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EDA KUHN LOEB
MUSIC LIBRARY
HARVARD UNIVERSITY
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Carl Maria von Weber
Eine Lebensskizze
nach authentisohen Quellen
von
F. W. Jahns,
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Mit einem bisher anbekannteo Bildnisi Weber's in Photolithograpiiie.
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Fr. Wilh. Grunow.
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Carl Maria von Weber.
Eine Lebensskizze
nach aiiMiontischen Quellen
von
F. W. Jahns,
KAnIgl. PrensH. I*ror«(Mor iin<l Miiaikdirector in Berlin.
Mit einem bisher unbekannten Bildniss Weber's in Photolithographie.
Tj,?-i/S^gVMnr —
Leipzig,
Fr. Willi. Grunow.
1873.
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Das hier beigegebene Bildniss
C. M. von Weber'H
wird hiermit zum ersten Male veroflfentlicht. — Der Herr Verfasser
dieser Lebensskizze, in dessen Besitze sieh gegen SO verschiedene
gestocliene, litlio^raphirtc, audi photograpliirte , im Handel erschienene
Bildnisse Weber 's befinden, spricht dem vorliegenden vor allen andern
die Vorziitfc !»<•! writoin grösscirr Aelnili('hk(>it und W<ihrhcit des Aus-
druck.s z!i. - Das Orif^iiial wurde im Oetober des Jahres 1820 vom
Professor Horneman in Kopenhagen gezeichnet , als Weber
auf seiner damali^ren Kuustrcisc daselbst scchszchn Tage verweilte. Bei
einem Aufenthalte zu Kopenhagen im Juli d. J. entdeckte Herr Prof.
Jahns durch einen glücklichen Zufall die von ihm lange gesuchte Origi-
nalzeichuung im Besitze des Herrn Archivars Klein, der die photogra-
phischc Abnahme darauf freundliehst gestattete. Das Original tragt
fulgMidir B< tuerkinifrcii von des Zeiehn(;rs Hand, oben: ^ Capelmester
C;irl Maria von VVrbcr," unten: „C. Horneman del. — - Dessluo d'apres na-
Iure 11. Oft. IS-iO."
Oclohcr IS72.
J)io Yeiiag8handlnng.
l>.u n<<li( t|.i r< iMTHcl/iiii». Iti rniiiilii Siinirlum wini vorhnlKiHoii.
* > f • i ^ •
Carl Maria's Vater, Franz Anton, Freiherr von We-
ber (ein Nachkomme dos 1508 ßcadolten, 1022 in (hn Vm-
herrnstand erhobenen nieder-österreichischen Kcgierungs-Kanz-
lers Kaisers Ferdinand II., Johann Baptist Weber) war 175f>
kurfürstlich pfälzisduM' liic^iitenant, 1758 fiirstbiscliöfliclK^r
Amtmann und IIof-KaninierniUi zu Ilihleslieim, J778 Musik-
director zu Lübeck, 1770 fürstbiscliöfliclier Oapolhneister zu
Eutin, seit 1787 Theater- Unternehmer zu Mtuningen, Niiiii-
berg etc. — Als neuntes seiner zehn Kinder wurde ihm, in
zweiter Ehe mit Genofcva von Brenner, unser iM(*isier:
Carl Maria Friedrich Em est von Weber am 18. I)e-
cember 17S(> zu Eutin im Oldcuburgisclien geboren ; durch
die Verhcirathung seiner Base Constanze (von) Weber wurde
der Letztere der Vetter Mozart's.
Schon in seinem zwölften Jahre verlor Carl Maria die
Mutter und wurde nun noch mehr als bis dahin einem steten
Ortswechsel unterworfen, der nicht ohne Einlluss auf den
Knaben bleiben konnten Seine Kinder- und ersten Ent-
wicklungsjahre fielen in die Zeit der Hingabe seines Vaters an di(;
Thätigkeit eines Theatcutlirectors, und ferng(;halten von alters-
gleichen Gesjnelen erwuchs er in der bewegten, vielgestaltig
wechselnden Sphäre des Theaterlebens, für den zukünftigc^n
dramatischen Tondi(*hter fi(iilich von still voi-bereitender, das
Kind aber vorzeitig erregender Wirkung. Bei anderweitiger
vielfacher Begabung desselben trat das musikalische Talent
anianglich wenig hervor; sein erst'M* Musiklehrer, der fünf-
— 4 —
uiidzwanzig Jalirc ältere Ilnuler Fritz (Fridolin), äusserte
(hiiiiuls ^^('g(in ihn: „Carl, Du kannst alles werden — aber
ein Älusiker wirst Du iiinimcrnielir!** Dennoch wurde der
Unterricht fortgesetzt, und als Franz Anton vorläufig seine
'rii(%'it(;runl(^ni(;hiiiiing(»n anfgah und 1796 nach Hildburg -
hausen nl)ersiedelto, erhielt der Knabe den gründlichen J.
l\ llcuschkel daselbst zum Lehrer. Dieser war es, bei
welchem Carl Maria (nacli des helzteren Bemerkung in einem
l)is 1818 roicli(Mi<l(5ii kurzen Fieliensabrisse) „den wahren, bes-
„ton (Jnmd legte zur kräftigen, dcnitliclien und charaktervollen
„Spiehirt und zu gleicher Ausbildung beider Hände auf dem
„Ciavier.*'
Min neues Tli(;aterniit(^rn(ilinien führte seinen Vater schon
171)7 wieder von Jlildburghausen hinweg nach Salzburg. —
Die weitere Ausbildung des Knaben wurde nun dem dort le-
benden Mich :iel llaydn (Jose|)li ll.tydn's IJruder) übergeben.
171)8 erschien dasell)St Weber's erstes Opus: Sechs Fug-
hetten (bei Mayr.) Doch ])ald gab Franz Anton auch das
vorerwähnte The;iterunt(!rnehnien auf und ging Ende 1798
nach (hm damals in hoher Kunstblülhe stehenden München,
wo nunmehr J. N. Kalcher, d(;r als Tonlehrer berühmte
lloforganist. die nmsikalische Weiterbildung Carl Maria's
üb(;rnahni. S(unen Kinfluss chaiakterisirt Carl Maria selbst
in j(Mier LelxMisskizze dahin, dass <m" ,, dem klaren, stufenweise
„furtschreitenden, sorgfältigen Unterrichte Kalcher's grössten-
,,theils die Herrschaft und Gewaiulheit im Gebrauche der
„Kimstmittel, vorzüglich in Bezug auf den reinen vierstim-
„migen Satz" verdanke. Nebenher studirte er Gesang bei
Valesi (Walle,sh.ius(;jj. - liald (Eitstand nun eine namhafte
Anzahl von (lompositionen, darunter eine Messe, Trio's, Sona-
ten, \'arialionrn, vierslimnu'g<5 Lieder, Canon's etc., selbst eine
— 5 —
Oper, die erste Wcbor's: „Die Macht der Liebe und
des Weins**, welche Arbeiten süinniUich durch Zufall ein Raub
der Flammen wurden, mit Ausnahme von (Jlavicr- Variatio-
nen, die, seinem Lehrer Kalcher gewidmet, ISOO, und zwar von
Carl Maria eigenhändig lithographirt, als dessf^n op. 2
zu München im Sclbstverhige erschienen. Denn dem im Zeich-
nen geschickten Knaben hatte die damals von A. Senefebltr
erfundene Kunst der Lithographie ein so hohes Interesse abge-
wonnen, dass er bahl m^IIisI c^jnr, verbesserte, <l;iliin ('inscbla-
gende Maschine erfunden zu haben glaubte, deren licsultati;
er in dem genamiten, von ihm s(»lbst auf Stein gesclnielHMien
Opus 2 dai'legen wolHe. Diese ]»estrebungen erfülllen ihn
und den Vater dergestalt, dass ]*eide in den* zweiten Hälfte
des .lahres 1800 - naelMleni C-arl Maria, duich Krfurt, (iotlia
und Leii)zig reisend, in Concerten als Clavier-Virluose aufge-
treten w^ar — nach Freiberg in Sachsen übersiedelten, um,
wie Carl Maria 1818 srliiieb, die Lithograpliie ..im (irosseii
„zu treiben, dort, wo alles Afaterial am be<|uenisten zur Hand
„srhii^n'^ ' Doch l)ald lic^sen ilin „das MeclianiscJK», (leist-
„tödtende des Geschäfts das l'nternelinien aufgehen und die
„Composition mit doppelter Lust fortsc^t/en.' In Folge des.s
schrieb Weber zu Frei])er.u im Herbste des Jahres 18^)0 seine
zweite Oper ,,Das AValdmädchen" (auch „das stumme
Waldmädchen" genannt), welche daselbst durch di(i 'J'nippe
ihres Dichters, eines Iiitters von Steinsherg, zuerst am 21. No-
vember 1800 zur Auffdlirung kam und in Chemnitz am 5.
Deccmbcr desselben Jahres zur Wiculerholung g(dangte. ISOI
und 1805 wurde dann „das Waldmädchen" in Wien mehrfach
aufgeführt und bald auch zu ]*rag fin's Iiöliniische übersetzt)
und zu l*etersburg mit r.eifall geg(;beii, „und verbreitetem sicli
ilicOpcr" (wie Weber später schrieb) „weiter, als mir liel) sein
— 6 —
„konnte, da es ein höchst unreifes, nur vielleicht hin und
„wi(Mlcr nirht imir/. Jin Erfindung leeres Product war, von dem
„ich namentlich den zweiten Act in zelm Tagen geschrieben
„hatte, eine der vielen unseligen F(dgen der auf ein junges
„(jemüth so hjldiaft einwirkenden Wunder-Anekdoten von hoch-
„ verehrten Kleistern, denen man nachstrebt."
Zur Itegelung früherer 'I'lieatei-^^eschäftc ging hierauf
Franz Anton wieder nach Salzburg, und auf's Neue wurde
Carl Maria der musikalischen Leitung Michael Haydn's
ü\n\\'^vhvA\. IJier nun schrieb JSOl der noch nicht voll fünf-
zeliiijälirige Knal)e seine dritte zweiaktige Oper „Peter
Schmoll und seine Nachbarn'', die im Juni 1802 zu
Salzburg vor Michael Ilaydn und dem Concertmeister Otter
am Ciavier aufgeführt wurde, welche Beide dem jungen Com-
ponisten rühmliche Zeugnisse darüber ausstellten, von denen
das ()tt<!r's mit den Worten schliesst: „Erit mature ut Mo-
zart". — In dieser Zeit entstanden nachweislich noch die
„Six Tcitites Viiatn Faciles" für Pfte. zu vier Händen op. 3,
die 12 Aih^manden op. 4, einzelne iiieder und G Ecossaisen.
— l^ines Auslluges der beiden Weber im Herbste des Jahres
J802 nach Hamburg ser nur gc^dacht, weil hier Carl Maria's
erstes einstimmiges, übrigens ungedruckt gebliebenes Lied
„Die Kerze" entstand und er hiemit eine Bahn betrat, auf
d(T VA' spät(;r so sehr Ausgezeichnetes leisten sollte. Ende
des Jahres gingen Vater und Sohn nach Augsburg, wo An-
fangs ISOJJ Tcter Sthmcdi auf diM- Bühne erschien, jedoch, (wie
Weber sagt) „ohne sonderlichen Erfolg, wie natürlich!" Bei-
läufig entstand während dieses Aufenthalts eine frühreife
Terle unter Weber's vierstimmigen Gesängen, sein tiefschönes
Grablied „Leis wandeln wir wie Geisterhauch".
Mächtig /op; es beide Weber nach WMen, und zwar be-
sonders Joseph Haydn's wep^en, dessen Schule der Jüii^liii^
ül)crgebcn werden sollte. Dies aher gelang' nicht, und stjitt
dessen wurde der beilihmte, damals in Wien weilende Abt
Vogler Carl Maria's Lehrer, ein Kreigniss, das als eines der
einflussrcidisten auf den EntwicklunJrs^^'ln*( des werdc^nden
Künstlers zu betrachten ist. Bald war er dem Meistor in
voller Begeisterung (»r;^rlM*ii, w(5lr,br. ;iurli sein '^iiiizes Leben
hindurch nicht erloschen ist. Nach (hinein einjälirigen Lebr-
cursus bei Vogler, während dessen nur wcni^^ (op. 5 un<l 0,
Variationen, diesem g(»widmet) eomponiit, desto stren^^c^r alx'r
studirt wurde, trat (Jarl Maria im November IS04 (hircb
Vogler empfohlen, die (Kapellmeister stelle am I» res lauer
Stadttheater an. liier erölfnetci sich dem Tabiiite des arlit-
zchnjährigen Dirigenten als solchem ein weites l-'eld der
Praxis; hier konnte er, als Leiter (iinos schon bedcutendcMi
Orchesters, dessen Wiikungen nacii albjn llicb(un^(^ii
tief eingehend beobachti^n , und dadurch zumal gestaltete
sich diese von ihm zwei Jahre innegehaltene Stellung als
bedeutungsvolles Moment für seine hohe Meisterscliaft auf
dem Gebiete orcbesirab'r Kujist. Doch wieder biu'lite diese
Zeit nur Weniges an ei;^nen Scluipfungen. Das Dedeiilmd. 1(^
davon waren: Ouvertüre, (Quintett, eine Ari(5 und (^in Cliuj' /n
der von lUiodc gedicliteten, aber unvollendet gel)be])enen
Oper „Rübezahl" und die „Overtura (liinesa", 18()0 von
Carl Maria vor seine; Turandot-Musik gestellt und /u die. tin
Zwecke umgearbeitet.
Nach Zerwürfnissen mit der DinM-tion de- Jlic.Luier
Theaters nahm Webw im Mai des Jnbres |S(M> ^('inen Ab-
schied und folgte, seinen Vat(!r mit sieb neliniend, einer Ein-
ladung des edlen, musik-liebenden und -kun<liL;i'n Trinzen
Kugen von \Vürtteni])erg zu (JailsrulM^ in S'lilcsim,
_ 8 -
bei dessen Capelle er im Herbst d. J. als deren Director,
unter dem Titel eines „herzoglichen Musik-Intendanten** ein-
tnit. liier entwickelte er aufs Neue sein durch Breslau be-
deutend gefördertes Directions-Talent und schrieb, neben zwei
Sinfonien, einem Concertino für Ilorn, der gänzlichen Um-
wandlung der Ouvertüre von Schmoll in die (Concert-) „Ouver-
türe a plusieurs Instruments" und einigem Anderen, das-
jenige Pianoforte-Stück, welches zuerst seinen Namen in die
grosse musikalische Welt trug, in der es sich bis heut mit
ungeschwächtem Werthe behauptet hat: die eben so origi-
nellen, wie schönen und glänzenden Variationen über
„Vien qua, Dorina bella", op. 7.
Leider war sein Aufenthalt am Carlsruher Hofe nur das
kurze Aulleuchtc;n eines schnell wi(Ml(xr erbleichenden Glücks-
sternes. Der Krieg löste die Capelle auf und führte den
Prinzen Eugen hinweg. Bath- und hülflos standen beide
Weber dem Mangel preisgegeben da, als der edle scheidende
Fürst sie demselben dadurch entriss, dass er den ihm sehr
werth gewordenen Carl Maria seinem und des Königs von
Württemberg Bruder, dem Herzoge Ludwig, empfahl, als
dessen „Geheimer Secretär"* Weber nun im Juli d. J. 1807
nach Stuttgart ging, nachdem er die Zeit von Ende Febr.
bis dahin zu einer Kunstreise über Breslau durch Sachsen
und Franken verwendet hatte.
Den bewegtesten Theil von unseres Weber's Jugendleben
birgt diese Stuttgarter Periode vom Juli 1807 bis Endo Fe-
bruar 1810. Dasselbe gestaltete sich darin zu einer wunder-
lich gemischten Existenz, einmal getheilt zwischen den Pflich-
ten eines getreuen Dieners seines Herzogs Ludwig, gegen den
er oftmals mit dem Ernst eines reifen Mannes aufzutreten
genöthigt war, andrerseits getheilt zwischen dem Sich-Hinein-
— 9 —
leben in eine später noch vielfach ausgeübte pädagogische
Wirksamkeit, hier in Stuttgart zunächst als Lehrer der Töch-
ter des Herzogs, der Prinzessinnen Marie und Amalie, und
— der bedoutungsvollon Wc^lcroMtwicklung sc^iiKts Künstler-
thums, die in seinem ersten grossen draniatisclicn Werke, dor
Oper „S i 1 Y an a**, gipfelte, lliczu trat noch ein innerer Bihhmgs-
prozess durch den Umgang mit ausgezeichneten Männern,
dem Bildhauer Dannecker, den Kupferstechern Gotthard und
Friedrich von Müller, dem Capelhneister Danzi, dem Dichter
Haug und Anderen, wie sicli schliesslich das liChen eines
phantasievoUen warmblütigen Jünglings daran knüpfte, der
sich weder den mannigfachen Heizen eines vielfarbigen llof-
und Künstlergetreibes entziehen konnte noch mochte. —
Diese Periode wurde jedoch wahrhaft verhängnissvoll für den
jungen Mann durch Anfangs des Jahres 1810 eingetretene
schwere Unbesonnenheiten S(;ines bei ihm wohnen<]en alten
Vaters, in Folge deren Carl Maria, obwohl persönlich dabei
vollständig unbetheiligt, mit Jenem aus den württem-
bei-gischen Landen verwiesen wurde und lieide am 2(5. Febr.
1810 Stuttgart fast ganz mittellos verlassen mussten. Die-
ser Tag beschliesst den ersten Hauptabschnitt in un-
seres Meisters Entwicklungs^^ang; von ihm vornemlich datirt
sein immer grösserer Ernst in der Auffassung des ganzen
Lebens, das fortan bis zu dessen Schlüsse edelster Erfüllung
menschlicher Pflichten wici künstlerischer liestn^bungen immer
näher und näher trat. — Ausser vorerwähnter, mitten im
Strudel jener höchsterregenden und bedrohlichen Verhältnisse
am 23. Februar 1810 vollendeter Oper „Silvana" sind von
den in den Stuttgarter Jahnm ausgeführt(»n Compositionen
noch besonders hervorzulieben: „Der Erste Ton", Deda-
matorium mit Musik und Clior; Variationen für Violine
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und Chor; Variationen für Violine und Pfte. über ein nor-
wegisches Thema; die berühmte prächtige Es-dur-Polo-
naise für Tfte. op. 21 (in Werth und Wirkung ein Seiten-
stück zu den Variationen über „Vien qua, Dorina bella**
op. 7); der „Moniento capriccioso"; die Six Piöces
a 4 mains op. 10 (für seine Scliühirinnen, die Württcm-
( bergischen Prinzessinnen Marie und Amalia componirt) und
d(;r „Grand Quatuor", ohne Oj).-Zahl erschienen.
Die vier nun folgenden Jahre, 1810—1813, die Weber
in seinen Tagebüchern „Reisejahre" tiberschreibt, führten
ihn nicht nur äusserlich von Ort zu Ort, sondern auch an
innerlicher Bedeutung für seine moralische wie künstlerische
lleifc war ihre Wirkung eine eben so mannigfache wie tiefe,
so d;iss er schon am Sclilussc dos Jahres 1810 in sein Tage-
budi schreiben konnte: „Gott hat mich zwar mit viel
„Verdruss und Widerwärtigkeiten kämpfen lassen, aber doch
„immer auf gute Menschen geführt, die mir das Leben wieder
„wertli machten. Ich kann mit Beruhigung und Wahrheit
„sagen, dass ich diese zehn Monate über besser geworden
„bin; meine traurigen Erfahrungen haben mich gewitzigt; ich
„l)in ordentlich in meinen Geschäften, anhaltend fleissig ge-
„worden." — Wie verschiedenartig aber die Eindrücke und
Wirkungen dieser vier Jahre durch Ortswechsel und Thätig-
kcit waren, zei'^e die folgendci gcMlrängte Uebersicht der
Reisen. — Das Jahr 1810 führte Weber am 27. Februar
zuerst nach Mannheim, wo er sich Gottfried Weber
zu dauernder Ereundschaft verband. Am 9. März bereits
gab er dasell)st das erste seiner späteren vielen Concerte, aus
deren Ertrage, neben dem seiner Compositionen , er für die
nächste Zeit seiner freien Künstlerschaft die äussere Existenz
zu sichern hatte. — Nach diesen ersten Mannheimer Tagen
— 11 —
wurde der Aufenthalt in Darm Stadt, der zwar durch man-
nigfachen Ortswechsel mit Frankfurt, P>aden und andern
nah gelegenen Städten ein sehr bewegter war, dadurch hoch-
bedeutend für ihn, dass er eben in Darmstadt seinen von
ihm so tief verehrten gross(»n IicJircr Vogler wiedorfand und
bei Diesem dessen Schiller, don reichbegabten Meyerbeer
und den talentvollen G an sb acher kennenlernte, mit denen
er, bald innig befreundet, sich voll Begeisterung unter Vogler's
Leitung höchst gründlichen, seinei-seits erneuten Studien hin-
gab. Unterdess gelang es ihm, seine Oper „Sil van a** am
16. September in Frankfurt a. M. unter eigner Leitung
mit Erfolg zur AuflFühnmg zu bringen; seine nachmalige
Gattin gab hiebei die Silvana; die Begegnung mit ihr blieb
vorläufig aber eine nur vorübergehende.*) — Da der uns ge-
stattete Kaum es von nun an nicht mehr zulässt, jede von
Weber's Arbeiten, die vom Jahre 1810 einschliesslich an
entstanden, ohne Rückhalt lii(»r siufzuzälilcn, so wird ferner
nur das Allerwiclitigste davon ernannt word(»n.**) — So möge
denn .betreffs neuer Compositionen aus dem Jahre 1810 nur
auf das Pianoforte-Concert Nr. I in C, (oj). l J) hingewiesen
•) DIo Jüngsto Aufrüliriiu^ dirscr Opor faii«! zu Paris am 2. April
1872 auf dorn Tlioutre lyric^uo iiatioiKil unter grotJ.SL'in Hcifall statt.
**) YoUständisf Erschöpfende Auskauft über sämmtlichc Tonwerkc
Weber's giebt das Werk von F. W. Jahns, königl Professor in
nerlin: „Carl Maria von Wo)>er in seinen Werken. Chro-
nologisch-thematisches Vcrzcichnius seiner sämmtliclHii Conipo»ition(!n,
ucbfit Angabo der unvollHtandi^'cn, verloren gc^ran^'encn , xweifelliaftcn
und untergeschobenen mit Beschreibung der Au to^raphcn , Angabe der
Ausgaben nnd Arrangements, krilisehen, kunsthiKtorischon und biogra-
phischen Anmerkungen, unter IJonutzung von Welxr'a Hricfen und
Tagebüchern und einer Beigabe von Nachbildungen seiner Uaudsclirift.
Berlin, Schlesinger (Licnaii) 1S7I. 480 Seiten, grosses Lexikon-
Format, Preis 3Va Tlilr/*
.1
I
I
ii
— 12 —
' ^ sein, so wie auf die einaktige komische Oper „Abu Hassan^
f welche Weber dein Grossherzogc von Ilessen-Darmstadt widmete.
I Das Jahr 1811 brachte die Trennung von Vogler, wel-
chen Weber danach nicht wiedersehen sollte, indem er sich
nach München wendete. Der Aufenthalt in dieser Stadt
erstreckte sich vom 14. März bis 1. Decembcr, wurde aber
durch eine Heise in die Schweiz (vom 9. Aug. bis 23. Octbr.)
unterbrochen. Der Dc'ccmber fand Call Maria in Prag, das
Knde des Jahres in Leipzig, stets künstlerischen Bestre-
bun'^'en hingcgciben. A'oii den vicüen persönlichen Annähe-
rungen, die das Jalir 1811 ihm brachte, wurden zu dauernden
dnflussrcichen Verbindungen: die Bekanntschaften mit dem
^^rossen (larinettvirtuusen lleinr. liaermann zu München
und mit Fr. llochlitz zu Leipzig. Am ersteren Orte ge-
wann er sich zugleich den Hcluitz des Königspaares in so
weit, dass am 4. Juni „Abu Hassan" auf dem Münchner
llüftheater unter seiner Leitung mit IJcifall in Scene ging.
— An neuen ComiK)sitionen war dies Jahr bei weitem reicher
als das vorhergehende. AI« hervorragende seien hier nur
bemerkt: Concertino, (op. 20); zwei Conceite in F (op. 73)
und in Es (op. 74); Variationen mit Pianoforte (op. 33):
sämmtlich für Clarinett; die italienische Concert-Arie zu
Athalia „Misera mel*' (op. 50); das Fagott-Concert in F
(op. 75), das liondo zum Tianoforte-Concert Nr. II in
I!s (op. 32) und die vollständige Umschmelzung der alten
Ouvertüre zu „liübezahl*' in die ,^zum Beherrscher
der Geister**.
Das dritte „Iteisejahr*' 181Ü führte Weber von Leipzig
nach Gotha an den grossherzoglichen Ilof, dai'auf vom 20.
Februar bis 31. August zum erstell mal nach Berlin. In
diese Z<ut fällt, am IC». April, der 'lod seines Vaters Franz
— 13 —
Anton. — Zu Berlin trat Carl Maria vielfach in neue Kreise.
Als Gewinn eines treucstcn Freundes für sein f^anzes fol^^ondes
Leben ist hier der Zoologe Professor Ilinrich laichten stein
zuci*st zu nennen. An dic-stMi Hcldosscin sicli MciycirlxMtr's
Eltern, die Familien der beiden Jordan, Gabain, Sebald, Türk,
Koch, die Freunde Wollank, lUmgenhagen, Flcmming, Gubitz,
V. Drieberg, wie endlich Fiirst Anton Kadziwill, der Coinponist
des „Faust." Hier gestaltete» sich ihm ein 1^'rcundeskreis,
dessen bedeutungsvolles Vcrhültniss zu ihm er tief und schön
Lichtenstein gegenüber damals mit der Bemerkung kennzeichnet:
„Ich denke mir immer meine Freunde in Berlin als Eine
„Familie. dass ich Euch Alle so wiederfände, dass nichts
„erkühlte, nichts abstürbe im Gemüthe und der Liebe. Es
„gehört zu meinem Unglück, dass ein ewig junges Herz in
„meiner Brust schhägt Die Wärme, der Enthusiasmus, den
„es beim Scheiden von dem Orte in sich trug, erhält es in
„gleicher Kraft, und den härtesten Stoss erleidet es, wenn,
„rückkehrend mit den alten gleichen Gefühlen, es dann nicht
„wieder dieselben Anklänge findet, sondern mancher in d(»n
„Akkord gehörige Ton da höher da tiefer geworden ist.
„ — Gott erhalte unsre reine Stimmung!** —
Das wichtigste Ereigniss dicises Berliner Aufenthaltes für
Weber war aber die AulTührung seiner „Silvana" am 10. Juli
auf dem Königl. Hoftheater und zwar unter seiner eignen
Direction und mit vorzüglichem Beifalle. - Am 31. August
verliess er Berlin, um vom 6. Sept. bis zum 20. Decbr. bei
seinem Gönner, dem Herzoge Emil Leopold August von
Gotha in unausgesetzter musikalischer Thätigkeit zu ver-
weilen, die ihn auch auf kürzere Zeit nach Weimar an den
Hof der Grossfürstin Maria Taulowna, einer ausgezeichneten
Pianoforte- Virtuosin, zog, woran sich die persfhiliche Bekannt-
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Schaft mit Goethe und Wieland knüpfte. Am 26. Dec.
ging Weber nach Leipzig. — Das Jahr 1812 hatte unter
vielen andei^n Gompositionen die Vollendung des grossartigen
Es-dur-Pfte.-Concerts gebracht, ferner die herrlichen Pfte.-
Variationen äl)or „Jos(ii>h", die Hymne „In seiner Ordnung
schafft der Herr" für Soli, Chor und Orchester und die erste
seiner nach Form und Inhalt gleich grossen vier Pfte.-So-
naten, die in C, opus 24. — Iliemit schliesst das dritte
„Keiscjahr" Webcr's ; doch ist als eine noch zu ihm zählende
letzte künstlerische That das sogenannte grosse Neujahrs-
Conccrt zu Leipzig am 1. Januar 1813 anzusehen, in welchem
er seine Hymne und sein schönes reiches Es-dur-Pfte.-Concert
/um erstenmal (Wlcntlich aufführte, letzteres zum erstenmale
ganz vollständig, unter enthusiastischem "Beifalle.
Obwohl Weber, bei Beginn seines Tagebuchs von 1813,
dieses Jahr mit „Viertes Ileisejahr" überschrieben hatte, so
wurde es doch zu seinem eigentUchen „Ersten Joch-Jahre",
mit welcher Bezeichnung ei-st freilich das Jahr 1814 im Tage-
buche von ihm versehen ist. Denn am 12. Januar in Prag
angekommen, wurde er sehr bald vom Director des dortigen
königl. böhmisch landständischen Theaters, C. Lieb ich,,
bestimmt, die Stellung eines Capellnieisters und Opern-Direc-
tors an demselben anzunehmen. Längst hatte jener treffliche,
in seinem Fache ausgezeichnete Mann die Nothwendigkeit
einer gründlichen Umgestaltung dieses Kunstinstitutes einge-
sehn, und indem er Weber zu diesem Zwecke zu fesseln
wusste, erreichte er denselben auch auf das Vollkommenste.
Das dreijährige Schaffen unsres thatkräftigen Meisters gab
der Prager Bühne durchaus neue Impulse, wenn es ihm auch
nicht gelang, das für höhere Kunstinteressen damals ziemlich
laue grosse Publicum Prag's nachhaltig zu erwärmen. Die
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— 15 —
Aufgabe war überhaupt eine schwere, denn Weber fand die
dortigen Opemvcrhältnisse in einem so zurilckgekommenen Zu- .
I Stande, /lass seine Arbeit daran einem gänzlich neuen Aufer-
bauen fast gleichkam. — Mit einer Dienstreise nach Wien
vom 27. März bis 26. Mai, behufs Ergänzung seines Sängcr-
personals, eröffnete er seine Amtsführung. Dort fand er seinen
Freund Meyerbeer wieder und knüpfte manche neue Verbin-
dung mit maassgebenden Persönlichkeiten an, z. B. mit Mosel,
Castelli, Moscheies, den Grafen Talffy und Dietrichstein, Spohr.
Nach Prag zurückgekommen, gab er seinem Personale eine
treffliche (noch erhaltene) Dienstordnung und trat am 9. Sep-
tember mit der glänzenden Aufführung von Spontini's „Cortez"
als Opemdirector vor das überraschte Publicum; dieser Oper
folgten unausgesetzt die vorzüglichsten Werke seiner Wahl,
wobei freilich nebenher die meist unerquicklichen Wünsche
des Publicums nicht minder berücksichtigt wordcm mussten.
Der Mai des Jahres 1814 brachte ihm die Nachricht des
am 6. erfolgten Todes seines geliebten Meisters, des Abts
Vogler — „Gott segne seine Asche! ich habe ihm viel
„zu verdanken, und er hat mir immer die ausgezeichnetste
„Liebe bewiesen!" so inift er am 8. Mal in seinem Tagebuche
aus. — Der ihm alljährlich zustehende Urlaub führte Weber
im Juli zur Cur in das Bad Lieb wer da bei Böhmisch Fried-
land und im August wieder nach Berlin. Hier, wo er
Concert gab, und seine S il vana neu einstudirte und auüiilirte,
wurde ihm ein überaus warmer und herzlicher Mnipfang, und
er durfte zu den alten Freunden bald neue zählen, darunter |
Männer wie L. Tieck, I»rentano, vor allen aber den Grafen
Carl von Brühl, der nicht lange darauf General-Intendant
der Berliner Hofbühne und als solcher der treueste Beschützer
Weber's in Berlin bei dessen spätem grossartigen Kunst-
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— 16 —
erfoljjfcn wunlc. Tolitisch \(\n\i<ü\\ daselbst die Wogen höher
iils je. Von diesen lOindrücken tief erfüllt begab sich Weber
im September wieder zum Herzog von Gotha, bei welchem
er, auf dessen altem Jagdschlosse zu Ton na bis zum 20.
verweilte, liier war es, wo er am \\\. die beiden ersten
seiner unsterblichen begeisternden Kriegslieder „Lutz ow 's
Jagd" und das „Schwcrtlied" componirte, denen sich
bald noch acht andere Lieder, ebenfalls aus Kömer's „Leyer
und Schwert", theils in Altenburg, theils in Prag
geschrieben, anschlössen, welche alle deutschen Herzen im
Fluge eroberten. — In seinen Wirkungskreis zu Prag am
25. Sept(anber zurückgekehii;, begann er bald die ihm lange
l>enierklich gewordene Vereinsamung seiner Stellung mehr
und mehr zu empfinden. Aber doch griif er mit erfrischtem
Muthe aufs Neue zur Arbeit an der ihm anvertrauten Kunst-
anstalt; besonders die Aufführung des Fidelio am 27. Nov.
gab ein leuchtendes Zeugniss dafür. Auch diese Oper wurde
jedoch, wie so viele andere treffliche, von den Prägern in der
ihm schon nur allzu bekannten Weise mit Kühle aufgenom-
men, ungeachtet er auf die Einstudiruiig des von ihm so
hochverehrten Meisterwerkes einen vollen Monat mit 14 Proben
verwendet hatte. Unerschütterlich indessen lag er seiner
rilicht ol), (lern ciiiinal als nuJit erkannten Wege folgend. In
des schaffenden Künstlers innerm Leben, in der Freude als
Bildner junger Talente fand er anderweitigen, tiefgehenden
Ersatz. — So war der Frühling des Jahres 1815 herange-
kommen. Da re;^'te ihn die am «S. Juni nach München un-
U^rnonmiene iteise zu erhöhtereni Schaffen an, und hier ent^
wickelte sich nun, nach Vollendung mancherlei neuer Arbeiten,
die Idee zur Composition seiner grossen Cantate „Kampf
und Sieg" zur Feier der Schlacht bei Belle- AUiance. Die
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— 17 -
Verköq)crung jener Idee zu diesem grossarti^en Kunst\v(nke,
der er sich, nach Prag zurückgekehrt, mit IJegeistciung hin-
gab, wurde daselbst am 22. Dec. von ihiri vorgelOlirt und mil
einer Wärme aufgenommen, wie sie für Prag fast beispiel-
los war.
Das Jahr 181« war bestimmt, die beiden bedeutendsten
Ereignisse im Lcbeu unsres Meisters, wenn auch niclit her-
beizuführen, so doch voizubereiten : Seine Wirksanikciit als
königlich sächsischer Capelhneister und seine eheUclie Ver-
bindung. — Die schon angcideuteten , Weber verstimin(^nden
Verhältnisse, dem Prager grossen Publicum ^egenidx'-r, hildciten
für ihn zu schwer wiegende Gründe, um ihn nicht endlich
eine Aenderung seiner künsthnischen Stellung ernstlich wün-
schen zu lassen. Bei seinen wiederliolteu Besuchen licrlin's war
der Gedanke bei der dortigen IIoftheater-Direction lege ge-
worden, ihm die eine der beiden CaiM^llmcisterslellen zu üIk^i-
tragen, und er selbst hatte sich der Sache mit Neigung zu-
gewendet. So erklärt es sich denn leicht, weshalb er sich
auch im Jahre 1810 wieder dahin begab, um am 18. Juni,
dem ersten Jahrestage der Schlacht von Belle-AUiancc, seine
grosse Gantate „Kampf und Sieg*' und seine ebenfalls mit
Pinthusiasmus aufgenommenen Lieder aus „Leyer und Schwert'' \
im königlichen Openihause zweimal öflentlich aufzufüIinMi.
Dennoch gestalteten sich feste lioschlüssc wegen seiner dor-
tigen Anstellung niclit, trotz warmer Befürwortung des ihm
freundschaftlich zugeneigten Intendanten Grafen Brühl; aber
die ersehnte Aenderung in s(;iner Stellung kam plötzlich von
anderer Seite. — Der König Friedrich August I. von Sachsen
beabsichtigte, in Dresdim (;ine deutsche Oper zu begründen
und beauftragte den Intendanten des Dresdener Iloftheaters,
den Hofmarschall Grafen Heinrich Vitzthum von Kck-
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städt, (liö (Jazu nöthigcn SchritUi zu thun. Derselbe befand
sich im Juli zur Cur in Carlsbad, und hier war es, wo tVeber,
auf dem Rückwege nach Prag, mit ihm zusammentraf. Des
Grafen an Weber gestellte Anträge zur üebernahme der
Stelle eines „königlich sächsischen Capellmeisters und Direc-
tors einer in Dresden neu zu schiiffiindcn Oper" wurden von
Weber angenommen und erhielten am 21.Dec. die königliche
Genelimigung. — Weber's viertchalbjährige Amtsthätigkeit
in Prag schloss am 29. September 1816.. Im Ganzen hatte
er während derselben in 3 1 rein zur Einstudirung von musi-
kalisch-drairiatischcn Werken verwi^ndoten Monaten 61 Opern
und Singspiele daselbst in Scene gehen lassen. Als Beweis
seiner Selbstlosigkeit darf nicht unerwähnt bleiben, dass er,
bei dieser verhältnissmässig grossen Anzahl einstudirter Werke,
nicht eine seiner eignen Opern zur Aufführung ge-
bracht hatte.
Die Förderung des anerkannt Besten in jedem Genre
war sein Ziel gewesen und hiess ihn selbst zurücktreten.
Jenes zu beschützen, schien ihm um so nothwcndiger, als
Zeitgeschmack und Laune des Publicums ihm ohnedies genug
Unbedeutendes aufnöthigt-on. So konnte denn Weber mit der
Empfindung vollster Pflichterfüllung Prag verlassen und,
wenn auch in seinen anfänglichen Erwartungen getäuscht, zu-
gleich die llebcrzougung mit sich hin wegnehmen, manches
vcrständnissvollc und ihm ci'gcbone Uvrz zurückzulassen. —
Am 13. October kam Weber zum zweiten Male in diesem
Jahre in Berlin an, um im Hause seines Freundes Lichten-
stein vorläufig ganz der Composition zu leben. Aber am
10. November verlobte er sich dort mit Carolina Brandt,
einer vorzüglichen Sängerin und Schauspielerin im Fache des
Naiven, einer selten geistvollen und liebenswerthen Persönlich-
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— 10 -^
kcit, die als Mitglied der pragcr RUhno schon lange seint^
Neigung gefesselt hatte und eben jetzt am Berliner Hoftheatcr
eine Reihe von Gastvorstellungen gab. — Die Jahre 1S13
bis 16, in denen Weber fiist «lusschliesslich an Prag gebunden
war, brachten, trotz seiner vielen Amtsgesduifte, dennodi eine
verhältnissmässlg namhafte Anzahl von musikalischen Rchr>-
pfungen zur Reife. Als lIei*vorragendstes ist zu nennen: Aus
dem Jahre 1813, dem dienstlirh schwersten : Das Andante nnd
Rondo ongarese für Fagott, nnd die vier schönc^n Iii(ul(»r Nr.
2—6 im op. 30. — Aus dem Jahre 1814: Die schon genann-
ten 10 Kriegsliedcr aus „Leyer und Schwert." — Aus 1815:
Pfte.-Variationen über „Schöne Minka", zwei grosse italienische
(!onccrt- Arien op. 61 und .52, Quintett für eljügntc^dljuinctllc
mit Streich-Instrumenten, und „Kampf und Sieg." — Aus
1816: Die unvergleichliche, glänz- und fantasievollo gross(;
rfte.-Sonate Nr. 2 in As, d(Mi charakteristischen fjiiisiin^Ki-
Cyklus „Die vier TemperauKvnte beim Verluste der (Jclicl)-
ten*', das grosse Duo concertant für Pfte. und Clarinett" und
die dämonische grossartige Pfte. -Sonate Nr. :* in D. —
Waren die Jahre 1810 lu's 1810 für Weher wichtig ge-
worden, so dass man sie füglich seine zweite Lebens-
epoche nennen konnte, so begann mit dem Jahre 1817 nun
recht eigentlich seine dritte und letzte; sie war die cr-
eignissreichste , in ihren äusseren Erfolgen die bei Weitem
glänzendste und auch für di(; musikalische Kunst und ilire
Förderung durch Weber die bedeutendste.
Am 13. Januar 1817 kam Weber zur Uebemahme seiner
Stellung als könighch sächsischer Capellmeister nach Dres-
den. Seine Amtsfunctionen waren mannigfache, und wenn
die ZaW derselben schon nicht klein war, so machten eigen-
thüraliche Verhältnisse sie einerseits schwierig, andrerseits
'* ♦
— 20 —
druckend. Das zumeist Ungünstige beruhte in dem Vmstandc,
dass seit Mitte des 17. Jahrhunderts vom Hofe zu Dresden
die italienis c h e Oper ausschliesslich gepflegt, die deutsche
dagegen nur geduldet worden, von der eigentlichen grossen
llofbühne aber stets ausgeschlossen war. Als nun, nach des
Königs Friedrich August I. Absicht, eine deutsche königliche
Oper in Dresden neu gc^KchafTen werden sollte, lag diese Auf-
gabe unsenn Meister nicht etwa nur einfach vor, sondern sie
schloss einen offnen und geheimen Kampf ein mit der bald
als ihre Gegnerin auftretenden italienischen Schwester- Oper;
und nicht nur diese selbst, sondern Alles, was durch Neigung,
(jewohnhcit oder persönlichen Vortheil mit ihr zusammen-
hing, erwies sich abgeneigt, ja feindlich. Vom Könige t^n,
4l(*r weniger aus Liobo zu deutscher Musik als aus Gerech-
tigkeitssinn filr diesselbe, den Gt^lanken einer deutschen Oper
zu Dresden verwirklichte, — von ihm und dem Hofe an bis
auf die geringfügigsten Bediensteten hinab blickte die dres-
dener Gesellschaft auf die Erscheinung der vaterländischen
Oper, im glücklichen Falle oline Antheil und Erwartung,
meist aber mit erklärter Gegnerscliaft, sei es aus Vorurtheil,
sei es aus interessirter Parteinahme. — So war denn der
Boden, auf dem sich Weber bei Lösung seiner Aufgabe zu
bewegen hatte, kein ebener, ja ein um so rauherer, als ihm
zwar die sehr ausgezeichnete königliche Capelle überwiesen
wurde, von dem ihm bewilligten Sängcri)ersonale der italieni-
schen Oper sich aber nur sehr wenig für die deutsche ver-
wendbar erwies, und er sich betreffs Erwerbung geigneten neuen
Tersonals zur äussersten Sparsamkeit veri)flichten musste.
Dennoch gelang es Weber, schon am 30. Januar, also
am 17ten Tage nach seiner Ankunft in Dresden, als erste
Oper unter seiner Leitung Melnirs „Joseph in Egypten'*
r
— 21 —
zu geben, und zwar zu hoher Befriedigung des Königs. Die
Wirkung auf das Publicum war eine grosse und um so be-
deutungsvoller, als Weber sich einige Tage vor der Auffüh-
rung mit einer öffentlichen Ansprache an das rublicum ge-
wendet hatte, um durch Darlegung der Geschichte, Kigenart
und des Werthes der Oper das Interesse für dieselbe zu
wecken und zu vertiefen. Dies bisher „uncrliöite** Verfahren
behielt Weber auch, bis zum Jalire 1820, einsclilicsslich bei allen
neu einstudirten Werken bei. Ihn leitete dabei der Wunsch,
die einseitige Disposition der Dresdener zu Gunsten freierer
Auffassung und tieferer Durchdringung der musikalischc^n
Kunst zu heben; in der Hand seiner (Jegncr aber wurde
jenes Verfahren zu einer Walln, indem sie es ihm als Ueber-
hebung auslegten. An der Spitze dieser Gegner befand sich
erklärlicherweise der Capellmeister an der itahenischen Oper
Francesco Morlacchi. Seine Machinationen zeigten sich
gleich Anfangs in formellen Dingen. Weber war zwar als
„königlicher Capellmeister" nach Dresden berufen worden;
aber dort angekommen, wurde ihm nur der Titel eines „kö-
niglichen Musikdirectors*' zugestanden. Das konnte nicht von
seinem Gönner, dem Grafen Vitzthum, ausgegangen sein ; als
jedoch für Weber am 11. Februar 1817 die Stellung als „kö-
niglicher Capellmeister" officiell ausgesprochen wurde,
erhob sich der vom Hofe bevorzugte Morlacchi fast unver-
hüUt als Weber's Gegner. Eine Kefte der verletzendsten
Erfahrungen von dieser Seite her trübte von nun an die
ganze Dauer von Weber's Wirksamkeit in Dresden bis zu
seinem Tode, und diese Erfahrungen wurden noch schwerer
und einschneidender, als der Kampf zwischen der deutschen
und italienischen Oper bei dem Dresdener Publicum wie im
Allgemeinen in Deutschland, und bald über di(»s hinaus,
— 22 —
iiiiiiHM* j*rösscr(j?i und biuloutiingsvolloren Ausdruck gewann,
das lioisst, als der „Freischütz" 1821 nicht nur Deutschland,
soiideni auch bald darauf die j^anze musikalische Welt durch-
flog. — Auf Weber konnten diese drückenden Verhältnisse
nicht ohne nachtliciligc Wirkungen bleiben, namentlich auf
seine .schwächliche (lesundheit. I'ni so bewunderungswürdi-
ger erscheinen daher seine Arbeiten, die ihren in immerwäh-
renden aufreibenden Erregungen erhaltenen Schöpfer schliess-
lich in die Reihe der ersten deutschen Tonmeister erhoben.
War doch schon Weber's Amtsthätigkeit allein überaus
anstrengend; d(;nn neben d(^r Direction der deutschen Oper,
neben dem Dienst an der katholischen llofkirchc, den er mit
Morlacchi theilte , nmsste er Letzteren nicht nur häufig im
Kirchendienst vertreten, sondern auch in der Leitung der
italienischen Oper, da Morlacchi sich oft beurlauben liess,
z. B. zwischen 1817 und 18 acht volle Monate. Zu alledem
lag Weber noch die Leitung der königlichen Hof- und Tafel-
musik ob, ferner das Beschaffen der Sänger und Capellmusiker,
wie ihm endlich auch die Gomposition fast aller am Hofe bei
vi(;lfachen festlichen (ielegenheiten nothwendig werdenden
Musik zufiel. — Trotz aller dieser seine Stellung erschweren-
den Veiliältnisse liess er sich in seinem Muthe nicht beugen,
sich das Endziel seiner amtlichen und künstlerischen Thätig-
keit nicht aus den Augen rücken, wie er dies so klar und
würdig in einem Briefe an seine Braut in Trag im August
1817 ausdrückt, indem er ihr schreibt: „Es ist wahr, dass in
„dieser Zeit viel zusammengekommen, ja zum Theil noch bei-
„sammcn ist, — aber ich habe mir fest vorgenommen, so
„leicht wie möglich über alles wegzusehen und mich immer-
„mehr in meine Ueberzeugung zu hüllen, unbekümmert, ob
„ich eine Sprosse» höher oder tiefer in der Gnade stehe,
I
— 23 —
»wenn ich nur weiss, dass ich vermöge meines Willens die
„oberste Stufe verdiene."
Docli kehren wir vom all^'«'.moJncn Ueberiih'ck dieser Vcii-
hältnisse zum Jahre 1817 zurück. — Unter den Personen,
die Weber bald nach Antritt seiner Stellung in Dresden näher
kennen lernte, befanden sich zunächst der Archäologe A.
Boettiger, Langbein, Arthur vom Nordstern, Carl Förster (der
Petrarca-Uebersetzer), Carl Winklor (pseud. Theodor Hell), G.
Schilling, Ed. Gehe, Helmina von Chezy und Andere; L. Tieck
war ihm schon von Berlin seit dem Jahre 1814 bekannt.
Der Mann jedoch, der für ihn am wichti^ijHten worden sollte,
war der Dichter Friedrich Kind, den er bereits früher in
Dresden kennen gelernt. W^cjbcir, schon jahrelang nach eiiK^n
ihm zusagenden Opemtexte aussehend, wusste Kind lebhaft
zur Ausführung eines solchen anzuregen, und als dieser ihm
das Sujet des „Freischütz" darbot, ergriff Weber es um
so lebhafter, als schon im Jahre 1810 sein Freund Alexander
von Dusch dasselbe für ihn zu (»inem ()pernt(»xte zu boaibei-
ten begonnen hatte, ohne duss es zur Vollendung gekoHirric^n
war. Kind, sofort ganz von der Idee erfüllt, verfasste nun
das Buch zu der neuen Oper (welche anfänglich „Der Prol)e-
ßchuss", dann „Die Jägersbraut" und erst nach ihrer
Composition „Der Freischütz" genannt wurde) in der kur-
zen Zeit von kaum neun Tagen (vom 21. Februar bis 1.
März.) — Wenn Weber's Tagebuch nun erst am 2. Juli die
Bemerkung aufweist, „die erste Note von der Jägersbraut auf-
geschrieben", so wird dies dadurch erklärlich, dass er erst
dann seine Compositionen zu „notiren" unternahm, wenn Alles
innerlich bei ihm klare Form gewonnen hatte. Der Notirung,
einem flüchtigen, sehr karg gehaltenen Entwürfe, folgte dann
endlich (oft viel später) di(; vollständige Ausfühnmg, bei Or-
chester-Partituren die fertige Instrumentirung. —
— 24 —
Die Arbelt Wcl)cr's am „Freischütz" war über einen so
grossen Zeitraum ausgedehnt, wie dies bei keinem seiner
anderen Werke der FslII gewesen ist; denn er beendete sie
erst am 13. Mai 1820, ja deren gänzlicher Abschluss trat
erst ein mit der später noch nothwendig werdenden zweiten
Arie Aenncheirs „Kinst träumte meiner sel'gcn Base** am 28.
Mai 1821 in Berlin, kurz vor der ersten Aufführung. Der
Grund dieser langsamen Förderung des Werkes ist theils in
der erwähnten grossen Bürde seiner Amtspflichten, theils
in Ausführung anderer augenblicklich drängender Com Posi-
tionen, sowie auch in Ereignissen seines Privatlebens
zu finden. Zu den in die Zeit der Schöpfung des „Frei-
schütz'' fallenden Arbeiten gehören (um nur die bedeu-
dcndsten zu nennen) für das Jahr 1817: die Musik zuM üU-
ner's Trauerspiel „Yngurd** für das Berliner Hoftheater; die
,.Ziini Annentage** (im op. S^i) und die grosse italienische
Cantate „L'Accoglienza** zur Vermählung der Prinzessin Maria
Anna Carolina von Sachsen (ungedruckt), beide letztere für
den sächsischen Ilof; femer die Variationen über ein Zigeu-
nerlied (op. 55). — Abgesehen von einem kurzen Ausfluge
Weber's nach Prag, wo er die Darstellung seiner „Silvana**
leitete, und einem gleichen zur Aufführung von „Kampf und
Sieg'* in Leipzig, steht hinsichts der aus Weber's persön-
lichen Angelegenheiten hervorgehenden Arbeits-Unter-
brechungen am Freischütz In erster Reihe seine Vermäh-
lung am 4. Nov. 1817 und eine daran geknüpfte Kunstreise,
auf welcher er in Darmstadt, Giessen und Gotha Con-
cert gab und von der er am 20. December nach Dresden zu-
rilckkclirle. - Am i;{. Sept. wiir VVebiu's dortige Stellung
vom Kfinige in eine lebenslängliche umgi^wandclt worden, und
nach (Ii(vs<;ni ücwri.sr d(;r /ufi irdcnlicif niil. sein(^n Leistungen
— 25 —
konnte Weber seine Stellnn?; jetzt als eine gesicherte und
dauernde betrachten, um so mehr die liebenswürdige und
geistvolle Gattin, welche nun die Bühne verlassen hatte, ihm
ein Hauswesen zu gestalten vei-stand, das ihm jedos (ülück
darbot. Jeden Missklang, der von aussen her auf ihn ein-
drang, wusste Caroline mit ihrem liebevollen Herzen und fei-
nem Sinne, wenn nicht ganz zu beschwichtigen, so doch in
seinem Eindrucke zu mildern. Sie erfüllte so ganz den
Wunsch, den Weber in hebenswürdigstem Humor im Juli
1817 brieflich von Dresden nach Prag an sie mit den Worten
gerichtet hatte: „Wenn dieses so durchaus gesegnete Jahr so
„gut die Weiber gedeihen lässt, wie es den Anschein vom
.,Weine hat, so will ich noch oft in späteren Jahren bei
,, einem Gläschen 1817ner ausrufen: Das war das gute Jahr,
„wo mein Weibchen gedieh! Also halte Dich dazu! Lasse
»,Dich zeitigen von der Sonne der Wahrheit und Krkenntniss;
„fälle Dich mit dem Thau der Geduld und Liebe, damit Du
„unter der Kelter des Ehestandes den hellen, klaren Lebens-
„wein giebst, der verjüngt, stärkt und beglückt." Auch in der
Gesellschaft erschienen die Gatten als ein Paar, dessen edle,
heitre und anmuthige Persönlichkeiten, wie seine bcidei*seiti-
gen künstlerischen Ixjistun^^en , oh zu den hervorragendsten
Erscheinungen stempelten, so dass es überall fesselte und in
seltener Weise geliebt und geschätzt wurde.
Während des Jahres 1818 ruhte, mit Ausnahme einiger
Tage im April, das Schaffen am „Freischütz" gänzlich. An-
fangs desselben schrieb Weber seine ebenso kunstreiche wie
prachtvolle grosse Messe Nr. L in Es; dann folgten den Ver-
legern zu liefernde Lieder -Gonipoaitionen zu den op. 53, 64
und 71. — Vom Juni bis Rrptemher bewohnten Weber und
seine Gattin ein einfaches, ganz schmuckl()S(»s, aber selir schön
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> — 26 —
auf der Kl c i n- II ostcr witzer Berglehne in der Nähe des
Lustschlosses Pillnitz gelegenes Winzerhäuschen, das ,;Fels-
I ner'sche/* *) Es wurde die Geburtsstätte einer beträchtlichen
Anzahl trciTlicher Werke, darunter mehrere, hervorgerufen
durch die auf den 20. Scptcnnber fallende Feier des nojähri-
gen llegierungs-Antritts des Königs: die grosse Jubel-Cantate
(op. 58), die Jubel -Ouvertüre (op. 59), die Musik zum
t|) S(*]iausi)iel „Lieb' um Liebe" und die kleinere Cantate „Natur
; und Liebe*' (op. Ol) zum Namenstage des Königs; ferner die
, *
i| grosse Arie zu Cherubini's „Ijodoiska" für Mad. Milder in
Berlin (op. ßO), di(i Musik zu Kd. (iche\s „Heinrich IV." und
„Grillparzer's Sappho", wie die Nummern 1, 4 und 5 der rei-
chen „Iluit Pieces ä 4 mains" für Pianoforte (op. 60).—
Die vorgenannte „Jubel-Ouvertüre" war zu jener Regie-
j rungs- Jubel-Feier ursprünglich nicht beabsichtigt. Der In-
tendant des IIofLheaters hatte, ohne directen Auftrag dazu
empfangen zu haben, Weber zur Composition einer grossen
Jubel-Cantate veranlasst, welche zwar sofort nach den
eigentlichen Jubeltagen in der Neustädter Kirche zu Dresden
mit glänzendem Erfolge aufgeführt, jedoch, kurz vor der
officiellen musikalischen Feier im grossen Opernhause, vom
Könige abgelehnt wurde, da sie nicht von demselben direct
angeordnet und durch ihren lebhaft huldigenden Text dem
t
*) Seit 1830 iu seinen Uiiuincu mit iiiUIniss iiud Aatographcn We-
bcr's und einem Fremden-Album durch den Verfasser dieser Schrift ver-
sehen, seit 1SG5 jedoch ausserdem mit einer vergoldeten Erztafel ge-
schmückt, zu deren Herstellung eine Anzahl pariser Verehrer des Meis-
ters wesentlich heigesteuert haben. — Möchte diese geweihte, wenngleich
durchaus bescheidene Stätte von dem deutschen Volke nunmehr als sein
Kigonthum erworben werden, wie in Üliiiliebeii Fällen es in Hezleliung auf
seine hervorragenden üeistcr vielfach so ruhmvoll geschehen ist! Wie ver-
lautet, wird die Ausführung dieses Wunsches durch einen Verein deutscher
Verehrer Weber's jetzt thatsächlich in AngrilV genommen werden.
1^
— 27 —
bescheidenen Sinne des Monarchen nicht genehm war. Das
von Weber zu leitende feierliche Ilof-Conccrt wies jedocli in
der ihm vorgeschriebenen Anordnung ein so inlialtsloses,
geradezu kümmerliches rroyramm auf (3 italienisclic Opcrn-
und 2 instrumentale Concert-Nummcrn), dass Weber beschloss,
noch eine eigenUiche Jubcl-Fest-Ouvertüre zu schreiben, de-
ren Auiführung schliesslich ebenftvlls n ur n\ i t Seh w ie ri g -
keiten durchgesetzt wurdo, obwohl sie als das einzige dem
Feste würdige Kunstwerk erscheinen musste. — So enstand
diese Jubcl-Ouvcrtüro, die für alle Zeit und für jede
bedeutsamere Feier des deulschen Volkes der unübertroireiie,
feurig-erhabene Ausdruck patriotischer I^npfindungcii gewordcin
ist, wie dies auch die jüngste Aufl'ührung bei Kinweihung der
Universität Strassburg am 1. Mai d. J. erwiesen hat. — So
entschädigte das fieschirk Weber für den Schmerz, mit seiner
Cantate zurückgewiesen zu werden, durch ein Werk, dem die
Unsterblichkeit gesichert ist.
Der 4. Januar 1819 brachte dagegen die Vollendung
einer kleineren Messe, Nr. II. in G, zur Feier der goldenen
Hochzeit des Königspaares am 17. d. Mts. — Doch kaum
hatte Weber im März die Composition des „L'reischütz" wie-
der zur Hand genommen, als ihn schon der 21. d. Mts. auf
ein ernstes Krankenlager warf, von dem er sich erst Ende
April wieder erhob; und wie ein Schlag fast nie allein kommt:
zur selben Zeit starb ihm ein Kind , und sein edler Gönner
und Chef, Graf Vitzthum, nahm seine Entlassung. Das wa-
ren traurige Ereignisse. So zog denn der sich nur sehr lang-
sam erholende Meister Anfangs Mai wieder nach seinem lie*
ben Hosterwitz. Erst im Juni aber konnte er sich dort nach
und nach mit leichteren Arbeiten beschäftigen, wie Ciavier-
Auszügen von Abu-Hassan, Jubel-Cantate , Jul)el-Ouv(Ttnro
— 28 —
und Anderem. Der Schluss jenes Monats brachte endlich
wieder das erste neue Werk, das brillante £s-dur-Ilondo
(op. 62), dem nun im Juli und August bei erfrischten Kräf-
ten eine llcihe der bedeutendsten seiner Pianoforte-Composi-
tionen folgten, wie: die epochemachende „Aufforderung
zum Tanze", das grosse Trio mit Flöte und Cello (op. 63).
die glanzvolle E-dur-PoIacca (op. 72), die Nummern 2,. 3,
6, 7 und 8 der schon genannten „Huit pieces ä 4 mains'^ die
Sätze I und II der grossen E-moll- Sonate (op. 70) und
eine Anzahl von Liedern, unter denen das unvergleichliche
„Das Mädchen an das erste Schneeglöckchen" (Nr. 3 in
op. 71.) — Am 7. September beendigte Weber den Sommer-
aufenthalt in Ilosterwitz, der so viel edelster Früchte gereift
hatte, und kehrte, wie es schien, neu gekräftigt nach Dres-
den zurück. In diese Tage fiel zugleich die für ihn wichtige
Nachricht von Seiten des Grafen Brühl, dass dieser die Auf-
führung des „Freischütz" für P>erlin erwünsche, und so griff
denn der Meister aufs Neue zu dem lang verlassenen Werke.
Am 23. October begann er sogar dessen Instrumentirung und
hatte es zum Schlüsse des Jahres im (ianzcn so bedeutend
gefördert, dass zu seiner Vollendung wenig mehr als der
dritte Act und die Ouvertüre fehlten.
Die Arbeit am „Freischütz*' wurde freilich Anfangs des
Jahres 1820 bis tief in den Februar hinein durch allerlei un-
günstige Umstände, selbst durch erneutes Kränkeln Weber's
wiederum zurückgedrängt; dazu kamen noch die Besuche
von Mozart's Sohn und Hummel, um in Dresden zn concer-
tiren; ja, am 14. März gelangte das Schauspiel „Preciosa"
in seine Hände, zu welchem die Musik für Berlin zu schrei-
ben er dem Grafen Brühl zugesagt, und sogar die Composi-
tion einer neuen komischen Oper „Die drei Pintos'* wurde
J
_ 29 —
mit dem Dichter derselben, dem damaligen IIof-Theatcr-Sc-
crctär Winkler (pseiid. Thnod. Hell) verabredet; der März
fand Weber aber aufs neue der Aibeit am „Freischütz" hin-
gegeben. Mitte April bezog er ein stilles Landhaus in „Ko-
sel's Garten** in Antonstadt-Drcsdcin in d(;r Nälie des soge-
nannten „Linke'schen Bades'' und in diesem Landhause, (das
jetzt abgebrochen ist, eben so wie das Ceccarelli'sche im
ehemaligen „italienischen Dörfchen" zu Dresden, worin der
„Freischütz" begonnen wurde) — hier war es, wo Weber
am 13. Mai das Werk vollendete, (l;is ihm unsterb-
lichen Iluhm zu bereiten bestimmt war. Wie eigontliümlich
und sympathisch spriclit uns nach A))S(:liluss der bewunde-
rungswürdigen Schöpfung dieser Oi)er der naive Ausruf an,
den am darauf folgenden Tage der sonst rastlos und leider
übermässig Arbeitsame in seiruim TagfibUch tliut, wo es heisst:
„14. Mai. Sonntag— gefaullenzt!" — Aber nicht volle
vierzehn Tage waren verflossen, da sass der Meister bereits
über einem neuen Gebilde, das, ähnlich wie der Freischütz,
später zum Lieblinge seines Volkes werden sollte ; es war die
seelenvolle, frische, farbenglühende Musik zu Preciosa, die
am 25. Mai begonnen und, so äusserlich umfangreich die Ar-
beit war, doch schon am 15. JuU vollendet wurde, obgleich
nebenher, sogar schon zwei Tage nach dem I'oginn der Pre-
ciosa, auch die neue Oper „Die drei Pin tos" ernstlich in
Angriff genommen worden war. Weber kehrte zwar zu die-
sem letzteren Werke, besonders im Jiaufo des Jahres 1821
wiederholt zurück, ja noch 1824, wie sein Tagebuch am 20.
September mit dem einzigen Worte: „Gepinto't" meldet
— dennoch gelangte es si)äter nicht zur Vollendung. Die
skizzirten Fragmente dieser Pinto's lassen deutlich erkennen,
dass hier eine ebenso reizende, wie geniale Schöpfung auf
i
— so —
dem Fcldo der komischen Oper leider unvollendet geblieben
ist. — Da unterdess der Freischütz zu der im neuen Schaa-
spiclhause zu Berlin zuerst zu gebenden Oper bestimmt wor-
den war, die Eröffnung desselben aber bis zum Mai 1821
verschoben wurde, so benutzte Weber den ihm 1820 zuste-
stehenden Urlaub zu einer grösseren Kunstreise zwischen
dem 25. Juli und H. Nov. d. J. , auf welcher er in Halle,
Quodlinburj;, Ci öt tinf^'en, in (Ivv Stadt und am Hofe zu
Oldenburg, in IJrenien, Eutin, Ploe n, in Frederiks-
borg am kö^iiglich dänischen Hofe, in Kopenhagen, Lü-
beck, Hamburg, Braunschweig vierzehn Concerte gab,
die ihm reichlich Ehre und äusseren (lewinn brachten. Auch
waren es vielfache persönliche BezicOiungen, die ihn dabei
freudig erregen mussten, wie z. B. die h(»chst gütige und
ehrenvolle Aufnahme seitens dos dänischen Königspaares. Auf
dieser Heise war es auch, wo er zweimal seine wunderbare
Ouvertüre zum „Freischütz" mit enthusiastischem Beifall
öffentlich aufführte, zum ersten Mal überhaupt am 8. Oct.
zu Kopenhagen, zum zweiten Male am 31. zu Braun-
schweig; zum dritten und letzten . Male , ebenfalls noch vor
der Aufführung der Oper selbst, gab er sie im Concerte seines
alten Münchener Freundes Heinrich Baermann am 18.
Decc'iiiber in I)n;sd(jn.
Der Anfang des Jahres 1821 , des für Weber ruhmreich-
sten, führte dem musikalischen rädagogcn in ihm eine be-
sonders dankbare Aufgabe zu: die Ausbildung eines ausge-
zeichnet bc«ral)tcn Kunstjüngcrs, Julius Benedict aus Stutt-
gart, der, als Wcbor's Schüler, ihm bald in seltener Verehrung
und Liebe ergeben war und dies bis auf den heutigen Tag
geblieben ist, wo er in London, von der Königin zum Ritter
und Baronet erliobcn, als gef(;iertcr Künstler, Operncomponist
— 31 —
und Capellmeister der Königin, das Andenken seines Meisters
in rührender Weise hochhält; auf Weber's lieisen nach Berlin
im Jahre 1821 und Wien im Jahre 1823 war er dessen
treuer Begleiter. — In den Anfang des Jahres 1821 fällt
auch Weber's Idee zu einem grossartigen „Conccrtstück"
für Ranoforte mit Orchester (op. 71)) mit gcwissermassen
dramatischem Hintergrunde; jedoch erst am 1'age der ersten
Aufführung seines Freischütz zu Berlin wurde es vollendet
und zunächst in Berlin am 25. und 20. Juni und in Dresden
am 30. November mit begeistertem Bcifalle von ihm vorge-
tragen; denn hohe virtuose Ausbildung und seelenvollster
Ausdruck hielten sich in seiner zugleich originalen Behand-
lung des Instruments die Wag(\ Dies „Conccrtstück*' voll
reizender Pracht bringt jene Kigenschaften auf glänzendste
Weise zur Erscheinung. — Unter der Beschäftigung mit dieser
Composition trat Weber am 2. Mai 1821 die glorreiclic», Heise
nach Berlin an, um dort endlich seinen „Freischütz" einzu-
studiren und aufzuführen, jene Oper, mit welcher eine neue
Epoche des musikalischen Dramas in Deutschland beginnt.
Obwohl voll ruhigen Vertrauens zu seinem Werke, kam
Weber doch in etwas gespannter Erwartung am 4. Mai nach
Berlin. — Denn wenn auch durch die vorhergegangenen
Auffühiningen der „Preciosa" daselbst (die erste am 14.
März d. J.) das sofort davon eroberte Publicum in glücklichster
Form zu dem durchaus neuen, ungeahnten Eindruck vorbe-
reitet worden war, den es durch den Freischütz bald empfan-
gen sollte, so hatte doch Weber eine klare Einsicht in
die Eigenartigkeit seiner Oper, wenn er am 26. März
an Llchtcnstoin schrieb: „Es freut mich sehr, auch von
„Dir zu hören, dass die Preciosa durchaus gefiel; sie ist
„ein guter Vorläufer für den Freischützen, denn es war
„doch manches Gewagte darin nach gewöhnlicher Handwerks-
— 32
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„Ansicht.^ — Wenn so dui-ch Prcciosa, in Verbindung
mit dem warmen Andenken an den Sänger der Lieder
aus „Leyer und Schwert", einerseits der Boden für eine gün-
stige Aufnahme des ,,Freischütz^' in Berlin geebnet schien,
80 erwies sich di<»sei* Boden an<lcrscits doch keineswegs frei
von Schwierigkeiten und Hindernissen, zumal durch die ausge-
sj)roch(nie Neiguii*,' eines gewissen Thciles des Beriiner Publi-
cunis für den eben in liohcrBlüthe stehenden Rossini und durch
den Einfluss des derzeitigen musiktalisclien Alleinherrschers in
lU^rliii, des stolzen, auf j(»d(»s deutscln» Verdienst besonders eifer-
süchtigen Spontini. Durch die licrliner Aufführung von dessen
„Olimpia" im April d. J. waren die I*arteien noch schärfer ge-
schieden, und so hatte der 'J ag der ersl(in Aufführung des „Frei-
schütz" allerdings eine höhere Bedeutung gewonnen, insofern er
geeignet war, als Moment zu gelten, wo die deutsche Kunst,
der fremdlüiidischcn gegenüber, den Kampfplatz betreten
sollte. — In welcher Weise der deutsche Meister das Feld
behauptete - wem ist es nicht bekannt geworden? Ziemlich
lange schon sind Spontini's Werke im Allgemeinen von der
Bühne verschwunden, selbst sein vollendetstes ist zur Selten-
heit darauf geworden , während Weber 's ewig junger Frei-
schütz auf allen Theatern Deutschlands nicht nur begeisterte
llönjr zu sich v(^rsaninielt, sond(un über Deutschland hinaus
fast die ganze civilisirte musikalische Welt mit ungeschwächter
Wirkung fesselt. Der Erfolg des „Freischütz-* bei seiner
: rsten Aufführung in Berlin am 18. Juni 1821 war ein bei-
^))i(;llo.ser, nie dagewesener, vom Palast bis zur Hütte gleich
^russ. Nicht nur, dass der Freischütz als die deutscheste
aller Opern erkannt wurde, man empfand auch, wie durch
ihn zugleich die romantische Oper erst wahrhaft begründet
worden, und zwar in edelster, vollkommenster und allgemein
- 33 -
verständlicher Weise. Das war ihr riruml mru\H FIurcs um
den Erdball! Denn ist es nicht ein solcher, wenn wir unter
den Punkten, wohin seine Weisen notorisch gedrungen sind
(um nur die äussersten Grenzen seiner Verbreitung anzudeu-
ten), neben Berlin noch nennen Wien, Paris , London, St.
Petersburg, Moskau, Stockholm, Mailand, Rom, Neapel, New-
Orleans, Valdivia (Chile), Sidney (Ost- Australien) , Orkadischc
Inseln und IIudsons-Rai ? — Dass der Freischütz aufs Tiefste
den deutschen Geist berührt, das ist sein(j vornehmste Eigen-
schaft; und wo fände sich dieser (ieist nicht, sei es auch
noch so fern, diesseits und jenseit des Oceans; denn er ist
der Geist der Wahrheit, der Kinfachhelt und Tiefe!
Weit entfernt, von solchem Krfol^^e in die Hahnen unseliger
Selbstüberschätzung geschleudert zu werden, kelirtci WeJ)er
freudig dankbar in sein besclieidenes Heim zurück, ja er em-
pfand es schmerzlich , dass gcirade durch den grossen , Spoii-
tini's Kifersucht scharf ern^gcMiden Krfolg nun .jed<i Aussicht
geschwunden war, neben diesem Manne in Berlin die von
ihm so lange schon erwünschte Stellung unter seinem gütigen
Freunde und Beschützer, dem verständnissvollen General-In-
tendanten Grafen Brühl zu gewinnen. — Kaum wieder in
Dresden, wendete Weber sich sofort zur Weiterführung der
Composition der IMnto's; aber wieder forderte schon der
September zum Geburtsfest dei- Schwägerin seines K^Jnigs,
der Prinzessin Amalie von Zweibrücken, eine ziemlich umfang-
reiche Cantate, die am 20. aufgeführt wurde, und so wurde
die Arbeit an den Pinto's unterl)rochen. In diese Zeit fällt
die Erhöhung seines bisherigen Gehaltes von 1500 Thlrn.
um jährlich 300 Thaler.
Unterdess hatte in Wien der Freischütz eingeschlagen
und gezündet, und so erhielt Weber, in Folge dess, schon am
— 34 -
13. November 1821 durch Barbaja, den Pächter des dortigen
kaiserlichen Kärnthnerthor-Theaters , die förmliche Auflforde-
rung, eine neue Oper für dasselbe zu schreiben. Unter einer
naniliaften An/alil von Opern-Süjtits wälilte der Meister nach
hingerer Erwägung scliliesslich das von Ilelmina von Chezy
ihm vorgeschlagene: „Euryanthe." Schnell zwai* gingHel-
mina an die dichterische Ausführung des Werkes; aber ob-
wohl sie den erstem Akt Weber 'n schon am 16. December
vorlegüi, so erfolgtem doch der vollständige Abschluss des
]5uch(;s erst sehr viel später und naclidem namentlich der
diitte Akt eine ganze Anzahl von Umarbeitungen erfahren
liatt(^ und Wvhor in dei* Composition der beiden ersten Akte
schon ziemlicli weit vorgeschritten war. Nicht dass der
diclitcuische Ausdruck Weber im Allgemeinen nicht zugesagt
iiäUe; er enthielt, ja viel Schönes, Musikalisches, ihn grade
besonders Anmuthendes; nein, die Fabel selbst barg in
ihrem Angelpunkte einer dramatischen Verwendung so wescnt-
lirh Zuwid(n'ljiuren(Ies, die A'ersuche di(^s zu verbessern, brach-
ten so grosse Scliwicirigkeilen, ja erwiesen sich von so un-
nl)erwindlic]ier Natur — dass die Gestalt der Dichtung schliess-
lirh der Alt festgelialten werden musste, wie sie jetzt mit
der (!omi)osifion vorliegt und wie sie dem (Jesammtcindruck
(l(!r Oper mdinigbar schadet. — Was Weber an das Sujet
fesselU», waren gewichtige Gründe: Die Handlung bewegte
sich auf dem ihm heimischen Loden des llomantischen, llitter-
lichen; vier, scharf von einander geschiedene Charaktere
waren ein günstiger Vorwurf für seine im Individualisiren be-
sonders mächtige Fähigkeit; und dann — war Euryanthe eine
grosse Oper. Seine Gegner, wenn deren Zahl jetzt auch
(»ine klc^inere war, hatten doch den JYeischütz für kaum etwas
mein* als ein „Singspi<d" erklärt; in Kücksicht darauf wollte
— 35 —
Weber es ausser Zweifel HvA/.n\, dass mr](\ KruR auch einnr
grossen Oper gewachsen sei. — Alles dies hatte ihn für
Euiyanthe eingenommen und ihn allzusehr hoffen lassen, dass
die Dichterin bei ihrer liege ist ciiing für die Saclui und ilinu*
Geschicklichkeit die bedenklichen Punkte ihrer Aufgabe, wel-
che dem scharfblickenden Weber sicherlich nicht entgangen
waren, endlich fiberwinden werde. Doch er hatte sich hierin
^'etäuscht, und als er das erkannte, war die Oomimsition schon
zu weit vorgeschritten, um einen anderen Stolf zu eri^niilen;
wenn nun Euryanthe, das Grossartigste, was Weber geschaflbn,
in der grossen Welt nicht den allgemein siegenden Erfolg
\iatte, wie der Freischütz, so lag das hauptsächlich in den
Mängeln des Gedichts. — Um so bewunderungswürdiger ist
die Leistung des musikalischen Künstlers. Denn bei
einer ganz neuen Welt der Instrumentation hat er in ihr das
Grossartigste, Erschütterndste niedergelegt, was die neuere
Kunst aufzuweisen hat, hat er ein Werk gescliafr(;n , das na-
mentlich für die Neuentwicklung der Oixircouiposition die
eigentlichen Grundvesten bildet. Auf Euryanthe gestützt
und in ihrem Geiste weitergehend, haben die neuesten epoclie-
machenden musikalischen Bühnenwerke Gestalt und Lebcns-
iahigkeit gewonnen; vom Icbcinligen Hauche der Muryantlie
durchdrungen üben diese modernen Musikdramen einen eigen-
thümlichen Zauber aus, der die Jetztwelt im Allgemeinen leicht
(lie Quelle übersehen lässt, aus welcher er ursprünglich fliesst.
Wie der „Freischütz" sich wendete an die Innigkeit, Kein-
hcit und Frische des deutsch(;n Volkes, an seine Liebe zum
Wunderbaren und Dämonischen, und wie er eben deshalb in
seiner Allgemeinverständlichkeit vom ganzen Volke mit
Begeisterung ergriffen wurde, so traf nun „Euryanthe** die
NVdt der Künstler selbst und ganz unmittelbar, und so
') *
— sc-
haben beide (Ipern, Freischütz und Euryanthe, nächst Zauber-
flöte, Don Juan und Fidelio, auf deutsches Volk und deutsche
Kunst folgenreicher gewirkt, als jemals irgend welche andre.
Bevor Weber an die Composition der neuen Oper gehen
konnte, war es nöthig, in Wien das Sängerpersonal kennen
zu lernen, welches dieselbe später auHfUhren sollte ; auch hatte
man ihn eingeladen, den „Freischütz** dort selbst zu dirigiren.
— Nachdem am 26. Januar 1822 letztere Oper bei ihrer
ersU^n AuiTühruiig auch in Dresden mit Enthusiasmus aufge-
nommen war, reiste Weber am 11. Februar nach Wien, wobei
er auf der Durchreise in Prag ebenfalls den Freischütz bei
^deichem Erfolj,' dirigirte und er zugleich Henriette Son-
tag, für die er die Euryanthe zu schreiben hatte, als
„Agathe" kennen lernte. Nach seiner Ankunft in Wien ent-
hält sein Tag(;biic)i vom H)., an welchem Tage er den „Frei-
schütz'* dort zum ersten Male gelnut, nichts, als: „Um 6 Uhr
„ins Theater. Freischütz. Ach Gott!" — letztere Worte
dreimal untei-strichen — ein genügendes Zeugniss für dessen
in der That unglaubliche Entstellung. Es >var klerikale Be-
fangenheit, die dem Werke derart zu nahe getreten, dass es
kaum wieder zu erkennen war, obwohl Wilhelmine Schröder,
die spätere Schröder-Devrient, die „Agathe" gab. Nun wurde
dem (!omponisten gestattet, der Oper einigermassen ihre
eigentliche Gestalt fz. B. den Samiel und das Kugelgiessen)
zuiückzugeben, und imtcr unglaublichem Jubel des Publicums
und ])egeist(!rt(>n fluldigungen der ausführenden Künstler ging
sie aufs neue am 7. März zum Benefiz der Schröder in Scene,
wonach er in <Hnem Briefe an liichtcnstcin ausruft: „Der ver-
„dammte Freischütz wird seiner Schwester Euryanthe
„schweres Spiel machen, und manchmal bekomme ich fliegende
„llizz(^ wenn ich daran denke, dass der Beifall eigentlich
— 37 -
„nicht steigen kann. Nun , wie Gott will , ich thue , was ich
„nicht lassen kann, wie ich iininer ^ctlian, und 8chau(; nicht
,, rechts noch links, sondern auf das mir selbst gesteckte Ziel.'*
— Am 19. gab Weber Conc(5rt, iiacli(l(5ni er neun Ta;,^'. w(';^(;n
ernstlichen Halsübels das Haus liatte hüten müssen, und am
21. verliess er Wien, in welchem er den Hauptzweck seiner
Reise, Kenntniss seines Kuryantlien-Personals, vollständig
erreicht und eine Menge ausgezeichneter Persönlichkeiten
kennen gelernt hatte, darunter: Erzherzog Carl, Salieri, Sey-
fried, Franz Schubert, Grilli«u/(ir, (JasU^ili, Sajdiir, KaniKi
(Kritiker) und Steiner, letztiMci- der spätere Verleger der
Euryanthe. — Am 26. März wicdcj* in Dresden, liiclL ilin ein
erneutes Unwohlsein vom JJcf^inne der Arbeit an lOuryantlie
bis in den Mai hinein fern. Inzwischen wurde ilim am 25.
April ein Sohn geboren, Max Maria, jetzt (1872j k. k.
Hof- und Ministerialratli und teelinischer Rath im k. k. ilaii-
dels-Ministerium zu Wi(m. In der Literatur seines Faches,
wie als Belletristiker ausgezeiclinet, hat er auch durch sein
Lochst verdienstvolles Werk über seinen Vater'^; diesem (mh
ebenso bedeutungsvolles Denkmal gestiftet, als der Kunst;;e-
schichte die reichste Quelle über denselben erschlossen.
J'rst nachdem Carl Maria am 15. Mai sein stilles lloster-
witz wieder erreicht, begann die Composition der Knryanllie
mit dem Entwürfe von Adolars As-dur-Arie „Wehen mir
Lüfte Ruh"*, welchem bis Anfangs August die Entwürfe von
acht anderen Nummern folgten. In diese Zeit fiel die Lin-
studirung der Preciosa für Dresden, das Gastspiel der
Schröder-Devrient , ferner die Vollendung der letzten seiner
vier grossen Pianoforte-S o n a t e ]i , der meist tief schwermüthi-
•) Max Maria von Wcbor: „Carl ."NFaria von WcIxt. JOin Lebensbild.*'
:\ Bände. Leipzig E. KcU. ixil- is(;(i.
— 38 —
gen in E nioll (op. 70) (seiner letzten Composition für dies
Instrument) und die vollständige Umarbeitung seines 1811
componirten Fagott-Concerts (op. 75). — Von Hosterwitz Ende
Sept. nach Dresden zurückgekehrt, schwieg nun Euryantho
bis Ende October, und kaum war Weberam 24. d. Mts wie-
der daran gegangen, so musste er eine Fest-Cantate zur Ver-
mülilung des Prinzen, jetzigen Königs Johann von Sachsen
schreiben, die am 14. November vollendet und am 23. aufge-
führt wurde. Im December gelangte die Frage wegen einer
neuen Oper für London an ihn, die natürlich vorläufig
eine offne blieb , und erst, nachdem Weber zwischen dem 6.
und 9. Januar 1823 abermals eine Festmusik (diesmal für die
Prinzessin, nachmalige Königin Therese von Sachsen) geschrie-
ben hatte, konnte er endlich am 16. d. Mts. aufs Neue an
sein grosses WVrk K<'hen, das er von nun an nicht mehr
verlicss. Namentlich während seines Aufenthaltes in Hoster-
witz zwischen Mai und September schuf er unablässig daran
und brachte es am 29. August daselbst zum Abschluss, mit
Ausnahme der Ouvertüre, welche er erst kurz vor der Auffüh-
rung in W^ien componirte. Der Zeitraum, welchem die Ar-
beit an der Euryanthe gewidmet war, bedarf noch einer be-
sondcjnm Erwähnung, da er auf das TInwiderleglichste Zeugniss
giebt für Weber's seltne Schöpferkraft; denn er gebrauchte
zur Herstellung dieses mächtigen Werkes, seines umfangreich-
sten, (ausschliesslich der Ouvertüre) : elf Monate (1822: von
Mitte Mai bis Mitte August und drei Tage im October, 1823 : von
Mitte Januar bis Ende August.) Die Instrumentirung an
und für sich vollzog er, während ilmrr Zeit, in 43 Tagen,
und zwar die des ersten Actes „in zwölf Tagen**, wie
dies in seineui Tagebuch und in der Original-Partitur auch
ausdrücklich von ihm bemerkt ist.
- 3t) —
Unterdessen hatte Wahor im März 1823 seinen „ A b u II a s -
San" in Dresden einstudirt, dann aber auch 1*' i d elio, der mit hin-
reissender Wirkung am 20. April, in der Titelrolle von der
nunmehr in Dresden (in.iAa;j;irten Schröder-Devrient, ^egel)en
wurde. Dass alle Briefe, die laut Weber's Tagebuchc zwischen
ihm und Beethoven bezüglich dieser Aufführung gewecliselt
wurden, mit Ausnahme ein(5S einzigen von Wel)er, spurlos ver-
schwunden sind, ist sehr zu beklagen. Im Tagcjbuche heisstes am
11. August auch: „Sonate und Variationciu von Deetboven erhal-
ten" — welche ihm Beethoven übersandte, ist nicht angegeben.
Am 16. September reisste nun Weber zur A uf führ ung
der Euryanthe nacli Wien. — Bei seimn- Durchreise durch
Prag sicherte ihm der dortige Theaterdirector ilolbein frei-
willig, statt der für juayanthe in Trag von iliin geforderten
dreissig Ducaten, deren vierzig zu, und. mit komischenj Pathos
ruft Weber in seinem Tagebuche aus : ,. Tiara avis in terra ! * Nach
seinem Eintreifen in Wien am 21. begegnete ihm Alles auf
das Zuvorkommendste, namenthch das unter ihm bei Ijnstu-
dining der Oper wirkende Sänger-, Musiker- und Choi'-Perso-
nal; die Proben glichen einer Reihe von Iluldigung<!n für ihn. j
Den Glanzpunkt so vieler Beweise von Zuneigung und Ach- i
tung bildete der Erfolg seines Besuches bei Beethoven
am 5. October, der ihn mit rührender Herzlichkeit empfing
und mit welchem Weber einen Tag in Baden bei Wien ver- i
I
lebte, von dem er seiner Gattin schreibt: „Dieser Tag wird mir i
„immer höchst merkwürdig bleiben. Es gewährte mir eine !
„eigene Erhebung, mich von diesem grossen (leiste mit soldiei* i
„liebevollen Achtung überschüttet zu sehen." — Dillerenzen i
mit der Dichterin der iOuryanthe wegen immer neuer , v<>n 1
derselben an Weber gerichteter pecuniärer Anf()rd(Muiigen 1
trübten zwar jene an:umchmeu Verhältnisse in etwas; docli !
— 40 —
nachdem er am 19. die Ouvertüre beendigt hatte, wurde
„Euryanthe" am 25. October zum Ersten Male mit
Furore ßi^gcbeii. Weber dirigirtü diese erst(», und die beiden
folgenden Vorstellungen ; die vierte fand unter Conrad Kreutzer
statt, und in diesen vier Vorstellungen wurde Weber vier-
zehn Male gerufen. Es war das ein seltner Erfolg; er
wurde aber trotzdem damals zu keinem nachhaltigen, da
man die()j)er nach zwanzig Vorstellungen vorläufig zurückstellte,
worauf sie freilich später (so auch 1871) in Wien wiederholt
einstudirt wurde. — Dass Euryanthe, ungeachtet der treflT*
liehen Aufführung, namentlich ungeachtet der herrlichen Son-
tag in der Titeholle, dennoch gerade in Wien nicht vollkom-
men durchdrang, war wohl darin begründet, dass die tiefe
und vornehme Musik dieser Oper nicht geeignet war, die
Masse fortzureisen, welche kurz vorher von Itossini's durch
ilahenischct Süii^ior eisten itanges in höehsler Vollkommenheit
vorgeführte Opern verwöhnt und verweichlicht worden war.
Euryanthe in ilirem ganzen Werthe zur Geltung zu bringen,
war erst den AuHühningen in Dresden, besonders aber denen
in Berlin vorbehalten. — Nachdem Weber am 1. November
vom Kaiser Fjanz in einer Audi(»nz auf das Schmeichelhafteste
empfangen worden, reiste er am ö. ab, dirigirte in Prag die
öOste Vorstellung des „Freischütz** und wurde in Dresden
zum hchluss seines ruhmvollen Wiener Ausfluges bei einer
Probe am 13. vom gesammten Theater-Personal feierlich be-
grüsst. — — Nun aber trat vom 19. October 1823 bis zum
211 Januar 1825 eine fast fünfzehn Monate lange Pause
in seinem Schaffen ein; denn nichts als eine kleine fran-
zösische Ilomanze von 23 Tacten „Elle etait simple et gen-
tillette" verdankt dieser Zeit ihre Entstehung. Einerseits
war wohl die Anspannung eine zu grosse gewesen, andrerseits
— 41 -
drückten ürtheilc über EuryantlK», denen hier Verständniss,
dort Wohlwollen abging, den cdinchin sdion hinge körporlirh
immer mehr und mehr Lridcndcn vollends nieder. — Diese
Krmüdung, diese zur Abspjinnim;»- gewordcine Anspannung
VVeber's finden einen wcJiniulh.svolIcn Wiederball, der last,
den Charakter einer Ahnung riübzeitigen Todes annimmt, in
einem I]rief<» an (^inen seiner iillesicn saI/l)nr;-'( r Jii^'endfreunde,
Ignaz Susann, wo es heisst: ,.](h durchlebe nocli einmal Inder
,, Erinnerung jene schöne Z(M't, wo man sicli glücklich füblt
,,so viel zu wollen, und sich das Vollbringen gar so herrlich'
„denkt Wie oft enthielten meine höchsten Wunsche, die ich
„für unerreichbar hielt, das nun III reichte, und um wicMJeles
,, schob sich doch das wahre scliöiui Ziel immer weiter und
„weiter hinaus in meiner Ueberzeugung, und wie wenig ge-
,,iiügte ich mir selbst in dem, was Anderen zu genügen scheint.
„ — Glaube mir, ein hoher lleifall lastet wie eine grosse
„Schuldforderung auf der Seele d< s KiJnstlers, der es n'dlich
„meint, und er bezahlt sie nie, wie er wohl möchte. Was die
„Erfahrung zulegt, nimmt die dahin schwindende Jugendkraft
„wieder hinweg, und nur diu- Trost bleibt, (biss Alles
„unvollkommen ist, und man (hat — was man thun
„konnte." —
Im Januar 1824 fügte Weber zu den schon in Wien
ihm abgedrungenen Kürzungen der Euryanthe noch eine
hinzu, welche für die erste Scen(i des dritten Akts von IJerlin
aus gewünscht wurde, welche Juhzungen aber später in Wien
durch Kreutzer und noch später an vielen (hten durch Andre
bis ins Unglaubliche, und leider zum schweren Schaden
(los Werks vermehrt worden sind. — Anfangs März scliric^b
Weber seinen ausgezeichneten A ufs atz über musikalische
fcmpi als Vorwort zu der für die höchst gelungene Auffüh-
— 42 —
rung von lluryantlic zu Leipzig am 24. Mai 1825 von ihm
vorgcnoniniencn ausführlichen Metronomisirung dieser
Oper*). — Am 31. März 1824 ging Euryanthe in Dresden
mit der Schroder-Dcvrient unter Weber's Direction mit stür-
mischem Jubel in Scene und sein erheiterter Blick richtete
sich nun nach IJerlin, wo die Oper mit Sehnsucht erwartet
wurde. Aber bis es zur berliner Aufführung kam, sollten von
dorther viel bittre Tropfen in den ohnehin schon herben
Lcbenakclch des Meisters Ih'essen. Mit April des Jahres 1824
eröffnete sicli nämlich jene unselige Correspondenz zwischen
ihm und Spontini, welcher in dieser Zeit allmächtiger denn je
zu Berhn herrschte und sich nicht scheute, in seiner Eifer-
sucht gegen den von aller Welt gefeierten deutschen Meister
i\U\ MuryjiiillK*. iil)(;r zwei Jjilire von der dortigen Bühne mit
allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln fern zu halten. —
TJnterdess führte Webcu* am 6. Juni in besonderer Vortreff-
lichkeit llaydn's „Jahreszeiten*' zum Besten der abgebrann-
ten Stadt Schwarzenberg im grossen Opernhause zu Dresden
mit einem Ecingowinn von 1000 Thalern auf. Er selbst nennt
diese .Aufführung in seinem Tagebuche „über alle Maassen
herrlich!' Am 11. Juni aber erhielt er, als der verehrteste
Tonmeister des deutschen Vaterlandes, die Einladung; das
grosse vom 1. bis 3. JuU fallende Musikfest in Quedlin- ,
*) Zuerst «liirch niicli veröffentlicht in Nr. S der Breitkopf & Ilärtcl-
Belien licipzi^jer AIIj^oiiKtinen Musik-Zeitunjy von 1S48 als: „Tempo-Be-
z eichnunj,'e n nach Aliilzl's Metronom zur Oper Euryanthe. Gcgcbcü
von C. M. V. \V«;l)er, nebst dazu gehörigem Aufsatze von ebendemselben," j
später In iiK'iuein lii(!r pMg. 11 unten erwähnten Buche: „Carl Maria
von Weber in seineu Werken'*, pag. 371 uud 375, wie ferner in der \
v. Prof. K. Kudorfl' herausgegebenen, bei SehleMingcr (Licnau) in Berlin |
ersehieneneii iJ^vnUn'.Unwu r.trlitur ilvr 0\ur. - Leider aber fast i
überall bei den Aufführ un gen der Oper seitdem wenig oder
gur nicht beherzigt! D. Verf.
'
— 43 —
bürg zu leiten, welches <lorl /.w Klin^n von Kl ups lock 's
hundertstem (icl)urtstage ^(»^oIhmi wer<lon sollte. Per Einla-
dung folgend, übertraf Werber \\od\ die sdion olinoflies Locli-
gospannten Ei-wartungen und wurde dabei mit beweisen von
Verehrung und lii(d>e übcrsrJiiiltet. Die r,eji(lit(5 aus jener
Zeit sprechen namentlich von der Ausführung des 3. 'J'heiles
des Messias und dcrEroica in Ausdrücken wahrhaft begeister-
ter Anerkennung. — Am II. Juli war Weher bereits in
Marienbad, um dort bis /um 11. August behufs einer
ernsten Cur zu verweih^ii, von der er jedoch mit weiiig(^m
Erfolge für seine Gesundheit zurückkehrte. In llosterwitz
fand er eine bestimmte Anflorderung von Kemble, dem I)i-
rector des Londoner Coventgarden-Theaters, vor, eine neue
Oper für diese Bühne zu sdirciben. Deshall) war ihm die
Ankunft Mosch eles' in Dresden doi)pelt willkommen, da dieser
in die liOndoner Kunst- und Theat(^r-V(;rhältniss(i genau ein-
geweiht war und sich ihm sr)fort in warmer Verehrung an-
schloss, die sich nicht nur bei Weber's Anwesenheit in Lon-
don und unmittelbar nach dessen Tode daselbst, sondern bis
zum eignen 1870 erfolgten 11 intritt treu bewtährte. — Es war
Weber rücksichtlich der n(Mien Oper zwischen „Faust'* und
„Oberen^' die Wahl gelassen worden. Er wählte „Oberon.'*
Sofort schritt er, wie immer, energisch dem j-cisü^ckten Zicbj
zu. Mit richtigem Tacte fülille er, dass eine Oper für das
englische Volk auch nur in (englischer Sjiraclie componirt
werden müsse. Um dem zu genügen, unterwarf er sich den
ernstesten Sprachstudien, (1.5!5 englischen Lelirstunden zwischen
dem 2. October 1824 und 11. Februar 1S2G, fünf Tage vor
seiner Abreise nach l.oinN»»!) für durm Erfolg anzuführen ist,
dass ihm von den Engländern die schnH'ichelliaftesten Aeusse-
rungen über sein Englisch zu Theil wurden, wenn nicht der
— 44 —
in dieser Sprache componirtc Oberen als das rcdendstc Zeug-
niss für die Erreichung seines Zieles gelten niüsste.
Schon zu Ostern 1825 sollte die Oper zu London in
Scene gehen; bis dahin waren nur noch sechs Monate. Als
aber die Zusendung des ersten Akts von England aus ei'St
am 30. December 1824 erfolgte, wurde die Auiführung bis
auf Ostern 1820 hinausgeschoben. Still beschäftigte sich
Weber, (nach Empfang des zw^eiten Akts am 18. Januar
1825) mit dvA' Coniposition. Das TagcilMich sagt am 23:
„die ersten Ideen zu Oberen gefasst." Doch schon der 2.
Februar brachte eine neue Aufgabe, die Bearbeitung von zehn
schottischen Xationalge sängen, zu denen Begleitung,
Vor- und Nachspiel für Pianoforte, Violine, Violoncell und
und Flöte zu schr(;il)en waren, (ieorg Thomson in Edin-
l)urgh gab nämlich seit langen Jahren eine grosse Sammlung
schottischer Lieder (Songs) heiaus, von denen viele auf sei-
nen Wunsch durch ilaydn, Beethoven, Hummel oder andere
deutsche Meister bearbeitet worden. Jetzt forderte er Weber
zu der gleichen Arl)eit auf, die schon um der ausgezeichneten
Vorgänger willen erfreulich und lockend war. W^eber ging
sofort an die Ausführung, die jedoch erst im Juli beendet
wurd(i. Inzwisch(!n liatle schon der 27. Februar das Ei'Ste
an Entwürfen zu Oberen gebracht: den zu Ilüon's Arie
Ni". 5, bald darauf die zum Elfenchor Nr. 1, zu Nr, 3 und 4.
- Doch anfangs A])iil trat plötzlich die Krankheit unseres
iMeisters, ein Lungenleiden, auf das Bedenkhchste in dcnVor-
(((ügrniid; all(^ Arlxiit wunhi vorläufig zunickgestellt, im April
schon ein Sornuierhaus [wieder in „Koseis (iarten*', jedoch ein
andres als das im Jahre 1820 bewohnte *j] bei Dresden be-
*) l^i(Ns Soinmcrliaiis Ii(;j,'t in d(!m Garten der Villa in Antonstadt-
Diesden, IJolzhofjjasse Nr. 11, unmittelbar an der Eibe, nahe dem ßogc-
Li
— 45 —
zogen und dann zu einer Cur in Kms ^^'sclinüen, wohin
Weber am 3. Juli auf zwei Monate [ring. Auf der Keise dahin
spi-ach er fibermals bei Goethe ein ; in Ems aber fand er einen
erlesenen Kreis, der ihn nndir in Anspruch nahm, als ihm znträ^;-
lirh war, darunter: die Kronprinzessin Mhsabetli von Prenssen,
den Prinzen Friedrich, naehmali^'cu König vrmSaelisen, l\ A.Wolf,
den Dichter der Preciosa, di(^ berühmte Sängerin Milder etc.,
und hier empfing er auch den Pesuch von Kemble und
Kir George Smart, d(;ni Dinctor der „Uoyal-Musik-lJand*
zu London, welcher liet/teK! ihn einhid, dort bei ihm Woh-
nung zu nehmen. Auf rlei* liilckreise aber genoss er zu
Frankfurt die Freude feierlichen Empfangs gelegentlich
einer Aufführung der Euryanthe, bei der man den Ilochge-
feierten, „mit Trompeten- imd I^inkenschall" (wie chis Tage-
buch meldet) begrüsste. Am 1. Sei>l<'ndM^r wieder in Dres-
den auf seinem Sommersit/ in Koseis Garten angelangt,
griff Weber nun mit ganzer, ihm no<rh zu (iebote st(diend(;r
Kraft zum „Oberon"; schon am s. begann er dessen Instrumen-
tirung und überhaupt wurde rlie Arbeit namhaft gefördert
trotz zeitraubender Vorbereit un^-cn zur Aufführung von Spon-
tini's(!) Olimpia, die zur JM'ier iUiv Vermählung des Prinzen
Maximilian von Sachsen am ]2 November in Scene ging, und
für welche Weber sogar noch Musik und lIiMitativc^ /u einer ein-
nannteu ,.Linke'6c}icii Ikide". /ihm Aiuicnkeu daran, dass naiiiintHcli
Weber's Concpption dos Oberon /mn j^Mösston ThoHr (li( scni Gartonliausi"
zugehört, hat der Besitzer d<'s.s«n»('ii in «cliöncr JMotät j^cj^on das And^-n-
ken UDsercs Meisters es mit tVinnn Sinne zu einer Ix'dentungsvollc n
Krinnernngsstatto an ihn gcstnlttt. laue Inschrift unter dem Frontispiee
des Hauses sclnnückt dasscdhe: ()<'miilde zu l'reisehütz , Knryantlie,
Oberon in dessen Vestibül, in den Zimnieru Jiildnissc , <iipse, musika-
lische wie briefliche Autographe, Med.iiUe, Loeke Welnr's, neben andern
auf ihn bezugliehe Keliquien stempeln die einst v(m ihm bewohnten
Räume zu einem weihevollen Ganzen , das jedem Ik.sucher otfen stehen
wird.
— 46 —
gelegten Schluss-Sccne componiren inusste. Solcher Störungen
uii^'oachtet waren um 18. November von den drei Akten des
Oberon die beid(;n erstem (ausschliesslich des zweiten Finale)
V(dlendet. Jet/t trat j(idoch eine neue und wichtige Unter-
brechung des Schaffens am Oberon ein: die Kinstudirung und
Leitung der E u ry a n t h e zu Berlin, die endlich, nach
zweijährigen Kämpfern, am 23. Decembrr daselbst zur Auffüh-
i'ung gelangte, und zwar in so ausgezeichneter Weise und mit
einer so begeisterten Aufnahme seitens des Publicums, wie
dies bisher kaum irgendwo der Fall gewesen. Es erfüllte
sich, was schon vor der Aufführung Weber an Graf Brühl
geschrieben hatl<»: „Ich bin überzeugt, dass Euryanthe erst
in r>erlin in allen ihren Intentionen bervortreten wird/^
l)ie Ausfübrung anlangend wäre die Uesel/ung Yortr<^iriicber
kaum zu denken gewissen. — Bader war namentlich nach
allen Uichtungen hin gleich unübertrollen, er war der Ado-
lar, „wie er sein solT* — „durchaus herrlich!" wie
Weber selbst der (iattin schrieb. — Diese Aufführung war
d(\s Meist(^rs letzter grosser Triumph im cb^itschen Vaterlande;
sie hatte ihn aber auch auf das Tiefste erschöpft, und schrecken-
erregend verändert sah ihn am 31. Deccunber Dresden wieder.
Doch die grosse; (und wie er wohl füblen mochte) letzte
Aufgabe seiner irdischen Laufbahn rief ihn unerbittlich zu
neuen Ansinmgungen wach.
Das Jahr 1820, das ihn uns rauben sollte, sah ihn am
n. Januar das zweite Finale des Oberon beendigen, ja am 13.
fehlten nur noch wenige Nummern dei- Oper und die Ouver-
türe. Diese und noch zwei in England nötbig gewordene
Arien vollc^ndete r.i erst zu London am U. resp. 10. April. —
Am U\. r'ebruar Irat Weiter di(* Reise nacii London an,
Ix'gbiitet vom k. sächs. Kammermusiker A. B, Fürsten au,
der dort concertiren wollte, piiioni Meistor auf der Flöte von
seltener RcdeutunK, den Wiibei* selbst in ein(un lk'n\U' „den
Fürsten auf der Flöte Auen" nennt, und der ilini in d(»r
Frenule der treueste, ausharrendstii Freund und Pfleger wurde.
Fa* reiste über Paris; und hier wurde dem j^rossen deutschen
Tonsetzer die parteiloseste Huldigung der hervorragendsten
Geister zu Theil, an deren Spit/c^ Cherubini, Rossini, Peiton,
Catel, Paer, Auber und Onslow stiindc^n. Der IJesucli des von
Weber überaus verehrten ()h(»riibini beglücktem ihn ganz
besonders; die Notiz darüber in seinem Tagebuch ist zweimal
mterstrichen. — Am 3. März kamen Weber und Fürstenau
n London an. Der schnKnchelhafteste Fnij)fang, selbst von
5(uten der öiTenllielnin liehönh^i wiird ihm solbrl enlgegen-
:cbracht; ja, noch vor seinem üllentlichen Auftreten huldigte»
lim das Publicum bei zufälligc^ni Erscheinen in niehieren
'heatern in überraschender, dort nie vorgekommener Weise,
lir George Smart, bei welchem Weber, wie verabnulet
V^ohnung nahm, hatte in seinem 1 lause Alles mit jedniöglicher
Rücksicht darauf einrichten lassen, dass er' sich heimisch und
ohl fühlen möge. — Den 8. März begann Weber die Direc-
on der sogenannten „Oralmieir' ivirossen (Nmceite in den
liunneu des Coventgarden-'riuwtersV, ihr folgte die liCitung
iidcrer Concerte, die des ,, Philharmonischen Vereins" und
inzelner berühmter Künstler, mit denen or hier in Berüh-
img getreten; alle waren sie von hehei* Aneikennung beghM*-
[^t. — Endlich am 12. April 1S2(> ging der Oberen auf
3m ^ Co ventgarden- Theater zu London in Scene. Die Auf-
ahme desselben übertraf so sehr jede Erwartung Weber's und
ing noch so weit über alP das Jirhebende hinaus, was er
•lion an Dergleichen bisher erlebt, und was s(»lbst in England
s das Ausseiwdentlichste ge.gollen hatte, dass nur di(» K(»nnt-
— 48 —
nissnahme der damaligen englisch(»n /«itungsbericlite und be-
sonders der Briefe, die Weber an seine Gattin gerichtet hat,
dc^rrn ganzcMi Ilnifan« verdoiitlicht. *) Das Wesentlichste
davon ist in dem, noch in der Nacht nach der ei-sten Aufführung
nieder^'cschriebencn Rriofe enthalten. Ks hcisst darin: „Durch
jjUottcs Gnade und beistand habe ich ileiin heute Abend aber-
„mals einen so vollständigen Erfol«,' gehabt, wie vielleicht
„norh niemals. Das Olanzende und führende eines sol-
„chen vollstän<lig<'n ungetrübten Tiiiimphes ist gar nicht zu
„beschn»il)en. (Jott allein die Mlireü! Wie ich in's Or-
„choster trat, erhol) sich das ganze überfüllte Haus und ein
„unjrlauldieher Jubel, Vivat- und Ifnrrah-Ilufen, Hüte- und
„Tücher-Schwenken empfing mich und war kaum wieder zu
„stillen, etc. — Am Ende mit Stunnesgewalt mich hcrausge-
„rufiui, eine Klire, die in England noch nie einem Compo-
,, nisten wiederfahren ist, etc." - Ili(;niit war, wie Weber
weiter sagt, „ein grosser Schritt in der Welt abermals abge-
„than;* aber — es war der letzte grosse Schritt! müssen wir
mit Schmerz hinzufügen.
Was nun das unter schweren körperlichen Leiden, in
Mast, fast Angst g(»sr,haffene Werk selbst anlangt (denn We-
ber hatte w<dil gefühlt, dass es zu seinem letzten werden
würde) — so dürfte sich das zu richtiger Beurtheilung des-
selben N(Uhig(i und eine solche selbst in Kolgenden zusammen-
fassen lassen: Das von J. II. Planche'^ geschriebene Buch
des Oberen gab Weber fast nruth grössere Schwierigkeiten
•) iJicHc lJru!f(! Hind auHxii{,'sw('iHij ;il)t,'(Mlru(',kt in Weber'« „Hintcr-
lasBcnrn Schriften", heraiiHgejfebon von Th. Hell. Leip/J{7 nnrt Dresden
bei AruorUi. Ib'iS. IM. III pat?. IX l>iti XXX.I, wie sie auch xcrstrcut
luitgetheilt sind im 27ätcn Abschnitt von Max Maria von Webcr's „Carl
Maria von Weber. Kin Lebensbild." Hd. II pa^;. 647 und ff.
zu überwinden, als einst «Ins ehr riiryjintlie. Von dieser kannt('
er (loch beim Beginne der Coniposilion den (iang des (ianzen:
vieles lapj in der dieliterisrlien Ansfnlirnnf^ fintiR vor; nl)er
den Oberen kam ihm keine vrcitere Kunde zu.
als in ziemlich grossen Pausen jiMlesmal der eben fertig ge-
wordene der drei Akte. Aensser^t ;^eringe VfThiiidini^' nur
bestand zwischen ihm und dem I>ichter; eingcjliende münd-
liche Besprechungen waren unnir>i:li(h, und so mus^te er sich
der drängenden Zeit halber an die Arl»eit werfen, ohne rl<'-
Dichters Conception vorher im (iaiizen in sich aufgenommen
und diese in ihrer (Jcsammtbeziehung zu der .s(Mnig(m inner-
lich ausgestaltet zu haben. Darum finden wir im Oberon
nicht die Dm-chführung zahlreicher Leitmotive, wie er
diese (und er zuerst) in so geistreicher Weise bei seinen an-
dern Musikdramen anwendete. Sein Genius erschuf sich des-
halb ein einziges Leitmotiv, jenen Terzgan ^, mit dem
die Ouvertüre beginnt (zweien echt arabischen Motiven ent-
nommen), welches er nun in st(^ts neuer und überraschender
Weise jedesmal da bringt, wo (»s uilt, den Orient zu bezeich-
nen oder das Feenreich, das in jeniMU recht eigentlich seine
Ileimath hat.*) — Wenn Weber hiedurrh in höchst genialer
Weise eine wunderbare Kinhin't des musikalischen Ilinter-
giundcs der Oper herbeiführte, so standen ihm doch keine
Mittel zu Gebot, die ausserordentliche Piuntheit der llanche-
schen Dichtung zu tilgen und ihr jenen Charakter zu nehmen,
der, nicht ungei'cchtfertigt, als ein .,i)K»lodramatischer' bezeich-
net worden ist. — Das war jedodi ein grosser Nachthcjil füi*
seine Composition ; ja dieser tief^MiMfende Mangel wai* so be-
•) AnsfiUiriicbcs darüber in dein in drr zwoiton Noto zu pajr. II
hier genannten Werke: „F. W. .I;ilins: (;nrl Maria von Weher in
siinen Werken", auf pag. 3oM bii '1'»1 flavlbst.
«
I
— LO —
deutend, dass die ()i>er verloren gewesen wäre, wenn Weber
sie nicht dunli die holii; poetische Knift siiner Musik durcb-
geihiti^t und einporgehalten hätte. Der wunderbare Melodien-
zauber aber, der über sie ausgegossen ist, der geheimnissvolle
Reiz des orientalischen Gepräges aller dahin einschlagenden
Tlieili», der farl)on';h'inzende Duft, in den er die Feenwelt
taucht, di(j wilde, {gewaltige Macht, mit der er die Elementar-
Gcisterchöre ausgestattet, die Pracht in dem unvergleichlichen
Marsch b(ii Erscheinen Karrs des firossi^n — die vordeutende
Einführung so verschiedener Momente endlich in einem der glän-
zendstem Tongebilde der gesammten musikalischen Literatur,
der Ouvertüre — alles dies zusammengenommen erkämpfte
der dichterisch sehr zwc^ifelhaften Scliöpfung eine Lebens-
kraft, an der ein halbes Jahrhundert si)url()S vorübergegangen
ist, die uns bei jculesmaligem Ilciren mit neuem Entzücken
erfiillt lind die das Werk, ähnlich seinen zwei grossen Vor-
gängern, durch die Welt getragen hat und fernerhin tragen
wird. — Oberen bildet mit dem echt deutschen „Frei-
schütz", mit den Klängen der spanischen und zigeunerischen
Komantik „Preciosa's," mit der ritterlichen Hoheit und Pracht
der ,,Euryaiithe'* ein wunderbares Viergestirn von seltenem
Glänze, wie deren wenige aus der Schüpferhand ein und des-
selben Meisters hervorgegangen sind. — Und ,er war der
Unsre! Mit freudigem Stolze können wir Deutsche dies
ausrufen und den wohlerworbenen Lorbeer ihm auf das frühe
Grab legen.
Noch einmal, ehe der Meister sein müdes Haupt zur
Ruhe legte, rührte er sein goldnes Saitenspiel; es war der
schöne „Song" aus „liulla Kookh" „From Chindara's warbling
fount I come'S den er für die Sängerin Miss Stephens auf ihre
liittezu dem ConcerU; niederschrieb, w(dclH's (;r als sein letz-
— 51 —
tcs in London am 26. Mai is^'^ohm hat. — Wcnij^^o Tn^ni
darauf, am fünften Juni 1820, weilte er nicht mehr
unter den Lebenden.
Weber's irdische IIüllo, naclidem sie achtzehn Jahre, in
der Moorfields-Capelle zu London beigesetzt, geruht hatte,
führte die Liebe seines Volkes im December 1844 auf den
katholischen Friedhof zu Dresden über. Hier ruht er zwi-
schen der geliebten (iattin (y is:>2) und dem in soinoni neun-
zehnten Jahre (1844) derseIb(Mi vorausgegangenen zweiten
Sohne Alexander, einem als IMalei' hervori-agend begabten,
liebenswürdigen Jünglinge. Im ()(:tol)er 1800 wurde uns(;nn
Meister eine herrliche von Rietschel geschaflene Krz-Statue
nahe am Hof-Theater in Dresden errichtet.
Wenn wir imn Weber's l*ersönlichkeit wünlig(!n
wollen, so müssen wir anerkcuncu : Neben dem ihm eingebo-
renen (Jijuius war die wund(^rbar(; Beharrlichkeit seines
Strebens die Haupteigenschaft seiner Natur, und durch diese
Verschwisterung von Können und Wollen, von Reich-
thum uud rflichtgefühl wird er für die Nachwelt nicht
nur zu einem Gegenstand dfcr Piewunderung , sondern auch
zu einem verehrungswürdigen Muster. Dem grossen Künstler
wie dem edlen Menschen, dem in allen Verhältnissen dem
einmal als recht Erkannten unc^rschütterlich treu Bleibenden
ist, zumal in allen deutschen Herzen, ein unverlöschlichcs
Denkmal gesichert. — Was an Weber's Schöpfungen ge-
tadelt werden kann, hat er nirgendwo dadurcli verschuldet,
dass er es mit der Kunst leiclit nahm; immer wollte er, wie
im Leben, das Gute darin, ja das Beste, zuweilen wohl das
allzu Eigenthümliche; in vielen I allen ist er falsch beurtheilt,
am meisten dureh Man^^el an eingehender Kenntnissnahnie
oder durch unrichtige Behandhuig seiner Werke. — —
HARVARD UNIVERSITT
LIBRARr
'?"
— 52 -
Wie ernst er es mit der Kunst nahm, zeigen auch seine
schriftstellerischen Arbeiten, welche sich theils in
novellistischen Gebilden, theils als scharfsinnige und geistvoll .
geschriebene Abhandlungen, auf dem Boden seiner Kunst be-
wegen und überall Zeugniss ablegen von dem ernsten Streben
des Meisters, sich immer klarer zu werden über die Ziele und
die Mittel seiner schönen Kunst.")
Sollen wir schliesslich C. M. v. Weber's Gesammt-
wirkung auf die musikalische Kunst in kurzen
Worten geben, so müssen wir sa^on: Originalität, ver-
bunden mit tiefer Empfindung und seltener Fantasie,
l)ezeichnet sein Wesen. Durch sie gewann er für Wahr-
heit des Ausdrucks in seiner reichen Melodik, in der
Kühnheit seiner Harmonik durchaus neue Formen. In seiner
Intrumentation brach er bisher unbetretene Bahnen, und
in der Kinzelwelt fast jede s Instrumentes herrschte
er als Meister. Seine Rhythmen waren stetsi ebenso frisch
als edel. — Mit allen diesen Eigenscliaften begründete er eine
neue Kpoche, namentlich im musikalischen Drama, und
die Folgezeit wird nach dieser Seite hin noch lange den Stem-
pel seines Geistes tragen.
*) Uieac schriftsteHerischen Arbeiten Wober 's füUen den ganzen
dritten Band des in der Note zu pag. .*i7 «genannten Werkes von Max
Maria von Weber.
Druck von Ilüthel A T.oglei in r.eii»zig.
Kit
4'
»-
.
Im Verli^e vou Fr. Wllh« Grunow in Leipzig
Bind ferner erschienen:.
Handbuch der Musikgeschichte.
Von dea ersten kntinf^n bis xum Tode BMthOTfJ».
Von
iu TOB Donimer.
Preii 8 Thlr.
Vom Gentade der Cyklopeii und Sirenen
Yon
Yf. BOSSDIAIIB.
Preis 2 Thlr.
desclilclite des geistige» I^ebens
Toa Laibnitz bis anf Lessin^'s Tod
▼on
Julian Schmidt.
2 Bände. Preis 7 Thlr. 20 ^gr. .
Oescliichte der deutschen Literatur
seit Lessiaif
Yon
Julian Schmidt
3 Bände. 5. Auflage. Preis 8 Tlilr. 15 Ngr.
Geschichte der franzlteischen Literatur
Yon
Julian Schmidt
Zweite vplktändig nmgearbeiteie Auflage. Unter dej Prestie.
Boss und Reiter
in Leben und Sprache, Giaabea aad Geschichte der Deutschen.
von
Max Jahns. . i
2 Bände. Preis 6 Thlr. 20 N<'r. iBfrl
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