-
quette oder irgend einen Eingriff in seine persön-
liche Freiheit oder in diu eines Andern empfindet
er besonders tief. Die höhern C lassen der Malayen
sind nach unserm Gewährsmann ausserordentlich
höfliche Leute und sie haben alle das ruhige Wesen
und die Würde deH besterzogenen Europäers. Doch
ist dies vereinbart mit einer rücksichtslosen Grau-
samkeit und Verachtung des menschlichen Lebens,
welches die dunkle Seite ihres Charakters nusmacht.
Es erklärt dies, wie frühere Reisende die wider-
sprechendsten Berichte über den Charakter dieses
Volkes geben konnten. Die Malayen bestehen nach
Wallace aus einem grossen und einigeu kleineren
halbcivilisirten Stämmen und einer Anzahl solcher,
welche man Wilde nennen kann. 1. Die eigent-
lichen Malayen bewohnen die Halbinsel Maluku
und fast alle Küsten gegenden von Borneo und
Sumatra. Sie sprechen alle die malayische Sprache
oder Dialekte derselben, sie schreiben mit ara-
bischen Buchstaben und sind ihrer Religion nach
Muhamedaner. Von diesen ächten Malayen er-
zählt der Verfasser im Verlauf seiner Schilde-
rungen manche charakteristische Züge; so sagt er
von den Einwohnern von Palembang (Sumatra):
„Die Eingeborenen Bind ächte Malayen, sie bauen
nie ein Haus auf dem Trocknen, wenn sie Wasser
Anden und geben nirgends zu Fuss hin, wenn sie
den Ort in einem Kahn erreichen können. “ Diese
„seefahrenden“ Eigenschaften erklären Vieles in der
weiten Verbreitung der Malayen (I. S. 174). Und
weiter (8. 179) bei einer andern Gelegenheit spricht
Verf. seine Meinung dahin ai«, dass die Malayen
ursprünglich ein seefahrendes und wasserliebendeB
Volk gewesen sind, welches seine Häuser auf Pfc-
sten am Wasser aufbaute und nur allmählig land-
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Referate.
einwärts zuerst die Flüsse und Bäche hinauf und
dann ins trockene Innere gewandert ist. 2. Die
Javaner bewohnen Java, einen Theil von Sumatra,
Madura, Bali und einen Theil von Lombok; sie
sprechen die javanische und die Kawi- Sprache,
welche sie mit eigenen Buchstaben schreiben. Sie
sind jetzt Muhamedaner auf Java, aber Braminen
auf Bali und Lombok. 3. Die Bugis sind die
Einwohner des grössten Theils von Celebes und
das Volk von Surobawa scheint ein verwandtes
zu sein. Sie sprechen die Bugis- und Maugkassar-
Spracbe in Dialekten und haben zwei von ein-
ander verschiedene Buchstaben, mit welchen sie
diese schreiben. Sie sind alle Muhamedaner. Als
eine vierte grosse Race, die aber Verf. nicht aus
eigener Anschauung kennt, kann die der Ta-
galen auf den Philippinen bezeichnet werden
(von denen viele jetzt Christen sind und die das
Spanische so gut als ihre eigene Sprache, das Ta-
gala, reden), und als eine fünfte die Molukken-
Malayen, welche hauptsächlich Tomate. Tidor,
Batchian und Amboina bewohnen. Sie sind alle
Muhamedaner, aber sprechen eine Menge seltsamer
Sprachen, welche aus den Bugis-, den javanischen
und anderen Sprachen der wilden Stämme der
Molukken zusammengesetzt scheinen. Eine sechste
Abtheilung bilden die wilden Stämme; das sind
die Dajaks von Borneo, die Battaks und andere
wilde Stämme von Sumatra, die Jakutis der Dia*
layischen Halbinsel, die Ureinwohner von Nord-
Celebes, der Sula-Insel und eines Theiles von
Buru. Von den Dajaks giebt er au, dass ihre
Durchscbnittsgrösse bedeutender sei als die der
Malayen, allein beträchtlich unter der der meisten
Europäer bleibe; ihre Formen seien gut propor-
tionirt, Hände und Füsse klein und sie erreichen
selten oder nie den Körperumfang, den man oft
bei Malayen und Chinesen sehe, ln Betreff ihrer
intellectuellen Capacität ist Verfasser geneigt, die
Dajaks über die Malayen zu stellen; was ihren
moralischen Charakter betrifft, sollen sie unzweifel-
haft höher stehen. Sie sind nach unserm Autor
einfach, ehrlich, lebhafter, geschwätziger, weuiger
geheimnisvoll und weniger misstrauisch als die
Malayen. — In einem Punkt scheint, wie uns dünkt,
die ethnographische Anschauung unsere Autors et-
was mehr als billig von seinen geographischen An-
sichten beeinflusst; er sagt einmal, die malayische
Race als Ganzes gleiche zweifellos sehr genau der
ostaeiatischen (mongolischen) Bevölkerung von Siam
bis nach der Mantschurei und fügt zum Beweise bei,
er habe auf der Insel Bali chinesische Händler ge-
sehen , welche die Sitten jenes Landes angenommen
hatten und kaum von den Malayen unterschieden
werden konnten, und auf der andern Seite habe er
Eingeborene von Java gesehen, welche, was ilire
Physiognomie anlangt, sehr gut für Chinesen gel-
ten konnten.
B. Sehr verschieden von der malayischeu ist
nun die Papua- Race. Die Farbe des Körpers
ist tief schwarzbraun oder schwarz; sie erreicht
zwar nie das Kohlschwarz einiger Negerracen, aber
nähert sich demselben manchmal. Das Haar ist
sehr eigenthQmlicb rauh, trocken und gekräuselt
und wuchst in kleinen Büschelu oder Locken,
welche in der Jugend sehr kurz und compakt sind,
aber später zu einer beträchtlichen Länge Aus-
wachsen und die compakte gekräuselte Perrücke
bilden, in welcher des Papua's Stolz und Ruhm
besteht. Das Gesicht ist mit einem Barte von der-
selben krausen Art wie das Kopfhaar geschmückt.
Die Arme, die Beine und die Brust sind mehr oder
weniger mit Haaren gleicher Art bekleidet. In
seiner Statur übertrifft der Papua entschieden den
Malayen und ist dem Durchschnittseuropäer viel-
leicht gleich oder selbst überlegen. Die Beine sind
lang uud dünn und die Hände und Füsse grösser
als bei den Malayen. Das Gesicht i*t etwas ver-
längert, die Stirne flach, die Brauen sehr hervor-
stehend, die Nase gross, ziemlich gebogen uud
hoch und die Oeffnungen derselben hinter der ver-
längerten Nasenspitze verborgen; der Mund ist
groes, die Lippen dick und aufgeworfen; das Ge-
sicht hat daher in Folge der grossen Nase im
Ganzen ein mehr europäisches Aussehen als das
des Malayen und die eigenthümliche Form dieses
Organs, die hervorstehenden Brauen uud der Cha-
rakter des Haares auf dem Kopfe, im Geeicht und
auf dem Körper setzen uns in den Stand, die bei-
den Racen auf einen Blick zu unterscheiden. Verf.
bemerkt dabei, dass die eigenthümliche Form der
Nase stets auch in den Figuren dargestcllt werde,
welche sie als Schmuck für ihre Häuser schnitzen,
oder als Amulette um den Hals tragen. Refcreut
kann dem beifügen, dass an den als Siegestrophäen
aufbewahrten Schädeln dasselbe stattflndet; er be-
sitzt einen derartigen Schädel aus der Torres-
st rosse, an welchem eine Nase, aus Hols geschnitzt,
und Augen aus Muschelschalen angebracht sincT.
Die erstero zeigt ebenfalls vollkommen die eben
beschriebene gebogene Form.
Die moralischen Charakteristiken scheinen ihn
nach Wallace eben so deutlich von dem Malayen
zu unterscheiden, wie seine Gestalt und seine Ge-
sichtszüge. Er ist impulsiv und demonstrativ in
Sprache und Handlung. Seine Erregungen und
Leidenschaften drücken sioh in Schreien und Ge-
lächter. in Geheul und ungeatümen Sprüngen aus-
Die Schilderung der ersten Papua’s, die Wallace
sah, als er in einem Boot von Mangkassar nach
den Aru-Inseln reiste und eine Anzahl Papua’s der
Kei-Inseln an Bord kamen (Bd. II, S. 163 der
Uebersetzung) ist eine so plastische, dass wir ganz
besonders darauf aufmerksam machen. Der Gegen-
satz dieser unruhigen wilden Horde gegon die
ernsten Malayen ist ein so grosser, dass Wallace
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Referate.
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sagt : „wenn ich blind gewesen wäre, so hätte ich
sicher sein können, dass diese Inselbewohner keine
Malayen sind- Nicht einer der vierzig schwarzen
nackten hässlichen Wilden konnte auch nur einen
Moment still sein. Sie drückten ihre Zufrieden-
heit durch Grinsen und Schreien aus, wälzten sich
auf Deck hin und her und stürzten sich kopfüber
über Bord. Schulknaben an einem unerwarteten
Feiertage, Irländer auf einem Jahrmarkt oder See-
kadetten am Lande geben nur eine schwache Vor-
stellung von der übermässigen thierischen Freude
dieser Menschen.“ — und weiter — „die Malayen
kamen mir hierbei vor, wie eine Gesellschaft be-
scheidener und wohlerzogener Kinder, in welche
plötzlich eine Schaar wild sich balgender, ausge-
lassener Knaben liincinbricht, deren Betragen höchst
aussergewöhnlich und sehr ungezogen zu sein
scheint.“
Die typischen Papuas bewohnen Neu-Guinea,
die Kei- und Aru-Inseln mit Misole Salwatti
und Wageu, dann Timor und Samoa.
C. Zwischen diesen beiden ungemein scharf
geschiedenen Racen, den Papuas und den Malayen
zerstreut, wohnen nun noch eine Anzahl von Völ-
kerschaften, die mit keiner der beiden Racen ganz
überein stimmen und die man als intermediäre
Racen bezeichnen kann. Zu diesen rechnet Wal-
lace die Bewohner der nördlichen Halbinsel von
Dschilolo (Alfurcn v. Sahoe und Galela), die von
den Malayen fast ganz verschieden seien und eben-
so von den Papuas (gross und wohl gebaut, mit
papuanischen Gesichtszügen und krausem Haar,
bärtig und am Körper haarig, aber eben so hell
in der Farbe wie die Malayen). Dieser ähnlich sei
die eingeborene Race von Ceram. Auf der Insel
Buru scheinen zwei Racen zu existiren, die eine
der eben erwähnten gleich, die andere klein, mit
rundem Gesicht und malayischer Physiognomie. —
Während die Ti morosen und die Bewohner von
Samoa den Charakter der Papuas zeigen, sollen
dagegen die der westlich von diesen gelegenen
Inseln Sawu und Rotti sehr verschieden, sowohl
von den Malayen als den Papuas, sein und mit
ihren schön geformten Zügen, den graden dünnen
Nasen und ihrer klaren braunen Gesichtsfarbe mehr
Hindus ähneln, oder der Race, die durch eine Mi-
schung des Hindu oder Araber mit dem Malayen
hervorgebracht ist. Die schwarzen wollhaarigen
Racen der Philippinen (Negritos) und der malay-
ischen Halbinsel (Semangs) hat Verf. nicht selbst
gesehen, glaubt aber, dass sie wenig Verwandt-
schaft mit den Papuas haben, mit denen sie bis
jetzt zusammengestellt worden seien.
Die Trennungslinic der beiden Hauptracen,
der inalayischen und der Papuarace, Haben wir oben
angegeben, ebenso, dass Wallace, wie wir glau-
ben, der Natur einige Gewalt antbuend, die erstere
mit den oatasiatischen Racen zusammenwirft. Was
Archiv für Anthropologie- Bd. IV. lieft 1L
nun aber den östlich von dieser Linie gelegenen
Theil des Archipels betrifft, so ist Wallace, auf
Grund seiner eigenen und fremder Beobachtungen
geneigt, anzunehroen, dass eine in allen ihren
Hauptlügen mit den Papuas identische Race auf
allen Inseln bis nach Osten auf den Fidschi-Inseln
angetroffen werde; jenseits dieser sei die braune
polynesische Race oder ein intermedianer Typus
überall bin über den stillen Ocean verbreitet Wei-
ter bemerkt aber dann Verf., dass „die braune
und die schwarze polynesische Race sich einander
genau gleichen. Ihre GeaiclitszDge sind fast iden-
tisch, so dass Porträts eines Neuseeländers oder
Otatciticrs oft genug dazu dienen können , einen
Papua oder Timoresen darzustellen, indem die dunk-
lere Farbe und das krausere Haar der letzteren
die einzigen Unterschiede ausmachen . u Verf. hält
also die Braunen und Schwarzen, die Papuas, die
Eingeborenen von Dschilolo und Ceram, die Fid-
schi-Insulaner, die Einwohner der Sandwich-Inseln
und die von Neuseeland alles für variirendc For-
men einer grossen ocean i sehen oder polynesischen
Race und die zahlreichen intermediären Formen,
welche auf den zahllosen Inseln des stillen Oceans
Vorkommen, nicht für da* Resultat einer Mischung,
sondern für wirklich intermediäre oder Ueber-
gangsraceu. Von der Verwandtschaft der Papuas
mit der australischen Race, die doch eigentlich fast
die nothwendigate Consequenz seiner Theorie wure,
spricht Wallace merkwürdiger Weise gar nicht.
Wir müssen überhaupt gestehen, das« in dieser
letzteren Frage unser Autor den Boden des beob-
achtenden Naturforschers etwas za sehr verlassen
zu haben scheint, dessen Aufgabe es vielmehr ist,
die unterscheidenden Merkmale sorgfältig aufzu-
suchen, als Racen nach jedenfalls lange uicht ge-
nügend erkaunten Charakteren zusammenzu werfen.
In einem Anhang (Schädel und Sprachen der
Menschenracon des inalayischen Archipel) kommt
endlich Verf. auch auf die craniologischen Unter-
schiede zu sprechen. Craniologische Studien hat
der Verf. auf seiner Reise nicht gemacht, auch
scheint ihm die Anatomie überhaupt ziemlich fern
zu liegen. Das Material zu den in diesem Anhang
gemachten Vergleichungen lieferte ihm das Werk
von Davis (Thesaurus Craniorum). Er nahm drei
Maasse heraus, die Capacit&t, den Scbadelindex und
den Höhenlängenindex, und verglich diese bei 83
malayischen Schädeln, 28 Papuas (darunter vier
ächte, der Rest von den Solomons- u. den Fidschi-
Inseln etc.), 156 Polynesier, 23 Australier, 72 Ne-
ger. Die einzigen Schlüsse, welche er aus seiner
Tabelle ziehen zu können glaubt, sind die, dass
die Australier die kleinsten Schädel, die Poly-
nesier die grössten haben; Neger, Malayen diffe-
riren nicht wesentlich in der Grösse. Die Austra-
lier haben die längsten Schädel, dann dio Neger,
die Papuas, die Polynesier und die Malayen. Die
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Australier haben auch die niedrigsten Schädel«
dann die Neger, die Polynesier und Papuas mit
beträchtlich höhern und gleichen und die Maluyen
mit den höchsten. Ganz richtig fügt Wallace am
Schlüsse bei : „Es scheint daher wahrscheinlich,
dass wenn wir eine viel ausgedehntere Reihe von
Schädelu hatten, die Durchschnittszahlen uns ziem-
lich zuverlässige Uacencharaktere geben würden,
wenn sie auch, in Anbetracht der bedeutenden indi-
viduellen Verschiedenheiten, in einzelnen Beispielen
nie etwas nützen und auch nicht, wenn eine nur
mässige Zahl verglichen werden kann.
11. Die zweite Reihe der für uus interessanten
Mittheilungen bezieht Bich auf den Orang-utan
oder Mias, wie ihn die Eingeborenen nennou, über
dessen Lebensweise natürlich jedwede genauere
Mittheilnug ein besonderes Interesse in Anspruch
nimmt. Wallace war so glücklich, einen ganz
jungen weiblichen Orang-utan zu bekommen und
denselben nahezu drei Monate am Leben zu er-
halten und zu beobachten. Im Vergleich mit einem
jungen Affen (Macacus cynomolgus), den Verf. zu
ihm in denselben Kasten setzte, benahm sich der
kleine Uraug, was Unbehülflichkcit und Unarten
betrifft, entschieden sehr anthropoid. Auch über
die Sitten des erwachsenen Thiers, von denen er
17 erlegte, theilt Verf. manches Interessante mit,
in Betreff dessen wir aber den Lener auf das Buch
selbst verweisen müssen (Bd. 1. Cap. 4).
VJI.
L. Geiger, Der Ursprung der Sprache. Stuttgart,
1869. XXX. 282. SS.
Der Ursprung der Sprache, diese Frage, die
von jeher die kühnsten Denker beschäftigt hat,
musste ein neues Interesse gewinnen, seitdem die
Naturwissenschaft der Erforschung der Urzustände
de* Menschengeschlechts ihre tiefste Theilnahme
zugewaudt hat. Auf der andern Seite hat die
Sprachwissenschaft in unserm Jahrhundert eine
ganz andere Gestalt au genommen : an die Stelle
der früheren etymologischen Spielerei ist die Sprach-
vergleichung getreten, die in den scheinbar gröss-
ten Abweichungen du» Resultat einer nach stren-
gen Gesetzen fortschreitenden Entwicklung nach-
gewiesen hat. Wesentlich von der letzteren Seite,
von der Sprachwissenschaft aus, deren bisherige
Ergebnisse er sicher beherrscht, geht Geiger dar-
auf aus, das in den Naturwissenschaften so mäch-
tige Priueip der Entwicklung auch auf die Unter-
suchung des ältesten Sprach bestände« anzuwenden
und in immer kleineren Kreisen die Entstehung
der Sprache und damit der Vernunft auf einen
Punkt zurückzuführen.
Doclt verfolgen wir die Gedaukenreihe des
Verf. nach seiner Anordnung. Der I. Abschnitt
bespricht die bisherigen Versuche, den Ursprung
der Sprache zu erforschen. Das Ergehn iss ist die
Aussichtslosigkeit der bis jetzt «ungeschlagenen
Wege, ein Ergehn iss, das von der Sprachwissen-
schaft selbst ausgesprochen ist, indem sie wohl die
Aufgabe anerkennt, den ältesten Sprachbestand
darzustellen, hier die Wurzelu, dort die Beziebungs-
eleineute und ihre Bedeutung zu bezeichnen, da-
gegen die Frage unbedingt zurück weist, warum
diese oder jeue Lautverbindung diese oder jene
Bedeutung habe. Die Vertreter der Sprachwissen-
schaft glauben hier den Boden des beweisbaren zu
verlassen und damit über die Grenzen der Wissen-
schaft hinauszugehen.
Geiger wagt diesen Schritt, indem er zu-
nächst (11.) eine allerdings verbreitete Ansicht
über den Sprachzustand der vorhistorischen Zeit
vernichtet Die Meinung war bisher, dass die Wur-
zeln, das letzte Ziel, welches die Sprachforschung
erreicht butte, mit einerlei Lauten auch einerlei
Bedeutung verbunden hätten. Gewiss mit vollem
Recht weist Geiger dies zurück: ein solcher Höhe-
punkt, von dem die spätere Entwicklung der Be-
deutungen »»«gegangen wäre, ist nicht denkbar;
wie in den spätesten, fo muss auch in den frühsten
Zeiten eine stetige, wenn auch unmerkbar lang-
same Veränderung stattgefundeo haben.
Sehr schön wird (111.) als der Hebel dieser
Bewegung die Verwechselung naehgewiesen. Die
Analogie ist es, welche von einem Begriffe zum
andern überleitet Indem der Mensch die Ver-
schiedenheit der bemerkte«! Gegenstände wahr-
nimmt, indem er dos ursprünglich allein erfasste
allgemeine Bild von den Besonderheiten trennt,
erweitert er sein Sprachgebiet. Das hauptsäch-
lichste Mittel seiner Wahrnehmungen aber ist der
Gf'sichtssinn; durch das Wachsthum der Empfin-
dungen dieses Sinnes geht die Sprachentwicklung
vor sich; ja Geiger will auf sie den letzten Ur-
sprung der Sprache zurückführen.
Was wild nun zuerst wahrgenommen? Diese
Frage behandelt der IV. Abschnitt. Es sind überall
die Bewegungen und zwar vor allem die mensch-
lichen. Keine eher aber als die des menschlichen
Antlitze*, das Schließen, Verzerren etc. des Mun-
de«. „Das erste Sprachobject trifft aller Wahr-
scheinlichkeit nach mit demjenigen selbst zusam-
men, wodurch es zum Ausdrucke kam: es war eine
dem ersten Sprachlich rei, der ersten Sprachbewe-
gung vielleicht völlig gleichende gesehene und
gehörte Bewegung eines menschlichen Mundes“
(Seite 1C5).
Der V. Abschnitt bespricht das Verhältnis«,
in welchem die menschliche Sprache und Vernunft
zu den Fähigkeiten der Thiete steht. Den Haus-
thicren wird wenigsten* ein beschränktes V erst And-
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Referate.
13 »
niss de« menschlichen Wortes zugewiesen, der In-
stinct der Biene dagegen als etwas durchaus ver-
schiedenes aufgezeigt Es aehli essen allgemeine
Betrachtungen über das Wesen der Vernunft und
die Behauptung eines Wachsthums, welche« sie von
den niederen Stufen zu der Höhe geführt habe, in
der wir Bie in den grossen Geistern unseres Ge-
schlechtes bewundern.
Soweit die Grundzüge des Buches, wenn ea
uns möglich gewesen ist, ihnen mit wenigen allge-
meinen Worten gerecht zu werden. Von der Fülle
feiner Bemerkungen, die theils als Ausführungen
im Texte, theils als Belege in den Anmerkungen
sich finden, konnte hier auch nicht eine Probe ge-
geben werden. Der Sprachforscher wird sie ebenso
dankbar aufnehmen, als der Anthropologe aus ihnen
die Ergebnisse der jetzigen Sprachwissenschaft er-
fahren wird.
Freiburg i. B. Ernst Martin.
VIII.
His, lieber die Bedeutung der Entwicklungsge-
schichte für die Auffassung der organischen
Natur. (Ilectoratsrede, gehalten in Basel am
4. November 1869.) Leipzig. 1869. 8®. 40 S.
Der um die Entwicklungsgeschichte so sehr
verdiente Verf. hat in dieser Schrift die Bedeutung
der interessanten Ergebnisse, zu welchen ihn seine
Studien über die allerersten Entwickluugsvorgänge
beim Hühnchen führten, nach verschiedenen Rich-
tungen genauer dargelegt und die Beziehungen, in
welchen die Entwicklung der Individuen zur Ent-
wicklung der Species stellt, einer Betrachtung
unterzogen. Bekanntlich waren die ersten Vor-
stellungen, die man sich über Entwicklungsvor*
gange machte, sehr mechanischer Art. wie auch
aus den eingeführten Bezeichnungen: Einstülpung,
Ausstülpung, Faltung etc. hervorgeht, und Forscher
wie Bür und Bi sc ho ff sahen sich veranlasst, go-
gen eine zu mechanische Auffassung von Vorgängen
zu plaidiren, die reine „ Wachsthumserscheinungen“
seien. Dass dieses langsame Wachet hum selber
nun aber in der That doch ein durch mechanische
Gesetze beherrschter Vorgang ist, das nachgewiesen
zu haben ist das grosso Verdienst des Verfassers,
und die mechanischen Grundgesetze des Wachs-
thums des Keims, die er hierbei gefunden hat
überraschen in der That durch ihre Einfachheit
sowohl als durch ihre weitgreifende Herrschaft.
Aus dem fundamentalen Faltenwurf des blatt-
förmigen Keims, der in Folge des nicht überall
gleichmässigen Wächsthum« nach mechanischen
Gesetzen an bestimmten Stellen entstehen muss,
resultirt mit zwingender Nothwendigkeit die
ganze spätere Gestaltung de.» Embryo, und die
kleinste Differenz in der Anlage dieser primitiven
Faltungen kann die grössten Verschiedenheiten im
späteren Bau bedingen. „So wird dadurch,
dass wir von der Gestaltung als von der
abgeleiteten Function auf das Wachsthum
als die Grundfunction zurückgehen, nicht
nur die Geschichte individueller Körper-
bildung zu einem mechanischen Problem,
sondern es erscheint auch die Beziehung
der verschiedenen organischen Formen zu
einander in einem neuen sehr viel verein-
fachten Lichte.“ — So müsse schliesslich das
Wachsthum jede« organischen Keime, als ein nach
/eit und Raum streng noriuirter Vorgang, einen
mathematischen Ausdruck besitzen, in welchem die
Wachsthumsgeschwindigkeit jedes Punkte« in ihrer
Abhängigkeit von der /eit und von der Lage be-
stimmt ist. Auch das grosse Reich organischer
Gestalten sei der Herrschaft der Zahlen nicht ent-
zogen, gelte doch diese selbst in den weit höheren
Sphären physischen Lebens. Verf. weist dann dar-
auf hin, wie sich durch diese mechanische Auf-
fassung die lange abgebrochene Verbindung zwi-
schen morphologischer und physiologischer Betrach-
tungsweise wieder herstelle, wie die Begriffe von
Typus und Homologie nun nicht nur eine histo-
rische, sondern eine mechanische Bedeutung be-
kommen, wie das Prinzip der Einheit (Harmonie
de» Typus) erst jetzt eine schärfere Begründung
erhalte und wie erst jetzt ein physiologische«
Verständnis« der Hnmologieen ermöglicht werde.
Der Darwinschen Lehre gegenüber bemerkt der
Verf., dass wenn dio genealogische Verwandtschaft
der organischen Wesen wirklich in jener Alles um-
fassenden Ausdehnung bestehe, wie sie die Theorie
stutuirt, die typischen und entwicklungsgeechicht-
lieben Uebereinstimmungen allerdings als selbst-
verständliche Consequenzen erscheinen. Aus die-
sen aber auf die Blutsverwandtschaft zurückzu-
schliessen, möchte von dem Augenblick an nicht
mehr gestattet sein , da sich Aussicht eröffnet,
„diu verschiedenen Entwicklungsrichtungen als er-
schöpfende Verwirklichungen eines mathematisch
bestimmbaren Kreises möglicher Wachsthumsweiscn
zu erkennen. Auch die Krystalle der unbelebten
Natur lassen sich nach ihren Formen in Reihen
ordnen, ohne dass wir deshalb diesen Formenreihen
die Bedeutung von Entwicklungsreiben znzuschrei-
ben versucht sind.“
13 "
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vm.
Kleinere Mittheilungen.
1. Die Chiloten. Au« einem Schreiben von Dr.
Carl Martin, Arzt in Puerto Montt (Süd-
chile), 20. December 1869.
.... Wir sitzen hier in einem der von den
Culturcontrcu entferntesten Winkel, an einem der
Endpunkte der grossen Postlinien, die die Erde
überziehen. Unsere Bevölkerung besteht aus eini-
gen Beamten und Auswürflingen der chilenischen
Oligarchie, aus einem bunten Gemisch von Seeleu-
leuten und Krämern aller Kationen , welche eben-
falls die spanische Sprache als Umgangssprache
benutzen — darunter Vollblutneger, Hindus, Nord-
amerikaner, Norweger, Böhmen u. s. f. — aus einer
festgescblosseneu deutsch-evangelischen und einer
deutschen katholischen, von den Jesuiten geleite-
ten Gemeinde, und endlich aus einem alle anderen
Classen an Zahl überwiegenden, aber ausserordent-
lich schwankenden Contingente chilenischer Holz-
arbeiter und sonstiger Tagelöhner, von allen ande-
ren verachtet« Parias. Sie sind fast rein indiani-
scher Abkunft, gehören aber zu den von den fest-
ländischen Indianern tief verachteten Indianern
der Inseln, die sich nicht wie die Araucauer und
Patagonier von Jagd und Feldfrüchten , sondern
habptsüchlich, den Feuerländeru entsprechend, von
Seeauswürfen , Muscheln, Schnecken, Tang u. b. w.
nähren. Sie werden nach der Insel Chiloe, von
welcher sie meist kommen, Chiloten oder dem Stande
nach Peones oder Trabajadores de leüa genannt.
Ihnen stehen alle anderen als Caballeros gegen-
über, am meisten feindlich oder wenigstens exclu-
siv die echten Chihener aus dem Norden.
Diese Chiloten scheinen nun noch nicht so
sehr weit über die Lebensweise der Pfahlbauten-
bewohner hinaus zu sein. Sie wohnen gern am
Meeresstrande, beschäftigen sich dann sehr viel
mit dem Aufsuchen und Ausgraben der sehr gros-
sen und zahlreichen Seethiere, die sie fast alle essen,
entweder roh oder auf sehr verschiedene Weise
zubereitet. Besonders beliebt ist bei ihnen eine
Festlichkeit, „curanto“ genannt, die darin besteht,
dass in die Erde heisse Steine geworfen werden,
darauf alle möglichen Seethiere, sowie andere Spei-
sen , besonder« die hier ausserordentlich Üppig,
auch wild gedeihende Kartoffel, „papa“, dieStaroni-
nahruug der Feuerländer und Chiloten ; darauf
wieder heisse Steine. Sonst werden die Muscheln
und Schnecken aus ihren Schalen und Gehäusen
genommen, an Binsen aufgereiht und über dem
stets brennenden Feuer (von dem ja auch Feuer-
land seinen Namen hat) geräuchert oder auch mit
Pfeffer, namentlich dem „Azi* genannten rothen
Pfeffer genossen. Wo solche Chiloten gewohnt
haben, da erkennt man die Stätte an dem Küchen-
abfalle, den überaus zahlreichen Kesten von Mü-
cheln oder Schneckenschalen, die grosse Haufen
bilden und fast die ganze Küste bedecken, auch
weit einwärts den Zügen dieser Leute folgen.
Die Chiloten sind recht gute Seefahrer, sowie
sehr kräftige, ausdauernde Holzhauer und Träger.
Im Frühjahr, September bis Januar, kommen eie
herüber: mit jedem Südwinde habe ich ihre klei-
nen hübschen Segler, „Lauchas“, von den gegen-
überliegenden Inseln herüberfahren gesehen. Von
hier gehen sie dann meist an der Küste entlang
oder gleich ins Land hineiu und suchen Alercale
oder Schläge von Alercebäumen. Es sind dies
grosso Waldbäume, die in botanischer Hinsicht den
Cypressen nahe stehen , aber auch einige Aehnlich-
keit mit unseren Fichten haben*). Ein ursprüng-
licher Alercenwald muss aber etwas düsterer und
kahler als ein Fichtenwald Bein, da die Bäume viel
grösser und stärker sind und viel weniger Laub tragen,
da sich ferner ihre Wurzeln über der Erde thei-
♦) Alerce (tu deutsch „Lärche“, ein Wort wohl des-
selben Stamme« mit Alerrc) i«t sicher eine Araucaria- Art;
denn l’inus und Larix kommen bekanntlich auf der südlichen
Hemisphäre nicht vor und werden durch andere Gattungen
vertreten. Den Namen Alerce (Lärche) gaben die Spanier
diesem Baum ohue Zweifel wegen einer gewissen Aehnüch-
keit desselben mit der ihnen bekannten Lärche.
Die Red.
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Kleinere Mitrheilungen.
len und ausbreiten und ihre Rinde sehr hell ist.
Neulich habe ich zum ersten Male einen freilich
schon behauenen Alercal gesehen. Welch öder An-
blick! Weithin nichts als weisse, grau und schwarz
angekohlte Stamme, die ihre abgestorbenen Aeste
wie klagend in die stille Luft streckten. Darunter
ein wildes Gewühl von abgehauenen , umgefallenen
Bäumen, frischen oder verkohlten Spänen, wildver-
flochtenen Wurzeln über dem tiefen Sumpfe oder
den braunen Wasserpfützen. Die Alcrcctannen
wachsen nämlich immer auf sumpfigen Terrassen
zwischen grünem Urwalde, wie er die Abhänge
der Bergrücken bedeckt. Durch solchen Urwald,
aus vielen Laubbäumen aller Art, bambusartigem
Rohre uud wunderbar schönen Schlingpflanzen und
Schmarotzern verfilzt, hauen sich die Holzhauer
durch; sie machen sich Wege, indem sie über Berg-
abhinge, Abgründe, Sümpfe, Bäche, Wasserfalle
u. s. w. Bäume mit eingehauencu Stufen und Trit-
ten hinlegen, die freilich für Stiefel sehr schlüpfrig
zu sein pflegen. Im Alercale selbst machen sie
sich Platz, indem sie die abgefalleuen und abge-
storbenen Aeste abbrennen. Dann hauen sie die
passenden Baume um und bearbeiten sie An Ort
und Stelle unter einer improvisirten Bretterhütte,
entweder zu Vigas(Balken) oder Tablillos (Pfosten),
zu Mochos (Eisenbahnschwellen) oder Tablas (Dach-
schindeln), von denen jede Sorte genaue Länge,
Breite und Dicke haben muss, kein Astloch, keinen
Sprung, noch irgend einen Fehler haben darf.
Dann werden die Vigas von Ochsen weggeschleift,
die übrigen Ilolzstücke aber auf dem Rücken getragen.
Für den Ochsentransport müssen natürlich beson-
dere Wege hergerichtet werden, für den Transport
der übrigen Gegenstände dienen die erwähnten
Naturbrücken, auf denen kolossale Lasten (ein Chi-
lote trägt mehr als ein Pferd) meilenweit in schnel-
lem Laufe auf schwankenden Balken hin, über
grosse u rüge falle ue Bäume weg, fortgetragen wer-
den. An der nächsten bewohnten Stelle verkaufen
oder vertauschen dann die Chiloten das Holz an
den sogenannten „Patron“. Sie arbeiten nämlich
nie selbstständig, sondern immer im Aufträge eines
Händlers, am liebsten eines deutschen Colonisten.
So hat sich ein ganz eigentümliches Feudal Ver-
hältnis« ausgubildct. Jeder Colonist besitzt mehr
Land als er selbst bebauen kann, die meisten auch
sogenannte Vorderchacaras, hinter denen grosse
Hinterländer liegen, zu welchen der Weg von ihrem
Grundstück aus führt. Auf diesen Ländereien nun
beschäftigt er als sogenannte „Iuquilinos“ Arbei-
ter, meist Chiloten, als Tagelöhner, Viehhirten und
gewöhnlich als Holzhauer. Den Lohn zahlt er
fast immer zum grössten Theil in Waaren aus, von
denen er stets viel vorräthig hat: Brot, Fleisch,
Baumwollen- und Wollenzeuge, Branntwein u. s. w.
Er nimmt dafür das Holz in Empfang, zeichnet es
mit 9«incr Marko, einem Stahlstempcl , der arn
141
Rücken eines Beiles angebracht, jedem Stück an alle
Flächen eingeschlagen wird, so dass man, ohne
das Stück unverkäuflich zu verkleinern , sie nicht
wieder unkenntlich machen kann. Dann wird
das Holz entweder ans Meer geschleift, oder bei
den Colooien am See auf diesem in Flössen nach
dem Puerto Varas gebracht, hier auf Wagen auf
dem recht guten Fahrwege nach unserem Hafen
gefahren, da von den Kaufleuten, meist Deutschen,
dem eigentlichen Kerne unserer deutschen Ge-
meinde, in Speicher, „Bodegas“, gelegt und dann
nach dem Norden von Chile, nach Bolivia oder
Peru verkauft. Das Alerceholz ist nämlich ein aus-
gezeichnetes Bauholz. Da es nicht fault, ist es
ausgezeichnet zu Eisenbahnschwellen , zu Häusern,
Dächern u. s. w. zu verwenden. In neuerer Zeit
hat man es auch mit Vortheil nach Europa gebracht,
da es das beste Holz zu Violin- und anderen Ro-
sonanzkästen sein soll, auch sehr gut zum Ausklei-
den resounirender Säle, Kirchen u. s. w. zum Her-
stellen re&onnirender Fussböden.
2. Nach einer mündlichen Mittheilung, die mir
Emil v. Schlagint weit machte, definiren die
Chinesen die Kaukusier als „Leute mit tief-
liegenden Augen und stark vortretenden
Nasen.“ — Von dem, was fremden Völkern an
uns fremdartig erscheint, fallt ein Licht zurück auf
die wesentlichen Eigentümlichkeiten jener. Unter
den tiefliegenden Augen ist aber offenbar nur die
relativ zur Nasenwurzel tiefe Lage gemeint, das
starke Vortreten der Nase von ihrer Wurzel aus,
die eine so stark vorspringende Kante bildet (am
meisten b«i der Antike), dass bereits bei Betrach-
tung von Vs Profil das Auge der abgewendeten
Seite verdeckt liegt, während bei vielen Mongolen,
Malayen. Hottentotten etc. die Nasenwurzel so ver-
tieft ist, dass dieselbe bei der Profilstellung vom
Augapfel überragt wird. Sehr auffällig wird, worauf
mich der vortreffliche (kürzlich verstorbene) Bild-
hauer v. dar Launits aufmerksam machte, dieses
Verhältnis dadurch, dass man am Schädel mit einem
Faden von Thränenbein zu Thränenbein über den
Nasenrücken hin misst, wobei der Faden bei den
flachoasigen Völkern einen fast geradlinigen Ver-
lauf nimmt, während er bei den edleren Formen
eine gewaltige Krümmung macht. Ich .habe dieses
Maas* bei den verschiedenen Racen genommen und
beträchtliche Unterschiede zwischen „geradem
Maasso der Augenscheidcwandsbreite“ und dem zu-
gehörigen Bogenmaasse gefunden. Bei dem deut-
schen Schädel betragen beide im Mittelwerthe 26
und 40 Mm. (Diff. 14), beim Chinesen 24 und 32
(Diff. 8). —
Sehr naiv ist die Schilderung, welche ein
Sandwich-Insulaner von den ersten Wewten,
die er sah, ^gegeben hat. Auf Grund einer „Ge-
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Kleinere Mittheilungen.
142
schichte des Archipels“, welche eingeborene „Stu-
denten der Schule zu Laliainea Cola“ niederge-
schrieben , wie sie dieselbe aus dem Munde der äl-
testen Eingeborenen gehört, theilt das „Ausland“
(Jahrg. 1865, Nr. 49) einen Aufsatz über Cook ’s
Schicksale mit, welcher S. 1154 folgende Stelle
enthält: „Die Hawaiianer hatten gefragt, wie das
Aeunsere des Schiffes sei, und er (irgend ein Sand-
wich-Insulaner) beschrieb die Masten , die Segel
und die Flaggen. Sie fragten dann, wie die Men-
schen aussahen ; er erwiderte: Die Menschen sind
Weisse, sie haben eine lose Ilaut und eckige Köpfe,
eie sind Götter, sie sind Vulkane, denn Feuer kommt
ihnen zum Munde heraus; ihre Seiten enthalten
Beutel mit Schätzen, Beutel, die tief in den Leib
hineingehen. Ans diesen Löchern ziehen sie,
wenn sie die Hand hineinstecken, Ahle, Messer,
Eisen, Halsbänder, Nägel, kurz alle möglichen Sa-
chen hervor.“ Diese Schilderung wirft nun aller-
dings weder auf den Körperbau der Weiseen, noch
der Sandwichs ein Licht, da für den guten Insula-
ner der Satz: „Kleider machen Leute“, in einer
unerhörten Ausdehnung Geltung hatte. H. W.
3. Eine Bemerkung A. v. Humboldt ’s über
die Stellung und Bildungafähigkeit der Neger (in
einem Briefe an Burineifiter) ist interessant ge-
nug, so dass der Schenker jenes Briefes die Pub-
lication derselben wohl gestatten wird. An Aus-
sprüche Burmeister’s anknüpfend, schreibt Hum-
boldt unterm 11. August 1853:
„Dass der schwarze Mensch sich nie üher die
dienende Stellung erheben werde, ja der alte sym-
bolische Ausdruck von der An näherung zur
Affennatur, sind Stellen, die mich sehr gekränkt
haben, auch hat mich $. 533 wenig beruhigt. Ich
habe sechs Jahre lang viele tausend Neger beob-
achten können, auch viele in meinen Diensten ge-
habt, und mein Essai politique sur l'Isle de Cuba
zeugt von der Lebhaftigkeit, mit der mich dieser
Gegenstand mein ganzes Leben lang beschäftigt
hat.“
Die interessante Abhandlung, welche Schaaff-
hausen (Arch. 1. pag. 161) „über den Zustand der
wilden Völker“ gegeben hat, enthält (p. 171) eine
ergreifende Schilderung, welche den warmen An-
thcil erkennen lässt, den A. v. Humboldt nn dem
Geschicke der Völker nahm, deren Loos es ist, der
Cultur Europas zum Opfer zu fallen.
In einem Artikel in der „Wes. Ztg. u spricht
sich Gerhardt Rohlffs über die Civilisationsfähig-
keit der Neger folgendermaassen aus: „Die Be-
völkerung von Lugos ist überwiegend schwarzer
Race, dass die wenigen Woisaen, vielleicht hundert
an der Zahl, ganz darunter verschwinden. Diese
Schwarzen sind wieder von den verschiedensten
Stämmen, obwohl Yoruba- und Sabu- Leute vor-
wiegend vorhanden sind. Man glaube indess nicht,
dass die schwarze Bevölkerung eine niedere Stufe
einnimmt, wie denn überhaupt der schlechtweg
ausgesprochene Grundsatz, die schwarze Bevölke-
rung sei gar nicht der (Zivilisation fähig, ein sehr
schlecht basirter ist. Freilich haben die, welche
sich zu dieser Ansicht bekennen , t-ich wohl haupt-
sächlich auf die schwarze Bevölkerung Amerikas
bezogen, aber von einer seit Jahrhunderten durch
Sklaverei unterdrückten Bevölkerung Schlüsse auf
eine ganze Race ziehen zu wollen, wäre ebenso un-
sinnig und lächerlich, als wollte man der ganzen
europäischen Familie, weil gerade die Griechen
ihre eben errungene Freiheit weder ertragen noch
benutzen können, politische Unmündigkeit vorwer-
fen. Doch es würde zu weit führen, dies Thema
hier zu behandeln, genng, dass ich als Beispiel an-
führe, dass Herr Philippi mir unter anderen Zu-
tritt zum Hause' James verschaffte, welches eben-
falls einem Schwarzen gehört, der ein bedeutendes
Colon ialwaarengeschäft betreibt. Seine Frau, Mrs.
James, ebenfalls eine Schwarze, und die einst dazu
bestimmt war, einem Engländer, der den König
von Dabome besuchte, zu Ehren geopfert zu wei-
den, dann aber auf Wunsch des Weissen befreit
wurde und jetzt in Lagos eine der liebenswürdig-
sten Salondamen ist, hatte mehrere Male die Güte,
die schönsten und schwierigsten Sonaten und Sym-
phonien von Mozart nnd Beethoven uns vorzu-
spielen.“ H. W.
4. Notiz über das Alter der Todtenmasken.
Nach einer Angabe Vasari’s gilt Verocchio
1433 — 1488) ziemlich allgemein als der Erste, der
cs versuchte, T heile von lebenden Menschen und
Leichnamen in Gype abzuformen ; insbesondere ist es
Rumohr (Italienische Forschungen, II, 304), der
jenen Ausspruch Vasari’s so bestimmt genommen
hat, während Vasari, genau besehen, nur sagt,
dass Verocchio „einer der Ersten wur, welche
dieses Verfahren in Anwendung brachten.“ Immer-
hin könnten angebliche Todtenmasken von Men-
schen, die früher gelebt, nach jenen Angaben Va-
sari’s und Rutnohr’s als zweifelhaft erscheinen.
Ich habe dies Bedenken betreffs der Torrigiani-
schen Maske aufgeworfen (Jahrb. der deutschen
Dante-Gesellschaft, I, S. 40), und ohne Zweifel ist
jene Altersfrage von einigem kritischen Interesse
für die anthropologische Forschung. Auch Norton
(On the original Portrait* of Dante, Curabridge,
Massachusetts, 1865) erklärt, über das Alter jenes
Gebrauchs nicht ganz sicher zu sein, spricht jedoch
die Vermutbung aus, dass eine so einfache Kunst
wohl such bureit« in einer frühem Zeit geübt wor-
den sein könne. Niemand, soweit ich herumfragte,
vermochte mir diese Vermutbung zu bestätigen,
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Kleinere Mittheilungen. 143
doch geschah dies zuletzt durch eine Stelle bei
Pliniua (nat. hist. 1. XXXV, 153): „Hominis
autem imaginem gypso e facie ipsa primus omnium
expressit ceraque in eam formam gypsi infusa erneu-
dare inatituit Ly sistratus “ (330 v. Chr.). Hier-
mit ist allerdings nicht direct ausgesprochen , dass
der Abdruck dem Todten entnommen wurde;
aber diese letztere Praxi* ist offenbar die leichtere,
und sie konnte nicht Ausbleiben, wenn die andere
geübt wurde. H. W.
5. R. C. May ne, über die Patagonicr (Athe-
näum 11. Septbr. 1869. — l'etermann’s
Mitthlg. 1869. X. 385).
Mehrere wurden gemessen, einer m&ass ü'lO 1
mehrere 6' 4", im Durchschnitt aber überschreiten
sie nicht das Maass von 5' 10" bis ll w , also nur
um 4 bis 5" die mittlere Grosse der Engländer.
Zweierlei trage dazu bei, die Grösse bedeutender
erscheinen zu lassen: 1) Die Tracht , die langen
Mäntel vou Guanacofcllen (Frauenkleider machen
einen Mann immer grösser erscheinen). 2) Ihre
Gewohnheit, auf Felsen, neben ihren winzigen Hüt-
ten stehend, die vorüberfahrendeu Schiffe zu be-
trachten.
6. Kant und die Deszendenztheorie.
ln Kant’B pragmatischer Anthropologie (Ge-
sammtausgabe seiner Werke in X Bänden, Leipzig
1839, col. X, S. 371) findet sich folgende Stelle:
Was mag doch die Natur hiermit für eine
Absicht haben , dass sie das Kind mit lautem Ge-
schrei auf die Welt kommen lässt, welches doch
für dasselbe und die Mutter im rohen Naturzu-
stände von äusserster Gefahr ist? Denn ein Wolf,
ein Schwein sogar würde ja dadurch augelockt, in
Abwesenheit oder bei der Entkräftung derselben
durch die Niederkunft es zu fressen. Kein Thier
aber ausser dem Menschen (wie er jetzt ist) wird
beim Geborenwerden seine Existenz laut ankün-
digen; welches vou der Weisheit der Natur so auge-
geordnet zu sein schuiut, uui die Art zu erhalten.
Man muss also anuehmen, dass in der früheren
Epoche der Nutur in Ausehuug dieser Thierdasso
(näiulich des Zeitlaufs der Kolugkeit) dieses Laut-
werden des Kindes hei seiner Geburt noch nicht
war; mithin nur später eine zweite Epocho, nach-
dem beide Eltern schon zu derjenigen Cultur, die
zum häuslichen lieben nothwendig ist, gelaugt wa-
ren, eingetreten ist; ohne dass wir wissen: wie die
Natur und durch welche mitwirkende Ursachen
sie eine solche Entwickelung veranstaltete. Diese
Bemerkung führt weit, z. II. auf den Gedanken:
ob nicht auf dieselbe zweite Epoche, bei grosseu
Naturrevolutionen, noch eine dritte folgen dürfte.
Da ein Orang-outang oder ein Chimpansc die Or-
gane, die zum Gehen, zuui Befühlen der Gegen-
stände und zum Sprechen dienen, sich zum Glieder-
bau eines Menschen ausbildete, deren Innerstes ein
Organ für den Gebrauch des Verstandes enthielte
und durch gesellschaftliche Cultur sich allmählich
entwickelte.
7. Anthropologisches Laboratorium in Paris.
Broca kündigt die Gründung eines anthropo-
logischen I«aboratoriums in der Acole pratique an;
ausgestattet mit den nüthigen Instrumenten und
einer Bibliothek. (Bulletins de la soc. d’Anthrop.
de Paris. 2. Ser. T. IV, p. 99.)
8. Peahody Museum of American Archaeo-
logyand Ethnology (Curator Prof. Wy man).
Dasselbe hat durch den Ankauf dreier euro-
päischer Sammlungen, von G. Mortillet in Paris
(circa 3000 Nummern), Wilmot J. Rose in Däne-
mark (1559 Nummern) und Dr. Clement in d«’r
Schweiz, ein ungemein reiches Material, insbeson-
dere zur Vergleichung de* Steinalters der alten
und neuen Welt erhalten. (S. second aunual re-
port of the trustees. Boston 1869, p. 80.)
9. American association for the advnnce-
ment of Science.
Di© 18. Jahresversammlung fand vom 18. bis
25. August 1869 zu Salem (Mussoch ) statt. Auf
derselben wurde die Bildung einer neuen Sectiou
für Archäologie und Ethnologie beschlossen.
10. Die culturhistorische Sammlung des
verstorbenen Prof. Klemm.
In Leipzig hat sich ein Coinite gebildet, wel-
ches einen Aufruf zu Beiträgen erlässt, um obeuge-
nauute Sammlung für Deutschland zu erhalten.
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IX.
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen*).
i.
Verhandlungen der Scction für Anthropo-
logie und Ethnologie bei der 4 3. Ver-
sammlung deutscher Naturforscher und
Aerztc in Innsbruck vom 16. bis 24.Sep-
tember 18 69, nach dem Tageblatte der Ver-
sammlung nebst ergänzendem Berichte. Von
Prof. P. B. Seligmann.
Die Niiturforscherversaminlung in Dresden
hatte auf Veranlassung Dr. M. Weinhold’s eine
neue Section für Anthropologie und Ethnologie
gegründet (Archiv III, S. 327 ff.) und damit war ein
Impuls gegeben, der im nächsten Jahre weitrei-
chende Folgen hatte. In Innsbruck wurde nicht
nur sogleich zur Bildung der Section geschritten,
unsere Wissenschaft wurde der (»egenstand eines
allgemeinen Vortrages, dessen zündende Wirkung
in diesem eigenthümlichen Lande wohl das merk-
würdigste Ereigniss dieser durch eigentümliche
Vorfälle bezeichnten Versammlung war. Die An-
thropologie, oder doch aufs engste damit ver-
bundene Fragen, begleiteten sie von Anfang bis
zu Ende.
Als Scblömilch in der Abschiedsrede zu
Dresden , auf die gewählte Hauptstadt des glau-
bensstarken Tirol deutend, über den Unterschied
zwischen der Zerstörung des Aberglaubens durch
das Studium der Mathematik und der Erhaltung
des Idealen, welches keine mathematische Behand-
lung gestalte, sprach und mit der Hoffnung schloss,
dass die Mehrzahl auf dieser Basis sich vereinigen
würden , war es kaum vorauszusehen , dass gerade
der schroffe Zwiespalt dort im scharfen Kampfe
*) Einen AiMfuhrlU'htrtMi Bericht über dir VerMuamlwig
des Internat iou«len Gongre*»*» zu Kopenhagen hoffen wir In
nächsten Hefte geben zu können. I). Red.
hervortreten werde, freilich ohne dass im allge-
meinen Kausche der Genüsse der wundervollen
Natur irgend Jemand dabei zu Schaden kam —
Wunden fühlt man eben nicht im Feuer der Er-
regung — ; ob aber für später und gerade dort
dadurch genützt wurde, das muss die Zukunft
lehren.
Schon in der Festschrift (zu Ehren der 43.
Versammlung u. s. w., herausgegeben von Prof.
Uembold und Prof. v. Barth, Innsbruck, Wag-
ner, 1869) hat einer der geistvollsten Anhänger
der Darwin 1 sehen Theorie, Prof. Korner (in der
Abhandlung „die Abhängigkeit der Pflanzengestalt
von Klima und Boden ein Beitrag zur Entstehung und
Verbreitung der Arten, gestützt auf die Verwandt-
srhaftaverhältnisse , geographische Verbreitung und
Geschichte der Cytisusarten“, einer Schrift, weichein
klassischer Weise den Einfluss dea Medium auf
Umbildung der Arten darlegt) seine Richtung aus-
gesprochen. Die Rede Helmholtz’s in der ersten
allgemeinen Sitzung „über die Entwickelungsgc-
schichte der neueren Naturwissenschaft“ bezeich-
net scharf den Punkt, am den diese sich jetzt be-
wegt. Das Gesetz der Erhaltung der Kraft, liier
in Gegenwart des Entdeckers ausgesprochen, wurde
bis in seine letzten Conseq uenzen verfolgt, das ist
in seiner Bedeutung für die Processe des Lebens,
und indem er dabei auf Darwin’ s Lehre, als dea
vermittelnden Gliedes, um die Zweckmässigkeit des
Baues und der Verrichtungen des lebenden Orga-
nismus auf natürlichem Wege zu erklären, hinwies,
wurde ausgesprochen, der Deutsche habe keine
Furcht vor den Consequenzcn der ganz erkannten
Wahrheit. ,Uud nun trat der geniale Entdecker
de» zweiten grossen Naturgesetzes selbst auf und
sprach über die nothwendigen Consequenzcn und
Inconsequenzen seiner Lehre. Indem er sich gegen
ihre Anwendung auf dem geistigen Gebiete erklärt.
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145
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
sagte er, in der Physik sei die Zahl Alles, in der
Physiologie wenig, in der Metaphysik nichts! Der
Satz von der Erhaltung der Kraft gelte zwar auch
in der Physiologie, der lebendige Organismus könne
weder Materie noch Kraft erzeugen oder vernich-
ten, aber Zeugung und Erzeugung haben kein phy-
sikalisches Analogon und weder Materie noch Kraft
vermögen zu denken. Des französischen Physikers
A, Hirn drei Kategorien von Existenzen seien
eben so schön wie wahr, nämlich: Materie, Kraft
und Seele. Ohne die von Gott prästabilirte ewige
Harmonie zwischen der subjectiven und objectivon
Welt wäre unser Denken unfruchtbar. So hörten
wir hier zuerst von einer Verbindung der Leib-
nitz’schen Theorie mit dem physikalisch - chemi-
schen Determinismus der französischen Schule, der
in Claude Bernard für die Physiologie, iu
Broca für die Anthropologie seine Hauptreprä-
sentauten hat und ohne die Leibnitz*Bche Theo-
rie ein Doppelwesen ohne Zusammenhang aus dem
menschlichen Organismus macht Die Wichtigkeit
dieser Lehre für die französische Anthropologie
dürfte diese Auseinandersetzung entschuldigen.
Erste Sections-Sitzung, den 20. Septem-
ber. Prof. Wildauer hatte die constituirende
Sitzung eröffnet und C. Vogt wurde mit Acclama-
tion zum Vorsitzenden ernannt. Derselbe sprach
nun über das Alter der Kjökkenmöddinger
und ihr Verhältniss zu den Hünengräbern, mit
Vorzeigung von Fundgegenständeu von Solar am
Koeskildo Fiord. Nachdem er die verschiedenen
Thierreste, welche den Hauptbestandteil dieser
Küchenabfälle bilden, besprochen und hierbei her-
vorgehoben hatte, dass sich weder vom Rennthier
oder Pferde, noch von irgend einem andern Haus-
tiere, mit einziger Ausnahme des llundes, von
welchem ziemlich zahlreiche Knochen vorgefunden
w urden , eine Spur nachweisen lasse, ging er auf
die Beschreibung der in den Kjökkenmöddings vor-
kommenden Werkzeuge von geschlagenem Steine
über, die fast durchgängig ihrer Form nach dem
Beile oder Messer typus angehören. Dass die Woh-
nungen, von welchen die Kjökkenmöddinger ber-
r Ohren , das ganze Jahr hindurch bewohnt oder
doch benutzt worden seien, gebe daraus hervor,
da» Geweihe und Bezahnungen in den verschie-
densten Ent wickel ungsstadien aufgefunden worden
seien. Der Archäologe Worsaae schreibe diese
Kücbeuabfälle den Urbewohnern Dänemarks in ih-
rem primitivsten Cult Urzustände zu und glaube das
Zeitalter derselben sei dem der Hünengräber mit
den schönen geschliffenen Steinwaffen weit voraus-
gehen d. Steenstrap hingegen beurteile als
Geologe das Alter dieser Funde nach den jüngsten
denselben angehörigen Gegenständen. Nun fän-
den sich in den Kjökkenmöddings auch einzelne
geschliffene Steine, die nicht später hineinge-
kommen sein können. Die Sache verhalte sich näm-
Arcblv rar Anthropologie. Bd. IV. BMI II.
lieh folgendermaasaen: Die Hünengräber nun,
jene bald überwölbten, bald flachgedeckten , mit
Lehm ousgikloidcten Grabkammern, enthielten schön
und gut gearbeitete Gegenstände von geschliffe-
nem Steine, dann und wann auch Brouzcgcgen-
stände, dann Knochen von Pferden und von einem
von Xilsson für einen Hund (Spitz) erklärten
Thiere. Dieser Hund stelle sich jedoch uts eine
Fuchsart heraus, die in die Ilüneugrälter spater
eingedrungen sei und nach Steenst rup's Ansicht
die übrigen Knochen von Hausthieren eingeschleppt
habe. Stcenstrup weise ferner nach, dass viele
von den in den Kjökkenmöddings aufgofundcuen
rohen Steininstrumenten aus geschliffenen , durch
Zerschlagen derselben entstanden seien, da sie
stellenweise noch die deutlichen Spuren des Schlif-
fes an sich trügen. Diese Betracht uogcu hätten
den genannten Forscher nun dahin geführt, die
Kjökkenmöddinger für gleichzeitig mit denHünen-
gräliern anzusehen und sich die Verschiedenheit
der aufgefundenen Werkzeuge durch die Annahme
zu erklären, dass die Einen den an der Küste von
Jagd und Fischerei lebenden Armen, den Prole-
tariern der Urzeit, angehörten, welche die zerbro-
chenen Reste der werthvollen geschliffenen Stein-
instrumente zu benutzen gezwungen waren , die
Hünengräber aber im Innern des Landes, mit ih-
ren weit vollknm inneren Werkzeugen seien die der
Aristokraten derselben Epoche. Nachdem Dr. Sclie-
telig Zweifel ausgedrückt hatte, dnsB die Kjökken-
möddinger feste Ansiedelungen gewesen seien, und
Prof. Koner auf die Funde von Knochennadtln hin-
ge wiesen, welche doch Gewerblleiss bezeichueten,
sprach
Prof. Semper über Sitten und Gebräuche
der Bewohner der Pelew-Inseln. Er beweist,
dass diese ein relativ bereits ziemlich hoch culti-
virtes Volk seien und nur mit Unrecht zu den
„wilden im primitivsten Zustande befindlichen
Völkern gezählt würden, durch die auf Beolwich-
tungen während eines mehrmonatliehen Aufenthalts
unter diesen Insulanern gestützte Darstellung ihrer
staatlichen Verfassung und ihrer socialen Zustände,
sodann der religiösen Uebungen dieses Volkes. End-
lich erzählt er, nnknüpfend an die Beschreibung
der bildlichen Darstellungen (gemalten Basreliefs),
welche an den für den Priesterköllig und die Ver-
sammlungen der Stammesfürsten bestimmten Woh-
nungen angebracht sind, drei mit historische» Er-
innerungen durchfiochtene Sagen dieses Volkes.
Die erste von der Entstehung der sieben verschie-
denen, auf diesen Inseln im Gebrauche stehenden
Geldsorten , die zweite von einer abenteuerlichen
Reise der vier Fürsten nach der Wohnung der
Sonne, die dritte endlich die Werbung um eine
Frau von der Sonrol-Insel. Von höchstem ethno-
logischen Interesse ist hierbei die Schilderung
eines diese Hochzeit darstellenden phalliscbeu
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Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Schnitzwerkes , das eine fast geniale Kruft obacö-
nur Darstellung bezeugt.
Auf eine Interpellation des Herrn Dr. Sche-
telig mit Beziehung auf seino Arbeit über die drei
Racen auf Formosa spricht sich Prof. Semper da-
hin aus, dass die Beimischung von malayischem
Blute bei den Pelew-Insulanern kaum sehr bedeu-
tend sein dürfte, wohl aber sehr vieles auf eine
starke Vermischung mit der Papuaraco hindeute.
Bevor wir zur zweiten Sectionssitzung über-
gehen, haben wir noch über die schon angedeutete
Rede Vogt’a in der zweiten allgemeinen Sitzung
einige Worte zu sagen. Ls war nicht bloss das
meisterhafte Zusammendrängen des ganzen anthro-
pologischen Materials in den kurzen Zeitraum einer
Stunde, nicht bloss die unvergleichliche Vir-
tuosität des Vortrages, welche den leisesten Ton
bis in die fernsten Räume des nicht kleinen Thea-
ters dringen lies», es war die Kühnheit mancher
Sätze, die hier wohl seit undenklichen Zeiten Nie-
mand auszusprechen gewagt hat. „Die Ergeb-
nisse der neuern Forschung in der Urge-
schichte - war der Titel des Vortrages. Ihr Kern,
dass nicht die Geschichte, sondern die Naturwis-
senschaft die Urgeschichte zu erhellen habe und
dass dies angefangun habe zu geschehen, seitdem
die Geologie, Palaeontologie und Anatomie sich mit
ihr beschäftigen. Er theilte dann in kurzen Zügen
die Resultate des Kopenhagener Congresses mit.
Wir haben schon oben das in der Sectionssitzung
von Vogt selbst genauer Det&illirte angegeben.
Data der Mensch die eigene Entwickelung in der
Hund habe, dass er durch seine eigene Arbeit sich
fortbilde, um zum Ziele zu gelangen, das seiner
Vervollkommnung gesteckt sei, damit schloss er
unter nicht enden wollenden Beifallsbezenguugen.
Zweite Sitzung, den 22. September.
Prof. Strobel aus Parma, über Paraderos in
Patagonien. Durch eine Mittheilung Darwin’s
über die Auffindung von Feuersteinpfeilen auf der
Insel Chelechuel veranlasst, machte er in Begleitung
des Schweizers Claraz in der Umgebung von Pa-
tagones weitere Nachforschungen und stiess hierbei
auf nur oberflächlich von Sand überdeckte, bei star-
kem Winde völlig blossgelegte Anhäufungen, be-
stehend aus Ueberbl eibsein von Mahlzeiten, Thon-
scherhen, Pfeilspitzen, Messern, Schabern u. dg).
Werkzeugen aus ungeschliffenem Steine, die stel-
lenweise bis zu ein Meter mächtig in dortiger
Gegend als Paraderos bezeichnet werden (von pa-
rar, sich aufhalten). Er hat in einer derselben
ein ganzes Skelet und mehrere Schädel von brachy-
hypsicephalem Typus aufgefunden. Die Thonscher-
ben rühren von Geschirren her, die offenbar mit
der Hand und nicht auf der Drehscheibe geformt,
um offenen Feuer und nicht, im Ofen gebrannt
worden. Die an denselben eingeritzten Verzie-
rungen stellen ausschliesslich geometrische Figuren
dar. Geschliffene Steingegenstände Bind köine ge-
funden worden. Mau könne jedoch für das süd-
lichste Süd-Amerika den Unterschied zwischen der
archftolithischen Periode (der geschlagenen Steine)
und neolithischen Periode (der geschliffenen Steine)
nicht festhalten, da überhaupt südlich von dem im
Centrum der Pampas gelegenen San Luis geschlif-
fene Steinwerkzeuge nicht vorkfimen, obgleich es
an polirbaren Steinen in jenen Gegenden nicht
fehle. Selbst bis in die Gegend von San Luis
schienen die Werkzeuge aus polirtem Steine nur
aus dem höher cultivirten Peru gedrungen zu sein.
Es sei daher auch nicht gestattet, diese Paraderos
wegen des Mangels an geschliffenen Steinwerk-
zeugen für älter zu halten als andere Funde mit
polirten Steingegenständen. Es war dies die
schönste Erläuterung zu dem, was Vogt in der
ersten Sitzung über Steenstrup’s Ansicht über
das Alter der Kjökkenmöddinger vortrug. Ueber
das absolute Alter dieser Vorkommnisse glaube
er mit Bestimmtheit nur angeben zn können,
das* selbe aus der Zeit vor der Invasion der
Europäer herrühren müssten, da sich weder die
Patagonier noch die Pampas-Indianer heutzutage der
Steinwaffen bedienten und ihre Bewaffnung aus
dem Lasso oder Wurfstrick, der Bola oder
Schleuder und der Lanze bestehe, während Pfeil
und Dogen seit der Einführung de« Pferdes ver-
drängt worden seien. Sowohl die Feuerländer
als die Indianer des Chaco benützten noch gegen-
wärtig den Pfeil als Waffe, das Pferd jedoch nicht.
Derartige Paraderos fanden sich jedoch auch längs
der Meeresküste bis Buenos-Ayres und seien auch
aus Brasilien schon seit längerer Zeit bekannt. Sie
entsprächen im Ganzen vollkommen den Kjökken*
möddings des skandinavischen Nordens. Interpellirt
wegen der Körpergrösse diese* Volkes sagt er, es sei
noch immer auffallend hochgewachsen und das Rei-
ten sei ohne Einfluss darauf geblieben. Präsident
Vogt theilt mit, in der Sammlung des Schweizer
Reisenden Claraz befinde sich ein gewaltiger
Unterkiefer; dies veranlasst den Berichterstatter,
auf das im Innsbrucker anatomischen Museum be-
findliche Riesenskelet des Waffenträgers Ferdi-
nand s von Tirol aufmerksam zu machen, dessen
Unterkiefer ungewöhnlich stark entwickelt sei.
Prof. Langer in Wien habe auf die eigenthüra-
liche Form der Kiefer bei Riesen aufmerksam ge-
macht. Prof. Virchow sagt, dass der Unterkiefer
in solchen Fällen mehr eine Curvo als einen Win-
kel bilde. Meyer aus Züricli erwähnt, dass im
dortigen Museum ein besonders durch Grobkörnig-
keit auffallendes Skelet sich befinde.
Abdallah Bey (Dr. Ilammerschmidt) zeigt
Feuerstein werk zeuge aus der Jarym-Burgas-Höhle
bei Koustantiaopel, von denen es zweifelhaft
ob sie alt oder modern, da dergleichen noch
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147
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
jetzt von der Bevölkerung Leim Dreschen gebraucht
werden.
Sodann trägt Seligmann über Exostosen
an Peruaner Schädeln vor. In der Sitzung der
mathematisch - naturwissenschaftlichen Clause der
kaiserlichen Akademie zu Wien vom 17. Marz
1864, Anzeiger Nr. 8, habe er seine Entdeckung
von Exostosen am Eingänge des äussern Gehör-
ganges an Peruaner Schädeln vorgelegt. Er sagte,
dass diese Exostosen nur an einer bestimmten Pe-
ruaner Schädel form Vorkommen, nämlich an der cy-
lindrisch- langgestreckten (durch Bindenuinwieke-
lung hervorgebrachten) , die er die Titicacaform
benannte (weil Pentland die ersten, noch jetzt
seltenen, Schädel dieser Art vom Titicaca-See nach
Europa brachte und sie damals nur in Peru vor-
sukommen schienen), zum Unterschied von der an-
deren durch Pressung zwischen zwei Brettchen
hervorgebrachten Peruaner Form (die derFlathead
Form der Nordamerikaner ganz gleich ist), welche
häufig vorkommt und an welchen diese Exostosen
nicht vorhanden sind, lieferen! konnte damals
nichts über die Ursache dieser pathologischen Er-
scheinung sagen, die an nicht peruanischen Schä-
deln noch viel seltener ist (Welcker hat sie seit-
dem an einigen Marqnesas-Schädeln nachgewiesen,
nnd nur in wenigen Schriften über Ohrenheilkunde
war darüber etwas zu finden , bevor Referent dar-
auf aufmerksam machte.) Er glaubt jetzt die Ur-
sache der Häufigkeit dieser Erscheinung bei den
Peruanern entdeckt zu haben; sie wirft ein eigen-
tümliches Licht auf die socialen Verhältnisse Perus
vor der Eroberung und zeigt, dass diu bis jetzt so-
genannten Inca-Schäde) fälschlich diesen Namen tra-
gen. Referent hat vor mehr als 30 Jahren jenen
merkwürdigen sogenannten Avaren - Schädel , der
bei Grafenegg oberhalb Wien in einem Avarcuring
gefunden worden, mit Erlaubniss des Besitzers (des
Grafen Breuner) abformen lassen, die Abgüsse
sind seitdem vielfach verbreitet worden , inannich-
fache Abbildungen und Abhandlungen verschiede-
ner Verfasser, wie Wilde, Fitzinger und An-
derer, und die verschiedenen Ansichten über die
ausserordentliche Aehnlichkeit dieses Schädels mit
jenen Peruanern sind bekannt. Aehnliehe fanden
sich seitdem an mehreren Orten in Europa, der
merk würdigste ist in diesem Archiv beschrieben
und abgebildet *). Den Weg der Verbreitung die-
ser Schädelformung von Peru bis in das Innere
von Frankreich aufzufinden, beschäftigte Referent
zuerst durch lange Zeit, er glaubt auch diesen auf-
gefunden zu haben und behält sich die Veröffent-
lichung für ein anderes Mal vor. In Wien das
HyrtPsche Museum durchsuchend, fand er andern
mit der Aufschrift Cochabamba bezeiebneten Exem-
plare zuerst grosse Exostosen ! Zu Nürnberg unter-
>) Band I, 8. 75.
suchte er die im Besitze Baron Bibra’s befind-
lichen Prachtexemplare (deren eines er von dem
freundlichen Besitzer als Geschenk zu bekommen
das Glück hatte), die aus den Abbildungen in der
Abhandlung der kaiserlichen Akademie der Wis-
senschaften bekannt sind. An drei Schädeln
fand er jene Exostosen, der vierte, der be-
kannt ist durch die sehr verbreitete Nachbil-
dung aus Papiermache, hat sie nicht — seine
Glätte, seine weichen Formen zeigen, dass es
ein WeiberBchadel ist. Was ist nun die Ur-
sache dieser sonst so seltenen Erscheinung? Die
Sch&delpressung kann es nicht sein, die Flat-
headform ist eine viel gewaltsamere, sie giebt häu-
fig dem Gebörgange sogar eine schiefe Form und
verschmälert ihn auch, aber nie zeigen sich jene
erbsou -, ja bohnengrossen Auftreibungen, welche
den Gehörgang bis auf eine schmale Spalte verengen.
Die specifische Form der Pressung der Titicaca-
Schädel kann es auch nicht sein, denn die Avaren-
Schädel haben die Exostosen, wie gesagt, nicht.
Referent durchforschte nun die spanischen Schrift-
steller über die Eroberung Perus. Hier fand er
endlich Aufschluss in der bisher von Allen über-
sehenen Stelle des Lopez de Gomara in seiner
Erzählung von der Feier der jungen Prinzen.
Alle Inca-Söhne und die Kinder der Vornehmen
überhaupt, die das 16. Jahr ihres Alters erreicht
hatten, wurden zu einem mehrere Wochen dauernden
Feste zusammenberufen und hier für ihre künftige
hohe Stellung vorbereitet; Wettlaufen, Ringen, Ent-
behrungen der härtesten Art hatten sie durchzu-
machen, und zugleich die Ceremonie der Ohrdurch-
stechung. An beiden Ohren wurden die Ohrläppchen
durchlöchert und durch fortwährendes Einlegen von
Metallstilten rasch so erweitert, dass in denselben
Scheiben aus Gold oder Silber von der Grösse einer
durchschnittenen Orange eingebracht werden konn-
ten ! Diese Ordenszeichen wurden das ganze Le-
ben hindurch getragen. Die Spanier nannten diese
Männer Orejones, Grossohren. Wir finden wohl bei
vielen anderen Völkern Verlängerung dieses Theiles
in Folge von Durchbohrung durch Pflöcke u. s. w.,
aber der verlängerte Theil bleibt schlaff und fällt
zusammen, wenn der Pflock herausgenommen wird.
Hier war es anders; das vergleichsweise späte Al-
ter, in welchem dio Operation stattfand, die kör-
perliche und geistige Aufregung durch die Wett-
kämpfe, die Eutbehrungen, der fieberhaft» geistige
und körperliche ZustAnd, dio kurze Zeit, in welcher
die Erweiterung vollbracht sein musste, leiteten
einen entzündlichen Process an diesen Theilen ein;
Beweis dessen nun jene Stelle des spanischen Au-
tors, welche lautet: Es wäre fast unmöglich
zu glauben, dass dieser Theil des Ohres
die so schweren grossen Scheiben, ohne zu
zerreiBsen, tragen könnte, wenn er nicht
bis zur Dicke eines kleinen Fingers ange-
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Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
schwollen wäre. Also ein krankhafter Pro*
cess. der den Knorpel und endlich, da die ein*
wirkende Ursache nie aufhörte, auch das Pe-
riost des Gehörganges ergriff und fo die Kno-
chenauftreibungen veranlasst*. Ist die Vermu-
thung richtig, so ergiebt sich Folgendes: Alle
Peruaner-Schädel der Ti ticaca-Form mit
diesen Exostosen müssen männliche, von
mehr als 16 Jahr alten und der vornehmen
herrschenden Kasteangehörigen Individuen
sein; ferner: die früher sogenanuten Inca-
Schädel (Platheudform) haben, wie schon
oben bemerkt, bis jetzt lälschlich diesen
Namen getrogen. Weiberschidel haben keine
Exostosen, die Männerschädel haben sie
auf beiden Seiten, wenn auch in ungleicher
Grösse. Dass eine solche Aristokratie trotzdem
für das Wohl des Volkes nicht ganz harthörig
war, ergiebt sich daraus, dass eine noch so schmale
Spalte genügt, um das Gehör intact zu erhalten.
Referent fand dies bei einem ähnlichen Fülle an
einem Lebenden, dessen Beobachtung er der Freund-
lichkeit eines Colligen, Dr. Gruber, Docent der Oh-
renheilkunde an der Wiener Universität, verdankt.
Referent legte hierauf ein Instrument, das
er Clivometer nennt, vor, dos dazu dienen soll,
die Länge und Neigung des Clivus am Schädel zu
messen, ohne denselben öffnen zu müssen. Der
Schädel wird mit dem Hinterhauptsloche gegen
das Licht gewendet, auf der Seite liegend fest-
gemacht (am beeten in oiner gewöhnlichen Servietten-
presse eingespannt); das Instrument besteht aus
einem festen, mit einem hammerähnlichen Vorsprung
(a) versehenen längeren (A) und einem kürzeren
beweglichen, mit einem Gradbogen fest verbunde-
nen, an jenem verschiebbaren Arme (B). Der
längere Arm wird eingeführt und an die Sattel-
lebne angehakt, sodann die Clivuslänge markirt,
während am kurzen Arme ausserhalb , durch den
verschiebbaren Zahn (b), die Länge des Basaltbeiles
de» Hinterhauptknochens festgesteilt wird, in dem-
selben Momente zeigt der Zeiger auf dem Gradbogen
den Winkel an, in dem dieso beiden Knochenober-
flachen zu cinander»stehen , die Correctur, welche
wegen des auf dem kürzeren Arme verschiebba-
ren Zahnes nöthig ist, wird später, nach Her-
ausnahme des Instrumente» und Zusammenklappen
desselben auf dem Gradbogen abgelesen; wo» der
Zeiger unter Null anzeigt, wird zur früheren Zahl
hinzu addirt, wenn er Uber Null zu stehen kommt,
wird dies abgezogen. Trägt man Längen und
Winkel auf die entweder inLucae’s Weise (durch
den Diopter auf der Glastafel) oder durch den
Diagraphen gemachte Seitenansicht des Schädels
ein, »o waren auch andere Winkel leicht zu con-
struiren. Referent will da« Inntrument noch da-
durch verbessern, dass der an die Sattellehne nn-
zu hakende Vorsprung durch eino Vorrichtung noch
innerhalb des Schädels loslösbar wird, wodurch
Alles noch rascher und bequemer ginge. Der Wio-
Fig. 21.
Clivometer von Selig mann.
kel des Clivua und Hinterhauptslorhes, so wie die
Neigung von diesem zur horizontalen Ebene könnten
auch so gemessen und eingetragen werden. Eb
folgten nun:
Virchow’s Mittheilungen über die altnor-
dischen Schädel zu Kopenhagen 1 )«
Dritte Sitzung, deu 2,3. September. Prof.
Glatter, der als Präsident der Section für öffent-
liche Gesundheitspflege in den Sitzungen seiner
Section schon mehrfache Daten über Racenverhält-
nisse in Oesterreich gegeben, da er besonders in
Ungarn vielfach Gelegenheit gefunden, um Erfah-
rungen über „Einfluss des Raum-Momentes
auf biotische Verhältnisse“ zu machen, giebt
nun eine Reihe von Beispielen: In Lemberg lebe
eine italienische Colonie, deren italienische Aerzte
1 ) Wir verweisen in die*er Beziehung auf <len Aufeatz
von Prof. Virchovr in diesem Hort (S. 5h).
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149
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
eben so viel Aderlässen, wie in Italien, es schade
den Patienten nicht das Geringste und Bie nehmen
8 bis 10 Pfund Blut (!). Den Polen bekomme
die« aber sehr schlecht. Die Serben vermehren
sich in ihrem Vaterlande fortwährend bedeutend,
in den nördlichen Gegenden von Mohacs gingen
sie dem Aussterben entgegen. Die Juden, zahlreich
überall durch leichte Geburten und wenig Todes-
fälle der Kinder, seien durch diese I biquität beson-
ders für den Handel geeignet, (ln der Sitzung
für öffentliche Gesundheitspflege hatte der Redner
erwähnt, die wenigen Todtgeburten seien Folge
des weiteren Beckens der Jüdinnen.) Jüdische
Kaufleute leben daher länger ab christliche.
Jüdische Schneider hingegen sterben früher
als christliche. Bei den Ungarn seien wenig Ge-
burten, viel Todesfälle, daher sio vor den Slaven
weichen. Trotz der sehr starken Beimischung tür-
kischen Blutes erhalte sich der ursprüngliche fin-
nische Typus dennoch in ziemlich ausgesprochener
Weise, wie die auffallende Aehnlichkeit der unga-
rischen mit den finnischen Schädeln beweise.
Die Slovaken seien sehr lebensfähig trotz der
schädlichen Behandlung der Kinder (sie geben
den Säuglingen Branntwein). Die Wenden wä-
ren hohe Staturen mit kleinen Kopien. Die
Rumänen seien leichteren Gewichts, ihr Gehirn
ziemlich leicht, ihre Zähne häufig cariös. Die
Polen werden von allen Epidomieen stärker er-
griffen ab die Ruthenen. Bei Spaniern und Ita-
lienern werden Wunden leichter brandig. Der
Redner glaubt, dass es sehr erspriesslich wäre,
wenn eine anthropologische Gesellschaft die „ Ein-
flüsse des Raum -Momentes“ in Betracht ziehen
würde, die Gründung einer solchen Gesellschaft in
Wien sei schon früher in Anregung gebracht wor-
den, aber nicht zur Ausführung gelangt.
Prof. Vogt schreitet nun zur Begründung sei-
nes Antrags auf Gründung einer allgemeinen deut-
schen Gesellschaft für Anthropologie, Eth-
nologie und Urgeschichte. Es sei hierbei man-
cherlei Verhältnissen Rechnung zu tragen, so nament-
lich dem Umstande, dass Deutschland keinen Cen-
tralpunkt habe, wie in Frankreich Paris, in Eng-
land London einen solchen bilde. Bereits beim Zu-
»ammentreteii jenes Kreises von Fachmännern, wel-
che zur Herausgabe des Archivs für Anthro-
pologie schritten, sei der Gedanke der Grün-
dung einer solchen Gesellschaft nach verschie-
denen Seiten hin erörtert worden. Zunächst
und vor Allem handle es gich darum , das In-
teresse für diesen Zweig der Naturwissenschaft
allseitig anzuregen , Theilnahme in den wei-
testen Kreisen zu erwecken und Kräfte für das
Unternehmen zu gewinnen. Es sei auf die
Bildung von Localvereinen hinzuwirken , die
Anlegung von Locabammlungeu zu veranlassen.
Er habe sich mit mehreren Herren . als den
Professoren Virchow, Semper, Koner u. s. f.
besprochen und glaube sich im Einverständnisse
mit denselben für die Aufstellung eines provisori-
schen Ausschusses aussprechen zu sollen , welcher
einen Aufruf zur Bildung einer allgemeinen Ge-
sellschaft und von LocalgescllBchafteu zu erlassen
hätte. Jedenfalls müsse man im Auge behalten,
dass die Hauptversammlung den obwaltenden Ver-
hältnissen nach nur eine WunderverBuinmlung sein
könnte. Referent weist darauf hin , dass zum
Theil sehr bedeutende, der Oeffentlichkeit ge-
widmete Sammlungen in den deutschen Provinzen
Oesterreichs, vor Allem in Salzburg und Linz, be-
standen, während mit Bedauern ausgesprochen
werden müsse, dass dasselbe in Wien nicht der
Fall sei, wo die Schätze der Cook 1 sehen und
Natterer'schen Sammlungen, seit Jahren in Kisten
verpackt, jeder wissenschaftlichen Verwerthung ent-
zogen seien. Prof. Virchow spricht sich dahin
aus, dos» die Organisation der Gesellschaft erst aus
ihr selbst hervorgehe, dass das einleitende Comite
nicht an einen Ort zu binden wäre und das» bei
der Zusammensetzung desselben möglichst die ver-
schiedenen Stämme berücksichtigt werden möchten.
Bei der hierauf erfolgenden Abstimmung spricht
sich die überwiegende Mehrzahl für die beantragte
Einsetzung eines provisorischen Ausschusses aus,
■wählt C. Vogt, Virchow, Koner, Semper,
Seligmann, Pichler, Hussa und bestimmt, dass
Prof. Semper in Wurzburg die centrale Leitung
übernehme.
Vierte und letzte Sitzung, Freitag,
den 2 4. September. Präsident Vogt giebt die
von Vilanova, Professor der Geologie in Madrid,
ihm mitgetheilten Daten über einen Mikrocephalen
in Spanien, Viucenzo Oris y Codi na, bekannt.
Derselbe sei 1813 in Castillon del Duca (Provinz
Valencia) geboren und biete, wie nachfolgende
Schüdelmaasse zu beweiaen schienen , ein merk-
würdiges Beispiel von Mikrocephalie. Gesichts-
winkel 50", Schädelumfang 0,46 ,n , oberer Bogen
0,1 9‘“, Längendurchmesser 0,14 ", Breitendurch-
messer 0,12 m . Er sei klein, nur etwa 1 Meter
hoch. Diu Rrustglifcder sehr lang, mit dem Ru-
diment eines sechsten Fingers an jeder Hand ; die
Beine kurz mit einer sechsten Zehe au jedem Fusse ;
der Körper ganz mit langen Haaren bedeckt; sein
Charakter eher sanft und furchtsam , in Zorn ge-
bracht zerreisse er seine Kleider, ohne Anderen
Leid zuzufügen. Er könne nicht sprechen, gehe in
Sprüngen und seine Gri massen Beien sehr ausdrucks-
voll. An die*« Beschreibung und die Vorzeigung
der Photographie knüpft noch Redner die Bemer-
kung, dass das Alter (56 Jahr) und die Rudimente
soehster Finger und Zehen sehr auffallend seien,
da Mikrocephalen in der Regel kein höheres Alter
erreichten und derartige Bildungen mit Mikroce-
phalie sonst nicht verbunden seien.
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150
Verhandlungen wissenschaftlicher Versammlungen.
Prof. Strobel aus Parma macht interessante
Mittheilungen über die Terramara-I^ager (Terra-
ruara für Terra marga , Mergelerde). Dieselben
sind Anhäufungen mergelartiger Erde, die zahl-
reiche organische Reste und grosse Mengen von
Scherben enthalten, von sogenannten keltischen
Töpferwaaren. Sie fanden sich iu Oberitalien
und zwar im Po-Thale von Piacenza abwärts.
In der Hauptsache erwiesen sie sich ah aufge-
häufte Küchenahfälle , welche von einer vorhisto-
rischen Bevölkerung herrühren, doch enthalten
sie auch Spuren von Wohnungen, ja man finde
manchmal deutliche Ueberreste des Heerdes und
der Hütte. Die vegetabilischen Reste stammen
nicht von See- oder Sumpf-, sondern süinrntlicb
von Landpflanzen. Die animalischen Reste ge*
hören theils wilden , theils Haust liieren an ; es fin-
den sich Eber, Hirsch, Reh, Torfhund, Torf-
schwein, Torfschaf, Torfkuh, die Ziege, das Pferd
und in den höheren Schichten auch der Esel. Auch
Reste von Mollusken und Insekten. Was die
Artefacien betreffe, so sei besonders eine charakte-
ristische mondförraige Gestalt der Geschirrhenkel
hervorzuheben, die sich sonst nirgends wiederfinde.
Die Verzierungen an den Töpferwaaren sind geometri-
sche. Die Werkzeuge, fast sä mm tl ich Bronze, nur we-
nigeEisen, stimmen vollkommen mit den in den schwei-
zerischen Pfahlbauten gefundenen überein. Fibulae
sind nur wenige, Spiralbänder keine ausgegraben
worden. Grabet&tteu sind keine entdeckt worden,
wohl aber sind in der Nähe eines Terramara-
I.agers zwei Schädel von brachycepbalem Typus
Bufgefutiden worden. Den gegebenen Anhaltspunk-
ten nach müsse das Volk, von dem diese Anhäu-
fungen herrührten , Jagd, Viehzucht und Feldbau
betrieben haben, mit Fischerei scheine es sich gar
nicht abgegeben zu haben. In den Provinzen Parma
und Reggio (in der Emilia) stellen sich dieTerTamara-
Inger nur als Fortsetzungen der Pfahlbauten, über
denselben entstanden, heraus. Sie scheinen in künst-
lichen Wasgertjassins errichtete Seeburgen (Cran-
noges) zu Bein. Prof. Chierici in Reggio habe nun
die Vcrmuthung aufgestellt, dass alle Terramara-
lager der Ebene Pfahlbauten enthalten hätten,
welche Anschauung vorzüglich in der Beobachtung
ihre Stütze finde, dass man in den Terramaralagern,
gewissermaassen als Kern derselben, mit Erde ver-
mischte Holzüberbleihsel finde, welche auf verfaulte
Pfahle schlieseen lassen. Durchschnitte durch die-
sen Kern ergaben auch die Gestalt von Pfahlbau-
ten. (Prof. Strobel theilte dem Berichterstatter
noch später mit, die Terrain ara-Erde werde als eine
Art Guano von den Bauern benutzt, was ebenfalls
dafür spricht, dass es meist Küchenabfalle.)
Der Präsident spricht sich zum Schluss über
jene eigentümlichen halbmondförmigen Gegen-
stände aus, welche, von Einigen als Symbole eines
Mondcultus aufgefasst, wohl Nichts als Kopfkis-
sen sein dürften, welchen jene eigentümliche
Form nur gegeben worden sei , um den Haarputz,
der, wie die langen Nadeln bewiesen, ebenso wie
noch jetzt bei vielen wilden Völkern, sehr hoch
gehalten worden sei, zu schonen.
Nach der Sitzung verfasste der Ausschuss den
Aufruf zur Bildung der deutschen Gesellschaft für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, wel-
cher in der letzten Nummer des Tageblattes ver-
öffentlicht wurde.
II.
Verhandlungen der die Anthropologie ein*
Bchlieseenden Section bei der Versammlung der
British association zu Exeter. August
1869.
Prof. BuBk, Präsident, cröfTncte die Sitzung.
Vorträge wurden gehalten : 1) von John Lubbock,
über den Urzustand der Menschen (woran sich eine
längere Discussion knüpfte). 2) Duncan, Über die
Funde hei Cro-Magnon in Perigord (gegen die
Gleichzeitigkeit von Mensch und Mammuth). 3)
Lanc Fox, über Kiesel Werkzeuge im Themsethale.
4) Dumbletou, Entdeckung einer Seeinsel (Pfahl-
bau) in Südw&llis. 5) Spencer Cohbol d, über
Bogenannte fossile Menschenaagen aus Peru (nach
Owen Augen von Sepia). 6) Sir Edw. Beicher,
über Stein Werkzeuge von Rangoon. 7) Duncan
Gibb, über die Armuth Canadas an urgeschicht-
liehen Resten. 8) Dendy, über den Zustand des
Menschen in der Urzeit 9) Lewis, über megali-
thische Monumente. 10) Bonwick, Ursprung
der Tasmanien 11) King über die Eingeborenen
von V&ncouver’s Insel und British Columbia (mit
Bemerkungen über die verschiedenen Formen der
künstlichen Missstaltung der Köpfe). 12) Hall,
über die Eskimos, betrachtet in ihrem Zusammen-
hang mit dem Alter der Menschheit (Verfasser hält
es für unabweisslich, dass dieses Volk aus der mioce-
nen Zeit stamme, da in der arktischen Region noch
ein mildes Klima herrschte). 13) Duncan Gibb,
au obstaclo to human longevity beyond seventy
years. (Bei allen Personen über 70 Jahre stehe
der Kehldeckel vertical , Personen mit hängender
Epiglottis werden nicht bo alt!) 14) Drake,
menschliche Reste in dem Kies von Leicestershire).
15) Hall, die Art, wie die alten Bewohner von
Devon ihre Kiesel bearbeiteten. (Anthrop. review.
October 1869, p. 414.)
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X.
Verzeichniss der anthropologischen Literatur').
I.
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Der Bericht umfasst Alles, was mir vom Juni 1869 bis Mitte März 1870 zugekommen. Da die
Betheiligung an urgeschichtlicheu Studien mehr und mehr um sich greift, so muss ich bemerken, dass
ich zwar stets die Verpflichtung anerkenne, Werke und Abhandlungen, welche in einer der vier Cultur-
aprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch) erschienen sind, zu aualysiren, dass ich mich aber
nicht für verbunden erachte, noch in das Gebiet derjenigen Sprachen hinüberzugreifen , die entweder
durch zu geringe Verbreitung oder durch zu wenige Betheiligung an der allgemeinen Cultur - Entwick-
lung der Menschheit verhindert sind, mehr als locale Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
Belgien.
E. Dupont. Leg batons de conmiandement de la
caverne de Goyet. Acad. des Sciences de Belgique,
Vol. 27, pag. 274. — Materiaux, 2 d * Serie, 5 m *
Annee, pag. 318.
Zwei Stücke in derselben Grotte, «ln* eine ohne Zeich-
nung, ent’ dem andern lässt sich eine Forelle erkennen.
A. Spring. Sur les divern mode« de formation
de« depöts osrifere« dans les cavernes; ä propos
d’ossement« dccouverts dang le Kocher de Lives
pres Xamur. — Bullet. Acad. de Belgique, 2 a "
Serie, Tome XX, Nr. 8,
Nachweis, dass Knochen in viele Bohlen durch Was-
ser eingest hwemnit oder schon bestandene Lager um ge-
schwemmt wurden; das« andere durch Fleischfresser, andere
durch Menschen in verschiedenen Zeiten and manche un-
zugängliche Spalten durch Kaubviigel ungefüllt wurden,
die selbst Rest« von Ertrunkenen dorthin schleppten.
Dänemark.
O. Blom. Analyse de quelques armes datant de
la premicre jKTiode de l’äge de fer. Memoires de la
Sociöte des Antiquaires du Nord. Nouvelle Serie,
1868, pag. 158.
Xachwri«, «lass unter den, meist aas weichem Eisen ver-
fertigten ixhwertero der ersten Eisenzeit sich auch welche
aus Stahl befinden.
C. Engelhardt. Coupe de bronze emaille du Jüt-
land en Dänemark. — Mem. de la Soc, des Anti-
quaires du Nord. Xouv. S<*r., 1868, pag. 151,1 Taf.
Aus dem Torfmoor von Maltboek zwischen Kibc und
Holding in zwei Meter Tiefe. Diese prachtvolle, mit Blät-
tern und gezähnten einailllrten Linien verzierte Schale
stack in einem Thongetass. Aus der ersten FJsenzeit.
*) Beiträge zu den Literaturverzeichnissen von anderen als den in der l'ebersebrift genannten llauptbearbeitern sind mit
den NamenschitFeru der betreffenden Autoren versehen.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
C. Engelhardt. Sur la trouvaille de Vimose. Mein,
de la Societe des Antiquaires du Nord. Nouvelle
Serie, 1867, pag. 89.
Torfmoor bei Oden**. Fund au* der ersten Eisenzeit.
Seele! in Wollstoff nngehüllt , Agraffen, Fibeln, Ringe etc.
au* Eisen, Bronze, Silber, Schwerter aus Holz (Modelle)
und Stahl, Römische und Runen-Inschriften, Kämme, Töpfe,
Schüsseln, Messer, Würfel, Sporen, Sen*eu. Pferdegeschirre
— kurz Alle* wiw 7.\i einem Hjmshnlt rim*> reichen Man-
ne* und Krieger# gehört, Der Kund dürfte in da# dritte
bis fünfte Jahrhundert nach Cbr. zu setzen »ein.
J. G. Madaen. Antiquitüs prvhißtoriquea du Dä-
nemark. L’äge de la pierre. Copenhague 1869,
1 Vol. Fol., 19 S., 45 Taf.
Ausgezeichnete Radirungen mit inhaltsreichem Test.
A. Morlot. Sur lo passage de Tage de la pierre
ü l uge du brouze et sur les raetaux employes
dans l äge du bronze. — Mein, de la Societe des
Antiquaires du Nord. Nouvelle Serie, 1866,
pag. 23.
Man finde zw ar Gegenstand i* au* rot hem Kupfer, diesel-
ben hätten aber stets einen Beisau von Zinn und rührten
nur davon her, das# mau letztere# gespart habe; man
könne kein besonderes Kupferalter staluiren, selbst nicht
in Ungarn, wo viele Kupferaachen vorkämen. ln der äch-
ten Bronzezeit habe man von Metallen nur Gold, Kupfer
und Zinn gekannt. Da# nordische Gold sei eingeführtes
Flussgold und da einige nordische Stucke Platin enthielten,
wahrscheinlich au* dem Ural. Zinn in reinen» Zustand
ausserordentlich »eiten — Holzgefiis* mit Zinnnägeln ver-
ziert au* Dänemark — ln der Schweiz einige Guasatttcke:
Kupfer, rein nur aU Gussstücke. Bronze von »ehr ver-
schiedenen Proportionen. Man habe »eiten in doppelte
hohle Passform« n oder in Saud gegossen, Mindern meist in
Tbonformen um ein Pacsiiuile von Wach# (en cire pcrduel,
das durch da* eingegOMene Metall schmelze — deshalb seien
»eiten zwei Gelte ganz identisch. Man verstand nicht da*
Metall zu bohren noch zu »chweissen; man hämmerte r*
aber »ehr gut.
O. Rygh. La pretniöre periode de Vage de fer en
Norvege. — Moni. de lu Societ* des Antiquaireg
du Nord. Nouv. Serie, 1868, pag. 196,
Etwa 500 Gegenstände au* der rr»Len Eisenzeit »eien in
verschiedenen öfftotikhen (Christianui, Bergen, Dronthelm,
Areudal) und privaten Museen zerstreut. Die meUten
stammen mu» Gräbern; nur wenige römische Münzen dabei.
In den meisten Grabhügeln verbrannte Leirhen, Urnen au*
Bronze und Thon. Ruuen - Inschriften. Die Fundstätten
gehen bis über den Polarkreis hinaus und e* scheine, aU
bezeichne die spätere Eisenzeit eine plötzlich herein brechende,
von der rrsteu verschiedene Civilisation.
J. J. Woraaae. Sur quelques trouvaille« de l üge
de bronze faites dang de« tourbieres. Memoire?
do la Societe de« Antiquairen du Nord. Nouvelle
Serie, 1869, pag. 61. Auszug in Materiaux 2 d#
Serie, 5 me Annee, pag. 285 — 296.
Verfasser zählt die verschiedenen grossen Funde, die so-
wohl im Nordeu al» anderwärt«., in Torfmooren und Seen
gemacht wurden, auf — er zeigt, dass die meisten Gegen-
stände neu, ungebraucht sind, noch die Gussränder besitzen;
dass andere absichtlich gebogen, gebrochen oder unbrauch-
bar gemacht worden sind; dass man ähnliche Gegenstände
in den Gräbern findet, und schiie&st daraus, das» diese An-
häufungen meist religiösen Gebräuchen zuzuschreiben sind,
die iu den Feldern und Torfmooren Opfergsben, die in den
Gräbern Speise- und Trankopfern für die Götter.
J. J. Woraaae. Do quelques Antiquitea Norve-
giennes. — Mem. de la Soc. des Antiquaires du
Nord. Nouv. Serie, 1868, pag. 185.
Bisher habe man im Korden bis in die Schulbücher hin-
ein als feststehend angenommen , dass Finnen oder Lappe»
die ersten Bewohner geweseu seien (Steinzeit), das* dann
Gelten mit Bronze und dann Skandinavier (Arvcr) mit
Eisen gekommen seien. In Norwegen sei man noch weiter
gegangen und habe gelehrt, dass Norwegen gar keine Stein*
und Bronzezeit gehabt habe, das» die wenigen Gegenständ«,
die man aus diesen Epochen an den Küsten finde, aus der
Fremde gebracht worden seien, da*» die Skandinavier
(Arrer) zueist vom Nonien her gekommen »eien und da»
Eisen nach Dänemark gebracht hätten. Da# Alles »ei nicht
wahr. Man habe in Norwegen Schleifsteine, Steinkerne etc.
entdeckt, Beweise, dass man dort Steinwallen fabricirt habe:
ebenso Bronze , da Gussatätten entdeckt worden »eien —
die ältesten Gegenstände au* Eisen fanden sich im Süden,
die neuereu im Norden von Norwegen — dieses sei al»o
von Süd nach Nord colonisirt worden.
J. J. Woraaae. Om Betydmngen nf vorc störe
Mosefuud fra de aeldre Jcrnuldor. Kjöbenhaveu
1868.
J. J. Woraaae. Om Mammen -fuudet fra Hedcu-
eknbet* Stutningstid. Kjöbenhaveu 1869, 18 &,
9 Tafeln.
Deutschland.
Ablagerungen von Speiseresten der Urmenschen
in den Vereinigten Staaten Nordamerikas. (Aus-
land 1869, Nr. *16.)
Ueber die grossen Haufwerke von Speiseresten der ame-
rikanischen Ureinwohner entnimmt da* „Ausland** den treu-
lichen -Materiaux pour PhUtoire primitive et naturelle He
rhomme p*r M. M. Trutot et Gartailhac* (Juli und
August 1869) folgende Notizen:
Gros»« Anhäufungen von Muschelschalen befinden sich
auf einer Insel nördlich von dem Meerbusen du Fran^ai*,
beim Mont-Desert in Maine. Darin liegen Holzkohlen und
bearbeitete Gegenstände von Stein und Knochen. Am Mont-
Mwrt fand man einige Fragmente von Töpfergesrhirren
mit leichter Verzierung. Zweiter Fundpunkt: Crouch’s
Goto auf Goos« Island im Meerbusen von Casco, 15 eng-
lische Mcileu nordöstlich von Portland, Muschclhügcl l*e-
decken hier eine Oberlläche von mehr als 500 Quadratfu*».
Metallgegenstände keine, nur »ehr selten Steingeräthc. Alle
Anzeichen deuten auf »ehr hohes Alter hin. Dritte Fund-
stelle: Eagle Hill in Ipswich (Massachusetts) ain Rande
eines kleinen Hafenplatze». Muschelhügel 8 Fuss hoch.
10 Fus* im Durchmesser. Man fand hier einen rundlich
zugeschlagenen Stein mit einer Rinne und zwei liearbeitete
Knochenstiicke. Vierter Fundort: Cotult Port !*ei «1er
Stadt l'.nrnetnple südlich vom Cap Cod. Muschelabbge-
rungeti bedecken etwa 100 Acres.
Vergleicht man die»« Ablagerungen mit ihrem Inhalte
an Geräthen mit den hekaunten Beschreibungen der uralten
Kjökkenmöddinger in Dänemark, so tritt un* die gn»>*e
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Wahrscheinlichkeit entgegen , dass die Lebensweise der XI-
testen Bewohner der nordAmcrikanischen Küsten ziemlich
ebenso beschatten wnr wie sie es in Dänemark gewesen
ist. Hier wie dort haben sieh diese Urbewohner vorzüg-
lich ron der Beate der Fischerei und der Jagd ernährt.
Kur die tiefsten Spuren der Cultur sind io der sparsamen
Hinterlassenschaft ihrer Hundearbeit erkennbar. F. v. H.
Bericht über die Verhandlungen der drei Sectio-
nen des Internationalen Congreaaes für Alter-
thumskunde und Geschichte za Bonn vom 14.
bis 21. September 1868. 1. Verhandlungen der
I. Section für Urgeschichte.
Siehe dieses Archiv, Bd. 111, S. 332.
Reinhold Biber. Carl Vogt’ß Naturwissenschaft-
liche Vorträge über die Urgeschichte des Men«
sehen. Ein Leitfaden für Carl Vogt’s Audito-
rium. Elbing 1870.
Der ZusaU zum Titel mag wohl ein Aushängeschild für
den Verkauf des Schriftchen« sein, das einige Einwürfe
gegen meine Vorlesungen zu formuliren sucht.
Julius Ernst Födisch. Die heidnische Todten«
bcstattung in Böhmen, 16 S.
Sehr übersichtliche , kurze und klare Darstellung. Dol-
men giebt e* in Böhmen nicht, dagegen zwei Arten aller
Gräber, Hügelgräber und Flachgralier. Die enteren sind
Steinnnhäufungcn ohne Mörtelrerbindung, Geröll- oder Erd-
aufschiittungen in Gestalt eines Kegels oder Kugelabschnit-
tes, Bestattung verbrannter und un verbrannter Leichen
im Hügel, Beigabe von Metall, ln einem Grab« war
nur der Kopf verbrannt, der Körper erhalten. In den
Hügelgräbern Urnen, Waffen und Schmuck von Bronze, Gold
und Bernstein, seltener von Eisen. Typus der älteren
Bronzeperiode. Mit einer Frau ein Eichhörnchen (Lieb-
lingsthü-r) mit bestattet. Niemals römische Gegenstände,
dagegen Objecte, die auf Zusammenhang mit dem südöst-
lichen Europa über Macrdotüen hinab deuten: Regenbogen-
»chüsaeln und SilbermÜuzen mit celtischen Kamen, barba-
rische Nachahmungen macedonischcr Münzen. In Hügeln
nur auh Erde HufgetbÜnnt, findet sich häufiger Eisen und
Gegenstände etruskischer oder römischer Technik (Phale-
rac etc.). — Flache Gräber verschiedener Art scheinen zur
Bestattung des gemeinen Volkes gedient zu haben. 1. Vier-
eckig länglich , an den Seiten mit Steinplatten ausgelegt,
mit einer Steinplatte geschlossen. Meist nur Objecte aus
Stein, Knochen und Horn, zuweilen auch Bronze. 2. Kreis-
runde Gräber in der Erde, kesse)- oder cy linderförmig, am
Boden mit Steinen oder gebranntem Thon aasgelegt. Gros-
se« Todtenfcld dieser Art bei Nrhasilz zwischen Satz und
Brü.i. Dort Urnen und Skeletgriber — nie Eisen, selten
Bronze, massenhaft Mahlsteine, Steinäxte, Thonwirtel und
Instrumente aus Knochen, einige eigentümlich , andere
durchaus denen der Pfahlbauten ähnlich. 3. Langgräber
mit Skeleten, Todtenfelder mit Bronze und Eisen. 4. Ur-
nen , einfach ln die Erde gestellt. Bronze and Eisen da-
bei. (Die Schädel aus den ältesten Gräbern sind alte «ehr
dolkhocephal , Hohberger Typus, also germanisch — die
aus den jüngeren brachycephal , den jetzigen Caechen-
Schideln ähnlich. C. V.)
Antonin Frio. 0 Dezenach Prace. Fritze 1868.
Von einem ins Cecchischc übersetzten Deutachen, Dr.
Ant. Fritsch.
FriodeL Paläolithischc Flintwerkzeuge aus dem
Iluvel - Diluvium zwischen Potsdam und Havels«
berg. — Sitzung der Berliner Anthropologischen
Gesellschaft, 15. Januar 1870.
Arohle fnr Anthropolog a. Bd. IV. Heft II-
Zwei Feuersteiume«*«! aus den, die Mammuthfauna ent-
haltenden Kothkics- Ablagerungen der genannten Gegend -
Fund alter Gerippe auf Bornholm. (Globus, Bd. XV,
S. 190.)
Bericht über den Fund von II alten Gerippen in der
Nähe von Könne, die aus der Vikingerzeit berrühren sollen,
F. v. H.
R. Hartmann. Ueher Pfahlbauten, namentlich der
Schweiz, so wie über noch einige andere, die Al-
terthumskunde betreffende Gegenstände I. —
Zeitschrift für Ethnologie, 2. Jahrgang, S. 1 — 30,
2 Tafeln.
Vortreffliches Resunie und kritische Sichtung der be-
kannten Thatsachen und Ansichten. Hinsichtlich der Ta-
feln und Restaurationen der Pfahl häuser möchte ich nur
Eines bemerken: Wenn Hartmann nicht an Schornsteine
glaubt (ich auch nicht), so glaub« ich auch nicht an Fenster.
Primitive Wohnungen erhalten nur durch die Thfire Lieht.
Victor Hehn. Culturpflauzen und Hau&thiere in
ihrem Uehergang aus Asien nach Griechenland
und Italien sowie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. Berlin, Bornträger,
1870, 456 S.
Ueber den Werth und Inhalt dieser Skizzen ateht uns
kein Unheil za — wie man aber dem Lauch und der
Quitte, dem Pfau und Fasan eigene Capitel widmen kann,
während di« Cerealien, Hund und Pferd nur nebenbei er-
wähnt werden, ist unserer, freilich durch höhere Philologie
nicht geschärften Einsicht unzugänglich. Von den Pfahl-
bauten sagt der Verfasser (S. 411) „das einzige Neue, das
ihre Untersuchung geliefert hätte, sei die Priorität de»
Ackerbaues vor den Metallen“.
Alois Hussa. Ueber das Alter des Menschenge-
schlechtes. Klagenfurt 1869, 28 8-
Recht gute , populäre Auseinandersetzung der bis zur
Brouzezeil reichenden Thatsachen.
Klein, Herrn. J. Geologische Altersbcrechnungeu
des Menschengeschlechtes und ihr Werth. (Glo-
bus, Bd. XV, S. 328-330, 361— 3C3.)
Autor misst denselben gar keinen, oder doch nur »ehr
geringen Werth bei. F. v. H.
Vincenz Knauer. Carl Vogt und sein Auditorium.
Drei Vortrage gehalten in Wien vor einem den
höchsten und intelligentesten Kreisen Angehöri-
gen Publikum. Wien 1870, 60 S,
Den römisch - katholischen Styl und Ton nach Abraham
a Santa Clara muss man sich schon gefallen lassen. Kur
dagegen muss ich protestiren , dang der Verfasser in «einer
blühenden Unwissenheit einen Genossen, Dr. Wilhelm
Knauer in Graz als Entdecker von Verhältnissen und
Berechnungen über die Eiszeit bezeichnet, die längst weit
gründlicher und ausführlicher und zwar vor fast 3ü Juhrcn
vonAdhemar publicirt und iu allen Lehrbüchern behandelt
worden sind.
K. Th. Liebe. Die Knochenbigerstätte von Pah-
ron im Ke usst sehen Oberlande. Zeitschrift für
die gelammten Naturwissen schäften von Giebel
und Siewert, Januar 1870, S. 33. Neue Folge,
Band I.
In einer Spalte im Clymenicn-Kulk Lehm mit Elephas
primigenius, Caoi» spelarus, Orvus tarandus, Bonasus Bison,
Bo* primigenius, Equus fossil«, Lcpus timidus. Sonst gar
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Nichts, sh ein vielleicht von Menschen zugeapilzter Me-
tatarsu» • Nebenknochen vom Pferd. l>le Röhrenknochen
vor der Einbettung zerschlagen. Wahrscheinlich lebte also
der Mrnich in dortiger Gegend mit Mammuth, Hennthier
und Aueroch». (Wenn sich dies bestätigen sollte, »o «Ire
die« die östlichste Fundstätte in Deutschland. C. V.)
Maack. Urgeschichte des »chleswig-holsteiniBchen
Lundes. Kiel 1869, 8°. Zweite verm. Auflage.
Erfreulich, da*» das vortrefflich« Werk schon eine zweite
Auflage gefunden.
Mestorf, J. Das urgenchichtliche Schleswig -hol-
steinische Land. (Globus, Bd. XVI, S. 214 — 216,
234—236, 264—266.)
Nach Maack ’s trefflichem Werke über diesen Gegen-
stand.
Mestorf, Dr. Aus den „Roiseerinnerungen“ des
schwedischen Archäologen Xilsson. (Globus, Bd.
XV, S. 110—113.)
Behandelt die Verfertigung von Steingeräthsrhafton in
vorgeschichtlicher Zeit, die steinernen Pfeile der Eskimos,
die Frameu der Germanen , dann den Zustand des Alter*
thumsmuseum in Kiel und die Privatmuseen in England.
K. v. H.
Mestorf, J. Ein Gangbau auf der Insel Sylt.
(Globus, Bd. XV, S. 296—298, 332—334.)
Auszug aus Wibel’s Schrift.
Christian Petorsen. Spuren des Steinalters, wel-
che sich bis in die Zeiten der beglaubigten Ge-
schichte erhalten haben. Hamburg 1868, 4°.
16 S.
„ln religiösen Gehrluchen und in dem so» Missdeutung
derselben entstandenen Aberglauben, sagt der Verfasser,
erhält sich stets länger, was sonst im Leben seine Bedeu-
tung verloren hat. 4 * — Beim Kinbalsamiren wurde der
erste Schnitt bei den Aegyptern mit einem „A äthiopischen
Steine“ gemacht. Lanzen, Pfeilspitzen, Messer aus Feuer-
stein waren in Aegypten im Gebrauch. Die Juden vollzo-
gen di« Heschneidung mit einem Steinmesser, die Punier
zerschlugen den Kopf des Opfert hiere» mit einem Stein.
Jupiter Feretrius hatte als Symbol einen Stein — Jupiter
Lapis. Jupiter schleuderte Donnerkeile — Steinbeile, beim
Schwören warf mau einen Stein , beim Schließen eines
Bundes tödtete man das Opferthier mit einem Steinmesser.
Sprichwort: Inter sacra tniumque. Edda und Saga ken-
nen Steinbeile und Pfeile im Gebrauch des Aberglauben#.
Thor'» Mjölner ist ein Steinhammer — Indra*» Hammer
ebenfallt.. Als die Aryer »ith trennten , kannten sie Erz,
Kupfer, Gold, wie Grimm sprachlich nachwies, nicht Eisen
und SilbcT.
F. von Rougemont. Die Bronzezeit oder die S«w
raiten im OocidenL Uebersetzt von Aug. Keerl.
Gütersloh 1869.
Vermehrte, aber nicht verbesserte Uebersetzung des be-
kannten Buches.
Oscar Schmidt. Murmelthiere bei Gratz. —
Sitzungsberichte der Akademie. Wien, Vol. 53.
Am Rainerhügel hart bei Gratz wurde ein alter Murmel-
thierbau in 1200 Fusa Meere»biihe gefunden , der offenbar
aus einer Zeit Maromt, wo Flora und Faun* der Hochge-
birge in die Ebene hinabgingen. (Den Tbonkugelu nach
zu schUessen Ist es Arctomy* Bohac. C. V.) (Siebe Ar-
chiv, Vol. 1, S, 378).
Oacar Schmidt. Das Elenn mit dem Hirsch und
dem Höhlenbären fossil auf der Grebenzer Alpe
in Obersteier. Sitzungsberichte der Akademie.
Wien, Vol. 37.
Höchst merkwürdiger Fund in einem Schlunde, dem
„wilden Loche“, wenigsten» 60ÖO Fass über dem Meer«.
Ein 18 Klafter tiefer Schacht fuhrt zu einer schiefen Hoble,
deren Eingang vereist ist. Nur ein Individuum jeder Art,
offenbar sind die Thierc hinei »gestürzt. Der Elennvhädei
mit dem Geweih ist prachtvoll erhalten.
Schuator, Oscar. Die alten Heidenschanzen
Deutschlands. Dresden 1869, 8°.
Diese sehr gründliche Arbeit ist zuerst in Streffleur’a
Oesterreichischer Militärischer Zeitschrift erschienen und dann
vom Verfasser, einem königL sächsischen Offizier, selbst-
ständig als Buch herausgegehen worden. Dem Autor stan-
den offenbar gediegene archäologische und linguistische
Kenntnisse zu Gebote, wie denn dir ganze .Schrift wohl da«
Vollständigste sein dürfte, was wir über diesen Gegenstand
besitzen. Eineu Auszug dieser Arbeit findet man im „Aus-
land“ 1889, Nr. 41, S. 977—978. F. v H.
8teinzol t alter , das, auf den griechischen Inseln.
(Ausland, 1869, Nr. 48.)
Bericht Über dir von Herrn J. Fouqul geleiteten Aus-
grabungen auf Theraaia, welche zur Entdeckung eines un-
ter einer 20 Meter mächtigen Tuffschicht begrabenen Hau-
ses führten, das allem Anscheine nach aus der Steinzeit
stammt. Wenigstens lies» skh unter den darin aufgefun*
denen Gcrätlien kein» Spur von Bronze oder Eisen bemer-
ken; man fand Tbongrfäas« , Werkzeuge aus gespaltenem
Obsidian, zwei kleine goldene Ringe und ein menschliches
Skelet , das jedoch leider aus Unvorsichtigkeit zerstört
wurde; endlich die Gebeine von drei Wiederkäuern (Schafen
oder Ziegen). P. v. H.
Thierwelt, die, und die Menschenspuren in der
Kent-Höhle bei Torqnay. (Ausland, 1869, Nr. 48.)
Uralte Feuersteinger&the in einer meioc&nen Ge-
birgsscbicht. (Ausland, 1869, Nr. 51.)
Notiz Über die Funde von Abb£ Bourgeois.
Virchow. Ueber Rennthierfunde in Norddentsch-
land. Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc.
Sitzungsbericht vom 12. Februur 1870. Zeit-
schrift für Ethnologie, 1870. — Sitzungsbericht
der Gesellschaft naturforschender Freunde. 1 9. Oc-
tober 1869:
Virchow. Die Pfahlbauten im nördlichen Deutsch-
land. — Sitzungsbericht der Berliner Gesellschaft
für Anthropologie, 11. Docember 1869.
J*ehr lehrreicher und erschöpfender Vortrag, der viele
neue Verhältnisse aufweist. Mit Ausnahme der Pfahlbau-
ten von Wismar und einer Stelle am Stildtner See, wo vier
Feuersteinraeuer gefunden wurden, gehören alle Potnrorri*
sehen und Keutnärklscheii Pfahlbauten (Daher, Persanzig,
Schwachenwnide etc.) unzweifelhaft der Eisenzeit an und
sind, nach Werkzeugen und besonder» der Ornnmentik der
Topfgeräthe zu sehliessen synchronistisch mit den Burgwäl-
len derselben Gegenden. Die Construction ist anders, als
bei den schweizerischen Pfahlbauten — sie stehen auf
quadratischen Holzkasten, die als Fundamente dienten. Das
Töpfergeschirr dieser Pfahlbauten und Burgwälle ist stets
mit horizontalen, geraden und gewellten Linien verziert, nie
mit geroden oder schrägen. Bei Schwa* hen wähle wurde
viel Bronze gefunden und Töpferei von feinerer Technik —
sonst ist die Bronze sehr selten. Wenig Reste pHanzlirher
Nahrung: Haselnüsse, Weizen, Apfel — in Scbwacbenwmlde
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Verzcieliniss der anthropologischen Literatur.
Kincb* and Pflaumenkern«, von welchen aber zweifelhaft,
ob nie der Culturschleht an gehören. Wenig Knochen von
Jagdthieren: Eber, Hirsch, Heb, Biber, Elenn. Letzteres
wird io keiner historischen Quelle als Jagdthier der Mark
oder Pommern« erwähnt. Haust hierknochm in grossen
Maasen: Hand, Ziege, Schaf, Rind, Pferd und Torfschwein —
letzteres identisch mit der noch bis vor eiuem Jahrhundert
in Dänemark gezüchteten Race. Horn- und Knochengeri-
the, worunter besonders ein Kamm.
Carl Vogt’a Vorträg« über die Urgeschichte der
Menschen. Gehalten im Saale des deutschen Ca*
sino in Prag im Februar 1870. Herausgegeben
Tora deutschen Vereine zur Verbreitung gemein*
nütziger Kenntnisse. Prag 1870, 12°. 5G S.
Walthor, Ph. A. P. Die Alterthümer der heid-
nischen Vorzeit, innerhalb des Grossherzogthums
Hessen, nach Ursprung, Gattung und Oertlichkeit
besprochen. Dann stadt (H. Brill), 1869,8°. 115S.
mit 1 archäologischen Karte.
England.
Duke of ArgylL Primeval Man: an Examination
of Borne recent SpeculAtions. Strahan et Comp.,
2. edrtion, 1869.
Der edle Herzog bat eine Lanze gegen Alle eingelegt,
welche behaupten, dass der Mensch sich von ursprünglicher
Wildheit zu höherer Cjvilisation emporgehoheo habe. Die
ersten Menschen waren Ideale; durch Vermehrung wurden
sie zur Auswanderung gezwungen, wurden um so roher,
je weiter sie gingen, vergassen, was sie wussten und wur-
den endlich Wilde. Das ist der Kernsau, um den sieb der
ganze Band dreht , der vorzugsweise gegen Sir John
Lnbbock gerichtet »st. Dieser replicirte auf der Ver-
sammlung in Exeter (August Anthropologie«) Review,
Vol. VII, Nr. 27, p»g. 415) und in Folge drssen entspann
*kh eine lange Di*cus*ion , die Derjenige lesen mag , der
sieh for die Art und Weis« interessirt, wie in England
Dinge behandelt werden , in welche der Bibelglauhen hin-
eingezogen werden kann.
J. G. Atkinson. Oo Cleveland Grave -hills. —
Journal of the Anthrop. Society, Vol. VII, pag. 1 13.
Im Thale de« Esk viele Grabhügel mit Urnen und ver-
brannten Knochen. Keine Spur von Metall.
John D. Baldwin. Prefeistoric nationa; or En*
quiriea conceming aome of the Great Peoplea
and Ciriliaations of Antiquity and their relation
to a etill older Civilisation of thu Ethiopians or
Cuahitee of Arabia. London 1869.
C. Carter Blake. On the Macana of the Abori-
gines of Central America. — Anthropol. Review,
Vol. VIII, Nr. 28, pag. 100.
Macana heisst ein dem Celt oder PaUtab ähnliches In-
strument au« hartem Holz, das, in einen Stab befestigt,
»ls Pflug und Spaten dient. Verfasser wüuscht eine rich-
tige Ableitung des Wortes. In Nicaragua «ab Verfasser
eine Indianerin mit einer Azt aut Diorit Mai» auf einem
Mühlsteine zerquetschen. Die Indianerin wollte sie nicht
verkaufen — es sei du Donnerkeil.
Chamock. On Locmariaker. — Journal of the
Anthrop. Society, Vol. VII, pag. 121.
Beschreibung der roegalithi«chen Denkmäler der Umge-
bung.
W. C. Dendy. On tho primaeval Rtatus of Man.
Anthropol. Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 423.
Geharnischtes Manifest, vorgetratrm hei der Versamm-
lung io Ezeter, mit dem Motto: Die Männer de» Glaubens
müssen mehr untersuchen, die Männer der Wissenschaft
mehr glauben. Lange Discu»sioa , hei welcher mehre An-
thropologen sich gegen den Vorwurf des Unglaubens ver-
wahren.
Sir W. Denison. On attempt to approximate the
Antiquity of man by induction from well eata-
blisbed facta.' 2. Edition, 1868, 22 S.
Durableton. Discovery of a Lake Island in Sonth
Wales. — Anthropol. Review, Vol. VII, Nr. 23,
pag. 422.
Pfahlbnute, ähnlich den schweizerischen.
P, M. Duncan. Human remains in the Cave of
Cro-Magnon, in the Valley of the Vezere. — An-
thropol. Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 422.
Die Mammuthknochcn , die man mit Renntbier- und
Meuschenrcsten zusammrngefundrn , seien von Rennthier-
jägern gefunden und als Merkwürdigkeit nach Hause ge-
bracht worden.
?. W. Flower. Noticcs of a Kjökken-Mödding in
the I&l&nd of Herrn. — Journal of the Anthrop.
Society, Vol. VII, pag. 115.
Auf der Westküste dieser kleinen, bei Gaernsey liegen-
den Insel , etwa 10 Kuss über dem Hochwasser , 60 Kuss
lang, 2 bi» 3 Fas« dick. Hauptsächlich Schalen von Pa-
tella, Halioti», Mya, Mytilas, Austern; Knochen von Schaf,
Ochs, Pferd, Schwein, Ziege, etliche« Vögeln und Fischen.
Dabei cylindriwhe Ziegel, andere von römischer Arbeit,
einige runde Steine (Hämmer, keine Messer oder Arzte),
einige SpindcUteine, eine kleine Bronzenadel, ein eisernes
Instrument, rin kleines Glasstbck. Die Cromlerhs der In-
sel scheinen weit älter. * — Dieser Kücbenatfall aus der
Römerzeit.
Col. A. Lano-Fox. Bronze sporn- from Loogh
Gur. — Ethnological Society of London , Vol. I,
pag. 36 mit Abbildung.
Br<mxes]***er mit goldenen , verzierten Ringen um die
Dille und mit fast fuuf Fu« langem Schaft vom Holze der
Sumpf-Eiche — aus dem Torf de« Lougb Gur hei Lime-
rick in Irland. Der Schaft ist geschnitzt, nicht gedreht.
Col. A. Lane-Fox. On sorac flint Implements
found aaeociated with Roman remainB in Oxford-
ebire and the Islo of Thanet. — Journal of the
Ethnolog. Society of London, Vol. I, pag. 1 — 12,
1 Tafel.
In der Nähe eines römischen Verthcidigungswalle» , Ik-
vil’s oder Grimes Dyke genannt, zwischen Woodstork und
Cbarlhury fanden »ich an verschietlenen Stellen zwischen
römischen AUerthümern, V&scn*cherbiu etc., Kratzer, Pteil-
20*
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156
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
spitzen, Mwitr und Ähnliche Feuerstrininstrumcnte, wie
mau sic auch häutig mit Bronze xusammrnündct. In einem
Brunnen bei St« Peter» auf der Insel Thnnet wurde ein«
ähnliche Vergesellschaftung gefunden. Die alten Brüten,
namentlich die Sklaven , mögen wobl noch zur Röroerzcit
Stelngeräthe gebraucht haben.
Lane-Fox, A. Remark« on Mr. If. Westropp’s
Paper on Cromleche. With a map of the worid,
shewing the distribution of megalithic monu-
meuts. (Journal of the Ethnological Society of
London, 1869, S. 59—67.)
Ober*t A. La ne- Fox macht Bemerkungen xt» dem
Aufsätze von Westropp (»iebe dienen) über die mega-
lithischeu Bauten, indem rr theilweisc denselben ergänzt,
t bei (webe aber au» den vorhandenen Thatsachen andere
Schlüsse zieht. Dolmen, Cromlech», Menhirs u. *. w. fin-
den «ich nämlich nu**rr an den von Westropp angeführ-
ten Orten in der Nähe von Tripolis und längs der Küste
ostwärts; auch bei Murxuk, auf den Inseln Malta und
Gozzo, auf den Canaren, an der ganzen Nordküste Afrikas
bis Tanger. Auch in der persischen Provinz futbttt und
tu Dnrab, ferner Im Süden de# Kaspi-See zwischen Tauris
und Kasbin wurden Steinkrcis« beobachtet. Ucber ganz
Südindien vom Nerbudda bis Cap Comorin sind sie zer-
streut und höchst wahrscheinlich auch über Oberindien.
Consta tirt sind sie auf Ceylon. «Auf der asiatisch-indischen
Inselwelt scheinen sie zu fehlen; wir trelTen sie erst wieder
auf den Fidschi-Inseln , auf Strang’ s Island, Paadseu, Oster-
insel und Waihu, sowie auf Tinian unter den Ladronen.
Kassen wir aber die Verbreitung der Megalithen in Ku-
ropa genauer in'» Auge: sie kommen vor in Andalusien,
in Alemtejo und Beira, selten in Estremadura, Traz os
Monte* und Minho; in Frankreich vorwiegend wenn nicht
ausschliesslich in den südlichen und westlichen Departe-
ments, Aveyron, Cantal, Tarn, Tarn et ünronne, Arrtfge,
io der Nähe von Perpignnn, im Poitou und in der Bretagne,
in Eure et Loire und in der Umgebung ran Paris. In
England, Schottland und Irland treten sie häutig, aber vor-
züglich an den Westküsten auf; endlich in Dänemark, in
den oberen Provinzen von Holland und Deutschland und
der südlichen Spitze von Schweden, so wie an der Ostküste
des baltischen Meeres, einschliesslich Kstbland, Livland und
Kurland. Nur vereinzelt wurden eie in Thüringen, in der
Schweix und bei Sesto Calende bemerkt.
Zusammengehalten mit ihrem außereuropäischen Auf-
treten gelangt der Verfasser zu dem Schlüsse, dass ein
gemeinsamer Ursprung der Megalithen errichtenden Völker
höchst wahrscheinlich «ei, so wie dass die Orte ihre* Vor-
kommens Zusammenfällen mit den Wegen, welche, wie wir
wissen, die Civilisation in historischer Zeit eingeschlagen
hat; während andererseits, wo sie fehlen, zumeist auch «las
Licht derCultur niemals hingedrungen sei. Wenn sie auch
nicht Einem Volke angeboren, so haben sie doch gewiss
einen gemeinsamen Ursprung.
Auch als Grabmotiumento will sie Oberst Lane-Fox
nicht gelten lassen, er meint vielmehr, dass «ie nl* Ver-
sammlungsorte für die Volksobersten dienten, welch letz-
tere daun wohl auch wahrscheinlich dort bestattet wurden.
Je mehr wir die Cnltar der Ureinwohner unsere* Erdballes
untersuchen, schliefst der gelehrte Offizier, «lesto mehr
erkennen wir, dn«s sie sich nach einem Plane ausgebreitet
habe, analog jenem, welcher bei der Entwicklung
der «Arten beobachtet wurde, und desto klarer wird
es, «los.» die Unter»uchungstnetho<ie in diesen Gebieten die-
selbe systematische Methode sein sollte, welche wir bei
Beobachtung der Phäuomeae im Thier- und Pflanzenreiche
anwenden. (F. v. H.)
Lane-Fox, Colonel. Flint implements in the
Valley of the Thnme*. — Anthropolog. Review,
Vol. VII, Nr. 27, pag. 422.
Bei Acton nud an anderen Orten auf früheren Hochter-
nusrn des Flusses.
Sir Duncan Gibb. On the paucity of aboriginal
monuwent« in Canada« — Anthropolog. Review,
Vol. VII. Nr. 27, pag. 423.
Aufsuchung der Gründe, weshalb man in Canada Nichts
findet.
Canon Greenwell. Yorkshire Tumuli. Grand
Diaeoveriea near Bridlington. — Anthropological
Review, Vol. VIII, Nr. 28, pag. 101.
Bericht über OetFnung zweier »ehr grosser Grabhügel in
Kadstone. Krin Metall; verbrannte and unverbrannte Lei-
chen; mehrfache Begräbnisse ln demselben Hügel; viele
Stein-Instrumente, worunter grosse Hämmer; Trinkschalen
von sehr eleganter Form etc.
Canon Greenwell. Prehiatoric remains. — Jour«
nal of the Ethnolog. Society, Vol. I, pag. 205.
Untersuchung von alten Strossen, Befestigungen, Grab-
hügeln, Druidenkreisen and Pfahlbauten Lu Northumber-
laud, meist ans der Bronze- und Eisenzeit.
T. M. Hall. Method of forming the flint flakea
uaed by the early inhabitaut* of Devon. — An-
thropolog. Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 427.
Neue Beschreibung der längst bekannten Methode, Feuer-
steintnesser abzusprengen.
F. W. Hayden. Observation» in regard to Indian
history. — Journal of the Ethnological Society,
Vol. I, pag. 332.
Viele Indianerstimme am Missouri lebten früher in Erd-
hütten. Bei solchen, sehr alten Dörfern findet man Mas-
sen von Steingeräthbchnftca.
James Hunt. On Carnac in Brittany. — Journal
of the Anthropol. Society, Vol. VII, pag. 123.
Beschreibung des Monumentes. Eine lange Discussion
entspinnt »ich Uber die heutigen Bretagner, die Bedeutung
der Namen u. s. w.
•
International Congrew of Prehistoric Archaeology.
— Tmnaactions of the third Session which opened
at Xorwich on the 20 ,b August and closed in
London on the 28 Ml August 1868. London,
Longmans, Green and Comp., 1869, 419 S.
Stattlicher Band mit vielen Tafeln und Holzschnitten,
der Ȋiumtlichc beim Congress in Norwich gelesene Abhand-
lungen und die stattgehabten Dttcussionrn wiedergiebt.
Harry Jonos. Notes of some diacoveries in Bar-
ton Mero, near Burg St. Edmonds. — Journal
of the Ethnological Society, Vol. I, pag. 199.
Im Moor und zwar in der torfigen Schicht über «lern
Kreidemergel Knochen und Geweihe von Bo* longifron»,
Schaf oder Ziege, Schwein, Hirsch, Ur, Hund oder Wolf
und Hase, einige bearbeitet, Scherben von der Hand gefer-
tigt, Feuersteinmesaer und Kratzer. In höherem Niveau
eine Lanzenspitze von Bronze. Spuren eine» Pfahlbaues,
Pfähle durch xerstossene Feuersteine befestigt und in «len
Kreidcmergel eingetrieben.
Lauth. The Jron Age in Egypten. — Anthropol.
Review, Vol. VIII, Nr. 28. pag, 105.
Da« Wort Ba — Eisen — finde sich schon auf Monu-
menten 4000 Jahre v. Cbr,
A. L. Lewis. Reminiscences of n Visit to Lock-
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157
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
mariakcr and Gavr Inis. — Journal of the An-
thropolog. Society, Vol. VII, pag. 122.
Bekanntes, namentlich über die in die Steine gehauenen
Linien itn Holmen von Gurr Inis.
A. I». Lftwis. Megalithic Monuments. — Anthro-
pological Review, VoL VII, Nr. 27, pag. 424.
Der gleiche Plan auf der ganzen Länge der Verbreitung
von Indien bis Großbritannien (und weiter C. V.) zeige
auf Erlmuer desselben Stammes.
Sir John Lubbock. On stone implement» frora
the Cape. — Journal of the Ethnological Society
of London, Voll, pag. 51, 1 Tafel. Uebersetzung
in Material« 2 d * Serie, 6"* Annee, pag. 44.
Messer, Kratzer, Pfeilspitzen, Schleudersteine von sehr
roher Arbeit, von C. J. Bush und Langhin» Dale xwl-
•chm der Tafel -Bai und der Fal»e-Bai am Cap der guten
Hoffnung im Treibsand« gefunden. Gleichen in der Form
häufig den Stücken von St. Acheul.
Scott Moore. Pre-glacial man and geological
chronology. In 8®. Vol. XII, 120 pag., 3 Tafeln.
Dublin 1868.
Uns nicht zu Gesicht gekommen. — Berechnungen vom
religiösen Standpunkt aus.
Poacock. On a Barrow at Cleatham. — Journal
of the Anthropolog. Society, Vol. VII, pag. 113.
In der Mitte des grossen Hügels Kohlen cinr» Scheiter-
haufens mit verbrannten Knochen, eine umgestärzte Um«
voll Kohlen. Mehrere stehende Urnen mit verbrannten Kno-
chen. Einige FeuerateinspUlter, der Hügel aus Sand, den
man in Körben herbeigetrugen, aufgeschüttet.
Major George Godflrey Pearse. On the excava-
tion of a large raised Stone Circle or Barrow
uear the village of Wurreegaon, ono mile from
the military Station of Kamptee, central provin-
ce» of India. — Journal of the Ethnol. Society,
Vol. I, pag. 207.
ln einem Tumulus in Reihen gestellte Gcfasse , Skelete,
Grrätbe von Gold, Eisen, Stahl — auch Kokosnuss. Das
Kulturvolk, tob welchem die Gegenstände stammen, ge*
höre weder den Buddisteu noch den Hindus, weder den
Griechen noch den Christen an — wahrscheinlich der Aera
von Menu, 1200 ▼. Chr.
Pengelly. Fifth Report of the Committee on the
exploration of Kcnt's Cavern. — Anthropological
Review, Vol. VII, Nr. 27, pag. 431.
Fortsetzung der Untersuchungen, die wieder Massen von
Knorhen und Instrumenten geliefert haben. Boyd Daw-
kins weist nach, dass verschiedene Schichten vorhanden
sind, aus verschiedenen Epochen. — Während der Bildung
der obersten , schwarzen Schicht hätten Kannibalen die
Höhle bewohnt. Darunter fänden sich Knochen vom Viel-
traps, Biber, einem grossen Hasen etc.
Pengelly. On the Archaic Anthropolog}' of the
South- West of England. — Anthropolog. Review,
Vol. VII, Nr. 26, pag. 242.
Auszug aus einer Abhandlung über die Höhle von Bria-
hain, welche in den Verhandlungen der „Devonshire Asso-
ciation for the advancement of Science, literature and
arts* 1 erschienen ist. Menschenreste mit Knochen nusge-
sUirbener Thicrart«n in den tiefsten Schichten, die älter
sind als der submarine Wald von Torbny, der sich Hher
Corowidli» fortNtit und dort oft von mächtigen Ablage-
rungen überdeckt ist, in welchen man, in einer Tiefe von
40 und 55 Kuss menschliche Schädel fand, wovon einer in
Prnzanc« aufbewahrt ist.
Scotland. Monumental Stones in Scotland. —
(Journal of the Ethnological Society of London,
1869, S. 204.)
J. Sinclair Holden. On a dolichocephalic Cra-
nium from Glenanu, County Antrim. — Journal
of the Anthropolog. Society. Vol. VII, pag. 155.
Dolichocephaler alter Schädel mit stark entwickelten
Augen brauen bogen.
Don Alfonso Steffens. On some stone implomonts
from the Island of San Jose. — Journal of the
Ethnolog. Society of London, Vol. I, pag. 67.
Ein deutscher l’erlenhändler , Steffens, lies* auf der
Insel San Jose in der Panama-Bucht eines der zahlreichen
überwachsenen Gräber öffnen und fand darin viele primi-
tive Steinwaffen.
CoL Meadows Taylor. On prehistoric Archaeo-
logy of India. — Journal of the Ethnol. Society,
Vol. I, pag. 157.
Ausführliche Aufzeichnung seiner, so wie der bisherigen
Arbeiten. Babingtu n veröffentlichte zuerst im Jahre 1820
einen Aufsatz über Dolmen (Kodey Kulis oder l'nndoo
Koolies genannt) in Malabar. Unter dem Dec.kstciue fan-
den sieh Urnen mit Meoschenbeinea, in von fern gebrach-
ten Sund eingestellt. Dabei Eiscugeräthe und Waffen. In
den Nilgherrie* fanden tlnrkne»» und Congrevc Tumoli
mit Steinkreisen, darinnen Steinkisten mit Urnen und Waf-
fen. Congreve hielt sie für skythisch. — Verfasser un-
tersuchte in Dekhau, Provinz Torapur. Hier sind theils
entblösst stehende Dülmen, theils Cairns. Nach den Fun-
den theilt Taylor die Erbauer in zwei Claascn; die einen
begruben ihre Todteu und brachten dabei Menschenopfer;
die anderen verbrannten die Todteu und begruben die
Asche in Cairns oder setzten sie in Urnen bei. Im Moor
von Twixell (Grafschaft Northumberland in England) fand
Taylor dieselbe Anordnung — im Caira einige Fu*a unter
der Oberfläche die Deckplatte, darunter die Urnen mit
Knochen, Asche und Kohle, vermischt und eingestellt in
rothe, von fern hergebrachte Ente. Bei Vibut Hallt und
Shabpoor umschliessen 56 ungeheure GraniUteiue (grösser
als bei Karnak) einen weiten Raum mit einem Tuinulus- —
Bei Hyderabad cairns, in denen man Töpferei, Glocken,
Speer- und Pfeilspitzen von Bronze fand. Grosse Gruppen
(hei Tausend! wurden von Oberst Dorla auf dem Wege
von Hyderabad nach Masuliputam entdeckt; Bell fand in
Narkael-pulli neben einem Skelet in hockender Steilung ein
Stück Eisen. Im District von Bellary ähnliche Bauten,
die hier, wie anderwärts, Zwergen zugeschrieben werden.
Ferner bei Tooljapoor, Nagpore, t'romlecha im Niruiul
Jungle am Wurdit. Taylor neigt sich der Meinung zu,
alle diese, den europäischen so ähnliche Grabstätten
stammten von Turaniem, nicht von Arycm. Di« Völker,
bei denen mim sie finde, sprächen Dravidisch, das mit Ta-
mulisch und Tartarisch verwandt »ei. Sodann zählt Taylor
die Fundstätten von Steingrräthrn und Palstäben auf: bei
Lingwwgnor Messer und Pfeilspitzen, ähnlich den Mexico-
nischen, hei Jabbelpoor etc.
John Thurnam. On ancient British Barrows, espe-
ciallv tho?o of Wiltahire and the adjoining coun-
tic8. Part I, Long Barrows. — Archaeologia,
Vol. XLII, 1869. Rcsum6 in Nature, Nr. 18»
March, 1870, pag. 460, Tome I.
Zwei Classen »olcher, in Wiltshire sehr häutiger Gräber,
einfache und gekammerte. Die Loog- Barrows liegen Bleis
vereinzelt anf Höhen. — Die einfachen sind 100 bis 400 Jus*
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158 Verzeichnis® der anthropologischen Literatur.
lange , 30 bi* 50 Fus* breite, 3 bi* 12 Fuss hohe
Hügel, meist von 0*1 nach West orientirt; die Grabgegen-
ständc hnden »ich im HUprl etwa auf dem Niveau «les
Boden*; umher ist der Grund durch die Aushebung der
zur Aufschüttung nüthigeu Erde vertieft. Mau findet nur
rohe SteiiiwatTeu, rohe Topf*cherben, Knochen von Bo*
longifrons oder brachyceros, Hirsch, Eber in den ursprüng-
lichen Beisätzen , über welche der Hügel aufgeschüttet
wurde. Dagegen findet man oft Gegenstände aus spateren
Zeiten in di« oberen Thcile der Hügel rin gegraben.
John Thurn&m. Further Researches and Obser-
vation« on the two principal form« of Ancient
british Skulls. — Memoirs of the Anthropolog.
Society of London, Vol. III, S. 4, Tafel 1 u. 2.
Neue Beweise, dass in den Long-Barrows dolichocephale,
ln den Round - Bnrrows , die einer späteren Zeit angeboren,
brachy cephale Schädel Vorkommen; dass die enteren der
Steinzeit, letztere der Bronze- und Eisenzeit angehören;
entere seien wahrscheinlich Iberier (wie auch die Basken);
letztere G&len oder Belgier.
Alfred R. Wallace. The measurement of geolo*
gical time. — Nature, Nr. 17 et 18, 24. Febr.
und 3. March 1870.
Vollständige* Re»um£ der Frage und Beleuchtung der
astronomischen Argumente, welche für da* alternative Wie-
derkehren von Eiszeiten beigebracht worden sind.
WeBtropp, Hodder M. On Croralechs and Me-
galithic Structuros. — (Journal of tho Ethnolog.
Society of London, 1869, S. 53 — 59.)
Es darf jetzt wohl als erwiesen angenommen werden,
meint der Autor, dass es allgemeine natürliche, jeder Race
gemeinsame Instincte gebe, wonach die Menschheit in ge-
wissen Kliiuaten und in einem gewissen Stadium der Cul-
tur dieselben Dinge in derselben Weise ausführt, ohne vor-
hergegangene Berührung mit oder Unterweisung von jenen,
welche zuerst so gethan haben. Beweis hierfür die iden-
tischen Formen der Feuerstein- and Steingeritbe auf der
gauxen Welt , dann die Ornamentik , da* Zickzack u. s- w.
Ein weiterer Beleg seien die Grabmonumente. Ihre
einfachste, rudimentärste Form, der Turaulu», ist über die
weite Erde zerstreut. Beinahe eben so weit seien die me-
galithischen Bauten verbreitet; sie finden sich auf den
englischen Inseln, in der Bretagne, sehr häufig in Schwe-
den und Dänemark, zu Saturaia in Etrurien, in Spanien,
auf Sardinien und den balearischen Inseln; in verschiedenen
Thcilen Indiens , besonders in den centralen Gebieten der
Necrniul Jungle, an der Küste von Malabar, beim Khasia-
Yolke in dem FUrstenthume Sorapur, dann bei V eilt. re in
der Präsidentschaft Madras; endlich bei Chitiore in Nord-
Arcot. Auch in Afrika treffen wir diese merkwürdigen
Bauten, zwischen Algier und Sidi-Ferruch , an den Quellen
de* Burosrmuk bei Constantine und in Tunesien bei Sidi-
Busi im Nordosten von Hjdrah, Wellcd Agar und Lbuya.
Weitere Fundstätten sind noch der Caucasus und die Step-
pen der Tatarei, die Ufer des Jordan und Palästina über-
haupt, Arabien (bei Kaaim), endlich unter den Siid*e*-Iu-
■eln auf Prnrliyn Island und schliesslich in Peru. Da-*
alle diese Bauten Grabmonumente gewesen, geht aus den
Nnochen und anderen SepulchraJgcgensUUiden hervor, die
unter ihnen gefunden wurden.
Altertbumskundige geben ferner zu, das« die primitiven
Kacen den Bau von Tempeln nicht kannten; gleich den
amerikanischen Indianern beteten sie dm grossen Geist an,
ohne ihm Tempel zu errichten, die schon ein höhere* Cnl-
turstadium andeuten. Der Verfasser stellt dann aus den
bekannten historischen Quellen die Beweise für seine An-
sicht zusammen, dos* die tnegalitbUche Bauten auRtihren-
den Völker sich alle auf einem der tiefsten , wenn nicht
dem tiefsten Standpunkte menschlicher Gesittung befunden
haben. Bei den meisten herrschten Anthropophagie, Po-
lyandrie, Menschenopfer und aonstige barbarische Zustände.
Er gelangt endlich zu dem Schlüsse, dass die megalithUchen
Bauten weder den Kelten noch den Skythen oder sonst
einem Volke eigenthiimlich waren, sondern als das Resultat
der Bestrebung primitiver uncnltivirter Völker zu betrachten
sind, möglichst dauernde Grabstätten zu schaffen, und da»
sie von Menschen errichtet wurden, die ein natürlicher Trieb
bewog, sie in der einfachsten, folglich in allen Ländern
identischen Form zu erbauen. (F. ▼. H.)
Frankreich.
A. Arcelin. Iufluence Egyptienne peudant Tage
du bronze. — Matvriaux, 2 d * Serie, 5 mo Annee,
pag. 376.
Die Bronze war in Aegypten schon zur Zeit der ersten
Dvnnstieen, also vor mehr als #000 Jnbren in Anwendung
und allgemein verbreitet. Zu jener Zeit herrscht« In West-
europa und vielleicht überall in Europa noch die Steinzeit.
Man kann sich also fragen, oh ak-ht die europäische Bfon-
zefabrikation von der ägyptischen abdamme. Dafür spre-
chen die gleichen Formen dcrAexte uud Gelte, der Lanzen
und Pfeilspitzen , der Dolchklingen — während die längere
Schwertklinge den Aegyptcrn fehlt. Ausserdem hatten sie
eine Menge eigenthümlichcr Gerät he, deren Analogs bi*
jetzt im Occident noch nicht gefunden wurden, während
wir andererseits Dinge haben, die nicht in Aegypten Vor-
kommen. Vielleicht »eien die Peinsgier die ersten Verbrei-
ter der Bronze in der Umgegend des Mittelmccres gewesen,
später die Phönizier.
A. Arcelin. Gi&ementa de l äge de pierre de Beth-
Saour (Palestine). — Matcriaux. 2' !e Serie, ö™*
Annita, pag. 237.
Zwei Arten von Ablagerungen, Schutt an den Abhängen
und Grotten. Kicaelwerkzeuge, mit unvollkommener Schlei-
fung, schlecht gearbeitete Töpferei, Pferdeknochen. Gräber
aus der Bronze- und Eisenzeit.
Emilo Arnaud. fctudes prehiatoriques eur lea
premiera vestiges de TinduBtrie humoiue et la fin
de la p^riode quatemaire dans le Sud -Kat de
Vaucluae, 13 S., 6 Tafeln. Paria, 8avy. — Mate-
riaux, 5“* Annee, 2 de Serie, pag. 225.
Lagerstätte von Baoumo de» pevrards bei Apt ; Pferd,
Steinbock, Hirsch, Kaninchen, Antilope dorcas(f); Kiesel
vom Typus von Moustier.
Bailleau. Grotte dea feeg de Cbatelperron. — Ma-
teriaux, 2** Serie, 5" 1 * Annee, pag. 384.
Die Höhle hat. zwei OetTnungen , von welchen nur die
eine intakt. In dieser zwei Schichten, die obere enthält
Knochen von jetzigen Thleren, die untere von Pferd, Ochs,
Bison . Hirsch. Geuse, Rennthier, Ziege oder Steinbock,
Wolf, Fuchs, Hühlen-Bär, -Hyäne, -Löwe und Mammuth.
Für den Menschen beweisen die zerbrochenen Knochen,
einen odrr zwei Steinkerne, ein zugespitxter Mittelfusskno- -
eben vom Auerochs und zwei polirte Ohrknöchelrhen (V).
Auch ein Unterkiefer vom Aurrorhs, welchen der Mensch
benagt habe. Verfasser will Nagungen des Menschen leicht
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159
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
von denen durch Thiere unterscheiden. Die Beschreibung
der Unterschiede, die er »Utuirt, lässt aber eher auf einen
Nager »chliessen. Ueber und neben den Grotten Heerde,
dabei Stucke von Stosszähncu vom Mammut h. durchbohrte
Zähne, bearbeitete Knochen, Kieselinstrumente rohester
Form und Ebenocker (zuro TntuirenV). in grÖMertT Tiefe
und in einer Ecke der Höhle Hyanenkoth in Menge mit
benagten Rennthicrkow brn.
Abbe Bourgeois. Nouvelle affirmation de Thomme
tertiaire. — Materiaux, 2 d# Serie, 5“* Annee,
pag- 297.
Der Fundort bei Pont-Leroy zeigt von oben nach unten
folgende Schichten: l) Dammrrdc = 0*30 Meter; 2) llatmn-
rrde mit quaternären Elementen == 0*20 Meter; 3) Faluns
mit Muscheln und gerollten Knochen von Naahorn , Masto-
don und Dinotberium = 0'6Ö Meter; 4) Kalk von Beauce,
dicht, an der ObertLäche von Pholas dimidiata durchbohrt
= 0*30 Meter; 5) Mergelicher Kalk von Beauce, in den
unteren Schichten findet sich das vierzehige Rhinoceros
(Acerathenum) = 4 Meter; 6) Schicht mit bearbeiteten
Feuersteinen e= 0*60 Meter. — Worsoae, Lartet,
Valdemar Schmidt. Beigrand, Mortillet, sind
alle der Ansicht, dass die Feuersteine, von welchen viele
im Feuer waren , von Menschenhand geschlagen wurden.
J. B. Bourguignat. Hiatoire de monumenU me*
gulithiques de Roknia, pro» de Hatnmtun-Ne^kou-
tin, 4°. 99 pag-, Karte and 9 Tafeln. — Mate-
riaux, 2 d * Serie, ß** Annee, pag. 192.
Monographie der schon im vorigen Jahresberichte (siehe
Faidherbe) erwähnten Dolmen von Koknia. Nach den
Molluske« und einem ägyptischen Weiberskelet aus der
Zeit der 17. und 18. Dynastie (Berberin) schätzt Bour-
guignat da* Alter dieser Dolmen «wischen 2000 bis 1000
vor Chr. — Wir mimen gestehen, das* wir diesen, obgleich
mit sehr grosser Zuversicht vorgetragenen Berechnungen
wenig Vertrauen schenken.
Bourjot, Excursion ä ln grotte de la Pointe- Po-
tcade et dutermination des especea animales de
cette Station. — Materiaux, 2 dt Serie, 5“* Annee,
pag. 422.
Die dort gefundenen Knochen wurden von Gervais,
Lartet und Poinel bestimmt. BiilTcl , Pferd, Knochen
von Antilopen in der Grösse der Dorcas , Bär , Hyäne,
Katze, Stachelschwein.
Bruzard. Fouillea dana lea tumulus de Geuay pres
Semur. — Revue Archeolog., Nouv. Serie, IO***
Annee, pag. 360.
Bronzezeit.
Louis Büchner. Traduit par Ch. Letourneau. —
L’lloTnrae seien la Science, son passe, son present,
son avenir oa: D’oü venons-nous? — Qui nom-
mes-nous? Oü allons-nous? — Paris, Reinwtild,
1870, 152 S., Holzschnitte. Premiere partie: D’oü
venons-nouB?
Populäre Vorlesungen.
Calland. TomHes gaaloises et prehistoriques da
Soissonnais. — Materiaux, 2 <l '' Serie, 5** Annee,
pag. 274. — Societe aothropol. de Paris, Seance
du 3 et 17 Juin. Fortsetzung S. 281.
Weiber »chidel aus der Bronzezeit i?), Manns- und Wei-
bersehädel au» der geschliffenen Steinzeit, hrachyrephol,
6ehr hoch. Schien- und Oberarmbeine. Nach Calland
giebt es drei Arten von Gräbern in der Umgegend von
Solsaoas aus der Steinzeit: 1) Dolmen, früher zahlreich,
jetzt meist zerstört; 2) Halb -Dolmen, grosse Grabstätten
au» rohen Steinplatten, mit vielen Skeleten, roher Töpferei
und Steinwaffen — in einem hat man aber Bronzegegen-
stände getroffen; 3) Grnbheerde — die znsammengek nick-
ten Skelete liegen auf Aschenhanfen. Ferner Gräber und
Grabgrotten aus der Bronzezeit, bei Choisy-au-Bar und
Orrouv — endlich die obere Schicht de* Kirchhofes von
Cbaasemy datirt au« der ersten Eisenzeit. Ueber die Grotte
von Orrouy entspinnt »ich eine Diskussion. — Mortillet
behauptet, die von Calland als Bronzestationen bezeich-
neten Gräber gehören der ersten Eisenzeit an.
Calland. Une Station de Puge de bronze. — Re-
vue Archeologique , Nouv. Serie, 10 m * Annee,
pag. 130, 2 Holzschnitte.
Tmlteufeld bei ßethonde* in der Nähe von Compiegne
(Aisne). L'nverbrnnnte Leichen in geringer Tiefe, zu Häup-
ten je zwei Töpfe roher Arbeit. Ein Topf und ein ein-
facher Halsring erhalten.
Calland. Antiquites prehistoriques de Chasse-
my, de Vauxrot et de Bethondes. — Materiaux,
2 d0 Serie, 5®* Annee, pag. 413.
Bei Vauzrot Gräber mit zuzammengekaufrlen Leich-
namen auf einer Atrhcnschicht. Noch andere Gräber aus
der Bronzezeit in demselben Thnl — nur vage Angaben,
A. Caraven. Quaternaire et hacheapoliea du Tarn.
— Muteriaux. 2 4 * Serie, 5“* Annee, pag. 410.
Rohe Aexte hei Montan*; geschliffene bei Gouyre.
Cazalis de Fondouce. Congre« international de
Copeuhague. — Materiaux, 2 ,t# Serie, T»" 1 * Annee,
pag. 410. 504} 6 m# Annee, pag. 7. — Revue des
Cour» scientifiqueB, 7 m * Annee, Nr. 11 et 13.
Ziemlich vollständiger Bericht aber die Verhandlungen
und Kxcursianen.
Cazalis do Fondouce et J. Ollier de Marichand.
La grotte dea morta prfcs Durfort (Gard). — Ma-
teriaux, 2 de Serie, 5“ c Annee, pag. 249 — 261.
Grabgruit* au* der Uebergangszeit zwischen Stein- und
Bronzezeit, wahrscheinlich nur von einer Familie während
mehrerer Generationen. Im Tropfstein vier menschliche
Schädel, ln einer Kammer im Lehm etwa <10 Kieselinstru-
mente (Lanzen- und Pfeilspitzen, Messer), Ahlen und Meis-
sei von Knochen, sehr viel durvhbohrte Fangzähne von
Wolf, Hund, Fuchs, Eber, Perlen aus Knochen, Steinen und
mthem KupfcT, Knöpfe »u* Alabaster, wenige rohe Topf-
scheiben, keine Thierknocben , Menschenkmxdien von etwa
30 Individuen.
M. Cherbonneau. Nouvcaux dolmens en Algen e.
— Materiaux, 2 do Serie, 5“* Annee, pag. 410.
ln der Provinz Cunstantine bei Sigousae.
L’Abbe CoUet. Lea Menhirs monumenta fune-
raires. — Materiaux, 2 ** Serie, 5®* Annee, pag.
383.
Hat unter einem solchen Stein bei Locmaria auf Quibe-
ron Steinpflaster, Töpfe und Asche gefunden, also, schliefst
er, war hier ein Grab, also müssen alle Menhirs Grab-
denkmäler sein. (Im alten Testamente kommen mehrere
Stellen vor, welche beweisen, dass man rohe Steine als
Denkzeichen für verschiedene Begebenheiten nnfrichtete.
Warum also nicht auch auf Gräber? C. V.)
Daubree. Exploitation d’etain remontant u une
epoque immemoriale. — Comptes rendua, Tome 68,
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160
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
pag. 1137. — Materiaux, 2 de Serie, 5 W * An-
nee, pag. 261.
In der Nähe der Kaolin - Gruben von la Lizollc (Allier)
findet «ich ein oberflächlicher Quarzaand mit Zinnerz, der
eiusi auagebeutet wurde.
Deherain. Annuaire scientifique. Paria, Massen,
1870. — Anthropologie, Sciences prehistorique,
Resurne de la question par lo Docteur Daily,
pag. 185—217.
Hecht gutes und verständige» Hesunie.
Delanouo. Sacrum humain aaaocie a des os-sements
d’elephants- — Bullet, de la Societe de Geologie
de France, 2 d * Serie, Tome XXV, pag. 683. —
Materiaux. 2 d * Serie, 5“* Armee, pag. 146.
Bei Villen - Plouich , zwischen Cambrai und Marcouing,
wurde itu Diluvium mit Eleganten ein menschliche* Becken
gefunden.
Abbd Delaunay. Atelier de l’Age de pierre A
Saint-Leger-du-Malzieu (Lozere), — Materiaux,
2 d * Serie, 6”* Annee, pag. 34.
Stcingeriitbe in Masse, von gleichen Formen wie in Pres-
gigny. Die Rvdaclion macht darauf aufmerksam, das» die*
ce* Lager noch hi* zur Zeit der Fabrikation der Flinten*
»teine ausgebeutet wurde.
Delfortrie. Camp de l’Age de la pierre polie.
Epoque prehistorique. Station de Cubsac (Gi-
ronde). Bordeaux 1869, 7 S. , 2 sehr schlechte
Tafeln.
Da» Plateau war ron den ältesten Zeiten her strategi-
scher Punkt. Erat Steinmenschen, dann Hörner, dann Mit-
telalter (Schloss von Montauban). Unter der Dammerde,
worin Alle* gemischt iat, eine »rhwarze Schicht und ganz
in der Tiefe eine graue, welche Gerithe geliefert haben,
die denen der Pfahlbauten au» der Steinleit ganz analog
aind.
Faidherbe, Gdnöral. Neeropole rm'galithique de
Mazela. — Materiaux, 2 do Serie, 5®* Annee,
pag. 222.
Etwa 2000 Dolmeu, ähnlich denen ron Kokain, aus Plat-
ten von Kalk, viele mit Crumlecü» oder Steinringen. Einige
Gräber aus übereinander gelegten Platten. Fünf wurden
geöffnet; es fand sich nur Erde und Massen von Schnecken.
Faidherbe, General. Nouvcaux indicea de l’Age
de pierre en Berberie. — Materiaux, 2 dB Serie,
5 m# Annee, pag. 224.
Aufzählung einiger Funde von Steinwaffen.
Faidherbe, General. Origine des Libyens ou
Berberes. — Materiaux, 2 d ® Serie, 5 m * Annee,
pag. 418.
E* »eien zwei Raten zu unterscheiden — eine schwarze,
autochtbone. eine blonde, von Gibraltar her cingcwandcrte,
die bi» Aegypten vorgedrungen sei.
do Ferry. L’outillage de la tribu de Solutre
(Saöue-ct-Loire). — Materiaux, 2 de Serie, 5 m * Au-
n£e, pag. 469 — 477.
Instrumente au* dem bekannten Gräberielde der Renn*
thierzeit. Lanzen- und Pfeilspitzen, sehr genau beschrie-
ben. Fortsetzung später. (Ich muss gestehen, «lass die
Abbildungen mich viel eher an die ähnlichen Feuentein-
klingen au* dem Korden, welche mit den geschliffenen
Aexten zugleich im Gebrauch waren, erinnern. C. V.)
Louis Figuier. L'annce scieutifique et industrielle.
Paris, Hachette, 1870.
Enthält Im Capitol: „Histoire naturelle* einige au» \er-
•chiedpnen Journalen abgeschriebene Notizen aus der Urge-
schichte.
Louis Figuier. LTlomme pritnitif. 446 S. Pa-
ris, Hachette, 1870, 30 Taf. Viele Holzschnitte.
Brillant auigestattete* Buch, dessen Text die gänzlich?
Unkenntnis» des Verfassers auf jeder Seit« dorlegt. O. Fi-
guier ist der ins Französische übertragene Zimmermaaa.
Goorgcs Finlay. L’Archfologie prehistorique en
Suisse et en Grfcce. Athenes 1869, 4 Tafeln.
Neugriechische Broschüre. Analyse in Rer. Ar-
cheolog. Notr. Serie, 10“ e Annee, pag. 296.
Aus der Vergleichung mit den Pfahlbauten der Schwei?
schlicsst der Verfasser, das» Griechenland dieselbe Periode
durchgemacht habe. Pfahlbauten im See Prazias, Copais.
in den Theasalischen Seen; Steinwaffen (Messer, Pfeilspitzen,
Serpeu tinäxte) an vielen Orten.
Ed. Flouet. Notice archeologique sur le camp de
Cbassey (Saöne-et-I»ire). — Materiaux, 2 d * Serie.
5 ,UB Annee, pag. 395.
Lager, durch von grossen Steinen gebildete Will« be-
festigt, dos hi» in die römisch« Zeit benutzt und durch
Anlegung von Cisternen etc. verbessert wurde. In der
Nähe Gräber, die schon früher geöffnet wurden und wo
man Gegenstände von Stein und Bronze gefunden bat. Im
Lager selbst Steinäxte, Messer, Kratzer, Pfeilspitzen, Töpfe-
reien etc. vom Typus der geschliffenen Steinzeit.
Gallos. Menhirs non funeraire*. — Materiaux,
2 d * Serie, fi m * Annee, pag. 426.
Bestreitet die Behnuptuug von Abbe Co 11 et und führt
nach Letourneux an, d«»a früher in Knbylien, bei ge-
meinsamen Berathungen der Stamme, jeder Stamm einen
Stein aufrichtete, so da»* ein Kreis gebildet wurde. Ward
ein Stamm dem Beschlüsse untreu, so wurde sein Stein
umgeworfen.
Garrigou et Duportal. Ages de l'Ourt, du Renne,
de la pierre polie et des Dolmens dans le depar-
tement du Lot. — Bullet, de la Societe de Geol.
de France, Tome XXVI, pag. 461 — 481. —
Resumt* in Materiaux, 2 d * Serie, 5 m * Anne«, pag.
162.
Eine Menge von Grotten und Höhlen, theüs au» der
Zeit des Höhlenbären, theils au* der de* Rennthier*. Einige,
vrie die von PeÜMi4, haben Ablagerungen au* beiden Ein-
ehen übereinander; in einigen anderen (Cuzoul de Mousaet)
wurden zerM-hlagene und calcinirte Menschenknochen gefun-
den (Cannibalismus). Die ältesten Grotten seien die höch-
sten , die jüngst bewohnten die niedersten. Ed. Lartet
behauptet, dass diese Unterschiede nicht immer stichhaltig
seien. Garrigou hält sein Gesetz aufrecht.
Carl Griesbach. Antiquites do la vallec de la
Vaag(IIongrie). — Materiaux, 2 d * Serie, 6“* An-
nee, pag. 36.
Uehersetzung der ln diesem Archiv Band III., Heft III.
erschienenen Mittheilung.
Hamy ©t Lenormant. L’Age de pierre en Egypte.
— Materiaux, 2 Jc Serie, 6 me Annee, pag. 27.
Auf dem Plateau des Djcbel-et-Moluk viele St ein gerithe
auf der O tttHtM .
Lo Hir. Pointe de fleche donneo au Mu&ee de St.
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161
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Gervais par Mr. M« risnec. — Revue ArcfuSolog.
Nouv. Serie, IO 1 ”® Aunee, pag. 359.
Wurde mit 21 anderen in einem aus Steinplatten gebil-
deten Grabe in Piouvenc* Lochrist (Bretagne) mit einem
Brouzedolrhc zu«arnmen gefunden.
Indos (le fröre). Sur )a formatlon doa tuf» de»
envirotiB de Rome et sur une caverne a ossement».
Bullet, de la Societü de Geolog., 2' 1 ® Serie, Tome
26, 1869, Kr, 1, pag. 11.
Am südlichen Abhang«- des Monte delleGitie in der Nähe
von Pont« SaUra findet sich eine au»serordentlUh reiche
Knochenhöhle, die in den jüngsten geschichteten TutTlageru
des Berges aungehühlt ist. Sie hat mehrere Kammern und
ist von Füchsen bewohnt. Man unterscheidet von oben
nach unten folgende Schichten: 1. Scbwärxliehe Damm*
erde mit Lands« hnecken und von Füchsen eingeschleppten
Thierknochen. 2. Eisenhaltiger Sand. 3. Grauer Sand.
4. Schwarze Erde mit grossen Knochen. 5. Grauer Sand
mit vielen Fischgräten. Nachgewiesene Arten: Igel, Maul-
wurf, Fuchs, Wolf, vier kleine Fleischfreier (Marder und
Viverriden), Höhtenhyäne, wilde Katze, Fuchs (V), llyjeer-
felis (eine neue Gattung von der Grösse des Löwen) mit
einem PrämoUren, einem Kei»»zubn und einem Backenzahn
in beiden Kiefern, Hatte, Wühlmaus, Biber, Stachelschwein,
llase, Elephaut (V). fthinocero» megnrhinua, Pferd, Schwein,
Hirsch (sechs Arten?), Damhirsch, Kenn Gehr zweifelhaft),
Heb, ein sehr kleiner Wiederkäuer, Bo* prinigoiw, viele
Vögel, l.and*rhildkrütrn, Frosche, Kröten, Fische. lier
Mensch hat wahrscheinlich die Höhle, wenn auch nur
kurze Zeit bewohnt — Steinmesser und bearbeitete Knochen
beweisen die».
N. Joly. Haute antiquite du Genre humain. Dis-
cours. — Memoire« de l'Acadctuic de Toulouse,
7 m ® Serie. Volume I.
Sehr allgemein, »chllesst mit den Worten: Gott iat
ewig, der Mensch aber »ehr alt!
A. iHRel. Rapport «ur los rveentea decouverte* ct
publications eo Ligurie. — Materiaux. 2 11 * Serie,
6 n “ An nee. pap. 38.
Viele neue Fundstätten bei Carcarc, I>ego, Pinna, Dol-
cedo etc. Die Liguren seien noch zur Hömerzeit wilde
Barbaren gewesen. (Diodor.)
M. Lotournoux. Cntalogue den tnouumenta pre-
historiques de l'Algcrie. — Materiaux, 2 d ® Serie,
5 ra ® Anuöe, pag. *127.
Methodischer und wie es scheint sehr vollständiger Ca-
talog der Monument« (Dolmen, Tumuli, Höhlen und Grot-
ten), sowie der Fundstätten von Stein, Bronze und Töpferei.
Lochon. Note »ur deux squelettes de Tage de la
pierre. — Revue SAVoisienne, 10 m ® Aunee, 31
Aoüt 1869, pag. 63.
Zwei Skelete unter einem grossen Granitblock bei Sechy
oberhalb Thomm. Dolicbocephal, einer mit Stirnnaht. Der
ehren« erthe Doctor glaubt, heut zu Tage komme die Stirn-
naht bei Erwachsenen nicht mehr vor.
L. de Malafosse., fitude »ur le» dolmens de la
Losere. — Materiaux, 2 d ® Serie, ö“* Aunee, i>ag.
321.
Wenigstens 100, die meisten auf einem Plateau, lest’aus-
aes genannt. Aus dem Boden entnommenen Kalkplatten
gebildet, bald frei, bald halbbedeckt, einige mit seitlichem
Eingang, keine mit vollständigem Tumulus. Man findet
die Knochen im Inneren meist unter grossen Steinen ver-
borgen, zuweilen von »ehr vielen Individuen, meist nur Ge-
Archiv für Anthropologie. JM. IV. Heft II.
genstande von Stein. Horn, Knochen, durchbohrte Zähne
und Muscheln (zu Halsbändern), selten welche von Bronze.
M. Marinoni. Nouvelle Station de l'age du bronze
en Lombardie. — Materiaux, 2 de Serie, 5 IB ® An-
nee, pag. 415.
Bei CaprUno im Torf, Haarnadeln, Fibeln, Armbänder,
Ohrgehänge etc.
Elle Massenat. Objets graves et sculptes de l*Au-
perit-bnBBc (Dordogne). — Materiaux, 2 d * Serie,
5 m ® Annee, pag. 348.
Neue Nachgrabungen an der schon bekannten Fundstätte
haben geschnitzte und gezeichnete Knochen und Kennt hier-
geweihe in Menge ergeben. Die Deutungen der beigefug-
ten Figuren scheinen zuweilen etwas »ehr gewagt; wie
man aus *o rohen Zeichnungen von Menschen, wie sie hier
gegeben sind, schhcssen will, dieselben seien brachycephal
gewesen, ist mir nicht ganz klar.
G. de Mortillet. Essai d’une Classification des
caverne« et des Station» s»ua abri, fondee sur les
produit« de riudustrie humaine. — Comptcs reu-
duB, Tome 68, l r Man 1869. — Materiaux,
2 d * Serie, 5 ,aa Aunee, pag. 172—179. Mit Holz-
schnitten.
Nimmt folgende Perioden an: 1) Meostiers (älteste
Epoche, dszu Coeuvre, Somme-Thal etc.); 2) Solutr« (dazu
Laugeric haute, Pont ä Lesse); 3) Aurignac (dazu Cro-
Magnon); 4) Madeleine (dazu les Kyzies, Laugen« hasse,
Furfooz, Schussenried). Wir glauben wiche Eintheilungrn
sehr verfrüht.
G. de Mortillet. Chronologie prehistorique. —
M.teriaux, 2 lle Serie, Annee, pag. 314.
Erbebt »ich und wie uns scheint mit Hecht, gegen die
Schlüsse und chronologischen Bestimmungen, welche Bour-
guigoat au* den Weicht liiere« b*i Koknia und namentlich
aus Helix asj>er»a geschöpft hat.
P. Paronteau. Le fondeur du Jardin des plante«
de Nantes et eon con fröre de litte, attribution«
celtiquea et gallo-romaine«. 32 pag., 3 Tafeln,
Photographie und Holzschnitte. — Materiaux,
;J d ® Serie, 5"*® Annee, pag. 190.
Verschiedene Bronzegegenslände , Aext« , Armbänder,
Schwerter, Dolch© etc.
Ed. Piotto. Le« sepultures prehistorique« deChas-
aemy. — Materiaux, 2 d * Serie, 5“® Annee, pag.
413*.
Gräber au» der jüngsten Steinzeit, Bronze- und Eisen-
zeit. Vorläufige Anzeige.
Pruner-Bey. Anthropologie de Solutre. Mucon
1869, 4°. 40 S., 4 Tafeln. — Auszug in Mate-
riaux, 2 d ® Serie, 5“*® Annee, pag. 478—492.
Die pyramidale Schädelfortn Klumenbach’s wird im«
die Mongoloide genannt. Der lUupfcharnkter diese» Schä-
dels liest ehe im Gesichte, da» von vorne betrachtet, eine
rhomboidale Form habe. — Die Spitzen der beiden Dreiecke
werden durch die Stirn und die UnterkicfenoitU , die seit-
lichen Ecken durch die vorstehenden Backenknochen gebil-
det. Darauf hin werden nun in den Schädeln von Solutre
alle möglichen Typen der Mongolenrnct unterschieden :
Lappen, Finnen, Kathen, Eskimos, Hochnofdiach© Asiaten,
so dass wir dort eine wahre Muaterkarte der jetzt aul
weite Strecken zerstreuten Mongoliden hätten. Nebenbei
werden für Besonderheiten der Bildung pnthok»gj»ehe I r»
»xchen , wie Bhnchltismu* in der Kindheit, der im Uebri-
21
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162
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
gen *lie Leute nicht verhindert habe, »ehr muskelkräflig
zu werden, an gern len ; L>inge, di« in der Discussion über
Cro * Magnon längst widerlegt wurden. Endlich kommt
Pruner-Bey von Stuf« zu Stufe bi* zu dem Schlüsse,
dass man die alten »hnlo»m Leut« mit Bouillon, Eiern,
Blut, Mark und Hirn genährt habe!
Pruner-Boy. Ltudes »ur le« cr&nes Je Roknia. —
Matcriaux, 2' 1 * Serie, 5”* Annee, p#g. 202.
Zwei Drittel der Schädel gehören Kabylen oder Derbe-
ren; ein Neger, zwei Mischlinge, ein alt - ägyptis* her
Weiber schädel.
Charles Hau. Len u^tenwiles en nrgile de» Indiens
de rAmurique da Nord. — Materiaux,. 2 d ® Serie,
5" 1 ® Annee, pag. 205 — 222.
Genaue Untersuchungen über die Töpferei der Indianer
Nordamerika* von den ältesten bi* in die jetzigen Zeiten.
Im Allgemeinen gleichen dieselben den au* Gräbern in
Deutschland hervorgeholten Töpfen.
Beboux. Polissoirs et wpultaren prehistoriques
des environs de Paris. — Matüriaux , 2 d# Serie,
5 m ® Annee, pag. 407.
Lcguuy vervollständigt di« Mittheilung, wonach man
schon viele grosse Schleifsteine (für Steininstrumente) ge-
funden hat. Dolmens im Park von Maiutenon.
Beboux. Faune quaternaire du boacin de Paris.
— Materiaux, 2 d * Serie, 6‘ n * Annee, pag. 29.
Aufzählung der im Pariser Schwemmgebildc aufgefunde-
nen Säuget hier«.
Beboux. Ossements hunmins fossiles*. Sepulturrs.
— Materiaux, 2^ Serie, 5“* Annee, pag. 284. —
Sociüte Anthropolog. de Pari«, Seance du 13Juin.
Menschenreste aus dem Diluvium von Pari*; Lagerung
zweifelhaft. Schädel au* einem Grabe, da* vielleicht der
geschliffenen Steinzeit angehört, von Hatny untersucht;
dolkbocephaler Schädel, »ehr gerade* Kreuzbein.
Felix Rognault. De Tanthropdogie des peuples
primititV. Fouille* dana la grotte» de Montes-
quieu (Ariege). — Materiaux, 2 d ® S^rie, 5 m# An-
nee, pag. 495.
ln der Höhle fanden «ich neben Knochen von Hyänen,
Bär, Kennthier etc-, Kiewei- und Knochcninstrumente»,
auch zerbrochene Menschenknorhen, welche Vcrfiuaer als
Beweise für Cannibalismu» ansieht, ln einer Note eiklären
Trutat und Cartailhac, dn** die ihnen übersandten
Stück« wie nicht überzeugt haben.
Abbe Bichard. Silex taillen dn Nord de l’Algerie.
— Materiaux, 2 d ® Serie, 5 ln * Annee, pag. 433.
Bei Staoueli und am Cap Matitou, Kratzer, Messer,
Nuclei.
Eug. Robert. Toujoors des rilex travuilles. (Sta-
tion celtique de Luthernay.) Paris 1868, 8 S.
Uns nicht zu Gesicht gekommen.
Tromoau do Bochebrune, ßtudes prehistorique«,
anthropologiques et arclieologiquca dnns le de-
partement de la Charente. 76 S., 4 Taf. Paris,
Savy. — Materiaux, 2 d * Serie, 5 mc Annee, pag. 345.
Künstlich nusgenrbeitete Gmbgrottcn, di« Leichen ausge-
streckt zwischen Steinen, viel« Kindenheim*, geschliffene
Steinaxt und Bronzegegenstindr. Schädel dolichocephal und
prognath.
A. Roujou. Fraude des ouvriers de Parii; aablie-
rea de Levalloi*. — Materiaux, 2 d ® Serie, 5 m * Au-
nee, pag. 409.
Itoujou warnt vor Betrügereien, welch« »ich die Arbeiter
von Levalloi* zu Schulden kommen lassen , indem sie fos-
sile Knochen bearbeiten, Aexte schleifen etc.
A. Roujou. Septiltures de Tage du fer decon ver-
te» sur la hutte du Trou d’Enfer. — Materiaux,
2 ,,f Serie, 5 m ® Annee, pag. 319.
Drei oder fünf Skelete, Fum« nach Süden, von Mühl-
steinen umgeben, in 0'8O Meter Tiefe, dabei Ringe von
Eisen und Bronze, Schwert von Eisen , Eisen platten , eine
Münze von Bronze gallischer Herkunft.
A. Roujou et Vacquer. Station de Tage de la
pierre polie, deeouverte i\ Athis (Seine-et-Oiae). —
Materiaux, 2 d * Serie, 5™* Annee, pag. 497.
Am Ufer der Seine linden sich auf den quaternären
Bildungen erst eine Schicht von Holztorf, darüber gelb-
licher Lehm, worin die Fundreste aus der geschliffenen
Steinzeit, darüber die Dammerdr. E« sind llerdvtitten,
in denen bis jetzt nur wenige Gegenstände gefunden wur-
den; Töpferei, Messer, Kratzer, Kerne aus Feuerstein, einige
bearbeitete Knochen.
Boulin. Instrument en cuivre trouve h Copiapo
(Chili). — Revue Archeolog. Nouv. Serie, 10 m ® An-
nee, pag. 358.
Aus einem alten Grab«. Es ist ein gegossener und ge-
brauchter Meissei au» reinrm Kupfer , der eine Dille zum
Einstecken des Stiele» ha*. Sehr dick, lang und schwer —
scheint zum Bearbeiten von Stein verwendet worden zu
sein.
Valdemar Schmidt. Horome tertiaire de Thenay.
— Materiaux, 2 d# Serie, 5 m# Au nee, pag. 163.
Schmidt hat die Lagerstätte von Thenay bei Pont-le-
Voy (Loir-et-Cher) besucht, wo Abte Bourgeois bearbei-
tete Kiesel au» der mittleren Tertiärzeit gefunden hat.
Schmidt bestätigt die Lagerung, unter dem Kalk von
Beauce und die Bearbeitung durch Menschenhand.
H. Schuermana. La pierre du diuble a Jamben,
Les-Namur. — Materiaux, 2 dc Serie, 5* 11 * Annee,
pag. 400.
rhilulugisch- historische Unterem hungen über Worte und
Namen.
Leon Vaillant. Note sur quelques objets Ocea-
niens dont la mutiere parait empruntee k des co-
quilles de la famille des Tridacnidees. — Mate-
riaux, 2 4 " Serie, 5 m# Annee, pag. 165.
Armbänder aus Triducna-Sc holen. Aexte dieser Art giebt
e» genug von allen Inseln, wo keine geeigneten Steine sich
finden. Ich habe solche bei Godeffroy in Hamburg und
C. Semper in Würzburg gesehen.
Leon Vedol. Dolmen de la Knirie. — Materiaux,
2 d * Serie, ö w ® Annee, pag. 435.
ln der Anleche — zerbrochene Knochen, sonst nicht».
Carl Vogt. Sur les resultats des recherches pr6-
historiquee. — Materiaux, 2 d * Serie, 6 m ® Annee,
pag. 12.
Urbersetzung meiner, auf der Versammlung der deut-
schen Naturforscher in Innsbruck sin 22. September 1869
gehaltenen Rede.
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1G3
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
C. Vogt. De la dornest icntion du boeuf, du che*
val et du renne ä l'epoque dn renne. — Mate-
rnus, 2 d ® Serie, 5“® Anne«, pag. 267.
Abdruck der Einleitung zu der Broschüre Thioly’» über
die Grotte von Veyrier. (Siehe den vorigen Bericht.)
H. Wankel. Caveme oasifere en Moravio. — Ma-
teriaux, 2^ Serie, 5“® Anne«, pag. 204.
Grotte in Btjrd - Skai» bei Josephstadt. Höhlenbär,
Pachydcrmcn, Wiederkäuer mit Menschenknochen.
Whitney. Lettre h Mr. Deeor. — Bullet de la
Societe de Geolog., Tome 26, 1869, pag. 676.
ln CaHfornien finden »ich Reste vom Menschen und Spu-
ren »einer Arbeit in tertiären Srhichten, älter aU die Gk-
cial|«riode, älter aU Mastodon und Elrphant, nus einer
Zeit, iro Fauna und Flora ganz verachieden waren und seit
welcher, in den kry»tAl Untschen Gesteinen der Gegend,
Auswaschungen von 800 bi» 1000 Meter YcrticaJböbe Statt
hatten.
Wyman et Morse. Les Kjökkenmöddings en Ame-
rique. — Mute rin ux, 2 d ® Serie, 5 1 "® An nee, pag. 389.
In der Nähe von Mount Desert (Maine). Zwei Schich-
ten, getrennt durch eine Schicht von etwa einem halben
Zoll Dammerde mit Hollkieseln. Hauptsächlich Mya are-
uaria mit Mytilus, Buccinum undatum, Tritonium decem-
costatum, Natira bero*. , Kohle, Feuersteingerithe , Pfeil-
spitzen, bearbeitete Knochen, Wirtel, sehr wenige Scherben.
— Bei Crouch*» Cave auf Goose Island , ausserdem Reste
von Alca impenni», Helis unidentata und multidentuta,
Venus mercenaria jetzt sehr selten. — Eagle Hill bei Ips-
wich (MassuchussetU): fnst nur Mya arenaria. C’ortuit
port lei BaUublc — sehr reich an Resten, auch ein Stück
Menscheuknochen. Liste der gefundenen Speeies: Mensch,
Cervu» canadensis, rirginianu»; Alte» araertcanu* ; Rangifer
carlbou; l'rsus American u»; Canls ocridentali* (V); Vulpe»
fulvu»; Felis; Lutra canadensis; Putorius visoi ; Mustek
americaoa; Mephitis mephitica; Pfcoca ritulina; Cnator ca-
nadensis; Arctomjrs inonan; Alca impenni«, torda; Ana»
drei Arten: Meleagri» gallopavo: Arden hrrodia»; Schild-
kröten zwei Speckt; Hai; Morrhua americanu; Cnphiur
americanu»; Buccinum undatum; Pyrula carka, canalicu-
latn; Ostrea eduli», Mytilus edulis; Mya arenaria: Venus
mercenaria; fetten teuuicostatus, islandicu»; Mactra.
Holland.
HartOgh Heys van Zoutereen. De voorbisto- Wesentlich nach meinen Vorlesungen,
rische Mensch in Europa. Gravenhage 1869.
Italien.
Capelllni. Antropofagia in Italia. — Gazetta dell*
Emilia, Nr. 314, 11 Xov. 1869.
In einer Grotte auf der Insel Palmaria im Golf von
Spezzia fand Capellini zwischen Thierknochen zerschla-
gene und calcinirtr Menschenknochen, namentlich von einem
Weibe und einem Kind« zwischen 7 und 8 Jahren, mit
Kohlen und Asche. Issel fand ähnliches in der Grotte von
Final«.
E. Colosia. Le Teogonie dell’ antica Liguria.
Genova.
Einige Felsblöcke bei Finale, im Val Pia und am Tanaro
•ollen Symbole von Gottheiten gewesen sein.
B. Gastaldi. Jeonografia di aleuui oggetti di ro-
inota antichitä rinvenuli in Italia. Torino.
Steinwaffen, Aexte etc. von Nizza, au» dem Estcron- und
Var-Thal.
Conte Giovanni Gozzadini. Di ulteriori aco-
perti neir antica Necropoli a Marzabotto nel Bo-
lognese. Bologna 1870, Fol«, 93 S„ 17 Tafeln.
In der Nähe der Station Marzabotto an der Eisenbahn
von Bologna nach Pistoja liegt auf einem Hügel am Ufer
de« Rem», der hier «in« Biegung macht, eine sehr ausge-
dehnt« Necropole mit Hunderten von Gräbern , die eineu
Flächenraum von 700 Meter Länge und 350 Meter Breite
bedecken. Oer Grund gehört .lern llittcr Ari», dessen
Schlo»» unmittelbar am Rand« der Necropole liegt und der
mit dem Verfasser w.-itläutigc Nachgrabungen verunstalten
lies». Gräber und aufgefundene Gegenstände gehören un-
zweifelhaft, wie Gozzadirii nach wies, der etruskischen
Cultur an. Gozzadini publi«irte im Jahre 1865 zuerst
einen Band (100 S., 20 Tafeln) uuter dem Titel: Di un*
antica Necropoli » Marzabotto nel Belogne»«. dem jetzt
dieser Nachtrag folgt. Wir können dem Verfasser in die
Einzelheiten über die Gegenstände nicht folgen , machen
aber darauf Aufmerksam , da ein Besuch dieser Necropole
und des Museum» im Schlo**e von Herrn Ariu in drtn
Programm de» Congmses zu Bologna in Aussicht genom-
men ist. Nicolucci hat die Schädel untersucht (22, dar-
unter 15 männliche, und giebt die Resultate seiner Unter-
suchung S. 69 — 80) in folgenden Worten: Mittrlgrosse
orthognntbe Schädel , die Stirnhäifte vorwiegend über di«
hintere Hälfte; Stirn hoch und Gesicht etwa» klein; Nase
mittelgross; Augenhraueubogen vorstehend; Augenhöhlen
quadratisch, gerade, weit auseinander »lebend; Gesichtsform
eher quadratisch als viereckig; Indes 769. Nicolucci
kommt zu deiu Schluss«, das» diese Schädel mit denen der
jetzigen Bevölkerung oder der Umbrer am übereinstimmend-
sten seien, während sie sich von den licht etruskischen
aus Vejo, Tarquinin, Cere, Chiusi, Volterra etc. »o wie von
den ligurischen , römischen etc. wesentlich unterscheiden.
(Die wenigen Schädel, welche ich zur Zrit hei Graf Goz-
zadini »ah, haben in der Tlint keine Aehulichkeit mit deu
etruskischen — über den Typus der PmbrUchen Schädel
bin ich aber noch immer nicht im Klaren. C. V.)
IbsoI, A. Sopra le caverne di Liguria, e princi-
palmente aopra una receoteraente scoperta a Ve-
rezzi prewo Finali del Prof. Giov. Raiuorino, ac*
compagnata du una memoria zulle conchiglie delle
breccio e caverne oz&ifere della Liguria oociden-
tale. — (Memoria della R. Aead. delle scienze di
Torino. Serie II, torao 24, Parte I.)
21 *
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1G4
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Camillo Marino»!. Le abitazioni Ineustri e gli
avanzi di umana indugtria in Lombnrdia. Milano
1868, 4°. 53 S., 7 Tafeln.
Vortreffliche Arbeit. Han hat in der Lombardei noch
keine Spuren des Menschen aus der Zeit des Höhlenbären
und de» Kennt hier* gefunden, dagegen viele Stationen aus
der jüngsten Steinzeit 7 l’ebergangszcit , Bronze* und Eisen*
zeit, klebt sind e» Pfahlbauten in Seeen und Torfmooren.
Eine Uebersichtskarte giebt siirnntliche Stationen, mit ver-
schiedenen Karben bezeichnet; kleine Specialkirtchen zeigen
die Stationen der Seeen von Patsinno, Annone, Garde, Va-
rese, Monate und der Umgegend von Crem«. Heine Stein-
bauten, nur drei ; Drsenzau» und San Felice im Garda-See,
Cvpreaseninsel im See Pasinno; alle übrigen gemischt oder
Bronzezeit mit Aufnahme von zwei Eisenstationen: Sesto
Calende und Golasecca um Laugen -See. Thoiigefäase und
Gerätbe aus Stein, Horn, Knochen und Bronze, wesentlich
mit denen der Schweizer Pfahlbauten übereinstimmend.
Giuatiniani Nicolucci Aniropologia dell* Etru-
ria. Napoli 1869, 4*. 7 Tafel».
Ausgezeichnete Arbeit in jeder Hinsicht. 1!* Schädel
standen Nicolucci zu Gebote, vouCere, Tarquinia, Vuid,
Yejo, Chiusi, Perugia, Vollem. Er findet dieselben im
Mittel dolicbocephal (Indes 38'5). Mittelzahl der 12 doli-
chocephalon 78’8, der 7 brachycephalen 82*2. (Die von
mir in Florenz gemessenen gehbren unter die letzteren
C. V.). Nicolucci giebt genaue Beschreibungen und
Messungen, so wie Vergleichungen mit dem römischen
Schädel, 60 wie mit d Phon irischen Schädeln und tindet dir
dolichocephalen Etrusker letzteren verwandt, aber doch
verschieden genug, um das Zusammen werfen beider, wie
Prunar-Bey gethan, zu tadeln. Etrusker seien wohl nicht
reine Semiten, sondern hätten sehr alte Arische und Tura-
nische Beimischungen.
Luigi Pigorini. Origine e Progreasi del Regio
Museo d'Antichita di Parma e dei R. R. Scari di
Velleja. Parma 1869, 4*. 44 S.
Nord - Amerika.
Charles C. Jones. Ancient tumuli in Georgia.
Worcester 1869.
Georgien ist voll von Steinhügeln und roh construiiien
Steinwällen, die von einer nlten . verschwundenen Bevölke-
rung Zeugnis» geben. Die Tumuli rinden sich meist in
Flussthälrm und Niederungen und an der Seeküste. Es
gäbe zwei Classen davon, ältere, den „Mottnri builder»** un-
gehörig, die vor den Indianerstämmen, welche man bei der
Entdeckung fand, den Boden bewohnt hatten und jüngere,
von diese» Stämmen (Creeks, Cherokee», Natchy , Mu*co-
gulgee» u. a.) und deren Vorfahren errichtete. Die älteren
identisch mit den Monumenten ira Thule des Mi»»issippi.
Beschreibung eines Feldes am Etowah. Centräler, künst-
licher Erdhügel, 80 Fuss hoch, mit quadratischer Basis.
Früher grosse Bäume darauf. Daneben hohe Terrassen,
kleinere Hügel 20 bi# 40 Kuss hoch, rund oder fünfeckig.
In der Umzäunung hat man gefunden: Idole, etwa einen
Fu*s hoch, eine menschliche Figur in sitzender Stellung
zeigend, die Knie zum Kinn heraufgezogen; Pfeifen, Stein-
platten, Muschel-Ornamente, Schmuck von Silber und Gold.
Die grossen Bäume standen schon auf den Hügeln, al» die
Europäer in da# Land kamen. Auf deu» grossen Hügel
Spuren von Altären. An einem anderen Orte fand man
im Haupthiigel aber nahe an der Oberfläche Iudiauerske-
lete , die später ei »gegraben waren. Da die Indianer nie
Idole hatten, so sind diese MoundbuiUlcra älter, stunden
aber, nach Allem zu schlingen, höher in Civilisation als die
Indianer- Die«« letzteren hinterlies*en verschiedene Monu-
mente: Bcobachtungshiigel (MouikU of observation), bei den
Itathhäusern der Stämme; Häuptiingshügel (Chieftain
moundsi, gro#*c Hügel mit einem Skelet darin, meist in
hockender Stellung; Familien- oder Stammeshügel (Family
or Tribe mound») meist mit verbrannten Leichen; Schalen*
bügel (Shell • Heap# und Shell - Monnds) KücbenabläJle, in
welchen die Indianer der Küste auch ihre Todten begruben.
Stimpson. Reroarks upon the Shell - mounds of
West -Florida, particulorly thoee of Tampa Bay.
— America» naturaliet., Vol. III, Nr. 10, pag.
558.
Seien gro**e Hügel aber nicht Küchcnabfälle, sondern
künstliche aus Muscheln zusainmengchäuftc Wälle zum
Schutz gegen die Sturmfluthen , die man succeasir erhöht
habe, wie aus den Kohlen- und Asclirnlagen hervorgeb«,
die »ich darin zeigten. — An der Mündung de* Manatee
rinde »ich in der Mitte eine* dreissig Fu*s hohen Hügel*
ein« drei Pusa dicke MuacheUchicht mit Fisch- und Schild-
krötenkno. hen, aus Muscheln gemachten Instrumenten,
(kein Stein), Kohle. Der Mangel an Stein - Instrumenten
sei um so auffallender, als »ich deren in einer Schicht auf
der Höhe des Hügels Fänden.
Schweden.
Oscar Montelius. Remainfi from the Iron agc of
Scandinavia. Parts I ct II. Stockholm 1869, 1°.
66 und 26 S., 8 Tafeln.
Der erste Theil, Fundstätten und Beschreibung der Ge-
genstände enthaltend, englisch — der zweite, die Schluss-
folgerungen, schwedisch !
Nilaaon, 8. Bidrag tili bronekultnrens historiu i
Skandinavien. Stockholm, Bonnicr (1869), 8°.
31 S.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
105
Schweiz.
Eoger de Gliimps. Reeherches sor I'Origine de
lu Domesticite des especea. Lausanne 1869, 86 S.
V«rfu««r discutirt zuerst die Quellen: Quaternäre Ab-
lagerungen aus der Maimnuth* und Bennthierzeit, Kjükken-
müddings, Pfahlbauten , die Wandgemälde der HypogMen,
Sprache, Traditionen, Bibel, das letzte Buclt von Darwin
und geht dann zu den einxelnen Thieren über: Rind, Esel,
Hund. Pferd, Kameel, Elephant, Renntliier, Laina, Katze,
Ziege, Schaf, Schwein und behandelt nur die hauptsäch-
lichsten. Die alten Semiten besäßen: Kind, Ziege, Schaf,
Esel, Kameel — die primitiven Arytr die drei ersten, ater Esel
und Kameel nicht, dagegen Hund, Pferd und Schwein. Vor
der Trennung habe mau also nur Rind, Ziege und Schaf
gehabt — nach der Trennung der Semiten und Aryer hal-
len die enteren Karl und Kameel, die letxtereu Hund,
Pferd und Schwein alt Hausthiere gewonnen. (Wie die
Hunde , von verschiedenen Raren , in j|ie *1* semitisch an-
gesehenen ägyptischen Hvpogäcn kommen, wird uns nicht
gesagt. C. V,). Menschen und Hausthiere Europa» stamm-
ten aus Hochasien und da di« Bibel sage, dass Gott die
Hatuthiere geschahen habe, so müsse es auch so »ein.
Amen.
Frederic d© Bougemont. L’homme primitif.
47 S. in 12®. Neucbntel 1870.
Bibel gläubiges Geschwätz.
n.
Anatomie.
(Ton A. Ecker.)
Bertillon. Sur le« I.nponB. Bulletin, de la soc.
d’Authrop. de Paris, 2* 1 * ser., T. IV, 1. S. 52.
Die kraniologischen Angaben basiren auf der Untersu-
cbuug von fünf Schädeln des Pariser Museums. Danach
ist der Lappcnschädel auffallend breit und kurz, dabei aber
von ziemlich bedeutender Capacitit (Mittel der b = 1492
Cubikcentim.), das Pormrarn magnum viel breiter als beim
Schädel de* Pariser» (der als Vergleichaobject diente). Die
weiteren Verhältnisse, insbesondere des Gewicht*, mußten
in den Tabellen n»chge*ehen werden.
Broca. Remarques sur les ossements des cavernea
de Gibraltar. Bulletin« de la soc. d'Anthrop. de
Paris, 2 d * s^r., T. IV, 1. S. 146.
Broca zeigt und bespricht einen Femur und eine Tibia
aus den genannten Höhlen, welche von Herrn Busk der
Gesellschaft geschenkt w urden. Der erstere entspricht durch
seine starke Linea aspera , die letztere durch ihre Abplat-
tung ganz demselben Knochen von les Kyzies (siehe oben
S. 116*. An einer grösseren Zahl der gleichnamigen Kno-
chen, die Broca in London sah, fand er die gleiche Be-
schaffenheit , so dass also dieser Charakter gewissen vor-
historischen Raten allgemein xugekommen zu sein scheint.
Zwei Schädel aus einer dieser Höhlen (Geniata-Höhle) sind
dolichoccphal und ähneln sehr denen der heutigen Bevölke-
rung von Guipuxcou. Ein dritter au» einer anderen Höhle
(Judge-Cave) ist davon sehr verschieden. Ein vierter nicht
aus einer Höhle, sondern aus freiem Boden nnd einem sehr
festen Erdreich scheint viel älter als die vorhergehenden
und ist durch einen hohen Grad von Dolirhocrphalie, kleine
niedere Stirn, Prognathismu» etc. ausgezeichnet.
Broca. Nouveaux inBtruments craniogmpkiques.
Le cudre a maximn et le compaa d'epaisseur
micronietrique. Bulletins de la soc. d’Anthrop. de
Paris, ü* ßor-, T. IV, 1. S. 101.
Erst eres ist ein Holzrahmen, in welchem sich zwischen
den zwei graduirten Seilenschenkelii ein Querbalken auf-
und all», hieben lässt. (Referent verwendet xu diesem Zweck
(Cran. Gern., S. 4) zwei bewegliche Drahtnetze]. Da*
zweite ist ein Tasterzirkel , bestimmt zur Ausmessung
kleiner Distanzen des Gesicht». An dem den Armen ent-
gegengesetzten Ende sind zwei kleine Arme angebracht,
deren Distanz immer den vierten Tbtil der Distanz am
graduirten Querbalken beträgt.
Broca. Sur le stereogfraphe , nouvel Instrument
craniographique desQine a desainer tous les de-
tailß du relief des corpa soliden. Memoire« de la
soc. d‘Anthrop. do Paris, T. III, fase. 2, S. 99,
Taf. VI. 1809«
Bekanntlich hat der Verfasser im Jahre 1861 einen Kra*
uiographen bekannt gemacht (I. e. T. I, S. 346, Taf. VJJ).
Das obengenannte Instrument ist eine Verbesserung des
letzteren; es ist der einarmige Vorderarm, der an einem
und demselben Querbalken den die Conturen umkreisenden
Stift und den zeichnenden Bleistift trug, hier in zwei Arme
getrennt , wovon der eine den Stift , der andere den Blei-
stift trägt. Einen Vortheii der Aufnahme mit diesem In-
strument gegenüber dem mit dem Diopter Lucae's findet
Broca insbesondere darin, dass man damit auch die
tiefergelegenen von anderen Theilen maskirten Umrisse
des Schädels, z. B. im Profil die von den Warzcnfort-
fätzen etc. gedeckten Theilc der Medianebene nufnehmen
und somit also senkrechte Durchschnitte der Schädel eher
enthehren kann. Weiter beschreibt Broca verschiedene
Versuche, einen Diopter mit horizontaler Aze zu con-
stniiren.
Davis, J. B. Denen ption of the Skeleton of an
Aino Wotnan and of three «kulls of Men of the
«Arne race *). Mem. of the Anthropolog. Society,
Vol. III, S. 21. Mit 2 Taf.
Da via vergleicht dieses Skelet mit denen einer Euro-
päerin f Söul ui c ring , tab. scelet. fern.) und zweier australi-
*) Von der Insel Yesso.
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1GG Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
»eher Weiher, wovon da* eine in <1« Verfasser» Besitz Ut,
während da» andere von He irren t beschrieben wurde. Da*
A»no-.**kdet, von einem Weib von ungefähr 25 Jahren, hat
eine Hohe von 1522 Millimeter. — Schädel wohl gebildet,
von ziemlich europäischem Aussehen. Die Knocheu, ins*
besondere der iwstremititen, »ehr robust. — Der Hutuerus ist
länger heim europäischen, die ganze obere Extremität aber
länger beim Aino-Skelet. Femur, besonder» aber Tibia und
Fibula sind bei letzterem auffallend kurz, da» Becken
schmaler und enger. In den beiden letztgenannten Cha-
rnkterrn nähert »ich das Skelet dem de» männlichen Go-
rilla. Die Knochen der australischen Skelete sind von dem-
selben, insbesondere durch ihr« auffallende Dünne und
Schmächtigkeit unterschieden , was ganz besonders vom
Recken gilt. — Die Maaste aller drei Skelete sind in einer
Tabelle verzeichnet. — ln Betreff der drei männlichen
Schädel von Aino» bemerkt der Verfasser, dass sie im Gan-
zen auffallend europäischen Schädeln gleichen und jeden-
falls von den ostasintischcu »ehr verschieden «ind. Damit
stimmen die Aussagen der Reisenden überein, welche da»
Aussehen der Aino» »ehr europäisch gefunden haben (La
Perouse, v. Krusenstern, Haberaham). Eine Ta-
belle der Schädelmaa**c findet «ich S. 8. Der Verffsser
beleuchtet dann uoeb die verschiedenen Angaben über die
Statur, die Hautfarbe und die Behaarung. Es ergiebt sich
aus einer Vergleichung derselben, da*» die Aino» von Ye»so
im Allgemeinen von kleiner Statur (1573 Mi Ihm. = 5 Fum
2 Va Zoll bad.) sind und »ich insbesondere durch kurze
Beine auxzeichnen, und das» die Farbe ihrer Haut schwarz-
braun Ut. Die Behaarung am Körper im Allgemeinen
scheint nicht stärker zu sein, als die vieler Europäer, w enn
sie auch Bart- und Kopfhaar ziemlich lang w*ch»eu lassen.
Davis, J. B. Account of tbe skull of a Ghiliak.
Appendix to thearticle on thesct-leton and skulle
of Ainos. — Mem. of the Anthropological Society
of London, VoL III, S. 366. Mit 1 Tafel.
Dieser Schädel eine» Ghiliak (eines Yolksttaiuine« , der
die Insel Sacchalis und die Gegend der Aniunuündung etc,
bewohnt) ist schon von Pruner-Bey (Bullet, de U So-
viel« d'Aiithropolog. , 2 d « Serie. Torr.c 11, pag. 571) be-
schrieben. — Derselbe gehört einem Mann von circa 35
Jahren , ist doliclMH-ephai und hat eine Capacitit von 100
Cubtkfus« (entsprechend einem Hirngewicht von 1400 Gram-
men). Das Gesicht ist breit und, insbesondere in der
Wangengegend sehr Hach, der Raum zwischen den Augen-
höhlen breit und flach, der ganze Schädel niedrig und
breit, die Stirn ziemlich nieder. Der Schädel ist von dem
der Auto» durchaus verschieden und zeigt auch keine aus-
gesprochene Aehulidikcit mit den Schädeln anderer asiu-
tUcher Volksstämme.
Durand de Gros. La torsion du Thumerus et
lea origines animales de 1‘homme. — Bulletins
de la Societe d'Anthropolog. de Paris, 2 de Serie,
Tome III, S. 523.
O. v. Franque. lieber die weiblichen Becken ver-
schiedener Menschenracen. Mit 6 Tafeln. Scan-
zoni’s Beiträge zur Geburtskunde, Bd. VI, S. 164
bis 218.
Nach einer kritischen Uebersicht der bisherigen verglei-
chend-anthropologischen Beckeu-Untersuchungen beschreibt
der Verfasser: 1) Da» Peckeu einer Flachkopf - Indianerin
von der Vnncouver • Insel , womit ein männliche» des glei-
chen Stamme* verglichen wird. 2) Ha* einer Mala via.
3) Das einer Chinesin. 4) Da» einer Negerin aus Afrika.
5) Das einer Papuanegerin von Ostwest * Louion (Philip-
pinen). 8) Ein Mischlingshecken unbestimmter Herkunft.
7) Da» Becken eines weiblichen Gorilla Nr. 1) 2) 3) 4)
und 7) befinden sich in der anatomischen, Nr. 6) in der
Sammlung der geburtshilflichen Klinik, Nr. 5) in der de»
Professor Semper in Würzburg. Sämmtürbe genannte
Becken «ind in verkleinertem, leider uicht bei allen gleich-
massigem Maassslab abgebildet.
Die Resultate, zu welchen der Verfasser gelangt Ist,
fasst derselbe in folgender Weise zusammen: 1. Die Zahl
der bekannten genau untersuchten und gemessenen Becken
verschiedener Katen ist noch zu klein, um daraus bestimmte
Schlüsse auf die Becken dieser Raeen ziehen zu können,
mit Ausnahme der malayiscben Race; die Beckeu dieser
Raten wurden von Allen lu den Hauptpunkten so überein-
stimmend beschrieben 1 ), dass mau wohl mit Recht daraus
einen Schluss auf die Bescbalfeuheit des weiblichen Becken*
dieser Rate ziehen kann. Die wichtigsten Eigenthüwlich-
keiten desselben sind: Feinerer zarterer Knochenbau, starke
Neigung der Darmbeiuschaufeln noch aussen und besonder*
geringere Differenz zwischen dem geraden und queren
Durchmesser de« Beckeneingange», *o das» letzterer nur
wenig grösser als der erste ist, immerhin aber noch grös-
ser bleibt. Was die Becken der Negerinnen betnfft,
von welcher Race nächst der malayiscben die meisten
Becken bekannt sind *), so stimmen die einzelnen Beschrei-
bungen desselben lange nicht so überein *). Verfasser
glaubt, dass »ich einstweilen nur soviel sagen lässt, das»
das Becken der Negerin im Gnnzeo weniger geräumig ist
als da* der Europäerin, und dass der gerade Durchmesser
des Einganges relativ grösser ist als bei dieser.
2. Die Grösse der Becken scheint nach den vorliegen-
den Untersuchungen von Süden nach Norden zuzuuehroe,.,
dagegen scheint bei den südlicheren Völkern die Conjugsta
im Verhältnis« zum querdurchtnr**er au Länge zozu*
nehmen.
3. Km Uelergang von dem Bocken der menschenähn-
lichen Arten zu dem des menschlichen Weibes, noch viel
weniger eine Aebnlichkeit zwischen beiden kann bis jetzt
nicht constatirt werden. Nach der Beschaffenheit de*
Becken» ist der Ausspruch, dass der Abstand zwischen
menschenähnlichen Affen und den auf der niedrigsten Stufe
stehenden Menschen kleiner »ei aU zwischen dem letzteren
und dem Europäer, nicht gereehttertlgt.
Gillebert cTHorcourt. Ibtudea anthropologiijues
»ur 76 Indigtmea do TAlgerie. — Mem. de lu
Societe d’AuthropoL de Paris, Tome III, Fase. 1,
S. 1.
Die Untersuchung umfasst 17 Berber - Kabyleu (13 C*.
4 ?), 8 Mozabiten , 8 Mauren (4 Cf, 4 $), 23 Araber
der Stämme 118 cf. 5 $ ), 12 Neger (10 cf, 2 $) nud
6 Juden (2 Cf, 4 $) und bekiff) Statur und Proportio-
nen, Kopfform (faat alle dolicbocrpha] , einige sehr), Farbe
und ILare, Augen und Haut, Tättowirung etc.
Gould, Bonj. Aptborp. Investigation in tbe militarv
and anthropological stAtistics of american wldiers.
New York. Published for the United States Saui-
tary Commission hy Sturd A Houghton. Cam-
bridge, ltiversido Press, 1866, 8°.
Diese» Werk bildet einen Tlicil der „Sanitary Memoir» of
the war of rebellion collected and publUhcd by the United
States Sanitary Commission 41 und enthält einen gro*»en
Reichthum wcrthvollen statistischen Materials über die Kör-
perbe*chaffenheit von Europäern, Negern und Indianern,
wie schon daraus entnommen werden kann, dass Statur,
Alter, Heimat h von l*/ 4 Million Menschen darin verzeich-
*) Bi* jetzt sind 38 solcher Becken näher beschrieben-
. *> 15 -
8 ) Wohl mit zum grosseu Theil, weil unter dem Naruen
Neger gar verschiedenes rusanunengetässt wird. Rcf.
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167
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
net »ind. Wir erwähnen Toriäutig diesen wichtigen Beitrag
zur vergleichenden Anthropologie nur kurz und behalteu
uns vor, »pater ausführlicher darauf zurück zu kommen.
Hamy. De L*epine nasale anterieure cians l'ordre
des Primates. — Bullet, de la Societe d’Anthro-
pologie de Pari», 2 ,le Serie, Tome IV, $. 13.
Die Mitteilung ist besonders gegen die Behauptung von
A 1 1 1 gerichtet , dass die Spina na». ant. nur dem Men*
sehen zukarne, dem Affen fehle. Hamy weist nach, dass
dieselbe auch an manchen sehr prognathen menschlichen
Schädeln fehlt oder ganz rudimentär ist , während umge-
kehrt dieselbe bisweilen bei Anthropomorphen und selbst
auch bei anderen Säugetbieren vorkomme.
Hamy. Note sur Jes oBeeraents humains* trouves
dana le tumulus de Genay. — Bullet, de la So-
ciete d'Atithropol. de Paria, 2 d * Serie , Tome IV,
S. 91. (lieber den TumuluB selbst von Bruzard,
ibid., S. 89.)
Die Schädel, dolichocephal (Iudex 73’82) zeigen den Ty-
pus der sogenannten neolithiscben dalichocephaten (celti-
«eben, Pruner-Bey) Race.
Meigs. Description of a human skull in the Col-
lection of the Smithaooian Institution. — Annual
report of the board of regents of the Smitheo-
nian Institution. Washington 1868, S. 412.
Gefunden 1866 in einer Felsenspalte um Illinois. Gleicht
keiner der heutigen eingeborenen Kairo und gehört daher
wahrscheinlich einem früheren Bewohner an.
Mühlreiter. Anatomie des menschlichen Gebisses
mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der
Zahuersatzkunde. Leipzig 1870, 8°. Mit 58
Figuren in Holzschnitt.
Sorgfältige Beschreibung der Zähne, die auch dem Cra-
niologen erwünscht sein durfte.
Nathusius. Sur la forme du cheveu consideree
comme caracteristique des races humainee. Brief
an Sanson. — Bulletins de la Societe d'Anthrop.
de Paris, 2 0 * Serie, Tome III, S. 717.
Nathusiu» behauptet für den Menschen wie für die
Thiere den Mangel jedes ursächlichen Zusammenhanges zwi-
schen Kräuselung und Konn des Querschnitte« der Haare.
Natbusius will die Genauigkeit der Beobachtung von
Pruner-Ber, wonach diese Form charakteristisch für die
einzelnen Meuscheurucen sei, nicht bestreiten, glaubt aber
doch, dass dieser Forscher zu schnell generalisirt habe.
Nathusiu* glaubt, dass man die Hauptunterschiede,
ebenso wie bei den Thieren in der Haut, dass man in
specie bei gekräuseltem Haar des Menschen auch die
»pirale Form des Haarfollikels finden werde. Auch wäre
zu untersuchen, ob sich nicht ramitidrte Follikel finden,
d. h. mehrere Follikel in der Art verbunden , Jas« sie nur
eine Oeffnung haben, aus der mehrere Haare hervorkom-
men, wie sich dies bei wolligem Haar von Thieren findet.
Nepveu. Aunal. des sc. nat. Zoolog., 5 mo Serie,
Tome XII, 1869, S. 326.
Hat vergleichende Untersuchungen über die Pacini-
sehen Körperchen des Menschen [ Europäer und Sudameri-
kaner (Charrua)J und mehrerer Affen (junger ChinjWllsA,
Ceriopithecus inona, Cynucephalus Sphinx, Obus »p. i 1 ) un-
gestellt und gefunden , dos« die des Menschen unter an-
deren die grössten, dass sie regelmässig elliptisch oder
birnlönnig gestaltet und mit den zahlreichsten Capaein
verüben sind, und dass von denen der Affen die desChini-
pno*e sich am meisten denen des Menschen nähern , dann
die des Cercopitbeiu«, des Cynocephaiu» und endlich des
Cehtti.
Nicolucci. Abthropologia delP Etruria. Napoli
1869, 4®, mit 7 Tafeln.
Während bekanntlich liaer, Wagner, Pruner-Bey
deu etruskischen Schädel für dolichocephal halten, erklärrn
ihn Ketzius, Vogt und Andere für brarhycephaj. Der
Verfasser hat 19 etruskische Schädel verglichen , die au*
Vejo, Cere, Tarijuiniu, Vulcl, Omni, Perugia und Voherra
stammen; von zweien ist die Herkunft nicht bekannt. Alle
finit Ausnahme von einem) sind männliche. Unter diesen
Schädeln finden sich 12 dolichocephnle f Ä3°) und 7 brachy-
cephale (37°). Unter 8 Schädeln aus Tanjuinia waren nur
2 bracbycepbale. Diese 19 Schädel werden nun genauer
beschrieben und insbesondere mit römischen und pbönici-
schen verglichen. Mit diesen letzteren seien die dolieho-
ccpbalen Etrusker verwandt.
Praner-Bey. Deuxieme Serie d’observations mi-
croscopiques sur la chevelure. — Memoires de la
Societe d'Aothropologie do Paris, Tome 111, S. 78.
Kochet. Essai d'uno monographic du type du
Romain ancien, dapre« des etudes faites pendnut
un sejour a Rome sur les sculptures antiques et
sur la population. — Memoire« do la Societe
d'Anthrop dogie de Paris, Tome III, Fase. 2, S. 127.
Smith and Tumor. Obsorvations on some negro
crania from Old Calabar, Westafrica. — Journal
of nnatomy and physiology cd. by Humphrv and
Turner, 2 Serie?, Nr. IV, Mai 1869, S. 385.
Schädel von Old Colabor sind schwer zu ei halten, da
die Leichen sorgfältig beerdigt werden und der Ort , wo
dies geschieht, geheim gehalten wird. Die acht vorliegen-
den von Dr. Robb eingeschicktrn Schädel wurden von im
Wald liegenden Skeleten erhalten. Es sind dies die Reste
von Sklaven, deren Leichen man in das Gebüsch geworfen,
wo sie rasch faulen und von wilden Thieren verzehrt wer-
den. Die Sklaven aber stammen zum Theil von den Völ-
kern de« Niger-Delta (Quorra) im Westen vom Cross-River,
dem Hauptstrom des Calabar, zum Theil au« dem Osten
von Old Calabar. Erstere sind Ibos (Ebnes), die östlichen
sind die Neger, die man in Wrstindieti Moros nennt. Die
Mehrzahl der Schädel gehört nach Robb'* Meinung Ibos
an. Von den 8 Schädeln sind 4 männlich (A. B. F. II.),
4 weiblich (C. D. E. G.). Die Schädel sind alle dolicho-
eephal (Index 70 bis 78). A. B. erwachsen, einander srhr
ähnlich, seitlich abgeüaiht, Vorderkopf dachförmig und zu-
rück weichend, Arcus supercil. unJ glabella wohl markirt,
prognath , Index 73 und 70 , Capacität 84 und 87. —
F. von einem 8 bi» 10 Jahre alten Knnben. — H. von
einem Erwachsenen, asymmetrisch, Index 75, Capacitit 93. —
Die 4 ? Schädel sind olle von Erwachsenen ; mit Aus-
nahme von E. (sab* brach jeep hol. Index 78) alle dolieho-
cephal (Index 70 . 72 . 73), Capacitit 65 bk» 87. — Bei
allen Schädeln sind di# Nahtxähnr sehr einfach und ist die
Ala magna mit dem Scheitelbein verbunden. — Dari eil
gab (Journal of the Ethnologie*! Society of .London, 1846)
Nachrichten über die Eingeborenen von Old Calabar. Dar-
nach zeigen diese, obgleich sie dos dicke, massive Cranium,
den schmalen convexen Vorderkopf, seitlich coniprimirtcn
Schädel und vorstehende Kiefer haben, doch nicht mehr
die dicken Lippen und die platte Nase und andere Eigen-
thümlichkoiten der Kroo* Neger (die den ausgesprochensten
Negertypu» besitzen), und damit stimmen auch die Schädel
überein.
Thurnam. Further rcsearches and oWrvationa
on the two principal form» of ancient british
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11)8 Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
skulls. Front (he mein, of tbe Anthropolog. So-
ciety of London, Vol. III, S. 4L Mil 2 Tafeln.
Verfasser fasst die Hnuptrcsultate seiner Untersuchungen
in folgenden Sätzen zusammen. 1. Di* Schädel atu den
ursprünglichen Beisetzungen in deu Lang - Bamn von
Wiltshire und Gloueeeterahire un.l Jeiu südlichen England
überhaupt «lud ausgesprochen dolichocephal (mittlerer In-
dex 71). Noch kein brachycephaler Schädel mit einem
Index von b© oder darüber ist in solchen Grabstätten ge-
funden; nur Werkzeuge von Stein, Knochen, Horn; kein
Metall, keine verzierte Töpferarbeit. Die^e Grabstätten
gehören daher der Steinzeit an. 2. Die Schädel aus den
ursprünglichen Beisetzungen in den Hcmnd-Barrow - derselben
(irgend sind mehr oder minder brachyccphal (mittlerer Index
bl). In den Gräbern finden »ich mit oder ohne Werkzeu-
gen von Stein solche von Bronze und — aber selten —
von Eisen; sie gehören daher der Bronzezeit oder der
Ucbergangtperiode (zur Eisenzeit) an. 3. Schädel aus
spätereu Beisetzungen in den oberen Schichten der Lopg-
Barrows gleichen meist denen der ursprünglichen Bei-
setzungen der Kutidgräber. 4. Der Vclk.'*tanim mit doli-
chocephalcm Schädel war der ursprüngliche, der früheste,
vou dem Grabmouumente erhalteu sind. Er begrub seine
Todten ganz und fast ohne Leichenbrand , bes.iv» Heerden
von kleiuem knrzhörnigeo Bind (Bo* longifron» oder bra-
chycero*) , jagte Krach und Bär und hatte barharis>he
Sitten, indem er, wenn auch nicht anthropophag , doch
Menschen opferte. 5. Diesem folgte eine brachycephale
kräftigen* und mehr civilUirte Bevölkerung von höherer
Statur, welche bald die herrschende wurde. Der Leichen-
brand herrschte hier bei weitem mehr vor. Die barbari-
schen Sitten ihrer Vorfahren wichen milderen und Ackerbau
mit mehr testen Niederlassungen scheint atlmälig Hatz ge-
grüben zu haben, ö. Es ist nicht bewiesen und nicht
wahrscheinlich, das* der frühere (dolichocephale) Stamm
von dem späteren (brachycephulcn) ausgerottet wurde. K*
ist viel wahrscheinlicher, dass er in Sklaverei grrieth
oder schliesslich mehr nach dem lunem und nach Westen
getrieben wurde. Eine Vermischung der Beste beider iu
spätereu Grabstätten ist wohl sicher. ■
Dem früheren uud dolichocephalen Stamm schreibt Thur-
nam einen iberist heu , dem späteren bracliycephalen einen
gallischen oder belgischen l'rspruug zn.
Virohow. Ueber die Schädel der älteren Bevöl-
kerung der Philippinen, insbesondere über künst-
lich verunstaltete Schädel derselben. — (Sitzunga-
bericht der Berliner Gesellschaft für Anthropo-
logie, Ethnologie und Urgeschichte. Zeitschrift
Für Ethnologie, Jahrgang 1870, S. 7.)
Sämmtlichc Schädel, Iß an der Zahl, wurden von G.
Ja gor mitgebracht. Die künstliche Missttaitung gleicht
ganz der der Rathrad» de* nordwestlichen Amerika. Von
& Schädeln au* der Höhle von Laoang findet diese Miss-
»tultuug namentlich bei einem io ausgezeichnetem Grade
statt, während ein anderer keine Spur von Missstaltnog
zeigt und die 3 übrigen dieselbe in sehr verschiedenem,
jedoch viel geringerem Grude aufweisen. Von 2 Schädeln
au* der Höhle von Nipa -Nipa zeigt der eine die Diffonni-
tät in hohem Grade, der andere kaum eine Andeutung
davon. Virchow constatirt auch für die nicht oder kaum
veränderten Schädel einen ungemein hohen Brejtemndex
(bei dem erstgenannten von Lanang von ÄU'l), so das* kern
Zweitel besteht, das* die Bevölkerung, die jedenfalls einer
sehr lange vergangenen Zeit angehört, eine eminent bra-
chycephale war und mit den Negritos etc. der Philippinen
nichts zu thun hat. Leider ist nur 1 Schädel von einem
heutigen Einwohner vorhanden (von Ysarog auf Luzon), der
von »Jen Hohlenscliadeln entschieden abweicht und eine ge-
wisse Atdmlichkeit, insbesondere mit I>ajak - Sc hädeln hat
(Index 78‘9). Sech* Schädel aus einer anderen Höhle von
Nipa-Nip* gehören offenbar einer mehr modernen Gruppe
an, wie auch dadurch bestätigt wird, dass 2 davon syphi-
litisch sind. Virchow findet die Uebereiatlimmung zwi-
schen diesen und den von ü. Jagor mit gebrach teu Por-
trait* sehr gross. Auch diese sind breit (Index 63*3). Zwei
weitere Schädel von Nipa - Nipa sind davon ziemlich ver-
schieden, «loch zeigen alle 16 Schädel unter sich eine nä-
here Beziehung al* zu irgend einer benachbarten Bare. «n
da»« man nicht umhin kann, alle einer und derselben
grossen Familie zuzuzählen.
Weisbach. Gehirngcwicht, Cnpaeitüt und Umfang
de« Schädels in ihren gegenseitigen Verhältnis-
sen. — (Separfttalxlruck aus den medicinischeit
Jahrbüchern [Beilago zum Wochenblatt der k. k.
Gesellschaft der Aerzte in Wien]), XVII. Band,
n. Heft, 1869.
Die Bcsultate seiner Untersuchung fasst der Verfasser in
folgenden Sätzen zusammen; l) die Grösse der Schädel-
liöble, de* Gehiruge wiebtr* und Umfanges de» Schädels
müssen in den einzelnen Fällen durchaus uicht Hand in
Hand mit einander gehen; 2) trotz der Incongruenz im
Einzelnen nimmt aber doch im Allgemeinen mit der Grösse
des Schädelinnenrautne» auch der Umfang and das Gehirn-
gewicht zu, nur ist die Zunahme bei jedem dieser Mao**?
eine verschiedene ; 3) das gegenseitige Verhalten zwischen
Bauminhalt , Gebirngewicht und Umfang ist ebensowohl
nach der Grösse de» Schädels als rach Alter, Geschlecht
und höcbet wahrscheinlich auch nach der Bace veränder-
lich und daher eine für alle Schädel ohne Unterschied gü-
tige Uerechnungswcise des wahrscheinlichen Gehirngewich-
te» au« dem Bauminhalte und noch viel weniger au* d«tu
Umfang nicht rulä«sig; 4) zur Berechnung des wahrschein-
lichen Gehirngrwirhtes eine« Schädel* kann unter Berück-
sichtigung seiner Grö**e, de* Alters, Geschlechtes und der
Race nur der Bauminhalt mit einiger Verli«*tichkrit und
Annäherung an die Wahrheit verwendet werden, indem der
horizontale Umfang zu weit von der Wirklichkeit abwei-
chende Besultate gicht.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
löit
m.
Ethnographie und Reisen.
Allgemeines.
(Von Frledr. von Hallwald*)
Agaaaiz. Oo Provinces of Creation t and the
Unity of Roce. (Biblical Repertory and Printe*
ton Review. New York, Jan. 1869.)
Bäcker, Louis de. De Porigine du langage, d’a-
pr&s la Genese. Paris 1869, 8°. 51 8.
Baldwin, John B. Pre-bistoric nations; or, In-
quiries concerning so me of the Great People« and
Civilizations of Antiquity. New York 1869, 12°.
414 S.
Baum- und Schlangendienst. Ueber den — (Ausland
1869, Nr. 51.)
Eint Besprechung de* Fergusson' sehen Werke* , der
«ich zu dem Schluss«- berechtig glaubt«, der Schlnngen-
dienst fei dem nriscbeu und semitischen Vblkerkreiee «1«
ein fremdeT Tropfen von «■inen» „turanischen Volk« 4 ’ beige-
mbcht worden. Sehr gute Aufzählung jener Volker, wo
Schlangen - und Üaumdirnst Üblich wer. Widerlegung der
Fergusion’schen Hypothese, wonach die indischen Dravi-
da» m eingewanderte Turanier und altaagesesaene Finge*
borne zu «palten wären.
Bocq de Fouquiöres, L. Les jeux des anciens,
leur description, leur origine, leurs rapport« avec
la religion, l’hiatoire, les arta et los moeurs. Pa-
ris, C. Reinwald. 1869, 8°. VIII & 460 pag. Re-
eens. „Philolog. Anz.“ 1869, Nr. 8, S. 218—221.
Benfey, Theod. Geschichte der Sprachwissenschaft
und orientalischen Philologie in Deutschland.
München 1869, 8°.
Besprochen in „Beilage zur Allgrmetnen Zeitung“ vom 19.
September 1849, Nr. 20 2 und 20. September, Nr. 203.
Bunsen, Ernst von. Die Einheit der Religionen
im Zusammenhänge mit den Völkerwanderungen
der Urzeit und der Geheimlehre. Berlin, Mit-
geber und Röstcll, 1870, 8*. 2 Bde.
Demmin, August. Die Kriegswaffcn in ihrer hi-
storischen Entwicklung von der Steinzeit bis zum
18. Jahrhundert. Leipzig 1869, 8°.
Die««« Hoch «oll den bisherigen Mangel einer Geschichte
der Waffen al* Zweig der Culturgescbichte ersetzen and
dem Archäologen, dem Künstler und dem Sammler ein
nützliche« Handbuch «ein. Es ist wohl wesentlich für den
Letzteren bestimmt, wie e* denn auch von einem Sammler
verübst ist. l)«r Abrins der Geschichte der Waffen, womit
e« beginnt, ist indes« gar dürftig und obertlärblirh. Die
folgenden Artikel, wehhe die einzelnen ethnologischen und
Archiv tttr Anthropologe. Bd. IV. lieft il.
historischen Perioden behandeln . sind es kaum minder,
viel« etymologische Erklärungen scheinen un» sehr zweifel-
haft , Unrichtigkeiten in Namen und Benennungen dienen
ebenfalls nicht zur Zierde de« Buche«. Immerhin dürfte
dasselbe nützlich und willkommen sein, denn es herrscht
unter den Liebhabern und Sammlern gerade auf diesen»
Gebiet« eine erstaunliche Unwissenheit und Begriffsverwir-
rung, die oft schmählich ausgebeatet wird.
Denison, Will. On Permanence of Type in the
human race. (Journ. of the ethnol. Soc. of Lon-
don, 1869, 8. 194—199.)
Fiske, John« The Genesis of languago. (The
North American review. Boston, Oetob. 1869.)
Flint, Austin. The Physiology of Man; designei
to represent the exieting State of physiological
Science as applied to the functions of the human
body. New York 1870, 8°. 526 S.
Fortlago, Dr. C. Acht psychologische Vorträge.
Jena 1869, 8*».
Besprochen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
7. August 1809, Kr. 219.
Gl&datone, Will. Ewart. Juventus Mundi, the
Gods and Men of the Homeric Age. London
1869, 8°.
Ueber dieses sehr gelehrte W r erk de« bekannten englischen
Staatsmannes bringt da« „Journal of the Ethnolo<rie*l So*
cietjr of London“ 1889, S. 321 — 331 au* der Feder des
Herrn Hvde Clarke eine eingehende Recension, die sich
vorwiegend mit dem ethnologischen Theil de* Huches be-
schäftigt und die Suppositioneu Glndstone's über die
Sprache und Cultur der Pelasger geradezu über den Hauten
wirft. Dabei werden der Werke de« Herrn v. Hahn ge-
dacht, auf welche «ich Gl ad »tone hauptsächlich gestützt;
die Ansichten de« Kecensentcn über di« alten Belanget,
Albanesen und Illyrier sind jedenfalls «ehr lesen« wertb.
Gottachall, Dr. Rud. Die mystisch - socialen Ge-
meinden der Gegenwart. (Unsere Zeit 1869, 1,
8. 342—363, 499—525.)
AnknbptVnd an Diion’s „Neu Amerika“ und „Seelen-
braute“ sowie an And. J. Davis’ „Reformator und Zauber-
stab“, werden hier mit lebendigen Farben die cigeuthümliehen,
um da» sexuelle Leben «ich drehenden Lehren der „Zitterer“,
der Königsberger Mucker, der englischen Lainpvterhrüder,
der amerikanischen Spiri tu allsten und Mormonen in ver-
ständlicher, belehrender Weise geschildert.
Hayos, Dr. J. B. Negrophobia „on the brain“
in white Men ; or, an Essay npon the Origin, Pro-
22
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170
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Kreta, mantal and pbyBic&l, of the Negro Hace.
Washington 1869, 8°. 35 S.
Hermann, Conrad. Philosophie der Geschichte.
Leipzig. Fr. Fleischer, 1870, 8°. VIII und 666 8.
& thut uns Mb leid, von diesem buche vor Allem sa-
ßen zu müssen, es wäre besser ungeschrieben geblieben.
Bekämpfen lässt sieh dasselbe eigentlich nicht, denn es
steht « priori auf ganz unannehmbarer Basis. Wir begrei-
fen, wenn idealistische Träumer gegen die Starrheit der
materialistischen Lehren ankimpfeu, und lassen — obgleich
wir persönlich ander» darüber denken — diesen Standpunkt
gelten, so lange er sich beschränkt die naturwissenschaft-
lichen Anschauungen auf jenem Gebiete zu bestreiteu, wo
sie überhaupt noch anfechtbar sind , wie z. B. auf dem
Felde der Psychologie. Dass aber im 19. Jahrhunderte
noch ein derartiges Werk geschrieben werden könne, wo
ton den Naturwissenschaften gänzlich Umgang genommen
wird, sollte man kaum für möglich halten. Buckle schon
beging den unterzeihlichen Fehler die Lehren der hlhno-
logie zu missachten, er hat aber wenigstens den übrigen
Einflüssen der Natur auf die Menschheit einen gehörigen
Plata ein geräumt. Letzteres geschieht indessen im Buche
des Professor Hermann nur in sehr oberflächlicher
Weise und die anthropologisch-ethnologischen Beobachtungen
ignorirt er gänzlich. Aber noch aus einer anderen Rück-
sicht vertragt das Werk vom naturwissenschaftlichen Stand-
punkte keine Kritik. Trotzdem nämlich die gesummten
Naturwissenschaften schon seit Jahren gegen die Teleologie
Sturm laufen, wird auch dies verschwiegen, ja das ganze
Werk auf teleologischer Basis aufgebaut und naiv
genug eingestanden, dass wenn der Verlaaaer die* nicht
thäte, er überhaupt keine Veranlassung hätte sein Buch
zu schreiben. Die mit jeder teleologischen Auflassung ver-
bundene Frage über den Endzweck des Menschengeschlech-
tes lässt Hermann gerade so unbeantwortet wie seine
Vorgänger und dies ist sehr natürlich; er kennt ihn eben-
sowenig wie wir. Wie richtig sagt« in dieser Hinsicht doch
Schiller: Der Zweck des Menschengeschlechtes »ei uns
schlechterdings verborgen , weil sein Endzweck dem des
Universum* untergeordnet »ei, der Zweck des Theils aber
nur au* dem Ganzen herau* erkannt werden könne; da
aber der Zweck des Universums uns verhüllt ist, so »ei
die Harmonie, die Vernunft, die wir in die Geschichte hin-
einlegen, nur in unserem Kopfe; der Zufall rolle die Welt-
geschichte; das Geschlecht entwickle »ich nach den Ge-
setzen der Nothweudigkeit. Professor Hermann hätte
also jedenfalls die Hegel’sche Gescbichtsanachauung nicht
über den Haufen zu werfen versuchen und nicht stets in
so hoben idealistischen Sphären schweben sollen, welche
beispielsweise Ursache sind, dass im ganzen griechischen
Altert huroe bei ihm nur von Kunst die Rede ist, so dass
beinahe der Leser in die schalkhafte Versuchung kommt zu
glauben, die Griechen hätten an gar nichts nndrre* gedacht
und zu denken gehabt als au die Kunst und das Ideal.
Dass dem nicht so war, darüber sind wir beruhigt, so
gerne wir der Kunst die ihr gebührende Stelle einräomen.
Dies nur so beiläufig. Nicht ungerügt können wir ferner
die styl i »tische Unart lassen auf jeder Seit* mindestens
4 bis bmal die Redeweise „an und für sich“ abwechslungs-
halber untermischt mit „an steh“ — mitunter auf nur
wenige Zeilen zusainmengedrängt - — dem Leser beizubrin-
gen. Dies ist „an und für sich“ unangenehm.
Howorth, H. H. Wenter ly Drifting of Nomads.
(Journal of the ethnol. Society of London 1869,
S. 12—27.)
Verfasser behauptet, dass nur durch «in genaue* Sta-
dium der historischen Begebenheiten Schlüsse auf vorhisto-
rische Ereignisse möglich seien. Zu diesem Behuf« unter-
zieht er die Wanderungen asiatischer Nomadenvölker gegen
Westen in der Zeit vom V. bis zum XIX. Jahrhundert
einer eingehenden historischen Untersuchung, dir in der
vorliegenden Schrift als ein »ehr gedrängter, nackter und
trockener Abriss der Geschichte jener Völker erst beim, die
»ich »eit dem V. Jahrhundert über die »üdlichen Steppen
Russland», Polen, die Ebenen von Ungarn, Persien und
Kleinasien ergossen haben. Er beginnt mit den Kalmyken.
Nach ihren Gesicbtszügen, Sprache, Sitten, Kleidung und
Religion führen sie uns an du» westliche China zurück,
ln Europa bilden sie gegenwärtig eine inolirte Völkerinsel;
ihre Religion ist jene der tibetanischen Buddhisten , ihr«
Züge, ihre Sprache sind mongolisch. Die Kalmyken, auch
EJenthc» oder Ulöten genannt, zerfielen einst in drei Zweige:
in die Tschugaren, welche jetzt zerstreut westlich vom
Altai bis zum Halchasch See hausen; die Koschoten, die
früher das Königreich Tangut inne hatten und von zwei
Chans, dem einen in Tibet, dem audereu in Tangut, beide
unter dem Dalai Lama stehend, regiert wurden; endlich
die europäischen Kalmyken, genannt Torguten und Derbeten.
Verfasser geht nunmehr auf die Osmanen über; er giebt
einen Abris* ihrer Geschichte und wendet sich den Uzbe-
ken Turans zu; hier schliesst er sich der Ansicht Klap-
roth's an, wonach die Uzheken aus dem KapUchak sum-
men. Vor Ankunft derselben waren die Turcotnanen di«
herrschende Rare in Tranaoziana. Diese T urcomanen , die
sich mit der Tadschik - Bevölkerung der Städte gekreuzt
hatten, waren keine Mongolen, wie sie sich selbst manch-
mal nannten , sondern den Türken nahestehende Stämme.
Ihr grösster Held war Tiinur, van dessen gewaltigen Erobe-
rongszügen der Verfasser ein chronologisches Gemälde ent-
wirft. Sie sind flir den Ethnologen interessant, denn ti«
müssen die verschiedenartigen asiatischen Ciriliaationen
unter einander io Berührung gebracht haben.
Die Tataren waren Mongolen, darüber stimmen all« Quel-
len überein ; die heutigen Tatarm, wenigstens die Bewohner
der kleinen Tatarei und des Westens sind es nicht; diese sind
typische Türken und sprechen eines der reinsten türkischen
Idiome. Der Held der alten mongolischen Tataren war
Dschingliiz - Chan , dessm Heer indes» nur zum kleinsten
Theil au» Mongolen bestand , die vielleicht darin die Ari-
stokratie bildeten; die Massen waren zumeist Türken.
Die Schwierigkeiten der turanu-chen Ethnologie sind srhr
gross, da da« (»and von zahlreichen Kacen mit noch zahl-
reicheren Unterabthtilungen bewohnt war. Nach des Ver-
fassers Ansicht sind alle diese Kacen unter einander mehr
oder minder verwandt; sie liesaen sich alle nntcr Blume u-
bach’i Mongolen daasifleiren. Dm Substratum dieser
Stämme sind die Ugrief; die Türken wären Ugrier mit
persischem und germanischem Blut, die Mongolen hingegen
Ugrier mit chinesischem Blute gemischt. Die Buriäten
im Norden des Baikal wären eine Uebergangsrace und die
Khalchaa-Moiigolen ähnlich; die Karakalpaken endlich eine
Mischung von Türken und Mougolen mit einem früheren
sibirischen Stamme.
Huber, Johannes. Philosophische Probleme.
(Augsburger Allgemeine Zeitung, 13. Juni 1869,
Nr. 164, Beilage, 14. Juni, Nr. 165, 15. Juni,
Nr. 166, Beilage.)
Streng philosophische Abhandlungen, wie die vorliegende,
welche an eine Schrift von Melchior Mayer: Die Fort-
dauer nach dem Tode. Leipzig 1669, 8° anknüpft, haben
eigentlich in unserer Bibliographie keine Stelle, und würden
wir ihrer auch nicht erwähnen , wenn darin nicht direct«
Angriffe gegen die ezacten Wissenschaften, nämlich die
Naturwissenschaften, und zu diesen zählt unstreitig die An-
thropologie, enthalten wären. Für eine Abwehr dieser An-
schuldigungen »st hier nicht der Raum geboten und »o be-
gnügen wir uns damit darauf hinzuweuen, dass die Natur-
wisaeDschaften mit ihren materialistischen Tendenzen den
Geist nicht läugnen, wenn sie denselben unwiderruflich an
die Materie knüpfen. Wir wisaen sehr wohl, dass hier
noch manche Probleme za lösen sind und glauben, dass
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 171
gerade die Erforschung de# Denkprocesses, und hierauf
läuft ja Alles hinaus, seinerzeit eine Hauptaufgabe der
Anthropologie bilden wird, l’eberrawhend ist, dass der
Autor bei »einen Reflexionen über die .Selbständigkeit des
Denkens von den Resultaten der wissenschaftlichen l’hreno-
logie keine Notix nimmt, so wie auch die so klare und
deutliche .Schrift Oehlmann's: „Die Erkcnntnisslehre als
Naturwissenschaft“ keine Beachtung findet. In dem geradezu
Epoche machenden Buche E. Hart mann’ s „Philosophie de*
Unbewussten“, welches nebenbei bemerkt die Darwinsche
Theorie der Zuchtwahl rückhaltlos in die Philosophie ein-
führt, lassen sich gleichfalls viele Waffen gegen die von
Herrn Huber vorgebrachten Argumente holen. So weil
es bisher gestattet ist die Verhältnisse zu überblicken, ha-
ben die Ansichten der idealistischen Philosophen sehr we-
nig Aussicht auf weitere Bestätigung durch die Wissen-
schaft , währeud für die naturwissenschaftliche Weltan-
schauung die Beweise sich stets mehren dürften. Einsichts-
volle Historiker, wie Buckle z. B. (womit demselben in-
des* keineswegs in Allem das Wort geredet sein soll! haben
schon mit diesen Tliatsnchen gerechnet und beispielsweise
die Freiheit des menschlichen Willens als unhaltbar ganz
fallen gelassen. Dieser letzteren widerspricht ohnedies das
sogenannte Gesetz der grossen Zahlen, das von idealistischer
Seile her keine Erklärung findet. Wir meinen demnach
die Naturw issenschaften gehen nicht zu weit, wenn sie den
Geist an die Materie fesseln; es wirr interessant die Frage
beantwortet zu hören, wo nach Ansicht der Idpalphilosophen
der „Geist“ seinen Sitz gehabt habe io jenen Zeiten als
die Erde noch nicht von Menschen belebt war. Wenn
endlich Herr Huber das Umsichgreifen der materialistischen
Anschauungen bedauert , so lässt »ich darauf nur mit
Schopenhauer und Hartmann erwidern, da« die Wis-
senschaft rücksichtslos nach Wahrheit forsche, unbekümmert
darum ob das was sie findet dem in der Illusion de# Trie-
be» befangenen OefuhUurtheil behogt oder nicht,
Huxley’e Eintbeilung der Menschenracen. (Globus
Bd. XVI. S. 62—63.)
Jaeger, Dr. G. Uober den Ursprung der Spruche.
(Ausland 1869, Kr. 17.)
Jellinek, Ad. Der jüdische Stamm. Ethnogra-
phische Studie. Wien, Herzfeld und Bauer,
1869, 8°.
Besprochen (von K.) f „Magazin für di« Literatur de*
Auslandes - , l#öy, Nr. 8, 8. 112—113.
Jewell, J. 8. Geologien! Evidences of the Anti-
quity of Man. (Methodist Quarterly Review.
New York, Jan. 1869.)
Klönne, B. H. Oase voornuder» volgen« de theo-
rie van Darwin en het Darwin inme van Winkler,
’s Hertogenbosch, Bogaerts, 1869, 8°. VI & 176
blz.
ÜLittrow, Heinrich. Ueber den Tanz und über
Volkstänze. Laibach, Jgn. v. Kleinmayer, 1869,
8°. 34 S.
Malfatti, B. Scritti geografici ed etnografici. Mi-
lano 1869, 8°. 603 8.
Enthält als hierher gehörig: Ueber das Clima als eth-
nographischer Factor. Kraniologie und Ethnographie. Die
Neger-Race.
Marriagc. The history and philosophy of Mai-
nage; or Polygamy and Monogumy Compared.
By a Christian Philantropist. Boston 1869, 8°.
266 S.
Moignan, . Le monde et l’hotntne primitif se-
lon laBible. Paris, Victor Palme, 1869, 8*. XVII
& 403 pag.
Montelius, Oscar. Fr&n jern&ldern. Akademink
afhandling. Stockholm, Haeggström, 1869, 4*.
Neger. Können Neger weisa werden? (Natur 1869,
S. 72.)
Qnatrefages beantwortet dies« Frage bejahend in der
„Revue des cour» scientiiiques“.
Peachel , Dr. O. F. Ueber die Wanderungen
der frühesten Menachenstämme. (Ausland 1869,
Nr. 47.)
Geht von der Ansicht aus, das» die liucln erst von den
Fentlandro aus bevölkert wurden und stellt die Hypothese
auf, der Ursitx der Menschheit sei jedenfalls in der alten
Welt, möglicherweise in dein problematischen, südlich von
Indien gelegen habenden, nunmehr verxankenen „Lemuria“
zu suchen.
Peschel, Dr. O. F. Ueber den Mann im Monde.
Eine ethnographische Musterung. (Ausland 1869,
Nr. 45.)
Aensserat dankenawerthe und übersichtliche Zusammen-
stellung aller Fabeln und Ansichten, zu welchen bei den
verschiedensten Völkern da* Aussehen drs Monde» Veran-
lassung gegeben. Die Belesenheit des gelehrten Verfasser»,
die sich selbst auf anscheinend so geringfügige Dinge er-
streckt, kann nicht genug bewundert werden.
Peschel, Dr, O, Einfluss der Läudergestalteu
auf die menschliche Gesittung. — 8. Ueber die
Zone der Religionsstiftor. (Ausland 1869, Nr. 18.)
— 9. Die Lockmittel de« Völkerverkehrs. (Aus-
land 1869, Nr. 43.)
Von diesen Aufsätzen kann man keinen Auszug geben;
man muss sie eben selbst lesen. Nicht genug dringend
können wir den Herrn Autor auffordern, diese Aufsätze
gesammelt in einem Buche erscheinen zu lassen , wie er
dies für seine „Neue Probleme der vergleichenden Erd-
kunde* g et hau.
Pfannonflchtnid , Dr. Holnr. Das Weihwasser
im heidnischen und christlichen Cultus, unter be-
sonderer Berücksichtigung des germanischen Al-
terthums. Hannover 1869, 6°.
Indem der Verfasser dein Wege nachgeht, auf welchem
das Wasser aus seinem elementaren Dasein als Symbol in
das geistige Gebiet gehoben wurde, handelt er von dessen
»acralero Gebrauch bei Heiden und Juden, geht dann auf
den Wasser-, Quell- und Brunnencult vorzugsweise bei den
Germanen Über und giebt sodann den Begriff des Weih-
wasser» in der christlichen Kirche, und zwar in solcher
Weise, dass man erkennt, wie im Entwicklungsprozess des
Cultus und Dogmas bestimmte Gesetze bildend gewirkt
haben und noch wirken. Das umfangreiche Material ist
mit Umsicht und Geschick verarbeitet , die Darstellung ist
gefällig, das Ganze steht unter der Weihe des Gedankens.
So dürfen wir zuversichtlich sein neues von ihm angekün-
digtes Werk: „Die heidnischen und christlichen Erntefest«
in Niedersachsen - mit Spannung erwarten.
Prehistoric Romains. (Jouro. of the ethnol. Soc.
of London 1869,8. 205—206.)
22 *
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172
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Racenfrage. Zur Raceufrnge. (Globoa, Bd. XV,
S. 281—283.)
Nach Professor Müller und J. Lamp rer über die uo-
geblkhe Verwandtschaft von Hottentotten and Chinesen.
Randolph, Dr. P. B. rre-Adamite Man: demon-
strating ihe Existance of the human Kure upon
this eart-h 100*000 yenrs ago. Boston 1869, 12°.
408 S.
Ratzel, Fritz. Die Schädeltheorie. (Natur 1869,
S. 212 — 214, 227—230, 236—239.)
Rokitansky, Dr. Carl. Die Solidarität alles Thier-
lebens. Wien 1869, 8°.
Rosny, Leon de. Rapport annuel fait a la So*
eiete d'<*thnographie sur ses travaux et sur lea
progres des Sciences ethnographiques pendant
Tanne« 1866—1867. Paris 1869, 8®. 23 Seiten.
(Extr. du Nr. 11 des actes de la Soc. d’ethnogr.,
2“* serie, T. 2.)
Royer, Cldmenco Mad. Origine de Hiomme et
des societes. Paris, Quillaumin, 1870, 8°.
Rüge, A. Reden über die Religion, ihr Entstehen
und Vergehen an die Gebildeten unter ihren Ver-
ehrern. Berlin 1869, 8*.
Alle Götter sind Naturgötter, alle Religionen Naturreli-
gioneu. Der Wissenschaft kann es nicht, darauf ankommen,
den Gott Indra, 2«u», Jehovah zu läugucn, sondern nur
seine Entwicklung zu verstehen und zu erklären. Die
Theologie ist nach Feuer bach Anthropologie, die Natur-
götter sind in die Wolken phautasirte Menschen. Dies
einige der leitenden Grundideen dieser Keden, die indes*
im l'rbrigen kein besonderer Fortschritt sind. Rüg 6 »*t
und bleibt Idealist; damit ist der Wissenschaft nicht ge-
dient; diese verlangt vor Allem klare, nüchterne Unter-
suchungen selbst dort wo es sich um so ideale Dinge han-
delt wie das besprochene Thema ist. Siehe Recension der
Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 15. Mai 1869,
Nr. 135.
Rumpelt, Dr. H. B. Das natürliche System der
Sprachlaute und sein Verhältnis zu den wichtig-
sten Cultursprachen. Halle 1869, 8®. 227 S.
Ruskin, John. The queen of the air: being a
study of the greek myths of cloud and Storni.
London, Smith, 1869, 8°. VIII & 199 pag.
Schleiden, Dr. ML J. Ueber den Darwinismus
und die damit zusammenhängenden Lehren. (Un-
sere Zeit 1869, I, S. 50—71, 258—277, 606—
630.)
Ausserordentlich klare, übersichtliche Darstellung der
Darwin’ sehen Lehre und der daraus entspringenden C-on-
sequeuzen.
Silbe rach lag. Ueber Eidringe. (Globus ßd. XV,
S. 233—234.)
Kurze Notiz über den Gebrauch derselben bei Griechen
und Römern.
Storno, C. Der medicinische Aberglaube unserer
Zeit. „ Sonntagsblatt u (herausgegeben von Fr.
Duncker), 1869, Nr. 37.
Thompson, J. P. Man in Genesis and Geology;
or, the Biblical Account ofMan’s Creation, testet!
by Scientific Theorie» of bis origin and antiquity.
New York 1869, 12* 150 S.
Vogt, Carl. Von CongresB zu Congress. (Köl-
nische Zeitung 1869.)
Diese im Laufe des Septembers erschienenen Briefe sind
eben so anziehend als belehrend. In der dem berühmten
Verfasser eigentümlichen fesselnden Schreibweise werden
die beiden Congresse zu Kopenhagen und Innsbruck ge-
schildert und von deren wissenscbaftlichen Resultaten eine
geistreiche Analyse entworfen.
Europa.
(Von Friedr. von Hellwald.)
Aachener, die, Mundart (Beilage zur Allgemei-
nen Zeitung vom 27. October 1869, Nr. 300.)
Dicker Aufsatz knüpft nn Pr. Jos. Müll er 's Buch:
„Pmsn and Gedichte in Aachener Mundart - , Aachen 1889,
6°, 2 Theile, an und bemerkt sehr richtig, dass diese Mund-
art gleichsam der Reflex der geographischen Lage sei. Ihre
überwiegende Analogie weise auf jene niclerdcutsdic Mund-
art hin , die sich als eiue besondere , in engerem Sinne
Deutschlands fremde Sprache constituirt hat , nämlich auf
die holländische; eine Analogie, die sich nicht etwa auf die
Wörter beschränkt, sondern den gesnmmtcn grammatikali-
schen Bau umfasst. Aber auch die romanischen Sprachen
sind nicht ohne Einwirkung geblieben. Wenn einzelne
.Wörter die spunische Herrschaft in den Niederlanden , na-
mentlich die in den belgischen Provinzen, und die »panische
Occupathm Aachens in Erinnerung rufen, so sind die fran-
zösischen Anktänge sehr häutig. Oberdeutsche kommen
neben densell'en nicht wesentlich in Betracht.
Althaus, Friodrich. Englische Charakterbilder.
Berlin, Decker, 1869, 8°. 2 Bde.
Der zweite Bund ist ausserordentlich wichtig für die
Darstellung des Volksthums im „Merry Old England“, durch
die Abhandlung: „Zur Geschichte der englischen
Volksspiele - (S. 259—494).
Arnold, Dr. W. Cultur und Recht der Römer.
Berlin 1868, 8°.
Besprochen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
8. Juni 1869, Nr. 159.
Bannistor, John. A Glossary of Coruish names,
local and family, aoeient and modern, celtic and
toutouic. Truro (Cornwall) 1869, 8 U . I. Theil.
64 S.
Beauvois, E. Le« antiquites primitives de la Nor-
vege. (Annnles des Voyages, Octob. 1869.)
Bertillon. Ctudee sur la Baviere. (Bullet, de la
soc. d’Anthrop. de Paris, 2 dt Serie, T. III, 8. 516.)
Bertillon. Populations Beiges. Bemerkungen zu
einer statistischen Arbeit über Belgien im Dict.
encyclop. des Sciences mddicales. (Bulletin de la
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173
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Societe d'AnthropoL de Paris, 2 d * serie,' T. IU,
S. 634.)
Blind, Carl. Ilellenic nationality and the East.
(Putnam’s Monthly Magazine. New York, No-
vember 1869.)
Boulogne, Dr. A. Le Montenegro, le pays et «es
halntauts. Paris 1869, 8 U . 115 S.
Bradaaka, F. Die Slaven in der Türkei. (Peter-
mann’s Mitth. 1869, S. 441 — 458 mit 1 Karte.)
Höchst wichtige , ilcissige und Janheciswcrthe Arbeit.
Sie rrctiticlrt in vieler Hinsicht die verdienstvolle cthno-
graphische Karte vonLejean, die seinerzeit gleichfalls von
Dt. !*et ermann berau.*geg«*lH-n wurde. Nach Professor
Urndaska beziffern sich die Slaven in der Türkei auf
8 V 2 Millionen; die Gessmmtbevolkcruug de* Kelches geblitzt
er auf 16 Millionen. Eigentliche Türken und Griechen
find nur jt I Million vorhanden, Rumänen hingegen
4 "2 00 UÜÜ; den Rest von 1‘6U0 000 bilden die Schkipetaren
(Albone«en). Dabei zeigt der Verfaaoer in kurzen aber
deutlichen Worten, wie w trotz ihrer numerischen Detter»
legenheit es kommt , dass die Slaven die Unterjochten in
der Türkei sind, and legt dabei viel Unbefangenheit und
Unparteilichkeit an den Tag. Kr geht sodann auf di«
Behandlung der zwei grossen (»nippen über, iu «eiche die
türkischen Slaven zerfallen: die Bulgaren und die Kroato»
Serben. Die Bulgaren, ein Mischvolk, entstanden aus Sla-
ven und uraliachen Bulgaren , schätzt er au) 6 Millionen,
•o dass sie allein mehr denn ein Drittel der Gesammtbe-
völkerung bilden , den weiteren Rest von '2* j Millionen
machen die Kroaten und Serben aus. Ueberdk» bemüht
sich der Verfasser die geographischen Grenzen der einzel-
nen Gruppen so genau als möglich zu präcisiren. Niemand,
der »ich mit den Verhältnissen des europäischen Orientes
vertraut machen will, darf diese Schrift übersehen.
Broca. Nouvelles recherches sur l'Anthropologie,
de la France en general et de la Baase Bretagne
en particulier. (Memoire» de la aoeiete d 1 Anthro-
pologie de Pari«, T. 111, fase. 2, 1869, S. 147.)
Bulgarien. Der Vampyr in Bulgarien. (Globus
Bd. XV, S. 218—219.)
Mitteilungen über den an den Vampyr sich knüpfenden
Aberglauben bei verschiedenen Völkern, besonders bei den
Bulgaren. Daran sckll— t flfck noch die Notiz (S. *220):
„Ein Urteil über das bulgarische Volk“, dem Werke von
St. Clalr und Brophy ent nomturn , welches nicht beson-
der* schmeichelhaft für die Bulgaren klingt. Weiter über
den Vampvrglauben finden wir S. 285 eine Notiz, densel-
ben im Peloponnes schildernd.
Carnarvon, Earl of. Reminiscenees of Athens
and Morea. Extracts frora a journal of travela
in Greece in 1839. London 1869, 8°. 261 S.
mit 1 Karte.
Cenac-Moncaut. Lettre« ü MM. Gaston Paris et
Barry sur les Celtea et leB Germains, le» chants
bistoriques basque* et les inacriptions gasconnes
de Convenco. Paris 1869, 8°. 56 S.
Chodzko, Alex. Grammaire paleoslave, suivie de
texte« paleoslave«. Pari» 1869, 8 ft . 276 S.
Culturbild, ein, aus Süditalieu. (Globus Bd. XVI,
S. 169—171.)
Demattio, Dr. Fortunato. Origine, formazione
ed elementi della lingua iteliana. Innsbruck
1869, 8°.
Besprochen in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom
8. Uctober 1869, Nr. 281.
Depret, Louis. Ein Antriebe. Paris, L. Hachette,
1870, 8®. 234 pag.
Dieterich, Dr. U. W. Runen-Sprach -Schatz, oder
Wörterbuch über die ältesten Sprachdenkmale
Skandinaviens in Beziehung auf Abstammung und
BegrifTsbildung. Stockholm und Leipzig, 8®.
387 S.
Dilko, Charles Wentworth. Greater Britein, a
record of Travel in englisli - speaking countries
during 1866 and 1867. London 1869, 8 W . 2 Bde.
Dieses Buch geht von der überschwenglichen Ansicht
au*, dass die anglo- sächsische Kace bestimmt »ei, alle an-
deren von der Erde zu verdrängen und allein zu herrschen,
Chile, La Flat« und Feru müssen schliesslich englisch wer-
den. Die rothe Indianerrace , weiche gegenwärtig diese
Länder einnimmt, kann sich nicht gegen unsere Colonisten
behaupten. Die Zukunft der Tafelländer Afrika», Japan»,
Chinas i*t eben so klar. — Wir gestehen, uns will dieselbe
keineswegs so klar bedünken , wie Herrn Dilke. Der
ehrenwrrthc Autor, einer der Haupteigenthümer des lon-
doner Athenäums, Ende lHftb zum Parlamentsmitglied« für
den neucrcirten Burgflecken Chelseu erwählt, früher einer
der künigl. Coromissäre für die Londoner internationale
Ausstellung u. s. w. , scheint trotz aller dieser schönen
Eigenschaften sieh des Studiums der Ethnologie nur sehr
wenig befiissen zu haben. Wie kann er z. B. das gut con-
statirte Anwachsen der rothen Kace und das allmäJige Ver-
schwinden der Weiaaeo in den Ländern t'cntralamerikas
und Perus mit seiner Theorie in Einklang bringen? Wie
verhält cs sich mit der ungeheuren Sterblichkeit der Weis-
een in Ostindien? Es scheint als ob dimaüschc Rücksich-
ten für Herrn Dilke nicht bestehen. In »einem Idealismus
hält er den Menschen für einen Kosmopoliten , was heut-
zutage wohl kein Ethnologe mehr gelten lassen wird.
Durand (de Gros). Aryas et Touran». Bulletins
de la Soc. d’Anthrop, de Paris, 2 d * serie, T. IV,
S. 28.
Durand (de Gros'). Une excursion anthropolo-
gique dan» l’Aveyron. Bulletin» de la Societe
d’Antliropologie de Poris, 2 de serie, T. IV, S. 193.
Ehrlich, H. Rumänischer Charakter und rumä-
nische Charaktere. „Magazin für die Literatur
de« Auslandes“ 1869, Nr. 23 (& 336 — 337),
Nr. 24.
I. Das Volk (Nr. 26).
Ettmüller, Dr. Ludw. Altnordischer Sagenschata
in neun Büchern, übersetzt und erläutert. Leip-
zig 1870, 8°. 488 8.
Etzel, Anton von. Vagabondeuthum und Wan-
derleben in Norwegen, Ein Beitrag zur Cultur-
und Sittengeschichte. Berlin, Carl Heymann,
1870, 8°. 127 8.
Europe. The primitive Races of Europe. (Natio-
nal quarterly Review, New York, Septbr. 1869.)
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174
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
Ficker, Adolf. Die Yölkerstänmie der öster-
reichisch - unga riechen Monarchie, ihre Gebiete,
Grenzen und Inseln. Historisch, geographisch
und statistisch dargestellt. Wien 1869, 8*. mit
4 Karten, 98 S.
Besprechungen diesen interessanten Büchlein« siehe in:
Globus B*J. XV, S. 316, Beilage der Allgemeinen Zeitung
vom 1. Juni 1869, Nr. 152, dann in den Mittheilungen
der k. k. geograph. Gesellschaft in Wien, 1869, S. 535.
Förster, C. Das russische Lappland und seine
Bewohner. (Petermann’s Geograph. Mitth. 1869,
8. 137-139.)
Wir entnehmen dienern karren Aufsätze, d«»» die Süd-
küste der Halbinsel Kola wenig aber durchgehend» von
Küssen bewohnt wird, wahrend deren nördliche Gegenden
etwas mehr von Menschen betreten und im Winter von
den nomoditirenden Lappländern durchzogen wird. Die
Hauptbeschäftigung der Bevölkerung i»t Fischfang, etwas
Perlenfischern und Jsgd auf wilde Gänse und Koten, auf
Seehunde und Bären. Die Karden, ein mit nur wenig In*
trlligrnx ausgestattetes Volk, bat seinen eigentlichen testen
Wohnsitz südlich von dem Kandnlaksky -Golf.
Freshtield, D. W. Travels in the Central Cauca-
stis and Bashan, including visits to Ararat and
Elbrus. London 1869, 8°. 522 S. mit 1 Karte.
Knthält viele ethnographische Angaben über die Osseten
und Svanen. Sehr lesenswert)«’ Auszüge diese« interessan-
ten Werkes brachte das „Ausland“ 1869, Nr. 40, 41, 42.
Fritz, J. N. Die Slowaken, eine ethnographische
Skizze. (Globus Bd. XV, S. 270—273.)
Gabelentz, Alb. v. der. Sebenico und die Fälle
der Kerka in Dalmatien. (Globus Bd. XVI, S. 204
—206.)
Enthält eine Schilderung der Morlakcn.
Girard de Hialle. Sur le« Scythes. Bull, de la
Soc. d*Anthrop. de Paris, 2' 1 * serie, T. IV, S. 46.
Godron, A. Lee originen etbnologiques des po-
pulations prussienne«. (Ann. d. Voy., Decbr. 1868.)
Goohlert, J. V. Ueber keltische Ortsnamen in
Niederösterreich. (Mitth. der k. k. geogr. Gesell-
schaft in Wien, 1869, 8. 279 - 286.)
Das» in dem Lande unter der Enns seit den ältesten
Zeiten Kelten ansässig gewesen sind, unterliegt wohl kaum
einem Zweifel mehr, würden uns auch die römischen Ge-
•chichtsebreiber hierüber nicht berichtet haben. Als die
Römer siegreich in Noricum vordrangen, fanden sie die
Kelten gtwiss schon in zahlreichen Ortschaften ansässig,
deren Namen mit der Ausbreitung römischer Cultur and
Sprache allmälig romanrnrt wurden. Goehlert ist diesen
Spuren nachgegangen und bat getänden; dass bei Betrach-
tung der räumlichen Ausdehnung der keltischen Ortsnamen
sich zeige, wie diese zumeist in Gebit gagegenden und an
den Ufern der Donau und der anderen Flüsse des Landes
Vorkommen , während sie in den Ebenen der ehemaligen
Viertel unter dem Wiener Waldr und unter dem Manharts-
berg«* viel spärlicher erscheinen.
Gonzonbach, Laura. Sicilianische* Märchen. Aus
dem Volksmund gesammelt, herausgegeben von
Otto Hartwig. I^eipzig, Engelmann, 1870, 8*.
2 Bände.
Graokoslavon , die, im Königreiche Hella«. (Glo-
bus Bd. XV, S. 189.)
Wie natürlich, antigriecbisch.
Griochischo und sicilische Vasenbilder, herausge-
geben von Otto Benndorf. (Allgemeine Zeitung
vom 16. Juni 1869, Nr. 167, Betlago.)
Gubernatis, A. de. Storia comparata degli usi
nuziali in Italia e presso gli altri popoli indo-
europei. Milano, E. Trevee. 1869, 8°. 220 pag.
Haesoler, Charles H. Across the Atlantic. Let-
ter« from France, Switzerland. Germany, Italy
and England. Philadelphia 1868, 8°. 398 S.
Harberta, H. Deutsches Land und deutsches Volk.
„Sonntagsblatt - (herausgegeben von Fr. Duncker),
1869, Nr 44.
1. Volksleben in OsUViesland.
Hazlitt, W. Carow. Englieh proverbs. London,
Russell Smith, 1869, 8°. 505 pag.
Hartogh Hoya van Zoutcvoen, H. De voorhisto-
rische Mensch in Europa. ’sGravenhage 1869,8°.
Henrich, H. Mittheilnngen über Spanien. (Glo-
bus Bd. XVI, S. 71—73, 87—90.)
Henrich, H. Die M^ja und die Cigarrera. Sitten-
bild aus Südspnnieu. (Globus Bd. XV, S. 247 —
250, 267—270.)
Hervet, E. I.’ Ethnographie de la Pologne. Notice
sur les travuux de Madame Severine Duchimka,
lue ä la Societe d'Etluiographie de Paris dans sa
Söauce du 15 Mars 1869. Paris 1869, 8°. 48 S.
Joyce, P. W. The origin and history of Irish
names of places. Dublin 1869, 8°.
Kalisch , Ludwig. Fahrten in der europäischen
Türkei. ( Kölnische Zeitung 1869.)
1. KasUchuk. 11. Di« bulgarischen Aufstände. III. Mid*
had Pascha.
Kattner, Etwart. Zustände, Kämpfe und Leiden
in deu deutschen Ostseeprovinzen. (Unsere Zeit
1869, II, S. 561 — 582, 667—686, 921—948.)
Auf Grand de» neueren, ziemlich stark angehäuften Ma-
teriales ausgrorbeitetr Aufsätze, die grosse Sachkenntnis»
verrathen. Auch hier wohnen wir wieder dem erbitterten
Kampfe zwischen zwei ethnologisch verschiedenen Elemen-
ten bei: dem germanischen und dem »lavischen.
Kelaiow, W. Galizien und Moldau. Reisebriefe.
St. Petersburg 1868, 8°. 251 S. (Russisch).
Krause, Dr. J. H. Die Byzantiner des Mittelalters
in ihrem Staats-, Hof- und Privatleben, insbeson-
dere vom Endo des 10. bis gegen Ende des 14.
Jahrhunderts nach den byzantinischen Quellen
dargestellt. Halle 1869, 8°.
Empfehlenswert!!« Bach , welche» mit seltener histori-
scher Gründlichkeit ein Volk schildert, dessen Geschichte
bisher so »tark vernachlässigt wurde. Eine ausführliche
Kecension siehe in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 8. Juni 18G9, Nr. 159.
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175
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Kulemann, Rud. Die Zigeuner. (Unsere Zeit
1869, 1, S. 843—871.)
Ein im grossen Ganzen »ehr dankenswerter Aufwitz, welcher
so sinnlich Alle« resumirt was wir ober dieses rätselhafte,
•äs Indien zu uns gekommene Volk wissen. In manchen Punk*
ten müssen wir dem Autor indes« streng entgegentreten. Wir
kennen die Zigeuner gleichfalls aus eigener Anschauung, und
glauben ganz im Gegensätze zum Verfasser, durchaus nicht
an die Möglichkeit ihren Charakter urozubilden. Wir
kennen Zigeuner, die mau vollständig cmlisirt nennen darf,
die sich mit Geschick im schwarzen Frack bewegen; sie
bleiben aber doch immer Zigeuner und verrathen die* je-
den Augenblick. Völlig verunglückt müssen wir den Ver-
gleich mit der Negerrave betrachteu, der auf thatsächlicher
Unkenntnis* der Verhältnisse beruht. Dieselbe hat, und
besonders nicht in enter Linie in Nordamerika, keine Zu-
kunft. Alles was der Autor anfuhrt stösst die Thatsache
nicht um. das* seit der Emaiicipation der Neger di«* sich
in «ntaunlichem M&asse vermindern. Von den 1865 vor-
handenen 4 Millionen Sklaven leben heute kaum mehr
2*/j Millionen und es lässt sich die Zeit berechnen, wo
kein Einziger Schwarzer mehr iiq Unionsgebiete leben
wird. Und man verkenne es nicht; es ist die* der grösste
Nutzen, welchen die Union au* der Negeremancipa-
tion gezogen hat, wenn aie den »schwarzen Bruder“ losgr-
worden ist, der niemals den Boden der Vereinigten Maaten
hätte betreten sollen, zu seiuem und zu des Lande» Heil.
Als Sklave war er das Motiv zu ewigem Zwiste, als freier
Bürger ist er das entsittlichendste Element, welches die
Union in sich aufnehmen konnte. In Afrika sind jedenfalls
die Elemente zu seinem Gedeihen vereinigt und wenn er
eine Zukunft hat, »o ist es hier. Du Chaillu bezweifelt
aber selbst dies.
Kurschat, Fried. Wörterbuch der Litbauischen
Sprache. I. Theil: Deutsch - Lithauisch. Halle
1869, 8°.
Lammert, GL Volksraedicin und medicinischer
Aberglaube in Bayern. Würzbnrg, F. A. Julien,
1869» 8°. 273 S.
Landes. Die Landes, ihr Boden, ihre Cultur und
ihre Producta; die Einwohner und ihre Sitten.
(Globus Bd. XIV, 1868, S. 373—375.)
Landateinor, Carl. Erntegebräuche in einigen
Gegenden Niederöaterreichs. („Abendstunden“,
Jahrg. 1869, Heft IV, 8. 58—82.)
L&ndstoinor, Carl. Reste des Hoidenglanbens in
Sagen und Gebräuchen des mederösterreichischen
Volkes. Krems 1869» 8°.
Langue. La Langue Wallonne. (TrQbner’s Ame-
rican and literary Record. London 1869, Nr. 51.)
Lcsrnswrrthrr Aufsatz; das Wallonische »st kein verdor-
bene» Französisch , sondern es ist vielmehr so wie dieses
rin Dialrct der alten langue d’oYL Dem Aufsatze ist ein
bibliographisches Verzeichnis» von in wallonischer Sprache
geschriebenen Büchern angehängt.
Latrobo, John H. B. Hints for Six Months in
Europe; bei ug the Programme of aTour through
Parts of France» Italy, Austria, Saxony, Prussia,
the Tyrol, Switzerland, Holland, Belgium, Eng*
land and Scotland in the Summer of 1868. Lon-
don 1869, 8*.
Ganz unwichtig. Eine äusserst günstige Recension dieses
Buche* siehe im Londoner Athenäum, Nr. 2195, vom 20.
November 1869.
Leist » A. Deutsche und slavische Pflanzensagen.
(Globus Bd. XVI, S. 122—124, 198—201.)
Luzol , . . . . Chants populaires de la Bosse -Bre-
tagne, recueiliis et traduits. Paris, Franck,
1869, 8°.
Martin. Sur l'element rusae en Europe. (Bulletins
de la Eöciete d' Anthropologie de Paris, serie,
T. III, S. 606.)
Maurer , Franz. Mittbeilungen über Bosnien.
(Ausland 1869, Nr. 43, 49, 50.)
K Die Bosutuken. 2. Die spanischen Juden.
Mauror, Franz. Eine Reise durch Bosnien, die
Saveländer und Ungarn. Berlin, Carl Heymann,
1870, 8°. 431 S.
Verfasser gehört zu jener ('lasse von RrUebrschreiben»,
welche mit grosser Gewissenhaftigkeit das , wa* sie wirk-
lich erfahren und erlebt haben, dem Leser mittheilen. Er
verschmäht es durch kleine Kunstgriffe und Selbsttäuschung
seinen Reisebericht auszusrhrnücken, und doch wei*a er dea-
Leser, dem es darum zu than ist, sich von Land und Leu-
ten eine klare Vorstellung zu verschaffen, an sieh zu few
seln, und man folgt ihm gern auf seiner Wanderung. Der
Inhalt des Werke* ist kurz folgender: Durch Oesterreich,
Kroatien, die westliche Militärgrenze, Bosnien, Kürkreiee,
die östliche Militärgrenze. Sehr angrnehm berührt der
ruhige, wohlwollende Charakter, von 'dem der Verfasser
beseelt ist und welcher sieh in der ganzen Schilderung von
Land und Leuten bekundet.
Mendelssohn - Bartholdy , Dr. Carl. Die Insel
Kreta und der nationale Krieg gegen die Türken.
(Unsere Zeit 1869, I, S. 4SI — 499; II, S. 321 —
349.)
Sehr eingehende, auch ethnologisch wichtige Schilderung
der kriegerischen Ereignisse auf Kreta seit Anfang dieses
Jahrhunderts. Verfasser steht auf Seite der Griechen, kann
aber trotzdem nicht umhin , ein dem Charakter dieses Vol-
kes wenig schmeichelhafte* Gemälde zu entwerfen. Was
aus allem hervorgeht, ist, dass auf Kreta rin Racen kämpf
ausgefochten wird , wo der Sieg unserer Meinung nach der
höheren, reineren Rae» verbleiben wird. Und diese iat
die griechische sicherlich nicht.
Meyer, Leo. Die Gothieche Sprache. Ihre Laot-
gestaltung insbesondere im Verhältnis» zum Alt-
indischen, Griechischen and Lateinischen. Berlin
1869, 8«. 780 S.
Monte lius, Oscar. Remains from the iron a ge of
Scandinavia. Stockholm 1869, 4°.
Morosi, Giuseppe. Studi sui dialetti greci dolla
terra d’Otranto, preeeduti da una raccolta di
canti, loggende , proverbi e indovinelli nei dia-
letti medesimi. Lecce 1870, 4°. 214 pag.
Müller, Friedrich. Beiträge zur Kenn tn iss der
Rom-Sprache. Wien, Staatedr., 1869, 8°. Aus
dem Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der
Wissenschaften.
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176
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Müller, Gustav. Prenasuch-Lithaueu und die Li-
tauer. (Globus Bd. XVI, 3. 25—28, 59—61.)
Sieh» darüber noch Und. S. 143.
Ortsnamen. Die geographische Verbreitung deut-
scher Ortsnamen und ihre Beziehung zu den
Wanderungen germanischer Stamme. (Globus
Bd. XV. S. 48—50.)
Patterson, Arthur J. The Magyara, their country
and Institution». London, Smith, 1809, 8°. 2 Vol.
Heinsberg- Düringsfeld, O. Frhr. v. Pastrovics
in Dalmatien. (Ausland 1869, Nr. 47.)
Beinaberg-Düringafeld, Otto Frhr. v. Der Bar-
barossaglaube. („Illustrirte Leipziger Zeitung*,
Nr. 1381, Bd. LIII, 1869, S. 499.)
(Ridgway, William). Pictures of hungurinn life.
London 1869, 8« 401 S.
Robertson, J,*A. The gaelic topography of Scot-
land and what it provez explained; with rauch
historicul, antiquarian and descriptivo informutiou.
Edinburgh 1869, 8°. mit 1 Karte.
Roohat. Sur la degenuroseenct* do certaines races
irlandaisee. (Bulletins de la soc. d’Anthropol. de
Paris, 2 d * Jk-rie, T. UI, S. 622.)
Röchet. Essai d'uue monographie du type du Ro-
main aucien, d'aprea de« etudes faites pendant
un sejour ä Rome sur Ich scnlptures antiques et
sur la population. (Memoire« de la socioU* d’An-
thropologie de Paris, T. III, fase. 8, 1869, S. 127.)
Rosini, C. Scene del vivere romano. („Nuova an-
tologia di scienze lettere edarti u , Anno IV, 1869,
fase. IX Settemhre.)
Rougemont, Fred. de. Die Bronzezeit oder die
Semiten im Occidont, Deutsch von C. A. Keerl.
Gütersloh 1869, 8°.
Diene Uebemeuanj* de* vor zwei Jahren erschienenen
«richtigen Werke» von Kougeiuunt ist vom Verfasser
seihst betrichtlirh vermehrt und «lun-hgeaehen worden.
Eine kurze aber fncbgemlu»* Besprechung siehe Ausland
18*59. Nr. 4 1 . S. 979—979.
Russen, die, und Livland. (Beilage zur Allgemei-
nen Zeitung vom 21. August 1869, Nr. 233.)
Russland. Die Deut »ohenfresser in Russland. (Glo-
bus Bd. XVI, S. 138—140.)
Öaint Clair und A. Brophy. Keaidence in Bul-
garin; or, notes on the resouroes and administra-
tion of Turkey, the condition and charactcr, tnan-
ners, customs and lutiguage of the Christian and
mus.Hulman populations. with reference to the
Easteru question. London 1869, 8°. 442 S.
Sax, C. Geographisch-ethnographische Skizze von
Bulgarien. (Mitth. der k. k. geogr. Gesellschaft
in Wien, 1869, S. 449—482.)
Nach Amtlicher türkischer Angabe and eigener An-
schauung behandelt der Autor kure di« administrative Ein-
thedung, die <jewk*»er, Gebirge und Landenprodact* , so-
dann ausführlicher die Bet ülkerung nach ihrtn» statistischen
und ethnographischen Verhältnissen, endlich die Ortskunde
und die Cominunicalionen des Donau -Wilajet*.
Schatzmayr, Emil. Nord und Süd. Geographiach-
ethnographische Studien und Bilder. Braun-
schweig, H. Bruhn. 1869, 8*. VI und 162 S.
Nach den trefllichen Vorarbeiten von Riehl, Katzen,
Daniel und Gude zur deutschen Landeskunde, war es
nicht schwer eine Schrift über deutsche Verhältnisse und
Menschen abzufiusen, die nicht allzu gelehrt und doch auch
nicht gar zu Sach wäre. Indess wollen wir da» Verdienst-
liche an diesen „geographisch - ethnographischen* Stadien
keineswegs unterschätzen. Trotz allen Gemeinplätzen and
Trivialitäten, die man mit in den Kauf nehmen mu*6, wird
diese Schrift ihren Weg na« heu, denn sie bringt gar Man-
cherlei de* Alten und Neuen, auch viel« recht gute Beob-
achtungen und glückliche Einfälle.
Schlangen Verehrung in den Pyrenäen. (Globus
Bd. XVI. S. 80.)
Schneller, Christian. Ueber die volksmundart-
liche Literatur der Romanen in Südtyrol. (Im
Programm XX de» k. k. Staats -Gymnasiums zu
Innsbruck 1869, S. 3 — 20.)
Secten, die, der Duchoborzen und Malakanen in
Russland. (Globus Bd. XVI, S. 273—280.)
Siebenbürgen. Eine Rückschau. (Beilage zur
Allgemeinen Zeitung vom 28. August 1869, Nr.
240, 29. August, Nr. 241, 30. August, Nr. 242.)
Ethnologisch interessant. Die Zahlenverhältnisse der ein-
zelnen Volks# tämtae stellen sich wie folgt: Eugim 300*000,
Sxekler 210000, Sachsen 200'000, Walachen 1*110*000.
Skizzen aus der kleinen Walachei. (Globus Bd. XV,
5. 289—296, 321—328.)
Stark, F. Keltische Forschungen. I. Keltische
Namen im Verbrüderungehuche von St. Peter in
Salzburg. Wien 1869, 8°. 2 Bde.
Steub, Ludwig. (J«ber deutsche und zunächst
bayerische Familiennamen. (Beilage zur Allge-
meinen Zeitung vom 28. September 1869, Nr. 271,
29. September, Nr. 272, 5. October, Nr. 278,
6. October, Nr. 279.)
Stuhlmann, C. W. Sympathien und verwandte
abergläubische Gewohnheiten in Mecklenburg.
(Globus Bd. XV, S. 242 246.)
Sehr ausführlicher, lewnswerther Aufsatz.
Sutermeister, Otto. Die schweizerischen Sprich-
wörter der Gegenwart. Aarau, J. J. Christen,
1869, 8°. XII und 152 S.
Talvy,.... Die Kosaken und ihre historischen
Lieder. (.Westerraann’s illustrirte deutsche Mo-
natshefte* 1869, Heit VIII, S. 467—474.)
Thomson, Dr. Wilh. (Jeher den Kinfluss der ger-
manischen Sprachen auf die finnischlappischen.
Eine »prachgeschichtliche Untersuchung. Aua
dem Dänischen übersetzt von E. Sievers. Halle
1869, 8°.
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Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
177
Nicht allein die Sprachforscher, sondern aut h die Ethno-
logen und Historiker können «u* dir-wm Werke des jungen
dänischen Gelehrten etwa« lernen. Hei der überaus grossen
Zähigkeit de» finnischen Stammes dürfen wir uns nicht
wundern gar alte germaniM-hc und lithaubebe Laut* und
Wortgebilde im Finnischen wohl erhalten zu sehen; aber
nicht bloss sprachliche* Frrmdgut lut »ich in alter Gestalt
bei den Finnen erhalten , wir finden eine ganze iteihe der
schönsten altgaroanischra Mythen mehr oder minder kennt-
lich auf finnischen) und csthniwhrin Hoden verbreitet,
wahrem! dieselben auf germanischem Hoden längst verhallt
sind.
Thüringerwald. Die elavischon Ortsnamen das
Thilringerwalde* und der umliegenden Gegenden.
(Ausland 1869, Nr. 29.)
Tobler, T. Alte Dialectproben der deutschen
Schweiz. St. Gallen, Haber, 1869, 8°.
Toscana, Ludwig Prinz von. Die Balearen, in
Wort und Bild geschildert, I. Bd. Die alten Pi-
thyusen. Leipzig 1869, Fol., 310»S. mit 50 Ta-
feln in Farbendruck, 2 Tafeln in Holzschnitt und
40 in den Text gedruckten Holzschnitten. (Nicht
im Buchhandel.)
Vor unseren Augen liegt ein Hund seltener Schönheit
und Vollkommenheit. Von Reiselust getrieben und ausge-
stattet mit gründlicher Wissenschaft lieber Bildung besuchte
Im Sommer und Herbste 1867 Erzherzog Ludwig von
Toscana dir wenig gekannte Iti »eigruppe der Balearen. In
dem vorliegender Werke — einem Prachtwerke in des
Worte* vollster Bedeutung — giebt der in Anonymität
sich hüllende Autor eine Monographie jener Eilaude, die
auf mehrere Hände berechnet erscheint; denn hier sind
bloss die alten Pit biuseo. nämlich Ivi(a und da» kleine For-
mentera abgehandelt. Nicht zu viel verspricht das Titel-
blatt, welches sie in Wort und Bild geschildert sein
lässt; in der Tbat hat der geübte Stift des Prinzen mit
rastloser Emsigkeit Punkt um Punkt, Szenerie um Scenerie
auf das Papier geheftet und sich alles dessen bemächtigt,
was ihm typisch, eigentümlich erschienen und zuta besse-
ren Verständnis» der schriftlichen Darstellung förderlich
däuchte. Die technische Aualührung dieser Skizzen lässt
keinen Wunsch übrig. Böte das Buch nichts andere» als
diese künstlerischen Beilagen, es wäre Verdienst genug;
wer jedoch mit dem eigentlichen Inhalte seihst nähere
Bekanntschaft macht , ist lieudig erstaunt , auch hier des
Neuen , Interessanten , Wiaae ns würdigen so viel zu linden,
als es »ich kaum von irgend einer Monographie erwarten
lässt. Wir dürfen bei dieser Gelegenheit betonen, dass
das Inhaltliche dieses Buches in Peterruann's Geogra-
phischen Mitteilungen (1869) eine ebenso anerkennende
als schmeichelhafte Kritik erfahren hat. ln der That wird
man auf jeder Seite gewahr, wie der Autor nach eigener
Beobachtung und Anschauung schildert , wie er nach nllen
Richtungen hin forschend mühsam die Details *u»amraen-
getrageu hat xu »einer umfassenden Arbeit. Die Fauna
und Flora, die Eigentümlichkeiten de* Boden relief« so wie
jene der Sitten und Gebräuche der schlichten Inselbewohner
werden mit gleicher Gewi**cnhaftigkeit, mit gleicher Liebe
und Sorgfalt behandelt, dem Leser ein nach jeder Bezie-
hung hin erschöpfendes Gemälde jener einsamen Insellande
entrollend, in klar fasslicher , gewandter .Sprach wri»e, nicht
ohne einen gcwü»*n poetischen Hauch, welcher wissen-
schaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Erd* und Völ-
kerkunde einen ganz besonderen Reiz zu verleihen pflegt.
Mit Einem Worte, da« Huch ist unbestreitbar da» Beste
und Vollständigste was jemal* über die Balearen überhaupt
geschrieben wurde, und es bleibt nur zu wünschen, dass
der Autor sich entschließen möge, durch eine billige Volks-
Archiv für Anthropologie, Itd. IV. Halt 1L
ausgabe wenigsten» den Text dem gros*en Publikum zu-
gänglich zu machen.
Tozer, H. Fanahawo. Researches in tho High-
lands of Turkey; including Vitita to Mount Ida,
Athen», Olympus and Pelion, to tlie Mirdite Alba-
niaus. London 1869, 8 °. 2 Vol.
Völkerkarte. Auf der ungarischen Völkerkarte.
(Presse vom 18. Januar 1870.)
Vorstman, R. Volksfeesten. Leyden, Jac. Hazen-
berg, 1869, 8». 50 S.
War« borg, Alex. Frh. v. EinSommer im Orient.
Wien 1869, 8°. -
Unter den zahlreichen Reisewerkea, die über den Orient
vorliegro, ist un* kaum eins vor Augen ^kommen, wel-
che* bei gleich anziehender Darstellungsgabe »o viel in-
structiv Belehrendes böte. Es Ist eine Apologie der viel-
fach verkannten Zu»tände des 0»manenrvkhe» mi Gewände
ebenso würdevoller als auf gründlichster Durchforschung
der Verhältnisse beruhender Mäßigung. Do» Ke»ultut der
darin nieder gelegten Beobachtungen , für die grosse Mehr-
zahl völlig neu, dünkt uns im Grossen und Ganzen eine
ebenso gelungene als glänzende Ehrenrettung de» „kranken
Manne**“. Aus Wnrsberg’e Buch kann mau viel lernen,
mancherlei Vorurtheile werden dadurch zerstreut und be-
schwichtigt. Eine eingehende Recension siehe in: Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 1889, Nr. 58.
Wattenbach, W. Eino Ferienreiae nach Spanien
und Portugal. Berlin 1869, 8°. 348 S.
Um diesem Boche gerecht zu werden, darf man ule ver-
gessen, dass der Verfasser nur giebt, was ihm bet ilüch-
tiger Ferienreis« auf- und einfiel; vom eigentlichen Volks-
leben kann er, wie er selbst sagt, wenig berichten. Ein
Virtuose im Reisen und Beschreiben ist er ebeu nicht. In
Spanien fand er sich offenbar weniger leicht zurecht ah in
Portugal; der Aufenthalt in Lissabon, Cintra, Oporto u. s. w.
Ut ungleich gehaltreicher ausgefallen al» jener in Madrid,
Barcelona, Valencia, wo er weuig Glück hatte, Im Ganzen
■her lautet »ein Unheil über die Spanier nicht ungünstig.
„Man hat 4 , schreibt er am Schlosse, «auch in Spanien
angelängen zu arbeiten and nachzudenken . man hat viel
gelernt au* der Geschichte der letzten Jahrzehende, und
ich will es hier noch einmal wiederholen, das» es ein gro-
ber Irrthum ist , wenn das spanische Volk als verkommen
und abgestorben bezeichnet wird. Bevölkerung, Anbau,
Gewerbe, Wohlstand und Bildung, Alle» i»t in einem ste-
tigen und bedeutenden Aufschwünge begriffen, der »ich
durch Zahlen schlagend nachweisen lässt und der viel mehr
in die Angen fallen würde, wenn man nicht eben gar so
viel nachzuholen hätte“.
Waugh, Edw. Irish aketches. Manchester 1869,
8* 130 S,
Weinhold, Dr. Carl. Die deutschen Monatsnamen.
Halle 1869, 8 *.
Weske. M. Esthnische Volkslieder. „Europa“
1869, Nr. 24.
Wiedemann, F. J. Die E*theninseln in den let-
tischen Kirchspielen Marienburg und Schwane-
burg in Livland. Ein Nachtrag zu dem Artikel
des verstorbenen Akademiker« Sjögren vom 11.
Juli 1849 „Zur Ethnographie Livlauds.“ (Bui-
23
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178
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur*
letin de 1‘Acad. Imp. de» Science® do St. Peter«-
bourg, Tome XIII, Nr. 5, S. 497—524.)
Vorzugsweise linguistischen Inhalts.
Zerboni di Spoeotti, W. A. v. Bukarest und
Heine Bewohner. (Unsere Zeit 1869, II. S. 278 —
304.)
Sehr lebhaft«- , anziehende Schilderung der u>ci*J«*n Vcr*
hältninse in der ruinänuchen Hauptstadt; auch ethnogra-
phisch »ehr interessant.
Zustande im Königreich Hellas. (Globus Bd. XVI,
S. 11 — 13.)
Asien.
(Von Dr. Bastian. I
Androe (K.). Die Verkehrs Verhältnisse in Con*
tralasien. Der Welthandel, 1869.
Andree (K.). Die Nipponfahrer. Leipzig 1869.
Arminijon. II Giappone. Geneva 1869.
ArnaucL La Palestino ancienne et moderne. Strass-
hourg 1868. Le« Armenien« dans PArmeuic
Turque. Bullet, de la Societe de Geograph.,
Novenibre 1869.
Le« manage» »out, pour la plupart, d’uue merveilleuae
f6coodit6. Beaucoup de fenuue» ont , k trente an» , une
dizaine d'enfanta.
Anaoleri. La Per«ia descretta. Napoli 1868.
Baker. The rille and the hound in Ceylon. Phi-
ladelphia 1869.
Balwin. Prehistoric nations. London 1869.
Bastian. Die Völker de« östlichen Amerika.
Bd. V. Jena 1869.
Beal. Travels of Fa-IIean and Sung-Yun, transl.
front the Chinese. London 1869.
Beocari. II commercio Chinese nel 1865, Cenni
geografiei, 1869.
Beloher, Sir E. Stone iinplements from Kangoon.
Report of the 39 Meeting of the Br. Ass. Exeter
1869.
Nur angezeigt.
Bell. The Oxu« and the Indus. London 1868.
Beko. The llabitation of Abram. Athen. Nr. 2162.
Benoist de Grandiere. Souvenir« do Campagne
ou leKport« de l’extreme Orient, debuts del’Occu-
pation fran^aist* eu Cochinchine. Paris 1869.
Bjoerkland. Esquisses de voyage en Tranacau-
canie, trad. de Taliem. por J. Laverriere. Paris
1869.
Biancardi. Brani di una lettera da Hongkong.
Bullet, della Soc. geogr. ital., Fase. 3.
Bidio. On tlu* Effecte of forest destruction in
Coorg. Proceed. of the R. Geogr. Soc., Vol. III.
Bickmore. Sketch of a joumey from Canton to
Uankow. Journal of the R. Geograph. Society,
Vol. XXXVIII.
Bickmore. Travel« in the East Indian Archipe-
lago. London 1868.
Bowers. Bhamo Expedition. Rangeon 1869.
Braun. Die Grotten der Themud. Ausland 1869,
Nr. 4.
Brocklehurst. The Soöroo Route from Leb to
Caehmere. Alpine Journal 1869.
Beames. On the Magar laoguage of Nepal. Jour-
nal of the R. Anthrop. Society.
The Magnr is a language of the Tibrtan family, and the
rate wbo »peak it probnblr camc arigittally from the neigh-
bourhotHl of Lhasa, in hast er n Tibet (lut ring left their ori-
ginal hoine« betöre tbe prouunciation of Ü-Toang, the pro-
rince of which Lhasa i» tbe capital, and Khaui had dedi-
ned in nny marked degre« from the dawical Standard).
Kalling under tjhoorka intluence a» they advanced we*t-
ward», they added to their rocahulary a large number of
Hindi word*, and sora* inticction», *o that we bare Tibetan
gramtnatical idca* carried out witb botli Tibrtan and Aryan
material», a« well ac Hindi grainmatica] ideaa carried out
with Aryan and Tibetan material».
Bradloy. Bangkok Cwleudar (1868). Bangkok
1868.
The l’rorince* and State* ofSiam. Journey to and from
Cheangtnai. A trip of Lbe fall* of the Menam. Tribute trees
of gold and »ilrer Laos State» tributary to Siam. Männer
and cu*tonu of tbe Cheangtnai Lao*- Near and dialant
member* of the Royal family etc. etc. etc.
Bort. The Land and its storv or the sacred hi-
storical Geography of Palestine. New York 1869.
Bush. Pony Rido in Kamschatka. 0 Vorland Mail,
San FranciKco 1869.
Büchele. Japan. Der Welthandel, 1869.
Braun. Gemälde der mohammedanischen Welt.
Leipzig, F. A. Brockhau*, 1870.
Durch die im östlichen Tbeil de* Xiuainergebirge» woh-
nenden Secten der I »wacher führen die Naaairier, deren
Stifter im Daten die Burg Naaaaria bei Kufa bewohnte, auf
die Karmaten oder Icmadier zurück.
Campbell, G. On the Races of India, as troced
in existiDg tribes and caatea.
Die als vcruichtet- geltenden Kochatrya» mögen noch in
den Kntree* des l’unjaub zu erkennen »ein. Small in
number tu they ure, it i» perfectly astouishiDg how pro-
minent individual* of tbem haye been in the hi»1ory of
differeut pari» of India. Name a distiuguisbcd Hindoo and
tbere »eem* to be a rcry great probability , that he will
turn out to be a Khatree. They were the braius and <li-
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Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
179
recting geniu« of the whole Sikh power, a very large pro*
portion of Runjcct Sing’* governor* (he of Multtin and
others) «ne Khatrce*. AkberV finauce minister, Todur
Mull, famou* fnr the frcttlcmeut of Bengal and other pro*
vinees, was a Khatrce, Chandroo Lall, the notorious mini-
ster of the Siiatn , was a Khatrec, so was Jotee Pershad,
tbe well known coromissariat contractor of Agra. ln Mo-
gul tirara a Khatrce was Governor of Radakshan, beyond
the Himalayns, and mnny others might be nnmed.
Campbell , Dr. A. On the Lepchas. Journal of
the R. Soc. of London, Vol. I, 1869.
Die Lepcha« thrilen sich in die Kotig (von jeher in Sik-
kim) und in die Khamha , die von jenseits der tibetischen
Berge aus Khain ringewandert.
Carne, do. Le royaunio da Cambodge. Ruvue de»
duux Mondes 1869.
Carne, de. Exploration du Mekong. R£vue des
deux Mondes 1869.
Cazamian. Voyage faite a l’ile de Bourbon par
Philippe Petit- Radel en 1794. Bulletin do la
Societo de« Sciences et des Arta de la Reunion,
Annees 1865 — 1666.
Ceccaldi. Dücouvertes archeologiques de Chypre.
Revue archeol., Nouv. Ser., T. XIX, 1869.
Chunder (Bholanauth). The Travels of a Hin-
doo to various parts of Bengal and Upper India.
London 1668, 2 Vol«.
Clark. On the Connection of the Prehistoric and
historic ages in Western Asia. International
congress of Preh. Arch. 1868.
Cortambert. Note sur le Sundarban. Bullet, de
la Societe de Geograph., Aoüt 1869.
Nach Bloch mann scheint dir Entvölkerung des Sun-
darhan (von Rainrjr als schöner Wald erklärt) mehr den
Mugs und Portugiesen, als den Cydonen z uz uscb reiben.
Cotta, v. Reise noch dem Altai im Jahre 1868.
Ausland 1869.
Cotta. Die Steppen Westsibiriens. Ausland 1869.
Delitsoh. Darschilling. Aus allen Welttheilen
1869.
Dickaon. Japan. London 1869.
Eingehende Mittheilungen über die staatlichen Zustände.
Doagodina. Kxtraits de lettrea (Teha-man-tong,
tribu des Arrous). Bullet, du la Societe de Geo-
graphie, 1869.
Outre le Grand Chef (sur le Lan -tsan -kiang) qui est
ordinairement un Mwo , los Lissou ont encore de petita
chefs indi jenes. Die Zauberer (Mou-ma) der Loutzc ver-
treiben die bösen Geister.
Elliot. On the Sepulchral Romains of Southern
India.
Die (länglichen) Pandu -Kulis sind oft durch eine Stein-
«latte in zwei Kammern getheilt. Neben den Topl-KaJ*
Miilxenstcinc) finden sich die Kodi-Knl (Kodi oder Schirm)
mit unterirdischen Kammern (an der Malabar-Küste). Die
I unter horizontalen Steinen) stehenden Urnen der den t*u-
ru m bar«, (die aU Buddhisten von dem Choüt-König Tnnjore’s
bekriegt wurden im VI. Jahrhundert v. Chr.) zugrschria-
beoen Denkmale der NcilghcH-Hügel enthalten: fragmrnu of
harnt hone, gold ornament». tuetal cujm and tazziu, iron
(or more rarcly, hrpuze) Implement*, ns knive*, spear-
heads, sickle*, nutors et«., mixed with a litt Je liae black
or brown mould.
Franks. Stone ago en Japan. International Con-
grese.
Die besonders auf Niphon gefundenen Steinsachen (bar-
bed arrow heads with or without taug», »pindle t'ormed
s|K-ar heads, knives or »erapers, and uh or celts) werden
von den Japanesen als Reste mythischer Heldeozeit ge-
schätzt.
Favre. Not« sur la langue des aboriginos de l’ile
Formosc. Bulletin de la Societe de Geographie,
V. S£rie, T. XVI.
Feer. Los pcuplades du Brahmaputra et d'Ira-
vadi. Revue des Coura litter., Nr. 45, 1869.
Fiedler. On the Rise, Progress and future Pro-
spects of Tea Cultivation in British India. Jour-
nal of the Stat. Society, Vol. XXXII, 1869.
Foote. On Quarzite Implements of Palaeolithic
Typus fron» the latente Formation of tho East
Coast of Southern India. International Congress
of Prehistoric Archaeology, 1868.
Forsyth. On the Transit of tea from North-
W est-India to Eastern Turkestan. Proceed. of
the R. Geograph. Society, Vol. XIII, 1869.
French. The Russo - Indian Question. London
1869.
Freahflold. Travels in the Central CaucasuB and
Bashan. London 1869.
A falte Impression in given by dcscribiug the ruin» of
Bozr&h , Kunawut , Sawesdeh and Shuhba , in fact those uf
Roman proviucinl towns, a* Giant eitles. 1t is not of Og,
but of tbe Antouines, not of tbe Israelitin! bat of the
Saraceuie conquest, that mo»t modern travellers in tlie
Uauran will be reminded.
Freshfleld. Besteigung des Kasheck und Elbrus.
Ausland 1869.
Freyor, A few words ooncerning the hill people,
inhabiting the forosts of Cochin State. Journal
of the R. As. Society, New Serie III, 1868.
Elliot. On tho Population of India. Journal of
the Ethnol. Society, Vol. I, Nr. 2, 1869, July.
Wie der Gond- Stamm der Gottaa begruben die Arriyan
oder Malsi-araoar (in Travancore) in Cromlech, gleich denen
in Coimbatore, aus vier Steinen und einem bedeckenden
aufgerichtet. Die Pandu -Kulis genannten Gräber in Süd-
Indien werden den , meist buddhistischen Hirtcnstämmeo
zugeschrieben.
Fosberry. On somc of the Mountain tribes of the
N. W. Frontier of India. Journal of the Ethnol.
Society, Vol. I, pag. 2, 1869.
Die Leah Poslt Katir schwüren den Eid bei feierlichen
Vergleichen Uber einem als Zeugen aufgesetzten Steine.
Garnier. Voyage d’exploration en Indo -Chine.
Revue marit., T. XXV, 1869.
23 *
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
180
Garnier. Une episode de« vovages de la Commis-
sion fran^aise dans l’Indochine. Itevue des cours
litteraire, 1869.
Garnier. Note sur l'exploration du cours du Cam-
bodge. Bullet, de la Soc. de Geograph., V. Ser.,
T. XVII, 1869.
Gapp. Leg connaissances geographiques des Chi-
noi*. Annalaa des Voyages 1869, T. III.
XacH den Miithcilungm SkaUcbkof’» von 4er k ai.tr l.
üeographi*ch«n Ocaell>ch«fl zu Petersburg.
Gardner. Notes on a Journey frora Ningpo to
Shanghai. Proceed. of the R. Geograph. Society,
Vol. XIII, 1869.
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Gimollo. La Cochinchine geographique et rm'-di-
cale. Paris 1869.
Glardon. Mon voyage aux Indes orientales. I*äu«
saune 1869.
Girard. France et Chine. Paris 1869, 2 Vol«.
L<» ClnuoU ont le Urint ba»»n4 , la t«tc «pherique , le
front diwmvcrt et fuyant, le vi»age plat et en to»&ng«,
le» jreuz ooir», le» paupitred oblique», le« «ourcü« releri«
4 leur» extreraitl*, le ne* aplati 4 la racitte, et le» nur ine«
ecartte», la touche m<ocre, le« Ivvre» ^paiaaes, »an» «T-tre
prudminente* 4 l’eic£« , le« 4ent« incUivea vertu ule« , le«
oreille» gründe« et d*tach4e«, la harbe rare, et le« cheveux
noir« et luisanU. Leur taille e«t tnovenne et par la pe-
tlte»»e de« pied», de« main« et de« oa, als re«6emblent & la
plupart de« Aflatiques. Au*»i faut-il un oeil eierce pour
le« di«tinguer de» Xantcbou«, que la conquete 4 mel6«
pnrtni eux.
Goldamid. Report on a Overland Journey from
Bagdad to Constantinopel. Transact. of the Bom-
bay Geograph. Society, Vol. XVIII, 1868.
Goodenough. Letter on Routee between Upper
Assam and Western China. Proceed. of the R.
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Grandidier. Voyage dans les provinces mtSridio-
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Guerin. Vocabulaire du dialect Tayal. Bullet, de
la Societö de Geograph., V. Serie, T. XVI.
Gutschmid, ▼. Do Temporum notis quibus Eu-
sebius utitur in Chronicia Canon ihn*. Kiliae 1868.
Suuuuiun eonim quae disputavinuu, ita complectemur, ut
prarceptum tnuUmus auuoruni Eu»ebiauorum cum u*ita-
tioribu» calculi» recte cotnponendorum.
Guerin. La description de Philistie. Paris 1869.
Die Hvpotlieae, welche die Caxluchim , von denen die
Cnpthoritn und Philister »taimuten, in da« NildelU »etet,
erhalt Beifall.
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bi» In» vierte vorchristliche Jahrhundert hinauf ru ver-
folgen.
Hellwald. Die Russen in Centralasien. Eine hi-
storisch - geographische Skizze mit einer Ueber-
sichiekarte. Wien 1869.
Von den verschiedenen Zielen, die llu»«land in A«irn
verfolgen kann, ist da» »icher»te da» Er»trel>en der Han-
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huishoudelijke inrichting der tinmijnen op Bil-
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le Thibet (1844 — 1846). 5“* Edition. Paris
1869, T. L
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Die Besiedelung der von Aiuo« bewohnten ln»eln wird auf
die warmen Strömungen de* Süden», die von der Meerenge
Malnccd» und Sunda» her , die japanischen Küsten treffen,
xurikkgeführt , indem auch die ersten Entdecker der Por-
tugiesen (1542), »owie (1545) Pinto auf »«Ichem Wege
dorthin gelangt »eien.
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Verzeiöhnigg der anthropologischen Literatur.
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Khanikof, de. Samarkand. Bullet, de la Societe
de Geograph., V. Serie, T. XVII, 1869.
Khanikof de. Instructions donnees ä M. Deyrulle
pour un voyage «laus le Luzistan et 1‘Adjara.
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Kiepert. Ueber älteste I-andes- und Vorge-
schichte in Armenien. Monatsberichte der Berliner
Akademie der Wissenschaften 1869.
I>a* ur*jir bildliche Verbreitungsgebiet de* echt armeni-
sch«» (d. h. je# von Medern und Persern zunächst mit
dem N.imen Ariuiua bezeichnet«» , in der einheimischen
Tradition durch Armeuak roo Haik abgeleiteten) Stamme»
zeigt »ich beschränkt auf da« mittlere Stromgebiet des
Araxe# oder die Ebene Airarat mit den *ie unmittelbar
im Ost, Nord und West umgebenden llerglandschaften.
Kiepert. Bemerkungen über die Erklärung des
Rückzugs der Zehntausend. Zeitschrift der Ge-
sellschaft für Erdkunde, Bd. IV, S. 6, 1869.
Die Skfthinen könnten eine dem in rieten Stammen
als Soldtrappen im Perserrciche dienenden Skythenvolke
angehörige Colonie sein , die von den Königen zum Schutz
de* Dergwerksdistriete* angesiedelt war.
Knowlton. The Population of the Chinese Em-
pire. Notes and Qneriea en China and Japan,
Vol. II, Nr. 6.
Kohl. DieUebcrlandrouten aus Indien nach China.
Ausland 1869.
Koordera. Jets uit de NslAtenshap van Rapporten
over Soedanesche Yolksboekje?. Aanteekeningeu op
een Reis door Zuid-Banlam. Reis door Sookapara,
Bezoek by de Batlotis. Reis door Tjirebon. Löste
opmerkingen op een Uitatapjen door de Zuide-
lijke een Westelijke Districten van Tjundjoer.
Tijdschr. tot Taal-, Land- en Volkeskunde, Nr.
2—3, 1870.
Laude. £tudes statistirjues sur la population des
etablissements de Pondichery et de Karikul. Pon-
dichery 1868.
Lejean. Excursion h la recherche de Gordium.
181
Bullet, de ln Societe de Geograph., V. Serie,
T. XVII, 1869.
Lemere. Cochinchine franyaise et Royaume Cam-
bodge. Paris 1869.
Lemere. Coup d’oeil sur la Cochinchine et lo
Catnbodge. Annalea des Voyages, Fevrier 1869.
Tou* le* an* la crue «le* eaux niramtnee v«r* le fin
«i* Avril rt l’inondatiou «e re|unJ par une multitude d’ar-
r«vo» (jusiju’.xu mois d’Octobre). Cteat pourquoi le» mai-
*on» fjunbodgienne», *ont cenatrnite *or pilotU. A Phn&m-v
penh, le niveau de l’eau »’4l«ve d’une dizainc de metres,
Van Lennep. Asia minor. London, Murray,
2 Vol.
Loch (H. Brougharal. Personal narrative of ao-
cidents during Lord Elgins second Kmbatsy to
China. London, Murray.
Login. Roads, Railways and Canals for India.
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Lombard. La terre de Bascac. Le Globe 1868.
Lynch. Letter on Consul Taylor’s Journey to the
Source of the Euphrates. Proceed. of the R. Geo-
graph. Society, Vol. XIII, 1869.
Maltzan, y. Erinnerungen aus Mekkha. Globus
1869.
Maltzan, v. Von Wrede’s Reisen in Hadhramant.
Globus Bd. XVI, 1869.
Mittheilungcn aa* dem noch unreröifeutlirhten Manu-
»cripte der 1R43 unternommenen Kei*en.
Manning. Ancient aud Mediaeval India. Lon-
don 1869, 2 Voltj.
Marsh. The Tenesseean in Persia and Koordi-
stan. Philadelphia 1869.
Mart ho. Ssemenofs Forschungsreisen in den
Trans -Bischen Alatau und zum Issykul (1856—
1857). Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für
Erdkunde, 1869.
MassiaR. Un voyage dAns los mers de l'Inde. Pa-
ris 1869.
F. Mayers. Illustrations of the Lamai*t System
in Tibet, drawn from Chinese sources. Journal
of the R. Geograph. Society, Vol. IV, pag. L.
Die Correspondetu de* in Tibet stationirten bevollmäch-
tigten (1S40—I844) mit Kaiser Tu« Kwaitg über die Eia-
körperung «te» neuen Dalai Lnma (1S41).
Morewethor. Report describing the Placos visi-
ted between Aden and Suez. Transact. of the
Bomb. Geograph. Society, Vol. XVIII, 1868.
Merk. Acht Vorträge über den Pendschab. Born
1869.
Michell. The Jaxarte*. Jounal of the R. Geo-
graph. Society, Vol. XXXVIII, 1868.
Michels, des. Essais *ur lo» aflinitea de la civi-
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182
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
lisation chcz le* Annamitos et < hez les Chinois.
Paria 1869,
Montgomorio. Report of the Route-Survey made
by a Pundit from Nepal to I Jia*«. Journal of the
R. Geograph. Society, VoL XXXVIII, 1869.
Montgomorio. Report of the Trans- Hi malavAn
Exploration» (f867). Proceed. of the R. Geogr.
Society, VoL XIII, 1869.
Moonaheo. On Gilgit and Chitral. Proceed. of
the R. Geograph. Society, VoL XIII, 1869.
Mordtmann. Ilckatompylos. Sitzungsbericht der
Münchener Akademie der Wissenschaften 1869.
Mouhot. Voyage« dans les royauuie« de Siam etc.
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Aus drtn Englischen Übersetzt.
Nerval. Voyage en Orient. Paris 1869, 2 Vota.
Nevius. Our Life in China. New York 1869.
Nevius. China and the Chinese. New York 1869.
Niemann. Mededcrlingcn omtnent de Alfoersche
Taal van Noordoost Celebes. I. Vergclijktmde
Woordenlist, aus verschiedenen Dialecten der Mi-
nahasa und angrenzendem Bolaang Mongoudou,
znsammengcBtelit- Bijdr. tot do Taul-, Land- en
Volketi künde, Deel IV, 2 — 3, 1870.
Noack. Eine kritische Revision der biblischen
Geographie. Zeitschrift der Berliner Gesellschaft
für Erdkunde 1869.
Oberländer. Formosa. Der Welthandel 1869.
Oliver. Excursions in the South of China. Jour-
nal of Travel and Nutural history, VoL I, 1869.
Paria. Une excursion ü Kioto. ltävne maritim.,
T. XXVI, 1869.
Palmer. The new survey of Sinai. Athen 1869.
Pearao. Excavation of a Stone circle near Kam-
ptee. Journal of the Ethn. Society, VoL I, pag. 2,
1869.
Da* neben EUengeritheo gefundene Skelet zerfiel beim
Anrühren. The people ot' Wurregaon M»d, that tbe bar-
row (Deo kulla or (Jod’* circle) may have been of ihr
times of tbe Gowlee* or Cowherd».
Pograib. Renseignements aur la colonie juive de
Ticn - lian^. Bullet, du la Soctäte de Geograph.,
Octobre 1869.
Zwanzig jüdische Familien wohnen io dem Houo-chen-
niiao genannten Quartier der Stadt.
Pepya. Viait to the King of Burmah. Colburn’a
New Monthly Mag. 1868.
Porrot. Exploration archcologique de la Gala-
Ge etc. Paria 1869, Livr. 22.
Pfiamaier. Nachrichten von den alten Bewohnern
Coreaa. Sitzungsbericht der Wiener Akademie
der Wissenschaften. Philo«. -hist CI., Bd. L1I.
Pijnappol. De rikjs-inBtclling van onderwijs en
Indische Taal-, Land- en Volkeskunde. s'Graven-
hage 1868.
PiiiHon. Etüde? orientales. Lee Carte« du Sud
de Linde. Revue orientale, 2* 1 * Serie, Nr. 4.
Pistorius. Het Malei sehe dorp. Tijdachr. van Ne-
derlandsch Indi« 1869.
Planchot. I/archipel des Philippine?. Revue de«
deux Mondes 1869.
Plath. China vor 4000 Jahren. Sitzungsbericht
der kömgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften
1869, Heft L
Der Darstellung der alten Zeit ist vornehmlich das Cap.
de* Schu-King Y Übung za Grund« gelegt, au* den an-
dern «pater abgefWten Cap. Yao-tien und Scbangschu
aber die darin enthaltenen TbaUaehen ohne di« Einkleidung.
Plath. Ueber die Rechnungsweise der alten Chi-
nesen. Ausland 1869.
Plath. Die Beschäftigungen der alten Chinesen.
München 1869.
Porter. The Giant Cities of Bashan. Philadelphia
1869.
Porter. Five Years in Dauiuscus. London 1868,
Murray, new edition.
Pumpelly. A cross America and Asia. London
1870.
Von d«n in Bain (iol getroffenen Mongolen heisst es;
Considering the wnCDMi of lif«, of climnte and of pur-
»uiU, wlikh exfet* through Mongolin, it i* remnrkahle, that
thl* people »hwuld sbow the divrrwty of type» of face»,
that Wf find union g lb«m. t rrtuin characteristic« ar*
commoB to them all. Of medium stature, rather abov«
that of the uorthern Chinese, they had tbe nlmond eye*,
prominent cheek bone-, the seanty beard, without w biaken,
whicb all are inarked poiiils of tbe Mongolian race. Tbere
i* i^erbap* more diversity in the no*c tlian in any otber
feuture {women notice«!, «on« with regulär, «one with
real ly aquilin« not«*, though in general tbe nosc had m
little protnincnce, that, wben iooked for in tbe profil«, it
wau «ntirely hidden by the prominent cbeeks). The tentu-
re* (In Chine*« and Mongolian face*) are the saine, thougb
more dein atdy t-hiselled and »oftened down in the Chlna-
mun (in the Southern provinec* in b more eileiuinate
mould).
J. G. T. Riedel. Bijdrage tot de Kennis der Ta-
len en Dialekten voorkomende op de Eilanden
Luzou of Lesoeng, Panai of Hong- Ilong, Balan-
gini, Solog, Saugi alsmedc op Noord- en Midden-
Celebes.
Giebt Sprach proben au# den spanischen Besitzungen , so-
wie aus Celebes und eine: Dialektologische Haart (aantoo-
oende de Versprehling der Inten en diaiekten Tan Noord en
Middeu Seiches). De in de Minehasa aanwezige hoofddia-
lekten zyu de Tooeoenboelomcbe , d« Tooeoenseasche en de
Toooen pakewaache, de vorige tongvallen, zooal» de Tooeoen
Singalsrhr, d« Lnngkooeansche , de Bentenansche en de
Tooeaen SinUcb« rijn, van mindere beteckeni# eu door rer-
menging, de erste tuet het Tooeoenbucktesch , en het Tooe-
oeiistMsch de drie laat«ie mel he Tooeuciibocloo*ch , Tooe*
oenpakcwaech en Mongondoocacb thans ze«r verbaste red.
Het Tooeoenboeloesch , dal in algemeene «pruakkundig«
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183
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
ontwikkeliDg op den voorgrund Staat, scheint der ursprüng-
liche Dialect in der MiuahuM» au sein.
Ranaonnet, v. Skizzen aus Ostindien. Wester-
mann’s lllnetrirte Monatshefte 1869.
Die Todali, deren .Sprache (von Met«) für einen Diniert
des KanarrM sehen erklärt wird, haben mit den Nairs, den
Singalrsrn und den Himalaya- Bewohnern Vielmännerei ge-
mein. Ihr Glockengott erinnert an die javanische Kosnm-
gonie, in der der Scböpfergott den Glot-kenton ul* noch
älter anerkennt.
Havisi, de. Aperyu sur le culte de Krichna. Saint*
Quentin 1869.
Hawlinson, H. On trade Route« between Tt.rke-
stau and India. Proceed. of the lt. Geograph.
Society, Vol. XIII, 1869.
Georgo Rawlinson. A Manual of Ancient Hi-
■tory. Oxford 1869.
Behandelt im 1. Buche die asiatische and afrikanische
Geschichte bis Cjrrus, im II. Buche Persien bis Alexander
von Macedomen, im 111 Buche Griechenland, ttn IV. Buche
die macedonische Monarchie, im V. Buche Rom.
Ri alle , de. L’Anti-Liban. Hüllet, de la Societe
de Geograph., V. Serie, T. XVI.
Röckerath. Ebal et Garizim inontee. Programm
des Gymnasiums zu Neuss 1868.
Robb. Memoruudum of Notes on Mekran. Trans-
act. of the Bombay Geograph. Society, Vol. XVIII,
1868.
Rosny, de. Sur la geographie et l'histoire de la
Coree. Revue orientale 1869.
Roub&nd. Contributions a Tanthropologie de
lTnde. Archive* de medecine navale 1869, Jan-
vier.
Roub&nd. Races, langues et castes de l'Inde me*
ridionale. Revue de cours seien tif. 1869, Nr. 37.
Rüge. Die Volksstämme Arabiens. Aus allen Welt-
theilen 1869.
Sachau. Contributions to the knowledge of Par-
see Literature. Journal of the R. As. Society,
Vol. IV, L
The revival of Parsee literatur* in Jndin proceeded front
Karman, wber«- the learaed tradiUon ajvruy* was kept more
free front foreign induence, and dntes ut the earhest from
tbe end of Ute XIII. Century.
Schiefner. Herrn Professor Wasailjevr's Vorrede
zu seiner Russischen Uebersetzung von Tarana-
tha ? s Geschichte des Buddhismus in Indien, deutsch
mitgetheilL St. Petersburg 1869.
Die Cäriputra und Maudjaljajaita (in deren lletraatk Nii-
landa errichtet wurde) zugeachriebeueit Abhidharuus lassen
vvrausRetzen , dass sie im nordwestlichen Indien , der Hei-
mat U der Abhidlmrtua», geboren seien.
Schiefner. Täranätba's Geschichte des Buddhis-
mus in Indien. Aus dem Tibetischen übersetzt.
St. Petersburg 1869.
Dan östliche Indien besteht aua drei Theilen, Bhnngala
und Odivifu gehören zu Aparäntaka und heissen der öatliche
Theil von Apnrantnka. Die nordöstlichen Länder Kama-
rüpa, Tripara und IGmüwi heießen GirivarU, d. h. berg-
uukrätui. Von da nach Galen gehend, au der Seit« des
Xordcebirg» , «iod die NangaU - Lander [der Vagaa], da»
dem Ucean anliegend« Land Puktuun [Pagan oder Birma],
Balgu [Brama- Könige von Tongu, das 1607 «eine l!n«b-
Mnj4gkeit verlorl u. s. w., da» Land Rakbang (Arrakban),
Hongaavati (Pegu) und die übrigen Tbcile de» Reiche»
Muniang [siamesischer Shnn] , ferner IVhampa (der Ma-
laycu- Staat C«chinchina*>), Kambodscha und die übrigen.
Alle diese werden im Allgemeinen Koki [Kokki nagara bei
Ptolem. von der Koka-Palme] genannt.
Schlagint woit, v. Die Verwaltung Britisch In-
diens. Globus 1868.
Schlägl ntweit , v. Indischen Kastenwesen. Er-
gänzungsblatt, IV, 1869.
Schmarda. Da* Hochland in Neuwaria (Ceylon).
Westermaan’s illustrirte Monatshefte 1869.
Schweizer. Erlebnisse der protestantischen Mis-
sion in Vorderindien. Bern 1868.
Semper. Die Philippinen und ihre Bewohner.
Würzburg 1869.
Neben anziehenden Schilderungen eine auf klarende Be-
sprechung der ethnologischen Verhältnis*?.
Siremonda. La sericulture dans l’Inde. R^vue
dos cours »cientif. 1869, Nr. 35.
SkattschkoiT. Connaissances Goographiques des
Chinois. Bullet, de la Societe de Geograph., Sep-
tembre 1869.
Da» von Losze (983 p. d.) verfaaat« Taiping hoan yu
ki nimmt bei Beschreibung der Provinzen auf die Zustände
unter den Tang Rücksicht.
Öowerby. Memorandum on the Geological action
on the South Co&st of Kattyawar. Transact. of
the Bombay Geograph. Society, Vol. XVIII, 1868.
Stoyn-Parve. De Britisch - Indische spnor wegen
(1867). TijdBchr. van Nederlandsch-Indie 1869.
Stanley. The three voyages of Vaaco da Gama
and hin vieeroyalty (Hackluyt society).
Von den Nair» heisst e», du» »ic in Blnt und Sitte sehr
veredelt gewesen und nie zu Mohren bekehrt , wie da« ge-
meine Volk (bei den Bemühungen der Mahonirdancr den
KastenuuterHchied zu verwischen).
Stoinmann. Das Gebiet in Heraklea Pontica.
Rostock 1869.
Stöhr. Der Vulkan Tengger« Dürkheim 1868.
8trocker. Beitrage zur Geographie von Hocbar-
meuien. Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für
Erdkunde 1868.
Ein starke* eisernes Thor soll den Haupteingang der
Demirkule verschlossen hatten , bis es vor etwa 40 Jahren
von den Einwohnern de« nahen Städtchens Chinis dorthin
transportirt wurde.
Strecker. Ueber die wahrscheinliche Form des
Wan-Sees.
Du» laugenartige Wasser de» S«p# wird von den Kinge-
bomen «um Reinig«n der Wäsche benutzt und entfernt den
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184
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Schmutz rasch, verlautet aber, wegen Fftrbuag der Wäsche,
nachher ein fluchtiges Eiliseife» und Ausspülett.
Sooboda. The aeven Churchef of Asia. London
1868.
Sterry. Le Golf de Pctechora. Annal. Hjdrog.,
1 Trim. 1869.
1,. population c#* nem.de-, n 1 . pa» de rt-.uif-m t- fun, et
erre dan* le pars i In rreberrhe de» me i Meute» paturage*
|>nur *c« truupeaux de* renne«. Elle »emhle appartenir x
1« racc wmwifdc, dont eile u le type, c’wt-A-dlre la pellte
taille, le vUxgc aplati, le* poumiette» salllantes, de pelits
vcui, de« chevco* noir» et raides et uu teint d’un jaune
brun.
TchihatachefT. Un jmge aur POrient 1868.
I>er Panther, zur römi*chen Zeit häutig in Lycieu, Ly*
caonien, Pamphylie» und Cilicien , ist jetzt In Kleinasten
•eiten und noch mehr sind der Tiger und Löwe ver-
schwanden, der (mehr als ein andere* Thier), „offre l'exemple
d'nn deplacemeut i-oiulderable de6 litnite« con«id£rab)e» de
son dumaiue geographtijue,“ da er früher nicht nur in Syrien
und Mesopotamien, soudern auch in Europa verbreitet war.
I>ie Löwenjagden Hulaghu- auf den eisigen Höhen zwischen
dem Oxu» und der Stadt Bnlk (r. Hammer), sowie da*
Vorkommen der Löwen (nach Gerard) auf den Bergen
von Aur£* (wo: le miuiinum du froid at teint 10 degres
centigradcs nu-dessous du Z£ro) beweise seine Fähigkeit,
niedrige Temperaturen zu ertragen.
TachihatachefT. Aeie Mineure. Geologie. Paris
1869.
TscMliatschoff. Asie Mineure. Paläontologie.
Pari* 1869.
Thomson. La Perae. Bullet, de la Societe de
Geograph., Juillet 1869.
Die Stadtbevölkerung wird anf ungefähr eine Million
angeschlagen.
Taylor. Honte from Erzeroum to Diarbekr. Pro-
ceed. of tlie R. Geograph- Society, Vol.XII, 1868.
Taylor , Mead. The Prehistoric Archaeology of
India. Journal of the Ethn. Society, Vol. I, S. 2,
1869.
Die Kodey Kulis (Scbirmsteine) oder Topi* Kulis (Hat*
steine) in MaUbar gelten al* von Zwergen aufgerichtet
(nach Babington), ebenso dieCromlech bei Achen« (nach
Congreve). in Sorapoor the Cronilecbs wäre closed on
three sides, the sonth-wect front being open; tbe KUtvaen»
were do*cdon all four »idea, andbotb were covered at the
tnp by monolith «Jab» of large size. Wie in de« Neilgherry*
Hügeln (unter den Thatnwar« oder Tod««) sind die Crom*
lech uud Kistvarn (bei Kajun Kolloor) von Zwergen (Mories)
Aufgerichtet , als Moric Munnr (Morie* • Häuser) und im
Bellary - Di»trict vou zwergballen Mohorie*. In Sorapoor
waren die Todteu tbeil» begraben, tbeil» verbrannt. L.
Swiney discovered (1H66) Mint knive», arrow beada and
chipped tiints near Jubbulpoor.
Trumpp. Die Venvandt8cbaft*v«rhÄltni*se de*
Pushtu. Zeitschrift der deutschen morgenländi-
»cheii Gesellschaft, Bd. XXIII, S. 1 und 2.
Das Pusht u stellt sich ul» die erste 1'eWrgangsstufe der
indischen zu den iranischen Sprachen dar, mit noch vor*
w iegendem Prakrit-Charaktcr, und diesem Hesultat entspricht
auch die Stellung der Afghanen zwischen den iranischen
und indischen Völkern, soweit sie in der Geschichte zu
verfolgen sind.
Vamböry. On the Uigurs. Report of Meeting of
the Brit. Assoc. at Nurwich 1868.
Die l'igur der (jetzt von einer gemischten BevSIkenutg
aus Türkeu, Mongolen und Kalmükkeu bewohnten) chinesi-
schen Tatarei , bildeten zuerst (aus Entlehnungen von den
Xestorianeni) eine Schrift für Ja» Türkische.
Vamböry. Familien loben im islamitischen Osten.
Globus Bd. XV, 1869.
Vambery. Shaw aml Hayward in Ostturkestan.
Globu* Bd. XVI, 1869.
Vambery. Kleider und Schmuck der o^tislamiti-
scheu Völker. W es terra ann’* illustrirte Monats-
hefte 1868, November.
Vamböry. Fortschritt« Kurlands in Centralasicn.
Unsere Zeit 1869.
Vambery. Berat Unsere Zeit 1869.
Vamböry. Die HandeLgverh&UoisM zwischen Ost-
indien und Oat-Turkestan. Der Welthandel 1869.
Vereschagnuine. Voyage dan* les provinces du
Caucase. l^e Tour du Monde. Nr. 485.
Veth. De verpanding vau akker* of Java. Tijd-
schrift vau Ncderlandach-lndiö 1869.
Vogt. Det heilige Land. Kristiania 1868.
Wallaco. The Malay Archipclago. London 1869.
Uebernetzt durch A. ß. Meyer, Brmunschweig
1869.
Eine hauptsächlich für zoologiM'h« Zwecke unternommene
Ileue , die aber such für die Ethnologie werthrolle Beob-
achtungen enthält. Der l'ebcrretzer wird binnen Kurzen
dieselben Gegenden besuchen.
Wangemaim. Reise durch das gelobte Land. Ber-
lin 1869.
Wüstenfeld. Wohnsitze und Wanderungen der
arabischen Stämme. Göttingen 1868.
Weber, lieber die Krishnajamnäshtami (Kriahna's
Geburtsfest). Aus den Abhandlungen der königl.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1867.
Die Feier de* GehnrUfeste* KrishnaV bat ihren Schwer-
punkt iu der Schilderung, respectire bildlichen Darstellung
desselben als eine«. Säuglinge* an der Mutterbru*t, und in
der daran geknüpften Verehrung dieser, ab in einem Kuh-
«tall, respeetive Hirtenhause. nuf einem Luhebett ruhend
darge«. teilten Mutter selbst, welch« ihn, den „Herrn der
Welt“ iu ihrem Schoosse getragen hat.
Wober. Ueber «ine Episode im Jainimi BhArata.
Monatsbericht der königl. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin, Januar 1869.
Parallel« zu einer Sage von Kaiser Heinrich HI. und
dem Gang zum Eisenhammer.
Wyts. Les lies Fran^nises du Golf de Siam. An-
uales Hydrogr., 2 Trim. 1869.
Die Bewohner von Pbu-*juoe zeichnen sich als Seelcat«
und Schifishauer aus.
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185
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
Yule. The Travels of Marco Polo. London, Mur- Zsehokke. Das Jordanthal. Mitteilungen der
ray, 1869. k. k. Geographischen Gesellschaft zu Wien, Bd. X,
, 1867.
Australien.
(Von Prof. Meinioke in Dresden.)
de Beauvoir. Atustralie. Voyage autour du moude.
Paris 1869.
Bonwick. The last of tho Tasmanians or the
black war of VandiemenBland. London 1869.
Buck. Die britisch -australische Kolonie Tasma-
nien. Hamburg 1870.
Cadell. Exploration of the northern territory.
State» papers of South Australia Nr. 24. Ade-
laide 1868.
Chrifitmann. Australien. Geschichte der Ent-
deckungsreisen und der Kolonisation. Leipzig
1870.
Eine Compilation von Berichten von verschiedenem Werth,
doch nicht ohne Sorgfalt und mit Liebe gearbeitet.
Fischer. Die Erforschung des australischen Kon-
tinent». Programm de« Gymnasiums zu Tilsit.
Tilsit 1868.
Es ist die Fortsetzung eines früheren Programms, allein
ohne gründliche* Quellenstudium entworfen und nicht ohne
erhebliche Fehler.
Landab orough. Exploration in the neighbour-
hood of the Norman river aettlement in the
Golf of Carpentaria. Proceedings of the royal
geographical Society, Theil 13, S. 52 f.
Queensland and her Kanaka labourer«. Nautical
Magazine 1869, S. 349 f. und 407 f.
Die Artikel enthalten ausführliche in einer Versammlung
in Sydney vorgetragene Berichte über di« in neuerer Zeit
in der australischen Provinz Queensland Situ* gewordene
Einführung von Arbeitern au« den In»elgnip|H-ii Melane-
siens, die im Grande nicht viel besser oU eine Wiederein-
führung der Sklaverei ist.
Rattray. Note» ou tho physical geography. cli-
mate and capabilitie» of Somer«et and the Cape
York penin»ula, Australia. Journal of the royal
geographical Society, Theil 38. S. 370 f.
Schmarda. Skizzen aus Australien; in Wester-
manu’» Monatsheften 1869, Septemberheft.
Ooeanien.
(Von Prof. Meinioke in Dresden.)
Bechtinger. Ein Jahr auf den Snndwichinscln.
(Hawaiische Inseln). Wien 1869.
Das Werk enthält einen Bericht über den Aufenthalt
des Verfasser» in den Hawaii-Inseln, der hauptsächlich von
den Bewohnern dieser Inselgruppe handelt, ohne dabei viel
und erheblich Neues zu bringen.
East er island. South pacific ocean. Mercantile
Magazine 1869, S. 44.
Ein kurzer allein sehr interessanter Bericht über den
Besuch, den das englisch« Kriegsschiff Topuze 1888 auf
der Osterinsel (Rapanui) tünchte; namentlich sind die Mit-
theilungen Uber die bekannten Ailerthümer auf dieser Insel
von Werth,
Garnier. La nouvcllo C&ledouie dopuis *a de-
couverte juaqu'ü »a priso de posae*»ion par la
France. Revue contemporaine 1869, Juliheft.
Gaudin. De la po&sibilite d’une vaste colonisa-
tion dann l’Oceaoie. Pari« 1869,
Gerland. Die Bevölkerung der australischen In-
selwelt. Zeitschrift für Völkerpsychologie 1868,
S. 257 f.
Der Aufsatz bandelt von der Eintheilung der Bewohner
der Inseln des stillen Oceans.
do la Hantiere. Souvenir« de la nouvelle Cale-
donie. Voyage nur la cöte orientale. Un coup
Archiv ftlr Anthropologie. Bd. IV. Holt II.
de tnain chez leg Kanacka. Piloupilou ä Na-
nioumi. Paria 1868.
Die Koloniairung der Vitiinseln und Dr. E. Gräf-
fe’e Reise im Innern von Vitilevu; in Petermanu’a
Mittheilungen 1868, Februarheft
Man vergliche dazu: Die Kidschiinseln und die polyneai-
•che Compagnie; in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft
für Erdkunde 1889, zweite* Heft.
Lord Lyttelton. Two lecturea on a visit to the
Canterbury colony in 1867 — 1868. London 1869.
Moinicko. Die Niederlag« ungen der Europäer auf
den Inseln de» stillen Ocean». Globus 1869,
S. 85 f., 107 f.
Betrachtungen über die Entdeckung dieser Inseln durch
die Europäer und ihre Verbreitung über sie, wie die dar-
aus hervorgegangenen Niederlassungen namentlich der eng-
lischen und der französischen Regierung.
Meinioke. Die Neukaledonier. Globus 1869,
S. 161 f. und 193 f.
Bemerkungen zur Ethnographie von Neukaledouteu , die
sich an die von Garnier in der Zeitschrift Tour du moode
mitgetheilten Berichte anlehnen.
A month in Fiji, being a »erie» of letters by a
recent viaitor. Melbourne 1868.
Sie sind ursprünglich ln einer Neuseeländischen Zeitung
erschienen.
24
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186
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Montrond. Les missione en Oceanie au XIX*
Siede. Roueu 1869.
Nowzoaland and itR goldfields. Blackwood’s Ma-
gazine 1869, Märzheft.
Notes on the voyag© front Southampton via Pa-
nama to Newzealand. Nautical Magazine 1869,
Februarheft. Man vergleiche: das Ausland 1869,
Nr. 14.
Der Aufsatz enthält nicht uninteressante Mittheilungrn
über die int südlichen Thell de» Oceans liegende, wenig
bekannte Insel Hup* und ihre Bewohner.
Notico» sur la trän sportation a la Guyano frau-
?aise et k la nou veile Caledonie. Paris 1869.
Man vergleiche dazu den Aufhatz: la transpor-
tatiou et la colonisation penitontiairo u la nou-
veile Caledonie in den Annalea de voyagea 1869,
Theil 3, S. 6 f.
R* sind amtliche Mittheilungen über die «eit vier Jahren
eingefübrte Deportation von Verbrechern und Anlegung too
Verbrerhercolonien in Neuknledoniea. I)i« Resultate schei-
nen allerdings befriedigend zu sein; indessen ist es doch
»ehr zweifelhaft, ob der Versuch besser gelingen wird als
in Australien.
Staloy. On the geography and recent volcanic
eiuption of the Sandwich islands. Journal of
the royal geographicul Society, Th. 38, S. 361 f.
Strehtz. Ans dein Tagebuch eines Goldgräbers
in Neuseeland m den Jahren 1863 — 1867.
Ausland 1869, Nr. 31 und 36.
A visit to Hawaii. Nautical Magazine 1869,
S. 141 f. Daran Rchliesst sich: a ride over the
lavufields from Kawaihae to Kona in the island
of Owhyhee; ebendaselbst S. 243 f.
Weits. Anthropologie der Naturvölker mit Be-
nutzung der Vorarbeiten de* Verfassers, fortge-
setzt von Dr. Gei land. Fünfter Band: die Völker
der Südsee. Zweite Abtheil uug: die Mikronesier
und nordwestlichen Polynesier. Leipzig 1870.
Di« Werk ist ohne Zweifel das bedeutendste, welches
»nt langer Zeit über die Ethnographie der Volker de« stil-
len Ute au» erschienen i*t. Waitz hat sein berühmt«
Werk unvollendet gelassen und Ist nach der Herausgabe
der ersten Abtheilung de» fünften Bandes gestorben; die
kurt Setzung und Vollendung desselben hat »ein Schüler,
Dr. Gerl and in Magdeburg, übernommen and hier
eine Arbeit geliefert, die ganz im Geist and Sinn seines
Lehrers und mit derselben Gründlichkeit und Sorgfalt ab-
gefasst ist . welche die früheren Thcile dieses bekannten
Buche« auszeiebnen. Der grösste Theil des vorliegenden
Heftes enthält eine Schilderung der Mikronesier , die erste,
welche jemals von den Bewohnern der im nordwestlichen
Tbeilc des stillen Oceans liegenden Inseln entworfen ist;
die Polynesier und Melanesier willen demnächst folgen.
Allerdings wird das mannigfache Wiederholungen mit sich
führen, da die Völker des Oceans alle eine nicht geringe
Menge von geistigen und körperlichen Eigcnthüralichkriteo,
Sitten und Gebräuchen gemein haben , die es vielleicht ge-
rechtfertigt hätten erscheinen lassen , wenn der Verfasser
erst eine allgemeine U ebersiebt über alle Oceanier gegelien,
dann bei den einzelnen Völkern die Abweichungen and Be-
sonderheiten herrorgehoben hätte. Indessen kann man
mit dem, was hier über die Mikronesier geliefert iat, wohl
zufrieden sein; e* fehlt auch nicht an einzelnen feinen Be-
merkungen , wie *. B. die (S. 150) über die beiden Arten
der Bestattung, die der Veifuwr ganz richtig mit den
Veränderungen in Verbindung setzt, welche sich in den
religiösen Anschauungen dieser Völker iro Laufe der Zeilen
zugetragen haben, eine Verbindung, die sich bei der Erwä-
gung der polynomischen Verhältnisse noch bestirnter erge-
ben wird. Der Rest de* Ijeftes enthält den Anfang der
Polynesier. Zunächst handelt der Verfasser von den Be-
wohnern der weit zerstreuten Inseln, die sich zwischen «len
Salomonsiuseln und den Markesas ausdehnen, und in denen
er bei der Einwanderung versprengte und in der Entwick-
lung stehen gebliebene Stämme der Polynesier zu finden
glaubt. Der Beweis dafür scheint jedoch nicht gelungen;
namentlich ist das, was über die Abstammung der Bewoh-
ner der Tokelau- und Elliceinaeln angeführt ist (S. 177),
nicht beweisend, der Verfasser hat die ganz bestimmten
Angaben der Missionare nicht gehörig beachtet und vor
allein die merk würdige Nachricht Griffe 1 «, da** man auf
Nui (und «Über sicher auch auf Nanoraea und Nanomanga)
die Sprache der Gilbertinseln spricht, übersehen. Was end-
lich die westlichsten dieser Inseln (Kot um», Tukopia u. ». w.)
betrifft, so wird es doch wohl die Verbindung mit den
Melanesien» sein, welche die Eigentümlichkeiten ihrer Be-
wohner erklärt. Den Schluss de* Heftes bilden Betrach-
tungen Über die Einwanderung der Polynesier und die dar-
auf bezüglichen Sagen und Traditionen, die sich unter ihnen
erhalten haben. Man muss dem Verfasser in dem bei-
stinimcn. wr* er gegen die bekannten Ansichten Schir-
ren 1 * sagt, wie auch darin, dass er die Versuche Haies,
aus diesen Sagen eine Geschichte zu machen, xurürkweiset;
allein er hat doch den sagenhaften .Charakter dieser inter-
essanten Documenta nicht hinreichend hervorgehoben. Auf-
fallend iat, das» der neuesten Untersuchung über diesen
Gegenstand , de» Werke« de« französischen Naturforscher»
Guatrcfage: les Polynesien* et leur» Migration», sowenig
die Sache dadurch auch gefördert ist, keine Erwähnung
geschieht. Was endlich am Ende (S. 22 t.! 1 über die Ab-
stammung der Bewohner der westlichen Paumotu gesagt
ist, dürfte nicht richtig sein.
Afrika.
(Von Professor R. Hartmann in Berlin.)
About, E. Le Fel Iah. Souvenirs d’Egypte. Pa-
ris 1868, gr. 8®.
Allain, E. Saint Paul de Loanda et le pays d’An-
gola. Bullet, de la Societe de Geographie, ß"*
Serie. 1869, pag. 162.
Andree, R. Abessinien. Das Alpenland unter den
Tropen. Leipzig 1868, 8®.
Gut geschriebenes Saminrlwrrkcben im Sinne der bekann-
ten Otto Spam ergehen Collection von Reisebescbrribun*
gen. Riuigc der nach OriginaJzeirhnuDgen von R. Kreisch-
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187
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
m«r au»gefährtcn Holzschnitte sind für den Ethnogra-
pbca ganz brauchbar.
Aubert Roche, L. Rapfiort nur l’etat sanitaire
et medical des travaiiluurs et des ctablissemente
du canal de l’isthme de Suez du 1 er juin 1868
au 1 er juiu 1869. (Journal l’Isthme de Suez,
15“* Juli 1869, pag. 237.)
Wichtige medizinisch - »tatistbcbe Nachweise, atu denen
auch die Anthropologie Nutzen ziehen kann. Verfasser
behauptet, das« der Kanaibau ran Suez das Clima kühler,
aber feuchter mache, eine Bemerkung, welche übrigen«
mehrere r^eit* auch für Mittelägypteu bei den zwischen
18*52 bi« 1867 gesteigerten Ikwk?»eruugsarbeiten (vermehr-
ter Baumwollen- und Reisbau!) gemacht worden sein »oll.
Avancbers, Pere Leon des. Extrait d’uue lettre
a M. Antoine d'Abbadie. Royautne de Guera,
20“* Avril 1866. (Bulletin de la Societe de Geo-
graphie de Paria, 5“* Serie, Tome XVII, 1869,
pag. 39.
Bemerkungen über die leider noch so wenig gekannten
Bewohner von Kata und Nachbarländern.
Ayraös. Rüaume du voyage d'exploration de l’O-
göoue. Bulletin de la Societe de Geographie de
Paris, 5“* Serie, Tome XVII, 1869, pag. 417.
Geographisch sehr wichtig, fiir unsere Zwecke dagegen
sehr dürftig.
Beltrarae, Giov. Grammatica della lingua Denka.
Bolletinu de la Societä Geografien itali&na, Fase.
II, III, 1869.
Gewährt im Verein mit den entsprechenden Arbeiten
Kauf mann 1 s und Mitterrotzncr’» ein brauchbares
sprachwissenschaftliche* Material. t'cbrigens ist für die
Darstellungen beider Forscher die Nichtanwendung mehr
übereinstimmender, den Gebildeten aller Nationen zugäng-
licherer Sehriftzcicben, etwa nach den .Systemen von Lep-
aioa, Barth, Bleek, Rohlf’t und Anderen, nur zu
bedauern.
Benedetti. Los ilea Espagnoles du golfe de Gui-
nee, Fernando Po, Corisco, Annabon. Bulletin
de la Societe de Geograph., 5 m * Serie, Tome XVII,
1869, pag. 66.
Borgia, E. Sopra un viaggio seien tifico di Ca-
millo Borgia nella reggenza di Tuniai. Bolletino
della SocietÄ Geografica italiana, Fase. III, 1869,
pag. 457.
Bowkor, Bleok und Beddoe. The cava-cannibala
of South - Africa. (Anthropological Review, Nr.
XXV, 1869.)
Gewisse Basutofamilien betreiben noch jetzt den bereits
von Arbouset und Daumas geschilderten Kannibalismus.
Chabassiere. Le Kef nkhdar et ses ruines. Revue
Africaine, Nr. 74.
Deckon, C. C. von der. Reigen in Oatafrika in
den Jahren 1859 bis 1865. I. Band, Reisen von
1859 bis 1861 , bearbeitet von O. Horsten, klein
4 °., 360 9. mit 13 Tafeln, 25 Holzschnitten und
3 Karten. Leipzig 1869. III. Band. Wissen-
schaftliche Ergebnisse. Erste Abtheilung: Säuge-
thiere, Vögel, Amphibien, Cruataceen, Mollusken
und Echinodermen. Bearbeitet von W. C. H.
Peters, J. Cabania, F. Hilgendorf, Ed. v. Martens
uüd C. Semper. Mit 35 litbographirten Tafeln,
zumeist in Buntdruck. Lex. 8".
Im ersten Baude der Relsebeschrerbuog einige» Material
für di« Kenntnis* der von dem kühnen Reisenden berühr-
ten Völker. Im dritten Bande reiches zoologisches, ron
hervorragenden Fachleuten bearbeitetes Material.
Devereux, W. C. A cruiso in the „Gurgon“; or
eighteen months on H. M. S. „Gorgon“, engaged
in tho auppression of the alave trade on the East
coast of Africa; including a trip up the Zainberi
with Dr. Li vingstone. London 1869, 8®.
Duomichon, Joh. Resultate der auf Befehl Sr.
Majestät des Königs Wilhelm I. von Preuasen
im Summer 1868 nach Aegypten entsendeten
archäologisch - photographischen Expedition. I.
Theil. Fol., 30 8. und 57 lithographirte Tafeln.
Berlin 1869.
Der von B. Graser bearbeitete Theil diese» neuen
reichhaltigen Werke« des unermüdlichen Aegvptologen über
die Entwicklung der altSgy ptiseben Marine Ut von
hoher culturgeschiclitlicber Bedeutung. Der von R. Hart-
mann bearbeitete Theil Uber die auf den das Werk be-
gleitenden Tafeln (nach Denkmälern) dargc-riellten Sauge-
t liiere und Vögel macht besonder» auf die Dornest icirung»-
versnehe wilder Thier« (z. B. des Canis pictus De»m.)
durch di« Alten aufmerksam.
Devoulx, A. Lea edifices rcligieuaes de lancien
Alger. Revue africaine, Nr. 73.
Flad, J. M. Zwölf Jahre in Abessinien oder Ge-
schichte des Königs Theudoroa II. und der Mis-
sion unter seiner Regierung. Basel 1869, 8°.
Einseitiger Standpunkt , wie er von einem so arg miss-
handelten und überdies mit der Ethnologie wenig vertrau-
ten Manne, wie Flad, kaum anders erwartet werden darf.
Der amhürisch«, den ungeheuren Schwierigkeiten «einer
Aufgabe erlegene Held soll erat noch »einen unpartheii»chen,
von Lobhudelei wie von Gehässigkeit gleichmütig freiblei-
benden Geschichtsschreiber rinden.
Flad, J. M. The Falaahas of Abyssinia. With a
Preface by I)r. Krapf. Tranalatcd by S. P. Guod-
hart. London 1869, 12°. 92 S.
Flad, J. M. Kurze Schilderung der bisher fast
unbekannten Abessinischen Juden (Falascha).
Basel 1869, 8*. 95 S.
Es erscheint vom ethnologischen Standpunkte au» »ehr
bedenklich , da« schon früher von d * A h h « d i e und vom
Referenten als ein Agauvolk erkannt« Volk der Falascha»,
deshalb, weil es einige an die der Juden erinnernde Ge-
bräuche beibehalten, als ächte aby»»inische Israeli-
ten, womöglich ul» eingewandert« Sühne der jüdischen
Stämme, zu bezeichnen.
Germain, A. Note gur Zanzibar et la cöto orien-
tale de FAfrique. Bulletin de la Societe de Geo-
graphie, 5 m * Serie, Tome XVI, 1868, pag. 530.
Hahn, Joa. Die Ovaherero. Zweite Abtheilung.
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin. 4. Bund, 3. Heft, S. 226.
So verdienstlich de» jungen Hahn Arbeiten über die
Dnniara im Allgemeinen auch »ein mögen, so bleibt denn
24*
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188 Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
doch seine Idee, di« Hottentotten von einer altigjrptischeu
Kolonie »bleuen zu wollen, mit das Stärkste, was* neuer«
ding» in ethnologischer Spekulation geleistet worden, und
das «dl doch sicherlich viel tagen.
Hahn, Jos. Die angebliche Verwandtschaft zwi-
schen Chinesen und Hottentotten. Globus, Bd.
XV, 1 869« S. 281.
Eine Ableitung der Hottentotten von den Chinesen, oder
umgekehrt, wie solche von mancherlei Seite her versucht
worden , erschein» uns mindestens ebenso abgeschmackt,
als die oben berührte.
Hahn, Th. Ein Racenkampf im nordwestlichen
Theile der Cup-Region. Globus, Bd. XIV, 1868,
8. 203, 245, 270; Bd. XV, 1869, S. 13, 50.
Interessante, auf eigener Anschauung beruhende Dar-
stellungen
Haldvy, J. Excureion chez les Falasha , en Abys-
sinie. Bullet, de la Societe de Geograph, de Pa-
ria, 5 ni « Serie, 1869, pag. 270.
Ohne Bedeutung.
Hartmann, R. Die Stellung der Frage in der
afrikanischen Ethnologie , vom geschichtlichen
Standpunkte aus betrachtet. Zeitschrift für Eth-
nologie. I. Jahrgang, 1869, S. 280, 2 Tafeln.
Priidsirt die von den Funje unter den Stämmen Inner*
afrika* behauptete Stellung nach eigenen Untersuchungen
hauptsächlich gegen ö. Lejean. (Oft. Bullet, de la Soc,
de Geograph, de Pari», 1865, pag. 238.)
Haurigot, 8. Quinze mois en S^neg&mbie. An-
nales des voyages, 1869, Tome 1, pag. 5.
Hendecourt, L. d\ L’Expedition d’Abysainie en
1868. Revue des deux Mondes, Avril 1869,
pag. 529.
Geschichtlichen, gut geschriebenen Inhalte*.
Hör ve, E. L'ile de la Röunion et la question co-
loniale. Revue des deux Mondes, 1869, Fevrier.
Houglin, Th. v. Reise in das Gebiet des Weissen
Nil und seiner westlichen Zuflüsse in den Jahren
1862 bis 1864. Nebst Abbildungen in Holzschnitt
und einer Karte. Mit einem Vorworte von A.
Petermann. Leipzig und Heidelberg, 1869, EX.
Einige Bemerkungen über Dcuka, Njam-Njam und an-
dere Stämme de* Gebiete». Holzschtuttdarfttcllungen von
Waffen und Gvräthen der Xjatu-Kjam.
Hopley , H. Under Egvptian Palms ; or Three
Bachelors Journeying on the Nile. London 1869,
320 S.
ln anspruchslosem Tone gehaltene», angenehm geschrie-
benes Touristen buch dt*« übrigen» gewohnten Genres.
Huet, P. Ilet lot der z warten in Transvaal. Mo-
dodeeligen onitrcmt de sUvery on wreedheden in
de Zttid-Afrikaansche republiek. Utrecht 1869,
4en, 185 bl., 8°.
Jackol, C. A. Ouzo bezittingen op de Küßt van
Guinea. Met een schetskaartje volgens het trak-
taat van 5 Maart 1867. Amsterdam 1869,
gr. 8®.
Lea iloa Fortunöoa ou archipel des Canaries,
2 Vol. Bruxelles 1869, 8°.
Lacorda, J. Exnme das viage* do Doutor Li ving-
stone. Litboa 1868, 457 S.
Da»» ui dem Vaterlande eine« Magelhae», Vaaco da
Gatna und Alfonso d’Albuquenjue eine gewi*»«
Eifersucht aui einen »o erfolgreichen Reisenden, wie Li«
vingstune, herrscht, ist menschlich erklärlich, obwohl
auch unaerm uujuirtbetmhen Urtheile nach gewisse, von
dem berühmten Pudtinder den Portugiesen gegenüber be-
gangene ludiac retioucn nicht ganz lobenswert U erscheinen.
Lambert, P. Notice sur la ville de Maroc. Lis-
boa 1868, 5*"* Serie, Tome XVI, pag. 430.
Letourneau. Pen plattes uthre« da ns le voisinage
des sources du Nil. Bullet, de la Societtt d‘Au-
thropolog., Tome III, 1868, pag. 122.
Der Verfasser recapitulirt Baker'» bekannte» religiöse«
Zwiegespräch mit dem Latuka - Häuptling Commoro. So
hoch wir auch Sir S. \V. Baker schätzen , *o möchten
wir io Bezug auf erwähnte» Gespräch denn doch der
schlichten Logik de» „Löwen der Bari“ den Preis xuerkeo-
nen! Letourneau hätte (Bullet, de la Sod«t6 d'Anthrop.
de Pari» , I H<f9) übrigen» nicht nöthig gehabt , au» die*cr
etwa* gar zu hochkirchlich gehaltenen Mittheilung de»
tapferen Schotten die Existenz von „Atheisten“ in jrnen
Gegenden darthun zu wollen. Im Gegruthei) i»t gerade
hier bei Schilluk , Denk» , Bari und Gala eine auffallende
Neigung luiu Deismus bemerkbar.
Mage, E. Voyage dane le Soudan occideutal 1863
— 1866. Paris 1869, Tome X, 693 S. VergL
auch Lo Tour du Monde, 1H68, Tome I, S. 1 —
112 .
In ethnologischer Beziehung höchst reichhaltig. Den
Werth der vortrefflich au»gr führten Illustrationen wird
namentlich der mit afrikanischen Verhältnissen Vertraute
zu würdigen wissen. Das ganze Werk ist eine wahre
Zierde der französischen Publizistik.
Maltaahn, H. v. Sittenbilder aus Tunis und Al-
gerien. Leipzig 1869, 8®.
Maltzahn, H. v. Schilderungen aua Tunesien.
Globus, Bd. XVI, 1869, S. 8, 28.
Gewandte , anregende Bearbeitung eine« interessanten
Stoffe* durch den energischen, Aeiesigeu und vielseitig ge-
bildeten Reisenden, der nunmehr männiglich wohl bekannt
geworden. •
Mann. Statistical Note« regarding the Colony of
Natal. Journal of the Statistical Society, VoL
XXXII, 1869, pag. 1.
Markham, CI. R. A history of the Abyssinian
Expedition, with & chapter coutaining an Account
of the Mission and Captivity of Mr. Kassa in and
hi» Coropanions. By Lieut. W. F. Prideaux.
London 1869, 445 S.
Mauch, K. Dritte Reise im Innern von Afrika,
8. Mai bis 18. October 1868. Petermann’s Mit-
theilungen, 1869, S. 154, 188.
Munzinger, W. Jonrney across the Great Salt
Lake Desert from Hautila to the Foot of the
Abyssinian Alps. Proceedinga Roval Geogra-
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Verzeichnis« «1er anthropologischen Literatur. 189
phical Society, Volume XIII, 1869, pag. 219.
Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, 1869, S. 457.
Nachtigal. Reise von Tripoli nach Murzuk in
Fcsau. Globus, Bd. XVI, 1869, Nr. 6, S. 90—
93; Nr. 7, S. 109—110.
Briefe über Keiswarü*tuD£, Bodenbetchoffenheit u. ». w.,
ohne ethiiologischeo Inhalt.
Naphegyi, G. Among the Arabs: a Narrative of
Adveutures in Algcria. Philadelphia 1 868.
Närodove. Jizni Afriky. Die Völker Südafrikas.
Nach den neuesten Quellen bearbeitet von S. B.
H. Matice lidn. 3. Jahrgang, Nr. 2, 205 S.
Prag 1869.
Osio, E. La spedizione inglese in Abyssinia. Pa-
gino del giornale di viaggio. Firenze 1869,
58 S., 8°.
Paria, E. G. Vingt-deux inois de colonne da ns
le Sahara algerieu et eu Kabylie. Paris 1869,
94 S, 8».
Porry, A. Carthage and Tonis; Part and Present.
Providern» 1869, 5'60 8., 8».
Pothorick , Mr. and Mrs. Travels in Central-
Africa and Explorations of the Western Nile Tri-
butarieB. 2 Volume. London 1869, 600 8., 8°.
SeoderUr» Aiiskhten üWr die Bs.iilkcrung lueeratrika».
Grausige Abenteuer, niehl in glauben, ohue su
leseal
Pollen, Fr. P. L. et D. C. van Dam. Recher-
ches sur la Faune de Mndagascar et de ses dö-
pendances. I. Partie. Relation de voyago par
f“r. p. L. Pollen. Leyden, Steenhoff, 1869.
Pos, IT. Eene Stern uit Zuid-Africa. Mcdedee-
lingen betreffende den maatscliappeligen en gods-
dienstigen toestand der Kaap - Kolonie. Broda
1868, 8°.
Pridcauxt , W. F. A journcy througb the Sou-
dan and Western Abyssinia, with remiuiscences
of captivitv. IUustrated. Travels ad. by Batos.
Part IV, V, VI.
Rassam, Hormudxd. Narrative of the British
Mission to Theodore , King of Abyssinia ; with
noticia of the couutries traversed from Massauah,
through the Soodün, the Ambara and hack to
Annesley Bay, from Magdala, 2 Yol., 8°. 706 S.,
Illustrat. London 1869.
K» ist outriilUg, wie lUMtfroolenllirb »rnii: ethnologi-
seber ti.uinn »irh aus dm vielt« bis jetzt über densbjs-
sinisclien F.ldsug gesebriebenen Bachern liehen Bast. 1>I«
unblutigen Zusaminenstös.e der Inrrasens truppen tuil den
Eingebornen, MaDchttescliuerden, uninterassnnte Sporting-
AWnteuer, langweilige, schon hnndertmal dargestellte Ver-
handlungen, einige wenige geographische Aufnahmen, das
scheint Alle». » a» in alle den von Uie-etn und Jenem ne
dergesehriebeuen Memoiren steckt. Von irgend einer ge-
diegenen ernst * w issenschaftlichen Abhandlung Ist derma-
l«n Doch keine Rede gewesen. Rnnsaia'« Buch befriedigt
nach «lieber Richtung ebensowenig, als die anderen schon
früher «ufgexihlten.
Beado, W. W. La cute d’or. Bullet, de la So-
ciete de Geographie, 5 m * Serie, 1869, pag. 383.
Rohlfa. O. Titulaturen und Würden in einigen ,
Centnilnegerländern. Zeitschrift der Gesellschaft
für Erdkunde zu Berlin, Jahrgang 1869, S. 228.
Wichtige Arbeit.
Bohlfs, G. Die christlichen Wunderbauten zu
I,alibala in Abyssinien. Globus, Bd. XIV, 1868,
S. 364.
Da* Einzig« von Gehalt in der ueue«ten Publicistik über
Abvuinkn.
Stahl. Arth. Im Lande der Pharaonen. Reise-
bilder aus Aegypten. Wien 1869, 8®.
Die pseudonyme Verfasserin zeigt sich vielfach al» ge-
schickte Beobachterin und wa* wir von ihr über Harem-
leben u, dergl. gelesen haben, war keineswegs übel.
Schneider. O. Der climatiBche Kurort Algier.
Dresden 1869, 8®.
Zieht auch die Ab^ummung, Sitten und Gebräuche der
Einwohner in Betracht.
Schwab , M. Memoire nur Tethnographie de la
Tunenie. Paris 1868, 8*1
Schweinfnrth, G. Briefe. Chartum 10. Decem-
ber 1868 und Faschoda 2. Februar 1869. Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde, 1869,
8. 311.
Reich an ethnologischen Bemerkungen über Bagara,
SchiUuk u. a. w.
Seckendorf, v. Meine Erlebnisse mit dem eng-
lischen Expeditionscorps in Abyssinien 1867 bis
1868. Potsdam 1869, gr. 8®.
Stumm, P. Meine Erlebnis»© bei der englischen
Expedition in Abyssinien, Januar bis Juni 1868.
Frankfurt a. M. 1868, gr. 8°.
Stern, H. A. The Captive Misaionary; being an
Account of the Country and People of Abyssinia.
London 1869, 410 8^ 8®.
Taurin. Lettre ä M. Aut d’Abbadie. Bullet, de
la Societe de Geographie de Paris. Tome XVII,
1869, S. 311—316.
Notizen über die Bevölkerung de« Tehama und von
Schon.
Vignorol, Ch. de. Reines romaines de l’Algerie.
(Suiidi viBton de Böne.) Paris 1868, gr. 8®. av.
10 pl.
Vignorol, Ch. de. La Kabylie du Djurdjura.
Paris 1869, 8®. av. 7 pl.
Ville. Voyago d’exploration daus lea baasins du
Hodua et du Sahara. Paris 1869, 8®.
Waldrooyer, Th. Erlebnisse in Abyssinien in den
Jahren 1858 b» 1808, 2. Aufl. Basel 1869, 8 .
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190 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Waidmeyer, Th. Wörteraammlung aus der Agau-
Sprache, 8*. Basel 1868.
Wangematm. Ein Reise- Jahr iu Südafrika. Ber-
lin 1868, gr. 8®.
Wangemann. Wichtigkeit Ostafrikas für verglei-
chende Sprachforschung und Ethnographie. Aus-
land, 1869. Xr. 40.
Amerika.
(Von P. v. Hellwald.l
Advielle, V. Lea Etats-Unis de Venezuela. Paris
186$. 8". 14 S.
Alaska. Die Telegrapheu-Expedition auf dem Ju-
kon in (Petermann » Geograph. Mittheil. 1869,
S. 361— 365k
Kn t hält eine kurze Notiz über «lie Bewohner des l,ande*;
diese geboren zwei Karen *n: den Eskimo« und den In-
dianern. Kr-ktmi-', schön, athletisch, intelligent, gut gebaut,
bewohnen die Kü*ten, gehören zu denselben Stämmen wie
jene in Grönland, an der Kord- und Ostküste von Amerika
und auf den Aleuten, Sprache »ehr ähnlich, oft Identisch.
— Indianer im Innern de» Landes , unterscheiden »ich
durchaus von den Eskimo». haben keinen Verkehr mit
ihnen und stehen ihnen in vieler Hinsicht nach-
Aldhorro Fed. et Mendiolea, M. Ln« Iwlios de
Yucatan. (Bel. de 1» Soc. de G«ogr. y estad. de
la republ. Mexic. 1869, T. I, 9. 73—82.)
Eigentlich eine Geschichte der Kämpfe zwischen den In-
dianern und Weissen in Yucatan. Mau hat hier zwei
Arten Indianer zu unterscheiden; die Indios barharo» und
die Indio* paeiheo»; von er»teren erfahren wir, das» die
Ausrottung aller WeUsen auf der ganzen Halbinsel ihr Ziel
ist; von letzteren, da»» sie zwar friedlich aber in »tiefster
Versumpfung leben; es findet sich bei ihnen keine Spur
der Kenntnis» von irgend einer Kcgierung oder Gottheit.
Amoenitatos nmericanae. (Globu» Bd.XV, S. 253
—255, 287—288.)
Sittenschilderungen.
Appun, Carl Ferd. Zu Fusa nach Brasilien.
( Ausland 1869. Xr. 20, 21, 22, 33, 34.)
Enthält Notizen über die Indianer.
Appun, Perd. Am Rupununi. (Ausland 1869,
Nr. 46, 47. 48.)
I. Von Yakutu nach dem Berge Vivi.
Aube. Notes sur TAmdrique du Sud. (Revue ma-
ritime et eekniile. AoAt 1869, S. 822 — 850,
Septenihre 1869, S. 199—221.)
Behandelt »ehr eingehend die staatlichen und socialen
Verhältnisse von Chile.
Audouard, O. A travers l'Amerique. Le Far-
Wwt Paria 1869, 18«. 375 S.
Ausrottung der Indianer. Ein Blick auf das Volk
. der Mandanen. (Globus Bd. XVI, S. 1 — 7, 17 —
22 .)
Inhalt: l>ie Kriege der Xordaiurrikaner mit den braunen
Leuten. * — Die Mandanen. — Ihre religiösen Vorstellun-
gen. — Die Sage von einer gro»*en Fluth und die auf
letztere bezüglichen Feierlichkeiten. — Der grwse Kahn
und der Tempelwigwam. — Das religiöse Fest O-Kiepn. —
Die grosse Pfeife und der oberste Zauberer. — Die Waf-
fen wacht und die Rückkehr der üttrimr in ihr Bett. —
Der Tanz zur HerbeischatTung der BütFel. — Die Ver-
jugung de* bösen Geistes. — Die grosse Marterprobe der
jungen Krieger. — Festmahl der Büffel. — Ein Weib ala
Häuptling. — Ein Btkk auf die Geschichte und den Un-
tergang der Mandanen.
Bell, A. W. Ou the native rnoes of New-Mexieo.
f Journal of the etknol. Society of London 1869,
S. 222 — 274.)
I*er Verfincr unterscheidet vier Bacen iu Neu Mexico :
Die Amerikaner, die Mexicaner , die Pueblo - Indianer und
die wilden Indianer. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit
diesen beiden letzteren Gruppen und schildert eingehend
die Pueblo- Indianer mit ihrer Einteilung, ihren Wohnhäu-
sern, Dialekten und religiösen Anschauungen, dann die
verwandten Stämme der Zuni, Mnqui, Pirnas und Papago*-
Indianer. Auch über die Apache» und ihre Raubzüge, die
Mojave* und Naviyo* sind interessant« Details mitgetbeilt.
Ferner wendet der Autor seine Aufmerksamkeit den Spuren
der aztektsehen Einwanderung, den Ruinen am Rio Colo-
rado Chiquito, der alten aztvkiscben Stadt Cevola und den
viel beschriebenen Ruinen der Casn* Grandes am Rio Gila
sowie jener am Rio Grande zu. Die ganze Abhandlung
i»t in hohem Grade lesenswert und reichhaltig an Detail«
verschiedenster Art.
Bell, William A. New tracks in North- America.
London, Chapman <fc Hall, 1869, 8". 2 Vol.
Bell, W. A. Ten dajri' journey in Southern Ari-
zona. (lllustr. Travel» etl. by Bates 1869, Part
V, S. 142—148.)
Bolot, Q. de. Lu verite sur le Honduras. Etüde
hiatorique, goographique, politique et commer-
ciale »ur l’Amerique centrale. Paris 1869, 8°.
95 S. mit 2 Karten.
Bornouilli, Gust. Briefe aus Guatemala. (Peter-
mann’s Mittheilungen 1869, S. 424 — 432.)
Behandelt die socialen Zustände , die Ureinwohner, näm-
lich die Indianer und da» Lehen in der Hauptstadt. ohne
wesentlich Neue» mitzutheilen; dagegen werden die meisten
Ansichten über den Indianer bestätigt. Nur zwei Punkte
verdienen Erwähnung: die sprich wörtliche Verschlossenheit
de» Indianers gilt nur gegenüber von Fremden; unter »ich
sind sie schwatzhaft. Die Ansicht hingegen , da»» da»
Schicksal der Ureinwohner des Nordens auch jene de» Sü-
den» treffen werde, können wir nicht theilen, da es bekannt
ist, wie in Centrslamerika der rothe Mann sich vermehrt,
der weisse dagegen \ennindert.
Binkord, E. The Maramoth Cave and its deni-
zens, a complete deseriptive guide. Cincinnati
1869, 8*. 96 S.
Biondelli, B. Glossarium azteco- lat in tun et la-
tino-aztecuin. Milano 1869, 4°. 260 S.
Diu Vollfttindigst* und Beate was bisher auf diesem Ge-
biete geleistet worden ist. Das Buch Ut nur in 200 Exem-
plaren ahgedruckl worden. •
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Verzeichnis^ der anthropologischen Literatur. 191
Bishop, Mrs. H. E. Minnesota, then and now.
St. Paars (Minnesota) 1869, 8°. 100 S.
Blackmore, Will. On the North American In-
dians : a sketch of sorne of the Hoatile Tribes to-
gether with a brief account of General Sheridan ’s
campaign of 1868 against the Sioux, Cheyenne,
Arapahoe, Kiowa and Comanclie Indiana. (Journ.
of the ethnol. Soc. of London 1869, S. 287 — 320.)
Es ist ditß eigentlich eine Geschichte der Indianerkriege
in dm Vereinigten Staaten; der Verfasser steht auf Seite
der Yankee* und erklärt diu» Verschwinden der rothen Racc
d. h. ihre Ausrottung durch die namenlosen Gräuel ge-
recht irrt igt, welche die Indianer tagangen haben. Er fuhrt
die Ansichten rieler oom }>et enter Minner über die Roth-
häute an, die alle zu deren Ungunsten lauten. Wir haben
gegen diese Anschauung wenig einzuwenden, denn die Grau-
samkeiten der Indianer können nicht in Abrede gestellt
werden; die historische Unparteilichkeit erfordert nur za
tagen , dass stets die Wetsseu zuerst die Veranlassung zu
Zwistigkeiten boten, was dann bei dem grausamen Naturell
der rothen Race zu den erwähnten Gräuelt baten führte.
Auch können einzelne Fälle uamhaft gemacht werden, wo
die Weissen au Grausamkeit den Rothhäuten nicht nnch-
» tarnten.
Blerzy, H. Le territoire d’Aliaska et leg coloniee
du Nord-Oaest de TAmerique. (Revue de« deux
mondes. Per. II, Tome 81 (1869), pag. 997 —
1020 .)
Box, M. J. Adventure« and Exploration« in Old
and New Mexico. New York 1868, 12°. 344 S.
Brace, C. L. The New West: or, California in
1867—1868. New York 1869, 12®. 373 8.
Brasseur de Bourbourg. Lettre it Mr. Leon de
Rosny aur la decouverte de documents relatifs a
la haute antiquite americaine et sur le dechiffre-
ment et l'interpretation de l’Ecriture phonetique
et figurative de la langue Maya. Paris 1869, 8°.
20 S. (Extrait des Memoire» de la Societe etk-
nograpbique.)
Brown, Bob. Friends in high latitude«. (Corn-
hill Magazine, July 1869, 8. 52—67.)
Schilderung drr Grönländer.
Brown, R. On the vegetable producta used by
the North Weat American Indiana as food and
medecine, in the art« and in superatitioua rite«.
(Transact. of the Botanic. Soc., Vol. IX, S. 378 —
396.)
Busch, Dr. Mor. Geschichte der Mormonen. Leip-
zig 1869, 8®.
Californien. Die japaniachen Ansiedler in Cali-
fornien. (Globus Bd. XVI, S. 48.)
Siebe ferner hierüber Ibid. S. 111.
Californien, Aus. (Allgemeine Zeitung vom 27.
August 1869, Nr. 239.)
Carron de Ploury, S. E. L. Notas geologicas y
estadisticas «obre Sonora y la Baja- California.
(Bol. de laSoc. de geogr. y eatadist de la republ.
Mexic. 1869, Tomo I, 44 — 52, 112 — 118.)
Enthält auch einige Angaben über die Indianer der So-
nor*, nämlich die Oiiavm», die Yaqui«, die Mavos, die Se-
ri* und endlich die Apachen. Wir erfahren, dass die Seris
die einzigen sind, die noch den barbarischen Gebrauch ver-
gifteter Pfeilspitzen beibehnlten haben.
Catawba Indianer. (Globus Bd. XV, S. 190.)
W«a# in Südcarolina lebenden Indianer wurm im Februar
18öy auf 85 Köpfe zusammengesrbmolzen.
Catlin he-i den Nayas, Platt köpfen und Kr&hen-
Indiunern. (Globus Bd. XV, 8. 363—368.)
Die Nayas odrr Nagas. Ihr Hnuptnnhrung»mittel ist
der Lachs, den sie sehr leicht fangen. Manche Männer
und Frauen (ragen hölzerne Pflücke oder Klötze in der
Unterlippe wie die brasilianischen Botokuden. Pfeifen aus
schwarzem, geglättetem Steine, gleich dem Rohre mit
hübhch ausgeführten Figuren verziert. Zeichnungen der
Nava» ganz verschieden von jenen anderer amerikanischer
Stämme. Maskentanz wie bei anderen Völkern Nord- und
Südamerika* kurmut auch bei ihnen vor-
IMattköpfe. Oregon- Indianer. Diese grosse Gruppe
hat etwa 30 Uülerabtheilungen. An den Dalles des CV
lumbiastromes wahre Musterkarte verschiedener Stämme:
KlaUaps, T»> hmuks. Klirkutal», Wallawallas, Nrzpercä» und
Spukans. Auch der Oregon- und Columbia- Indianer ist
kein Jäger, sondern Lachstischer und Wurzelgräher. Auch
diese Stämme verschwinden rasch; 1830 — 1850 starben
63 Procent; 1647 zählte ein Stamm noch sechs Kopie;
heute ist keine Spur mehr übrig. Diese Indianer kennen
keine Knegerweisr, keine Kintheilung nach Stamrosymbolen
(Totem»), keine Vorstellung von einem grossen Geist !
Die K riihen-Indianer, Upsnroka* oder C’row« ge-
hören zur Dukotah- oder Sious-Gruppe und sind sehr statt-
licb. Sie sind Reiter und jagen den Büffel; haben aber
von den Blattern entsetzlich gelitten, so dass kaum noch
einige tausend Köpfe von ihnen übrig siiid.
Chaix, P. Conquete du Chili par Valdivia. (Le
Globe, Geneve. T. VIT, S. 61—107.)
Enthält manche» über die Araukaner.
Chinosc disroverie« of America. (Athenacum. Lon-
don 11. December 1869.)
Unter diesem Titel bringt dos Athenaeum die Nachricht,
welche auch in die meisten Blätter des Continente* öber-
gegaogen ist , dass ein sicherer J. II a n 1 a j zu San Fran-
cisco dir. Entdeckung gemacht habe, Amerika wäre von den
Chinesen schon vor 14UÖ Jahreu entdeckt worden. Wir
würden diese Notiz mit Stillschweigen iihergungen haben,
wenn wir es nicht für eine unsterbliche Blamage hielten,
dass eine Zeitschrift vom Range de» Athenaeum» »ich zur
Verbreitung dieser Nachricht hergieht und nicht zu wissen
»cbeini, da»» diese sogenannte Entdeckung schon 1761 von
De Guigne», dem bekannten Sinologen gemacht wurde
und eine heute noch nicht entschiedene Streitfrage bildet,
über die schon entsetzlich viel Papier verschrieben worden
ut. Wir haben weder Lust noch Raum uns hirr zum
Nutz und Frommen der Athenacum -Gelehrten auf eine
Aufzählung der einschlägigen Literatur cinzulasaen; wir
begnügen un* darauf hinzuweiten , das» schon Klap-
rotlt gegen De Guigne»’ Entdeckung aufgetreten ist und
in allerneuester Zeit für dieselbe einige Schriften
erschienen sind, die jedenfalls Beachtung verdient hätten;
e» sind die» Neu mann: Ostasien und Westaraerik* in der
Zeitschrift fiir Allgemeine Erdkunde , April 1864; Gu»t.
d’Eichthal: Etüde sur les origine» bouddique» de U
civilr-ntion »ra$riraine. Pari» 1858, 8®.; endlich Dr. A.
Godron: Unc Mission bouddlste ru Amrrique au V M
Siede de l’ire chretirnne in den Annale« des Voyage».
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192
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Üetober 1868. Auch Dr. Andre« in Minern Globus hat
di« Frage ventilirt uud e» muss jedem mit amerikanischen
Dingen Vertranten komisch Vorkommen, eine *o alte Streit-
frage als Neuigkeit mit so grossem Ernste aulgewännt zu
sehen.
Cochut, A. Iuaurrection cubaine. (Revue des
deux Monde«, 15 Novbr. 1869.)
Cromony, J. C. Life among the Apache«. San
Francisco & New York 1869, 12°. 322 S.
Cubaniflcho, die, Frage. Studie eine« Augenzeu-
gen. (Augsburger Allgem. Zeitung vom 10. Juli
1869, Nr. 191 Beilage.)
Beschäftigt sich eingehend mit der Ethnographie dieser
Insel.
Dö Coata, B. F. The pre-Columbian discoverv of
America by the N orthmen, illustrated by trans-
lation« from the icelandic Sagas. Albany 1868,
8°. 178 S.
De Coata, B. F. l*ake George: ita «eene« and
cbaracteristics, with glimpse« of the olden times.
New York 1869, 12°. 182 S.
Doutrelaine. Rapport sur les ruines de Mitla.
( Archive« du la Commission scientifique du Mexi-
que. Paris, Tome III, S. 104 — 111.)
Genauer Bericht mit topographischen Aufnahmen der
Alterthumer von Mitla, welch letztere ganz mit jenen von
Dupaiz und (astnneda stimmen. Oberst Doutrelaine
sagt, das« der Anblick dieser Huinen nicht* Irapouirendeii
habe, dass dagegen die darin herrschend« Harmonie bewuu-
(lernswerth sei. Nach »einer Ansicht sind sie nicht viel
vor der Zeit der Conqui*ta erbaut worden, keinesfalls aber
reicht ihr Alter über du» VII. »der VIII. Jahrhundert zu-
rück. Oberst Doutrelaine findet in diesen Alterthumeru
eine bemerkenswert he Analogie mit jenen von Ninive.
Doutrelaine. Rapport sur la pierre de Tlalne-
pantla. (Arch. de la Comm, sciont. du Mexique,
Tome HI, S. 111—120.)
Doutrelaine. Rapport «or uu manuacrit de la
collection Boban. (Arch. de la Comm. «cicnt. du
Mexique, Tome III, S. 120 — 133.)
Die*«* Manuscript enthält unter Anderem auch den az-
tekischeu Calcnder.
Eggers, H. Erindringer fra Mexico. 1S69, 8®.
328 S.
Einströmon der Chinesen in da« MiB&i*«ippithul
und die Sfidstaaten der Union. (Globus Bd. XVI,
S. 69—71.)
Wird als der Mann der Not h Wendigkeit uud der Zu-
kunft — als Ersatz für den Neger — dargestellt. Siehe
ferner »Hi: IM. 8 . 127.
Einwandorung in die Vereinigten Staaten von
Nordamerika. (Globus Bd, XV, S. 124 — 125.)
Die Einwanderung 186 k betrug über New York 213*686
Personen, darunter 101*889 Deutsche, *o da*« die*« beinahe
die Halft« der ganzen Kiuwandercrzahi betragen. England
steht als dritte* Land auf der Liste, während Frankreich
nur 3000 Seelen stellte. Der HaupUtrom der Auswande-
rung richtete sich nach Illinois; nach diesem Staate kom-
men Wisconsin , Ohio, Jowa, Minnesota und Michigan; we-
nig« Qur gingen nach Indiana und Utah. Siehe hierüber
ferner: Amtlicher Bericht über die Einwanderung der
Deutschen nach Nordamerika (Globus Bd. XV), S. 94), wo-
nach Letztere gegenwärtig den fünften Theil der Gesammt-
berölkerung der Union bilden, daun S. 208.
Engel, Franz. Caracas, die Hauptstadt vou Ve-
nezuela. (Globus Bd. XV, S. 210—212, 234—
236.)
Engel, Frans. Erlebnisse und Anschauungen au«
dum tropischen Südamerika. (Unsere Zeit 1869,
II, S. 349—377, 603 — 624.)
I. Auf dem t'atatuiubo. II. Zalazar de la» Palma».
Erdhügel, alte, in den Rocky Mountains. (Globus
Bd. XVI, S. 206-207.)
Nach dem New' York Day Book vom 18. September
1869 hat uiAii Krdmound» im südlichen Utah entdeckt, die
mit jenen dea Mieaisaippitbale» grosse Achnlichkeit besitzen;
in denselben traf man mancherlei LVtarrcste, die von einer
gewissen Kunstfertigkeit der Erbauer zeugen. Diese Mouad«
iu Utah sind die ersten, welche mun im Westen der
Fclsengcbirge gefunden hat,
Fisher, Morton C. On the Arapahoes, Kiowaa
and Comanches. (Journal of the ethnol. Soc. of
London 1869, S. 274—287.)
K«cht unterhaltend geschriebene Abhandlung, die aber
unsere» Ermessen» nach, nicht viel Neues bringt.
Foster, Dr. J, W. The MiHsisaippi Valley, ita
physical geography, includiug «kotchosof the to-
pography , botany , climate , geology and mineral
resource«, and of the progrees of development in
population and material we<h. Chicago &. Lon-
don 1869, 8«. 460 S.
Frantziua, A. v. Der südöstliche Theil der Re-
publik Costarica. (Petermann’fl Geogr. Mittheil.
1869, S. 323—330.)
Der vorwiegend geographischen Arbeit diese» tleusigen
und gelehrten Forscher» entnehmen wir die Notiz, da»* sich
bei Hato Viejo eine groa»« Menge von ludiancrgrähern vor-
iindet. Aehulich wie die Guucas in dem nahe gelegenen
Chiriqui enthalten sie aus GoM gefertigte Figuren. Auch
der übrige Inhalt wie die Steinriguren und die Construction
der Gräber au* Steinplatten deuten darauf hin , da»« die
Verfertiger dieser Gräber demselben Stamme angchörten,
wie die alten Bewohner von Chiriqui und »las* der zur
Zeit der Entdeckung über den ganzen Isthmus von Dariea
verbreitete Stamm der durch einen gewissen Grad von
Cultur ausgezeichneten Cueva- Indianer (siehe l'eschel,
Geschichte de» Zeitalter» der Entdeckungen, S. 45$ ff.) «ich
nördlich bi» an den Fu*s de» Dota-Uebirge* erstreckte.
Fuente, D. G. de la. Ccnso do la poblacion en
la republica argentina. Buenos Ayrea 1869, 4°.
42 8.
Fulton, A. R. The Free Land of Jowa; being an
aectuute description of tbe Sioux City Land Di-
«trict; a general view ofJowa; her reeourcea and
advantagee. Des Moinea (Jowa) 1869, 8°. Mit
1 Kart«.
Gil, Romero. Memoria »obre et estado social y
moral que tuvierou los mexicanos bajo el izupe-
rio azteca, y su organizacion bajo el gobieruo
colonial. (Bol. de la Soc. de geogr. y. estad. de
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198
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
la republ. Mexic. 1869, Tomo I, S. 257 — 264,
313—321, 427- 433, 478—486.)
Fleissige- und recht dankenswerthr Zusammenstellung
•He* dessen, was wir Über die socialen Verhältnisse des
alten Aztekenreiche* wissen. Verfasser beginnt mit einer
Beschreibung des alten Tenot btitlan , geht dann über auf
die öffentliche Verwaltung, die Vertheilung des Lande«- im
Reiche zwischen Gemeinden und Einzelnen, dir Zusammen-
setzung der uztekisrhen Familie und wendet sich dann den
Verhältnissen der CoUmialepochc zu. Kr erörtert die Re-
gierung und Verwaltung Neuspaniens mit besonderem Hin-
blick auf die einheimisi he indianische Bevölkerung, die
Territorial* ertbeilung zu Gunsten der Eingebornen, die Or-
ganisation der indianischen Familie unter der Colonial regie-
rung uud endlich die Bestrebungen der Missionäre in Bezug
aut Unterricht und Civilisation der Indianer. Das Ganze
ist in sehr hübschem Style verfasst und wenn mau auch,
wie es hei Spaniern, namentlich bei amerikanischen Spaniern
nun citunaJ nicht anders ist viel Phrase dabei mit in den
Kauf nehmen muss, so wird diese Arbeit «loch von Ameri-
kanisten schwerlich übersehen werden dürfen.
GuillemiD -Tarayre. Nut«« archöologiques et eth-
nographiques. Vestigee laines par le# migrationa
amüricaines dans le Nord du Mexiquc». (Archiv,
de la Comm. ncient. du Mexique, Tome III , pag.
341—470.)
Eine höchst wichtige und durchaus wertlivollr Arbeit,
wie das Meiste , was tn den „Archive* de la l Ymniisrion
»cientifique du Mexique- enthalten ist. Herr E. Guillcmin
Tarayre war von der französischen Regierung zwar nur
mit der Erforschung der mexicanischen ltcrgwrrk*di»tncte
in mineralogischer Hinsicht beauftragt und hat sich dessen
in seinem „Rapport sur FExploraiian cnra£ralogiquc des
r4gious mexicainr*- entledigt , wovon die vorliegenden Noti-
zen eigentlich nur den Anhang bilden; allem er hat es
sich nicht entgehen lassen nebstbei auch auf dem Gebiete
der Archäologie und Ethnographie thitig zu sein. In ho-
hem Grade dankenswerth sind seine genauen topographi-
schen Aufnahmen jener merk würdigen Bnureste, welche in
einer nordsüdlichen Richtung auf dem Höhenzuge der brei-
ten mexicanischen Cordillerenanschweltang sich erheben
and die Spuren der einstigen Völkerwanderung in jenen
Regionen zu erkrnnen gestatten. Die von Herrn Guille-
min Tarayre untersuchten und hier bcsfhriebenen Denk-
male sind folgende: Die Cosas gründe» de Chihuahua;
Babicora; Mazatlan; Sahuaripa; die Ruinen hei Zape; Chal-
chibnite*; Val de Sucbil; Siwrifiaoa; die Ruinen de la
Quemada am Cerro de Io# Kdificios bei Zacateca»; Teul;
Jalisco; die Ruinen am See Chapala und iut TliaJe von
Mexico; der t^erro de Ins Nuvnjiu mit seinen Obsidianmi-
nen. Ausserdem giebt er noch einige Notizen über vor-
historische AHerthümer und da» Steinzeitalter in Amerika
im Allgemeinen. Weiter wendet er sich der Ethnographie
zu und theilt die Notizen mit, welche er bei »«inen Streif-
Zügen über die verschiedenen Stimme , denen er begegnet
ist, gesammelt hat; cs findet »ich hierin ziemlich viel lin-
guistisches Material, wenn auch hier und da die Werke von
l'imentel stark benutzt erscheinen. Die Völkerschaften,
über welche wir hier Detail» erfahren, sind: Die Indianer
von Caiifomieu (Tulnres und Moliares), jene von Neu-Mexico
(die Sehosclionie* , Wasboes, Pai-Utah»), die Apachen (init
Angaben über ihre Sprache uud Zahlen») -u-m), die Indianer
der Sonora (nämlich die Vaquis, Mayo», Pirnas, Papagos,
Serie, wieder mit Bemerkungen über die Idiome derüpataa
und Pimae sowie über das Zahlensystem der enteren), die
Tarhumarc», die Tepehuane», über deren Sprache Herr
Gulllemin ein kleine» Voc.ibular angelegt und die auffal-
lende Bemerkung gemacht haben will, dass einzelne Worte sich
textuel mit derselben Bedeutung im Slaviscben, namentlich
im Russischen wiederfinden, die Otomi», von deren Sprache
Archiv für Anthropologie, Bd. IV. lisft 11.
er die von Professor Dr. E. Buschmann in Berlin langst
widerlegte Angabe macht, dass sic einsilbig sei, und die
Tarasqurn. Daran »chliv»»t er noch sein« Reflexionen über
die alten Mexieanei' und »eine Beobachtungen über die heu-
tige Bevö.kerung des Landes.
Hayes. Aut* der Xordpolarreise des Dr. Ilayes.
(Globus Bd. XV, S. 225—233, 257—265.)
Enthält Einige* über die grönländischen Eskimo».
Hall, James. Legonds of the West: sketche* illu-
strative of tho habits, occupatio», privations,
advonturea and sports of the Pioneers of the West
Cincinnati 1869, 12°.
Hay, Guillermo. Antigüudiules de la Frontera.
( Bolctiu de 1» Sociedad dt* geograha y estadistica
de la republica Mexicaria 1869, Totno I, S. 29.)
Knüpft an die Entdeckung von Ruinen am Ufer des Rio
Colorado Chico und Arizona an, um auf den Zusammenhang
zwischen amerikanischer Cnltur und jener de* alten Conti-
nentrs bimuweisen. /
Honsel, R. DieCoroados der brasiltaniacbe» Pro-
vinz Rio Grande do Sul. (Zeitschrift ffir Ethno-
logie 1869, Bd. I, S. 124—135.)
DieCoroados genannten Indianer linden sieb gegenwärtig
fast nur, in mehr «der weniger cultivirtem Zustande, an
drei Punkten: bei Nonohay am oberen Uruguay in der
Nähe der Mündung de» Rio Pass» fundo; in den Campo#
do meto und bei der Militärvolonie C »serös, die in Matte
portuguez auf der Grenze zwischen den Camp«* do mcio
und denen der Vaccaria gelegen ist.
Hippeau, C. LVducation dcB femmoe et des af-
franchis en Americjue, depui» la guerre. (Revue
des deux Moudes 1869, livre du 15 Sopt., pag.
450—476.)
Hutchinson, Th. J. The Parana, with incidents
of the Paraguayan war and South American re-
collections front 1861 — 1868. London 1868, 8°.
468 S. mit Karten.
Auszüge daran» siehe im „Ausland* 1 1869, Nr. 10 und
12 .
Huxley. 0n the ethnology and arihaeology of
North America. (Journal of the ethnol. Soc. of
London 1869, S. 218—221.)
Theilt die einheimische Bevölkerung Amerika» in zwei
grossen Gruppe: in jene der Arctogeai - Völker oder Esqui-
roaux und in jene der Au»tro-( olumbischeu Stämme, näm-
lich der Indianer. Erstere hält der brittiiche Gelehrte für
eingewandert, Letztere für autochthon.
Indian Rclici-’. (Bulletin of the Essex Institute.
Salem, Mars, Febr. 1869.)
Indianer, die, der Vereinigten Staaten. (Ausland
1869, Nr. 46.)
Im Gegensätze zu den Indianern Central- und Südame-
rikas gehen die Rothhäute der nordainerikanischen Republik
in Berührung mit der angelsächsischen Racc unaufhaltsam
der gänzlichen Vernichtung entgegen. Zur Zeit der Ent-
deckung des Conti ne nts mögen sie ihrer 15 Millionen Köpfe
gewesen sein, jetzt taxirl man sie auf etwa 300‘000. In
Calitörnfrn waren 1849 ihrer noch lOO'OOO, jetzt sind sie
auf SO’OOO herabgesunken. Kriege unter den einzelnen
Stämmen und mit den W rissen, Schnaps, die Pocken, Sy-
philis und andere Krankheiten, sowie der fatalistische Ein-
25
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15)4
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
flu»«, den die Berührung mit der Cultur der Bin »»geeichter
übt, haben ihre Wirkung gethan; jährlich nimmt auch
diene kleine Zahl noch ab. Der Unterschied der Karen
und ihre physische Abneigung gegen einander ist der Art,
da»» der Indianer der angelsachiiischcn Civilisation unzu-
gänglich bleibt. Einzelne Ausnahmen beweisen uur die
Wahrheit der Kegel. .Sehr häutig sind jene Fälle, wo an*
scheinend cjviliairte, physisch und intellectuell »ehr begabte
Rothliäute bei vorkommender (Gelegenheit in den Zustand
moralischer Verwilderung xuriickaankeu. Zweifellos ist jede
llnrihung eitel, da» Uemüth de» Indianer» mit europäischer,
oder richtiger amerikanischer Cultur zu versöhnen. Jede»
Unrecht, da» »einem Stamm oder »einer Kare grschah, em-
pfindet er al» persönliche Beleidigung. Wieder Vergeltung
und Blutrache machen aber «nen Theil »eines Sittengesetxes
au». Daher jene ewigen Grenzfehden , xu denen nur ru
häutig die Weissen den ersten Anlass geben. Der vorlie-
gende Aufsatz beleuchtet noch in eingehender Weise die
schmachvolle Weise, in welcher der rotlie Elngeborne so*
wohl von der Regierung al* von den Weissen der Vereinig»
ten Staaten behandelt wird.
Indianorkriog in Nordamerica. (Globus Bd. XV,
S. 94.)
Jone«, Dr. Joseph. The aboriginal Moundbuil-
ders of Tennessee. (The American Naturalist.
Salem, April 1869.)
Jonveaux, Emile. L’Amerique nctuelle, precedoe
d’unu iutroduction par Ed. Laboulaye. Paria,
Charpentier 1869, 8 Ö . 339 pag.
Kennedy, A. J. La-Plata, Grazil and Paraguay
during tfae present war. London, Edw. Stanford,
1869, 8°. VIII A 273 pag.
Kriaia, die, unter deu Mortnonen. (Globus Bd. XVI,
S. 297—299.)
Lodo, Luis F. Munoz. Algunas ideas para un
libro »obre lenguas atsiittico-americanas. (Bol. de
ln Soc. de geogr. y estad tat. de la republ. Mexic.
1869, Tomo I, 8. 31—33.)
Verlader glaubt , da»» Amerika ursprünglich von Aaien
au» bevölkert wurde und meint durch du» Studium der
aaiatischen Sprachen diese Frage entscheiden xu können.
Leouson, le Duc. Rapport sur les Antiquität mexi-
caine« conservöes aCopenhague. (Arch. delaComm.
scient. du Mexique, Tome III, pag. 147 — 165.)
Genaue Aufxihlung der im Museum der Societe de* an*
tiquatres du Nord xu Kopenhagen gesammelten and auf*
bewahrten Alterthüuner.
Mac Clure, A. K. Three Thousand Miles tlirough
the Rocky Mountains. Philadelphia 1869, 8°.
456 S.
Massachusetts, I^ctures on the Early history of
Massachusetts. Boston 1869, 8°. 498 S.
Maatorman, G. Fr. Seven eventful years in Pa-
raguay. A narrative of personal experience
amougst the ParaguayAun. London 1869, 8°.
365 S. mit 1 Karte.
Einen dem Athenacum entnommenen Auszug diese» die
Tyrannei de» nunmehr getödteien Dietator» Lopez von Pa*
raguay in den grellsten Karben schildernden Buche» siebe :
Ausland 1 HGi), Nr. 41, dann Nr. 46.
Molgar, J. M. Antigüedadea mexicanas. (Bol. de
la Soc. d“ geogr. y estad. de la repubL Mexico
Tomo I, S. 292—297.)
In der Nähe von San Andres Tuttla ward vor mehreren
Jahren ein coiossaler Kopf aus Granit, wohl über 2 Varas
(mvstcanischc Ellen) hoch ausgrgr.iben , der, von ausge-
zeichneter ßildhauerirbeit , den Aussagen de* Verfasser*
xufolg** höchst auffallend den äthiopischen Typu» trug.
Herr >1 eigar glaubt darauf hin und auf eine Stelle Bo-
turini’s gestützt, das» in früheren Zeiteo ein Zusammen-
hang zwischen Amerika» und Afrika» Bevölkerung bestan-
den bah«, ja das» Neger in ältester Zeit den Boden Ame-
rika» betreten haben müssen.
Mexico. Ein Blick auf Mexico. (Globus Bd. XV,
S. 337—339.)
Ethnologische Würdigung der dortigen Verhältnisse seit
dein Sturze de» Kaiserreiche«. Daran schliesst »ich die
Notiz. Kacenkämpte in Mexico, lbid. Bd. XVI, S. 159.
Mission scicntifique au Mexiqnes dana l'Amerique
centrale. Paris, Impr. imp. 1869, 4°.
Linguistique: Vcd. 1. Brasseur de Bourbourg, Ob.
Manuscrit Troano. Etüde» sur le »ysteine grapliique et la-
langue de» Mayas 1869, 4°. Vol. 1. Eine Besprechung
dies«« Buches siehe: Ausland 1870, Nr. 12.
Morgan, Lewis H. Indian Migration«. (The
North American Review. Boston, Octbr. 1869.)
Murray, Will. H. H. Adventures in the Wilder-
ndes; or, Camp Life in the Adirondacks. Boston
1869, 12°. 236 S.
Neugranada. Dr. Alfona St übel in Neugranada.
(Globus Bd. XV, S. 239—241; Bd. XVI, S. 156
— 157.)
Bespricht unter anderem die Reste altiadianischer Kunst
bei 8an Aguslin.
New York. Ein Blick auf die Bevölkerung von
New York. (Globus Bd. XV, S. 266 267.)
Bespricht Deutsche und Irländer, die Tenemenlhkuser
und die Kellerwohnungen, die Hohlen de» Verbrechen».
Paraguay. Enthüllungen Über Paraguay. (Globus
Bd. XV. 8. 204—207.)
Zeigt die gräulichen socialen Zustände in jener sogenann-
ten Republik.
Paraguay. Dur Krieg gegen Paraguay. (Unser©
Zeit 1809, I, S. 241—258, 681 — 692; II, S. 24
—39, 416—437, 821—836.)
Ausführliche .Schilderung de» ganzen Kriege» mit Berück-
sichtigung der geographischen und ethnologischen Momente.
Parkman, Francis. Tho discovcry of the Great
West. An historical accouut.. London, Murray,
1869, 8». XXI & 425 pag.
Payno, Man. Razas indigenaa. Ranchcrias de la
Sierra Madrc. (Bol. de laSoc. de geogr. y estad.
de la republ. Mexic., Tomo I, 8. 496 — 505.)
Ziemlich eingehende und jedenfalls lesenswerthe ethno-
graphische Skizze der im Staate Teia», im ThaJe de* Rio
Grande und de» Rio Colorado lebenden indianischen Jiger-
h tim me.
Payno, Man. Enaayo de una hiatoria de Michoa-
can. (Bol. de la Soc. de geogr. y estad. de 1«
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195
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
repabl. Mene. 1869, Tomo I, S. 619 — 632, 713
—729.)
Es wirr sehr zu wünschen , das* Prorinzialgeschichten
ioi Styl# der vorliegenden über die verschiedenen Gebiet«*
theile verfasst würden, welche einst die culti arten Indianer-
■ticnioc innegehabt. Nur auf solche Weise wird es mög-
lich werden , das Gewirr« der moxicAnischeQ Geschichte zu
lösen, was bisher noch keiner» Schriftsteller — auch Herrn
Abb4 Brasseur de Bourbourg nicht — gelungen ist.
Uebersichtlichkeit und Klarheit mangeln noch allerorts
und trüben den Einblick. Eine löbliche Ausnahme macht
Payrio’s Arbeit, Wir lassen den Inhalt dessen, was bisher
erschienen ist, hier folgen :
Lage , Ausdehnung und Fruchtbarkeit von Michoacan.
Ureinwohner. Alte Sagen. Skuiracba der Jäger. Nieder-
lage der Chichimeken. — Tarigaraa, König von Tziutzont-
zan. Die Inseln de» See». Allianz der chichimekischeu
Anführer mit dem König der la»eln. — ■ Gründung von
PuUcuaro. Kriege zwischen den Tarasken und Chichime-
ken. Tariacuri beherrscht das ganze Gebiet von Michoa-
can, tbeilt es in drei Kelche nach seinem Tode. — Sitten
der Tarssken. Versuch einer michoacamschen Chronolo-
gie. — Religiös« Ueberlieferungen. Gesetzgebung. Cere-
monien hei Krankheit und Tod der Könige. — Krieg. Un-
glücklicher Feldzug Aiayacatl's gegen die Tarasken. In-
vasion und Triumphe Mo-rtezoma’s II. — Noch einige Worte
über die Sitten der Taraaken. Expeditionen der Spanier
in Michoacan. Regierung de» Christof ran OUd. Reich*
tbüreer de« lindes.
Penas-Golf, der, in der M&galhae*- Strasse. (Aus-
land 1869, Nr. 41.)
Enthält Angaben über die Patagonier und Feuerländer.
Petitol, P. Coup d f oeil sar U Nou veile Bretagne.
Etüde sur la nation moutagnuise. Tradition«
judaiques des Montaguais. (Ana den „Missions
catholiquea“ in „Annales des Voyagea“, Februar
1869, S. 204—231.)
Enthält Specielles über Charakter, Sprachen und Reli-
gion der nordamerikanischen Indianer.
Pim, B. and Dr. B. Seemann. Döttings on the
roadnide in the isthmas of Dänen in the years
1861 and 1865. (Journal of the Royal Geogr.
Soc. of London, VoL 36, 1868, S. 69 — 110.)
Den Nachrichten über die Bewohner wird ein Vocabular
der Cuna- Sprache beigegebeu. Das abenteuerliche Lehen
in jenen Ländern schildert der Capitän Bedford Pim von
der königlichen Kriegsmarine, während Dr. Seemann dm
botanischen und zoologischen Theil bearbeitet hat. Das
Buch ist mit guten Karten versehen uud überhaupt hübsch
ausgestattet.
Puritaner und Quäker in Massachusetts. (Glo-
bus Bd. XV, S. 305—307.)
Rappisteq. Die communistische Sccte der Rap*
pifiten in Economy. (Globus Bd. XVI, S. 182 —
184.)
Bi£gs and Williamson. Hymns in the Dakota
Langnage. Edited by Riggs and Williamson.
New York 1869, 18°.
Baco. L’esclavage ä Cuba et la revolution
d'Eepagne. Traduit par L. P. Adrien de Mont-
lue. Paris 1869, 8°. 23 S.
Somali e, Renö de. Relation d’un voyage dana la
Patagonie Beptentrionale dans les anneos 1862
et 1863 par D. Guillermo Cox. (Bull, de la Soc.
do geogr. de Paris 1869, Tome II, 8. 57 — 62.)
Vorliegender Aufsatz ist ein Referat über ein Werk von
dem bekannten Reisenden Cox, welches in den A minies de
la Unirersidad de Chile erschienen ist, wovon aber Herrn
Söuiallö nur der in dem August hefte 1803 dieser Publi-
cation enthaltene zweite Thnl zu Gesichte gekommen ist.
Wir entnehmen diesem Aufsätze Einiges Über di* patago-
niseben Völker-w haften ; Cox unterscheidet deren füuf:
1. Die Pehucncbcn; sie sprechen dos Arauranische,
t heilen sich in nördliche: Picun - Pehuenchen und in süd-
liche: Huilli - Pehuenchen; sie w ohnen von der Provinz
Mendoza bis zum Limay - Flusse ; ihr Name kommt von
pehuen = Ficht« und che = Volk, weil »te früher Cor-
diJIerenthäler bewohnten, wo Nadelholz wuchs. Unter ollen
Stämmen haben die Pehuenchen am meisten Neigung zu
einer bodensässigen Lebensweise. Itu Typus nähern sie
sich dem Arnuraner: Gesicht flach, Backenknochen vorste-
hend, Teint kupferartig, Anblick wild, Nase kurz, Mund
aufgeworfen, Bart keinen, Haar dicht.
! 1 . Die Pampa» oder Tehuelchen, zwischen Limoy
und Chupat; leben im Norden mit den Huilli - Pehuenchen
vermischt; ihre raube Sprache hat keine Aehnhchkeit mit
dem Chilenischen. Sie sind die grössten unter den Pata-
goniem, doch wurde ihr« Grösse stark übertrieben; sie ha-
ben kaum sechs englische Kuss. Wahre Nomaden, Jäger,
Dieb« und Strandräuber. Breitschulterig , stark, in den
Formen massiv, Kopf gro** und rückwärts etwas abgeplat-
tet, Gesicht breit und viereckig, Backenknochen wenig vor-
stehend, Augen horizontal, Stirn« klein, Augenbrauen dicht,
Lippen ungeheuer stark aufgeworfen , Nase platt und mit
sehr offenen Nasenlöchern. Ihre Zahl dürfte 6000 kaum
übersteigen.
3. Zwischen dem Chupatduu« und Cap Hoorn leben
zwei Tehuelchen -Stamme, die sich nur durch die Sprache
unterscheiden.
4. Die Huaicurus am Nordufer der Magalhaes-Strasse,
scheinen von den Tehuelchen und Fuegiern abzustammen ;
ihre Sprache scheint mit dem Idiom der ersteren verwandt.
3- Die Fuegier, die Coz nicht persönlich hat kennen
lernen.
Alle diese Völker haben krumme Beine; sie sind gehöree
Reiter; ihre Nahrung ist ausschliesslich Fleischnahrung.
Ehebruch ist selten, Fnichtabtreibung dagegen sehr häutig.
E» besteht ein Glauben an ein höheres Wesen und an ein
zukünftiges Leben , natürlich in grossem Aberglauben ein-
gehüllt, in welchem Zauberei eine grosse Rolle spielt.
Seward. Alaskian Resources and social conditions
of tlie Natives. From Mr. Seward's Speech at
Sitka. (The Alaska Herald. Sau Francisco 1869,
1. Octbr.)
Seymour, Rieh. Arth. Pioueering in the Pam-
pas; or tho First Four YearB of a Settler’s Ex-
periunce in the La Plata Camps. London 1869, 8°.
Besprochen im Londoner Athcnucum Nr. 2193 vom 20.
November 1869.
Shakers. Die Communistensecte der Shakers in
Nordamerika. (Globus Bd. XVI, S. 252 — 253.)
Simonin, L. Le Grand Ouest des Etats- II nie. Lch
pionniers et le« Peaux-Rougea, les colons du Pa-
cifique. Paris 1869, 18°. 368 8. mit 1 Kart*.
Squier, E. Geo. Serpent wonahip in America.
(Athenaeum, London, 25. December 1869.)
Diesem Briefe de» uns befreundeten Gelehrten ist zu
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196
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
entnehmen, das» auch Ln Peru das Bild der Schlange das
vorzüglichste Symbol für die Gottheit der Erde gew e»eB iat.
Steffens, Alfons« On sorae Stuue Implements
from the Island of Sau Juso. (Journal of tho Eth-
nological Soc. of London 1869, S. 67.)
Kurzer Behebt ober Ausgrabungen , die in einem Grab«
Yorgenommeii wurden und Stein Werkzeuge zu Tage förder-
ten. Ui« ganze Intel i»t mit Scherben von Tö(>ferge«chirr
bedeckt.
Streifzüge in Florida. (Globus Bd. XVI, S. 97 —
102, 113 — 119.)
Thompson, George. The war iu Paraguay, with
a historical sketch of the cuuntry and its people.
London, Longman, 1869, 8°. X £ 347 pag.
Unda, J. 8. Antigüedadcs en el distrito de Tux-
tepuc. (Bol. de la Soc. de geogr. y estadist. de
la republ. Mexic. 1869, Tomo I, S. 30.)
Notizen über da» ««genannte Cutillo de Muctezuma und
über die natürliche Festung von Soyaltepec.
Uruguay. Zur Charakteristik der Bewohner von
Uruguay. (Globus Bd. XVI, S. 221 — 223.)
Behandelt DcuUche, Dccente*, Gauchos und Geistlich«.
Uruguay. Tho Eastern Republic of Uruguay.
(Xautical Magazine, April 1869, S. 172 — 182,
Mai, S. 234—243.)
Abriss der Geographie, Geschichte und Statistik des
Landes.
Wachsthum und Bedeutung de« deutschen Ele-
ments iu Nordamerika. (Globus Bd. XVI, S. 286.)
Wagner, Moriz. Naturwissenschaftliche Reise im
tropischen Amerika. Stuttgart, Cotta, 1870, 8°.
632 S.
Whymper, Fr. Travel and adventure in the Ter-
ritory of Alaska, formerly Russian America, now
ceded to the United States, and in various parts
of the North Pacific. London 1868, 8°. 347 S.
mit 1 Karte. Deutsch von T. Sieger, Braunschweig
1869, 8®.
Auszüge aus diesem interessanten Buche brachten du
„Ausland“, dunu der Globus Bd. XVI, 8. 4^1 — 47, 54— SB,
75—77, 105 10Ü.
Wickham, G. EL Noten of a journey arnong the
Woolwa and Moskito Indians. (Proceed. of the
Royal Geogr. Soc., Vol. XIII, Nr. 1 , S. 58—63.)
Beschreibt die Indianer atu Blewiieldz-River.
Zukunft des deutschen Elementes in Amerika.
(Globus Bd. XVI, S. 318—319.)
Zunahme des irischen Elementes im Yankeelande.
(Globus Bd. XV, S. 221.)
Zustände unter den Mormonen am grossen Salz-
see. (Globus Bd. XVI, S. 9 — 11.)*)
♦) Anmerkung. Der Literaturberirht über Zoologie folgt in einem der nüchttrn Helte.
Krd.
I
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lu m
XI.
\ < ■ »•■‘’-i •-
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Von
Wilhelm Hie.
1
Es ist ein altes Problem der Anthropologie, welches ich in den nachfolgenden Blättern
zur Sprache bringe, und, indem ich dies thue, kann ich nicht eine neue Losung, selbst
nicht eine neue Fragestellung verhornen. Einer Lösung sind wir im Grunde kaum viel
näher gerückt, als die Philosophen des griechischen Alterthums, und es ist die Fragestellung
durch Jahrtausende wesentlich dieselbe geblieben, wenn sie auch in den Detailpunkten
heute einer weit schärferen PräcLsion fähig erscheinen mag, als früher. — Welchen Antheil
nimmt der Mann, welchen das Weib an der Erzeugung eines neuen Individuums,
und wie sind beide im Stande, körperliche und geistige Eigenschaften auf ihre
Nachkommenschaft zu übertragen? So etwa mussten die Menschen fragen, sobald sie
über das Rätlisel der Zeugung nachzudenken begannen, und so fragt ja noch die heu-
tige Wissenschaft. — Solch ehrwürdigen Problemen gegenüber mag es vielleicht am Platze
erscheinen, völlig zu resigniren, bis einmal die Gunst der Zeiten mit neuen Angriffspunkten
auch neue Aussicht auf erfolgreiche Behandlung eröffnen wird. Indess ist für die Dauer die
Behauptung derartig zurückhaltender Stellung nicht möglich, denn, wo eine Frage mit so
vielen anderen in so inniger Weise verbunden ist, da wird sie sich immer und immer wieder
zeitweise in den Vordergrund drängen, und so entsteht fUr eine jede Epoche neuerdings die
Nothwendigkeit, sich mit der gestellten Aufgabe ins Klare zu setzen, und ihr gegenüber
Position zu nehmen. Von solchem Gesichtspunkt ausgehend, habe ich versucht, im Nach-
folgenden einen historischen Ueberblick der wichtigeren Zeugungstheorien zusammenzustellen.
Durch Zurückgehen auf Quellen und auf Motive, hoffe ich den Leser dafür entschädigen zu
können, dass er vielfach Bekanntes mitgetheilt erhält.
Von den Theorien, welche das Alterthum Uber die geschlechtliche Zeugung organischer
Wesen aufgestellt hat, sind zwei unserer besonderen Aufmerksamkeit würdig, weil sie in
. 26 *
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198
Wilhelm His,
der That zwei Hauptrichtungen repräsentiren, nach welchen die Losung des Räthsels gesucht
werden kann. Beide haben sich denn auch ihrem wesentlichen Inhalte nach bis in die ge-
genwärtige Zeit erhalten, oder sie sind, richtiger gesagt, mit zeitgemässen Modificationen
versehen, zu wiederholten Malen jeweilen wieder neu aufgeatellt worden. Die eine der beiden
Theorien scheint zur Zeit des Hippokrates allgemeine Verbreitung besessen zu haben, die
andere hat ihren Urheber in Aristoteles.
Nach der ersten Theorie, die ich knrz als hippokratische bezeichnen will, bildet das
Weih ebensowohl Samen als der Mann. Der Keim entsteht beim Zusammentreffen männ-
lichen Samens mit weiblichem, und die Aehnlichkeit des erzeugten Geschöpfes mit den
Erzeugern rührt davon her, dass der Same, von allen Theilen des Körpers geliefert, eine
Art von repräsentativem Extract des letztem darstellt. In der Schrift „Uber Luft, Lage und
Wasser" 1 spricht Hippokrates zwar nur kurz, aber doch sehr bestimmt diese Ueberzeugung
aus. Nachdem er die künstliche Bildung sehr langgezogener Schädel bei den Anwohnern
des Azow sehen Meeres geschildert, behauptet er, es sei die Langköpfigkeit schliesslich erb-
lich geworden, und er begründet dies mit folgenden Worten: „der Same nämlich strömt von
allen Theilen des Körpers her, und ist gesund oder ungesund, je nachdem die Tlieile ge-
sund oder ungesund sind. Wenn nun von Kahlköpfigen, von Blauäugigen und Schielenden
ebenfalls Kahlköpfige, Blauäugige und Schielende herkommen, und dasselbe auch von der
übrigen Körperbildung gilt, warum sollte von einem Langkopf nicht auch ein Langkopf
entstehen f“
Der Gedanke von dem Ursprünge des Samens aus dem ganzen Körper wird in dem un-
ächten hippokratischen Buche „de Gen i turn“ (I7?pt Fö i>r)g) systematisch ausgeführt. Die Haupt-
stelle daselbst lautet in der Uebersetzung also: „Der Same des Mannes kommt von einer
Ausscheidung des kräftigsten Theiles der gesammten Körperflüssigkeit. Der Beweis für die
Ausscheidung des Kräftigsten liegt darin, dass wir durch die Geschleehtsthätigkeit geschwächt
werden, trotz der sehr geringen Menge des ausgegebenen Stoffes. Die Sache verhält sich
aber so: es treten Gelasse und Nerven vom ganzen Körper her in die Pudenda, und wenn
sie hier etwas gerieben werden, sich erwärmen und anfüllen, entsteht eine Art von Kitzel, und
in Folge dessen Wollust- und Wärmegefühl im gesammten Körper. Wenn aber die Pudenda
gerieben werden, und der Mensch sich bewegt, erwärmt sich die Flüssigkeit im Körper, breitet
sich aus, wird von der Bewegung geschüttelt und schäumt, wie auch alle übrigen Flüssig-
keiten schäumen, wenn sie heftiger geschüttelt werden. So aber scheidet sich beim Menschen
der kräftigste und fetteste Theil von der schäumenden Flüssigkeit ab und tritt zum Mark;
zu diesem nämlich führen Bahnen aus dem gesammten Körper und breiten sich aus, vom
Gehirn in die Lenden, in den ganzen Körper und ins Mark. Ebenso gehen Bahnen aus
dem Mark hervor, so dass Flüssigkeit in dasselbe eintreten und aus ihm austreten kann.
Wenn aber der Samen ins Mark gelangt ist, so tritt er von da in die Nieren, denn dahin
steht ihm der Weg durch die Gefasse offen, und wenn die Nieren verschwürt sind, wird
zuweilen auch Blut mitgenommen. Von den Nieren aus tritt er mitten durch die Hoden
in die Pudenda. Hierher gelangt er aber nicht auf demselben Wege wie der Urin, sondern
er besitzt eine eigene Bahn, die der des letztem benachbart ist“
Wenn wir ahsehen von den etwas verwickelten Bahnen, die dem Samen zugewiesen
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
199
werden, so lässt sich dieser Darstellung eine grosse Einfachheit und Consequenz nicht ab-
sprechen. Auf einem, allerdings etwas grob mechanisclien Wege macht sie den Versuch, alle,
den Zeugungsact begleitenden Vorgänge unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zu bringen,
und zu erklären. Hinsichtlich der Aehnlichkeit muss nun aber die Erklärung noch ein Meh-
reren leisten, da das Problem ein verwickeltes ist. Es kann ja die Frucht dem Vater sowohl
als der Mutter gleichen, und während sie das Geschlecht nur von dem einen der beiden
Erzeuger zu haben vermag, so kann die sonstige Aehnlichkeit verschränkt auftreten, es kann
der Sohn der Mutter, die Tochter dem Vater vorzugsweise ähnlich sein. Diese Schwierig-
keit wird von den Urhebern der Theorie wohl eingesehen und kllhn zu lösen versucht. Zu
dem Zwecke wird bei jedem Geschlecht ein doppelter Samen, ein stärkerer und ein schwä-
cherer, angenommen. In den ächt hippokratischen Schriften finden sich nur kurze Andeu-
tungen darüber, so in dem Aphorismus V. 48: „foetus masculi quidem dextris, foeminae vero
in sinistris magis“ '). Weit ausführlicher sprechen sich darüber ans das Buch de Genitura
und dasjenige über die Diät. Ersteres Buch sagt :
„Bald ist der Samen, welcher vom Weibe geliefert wird, kräftiger, bald schwächer. Das-
selbe gilt auch von demjenigen des Mannes. Und es enthält der Mann sowohl weiblichen
als männlichen Samen, und ebenso das Weib. Der Mann aber ist kräftiger als das Weib, so
muss er nothwendig aus dem kräftigeren Samen gezeugt werden. Die Sache aber verhält
sich so: Wenn von Beiden kräftigerer Samen ausgeht, wird die Frucht eine männliche, wenn
aber schwächerer, so wird sie eine weibliche. Wenn viel mehr schwacher Samen da ist,
als kräftiger, wird letzterer überwältigt, und, indem er dem schwachen sich beimengt, liefert
er ein Weib. Wenn aber der kräftigere reichlicher vorhanden ist, als der schwache, wird
dieser besiegt, und geht in einen männlichen Körper über. Es ist wie wenn Jemand Wachs
und Fett mengt, und vom Fette mehr zuftigend, die Substanzen nm Feuer flüssig macht. So
lange sie flüssig sind, ist nicht zu ersehen, welche von beiden Substanzen Uberwiegt» Wenn
sie aber gerinnen, so wird es sofort ersichtlich, dass das Fett dem Wachs an Menge voran-
steht- So verhält es sich auch mit männlichem und weiblichem Samen. Dass aber beim
Weibe wie beim Manne sowohl weiblicher als männlicher Samen vorkommt, das ergiebt sich
ans offenkundigen Thatsachen. Denn viele Weiber haben ihren eigenen Männern Mädchen
zur Welt gebracht; nach dem Umgänge mit Anderen «Vier erhielten sie Knaben, und ebenso
erzeugten jene selben Männer, von welchen die Weiher Mädchen empfangen hatten, männ-
liche Nachkommenschaft, wenn sie zu anderen Weibern übergingen, und diejenigen, welche
von ihren Weibern Knaben erhielten, erzeugten mit anderen Weibern weibliche Nachkommen-
schaft. Hieraus geht aber klar hervor, dass der Mann sowohl, als das Weib männlichen
nicht minder, als weiblichen Samen enthalten; denn diejenigen, welche weibliche Nachkom-
menschaft erhielten, bei denen wurde der kräftige Samen von der Menge des schwächeren
überwältigt, und sie erzeugten Mädchen. Die aber Knaben zeugten, bei denen wurde der
schwächere Samen überwältigt und es entstanden männliche Nachkommen.
>) Hiermit stimmt auch V. 38: Mulieri uterom geatanti, *i altera mamrna gracili“ fiat, gemelloa geatana
älterem abortit Et ai quidem dextra gracilis fiat maaeuliim, ai vero ainiatra foemellam; aowie der Satz im
VI. linch der Volkskrankheiten, daaa die Männer, deren rechte Hode herror«tebt, Knaben erzeugen.
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200
Wilhelm His
Von demselben Manne gebt aber nicht immer kräftiger Samen, noch auch immer
schwacher aus, sondern dies wechselt mit der Zeit. Dasselbe gilt vom Weibe, so dass man
sich nicht wundern darf, dass dieselben Weiber mit denselben Männern bald männliche, bald
weibliche Kinder erhalten. In derselben Weise verhält es sich auch hinsichtlich des männ-
lichen und des weiblichen Samens bei Thieren. Und was den Samen des Mannes sowohl, als
den des Weibes betrifft, so stammt er vom ganzen Körper, und da er von den schwachen
Theilen schwach, von den kräftigen Theilen kräftig geliefert wird, so muss sich dieselbe
Vertheilung in der Frucht wiederfinden. Und der Körpertheil, aus welchem beim Manne
mehr in den Samen überging, als beim Weibe, der wird mehr dem väterlichen ähnlich wer-
den. Zu welchem aber mehr vom Weibe kam, der wird mehr dem mütterlichen gleichen.
Es ist aber nicht möglich, dass die Frucht in allen Theilen der Mutter gleiche, dem Vater
aber in gar Nichts, noch kann sie auch umgekehrt jener völlig unähnlich sein, sie muss viel-
mehr noth wendig beiden Erzeugern in gewissen Theilen gleichen, da der Samen, aus dem
die Frucht entsteht, von beiden Körpern stammt. Die Frucht wird aber von beiden Erzeugern
demjenigen ähnlicher sein, welcher mehr, und aus einer grösseren Anzahl von Körpertheilen
zur Aehnlichkeit beigetragen hat Zuweilen aber geschieht es, dass die Tochter zum grossem
Theile dem Vater mehr als der Mutter gleicht, uud der Sohn zuweilen mehr der Mutter als
dem Vater. Alles hier Vorgebrachte beweist aber, das« beim Weibe sowohl als beim Manne
männlicher nicht minder als weiblicher Samen vorhanden ist.“ — Laut dem Verfasser der
Schrift können übrigens auch kräftige Eltern schwache Kinder haben, wenn die Beschaffen-
heit des Uterus Verhältnisse darbietet, welche für die Ernährung der Frucht ungünstig sind.
j Nach einer andern Seite wird der oben ausgeführte Gedanke von zwei Arten von Samen
in dem Buch über die Diät ausgeführt. Dieses Buch, welches gleichfalls den unechten hippo-
kratischen Schriften beigezählt wird, basirt auf der Lehre des Heraklit, wonach alle Wesen
aus Feuer und aus Wasser hervorgehen 1 ). Die Darstellung ist hier viel schematischer gehalten,
als im Buche de Genitura, und während in diesem das Bestreben unverkennbar ist, eine
Theorie zu schaffen, welche die bekannten Tliatsachen verknüpft, müssen in jenem vielmehr
die Thatsachen der Theorie sich anpassen. „Die Weiber, so heisst os im ersten Buche von
der Diät, entwickeln sich mehr aus dem Wasser und aus kalter, feuchter uud weicher Nali-
rungs-, sowie Getränk- und Lebensweise, die Männer aber mehr aus dem Feuer, d. h. aus
trockener und beisser Nahrungs- und Lebensweise. Wer daher ein Mädchen erzeugen will,
der soll eine wässerige Kost gebrauchen, wer aber einen Knaben bekommen will, der hat
eine feurige Lebensweise zu befolgen. Und zwar gilt dies nioht allein vom Manne, sondern
auch vom Weibe, denn nicht das allein trägt zum Wachsthum bei, was vom Manne ausge-
schieden wird, sondern auch was vom Weibe stammt, aus eben jenem Grunde.“
Weiterhin heisst es: „Wenn es geschieht, dass von beiden Theilen männliche Körper
abgeschieden werden, so wachsen sie sofort, und es entstehen Männer von mächtigem Geiste
und kräftigem Körper, wofern sie nicht durch die spätere Ernährungsweise beeinträchtigt
werden. Wenn aber vom Manne männlicher Samen ausgeht, vom Weibe weiblicher, und der
männliche Uberwiegt, so wird die schwächere Seele der stärkeren beigemengt, da sie unter dem
M Ipiii? omnia semper movere poteat, aqua omaia eeiuper notrire.
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201
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Vorhandenen nichts Verwandteres vorfindet So nimmt die kleinere die grössere, und die
grössere die kleinere in sich auf, und gemeinschaftlich üben sie die Herrschaft aus über das
Vorhandene. Und es wächst der Körper des Mannes, der weibliche wird verringert und zu
anderen Geschicken ausgeschieden. Und die also Entstandenen sind zwar minder ausge-
zeichnet als Jene, aber weil die männliche Ausscheidung das Uebergewicht erhielt so werden
doch Männer erzeugt, die den Namen mit Recht verdienen. Wenn nun aber vom Weibe
männliche Ausscheidung und vom Manno weibliche stammt und die männliche das Ueber-
gewicht erhält wächst sie in derselben Weise wie oben, und die weibliche wird vermindert.
Die Erzeugten aber sind Androgyni, d. h. weibliche Männer, welche mit Recht diesen Namen
verdienen. Und die Männer, nach diesen drei Weisen erzeugt unterscheiden sich von ein-
ander durch das Mehr oder Weniger des Mannseins, wegen der Temperinmg der wässerigen
Theile, wegen der Nahrung, der Erziehung und der Gewöhnung.
Das Weib aber wird in gleicher Weise erzeugt Wenn von beiden Theilen Weibliches
ausgeschieden wird, entstehen Weiber von durchaus weiblichem Geist, und zu allem Weiblichen
geschickt Wenn vom Weibe weiblicher, vom Manne männlicher Samen stammt, und der
weibliche Uberwiegt, so entwickelt sich dieser letztere, die Weiber werden kühner als
jene, gleichwohl aber schön und wohlgesittet. Wo aber vom Manne weiblicher Samen aus-
geschieden wird, vom Weibe männlicher, und der weibliche bleibt Meister, so entwickelt er
sich desgleichen, und die entstehenden Weiber werden noch weit kecker als jene, und heissen
alsdann Viragines.“ „So aber Jemand bezweifelt, dass eine Seele mit der andern sich mischen
könne, der entbehrt des Verstandes,“ fügt der Verfasser bei, und vergleicht das Verhältniss
der beiden Seelen demjenigen zweier ungleich stark glühender Kohlen, die auch zu dem-
selben Feuer sich untrennbar vereinigen, wenn das Feuer Nahrungsstoff erhält Die Möglich-
keit aber der Zwillingsbildung wird aus der zweilächerigen Natur des Uterus abgeleitet
Wenn der Verfasser des Buches von der Diät mit dem des Buches de Genitura in der
Annahme zweier Samen Ubereinstimmt, so weichen, wie man sieht, beide doch darin weit
von einander ab, dass der Letztere der entstehenden Seele den Hauptantheil an der Körper-
bildung zuschreibt, während Jener eine weit materiellere Form der Erklärung gewählt hat.
Was nun Hippokrates selbst betrifft, so hat derselbe die Annahme von dem Ursprünge
des Samens aus dem ganzen Körper, wie wir oben sahen, ausdrücklich adoptirt, gleichwohl
liegt kein Grund vor, ihn als deren eigentlichen Begründer zu betrachten. Unter anderm
scheint aus der Art, wie Aristoteles dagegen auftritt, hervorzugehen, dass die besagte Hv-
pothese in jener Zeit eine weitere Verbreitung besass '). Auch wird von einem sehr nahen
Zeitgenossen des Hippokrates, nämlich von Demokrit, berichtet, dass er den Samen aus
dem ganzen Körper hergeleitet habe*). Jedenfalls scheint die Annahme eines besondem
') Hierüber vergl. man Coate: Histoire generale et particuliere de la Generation I. pag. 345. Coete
glaubt, Aristoteles habe den Hippokrates nur aus Achtung nicht persönlich genannt, während Aubert
in der Einleitung zu der mit Wimmer herausgegebeneu Geschichte der Zeugung von Aristoteles pag. 7
die oben vertretene Ansicht ansepricht. •
*) Plutarch de placitis philosophorum. V. 3. ed. Budaeus. Basil. 1531. pag. 152. Pythagoras genituram
esse, inquit, probissimi sanguinis spumam, alimenti retrimentum. ut sanguinem quoque et medullara. Alcmaeon
cerebri partein. Plato vertebralis medullae defluvinm. Epicurua convnlsum quiddam a corpore et anima.
Democritus: ex totis prodit genitura corporibus, praecipuisque eorum partihus. veluti caroosi* fibris et ossibus.
arctilT tur Aaltiropelogtp. BA. IV Hifi in. oß
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202 Wilhelm Ilis,
weiblichen Samens weit älter als Hippakrates, denn sie wird von Plutarch schon dem
Pythagoras zugeschrieben. Die Bedeutung der rechten und der linken Seite für das Ge-
schlecht der Frucht sollen nach demselben Gewährsmann Parmentdes und Anaxagoras
behauptet haben 1 ). Der Gedanke scheint ein sehr naheliegender zu sein, und er lebt be-
kanntlich noch weit verbreitet in unserm heutigen Volksglauben fort. — Ganz allgemein
war übrigens die Annahme von einem weiblichen Samen in der vorhippokratischen Zeit
nicht So fuhrt Aristoteles den Anaxagoras als Vertreter einer Ansicht an, wonach der
Mann allein den Samen und das Weib blos den Ort der Entwickelung gewährt. Noch früher
findet diese Ansicht Ausdruck in einer Stelle der Euineniden des Aeschylus, auf die ich
von befreundeter Seite bin aufmerksam gemacht worden. Es spricht Apollo bei Vertheidi-
gung des Muttermörders Orestes (Vers 611 u. 11*.):
,Es ist die Mutter dessen, den ihr Kind sie nennt,
Nicht Zeugerin, nur Pflegerin eingesaeten Keimes;
Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt das Pfand
Dem Freund die Freundinn, wenn ein Gott es nicht verletzt.
Mit sichrem Zeugnis« will ich das bestätigen:
Deun Vater kann inan ohne Mutter sein; beweis
Ist dort die eigne Tochter des Olympier« Zeus,
Die nimmer eines Mu1ter*choos*es Dunkel barg.
Und edler Kind gebar doch keine Göttin je.**
(UeberB. von Droysen, S. 147, 8. Aufl.)
Wenn wir der oben besprochenen hippokratischen Zeugungstheorie, besonders der im
Buche de Gonitura ausgeführten, das Verdienst lassen müssen, dass sie consetjueut, klar und
nach verschiedenen Seiten hin ihren Gegenstand erfasst, so leuchtet doch sofort ein, dass sie
nur dem Menschen und allenfalls noch den Säugethioren angepasst ist, auf die übrige Thier-
welt aber, und vor allem auf die Pflanzenwelt nicht mehr anwendbar erscheint. Mit seinem
universellen Geiste hat denn auch Aristoteles dies sofort erkannt, und neben den übrigen
schwachen Seiten der Theorie gerade diesen Mangel an Allgemeinheit in überlegener Weise
angegriffen. Ich theilo den Hauptabschnitt seiner Kritik in extenso mit*):
*) Plutarch, de plnc. pbtl. V. 7, und Aristoteles, von der Zeugung, buch IV, I. c. 2bJ : „Einige, wie
AnaxagoraB und andere Naturforscher, meinen, dass dieser Gegensatz gleich Anfangs in dem Samen liege.
Von dein Männchen nämlich komme der Same, das Weibchen aber gewähre den Ort, und das Männchen
komme aus der rechten Seite, dos Weibchen au* der linken, und ebenso seien im Uterus die Männchen auf
der rechten, die Weibchen auf der linken Seite.“ Von letzterer Hehauptung hat bereit* Aristoteles die that-
sächliche Unrichtigkeit erwiesen. Andere wan n übrigens noch weiter gegangen, und hatten angegeben, durch
einseitiges Unterbinden, oder bei Thieren durch Abschneidern eines Testikels habe man es in der Gewalt, das
Geschlecht der Nachkommen willkürlich zu bestimmen. Sehr treffend bemerkt dazu Aristoteles: „Aber
dies« bchauptung ist unwahr, vielmehr hat man nach Wahrseheinlichkeitsgründen vorausgesetzt, was geschehen
müsse, und vorausgeurthcilt. das» es so sei, ehe man die Thatsache beobachtet hatte (und ohne zu wissen,
dass diese Organe bei der Zeugung gar nichts zur Uervorbringung weiblicher und männlicher Jungen bei-
tragen)** 1. c. it-ü. Allerdings verwirft im Hinblick auf die Elementartheorie selbst Aristoteles die Bedeu-
tung der Körperseite fur dos Geschlecht nicht vulfctändig, worüber man das Original nachsehcu mag. Man
vergleiche ferner das VII. buch der Geschichte der Thicre, odit. Aubert und Wimmer, Bd. II, 847, wo der
Verfasser (nach Aubert uml Wimmer nicht Aristoteles selbst, solidem ein aus ihm schöpfender Schrift-
steller) das Zusammen! reffen des Aufenthalts in der rechten Uterusseite rnit männlichem Geschlecht u. s. w.
für inconstant erklärt.
2 ) Nach der Uebersetzung von Aubert und Wimmer Seite 71.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. *2U3
„Da nun Manche behaupten, dass der Samen vom ganzen Körper kommt, so müssen wir
zunächst untersuchen, wie es sich damit verhält Es sind ungefähr vier Gründe, welche man
dafür anführen kann. Erstens die Stärke des Lustgefühls, denn die Lust ist grösser, wenn
dieselbe Empfindung vielfältiger ist; sie ist aber vielfältiger, wenn sie allen Theilen, als
wenn sie nur einem, oder wenigen zukommt. — Zweitens: dass aus Verstümmelten wieder
Verstümmelte entstehen, denn weil ein Theil fehlt, so könne, sagt man, von diesem kein
Samen kommen, und der Theil, von dem kein Samen komme, könne demnach auch nicht
entstehen. — Dazu kommt drittens die Aebnlichkeit mit den Erzeugern, denn die Kinder
werden ihren Eltern ähnlich geboren, sowohl im ganzen Körper, als auch in den einzelnen
Theilen. Wenn nun davon, dass der ganze Körper ähnlich ist, der Grund darin liegt, dass
der Same von dem Ganzen kommt, so wird auch für die Aehnlichkeit der Tlieile der Grund
darin liegen, dass von jedem Theile etwas herkommt Endlich scheint es auch folgerichtig
zu sein, dass wenn es ein Erstes giebt, aus welchem das Ganze wird, es ebenso Etwas gelte,
aus welchem jeder Theil wird, daher, wenn es einen Samen giebt für jenes Ganze, auch jeder
einzelne Theil seinen besondern Samen haben wird. Diese Meinung stützt sieb auf folgende
Erfahrungen: Die Kinder werden ihren Erzeugern ähnlich, nicht allein in angeborenen, son-
dern auch in später erworbenen Merkmalen. Denn der Fall ist vorgekommen, dass wenn
die Eltern Karben batten, ihre Kinder au derselben Stelle das Zeichen der Karbe hatten,
und in Chalcedon zeigte sich bei dem Kinde eines Vaters, welcher auf dem Arme ein Brand-
zeichen hatte, derselbe Buchstabe, nur verwischt und nicht scharf ausgeprägt. Dies sind
ungefähr die Gründe, weshalb Manche überzeugt sind, dass der Samen vom ganzen Körper
kommt.
Wenn man aber diese Ansicht naher prüft, so ergiebt sich vielmehr das Gegentheil, denn
es ist nicht schwer, die Behauptung zu widerlegen, und ausserdem stösst jene Ansicht noch
auf andere Widersprüche. Erstens ist die Aehnlichkeit keiu Beweis dafür, dass der Samen
vom ganzen Körper herkommt, da die Abkömmlinge auch in der Stimme, den Nägeln, Haaren
und in der Bewegung ähnlich sind, von welchem allen doch Kicbts herkommt. Manches
haben auch die Eltern noch nicht zu der Zeit, wo sie erzeugen, z. B. die grauen Haare oder
den Bart. Ferner gleicht man den Grosseltern, von welchen Nichts hergekommen ist. Denn
die Aehnlichkeiten pflanzen sich durch mehrere Geschlechter fort, wie dies in Elis bei einem
Mädchen der Fall war, welche mit einem Mohren Umgang hatte, indem nicht ihre Tochter,
sondern der Sohn der letzteren von schwarzer Farbe war. Dasselbe Verhältuiss zeigt sieh
auch )>ei den Pflanzen, bei denen ja offenbar der Samen auch von allen Theilen herkommen
würde. Viele Pflanzen haben aber manche Theile gar nicht, manche kann man hinweg-
nehmen und manche wachsen nach. Ferner kann auch der Samen nicht von den Fruchtbülleu
herkommen, und doch zeigen auch diese dieselbe Gestalt. Ferner muss man fragen, kommt
der Samen nur von einem jeden der Gewebe (gleichartigen Theile), als da sind Fleisch,
Knochen, Sehnen, oder kommt er auch von den Körpertheilen (ungleichartigen Theilen), z. B.
dem Gesicht und der Hand? Denn nimmt man an, dass er nur von jenen kommt, so gleichen
die Abkömmlinge doch gerade mehr in letzteren den Eltern, im Gesicht, an den Händen und
Füssen. Rührt also die Aehnlichkeit in diesen Theilen nicht davon her, dass der Samen von
allen Bestandtheilen kommt, so ist nichts entgegen, dass auch die Aehnlichkeit in jenen
26 *
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2U4
Wilhelm His,
Theilen nicht davon bcrrührt, dass der Samen vom ganzen Körper herkommt, sondern von
einer andern Ursache. Nimmt man aber an, dass er nur von den Körpcrtheilen herkommt,
so giebt man zu, dass er nicht von allen Bestandtheilen herkommt Richtiger wäre, dass er
von jenen herkommt, denn jene sind früher vorhanden und die Körpertheile sind aus den
Geweben 1 ) zusammengesetzt, und die Aehnlichkeit im Gesicht und in den Händen ist nicht
ohne die im Fleisch und in den Nägeln. Nimmt man aber drittens an, der Samen komme
von beiden Ordnungen von Bestandtheilen, wie sollte dann die Erzeugung stattfinden? Denn
die Körpertheile sind aus den Geweben zusammengesetzt; käme also der Samen von diesen,
so hiesse dies so viel, als dass er von jenen, und von ihrer Zusammensetzung herkommt.
Man vergleiche den Körper mit einem Namen, kommt etwas von dem ganzen Namen, so
kommt es von jeder Silbe, und kommt es von diesen, so kommt es auch von den Buchstaben,
als den Elementen der Silben, und von deren Zusammensetzung. Wenn also Fleisch und
Knochen aus Feuer und dergleichen bestehen , so wiirde man bis auf die Elemente zurüek-
gehon müssen, denn wie wäre es möglich, dass der Samen aus der Zusammensetzung herkäme?
und doch könnte ohne diese keine Aehnlichkeit stattfinden. Wenn aber irgend ein Spä-
teres die Zusammensetzung bewerkstelligt, so wird dieses die Ursache der
Aehnlichkeit sein, nicht aber, dass der Samen vom ganzen Körper herkommt.
Ferner, wenn sich die Organe im Samen von einander getrennt finden, auf welche Welse
können sie leben? wenn sie aber Zusammenhängen, so hätten wir schon ein kleines Thier.“
Nachdem non Aristoteles die Ansicht des Empedokles bekämpft, wonach ein jedes
der beiden Eltern nur einen Theil der Körperbestandtheile liefere, wendet er sich zur Wür-
digung von Wachsthum und Ernährung, auch hier mit vortrefflichen Argumenten kämpfend,
so fragt er z. B.: „Alsdann auf welche Weise sollen diese Theile, welche vom ganzen Körper
hergekommen sind, wachsen? Anaxagoras sagt ganz richtig, dass Fleisch aus der Nahrung
zum Fleisch hinzutrete; wie wollen nun diejenigen, welche dies nicht annehmen, aber be-
haupten, dass der Samen vom ganzen Körper komme, die Vergröaserung durch Hinzutreten
eines Verschiedenen erklären, wenn das Hinzugekommene unverändert bleibt? Wenn aber
das Hinzutretende sich zu verändern vermag, warum kann nicht von Haus aus der Samen so
beschaffen sein, dass aus ihm Blut und Fleisch werden kann, ohne dass er selbst Fleisch und
Blut zu sein braucht? Denn auch so lässt sich das Wachsthum nicht erklären, dass die Zu-
nahme weiterhin durch Mischung geschieht, wie beim Wein, wenn man Wasser hinzugiesst.
Denn nach solcher Ansicht wäre ursprünglich, da der Samen noch unvermischt war, jeder Theil
gerade am nieisteu und reinsten in ihm gewesen, nun aber gestaltet er sieh vielmehr später
erst zu Fleisch und Knochen und jedem der anderen Theile. Die Meinung aber, dass irgend
ein Theil des Samens Sehne sei oder Knochen, übersteigt unsere Begriffe.“
Weiter heisst es: „Ferner entstehen manche Thiere weder aus Thieren derselben, noch
aus solchen verschiedener Art, wie die Fliegen und die Arten der sogenannten Flöhe. Aus
diesen entstehen Thiere, die aber nicht mehr von ähnlicher Bildung sind, sondern eine Art
Würmer. Orten har können nun dergleichen Abkömmlinge, welche von anderer Gestaltung
sind, nicht dadurch entstehen, dass der Samen dazu von dem ganzen Körper herkommt“'
‘ t Wenn ich hier die Ausdrücke Gewebe und Körpertheile für gleichartige und ungleichartige Theile
subetituire, so ist dieB im Grunde nur eine Ceberseteung in unsere gegenwärtige Fachsprache.
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205
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Gehen wir nun zur eigenen Zeugungstheorie des Aristoteles Uber, so hisst sich diese
kurz dahin ausdrücken, dass das Männchen den Anstoss der Bewegung (dpjij tr/g xtvijatag)
giebt, das Weibchen aber den Stoff. Mit Hülfe verschiedener Bilder sucht Aristoteles die-
sen Gedanken anschaulich zu machen ; so vergleicht er einmal die Zeugung mit der Gerin-
nung der Milch durch das Lab, bei welcher die Milch den Stoff, das Lab aber das Princip der
Gerinnung abgebe, oder wiederum mit dem Guss einer WacliBkugel in einer Form, oder dem
Schaffen einer Bettstelle aus Holz durch den Zimmermann u. s. w 1 ). „Und es muss gleich
Anfangs der eine Theil des Stoffes beisammen sein, aus welchem der erste Keim gebildet
wird, der andere Theil aber fortwährend hinzukommen, damit die Frucht wachse.“ Als den
Stoffbeitrag, welchen das Weib an das Erzeugniss abgiebt, sieht Aristoteles die Katamenien
an, und fts ist bekannt, wie er bereits die Menstruation des menschlichen Weibes mit den
Blut- und Schleimabgängen parallelisirt hat, welche zur Zeit der Brunst bei Thieren beob-
achtet werden.
Besonders deutlich zeigt die nachfolgende Stelle, wie Aristoteles 2 ) den männlichen und
den weiblichen Antheil an der Zeugung auffasst : „Indem aber der Samen eine Ausscheidung
ist, und sich in der Bewegung befindet, kraft welcher das Wachsthum des Körpers durch die
Vertheilung der letzten Nahrung geschieht, so formt er, wenn er in den Uterus gelangt ist,
und setzt die im weiblichen Körper vorhandene Ausscheidung in die Bewegung, in der er
sich befindet; denn auch jene ist eine Ausscheidung, und enthält das Vermögen zur Bildung
aller Theile, nicht aber die Theile in Wirklichkeit. Sie enthält auch die Möglichkeit, solche
Theile zu bilden, durch welche das Weibchen vom Männchen sich unterscheidet, denn sowie
aus Verstümmelten bald Verstümmelte werden, bald nicht, ebenso werden aus Weibchen bald
Weibchen, bald nicht, sondern Männchen. Das Weibchen ist nämlich gleichsam ein ver-
stümmeltes Männchen und die Katamenien Samen, der aber nicht rein ist, denn es fehlt ihm
noch eines, das Princip der Seele. Daher enthält bei den Thieren, welche Windeier legen,
das sich bildende Ei die Theile beider, aber das Princip fehlt ihm, weshalb es nicht lebendig
und beseelt wird, denn dieses bringt der Samen des Männchens hinzu. Sobald aber die im
Weibchen vorhandene Ausscheidung dies Princip empfängt, wird sie zum Keime.“ Hinsicht-
lich der hier erwähnten Windeier ist hervorzuheben, dass ihre Erklärung Aristoteles und
seinen Nachfolgern deshalb viel zu thun gegeben hat, weil sie sich das Ei erst in Folge der
Befruchtung gebildet dachten. Eine ganz ähnliche Schwierigkeit ergab Bich bekanntlich
später für die Erklärung jungfräulicher Corpora lutea, und, wie die Erklärer hier darauf
verfallen sind, die Jungfrauen, bei denen Corpora lutea gefunden wurden, einer aufgeregten
Phantasie zu beschuldigen, so ist man auf den Gedanken gekommen, jungfräulichen Hühnern,
welche Windeier legen, erotische Gedanken vorzuwerfen. „Haud improbo etiam Plinii sen-
tentiam, qui mutua inter se libidinis imaginatione ova talia concipere dixit, Omnino etenim
verisimile est, materine seminalis rednndantiam ingentem pruritum, ac tintillationem in parti-
bus genitalibus excitaru, unde postmodum sese concepisse imaginentur, maxime si altera
foemella, nt quandoque fit, alteram ineat.“ (Aldrovandi Omitholog. lib. XIV.)
Im zweiten Buche seiner Zeugungsgeschichte sucht nun Aristoteles auch die meta-
*) 1. c. 109, 115. — *) Von der Zeugung, II. Buch in der Uebenetzung von A. n. W„ S. 153.
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Wilhelm His,
206
physische Begründung der geschlechtlichen Fortpflanzung zu gehen. Unter Verweisung auf
das Original hebe ich aus dieser Begründung blos die nachfolgenden Sätzo hervor: „Oie
Natur der Geschöpfe lässt die Ewigkeit nicht zu, sonach ist das Werdende soweit ewig als
es vermag. Der Zahl nach vermag es nicht ewig zu sein, aber der Art nach kann es ewig
sein-, deswegen giebt es sich wiederholende Geschlechter der Menschen und Thiere und
Pflanzen. Oa aber das Weibliche und das Männliche deren Ursprung sind, so kann das
Weibliche und das Männliche in den Wesen, die eins von beiden sind, nur uin der Zeugung
willen sein. Insofern aber die erste bewegende Ursache, in welcher der Begriff und die
Form liegt, ein Höheres und Göttlicheres ist, als der Stotf, so ist es auch besser, dass das
Höhere vom Niederen getrennt ist. Deswegen ist überall da, wo es angeht, und soweit es
angeht, das Männliche vom Weiblichen getrennt. Denn ein Höheres und Göttlicheres ist das
Princip der Bewegung, welches als Männliches dem werdenden Geschöpfe zu Grunde liegt,
indem das, was als Weibliches zu Grunde liegt, nur der Stoff ist. Um die Zeugung zu be-
werkstelligen, kommt das Männliche mit dem Weiblichen zusammen und mischt sich mit ihm,
denn sie ist ein Erzeuguiss beider ').“
Indem nun Aristoteles die successive Bildung der Organe ins Auge fasst, kommt er
zum Ergebnisse, dass die vom Samen ausgehende Bewegung fortwährend neuen Thoilen sich
überträgt. „Es ist aber der Fall, dass ein Erstes ein Zweites bewegt und ein Zweites ein
Drittes, wie bei den wunderbaren Automaten. Die ruhenden Theile der letzteren besitzen
nämlich eine gewisse Fähigkeit, und wenn eine äuasere Kraft den ersten Theil in Bewegung
setzt, so wird sofort der nächste in thatige Bewegung versetzt. So wie nun bei den Auto-
maten jene Kraft gewissermassen bewegt, ohne zur Zeit irgend einen Theil zu berühren,
nachdem sie jedoch früher einen berührt hat, auf ähnliche Weise wirkt auch das von dem
Samen Kommende, oder was den Samen bereitet hat, so dass es zwar einen Theil berührt
hat, nun aber nicht weiter berührt. . . . Der Samen aber ist ein solches Wesen, und hat ein
solches Bewegungsprincip, dass, wenn der Anstoss der Bewegung aufhört, ein jeder Theil, und
zwar als ein beseelter wird.“ Das bewegende Princip des Samens nennt Aristoteles seine
Seele, und er ertheilt ihm eine solche, wie er sie allen Theilen des Körpers zuertheilt „Denn
es giebt weder ein Angesicht noch Fleisch ohne Seele, sondern mau wird diese Theile, vvenu
sie abgestorben sind, nur uneigentlich mit dem Namen Angesicht und Fleisoh benennen,
wie dies mit den aus Holz bestehenden geschieht“ Dürften wir hier das Wort t'ojij mit
Leben anstatt mit Seele übersetzen, so würde die Aufstellung der Vi'zh des Samens sofort
zu einem Satze der heutigen Physiologie. — Als ftpejrnxt] tl'ejjij oder Ernährungsseele de-
finirt Aristoteles genauer das dem Samen innewohnende Princip. Anima vegetativa hat es
späterhin auch Harvey genannt
Ich unterlasse es, Aristoteles auf den Boden der Elementen- und Temperaturlehre zu
folgen. Diese ist ja für uns so absolut fremdartig, dass wir nicht mehr im Stande sind,
uns eine Vorstellung von dem zu machen, was die Alten mit den Ausdrücken warm und
kalt, feucht und trocken, luftig, schaumig u. s. w. verstanden haben. Wir können uns kaum
denken, weshalb z. B. das Gehirn kalt und feucht sein soll, oder warum die rechte Seite
>) I. c. 139.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
des Körpers wärmer als die Unke genannt wird. Es spielen bekanntlich diese Temperatur-
begriffe in der gesammten wissenschaftlichen Literatur, bis ins 17. Jahrhundert hinein, die
hervorragendste Rolle, und auch in den klarsten Gedankengängen begegnen wir ihnen von
Zeit zu Zeit plötzlich als einer uniibersteigbaren Schwelle.
Durch den grossen Vorsprung an thaUächlichen Kenntnissen und durch seine scharfe
geistige Penctrationskraft war Aristoteles dahin geführt worden, die ältere materielle
Auffassung der Zeugung zu verwerfen, und eine neue dynamische Auffassung an die Stelle
zu setzen. Allein den Anforderungen seiner Zeit gegenüber war es mit der blossen Auf-
stellung eines allgemeinen Princips nicht gethan. Es musste das letztere auch ins Einzelne
durobgeführt, und zur Erklärung der gegebenen Thatsachen verwendet werden. Dieser For-
derung hat sich Aristoteles vorzugsweise im vierten Buch seines Werkes über die Zeugung
unterzogen. Aus naheliegenden Gründen mussten seine Ableitungen etwas unbestimmt und
dunkel bleiben, und sie vermochten nicht die plastische Anschaulichkeit zu erreichen, welche
die alte Theorie gerade den Einzelfrogen gegenüber behauptet batte. Ausserdem aber ent-
hält auch die priueipielle Aufstellung des Aristoteles, wonach der Mann die formende
Bewegung, das Weib blos den Stoff giebt, eine auffallende Lücke, denn sie scbliesst den
erblich übertragbaren Formungsantheil der Mutter aus. Hier ist er dem offenbaren That-
bestand gegenüber zu besonderen Hiilfshypotheeen genöthigt, die netten der Anwendung
der Temperaturenlehre als die schwächsten Seiten seiner Darstellung erscheinen. Aristo-
teles’ Gedankengang bei Erklärung der Aehnlichkeiten ist am schärfsten in den folgenden
paar Sätzen ausgesprochen : „Bei der Zeugung wirkt sowohl die Art als auch das Indivi-
duum, alter letzteres in höherem Grade, denn dies ist das Substantielle (») oerfi«). Und das
Werdende wird zwar im Wesen von einer gewissen Beschaffenheit, aber von einer indivi-
duellen, und dies ist das Substantielle. Daher rühren die Bewegungsantriebe von den
Kräften her in den Samen aller dieser, und dem Vermögen nach auch die der Vorfahren,
alter in höherem Grade derjenigen, die dem Betreffenden in der Abstammung näher stehen.“
Aristoteles nimmt nun aber auch das Vorhandensein von Widerständen für die vom
Samen nusgehende Bewegung an. Die Kraft des Samens kann abgeschwächt, oder über-
wältigt werden, und hiernach kommt es nun zum Umschlag der Formen in diejenige früherer
Generationen, oder auch zu einem Umschlagen des Gescldechtes. „Individuen,“ so sagt er
an einer Stelle 1 ), „sind z. B. Koriskos und Sokrates. Weil aber alles, was aus seiner
Natur heraustritt, sich nicht in ein Zufälliges, sondern in ein Entgegengesetztes umwandelt,
so muss auch Dasjenige, was bei der Zeugung nicht bewältigt wird, ausarten, und zum Ent-
gegengesetzten werden, in der Richtung hin, in welcher das Erzeugende und Bewegende
nicht Meister geblieben ist. Hat es nun in seiner Eigenschaft als Männliches nicht liewältigt,
so entsteht ein Weibchen, ist es aber als Koriskos oder Sokrates nicht Meister geblieben,
so entsteht ein Kind, welches nicht dem Vater, sondern der Mutter gleicht Auf ähnliche
Weise verhält es sich mit den ferneren Möglichkeiten, cs findet nämlich immer ein Ueber-
gang und Fortschreiten zum nächsten Vorfahren statt, sowohl auf väterlicher, als auf mütter-
licher Seite. Die einen Bewegungsantriebe sind .der Wirklichkeit nach vorhanden, die anderen
•) I. c. psg. 301.
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208
Wilhelm His,
der Möglichkeit nach. Der Wirklichkeit nach die den Erzeugenden und der allgemeinen
Form, z. B. des Menschen und des Thieres, der Möglichkeit nach die des Weibchens und
der Vorfahren.“ Aeussere Bedingungen, Nahrung, Luft, Wasser können auf die Natur der
Frucht Einfluss haben. „Harte und kalte Wässer verursachen theils Unfruchtbarkeit, t hei Ls
die Erzeugung von Weibchen. Dieselben (äusseren) Ursachen sind es auch, derenthalben die
Kinder den Eltern bald ähnlich, bald unähnlich sind, und manchmal dem Vater, manchmal
der Mutter, sowohl im ganzen Körper als in den einzelnen Theilen gleichen, und derent-
willen sie mehr den Eltern ähnlich sind, als den Vorfahren, und wiederum mehr diesen, als
irgend welchen beliebigen, und wegen deren die Knaben dem Vater, die Mädchen aber der
Mutter gleichen, Manche aber Keinem unter den Verwandten, doch überhaupt noch einem
Menschen, Einige auch endlich der menschlichen Gestalt nicht mehr, sondern einer Miss-
gestalt. Auch der, nämlich, welcher seinen Eltern nicht mehr gleicht, ist ge-
wissermaassen schon eine Missgestalt; denn die Natur ist bei solchen schon
etwas aus der Art herausgetreten. Der Anfang dazu geschieht darin, dass ein Weib-
liches statt eines Männlichen gebildet wird, jedoch ist dies der Natur unentbehrlich, weil die
Art derjenigen Thiere. wo Männchen und Weibchen gesondert sind, erhalten werden muss.“
Ich verlasse Aristoteles und gehe zu Galen über. Galen hat die Zeugungslehre nicht
gerade mit Vorliebe behandelt. Es wird ihm durch seinen streng teleologischen Standpunkt
eine unbefangene Betrachtungsweise des Gegenstandes erschwert, und er tritt geradezu mit
einer gewissen Scheu an denselben heran. So betont er besonders im Schlusscapitol des
Buches de foetuum formatione die Schwierigkeit irgend welcher Erklärung der Körperbildung
zu finden, die zugleich von der Zweckmässigkeit des Körperbaues Rechenschaft gebe x ).
Etwas einlässlicher geht Galen in dem Buch de Semine in den Gegenstand ein *). Er
i) „Ego vero sicut fabricam noBtris corporis ostend i, summam opißeis et s&pientiam et polen tiam prae se
fern;, ita demonstrari mihi a philoaophi« veüra, utrum is opifex Deut aliquis sit et sapiens et potens, qui et
iutellexerit prius, quäle unitucujosque animalis corpus esset fabricandum, et deinde quod proposuerat potentia
fuerit assecutus; an anima a deo di versa. Neque enim naturae, quae appellatar, subst&ntiam, sive corpore*, sive
iucorporea ea sit, ad au mm um sapientiae dicent pervenisse, quam ne ulla quidem aapieutia esse prmeditam in*
quiunt, unde eam ita inartificiose in foetuum formatione se gewisse creden(\pm non est. Hoc enim ab Epicuro
aliisque, qui sine providentia omnia fieri opinantur. audieotes nnllam ßdem adhibemus.“
Und im weiteren Verlaufe: „Fatcor itaque de foetuum formatrice cauaa ambigere: nam cum summam in
Horum fabrica et aapientiam et poteutiam videam, non poatum exiatimare, eam quae in semine est animam
ab Aristotele vegetalem, concupiscibilem a Platoue, a Stoicia ne animam quidem prorsum, sed naturam ap*
pellatam foetum ipsutn formare: cum non modo sapiens non sit, sed omni prorsus ratione carere videatur.
Cum autem rursus aimilitudiuem , quam filii habent cum parentibus specto, ab hac opiuione non longe di*
versus ab eo, ac post partum in reliqua vita corpus nostrum a rationali anima djspensari vix credo, cum ante*
quam diasectioue exploremus, neque partes corporis, neque ipaarum formationes cognoscamus. Adde quoque,
cum quidam mihi ex Platonicis magistris diceret animam quae per totum mundum diffusa est, foetum formare,
artem quidem et poteutiam quae foetuum fabricae adhibita est diguam ea ous oxistimabam ; nunquam tarnen
adduci potui, ut crederem scorpiones, phalangia, muacaa, culices, viperas, vermea, lumbricos, pytilaa ab eadem
fingi. ac formari. prope ad impietatem accedere hanc opinionem ratu*^. neque praeterea materiae animam
tantam artem aaaecutam fuiaee, credibile videtur. Tantum igitur hoc habeo, quod de cauaa animalium forma-
trice asserere posae existimem, quod summa in ea ars, summaque snpientia inest, quodque postea quam for-
rnaturn corpus fuerit Universum, id in toto ritte curriculo tribua motuum principiia ex oerebro per nervös et
mosculos, ex corde per arterias, e jecore per venaa gubernetur; quae sint haec principia manifeste non aum
ausua conatituere“.
8 ) Auch im XIV. Buch „de l’su partium“ entwickelt Galen seine Generat Ions- Theorien.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 209
tritt hier allenthalben Aristoteles entgegen, allein trotz der weiter fortgeschrittenen ana-
tomischen Detailkemitnisse zeigt er sich nicht entfernt auf der Höhe seines grossen Vor-
gängers. Das Durchlesen seiner Abhandlung hinterlässt vielmehr, trotz mancher vortreff-
lichen Beobachtungen und Bemerkungen den peinlichen Eindruck, den wir empfinden, wenn
uns ein bedeutendes thataächliches Material in gekünstelter Verknüpfung vorgeführt wird.
Folgendes sind die Grundziigo dos Galen’schen Zeugungssystems: Der männliche
Samen wird von dem Uterus aufgenommen. Hier dehnt er sich aus, legt sich den Uterus-
wandungen an, und gerinnt nunmehr an seiner Aussenfläche. Die also entstehende Membran
ist das Chorion. Die Verbindung des gerinnenden Samens mit dem Uterus geschieht am
innigsten an den Gefäasöffnungen, und von da aus bezieht auch weiterhin der Samen fort-
während Blut und arteriellen Spiritus aus den mütterlichen Gefassen. Eine erste Gefahr
für die Conception liegt darin, dass die sich bildende Membran, wegen der zu grossen An-
ziehungskraft des Uterus, platzen kann, was geschieht, wenn der Samen zu wässerig und
schwach ist In diesem Falle fliesst der letztere wieder ab. — Der männliche Samen reicht
nun aber nicht aus zur Erfüllung der ganzen Uterushöhle. Während er von unten her ein-
dringt kommt ihm von den Tuben her der weibliche Samen entgegen, der die Uterushörner
auHkleidet. Dieser verbindet sich mit jenem durch membranöse Brücken, aus ihm entstehen
die Allantois, und ausserdem dient er zur Ernährung des männlichen Samens. Nunmehr
bildet sich innerhalb des Chorion die Anlage des Körpers, es entstehen nämlich zuerst das
Gehirn, das Herz und die Leber. Jenes als das Centrum des Nervensystems, das Herz als
der Mittelpunkt der Arterien, und die Leber als derjenige der Venen. Das Herz als das
heisseste aller Organe entsteht aus dem aufgenommenen arteriellen Spiritus, und wie eine
flackernde Flamme beginnt es zu schlagen 1 ). Die Leber entsteht aus dem dickeren Blute,
das Gehirn aber aus dem Samen. Aus dem letzteren entstehen weiterhin auch die Nerven
und die Gefässwandungen , indem der fest gewordene Samen von LUckon durchbrochen
wird, ferner entstehen aus ihm die Membranen und die Sehnen. Sein zäherer Theil
liefert sodann das, zur Aufnahme der Hautausschoidungen dienende Amnion, und seine
festesten Bestandteile endlich dienen zur Bildung der Knochen, Die Muskeln dagegen ent-
stehen unmittelbar aus Blut 1 ).
Hinsichtlich der Bildung des Samens verwirft Galen die alte Vorstellung von seinem
Ursprung aus dem ganzen Körper, er lässt denselben durch Kochung des Blutes entstehen.
Diese geschieht in der Vasa spermatica, in deren unteren windungsreichen Abschnitten man
bereits im Stande sein soll , den Uebergang des Blutes in Samen wahrzunehmen. In Be-
treff der Aehnlichkeitcn unterscheidet Galen drei Ordnungen: die generelle Aehnlichkeit
(roö ti'Seos), die persönliche (trjj pöptjozjsl und die Geschlechtsübcreinstimmung. Es stammt
die generelle Aehnlichkeit aus der Substanz, aus welcher das Geschöpf zuerst bereitet
*) Arteriae ad »Herum calidius viscu“ permeant, quod ob eximiam caliditatem quasi Mamma quaedam
assidue moveri non desinit, aed mutua reciprocatione »empor distonditur et contrahitur.
a ) Wie die Temperaturlehre des Galen, so spielt bekanntlich auch seine Lehre von den Partes spermaticae
ond partes sanguineae in der Literatur der nachfolgenden Epochen eine hervorragende Itolle. und ihre Dis-
cussion bildet bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein das Hauptobject der Gewebelehre. — Man vergleiche
z, 11. die von Coiter herausgegebeneu Fallopischeu Vorlesungen de partibus similaribus.
Awliif tnr Aattaropologi«. tat IV. Itsft 121. 27
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210 Wilhelm His,
wurde 1 ), die persönliche Aehnlichkeit aber hängt ab von der Gestaltungskraft des Samens.
Nun verhalten sich darin väterlicher und mütterlicher Antheil nicht übereinstimmend. Der
väterliche Samen ist von geringer Menge aber von beträchtlicherer Kraft, der weibliche von
grösserer Menge aber geringerer Kraft, daher die Mutter auch für die Art, der Vater aber
für die Aehnlichkeit der Form bestimmend wirkt. Indess kann die Aehnlichkeit auch un-
gleich nach den Eltern vertheilt Bein, so dass für gewisse Theile der Vater, für andere die
Mutter maassgebend wird. Dies ist aus einer ungleichmässigen Mischung der beiden Samen-
flüssigkeiten zu erklären. Am interessantesten ist die Erklärung, welche Galen für die
Bildung des Geschlechts giebt. Er geht hier von der anatomischen Wahrnehmung aus, das»
beim Weibe dieselben Sexualorgane vorhanden sind, wie beim Manne, nur liegen sie im
Innern des Körpere statt an dessen Aussenseite, und sie sind theilweise schwächer ent-
wickelt. ’). Nun werden im Allgemeinen Theile, die später aussen liogen, ursprünglich als
innerliche angelegt, wie z. B. die Zähne im Kiefer, die Augen hinter den geschlossenen
Liedern. Zur Hervortreibung solcher Theile bedient sich die Natur des Feuere und der
Luft. Mit den Sexualorganen gelingt die Hervortreibung nur beim warmen männlichen
Fötus, während beim kälteren weiblichen die Organe innen bleiben 3 ). Die ungleiche Tempe-
ratur beider Seiten ist auch der Grund, weshalb die rechte Seite zur Bildung von männ-
lichen, die linke zu der von weiblichen Früchten verwendet wird.
Ich unterlasse cs selbstverständlich, die Erörterungen zu verfolgen, welche die Zeugungs-
lelirc in den philosophischen und medicinischen Schriften des Mittelalters erfahren hat, und
mit Ueberepringung eines grossen Zeitraumes gehe ich sofort zu der Periode über, in welcher
die Wiederaufnahme der Beobachtung auch das Hervortreten neuer Gesichtspunkte mög-
lich gemacht hat.
Den Ausgangspunkt neuer entwickelungsgeschichtlicher Studien finden wir in Italien.
Nachdem bereits Fallopia 3 ) und Arantius*) der Anatomie des Fötus ihre Aufmerksam-
keit zugewendet hatten, wurde von Ul. Aldrovandi*) und von Volcher Coiter 1 ) zuerst
wiederum die Entwickelung des Hühnchens im Ei zum Gegenstand wissenschaftlicher Be-
■i Moribu« et facultatibu* animao idoneum Corpus praeparat natura: mores vero et facultatcs ex substao-
tiae temperamento insitos habet uude ipsiu» prima generatio exstitit Gal. de eemine II, 2.
Ut trium similitudinum tria prineipia habeamus: generi* animalis ex substantia, unde fit, formae ex se-
minia motione, xnaria vel foeminae ex utrorenque principiorum temperalara. 1. c. II, fi.
b Omnia igitur genitalis membra eadem esse in maribus et foeminis videntur: niai quatenns different Tel
situ, quod hacc intra, illa extra abdominis membranam collocata sunt, vel magnitudine, quem admodum de
praeputio et teatibns modo dicebamus. N um et quae testibus alimentum pracstant vasa ab iiadem, ct venit
ct arteriia proficiscuntur, simili modo etiam quae ad penem ct prseputium in maribus tendnnt illis respoa-
dent, quaa ad collum uleri et cunnum in mnlierihus pertinguDt; initia item vasorum rulvis alimentum defe-
rentium cadcm sunt cum iis, quae virile scrotum alunt; ncque in origine nervorum discrepantia ulla in utrisque
reperitur sod ab iisdem tpinae locis, tum in maribus quam in foeminis prnmanant. 1. o. cap. 6.
*) Auffallend ist es, dass hier Galen rein theoretisch argumentirt, und die ursprünglich hohe Lage de«
Hodens nicht als Factum tu keuncu scheint
4 ) Fallopii, Observation« anat. Tenet. 1561.
s ) Arantius, de humano loetu opusculum. Rom 1564.
l ) U. Aldrovandus im 2. Theil der Ornithologie. Bonon. 1600 (Lib. XIV.).
7 ) Volcher Coiter, Exterearem et internarem corporis human i partium tabulae Norimberg. 1573. Aldro-
vandi (gcb. 1522) war Altersgenosse des Fallopia. Seine Beschreibung von der Entwickelnng des Hühnchens
ist als Beigabe der naturhistorischen Beschreibung des llühnergeecblechtt ziemlich summarisch gehalten. B U-
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211
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
obachtung gemacht und bald trat Fabricius ab Aquapendente *) in deren Fussstapfen.
Noch sind es keine einschneidende Entdeckungen, welche diese ersten Arbeiten zu Tage
fördern, allein zunächst handelt es sich darum, den Beobachtungsstaudpunkt des Aristo-
teles wieder zu gewinnen. Fabricius, der einen bedeutenden Schritt auf dieser Bahn
gethan bat, nennt seine Schrift geradezu eine Art von Commentar zu Aristoteles 1 ). Auch
in der Auffassung der Befruchtung als eines dynamischen Actes, bei welchem der Samen den
Anstoss, das Ei (die Chalnze) die Materie giebt, schliesst sich Fabricius, im Gegensätze zu
den meisten Aerzten , wiederum dem Aristoteles an. Im Uebrigen aber ist er diesem in
seiner ganzen Denkweise viel weniger verwandt als dem Galen, dessen Methode er, wie
Aldrovandus ovi pullulationem ex suis observalionibus descripsit, qua in re ad Aristotelis autoritatem potius,
quam experientiam ip*am collimaase videtur“ tagt Harvey ton ihm, während er von Coiter beifügt: „Quippe
eodem (empöre V. Coiter, Bononiae degens, ejuadem l’lissis praeceptoris sui (ut alt) horiatu quotidie ova
incubata npperuit, plurimaque vere elucidavit, »ecua quam ab Aldrovando factum est, quae tarnen hune latere
non potuerant. u Coiter setzt die Zeit seiner unter Aldrovandi gemachten Beobachtungen in das Jahr 15G4.
Es handelt sich um eine einzige Beobachtungsreihe an 23 Eiern, deren Ergebnisse er kurz, aber klar und
ohne theoretische Zusätze beschreibt.
Aus der Beschreibung Coiter’* t heile ich beispielsweise mit, was sich auf die ersten Anfänge der Keim*
bildung bezieht : .in primi diei ovo vidi luteum coDscquutum circulum album, non ailmodum magnum, in
cujus medio ejuadem coloris punctum *. orbiculum (Pander’scher Keim); ex circulo fluebant duo germini,
quorum alter eraasior et longior altero existebat (Fetzen des Keimwalles?). — Secundo die . . . vitelli media
pars candidior reliqua parte cernebatur, in medio conapexi quid semini simile. Punctns et circulus inventi
sunt sub membrana involvento ovi suWtantiam, atque fibris quibusdam »anguinei« ad*persi. — Tertio die . . .
punctus s. globulus sangnineus, in vitello ante inventus, jam in albumine potius repertu», manifeste pulsabat,
fundebatque unum venae ramum, ut ex colore judicare quivimus, qui in duos scissus multos emisit ramus*
culoa, qui circuli modo pulsantem punctum amhierc. Ui ramusculi suifulciebautur membrana tenuissima, quae
tum munere, tum substuutia secundinam exprimebat. Trea itaque repertae sunt membranae, quaruni prima
putamini adscribitur, secumla ovi universac substautiae (Dotterhaut), tertia secundinae (Keimbaut). Sehr gut
wird auch weiterhin die Ltnwachsung des Dotters durch die gefimtragende Keimhaut beschrieben.
J ) Fabricius ab Aquapendente de formatione ovi pennatorum et pulli Padua 1621 posthum erschienen.
Das andere embryol. Werk de formato foetu ist im Jahre 1600 herausgekommen. Ein Ilauptwerth des Fa-
bricius’schen Werkes liegt in den Tafeln, welche die Entwickeluagsstadien des Hühnchens im Ei vortreff-
lich darstellen. „Fabricius a. Aq. fabricam pulli in ovo picturi* potius ostendere, quam verbis explicare ma-
luit“ sagt Harvey von ihm.
*) Quae libenter tanquam commcntari» seu expositionem in capita ab Aristotele de ovo conscripta con-
stituenda candido lectori censercm ac proponerem, ni invitus u sumino omnium praeoeptore interdum de-
flectere coactus eisern.“ — Bekanntlich hat Fabricius »ich verführen lassen, die Chalazen des Vogeleies für
den weiblichen Kein» an/.usehen. In ähnlicher Weise hatte Aldrovandi, einem damals herrschenden Volks-
glauben gemäss, die Chalazen für den Samen des Hahns angesehen. Die Bedeutung der Cicatricula für die
Embryobildung, schon von Coiter angebahnt, ist erst von Harvey gehörig durchgeführt worden. — Auch sonst
enthalt die Schrift des Fabricius noch verschiedene Beobachtungsfehler, wie z. B. die Angabe über die frühe
Bildung der Knochen, über die gleichzeitige Bildung von Her« und Leber u. s. w. Wie Haller vermothet,
so rühren dieselben davon her, das» Fabricius seine Beobachtungen erst in späteren Jahren bearbeitet hat.
In die Zeit der Veröffentlichung der posthumen Schrift des Fabricius fallen auch die Schriften des
Aemilius Parisanus, eines venetianischen Arztes. Ich kenne »ie nicht aus eigener Anschauung. Fach
Haller (Bihl. anat. I, 350) ist ein erster Theil in Venedig 1623 erschienen unter dem Titel Nobilium Exer-
citationum LXX1I etc. und umfasst die Capitel: de genitalium semine, de similitudine parentum, de calido
innato, de materie foetus et causis «andern efficientibu», de procreationis modo et online etc. Dem Bande
folgten später noch einige weitere. „Spista voluinina peripateticae ratiociniationia pleno, absque experimento“
nennt sie Haller, während Harvey (Exerc. 13) den Beobachtungen des Parisanus nicht alles Verdienst
abspricht. „Parisanus sententiam Fabricii de cbalazia abunde refutavit, iptemet tarnen in circulis quibusdam
et partium principalium foetus punctis manifeste hallucinatur. Videtur etiam observasse principium foetus,
sed quid esset igntrasse, cum ait, punctum albura in circulorum medio galli seinen esse, ex quo fit pullus.“
27 *
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212
Wilhelm His
die meisten seiner Zeitgenossen, in Durchführung einer bis ins minutiöse Detail sich er-
streckenden Teleologie befolgt. Besonders darin aber zeigt er sich noch tief in der Galen’-
schen Schule befangen, dass er zur Erklärung der verschiedenen, bei der Entwickelung be-
obachteten oder vermutheten Vorgänge eine grosse Zahl besonderer Kräfte aufbietet, die er
ohne weitere Beziehung neben einander arbeiten lässt *).
Bei Fabricius findet sich nun bereits der, später zu so grosser forensischer Bedeutung
gelangte Begriff der Aura seminalis, wenn auch nur in beschränkter Anwendung, und nicht
unter diesem Ausdrucke. Da sich nämlich Fabricius aus dem Augenschein zur Annahme be-
rechtigt glaubt, dass der Samen des Hahnes weit von der Bildungsstelle der Ch&lazen liegen
bleibe, so muss er für die Vogelbefruchtung eine Distanzwirkung desselben annehmen. Aus-
drücklich erkennt er darin einen Gegensatz zwischen den Oviparen und Viviparen- Geschöpfen,
indem er bei letzteren noch eine materielle Betheiligung des Samens an der Körperbildung
aufrecht hält*).
An Fabricius schliesst sich in der Zeitfolge sein grosser Schüler Harvey an, welcher
durch viele Jahre seine Mussestunden entwickelungsgeschichtlichen Studien gewidmet hat.
Die Anfeindungen, welche Harvey aus der Publication der Circulationslchre erwachsen
waren, machten ihm wenig Muth, mit neuen Entdeckungen hervorzutreten, und erst gegen
das Ende seines Lebens entschloss er sich, auf das Zureden des befreundeten Herausgebers
!) „Treu prim um actione« tunt, quae in ovo avi supposito apparent. Prima est pulli generali«, tecunda
ejus aoeretio, tertia nutritio nuncupatur. Prima, hoc est generatio propria e«t ovi actio j secunda et tertia,
videlicet accretio et nutritio majori ex parte extra ovum »uccedunt, tarnen in ovo inchoantur et qaoque per-
fieiuntur. Quae actione« a trihus facultatilms dimanant, teil, generatrice, autrice et nutritoria. sic eas tria
opera facta consequuntur.“ Jede dieser Facultät «erfüllt nun wieder in eine Anzahl von weiteren Facultäten,
•o z. B. besteht die facultas nutritoria in einer factilta« attractrix, retentrix, concoctrix und cxpoltrix. Die
faoultaa generatrix l>esteht ans einer f. immutatrix und formativa. „Prima, quae tum immutatrix appcllatur,
facultas Iota naturalis est, et sine ul)a cognitione agit etc. Altera vero quae formatrix diritur ... longe no-
bilior est et summa sapientia praedita, de qua propterea Aristoteles dubitavit an divinioris esset originis, et a
calido. frigid«, humido et sicco res diverta. Nam re vera gem'to v. g. per alteratricem ooulo, ponere postea
ipsum in capite non in calcaneo, et rotundum i Di praebere figuram non quadrangulam aut aliaro etc., haec
opera non naturaliter sed cum electione et cognitione atque intellectu potius facta videntur. Videtur siquidem
formatrix facultas ex acta m habere cognitionem et providentiam tum futurae actionis, tum usus cujusquam
partis et organi, praevidena quippo quasi infinita Bapientia praedita, oculas ad videndum esse comparatos,
▼isioni vero idemeos futuros, si in eminenti loco consistant, ut tanquam de spccula cuncta proepicere et col-
lustrare possint etc.
*) Elicitur ex dictis differentia inter ovipara et rivipara penes generationis causaa. Differunt enim quae
ex ovo ab iis quae ex semine fiunt, ex eo quod ovipara materiam, ex qua corporatur pullus distinctain et
separatam habent ab agente; vivipara autem simul et causam efticientem et materialem habe nt adjunctam et
concorporntam. Agens enim in oviparis aemen Galli est in pennato, quod in ovo nequo est, neque esse potest,
materia vero est chalaza, ex qua corporatur foetus; ambo distaut per muttum Spatium. Nam chalaza vi-
tello jam formato, et in secundum uteri spatium cadenti accedit, et ovo integro adjungitur; contra Galli aemen
propc podicem conaistit, et per longissimum spatium a chalaza distut, sua tarnen facultate irradiante et uteruiu
et Votum foecundat ovum. At Minen in viviparo et materia est, et itguna et in uno corpore utrunque ccm-
sistit. Ex quihua videre videor, Aristotelcra sententiam auaiu, de eausis generationis a paucia receptum tan-
quam veram in oviparia attulisse.* Von der befruchtenden Wirkung des VogelsamenB sagt Fabricius; „id
facere sua facultate, seu apiritali substantia irradiante.“ Er denkt sich nämlich der Samen des Hahnes werde
in dpm von ihm entdeckten lilindsacke (der bursa Fabricii) aufbewahrt, und wirke von hier aus durch seine
Ausdunstung auf den Uterus und auf die in diesem sich bildenden Chalazen. Die Nichtigkeit der Ansicht
hat Harvey dadurch dargethan, dass er zeigte, die Bursa enthalte niemals Samen, und komme überdies dein
Halme ebenso gut zu als der Henne.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 213
G. Ent hin, sein lange zurückbehaltenes Manuscript drucken zu lassen 1 ). Von diesem war
ihm in den politischen Wirren ein grosser Theil , der unter Anderem die Entwickelungsge-
schichte der Insecten umfasste, verloren gegangen.
Wenn uns bei Fabricius noch Überall die Befangenheit in den alten Denkformen und
in den alten Schulbegriffen gegenübertritt, so finden wir Harvey’s Schrift von einem völlig
neuen und freien Geiste durchweht und mit Bccht nennt sie Haller ein unsterbliches Werk.
Schon die Vorrede kann als eine Musterdarstellung naturwissenschaftlicher Methode gelten*).
Seit Aristoteles hatte Niemand mehr ein so bedeutendes entwickelungsgeschichtliches
Material beherrscht, als Harvcy. Die Entwickelung des Hühnchens im Ei hatte er des
eingehendsten studirt, er hatte durch das Entgegenkommen Karl’s I. Gelegenheit, reich-
liche Beobachtungen Uber die Entwickelung von Hirschen und Daramhirschen anzustellen,
dazu kamon seine Beobachtungen über die Entwickelung von Reptilien, Fischen, Insecten
und Weichthieren, worauf er im erhaltenen Theil seiner Schriften wiederholt hinweist, und
reichliche Untersuchungen menschlicher Früchte. Wie Aristoteles, so erfasst auch Har-
vey seine Aufgabe in einem weiten Sinn und durch seine umfassende Behandlungsweise
wird er zu Gesichtspunkten allgemeinster Natur geführt
Die bekannteste von Harvey’s Verallgemeinerungen ist der Ausspruch: „Omne vivum
ex ovo.“ Wir pflegen in der Regel diesen Satz als Negation einer „Generatio acquivoca“
aufzufassen; dies war indess nicht sein ursprünglicher Sinn, denn Harvey tbeiltc noch voll-
kommen den herrschenden Glauben an eine elternlose Zeugung von Insecten und Würmern
aus faulenden Substanzen. Was Harvey mit seinem Satze ausdrücken wollte, das war die
Uebereinstimmung in der Natur aller organischen Keime. Nach der Autorität von Aristo-
teles hatte man für die Entstehung organischer Wesen neben der Urzeugung folgende Fort-
pflanzungsnormen angenommen: für die Pflanzen die Fortpflanzung durch Samen, für dio
Thiere die Fortpflanzung durch lebendige Junge, die durch Eier und die durch Würmer.
Den Unterschied vom Wurm und vom Ei hatte Aristoteles dabin definirt, es sei das Ei
ein Kehn der nur zum Theil zum Aufbau des Embryo, zum andern Theil aber zu dessen
Ernährung diene, während der Wurm (dxoärjl) ganz in der Bildung des Embryo aufgehe ').
In diese Mannigfaltigkeit von Entstehungsweisen sucht nun Harvey dadurch Einheit zu
bringen, dass er den Begriff des Eies weiter fasst, als er bis dahin gefasst worden war.
Er definirt nämlich das Ei als eine mit Entwickelungsfähigkeit begabte Substanz. Primor-
dium vegetale nennt er es, eine körperliche Substanz, welche dem Vermögen nach Leben
besitzt, und die durch die Wirkung eines inneren Principes die Gestalt eines organischen
') Exercitationes de Generatione animalium. London 1 0 T .1 Harvey starb 1057 im Alter von 70 Jahren.
*| .tjuare absque recto sensas adminicaio, erebris observationibna, certaque experientia adhibito, de phan-
tasmatis et appamdiis mente nostra comprehensis, perperam judicabimos. In omni nempe diaciplina, diligena
observatio requiritur, et aensua ipse saepe consulendue eat. Propria inquam experientia nitendum eat, non
aliena; qua sine nemo idnneua ullius naturalia disciplinae aoditor, aut de iis quae de generatione dictumi
•um aequus judex fuerit; siquidem ista citra experientiam et anatomicam peritiam, haud melius intellexerit,
quam eaeeus natu* de colorum natura et diecrimine, aut aurdus de aonis judicaverit. Quapropter, cordate
lector, nolo mild de Generationi animalium acribenti, quiequam credas, ipsos oculos tuos mihi festes et judiccs
appello.“
*) Aristoteles, Geschichte der Thiere, L 5 und V. I.
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!
214 Wilhelm His,
Körpere annehmen kann 1 ). Harvey führt nun im Einzelnen die Berechtigung einer aus-
gedehnteren Anwendung der Bezeichnung Ei durch. Zunächst geschieht dies für die scolice«
des Aristoteles. Diese unterscheiden sich nicht von einem Ei, denn auch sie sind blosse
Wachsthumsanfiinge und nur dem Entwickelungsvermögen nach als Thiore zu bezeichnen 1 ).
Für die lebendig gebärenden besteht aber gleichfalls die Berechtigung, die im Uterus
sich bildende Anlage ein Ei zu nennen. Beim menschlichen Weibe ist diese in den ersten
Monaten wenig von einem Vogelei verschieden *). Wie das Ei, so besteht auch die intrauterine
Frucht (Conceptus) Anfangs aus einer, von einer Membran umschlossenen Flüssigkeit *), in
welcher sich das Thier unter dem Einfluss des Entwickelungsprincipes in derselben Weise
bildet, wie das Hühnchen aus dem Ei‘). Nempe ovum est conceptus foris expositus, unde pul-
lus procreatur; conceptus est ovum intus manens, donec foetus debitam in eo perfectionem
acquisiverit, caetera vero conveniunt, sunt enim primordia vegetabilia etanimalia in potentia.'
Allein auch von den Fflanzensamen gilt Aehnliches wie vom Ei, daher man in der tbierischen
Zeugungsichre die Bezeichnung Samen richtiger für das entwickclungsfahige Product der
Zeugung, als für den männlichen Zeugungsstoff anwenden würde.
In Harvey’s gesummter Darstellung sind es nicht sowohl die von seinen Vorgängern
bevorzugten anatomischen Gesichtspunkte, als vielmehr die physiologischen, welche in den
Vordergrund treten, und so ist auch die schöne Definition des Eies in der 25. Exercitatio
eine durchaus physiologische. „Est enim ovum conceptus aliquis a mare et foeminn pro-
ficiscens, utriusque pariter virtute praeditus, ex quo unum fit animal. Neque est principium
duntaxat, sed fructus quoque et finis; principium scilicet prolis generandae, fructus autem
utriusquo parentis — ceu finis quem in generatione sibi proponunt et origo foetus futuri. Vi-
detur etiam ovum medium quid esse, non modo quatenus principium et finis est; sed tan*
quam opus utriusque aexus commune et ex utroque compositum, quod materiam et facul-
tatem opificem in so eontinens utriusque virtutem habet, qua alterutri similem foetum pro-
ducat. Est quoque medium inter animatum et inanimatum, neque vita prorsus donatuin
’) „Hi« auietn Omnibus (live spoute, «ive ex aliia, aivo in aliis vel partibu« vel excreinenti« eoram putre*
ecentibu« oriantur) iü commune es», ut ex principio aliquo ad boc idonco, et ab efficiente iuterno in oodem
principio vigente gignantur. Adeo ut Omnibus viventibu« principium insit, ex quo et a quo proveniant.
Liceat hoc nobi« primordium vegetale nominare; nempe subitantiam quandam corporenin, vitam habentetn
potentia; vel quoddam per se existent, quod aptum eit, in vegetativam formam ab interuo principio operante
mutari. Quäle nempe principium ovum est, et plantarum semen. Tale etiam viviparorum conceptus et inscc*
toium „vormis“ ab Aristoteles dictus, diverse seil, diversorum viventium primordia.“ KxcrciL 62. In der
Exercit. 1 heisst cs; „Nos autem asserimus, omuia omnino animalia etiam vivipara atque bomiuem adeo
ipstitn ex ovo progigni primosqoe eorum conceptus, e quibus foetus fiunt ova quaedam esse, ut et semina
plantarum omnium. ldeoque non inepte ab Erapedocle dicitur: Oviparum genus arboreum.“
*) Si vero, prout bis ad Benauui se habet, distinguere liceat, partus duae solum sunt speciee, siquidem
ornnia animalia aliud animal vel actu pariunt, vel potentia. Quae actu animal puriunt, vivipara dicuntur;
quse potentia vivens, ovipara. Quodlibet enim primordium potentia viveus nos (cum Kabricio) ovum appel*
landum judicamus, vermemque Aristoteli dictum, ab ovo minime distioguimus; tum quia ad oculum sie
apparet, tum etiam quia rationi id videtur consonum. Primordium enim vegetale, quod potentia vivit est
etiam poteotia animul... (Ovum et vermis) inter se conveniunt, quod sint ambn partes non vivente», sed po*
tentia solum animalia; ambo ituque sunt ova.“
■’-) Concoptus muliebris primis gestationis mensibus ab ovo vix quidquam discrepat. Exere. €6,
*) Man vergl. hierüber den Abschnitt de Uteri membranis et humoribus und die Exero. G3.
•) Uterus expositus nennt Harvey das Ei an anderer Stelle.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
est nequc eatlem omnino privater. Inter parentes et liberos, inter eos, qui fucrunt et qui
futurl sunt, raedia via sive transitus est, cardoque et centrum, circa quod generatio totius
generis vertitur. Terminus est ex quo omnes (galli et gallinae) oriuntur et ad quem, ceu
finem a natura sibi propositum, tota vita nituntur. Ita fit ut individun quaeque, dum speciei
gratia sua similia procreant, in acvum perdurent. Est, inquam ovum hujus aeternitatis
periodus, nam haud facile dixeris utrum ovum pulli ex eo nati gratia, an bic illius causa
faotus fuerit.
Ovum itaque est corpus naturale, virtute animali praeditum, principio nempe motus,
transmutationis, quietis et conservationis. Est dcnique ejusmodi, ut ablato omni impedimento
in formam animalia abiturum sit; nec magis gravia omnia remotis obstaculis deorsum ten-
dunt, aut levia sursum moventur, quam Semen et ovum in plantam et animal insita a natura
propensione feruntur. Estque semen (atque etiam ovum) ejusdem fnictus et finis, cujus est
principium atque cfficiens
Die Generationstheorien, welche zur Zeit Harvcy's Geltung besassen, waren diejenigen
des Aristoteles und die des Galen. Letztere besonders war die in modicinischen Kreisen
herrschende. Allgemein wurde da noch die Frucht aus der Vermischung zweier Samon-
flüssigkeiten abgeleitet, und das Ueberwiegen der einen oder der andern Flüssigkeit sollte die
Entscheidung geben für die grössere Aehnlichkeit nach der Seite des Vaters, oder der Mutter.
Dabei wurde noch immer grosses Gewicht gelegt auf die Ableitung gewisser Körpertheile aus
dem Samen, anderer aus dem Blute. Das Gehirn, die Gelasse und die Knochen z. B. wurden
als Partes spermaticae, die Muskeln und das Fett als Partes sanguineae bezeichnet. Mit die-
sen alten Vorstellungen bricht nun Harvey vollständig, und an der Hand der Beobachtung
tritt er den Aristoteles’schen sowohl als den Galen'schen Lehren gegenüber’). Um die
Stellung zu verstehen, welche Harvey in der Generationsfrage einnimmt, ist es nöthig, sich
Beine thatsächlichen Kenntnisse von den ersten Entwickelungsvorgängen zu vergegenwär-
tigen. In ihnen liegt der Schlüssel für die Fortschritte sowohl, als für die verhängnisvollen
Seiten seiner Auffassung.
Aus denselben Gründen, welche in der Hinsicht noch beute maassgebend sind, hat Har-
vey seine eingehendsten Entwickelungsstudien am Hühnerei angestellt. Er hat dessen Bil-
dung von den unmessbar feinen Anfängen im Eierstock (den papnlae s. sudamino, wie er sie
nennt) bis zum Austritt aus dor Cloake verfolgt, und im Gegensatz zu Fabricius die Cica-
tricula ab die schon im Ovarium angelegte Stätte der Keimbildung erkannt’). Ab erste
’) Die Notwendigkeit, (ist Leben des Individuum* nur ala Theilcrscheinung de» Lebens der Generation
in betrachten, wird besonder! in der 27. Exercit. bervorgehobsn: „Et »ive animam ovo inoiae dicimns, »ive
non dicimui, ex hoc tarnen circuitu clare patet, aliquod principium esse iitiui revolutiODi» a gallina ad ovum
et ab ovo denuo ad gailinam, quod sempiternitatem iis impertiat. Estque id ipeum (autore Aristotele)
analogen elewentu stellarum, facitque ut parentea generent eorumque seroina, sive ova foeeuoda sint; idemque,
Protei instar, tarn parenlibus, qnam ovia aub dirersis formt» »empor inest. Quomadmodum enim mens, sive
Spiritus, qui ingenlom bann molem continuo agitat, cundem solcm orientem ac occidentem per diversarum
terrarutn plagas perpetuo circumagit, ita paritcr in gcncra gallinaceo, vis enthea, sive principium divinum,
modo virtus plastica, modo nutritiva, modo auctiva dicitur; conaervativa autem et vegetativa eemper habetur
modo etiam gallinae, modo ovi formam refert, permanet tarnen rädern illa virtus in fteternuni.“
’) Man vergl. die Exerc. 31 und 33.
*) Fabricius hatte zwar die Cicatricula gekannt, er glaubte indess, sie sei für die Entwickelung un-
r'
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Wilhelm II is,
Folge der Bebrütung schildert er nun die Vergrössemng der Cicatricula und die Bildung
concentriscber Kreise um sie herum. In der, etwa fingernagelgrossen Cicatricula kommt cs
zur Scheidung von zwei verschieden gefärbten Regionen und nach Grösse, Form und Ansehen
gewinnt sie hiermit eine Aehnliclikeit mit dem Auge. Harvey vergleicht das innere Feld
der Pupille, und nennt zu dieser Zeit die Cicatricula geradezu das Auge des Eies (ob quam
similitudinem oculutn ovi nominavimus). Allein auch darin besteht UebereinstimmuDg mit
dem Auge, dass eine krystallhelle Flüssigkeit inmitten der Kreise vorhanden ist, welche
von einer zarten Membran umhüllt wird. Diese Flüssigkeit erhält den Namen Colliqua-
mentum 1 ), sie ist nach Harvey der erste Stoff für die Bildung des Embryo. Vom dritten
Tago ab wird der Saum des Colliquamentes von einem feinen Blutstreif umgeben , und in
seinem Centrum tritt vom vierten Tage ab das Punctum saliens auf, das von nun an in an-
haltender Thätigkeit verbleibt, und von dem aus die Anfänge der Venen als roth verzweigte
Streifen ausgehen. Die Blut- und Gefässanlagen sind die ersten Körperanfange, und zwar
scheint das Blut noch früher als die Pulsation da zu sein. Das Punctum saliens aber besitzt,
wie ein selbstständiges Wesen (animalis instar), sofort seine eigene Empfindlichkeit, denn
durch Berührung wird es zu lebhafter Thätigkeit gebracht, Abkühlung setzt diese herab,
gelinde Erwärmung steigert sie, ja die bereits erloschene kann durch Auflegen des wannen
Fingers wieder hervorgerufen werden. Erst vom fünften Tage ab werden neue weitere
Körpertheile sichtbar. Der neu gebildete Körper ist noch sehr klein, und von wurmähn-
lichem Ansehen. Aus einem Würmchen entstehen überhaupt alle, auch die höheren Thiere’).
Der Rumpf lagert sich den ersten Gelassen an, wie ein umgekehrter und etwas gebogen
verlaufender Schiffskiel, und zeigt noch keine Spur von Rippen oder von Extremitäten,
während an dem, etwas mächtigeren Kopfe, von der Seite geschon, drei mit klarer Flüssig-
keit gefüllte Blasen sichtbar sind, von welchen die eine das Auge, die zweite das Grosskirn,
die dritte das Ccrebellum darstellt Noch ist der Körper durchscheinend, ohne Gewehsschei-
dung (similaris) und von schleimiger oder von schimmelähnlicher Consistenz. Harvey hält
seine erste Anlage für einen an der Ausscnflächo der Gefässe entstehenden Anflug und ver-
gleicht seine Bildungsweise geradezu der Bildung des Schimmels an feuchten Orten. Dabei
verwirft er ausdrücklich den Gedanken, dass die übrigen Theile gleichzeitig mit dem Blute
entstanden, und Anfangs unsichtbar geblieben sein könnten, vielmehr hält er das Blut filr
die Primogenitur des Körpers, für dasjenige, was in der Entstehung allem Uebrigen voran-
geht., demgemäss ist die Entwickelung der höheren Thiere als eine Epigenese zu bezeichnen,
als eine Gestaltung durch successive Entstehung und Anlagerung der Theile. Diese Ent-
wesentlich und hielt sie, wie dies auch der von ihm ertheilte Namen besagt, für die Narbe des abgerissenen
Ovarialstieles. — Was die Itilduug der Eier im Eierstock betrißt, so scheint Harvey die ersten Anfänge, die
papulae, als primär mütterliches Product angesehen au haben. Diese Anfänge erfahren aber durch die Befruch-
tung schon im Eierstocke den Trieb znr weiteren Entwickelung. Die vollständige Unabhängigkeit der Eibil-
dung von der Befruchtung hat Harvey nicht eingcechen, trotzdem dass ihm die äussere Befruchtung der
Fische wohl bekannt war (vergl. Excrc. 40).
t) Ideo hunc liquorem, oculura, sive colliquamentum candidum appello, quasi nimirum pars albuminia s
calore fu»a et colliquata, aeparatim fulgerct, et veluti pars spirituosa, magisque cocta a reliquo albumine tunica
propria diatingueretur, et inter utrumque liquorem (vitellum seil, et alhumen) posita eeset. Exerc. 15.
3 ) Kos vero quorumlibet animalium generationem eodem modo heri docebimus; omnia nimirum animalii
ctiam perfecta, simditer ex vermiculo gigni.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
217
stehung neuer Theile geht mit dem Wachsthum so sehr Hand in H&nd, dass beide Vor-
gänge nicht von einander getrennt werden können, und auch die Ernährung des entstellenden
Körpers ist mit dem Wachst hum in einer Weise verknüpft, welche jede Scheidung von
Wachsthums- und Ernährungsmaterial als eine willkührliche erscheinen lässt — Im Gegen-
satz zur Epigenesc der höheren Tbiero steht nach Harvey die Metamorphose der Insecten.
Bei diesen gestaltet sich der Körper durch Ausscheidung seiner Theile aus einem aufge-
speicherten Material. Das Material ist vor dem Körpertheile da, während bei der Epigenese
der höheren Geschöpfe mit dem Material sofort auch der llieil gegeben ist 1 ). — Des allerent-
schiedensten aber verwirft Harvey die alte Eintheilung der KörperbcstAndthcile in Partes
spermaticae und partes sanguineae. Alle Tbeilo gehen aus demselben Bildungsstoffe hervor
und die Ausprägung der Gewebe geschieht durch nachträgliche, in Folge der Ernährung
eintretende Scheidung einer ursprünglich gleichartigen Substanz*).
Bei der ausserordentlichen Klarheit und Tiefe, mit welcher Harvey sein Beobachtungs-
material durchdacht hat, muss man beklagen, dass ihm gerade in einigen der entscheidendsten
Punkte Beobachtungslücken geblieben sind. Bei etwas günstigeren Untersuchungsergebnissen
hätten die durch ihn angebahnten Fortschritte noch viel entscheidender in den Gang der
Wissenschaft einschneiden müssen, als dies in Wirklichkeit geschehen ist. Coiter's Beob-
achtungen siud in mancher Hinsicht glücklicher gewesen. In seinen so wenig zahlreichen
Untersuchungen ist Coiter dahin gelangt, schon am zweiten Tage das Herz zu sehen, und
vom dritten Tage ab auch die Keimhaut als selbstständige Trägerin der Blutgefässe wnhr-
* ) Coastal pulli gencrationem ex ovq tieri potius per epigencsin, quam per metamorphosin, neque omnes
ejus partes simul fabrieari seü suece*sive, atque ordino emergere; cundemque simul, dum augetur formari, et
augeri dum formatur, partesque alias aliis prioribus nupergcnerari et distingui; principiumque, augrnentum et
perfectinem proced«re per modum Crescendi, fandemque exoriri foetum .... Denique in generotiono per
metamorphosin totum in partes distribuitur et discernitur, per epigenesin vero totum ex partibus certo
ordine componilur ac constituitur,
Qucmadmodum nempe apex ex glande protuberans, Bumpto incremcnto, in radicom, lignum, medullam,
corticem, virgulta, turioncs, frondes flor«9 ac fructus distinguitur et formatur, tandrmque arbor evadit, ita
paritcr se habet pulli in ovo procreatio. Cieatricula, sive parva macula, futari aedificii fundamentum au*
getur in oculum, simulque distinguitur in colliquainentum, in cujus centro punctum sanguinoum pul*
sans enascitur, una cum venarum ramificatione; bis mux superoritur neliula, ac primum futuri corporis con*
crementum, quod etiam, prout augetur, dividitur sensim et distinguitur in partes, non simul omnes, sed alias
post alias natns, et online quasque suo emergentes. Unde cocludamus igitur: In eorum animalium gene-
ratione, quao per epigenesin procreantur et partito formantur (qualiterpullus in ovo) non quaeren da est materia
alia ex qua footus corporetur, et alia undo primum nutriatur, atque augeatur, nam eadem materia cx qua fit,
nutritur etiam et augetur et vice versa, qua nutritur primum et augetur ox eadem quoque pullus in ovo con-
stituitur. Exerc. 44.
Nam ex qua materia pars prima pulli, sive minima ejus portiuncula oritur, ex eadem quoque totus
pullus nascitur, undo prima sanguinis gutiulu inde etiam tota ejus massa per gencrationem in ovo provenit;
a quo membra sive corporis organa eonsistunt et fiunt ab eodem etiam partes eorum omnes similarcs nempe
cutis, caro, vena, membrana, nervu*, cartilago et os originem trahont. Pars enim quao prior erat mollis et
carnosa, dum augetur ab eodem alimento fit nervus, ligamentum, tendo; qu&c membrana erat, fit tunica, et
quae cartilago fuerat, postea Bpina, vel os evadit, ex eadem nempe materia simitari dtversimode alterata
Neque enim corpuB similare mixtum (quod ex elumentis constare vulgo creditur) ex elemeutis seorsum prim«>
exiBtentibus, dein compositio, unitis et altcratis gignitur, nec com|*o«ifione ex comparentibus, ted ex hoc misto
transmutato aliud mistum gignitur et efformatur. Nimirum ex cotliquamento fit sanguis, ex sanguicc corpons
moles exsurgit, quae similsri« ab initio et tanquam gluten spermaticum ccrnitur, inde autem partes per di-
visionera obscuram delinrantur primo, posleaque orgaoa fiunt et distinguuntur (Exerc. 44).
Archiv für Anthropologie. Ild. IV. Iicn 111. 26
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21K Wilhelm His,
zunehmen. Bei Harvey fallt nicht allein die Beobachtung des Herzens später, sondern, was
wichtiger ist, die klare' Wahrnehmung des membranösen Keimes fehlt ihm überhaupt, und
er kommt statt dessen zu der etwas unglücklichen Aufstellung des Colliqnamentes, womit
er Anfangs offenbar die klare Flüssigkeit der Keimhöhle, späterhin aber die Amnionflüssig-
keit im Auge hat. Harvey lässt daher den Begriff des Keimes ganz fallen, und im sonst
gerechten Streite gegen Galen'sche und Aristoteles'sche Vorurtheile schüttet er somit
das Kind mitsammt dem Bade aus l ).
So lange man das Verfahren nicht kannte, den Keim durch Ausschneiden vom Dotter
zu isoligen und gereinigt auf einer Glasplatte auszubreiten, ein Verfahren, das erst Malpighi
erfunden hat, so lange waren auch solche Unsicherheiten entschuldigt, und noch mehr ent-
schuldigt ist natürlich das Factum, dass Harvey ebensowenig als Fabricius den Samen des
Hahnes in den inneren Genitalien weiblicher Thiere wiederzufinden vermocht hat Um nnn
gleichwohl väterlichen und mütterlichen Einfluss bei der Befruchtung zu erklären, und um
auch die Wirkung einer einzigen Begattung auf die Fruchtbarkeit zahlreicher Eier verständ-
lich zu machen, nimmt Harvey nn, der Samen entwickele eine, in die Entfernnng sich
fortpflanzende Beruhrungswirkuug, die schliesslich auf die Eianlage des Eierstocks sich
übertrage. Er nennt diese Wirkung geradezu ein Contagium und vergleicht sie auch der
Wirkung von Gäbrungsorregeru. Durch sie wird in der Eianlage des Eienstockes deren
eigentümliches Leben oder deren Anima vegetativa, wie er es nennt, erweckt. Das reifende
Ei gewinnt, einem aufwaehsenden Sohne gleich, seine Selbstständigkeit, vermöge deren es
vom Eierstocke sich ablöst, sich seinen Weg nach Aussen bahnt und schliesslich jene Ent-
wickclungsbahn durchläuft, die zur Bildung des fertigen Geschöpfes hinführt *).
In seinen Beobachtungen Uber die Zeugung der Säugetiere kam Harvey zu Resultaten,
welche mit den oben besprochenen über Vogelentwickelung sehr nahe übereinstimmten.
Dem Ovarium allerdings glaubte er hier keine Bedeutung zuschreiben zu können, weil er
zur Brunstzeit der Thiere keine Anschwellung derselben wahrzunehraen vermochte. Un-
mittelbar nncb stattgehabter Begattung fand er bei Hirschkühen keinen Samen im Uterus,
ja die anatomischen Verhältnisse Hessen ihm ein solches Eindringen völlig undenkbar er-
scheinen. Die einzigen Folgen, die in der ersten Zeit nach dem Bespringen durch den Hirsch
zu erkennen waren, bestanden in einer Auflockerung der Uterusschleimhaut und in Bildung
von Falten, die nach Form und nach Consistenz den Gehirnwindungen vergleichbar waren.
Erst nach mehreren Wochen war im Uterus ein häutiger Sack von Spinnenwebfeinheit zu
erkennen, das Chorion, in dem etwas später, innerhalb besonderer Hülle (dem Amnion) das
l ) Uaec ut timul ftuat VI augentur, crescunt ct traneformantar, ordineque observatn in partoa distingu-
untur ita nulla m immediata raateria praeexistena adeat (qualis statt, i seiet teminum mar ; s et foominae mixtio,
vel sangnis menttnins, vel aliqua ov, portiuncnla) ex qua foetus corporetur, eed simul ac ft, ac paratur
materia, augetur etiam et formatnr aliquid; quam primum nutrimontum adest, adest quoque id quod eo alatur
(Exerc. 44).
*) Et licet ovurum primordia (quas papulas esse diximus ct seinen milit referre) ritellario per venu et
arterias cohaereaut (quemadmodum plantia »na semitta adnaicunturi ideoque partes galiinae esse videantur,
et reliqnaram partium morn viverc ct nutriri, manifestum tarnen ett, ut semina a plantia separata non am-
pliu« earum partc» ccnsentur, ita nee ova a<l maturitatem jam porductl, foecunda reddita et a vittellario
abrupta, gallinacj partes hnud ulterius aestimanda e«e, sed instar filii emaneipati, puique juris facti
propria ar.ima gubernari et vegetari.
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•219
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
klare Colliquament wahrgenominen wurde. Dann erschien inmitten des Colliquamentes das
rothe Punctum saliens mit seinen Gefässzweigen, und bald darauf die ersten wurmähnlichen
Spuren des Körpers. Noch waren diese Anfänge weich und durchscheinend, dann aber folgte
die schärfere Gliederung und nach bestimmter Reihenfolge traten allmühlig neue Theilo zu
den früher vorhandenen hinzu.
Wenn diese, für die ersten Befruchtungsfolgen so eminent negativen Ergebnisse die
Zweisamentheorie des Galen sowohl, als die Menstrualthoorie des Aristoteles völlig uu-
haltbar erscheinen Hessen, so musste es Harvey schwer werden, an ihrer Hand eine neue
Theorie aufzustellen. Väterlicher und mütterlicher Erblichkeitscinfluss waren als feststehende
Thatsachen zu erklären, und doch waren die materiellen Träger dieses Einflusses durch die
Beobachtung nicht zu erfassen. Res .sanc ost tenebrarum pleno, et tarnen audebimus aliquid
problematice proponere, ut non solurn sententias alienas eliminatum isse, sed et nostram quo-
que aliquo modo in medium attulissc videomur. Quae tarnen a me super hac re dicentur,
non ita accipi velim, quasi oadern e tripode prolata oxist intern, aut alioruin omnium suffragia
extorquere cupiam, sed libertatem illam, quam aliis libenter concedimus nobis etiam jure merito
poscimus, ut quae in obscuris rebus veri simitia videntur, ea pro veris afferre liccat, donec
manifeste de eorum falsitate constet. So drückt sich Harvey im Schlusscapitel seines inhalts-
reichen Werkes aus, und der Hypothese, die er nun folgen lässt, kann sicherlich das Verdienst
eines äusserst geistreichen und originellen Gedankens nicht abgesprochen werden. Durch die
Begattung wird das Weib nach Körper und nach Gemtiths Verfassung umgcwandelt, vor Allem
aber ist es sein Uterus, welcher von der Umwandlung ergriffen und zum Punkte höchster
Reifung geführt wird. Da der Uterus nun aber in diesem reifen Zustande die Beschaffenheit
des Gehirns onnimmt, so hindert nichts, auch auf eine, unter diesen Umständen dem Gehirn
ähnliche Function zu achliessen, und so kann die Conception des Uterus einer geistigen Con-
ception des Gehirns verglichen werden. Beiderlei Coneeptioncn sind immateriell, beide die
Ursprünge aller Körperbewegung, jene der vegetativen, diese der animalen Reihe derselben,
und wie die Gehimconception den von ihr aasgehenden Werken ihre Gestalt aufdrückt, so tliut
es auch die Conception des Uterus gegenüber dom Ihrigen. Der Conception des Gehirns folgt
der Antrieb zur Bewegung (Appetitus), ebenso folgt auf die Conception des Uterus dessen Ent-
wickelungstrieb, und während jener durch ein äusseres begehrungswürdiges Object (ab appeti-
bili externo) angeregt wird, so wird auch die Conception des Uterus hervorgerufen durch den
Mann, tanquam appetibili maxime naturali. Es mag leicbt sein, den Gedanken Harvey'«
zu verspotten, bei dem damaligen Stand der Dinge war er gewiss nicht unberechtigt, und
in der Reihe derGcncrationstheorien erscheint er sicherlich als einer der nllerinteressantestcn
Ich kann Harvey nicht verlassen, ohne noch der Stellung zu gedenken, die er in der
Zweckmässigkeitslehre eingenommen hat. Die Zweckmässigkeit in der Organisation des
werdenden Geschöpfes ist ja der Punkt, welcher allen Generntionstheorien die Hauptschwie-
rigkeit in den Wog gelegt hat, und an welchem, wie das Beispiel der Evolutionslehre zeigt,
manche der glänzendst begabten Köpfe gescheitert sind. Diesem so kitzlichen Problem
gegenüber bewahrt Harvey die volle Ruhe und Sicherheit des Forschers. Entwickelung,
Wachsthum und Ernährung des Körpers erscheinen ihm als die blossen Glieder in jener weit
grösseren Reihe von Vorgängen, welche die gesammte Schöpfung beleben. Alle diese Vor-
28 *
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*2*20 Wilhelm His, die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
gange sind der Ausfluss eines gemeinsamen Principes, mag man dieses Gott, mag man es die
schaffende Natur, mag man es die Weltseele nennen, und ein Zeichen unserer Beschränktheit
ist es, wenn wir kunstvolle Gedanken einem jeden Vorgang glauben unterlegen zu müssen,
den die Natur vollendet, wie es eben ihr vorgeschriebener Gang einmal mit sich bringt 1 ).
>l Quoniam igitur in pulli fabriea nr* et providentia non minn« elncescnnt, quam in hominis actotiu» mundi
creatione, nccessc cst fateamur in generatione hominis causam efticientem homine saperiorem ct praestantiorem
dari; vel facultatem vegetativam , sive eam animae partem qnie hominem fabricat et conservat molto excel-
lentiorem et dmniorem esBO, magisque similitudinom Dei referre, quam partem ejus rationalem, cujus tarnen
excellentiam miris laudibus supra otnnes omni um animaliom facultates extollimus; tanquam quae jus et ira*
periam io illas obtineat, cuiquc cuncta creata famulentur. Vel saitem fatendum cst, in nalurao operibus nee
prudentiam, ncc artiiieium, necque intellectum inesse; sed ita solam videri conceptai noslro, qui secundum arte«
nostras et facultates (ceu exemplaria a nobismet ipsis mutata) de rebus naturae divinis judicamus; quali principia ns-
turae activa, effectun suos eodem modo producerent, quo nos opera nostra artificialia solemus, consilio nempe
et disciplina ab iutelloctu sive uionte acquisita. At vero Natura, principium motu« et qaieti« in omnibas io
quibus cst et anima vegetativa prima cujusübet generatioois causa efticicns, movet nulla facultate acqui*
sita isicut nos) quam vel artis vel prudentiae nomine indigitemus, sed tanqnsm fato, seu mandato quodam
secundum lege» operante; »imili nempe impetu modoque, quo levia sursum, gravia deorsum feruntur. Scilicrl
facultas parentutn vegetativa eodem modo generat, semenqae tandem ad formam foetus pertingit, quo min«
retia sua nectit, aviculae nidos exstruunt, et ovis incubant eaque toentur, apc* et formicae habitacala paratst
et alimoniam in futuros usus recondunt. Naturaliter ncnijn- et connato ingenio, non autem providentia, di*,
ciplina ct consilio quiequam agunt. Nam quod in nobis oporationum artiiicialium principium cst, dicilurque
ars, intellcctns aut providentia. id in naturalibus illis operibus eat natura (quae autodidactos eat et a nemioe
edoctos) quodqne illis connatuin et insitum id nobis acquisitum. Ideoque, ad artiiieialia qui rospiciunt, haud
aequi rerum naturalium aestimatorcs habendi sunt, si qui dem potius, vice versa, sumpto a natura ex em plan,
de rebus arte factis judicandum cst. Arte« enim oranes imitatione quadam naturae comparatac sunt, nostra-
que ratio sive intellectus, ab intellectu divino in operibus suis agente profluxit. Qui, cum habitu perfecto in
nobis existit, quasi altera anima adventitia et acquisita summi ct dirioitsimi agenti« imaginem suscipicns,
operationes «ive effectus simile« producit. Quapropler rem recte, pieque (mea quidem sententia) reputavorit,
qui rerum omnium generationes ab eodem illo aeterno atque omnipotente nomine deduxerit, ft cujus nuto
rerum ipsarum Universitas dependet. Xec magnoj^ere litigandum censeo, quo nomine primuin hoc agen« coro-
pcllandum, aut venerandum veniat (cui nomen omne venerabile debetur) sive Deus, sive natura naturanc.
sive anima mundi nppelletur. Id enim omnea intelligent, quod cunctarum rerum principium sit ct fini«,
quod acternum et omnipotcus existat, omniumque autor ct creator per varias generationum vicissitudin«,
caducas res mortalium conservet ac perpetuet, quod ttbique praesens, singulis rerum naturalium operibus non
minus adsit, quam toti uni verso, quod numine suo, sive providentia, arte ac mente divina cuncta animalis
procrect. Exercit. 49.
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&
t
Ci vT*'!— i-—-' t-* c-L. .*—£■ - j | ^ XII.
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Füsse der Chinesinnen.
Von
H. Welcker.
I.
Aus dem Apparate eines Schiflscapitäns, welcher China wiederholt besuchte, halte ich ein
aus Thon gefertigtes Modell eines chinesischen Frauenfusscs erhalten, welches trotz einer
gewissen Leerheit und schematischen Natur seiner Formen das Wesentliche und Charakteri-
stische der durch die bekannte Unsitte entstehenden Difforniität allen mir zugänglichen
Indicien nach so genau zur Darstellung bringt, dass ich der Versuchung nicht widerstehen
konnte, den Modcllirspatel zur Hand zu nehmen und nach Maassgabc der Formen des mit
dem Fleische dargastellten Fuases das zugehörige Skelet zu modelliren. Es ist freilich
selbstverständlich, dass Sicheres über das Speeiellere der Verkümmerung der einzelnen
Knoehen, über die Destruction der Gelenke und Bänder sowie der Muskeln, nur durch die
Zergliederung wirklicher Fiiaso gewonnen werden kann, und ich hoffte durch meine Arbeit
auch zunächst nur eine allgemeine Orientirung über jene Veränderungen zu erlangen. Aber
meines Wissens liegt eine Zergliederung eines Cbincscnfusses in der Literatur nicht vor ').
Zu Gunsten meiner Constniction aber darf erwähnt werden, dass Wiederholung der Modellirung
immer zu wesentlich demselben Resultate führte; es war gar nicht möglich, wenn man anders
den Formen der Vorlage folgen wollte, dem Fersenbein und den Knochen des Fussrückens
merklich andere Verbiegungen und Ineinanderschiebungen zuzuthcilen, als dies in meinem Mo-
‘) I>ie mir befreundeten Anthropologen, bei welchen ich in dieser Beziehung Erkundigungen einzog, ant-
worteten, dass ihnen Anatomisches älter den Chineaenfuas nicht bekannt sei ; daa Einzige, was ich erhielt, war
die Photographie einea getrockneten Kusse« einer Pariser Sammlung, llyrtl, der in seinem Handhuche der
topographischen Anatomie eine ausführliche Erörterung des Chinesenfusse« gegeben hat, sagt, dass „Modelle 11
sich fast in allen Sammlungen befinden ff); von wirklichen Küssen sagt er nichts. — Was ioh in der Folge
über Zergliederungen chinesischer Küsse in Erfahrung brachte, folgt in dem unter II bcigclügten Nachfrage.
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Chinesinnen, noch in China auf Heiapapier genullten Bildern.
Änderungen veranlasst wurde. Nicht wenig endlich kam mir die treffliche Schilderung zu
Statten, welche Hyrtl von der Schnürung der chinesischen Küsse gegeben hat.
Was Abbildungen unlingt, so entspricht das von Macartney 3 ) mitgetheijte Profilbild des nackten Kusses
einer Chinesin im Allgemeinen unserem Modelle, doch lässt dasselbe seiner Kleinheit wegen die näheren Detail«
nicht hinlänglich erkenneu. Gleiches gilt von den Zeichnungen, welche sich im Globus (Bd. X, 8, 34) linden;
dieselben scheinen fo gedacht, als wäre der Fuss nicht eingeknickt, sondern der Lange nach ineinandergeschoben.
t) Das Blatt trägt die Aufschrift: „Photographie de grandeur naturelle d'une Jambe de Chinoise dont le
pied est deforme artificiellcment, rapportv« par Mr. le Dr. Syrier, 1861. fc
a ) Gesandtschaftsreise nach China. Berlin 1798. 1. Theil, S. $03.
222 H. Welcker,
delle (Fig. 2G) geschehen ist. Hierzu kommt aber noch eine zweite Gewähr. Meinem Collegen
Ecker verdanke ich die Mittheilung der lebensgrossen Photographie eines Chinesenfussee,
welcher sich zu Paris in der Sammlung von V al de Gräce befindet '). Leider ist das Skelet
dieses Fusses durch die grossontheils noch aulsitzende Haut nicht in allen Einzelheiten ver-
ständlich; soweit man indess nach der Abbildung urtheilen kann, stimmt dasselbe mit dem
von mir entworfenen Skelet so vollkommen, dass ich durch jene Abbildung zu keinerlei Ab-
Fig. 22.
Fi?. 23.
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Ueber die künstliche Verkrüppelung der Füsse der Chinesinnen. 223
Das unserer Darstellung zu Grunde liegende Modell, welches Fig. 24 nach geometrischer
Aufnahme in 1 , natürlicher Grösse darstellt, ist aas rothem Thone gearbeitet und mit einem
aus Seidenstoffen kunstvoll zusammengenähten und
mit Stickereien Verzierten Pantöffelchen versehen.
Dass dieses Modell, wenn es in das ihm genau
anpassende Pantöffelchen eingeführt ist (Fig. 25),
mit den Frauenfüssen der bekannten auf Reispapier
gemalten chinesischen Bilder (von welchen ich eine
werthvolle Reihe — darunter Fig. 22 und 23 — zu-
gleich mit dem Fussmodello erhielt) vollkommen
übereinstimmt, ist ein weiterer Beweis dafür, dass das-
selbe die wesentlichen Charaktere der Verunstal-
tung getreu wiedergiebt *).
Die Betrachtung unseres Modells, so wie alles
Dasjenige, was wir Uber den Modus der chinesi-
schen Fusstoilette wissen, lehrt, dass es sich um
eine äusscrste „Streckung“, anatomisch gespro-
chen; um eine Plantarflexion des Fusses, zugleich
aber — und dieses ist offenbar das tiefeingrcifendste Moment der gesammten Verunstaltung —
um eine Einknickung des Fusses handelt, bei welcher das Hinterende des Fersenbeines
nach abwärts geknickt und den; Mittelfusse entgegengebogon wird *). Fussrücken und
Schienbein befinden sich hiernach in einer und derselben Flucht, so dass die grosse Zehe na-
hezu senkrecht nach abwärts ragt, während die vier kleineren Zehen vom Aussenrande das
Fusses her unter die Sohle geschlagen sind. Der Tlieil des Fusses aber, welcher dessen
Hinterrand bilden sollte, die Ferse, ist nach unten zu liegen gekommen.
Diese Verhältnisse waren massgebend bei der Herstellung des in Fig. 2G und 27 (a. f. S.)
abgebildeten Knoehenfusses. Gemäss der gesammten Einrichtung des Skeletes und der
Bänder sowie nach der Art und Weise des Schniirens muss die Ebene, innerhalb
welcher die Längsachse dos Fusses ihre hauptsächlichste Knickung erfährt (geringere
Biegungen vertheileii sich, wie dies auch unser Modell, Fig. 27, ausdrückt, auf verschiedene,
weiter nach vorn gelegene Stellen), in die Vorderenden des Sprung- und Fersenbeines fallen;
die Linie A C in Fig. 27 (Längsachse des Vordertheiles des Fusses) rückt in Folge des Schnü-
ren« nach « C, die Linie B C (Achse der Ferse) nach b C. Die einzelnen Knochen, zugleich
zwerghaft bleibend, richten sich in ihrem Wachsen zur Herstellung dieser abnormen Fuss-
gestnlt ein, wobei Calcaneus und Talus die grösseste Formvcränderung erleiden.
Werfen wir nochmals einen Blick auf Fig. 20 und 27, so lege ich auf das Speciellere der
dort gewählten Configuration der einzelnen Fusswurzcl- und Zehenknochen (die übrigens auch
*) Eine noch sicherere Bestätigung erhielt ich während des Druckes dieser Abhandlung. Ich hatte Gelegen*
heit, das Modell zweien Chinesen vorzulegen, welche dasselbe, in freudiger Ueberraschung nach allen Seiten
hin sorgfältig musternd, als „a very good Imitation“ brzeichneteu.
2 J Es bedarf kaum der Erinnerung , dass nicht eine rasche Knickung . wobei ein Theil zerbrochen oder
aueh nur anmittelbar verbogen würde, gemeint ist. Es handelt sieh um die Erzielung des Wachsens der
Theile in gebogener Hichtung.
Fig. 24. Fig. 25.
Modell eines chinesischen Frauenfusses.
t/ ft nat. Grösse.
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224
H. Welcker,
an den chinesischen Füssen nach Verschiedenheit der Anlage und der Behandlung grosse
Verschiedenheiten zeigen mögen) selbstverständlich keinen Werth; wie ich indess die einzel-
nen Knochen in die Contouren des chinesischen Modells auch vertheilen mochte: immer
Skelet eines Chinesen fusae* (eonstruirt). Uie rotken Linien gehören einem normalen Frauenfusse an.
Vs nat. Grösse.
kam das Hinterende des Fersenbeines genau so unter den übrigen Fuss zu liegen,
wie bei einem normalen Fusse der Haken eines Hakenschuhes unterhalb der
Ferse liegt. Die Chinesin geht also bei nahezu senkrecht gerichteten Mittctfussknochcn
auf den verkümmerten und grosson theils verbogenen Fusszehen; das Hinterende des
Fusses ruht auf einem doppelten Absätze — einmal auf dem untergebogenen
Fersenhöcker, und dieser auf dem Absätze des Schuhes (vgl. Fig. 26 und 27).
Man könnte daran denken, ob die starke Biegung, welche der Fuss zumal an seinem Aussenrande erleidet,
nicht etwa durch Luxation (des Würfelbeines unter das Vorderende des Fersenbeines) erfolge; aber die Band-
verbindungen der Fusawurzelknochen sind viel zu fest, als «lau man ein Auseinanderrücken der Gelonkflachen
erwarten dürfte. Können wir aber eine Luxation des Calcaneo-Cutmidalgelenkes nicht zugeben , so ist es hei
der nahezu senkrechten Richtung, in welche die Achse des Fersenhöckers (bc, Fig 27) gerathen ist und bei der gleich-
zeitigen Abwärtsbiegung des Vordertheiles des Fusses eine nothwendige Forderung, dass die für das Wür-
felbein bestimmte Gelenkfläche des Calcaneus ihre rechtwinkelige Lage zur Längsachse des
Knochens aufgebe; sie muss sich schräg stellen, statt nach aufwärts schräg abwärts gerichtet sein, mit
anderen Worten, es musB hinter dieser Gebmkiläche ein keilförmiges Stück Knochenmasse, dessen Spitze nach
oben zu denken ist, ausfallen. Die Stelle dieses Ausfalles oder der „Knickung“ wird ziemlich dicht hinter die
Oelenkfläche treffen.
Die Sohlenlänge unseres Modells (also des Fusses, nicht des Schuhes) betragt kaum die
halbe Lauge eines normalen Frauenfusses; von der Spitze der grossen Zehe bis zu dem Theile
der Ferse, welcher zum Hinterrande des Fusses geworden ist, messe ich 92 Millimeter; von
der Spitze des Schuhes bis zur hinteren unteren Ecke des Absatzes nur 60 Millimeter.
Vergleichen wir nun mit dem Modelle die oben erwähnte Pariser Photographie, deren
gleichfalls auf '/» verkleinerte Copie ich beifüge (Fig. 28), so macht letztere in mehrfacher
Beziehung einen erheblich anderen Eindruck. Doch liegt dies wesentlich nur darin, dass in
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Leber die künstliche Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen. 225
dem getrockneten Präparate der Kuss — in störendem Widerstreit mit dem chinesischen Ha-
bitus — in Dorsalflexion gernthen ist, eine Stellung, welche ich in keinem der mir bekannt
gewordenen Bilder von Chinesinnen gefunden hal>e,
und welche diesen in Folge der Destruction ihrer
Fiisse kaum möglich oder geläufig sein dürfte. Orieu-
tirt man die Unterschenkelknochen so, wie ich die-
selben in den chinesischen Bildern durchgehend« finde
(vgl. Fig. 22 und 23) und wie ich es in Fig. 28 durch
beigefügte punktirte Linien angedeutet habe und tilgt
mau den Umriss einer Sohle und des Absatzes hinzu,
so treten die uns durch unser Modell geläufig gewor-
denen Formen völlig übereinstimmend hervor.
Weiterhin ist der Pariser Chinesenfuss ansehn-
lich grösser, wiewohl die Gegeneinandorknickuug
des Vordertheiles und der Ferse einen hohen Grad
erreicht, die zur Anwendung gekommene Schnü-
rung mithin sicherlich eine durchgreifende war.
Sollte unser Modell unter natürlicher Grösse aus-
Kus» einer Chinesin. Getrocknetes Präparat üer geführt sein oder vielleicht nur einem Kinderfusse
Sammlung von Val sie Gräce zu Paris. entsprechen?
Nach einer in natürlicher Grösse aufgenomme- 1 , -
nen Photographie auf % verkleinert. 1 hi' Photographie des Pariser Präparates hat
von der Spitze der grossen Zehe bis zum Hinter-
rande des Kusses 134 Millimeter, mit den frischen Weichtheilen wird man 140 Millimeter an-
nehmen dürfen; für die untere Sohlenlinie dos zugehörigen Schuhes 90 Mm. Nun aber giebt
Hyrtl als Maass eines chinesischen Schuhes, dessen Trägerin er in Wien seihst gesehen, „nur
2 Zoll“ Länge der Sohle, d, i. nur 54 Millimeter, an ; unser Modell stellt sich hiernach zwi-
schen jene beiden Dimensionen; in seiner Kleiuheit würde somit kein Gegeugrund liegen,
dasselbe als das Modell eines erwachsenen Frauenfusses gelten zu lassen 1 ).
Ich schliesse mit der Wiedergabe einiger Stelleu aus der Literatur, welche auf Auto|>sie
beruhende Angaben über unsern Gegenstand enthalten. Hyrtl's Schilderung (a. a. O. H, 633)
lautet:
„Die unsinnigste Verunstaltung üer Fiese, die dem Verluste derselben gleich zu setzen, ist die gewaltsam
erzwungene Verkrßppeluog derselben bei den Frauen der höheren Stände io China Die Mantschu - Tataren
huldigen dieser Sitte nicht, welche aus Schmeichelei erfunden worden sein soll, um einer Prinzessin, welche
mit Klumpfüsaen geboren wurde, lange vor dem glücklichen Zeitalter der Tenotomie , glauben zu machen
dass alle Weiber solche Küsse hätten und die Sache somit ganz in der Ordnung sei. Die Rehnisse der vor-
nehmen Chinesinnen machen das Gehen auf ebenem Boden zur fjua) , das I.aufcn unmöglich und das Stiegcn-
Auf- und Absteigen so beschwerlich, dass chinesische Hausfrauen gewöhnlich nur Erdgeschosse bewohnen,
wenn sie den Luxus eines Hausträgers nicht bestreiten können. Modelle verunstalteter Küsse von chinesischen
Damen befinden sich fast in allen anatomischen Sammlungen. Der seidene Schuh, welchen mir Madame
Chung-Atai aus Canton bei ihrem Aufenthalte in Wien zum Geschenk machte, hat eine Sohle von nur 2 Zoll
’) Auch die oben erwähnten beiden Chinesen aeceptirten dassellie als die lebensgroste Copie des Kusse«
einer „erwachsenen chinesischen Dame.* — (Zu bedauern ist, dass die Msassc der in dem unter II folgenden
Nachfrage erwähnten Küsse von don Autoren nicht angegeben wurden.)
Arofair für Anthropologie. Dd. IV. Heft Ul- 29
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226
II. Welcher,
Länge und % Zoll Breite. Aus der Mittheilung einet Arztes, welcher längere Zeit auf Tschusan statio-
nirt war, erfuhr ich Folgendes über die Art und Weise der Fussumstallung nach chinesischen Schönheitabegrif-
fen. Die Operation zerfällt in zwei Perioden. Die erste beginnt im Verlauf de« zweiten Lebensjahres de«
Kindes. Die Zehen werden durch lange, in allerhand Touren um den Fuss gezogene Bandstreifen gegen die
Fuassohle hinabgebunden. Nur die grosse Zehe wird geschont. Die immer fester und fester geschnürte Ban-
dage bringt es endlich dahin , das« das Kind mit der Dorsalfläche der Zehen anftritt. Die Küsse mehrerer
Kinder, welche mein Freund in dieser Periode untersuchte, waren heiss, roth und schmerzhaft. Nach und
nach verlieren die Zehen ihre Eigenschaften als selbstständige Glieder und bilden eine mit der Futssohle ver-
schmolzene, ungetheilte Masse. Dieses ist bereits im nächsten Jahre der Fall, in welchem der zweite Theil
der Operation beginnt, wenn die Eltern sich nicht mit dem ersten begnügen, was nur bei Leuten der niede-
ren Stände der Fall ist. Der Fuss, mit der grossen Zehe, wird nun im Bogen allmählich so gekrümmt, dass
die grosse Zehe so nahe als möglich an die Ferse kommt. Diese Procedur ist viel schmerzhafter, als die vor-
hergegangene und bringt vielen schwächlichen Kindern den Tod. Sie unterbleibt deshalb von Seilen solcher
Eltern, welche ihre Kinder nicht geradezu in Lebensgefahr stürzen wollen. Die Bandage wird nie gelockert,
sondern von Monat zu Monat immer fester und fester angezogen. Wurde das Ziel der beabsichtigten Ver-
krüppelung erreicht, so besteht der Fuss, von unten gesehen, bloss aus einem Stücke grosser Zehe und einem
Stücke Ferse, zwischen welchen beiden eine Schwiele liegt. Die Waden schwinden und werden spindelbeinig.—-
Eine chinesische Mutter vertraute einem anderen europäischen Arzte ein auf diesen Theil chinesischer Formen-
Schönheit sich beziehendes Toilettenmittel. Bei Mädchen aus dem Volke, welche, um den Fuss doch etwas
gebrauchen zu können, ihre grosse Zehe nicht so dicht an die Ferse herangezogen haben, wie es bei den Rei-
chen der Fall ist. und deshalb keinen ganz schönen, d. i. kleinen Fuss besitzen, wird dieser Mangel an Vollkom-
menheit bei festlichen Gelegenheiten, insbesondere aber bei der Hochzeit dadurch ersetz*, dass unter dem Fasse
ein Stück Kork von der Form des kleinsten Kümos befestigt und dieses dann mit dem Schuh bekleidet wird. 1 *
In einem Aufsätze des Globus (Jahrg. 16G6, S. 34) heisst es:
„Diese Mode reicht schon ins hohe Alterthum hinauf. Die Chinesen selbst erzählen, eine Prinzessin
habe ausserordentlich kleine Füese gehabt und dadurch die Aufmerksamkeit und den Neid anderer vornehmen
Frauen erregt. Und wenn sie selber dieser Schönheit sich nicht rühmen konnten, so sollten doch ihre Töchter
derselben theilhaftig sein. So geschah es, und die Mode griff im Fortgange der Zeit immer weiter um sich,
und heute sind reiche wie arme Leute kleinfüsaig.“
„Zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Monate beginnt die Operation. Die Füsse werden mit zwei
Leinwandbinden, dem Tschan-pu und dem Tschio-pu, umwickelt, und zwar so, dass die vier kleinen Zehen
unter die Sohle gebogen werden, die grosse Zehe aber frei bleibt, ähnlich wie wenn wir eine Hand ballen,
aber den Danmen in seiner natürlichen Stellung lassen. Ein Mädchen ohne verkrüppelte Füsse findet nicht
leicht einen Mann; ihm fehlt ja, nach chinesischen Begriffen, eine Hauptschönheit. Die aber, welchen sie
nicht mangelt, können ihre Beinmuskeln nicht üben, bekommen keine Waden, ihre Beine sind wie Stelzen und
der Gang bleibt wackelnd.“
„ — Die Chinesinnen laufen, trotz dieser kleinen Füsse, sehr rasch und sicher 1 ); ja sie haben ein Bewe-
gungsspicl, bei welchem man einander hölzerne Tellerscheiben oder auch Bälle zuwirft. Bei uns in Europa
schleudert man dieselben mit dem Ballholze zurück; die Chinesinnen aber bedienen sich statt derselben der
Sohlen ihrer kleinen Schuhe. Uebrigens haben wir mehrfach gelesen, dass in neueren Zeiten die Mode der
Verkrüppelung in manchen vornehmen Familien nicht mehr beobachtet wird.“
Von Interesse ist auch eine Schilderung, welche Ed. Hildebrandt (der berühmte Maler
der Aquarellen) von unserem Gegenstände entwirft (Keise um die Welt, II, S. 91):
„Bei meinen Malerstudien gewahre ich so Manches, was für gewöhnlich den Blicken der Fremden entzo-
gen wird. Ich rechne dahin die kleinen Krüppelfüsse der Chinesinnen, die sie höchst ungern ohne die übliche
Bandage zeigen. Als ich in der Nachbarschaft einer Familie, die eben ihr Frühstück eianahm, meinen Schirm
aufgespannt hatte und eifrig zu arbeiten anbub, bemerkte ich plötzlich, dass die Hausmutter ihre Füsse aus
dem engen Futteral zog, das ich kaum einen Schuh zu neunen wage, und eine kleine Wunde bepflasterte.
Der verunstaltete Fuss glich einem Huf. Der Landessitte nach werden beide Füuo der kleinen Mädchen im
3. oder 4. Lebensjahre mit Bandagen und Bambusscheitern förmlich geschient, bis sie diese Zwerggestalt
q Dieser bestimmten Aussage gegenüber scheint Hy rtl’s Angabe, dass das Laufen „unmöglich“ sei, nicht
ganz zuzutreffen ; an sich ist jedenfalls die Möglichkeit raschen und sicheren Laufens bei schwankendem und
unsicherem Gange nicht abzuweisen.
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227
Ueber die künstliche Verkrüppelung der Füsse der Chinesinnen.
annehmen. Eie nt unbegreiflich, weshalb man selbst in den unteren Ständen, die doch ihr Leben lang auf aus-
dauernde Arbeit angewiesen sind, die Töchter auf diese Weise verstümmelt, die ihnen Bewegung and Beschäf-
tigung über alle Massen erschwert. Wie oft habe ich die Frauen der Gärtner an ihren Stöcken umherhumpeln
oder srhneckenartig auf den Knieen zwischen den Beeten hinkriechen und Unkraut ausjäten sehen. Unter den
Tataren hat die Unsitte nicht um sich gegriffen, die Fasse ihrer Frauen sind wohlgebildet und ihre Gangart ist
so elastisch, wie die einer Pariserin. Aller Mühsal ungeachtet sind die Chinesinnen stolz auf diese Fussst um pfe.
In der poetischen Landessprache heisst das verstümmelte Glied Küm-leen, d. h. goldene Wasserlilie.*
Pag. 12: „Die eleganten Damen, denen wir in dieaer Stadt (Hongkong) häufiger begegneten, bedienen
sich bei ihren künstlich verkrüppelten kleinen Füssen der Stöcke; sie würden, da sie auf den Zehen gehen,
sonst fortwährend in Gefahr schweben, niederzufalleo.*
Nach einem Wiener Blatte bat in jüngster Zeit ein Arzt der französischen Gesandtschaft
in Peking, Dr. G. Morache, Mittheilungen über unseren Gegenstand gemacht, welchen ich,
jener Quelle folgend, Nachstehendes entnehme:
Es giebt nach den Provinzen verschiedene Yerfahrungsweiacn beim Binden des Fuaaes und im Ganzen
zwei Grade desselben, indem nämlich entweder blos die Zehen verkrüppelt werden, oder auch das Fersenbein
senkrecht gestellt wird. In den reichen Familien beginnt die Verunstaltung mit dem 4., bei andern mit dem
6. oder 7. Lebensjahre. Zunächst wird der E'uss geknetet, dann werden die vier kleinen Zehen mit Gewalt
gebeugt und durch eine Binde von 5 Centim. Breite mittelst Achtertouren in dieser Lage erhalten. Täglich
wird die Binde erneuert. Das Kind trägt einen ziemlich hoch reichenden Schnürstiefel, der sich nach vorn
zuspitzt und eine platte Sohle ohne Absatz hat. — Vorstehendes Verfahren giebt nur den in den Nordpro-
vinzen üblichen, gewöhnlichen Fuss. Zur Herstellung der zweiten, eleganteren Form legt man, wenn die blei-
bende Beugung der Zehen erreicht »t, unter den Fass einen halben Cylinder von Metall und führt nun die
Binden um den Fuss, auch wohl um den Unterschenkel, in der Absicht, dessen Muskeln an einer der beabsich-
tigten Gestaltung feindlichen Wirkung zu hindern. Bei jeder Anlegung der Binden presst die Mutter aus
allen Kräften Fersenbein und Zehen über dem Ilalbcylinder zusammen und führt auf diese Weise wo möglich
eine Dislocation des Kahnbeines herbei, ja sic sollen mit einem Steine nachhelfen, um das Kahnbein zu zer-
schmettern, in manchen Provinzen es ganz herausnehmen. Der so misshandelte Fuss wird in einen Stiefel
mit stark convexer Sohle gesteckt. Ist die Binde gut angelegt, so hört nach einigen Jahren der Schmerz auf
und die Empfindlichkeit des Fusses ist soweit ortödtet, dass kaum noch etwas Gefühl besteht. Solche Frauen
sind indess nicht im Stande za gehen, wenn der E'uss nicht gebunden und nicht unterstützt ist.
In Tschusan hat Lockart nie ein Weib gesehen, das normale Füsse hatte, während er in Canton und Ma-
cao viele solche sab. Im Ganzen schien cs ihm, als ob, auf dem Lande wenigstens, diese Unsitte nicht so viel
Schaden brächte, als zu erwarten wäre; er sah starke, gesunde Frauen/immer mit eingezwängten Füssen leicht
und anscheinend schmerzlos mehrere Meilen zurücklegen. — Wenn man von den Sagen absieht, welche den
Ursprung dieaer Unsitte in die Zeit von 1100 vor Christi zurückverlegen, so variiren die historischen Angaben
zwischen dem Kaiser Yang-ti, 695 nach Chr. und Li-Yuh, 961 bis 976 nach Chr. Eine Vererbung im Sinne
Darwin’s hat das achthundertjährige Schnüren nicht hervorgebracht; die Füsse der kleinen Mädchen in China
sind völlig normal gebaut.
Wir wundern uns über den Gebrauch einer so geschmacklosen und mit so vielen Unbe-
quemlichkeiten verbundenen Verstümmelung, doch wir vergessen, dass es weit edlere Organe
sind, welche durch die bei uns gebräuchliche Art des Schnüren» verkümmert werden. Aber
es giebt Dinge, über die das Publikum Belehrung gar nicht will. Vergeblich hat Soemmer-
ring 1 ) gegen das Schnüren geschrieben, vergeblich hat Hogartli in den Umriss der Venus
eine Schnürbrust eingerechnet ’), vergeblich haben begeisterte Jünglinge mit anderem Plun-
der die Schnürbrust gar verbrannt — die Unsitte blieb. Die Chinesinnen aber werden , so-
bald die europäische Cultur das Reich der Mitte noch ferner aus dem Gleichgewichte bringt,
das Schnüren ihrer Füsse aufgeben und — den Thorax schnüren.
■) Ueber die Wirkungen der Schnürbrüate. Mit einer Kupfertafel. Berlin 179$. &*, S! Seiten.
2 ) Auf dem Bilde „Taste in high life,* mit der Untern hrilt „the Mode, 1742*.
29 *
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228
II. Welcker,
II.
Angaben englischer Chirurgen über den Chinesenfuss.
Meine Venimtlinng, dass dio Museen derjenigen Nationen, welclio durch ihre Schifffahrt
seit längerer Zeit in Berührung mit China gekommen sind, Küsse von Chinesinnen enthalten
möchten, ja dass auch in der Literatur bereits Mittheilungen über das Nähere dieser Diflor-
iuitüt vorliegen müssten, hat sich bestätigt Durch die Aufmerksamkeit meines chirurgischen
Collegen Prof. R. Volkniann bin ich mit einer Anzahl von Abbildungen und Beschreibungen
bekannt geworden, welche die englischen Chirurgen über diesen Gegenstand gegeben haben.
Ich glaube nicht zu irren, dass diese Mittheilungen der Kenntnissnahme der Anthropologen
und Ethnologen entgangen sind, und es mag darum gerechtfertigt erscheinen, wenn
ich hier dasjenige zusammenstelle, was ich in dieser Richtung mitgctheilt finde.
John Hilton in seinem Werke „On the Influence of mech&nical and physiological Rest“,
London 1803, zieht den Chinesenfuss als ein Beispiel
dafür heran, dass lango fortgesetzte Unthätigkeit
eines Gelenkes keineswegs mit Nothwcndigkeit eine
krankhafte Veränderung desselben zur Folge habe.
Die von ihm gegebene Abbildung (Kig. 29) hat eine
überraschende Aehnlichkeit mit unserer Fig. 26. Die
betreffende Stelle bei Hilton (pag. 313) lautet:
.Kt hat >irh getroffen, dass die Universität jetzt reich an
Chinesenfussen ist. and ich führe Ihnen ein gutes Exemplar zur
Unterstützung meiner Ansicht vor. Kig. 29 ist die Abbildung
eines in Weingeist nilfbewnhrte n Präparates. Ich weis« nicht,
wie eit die Derne war, aber nach dem Anaehen der Knochen
darf man mit Sicherheit annehmen, dass eie da« Alter der Pu-
bertät erreicht oder bereits überschritten hatte. Nun, diese Ge-
lenke sind gegeneinendergedrängt seit 20 oder 30 Jahren , und
doch sind die Gelenkffsohen in normalem Zustande und ihre
.Strnctur hat nicht im geringsten gelitten." — — tu einem
Senkrechter Durchschnitt des Kusses einer chi* Briefe, den ich von Dr. Bsrder empfing, sagt dieser: »Die
neeischen Dsme, nsch Ililton, Kig. (12. Gelenkfläcben des Chinesenfuaaes sind mikroskopisch vollkom-
Präparat des College of Surgeons. men gesund. 1 Auch eines von Breusby Cooper besehriebe-
1 Tibia, ‘1 Aatrsgalu», 3, SCalcancns. 1 Navico- oen Präparates gedenkt Hilton, dessen Gelenke nirgends eine
lare, 5 Cuneiforme primuni. Ancbylose zeigten.
Die wohl zuerst von Little (Ün Deformities, p. 167) hervorgehobene Aelmlichkeit der
chinesischen DifTormität mit der nicht angeborenen Form von Talipes calcaneus (eine Miss-
bildung, bei welcher die Fersen senkrecht nach abwärts gerichtet sind, so dass das Indivi-
duum auf dem Hinterende der Ferse steht, während der Vordertheil des Kusses trotz einer
starken Abwärtsbiegung hoch zu liegen und ausser Berührung mit dem Boden kommt) veran-
lasst W. Adams, in seinem preisgekrönten Werke „Club - foot“ (London 1866), unserem
Gegenstände eine ausführliche Betrachtung zu widmen. Wir lesen dort (p, 340):
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Ueber die künstliche Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen. 229
„In dem Museum de» Royal College of Surgeons findet »ich eine Reihe von elf Präparaten (Nr. 884® bi»
884* de» Descriptive Catslogue of the Path, Specim., Suppl., VoL I), gefertigt au» den Füssen von vier Chi-
Besinnen , welche die anatomischen Eigentümlichkeiten dieser merkwürdigen Difformität erläutert,
welche durch künstliche Mittel — ich kenne nicht genau die bestimmte Art des Verfahrens — entweder
durch festes Verbinden, oder durch eine andere zusammendrückende, in frühester Jugend und eine längere
Zeit während des Wachsen» in Anwendung gebrachte Gewalt — erzeugt wird. Diese Präparate sind in Spi-
ritus aufbewahrt und in einigen Durchschnitten sind die veränderten Verhältnisse der Knochen und Gelenke
dargestellt. Fig. 80 und 81 zeigen die innere und äussere Ansicht eines dieser Füsso, und man wird fin-
Fig. 30. Fig. 81.
Kuss einer chinesischen Dame. Museum de* College of Surgeons, Nr. 884 c .
(Nach Adams, a. a. O., Fig. 74 und 7ö.)
den, dass der allgemeine Charakter der Difformität in mancher Hinsicht Achnlichkeit hat mit den schwe-
reren Fällen von nicht angeborenem Talipes calcaneui , paralytischen Ursprung». Der Höcker de» Fer-
senbeines ist so weit berabged rängt, dass er gerade nach unten ragt, nnd der Körper
dieses Knochens hat eine senkrechte Richtung, zusammen fallend mit der Längslinie dos Beioes. In
Fig. 31 sieht man die Achillessehne flach gegen die hintere Ebene des Knöchel gelenkes anliegen und sodann
gerade nach abwärts zu dem Fersenböcker herabtreten. Der vordere Tbeil des Fussen ist von dem querlau-
fenden Taraalgelenke aus nach unten gebogen, so dass der Fuas in seiner Längsrichtung zusammengefaltet
ist: das Knöchelgelenk und das quere Fussgelenk sind die Hauptcentren der Bewegung. Die Phalangen der
vier äusseren Zehen sind krallcnartig einwärts gebogen und seitwärts gerichtet nach der Mittellinie der Kuss-
sohle. Die zugehörigen Metatarsalknochen sind nach der Seite zusamraongedrückt; die der grossen Zehe
allein bleiben gestreckt und geben dem zuaammengeballten und verdrehten Fue» eine spitze Form. Dies zeigt
sich gut in Fig. 30, deagleichon in Fig. 32.“
Noch eine fünfte Abbildung habe ich beizuftigen , entnommen dem citirten Werke
Little'g. Diese Zeichnung eines vollständig skeletirten Kusses bat eine ganz auffällige Aehn-
Fig. 32. Fipr. 33.
Abguss des Fusses einer Chinesin. Museum des Künstliches Skelet dee Fusses einer Chinesin.
Unirersity College, Nr. 4593. iAdams, Fig. 76.) (Nach Little, On Deform ities, Fig. 67.)
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230
H. Weleker,
lickkeit mit der oben unter Fig. 28 wiedergegebenen Photographie des mit den Weichtheileu
getrockneten Pariser Präparates, und eben diese Aehnlichkeit verbürgt es uns, dass bei der
künstlichen Zusammensetzung des von Little abgebildeten Kusses die einzelnen Taroal- und
Zehenknochen nicht in falsche Lagen gekommen sind. (Anders dürfte es sich mit Tibia und
Fibula verhalten.) Zu Little's Abbildung bemerkt Adams (S. 342):
„Dine Abbildung i»t in einer wichtigen Beziehung verschieden von allen anderen erwähnten
Exemplaren, indem lie nämlich den Feraenhöoker in derselben Höhe mit den Zehen darstellt, bei aufrechter
Stellung des Beine*, während doch in den oben gegebenen Zeichnungen und in allen den Exemplaren, welche
ich untersucht habe, der Feraenhöcker so sehr über der Höhe der Zehen liegt, dass e* für die Dame nöthig
wird, einen Schuh mit einem 1 bi* 2 Zoll hohen Absätze zu tragen, und ich glaube, da« die Schuhe dieser
Damen eteta einen Absatz von jener Höhe besitzen."
Wir sehen, Adams nimmt an derselben ungeschickten und das Charakteristische der chi-
nesischen Diiformität verwischenden Orientirung des Präparates und der Zeichnung Anstoss,
welche ich oben an jener Pariser Photographie gerügt habe, und lässt es sich einige Mühe
kosten, darzuthun, dass Little's Zeichnung trotz der hohen Lage ihrer Fusszehen — ein Chi-
nesenfuss ist ')■
Gehen wir davon aus, dass bei der künstlichen Zusammensetzung des in Fig. 33 abge-
bildeten Fussskelctes die Knochen des Unterschenkels in eine falsche Stellung gebracht wur-
den, welche nach Maasgabe der in Fig. 28 von mir eingefugten punktirten Linien zu verän-
dern wäre und dass das ganze Präparat um einen Winkel von mindestens 30 Graden nach
vorn zu neigen ist, so steht dieso Zeichnung mit keinem einzigen der Charaktere in Wider-
spruch, welche wir als diejenigen des Cliinesenfusses kennen lernten, namentlich ist eine
grosse Uebereinstimmung mit dem von Hi lton gegebenen Durchschnitte (Fig. 29) unverkennbar.
Ich muss es übrigens dabin gestellt sein lassen, ob nicht Little von der Ansicht ausgegangen
ist, dass die von ihm gewählte Orientirung seines Präparates der Haltung des Fusses im le-
benden Zustande entspreche; es wäre dies allerdings eine höchst auffällige Annahme, doch
scheint ihn auch Adams so verstanden zu haben *).
Little giebt dem von ihm abgebildeten Ckinesenfun.se die Unterschrift: „Artificial Talipes
calcaneus“ und fügt hinzu (p. 168):
„Ich besitze keine anatomische Abbildung des Präparates eines von der Natur erzeugten Talipee calcaneus,
da ich keine Gelegenheit hatte , diese Form nach dem Tode zu seciren , aber wir können die Zeichnung dea
*) Es wird von Adams berbeigezogen , dass die kleinen Schuhmodelle chinesischer Arbeit, welche sich in
verschiedenen Museen finden, alle den erhöhten Absatz zeigen, während die innere Sohle von den Fersen zu
den Zehen hin nach abwärts ausgeschweift sei. Da diese Modelle jedoch unächt sein könnten, so versuchte
A. die Thstsache der Schrägrichtung der Fusseohle an den Füssen der Gemahlin eines chinesischen Riesen
fcstzustellen , welcher damals in London Vorstellungen gab, erreichte jedoch seinen Zweck nicht, „wegen des
Willens des Riesen und seiner Frau, nichts zu thun zu haben mit den Doctorcn.“ Indessen lies* sie ihre
Füsse von dem Publikum sehen , „den Rist und die Knöchel mit einem cnganschliesscnden Beinkleid verber-
gend. Der Schub, der auch mit ausgestellt wurde, roass 4*/g Zoll, der Absatz war 1 Zoll hoch, die Sohle war atj-
hüngig von der Ferse zur Zehe.“ Dieses Maaes der Sohle, 114 Millimeter, d. i. mehr als das Doppelte der von
Hyrtl notirten Zider, würde für eine Chinesin auffällig gross sein, t* übrigens macht dio sonderbare Rücksicht,
„Rist und Knöchel“ zu verbergen, sowie ihre Sehen vor den Dootoren, diese Chinesin etwas verdächtig.
J ) Dieselbe Stellung der Unterschcnkelknochen und dieselbe Orientirung des Fusses zum Horizonte, wie
Little's Exemplar, xeigt eine Abbildung, welcbe ich J. B. Davis verdanke (entnommen Bransby Cooper*»
„Anatomical Deacription of the foot of a Chinese female,“ Phil. Trans. 1829, p. 255). Tibia, Fibula and Cal-
caneus sind hier genau so gestellt, wie in Fig. 28 und 32, die Zehen wie in Fig. 31.
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Ucber die künstliche Verkrüppelung der Fiisse der Chinesinnen. 231
FnnskoleU der Chinesin vergleichen mit dem Modelle der extremsten Form von Talipea calcaneus, und
wir werden die Aehnlichkeit , wenn nicht die volle Gleichheit de* Knochenbaues in beiden Fällen erkennen,
mit Ausnahme des Verhaltens der vier kleineren Zehen. Die künstliche Miasstaltnng ist durch festes Schnüren
des Fusses im frühen Kindesalter und durch Unterschlagen der kleineren Zehen nnter die Sohle bewirke Diese
Behandlung bedingt ohne Zweifel eine beschwerliche Bewegung der Sohle; das Individuum ist genöthigt, aus-
schliesslich auf der Sohle tu gehen“ (?); „die vorderen Muskeln des Unterschenkels gewinnen das Uebergewicht
und bewirken eine Erhöhung des Fussrückens; die Muskeln und Bänder der Fusssohle steigern die Wölbung
des Fussrückens und hiermit die Concavitat der Sohle, die Wadenmuskeln werden atrophisch und kraftlos und
machen die Analogie mit Talipes calcaneus vollständig.“
Man wird zugeben dürfen, dass das relative Lagenvcrliältniss der einzelnen Knochen zu
einander in beiden Fällen ein sehr ähnliches ist, aber die Richtung der Längsachse des Vor-
derteiles dee Fusses ist in beiden Formen eine sehr verschiedene (bei TalijMa calcaneus
horizontal, bei dem Chinesenfusse stark abwärts gerichtet, so dass die Ferse des hohen Ab-
satzes bedarf — ein Unterschied, den bereits Adams (a. a. O., p. 343) hervorgehoben hat).
Es scheint mir sehr zweifelhaft, ob an dem bis zum Uebermasse geschnürten Fusse die
von Little angenommenen Muskel Wirkungen neben der Schnürung einen Kinfluss auf den
Skeletbau gewinnen können, namentlich scheint mir dies von den durch die Umknickung
des Firnes völlig erschlafften Muskeln der Fusssohle schlechthin unmöglich. —
Die hier gegebene Zusammenstellung von Abbildungen setzt uns in den Stand, die Zu-
fälligkeiten der Form, welche an den Chinesenfüssen Vorkommen, als solche zu erkennen
und das Typische und Const&ntc der Verunstaltung mit Sicherheit aufzufassen.
Vergleichen wir dieselben untereinander, so zeigt das unter Fig. 29 abgebildete Spiritus-
präparat, sowie der Gypsabguss Fig. 32, den zwischen Ferse und Fussballen vorkommenden
Raum weit vollständiger von jener hufartigen Schwiele ausgefüllt und die gestammte Fusssohle
dadurch weit mehr geebnet, als dies in Fig. 30 und 31 der Fall ist, wolche durch die gehöhlte
Form ihrer Sohle (die allerdings theilweise durch die Entfernung der Sohlenhaut bewirkt ist)
weit mehr mit unserem Thomnodelle (Fig. 24) übereinstimmen.
Die Abwärtsrichtung der grossen Zehe und di«; gostrecktc Richtung ihrer Phalangen,
welche die beiden Londoner Präparate Fig. 29 und 32, und (sofern wir sie in die richtige Lage
bringen) Fig. 28 und 33 in durchgreifender Uebereinstimmung zeigen, lassen Fig. 30 und 31
vermissen. Denn einmal laufen hier die MetatarsaJknochen und Phalangen der grossen Zehe
keineswegs in Einer Flucht, sondern es findet sich eine erhebliche Dorsalflexion der Zehen-
glieder. Sodann aber hat Adam9 diese Fiisse, so sehr er an der fehlerhaften Orientirung von
Little's Zeichnung Anstoss nimmt, gleichfalls (wie die von ihm in Fig. 31 angebrachte Ho-
rizontale zeigt) nicht ganz richtig orientirt; dieselben stehen keineswegs so senkrecht, wie
sie bei senkrecht gedachter Tibia sich zeigen müssten und vertragen nicht die Unterschiebung
des chinesischen Absatzes. (Ich habe in Fig. 30 eine Sohlenlinie, wie ich sie flir richtig halte,
beigefügt) Uebrigens repräsentirt der von Adams zur Abbildung ausgewählte Fuss (Fig. 30
und 31) keineswegs den höchsten Grad der chinesischen Dittormität; kleine Zehe und Fersen-
höcker sind einander weitaus nicht so nahe gekommen, wie in Fig. 24, 29, 32 und 33.
Es gereicht mir zur Freude, dass ein so sonderbar abweichendes Skelet, wie das des Chi-
liesenfusses , sich nach dem blossen Modelle der mit den VVeichtlieilen besetzten Gliedmasse
in so vollkommener Weise construiren liess, und dass Fig. 27, welche den Mechanismus der
chinesischen Fusstoilette, wie das Erzeugniss derselben, mit einem Blicke übersehen lässt, durch
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232 H. Welcker, Ueber die kiinstl. Verkrüppelung der Ftisse der Cliinesinnen.
die Kenntnissnahme des wirklichen Skelet» sich keiner nennenswerthen Abänderung bedürf-
tig zeigt. Die verschiedenen nach wirklichen Chinesenfässen gefertigten Zeiclinungen (Fig. 28
bis 33) bestätigen die Richtigkeit der in der Vorlage von Fig. 26 und 27 gewählten Anordnung
der einzelnen Knochen fast durchgehend» ; und da in Folge der Behandlungsweise jener Prä-
parate keine der unter Fig. 28 bis 32 gegebenen Abbildungen für sich allein eine volle Ueber-
sicht über den gesammten Skeletbau des Chinesoufusse« gewährt, und auch Fig. 33 — ab-
gesehen von der fehlerhaften Orientirung, zum Unterschenkel, wie zum Horizonte — in der
Deutlichkeit der einzelnen Knochengrenzen Manches zu wünschen übrig lässt, so wird man
neben jenen nach der Natur aufgenommenen Bildern auch unseren Figuren 26 und 27 eine
Stelle" gönnen.
Am wenigsten genau in manchen Einzelheiten scheint das von mir construirte Skelet
gerade mit dem Präparate zu stimmen, in welchem die Knochen am vollständigsten bloss lie-
gen, — mit dem in Fig. 33 abgebildeten Präparate Litt le’s. Dass das eratere überall gerundeter«
Formen, einen mehr schematischen Habitus, der in Fig. 33 abgebildete Fuas dagegen mancherlei
Vorsprünge und individuelle Ausprägungen zeigt, ist völlig in der Ordnung. Aber wie ver-
hält es sich in Fig. 33 mit der von mir angenommenen Knickung des Caicaneusi Leider
sind die Contouren in Little's Abbildung gerade an der betreffenden Stelle wenig deutlich.
Wenn in Little’s Zeichnung als Ausdruck des von Fersen- und Würfelbein gebildeten Ge-
lenkes diejenigen Linien aufgctässt werden dürfen, in deren Richtung ich in der Wiedergabe
der Figur eine mit n bozeichnete punktirte Linie angebracht habe, so fände sich eine Knickung
genau an derselben Stelle, wie in meinem Modelle; sollte das Gelenk aber mehr rückwärts
(in der Richtung der Linie 6) liegen — und es ist mir dies nach Little's Zeichnung fast
wahrscheinlicher — so wäre die Form des Calcaneus allerdings eine etwas andere, im Wesent-
lichen indes» darum ein Unterschied nicht vorhanden. Da» Fersenbein würde dann nicht so-
wohl eine Knickung inmitten seines Körpers, sondern mehr vorn, dicht hinter seiner vor-
deren Gelcnkdäche, erlitten haben, der Knochen mithin in der Profilbetrachtung nicht eine
winkelige Vevbiegung seiner Längsachse, sondern nur eine Abwärtsbiegung seiner vor-
deren Gelenkfläche darbieten. Es stimmt dies vortrefflich mit den Worten von Adams,
dass bei senkrecht gestelltem Körper des Fersenbeines der vordere Theil des Fusses „von dem
querlaufenden Tarsalgelenke aus“ nach unten gebogeu sei,
Halle, 4. April 1870.
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XIII.
- G. Vf--
Der stereoskopisch - geometrische Zeichenapparat.
Von
Dr. Julius JeuHon,
«weitem Arzte der Irrenanstalt Allenberg (Ostpreusson).
(Hierzu Tafel L)
Beschäftigt mit einer Arbeit, die Gehirne von sechs verschieden geisteskranken Indivi-
duen zu zeichnen, Auszumessen und genauer zu beschreiben, musste es mir darauf ankommen,
die Windungsverhältnisse des Hinterhauptlappcns, die ich bei den von mir untersuchten Ge-
hirnen entschieden einfacher fand, als sie von den Autoren beschrieben wurden, durch Zeich-
nungen wiedorzugeben. — Dem stellten sich aber nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgegen.
Nur eine Zeichnung von hinten, unten und innen konnte den an sie gestellten Anforderungen,
sänimtliche Furchen und Windungen jenes Lappens möglichst Ubersehen zu lassen, genügen.
Eine solche Zeichnung aber, wie wir sie linden auf S. 35 des trefflichen Leitfadens von Prof.
Ecker '), ist, das wird mir ein Jeder zugeben mUssen, nur für den klar verständlich, der ent-
weder ein Präparat zur Hand hat, sei es auch nur das Modell eines Gehirns, an dem er sich
die betreffenden Partien aulsuchen kann, oder für einen solchen, dem die Verhältnisse bereits
so klar sind, dass er in die wiederzugebende Hirngegend sofort sich hinein zu versetzen im
Stande ist. Diesen beiden wäre aber auch mit einer hinreichend klaren Beschreibung schon
gedient, während eine Zeichnung hauptsächlich für die nothwendig sein wird, denen beides,
das Präparat, wie das genügende Verständniss der Verhältnisse abgeht.
Ich habe mich nun vielfach bemUbt, eine derartige Zeichnung herzustellen, ohne dass es
mir gelungen wäre, Uber die einfach schematische Darstellung Ecker's hinauszukommen. Es
fehlte eben allen Zeichnungen die Körperlichkeit, ohne welche die drei verschiedenen, wio-
derzugebenden Flächen, Convexität, mediale und Unterfläche, nicht auseinanderzuhalten
waren.
’) Alexander Ecker, die Uirnwindnugon de« Menschen etc. Braunschwcig , Friedr. Vieweg und
Sohn, 1669.
AreWr (Br AnOiropokigls. Bi IV. lieft III. aQ
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234
Julius Jensen,
Aber gerade die Körperlichkeit war gewiss auf dem Papier völlig genügend wiederzu-
geben, wenn es gelang, das Object stereoskopisch darzustellen. Bekanntlich erzielen die
stereoskopischen Bilder dadurch ihre überraschend plastischen Effecte, dass das rechts gelegene
Bild das Object mehr von rechts gesehen wiedergiebt, während das links gelegene das Object
zeigt, wie es nur mit dem linken Auge gesehen sich ausnehmen würde. Gemeiniglich werden
derartige stereoskopische Ansichten mit Hülfe der Photographie hergestellt, indem die darzu-
stellenden Gegenstände einmal mehr von rechts, das andere Mal mehr von links her aufgenom-
men werden.
Mir stand aber für meine Zeichnungen kein photographischer, überhaupt kein anderer
Apparat zu Gebote, als der Lucae’sche Zeichenapparat Perspectivisch mit demselben zu
zeichnen, mit feststehendem Diopter, nach Fortnahme des Fadenkreuzes, hatte ich noch nicht
versucht Der Gedanke lag mir deshalb näher, aus verschiedenen Gesichtspunkten zwei geo-
metrische Zeichnungen von dem betreffenden Object zu entwerfen und abzuwarten, welchen
Effect dieselben unter dem Stereoskop hervorbringen würden.
Anfangs wurde das Object selbst, der Bequemlichkeit und leichteren Handthierlicbkeit
halber nur der Gypsabguss einer Hemisphäre, da« eine Mal mehr nach links, das andere Mal
mehr nach rechts geneigt, und beide Male auf dieselbe Glasplatte gezeichnet — Der ste-
reoskopische Effect war aber gleich Null. Die Bilder deckten sich nicht, oder nur so schlecht,
dass von einer körperlichen Anschauung nicht die Rede sein konnte. Das Object war näm-
lich beim Verrücken und Verändern seiner Lage auch etwas gedreht worden und in Folge
dessen waren die Bilder vollständig verzerrt.
Ich dachte schon daran, einen oben offenen Kasten zu coastruiren, der um eine, zwei
gegenüberliegende Seiten seiner Grundfläche halbirende Axo drehbar, das Object durch Sand,
Schrotkörner oder dergleichen fixirt aufnehmen sollte. Drehte man nun den Kasten selbst
um jene Axe einmal mehr nach links , das andere Mal nach rechts , so wäre dadurch das Ob-
ject auch nach links und rechts geneigt, oine ungewollte Drehung desselben um eine andere
Axe aber ausgeschlossen worden.
Für Schädel, wie für Qyps- oder Wachsmodelle hätte dieser Apparat vielleicht genügt
Ein Gehirn selbst indessen, auch bei der vorzüglichsten Härtung, hätte eine solche Neigung
nach rechts und links wohl kaum ertragen, ohne nicht in sich selbst auch etwas sich zu ver-
schieben, so dass dadurch die Bilder wieder unklar geworden wären.
Sollte ein Apparat zur Zeichnung von Gehirnen construirt werden, so musste die Ver-
schiedenheit der Bilder auf eine Weise erzielt werden, bei der das Präparat selbst in seiner
einmal angenommenen Lage möglichst unberührt blieb. Das geschah aber, wenn man die
Contouren des Objects nicht auf eine, sondern auf zwei gegen einander geneigte Glasflächen
projicirte. Zu dem Zweck wurde ein daebartiger Apparat construirt, der auf den Lucae'schen
Zeichentisch aufgesetzt werden konnte. Das Dach wurde durch zwei Glasplatten gebildet,
und der von ihnen eiugeschlossene Winkel war so gewählt, dass die Ebenen der Platten die auf
das Object convergirenden Sehaxen senkrecht durchschnitten. Der durch dio auf dem Object
sich schneidenden Sehaxen gebildete Blickwinkel war aus der Entfernung des Objects vom
Auge, wie dieselbe durch die Höhe dos Orthographen plus dem Abstand des Objects von der
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Der stereoskopisch -geometrische Zeichenapparat 235
einseinen Glasplatte bedingt war, auf 18° construirt; der Winkel der beiden Platten zu ein-
ander war mithin 162°.
Die Theorie erschien sehr plausibel. Die Praxis bewies aber ihre Hinfälligkeit Hätte
es sich um perspectiv ische Bilder gehandelt, so wäre mit der Theorie vielleicht etwas an-
zufangen gewesen, wenn schon der nach ihr construirte Apparat auch da zum mindesten
unbequem gewesen wäre. Die geometrische Zeichnung ergab aber mit Hilfe des Appa-
rates so differente Bilder, dass sie niemals zu einem einzigen zusammengebracht werden
konnten.
Natürlich. — Wie schon der Augenschein lehrte, waren die beiden Diopteren des rechts
und links aufgesetzten Orthographien beiui Zeichnen der einander zugewandten Partien der
Bilder, also der ganz nach rechts gelegenen auf dem linken, der links gelegenen auf dem
rechten Bilde zwar um den mittleren Augenabstand von einander entfernt; beim Zeichnen
der rechts gelegenen Partien des rechten Bildes indessen, die doch die entsprechenden Par-
tien des linken Bildes unter dem Stereoskop decken sollten, rückten sie um die ganze Breite
des Objects weiter auseinander. Der eingeschlossene Winkel war mithin zu klein gerathen.
Ich wollte nun versuchen durch allmäliges Erheben der einen Glasplatte ihn zu vergrossern
bis der passende Winkel ausprobirt sein würde, als ich vorher noch zu untersuchen beschloss,
was daraus würde, wenn das Präparat das eine Mal auf eine der schrägen, sodann auf die
horizontale Glasfläche des Zeichentisches, auf der jene schräge aufgestellt war, gezeichnet
wurde. Und siehe da, der Erfolg war überraschend. Noch als sie auf der Glasplatte waren,
gelang es mir — ich kann ohne Mühe stereoskopische Bilder auch ohne Apparat, einfach durch
Parallelstellung der Augenaxen zur Dockung bringen — die beiden neben einander gelegten
Zeichnungen zu einem durchaus körperlichen Bilde zu vereinigen. Als sie später auf Papier
abgepaust und alsdann richtig zusammengesetzt waren, musste Jeder, dem ich das Blatt
unter dem Stereoskop vorlegte, und der überhaupt im Stando war, stereoskopisch zu sehen
(Leute deren Sehschärfe auf beiden Augen wesentlich verschieden ist, sind dazu bekanntlich
nicht im Stande), die fast greifbare Körperlichkeit des Bildes anerkennen.
Seitdem habe ich nach dieser Methode zahlreiche Zeichnungen von Gehirnen und
Schädeln angefertigt, und mich dabei von der Brauchbarkeit derselben noch weiter über-
zeugt.
Um nun auf diese Weise möglichst bequem zeichnen zu können, habe ich mir einen be-
sonderen Apparat anfertigen lassen. Der Lucae'sche Zeichentisch mit seiner 1 '/* Meter lan-
gen, ’ 3 Meter breiten Glasplatte ist, wenn es nur darauf ankommt, Schädel oder Gehirne zu
zeichnen, übermässig gross und dadurch etwas unbeholfen. Eino Glasplatte, einen Fuss im
Quadrat, genügt für solche Zwecke vollkommen. Darauf hin ist der stereoskopisch-geo-
metrische Zeichenapparat gebaut.
Er besteht aus einer ‘/«zölligen Grundplatte dd, aus deren Mitte eine kreisrunde Oeff-
nung von etwa 5" Durchmesser, die sich nach unten zu etwas verengt, ausgesägt ist. Die
Länge der Grundplatte beträgt 12 1 /«", die Breite 14". Auf diese Grundplatte sind die beiden
Seitenwände a und «' mit 1 1 «zölligen Holzschrauben angesebraubt. Diese Seitenwände 1 ’
dick, sind bestimmt, die beiden Glasplatten b und V zu tragen, von denen b horizontal, genau
6'' höher als die Grundplatte dd, die zweite V aber schräg gelegen ist, und zwar so, dass sie
30 *
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Julius Jensen,
mit b einen Winkel von circa 7" ') einschliesst. Der boigegebene Aufriss Fig. 34 wird, wie ich
glaube, diese Verhältnisse genügend klar machen.
Um nun diesen Apparat transportabel und leicht verpackbar zu machen, sind die beiden
Seitenwände bei c, c im Winkel durchsägt — oder richtiger, sie bestehen aus zwei im Winkel
zusammengepassten Theilen — und drehen sich hier in starken Charnieren , so dass, wenn die
Platten b,b' aus ihrer Lage herausgenonunen und in den für sie gelassenen Raum bei e t ein-
geschoben sind, die beiden Seitenwände sich derart zusammenklappen lassen, dass aus Fig. 34
Fig. 35 entsteht’). Dadurch ist der doch gewiss als intransportabel zu bezeichnende Lucac'-
Fig. 34.
Fig. 34 und 85. Ansicht des stereoskopisch-geometrischen Zeiehcuapparats von Jensen, Fig. 34 aufgestellt.
Fig. 35 zusamuiengtlegt. Die Erklärung der Buchetuben siehe im Text.
') In der vorläufigen Mittheilung im Centralblatt Nr. 13, 1870, hätte ich den Winkel äuf etwa 10° angege-
ben. Spätere genauere Versuche zeigten, dass 10° zn viel und die passende Winkelgrösse um 7 ° herum gele-
gen sei.
S | Die Idee, den Lucae’schen Apparat rum Zusammenklappen einzurichten, stammt übrigens von meinem
Freunde Dr. Ad. Pansch her, der 1808 gesprächsweise mich auf die Fnbehclfenhcit dee ursprünglichen Lu-
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237
Der stereoskopisch -geometrische Zeiehenapparat.
sehe Zeichentisch zu einem Kasten zusammengeschrumpft, der 12>'," lang, 14" breit und
ungefähr 3'//' hoch, etwa den Dimensionen eines Folianten entspricht. Einen solchen Appa-
rat kann man für die Reise in einen etwas geräumigen Koffer packen , und später zum Ge-
brauch in einem anatomischen Museum ohne sondere Mühe sich nachtragen lassen. — Damit
beim Transport die bei ee hineingeaehobenen Platten bb' nicht an der anderen Seite wieder
herausgleiten können, sind hier die Nutheu ee durch eingeleimte Klötzchen auf ,: 4 " geschlossen.
Soll der Apparat gebraucht werden, so stellt man ihn am bequemsten auf ein etwas brei-
tes Fensterbrett — sonst auf einen Tisch in der Nähe des Fensters — und zwar am besten
so, dass die hoho Seitenwand links, die niedere rechts zu stehen kommt, sodann richtet man
die zusammengelegten Seitenplatten auf, zieht die Glasplatten b und V hervor, und legt sie an
ihren Ort. Ist das Ganze genau gearbeitet, so bilden die Völligen Glasplatten die Stroben,
welche die beiden Seiten wände so kräftig aus einander halten, dass ein etwaiges Verrücken des
Apparates in sich selbst gar nicht möglich ist. Ist die Arbeit weniger genau, so kann man
auch dann noch durch hie und da zwischen geführte kleine Keile die nöthige Festigkeit des
Ganzen hersteilen. Will man Gehirne von oben , unten , von der medialen oder einer Seiten-
fläche zeichnen, oder soll die Seitenansicht eines Schädels aufgenommen werden, so kann man
den Apparat flach auf die Unterlage, das Fensterbrett, den Tisch etc. hinstellen. Soll aber
das Gehirn von vorn oder von hinten (bei welcher Stellung die Vorkehrungen um das Gehirn
in dieser Bteilen Lage zu halten, einigen Raum beanspruchen) , der Schädel von vorn, hinten,
oben oder unten gezeichnet werden, so muss der Apparat hohl gestellt, zwei Klötzchen, ein
paar Bücher, oder auch, wie sie dem Verfasser dienen, zwei Mauerziegel untcrgelegt werden.
Alsdann nämlich kommt die aus der Grundplatte ausgesägte kreisrunde Oeffnutig in Anwen-
dung. Diese Oeffnung bedingt nämlich einmal eine genügend feste Lage des zu zeichnenden
Schädels in jeder gewollten Stellung, — zumal wenn man noch einige Klötzchen mit drei-
und rechteckigem Querschnitt zu Hilfe nimmt, — so dass dadurch der Einspannrahmen Lu-
cae’s überflüssig wird; sodann erweitert diese Oeffnung den für jene Durchmesser der Schädel
zu niedrigen Raum zwischen Grund- und Glasplatte bis zur Genüge.
Man zeichnet jetzt in gewohnter Weise unter Leitung des Orthographen zuerst auf die
obere, schräge Platte das untergelegte Object. Am saubersten lässt sich auf dem Glase mit
den in der letzten Zeit überall aufgekommenen sogenannten Owl-pens zeichnen, deren nach
unten hakenförmig umgebogene Spitze das Schmieren am besten vermeiden lässt. Giebt die
Tusche auf der Platte uicht recht an , so ist das ein Zeichen , dass auf derselben eine dünne,
durch Wasser nicht entfernbare Fettschicht sich gebildet hat: — einige Tropfen Ammoniak
beseitigen dies Hinderniss mit Leichtigkeit. —
Nachdem die Zeichnung auf der schrägen Platte beendet, wird diese abgehoben und das
unterdess nicht gerührte Object auf die horizontale Fläche in derselben Weise gezeichnet.
Ist auch diese Zeichnung fertig, so nimmt man das Präparat fort und stellt an dessen Stelle
den kleinen 8" langen, 5" hohen Spiegel, dessen man sich schon beim Zeichnen zur Beleuch-
tung der vom Licht abgewandten Partien bedient hat. Dieser Spiegel stand zu letzterem
*
cae’ sehen Zeichentisches und die leichte Ausführbarkeit einer derartigen VerbesBerung aufmerksam machte.
— Demselben Freunde verdanke ich auch den mitgezeichneten Orthographen ; er hat mir denselben in die-
ser vereinfachten und doch allen Anforderungen genügenden Form anfertigen lassen.
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238 Julius Jensen,
Zweck ziemlich steil, jetzt legen wir ihn flacher unter die Glasplatte, so das« er das Licht
auf deren Unterfläche reflectirt. Stellen wir auf die Glasplatte selbst ein Buch oder einen
andern intransparenten Gegenstand, der das auffallende Licht abfangt, so kann man die Zeich-
nung auf gewöhnliches Schreib- oder Zeichenpapäer mit vollkommener Deutlichkeit durchpau-
sen. Ebenso wird dann die Zeichnung von der andern Platte abgepaust. W ar der Apparat
wie beschrieben aufgestellt, so dass die Platten nach rechts convergirten, so muss das auf die
schräge Platte projicirte Bild unter dem Stereoskop rechts zu stehen kommen.
Handelt es sich nur um einzelne Partien des Gehirns, wie etwa um jene Windungen
des Hinterhauptlappens , so können die Bilder schon in natürlicher Grösse unter das Stereo-
skop gebracht werden. Zeichnungen vom ganzen Gehirn wie vom Schädel hingegen müssen
erst entsprechend verkleinert werden. Verfasser bedient sich dazu eines gut gearbeiteten
Storchschnabels, mit dessen Hilfe die Zeichnungen bei einiger Uebung rasch und sicher auf
halbe, drittel oder viertel Grösse gebracht werden können. — Man würde unzweifelhaft ebenso
gut und leicht nach der von Prof. Landzert 1 ) vorgezogenen Methode die Zeichnungen ver-
kleinern können. Nur müsste man mit meinem Apparat, der, da die Entfernung der Glas-
platte von der Grundplatte nur 6", die Höhe des Diopters ebenfalls fast 6" beträgt, nur eine
Verkleinerung bis auf die Hälfte gestattet, will man, wie es bei Schädeln und bei entwickel-
ten Gehirnen nöthig ist, eine noch stärkere Verkleinerung haben, die Zeichnung doppelt um-
zeichnen. Dabei aber dürften sich die Fehler häufen, und da bei stereoskopischen Zeichnun-
gen schon geringe Fehler erheblichere Verzerrungen zu Wege bringen, so hat man dieselben
hier auf das möglichst geringe Maass zu beschränken.
Auf diese Weise nun sind die beigelegten Zeichnungen (Taf. I) angefertigt Mau braucht nur
ein Stereoskop daraufzu setzen, um sich vom körperlichen Effect zu überzeugen. Der Schädel
(Taf. I, Fig. 1 u. 2) ist der einer blödsinnigen Litthauerin, die ohne hereditäre Disposition im 36ten
Lebensjahr unter den Erscheinungen einer activen Melancholie erkrankte, später in seenndären
Blödsinn verfallen war, und welche, 44 Jahre alt, 23. April 1809 an Phthisis pulmon. starb.
Er ist ausgewählt, weil er, als einem mehr und mehr auasterbenden Völkerstamme angehörig,
für die Leser dos Archivs für Anthropologie vielleicht nicht ohne Interesse ist. Das von hinten
und etwas von unten gesehene Gehirn (Taf. I, Fig. 3) stammt von einer ebenfalls secundär blödsin-
nigen 08jährigen Frau, und zeichnet sich durch seine Kleinheit (die Hemisphären wogen
frisch 915 Grm.) wie durch die Einfachheit seiner Windungen (zumal im Stirnlappen) aus.
Auffallend und auf dieser Ansicht recht gut zu übersehen ist die quere Hinterhauptsfurche,
die auf beiden Seiten, zumal aber rechts, bogenförmig verläuft, einen zugesebärften hintern
Rand zeigt, und so den durch sie abgetrennten hintern Thcil des Hinterhauptlappens in ein
den Affen bekanntlich eigenthümliches Operculum verwandelt. —
') Sieho dieses Archiv Bd. II, Heft 1, 8. 4: Die vom Glase abgepauste Zeichnung wird unter den Glat-
tisch gelegt und durch den ziemlich in der Mitte auf das Glas gestellten Diopter (ohne Fadenkreuz) die Con-
touren dieser Zeichnung auf dem Glase mit Tusche nachgefahren. Per Diopter bleibt hierbei natürlich feit-
stehen. Von der Entfernung des Glases vom Diopter und des Glases von der Zeichnung hangt der Grad der
Verkleinerung ab. «
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Der stereoskopisch - geometrische Zeichenapparat. 239
Was den Werth dieser stereoskopisch-geometrischen Zeichenmethode anlangt, so
wird es kaum nöthig sein, viel darüber zu sagen, zumal ich in der glücklichen Lage bin,
Andere für mich reden zu lassen.
Prof. Theodor Landzert kommt in seiner gründlichen Untersuchung (1. c.) der Frage:
„Welche Art bildlicher Darstellung braucht der Naturforscher?“ zu dem Resultate Prof.
Lucae’s: „wir verlangen die geometrische Zeichnung für naturhistorische Gegenstände;“ nach-
dem er vorher die „rein stereoskopischen“ Bilder hauptsächlich deshalb vorbeigegangen ist,
weil sie wohl nicht „ohne viele Umstände und Kosten darzustellcn wären,“ und weil ihre
Construction (die rein d. h. die perspectivisch-stereoskopische Construction) „der perspecti-
vischen Verkürzung zu viel Spielraum giebt.“
Hier sind nun geometrische Zeichnungen, an denen Messungen etc. angestellt werden
können, — wie man an den Zeichnungen sieht, wird das Object so gelegt, das« die eine
Zeichnung den Anforderungen einer geometrischen in allen Dingen entspricht; — und zu-
gleich stereoskopische Zeichnungen, das heisst solche, die uns die körperlichen Verhältnisse .
des Objectes in fast greifbarer Weise wiedergeben. Dieselben sind ohne viele Mühe und
Kosten angefertigt und zeigen als geometrische nicht die störenden Verkürzungen der per-
spectivischen Abbildungen. Es sind in ihnen also alle Vortheile der geometrischen mit
denen der stereoskopischen Methode vereinigt, cs sind stereoskopisch-geometrische
Zeichnungen.
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Erklärung der Tafel I.
Stereoskopisch-geometrische Sciteu- Ansicht des Schädels einer blödsinnigen Litthauerinn.
Desgleichen, von vorn.
Stereoskopisch-geometrische Ansicht des lliuterhauptlappcns vom Gehirn einer blödsinnigen Frau.
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CG-*'**«.
XIV.
Der Fuss der Chine sin. neu.
Von
Willi. Strioker,
Dr. racd. in Frankfurt am Main.
Der gewölbte Fuss, pied cambrd der Franzosen, ist mit Recht immer für eine Schön-
heit gehalten worden, denn der regelmässige Bau des Brückengewölbes zwischen Ferse und
Zehenhallen befähigt allein zum elastischen, ausdauernden Gang. Die Eindriickung dieses
Gewölbes, welche öfter als man ahnt, in der Jugend durch den Zwang übermässigen Lasten-
tragens (Kindermädchen, Lehrjungen) hervorgebracht wird (erworbener Plattfiiss) *), ist unter
dem Kamen Plattfuss ein lästiges Hindernis» der Fortbewegung. Die Mode hat schon wieder-
holt in früheren Jahrhunderten und jetzt wieder durch hohe Absätze diesen Bogen stärker
zu wölben unternommen, man hat dies mit einem gewissen Recht eine chinesische Mode
genannt, denn auch der chinesische Damenfuss bewirkt, wenngleich auf anderem Wege,
eine Verrückung des Schwerpunkts des Körpers nach vorn, indem er die Ferse erhöht. Indess
dürfte eino nähere Betrachtung der chinesischen Methode von Interesse sein, zumal da wir
neuerdings von dem Arzt der französischen Legation in Peking, Dr. Q. Morsche 1 ) nähere
Nachrichten erhalten haben , welche die Mittheilungen ergänzen, welche englische Missions-
ärzte in einem 150 bis 200 Meilen südlicher gelegenen Gebiet gesammelt haben 1 ), in Tschu-
san, Hongkong, Schanghai und Macao. Die in Rede stehende Misshandlung des Fusses ist
nicht gleich häutig im chinesischen Reiche; mehr vorwaltend im Süden, wo die chinesische
Bevölkerung reiner ist nnd mehr Wohlstand herrscht, als im Norden, wo die Tataren vor-
wnlton, denen diese Sitte verboten ist, denn die Beamten dürfen keine Frau mit verkrüppel-
ten Füssen beirathen und in den kaiserlichen Palast zu Peking findet,! von der ersten
Kaiserin bis zur letzten Zofe, keine solche Frau Eingang. Unter der chinesischen Bevölkerung,
*) L. iloiamann, der erworbene Plattfus», im Archiv für kiinirche Chirurgie XI, 1869.
a ) C. Morsche, Pekin et eee habitsns. Pari." 1869.
s ) W. Lockbart, der ärztliche Missionar in China, a. d. E. übervetzt von Dr. U. Bauer. Würz barg 1863.
Arel l» mr Azuhropeloffl*- DA IV. lieft III. g]
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242
Willi. Stricker,
auch des Nordens, ist die Sitte so allgemein, dass, wenn die barmherzigen Schwestern in
Peking bei Kindern, welche sie länger in ihrem Hospitale verpflegen, den Kuss seiner freien
Entwickelung überlassen, sie dieselben dadurch zum Cölibat verdammen. Es giebt nach den
Provinzen verscliiedene Verfahrungsweisen beim Binden des Kusses und im Ganzen zwei Grade
■lesseiben, indem nämlich entweder bloss die Zehen verkrüppelt werden und das Fersenbein
in seiner horizontalen Lage bleibt , oder das Fersenbein senkrecht gestellt wird. Die Ope-
ration des Kindes selbst wird bei den niederen Classen von der Mutter, bei den besseren Ständen
von eigenen Frauen, welche in der Familie unterhalten werden, ausgefUhrt In den reichen
auf schöne Töchter eitlen Familien beginnt die Verunstaltung der FUsse mit dem 4., bei
anderen mit dem ß. oder 7. Lebensjahre.
Man beginnt die Operation, indem der Fuss geknebelt wird ; die vier kleinen Zehen wer-
den mit mehr oder weniger Gewalt gebeugt und durch eine baumwollene oder seidene Binde
5 bis 6 Centimeter breit, 1 bis 1 */i Meter lang, welche in sogenannten Achter-Touren uni
den Fussrücken und die Ferse geführt wird, in dieser Lage erhalten. Eine zweite, darüber
gelegte Binde dient dazu, die untere in ihrer Lage zu erhalten. Täglich werden die Binden
neu angelegt und immer fester angezogen; zwischen je zwei Verbänden wird der Fuss mit
Alkohol gewaschen, um die Bildung wunder Stellen zu verhüten.
Während dieser Zeit trägt das Kind einen ziemlich hoch reichenden Schnürstiefel, der
«ich nach vorn zuspitzt und eine platte Sohle ohne Absatz hat. Das bisher beschriebene
Verfahren giebt nur den in den Nordprovinzen üblichen gewöhnlichen Fuss; will
eine Mutter ihre Tochter mit einem eleganten Fuss beglücken, so legt sie, wenn die blei-
bende Beugung der Zehen erreicht ist, unter den Fuss einen hallten Cylinder von Metall und
fuhrt nun die Bänder um den Fuss, auch wohl um den Unterschenkel, in der Absicht, dessen
Muskeln an einer der beabsichtigten Gestaltung feindlichen Wirkung zu hindern. Bei jeder
Anlegung der Binden presst die Mutter aus allen Kräften Fersenbein und Zehen über den
Halbcylinder zusammen und führt auf diese Weise wo möglich eine Dislocation des Kahn-
beins herbei, ja sie sollen mit einem Steine nachhclfen, um das Os naviculare zu zerschmettern,
und in manchen Provinzen eB ganz herausnehmen.
G. Klemm (Culturgeschichte VI, 23) giebt an, dass er in seiner Sammlung Abgüsse von
chinesischen Damenfussen besass, welche mit 4 1 , Zoll nur etwa die Hälfte der Länge eines
normalen kleinen Damenfusses erreichten. Der so misshandelte Fuss wird in einen Stiefel
mit stark convexer Sohle gesteckt. Dass dies Verfahren äusaerst schmerzhaft ist, bedarf kei-
ner besonderen Bemerkung; aber die Schmerzhaftigkeit hält auch lange an, besonders wenn
die Binde nicht gleichmässig angelegt war. Dann treten beim Gehen Anschwellung und
grosse Schmerzhaftigkeit des Fusses auf; das Knöchelbein ist immer empfindlich.
Ist aber die Binde gut angelegt, so dass der Druck gleichmässig einwirkt, so hört nach
einigen Jahren der Schmerz gänzlich auf und die Empfindlichkeit des Fusses ist soweit
ertödtet, dass in den zusammengedrückten Theilen kaum noch etwas Gefühl besteht Solche
Frauen sind nur nicht im Stande zu gehen, wenn der Fuss nicht gebunden und nicht unter-
stützt ist.
Die anatomische Beschaffenheit des Fusses wird folgendermassen umgeändert Der
Calcaneus wird (meist) senkrecht gestellt, dadurch wird der Knöchel höher gedrängt, es tritt
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Der Fuss der Chinesinnen.
243
Talipes calcaneus ein; die vier eingebundenen Zehen werden im erwachsenen Alter Haut-
platten, welche unter dem Ballen der grossen Zehe zusammengefaltet liegen. Der Körper
ruht auf der Fersenspitze und dem Ballen der grossen Zehe, durch diese Balancirang des Kör-
pers werden die Bewegungen im Fuasgelenk aufgehoben, selbst im Kniegelenk beschränkt,
die Chinesin geht aus den Hüften, im ärgsten Falle hat sic den Gang eines Amputirten auf
seinen Stelzen. Die Folge davon sind Atrophie der Beinmuskeln, durch mangelnde Bewegung
Schwäche und Blutdrmuth, jedoch Neigung zur Fettbildung. Nach den Erfahrungen der eng-
lischen Aerzto kommen viele Fracturen in Folge dieser Unbehiilflichkeit vor, Caries und
Nekrose der so gemisshandelten Knochen aber doch seltener als man erwarten sollte.
In Tschusan hat Lockhart niemals ein Weib gesehen, welches normale Fiisse hatte, wäh-
rend er in C'anton und Macao viele solche sah. Im Ganzen schien es ihm, als ob, auf dem
Lande wenigstens, diese Unsitte nicht so viel Schaden brächte, als zu erwarten wäre; er sah
starke gesunde Frauen mit eingezwängten Füssen mit Leichtigkeit und anscheinend schmerz-
los, mehrere Meilen weit gehen.
Dem Berichte des Dr. Parker über das Hospital von Canton entnimmt Dr. Lockhart
einen Fall aus dem Jahre 1847, wo durch zu scharfes Binden, als die Binden naoh 14 Tagen
schrecklicher Schmerzen gelöst wurden, bei einem 7jährigen Mädchen die Zehen missfarbig
gefunden wurden. Beide Fiisse stiessen sich brandig unter den Knöcheln ab, das Mädchen
wurde gerettet. Später erfuhr Parker von ähnlichen Fällen.
Was das Motiv zu dieser eingewurzelten Sitte betrifft, so glaubt Morache es in der
eingebildeten oder wirklichen Beziehung der verkrüppelten Füsse zu den Geschlechtsthei-
len zu finden. Er führt in dieser Hinsicht nn, dass nicht einmal der Manu den entblössten
Fuss seiner Frau sehen darf, dass von ihm zu reden ebenso verpönt ist, wie bei anderen Völ-
kern von den Geschlechtstheilen; dass auf anständigen chinesischen Gemälden der Weibcrfuss
immer unter dein Kleid verborgen ist, während er auf erotischen gezeigt wird. Christliche
Chinesen beichten, sie hätten nach den Füssen der Frauen gesehen, und aus Downing 1 )
wissen wir, dass die öffentlichen Mädchen auf den „Blumenschiffen“ dem Vorüberfahrenden ihren
nackten Fuss zeigen, um ihn anzulocken. Im Zusammenhang mit der durch den Mangel
an Bewegung bedingten Fettleibigkeit fand Morache ein grösseres Fettpolster am Mons vene-
ris und dickere Schaamlippen bei den Chinesinnen, als bei den Tartarinnen.
Eine ethnographisch merkwürdige Betrachtung macht Lockhart. Er meint, man müsse,
da dieser Gebrauch mindestens gegen 800 Jahre*) bestehe, zufolge der Darwinschen Theorie
annehmen, dasR in Folge davon eine nationale Veränderung hervorgegangen sei, aber man
beobachtet nichts der Art, vielmehr sind die Füsse der kleinen Mädchen in Bezug auf Grösse
und Gestalt ganz naturgemäss.
*) Downing, dir Fremdling in China; übersetzt von Itichard. Aachen 1641, I. 131.
*) Wenn man von den Sagen ahsieht, welche den Ursprung diese# Gebrauch* in die Zeit von 1100 vor
Christo surückverlcgen, *o variiren die historischen Angaben »wischen dem Kaiser Yang-ti, 695 nach ( hr., und
dem L:-Yuh, 961 bi* 976 nach Chr.
81 *
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-C'
Ci {USAaei’SAj-s —
« , Vav»"«---
XV.
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
Von
H. Schaaffhausen.
Erfüllen uns auch gewisse dunkle Stellen in der Bildungsgeschichte der Menschheit mit
Ekel und Grausen, so ist deren Betrachtung zur Beurtheilung der menschlichen Natur doch
unerlässlich. Der schreckhafte Eindruck, den die Untersuchung derselben hervomift , wird
durch das beruhigende Gefühl versöhnt, dass solche Zustände der Rohheit nur eine der ersten,
und, wie es scheint, eine nothwendige Stufe der Entwickelung der Völker bezeichnen und dass
sie vorübergehen , um milderen Sitten zu weichen. Wir wenden uns mit Abscheu weg von
einem Schauspiel, das uns gleichwohl den Werth der Bildung und ihrer Wohlthaten nur in um
so glänzenderem Lichte zeigt. Es wird kaum einen anderen Gegenstand der anthropologi-
schen Forschung geben, der uns so überzeugend wie dieser die fortschreitende Veredlung der
menschlichen Natur vor Augen stellt, die Manche immer noch laugncn, indem sie das lebendo
Geschlecht nur für den entarteten Abkömmling besserer Vorfahren halten. In letzter Zeit
ist in verschiedenen gelehrten Versammlungen die Anthropophagie der Vorzeit zur Sprache
gekommen, und es sind so irrige Urtheile Uber den Ursprung und die Bedeutung dieser Er-
scheinung und der mit dem Cannibalismus oft in Verbindung stehenden Menschenopfer gefüllt
worden, dass es auch zeitgemäss ist, mit Hülfe der uns zu Gebote stehenden zahlreichen
neuen Berichte und Mittheilungen die über diesen Gegenstand geäusserten Meinungen und
Ansichten einer allseitigen Prüfung zu unterziehen.
Die Menschenfresserei ist nicht eine ursprüngliche Naturanlage des Menschen, denn die-
ser ist, wie die anthropoiden Affen, nach seinem Gebisse ein Fruchtesser. Die starken Kiefer
dieser Affen, die gegen eine vegetabilische Nahrung zu sprechen scheinen, sind ihnen zum
Zerbeissen der harten Bnurnfrüchte nöthig, von denen sie leben. Die Hauptnahrung des
Gorilla ist die Nuss einer Amomnmart und nach Wallace lebt der Orangutang vorzugsweise
von der Durianuas, die eine starke und stachelige Schale hat. Von Natur ist der Mensch
also nicht einmal zur Fleischnahrung bestimmt. Da nun der Genuss des Menschenfleisches
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246
H. Schaaffhausen,
unter den heutigen Wilden noch so allgemein verbreitet ist und uns in der ältesten Geschichte
aller Völker begegnet, so müssen wir für diese Kohheit, die bei den Thieren nicht ihres Glei-
chen hat, besondere Gründe suchen. Vielleicht liegen dieser scheusslichen Entartung bei den
verschiedenen Völkern nicht immer dieselben Ursachen zu Grunde. Man hat den Ursprung
des Cannibalismus in der äussersten Hungersnoth finden wollen. Diese Meinung hat, wie
schon Pauw, auch Burmeister 1 ) geäussert. Schon G. Förster*) bemerkt indessen mit
Recht, dass man die Menschenfresserei auch da finde, wo es nicht an anderer Nahrung fehle.
Er glaubt, dass den wilden Menschen die Rachsucht, die in eine Raserei ausarte, dazu bringe.
Dass indessen die Noth in einzelnen Fällen unzweifelhaft dazu getrieben hat, dafür lassen
sich zahlreiche Beispiele anführen. Schon Herodot *) erzählt ein solches. Als in dem Heere
des Cambyses auf dem Zuge durch die Wüste Hungersnoth eintrat, da loosten je zehn, und
verzehrten den, welchen da« Loos traf. Auf Island haben die Weiber der Feejees in Zeiten
der Noth ihre Kinder vertauscht, um nicht die eigenen zu verzehren. Die Feuerländer »ollen
im Winter, wenn tiefer Schnee liegt und die Lage derselben eine verzweifelte wird, das älte-
ste Weib erwürgen, um sich von ihrem Fleische zu sättigen. Man hat, um eine thierische
Nahrung für sie zu schaffen, die Einführung der Kaninchen in ihr Land empfohlen 4 ). Dass
die Indianer des nördlichen Amerika in Hungerjahren die Leichname ihrer nächsten Ver-
wandten verzehren, berichtete. Franklin, dass die Bewohner der Hudsonsbay durch Hunger
zum Cannibalismus getrieben wurden, Ellis. In dem strengen Winter von 1856 haben die
Indianer in den Ebenen am Salzsee vielfach ihre eigenen Kinder verzehrt , um ihr Leben zu
erhalten. Wer kennt nicht die entsetzlichen Geschichten Schiffbrüchiger, die, dem Tode nahe,
darum losen, wer von ihnen sterben soll, um das Leben der Anderen noch für einige Zeit zu
fristen! Auf Neuseeland soll die Unsitte erst nach dem Aussterben der grossen Vögel des
Landes herrschend geworden sein, und in der Einführung des Schweins hat man hier wie auf
anderen Inseln der Südsee das sicherste Mittel erkannt, dieselbe abzuschntlen. Es ist falsch,
wenn man gesagt hat, das Thier vergreife sich niemals in dieser Weise an seiner eigenen Art,
denn der Hunger weckt zuweilen auch in den Thieren den naturwidrigen Trieb, die eigenen
Jungen aufzuzehren. So wird es von dem Bären, dem Wolfe, der Katze und sogar von pflanzen-
fressenden Thieren erzählt 4 ). Wenn die Sau, sagt Burdach, vor dem Wurfe hungrig war und
die Nachgeburt verschlingt, so wird ihre Gier geweckt und sie frisst dann oft auch das Junge.
Dass aber bei wilden Völkern in der Menschenfresserei auch oine Befriedigung der Rache gefun-
den wird, kann nicht bezweifelt werden, denn wenn der erlegte Feind auch noch aufgezehrt
wird, dann ist er gänzlich vernichtet. Ein Kriegslied der Mohikaner beginnt mit den Wor-
ten: „Lasst uns trinken das Blut und essen das Fleisch unserer Feinde!“ Noch im Nibe-
lungenliede, dessen Ursprung damit in eine sehr ferne Vorzeit hinaufgerückt wird, löschen
die burgundischen Ritter ihren Durst mit dem Blute ihrer Feinde. Hagen sagt den erschöpf-
ten Kampfgenossen, das Blut der Erschlagenen werde sie mehr stärken als Wein; sie werden
jedoch davon nicht berauscht, wie der tibetanische Hold in der indischen Gesarsage. Wenn
man von dem sich sättigen kann, welchen mau hasste, so befriedigt man zugleich die Rache
und den Hunger.
') Geolog. Bilder. Leipzig 1891, 1, 8. 189. — ») Summtl. Schriften. Leipzig 1843, I, S.405. — ») Herodot 111. 35.
— 4 ) Ausland 1861, Nr. 48. — 4 ) Btirdach, d. 1'hysioL als Erfahrungswissenschaft. Leipzig 1836, III, S. 138.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 247
Wie das Rachegefühl die niederen Volksklassen aufzustacheln im Stande ist, haben noch
neuere Zeiten gelehrt ln Paris hat man im Jahre 1617 Leber und Lun£e des Marschalls
d’Ancre, im Haag 1672 das Her* des de Wit gefressen, der als ein Feind der Oranier bei
einem Aufstande ermordet ward. R. von Steiger schildert die Oräuelscenen, die sich bei der
letzten Belagerung von Messina zutrugen. Es wurden inehrero Soldaten zu Tode gemartert,
sie wurden lebendig in Stücke gehauen und ihr Fleisch auf dem Platze der Giudecca gebra-
ten und feil geboten, und zwar das der Schweizer zu einem höheren Preise als das der Nea-
politaner. Die Köpfe dieser Opfer wurden auf Bajonetten in den Strassen der Stadt umher-
getragen, die Aufrührer verzehrten sogar die rohen Zungen dieser Unglücklichen mit Brod
und trugen abgeschnitteno Ohren an' den Knopflöchern '). Bei den rohen Völkern wird der
Gebrauch, das Fleisch und Blut des erschlagenen Feindes zu verzehren, noch durch einen
besonderen Umstand bestärkt, nämlich durch den viel verbreiteten Aberglauben, dass inan
die Eigenschaften desjenigen erlange, von dessen Fleisch man essa So glaubten die Maoris
den Muth und die Tapferkeit ihrer Feinde zu erben, wenn sie dieselben verzehrten. Wäh-
rend des letzten erst 1868 beendigten Krieges zwischen den Basutos und den holländischen
Boers des Oranje - Freistaates frassen jene jeden Weissen, der in ihre Gewalt fiel, weil sie
wähnten, dass dadurch deren Muth in ihren Leib übergehen würde. Diese Vorstellung findet
sich, wie es scheint, im Volksaberglauben aller Länder, sie ist uns auch in der alten deut-
schen Volksheilkunde erhalten. In einem solchen Volksbuche aus dem IG. Jahrhundert heisst
es: »Der Spiritus, der aus dem Gehirn eines Menschen gezogen, stärkt sehr das Gehirn; ein
Bein von dem Herzen eines Hirschen oder Asche von dem Vorherzen eines Ochsen erquicken
das Herz des Menschen; Oel von Menschenhänden dienet wider die Gicht an Händen, Oel von
den Füssen wider die Gicht der Füssen.“ Eine Ursache des Cannibalismus scheint man bis
jetzt fast ganz übersehen zu haben und doch ist ihr gewiss in vielen Fällen ein überwiegen-
der Einfluss zuzuschreiben, der auch die Hartnäckigkeit des Bestehens dieser Unsitte erklärt
Das Menschenfleisch ist nämlich, wie aus einer ganzen Reihe von Zeugnissen hervorgeht,
ausserordentlich wohlschmeckend und sein Genuss eine Leckerei. Nach Juvenal und Galen
hat cs einen dem Schweinefleisch ähnlichen Geschmack und der Erstere ') sagt, wer einmal
Menschenfieisch gekostet habe, esse nichts lieber als dieses; er wirft den Aegyptern vor, ilass
sie das Fleisch von Schafen und Ziegen meiden, das Essen von Menschenfleisch aber erlauben.
In einer Sage der Irokesen fragt Manitu den Jäger, warum er seines Gleichen verzehre.
Weil sein Fleisch besser ist, antwortet dieser, als das vom Elenn und Büffel und weil es
thörigt sein würde, den Leichnam Beines Feindes den Wölfen und Füchsen zu überlassen.
Ein Missionär erzählt, dass er auf Neuseeland zu einer alten kranken Frau gekommen sei,
die nicht mehr habe essen wollen und jede Nahrung verweigerte. Auf die dringende Frage,
ob sie denn sich keine Speise vorstellen könne, zu der sie noch Lust habe, erwiederte sie
zögernd, o ja, zu etwas hätte ich wohl Appetit! Als der Missionär darauf bestand, dass sie
es sage, sprach sie: Ich möchte die Hand eines Kindes am liebsten essen, aber Niemand wird
♦ mir zu lieb ein Kind einfangen und tödten! Oldendorp erzählt, dass ein Negersklave auf
St. Thomas einen Verbrecher vom Galgen schnitt, um einmal wieder Menschenfleisch zu essen.
') Zeitung „Deutschland*, 8. Dccember 1857. — *) Sehr. XV. 11 und 87.
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248
11. Schaaffhausen,
Auch G. Förster 1 ) führt Beispiele an, die für den Wohlgeschmack desselben sprechen. In
mehreren Fällen, Vo die Menschenfresserei als Verbrechen bei Europäern vorkam, wirdLecker-
haftigkcit als die Ursache derselben angegeben. Gaub und Petit erwähnen einer Frau, die
Kinder auffing, schlachtete und verzehrte. Grüner orzühlt dasselbe von einem Schäfer zu
Berka in Sachsen. Als eine krankhafte Neigung müssen wir den Trieb bezeichnen, wenn er
bei Schwängern beobachtet wurde. Lu Jahre 1553 soll in Brettenburg eine schwangere Frau
ihren Mann getödtet und während sie ihn verzehrte, drei Söhne geboren haben. Dasselbe Ver-
brechen soll 1562 eine schwangere Frau zu Droissig begangen haben. Diese Begierde scheint
sich zuweilen bis zum Wahnsinn steigern zu können. Die Morton 'sehe Sammlung in Phila-
delphia bewahrt den Schädel eines schottischen Seemanns, der auf van Diemensland Men-
schenfresserei übte und deshalb gehängt wurde. Nach Aussage des Wundarztes soll er toll
gewesen sein. Ich verdanke einem älteren Freunde die Mittheilung, dass ein ihm bekannter
Herr v. W. aus Neisso in Schlesien so sehr das Blut liebte, dass seine Frau sich in jedem
Jahre einmal zur Ader liess, damit er Blut trinken konnte. Es war indessen nur Gewinnsucht,
wenn ein Bäcker in Paris Pasteten mit Menschcnfieisch verfertigte, wozu ihm ein Barbier durch
Mord die Leichen lieforte. Bei einigen rohen Völkern hat die Anthropophagie unzweifelhaft
eine gottesdienstliche Bedeutung, was nicht überraschen kann, da sich in den religiösen Ge-
bräuchen leicht uralte Sitten erhalten. Eine solche Beziehung wird man vermuthen können,
wenn der Grad der Bildung eines Volkes mit einem so grausamen und rohen Schauspiele im
Widerspruche steht und wenn dasselbe nur bei besonderen Festen in Verbindung mit dem
Menschenopfer noch vorkommt. Ganz irrig wäre die Annahme, dass die Menschenfresserei
in der Regel mit dem Menschenopfer Zusammenhänge; bei dem heute unter den Wilden aller
Länder noch herrschenden Cannibalisnms ist dies sehr selten der Fall. Wir sehen, dass sehr
verschiedene Ursachen: der Hunger, das liachegefiihl, der Aberglaube und die Leckerei uns
zur Erklärung der abscheulichen Gewohnheit zu Geboto stehen und es wird in jedem beson-
dem Falle die eine oder die andere leicht nachzuweisen sein. Wir müssen denen Recht
geben, welche den mit Mord verbundenen Cannibalismus als eine Entartung der Natur betrach-
ten, zu der das Thier nicht einmal fähig ist, wie denn überhaupt das menschliche Geschlecht
uns grausamer und wilder erscheint als das Thier, wenn wir betrachten, wie im Kriege die
Menschen sich massenhaft hinschlachten oder bei schon gebildeten Völkern ein blutiges Gesetz
den Todesschmerz des Verbrechers noch durch ausgedachte Qualen zu verlängern sucht.
Bei den Völkern des Alterthums herrschte Menschenfresserei sehr allgemein. Herodot
nennt alle gegen Norden wohnende Völker Menschenfresser. In Indien führt er als solche
die Koletier an , welche die Leichname ihrer Eltern essen , und die Padäcr, die nicht nur die
alten Leute, sondern auch die jungen, wenn sie krank wurden, tödteten, um sie zu verzehren.
Immer wurden die Männer nur von den Männern, die Weiber von den Weibern gegessen.
Bei den Massageten am Araxes wurden ebenfalls dio alten Leute von den Angehörigen verspeist,
die Kranken aber begraben ■) ; die Issedoneu , die neben ihnen wohnten , Hessen zwar die
Alten eines natürlichen Todes sterben, dann schnitten aber die Verwandten ihr Fleisch mit •
dem von Thieren zusammen und verzehrten cs *). Dio Scythen verlangten von jedem jungen
') A. a. 0, I, 400. — *) Herodot I, 216. — •) Ebend. XV, 26.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 249
Krieger, dass er von dem Blute des ersten Feindes, den er tödtete, trinke; sie zogen dem
erlegten Feinde die Haut ab, gerbten sie und hingen sie am Sattel als Handtuch auf, oder
sie nähten mehrere solcher Häute zu einem Mantel zusammen. Andere zogen dem Feinde die
Haut vom rechten Arme sainrnt den Nägeln ab und spannten sie als Ueberzug Uber den
Köcher 1 ). Strabo hat eine bessere Meinung von den Scythen, er beruft sich auf Hesiod,
Homer und Aeschylus, welche die pferdeinelkenden Scythen ein gerechtes Volk nennen;
er sagt, wir halten sie für die einfachsten und arglosesten Menschen und für viel sparsamer
und genügsamer, als wir seihst sind, obgleich unsere jetzige Lebensweise fast bei allen Völ-
kern eiDgedrungen ist und sie verschlimmert hat, indem sie Schwelgerei, Wollust und Betrü-
gerei in schrankenloser Weise bei ihnen einführte. Man sieht, dass Strabo die Scythen, wie
Tacitus die Germanen und mancher neuere Beobachter die wilden Völker, die er antraf, für
besser hielten, als sie waren, weil sie sich deu Ausschweifungen und Lastern der Cultur noch
nicht ergeben hatten. Eratostlienes führt an, dass Homer dieScythen nicht gekannt habe;
damals sei der Pontus unschiffbar gewesen und habe Axenos geheissen, wogen seiner Stürme
und der Wildheit der umwohnenden Völker, besonders der Scythen, welche die Fremden
geopfert, ihr Fleisch gegessen und die Hirnschädel derselben als Trinkgefasse gebraucht hätten.
Nachher sei er Euxeuos genannt worden, nachdem die Jonier an seinen Küsten Städte ange-
legt hatten. Auch Plinius’) erzählt von Menschenfressern, die 10 Tagereisen nördlich vom
Borysthenes, dem heutigen Dnieper wohnen. Sie trinken aus Menschenschädeln und tragen,
wie die heutigen Indianer den Scalp, die Kopfhaut des getödteten Feindes mit den Haaren
als Mantel vor der Brust. Strabo’) nennt auch die Einwohner von Jorne, das ist Irland,
welche wilder sind als die Britaunier, Menschenfresser und Grasfresser, sie halten es für löblich,
ihre verstorbenen Eltern aufzuzehren, und vermischen sich öffentlich nicht nur mit anderen
Weibern, sondern auch mit ihren Müttern und Schwestern. Nach Diodor verzehren die
Irländer das Fleisch der besiegten Feinde 4 ). Sodann führt Strabo an, dass das Menscheufres-
sen, wie von den Scythen, so auch in Folge von llungursnoth bei Belagerungen von den
Galliern, Iberern und noch anderen Völkern erzählt werde. Er bestätigt die Aussage des
Herodot über die Massageten, dass sie es für den besten Tod hielten, wenn sie im Alter
mit SchafBeisch zusammengehackt und verspeist würden, mit dem hemerkenswerthen Zusatze,
dass sie sich auch öffentlich begatteten. Dieser thierischen ltohheit aber nicht der Men-
schenfresserei werden noch die heutigen wilden Bewohner der Andamaninseln im bengalischen
Meerbusen beschuldigt, Strabo berichtet auch von den Derhikern am Kaukasus, dass die
Männer, die über 70 Jahre alt sind, geschlachtet und von den nächsten Verwandten gegessen,
die alten Weiber aber erwürgt und begraben werden. Die griechischen Mythen von Saturn
uml Tantalus, von Procne und Atreus deuten auf den Genuss des Menschenfleisches. Der
Riese Polyphem auf Sicilieu , dessen Homer gedenkt, verschlang die Fremdlinge, die an die
Küste verschlagen wurden. Er hat bereits sechs Gefährten des Odysseus zerhackt und ver-
zehrt, bis es diesem gelingt, sich und die Anderen zu retten. Dass selbst die Griechen in
ältester Zeit das Fleisch der Besiegten assen, spricht schon Barthdlemy in der Einleitung zur
Reise des Anacliarsis aus. Deutlich weist eine Stelle in der Ilias des Homer ’) darauf hin, wo
>) Uerodot IV, 0*. — >) Plin. lli«t nat VII, 22. — *) Strabo IV, 201. — 4 ) Diodor Sic. VI, 16. —
“) 11. XXII, 346.
Archiv (ttr An'hropologi , Bd. IV. Heft III. gO
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H. Sehaaffhausen
Achilles dem Hektor zuruft: , Dass doch Zorn und Wuth mich erbitterte, roh zu verschlin-
gen Dein zerschnittenes Fleisch für das Unheil, das Du mir brachtest!“ Mehrfach werden
die Oannibalen als Höhlenbewohner geschildert. So spricht Virgil ') von einem Ungeheuer,
das er Halbmensch nennt, es wohnte am Ausflüsse der Tiber in einer Höhle, wohin es Menschen
zog und mordete. Auch der arzneiliche Gebrauch frischen Menschenblutes lässt auf einen ehedem
häufigeren Genuss desselben schliessen. Aulus Gellius und Lucian sagen, dass man in Scy-
thien das Monachonfloisch für die gesundeste Speise halte. Im ganzen Alterthum gilt das
Menschenblut als ein Mittel gegen die Fallsucht, wie Plinius und Aretaeus, Celsus und
die Kirchenväter Tertullian und Minutius Felix bezeugen. Plinius 1 ) erwähnt der
Bäder von Menschenblut, die in Aegypten als Heilmittel gegen den Aussatz galten. In dem
Pseudo- Jonathan, einem cbaldäischen Zusatze zu den fünf Büchern Mosis, heisst es, dass der
König von Aegypten, der an der Auszehrung krank lag, befohlen habe, die Erstgeborenen
der Kinder Israels zu tödten, um sich in ihrem Blute zu baden. Nach einer Erzählung des
Cedrenus rief Constantin der Grosse, der am Aussatze litt, in Rom die berühmtesten
Aerzte zusammen; einige, dio Juden waren, riethen, er müsse sich im Blute säugender Kin-
der baden. Man versammelte wirklich eine Schaar von Frauen mit ihren Kindern im Pal-
laste; als diese aber in lautes Wehklagen ausbrachen, verzichtete der Kaiser aut die Anwen-
dung des Mittels. Ghillany macht darauf aufmerksam, wie noch in dem deutschon Volksbuche
„der arme Heinrich“ von Hartmann von der Aue ein Arzt aus Salerno erklärt, es gebe nur
ein Mittel für den Aussatz, nämlich das Herzblut einer reinen Jungfrau, die sich entschliesse,
für den Aussätzigen zu sterben. Derselbe Schriftsteller weist darauf hin , dass bis in die
neuere Zeit mit dem Genüsse von Menschenfleisch abergläubische Vorstellungen verknüpft
worden sind. In Bayreuth wurde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Mann hinge-
richtet, der den Glauben hatte, er werde fliegen können, wenn er neun Herzen von Kindern,
die noch im Mutterleibe getragen werden, fresse. Er hatte bereits acht schwangere Frauen
umgebracht und die Herzen der Kinder warm und zuckend gegessen *). In China soll sich
der Gebrauch des Menschenfleisches als eines Mittels gegen gewisse Krankheiten bis jetzt '
erhalten haben; es werden Mordthaten begangen, um frisches Menschenfleisch oder Menschen-
galle sich zu verschaffen. Auch in den zahlreichen Beispielen der Menschenfresserei, die uns
aus dem Alterthum berichtet werden, ist es bald die Noth, bald der Aberglaube, bald die
Rohheit, welche als Ursache derselben angegeben werden. Sueton gedenkt der Menschen-
fresser, die Frauen und Kinder essen. Valerius Maximus 4 ) tadelt die Rohheit der Spanier,
die in belagerten Städten die Gefangenen nicht nur, sondern die Weiber und Kinder verzehr-
ten. Diese Erscheinung ist unter rohen Völkern so verbreitet, dass man nicht nöthig hat,
dieselbe mit Ghillany aus dem Einflüsse der blutigen Gebräuche der Phönizior zu erklären.
An diese aber werden wir erinnert, wenn Livius*) erzählt, dass Hannibal seine Soldaten,
um sie wild und kriegerisch zu machen, Menschenfleisch essen lehrte. Es ist auch nicht zu
bezweifeln , dass die Menschenopfer der alten Hebräer mit dem Genüsse von Menschenfleisch
und Blut verbunden waren. Solche Opferschmäuse werden den Kananitcrn vorgeworfen und
>) Aeneis VIII, 192. — >) Hist. n«t. XXVI. 4. — *1 Meissner, Skizzen, XIII Samml. S. 107. — 4 ) Vsl
Maxim. VII, 6. - 4 ) Lir. XXIII, 5.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
251
verschiedene Stellen der Schriften des alten Testamentes deuten darauf ln den Mosaischen
Büchern wird vom Trinken des Blutes der Erschlagenen gesprochen ’ J ) und vom Verzehren
ihres Fleisches und dem Zermalmen ihrer Gebeine*). Aus der Stelle bei Ezechiel 1 ): „l)u
hast Menschen gefressen und dein Volk kinderlos gemacht“, darf man schliessen, dass die
Hebräer die Kinder, welche sie opferten, auch gegessen haben.
dldert werden,
nnte Sache an-
Berichtigung. Iten nicht ver-
fischen Volker-
Seite 261. Zeile 14 v. o. lies Simon Magus statt Simon und Magus. untei Irajan,
lienfresscrei in
rüher syrischer
schlachtet, aus
;us, sowie dem
iristen wurden
bemerkt, dass
rauche mögen
n Abeudmahle
Seite 251. Zeile 14 v. o. lies Simon Magus statt Simon und Magus.
suuuie nuer gewiss ment ais eine Billigung jener mutigen Uebraucno erscheinen, die beson-
ders in Phönizien, Syrien und Cbaldäa üblich waren, wiewohl sie daran erinnerte. Bemer-
k euswerth ist, dass in der Genesis zuerst ■) dem Menschen als Speise nur Pflanzen bestimmt
sind, erst nach der Sündüuth sind ihm auch Fleischspeisen erlaubt 8 ). Die liinzugefiigte War-
nung, dass das Fleisch nicht mit seinem Blute gegessen werden soll, deutet auf das Ver-
schlingen des rohen Fleisches. Noch an mehreren anderen Stellen der mosaischen Bücher
wird der Genuss des Blutes verboten“). Ausdrücklich wird derselbe bei den Opfern ver-
boten ,0 ). Als ein Abfall von Jehova wird es bezeichnet, dass unter Saul das Volk das Fleisch
der erbeuteten Tliiere mit Blut ass "). Bei den Cliristenverfolgungen in der römischen Zeit musste
man durch Trinken von Opferblut beweisen, dass man sich zum Heidenthum bekannte.
Noch heute aber legen fromme Juden das Fleisch, ehe sie es kochen oder braten, eine Stunde
ins Wasser und eine Stunde in’s Salz, damit das Blut herau.sziebe.
Nach dem Zeugnias des heil. Hieronymus, der von 330 bis 420 n. Chr, lebte, darf man
schliessen, dass sich die Menschenfresserei der nordeuropäischen Völker in einzelnen Fällen
lango erhalten hat. Derselbe erzählt 12 ), dass er als Knabe in Gallien Scoten, eine britan-
nische Völkerschaft , Mcnschonfleiach habe essen sehen. Wenn es weiter in diesem Berichte
heisst: „Et cum per silvas poreorum greges et arinentorum pecudumque reperiant, puerorum
nntes et feminarum papillas solerc abscinderc et lias solas ciborum delicias arhitrari," so haben
Holtzmann und Andere diese Bezeichnung gewisser Körjiertheile mit Unrecht auf den Men-
schen bezogen , es sind die Korpertheile der angeführten männlichen und weiblichen Tliiere
*) Buch d. Weish. 12, 3 und 14, 22, Sacharja 9, 7. — *) 4. Buch Mos. 23, 24. — *) 4. Buch Mos. 24, 8. —
4 ) Exechicl 36, 13undl4. — s ) 6. Buch Mos. 28, 53 und 3. Buch 26, 29. Jeremias 19, 9. — Ä ) DioCassius LXV1II,
32. — *) 1. Buch Mos. 1, 29. — *) I. Buch Mol, 9, 3. — ») 3. Buch Mo«. 3, 17 und 17, 10 und 13. — ’°) 3. Buch Mos.
7, 26. — 11 ) 1. Buch Samuel. 14. 32 und 33. — lf ) S. Euseb. Hierunym. Ed. Par. 1845, Op. II, 335.
82*
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H. Schaaffhausen,
zu verstehen. Holtzmann 1 ), der mit Recht diese Stelle auf die von Strabo und Diodor
geschilderten Iren bezieht, denn im 3. und 4. Jahrhundert werden die Bewohner Irlamls
Scoti genannt, sagt geradezu, dass diese nach des Hieronymus Bericht Hinterbacken von
Knaben und Weiberbriiste fiir Leckerbissen halten. Eine andere Lesart dieser Stelle, die
auch Prichard J ) und nach ihm Spring antiihren, nennt das Volk Attaeoti; da aber Hiero-
nymus von den Seoten auch andere Rohheiten erzählt, wie dass sie Gemeinschaft der Weiber
hätten und nach Belieben wie die Thiere sich vermischten, so ist die Lesart Scoti wohl die
richtige. Einige Handschriften haben statt puerorum nates: pastorum nates, womit also in
sehr bestimmter Weise eine Verstümmelung menschlicher Wesen bezeichnet wäre. Es ist
aber wahrscheinlich , dass diese Aenderung des Wortes erst durch die irrige Auslegung der
Stelle veranlasst worden Ist. Das Vorkommen der Menschenfresserei zur Zeit des Hierony-
mus ist nicht unglaublich, die damit verbundene angebliche Verstümmelung menschlicher
Körper wird von keinem alten Schriftsteller berichtet und kommt bei keinem wilden Volke
vor. Nur die Abyssinier schnitten den Besiegten, ohne sie zu tödten, die Genitalien ab und
nahmen sie als Trophäen mit. Doch wird auch neuerdings die Stelle mehrfach auf den Menschen
bezogen, so vonPeterscn in einer dem anthropologischen Congresse in Kopenhagen gemachten
Mittheilung, sowie in einem französischen Aufsatze Uber den Cannibalismus der Vorzeit
Hier wird die Anführung der Thiere so verstanden, als hätte Hieronymus sagen wollen, wie-
wohl das Land an Thieren reich ist, ziehen sie doch das Fleisch des Menschen vor. Aus dem
Mittelalter ist uns noch ein auffallender Bericht liier Menschenfresserei aus Noth erhalten.
Abdallatif, ein arabischer Arzt aus Bagdad, dessen Werk Sylvestre de Sacy übersetzt
hat, schildert eine um das Jahr 1200 in Aegypten wegen des Ausbleibens der Nilüberschwem-
mung ausgebrocheno Hungersnotb. Eltern verzehrten ihre Kinder oder boten sie zum Ver-
kauf aus; man as-s die abscheulichsten und ekelhaftesten Dinge und wühlte sogar die frischen
Gräber auf, um die Leichname zu verzehren. Kinder und Erwachsene wurden geraubt und
geschlachtet. Später waren die grausamsten Strafen erst lange nachher im Stande, diesen
Abscheulichkeiten Einhalt zu thun. Schon im 7. Jahrhundert soll Menschenfresserei in Folge
eines Misswuchses in Europa epidemisch geherrscht haben. Nach Thiers herrschte auch um
102G unter König Robert in Frankreich eine fürchterliche Hungorsnoth, so dass Menschen-
fleisch gegessen wurde. Selbst während der im Jahre 1868 in Algier ausgebrochenen Hun-
gersnoth griff die Menschenfresserei unter den Eingeborenen um sieh. Das Kriegsgericht zu
Blidah verurtheilte einen Mann zum Tode, der in weniger als einem Monat sechs Menschen
getödtet und aufgefressen hatte. Am 4. Januar 1869 wurde er erschossen '). Bis in die neue-
ste Zeit haben Schiffbrüchige, die dem Hungertode nahe waren, zu diesem Mittel gegriffen,
um ihr Leben bis zur möglichen Rettung zu fristen. Noch im Februar 1866 ist auf dem
Wrack des Excelsior, der in der Nordsee vor der Insel Juist scheiterte und im Decembcr 1866
auf dem Wrack der Ücean Queen, die in der Ostsee vor der kurischcn Nehrung in Trümmer
ging, Menschenfleisch gegessen worden. Beides waren englische Schiffe s ). Am 5. Januar
') A. Holtzmann, Kelten und Germanen, Stuttg. 1865. — *) Prichard a. a. O. III, 1, S. 152. — *) I.e*
munde», Revue hebd. 24, mar« 1870. — 4 ) Bonner Zeitung, 21 Januar 1809. — “) H. A. Schumacher, zur
Rettung Schill brüchiger. Emden 1809.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 253
1867 wurde aus Königsberg in den Zeitungen berichtet, dass nach heftigen Stürmen bei Nid-
den ein russisches Schiff ohne Steuer und Mast in dem elendesten Zustande, mit noch zwei
Leuten und dem Leichname eines dritten an Bord, geborgen worden sei. Die Geretteten
erzählten, dass sie 14 Tage hindurch auf der See umhergetrieben seien und täglich sich die
Bemannung gelichtet habe, zuletzt sei für die noch Lebenden die höchste Noth cingetreten,
da die Nahrungsmittel gänzlich ausgegangen waren. Vier Mann waren noch auf dem Schiffe,
als eines Tages einer durch das Herunterfallen einer Kette getödtet wurde. Der Hunger der
übrigen hatte den höchsten Grad erreicht und zwei derselben machten sich an den Leichnam,
indem sie aus demselben Stücke schnitten nnd verzehrten. Den Dritten erfasste dabei ein
solches Grausen, dass er, um dem Hungertode zu entgehen, sich in die See stürzte und den
Tod fand. Die Leiche des Matrosen, die den anderen zur Nahrung gedient hatte, wurde in
Nidden beerdigt. Wie häufig mögen diese Fälle sein, ohne dass eine Nachricht davon zu uns
gelangt; Scheitern doch allein an den deutschen Küsten jährlich im Durchschnitt 110 Schiffe
mit 600 Menschen. Der Genuss des Fleisches Gestorbener muss allerdings gestattet sein, wenn
dadurch das Leben Anderer gerettet werden kann. Nur in diesem Sinne können wir der
Aeusserung Försters beistimmen, wenn er sagt: „so sehr es auch unserer Erziehung zuwider
sein mag, so ist es doch an und für sich weder unnatürlich noch strafbar, Menschenfleisch
zu essen. Nur um desswillen ist es zu verbannen, weil die geselligen Empfindungen der
Menschenliebe und des Mitleids dabei so leicht verloren gehen können.“ Ein viel zu scho-
nendes Urtheil Uber die Menschenfresserei hat aber A. von Humboldt gefällt , indem er
behauptet, dass die Vorwürfe des Europäers von dem Indianer nicht anders aufgenommen
würden, als wenn uns ein Brahmine vom Ganges den Genuss des Thiertteisehes verbieten
wolle. Es giebt merkwürdiger Weise einen Fall, wo der Genuss des dem eigenen Körper
entzogenen Blutes ein Verlängerungsmittel des Lebens sein kann. Ein französischer Forscher,
Anselmier 1 ) hat nämlich gefunden, dass Thiere, die man verhungern lässt, um die Hälfte
der Zeit länger leben, wenn man ihnen von Zeit zu Zeit durch kleine Aderlässe Blut entzieht
und es ihnen zu trinken giebt. Er nennt dieses Selbstessen Autophagie und es ist nach die-
ser Erfahrung sehr wahrscheinlich, dass ein Verschütteter sein Leben auf diese Weise länger
wird erhalten können, so lange vielleicht, bis Rettung für ihn möglich wird.
Blicken wir auf die heute lebenden wilden Völker*), so erfahren wir, dass der Canniba-
lismus noch in ausgedehntem Maasse unter ihnen verbreitet ist, dass er sich gewohnheits-
mässig noch bei allen Raren und, Europa ausgenommen, in allen Landern findet. Viele
schämten sich der Unsitte im Umgänge mit den Europäern und legten sie ab, andere laug-
neten selbst, dass ihre Vorfahren sie geübt. Burmcister hörte die Versicherung eines Skla-
venhändlers, dass die Schwarzen keine Menschenfresser seien, dies habe man nur erfunden,
um die Misshandlungen, die man an ihnen übe, zu rechtfertigen. Am zahlreichsten sind die
Nachrichten Uber die Menschenfresserei der Südseeinsulaner und Cook wunderte sich, wie
unter so sanften Völkern ein solcher Gebrauch herrschen könne. Die faule und diebische
Bevölkerung von Ncukaledonien bekriegte sich gegenseitig in der äussersten Noth, um Gcfan-
>) Ilenle und Pfoufer, Zeitschr. 8. R„ IX, 2. — *) Vgl. H. Schaaffhaueen. Heber don Zuatand der wil-
den Völker. Archiv f. Antlirop- Hd, 1, S. 172.
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254
H. Schaaffliausen,
gene tum Fraas zu gewinnen, und ein Häuptling erklärte verwundert, er habe nicht gewusst,
dass man kein Monschenfleisch essen dürfe. Die Neukaludonier betrachteten mit der grössten
Lüsternheit die nackten Arme und Beine der jungen Matrosen des Schilfes von Dumont
d’Urville. Sie befühlten dieselben mit den Händen und riefen dabei: Kaparek! mit welchem
Worte sie einen Leckerbissen zu bezeichnen schienen. Selbst die Androhung des französischen
Gouverneurs der Insel, dass er jeden Fall vou Menschenfresserei als einen Mord ansehen und
bestrafen werde, hat dieselbe noch nicht ganz beseitigen können. Die Bewohner der Sal-
monsinseln brachten im Jahre 1845 den Missionären ein Kind zum Verkaufe mit der Bemer-
kung, dass es gut zu essen sei. Der Vater des Königs Niuriki von Futuna soll nicht weniger
nls 1000 Menschen verzehrt haben, so dass nach seinem Tode die Häuptlinge, um dem Unter-
gang der ganzen Bevölkerung vorzubeugen, in Uebereinstiinmung mit Niuriki den Entschluss
fassten, dass fortan kein Mensch mehr sollte geopfert oder verzehrt werden. Aus dem gleichen
Grunde war wohl auf den Sandwichinseln die Darbringung von Menschenopfern nur dem
Könige erlaubt 1 ). Er hatte auch das Vorrecht, das Auge des Geopferten zu essen 1 ). Der
erste Name der Königin Fomare war Aimata, dies bedeutet: „ich esse das Auge.“ Das Wort
erinnert also an jene Schmause, bei denen man den einen oder andern Körpertbeil als
Lockerbissen bezeichnet. Als solchen betrachten auch die Neuseeländer die Augen eines
Menschen. Dagegen sagte der alte König von Titaway schon im Jahre 1687 den Holländern,
der beste Bissen seien die Wangen und die Hände. Als die rohesten und blutgierigsten unter
den Siidseevülkern werden die Bewohner der Fidschiinseln bezeichnet, über deren Menschen-
fresserei Matthew, Seemann, Egerström u. A. berichtet haben. Auf Nnkahiva gelten
Häuptlinge und Priester als höhere Wesen. Wenn ein Priester Begierde nach Menschenfleisch
hat, so versetzt er sich unter mancherlei Gaukeleien in Schlaf und sagt dann aus, was der
Goist ihm eingegeben. Er bezeichnet einen Mann oder eine Frau, die dann eingefangen und
geschlachtet werden. Hat ein Marquesancr einen Feind niedergemacht, so schlägt er ihm
ein Loch in den Kopf, aus dem er seiu warmes Blut trinkt Alle Schädel, die Krusenstern
auf Nukabiva erhandelte, hatten ein eingeschlagenes Loch. Audi dio Neuseeländer tranken
das warme Blut ihrer erschlagenen Feinde. Im Jahre 1857 brachten die Zeitungen folgende
Schreckensgeschichte: es befanden sich 327 chinesische Auswanderer aus Hongkong, Männer,
Weiber und Kinder auf einem englischen Schiffe, um nach Sydney zu gehen, als das Schiff
bei der Insel Bossel in der Südsoe, etwa 500 Meilen von Neuseeland, Schiffbruch litt Es
war am 29. September. Dem Kapitän gelaug es nur mit äusserster Anstrengung, die Passa-
giere ans Land zu bringen, wo er sie, so gut es eben ging, mit den noth wendigsten Lebens-
mitteln versorgte. Er selbst steuerte mit 8 Matrosen auf einem Boote von der Iusel weg,
utn auf dem weiten üeoan ein Fahrzeug nufzusuchen , da« sich der verlassenen Chinesen an-
nähme. Erst am 15. October trafen sie einen Scliooner, der sie nach Neukaledonien brachte,
von wo sofort der französische Dampfer Styx nach der Insel Rossel abgeschickt wurde. Er
traf erst am 8. Januar daselbst ein und erfuhr, dass säinmtliche Chinesen und die bei ihnen
zuriickgelasaeneu Matrosen von den Eingeborenen ermordet worden seien. Nur ein einziger
Chinese hatte die Metzelei überlebt, aber da Niemand an Bord des Schiffes chinesisch ver-
*) E. Michelit, die Völker der Sudf.ee, Munster 1847. — Archiv lur Aathrop. öd. III, 1869, S. 843.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 255
stand, vernahm man erst später, dass die allgeschlachteten Schiffbrüchigen zu einem C'anni-
balenschinause gedient hatten. Wir besitzen den Bericht einiger französischer Soldaten, die
sich kurze Zeit in Gefangenschaft der Kanaken auf den Sandwichinseln befanden und dort
der Zubereitung und Auftischung eines ihrer Kameraden beiwohnten. Zuerst hackte man
ihm den Kopf ab und hing den Körper eine Stunde lang an einen Baum auf, um das Blut
ablaufen zu lassen. Während dessen wurde ein über vier Fuss tiefes und drei Fuss breites
Loch in die Erde gegrabon und mit Steinen Busgelegt. In der Höhlung wurde ein Feuer
angezündet und nachdem es halb niedergebrannt war, mit einer Steinlage bedeckt. Den
Menschen weideten die Cannibalen aus und schnitten den Körper in fusslange Stücke; Küsse
und Hände wurden nls ungeniessbar bei Seite geworfen. Sodann wurden diese Stücke auf
Blätter des tropischen Rosenbaumes gelegt und mit Zuthnten versehen, als Cacaonüasen, Ba-
nanen und anderen Gewächsen von köstlichem Aroma. Darauf schnürte man das Ganze in
einen Ballen zusammen und senkte diesen in die Grube, aus welcher man den Rest des
Feuers entfernt hatte. Zwischen den heissen Steinen lies« man dann das Mahl eine Stunde
lang schmoren. Frauen erhielten von dem Gerichte nichts, das ausschliesslich für Krieger
bestimmt war '). Man sieht, bei diesen Völkern ist der Cannibalismus eine Feinschmeckerei
ein mit überlegter Kunst erhöhter Genuss des lüsternen Gaumens. So wird es verständlich,
dass sich die Anthropophagie häufig bei Volksstämmen findet, die ihren Nachbarn geistig
überlegen sind, wie bei den Batlas auf Sumatra, die eine selbst erfundene Schrift besitzen,
bei den Fidschiinsulanern , die in der Kunst der Töpferei sich vor allen anderen Völkern der *
SUdsee auszeichnen. Eine gute geistige Begabung wird auch von den Maoris, den Fannegern
und den Niam-Niams gerühmt Dagegen sind die Minkopies, die Eingeborenen der Anda-
maoinseln, über deren thierische Lebensweise wir durch den Bericht eines indischen Sepoy
unterrichtet sind und die R. Owen’) auf die niedrigste Stufe menschlicher Bildung stellen
will, keine Cannibalen. Nach A. Lortsch 3 ) kommt auch bei den australischen Wilden die
Menschenfresserei nur in den seltensten Fällen vor und wird sehr geheim geübt. Doch
wurde 1862 ein Freund desselben von ihnen ermordet und aufgegessen. Bei Hungorsnoth
graben sie nach drei Tagen ihre Todten wieder aus, um sie zu essen. Dem überwundenen
Feinde schneiden sie nur das Nierenfett heraus, um sich damit einzureiben und so die Stärke
des Besiegten zu gewinnen. Von den Alfurus der nördlichen Molukken theilt J. Kögel 4 )
mit, dass sie zuweilen das Fleisch der erschlagenen Feinde gemessen sollen. Ueber die
Battas auf Sumatra, deren blutige Gebräuche Junghuhn 3 ) geschildert hat, haben wir neue
Mittheilungen von Bickmore*). Sie sind noch heute Menschenfresser und es ist etwas ganz
Gewöhnliches für die in Siboga an der Westküste Sumatras wohnenden Fremden zu hören,
dass in den benachbarten Bergen ein oder mehrere Eingeborene gegessen worden seien.
Nicht aus Mangel an Nahrung üben die Battas jetzt den abscheulichen Gebrauch, denn es
fehlt ihnen nicht an Wildpret und an Zuchtvieh, auch nicht aus Rachsucht, sondern aus
Leckerei. Der Radschah von Sipirok versichert« dem Statthalter von Podang, dass er nio
') Bonner Zeitung, 17. Sepl. 1809. — 3 ) R. Owen, On the Mincopie«. Report of the Brit. Amte. f. th.
A'lvanc. of Sc. IsCl. — 3 ) Ausland , 1666, Nr. 30. — *) Ausland, 1856, Nr. 31. — *1 Vgl. Archiv f. Anthrop.
Bd. I, S. 174. — *) S. Bickmore, Reisen im ostindiachcn Archipel in dem Jahre 1365 bis 66. Aus dem Eng-
lischen. Jen» 1869.
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H. Schaaffhauscn,
etwas Kostbareres gegessen habe als Menschenfleisch. Der Ursprung der Unsitte wird auf
folgende Weise erzählt. Ein Eadscliah beging ein grosses Verbrechen, aber Niemand wollte
es wagen, einen Fürsten zu bestrafen. Nach langer Berathung wurde endlich beschlossen,
ihn hinzurichten, aber jeder aus dem Volke sollte ein Stück von seinem Leichnam essen,
damit auf diese Weise Alle an seiner Bestrafung Tbeil nähmen. Sie fanden nun diesen
Schmaus so schmackhaft, dass sie beschlossen, wenn wieder ein Verbrecher hingerichtet
würde, ihn ebenfalls zu essen. So ist es gekommen, dass, wer des Ehebruchs, des mitter-
nächtigen Raubes oder eines hinterlistigen Angriffs sieb schuldig macht, oder wer in Gefan-
genschaft geräth, lebendig zerschnitten und verzehrt wird. Mau bindet das Opfer mit aus-
gestreckten Armen an einen Baum, wie uns ein Missionär, der eine solche Hinrichtung eines
Diebes sah , berichtet hat. Der Mann , welcher bestohlen worden war, erhielt zuerst das
Messer und schnitt sich das Stück aus dem Leibe, welches ihm das liebste war; der Radschab
nahm das zweite, die anderen folgten. Die Hände und die Augen gelten als die grössten
Leckerbissen. Das warm dampfende Fleisch wird, um es zu würzen, in Pfeffer und Salz
getaucht, ln früherer Zeit soll mau das Fleisch gebraten oder gekocht haben. Dos Fleisch
der Malayen soll am besten schmecken. Die kühne deutsche Reisende, Frau Ida Pfeiffer,
die sich unter diese Wilden wagte, liessen sie nur deshalb ungefährdet zurückkehren, weil sie
dieselbe für eine Hexe hielten ').
Ueber die beutige Verbreitung des Cannibalismus unter den Indianern Amerikas war
man lange ungewiss, denn die meisten Stämme läugneton diesen Gebrauch ihrer Vorfahren,
die zur Zeit der Entdeckung des Landes doch fast alle Cannibalen waren. So macht sich
Bromrae *) des grössten Irrthums schuldig, wenn er schreibt; „ob wirklich je die Menschen-
fresserei bei den Indianern Nord- Amerikas zu Hause war, ist eine Frage, die fast mit Be-
stimmtheit zu verneinen ist, was auch frühere Berichterstatter darüber erzählen. Nur
drückende Hungersnoth konnte einen Stamm bewegen , Menschenfleisch zu geniessen , und
wahrscheinlich ist es, dass die Atat-apas, diesen ihren Namen „Menschenfresser“ nur von
einem einzigen Beispiele der Art erhalten haben.“ Gleichwohl führt Bromme den Bericht
von Golden an, dass die Irokesen ihre Gefangenen verzehrten und die Ottawas das Blut ihrer
hingerichteten Feinde tranken, sowie die ausführliche Nachricht Henry ’s Uber einen Eng-
länder, der 17G0 von den Indianern Canada's aufgegessen wurde, und die Angabe der A'rchaeo-
logia amerikana, VoL I, p. 353, dass unter den Miamis ein Ausschuss von sieben Kriegern bestan-
den habe, welche die Menschenfresserei öffentlichen Vorschriften zu Folge zu vollziehen
hatten und zu ihrem letzten Cannibalenfcsto einen Bewohner von Kentucky schlachteten.
Nach jenen Berichten sollen alle Indianer, welche Menschenfleisch gegessen, darin überein-
stimmen, dass es ein köstliches Mahl und dass das Fleisch der Engländer weit schmackhafter
als das der Franzosen und Spanier sei. Das Alles hält Bromme für Erfindung der Missionäre,
für Verleumdung, welche das schändliche Betragen der Europäer und ihrer Nachkommen
gegen die Indianer entschuldigen soll. In der gerechten Entrüstung über die treulose Behand-
lung des rothen Menschen durch den Weissen liessen sich Bromme und Andere in ihrem
*) Vgl. Magazin für die Literatur dea Auslandes, 1869, Nr 43. — 2 ) Tr. Hromme, Gemälde von Nord-
Amerika, Stuttgart 1862, Bd. 1, S. 214.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 257
Urtheilc über den sittlichen Zustand dieser Wilden täuschen. Alexander von Humboldt
fand noch am L'assiquiare den Gebrauch MenscbenReisch zu essen. Der Stamm der Tonk-
ways an der Grenze von Texas schlug im Jahre 1851 die Kitschies, der Häuptling derselben
wurde gebraten und bei einem Festmahl verzehrt '). Dobritzhoffer ») sagt, dass alle India-
ner in Brasilien nnd Paraguay vor ihrer Bekehrung zum Christenthum Menschenfresser waren.
Sie zogen es jedem Wildpret vor, so dass sie oft ein heftiges Verlangen danach anwandelte.
Die Ureinwohner Brasiliens mästeten zu Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Kriegsgefangenen
lange Zeit, sie verheiratheten sie sogar mit ihren Töchtern und Schwestern, um die so ent-
standenen Kinder später ebenso zu füttern und zu schlachten. Wilh. Piso, der im Jahre
1637 mit G. Marcgrav nach Brasilien ging, berichtete schon, dass die brasilischen Völker
ihre eigenen Kinder autfnis.se n und von den lebenden die Nabelschnur*). I.ery erzählt, dass
die Weiber, die man den Gefangenen gebe, entweder die Wittwen der Erschlagenen oder die
Schwestern derselben seien. Die zum Opfer bestimmten und gemästeten Unglücklichen neh-
men vorher selbst an dem Trinkgelage Theil und erhalten dann mit der Keule den Todes-
streich. Der Körper wird zerschnitten und dann die Theile geröstet Auch die Frau de«
Erschlagenen nimmt Theil an dem Mahle*). W. von Ziramermann erinnert daran, dass
die nördlichen Indianer viel grausamer gegen ihre Opfer verfahren als die Sudamerikaner,
indem sie dieselben vorher martern. Jene macht die Jagd gefühllos, während der Trojieu-
bewohner ein sanfteres Leben führt. In dem ethnologischen Museum zu Kopenhagen befindet
sich ein grosses Oelgeraälde, auf dem eine Schwarze abgebildet ist, die in einem Korbe
Stücke Menschenfleisch trägt. Ich habe darüber nur erfahren können, dass es, wie die übri-
gen Bilder daselbst, um das Jahr 1641 von dem holländischen Maler Ekhout gemalt worden
sei und sich wahrscheinlich auf Südamerika beziehe, wo er sich mehrere Jahre aufgehalten
hat R. A. Lallemant 5 ) versichert, dass es am Rio negro in Brasilien noch Cannibalen
gebe, die ihre Feinde brieten und verzehrten. Von den Araras am Rio da Madeira sei es
vor einigen Jahren amtlich in Rio de Janeiro berichtet worden. Ebenso sei vor Kurzem die
an einem Weissen geübte Menschenfresserei der Botokuden des Rio doce von einem Augen-
zeugen, der bei dem entsetzlichen Anblicke entfloh, erzählt worden. Eine spätere Mitthoi-
lung 6 ) bestätigt, dass die Brasilianer noch Menschenfresser sind. Ein Botokude sagte, wir
essen Affen, warum nicht Menschen, wenn sie todt sind! Es wird darauf hingewiesen, dass
es den Brasilianern an leicht zu jagenden Thieren fehle, denn das Pekari ist sehr scheu und
der Tapir flüchtet ins Wasser, wälirend die Nordamerikanor auf Bisons, Hirsche und Biber
Jagd machen, den Bewohnern der Cordilleren die Lamas, den Südafrikanern die Antilopen
in zahlreichen Heerden zu Gebote stehen. So scheint Mangel an Fleischnahrung in Brasilien
wie auf den Südseeinseln eine Ursache des Cannibalismus zu sein, und für solche Gegenden
wird die Einführung und weitere Verbreitung des Schweines ein wahrer Segen und ein Mittel
zur Cultur sein; es hält die Seereise von allen Thieren arn besten aus, ist im Fressen nicht
wählerisch und kommt auch im Urwalde leicht fort. Unter den amerikanischen Völkern
! ) Ausland, 18öl, Nr. 150. — *) G. Klemm, Allg. Culturwiseenscbafr. 11 . Leijmjr 1855. S. 173. — *) De
utriuttjuc Iodiac hist. na( et mocl. 1. XIV. Am«t. 1858. — *) W. r, Zimmermann, die Erde und ihre Bewoh-
ner, Stuttg. ItßO, 7. Theil, S. 45. — Ausland, I960, Nr. 40. — *) Ausland, 1864. Nr. 85.
ArabiT fikr Anthropologie, Bd, IV. Hoft III. 33
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H. Schaaffhauscn,
hatten es die Caraiben so weit gebracht, dass sie Knaben raubten und entmannten, um sie,
wie Capaunen, fett zu füttern. Das Fleisch der Spanier, versicherten sie, schmecke schlecht,
es sei sehr bitter und wer davon esse, werde krank. Auch die Feinschmecker auf den Neu-
Hehriden geben an , dass das Fleisch der Farbigen besser und nicht so salzig schmecke , wie
das der Weissen, und die Afrikaner im Sudan behaupteten nach Batuta dasselbe. Die Carai-
ben und Arowaken schnitten später dem besiegten Feinde nur den Arm ab, trockneten ihn
am Feuer und legten bei den Freudenmahlen auf jeden Kossabikuchen ein Stück Wild und
ein Stückchen von dem Menschenarm. Der Missionär C. Quandt fügt hinzu: die Arowaken
essen es nur mit Widerwillen.
Ucber den Cannibalismus in Afrika hatten wir lange Zeit nur ältere Nachrichten; ver-
einzelten Angaben neuerer Reisenden wurde kein Glaube geschenkt. So sagt Waitz 1 ): „Ab-
gesehen von einzelnen Beispielen im Kriege und von den öffentlichen Festen in Dahomey,
bei denen das Essen von Menschenfleisch nach Norris ein wesentlicher Theil der Feier selbst
ist, giebt es neuerdings nur zweifelhafte Fälle von Cannibalismus in den Negerländern. Trotz
verschiedener Nachrichten ist es hinreichend festgestellt, dass die Neger sich gegenseitig als
Cannibalcn bei den Weissen zu verlüumden pflegen, um diese vom weiteren Vordringen ins
Innere abzuschrecken.“ So urtheilt auch Hecquard. Dagegen vermuthet Russegger, es
gebe wohl doch wegen der immer wiederkehrenden Erzählung der Eingeborenen irgendwo
ein Cannibalenvolk. Waitz theilt diese Ansicht nicht, weil der Cannibalismus von denNegem
überall mit Abscheu betrachtet werde und meint, die weite Verbreitung der Sage erkläre sich
aus der Vorliebe des Negers für das Ungeheuerliche und Wunderbare, wofür auch die Fabeln
von Zwergen und geschwänzten Menschen sprächen. Der Erwähnung werth ist wohl die
Thatsache, dass das Wegführen so vieler Neger, die nie wiederkehren , durch Weisse, das
Betasten ihres Körpers auf den Sklavenmärkton die Neger des Binnenlandes auf den Gedan-
ken brachte, die Weissen seien Menschenfresser. Ibn Batuta, der grösste arabische Reisende
im 14. Jahrhundert, spricht von einem Volke menschenfressender Neger in Centralafrika.
Er erzählt, dass sie bisweilen nach Melli im Sudan kommen und bei einer solchen Gelegenheit
eine vom Sultan ihnen geschenkte Sklavin verzehrten , dass sie den Busen und die Hände
der Frauen für die grössten Leckerbissen am menschlichen Leihe erklärten, dagegen das
Fleisch der Weissen aLs unreif verschmähten. Pigafetta theilt in der nach den Mitthoilungen
das Portugiesen B. Lopez verfassten Beschreibung des Königreichs Congo mit, dass jenseits
dieses Landes ein Volk von unglaublicher Wildheit, die Anziquen, lebe, die einander aufessen
und weder Freunde noch Verwandte schonen. „Ihre Fleischläden sind mit Menschenfleisch
gefüllt statt mit Ochsen- oder SchaafBeisch , denn sie essen die Feinde, die sie im Kampfe
gelängen nehmen. Sie mästen , schlachten und verzehren auch ihre Sklaven , wenn sie nicht
glauben, einen guten Preis für sie zu erhalten ; überdies bieten sie sich zuweilen aus Lebens-
miidigkeit selbst als Speise an, denn sie halten es für etwas Grosses oder für das Zeichen
einer edlen Seele, das Leben zu verachten.“ Das erinnert an Strabo's Bericht Uber die
Massageten. Von den Jaggas, die jenseits Angola wohnen und wohl ein den Anziquen ver-
l ) Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker. II. Leipzig IM». 8. 1GS.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 259
wandte» Volk sind, wird im 17. Jahrhundert von A. Battell und Anderen in gleicher Weise
erzählt, dass sie in ihren Fleischerläden Menschen fleisch feil halten. Sie sollen zu solcher
Wildheit von einer Königin erzogen worden sein, die, um sie in ihrer Grausamkeit zu bestär-
ken, sich selbst den Säugling von der Brust riss und in einem Mörser zerstampfte. Aus die-
sem Brei liess sie eine Salbe kochen und bestrich sich und ihre vornehmsten Krieger damit
unter dem Vorgeben, dies schütze gegen Todesgefahr und mache unbezwingbar. L)ie Jaggas
mussten von ihren Kindern ähnliche Salben bereiten, sie mussten geloben, Menschenfleisch zu
essen , weil nur dieses den grössten Muth und die grösste Stärke gebe. Von der Tochter des
Königs von Angola, die Herrscherin und Priesterin der Jaggas war, wird noch berichtet, dass
sie ihre Liebhaber vor Entdeckung ihres geheimen Umgangs mit eigener Hand den Göttern
opferte '). Huxley ! ) hat aus der im Jahre 1698 in Frankfurt a. M. erschienenen Ausgabe des
Werkes von Pigafetta das Bild eines Fleischerladens der Anziquen abdrucken lassen und
macht darauf aufmerksam, in wie vielen Einzelheiten diese Angaben mit dem Anfangs mit
Misstrauen aufgenommenen Berichte des du Chaillu Uber die Fanneger am Gaboon überein-
stimmen. Dieser erzählt: „Es begegnete uns eine Frau, die ein Stück eines menschlichen
Schenkels trug, genau so wie wir zu Markte gehen, und von dort einen Braten oder ein
Beefsteak mitbringen würden. Als ich einmal mit dem Könige sprach, brachten einige Frauen
einen Leichnam, den sie in einer benachbarten Stadt gekauft hatten und der jetzt getheilt
werden sollte. Ich konnte sehen, dass der Mann an einer Krankheit gestorben war. Die
Leichen von Personen, die an einer Krankheit gestorben sind, zu essen, ist eine Art Canni-
balismus, von der ich nie gehört hatte, so dass ich beschloss, nachzufragen, ob dies wirklich
Sitte oder nur ein Ausnahmsfall sei. Sie sprachen ohne alle Scheu von der ganzen Sache,
und ich erfuhr, dass sie beständig die Todten von dem Osheta - Stamme und diese dagegen
die von den Fan kaufen.“ In seinem zweiten Berichte sagt du Chaillu 8 ) noch von den Fan-
negern: sie schlachten keine Menschen, sondern verzehren nur solche, welche von benachliar-
ten Stämmen gekauft und eines natürlichen Todes gestorben sind. Für einen ganzen Leich-
nam geben sie einen Elephantenzahn. Menschenfleisch wird auch von Weibern umhergetragen
und in mehr oder weniger grossen Stücken verkauft. Wenn die Fanneger mit den Volks-
stämmen verwandt sind, übor die uns die Nachrichten aus dem 14. und 15. Jahrhundert über-
liefert sind, so läge hier der Fall vor, dass im Laufe der Jahrhunderte eine Milderung der
rohen Sitte, Mensehenfleiscli zu essen, eingetreten sei. In einem Briefe vom 30. Mai 1869 hatte
Livingstone aus Udschidschi geschrieben, dass er im Begriffe sei, in ein von menschenfres-
senden Negern bewohntes Land zu reisen, so dass man beim Ausbleiben fernerer Nachrichten
in Sorge über sein Schicksal gerioth. Bei den Aschantis, bei denen Menschenopfer noch
immer in schauderhaftem Masse gebracht werden, ist dennoch der Genuss des Menschen-
fleisches selten. Bowdich*) giebt an, dass die Fetischmänner, welche dem Heere folgen, eini-
gen Feinden das Herz ausschneiden, und mit Zaubersprüchen und geweihten Kräutern alle
die davon essen lassen, welche noch nie einen Feind zuvor getödtet haben. Man vertraute
') W. von Zimmermann, a. a. 0., 1. Thl., S. 91. — *) Th. H. Huxley, Zeugniese för die Stellung de«
Menschen in der Natur, deutsch von V. Carus. Braunschwoig, 1863, 8. 62. — *) A journay to Aahangu Land.
London 1867. — •) Grube, Geographische Charakterbilder. II. Leipzig 1853, S, 280.
33*
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2fiO
H. Schaaffhausen,
ihm als ein Geheimnis«, dass der König und seine Grossen das Herz eines berühmten Feindes
unter sich getheilt hätten. Grosses Aufsehen erregte in neuester Zeit die Mittheilung Uber
Anthropophagenhöhlen im Lande der Basutos in Südostafrika >)• Bowker ging mit seinen
Begleitern von Thaba Bosigo aus durch ein enges Thal aufwärts, längs den Bercabergen nach
der alten verlassenen Mission Cana, wo Eingeborene als Führer nach den zwei Meilen ent-
fernten Höhlen mitgenommen wurden. Nun ging es auf Händen und Füssen einen steilen
Pfad hinab, nicht ohne Gefahr, bis sie auf einen kleinen Grasplatz kamen, wo man, ohne
sich zu halten, stehen konnte. Von hier sah man in eine grossartige aber ausserordentlich
wilde Landschaft. Unter einem überhängenden Felsen lag die Höhle, deren Eingang einen
weiten von der Natur gewölbten Bogen bildet. Sie ist etwa 130 Yanls hoch und 10O Yards
breit. Ifie Decke ist vom Rauch der Feuer geschwärzt, welche die früheren Bewohner der-
selben angezündet hatten. Auf dem Boden lagen Haufen menschlicher Gebeine theil» über-
einander geschichtet, theils überall zerstreut und vor der Höhle auf dem Felsenabhang war
der Grund ganz weiss von bleichenden menschlichen Knochen und Schädeln, diese waren
besonders zahlreich und meist solche von Kindern und jungen Personen. Diese Ueberreste
erzählten nur zu deutlich, wozu sie hatten dienen müssen, denn sie waren zerhackt und in
Stücke geschlagen, wie es schien mittelst stumpfer Beile oder geschärfter Steine. Die Mark-
knochen waren gespalten, die Gelenkenden aber ganz geblieben. Nur sehr wenige Knochen
zeigten Spuren des Feuers, zum Beweise, dass inan die gekochte Speise der gebratenen vorzog.
Mit seltsamen Gefühlen durchwanderte er die grausige Grabstätte und betrachtete Alles mit
Aufmerksamkeit Man zeigte ihm eine »Stelle mit rauhen unregelmässigen Stufen, die in das
Innere der Höhle zu einer dunkeln Gallerie führten; liier sagte man ihm, wurden die unglück-
lichen Schlachtopfer aufbewahrt, bis auch an sie die Reihe kam. Es war unmöglich von hier
zu entrinnen, ohne durch die Mitte der Höhle zu kommen. So schrecklich dies Alles erschei-
nen uiurs, so giobt es doch für Wilde, die vom äussersten Hunger getrieben werden, ihre
gefangenen Feinde zu tödten und zu verzehren, eine gewisse Entschuldigung. Aber mit die-
sem Volke verhielt es sich audors, denn es bewohnte ein fruchtbares und an Wild reiches
Land. Aber trotz alledem machten sie nicht blos Jagd auf ihre Feinde , sondern Einer stellte
dem Andern nach und viele ihrer Gefangenen gehörten dem eigenen Stamme an, und, was
schlimmer ist, wenn es an anderen Opfern mangelte, vergriffen sie sich an ihren eigenen Wei-
bern und Kindern. Ein träges oder zanksüchtiges Weib wurde schnell beseitigt, ein Kind,
das immer schrie, wurde still gemacht, Kranke und Schwache wurden schnell ums Leben
gebracht. »Solche Gräuel herrschten bei diesem Volke, und wiewohl man angiebt, dass es seit
vielen Jahren den (Kannibalismus aufgegeben, so ülierzeugte sich der Berichterstatter doch,
dass einige der menschlichen Gebeine ein sehr frisches Aussehen hatten , dieselben gehörten
einem grossen und starken Manne an mit sehr festem Schädel, au den Gclenkenden war noch
Fett bemerkbar, er schien erst vor einigen Monaten seinem Schicksal erlegen zu sein. Diese
Höhle ist eine der grössten in der Gegend und wurde als der Hauptsitz der (Kannibalen
bezeichnet, aber die ganze Gegend vom »Moluta bis zum Caledou, auch ein Theil vom Fluss-
*) The Lave - («nnibal» of South - Africa , by J. H. Bowker. Dr. Bleek und I»r. J. ßeddoe. Anthrop.
Keview XXV, p. 12t.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 2G1
gebiet des Putesana war vor 30 Jahren von Menschenfressern bewohnt, die der Schrecken der
amwohnenden Stämme waren. Sie schickten Jäger aus, die zwischen den Felsen und Büschen
in der Nähe von Pfaden oder Tränkeplätzen sich in den Hinterhalt legten und die vorbei-
kommenden Frauen und Kinder oder Reisenden auffingen. Noch sind viele dieser alten
Cannibalen am heben. Bowker wurde mit einem bekannt, der etwa 60 Jahre alt war und
noch in der Nähe wohnte. Als er jung war und in der Hohle hauste, fing er auf einem
seiner Ausflüge drei junge Weiber, von diesen nahm er die schönste zu seiner Gefährtin, und
verspeiste die anderen. Er besuchte auch mehrere Cannibalenhöhlen nahe den Quellen des
Caledon, diese sind noch bewohnt, aber die Gräuel haben aufgebört. Bei einer derselben
erzählte ihm ein alter Wildor, dass er vordem wohl 30 Menschen gekocht habe, er schien
nicht zufrieden damit, dass man die alte Lebensweise abgeschafft hatte. Einst wurde mit
anderen Gefangenen auch ein junges schönes Mädchen in die Höhle gebracht. Man schonte
sie und sie wurde das Weib eines der Cannibalen. Nach einiger Zeit vernahm ihr Vater,
dass sie noch lebe, und mit Hülfe eines Missionärs gelang es ihm , sie gegen ein Lösegeld
von 6 Ochsen zu befreien. Aber sie blieb nicht lange zu Hause, sondern verschwand wieder.
Sie war aus eigenem Entschlüsse zu den Freunden in der Höhle zurückgekehrt. Früher
waren auch die Löwen in dieser Gegend häufig und zogen zuweilen das Menschenfleisch dem
der wilden Thiere vor. Das entmenschte Volk legte Fallgruben an, in die es als Köder
lebende kleine Kinder setzte, deren Geschrei den Löwen lockte, der dann in die Falle ging,
aber das Kind verschlang. Eine alte Frau bei Thaba Bosigo erzählte ihm, dass man sie ab
Kind in eine Fallgrube gelegt, die Löwen seien aber nicht gekommen und so sei sie gerettet
worden. Die Bewohner aller dieser Höhlon sind Untcrlhanen des Häuptlings Moschesch, den
es grosse Anstrengung kostete, den Cannibalistnus bei ihnen auszurotten. Endlich gelang es
ihm ; die früheren Menschenfresser sind Viehzüchter , zum Theil auch Yichdiebe und selbst
Ackerbauer geworden. Diesem merkwürdigen Berichte hat Dr. Bleek Folgendes hinzugefügt:
Ueber diese Cannibalen nordöstlich von Thaba Bosigo geben auch Arbousset und Daumas ')
Nachricht, sowie Edw. Solomon 1 ). Nach diesem waren vier Stämme dem Cannibalistnus
ergeben, wovon zwei zu den Betschuanas und zwei zu den Kafirs gehören. Sie sollen erst
Cannibalen geworden sein durch die verheerenden Kriege, welche vor 50 Jahren diese Ge-
genden Afrikas heimgesucht haben. Nachdem die Begierde nach Menschenfleisch einmal
erwacht war, wurde der Genuss auch dann nicht aufgegeben, ab die Noth vorüber war. Es
ist jedoch auch möglich, dass der Cannibalistnus in diesen Gegenden weit älter ist. Die ein-
heimische Literatur der Zulus und der Betschuaua enthält eine Menge von Anspielungen
auf die mensebenfrossenden Amazimu und Marimo. In den von Dr. Callaway berausgege-
benen Ammenmährcben der Zulus spielen Riesen und menschenfressende Hexen dieselbe
Rolle wie in unseren europäischen Sagen. In einer Geschichte wird erzählt, wie ein Mann,
der von den Cannibalen ergriffen ist, es zu machen weiss, dass diese nicht ihn, sondern ihre
eigene Mutter aufessen. Wie ein Eingeborener dem Dr. Callaway berichtete, lebten die
Amazimu von anderen Menschen abgeschieden in den Bergen. Ab das Land verwüstet
>) Arbousset et Daumas, Relation dun voyage d’ezplorat. au Nord-cet de la Co), da Cap de Bonne-
Eipi-r. Paris 1842, VII, pag. 105. — *) E. Solomon, Two Loctores on tbe native tribet of the Interior. Cap»
Town, 1855, p. 62.
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'262
II. Schaaffhauaen,
war und grosse Hungersnoth herrschte, entstand die Begierde nach Menscbenfleisch. Die,
welche über andere herfielen und sie verzehrten, nannte man Amazimu, d. h. die Gefi-ässigen.
Diese Leute wurden bald als ein besonderes Volk betrachtet, welches auf Menschen Jagd
machte. Sie hatten ihre Aecker und Heerden und Häuser verlassen und wohnten in Höhlen.
Hierher brachten sie ihre Opfer und zogen dann wieder auf Beute aus. Trafen sie einen
Menschen, der allein war, so lockten sie ihn und thaten freundlich mit ihm, so dass er nichts
Böses ahnte, bis sie über ihn herfielen. Mit Anderen kämpften sie. Viele flohen vor ihnen,
weil ihr Aussehen schrecklich war, aber die Amazimu waren schnell im Laufe und holten sie
ein. Dr. Callaway befindet sich aber in dem Irrthum zu glauben, diese Erzählungen von
Cannibalen in Südafrika seien meist nur Erinnerungen an die Einfalle der Sklnvenjäger.
Dr. Beddoe giebt noch folgenden Zusatz zu diesen Nachrichten: „Ein Engländer, der die
Höhlen im December 1868 besuchte, bemerkt, dass die Cannibalen den Menschen nach einer
gewissen Regel, wio der Fleischer das Schaaf, in Stücke hieben; jeder Schädel ist mit einem
Beil in der Gegend der Nasenwurzel auseinander gehauen, die Kiefer wurden weggeworfen
und das Hirn durch ein in den Schädel geschlagenes Loch herausgenommen; die Hippen
wurden durchgeschlagen in den Kochtopf gethan, die langen Knochen gespalten, um das
Mark herauszunehmen. An vielen Knochen war der Knorpel noch vorhanden und man sab
die Spuren des Messers, womit am Schädel das Fleisch in Streifen war abgelö9t worden. Die
Europäer, die in dem AngritF auf Thaba Bosigo fielen, wurden sofort gefressen in dem Glau-
ben, dass ihr Mutli in den Leib derer übergehe, die sio verschlangen. Ein Baauto gab an,
dass die Cannibalen Weisso und Schwarze von anderen Stämmen verzehrten, aber keine Hot-
tentotten und keine Mischlinge. Sie assen Herz und Leiter, thaten das Hirn in einen Lappen
und brieten es in heisser Asche, dies geschah in guter Jahreszeit, wenn Mangel herrschte
assen sie den ganzen Körper. Noch im letzten Kriege wurden alle Weisse, die in ihre Hände
fielen , verzehrt. So versicherte der Baauto , der selbst nie Menschenfleisch gegessen , aber
Andere es hatte essen sehen. 1 ' Diese Mittheilungen, deren Wahrheit ohne allen Grund ange-
zweifelt worden ist 1 ), sind um so werth voller, als sie über den entsetzlichen Gebrauch so
viele Einzelnheiten enthalten, wie sie uns aus keiner andern Nachricht bekannt geworden
sind.
Es muss auflallen, dass aus dem Festlande von Asien die Berichte über Menschenfresserei
sehr selten sind. Die schon im fernsten Altorthume zu hoher Entwickelung gekommene Cul-
tur hat hier früher zur Abschaffung so roher Gebräuche geführt als in anderen Ländern.
Wie später die Römer vielfach bei europäischen Völkern grausame Sitten beseitigt, so haben
die alten Perser dies bei den asiatischen Völkern gethan. Hat doch die Lehre des Zoroaster
auch auf dio Religion der Hebräer mit ihrem blutigen Gottesdienste während der babyloni-
schen Gefangenschaft ihren heilsamen Einfluss geübt. Aber es fehlt doch nicht an Andeutun-
gen, die auf eine frühere Verbreitung des Cannibalismus in Asien schliessen lassen. Martin
Behaim erzählt schon 1492 von dem Königreich Dageram auf Java, dass man dort die Kran-
ken bei Zeit ersticke und die Freunde das Fleisch desselben mit grosser Freude verzehren
damit es nicht den Würmern zu Theil werde. Die Battas auf Sumatra sollen nicht malayi-
ü Ausland, 1669, Nr. 41.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 263
sehen, sondern indoeuropäischen Ursprungs sein. Auch ihr Cannibalismus lässt sich weiter
zurückverfolgon , als es in den bereits angegebenen neueren Nachrichten geschehen ist. Der
Venezianer Conti berichtet schon im 16. Jahrhundert von den Bewohnern Sumatras, die er>
Barech nennt, dass sie Menschenfleisch essen und mit Menschenschädeln Handel treiben,
indem sie sich ihrer statt des Oeldes bedienten. Im vorigen Jahrhundert erzählt Marsden
die Hinrichtung der Verbrecher und Gefangenen in ähnlicher Weise wie die neueren Beisen-
den, doch wird das Opfer erst durch Lanzenstiche tödtlich verwundet, und die Wildheit Ein-
zelner ist so gross, dass sie mit den Zähnen demselben das Fleisch vom Leibe reissen. Beson-
ders wichtig aber ist und scheint auf die ältesten indischen Gebräuche bezogen werden zu dürfen,
dass, wie Leyden angiebt, die Battas selbst versicherten, dass sie häufig ihre eigenen Ver-
wandten, wenn sie alt und schwach werden, verspeisen, und zwar nicht, uni ihren Geschmack
zu befriedigen, sondern um eine fromme Sitte zu vollbringen. Schwache und der Welt über-
drüssige Leute sollen zuweilen ihre eigenen Kinder einladen, sie zu essen. Eine solche Person
besteigt zur Zeit der Citronenernte einen Baum , um welchen sich Freunde und Angehörige
versammeln und einen Todtengesang anstimmon des Inhalts: „Die Zeit ist gekommen, die
Frucht ist reif, sie muss herab.“ Das Opfer steigt dann herunter, erleidet den Tod und wird
bei einem feierlichen Mahle verzehrt. Vielleicht darf mau auf die Battas, der Achnlichkeit
des Namens wegen, die Stelle des Herodot ') beziehen, worin er sagt, dass ein östlich woh-
nendes indisches Volk, die Padäer, die Kranken tödte und verspeise. Nach Leyden fand
Menschenfresserei auch bei einer Bettlerklasse in Bengalen und anderen Gegenden Indiens, die
Agorah Punth genannt wird, statt. Zim m ermann ’) bemerkt, dass diese Nachrichten einiges
Licht auf die den Zigeunern früher vorgoworfeno Menschenfresserei werfen, die eine alte aus
Indien mitgebrachte Sitte gewesen sein könnte. Schon Grellmann hat diese den Zigeunern
in Ungarn gemachte Beschuldigung in Zweifel gezogen. Crawfurd*) hält selbst den indi-
schen Ursprung der Zigeuner für zweifelhaft. Mehrfach aber ist von den eingeborenen Stäm-
men Indiens der Cannibalismus berichtet worden, wie auch das Menschenopfer bei ihnen noch
nicht ganz verschwunden ist. Nach Gairdner lebt 60 Stunden von Calcutta in den Bergen
noch eine Völkerschaft, die dem Genüsse von Menschenfleiseh nicht widerstehen kann. In
dem neuen, auf Kosten der ostindischen Regierung herausgegebenen Werke von J. Larbes
und J. W. Kaye über die Völker Indiens werden die Aghori, gewiss derselbe Stamm, den
Leyden Agorah nennt, als Cannibalcn bezeichnet, sie trinkeu aus Menschenschädeln. Dabei
wird an da« romanische Wort ogre erinnert, welches Menschenfresser bedeutet. Nach Ellis
sollen auch die Nayas in den Gebirgen Hinterindiens in Hungerjaliren Menschen verzehren.
Ueber den Cannibalismus mongolischer Völker ist wenig bekannt. Wenn Jakuten und Tungusen
die Nachgeburt ihrer entbundenen Weiber gebraten oder gekocht gemessen, so geschieht dies aus
religiösem Aberglauben. Auch die alten Hebräer und brasilianische Wilde aasen dieselbe. Nach
einer älteren Nachricht 4 ) soll das Wort Samojede „Selbstesser“ oder „Menschenfresser“ bedeuten,
nach Adelung ist es finnisch und heisst: „Sumpfbewohner“, nach Leb rb erg russisch und bedeu-
tet „Salmencsser“, Die Ostiaken, vom Stamme der Samojeden, haben vor einigen Jahren noch,
*) Herodot III, 99. — *) W. von Zimmermann a. a. 0„ 17. Th!., S. 50. — *) Ausland, 1863, Nr. 43. —
•) Prichard, Naturg. des Menschengeschlechts, 111, 2. Leipzig 1342, 8. 442.
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H. .Schaffhausen,
wie von Eich wald ') berichtet, bei einer Hungersnot!) ihre eigenen Kinder verzehrt. Dass bei
Belagerungen und Hungersnoth schon im vierten und fünften Jahrhundert vor Chr. in China
Menschenfresserei geübt wurde, ist aus altchinesischen Schriften kürzlich mitgetheilt worden <).
Es war keine unrichtige Voraussetzung, wenn man bei Auffindung von Resten des Men-
schen aus der ältesten Vorzeit auch Beweise des Cannibalismus zu finden erwartete, denn
auch in vielen anderen Beziehungen gleicht der Urmensch Europas dem heutigen Wilden und
die ältesten Sagen der Menschheit gedenken dieses Gräuels. Ich hatte schon früher es aus-
gesprochen J ) , dass man die Sitten der noch jetzt lebenden wilden Volker benutzen müsse,
um sich ein Bild von d$n Anfängen unserer eigenen Cultur entwerfen zu können, und als
man die merkwürdigen Ueberbleibsel des Menschen in einer Höhle des Neanderthales fand,
bemerkte ich , dass dieselben ein unerwartetes Licht auf die Nachrichten der alten Schrift-
steller über die früheren Bewohner des nördlichen Europa werfen , die meist als Cannibalen
geschildert werden, und dass sie uns den geschichtlichen Hintergrund der noch im Volke
lebenden Sagen und Mährchen vom Menschenfresser erkennen lassen 1 ). Auch Lubbock und
Quatrefages haben später daraufhingewiesen, dass inan die Lebensweise des Urmenschen
aus den Zuständen der heutigen Wilden zu erklären halte.
Wenn aber W. Grimm*) die Sage von Polyphem, die sich auch in Persien und der Tar-
tarei, bei den Sorben und Rumänen, bei den Esthen und Finnen, in Norwegen und Deutsch-
land wiederfindet, nur als ein Beispiel der Verbreitung und Fortdauer dichterischer Ueber-
lieferung bezeichnet und der Meinung ist, dass die ganze Dichtung, gleich der Sage von
Riesen und Zwergen , den Kampf der Elemente in der Natur, den des Himmels und der
Unterwelt, der Gewalt und der List schildere, so übersieht der gelehrte Sprachforscher dabei,
dass diese Sage wohl als eine Erinnerung an den von Höhlenbewohnern wirklich ausgeübten
Cannibalismus zu betrachten ist, die von dem dichtenden Volksgeiste nur ein mythisches Ge-
wand erhalten hat. Das eine Auge des Cyklopen bedeutet nach Grimm das göttliche Welt-
äuge, die Sonne. Auch Odin ist einäugig und auf der Akropolis von Argos stand ein altes
geschnitztes Holzbild des Zeus, welches zwei gewöhnliche Augen und ein drittes auf der Stirn
hatte*). Die übereinstimmende Form der Sago bei den genannten Völkern beweist den
gemeinschaftlichen Ursprung. Auch andere griechische Mythen finden sich bei nordischen
Völkern wieder; in der norwegischen Sage von drei Riesen, die nur ein gemeinschaftliches
Auge haben, sind die drei Gräen wieder zu erkennen, in der Finsterniss lebende Jungfrauen,
die uur ein Auge haben, das sie sich leihen ’). Deutlicher noch als die Sago von Polyphem ist
das deutsche Mährchen vom Menschenfresser, der drei Kinder schlachtet und einsalzt, die
dann der h. Nikolas wieder lebendig macht, auf solche Gräuel zu beziehen, die der Einführung
des Cliristenthums weichen mussten.
Die thatsächlichen Beweise für den Cannibalismus der Vorzeit, der ein Gegenstand der
Verhandlungen des anthropologischen Congresscs in Paris war*), sind noch nicht so zahlreich
“) Bericht über den internut. Congreas für Alterthumakunde und (Jeschichte in Bonn. 1968, S. 14. — */ Aua-
land, 1889, Nr. 51. — *) Heber die Entwickelung de* Menschengeachlechta. Amt). Bericht über die Versammluo«
der Neturforecher und Aerrte in Bonn im Jahre 1867. — *1 Müller'* Archiv, 1868, V. — *) Philosophische und hiato*
rieche Abhandlungen der königl. Akademie der Wiaaenachaflan zu Berlin am dem Jahre 1867. — *) Pausania* II,
24, 3. — 7) Aeachylua, Prometh. 797. — *) Congrca intemation. d'Anthrop. et d'Archeol. pfähiat. Paria 1866
p. 158.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 265
vorhanden, als es häufig angegeben wird, und bei der Deutung derartiger Beobachtungen ist
die grösste Vorsicht nötbig. Die erste Angabe machte Spring, der zwischen den seit 1842 in
der Höhle von Chauvaux gefundenen Knochen von noch lebenden Thieren, als vom Ochs, Hirsch,
Schaaf, Schwein, Hase, Hund, Marder, kleinen Nagern und Vögeln, menschliche Gebeine ent-
deckte, von denen die Markknochen ebenso wie die der Thiere in grössere und kleinere Stücke
zerbrochen waren, wie um das Mark herauszunehmen, und zerstreut umher lagen. Es fanden
sich nur Knochen von Kindern und jungen Personen, aber kein Knochen eines Erwachsenen,
ferner Stücke gebrannten Thones und Holzkohlen; in einem Scheitelbein steckte eine Stein-
waffe. Er schloss aus diesen Zeichen, dass hier ein Fall von Cannibalismus der alten Belgier
vorliege, prüfte aber wiederholt seine Beobachtungen und veröffentlichte sie erst nach einer
Reihe von Jahren *). Dennoch bleiben in Bezug auf diese Deutung noch einige Zweifel übrig.
In dem Berichte wird nicht gesagt, dass die Knochen vorzugsweise der Länge nach gespalten
seien, wie es zu geschehen pflegt, um das Mark herauszunehmen, auch findet sich keine Spur
des schabenden Messers im Markkanal. Die Bruchflächen sind nicht abgerundet, weil die
Knochen nicht im Wasser fortgerollt waren; aber können sie nicht in der Höhlo begraben und
durch Raubthiere oder berabgestürzte Steine später zerbrochen worden sein? Dass einige Kno-
chen angebrannt und verkohlt gewesen seien, wird in dem Berichte nicht gesagt, wiewohl in
neueren Anführungen des Fundes davon die Rede ist’). Spring sagt vielmehr, dass die Auf-
findung des unveränderten Knochenknorpels in vielen Stücken durch Stas ihn überzeugt habe,
diese Knochen seien nicht durch das Feuer calcinirt, was er vorher wegen ihrer leichten und
mürben Beschaffenheit vermuthet hatte. Aber auch der fast gänzliche Mangel organischer
Materie in fossilen Knochen beweist nicht, dass dieselben durch das Feuer calcinirt sind,
indem der Zutritt von Wasser und Luft allein ihnen dieselbe entziehen kann. Erst durch
eine briefliche Mittheilung Spring's an mich vom 25. August dieses Jahres erfahre ich, dass
wirklich einige Knochenstücke die Spuren des Feuers an sich tragen, indem sie zum Theil
verkohlt sind. Auch diese Thatsache ist für den Cannibalismus noch nicht entscheidend.
Ich selbst sprach, als bei Uelde in Westphalen im Felde zwischen grossen aufgerichteten Steinen
eine bedeutende Anzahl menschlicher Knochen, die alle zerbrochen und zum Theil der Länge nach
gespalten waren und deutlich frische Bruchflächen mit mürben Rändern und alte scharfrandige
unterscheiden liessen, mit Feuersteinmessern, knöchernen Geräthcn und durchbohrten Thier-
zähnen nebst aufgeschlagcnen Pferdeknochen gefunden wurden, die Vermutkung aus, dass
uns hier der Rest eines Cannibalenscbmauses aufbewahrt sei, bis ich aus einem späteren von
mir erbotenen genauen Berichte über die Art der Auffindung erfuhr, dass 7 Jahre früher
dieselben Gebeine der alten Grabstätte, unter denen sich auch solche von Kindern befanden,
bereits einmal ausgegraben worden, und von den Landleuten, weil diese die erwarteten
Schätze dabei nicht fanden, in Stücke geschlagen und wieder begraben worden seien. Da
man also früher die festen Theile der Knochen mit Gewalt zerschlagen batte, während bei
der letzten Auffindung vielfach die Knochen an ihren mürben Stellen zerbrochen waren, so
erklärten sich alle Umstände des Fundes*). Vogt wagte nicht, einen zerschlagenen mensch-
*) Bullet de l’Acad. royale, XX, 3. Bruxelles 1853. p, 427. — *1 Revue de« cour» «cientif. de la France et
de l’Ktrang. Pari«. 12 Fevr. 1870. — - *> Verhandlungen de» naturbistoritchen Verein». Bonn 1866. Corre»pon-
denxldatt S. 54.
Archiv filr Anthropologie, B 4 IV. II oft III. 34
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H. Schuaffhausen,
liehen Radios, den Meseikomer bei Robenhausen gefunden, als ein sicheres Zeichen desCanni-
balismus zu deuten. Dasselbe gilt von den zerbrochenen und zerstreut aufgefundenen Men-
schenknochen, die Roujou bei Villeneuve-Saint-Georges in der Nähe von Feuerstellen, wo
auch Thierknochen lagen, gefunden hat- In der Höhle von Bruniquel fand de Lastic einen
Schädel mit eingeritzten Streifen auf der Oberfläche, als sei das Fleisch von ihm mit einem
scharfen Werkzeug abgeschabt worden, A. de Longpdrier warnt davor, in jedem zerbrochenen
oder bearbeiteten Menschenknochen einen Beweis des Cannibalismus finden zu wollen. Er
macht auf eine merkwürdige Art der Bestattung aufmerksam ; in Corsika hat man cylindri-
sehe Krüge gefunden, in denen man die vorher zerbrochenen Gebeine der Todten bestattete
und sie dann dem Feuer aussetzte. Auch erwähnt er einen sehr alten menschlichen Knochen,
aus dem man eine Flöte gemacht hatte. Wenn er aber anführt, dass man aus Resten jugend-
licher Personen schon deshalb nicht auf religiösen Cannibalismus schliessen dürfe, weil man
zu Menschenopfern Greise bestimmt habe, so kann diese Angabe nur in beschränktem Sinne
richtig sein; wirwissen, dass bei vielen Völkern gerade das Opfern von Kindern, Jünglingen und
Jungfrauen üblich war. Cldment fand in den Pfahlbauten von St Aubin durchbohrte und
bearbeitete Menschenkuochen , sie lagen unter dem Eingang in den Pfahlbau, als seien sie,
vom Fleische beifeit, senkrecht ins Wasser hinabgefallen; der Berichterstatter meint dass die mit
den Wcicbtheilen versehenen Körper von der Strömung würden fortgeführt worden sein. Broca
sah ein menschliches Femur in der Sammlung von Cldment, an welchem die Markhöhle ver-
größert und wie mit einem Instrument ausgetieft war. Worsaae thcilte dem anthropolo-
gischen Congresse in Kopenhagen mit dass er einen Dolmen bis unter den Deckstein so mit
Menschenknochen angefüllt gefunden habe, dass man schließen musste, es seien hier nicht
Leichen sondern Knochen bestattet worden. Am Boden zeigten sich Spuren des Feuers und
angebrannte Thierknochen. Nicht fern von jenen lagen zerstreut in der Grabkammer auf-
geschlagene und angebrannte Menschenknochen. Die aufgeschlagenen sahen nach dem Ur-
theile Springs gerade so aus wie die aus der Höhte von Chauvaux. Steenstrup be-
merkte indessen, dass die langen Knochen der Süugethiere oft von selbst beim Verwittern
sich der Länge nach spalteten, und dass zum Beweise, sie seien im frischen Zustande abge-
schlagen, man die Spur des Schlages finden müsse. Die Schädel aus diesem Dolmen, die ich
in Kopenhagen sah, waren an einzelnen Stellen stark verkohlt, im Uebrigen aber unver-
ändert, was mehr für eino zufällige als für eine absichtliche Verbrennung spricht. Worsaae
möchte diese Bestattung eher auf ein Menschenopfer als auf Cannibalismus beziohon. Zur
Annahme des letzteren sind Spuren des Feuers an den Knochen keine nothwendige Bedin-
gung, wir wissen, dass einige Menschenfresser wie die Basutos das Menschenfleisch gekocht
geniessen, andere gemessen es roh. Auch die Samojeden verzehren das Mark der frischen
Rennthierknochen im rohen Zustande. Neuerdings glaubt Garrigou 1 ) in der Grotte von
Montesquieu- Avantes Spuren der Anthropophagie gefunden zu haben. Es lagen Knochen
von Wiederkäuern und vom Menschen zusammen, die in derselben Welse aufgeschlagen sind,
doch sind auch feine Striche eines schneidenden Werkzeugs daran sichtbar, einige sind zur
Hälfte verkohlt. Die menschlichen Reste sind Stücke des Schädels und der Gliedmassen-
>} Comptes rendu«, 2t Jan. 1870.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
knochen, an diesen ist der Markk&nai künstlich erweitert. Auch in einer Grotte auf der
Insel Galmeria wurden Stein Werkzeuge, Thier- und Menschenknochen von solcher Beschaffen-
heit zusammen gefunden *), dass sie nach Capellini mit Wahrscheinlichkeit als Beweise der
Anthropophagie anzusehen sind.
Das Menschenopfer ist bei allen rohen Völkern ein Theil des Gottesdienstes und erhält
sich oft bis in eine Zeit, wo dieselben in jeder anderen Beziehnng schon einer vorgeschrit-
tenen Cultur theilhaftig sind, denn die Fortbildung religiöser Ideen und Gebräuche geschieht
viel langsamer als jeder andere Fortschritt des menschlichen Geistes. Man hat behauptet,
dem Menschenopfer liege die Vorstellung zu Grunde, dem Gotte Nahrung und Genuss darzu-
bieten. Dass es sich beim Opfern von Thieren so verhält, ist sehr wahrscheinlich, denn das
Opferfleisch wird bei Homer wie bei Moses’) mit Salz bestreut, um es schmackhafter zu
machen, und der Duft des bratenden Fleisches wird als dem Gotte wohlgefällig geschildert,
es ist in Fett gewickelt und Wein darauf gesprengt *). Häufig mögen diejenigen, welche Men-
schenopfer darbrachten, vorher Menschenfleisch gegessen haben; die gottesdienstliche Hand-
lung wurde vielleicht deshalb eingefUhrt, um den hässlichen Gebrauch auf seltene Fälle zu
beschränken. Oft wird auch bei Menschenopfern von dem Blute getrunken und von dem
Fleische gegessen und im alten Testamente werden die Menschenopfer geradezu Speise der
Götter genannt Auch hat schon F. A. Wolf’) wie viele neuere Schriftsteller das Menschen-
opfer auf den Cannibalismus zurückzuführen gesucht. Man wird indessen nicht in Abrede
stellen können, dass cs oft nur eine blutige Grausamkeit und ein wildes Rachegefühl ist,
welches den überwundenen Feind dem Kriegsgotte zu Ehren schlachtet Alle Menschenopfer
sind gewiss nicht aus dem Cannibalismus entstanden. Vielen liegt die Vorstellung der Sühne
zu Grunda Wie man einen Zürnenden oder den, welchen man beleidigt hat, mit Geschenken
überhäuft um seine Gunst wiederzugewinnen, so opfert man freiwillig das, was einem das
Liebste ist, um den strafenden Gott zn versöhnen, um ein Unglück abzu wenden. Die Erstlinge
der Pflanzen und Thiere worden ihm dargebracht oder der neugeborene noch von keiner
Schuld befleckte Säugling oder die reine Jungfrau. In dem Judenthnm wird dieser Gedanke
sehr bestimmt ausgesprochen, denn der alte Gott der Juden ist ein zürnender Gott, den man
fürchten soll. Im Buche Sohar heisst es: der Tod des Gerechten versöhnt die Sünden der
Welt’). Selbst Origenes glaubt noch, dass bei grossen Landplagen der freiwillige Tod eines
frommen Mannes die Gottheit versöhnen könne*). In den religiösen Vorstellungen unserer
Zeit sind die letzten Spuren dieser Anschauung noch nicht verschwunden, werden aber einer
höheren Auffassung des göttlichen Wesens weichen müssen. Wenn Plato sagt: Heute sehen
wir, dass Menschen geopfert werden, während man einst nicht einmal vom Rinde essen mochte
und den Göttern keine Thiere opferte 1 ), so konnte er nur altindische Satzungen, die den
Fleischgenuss verboten, im Sinne haben und kannte die Verbreitung der Menschenopfer bei
wilden Völkern nicht. In edlem Eifer ruft Plutarch aus: Nein, keinem der Wesen über uns
ist ein so verbrecherisches Opfer wohlgefällig; es walten nicht Typhonen und Giganten, aon-
') Le» Monde«, 1870. Nr. 5. — ♦) 3. Buch Mo» 3, 13. — ’) Odj«»ee III, 457. — *) F. A. Wolf, verrauchte
Schriften. Halle 1802, S. 271. — *) Ofrörer, Philo II, 196. — *) Origenei contra Cela I, p. 349. Ed. Pari». —
♦) Plato, De legibus VI, 22.
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H. Schaaffhausen,
dem ein Vater über Götter und Menschen thront über uns, Thorheit ist es, an niedere Götter
zu glauben, die sich an Menschenblut und Menschenmord weiden.
Dass in der alten Geschichte Aegyptens, welches mit Indien um die Ehre streitet, die
älteste Wiege der menschlichen Cultur zu sein, mehr von der Abschaffung der Menschenopfer
als von ihrem Bestehen berichtet wird, kann nicht überraschen. Nach Manethon wurden
bis zum König Amasis in Aegypten täglich im Tempel zu Heliopolis drei Menschen dem Typhon
verbrannt Als Amasis die Hyksos vertrieben hatte, schaffte er diese Opfer ab und liess statt
der Menschen täglich drei Kerzen verbrennen. Nach Diodor waren die Menschenopfer bei den
Aethiopiern, die Homer die besten der Menschen nennt und von denen Herodot 1 ) sagt, dass
man sie in Aegypten für die schönsten und grössten Menschen halte, so in Abnahme gekom-
men, dass nur alle 600 Jahre zwei Menschen geopfert wurden ; diese wurden aber nicht ge-
tödtet, sondern in einen Kahn auf einen Strom gesetzt, der nach Süden floss. Derselbe
Schriftsteller berichtet, dass die Könige von Aegypten ehemals am Grabe des Osiris Menschen
mit rothen Haaren geopfert hätten, weil man glaubte, dass sie dem Typhon glichen 1 )- Plutarch
erzählt, dass man in Aegypten an die Stelle des zu opfernden Menschen einen Stier gesetzt
habe. Diesem wurde ein Siegel aufgedrückt, auf dem ein Mensch in knieender Stellung, die
Hände auf den Rücken gebunden, mit einem Messer an der Kehle abgebildet war. Der
König Busiris aber soll Fremde als Opfer geschlachtet und von ihrem Fleische gegessen haben.
lieber die allgemeine Uebung der Menschenopfer bei den alten Hebräern hat uns mit
Anftihrung der zahlreichsten Belege aus den mosaischen Schriften Ghillany*) aufgeklärt
Das Menschenopfer war ein durch Moses anerkannter und wesentlicher Theil des öffentlichen
Gottesdienstes während der ganzen Dauer der Reiche Juda und Israel bis in die Zeit der
babylonischen Gefangenschaft, Erst den späteren Propheten gelang es, dasselbe abzuschaffen.
Der alte Gott der Juden ist ein Gott des Zornes und der Tücke, dessen Flüche uns mit
Schauder erfüllen*). Es kann uns nicht wundern, wonn seine Altäre von Menschenblut
rauchten, wie die der benachbarten Völker, der Cananiter, Babylonier und Phönizier. Es ist
ein grosser Irrthum, wenn Seherr*) und Andere behaupten, die alten Juden hätten an kein
böses Princip geglaubt. Dass die fünf Bücher Mosis einen sehr verschiedenen Ursprung
haben, und wahrscheinlich mit Benutzung der ältesten Aufzeichnungen erst in der babyloni-
schen Gefangenschaft entstanden sind, dass die herrschende Priesterkaste aber bemüht war,
die nun eingeführten Gesetze bis auf Moses Zurückzufuhren, um ihnen ein grösseres Ansehen
zu geben, dass also der Geist der späteren Propheten auf die ältesten Zeiten übertragen
wird, das darf als durch die kritischen Forschungen der neuern Zeit bewiesen angesehen wer-
den. Wie soll Moses der Verfasser der mosaischen Urkunde sein, da Bein eigener Tod darin
berichtet wird, und die Sprache derselben ebenso vollendet ist wie die aus den letzten Zei-
ten des Reiches Juda. Die strengen Vorbote gegen Götzendienst und Menschenopfer, denen
das ganze Volk ergeben war, können nicht wirklich von Moses erlassen sein, denn als Moses
vom Sinai herabkommt, befiehlt er selbst Menschenopfer. Aaron’s Söhne werden geopfert
Auch hatte ja Gott selbst dem Abraham befohlen, seinen Sohn Isaak zu opfern. Ghillany
*) Herodot III, 20. — *) Diodor, Sicul. I, 88. — a ) F. W, Ghiiiany, die Menschenopfer der alten Hebräer-
Nürnberg 1842. — *) 8. Buch Moe. 26, 24. 6. Buch, 28, 57. — 6 ) Seherr, Geschichte der Religion. Leipzig 1856,
II, S. 115.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 269
deutet auch die Stelle, wo Jehova dem Moses befiehlt, die Häupter des Volkes vor der Sonne
aufzuhängen ') , als Menschenopfer , und erinnert daran , wie in anderen Priesterstaaten des
Alterthums, zumal in Mcroe, nach des Diodor Bericht der König geopfert wurde. Er ver-
muthet sogar, dass Aaron, der von Moses auf den Berg Hör geführt wird, wo er stirbt, von
Moses sei geopfert worden. Auch Moses stirbt auf dem Berge Abarim, der dem Baal Peor
heilig ist, was einem Verdachte über die Art seines Todes Raum giebt. Wenn die Propheten
stets den herrschenden Götzendienst als einen Abfall vom Glauben der Väter bezeichnen,
so fehlt uns jeder Beweis für die Annahme, die alten Hebräer hätten einst eine reinere Re-
ligion gehabt, sie übten vielmehr den grausamen Gottesdienst aller ihnen stammverwandten
Völker. Wie kann die Uebung einer besseren Religion, zu der sich schon ein ganzes Volk
erhoben, wieder bis zu den Gräueln des Menschenopfers borabsinken und zwar so, dass auch
der Versuch einer Wiedererhebung scheitert? Das wird in der Geschichte nirgends beobach-
tet, wohl aber ist das Gegentheil die Regel, nämlich dass die Barbarei der Bildung vorher-
geht. Mag auch der Monotheismus bei einzelnen Nomadenstämmen der patriarchalischen Zeit
sich schon früh entwickelt haben 3 ) und in Aegypten, wo Moses erzogen und nach Manethon
ein Priester von Heliopolis war, bewahrt und weiter gebildet worden sein, so haben doch
erst die späteren Propheten eine reine Gottesverehrung aufgestellt und es ist bedeutsam, dass
das Auftreten derselben in dieselbe Zeit fällt, in der sich die Lehre des Zoroaster in Medien
und Persien verbreitete. Wiewohl auch Renan erklärt, dass der Monotheismus sich in der
Geschichte Israels schon ein Jahrhundert vor der babylonischen Gefangenschaft deutlich nach-
weisen lasse, so wird doch fast allgemein zugegeben, dass der alte Glaube der Juden erst durch
den Einfluss der Zendreligion in Babylon sich veredelt und die Vorstellungen von guten und
bösen Engeln, von Himmel und Hölle, von Auferstehung der Todten, von Unsterblichkeit und
Weltgericht in sich aufgenommen habe. Den Bestrebungen der Propheten, den blutigen
Götzendienst auszurotten , kam auch die Herrschaft der Perser zu Hülfe , die kein Menschen-
opfer und kein Bild der Gottheit duldeten. Jeremias •) eifert gegen die Menschenopfer, ebenso
Ezechiel *); dieser sagt, dass Jehova den Juden, angeblich um sie zu züchtigen, in der Wüste
ein Gesetz gegeben habe, welche« nicht gut gewesen sei, nämlich das Gesetz, die Erstgeburt
zu opfern. Auch Micha 8 ) tadelt diese Opfer. Mehrfach fordert Jehova das Opfer der Erst-
geburt von Mensch und Vieh! 8 ) Baal und Moloch werden als die Gottheiten genannt, denen
Menschenopfer gebracht werden, einige Stellen sprechen von Menschenopfern, ohne einen Gott
namhaft zu machen; meist wird nicht einem Gotte, sondern den Göttern dies Opfer gebracht.
Jeremias sagt, dass die Juden dem Baal Kinder verbrennen. Jesaias ’) deutet auf Kinder-
opfer, die unter grünen Bäumen gebracht werden und mit geschlechtlichen Ausschweifungen,
wahrscheinlich zu Ehren deg babylonischen Äschers, verbunden sind. Derselben Opfer gedenkt
Ezechiel*). Ghillany macht darauf aufmerksam, dass, wenn von Menschenopfern in Thälem
die Rede ist, dieses auf Abwaschen der Hände und Geräthschaften mit fliessendem Wasser
deute. Der Gräuelbissen, von dem in den Schriften der Propheten die Rede ist*), darf auf
den gottesdienstlichen Genuas des Menschen fleisches bezogen werden. Nur zwei Könige Judas,
■) 4. Buch Mo«. 25, 4. — •JA.Röville, la religion primitive dlsrael. Kcrucdesdeuxiaondcst.es. Paris 1869.
p. 76. — *) Jeremias 19, 6 und 32, 85. — •) Ezechiel 20, 25. — *) Micha 6, 7. — «) 2. Buch Mos. 13, 2 und 22,
29 und 30. — 7 ) Jesaias 57, 3. — *J Ezechiel 16, 36. — *) 2 Buch der Könige 18 bis 23.
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H. Schaaffhausen
Hiskia und Josia ') versuchen den babylonischen Götzendienst abzuscbaflen , aber es gelingt
ihnen nicht. Schon Hiskia's Sohn Manassee führt den Götzendienst wieder ein und opfert
seinen Sohn. Unter Josia findet man endlich eine angeblich uralte im Tempel aufbewahrte
schriftliche Urkunde, welche das neue Gesetz bestätigen soll; aber auch Josia's Sohn that
„was dem Herrn Übel gefiel, wie seine Väter gethan hatten“. Wie hat man je daran zweifeln
können, dass die alten Juden eine so blutige Religion bekannten’. Ghillany entwirft ein
erschreckendes Bild der ohne Unterlass geübten Menschenopfer. Abraham opfert den Isaak,
Moses opfert seinen Sohn, zur Feier der Gesetzgebung auf dem Sinai veranstalten die Israe-
liten ein grosses Menschenopfer. Aaron’s Söhne Nadab und Abihu werden geopfert. Zur
Sühne Jehova’s, der eine Pest gosandt hat, sterben israelitische Hauptleute den Opfertod, den,
wie es scheint, Aaron und Moses selbst erleiden. Josua») opfert die gefangenen Könige,
Jephtba opfert seine Tochter. Samuel opfert eigenhändig den gefangenen wehrlosen Agag.
den König der Amalekiter. Als David die Bundeslade nach Jerusalem bringt, wird Usa
geopfert. David opfert die Kriegsgefangenen, die er auf den Boden hinstrecken lässt und mit
der Messschnur zur Hinrichtung abmisst Zur Abwendung der Hungersnoth lässt David*)
Saul’s männliche Nachkommen opfern. Von diesem Wüthenden , der die gefangenen Feinde
zersägen, mit eisernen Keilen zerstückeln und verbrennen liess, können die Psalmen nicht
herrühren, deren erhabener Inhalt uns erbaut Menschenopfer finden unter Salomo statt und
unter den Königen im Reiche Israel. Elia schlachtet mit eigner Hand 450 Priester des Baal
Die Menschenopfer bleiben unter den Königen im Reiche Juda, wie in der babylonischen Ge-
fangenschaft! Alles, was die Juden cherem, „verbannt“, nannten und dem Jehova weihten,
musste getödtet werden, zumal die Kriegsgefangenen *). Die Uebereinstimmung des israeliti-
schen Gottesdienstes mit dem babylonischen und phönizischen geht aus allen uns erhaltenen
Berichten hervor. Jehova ist ursprünglich der Sonnengott; er wird mehrmals ein fressend
Feuer genannt; Moses verbot von ihm ein Bild zu machen. Auch im Tempel zu Hieropolis
in Syrien war kein Bild des Sonnengottes, nur sein Thron, auch die Syrer durften kein Bild
von Sonne und Mond machen , weil sie am Himmel sichtbar waren *). Ebenso war im Tem-
pel des Sonnengottes Bel auf dem babylonischen Thurm kein Bild des Gottes, aber ein Lager
und ein Tisch*), und auch die Perser hielten es für thörigt, Götterbilder, Tempel und Altäre
zu errichten, sie brachten auf den Gipfeln der Berge Opfer und riefen den ganzen Kreis des
Himmels als Zeuge an 7 ). Herodot's Beschreibung des Tempels in Babylon passt auf den in
Jerusalem, dort wie hier gab es einen grossen und einen kleinen goldenen Altar, auf jenem
wurden grosse Tbiere, auf diesem nur Milch saugende Geschöpfe geopfert. Der Altar der He-
bräer hatte vier Stierhörner, dazwischen brannte das ewige Feuer. Erst Moses befahl ihn aus
Stein und Erde aufzurichten, ursprünglich war der Brandopferaltar aus Kupfer und bohl, und
erinnert an die Molochbilder der Phönizier, in deren Bauche die Opfer verbrannt wurden.
Jehova wurde von den Israeliten häufig unter dem Bilde des Stiers verehrt. Das ursprüng-
liche Bild dee Baal bis zur babylonischen Gefangenschaft war eine steinerne Säule, vielleicht
ein Phallus. Bis zur Eroberung Jerusalems standen vor dem Tempel die beiden Phallen mit
*) Jesaias 65, 4. — *)) Joius 10, 12. — *) 2. Buch Ssmuelis 21, 9. — *) $. Buch Mo«. 27, 38 und 20, 18- —
*) Lucian de des Syr. 34. — *) Herodot I, 181. — *) Herodot I, 131.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 271
den Granatäpfeln, als Symbole des alten Götzendienstes. Herodot fand noch im 5. Jahr-
hundert vor Chr. in Palästina Säulen mit weiblichen Schamgliedern, die Sesostris hatte er-
richten lassen. Wie David vor der Bundeslade tanzte, so gab es im Baaldienst Musik und
Tanz. Wie die Juden trauerten die Phönizier in Sack und Asche; und wie sie hielten auch
die Aegypter das Schwein für unrein. Wenn Moses den Priestern gebietet Hosen zu tragen,
um die Scham zu bedecken '), so deutet dies, wie Ghillany meint, auf Entblössung der Scham
im Dienst des Baal - Peor. . Die Propheten sind noch nackt , wenn sie prophezeien , wie von
Saul erzählt wird. Wie nach Herodot die babylonischen Weiber sich zu Ehren der Aschera
Preis geben, was man mit Böttiger flir einen Ersatz des Menschenopfers halten kann, so
verbietet Moses *) den jüdischen Frauen sich um Lohn Preis zu geben und diesen Lohn für
den Tempel zu bestimmen, wie es noch in Indien geschieht. Das Paschafest der Hebräer ist das
phönizische Fest des Saturn, dem Menschenopfer gebracht wurden; später vertrat das Oster-
lamm die Stelle eines Menschen, wahrscheinlich eines unschuldigen Rindes Ein Thieropfer als
Ersatz des Menschenopfers kommt im Alterthum wie bei wilden Völkern häufig vor. Gott sendet
dem Abraham einen Widder, den er statt des Isaak schlachtet, in Griechenland wird statt
der schönen Helena eine Kuh, statt der Iphigenia ein Hirsch, statt des Phrixus ebenfalls ein
Widder geopfert. Das Verbot, dass dem Paschalamme kein Bein gebrochen und das Fleisch
nicht roh gegessen werden durfte, bezieht Ghillany mit Recht auf den Genuss des rohen
Fleisches und Markes in der ältesten Zeit. Dass vom Paschalamme mindestens ein Stück
von der Grösse einer Olive gegessen werden musste, als wenn es ein Gegenstand des Abscheus
sei, und daas Frauen nicht gezwungen waren, davon zu essen, deutet auf Gebräuche, wie sie
beim Menschenopfer üblich sind. Wenn Justinus Martyr angiebt, dass das Paschalamm
bei der Zubereitung zum Mahle mit zwei Bratspicssen durchbohrt wurde, welche mit einan-
der ein Kreuz bildeten, so darf man auch diesen Umstand als auf die Kreuzigung eines
Menschen hinweisend deuten *). Was vom Paschalamme übrig blieb, musste verbrannt wer-
den. Noch heute pflegen die Juden beim Osterfeste alles Hausgeräthe durch Feuer zu reini-
gen , und die Erstgeborenen müssen fasten. Dio runde Form der Osterbrode stellt wohl die
Sonnenscheibe dar. Zur Zeit der Römer wurden noch am Pascbafcstc von den Juden Ver-
brecher hingerichtet 4 ). Apion erzählt, dass der König Antiochus von Syrien, als er im
Jahre 169 vor Cbr. den Tempel in Jerusalem plünderte, in einem heimlichen Gemache des-
selben einen Menschen fand, den man mästete, um ihn zu opfern. Auch Strabo erzählt,
daas noch zu seiner Zeit in Syrien und Phönizien einige der in den Tempeln dienenden Skla-
ven gemästet und geopfert wurden. Die häufige Anwendung der Menschenopfer im jüdischen
Alterthum erklärt den noch im Mittelalter vorkommenden Verdacht, die Juden schlachteten
Christenkinder, um deren Blut zu gemessen. Der Gedanke, durch ein Menschenopfer Un-
glück abzuwenden, kommt in der jüdischen Geschichte mehrmals vor. Der Moabiterkönig
Mesa opfert auf den Mauern einer belagerten Stadt seinen eigenon Sohn, worauf das Heer
der Juden abzieht. Josephus erzählt, dass noch bei der Belagerung Jerusalems durch Titus
eine vornehme Jüdin ihr eigenes Kind als Opfer geschlachtet habe. Auch den Tod Jesu bo-
>) 2. Buch Mo». 28, 42. — *) 5. Buch Mo». 23, 17. — a ) Ghillany, a. a. 0., S. 527. — 4 ) Jo«eph. contra
Apion. II, 8.
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H. Schaaffhausen,
trachteten die Juden als einen Opfertod, er wurde am Paschafeste gekreuzigt und der Hohe-
priester Kaiphas hatte vorhergesagt, dass er für das Volk sterben würde mit den Worten:
es ist besser, dass ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk zu Grunde gehe.
Die Beschneidung, die bei den Juden das Zeichen des Bundes war, die aber auch bei anderen
Völkern vorkommt, wird von vielen Schriftstellern als ein Rest des Menschenopfers angesehen.
Anstatt das Kind zu opfern, würden von ihm nur einige Tropfen Blutes vergossen. Dass
dieses an den Geschlechtstheilen geschehe, erkläre sich daraus, dass man dieselben für heilig
gehalten, wie der Phallusdienst zeige. Beim Eidscliwur der alten Hebräer berührte man sich
gegenseitig die Scham '). Diesen Gebrauch hatten auch die Araber. Dass im Lateinischen
„testis“ Hode und Zeuge bedeutet, dass im Deutschen das Wort „zeugen“ die beiden Bedeutungen
hat, erklärt sich auf diese Weise. In manchen Fällen erscheint die Beschneidung, wie auch
Movers anniinmt, als ein Ersatz für die Entmannung, und diese war in vielen Priesterstaa-
ten des Alterthums eine mildere Form des Selbstopfers. Nach Origen es mussten sich in
Aegypten nur die Priester und Gelehrten beschneiden lassen. Merkwürdig ist, dass ein Hot-
tontottenstamm nach le V aillant die Beschneidung so übt, dass ein Hode ausgeschnitten wird.
Dass die Castration bei den Juden nicht ungewöhnlich war, kann man daraus schliessen,
dass Moses sie verbot’). Wie in den religiösen Vorstellungen des Alterthums die Hingabe
der Jungfrauschaft als ein Ersatz für das Opfern der Jungfrau selbst gegolten haben mag,
der oft einem noch milderen Gebrauche wich, nämlich dem, dass sich die Frauen, wie in Ba-
bylon, einmal im Tempel Preis geben mussten, so opferten Männer statt des Lebens die
Mannbarkeit Die Priester der syrischen Göttin in Hieropolis verstümmelten nach Lucian
sich selbst und unter den Juden erhielt sich die Selbsten tmanuung bis in die christliche Zeit *).
Noch Origenes, der berühmte Kirchenvater, übte als Jüngling dieselbe an sich selbst aus
religiöser Schwärmerei. Das unschmerzhafte Opfern eines andern Körportbeils, das Abschnei-
den von Haupt- und Barthaar, zumal das Verbrennen desselben kam bei allen alten Völkern
vor und hat noch heute bei christlichen Orden eine symbolische Bedeutung. Indessen hat
die Beschneidung noch eine andere Ursache. Philo sagt von ihr, dass sie in heissen
Gegenden den Anthrax verhüte. Bei Bewohnern heisser Himmelsstriche ist sie seit den
ältesten Zeiten in Gebrauch. Herodot •) bemerkt, dass die Kolchier, Aegypter und
Aethiopier die einzigen unter allen Menschen seien , die von jeher die Schamglieder be-
schnitten. Die Kolchier am Schwarzen Meere, mit schwarzer Haut und krausem Haar,
waren von äthiopischer Abkunft, denn sie waren die Nachkommen einer Heeresabtheiluug
des Sesostris. Da eine zu enge Vorhaut ein nicht seltener Bildungsfchler ist, der zu
Krankheitszustanden , zur Phimose und Paraphimose des männlichen Gliedes Veranlassung
giebt, welche durch Entzündung und Eiterung eine Verstümmelung des Geschlechtsorgans
zur Folge haben können, so ist es überaus wahrscheinlich, dass man, da im Alterthum die
Priester auch die Aerzte und Gesetzgeber waren, eine diätetische Anordnung durch die got-
tesdienstliche Bedeutung, die man ihr gab, sicher gestellt hat, wie es auch bei anderen reli-
giösen Gebräuchen, z. B. den Waschungen, der Fall war. In diesem Sinne ist es nicht ganz
ohne Grund, wenn man von der Beschneidung gesagt hat, dass sie die Fortpflanzung beför-
') 1. Buch Mo». 21, 2. — •) 5. Buch Mol. 23, 1. — ! ) Eräug. Matthuei 19, 12. — 4 ) Herodot II, 104.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 273
dere. Während bei den Aegyptcrn die Beschneidung im 14. Jahre geschah, also nm die Zeit
der Geschlechtsreife, wo sich das Hindemiss einer za engen Vorhaut bemerklich machen
wird, übten die Hebräer sie am 8. Tage. In diesem Umstande sowie in der Ceremonie
nach der Beschneidung sieht Ghillany eine Erinnerung an das Opfer der Erstgeburt. Nach
K ircher taucht der Rabbi den Finger in einen Becher voll Wein und steckt ihn dem Kinde
in den Mund mit den Worten: Oott sprach zu dir: lebe! Nun nimmt er Wein in den Mund,
saugt das Blut aus der Wunde und spuckt es aus. Jedenfalls ist dieses Vorfahren für die
rasche Verheilung der Wunde zweckmässig, dass es an den Genuss des Opferblutes erinnere,
ist doch fraglich*. Andere lassen das Kind über ein Gefüss mit Wasser halten, dass das Blut
hineinlaufe, und die Umstehenden waschen dann ihr Gesicht mit dem Blutwasser. Wenn noch
heute der Jude seinen Erstgeborenen nebst einigem Gelde auf den Tisch vor den Rabbiner
legt und auf dessen Frage, was ihm lieber sei, das Geld oder der Sohn, antwortet: der Sohn!
und für die zugelassene Losung dankt, und dann der Priester spricht: du gehörst mir, dem
Priester des Herrn , deine Eltern jedoch haben dich zu lösen beschlossen , so verstehen viele
den Gebrauch als einen Loskauf deB Kindes vom Priesterstande, Ghillany sieht auch hier
eine Lösung vom früheren Opfertod. Das Ansehen der Beschneidung erhielt sich bis zu den
Anfängen des Christenthums. Die Judenchristen warfen den Heidenchristen vor, dass sie
nicht beschnitten seien, und die Apostel Petrus und Paulus ordneten noch, der alten Sitte sich
fügend, solche Bcschnoidungen an.
Wenn in Babylon Baal als eine Leben schaffende Gottheit verehrt ward, so stellte bei
den Phöniziern und Karthagern Moloch eine dem Menschen feindliche. Alles zerstörende Ge-
walt dar. Dieser Gott ist der Saturn oder Kronos der Griechen, der Beine eigenen Kinder
frisst, was schon Diodor auf die ihm gebrachten Kinderopfer bezieht Man opferte dem Saturn
in ältesten Zeiten die Erstgeburt, seine Priester waren verschnitten und trugen rothe Kleider.
Alljährig feierten die Phönizier ein Fest mit Menschenopfern. Die zu opfernden Kinder wur-
den durch das Loos bestimmt; später kauften die Carthager fremde Knaben, die sie erst füt-
terten und dann opferten 1 ). Da dieser Betrug entdeckt wurde, opferte man, als Agathokles
Carthago bekriegte, 200 Knaben der angesehensten Familien auf einmal und noch 300 Er-
wachsene opferten sich freiwillig. Früher hatte Gelon den Carthagern nur unter der Bedin-
gung Frieden bewilligt, dass sie aufhörten, dem Saturn Kinder zu schlachten. Schwebte der
Staat in Gefahr, so opferte nicht selten der König seinen Sohn mit eigner Hand. Nach
Klitarch wurden in Carthago die Kinder lebend der Bildsäule des Saturn in die glühenden
Arme gelegt, die sich dann erhoben und das Opfer in den feurigen Schlund herabfallen Hessen.
Aus dem Zucken der Glieder desselben und aus dem Lächeln des Gesichts wurde geweissagt.
Auch auf Creta und Sardinien wurden diese Opfer gebracht. Auch Plutarch 5 ) berichtet,
dass die Carthager dom Saturn die eigenen Kinder opferten, und dass diejenigen, welche kin-
derlos waren, den Armen ihre Kinder abkauften, um sie wie Lämmer oder junge Vögel abzu-
eehlai hten. Die Mutter stand dabei, ohne eine Thräne zu vergicssen oder einen Seufzer ver-
nehmen zu lassen. Gab sie ein Zeichen des Schmerzes, so war das Opfer umsonst, aller das
Kind wurde dennoch getödtet. Rings um die Bildsäule des Gottes, in der das Kind verbrannte,
*) Piodor XX, J4. — *) Plutarch do «upentit, 13.
Archiv fOr Anthropologie, Bd. IV. Holt III, 35
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Ii. Schaaffhausen,
machten Flöten und Pauken eine lärmende Musik, damit man das Schreien und Wehklagen
nicht hören konnte. In ähnlicher Weise geschahen nach dem Rabbi Simeon die Opfer der
Hebräer. Wenn Strabo anführt, dass die Priesterinnen im Tempel der Artemis zu Casta-
bala mit blossen Füssen über glühende Kohlen gehen, so scheint statt des Feuertodes später
nur ein Hindurohführen durchs Feuer Gebrauch geworden zu sein '). Dieser Ausdruck
kommt auch in den' mosaischen Schriften vor und wie es schon auffallend genug ist, dass
man bei der Entdeckung von Amerika im Jahre 1518 auf der Insel Carolina im mexika-
nischen Meerbusen eine hohle Metallstatue von ungeheurer Grosse fand, und in dersel-
ben Ueberbleibsel verbrannter Menschenopfer*), so berichtet Clavigero, "dass die neuge-
borenen Knaben der Mexikaner, nachdem sie die Wassertaufe erhalten, viermal durch
ein Feuer gezogen würden. Diese sowie viele andere Züge der mexikanischen Cultur lassen
die Nachricht des Diodor*) wichtig erscheinen, dass ein phönizisches Schiff nach einer fernen
Insel verschlagen worden sei. Tertullian 4 ) erzählt, dass Tiberius die Priester des Saturn
in Carthago aufhängen liess, weil sie fortfuhren, Kinder öffentlich zu opfern und dass in
Nordafrika noch im 3. christlichen Jahrhunderte dem Saturn Menschenopfer gebracht worden
seien. Wir erkennen eine Milderung der alten blutigen Sitte, wenn Lucian die Verehrung
der syrischen Göttin schildert, für die man an Bäumen Opferthiere und Menschenfiguren
aufhing, dann Brennholz herumschichtete und das Ganze anzündete. Auch die Araber opfer-
ten in alter Zeit dem Sonnengott nur reine Wesen, wie der Opferspruch besagt: „diese aus-
erlesene Jungfrau, dir ähnlich, bringen wir dir dar“ s ). Zu Mohammeds Zeit noch opferten
sie dem Moloch an jedem siebenten Tage, dem Jupiter an jedem Donnerstag einen säugenden
Knabeu. Mohammed selbst erzählt, dass sein Vater zum Opfer bestimmt gewesen, aber sein
Tod durch ein Opfer von 100 Kamelen gelöst worden sei. Häufig war bei den Arabern
das Lebendigbegraben ; aus mehreren Stellen des Koran geht hervor, dass die Sitte allgemein
herrsch to, die neugeborenen Mädchen zu verscharren. Auch die Perser übten dieses Opfer.
Die Gemahlin des Xerxes lässt 12 Menschen lebendig begraben, um sich die Götter der
Unterwelt geneigt zu machen.
Auch die griechische Götterlehre enthält Andeutungen jener alten Gräuel, die in allen
Ländern der Geschichte der menschlichen Cultur vorausgingen. Zeus selbst wurde als Kind
nur dadurch gerettet, das Rhea dem Saturn statt seiner einen in ein Ziegenfell gewickelten
Stein zum Verschlingen gab. Nach Horaz schafft Orpheus das Essen von Menschenfleisch
ab'). Die Ungeheuer, welche Menschen vertilgen und von Heroen bekämpft werden, sind
die mit Blut befleckten Götzenbilder einer alten Religion des Schreckens, die auszurotten die
eines Helden würdige That ist. Theseus tödtet den Minotaurus auf Greta, der als Mensch
mit einem Stierkopfe dargestcllt wird, und dem die Athener alle 9 Jahre 7 Jünglinge und
Jungfrauen senden mussten. Auch der Talos auf Greta, der vordem auf Sardinien wohnte,
war wohl ein ehernes Molocbbild ; er umkreiste täglich dreimal die Insel, und wenn er einen
Fremden entdeckte, dann sprang er in das Feuer und kam glühend heraus, er fasste dann
den Fremden und drückte ihn an seine Brust, bis dieser unter Schmerzenslauten, die einem
■> .Strabo XII, 2. — ■ *) Munter, Religion der Carthager. Copcah. 1821, S. 10. — *) Diodor V, 19.—
4 ) Tertulliau Apol. 9. — ') Qesenius, Comm. zu des. II, 336. — •) Horst, de arte poet, 391.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 275
Lachen ähnlich waren und die man daher das sardinischc Gelächter nannte, starb. Als
im Jahre 596 vor Chr. zur Sühne von Athen Epimenides aus Creta Menschenblut verlangte,
bot sich der Jüngling Kratinos freiwillig rum Opfer dar, mit ihm starb sein Freund Ctesibios,
der sich nicht von ihm trennen wollte ’). Fhalaris, der Tyrann von Agrigent, liess einen ehernen
Stier verfertigen, der, wenn er glühend gemacht und ein Mensch hineingeworfen ward, zu
brüllen schien, wenn dieser schrie; dies Stierbild hatten die Carthager aus Sicilien geraubt,
mussten cs aber dem Scipio wieder herausgeben *). Vielfach wurden in Griechenland dem
Dionysos, der nach Herodot der Osiris der Aegypter ist, Menschenopfer gebracht, zumal auf
Chios, Lesbos und Tenedos, in Arcadien und Böoticn. Er wurde zuweilen mit einem Stier-
kopf, oder doch mit Hörnern abgebildet , im Tempel zu Kyzikos stand sein Bild als Stier.
In Achaja wurde immer der Aelteste vom Geschlechte des Kytissoros dem Zeus geopfert,
wenn er das ßathhaus betrat, weil jener den Athamas gerettet hatte, der als Sühnopfer
für das Land geschlachtet werden sollte*). Menschenopfer waren auch Kriegsgebrauch.
Bei der Bestattung des Patroklus opferte Achill 12 Troer, vielleicht waren es aber im
Kampf Gefallene. Herodot erzählt auch, Menelaos habe, als er die Helena heimholte,
zwei eingeborene Knaben um günstigen Wind geopfert. Der messenische Feldherr Ari-
stomenes opfert dem Zeus 300 Menschen. Noch vor der Schlacht bei Salamis opfert The-
mistocles dem Dionysos drei vornehme gefangene Perser. Als er der Gewohnheit ge-
mäss, erzählt Plutarch *), vor der Schlacht auf seinem Schiffe opferte, brachte man ihm
drei gefangene Jünglinge von schöner Gestalt, in prächtiger Kleidung, Verwandte de«
persischen Königs. Als sie in den Kreis der Versammlung traten, schlug das Opfer in
helle Flamme auf und rechter Hand niesste einer der Griechen. Der Wahrsager Euphranti-
des erkannte diese günstigen Zeichen und erklärte, das Treffen werde für die Griechen gün-
stig sein, wenn Themistocles die drei gefangenen Jünglinge sogleich dem Dionysos opfern
wolle. Themistocles erschrak über den unmenschlichen Befehl und trug Bedenken, ihn aus-
zufdhren. Aber der Pöbel, sagt Plutarch, der bei grossen Gefahren und in bedenklichen Um-
ständen immer lieber auf ungeheure Dinge rechnet als auf vernünftige Anstalten, fing an, den
Namen der Gottheit auszurufen, führte die Gefangenen zum Altar und zwang seinen Feld-
herm das Opfer vollenden zu lassen, wie der Wahrsager es befohlen hatte. Vor der Schlacht
bei Leuktra träumte Felopida« von dem Sühnopfer einer blonden Jungfrau, der Seher liess
aber ein herbeispringendes weiss^s Fohlen als das Opfer gelten. Schon Cecrops untersagt
das Opfern beseelter Geschöpfe. In Sparta schaffte Lycurg die Menschenopfer ab, die man
der taurischen Artemis gebracht hatte; er liess die Jünglinge, die früher getödtet wurden,
nur am Altar geissein, bis Blut denselben bespritzte 5 ); Plutarch «ah manche in Folge der
Geisselung sterben, und noch zu Tertullians Zeit bestand der Gebrauch *). Auf der taurischen
Halbinsel wurden die Fremden geopfert, die da« Land betraten, welches seinen Namen von
der stierköpfigen Göttin, der Astarte, hatte. In dem Dienste der Diana Aricina musste der
Oberpriester seinen Vorgänger eigenhändig opfern; später bestimmte man dazu einen ent-
laufenen Sklaven, dessen Leben doch verwirkt war. Die Bewohner einer Stadt in Böotien
*) biogen. Laert. I, 10 und Athenseus, XIII, p. 602. C. D. — *) Cicero in Yerr. TV, 33. — *) Herodot
VII, 197. — 4 ) Plutsrob, Themi«tocl. 13. — *) Cicero, Tu»c. qu***t. I, 14. — •) Tertullian »d Mertjr, 4.
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H. Schaaffhausen,
opferten nach dem Befehl des delphischen Orakels jährlich einen schönen Knaben, später
statt dessen eine Ziege ; die Bewohner von Tenedos statt eines Menschen später ein neugebo-
renes Kalb, dem sie dadurch ein menschliches Ansehen gaben, dass sie ihm Schuhe anzogen
und die Kuh, die es geworfen, wie eine Wöchnerin pflegten. In Athen und in anderen Städ-
ten wurden an einem gewissen Tage arme Leute oder Verbrecher, die man vorher mästete
und in festlichen Kleidern einen Umzug halten liess, als Sühnopfer getödtet. In Arkadien
fanden noch, nach der Angabe des Porphyrius, bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. die lycäischen
Menschenopfer statt; auf Cypern schaffte erst Hadrian sie ab.
In der römischen Geschichte fehlen die Menschenopfer nicht, doch sind sie schon seltener
geworden. Die Tarquinier schlachten 300 gefangene Römer als Opfer. Livius erzählt, dass
man bei grossen Unglücksfallen zu Menschenopfern seine Zuflucht nahm. Als Hannibal vor
Rom stand und Vestalinncn entehrt waren, wurden zwei Menschenpaare, ein Gallier und eine
Gallierin , ein Grieche und eine Griechin lebendig auf dem Markt in Rom begraben ')■ In
Latium wurde Saturn durch Menschenopfer verehrt, die man von der Milvischen Brücke in
Rom mit brennenden Fackeln hinab in die Tiber stürzte. Später wurden statt dessen aus
Binsen geflochtene oder aus Wachs gefertigte menschliche Puppen von den Vestalinnen in die
Tiber gestürzt’). Als ein Beispiel wie heute herrschende Volksfeste oft aus einer fernen Ver-
gangenheit herstainmen, in der sie eine ganz andere Bedeutung hatten, sei erwähnt, dass
die Feier des Carnevals, die aus Italien an den Rhein verpflanzt wurde, sich aus den römischen
Saturnalien, dem Feste der allgemeinen Gleichheit und Freiheit entwickelt hat. Der Carnevid
begann in den rheinischen Städten früher stets mit einem Fackelzuge, der nach einem Um-
züge durch die Stadt sich auf die Brücke begab und einen aus Stroh gefertigten, mit bunten
Lappen behängten Hanswurst in den Fluss stürzte. Dieser Hanswurst ist, ein merkwürdige»
Beispiel des Wechsels der menschlichen Dinge, im Laufe der Zeiten aus dem dem Saturn
bestimmten Menschenopfer hervorgegangen 1 Nach Macrobius*) wurden auch bei anderen
Festen, an denen man in alter Zeit Kinder auf den Kreuzwegen geopfert hatte, später Pup-
pen dafür aufgehängt. Wenn bei der Bestattung vornehmer Römer Gladiatorenkämpfo statt-
fanden und einige auf dem Platze blieben, so wurden sie als Sühnopfer für die Seele de»
Verstorbenen angesehen. Wie geläufig den Römern die Vorstellung sühnender Opfer war,
zeigt das Selbstopfer des M. Curtius und das der beiden Decier, doch ist ihre geschichtliche
Wahrheit zweifelhaft. Noch unter Caesar wurden in Rom bei einem Aufstande von den Prie-
stern des Mars zwoi Menschen geopfert 4 ). Wenn die Priester der römischen Bellona sich
Arm und Schulter mit Messern blutig ritzten und ihr Blut der Göttin opferten, so fand statt
dessen in älterer Zeit gewiss ein Menschenopfer statt. Wie Sallust erzählt, soll Catilina
mit seinen Verschworenen einen Knaben geopfert und gegessen und das Blut unter Wein ge-
trunken haben, um ihren Eid zu bekräftigen. Wenn man ein Bünde iss schloas, ritzte man
die Haut und liess das Blut zusammenlaufen, dann mischte man Wein dazu und trank cs.
So berichtet Herodot von den Lydiern, Medern und Babyloniern, Tacitus von den Arme-
niern. Den Römern bleibt der Ruhm, zuerst durch ein Gesetz die Menschenopfer abgeschaflt
*) Livius XXII, 57. — *) T.actantius, Instit. I, 21 und Ovid Fast. V, 621. — 5 ) Macrobius, Saturn I,
7. — 4 ) Dio Cassius, XLIII, 24. —
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
zu haben. Im Jahre 97 vor Chr. oder 657 der Stadt verordnet« ein Senatsbeschluss, dass
kein Mensch mehr geopfert werden soll '). Augustus, Tiberius und Hadrian erneuerten das
Verbot. Aber Nero, durch einen Cometen erschreckt, bringt noch Menschenopfer, Commo-
dus opfert einen Menschen mit eigner Hand und Heliogabal lässt in ganz Italien Kinder vor-
nehmer Familien zusammensuchen, um sie in den syrischen Mysterien, in die er als früherer
Oberpriester des Tempels in Eme&a eingeweiht war, zu opfern. Die Kirchenväter versichern
sogar, dass in Rom noch im vierten christlichen Jahrhundert dem Jupiter latialis Menschen-
opfer gebracht wurden.
Alle barbarischen Völker des Alterthums opferten Menschen und zunächst weihten sie
die gefangenen Feinde ihrem Kriegsgotte. Von denScythen berichtet es Herodot ’), von den
Bewohnern der pyrenäischen Halbinsel Strabo. Die Lusitaner weissagten aus den Einge-
weiden der Gefangenen und zwar zuerst aus dem Umfallen, wenn der Priester sie in den
Leib gestochen hatte. Die Belgier hieben einen zum Opfer bestimmten Menschen von hinten
mit dem Schwerte durch und weissagten aus seinen Zuckungen; andere schossen sie mit
Pfeilen nieder und hefteten sie in den Tempeln ans Kreuz oder sie verbrannten Tbiere und
Menschen auf Scheiterhaufen. Das Wahrsagen aus den Eingeweiden der Geopferten wird
auch von den Briten erzählt*). Nach Cicero wurden Menschenopfer noch zu seiner Zeit in
Gallien geübt*). Sie opferten Verbrecher den Göttern. Grosse von Weiden geflochtene
Götzenbilder wurden mit Menschen gefüllt und daun verbrannt Auch Vornehme, die ge-
fährlich erkrankt waren, gelobten für den Fall ihrer Genesung ein Menschenopfer und voll-
zogen es zuweilen noch während der Krankheit selbst*). Nach Justin*) opferten die in
Griechenland eingefallenen Gallier sogar ihre Frauen und Kinder. Wenn Strabo von den
Germanen sagt, sie seien jetzt, was die Gallier einst gewesen, so wird bei ihnen nicht ge-
ringere Rohheit geherrscht haben. Nach Tacitus brachten die Germanen dem Merkur an
gewissen Tagen Menschenopfer; bei den Semnonen, dem ältesten und edelsten Stamme der
Sueven, wurde ein solches Opfer zu einer bestimmten Zeit in einem heiligen Haine gebracht 7 ).
Nach Adam von Bremen wurde die Eiche, unter welcher geopfert ward, durch Menschen-
blut eingeweiht und der Körper des Geopferten daran gehängt Nach der Schlacht im Teu-
toburger Walde opferten die Cherusker auf dem Schlachtfeld eine grosse Zahl gefangener
Römer und hingen ihre Leichen an den Bäumen auf. Während die Scvthen von 100 Gefan-
genen einen opferten, tödteten die Sachsen den zehnten Mann und zwar unter grossen Mar-
tern *). Noch im Kriege mit Karl dem Grossen schlachteten sie auf dem Harze die gefange-
nen Franken dem Wodan. Harms*) erzählt von einem Menschenopfer, welches der heil.
Landolf, ein Apostel der Sachsen, auf einem Steinaltar vollziehen sah. Ala Quelle dieser
Nachricht giebt er eine Handschrift auf der Lüneburger Rathsbibliothek an, die er aber bei
einem späteren Besuche nicht mehr vorgefunden hat. Sie hatte den Titel: Res gesta« Lan-
dolfi, apostoli Sohzonum, qui Horzao ripas adhabitabant. Petersen fordert die Gelehrten
i) Plin. hist, natur. XXX, 1. — *) Herodot IV, 62, 71, 9t und V, 5. — *) Tacit. Annal. XIV, 30. —
*) Cicero pro Kontcj. 10. — *) Caesar, de hello galt VI, 16. — *) Justin XXVI, 2. — *) Tacit. Germ.
0 and 39. — *) Maas, Geschichte des Heidenthums im nördlichen Kuropa, Loipe, und Härmst II. 1823,
S. 68. — ») Harms, Goldene Aepfel in silbernen Schalen. Hermannsburg 1867.
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278 H. Schnaffhausen,
auf, der verlorenen Handschrift nachzuspüren '). Die Franken losten, wer als Opfer ster-
ben sollte, der, welchen das Loos traf, galt für einen Liebling der Qötter. Auch die Frie-
sen opferten Verbrecher bei ihren Festen. Dass die Germanen auch Kinder geopfert, wie
Schutz behauptet hat, ist nicht nachzuweisen. Nach Philastrius peitschten die Gelten
ihre Opfer oder schlugen sie an einen Stein, bis sie todt waren. Die Friesterinnen der Cim-
bern tödteten die Gefangenen mit dem Schwerte Uber einem ehernen Kassel, in den sie das
Blut auslaufen Hessen 2 ). Die Gothen hingen die Häute der Geopferten an den Bäumen auf,
und opferten noch , als sie schon zum Christenthum bekehrt waren *). Die alten Freussen
opferten vor der Schlacht und weissagten aus den Strömen des Blutes, sie opferten einen
Theil der Gefangenen nach dem Loose, auch Jungfrauen und Kinder. Sie verbrannten einen
gefangenen feindlichen Heerführer mit Pferd und Walfen ihren Göttern. Auch bestieg
zuweilen der Oberpriester freiwillig den Scheiterhaufen als Opfer für das Volk 4 ). Die
Preussen brachten bis in das 13. Jahrhundert, bis zu ihrer späten Bekehrung zum Christen-
thum noch Menschenopfer 4 ). Dass bei diesen Völkern auch der Genuas von Fleisch und
Blut der Geopferten vorkam, dafür giebt es mehrere Anzeichen. Die Eathen auf der Insel
Oesel raubten an fremden Küsten Knaben, die sie mästeten, dem Thor schlachteten und
dann brieten und verzehrten. Noch im Jahre 1221 schnitten, wie Mone anführt, die
Esthen dem dänischen Vogte Hebbus das Herz aus dem lebendigen Leibe, rosteten und
aasen es, damit sie desto tapferer gegen die Christen kämpfen könnten. Tacitus *) spricht
von Opfermahlen, und Karl der Grosse erlässt noch ein Verbot der sogenannten Teufelsmahle r ).
Auch Snorro und Gregor von Tours sprechen von Blutmahlen der nordischen Völker. Diese
zeichneten sich vor anderen durch blutige Gebräuche aus. Zu Upsala wurde alle 9 Jahre ein
9 Tage dauerndes Fest gefeiert, während dessen 99 Menschen und 99 Thiere geopfert wurden.
Ein schwedischer König opferte noun Söhne dem Odin, ein norwegischer Fürst zwei der
Göttin Horgabrud. Der schwedische König Domalder wurde bei einer Hungersnoth dem Odin
geopfert, weil er seinen Vater getödtet hatte*). Ohne Zweifel wird auch der durch die Phö-
nizier, vielleicht schon 2000 Jahre vorChr., nach dem Norden Europas gebrachte Baalskultus *)
die Menschenopfer daselbst verbreitet haben. Die in Meklenburg, Schonen, Brandenburg, der
Niederlausitz und in Schlesien gefundenen ehernen Kesselwagen 14 ) haben, wie Nilsson ge-
zeigt bat, eine grosse Aehnlichkeit mit dem in der h. Schrift beschriebenen Opferwagen im
Tempel des Salomo, den ein Phönizier gemacht bat, und waren gewiss Opfergerätbe. Der
Wagen der Göttin Hertha, der mit Kühen bespannt auf einer Insel der Ostsee umhergefahren
wurde 1 '), erinnert an die Bundeslade der Hebräer. Ja, deutet nicht, wie Nilsson glaubt, der
Name Luoifer, den die Christen dem Teufel gaben, auf den alten Sonnengott 1
Sehr gewöhnlich war bei vielen Völkern das Menschenopfer bei der Bestattung eines
vornehmen Mannes und häufig war es in diesem Falle ein freiwilliges. J. Grimm 1 *) hat Uber
') Gotting. Gelehrt. Anr. 15. Septbr. 1369. — *) Strabo VII, 2. — *) Procopina II, 25 und Clavigcro,
Geschichte von Mexiko II, S. 588. — 4 ) Mone, a. a. 0. L S. 91. — 6 ) M. Ch. Hartknoch, Alt und Neue«
Preussen, Frankfurt und Leipzig 1684, S. 228 und 288. — a ) Tacit. Aun. I, 65. — *) Capit. de part. Saxou.
2t. — *) B. F. Hummel, Compend. deutach. Alterth. Nürnberg 1788. S. 88. — *) Nilsson, das Steinalter
des skandinavischen Nordens, deutsch von Mestorf. Hamburg 1968. — !0 ) Yirchow, Ccmgres d’Anthro*
pologie. Paris 1868, p. 251. — ") Taeitua Germ. 40. — '*) J. Grimm, Ueber das Verbrennen der Leichen.
Berlin 1650.
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279
Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
diesen Gebrauch viele Nachrichten zusammengestellt. Schon bei den Griechen liessen sich
zuweilen die Frauen mit dem Gatten verbreimen. Wenn die Scythen am Borysthenes einen
König begruben, wurde eine seiner Frauen erdrosselt und mit bestattet, auch der Weinschenk,
der Koch, der Marschall und der Bote nebst Pferden und Schmuck geräthen. Nach Verlauf
eines Jahres wurden 50 Diener und eben so viele Pferde getödtet, allen der Leib aufgeschnit-
ten und ausgeweidet, dann mit Stroh gefüllt und wieder zugenäht', so wurden sie auf Rad-
felgen und Stangen wie Reiter um das Grab gestellt Bei den Galliern wurden Thiere,
Knechte und Schützlinge mit dem Herrn verbrannt Bei den Thrakern wurde die Frau von
des verstorbenen Mannes nächstem Freund getödtet und mit begraben. Bei den Herulern
war die Mitbestattung der Frauen, die sich erhängen mussten, noch im 6. Jahrhundert nach Chr.
Sitte, bei den Wenden wurden sie noch im 8., bei den Polen noch im 10. Jahrhundert mitver-
brannt Guagnini sah sogar, wie bei den Sarmaten noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts
vornehme Todte mit Pferden, Waffen, zwei Hunden, einem Falken und einem treuen lebenden
Diener verbrannt wurden. So geschah es in der Edda auf Sigurds und Brunhildens Scheiter-
haufen. Mone 1 ) macht darauf aufmerksam, dass sich in slavischen Qraburnen oft Schädel-
knochen von mehreren Menschen finden, welcher Umstand entweder auf zufällige gemeinsame
Bestattung oder wahrscheinlicher auf die Sitte schliessen lasse, dass der Knecht mit dem
Herrn, der Vasall mit dem Fürsten verbrannt worden sei. Der Araber Ibn Foszlan *) be-
schreibt auf seiner in den Jahren 921 und 922 gemachten Reise von Bagdad zum Könige
der Slaven die Leichenfeier eines russischen Grossen an der Wolga, der er zusah. Ist
ein armer Mann gestorben , so bauen sie ein kleines Schiff, legen ihn hinein und ver-
brennen es. Jenen legten sie in ein solches Grab, Uber das sie ein Dach schlugen ilir
10 Tage, bis sie seine Kleider angefertigt hatten. Seine Habe theilten sie in drei Theile,
einen erhielt die Familie, fiir einen wurden die Kleider, für einen berauschende Getränke
angeschafih. Mädchen und Diener werden gefragt, wer von ihnen mit dem Herrn sterben
wolle. Meist sind es die Mädchen, die cs thun. Bei jenes Mannes Tode war es auch ein
Mädchen, welches sagte: „ich wilL“ Sie wurde nun von zwei anderen bewacht, blieb
aber fröhlich, trank und sang. Als der Tag des Verbrennens gekommen war, zog man das
Schiff des Verstorbenen ans Ufer und ein altes Weib, das sie den Todesengel nennen, brei-
tete gesteppte Tücher, Goldstoffe und Kopfkissen darin aus. Der Todte wurde in ein präch-
tiges Gewand gekleidet und unter das Sohiffszelt gelegt; berauschendes Getränk, Früchte,
Kraut, Brot, Fleisch und Zwiebeln wurden zu ihm gelegt, auch ein in zwei Theile geschnitte-
ner Hund, alle Waffen und zwei mit Schwertern zerhauene Pferde, die vorher gejagt waren,
bis sie von Schweisse troffen; ebenso zerhieben sie zwei Ochsen, einen Hahn und ein Huhn.
Das dem Tod geweihte Mädchen wurde nun auf den Händen von Männern dreimal empor-
gehoben, das erstemal sagte sie: „sieh, hier sehe Ich meinen Vater und meine Mutter“, das
zweitemal : „sieh, jetzt sehe ich alle meine verstorbenen Anverwandten da sitzen“ und das drit-
temal : „sieh, dort ist mein Herr, er sitzt im Paradiese, das Paradies ist so schön, so grün, bei
ihm sind die Männer und Diener, er ruft mich; so bringt mich denn zu ihm.“ Nun reichten
*) Mone a. a. 0. II, S. 2G0. — >) N. Karamain, Geachicbte des russischen Reiche«, deutsch von
v. Bauenschild. III B. Riga 1823. S. 245.
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280
H. Schaaffhausen,
sie ihr eine Henne bin, denen Kopf sie abachnitt und wegwarf-, die Honne warf sie in’s Schiff.
Dann zog sie ihre beiden Armbänder aus und gab sie dem Weibe, das man den Todesengel
nennt und das sie morden wird. Die Beinringo reichte sie den zwei ihr dienenden Mädchen.
Hierauf hob man sie auf das Schiff, Männer mit Schildern und Stäben reichten ihr einen
Becher berauschenden Getränkes, den sie singend leerte. Damit nahm sie Abschied von ihren
Lieben. Noch ein Becher wurde ihr gereicht, den sie auch nahm und ein langes Lied an-
stimmte. Die Alte hiess sie nun eilen und in’s Zelt treten, wo ihr Herr lag. Das Mädchen
schien jetzt bestürzt und unentschlossen, sie steckte nur den Kopf zwischen Zelt und Schiff
hinein, da fasste die Alte sie beim Haupt, brachte sie in’s Zelt und trat selbst ein. Die Män-
ner begannen mit den Stäben auf die Schilder zu schlagen, dass kein Laut der Schreienden
gehört werde, der andere Mädchen erschrecken und abgeneigt machen könnte, auch einmal
mit ihren Herren in den Tod zu gehen. Dann traten sechs Männer in’s Gezelt, streckten sie
an des Todten Seite nieder, indem zwei ihre FUsse, zwei ihre Hände fassten und die Alte
ihr einen Strick um den Hals legte, dessen Ende sie den beiden anderen Männern reichte
Mit einem grossen breitklingigen Messer selbst hinzutretend, stiess sie dem Mädchen das
Messer zwischen die Rippen ein und zog es wieder aus. Die beiden Männer aber würgten
ea mit dem Stricke, bis es todt war. Empörend ist es, wenn der Berichterstatter, der die
Russen als ein schmutziges und wollüstiges Volk darstellt, noch anführt, dass jene sechs
Männer, die das Mädchen halten und erdrosseln, ihm zuvor noch alle beiwohnen. Solch ein«
Untbat, sagt Grimm, ist der altnordischen wie altdeutschen Sitte fremd. Der nächste An-
verwandte zündete endlich nackend und rückwärts das Schiff an, dann warfen die übrigen
brennende Scheite Holz auf den Haufen und in einer Stunde war Alles verbrannt. Ein ande-
rer Araber schildert die Bestattung der Könige bei den Slaven fast ganz so wie Herodot die
bei den Scythen '). Dass der Holzstoss rückwärts angezündet wird, geschieht auch bei der in-
dischen Leichenfeier, wo die Verwandten um den Scheiterhaufen wandeln und über ihre
Schulter Holzstücke in’s Feuer werfen. Die bis heute noch nicht ganz ausgerottete indische
Wittwenverbrennung ist durch kein Gesetz vorgeseh rieben, sondern freie Entschliessung. Die
Wittwe, die ihrem Manne im Tode folgt, sühnt die Sünden desselben, ihr ist in jener Welt
die höchste Glückseligkeit verheissen, während sie in dieser nicht wieder heirathen darf, auch
nichts von ihrem Manne erbt, sondern von ihren Verwandten unterhalten werden muss.
Viele wollen lieber in dieser hochherzigen Auffassung des unauflöslichen Bandes der Ehe den
tieferen Grund der Sitte erkennen, als annehmen, dass man damit die Vergiftungen der Män-
ner durch ihre Frauen habe verhüten wollen. Grimm sagt mit einer gewissen Bewunderung:
„Nicht allein Wittwen verbrennen sich mit dem Gemahl, auch Eltern folgen der Leiche des
geliebten Sohnes, der Jüngling der Geliebten. Unheilbare Kranke veranstalten selbst ihre
Verbrennung. Barbarisch und grausam sollten also nicht die heidnischen Völker heiaen,
deren Ehefrauen mit den Männern verbrannt werden durften, sondern die christlichen, unter
denen haufenweis Ketzer und Hexen unmenschlich der Flamme überliefert wurden; jenes be-
ruhte auf einem geheiligten Band der Natur, dies auf der Priester verblendetem Eifer.“ Wohl
finden wir diesen letzteren Wahn um so entsetzlicher, weil er in eine schon hoch gebildete Zeit
J ) VergL Archiv für Anthropologie J, S. 175.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 281
fallt, aber barbarisch und grausam bleibt auch das Selbstopfcr der heidnischen Völker, deren
Bohheit wir daran erkennen, dass sie den Werth des Lebens noch nicht schätzen; in beiden
Fällen ist ein falscher Glaube, dieser Feind des menschlichen Gefühls, der vor keiner Unthat
zurückschreckt, die Ursache des Gräuels. Schon die mohammedanischen Mongolen hatten die
Wittwenverbrennung in Indien untersagt und den Bemühungen der englischen Regierung ist
es zu danken, dass sie beinahe ausser Gebrauch ist; bei den geringeren Kasten kam sie längst
in Vergessenheit. Nach van Bohlen war in den Jahren von 1815 bis 1824 die geringste jähr-
liche Zahl der Selbstverbrennungen 378, die höchste 839. Nach Hodges wurde das Opfer
am letzten Tage durch Opium berauscht; in feierlichem Aufzuge mit Musik nähert sich die
Wittwe dem Scheiterhaufen, auf dem die Leicho des Mannes liegt; wenn dieser bereits in
Glnth steht, schüttet sie Gel Uber sich und den Todten und stürzt sich in die Flammen.
Betäubende Musik Ubertöut das Wimmern der Sterbenden. Vor einigen Jahren noch erklärte
in einem etwa 25 Meilen von Allahabad entfernten Dorfe die Wittwe eines Barbiers, ihren
Mann nicht überleben zu wollen. Sie widerstand allen Abmahmmgen ihrer Freunde und
Verwandten und liees einen Scheiterhaufen errichten, auf welchen sie sich setzte und die Leiche
ihres Gatten auf ihre Knieo nahm. Vorher hatte sie ihre Kleider und ihre Haare einölen lassen,
Reissbündel wurden hinter ihr und an ihren Seiten bis zum Gürtel aufgesehichtet. Sie be-
wahrte die ruhigste Haltung und ertheilte selbst den Befehl, die Reissbündel anzuzünden. Die
Flammen umzüngelten sie schon, als sie sich noch mit den Zuschauern unterhielt, sie liess kei-
nen 8chmerzeusruf, nicht einmal einen Seufzer laut werden, bis der Rauch das freiwillige
Opfer, das in wenigen Secunden erstickt sein musste, vor den Augen Aller verhüllte >). In
diesem Jahre hat wieder eine Wittwen-Verbrennung in Indien stattgefunden. Die englischen
Behörden erhielten zu spät Nachricht, um den Vorgang hindern zu können. Die Verwandten
der Selbstmörderin sind zu 7 Jahren Einsperrung verurtheilt, weil sie dieselbe zur That über-
redet hatten und jeder Bewohner des Dorfes, welcher dem entsetzlichen Schauspiele zugesehen,
hat eine dreijährige Gefiingnissstrafe zu verbüssen *). Bei den Sivaiten, die ihre Todten nicht
verbrennen, weil sie das Feuer für heilig halten nnd nicht verunreinigen wollen, kam die
Selbstverbrennung der Wittwen nicht vor, sondern das Lebendigbegraben. Die Wittwe setzte
sich in das Grab und nahm die Leiche des Mannes in ihren Arm, dann verdeckte man ihr
das Gesicht mit einem Tuche, und nachdem man das Grab bis Uber ihren Hals zugeschüttet,
reichte man ihr ein betäubendes Gift, brach ihr schnell das Genick und bedeckte Alles mit
Erde. Oder es war über der Gruft des Mannes oin Gerüst errichtet, welches einen grossen
und schweren Korb mit Erde trug, die Wittwe trat in die Gruft unter das Gerüst, auf ein
Zeichen wurden die Stützen entfernt und die herabstürzende Erde begrub das Opfer *). Die
grosse Bewegung, die zur Herstellung der alten Vedareligion von einflussreichen indischen
Gelehrten ausgeht und auf Abschaffung des Polytheismus, des Kastenwesens und der Vielwei-
berei gerichtet ist, wird auch den Wittwenverbrennungen den letzten Stoss geben. Die Veda-
religion lehrte den Glauben an einen wohlthätigen Gott, aber der Glaube der Ureinwohner,
in dem die Furcht vor den Dämonen und die Versöhnung mit denselben der Hauptgedanke
fl Kölnische Zeitung, 24. Marz 1866. — *) Bonner Zeitung, 1. Mai 1870. — *) v. Zimmermann, a. a. 0.,
13. Th, S. 152.
Archiv Ar Aotloopolojir, Bl. IV. Uott III. 3fj
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282
II. Schaaffhauscn,
war, verunreinigt« die reinere Gotteslehre der Eroberer. Der Santal hat keinen Begriff von
einem wohlthätigen Gotte, seine Religion ist eine Religion 'des Schreckens. Doch haben sie
die Menschenopfer, die sie früher brachten, abgeschafit. „Wie können wir Menschen opfern,“
sagte ein Santal, „heutzutage sind die Menschen theuer; wer könnte ihren Preis zahlen!“ Bis
zum Jahre 1790 machten sie alljahrig Raubzüge in das Tiefland. Dann liessen sie sich gegen
Lohn zur Vernichtung der wilden Thiere gebrauchen und verlockt durch hohen Lohn und
leichte Rente machten sie endlich Ländereien urbar und gründeten einen Bauernstand in
Birbhum >). Io Zeiten des Mangels bringen noch zuweilen die Priester von Nieder- Bengalen
wie vor 3000 Jahren den Dämonen Kinder zum Opfer dar. Die Menschenopfer der Khonds
mussten bis in die letzten Jahre von der englischen Militärmacht unterdrückt werden’), und
obgleich in vielen Gebräuchen eine Milderung der alten Rohheit eingetreten ist, wie wenn zu
Ehren der Göttin Kali Menschen an einen Pfahl gebunden, aber wieder frei gelassen, oder von
einem Felsen hinabgestossen werden, nachdem sie vorher an einSeil gebunden worden sind*), so
beklagt doch noch 1866 ein Engländer es in der Times *), dass beim Dschaggernautfest in Orissa
durch Nacldässigkeit der Polizei schon wieder mehrere Menschenopfer vorgekommen seien.
Grosse Menschenopfer bei der Leichenfeier waren auch in anderen Ländern Asiens, z. B, in
Assam, üblich. Der Perser Muhamed Kazim *) sagt darüber: wenn ein Vornehmer oder ein
Raja stirbt, so wird eine weite Gruft für ihn ausgegraben, in welche sie seine Weiber, sein
Gefolge, seine Diener, Hausgeräthc und Kostbarkeiten in Gold und Silber, Elepbanten, Klei-
der und Lebensmittel, Lampen mit vielem Oel und einen Fackelträger mit ihm begraben.
Nach Barrow *) wurden vormals auch am Grabe der vornehmen Chinesen die Sklaven und
Beischläferinnen geopfert, statt deren man jetzt papierene Menschenfiguren gebraucht. Der
Kaiser Cänghi erliess ein Verbot gegen die Sitte, am Grabe seiner Mutter vier Mädchen zu
opfern, obgleich sich solche dazu willig fanden. Auch das merkwürdige, der Sprache nach
mit den Berbern verwandte, zu Anfang des 16. Jahrhunderts ausgerottete Volk der Guanchen
auf den kanarischen Inseln, dessen einfache Sitten und glückliches Dasein gerühmt waren,
welches keine Metalle kannte, den Acker mit Ochsenhörnern pflügte und seine Todten als
Mumien in Felsenhöhlen beisetzte, brachte nach Cadainosto bei der Thronbesteigung eines
Fürsten Menschenopfer, die sich zuweilen freiwillig darboten.
Ehe wir die Uebung der Menschenopfer bei den heutigen Wilden aufsuchen , begeguct
unser Blick noch der entsetzlichen Grausamkeit, mit der die Azteken in Mexiko ihren Götzen
viele Tausende auf einmal hinschlacliteten. Nur die Schlächtereien der westafrikanischen
Neger und der pliönizische Cültus des Alterthums bieten Aehnliches. Dieser ist vielleicht
nicht ohne Zusammenhang mit jener räthselhaften Cultur in Mittelamcrikn. Der mexikanische
Priester, der ein rothes Gewand trug, wie die Priester des Saturn, fing das Blut der geschlach-
teten Menschen auf, mischte es mit Mehl und gab es den Gläubigen zu kosten. Erst später
soll man sich daran gewöhnt haben, auch die Glieder des Geopferten zu verzehren. Nach
Clavigero steckte der Priester das Herz, das er seinem Opfer aus dem Leibe riss, dem
Götzen mit einem goldenen Löffel in den Mund und bestrich die Lippen desselben mit dein
! i Hunter, Annals of rural Bengal, Ausland 1SC0, Xr.21. — *) Vergl. Archiv für Anthropologie, I, S. 177.
— :, j Colehrookv, Asiat, reaearch-, VIII, p. 47. — 4 ) Ausland, lftOd. Nr. 42. — 4 ) v. Zimmermann, a. a. 0.,
12. Th., S. 141. — °) Barro« ’■ lti-isen in China. Hamburg 1SÜS, II, 8. 200.
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Die Menschenfresserei lind das Menschenopfer. 283
Blute. Von dem Körper aasen die Mexikaner nur Arme und Beine, das Uebrige ward den
Tliieren vorgeworfen oder verbrannt.
Das durch seine Menschenopfer berüchtigte Königreich Dahomey wurde wiederholt von
Europäern besucht, welche die Gräuel am Hofe de« Königs mit ansahen *). Duncan, der 1846dort
war, fand den Zugang zum Palaste mit Schädeln gepflastert, die Thore und Mauern damit verziert,
sogar dem Spazierstocke des Königs fehlt dieser Schmuck nicht! Dieser trank mit Duncan auf
die Gesundheit der Königin von England den Champagner aus einem Menschenschädel. Wenn
er Europäern Audienzen giebt, so werden Hinrichtungen veranstaltet und ihnen dos Ehrenamt
eines Scharfrichters angeboten. Duncan sah, wie ein alter Neger von jedem Geköpften das
Blut auffing und warm, wie es aus den Adern kam, trank. Zum Gedächtniss der Vorfahren
des Königs wird ein Fest gefeiert, welches das Fest des Tischdeckens der Vorfahren heisst.
Das V olk hat die Meinung, das auf den Gräbern in Strömen vergossene Blut werde von den
Geistern der Ahnen genossen. Noch im Jahre 1866 brachten die Zeitungen die Nachricht
von einem grossen Menschenopfer, welches der König, als er gegen die Aschantis in den
Krieg zog, brachte, er liess, um sich des Wohlwollens der Götter fiir seinen Feldzug zu ver-
sichern, 200 Menschen hinschlachten, die dritte Gräuelthat dieser Art in demselben Jahre.
E. Bowdich der 181? zu den Aschantis kam, sagt, dass die zum Opfer bestimmten Men-
schen vor der Hinrichtung misshandelt werden und ein ihnen durch die Backen geflossenes
Messer tragen. Erst wurde ihnen die rechte Hand abgehauen, dann sägte man ihnen den
Kopf ab. Beim Tode eines Königs müssen alle Menschenopfer, die während seiner Herrschaft
für Unterthanen gebracht wurden, wiederholt werden. Bei der Leichenfeier des letzten Kö-
nigs wurden drei Monate lang jede Woche 200 Sklaven geopfert. Zur Todtenfeier seiner
Mutter schenkte der König 3000 Schlachtopfer, die fünf grössten Städte des Landes lieferten
jede 100, die kleineren Städte jede 10 Schlachtopfer. Der deutsche Missionär Halleur, der
sieben Jahre in Westafrika weilte, giebt au, dass beim Tode der Mutter des Königs 400 Mäd-
chen sterben mussten und sechs Wochen lang jeden Morgen und jeden Abend 2 Mädchen
geopfert wurden. In Kumassi ist ein Ort, der nie von Menschonblut trocken werden darf.
Aber die Aschantis glauben, dass im Menschen ein Geist lebe, der den Tod überdauert, und
die Opfer gehen mit Gleichgültigkeit ihrem Schicksal entgegen. Ueber das am 6. November
1864 in Abomey gefeierte Fest der Menschenopfer gab ein ausWhydah nach Paria gerichteter
Brief eine genaue Schilderung >}. Acht Tage vor dem Feste hatte der König bekannt machen
lassen, es würden, um die Geister seines Ahnherrn und seines Vaters zu ehren, 40 Gefangene
des besiegten Stammes der Akankas auf den» Marktplatze geopfert werden. Mehrere Euro-
päer, die sich in Abomey befanden, baten den König in einer Audienz, auf dieses schreckliche
Opfer zu verzichten. Der König erklärte aus Bücksicht auf die Europäer die Zahl der Opfer
auf 12 zu beschränken. Am ö. November liess der König 28 von den schon an Pfeilern fest-
gebundenen Gefangenen in das Gefängniss zurückbringen; die übrigen vernahmen ihr Schick-
sal mit der vollständigsten Gleichgültigkeit. Der König kündigte ihnen noch an, dass zwei
durch seine eigne Hand Bterben würden. Diese wählte der Bruder des Königs aus; sic muss-
l ! Vera!, Archiv für Anthropologie, I, S. 175. — *) A. W. Grube, Geographische Charakterbilder, II.
Leipzig 1853, S. 2(31. — 3 ) Bonner Zeitung 10. Februar 1865.
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H. Schaaffhausen,
ten, um der Ehre würdig zu sein, die Nacht im Tempel, vor den Götzen auf der Erde liegend,
zubringen. Am Tage der Hinrichtung wurden sie mit auf dem Bücken zusammengebundenen
Händen auf den Harkt geführt, wo der König, von seinem Hofstaat umgeben, auf dem Throne
sass. Mitten auf dem Platze stand ein grosses silbernes Becken, welche« das Blut der Opfer
aufhebmen sollte. Der König ergriff nun eines seiner Schwerter und schlug den beiden Ge-
fangenen, die sich an dem Becken aufgestellt hatten, den Kopf ab, in Folge dessen die Menge
laute Beifallsrufe erhob. Die 10 anderen Opfer wurden von dein Oberpriester geköpft, der
jedes Haupt in die Hände nahm und es dem Volke zeigte, das jedesmal ein wildes Brüllen er-
tönen Hess. Als Alles beendigt war, stürzte sich das Volk auf die Leichname, zerstückelte sie
und beschmierte sich mit ilirem Blute. Die 12 Köpfe wurden an den Mauern des königlichen
Paliastes aufgehängt. Dieses Schauspiel findet in Abomey jedes Jahr drei bis viermal statt,
und dasselbe geschieht in den Königreichen Abe o, Koto, Ashanti und Benin. Auch ist es noch
Sitte unter den westafrikanischen Negern, dass auf dem Grabe eines Vornehmen seine liebsten
Sklaven getödtet werden, man schlägt sie mit einem Eleph antenzahne ins Genick. In Congo
wetteifern die Lieblingsweiber der Grossen um die Ehre, mit ihren Männern begraben zu werden.
Mit Recht macht Waitz ') darauf aufmerksam, dass man die den Göttern dargebrachten Men-
schenopfer wohl von denen unterscheiden müsse, welche man zu Ehren der Verstorbenen ver-
anstaltet, um ihnen das Gefolge und die Dienerschaft nachzusenden, der sie im andern Leben
bedürfen. Er stellt zahlreiche Beispiele von Menschenopfern bei den Negern zusammen, welche
in einigen Gegenden durch die Bemühungen der Missionäre seltener geworden oder abgeschafft
sind. In Benin sind die sonst sehr zahlreichen Menschenopfer durch den Sklavenhandel in
Abnahme gekommen, es ist die einzige Wohlthat, die man von ihm rühmen kann. Durch ihn
erhielt das Menschenleben einen Werth; aber auch der mohammedanische Glanbe hat die
blutigen Gebräuche unterdrückt, in den nördlichen Negerländem sind sie verschwunden, so
weit der Islam vorgedrungen ist In Galam hat man in alter Zeit vor dem Hauptthore der
Stadt bisweilen einen Knaben und ein Mädchen lebendig begraben, um die Stadt uneinnehm-
bar zu machen und ein König der Bambarra hat dieses Opfer einst im Grossen ausführen
lassen. Aehnliche werden bei Gründung einos Hauses oder Dorfes von mehreren Stämmen
gebracht. Die Fantis nnd Andere bringen an jedem Neumond ein Menschenopfer. In Lagos
wird allgemein ein Mädchen lebendig gepfählt, um ein fruchtbares Jahr zu erhalten. In Yar-
riba opfert mau nur Verbrecher. In Bonny wird alle drei Jahre die schönste Jungfrau
geopfert; der Priester, welcher die Kriegsgefangenen schlachtet, boisst vom Nacken derselben
ein Stück ab, die Glieder werden zerschnitten, in einem Kessel gekocht and zum Essen ver-
theilt. Unter den Indianern Amerikas sind die Menschenopfer selten geworden. Auf den
Südseeinseln sind sie noch häufig und oft mit dem Cannibalismus verbunden. Die als Can-
nibalen berüchtigten Fidschiinsulaner bringen bei allen Unternehmungen Menschenopfer, die
Weiber dürfen aber kein Menschenfleisch verzehren. Wenn ein neuea Canoe in ’s Meer ge-
lassen wird, so werden zehn Menschen darauf geschlachtet, damit es mit Menscbenblut ge-
waschen werden kann 5 ).
Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. Leipzig 1*60, S. 197. — *) J. C. Priobard, Netur-
geacbichte des Menncbengeechlei'hts, IV. Leipzig 1948, S. 960.
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Die Menschenfresserei und das Menschenopfer. 285
Wenn uns ein Seefahrer ') berichtet, «lass die Waffen «lor Bewohner von Nukahiva alle
mit Menschenhaar verliert und an den meisten Stücken ihres Hausgeräthcs Zierrathen von
Menschenknochen angebracht waren, dass zur Zeit einer Hungersnoth Männer ihre Weiher
und Kinder ihre abgelebten Eltern erschlagen, das Fleuch derselben backen und schmoren und
es mit dem grössten Wohlgefallen verzehren und dass selbst die sanft scheinenden Nukahive-
rinnen, deren Blicke nichts als Wollust athmen, wenn man es ihnen nur erlaubt, Theil an die-
sen schrecklichen Mahlzeiten nehmen, so wird es uns schwer, darüber zu entscheiden, wel-
ches Schauspiel entsetzlicher ist, ob der von Wilden geübte Cannibalistnus, wie er sich auf den
vom menschlichen Verkehre so lange abgeschlossenen Eilanden der Südsee unter Volksstäin-
men entwickeln konnte, deren körperliche Schönheit schon Cook bewunderte und deren Gci-
stesgaben in vielen Fällen sich durch schnelle Aneignung europäischer Gesittung als vorzüglich
erwiesen haben, oder das Menschenopfer, welches seit Jahrtausenden nicht nur bei rohen, son-
dern auch bei gebildeten Völkern der religiöse Wahn gefordert hat. Man preist die Religion,
weil sie den Menschen erziehen, weil sie ihn bessern und heiligen soll, aber wie oft hat sie
statt dessen seine Hände mit Blut besudelt! Giebt es einen schlagenderen Beweis dafür, das»
auch der religiöse Glaube nicht unverbesserlich ist, dass vielmehr der menschliche Geist auch
in Bezug auf die Vorstellungen von den ewigen Dingen eint aus der Nacht schreckhafter
Träume sich zum Lichte einer reineren Anschauung des Göttlichen cmporgerafTt hat! Wie der
Aberglaube roher Völker, wie der Gottesdienst des Altorthums, wie der Teufelswahn des
Mittelalters ihre Opfer forderten, so liefert die religiöse Ueberspannung selbst unter gebilde-
ten Menschen auch heute noch neben den Beispielen der traurigsten geistigen Verkümmerung
auch Fälle der freiwilligen körperlichen Verstümmelung oder selbst derTödtung. In wenig ge-
bildeten Ländern bilden sich sogar ganze Sekten, die in einer solchen Richtung des Geistes ihr
Heil zu finden glauben. Im vorigen Jahrhundert starben in Russland Tausende durch reli-
giösen Selbstmord. Im Jahre 1861 kamen noch sechs Fälle in einer solchen Sekte vor, die
keine Popen hat. Am weissen Meer soll ein ganzes Dorf den Scheiterhaufen bestiegen haben.
Diesen Tod nennen sie die Feuertaufe, welche alle Sünden reinigt. Eine andere Sekte übt die
Selbstentmannung. Die Sabarovani entmannen jeden nach dem Erstgeborenen erzeugten
Knaben; sie haben sich aus Russland, wo die Regierung die Ausübung dieses Cultus verboten
hat, in die Donaufürsten thümer gezogen; hier dienen diese Unglücklichen später häufig als
Kutscher in den grösseren Städten; besonders in Bucharest trifft man sie an, wo sie eine
Gemeinde bilden und treu Zusammenhalten.
Das traurige Gemälde, welches «lie Betrachtung der Menschenfresserei und des Menschen-
opfers vor uns aufrollt, muss denen vor Augen gehalten werden, welche in dem Wilden mit
«lern Vorurtheile Rousseau's nur den unverdorbenen Sohn der Natur zu sehen meinen, aber
auch denen, die, geblendet durch den Glanz grosser Thaten und Charaktere und den einer hoch
ausgebildeten geistigen Befähigung, wie sie sich in Kunst und Sprache, in Philosophie und
Staatsleben ausspricht, das Altcrthum nur bewundern und die klassischen Völker uns in jeder
Beziehung als Muster der Humanität hinstellen wollen. Ein noch grösserer Ruhm als der
der geistigen Befähigung ist der der Sittlichkeit und des strengen Rechtsgefühles, worin wir
>) J. von Kruaeti stern. Reise um die Welt, I. Berlin 1811. 8. 2&9.
36*
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286 H. Schaaffhausen, Die Menschenfresserei und das Menschenopfer.
allen vorausgegangenen Völkern und Zeitaltern überlegen sind und die man mit Unrecht für
nicht vervollkomrunungsfäliig erklärt hat. Erst wenn der feine Sinn für das Edle und Men-
schenwürdige, wie es Einzelne auch im Alterthume schon empfunden haben, zur allgemeinsten
Verbreitung gelangt und gleichsam zu einer öffentlichen Meinung geworden ist, wenn die hö-
here Schätzung des Monschcnwerthes nicht nur in den Sitten, sondern auch in den Gesetzen
aller gebildeten Völker einen Ausdruck gefunden hat, so dass sie auch den Niedrigsten unter
den Schutz des Rechtes und der Freiheit stellen und seihst dem Verbrecher das Mitleid nicht
versagen, wenn Alles, was als thierischo Rohheit, als brutale Grausamkeit vergangener Zeiten
unser verfeinertes Gefühl mit Abscheu erfüllt, aus deu Anschauungen der Menschen und zu-
dem Leben der Gesellschaft getilgt sein wird, dann haben wir auf der Bahn der menschlichen
Entwicklung einen der grössten und segensreichsten Schritte zurückgelegt. Die Zeichen der
Zeit, in der wir leben, verkünden es laut, dass wir diesem Ziel entgogengehen.
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c
0» . f- * I *•
XVI.
Ueber die verschiedene Krümmung des Schädelrohres und
über die Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule beim
Neger und beim Europäer.
Von
A. Ecker.
\
(Hierzu Tafel II und III.)
Wenn man den Schädel eines Negers neben dom eines Europäers, beide ohne Unter-
kiefer, auf einer horizontalen Unterlage aufstellt, so erkennt man sofort, dass die Punkte
der Schädelbasis, mit welchen dieselben auf der Unterlage aufruhen, bei beiden verschiedene
sind. Es fiel mir dies schon vor längerer Zeit auf, als ich die Negerschädel unseres Museums,
welche dasselbe aus dem Nachlass des in Cairo verstorbenen Prof, ßilharz acquirirt
hatte, ordnete und aufstellte.
Es war klar, dass dies nur eine Folge einer ganz verschiedenen Stellung der Flächen
der Schädelbasis bei beiden Racen sein konnte, und sehr wahrscheinlich, dass eine derartige
Verschiedenheit auch nicht ganz ohne Einfluss auf die Stellung dos Schädels auf der Wirbel-
säule werde bleiben können. Ich verfolgte daher die Verhältnisse etwas genauer und ergab
sich mir hierbei auch zum Theil schon Bekanntes, so sticss ich doch auch auf Anderes, was
bisher noch kaum eine Berücksichtigung gefunden: zudem stellte sich Manches in neuem
Zusammenhänge dar, so dass — insbesondere da die Zahl der zur Untersuchung benutzten
Schädel (50 Neger- und 50 Euro]Kierschädel) eine immerhin beträchtliche Ist — das Ergebnis«
meiner Untersuchungen der Mittlieilung wohl nicht unwerth erscheint •)■
Die Tliatsochen sind in Kürze folgende:
*) Eine kurte Mittheilung die«er Beobachtungen gab ich in der anatom.*inedic. Seelion l*eiderVersaram-
lung der schweizerischen Naturforscher zu Neuehfttel. August 1860.
SO«
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288
A. Ecker,
I. Stellt man den Schädel eine» Europäers 1 ) ohne Unterkiefer auf einer ho-
rizontalen Unterlage auf, so ruht der Schädel auf: 1) auf dem Zahnbogen (arcus den-
talls) und zwar meist dem ganzen, seltener nur auf den Schneidezähnen oder Backzähnen allein
oder, wenn die Zähne fehlen, auf dem Zahnfächerbogen (arcus alveolaris); 2) auf dem un-
tersten Theil der Hinterhauptsschuppe 1 ), von der Linea nuchae inferior an bis zum hinteren
Rand und dem hinteren Theil des Seitenrandes desForainen magnum, bald mehr der ersteren,
bald mehr der letzteren Grenze nahe. 3) Auf den Warzen- und Griffelfortsätzen ruht der
Schädel bisweilen, wenu diese nämlich sehr gross sind, ebenfalls auf. 4) Die Gelenkfort-
sätze des Hinterhauptbeins dagegen berühren die horizontale Unterlage nicht,
sondern liegen stets frei, oft ziemlich hoch über derselben. Bei 50 süddeutschen Schädeln
schwankte die Erhebung von IV, bis 10'5 Millimeter und betrug im Mittel 5’G7 Millim.
(Fig. 37).
n. Stellt man dagegen den Schädel eines Negers*) in gleicher Weise auf (Fig. 36), so
Fi*. 3». Fig. 37.
ruht derselbe auf folgenden Punkten auf: 1) auf dem Zahubogen (arcus detitalis); bisweilen
nur auf dem Unteren Theil desselben, den Backzähnen; im Fall des Fehlens der Zähne auf
dem Zahnfächerbogen (arcus alveolaris). 2) In der Mehrzahl der Fälle auf den Gelenk-
fortsätzen des Hinterhauptbeins und zwar entweder auf diesen allein oder zugleich auf
den Scitenrändern oder dem hinteren Rand des Foramen magnum. Bei 26 von 50 Neger-
schädeln fand das Aufrollen iu der eliengenannten Weise statt. In einer kleineren Anzahl
von Fällen (24 von 50) berührten die Gelenkfortsätze die horizontale Unterlage ebenfalls
nicht, waren aber doch jedenfalls viel weniger über derselben erhaben, als beim Europäer.
Das Mittel der Erhebung bei diesen 24 Fällen beträgt 1'96 Millim., steht also weit unter
dem Mittel der Europäer. Ziehen wir jedoch das arithmetische Mittel von allen 50 Neger-
schädeln, so beträgt das nur 0"94 Millim. gegen 5 67 beim Europäer, und die Extreme beim
't Die meisten der verglichenen europäischen .Schädel waren solche von Süddeutschen , insbesondere von
■Sehwarswaldern (Itrachjeephal).
*) Oie Stellen, mil welchen diese aufruht, sind verschiedene. Ilei bedeutender Tiefe der Fossae cerehelli
und dadurch bedingter starker Vorwfdbung derselben narb aussen in Form der sogenannten Protuherantiae
cereltelli sind es diese, welche aufliegen. Ist dagegen die Crista oeeipitalis stark entwickelt, so findet das
Aufrulien auf dieser statt.
*) Säinmtliche in der hei folgenden Taltolle Nr. I verseiehneten 60 Negerschädel stammen aus Nordost-
afrika, mit Ausnahme von Xr. I und Nr. 37,
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28 »
Krümmung des Schädelrohrcs.
Neger sind 0 und 5 gegen 1*5 und 10'5 beim Europäer. 3) Auf dem Warzen- und Griffel
fortsatz ruht der Schädel auch bisweilen auf, jedoch verändert dies die übrigen Verhältnisse
nicht 4) Der untere Theil der Schuppe des Hinterhauptbeins liegt gewöhnlich frei und
berührt die horizontale Unterlage nicht •). Zu diesen Messungen liediente ich mich eines in
horizontaler Ebene auf drei Fussen befestigten Brettchens von beigezeichnetcr Gestalt (Fig, 3b),
fig. 3 n. auf welches der Schädel ohne Unterkiefer aufgestellt
wird. Gewöhnlich stelle ich denselben auf die quadra
tische Abtheilung AAAA, ragen jedoch die Warzen-
und Griffelfortsätze stark hervor, so dass sie die Unter-
lage berühren, so schiebe ich den Schädel auf die schma-
lere Abtheilung aaua zurück, so dass die genannten
Fortsätze seitwärts fallen und der Schädel dann nur
auf den näher der Mittellinie gelegenen Thailen (Gelenk-
fortsätzen, Hinterhauptsachuppe) aufruht. l>urch die Spalten oo bewegt sich ein Millimcter-
Maassstab auf- und abwärts, mit welchem man die Erhebung der Gelenkfortsätze über der
horizontalen Unterlage misst
*) Wie nothwendig bei allen derartigen Kragen die Vergleichung einer grösseren Anzahl von Schädeln
ist, um alle durch Vermischung, Alter, Geschlecht, Individualität u. t. w. in die Hacencharaktere eingeführ-
ten „Störungen“ zu climimren, geht aueb aus dieser Untersuchung wieder hervor. Wäre diese zufällig nur
auf die Nr. 27 his W) der Tabelle I beschränkt geblieben, so waren die Schlüsse (teilweise andere geworden.
Archiv fttr Anthropologie, B«i. IV. Halt IV.
37
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290
A. Ecker
Tabelle I.
Negerschädel.
Sämmtlicho Schädel, mit Ausnahme von Nr. I und Nr. 37 stammen aus Nordostafrika.
Alle sind, ohne Unterkiefer, auf einer horizontalen Unterlage aufgestellt und ruhen
vorn auf dem Zahnbogen auf.
3
s
u
g
c
1
Nr.
Nummer |
des 1
Catn- 1
log» 1).
Bezeichnung des Schädel«.
Die Gelenk-
fort sätzc des
0« occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk -
fortsätzt*
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
1
I. 1
Schädel eines Negcrakolets (vom
See Nyasay), b. Ecker, Freib.
naturf. üesellseh. Berichte II.
2861.
—
Der Schädel fallt leicht hinten-
nher, ruht dann auf den Gelenk-
fort sätzen unddem hintern Rande
de« Foramen magnnm.
• 2
I. 3
Schädel eines Etiuucheu&keletn,
abgebildet und beschrieben von
A. Ecker: Zur Kenntnis» des
Körperbau« schwarzer Eunu-
chen. Abhundlg. der Sencken-
i berg’schen (»esc lisch, in Frank-
furt a, M. 1kl. V, Taf. XXII, S. 109.
Der Schädel ruht auf dem Zahn-
bogen und den grossen Warzen*
fortsätzen ; fallen letztere seit-
wärt«, auf ersterem und den Ge-
lenkfortsätzen.
A
I. <
Schädel des Rumpfskelet« eine«
Negers.
-
Gelen kfortsätze sehr vorRtehend.
4 '
' V. 21
i Schädel eines Negers aus Obeid
(Kordofan).
-
—
R 1
V. 18
Schade) eine« Nubancger» , ab-
gebildet und lieschrielten von
A. Ecker: Schädel nordostafrik.
Völker. Ablmudlg. d. Scuckcn-
b erg* sehen Gesellseh. in Frank-
furt ay M. Ikl. VI , Separatab-
druck, S. 10, Taf. VI.
0
V. 19
Desgleichen, ibid, S. 11.
-
—
7
V. 30
Negertchädel.
Der Schädel ruht auch noch
auf dem hinteren Rande de«
Foramen magnum und den
Spitzen der Warzen furtsätze auf.
') Der inthropol. Sammlung iler Universität Freiburg.
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Krümmung des Sch&delrohres.
•2Ü1
—
M
e
I
&
ö
a
a
•B
Kt
o
Nr.
Nummer
des
CrL-
Iors. |
Bezeichnung den Schädels.
Die Gelenk-
fortaäUe de«
üs oecip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Oelenk-
fortaätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
8
V. 17
Schädel eines Neger» von To-
gen» (?). Ecker: Schädel nord-
oatafr. Volker. 1. c. Taf. IX.
8. 15.
Der Schädel lallt leicht hinten-
über.
9
V.
7
Schädel eine« Negers von Dar-
Fertit.
Der Schädel fallt leicht hinten-
über. Gelenkfortsätze »ehr vor-
stehend.
10
V. 10
Schädel eines Negers von Teg-
gelek, vergl. Ecker, 1. c.
Taf. VII, S. 12.
*“
n
V. 11
Schädel eines Negers von Teg-
ge leb. Ecker, ihid. S. 13.
Der Schädel ruht zugleich auf
dem hinten*»» Theile de» Seiten-
randes iles Fora »neu niagiium.
12
t
V. 8
; Schädel eines Negers von Kobi
(Darfur). Ecker, ihid. S. 20.
Der Schädel ruht auf (Zahnho-
gen und) den Warzenfortsätzen;
lässt man letztere seitwärts fallen,
auf den Gelenkfortsätzen und
dem hinteren Theile des Seiten-
müdes de» Kommen tnagnuin.
13
V.
0
Schädel eines Neger« von Dar-
fur.
Der Schädel fallt leicht hinten-
über, ruht dann auf Proc. condyl.
und unterem Thrile der Schuppe;
nach vorn gewendet auf Zahn-
bogen und Griffelfortsitsen ;
lässt man diese seitwärts fallen,
auf Zahnbogen und Gelenkfori-
aätzen; Hinterhauptsschuppe
hoch über dem Boden.
14
V. 12
Schädel eiues Negers von Ha-
madja. Ecker, ihid. III, 8. 7.
—
15
V. .%
Negerschädcl (bezeichnet Ka-
fina).
—
Gelenkfortaätze sehr vorstehend.
16
V. 27
Negerschädel.
1 Der Schädel fällt leicht hinten-
! über und ruht dann auf den
Gelenk Fortsätzen , «len Warzen-
j fortsätzen und den Tuber» ce-
i rebelli, um die Spitze der Proc.
: mastoidei nach vorn gedreht,
auf Zahnbog«-!», Gelenkfortsitzen
und Warzen fortsätzen.
37*
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292
A. Ecker
2
m
Sc
a
3
a
2
Nr.
Nummer
des
Cau-
logs*
Bezeichnung des Schädels.
Die Gelenk-
fort sätze des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fortaätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
17
V.28
Xegernchädel.
—
18
V. 63
Schädel eine* Xegerkuaben 10
hi* 12 Jahr alt.
iXer Schädel ruht zugleich auf
dem hinteren Bande des Fors-
men magnum, den Tubera ce-
rebelli und den Spitzen der
Warzen fortsätze.
19
V. 52
Schädel eine* Xegerknabeu,
circa 9 Jahr alt (bezeichnet An-
RUflra).
Gelenkfortsätze sehr vorstehend.
20
V. 35
Xegerschädel.
-
-
21
V. 30
Xegerschädel.
Der Schädel ruht zugleich auf
dem hinteren Rande des Fora-
men magnum.
22
V. 37
Xegerschädel.
-
-
23
V. 31
Xegerschädel, klein, sehr pro-
gnath. Die zwei mittleren oberen
Sclmeideiähne mit gefeilten
Einschnitten.
Der Schädel ruht zugleich auf
den Spitzen derProc. mastoidei.
24
V. 32
Xegerschädel , sehr proguath.
Schueidezähne de« Ober- und
Unterkiefer» spitz gefeilt.
Der Schädel ruht auf dem Zahn-
bogen und den Warzenfort-
sätzen; lässt man letztere seit-
wärt» fallen, auf ersterem und
den Gelenkfortsätzen.
25
V. 56
Xegerschädel, etwas diffonn.
Pfeil- und Kranznaht geschlos-
sen bei offener Synchondr. sphe-
no-basilaris.
Griffel fortsätze sehr gross. —
Schädel fällt leicht hintenüber,
liegt dann auf den Gelenk lort-
sätzen und dem hinteren Bande
des Foramen magnum auf.
26
V. 48
Xegerschädel.
-
-
27
V. 26
Schädel eines schwarzen Eunu-
chen. Siehe Ecker: Zur Kennt-
uiss des Körperbaues schwar-
zer Eunuchen, 1. ». c., 8 . 109,
Taf. XXII und XXIII.
05
Der Schädel ruht auf der Spitze
der Warzen fortsätze und dem —
sehr -vorstehenden — hinteren
Seitenrande des Foramen ma-
gnum. Ohne das starke Verste-
hen diese* Randes würden die
Gelenkforteätze die Unterlage
berühren.
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Krümmung des Schädelrohres.
293
es
N
&
C
1
6
Nr
N ummer
des
(’iti* 1
logH-
Bezeichnung de* Schädels.
Pie Gelenk- i
fort Ȋtze des
Os occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fortsätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen.
28
V. 6
Schädel eines Negers von I)ar-
Fertit. Siehe Ecker: Schädel
nordostafr. Völker. 1. c. Taf. II,
S. 6.
1
Per Schädel ruht auf dem hin-
teren Theile des Seitenrandes
des Fora men magnum.
29
V. 29
Negerschädel.
1
Per Schädel ruht auf dem hin-
teren Hände des Foramen ma-
guum.
30
V. 50
Xegerschädel.
Der Schädel ruht auf den War-
zenfortsätzen und dem unteren
Theile der Schuppe; fallen erstere
seitwärts, auf dem hinteren Rande
des Foramen magnum. Die Ge-
lenkfortsätze , obgleich sie den
Boden nicht berühren, sehr vor-
stehend.
31
V. 55
Negcrschädel.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Theile des Seitenrandes
des Foramen magnum, der sehr
vorsteht. Proe. condyloidei vor-
stehend.
32
V. 34
Negertchädel. Die mittleren
ot»eren Schneidezähne mit ge*
feilten Einschnitten.
1
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Rande de* Foramen ma-
gnum.
33
V. 33
Negerschädel, jugendlich, sehr
prognath.
1
Der Schädel ruht auf den gros-
sen Warzenfortsätzen, fallen
diese seitwärts, auf dem hinteren
Rande des Foramen magnum.
34
V. 57
Negerschädel.
1,5
Der Schädel ruht auf dem vor-
stehenden hinteren Theile de«
Seitenrandes des Foramen ma-
gnum.
35
V 48
Negerschädel.
1,6
Der Schädel ruht auf den War-
zenfortsätzen ; fallen diese seit-
wärts, auf dem hinteren Rande
des Foramen magnum.
36
V. 14
Schädel eines Negers aus Fa-
zogl.
2
Der Schädel ruht auf dem sehr
vorstehenden hinteren Theile de«
Seitenrandes des Foramen ma-
gnum.
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294
A.
. Ecker,
1
&
Nummer
Die Gelenk- j
fortsätze de« !
0» occip. ru-
Die Gclenk-
fortaätze
ruhen nicht
auf. Erhe-
s
a
I
Nr.
den
Cata-
loga.
Bezeichnung des Schädels.
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
bung über
der horizon-
talen Unter-
lage in Mil-
limetern.
Bemerkungen
37
V. 1
Schädel eines Negers aus Boruu.
Der Schädel ruht auf den War-
zenfortsätzen; fallen diese seit-
wärts , auf dem sehr stark aus-
geprägten hinteren Tlieile de*
Seitenrandes des Foratnen mi-
gnnm.
SH
V. 5
1
Schädel eines Negers aus Dar-
Fertit Siehe Ecker: Schädel
nordustafr. Völker, 1. c. Taf. I,
S. 5.
2
Der Schädel liegt auf den To-
l**ra cerebelli auf.
39
V. 13
Schädel eines Negers aus Fa*
zogl. Siehe Ecker, 1. e. Tb. IV,
s. a 1
2
Der Schädel ruht auf dem sehr
vorstehenden hinteren Theile
de» Seitenrandes des Foratnen
rnagnum.
40
V. 40
Negorschädel, schwer, hoch, pro-
guath. Lücke zwischen den
zwei oberen mittleren Sclmeide-
zuhnen; die zwei unteren mitt-
leren Schneidezähne fehlen.
2
Der Schädel fallt leicht hinten-
über, ruht dun auf den War-
zenfortaätzen und den Tubers
cerebelli, nach vorwärts gewen-
det auf erstereu (und Zalinbo-
i gen); Proc. mast, seitwärt* fal-
lend, auf dem hinteren llande
de* Foramen rnagnum.
41
V. 44
Negersehädel , jung. Den* sap.
noch uicht durch.
2
Der Schädel ruht auf dem hin-
teren Tlieile des Seitenrandes
des Forameu ninguum;
42
V. 28
Negerschädel, sehr schmal, laug,
hoch und prognuth.
2
Auf den Tuliera cerebelli:
43
V. 22
Schädel eines Negers von Tukn.
Ecker, 1. c. Taf. VIII, S. 14.
2
Auf Tuliera cerebelli und dem
hinteren Tlieile des Seitenran-
des de» Foramen rnagnum;
44
V. s
Schädel eiue« Galla. Ibid. Taf. XI,
S. 19.
2
Auf den Warzenfortsätzen ; wenn
diese seitlich fallen, auf dpnTu-
bera cerebelli;
45
V. 2
Desgleichen, ibid. S. 18.
2
Desgleichen ;
46
V. 24
Negerschädel.
3
Auf den Warzenfortsätzen, fällt
leicht hintenüber; wenn die**
seitlich fallen, auf dein hinteren
Tlieile des Seitenrandes de* Fo*
ramen rnagnum.
47
IV. 45
Negerschädel.
3
Desgleichen.
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Krümmung des Schädelrohres. 295
3
g
Z
Sr.
Nummer
des
(ata-
log».
Bezeichnung de« Schädel«.
Die Gelenk-
fortnätze de«
0» occip. ru-
hen auf der
horizonta-
len Unter-
lage auf.
Die Gelenk-
fortftätze
ruhen nicht. ,
auf. Erhe-
bung über
der horizon-
talen Unter- !
läge in Mil- |
li Mietern. |
J
Bemerkungen.
48
V. 51
Schädel eine« Negerknaben,
circa 8 Jahre* alt.
8
Der Schädel ruht auf dein hin-
tereu Theil de« Seiteurande*
de« Foramen magnum.
49
IV. 25
Negersch&del.
4
Desgleichen. Proe. coudyloidei
sehr vorstehend.
50
V. 15
Schädel eines Negers vom Te-
gem-geliel-Ciul, 1. c. Taf. V, »S. ft.
5
Auf dem hinteren Theile des
Seiten rande« de» Foramen nia-
gnum.
Immerhin sind demnach diese Unterschiede bedeutend genug, und es war mir daher sehr
auffallend, beim Nachschlageu in der betreffenden Literatur derselben kaum Erwähnung
gethan zu finden.
Es ist fast nur Sömmering 1 ), der etwas davon beobachtet hat, jedoch scheint ihm
gerade das wesentlichere Moment entgangen zu sein. Er sagt (1. c.), das Foramen inagmun
scheine beim Neger etwas weiter hinten zu liegen, als bei uns, und eine Folge hiervon sei,
dass, wenn man einen Mohrenschädel ohne Unterkiefer auf eine ebene Fläche lege, dieser so
sehr hinten aufliege, dass die Zäliue die Fläche nicht berühren, sondern um mehr als einen
Zoll höher gehoben werden, während die europäischen Schädel sich meist altemal nach vom
neigen und eben so gut auf den Zähnen als hinten aufruhen. Dieses von Sömmering an-
gegebene Hintenüberfallen des Negerschädels findet allerdings in manchen Fällen statt und
Ist in einzelnen dieser durch die starke Entwickelung der Gelenkfortsätze bedingt, indem
diese dann das Hypomochlion eines zweiarmigen Hebels bilden; in anderen Fällen findet aber
ganz dasselbe in Folge einer starken Entwickelung der Processus mastoidei statt, und in noch
anderen Fällen sind die Gelenkfortsätze vorstehend und auf der Unterlage aufruhend, ohne
dass jetloch das genannte Hintonübcrfallcn des Schädels stattfindet, ln der übrigen Literatur
fand ich die abweichende Stellung der Condylen nur selten erwähnt. In der anthropologi-
schen Gesellschaft von Paris wurde bei Gelegenheit der Mittheilung über neu-caledonische
Schädel von BourgareI s ) bemerkt, dass sie in einzelnen Fällen auch auf einem oder beiden
Condylen aufruhen (in 2 Fällen unter 20); ferner bemerkt B roea *) in seinem Aufsatz: „Sur
les projections de la tele etc.“ bei Gelegenheit der Bestimmung seiner Horizontal-Eliene, dass
die Schädel auf einer horizontalen Unterlage hinten bald auf den Warzenfortsätzen, bald
auf den Bosses cerebelleuscs oder selbst auf der unteren Fläche der Condylen aufruhen.
') Sömmerinjr, Ueber die körperliche Verschiedenheit de« Neger» vom Europäer. Mein*, I7S4. Ü 51
und 52.
Bulletin» de U societe d'Authropologie de Pari». I, 450.
») Ibid. III, 517.
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296 A. Ecker,
Pruner-Bey ') giebt als Charakter des NVgerschädels „verlängerte, schmale und sehr geneigte
Condylen" an.
Wie wir olien sahen, ragen also heim Negersehiidel die Gelenkfortsätze viel stärker
hervor, so dass bei Aufstellung der enteren auf einer horizontalen Unterlage dieselben ent-
weder auf dieser aufruhen oder sich wenigstens viel weniger über dieselbe erheben, als beim
Europäer. Diese stärkere Hervorragung ist nicht etwa die Folge einer stärkeren Entwickelung
dieser Fortsätze, sondern vielmehr, wie insbesondere Medianschnitte zeigen, nur das Resultat
einer bei beiden Racen verschiedenen Stellung der Schädelbasis. Die Ebene des Fornmen
magnum bildet mit der Ebene des Clivus beim Neger einen viel kleineren Win-
kel, alB beim Europäer; mit anderen Worten: die Schädelbasis ist an der Berührungs-
stelle der beiden genannten Ebenen viel stärker geknickt, als beim Europäer. Es erhellt
dies aas der Vergleichung der auf Taf. II und III in Fig. I bis 8 abgebildeten Medianschnitte,
die mit dem Lucae'scheu Apparate aufgenommen und um die Hälfte verkleinert sind’).
Wie beistehende Tabelle (Nr. II a. f. S.) zeigt, schwankte beim Neger in 12 Fällen der
genannte Winkel (Condylen winkel) von 100" bis 125" und betrug im Mittel 113'5". Beim
Europäer variirto derselbe in 20 Fällen von 117" bis 140" und das Mittel betrug I28'2".
Es ist klar, dass die Gelenkfortsätze des Hinterhauptbeines, die sich in der Nähe der
Spitze des genannten Winkels befinden, weit mehr Vorsteher: werden, wenn dieser einem
rechten sich nähert als wenn er ein weit offener stumpfer ist. Ein Blick auf die Abbildun-
gen (Taf. II und IHf lässt die genannten Unterschiede sehr deutlich erkennen und zugleich
wahrnehmen, dass die Gelenkfortsätze, wenn inan die Schädel in die aufrechte Stellung bringt
mehr nach vorn geneigt, d. h. mit dem vorderen Ende abwärts gewendet, sind, ein Umstand,
der sofort autfällen muss. Die Schädel , bei welchen der genannte Winkel am kleinsten Ist
sind in der Regel zugleich auch diejenigen , bei welchen die Gelenkfortsätze auf der horizon-
talen Unterlage aufruhen, während jene, bei welchen diese hoch stehen, meistens einen sehr
grossen Condylenwinkel aufweisen.
Alle dio verglichenen und in den Tabellen verzeichneten Schädel sind völlig normale.
Bei Schädeln mit sogenannter eingedrückter Schädelbasis kann die Erhebung der Condylen
über die horizontale Unterlage natürlich eine viel bedeutendere werden. Diese abnormen
Schädel lasse ich hier ganz ausser Betrachtung"). Bei normalen Schädeln trifft , wie Boo-
gard (1. c.) richtig angiebt, eine von der Nasenwurzel zu der hinter dem Foramen magnum
gelegenen Unterfläehe des Hinterhauptbeins gezogene Linie den hinteren Rand des Foramen
magnum selbst, während bei den Schädeln mit eingedrückter Basis das hintere Ende dieser
Linie hinter den Rand des Foramen magnum fallt.
Dass diese verschiedene Knickung der Schädelbasis bei den genannten Racen mit ande-
ren Eigentümlichkeiten des Schädels tbeils als bedingendes Moment, theils als Folge in
*) Memnires de tu socieb* d’Anthropologie do Pari». I, 300.
b Eine Anzahl anderer Schädeldurchschnitto bildete ich einfach dadurch ah, das» ich die Schnittfläche
zuerst mit einer Gummilösung, dann mit Tusche bestrich und nachher auf einem feuchten Papiere mit ge-
hörig weicher Unterlage abdruckte. Die Condylen wurden durch eiuen mit einem Bleistift versehenen Winkel
nachträglich umrinsen.
*) Vergb über diese Veränderung de» .Schädels insbesondere ßoogard, Die Eindrücknng der Schädelbasis
durch die Wirbelsäule. Nederlnndsch Tijdschr. 1605, 2. Afd. p. fil und Schmidt'* Jahrbücher 1865, Bd. 127
Nr. 9, S. 289, woselbst auch die übrige Literatur ober diesen Gegenstand vollständig angegeben ist.
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Krümmung des Schüdelrohrs. 297
nächster Beziehung stehen werde, war von vornherein anzunehinen und wird durch die
Untersuchung bestätigt.
Tabelle II.
Cond v len wink
Neger.
el.
Tabelle IH.
Condylenwin
Europäer.
k e 1.
V.
S 2
~ sa
•2 n
Bezeichnung
Con-
dylen-
winkel
Erhelmng der
Condyli occ.
über der Hori-
znntaleliene
&
2 S
£ £
i.
Bezeichnung
Con-
dylen-
winkel
Erhebung der
Condyli occ.
über der Hori-
zontalebene
1
Neger
100«
0
1
.Schwede
117
1
2
110«
0
2
Schwarzwilder
120
4
3
„
110«
0
3.
Schwarzwälder
120
7
4
„ (bcz. : Kafiua |
110'»
0
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Breiagauer
121
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—
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122
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Schwarzwälder
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Breiagauer
125
9
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BreiRgauer
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117®
1-5
10
Schwarzwiilder
127
2
11
120»
15
11
Schwarzwälder
128
—
12
„ (Fszogi)
125®
2*0
12
Norddeutscher
m
0
Mittel
13
Schwabe
130
10
1135
14
Schwarzwälder
130
15
Schwarzwälder
133
10
16
Schwarzwälder
134
6
17
Schwarzwälder
135
—
18
Schwarzwälder
187
—
19
Schwarzwälder
140
—
20
Schwarzwälder
.45
10*5
Mittel
128 2
Ist der Schädel, wie vorher, auf der horizontalen Unterlage aufgestellt, so erscheint bei
den Schädeln mit kleinem Condylenwinkel, also den Negerschädeln:
1) Das Hinterhaupt steiler aufgerichtet, höher Uber der horizontalen Ebonc gelegen,
während es bei den Schädeln mit entgegengesetzter Bildung auf dieser aufruht.
2) Ferner ist die Ebene des Foramen magnum zu der Horizontalebene so gestellt, dass
sie beim Neger mit derselben entweder
a) einen nach hinten offenen Winkel bildet (Taf. II, Fig. 1, Nr. 13 der Tabelle I); oder
b) mit derselben vollkommen oder nahezu parallel steht (Taf. III, Fig. 5, Nr. 22 der
Tabelle I; oder
c) endlich einen, jedoch immer kleinen, nach vorn offenen Winkel bildet (Taf. II,
Fig. 3; Taf. HI, Fig. 7, Nr. 15 und 16 der Tabelle I),
Archiv für Aotliropologtr, Bd. IV. H«fl IV.
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r
298 A. Ecker,
während die beiden Ebenen beim europäischen Schädel immer einen nach vom offenen
und jeweils viel grösseren Winkel bilden. (Taf. II, Fig. 2, 4; Taf. III, Fig. G, 8.)
Das Foramen magnum ist also allerdings beim Neger im Ganzen mehr nach hinten ge-
richtet und der Winkel zwischen unterer und hinterer Schädelfläche, der sich beim
Europäer ungefähr am hinteren Rande des Foramen magnum findet, fällt beim Neger
schon mit dem Condylen winkel zusammen.
Aus dem bisher Mitgetheilten ergiebt sich, dass:
1) geringere Erhebung der Gelenkfortsätze über der horizontalen Unterlage,
2) kleinerer Condylcnwinkol und
3) steilere Stellung des Foramen magnum nach hinten
stets zusammen Vorkommen und für die untersuchten Negerschädel gegenüber den europäi-
schen immerhin etwas Charakteristisches bilden. Man wird daher wohl annehmen dürfen,
dass es in der Race begründete Unterschiede sind. Bekanntlich war es Daubentou, der
zuerst auf die Eigentümlichkeiten der Stellung des Foramen magnum beim Menschen
gegenüber der bei den Thieren aufmerksam machte. In seinem „ Memoire sur les diffdrences
de la Situation du grand trou occipital dans l'homme etdans les animaux“ ') (gelesen am 1. Sep-
tember 1704 in der französischen Academie) sagt er, beim Menschen liege in Folge seines
aufrechten Ganges das Foramen magnum beinahe in der Mitte der Schädelbasis, d. h. es sei
von dem vorderen Kioferrande kaum mehr entfernt, als von der hinteren Schädelfläche,
ferner unterscheide sich das Foramen magnuin dadurch von dem der Thiere, dass seine Ebene
(welche er Uber dessen hinteren Rand und die Gelenkfiäehe der Gelenkfortsätze legt), wenn
man sie verlängert, unter den Augenhöhlen Austritt. Sie liege in einer fast horizontalen
Ebene, welche die vertieale des Körpers und Halses bei vollkommen aufrechter Stellung des
Kopfes rechtwinklig schneidet. Bei den meisten Thieren liege das Hinterhauptloch am hin-
teren Theile des Schädels und das Hinterhaupt rage nicht über dasselbe hinaus; die Ebene
desselben sei eine vertieale oder wenig nach vorn oder hinten geneigte. Von allen Thieren
unterscheiden sich in dieser Beziehung die Affen am wenigsten von den Menschen und von
diesen wieder die ungeschwänzten oder eigentlichen Affen Doch gebe es auch geschwänzte
Affen, wie z. B. der S&pajnu, die darin nicht mehr vom Menschen verschieden seien, als der
dem Menschen ähnlichste, der Orang-Utan. Dass auch innerhalb des Menschengeschlechts
Verschiedenheiten in der in Rede stehenden Richtung stattfinden, darüber findet sich bei
Daubenton keinerlei Andeutung. Hierauf hat wohl zuerst. Sömmering aufmerksam gemacht.
In der oben citirten Schrift (§. 51) sagt er, das Foramen magnum scheine beim Neger weiter
hinten zu liegen, als beim Europäer, und vermutblich sei das die Ursache, dass der Mohren-
schädel, wie oben Seite 295 erwähnt, ohne Unterkiefer auf eine horizontale Unterlage gestellt,
sich anders verhalte als der des Europäers.
Seit dieser Zeit sind Verschiedenheiten in der Stellung des Foramen magnum beiin
Neger und Europäer mit mehr oder weniger Bestimmtheit angenommen und als Eigen-
thümlichkeiten der Race betrachtet worden. Vor allem ist esHuxley 5 ), der auf die Ver-
9 Histuirc de Pacademio royale den aoieucea. Anuce 1704. Avec loa mömoiroa de mathönialirjuo ot
de jthytwjue |»o!ir 1h Uitme annoe. Paris 1 7#57. 4°. p. 566. — *) Huxlt*y t Zeugnisse für die Stellung des
Meuiphro in <lpr Natur. Aus dem Englischen -von V. Cirui. Brnunschweig, 1663. 8. 170.
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299
Krümmung des Schädelrohrs.
Bchiedenheiten aufmerksam macht und zeigt, dass in den prognathen Schädeln die
Ebene des Foramen magnum mit der Schädelbasisaxe einen kleineren Winkel
bilde, als bei den orthognathen. Aeby') dagegen will der steileren Stellung des Foramen
magnum (er spricht nur von dieser) durchaus keine so wichtige Bedeutung zugeschrieben
haben, wie ich sie oben annehmen zu müssen glaubte (d. h. die einer Raoeneigenthiimlichkeit),
sondern glaubt, dass die Schwankungen in dieser Beziehung nur individueller Natur seien;
insbesondere finde auch — womit er sich insbesondere gegen Huxley wendet — keine
nähere Beziehung dieser Stellung zum Prognathismus statt. Es haite schwer, ein bestimm-
tes Gesetz aufzustellen und es scheine nur eine — freilich vielfach gestörte — Beziehung
zwischen Foramen magnum und Hinterhaupt zu bestehen, in der Weise, dass Kürze des
Hinterhaupts zu steilerer Aufrichtung des Foramen magnum führen würde.
Aeby betrachtet das erstere Moment als die Ursache des letzteren. Ohne das Vorkommen
zahlreicher Variationen im Geringsten läugnen zu wollen, möchte ich doch behaupten, dass
die beiden genannten Momente die nothwendige Folge einer gemeinsamen Ursache sind
und auf einer RaceneigenthUmlichkeit beruhen. Welches diese sei, diese Frage soll weiter
unten genauer erörtert werden; vorher haben wir noch eine andere zu beantworten.
Wir haben bisher nur die Stellung des Schädels ohne Unterkiefer auf einer horizontalen
Unterlage (der Linie UH Tafel II und III) in's Auge gefasst. Diese Linie fallt aber keines-
wegs mit der Horizontalen zusammen, in welcher der Schädel im Leben auf der Wirbelsäule
im Gleichgewicht aufruht, und es entsteht nun also die weitere Frage: Wie verhalten sich
die beiden Schädelformen in Betreff dieser Horizontalen i Diese Frage haben wir in die
folgenden zu zerlegen: 1) Welches ist im Leben bei aufrechter Stellung des Körpers die
Horizontal-Ebene, in welcher der Kopf auf der Wirbelsäule aufruht i 2) Wie verhält sich zu
dieser Ebene die Ebene des Foramen magnum? 3) Finden in den genannten Beziehungen
Verschiedenheiten zwischen dem Neger und dem Europäer statt?
ad 1. Bestimmung der Horizontal- Ebene. — Es ist bekannt, dass die Ansichten hierüber
ziemlich auseinandergingen und dass eben deshalb auf dem Anthropologencongress in Göt-
tingen im Jahr 1 SGI der Versuch gemacht wurde, eine Vereinbarung zu erzielen, um insbesondere
in der bildlichen Darstellung der Schädel eine die Vergleichung leicht gestattende Gleich*
mässigkeit einzuführen. C. E. v. Baer sprach sich bei der hierbei stattfindenden Discussion
in folgender Weise aus 1 ): Bei vollkommen ruhiger Haltung des Kopfes, so dass er mit ge-
ringster Anstrengung der Muskeln auf dom Atlas ruhe, wechsle zwar bei verschiedenen Per-
sonen die Horizontale etwas, immer aber verlaufe sie, von der Ohröffuung aus gezogen,
höher als der Boden der Nasenhöhle und schwanke etwa zwischen dem oberen und unteren
Drittheil derselben. Er fand diese Linie, indem er sich und Andere vor einen senkrecht
befestigten Spiegel stellte und bei ruhiger Haltung, so dass der Kopf mit geringster Anstren-
i) Aeby, Die Schädelformen de* Menschen und der Affen. Lpipzig 1SÜ7, 4°. — Aeby misst bekanntlich die
Länge de* Hinterhaupts in folgender Weine: Auf der Verlängerung seiner Grundlinie nach hinten werden
zwei Senkrechte gezogen, wovon die eine den vorstehendsten Punkt des Hinterhaupts tangirt, die andere den
vorderen Hand des Foramen magnum trifft. Die Distanz zwischen beiden Linien giebt die Länge des Hin*
terhaupts. 1. c. 8. 17.
*) Bericht über die Zusammenkunft einiger Anthropologen in Güttingen von C. E. von Baer und H. Wag-
ner. Leipzig 1861. S. 96.
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300
A. Ecker
gung der Muskeln auf dem Atlas ruhte, in das Bild der Pupille des eigenen Auges sah oder
sehen liess. Da nun diese Baer’sche Linie mit der Jochbeinlinie, d. h. mit einer durch den
oberen Rand des Jochbogens gelegten Linie ziemlich übereinstimmt, so wurde auf dem
genannten Anthropologencongress vereinbart, diese Jochbeinlinie als Horizontale anzunehmen
(Taf. II und III, Linio Z Z). Broca 1 ) dagegen hat eine andere Linie als Horizontale auf-
gestellt. Dieselbe geht als Tangente über den vorstehendsten Punkt der unteren Fläche der
Gelenkfortsätze des Hinterhauptbeins und Uber den unteren Rand des Zahnfächerbogens
(Arcus alveolnria) zwischen den Schneidezähnen hindurch’). Broca ist ebenfalls der Ansicht,
dass bei aufrechter Stellung des Körpers diejenige Stellung des Kopfes die natürliche sei, in
welcher die Sehaxe horizontal verläuft, und hält dafür, dass die Horizontal-Ebene, in .welcher
der Kopf im Leben auf dein Atlas aufruhe, durch die vorgenannte Linie angegeben werde.
ad 2 und 3. Eine Vergleichung der beiden oben genannten Linien bei einer Anzahl von
europäischen Schädeln ergiebt sofort, dass dieselben (die ich kurz als die Baer’sche und
die Broca’sche bezeichnen will) nie oder nur höchst selten einander parallel laufen, sondern
mit einander einen nach vorn offenen Winkel bilden. In 14 Fällen wechselte dieser Winkel
von 9" bis 15° und betrug im Mittel der 14 Fälle 1211".
Bei dein Negerschädel dagegen verlaufen die beiden Linien in der Mehrzahl der Fälle
parallel und bilden nur selten einen erheblichen Winkel mit einander. Von 12 Fällen betrug
das Mittel der Neigung der beiden Linien nur 19". ,
Aus diesen Thatsachen ergiebt sich zweierlei: einmal, dass für den europäischen Schädel
nur die eine der beiden Linien die richtige sein kann und dann, dass in Betreff der Stellung
des Schädels zu der Horizontalen zwischen dem des Negers und dem des Europäers gewich-
tige Unterschiede statthaben müssen.
Betrachten wir nun zunächst, wie sich die einzelnen Theile des Schädels zu den genann-
ten Linien stellen, so ergiebt sich Folgendes:
I. Broca’sche Linie.
A. Beim Europäer 3 ). 1) Dieselbe verläuft über den untersten Theil der Hinterhaupts-
Schuppe, durchschneidet dieselbe oder tangirt sie mindestens. 2) Der Winkel
welchen diese Linie mit der Ebene des Foramen inagnum bildet, ist stets ein nach
vorn offener, ziemlich beträchtlicher, der im Mittel von 12 Fällen 24'ü beträgt
3) Die Jochbeinlinie bildet mit derselben ebenfalls einen nach vom offenen, ziem-
lich grossen Winkel.
B. Beim Neger 1 ). 1) Der hintere Rand des Fortunen maguurn und der untere Theil
der Hinterhauptsschuppe sind stets Uber dieser Linie gelagert und zwar 2 bis
17 -Millimeter darüber (im Mittel von 12 Fällen 7 Millim.). 2) Mit der Ebene des
Foramen mngnum bildet diese Linie entweder: a) einen nach hinten offenen Winkel
(unter 12 Fällen in 2), oder b) sie läuft damit parallel (unter 12 Fällen in 4),
■) llulli-tins de I« «ocii-tc d’Anthropo!o(?ie de Pari». 111, S. 520.
A ) ?>ieh«s Taf. II und III die Linie B B.
3 ) Vergl. Taf. II, Fig. 2 und 4 und Taf. III, Fig. 6 und 8.
4 ) Vergl. Taf. II, Fig. 1 und 8, Taf. III. Fig. 5 und 7.
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Krümmung des Seluidelrohrs.
301
oder sie bildet (unter 12 Fallen in 6), wie beim Europäer, einen nach vom offenen
Winkel, der aber stets viel kleiner ist, als bei diesem, c) Die Jochbeinlinie läuft
mit derselben parallel oder fast parallel.
. II. Baer’sche Linie (d. h. eine mit der Jochbeinlinie parallele, die Gelenkfortsätze des
Hinterhauptbeins tangirende Linie). Dass diese Linie beim Neger meist parallel
mit der vorhergehenden läuft, ist schon erwähnt. Sie berührt also meist den Rand
des Arcus alveolaris BUperior oder entfernt sich nicht weit davon nach aufwärts,
während der vordere Rand der Hinterhauptsschuppe mehr oder minder hoch über
derselben liegt. — Beim Europäer dagegen tangirt oder schneidet diese Linie die
Hinterbauptschuppe und tritt vorn meist in gleicher Höhe mit dem Boden der Nasen-
höhle oder wenig tiefer aus.
Hiernach lässt sich nun nicht verkennen — und es erhellt dies aus einer Vergleichung
der Figuren auf Taf. H und ni und beistebender Fig. 39 auf das Evidenteste, dass es den
Fig. 89. Anschein hat, als habe bei den beiden Racen gleich-
sam eine verschiedene Drehung der die Schädel-
capsel zusammensetzenden Theile um eine Quer-
achse nach vor- oder rückwärts stattgefunden.
Um die hierbei staUfindenden Vorgänge rich-
tig zu verstehen, Ist es nöthig, sich an die Urform
der Schädelwirbel zu erinnern. Ein jeder Schädel-
wirbel hat die Gestalt eines Keils '), dessen Basis
im Bogen, dessen Spitze im Körper liegt Denken
wir uns den Schädel aus drei solchen Elementen
zusammengesetzt, so bilden diese zusammen ein
gebogenes Rohr ( OSFV der Figur 39) als Fort-
setzung des geraden Wirbelrohres ( TF)- Eine mäch-
tige Entwicklung der Bogen muss nothwendig (der
Keilform wegen) die Krümmung dieses Rohres ver-
stärken, eine schwächere sic abflachen. Es ist nun
nicht zu verkennen, dass es den Anschein hat, als
habe bei der einen Race das Eine, bei der anderen
das Andere stattgefunden.
Beim Neger hat, so nehmen wir an, das Schädelrohr eine schwächere Krümmung erlitten
und ist eben deshalb kürzer. Im Einzelnen scheinen folgende Vorgänge dieses Resultat her-
vorzu bringen : A. Es hat, bei relativ mehr fixirtem Basaltbeil, eine Rotation des Bogens des
hintersten Segments (0) nach vor- und aufwärts stattgefunden, eine Bewegung, die ihrerseits
wieder bedingt erscheint durch eine geringere Entwicklung eben dieses Bogentheils. Noth-
wendige Folgen dieser Rotation sind: 1. die steilere, nach hinten gerichtete Stellung dor
Ebene des Forameu magnum; 2. die Erhebung dos Negerschädels nach hinten und die
Lagerung dor Hinterhauptsschuppe Uber der Horizontalen (II JJ) und Uber der Broca’schen
Schema der hypothetischen Drehung der Wirbel-
segmente beim Neger und beim Europäer.
Rothe Conturen: Europäer. Schwarze Con-
turen: Neger. O llinterhauptwirhel, 8 Schei-
telwirbel, F Stirnwirbel, V vierter Wirbel ( Vo-
mer) , W Wirbelsäule , f Kommen magnum,
e Stelle der üelcnkfortsätze dea Hinter-
hauptbein».
*) Vergl. ancb Aeby, Die Schadeiformcn u. ». w., S. 8.
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302
A. Ecker
Linie (B B) j 3. die stärkere Knickung der Schädelbasis in der Gegend der Gelenkfort-
sätze (c) und das hiervon abhängige stärkere Vorstehen derselben, so dass sie bei einem
ohne Unterkiefer auf einer horizontalen Unterlage aufgestellten Schädel diese berühren
oder doch nur wenig darüber erhaben sind; 4. der kleinere Condylenwinkcl. B. Eine
entgegengesetzte Drehung scheint der vordere Schädelwirbel (F) erlitten zu haben, näm-
lich eine Rotation nach vor- und aufwärts, und es ist diese wohl ebenfalls wieder der
Ausdruck einer geringeren Entwicklung des Bogentheils des vordersten Wirbels. Durch
diese beiden Bewegungen, durch welche gewissermaasen ein Zusammenschieben der Bogen-
theile (in der Richtung der Pfeile in Fig. 39) stattfindet, wird natürlich die Krümmung
des Schädelrohres sehr verflacht. C. Eine ganz nothwendige Folge dieser Formveränderung
ist nun aber auch eine ganz andere Stellung des Gcsichtsskelets. Bilden die Körper der drei
Schädelwirbel ( OSF ) einen flacheren Bogen, so muss nothwendig der an diese vorn sich an-
schliessende Körper des letzten, vierten (leeren) Wirbels, der Vomer (F), ebenfalls eine andere
Richtung, nämlich eine mehr nach vor- als abwärts gewendete erhalten und mit demselben
auch das ganze Gesichts.sk eiet. Der Prognathismus steht also mit den erwähnten Rotationen
der Elemente der Schädclc&psel in einem genauen ursächlichen Zusammenhang und hängt
hiernach in erster Reihe von der Gestalt der Schädelbasis ab. Dass der Entwicklungsgrad
der Kiefer auf den Grad des Prognathismus mitbestimmend einwirke, ist dadurch nicht aus-
geschlossen. Es findet diese Stellung des Gesichtsskelets ausser in dem Prognathismus ihren
Ausdruck auch in dem Winkel, welchen Pars basilaris des Hinterhauptbeins und Vomer ')
zusammen bilden Wir wollen diesen Winkel Schädel-Gesichtswinkel nennen, obgleich
er dem von Huxley (1. c.) so genannten nicht ganz vollständig entspricht *). Ein Blick auf
die Fig. 40 zeigt, dass dieser Winkel oiv bedeutend grösser ist, als der Winkel o'sV
und einen Ausdruck giebt für die verschiedene Krümmung des Schädclrohres. Mit der genann-
ten Stellung des Gesichtsskelets hängt cs nun auch zusammen, dass beim Neger die Jochbein-
linie (Z Z) nicht in einem weit offenen Winkel von der Broca'schen Linie (B B) vor- und
aufwärts gerichtet ist, sondern mit derselben parallel läuft, oder doch nur in einem kleinen
Winkel davon abweicht. Mit der Grosso dieses Winkels wächst die prognathe Beschaffen-
heit des Gesichts und es hat den Anschein, als würde, um bei der mechanischen An-
schauung zu bleiben , mit zunehmender Grösse desselben das überkiefergeriist immer mehr
nach vorwärts gedrängt, während mit der ortliognatben Beschaffenheit des Gesichts derselbe
stetig kleiner wird.
Beim Europäer erscheint das Schädelrohr länger und daher stärker gekrümmt Wie aus
Fig. 39 auf vor. S. erhellt, hat es den Anschein, als sei bei ziemlich gleichbleibender Stellung
des mittleren Schädelwirbels ( S ) der hintere Schädelwirbel (O) durch Rotation um eine Quer-
achse nach rück- uud abwärts, der vordere (F) durch eine ähnliche Rotation nach vor- und
■) Oder die Flügelfortsätxo dm Keilbein*. wa* ziemlich auf ein» herauskommt. Die *c trägere Stellung
der Flügelfortsätze de» Keilbein* heim Neger erwähnt auch Hyrtl. Betrachtet mau die Ba*i» eine» Neger.
Schädel* und eine* europäischen, »o fällt sofort auf, das» bei ersterem die untere Fläche der Par» ba-
•ilaris de» Hinterhauptbeins und der hintere Hand de» Vomer flach in einander Übergehen, hei letzterem einen
Winkel bilden.
s > Man erhält diesen Winkel (o«t), wenn man dieAxe der Pars basilaris de» Hinterhauptbeins (o, o' Fig. 40)
nnd de» hintern Rande» de» Vomer (t>, ri Fig. 40) nach oben verlängert.
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303
Krümmung des Schädelrohrs.
Abwärts gedreht. Diese Drehung erscheint aber nur als Ausdruck einer mächtigeren Ent-
wicklung der Bogentheile dieser Wirbelsegmente. Durch die Rotation des hinteren Schädel-
segments ( 0 ) nach rück- und abwärts erhält: 1. die Ebene des Foramen magnum eine
mehr nach vor- und aufwärts gerichtete Stellung; 2. sinkt die Hinterhauptschuppe unter
oder doch auf die Horizontale HU (und die Linie B B) herab; 3. vergrössert sich der
Condylenwinkel (siehe Tabelle III, S. 297) und durch die Rotation des vorderen Schädel-
segments ( F) nach vor- und abwärts erhält natürlich auch der vierte Wirbel, der Vo-
rnor ( V ) , eine mehr gerade, nach abwärts gehende Richtung, und die Folgen hiervon sind:
a) ein kleinerer Schädelgcsichtswinkel (o'sV); b) die Oeffnung eines Winkels zwischen der
Jochbeinlinie ( ZA ) und der Lime BB\ und endlich c) als gemeinsamer Ausdruck dieser
Vorgänge eine mehr orthognathe Stellung des Gesichts. Die 'beistehende Figur 40, in welcher
Fig. 40.
ITmris«» 1 des Mc<liansrhnitts der Schädel: A eines jungen süddeutschen Mädchens (Tüf. III,
Fig. 6) (rotho Sehraftiruug) und B eines Negers aus I>ur*Fur (Taf. II, Fig. 1) (schwarze
Conturcn) üWrciuÄuder gezeichnet, »<» dass die Axen der Keilbeinwirbol (de« Keilbemkör-
per») 1**i beiden piirulh-l laufen. Die geknickten punktirten Linien o,*, r (roth bei A ,
schwarz >>ei B) stellen die Schädel basitaxe dar, welche aus den Abschnitten o (Axe der
Pars basilaris o*ai# occipitU), a (Axe des Keilbeinkürpers) und v (Axe des Voraer) besteht,
n, #, v schwarz (Neger); o' v' roth (eurojauiiehea Mädchen).
ein charakteristischer Negerschädel (Schädel eines Negers aus Dar- Für, Tabelle I, Nr. 13,
Taf. II, Fig. 1 und Fig 30, Seite 288) und der Schädel eines wohlgebauten jungen süd-
deutschen Mädchens Uber einander gezeichnet sind, lässt klar erkennen, dass die Eigenthüm-
lichkeiten der beiden Schädelforinen durch die Annahme der beschriebenen Drehungen der.
verschiedenen Schädelsegmente um Querachsen sich am ungezwungensten erklären lassen.
Die beiden Schädel sind so gestellt, dass die Achsen des Keilbeinkorpers (der beiden Keil-
beinwirbel) beider Schädel parallel laufen.
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304
A. Ecker,
Wenn im Bisherigen von einer Drehung der Segmente der Schädelcapsel um quere Achsen
gesprochen wurde, so ist damit selbstverständlich nicht behauptet, dass zu irgend einer Zeit
der Entwicklung des Schädels ein derartiger mechanischer Vorgang wirklich stattgefunden
habe. Es ist dies eben ein hyi>othetisches Bild, unter welchem sich alle wichtigen Eigen-
thümlichkeiten der beiden Schädelformen zusammenfassen lassen und das wohl auch der
Eigenschaften einer guten Hypothese nicht ermangelt, da es einerseits die geschilderten
Eigenthümlichkeiten genügend erklärt, ohne andererseits in directem Widerspruch mit wohl*
begründeten Thatsachen zu stehen. Alle die einzelnen Vorgänge, welche zusammen den
Eindruck einer Rotation der Segmente der Schädelcapsei nach vorn oder hinten hervorrnfen,
zu ermitteln, das muss freilich späteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben.
Die vorstehende Deutung der' hauptsächlichsten Differenzen zwischen Neger- undEuropäer-
scbädcl, zu welcher, wie mir scheint, eine unbefangene Betrachtung derselben fast mit Noth-
wendigkeit drängt, stimmt, wie man sieht, in den Hauptpunkten mit der von Huxley ver-
tretenen Anschauungsweise des Unterschieds zwischen niederen und höheren Säugethier- und
Mensclienschädeln überein. Huxley 1 ) weist nach, dass, wie Medianschnitte der Schädel
zeigen, hei niederen Siiugethieren die Schädelbasisaxe (ab der beistehenden Figur 41)
(basi-cranial axis, d. i. eine Linie, die vom hinteren Ende der Pars basilaris des Hinterhaupt-
Medianachnitte der Schädel vom Biber, Maki uud Pavian nach Huxley, 1. ». c. S. Mi7.
') I. c. S. 167 u. ff.
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Krümmung des Schiidelrohrs.
beins zum vorderen Ende des Keilbeinkörpers am oberen Ende der Keilbein-Siebbein-Naht
in der Mittellinie verläuft) im Verhältniss zur Länge der Schädelhölde viel länger ist, als
bei höheren, und dass im Zusammenhang hiermit die Ebene desForamen magnum (bc) und der
Lamina cribrosa (da) des Siebbeins vielmehr der senkrechten Stellung sich nähern, während die
Gesichts bas isaxe (<■/) mit der Schädelbasisaxe (ab) einen ganz stumpfen Winkel bildet. Bei
gleichbleibender Schädelbaaisaxe sehe man dann bei höheren Thieren die Schädelhöhle sich ver-
längern, den Schädel dadurch sich wölben, während die Ebene des Fornmen magnum und der
Siebplatte sich, jene nach hinten, diese nnch vorn herabsinkend, mehr der horizontalen Stellung
nähern und der Winkel zwischen Schädelbasisaxe und Gesichtsaxe (Schädclgesichtswinkel)
sich zunehmend verkleinert. Huxtey (l.c.S. 168) fügt bei, es sei klar, dass dio Schädelbasisaxe
eine relativ fixirte Linie sei, um welche, wie man sich Ausdrücken könne, die Knochen des
Oesichts und der Seiten und Decken der Schädelhöhle sich nach unten und nach vorn oder
hinten, je nach ihrer Lage, drehen. In ganz ähnlicher Weise wie die Schädel niederer Säuge-
thiere von höheren und dem des Menschen, so seien auch die prognathen menschlichen
Schädel von den orthognathen verschieden. Ausführlicher spricht sieh Huxley über diesen
Punkt jedoch nicht au». An einem andern Orte •) spricht derselbe von der Drehung der
ganzen Schädelcapsei nach vor- oder rückwärts beim menschlichen Schädel.
Von einer Drehung der Schädelcapsel hat auch Aeby*) gesprochen, ohne ihr jedoch die
Bedeutung einer Raceneigenthümlichkeit beizulegen, während solches wohl ohne Zweifel die
Meinung Huxley ’s ist. Er sagt (die Schädelformen u. s. w. S. 18): die Schwankungen in der
Stellung des Forameu magnum werden durch eine Verschiebung des Hirnschädels im Ganzen
veranlasst und die Drehungsaxe Hege im vorderen Endpunkt seiner Grundlinie, welche letz-
tere bekanntlich vom vorderen Rande des Foramen magnum zum Foramen coecum gezogen
wird. Man sieht, dass diese Drehung der ganzen Schädelcapsel etwas ganz anderes ist, als
die Drehung der einzelnen Segmente, wie wir sie oben beschrieben haben.
Wenn wir mm aber, wozu wir wohl vollständig berechtigt sind, das Schädelrohr als ein
gekrümmtes Rohr betrachten, an dessen vorderem Ende sich, dio Krümmung fortsetzend, als
vierter Wirbelkörper der Vomer ansetzt, so ist wohl klar, wie dies auch von verschiedenen
Autoren eingeräumt wurde, dass die Axe der Basis dieses Rohres (die Wirbelkörperaxe)
ebensowenig als die des Rohres selbst eine gerade Linie sein kann. Es kann daher weder die
Huxley'sehe Schädelbasisaxe noch die Aeby'aehe Grundlinie die wahre Axe der Schä-
delbasis darstcllcn. Diese muss vielmehr eine geknickte Linie sein, welche aus drei im Win-
kel aneinander getilgten Geraden besteht, wovon die hinterste (o) durch dio Mitte der Pars
basilaris des Hinterhauptbeins, die zweite (s) durch dio Mitte des Keilbeinkörpers (hinterer
und vorderer Keilbeinwirbelkörjzer) und die vordere (r) durch den Vomer parallel mit seinem
hinteren Rande verläuft. Ich habo dieselbe in Fig. 40 anzugeben versucht Der Bestimmung
derselben im Erwachsenen steht freilich das Schwinden der Sphonooccipitalfuge im Wege,
immerhin aber wird eine der Mitte der Knochen möglichst nahe laufende Linie die Axe rich-
tiger darstellen als eine willkürlich gezogene Gerade, welche den Ilinterhauptswirbelkör|>er
') Ilnxle;, Ueber zwei extreme Formen de» menschlichen Schädel». Die»c» Archiv I, S. 34.i.
*) Aebjr, 1) Eine neue Methode zur He»timmuug der Schädelformen von Menschen und Saugethiereu.
Braunschvreig 1862. S. 36. 2) Die Schädelformen der Menschen und der Affen. Leipzig 1867. S. 18.
Archiv fllr Anthropologie, Ikl. IV. Heft IV. 30
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A. Ecker,
zwar ziemlich läng» seiner Achse durchzieht, dagegen den Keilbeinkörper schräg durchschnei-
det *). — Es ergiebt sich also auch aus meinen Untersuchungen, dass, wie es Welcker 1 )
richtig ausgedrückt, Prognathismus mit Länge und gestrecktem V erlauf der Schädelbasis,
Orthognathismus mit Kürze und starker Einknickung derselben Zusammentritt^- —
Alle die 'durch die beschriebenen Drehungen der Schädel wirbel bedingten Eigentümlich-
keiten des Negerschädels sind als ebenso viele Annäherungen an den tierischen Typus, zu-
nächst an den der Affen, zu betrachten, so z. ß. die höhere Stellung der Hinterhauptsschuppe
über der Horizontalen, die Stellung der Ebene des Foramen uiagnuin nach hinten, der Pro-
gnathismus u. s. w., nur für den Condylenwinkel kann dies nicht mit demselben Recht
behauptet werden. Das Mittel dieses Winkels beträgt beim Neger, wie oben (S. 297, Ta-
belle II) angegeben, im Mittel USO 0 , beim jungen Orang dagegen 120”, beim Gorilla 122°,
beim alten Orang 128°.
Wir haben die als Resultat einer verschiedenen Drehung der Schädelwirbel anzusehen-
den verschiedenen Schädelformen bis dahin bloss an und für sich betrachtet. Es entstellt
nun die weitere Frage, ob zugleich mit der verschiedenen Conformation der Ebene der Schä-
delbasis nicht auch in der Tliat eine andere Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule vor-
handen sei. Um auf diese Frage eine Antwort zu geben, genügt es nicht, den knöchernen
Kopf allein zu betrachten; cs ist nötliig, denselben mit sammt den Weichtheilen an der Leiche
und die Stellung des Kopfes ain Lebenden in 's Auge zu fassen.
Um mir über diese .Punkte eine klarere Anschauung zu verschaffen , nahm ich an der
frischen Leiche eines sehr wohlgebauten Mädchens von 22 Jahren zunächst das Profil des
ganzen Kopfes mit dem Lucao’sehen Apparat auf. Alsdann trennte ich genau in der Mittel-
linie vom Dornfortsatze des zweiten Halswirbels über den Scheitel bis unter das Kinn sam un-
liebe Wcichtheile bis auf den Knochen durch und präparirte sie auf der einen Seite sorgfältig
bis auf den Knochen weg, so dass auf dieser Seite der knöcherne Kopf bloss lag. Dann nahm
ich mit demselben Apparat sowohl nochmals die äusseren Conturen als dos Profil des knö-
chernen Kopfes auf und zeichnete die beiden Aufnahmen auf Pauspapier. Die Profilconturen,
aufeinander gelegt, deckten sich vollkommen und es konnte so die Stellung der einzelnen
Knochen zur Profilconlur ermittelt werden. Brachte ich min den Kopf in eine Stellung,
welche tnan nach den Beobachtungen am Lebenden als die bei aufrechter Stellung natürliche
bezeichnen kann, und stellte die Zeichnung in gleicher Weise auf (Fig. 42), so ergab sich, dass,
wenn man die Broca’scho Linie als die Horizontale annimmt, das Gesicht viel mehr nach
aufwärts gewendet erscheint, als dies bei vollkommen ungezwungener Stellung des Kopfes
der Fall ist und dass man der Wahrheit näher kommt, wenn man als Horizontale die Joch-
beinlinie oder Baer'sche Linie wählt und eine uiit dieser parallele, die Gelenkfortsätze tan-
girende Linie zieht. Diese trifft aber dann nicht den unteren Rand des Processus nlveolaris,
sondern vielmehr dies obere Drittheil desselben oder auch wohl den Boden der Nasenhöhle
selbst Die durch diese Linie gelegte Ebene betrachte ich als die, in welcher der
europäische Schädel im Leben auf den Gelenkfortsätzen aufruht Da, wie wir
oben gesehen, die Broca'sche Linie beim Europäerschädel mit dieser einen nach vorn offenen
h Vergl. Welcker, Wach«thum uml Hau de» Schädel«. S. 49. Aiim.
•) 1. c. S. 47.
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Krümmung des Schiidelrohrs. 307
Winkel bildet, so verläuft die erstere demnach schräg nach vor- und abwärts. Dass sich der
Negerschädel in dieser Beziehung anders verhalten werde, musste man schon von vorn-
Fig. 42.
*
B
Silhouette eines jungen (süddeutschen) Mädchens von 22 Jahren, mit eingezciclineiera Schädel, in
aufrechter Stellung, Z Z Jochbein - Linie U B Broca’scho Linie, c lieleukfortsatz des .
Hinterhauptbeins.
herein deshalb vermnthen, weil hier die beiden obengenannten Linien, die Jochbeinlinie und
die Broca'sche Linie, in der Regel parallel verlaufen. Um aber auch in Bezug auf den
Neger eine direktere Anschauung zu erhalten, benutzte ich eine Gelegenheit, die sich mir
während des Krieges bot. In einem badischen Lazareth starb ein in der Schlacht bei Wörth
schwer verwundeter Turko-Soldat an Pvaemie. Derselbe hatte fast vollkommenen Negertypiis;
die Haut war fast ganz schwarz, das Haar wollig ’). Ich präparirte und zeichnete nun den
Kopf (Fig. 43, a. f. S.) ganz in derselben Weise wie den des vorgenannten europäischen Mädchens
und brachte denselben in eine Stellung, die der im Leben bei vollkommen ruhiger aufrechter
Stellung eingenommenen möglichst nahe kam. Ein einfacher Blick auf die Zeichnung ergab,
dass, wenn man hier die Baer'sche- (Jochbein - ) Linie als die Horizontale annimmt, das
*) (Jeher seine engere Heimath konnte ich leider nichts herausbringen. da derselbe nur sehr wenig fran-
zösisch verstand. Sein Name war Abdallah-Iien-Lein «nd er diente im 2. Turko-Linien-lufanterie-Regiment.
39*
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308
A. Ecker,
Gesicht eine ganz unnatürliche, gewaltsam nach oben gewendete Stellung erhält. Die natür-
liche Horizontale für diesen Kopf ist vielmehr eine Tangente der Gelenkfortsätze, welche
Kig. 13.
• Silhouette eines Negers (Turko), mit eingezeichnctem Schädel, iu Aufrechter Stellung.
Z Z Jochbein-Lime. .V .Y Ebene, in welcher der Schädel im beiten auf der Wirbelsäule
aufruht. c. (ielenkfortsatz des Hinterhau|itlieina.
etwas über dem Boden der Nasenhöhle, etwa an der Grenze zwischen unterem und mittlerem
Drittheil der Apertura pyriformis austritt. Diese Linie ist in beistebender Fig. 43 mit N N
bezeichnet. Die Jochbeinlinie und die Broca’sche verlaufen dagegen in dieser natürlichen
Stellung nach vorn und abwärts geneigt. Dass diese Stellung die richtigeist, ergiebt sich
auch ganz deutlich aus einer Vergleichung dieser Figur mit den beistellenden Umrissen
(Fig. 44 und 45) von Negerköpfen. Es sind diese nach genau im Profil aufgenommenen Pho-
tographien gemacht, die ich von Herrn Potteau in Paris acqnirirt habe. Ziehe ich auf
diesen Umrissen durch dieselben Punkte des Gesicht», welche bei der Silhouette des Turko
(Fig. 43) von der natürlichen Horizontalen (NN) getroffen werden, eine Linie (NN), so ergiebt
sich unzweifelhaft, dass beim Neger die Baer'scbe und Broca'sche Linie (ZZ und IS 11) nach
vorn und abwärts geneigt sind und dass die natürliche Horizontale mit diesen Linien einen
Winkel bildet.
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309
Krümmung des Schädelrohrs.
Dies erhellt besonders auch aus der Fig. 46, in welcher ich (mit Benutzung der Fig. 43)
den Schädel des Negers von Dar-Fur (Taf. II, Fig. 1) in natürlicher Stellung gezeichnet habe.
Aus dem Vorangehenden ergiebt sich somit, dass der Negerschädel nach vom beträcht-
lich mehr gesenkt ist, als der europäische, d. h. weniger aufrecht steht, was sich unter
Anderem deutlich darin ausdrückt, dass der Längsdurchmesser des Schädels von dem vor-
Fig. 44. Fig. 45.
Profil eines Negers in aufrechter Stel- Profil eines Negers in aufrechter Stel-
lung (nach einer Photographie) 1 ). lang (nach einer Photographie) 1 ).
stehendsten Punkt des Hinterhaupts zur Glabella beim Neger nach vor- und abwärts geneigt
erscheint, während er beim Europäer (siehe Fig. 42) nahezu in horizontaler Sichtung verläuft 1 ).
Fig. 46. Es ist diese Stellung wohl zunächst dadarch be-
iter Schädel des Negers von Dar-Fur
(Taf. II, Fig. 1), nach den Ergebnissen der
Fig.' 43, in das Gesichtsprofil eingezeichnet.
dingt, dass durch die geringere Entwicklung des
Bogentheils des Hinterhauptwirbels das Foramen
magnurn allerdings relativ mehr nach hinten ge-
rückt erscheint, so dass die Hauptmasse des Schä-
dels vor die Wirbelsäule zu liegen kommt. Dies
ist evident, wenn man auf der natürlichen Hori-
zontalen (ZZ) dos Schädels Nr. 6 (Taf. III) einen
Perpendikel errichtet, der den vorderen Rand des
Foramen magnum trifft und einen ebensolchen auf
der natürlichen Horizontalen (NN) des Schädels
Nr. 1 (Taf. II). Man sieht dann, dass an ersterem
durch denselben der Schädel ziemlich halbirt wird,
während an dem Negerschädel fast 1 3 des Schä-
dels vor und nur l /t desselben hinter diese Linie
>) Die Bezeichnung lautet : Belah-ßen-Masaaoud , 24 an* , «olilat ile la l 1 « classe au 24® Tirailleur* a 1 gi-
nne*, ne an Beni Messern (Soudan).
*) Bez.: Emharik-bel-Kreir, 23 an*, Negre, ne ä Bernou {Soudan), Tirailleur algörien.
*) Vielleicht ist dadurch auch die Angabe bedingt, die ich irgendwo gelesen, das* das äussere Ohr beim
Neger höher siehe als heim Europäer.
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310
A. Ecker, Krümmung des Schädelrohrs.
zu liegen kommt. Das Balanciren des Schädels auf der Wirbelsäule muss dadurch allerdings
schwieriger werden und es müssen nothwendiger Weise andere Einrichtungen vorhanden
sein, welche dieses Missverhältniss wieder einigermassen Ausgleichen- Als solche darf man
wohl die kräftige Nackenmuskulatur und den relativ kürzeren Hals der Neger betrachten,
worauf insbesondere Burmeister 1 ) aufmerksam gemacht hat. Ob ein stärkeres Ligatn.
nuchae vorhanden ist, ob andere Bänder stärker sind, ist nicht bekannt; auffallend war mir
nur an verschiedenen Negerschädeln, dass der hintere Rand des Foramen magnum mit starken
Rauhigkeiten versehen war, so dass vielleicht das Lig. obtur. post. Atlant., das sich hier an-
setzt, beim Neger stärker entwickelt ist
Dn diese Senkung des Schädels nach vorn ebenfalls eine niedrigere, thierähnliche Bildung
darstellt, darf mau wohl behaupten, dass nahezu alle Eigentümlichkeiten des Negerschädels
zugleich Annäherungen an eine niedere thierischc Form darstellen.
Anhang zu S- 308 und 309.
Während ich die Correctur des voranstehendeu Artikels besorgte, erhielt ich die von
Herrn Dammann in Hamburg ausgeführten Photographien von Afrikanern, die, da sie eben-
falls genau im Profil und en fa<;c aufgenommen sind, Vergleichungen sehr wohl gi-statten.
Nr. 1 der Reihe (Varlien, Zanzibar-Neger vom Wasualieli-Stamm) ist im Profil in zwei Aus-
gaben, Cabinet- und Visitenkartenformat vorhanden. In erstgenannter Aufnahme ist das
Gesicht unnatürlich nach oben gewendet, während cs in der zweiten so ziemlich die natür-
liche Stellung inne hat Zieht man an diesen beiden Photographien Linien durch dieselben
Punkte des Profils, welche bei den Figuren 43, 44, 45, 46 von solchen getroffen werden, so
wird inan sich von der Richtigkeit des oben Gesagten ebenfalls überzeugen können. In Nr. 12
(Said, Zanzibar-Neger) scheint die Stellung des Kopfes ziemlich die natürliche, während sie
dagegen bei Nr. 11 (Ferrusz, Zanzibar-Neger) offenbar wieder eine unnatürliche ist, ebenso in
Nr. 17 (Uledi , Zanzibar-Neger) und — wenn auch in geringerem Grade — in Nr. 5 (Said-
Ben-Moza, Zanzibar- Neger), Nr. 4 (Vigelin, Zanzibar-Neger) und Nr. 7 (Monsiit, Neger).
’J Burmeisler, geologische Bilder. Leipzig 1S5&. 11. Baud. S. 119 u. IV
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Erklärung der Tafeln II und III.
Sämmtliche hier abgebildcte, io der Medianlinie durchnäßte Schädel sind mit dem Ln cae’schen Apparat
anfgenommen und dann um die Hälfte verkleinert.
Die Bezeichnung int hei allen die uleiche:
H H Homontalehene, auf welcher der Schädel ohne Unterkiefer aufruht.
Z Z Jochhein-Linie.
B B Broca’sche Linie.
F F Ebene de« Foramen magnum.
C C Clivua-Ebene.
N N (in Fig. 1, Taf. II.) Horizontale, in welcher der Nflgerschädel im Leiten nuf der Wirbelsäule
aufrnht.
Tafel 11.
Fig. 36. Schädel eine« Neger* au* Darfur (Tabelle I, Xr. 13).
Fig. 37. Schädel eine* kräftigen Manne* aus SöddeuUchland (Schwarzwälder).
Fig. 38. Schädel eines jungen Negers (Tabelle I, Nr. 15),
Fig. 39. Schädel eines kräftigen Mannes aus SüddeuUchlund (Breisgau).
Tafel HI.
Fig. 40. Schädel eine* Neger* (Tabelle I, Nr. 22).
Fig. 41. Schädel eine* jungen Mädchen» aus Süddeutaehlund (Breisgau).
Fig. 42. Schädel eines Neger* (Tabelle I, Nr. 16).
Fig. 43. Schädel eines jungen Manne«. Deutscher.
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XVII.
Der Fuss eines Japanischen Seiltänzers.
Von
Joh. Chriatn. G. Luoae.
fllicrxu Tafel IV.)
Eins der pikantesten Tliemata der wieder von Neuem bei manchen Fncbgenossen sich
zeigenden naturpliilosophischen Richtung betrifft die Abstammung des Menschen, und es bildet
die Frage : ob der Mensch und die Affen in Eine Ordnung des Systems zu vereinigen oder ob
das terminale Ende der Hinterextremität des Affen mehr eine Hand oder ein mehr dem Men-
schenfuase gleiches Gebilde seif — einen hauptsächlichen Stützpunkt für dieses Thema. Um das
charakteristische Gebilde der Menschheit, den Fuss, das vollkommenste, einzige und aus-
schliessliche StUtzorgan, dem Handfuss des Affen auch in functioneller Beziehung näher zu
bringen, und daher die nahe Verwandtschaft des Mebschen mit den Affen überzeugender zu
machen, finden wir unter Anderem auch den bei manchen Völkern vorkommenden Gebrauch:
den Fuss zu verschiedenen , sonst der Hand zukonunenden Verrichtungen zu verwenden, von
diesen Gelehrten noch besonders hervorgehoben.
So wird uns angeführt, dass die chinesischen Bootsleute mit Hülfe der grossen Zehe das
Ruder führen, die bengalischen Handwerker weben, die Carajas Angelhaken stehlen, oder die
barfüssigen Soldaten auf Java ihren auf dem Boden ausgezahlten Sold mit den Füssen auf-
nelimen. Ebenso kommt es bei den Schiffern auf dem Nil, sowie bei japanischen Seiltänzern
vor, dass sie das Seil mit den beiden ersten Fusszehcn erfassen.
Wenn wir nun auch wohl öfter barfüssige Kinder vom Lande allerlei kleine Verrichtun-
gen mit den Zehen ausfUhren sahen , oder auch zuweilen Leute, welche an den Oberextremi-
täten missbildet sind, allerlei feine Handarbeiten mit den Zehen verrichtend, sich für Geld
sehen lassen, so ist doch immer der Gedanke, dass eine ganze Bevölkerung ohne Noth (die
näheren Umstände kennen wir freilich nicht) bei manchen Verrichtungen den Fuss der Hand
suhstituirt, für uns einigermasscii überraschend. Unwillkürlich knüpft sich hieran die
Vorstellung einer ungewöhnlich beschaffenen und in etwas veränderten Fussbildung. Wissen
Aivbiv (Or Anlhrupslogie. Bl IV, lieft IV. 40
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314
Joh. Christn. G. Lucae,
wir ja doch aus Erfahrung, dass Leute, welche schwere Arbeit in einer bestimmten Richtung
lange ausführen, eine gewisse Stellung der Glieder für immer behalten. Schmiede, welche
schwere Hämmer führen, sind nicht mehr im Stande, die Finger der Hand oder die Arme
vollkommen zu strecken.
Als im Jahr 1867 eine Truppe Japanesen, welche Europa durchwanderte und in grös-
seren Städten als Seiltänzer etc. sich producirte, auch zu uns kam, war cs mir utn so mehr
von Interesse, den Fuss eines solchen genauer zu untersuchen, als eine Arbeit über „Hand
und Fuss“ in vergleichend anatomischer Hinsicht mich einige Zeit vorher beschäftigt hatte.
Es gelang mir, das hervorragendste Mitglied dieser Truppe zur Untersuchung seines
Fusses durch Geld zu bewegen.
An dem Fusse im Allgemeinen war nur eine geringe Aushöhlung der Planta sowie eine
Einsenkung des Gewölbes nach innen wahrzunehmen, welche Form man mit dem Namen
„Plattfuss“ bezeichnet. RUcksichtlich der Lange und der Stellung der Zehen war nur zu be-
merken, dass die zweite Zehe etwas höher stand als die erste, welches durch die Ansicht des
Profils auf der medianen Seite deutlich wird. Wenn nun aber diese Stellung der zweiten
Zehe dadurch, dass diese bei dem Erfassen eines Gegenstandes höher gestellt wird als die
erste, unsere Aufmerksamkeit mehr als sonst verdient, so habe ich doch zu bemerken, dass
sich an den Füssen von Europäern und Europäerinnen, und falls diese wegen dea Tragens von
Schuhen hierfür ohne Bedeutung sein sollten, an dem Abguss eines Xegerfuases sowie an den
Füssen der Antiken diese erhöhte Stellung der zweiten Zehe wiederfindet und daher hier
nicht als etwas Besonderes erwähnt werden kann.
Anderseits findet sich auch in der Entfernung der ersten Zehe von der zweiten und in
einer etwa grösseren Bucht zwischen beiden bei ruhiger Stellung nichts Auffallendes. Her
Fuss eines italienischen barlüss laufenden Bauernjungen, welcher auf der Tafel zugleich mit ab-
gebildet ist, zeigt diese Bucht keineswegs kleiner. Es würde übrigens selbst die Vergrüeserung
dieser Bucht bei dem Japanesen nichts Auffallendes haben, wenn man bedenkt, dass diese
Leute Sandalen tragen, welche mittels iines Riemens an den Fuss befestigt werden. Dieser
Riemen ist an ein Stück Eisen geknüpft, welches senkrecht von der Sandale zwischen der
ersten und zweiten Zehe aufsteigt und dieselben also immer mehr als bei uns es der Fall
ist, trennt.
Bemerkenswerth war aber doch der höhere Grad der Fähigkeit, mit welcher die erste
Zehe von der zweiten abducirt werden konnte; freilich nicht ohne dass erstcre etwas gehoben
wurde. Es gelang nämlich , dem Japanesen ganz freiwillig die beiden Zehen fast 2 Cent,
weit von einander zu entfernen. Ein anderes Individuum der Gesellschaft brachte die Ent-
fernung der Zehenspitzen höchstens auf 12 Mm.
Die Bildhauer Herren Prof. Kaupert und Petri dahier hatten die Güte, mir diesen Fuss
in zwei verschiedenen Stellungen abzuformen, und die geometrischen Abbildungen dieser
Abgüsse finden sich auf der hinten angefügten Tafel IV. Die eine stellt den Fuss in vollkom-
menster Ruhe frei schwebend, indem nämlich das betreffende? Bein im Knie unterstützt war ,
vor')- Diesem gegenüber habe ich den Fuss des Italieners auf (len Boden gestützt zurVerglei-
■) Taf. IV. In der .oberen Reihe, rechts und in der Mitte.
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315
Der l'uss eines Japancsischen Seiltänzers.
chung darges teilt ■). Der zweite Abguss zeigt uns den Kuss, indem er ein rundes Stiick Holz mit
den Zehen umgreift. — Ist nun auch über den ersten nichts weiter zu erwähnen, als das was oben
schon angeführt ist, so gielit uns dagegen dieser zweite Abguss mehr Gelegenheit zu einigen
Bemerkungen. Während hier die erste und zweite Zehe ein Stückchen Holz von 14 Mm.
Durchmesser halten, stehen die beiden gegenseitig zugekehrten Ränder an ihrem vorderen Ende
1 2 Mm. auseinander (in der Ruhe waren diese Stellen nicht ganz 5 Mm. von einander entfernt).
Der ganze Fuss befindet sich in Supination, d. h. in der Beugung mit gehobenem inneren
Rande. Die Sehne des Tibialis anticus ist stark gespannt, weniger deutlich die Sehne
des Tibialis posticus. Die grosse Zehe ist abducirt und in Folge dessen tritt der Abductor
pollicis an der medianen Seite des Fusses aufgeschwollen hervor, und wir bemerken die Haut
hier gefaltet. Zugleich mit der Abduction sehen wir die grosse Zehe im höchsten Grade der
Flexion, so dass sich die Haut der Planta in ihrem inneren vorderen Theile sehr stark in
Falten zeigt. Ausser der grossen Zehe ist aber auch die zweite in hohem Grade flectirt und
mit ihrer unteren Fläche und ihrem vorderen Ende medianwärts gegen ihre Nachbarin ge.
neigt Allein nicht nur diese, sondern aucli die dritte und vierte Zehe sind wie die vorige
flectirt und nach innen gerichtet. Neben dem Flexor hallucis longus und brevis sind also
auch die Flexores quatuor digitorum mit den Lumbricaleu und den Adductoren in vollster
Thätigkeit
Hier sehen wir wohl zur Genüge, wie weit dieser Fuss davon entfernt ist, ein der Hand
analoges Gebilde zu sein, und welche Anstrengungen er macht, wenn er als Greiforgan ver-
wendet werden soll. Damit die zwei ersten Zehen ein Holzstückchen von 1 •/* Cent. Durch-
messor festhalten, entsteht eine krampfhafte Spannung über den ganzen Fuss. Wir sehen
hier die Supinatoren, die Gruppen der Flexoren, die Adductoren neben einem Abductor in
' lächerlichster Collegialität, und zwar an dem Fasse eines Individuums, welches, von Jugend
an zum Seiltänzer gebildet, gewöhnt wurde, mit seinen Zehen zu greifen. Dass ein Organ
für ein anderes eintreten kann und es oft zu einer erstaunenswerthen Fertigkeit in dieser
ihm fremden Verrichtung bringt, sehen wir wohl öfter. Der in Rede stehende Fuss gehört
jedoch nicht dazu. — Immer werden 1) der ein Gewölbe bildende lange Tarsus, 2) die fünf
an einander befestigten Metatarsen, 3) die kurzen Zehen mit 4) dorsaler Flexion an den
Metatarsen *) den Fuss nur als einziges Stützorgan charakterisiren, während 1) der kurze
Carpus, 2) die muldenförmig gestellten Metacarpen, von denen der erste den übrigen oppo-
niren kann, 3) die langen Finger mit 4) volarer Flexion an den Metacarpen, stets die
Charaktero für die Hand, als das einzige Greiforgan, abgeben. Mit welchem von bei-
den Gebilden hat nun aber das terminale Ende an der Hinterextremität des Affen mehr
Aehnlichkeitf Ich sage mit dem zweiten; denn während os mit letzterem drei und ein halb
von den angeführten Eigenschaften gemein hat, zeigt es mit dem ersten nur den hinteren
Theil des Tarsus (nämlich Talus und Calx), und sonst nichts in Uebereinatimmung.
'} Taf. IV. In der unteren Reibe, recht» und in der Mitte. — *) in meiner Abhandlung .Hand und Fu»»**,
Senckenhcrgiseho Abhandlungen 1865, findet »ich öfter CarjKi- Metacarpal- und Tanto-Metatarsal-Gelenk statt
Fhalangu-Metacarpal* und Phalango-Mctatinal-Gclenk gedruckt.
40*
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Erklärung der Tafel IV.
1. Der Pom eines Japanischen Tänzers in der obersten Reihe und links unten.
2. Der Fass eines Italienischen Knaben (in der unteren Reihe recht« und in der Mitte) auf einer Platte
stehend.
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J *
■"*** - A
xvm.
Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Von
Wilhelm Hia.
u.’)
Harvey »teilt für <lie 'Generationslehre am Wendepunkt alter und neuer Zeit. In der
Unabhängigkeit seiner Denkweise und in der Handhabung wissenschaftlicher Methoden mo-
dern im besten Sinne de» Wortes, ist er durch seine eigenen Beobachtungen doch nur bis an
die Schwelle eler neueren Zeit geführt worden. Schlag auf Schlag folgen sich einige Jahr-
zehnte später jene Arbeiten, welche durch Enthüllung ungeahnter Thatsachen auch den Ge-
danken neue, «ml vielfach verführerische Wege eröffnet haben. Von verschiedenen Seiten
her gleichzeitig wird nun versucht, der Zeugungslehre einen frischen Unterbau zu geben, und
binnen Kurzem erhebt sich jener merkwürdige Wettstreit der Meinungen, welcher auch im Ver-
lauf de« verflossenen Jahrhunderts das Interesse weitester Kreise in Anspruch genommen hat
Studien Uber den Säugethiereierstock gehen der einen, die wunderbare Entdeckung der Samen-
faden einer andern Gedankenrichtung den AnstoBs, fernere Motive ergeben sich aus neuen
Untersuchungen über die Entwickelung der Thicre im Ei, und ebenso aus der Auffindung der
bis dabin völlig ungeahnten Welt iufusorieller Bildungen. Die Bewältigung diese» mannich-
faltigeu und gleichzeitig in die Wissenschaft dringenden Stoffes nimmt von den bedeutendsten
Geistern in Anspruch, und manche derselben sind bemüht, ihre ZeugungBtheorien zugleich zum
Angelpunkt allgemeinster Weltauftässungen zu erheben. — Für die Darstellung, die ich mir
vorgenommen habe, ist es erforderlich, die verschiedenen oben angcdcuteten Richtungen nach
ihrer Entstehungsgeschichte getrennt zu betrachten und daun den Verlauf ihres Kampfes in's
Auge zu fassen.
Die Bedeutung des menschlichen und des Säugethiereierstockes für die Zeugungsvorgänge
war von Anfang an schwer zu verstehen gewesen. Die Formübereinstimmung mit den männ-
•) Siehe Nr. XI, S. 197 diese« Bandes.
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318
Wilhelm His,
liehen Hoden, und noch mehr das übereinstimmende Verhalten der Gcfässe und der Nerven
hatten schon seit Herophilus dahin geführt, jene Drüse als dem Hoden gleichwertig
anzusehen und sie als weiblichen Hoden zu bezeichnen Immerhin stellten sich einer
weitem Durchführung der Parallele anatomische Verschiedenheiten in den Weg, welche
um so erheblichere Schwierigkeiten bereiten mussten, je mehr die Sorgfalt der Unter-
suchung wuchs. So mochte schon die von Fallopia erkannte Discontinuität zwischen Tuba
und Drüse nicht rocht mit der vermeintlichen Function stimmen. Noch mehr Schwierigkeit
aber machten die Verschiedenheiten in der Structur der männlichen und der sogenannten
weiblichen Hoden. Die mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen im Innern der letzteren, welche
schon Vesal gesehen hatte, wurden zwar von Einigen als Samenbehälter angesprochen
aber doch hatte gerade Fallopia, als derjenige unter den älteren Anatomen, der sie am
sorgfältigsten beschrieb, ausdrücklich hervorgehoben , dass der Vergleich ihres Inhaltes mit
Samen nicht passe a ). Einzelne kamen denn auch dahin, den weiblichen Geschlechtsdrüsen
überhaupt jegliche Bedeutung für den Zeugungsvorgang abzusprechen. Dies that z. B. Har-
vey, welcher sie der männlichen Prostata oder auch den Mesenterialdrüsen verglich, und sich
in Betreff ihrer geringen Bedeutung auf den Umstand stützte, dass sie im Gegensätze zu dem
männlichen Hoden und auch im Gegensätze zu den Ovarien oviparer Thiere bei der Brunst sich
nicht vergrösserten. Fast zu gleicher Zeit (1645) bezeichnete auch Caspar Hoffmann ein
warmer Anhänger Aristotelischer Lehren, die Testes muliebres als blosse Cadavera testium.
d. h. als Organe, welche, wie die männlichen Brustwarzen, bloss der Erinnerung halber da
seien. Allordings konnte man mit Recht derartig negativen Deutungen jeweilen das Factum
entgegenhalten, dass die Entfernung der weiblichen Hoden, gerade so wie diejenige der
männlichen, beim betreffenden Individuum die Zeugungskraft zerstört, ein Factum, das nicht
nur durch die Erfahrungen der Schweineschneider, sondern in einem Falle sogar durch eine
Erfahrung am menschlichen Weibe bekräftigt war.
So dauerte es lange Zeit, bis der naturgemässe Gedanke herangereift war, die Testes
muliebres des Menschen und der Säugethiere den Eiefstöcken der Oviparen zu vergleichen.
Sten.on 4 ) sprach zuerst diesen Vergleich aus (1667) und fast gleichzeitig mit ihm J. v. Hornc,
1 \ Der Wortlaut der Darstellung des Herophilus findet sich im 2. buche Galens de aemine cap. 1.
*) So unter den Späteren noch von Wharton. Adenographia , London 16M. Wharton hält merkwür-
diger Weise das Ligamentum ovarii für den weiblichen Samenleiter, während er den Tuben die Bedeutung
zucrthcilt, entweder als Luftröhren dee Uterus (Spiracula) zu dienen, oder den männlichen Samen aufzunehmen
und nach den weiblichen Hoden zu führen.
*) Omnee anatomici uno ore asaerunt, in testibus foeminarum aemen fieri, et quod aemine referli reperiun-
tnr. quod ego nuuquam videre potui, quamvia non levem operam, ut hoc cognoaccrem, adhibuerim. Vidi qui-
dem in ipsia quasdam vcluti vezicas aqua vel humore aqueo, alias luteo, alias vero limpido tnrgentcs; aed nua-
quam aemen vidi, nisi in vaais ipaia spermaticia vel delatoriis vocatis.
*) Caspar. Hoffmann: Institutionen medic. lib. II. c. 44.
a ) Stenon’s Ausspruch findet sich in der Schrift: .Ktemcntorum Myologiae specimen sive Musculurum
deecriptio geometrica, cui accedunt canis Carchariac dissoctum caput et diBscctus piscis ex canum geoere*.
Florenz 16G7. „ln cadem Hajae anatome romraunem opinionem eecutua de utero dixi, itlnm id omne vivipans
praeztare, quod ab ovario, oviductu. ovo exspcctant ovipara. Inde vero cum viderim viviparorum testes ova
in ae contincre, cum eorundem uternm itidem in abdoracn nviductus instar apertum notarim, non arapliuz du-
bito, quin mulierum testes ovario analog! aint, quocunque demum modo ex teatibua in ulerum sive ipsa ova
sive ovis contenta materia trausmittalur, ut alibi ex professo osteudam , si quando dabitur partium geuitaUum
analogiam exponere, et errorem illum tollere, qua mulierum genitalis virorum genitalibus analoga creduntar.“
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
während bald darauf R. de Graaf die Aufgabe übernahm, den mehr beiläufig ausgesproche-
nen Gedanken seiner beiden Vorgänger zu begründen und durch methodisch Angestellte Un-
tersuchungen wissenschaftlich sicher zu stellen. In seiner, nach Plan wie nach Durchführung
gleich vortrefflichen Schrift *) liefert er nämlich in erster Linie eine sorgfältige Beschreibung
der weiblichen Genitalien überhaupt, und im besonderen der Ovarien. Diese letzteren ver-
folgt er durch ihre verschiedenen, nach Alter und nacli Sexualthätigkeit wechselnden Ent-
wickelungszust aride. Speciell studirt er die Follikel, oder die Eier, wie er sie nennt, er macht
v. Homo äussert seine Gedanken zuerst in einem an W. Rolfink gerichteten Briefe vom 5. März 1668.
Den Anlass zu dem Briefe gab de GraaFs erste briefliche Mittheilung über seine Entdeckungen hinsichtlich
der männlichen Genitalorgane, v. Home theilt nun behufs der Prioritätsconstatirung die Ergebnisse seiner
eigenen Arbeiten mit und spricht sich hinsichtlich der Ovarien also aus: „Quid ergo inquies testes conferunt
mulieribus? Plurimum profecto et proindo cum Uoffmanno (Instit. lib. II. cap. 44 1 non sunt habendi pro cada-
veribua testium, imo ab ipsis tot um geuerationis opus materiale dependet; quod enim est ovarium in oviparis,
sunt testes muliebres, utpote qui perfecta ova iutra se conti nennt, humoro scatentia, et pellicnla propria cir.
cumcincta, qualia adhuc domi asserro inflata. Quomodo autem haec ova Intra uterum suscipiantur et actuentur
a semine virili |>oetea in tractatu meo exjKjnaro. Neque enim res ea tarn absurd a videbitur, ac prima fronte
apparet, praesertim apud eos qui tubuo uterinae (in brutis vocantur cornua) constitutionem norunt, aperta
enini est intra uterum, atque altera sui extremitato flatutn liquorumque infusum emittit sesequo expandit, di-
ductu timbriarum, instar orificio tnbae aeneae: porro magis probabile erit hoc dogma iis, qui legerunt aut ob*
servarunt, aliquando foetum intra haace tubas repertum luisse.“ — v. Ilorne's Brief ist in der Defcnsio Partium
geniUdiuin von de Graaf abgedruckt, nachdem er zuvor unter dem Titel „Prodromue obeenrationom suarura
circa partes genitales in utroque sexu.“ in Leyden separat erschienen war. Auch Swammerdam druckt ihn
unter Beifügung von Noten ab in der Schrift „Miraculum Xuturae sive Uteri muliebris fabrica“, Leyden 1672.
Zur ausführlichen Darlegung seiner Arbeiten kam v. Home nicht, indem er zwei Jahre nach Publication des
Briefes starb. — De Graaf hat seine Bearbeitung der weiblichen Genitalien spater als v. Home begonnen.
Die Vorzeigung seiner ersten Zeichnung an Swammerdam datirt er in’» Jahr 1670. Seine erste gedruckte
Publication darüber ist ein an L. Schacht gerichteter Brief vom Mai 1671. In dem ärgerlichen Priorität»*
streit, der sich nach v. Horne’a Tode zwischen Swammerdam und de Graaf erhoben hat, spielt die rieh*
tige Interpretation der Ovarien eine weniger hervorragende Rolle, andere anatomische Dinge treten darin
mehr in den Vordergrund. Immerhin wirlt Swammerdam dem de Graaf ungenauer Weise auch das vor,
dass er in jener Sache seinen Vorgänger nicht genannt habe. v. Homo gegenüber nimmt übrigens Swam-
merdam den Hauptanthei! an dem neuen Gedanken für sich in Anspruch. Als junger Doctorand nach Ley-
den kommend, war er mit v. Hör ne in freundschaftlichen Verkehr getreten und halte diesem, besonders bei
der Untersuchung der Genitalien, vielfach assiatirt. Da nun v. Home im Prodromus seiner nicht gedachte,
so nahm er nach dessen Tode den Anlass seiner Streitschrift gegen de Graaf wahr, um auch seine Rechte
an den Entdeckungen v. Horne’s zu behaupten. Hinsichtlich der Ovarien lautet die Stelle (Mirac. naturae
cap. III.): „Primum in quo industriam nostram exerccbamus , utcrue muliebris erat, in quo examinando cum
tubas Fullopianaa conferrem cum infundibulo avium et cornubus uteri in quadrupedibus , quae ova habent,
qualia sunt chamoeleontes, ranae, laccrtac, salaraandrae aquaticae et plura alia, quorum nonnulla vivipara sunt,
ut lucertae, disquirere mecum coepi esaetne aliquod in mulierum ovarium, vel quid aliud ovario simile. Etenim
cum testiculi mulierum, si structuram eorundem respieiäs, magnam cum aliorum animantium testiculis con-
venientiam habeant, et via, qua semen ad uterum deferatur, careant; nec tarnen eo minus Anntomicorum ante-
signani N. Coiter, Beslerus aliique vesicularum, vel glandularum, semine repletarura, mentionem fnoiant,
ubi exitus nullus patet; tandem D. v. Hörne mccum sensit vesiculas illas, quas nos ova vocabamus, per tubas
Fallopianae in uterum deferri idque ob praedietom convenientiam tubamm cum infundibulo, ovi ductu et
cornubus aliorum animalium, nec non piscium et insectorum quorundam. Interim — deprehendimua ova (vac*
carum) cocta instar albumini» gallinacei concrescere.“ Das Datum der Arbeiten verlegt Swammerdam schon
in das Jahr 1666. Er und v. Horne wurden durch die Schrift Stenon’s überrascht, setzten sich indes« in
sehr freundschaftlicher Weise mit diesem auseinander. Der arme de Graaf kam weniger glücklich weg. Die
harten Angriffe des hypochondrischen Swammerdam nahm er so schwer auf, dass er, wie Loouwenhoek
(Brief an Garden) und Haller angeben, aus Kummer darüber kurz darauf starb (1673).
*) R. de Graaf de Mulierum organi« generationi inservientibus tractatu» novus, demonstrans tarn homines
et animalia caetera omnia quae vivipara dicontur, baud minus quam ovipara ab ovo originem ducere. Leyden
1672.
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Wilhelm Hi^,
auf ihre wechselnde Grösse, auf den Getassgehalt ihrer Wand, auf ihre Herauslösbarkeit aus
dem Eierstocke, sowie auf die Gerinnbarkeit ihres Inhaltes beim Kochen aufmerksam;
ferner betont er die Allgemeinheit ihres Vorkommens und ihre grosse Uebereinstimmung mit
den Follikeln des Vogeleierstockes '). Bei diesen anatomischen Darlegungen bleibt indess
de Oraaf nicht stehen, sondern er geht auch den Veränderungen im Eierstocke nach, welche
an den Austritt der Eier sich knüpfen, sucht weiterhin die ausgetretenen Eior im Eileiter auf
und giebt die Geschichte ihrer Ueberleitung nach dem Uterus.
Schon in früherer Zeit waren von Coiter unter der Bezeichnung drüsiger Köq>er die Ge-
bilde beschrieben worden, welche heutzutage den Namen der Corpora lutea tragen. Sie wer-
den von de Graaf als Productc der geplatzten Follikelwand erkannt. Ihre Anzahl kommt
immer der Menge der sich entwickelnden Jungen gleich, indem jedes derselben einem aus-
getretenen Ei entspricht. Nach de Graaf’s Darstellung reiht sich die Bildungsgeschichte
der fraglichen Körper in folgender Weise dem Gesammtverlaufe der Befruchtung ein ’): Der
männliche Samen oder dessen J'cinstcr Bcstandtheil , die sogenannte Aura, dringt durch die
Tuben bis zum Eierstock, und liier bis zu den Eiern vor. Die Berührung zwischen Samen
und Eierstock, sowie die richtige Ueberleitung der Eier in die Tuben, geschieht in Folge der
Umfassung des Ovariums durch die Fimbrien, von welchen überdies einige stets dem Ovarium
anhaften *). Ist einmal die Befruchtung der Eier im Ovarium erfolgt, so kommt es zwischen
ihren, stark sich vascularisirenden Häuten zur Ausscheidung einer gelben, angeblich drüsigen
Masse. Die Höhle, in welcher das Ei liegt, wird in Folge davon verkleinert, das Ei selbst
zusammengedruckt und scldiesslich aus dom Ovarium herausgepresst. Dieser Austritt ge-
schieht drei oder vier Tage nach der Begattung; die Austrittsölfnung, von einem erhabenen,
papillenartigen Rand umgeben, bleibt kurze Zeit offen, und erlaubt von Aussen die Einfüh-
rung einer Sonde, dann schliesst sie sich, und auch die innere Höhlung quillt zu.
l j Ova in omnium animalium genere reporiri confidenter asserimus quandoquidem ra non tantum in avi«
bus, piacibus, tarn oviparis quam viviparis, aed etiam in quadrupedibus, ac ipso homine evidentiasime conspi-
ciantur. In avibux ac piacibus ova reperiri, cum unieuique notum Bit. non ©st quod probemus; in cunieulia
autein, lepnribus eanibus, porcii, ovibus, vaccia et reliquis animalibus a nobis diascctis ca vesicularum ad in-
star, ut in avihus ovorum germina aolent, sese dissecantium ocuHb exhibent; quae in testiculorum superficic
existentia, communem tunicam hinc inde sublevant, atquo ita per eam aliquando transparent, ac bi broviori
ex i tum minarentur (p. 2119 der Ausgabe der Opera omnia von 1677). — Communis itaque foemellarum testi-
culorum ubub est, ova generare, fovero, et ad maturitatem promoverc; sic ut in mulieribus eodem, quo volu-
crum Ovaria, muncre iungantur; hinc potius mulierum ovaria quam testes appellanda veniont; siquidem nullam
similitudinem tum forma, tum contento cum virilibus teatibus proprie sic dictis obtinent (ibid. p. 302).
T ) Quae vero secundum naturam aliquando tantum in mulierum teetibus inveniuntur, sunt globuii, qui
glandularum conglobatarum ad instar, ex multis particulis a ccntro ad circumferentiaro recto quasi ductu ten-
dentibns conflantur et propria membrana obvolvuntur. Hos giobulos non omni tempore in foemellarum testi-
culia existcrc dieimus, quia post coitum tantum in illis deteguntur, unus aut plurrs, prout animal ex illo con-
gressu uuum aut plures foctus in lucom edet. Neque illi adhuc in omnibuB aut ejusdem generia animalibus
Bern per eodem modo seso haben!; in vacci* enim tiavum in ovibus rubrum, in aliis cineritium colorem sor-
tiuntur; praeterea aliquot post coitum diebua tenuiori eubetantia praediti sunt, et in suo medio limpidum liquo-
rein membrana inclasum continent, quo una cum membrana foras propulso, exigua aolum in iis capacitas
auperest, quae sensim ita aboletur, ut postremis gestationis mensibus ex solida tantum substantia conflan vi-
deatur; ennixo j am foctu globuii illi rursuB imminuuntur ac taudem evauescunt.
*) DieB«, die Fimbrine ovarii der neueren Anatomen, werden von de Graaf auf verschiedenen Tafeln gut
dargestellt
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Das ausgestossene Ei gelangt nun in den Eileiter und wird durch ihn nach dem Uterus
geführt. Für diesen Durchtritt spricht nicht nur das analoge Verhalten bei den Vögeln , son-
dern ausserdem das Vorkommen einzelner Fälle von Tubarschwangerschaft, und noch ent-
scheidender die directe Beobachtung. — Der directe Nachweis der Ueberleitung der Eier
erscheint bei de Graaf von ganz besonderem Interesse, und er wird mit grosser Sicherheit
geführt. Von den ersten Momenten nach der Begattung nämlich bis zur Bildung de« Foetus
untersucht de Graaf bei Kaninchen die Ovarien, den Inhalt der Eileiter und denjenigen ilea
Uterus '). Schon am dritten Tage gelingt es ihm, im Eileiter und im Beginn der Uterus-
hörner die ausgestossenen Eier aufzufinden, obwohl diese laut der beigefügten Zeichnung kaum
1 Millimeter im Durchmesser fassen. Am vierten Tage sind die auffindbaren Eier bedeutend
weiter gerückt, und sie lassen in ihrem Innern eine zweite Blase (die Keimblase) erkennen.
Am siebenten Tage sind sie schon mehr als erbsengross, und während sie Anfangs nur lose
in den Uterus eiugelagert waren, verwachsen sie nunmehr mit diesem und können in der
nächstfolgenden Zeit nicht mehr ohne Verletzung isolirt werden. Am neunten und noch deut-
licher am zehnten Tage sieht sodann de Graaf die ersten Spuren des Embryo auftreten,
welche im Verlauf einiger Tage die bestimmteren Fötalformen annehmen.
Diese Untersuchungen de Graaf’s sind oh ihrer Feinheit höchst bewundemswerth, und
mit ihnen Ist auch de Graaf seiner Zeit weit voraus geeilt. Volle SO Jahre später ist Haller
bei seinen mit Kuhleman an mehr denn 40 Schafen Angestellten Nachforschungen nicht im
Stande gewesen, vom Ei und vom Foetus vor dom siebenzehnten Tage etwas aufzutiuden,
und erst unserem gegenwärtigen Jahrhundert blieb es Vorbehalten, die volle Bestätigung von
de Graaf’s Ergebnissen zu liefern. Von den Zeitgenossen wurden de Graaf’s Schriften so-
fort mit grossem Interesse aufgenommen. Kaum einen Monat nach ihrem Erscheinen (am
24. April 1072) fragt schon der bekannte Secretär der königlichen Gesellschaft in London,
H. Oldenburg, hei Malpighi brieflich an, was er und was die übrigen Italiener von den
Behauptungen de Oraaf's hinsichtlich der menschlichen Eier halten. Malpighi spricht sich
in seiner Antwort in durchaus anerkennendem Sinn aus, und führt zu de Graaf’s Gunsten
einige eigene unterstützende Beobachtungen an *). Eine Opposition hat allerdings nicht lange
auf sich warten lassen. So trat schon 1676 Hier. Barbatus gegen de Graaf auf mit der
Behauptung, dessen angebliche Eier seien bloss Drüsen”), und wenige Jahre später erschien
*) In dem für den dritten Tag beschriebenen Falle fand de Graaf rechts drei eröffhote Follikel und auch
drei Eier, wovon eine» im Eileiter, zwei im Beginn der Cterushömer waren; link» dagegen fand »ich »uf drei
offene Follikel mir ein Ei, gleichfalls im Beginn des Cterushornea.
*| Admojum probabilom puto tanti viri pusitjonem, ctenim certum eat in foemineis teatibn» nva reperiri,
etiam in nuper uatis-brutorum infantibus etc. Memini me in nobili muliere nvum in tnba exigunm observasse
et nuper prae manibu» habni mntiebria molar inchoamentutn, quod nvum erat et exterius mirsbili contextura
pollebat. (Malp. Opera Omnia Lugd. Batav. 1IW7. Bd. 11. p. (iS.) Viel eingehender ist die Itarstellung Mal-
pighi’s in »einem Briefe vom 1. November 1681 an Jac Spon, Op. omnia I. p. ‘JI3. Nach einer »ehr gründ-
lichen Schilderung de» Batte» der Corpora lutea, in welcher Malpighi deren .Substanz als wahrscheinlich
drüsig bezeichnet und mit der Substanz der Nebennieren vergleicht, entscheidet er »ich dahin, dass die Folli-
kel wohl nicht die eigentlichen Eier «eien, sondern Materialanhaufungen zur Bildung der Corpora lutea, la
diesen »oll das eigentliche Ei »ich entwickeln und durch die vorhandene Ordnung ausgestoaaen und in die
Tuben gebracht werden.
5 ) Hier. Barbatu« de forroatione, organiaationo, conceptu et nutritione foetus. Patav. 1676; ihn bekämpfte
zu Gunsten de Graaf’» C, Bartholinus d. J., de Ovarül mulierum. Kam 1677.
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Heft IV. 41
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Wilhelm His,
als gewichtiger Gegner A. v. Leeuwenhoek mit zahlreichen Versuchen auf dem Kampf-
plätze, dein sich dann später gleichfalls mit eigenen Versuchen der Königsberger Professor
Th. Jac. Hartmann angeschlossen hat ').
Eine Schwierigkeit bietet de Graaf’s Darstellung, welche ihm selbst nicht entgangen
war, und welche denn auch den Gegnern seiner Auflassung einen Hauptangriffepunkt ge-
liefert hat. Es ist dies der starke Grössenunterschied zwischen den reifen Eiern des Ovariums
und denjenigen der Tuben, de Graaf selbst schätzt die letzteren zehnmal kleiner, als die
ersteren, und um dies zu erklären, nimmt er zu der oben bereits erwähnten Vermuthung Zu-
flucht, dass nach der Befruchtung die Eier durch die wuchcrndo Aussenhaut des Follikels ver-
kleinert würden. Wenn auch de Graaf der Gedanke eines besonderen, von der Follikel-
wand getrennten Eies vorgeschwebt haben mag, und wenn auch Malpighi einen ähnlichen
Gedanken noch bestimmter ausgesprochen hat, so vermochten die älteren Forscher mit ihren
Hülfemitteln über diesen wichtigen Punkt doch noch nicht in’s Klare zu kommen, und be-
kanntlich ist auch Klarheit erst von dem Moment an erreicht worden, da v. Baer im
Innern des Follikels das eigentliche Säugethierei entdeckt hat.
So unerwartet manchen Zeitgenossen die Angaben de Graaf's über das Säugethierei
kommen mochten, so sollten sie an Wunderbarkeit noch übertroffen werden durch die Ent-
deckung der lebenden Samenfaden beim Menschen und bei Thiercn. Die erste Mittlieilung
des neuen Fundes geschah im November 1677 in einem von Leeuwenhoek an den damaligen
Präsidenten der Royal Society, Lord Viscount Bronnker, gerichteten Briefe. Ham hatte
Leeuwenhoek Samen eines gonorrhoischen Mannes gebracht, und dieser vermochte alsobald
H am 's Angabe zu bestätigen, dass die überbrachte Flüssigkeit eine Unzahl lebender Ge-
schöpfe enthalte *). Hierdurch angeregt untersucht Leeuwenhoek auf das Wiederholteste
den gesunden männlichen Samen, und findet darin ohne Ausnahme jene Wesen wieder,
deren wohl tausend auf die Grösse eines Sandkornes gehen. Er giebt nun eine Beschreibung
ihrer Form und Bewegungsweise, sowie der sonstigen im Samen aufgefundenen Bestandtl teile
(kleinere Körner, Krystalle u. s. w.). Gedanken Uber die Bedeutung der gesehenen Gebilde
werden noch keine ausgesprochen , vorerst scheint ihnen Leeuwenhoek keine Bedeutung für
die Zeugung zuzuschreiben, weit mehr Gewicht legt er auf die Beobachtung angeblicher
*) Phil. Jac. Hartmann <3© generatione vivi]*arorum ex ovo, Berlin 1C99, ubgodr. in Ilaller’B diu, aelect.
Bd. VI.
a ) Philo«. TranBactions v. Jahr© 1676, Nr. 142 (nicht Nr. 146, wie Haller angiebt). „Hic Dominus Ham
me secundo inviiens, secum in lagnncula vitrea Semen viri, Gonorrhoea laborantis, «ponte destillatum attulit,
dicens, so post paucissimaa temporis minutiaa . . . unitnalcula viva in eo observaase, qnae caudata et ultra
24 horas non viventia jadicabat. Idem refereb&t se animalcula ohservawe mortua post aumptam ah aegroto
Terebinthinam. Materiam praedictam liatulae vitreae imroitsam proeeente 1). Ham obiervavi, quasdamque in ca
creatura« viventes, at post decursum 2 ant 3 horarum eandem solus materiam obtervana mortuas vidi. — Lan-
dern materiam (semen virile) non aegroti alicujus, non diuturna Conservation e corruptam, vel post aliquot mo-
menta fluidiorem factam, sed sani viri statim j>ost ejectionem, ne interl&bentibua quidem sex arteriae pulsibus
«aepiuacul© observavi, tantamque in ea viventium unimalculorum maltitudinem vidi, ut interdum plura quam 1000
in magnitudine arenae sese moverent.“ Leeuwenhoek findet nöthig beizufugen, dasn er auf Publication «ei-
ner Beobachtungen verzichte, falls Broun leer glauben könnte, sie möchten anttösaig erscheinen: „Et «i
vestra Nobilita« judicet, haec vel nauseam, vel «cand&lum eruditi« paritura, subnixe rogo, Nobilitas vettra sibi
Böli reservet, et ubi conaultum ducit vel promat vel aapprimat."
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Gefässe und Nerven im Samen, welche die prnformirten 'i heile des späteren Leibes sein sollen >).
Der Herausgeber der Philosophical Transactiona ’) spricht gegen letztere Behauptung in sei-
ner Antwort an Leeuwenhook *) ernstliche Bedenken aus, indem er, auf Harvey und
de Graaf sich berufend, die Existenz präformirter Körpertheile im männlichen Samen für
undenkbar hält. Er macht auf die Möglichkeit von Verwechselungen aufmerksam und fordert
Leeuwenhoek vor Allem auf, seine Beobachtung am Samen von Thieren zu wiederholen.
In den folgenden Briefen bestätigt Leeuwenhoek das Vorkommen der Spermatozoen im
Samen des Hundes und des Kaninchens und zeigt, dass sie durch Wasser rasch getödtet wer-
den. An seinen GefUssen hält er fest, ohne indeas seinen Correspondentc» zu überzeugen.
Leeuwenhoek findet nun nach einander die Samenfaden der Insecten, der Fische, der Frösche
und der Vögel. Diese Allgemeinheit des Vorkommens kann natürlich nicht ohne Einfluss auf
seine Gedanken hinsichtlich der Rolle der Fäden bei der Zeugung sein. Die ersten Andeu-
tungen giebt er in einem Briefe vom 22. Januar 1G82 83*). Darin verwirft er des entschieden-
sten die Existenz von Eierstocks- und Eileiterciem bei Säugethieren und beim Menschen.
Jene erscheinen zu gross, um den Eileiter zu durchlaufen, sie sind überdies im Ovarium fest-
gewachsen und können demnach bloss für Gefassausscheidungen gehalten werden. Die Eilei-
tereier aber, die ja viel kleiner sind als die angeblichen Eierstockseier, können höchstens Reste
des männlichen Samens oder Secrctanhäufungen der Tuben sein. Dafür leitet nunmehr Leeu-
wenhoek den Embryo von seinen Sauienthierchen ab, und zwar stammt je ein Foetus von
einem Thierchen. Die Spermatozoen bestimmen nach ihm das Geschlecht, und entsprechend
den zwei Geschlechtern glaubt er beim Menschen und hei Thieren je zwei Arten von Samenthier-
chen gefunden zu haben. Allerdings lässt sieb gegen die Ableitung der Frucht aus einem ein-
zigen Spermatozoen die Einwendung machen, dass ihrer doch unendlich viele vorhanden sind.
Allein es verhält sich damit wie z. B. mit den vielen Tausenden von Samenkernen eines
Apfelbaumes, von welchen nur einzelne die günstigen Bedingungen der Weiterentwickelung
erreichen, während die übrigen aus Mangel an Licht, an Nahrung oder aus anderen Gründen
verkümmern.
l | Jam qnod ad partei ipsas ex quibua craasam eeminia matenam, quoad majorem «ui partem consisterv,
saepine cnm admiratione obaervavi, ea sunt tarn varia ac multa omoie generis magna ac parva Vasa ut nullua
dubitem, ea eaae nervös nrteriaa et venaa: imo in tanta muititodine hacc vaaa vidi, ut credam me in unica
aeminis gutta plura obaervaaar, quam Anatomico per integrum diem eubjectum aiiquod eecanti, occurrunt. Qui-
bua viaie iirmiter credeb&m nuilo in corpore bumano jam formato esae vaaa, quae iti semine virili, bene con-
atituto non reperiantur. Seme) mihi imaginabar, me vidore figuram quandam ad magnitudinem arenae, quam
internao cuidam corporis uoetri parti comparare poteram.
3 ) Ea war dica Nehem. Grow, welcher nach dem im September 1677 erfolgten Tode Oldenbnrg’a die
Nummern 137 — 142 der Philoa. Tranaactiona herauagegeben hat. Es trat dann bia 1663 eine Pauae ein, die
dnreb die Lectionea Cutlerianae und die Philoa. Collectiona Ton R. Hooke auagefüllt wurde. Beide Sammlun-
gen enthalten Briefe von Leenwenhoek.
5 } Vom Januar 1678. Adeo ut aemen mari« nibil aliud sit, quam vebtculum apiritna cujuadam aummo vo-
latilia ac animalia ct eoncoptioni, id est ovo foemineo contoctum vitalem imprimentia.
V) Philoa. Tranaactiona Nr. 145, p. 75. But aa to generation, tho I havi- formerly been very reaerved in
doclaring my thoughta thereof, yet being now further instmeted by manifold Experience, I dare venture to
affirrn it, rather to come from an Animalcule (such aa I find not only in human aeed, but that of all birda,
beata, fiahes and Inaecta) tban an Egg. And tho rather for, aa I find in tbe aeed of a Man, aa also of a dog
two different aorta of Animalculea, anawering tbe different aexee of Male and Kemale.
41 *
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Wilhelm H is
Die Beobachtung der äusseren Befruchtung bei Fröschen und bei Fischen führte sodann
Leeuwenhoek auf den Gedanken, dass im Dotter der eierlegenden Thiere nur ein einziger
Punkt zur Aufnahme der Spermatozoen geeignet sein möge, und dass daher ein Zusammen-
strom von Tausenden erfordert werde, damit einer das Ziel erreiche '). Leeuwenhoek be-
mühte sich wiederholt, sowohl beim Hühnerei, als bei den kleinen Eiern von Flöhen und
Läusen die eingedruugeneu Spermatozoen aufzufinden, allein wegen der zahlreichen, das Ge-
sichtsfeld trübenden Dotterelemente ohno Erfolg Sein Glaubensbekenntnis» fa»st er zu dem
schon im Alterthum formulirten Satz zusammen, dass die Frucht einzig vom männlichen
Samen abstammt, und dass die Mutter, sei es im Ei bei Eierlegenden, sei es im Uterus bei
Lel>endiggebärenden nur den Ort des Wachsthums und die Nahrung gewährt. Als Beleg
hierfür gilt ihm die Erfahrung, dass graue Kaninchen bocke mit weissen oder mit schwarzen
Weibchen gepaart stet« nur graue Junge erzeugen sollen.
In den nächstfolgenden Jahren dehnt Leeuwenhoek seine Untersuchungen noch nach
verschiedenen Richtungen aus. Zunächst führt er Air Fische, Vögel und Säugethiere den
Nachweis der Präformation der Spermatozoen im Hoden, und er bezeichnet daher dies Organ
als deren Bildung»- und Aufbewahrungsstätte. Ausdrücklich nimmt er dabei seine ältere
Behauptung zurück, als ob die Entstehung jener Wesen erst nachträglich im Samen geschehe,
sowie er auch jene früher beschriebenen angeblichen Gefiissknäuel im Samen fallen lässt-
Nach Leeuwenhoek’» Ueberzeugung besitzen die Spermatozoen einen ebenso verwickelten
Bau als der reife menschliche Körper; immerhin gesteht er zu, dass, wenn er auch oft geglaubt
habe, Kopf, Arme und Beine zu erblicken, er doch nie zu Sicherheiten in derartigen Beobach-
tungen gelangt sei. Es sei daher zu warten, bis einmal ein hierzu günstigeres Object sich werde
finden lassen. Bei der Abstammung der Frucht vom Vater kann der Einfluss der Mutter,
wie er doch in der Aebnlichkeit der Kinder mit der Mutter und besonders in der Bostnrd-
bildung vorliegt, nur erklärt werden durch die Natur der gewährten Nahrung. — Zwischen
der Erzeugung von Pflanzen aber und derjenigen von Thieren besteht der Unterschied, dass
jene, weil zur Begattung unfähig, Samen erzeugen müssen, welche zugleich auch die Rolle
des weiblichen Eies übernehmen.
Eine folgende sehr sorgfältige Untersuchungsreihe setzt sich zur Aufgabe, die Zeugungs-
vorgänge specicll bei Säugethieren zu erforschen. Durch Frost wird die Bewegungsfahigkeit
der Fäden des Hundesamens aufgehoben , sonst aber erhält sich diese während mehr denn
sieben Tagen. Dies fuhrt auf den Gedanken, dass beim menschlichen Weibe die eigentliche
*) Brief vom 26. Juli 1633, mitgctheilt in Nr. 152 der Philo*. Transact.
9 ) Nam etiamsi in animalculo ex aernine masculo, unde ortum est Hguram animalia conspicere necqueamus,
attamen satis suporque certi eaae possumus, figuram animalis, ex qua animal ortum est, in animalculo quod in
aernine masculo reperitur conrlusam jacere, aive esse. Etwas naiv klingt die Aufforderung des Actuars der
Royal Soc. vom Jahro 1664 R. Waller: „Si unqnam adeu fuerie felix , ui animutcuJa aeminia tnaaculini in
ovo foemineo observare potueris, ejua rei cwumunicatione noa totot sjbi divinciee. Fierique poaaat. ut ova
inaectorum esaent idonea, in qnibua animalcnia quaerantur, quia sunt minora nvis aliarum ereaturarum, ac
proinde in iia animalcnia non tarn longo quaeri debent,* 1 Leeuwenhoek antwortet darauf, die huecteneier
•eien all und für sich wohl klein, aber im Vergleich zu einem Samenthierchen doch noch ungemein groea,
and ee möchten die letzteren eher zu finden sein, wenn der Eiinhait aus einer klaren Flüssigkeit bestände,
was nicht der Falt sei. Kr werde sich übrigens alle Mühe geben, das Gewünschte zu finden.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
Conception nicht mit der Begattung zusammeuzu'allen brauche, sondern um 8 bis 10 Tage ihr
nachfolgen könne. Es wird dazu vorausgesetzt, dass einer von den vielen eingedrungenen
Spermatozoen einen ganz bestimmten Punkt erreichen mUsse, welcher zu dessen Entwicke-
lung geeignet sei, oder vielleicht auch, dass die Vorbereitung des Uterus zur Aufnahme und
Bebrütung der Spermatozoen an einen gegebenen Zeitpunkt sich knüpfe. Gegenüber den
viel wiederholten Angaben von Harvey •), dass der Samen nicht in den Uterus eindringo und
der darauf begründeten Lehre einer Aura seminalis, führt Leeuwenhoek mit Hülfe des
Mikroskopes den wichtigen Nachweis vom Eintritte der Samenfaden in den Uterus und von
deren allmühliger Wanderung durch die ganze Länge der Tuben. Der Nachweis wird mit
grosser Sorgfalt sowohl für Hunde, als für Kaninchen geliefert. Bei letzteren findet Leeu-
wenhoek unmittelbar nach der Begattnng Maasen von lebenden Samenelementen im Beginn
des Uterus, aber keine in dessen Hörnern und in den Tuben, wogegen sie nach sechs Stun-
den bereits durch die ganze Länge des Rohres sich ausgebreitet haben. In der Vagina finden
sich nur Epithclialschuppen.
Viel weniger glücklich als mit den Spermatozoen ist Leeuwenhoek mit den Eiern: bei
Schafen, Hunden und Kaninchen, welche kurz nach der Begattung getödtet wurden, findet er
zwar im Ovarium geschlossene, mit Flüssigkeit gefüllte, sowie frisch aufgebrochene Follikel,
allein von Eiern in den Tuben vermag er Nichts zu erkennen, und doch glaubt er, es hätte
ihm kein Körper entgehen können, grösser denn ein Blutkörperchen. Erst nach einigen
Tagen begegnet er im Uterus von Schafen und von Kaninchen kleinen Körpern von Sand-
korn- und von Gerstenkorngrösse, in deren einem (von einem angeblich seit drei Tagen be-
sprungenen Schaf stammend) er sogar schon den Kopf mit den Augen und die Wirbelsäule
erkannt hat. Nach alledem erscheint Leeuwenhoek die Behauptung de Graafs vom
Uel>ergang der Eierstockseier in die Tuben auch noch jetzt völlig unhaltbar. Es sprechen
ihm dagegen: die geringen Dimensionen der Tuben gegenüber den grossen der Eierstocks-
follikel, die Verwachsung der letzteren mit dem Eierstocksgewebe, die Unfindbarkeit der an-
geblich ausgesaugten Eier in den Tuben gleich post coltum, und der Umstand, dass die Grös-
sencntwickelung der Säugethierovarien der sexuellen Entwickelung nicht parallel geht. Diese
Organe sind schon bei jungen Thieren verhältnissmässig ebenso gross als bei erwachsenen,
sie enthalten auch beim ganz jungen Kalb schon gefüllte Follikel, und zur Zeit der Puber-
tät und der Brunst ist keine besondere Anschwellung an ihnen zu beobachten.
Die rundlichen Körper, welche als erste Anfänge der Frucht in den weiblichen Organen
gefunden werden, denkt sich Leeuwenhoek aus den Spermatozoen dadurch entstanden,
dass diese, an der gehörigen Stelle des Uterus angelangt, wachsen und, einer Kaulquappe
ähnlich, ihren Schwanz abwerfen, womit sich vielleicht auch eine Häutung verknüpft. Die
Möglichkeit einer vollständigen Organisation eines sehr kleinen Körpers ist ans der Tliat-
sache zu ersehen, dass ein sehr kleiner Embryo schon alle seine Organe besitzt. Auch er-
scheint es Leeuwenhoek wahrscheinlicher, dass die Seelen der Spermatozoen unmittelbar
in diejenige des Embryo übergeben, als dass sie zuerst eine Wanderung in einen anderen
Körper, das Ei, vornehmen, und so gehe auch bei der Entwickelung des Hühnereies der Stoff
*) ltrii-f in Nro. 174 der Philos. Transact.
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Wilhelm His,
des Eies in das Samenthierchen über, nicht aber die Seele dos letztem in das Ei. Aus dem
Oeachiechte der Samenthierchen bestimme sich das Geschlecht des werdenden Geschöpfes, die
Unfruchtbarkeit eines Mannes aber folge nicht, wie man bis dahin geglaubt, aus deasen zu
grosser Kälte, sondern ans dem Mangel an lebenden Spermatozoen im Samen ‘).
Die besprochenen Briefe Leeuwenhoek’s fallen in die Jahre 1677 bis 16S4. In den
nächstfolgenden Jahren hat er die Samenuntersuchungen über andere Arbeiten mehr zurück-
treten lassen. Indess kommt er bei polemischen Anlässen doch wiederholt auf dieselben zu-
rück. 1G93 setzt er sich mit Garden, einige Jahre später mit Hartsoeker, Lister und
mit Plantade auseinander, und endlich behandelte er den Gegenstand noch in seinem
höheren Alter während der Jahre 1715 und 1716 in einigen an Leibnitz und an Boerhaave
gerichteten Briefon. Obwohl in diesen späteren, zur Widerlegung gemachter Einwendungen
entworfenen Briefen Leeu wonhock vorzugsweise auf seine älteren Untersuchungen Bezug
nimmt, so enthalten doch auch sie noch verschiedene neue Beobachtungen, so über das erste
Auftreten der Spermatozoen bei jungen Widdern und bei jungen Hähnen, über die Lebens-
dauer der Fiscbspermatozoen u. A. Auch sind ihnen einige Abbildungen beigegeben, die vor
den älteren durch weit grössere Naturtreue sich auszeichnen. Hinsichtlich der Spermatozoon-
bildung im Hoden glaubt Leeuwenhoek, dass sie am ehesten durch eine rapide Fortpflan-
zung der im Hoden zurückgebliebenen Wesen erklärt werden könne, da einerseits eine Urzeu-
gung derselben undenkbar, und andererseits die enorme Production derselben von einem
Jahre zum andern bei Fischen leicht erweisbar sei. Diese Hypothese, die Leeuwenhoek
ausdrücklich nur als solche giebt, ist nicht weit von der Wahrheit entfernt, sobald wir den
reifen Spermatozoon die samenbildenden Zellen substituiren. Etwas bedenklicher allerdings
ist eine andere Angabe, wonach die Samenfäden des Schafes schon die Gewohnheit haben
sollen, schaarenwci.se einigen Leithammeln nochzuschwimtnen. Es ist dies vielleicht die ein-
zige Angabe, hinsichtlich deren man Leeuwenhoek der Unvorsichtigkeit zu zeihen vermag,
denn im Uebrigen bewährt derselbe durch die gesammte Reihe von Untersuchungen hin-
durch seine eminente Forscherbegabung. Auch da, wo derselbe Hypothesen aufstellt, verliert
er sich nie in’s Abenteuerliche, und er ist immer bemüht, soweit wie nur möglich, seine An-
sichten thatsächlich zu prüfen, und die früher gemachten Beobachtungen neu zu bestätigen
und zu erweitern. Das beste Zeugnis* für Leeuwenhoek’s grosso Wahrheitsliebe liegt jeden-
falls darin, dass er trotz der grossen Verlockung, der er ausgesetzt war, doch niemals eine
innere Organisation der Spermatozoon beschrieben und selbst seine Gedanken darüber immer
nur mit einer gewissen Zurückhaltung mitgetheilt hat. Was aber die Polemik Leeuwen-
hoek’s gegen de Graaf betrifft, so liefert eben diese eine Illustration zu der öfters wieder-
kehrendon Erfahrung, wonach zwei fortschrittliche Neuerungen sich gegenseitig in ihrer Ent-
wickelung stören, wenn sie zu nahe beisammen entstehen, ehe noch die eine oder die andere
*) Quidam haud indoctu« dominus ante aliquod ternpus me invisena, ratiocinando tandem perveniebamus
ad generatinnem, et inter alia ratiocinia de quodam domino verba bebaut, in cujun sernine masculu nulla re-
periebantur animatculu; unde illum dominum veteranum aive emeritum esse militem in militia Vensris esse
conclndebamns, jam propagatinni minime aptum, cum idem dominus ante aliquot annos divereos procreaaset
liberos; unde liquido constat, generatinnem aive propagationem viri depeudere ab optima viventium creatura-
rum in semino ipsius dispositione.
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 327
gehörig Wurzel gefasst hat Leeuwenhoek glaubt seine neuen Erfahrungen auf Kosten
de Graaf 's zur Geltung bringen zu müssen, während man hinwiederum vom entgegengesetz-
ten Lager aus den Werth der Leeuwenhoek’schen Beobachtungen zu vernichten gestrebt
hat, indem man die Spermatozoon völlig leugnete oder sie als acce-ssorische Bestand theile
des Samens darstellte ').
Viel weniger Zurückhaltung in ihren Behauptungen als Leeuwenhoek beobachteten
einige seiner Zeitgenossen, so vor Allem der öfters neben ihm genannte Nicolas Hartsoeker.
Hartsoeker verstand, wie Leeuwenhoek, die Kunst Glas zu schleifen, und er hat schon
im Jahr 1678 mit seinen Gläsern die Samenfaden des Hahnes gesehen; indess hat er erst
im Jahr 1694 in seinem Essay de Dioptrique selber etwas darüber publicirt 8 ). Seine Be-
schreibung ist sehr oberflächlich und auch die Abbildung mehr als primitiv (s. Fig. 47 a. f. S.),
um so weiter gehend dagegen die Interpretation. Jedes Spermatozoon enthält nach Hart-
9 M. Lister behauptete, die Spermatozoen dienten Mos» dazu, um beim Manne den nüthigen Geschlechts-
kitzel zu erregen. Gegen Leeuwenhoek’ s Ansicht vom Uebergang derselben in den Embryo wendet er
hauptsächlich ein, sie müssten dann zweimal alt werden und zeugen, erat als Würmer nämlich, und dann aU
Menschen, und ebenso müssten sie erst eine Wurmseele und dann eine Menachenseele haben ; auch sollte ihre
grosse Beweglichkeit im Widerspruch stehen mit ihrer embryonalen Natur. Daher glaubt Li ater, sie seien
eine Art von Entozoen (M. Lister de humoribus im eap. de semine), Manget (Tbeatr. anat. II, 29) meint, die
spermatozoen seien fadenförmige Gerinsel des Samens, die als Ausgüsse der feinen Satnoukanalchen sich ge*
bildet haben. Verheven erklärt sie für leblose Körper, welche von den unsichtbaren Spiritus genitales her-
urn getrieben werden; und Yallisneri endlich schreibt ihnen die Holk zu, die Gerinnung des Samens zu
hemmen.
-j Hartsoeker hat sich die Priorität der Spermatozoenentdeckung vindicirt, und es ist darüber zwischen
ihm und Leeuwenhoek zu einigen Auseinandersetzungen gekommen. Seine Berechtigung dazu war jeden*
falls nur gering. Im Journal des Scavans 1678, Nr. XXVIII, p. 332 findet »ich ein Auszug aus einem Briefe
von Huygens an die Academie Royale. Mittelst der uns Holland mitgebrachten Mikroekope hat er die der-
mal* viel besprochenen Thierchen im PfefferaufgusR gesehen. „On pourrait dirc que cea animaux s’engendrent
par quelque corruption ou fermentation , mai» ily en a une aut re »orte , qui duivent avoir un autre principe.
Comme »ont ceux qu’on decouvre avec Io microscope dan» la semence de» animaux, Icequels sumblent etre
nee avec eile, et qui sont en si gründe quantite, quMl semble qu’elle en est presque toute cumposee. Ils sont
tous d’one matn-re transparente. Ils ont un mouvement fort viate et leur ligure est «emblable « celle qu’ont
les» grenouilles, avant que leurs pieds soient forme». Getto deroicre deeouverte, qui a etc faite en ifollando
pour la premiere fois me »emble fort imi>ortanto et propre ä donner de Foceupation k ceux qui rccherchent
avec soin la generation des animaux.“ Hier wird Hartsoeker nicht genannt und die Entdeckung l>ereits als
eine in Holland populäre behandelt. Dagegen kommt Huygens in Nr. XXX, pag. 355 auf die Mikroskope
zurück, wovon er eine Abbildung giebt; er bezeichnet Hartsoeker als deren Vervullkomrnner und »agt dann
im Vorbeigelien: ,11 en a trouve (»c. des petits animaux) dann la semenee du coq, qui ont paru k peu pre» de
cette meme figure, qui est fort differente, comme Fon voitc de celle qu’ont ces petits animaux dam la semenoe
des autre», qui ressemblent, comme nou» Pavons remarque k des grenouilles naissantea.“ Auf diese Notiz beruft
•ich 16 Jahre später Hartsoeker in »einem Essay de Dioptrique. pag. 223, wenn er sagt, er glaube zuerst die
Samenthiere gesehen zu haben. Leeuwenhoek widerlegt diesen Anspruch in einem Briefe an H. v. Zoe len
vom 16. Januar 1699, und wahrt Ham die Ehre der ersten Entdeckung. („Viro, quem ob singulärem mo-
de«tiam, judicium politbsimum ac in coeptis assiduitatem roagni semper frei, eumque inter multos mortalium
aptisrimum duxi ad naturae arcana investiganda.®) Leeuwenhoek reproducirt bei dem Anlass einige «der
ersten Actenstücke. In den 1708 erschienenen Conjecture« Physique* und in Recueil de plusieure« piecea de
Physique vom Jahr 1722 bespricht Hartsoeker die Samenfäden, ohne der Priorität der Entdeckung zu ge-
denken, und erst in dem sieben Jahre nach Leen wenhoek's Tod 1730 herausgekomraenen Cour» de Phy-
sique nimmt er den Streit noch einmal auf, und unter Klagen über Leeu wenhoek’s Persönlichkeit behauptet
er, schon 1674 die Samenfaden gesehen, aber au» Schamhaftigkeit nicht eingestanden zu haben. Ich kenne
diese letzte Schrift nur aus dem Referat in Hailer’s Bibi. an. I. 663. Hartsoeker war kein unbegabter
und ein jedenfalls ideenreicher Kopf, aber da« Conjectorenmacben stand ihm naher als das Beobachten, und er
darf in der Hinsicht Lec*u wen hoek nicht an die Seite gestellt werden.
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328
Wilhelm His,
»oeker ein männliches oder weibliches Geschöpf von der entsprechenden Art. Dieses dringt
nach erfolgter Begattung durch die vorhandene einzige Oeffnung in ’s Ei ein, ein Vorgang,
Fig. 47 and 48. der auch beim menschlichen Weibe statt hat. Sofort nach dem
Eintritt schliesst sich die Oeffnung und verweigert jedem nach-
folgenden Spormatozoen den Eintritt. Sollten indess zwei zu-
gleich eingedrungen sein, so kommt es zur Bildung einer Mon-
strosität. Mittelst seines Schwanzendes wächst das kleine Ge-
schöpf im weiblichen Ei fest, sein Schwanz nämlich enthält
die Uinbilikalgefässe, und das Ei spielt die Rolle der Pla-
centa. Das junge Wesen besitzt im Spermatozoon beistellende
Lage (Fig. 48), und «tönst sich schliesslich bei der Geburt mit sei-
nen gegen die Placenta angestemmten Füssen aus dem Ge-
fängnias seiner Hüllen heraus. — Indem Hartsoeker der
mittlerweile durch Malebranche ausgeführten Evolutions-
theorie einige Grundgerlanken entlehnt, argumentirt er, dass
ein jedes männliche Samenthier wieder eine Unzahl anderer
männlicher und weiblicher Tbiere in seinem Innern enthalte,
welche imendlich klein sind ; diese enthalten abermals noch klei-
nere und so fort, so dass die ersten Männchen zur Zeit der Schö-
pfung zugleich mit all den Wesen derselben Spccics geschaffen
worden sind, welche bis an das Ende der Welt werden erzeugt
werden. Aehnliches gilt nicht nur von den Thieren, sondern
auch von den Pflanzen, deren Samen bereits die jungen Pflan-
zengeuerationeu, eine in der andern eingeschlossen enthalten.
Hartsoeker bat seine Ansicht vom Eintritt der Samenfäden
ins Ei und von ihrem Anwachsen daselbst mittelst des Schwan-
zes noch mehrfach wiederholt ')■ Er glaubt, es besitze auch das
menschliche Ei eine Cicatricula, dieselbe sei eine kleine Zelle, in
welche das Spermatozoon einzudringen vermag ’). Bei dem An-
lass bemerkt Hartsoeker, wie es von Interesse wäre, einen
Versuch hei Säugethieren über künstliche Befruchtung anzustellen.
Den Ursprung der Samenfäden führt er Anfangs zurück auf Luft
und Nahrung, von da sollten sie in's Blut und durch dessen
Vermittelung in den Hoden kommen; später zieht er diese Vermuthuug wieder zurück, und
überträgt die Spermatozoenbildung der plastischen Seele dos Körpers.
. Hartsoeker’s oben reproducirte Zeichnung Ist die etwas kühne Illustration einer zuge-
standenen Hypothese. Zu derselben Zeit aber erschien eine kaum minder kühne Zeichnung,
*) So in (1er Suite des Conjectures phpaiifueg, Amsterdam 170«, geptieme discours aur la Generation, pag.
105 u. f., im Recueil de pfusieores pitesa de Physupie, Utrecht 1722, pag. 101, und im Cours de Physique,
Haas? 1730,
-J „Pcut avoir le bonheur ou plutöt le maltieur de »’üitroduire.**
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung. 320
welche als Ausdruck wirklicher Beobachtung sich einzuführen suchte. Ein gewisser de la
Plantade, unter dem Namen Dalepatius schreibend, behauptete nämlich in einem an den
Herausgeber der Nou veiles de la republique des lettres gerichteten Briefe die Entpuppuug
Fig. 49. eines Spermatozoon unmittelbar gesehen zu haben, und soll das entpuppte Ge-
schöpf laut beistehender Figur völlig ausgebildet und mit vollständigen Extre-
mitäten versehen gewesen sein *). Plantade's Behauptung hat- wohl von An-
fang an wenig Gläubige gefunden, immerhin hat es Leeuwenhoek der Mühe
werth gehalten, sie in einem besonderen Schreiben zu widerlegen, einem
Schreiben, das deshalb von Interesse ist, weil Leeuwenhoek darin kritisch
über mikroskopische Beobachtung sich ausspricht, und über seine eigenen üntersuchungs-
methoden einige Angaben macht.
Einer der beachtenswertheren unter den gleichzeitig mit Leeuwenhoek lebenden Ge-
nerationstheoretikern war Boerhaave's Lehrer, Carl Drelincourt in Leyden. Der-
selbe hat mehrere, und zwar vorzugsweise kritische Schriften über die Generationslehre ge-
schrieben *). Von ihm macht Bluincnbach die Bemerkung, er habe allein 262 grundlose Hy-
pothesen über das Zeugungsgeschäft aus den Schriften seiner Vorgänger zusammengestellt,
und nichts sei gewisser, als dass sein eigenes System die 263. ausmache. Drelincourt’s
System ist darin originell, dass es, ohne der Spennatozoen zu gedenken, die Drelincourt
nicht gekannt zu haben scheint, doch von einer Beweglichkeit der Samenatome spricht, und
den Embryo aus einem geordneten Zu.sammentreten der in’s Ei ein gedrungenen Atome ab-
leitet *). Diese, von Drelincourt salzig genannten Atome, von deren Eindringen in’s Ei er
Quis autem crediderit talibus »ub aniinalculis corpus humanum latitare? Quod t innen ipsimet propriif
oculis vidimus. Dum enim ornnia quam accuratisaime observaremus , ununi seBe prodit animalculum, ceterii
paulo maju», quod cuticulam. cui inclusum i’uerat, exuerat. Hocce animalculum liquido exhibebat femur utrum*
que nudum, ernra, pectus braeliium utrumque, cutis paulo altius protracta instar pilci caput tegebat. Sexus
vero discrimen dignosccre non potuimua. Dum hocce animalculum cuticulam auam mutabat moriebatur.
3 ) Drelincourt de Conceptu adversaria, Leyden 16S2; de Conceptu Conceptus, Leyden 1CS5; de femina-
rum ovis historicac et criticao lucubrationes, Leyden 1661 , und verschiedene andere kleine Schriften, ich
habe übrigens nicht gefunden, woher Itluraenbach obige Zahl genommen hat.
a ) de conceptu conceptus perioche XXIX. Masculnm itaque Semen speculor atomis salinis turgesoens et
quidem aetmssimia et ah universo corpore deciduis, nec non multiplici genitalium organorum apparmtu ita
subactis, ut pturimia partium ideis impraegnentur. Foeminarum deincepe ova contemplor liquore crystalliuo
disteuta, et pellicnla ductili porosissima duplicique munita .... Tertio demum maritalem copulam perlustro
et semen masculum univervi corporis velut epileptica vibratione in vuginam, inqtie utcri oervicem internam
atque adeo in ipsum uteri fundum impetu quodam eflerri percipio semen enim apiritibus universe turget atque
•pumescit. At spiritunm est, impetus suos exercere et uterinae ccrvicis singulas perrumpere claustra, quo in-
timius in uterum irrumpant. Istia praelibatis ovum concipio, hao v. g. mulcibri venere ab ovari-o in uteri
fandum utquo devolvi. Masculas insuper atomos innumeras, attendo acidoaalinas; et illas quidem aclivissimas
atque adco mobilissimas ac in simul penetrant issitna« contemplor. ln uterum igitur aseurgunt ct ovum Inibi
orbiculalim et assultim irapetunt, atque ita porulos ejus quoquoversus subeuut ... fit, ut inibi milliariae sese
coustipent non tumultuose quidem aed mira et inenarahili seric singul i »ese in illos online« varioe atque varios
referant, quos ipsis sumraus generia humani sator, cujus dtgituR hie singulariter clucet, ex suorura niotuum
atque figurarum varietato stupenda praestituit . . . Stet ergo ratutn atque sancitum apud-nos, masculum semen
embryonis esse principium aclivum insiinul atque materiale, foemineom vero pascivnm duntoxat atque nutriti-
vum. Anklünge an diese Darstellung finden sich noch bei iioerhaave, obwohl er die Spcrmatoroen an die
Stelle der Atome setzt. „Itaque masculinom semen animalculis vivis, Beatens maxima vi, summo calore forte
et ingenti copia «pirituum animalium incitatum, convulsiva uteri constrictione retentum, calcfactum, agitatum
ovo occurens parte vivaci incrcdibiliter parva intrat per dilatatos tum poros glandulosae factae membranulae
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Haft IV. 42
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330
Wilhelm His,
eine sehr plastische Beschreibung giebt, stammen aus dem Ueberschuss der sämmtlicben Kör-
pertheile und sind mit deren Ideen impräguirt. Nur sie sind das active Princip der Embryo-
bildung, das mütterliche Ei liefert die Stätte der Entwickelung und die Nahrung.
Gegen Drelincourt und gegen die 70 zu Gunsten des menschlichen Eies von ihm an-
geführten Gewährsmänner hat Leouwenhoek das oben analysirte Schreiben gerichtet, wel-
ches durch den Nachweis vom Eindringen de» Samens in Uterus und Tuben die Eilehre völlig
vernichten sollte. Der Einfluss dieser Lehre war übrigens nicht so leichten Kaufes zu besei-
tigen, und bald hatte sich Leouwenhoek auch derjenigen zu erwehren, welche seine eigenen
Entdeckungen mit denjenigen de Graaf's zu combiniren strebten. Den ersten, keineswegs
ungeschickten Versuch solch einer Combination machte Georg Garden von Aberdeen im
Jahre lölfO *)• Die Arbeiten von Harvey, Malpighi und de Graaf führen, wie Garden
bemerkt, dabin, alle Thiere aus dem Ei abzuleiten, d. h. vom weiblichen Zeugungsmaterial,
und dem männlichen die blosse Rolle des Anstosses zu übertragen. Nun glaubt aber Garden,
ein jedes Thier stamme von je einem männlichen Samen thiere, welches zu seiner Entwicke-
lung des weiblichen Eies bedürfe. Es müsse zu dem Behuf in die Cicatricula und zwar in
deren Centrum eindringen, und diese sei wahrscheinlich so gebaut, dass sie nicht leicht meh-
rere Spermatozoen aufnehmen könne. Zwischen Saugethierei und Vogeloi sei der Unter-
schied, dass jenes ausschliesslich aus einer Cicatricula nebst Colliquament bestehe. Die Exi-
stenz der Säugethiereier sei aber deshalb anzunehmen, weil für die Entwickelung des Embryo
überhaupt ein Nest von Nöthen sei, und weil nmn sich eine einzelne C'onception gar nicht
denken könnte, wenn der Aufenthalt im Uterus an und für sich zur Entwickelung der Sper-
matozoen genügend wäre. Audi stehe der sich entwickelnde Embryo Anfangs mit dem
mütterlichen Uterus gar nicht in Verbindung. Endlich sprächen für die Bildung der Eier im
Eierstocke die zuweilen vorkommenden extrauterinen Schwangerschaften, sowie die consta- 1
tirte Unfruchtbarkeit castrirtcr weiblicher Thiere. Für die Abstammung des Embryo aber
aus einem Samenfaden führt Garden die Aehnlichkeit an, welche ein solcher mit den von
Malpighi abgebildeten ersten Rudimenten de» Foetus besitze. Garden denkt sich, es finde
der Eintritt des Spermatozoon in’s Ei schon im Ovarium statt, und er beseitigt den Einwaud
der Verschiedenheiten im Durchmesser der Eierstockscier und demjenigen der Tuben durch
die Bemerkung, es hätten schon de Graaf und Malpighi den Nachweis geliefert, dass die Fol-
likel des Eierstocks nicht das wirkliche Ei, sondern zu dessen Aufnahme bestimmte drüsige
Behälter darstollten, aus welchen dann das wirkliche Ei durch Bersten entleert werde.
Die von Garden versuchte Vermittelung zwischen Ei und Samentheorien steht, wie wir
jetzt wissen, in mehreren Hauptpunkten der Wahrheit sehr nahe, und sie zeichnet sich von
verschiedenen ähnlichen Versuchen durch ihre maassvolle Durchführung aus*). Schon Hart-
ovi, ibi retinetur, snstinetur, fovclor, nutritur, umbilioo suo acerescit, reliqua minus vivaeia animalcula suffocat
sieque conceptua faetna eat. Qui ergo fieri poteat in omni illo loco, ubi Semen talo illud ovum alluit . . . .
tarnen ut forte non improbahile perfoctisaimum conceptum fieri, binis bis in uterum eodem tempore simul de-
latia eommiatisque.* (Boerhaave Inuit, medio. §. 673. Ausgabe von 1730.)
') Philos. Transactions Sr. 172, später in einem directen Briefe an Leeowouhook vom Jahre 1633. Be»
Letztem Antwort ist unbedeutend und enthalt keine neuen Beobachtungen,
*1 Merkwürdig ist das theologische Argument Garden’s zu Gunsten doa Hervorgehena des Embryo aus
dem männlichen Samenfaden. „Tbis givea a new light to the first propbecy conceming the Messias, tbat the
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Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
sock er ist in der Hinsicht ‘über das Erlaubte weit hinausgegangea, und einige nachfolgende
Schriftsteller, wie z. B. Andry *), sind in solch willkürlichen Darstellungen nicht hinter ihm
zurückgeblieben. Man ist versucht, diesen Uebertreibungen die Schuld beizuwessen, weshalb
die Annahme von dem Eindringen der Samenfäden in*® Ei nicht bleibend zur allgemeinen Gel-
tung gelangt ist. Indcss hat gerade die Theorie, durch welche jene Annahme während län-
gerer Zeit siegreich aus dem Felde geschlagen wurde, die Theorie der Evolution in Ausma-
lung ungesehener Dinge noch wesentlich mehr geleistet, als die Spermatozoentheorien Leeu--
wenhoek’s und Garden’s, ja selbst als diejenige von H&rtsoeker. Die Sperinato-
zoen waren doch noch fassbare, nachweislich belebte Körper, denen man, so lange die Be-
dingungen einfacheren Lebens unbekannt waren, eine feinere Organisation, wie z. B. Mus-
keln, Sehnen und innere Organe zuzuschreibeu wohl berechtigt war. Die Wortführer der
Evolutionisten aber sind bald dahin gelangt, organisirte Wesen mit unendlich vielen einge-
schachtelten Generationen nachfolgender Wesen da zu behaupten, wo auch den besten Mikro-
skopen jegliche Spur eines sichtbaren Körpers abhanden gekommen war.
Unter den hervorragenden Männern, welche die SjKirmatozoentheorie in mehr oder min-
der gemässigter Form beibehielten, sind Boerhaave, Leibnitz und unter den Späteren
J. Lieutaud zu nennen. Boerhaave und Lieutaud haben Beide die Ansicht vom Ein-
tritte der Samenfaden in’s Ei und von seiner Ausbildung zum Embryo vertreten 1 ). Leibnitz
hat die »Spermatozoen für seine Monadenlehre zu verwerthen gesucht, und sie für unsterbliche
Wesen erklärt, welche bei der Zeugung mit einem ausgedehnteren Leibe sich umkleiden und
eine vernünftige Seele erlangen B ).
se£d of the vornan «ball briae the head of the aerpent, all the rest of the mankind bering thus mo*t properly
and truly the aeed of the man.“
*) Nie. Andry de la Generation des Vers dans le Corps de l’homme, Paris 1700. An der Stelle, wo das
Ei vom Ovariain sich ablöst, bleibt eine Oeffnung, durch weiche die Samen thiereben ei nt roten. Von diesen
hat nur eines im Innern Platz. Es rollt «ich nach seinem Eintritt zusammen und drückt mit seinem Schwanz
eine an der Oeffhong befindliche Klappe zu, indem es so den Uebrigen den Eintritt versperrt. Auch Andry
vertritt wie Hartsocker der Einschachtelung der kommenden Generationen im I.eibe jedes. Spermatozoen.
*) Boerhaave, Instit. medio, oben citirt. Jos. Lieutaud, Elcmonta Physiologiae , Amsterdam 1749,
pag. 213. „Miasmata viventia* nennt Lieutaud mit einem hübschen Ausdruck die Spermatozoen. Einen
eifrigen Anhänger hat die Spcrmatozoontheoric auch in G. Phil. Berger, dem Uebersetzer von Valüaneri,
gefunden.
3 ) Leihnitz apricht sich darüber an verschiedenen Orten aus, so in der Theodieee. Buch I, §. 91, und
Buch III, 397; weit eingehender in dem 1718 geschriebenen Aufsatze: „Principe* de la Nature et de laGra^e
fondes en Haison- (Opera omnia, Uenevae 1768, pag. 35). „Lea recherches des modernes nous ont appris, et
la raison l’approuve, que lea vivana, dont )ea Organes nous sont connus, c’est ä dire lea plante» et le* ani-
maux, ne viennent d’une putrefaction on d’un chaos, comme lea Anciena l’ont cru, maia de seranncea prefor«
moei et par consequent de la tranaformation des etrea preexistant». II y a des petita animaux dans lea se-
mences des grands, qui par le moyen de la conception, prennent uu revetement nouveau, qu'ils e'approprient
et qui leur» donne uioyen de *c nourir et de s’aggrandir, pour passer sur un plus grand theätre et faire la
propagation du grand animal. H est vrai que les ames des animaux spermatiques humaina ne sout point rai-
sonnahles, et ne le deviennent que lorsque la conception determine ces animaux a la nature humaine. Et
comme lea animaux güncralement ne naisseDt point entieremeut dans la conception ou generation, il ne
perissent pas entieremeut non plui dans eo que nous appellona mort; car il est raisonnable , que ce qui ne
commence pas naturellemcnt, ne finisse paa non plus dans Tordre de la nature. Aiusi quittaut leur masque
ou leur guenille, ils retournent seulement a un theütre plus subtil, oü ils peuvent pourtant etre aussi sensibles
et aussi bien regle« que dans le plus grand. Et ce qa'on vient de dire de« plus grands animaux, a encore
lieu dans la generation et la mort des animaux spermatiques plus petita, ä proportion deaqoels ils peuvent
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Wilhelm His, Die Theorien der geschlechtlichen Zeugung.
passer pour grands, car lout va dani» l’infini dana le monde. Ainsi non Beulement le« ämee, maia encore le«
animaux, sont ingene rables et iznperieaables : üb ne sont que developpea, onvelopca, revetus, depouilles, Irans-
forme»; les äraes ne quittent jaznais tont lcur eorpa et ne pawent point d'un corps dana un antre corpe qui
leur aoit onticrement nouveau. II n’y a donc point de Metempaychoae maia il y a Metamorphose, le«
animaux changent, prennent et quittent »eulement des partie»; ce qui arrive peu i peu et par petitea pnrcelles
insensibles, maia continuellement dan» la nutrition, et tout d'un coup, notablpment, maia rarement dana la
conception, ou dana la mort qui tont acquetir ou perdrc tout a la fois.“ — In einem früheren Brief an
Bourguet (1715) hatte sich Leibnitz geäuaaert, er könne nicht bestimmt versichern, daaa die von ihm
atatuirten Samenthierchcn mit den von Leeuwenliock gesehenen identisch seien, indes« habe er auch keinen
Grund das Uegentheil zu behaupten. Er nimmt Leeuwenhoek’a Partei gegen Bourguet und wahrt be-
aonder» dessen Bedeutung als Beobachter. — Die Rolle des Eies als Recoptaculum für die Entwickelung der
Samenthiere erscheine ihm noch die wahracheinlichate. „Cependant jo n’oacrai paa assurer que votre sentimest
soit faux, qui va u aoutenir que l’animal ä tranaformer est deja dana l’oeuf, quand la conception se fait. Mais
l'opinion qu’il y entre par la conception parait plua vraiaemblable. Ne decidon» donc rien d’un ton trop
aftirmatif, et surtout ne troitons point mal un homme comroe Mr. Leeuwenhoek, a qui le public doit de«
grames pour les peincs qu’il ä pris danB sea recherches.“
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XIX.
Referate.
I. Wallacc (Beiträge zur Kenntnis der natürlichen
Zuchtwahl. Deutsch von A. B. Meyer. Er-
langen 1870), hat in 2. Essays Betrachtungen
über den Einfluss der natürlichen Zuchtwahl
auf die Entwicklung der Menschheit angestellt,
die der höchsten Beachtung des Anthropologen
werth sind. Der erste Aufsatz ist betitelt:
1. Die Entwicklung der menschlichen
Racen unter dem Gesetze der natürlichen
ZnchtwahL
ln demselben giebt Wallace zuerst eine kurze
Darstellung der Theorie der natürlichen Zuchtwahl
bei Thieren und fragt dann, ob dieselbe wohl auch
auf den Menschen angewandt werden könne? Ein
jedes Thier (Individuum) muss allen Bedingungen
seiner Existenz genügen; eine leichte Verletzung
eines pflanzenfressenden Thieres macht, dass es dem
Kaubthiere zur Beute füllt, die Kraftabnahme eines
Raubthieres verdammt dasselbe zum Hungertode.
Natürliche Zuchtwahl h< daher alle auf ziemlich
gleicher Stufe. Ganz anders ist dies beim Menschen,
wie wir ihn jetzt sehen. Er lebt social und hat
Sympathien; weniger robuste Gesundheit, geringere
Kraft als im Durchschnitt hat nicht sofort den
Tod zur Folge; denn es findet eine Arbeitsteilung
statt, die schnellsten Individuen z. B. jagen, die
schwächeren sammeln Früchte, und die Nahrung
wird bis zu einem gewissen Betrage ausgewechselt
oder geteilt und so die Wirkung der natürlichen
Zuchtwahl gehemmt. Dadurch also verlieren die
physischen Eigenschaften an jener Bedeutung, die
sie bei Thieren haben, dagegen werden notwen-
diger Weise geistige und moralische Eigenschaften
einen wachsenden Einfluss auf das Wohlbefinden
der Racc haben, und diese Eigenschaften sind es
nun, welche Gegenstand der natürlichen Zuchtwahl
werden. W r enn langsame Umänderungen in der
physischen Geographie oder dem Klima eines Lan-
des es für ein Thier notwendig machen, dass sich
seine Nahrung, Bekleidung, Bewaffnung ändern, so
kann das nur durch eine correspondirende Verän-
derung in seiner eigenen Körperstructur oder sei-
ner innern Organisation geschehen; es tritt also
natürliche Zuchtwahl ein; beim Menschen ist dies
nicht der Fall, er verfertigt sich selbst seine Klei-
der und Waffen, er associirt sich, und die Fähigkeit
dies zu thun, wird durch die Zuchtwahl ausgebildet.
So hat der Mensch durch seine Fähigkeit, sich
Kleider, W r affen, Werkzeuge zu macken, der Natur
jede Macht genommen, die äussere Form seines
Körpers langsam aber beständig zu ändern. Thiere
müssen ihren Körper modificiren, der Mensch passt
sich den Verhältnissen durch seine intellectuellen
Eigenschaften an. Von der Zeit an, da beim Men-
schen sociale und sympathische Gefühle auftreten,
wird sein Körper nicht mehr von der Zuchtwahl
afficirt, sondern nur der Geist, und es ist ein Fort-
schritt der geistigen Organisation, der fortan unter
ihrem Einfluss Statt hat. In Folge des Umstan-
des, dass die Kraft, diu bis dahin den Körper mo-
dificirt hatte, jetzt ihre Thätigkeit auf den Geist
übertragen hat, konnten Racen durch die harte
Disciplin eines unfruchtbaren Bodens und einer
rauhen Jahreszeit fortuckreiten. Unter diesem Ein-
fluss konnte sich eine voraassichtigere und socia-
lere Rttce entwickeln, als in jenen Gegenden, in
welchen die Erde einen immerwährenden Vorrath
vegetabilischer Nahrung producirt. Tkatsache ist
es ja, dass zu allen Zeiten und in jedem Erdtheil
die Bewohner gemilssigterer Gegenden denen der
heissen überlegen gewesen sind . und dass alle
grossen Invasionen und Platzveränderungen von
Racen mehr von Nord nach Süd als umgekehrt ge-
gangen sind, und ebenso, dass kein Beispiel einer
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Referate.
334
ursprünglichen intertropischen Civilisation existirt.
Und dasselbe grosse Gesetz der Erhaltung begün-
stigter Racen im Kampfe uni’s Dasein führt zum
unvermeidlichen Aussterbvn der niedrigeren und
geistig unentwickelteren Bevölkerungen, mit denen
Europäer in Berührung kommen.
Nur in einem Punkt statuirt Wallace die
Fortdauer einer auch auf den Körper wirkenden
natürlichen Zuchtwahl, nämlich in Betreif der Farbe
der Haut und der Farbe und Beschaffenheit der
Haare, und zwar aus folgenden Gründen: Dar-
win habe gezeigt, dass die Farbe der Haut in
Correlation stehe mit constitutionellen Eigentüm-
lichkeiten, so dass die Empfänglichkeit für gewisse
Krankheiten oder das Freisein davon oft von raar-
kirten üuaserliclien Charakteren begleitet wird.
Wallace meint nun, ea sei aller Grund vorhanden,
anzunehmen, dass diea auch auf den Menschen ge-
wirkt habe und bis zu einem gewissen Grade noch
bu wirken fortfahre. An Orten, wo gewisse Krank-
heiten vorherrschen, werden jene Individuen wil-
der llacen, welche ihnen unterworfen sind, rapide
Bussterben, während die, welche conHtitutionell frei
von ihnen sind, die Krankheit überleben und die
Stammväter einer neuen Race abgeben werden.
Diese begünstigten Individuen werden wahr-
scheinlich durch Eigentümlichkeiten der Farbe
und Haare unterschieden sein, und so können viel-
leicht diese Racennnterschiede hervorgerufen sein,
welche nicht eine Beziehung zu der Temperatur
allein oder zu anderen Schädlichkeiten des Klimas
zu haben scheinen. Dem Leser wird es nicht ent-
gehen, dass sich Wallace hier plötzlich aus seinem
vorsichtigen Gedankengang heraus auf das Gebiet
der Wahrscheinlichkeiten und Vermutungen ver-
irrt und dass die Erklärung der genannten Racen-
eigenthümlichkeiten eine ziemlich gewaltsame ist.
Wallace versucht nun, auf seine obige Beweis-
führung gestützt, die Widersprüche zu lösen,
welche noch immer in Betreff der Frage bestehen,
ob der Mensch ursprünglich nur eine oder aber
viele Arten gebildet habe, und beantwortet dieselbe
dahin, dass der Mensch ursprünglich einmal eine
homogene Race gebildet habe, dies aber zu einer
so weit zurückliegenden Zeit, dass er zwar die Ge-
stalt, aber kaum noch die Natur des Menschen
hatte. Zu dieser Zeit, und ehe seine inteil ectael len
Eigenschaften ihn über den Zustand der Thiere
erhoben hatten, war sein Körper, ebenso wie der
der Thiere, den Abänderungen der natürlichen
Zuchtwahl unterworfen, und zu dieser Zeit müssen
diejenigen Modificationen in der Structur und
änssern Form entstanden sein, die wir an ihm
kennen. Von der Zeit an aber, da sich der Geist
mehr entwickelte, blieb der Mensch hinsichtlich der
Form und Structur der meisten T heile des Körpers
fast stationär; die physischen Eigenschaften fixirten
sich, der Fortschritt war von da an ein nur gei-
stiger. Wallace glaubt daraus auf eio sehr hohes
Alter des Menschen schliessen zu dürfen, so dass
sein Ursprung wohl in die Tertiärzeit hinauf rei-
chen dürfte. Ferner scheint sich ihm aus diesen
Thatsachen in Bezug auf die Suprematie des Men-
schen zu ergeben, dass er ein Wesen für sich ist,
da er allein durch seinen Geist den Wirkungen
der natürlichen Zuchtwahl zu entgehen vermag.
Weiterhin misst er diesen Ergebnissen auch einen
Einfluss zu auf unsere Anschauungen von der zu-
künftigen Entwicklung des Menschen und meint,
wir hätten allen Grund zu glauben, dass der
Mensch durch eine Reihe von geologischen Perio-
den hindurch existirt haben kann und ferner fort-
fahren kann zu existiren, welche alle andere For-
men des thierischen Lebens wieder und wieder
verändert sehen werden, während er selbst unver-
ändert bleibe, ausgenommen Kopf und Gesiebt,
Hautfarbe, Haar und Proportionen. Sind diese
Schlüsse richtig, so schliesst Wallace dieses Ca-
pitol, so müssen die höheren (intellectuelleren und
moralischeren) Racen die niedrigeren ersetzen, und
die Kraft der natürlichen Zuchtwahl muss zu einer
immer voilkom inneren Anpassung der Fähigkeiten
des Menschen an die Verhältnisse der umgebenden
Natur und an die Bedürfnisse des socialen Staates
führen. Während seine äussere Form wahrschein-
lich immer ungeändert bleiben wird (ausser in der
Entwicklung jener vollkommenen Schönheit, welche
aus einem gesunden und wohlorganisirten Körper
resultirt), kann seine geistige Constitution fortfah-
ren sich zu vervollkommnen, bis die Erde wieder
von einer einzigen nahezu homogenen Race be-
wohnt sein wird, von welcher kein Individuum
den edelsten Mustern existirender Menschlichkeit
nachsteht. Ein Fortschritt gegen ein solches Ziel
bestehe, wenn auch ein sehr langsamer. Da aber
der Mittelmäßige, wenn nicht der Niedrigstehende
(in Intelligenz und Moral) zweifellos im Leben am
besten fortkomme und sich am schnellsten ver-
mehre, so lasse sich der im Ganzen und Grossen
unzweifelhaft stattfindende stetige und permanente
Fortschritt nicht aus „dem Leberleben des Pas-
sendsten'* erklären, sondern man werde zu dem
Schlüsse gedrängt, dass dies eine Folge der ein-
geborenen fortschreitenden Kraft jener herrlichen
Eigenschaften sei, welche uns so unermesslich weit
Uber unsere Mitgeschöpfe erheben und uns zugleich
den sichersten Beweis liefern, dass es edlere und
höhere Existenzen als wir selbst sind, giebt, von
denen diese Eigenschaften hergeleitet sein mögen
and denen wir immer zustreben können.
2. Der zweite Aufsatz behandelt: Die Gren-
zen der natürlichen Zuchtwahl in ihrer An-
wendung auf den Menschen.
Jede Veränderung geschieht nur insoweit, als
es dem Wesen zum Vortheil gereicht und natür-
liche Zuchtwahl hat kein« Macht, Geschöpfe über
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Referate.
335
die Mitgeschöpfe zu erheben oder Modificationen
hervorzurufen, welche dem Besitzer schädlich sind.
Wenn sich daher beim Menschen Charaktere fin-
den, welche ihm beim ersten Auftreten schädlich
gewesen sind, so können sie nicht durch natürliche
Zuchtwahl horvorgerufon sein. Wenn Modificatio-
nen auftreten, die im Anfang nutzlos oder schäd-
lich, später nützlich und sogar wesentlich werden,
so weise dies auf einen Geist hin, der die Zukunft
vorhersehe und vorbereite, und es sei die Auf-
Buchung einer neuen Kraft zur Erklärung von
Thatsachen, welche der Theorie der natürlichen
Zuchtwahl gemäss sich nicht ereignen sollten, voll-
kommen gerechtfertigt und wissenschaftlich. Im
Einzelnen behandelt der Verfasser seinen Gegen-
stand in Abschnitten mit den folgenden Ueber-
schriften:
1. Das Gehirn des Wilden ist grösser
als es zu sein bruueht.
Von dem Satz ausgehend, dass das Gehirn-
volum einen Maas.sstab der Intelligenz abgebe, fin-
det Wallace dasselbe bei Wilden, sowohl jetzigen
als prähistorischen, auffallend hoch im Verhältnis!
zu den Leistungen und Bedürfnissen des Besitzers.
Der Wilde besitze ein Gehirn, das, wenn es culti-
virt und entwickelt wird, fähig ist, Arbeiten zu
verrichten, die weit über denen stehen, die es je-
mals im Leben wirklich verrichtet, und es müssen
daher alle moralischen und intellectneUen Fähig-
keiten immer latent vorhanden sein. Ein Gehirn,
wenig grösser als das des Gorilla, würde für die
begrenzte Geistesentwicklung des Wilden vollkom-
men genügt haben, und das grosse Gehirn, welches
er thats&chlich besitzt, kann sich daher nicht darch
eines jener Gesetze der Evolution allein entwickelt
haben, deren Wesenheit die ist, dass sie zu einem
Grade der Organisation führen, welcher genau den
Bedürfnissen jeder Art proportional ist, aber nie
über diese hinausgeht
2. Die nackte Haut des Menschen.
Die haarige Bedeckung des Körpers der Erd*
eäugethiere als Schutz gegen die Strenge des Kli-
mas und besonders gegen den Regen ist ausnahms-
los der Wirbelsäule oder der Mitte des Rückens
entlang immer dichter und stärker, und unter dem
Gesetze der natürlichen Zuchtwahl hätte diese Ein-
richtung sicherlich nur dann verschwinden können,
wenn sie positiv schädlich geworden wäre. Beim
Menschen ist nun die Ha&rbedeckung fast ganz
verschwunden und zwar am vollständigsten eben
auf dem Rücken. Nun sehe man aber, dass die
nackt gehenden Wilden zu allererst eine Bedeckung
für Schultern und Rücken sich zu verschaffen su-
chen durch Ueberhüngen von Fellen etc., und erst
viel später im Interesse der Schamhaftigkeit sich
zu decken unternehmen. Der Wilde fühlt also den
Mangel der Haarbedeckung am Rücken und es
lässt sich also nicht denken , dass diese vorteil-
hafte Einrichtung durch natürliche Zuchtwahl ver-
schwunden sei. Es betrachtet ferner Wallace:
3. Füsse und Hände des Menschen als
Schwierigkeiten für die Theorie der natür-
lichen Zuchtwahl, indem die Umwandlung des
Greif-Fusses in den Geh-Fuas, des Daumens in die
grosse Zehe eine sehr strenge Zuchtwahl erforderte,
während es schwer oinzuseben sei, was der frühe
Mensch, als ein Thier, durch den aufrechten Gang
allein gewonnen haben sollte; so besitze die Hand
latente Fähigkeiten und Kräfte, welche nicht nur
von Affen, sondern auch von Wilden unbenutzt
bleiben, und habe ganz das Aussehen eines Organs,
welches für den civilisirten Menschen vorbereitet
worden sei. Aehnlichc Bemerkungen macht der
Verfasser in Betreff
4. der menschlichen Stimme und
5. verschiedener geistiger Eigenschaften
und der Moral. E.
2. Charles Darwin. The Descent of Man and
Selection in Relation to Sex. 2 Bde. mit Illu-
strationen. London 1871. — Die Abstam-
mung des Menschen und die geschlechtliche
Zuchtwahl, Aus dem Englischen von I. V. Carua,
I. Band. Stuttgart 1871.
Obwohl Darwin schon in seinen früheren
Schriften seine Schlussfolgerungen über Ursprung,
Verwandtschaft und Abstammung dor Species ohne
allen Vorbehalt für einzelne derselben gebildet
hatte, so schien es ihm doch ausreichend, nur an-
zudeuten, dass dieselben auch auf den Ursprung
und die Geschichte des Menschen Licht werfen
müssten. Notizen, die er während vieler Jahre
über diese letztere Frage gesammelt, blieben da-
her bisher unveröffentlicht, um nicht dadurch die
Vorurtheilo gegen seine Ansichten zu vermehren.
Da dieses Motiv durch die rasche Verbreitung,
deren sich die Lehre von der Entstehung der Spe-
cies erfreute, als beseitigt erscheint, so veröffent-
licht der Verfassor nun diese Untersuchungen, die
sich über folgende Frngen erstrecken: Ob der
Mensch wie jede andere Species von irgend einer
früheren Form abstamme, welches die Art seiner
Entwicklung, welches der Worth des Unterschiedes
zwischen den sogenannten Menschenracen. U über-
dies, da bei der Differensirung der Menschenracen
eine grosse Rolle der „sexuellen Auswahl u zuzu-
kommen scheint, so wurden deren Wirkungen auch
bei allun übrigen Geschöpfen mit Einlässlichkeit
besprochen.
Die neue Schrift bildet insofern eine wesent-
liche Ergänzung der beiden letzten Darwinschen
Werke, und namentlich des Buches über die Ent-
stehung der Arten , und zerfallt in zwei getrennte
Abhandlungen, wovon die eine die Abstammung
des Menschen, die zweite die Principien und die
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33G
Referate.
Form der sexuellen Auswahl in der gesammten
Thierwelt bespricht.
Für die Vergleichung der körperlichen Eigen*
schäften des Menschen mit denjenigen der Thiere
sind Anhaltspunkte genug vorhanden; die Analo-
gien, welche auf einen gemeinsamen Ursprung hin-
deuten, werden daher nur kurz aufgezählt, uud es
wendet sich der Verfasser rasch zu der Verglei-
chung der geistigen Fähigkeiten von Mensch und
Thieren. Die Untersuchung bewegt sich somit
nicht mehr auf dem Boden objectiv constatirbarer
Thatsachen und namentlich auch nicht mehr auf
unparteiischem Grunde. Dennoch folgt sie durch-
aus der in den berühmten früheren Büchern ange-
wendeten Methode. Das neue Buch macht den Ver-
such, die naturhistorische, im weiteren Sinne die
historische Methode auf die Gebiete des IutoUectes
und der Moral in ähnlicher Weise wie auf körper-
liche Eigenschaften anzuwenden. Eine Art Ueber-
gang zwischen beiden Gebieten bildet die Sprache,
dereu Entwicklung und Geschichte in vielen Be-
ziehungen derjenigen organischer Geschöpfo parallel
geht (Monogamie, Kampf ums Dasein, Kreuzung).
Aber selbst die Untersuchung der moralischen
Eigenschaften des Menschen lässt die Anwendung
dieser Methode zu. Darwin sucht zu analysiren,
was darin erstlich aus früheren Quellen ererbt sein
mag und was der Mensch als solcher erworben,
ferner was durch Gesellschaft, Beispiel, Gewohn-
heit modificirt wurde. Als älteren Ursprungs und
somit ererbt scheinen sich namentlich die persisten-
teren und ohne Rettexion zur Wirkung gelangen-
den, auch bei Thieren nicht fehlenden Resultate
von Uneigennützigkeit und Selbstverleugnung (Fa-
milien- und Mutterliebe) zu erweisen, die sich von
den eigentlich moralischen Antrieben nur schwer
abtrennen lassen. Aber auch die letzteren lassen
sich schliesslich gröastcutheils auf Entwicklung von
socialen Instinkten zurückführeu, wie sie bei vielen
Thieren auch nicht fehlen; und von der bei wilden
Völkern nur noch wie bei Thieren instinktiv vor-
handenen Unterscheidung dessen, was der Gemein-
schaft der Heerde (des Stammes) dient, führen
Gradationen zur Erkenntnis» dessen, was der Na-
tion uud endlich was der Species dient. Ausdeh-
nung des Bewusstseins der Gemeinsamkeit und so-
mit auch des Gefühls der Pflicht über die Species
hinaus, r Humanität gegen Thiere - ist selbst beim
Menschen eine sehr späte und bei weitem nicht
allgemeine Ac(|uisition. In dieser Entwicklung
moralischer Aufgaben und Wirkungen haben nun
freilich Vorurtheile der Menschen, Gewohnheiten,
Isolirting in Racen mannigfache Verirrungen ein-
geführt, aber andererseits ist sie unter Mitwirkung
des gleichzeitig wachsenden Intellects und der da-
durch möglich gewordenen Mittheilung durch
Sprache und Schrift, durch Erziehung und Ver-
erbung mächtig gefordert und von dem Grade
bloss vererbten Instinkts bis zum Ergebnis^ von
Reflexion und Vergleichung, bis zur Fähigkeit der
Beurtheilung vergangener und künftiger Motive
(Pflicht, Gewissen, Reue) gesteigert worden.
Der zweito Theil der Schrift bespricht ein in
der Geschichte der Organismen thätigos Princip,
das schon in dem fluch über den Ursprung der
Species (Cap. 4.) angedeutet worden war, die sexu-
elle Zuchtwahl. Wie der Kampf ums Dasein die
„natürliche Auswahl“ mit allen ihren Folgerungen
bedingt, so Iwwirkt der Kampf der Männchen um
den Besitz der Weil>chen Mitbewerbung und somit
eine schliossliche Diflerenzirung zunächst innerhalb
der männlichen Individuen einer Species. So er-
worbene Merkmale der Männchen sind aber durch
fortwährende Wiederholung der Auswahl einer fort-
währenden Steigerung und durch Vererbung selbst
einer theilweisen Uebertragung au die weiblichen
Nachkommen fähig, und führen somit zu analogen
und oft noch rascheren und auffälligeren Ergeb-
nissen, wie die natürliche Auswahl, um so mehr,
da die beiderseitigen Erfolge sich in der Hegel zu
cumuliren pflegen.
Wie in den dem Nachweis der natürlichen und
der künstlichen Zuchtwahl gewidmeten früheren
Schriften, so hat Darwin auch für diese Abhand-
lung über die sexuelle Auswahl eine erstaunliche
Menge von Materialien mit sorgfältigster Literatur-
angabe gesammelt, wofür man überaus dankbar
sein muss. Nichtsdestoweniger dürfte die weite
Anwendung dieser besonderen Art der Auswahl
selbst bei Vielen auf Widerstand stossen, die der
Darwin 'sehen Anschauung über Auswahl unter
den organischen Individuen im Allgemeinen durch-
aus zugethan sind. Einerseits stützt sich das Prin-
cip sexueller Selection dns A Herwegen tlichsten auf
Voraussetzungen über Vererbung, die in dieser
Form und Ausdehnung sich schwerlich allgemeiner
Zustimmung, namentlich von Seite der Embryo-
logen , erfreuen werden , wenn auch die Hypo-
theae der Vererbuug einzelner Merkmale auf cor-
respondirende Altersstadien von Eltern und Nach-
kommen und die davon abgeleiteten Folgerungen
über die Verthcilung solcher Merkmale an Indivi-
duen verschiedenen Geschlechts auch bei anderwei-
tiger Deutung bestehen könnte. Noch ernsthafteren
Widerstand von derselben Seite dürfte auch schon
die Erklärung der Vertheiluug secundärer sexueller
Merkmale auf die beiden Geschlechter finden, um
so mehr, da der primäre oder besser, der effective
Geschlechtsuntcrschied, dadurch nicht verständ-
licher gemacht wird.
Einwendungen sehr analoger Art lassen sich
auch von Seite der Paläontologie erwarten. Hat
diese auch seit längerer Zeit gewisse Reihen von
Thatsachen, sei ch an erloschenen, sei es an noch
lebenden Geschöpfen alter Typen conetatirt, welche
mit den Folgerungen Darwiu’s über sexuelle Aua-
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Referate.
337
wähl übereinstimraen, so wird sie doch kaum ge-
neigt sein, die ganze Kette von hierher gehörigen
Erscheinungen von diesem Principe abzuleiten.
Schon jetzt mag zwar von Seit« der Paläontologen
vielleicht zugegeben werden können — was frei-
lich Darwin nicht ko allgemein formnlirt — dass
secundäre sexuelle Verschiedenheiten hei gewissen
Säugethiergruppen um ko ergiebiger ausfallen. als
diese jüngeren Perioden angehyren, oder umge-
kehrt, dass die sexuelle Differenziruug der Indi-
viduen in gleichem M nasse abnimmt, als wir älforo
(seien es erloschene oder noch erhaltene) Typen von
Säugethieren untersuchen. Aber auch das dürfte
x als eine blosse Folge eines Gesetzes erscheinen, das
sich nicht nur mit grösserer Sicherheit deiiniren
läset, sondern auch ein weit grösseres Gebiet von
wohlconatatirten Thatsachen beherrscht: dass näm-
lich die Vertreter des weiblichen Geschlechts so-
wohl in ihren verschiedenen individuellen Alters-
atadien, wie in der geologischen Geschichte des
G en um sich weniger von dem Staromtypus entfernen,
man möchte sagen, dass sie als Individuen wie als
Repräsentanten des Genus eine kürzere Entwick-
lungsbalm durchlaufen, als die Träger männlichen
Geschlechts (worüber Referent eine grösst- Zahl von
Thatsachpn aus der geologischen Geschichte der
Wiederkäuer miigetheilt zu haben glaubt). Eine
solche Formulirung stimmt alsdann zu sehr mit
nicht minder weitgreifenden Categorien paralleler
Thatsachen überein, um nicht einen beiden gemein-
samen Gesichtspunkt zu verlangen; dahin gehört
die geringere Differenziruug der Individuen eines
oder der zwei Geschlechter auf niedrigeren Organi-
KAtiou88tufen in einer und derselben Clause, ferner
die fortwährende Differenziruug von Besitzthum
oder mindentens von Merkmalen des Stammes bei
den geologischen Descendenten Eines Stammes,
wozu vor Allem die Vergleichung des Gebisses in
den fossilen und lebenden Säugethieren aller Ord-
nungen eine reiche Fülle von Belegen bietet.
Es ist schwer den Gedanken abzuweisen, dass
Thatsachen von so grosser räumlicher und zeit-
licher Ausdehnung nicht Tendenzen, Richtungs-
linien oder wie mau es nennen mag, verrat hen, die
zugleich tiefer und auch weiter zurückliegen, als
die Auswahl der Individuen, sei es die instinctive,
die in jedem Individuum mit der Geschlechtsreife
neu erwacht, oder die ganz unwillkürliche äussere
(„natürliche' 4 ), welcher die Geschöpfe auch nur als
Einzelwesen, als Individuen unterliegen. Ueber
solche wohl kaum auf das Individuum beschränkte,
sondern vielleicht viel grösseren Lebenskreisen ge-
meinsam eingeborene Kichtung&linien Vermuthun-
gen aufzugteilen, ist hier nicht der Ort, um so we-
niger, als Referent sich hierüber schon anderwärts
ausgesprochen hat.
Das Gesagte mag genügen, um anzudouten,
dass beide Theile des neuen Werkes von Darwin
Archiv für Aothropologi«. Bd. IV. H«fl IV.
■ich des engsten an dessen beide letzten Publica-
tionen anschliessen und wesentlich zum Ausbau des
in denselben aufgerichteten grossen Gebäudes die-
nen. Wie die strenge Methode der beiden früheren
Schriften erwarten liess, ermangeln auch die in
dem neuen Buche ausgesprochenen Ansichten der
Consequenz in keiner Weise. Der erst« Theil des
Buches, desson Ziel auch den Haupttitel lieferte,
kann zwar in Beziehung auf sein Endergebnis
kaum als neu erscheinen; der Schluss der Unter-
suchung, wenn ihn auch die beiden früheren Schrif-
ten kaum angedeutet haben, war von dem Publi-
cum laugst gezogen und es darf daher nicht be-
fremden, wenn sich im Moment des Erscheinens
des neuen Werkes die Tagesliteratur gleich auf
dies Endergebniss geworfen hat. Für das grosso
Publicum, das von wissenschaftlichen Untersu-
chungen erst Notiz nimmt, wenn sie an „mensch-
liche 14 Lehrsätze zu streifen beginnen und Ergeb-
nisse derselben wie momentane Geständnisse de-
nuncirt, über welohe das momentane Gefühl jedes
Einzelnen sein Verdict zu fallen berechtigt sei. war
diese Abhandlung sogar entbehrlich. Aber auch
diejenigen Leser, die dem bisher am Tage Hegen-
den Gedankengange Darwin 1 * methodisch nach-
zugehen gewohnt waren, mussten wohl einen guten
Theil des von Darwin hier über das Gebiet des
Körperlichen hinaus fortgesetzten Weges seihet
schon gemacht haben, und werden daher vielfach
auf Gedanken stossen, die ihnen nicht fremd sind.
Um ko mehr dürfen wir hoffen, dass ähnlich wie es
hauptsächlich diu strenge Methode war, welche auf
dem der sinnlichen Beobachtung noch zugänglichen
Gebiet, dem die früheren Schriften gewidmet waren,
schon so reichliche bleibende Frucht gebracht hat,
sie so auch auf dem viel schwierigem Gebiete
naturhistorischer Psychologie einen Leitfaden zu
geduldigem und consequentem Forschen abgehen
möge. Rütimeyor.
3. Oscar Peschei. Neue Problem« der vergleichen-
den Erdkunde als Versuch einer Morphologie
der Erdoberfläche. Leipzig 1870. Mit 38 Holz-
schnitten.
So allgemeiner Art auch die einstweilen er-
kannten Beziehungen zwischen Anthropologie und
Geographie sind, so fehlt cs doch nicht an Winken,
dass die schon jetzt um so grosse Zeiträume zu-
rückgeschobene Geschichte des Menschen mit der
Zeit immer reichlichere und directere Berührung
mit den jüngeren P Imsen der Erdgeschichte werde
entdecken lassen; und wenn die Thier- und Pflan-
zeugeographie schon oft mit gutem Erfolg für die
Losung ihrer schwierigsten Probleme die Anhalt-
punkte in der Geschichte der Veränderungen der
Erdoberfläche gesucht haben, so mag eine kurze
Besprechung der oben angezeigten Schrift io einer
anthropologischen Zeitschrift nicht unmotivirt cr-
43
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338
Referate.
scheinen. Zudem darf wohl von vornherein eine
„Morphologie“ der Erdoberfläche die Kreise, die
eich mit Morphologie des Organischen befassen,
nicht gleichgültig lassen.
Das Buch zerfällt in eine Anzahl von Mono-
graphien von verschiedenem Charakter. Ein Theil
derselben ist sehr passend bezeichnet mit dem frei-
lich nnr einer Abhandlung besonders beigelegten
Titel: geographische Homologien, und geht auch
oft über diese Absicht hinaus zu dem Versuch, für
zerstreute Erscheinungen allgemeine Gesetze auf-
zufinden, ein Ziel, das den Namen vergleichende
Erdkunde wohl verdient. (So die Capitol Fjordbil-
dungen, Ursprung der Inseln, Deltabildungen, Bau
der Ströme in ihrem mittleren Lauf.) Ein anderer
Theil ist wesentlich geologischen und physikalisch-
geographischen Inhalts (Abhängigkeit des Flächen-
inhalts der Festlande von der mittleren Tiefe der
Weltmeere, Aufsteigen der Gebirge an Festland-
rundem, Aufsteigen und Sinken der Küsten, Ver-
schiebungen der Weltt heile, Thalbildungen, Wüsten,
Steppen, Wälder). Ein Aufsatz endlich: Thier-
und Pflanzenwelt der Inseln, bespricht speciell die
geologische Geschichte der Organismen.
Dass eine reichliche Beherrschung des geogra-
phischen Materials und einer ausgedehnten Litera-
tur dem Buche zu Grunde liegt, dafür bürgt schon
der Name des Autors, des Verfassers des „Zeit-
alters der Entdeckungen“ und des Redacteurs des
„Auslandes“, und allerdings bietet das Buch bei
vortrefflicher Darstellung einen überaus reichen
Stoff zur Belehrung und reichliche Anregung zu
eigenem methodischen Denken über Thatoacheii,
die leider noch häufig genug bloss den) Gedächt-
nis« einregistrirt zu werden pflegen.
So grossem Verdienst kann daher durch einige
Einwendungen kein Abbruch geschehen. Eine erste
iteziebt sich, und nicht ganz unwesentlich, auf den
Titel. Einmat weiden, wie in aller Erdkunde,
doch Phänomene an einem und demselben Körper
geschildert, theils in vorwiegend räumlicher, wofür
allerdings der Name geographische Homologien sehr
gut passt, theils in zeitlicher Beziehung (Geologie,
physikalische Geographie), während wir bisher den
Titel Morphologie doch eher auf Moltipla von Kör-
pern anwendeten, deren gemeinsamer Boden ausser-
ordentlich viel verborgener liegt, als an dem Object
des in Rede stehenden Buche«; und auf den Titel
„neu“ darf wohl theilweise die vortreffliche Art
der Behandlung Anspruch machen , nicht aber die
Methode oder gar die Formulirung der Probleme
selbst (auch abgesehen davon, dass die heutige Geo-
logie, sowie die so mächtig anwachsenden An-
schauungen der Thier- und Pflanzengeographie
wesentlich auf solchen Problemen ruhen). Nicht
nur haben in neuerer Zeit die Werke von Lyell,
Dana, Darwin, Wallace und Anderen eich viel-
fach dieselben Aufgaben mit vollster Klarheit ge-
stellt, sondern auch der Ausspruch, das« Karl Rit-
ter uie eine Aufgabe der vergleichenden Erkunde
gelöst habe, klingt in derThat seltsam, denn wenn
sie sich in seinen riesigen Arbeiten nicht gerade der-
artig isolirt daretollen, so ist doch offenbar, das«
manche derselben nicht nur in ihm und manchem
seiner Schüler (Fr. Iloffmann, Guyotet), son-
dern schon in früherer Zeit (R. Förster, Buf-
fo n etc.) thätig worein
Zu Einwendungcu mehr sachlicher Art könn-
ten manche Capitol des Buches selbst einladen, was
den dominirenden Gesichtspunkt, von dem der noch
heute so häufig als spröde beurtheilto Stoff behan-
delt wird, nicht heruntorsetzt. Doch würde es hier
kaum am Platze «ein, in geologische und zoologi-
sche Details einzugehen. Mag somit auch der spe-
ciellu Fachmann, Geologe, Zoologe etc. mit Einzel-
heiten oft nicht einverstanden sein, so wird Nie-
mand ein Buch unbefriedigt bei Seite legen, da« in
bequemstem Rahmen Fragen von so weittrugeuder
Wirkung mit trefflicher Klarheit behandelt, und
vor Allem werden Viele mit Dankbarkeit gegen
den Verfasser entdecken, was ihnen vielleicht bis-
her fremd war, dass Landkarten allerdings, von so
umfassenden Standpunkten aus betrachtet, zu histo-
rischen Gemälden werden können. Rütizneyer.
4. Carl August Aeby. 1) Ueber die unorga-
nische Metamorphose der Knocbensnb-
etanz, dargethan an schweizerischen
P f a h 1 ba u te n k n oc h e n. Inauguraldissertation.
Hern, 1870. 8*. 47 Seiten. 2) Ueber den
Grund der Un Veränderlichkeit der orga-
nischen Knochensubstanz. Centralblatt d.
med. Wissensch. 1871. Nr. 14.
Der Verfae«er scheint von der 1869 erschie-
nenen F. Wibel 'sehen Schrift, welche in Bd. IV,
Heft II, pag. 128 dieeee Archivs besprochen wutde,
noch keine Kenntnis« gehakt zu haben und stellt
in Abschnitt I. (Einleitung) — im Hinblick dar-
auf, dass aus früheren Analysen fossiler Knochen
der Wissenschaft noch wenig Nutzen erwachsen,
vor Allem noch keine schlagenden Unterschiede
zwischen fossilen und frischen Knochen geboten
worden seien — als leitenden Gesichtspunkt für
seine Arbeit den Nachweis hin, das« man den Um-
wand lungsproccsH der Knochen auf die Wirkung
derjenigen Facto re n zurückzubeziehen habe, welche
im Miueralreiche als Umwandlungsstoffe überhaupt
eine wesentliche Bedeutung gewinnen. Denn in
den Knochen liege ein anorganische* Gebilde mit
organischem Substrat vor und in ihrer Umsetzung
müsse man im Allgemeinen die rück- oder vor-
schreitende Stoffmetamorphosc der Mineralwelt er-
blicken.
Bezüglich der physikalischen Charaktere der
Knochen verweist der Verfasser auf Rütimeyer's
Fauna der Pfahlbauten.
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Referate.
339
In Abschnitt II. (Methode der quantita-
tiven Analyse) legt Aeby dar, dass er — da
die Knochen sich von den Phosphoriten des Mine-
ralreich» zum Thei] nur durch den Leiingehalt un-
terscheiden , den bei jener Gruppe ungewandten
analytischen Gang als den zuverlässigsten eiuge-
halten und neben den Kalk&alzen, als den wesent-
lichen Bestandteilen, noch dem Gehalt an Eisen,
Fluor, Mangan und Schwefelsäure seine besondere
Aufmerksamkeit geschenkt habe. Bezüglich der
specielleren Angaben über die Methode möge der
Leser sich in der Abhandlung selbst orientiren.
In Abschnitt III. erörtert der Verfasser die
normale Zusammensetzung der Knochon,
und kann sich hierbei in Folge seiner Untersuchun-
gen von 54 rennten und fossilen Knochen nicht
mehr mit der früher dem Kalkphosphat derselben
bei gelegten Formel 3 CaO PO* befreunden, nimmt
vielmehr ein über basisch phosphorsau res Salz an,
wofür ihm besonders der Umstand zu sprechen
scheint, dass das relative Verhältnis» von Kalk zu
Phüsphors&urc auch dann dasselbe bleibt, wenn
durch das Auftreten von mehreren Procenten Fluor
in den Knochen sich eine Apatit ähnliche Mischung
einstellt.
Aeby bemerkt, «lass, abgesehen vom Kohlen-
süuregehalt, sich drei Iieihen von phosphorsauren
Kalksalzen ergeben, welche durch ihr regelmässiges
Auftreten eine Verschiedenheit in der animalischen
Function erkenucn lassen. Die erste Heiko findet
er besonders durch die Substanz der untersuchten
Kiefer- und Zabnknochen, die zweite durch
die Röhrenknochen, die dritte durch den Zahn-
schmelz repräsentirt , und letztere entspräche
dein gewöhnlichen basisch phosphorsaureu Kalk;
das Zuldenverhältniss wäre 5*4 und 0‘8 überschüs-
siger Kalk neben je 84 Proc. 3 CaO PO r ’.
Interessant ist hierfür die Beobachtung, dass
sich in alten Pfahlbauten häufig der Zahnschmelz
in das schöne dunkelblaue Mineral, Vivianit (was-
serhaltiges Eisenphosphat), umgewandelt zeigt, wäh-
rend da« angrenzende Zahnbein von den durch-
sickernden eisenhaltigen Wassern wohl Eisen, je-
doch kein PhoBphat aufgenommen hatte.
Die Magnesia glaubt der Verfasser vermöge
seiner desfallsigen näher angegebenen Versuche als
kohlensaures Salz in den Knochen annebmen zu
müssen, ebenso das Eisen und Mangan. Die bei
den Analysen sich ergebende Schwefelsäure dage-
gen hält er fllr meist secundlres Product bei der
Zersetzung der organischen Substanz, nicht für
primären Knochenbestandthcil.
In Abschnitt IV. bespricht Aeby die Meta-
morphose todter Knochon. — Frische und fos-
sile Knochen, bezüglich ihres Leimgchaltes ver-
glichen, ergeben keinen Unterschied. Die Men-
achenknochen aus der Steinperiode zeigten noch
ihren vollen Leimgehalt. Den Grund für die rela-
tive Abnahme des letzteren in den Knochen der
Hauxthiere erkennt der Verfasser in dem Umstande,
dass jene von deu Pfahlhauem abgekocht waren ;
die gekochten unterscheiden sich von deu unge-
kochten durch geringere Menge Leim, mindere
Festigkeit, durch Biegsamkeit und hellere Farbe.
An Knochen aus Höhlen, Kalkschichten u. s. w.
wird der Leim oft durch koblensauren oder Schwe-
felsäuren Kalk ersetzt, wodurch deren Festigkeit
uiüdificirt sein kann.
Gegenüber jenen mehr mechanischen Verän-
derungon der Knochen kommt nun bezüglich der
chemischen Umsetzung derselben deren Fluor-
gebalt besonders in Betracht. Aus der erwähnten
Beobachtung, dass auch beim Hinzutritt ganzer
Procente Fluor du» relative Verhältnis« von Kalk
und Phosphorsüuru unverändert bleibt, schlicsst
Aeby auf eine Wechselwirkung von Fluoratkalieu
der Gewässer mit dem überbasisch phosphorsaurc*«
Kalk und Bildung eine« Doppelsalzes von basisch
phosphorsaurom Kalk mit Fluorculcium; ferner
nimmt er verschiedene desfallsige, bisher über-
sehene Sättigungastufen an, worunter die Verbin-
dung
|84 3 CaO PO*
| 5 CuO
ein Mittelglied zwischen Apatit und dem gewöhn-
lichen basisch phosphorsauren Kalk repräsentirt,
dessen Urawandluugsstufen sich vollständig verfol-
gen lassen.
Aus einem Fluorgebalt der Knochen auf deren
sehr hohes Alter zu schlieseen, sei man nicht be-
rechtigt; solche aus Pfahlbauten zeigen theils
3 bis 4 Proc. und darüber, theils nur 1 bis 2 Proc.
Fluor. Als Agens bei der Verbreitung dieses Stoffes
im Hoden sieht Aeby die organische Substanz an;
Knocheu von Stellen, wo letztere nicht ins Spiel
kommt, z. B. aus Diluvialgerölleu, zeigen nur ge-
ringe Spuren davon.
An dieselben Bedingungen sei auch das Auf-
treten von Eisen und Mangan gebunden; alle
fiuorhultigen Knochen enthalten auch Eisen , die
fluorfreien keines; Knochen aus Diluvialgerölleu
geben weisse Asche. Pfahlbautenknocheu rothe.
Der Verfasser findet interessante Analogien in die-
sen Umsetzungen der Knochen mit den Pseudo-
morphoaenbilduugen dös Mineralreiche, nämlich von
Eisen- und Mangancurbonut nach Kalkcarhotiat,
und zwar bei den Knochen allermeist ohne Eisen-
phosphatbeimengung.
Ein erheblicherer Gelialt gewisser Knochen-
aacheii' an Schwefelsäure» wartet noch der Aufklä-
rung. Mangan kommt besonders den Knochen
aus Torf zu.
Als Facit aus seinen Untersuchungen zur Un-
terscheidung sehr alter und neuer Knochen be-
trachtet Aeby das Verhältnis*, dass die ersteren
vermöge der Verbreitung des Gypses und des Ein-
43*
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340
Referate.
fluMi'S der Kolilensüure durchweg luagneelaarm
seien; die Pfahl bautenkuochen erscheinen daneben
olt sehr reich an Fluor und Eisen, jene aus Torf-
»Magerungen auch an Mangen.
Schliesslich wirft der Verfasser mit Hecht
noch einen iiufklat enden Blick auf die einschlägigen
Bedingungen der Bildung von Phosphoritlagern
neben Eisen- und Manganerzen in den Erdschich-
ten, und Bucht so die Verhältnisse im Kleinen und
im Grossen in einem wissenschaftlichen Zusammen*
hang aufzufassen l ).
An dieses Capitel schliesst sich dann die Auf-
führung der Analysen selbst ; nach den drei oben
angeführten Categorien geordnet und am Ende
folgt eine Reihe näherer Mittheilungen von II. Dr.
Uhlmann in München buchsoe über die Fund-
stätten der vom Verfasser analysirten Zähne und
Knochen. —
Im Centralblatt für die medicinischen Wissen-
schaften 1871 Nr. 14 äuseert sich Aeby noch über
den Grund der Un Veränderlichkeit der organi-
schen Knochensubstanz, welche vollends unter
Wasser Jahrtausende lang sich conservirt. In ganz
frischen compacten Knochen fand er 11 bis 12
Procent Wasser und durchschnittlich 28 Procent
organische Substanz; die letztere bedarf, um sich
zu zersetzen, der Aufnahme von Wasser, welches
eben in der KnorlienniaB^e spärlich und nuch
dessen Versuchen chemisch gebunden wie Krystall-
wasser auftrete.
Oie Knochen dürfen demnach als trockenes
Gewebe angesehen werden, welches da, wo keine
Wasseraufnahme stattfinden könne, eben auch nicht
faule. Die Starrheit der anorganischen Knochen-
*) Ob dnwlb# mit Miner in der ganzen Schrift enn*
frequent durchgeführte» Schreibweise U«id, Oxidul, anstatt
Oijrd. Oxydul, Proselyten machen werde, wollen wir bezwei-
feln.
Substanz gestatte keine Volumvermehrung, welche
bei Wasseraufnahme von Seite de« Knorpels für
sich eintreten würde, während beim Digerit en feiu-
gepulverter frischer Knochen wirklich Quellung vor
sich gehe. — Aeby vorgleicht den Knochen dem
unter Wasser gepressten Schwamm , der erst unter
Beseitigung des Druck» sich mit Wasser füllt; so
erkläre sich demnach auch die Conservation der
Pfahlbautenknochen unter Wasser.
II. Fischer in Freiburg.
5. Archivio per L'Antropologia e la Ktnolo-
gia, pubblicato: per la psrt« antropologica dal
Dr. Paolo Mantegazza Prof. ord. di Antropo-
logia uel R. Ist. di St. Sup. in Firenze; per la
parte etnologica dul Dr. Fclicc Finzi Prof. lib.
di Assiriologia nel R. Ist. di St Sup. in Fi-
reuze. Primo volume FascicoJo primo. Fi-
renze. 1871. 8°.
Mit Freude begrüßsen wir das Erscheinen einer
italienischen Zeitschrift für Anthropologie, und
erkennen «larin nicht nur einen Beweis für die stei-
gende Bedeutung unserer Wissenschaft, sondern
auch für das zunehmend rege wissenschaftliche lie-
ben unserer südlichen Nachbarn. Das vorliegende
erste Heft enthält: 1) einen einleitenden Aufsatz
von Finzi: Anthropologie und Ethnologie.
2) Eine Frage der socialen Psychologie, von
Alexander Herzen. 3) Mantegazza, überden
Iudex cephalospinnlis beim Menschen nnd den
anthropomorphen Affen, und eine Methode, denselben
zu bestimmen (mit 1 Tafel). 4) Derselbe, eine
Bemerkung über den Iudex cephalospinali n.
5) Lombroso, Existenz einer Fossn occipita-
1 i 8 mediana im Schädel eines Verbrecher». fi)Boc-
cardo, über die Ursachen, welche die rela-
tiven Verhältnisse der Geschlechter in der
Statistik der Geburten bestimmen. 7) Gi-
glioli, die Tasmanier (mit Tafeln).
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XX.
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Bericht über den internationalen Congress für Anthropologie und vorgeschichtliche
Altertumsforschung in Kopenhagen vom 27. August bis 5. September 1869.
Von H. Schaaffhausen.
Es ist wohl selten eine Gelehrten- Versammlung
abgehalteu worden , die so grosse Erwartungen
erregt und beim Schlüsse alle Theilnelimer mit so
vollständiger Befriedigung erfüllt hätte, wie die in
Kopenhagen. Es war der vierte der anthropolo-
gischen (Kongresse, von denen der erste 1866 in
Neufchatel, der zweite 1867 in Paris, der dritte
1868 in Norwich stattgefunden hatte. Der nächste
wird voraussichtlich in diesem Jahre in Bologna
tagen. Die Versammlung in Kopenhagen zählte
337 Mitglieder, darunter aber nur 111 Ausländer.
Es war nicht nur der überraschende Heichthum
und die zweckmässige Einrichtung der Sammlun-
gen . unter denen mit Rücksicht auf die Arbeiten
deB Congresaes vor Allem dos Museum für nordi-
sche Al terthüm er, die ethnologische Sammlung, das
in einem neuen Prachtbau aufgestellte vergleichend
anatomische Museum, das des physiologischen In-
stituts und die kunsthistorischo Sammlung in der
Rosenburg zu nennen sind, es war auch nicht nur
die Anwesenheit namhafter Forscher aus allen Ge-
bieten der Natur- und Altert hnrnswinenschaft, was
diese Versammlung zu einer so glänzenden machte,
sondern die überanB gastfreundliche Aufnahme, die
allen Fremden zuTheilward und an der alle Kreise
der Bevölkerung sich betheiligten, die Hochachtung,
welche das dänische Volk bei dieser Gelegenheit
der Wissenschaft in so auffallendem Maasae entge-
genbrachte, hob von Anfang an die Stimmung der
Versammelten. Der König wohnte der feierlichen
Eröffnung des Congresses mit seinem ganzen Hof-
staate bei und gab demselben königliche Feste,
aber auch der Geringste im Volke schien den Ge-
lehrten-Congress als eine Ehre zu betrachten, die
dem I>ande zu Theil ward. Was das thatkräftige
Volk der Dänen in Kunst und Wissenschaft gelei-
stet, wird stets Bewunderung finden; für die in
diesem Lande verbreitete Bildung spricht schon die
eine Thatsache hinreichend, dass Dänemark bei
einer Bevölkerung von noch nicht zwei Millionen
23 literarische nnd wissenschaftliche Zeitschriften
besitzt.
Die Sitzungen des Congresses fanden in der
stattlichen Aula des Uuiversitätsgebäudes statt, in
dessen Vorräumen Privateammlungen ausgestellt
und Abbildungen der bemerkenswerthenten (iegen-
stinde aus den Museen von Flensburg, Dublin,
Cbristiania und Stockholm, sowie Ansichten der
bedeutenderen Dolmen Dänemarks aufgehängt wa-
ren ; dieselben wurden in zweckmässiger Weise
durch Ausflüge zu Bchenswerthen Denkmalen und
Fundstellen in der Umgegend unterbrochen, ln
einer Vorversaminluug war der Beschluss gefasst
worden, die Verhandlungen in französischer Sprache
zu führen. In der That bestand die Mehrzahl der
auswärtigen Mitglieder aus Franzosen, und die
Abstimmung musste also zu ihrem Vortheil Ausfal-
len, während von den anwesenden Dänen freilich
viele das Französische nicht, fast alle aber das
Deutsche verstanden. Es hätte wohl deui gertna-
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342
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
ni sehen Lande besser engestanden, wenn den Deut*
sehen deutsch zu reden verstattet gewesen wäre.
Ein Nachklang politischer Verstimmung gegen
Deutschland war hierin bemerkbar. Es verstaut
aber geradezu gegen den Sinn internationaler Ver-
sammlungen, dass eine Nation für »ich ein Vorrecht
▼erlangt und dass nicht Jeder in seiner Sprache
reden soll. Die Zuhörer mögen dafür sorgen, dass
sie ihn verstehen.
Der amtliche Bericht über die Verhandlungen
des Congressee, der in französischer Sprache in
Paris gedruckt werden sollte , wird bei den obwal-
tenden politischen Zuständen gewiss nicht bald zu
erwarten sein. Es hat deshalb der Berichteratatr
ter, der gern für das Archiv einen vollständigen
Auszug der Verhandlungen geliefert hätte, geglaubt,
mit einer übersichtlichen Darstellung der wichtig-
sten Arbeiten du Congresees nicht länger warten
zu dürfen. Die Bedeutung der Versammlung hat
sich auch darin kundgegebeu , dass, abgesehen von
den gleichzeitigen Mittheil ungen in den grösseren
deutschen Blättern, die Kölnische Zeitung eine aus-
führlichere Schilderung derselben von C. Vogt, die
Revue des cours scientif de la France et de l'Etran-
ger, Ferner 1870, eine solche von Cazalis de
Foudouce, einem der Set-rctüre des Congresses,
die Revue des deux mondes vom 15. April und
1. Mai, eine von A. de (Juatrefages, gebracht hat.
ln besonderen Schriften haben Desor, Souvenirs
du Dnnemorck, Bienne 1870, und Eug. Dognce,
l'Archaeologio prehistorique etc., Bruxelles 1870
über denselben berichtet. Worsaae, der Vor-
sitzende des CoDgre&ses, wies in der Eröffn ungerade
daraufhin, was die Alterthumsforschung den dä-
nischen Gelehrten verdanke und wie diese Studien
durch die Naturforschung gefördert worden seien.
Der Beginn der menschlichen Cultur liege jetzt in
seinen einzelnen Airschnitten uns deutlich vor Au-
gen. In den nordischen Ländern hätten, entfernt
von den Eroberungen der römischen Waffen, die
nationalen Denkmäler des Alterthums unversehrt
sich erhalten können. Was die Speiseabfalthaufeii
der ältesten Vorzeit, der Torf, die Grabkain mern
uns auf bewahrt haben, das findet sich jetzt verei-
nigt in den Museen Kopenhagens. Er gedenkt
de« grossen Thomson, des Gründers dieser natio-
nalen Sammlungen, dem es nicht beschieden war,
in dieser Versammlung zu erscheinen, sein Geist
möge in ihr walten! Q untre fages lenkte in sei-
ner Erwiederung den Blick auf den König Fried-
rich VII.» den Beschützer und Kenner der Archäo-
logie, der mit Thomsen gearbeitet und Schätze
der Wissenschaft in Friedrichsburg, das leider spä-
ter der Brand zerstörte, aufgeh&uft hatte.
Aus den Verhandlungen, die am 28. August
begannen, sind folgende als die wichtigsten her-
vorzuheben. Bruzelius spricht über die Schwan-
kungen des Bodens in Skandinavien. Nilssou
habe nach einem Mnnuscripte vom Jahre 1070
eines un ter meeri sehen Torflagers an der Küste von
Schonen geda ht, das nach seiner Schätzung etwa
2000 Jahre vor Christus vom Meere verschlungen
worden sei. Neuere Arbeiten im Hafeu von Ystad
buhen in dem ein Torflager bedeckenden Meersande
Meermuschc-ln und eine Menge von SchiflVtrümmem
und Gegenstände zu Tage gefördert, deren Alter
nicht über 500 Jahre zurückreicht, also »st da*
Untersinken des Torfes nicht alter. Unter dem
Torf, der Wurzeln und Baumstämme und Land-
schneckeu enthält, liegen Sand- und Thonschichten
und Steine, die einer Moräne angeboren. In die-
sem thonigen Sande wurden Steingeräthe gefunden,
die verloren gegangen sind und zwei KnochenpUtten
von einem Messerstiel, die kunstreich geschnitzt
sind und am Ende in einen Drachenkopf auslaufeu.
Diese Arbeit gehört dem 9. bis 1 1. Jahrhundert,
dem Anfänge der christlichen Zeit im Norden an.
Desor und Vogt bemerken in Bezug auf die An-
sicht , dann die Senkung der Küste von Schonen
mit der Erhebung von Skandinavien in ursächlicher
Verbindung stehe, eine solche haluncirende Bewe-
gung des Bodens sei durchaus nicht wahrscheinlich;
Hebungen und Senkungen fanden sich oft dicht
neben einander und könnten von localen Ursachen
herrühren. Vogt glaubt ferner, dass das uub den
Gcruthen berechnete Alter der sie umschließenden
Schichten nicht sicher sei, weil manche Gegenstände
durch ihre Schwere allinälig tiefer sinken könnten.
Nach Hebert durchsinken Rolle: eine die Sand-
schichten niemals und die geringste Sandschicht
über dem Torf würde gehindert haben, dass das
Messer tiefer sank. Er zieht aus den Mittheüun*
gen von Bruzelius nur die wichtige Folgerung,
dass die Senkung de« Bodens an der Küste von
Schonen in 500 bis G00 Jahren 10 Fuss betragen
habe. Beim Vorzeigen eines Maminutkzahncti aus
dem Sande von Fünen bemerkt Capellini, dass er
dem Elephas armeniacus anzugehören scheine, des-
sen Schmelzleisten dicker als die des El. primig.
und an den äusseren Enden etwas gedreht seien.
In Toscana findet er sich im neueren Torf mit den»
Bison prisc us. Desor erwähnt, da.^8 man die Main-
muthreste immer nur im wieder angoschwetuiuten
Lande, niemals im Gletscherschlamme finde, das
Thier habe also erst nach dem Rückzug© der Glet-
scher gelebt. Ilebert schliesst aus dem Umstande,
dass man in Dänemark die Spur des Menschen zur
Zeit der grossen Süugethiere noch nicht gefunden
habe, dass das Land damals von Menschen noch
nicht bewohnt gewesen sei.
Am 30. August wurde ein Ausflug nach Söla-
ger gemacht, das fast an der Mündung des Koes-
kildefjords in dasCattegat, heim Dorfe Ljnas liegt
Auf der fast vierstündigen Fahrt über den FJ«»rd
sali man auf beiden Ufern alte Tumuli in grosser
Zahl. Auf dem Muschelhaufen selbst, einem der
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343
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
bekanntesten dänischen Kjökkoomöddings, war uin
tiefer Quergiaben angelegt, der da» Innere bloss-
legte und der ganzen Gesellschaft Gelegenheit gab,
nach merkwürdigen Fundnttieken zu graben. In
einem Zelte lagen die Steingeräthe und Knochen
geordnet, die zuvor beim Anlegen des Grabens ge-
funden waren, darunter zwei geschliffene Heile von
schwarzem Schiefer und drei Hundekiefer, welche
beweisen, da»» auch der Hund gegessen wurde.
Vielleicht war diese Stelle des hohen Ufers einst
zur Niederlassung ausgesucht, weil sie gegen Süden
gerichtet war und Schutz gegen die kalten Nord-
winde bot. Die Kohlenre8te , die geschwärzten
Steine und angebrannten Knochen lassen keinen
Zweifel , dass hier Keste menschlicher Mahlzeiten
vorliegen und nicht etwa nur natürliche Haufen
von 3Iu8chelschalen. Auffallend war dem Bericht-
erstatter, dass die beiden Schalen der Auster in den
meisten Fällen zusanunenlagen und am feinen Hände
ganz unverletzt waren, als seien sie nie guöffnet
gewesen und dass das glatte Innere niemals geritzt
erschien, wie es zu erwarten wäre, wenn da» Weich-
thier mit Hülfe eines Kieselmessers aus der mit
Gewalt geöffneten Schale entfernt worden wäre.
Doch finden sich kleine Kieselmosser mit einem
ganz abgerundeten Ende, diu wie Austernlöffel uus-
sehen. Am nächsten Tage lenkte Nilsson noch
einmal die Aufmerksamkeit auf die Bodengchwan-
knngen in Skandinavien. Zu Anfang des verflos-
senen Jahrhunderts erzählten alte Rohbenfänger,
dass die Felsen, auf denen sie in ihrer Jugend See-
hunde erlegt hätten, sich so sehr Uber das Wasser
erhoben hätten , dass diese Thiere sie nicht mehr
besteigen konnten. Celsius schloss daraus, dass
vor einigen Jahrtausenden ganz Skandinavien aus
dem Meere emporgestiegen sei und liess die Höhe
des Wasserspiegels durch Marken an den Felsen
bezeichnen.
Im Jahre 1820 lies« die schwedische Akademie
die von Celsius gemachten Zeichen prüfen und es
ergab sich, dass, je weiter man gegen Norden ging,
die Zeichen sich um so mehr über den Meeresspie-
gel erhoben. Seit 1816 sammelte Nilsson selbst
Thatsachen dieser Art. Viele Fischer versicherten
ihn , mit ihren Booten da nicht mehr fahren zu
können , wo sie in ihrer Jugend noch Fahrwasser
fanden. Bei Fyembake ist eine Klippe, die 1630
noch nicht vorhanden war. Vor 20 Jahren erzählte
ein Greis, dass er in seiner Jugend sie nicht grös-
ser als ein Hut gesehen habe; 1844 fand sio
Ni Isson zwei Fass hoch über das Wusser erhoben.
Kr iiiaaia auch die schon von Lin ne gemessene
Entfernung eines durch die Landung Karl’s XII.
berühmt gewordenen Steines von der Südküste
Schonens uud fand sie vermindert. Ni lsson er-
wähnt noch, dass man im Hafen von Ystad eine
Keule aus Bronze gefunden habe, die er für etrus-
kisch hält, er glaubt, dass die etruskischen Erzeug-
nisse etwa 600 Jahre vor Chr. nach dem Norden
gekommen seien. Dognöe tlieilt die Untersuchun-
gen Roujon’s über das Alter der polirten Stein-
werkzeuge von VilJeneuve St. George bei Paris mit
In einer am Ufer der Seine gelegenen Ablagerung
unterscheidet man drei Schichten, die oberste ent-
hält Sachen aus Bronze, in der zweiten, einem gel-
ben Thone, liegen 1 bis 3 Meter tief Aschenreste
mit Steingeräthen . Topfscherben und zerbrochene
Knochen vom Hund, Schwein, Hirsch, Ziege, Castor,
von einer grossen und einer kleinen Ochsenart; in
der dritten sind menschliche Werkzeuge sehr selten.
ZurZeit der geschliffenen Steine war die Seine viel
breiter als heute, ihr Wasser erreicht die Stellen,
die sie damals umge wühlt, nicht mehr. An hier
gefundenen Mennchenknochen vemiuthet Iloujou
die Spuren des Kannibalismus. Spring wird auf-
gefordert, seine Beobachtungen an den Knochen von
Uhauvaux roitzutheilen. Er erzählt, dass er neun
Jahre lang Meine Schlüsse geprüft, ehe er sie ver-
öffentlicht habe. Der Mensch von Chauvaux int
jünger als der von Engis, denn es fehlen die Reste
des Mammuth und des Höhlenbären in Meiner Nähe;
es finden »ich nur solche von Wiederkäuern, vom
Schwein, von Vögeln und Fischen. Die Menschen-
knochen sind fast nur solche von Frauen und Kin-
dern; die Knochen, welche Mark enthalten, waren
zerbrochen, einige der Länge nach gespalten, andere
angebrannt. Das Mark der Knochen ist so wohl-
schmeckend, dass auch bei den heutigen Cannibalen
nur der Häuptling dasselbe verzehrt. Das Fleisch
von Frauen und Kindern galt wohl als das zarteste
und saftigste; vielleicht mästete man die Gefange-
nen überwundener Stämme und speiste sie bei gros-
sen Festen. Anthropophagie kam nach dem Zeug-
niss des h. Hieronymu* (?) noch im 4. Jahrhundert
in Gallien vor. Worsaae wagt nicht zu behaup-
ten. dass sich in Dänemark Beweise für den C'au-
nibalismus gefunden hätten. Aber es war die Grab-
karamer eines Dolmen ganz mit Knochen gefüllt,
die nicht mit deu Fleischt heilen konnten hinciu-
gelegt worden sein; einige zerbrochene und ange-
brannte Knochen lagen zerstreut in der Grabstätte.
Er glaubt, dass dies eher die Reste eines Opfers
als die eines Cannibalenschmauses sind. Am Bo-
den fanden sich Kohlen sowie angebranute Thier-
knochen. Auch einige der theils runden, theils lan-
gen Schädel trugen Spuren des Feuers. Konnten
diese Gebeine nicht von alten Bcgräbnissplutzen
zusammengolesen und dann hier in einem gemein-
samen Grabe bestattet worden sein, wie man sie
später in den Beinh&uaern der Kirchhöfe auf be-
wahrte? Hildebrand sprach hierauf über die
Dolmen in Westgothland, sic sind aus grossen Stein-
platten gebaut und bilden oft mit Steinblöcken
überdeckte Gänge von 50 Kuss Länge. Gegen
Osten iht der Eingang. Alles ist mit schwarzer
Erde gefüllt, wolchc die Knochen einscbliesst. Ein
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344
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Erdbügel bedeckt das Ganze , und grosse Steine
stehen zuweilen auf demselben. In den letzten
Jahren wurden sechs dieser Grabhügel geöffnet;
meist fanden sich mittelst Steinplatten kleine Grab-
kammern gebildet, von denen jede 2 oder 3 Ske-
lete enthält; zuweilen lagen die Knochen so durch
einander, als hätte man nicht ganze, sondern zer-
stückelte I^eichnamo bestattet Einmal war ein
Schädel mit einer zweiten Hirnschale bedeckt Viel-
leicht wurden solche Grabstätten zu verschiedenen
Zeiten benutzt und dann die früher Bestatteten zu-
sammen gehäuft. Fast alle Schädel waren dolicho-
cephal. Die Thiorknochen sind vom Schafe, Schweiu,
Ziege, Pferd, Hund, Wolf, Fuchs, Vielfrass. Castor
und Dachs. Dabei liegen Kieselmesser und sorg-
fältig gearbeitete Stein Werkzeuge, Kratzer, Pfeil-
und Lanzenspitzen, durchlöcherte Nadeln, Haarna-
deln, Angelhaken, Ohrgehänge aus Knochen, Bern-
steinperlen, durchbohrte ThierzÄhne. Diese Gräber
gehören also in die Zeit der geschliffenen Stcinge-
räthe. Tubino schildert die megalithischen Denk-
male Andalusiens, zumal den Opferstein bei Ronda,
sowie die Grotten von Mengal und la Pastora. Er
glaubt, dass Spanien seine erste Bevölkerung über
Gibraltar erhalten habe. Fraas theilt mit, dass
man auch in Oberschwaben Speiseabfalle finde, dio
wie die Kjökkenmöddings Feuerstuinmesser, aber
statt der Muscheln Knochen enthalten, aber nicht
vom Hirsche, der Ziege, dem Schweine, sondern
vom Renn, Vielfrass, Polarfuchs, Bär nebst Schnecken
und Moosen der Polargegen.len. Die markhaltigen
Knochen sind zerbrochen, die Rennt hiergoweihe oft
bearbeitet. Diese Leber reute Bind also älter als dio
dänischen. In Unterschwaben sind Mammuthkno-
chen im Lehm so häufig, dass mau die Orte nennen
müsste, wo sie sich nicht finden. Mit ihnen gräbt
man die Reste des Riesenhirsches, des Lkw priscus,
des Höhlenbären, des Pferdes aus. Iin Stuttgarter
Museum befindet sich ein Menschenschadei, der im
Jahre 1700 mit Mammuthknochen gefunden sein
soll.
In der Abendsitzung berichtet Guer in über die
vorgeschichtlichen Alterthümer des östlichen Frank-
reichs. Die Grotte von St Reine bei Tool ist reich
an Bärenknoclien, gegenüber finden sich Menschen-
knochen, Pfeilspitzen aus Feuerstein , durchbohrte
Muscheln. Pfriemen aus Knochen, Ringe aus Bronze.
Die Gräber von Malzeville bestehen in Haufen gros-
ser Steine, in deren Umgebung Knochen, Steinwaf-
fen, Topfscherben und Bronzesachen gefunden wer-
den. Iiu Thal der Meurthe sind Spuren von Pfahl-
bauten, auf den Höhen findet mau Steinbeile von
dreiockiger Form. Auch in den Vogesen giebt es
Grabstätten aus der Bronzezeit mit Meissein, die
wir Gelte nennen; ein schöner Beinring von daher
wird vorgezeigt. Bei Wallerfangen hat man ähn-
liche gefunden, die die Voreinssammlung in Bonn
auf bewahrt. Bei Nancy hat man in einer Sand-
grube kürzlich zahlreiche Skelete mit offenen Bron-
zeringen an den Schenkeln, den Armen und st u
Halse entdeckt. Hierauf hält Schaaffhausen einen
Vortrag über die Methode und die Hauptergebnisse
der vorgeschichtlichen Forschung, in dem er insbe-
sondere die Eiszeit, die Höhlenfunde und das Un-
sichere der bisher üblichen Zeitbestimmung für die
einzelnen Abschnitte der Urgeschichte bespricht
Die Erwähnung eines in einem Lavablocke zu
Plaidt bei Andernach am Rhein gefundenen Stück?*
geschmiedeten Eisens giebt Hebert Veranlassung,
das Unglaubliche eines solchen Fundee zu beleuch-
ten; die Richtigkeit der Thatsache vorausgesetzt,
werde ein solches Lavastück eher vom Vesuve als
von einem erloschenen Vulkane deB Rhein thales her-
rühren. Odobesco hat mit Urechia die Walla-
che! und Moldau erforscht und legt Nachbildungen
durchbohrter Kugeln und Scheiben vor, welch«
Worsaae für Webstuhlgewichte, Vogt für
Schwungbeine von Steinbohrern hält, ferner polirte
Steinbeile aus Diorit und Serpentin. Die ganze
Wallachei ist von Wällen durchzogen, die älter sind
als die römische Herrschaft , weil die römischen
Heerstrassen in sie eingeschnitten sind. Auch viele
meist noch nicht geöffnete Tumuli finden sich im
Lande, dio kleinsten sind römischen Ursprungs; die
grossen sind alter als die Wälle und scheinen die
Richtung alter Ileerstr&ssen zu bezeichnen , wahr-
scheinlich sind sie von gleichem Alter wie dio in
Ungarn, in welchen man so schöne Funde aus der
Bronzezeit gemacht hat. Auch manche Höhle war-
tet noch der Erforschung. Eine Darstellung auf
der in Rom stehenden Säule des Tnyan lässt ver-
muthen, dass inan noch Pfahlbauten entdecken wird.
Desor glaubt indessen, dass das Bild auf der Tra-
janssäule eher blosse Wachthäuser darstclle, wie sie
noch an der Donau zu sehen seien; bei den Pfahl-
bauten habe man die Pfähle nicht über dem Was-
ser gesehen.
In der Sitzung vom 1. September gab Steen-
strup eine ausführliche Schilderung seiner Unter-
suchungen über die dänischen Kilchenabfalle. An-
fangs habe man diese Muschel häufen nur für ge-
hobene Seeufer gchalteu. Aber in diesem Falle
würde eine grössere Zahl von Arten der Muschel*
thiere vorhanden sein, während doch fast nur vier
Vorkommen, die auch alle ausgewachsen sind und
eine so verschiedene Lebensweise haben, dos* ihre
natürliche Vereinigung an einem Ort unerklärlich
bliebe. Auch finden sie sich meist nur einige Fum
über dem Meeresspiegel, woraus geschlossen werden
müsste, dass seit ihrer Bildung weder ein beträcht-
liches Steigen noch Sinken der Küste stattgofundeD
hätte. Aber man entdeckte bald in diesen Haufen
*) Dieser Vortrag wird ln» Archive abged ruckt.
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345
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
rohe Feuerst«! ngeräthe, Wirbelthierknochen und
vom Feuer angebranute Steine, grobe Topfscher-
ben, Nadeln UDd Ahle von Knochen, Kämme mit 3
oder 4 Zinken, wie sie die Grönländer beim Ver-
fertigen ihrer Netze gebrauchen. Der Umstand,
dass die Straudmuacheln fehlen, deutet auf Fische-
rei in der Tiefe. Man muss diese Muschelhaufen
also für Halteplätze der Urbewohner halten, die
hier die Beute der Jagd und des Fischfangs ver-
zehrten, hauptsächlich aber von Weichthieren des
Meeres lebten, deren Schalen sich um ihre Hütten
anhäuften. Einigo dieser Haufen sind 3 Meter
mächtig und mehr als 100 Meter lang, sie sind be-
sonders häutig an den Küsten des Kattegat. Wor-
saae, Forchharamer und Steenstrup waren be-
auftragt, diese Muschelbaufen zu untersuchen und
haben deren mehr als 50 durchforscht. Unter den
Muscheln unterscheidet man 13 Arten, aber vier '
sind vorherrschend, nämlich Ostrea edulis, Cardium
edule, Mytilus edulis und Littorina littorea, die
anderen sind sehr selten, in Soelager kommt noch'
am häufigsten Nasen reticulata vor. Die Muscheln
von Cardium und Littorina sind viel grösser als
die, welche heute in dieser Gegend leben und die
Auster ist fast ganz im Kattegat verschwunden.
Verminderung des Salzgehaltes ist wahrscheinlich
die Ursache beider Erscheinungen. Steenstrup
schätzt in jedem (Juadrat.fuss des Muschel haufens
10 bis 12 Wirbelthierknochen. Unter den Fischen
sind die häufigsten Clupea harengus, Gadus calla-
rias, Pleuronectes limanda und Murueua anguilla,
unter den Vögeln der Auerhahn, Tetrao urogallus,
der sich von Fichtenzapfen nährt und Dänemark
verlassen hat, seit die Fichte, deren Beste in den
Torfmooren liegen, in diesem Lande der Eiche und
der Buche Platz gemacht hat Der wilde Schwan,
der nur im Winter noch nach Dänemark kommt,
der grosse Pinguin, Alca impennis, der hier fast
gar nicht mehr verkommt, sind in zahlreichen Re-
sten vorhanden, während andere jetzt gewöhnliche
Arten, z. B. Schwalbe. Storch, Sperling, sowie unser
Hausgeflügel ganz fehlen. Die häufigsten Säuge-
t-hiere sind der Edelhirsch, die Ziege und das
Schwein, seltener sind Bär, Hund, Fuchs, Wolf,
Marder, Fischotter, Meerschweinchen, Robbe, Was-
serratte, Castor, Lux, wilde Katze, Igel, Maus. Der
Hund, der. wie es scheint, auch gegessen wurde,
war gezähmt, was Steenstrup selbst, ehe seine
Reste gefunden waren, aus der Art und Weise er-
kannte, wie die Knochen benagt sind. Die langen
Knochen sind gespalten, um das Mark hcrauszu-
nehmen. andere Knochen, zumal die des Hirsches,
sind zu Werkzeugen verarbeitet. Die Kieeelger&the
find meist lange Messer, die mehr sägend als «ebnei-
dend wirkten; die glatte Oberfläche der knöchernen
Werkzeuge muss durch geschliffene Meissel hervor-
gebracht sein, mit denen man arbeiten konnte, wie
mit einem Hobel. Steinkerne beweisen die Anfer-
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Heft IV.
tigung von Werkzeugen an Ort und Stelle. Von
Metallen findet sich keine Spur. Steenstrup
fchliesst, dass die Urbewohner diese Plätze wäh-
rend des ganzen Jahres bewohnten und nicht nur
als Nomaden sie besuchten. Der Schwan deute auf
den Winter, die Hirschgeweihe und die Gebisse
junger Thiere gehörten allen Jahreszeiten an. Aber
der Schwan kann damals, wenn das Klima kälter
war, länger dort geweilt haben; eine beständige
Niederlassung ist auch heute nicht die Sitte der
unter ähnlichen Verhältnissen lebenden wilden Völ-
ker. Steenstrup hält das Volk der Kjökkeumöd-
dings für gleichseitig mit dem der Dolmen und
vielleicht für nicht verschieden von ihm , als nur
in der Lebensweise. Aucb die Dolmen können
Wohnungen gewesen sein. Wenu in diesen die
Reste unserer Hausthiere vorherrschen, so fragt sich,
ob diese mit den Todten dort bestattet worden sind,
es können Füchse und andere kleine Raubthiere
sie dabin geschleppt haben. Die grossen Lanzen-
spitzen und Beile der Dolmen deuten doch darauf,
dass ihre Erbauer die grossen Thiere erlegten, deren
Reste in den Muschelhnufen sich finden. Worsaae
theilt diese Ansicht nicht, er hält die Kjökkenmöd-
dings für die ältesten Denkmale des Landes, die
den Anfang des Steinalters bezeichnen, während
die Dolmen dem Ende desselben angehören. Die
wenigen polirten Geräthe in den Muschel häufen
stammen aus der letzten Zeit derselben, die dotn
Anfang der Dolmen nicht fern war. In Meilgaard
fand sich nicht eine geschliffene Waffe. Eine glatte
Oberfläche der Knocbengerfithe kann .auch der
schabende Kieselsplitter hervorbringen. Die Dol-
men erweisen sich überall nicht als Wohnungen,
sondern als Grabstätten, ln fast allen Ländern hat
man jetzt die mit den Thieren des Diluviums und
die mit dem Rennthier gleichzeitige menschliche
Industrie in ihren Erzeugnissen kennen gelernt,
diese gleichen genau denen der Kjökkenmöddings,
Niemals enthalten die Dolmen solche Geräthe. Die
ersteren zeigen nur den Hund als gezähmt, iu den
anderen finden sich, wie in allen Dolmen Europas
und wie in den Schweizer Pfahlbauten, die Haus-
thiere. Merkwürdig ist noch der Umstand, dass
die rohen Werkzeuge der Kjökkenmöddings in Nor-
wegen, Schweden, Finnland und Russland fehlen,
wo die der späteren Zeit, die geschliffenen, sich
finden. Fast allgemein nimmt man an, dass die
Finnen und Lappen im äussersteu Norden Europas
die letzten Abkömmlinge der europäischen Urbe-
wohner soien. Aber die ältesten Funde hat man
im südwestlichen Europa gemacht und je mehr
man sich dem Norden nähert, um so mehr gehören
sie den späteren Zeiten an. Dänemark scheint vor
dem Ende der Rennthierzeit gar nicht bewohnt
gewesen zu Bein , dieser gehören die Kjökkcnmöd-
dings an, während im übrigen Europa schon dio
Zeit der polirten Steingeräthe herrschte. Norwegen
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Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
und Schwedon wurden später bevölkert als Däne-
mark, nämlich erst zur Zeit der pol irten Werkzeuge
oder der Dolmen, deren letzte Spuren an den Küsten
Finnlands verschwinden. Darauf erst folgte das
Volk der läppen und Hussen, deren älteste Reste
also einer späteren Zeit angehören. Es fehlt ein
Beweis für die Annahme, dass die Lappen ein sehr
altes Volk seien. Dänemark hat nicht von Russ-
land und vom Norden aus, sondern 'aus dem mitt-
leren und östlichen Europa seine erste Bevölkerung
erhalten. Dupont spricht über die belgischen
Höhlenfunde. Er trennt die Rennthierzoit sehr
bestimmt von der der geschliffenen Werkzeuge; er
unterscheidet in Belgien drei Perioden der Stein-
zeit, erstlich die des Mnmmuth, Uhinoceros, Höh-
lenbären und der Hyäne mit eiförmigen Stcinlxiilen,
darüber liegen in gelbem Thon die Reste vom Renn-
thier. vom Vielfrass, der Gemse, dem Murmelthier,
die Kennthiergeweihe sind mit Zierrathen geschnitzt,
ähnlich wie die von Perigord, die Feuersteine ha-
ben die Form von Messen»; darüber liegt ange-
schweiumter Boden mit geschliffenen Geräthen, die
Thiere sind Ochs, Ziege, Schwein. Desor zweifelt,
ob man die Dolmen einer bestimmten Epoche zu-
weisen könne; soll aber ein roheB Volk, das nur
den Hund gezähmt hatte, die Lust, die Zeit und
die Kraft gehabt haben , solche Monumente aufzu-
richten ? Hat irgendwo ein halbwildes, nicht acker-
bauendes Volk solche erbaut? Enthalten die Dol-
men nicht auch kunstreiche Bronzesachen und in
Algier sogar Eisen? Sch aaff hausen erinnert an
die Mitthoilung von Hook er, wonach in Bengalen
ein halbwilder Stamm von Eingeborenen lebt, der
grosse Steinmonumente errichtet, die den Dolmen
gleichen. Sie gebrauchen das Feuer, dessen Gluth
die Felsen spaltet, zum Brechen der Steine. In
Nordeuropa war die Mühe geringer, weil man die
erratischen Blöcke benutzte. Bertrand theilt
Desor's Meinung. Die Werkzeuge dorMamrnuth-
zeit sind eigentümlich, auch die der Rennthierpe-
riode; von da an aber wird ea schwer, Unterschei-
dungen zu macheu ; jeder Fortschritt der Bildung
be weist aber nicht einen Wechsel der Race, er be-
zeichnet nur eine weitere Entwicklung der mensch-
lichen Fähigkeiten und dasselbe 1 -and kann neben
den Erbauern der Dolmen so rohe Stämme, wie die
der Kjökkenmöddings besessen haben. In Frank-
reich gehören die Dolmen einem Volksstammc an,
der von Norden kam und sich zwischen den Urbe-
wohnern niederlies«. Im Süden machte derselbe
einen weiteren Culturfortscbritt, indem er die Bronze
annahm. Freiherr von Dücker legte nun Knochen
und Steingeräthe aus Westphalen vor. Petersen
theilt einigo Stellen der klassischen Schriftsteller
über Anthropophagie mit und Baron von Breugel
berichtet über alte Feuerheerde, die man in Fries-
land bei Utrecht entdeckt hat. Es sind 1,50 Meter
tiefe und ebenso breite Löcher, in deren Mitte eine
Granitplatte liegt, dabei fand man Steinbeile, Pfeil-
spitzen und Steinkugeln.
Am 2 . September berichtet zuerst Qu atro-
fages über ganze Hügel von Austerschalen an den
Küsten Frankreichs, die aber neueren Ursprungs
sind, es hat jedoch der Herzog von Luynes bei
Hyeres Muschelhaufen mit Kieselgerät hen gefunden,
die den dänischen durchaus gleichen. Cazalis de
Fondouce schildert die Todtengrotte von Durfort
im Gard- Departement und die Grabstätte von la
Roquette, deren Inhalt der Zeit der Dolmen ange-
hört und die ein Mittelding zwischen inegal ithiseher
und cyklopischor Bauart ist. Lerch zeigt Bronze-
funde aus Russlaud, die in ihren Formen überhaupt
ganz verschieden sind von denen des westlichen
Europa. Eigentümlich sind die aus einem Stücke
gegossenen Dolche. Die russischen Tutnuli gehö-
ren dem Uebergange des Bronzealters in das Eisen-
alter an, sie enthalten bronzene Pfeile und eiserne
Lanzenspitzen. Sparen rother Farbe lassen ver-
muten. dass das Volk, dessen Todto hier bestattet
sind, sich den Körper bemalte. Auch die Dolmen
der Kriram enthalten eiserne und bronzene Geräte.
Ilildehrand spricht über Felsenbilder in Weat-
gothland, es sind Schiffe und kämpfende Krieger
darauf dargestellt. Waffen und Zierrathen deuten
auf die Bronzezeit. Derselbo zeigt einen mensch-
lichen Unterkiefer aus einem schwedischen Dolmen;
derselbe ist sehr dick, am ersten wahren Backzahn
16* f Millimeter stark, der Körper ist niedrig, das
Kinn nur in der Mitte des Knochens vorspringend,
am untern Rande zurückweichend, welche Merkmale,
wie Schaaffhausen hervorhob, als die einer pri-
mitiven Form zu bezeichnen sind. Nach Lorange
finden »ich an den Felsen Norwegens ähnliche Bild-
werke wie die geschilderten in grosser Zahl. Wor-
saae macht auf das Werk von Brunius über diese
Sculpturen aufmerksam, er glaubt, dos« Steinmeissei
am tauglichsten seien für diese Art von Arbeit
Desor findet zwischen diesen Zeichnungen und
denen der Dolmen eine grosse Verschiedenheit, das
Wichtigste scheint ihm, dass sich auf denselben
menschliche Figuren befinden, die nach seiner Mei-
nung im Bronzealter nicht Vorkommen. Bertrand
hebt hervor, dass Darstellungen des Menschen in
der homerischen Zeit sehr gewöhnlich waren, die
doch mitten in die Bronzeperiode falle. Neuerdings
hat man ein solches Felsenbild über dem See von
Merveilles bei Monaco beschrieben , man sieht dar-
auf dio dreieckigen Dolche der Bronzezeit. Graf
Ouvaroff sagt, dass schon vor 20 Jahren in den
Memoiren der Petersburger Akademie solche Sculp-
tnren aus Russland veröffentlicht worden seien. De
Mortillet liess dem Congresse einen Vorschlag
zugehen, die Höhlen nach don Werkzeugen, die sich
darin finden, in folgender Weise einzutheilen:
1. Epoche von Monstier, die Steinbeile sind man-
delförmig, dio Feuersteinsplittcr sind platt auf der
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einen Seite und scharf zugehauen auf der andern,
knöcherne Gerithe fehlen f&Rt gänzlich. 2. Epoche
von Solutre, die mandelförmigen Steinbeile fehlen,
die Feuersteinmceser sind auf beiden Seiten und &n
beiden Enden fein zugcsch&rft, die kleinen Splitter
und die Knochengerftthe sind selten. 3. Epoche
von Aurignac, Pfeil« und Lanzenspitzen sind von
Knochen oder Rennthierhorn, sie sind unten ge*
spalten, um den schräg zugeechnittenen Schaft auf-
zunehmen. 4. Epoche von la Madeleine, die Pfeil«
und Lanzenspitzen sind unten spitz und sitzen im
Schaft, viele Geräthe sind mit eingeritzten oder
geschnitzten Thierbildern verziert. Häufig sind die
kleinen Feuersteinsplitter und massenhaft die Lleber-
bleibsel des Rennthicra. Hierauf folgt die Zeit der
geschliffenen Steinwerkzeuge. Cartailhac berich-
tet über die Dolmen des südlichen Frankreichs, zu-
mal die von Grailhe im Gard • Departement. Es
finden sich sehr fein gearbeitete Pfeil- und Lanzen-
spitzen aus Feuerstein, Ziergeräthe aus Knochen,
Bernstein und Bronze : einige Metallgeräthe ahmen
genau die Form der Stoingeräthe nach. Die Er-
bauer der Dolmen in Südfrankreich sahen den An-
fang dor Bronzezeit. Graf Przczdsiecki picht
Nachricht über die Vorzeit Polens. Die Höhlen
von Potock zwischen Krakau und Warschau ent-
halten Mamroothknochen. Im nördlichen Weichsel-
gebiet finden sich vereinzelte Grabhügel; die heid-
nischen Litthauon errichteten solche bis zum Ende
des 4. Jahrhunderts über den verbrannten Gebeinen
ihrer Fürsten. Im südlichen Gebiete dieses Stromes
scheinen sie älter zu sein und sind in Reihen ge-
ordnet. Sie enthalten Bronzesachen, denen in Eu-
ropa ähnlich. An einem Halsbande hängen in klei-
nen Ringen Glöckchen und Halbmonde. An den
Flussufern erhoben sich wie in Sümpfen und Wäl-
dern alte Erdburgen. Auf das Steinalter weisen
Hämmer und Beile aus Syenit, Diorit und Granit.
Erratische Blöcke dienen oft als Grabsteine. In
Aschenurnen trifft man Bernstein- und Glasperlen;
hei Nakel in Preussisch - Polen ist ein Pfahlbau, in
dem Steinwcrkzenge . Thierknochen und Töpfe ge-
funden wurden. Fraas zeigt Bronzefunde aus
einem Torfmoor Würtembergs, darunter ein Diadem,
welches aus sechs über einander gelegten Reifen be-
steht
In der Abendsitzung dieses Tages gab Vila-
nova eine Uebersicht der vorgeschichtlichen Funde
in Spanien. Er schildert die quaternären Schich-
ten von S. Isidoro, welche bisher die Ältesten Spu-
ren des Menschen geliefert haben. Unter einer
dem rothen Diluvium deB nördlichen Frankreichs
gleichenden Ablagerung liegt eine Schicht, welche
unmittelbar auf der tertiären Bildung ruht und
Hämmer und Beile aus Quarzit nach Art derer von
Abboville enthält. Reste vom Elepli. meridional.,
Hippopotamus, Rhinoceros haben meist eine höhere
Lage. In einem Einschnitte der Eisenbahn zu Po-
sadas hat man den Kopf des Elepli. arraeniacus und
daneben Feuerstein waffen gefunden. Auch an an- *
deren Orten wurden ähnliche Funde gemacht. Höh-
len im Kalkgebirge sind zahlreich im Süden und
Nordoaten von Spanien ; sie enthalten Kieselsplitter,
Kiesclnictiser, Schahsteine und aus späterer Zeit
Pfeilspitzon gleich denen der Schweizer Pfahlbau-
ten und sogar römische Topfscherben. In den
Dolmen liegen geschliffene Beile hub Diorit und
Menschenknochen, in den Tumuli Bronzeheile. In
alten Kobaltgruben hat man Steinhämmer gefun-
den. Derselbe zeigt ein menschliches Stirnbein
aus einem Dolmen ; wiewohl der Sinus frontalis auf-
gebrochen, kann man einen starken StirnwuJst ver-
muthen, es zeigt sich eine Spur von Stirnkiel und
der Arcus temporalis geht hoch hinauf und ist stark
entwickelt. Hierauf legt Vilanova die Photogra-
phie eines Mikrocephalen Namens Vincent Orti vor,
der, 55 Jahre alt, im Irrenhause zu Valencia lebt.
Seine Gemüthsart ist eher sanft und furchtsam als
böse; in Zorn gebracht zerreiset er seine Kleider,
ohne Anderen eia Leid zuzufugen. Er ist etwas
mehr als 1 Meter gross. Sein Gesichtswinkel be-
trägt 59", sein Schädelumfang 460, der obere Schä-
delbogen misst 190, die Länge 140, die Breite 120
Millimeter. Die Arme sind sehr lang und haben
das Rudiment eines sechsten Fingers an jeder Hand;
die Beine sind kurz , mit einer sechsten Zehe an
jedem Fass. Der ganze Körper ist mit langen
Haaren bedeckt. Diese Mittheilung veranlasst Vogt,
seine Ansichten über Mikrocephalie auseinander zu
setzen, die er als einen Fall von Atavismus, als
einen Rückschlag zu der unvollkommenen Bildung
betrachtet, in der wir den Ursprung des Menschen
zu suchen haben. Bei der Mikrocephalie ist die
Entwicklung deB Gehirns gehemmt, so dass die
entsprechenden Theile des Schädels die Bildung
des Allen, nicht die des Menschen »eigen und zu-
gleich treten die Kiefer mehr vor wie beim Neger,
der übrige Köper ist aber menschlich gebildet. Der
Unterschied des Negers vom Weissen wird erst im
Laufe der Entwicklung deutlich, mit dieser gehen
beide Formen nach verschiedenen Richtungen aus-
einander, dieselben müssen rückwärts verfolgt in
einem gemeinsamen Ursprung Zusammentreffen
Ebenso ist es mit dem Menschen und dem Affen,
der junge Chimpanse gleicht mehr dem mensch-
lichen Kinde als der alte dem Erwachsenen. Beide,
Mensch and Affe, haben eine gemeinsame Abstam-
mung von einem Ahnen, der tiefer stand als der
Affe. Auch die Aeusserungen des geistigen Lebens
der Mikrocephalen erinnern nach Vogt an das Be-
nehmen der Affen. Quatrefages hebt hervor,
dass eine pathologische Bildung nicht mit einer
normalen niederen Organ isationsstufe gleichgestellt
werden könne. Niemals könne die Mikrocephalie
als ein primitiver Zustand des Organismus gedeutet
werden. Der Berichterstatter giebt zu erwägen,
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Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
dass die Mikrocephalen mangelhafte Organismen
* sind, die sich nicht fortpflanzeu, die von der Natur
bestimmt sind, wieder zu (irunde zu gehen, UDd
also nicht als Entwicklungsstufen betrachtet werden
können. Ein gesundes Thier ist entwicklungsfähig,
nicht aber eine menschliche Missgeburt; die Ent-
wicklung des Menschen aus einem Allen ist eine
Möglichkeit, deren Annahme nicht» im Wege steht,
die aus einem Mikrocephaleu ist ganz undenkbar.
Baron Düben theilt hierauf seine Beobachtungen
über die Schädelbildung der alten skandinavischen
Völker mit. Es giebt etwa 80 Schädel der Vorzeit
in den Sammlungen von Dänemark Und Schweden;
aber nicht alle sind von sicherer Herkunft. Unter
diesen Schädeln giebt es dolichocephale, brachyce-
phale und Mittelforraen. Das Kopenhagener Mu-
seum besitzt Schädel, deren Index 78 bis 71*1 , im
Mittel 75*7 beträgt. Die Schädel aus einem Dol-
men von Weetgothland hatten im Mittel einen In-
dex von 73*1, einer aber war sehr brachycephal
mit einem Index von 80. Es gab also in der Vor-
zeit dieselben Unterschiede, die wir heute kennen,
doch sind unter den alten Schädeln die langen häu-
tiger als die kurzen. Als besondere Kennzeichen
derselben führt er an: die starken Augenbrauen-
bogen, die vorspringenden Nasenbeine, das Vortre-
ten der Backenknochen , das wie ein Schildbuckel
abgesetztu Hinterhaupt, die sehr entwickelten Naht-
zacken, zumal der S. lambdoidea, die damit zusam-
menhängende Häutigkeit der Schaltknochen, das ge-
rade Gebiss, ein leichtes Vorspriugen des Oberkie-
fers über die untere Kinnlade, die stark abgenutzten
/ahne selbst an jugendlichen Schädeln. Er schreibt
nach einigen Andeutungen dem alten Volke eine
mittlere Grösse zu. Die Ellenbogengruben sind
zuweilen aber selten durchbohrt, die Schienbeine
oft säbelförmig zusammen gedrückt. Aus Allem
vchliesst Düben, dass die alte Bevölkerung der
heute lebenden sehr ähnlich war. Vogt erinnert
daran, dass man bis jetzt angenommen habe, die
nordischen Schädel der Steinzeit seien brachycephal
und näherten sich dem Typus der Lappen, dass die
dolichocephalen erst mit dem Eisen nach Skandina-
vien gekommen seien , und dass man den Sch&del-
typus der dazwischen liegenden Bronzezeit, wegen
der Sitte der Leichenverkrennung, nicht kenne.
Dieser Irrthum müsse aufgegeben werden, cs zeige
sich in der That in den Museen , dass der dolicho-
cephale Typus der herrschende sei. Die falsche
Meinung sei dadurch veraulaast worden, dass die
beiden ersten im Norden gefundenen Schädel der
Vorzeit zufällig brachycephal gewesen seien. Der
Berichterstatter knüpft an diese Verhandlungen fol-
gende sie ergänzende Bemerkungen. Nilsson war
durch die Aehnlichkeit der in Dänemark und Schwe-
den aufgefundeneu steinernen Gerätlie der Vorzeit
mit denen der Grönländer und Eskimos zu der
Meinung veranlasst worden, als seien die Urbewoh-
ner Skandinaviens ein den Eskimos verwandtes
Volk gewesen. Esch rieht zeigte aber im Jahre
1841, dass die altnordischen Schäthd von deneu der
Eskimos durchaus verschieden seien. Nilsson
schrieb schon damals einige der alten Schädel den
Lappen zu, und man hielt Lappen und Eskimos
für Völker desselben Stammes. Ketzins lehrte
nun 1812 in seiner Abhandlung über die Schädel-
form der Nordbewohner den grossen Unterschied
zwischen dem Lappen- und Eekimuschädel kennen,
indem er jenen als brachycephal und orthognath,
diesen als dolichocephal und prognath bezeichnet*.
Er hat gegen die Ansicht Nilsson ’s, dass einige
Schädel der Urbewohner Skandinaviens lappischen
Ursprungs seien, kein weiteres Bedenken, als dass
er angiebt, die Schädel der Steinzeit hätten grös-
sere Zitzenfortsätze und die Hiotcrbauptaschuppe
sei nicht so abschüssig als au den von ihm beschrie-
benen Lappenschädeln. Er fügt aber hinzu, diese
Abweichungen könnten durch verschiedene Lebens-
weise und verändertes Klima bedingt sein. Retzius
schildert nach 16 Schädelu aus dem Musoum des
Carolinischen Instituts den Typus der Lappen wie
folgt: die Schädel sind klein und dünnwandig, die
Scheitelansicht zeigt eine kurze Eiform, die Seiten
des Schädels sind gerundet, die Schläfengegend ge-
wölbt; der grösste Breitendurchmesser liegt nicht
zwischen den Schoitelhückern, sondern tiefer. Die
Hinterhauptsschuppe bildet einen kleinen Höcker,
die Spitze derselben liegt hoch, die Zitzen fortsätze
sind klein, alle Muskelansätze sind schwach ent-
wickelt Der Scheitel ist hoch gewölbt, die Brauen-
wulste wenig entwickelt, die Oeflhuug der Augen-
höhlen fast viereckig, diu Nasenwurzel breit, die
Zahnwurzeln und der Alveolarfortsatz des Ober-
kiefers kurz, der Unterkiefer klein und niedrig.
Eschricht giebt in seiner Mittheilung über die
Gerippe der Hünengräber (Amtlicher Bericht der
Versammlung deutscher Naturforscher und Aerite
in Bremen 1844, S. 92), nachdem er den Grönlän-
derschädel beschrieben, folgende Schilderung des
einen von drei aus Hünengräbern der Insel Möeu
gewonnenen Schädeln, mit denen, wie er anführt
andere in den folgenden Jahren gefundene mehr
oder weniger übereinstimmten. Der Scbftdel ist
auffallend klein, besonders der Gesichtstheil. Die
Schädelhöhle hat einen recht bedeutenden Umfang,
ist dabei rund und in allen Richtungen fast gleich-
massig entwickelt, nur das Hinterhaupt ist sehr
kurz, wodurch das Hinterhauptsloch ganz nach hin-
ten zu liegen kommt. Das Gesicht und die Augen-
höhlen sind ungewöhnlich klein, die Augenbrauen-
bogen dagegen sehr gross, die Nasenknochen stehen
stark hervor und zwischen Augenbrauenbogen und
Naaenknochen ist eine so tiefe Einsenkung, dass sie
den Zeigefinger eines Erwachsenen in sich aufneh-
men kann. Die Spuren der Gesichtsmuskeln sind
im Allgemeinen stark ausgeprägt, die Zahnhöhlen-
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Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
rinder stehen wenig vor, die Zähne, die hier
meist fehlen, sind an solchen Schädeln meist quer
abgeuutzt; an einem der Köpfe fanden sieh noch
einige festsitzende dunkelbraune Haare (!). Esch-
richt hält es für gewiss, dass diese Reste einem von
dem jetzt im Norden Europas einheimischen Stamme
der Gothen verschiedenen, aber kaukasischen Volke
angehören. Gegen die Meinung Nilsson’s, dass
es Lappen gewesen seien, die dieser nicht zur ark-
tisch-mongolischen Kace rechnet , bemerkt er nur,
dass die Lappen jetzt keine hohen Grabhügel auf-
werfen und dieselben in Lindem fehlen, die früher
von Lappen bewohnt waren. Später erhielt er aus
Möen ganz anders geformte Schädel, von bedeu-
tender Länge zumal sehr verlängertem Hinterhaupt,
ln der genannten Mittheilung ist ein runder Schä-
del aus der Steinzeit von Möen und ein davon
ganz verschiedener von der Insel Fyör (jetzt im
Museum für nordische Altertümer) abgebildet, der
am Hinterhaupt einen Knochcnstachel hat und mit
Geräten von Gold, Silber und Bronze gefunden
ist. Sein Femor von 20*/« Zoll deutet auf eino
Körpergrösse von 6 Fass 3 Zoll. In neuerer Zeit
berührte C. Vogt diesen Gegenstand und sagte in
seinen Vorlesungen über den Menschen , 1 863 , II,
S. 323 abweichend von seiner Aensserung in Kopen-
hagen, dass unter den Schädelzeichnungen der dä-
nischen Steinzeit von Busk einige seien, die den
lappländischen fast genau entsprechen. Nilssou
endlich bemerkt auch noch in seinem letzten, 1868
in’s Deutsche übersetzten Werke über die Urein-
wohner des skandinavischen Nordens, die Brachy-
cephalie, die den Lappen zukomme, sei die zweite
Hauptform der jetzigen skandinavischen Schädel
und man habe dann und wann Schädel dieser form
in einem Steingrabe zwischen den dolichocephalen
gefunden; er bildet zwei solcher Schädel von der
Insel Möen ab, Tafel XII, 230 und XIII, 240, deren
Aehnlichkeit mit neuen Lappen Schädeln, die dane-
ben gezeichnet sind, ganz unverkennbar und über-
raschend ist. Bereits 1>ei der Naturforscher- Ver-
sammlung zu Innsbruck 1870 gab Virchow einen
kurzen Bericht über seine Untersuchung der alt-
nordischen Schädel zq Kopenhagen, worin gesagt
ist (Tageblatt S. 155), dem lappischen Schädeltypus
komme der der dänischen Grabschädel auch nicht
entfernt nahe und die beiden unter diesen sich dar-
bietenden Formen könnten doch wohl von einem
Volke herstaxnmen. Eine eingehende auf Messun-
gen beruhende Untersuchung dieser Schädel ver-
öffentlichte dann Virchow im Archiv für Anthro-
pologie, Bd. IV, 1870, S. 55. Auffallend erscheint
doch die aus diesen Messungen sich ergehende Häu-
figkeit der Brachycephalie. Die 25 Schädel von
Borreby bezeichnet er als schwach zur Brachy ee-
phalie hinneigende mesocephale und orthoguathe
Schätlel, einer von Naefl ist ein Brnchycephale mit
einem Index von 82‘3. Auch die drei von Falster
gehören zn den Brachycephalen ; ebenso die sechs
Schädel aus den Gräbern von Udby auf Möen.
Virchow findet von den vier Schädeln von Möen,
welche die anatomische Sammlung auf bewahrt, nur
drei rund, doch haben sie nur 76*9 Breitenindex.
Er vermuthet, dass der von Nilsson nach einem
Gypsabgusse abgebildete Schädel von Möen der
mit Nr. 39 bezeichnete der Sammlung des physio-
logischen Museums sei und sagt nur, es lasse sich
nicht läugnen , dass er eine gewisse äussere Aehn-
lichkeit mit dem l^ppenschädel habe. Die übrigen
der 41 Schädel der Steinzeit, die er untersuchte,
also nur drei, sind dolichocephal ! Virchow selbst
fügt hinzu, der Umstand, dass ein Theii der Stein-
schädel mehr zur Brachycephalie ein underer zur
Dolichoccpbalie neige, sei einer besoudern Aufmerk-
samkeit werth, zumal wenn es sich darthun liesse,
dass die ersten älter, die anderen jünger seien. Er
glaubt, dass der neu -dänische Typus am meisten
den Borreby - Schädeln sich annähere, also meaoee-
phal mit Neigung zur Brachycephalie sei und dass
also schon zur Steinzeit die Ahnen der jetzigen
Bevölkerung im Lande gewohnt hätten, welche
Annahme nirgends mehr als hier dnreh die geogra-
phischen und historischen Verhältnisse des Landes
gerechtfertigt sei. Die Lappenähnlichkeit der Bor*
reby-Schädel läugnet. er entschieden.
Der Berichterstatter hat seinen kurzen Auf-
enthalt in Kopenhagen auch zu einer Durchsicht
der Schädelsammlungen benutzt, die ihn in Bezug
auf die Steinschädel zu einem von den Ansichten
Vogt’s und Virchow'B abweichenden Urtbeil ge-
führt haben. Die Messung allein giebt keine voll-
ständige Bestimmung des Schädels, mau müsste
jeden Punkt an demselben mit dem entgegenstehen-
deu verbinden und messen und die eigentümliche
Krümmung und Grösse der einzelnen Schädel- und
Gesichtsknochen mit Zahlen darstellen, um dies
Ziel zu erreichen. Du diee nicht ausführbar ist, bo
kann die übliche Messung nur als eine Ergänzung
der Beschreibung eines Schädels, als der genaue
Ausdruck für einige, bei Weitem nicht alle Gröesen-
verhältnisse des Schädels gelten. Wenn wir im
Leben zwei Menschen nach ihrer Familienähnlich-
keit betrachten, so fällt es uns nicht ein, den Mass-
Btab zur Hand zu nehmen und ihnen Gesicht und
Kopf zu messen; das Auge beurteilt nach einem
Geeammteindruck die Aehnlichkeit oder Unähnlich-
keit in zutreffender Weise; ein geübtes Auge sieht
dabei freilich richtiger und mehr als ein ungeübte«.
Die Aehnlichkeit vieler der runden Schädel der
Steinzeit mit denen der Lappen ist ganz unzwei-
felhaft. Kb giebt ausser den von Eschricht und
Retz i us bezeichnet en Eigentümlichkeiten noch
andere, die das Gesammtbild der lappischen Ge-
sichts- und Schädelform vervollständigen, und die-
ses beweist für die Aekulichkeit und Stammver-
wandtscbafl einzelner Schädel mehr als die um
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Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
einige Millimeter verschiedene Länge und Breite
oder Höhe derselben. Man untersuche die Leben-
den; in derselben Familie, zwischen Geschwistern
findet man erhebliche Unterschiede dieser Schädel-
maasso, wo sugleich die grösste Aehnlichkeit der
Gcsichtazügo und der übrigen körperlichen Bildung
besteht und wo die verschiedene Schädelform der
Eltern diese Abweichungen nicht erklärt; das Ver-
hältnis* der Länge zur Breite de« Schädels, also
der sogenannte Schädelindex, ist die am meisten
individuelle Eigentümlichkeit desselben, die frei-
lich bei rohen Völkern viel weniger ausgeprägt ist
Iletzius spricht demnach mit Unrecht den Satz
aus, dass das Gesicht des Schädpla für die Beurthei-
lung desselben weniger Werth habe als die Hirn-
schale. Ohne die dolichocephalen Schädel zu be-
rücksichtigen, die den altgermanischen gleichen
und wohl den Cimbern und Gothen zuzuschreibeu
sind, sei über die rundlichen Schädel der Kopen*
hagener Sammlungen das Folgende hier mitgetheill.
1) Im physiologischen Institut ist ein alter Dänen-
schädel der Steinzeit, der eine unverkennbare Aehn-
lichkeit mit einem dort befindlichen Lappeuschüdel
hat; dasselbe gilt von zwei Schädeln von Möen,
von denen der eine ganz rund, der andere ein sehr
langer Schädel ist, bei dem jedoch, eine gewiss
auffallende Thatsache, die lappische Gesichtsbildung
mit der des andern übereinstimmt Sio haben auch
beide eine Andeutung von Stirnkiel und den glat-
ten Nasengrund, der ohne Crista in die Gesichts-
fläche übergeht, wie beim Affen, ein sehr bezeich-
nendes Merkmal roher Schidelbildung; ferner sind
bei beiden alle Nähte offen. Ausserdem sind noch
mehrere alte D&neuschädol von ovaler Form hier
vorhanden, die folgende sie dem Lappentypus nä-
hernde Eigenschaften haben: den meist kleinen
Schidelraum, die hochgestellte Hinterhauptsschuppe,
die hohe Scheitelwölbung mit etwas vorspringender
Pfeilnaht, den tiofeu Einschnitt der Nasenwurzel,
die viereckigen Oeffnungen der Augenhöhlen, das
gerade Gebiss, den kurzen Oberkiefer, den runden
Zahnbogen, das flache Gaumengewölbe und den
wie nach aussen umgelegten Alveolarrand des Ober-
kiefers. dessen erster Prämolar meist zwei Wurzeln
hat. 2) Im anatomischen Museum sind drei rund-
liche, nur wegen der vorspringenden Occipital-
kapsel ovale Grabschädel, davon zwei aus Jütland
mit Brauenwülsten und sehr entwickelter Spina
occipitalis; ferner ein alter und zwei neucro dä-
nische Schädel, die sich gleichen; sie zeigen wenig-
stens einige der angegebenen Eigentümlichkeiten,
z. B. den runden Zahnbogen und das von vorn
nach hinten auffallend verkürzte Gaumendach.
Ferner finden sich hier zwei Gypsschädel nach
Grabfunden auf Möen, es sind die Abgüsse der bei-
den erwähnten , im physiologischen Institute be-
findlichen Schädel, von denen der eine mit deut-
licher Lappenfonn ein Kurzkopf, der andere mit
derselben Gesichtsbildung ein Dolichocephale ist.
Bemerkens werth ist der Abguss eines Schädels von
Meudon, von Robert als Type celte bezeichnet;
es ist derselbe Schädel wie der der alten Dänen,
er ist hoch und kurz und hat dieselbe Gesichtsbil-
dung, den kurzen Oberkiefer, das gerade Gebisn,
den runden Zahnbogen des Oberkiefers, der mit
seinem untern Rande ringsum nach aussen vor-
springt. Ich finde in meinen Aufzeichnungen über
die alten Schädel, die ich bei Robert in Bellevue
bei Paris iin Jahre 1866 gesehen, Folgendes: „Ein
kleiner weiblicher Schädel mit platter Nase, kur-
zem Oberkiefer, Stirnnaht, sehr ausgezackten Näh-
ten von Pressy St Oise; ein grösserer männlicher
Schädel mit demselben Oberkiefer, auch mit Stirn-
naht und stark abgetchliffenen Zähnen. Sie waren
von Robert als Bataverschädel bezeichnet weil eine
der Grabstätten, wo sio gefunden, im Lande der
Bellovakeu gelegen ist Diese Gebeine lAgen in
Steinsärgen und hatten eiserne einschneidige
Schwerter neben sich. Ein cel tisch er Schädel, kräf-
tig gebaut, aber brachycophal , hinten wie platt
gedrückt mit einfachen Nähten, in einem Steingrab
1845 gefunden.“ Dieser ist wahrscheinlich das
Original jenes Abgusses. Ein anderer mit dieaen
gefundener Schädel war sehr lang. Robert war
der Ansicht die Todten seien in sitzender Stellung
beerdigt worden, denn einmal fand sich das Manu-
brium Storni im Foramon magnum. Dieselbe Ver-
muthung sprach Madsen in Bezug auf die im
Ganggrabe von Borreby Bestatteten aus, dass sie
sitzend oder kauernd beigesetzt seien, weil die
Schädel zwischen den Schenkel- und Fussknochen
lagen. In der Sammlung von Robert, der ein«
Reise nach Sibirien und Lappland gemacht hatte,
befanden sich auch zwei Lappenschädel, und es fiel
mir deshalb das lappisch - mongolische Aussehen
jener Bataver- und Celtenschädel um so mehr auf.
Erst nach meiner Rückkehr von Kopenhagen kam
mir die diese Schädel betreffende Mittheilung von
RetxiuB zu Gesicht, der in seinem Aufsatze „über
die Schädelform der Iberier“, Müller’s Archiv 1847,
S. 499, vgl. Retzius, Ethnologische Schriften 1864,
S. 62 da« Folgende sagt: „Unter den von Serres
bei Meudon und Marly 1845 ausgegrabenen Schä-
deln mit steinerneu Geräthcn ist einer klein und
rund und stimmt mit den beiden von Esch rieht
und von Nilsson bei Stege in einem alten Grab-
hügel gefundenen überein.“ In der That ist eine
vollständigere Uebereinstimmung der von Retzius
mitgetheilton Huuptmaaase des Schädels von Marlj
und dee von Stege gar nicht denkbar. Er führt
weiter an, dass jener Schädel auch einem von
Wilde ahgebildeten vorweltlicben irländischen aus
der Gegend von Dublin und noch zweien ebenda-
selbst im Phönixpark gefundenen gleiche, die auch
Prichard als turanischc bezeichnet hat; dann er-
wähnt er Nilsson’s Ansicht, dass die kleinen
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351
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Schädel älter seien, und äussert die Meinung, dass
die runden Formen, die man jetzt im (südlichen
Frankreich, in Schottland und Irland nntrcffe, von
den Iberiem herstaromten. Serres und Robert
haben in den Compt. rend. de l’Acad. des Sciences
T. XX], p. 607 die fast vollständige Uebere in Stim-
mung der Grabstätte von Meudon mit den skandi-
navischen au seinandergesetzt und es kann gar nicht
bezweifelt werden, dass ein den alten Dänen ver-
wandtes Volk sich auch im Westen Europas ver-
breitet hat. — Von Eachricht werden Gelten als
älteste Bewohner Dänemarks angeführt und aLe
geschickte Schmiede bezeichnet, sie wurden von
den eingewanderten Gothen bekämpft. Prichard
sagt, Naturg. des Menschengeschi. III, 1. S. 55, die
Ueberreste der celtischen Sprache beweisen , dass
die Gelten ein Zweig des indo - europäischen Stam-
mes waren; sie kamen also aus dem Osten. Wenn
sie den teutonischen Stämmen im Norden Deutsch-
lands vorauBgingen , so müssen sie an den Ufern
des baltischen Meeres mit den Jotunen oder Fin-
nen in Berührung gekommen sein, welche die teu-
tonische Race später im Besitz von Skandinavien
fand. Arndt und Andere nahmen geradezu an,
dass die Gelten zum Theil eine finnische Race seien.
3) In dem Museum für nordische Alterthümer fin-
den sich die Schädel des grossen Ganggrabes von
Borreby auf der Insel Seeland, die unter einander
sehr ähnlich sind; die rohe Gesichtsbildung mit
den starken Braueowülsten und der fliehenden
Stirn giebt ihnen einen wilden und von dem lap-
pischen Gesicht sehr verschiedenen Ausdruck, der
au die rohe Form dolichooephaler Briten- und Ger-
manenschädel erinnert, aber die rundliche und
breite Form des Schädels, dessen Index im Mittel
nach Virchow 79 beträgt, das fast gerade Gebiss,
die bei einigen hochgestellte Schuppe, auch die oft
langzackigen Nähte mit Schaltknochen nähern die
Borrebyschädel doch wieder der brachycephalen,
lappisch - mongolischen Bildung. Starke Augen-
brauenhöcker kommen auch bei den Kalmücken
vor. Wir würden an eine Mittelform denken dür-
fen, wenn wir etwas Sicheres über das Gesetz der
durch Racenkreuzung entstehenden gemischten
Schädelform wüssten. Xelnm dem sehr langen
Schädel von SanderÜmgaard aus dem Eisenalter,
der 222 Vs Mm. lang ist und nach meiner Schä-
tzung 140 Mm. breit war, und seine auffallende
Länge zum Theil der vorspringenden Hinterhaupts-
schuppe, nicht einer Verdrückung im Grabe ver-
dankt, die nur den untern Theil der Hinterhaupts-
schuppe an einer Seite verbogen hat, aber an dem
starken und breiten Wulst der hochgehenden Linea
tem|H)ridis den starken Druck erkennen lasst, den
die Schläfen muskeln auf ihn geübt haben, und
neben zwei walzenförmigen Schädeln, wie sie in
Deutschland unter deu Germanenschädeln Vorkom-
men , befinden sich noch in dieser Sammlung meh-
rere kleine Schädel der Steinzeit, die ohne die
über den Umriss de« Hinterhauptes plötzlich vor-
springende Hinterhauptsschuppe in hohem Grade
brachycephal sein würden. Viele zeigen eine auf-
fallende Höbe der hinteren Scheitelgegend und eine
hochgestellte Schuppe des Hinterhaupt« und häu-
figes Vorkommen von Schaltknochen in der Lambda-
nalit. Einer hat ein Loch in der Mitte des Schei-
tels; es ist nach dem Tode gemacht und ausge-
schliffen, wie das normale Knochengewebe im Um-
fang desselben und der am Rande des Loches nicht
verdünnte Knochen zeigen; es diente wahrschein-
lich dazu, den Schädel mit einem Querholz als
Trophäe aufeuhftngen. So thun es noch heute viele
wilden Völker. Jener alte Fund lässt uns aber an
die Schilderung Strabo’s denken, wenu er erzählt:
„Die Belgier haben den Gebrauch, wenn sie aus
einem Kriege zurückkehren, die Köpfe ihrer er-
schlagenen Feinde an den Nacken der Pferde auf-
zuhängen und sie zur Schau über ihren Hausthüren
anzunageln. Posidonius sagt, er habe dies oft
geseheu. Die Köpfe der getodteten Vornehmen
bestreichen sie mit Cedernöl und bewahren sie auf. u
4) ln der Sammlung de« Prof. Steen strup sah
ich endlich noch mehrere alte Dänenschädel, die in
der runden Schädel form sowie in der Gesichfabil-
duug mehr oder weniger deu Lappentypus wahr-
nehmen Hessen; sie verriethen eine bessere Hirn-
entwicklung als andere doHchocephnle Schädel, die
mich an den Bau der in den deutschen Reihengrä-
bern bestatteten Germanen erinnerten. Noch am
meisten unterscheidet sich das Gesicht der Stein-
schädel von dem der heutigen Lappen durch die
stärkeren Brauenhöcker und die mehr Torspringende
Nase. So sind denn die brachycephalen Schädel
in den Sammlungen Kopenhagens zahlreich genug
und die Lappenähnlichkeit vieler derselben so be-
stimmt ausgesprochen, dass mit allem Recht von
einer den Lappen nah verwandten Urbevölkerung
des Landes die Rede sein kann. Dies Ergebniss
der Graniologie stimmt mit den ältesten geschicht-
lichen Nachrichten überein und wird durch die
vergleichende Sprachforschung bestätigt. Ob aber
diese Lappen oder ein anderes Volk die grossen
Steiudenkmalo errichtet, dies zu entscheiden muss
weiteren Untersuchungen Vorbehalten bleiben. N ils-
80 n giebt an, dass auch in den skandinavischen
Torfmooren zuweilen Schädel gefunden worden seien,
die dem lappischen Stamme anzugehören schienen
Ich seihst besitze durch die Güte der Fräulein
Mestnrf einen (Schädel , dor in der Kudener Nied«*
ning in Holatein in 12 Fuss Tiefe unter Tori' und
Schlick auf dem Sande gefunden wurde; er ist rund-
lich, die Schläfen stark gewölbt, und wiewohl die Hin*
terhauptHKchuppe sackartig vorspringt, beträgt sein
Iudex doch 83 5, das Geeicht entspricht indessen nicht
ganz dem der Lappen V ergl. N i I s so n , Das Steinalter.
Hamburg 18 « 8 . 8. 14ö.
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352
Verhandlungen gelehrter V ersammlungen.
Bruielius erklärte mir persönlich, <iasa mehrere
der in Schonen gefundenen und in Lund aufbe-
wahrten alten Grabschädel klein und rundlich seien,
wiewohl dies aua eeinon Messungen nicht mit Sicher-
heit hervorgeht Ich pflichte Virchow bei, wenn
er die Ansicht ausspricht, dass auch die heute un-
ter den Dänen am meisten verbreitete Schädelform
die brach yoephale sei. Breite Gesichter, ein ge*
wixftes Vortreten der Augenbrauengegend, hohe,
etwas fliehende Stirnen sieht man häutig. Der im
anatomischen Museum bewahrte Dänenachädel aus
dem vorigen Jahrhundert, mit starken Brauenwül-
sten, liegender Stirne und überhaupt schlecht ent*
wickelten» Hirntheil gleicht in der That dem Ty-
pus von Borreby, wie auch Virchow angiebt. In
der Sammlung des Herrn Schelling in Hamburg
sah ich ebenfalls einen kleinen Schädel mit starken
Brauenwülsten , der von einem alten Kirchhofe
Hamburg’« stammte und den kleinen nordischen
Schädeln sehr ähnlich war. Unter den zahlreichen
in Deutschland gefundenen Germanenschädeln aus
der Römerzeit oder den ersten christlichen Jahr-
hunderten, die mir durch die Hände gingen oder
die beschrieben worden sind, begegnet man fast
nur der dolichocephalen Form; ein anderes gilt von
den mir bekannt gewordenen Schädeln der älteren
Vorzeit. Doch besitze ich von einer römischen
Grabstätte in Cöln einen runden hohen, dem bra-
chycephalen Typus der alten Dänen gleichenden
Schädel; noch mehr gilt diese Aehnlichkeit von
einem im Museum von Wiesbaden befindlichen
runden Schädel mit Stirnnaht, auch in Bezug auf
die Gesichtsbildung. Auch dieser n tu mint aus der
Römerzeit. Auch in Dänemark herrschen also in
der Steinzeit die brachycephalen Formen vor. wie
es die Messungen Virchow ’s in überraschender
Weise ergeben, spater in dem Bronze- and zumal
in dem Eisenalter sind die Langköpfe die Regel,
und es finden sich Beispiele der stärksten Dolicho-
cephalie. In letzter Zeit hat die Frage nach der
Rare der Rennthiermenschen in Frankreich und
Belgien die Forscher viel beschäftigt. Die von
Dupont in der Höhle von Frontal gefundenen bei-
den Schädel werden zu den Brachycephalen ge-
zählt. von dem einen, der weiblich ist und progna-
thes Gebiss hat, kann diese Bezeichnung kaum alz
richtig gelten, wohl aber von dem andern, dessen
Index nach meiner Messung 80’6 beträgt und des-
sen kurzer Oberkiefer, gerades Gebiss, Form des
Zahnbogens und der Augenhöhlen , weniger aber
das Hinterhaupt an die Bildung der Lappen erin-
nern. Koch entschiedener zeigt sich ein mongoli-
scher Typus nach Pruner-bey an einigen der mit
diesen zugleich aufgefundenen Schädel bruchstücke.
Die von Dupont erforschte Höhle von Rosette lie-
ferte einen noch mehr brachvcephalon, aber unvoll-
ständigen Schädel init einem Index von 86. Bei
Professor van ßeneden sah ich 1866 ein Os fron-
tale, bei Bois d’Angres im Diluvium gefunden, des-
sen Stirn wul*t« wie beim Mongolen schief von
innen nach aussen und aufwärts gerichtet waren.
Da« Stirnbein von Abbeville, welche« mir Quatre-
fages in Paris vorlegte, gehört einem Brachyce-
phalen an, es ist breit, in der Gegend der SuL coro-
ualis etwas eingedrückt, die Nasenwurzel ist eben-
falls breit, die Glabella wie blasig aufgetrieben, die
Nasenbeine platt, die Brauenwülate kleiu. Der von
mir beschriebene Schädel von Bamberg, welcher
18 Fuss tief gefunden wurde, lässt, obgleich er
durch einseitige Synostose in hohem Grade schief
ist, doch die brachycephale Form erkennen, sein
Index ist 89*1. Auch der von mir geschilderte,
bei Plau in Mecklenburg mit knöchernen Geräthen
6 Fuss tief im Kies gefundene Schädel (vgl. Mül-
ler’a Archiv 1858, S. 453), dessen Fund eine ho-
ckende Stellung der Leiche wahrscheinlich machte,
ist rund und hat ein gerades Gebiss; denselben
Typus zeigt das Bruchstück eines mit vielen an-
deren Gebeinen, die hockend bestattet waren, in
dem Kegelgrabe von Schwaan gefundenen Schädels.
Vielleicht gehört hierher auch die im grossen Torf-
moor bei Fehrbeliin gefundene Hirnschale, die für
ein Trinkgefösa gehalten wird und nach Manch
ganz dem Schädel von Plau gleichen soll. Jahrbuch
des Vereins für mecklenb. Gesch. XIV, 1849, S. 301.
Endlich erwähne ich der alten Grabstätte von Uelde
in Westphalen aus der Steinzeit. Unter einer
grossen Zahl von SchädeibruchstÜcken, die mehr
als 20 Menschen angehörten, befinden sich mehrere,
aus denen auf brachycephale Form geschlossen wer-
den kann, an den Gesicbtsknochen sind breite Na-
senwurzel, Hochgestellte Nasenbeine, kurze Ober-
kiefer, platter Nasengrund, kleine Zitzen fortsätze
solche Merkmale, welche auch an den kleinen run-
den Schädeln des Nordens Vorkommen. Es darf
also wohl nach allen diesen Funden die Behaup-
tung aufgestellt werden , dass von den ältesten
Schädeln der Vorzeit in Europa bei Weitem die
meisten Brachycephalen sind. Als Ausnahmen die-
ser Regel sind also der Neanderthaler- , der Engis-
zchädel und einige andere zu betrachten. In Ko-
penhagen war Gelegenheit gegeben , eine andere
Frage in Ueberlegung zu ziehen, die oft aufgestellt
und verschieden beantwortet worden ist, ob näm-
lich Lappen und Finnen zu einem Volke gehören
oder von ganz verschiedener Herkunft sind, diese
Indogermanen, jene Mongolen. Retz ins hält die
Finnen mit Andern für die Nachkommen der Scy-
thon. Schon Scheffer sagte aber in seiner Lop-
ponia 1673, sie seien dasselbe Volk, ihre Verschie-
denheit müsse der Lebensweise und dem Klima an-
geschrieben werden. Die zahlreichen historischen
Belege für die Verwandtschaft beider Stämme hat
Prichard zusammen gestellt. Allerdings ist der
Schädelbau beider verschieden, doch nicht so sehr,
dass nicht eine Abstammung der Finnen von den
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353
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Lappen möglich wäre. Auch Virchow nennt, wie
RetsiuB, den Finnenschädel brach yceph&l und or-
thognath, welches auch die allgemeine Form des
Lappenechädels ist, den Breitenindex giebt. jener
zu 403, dieser zu 80*9 an. Retzius sagt: „der
Finnenschädel unterscheidet sich vom Lappenschä-
del durch stärkeren Knochenbau, grössere Augen-
brauenhöcker, stärkere Zitzen fortaätze, er hat ein
längeres Gesicht und ein kugelrundes Hinterhaupt,
die Scheitelhöcker liegen mehr nach hinten und
zwischen ihnen liegt die grösste Schädelbreite u .
Dagegen erinnert die breite Nasenwurzel, die vier-
eckige, wenn auch grössere Oeffnung der Augen-
höhlen, das gerade Gebiss an den Lappen. Betrach-
tet man die Abweichungen genauer, so können sie
alle, auch die von Virchow angeführte Hache
Schläfengegend, anf stärkere Muskel Wirkung bezo-
gen werden. Die vorspringenden Augenbrauen-
wulste und Scheitel beinhöcker dea Finnen können
schon dcshslb nicht als unterscheidende Raceuraerk-
male betrachtet werden, weil sie auch bei deu den
Lappen stammverwandten asiatischen Mongolen,
z. B. den Kalmücken und Kosacken, Vorkommen.
Das grössere Gesiebt der Finnen deutet auf eine
höhere Gestalt derselben; der längere Kiefer giebt
aber auch der Oeffnung der Augenhöhlen eine an-
dere Form, er zieht den untern Rand gleichsam
herab und macht sie grösser. Ehe Langer darauf
aufmerksam machte, dass bei den Kiesen die Höhe
der Kiefer bedeutend vergrößert ist, war mir an
Lebenden wie an Raceschädoln eine Beziehung der
Länge des Oberkiefers zur Länge der Gliedmassen
aufgefallen, man wird dadurch an die Deutung der
Kiefer als Kopfglieder erinnert. Die Zwergbildung
macht indessen von diesem Gesotz eine Ausnahme,
im Gesicht der Zwerge fällt gerade die Breite des
Raumes zwischen Mund und Nase auf. Die kurzen
Kiefer der läppen und der runden alten Dänen-
schädel lässt uuf geringe Körpergrösse , die schwa-
chen Muskolcindrücko auf geringe Körperstarke
schliessen ; damit stimmen die ältesten Nachrichten
über die Urbewohner Dänemarks, die als ein un-
kriegerisches Volk bald den Eroberern erlagen. Denkt
man sich einen den Lappen verwandten Stamm,
der durch andere Lebensweise seine Ernährung
verbesserte, eine höhere Körpergestalt erlangte,
seine Muskelkraft durch L’ehung stärkte und Fort-
schritte in dor geistigen Entwicklung machte, so
genügen diese Einflüsse, um die Schädelform in der
Weise urozugestalten, wie sie uns bei den Finnen
entgegentritt Die Verwandtschaft der Lappen mit
den asiatischen Mongolen kann gar nicht in Zwei-
fel gezogen werden. Schon Retzius fand den
Kalmückenschädel von stärkenn Knochenbau als den
der Lappen und den Oberkiefer grösser und brei-
ter, aber in der Hauptform dieeem ähnlich. Der
Kosackenschädel des anatomischen Museums in Ko-
penhagen hat schwerere dickere Knochen, aber die-
Archlv fUr Anthropologin. JW. IV. Haft IV.
selbe Stirnbildung und Form des Oberkiefers und
der Wangenbeine wie der der Lappen und alten
Dänen, auch den glatten Nasengrund, seine grösste
Breite fällt aber zwischen die Scheitelhöcker.
In dor Abendsitzung des Congresses am 2 .
September sprach noch Lorangu über die ältesten
Denkmale Norwegens ; er findet es auffallend , dass
man daselbst wohl einige Steinwaffen, aber keine
einzige Grabstätte derselben Zeit gefunden habe.
Auch die Spuren des Bro uzealte re sind sehr selten.
Aber mehrere Gräber haben ei-serne Waffen und
goldene Scbmucksaciien geliefert.
Am 3. September sprach zuerst Nilsson über
die Darstellung menschlicher Figuren auf dem Mo-
numente von Kivik in Schonen, welches er der
Bronzezeit zuschrei bL Dafür spricht schon die
Form der Wurf heile, die neben der Pyra-
mide des Baal abgebildet sind; sie sind die vom
Sieger der Gottheit dargebrachten Weihgeschenke.
In einem zweiten Grabhügel dieser Gegend fanden
sich auf dem sogenannten Willfarasteine dieselben
Zeichnungen und ein Stück ebenso verzierter Bronze.
Hebert liest hierauf eine Abhandlung Nilsson’s
über den Aufenthalt der Phönizier in Nordeuropa.
Desor entwickelt seine Zweifel in Betreff der Auf-
stellung einer Bronzezeit. Mau habe örtliche Vor-
kommnisse zu allgemein gedeutet Wie wird sie
eingeschränkt, wenn auch der geringste Fund von
Eisen zur Annahme der Eisenzeit berechtigt! Näher
zu erforschen bleibt immer, woher die kunstreichen
Bronzearbeiten gekommen sind, die man beim alten
Alesia, in Hallstadt, in Ligurien findet; der Handel
damit muss vor den Römern durch ganz Europa
verbreitet gewesen sein, der Mangel an Münzen
aber lässt vermuthen , dass dieser Verkehr vor das
4. Jahrhundert vor Christ fällt, denn zu dieser
Zeit waren die macedonischen Münzen schon allge-
mein in Gebrauch. Desor sucht den Sitz dieser
Industrie in Oberitalien. Bertrand pflichtet die-
sen Betrachtungen bei, auch in Frankreich sind die
schönen Bronzegcräthe immer von Eisen begleitet
selten findet man sie allein. Martin glaubt dass
das erste Eisenalter in Westeuropa den Namen
„gallisches Zeitalter“ tragen müsse, weil die Gal-
lier damals nicht nur in Frankreich, sondern auch
in Oberitalien und im Donauthale herrschten. En-
gelhard schildert die Eisenzeit in Dänemark, zu-
mal die Funde in den Torfmooren und Sümpfen
Schleswigs; es lässt sich beweisen, dass eine inlän-
dische Metallindustrie bestand; zwischen dem 3.
und 5. Jahrhundert hat aber die Kunst Rückschritte
gemacht Die eisernen Goräthe ahmen deutlich die
Form der bronzenen nach. E. Chantre legt sein
Werk über das Bronzealtar im Norden der Dau-
phine und in der Umgebung von Lyon vor; von
Interesse sind die Funde zahlreicher zerbrochener
Bronzesachen, die unzweifelhaft zum Umschmelzen
bestimmt waren, sie fanden sich in der Mitte einer
45
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354
Verhandlungen gelehrter Versammlungen.
Feuemtelle und «wischen Bruchstücken von Töpfen;
auch hat man Bronzebarren gefunden. Er berich-
tet noch über eine Arbeit von Per rin über Pfahl-
baufunde in Savoyen , die eich im Museum von
Chambery befinden. Quatrefages legt den Plan
eine« alten Lager« bei Carabo in den Pyrenäen
vor, das er den Iberiem, nicht den Körnern zu-
schreibt. Freiherr von Dücker erwähnt der zahl-
reichen Spuren von Pfahlbauten in den Seen Nord-
deutsehland», deren Pfahle bei niederm Wasser zum
Vorschein kommen. Lorch, Schaaffhausen und
Dupont geben Nachricht über da« Aulfinden von
Farbstoffen in alten Grabstätten, welche« auf ein
vordem auch in Europa übliche« Bemalen de« Kör-
per« schließen lässt. Schaaffhauson vcliliesst
hierauf seinen in einer früheren Sitzung begonnenen
Vortrag. Urechia macht hierauf noch Mitthei-
lungen Über da« Eisenalter in der Moldau. Eine
Reihe von bereits angemeldeten Vorträgen konnte
wegen vorgerückter Zeit nicht mehr gehalten wer-
den, dieeelben werden aber in dem amtlichen Be-
richte über die Verhandlungen de« Congressee ab-
gedruckt werden. E« wird nun beschlossen, die
nächste Versammlung in Bologna abzuhalten und
Graf Gozzadini zum Vorsitzenden, Graf Cone-
stabile und Professor Gapellini zu Geschäftsfüh-
rern derselben ernannt. Worsaao Bchliesst den
Congrcsa mit einigen Worten über den für die ar-
chäologischen Studien erlangten glänzenden Erfolg
der Verhandlungen. Vogt dankt im Namen der
Versammlung.
Die beiden folgenden Tage wurden noch zu
Ausflügen benutzt, um einige der alten dänischen
Grabdenkmale zu besichtigen. Dieselben sind ent-
weder Steingräber mit länglichem Hügel, Lang»
dysser, oder solche von runder Gestalt, Rund-dysser
oder grosse Grabkammern, Riesenstuben , Jaette-
stuer genannt, auch diese sind mit einem grossen
Erdhügel bedeckt, dessen Lehm nicht Belten mit
zerschlagenen scharfkantigen Kieselsteinen ver-
mengt ist, um Füchse, Dachse, Maulwürfe und
Scharrmäuse von den Gebeinen der Todten fern zu
halten. Zu den letzteren gehört das Grabmal vou
Üem, welches am 4. September besucht wurde. Ein
Gang von 3 Meter Iünge führt von Südwesten her
in das Innere. Dieses ist so geräumig, dass 20
Personen darin aufrecht stehen können. Einige
glauben deshalb, dass diese Monumente ursprüng-
lich zu Wohnungen, und später erst zur Bestattung
der Todten gedient hätten, was indessen wenig
wahrscheinlich ist. Die Wunde des Innern sind
durch aufrecht Btehende grosse Steinplatten gebil-
det, deren Zwischenräume sorgfältig mit kleinen
Steinen anagefüllt sind; grosse Platten, die mit
ihrer flachen Seite nach unten liegen, bilden die
Decke. Meist sind erratische Blöcke zu diesen
Bauten verwendet, hier in üem erkennt man an
ihnen deutlich die Gletscherschliffe. Schon vor
100 Jahren wurden in Dänemark diese Steindenk-
male eröffnet. Cazalis de Fondonce führt einen
solchen Bericht aus Panckoucke’s Journal de polit
et de litterat. vom 26. März 1778 an: Bei Odensee
in Fünen fand man im Felde einen Stein von un-
geheurer Grösse, als man ihn in Stücke schlag, kam
eine alte Grabstätte zum Vorschein , die von vier
anderenSteinen gebildet war; das Innere war läng-
lich viereckig und die Wände mit Kieselstücken
von der Form der Feuersteine ausgekleidet, diese
waren so dicht mit einander verbunden , dass rnsn
sie für eine Fläche halten konnte; im Innern fand
man Steinmeiser und keilförmige Steingeräthe, also
wohl Steinbeile, die so schneidend waren an der
scharfen Seite, dass man das Holz eines dicken
Baumes damit zersplittern konnte. Nach der Be-
trachtung des Dolmens hewirthete in dem Herthatbal
unter alten Eichen, wo nach Tocitus der Göttin
Menschenopfer gebracht wurden, der Graf von
Holstein-Lethraborg die Gesellschaft, die dann
auch in seinem Schlosse die liebenswürdigste Auf-
nahme fand.
Am 5. September wurde ein Ausflug zum Dol-
men von Trollesminde im Norden von Seeland ge-
macht. Er ist 100 Fürs lang und 30 Fass breit,
dio um denselben aufgest eilten Steine bilden ein
Viereck. Die Grabkamraer ist klein und war nur
zur Aufnahme eines Todteu bestimmt; sie liegt an
der östlichen Seite des Hügels, ein zu derselben
führender Gang war nicht vorhanden. Als man
den obersten Stein von Erde entblösst hatte, fand
sich, dass er auf zwei Steinen schwebend ruhte.
Zuweilen findet man über den Gebeinen und Stein-
waffen in den Dolmen Aschenurnen aufgestellt; sie
beweisen , dass daselbst später, in der Bronsezeit
eine zweite Bestattung stattgefunden hat. Von
hier ging es an der schönen Ruine der Friedrichs-
burg vorbei nach Elseneur und Marienlyst, wo eine
den Gästen bereitete glänzende Tafel zum letzten-
mal die Mitglieder des Cougresses vereinigte, de-
nen der Aufenthalt in Kopenhagen unvergesslich
bleiben wird.
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XXI.
Kleinere Mittheilungen.
Historische Notiz zur Lehre von der Speeiesbildung,
mitgothoilt von W. Hi».
Bei Aufzählung der Vorgänger Darwin 1 «
pflegt man bis auf Lamarck zurückzugehen, weh
eher im Beginn unseres Jahrhunderts die Umwand*
lungsfahigkeit der Species gelehrt und hauptsäch-
lich mit Herbeiziehung der äussern Lebensbedin-
guug zu begründen versucht hat. Im Verlauf der
in diesem Archiv abgedruckten Arbeit über die
Geschichte der Zeugungstheorien bin ich auf einen
älteren Vorläufer Darwin’s gestossen, welcher
nicht allein das Princip der Umbildbarkeit der For-
men, sondern geradezu das der Speeiesbildung
durch Züchtung ausspricht. Kb ist dies der be-
kannte Präsident Tier Berliner Akademie, Mauper-
tuie. Derselbe hat im Jahre 1746 anonym ein
elegant und offenbar für ein grösseres Publikum
geschriebenes Schriftehen: „Venus physique ou le
nügre blanc“ herausgegeben , welches eine Darle-
gung der verschiedenen Zeugungstheorien enthält *).
Das dritte Capitol des zweiten Abschnitts ist über-
schrieben: „Production de nouvelles espöcea“, und
ich erlaube mir nachfolgend die bemerkenswert he-
Bten Sätze daraus mitzutheilen. Dieselben klingen,
trotzdem dass sie vor 125 Jahren geschrieben sind,
durchaus modern, und das einzige, was man darin
vermissen wird, ist eine allgemeinere Durchfüh-
rung des Principe der Mitbewerbung im Kampf ums
Dasein. Ich sage eine allgemeinere Durchführung,
denn für den besonderen Fall dos Menschen macht
*) Venu* Phynique, mein Exemplar ohne Druckort und
Automat»™, ä»l vom Jahre 1751 und al* 6. Auflage bezeich-
net. Sach Haller 1 » Bob), an. erechieu die 1. Auflage 174Ö.
[Dies scheint kaum glaublich; die uns vorliegende Ausgabe
ist als 5. bezeichnet und vom Jahre 1747. Red.) Er bemerkt
dazu: Cujus plurimae »unt editiones etian sub titulo 1«
negre blanc. Wie die Schreibweise, so Ist auch die Aos-
aUttung eine zierliche. Die« Büchlein ist, wie aus dem
Text hervorgeht, bei AnJax« eine» in Pari» vorgezeigten
Negeralbino* geschrieben worden.
Maupertuis allerdings von dem Princip der Mit-
bewerbung Gebrauch, und erläutert an dessen Hand,
da&s hässliche und missgestaltete Menschen weni-
ger leicht sich fortpflanzen können als schönge-
baute. Im Uebrigen aber misst er dem Zufall
jene, bei der Speciesentwicklung bestimmende
Rolle zu, welche man jetzt mit Darwin dem mit-
bewerbenden Kampf ums Dasein zuzutheilen pflegt.
„Ce n'est point au blanc et au noir que se
reduisent lee Varietes du genre humain, on en
trouve mille autres; et celles qui frappent le plus
notre vae, ne coütent peut-etre pas plus k la Na-
ture, quo celles, que nous n’aper^evons qu’ä peine.
Si l’on pouvait s’en aasurer par des experiences
deciBives, peut-etre trouverait on aussi rare de
voir naitro avec des yeux bleus un enfant, dont
tous les anectres aoraient eu les yeux noirs, qu’il
Test de voir naitre un enfant blanc de pareuts ne-
grea.
Les enfants d'ordinaire ressemblent ä leurs
puren», et lee variotes meme avcc lesquels ils
naiRgent sont souvent des effets de cette ressem«
blance. Ces Varietes, si on les pouvait suivre,
auraient peut-etres leur origine dans quelque an-
cetre inconnu. Elle» se perpetuent par des genö-
rations rupeteee d’individus, qui les ont; et s’effa-
oent par des generations d'individus , qui ne les
ont pas. Mais ce qui est peut-etre onoore plus
etonnant, c’est, apres une Interruption de ces Va-
rietes, de lee voir reparaitre; de voir l’enfant qui
ne reesemble ni ä son pere, ni k sa mere, naitre
avec les traits de son ayeul. Ces faits, tout mer*
veilleux qu’ils sont, sont trop frequent pour qu'on
les puisse revoquer en doute.
La Nature contient le fonds de toutos ces
Varietes, mais le hazard ou Part les niettent en
oeuvre. C’est ainsi que tous ceux, dont Pindustrie
s'applique ä satiafaire le goüt des curieux sont.
pour ainsi dire creatour» d’espcces nouvelles. Nous
voyona paraitre des ra^es de chiens, de pigeons, de
45*
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356 Kleinere Mittheilungen.
seriös qai n’etaient point auparavant daos la nature.
Ce n'out «tu d’abord que des iudividus fortuits;
Part et les generations repetees eu ont fait des
especes. Le fameux Lyonnais creait tous les ans
quelqu’ espece nouvelle, et detruisait celle qui
n'utait plus ä la mode. II corrigcait les forme» et
variait les couleurs il a inventu les especes de
PArlequin, du Mopse etc. Pourquoi Part se borne-
t-il aux animaux? Pourquoi ces sultans blasus
dans des serails, qui ne renferment que de» femmee
de toutes les especes connues, ne se font il pas
faire des especes nouvelles? Si j’etais reduit comme
eux au seul plaisir que peuvent dooner la forme
et les traits, j’aurais bientöt recours ä ces Varie-
tes. ..... Si nous ne voyons pas se former paruii
nous de ces especes nouvelles de bcautes, nous ne
voyons qoe trop souvent des productions, qui pour
le Physicien sont du meine genre; des ra^es de
louchee, de boiteux, degoutteux, dephysiques; raal-
beureusement il nefautpas pour leur ctablissement
une longue suite de geuerations. Mais la sage
nature par le d£gout qu elle k inspire pour ces
defauts, n’a pan voulu qu’ils se perpetuawent; les
beautcs sont plus sürement hereditairoa , la taille
et la jambe que nous admirons, sont Pouvrage de
plusieurs generations ou Pon s’est applique k les
former.
Un Roi du Nord est parvenu & elever et a
embullir sa nation. 11 nvait un goÜt excessif pour
les hommos de haute taille et de belle figure; il
les attirait de par-tout dans son royaume; la for*
tune rendait heureux tous ceux qne la nature avait
form es grands. On voit aujourd‘hui un exemple
singulier de la puissance des rois. Cette nation se
distinguc par les taille» les plus avantageuses et
par les figures les plus regulieret. C’est ainsi qu’on
voit sVdever une foret au dessus de tous les bois,
qui Penvironnent, si Poeil attentif du maitre Pap-
plique k y cultiver des arbres droits et bien choisis.
Le ebene et Porme pares des feuillages les plus
verds, poussent leur branches jusquau cid; Paigle
seul en peut atteindre la eime. Le euccesseur de
ce roi (es ist, wie man sieht, Friedrich II. gemeint)
embellit aujourd’hui la foret par les lauriers le«
myrtes et les fleurs.“
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XXII.
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
I.
Urgeschichte.
(Von C. Vogt.)
Der Bericht umfasst Alles, was mir bis Ende März 1871 zugekommen. Er dürfte diesmal etwas
mager ausfallen. Die wissenschaftliche Production in unserem Gebiete hat seit dem Beginne des Krieges
in Frankreich gänzlich, in Deutschland grossen thuils gefeiert. In England hat die Etlmological Society
nnter Iluxley’s Vorsitz einen bedeutenden Aufschwung genommen, während durch den Tod von Dr. James
Hont die Anthropological Ueview wahrscheinlich eingegangen ist nnd nur das Journal of Anthropology
als Organ der Gesellschaft weiter erscheint, ln Deutschland zeichnet sich die Berliner Gesellschaft durch
besondere Thätigkeit aus, während die Wiener Gesellschaft, die leider nicht mit der allgemeinen deutschen
Gesellschaft in Verbindung getreten ist, weniger hervortritt Mit besonderer Freude darf man das Er-
scheinen eines neuen Organes in Italien unter Leitung von Mantegazza und Finzi begrüssen. Möge
das Archivio per l Antropologia e laEtnologia unter seinen Landsleuten wie in der Fremde die Aufnahme
finden, die es verdient und zu weiterem Wirken nöthig hat
Deutsoliland.
Benecke. Zwei altperuanische Schädel* Berliner
Anthropologische Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, VoL II, S. 455.)
Südlich von Yquique, aut einem Grabe in jetzt unbe-
wohnbarer wasserloser Gegend. Künstlich deformirr.
Dabei ein mit einem Loch durchbohrter Stein (Netzbe-
schwerer?) und hulbverkohlt« Gegenstände.
L. Büchner. Die Stellung des Menschen in der
Natur, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
3 Theile.
Populäre Vorlcaungen.
Boue, Dr. Ami. Aufzählung von Tumuli oder
alten Grabhügeln in der europäischen Türkei.
(Mittheil, der Anthropolog. Gesellschaft in Wien,
Bd. I, S. 156—158.)
Breuner, Graf A. Archäologischer Fund bei Kamp
in Xiederösterreich. (Mittheil, der Anthropolog.
Gesellschaft in Wien, Bd. I, S. 42.)
Fund einer keltischen oder avarischen llandniahlmühlc.
Copel&nd. Ceber Steinwerkzeuge und Schädel-
funde in Ostgrönland. Berliner Anthropologische
Gesellschaft 15. October 1870.
Viele alte Winterhütten auf Klein - Pendulum uud
Clavering-Intcl, darin zerbrochene Gegenstände. Ganze
in Gräbern. Schöne Pfeilspitzen aus Stein, Messer-,
Pfeil- und LaozerispiUen aus Knochen, durchbohrte Wal-
roeezähuc. Die Gräber mit Steinkreisen umgeben; Ske-
lette in hockender Stellung darin.
von Dochon. Geschliffene Steinbeile von Saar-
brück und Trier. (Correepondensblatt Nr. 8.
Dezember 1870.)
von Ducker. Fundgegenstände aus weatphälischen
Höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
12. März 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
II, 1870, S. 170.)
Stein Werkzeuge und bearbeitete Knochen aus den
Höhlen von Balve, Klusenstein, Friedrichshöhle und
hohlem Stein. Virchow legt unzweifelhaft geaägte
Hirschhorngeweih«* vor aus der Rüaenbecker Höhle.
von Ducker. Rennthierreato aus dem Hönnethale,
Berliner Anthropologische Gesellschaft , 14. Mai
1870, S. 272.
Legt eine grosse Menge , seiner Meinung nach ab-
zicbtlich zerschlagener Stucke von jungen Kennthierge-
weihen vor.
von Düeker. Ueber die Wcstphälischen Knochen-
höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
10. Dezember 1870. •
Referat noch nicht beendet. Hält seine Ansicht über
deutliche Mene .ispnren aufrecht.
Ebers. Ueber die ethische Stellung der alten Aegyp-
ten (Correspondenzblntt Nr. 2, Februar 1871.)
A. Ecker. Die Honlenbewohner der Rennthier-
zeit von les Eyzies. (Archiv für Anthropologie,
Bd. IV, S. 109.)
i
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358
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Engelhardt. Die Steiogr&ber in Dänemark und
Schweden. (Correspondenzblatt Nr. 1 , Januar
1871.)
E. Fi&cher. Ein in grosser Tiefe gefundene« Kno-
chengerftth. Berliner Anthropologische Gesell-
schaft, 15. October 1870.
Knochensäge von 2 Decimeter Länge unter 5 Fass
Torf und 10 Fass Kalk darunter, in Georgenhof bei
Neustrelitz gefunden. Macht den Eindruck, wie ge-
wisse Instrumente aus der Renntlilerzeit Südfrankreichs.
Fonck. Die Indier des jetzigen Chile von sonst
und jetzt Berliner Anthropologische Gesellschaft,
2. April 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
II, S. 284.)
Vergleichung der untergegangenen Bevölkerungen
mit der jetzigen. Der Nachweis von Kuehenabfallen
(Curautos) besonders interessant.
Foster. Alter des Menschen in Nordamerika.
(Correspondenzblatt Nr. 8, Dezember 1870.)
Friedei, Ernst. Ausgrabungen bei Ystad. (Zeit-
schrift der Gesellschaft lür Erdkunde zu Berlin
1870, V. Bd., S. 182—183.)
Fuhlrott. Höhle von Grevenbrück. (Correspon-
densblatt Nr. 8, Dezember 1870.)
E. Hartmann. Studien zur Geschichte der Haus-
thiere. (Zeitschrift för Ethnologie. I. Das Ka-
moel , Bd. I, S. 66, 232, 353; Bd. II, 123. Das
Renuthier, Bd. II, S. 211.)
Durch Form und Inhalt gleich ausgezeichnet« Ab-
handlungen, die auf alle bezüglichen Kragen «ingeben
und die man im Einzelnen naclilesen muss.
Hartmann. Schanze am Daher See, Berliner An-
thropologische Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. II, S. 468. Plan im
Holzschnitt.)
Knochen, meist von Hansthieren, zum Theil bearbei-
tet, Topfscherben , Eisensichel. Die Ornamente mit de-
nen der Scherben von den Burgwällen identisch.
Hauohecorne. Chemische Untersuchung der
Schlacken von den oberlausitzischen Berg wällen.
Berliner Anthropologische Gesellschaft, 9. Juli
1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.II, S. 461.)
Aus dieser Untersuchung, suwie aus weiter von
Alex. Braun undVirchow vorgebrachten Thataacbcn
geht unzweifelhaft hervor, dass die Wälle durch An-
brenneu der mit Holzscheiten versetzten liaaaltstücke
geschmolzen wurden. Wahrscheinlich stammen sie aus
der Eisenzeit.
Hans Hildebrand-Hildebrand. Gesichtsurne aus
Cypern. Holzschnitt. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 15. October 1870.
Befindet sich in Wien.
Hosiua. Renntbierrestc auf dem akademischen
Museum zu Münster. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeitschrift für Eth-
nologie, Bd. II, S. 457.)
Meistens bei Correction der Flussbetten gefunden.
Mit einem Stücke wurden Mauimuthknochen, ein Bi-
berschädel, rohe Topfscberben , geschliffene »Stcinwaffeu
und bearbeitete Hirschgeweihe gefunden. Es scheint
mir unzweifelhaft, das» man e* hier mit Alluvial schich-
ten zu thun hat, in welche aus zerstörten Diluvial-
schichten Knochen bineingc waschen wurden.
L. Kleinwächter, Schädel aus einer alten Grab-
stätte in Böhmen. 12 S., 4 Holzschnitte.
Bei Saaz gefunden. Dolichocephal.
Könyöki. Muschel berge in Ungarn. (Correepon-
denzhlatt Nr. 3, Juli 1870.)
Kunth. Funde aus vorhistorischer Zeit in der
Umgegend von Berlin und Rom. Berliner Anthro-
pologische Gesellschaft, 2. April 1870. (Zeitschrift
für Ethnologie, Bd. II, S. 237.)
Polirtes Feuersteinstück und Schleifstein aus Sand-
stein vom Kreuzberge. Bericht über Ross) 's und
Ponzi’s Funde ans der Steinzeit bei Rom.
von Ledebur. Ueber die raeisaelartigen Bronae-
werkzeuge der vaterländischen Alterthumskunde.
Berliner Anthropologische Gesellschaft, 12. Fe-
bruar 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd. U,
1870, S. 166.)
Der Celt oder Palstab sei die Framca der alten
Deutschen.
R. Lepsiua. Ucbcr die Annahme eine« sogenann-
ten prähistorischen 8teinalters in Aegypten. Mit
einer photographischen Tafel. Berlin 1870. Se-
paratabdruck ans der Zeitschrift für ägyptische
Sprache und Alterthumskunde, August 1870.
Kcuersteinmrsser uns Gräbern finden sich in Berlin-
Die Feuersteinknollen springen unter dem Einflüsse der
Tempcraturwocbsel. Oh aber die von Arcelln, Le«
uo rin an t und 11a rav gefundenen Gegenstände nach
Lupsius’ Ansicht Natur- oder Kunstproduktc sind, ob
derselbe eine Steinzeit für Aegypten annimmt oder
nicht, ist mir wenigstens nicht klar geworden.
Lindonachmit. Bemerkungen zu dor antiquari-
schen Untersuchung von Dr. v. Moak. (Archiv
für Anthropologie, Bd. IV, S. 39.)
J. M. Das ältere Eisenalter in Skandinavien.
(Correspondenzblatt Nr. 7, November, Nr. 8,
Dezember 1870.)
Mannhardt. Ueber die Poraerelli sehen Gesichts-
urnen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
14. Mai 1870, S. 244.
Die sogenannte Rumra-Urne von Danzig sei ebenfalls
eine Gesichtsurne. Mannhardt sucht aus der Form
des Bartes, der Ornamente, der Darstellung einer Kauri*
Muschel (Cyprina moneta etc.) nacluuweisen , das* die
mit Virchow in die Uebergangszelt zwischen Bronze«
und Eisenzeit zu setzenden Geskhtsumen orientalischen,
spociell ult-phönik lachen Ursprung* seien.
L. Meyn. Wahrscheinliche Pfahlbauten am Ku-
den-See. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
15. October 1870.
Im südlichen Holstein. Im See östlich von Burg
und zwischen Burgsalz und Kaden dichte l'fahlcom-
plexc, dazwischen unendlich viele Knochen und 13 Lei-
chen in aufrechter Stellung. Die aufbewahrten Sachen
au* dem spaten Mittelalter.
Much, Dr. MathSua. Ueber die urgeschichtlichen
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Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
359
Ansiedlaogen am Mannhartagebirge. (Mitth. der
Anthrop. GeaeLlsch. in Wien, Bd. 1, S. 131 — 139.)
Karl Müllonhoff. Deutsche Alterthumakunde.
Bd. I. Mit einer Karte von Kiepert. Berlin 1870.
(Correspondenzblatt Nr. 2, Februar 1871.)
Chr. Potorson. Noch einmal die Framea unserer
Vorfahren. (Correspondenzblatt Nr. 1 , Januar
1871.)
Carl Rau. Steinerne AckerbaugerÄthe der nord-
amerikanischen Indianer. (Archiv für Anthro-
pologie, Bd. IV, S. 1.)
Sandborger, F. Ueber die bisherigen Funde im
Würzburger Pfahlbau. (Archiv des historischen
Vereins in Würzburg 1870.)
Schaaffhausen. Von Hrn. v. Dücker aus (Jrnen
bei Saarow gesammelte Reste. (Correspondenz-
blatt Nr. 8, Dezember 1870.)
Schaaffhausen. Instrumente aus dem See von
Warnitz in der Neumark. (Correspondenzblatt
Nr. 8, Dezember 1870.)
Schaaffhausen. Aelteste Ansiedelungen am I.aa-
cher-See. (Correspondenzblatt Nr. 8, Dezember
1870.)
Schaaffhausen. Höhlenuntersuchungen. (Corro-
spondenzblatt Nr. 8, Dezember 1870; Nr. 1,
Januar 1871.)
O. Schuster. Die vorhistorische Archäologie. —
Sitzungsbericht der Isis in Dresden 1870, S. 21.
Präsidial - Vortrag der neu gegründete« 8ection der
Gesellschaft, der vortrefflich die Aufgaben resumtrt,
welche eich die Forschung in diesem Gebiete stellen
muss.
C. Semper. Die Steinzeit in der östlichen Hemi-
sphäre. (Correspondenzblatt Nr. 6, October 1870.)
C. Semper. Spuren der Bronzezeit bei Homer.
(Correspondenzblatt Nr. 2, Februar 1871.)
8imony, Fr. Die Pfahlwerke bei Kammer und
Litzelberg im Attersee. (Mittheil, der Anthrop.
Gesellschaft in Wien, Bd. I, S. 70 — 72.)
F. Strobel. Beiträge zur vergleichenden Ethno-
logie, gesammelt in Südamerika. (Zeitschrift für
Ethnologie, Bd. II, 1870, S. 111 und S. 273.)
Sehr interessante Vergleichungen der Pfahlbauten,
Ranchos (Wohnungen), Thongescldrre , Werkzeuge aus
.Stein, Ledergeräthe, Nahrungsmittel und Zierrathen der
Bewohner der Plata- Staaten mit analogen Erscheinun-
gen aus urgeachichtlicher Zeit.
Vlrchow. Besuch der Westphälischen Knochen-
höhlen. Berliner Anthropologische Gesellschaft,
11. Juni 1870, S. 359.
In der Balver Höhle mehre Schichten. In der ober-
sten kleine Stückchen Holzkohle, Feuersteinsplitter, ge-
schlagene Knochen — ausserdem schon früher gefunden,
zwei Münzen, die letzte von 1001 nach Chr. Topf-
scherben, Feuersteindolch, Knochenmeissei etc. Offenbar
gemischte Schicht. Darunter eine bis zu 3 Kuss mäch-
tige graue mürbe Erdschicht — Rennthierschicht. Kno-
chen- und Geweihstücke in Massen, scharf zerschlagene
Knochenstückchen anderer Thlere, Laubholzkohle —
alter keine anderen Spuren vom Menschen. Dritte
Schicht. Lehuiscbichl mit scharfkantigen Kalk- und
Knochenfragiuenten. Vierte Schicht. Rollschicht — Kalk-
und Knochenfrugmente gerollt. Fünfte Schicht. Lehm
mit wenigen Steinen und Knochen — gerollt. Sechste
Schicht. 10 bis 12 Fass mächtige Maiumuthschioht.
Knochen und Zähne meist gerollt, mit Dendriten, die
über scharfe, geradlinige Eindrücke wegluufeu. Auch
ein glatter, scharfkantiger Kieselschiefer mit Ausbuch-
tungen, wie Schlagmarken. Sechste und siebente Schicht.
Brauner und gelblicher Lehm mit welligen, meist Fuw-
wurzelknochen, nicht vom Mamiuutb. Von 3 bis 7
keine zwingenden Menschenbeweise, liöhlenbyäne iu
Balve nicht vorhanden, dagegen mit Höhlenbär in den
anderen sehr häufig, die vor der Rennthierzeit wie es
scheint, ausgefüllt waren. — In der Klusensteiner- oder
Fddhofshöhle deutliche Menschenspuren; ein Glätter (?)
aus Knochen und früher Steingerathe. — Die hier ge-
wonnenen Resultate sind sehr wichtig und Vlrchow
bat sehr Recht, wenn er auf fernere Untersuchungen
in dieser methodischen Weise dringt.
R. Virchow. Ueber Rennthierfunde in Xorddeutech-
land. Berliner Anthropologische Gesellschaft, 12.
Februar 1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.
II, 1870, S. 162.)
Der Bericht kam mir erst nach Schluss des vorigen
Literaturberichtes zu, so dass ich dort nur die Anzeige
geben konnte. Virchow weist nach, dass auf einem
grossen, von der Elbe bis über den Kiemen nach Russ-
land reichenden Gebiete im Diluvium Rennthierge weihe
gefunden wurden, ebenso in der Balver Höhle und von
von Dücker bei Rüdinghausen in Westphalen in einer
Felsspalte. Letztere gehören alle jugendlichen Thiereu
an. Der Ansicht von Dücker 1 s gegenüber, dass Spu-
ren menschlicher Thätigkeit an diesen Stücken mit Be-
stimmtheit zu erkennen »eien, sagt Virchow, dass
dies mit Sicherheit nicht fcstzustellen, wenn auch wahr-
scheinlich, sei.
R. Virchow. Ueber Gesicbtaurnen. Berliner An-
thropologische Gesellschaft, 12. Miirz 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie 1870, Bd. II, S. 73.)
Deutsche Aschenurnen , den etrurischen Katiopen
ähnlich. Die einen am Rhein, die anderen iu Pome-
rellen. Genaue Aufzählung der bekannten Funde. Holz-
schnitte, welche die wichtigeren darstellen. Aus»cr dem
Gesichte auch Thierzeichnungen und ei genthüm liehe
Liniencombinationcn. Darin «nd daran Bronze, Bern-
stein, Glaskormllen — vielleicht auch Eisen. Stammen
aus der spätesten Bronzeperiode.
R. Virchow. Weitere Mittheilungen über Ge-
aichtaurnon. Berliner Anthropologische Gesell-
schaft, 11. Juni 1870, S. 346.
Ob die Zeichen auf der Mannhardt’schen soge-
nannten Runen -Urne Schriftzeichen sind? Rödiger
sagt Ja, Müllen hoff Nein.
R. Virchow. Ueber alte Höhlen Wohnungen auf
der Biscliofrinsel bei Königswalde. Berliner An-
thropologische Gesellschaft, 9. Juli 1870. (Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. II, S. 470.
Die Ciilturschicht besteht aus einzelnen , keilförmig
bi* zu 6 Kuss in die Tiefe gehenden Vertiefungen, die
mit Töpfen und Topfresten, Thierknochen, Kuhle, Asche,
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360
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Hcerdsteinen etc. erfüllt sind. Die gefundenen , doli-
chocepliaien Skelette wurden später hinein begraben.
Es fanden sich: Mühlsteine, Werkzeuge aus Feuer*
stein, Knochen, Geweihen, Spindelsteine. Die Kno-
chen und Zähne .stammen von här, Elenn, Eber, Torf-
schwein, Schaf, Kind, Ziege, Hirsch, Heb, Fuchs, Katze
(Hauskatze?), Wusscrmaus, Gans, Emu, Huhn, Fisch*
schuppen und Gräten. Santen von Kispeuhirse und
einem Polygonal!*, kleiner als Buchweizen. — Ein
Topfitoden mit durch einen Stempel nufgedrücktem
Kreuze, die Hühnerknochen, der Buchweizen und die
Hauskatze (V) lassen starke Zweifel an dem hoben Alter
dieaer seltsamen Fundstätte aufltommeu.
B. Virohow. Ueber die gebrannten Steinwälle
der Oberlausftz. Berliner Anthropologische Ge-
sellschaft, 14. Mai 1870, S. 257.
Aufzählung der bekannten Idealitäten. Genaue Uu-
tersnehung des Uurgwalts auf dem Bromlierg bei Weis-
senberg. Die Steinmaason waren mit Uotzscheiten dureh-
steckt , die durch Brand zerstört , meist zu Asche ver-
brannt, seltener verkohlt sind. Die Asche ging in den
verglasten Basalt ein. Die Erdwälle und Schauzen der
Lausitz stehen nicht mit diesen Schlackenwätlen in Be-
ziehung — erstere dürften von Slaven (Wenden), letz-
tere vielleicht von Germanen herrühren.
B. Virchow. Lagerstätten aus der Steinzeit in
der oberen Iluvelgegend und in der Niederlau-
sitz. Berliner Anthropologische Gesellschaft, 1 1.
Juni 1870, S. 352.
Im Zchdeniker Forst bei Ribbck pyramidale Haufen
aus geschlageueu Steinen, ’J bis 3 Fuss im Durchmes-
ser, 1 Vj bis Fuss hoch, dazwischen Kohle, schwarze
kohliche Erde, Feuerst einsplitter, Messer, Kerne— auch
eine grob polirte Steinaxt, ein Wetzstein, rohes Topf-
geschirr, wenige angebrannte Knochen. Heerde von
Tannenkob Id, auch einige Spuren von Eisenschlacken,
wahrscheinlich direct aus dcu* Boden herriihrend. —
Bei Golssen (Niederlausitz) ebenfalls in einer Sanddüne
ganz ähnliche Gegenstände, aber ausserdem und* noch
Bronze und Eisen, zum Theil moderne Dinge. Virchow
macht uoch besonders auf Steine mit dreiflächiger Zu-
spitzung der convexen Oberfläche aufmerksam, von de-
nen er eiueti Holzschnitt giebt. Achuliclie Fundstätten
au den Jahnbergen hei Nauen, bei Niiuptsch etc.
B. Virohow. Pfahlbau im Ltibtow See bei Cöslin.
Berliner Anthropologische Gesellschaft, 9. Juli
1870. (Zeitschrift für Ethnologie, Bd.ll, S. 454.)
Hummer aus Hirschhorn, Meisscl au» Knochen. Bron-
zene Armringe und Spindelsteine aus Thon nebst zer-
schlagenen Knochen.
R. Virchow. Ueber eine besondere Art geschlif-
fener Steine. Berliner Anthropologische Gesell-
schaft, 9. Juli 1870. (Zeitschrift für Ethnologie,
Bd. II, S. 453.)
Die dreiflächigen Steine aus der Iatusitz sind unzwei-
felhaft durch rohe Bearbeitung und Schleifung entstanden.
B. Virchow. Die altnordischen Schädel zu Copen-
hagen. (Archiv für Anthropologie, Bd. IV, 8. 55.)
R. Virchow, Geglättete Knochen zuui Gebrauche
beim Schlittschuhlaufen und Weben. Berliner
Anthropologische Gesellschaft, 5. November 1870.
Die an den Enden durchbohrten, geglätteten Knochen
seieu Schlittschuhe, die nicht durchbohrten noch jetzt
in Litthaucn zum Glätten der Gewebe benutzt- ln
Holland und Island waren früher solche Kuochenscbliu-
schuhe im Gebrauch; in den Schweizer-Pfahlbauten wie
in denen von Pomuiern habe man welche gefunden.
(Professor Jeittel es besitzt einen solchen von Olmätz.
a vj
R. Virchow. Ueber ein Gräberfeld aus römischer
Zeit iu Oatpreujssen. Berliner Anthropologische
Gesellschaft, 15. Octolnir 1870.
Bei Graneiken auf der Grenze von I.itthauen und
Masnren. Zwei Hügel mit vielleicht ICO Gräbern, in
gelbem, höchstens 5 Fass tiefem Sunde. Urnen mit
runden Steinen umlegt, roh gearbeitet , mit Knochen-
stückchen, kleinen Gegenständen aus Bronze, Eisen,
ßcmsteiusc.heibeu und Gloskoralten gefüllt, auch einige
Münzen, die bis zu Constantia* reichen (361 nach Chr.)
Unter den Gegenständen besonders eine schöne na»
Messing (Kupfer und Zink) gebildete, mit Silber einge-
legte Fibula. Wichtig für Urgeschichte, weil das Ur»
neiimaterial sehr roh war.
H. Wankel. Schreiben an Professor HyrtL —
Sitzungsbericht der Wiener Akademie, Bd. 58,
25. Juni 1868, mit einer Tafel.
Bericht über einen Fund von Menschenknochen in
der Byciskaia - Höhle bei Adamsthal in Mähren. Kiu
•Stück Kieferknochen zeigte dieselbe Zusammensetzung
wie die Bärenkuochcn aus der Muuper-Höhle.
H. Wankel. Der Menacheuknochenfund in der
Byciskaia - Höhle. ( Mittheil un gen der Wiener
Anthropologischen Gesellschaft, Nr. 4.)
Dlt Eingangshalle der Grotte, die sich bei Adams-
thal in Mähren befindet und einige Seitenstrecken der-
selben sind theil» von feinem Sand, theils von Schotter
ausgefüllt, der offenbar vom Wasser eingespült wurde,
ln diesem fanden sich die Menscbenknochcn mit Topf-
»cherben und Silbermünzen. Darunter weisslicher , un-
zusammenhängender Kalk und unter diesem eine Kob-
lenschicht. Im Inneren fand »ich unter dem mit Haus-
thierknochen vermischten »Sehotter, Knochenlehm mit
Höhlenbär. Offenbar ist in der Höhle durch spätere
Wassereinbrüche Alles unter einander geworfen.
We st p hä lischt) Höhlenfunde. Berliner Anthropo-
logische Gesellschaft, 2. April 1870. (Zeitschrift
für Ethnologie, IM. II, S. 240.)
Eine aus den Hemm Beyrich, Hartmann, Kuutb
und Virchow besteheude Commission spricht sich da-
hin aus, dass die von Herrn v. Ducker vorgelegten
Stücke zum Theil zwar beweisen, dass der Mensch in
der »Steinzeit die Höhlen bewohnte, nicht aber, dass er
mit den grossen Säugern dort zusammen lebte.
Westph&lische Kennthierfundc. Berliner Anthro-
pologische Gesellschaft, 11. Juni 1870, S. 347.
Eine Commissiou der Gesellschaft berichtet, dass die
vurgelegten Stücke junger Ranuthiergeweibe nicht **»
deutliche Spuren der Bearbeitung durch den Menschen
zeige, als eine frühere, ebenfalls von Herrn v. Ducker
gemachte Zusendung.
F, WiboL Bericht über dio Autgrabung eines
Ileidenhügris bei Ohlsdorf. 17 S., 1 Tafel.
Tumulus mit eigenthümlicher innerer Seinnseuung
eine kleine Kummer überwölbend, und de Leichtnaiu,
eines etwa 5jährigen Kindes enthaltend, von welchen*
nur noch Theil« des Kopfe* und ein Röhrenknochen-
stück vorhanden sind. Die übrigen Knochen wahr-
scheinlich durch wühlende Thier« weggeführt. Einige
wenige Stucke ans Bronze.
C. J. Wiberg. Ueber den Einfluss der Etrusker
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 361
and Griechen auf die Bronzecultur. (Uebersetzt
von J. Mestorf.) Archiv fär Anthropologie , Bd.
IV, S. 11.
Wurmbrand, Gundacker Graf. Untersuchung
der Pfahlbauten im Salzkamm ergut, knochenfuh-
render Höhlen in Steiermark und eines alten
Grabfoldes in Croatien. (Mittheil, der Anthrop.
Gesellschaft in Wien, Bd. I, S. 145 — 156.)
England.
James Bonwick. On the origine of Tasmaniens
geologically considered. (Journal of the Ethnol.
Society of London, Vol. II, pag. 121.)
Ha ist jetzt Mode in England, mit dem versunkenen
südlichen (Kontinente als dessen Haupt rest Australien
sieh damtellt , Conjectural - Naturgeschichte zu treiben.
Bonwick sucht die jetzt ausgestorbenen Vandicmens-
linder von Neuholland abzulciten. iluxley widerlegt
ihn und weist sie zu Neu-Caledonien.
W. Boyd Dawkins. On the diacovery of flint
and chert under a submerged forest iu Weat-So-
meraet (Journal of the Ethnol. Society of Lon*
don, Vol. JI, pag. 141.)
Der Wald, der unter der FluthHnie liegt und von
blauem Mergel , Moder, Schlamm und Rollsteinen be-
deckt ist, besteht aus Eichen-, Ellern-, Eschen- und
Haaelmiflsstämmen ; darunter fanden sich behauene Feuer-
steinsplitter.
W. Boyd Dawkins. On the discovery of platyo-
nemic men in Denbigahire with Note« on the
human remaius !»y Professor Baak. (Journal of
the Ethnol. Society of London, VoL II, pag. 440.
Holzschnitte. 1 Tafel.)
Höhle im Kohlenkalk bei Perthi Cbwarcu östlich von
Cor wen. L'eberreste von wenigstens lß Menschen jeden
Alters und (Geschlechts, meist jung. Zerbrochene Kno-
chen vom Haushund, Fuchs, Da<hfl, .Schwein, Reh,
Hirsch, Schaf oder Ziege, kurxhöroigein Rind (Bos lon-
gifrons), Pferd, Wasserratte, Hose, Kaninchen, Adler!?),
Ochs, Schaf und Schwein waren am häufigsteu, fast
alle von jungen Thieren. Ferner menschliche Ueber-
reste in der Höhle von Cefa, bei St. Axnph mit den-
selben Thieren und In einem Tumuliui mit Allee und
Grabkamiucr bei Cefn. * — Busk beschreibt geuau die
Menschcnknocheii, giebt Beschreibungen und Messungs-
tabcllcn von zehn mehr oder minder vollständigen Schä-
deln und geht dann besonders genauer auf die säbel-
förmigen (platycnemischen) Schienbeine ein, die er mit
denen von (Gibraltar, Cro-Magnon und arideren Orten
aus Frankreich vergleicht, deren Art der Zusammen-
drückung eine andere sei. So findet er in dieser Bildung
weder einen Raeen- Charakter, noch eine Annäherung
an die Affenbildung, da die menschlichen Schienbeine
noch stärker abgeplattet seien, als die des Gorilla.
B. CauLfleid. Not« ou a supposed Ogham In-
scriptiou, from Kus-Glass, Go. Cork. (Journal of
th« Ethnol. Society of London, Vol. II, pag. 400.
1 Tafel.)
Die Zeichen, welche der Verfasser für eine Inschrift
hält, sind nach der wohl richtigen Ansicht vou Oberst
Laue FOX IlkhU als Ritze», durch das Schleifen von
Waffen und Gerätschaften entstanden.
Cole. Hlustrations of nucient buildings in Cash-
mir. London. (India Museum 1869. Archeolo-
gica) Survey of India.)
Archiv für Anthropologin. Bd. IV. Heft IV.
Georgo Pinlay. Obcervations on Prohistoric An-
tiquities in Switzerland and Greeoe.
Christian D. Ginaburg. The Moabit -Stone- a
fac-simile of the original inscription with an
english translation and a historical and oritical
oommentory. London 1870.
Ein 3 '/<» Kuss hoher Basalt block vom Missionar Klein
bei Diban 1868 entdeckt. Die Araber zersplittern ihn,
um die Stücke als Amulet zu behalten. Der französi-
sche Consul Ganneau entzifferte zuerst die phönizisehe
Inschrift. Scheint etwa aus 920 bis 930 vor Chr. zu
stammen.
Bov. William Groonwell. On the Opening of
Grime’s graves in Norfolk. (Journal of the Eth-
nological Society of London, Vol. II, pag. 419.
2 Tafeln. 1 Grandplan.)
Die Umgegend von Brandon in Suffolk hat von der
ersten Steinzeit an Feuereteingeräthe geliefert und noch
heute werden dort Flinteiisteiuv fabricirt. Verfasser
beschreibt ausser den gewöhnlichen Instrumenten aus
der neolithischen Zeit die alten Gruben und Gallerieeii,
mittelst welcher man die Feuersteine aus den Kreide-
schichten ausbeutete.
Sir George Grey* On quartzite implcmcnt* from
tho Cape of good hop«. (Journal of the Ethnol.
Society of London, Vol. II, pag. 39.)
Lanzen - und Pfeilspitzen , sowie .Steinscheiben , die
nach der Vermuthung eines Herrn Bow ker, der sie
fand, in die Uhrlappen eingesetzt wurden.
Dr. Julius Haast. On certain prohistoric retnains
discovcred in Ncw-Zealand, and on the nature
of the deposita in which they occured. (Journal
of the Kthnological Society of London, Vol. II,
pag. 110.)
Der Sage nach kamen die Maories vor etwa 500
Jahren iu Cannes aus dem Norden und fanden die
Inseln Neuseelands unbewohnt. Die Moa - Arten (I)i-
nornts) seien schon lange vor dieser Coloiiuation von
einer anderen Raco nusgerottet gewesen, die Dr. Haast
Moa-Jüger nennt und die ebenso wie die Maoriee, ihre
Nahruugsmittel in Krdlöchcrn kochten, worin auf heis-
sen .Steinen Datffpf erzeugt wurde. In diesen Moa-
Oefen finde man rohe Steiuwaffcn , ähnlich denen von
* Amiens, ln Bruce Ray w urden anf dem Grunde einer
Goldgrube in 15 Kuss Tiefe ein geschliffener Steiukril
und ein Schleifstein gefunden, und zwar mitten iiu Hoch-
walde.
Col. A. Laue Fox. On the threatened destruc-
tiou of the British earthworks near Dorcheflter,
Oxfordahire. ( Journal of the Ethnol. Society of
London, Vol. II, pag. 412. 1 TafeL)
Jammer über eine, vom Grundbesitzer beabsichtigt«
Zerstörung zweier Krdwerke, die in der Nähe von Dor-
46
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362
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
ehester auf beiden Ufern der Tb*mae liegen and in
denpu Stein* und Bronxegeräthe gefunden wurdeu.
CoL A. Lano Fox. On tho opeuing of two Cairns
uear Bangor, North- Wales. (Journal of the Eth-
nolog. Society of London, Vol. 11. psg. 306.)
Im Tuiuulo« eine Steiukiste und in dieser eine Urne
und Pfeilspitzen, die aber nicht aus Feuerstein, Mindern
aus Fcldspathgesteiueu der U ngrnml gemacht sind.
Dieselbe Thatsache wiederholt skb öfter. Professor
Karnsay beschreibt genauer die (jesteine, aus welchen
die Instrument« gemacht sind : Sandstein, Trapp, Grün-
stein, Porphyr etc. In anderen Grabhügeln von Wales
fand man auch Bronze.
Col. A. Lane Fox. 0n the proposed exploration
of Stonehenge by a Committee of the british As-
sociation. (Journal of tho Ethnolog. Society of
London, Vol. II, pag. 1.)
Verfasser fand iu den bekannten Ruinen von Stone-
heuge Feuersteinsplitter und kommt dadurch auf den
Gedanken, dass Gräber du sein möchten. Die british
Association hat eine Commission mit l'ntcrruchung und
Aufgrabungen beauftragt. Der Besitzer des Grundes Sir
Edmund Antrohus, will aber die Erlaubnis» nicht
geben.
Col. A. Lano Fox. Note on the tue of the New-
Zealand Mere. (Journal of the Ethnol. Society
of London, Vol. II, pag. 106.)
Nachweis, dass die unter dem Namen Mere oder
Patta-Patta von den Neuseeländern gebrauchte Stein-
waffe von dem Celt abstammt und als Handwaffe be-
nutzt wird, mit welcher si« den IU Haar gehüsten
Feinde den Schädel hinter dein Ohre ciiistuascn. Wich-
tig wegen de» Yorfinden* ähnlicher iirgeachichtUcbt-r
W affen.
C&ptain Th. Lewin. Tho Hill-tracka of Chitta-
gong, and ihn Dwellera thurciu. Bengal l’riuting
Company, Calcutta.
L. A. Lewia. Notes on the builders and the pur-
poses of megalithic monuments. (Journal of
Anthropology, Vol. I, Januar 1871, pag. 286.)
Die sogenannten Alignements, wie Carnac ln der
Bretagne, die C'romlech» oder Steiukreise, die Menhirs
seien religiösen Zwecken bestimmt gewesen, namentlich
Opferplätze } unter den Doltueu könne man vielleicht
zwei Claiaett aiitetacheiden , di« einen Grubkamnierri,
die anderen seien auch wohl Opferorte, vor welchen
der eigentliche Opf< ralrnr gestanden habe.
Sir John Lubbock. Description of tho ParkCwm
Tumulu8. (Journal of the Ethnolog. Society of
London, Vol. 11, pag. 416. 1 Grundriße.)
Der Park Cwm liegt aut der ifalbinsel Gower hei
Penmoen Der 60 Fürs lange, 50 Fass breit« und etwa
b Pum hohe Grabhügel hat einen südlich gerichteten
Eingang, der in «inen centralen Gang führt, mit wel-
chem 4 Grabkanuaern, jederzeit» zwei rechtwinklig in
Verbindung stehen. Nr. 1 enthielt 3 oder 4 Skelete
und Topfscbcrben , Nr. ‘2 nur zwei, im Ganzen Reste
von 24 Individuen, eines von gigantischer Grösse, Min-
ner und Weiber, drei Kinder. Ein Himhzahn, einige
Topischerben, sonst Nichts.
Rev. R. J. Mapleton. Report on prehistoric r**-
maiiiB in the ncighbourhood of the Criuan Canal,
Argylishire. (Journal of the Ethnolog. Society
of London, Vol. 11, pag. 146.)
1. Petroglyphen. — Meist kreisförmige, zuweilen
hufeisen- oder uieren förmige Zeichnungen in di« Thal*
wund« «ingehuuen. 3. Menhirs. Sehr viele — ein«
Gruppe von sieben Steinen heissen die Odin * Steine.
Viele haben eingehauene Zeichen oder napffürmigr Ver-
tiefungen. 3. Cairns und Gräber, a. ln den ältesteo
Steinkisten begruben« Leichen, keine Instrument«, rolie
Thunscherben. In einer jüngeren Steinkiste von glei-
cher Form verbrannte Knochen von 8 bis 10 Körpern,
b. Grabkammern. Unter einem breiten Grabhügel
(Cuirn) die Kammer, etwa 15 bis 16 Fuss lang, an»
robeti Stein- und Deckplatten, der Eingang gegen Nord-
oste» gerichtet , der Innenraum iu drei Abteilungen
getheilt. Urnen mit verbrannten Knochen, Steingeri-
then. Pfeilspitzen, c. I )berilächliche Steinkisten, ervri
3 Y 2 Fuss lang, 2y, Km* breit. Urnen, verbrannte Kno-
chen, Steingcräthe. In einer ein vollständige«, unver-
brmnnte* Skul*t._ d. Aehnliche Steinkisten, einige Fass
unter der Oberfläche. Bronn-gegenstände. e- Melnkrrise,
in deren Mitte Körper ohne Kiste begraben »ind
4. Wohnungen, a. Craunogs — einzelne Pfahlbauten
in den Seen, keine Dörler. Meinberge. Zerbrochene
Hirschknothen; ein Kuder in Form eine» Speers, b. Dun*.
Rohe, kreisförmige Befestigungen auf den Hügeln aus
Steinen gethürmt. c. Ein verglastes Fort auf einem
iliigel an der See. d. Ein Brough(?) mit 7 bis 8 Fun
dicketi, cyclopischen Wällen und uiehrem Kammern.
Hirschkuh- und Schwcineknochen im Sande des Gran-
des. e. Eingestürzte Wohngrotte an der See, die be-
wohnende Familie dadurch getödtet. Ein ceititcber
Schädel erhalten. Hirschknochen, llerdstein mit Kohlen
und Asche, Keuersteinkratzer. f. Ein Atelier von
Feuenteingeräthen im Moos.
Rev. R. J. Mapleton. Note on a Ciat with en-
grav ed sionea on the Poltal loch eetate, County of
Argyll. (Journal of the Ethnologicsl Society of
London, Vol. II, pag. 340.)
Steinkiste mit verbrannten K nochall, worin zwei
Steine mit Figuren sieb fanden, welch« Lane Fox für
Gussuiodelle hält.
C. Monkraan. On disoo vertue iu recent depoaiü
iu Yorksliire. (Journal of the Ethnolog. Society
of London, Vol. II, pag. 157.)
Im oberflächlichen Thon des Hügels von Krisen Fener*
steinmesser und Kerne. Bei York im Sande eines hi*
scnhahneiiischnittes geschliffen« Steinwaffeu. Eben sol-
che iui Flussschlamme des Thaies von Pickering.
Lieut. S. P. Oliver. Report on the privent state
and condition of prohistoric retnain* in the Chan-
nel Inlands. (Journal of the Ethnol. Society of
London, Vol. II, pag. 45. 10 Tafeln und 2 Ta-
bellen.)
Sehr genaue Arbeit mit Ansichten, Grnndplünen und
tabellarischen U Übersichten über die Dolmen, Cromlech»
und Menhirs der Canal - Inseln , die leider häutig von
Miirutcti und Steinbrechern zerstört wordru sind.
Our Domectic Animal». 1. The horse. (Journal
of Anfthropo)., VwL I, July 1870, pag, 65.)
Resnmirender Artikel über das Werk von Pi et re-
inen t und die betreffenden Abschnitte von Darwin’s
Werk über die Hnusthiere, und Owen’s Abhandlungen
über fossile Pferde.
R. Owen. Deacription of the Cave of Bruniquel
and its organic rem» ins. London 1870.
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363
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
J. P. Phair. Notes on the discovery of Coppcr*
Colts at ßuttivant, Co. Cork. (Journal of the
Ethnol. Society of London, Vol. II, pag. 402.)
Waren in einer Felsanspalte versteckt.
Prof. ConBtantin Schlottmann. The Moabite
Stone: a Contribution to Hebrew Archaeology.
(Translatcd from the German. London, Trübner
and Comp.)
E. H. Squier. Observations on the Goograpby
and Archaeology of Peru. London, Trühner and
Comp.
Edward P. Stevens. Flint Chips: a guide to
prehistoric Archaeology. London 1870, 593 S.
(Journal of Anthropol., Vol. I, October 1870, pag.
164.)
Mit 125 Holzschnitt«* n geschmückter Cataiog der
Sammlungen in Salisbury, der durch die Erläuterungen
des Verfassers eine Art von Handbuch der Urgeschichte
geworden ist.
Thurnam, Dr. J. Further Researches on Ancient
British Skulls. 2 plates. in 8°., s. d. Williams et
Norgate. London.
Tylor, E. B. Researches into the Early history
of mankind and the developpem?nt of civilisation,
2. edit. in 8°., 386 pag., J. Murray, London 1870.
E. Villin. Professor H. Niccolucci’s Anthropology
of Etruria. (Journal of Anthropol., Vol. I, Julv
1870, pag. 79.)
Gutes Resunic über Niccolucci’s Abhandlung in
dem Werke von Gozzadiui. (Siehe den vorjährigen
Bericht.)
W&ring. Stone* Monuments, Tutnuli and Orna-
ments of remote ages. London, 108 Tafeln, 4”.
Schlecht ausgeführte, unkritisch zusani mengest eilt«
Tafeln, meist nur Copleen enthaltend. Ist das Geld
des Ankaufes nicht werth.
Wood, Rev. J. G. Illustrated Natural history of
man being an accouut of the uncivilised races of
man. With illustr., Vol. II, gr. in 8*. Routledge
et Sons. London 1870.
Frankreich .
L ago de la pierre en Egypte. Materiaux, 2 d * Se-
rie, 6 m * Anneo, Mars 1870, pag. 102.
Analyse einer Discussion über die Steinzeit in Aegyp-
ten, welche aut 23. Deceinber 18dl» in der Anthropolo-
gischen Gesellschaft von Paris Statt halt«.
Babert de Juille. Lettre h M. de Longueraar
Kur des fouilles o|>ejves a la Doie (Deux-Sövres),
in 8"., 4 p., 1 pl., in 4°. Extrait du Bulletin do*
la Societe des aDt. de l’Ouest.
A. Bastian. Du culte de la pierre dans PEthno-
graphie. (Materiaux, 2 de Serie, Tome V, pag. 407
et Tome VI. Avril 1870, pag. 153.
Uebersctziing des deutschen Aufsatzes.
Ch. Basin. Note sur deux atoliers de silex taillcs
a Fumerault et aux Fleyx (Yonne). (Materiaux,
2 d * Serie, 6 m# Annee, Ferner 1870. pag. 87.)
Zwei Localitäten bet Saint - Attbin - Chateau -Neuf;
Kerne, Messer, Pfeilspitzen, Kratzer etc.
Bruzard. Rapport sur le Tutuulu» de Genay, prea
Semur. Seraur: Vardot.
Büchner, Dr. Louis. L’homme selon la Science,
so n passe, son present, son avenir, ou, D’oü ve-
nons-nous? (Jui sommes-noua? Oü allons-nous?
— 1** partio, Paris, C. Reinwald, 1870, in 8®.
151 pag., nomhreusea gravurea sur bois.
und Ethnographie in Kopenhagen, sowie über di« Mu-
seen von ('hristiania, Stockholm und I.und.
Ernost Chantro. Sur les pal b fit tos du lac de Pa-
ladru (Isore). (Matüriaux, 2 d# Sflrie, Avril 1870,
I>ag. 177.)
Pfahlbauten auf eiuem Boden, der jetzt durch Tiefer-
legung des Sees trocken liegt , früher aber zwei Meter
Wasser über sich Imtt«. KüchvnahluJi« aller Art: Kno-
dien von Hund, Kind, Hirsch, Schaf, Ziege, Pferd,
Schwein, Wildschwein — letzteres am häutigsten ; Kerne
von Kirschen, Pflaumen, Ptlrsicheo; Nüsse, Haselnüsse,
KicheJn. Eiseugeräthschalten aus der Zeit der Mero-
winger und Karolinger — also verbal miss massig sehr
neuen Datums, w as indessen auch schon di« Nüsse und
Ptlrsichkerne beweisen.
Chauvet. Station de läge de pierre polie a Pons
(Charente-lnferieure). (Maturiaux, 2 d * Serie, 6 m *
Annee, Fevrier 1870, pag. 88.)
Einigt* polirte Steinäxte irn Boden; in einer Steinkiste
einige Skelete, zwei kleine Steinäxte und einige Messer.
Sehr oberflächliche Notiz.
L’Abbe Collet. Silex taillcs et Kjökkenmödding»
en Bretagne. (Materiaux, 2 d * Serie, Avril 1870,
p. 204.)
Zwischen Plouharnel und Quiberou gehauene Stein-
äxte in einer gelben Leb nisch lebt. Bei St. Pierre Mu-
schelschalen, gespaltene Knochen , Asche und Heerd-
steine mit Topfscherben. Vorläufige Anzeige.
Cazalia de Fondouco. Coropte rendu du Congrca
international d 1 Archäologie et d’ Anthropologie
pr^historiques du Copenhague. Deuzieme Partie.
Leg Massen de Copenhague. (Materiaux, 2 de Se-
rie, Mars 1870, pag. 118, Mai 1870, pag. 218.)
Mit Holzschnitten illustrlrt« Notizen über di« Museen
für Anatomie und Zoologie, für nordisch« Aitcrthümer
G. Cotteau. Rapport sur lea progrt* de la geo-
logie et de la palAontologie en France pendant
1868. L« Puy 1869, 52 pag.
Gieht zugleich eine L’ebersicht der französischen Lei-
stungen in der Urgeschichte. Cotteau hält die von
Abbe Bonrgoit lin Miocen gefundenen Kiesel für von
Menschenhand gefertigt*
46 *
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364
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Deiaunay, Abbe. Un atelier de PAge de pierre
a Saint-Lcger-du-Malzieu. (Extrait du Courrier
de la Lozere, iu 8°., 6 pag.
E. Dolfortrie. Lea «wsenients entaillea et strieg
du miooöne Aquitanieu. (Acten de la Societe
Linnöenne de Bordeaux, Vol. XXVII, 1869, 3 pag.,
1 pl.
Die Streifen und Kitzeu auf den Knochen rührten
nicht von Feuersteinmessern , sondern von Zähnen ver-
schiedener Meerfisch« , namentlich von Sargus aervatus
her, der in dstiselben Schichten vorkommt.
M. Delfortie. Epoque prehistorique Station de
Cubzac (Gironde), Camp de Tage de la Pierre
polie. Bordeaux : Gounouilloo.
C. Donor. Un bracelet et un porte-monnaie lacu-
etree. (Materiaux, 2 d * Serie, Mai 1870, pag. 246.)
Ein von Morigcn am Bieleraee stammendes Armband
au» Bronze scheint mit Hülfe stählerner Instrumente
gravirt su »ein. Die Ring« von Bronze sind wahrschein-
lieh von Gold — man findet sie häufig auf einem
grösseren, agrafiennrtig »chliessenden Ringe aufgereiht.
Froaaard, Emilien et Charles, L. Note sur une
grotte renfurmant des resteß humaioB de PApaqne
paleolithique, decou verte h Bagneres-de-Bigorre.
Bagneres 1870, in 8 n ., 24 pag., 1 pl.; (extr. du
Bullet, de la Societe Rarnond.)
Em. et Ch. 1«. Froaaard. Note nur la grotte
d'Aurensan, Pyrenees. Age du Renne. (Matö-
riuux, 2 d * Serie, Mai 1870, pag. 205.)
In oberen, jetzt zerstörten Grotten Knochen des Maut-
muth, Ur, Höhlenbär, Hyäne und Lowe. Keine .Spur
des Menschen. Am Kusse des Hügels 13 Meter über
dem Adour, eine Grotte, gänzlich gefüllt. l>rei Schich-
ten. Oben gelber Lehm mit Lands hnecken. Darunter
eine graue oder schwarze Schiebt von Kohle und Asche
gefärbt, mit Knochen und Menschenresten. Am Boden
gelber plastischer Thon mit Rollsteinen und Gesteins-
fragmenten, ohne Metisehenspuren. In der mittleren
C'ulturschicht zerbrochene und etitmarkte Knochen, von
Lar t et und Milne*Kd ward« (Vögel), bestimmt. Am
häufigsten Och» und Hirsch, seltener Rennthier, ausser-
dem: Igel. Dachs, Bär, Maulwurf, Iltis, Marder, Otter,
Wolf, Fuchs, Wildkatze, Maus, Eber, Pferd, Reh, Gemse,
Ziege, Steinbock , Lämmergeier, Alpendohle. Kräh«,
Schneehuhn, Kröte, Forelle, Karpfen, Barbe. Helix
netuoraiis, hortrnsi». Zonites uliveturum, Cyclostoma
elegans und eine nach Bourguiguat ueue Art: Po*
matias Frussardi. Reste eines zusammengekauerten,
wahrscheinlich begrabenen Menschenskelets , ausserdem
noch Bruchstücke von Schädeln und Kiefern. Die ge-
wöhnlichen Instrumente aus Stein, Knochen, Hennihier-
und Hirschgeweih. Zwei Stücke mit Zeichnungen; auf
dem einen zwei Steinbucke kenntlich, auf dem anderen
vielleicht ein Pferdekopf. Viel rotlier Eisenocker. Ein
in fünf Fragmente gesprungenes Stück rothen Bern-
steins.
Foulon Mönard, Dr. Jh. Lea Moulins primitifs,
l^etude archeologique sur le territoire de Gue-
raude, Vaunes, Forest et Grimaud 1869, io 8%
19 p«g., 2 pl.
Paul Gervais. Restes fossiles du glouton recu-
eillis eu France. (Materiaux, 2 l * Serie, Juin
1870, pag. 284.)
In der Grotte von Konvent (Haute -Saone) mit Wolf
und Schakal.
J. G. (Goanelet). Le pretendu horome fosaile de
Villen- Plouich pr&s Cambrai. (Materiaux, 2 d *S«\,
Avril 1870, pag. 202.)
Ein Kreuzbein, das dem Ilöblenlöwen, aber nicht dem
Menschen angehört.
Comte J. Gozxadini et Dr J. Nicolucci. Nou*
veile« fouilles ä Marzabotto. (Materiaux, 2 d * Se-
rie, Juin 1870, pag. 269.)
Kesume des im vorigen Llteraturbenehte (siehe Ita-
lien) erwähnten Werkes.
Hahn. Caehette de fondeur de bronse h Luiar-
ches. (Materiaux, 2 d# Serie, Mars 1870, pag. 150.)
Etwa 2 Farn unter der Erde lagen in einem Haufen
85 Gegenstände, meist Bruchstücke oder im Guss miss-
rathen.
E. T. Hamy. Note sur len o«sements humaina
trouves dans le pliooeoe inferieor de Savone.
(Materiaux, 2 d * S4rie, Avril 1870, pag. 167.)
Zweifelt sehr an der Authentlcität des von Issel bei
Colle del vento in der Nähe von Ssvoua gefundenen
Skeletes. Die Charaktere, die man für alt erklärt habe,
seien es nicht und wahrscheinlich sei die Leiche in dem
intoceaca Thon eingegrmben, also später hinein gebracht,
E. T. Hamy. Paläontologie humaine. Paris 1870.
Auch als Anhang zu der neuesten frunzösi selten
Ausgabe von Lyell.
Vortreffliche Monographie, di« all« bekannten Resul-
tate zusammenstelli und kritisch sichtet.
Ph. Lalande. Trouvaille de bracoleta en bronze
dans la commune de Saint-Gerons (Cantal). (Ma-
toriaux, 2 dB Serie, 6"* Annee, Fevrier 1870, pag.
96.)
Geschlossene klein« Bronzeringe, entweder auf «iueai
gekrümmten Eisenstab oder auf einem grösseren Bron*
aering aufgereiht, die sich Hgraffeiiartig schliessen. Aelin-
liehe Funde in Dänemark. Auf einem Granit in der
Näh« fand »ich ein «ingravirtes Bild eines Ringe», eia
ebensolches auf dem natürlichen Sockel, auf welchem
die Granitplatte ruhte.
Lartat , Ed. and H. Christy. Reliijuiftf! aquita-
nica«: liv. X, pag. 125 — 140 and 121 — 132,
platea A. XXIX— XXXII; B. XVII et XVIII.
Louis Leguay. Polissoir prebistoriquo, type nou-
veau. (Materiaux , 2 d# Serie, 6"** Anne«, Mare
1870, pag. 108.)
fiO Centimeter lang, spindelförmig, aus feinem Sand-
stein.
Lotronno. Tombelles dos bautes Pyreneee. (Ma-
toriuux, 2 d * Serie, Mai 1870, pag. 216.)
Vorläufige Anzeige, lu den Gemeinden Bart res und
Osaun bei Imurdcs 98 Grabhügel. Im Inneren eine
Steinkiste. Bei den darin enthaltenen Mcnscbeukno-
clien , Asche, Thierknochen und Geräthschafu-u aus
Bronze.
Letournoau, Ch. Anthropophagie, Encyclopedie
ogncrale, 10* livraiaon, pag. 361 ä 368.
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365
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Bir Charles Lyell, I.’anciennete de l’IIomme prou-
vöe pur la Geologie. Traduit par M. Chaper.
(Deuxieme edition augmente« d’un Pröcis da Pa-
läontologie humaine par E. P. Hamy. 592 und
372 S., 182 und 114 Holzschnitte. Paris, Bail-
iiere 1870.)
Da* Werk von Harny tat eine wertbvolle Zugabe tu
demjenigen von Lyell. Beide sind indessen auch ab-
gesondert tu haben.
Marchant, Dr. Louis. Note sur des hame^ons en
brouze trouves dans la Saöne, precedee de re-
cherchea comparatives snr cea instrumenta de
peche dans lea temps antöhisturiques, dans l'anti-
quite propremeDt dite, et & l’epoque actuelle.
Paria, C. Reinwald, et Dijon 1870, gr. in 4°.,
13 pag., 1 pl. lith. (Tire a 150 exempl.).
Morel. Note aur la decouverte k Lignon d’une
sepulture de l’Age de la pierre, 6 pag., 1 pl. lith.,
Societe des Sciences et Al ts de Vitry-le-Franyoia.
G. de Mortillet. Breche de Genay. (Materiaux,
2 de Serie, 6 m ® Annee, Fevrier 1870, pag. 99.)
Bei Senil r (Cottd’Or) Kiesel-Instrumente vom Typus
von Le Moustier mit Ochs, Pferd, Mummuth, Hirsch,
Kennthier, Grusshirsch, Hyäne, Wolf. Zahlreiche Feuer-
spuren. Keine Topfscherben.
Noulet, Dr. J. B. Des cryptea d’approviaionnement
a propoa de trois aouterrains de Saint- Paul (Lot-
et -Garonne). Toulouae 1870, in 8®., 34 pag.,
grav. aur bois, extrait de la Revuo archeol. du
Midi.
Jules OUier de Marichard. Lea grottea et mo-
numenU mAgalithiques du Vivaraia. Paria, F.
Savy, 1869. 70 S. Viele Kupfer. Reeume in
(Materiaux, 2 d ® Serie, Juin 1870, pag. 262.)
Aufzählung von Grotten aus der Zeit des Höhlen-
bären (unbewohnt); Wohnungsgrotten au* der geschlif-
fenen Steinzeit (l.ouni bei Walions: Perocs südlich von
Louot; Cbaumadou und de la Vache, ebenfalls in der
Nähe); gemauerte I »rotten aus der Eisenzeit. Zwischen
500 bis COO Tnniuli im südlichen Vivaraia, dir schön-
sten in der Kbene von Jnyande». Einige aus der Stein-
zeit (die eigentlichen Polmen), die meisten Tumuli aus
der Bronzezeit, einige aus der Eisenzeit, ln der Grotte
von Perocs einige Knochen, von einem Weile stam-
mend, die mit einem scharfen Instrumente zerhauen
worden sind.
Perrault, Erneut. Nota aur un foyer du l'ftge de
pierre polie deruuvert au camp de Chaaaey, 26 p.
in 8®., 8 planchca double«. Dana lea Materiaux
d'archAologie de Saöne-et-I/jire.
PerrliL. Etüde prehiatorique aur la Savoie, apecia-
lement h lepoque Ucuatre. (Age de Bronze.)
Chambery 1870. Atlas du 20 pl., gr. 4 D .
Vortreffliche Abbildungen der Fandgcgenslände, mei-
stens aus den Pfahlbauten des Lac de Bourget.
C. A. Pietrement. Lea origineB du cheval dorne-
atique. Paria, E. Donnand, 1870. 487 S.
.Sehr ausführliche Darstellung. Nach dem Verfasser
exist irten mehrere Kaccn wilder Pferde in Europa , die
während der Steinzeit gejagt wurden. Dann wurde
das Pferd gezähmt von den Aryern und Scythen (Tn-
raniern) mehr als 2000 Jahre vorChr. In China wurde
das gezähmte Pferd eingefuhrt — aber schon zu Yao’s
Zeit (2350 vor Chr.) waren die Uauspferde ui China
■ehr zahlreich. In Aegypten ward es eingefuhrt durch
die llykros (3000 Juhre vor Chr.); bei den Hebräern
durch David; Assyrier nnd Phönicicr hatten es lange
vor den Juden, selbst vor den Aegypten». In Arabien
ward es erst gegen Christi Geburt verbreitet.
E. Pietto ot de Perry. Sepulture polyandrique
de l’Hopitat prea Rutnigoy (Ardennea). (Mate-
riaux, 2 d ® Serie, Avril 1870, pag. 187.)
Trapezoidales Grub, 4 Meter lang, 2 und 2*/_. Meter
breit, von rohen aufeinander geschichteten Steinplatten.
Pie 14 bis 16 Skelete neben einander in zwei Keiheo,
die Köpfe längs den beiden Langseiten. laichen jeden
Alters. Picke nrthe Haare erhalten. Geschliffene Kic-
srläxte. Gegenstände aus Hirschhorn , darunter zwei
becherartige Gefiisschen.
Quatrofagos, A. de. Congrus international d’ar-
cheologie prehiatorique. (Extrait de la Revue des
Deuz-Mondes. ln 8°., 56 pag., Paria 1870.)
L’Abbe Richard. Ddcouverte d'inHtruments de
Tage de pierre en Arabie et en Egypte. (Mate-
riaux, 2 d ® Serie, Mai 1870, pag. 248.)
Zählt folgende Localitäteu uuf; Am Kusse des Sinai,
bei Cairo in der Nähe des versteinerten Waldes; bei
Theben; bei El-Bire, deu» alten Beeroth, zwölf Kilome-
ter von Jerusalem.
A. Roujou. Silex taillc ddcouvert an Auvergne
dana le miooene auperieur par Mr. Charles Tardy.
(Materiaux, 2** Serie, 6 ro ® Annee, Fevrier 1870,
pag. 93. Holzschnitt.)
Nach Mortillet’s Zeugnis.* und der Ansicht der
Zeichnungen ist das roh zugehanche Steinmesser un-
zweifelhaft von Menschenhand gefertigt. Ich besitze
ein sehr ähnliches Stück von 8t. Achcul. Wenn das
Stück w irklich sich an seiner untpriinglicben Lagerstätte
fand und nicht später auf irgend eine Weise hineinkam,
so ist es ein überzeugender Beweis für die Existenz
Instrumente verfertigender Menschen in der Molassen-
periode. l>ie Scbichtenfulge am Fnndorte bei Aurillac
ist von Üben nach Unten folgende: I. Anschwemmun-
gen der Ebene. 2. Anschwemmungen der Thalwünde.
(In diesen beiden .Schichten wurden schon Steinwaffen
gefunden.) 3. Jüngerer Basalt. 4. AeJtere Anschwem-
mungen. 5. Tracbyi'Congiooierat mit Braunkohlen, die
Hauptmasse des Oantal bildend. 6. Conglomerat mit
Knocben von Pinotherinni, Machairodus etc. Hier wurde
das Stcinracaccr gefunden. 7. Aelterer Basalt. Darunter
ältere miocene und eocene «Schichten bis zum Granit.
Die Fuudschicht wäre also gleich» Heng mit den Kuo-
cbenfuuden von Eppelsheim am tthein.
A. Roujou. Station dos Ilaates - Bornes (Seine),
Age de la pierre polie. (Materiaux, 2 d * Serie,
Avril 1870, pag. 194.)
Unter dem iliiuiu» Spuren von Heerden, geschliffene
Stctugeräthe , grobe und feine Topfschtrbeu mit Orna-
menten, Knochen vou grossem und kleinem Kindvieh,
Hirsch, Eber, Schaf oder Ziege.
A. Roujou. Station de Yilleneuve St. George«. —
Anthropophagie a Tage de brouze. (Materiaux,
2 de Serie, 6“® Anne«, Mars 1870, pag. 111.)
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366
Verzeiehniss der anthropologischen Literatur.
Nach den Entdeckungen Pomiuerol'i gehört« die
bekannt« .Station, die unzweifelhafte Beweise des Can-
nibalismua bietet, der Bronzezeit an.
A. Roujou et P. A. Julien. Note sur des striee
observf’eH sur des blocs de gres de Fontainebleau,
do meuliere de la Brie, de silez et de calcaire
grosaier engages dans lea olluvions des environa
de Paris, ln 4°., 1 p. (Comptes rendus de l’A-
cademie des Sciences, 7 Mar« 1870.)
Ph. Salmon. Grotte sepulcrale de Buno* Bonne-
vaux et menhir de Milly (Seine ot Oise). (Mate-
riaux, 2 d# Serie, Avril 1870, pag. 181.)
Grabgrott« unter einem grossen Sandsteine, 2 50 Me-
ter lang und breit und etwa 1*30 Meter hoch , mit ro-
hen Steinen geplattet uud seitlich aufgemauert. Eine
Oeffming gegen Süden. Im Ganzen «ollen 40 Skelette
darin gewesen sein von ludividuen verschiedenen Al-
ter«, wovon nur ein ununterouchter Schädel erhalten.
Einig« Leichen verbrannt. Feuerspuren in der Grotte.
Drei roh« Thongefiase ohne Ornamente , zerbrochen.
Stein w affe n , zum Theil geschliffen, Pfeilspitzen, eine
Nadel ohne Üehr aus Knochen.
H. Sohuormans. Notice für les raota: Dolmen,
Menhir, Cromlech etc. (Matcriaux, 2 d * Serie,
6® B Annüe, Fevrier 1870, pag. 79.)
Pbilologiadi • historische Abhandlang.
Col. Moadowa Taylor. L’Archeologie prehisto-
rique de Pin de. (Matöriaux, 2** Serie, 6“*Annee,
Fc*vrier 1870, pag. 53 — 79, 2 pl.)
Lebe riet* ung des Aufsatzes im .Journal of tb« Ethno*
logioal Sociehr, Vol. 1, pag. 157 (siche Archiv für An-
thropologie, Bd- IV,).
TiBSOt. Sur les monuments prehistoriques de l’AI-
gerie. (Materiaux, 2 d * Serie, 6** Anne, Fevrier
1870, pag. 90.)
Die Dolmen in der Nähe von Constantine »eien mein
von Steinkmscn umgeben, die an mehren Orten, »i*
U«berre«tc eines runden Tburme« ausaähcn. Daraufhin
identifirirt der Verfasser konische, aus platten, in eigen*
thüuilicher Weise zerschlagenen Steinen gebildete Hü-
gelgräber, die sieb iu der Sahara finden und Keschern
oder Dscbcddar von deu Arabern genannt werden, mit
den Dolmen und den bekannten grossen, aua gehauenen
Steinen gebildeten Grabdenkmalen , wie das sogenannte
„Grab der Christin* 1 bei Algier.
Holland.
H. Hartogh. Heys van Zouteven. — De voorhi-
storischc Mensch in Amerika. 52 S. Holzschnitte.
Nach einer Veberaicht der Funde von Nord- nnd
Südamerika geht Verfasser besonders auf die höchst
merkwürdige Thatsache ein, dass sich auf den Ruinen
von Palenque Basreliefs finden, welche offenbar elephan-
n- nurtige Thierc darstellcn. Namentlich zwei vom Ver-
fasser gegebene Abbildungen (nach Waldeck’s Werk
Monuments ancieiut du Moxique et du Yucatan) sind
unverkennbar durch Rüssel und Schlappohren. I)a nun
in Amerika kein« elepbantenartige Thier« mehr Vor-
kommen, so sc hl least Verfasser, dass den Erbauern sol-
che bekannt gewesen sein müssen, das Volk also wahr
«cheinlich das Mastodon kannt«. Mir fallt dabei auf.
dass die Stosszühne fehlen.
Italien.
Giuseppe Bollucci. Avanzi dell’ epoca proieto-
rica doll’ uomo nel territorio di Terni. Milauo
1870. (Atti della Sociotä italiana di scienze na-
turali, Vol. XIII, fase. II, 1870.)
Culturachicht an der Basis des Monte 8. Angtolo, in
der Nähe der berühmten Wasserfälle, in 1*/| bis 3*/a
Meter unter der Überdache, grosse nt heil« aus Küchen-
ablallen bestehend; rohe Topfscherben, Fragmente un-
geschliffener Stein- Instrumente , zerschlagen? und «Ot-
markte Knochen, einige zerbrochene Instrument« aus
Hirschhtmi; Kohle und Asche. Im Boden der Ebene
von Terni dagegen, wo früher der Velino floss, finden
•ich mehre CuJturschicbteu über einander — über dem
Lehm römische Gefasst-, Münzen, Bronzen; darunter
rohe Tupfscherben, Bronze und Eisen, fein gearbeitet’*
Feuersteinmesser und Knochen von llaustbieren.
Giancarlo ConoBtabilo. Dci monumenti di Pe-
rugia elrusca e romana. Perugia 1855 — 1870,
•1 Vol. Atlas von 108 Tafeln.
Police Finzi. Di alcuni recenti studi intorno all’
archeologia etrusca. Firenze. Separatabdruck au*
dem Septemberkofto der Rivista enropaea. Ana-
lyse der Werke von Concatabile und Gozzadini.
Giorgio P. Marsh. L’Uorno et la Natura; Ossi»
la superficie terrcatre inodificata per opera dell’
uomo. In 16*. 650 p. Firenze, Barbara.
Nordamerika.
Charles C. Abbott. Aboriginal relic firom Tren- Eigenthümlich geformter, gebohrter und geaehüfaoer
ton, New-Jorsey. (American Naturalist, Vol. IV, Grünstein , der beim Ackern ln der Erde gefunden
August 1870, pag. 380. üoliacbnitt. wnrd '-
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367
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Edward. E. Chovor. The Indian* of California.
(American Naturalist, Vol. IV, May 1870, p. 129.)
Mit Holzschnitten gezierter guter Aufsatz über das
Leben dieser Indianer, ihre Wohnungen und Werkzeuge,
deren Verfertigung und Gebrauch einiges Lieht anf die
Werkzeuge der Steinzeit wirft.
J. W. Foster. On the Antiquity of Man in North
America. 40 S., 6 Tafeln, Holzschnitte. Separat-
abdruck aus den Verhandlungen der Chicago Aca-
demy of Science«
I>er bekannte Schädel von Californien, ein geschliffe-
nes Stein-Instrument von dort aus 30 Kuss Tiefe ; Korb-
geflecht aus Binsen in Louisiana zwei Kuss nnter Ele-
phantenknochen; menschliches Becken im Löss bei
Nntchcz; beim Mastodon-Skelet im Osage-Thal, das jetzt
im British Museum aufgcstclU ist, (and l)r. Koch Kohle
und FeuersteinlMnzcn. Mit dem Menschen lebten also
in Amerika der Klephanc (E. americanus), das Mastodon
(M. gigantenm), der grosse Biber (Castoroidea Obioensis),
das Megathenum, Megnlonyx etc. Aus späterer Zeit:
der Schädel von New -Orleans, von Dow 1er bekannt
gemacht. Dann kamen die Hügribauer (Mound-Imildera),
die Ansiedlnngen bc**»s«n , Muis bauten, Stein - Instru-
mente fabricirtun, das natürliche Kupfer bearbeiteten,
Handel trieben, Gewebe strickten und Sculpturen uns
Thon machten , die von einem ziemlich »ungebildeten
Kunstsinn zeigten. Besonders interessant ist ein Ge-
lass, einer Feldflasche ähnlich, das einen Kopf und
Hub damtellt (Tafel St, FJg. 1 und 2). Der Kopf zeigt
das Profil einer europäischen Bäuerin mit etwas aufge-
stülpter Spitznase, aber durchaus nicht das eines India-
ners. Eine andere Statue stellt einen knieenden nnd
geknebelten Gefangenen dar. Beide Gegenstände ge-
funden etwa 7 Meilen von Beimont in Missouri. End-
lich erwähnt Foster noch die Küchetiahfulle an der
atlantischen Küste.
J. W. Foator. Descriptious of certain Stone and
Copper implement« used by the Mound-Builder*.
Dem vorigen Artikel Angeheftet.
Geschliffene und meist ari dem einen Ende durch*
bohrte längliche Perlen von -Spiegel eisen; Messer, Lan-
zen und Pfeilspitzen, Ahle und Mebsel von Kupfer.
Die Aexte den ursprünglichen Steinbeilen ähnlich.
J. J. H. Grogory. Indian *tone implement*. (Ame-
rican Nato ml ist, Vol.IV, 0ctoberl870, pag. 483.)
Sacht aus den Fundstätten die Gründe darzult?gen,
weshalb man an manchen Orten viele in der Fabrika-
tion zerbrochene Werkzeuge linde (Ateliers), an anderen
nicht. Die Steinäxte seien offenbar die Modelle der
späteren Metallüxtc gewesen.
J. P. JefTries. The Natural llistory of the human
races. (111 ust. Roy. In 8*., 380 pag. New York.)
E. G. Squior. Observation* of a Collection of
Chalchihuitla from Mexico and Central America.
(American Naturalist, Vol. IV, May 1870, p. 171.)
Mit dem obigen, unaussprechlichen Namen bezeichnet
mnn geschnittene Steine, ineise aus grüner Jade, die
von den alten Völkern herstaiuiueu, welche Mexiko und
Centralamerika bewohnten. Der Charakter der Figuren
nnd Ornamente stimmt mit denjenigen der Sculpturen
▼on Palonque überein.
Russland.
G. von Holmorson. Studien über die...*, fltu*
de* sor lea blocs erratiquee et ies formal iona di-
lti viennea de la Ru&sie. Gr. in 4°., IV — 136 pag M
avec 10 pl. lith. Saint* Petersbourg 1869, Leip-
zig Vose.
Schweiz.
E. Donor. Souvenir* du Dänemark. Le Congrüe
anthropologique et prehintorique de Copenhngue
en 1869. (Conference faite h la Societe d’utilite
publique de Neufchnte). Bionne 1870. In 8°.
32 pag.)
Ferdinand Keller. Helvetische Denkmäler. II.
Die Zeichen - oder Schalenateine der Schweiz.
Zürich, Höhr, 1870, 4°. 20 S., 5 Tafeln,
Findlinge mit rundlichen , unregelmässig gestellten
Vertiefungen , die mit Feuerateinwerkzeugeu au»gehöblt
scheine» und selten mit Kinnen <oti*binirt sind. Die
Steine sind nicht künstlich anfgestellt — man hat nie-
mal- etwa» in ihrer Nähe noch unter ihnen gefunden.
Nach Keller'« Ansicht hüben die Schalen hu sich
keine Bedeutung und nur den Zweck , den Stein als
monumentalen zu bezeichnen. — Ich mn** gestehen,
dass ich den Wildenstein (Pierre des serragins) bei St
Lac im Val d’Anniviers, der auch Tafel IV ahgebildet
ist und den ich wohl zehn Mul untersucht habe, nicht
für ein Kunstproduct halte, sondern glauben muss, dass
die napfforuiigen Vertiefungen durch Verwitterung von
Eisenkies entstanden sind. Keller vergleicht die Sculp-
turen der Dolmeu etc. mit dieseu Denkmälern.
Alphon so Favre. Do l’existence de l’homme h
l'epoque tertiaire. (Archive« des Sciences de la
Bihlioth. universelle, Fcvrier 1870. Materiaux,
2 do Serie, Avril 1870, pag. 172.)
Besinne der bekannten Thatsuclien. Die Kiesel von
Thenuy könnten durch die Einwirkung der Sonnenhitze
gesprungen sein. Aehnliches Zerspringen hätten De-
sor, E scher und Kraus in Algerien und Aegypten
beobachtet.
Edmund Follenbcrg und A. Jahn. Die Grab-
hügel bei Alienlüften (Canton Bern). Zürich 1870,
4°. 16 8, 3 Tafeln.
Sehr genaue Untersuchung zweier Grabhügel aus der
älteren Eisenzeit, diu Huste eines Wagens, eiserne Be-
schläge, Bronzegegensräude und schön gearbeitete Gold-
bleche lieferten.
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368
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Albr. Müllor. Die ältesten Spuren des Menschen
in Euro]>a. Basel 1871.
Populärer Vortrag, ein gutes, gedrängtes Resumo
enthaltend.
Henri de Saussure. Ls grotte du Sec pres Ville-
neuve. Station Baisse du Renne. (Archive« des
Sciences de la Bibliotheque universelle. Juin 1870.)
Herr Tsillefer, der schon die Renntbiergrotte von
Veyrier bei Genf entdeckte, fand eine andere bei Ville-
neuve. Menschliches Skelet ohne Schädel unter einer
Decke von Macadam. Die Grotte mit durch Kalkinfil-
tration gusanmiengebackenem Sand ausgo füllt. Darin
serbroebene und eiitmarkte Knochen (200 bis 300 Stücke)
Fingerknochen und Schädelstücke vom Menschen, Renn-
thier, Steinbock, Bär, Fuchs, Alpenhase. Adler, Schnee-
huhn — also dieselbe alpine Fauna wie bei Veyrier;
einige rohe Topfscherben ; Kratzer und Feuersteinmesser.
F. F. (Thioly). L’homme foeeile en reponse ii
l'Homme primitif de Frederic de Rougemont Ge»
neve 1870.
Streitschrift gegen den bekannten frommen Verfasser.
F. F. Thioly. Note sur dee so pul tu res de U prä-
miere epoque de fer dans le Valais. Indicateur
d’antiquite« Buiaaeg. Zürich 1870. (Bulletin de
Plnstitut national Genevois, Tome XVI. 21 8.,
6 Tafeln. Materiaux, 2 d * Serie, Avril 1870, pag.
184.)
Steingräber ohne Erhöhungen des Buden*. In der
Stadt Sitten selbst ein Kirchhof, beim Ausgraben von
Fundamenten aufgefunden. Di« Gegenstände entspre-
chen den Funden von Hallstatt. Di« Schädel gehö-
ren dem Typus von Sitten an.
F. F. Thioly. Un bracelet et porte - monnaie la-
custre avec figures, dans le Hameau de sapio,
Fevrier 1870.
Spanien.
W. Mo. Pherson. The Woman’s Cave. Hoch 4°.
6 S., 9 Tafeln, 1 Photogr., Cadix.
ln der Nähe der wurmen Bäder von Alhama bei
Granada findet sich etwa 2500 Kuss über dem Meere
und 170 Fuss über dem Flusse Marchan eine Höhle,
la Cueva de la Mujer genannt. Der weite, von Fern«
sichtbare Eingang macht sie zur Wohnung geeignet,
ln der Nähe finden sich Stcinwaffen. Topfscherben mit
Henkeln und Linienwrziemngen , ein« vielleicht mit
einer Sonne (?), Steinmesser, durchbohrte und zu Instru-
menten verarbeitete Knocheu machen etwa den Eindruck
des L'ebergangs zwischen Stein und Bronze. Doch
wurde kein Metall gefunden — dagegen ein mensch-
liches, nicht grosses Stirnbein.
D. Juan Vilanova. Origen y antigüedad del llom-
bre. (Plusiours articlefl dans le -Boletin - Revista
de la Universidad de Madrid, 1869.)
Zorn Schlüsse muss ich noch bemerken, dass mir eine russische Abhandlung EUgekommen ist, die
nach den beigegebenen Figuren zu schliessen, von Gesichtsurnen handelt- C. V.
n.
Anatomie.
(Von A. Eckor.)
Aeby. Der Bau des menschlichen Körpers mit
besonderer Rücksicht auf seine morphologische
und physiologische Bedeutung. Rin Lehrbuch
der Anatomie für Aerxte und Studirende. Mit
zahlreichen Holzschnitten. Leipzig 18C9, 1. und
2- Lieferung.
Für den Anthropologen dürfte besonders die die Kno-
chenlehre enthaltende erste Lieferung von Interesse sein
und in dieser wieder die auf zahlreichen eigenen Beob-
achtungen gestützte und durch trefdiebe Abbildungen
erläuterte Darstellung de* Schädelskelets. Ob dieselbe
in gleichem Maas.se für den Unterricht angehender Me-
dicinor zweckentsprechend »ei, ist eine Frage, die wir
hier nicht näher zu erörtern haben.
Beddoe. Ou the headform of the Danes. (Memoirs
of the Anthropologien] Society of London. London
1870, VoL TO. S. 378.)
Die Untersuchungen sind mir an lohenden angestellt,
und /.war an 28 Matrosen und S.diiffsleuten ; nebst der
Kopfform ist Alter, Statur, Farbe der Haare und Augen
angegeben. Mittel des .Schädelindex 80'5.
Boddoo. On the stature and bulk of man in the
British isles. Nebst einem Anhang: Stature and
bulk of the Irish. (Memoira of the Anthrop. Soc.
of London. London 1870, Vol. III. S. 384.)
Beddoe. On the physical chnracters of the inha-
bitanta of Bretagne. (Memoirs of the Anthrop.
Society of Lmdon. London 1870, Vol. III. S. 359.)
BischofF. Ueber die kurzen Muskeln des Daumens
und der grossen Zehe. Mit 1 Tafel, 8®. (Sitzungs-
berichte der k. baier. Akademie der Wissenschaf-
ten 1870, I f 3, mit 1 Tafel.)
Der Verfasser sacht aus der Anatomie der Affen da»
Verhältnis» beim Menschen zutu Verständnis» zu brin-
gen und unterscheidet an der Hand neben Abduc-
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Verzeichntes der anthropologischen Literatur. 369
tor brevi* und Opponen* einen Flexor brevi» mit
2 Köpfen, wovon der mediale jedoch adiwach ent-
wickelt ist und, in die Tiefe gedrängt, als sogenannter
Internate im I auftritr, einen Adductor obii<iuus und
traiisversus; am Kuss, nebat Abductor, Flexor
brevis (zweiköpfig), Adductor (desgleichen).
Bt ach off. Ucbcr da» Gehirn eines Chimpanse. Mit
3 Tafeln. (Sitzungsbericht der k. baier. Akade-
mie der Wissenschaften 1871, I, S. 98.)
Blake, Carter. Note on the skulla found in the
round barrows of the south of England. (Memoirs
of the Anthropological Societv of London. Lon-
don 1870, Vol. DL S. 114.)
Der Verfasser bestreitet die allgemeine Gültigkeit der
Angabe von Thurnam, dass in den Randgraben) des
südlichen Englands die brachycephale •Schädelform vor-
wiege und meint, bevor man sich einen Schluss erlau-
ben dürfe, müsste vorher «ine viel grossere Anzahl von
Schädeln aus den Kundgräbern sowohl ala den Lang-
gräbern gemessen werden.
Blake, Carter. Note on a skull from the Cairn
of Get, Caithness, discovered by Joseph Anderson.
(Memoirs of the Anthropol. Society of London.
London 1870, Vol. III. S. 243.)
Broadbent. On the cerebral convolutions of a
Deaf and Dnmb Woinan. Mit 2 Tafeln. (Jonrn.
of Anatomy and Physiology by Humphry and
Turner, 2. Series, Nr. 6, London, Mai 1870.
S. 218.)
Broca. L’ordre des Primates, parallele anatoruiqtie
de rhotnrae et desSingee. Paris 1870, 8°. 176S.
mit zahlreichen Figuren in Holzstich. (Soparatab-
druck aus den Bullet de laSoc.d’Anthrop. de Paris.)
Brühl. Myologisches über die Extremitäten des
Chimpanse. — Junges $ Exemplar, 2' hoch, mit
noch sämmtlichen 20 Milchzabnen. (Wiener me-
dicinische Wochenschrift 1871, S. 3 und ff.)
Busk. Description of and remarks upon an an-
cient calvaria fron» China which haa beou aup-
posed tu be that of Confucia*. (Journal of the
Ethnological Society of London, Vol. II, Nr. 1,
April 1870. S. 73 mit Tafel XI.)
In der Industrie - Ausstellung von 1863 fand sich in
der chinesischen Abtheilung unter den Goldschmieds-
und Juwelenarbeiten eine reich in Gold und Juwelen
gefasste, mit .Schriftzeichen versehene menschliche Schä-
deldecke (beschrieben und abgebildet in Wartng ma-
•terpieces of industrial art , Vol. III, pag 291), die aus
dem kaiserlichen Sommerpalast in China stammen soll.
Der Schädel ist dolichocephal und von dem chinesischen
Durchschnittsschädel »ehr verschieden. Es liege kein
Grund vor, anxuiiehinen, da*» derselbe etwas mit Con-
fucius zu tliun habe.
Claaon. Om Menuiskol^jernans vindlar och ßror i. e.
lieber die Windungen und Furchen des mensch-
lichen Gehirns, mit 2 Tafeln, 8°. 0 Upsula 1868 *).
(Aftryck ur Upsala Universitets Arsskrift.)
l ) Diese .Schrift, welch« die Jahreszahl 1868 trägt,
ist erst itu Juli 1870 und zwar durch den Autor selbst
zu meiner Kenntnis» gelangt.
Archiv fttr Anthropologie. Bd. IV. Heft IV
Cleland. An inquiry irito the Variation» of the
human skull, particularly in the antero-poeterior
direction. Mit 10 Tafelii, 4°. (Separatabdruck
aus den Philosophical Transactions 1870.)
Honsel. Die Schädel der Coroados, mit 1 Tafel.
(Zeitschrift für Ethnologie, II. Jahrgang, 1870,
Heft 3, S. 196.)
Humphry. A case of assymetry of the two halves
of the body. Mit 1 Tafel. (Journal of Anatomy
and Physiology by Humphry and Turner, 2. Se-
ries, Nr. 6, London, Mai 1870. S. 226.)
Jenson. Die Furchen und Windungen der mensch-
lichen Grosshirn-Hemisphären. Mit 1 Tafel. (Se-
paratabdruck aus der Zeitschrift für Psychiatrie.
Band XXVII. Berlin 1870.)
Kleinwächter , Dr. L. Schädel aus einer alten
Grabstätte in Böhmon, beschrieben und gemessen.
Prag. Selbstverlag des Verfassers, 8°.
Derselbe wurde in einer heidnischen Grabstätte in
der Nahe der .Stadt Saai gefunden und gleicht den von
Welsbaak im Archiv für Anthropologie (Bd. II, s. 285)
vom gleichen Fundort beschriebenen dolichocephalcn
(Reihengräber- ^Schädeln, übertriffl dieselben aber noch
im Punkte der DoHchooephallc.
Kopemicki. Anatomiczno-antropologiczne poatrzc-
zonia nad Mursynem i. e. Anatomisch-anthropo-
logische Beobachtungen an einem Neger. Krakau
1870, 8°.
Ali Mardsclijar, 35 Jahre alt, Heimath unbekannt,
wahrscheinlich Darfur oder Kordofan, wurde als Kind
in Constuntinopcl gekauft, starb im Spital zu Colza.
Grösse l iJl Meter. Karl«: Svliwärzlich-chocoladenbraun
(Karbentabelle der Pariser Anthropologüeh.n Gesell-
schaft, Nr. 41 — 18), au einigen Stellen (Bauch, Nabet,
Geschlcchtstheile) viel duukler (Nr. 48), Scrotum und
Penis ganz schwarz, an den Weichen viel heller (Nr.
43 — 37), Handfläche und Fu!*ssöhb_- lichter. Am Thurax
und den Extremitäten fanden sich kleine Narben und
von diesen waren die ältesten so schwarz wie die um-
gebende Haut, die neueren blasser. Kopfhaare: Wolle.
Von den Muskeln wird erwähnt, dass weder die Mas*
seteren dicker und runder noch dl« M. stylohyoidei
weniger entwickelt waren, wie die* Somme ring und
Serres behaupteten. Das ganze Gehirn hatte ein
Gewicht von 1105 Grm., da« grosse Gehirn von 955
Grn». (recht« Hemisphäre 48U, linke 475 Grm.), Cere-
bel In in mit Pons. und Med. obl. 150 Grm. Die Farbe
der grauen und weissen Substanz unterschied sich durch-
aus nicht von der des Gehirns einer wallachiscbeu Frau.
Der Verfasser bestätigt die Beobachtung von Summe-
ring, dass die Nerven des Negers im Verhält-
nis* zur Masse des Gehirns dicker «lud als die
des Weizsen. Hiervon machten nur eine Ausnahme der
Opticus, Trochleari», Acusticus, Acoottoriu», llypoglos-
au*, Ulnaris, Saphenus utul Peroneus, welche bei beiden
(zur Vergleichung diente der Körper eines Wallachen
von ganz gleicher Glätte und Beschaffenheit) gleich und
der N. facialis, der beim Neger dünner war. Der
Kehlkopf weniger vorragend, mehr von weiblicher
Form 1 )- — Nabel tiefer gelegen als gewöhnlich (18
*) Die Beobachtungen von D- Gibb (Archiv für An-
thropologie, Bd. II, 8. 109) waren dem Verfasser, wie
e* scheint, nicht bekannt.
47
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370
Verztichniss der anthropologischen Literatur.
Centim. vom Proc. xiph. . 13 Centim. vom 0* pnhis).
Geschlecht st heile: Scrotum ganz schwur*, Penis
beschnitten, ungewöhnlich dick und laug; im herabhän-
genden Zustand maass er 14 Centim. auf 3*/j bis 4 , / J
Centim. Dicke; iui erigirten war er 17 Vf Centim. lang,
4 bis &Vji Centim. dick; Eichel breit, conisch; Bulbus
urethrae gross, Muskeln des Penis selir stark- Ohr von
mittlerer Grösse, wenig vorragend, länger als breit,
Ohrläppchen wenig getrennt; Muskeln wohl entwickelt.
Aut Auge keine Spur von Nickhaut; an der Sclerotien
rings um die Cornea ein 1*4 Meter breiter schwärzlicher
Streifen. Die Iiand im Verhältnis» zur Statur ziemlich
klein, Finger im Verhält uiss zur Handfiäche lang, die Zwi-
schvnfingerfalte (wie von van der Hoeveu beobachtet)
länger als beim Knropäer, reicht bis zu Zweidrittel der
Länge der Grundphnlunx. Fuss ziemlich breit, nicht
so platt, wie sonst bei Negern, Ferse nach hinten nicht
auffallend vorragend; grosse Zehe entschieden kürzer
als die zweite.
Langer. Xeger&ckudol mit Überzähligen Zahnen.
Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft
in Wien, 1. Band, Nr. 5, 16. December 1870.)
Langer erwähnt die von Sönitnrring und Munt-
merjr beobachteten Fälle und beschreibt einen weitern,
in welchem & überzählige Zähne au einem Negrrscltädel
sich finden. In beiden Kiefern finden sich jederseita
anstatt 3, 4 Mahizährte; die letzten in der Reihe (eben
die überzähligen) sind etwas kleiner. Der &. überzählige
Zahn ist ein Backenzahn, der »ich im linken Unterkiefer
median wärt» an der .Spalte zwischen den beiden norma-
len Backenzähnen befindet.
Langer. Ueber Gesichtabildung. (Mittheilungen
der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, I. Bd.,
Nr. 3, 28. Mai 1870, S. 47.)
Von dem Satz ausgehend, dass alle individuellen und
Racenunterschiede Wuchsthums-Moditicatioiicn sind, ver-
folgt der Verfasser zuerst den typischen Hergang in der
Bildung des Knochengerüstes des Gesichts, indem er
Mauti und Neugeborenen vergleicht. Aus dieser Unter-
suchung ergiebt sich, dass das Gesicht in allen Dimen-
sionen mehr zunimmt als der lliruschüdel , am meisten
in der Höhe, weniger in der Breite, am wenigsten in
der Tiefe. Die Höhe betreffend, so nimmt das Wachs*
thum von oben nach unten zu, insbesondere wächst die
Breite unten mehr als oben , lateralwärt* mehr als in
der Mitte und auch in der Tiefe wächst «las Gesicht
unten am meisten. Duranf betrachtet der Verfasser die
Variationen und ihre morphologische Deutung. Die
Höhe betreffend, so ergab sich, dass auch hier, in Be-
treff der Proportionen innerhalb dieser, die normalen
WnchstliunisvcrhäUnisse muassgehend sind, so dass, je
länger das Gesicht, desto kleiner im Verhältnis» die
Höhe der Augcnregiou*, desto grösser die Mundregion,
desto grösser der Abstand der Augen- und Mnndsp<e.
In Betreff der Gesichtsbreite macht Langer die
Bemerkung, dass dieselbe weit mehr vom Schädel (so-
wohl Stimbreitc als Basisbreite) abhänge als von der Breite
der Kiefer. Maximale Jochbein breiten kommen x. B. nie
zusammen vor init kleinen Stirnbreiten und ein schma-
ler Unterkiefcrwinkelahstand und ein in Folge davon
scharf zugespitztes Kinn lasse immer auf eine schmale
Schädelbasis achliesaeit. In Betreff der zahlreichen ein-
zelnen Angaben über das Profil müssen wir auf den
sehr lesen» werthen Aufsatz selbst verweisen.
Lombroso. Eaistenzn di unu fo&sa occipitnlc me-
diana uel cranio di un critninale. (Archivio per
PAntropologia e la Etnologia, I, 1. S. 63.)
An diesem Schädel fehlt die Crista occipitalia intern«
und von der Crista transversa läuft jederseita neben der
Protuberantia occip. interna eine Knochenleiste herab.
Die beiden Leisten, anfangs parallel , dann divergirrnd,
verlieren »ich gegen den hinteren Umfang de* Formmen
tuagtiuin bin und »chliesaeu eine 23 Millim. breite, 34
Millim. lange uud 11 Millim. tiefe Grube ein. Aeui-
»erlich war ander betreffenden Stelle eine entsprechende
Erhöhung wahrzunehmen, un welcher der Knochen sehr
verdünnt erschien. Lombroso bemerkt, das» sich we-
der briBurkuw, noch Otto, noch lienle ein Beispiel
dieser Anomalie erwähnt finde und weist darauf Uiu,
dass dies« llu- wohl mit einer Entwicklungshemmung des
Ccrchcllum in ursächlichem Zusammenhänge stehe, bei
dem zwischen der 16. Woche und dem 6. Monate der
Wurm im Verhältnis» zu den Hemisphären vorwiegend
entwickelt sei. Der .Schädel der Lemuren zeig« dieselbe
Anordnung, nicht aber der der höheren Affen.
Mantegazza. Dell* indice cefalo-spinah*. (Archi-
vio per PAntropologia et la Etnologia, I, 1. Fi-
renze 1871. S. 40.)
Der Verfasser untersuchte an 30 Schädeln verschie-
dener Kacen, 10 brachycephalen , 10 meaocephulen, 10
dnlichocephalcu: 1. Du* Verhältnis» zwischen In-
dex des Kursmen magnum und Scbädeliudex
(Index des For. magn. = Verhältnis» zwischen Länge
und Breite). Um das Verhältnis» anschaulich zu lun-
chen, »teilt Muntcgu/za in einer ersten Tabelle diese
30 Schädel nach dem Scbädeliudex, der von 91 *3 bis 65*7
variirt, auf, iu einer zweiten nach dem Index des Ko-
mmen magnum, der von 03*3 bi» 69° wechselt. Dit
Reiben hilg* 4 in beiden Tabellen ist nun keineswegs die
gleit he; so *. B. steht Nr. 30 (der letzte) der ersten
Tabelle, in der zweiten schon unter Nr. 14. 2. Ver-
hältnis» zwischen Circumferenz des For. occip.
und Capacität de» Schädels. Während dieses Ver-
hältnis«, letztere = 100 genommen, bei Affen zwischeu
42 und 22 schwankt, wechselt dasselbe beim Menschen
nur zwischen 9 und 5 (3 bei einem HydrucephaJuiL
Man loguz zu ist der Anjicht , das* die Zahlen t» bis 7
(als Ausdruck des genannten Verhältnisses) einer der
um meisten cunstunten menschlichen Charaktere »ei, der
den Menschen von den anthropoiden Affen und um so
mehr von den übrigeu Säuget liieren scharf trenne. 3.
Messung des Lumen des For. occlpitale; das
Verhältnis» diese» Maasse* zur Capacität des Schädels
bezeichnet Manteguzza als Index cephnloapinali»
und betrachtet es als den Ausdruck des Verhältnisses
zwischen Rücketimnrk und Gehirn. Im Mittel beträgt
dieser Index bei 100 menschlichen Schädeln 19*19
(von 40 9 Schädeln 18*48, üo o* Schädeln 19*66),
Minimum 13*49, Maximum 26,94. Unter 8 Schä-
deln anthropomorpher Affen war die höchste Zahl
S*3& bei einem jungen Gorilla.
Mantogazza. Una not« Süll’ indice ceialo-spinale.
(Archivio per PAntropologia et la Etnologia, I, 1.
Firenze 1871. S. 59.)
Moyncrt. Ueber Unterschiede iru Gehirnbnu des
Menschen und der Säugethiere. (Mittheilungen
der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 1. Bd.,
Nr. 4, 16. September 1870, S. 79.)
Der Masse nach bilden beim Menschen die Hemi-
sphären"!* 0 , da* Stammhiru 10*5, das kleine Hirn
10*5 des ganzen Hirngewichts. — Zum Verständnis* der
Formuuterschiede webt der Verfasser zunächst auf
die Entwicklung der llemisphärenblasen hin und den
an diesen linsenförmigen Hohlknospen wahrnehmbaren
Gegensatz einer äussern schildförmigen, convexe« und
einer Innern ringförmigen Fläche. Dieser (den Stiel
umgebende) Ring zerfällt in einen hintern Halbring (Bo-
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Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 371
gunwindnngf und einen schwachem vordem Üiiechlap-
pen). ln Bezog auf die relative Entwicklung dieser
beiden Flächen stehen sich einerseits Mensch und Affen,
andererseits die übrigen Siugethiere gegenüber, indem
bei letzteren die innere Oberfläche sich überwiegend
entwickelt, so dass Riechlappen und Rogen Windung von
aussen sichtbar werden, an erstem die äussere, die
eigentliche HemUpharenobarfläche mit ihren Windungen.
Das Stimeitdc der Urossliirn lappen , also der uuter der
8tirn liegende Theil wird bei beiden G nippen von ver-
schiedenen Gehinithellert gebildet. Die äussere convexe
Fläche erhält nun durch Verwachsen der Mitte mit
dem Linscnkem ebenfalls die Gestalt eines Halbring»,
und es bildet »ich so Insel* und l'rwindungsbogen. Wie
uun beim Menschen die Halbkugeln über das ganze Ge-
hirn, die äussere Fläche derselben über die innere, »o
überwiegt im Bereich der iusseni Fläche die Gegend
der Insel über die übrigen. Meynert führt als eiuen
weiteren Grund dafür, dass liier der Sit* de» psychi-
schen Sprach vermögen» zu suchen sei, auch noch an,
dass das Pferd — dem man eine grössere receptive
Befähigung in dieser Richtung zuschreiben dürfe, ande-
ren Säugethieren gegenüber eine besser entwickelte In-
sel besitze. Durch das Auftreten der Ceti traUpalte w ird
dann bei der anthropoiden (»nippe das Stirnhirn «be-
grenzt, das beim Menschen 42° der ganzen Hemisphäre
uusmacht, und dessen Kntwkk lang mit dem des Linsen-
kerns und des Nucleus ■.■adatus gleichen Schritt hält.
1 Li «Senkern , Nucleus caudatus und Insel bilden zusam-
men heim Menschen 58°, Affen 40°, Reh 33” de» Stamm-
hirns). In diese Gebiete setzt Meynert den Sitz der
von Erlernung und Erfindung beherrschten bewussten
Bewegungen (der Arbeit) und findet es in dieser Be-
ziehung bezeichnend, das» mitten unter den Säugethio-
ren wieder bei einem Thiere, da» sich durch »eine me-
chanische Geschicklichkeit auszeichne, nämlich beim
Klephantea eine Centralspalte und Abgrenzung des
Stiriihirns auftrete. Auch innerhalb des menschlichen
Geschlecht» bestehen in dieser Richtung bekanntlich Un-
terschiede und Meynert ist geneigt, die Begünstigten
als Arbeitsvülker zu bezeichnen, ln Betreff der Basis
des Gehirns weist Meynert insbesondere auf die fol-
genden Unterschiede hin. 1. Die überwiegende Knt-
wicklnng de* Kusse» über die Haulwr der Hirnsxheukel
(Kuss zu Haube beim Menschen = 1 : 1 , Affe = 1 : 3 ,
Reh = 1 : 6 )* die damit zusammenhängt, dass der er-
stem die bewußten Bewrgmigsimpulse leitet. 3. Di«
Höhe des Pons Varoli beim Mcnsclien, ihre Niedrigkeit
bei den »Säugethieren. 3. Das durch geringere (Ent-
wicklung der Brücke bedingte Auftreten (Hier Blosslie-
gen des rrapexoiden Körpers bei letzteren. 4 . Die
starke Entwicklung und das äusseriiehe Hervortreten
der Oliven beim Menschen. Alle diese Kigenthümlich-
keiton stehen, wie der Verfasser nachweist, in innigem
Zusammenhang mit dem Entwicklungsgrad der Hemi-
sphären; »eine harmonische Abhängigkeit“, —
so drückt sich der Verfasser aus, — »von den auf
der höchsten Stufe des Orgunbaues stehenden
Grosshirtihalbkugvln durchklingt alle Stufen
desselben“.
Meynert. Uebcr di« Methode der Gehirnwiigun-
gen. (Mittheil ungen der Anthropologischen Ge-
sellschaft in Wien, I. Bd., Nr. 5, 17. December
1870. — Vergl. auch: Vierteljahrwchrift für Psy-
chiatrie von Leidesdorf und Meynert. Neuwied
1868.)
Giebt die Schnitte an, durch welche am zweckmäßig-
sten die mehr selbständigen Gehirntheile zum Zwecke
isolirter Wägung von einander getrennt werden. Mey-
nert trennt zunächst Kleinhirn, Gehirnmantel und
Stammgebiet, den Gehirnmantel wieder in Stirn-, Schei-
tel-, Hinterhaupt- und .Schläfenlappett ; das .Stamuigt-
biet in Stamm Uppen, Sehhügel, Vierhügelgegt-nd, Brücke
und verlängertes Mark.
Quain’s Lehrbuch der Anatomie. Deutsche Origi-
nalausgabe, nach der siebenten von Sharpey, Al-
lan Thomson und John Clelund besorgten Aus-
gabe des Originale, bearbeitet von C. E. E. Hoff-
mann. Erlangen 1869, 1, 1, 2.
Die bekannten Vorzüge dieses englischen Werkes sind
in der Bearbeitung von Hoffmann durch sorgfältige
Benutzung der deutschen Literatur noch erheblich ver-
mehrt.
Stieda. Zur Anatomie des Jochbein» des Menschen.
(Reichert'* und Du Bois-Reymond's Archiv für
Anatomie etc. 1870, S. 112.)
Bestätigt di« Aunahme, dass der Processus inargina-
lis keine Kacen — sondern nur eine individuelle Kigen-
thümlichkeit ist.
Vircbow. Menschen- und AfFensch&dcl; mit 6 Holz-
schnitten. (Sammlung gemeinverständlicher wis-
senschaftlicher Vorträge von R. Virchow und J.
von HolzendorlT, IV'. Serie, Heft 96. Berlin
1870, 8«.)
Treffliche Darstellung der Verhältnisse; der Microce-
phale ist auch für Virchow ein durch Krankheit theil-
weise veränderter Mensch aber kein Affe.
Wake. The phyrical characters of the Australiau
Aborigines. ( Journal of Anthropology. London
1871, Nr. III, Janu&ry.)
Weisbach. Die Schädelform der Rumänen, mit
3 Tafeln, 4°. (.Separatabdruck aus den Denk-
schriften der kaiserl. Akademie in Wien 1869,
XXX. Band.)
Der Verfasser fasst am Schlüsse die Resultate seiner
Untersuchung iblgendermaasscn zusammen: I>er .Schä-
del der Rumänen besitzt bei mittlerer Grösse seiner
Höhle und nicht starkem Knochenbau eine ausgespro-
chen hoch- brachycepliale , gegen die Stirne und Basis
wenig verschmälerte Form und in sagittaler und coro*
tialer Richtung eine starke Wölbung; sein Vorderhaupt
ist breit und kurz, in sagittaler Richtung sehr stark
gewölbt und hat sehr weit auseinander liegende Stirn-
höcker; «ein ebenfalls sehr breites und kurzes Mittel-
Haupt hat breite flache Seilen wandbeine , hoch uach
oben und weit auseinander gerückte Scheitel höcker und
einen in querer und schräger Richtung stark gewölbten
»Scheitel, der nach vorn nur weuig sich verschmälert,
niedrige Schläfeiiscb uppen und «ine lange flache Seiten-
wand; das breite Hinterhaupt ist hoch, durch seine
Abflachung in jeder Richtung ausgezeichnet und von
einem kurzen Zwischenscheitelbein aber einem langen
Keceptaculum gebildet. Die »Schädelbasis ist lang, groß
und breit mit grossem, sehr breitem rundlichen Foramen
maguuni, weit auseinander liegenden Foramina »tylo-
mastnidca und nahe aneinander gerückten Foramina
ovalia. Gesicht auffällig durch die geringe Höhe, da-
für aber »ehr breit; nach unten und oben von den »ehr
stark gebogenen Jochbeinen bloss wenig verschmälert,
im Ganzen also mehr gleichmäßig breit; Nasenwurzel
sehr breit; Augenhöhlen klein, niedrig und seicht;
Choauen klein, schmal; Gaumen kurz, sehr breit; Un-
terkiefer klein, flach gekrümmt, mit kleinen, breiten
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372
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
aber stark geneigten A^ten. Norma vertiealls breit
und rundlich-oval, -Schläfen stark. Hinterhaupt schwach
gewollt; Norma occipitali* rundlich bis abgerundet
fünfeckig.
Wo iah ach. Die Sopraorbita) Windungen de« mensdb-
liehen Gehirns. Wiener medicinieche Jahrbücher,
XIX. (Wiener Zeitschrift, XXVI, 2 u. 3), S. 68.
m.
Ethnographie und Reisen.
Allgemeines.
(Von Priedr. von Hellwald.)
Acton, Will. Prostitution considered in its Mo-
ral, Social and Sanitary aspects. London 1870,
8*. 2. edition.
Ahrens, H. N atu rr echt oder Philosophie der
Rechte und de6 Staates. Auf dem Grunde des
ethischen Zusammenhanges von Recht und Cultur.
Wien 1870, I Bd.
Andre©, Karl. Zar Kennzeichnung der Misch) ingo
aus verschiedenen Menschenracen. (Globus, Bd.
XVII, S. 9—13, 106—110.)
Sehr lesenawerthe Darstellung des Beweises, dass die
Natur die llybridität der Menschenracen nicht begün-
stige; Mischlinge sind kein harmonisches Produkt. Es
ist ferner ein reiner Wahn zu glauben, dass die Oivllfr-
sation mächtiger sei als die Natur.
Anfänge, Die, der menschlichen Gesittung. (Aus-
land 1870.) 1. In der vorgeschichtlichen Zeit,
Nr. 9. 2. In der Gegenwart bei wilden Völkern,
Nr. 10.
Anfänge, Ueber die, der geistigen und sittlichen
Entwicklung de« menschlichen Geschlechts. (Aus-
land 1870, Nr. 44.)
August, Otto. Die sociale Bewegung auf dem Ge-
biete der Frauen. Hamburg 1870, 8«.
Besprochen im : OesterraichischenOeconomi&t 1870,8.76.
Baltzor, Ed. Das Buch von der Arbeit oder die
menschliche Arbeit in persönlicher und volks-
wirtschaftlicher Beziehung. Nordhausen 1870,
8«. 199 S., 2. Aufl.
Blind, Karl. Noch etwas über den Tanz in alter
Zeit. („Neue Freie Preise“ , Nr. 2010, 3. April
1870, Morgenblatt.)
Bolte, August. Das Fremdwort in seiner cultur-
historischen Entstehung und Bedeutung. Berlin
1870, 8°.
Die* Schriftchen ist der Abdruck eines Vortrags, den
der bekannte Sprachforscher seinerzeit zu Wiesbaden
gehalten hat. ln historischen Zügen stellt es dar wie
die Völker die Erzeugnisse des Bodens, der GtwerOe etc.
und folglich deren Benennungen von einander entlehnt
haben, und wie solche Vorgänge sich noch täglich fort-
seuen. Aus dein wirklichen und wahren Bedürfnis»
entwickelt es, welch« Art von Fremdwörtern nothwen-
dig und der Einbürgerung wtrtll, welche als überflüs-
sig und entbehrlich zu vermeiden sind. In dem Büch-
lein ist ein reicher Inhalt znsuuuucngedrängt, fast in zu
grosser Fülle für den beschränkten Raum.
Bimsen, Ernst ▼. Die Einheit der Religionen im
Zusammenhänge mit den Völkerwanderungen der
Urzeit und der Geheimlehre. Berlin 1870, 8*.
2 Bände.
CannibalismuB der vorhistorischen Höhlenbewoh-
ner. (Ausland 1870, Nr. 7.)
Cannibalismus. Nochmals über den Cannibalis-
mua der ältesten Menschenracen. (Ausland 1870,
Nr. 21.)
Kurze, der französischen Zeitschrift Les Mondes ent-
nommene Notiz des Professor Spring.
Cazenove, Leone© de. La guerre de Phumasite
au XIX ,Be siede. Paris 1869, 8*.
Cox, George W. The Mythology of the Aryan
Nation«. London 1870, 8°. 2 Bde.
Die Namen der griechischen Mythologie existirten in
ihrer Mehrzahl vor der Trennung der arischen Stämme;
auch der Ursprung mythischer Personen ist in jener
Urzeit zu finden. Cox glaubt an einen gemeinsamen
Ursprung der europäische» Mythologien und halt die
Sprache der Veda* für ihre gemeinsame Quelle. Der
Sonnetiiuythos wird durch Cox umständlich erklärt,
doch bleibt immerhin die Frage, ob demselben nicht
etwas Zwang angethan »ei. Eine ausführliche Anzeige
dieses Werkes siehe im Glolnis, Bd. XVIII, S. 185—
I8Ö, 200—202.
Europftus, D. E. D. Die Stammverwandtschall
der meisten Sprachen der alten und australischen
Welt. Die Zahlwörtertabelle, I. St. Petersburg
1870.
Franta, Const . Die Naturlehre des Staates als Grund-
lage aller Staatawissenschaft. Leipzig 1870, 8°.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Versuch die Staats Wissenschaft auf die Natnrlehr« zu
husiren. Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen
Zeitung“ 1870, Nr. 250.
Frauenfrage. Die Frauenfrage in den verschie-
denen Culturländera. (Unsere Zeit 1870, I. S.
542 ,)
Recht gute ausführliche L’ebersicht des Stadiums, in
welchem «ich dermalen diese Frage in den verschiede-
nen Ländern befindet, jedoch ohne jedwedes Anlehnen
an einen anthropologischen Hintergrund; der Autor ist
demnach für die Kiuancipation der Krauen.
Fröbel, Jul. Die Wirtschaft des Menschenge-
schlechts. Leipzig 1870, 8*. I. Theil.
Der Antor geht von der Voraussetzung aus, dass ohne
ein Verständnis« des Zusammenhanges wirtschaftlicher
Vorgänge das Verhältniss des sittlichen Ideals zur Wirk-
lichkeit gar nicht zu verstehen sei und behandelt dem-
nach die öoonomiscbsn Fragen aus diesem Gesichtspunkte
mit logischer Schärfe und Wärme.
Fünf Jahre auf einer Reise um die Erde. (Ausland
1870.) 1. Die Schreckensseit in Arizona, Nr. 15.
2. Wanderungen in Japan, vornehmlich aufJesso,
Nr. 16. 3. Wanderungen in Süd- und Nordchina,
Nr. 17.
Trefflich« Auszüge aus dem interessanten Werke de*
Amerikaners Kumpel ly: Acren* America and Asia.
Haidinger, W. R. v. Das Eisen bei den Kampf-
spielen. (Mittheilnng der anthropologischen Ge-
sellschaft. Wien. Bd. I, S. 63 — 60.)
Sehr interessante, lesenswert he Abhandlung des nun-
mehr verstorbenen Naturforschers.
Hehn, Victor. Culturpfl&nzen und Hausthiere in
ihrem Uebergange ans Asieu nach Griechenland
und Italien, sowie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. Berlin 1870, 8*.
456 S.
Besprechungen und Auszüge dieser trefflichen Arbeit
.ielie im „Ausland“ 1670, Nr. 17 und in der „Beilage
zur Allgemeinen Zeitung“ 1870, Nr. 97.
Henne Am Rhin, Otto. Culturgeechichte der
neuen Zeit. Leipzig 1870, 8°. I. Band.
Dos vorliegende Werk, dessen erster Band das Zeit-
alter der Reformation behandelt, liefert einen anschau-
lichen l'eberbllck dessen, was geschehen ist, um Bildung
und Gesittung im fortschreitenden Ringen mit der kirch-
lichen Barburei und den zerstörenden Leidenschaften
der herrschenden Machthaber an deren Stelle zn setzen.
Wenn es dem Autor auch widerstrebt fertige Urt heile
ungeprüft aufzunehmen, weil sie seiner Anschauungs-
weise näher Hegen sollten als andere, so wird der be-
sonnene Denker doch mit seiner radicalcn Gesinnung
kaum übereinstimmen. Dagegen ist eine andere ver-
dienstliche Seite des Bnches die gelungene Art l'opu-
larisinmg des Stoffes.
Homm&iro do Hell, Addle. A travers le monde.
La vie orientale — ln vie crcule. Paria, Didier,
1870, 8*.
Honegger, J. J. Grundsteine einer allgemeinen
Cult Urgeschichte der neuesten Zeit. Leipzig 1870,
8°. I. Band.
Der erste Band («handelt die Zeit des ersten Kaiser-
37:3
reiches. Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen
Zeitung“ 1870, Nr. 225.
Howorth, H. H. On the westerly Drilling ofXo-
mades, from the fifth to the nineteenth Century.
(Journal of the Ethnol. Society of London 1870.
S. 83—95, 182—192, 469—476.)
Fortsetzung der schon im vorigen Jahre begonnenen
Untersuchungen; behandelt diesmal di« Kumanier und
Petscb«negen , die Circassier und weissen Khazaren ,
und endlich die Ungarn.
Howorth, H. H. On a frontier-line of Etbnology
and Geology. (Journal of the Ethnolog. Society
of London 1870. S. 131 — 137.)
Das Studium der Ethnologie lehrt, dass ihr« grossen
Uttterabtheilungen zusammeufallen mit den grossen zoo-
logischen und botanisidien Provinzen. Mit der weitau*-
gr dehnten Wanderung der indo-europäischen Völker ist
eilt« grosse Veränderung in der Fauna und Flora jener
Gegenden, wohin sie sich gewendet, Hand in Hand ge-
gangen. Der Verfasser entwickelt dann . wie die ugri*
sehe Rice genau jenen climatiscben und sonstigen Be-
dingungen entspricht, welche in der Geologie die vor-
historische Periode bildeten.
Huxley, T. H. O 11 the geographica! Distribution
of the chief Modifications of Mankind. (Journal
of the Ethnol. Society of London 1870. & 404 —
412.)
Der britische Gelehrte unterscheidet vier Hanpttypen,
und zwar den n ust rnloid ischen, den nrgroidi-
sehen, xanthoch roischen und mnngoloidischen
Typus. Eine farbige Weltkarte zeigt di« Wrtheilung
und Gruppirung der Raccn nach Huxley’s System.
Jäger, Dr. G. Nachtrag zu der Theorie über deu
Ursprung der Sprache. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Erklärt als eine der zur Sprachbildung uotbwendigen
Bedingungen die aufrechte Haltung und die zweibeinige
Gangart bei Menschen und Vögeln.
Lindner, Dr. G. A. Ideen zur Psychologie der
Gesellschaft als Grundlage der Social Wissenschaft.
Wien 1870, 8®.
Lottner. Ueber die Genealogie der indo»europÄi-
schen Völker. (Ausland 1870, Nr. 41.)
Maurer, Franz. Ueber da« Alter und die Bewoh-
ner der Gruben- und Höhlenwohnungen. (Ausland
1870, Nr. 27.)
Anknüpfcnd an die von den Fachmännern behauptet«
Glckhalterigkeit von Pfahlbauten und Grubeu Wohnun-
gen, wird hier — wie uns dünkt mit Erfolg — der
Beweis zn führen versucht , dass die Bewohner jener
Gruben bauten unsere deutschen Vorfahren, und zwar
die Zeitgenossen des Tacitns gewesen sind.
Menzel, Wolfgang. Die vorchristliche Unsterb-
lichkeitslehre. Leipzig 1870, 8®. 2 Bde.
Das Ergebnis« der 30jährigen Forschungen Menzel’»
ist, dass die heidnischen U'nsterblichkeitslehreti keines-
wegs aus einer l'ruffenbarung an die Heiden hervorge-
gangen seien, »och das« sie nach einem angeblichen
Plane Gotte* die christliche Lehre vorbereitet haben.
Sie sind vielmehr vollkommen selbständig für sich, durch-
aus naiv, naturwüchsig und verschiedenartig hervorge-
gungen aus der Gefühls- und Denkweise sehr verschie-
denartiger Völk«r. Das meiste Neue finden wir in dem
Theil*, der die altdeutsche L'nsterbllchkeitslehre bebau-
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374
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
dclt. Dagegen dürften in Manchem etymologische Be-
denken wacbgerufen werden.
Moyer, Jürgen Bona. Philosophische Zeitfragen.
Bonn 1870, 8®.
Inhalt: Die Philosophie und unsere Zeit. — Kraft
und Stoff. — Zweck und Ursache. — Die Entstehung
der Arten (Darwinismus). — Die Rangordnung der or-
ganischen Wesen. — Thier nnd Mensch. — Seele und
Leib. — Die Temperamente. — I>cr Wille und seine
Freiheit. — Das Gewissen und die sittliche Weltord-
nnng. — Die Zukunft der Seele. — Religion und Phi-
losophie in unserer Zeit. — Die philosophischen Systeme
und die Zukunft der Philosophie. Eine eingehende,
kritische Anzeige dieses Werkes lasen wir in der Bei-
lage der Allgemeinen Zeitung 1870, Nr. 286.
Müller, Friedr. Beitrüge zur Kenntnis« der Rom-
Sprache. Wien 1869, 8°.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung 41
1870, Nr. 104.
Müller, Friedr. Ueber die Bedeutung der Sprache
für die Naturgeschichte des Menschen. (Mitthei-
lungen der anthropologischen Gesellschaft. Wien,
Bd. I, S. 111 — 117.)
Müller, Friedr. Ueber daa Alter des Menschen
vom ethnologisch - anthropologischen Gesichts-
punkte. (Mitth. der anthrop. Gesellschaft. Wien,
Bd. I, S. 140—145.)
Professor Müller berechnet den Zeitraum, innerhalb
dessen der Mensch sich aus dem Zustande thierischer
Rohheit zu der Hohe menschlicher Gesittung emporge-
arbeitet hat, auf etwa 12000 Jahre. Das wirkliche
Alter des Menschen lässt rieh aber nicht berechnen.
Nadeln und Nähkünste bei wilden Völkern der
Vorzeit uud der Gegenwart. (Ausland 1870, Nr.
26.)
Aus Lartet’s und Christy's Reliquiac und Aqui-
tanicae.
Nissen, Heinr. Das Templum. Antiquarische Ab-
handlungen, mit astronomischen Htllfstufeln. Ber-
lin 1869, 8°.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 207.
Omalius d’Halloy, J. J. d\ Des races humaines,
ou Elements d’cthnographie. Cinquieme edition.
Bruxelles, Mucquardt, 1869, 8°. 151 pag.
Owon, Rob. Dale. Moral Phyaiology: or, a brief
and plain Treatise ou the Population Question.
New York 1870, 12®. 88 S. 10 th Edition.
Peschei, O. Ueber den Einfluss der Ortsboschaf-
fenheit auf einige Arten der Bewaffnung. (Aus-
land 1870, Nr. 19.)
Eine der werth vollsten ethnographischen Abhandlun-
gen, von stsanenswerther Gelehrsamkeit; wie alle Ar-
beiten PescbePa hat sie den grossen Fehler, dass sie
■ich nicht excerpiren lässt, weil Alles darin von gleichem
Werthe ist; man muss sie eben selbst lesen.
Reed, J. Man and Woman, Equal but Unlike.
Boston 1870, 12°. 78 S.
Reinsborg - Düringsfeld. Ethnographische Ver-
gleiche. (Globus, Bd. XVIII, S. 253—254.)
Interessante Zusammenstellung der Redeweisen der
verschiedenen Vülkcr zur Bezeichnung der Seltenheit
und de« Altera.
Reinsborg - Düringsfeld, Otto Frhr. von. Der
erste Fasten Bonntag. („Leipziger lllus trirte Zei-
tung“, Nr. 1392, Bd. LIV, 1870, S. 171.)
Reviilo. Ilistoire du diable. Strasburg 1870, 12°.
Reyhonge, Capt. Aus allen Welttheilen. See-,
Wald- und Landschaftsbilder. Leipzig, Dürr,
1870, 8®. Bd. I.
Rivet, Felix. Influence des idee« economiques sur
la civilisation. Paris 1870, 8°.
Buch voll geistreicher Ideen und such mitunter rich-
tiger Ansichten, jedoch von antiinatcriaiiatiscber Ten-
denz durchweht. Für den Anthropologen von nur un-
tergeordnetem Interesse.
Roskoff, Gustav, Geschichte des Teufels. Leip-
zig 1869, 8°.
Sehr ausführliche Besprechung dieses hochinteressan-
ten Werke» siebe in der „Beilage zur Allgemeinen Zei-
tung“ 1870, Nr. 296, 297, 298.
Sackon, E. Frhr. v. Instruction für die Eintra-
gung und Eröffnung der Tumuli. (Mittheil, der
Anthropologischen Gesellschaft zu Wien, Band I,
S. 38—42.)
Enthält nichts Neues.
Schultze, Fritz. Der Fetischismus. Ein Beitrag
zur Anthropologie und Religionsgeschichte. Leip-
zig, Carl Wilfferodt, 1871, 8°. 292 S.
Sittliche, der, Fortschritt der Menschheit. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 1, 2.)
Sehr lesen» werthe Abhandlung, welche zeigt, wie e»
mit dem sogenannten sittlichen Fortschritt bestellt ist.
Solbrig, A. Die Geisteskrankheit im Zusammen-
hänge mit der jeweiligen Culturbewegung. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 116, 117.)
Sprachwissenschaft und Sprachvergleichung. (Un-
sere Zeit 1870, 1, S. 770 — 783.)
Bringt nichts Nenca; zweifelt an der Möglichkeit einer
einzigen Ursprache des Menschengeschlechts.
8trutt, Elizab. The feminine Soul: its Nature
and attributes. Boston 1870, 12°. 199 S.
Thomas, Louis. Bilder aus der Länder- und Völ-
kerkunde. Zweite vermehrte Auflage. Leipzig,
Ernst Fleischer, 1870, 8». 472 S.
Thrailkill, John W. The Causes of Infuut Mor-
tality. St. Louis 1870, 16°. 62 S.
Tononi , G. Dell’ origine e del fine delT uotno
seoondo Petnografla. („ftivista universale“ 1870.
Heft VII.)
Tylor, Edw. B. The Philosophy of Religion among
the Lower Races of Maokind. (Journal of the
Ethnol. Society of London 1870. S. 369 — 382.)
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Behauptet, dass die Existenz von absolut religions-
losen Völkerschaften nicht erwiesen sei. Solche sind,
wenn überhaupt zu finden, unter den schon erloschenen
oder höchstens unter den noch am wenigsten gekann-
ten Völkern unseres; Erdballes zu suchen.
Ursachen. Die Ursachen der Prostitution und die
Möglichkeit ihrer Verminderung. Berlin 1870, 8®.
Wells, S. R. The illustrated almanac of phreno-
logy aml physiognomy forl870. New York 1870,
12°. 77 S.
Westropp, Hodder M. On the eurlicst phascs
of Civilization. (Journal of the Ethnol. Society
of London 1870. S. 324.)
375
White, Carlos. EcceFemina. An attempt to solve
the Woman Question. Hannover 1870, 16°. 258 S.
ZeitBchätsung. Gegen die Zeitach&tzung der d&-
niachen Alterthumaforacher. (Ausland 1870, Nr.
20 .)
Nach einer kritischen Abhandlung in der Quarterly
Review, April 1870; gipfelt darin, dnss eine chronolo-
gische Abschätzung der Altertbümer gegenwärtig noch
nicht möglich ist.
Zeller, E. Daß Recht der Nationalität und die
freie Selbstbestimmung der Völker. (Preußische
Jahrbücher. Berlin 1870, Bd. XXVI, 12. Heft)
Europa.
Allmers, Hermann. Römische Schlendcrtage. Ol-
denburg 1869, 8°.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung 11
1869, Nr. 16.
Alphen, Ihr. van. Reisverhulen en indrukken uit
Jerland ’tNoorden van Wallis enz. Eon dagboek
met aanteekeniugen. ’ßGravenhage 1869, 8°.
344 S.
Alterthümer in Cornwallia. (Ausland 1871, Nr. 5.)
Althaus, Friedrich. Englische Charakterbilder.
Berlin 1869, 8« 2 Bde.
Besprochen in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 161.
Anthropophagen. Die alten Anthropophagen in
Chauvaux. (Globus, Bd. XVII, S. 365 — 366.)
Nach Spring.
Andree, Karl. Unsere deutschen Grenzen und
unsere Nachbarn. (Globus, Bd. XVIII, S. 54 —
60, 71—76, 90—93.)
Befasst sich unter Anderem mit den vlaamschen und
holländischen Sprachverhiltnlssen, mit jenen von Lim-
burg und Luxemburg. So sehr der deutsche Patriotis-
mus de» Verfassers Anerkennung verdient , #o Hessen
sich doch vom • wissenschaftlichen .Standpunkt gar ge-
wichtige Einwendungen gegen seine Ausführungen
macheu.
Andree, Richard. Elsässer Beitrage. (Globus,
Bd. XVIII, S. 135—137, 150—153, 166—168,
183—185, 198—200, 215—217, 232—234.)
Sebastian Münster’* Schilderung des Elsasses. —
IHe keltische Periode. — Keltische Ortsnamen. — Alte
Steindenkmäler, Menhirs, Dolmen u. s. w. im Eisass.
— Römische und fränkische Periode. — Vereinigung
des Elsasses mit Deutschland 870. — Verwaitungsmaass-
regelu und was damit zusamnictihüngt. — Der Wider-
stand des Unbewussten. — Die .Sprachgrenze. — Ro-
manische Thäier der Vogesen. — Mark irr in — Sage
aus dem Lrbisthale. — Romanische Diulect probe. —
Statistik der Deutschen und Franzosen im Elsas«. —
Feldbau. — Weinbau. — Der Elsässer Bauer. — Häu-
aerhau. — Kunkelstuben. — Elsässer Mundarten. —
Das festliche Jahr im Elsas«. — Die Wochentage. —
Hochzeiten. — Volksabrrglaobe. — Gespenstert hi ere. —
Sprichwörter. — Religiöse und kirchliche Verhältnisse.
— Die Juden.
Andree, Riohard. Vergleich der Volksbildung in
verschiedenen europäischen Ländern. (Globus,
Bd. XVII, S. 25—28.)
Behandelt Brennen , Oesterreich, Frankreich, Italien,
England.
Armenier. Die katholischen Armenier. (Allgem.
Zeitung 1870, Nr. 69.)
Atkinson, J. C. On the Danish Element in the
Population of Cleveland, Yorkshire. (Journal of
the Ethnolog. Society of London 1870. S. 351 —
366.)
Nach der Ansicht Atkinson’» tritt das dänische
Element besonders an Ort- und Eigennamen hervor.
•Sehr interessant sind die daran geknüpften Bemerkun-
gen des Isländers Hjaltalin.
Ausartung. Die Ausartung der deutschen Sprache
in überseeischen Ländern. (Globus, Bd. XVII,
S. 71—72.)
Beschäftigt sich vorwiegend mit den Auswüchsen der
deutschen Sprache in Australien.
Auswanderer. Deutsche Auswanderer. (Allgem.
Zeitung 1869, Nr. 342.)
Axholm. Die Insel Axholm. (Globus, Bd. XVII,
S. 310—311.)
Nach einem Berichte Edward Pcacock’s in der
Anthropological Review, April 1870.
Axon, Will. E. A. The literature of the Lan-
cashire Dialect (Trübner’s American and Orien-
tal literarv Record. Juni 1870.)
Badischen. Aus dem badischen Grenzland. (All-
gemeiao Zeitung 1870, Nr. 258.)
Baltische Briefe. (Allgem. Zeitung 1870, Nr. 180,
181, 202, 300.)
Bamborger, L. Material zur Völkerpsychologie.
(Allgemeine Zeitung 1870, Nr. 305, 306; 1871,
Nr. 23, 24, 25, 26, 32, 33, 34, 37, 38.)
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376
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
Ausserordentlich wichtige Aufsätze, welche die Ent-
stehung des deutsch-französischen Krieges vom ethnolo-
gischen Standpunkte erklären.
Bartholomow, E. G. Seveu monthg in the Ba-
learic Islands. (Illustrated Travels ed. by Rates,
Part IX, 1869.)
Bayldon , George. An elementary grammar of
the Old Nurse or ioelandic lauguage. London,
Williams, 1870, 8°.
Bemmeion, P. v. Luxemburg. Niuiegen 1871, 8°.
Bemmelen , P. v. Luxemburgacho Nntiunaliteit
en taal. (De Nederlandsche Spectator 1871 , 81
Dezember.)
Bemrose'a Guide to Derbysbire. A complete hand-
book for the oounty, contuining historical, bin-
grsiphical and antiquarian not es. London 1869,
8°. 392 S.
Bomardakis, A. N. Le present et Tavenir de ln
Grece. Paris 1870, 8°. 75 S.
Kxtrait du Journal des Kconoruistcs, du 15 juin
1870.
Bemhardi, Carl, Spracliknrte von Deutschland.
Cassel 1870.
Besprochen in der „Beilage znr Allgemeinen Zeitung 4 *
1870, Nr. 347.
Bernhardt, Pr. Carl. Die Sprachgrenze zwischen
Deutschland und Frankreich ermittelt und erläu-
tert. Cassel 1871, 8®.
Bewegung der Bevölkerung in den grössten Staa-
ten Europas 1861 bis 1865. (Oesterreichischer
Oeconomist 1870, Nr. 36.)
Blackburn, H. Normandy picturesque. London
1869, 8*. 281 8.
Boeckh, Richard. Der Deutschen Volkszahl uud
Sprachgebiet in den europäischen Staaten. Ber-
lin 1870, 8°.
Man wäre beinahe versucht dies (redliche Werk den
Vorläufer des Krieges 1870 bis 1871 zu nennen; auf
die wissenschaftliche Ermittlung des deutschen Sprach-
gebietes folgte die Kichtigstellung desselben. — Anzei-
gen siehe: Wissenschaftliche Beilage der leipziger Zei-
tung 1870, Nr. 8, dann in Peteruiann’s Geographi-
schen Mittlteiluugen 1870, 8. 183 — 165.
Boeckh, Rieh. Die natürlichen Grenzen Deutsch-
lands gegen Frankreich. (Unsere Zeit 1870, II,
S. 353—372.)
Brasche, Dr. Otto. Beitrag zur Methode der
Sterblichkeitsberechnuug uud zur Mortalit&tflSta-
tiatik Russlands. Würzburg 1870, 8®. 60 S.
Bronnecke, Dr. W. Die Linder an der unteren
Donau und Constantinopol. Hannover 1870, 8°.
Dieses Werk wird mit Nutzen von Jenen gelesen
werden, welche sich über Uumänictj unterrichten wol-
len. ein Land, das der Verfasser imb-u mit unverdien-
ter Vorliebe behandelt. Auch die Schilderung von Con-
•tantinopel ist sehr anziehend.
Bryant, W. C. Lettres froui the East London
1869, 8®. 264 S.
Burgartz, Franz. I)aa Montavon und seine Be-
wohner. („Tourist“, Jahrgang II, 1870, 8. 497
—512.)
Buak , R. H. The lakes of westem Hungary und
the dwellers on their banke. (Illustrated Travels
1870, Part 17. S. 138—141.)
Campbell, J. F. On current british Mythologr
and oval traditions. (Journal of the Ethnologie«!
Society of London 1870. S. 325 — 340.)
Enthält einige noch unpublicirte Sagen.
Canalinseln, die. (Ausland 1870, Nr. 24, S. 572
bis 574.)
Enthält interessante Schilderung dor ethnologischen
Momente dieser Eilande.
Charoncoy, H. do. Recherches eur les noma dam-
niaux domestiques, de plantes cultivees et de
metuux chez les Basques et les origines de la ci*
vilisation europdunnu. Paris 1869, 8®.
Christ, Dr. H. Ob dem Kernwald. Schilderungen
au» Obwaldens Natur und Volk. Basel 1869, 8 # .
205 S.
Angezrigt in: Petermann’s Geographischen Mittbet*
Itingcn 1870, S. 289.
Cloaaby, Rieh. An Icelandic-English dictionary.
chiefly founded on the collections rnade front
prosc works <»f the 12 th — 14 th ceuturies by the
late — , enlarged and completed by Gudbrand
Yigfuseon. Oxford 1869, Part I.
Eingehend besprochen in der Beilage zur Allgcuaeitifn
Zeitung 1870, Nr. 6, 7.
Cotta, Bernh. v. Reise in Südrussland. (Ausland
1869, Nr. 50, 51.)
Cox, S. S. Search for Winter Sunbenms in Riviera,
Comic«, Algier» and Spain. New York 1870, 8 1 .
442 S.
Culturstudien in den englischen Gerichtshöfen.
(Allgem. Zeitung 1870.)
I. Zur Kruiien-Kwancipation, Nr. 51. II. Goldene
Jugend, Nr. 140.
Delamarro, Theodor©. Note eur la grammaire
paldoslave de M. Alexandre Chodzko. (Bulletin
de la Societe de Geographie de Paria, Jaotier
1870, pag. 58—60.)
Delamarre, Casimir. Les peuples Slaves et 1«
Moscovites, d’apres Yiquesnel. (Bulletin de U
Societe de Geographie de Paris, Juin 1870, psg-
•169—489.)
Ein leider bisher nicht vollendeter Aufsatz, welcher
das hohe Verdienst besitzt, die Franzosen über da» SU*
ventlium. das die Wenigsten von ihnen kennen, einge-
hend zu belehren. Für Dcnlsclte ist wenig Neues darin.
Delitsch, O. Frankreichs innere Macht Verhält-
nisse. Beitrag zur geographischen Orientiruoff.
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377
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
(Au« allen Welttheilen 1870, Nr. 48, S. 377 —
379.)
Vergleichendes aber die natürlichen Hülfsqucllen, Er-
trag des Bodens, Industrie, Handel, Volkscharakter und
Volksbildung in Frankreich und Deutschland, auch mit
Hinweis auf die bekannte Thatsache, dass in Frank-
reich die relative Zahl der (Jeharten in stetiger Abnah me
begriffen ist.
Deecovich, Dr. J. Die Bocche di Cattaro. (Mit*
theiluugen der Geograph. Gosel laihaft zu Wien
1870. S. 20—27.)
Der Verfasser, der twei Jahre hindurch als Bezirks-
und Lazaret harzt in Castelnuovn angestellt war. schil-
dert Land und Leute nach eigenen Beobachtungen.
Dofljardins, Ernoat. Geographie de la Gaule, d’a-
pres la Table de Peutinger. Pari« 1869, 8°.
Deutsche, da«, Sprachgebiet in Frankreich. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 214.)
Deutache und tschechische Bauernhäuser in Böh-
men. (Globus, Bd. XVII, S. 311—313.)
Nach einem Aufsatze in den „Mittheilungen des Ver-
eins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1870.“
Deutache Sprache und Literatur in Galizien. (Glo-
bus, Bd. XVII, S. 336.)
Deutachen. Die Deutlichen in den Ostiseoprovin-
zcn. (Allgemeine Zeitung 1869, Nr. 10.)
Deutsches Nationalgefühl. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 334.)
Deutschland. Süd und Nord in Deutschland, nach
SchaUinayr. (Globu*, Bd. XVIII, S. 327.)
Deutschlands Westgrenze. (Wissenschaft!. Beil,
der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 66.)
Nach einem gleichnamigen Aufsatz« des Dr. Otto
Delitsch in „Aus allen Welttheilen“.
Douglass, John Sholto. Die Römer in Vorarl-
berg. Thüringen 1870, 4*. 67 S.
Recht werthvolle Abhandlung, die in drei Theile zer-
fallt. Der erste befasst sich mit den Ureinwohnern der
Alpen, den Kbätiern und Kutten, der Stein-, Bronze-
uud Eisenzeit nebst den Pfahl haulentcu; der zweite giebt
ein gelungenes Bild der Rümerherrschatt in Vorarlberg,
währeud der dritte »ich ausschliesslich mit den im
Lande Vorgefundenen Denkmalen und Alterthümcrn
aus der Römerzeit befasst. Vier Tafeln, darunter drei
photographische, schmücken das reich ausgestattete Buch.
Draganchich, A. ▼. Bunjaluka und Bibac in Bos-
nien. (Mittheilungen der Geographischen Gesell-
schaft zu Wien 1870, S. 265—270.)
Nur von geringem ethnographischen Werth.
D&ringsfold, Ida und Otto. Hochzeitabnch.
Brauch und Glaube der Hochzeit bei den christ-
lichen Völkern Kuropas. Leipzig, J. G. Bach,
1871, 4®. 272 S. mit Illu«trationen.
Dungor, H. Hoher Dialect und Volkslied des
Voigtlands. Plauen. Neupert, 1870, 8'\
Ebrard, August. Handbuch der mittolgälischen
Sprache, hauptsächlich Os.dap’s. Wien, 1870, 8®.
Archiv fttr Anthropologie. Bd- IV. lief* IV.
Dieses Bm.-li hilft einem lühlbaren Bedürfnisse der
Linguisten ab. Ein Fachmann, Dr. Antenrietb iu
Erlungen, sagt von ihm, dass es durch seine bündige
Klarheit, comparativ« Methode und durch die glück-
liche Vereinigung dieser Eigenschaften mit praktischer
Br* Heilbarkeit reiche Früchte der Anregung und Beleh-
rung tragen werde. .
Eckardt, Jul. Russlands ländliche Zustände Beit
Aufhebung der Leibeigenschaft. Leipzig 1870,8°.
Anzeige in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“
1870, Nr. 234.
Eden, Charles. The Serra da Estrella and its
Records, (The Alpine Journal. London, Novem-
ber 1870, Vol. V, Nr. 31. S. 122—128.)
Egger, Prof. Alois. Die Alpen in der deutschen
Heldensage. (Jahrb. de« österr. Alpen - Vereins
1870, S. 327—329.)
Kurze Notiz.
Eisei, Robert. Sagenbuch des Voigtlandes. Gera,
Griesbach, 1871, 8°. 483 S.
Einaas. Aus dem schönen Elsaaa. (Allgem. Zei-
tung 1870, Nr. 224, 300, 307, 338, 339, 340;
1871, Nr. 20.)
Elnaaa. Zur Goiste«geschichte des Elsasses. (All-
gemeine Zeitung 1870, Nr. 241.)
Frankreichs heutige Xordgrenzo. (Allgem. Zei-
tung 1870.)
1. Les troia Kveches, Nr. 256, 257. 2. Deutsch - Jai-
thringen, Französisch Luxembourg, Nr. 2(10, 261. 3.
Französisch Flandern, Heimvan und Artois, Nr. 272,
273.
Frischbier, H. Ilexenspruch und Zauberbann.
Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in
der Provinz Preussen. Berlin, Ensslin, 187,0, 8°.
167 8.
Garat, D. J. Originea des Bosques de France et
d’Espagne. Paris 1869, 18°.
Gorard, P. A. F. De gcrmaanscho herkorapt der
Beigen. („De Toekomst“, Jahrgang XV. Brüssel
1871, Febr.-Heft, S. 78—84.)
Das» die Via min gen ihrem Ursprünge nach Ger-
manen sind , ist eine wohl allgemein anerkannte Tbat-
Sache; dass aber der wallonische Theil der Bevölke-
rung Belgiens gleichfalls von den Deutschen abstamme,
ist weniger bekannt. Dies zu beweisen müht sich der
belgische Generalkriegsauditor Gera rd in vorstehendem
Aufsätze ab, und zwar auf Grundlage „historischer
Thatsacheii.“ Da» Land, welches von Cäsar Belgien
genannt wird, hcstuiid aus zwei Theilen, welche ein
grosser, von den Ufern der Mosel bis nahe zur Seeküste
sich erstreckender Wald trennte; dieser Wald hieas
„ Arduenna“ (De bei In gnll. VI. 29. 33) und erhielt
später den Namen „Carbonaria“. Auf diese geogra-
phische Gestaltung nun baut der Verfasser sein« Hypo-
thesen, — doch nein, sein — «System. Für Um gilt es
als ausgemacht, dass Germanen aus den sumpfigen Ge-
genden zwischen den Weser-, Eins- und Rheinmündun-
gcti Belgien bevölkern kamen, wo sie nur die leichten
Flnwübergänge zu bewerkstelligen hatten, während ge-
gen die Gallier der Urwald eine natürliche Schranke
zog und diese überdies weniger Grund hatten ihr an-
43
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378
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
genehmes Lund zu verlassen, als die in Sümpfen woh-
nenden Deutschen. — Vor einigen Jahren hat ein bel-
gischer Gelehrter — Dr. J. Nolet — gleichfalls an
der Hand der Geschichte den Nachweis geliefert, dass
umgekehrt die Vlamingon — Gallier, was für ihn gleich-
bedeutend mit Kelten, — seien. Nun, da Ist man wirk*
lieh verlegen, wem man den Vorzug gehen solle.
Gerbel, Nie. v. Russisches Untorrichtswesen. (Un-
sere Zeit 1870, II, 8. 262—277.)
Gerbel, Nie. v. Das russisch« Secten wesen. (Un-
sere Zeit 1870, II, S. 45—52.)
Kurze, aber dankenswertbe Skizze.
Gerbol, Nie. v. Der Moskowitismus. Zur Cha-
rakteristik der jetzigen russischen Zustände. (Un-
sere Zeit 1870, I, S. 413.)
Sehr belehrend, jedoch mit vorzngsweiscr Berücksich-
tigung der Gegenwart.
Gerbol, Nie. v. Nationale Sprichwörter der Fran-
zosen. (Au,Und 18^0, Nr. 47 j 1871, Nr. 4.)
Gerbol, Dr. Nie. v. Die Stadt Riga und ihr Bür-
gerthum. (Ausland 1870, Nr. 25.)
Gute Schilderung des Volkscharakter*. Riga mahnt
heute noch an das alte Hanseatmthnm.
Gesittunga-, die niedrige, und Bildungsstufe in
Frankreich. (Globus, Bd. XVIII, S. 241 — 245.)
Mit Uebersichutafeln.
Glennio, J. 8. St. Arthurian Localities; their hi-
storical origin. chief country and Fingnlian rela-
tions. London 1869, 8°. 140 S.
Goohlort, J. Vino. Boiokeltische Ortsnamen in
Böhmen vergleichsweise zusanmiengestellt (Mit-
theilungen der Geographischen Gesellschaft za
Wien 1870, S. 115—153.)
Gon zenbach, Laura. Sicilianiuche Mäh rohen, auß
dein Volksmunde gesammelt. Mit Anmerkungen
Reinhold Köhler'* und einer Einleitung, heraus-
gegeben von Otto Iiartwig. Leipzig 1870, 8*.
2 Bände.
Ausführliche Besprechung in der Beilage zur Allge-
meinen Zeitung 1870, Nr. 11.
Gordon, J. Obrazki Galicyjskie. (Bilder aus Ga-
lizien.) Sanok 1869, 8*. 245 S.
Gregorovius, Ferd. Corsica. Stuttgart 1870, 8°*
2 Bände. Zweite Auflage.
Kritik in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 350.
Gross, K. Holzlandsngen. Sagen, Mährchen und
Geschichten aus den Vorbergen des Thüringer
Waldes. Leipzig, Wartig* 1870, 8°.
Griechische Räuber nn den usiatinchen Gestaden
des Marmaraineeres. (Ausland 1871, Nrf 6.)
Häringsfischerei. Die Häritigsfischcrei au der
südwestlichen Küste Schwedens. (Globus, Bd.
XVII, S. 285— 286.)
Theilt Einiges über die Geschichte dieses Erwerba-
zweiges mit.
Hager, Dr. Arth. Die Bekehrung Mecklenburgs.
Schwerin 1870, 8* 22 S.
Hahn, Dr. J. G. v. Reise durch die Gebiete des
Drin und Wardar. Wien 1869, 4*.
Harcourt, R. Iiambles through tbe British Isles.
New York 1870, 12°. 349 S.
Hartmann, Herrn. Bilder au» Westphalen. Osna-
brück, Rackhorst, 1871, 8°.
Kino anziehende Zusammenstellung der Sagen, Volks-
und Familienfeste, Gebräuche und Aberglauben des
ehemaligen Fürstenthums Osnabrück, — ein Stück Col-
turgeschicbte, das sich zu lebendigen, abgerundeten Bil-
dern gruppirt und neben anziehender Unterhaltung einen
festen Kern in sich schlieast, der es für die Vulkerknnde
dauernd werthroll macht.
Haulteville, F. de. La nationalite Beige ou Fla-
mau da et Wallone. Gand 1870, 8 U .
Haupt, Josef. Die dakische Königs- und Tempel-
burg auf der Columna Trajana. Wien 1870, 4®.
36 S.
Die Vorstellung von einer gleich massigen, slavischeti
(arischen) Bevölkerung des europäischen Russland tst
grundfalsch, wie schon von Mehreren bewiesen ist (u B-
Duchinsky, H. Martin, Viquvsncl). Wer sich
nun gründlich über die Bevölkernngsverhältnisse vou
Ungarn, Dacien, Sarmatien in der ersten christlichen
Zeit und über die Beziehungen dieser Länder zu ger-
manischen Stämmen unterrichten will, der lese die tief-
gelehrte Schrift des Wiener Germanisten.
Haurowitz, H. v. Erinnerungen an Corfu im
Sommer 1869. Wien 1870, 8°.
Hausmann, Rieb. Das Ringen der Deutschen and
Dänen um den Besitz Estlands bis 1227. Leip-
zig 1870, 8°.
Hellwald, Ford. von. Einiges über holländische
Volksgütern Ein Beitrag zur Ethnographie der
Niederlande. („Ausland“ 1870, Nr, 9, 10, S. 208
—212, 231—233.)
Behandelt einige holländisch« Gebräuche, die theils
in Verfall zu gi-rntlu-n beginnen, theils schon völlig aus-
ser Obung gekommen sind < Kraam kloppers, Mnibäumr,
Beksnyden [ Messe rk am pf] , Bohnenkönig, Kopperniaau*
dsg, Kluppe miau).
Hollwald, Friedr. von. Zur Geschichte der ger-
manischen Race. (Allgem. Zeitg. 1870, Nr. 288.)
Houzoy Leon und H. Daumet. Mission archeo-
logique de Macedonie, Paris 1869 in Fol.
Hochstetter, F. v. Reise durch Rumclien im
Sommer 1869. (Mittheilungen der Geographischen
Gesellschaft zu Wien 1870, S. 193 — 212, 350—
358, 545—552, 585—606.)
Behandelt: 1. Das östliche Thracieii von Cousranti-
nopol bi* AdrisnopeU 9. Adrianopel. 3. Von Adria*
nopi-l über Janiboli mich Burgas. 4. Von Btirgos am
schwarzen Meere den Balkan entlang nach Philippopcl.
— Vorwiegend geographisch.
Hochstotter, F. v. Aua dem Innern der europäi-
schen Türkei. (Ausland 1870.)
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
370
gcuner in Ostfricslaud“ (Bd. I, S. 36 — 43). Sagen und
Aberglauben aus Ostfriesland (Bd. I, S. 62—66.)
1. «Samakor, Nr. 36. 2. Das Kloster von Rilo-Dagh,
Nr. 37. 3. Sofia und der Witosch, Nr. 36. 4. Rio Gc-
birgsübergang «wischen Sofia und Wranja, Nr. 39. —
Diese sehr wichtigen Auf* ätz«* hatten einen mehr geo-
graphischen als ethnographischen Werth.
Hoohatettor, F. v. Kisanlik und sein Rosenöl.
(Ausland 1871, Nr. 6.)
Höft, F. Ueber Ursprung und Bedeutung unserer
geographischen Namen mit besonderer Berück-
sichtigung der Umgegend von Rendsburg. Rends-
burg 1869, 8'\
Höhne, D. Der Romanismus gegenüber dem Ger-
manismus. Zwickau 1671, 8°. 24 S.
Hörmann, Dr. L. v. Vorarlberger Volkslieder.
(Alpenfreund 1870, Bd. 1, S. 140 ff.)
Hörmann, Dr. Ludw. t. Die Wurzengrober. (Al-
penfreund 1870, Bd. II, S. 360 — 362.)
Hörmann, L, von. Mythologische Beiträge aus
Wilschtirol mit einem Anhänge wälschtirolischer
Sprichwörter und Volkslieder. („Zeitschrift der
Ferdinand, filr Tirol und Vorarlberg’ 1 , Folge III,
lieft XV, 1870, 8. 209—2«.)
Hörmann, L. von. Volksbr&uchc der Alpeulan-
der. („ Alpenfreund“, Bd. II, 1870, S. 310 — 336.)
Inhalt: 1. Die Klopfelsnächte. II. D«r Weihnachts-
zeiten.
Hörmann, Angelika von. Tiroliache Pflanzen-
sagen. („Der Alpenfround“, Bd. I, 1870, S. 229
—257.)
Hofifmann, Fridolin. Bilder römischen Lebens.
Münster, Russell, 1871, 8*. 515 S.
HofTweiler, G. F. v. Sicilien. Schilderungen aus
der Gegenwart und Vergangenheit. Leipzig
1870, 4*>.
Holtzmann, Ad. Altdeutsche Grammatik. Leip-
zig 1870, 8\
Siehe Beilage zur Allgem. Zeitung 1870, Nr. 195.
Hopf, C&rL Die Einwanderung der Zigeuner in
Europa. Ein Vortrag. Gotha, F. A. Perthes,
1870, 8°. 47 S.
Horgtanz. Der Horgtanz in Skandinavien. (Glo-
bus, Bd. XVII, S. 175.)
Ara südlichen l'fer der Ljusne-Rlf in Schweden, Ge-
floborglän, am berüchtigten ilorgabt-rg, der sich schon
durch seinen Namen als vorchristliche Opferstätte k und-
giebt, üblich und bis heute als Hanebopolska erhalten.
Huxley. Ueber die ethnographische Abkunft der
Bevölkerung Grosabritanniens und Irlands. (Aus-
land 1870, Nr. 6.)
Jähna, Max. Wodan als Jahresgott („Grenzbo-
ten“ 1871, vom 3. und 17. Februar.)
Jahrbuch, Ostfriesitchett. Altes und Neues aus
Ostfriesland. Emden, W. Ilaynel, 1870, kl. 4°.
Enthalt einzelne ethnographische Aufsätze: „Die Zi-
Jasay. Die alte Bojarenstadt Jassy. (Unsere Zeit
1870, I, S. 188—200.)
Lebhafte, farbenreiche «Schilderung.
Jaxa - Deznbicki, J. v. Der westliche Theil von
Bosnien; ethnographisch-handelspolitische Skizze.
(Mittheilungen der k. k. Geograph. Gesellschaft
1870, S. 162 — 176.)
Statistisches über den Trmwniker Kreis. •
Industrie- Aufstellung. Nationale Industrie-Aus-
stellung in St Petersburg. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 173, 185, 187.)
Kagal. Der Kagal in den jüdischen Gemeinden
Russisch -Polens. (Globus, Bd. XVIII, S. 251 —
252.)
Der Kagal ist die Regierung der Gemeinde, der Ge-
meinderath.
Kanitz, F. Die österreichische Militärgrenze. (Leip-
ziger Illustrirte Zeitung, 28. Mai 1870, S. 405 —
406.)
K&nitz, Franz. Die herrschende Raco der Türkei
auf unaereu ethnographischen Karten. (Mitthoi-
1 ungen der Anthropologischen Gesellschaft zu
Wien, Bd. I, S. 60—63.)
Kattner, Edward. Polnisch* Livland, eine ethno-
graphische «Studie. (Magazin für die Literatur
des Auslandes 1870, Nr. 31, S. 446 — 447.)
Kerschbaumer. A. Reisebilder aus »Skandinavien.
Wien 1870, 8«.
Kimmerier und Skythen. (Ausland 1871, Nr. 4.)
Kist , Leopold. Dänisches and Schwedisches,
Mainz, Kirchheim, 1869, 8°. 524 «S.
Ein mit behaglicher Breite, aber ganz im ultrainon-
tanen Geiste geschriebenes Buch; der Verfasser ist ein
Pfarrer in Schwaben- Daher ist auch den kirchlichen
Verhältnissen der nordischen Reiche eine ungebührende
Beachtung gewidmet, welche überdies häufig nur zu
Ausfällen gegen das HeiinatliUnd benutzt wird. Aus-
serdem wendet der Verfasser den .Schulzustündcn und
allen jenen Momenten, welche mit dom Glauben in
Verbindung gebracht werden können, eine besondere
Aufmerksamkeit zu- Was er an politisch - historischen
und an kireheiigeschichtlichen l'ebersichten bietet, ist
ebenfalls gänzlich vom Parteigeiste durchweht. Das
Werthvollste in K ist ’s Buch siud die topographischen
«Schilderungen, unter denen man mehreren recht leben-
digen Städtebildern wie einzelnen treffenden Skizzen
aus dem Volksleben begegnet. Dies gilt aber vorzugs-
weise von Schweden; denn K ist ’s «Schilderung Däne-
marks, welche sich eigentlich auf die Städte Copen-
bagen und Roiklldc beschränkt, ist dürr und farbenlos,
mehr ein „Büdccker“ denn eine Relsebeschreibung. Im
Allgemeinen wäre die Anlage de* Buches keine üble
gewesen, die engherzige, gehässige IVuleiaufftunng des
48*
Junckc, Fr, Die Pfalzer-Colonien im Kreise Cleve.
Ein Beitrag zur Culturgaichichte des Rheinlan-
des. (Aus allen Welttheilen 1870, Nr. 51, S. 405
—408.)
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380
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Autors hat aber ein widerliches Zerrbild daraus ge-
macht.
Knapp, Q. F. Die Sterblichkeit in Sachsen. Leip-
zig 1869, 8°.
Besprochen i»n „Oesterrcichischen Oeconomist“ 1870,
S. 107.
Kohl, J. 6. Episoden aus derCultur- und Kunst-
geschichte Bremens. Bremen 1870, 4°.
Band 11 ist; ^Denkmäler der Geschichte und Kunst
# Bremens.“ Ethnographisch sehr intereasnut.
Koppel, Fr. Madrid, ein spanisches Städtebild.
(Globus, Bd. XVII, S. 273—279, 289—294, 305
—310.)
Giebt unter Andern» interessante Volkstypen.
Lappländische, die, Industrieausstellung zu Trom-
&ö. (Globus, Bd. XVII, S. 366—367.)
Mittheilung der 25 Hauptpunkte oder Ausstellungs-
abtheilungen; sie gewähren ein treffliches Bild lapplän-
dischen Lebens und Schaffen».
Leben. Das eheliche Leben in England. (Maga-
zin für die Literatur des Auslandes, und abge-
druckt im Oesterv. Oeconomist 1871, Nr. 4.)
Locour, C. J. La prostitution k Paris et k Lon-
dres, 1789—1870. Paria, P, Asselin, 1870, 8°.
372 pag.
Lejean, Quill. Exploration en Turquie d’Europe.
(Bulletin de la Societe Geographie de Paris, Avril,
Mai 1870, pag. 370—377.)
Handelt über die Mirditcn.
Lejean, G. Reise in der europäischen Türkei.
(Petermaon’s Geographische Mittheilungen 1870,
S. 288—293.)
Letnac, Vicomte de. Souvenirs et impressions de
voyage en Italic. Paris 1870, 8°. 128 S.
Liliencron, R. v. Die historiachen Volkslieder der
Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, gesam-
melt und erläutert Leipzig 1870, 8°. IV. Bd.
Diner Band bringt die historischen Volkslieder vom
Reichstage zu Augsburg 1530 bis zum Ende des gros-
sen deutschen Krieges 1554. Mit diesem ersteu Reli-
gionskriege ist die höchste Blütbe des deutschen Volks-
lebens bereits geknickt und das historische Volkslied
verliert schon damals »einen Schwung, artet mehr und
mehr in trockene Zeitungsberichte aus. — Siehe darüber
Sybel’s Historische Zeitschrift 1871. Erstes Heft.
Linton , W. Scenery of Grceco and its Islands.
London 1870, 4°.
Lloyd, L. Peasant life in Sweden. London 1870,
8°. 486 S.
Longwy. Die Grafschaft I^ongwy. (Allgemeine
Zeitung 1871, Nr. 26.)
M<zan, H. v. F. Reise auf der Insel Sardinien,
Leipzig 1869, 8°.
Eingehend besprochen in der Beilage zur Allgemeinen
Zeitung 1870, Nr. 128, 129.
Martini, Stefano. Saggio intorno al dialetto li-
gure. Sauremo, C. Puppo, 1870, 8°. 92 pag.
Mattiaon, Hiram. Romanism: its General Decline
und its Present condition and Prospect« in the
United States. New York 1870, 8 I> . 91 S.
Maurer, Franz. Mittheilungen aus Bosnien. Die
Zigeuner. (Ausland 1870, Nr. 2.)
Maurer, Franz. Eine Reise durch Bosnien, die
Saveländer und Ungarn. Berlin 1870, 8°. 435
S», 1 Karte.
Maurer, Franz. Bilder von der österreichischen
Militärgrenze. (Allgemeine Zeitung 1870, Nr. 171,
172, 173.)
Maurer, Franz. Reiseekizzen aus Bosnien. (Un-
sere Zeit 1870, II, S. 89—114.)
Enthält viele ethnographische Notizen.
Maurer, J. C. Ilochzeitsbräuche aus Tirol. („Der
Alpenfreund“, Bd. I, 1870, S, 138 — 140.)
Meinicke, Dr. Island und seine Bewohner. (Glo-
bus, Bd. XVIII, S. 345 —350, 360—365.)
Von ethnographischem Werth.
Moissner. M. J. Volksaberglaube und sympathe-
tische Uuren im Ilerxogthum Altenburg. (Global,
Bd. XVII, S. 103—106.)
Ethnographisch sehr interessant.
Mostorf, J. Die skandinavischen Fel&enbilder.
(Globus, Bd. XVII, 8. 360—362.)
Auf den Grund der Arbeiten llolmberg’*, Bru-
niujr und liildebrand’s kurz aber übersichtlich dar-
gestellt; mit Abbildungen.
Müller, J. Der Aargau. Seine politische, Rechts-,
Cultur- und Sitten- Geschichte. Zürich, Schal-
thess, 1870, 8°.
Erscheint lieferungsweise.
Müller, G. Das kurische Haff, seine Umgebung
und deren Bewohner. (Aus allen Welttheilen, I.
Jahrg., Nr. 25, 26.)
Muagrave, G. A ramble into Brittany. London
1870, 8*. 2 Bde.
Nadeschdin, P. Die Nator und die Völker des
Kaukasus und seiner nächsten Umgebungen. (In
russischer Sprache.) St. Petersburg 1869, 8°. 413 S.
Nationalltäten-Bo wogungen in Ungarn. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 72.)
Nazarener. Die Nazarener in Ungarn. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 152.)
Nicholas, Dr. T. The Influence of the Norman
Conquest on the Ethnology of BritaiD. (Journal
of the Ethnological Society of London 1870, S.
384—399.
Sehr interessante und lesenswcrtbe Abhandlung.
Nicolucci, Giustiniano. Antropologia delP Etru-
ria. Memoria. Napoli 1869, 4“. 60 pag.
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381
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Niedermair, Dr. Der Öberösterreichische Bauer.
(Tourist 1870, S. 22—27.)
Noö, Heinrich. Wanderstudien an südlichen Völ-
kerscheiden. (Wien. Neue freie Fresse 1870.)
Eine Reihe iw*r fcnillctonistisch gehaltener, aber
sehr interessanter Aufsätze.
Noö, Heinrich. Dalmatien und seine Inselwelt
nebst Wanderungen durch die schwarzen Berge.
Wien, Pest und Leipzig 1870, 8°.
Vorwiegend von ethnographischem Interesse, gewährt
einen guten Einblick in die Verkommenheit der dalma-
tinischen Landcsbewohner. Die vom Verfasser der
< österreichischen Regierung dies bezüglich gemachten
Vorwürfe werden in Peter ntann's Geographischen
Mittheilungen 1870, S. 267-— 268 mit folgenden treffen-
den Worten zurückge wiesen: „Die ganze Weltgeschichte
„zeigt es, dass ein Volk durch Kegierungsmaaasregeln
„nur äussern langsam zu ändern ist, manches Volk
„wohl auch gar nicht. Warum macht der Verfasser
„nicht die Venetianer verantwortlich, die doch viel län-
„ger über Dalmatien herrs hten und die nach seinen
„eigenen Aussagen die Wälder niedergeschlagen habm,
„also ein gutes Tiieil der Schuld an der jetzigen küm-
„merlichrn Naturbeschaffvnhcit tragen? Es ist ein gros-
„ser, von sehr Vielen und leider auch von sehr Mäch-
tigen gethrilter Irrthum, dass ein versumpftes Volk
„nur der civilisirtcn Form in Verwaltung und Justiz-
„ pflege bedürfe, um die moderne Cultur anzunehmen;
„Griechenland und Mexiko, die ganze Geschichte sollten
„doch diesen Irrthum endlich verscbeocht habend Sehr
ausführliche Besprechung siehe in der Beilage zur All-
gemeinen Zeitung 1870, Nr. 278, 280.
Oesterreich und das Nntionalitätenrecht. Eine
culturhistorische Studie, von einem Altösterrei-
cher. Stuttgart 1870, 8°.
Oesterreich und die Nationalität. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 201.)
Oeenbrüggen, Prof. Ed. Die Gebirgssagen. (Jahr-
bach des Schweizer Alpenclubs, V. Jahrg., Bern
1869.)
Pallavori, D. Greta. Brescia 1869, 8°. 184 S.
Pan sla Visums im Gegensätze zum Allslaventhum
nnd der politischen Bedeutung der polnischen
Bevölkerung ausserhalb der russischen Zwing-
herrsch&ft. . Strassburg in Pr. 1870.
Paspati, Alex. GL Etudes aur les Tchinghianös
ou Bohemiens de l’Empire Ottoman. Constanti-
nople 1870, 8“.
Der bekannte Orientreisetide H. Vämbäry bat diese«
Buch im Londoner „Athenäum* 1870. Nr. 2249, S. 719
besprochen nnd im Globus, Bd. Will, S. 279 — 281
«men Auszug unt«-r dem Titel: Die „Zigeuner in der
Türkei** veröffentlicht.
Patterson, Arthur J. TheMagyars, their country
and their Institution«. London 1869, 8 n . 2 Bdo.
Ausführliche, «aohgemästo Besprechung dieses Werkes
siehe in den „Mitiheilungcn der k. k. Geographischen
Gesell schalt in Wien“ 1870, S. 324 — 320.
Peetz, Hartwig. Culturhistorischo Einblicke in
die Alpenwirthschafl du« Chietn -Gaues. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 181.)
Perrot, GL Souvenirs d’un voyage chez les Slaves
du Sud 1868. (Tour du Monde 1870. S. 241 —
320.)
Petzet, C. Skizzen aus Russisch -Polen. (Globus,
Bd. XVII.)
1. Warschau. S. 200 — 203. 2. Die Fabrikstadt Lodz,
S. 298-300.
PfafF, Adam. La grandc nation in ihren Reden
und Thaten von Anfang bis Ende des Krieges
verglichen mit den Reden und Thaten des deut-
schen Volks. Chm) 1870, 8°.
I. Bis zur Capitnlation von Sedan.
Philipps, Geo. Die Einwanderung der Iberer in
die pyrenäiBche Halbinsel. (Sitzungsbericht der
k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1870,
8°. 46 S.
Eingehende Untersuchung de* bekannten Historikers.
Sie enthält: 1. Allgemeine Bemerkungen über die Nach-
richten der Griechen und Römer von den Wanderungen
der Völker. — 11. Einwanderung der europäischen Be-
völkerung aus Asien. — 111. Asien als die Urheimath
der Iberer. — IV. Untersuchung der Frage, auf wel-
chem Wrge die Iberer in die pyrenäiache Halbinsel
eingewandert sind. a. Einwanderung der Iberer aus
Asien auf dem Landwege, b. Einwanderung der Iberer
aus Asien auf dem Seewege. c. Ext-urs über die iberi-
sche Bevölkerung des südlichen Galliens, d. Einwan-
derung der Iberer au» Amerika. — V. Namen der äl-
testen Bevölkerung Hispanien*. — VI. Muthma&ssliche
Art und Weise der Niederlassung der Iberer auf der
pyrenätBcben Halbinsel. Das Resultat dieser Untersu-
chungen ist, dass die Iberer zu Schiffe nach ihrem neuen
Vaterland gelangt sind.
Pichler, Adolf. Der lateinische Bauer. Eine
Erzählung. (Alpenfreund 1870, Bd. II, 8. 49 ff.,
117 ff., 183 ff.)
Pieraon, Dr. Will. Aus Russlands Vergangenheit.
Culturgescbichtliche Skizzen. Leipzig 1870, 8°.
219 S.
Siehe darüber Beilage zur allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 133.
Piet, Franqais. Recherche« sur l’ile de Noirmou-
tier.
Das kleine Werk ist nicht im Buchhandel erschienen
und nur in wenigen Exemplaren vertheilt worden.
Globus, Bd. XVII, .S. 205 bringt einen kurzen Auszug
daraus.
Piquorö, P. J. Grammatik der türkisch -osmani-
tchen Umgangssprache. Wien 1870, 8°. 354 S.
Populär Tales of Ilindostan and Germany. (Eng-
lish Essays, Vol. 111. 8. 1 — 41.)
Badics, P. v. Die Yolkapoesie der Gotschewer.
(Tagespresse, Nr. 41 vom 10. Februar 1871.)
Räuber. Die Räuber in Griechenland. (Globus,
Bd. XVII, S. 272.)
Bansonnet, Ludwig, Baron. Alte Sitten und
Sagen im Salzkammergute. („Jahrbuch desösterr«
Alpen vereine“, Bd. VI, 1870, S. 169 — 179.)
Reiches ethnographisches Material während eine«
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382
Verzeichnis* der anthropologischen Literatur.
achtzehnjährigen Aufenthaltes iiu Salzkammergute ge-
sammelt-
Bausch, Dr. Friedr. Geschichte und Literatur des
rh&to- romanischen Volkes mit einem Blicke auf
Sprache und Charakter desselben. Frankfurt a.
M. 1870, 8 Ü .
ln d«n »«innigen Thälern Graubündteus, an den Quell*
flössen de» Rheins und in dem Gebiete zwischen diesen
und den Ufern des jungen Inn, ja selbst östlicher, die
Schweiler Grenz« überschreitend, in einigen Thülern
Tirols, findet man ein Romanisch redsNdti ( Volk , des-
sen Sprache dem Deutschen auf den ersten Blick dazu
bestimmt scheint, einen vermittelnden U ehergang, sozu-
sagen eine Brücke berzuatcllen von seinem Idiom zu
dem des nach etwa einer von Chur aus südöstlich ge-
richteten Tagereise schon beginnenden Italien. Es ist
die» das merkwürdige Volk der Rbüto- Romanen , wel-
ches lange Zeit hindurch in der Wissenschaft nicht
jene Beachtung gefunden hat, die es unstreitig verdient.
Krst in jüngster Zeit haben einige Männer, vorwiegend
Deutsche, sich mit diesem eigenthümliehen Volksstamme
beschäftigt, und erst vor wenigen Monaten hat ein Werk
die Fresse verlassen, welches dem Charakter und der
Sprache, »owie der Literatur der Rhäto- Romanen tdne
eingehende Betrachtung widmet. — Schon seit den
»charfsinnigen Arbeiten «-ine* Lorenz Diefenbach
und Friedrich Diez, des unsterblichen Vollender*
der romanischen Sprachwissenschaft , i*t das gegenwär-
tig von den Rhäto-Rumnnen Grnubündten* gesprochene
Idiom, das sogenannte Uhurwalsche (II Romaunsch) als
eine vollständig romanische Sprache erkannt, die als
gleichberechtigte Schwester des Portugiesischen, Spani-
schen, Provonv*läschen , Altfranzösischen, Italienischen
und Daco • Romanischen dasteht. Ebenso alt wie diese
ältesten Glieder der romanischen Gruppe ist anderer-
seits <ia» Uhurwalsche, durch nationale und lorole Ver-
hältnisse urg behindert, nicht im Stande gewesen, wäh-
rend seiner reifenden Entwicklung irgendwie gleichen
Schritt zu halten mit den obengenannteu , insbesondere
später »o rasch aufblühenden romanischen Zungen, wie
dem Italienischen . Spanischen und Neufran/«~*i»chen.
Uuuiustö&slich aber steht es fest, dass dasselbe ebenso
wie jene au* der Zertrümmerung des lateinischen Idioms
hervorgegangen ist. — Ethnologisch sind die Rhäto»
Romaneit nicht minder interessant als in linguistischer
Hinsicht. Allerdings haben in dieser Richtung weit
weniger Untersuchungen stattgefunden , so das» unser
Wissen noch ein ziemlich lückenhafte« ist. Die Frage,
ob und wie weit die heutigen Rhäto-Romaucn mit den
Uhätiern (Rätern) der Alten in Zusammenhang stehen,
können wir. weil zu weit führend, hier nicht näher
beleuchten, ziemlich sicher ist es, das» dieselben aus der
Vermischung der Römer, welche in den Jahren 16 bis
12 vor Chr. die Unterwerfung der Alpenländer vollen-
deten und ihre Herrschaft in denselben bi» in die Zei-
ten der Völkerwanderung behaupteten, mit der damals
in jenen Gebieten ansässigen Bevölkerung, die uns von
den alten Autoren als Rhatier bezeichnet wird, entstan-
den sind. Der Roiuanisirung« - Froees* dieser Khätier
scheint rerhältiiis»inä»»ig ziemlich rasch vor sich gegan-
gen zu «ein, denn als im 5. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung die Ostgothen unter ihrem vielbesungenen
Führer Dietrich von Bern (Theodorioh von Verona) die
Alpen, besonders das heutige Tirol, überschwemmten,
fanden sie dasselbe ganz romanisch. Es unterliegt kei-
nem Zweifel', dass die Rhäto- Romane» einst eine weit
grössere Ausdehnung Insassen als heute , dass sie von
den Quellen des Ilinter-Rhein*-* bis ins Pnsterthal , von
den oheritalieniachen Seen bis zum deutschen Meere
(Rodensee) und an den Lei h sich ausgebreitet haben.
Koch jetzt erinnern zahlreiche Ortsnamen, über ganz
Tirol zerstreut, an diese ehemalige Ausbreitung der
Rhäto - Romanen, von welchen sogar noch Bluts* und
.Sprach verwandte sich in den Ladinern der südöstlichen
Thäler Tirols bis auf den heutigen Tag erhalten haben.
Allein die Rhäto -Romanen — ein Mischvolk — unter-
lagen im „Kampf ums Dasein“ den kräftigeren germa-
nischen Stämmen, die — eine reine Kace — - von Nor-
den als Bajuwaren, im Innthal von Süden her als Lun*
gubarden im Etachthul keilförmig in sie eindrangen,
sie zersetzten und schliesslich auf die einsamen Hoch-
thäler beschränkten, wo sie bis in die Gegenwart ihr
Dasein fristen. Ihre Sprache jedoch, gleichwie ihr
Stamm, ist dem germanischen Elemente gegenüber noch
immer in der Abnahme begriffen und vermag im Süden
auch nicht dem Italianismua zu widerstehen. Die Rhäto-
Romanen sind ein unti-rgehendes Geschlecht und ein«-*
der lehrreichsten Beispiele, wie der „Kampf ums Dasein*
auch in der Ethnologie und Menschengcschichte »ein
Recht behauptet.
Reehtasitten bei den Basken. (Globus, Bd. XVII,
S. 300—302.)
Nach zwei Aufsätzen von Eugene Cordier im
„Bulletin trimestriel de la Socicte Ramond".
Roinaberg-Düringsfold. Aberglauben der Kiisten-
und Inselbewohner Dalmatiens. (Globus, Bd. XVII,
S. 380—382.)
Beinsberg -Düringsfeld, Frhr. v. Der Vogel-
glaube in der Ukraine. (Ausland 1871, Nr. 9.)
Reinsberg -Düringsfeld, Othon, Baron. Tradi*
tions et legendes de la Belgique. Denen ptiou
des fötes religieusen et civiles, usages, croy&nces
et pratiques populaires des Beiges anciens et mo-
dernes. Bruxelles, Ferd. Claassen, 1870, 8°. 2
Volume.
Boise. Eine Reise durch Russland. (Allgemeine
Zeitung 1870.)
I. Nowgorod, Nr. 89. II. Moskau, Nr. 91, 92, 93,
94. III. Kursk und Kijew, Nr. 95. IV. Dnjepr • Reise
und Stcppvilfuhrt, Nr. 100. V. Am Fontus und in Bcss-
urabieu, Nr. 104.
Reise-Eindrücke in Siebenbürgen. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 25, 26.)
Reuchlin, Herrn. Dm italienische Brigantenthum.
(Unsere Zeit 1870, II, S. 146—167, 237—252.)
Eingehende Behandlung dieser Cultur*r*cheinung hei
romanischen und slavischen Völkern.
Richter, Albert. Deutsche Heldensagen des Mit-
telalters. Leipzig 1870, 8°. 2 Bde.
Besprechung in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 361.
Ritchio, Anna Cora. Italian Life and Legends.
New York 1871, 12°. 299 S.
Bitz, R. Ueber einige Ortflbenennungen und Sa-
gen des Eringerthales. (Jahrbuch dos Schweizer
Alpenclub. Bern 1870, S. 366—380.)
Riva am Garda See. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 233, 234.)
Rochau, A. L. v. Geschichte des deutschen Lan-
des und Volkes. Berlin 1870.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 383
Rüge, Dr. Sophus. Das Land Kehdingen. (Aus
allen Welttheilen, I, Jahrgang, Kr. 1, 6. October
1869, S. 6—8.)
Kurze Notizen über die»« Landschaft au der Unter-
Klle und ihre Bewohner, mit zwei Originalabbilduugen.
Rullmann, W. Politisch-sociale Zustande und na-
tionale Bestrebungen in Finnland. (Unsere Zeit
1870, II, S. 322—334.) •
Russiacho Culturskizzen. (Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung 1870, Kr. 82,83,84.)
Behandelt: 1. Die russischen Krnnbuuern. 2. Dia
Kosaken. 3. Die sibirischen Kirgisen und die ursprüng-
lich unter, der russisch - amerikanischen Compagnie ge-
standenen Inselbewohner.
Russisches, ein, Volksm&hrchen. (Globus, Bd. XVII,
S. 383.)
Russland und die slavischen Stämme. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 186, 187.)
Ruthenen. Die Ruthenen in Galizien; ihre eth-
nographische und politische Stellung. (Globus,
Bd. XVII, S. 39—42, 58—61.)
Anzahl der Knthenen in Oesterreich. — Der Name.
— Physisch« Eigenschaften. — Haus und Trachten. —
Kein Bürgerstand. — Kirche und Schänke. — Volks-
glauben. — Volkspoesie. — Sprache und Schrift. —
küssen vom reinsten Wasser. — Gegensatz zu den Po-
len. — Niedriger Stand der Cultnr.
Ruthenen. Die ungarischen Ruthenen. (Allge-
meine Zeitung 1871, Kr. 21.)
Saint Gormain, Leonard de. Itineraire dezerip-
tif et historique de la Corse. Paris 1870, 8°.
Der Verfasser bat die historisch wie ethnographisch
gleich merkwürdige und noch viel zu wenig gekannt«
Insel Corsica wiederholt za Kuss und ohne Empfeh-
lungsbriefe durchwandert und mit offenen Augen Land
und Leute beobachtet, die Geschichte dieser Insel zu
Ruthe gezogen und so ein ebenso zuverlässiges als un-
terhaltendes Gemälde der früheren und jetzigen .Sitten,
Gebräuche und Lebens Verhältnisse auf Corsica entworfen.
Sallaberry, J. D. J. Chants populaires du payz
basque. Bayonno 1870, 8°.
Sapiski der Kaiserlich Russischen Geographischen
Gesellschaft. Ethnographie, I. Bd., redigirt von
L. K. Maikoff. (In russischer Sprache.) St Pe-
tersburg 1869, 8*. 841 S.
Inhalt: A. N. Tri m off. Die Begriffe der Bauern
de» OrlofPschen Gouvernements über die physische und
geistige Natur. J. J. Nosso witsch. Kleinrussbche
Spruch Wörter. — Webs russische Küthsel. N. 8. 8cbt-
* schnkln. Die Volksbelustigungen im Gouvernement
Irkutsk. Di« Murnian’selie und Ter’sche Küste mich
dctu Buche des grossen Grundrisses (Ktiiga baljsehago
tschertesha). P. P. Tschuhinski. Umrisse der Rechts-
brinebo und Rechts begriffe Kleinrusslands. A.K. W «s-
selowski. Geographische und ethnographische Mitthci-
lungen von Italienern über Altrussland.
Schmoling, C. Astrachan, seine Umgebung und
Bevölkerung. (Natur 1870, N. 4, 5.)
Kurzer historischer Rückblick, dann Ueberachau der
verschiedenen Nationalitäten, welche die Kinwohuer-
schaft Astrachans bilden, besonders der Armenier.
Schneller, Dr. Christ. Die romanischen Volks-
mundarten iu Südtirol. Gera 1870, 8°.
Recension in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1869, Nr. 344.
Schnitzler, J. H. L’Empire des Tsara au point
actuel de la Science. Paria 1869, 8®. IV. Bd.
Recension in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 3, 4.
Sechsoläuten , da». (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 98.)
8octe. Die Secte der Morels tzchikis in Russland .
(Globus, Bd. XVII, S. 47.)
Senn, W. Charakterbilder Schweizerischen Lan-
des, Lebens und Streben*. Nach den besten >lu-
sterdarstellungen der schweizerischen und aus-
ländischen Literatur und eigenen Beobachtungen
zu einer bildenden LectÜre für Jedermann bear-
beitet. Glarus 1870, 4°.
Siehe darüber: l'etermann’s Geographische Mit-
theilungen 1870, S. 269.
8erben. Die Serben an der Adria. Ihre Typen
und Trachten. 100 Tafeln in Buntdruck und
circa 60 Bogen Text. Leipzig 1870, Fol.
Sicherer. Lorelei. Plaudereien über Holland und
seine Bewohner. Leyden 1870, 8°. 2 Bde.
In einer Reihe von zwölf im lebhaftesten Dialog ge-
schriebenen Plaudereien bringt der Verfasser (Uyrnna-
sial-Professor , ein seit vielen Jahren in Holland ansäs-
siger Deutscher) alle Phasen der socialen und Natur-
Verhältnisse der Niederlande in treffeuder Weise zur
Anschauung; ja, nicht die geringste Aeusserung des
holländischen Volkswesens ist dabei übersehen. Vom
farbenprächtigen Städtebild bis herab zur Kiurichtung
der Trekschuite, und vom ärmlichen vegetireuden Da-
sein des Ncheveningcr Fischers bis hinauf xuin ent-
wickeltsten geistigen Lebe» auf den holländischen Uni-
versitäten, findet Alles an gehöriger Stelle seine einge-
hende Besprechung, seine klare, vorurtheilsvolle Wür-
digung. Kurz, man kann sagen, ohne zu schmeicheln,
dass, wer Sicherer’« Lorelei gelesen, ein ebenso rich-
tiges wie ungeschminktes Bild von .Holland und seinen
Bewohnern* in sich aufgenommen hat. Kine eingehende
Recension steht in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung
1870, Nr. 120.
Siegfriedbilder. (Globus, Bd. XVII, S. 319.)
Sitzungsberichte der Kaiserlichen Gesellschaft für
Naturwissenschaften, Anthropologie und Ethno-
logie bei der Universität zu Moskau. (In russi-
scher Sprache.) Moskau 1870, 4".
Darunter sind von besonderem Interesse die Abhand-
lung über die erratischen Steine, welche als Material
zum Pdastcrn der Strassen in Moskau dienen und die
Fundorte derselben in der Umgegend der Stadt, von
Tschurowski, dann: Bericht von Treiland über
Beine ethnographische Reise ins Lund der Letten.
Skizzen und Sagen aus Salzburg. Von Dr. H. Z.
(„Der Tourist“ , Jahrgang II, 1870, S. 97 — 106,
113 — 125, 222—249.)
Sklaverei. Die Sklaverei im os manischen Reiche.
(Globus, Bd. XVII. S. 333 — 335.)
Gute Charakteristik des orientalischen Sklaveuthoms,
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Siavonieo. Durch Slavonitm und dio Militürgreme.
(Globiu, Bd, XVIII, B. 1—7, 17—24, 33—39.)
Politische und nationale Stellung der SüdslaTen. —
Donaufahrt und Puastenbilder. — Ksaek, die dreithei-
ligc »Stadt. — Vülkermi schling. — Latifundien. — Aeus-
scre Erscheinung der Bauern. — Princip der Geschlechu-
geradnschaft bei den idtcn Slaven. — Mangel an Ver-
kehrsmitteln- — Das projectirte Eisenbahnnetz. — Bil-
dungszusünde. — Aberglauben. — Mängel der Jnitifc —
Uauscommunion oder Zadrugs. — Ihre Vor- und Nach-
theile- — Slavonletis llolJtreichthum. — V’uka. — Zi-
geuner. — Diakovar. — Bischof Strossraayar und
seine nationale Tbätigkeit. — Die Aullosung der Mili-
targronze. — Staatsrechtliche und geschichtliche Ver-
hältnisse. — Zigeunerlager bei Verpolje. — Beicht hum
der Grenze. — Daten über den Ackerbau , die Holz*
production, den Viehstand und die Mineralschätze. — -
Typen in Gartschin. — Die Save , ein südslavischer
Fluss. — Handel auf der Save. — Grenzcordon. —
Regulirung der Save. — Ufersoenerien. — • Türkisch-
Brod. — Bosnische Tänzerinneu.
Sonklar, Carl von. Ueber einige Namen im Ge
birge. (Jahrbach des österr. Alpen Vereins 1870
S. 331—333.)
Spiess, Otto. Ein Streifzug ins Arnautlak. (Mit-
theilung der Geographischen Gesellschaft in Wien
1870, S. 385 ff.)
Der Verfasser nahm als Ingenieur ari den Kisenbahn-
Tracirungen in der Türkei im Herbst 1869 Theil. »Sein
Aufsatz ist nicht speciell wissenschaftlich, sondern all-
gemein schildernd.
Stark, L. Wandertage in Südbaiern. (Die Vier-
teljahrsschrift 1870, Nr. 130.)
Statistik. Die amtliche Statistik in Ungarn*
(Oesterreichischer Oeconomist 1870, Nr. 28, 32.)
Stöger, Friedr. Das Elsas« mit Deutsch- I/othrin-
gen. Land und Leute. Leipzig, Quandt, 1871,
8°. 95 S.
Sterblichkeit der Kinder in Frankreich. (Ausland
1870, N. 15.)
Streifzüge durch Deutsch - Böhmen. (Allgemeine
Zeitung 1*870, Nr. 179, 180, 181.)
Studien über keltische Sprachen und Alterthümer.
(Globus, Bd. XVIII, S. 159—160.)
Talbot, Ed, Europa den Europäern. U ebersetzt
aus dem Französischen. Zürich 1869, 8°.
Türkei. Aus der Türkei. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 104, 149, 153, 170, 183.)
Urtheile. Englische Urtheile über Frankreich und
Deutschland. (Ausland 1871, Nr. 9.)
Vedovi, Dr. T. La Bosnia. Mantova 1869, 8 n .
53 S.
Vedovi, Dr. T. Centn sul Montenegro. Mantova
1869, 8°. 45 S.
Vorug. Südtirols Verwischung. (Alpenfreund
1870, Bd. I, S. 358—365.)
Viquosnel, A. Recherche« historiques sur quel-
ques pointa de l'histoire generale de« peuples
slaves et de leurs voisins, les Turcs et les Fin-
nois. Paris, Arthus Bertrand, 1869, 4°.
Vorwiegend ethnographisch; enthält auch drei Kar*
ten, wovon eine vorzügliche ethnographische. (Es bil-
det eigentlich den Anhang zu Viqucsnel's „Voyage
daiis 1» Tnrquie“.)
Viamische Protestation gegen Französimng. (Ma-
gazin für die Literatur des Auslandes 1870.)
Völkerwandorungen. Die Völkerwanderungen in
Istrien. (Allgemeine Zeitung 1870, Kr. 196.)
Volk und Volksleben in Neurusaland von J. M.
(Globus, Bd. XVII. S. 138—141, 169— 173*Bd.
XVIII, S. 169—173, 234—238.)
I. Der Gegensatz von Gross- und Kleiurussen. II.
.Sitten und Gebräuche in Neuruasland. III. Die Diener-
schaft auf dem Laude. — Kleinrussische Melodien. —
Bestrafung des Diebstahls. — Die Schänke und ihr
Kinriuss. — Tänze. — Die ehemalige Kroünarboit. —
Schafschuren. — Spitznamen. — Aberglaube. — Leichen*
ick it. — Wandernngslust- IV. Arbeitskraft. — Man-
gelhafte Ernährung. — Anlage und geistige Befähigung.
— Die Poltawzy. — Lage der Gutsbesitzer. — Die
KlrinniMU*che »Sprache. — Wasser- und Stepprnklim*.
— Die Schneeorkane. — Sanitäteverliältniue. — »Spin-
nen und Taranteln. — Kuin der polnischen EdeUctite.
— Schlnssbetrachtungen über die Zustände der Bauern.
Volkszählung. Ein Ergebniss der vorjährigen
Volkszählung. (Oesterreichißcher Oeconomist 1870,
Nr. 15.)
Vonbun, Dr. A. Die Montafoner Krautschneider.
(Alpenfreund 1870, Bd. I, 8. 69 ff.)
Wagner, Prof. Dr. Adolf. Elsass und Lothrin-
gen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland.
Leipzig 1870, 8®.
Besprochen in der Wissenschaftlichen Beilage zur
Leipziger Zeitung 1870, Nr. 74.
Walzer, Rud. Bilder aus dem kärntnerischeu
Volksleben. (Tourist 1870, 8. 390—392.)
Walachen. Die Walachcn in Griechenland als
Räuber und als Hirten. (Globus, Bd. XVII, S.
363—365.)
Sprachvergleichend.
Waldeck, ML Vom Nordseestrand zum Wüsten-
sand. Culturgeschichtliche Bücher aus Deutsch-
land, Italien und Aegypten. Berlin 1870, 8°.
Wales and its people. A trip through the princi-
pality to leam something about the country and
the natives. Wrexhani 1869, 12°. 56 S.
WaUmann, Dr. Heinr. Das Reifrauchen in Ober-
Pinzgau und Lungau. (Jahrbuch de« Österreich.
Alpenvereins 1870, S. 329 — 331.)
In Pinzgau und Lungau besteht die Sitte, das» auf
freien Orten Feuer angezündet werden, in deren Folge
über das ganze Thal eine Kauchdccke sich ausbreitet,
durch welche die Keifbildung gehindert und die aufge-
hende Sonne nicht durchscheinen soll.
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Wattenbach, Dr. W. Dia Siebenbürger Sachsen.
Heidelberg 1870» 8®.
Der Heidelberger Professor hat sich einige Zeit in
Siebenbürgen aufgehalten und als Frucht seiner Reise
die vorliegende Schrift geboten. Nebst einem guten,
wenn auch gedrängten Leberblick der Geschicke der
sächsischen Nation in Siebenbürgen, schildert der Autor
ihre damaligen Zustände und geht auch auf die poli-
tische Stellung der Sachsen zu den übrigen Nationali-
täten ein. Obwohl wir ira grossen Ganzen mit Wat-
tenbach in seinen Anschauungen über letzteren Punkt
übereinstimmen, will uns indes« bedünken, dass er einer
vollkommen richtigen Auffassung gesammtüsterreichi-
•dtsr Verhältnisse — die für einen Nichtosterreicher
allerdings nur sehr schwer verständlich sind — nicht
völlig gewachsen ist. Eine eingehende Receiuion finden
wir in der Beilago zur Allgemeinen Zeitung 1870,
Nr. 121.
Watterich, Dr. Der deutsche Namen Germanen
und die ethnographische Frage vom linken Rhein-
ufer. Paderborn 1870, 8°.
Woatropp, Hodder M. On tbe Tribal System
and Land Tenure in Ireland under the Brehon
Law». (Journal of the Ethnological Society of
London 1870. S. 342—351.)
Prächtiger L'eberblick der socialen Zustände in Irland
vor der Anglusächdschen Invasion.
Wickede, J. ▼. Die Bedeutung des Panslavismus
für Deutschland und daa einzige Mittel zur Ab-
wendung der dadurch drohenden Gefahr. (D.
Yierteljahraschrift 1870, Nr. 130.)
Wocel, Joh. Erasmus. Die Bedeutung der Stein-
und Bronzealterthümer für die Urgeschichte der
Slaven. Prag 1869, 8°.
Aufschluss über dieses wichtige Werk giebt im Aus-
land 1870, Nr. 23, S. 541—542 der Aufsatz: Wohnorte
und Urgeschichte der Slaven.
Yovanovios, Vladimir. Lee Serbee et la mission
de la Serbie dans l’Europe d’Orient Paris, La-
er o ix, 1870, 8°. 325 pag.
Zohiicko, Dr. Adolf, Die politischen und socia-
len Zustände Galiciens. (Unsere Zeit 1870, Bd.
I, S. 657—681, 818—838; Bd. II, S. 527 — 563.)
Inhalt: Das Land Galizien und seine Bewohner von
den ältesten Zeiten an. — Die Socialen und Culturver-
hältnisae Galiziens. — Die politischen Kämpfe in Gali-
zien unter Oesterreich.
Zingerlo, Prof. Dr. Ant. Die deutschen Gemein-
den im Fersinathale. (Alpen freund 1870, Bd. I,
S. 209—215.)
Zorn, Theodor. Aberglauben bei den Mönchgu-
tern auf der Insel Rögen. (Globus, Bd. XVIII,
S. 86—88, 106—108, 123—124.)
Afrika.
(Von Robert Hartmann.)
About, E. LeFellah. Souvenirs d’Egypte. 2 Edit.
Paris 1869, 8°.
Zeichen der Zeit für Frankreich, dass es daselbst
möglich gewesen, dieses trostlose Machwerk be-
kanntlich eines der rohesten Klopffechter des „Chauvi-
nisme“,' in zweiter Auflage erscheinen zu lassen.
Adams, Andr. Loith. Notes of a naturalist in
the Nile valley and Malta a narrative of explora-
tion and research in connection with the natural
history, Geology and Archeology of the Lower
Nile and the Maltese Islands. Edinburgh
MDCCCLXX.
Dies in mehrfacher Beziehung interessante Buch ent-
hält einige Rückblicke auf die Bevölkerung Alt- und
Neuägyptens.
Amdro, C. L’Afrique äquatoriale: les sources du
Nil et l'expddition militaire et ncientifique diri-
gee pnr Sir Sam. Baker. (Revue contewporaine
1869, Novembre.)
Anderson, B. Narrative of a journey to Musardu,
the capital of the Western Mandingoes. New
York 1870.
Wenn auch Verfasser keineswegs auf den Namen
eines Ethnologen Anspruch erheben darf, so gewährt
uns sein Buch dennoch manchen interessanten Einblick
in da» Leben der westlichen Schwarzen Sudans.
Andry, F. L’Algerie, proraenado historiqne et
topographique. 2 edit. Lille 1870.
Archiv für Anthropologie. Bd. IV. Hsft IV.
Aymes, A. Exploration de l’Ogoway. (Recherches
geographiquee ot ethnogrmphiques sor le baasin
duGabon. Revue marit. et eolon., XXVIII, 1870,
pag. 525.)
Baker. Exploration des affluents abyssiniens du
Nil. (Le Tour du Monde 1870, pag. 129 ff.)
Auszugsweise Bearbeitung des schon früher von uns
besprochenen Original Werkes, mit zum Thcil ganz hüb-
schen Illustrationen.
Baker. Letter from the White Nile. (Athenaeum
1870, Nr. 2240.)
Enthält nichts Neues.
Beaunier, A. Premier ctablissement des Israe-
lites a Timbouktou. (Bulletin de la Socidte de
Geograph. V Serie, XIX, 1870, pag. 347.)
Baron, A. V »vages en Nubie, en Abyssinie, en
Egypte etc. de Bruce et Mungo -Park. Limoges
et Isle 1869. (Bibliothdque rdligieuse.)
Gehaltlose Compilation.
Bechtinger, J. Ost -Afrika. Erinnerungen und
Miscellen aus dem abyssinischen Feldzuge. Wien
1870.
Recht frische Schilderungen abyssinischen Lebens.
Berlioux, E. F. La traite orientale; histoire des
chasaes a Thomme organisdes en Afrique depuia
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Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
quinze ans pour len marches de TOrient. Paris
1862, 8».
Bizomont, H. de. Lettre d. Korosko, 21 Mai
1870. (Ballet, de la Societe de Geogr., V Serie,
XIX, 1870, pag. 490.)
Brenner'a, R. Expedition nach Ostafrika. (Peter-
man n s Mittbeilungen 1870, S. 161.)
Einzelne ganz interessante Notizen.
Carröro, F. Le Senegal et son avenir. Bordeaux
1870.
Chaillu, P. du. Equatorial Africa, wifh an account
of the races of Pigmies. (Journal of the Ameri-
can Geogr. and Statist. Soc., II, 1870, pag. 99.)
Die Existenz von Menschen einer constant niedrigen
Statur in Afrika ist unbestreitbar um neuester Zeit «tick
wieder durch Schweinfurth erhärtet worden.
Chavanne, J. Eine Mineralquelle in der Oase
Ksur, Algerische Sahara. (Petermann'a Mitthei-
lungen 1870, S. 301.)
Cook, HL Notes on the Climate and Geology of
Abyasinia. (Proceed. of the Royal Geogr. Soc.
XIV, 1870, pag. 158.)
Craig, J. Un aperyu du Maroc. (Ballet, du la
Soc. de Geogr., V 8c*r., XJX, 1870, pag. 177.)
Dormoy, E. Souvenirs de voyage. Un voyage
k Thebes et dans la Haute-Egyptc. (Revue con-
temporaine. Nouv. Serie, II, 1870, pag. 481.)
ErBkine , St. V. W. Joumey of exploration to
the mouth of the River Limpopo. (Journal of
the Roy. Geogr. Society, XXXIX, 1869, p. 233.)
Faidhorbo , L. Collection complete des inscrip-
tions numidiques (libyquea) avec des aperyus
etbnographiques sur les Numides. Lille 1870.
Faidhorbo, L. Geber den Ursprung der Berbern.
(Zeitschrift für Ethnologie 1870, S. 1.)
Eingehende Besprechung dieses an sich sehr schwie-
rig zu lösenden Themas.
Flora, A. Aerztliche Mittheilungen aus Aegypten.
Wien 1869, 8°.
Gutes klimatologischcs und tnedicinisch - statistische*
Material, namentlich über Suez.
Foncin. L’Afrique australe d'apres les voyages
recents. Bayonne 1869.
Forgdch, Graf A. Uebor die Dolmen in Algerien.
(Ausland 1670, Nr. 46.)
Gatoll, J. L'Ouadnoun et le Teknn. ä )a cöte oc-
cidentale du Maroc. (Bulletin de la Societe de
Geogr., V Serie, XVIII, 1869, pag. 257.)
Govrey, A. Essai sur les Comores. Pondichery
1870, 8*.
Gill, J. The Emigrant» Guide to the Sooth Afri-
can gold fieldB. London 1870, 8°.
Gogucl, E. Lee jnif» d’Egypte devant PEre chre-
tienne. Strasbourg 1869, 8°.
Häckel, E. Eine Besteigung des Pik von Tene-
riffa. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin 1870, S. 1.)
Hahn, Job. Gegenwärtiges Verhältnis» der S«r
maqua zu den Herero. (Zeitschrift der Gesell-
schaft für Erdkunde 1870, S. 468.)
Beleuchtet die Racenkampfe zwischen den räuberisches
Nanut und d»-n ihre Freiheit so rauthjg vertlieidtgendeD
Dnuiaru oder Heren».
Hahn, Theoph. Das hottentottische Tenigosb und
der griechische Ztvg. Daselbst S. 452.
Weist unter gleichzeitiger Aufklärung Her eigentlichen
Bedeutung des Wortes Tsuigoab jede Verwandtschaft
desselben mit dem Worte Zeus entschieden uod in über-
zeugender Weise zurück.
Hahn, Th. Die Sprache derNaroa. Halle 1870. 8*.
Enthält sehr danken* wert he Nachrichten über die
ethnischen Verhältnisse Südafrikas.
Hahn, Th. Die Buschmänner. Ein Beitrag sur
afrikanischen Völkerkunde. (Globus, Bd. XVIII,
1870, V.)
Beleuchtet die ethnologische Stellung dieser früher so
oft als „verkommene Hottentotten** geschilderten Men*
sehen.
Hamm, W. Skizzen vom Nil» (Unsere Zeit VI,
1, 1870, S. 681, 750.)
Hartmann, R. Die Steppengebiete Nordoet- Afri-
kas. (Westermann’s illustrirte Monatshefte 1870,
Octoberbeft.)
Beschreibung und Abbildung der nordostafrikaniscli<*»
Nomaden in Nubien und .Senns r.
Hartmann, R. Die Ptoembari und Ptoemphause
des Plinius. (Zeitschrift für Ethnologie 1870,
S. 136.)
Ueber muthmaasslichc alte Wohnsitze der Funje und
über den Huudccultus der Afrikaner.
Hartogh Heys van Z outet een. La foret petri-
fiee du caire, les collinesde tessons de poterie de
la Basse-Kgypte et la premiüre cataracte du NiL
(Archive» neerlandaises d. seien c. exact. V, 1870,
pag. 238.)
Henkel. Der Handel mit den farbigen Racen in
Afrika. (Der Welthandel 1870, S. 85.)
Holland and Hozier. Record of the Expedition
to Abyssinis. Compiled by order of the secretary
of State of War. 2 Vol., London 1870, 4°.
Sehr genau»* I tnrstcllung aller geschäftlichen Vorbe-
reitungen und Ereignisse des viel besprochenen Krieg»«,
einige zoologische und dergleichen Anhänge, übrigens in
rein ethnologischer Beziehung ohne Interesse.
Hochstottor. Madeira. Gesammelte naturwissen-
schaftliche Vorträge. Wien.
Hübner, A. Bergmännisches vom Tatin. (Zeit-
schrift der Gesellsch. für Erdkunde 1870, S. 198.)
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 387
Schilderungen des socialen Klcndes, welches die Goid-
»ucht unter enttäuschten (iambuainoa ungerichtet hat.
Klunzingor, C. B. Blicke in das Hauswesen einer
Landstadt Oberägyptons. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Nach Beobachtungen während eines mehrjährigen
Aufenthaltes an Ort und Stelle sehr anregend abgetanst.
Li vingstone, Ch. Discovery of a New Channel
through theForcadoe River to the townofWarrö.
(Proceeding* of the Royal Geographical Society,
XIV, 1870, pag. 166.)
Livingstone, Ch. Die Höhlenbewohner in Rua.
(Mittheilungen der Wiener geographischen Ge-
sellschaft 1870, S. 334.)
Liviugatonc will in Ruh, nördlich vom Moero-See,
«inen Volksstamm gefunden haben, der in unterirdischen
Höhlen lebt. Diese sollen voll Thierxeichnungeu sein.
Grant erwähnt nun der Anslossuugen seine» eingebo-
renen Begleiter» Minus über solch« Höhlen südlich
vom Tanganjikasee, in welche sich di« Bewohner van
Wauibweh flüchten, sobald sie von -Sulu'* angegriffen
werden-
Magn&ni, R. Un viaggio a Tuniei , Narraziono.
Parma 1870, 8“.
Maltzan, H. v. Reise in den Regentschaften To-
nis und Tripolis. 3 Bde. Leipzig 1870, 8°.
Maltzan, H. v. Kin Gerichtstag auf der Insel
Dscherba in Tunesien. (Globus 1870, Nr. 3 ff.)
Maltzan, H. v. Schicksale und Wanderungen eines
deutschen Renegaten in Nord -Afrika. (Globus
1870, Nr. 19 ff.)
Maltzan, H. v. Arabische Sagen über Alexandrien.
(Ausland 1870, Nr. 41.)
Maltzan, H. v. Kine südarabischo Colonie in Cairo.
(Ausland 1870, Nr. 46.)
Maltzan, H. v. Aus dem Reiche des Khedive.
(Magazin für die Literatur des Auslandes 1870,
Nr. 46 ff.)
Freiherr v. Maltzan, ein begeisterter Anhänger der
Kthuologie, weis» uns immer Werthvolles und Inter-
essante» auf unserem Felde zu bieten. Derselbe hat
sich auch bemüht, das Physische der von ihm beobach-
teten Stämme aufzufassen und in geschickter Form wie-
derzugeben.
M&rno, E. Von Famäka nach Fadäsi. (Mitthei-
lung der Wiener geographischen Gesellschaft 1 870,
S. 557.)
Schrecklich zu lesen , wie die Aruam - Neger ihre
Schur/fidle aus Menschenhaut machen, eine zwitschernde
Sprache reden und wie die guten Funje von Dull-Jum-
jum und Dull-Migmig, mit denen Referent so harmlos
und freundlich verkehrte, höchst wahrscheinlich
Menschen fressen. Wenigstens gesteht es der acht-
jährige Bur um, den ich (Maruo) besitze, ganz offen.“
Leber da» Volk von Fadasi lässt uns Verfasser iu sei-
nem kärglichen Berichte völlig im Unklaren — vielleicht
nicht ohne Absicht.
M&ueh, K. Reisen in Südafrika. (Petermann’s
Mittheilungen 1870, S. 1, 92, 139.)
Martin, C. Die Insel S. Vicente. (Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde 1870, S. 372.)
Meulemana, A. L Empire du Maruc et ses relations
commercialss ayec la Belgique, 2 öd. Bruxelles
1870, 8*.
Misaionabildcr. Achtes lieft. Sierra Leona uud
Yoruba. Stuttgart 1870, gr. 8°.
Monforand, P. de. LTle de la Reunion et les tra-
vailleurs etrangers, scünea de la vie cröole. Auch
1870, 8®.
Mouvement des uaissances et des dueüs eu Egypte,
de 1867 ä 1868. (Journal de la Socictö de Sta-
tistique de Paris 1870, pag. 74.)
N&chtigal, G. Briefe aus Murzuk vom Januar
1870. (Zeitachrift der Gesellschaft für Erdkuude
1870, S. 265.)
N&chtigal, G. Reise nach Tibesti. (Zeitachrift
der Gesellschaft für Erdkunde 1870, S. 69.)
Nachtigal, G. Reise zu den Tibbu -Reschnda.
(Petermann’s Mittheilungen 1870, 8.25,47, 273.)
Nachtigal , G. Die Tibbu. Ethnograph. Skizze.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 1870,
S. 216, 289.)
Nachtigal, G. Die Tibbu * Reschäde in Tibesti,
ihr Charakter und ihre Sitten. (Globus, Bd. XVIII,
Nr. I, XIII.)
Nachtigal liefert un» «ine ganz vorzügliche Mono-
graphie über das in mehrfacher Beziehung so interes-
sante hinsichtlich seiner ethnischen Stellung bisher noch
so wenig bekannte Volk der Tibbu.
Noble. The Cape and its people and other Essays
by South Alrican Writers. Cape Town 1869, 8®.
Ollvor, 8. P. On tho Hovas and other characte-
ristic tribes of Madagascar. (Memoirs of the An-
thropol. Society of London 1870, pag- 1.)
Reade , W. Report of & Journey to the Upper
Wators of the Niger from Sierra Leona. (Pro-
ceedings of the Royal Geographical Society 1870,
pag. 185.)
Reclus, E. Our trip to Egypt as guests of tho
Viceroy, at the opening of the Suez Canal. (Put-
num's Monthly Magaziue 1870, March.)
Reclus, E. Voyage au Caire et dans la Haute
Egypte. La Philosophie positive 1870, pag. 127.)
Reisen des Rabbi Mordokhai - Abyserur nach Tim-
buktu. (Petennann's Mitteilungen 1870, 8-335.)
Relazione sommaria del Viaggio nel mar Roa&o
dei Sign. Antinori, Beccari e Issel. (Bollet.
della Soc. Geogr. Italiana 1870, pag. 43.)
Rohlfs, G. Land und Volk in Afrika. Berichte
aus den Jahren 1865 btB 1870. Bremen 1870, 8
Rohlfs. G. Audjila und Djalo. (Ausland 1870,
Nr. 49.)
tu*
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388
Verzeichnis der anthropologischen Literatur.
Es erscheint kuurn nothig, erst noch auf das ethno-
logische Interesse näher hinzu weisen , welches Uohlf's
Schriften im Allgemeinen darbieten.
Bassi , E. B. Geografia medica delT Egitto. Li-
vorno 1870, 8*.
Rouge, J. de. Textes geographiquez du temple
d’Edfou. (Revue Archeolog. 1870, pag. 1.)
Wichtig für die Ethnologie Altägypten* und der Nach-
barländer.
Schauenburg, P. R. Note sur la Senegambie.
Strasbourg 1869, 8°.
Sklavenhandel in den ostafrikanischen Gewässern.
Ausland 1870, Nr. 7.
Sibrce, J. Madagascar and its People: Notes of
a Four Mouths Residence, with a Sketch of the
History, Position and Prospects of Mission Work
amongzt the Malagsy. London 1870, 8*.
Stilling, H. C. Reise i Aegypten. Med 20 Af-
bildninger. Kopenhagen 1870, gr. 8°.
Taglioni, Ch. Deux moia en Egypte, journal d'un
invitu du Ködive. Paris 1870, 12°.
Die Eröffnungsfeierlichkeit des Suezcannls hat Veran-
lassung zur Entstehung einer Menge von Büchern, Flug-
schriften und Joumatartikeln gegeben. Ihnen wohnt
entweder nur ein speciftsches handelspolitisches und
volkswirtschaftliches Interesse inne, oder aber sie blei-
ben unter der Fläche einer seichten Touristenliteratur,
so dass wir nns hier die Mühe und den Raum sparen
können, jene Artikel einzeln aufzuführen.
Taurin. Lettrcs ü M. d’Abbadic (sur lo pays Galla
de Finfwni). (Bulletin de la Societe de Geogr,
V Serie, XIX, 1870, pag. 381.)
Bietet nicht so viel ethnologisches Material dar, als
die in C. Harris’ Highlands ofActhiopiu angeführten,
sehr dankenswerten Nachrichten aber die im Süden
von Scboa wohnenden Urma.
Tauxier, H. Itineraire de Ruftcicada ä Uipjwne.
(Bulletin de TAcademie d'Hippone, Böne, Nr. 7,
8 .)
Taylor, B. Central Afrika. New York 1870.
Ein Buch, welches in der Touristenliteratur über Ost-
Centralafrika einen der besseren Plaue einnimmt.
Trincia, T. Viaggio del Padre Filippo da Segni
daTripoli di Barberia al Bornou nel 1850. (Bel-
let. della Societü geogr. Itnl. 1870, pag. 137.)
Volk, das, der Corocas an der Südwestküste von
Afrika. (Globus, Bd. XVII, 1870, Nr. 15.)
Amerika.
(Von P. v. Hellwald.)
Alaska-Gebiet. Neuere Forschungen im Alaska-
Gebiet. (Ausland 1870, Nr. 4.)
Aldea, Petro Ruin. Los Araucanos y sus costurn-
brc«. Aiyeles 1868.
Alsop. Geo. A character of the Province of Ma-
ryland. Described in four distinct Parts. Also
a small treatise on the wild and imked Indians
(or Suaquehanokes) of Maryland, their Customs,
Manners, Absurdities and Religion. New York
1869, 8°. 126 S.
Amerika. Skiszen aus Amerika. (Ausland 1870.)
1. Die zunehmende Comiption in den Vereinigten
Staaten, Nr. 12. — 2. Commerzicllc Conventionen, Nr.
12. — 3. Der Humbug in der Geschäftswelt, Nr. 13.
— 4. Scblitsabemerkuugen, Nr. 13.
Amerika. Streifeüge unter den Indianern im
nordwestlichen Amerika. (Globus, Bd. XVII, S.
113—119, S. 129—135.)
Sagoskin’s Expedition nach dem Yukon. — Das
Fest des Versenkens der Blasen ins Meer. — Die Ma-
laimiuten. — Der Handelsposten Nulato. — Nordlich-
ter. — Die Co Yukon Indianer. — Ermordung eines
Engländers. — Fischfang und Renntliierjagd. — Fi-
scherdörfer am Yukon. — Station Newikargut. — Teu-
lelauat reiben. — Die l'anana Indianer bei Nuklukavette.
— Die grosse Stammgruppe der Thlinkith oder Koliu-
»chen. — Die Stämme des Wolfes und des Raben.
Toteins. — Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Industrie.
— Der Mythus von Jeschi , dem Schöpfer aller Dinge.
— Fluthsage-
Amerikanißchon , die, Zeitungen. (Ausland 1870,
Nr. 29.)
Nach Chambers Journal. Culturhistorisch interes-
sant.
Arides, The, and the Aiuazou. (Harper's New
Monthly Magazine. New York, Fohr. 1870.)
Appun, Carl Ferd. Am Rupununi. (Ausland.)
I. Von Yakutu nach Pirara (1870, Nr. 2, 3).
II. Walaraipuru, der Teufclßfeleen (Nr. 34, 351
Enthält einiges Ethnographisches über die Macuschi
Indianer.
Appun, C. F. Ilamikipang, der Urari-Berg. (Aus-
land 1870, Nr. 42, 43.)
Werthvolle Bemerkungen über das indianische Pfeil-
gift „L’rari“.
Appun, C. F. Die Indianer in Britisch -Guyana.
(Ausland 1871.) 1. Die IndianerKtimme der
Küste. Nr. 6, 7, 8.
Appun, C. F. Unter den Tropen. Wanderun-
gen durch Venezuela, am Orinoco, durch Britisch-
Guyana und am Amazonen str< »me, 1849 — 1868.
Jena, Coetenoble, 1871, b°. Bd. I.
Dieses bedeutsame Werk, dem Prinzen Adalbert
von Preussen gewidmet, ist die Frucht eine* zwanzig-
jährigen Studium» der Natur und Menschen m den
Gegenden des tropischen Südamerika, welches der Ver-
fasser im Auftruge der englischen Regierung bereist
hat. Herrliche Vrgctationsmisichteu , nach den ausge-
zeichneten Gemälden des Verfassers gefertigt, schmücken
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389
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
das Werk, dessen enter Band «ich ausschliesslich mit
der Republik Venezuela befasst.
Appun, C. F, Die Getränke der Indianer Guya-
na«. (Globus, Bd. XVIII, S. 268—271, 299—
302, 315—317.)
Schildert in interessanter, anschaulicher Wabe die
Zubereitung der Liebliitgsgetrünkc der südamerikaui-
sehen Indianer, besonders des aus Manihot utilisdma
Pohl, gewonnenen, berauschenden Psiwsri, des Paiwa
und des Casiri. Letzteres besteht aus Mais, Bataten
und Zuckerrohrsaft. Bcmcrkenswcrth ist , dass die In-
dianer Guyanas fast kein einziges Getränk haben, von
dem nicht bei dessen Fertigung einzelne Bestandteile
die Kauapparatc ihrer Weiber passirt wären. ‘Nicht
minder spannend und ethnographisch werthroll ist die
Schilderung eine« Trinkgelages der Macuschi Indianer.
Appun, C. F. Fiacbe und Fischfang in Britiach-
Guyaoa. (Ausland 1870, Nr. 47, 48, 49.)
Appun, C. F. Eine Nacht am Rio Takutu in
Britisch-Guyana. (Globus, Bd. XVII, S. 92 — 96.)
Aufstand, der, auf Cuba. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 187.)
Aufstand der Kulis in Peru. (Globus, Bd. XVII I,
S. 284—286.)
Schildert die traurige Lage der chinesischen Kuba
Aufstand, der, in Mexiko. (Allgemeine Zeitung
1870, Nr. 88, 91.
Seit der traurigen Katastrophe vom 19. Juni 1867
gelangen nur spärliche Nachrichten aus Mexiko zu uns;
was dieselben jedoch aussagen , konnte zur hohen Be-
friedigung des Referenten gereichen, der es unternommen
hatte, die Geschichte des mexikanischen Kaiserreiches
zu schreiben und von gewisser Seite den herbsten, wü-
thigsteu Tadel über sich ergehen lassen musste, weil er
es gewagt hatte, die dortigen Verhältnisse, besonders
die ethnischen , richtig zu beurtheilen , die Dingo bei
ihrem wahren Namen zu nennen und die ganze mora-
lische Versumpfung, die schwindelhafte Hohlheit und
Phraseologie, vorzüglich der sogenannten Liberalen
btoszuiegen, welche es einzig und allein ihrem Partei-
namen zu danken hatten , wenn sie von der unwissen-
den europäischen Presse in die Wolken erhoben wurden.
Es ist eine ganz unumstüss liehe Thatsache — die kein
aufrichtig sein wollender Kenner mexikanischer Ver-
hältnisse negiren wird — dass der einzige, in europäi-
schem Sinne anständige, honnette Mann im Lande —
Maximilian war. Die vorliegenden aus Colima da-
tirten Briefe haben uns diese Thatsache wieder recht
lebhaft in» Gedächtnis« gerufen. Sie schildern mit
deutschem Freimuth die eiende Wirtschaft des von
unseren Journalen so hochgrprieseuen Republikaners
Juarez, und zeigen, wie seit Zertrümmerung des Kai-
serreiches das Land nicht nur nicht die geringsten Fort-
schritte, sondern entschieden« Rückschritte gemacht hat.
Wir wissen sehr wohl, dass seit 1867 eine Menge sehr
freuinniger Gesetze io Mexiko votirt worden sind, wohl
um zu zeigen, wie wenig liberal das Kaiserreich gewe-
sen; dies ist aber Alles vollkommen werthlos in einem
Lande, wo es nicht möglich ist, auch nur Einem Ge-
setze Achtung zu verschaffen. Die Hauptplage, das
Käuberwesen. hat unter der liberalen Republik in ge-
radezu erschreckender Weise überhand genommen, und
dadurch jede sowohl moralische als materielle Hebung
des Landes in die weiteste Ferne gerückt. Es würde
sich sehr der Mühe verlohnen, eine detaillirte Geschichte
der Regierung des Juarez zn schreiben und die Paral-
lelen mit dem so rasch verdammten Kaiserreich zu zie-
hen ; die vorliegenden Artikel wären treffliches Material
zu solcher Arbeit.
Aufstand, der, in der RedriTer-Colonie. (Allge-
meine Zeitung 1870, Nr. 5.)
Dieser Aufsatz gewährt ein sehr gutes Bild der neue-
sten im nördlichen Tbeile Amerikas vor sich gegange-
nen staatlichen Veränderungen, und giebt eine kurze
Geschichte des Redriver Settlement.
Aufstand, der, am Winnipeg See. (Allgemeine
Zeitung 1870, Nr. 16.)
Schließet aich an den Aufsatz in Nr. 5 der Allgemei-
nen Zeitung an und schildert iu Kürze die Ursachen
des Aufstandes. Auch hier sind ethnologische Verhält-
nisse ausschlaggebend.
Boado. J. H. Life in Utah. New York 1870, 8°.
640 S.
Bell, W. A. New tracke in North America. A
journal of travel and adventure whilst engaged
in the survey for a Southern railroad to the Pa-
cific Ocean during 1867 — 1868. London 1869,
8°. 2 Volf
W. A. Bell hatte sich der Expedition zur Nivelli-
rung zweier Eisenbahnlinien von Kansas durch Neu
Mexiko und Arizona nach Californien angeschlossen,
vcrliess aber dieselbe in Arizona, um durch die mexika-
nische Provinz Sonora nach dem caiifornischen Golf
and za Schiff nach San Francisco zu reisen. In dem
vorliegenden, prächtig aasgestatteten zweibändigen Werke
schildert Bell die Geschichte und die Ergebnisse der
Expedition. Nach einer sehr lesenswerthen physisch-
geographischen Einleitung über den Westen der Ver-
einigten Staaten folgen vorzügliche Naturschilderungen,
Erzählungen von Abenteuern , interessante ethnogra-
phische Abschnitte über die wilden und halbcivüisirten
Indianer in Neu Mexiko und Arizoua, mit statistischen
Nachweisen, ergötzlichen Aufschlüssen über mexikanische
Zustände, Geschichtliches u. ». w.
Berendt, Herrn. Analytical alphabet for the Ma-
xi can and Central American languages. New
York 1869, 8°. 80 S.
Der durch seinen langjährigen Aufenthalt in Amerika
und seine verschiedenen Arbeiten rü tunlichst bekannte
deutsche Forscher macht iu der vorliegenden kleinen
Schrift den Versuch, ein zur genauen Laut Wiedergabe
der meisten amerikanischen Idiome geeignetes Alphabet
aufzustellen.
Bollaert, Will, fixamination of Central&merican
Hieroglyphe. (Jahrbuch 1870 der Londoner an-
thropological Society.)
Auszug davon im Ausland 1870, Nr. 30.
Bowles , Samuel. The Switxerland of America.
A Summer Yacation in the Parka and Mountains
of Colorado. Springfield, Maas. 1869, 8®. 166 S.
Boyer, C. La republique Argentine. Population,
immigration, colonies agricolea. Paria 1869, 8®.
Brasseur’» Entzifferung der yucatek isclien Hiero-
glyphen. (Ausland 1870, Nr. 12.)
Brasaeur de Bourbourg. Manuscrit Troano.
Etudes sur le Systeme graphiquo et la langne dca
Mayas. Paris *1870, 4®. Bd. II, 517 S.
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390
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Brinton, D. G. The national Legend of tho Chahta-
Muakokec Tribes. Morrisania, New York 1870, 8°.
Diese Abhandlung ward ursprünglich im Hwturical
Magazine veröffentlicht und befasst sich mit einer we-
nig bekannten Sage der Creek oder Muakokee Indianer.
Brinton, D. G. Contributions to a grammar of
the Muakokee language. Philadelphia 1870, 8°.
Brinton, D. G. The ancient pbonetic alphabet of
Yucatan. New York 1870, 8**.
Eine klare und »achgemäss« Darlegung des phoneti-
schen Alphabets nach Diego de Lauda.
Browne, J. Boss. Reisen und Abenteuer im
Apachenlande. Jena 1870, 8®«
Burton, B. F. Letter» frum the battle-fieldt* of
Paraguay. Loudon 1870, 8°. 500 S.
Byington, Cyruu. Grammar of the Choctaw Lan-
guage. Edited from the original Mas. in the
Library of the American Philosophien! Society by
D. G. Brinton. Philadelphia 1870, 8°. 209 S.
Mr. Byington war Missionär bei den Cfcoctaws und
starb I86Ä; die vorliegende sehr werthvoll« Grammatik
hinterliess er rum grössten Theile vollendet; das Feh-
lende ergänzte der uns befreundete, seit Jahren mit
amerikanischer Ethnologie beschäftigte Herausgeber.
Canons. Die Hochebenen Canons in den Unions-
gebieten westlich von Rio Grande. (Ausland
1870, Nr. 21.)
Nach dem Werke BclPs: New traeks in North
America.
Charencey , H. de. Le pronom personnel dans
les idiomea de la famille Tapachulane-IIuaateque.
Caeu 1868, 8«.
Charencey, H. de. Essai de dechiffrement d’un
fragment d'inacription palenquüenne. Paris 1870,
8 °.
Chester, J. Transatlautic sketche« in the Weat-
Indies, South America, Canada and the United
States. London 1870, 8°. 414 S.
Chile, Aus. (Wissenschaftliche Leipziger Zeitung
1870, S. 35, 295.)
Berichtet über die Stellung der Deutschen in Chile,
welche in Valdivia den Ton angeben, beklagt, da« »eit
mehr denn 10 Jahren die Einwanderung nach Chile
ganz und gar stocke, polenmirt gegen Gerstäcker,
und berichtet über die Jesuiten, deren Niederlassung
und Bekämpfung durch die nordiinieriksnische Tractat-
gesellschalt, die indess unterer Meinung nach nicht um
Ein Haar besser ist, als die Jesuiten.
Chile in der Gegenwart. (Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 51.)
Auszug aus Dr. Fonck’s gleichnamiger Arbeit.
Chinesen in Californien. (Globus, Bd. XVII, S.47
—48, 208; Bd. XVIII, S. 46.)
Auszug aus dem Berichte de# Schutz Vereins für die
Chinesen iu Californien. Es wird darin unter Anderem
tuirgotheilt . da« die Chinesen das .Sprachstudium eifrig
ptlcgen und darunter »ich viel mit dem Deutschen (!)
beschäftige«.
Codman, J. Ten months in Brazil. With not es
on the Paraguayau war. Edinburgh 1870, 8*.
223 S.
Colorado- Wiisto, die. (Ausland 1871, Nr. 4.)
Corruption, über, in der amerikanischen Gesell-
schaft. (Ausland 1870, Nr. 39.)
Eröffnet einen traurigen Einblick in die bi» in die
höchsten Schichten der amerikanischen Gesellschaft
dringenden Corruption, und wäre zur Leetnrc besonders
für Jene geeignet, welche bei jeder passenden und un-
passenden Gelegenheit nicht verfehlen , uns Europäern
die Vereinigten .Staaten als Muster hinzustellen.
Dali, Will. H. Alaska and its Resources. Boston
1870, 8«. 627 S.
Dieses durch die Fülle »eines Inhaltes gewichtige
Werk ist die Ergänzung zu dem Buche von Wbymper
über Alaschka, welches schon «eit Jahr und Tag in
Aller Händen ist. Während bei Letzterem wir auf
wenig Seiten die Beschreibung der Reise auf dem Yu-
kon nebst einem Kapitel über den Werth Alascbkas
sowie über den asiatischen Ursprung der Eskimo« zu-
»aunneugedräugt finden und der Rest sich auf das
übrige Amerika bezieht, ist das Dal Fache Werk fast
ausschliesslich dem Territorium Alaschka gewidmet; es
gieht auf »einen ersten 240 Seiten ebenfalls die Beschrei-
bung der Reise, sehr reich nnd gut illustrirt, alsdann
im zweiten 280 Seiten starken Tbeil xutammenfasseode
Abhandlungen über die Topographie, Erforschung»- und
Handelsgeschiehte, Eingeborenen, Klima und Bodenbe-
niitzung, Geologie und nutzhare Mineralien, Fischereien,
Pelzhandel und audere Ressourcen Alaschka», endlich
in einem Kapitel verschiedene Notizen über Britisch
Columbia und das nordöstliche Asien. Dem zweiten
Theil schlicsst »ich ein 80 Seiten umfassender Anhang
an . mit statistischen Tabellen über Bevölkerung und
Pelzhandel, mit meteorologischen Beobachtungen, einem
Position» • Verzeichnis» unter Angabe der Autoritäten,
mit Vocabiilarirn, Verzeichnissen von Thieren und Pflan-
zen, endlich mit einer dank ens wert he n Bibliographie
uud einem nicht minder dankenswerthen Sachregister,
Dali, W. H. On the diatribution of the native
tribes of Alaska and the adjacent territory. (Pro*
ceediugs of the Ainer. Association for the Advan-
ceraent of Science 1869. Cantbridge 1870.)
Do Costa. The Xorthmen in Maine. A critical
examination of the viewe of Dr. J. G. Kohl , and
a chapter on the Discovery of Massachusetts Bay.
Albany 1870, 8°. 146 S.
De Costa, B. F. The Nortkmen in America. (Jour-
nal of the Americ. Geograph, and Statist. Society.
New York 1870, Vol. II, Part 2, S. 40—54).
Kurze, auf die Identifuirung der Uertlichkeiten Be-
zug nehmende Geschichte der Normannischen Entdeckun-
gen un der Ostküstc von Nordamerika im Anfang des
11. Jahrhundert», mit einer Karte des Cape Cod, wie
es im Beginn de» 17. Jahrhundert» war.
Dogonor, L. Aua Guatemala. (Aua allen Welt-
th eilen 1870, Nr. 32, S. 249—252.)
Deutsch, Dr. O. Aus dem fernen Westen. Skizze.
(Aua allen Welttheilen 1870, Nr. 35, 36, 37.)
Da# Land, die Entwickelung de» Bergbaues, Land-
lau, Industrie, Bevölkerung, die Pucilk-Bahn.
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391
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
Eieenbahnfahrt, eine, nach Californieo. (Ausland
1871, Nr. 1.)
Entvölkerung, die, der Ackerbangegenden in Neri-
England and die Wanderungen in den Sildataa-
ten der Union. (Globua, Bd. XVII, 8. 62 — 63.)
Auszüge aus amerikanischen Blättern.
Ernst, A. Proben venezuelanischer Volksdichtung.
(Globua, Bd. XVIII, S. 9—12.)
Textangaben mit deutscher Uebersetzung.
Ernst, A. Bemerkungen über das Delta des Ori-
noco und die Guaraunen. (Globus, Bd. XVII,
S. 316 — 318.)
Beschreibt die Wohnungen der Guaraunen (oder rieh*
tiger Guara-uno). Die*«* Volk wohnt durchaus nicht
in den bekannten „Luftschlössern**, die man ibm ange-
dichtet hat; es erbaut »ich vielmehr ganz solide Hütten,
doch selten ln grosser Entfernung von den Ftussufern.
Eyth, Max. Wanderbuch eines Ingenieurs. Hei-
delberg, Winter, 1871, 8“. 2 Bande. Band II.
Amerika.
Petiacbdienat in einer christlichen Kirche zu New
Orleans. (Globus, Bd. XVIII, S. 88 — 89.)
Zeigt wie die Neger io Nordamerika allmälig sum
Fetischismus zurück kehren.
Plemming. Das Delta des Rio Mira in Columbia.
(Ausland 1870, Nr. 3.)
Das nach seiner Natur und Production hier geschil-
derte, löD Lrgtiaa grosse Flussdelta erzeugt haupt-
sächlich Zucker, Bananen, Kakao u. A. Die meisten
Einwohner loben zerstreut über das Land , nur drei
kleine Dörfer giebt cs dort: Cabo Manglares, Manglares
und Boca Grande.
Fonck, Dr. Fra. Chile in der Gegenwart. In
einem Vortrage geschildert. Berlin 1870, 8°.
50 S. *
Diese kleine Schrift zerfallt ausser dem Vorworte in
zwei Abschnitte. Iro ersten giebt der Verfasser eine
geographbebe Lebersicht von Chile, im zweiten behan-
delt er dessen .Staatsleben; im Ganzen befürwortet er
lebhaft die deutsche Auswanderung nach der Provinz
Valdiria.
Forbea, D. On tho Aym&ra Indiana of Bolivia
and Peru. (Journal Ethnological Society« of Lon-
don 1870, S. 193—306.)
Die Aymaras siud ohne Frage eines der interessan-
testen Indianervölker. Sie haben ihre Sprache bewahrt
bis auf die Gegenwart. Ihr Charakter ist iiDgemeiu
zäh und sich gleichgeblieben bis auf heute; die alten
Anschauungen und Sitten sind zumeist unverändert.
Gegenüber d«n Weisseu wie deu Mischlingen bilden die
Avmaras einen scharfen Gegensatz und sind beiden
schon öfters gefährlich geworden. Sie bewohnen den
Nordwesten von Bolivia und den Süden von Peru. Die-
ses ganze Gebiet ist Hochland mit einer Minimalhöhe
von IOOUOFu** über dem Meere; am nördlichen Ende
des Aymaragcl >ietes Hegt der Titicaca-See , dessen
gesummtes Küstenland eine licimuth der Avmaras
gewesen, die man deshalb auch als Titioa<a- Race be-
zeichnet. Aeltere Spanier nennen sie Colla- Indianer,
weil sie die Colla »uyo bewohnten. Die Avmaras,
von den Incas bezwungen, zahlten Tribut, sind alter
nicht dem Reiche cinverleiht worden, nahmen die Spra-
che der Quechuas nicht an, hielten sich isolirt, trugen
ihr Joch nur widerwillig, wurden aber allemal geschla-
gen, wenn sie sich gegen die Peruaner erhoben. Unter
den Spaniern war ihr Schicksal sehr bedauern» werth,
denn niemals sind Negersklaven tyrannischer behandelt
worden. Ihre Zahl schmolz dadurch zusammen; auf
jedem Schritte findet man verlassene Dörfer. Nach
Vertreibung der Spanier dauerten die inneren Fehden
in Peru und Bolivia fort; die überwiegende Mehrzahl
der reinen Indianer betheiligte sich nicht dabei, blieb
abseit als Zuschauer, liess über sich ergehen, was eben
kam. Ihre Zahl wuchs wieder an; allmälig wurden sie
sich ihrer Macht bewusst und nahmen den Racenkampf
auf. Die Aymaros hegen einen ingrimmigen tiefen
Hass gegen ihre weiasen Unterdrücker. Die Verfas-
sung erklärt sie zwar für frei, doch sind sie kaum bes-
ser daran «1» Leibeigene; sie zahlen eine Jahresabgabe
von 4 bis 10 bolivianische Dollar per Familie. An der
Npitte der Commune steht als Alcaldc ein Indianer;
Gemcindeaugelegeti beiten ordnen sie selbständig, ver-
theilen die Ländereien unter sich nach Bedarf. In
Pen» ist der Tribut der Indianer aufgehoben worden.
An Strassen, Brücken, Kirchen u. s. w. aber müssen
sie ohne Bezahlung arbeiten.
Gesummt za hl der Ayiuura* */ 4 Millionen Köpfe:
1H56 in Bolivia (in 11 Provinzen) 441*746; 1864 aber
497*307; in Peru 379*884 Köpfe; Schätzung indesa
wahrscheinlich um 100 000 zu hoch.
Körperbau kräftig, massiv, durchschnittlich 6'3 W eng-
lisch, selten 5* 4". Augen klein, schwarz oder tiefbraun,
•Schultern breit, Rumpf lang, Beine kurz, Fuss klein,
Brustkasten stark ; niemals beleibt. Gesichtsprofil gut,
Nase gebogen, Mund nicht sehr gross, Lippen nicht
sehr aufgeworfen, voll, gelblich oder braun * röthlich ;
Zahne schön. Haar voll und üppig, schwarz oder tief
sebwarzbraun, ganz straff, fein; selten oder niemals
grau oder gar weiss. Männer bartlos, überhaupt am
ganzen Körper haarlos; Haut glatt, weich, sanft, wie
polirt, nie klebrig, kühl, ohne merklichen Geruch. Farbe
braun, wechselt je nach Üertlicbkeit und Beschäftigung.
Der Aym&ra kann erröthen.
Er lebt auf dem Hochland und leidet nicht an der
Bergkrankheit; unter HOOG* Meereshöhe fühlt er sich
nicht behaglich, in den Niederungen stirbt er rasch da-
hin. Gesii-litsansdruck melancholisch, aber entschlossen;
ernsthaft, schweigsam, nachdenklich; nicht mittheilsam,
misstrauisch ; weder Marter noch Tod können dem
Ayuiura ein Geheimnis« abpresaen, das er bewahren
will.
Die Arbeit von Forbes ist wohl das Vollständigst«,
was in neuerer Zelt über die Aymaras geschrieben
worden ist und des eingehendsten Studiums werth ; sie
enthält noch viele, viele Details über Alterthümer,
Sprache, Sitten und Gebräuche dieses Volkes, so wie
ein Vocabular, welches freilich im Vergleiche zu
Tsehudi’s Wörterbuch »ehr dürftig erscheint. Indests
hatten wir noch nicht Gelegenheit zu prüfen, ob es
nicht doch vielleicht Neues enthalte. Jedenfalls darf
die Arbeit Forbes’ von keinem Amerikanisten über-
sehen werden.
Forwood, W. Stump. An historical and Deitcrip-
tive Narrative of the M&mmoth Cave of Kentucky.
Philadelphia 1870, 8°. 226 S.
Enthält Erklärungen über die Ursachen der Bildung
dieser Höhle, ihre atmosphärische Beschaffenheit, dann
chemisch«, geologische und zoologische Notizen, so wie
Details über die augenlosen Fische.
Foater, Dr. J. W. The Mississippi Valley; its
physieal geography, iuclading sketches of the
topogrnphy, botany, climate, geology and mineral
re&ources , and of the progress of development in
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392
Verzeichniss der anthropologiachcn Literatur.
populaiion and material wealth. Chicago and
London 1869, 8°. 460 S«
Von diesem Buche mteremut uns nur der Abschnitt
am Schlüsse über den Ursprung der Civilisation und
jener über die Fortschritte der Besiedlung und Produc-
tion der westlichen .Staaten. Die beiden Kapitel über
den Ursprung der Prairien können »ich zwar an Viel-
seitigkeit und anmuthiger Behandlung nicht mit dem
betreffenden Aufsätze Pcschel’s in den „Neuen Pro-
blemen der vergleichenden Erdkunde“ messen, aber von
derselben Ucbcrzetigung ausgehend, dass neben der
Temperatur die räumliche und zeitliche Vertheilung des
Regen* die Existenzbedingung für Wald, Stepp« und
Wüste abgiebt, fuhren sie die Abhängigkeit der Regen-
vertheilung vom Winde schärfer durch, und stellen die
Wind- und Regenverhiltnisse Nordamerikas dadurch ln
ein neues Licht, dass sie eine Ablenkung des Passates
ans dem mexikanischen Golf nordwärts über den Cun-
tinent hin nachweisen. Diese Ausführungen sind in-
teressant; verhälinksmäasig schwach sind die Abschnitte
über den Einfluss des Klimas auf den Menschen und
über den Ursprung der Civiliaation ; über diese schwie-
rige, viel umfassende Themata giebt es weit bessere Ar-
beiten.
Gaffarel, Paul. Etüde sur les rapporte de PAmö-
riquo et de l’ancien continent, avant Christophe
Colomb. Paris 1869, 8°.
Gauchos, die, der argentinischen Republik. (Aus-
land 1871, Nr. 2.)
Geöcze, Istran. Utazas Brazil iaba «*a viaaza. (Reiße
nach Brasilien und zurück.) Pest 1869, 16°. 2
Bände.
GerstÄcker, Friedr. In Mexiko. Charakterbild
aus den Jahren 1864 bis 1867. Jena 1871, 8°.
4 Binde.
Gerstäckor, Friedr. Neue Reisen durch die Ver-
einigten Staaten, Mexiko, Ecuador, Westindien
und Venezuela. Jena 1869, 8 n . 3 Binde.
Goering, A. A visit to the Guajiro Indians of
Maracaibo, (lllustrated Travels 1870. Part 13,
S. 19 — 21.)
Gravier, Gabriel. Dccou verte« et etablissements
de Cavalier de la Salle, de Rouen, dans PAme-
rique du Nord. Paria, Matsonneuve, 1870, 8°.
411 pag.
Graysofi , Andrew J. Rambles in Northern Me-
xico. (Overland Monthlv. San Francisco, Jan.
1871.)
Green, N. W. Mormonism: ite rise, progress and
present Condition. Hartford Conn. 1870, 12*
472 S.
Hartt, Ch. Frod. Scientific results of a journey
to Brazil by Louis Agassiz and his travelling
Companion«. Geology and physical geography
of Brazil. Boston 1870, 8°. 620 pag.
Hartt, Ch. F. On the Botocudos of Brazil. (Pro-
ceedings of the Americ. Ashoc. for the Advance-
ment of Science 1869. Cambridge 1870.)
Hazard, Samuel. Cuba with Pen and PenciL
Hartford 1871, 8«. 584 S.
Heine, Wilh. Reise zur Vermessung des Isthmus
von Danen. (Ausland 1870, Nr. 30, 31, 32, 33.)
Nur wenig« ethnographische Notizen über die San
Blas Indianer enthaltend.
Hollwald, Friedr. v. Zur Geschichte des alten
Yucatan. (Ausland 1871, Nr. 11.)
Kurzer l'eberblick der Geschieht« des Maya -Volkes
und des Zusmumcnhangrs seiner Cultur mit jener der
Nachbarländer.
Hinwegschwinden, das, der Indianer in Wiscon-
sin und Minnesota. (Globus, Bd. XVII, S. 191
u. 192.)
Aaszug aus dem „Cincinnati Volksfreund": Die
Wälder sind hin, dos Wild ist weg, die Cultur kommt,
und der Indianer geht.
Hinwegsterben , das, der Neger in den südlichen
Staaten Nordamerikas. (Globus, Bd. XVII, S. 349.)
Der Neger eurzieht sich der freien Arbeit ; die Neger-
arbeit wird mit jedem Jahre werth loser. Er stirbt schnell
hinweg; es ist ihm zu kalt in den nördlicheren (»egen-
den. In ('harleston sterben täglich ungefähr 30 Neger.
Es werden fast gar keine Negerkindvr mehr geboren.
Die Weiber erwürgen »i«, sobald sie auf die Welt kom-
men. Diese Angaben sind der abolitionistiscben und
Negerfreundlichen „New York Tribüne“ entnommen.
Indian Superstition*. (English Essays, Volum II,
p. 187—205.)
Wir halten es für eine sehr glückliche Idee, die in
englischen Zeitschriften zerstreuten gediegenen Aufsätze
der wissenschaftlichen Welt gesammelt darzubieten and
würden wünschen, dass ähnliche Unternehmungen für
Frankreich und Deutschland in Schwange kämen. Auch
der vorliegende Aufsatz ward schon 1866 in der North
American Review veröffentlicht mnf Grundlage der Ar-
beit von Per rot über die nordamcrikmnischen Indianer.
Er gewährt ein treffliches Bild der eigentümlichen
Geistesrichtung , in welcher sich die indianischen über-
natürlichen Vorstellungen bewegen.
Indianer. Die peruanischen Indianer. (Ausland
1870, Nr. 50, 51.)
Indianer -Bevölkerung in den Vereinigten Staa-
ten von Nordamerika. (Ausland 1870, Nr. 37.)
Numerische Angaben über die Stärke der Stämme
und die Zahl der Indianer in den einzelnen Staaten
und Territorien , jedoch ohne Angabe der Quelle und
des Jahres, worauf sich die Daten beziehen.
Kapp, F. Geschichte der deutschen Einwande-
rung in Amerika. New York 1870, 8®. 416 S.,
1. Band.
Keim, Randolph. San Domingo. Pen Pictures
and leavcß of travel, romance and history. Phila-
delphia 1870, 12«. 336 S.
Jagden auf den Pampas des Laplata. (Ausland
1870, Nr. 33.)
Schilderung einer Straussjagd.
Justiz, die, im spanischen Amerika. (Ausland 1871,
Nr. 1, 3.)
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393
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
King, Th. St. The white Hills, their legende,
lundscapes and poetrv. New York 1870, 8".
403 S.
Kirchhoff, Theodor. Das nördliche Texas. (Glo-
bus, Bd. XVIII, S. 24—26, 39—41, 69—71.)
Eingehende Schilderung der gegenwärtig in Texas
herrschenden Cult Urzustände ; totale Unbrauchbarkeit
der freien Neger zur freien Arbeit; Nothwendigkeit
einer chinesischen Einwanderung und hiertu getroffene
Anstalten.
Kirchhoff, Th. Die indianischen „civiluirten Na-
tionen 1 * nördlich vom Red River. (Globus , Bd.
XVIII, S. 137—140.)
Schildert die Lage der Choctaws, Chickasaw», Creeks,
Cherokee» und Seuiinolen im indianischen Territorium
und consutirt, dass sie aussterben.
Klarbach, H. Die Red - River Colon ie und der
Aufstand der Mischlinge. (Globus, Bd. XVII,
S. 375—378.)
Der Verfasser, welcher vier Jahre in der Red -River
Co Inn ie angebracht hat und die dortigen Verhältnisse
genau kennt, schildert die aus französischem und india-
nischem oder schottischem Blute entsprossenen Misch-
linge.
Knortz, Prof. Carl. Märchen und Sagen der
nordamerikanischen Indianer. Jena 1871 , 8 9 .
285 S.
Mit lebhafter Freude begrüssen wir ein Werk , wel-
ches unsere noch sehr beschränkte Kenntnis» auf dem
Gebiete der amerikanischen Sagen so ansehnlich erwei-
tert; denn Professor Knortz hat die uns gebotenen
87 Nummern nicht bloss aus schon gedruckten Quellen,
sondern vielfach ans dem Munde der Eingeborenen
selbst aufgexeulinet, wodurch sein Buch die selbständige
Wichtigkeit einer Quellschrift bekommt. I>cr reiche
Inhalt umfasst zunächst eine ganze Reihe kosmopoliti-
scher Mythen der verschiedenen Stämme, dann ferner
eine Menge mythologischer Erzählungen, dte theils noch
wirkliche Mythen, theils tohoa zu Märchen umgewao-
delt sind, alle aber für die Geschichte der indianischen
Religionen grosse Bedeutung haben; drittens verschie-
dene historische Erzählungen von der Herkunft, den
Kämpfen der Stiiuuue bb zu anekdotenhaften Zügen
einzelner Helden; und endlich eine ziemlich lange Reihe
oft ganz allerliebster Tliierfnbeln , welche theils mytho-
logisch die Entstehung oder dio Eigenart der Thierc
darstellen, theils aber auch moralische Züge in echtes
Kabelgewand einkleiden. So sehen wir denn durch das
Buch von Knortz wie durch einen Querschnitt in das
innerste Wesen des heutigen Indianerglaubens; und
gerade dieser Einblick spricht für die Nothwendigkeit
der Sammlung , denn manche Mythen sind schon in
solchem Verfall , dass ihnen gänzliche Vergessenheit
drohte. (Besprechungen siehe in der Allgemeinen Zei-
tung 1870, Nr. 860 und im Globus, Bd. XVIII, 8. 844
— 345, letztere, wie wahrscheinlich auch die erster«,
aus der Feder I)r. GerlandV)
Krebs, Prof. W. Ein Besuch bei deu halbem li-
sirien Bewohnern Nebraskas. (Globus, Bd. XVII,
S. 220—222, 236—238.)
Berichtet über Kintheilutig, Zahl, Sitten, Ehe, Tracht,
geistige Fähigkeiten , Sprache und religiösen Glauben
der Pawnee Indianer. Kurze Notizen über die Oma-
kas Winnebagos, Santi-Sioux, Saxs und Foxes, Jowas
und Missouris. Auch hier wird das rasche Dahlnster-
Arcliiv fllr Anthropologie. Bd. IV. Heft IV.
ben der Rothhäute, befördert durch da» unbezeinhenbare
Vorgeben der Weilten, coimatirt.
Kupfer, Dr. Die Cayapo-Indianer in der Provinz
Matto - Grosso. (Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde 1870, Bd. V, S. 254 — 255.)
Larimer, Sarah L. The Capture and Escape; or,
life among the Sioux. Philadelphia 1870, 12".
252 S.
Leben, das. auf der Landenge von Panama. (Aus-
land 1871, Nr. 5, 6.)
Lefroy, R. A. Note on the stature of American
Indiana of the Chipewyan tribe. (Journal of the
Ethnological Society of London 1870, S. 44 — 45.)
Tbeilt die 1843 gemessenen Höhen von 33 erwachse-
nen Chipeway - Indianern mit, welche in der Mehrzahl
nicht unter 6 # 7" englisch massen. Ein Weib mass
5' 9".
L^vy, Paul. Le Nicaragua. (Legendes et uotea.)
Lettre k M. Michel Chevalier. (Bulletin de la
Societe de Geograph. Paris, Mars 1870, pag. 203
— 217.)
Erzählt eine Legende der Indianer auf der Insel
Ossoteps im Nicaragua - See , welche das flenimiehen
von Culturvölkcrit au» dem Norden bestätigt.
Ludlow, Pit« Hugh. The Heart of the Conti-
nent. A Record of travel across the plains and
in Oregon. With an Examination of the Mor-
mon Principle. New York 1870, 8°. 568 S.
Mac Clung, John. Minnesota ns it is in 1870.
New York 1870, 12°. 300 S.
Mac Crea, R. B. Lost amid the fogs: aketchcs of
lifo in Newfoundland , Englands ancient colony.
London 1869, 8°. 314 S.
Macrae, D. The Araericans at home. Pen-and-
ink Bketches of American men, mann er». London
1870, 8'>. 2 Bdc.
Mendoza, Eufomio. De la e&critura Mcxicana.
(Boletin de la Sociedad Mexic. de geografiü y
eetadistica. Mexico 1869, S. 896 — 904.)
Der Autor stellt eine neue Theorie zur Entzifferung
der mexikanischen Hieroglyphen auf; er glaubt, dass
um ein aztekischrs Mannscript zu lesen, man damit
beginnen müsse, die Wurzeln jener Worte zu suchen,
welche die gemalten Gegenstände bezeichnen; diese
unter einander combinirt ergeben den Sinn; man hätte
es demnach mit einer Art Sylbenschrift zu thun. Die
Methode und Ansicht Mcndosa’s scheinen indessen
jedenfalls grosse Willkürlichkeiten in der Deutung zu-
zulassen.
Mexikanische Typen und Skizion von H. v. W.
Berlin 1870, 8«.
Der Verfasser, wahrscheinlich ein Österreich isc her
Offizier, hat nicht beabsichtigt , ein Buch von wissen-
schaftlichem Gehalt zu schreiben; ihm kam es offenbar
nur darauf an, einige der in Mexiko während des Kai-
serreiches erlebten Sceneu dem Leser vor Augen zu
bringen. Es ist ihm dies in so fesselnder Webe ge-
lungen, das» kaum irgend Jemand das anspruchlose
Büchlein unbefriedigt aus der Hand legen wird. Wenn
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Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
•tich, wie es scheint, kein besonderer Anhänger Maxi«
milian’s, bemüht Bich doch der Verfasser sichtbar
die Dinge mj darxustellen, wie sie sich wirklich verbiet«
ten, und dieses Streben nach Wahrheit genügt voll-
kommen dem Leser zu zeigen, auf wessen Seite er sich
zu stellen hat. Sehen wir von einigen lächerlichen
Phrasen ab, wie z. B. jene, dass Marques, „der Wolf
de* Kaiserreiches, eine unmögliche Person in der Keihe
der Republik 4 * war, lächerlich deshalb, weil wir nicht
verlegen wären, ein halbes Dutzend genau solcher Ehren-
männer namhaft zu machen, die in republikanischen
Diensten standen — so muss man anerkennen, dass
neben grosser Unparteilichkeit scharfe Beobachtungsgabe
hervortritt, welche Licht und Schatten richtig vertheilt
und das Bemerkenswerthe gebührend hervorhebt. We-
gen dieser Unbefangenheit wird das Büchlein mit Nutzen
gelesen werden, denn es wirft sehr interessante Streif-
lichter auf die socialen Zustände Mexikos nicht nur
unter dem Kaiserreiche, sondern im Allgemeinen. Wir
schliessen hier noch die Aufzählung der einzelnen Ka-
pitel an: Eine heilige Mission. — Eine Audienz bei der
Kaiserin Charlotte. — Ein Jaguar und zwei Wölfe. —
Ein Diligence-Abenteuer. — Ein landläufiger Räuber.—
General Mejia’s letzte Augenblicke. — Eine Tertulia. —
Das Guadalupe-Fest in Mexiko. — Ein Tag in Vera-
cruz. — Die Pluteados.
Mexiko. Aus Mexiko. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 226.)
Mexiko. Die Menachenjagd in Mexiko. (Allge*
meine Zeitung 1870, Nr. 220, 221, 231, 232,
233, 234.)
Michigan. (Engliah EsHays, Vol.IV, S. 170 — 194.)
Nach der North American Review 1868, enthält nichts
Ethnologisches.
Morgan, Lowia H. Indian Migration». (North
American Review. Boston, Jan. 1870.)
Mormonen, die. (Allgemeine Zeitung 1870, Nr.
41, 235.)
Schildert die dermalige Lage der Mormonen und die
Ursachen des unter denselben amgebrochenen Zwistes.
New-FoundlandL. A glance on New-Foundland.
(Nnutieal Magazine, Novbr. 1870, S. 586 — 593.)
Politische Verhältnisse, Lebensweise der Bewohner.
Itieoli, Joao P. Las ruinas de Yucatan y loa via«
jorofl. (Boletin de la Soc. Mex. de geografiA y
estadiatica. Mexico 1870. 8. 510 — 524.)
Phrase, Phrase und nichts als Phrase! Viel Geschrei
und wanig Wolle! Die ganze Abhandlung ist da» Pa-
pier nicht werth, worauf sie gedruckt ist; über die für
die altamerikuni»! he Kultur so hochinteressanten yuca-
tekischeia Altvrthümer erfährt man in dieser Schrift
gar nicht». Einige Bemerkungen über den Charakter
der yucatekischen Indianer laufen mitunter; sie sind
aber nicht neu.
Noticia de lan tribuB selvajeB conocidos que habi-
tan en el Departamento de Toja«, y del uümero
de familiaa de que consta cada tribu, puntos en
que babitan y terrenos en que acampan. (Bole-
tin de la Soc. Mex. de geografia y estadistica.
Mexico 1870. S. 264 — 269.)
Diese Angaben besitzen nur einen historischen Werth,
denn sie beziehen sich auf da» Jahr 1828.
Noyos, John Humphroy. Ilistory of American
Socialisms. Philadelphia and London 1870, 8*.
678 S.
Obsidian, der, und seine alterthümlicbe Verwen-
dung in Mexiko und Peru. (Ausland 1870,
Nr. 48.)
Orton, James. The Andes and the Amazon; or
across tbeContinent of South America. New York
1870, 8* 356 8.
Beschreibt eine nuturwi»»«n»cli*ftliche Expedition von
Guayaquil über Quito zum Rio del Napo und diesen
so wie den Amazonas hinab bis Para. — Einen aus-
führlichen Auszug siche im „Ausland 44 1870, Nr. 12,
a 266-271, Nr. 13, S. 296—301.
Pampas-Indianer. (Ausland 1870, Nr. 28.)
Bericht des Uberstcommandirenden der Garnison an
der Grenze Süd und Südost von Cordova; enthält in-
teressante Daten.
Paraguay. Daa Volk Paraguays. (Ausland 1871,
Nr. 1.)
Paraguay. Sieben Monate bei Lopez in Paraguay.
(Ausland 1870, Nr. 11, 12, 13, 14.)
Paraguay and Her Enemies. (Harper’s New
Monthly Magazine. New York, Febr. 1870.)
P&yno, Manuel. Eatudios »obre la historia anti-
gua de Mexico. (Boletin de la Soc. Mex de geo-
grafia y estadistica. Mexico 1870. S. 117 — 140,
198—208.)
Unter dem vielen Unbrauchbaren, welches Mexiko
auf wissenschaftlichem Gebiete au Tage fördert, bilden
dies« Kstudio» eine erfreuliche Ausnahme. Fern von
allen Abschweifungen und ungesunden Phrasen, befas-
sen sie sich ausschliesslich nur mit dem vorgeworfenen
Thema, das sie in nüchterner Weise erörtern. Nach
einer Uebcrslcht der vorhandenen Quellen wird über-
gegatigen auf die Geschichte von Cholula, Huexotzingo,
TlaxcuJa, Chalco, Mut latzinoo , Sonora, Califomien , Al-
cttiiuac, Mcxico-Tenochtitlan.
Peru. Da» Schul wesen in Peru. (Ausland 1870,
Nr. 36.)
Schildert dasselbe in den düstersten Farben. Wir
fügen hinzu, dass das Gleiche fast ausnahmslos von
allen spanisch-amerikanischen Republiken gilt.
Peyton, J. L. Over the Alleghanies and acroas
the Prairies. Personal recollections of the Far
West. One and twenty year* ago. London 1869,
8». 393 S.
Pitchlynn, Peter, der Choctaw-Hfiuptling. (Aus-
land 1870, Nr. 23, S. 544—546.)
Enthält sehr vieles über dt« Choctaw-Indianer.
Pollard, Edw. A. The Virginia Tourist. Skotchee
of the SpringB and Mountains of Virginia. Phi-
ladelphia 1870, 8°. 278 S.
Ramblos in Cuba. New York 1870, 12“. 136 S.
Heidenbach, J. A. Amerika. Eine kurze Be-
schreibung der Vereinigten Staaten, sowie ein
Rathgeber für Auswanderer. Nördlingen 1870, 8°.
Der Verfasser, ein deutscher Pfarrer, hat sieh redlich
bemüht, auf Grund langjähriger Erfahrung den dcut-
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 395
sehen Auswanderern die Mittel und Wege anschaulich
zu machen, mittelst deren sie sich sowohl auf der Heise
nach Amerika, als auch nach der dort erfolgten An-
kunft aut leichtesten vor Schaden bewahren dürften.
Die ganze Darstellung der Verhältnisse ist aus einer
vonirtheilsvollen, gewissenhaften Beobachtung hervor-
gegangen, und dürfen wir dasselbe, trotz unseres gros-
sen Misstrauens gegen ähnlich'- Kathgeber, die oft nur
den Sonderinteressen gewisser Geschäftsleute auf unver-
schämte Weise das Wort reden, als einen ehrlichen,
verständigen und praktischen Kobebegleiter empfehlen.
Beisebriofo aus der neuen Welt. (Allgemeine Zei-
tung 1870.) I. Von Japan nach Californion.
Kr. 10.
Diese Heisebriefe aus der Feder des bekannten Geo-
graphen Hofrath Dr. Carl Kitter von Scherzcr sind
leider ohne Fortsetzung geblieben.
Beisebriefe. (Wissenschaftliche Leipziger Zeitung
1870, Nr. 17. 19, 20, 21, 22.)
Io hohem Grude iesenswerth. Was der Verfasser
sah , zeigt, dass sich dio Zustände in Mexiko seit Zer-
trümmerung des Kaiserreiches in keiner Weise gebessert
haben. In der Umgebung von San Blas wimmelt es
von Dieben und Strassenraubern , welche nicht nur die
Hebenden berauben und oft morden, sondern zu grös-
seren Banden vereint die einzelnen Häuser und Be-
sitzungen angreifen und ausplündern, ja sogar in die
Städte eindringen und überall Schreck und Verwirrung
verbreiten. Der einzige Theil des Staates Xaltbco, in
dem Ordnung und Kulte herrschen, ist die Sierra Alica,
wo Lozada, ein Vollblut-Indbner, unumschränkter Herr
und Gebieter ist und sich nicht im geringsten um die
Regierung der Republik kümmert. Da Lozada, wenn
auch streng und despotisch, gerecht und energisch war,
so strömten ihm viele Einwanderer zu, wodurch sein
Ansehen wuchs und er der Republik Trotz bieten konnte.
So erzählt uns der Reisende aus dem Jahre 1668. Wir
fugen hinzu, das» dies derselbe I.ozada Ist, welcher,
einer der treuesten Anhänger Kaiser Maximilian’» , vor
unseren für die Republikaner schwärmenden Journalen
als ein wahres Scheusal dargestelit wurde.
Im weiteren Verfolg dieser Reisebriefe linden wir
eine interessante Schilderung des Reisen» in Mexiko,
eine Darlegung der Brasseur’schen Theorien über
den Ursprung der amerikanischen Eingeborenen und
eine Beschreibung de» socialen Leben» in Culiacan, die
für die mexikanische Stadt nicht so ungünstig ausfallt
als Manche vielleicht meinen. Der Autor ist rin guter
Beobachter and lallt zumeist richtige Urthcilc. Wenn
er imless die spanische Colonialpolitik nach jeder Rlch-
tung hin verdammt, so möchten wir ihm zu bedenken
geben, dass ein grosser deutscher Volkswirtschafts-
lehren, Wilhelm Koscher, ebenso unparteiisch deren
Vorzüge darlegt- Ueberraschend bt ferner die Behaup-
tung, dass man hier zu Laude keinen Unterschied zwi-
schen den verschiedenen Kacen mache, dass vollkom-
mene Gleichberechtigung derselben herrsche und Altes,
was in Europa über Kacenkämpfe und dergleichen in
Mexiko berichtet worden ist, jeder Begründung entbehre.
Diese Behauptung bt, wie gesagt, ganz neu und in
vollem Widerspruch mit allen übrigen Berichten aus
alten Thellen des spanischen Amerika. Wir
können ihr daher nur ein »ehr beschränktes Vertrauen
entgegenbringen, um so mehr, da auch dio ganze Ge-
schichte dieser Lander dagegen spricht. Die Berichte
de» Verfassers über politisches Staatsleben, Sitten nnd
Gebräuche sind lebhaft geschrieben, bieten übrigens nichts
Neues. Indes» werden dieselben mit grossem Interesse und
Nutzen von Solchen gelesen werden, die sich über die ge-
genwärtigen Zustande Mexiko» unterrichten wollen. Der
Verfasser bemüht sich sichtlich, die staatlichen Einrich-
tungen in dem besten Lichte erscheinen zu lassen, doch
strafen ihn seine eigenen Ausführungen Lügen, welche
dieselben in keiner Weise empfehlenswert erscheinen
lassen. Dass in ganz Spanbch-Atnerika die liberale,
radicale Phrase obenauf schwimmt, wissen wir längst,
dass es aber mit Handhabung derselben in hohem Maa^se
elend aussieht, ist eben so gewiss.
Bice, Harvey. Leiters from the Pacific Slope: or,
first Impression». New York 1870, 12°. 135 S.
Rink, Dr. H. Die Dichtkunst der Eskimo. (Aus-
land 1870, Nr. 24, 25.)
Ausserordentlich werthvollor Aufsatz. \
Bobinaon-Inael (Juan Fernandos) und ihre deut-
schen Bewohner. (Ausland 1870, Nr. 9.)
Sartorius, Carlos. Forti ficaciones antiguae. (Bo-
letin de la Soc. Mex. de geograjüa y estadistica.
Mexico 1869. S. 818—827.)
Der in weiten Kreisen rühmlich («kannte Besitzer
von Mirador, der Deutsche Carl »Sartorius beschreibt
hier in deutsch - gründlicher Webe alle Banreste, die
offenbar fort iiiea torischen Zwecken gedient hatten : die
Schanzen von Tlacotepec, von Centia nnd Calcahualco.
Schaff, Dr. Der anglo- amerikanische Sonntag.
Deutach von J. G. Zahuer. New York 1870, 8°.
116 S.
Schott, Dr. Arthur. Kokömea oder die Fest-
rauchcigarren der Mayas. (Ausland 1870, Nr. 16.)
Beschreibt die Verfertigung einer wohlriechenden Ci-
garre, die zur Glanzzeit der Mayas ab eine Art Weihe
oder Festrauch bei den Grossen und den Priestern in
hohem Ansehen stand.
Schott, Dr. Arthur. Weiteres Uber den Nien
(Niehn) von Yucatan. (Ausland 1870, Nr. 49.)
Schott, Dr. Arthur. Ueber ein Kleinod aus dem
Maya-Alterthum. (Ausland 1870, Nr. 2, S. 44—
46.)
8chriftvorsuche, über, »üdamenkanischer Einge-
borner. (Ausland 1870, Nr. 21.)
Nach der Arl«it de» grossen Kenners amerikanischer
Urgeschichte William Bollaert im Jahrbuch der
Londoner Aiithrnpulogical Society.
Schriftseichen , über die, der Maya in Yucatan.
(Aoslsud 1870, Nr. 30, S. 707—710.)
Sehr klarer, fasslicher Aufsatz, welcher resumirt, was
wir über das Maya - Alphabet wissen und zugleich in
Abbildungen die Sinnbilder und Nanieu der 20 Tage
de» yucatekbchen Monats, jene der 18 Monate des yu-
catekUchen Jahres, endlich die 27 Buchstaben und 6
Aushülfszeichen des Maya- Alphabet« mittheilt.
Sohwerdt, H. Die Pacific-Eisenbahn und die In-
dianer in Nordamerika. Langensalza 1870, 8°.
Simonin, L. L’homme americain. Notes d ethno-
logie et de linguistique Bur les Indiens des Etats-
Unis. (Bulletin de la Soc. de Geogr. Paris 1870,
L S. 118—143.)
Herr Louis Simonin war vom kaiserlich französi-
schen Unterrichtsministerium, Herrn Dnruy, mit einer
wissenschaftlichen Mission nach den Vereinigten Staaten
80 *
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396 • Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
betraut und legt in dem vorstehenden Aufsatz seine
Beobachtungen über die nordamerikaniscben Indianer
nieder. Simon in vertheidigt in lebhafter Weise den
Autochtbonismus der rothen Uacv, die er als ein Pro-
dukt des amerikanischen Bodens betrachtet wissen will,
und stimmt hiermit völlig mit jenen Ansichten überein,
welche auch lange Zeit vom Referenten vertreten wor-
den sind. Freilich war dies in einer Epoche, wo es
ihm an einer genaueren Kenntnis» der Seither besser
gewürdigten Lehre Darwin 's gebrach, und er an einer
Vielheit der ursprünglichen Menscbenracen festhalten
zu dürfen vermeinte. Davon kann natürlich heute keine
Rede mehr sein, wo die meisten Naturforscher sich auf
Grund der Darwinschen Theorie für die Einheit des
Menschengeschlechtes aussprechen. Damit ist aber a
priori eine uran tun gliche Bevölkerung Amerikas durch
asiatische Einwanderung zugestanden , die überdies Dr.
Peschei im „Ausland 14 ausserordentlich plausibel ge-
macht hat. Dort ist im Vorhinein jenen Einwänden
begegnet, welche Simonin gegen eine solche Einwan-
derung in’s Feld führt; dass man in Amerika eine wirk-
lich abgesonderte Menschenrace vor sich hat — eine
Anschauung, welcher Referent vollständig beistimmt —
beweist nichts gegen die Einwanderung; denn jeden-
falls ist seit jener Epoche so viel Zeit verstrichen, dass
der amerikanische Mensch sich zu einem völligen Typus
herausbilden konnte. Auf Kultur, Geistesrichtung und
dergleichen hat die ursprüngliche Einwanderung keinen-
falls einen Einfluss gehabt, und insofern ist er auch als
Autochihone zu betrachten. Referent ist dadurch in
die eigentümliche Lage geraten etwas bekämpfen zu
müssen, was er vor einigen Jahren noch selbst verthei-
digt hätte, thut aber dies hier uui so leichter, als seiner
Meinung nach ein starres Festhalten von Ansichten,
der Consequetiz halber, wissenschaftlich keine Entschul-
digung findet. Herr Siraonin scheint indes» an die
Lehre Dar w in’s gar nicht gedacht zu haben, denn er
thut ihrer nicht die geringste Erwähnung; dagegen
neigt er offen zu der beinahe völlig verlassenen Theorie
Agassiz’s von verschiedenen Schöpfungscentrcn. In
die hellste Opposition müssen wir uns aber mit Herrn
Simon in setzen, wenn derselbe auch die Wanderung
der amerikanischen Völker innerhalb des nenvn (Konti-
nents läugnet. Niemand, der auch nur irgendwie ver-
traut ist mit amerikanischen Studien , vermag zu liug-
nen, dass eine solche Völkerwanderung in der That
stattgefunden habe; dafür bestehen geradezu unwider-
legliche, linguistische und archäologische Beweise, denen
gegenüber Siraonin’s Phrase, der mexikanische India-
ner verlasse niemals seine Hcimath, sehr wenig Sinn
hat; jetzt freilich verlässt er sie nimmer, aber es wäre
der Beweis zu erbringen, dass er sie niemals verlassen
hat, und diesen Beweis führt Herr Simonin nicht.
Nach »einem Systeme liesae sich ja auch das Totteken-
Volk wegläugnen, da dasselbe heute nicht mehr besteht;
die sprachlichen und sonstigen Spuren seiner Existenz
darf man nur einfach ignoriren. Mit solcher Theorie,
fürchten wir aber, wird man nicht weit kommen und
das Lösen der Käthsel, welche nns die Ethnologie der
Neuen Welt bietet, keineswegs beschleunigen. Abge-
sehen von «fiesen unhaltbaren Anschauungen, sind die
Schilderungen der Indianer durch den französischen
Reisenden, dem inde*s offenbar das zu gelehrten Erör-
terungen nöthige Wissen fehlt, recht intcrc-iannt und
naturgetreu; sie werden von Jedem mit Vergnügen ge-
lesen werden, und hoffen wir baldmöglichst einer Fort-
setzung dieser Skizzen in den Schriften der Pariser
Geographischen Gesellschaft zu begegnen *)• Kitten
ln Koltfc des diMitKb-fr»ni-ü»l»ch<'n Krtetre» «chelnt «Ile 1’«-
bhcatkm der (if»ell»rhaft«&chriftcn unterbrrirbifii worden rri »rin.
Drin liefemit*-» l*t *1» Mitglied der Ck«*]I*ch»ft Ende Juli vt»-
rlgen Jatue« d«i Jtmiheft 1870 &]* letzte« Urft <ugck(imm*-u.
ausführlichen Auszug der Simonin’schen Arbeit siehe
Im „Ausland“ 1870, Nr. 27, S. 631*—- 63b unter dem
Titel: L. Simon in über die Rothhäute der Vereinig-
ten Staaten.
Sklavenemancipation, die, in Brasilien. (Globus,
Bd. XVII, S. 303.)
Squior, E. G. Honduras; deacriptive, historical
and Statistical. London, Trübner, 1870.
Recensirt im Londoner „Athenäum“ Nr. 2244, S. 558.
Squier, E. G. The prixneral Monuments of Peru
compared with those in other parts of the World.
1870, 8°.
Squier, E. G. Observations on tbe Chalchihuitl
of Mexico and Central America. New York 1869,
8 4 '. 22 S.
Der unermüdliche Forscher auf dem Gebiete mexi-
kanischer Altert humsk and«*, unser Freund, Herr E. G.
Squier, hat in dem Vorliegenden eine sehr lesenswerthe
Abhandlung über die Chalchihuitls geliefert- Der Cbal-
chihuitl , aus einer Gattung grünem, smaragdähnlicfeem
Gestein gearbeitet, war von den alten Mexikanern als
Zierde benutzt und staud bei ihnen in hohem Ansehen.
Sehr häufig thun davon die ersten Entdecker und Chro-
nisten Erwähnung, und aus Bemal Diaz Bericht
scheint hervorzugehen, dass unter den von Mottteauma
an Corte* gesendeten Geschenken sich auch vier Chal-
chihuitls befunden haben, „eine Gattung grüner Steine
von ungewöhnlich hohem Werthe, die sie höher schät-
zen als Smaragden“. Herr Squier besitzt selbst eine
sehr schöne Sammlung solcher Chalchihuitl -ScuJpturen.
Stellung, die, der Deutschen in Mexiko. (Globus,
Bd. XVII, S. 335.)
Nach der «California Staatszeitung“ vom 12. Mai
1870 ist es eine unbestrittene Thatsache, dass die Deut-
schen in Mexiko die erste Rulle spielen.
Stovens, Edward T. Flint chips, a guide to pre-
historic archaeology, as illuatrated by the Collec-
tion in the Blackmore Muaeum, Salisbury. Lon-
don 1870, 8°.
Der Gründer des Museum» in der kleinen englischen
Stadt Salisbury, Herr William Blackmore, war so
glücklich, einen grossen Tbeil der werthvollen Alter*. Immer
aufkaufen zu können, die Squier und Davis in den
Mounds des Mississippi • und Ohio • Thaies gesammelt
hatten. Wahrscheinlich wird nie wieder eine ähnliche
Collection zusammengebracht werden , und das vorlie-
gende Werk, — ein getreuer Führer durch die hochin-
teressante Sammlung — wird von allen Fachmännern
mit Dank aufgenommen werden. Wir begnügen uns
hier anzuführen, dass da9 Museum zu Salisbury in vier
Sectionen gctheilt Ist, nämlich: 1) thierisehe L'eberreste,
die im Zusammenhang« mit den Arbeiten der Mensehcti
stehen; 2) Stcingeräthschaften ; 3) Bronzegeräthsehaften ;
4) Gerüthe, Waffen und Zicrrathe wilder .Stämme, die
dazu angethau sind, ein Licht auf ähnliche Gegenstände
au» vorgeschichtlicher Zeit zu werfen. Eingehende Be-
sprechung siehe Globus, Bd- XVII, S. 279 — 281.
Streifzüge im nordwestlichen Amerika. (Globus,
Bd. XVII, S. 97 — 103.)
Enthält einige Angaben über die Ahl- Indianer auf
der Yancoover Insel und die Nittinaht * .Stämme vom
Cap Flattery (äusserste Spitze des Washington Terri-
tory).
Strobel, Prof. P. Beiträge zur vergleichenden
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397
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Ethnologie, gesammelt iti Südamerika (Zeitschrift
für Ethnologie, 1870, Heft II, 8. 111—123.)
Interessante Analogien zwischen Werkzeugen, Ge*
wohnheiten u. s. w. der heutigen Argentiner mit vor-
geschichtlichen Völkern.
Strodtmann, Ad. Die amerikanische Dichtung
der Gegenwart. (Allgemeine Zeitung 1870, .Nr.
96, 97, 107, 108, 113.)
Südcarolina. Ein vormaliger Seceasionißt über
die gesellschaftlichen Zustände in Südcarolina.
(Ausland 1870, Nr. 33.)
Dieser Aufsatz ist ausserordentlich wichtig für die ln
Amerika herrschende Racen frage und schildert sehr
genau die jetzige tage der Neger. -Das sorglose La-
ichen des alten Sklaven hört man jetzt selten mehr,
«denn es rührte von Menschen her, die nie die Frage
„erwogen hatten, wie sie sich die nichste Mahlzeit ver-
schaffen könnten**. Auch die Beobachtungen über den
Charakter der Neger sind hochinteressant. Sie zeigen
di« ganze Hohlheit der humanitären Phrasen.
8üdsee, von der, nach der Mündung des Amasto-
nenstroins. (Ausland 1870, Nr. 12, 13.)
Swan, J. G, The Indians of Cape Flattery, at tbe
entrance of the Strait of Fuca, Washington Ter-
ritory. (Smithson, Contrikution to knowledge,
Vol. XVI.)
Die hier von einem durch langen Umgang mit ihrem
vertrauten Manne nach äusseren und inneren Eigen-
schaften, Lebensweise, Sprache u. s. w. eingehend ge-
schilderten Makah-lndianer gehören zu Cook ’s Wakoftih-
Nation oder der N’utka Familie, die ausser ihnen noch
einige benachbarte Stämme des Festlandes und den
grössten Theil der Vancouver Insel umfasst. Swan
ermittelte ihre Zahl 1861 zu 654, 1863 zu 663.
Verfolgung der Protestanten in Mexiko. (GlobuB,
Bd. XVII, S. 144.)
Victor, Ms. F. F. The River of the West. Live
and adventures beyond the Rocky Mountains.
Hartford 1870, 8°. 602 S.
Völkerwanderung, die, innerhalb der Vereinigten
Staaten. (Globus, Bd. XVII, S. 287—288.)
Wagner, Moritz. Naturwissenschaftliche Reisen
im tropischen Amerika. Stuttgart 1870, 8°.
Der durch seine wissenschaftlichen Reisen in vier
Wefttheilcn längst wohlbekannte Verfasser legt in die-
sem Werk die wesentlichsten geographischen und na-
turwissenschaftlichen Ergebnisse einer vierten Forschungs-
reise nieder, welche er mit Unterstützung des Königs
Maximilian II. von Baiern auf die besondere Empfeh-
lung Humboldt’* and C. Ritter** nach dem tropi-
schen Amerika Busgeführt hat. .Statt der gewöhnlichen
Form einer erzählenden Reisebeschreib« ng bringt da*
Buch ähnlich wie Humboldt 1 * „kleinere .Schriften“
eine Reihe von Aufsätzen, Skizzen und Fragmenten
verschiedenen Inhalts, welche viele neue Beiträge zur
Kenntnis der Naturverhältnisse Centralamcrikas und
der äquatorialen Anden von Südamerika enthalten. Der
Naturcharakter, die physische Geographie, die vorherr-
schenden geognostischen Verhältnisse, die Meteorologie
und Climaiologie der südlichen Isthmusprovinzen von
Mittelamerika , die Geologie, besonders die Naturge-
schichte der Vulcane des sfidanterikanischen Staates
Ecuador, der wesentliche Charakter des Pflanzen- und
Thierreiches der verschiedenen Länder und Regionen
sind theils in grossen allgemeinen Zügen, theil* ln ihren
wichtigsten Detail* geschildert. Sehr ausführlich be-
handelt das Buch die für den künftigen Weltverkehr
so bedeutsame Frage einer Durchstechung de* Isthmus
für einen Schiffscanal. Ein umfangreiche* Kapitel be-
schreibt die für die Einwanderung und Colonisation
vorzüglich geeigneten schönen Gebirgsländer im Süden
von Costarica. Dem Leser, der sich für die grosso
Streitfrage des Darwinismus interessirt, sind beson-
ders jene Kapitel zu empfehlen, worin der Verfasser
durch eine grosse Anzahl von neuen sehr wichtigen
Thatsacbcn aus der geographischen Verbreitung der
Pflanzen und Thiere seine von der Darwin 'sehen
Selectionslcbre wesentlich abweichende Theorie der Ar-
tenbildung durch räumliche Separation weiter ausführt
und fester begründet. Ausführliche Auszüge bringt das
„Ausland“ 1870, Nr. 4 und 6.
Wanderung, eine, in Peru von Caxco nach den
Wäldern des Fieberrindenbauins. (Globus, Bd.
XVIII, S. 257—262, 273—279, 289—295, 306
—310, 321—326, 337—343.)
Die Wichtigkeit der Fieberrinde. — Ihre Verbrei-
tungaspbäre. — Die CascarilU-Speculantcn. — Eine Ex-
pedition nach den Yunga*. — Der Baum des Abschie-
des. — Die Condesuyps. — Ira Dorfe Huaro. — Der
Sagenreiche See Morciima. — Ein Nachtlager in U.J-
napata. — In einer peniauischen Dorfschule. — Die
Coscarrons. — Die Schluchten des Huilcamayo. — Die
Flora auf der Puna. — Ein Ungewitter. — Die Inca-
steine. — ln Lauramarca. — Peruanische Damen und
ihre .Sitten. — Schilderung einer grossen Hacienda. —
Unsere liehe Frau vom Schnee. — Ein Rodeo, Ein-
fangen wilder Pferde in Lauramarca. — Ein Hirt auf
der hohen Puna. — Kochkunst in der Cordillora. —
Ankunft in Marcapata. — Das Dorf Marcapata und
«ein Pfarrer. — Erinnerungen an die Zeit der spani-
schen Herrschaft. — Die Pflanzungen in den heissen
Thälern. — Wie die Hacenderos sich Arbeiter verschaf-
fen und wie diese ausgebeutet werden. — Eine ver-
fallene Kirche. — Die Expedition wirbt Indianer als
Träger und einen Dolmetscher an. — Der Examinador
und Oberst Pcrcz. — Ein Cbacharpari, Abschiedsfest.
— Nach Chile-Chile. — Eine Strickleiter als Brücke
über den Abgrund. — Ein Ragout vom Fleische des
Brüllaffen. — Das Pecari. — Ankunft in Sansipata.
• Welberrechto in den Vereinigten Staaten. (Aus-
land 1870, Nr. 41.)
White, John. Sketches from Amerika. London
1870, 8°. 370 S. Enthält: 1. Canada. 2. A pie
to the Rocky Mountains. 3. The Irish in Ame-
rica.
Rezension siehe im Athenäum, London, Nr. 2249
vom 3. December 1870, S. 716 — 716.
Whymper, Frod. Alnuka. Reisen nnd Erlebnisse
im hohen Norden. Deutsch von Dr. Fried. Ste-
ger. Braunschweig 1870, 8°.
Besprechungen und Auszüge siehe: Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung 1870, Nr. 27; dann Glo-
bus, Bd. XVI, 8. 43, 56, 75, 105, Bit XVII, 8. 97.
Whymper, Edw. Greenland. (Alpine Journal,
Mai 1870, S. 1—23.)
Handelt von den Grönländern, ihrer Geschichte, ihrer
Lebensweise.
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398 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Winnipeg. Die Republik Winnipeg. (Allgemeine land 1871.) 1. Cuadi, Sr. 7. 2. Ein Picnic
Zeitung 1870, Sr. 238.) nach den Felaengebirgen, Nr. 8. 3. Die Iren in
der Union und in Canada. Nr. 9.
Zustände, gegenwärtige, in Nordamerika. (Aua- Nach dem Buche von White-
Asien
von Dr. G. Gerland.
Abbe, rev. J. Twenty-two years missionary ex-
perience in Travancore, 8°. pag. 256, London,
Snow, 1870.
Abramoff. Das Karatigenische Gebiet (Isweetija
der Kaiserlich russischen geograph. Gesellschaft
Bd. VI, Nr. 3, russisch. St Petersburg 1870.)
Adamoli. Das Thal von Samarkand und der dor-
tige Seidenbau. Deutsch bearbeitet von Koner.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, Bd. 5, S. 407—418.)
Adams, A. Travels of a naturalist in Japan and
Manchuria, 8°. pag. 340. London, Hurst and
Blackett, 1870.
Lebenslauf eines afghanischen Briganden. (Glo-
bus, Bd. XVIII, S. 1, 1870.)
Alabaster, H. The modern Buddhist, boing the
Views of a Siamese Minister of State on bis own
and other Religion». (Trans lated witb Remarks.
London 1870, 8®. pag. 91.)
Aloncon, (Duc d’). Luzon et Mindanao. (Extraits
d’un journal de voyage dans 1 'extreme Orient
18°. pag. 222. 1 Karte. Paris, Levy, 1870.)
Andre©, R. Shangai. (Der Welthandel, 2. Jahr-
gang. S. 79—85.)
Asa. Destur Hoshangji Jamaspji, an old Pahlavi-
Pazand Gloesary edited with an alphabetical In-
dex by Asa. Revised and enlarged with an in-
troductory Essay on the Pahlavi I.anguage by
M. Haag. (Publishod by Order of the Govern-
ment of Bombay, 8°. pag. XVI, 152, 568. Bom-
bay and London 1870.)
Vergleiche Archiv für Anthropologie, Bd. IV, S. 180
unter Hang.
Aurillac, H. Cochinchine, Annamitee, Mols, Cam-
bodgiens, 8 a < pag. 146. Paris, Challamel, 1870.
Dagverhaal eener reis over B&li in Juni en Juli
1856. 1. Aanhangsel. Aanteekeniugen op een
tochtje naar het Batoengebergte op Bali in Sept.
1857. 2. Aanhangsel. Aanteekeningen omtrent
Djombrana. (Tijdschrift voor Nederlandsch Indie,
ITT. Sor., 4. Jahrgang, Juli 1870.)
Balslov, B. Indien skildret efter en Missionairs
Krfaringer (Smaaakrifter , udg. af d. d. Miss, sel-
nkab, Nr. 4). 8®. 44. Kopenhagen, Bertelsen, 1870.
Bantam. Vyftig jaren geleden. (Tijdschrift voor
Nederlandsch Indie, III. 8er., 4. Jahrgang, Nov.
1870.)
Bastian, Dr. A. Reisen in China von Peking zur
Mongolischen Grenze und Rückkehr nach Europa.
Die Völker de« westlichen Asien. Studien und
Reisen. Sechster Band, CXIV, 664 S. Jena,
Costenoble, 1871.
Beilagen : Leber den Buddhismus und die Hetigious-
gebrauche mongolischer Völker.
Bastian, Dr. A. Ethnologische Beiträge, 1. Theil.
(Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 2, S.403L, 1870.)
Behandelt asiatische Völker, welche bei chinesischen
und dass weben Schriftstellern erwähnt werden, die Ui-
guren, l'siun , Sai oder Sacae, Lesghier , verschiedene
mongolisch-tatarische und arische Stamme.
Bastian, Dr. A. Sprachvergleichende Studien, mit
besonderer Berücksichtigung der indochinesischen
Sprachen, 8°. 8. XXXIX, 344. Leipzig, Brock-
haus.
Für den reichen Inhalt des höchst lesenswerten Bu-
ches bürgt schon der Name des Verfassers. Herr
Bastian ist in Philologie, Ethnologie, Geographie und
Naturwissenschaft zu Hau«: daher er in der Einleitung
und in den vier CapUeln seine* Buche* [I) das Flüs-
sige schriftloser Sprachen, ihre Wechsel und Mischun-
gen; 2) das Birmanische; 3) da» Siamesische; 4) die
Sprachgestaltung] zu sehr wichtigen Ergebnissen gelangt,
Ergebnissen freilich, die eben weil sie wichtig und neu
sind, auch zu mancherlei Contro versen (für die hier leider
kein Kaum ist) Anlass bieten, aber selbst schon dadurch
nur fordernd wirken können. Denn sie dringen auf
den tiefsten Grund und zwar an der Hand strengster
Methode. Einzelne* aus dem Vorwort erwähnen wir:
S. X: „Philologie, Krunlologie und Ethnologie sind
drei völlig von einander unabhängige Discipliuen , die
eine jede ihre durchaus unabhängige Ausbildung erhal-
ten müssen.“ S. VII: „Der Mensch geht aus telluri-
acher Grundlage in kosmische Fortentwicklung über."
S. XV: „Ist nun derjenige Standpunkt von einem
Volke erreicht, der als der Ausdruck der geographischen
Provinz betrachtet werden kann (also derjenige, bei dem
»ich der Mensch mit seiner Umgebung in Gleichgewicht
esetzt und dadurch seine ExLstenzfortdauer gesichert
at), so tritt eine Stabilität des ethnologischen Typus
ein, der sich dann, wie jede* Naturprodukt, unablässig
verändert und verjüngt, aber seine Fassung nicht wei-
ter ändert.“ S. X: „Die Anthropologie wird ihre leicht-
sinnigen Entleimungen au» der Geologie noch lange zu
bereuen haben.“
Beauvoir, Comt© do. Java, Siam, Cnnton. (Voyage
autour du monde. Paris, Plou, 1869.)
Beckor, Lothar. Reise von Basra durch Mesopo-
tamien nach Moni. (Globus, Bd. XVII, S. 8,
1870.)
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399
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Blau, O. Arabien im sechsten Jahrhundert. Eine
ethnographische Skizze; mit 1 Karte. (Zeitschrift
der Deutschen Morgenlftndischen Gesellschaft, 28,
559 f.)
Bleeker, P. Nieuwe bijdragen tot de kennis der
bevolkingsstatistik van Java. Uitgegeven door
het Koninkl. instituut voor Taal-, Land- en Vol-
kenknnde von Nederlandsch Indie, 8". pag. 193.
’sGra Yenhage, M. Nijhoff, 1870. (Separatabdruck
ans Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volken-
knnde van Nederlandsch Indie, III. Ser., 4. Deel,
4. Stuk.)
Verslag over de Residentie of Bornooa Westkust
1827 — 1829. (Tijdschrift voor Nederlandsch In-
die, III. Ser., 6. Jahrg., Jan. 1871, pag. 8 f.).
Eene inlandsche nederzitting (Borneo). (Ebend.
pag. 4 1 f.).
Blom, P. Reise til Jerusalem og Omegn. Mit 1
Karte. Kristiania, Gröntoft, 1870.
Boiler, Ant. Die Präfixe mit vocalischera und
gutturalem Anlaute in den einsilbigen Sprachen
(aas den Sitzungsberichten der k. k. Akademie der
Wissensch. in Wien 1869, Gerolds S. 8°, pag. 49.)
In Bombay und der Umgegend. (Globns, Bd.XVII,
5. 1 1870.)
Budenz, J. Ugrische Sprachstudien. 1. Heft.
Nachweis und Erklärung einer ursprünglicheren
Gestalt der Possesaiv-affixe in den ugrischen Spra-
chen. Pest, Aigner, 8°, 8. 60.
Budenz, J. Ugrische Sprachstudien. 2. Heft.
Determination des Nomens durch affigirten Arti-
kel im Mordwinischen und in einigen anderen
ugrischen Sprachen. (Ebend. 1871.)
Buddhaghoshas parables. Translated from Bur-
mese by T. Rogers. With an Introduction contain-
ing Buddhas Dhammapada or „Path of virtuos“.
(Translated from Pali by F. Max Müller. London
1870, 8°. pag. 378.)
Burgen. The TempleB of Satrunjaya. Bombay
1869.
De Burton, A. Ten months Tour in the East
bring a Guide to all that is most worth seeing
in Turkey, in Europe, Greeco, Asia minor, Pale-
8t ine, Egypte and the Nil, 8 11 . pag. 376. London,
Kitto, 1870.
Busse, Th. v. Dos Amurgebiet aus dem Gesichts-
punkte der Landwirtschaft, 8°. S. 70. (Russisch
in der Revue der ruas. Börsenzeitung 1869.)
Mededeelingen omtrent de Alfoersche taal van
Noord Celebes. I. Vergelijkeude Wordcnlijst. Bij-
dragen tot de Taal-, I,and- en Volkonkunde von
Nederlandsch Indie, III. Ser., 4. Deel, 4 Stuk, p.
399 fi, 5. Deel, 1 Stuk, p.69f., 1870. II. Sproek-
worden en eigenaardige Spreekwijzen in bet
Tourabulnsch. Ebend. 5. Deel, 2 Stak, 1871.
Bibliographisch overzicht der linguist. Literatuur
betrekkelijk Noord -Celebes. Door G. K. N.
(Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Ser.,
4. Jahrg., Nov. 1870.)
Chinese recordor and Missionary Journal. London,
Trübner, 1870, Juni: Edkins, Rev. the Karens.
Juni and Juli: Overland trip from Kiu-Kiang to
Foochow. Philipps, Mai-co Polo and Ihn Batuta
in Fookien.
Chotomski, L. Due civilizzazioni Arya-europea-
slava. Turana-ariatica-ruasa. Studio etnologico
storico. Venezia 1869, 8°. VIII, 211. *
Cooper, T. T. Travels of a Pioneer of Commerce
in a Pigtail and a Petticoat; or an Overland Jour-
ney from China towards India. Illustr., 8°. Lon-
don, Longmans, 1871.
Cunningham, Alex. The Ancient Geographie of
India, Vol. I. The Buddhist Period including the
Campaings of Alexander and the Travels ofHwen-
Thsang with 13 Map», 8° pag. 600. London,
Trübner.
Delitsch, O. Türkistan. (Aus allen Weltteilen
1870, Nr. 21 £.)
Deutsch, O. Urga, die Hauptstadt der Mongolei.
(Ebend. 1870, Nr. 62.)
Nach dem Reisebericht des französischen Gesandten
de Bourbonlon in Peking.
Dilawar Chan. Ev. Miss. Mag. Neue Folge 14,
353. Basel 1870.
The river» of Damascus and Jordan. A causerie
by a Tertiary of the Order of St- Dominik, 8°.
pag. 227. London, Borns, 1870.
Elias. Notes of a journey to the new oourse of
the Yellow River in 1868. (Proceedings of the
Royal Geographical Society of London, Vol. 14,
pag. 20 f.)
Elliot, H. M. Memoir* of the Hiatory, Folk-lore
and Distribution of the Races of the North We-
stern Provinces of India. Being au amplified
edition of the original supplemental Glosaary of
Indian Terms. (Edition revis. a. rearranged by
J. Beome«, 2 Vols. London 1869, 8°. XX, 763.)
Erman, A. Ethnographische Wahrnehmungen und
Erfahrungen an der Küste des Beringnmeorcs.
(Zeitschrift für Ethnologie, 2, S. 295 f., 1870.)
Et he. Morgenländische Studien. Leipzig 1870,
Fuea, 8°. VIII, S. 284.
Enthält zunächst freie Nachbildungen von 4 morgen*
ländischen Er*ähtungen , dann Abhandlungen: ll über
den Vofismat und »eine drei Huuptvcrtreter in der per-
sischen l'oesio; 2) üln-r die menschlichen Körper- und
Geisteskräfte nach der Vorstellung der Araber (frei nach
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400
Verzeichntes der anthropologischen Literatur.
der Kojtmographie des Kazwiiu}; 3) über Ambra Perlen
und Korallen (noch demselben); 4) über di«? persischen
Passionsspiele. Endlich folgen noch einige l'eberaetxun-
gen und metrische Nachbildungen. Das Buch wendet
■ich an einen grösseren Leserkreis, wie schon sein In*
halt ausweist, doch ist von den Abhandlungen Nr. 2
und Nr. 4 (welche letalere schon in den Münchener
Propylaeen stand) auch für den Gelehrten von grösse-
rem Interesse.
Fere, O. Ce* Regions inconnues, chasses, peches,
aventures et decouvertes dans V extreme Orient,
18°. pag. III, 373. Paris 1870.
Fitzger&ld, W. F. V. Egypt India and the co-
lonies, 8°. pag. 246. London, Allen, 1870.
Zur Colonisation Formosaa. (Globus 1870, 217 f.)
Preomann, E. A. Hittory of tbe Saracens. Cheap
Edition, 8 U . London 1870.
Frere, ML Old Deccan Days; or Hindoo Fairy Le-
gende current in Southern India oollected from
Oral Tradition. With an Introduction and Kotes
by Sir ßartle Frere. Sec. edition 12®. pag. 336.
London, Murray, 1870.
Friedmann. Zustände und Vorfälle in den Nie-
derländischen Colonien in den Jahren 1867 bis
1868. A. Niederländisch Indien I — III. (Zeit-
schrift für Ethnographie, 2, S. 424 f., 1870.)
G&rdnor. On the Chinese race. (Journal of the
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Gerbel, v. Russlands KQstenprovinz am Japani-
schen Meere. (Ausland 1870, S. 488 — 490.)
Govroy, A. Essai sur les Comores, 8 n . pag. 308.
Pondichery 1870.
Ginaburg, C. D. The Moahite Stone. A Facsi-
mile with Translation, 4°. pag. 45. 1 Tafel. Lon-
don 1870.
Gregory. Account of an attempt by a native en-
Yoy to reach the catholic missionaries of Tibet.
(Proceedings of the Royal Geographie. Society of
London, Vol. 14, pag. 214—219.)
Haug. M. Essay on the Pahlavi L&nguage, 8°.
pag. 156. London 1870.
Siche unter Asa.
Hayward. Journey from Loh to Varkaud and
Kashgar and exploration of the sources of the
Yarkand river. (Proceedings of the Royal Geo-
graphical Soc. of London, Vol. XIV, p. 41 — 74.)
Missionar Hebich in Kannanur. (Ev. Miss. Mag.
Neue Folge 14, 14 f. Basel 1870.)
HofTmann. Blicke in die früheste Geschichte des
gelobten lindes. Basel 1870, Spittler, 8°. IV,
196.
HofTmann, J. J. De Rijstbier of Sakebrouwerij
in Japan.
HofTmann, J. J. Bereiding van de Japansche Soda.
Xaar het Japansch. (Bijdragen tot de Taal-,
Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indie,
III. Ser., 5. Deel, 2 Stak, 1871.)
Jansz, P. Een nieuw vervolg op Gerickes Javaansch-
nederduitach woordenbock. Samarang 1869, 8°.
250.
Spaziergänge in der japanischen Hauptstadt Yeddo.
(Globus, Bd. XVIII, S. 12 1870.)
Mittheilungen aus Japan. (Ebend., Bd. XVII, Nr.
14 f., 1870.)
Fortschritte in Japan. (Ebend., Bd. XVIII, S. 21.
1870.)
Die Aussichten des Evangeliums ln Japan. (Er.
Miss. Mag. Neue Folge 14, 36. Basel 1870.)
Glaubensseugen in Japan und Laos. (Ebend.,
166 S.)
De Javaanache Handschriften in der Bibüotheek
van het Nederlandsch Bybelgenootschap. (Tijd-
schrift voor Nederlandsch Indie, IILSer., 4. Jahrg n
Sept 1870.)
De Kunatzin der Javanen (met eene plat). Door
P. J. V. (Ebend-, 5. Jahrg., März 1871.)
Kalkar, C. H. Den danske misaion i Ostindien i
de seneste aar. En samling of brefe. Udgivet
paa det danske Missionsselskabs Vegne, med en
indledning, 8°. 282. Kopenhagen 1869.
Kayo, J. W. A History of the Sepoy War in
India 1857—1858, Vol. II, 8°. pag. 698. Lon-
don 1870.
Der erste Theil erschien 18G5.
Die Mission in Kaschmir. (Evang. Miss. Mag.
Neue Folge 14, 97 f, Basel 1870.)
Kennar, G. Tent Life in Siberia and Adventures
among the Koeaks and other Tribes in Kamt-
schatka and Northern Asia. With a Map, 8°. 432.
London 1870.
Kern, H. Körte opmerkingen over Balineesch en
Kawi. (Bijdragen tot de Taal-, Land- en Vol-
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Deel, 2 Stuk, 1871.)
Kern, H. Java en het Goudeiland volgens de oud-
ste berichten. (Ebend-, 4. Deel, 4 Stulc, p. 638 f.)
Kiepert, H. Der Berg Thechee in Xenophon's
Erzählung des Rückzugs der Zehntausend. Nebst
Karte. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin, Bd. 5, S. 456 — 460.)
Nach einem Memoire des t Jheringunivur de« Straßen-
baues im Wiiajet Trabuon P. Bovit zu Xcnopli. Anab.
4, 7, 25.
Kiepert, H. Notiz über die letzten Reisen und
die gegenwärtigen Zustände in Balutschistan.
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401
Verzeiehniss der anthropologischen Literatur.
Mit 1 Kart«. (Zeitschrift der Gesellschaft für
Erdkunde *u Berlin, Bd. 6 . 1870, S. 193—197.)
Auszug au» Rom Notes on Mekntii with a report
of a visit to K«*j and ttpprr route from Gwadur to Kur*
rachee in Sept. and Oct. 1865. Ans den Transactions
of the Bombay Geographical Society.
Kiepert, H. Brief an die Gesellschaft für Erd-
kunde su Berlin. Jerusalem 5. Mai 1870. (Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde su Berlin,
Bd 5, S. 261 f.)
Kurte Notizen über eine Reise im Laud westlich vom
Jordan, von vorwiegend antiquarisch • geographischem
Interesse.
Kiepert, B. Deutsche Colonisation in Palästina.
Brief auB Jaffa, Ende Mai 1870. (Zeitschrift der
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Bd. 5, S. 375
—376.)
King. The aboriginal tribes of the Nilgiris Hills.
(Journal of Anthropology. Juli 1870.)
Klizikert, H. C. De laatste strijd en heldendood
van den Generaal Michiela. Vertaalt uit het lo-
caal-Maleisch von Java door — . (Tijdschrift voor
Nederlandsch Indio, III. Ser., 4. Jahrgang, Sept
1870.)
ifiiox, T. W. Overland through Atia. Pictures
of Siberian Chinese and Tatar life. Illustr., 8°.
pag. 608. London, Hartford, 1871.
Kolpakowski. Leber alte unter dem Spiegel des
Issyk - Kul befindliche Bau Überreste. (Iswostija
der kaiscrl. rtisa. Geograph. Gesellschaft, Bd. V,
Nr. 3.)
Kopsch. Notes on the river in Northern Formosa.
(Proceodings of the Royal Geographical Society of
London, Vol. XIV, pag. 78 — 82.)
Kühne, Prof. Dr. Japan (I — VI). (Aus allen Welt-
teilen 1870, Nr. 14—51.)
Leonowens, A. H. The English Governess at
the Siamese Court. Being Recollections of Six
Years in the Royal Palace at Bangkok, 8°. pag.
322. London, Trübner.
Lettoris, M. Ein Blatt Geschichte. Bilder aus
dem biblischen Morgenlande, 8°. S. 156. Leip-
zig, Leiner, 1870.
Levin. Wild races of South - Eastern India, 8 Q .
pag. 360. London, Allen, 1870.
Levy, M. A. Phönizische Studien, 4. Heft, 8°.
Nr. 85, 1 Tafel. Breslau, Schietter, 1870.
!)aa dritte lieft erschien 1864.
Lindenfels. Die Sandscc und der Krater des
Bromo auf Java. (Ausland 1870, Nr. 453.)
Lin Tsesiu, ein chinesischer Staatsmann, der Ur-
heber des englisch - chinesischen Krieges 1840.
(Petermanns Mittheilungen 1870, 460. Nach
einer chinesischen Biographie vom Pekinger Cor»
Archiv ftu Anthropologie, ttd. IV. Heft IV.
respondenten der kaiserl. russ. Geograph. Gesell-
schaft, Bd. VI, S. 143—145.)
Low. Notes on Western Turkistan. Hluatrated
Travels 1870, pag. 212—218, 230—234.
Low , C. R. The Land of the Sun. Sketches of
Travel with memor&nda, historical and geogra-
phical, of Places of Interest in the East, visiting
during roauy years Service in the Indian Waters,
8°. pag. XII, 356. London 1870.
Maltzan, H. v. Briefliche Mittheilungen über
lladhramaut. Cairo, den 18. Oct. 1870. (Zeit-
schrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin,
Bd. 5, S. 465—467.)
Zusätze zu A. v. Wiede» Reise in Hadhramaut und
Bericht über die neuesten geschichtlichen Ereignisse in
diesem Gebiete.
Marsh, Rov. Dr. W. The Tennessean in Persia
and Koordistan ; being Scenes in the Life of Sam.
A. Khea, 8*. London, Trübner.
Marthe. Die Reise Walichanof* nach Kaschgar,
ergänzt durch neuere russische Reiseberichte.
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Ber-
lin, Bd. 5, 1870, S. 151 — 180.)
P«*r Reisebericht Walichanof» liegt der Darstellung
zu Grunde; die Ergänzungen sind entnommen: 1) der
Reise des Huron* v. Osten-Sack eil 1867; 2) der Reise
Ssüwer/of*, Herbst 1867; 3) der de» Kap. Stein-
thai im Herbst 1866.
Matoer , Bev. Samuel. The Land of Charity : a
descriptive account of Travancore and ita people
with eepeciul refcrence to missionary labour, 8°.
pag. 376. London, Snow, 1870.
Matheson. England to Delhi. A narrative of
Indian travel, 4”. pag. 539. 1 Karte, 82 Illustra-
tionen. London, Longmans, 1870.
Millingen. Wild life among the Koords, 8*. pag.
300. London, Hurst and Blackett, 1870.
Jets over het bggeloof in the Minahasa, door de
C. (Tijdschrift voor Xedcrlandscli Indie, III. Ser.
4. Jahrg., Juli 1870.)
ßijdrage tot de kennis der Minahasa door de C.
(Ebend., Aug. 1870.)
Over eenige maatschappelijko instellingen bij de
inlandsche Christensn in Minahasa. Door de C.
(Ebend., 5. Jahrg., M&rz 1871.)
Missionary Anecdotes. Serie® first The Islands
of the Pacific; India and Burroah; China; North
Airica and Turkey; South Africa and Madagas-
car; North America and the West Indies, 16 # .
pag. 233. Philadelphia 1871.
Montgomery. Report of the Trans- II imalayan
explorations made during 1868. (Proceedings of
the Royal Geographical Society of London, Vol.
14, pag. 207—214, 1870.)
AI
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402
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Moulo, A. E. Four Hundred Millions. Chapters
on China and the Chinese* Witb Maps and Illu-
strated, 8°. pag. 200, London 1870.
Muir, J. Original Sanskrit Text on the Origin
and History of the People of India. Collected,
translated and illu&trated. Vol. V. Contributions
to a knowledge of the Cosmogony, Mytbology,
religious Idoas, Life and Mannera of the Indian
in the Vedic Age, 8°. pag. XIV, 491. London
1870.
Der vorhergetande Band erschien 1863.
Nadeschdin, P. Die Natur und die Völker der
Kaukasus nnd seine nächsten Umgebungen, 8°.
St. Petersburg 1869 (russisch.)
Niemann, G. K. Over het geloof aan gelukkige
en ongelukkige tijden bij verschillende volken
van Nederlandsch Indie. (Bijdragen tot do Taal-,
Land* en Volkeukunde, III. Ser., 5. Deel, 2 Stuk,
1871. )
Nöldeke. Die Inschrift des Königs Mesa von Moab
erklärt. Mit 1 lithograph. Tafel, 8°. VII, S. 38.
Kiel, Schwere, 1870.
Die Inschrift, welche aus dem 9. Jahrhundert v. Chr.
stammt , ist nicht bloss sprachlich sondern auch histo-
risch von Wichtigkeit.
Norriß, Edw. Assyrian Dictionary of Cuneiform
Inscriptions of Assyria and Rnbylonia, Vol. II.
London 1870, 4«. XII, 353—708.
Oppert, J. Les inscriptions de Dour • Sarkay&n
(Khorsabad), provenant des fouilles de Vict. Place,
dechitfrecs et interprötöus Fol. p. 39. Paris, Ira-
prim. imp. 1870.
Over den rechfttoestand der hoofdplaats Palombang.
(Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, III. Serie,
4. Jahrg., Not. 1870.)
Palästinensisches. 1. Die Hafenstadt Jerusalems,
Jaffa. 2. Von Jaffa nach Jerusalem. 3. Ein Rund-
gang um Jerusalem. 4. Ein Ritt nach dem Kreuz-
klostcr und dem Philippsbrunnen. 5. Ein Ritt
nach St. Johann in der Wüste. (Ausland 1870,
Nr. 733—735, 802—804, 836—838, 846—847.
879.)
Parkinson, J. C. The Ocean Telegraph to India.
A Narrative and a Diary, 8®. pag. 336. London
1870.
Paspati, A. G. Etüde* sur les Tschingiancs ou
Bohemiens de Tempire Ottoman. Constantinople
1870.
Kat hält ein etymologisches Wörterbuch der Sprache
der Zigeuner in der Türkei; sowie sechs Zigeuner-Er-
zählungen.
Perolaer. Ethnographische beschrijving der Da-
jaks, 8°. 266. 4 Tafeln. Zaltbommel, Noman.
1870.
Plath, J. H. Ueber zwei Sammlungen chinesischer
Gedichte aus der Dynastie Thang. München 1869,
8®. S. 58.
Plath, J. H. Die Quellen der alten chinesischen
Geschichte mit Analyse des Sse-ki und I-«se, 8®.
S. 104. München, Franz. 1870.
Die preuasische Expedition nach Ostasien. An-
sichten aus Japan, China und Siam. Im Aufträge
der Königlichen Regierung, herausgegeben von
A. Berg. 7. Heft, Fol, 4 Photolith. in Tondruck,
2 Chromolith. in Ool und 3 Blatt Text in deut-
scher, englischer und französischer Sprache. Ber-
lin, v. Decker, 1870.
Bijdragen tot de Kennis der Preangcr regent-
achappen. Door v. d. II. (Tijdschrift voor Ne-
derlandsch Indie, III. Ser., 4. Jahrg., Oct. 1870.)
Preschewalski, N. M. Das Klima des Ussuri-Lan-
des auf Grundlage fünfzehnmonatlicher Beobach-
tungen. (Petermann’s Mittheilungen 1870, 459,
aus Bd. 6, Nr. 5 der Iswestjja der Kaiserl. rusr.
Geograph. Gesellschaft vom 8. Juli 1870.)
Die Wintertemperatnr Archungels ist milder als die
am Uwmri, deuten Winter durchaus conti Dentale«, d«*v-
seo Sommer mehr oceunische» Klimu hat; bedingt sind
diese Verhältnisse durch Meeres- und Luftströmungen,
durch orograplüaehe Verhältnisse, durch Wälder und
Sümpfe. Daher zeigt auch Pflanzen- und Thierleben
ein« Mischung nördlicher und südlicher Formen. Ge-
rade deshalb ist die Natur des Laude» von höchstem
Interesse nnd dürfte ihr Studium geeignet sein, gar
manche wichtige Frage, z. B. über Entstehung und
Umbildung der Arten, wenn auch nicht ganz zu lösen,
so doch bedeutend zu fördern. In Nr. 6 desselben
Bandes berichtet Presche walski über die Flora und
Fauna, sowie über die nicht russische Bevölkerung die-
ses Gebietes.
Priehard, J. Th. Tho Administration of India
from 1859 to 1868. The first ten years of Ad-
ministration under the Crown, 2 Vol*. London
1869, 8°. pag. VIII, 701.
Pynappol, J. Aanteckeningcn op II. C. Klinkerts
Supplement op mij Maleiscli wordenboek. (Bij-
dragen tot de Taal-, Land- en Volkcnkunde van
Nederlandsch indie, III. Ser.. 5. Doel, 1. Stuk,
p. 1 f., 1870.)
Pynappol, J. Ptolemaous en de Indische Archi-
pel. Ueno Kritiek der Verklariogen van de Be-
richten van Claudius Ptolcinaeua. Met 1 Kaart.
(Ebend., pag. 36.)
Pynappol, J. De Maleiscbe Handschriften der
Leidsche Bibliotheok. (Ebend., 5. Deel, 2. Stuk.
1871.)
Pynappol, J. Catalogns der Mal ei sehe Hand-
schriften in de Leidsche Bibliotheek.
Haddo , Gustav. Berichte über die biologisch-
geographischen Untersuchungen in den Kauka-
susländern. Im Aufträge der Civilhauptverwal-
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4U3
Verzeieliniss der anthropologischen Literatur.
tung der kaukasischen Statthalterschaft auage-
führt. I. Jahrgang. Reisen im Mingrelischen
Hochgebirge und iu seinen drei Llngenhochthä-
lern Rion, Tskenis - Tsquali und Ingur. Tiflis
1866 (Leipzig, Winter), 4°. 225. 3 Karten, 9 Ta-
feln in Ton- und Schwarzdruck.
Von Wichtigkeit zunächst für »len Geographen, dann
für den Geologen, Botaniker und Zoologen. Doch giobl
der Verfasser auch Beiträge zur Ethnologie des Kauka-
sus , zunächst zur Kenntnis» des Landes Kolchis and
seiner Bewohner, der Mingrclier und der Swanen, de-
nen ein ganzes Capitol (IV) gewidmet ist. Da der Ver-
fasser auch ihre Sprache behandelt und zahlreiche Pro-
ben gioht , so findet auch der Linguist Ausbeute. Von
eigenthümlichem Interesse ist der Bericht über das kau-
kasische Museum in Tiflis, der am Schluss des Bandes
mitgetheilt wird; denn dies Museum, welches auch für
den Archäologen mancherlei Interessantes enthält, ist
für kaukasische Ethnologie natürlich sehr reich und
seine ganze Einrichtung zweckmässig. Wenn diese
Berichte in weiteren Jahrgängen fortgesetzt werden, »o
würde sich Herr Rad de ein grosses Verdienst erwer-
ben und der Kaukasus ethnologisch immer bequemer zu
überschauen sein — . gerade bei den vielfach wichtigen
und interessanten Verhältnissen dieses Gebirges von hoher
Bedeutung. Auch die Abbildungen betreffen zum Theil
Ethnologisches.
Radios*, W, W. Di® Sprachen der türkischen
Stimme Südsibiriens und der Dsungarischen
Stepp®. I. Abtheilung. Proben der Volkslitera-
tur der türkischen Stimme Südsibiriens. III. Ab-
theilung. Kirgisische Mundarten, 8*. XXVII, 856.
St. Petersburg 1870 (Leipzig, Voss.)
Der kirgisische Text (XXVI, 712) diese* wichtigen
und bedeutenden Werke* ist zugleich und am gleichen
Ort erschienen.
Radloff, W. W. Reise ins Siebenstromland und
zum Issyk-Kul. (Iswestijft der Kaiser 1 ruas, Geo-
graphischen Gesellschaft, Bd. VI, Nr. 33, russisch.
St Petersburg 1870.)
Ein Blick auf Radschputana. (Ev. Miss. Magaz..
14. 49. Basel 1870.)
The Recovery of Jerusalem, a narrative of Explo-
ration and Discovery in the City and the Holv
Land. By Capt. Wilson, Capt Warren etc. with
au Introduction by A. P. Stanley odit. by Walther
Morrison, 8°. pag. 580. London, ßentley.
Reports, parliamentary , showing the Progress of
Education in Imlia sinoe 1866.
Richthofen, F. v. Reise durch Liao-tung und
Po-tachili nach Peking, Mai bis Juli 1869. (Pe-
ternmnn’s Mittheilungen 1870, 8. 369 — 372.)
4 Vorwiegend geographischen Inhalts, »nt hält der Auf-
satz einige beachtmswerthe Notizen über Umschrift des
Chinenuchen, zowic sehr interessante Beobachtungen
über den Kampf der chinesischen mit der Maiitadiu-
Sprache und dein siegreichen Vordringen der unteren«
Richthofen, Ferd. v. Schreiben über seine Rei-
sen zur Grenze von Korea und in der Provinz
Hu-nau. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erd-
kunde zu Berlin, Bd. ö t S. 317 — .339.)
Richthofen schreibt von «Shanghai 23. Nov. 1669,
dass er am Kao-li-niün (Thor von Korea) gerade zur
Zeit der Messt* zwischen Koreanern und Chinesen ge-
wesen sei, schildert die scharfe Abgeschiedenheit beider
Lautier und dann die Koreaner selbst. Unter anderem
beschreibt er zwei Typen derselben, einen lang- und
einen kurzkupfigen. In letzterem, nur im niederen Volke
vertretenen denke er au eine den Ainos verwandte,
von den Koreanern verdrängte Urraec. Auch Ueber-
gangsformen finden sich. Kindshäute, Kelle, vorzügliches
Papier, Trepang, und eine eigene Art Seide bringen die
Koreaner zu Markt. — Der Bericht über Hu-nau im
Auszug von Koner, bespricht besonders die Produkte
(Kohle) und die merkantilen Verhältnisse der Provinz.
Rogow, N. Perrnisch-rusaisches und russisch-pcr-
mischea Wörterbuch. St Petersburg 1869.
Roorda, T. Nog eene bijdrage tot verklaiing vau
oenige Uitdrukkingen inde Wajang-Verhalen Pa-
l&e&rä Pandoc an Raden Pandy. (Bijdragen tot
de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch
Indie, 111. Ser., 5. Deel, l.Stak, p. 121 f., 1870.)
Ross miss ler, Fr. Die Halbinsel Apacherot) mit
ihren Naphtha- und Gasquellen. (Aus allen Welt-
tbeilen 1870, Nr. 48 und 49.)
Ruprecht, F. J. Flora Caucasi. Pars I. (Mcmoires
de l'Acad. imp. des Sciences de St. Peter&bourg,
VII. .Serie, Tome XV, Nr. 2). St. Petersburg 1869
(Leipzig, Voea), 4 U . Nr. 302.
Besiedelung der Insel Sachalin. (Globus, Bd. XI,
S. 17, Nr. 15, 1870.)
Die Mission in Sarawak. (Ev. Miss. Magaz. Neue
Folge 14, 129. Basel 1870.)
«Schildert Brook es Wirksamkeit auf Borneo.
Savio. La prima apedizione italiana ncll 1 interno
del Giappatie e noi contri soricoli, 16°. 108. 1 Karte.
Mailand, Trevea, 1870.
8chlagintwoit - Sakünlilnski, H. v. Reisen in
Indien und Hochasien. Eine Darstellung der
Landschaft, der Cultur und Sitten der Bewohner
in Verbindung mit klimatischen und geologischen
Verhältnissen. Basirt auf die Resultate der wis-
se nachaftlichen Mission von Herrn. Adolph und
Robert v. Schlagiutweit, ausgeführt in den Jahren
1854 bis 1858. Zweiter Bd., Hochasien. 1. Der
Himalaja von Bhutan bis Kashmir. 10 Illustra-
tionen, XVIII, 476. Jena, Costetioblo.
Zunächst enthält dieser zweite Baud das Verzeiohniss
der Illustrationen , Transcription und Register des er-
sten Bandes, sowie in gedrängten Auszügen auf vier
eng gedruckten Seiten Urt heile der Frese® über densel-
ben. S. 25 — 6t: Ethnographische Uebersiuht des be-
handelten Gebiete*; indische Aburiginerstämiue, Kosten
und Raccn arischen Stammes; tibetische ltace; Men-
schenracen in buddhistischen Götterbildern. (Was S.
40 f. über den Sprach Wechsel eines arischen «Stammes
gesagt wird, ist »ehr problematisch). S. 266 — 290: Be-
wohner und «Sitten in «Sikkim und Nepal. S. 446 — 156:
Bewohner der nordwestlichen Gebiete- Andere» ethno-
logisches Material ist durchs Werk verstreut. Von S. 470
— 473 folgt ein Verzeieliniss säinmtlicher Leistungen
sämmtlicher Gebrüder v. Schlagint weit in Büchern,
plastischen Publicationen, Photographie und Technik.
51*
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404
Verzeichn iss der anthropologischen Literatur.
Bchlagintweit-Bakünlünaki, H. v. Die Khässias
and ihre Nachbarvölker in den Gebirgen von
Assam gegen Hinterindien. (Ausland 1670,
Nr. 529 f.)
Schott, W. Altai sei je Studien oder Untersuchun-
gen auf dem Gebiete der tatarischen (turanischen)
Sprachen. 4. Heft, 4 Ü . 43. Berlin, Dümmler, 1870.
Aas den Abhandlungen der körtigl. Ak adt* mir der
Wissenschaften. Das 3. Heft erschien 1667.
Schwerdt, H. Jahrbuch der neuesten und inter-
essantesten Reisen, 2. Baud, 2. Hälfte. Die Län-
der der Bibel, wie sie waren und wie sie sind.
Pilgerfahrt auf den Sinai und nach Jerusalem.
Für Jung und Alt bearbeitet, 8°. 195. Langen-
salza, .Schulbuchhandlung, 1670.
Selderetzki, E. Skizzen vom gegenwärtigen Kau-
kasus. 1. Heft (russisch). 8*. XV, 64. Berliu,
B«hr t 1870.
8ewell, Rb. The an&lytical History oflndia from
the ear liest Times to the Abolition of the Hon.
East India Company in 1656. London 1869, 6°.
3G8 pag.
Shaw, Rob. Visit to High Tartary, Ynrkand and
Kashgar and Return. Jouruey over the Karako-
rum Pass, 8°. London, Longmans, 1871.
Ein König von Siam als Reformator des Buddhis-
mus. (Globus, Bd. XVII, Nr. 16, 1870.)
Sicard, Cap. F. De la Navigation du cours infü-
rieur de l’Euphrate en Basse Mösopotamie. Mit
2 Karten. (Revue maritime et coloniale. Aug.
1670, 8. 792—807.)
Giebt die Resultate von Aufnahmen und Tiefenmes-
sungen auf dem Sthai-el-Arab, dem unteren Kuphrat
und dem unteren Tigris im November 1866. Durch
genaue Beschreibungen der merkwürdigen Sumpfgegen-
den, welche jene Strome durch fl i essen , durch Angaben
über die Einwirkung derselben uuf die Bewohner von
Interesse.
Simon. Röcits d’un voyage en Chine, 8®. 18. Paris,
Martinet , 1870. (Extrait du Bulletin de la So-
cietö imper. d’acclimatiou. März 1870.)
sie für den Ethnologen so vorzugsweise wichtig. Ganz
besonders sind sie dus auf einem so höchst merkwürdi-
gen und doch verliältnissmäs&ig so wenig bekanntem
Gebiete wie Kran. — Nachdem der Verfasser zunächst
des östlichen Kräns, sowie Armeniens, danu die poli-
tische Einleitung, Clima und Produkte Kran* und end-
lich die CIrenzläuder des Gebiete« geschildert hat, be-
handelt er im zweiten Buch zunächst die Ethnographie
Kräns und bespricht (307 — 377} die Afghanen, Be-
lucen, Brahuis u. s. w. , die turk manische Bevölkerung
Kräns, die Luristäner, Kurden, Armenier u. s. vr.,
und die Semiten des Gebietes; darauf aber (394 —
423) die Völker der angrenzenden Länder. Das dritte
Buch behundett zunächst die Abstammung und ältesten
Verhältnisse, sodann die mythische Vorgeschichte der
Eränier. In den 15 Beilagen (733 — 760) werden die
einzelnen Stämme und l'iiterabtheilungeu der Belucen,
Bruhui, Turkmanen, Kurden, der Nhäb- Araber u. ». w.
aufgezählt. Dass dies Werk auf der sichersten Gelehr-
samkeit, den umfassendsten Studien beruht, dafür bürgt
schon der Name seines Verfassers, dem es vergönnt sein
möge, t baulichst bald diese seine grosse Arbeit zu voll-
enden und damit der deutschen Literatur ein Werk zu
schenken, auf welches sie tuit vollstem Rechte stolz
sein kann.
Stachjew. Hinter dem Baikal und auf dem Amur-
fluss. Reiseskizzen (russisch.) St Petersburg 1869,
8°. 347.
Btickel, J. Gst. Handbuch der morgenlftndigchen
Münzkunde. 2. Heft. Auch unter dem Titel: Das
grossherzogliche orientalische Münzcabinet zu
Jena, beschrieben und erläutert 2. Heft : Aelteste
muhammedanigehe Münzen bis zur Münzreform
Abdulmeliks. 1 lithographirte Tafel, 4°. V, 126.
Leipzig, Brockhaus, 1870.
Das erste Heft erschien 1845.
Btoliczka. Reisen in Hinterindien, auf die Niko-
baren und Andamanen. (Verhandlungen der k.
k. geolog. Reichsanstalt 1870, 23 f.)
Hauptsächlich zoologischen Inhalt«.
Swinhoc. A trip to Kalgan in the antumn of
1868. (Procecdings of the Royal Geographica!
Society of London, VoL XIV, pag. 83 — 85.)
Tales of Old Japan. (Translated by A. B. Mitford.
With 40 fullpage Illustrated, 2 Vols., 8°. London,
Longmans, 1871.)
Spiegel, Fr. Eränische Alterthumskunde, 1. Bd.
Geographie, Ethnographie und älteste Geschichte.
Leipzig, Engelmann, 1870, XII, 760.
Was Lassen, dem das Buch gewidmet ist, für In-
dien, das leistet Spiegel in diesem neuen grundlegen-
den Werke für da* t-ränischc Gebiet und füllt damit,
wie wohl nur er e# konnte, eine lang empfunden»- Lücke
aus. Der Plan seines Werkes ist ein sehr umfassender;
denn während der vorliegende Band in den drei ersten
Büchern Geographie, Ethnographie und älteste Geschichte
des Gebietes enthält, so «ollen in den noch folgenden
Bänden da« vierte und fünfte Buch die politische und
Keligionsgeschtchte Kräns „bis zum Sturze de* Säsäni-
dtnrekbes durch den Islam umfassen, während eine
Darstellung der häuslichen und staatlichen Altert hümer
im sechsten und siebenten Buche das Ganze bescJitiessen
soll.“ Mögen die letzteren möglichst rasch erfolgen;
gerade sie kommen bei Lassen zu kurz und doch sind
Taylor, Meadows. A Student« Manual of History
of India from the earliest Period to the Present,
8 # . Vol. XX, pag. 884. London. Longmans. 1871.
»Mr. Taylor hat compiled » »uccinct but by no
meau* a brief or delective matiual of Indiau History.“
„The history, wliich hegins with the carlicst records of
India is contiuued to the year 1870.“
Thorp, R. Caahmoro Misgovemmcnt. London,
Longmans, 1870.
Auszug im Globus, Bd. XVII, Nr. 12.
Tinllng. The english speaking Natives of India.
Bring notes of an Evangelist« Tour in the tbree
Presidcncies. London, Macintosh, 1870.
Der Stamm der Todaa in den Nilgherri« und seine
Gebräuche. (Globus, Bd. XVIII, S. 23, 1871.)
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405
Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Yyf en dortig TounBeasohe raadola met vertoa-
lieg en aanteekeningen door de C. Aanteekeningen
beheizende eene verglijking tusschen de Tonmbu-
lusche en Tounseasche dialecten. (Tijdachrift voor
Nederlandsch Indio, UI. Ser., 4. Jahrgang. Sept.
1870.)
Tretjakow. Da« Land Tnruchan. 2. Ethnogra-
phischer Theil. Nach dem Russischen (zweiter
Band der Denkschriften der Kaiser), mss. Geogr.
Gesellschaft) von F. Sveceny. (Mittheil, der Geo-
graphischen Gesellschaft in Wien, Neue Folge, 3,
1870, S. 396—413.)
Trumbull. The compoeition of Indian Geogra-
pbical naraes, 8°. pag. 51. Hartford, 1870.
Die Bergvölker Techittagonaa. Nach T. II. Le-
win : The hill tracts of Chitt&gong and the I) Wei-
lers 'Hierein; with comparative vocabulariee of
the Hill di&lccte. Calcutta. (Globus, Bd. XVIII,
S. 5, 1870.)
Ussoljzeff, A. F. Jahresbericht über die Tätig-
keit der sibirischen Section der Kaiser), russisch.
Geographischen Gesellschaft filr das Jahr 1869,
8°. St. Petersburg 1870 (russisch.)
Von anthropologisch-ethnographischem Inter«»»«* darin
Mittheilungen über die Expeditionen der Koiserl. russ.
Geographischen Gesellschaft: 1) die Expedition ina
Tschuktschcn- Land; 2) die ethnographische Expedition
in den Südusaurischcn Landstrich.
Die Beeiedelong des Uasurilandea. (Petermann's
Mittheilungen 1870, S. 342.) Nach Prechewals-
kya Berichten an die Kaiserl. russisch. Geograph.
Gesellschaft
Vambery, Horm. Ein Blick auf Centralasien. Ri-
valität zwischen Russen und Engländern. (Glo-
bus, Bd. XVII, Nr. 9 f., 1870.)
Vambery, Herrn. Asiatische Völkertypen. Die
Gcbr; die Kurden. (Globus, Bd. XVI, 1869; Bd.
XVII, Nr. 2, 1870.)
Vdmbery, Horm. Russlands Machtstellung in
Asien. Eine historisch politische Studie. 8°. Leip-
zig, Brockhaus, 1871.
Vambery, Herrn. Die heutigen Zustände in der
Dzungorei. (Globus, Bd. XVIII, Nr. 22, 1870.)
Vambery, Herrn. Die Zigeuner in der Türkei.
Besprechung des Buches von Paspati. (Globus,
Bd. XVI H, Nr. 18.)
Vämbdry, Herrn. Zigeunerische Erzählungen.
(Globus, Bd. XVIII, Nr. 21. 1870.)
Nach Paspati. beide Erzählungen gehören zu weit-
verbreiteten ursprünglich indischen Märchenkreisen. Die
zweite findet sich auch in den Hindumärchen der M.
Krere.
Veth, P. J. Vrouwenrcgeeringen in den Indischen
Archipel. (Tijdschrift voor XederlandBch Indie,
III. Ser., 4. Johrg.. Nov. 1870.)
Opmerkingen naar aanleiding van het 17de Hoofd-
stuck van Wallacoa „Insulinde“ en de aantee-
kuningen van den Vertaaler darop. (Ebend., 5.
Jahrg., Febr. 1871.)
Unter dem Titel „Insulinde“ ist Wallaces n malaii-
scher Archipel“ von Veth ins Holländische übersetzt.
Wanderungen im südlichen Indien. (Globus, Bd.
XVIII, Nr. 8; Bd. XVII, Nr. 10 f., 1870.)
Nach Grandidier und Gran).
Wobb, F. C. Up the Tigris to Bagdad. With
Illustrations. London 1870, 8°.
Whymper , Fr. Alaska , deutsche Ausgabe von
Steger. ßraunschweig, Vieweg, 1869.
liier zu erwähnen wegen der Notizen, die Whym-
per über die Tschuktschen und Kamtschatka giebt.
Wiener, W, Nach dem Orient. Reiseskizzen.
Wien 1870, 8°. IV, 240.
Wilkon, N. P. Jets over den landbouu in de
Minahaasa en dod&rby gehruikeiyke henamingen.
(Tijdschrift voor Nederlandscli Indie, III. Serie,
4. Jahrg., Nov. 1870.)
Williamaon, Rcv. Alex. Journeys in North China,
Manchuriu and eastern Mougolia; will» some Ac-
count of Corea. With Ulustrations and Maps.
2 Vols, 8°. London, Smith, Eider and Comp.,
1871.
Wrode, A. v. Reise in Hadhramaut, Beled Beny
Yssä und Beled el I lad schar. Herausgegeben mit
einer Einleitung, Anmerkungen und Erklärung
der Inschrift von Ohne versehen, von Heinrich
Freiherrn v. Maltsan. Nebst Karte und Facsimile
der Inschrift von Ohne, VIII, 375. Braun&chweig,
Vieweg, 1870.
A- v. Wrede reiste 1843 in die gänzlich anbekann-
ten Gegenden des südlichen Arabiens bis zur Wüste
El Ahgaf. Er reiste als Aegypter verkleidet und eigent-
lich in beständiger Todesgefahr, da die Bewohner jener
Gegenden zu den fanatischsten Moalim gehören, zugleich
aber auch durch ihre Abgeschlossenheit in Sitte und
Wesen sich von alten Zeiten her ganz unberührt erhal-
ten haheii. So behauptet der Herausgeber mit vollem
Recht, das» Wreda’s Werk zu den wichtigsten Ent-
deckniigsschrifteti dieses Jahrhunderts gehöre, zunächst
freilich für Geographie, Ethnographie und Geschichte,
nicht minder aber gilt dieser Ausspruch auch für Eth-
nologie. — Auch die Sprachwissenschaft geht nicht leer
aus. Denn Wrode copirte in den Rnincn von *Obne
eine hiniYariscbe Inschrift, welche II. v. Mi» Uz an im
zweiten Anhang ausführlich bespricht und erläutert. Der
erste Anhang enthält: 1. Eine Liste der Könige von
Yemen nach Wrede — welcher dieselbe aus einem
alten Manuscript über die Geschichte voristämitischer
himy arischer Könige ausgeschrieben erhielt durch den
Besitzer desselben, einem Scheich von Choraybe — mit
vergleichendem Hinblick auf die Liste von Caussin
de Perceval. 2. Eine völlig neue Liste der Könige
von lladhramaut, und 3. Liste der Beduincnsrümnie in
Iladhramaut, Beny ‘Vasa, Hadschar und Haitium, mit
Erläuterungen des Herausgebers. Auch zu der Reise
selbst giebt H. v. Maltzan in 170 Nummern „Bemer-
kungen und Ausführungen“ , welche für alle oinschla-
getiden Wissenschaften von grosser Bedeutung sind. Die
%
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4ü6 Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
Einleitung, hauptsächlich geographischen und sprach*
wissenschaftlichen Inhalts, enthält auch die Geschichte
des Buches, welche in mehr als einer Beziehung cha-
rakteristisch ist. lieber 25 Jahre hat das Manuscript
keinen Verleger gefunden und wäre wie Wrcde’s Karte
und Costüuihilder, beinahe verloren gegangen, wenn
nicht K. Andre« und H. v. Maltzan »eine Bedeu-
tung erkannt hätten. Bei seiner Rückkehr glaubte inan
Herrn v. Wrede nicht, man hielt ihn für einen Auf-
schneider; und so hat der Mann, der sich in seinem
Buche als einen durchaus bedeutenden Menschen zeigt.
im Drucke der Armuth ein unbekanntes Leben führen
müssen.
Wylie. Notes of a journey frorn Ching-too to Han-
kow. (Proceedings of the Royal Geographie. Soc.
of London 1870, VoL 14, pag. 168—185.)
Die Zenana-Misaion. (Ev. Miss. Magnz. Neue
Folge, 14, 336 f. Basel 1870.)
Bespricht einen Vorfall aus der Frauenmission , wel-
ches zu Calcutta grosses Aufsehen erregte, vom Stand-
punkt der dabei thatigen Missionare.
Australien
(von Prof. Molnioko in Dresden).
J. Bonwick. Daily life and origin of the T&sma-
nians. ' London 1870.
Das Werk ist gew issermaassen eine Fortsetzung des
im Verzeichnisse des vorigen Jahres (S, 185) angezeig-
ten Buches desselben Verfassers: The last of the Tas-
manian», welches den Untergang dieses VolkssUimues,
eines der schmachvollsten Blätter in der englischen
Colonialgeschichte, schildert, und giebt eine Darstellung
des Lebens und der Eigentümlichkeiten der Tosmunier.
Es »lud darin eine grosse Menge von Einzelnheiten zu-
sammengestellt, allein ohne Kritik und, wie es nament-
lich die Abschnitte über Sprache und Abstammung der
Tasmanier zeigen, ohuc wissenschaftlichen Werth.
Br&im. New horaes, the rise, progrees, present
Position and fature prospects of each of the
Australian coloniee and Newzealand. London
1870.
Greffrath. J. Koscoe Fawkner, der Gründer der
australischen Colonie Victoria. (Zeitschrift der
Geaollschuft für Erdkunde zu Berlin , Band 6,
S. 85 f.)
Wilhelmi. Sitten und Gebrauche der Port Lin-
coln Eingeborenen in Australien. (Aus allen Welt-
theilen, I. Jahrgang, Nr. 16 bis 17 und 19.)
Ursprünglich in den Transaktion* of the Royal Society
of Victoria erschienen.
Oceanien
(von Prof. Meinicke in Dresden).
Amati. Nueva Guinea. Milano 1869,
Ihm Werk ist Behufs einer vorgeschlagencn Colonien-
gründung in Neuguinea geschrieben.
Aube. Renseignements gtatistiques sur les lies
Hawai. .(Revue maritime et coloniale. Mai 1870.)
Von geriugem Werth.
Lady Barker. Station life in Newzoaland. Lon-
don 1870.
Bourgey. Notice ethnologique sur la Nouyelle
Calcdonie et «es dependances. Moeurs et eoutu-
mes des habitants. Grenoble 1870.
Brasseur de Bourbourg. Le mystero de Pile de
Paques. (Aunales des voyages 1870. Februar.)
Ein Brief (lies«» bekannten Erforschers der mexikani-
schen Alterthümer, in dem bei Gelegenheit der neuer-
dings von der Osterinsel nach England gebrachten stei-
nernen Bildsäulen Ansichten ausgestellt werden, die,
aller wissenschaftlichen Berechtigung entbehrend, nur
Staunen und Spott hervorzurufeii vermögen.
Garnier. Le« migrations bumaincs en Ocöanic
d’apres les fait« naturels. Paris 1870.
Die Arbeit ist ursprünglich im Bulletin de la Societe
de Geographie de Paris erschienen. Trotz W. von
Huutbüldt’s Forschungen wird darin von Neuem der
Versnob gemacht, die Bewohner der Inseln des stillen
Uceaas von Südamerika hvreuteiten, ein Versuch, der
uui so weniger gelingen konnte, da der Verfasser, dem
man sonst recht schützbare Nachrichten über die Xcu-
kalvdonier verdankt, für Forschungen, wie sie hier un-
ternommen sind, nicht geeignet erscheint.
Grundemann. Die östliche Hälfte von Melanesien.
(Putermann’s Mittheilungen, Band 16, Heft 10.)
Die Arbeit enthält manche» Interessante.
Meinicke. Der Archipel der Paumotu. (Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Band 5,
Heft 4 und 5.)
Der Schlus» der Arbeit bildet eine Schilderung der
Bewohner der Paumotu.
Palmer. A viait to Eaator island or Rapanui.
(ProceediugB of the Royal Geographical Society
of London, Band 14, Heft 2.)
Wir kommen später auf diese Arbeit zurück , da sie
vollständig in dem diesjährigen Bande des Journal der
geographischen Gesellschaft erscheinen wird.
Philipp!. Ein schriftliches Denkmal von der Oster-
insel. (Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde
zu Berlin, Band 5, Heft 5.)
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 407
Mitteilung eine» von vitr Abdrücken von anschei-
nend mit Schriftzdchen oder Hieroglyphen bedeckten
Holzstücken , die ln der Osterinsel gefunden und durch
den Professor Philipp! in Chili nach Berlin gesandt
sind, ln vieler Beziehung buchst interessant.
Williams. Fiji and Fijiaus and misaionary labours
aroong the cannibaU extended, with noticca of
recent events by J. Calvert. Edited by G. Str.
ßowe. London 1870.
Eine neue, uiit Zusätzen versehene Ausgabe eines
schon lbö& erschienenen, übrigens für die Kenntnis«
der Bewohner de» Archipels Viti anschätzbaren Buches.
IV.
Zoologie
(von L. Rütimeyert.
Th. L. W. Bisch off. Beiträge zur Anatomie des
Hylobates leuciacus und zur vergleichenden Ana-
tomie der Muskeln der Affen und des Menschen.
Mit 5 Tafeln Abbildungen. München 1870.
Eine sehr einlässliche Myologie zunächst von Hylo-
bates leuciscus, aber mit jeweiliger Vergleichung von
Gorilla (nach Duverrioy), Orang, Chimpame, Cynoce-
phalus maimon, Cercopithecus sabaeu», Macacus eyno-
molgns, Pitheeia hirsutu, Hapale penicillata.
Etwa 50 Muskeln , hauptsächlich der Extremitäten
werden sowohl bei «len 4 Anthropoiden al* bei den
niederen Affen beschrieben, jeweilen mit Rücksicht auf
den Huxley’schen Satz, dass die anthropoiden Affen
in Muskelanordnung dem Menschen naher ständen als
ihren nächsten Stammverwandten. Eine Tabelle stellt
überdies die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen.
Nur 4 Muskeln, ScaJcn. post., Serrat. ant. maj. nebst
Levator seap. , Rectus abdom. und Peron. pnrv. zeigen
bei den niederen Affen Anordnungen, die von Anthro-
poiden und Menschen verschieden sind.
Einige Muskeln, w ie Plantaris und Caro quadr. Sylvii
sind umgekehrt gerade den niederen Affen und dem
Menschen eigentümlich, während sie den Anthropoiden
fehlen.
L>ie gTosse U eberzahl der Muskeln von Anthropoiden
nähert sich in ihrer Anordnung mehr den niederen
Affen als dem Menschen, l'eberhaupt aber variirt die
Mnsculatur nicht etwa nach diesen Gruppen , sondern
von Genas za Genus. Es ist somit unmöglich, auf die-
sem Boden etwa eine regelmässige Reihe von geringerer
zu grösserer Menschenähnltchkeit zu construiren. In
Bewi-gungsart und Mnsculatur bilden vielmehr alle Affen
eine gemeinsame natürliche Gruppe, deren einzelne Glie-
der unter einander mehr verwandt sind ul» selbst ihre
llüc)isut«henden reit dem Menschen , freilich mit reich-
lichen besonderen Variationen und Voll kommen beiten
für dieses oder jenes Genus. Namentlich überwiegt
noch seihst bei den höcltsten Affen die Ansrii»tung zum
Klettern, Festhalten und Ergreifen die Befähigung zum
aufrechten Stehen und Gehen so sehr, dass die Bewe-
gungen sie immer noch den niedrigen Formen viel
mehr annuliert als dem Menschen.
Der Verfasser knüpft hieran eine Vergleichung zwi-
schen oberer und unterer Extremität, ln Bezug auf
da* Skelet schließt er »ich der neueren besonder» von
Gegenhaur und fiumphry vertretenen Ansicht,
Radius = Tibia, Ulna = Fibula, an. Auch in der Pa*
ralh'lc von Hand- und Fusswunwlkuocheu stimmt er
Gegen tu ur hei. Obere und untere Extremität unter-
scheidet sich überhaupt in der Auordnung alter ihrer
Knochen, nicht etwa nur in Hand- und Fusswurzel.
Dasselbe gilt für die MuscuJatur. Das Dasein eines Pe-
roneus lougus und eine» Ftexor und Extensor digitor.
cOmtu. brev. bedingt den Unterschied zwischen Fass
und Hund noch nicht. Vielmehr hat die Totalität der
Muskeln oberer und unterer Extremität zwar homologe,
aber auch andere Anordnung. (Peroneus longo» ist
bloss eine Verdoppelung eines Muskels für deu Fuss, der
an der Hand meistens einfach ist, wie die» auch um-
gekehrt vorkommt. Für alle Muskeln des Fu&ses bat
die Hand Analoga, ausgenommen für die Prouation und
Supination, die dem Kuss fehlt.) Hand und Fuss un-
terscheiden sich überhaupt nicht durch Dasein oder Feh-
len dieses oder jenes Muskels, sondern durch die ge-
sammte verschiedene Anordnung. Trotz der Homologie
verhalten sich alle Muskeln aide» in Ursprung, An-
satz, in «Stärke, von gänzlichem Fehlen hi* zur Verdop-
pelung.
Trotz der Homologie in Knochen, Muskeln, gewiss
auch in Arterien und Nerven (in Folge der Gleichheit
der embryonalen Anlage) sind somit die beiden Extre-
mitäten doch bei höheren Geschöpfen io allen Theilen
verschieden. Im Ganzen betrachtet verdient aber die
hintere Extremität des Affen mehr deu Namen Hand
als Fus*. Beim Menschen ist der Fus» durchweg auf
aufrechte «Station und Gang berechnet , beim Affen
kommt zu der Flexion und Extension durchweg ausge-
dehnte Abduction und Adductiou de* Kusse», überhaupt
Ausrüstung zri viel tnanchfachcrcr Bewegung. Hierdurch
wird aber diese hintere Extremität de» Affen der vor-
deren di» Menschen analog; der Name Quadrumana
ist also für sie ganz richtig.
Einstweilen muss noch die un» erkennbare physiolo-
gische Function eines Organ» den Erklüruugsgrund für
seinen Butt abgeben, so wenig such solche teleologische
Anschauung dein Bedürfnis« der Wissenschaft entspricht.
So got wie wir ein Organ zur Bewegung in der Luft
einen Flügel, zur Bewegung im Wasser eine Flosse
nennen , so verstehen wir unter Fit*» ein Organ zum
Stehen und Gehen, unter Hand ein solche» zum Greifen
und Festhalten. Während Cetaceen und Pinuipedien,
selbst noch Einhufer, Wiederkäuer und Dickhäuter nur
Füsae besitzen, so stellt sich des Weitern allmälig eine
Theilung der Arbeit der Extremitäten in Stützen und
Greifen ein. Bei den Affen überwiegt letztere Function
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408
Verzeichnis« der anthropologischen Literatur.
und die niederen Affen sind reine Vierhänder. Bei den
höheren Affen wird die hintere Extremität immer un-
geschickter zum Greifen, die vordere immer ungeschick-
ter zum Stützen, aber dass die eine nur der einen, die
andere Extremität nur der andern Function dient, fin-
det sich nur beim Menschen.
Die Frage in Beziehung auf die Extremitäten der
Affen lautet nicht mehr: ist ihre vordere Extremität
eine Hand, die hintere ein Fuss? sondern: ist diu
vordere Extremität mehr Hand oder Fuss, die hintere
mehr Fuss oder Hand? Das erstere ist immer bejaht
worden, aber auch die hintere Extremität ist nach dem
Verfasser mehr Hand als Fuss, in Skelet, Musculatur
und Function, und wenn auch der Fuss dea Gorill we-
niger Hand ist als bei irgend einem anderen Affen , so
ist «r doch auch hierin vom Menschen weiter entfernt
als von den übrigen Affen- Es wäre unwissenschaft-
liches Vorurtheil, eine „Hand“ (ur etwas Vollkominne-
res zu halten als einen „Fuss“ 1 , «her Hand und Kuss
finden sieh als solche am vollkommensten nur beim
Menschen. Die Dlfferenzirung der Extremitäten in Hand
und Fuss erfolgt allcuältg schon innerhalb der Affen,
aber vom Gorill zum Menschen führt noch ein Sprung,
der in der Reihe der Affen fehlt.
In Bezug auf das Gehirn von Hylohatea bestätigten
sich die Angaben von Sandifort und Gratiolet. Das
Kleinhirn wird von dem Hinterlappen de* Grouuhirns
ganz bedeckt. Bezüglich der Hirnwindungen nimmt
Hylobates eine Zwischenstufe ein zwischen den drei hö-
heren Anthropoiden einerseits, Semnopithecus und Ate-
les andererseits. Die dritte Stirnwindung fehlt den nie-
deren Affen ganz. Die ganze obere Fläche des Stirn-
lappens entspricht bei allen Affen dem oberen oder er-
sten Stirnw induiigszug des Menschen. Erst wo der
vordere Schenkel der Fossa Sylvii sieb zu bilden anfungt,
beginnt auch die dritte Stirn W indung zu erscheinen und
dies ist erst bei Hylobates in nenneuswerther Weise der
Kall. Auch das Gehirn der Anthropoiden ist somit
vofi Gehirn der niederen Affen nicht etwa verschiede-
ner als von dem des Mensili«n. Das Gehirn von liy-
lohates bildet einen regelmässigen l ebergang von dem-
jenigen dea Drang, (’himpanse, Gorilla zu dem von
Ateies, Semnopithecus, Cynoccphalus etc. Von Hupale
bis Drang gewahren wir eine ununterbrochene Reihe,
während ein ähnlicher Uebergang von Drang zum Men-
schen fehlt.
Die Abhandlung ist begleitet von fünf Tafeln Abbil-
dungen, worunter di« erste den Kopf des Hylobates
leucheus in ausgezeichnetem, nach Photographie entwor-
fenen Kupferstich darstcllt, die übrigen das Gehirn der-
selben Kpecies ebenfalls nach Photographie, sowie die
Musculatur von Hand und Fuss von Cynocvphalus
Mainion und Mensch.
Bourgignat. Prodrome tsur quelques Uraidea de
l'Algerie. (Materiaux pour Phistoire de l hommc
1869, pag. 79.)
ln der Höhle von Thaya sollen vier Specirs von Bären
sich finden, für deren respective Lebensepoche der Ver-
fasser das Jahrhundert vor Christus anzugeben weis«.
F. Brandt. Neuo Untersuchungen über die in
den altai&chen Höhlen aufgefundenen Siiugethiere.
(Bulletin de l'Acad. im per. do St. Pctcrsbourg,
VII, .1870, pag. 359.)
Ein Drittel der noch im Altai oder seiner Nachbar-
schaft lebenden Thiere sind in den Höhlen vertreten.
Dazu aber noch Huhlenhyäne, Kiesenhirsch, llison, l’r-
ochs, daa sibirische Nashorn, Mammuth, Pferd (ob letz-
teres eine »pater« Zuthat, ist fraglich).
Broca. L*0rdre de? Primates, Parallele anatomique
de Phomme et dea singe*. Paria 1870, 8°. (Se-
paratabdruck au* den Bulletins de la Societe
d’ Anthropologie de Paria.)
Treffliche Abhandlung, auf die wir später zurück-
kommen werden. E.
Busk. On the Species of Rhinoceros in Oreston
Cave. (Quarterly Joarnal of Geological Society,
Vol. XXVI, 1870, pag. 457.)
In Oreston -Cave findet sielt Khinocerua leptorhlnu*
Cuvier, nicht tichorhinus.
£• Daily. L’Ordro dea Primates et le Transfer-
misine. (Bulletin do la Sociütc d* Anthropologie
de Paris, Tome III, 2 d * S4rie, 1868, pag. 673.)
Der Verfasser sucht gegen I*runer*Bey den Beleg
zu leisten, dass für den Anatomen die differentiellen
Charaktere in den verschiedenen Familien der Affen
bedeutender sind als die Verschiedenheiten zwischen
Mensch und den Affen in tato. — Weitläufiger Wort-
streit — auf Boden von oft selir cigeuthütnlichen N*o-
tionen über Systematik und fast uusschliesslich mit
Hülfe fremder aus der Literatur gesammelter Sätze,
über ein Thema, worüber dem Verfasser sowohl eigene
Beobachtung als wissenschaftliches l’rtheil fehlt.
Boyd Dawkins. Oo the Distribution of the Bri-
tish pontgJacial Mammals. (Quarterly Journal
of Geological Society, Vol. XXV, 1869, pag.
192.)
«Sielte Anthropologisch« Literatur int dritten Band
dirses Archivs, S. 357.
W. Boyd Dawkins and W. Ayahford Sanford.
British pleifltocone Mammals, Pari 2, Felis spe-
laea; Part 3, Felis spelaea und Felis Lynx. (Pa-
laeontographical Society, Volume XXI and XXII.
London 1868 — 1869.)
Frauenfeld, Georg v. Die ausgustorbonen uud
ausaterbenden Thiere der jüngsten Erdperiode.
Wien 1869, 8®.
Vict. Hehn. Kulturpflanzen und H&usthiere in
ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland
und Italien, sowie in das übrige Europa. Histo-
risch-linguistische Skizzen. Berlin 1870.
Von Hausthiercn sind besprochen: Huitsltuhn, Taube,
Pfau, Perlhuhn, Fasan, Gatts, Ente, Kaninchen, Katze,
Bütfel. Trotz des vorwiegend philologischen Charakters
der S lirift enthält doch namentlich der Artikel über
das Geflügel manche worthvolle historische Bemer-
kungen.
G. Jäger. Zoologische Briefe. Wien. 1. Lief.
1864. 2. Lief. 1870.
Nach der Ansicht des Verfassers „eine Zurückfüh-
rung der Darwinschen Transmutationslehre auf ihre
letzten Con Sequenzen und «ine Begründung mancher Rai-
. aoiinemontz derselben von einer neuen Seite her - — für je-
den andern Leser eine Anleitung, Probleme, denen sieb
die wissenschaftliche Arbeit von Jahrhunderten bisher
nur Schritt für Schritt zu nähern vermocht, wie etwa
Entstehung und l'mwundluug organischer Wesen, Ver-
wandtschaft und Abstammung von Arten, geographische
und geologische Verbreitung der Geschöpfe u. s. w.
„auf die einfachste Weise" ohne den lästigen Ballast
von wissenschaftlicher Beobachtung oder Arbeit auf so-
genannt logischem Wege durch Deduction oder sonst-
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4U9
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
wie ln a prior Utnu. her Weise zu lösen. Obwohl jede
Seit« der Schrift diese Absicht utehr oder weniger an
der Stirn trägt, an sind doch die folgenden Stellen ge-
eignet, hierüber Niemanden im Zweifel zu lassen. Seite
14 und f., 18, 32 un i 1., 5? und f., 78 und f., 92 undf.,
99, 102, 107, 121 etc. ctc.
Lartot. Progression organique rerifiable da na la
succeasion des temps güologiques. (Bulletin de
la Societe d’ Anthropologie de Paris 1868, p. 451.
Compi rend. de l’Acad. des Sciences, Juli 1868.)
Bei Hirschen ist der Kronthdl der Zähne um so
kürzer und dringen die .Schmelzfalten um so weniger
tief In den Zahnkörper ein, als die Speeles älteren geo-
logischen Epochen angohort. Ebenso findet sich in» Ge-
hirn von Saugethicren , innerhalb desselben Genus, Ab-
nahme des Grosshirns an Umfang und Windungen,
Zunahme von Kleinhirn und Kiechbirn bei geologisch
älteren Thieren. Also innerhalb des Oenu9 snccessive
Zunahme von Lebensdauer und Intelligenz, von älteren
zu jüngeren Species.
E. L&rtet. Remarques sur la Faune de Crö-Ma-
gnon. (Aunales des Sciences Naturelles, & m0 Se-
rie, Tome X, 1868.)
Von erloschenen oder ansgewanderten Thieren : Mam-
mutli, Hühlentiger. Steinbock, Uennrhier, Auerochs.
Nach Lartet sollen sich in den ältesten menschlichen
Stationen Frankreichs (mit einfachen, nicht gesägten
Pfeilspitzen) Ueberreste von Vögeln und Fischen viel
seltener finden, als in den späteren.
Lucae. Der Schädel des Masken - Schweins (Sus
pliciceps Gray) und der Einfluss der Muskeln auf
dessen Form. Mit 3 Tafeln. (Abdruck aus den
Abhandlungen der Senckenbcrg’schen naturfor-
schenden Gesellschaft, VII. Band.) Frankfurt a. M.
1870, 4*.
Eine sorgfältige Monographie über die Altersmeta-
morphose des Schädels am japanischen Mask dusch weine,
nach Vorbild und Methode der bekannten trefflichen
Untersuchungen von Nathusius über Entwicklung und
Wachsthum des Sehweinwcbädels am wilden and an
dem unter Culcureinduss stehenden Thier«. Die Ana-
lyse der einzelnen Factoren des Schädclwachsthums vom
jungen bis zum reifen Alter führt auch Lucae dazu,
die alltuälige Umbildung dec Schädels abzuleiten von
dem verstärkten Zug der Kaumuskeln bei mangelnder
Kraftent Wicklung der Naekenmuskeln, veranlasst durch
Zufuhr einer zu reichlichen Nahrung und Mästung. In
dieser Beziehung steht der Schädel de» Maskenschweins
in der Mitte zwischen demjenigen des indischen Schweins
und dem durch die Yorkshtre - Race repräsentirten Ex-
treme von CultureinÜuss am Schwein. — Andere Ur-
sachen scheint di« .Schädelmetamorphose an den Boxern
unter den Hunden zugeschrieben werden za müssen.
B. Owen. Deecription of theCavern ofBrunique],
and its organic Contents. (Philos. Tranaactions.
read Juni 1861. Mit 5 Tafeln. Siehe auch Pro-
ceedingg of Royal Society 1864.)
Beschreibung der menschlichen und tbieri selten Ucber-
reste aus der Höhle, die Owen im Jahre 1864 selbst
besucht hat. Eine aus Bruchstücken wieder zusam-
mengesetzte Cal varia von Bruniquel sieht sehr nahe
dem Schädel aus dem Steinberg von Mürigen bei Biel
und einem Schädel von Beiair (Mischformen von Sion-
Diaentls „Urania helvetica“, B. VII, B. VI). Vogel-
knochen und Kennthierrippe mit Zeichnungen von Kenn-
thier und Steinbock ; Pferderippen mit Zeichnungen vom
Archiv flftr Anthropologie. Bd. IV. Heft IV.
Pferd. Specielle Beschreibung der in der Hohle Vorge-
fundenen zahlreichen Pferdezähne, im Vergleich mit
den lebenden (Caballus, Asinus, Durcheilt, Zebra, He-
mibnu», Quagga) und mit anderen fossilen Pferdearteil.
Owen giebt der in der Höhle von Bruniquel vertre-
tenen Art den Namen Equus speisen* (warum ist dem
Referent nicht ersichtlich, dem die dargestellten Eigett-
thüiulichkeiten sich durchaus in den »ehr weiten Grenzen
individueller — and namentlich Alters Variationen
von Eq. caballus zu halten scheinen), mit zwei Varie-
täten, die indes» beide Equus caballus näher stehen, als
anderen lebenden Species, und auch sich unterscheiden
von Equus fossil is und plicidcns Owen. Dagegen stim-
men sie überein mit Pferdezähnen aus anderen franzö-
sischen Höhlen und scheinen eine kleine, scheinbar er-
loschene Race echter Pferde (nicht etwa Esel) darzu-
stellen.
Ein Anhang beschreibt noch die Ueberreste von drei
amerikanischen Pferdearten ans spät tertiären oder
quaternären Ablagerungen von Mexiko (Kq. eonversi-
detts, Uw. und Eq. tau, Uw.) und von Monte -Video
(Kq. arcidens, Öw.).
B. Owen. Apercu de Geologie du desert d’Egypte.
(Comptce rend us de l'Acad. dee Science«, 15 Mat»
1869.)
Die Physiognomien der auf ägyptischen Denkmälern
abgebildctcn Individuen aus der Epociie zwischen der
IV’. and VIII. Dynastie des alten ägyptischen Reiches
weisen auf orientalischen oder nordischen, nicht auf
äthiopischen Ursprung. Dabei vollkommene Abwesen-
heit der Zeichnungen von Pferd oder Esel. Wenn die
Einwanderung der Gründer der ägyptischen Civilisatiou
aus einem von Kinhnfem bewohnten Lande stammt, so
fallt sie somit in eine Zeit vor der Zähmung dieser
Thiere. Die Invasion der arabischen Hrcksos während
der XV*. bis XVII. Dynastie brachte das zahme Pferd
und den Esel nach Aegypten und von da an fehlen
Pferde und Wagen auf den Fresken der Gräber und
Tempel nicht.
Achille Quadri. Note alle Tcoria Darwimana.
Bologna 1869.
Der Verfasser versucht, «ine ausgedehnt« Literatur
aus dem geaammten Gebiete der Naturgeschichte zu
Hülfe ziehend, aus den Gesetzen der Morphologie, Ta-
xonomie, Palaeontologie die Einheit des Planes der
organischen Schöpfung nachzu weisen und daraus Belege
für die Richtigkeit der Dar win "scheu Lehre herzuleiteu.
Rüdinger. Muskeln der vorderen Extremitäten
der Reptilien und Vögel mit Rücksicht auf ana-
loge und homologe Muskeln bei Säugethieren and
Mensch. Eine von der holländischen Gesellschaft
der Wissenschaften in Harlem gekrönte Prois-
schrift. Verhandlungen der Gesellschaft, XXV,
1868.
Knochen and Muskeln stehen bezüglich ihres Vor-
handenseins und des Grades ihrer Ausbildung mit nur
wenigen Ausnahmen in inniger gegenseitiger Beziehung.
Die einfach« oder complicirte Anordnung der Muskeln
gebt Hand in Hand mit der Formversuhiedenheit und
dem Entwicklungsgrad der Knochen. Beim Vogel,
fliegender Eidechse, Fledermaus nicht etwa fundamental
geänderte Einrichtungen ihrer Extremitäten, sondern nur
Umänderungen im Bau der Knochen und Muskeln, wie
solche sich auch bei Thieren vorflnden, denen die Fä-
higkeit zu fliegen ganz abgeht. Wie gro»a auch die
Formverschiedenlieit der Knochen in den verschiedenen
Thiere lassen sein mag, immerhin finden sich in dem
Skelet des Salamander», des Crocodils, des Vogels und
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Verzeichniss der anthropologischen Literatur.
des Säugethiers bis zum Menschen herauf identische
Glieder, die sowohl in der Form als in der Art ihrer
Zusammensetzung typische Verhältnisse zeigen- Der
Form der Knochen sowohl wie insbesondere der Art
der mechanischen Zusannuenfügung entspricht dieGrup»
pirung der Muskeln- Wenn sich auch die Zahl der
einzelnen Muskeln vermehrt oder vermindert zeigt und
in allgemeinen Beziehungen grosse Verschiedenheit wahr-
nehmbar ist, so lassen sich doch keine wesentliche Ab-
weichungen der Grundtypen auffinden, und wenn inan
nicht die Extreme einander gegenüberstellt , so können
alluülig verwandte L'ebergäugv nachge wiesen werden.
Ayehford Sanford. Rodentia of the Somerset-
Cave. (Qnarterly Journal of Geologie«! Society,
Vol. XXVI, 1870, pag. 124.)
Zuthaten und Correctionen zu dem Verzeichnis« po*i-
glacialer Thiere England*, von Boyd Duwkins.
V.
Allgemeine Anthropologie.
(Von ▼. Hellwald, Rütimeyer und Anderen.)
Baltzor, Joh. Bapt. Ueber die Anfänge der Or-
ganismen und die Urgeschichte de« Menschen.
Dritte Auflage. Paderborn, Ferd. Schöniugh,
1870. 8®. 145 $.
Baumgfirtner, Heinr. Natur und Gott. Studien
über die Entwicklungsgesetze im Universum und
die Entstehung des Menschengeschlechts. Leip-
zig 1870, 8°.
Beiträge, neue, zu dem Streit über die mutterlose
Zeugung. (Generatio aeqtiivoca). (Ausland 1871,
Nr. 1.)
Beiträge 2 ur Lehre Darwin’» von der Entstehung
der Arten. (Ausland 1870, Nr. 3.)
Broca. Sur le Transformisme. (Societe d’Anthrop.
de Paris). Revue des cours srientifiques de la
France et de l’etranger. Paris 1869 ä 1870.
S. 530 und 550.
Treffliche Darstellung der Dar w in* sehen Lehre. E«
Carneri, B. Sittlichkeit und Darwinismus. Drei
Bücher der Ethik. Wien 1871, 8°.
Claparede. La Selectiou naturelle et l’origine de
rhomme. (Revue des cours scientifiques de la
France et de IVtranger. Paris 1809 — 1870. 8.
564.)
Darwin, Charles, und seine Gegner. (Ausland
1871, Nr. 4.)
Darwin in der Pariser Akademie. (Ausland 1870,
Nr. 36.)
Bericht über die Debatten wegen Aufnahme Dar-
win’s in die Pariser Akademie; kennzeichne» die Stel-
lung. welche die hervorragendsten französischen Gelehr-
ten zur Darwinschen Theorie ciunehmen. Mit Auf-
nahme von Quatrefages und Miln« Edwards sind
sie fast alle Antidarwinisten.
Deutsche Philosophie in Bezug auf Religion und
Naturwissenschaft. (Allgemeine Zeitung 1870,
Nr. 352, 35.3.)
Besprechung der Arbeiten des Münchener Philosophen
Professor Dr. Johanne* Huber.
Dr. Julius Dub. Kurze Darstellung der Lehre
Darwin's über die Entstehung der Arten der
Organismen. Mit 38 Holzschnitten. Stuttgart
1870.
Da* Buch von Dub gehört weder zu der Parteilite-
ratur noch zu der Fachliteratur. Ohschon der Verfasser
in einem Nachtrag (Abschnitt VII I und IX) über sei-
nen Beifall oder Missfallen den Leser nicht im Zweifel
lässt, so gehört »ein Buch wesentlich in die Kategorie
der Uebersetzungen. Trotz der trefflichen Vertbeilung
des Stoffes ist derselbe in dem Darwinschen Werk
»o ausgedehnt, das» dessen I^ectüre auf viele Leser er-
müdend w irkt, um »o mehr, als dasselbe bekanntlich an
Laien durchaus nicht gerichtet ist , sondern eine volle
Vertrautheit mit den behandelten Materien voraussetzt.
Dub hat diesem Mangel alwufielfen gesucht durch eine
Umarbeitung des Buches für das allgemeine Verständ-
nis«. Dem Original streng folgend (seine Abschnitte
entsprechen in der Hegel je zwei Capiteln des letzteren)
giebt es eine Art von praktischem Auszug daraus für
den Lnien , wobei es sich zur Aufgabe macht, die ein-
zelnen Themata in ziemlich gleichniüssiger Ausdehnung
zu behandeln. Wo es nüthig schien , wurde daher ab-
gekürzt , an anderen Orten beigefügt . d. h. populäre
Zusammenstellungen von dem eingeschoben, was das Ori-
ginal bei dem Leser als bekannt voraussetzte (so die
geologischen Abschnitte* p. 140 — 151, 154—103, SOI —
213), und durch passende Vervielfältigung der Titel
und besonders auch durch treffliche Krsuim* am Ende
jedes Abschnitte» der Bearbeitung überhaupt ein solches
Man»» von Compact heit und Klarheit gegeben, dass die
Absicht des Verfassers, eitle gemein verständliche Dar-
stellung von Darwin’s Lehre ohne irgend welche Er-
weiterung oder Umgestaltung der Ansichten zu geben,
sicher vollkommen erreicht ist.
Diesem trefflichen Erfolg geschieht auch kein er-
heblicher Eintrag, wenn der Verfasser tu den von
ihm beigefügten zwei letzten Aluschnitten „Urt heile über
Darwin’s Theorie“ und „Urzeugung“ etwas weniger
logisch verfahrt und auch sonst gelegentlich seine Au-
toritäten mit grösserer Vorsicht hätte auswiihlcn dürfen
(Eintheilung des Thierreichs, p. 109 tu s. w.). R.
Erblichkeit, Uber, geistiger Fähigkeiten. (Ausland
1870, Nr. 39.)
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411
Verzeichnis» der anthropologischen Literatur.
Hochinteressanter Auszug Mt dem Buche Gnlton’s,
Hereditäre genius.
Figuier, Louis. L'homme primitif. Paris 1870,
8°.
Flammarion, Camille. Gott in der Natur.
Deutsch von Emma Prinzessin Schönaich - Caro-
lath. Leipsig 1870, 8 a .
Hackel, Ernst. Natürliche Schöpfungsgeschichte.
Vorträge über die Entwicklungslehre im Allge-
meinen und diejenige von Darwin , Goethe und
Lamarck im Besonderen. Berlin 1868, 8°.
Bin« eingehende kritisch« Besprechung dieses Werkes
siehe: Ausland 1870, und zwar: 1. Die Abstammungs-
lehre in Nr. 29. 2. Die Stammbäume für Thiere und
Pflanzen in Nr. 30. 3. Der Stammbaum des Menschen
und seiner Kacen in Nr. 32.
Hftckel. Ueber die Entstehung und den Stamm-
baum des Menschengeschlechts. Zweite verbes-
serte Auflage. Berlin 1870.
Huber, Johannes. Die Lehre Darwin’« kritisch
betrachtet. München 1871, 8°, 206 S.
Huxley'e Rede zur Eröffnung der britischen Na-
turforscherversammlung zu Liverpool. (Ausland
1870, Nr. 39.)
Behandelt vorzüglich die Frage der Generatio aequi-
voca. Huxley möchte nicht für erwiesen erachten,
dass Lebenserscheinnngen niemals künstlich hervorge-
rafen werden könnten, er behauptet nur, dass keine
Thatsache vorliege, welch« beweist*, da*» ein solcher
Versuch schon geglückt sei.
JoffViCB, J. P. The Natural history of the Human
Race. New York 1870, 8°. 380 S.
Klein. Entwicklungsgeschichte des Kosmos. Braun-
schweig 1870, 8*.
Enthält im zweiten Abschnitt eine kritische Unter-
suchung der gegenwärtig herrschenden Ansichten der
Entwicklungsgeschichte der die Erde bewohnenden Or-
ganismen (Orgauugonie), in welcher l) die Abänderung
der Arten, 2) die Verkeilung der Organismen an der
Erdoberfläche , 3) die geologische Aufeinanderfolge der
Organismen . 4) die wechselseitige Verwandtschaft or-
ganischer Körper < Morphologie, Embryologie), 5) Dar-
win** Patigettrsis und G) die Generatio spontanen be-
trachtet werden.
Mazzetti, Gius. Dell 1 origine delP uomo e della
trasformazione della specie. Riflessioni. Modena,
8oliani, 1870, 8°. 09 pag.
Preyer, W. Charles Darwin. Eine biographische
Skizze. (Ausland 1870, Nr. 14.)
Rokitansky, Carl. Eröffnungsrede, gehalten in
der constituirenden Versammlung der anthropo-
logischen Gesellschaft in Wien am 13. Februar
1870. (Mittheilungen der anthropologischen Ge-
sellschaft in Wien, Bi I, S. 1 — 10.)
Schmidt, Obc. Beiträge zur Descendenztheorie
und zur Systematik derSpongien. (Ausland 1870,
Nr. 2, 8.)
Schnitze. Der Fetischismus, ein Beitrag zur An-
thropologie und Religionsgeschichte. Leipzig
1871. 8®.
Der in der neuern Rebeliteratur wohl belesene Ver-
fasser sucht, wie wir glauben mit Erfolg, in der Viel-
heit der Erscheinungen das GesctznüUsige und Bleibende
aufzufinden.
Streitschriften englischer Biologen über den Be-
griff de« Lebens. (Ausland 1870, Nr. 11.)
M. Wagner. Ueber den Einfluss der geographi-
schen Iwolirung und Coloniebildung auf die mor-
phologischen Veränderungen der Orgatritmen.
(Sitzungsberichte der k. baierischen Akademie der
Wissenschaften zu München 1870.)
Nach der Darwinschen Selectionstheorie züchtet diu
Natur in Folge de« Kampf« um* Dasein rastlos neue ty-
pische Formen der Organismen durch Auslese nützlicher
Varietäten, gleichviel ob innerhalb oder ausserhalb des Ver-
breitungsgebietes der .Stammart und kann diesen Process
der Bildung einer neuen Art nur innerhalb eines sehr
langeu Zeitraums vollziehen.
Nach der Separationstheorie züchtet die Natur nur
periodisch neue Formen stets ausserhalb des Wohnge-
bietes der .Stamuiart durch geographische Isolirung und
Coloniebildung, ohne welche von allen höheren Thieren
getrennten Geschlechts keine constante Varietät oder
neue Art entstehen kann. Der Gestaltungsprocess einer
neuen Form kann nicht von langer Dauer sein. R.
A. R. Wallaco. Beiträge zur Theorie der natür-
lichen Zuchtwahl. DeuUch von A. B. Meyer.
Erlangen 1870.
Eine .Sammlung von Abhandlungen, hier zum Tbeil
uugearbcitet, die der Verfasser schon seit längerer Zeit
in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht oder vor
wissenschaftlichen Gesellschaften gelesen hatte. Die ein-
zelnen Themata betrefft n: Gesetz der Einführung neuer
Arten, Tendenz der Varietäten, vom Stammtypus abzu-
weichen, B Mimicry‘, natürliche Zuchtwahl an dem Bei-
spiel der malaiscben Papiiioniden , Instinct bei Mensch
und Thieren , Philosophie der Vogelnester, Beziehung
zwischen Art des Nestbaus und Farbe der weiblichen *
Vögel, Schöpfung durch das Gesetz, Entwicklung der
Menschenracen unter natürlicher Zuchtwahl , Grenzen
der natürlichen Zuchtwahl in ihrer Anwendung auf den
Menschen.
Auf ein Buch vou Wallace mit solchem Inhalt be-
sonders aufmerksam zn machen , ist wohl überflüssig,
da Jeder, welcher der Entfaltung von Darwinschen
Anschauungen folgt, mit dem grössten Interesse diese
tSumuilung von Aufsätzen zur Hand nehmen wird, In
welchen bekanntlich gänzlich unabhängig und theilw’ebe
vor Darwin aber ähnlich wie bei Darwin gutenthells
unter den Eindrücken ausgedehnter und wohl benutz-
ter Reisen Schritt für Schritt die Schlüsse formul irt
werden, zu welchen sorgfältiges und von anderer,, Schule“
als derjenigen der Natur freies Denken einen *o ausge-
zeichneten Beobachter führt. Ihrer Entstehung nach
sind die Aufsätze über 15 Jahre zerstreut und theilweise
auf jenen fernen Oceaniachen Inseln niedergeschrieben,
also nicht etwa Zimmerarbeit, sondern naturwüchsiges
Gebälke, gewissermaassen ein Tlteil des Baumaterial«»,
einstweilen mir noch zugerüstet drüben auf einer an-
dern Hemisphäre, das dann später nebst dem nicht we-
niger reichlichen, das Darwin in ähnlicher Weis« ge-
sammelt hatte , von Letzterem zu dem Bau verwendet
wurde, den er vor 12 Jahren zn Aller l’eberrasehung
wie mit einem Griff auffiihrte.
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Verzeichnisa der antliropologisdien Literatur.
Neben dem hüben Inneren Werth haben somit diese
Aufsätze auch noch einen historie-heil, den bekanntlich
die grosse Gewissenhaftigkeit Darwin 1 * jeweilen roll
anerkannt hat, und der letztere wird nicht wenig er*
höht durch die Bescheidenheit, mit welcher Wallace
von »einem Antheil an der Entwicklung des Darwin-
schen Baues spricht. „Das vorliegende Werk wird be-
weisen, dass ich damals sowohl den Werth als die Trag-
weite des Gesetzes, welches ich entdeckt hatte, sah,
and dass ich es seitdem für manche Zwecke nach eini-
gen neuen Richtungen hin anzuwenden verstanden habe.
Allein hier enden meine Ansprüche. Ich habe mein
Leben lang die aufrichtigste Befriedigung darüber em-
pfunden , dass Herr Darwin lange vor mir an der
Arbeit gewesen ist und dass nicht mir der Versuch über-
lassen blieb, „die Entstehung der Arten 41 zu schreiben. 44
In einigen wichtigen Punkten weichen die Ansichten
von Wallace von denen von Herrn Darwin ab, was
mit eiu Grund zu der Veröffentlichung des oben ange-
zeigten Buch«* war; uümlich in der Anwendung der
Theorie der natürlichen Zuchtwahl auf den Menschen.
Es bildet die* den Gegenstand der zwei letzten Ab-
handlungen; Wallace versucht darin zu zeigen, dass
die natürlich« Zucht wall I auf die körperliche Organisa-
tion des Menschen — im Gegensatz zu derjenigen der
Thiere, wo sie so grosse Resultate hervorbringt, keinen
Einfluss besitze, da der Intellect des .Menschen eiue Art
von Gegengewicht gegen natürliche Zuchtwahl autübe
und ihn dem Bereich von Kräften entziehe, die nur auf
natürliche Körperwelt wirken-
„Von der Zeit au, iu welcher sociale uud sympathi-
sche Gefühle iu tlutige Wirksamkeit traten und intel-
lectuelle und moralische Fähigkeiten sich gut entwickel-
ten, würde der Mensch aufgehört haben, in seiner phy-
sischen Form und Structur von der natürlichen Zucht-
wahl beeinflusst zu sein“. — Woraus folgt, „dass die
Differenzen, welche jetzt das Menschengeschlecht von
anderen I liieren trennen, entstanden sein müseen, ehe
es in den Besitz eines menschlichen lutellectes oder
menschlicher .Sympathien gelangte. 41
Mau sieht hieraus, dass cs sich für Wallace weni-
ger um eine ausnahmsweise Immunität des Menschen
in Bezug auf Gesetze handelt, welchen sonst eine Wir-
kung auf die gesummte organische Natur zugeschrieben
wird, als um eine ausnahmsweise Kraft, die den gei-
stigen Fähigkeiten des Menschen im Gegensatz zu den-
jenigen der Thiere zugeschrieben wird.
Aber auch diese weit« Trennung von Mensch und
Thier in Rücksicht euf geistige Eigenschaften, bei An-
erkennung ihrer grossen körperlich«n Verwandtschaft
konnte offenbar couseqiiciitc Anhänger der natürlichen
Zuchtwahl nicht befriedigen, und Einwendungen gegen
diese Anschauung Wallace'* sind daher nicht ausge-
blicben. Doch begnügen wir uns, hier di« trufBkhe
Arbeit von Ed. Claparede anxuführen: Remarques *
propos de IDnvrage de Mr. Wallace snr la Theorie
de la Sclection Naturelle. * Archive* des Sc. de la Bi-
blioth. universelle de Geneve. Juin 1870.
Rütlmoyar.
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REGISTER DES VIERTEN RANDES.
Seit«
Abstammung des Menschen 335
Afrikanische Völker, Kannibalismus derselben . 258
Amerikaner, Kannibalismus 2511
Anthro|>ologi»ebc Literatur . . . 127. 151. 333. 357
Asiatische Völker, < annibalismus ....... 2t>2
Augengegend und Nasenwurzel Lil
Axe der Schädelbasis 2^5
Baer’scbe Horizontale des Schädel» 301
Beschnoidung 2LJ
Bestattung, von Menschenopfer begleitet .... 278
Broca’sche Horizontale des Schädels 300
Bronzealter 32
Bronzecultur U
Bronzezeitschädel 72
Kannibalismus der alten Völker 248
„ in Europa 204
„ der heutigen Wilden 233
Karthager, Menschenopfer derselben 273
Chi loten 140
Chinesen, Cesichtsbildung lil
Chinesinnen, busse derselben 221. 2-1 1
Chorotegas *.H>
Condylcnwinkcl beim Neger und Europäer . . . 21 K»
Costarika, Eingeborne 03
Cryptolithisehe» Zeitalter 45
Kuevastämme Kostarikas lii.
Drehung der Schädelwirbel 301. JO«
Eincnalter 3£l
Eiseuzcitschädel 7-»
Estlien, Schädelform Lil
Etrusker, ihr Einfluss auf die Bronzecultur . . LI
Exostosen des Gehörganges 147
Finnenschädel 72
Flintgeräthe der Indianer 1
Foramen magnum, Stellung des, beim Neger und
Europäer 207. 208
Fuss des japanischen Seiltänzer» 313
Fü»se der ( hinesinnen 221. 211
Gelenkfortsätze de» Hinterhauptbeins, Erhebung
der, über der Horizontal-Ebene 280
Geschlechtliche Zeugung, Theorien dersnlb. 107. 317
Griechen, ihr Einfluss auf die Bronzecultur . . 11
„ Menschenopfer derselben 274
Grönländorschüdcl 75
Höhle von Cro-Magnon in Perigord lüii
8*ltt
Horizontale des Schädels, Bestimmung derselben 200
Hünengräber 143
Indianer Nordamerikas, Steiugeräthe ...... 1
Indianerstämme Kostarikas
Japanischen Seiltänzers, Fuss de»
Jensen’s Zeichenapparat
Juden, Menschenopfer derselben
Kelten
„Keltische“ 'lopferwaaren in Oberitalien ....
Kjökkenmöddinger
Knochen, Veränderungen bei langer Lagerung
im Boden 128 .
Knochensubstanz, organische; Grund der Unver-
änderlichkeit derselben
Krümmung de« Schädelrohrs beim Neger und
Europäer 287. 301.
Künstliche Verkrüppelung der Khinesenfiisse 22 L
Lappenschädet
les Eyzies, Höhlenbewohner
Malayeu
„ Cannibalismus derselben
Megalithisches Steinalter
Menschenfresserei
Menschenopfer
Mexikos Ureinwohner 131.
Mikrocephalus (Vilanova’s Fall)
Natürliche Zuchtwahl in Bezug auf den Men-
schen
Neger, Bildungsfähigkeit
Papuas
Patagouier, Körpergrösse
„ Stein gerat he .
Pelew- Insulaner
Peruanerschädel, Exostosen de» Gehörganges . .
Phönizier, Menschenopfer derselben
Kennthierzeit, Höhlenbewohner derselben . . •
Körner, Menschenopfer derselben
Schädel, altnordische
„ der Bronzezeit
„ * „ Eisenzeit
a „ Esthen
„ „ Finnen
„ , Grönländer
„ „ Lappen
„ „ Kennthierjäger von les Eyzies . . .
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EKötsEisßisBigEIEEEE! EEgg*ggge£g g g gggggge
414 Register.
(Mut
Schädel der Steinzeit iü
Schädel basisaxe Mi
Schädelgeaichtswinkel Mi
Schädelmessung ü2
Schädelrohrs, Krümmung des, beim Neger und
Europäer 2*7. Ml. 302
Schädels, Stellung des, auf der Wirbelsäule 306 — 309
Schädelwirbel, Drehung derselben 301. 302
Skeletreste der Rennthierjägcr von les Eyzies . Hl
Speciesbildung; historische Notiz über dieselbe . 355
Sprache, Ursprung derselben 138
Stcinaltcr 311
Steinerne Götzenbilder der Indianer .... 2Ö. lilZ
Steingeräthe der Indianer 1
, in Patagonien HÜ
Mts
Steinxeitschädel
Stellung des Schädels auf der Wirbelsäule . 306 — 309
Stereoskopisch - geometrischer Zeichenapparat . 233
Terramara * Lager in Oberitalien 150
Theorien der geschlechtlichen Zeugung . . 197. 317
Todtenmasken, Alter derselben 142
Verbrennung (Menschenopfer) 279
Verhandlungen gelehrter Versammlungen . 144. 341
Waffen aus lironze H
» „ Stein 1
Wilde Völker, Menschenopfer derselben .... 282
Wirbelsäule, Stellung des Schädels auf der Wir*
bclsäule 306—309
Zeichenapparat, stereoskopisch -geometrischer . 223
Zeugung, geschlechtliche, Theorien derselben 197. 317
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Taf.l.
Fij.l:
ZiUiofi\u> ::<? .. c. a Strrwui w. rhe :bu-'y t Jl.
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. Digitized by Google
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3 2044 042 339 267
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