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CENTRALBLATT
DER
BAITVERWALTUNG
HERAUSGEGEBEN
MINISTERIUM DER ÖFFENTLICHEN ARBEITEN.
REDACTEUREs
OTTO SARRAZIN usd OSKAR HOSSFELD.
JAHRGANG X.
1890.
( crßi:l)n.§0LbSf5)‘ifc
f ü li iisib ü
BERLIN.
VERLAG VON ERNST & KORN
(WILHELM ERNST).
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in 2018 with funding from
Getty Research Institute
https://archive.org/details/centralblattderb1018unse
Inhalts -Verzeiclmifs des X. Jahrgangs, 1890
Seite
Allerhöchster Erlafs vom 30. December
der Kgl. Bauräthe, Bauinspectoren,
Regierungs -Baumeister und Eegie-
rungs - Bauführer der Allgemeinen
Bauverwaltung . 17
— vom 3. Mai 1890, betr. die Stellung der
teebn. Hülfsarbeiter bei den Kgl.
Regierungen . . 237
Circnlar-Erlafs vom 31. März 1890, betr.
Reisekosten, Porto- Auslagen usw.
bei staatsseitigen Enteignungen . . 153
— vom 6. April 1890, betr. die Strom¬
bereisungen . 153
1889, betr. die Uniform der Beamten
der Staatseisenbahnverwaltung sowie
I. Amtliche Mittheilungen.
Seite
Circiilai'-Erlafs vom 25. April 1890, betr.
Theater - Decorationen aus Asbest-
Gewebe . 181
— vom 2. Mai 1890, betr. die Rücksicht¬
nahme auf die Fischerei bei Ausfüh¬
rung von Strombauten . 201
— vom 31. Mai 1890, betr. die Stellung
der technischen Hülfsarbeiter bei den
Kgl. Regierungen . 237
— vom 28. Juni 1890, betr. die Revision
der zu Justizzwecken dienenden
Miethsgebäude usw . 293
— vom 4. Juli 1890, betr. die Ueberwei-
sung der Regierungs-Baumeister an
die Bezirks-Regierungen . 293
Seite
Circular-Erlafs vom 27. Sept. 1890, betr.
Anfertigung v. Gebäude-Inventarien
der Dienstgebäude durch die Staats¬
baubeamten . 441
Bekauntmachimg-, betr. das Stipendium
für Culturtechniker . 9, 537
— betr. die Gebühren für die Prüfungen
im Schiffbau- u. Maschinenbaufache
der Kaiserl. Marine . . 45
— betr. Preis des Werkes: „Brunkow,
die Wohnplätze des Deutschen
Reichs“ . . .- . 257
— betr. die Einführung einheitlicher, tech¬
nischer Bedingungen für die Liefe¬
rung von Mineral-Schmieröl . . . 477
II. Yerfasser-, Orts- und Sachverzeichnifs.
Seite
Aachen, Grabdenkmal für Prof. Ewerbeek 271
— Rathhaus, Wiederherstellung . . 111, 448
Abbruch einer hölzernen Eisenbahn-Brücke
während des Betriebes . 319
Abgeordnetenhaus, Rom, Parlamentspalast 145
Aborte in Kliniken . 40
Adler, F., Beiträge zur Kenntnifs der
evangel. Kirchenbaukunst d. Gegen¬
wart. 1. Kirche in Athensleben . 235
— — 2. Pfarrkirche in Eydtkuhnen 249, 267
- 3. Kirche in Atzendorf . 429
- 4. Reformirte Kirche in Insterburg 450
— — 5. Kirche in Betzin . 541
Akademie des Bauwesens, Gutachten betr.
Berlin, St. Johannis-Gemeinde in
Moabit, zweite Kirche . 181
— — dgl., kath. St. Sebastianskirche . . 385
— — Köln, Dom-Hotel, Fa^aden-Entwurf 113
— — dgl., St. Pantaleon, Wiederherstellg. 309
- Marggrabowa, evangel. Kirche . 310
- Strafsburg i. E., Garnisonkirche . 393
— ■ — Weichsel u. Nogat, Regulirung der
Stromverhältnisse . 77
Alhambra, Brand der A . 452
Altona, Hafenerweiterung u. Zollanschlufs
165, 178
America, Berichte d. techn. Attaches . . 189
— Oeffentl. Bauten, Ueberwachung ... 28
— Eisenbahnen, Verschmelzung der ein¬
zelnen Bahnnetze .... . . 536
Amsterdam, Stadttheater, Brand dess. . 84
Anstrich, s. Farben.
Arbeitsbahnen, Feldbahnen, Krupps
Schienenstofs . 416
Archiv, Hannover, Archiv- u. Bibliothek¬
gebäude, Erweiterungsbau .... 529
Arppes Druckwassergestänge von Arbeits¬
maschinen, Einschaltung einer nicht
gefrierenden Flüssigkeit .... 408
Artesische Brunnen, s. Brunnen.
Asbest - Gewebe zu feuersicheren Deco¬
rationen und Podien ...... 181
Askenasy, Wasserversorgung holländ.
Städte . 54
Astrophysicalisches Observatorium, Pots¬
dam, Kuppelgebäude zur photogra¬
phischen Aufnahme der Himmels¬
karte . 389
Athensleben, Kirche . 235
Attaches, technische, Verzeichnisse der
Berichte . 189
— — der russischen Regierung .... 16
Atzendorf, Kirche . 429
Aufnahmen, Braunschweig, vom Demmer-
schen Hause . 441
Seite
Aufzüge , Friedmanns Fördervorrichtung
für Baumaterialien . 380
Ausbauten, Gleiberg, theilweise A. der
Burg Gl . 20
— ■ Ulm, Münsterthurm, Vollendung 228,
243, 258, 273, 287
Ausgrabungen, Marzabotto(Prov.Bologna),
A. einer etruskischen Stadt ... 80
— Rom, ältrömische Strafsenb rücke. . . 28
- Grabdenkmal des Kaisers Hadrian
(Engelsburg) . 295
— Saida (Sidon), makedonische Königs¬
sarkophage . 329, 526
— Troja, Schliemanns A. . . . . 409, 423
Ausstellungen, Aachen, Ewerbecks künst¬
lerischer Nachlafs . 188, 222
— Berlin, Gartenbau-A . 199
— — Architektur auf der Kunst-A. 306, 317
— — A. f. Stein-Strafsenbau- Materialien 92
— Frankfurt a. M., elektrotechnische A.
120, 180, 243
— Hamburg, A. bei der Wanderversamm¬
lung des Verbandes deutscher Arch.-
und Ing.-Vereine . 188
— Rom, Gewerbe-A . 224
— Turin, Architektur- A. . . . 244, 442, 500
Ausstellungsgebäude, Berlin, Kunstaus¬
stellungsgebäude . 228
— Bremen, nordwestdeutsche Gewerbe-
und Industrie-A . 301, 311
— Palermo, f. d. nationale Ausstellung
von 1891 . 332
— Paris, A. der Weltausstellung von 1889,
Umgestaltung und Benutzung ders. 439
Australien, Nutzhölzer, Sammlung von N. 15
Auszeichnungen, Beyer, Prof., Münster¬
baumeister in Ulm, Ehrendoctor u.
Ordensverleihung . 280
— Fürst V. Bismarck, Adresse Berliner
Künstler . 144
— Otzen, Joh., Geh. Reg.-Rath Prof., Er¬
nennung zum Ehrenmitglied d. Royal
Institute of British Architects . . 291
— Rieth, Otto, Berlin, Verleihung der
Württemberg, goldenen Medaille für
Kunst und Wissenschaft .... 215
— V. Schmidt, Wien, Denkmünze . . 228
— Dr. Friedrich Schneider in Mainz,
Geistl. Rath, Ernennung zum Ehren¬
domherrn . 291
— Zeuner, Geh. Rath Prof. Dr., Dresden,
Adresse . 215
— Berlin, b. d. Kunstausstellung . . . 363
— Bremen, bei der nordwestdeutschen
Gewerbe- und Industrie- Ausstellung 415
Seite
Auszeicliuuugeu, Hamburg-Americanische
Packetfahrt- Actienges., Adresse f.
dies . 500
— München, b. d. Ausstellung der bilden¬
den Künste . 327
— Turin, b. d. Architektur- Ausstellung 500
— Reiseprämien an Reg.-Baumeister und
Reg.-Bauführer in Preufsen . . . 280
Baccarini, Alfred, ehemal. ital. Arbeits¬
minister in Rom f . 436
Badeeinrichtungen in Kliniken .... 304
Baden, Bauthätigkeit auf dem Gebiete
des Hochbaues . 284
Bäder, s. Curhaus.
Bagger, s. a. Förderkasten.
— Büngers Seilbagger . 52
— Graftons Drehschaufelb . 156
Bahnhöfe, Chicago, Vorschub -B. . . . 244
— Frankfurt a. M., Haupt - Personen - B.
Annahme u. Abfertig, d. Züge 231, 238
— Stettin, Güter-B. Rohrpost- Anlage . . 508
Bahnwärter, s. Eisenbahn-Beamte.
Baltimore, Stadtbahn . 400
Baltzer, F., Neue städt. Strafsenunter-
führungen beim Umbau der Bahn¬
anlagen in Köln . . . 467, 477, 502
Bär, Josef, Geh. Rath, Direet. d. Wasser-
u. Strafsenbaues a.D. in Karlsruhe f 348
Barthelmefs’ Hemmschuh für den Ver-
schubdienst . 262
Baudenkmäler, Magdeburg, Aufnahmen
482, 526, 535
— Rom, Grabdenkmal d. Kaisers Hadrian 295
Bauführung, mittelalterl. B. beim Bau der
Kirche des heil. Victor in Xanten 13
Baugeschichte, Stil-Betrachtungen . . . 365
— Trier, Porta nigra . 505, 519
Baukosten, s. Bauthätigkeit.
Baumaterialien, Vereinbarung einheitl.
Prüfungsverfahren . 348, 438
Baupolizei, Deutsches Reich, Bestim¬
mungen über die Anlegung, Ge¬
nehmigung, Prüfung und Revision
von Dampfkesseln . 435, 448
— New-Yorks . 532, 537
Bauschinger, die deutschen natürlichen
Bausteine in Bezug auf ihre Festig¬
keit usw . 72
— Versuche über die Frostbeständigkeit
natürl. u. künstl. Bausteine . 319, 363
Bausteine, s. Steine.
Baustil, Stil-Betrachtungen . 365
Bauthätigkeit, Baden, auf dem Gebiete
des Hochbaues . 284
— Preufsen, Hochbauten 1889 . . . 526
Centralblatt der Baiiverwaltnng.
1890.
Seite
Bautliätig’keit, Preufsen, Hochbauten, Aus¬
führungskosten . 161, 473
— — Wasserbauten 1880 bis 1890 . . . 485
Beamte^ s. a. Eisenbahnbeamte.
— Baubeamte, Unterstützung der Hinter¬
bliebenen von B . 256
— Deutsches Reich, Baubeamte d. Kaiserl.
Marine, Vorschiäften über die Aus¬
bildung, Prüfung u. Anstellung im
Schiff bau-u.Maschinenbaufach 42, 45, 51
- Baubeamte, Erhöhung der Gehälter 248
— Düsseldorf, städt. Bauverwaltung, Um¬
gestaltung . 188
— Preufsen, Anzug b. Besuchen d. Kaisers
in Galerieen usw . 187
- Baubeämte, Reisekosten, Porto-Aus¬
lagen usw. bei Enteignungen . . . 153
- B. der Strombauverwaltung, Theil-
nahme an den Strombereisungen . 153
- - Baubeamte, Uniform d. B. d. Staats¬
eisenbahnverwaltung sowie der Kgl.
Bauräthe, Bauinspectoren, Reg.-Bau-
meister u. Reg.-Bauführer d. Allgem.
Bauverwaltung . 17
• - Bauinspectoren, Gehaltsverbesser. . 171
- dgl., Vermehrung der Stellen bei der
Eisenbahnverw., .der allg. Bauverw.
und der landwirth. Verwaltung . . 27
- techn. Hülfsarbeiter bei den Kgl. Re¬
gierungen, Stellung ders. . . 237, 243
— — Reg.-Baumeister, Ueberweisung an
die Bezirks-Regierungen .... 293
- Reg.-Bauführer d.Ingenieurbaufachs,
Beschäftigung bei Eisenbahn-Vor¬
arbeiten . 51
— städt. Baubeamte (Rheinland) .... 188
— Strafsburg, Dombaumeister . 111
— Türkei, deutsche Techniker in türk.
Dienst . 52
Beecliers Tunnelbauteu unter Wasser
mittels keilförmiger Stirnwand . . 416
Beleuchtung, s. a. Candelaber, Rohr¬
leitungen.
— Unterbringung der Leitungen im grofs-
städt. Strafsenbau . . . 353, 375, 386
— elektr. Locomotiv- Kopflaterne . . . 436
Beltrami, Luca, Die italien. Architektur-
Ausstellung in Turin . 442
Bergius, Canalanlage von Ulefos nach
Strengen in Norwegen (Bandak-
Nordsjö- Canal) . 276
Berieselung, Rieselwasser -Teiche, Fisch¬
zucht . 544
Berlepsch, Prof. Rud. Gottgetreu f • 236
Berlin, Ausgaben der Stadt B. für bau¬
liche Zwecke 1890/91 170
— Ausstellungsgebäude, Kunst- A. . . . 228
— Bildhauer -Werkstatt für Monumental-
Bildwerke . 423
— Brücken, Kaiser Wilhelm -Br., Bau¬
geschichtliches . 97, 110
— Bundesschiefsen, Bauten auf dem Fest¬
platz . 281
— Denkmäler, Kaiser Wilhelm- D. 215,
242, 245, 280, 380
— — Lessing -D . 435
— Fernsprechleitungen, unterirdische . . 483
— Grunewald, Villencolonie . 7
— Kirchen, neue Kirchenbauten .... 144
- für die St. Johannis -Gemeinde in
Moabit, zweite K . 181
- Kaiser Wilhelm-Gedächtnifs-K. 476, 517
- kathol. St. Sebastians-K . 385
— Monopol-Hotel . 47
— Reichstagsgebäude ...... . . 541
— Schiffahrts -Verkehr . 123
Beton, s. a. Concret.
— Herstellung grofser Betonbetten unter
Wasser . 5
— Stampfb. f. Zwischendecken .... 103
Betonbauten, s. Cem enthäuten.
Betzin (Reg.-Bez. Potsdam), Kirche . . 541
Bibliotheken, Hannover, Archiv und Bi¬
bliothek, Erweiterungsbau .... 529
Bildhauer -Werkstatt, Berlin, für Monu¬
mental -Bildwerke . 423
Bildwerke, Osnabrück, am Rathhaus 460, 472
V. Bismarck, Fürst, Adresse seitens Ber¬
liner Künstler . 144
Blacks selbstthätiges Blocksystem . . . 206
Seite
Blitzableiter, Anschlufs an Gas- und
Wasserrohre . 350
Blum, A., Ueber die Trockenlegung nasser
Tunnelgewölbe u. Widerlager 421, 430
— Theorie d. Tarifbildung d. Eisenbahnen
von W. Launhardt (Bücherschau) . 509
Bodenfeuchtigkeit, Einflufs des Waldes
auf die B . 433, 472
Bogenträger, Zweigelenkbogen, Berech¬
nung dess . 254, 294
Bohrmaschinen, Betriebsergebnisse im
Mansfelder Kupferschiefer-Bergbau 343
Boje mit unauslöschbarem Licht . . . 463
Bonn, Gymnasium, Neubau . 131
Boston, Höherlegung eines Häuserblocks 300
Brahe, Wasserbauten an der Br. von 1880
bis 1890 493
Brände, Alhambra . 4.52
— Amsterdam, Stadttheater . 84
— Glogau, Br. des Ponton -Wagenhauses,
Verhalten der Brandmauerthüren . 371
— Magdeburg, Wirkung von Feuerlösch¬
granaten . 207, 291
— Wandsbeck, Spritfabrik, Verhalten von
Monier-Decken . 164
— Zürich, Theater . 16
Brünier, Dr., Sicherung eines Eisenbahn¬
dammes durch Entwässerungsstollen 60
— Ziegelsteingewölbe aus verzahnt. Ringen 263
Braunfels, Amtsgericht . 461
Braunschweig, Demrnersches Haus, Wie¬
derherstellung . 441
Brauweiler, Altes und neues über die
Porta nigra in Trier .... 505, 519
Bremen, Ausstellungsgebäude der nord¬
westdeutschen Gewerbe- u. Industrie-
Ausstellung . 301, 311
Bremsen, s. Eisenbahn -Fahrzeuge.
Bremsschuh, Barthelmefs’ B. im Eisenb.-
Verschubdienst . 262
Brennecke, L., Herstellung grofser Beton¬
betten unter Wasser . 5
— Träger mit frei schwebenden Stütz¬
punkten . 121
— Mangelhafte Vorrichtungen und Vor¬
schriften bei der Prefsluftgründung 446
Brentano, Giuseppe, Architekt in Mai¬
land t .
Breslau, Brücken, Dom-Br., Eröffnung . 280
— Kaiser Wilhelm-Denkmal 171, 179, 203, 215
— Maria Magdalenenkirche, Wiederaufbau
des Nordthurms . 198
Brettmann, Geschwindigkeits - Uhr für
Locomotiven . 279
Brücken, s. a. Gewölbe.
— Pi-eufsen, Brückenbauten von 1880 bis
1890 . 485
— Weitgespannte Strom- u. Thal-Br. der
Neuzeit . . 357, 366, 376, 383, 391, 407
— Doppelfachwerkträger, Anordnung der
Wandglieder in d. Endfeldern der D. 190
— eiserne B., Durchbieg. u. Tragfähigkeit 63
— dgl., Durchbiegungsmessungen und Ein¬
flufs der Fahrgeschwindigkeit auf
die Beanspruchung e. Br. 317, 400, 432
— dgl., Fahrbahn, wasserdichte, schall¬
dämpfende F. eisern. Eisenbahn-Br. 454
— Schienenbefestigung auf eisernen Br. . 248
— Träger mit frei schwebenden Stütz¬
punkten . 121
— Zweigelenkbogen, Berechn, dess. 254, 294
— hölzerne Eisenbahn-Br., Ersatz wäh¬
rend des Betriebes . 319
— Drahtseil-Hängebrücken in Frankreich 377
- in New-York, East-River-Br., Eisen¬
bahn-Betrieb . 196
- dgl., Hudson- (North-River-) Br. 272, 390
— Hängebrücken, Point-Hängebr. in Pitts¬
burgh über den Monongahela . . 378
— Monier-Gewölbe für Strafsen-Br. 15, 340
— zerlegbare eiserne Br. nach Henry,
Fives-Lille, Marcille . 297
— Berlin, Kaiser Wilhelm -Strafsen-Br.,
Gasexplosion . 119
- dgl.. Baugeschichtliches ... 97. 110
— Breslau, Dom-Br., Eröffnung .... 280
— Colorado-Br . 383
— Dir schau, neue Weichsel-Br. 323, 333,
345, 350_, 471
— Donau-Br. der rumän. Staatsbahn bei
Cernavoda . 175, 384, 448
Seite
Brücken, Fordon, Weichsel-Br . 471
— Forth-Br., Eröffnung . 84, 112
— — Messungen des Winddrucks ... 45
— Indien, Ausleger-Br . 512
— Köln, Strafsenunterführungen d. neuen
— Marienburg, Nogat-Br . 471
— Mississippi-Br. bei St. Louis, Aufstel¬
lung ders . 370
— Mühlhausener Br. und Cervenna - Br.
(Eisenb. Tabor -Pisek) . . 76, 85, 102
— New-York, East-River-Br., Verstärkung
des Eisenbahn-Betriebes ..... 196
- Hudson- (North-River-) Br. . . 272, 390
— Noce-Schlucht-Br . 220
— Ohio-Br. der Cincinnati-Südbahn . . 367
— St. Petersburg, Entwürfe f. d. Troizkij-
und Palais-Br . 121
— Prag, Karls-Br., Einsturz . . . 402, 420
— Rhein-Br. bei Griethausen . 359
— Rom, altrömische Strafsenbrücke, Aus¬
grabung . 28
Brunnen, Artesische Br. des Jamesflufs-
Thales (America) . 272
Brüssel als Seehafen . 207
Bücherschau, Bauschinger, Versuch
über die Prostbeständigkeit natürl.
und künstlicher Bausteine .... 290
— V. Behr, Führer durch Hildesheim und
Umgebung . 72
— Beissel, Stephan, Die Bauführung des
Mittelalters . 13
— Ben necke, R., Tabellen der Inhalte
der Damm- und Einschuittsprofile . 392
— • Borgatti, Mariano, Castel Sant’ Angelo
in Roma . 295
— Böttger, Ludw., Bau- und Kunst¬
denkmäler des Regierungsbezirks
Köslin, Heft H . 436
— Bötticher, E. , Hissarlik, wie es ist
409 423
— Breme, H., 182 Tafeln für graph.
Berechnung der Wassermengen . . 96
— Brunkow, Wohnplätze des Deutschen
Reiches (Preisfestsetzung) . . . . 257
— Cattaneo, R., L’architettura in Italia
dal secolo all mille circa . . . 244
— Dom in Köln, Kupferlichtdrucke . . 527
— Ewerbeck, Fr., Die Renaissance in
Belgien und Holland . 360
— Fischer, Ernst, Zeichen-Vorlagen aus
dem Gebiete der Stereotomie . . . 436
— Frais sin et, E., Landwirthschaftliche
Meliorationen und AVasserwirth-
schaft . 372
— Fritsch, K. E. 0., Die neue Synagoge
in München von Albert Schmidt. 216
— Galland, Dr. Georg, Geschichte der
holländ. Baukunst u. Bildnerei . . 80
— Gerssewanow, Allgemeine Begriffe
über die Hafenbauten . 266
— Gur litt, C., Kunst und Künstler am
Vorabend der Reformation. . . . 472
Hamburg und seine Bauten . . 72, 356
Handbuch der Architektur, II. Theil,
4.Band, l.Heft: Die Kriegs baukunst,
von Dr. A. v. Essenwein .... 117
— 1. Band, 2. Hälfte: Landsberg,
Statik der Hochbau-Constructionen 200
Handbuch der Baukunde, Abth. IH;
Baukunde des Ingenieurs, Heft 2:
Der Wasserbau, von L. Franzius 104
— Heft 3: Städtisches Strafsenwesen u.
Städtereinigung v. R. Baumeister 440
Hehne, W., Eiserne Träger u. Säulen 500
Hilgers, E., Bauunterhaltung in Haus
und Hof, 5. Aufl . 292
Hilse, Dr. K., Schutzbedürfnifs der
Pferdebahnen im Strafrechtsgebiete 372
Hirths Formenschatz . 172
Issel, H., Wandtäfelungen und Holz¬
decken . 84
Kalender für Eisenbahn - Techniker.
Begr. V. Edm. Heusinger v. Waldegg.
Neubearbeitet von A. W. Meyer .
Kalender für Maschinen- und Hütten¬
techniker von P. Stühlen. Heraus¬
gegeben von Friedr. Bode . .
Kalender für Strafsen- u. Wasserbau-
und Cultur - Ingenieure. Bearbeitet
von A. Reinhard ........ 476
476
476
1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Seite
Bücherschau, Koechlin, Maurice, Appli¬
cations de la statique graphique . 55
— Korber, W., Der Wettstreit der Bau¬
stile . 159
— Kraft, M., Die Sicherheits- u. Wohl¬
fahrtseinrichtungen aufd. Jubiläums-
Gewerbeausstellung in Wien 1888 . 56
— Krauth, Th., u. Meyer, Pr. Sales,
Das Schreinerbuch, I. Bd ; Krauth,
Die gesamte Bauschreinerei . . 328
— Krieg, Dr. M., Die elektrischen Mo¬
toren . . 400, 440
— Lambert, A., u. Stahl, E., Motive
der deutschen Architektur .... 420
— Landriani, G. , La Basilica Ambro-
siana fino alla sua trasformazione
in chiesa lombarda a volte . . . 244
— Landsberg, Statik der Hochbau-
constructionen . 200
— Launhardt, W., Theorie der Tarif¬
bildung der Eisenbahnen .... 509
— Ledebur, A., Versuche über die Beiz-
und Rostsprödigkeit des Eisens und
Stahls. Aus den Mittheil. a. d. Kgl.
techn. Versuchsanstalten in Berlin
1890 • . 235
— Lehfeldt, Dr. P. , Bau- und Kunst¬
denkmäler Thüringens, Heft II bis VI :
Amtsgerichtsbeziike Roda, Kahla,
Eisenberg, Frankenhausen u. Schlot¬
heim, Saalfeld . 161
— L i g o w s k i , Dr.W., Tafeln der Hyp erbel-
functionen und der Kreisfunctionen 208
— Lipperheide, Frieda, Die decorative
Kunststickerei . 500
— Lübke, W., u. V. Lützow, K., Denk¬
mäler der Kunst . 436
— Magdeburger Baudenkmäler 482, 526, 535
— zur M ege de, Wie fertigt man tech¬
nische Zeichnungen? . 280
— Merl, F., Neue Theorie der Boden¬
entwässerung . 364
— Meurer, M., Das Studium der Natur¬
formen an kunstgewerbl. Schulen . 245
— V. Morlok, G., Die Königl. württem-
bergischen Staatseisenbahnen . . 453
— Paukert, Fr., Die Zimmergothik in
Deutsch-Tirol. II. Das Etschthal . 440
— Raschdorff, J. C., Baukunst der Re¬
naissance. Entwürfe von Studiren-
den d. techn. Hochschule in Berlin.
IV. Jahrg . 527
— Rauscher, Der Bau steinerner Wendel¬
treppen . 8
— Rembrandt als Erzieher . 322
— Rheinstrom, der, und seine wichtigsten
Nebenflüsse . 234
— Riedler, A., Die Kraftversorgung von
Paris durch Druckluft ... 49, 61
— Ritter, Lorenz u. Paul R., Radirung
vom Inneren der Lorenzkirche in
Nürnberg . 527
— Ritter, W., Anwendung, d. graphisch.
Statik. Zweiter Theii: Das Pachwerk 528
— Roll, Vict., Dr., Encyklopädie des ge¬
samten Eisenbahnwesens, 1. Bd. . . 50
— Rudeloff, M., Bericht über ausge¬
führte Holzuntersuchungen. Aus d.
Mittheil. a. d. Kgl. techn. Versuchs¬
anstalten in Berlin, Jahrg. 1889 . . 219
— Sarrazin, 0., und Oberbeck, H.,
Taschenbuch zum Abstecken von
Kreisbögen, 5. Aufl . 528
■ — Schar owsky, C., Säulen und Träger,
Tabellen über die Tragfähigkeit
eiserner S. u. T . 384
- Widerstandsmomente und Gewichte
genieteter Träger . 392
— Schmidt, Albert, Die neue Synagoge
in München, erläutert von K. E. 0.
Fritsch . 216
— Schönermark, Gust., Die Architektur
der Hannoverschen Schule .... 300
— Sembrzycki, Joh., Die Marienburg
unter polnischer Herrschaft . . . 183
— V. Stegmann ji. v. Geymüller, Die
Architektur der Renaissance in Tos¬
cana, Lief. III— VII . 95
— Ungewitter, G., Lehrbuch der gothi-
schen Constructionen. 3. Aufl. Neu¬
bearbeitet von K. Mohrmann . . . 415
Seite
Büclierschaii , Sy mph er, Karte des
Verkehrs auf deutschen Wasser-
strafsen 1885 . 41
— ■ V. Waltenhofen, Ueber Blitzableiter 236
— Zeitschrift für Bauwesen, Inhalt 44,
152, 308, 448
— Zimmermann, Dr. H., Rechentafel . 20
— Verzeichnisse neu erschienener Bücher
96, 200, 320, 504, 516
Büchner, Ludwig, Ober -Baurath in Mei¬
ningen t .
Büngers Seilbagger . 52
Burgen, B. Gleiberg . 20
— Troja, Schliemanns Ausgrabungen 409, 423
Busley, Die neueren Schnelldampfer der
Handels- und Kriegsmarine . 395, 407
Calais, Hafenanlagen, neue . 68
Canäle, Berlin, Seecanal nach B. . . 9, 24
— Brüssel, Seecanal nach Br . 207
— Dortmund-Ems-C., Einrichtung d. Bau¬
verwaltung . 535
— • Forth- und Clyde-C . 500
— Italien, Pläne für Seecanäle .... 8
— Oder-Spree-C., Preisbewerbung für ein
- Versuche üb. d. Fortbewegung von
Schiffen durch Maschinenkraft . . 27
— Panama-C . 239, 254
— Preufsens C. von 1880 bis 1890 . . . 485
— Rom, Seecanal . 58
— Strafsburg-Ludwigshafen 105, 113, 128,
133, 140
— Suez-C., elektr. Beleuchtung .... 535
— Ulefos- Strengen (Bandak-Nordsjö-C.)
in Norwegen . 276
Canalisatioii, s. a. Entwässerung.
— Charlottenburg, Betriebs-Eröffnung . 428
Caualisirimg, Preufsen, C. der preufs.
Ströme 1880 bis 1890 485
— Klappenwehre bei C. von Flufsstrecken
mit schnellem Wasserwechsel 185, 203
— Fulda-C. von Münden bis Cassel . . 171
Caiidelaber, Tillmanns’ C. aus schrauben¬
förmig gewundenem Blech . . . . 456
Carios Feuerung mit rauchfreier Ver¬
brennung . 93
Carros Rollklappen wehr . 211
Cassel, Canalisirung der Fulda .... 171
— Schwesternhaus zum Rothen Kreuz . . 1
Cemeut, s. a. Concret.
— Puzzolan-, Portland- u. Roman-Cement
vergleichende Untersuchung . . . 539
— Schlacken-C . 510
— Treiben der C., Ursachen . 199
Cenieiitbauten, Monierbauten, Berechnung 267
— Monier-Bögen, Versuche mit dens. 15,
340, 543
— Monier -Decken, Verhalten bei einem
Brande . . • 164
Cementprüfimgen an der Prüfungs-Station
in Berlin . 427
— Puzzolan-, Portland- und Roman-Ce-
mente, vergleichende Untersuchung 539
Cernavoda, Donaubrücke der rumän.
Staatsbahn . 175, 384, 448
Cliarlottenburg, Canalisations- Eröffnung 428
— Mausoleum-Umbau . 229
— Miethshäuserfronten . 173
Chemnitz, Wasserversorgung, Thalsperre 471
Chicago, Verschub-Bahnhof . 244
Cobleuz, Dominicanerkirche . . . 126, 143
T. Cohausen, Die Kriegsbaukunst (I. Heft)
von Dr. A. v. Essenwein (Bücher¬
schau) . 117
Colberg, St. Marien-Domkirche . . 73, 90
— „Strandschlofs“ . 347, 394
Colbergermüiide, Hafenbauten von 1880
bis 1890 .498
Compressoren, s. Druckluft-Maschi¬
nen.
Concret-Dachziegel v. Jörgensen u. Kah-
land . 326
Concurrenzen, s. Preisbewerbungen.
Congress, s. Vereine und Versamm¬
lungen.
Constantinopel, Museum, makedonische
Königssarkophage . 329, 526
MeCoys, Prefsluft - Werkzeug für Stein¬
metz-Arbeiten . 417
Crefeld, Hauseinsturz . 347
Curhaus, Colberg, „Strandschlofs“ . 347, 394
Bachdeckung, Keims Eindeckung mit
biegsamen Materialien . 72 .
Dächer, Falzziegeldach, Neigungswinkel
und Dachverband . 103
— Wellblech-D., Verbesserungen an dens. 370
Dachziegel, Concret-Dachziegel von Jör¬
gensen u. Kahland . 326
— Dachpfannen und Falzziegel, Einheits-
mafse . 103
Dammbruch, s. Thalsperren.
Dammschütiungen , Entwässerung von
Rutschflächen unter D . 60
Dampfkessel, s. a. Feuerungsanlagen.
— Neue Bestimmungen über die An¬
legung, Genehmigung und Prüfung
von D . 4.35, 448
Dampfschifle, Schnelldampfer, neuere, der
Handels- und Kriegsmarine . 395, 407
Dampfwalzen, s. Strafsenwalzen.
Decken, D. -Einsturz im Museum in Leipzig 483
— Eisen und Holz zu D., Vergleich . . 30
— Eisenbalken -D. mit Macks Gipsdielen 65
— Monier-D., Verhalten bei einem Brande 164
— Stampfbeton-D . 103
Dehnhardt, Feste Strafsen- Flaggenmast¬
halter . 213
Denkmäler, s. a. Baudenkmäler.
. — Aachen, Grab-D. für Professor Ewer¬
beck . 271
— Berlin, Kaiser Wilhelm -D. 215, 242,
245, 280, 380
- Lessing-D . 435
— Breslau, Kaiser Wilhelm -D. 171, 179,
203 215
— Dresden, Semper-D . 18o', 349
— Indianapolis, Krieger-D . 243
— Kyffhäuser, Kaiser Wilhelm-D. 84, 267,
284, 318, 428
— Rheinland, Kaiser Wilhelm-D., Preis¬
bewerbung 187, 198, 210, 225, 240,
252, 260, 508, 530
— Westfalen, Kaiser Wilhelm-D. der
Provinz W. 56, 280, 300, 347, 363,
371, 388, 397
Deutsches Reich, s. a. Beamte.
— Bürgerliches Gesetzbuch, baurecht¬
liche Bestimmungen . 350
— Dampfkessel- Anlagen, Bestimmungen
über Anlegung, Genehmigung, und
Prüfung von D. ..... 435, 448
— Gesetzliche Bestimmungen über die
Breite der Radfelgen und die Lade¬
gewichte der Fuhrwerke .... 191
— Haushalts-Etats f. 1890/91. HI. Nachtr. 288
— Haushalts-Etats für 1891/92 . . 513, 521
. — Patentgesetz, das Bauwesen und die
Neufassung des Patentgesetzes . . 457
Diaconissenhaus, s. Schwesternhaus.
Dickertmaiins Querverbindung für Lang-
schwellen-Oberbau aus alt. Schienen 536
Dienstwohiihaus , Hameln, f. d. Wasser¬
baubeamten . 411
Dirschau, Weichselbrücke, neue 323, 333,
345, 350, 471
Dolbergs Heblade . 464
Donau, SchifPahrtshindernisse a. „Eisernen
Thor“, Beseitigung . 23
Doergens, E., Neuere Horizontir- und
Centrirvorrichtungen f. geodätische
Instrumente . 81
Dortmund -Ems -Canal, Einrichtung der
Bauverwaltung . 535
Drahtzugschranke, s. Eisenbahn¬
schranke.
Dresden, Semper-Denkmal .... 180, 349
Druckluftleitungen, s. Rohrleitungen.
Druckluft-Maschinen, Ventil für D.-M. . 544
Druckluftversorguug, Paris, . . 49, 61
Druckluft- Werkzeug, MeCoys D.-W. für
Steinmetz- Arbeiten . 417
Drnckwasserleitungen, s. Rohrleitun¬
gen.
Druckwasser -Masclünen, Arppes Ein¬
schaltung nicht gefrierender Flüssig¬
keit in das Druckwassergestänge . 408
Druckwasserversorgung, London ... 84
Durchbiegung eiserner Brücken, Einflufs
der Fahrgeschwindigkeit 317, 400, 432
— Messung der D. zur Beurtheilung der
Tragfähigkeit . 63
1890
Centralblatt der Bauverwaltung.
Darm, Dr. J. , Freilegung und Wieder¬
herstellung des Freiburger jMünsters
— Die makedonischen Köiiigssarkophage
— Zum Kampf um Troja .... 409,
DUsiiig, Brüssel als Seehafen .
Düsseldorf, s. a. Preisbewerbungen.
— städt. Bauverwalt., Umgestaltung ders.
Eherinayer, Einflufs d. Waldes auf Boden¬
feuchtigkeit u. Sickerwassermengen
Ehlers Anordnung der Wandglieder in den
Endfeldern der Doppelfachwerk-
träffer .
Seite
2G9
329
423
207
188
433
402,
Eiffel-Thnrin, Paris, Windbeobachtungen
Einheitszeit für Deutschland .
— im Eisenbahn-Betriebe .
Eiuseukung, s. Durchbiegung, Eisen-
constructionen.
Einsturz, Crefeld, Hauseinsturz
— Leipzig, Museum, Decken-E.
— Prag, E. der Karlsbrücke .
Eisen im Hochbau, Verwendung
— Blasen, Auffindung v. Bl. .
— Beizbrüchigkeit, Versuche über die B.
Eisenbahnen (Wirthschafts-, Gruben-, Feld-
und Waldbahnen), s. a. Arbeits¬
bahn en.
■ — America, Verschmelzung der einzelnen
Eisenb. -Netze .
— Baltimore, Stadtbahn .
— Deutschland, Rechtsfahren .
- Statistik für 1888/89 .
— England, Aufserbetriebsetzung von Eil-
zügen .
- von der Südküste über London nach
dem mittelenglischen Industriegebiet
- Westbahn, Beseitigung der weiten
S2Jur .
— Köln, neue Bahnanlagen, Strafsenunter-
führungen . 467, 477,
— London, Untergrundbahn in Röhren¬
tunnel, elektr. Betrieb .
- Central -London -Bahn .
— Pilatusbahn .
— Preufsen, Erweiterung d. E.-Netzes u.
Anlage neuer Nebenbahnen 70, 79,
— Siam, Bauarbeiten .
— Tabor-Pisek, Viaducte . . .76, 85,
— Wladikawkas -Tiflis (Kaukasus -Ueber-
.gaHg) • • • : .
— Württemberg, Entwicklung d. Staats-E.
Eiseiibalmeu uutergcordueterBedeutujig,
Preufsen, neue E. u. B. . . 70, 79,
Eisenbahn -Beamte, Bahnwärter, Aus¬
rüstung ders. auf Haupt- u. Neben¬
bahnen .
Eisenbahn -Betrieb, s. a. Eisenbahn-
Signale.
— Mafsnahmen zur Erhöhung der Sicher¬
heit des E.-B .
— America, Verein der Eisenbahnwagen¬
bauer (Master Car builder associa-
tion) Wirksamkeit dess .
— Blockirung und Weichenstellung vom
Zuge aus von Parson .
— Einheitszeit im E.-B .
— Fahrgeschwindigkeit, Einflufs auf die
Beanspruchung eiserner Brücken
317, 400,
— Frankfurt a. M., Haujot-Personenbahn-
hof, Annahme und Abfertigung der
Züge . 231,
— Hemmschuhe (Patent Barthelmefs) im
Verschubdienste .
— London, Signale auf der Untergrund¬
bahn . 522,
— New- York, auf der East-River-Brücke
Verstärkung des E.-B .
— — Hochbahnen . 206, 418,
— Radtaster auf den preufs. Staats¬
bahnen .
— Rechtsfahren auf den deutschen Eisenb.
— Schneeverwehungen, Verbesserung und
Vermehrung der Mittel zur Ver¬
hütung und Beseitigung von Sch. .
— Stellwerke auf den preufs. Staatsbahnen
— Verschub-Bahnhof in Chicago . . .
— Vorschub dienst, Verwendung v. Brems¬
schuhen .
— Wagenschieber, Goliath-W .
— Weichenstellung vom Zuge aus von
Parson .
190
45
350
328
347
483
420
30
392
235
536
400
95
336
27
160
171
502
464
372
3
136
500
102
540
453
136
162
325
472
42
328
432
238
262
532
196
425
325
95
36
325
244
262
407
42
Seite
Eiseiibahn-Eröfliiuiig-, London, der elektr.
City und Süd-London-Bahn . . . 464
Eisenbiiliii - Fahrzeuge, s, a. Locomo-
ti ven.
— Bremsen, durchgehende, auf den engl.
Bahnen . 464
- dgh) •'ief den preufs. Staatsbahnen 325
■ — — Luftsaug - Br., Eisenbahn - Unfall
durch Versagen ders . 188
— Kupplungen, selbstthätige, auf den
Eisenbahnen im Staate New-York . 104
— Personenwagen, Dampfheizung auf den
nordamericanischen Eisenbahnen . 392
— — der Hochbahnen in New-York . . 425
— — Koyls parabelförmige Wagendecke
zur besseren Beleuchtung der P. . 512
— Radreifenbrüche auf den Eisenbahnen
Deutschlands . 271, 337
— Räder ohne Spurkränze . 16
Eiseiibaliu - OberUau, Festigkeitsverhält¬
nisse neuerer E.-O. -Systeme . . . 312
— Berliner Stadtbahn, neuer E.-O. . . . 182
— Forchheimers einschienige Drehscheibe
für Bögen kleinen Halbmessers . . 104
— Geleiskrüinmungen , schärfste G. auf
nordamerican. Bahnen . 407
— Langschwellen-Oberbau aus alten Fahr¬
schienen . 536
— Prellbock auf engl. Bahnen .... 124
— — von Langley u. Webb, Wasser-Pr.
116, 398
- mit Wasserbremse, Berechnung. . 186
— Schienen, Einflufs der Biegung auf die
Abnutzung an den Stützflächen . . 437
— — Profllzeichner von Schilling . . . 104
- Befestigung auf eisernen Brücken 248
— Schienenstofs, Federnde Sch. -Verbin¬
dung . 464
— Schwellen, aus einem Blechstreifen ge¬
wunden . . 408
— Spurweite der engl. Westbahn, Aende-
rung ders . 171
— Stellwerke auf den preufsischen Staats¬
bahnen . 325
— Stuhlschienen -Oberbau auf englischen
Bahnen . 137, 149, 157
— Stuhlschienen und Breitfufs-Schienen-
Oberbau, Beurtheilung derselben in
England . 403
— Weichen, Krümmung der Curven-W. . 104
— — mit feststehenden Zungen und be¬
weglichen Backenschienen .... 292
— — Gleitweiche m. drehbarem Herzstück 456
— — W.-Signal, Sicherheits-W.-S. ... 11
Eisenbalmschraukeii, s. a. Eisenbahn-
Signale, Eisenb. - Wegeüber¬
gänge und Läutepfosten.
— Läutewerk für Drahtzugschranken 308, 420
Eisenhaliii-Signale f. d. Annahme u. Ab¬
fertigung der Züge auf dem Haupt-
Personenbahnhof in Frankfurt a. M.
231, 238
— Blacks selbstthätiges Blocksystem auf
den New-Yorker Hochbahnen . . 206
— Feldmanns dreitheiliges Drahtspann¬
werk für doppelte Drahtleitung . . 213
— - Flammensignale auf der New-York-
Central-Bahn . 236
— Halls elektr. Läutepfosten an Wege¬
übergängen . 372
— Knall- („Torpedo-“) Signale auf den
New-Yorker Hochbahnen .... 206
— Lademanns Sicherheits -Weichensignal 11
— London, auf der Untergrundbahn 522, 532
— Parsons Blockirung u. AVeichenstellung
vom Zuge aus . 42
— Stahmers Stellvorrichtungen für Bahn-
hofsabschlufstelegraphen und Vor¬
signale . 412
— Stellwerke auf den preufs. Staatsbahnen 325
— Vorsignale auf den preufs. Staatsbahnen 325
Eiseuhahu-Unfall, Carlisle (England) durch
Versagen der Luftsaugbremse . . 188
— Liverpool, Verhinderung eines E.-U.
durch den Langleyschen Wasser-
pufi’er . 420
— bei Quincy (Nord- America) .... 428
Eisenbahn - M erarbeiten ^ Erdmassen - Er¬
mittlung mit Profllmafsstäben 62, 74
Eisenbahn -Wegeübergänge, Halls elektr.
Läutepfosten an E.-W . 372
Seite
472
509
121
95
71
Eisenbahinvesen, America, Verein der
Eisenbahnwagenbauer (Master Car
Builder Association) .
— Preufsen , eisenbahnfachwissenschaftl.
Vorlesungen . 159, 439
— Tarifbildung der Eisenbahnen . . .
Eisenconstructionen, Anstrich mit Raht-
jens „Patent-Composition“ ....
— elektr. Sch weifsverfahren von Thompson
— Fachwerk, zur Lehre vom F .
Elbe, Vertiefung der E . 48
— Wasserbauten an der E. v. 1880 — 1890 490
Elektricität, elektr. Schweifsverfahren . . 95
Elektrische Eisenbahnen, London, elektr.
Strafsenbahnen . 455
- Untergrundbahn . 464
Elektrische Leitungen, Unterbringung im
grofsstädt. Strafsenbau . 353, 375,
— zu Wärmemessungen benutzt ....
Elektrische Strafsenbahn, s. Elektrische
Eisenbahn.
Elis, Karl, Professor in Berlin f . . .1,
Enulen, Hafenbauten von 1880 bis 1890 .
Ems, Wasserbauten an der Ems von 1880
bis 1890 .
Engels, Handbuch der Baukunde. Abth.III
Baukunde des Ingenieurs. Heft 2;
Der Wasserbau von L. Franzius
(Bücherschau) . 104
— Rollklappenwehr von Carro .... 211
— Bodenfeuchtigkeit und Sickerwasser¬
mengen . 472
Engefser, Fr., Ueber Curvenweichen . . 104
— Zur Berechnung des Zweigelenkbogens 294
— Ueber d. Festigkeitsverhältnisse einiger
neueren Eisenbahn-Oberbausysteme 312
— Zur Frage des Einflusses der Fahr¬
geschwindigkeit auf die Durch¬
biegung eiserner Brücken .... 432
England, Berichte der techn. Attaches . 189
— Aufserbetriebsetzung von Eisenbahn-
Eilzügen . 27
• — Eisenbahn -A^erbindung von der Süd¬
küste über London nach dem mittel¬
englischen Industriegebiet .... 160
— Eisenbahnen, Stuhlschienen - Oberbau
386
123
8
498
489
137, 149, 157
— Strafsenposten, Wiedereinführung . . 215
Entwässerung, E.-Leitungen im grofsstädt.
Strafsenbau, Unterbringung ders.
353, 375, 386
— Frankfurt a. M., Reinigung der Siel¬
wässer . 267
— Köln, E.-Canäle, Benutzung zur Schnee¬
beseitigung . 159
— Potsdam, Rothes Spülvorrichtung für
Schmutzwasser-Leitungen .... 51
■ — Schöpfwerke in Preufsen 1889 . . . 167
— von Rutschtlächen unter einem Eisen¬
bahndamm . 60
Erdaiiker, Holzingers E . 408
Erdmassen-Erinittlnng, Profilmafsstäbe u.
Genauigkeitsgrad bei E.-E. . 62, 74
Ernenerungsarheiteii, Behandlung alter
Mauerflächen . 201
— Braunschweig, Demmersches Haus . . 441
— Mailand, Dom, Westfront . 36
Euskirchen, Kreishaus . 56, 209
Ewerbeeks künstler. Nachlafs, Ausstellung
und Versteigerung dess. 188, 222, 308
Explosion, Berlin, Gas-E. auf der Kaiser
Wilhelm -Brücke . 119
Eydtknhueii, Pfarrkirche .... 249, 267
Eacliwerk, s. Träger und Eisencon¬
structionen.
Falzziegel, s. Dachziegel.
Farben, Rahtjens „Patent-Composition“ . 121
Fanlwasser, Jul., Stil-Betrachtungen, Vor¬
trag von K. E. 0. Fritsch .... 365
Feldinaun, Dreitheiliges Drahtspannwerk
für eine über Haupt- und Vorsignal
durchgehende doppelte Drahtleitung 213
Fenster, Putzen der F., Schutzvorrichtung
gegen das Herabstürzen .... 64
Fernspreclileitungen , Unterbringung der
F. im grofsstädt. Strafsenbau 353, 375, 386
— Berlin, unterirdisches Netz . 483
Festlialle, Berlin, Bundesschiefsen . . . 281
Festigkeit, Bausteine, deutsche . . 53, 72
— Eisen, Veränderung der F. durch Rosten
und Beizen . 235
1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Seite
Festigkeit v. Eisenbahu-Oberbausystemen 312
— Monier-Bauten, Berechnung ders. . . 267
Festscliiiiuck, Frankfurt a. M., Flaggen-
inasthalter . 213
Fetesti, Donaubrücke der rumän. Staats¬
bahn . 175, 384, 448
Feuerlöschwesen, Feuerlöschgranaten,
Verhalten ders. bei einem Brande 207, 291
Feuerschutzinittel, Schwimmender Schutz¬
damm gegen Feuersgefahr in Häfen 44
Feuersiclierlielt, Asbest- Gewebe für
Theater -Decorationen und Podien
in Versammlungsräumen .... 181
— Brandmauerthüren, Verhalten bei einem
Brande . . 371
— Monier -Decken, Verhalten bei einem
Brande . 164
Frankfurt a. M., Bahnhof, Annahme und
Abfertigung der Züge . • . 231, 238
— Entwässerung, Reinigung d. Sielwässer 267
— Flaggenmasthalter im Strafsenkörper . 213
— Kirchen, Peters-K., . . 120, 136, 415, 443
Feueruiigsaiilageu, Carios F. mit rauch¬
freier Verbrennung . 93
Fischerei, Rücksichtnahme bei Ausführung
von Strombauten . 201
— Preufsens, Hochseefischerei von 1880
bis 1890 499
Fisclipafs, s. Fischwege.
Fiscliwege, Hameln, Fischpafs-Anlage . 462
Fischzucht in Rieselwasser-Teichen. . . 544
Flaggenmast-Halter, Frankfurt a. M., feste
Strafsen-Fl . 213
Flöfserei, Norwegen, Maschine zum Her¬
stellen von Flöfsen . 470
Flnfsregulirungeii, Einflufs auf die
Wasserstände . 147
— Rücksichtnahme auf die Fischerei bei
Strombauten . 201
— Steinzange f. Strombauten . 124
— Donau, am „Eisernen Thor“ .... 23
— Elbe, Vertiefung . 48
— Oberrhein, Correction dess. 105, 113,
128, 133, 140
• — Preufsen von 1880 bis 1890 .... 485
— Weichsel und Nogat, Gutachten der
Akademie des Bauwesens .... 77
Forchheliners einschienige Drehscheibe
für Bögen von kleinem Halbmesser 104
Förderkasteu, Hoppes F. mit Selbstschlufs 408
FörderYorrichtuiig, s. Aufzüge.
Fordon, Weichsel-Brücke . 471
Frankreich, Berichte d. techn. Attaches . 189
— Gesetzliche Bestimmungen üb. d. Breite
der Radfelgen und die Ladegewichte
der Fuhrwerke . 191
Freiburg i. Br., Münster, Freilegung und
Wiederherstellung . 269
Frentzen, G., Zur Errichtung eines Kaiser
Wilhelm -Denkmals für die Ehein¬
provinz . 530
Friedmanns Fördervbrrichtung für Bau¬
materialien . 380
Fritsch, K. E. 0., Stil-Betrachtungen . . 365
Froebel, H. , Baupolizeiwesen der Stadt
New-York . 532, 537
Frostbeständigkeit natürl. u. künstl. Bau¬
steine . 290, 319, 340, 363
Fuchs, Ausrüstung der Bahnwärter auf
Haupt- und Nebenbahnen .... 362
Fuhrwerke, Breite der Radfelgen u. Lade¬
gewichte, gesetzt. Bestimmungen . 191
Fulda (Flufs), Canalisirung der F. von
Münden bis Cassel . 171
— Wasserbauten an der F. von 1880 bis
1890 . 490
Garbe, Verkehr auf den Wasserstrafsen
Berlins 1889 . 123
— Neue Bestimmungen über die Anlegung
sowie die Genehmigung, Prüfung u.
Revision der Dampfkessel . . 435, 448
Gary, Max, Die deutschen natürlichen
Bausteine in Bezug auf ihre Festig¬
keit u. physicalischen Eigenschaften 53
— lieber die mechanischen Eigenschaften
des Kiefernholzes . 219
— - Versuche über die Frostbeständigkeit
natürl. u. künstl. Bausteine . 290, 340
— Prüfungen deutscher Gemente . . . 427
— Vergleichende Untersuchung von Puz-
zolan-, Portland- u.Eoman-Cementen 539
Seile
Gas, Verwendung des Leuchtgases zur
Verminderung der RauChplage . . 364
Gasexplosion, s. Explosion.
Gastwirthschaft, Hamburg, Volks-Kaffee-
und Speisehalle am America-Kai . 355
Geestemüjide, Hafenbauten v. 1880 — 1890 498
Gefängnisse, Kattowitz, amtsgerichtl. G. . 57
— Marienburg i.Westpr., Amtsgerichts-G. 512
— Rawitsch, Zellenhaus bei der Straf¬
anstalt . 132, 256
— Wronke, Central-G. der Provinz Posen 501
Gefäugnifswesen, 4. internat. Congrefs f.
G. in St. Petersburg . 268
Gerhardt, Tafeln zur graph. Berechnung
der Wassermengen von H. Breme
(Bücherschau) . 96
— Neue Theorie der Bodenentwässerung
von F. Merl (Bücherschau) . . . 364
— Landwirthschaftliche Meliorationen u.
Wasserwirthschaft von E. Fraissinet
(Bücherschau) . 372
Gerichtsgebäude, Preufsen, Besichtigung
angemietheter G. durch die Bau¬
beamten . 293
— Braunfels, Amtsgericht . 461
— Kattowitz, Amtsgericht u. Gefängnifs . 57
— München, Justizgebäude .... 465, 480
Germeimann, W., Seecanal nach Berlin 9, 24
Geschäftshäuser, Neubrandenburg, Haus
Giesecke . 66
Geschwindigkeitsmesser, s. Locomo-
tiven.
Gesellschaften, s. Vereine.
Gesetzgebung über die Breite der Rad¬
felgen und die Ladegewichte der
Fuhrwerke in verschied. Ländern . 191
— Deutsches bürgerl. Gesetzbuch, bau¬
rechtliche Bestimmungen .... 350
— Deutsches Reich, Patentgesetz, das
Bauwesen u. die Neufassung des P. 457
Gewölbe, Versuche mit Gewölben aus ver¬
schiedenen Baustoffen . . . 449, 463
— Monierbögen, Belastungsversuche 15,
_ 340, 543
— Ziegelstein -G. aus verzahnten Ringen 263
Gitter, eiserne, an Vorgärten . 171
Glasgow, Clyde-Tunnel . 278
Gleiberg, Burg Gl . 20
Goering, A., Profilmafsstäbe u. Genauig¬
keitsgrad bei Erdmassen-Ermittlung 74
— Oberbau auf engl. Eisenbahnen 137, 149, 157
— Die Bauausführung d. zweiten Weichsel¬
brücke bei Dirschau 323, 333, 345, 350
Goering, Reinh., Vorschlag zu einer
wasserdichten , schalldämpfenden
Fahrbahn eiserner Eisenbahn-
Brücken . 454
Gottgetreu, Eud., Prof, in München f . 236
Grabdenkmäler, s. Baudenkmäler,
Denkmäler und Mausoleum.
Graftons Drehschaufelbagger . 156
Graphische Ermittlung , Beziehungen
zwischen Kräfte und Seilpolygon 94, 112
— der Leistungen von Locomotive . . 418
Graphische Statik, s. Festigkeit,
Träger.
Gründung, Betonbetten, Herstell, grofser
B. unter Wasser . 5
— Luftdruck - G. , mangelhafte Vorrich¬
tungen u. Vorschriften . 446
- Mannschaftskammer f. d. Luftaus¬
gleich . 483
— in Triebsand . 40
Grüttefien, Ernst, Geheimer Ober-Baurath
in Berlin f . 29
Gurlitt, Cornel., Die Bauführung des Mittel¬
alters von Steph. Beissel (Büchersch.) 13
Gymnasien, Bonn, Neubau des G. . . . 131
Haas, Verbessertes Läutewerk für Draht¬
zugschranken . 308
Hackländer, E., Erneuerungsarbeiten im
Rathhaussaale in Osnabrück . . . 472
Hafen, Altona, H.- Erweiterung u. Zoll-
— Brüssel als Seehafen . 207
— Calais, neue Hafenanlagen . 68
— Hamburg, Zollanschlufsbauten . . . 365
— Preufsens Hafenbauten von 1880 — 1890 485
— Rufslands Seehäfen . 266
— Schwimmender Schutzdamm gegen
Feuersgefahr in H . 44
Seite
Halls elektr. Läutepfosten neben Wege¬
übergängen in Schienenhöhe . . . 372
Hamburg u. seine Bauten (Bücheranzeige)
72, 356
— alte Speicher am Mattentwietenfleth . 356
— neue Speicher an der Brooksbrücke . 357
— Volks -Kaffee- und Speisehalle am
America-Kai . 355
Hameln, Dienstgebäude f. d. Wasserbau¬
beamten . 411
— Fischpafs-Anlage . 462
Hannover, Archiv- und Bibliothekgebäude,
Erweiterungsbau . 529
— Kestner-Museum . 321
Hai'tel, A., Dombaumeister in Strafsburg
i. E. t . 92
Haesecke, Anordnung von Eisenbalken¬
decken . 65
Harburg, Hafenbauten von 1880 — 1890 . 498
Haus, s. Geschäfts- u. Wohnhäuser.
Havel, Havelregulirungen von 1880—1890 491
Hebezeuge, Dolbergs Heblade .... 464
— Steinzange f. Strombauten . 124
— Wasserdruek-H., Luthers selbstthätige
Bremsvorrichtung . 408
Hebung eines Häuserblocks in Boston . 300
Heidelberger Schlofs, Bodenuntersuchung
am H. Sch . 260
Heim, L., Das Monopol-Hotel in Berlin . 47
Heitlings Briefsammler . 208
Heizung, Dampf-H. für die Personenwagen
der nordamericanischen Bahnen . . 392
— Fufsboden-H. im neuen allgemeinen
Krankenhaus in Hamburg-Eppendorf 38
— Niederdruckdampf-H., Neuerungen . . 37
— Timbys H. für ganze Stadttheile . . 412
Hellmuth, Neubau des Dienstgebäudes
f. d. Wasserbaubeamten in Hameln 411
— Fischpafs bei Hameln . 462
Hemmschuh, Barthelmefs’ H. im Eisenb.-
Verschubdienst . 262
Henrys zerlegbare eiserne Brücke . . . 297
Herr, A., Gestaltung und Wirkungsweise
d. Wasser-Prellböcke ( W asserpuffer) 398
Hilse, Dr. Karl, Die Entwicklung der
deutschen Strafsenbahnen von 1865
bis 1890 . 250
Hirsch, A., Grabdenkmal f. Prof. Ewerbeck 271
Hissarlik, s. Troja.
Hobrecht, Dr. J., Die modernen Aufgaben
des grofsstädtischen Strafsenbaues
mit Rücksicht auf die Unterbringung
der Versorgungsnetze. . 353, 375, 386
Hochschulen, technische, Deutsches Reich,
Besuchsziffer . 64
— — Berlin, Besuchsziffer .... 28, 318
X)tioUL.l-löÄlllCl .
- Darmstadt .... 8, 300, 308, 421
- Dresden, neue Satzungen .... 101
— — dgh, Besuchsziö'er . 268
- Hannover, Besuchsziffer .... 224
- Karlsruhe, Besuchsziffer .... 527
- Zürich, Besuchsziffer . 340
- Italien, Architektur-H. ..... 205
Hochwasser, Stromregulirungen in ihrem
Einflufs auf die Wasserstände . . 147
— Vorherbestimmung durch Messung der
Schneehöhen . 159
— Johnstown, Bruch der Thalsperre . . 28
Hoeft, Rahtjens „Patent-Composition“ . 121
Holz, Australische Nutzhölzer, Sammlung 15
— Kiefernholz, mech. Eigenschaften . . 219
Holzbauten, Braunschweig, Demmersches
Haus, Wiederherstellung .... 441
Holland, Wasserversorgung holländischer
Städte . . 54
Holzingers Erdanker . ; • •
Honsell, Max, die Wasserstrafse zwischen
Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-
Strafsburg, Canal od. freier Rhein?
105, 113, 128, 133, 140
Hoppes Förderkasten mit Selbstschlufs . 408
V. Horn, A., Selbstzeichnender Hoch- u.
Niedrigwasser-Pegel . 6
Hofsfeld, 0., Miethshäuserfronten in Char¬
lottenburg . 173
— Die Kaiser Wilhelm-Gedächtnifskirche
in Berlin-Charlottenburg .... 517
Centralblatt der Bauverwaltung.
18D0.
Seite
Hotels, Berlin, Monopol-H . 47
— Colberg, ,.Strandschlofs“ . . . 347, 394
— Köln, Dom-H., Fa^aden-Entwurf . . 113
Iglaii, Wasserleitung, Kühlschacht . . . 316
liiert, K., Schwesternhaus zum Eothen
Kreuz in Cassel . 1
Ilmenau (Flufs), Wasserbauten an der I.
von 1880 bis 1890 . 490
Indianapolis, Krieger-Denkmal .... 243
Indien, Ausleger-Brücken . 512
Insterburg, Eeformirte Kirche .... 450
Italien, Architektur-Hochschulen . . . 205
— Berichte der techn. Attaches .... 189
— Seecanäle, Pläne für S. ..... • 8
Jausfen, Th., Die neuen Hafenanlagen
bei Calais . 68
John, E., Flöfsereianlagen im Glommen
unterhalb des Sarpsfos bei .Greaker
in Norwegen . 470
Jolinstown, Bruch der Thalsperre ... 28
Jör gensenu.Kahlands,Concret-Dachziegel 326
Judsons Treibwelle zum Betrieb von
Strafsenbahnen . 379
Justizgebäude, s. a. Gerichtsgebäude.
— München . 465, 480
Kabelleitung für Strafsenbahnen, Unter¬
bringung der K. im grofsstädtisch.
Strafsenbau . 353, 375, 386
— zu Wärmemessungen benutzt .... 123
KaHeehalle, Hamburg, am America-Kai 355
Kaiserpalast, Strafsburg i. E., Inneres . 23
Käuffers Neuerungen an Dampfuieder-
druckheizungen . 37
Kattoivitz, Amtsgericht und Gefängnifs . 57
Keller, H., Der Eömische Seecanal . . 58
— Gesetzentwurf über die Einrichtung von
Architektur -Hochschulen in Italien 205
Keims Dachdeckung mit biegsamen Ma¬
terialien ohne Nagelung .... 72
Kemmaun , Sicherheits - Prellbock mit
Wasserbremse von Langley . . . 116
— Zur Berechnung von Prellböcken mit
Wasserbremse . 186
— Verstärkung d. Eisenbahnbetriebes auf
der Brooklyn-Brücke bei New-York 196
— Wiederaufnahme der Bauarbeiten beim
Hudson-Tunnel . 302
— Preisausschreiben d. Londoner Thurm-
Gesellschaft . . . 337
— Signale d. Untergrundbahn in London
522, 532
Kick, Fried., Prof., Einflufs der Fahr¬
geschwindigkeit auf die Bean¬
spruchung eiserner Brücken . . . 400
Kilburger, Die Kirche in Nietleben bei
Halle a. S . 217
Kirchen, s. a. Mausoleum, Thür me.
— Athensleben . 235
— Atzendorf . 429
— Berlin, neue Kirchenbauten .... 144
— • — St. Johannis -Gemeinde in Moabit,
zweite K . 181
- Kaiser Wilhelm-Gedächtnifs-K. 476, 517
- kathol. St Sebastians-K . 385
— Betzin (Eeg.-Bez. Potsdam) . 541
— Coblenz, Dominicaner-K. . . . 126, 143
— Colberg, St. Marien-Dom-K. . . 73, 99
— Eydtkuhnen, Pfarr-K . 249, 267
— Frankfurt a. M., Peters-K. 120, 136, 415, 443
— Freiburg i. Br., Münster, Freilegung u.
Wiederherstellung . 269
— Insterburg, reformirte K . 450
— Köln, Dom, Bericht über den Fortbau 277
- dg]., Freilegung . 13
- Herz Jesu-K . 111, 139, 152
- St. Pantaleon, Wiederherstellung . 309
— Langenstein a. Harz . 107
— Mailand, Westfront des Domes ... 36
— Marggrabowa, evangel. K . 310
— Nietleben bei Halle a. S . 217
— Eummelsburg - Boxhagen, Erlöser-K.,
— Spandau, Garnison -K . 341
— Strafsburg i. E., Garnison-K . 393
— Ueberlingen, Ausbau des Münsters . 308
— Ulm, Vollendung des Münsterthurmes
228, 243, 258, 273, 287
— Villingen, Münster, Wiederherstellung 363
Kirchliotf, Herrn., Geh. Baurath i. Coblenz f 44
Klärheckenanlage, Frankfurt a. M., Ver¬
suche über d.Eeinigung d.Sielwässer 267
Seite
Klebe, C., Dritte Conferenz zur Verein¬
barung einheitlicher Prüfungsver¬
fahren für Bau- und Constructions-
materialien . 438
Kliniken, s. Uuiversitätsbauten.
Knoll, Karl, Baurath in Stuttgart t • • 512
Koch, Jörgensen u. Kahlands Coucret-
Dachziegel . 326
Kohlenherg, Uferschutzbauten vor dem
Wesselbureuer Koog in Schleswig-
Holstein . 286
Kohn, Läutewerk für Drahtzugschranken 420
Kohle, Julius, Die ehemalige Kirche der
Dominicaner in Coblenz . . 126, 143
— L’architettura in Italia dal secolo VI
al mille circa von E. Cattaneo
(Bücherschau) . 244
— La Basilica Ambrosiana tino alla sua
trasformazione in chiesa lombarda
a volte von G. Landriani (Bücher¬
schau) . 244
— Die Bau- u. Kunstdenkmäler des Ee-
gierungsbezirks Köslin II von Ludw.
Böttger (Bücherschau) . 436
— Magdeburger Baudenkmäler . . 526, 535
Köln, Bahnanlagen, neue Strafsenunter-
führuugen . 467, 477, 502
— Dom-Hotel, Facadenentwurf .... 113
— Kirchen, Dom, Bericht über den Fort¬
bau . 277
- Dom-Freilcgung . 13
- Herz Jesu-K . 111, 139, 152
- St. Pantaleon, Wiederherstellung . 309
— Schneebeseitigung durch die städt. Ent¬
wässerungscanäle . 159
Körtings NLcderdruckdampfheizuug . . 37
Kosinanu, Dr. B., Die Marmorbrüche der
Gewerkschaft „Vereinigte Meckling-
häuser Marmorgruben“ im Berg¬
revier Attendorn, Kr. Olpe . . . 108
Kötter, Dr. F., Beitrag zur Lehre vom
Fach werk . 71
Koyls parabelförm. Eisenbahnwagendecke 512
Krallversorgiiug, s. D r u c k 1 u f t , D ruck-
w a s s e r.
Krahne, Neukirchs Dreh-Kr. auf dreh¬
barem Untergestell . 536
Krankenhäuser, s. a. Universitäts¬
bauten.
— Hamburg-Eppendorf, neues allgem. K.,
Fufsbodenheizung . 38
Kreisständehaus, s. Verwaltungsge¬
bäude-
Kröhnke, Einflufs d. Stromregulirungen
auf die Wasserstände in den Flüssen 147
Krupps Schienenstofsverbindung f. Feld¬
bahnen . 416
Küchen, s. Theeküchen und Wasch¬
küchen.
Küchen-Einrichtung in Kliniken . . . 304
Kühlschacht der Wasserleitung in Iglau
in Mähren . 316
Kunstgevverbe, K.-Museum in Berlin, Aus¬
führung kunstgewerblicher Arbeiten 36
— K.-Schulen, Studium der Naturformen 245
Küster, Versammlung der ital. Arch. u.
Ing. in Palermo 1891 . 8
— Der Westthurm des Münsters in Ulm
258, 273, 287
Kyffhäuser, Kaiser Wilhelm-Denkmal 84,
267, 284, 318, 428
Lademann, Sicherheits -Weichensignal . 11
Lahn, Wasserbauten a. d. L. v. 1880 bis 1890 489
Land, Eob., Beziehungen zwischen Kräfte-
und Seilpolygon (ein Seilpolygon
durch drei Punkte zu legen) ... 94
Landsti'afsen, Gesetzliche Bestimmungen
über die Breite der Eadfelgen und
die Ladegewichte der Fuhrwerke . 191
Langenstein a. Harz, Kirche . 107
Langleys Sicherheits-Prellbock mitWasser-
bremse . 116, 398
Laessig, F. W., Eegierungs- und Baurath
in Oppeln f . 180
Läutepfosten, Halls elektr. L. an Wege¬
übergängen . 372
Leer, Hafenbauten von 1880 bis 1890 . . 498
Leipzig, Museum, Deckeneinsturz . . . 483
— Eathhaus, Neubau . . . 87, 101, 144, 235
- Lindenau, Miethshäuser . 184
Lemcke, J. , Die Preisbewerbung für ein
Seite
Kaiser Wilhelm-Denkmal i. d.Eheiu-
provinz . . . 210, 225, 240, 252, 260
Lemcke, J., Zur Errichtung eines Kaiser
Wilhelm-Denkmals f.d. Eheinprovinz 508
Leonhardt, 0., Schutzvorrichtung gegen das
Herabstürzen beim Pensterputzen . 64
Leuchtgas, s. Gas.
Lieferungsbedingungen für Mineral¬
schmieröl . 477, 478
Locomotiven, Brettmanns Geschwindig¬
keits-Uhr . 279
— Geschwindigkeitsmesser für L. . . . 524
— der Hochbahnen in New-York . . . 426
— Kopflaterne, elektr . 436
— Leistungen von L., graph. Ermittlung 418
— L.-Pfeifen f. starken u. schwachen Ton 434
— Shay-L . 327
London, Druckwasserversorgung .... 84
— Eisenbahnen, Central-London-E. . . . 372
- Untergrundbahn in Eöhrentunneln.
elektr. Betrieb . ! 464
— Strafsenbahnen, elektr. Betrieb . . . 455
— Strafsenverkehr . 199, 484
— Watkin-Thurm, Preisbewerbung . . . 337
Lorenz, Ueberzweckmäfsige Einrichtungen
von Kliniken . . 21, 38, 304, 314, 404
Luftschichten, Bindeeisen zur Herstellung
von L . 455
Lüftung für Kliniken, zweckmäfsige 21, 38
— Timbys L. d. Häuser ganzer Stadttheile 412
Luthers selbstthätige Bremsvorrichtung
bei Wasserdruck-Hebezeugen . . 408
Lutsch, H., Führer durch Hildesheim von
A. V. Behr (Bücherschau) .... 72
— Behandlung von Mauerflächen in Ver¬
gangenheit und Gegenwart . . . 201
— Kunst u. Künstler a. Vorabend d.Eefor-
mation von C. Gurlitt (Bücherschau) 472
Mucks Gipsdielen bei Eisenbalkendecken 65
Magdeburg, Baudenkmäler, Aufnahmen
482, 526, 535
Mailand, Dom, Westseite . 36
Main, Canalisirung . 489
— Schiftahrt, Verkehr . 291
Malerei, Gesellschaft zur Befördei’ung
rationeller Malverfahren i, München 64
— auf äufseren Mauerflächen . 201
Mauchot, W., Das Gebäude der „Tatter-
sall“-Gesellschaft in Mannheim , . 117
— Das Kestner-Museum in Hannover . . 321
Mannheim, Tattersall . 117
Mansfeld, Ku^^ferschiefer - Bergbau, Be¬
triebsergebnisse der Bohrmaschinen 343
March, Otto, Das städtische Spielhaus in
Worms . 154, 167
— Eembrandt als Erzieher (Bücherschau) 322
Marcilles zerlegbare eiserne Brücke . . 297
Marggrabowa, evangel. Kirche .... 310
Marieiiburg i. Westpr., Amtsgerichts - Ge¬
fängnifs . 512
— Nogatbrücke . 471
— Die Marienburg unter poln. Herrschaft 183
Marmorbrüche, Vereinigte Mecklinghäuser
Marmorgruben . 108
Maertens, Zur Errichtung eines Kaiser-
Wilhelm-Denkmalsf. d. Eheinprovinz 530
Massenermittlimg, s. Erdmassen-Er-
mittlung.
Mafsordnung, Die neuen Urmafse für
Länge und Gewicht . 406
Mauerwerk, Behandlung von Mauerflächen
in Vergangenheit und Gegenwart . 201
— Luftschichten, Ausführung mittels
Bindeeisen . 455
Mausoleum, Charlottenburg, Umbau . . 229
Meckliughauseu - Dünschede, Marmor¬
brüche der Gewerkschaft „Vereinigte
Mecklinghäuser Marmorgruben“ . 108
Mehmke, Dr. E., Graphische Tafel zur
Ermittlung der Leistungen von
Locomotiven . 418
Mehrtens, G., Weitgespannte Strom- und
Thalbrücken der Neuzeit 357, 366,
376, 383, 391, 407
Melan, J., Die Viaducte der Eisenbahn¬
linie Tabor-Pisek .... 76, 85, 102
— Versuche mit Gewölben aus verschie¬
denen Baustoffen . 449
Memel, Hafenbauten von 1880 — 1890 . . 497
Memel (Flufs), Wasserbauten im Memel¬
gebiet von 1880—1890 . 494
1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Seite
Mefswerkzeiige, s. a. Pegel.
— Horizontir- u. Centrirvorrichtungen für
geodätische Instrumente, Müller u.
Reineckes Stativ-Einrichtung ... 81
— Pegel, selbstzeichnende Hoch- u.Niedrig-
— Profilmafsstäbe . 62, 74
— Regenmesser, selbstthätiger, mit elektr.
Uebertragung . 215
— Schillings Schienenprofilzeichner . . 104
Metalle, Auffind, von Blasen in Metallen 392
Mietlishäuser, Charlottenburg, Mieths-
häuserfronten . 173
— Leipzig-Lindenau . 184
Monier-Bauten, Berechnung ders. . . . 267
— Decken, Verhalten bei einem Brande . 164
— Bögen, Belastungsversuche . . 15, 340, 543
Mörtel, altrömischer, Wetterbeständigkeit 90
Mosel, Regulirung der M. von 1880 — 1890 489
Moskau, Canalisations-Entwurf .... 92
Müller, Heinrich, Architekt in Bremen f 132
Müller-Breslau, Zur Berechnung des Zwei¬
gelenkbogens . 254
Müller u. Reiiieckes (A. Meifsner) Hori¬
zontir- und Centrirvorrichtung für
geodätische Instrumente .... 81
Müller u. Schäfers Stoff f. feuersichere
Theater Decorationen aus Asbest-
Gewebe . 181
München, Entwürfe z. Justizgebäude 465, 480
Museen, Berlin, Kunstgewerbe- M., Aus¬
führung kunstgewerbl. Aufgaben . 36
— Constantinopel, makedonische Königs¬
sarkophage . 329, 526
— Hannover, Kestner-Museum .... 321
— Leipzig, Deckeneinsturz . 483
Nachdruck aus dem Centralblatt der Bau¬
verwaltung . 448, 536
Nakonz, Die Einrichtung der Staustufen
bei Canalisirungen vonFlufsstrecken
mit schnellem Wasserwechsel 185, 203
Nasmyth, James, Ingenieur in London f 199
Nehelsignale, Glocken als N. in Nord-
America . 464
Neuhrandenburg, Haus Giesecke ... 66
Neufahrwasser, Hafenbauten v. 1880—1890 498
Neukirchs Drehkrahn auf drehbarem
Untergestell . 536
Netze, Wasserbauten an der N. von 1880
bis 1890. . _ . 492
New-Tork, Baupolizeiwesen .... 532, 537
— East -River -Brücke, Verstärkung des
Eisenbahnbetriebes . 196
• — Hochbahnen, Betrieb . 418, 425
— Hudson- (North-River-) Brücke .... 272
— Hudson -Tunnel, Wiederaufnahme der
Bauaibeiten . 302
• - Bauausführung,Mannschaftskammer
für den Luftausgleich . 483
Niagara-Fälle, Nutzbarmachung d.Wasser-
kräfte . 272
Nickloy u. Whitakers Eisenbahnschwelle,
aus Blechstreifen gewunden . . . 408
Nietlehen b. Halle a. S., Kirche .... 217
Noce-Schlucht-Brücke . 220
Nogat-Regulirung (Absperrung der N.),
Gutachten der Akademie des Bau¬
wesens . 77
Norwegen, Canal von ’Ulefos nach
Strengen (Bandak-Nordsjö-Canal) . 276
— Flöfsereianlagen, Maschine zum Her¬
stellen von Flöfsen . 470
Nymwegen, Der „Kirchbogen“ .... 361
ObserYatorium , Potsdam, astrophysicali-
sches 0., Kuppelgebäude zur photogr.
Aufnahme der Himmelskarte . . . 389
Oder, Wasserbauten an der 0. von 1880
bis 1890 . 492
Oder-Spree-Canal, Canalschiff, Preisbe¬
werbung . 215, 415
— Versuche über die Fortbewegung von
Schiffen durch Maschinenkräfte . 27
Oel, Mineral - Schmieröl, Lieferungs- Be¬
dingungen . 477, 478
— Silas Geschofsvorrichtung z. Abstillen
der Meereswellen mit Oel .... 447
Oesterreich, Berichte d. techn. Attaches 189
Ohio -Schiffahrt . 407
Osnabrück, Rathhaus, Bildwerke am R.
460, 472
Otte, Dr., Heinrich, in Merseburg f . . 348
Seite
23
332
254
72
42
536
469
130
45
254
447
Paläste, Strafsburg i. E., Kaiserpalast,
Inneres .
Palermo, Ausstellungsgebäude für die
nationale Ausstellung von 1891 . .
Panama -Canal . 239,
Pappe, Siebeis Herstellung von Metall-,
Dach- und Wandpappe .
Paris, Ausstellungsgebäude von 1889, Um¬
gestaltung und Benutzung dess. . 439
— Druckluft- Versorgung .... 49, 61
— Eiffelthurm, Windbeobachtungen . . 45
Parlamentspalast, s. Abgeordneten¬
haus.
Parsons Blockirung und Weichenstellung
Patente, neue 52, 72, 104, 156, 159, 208,
380, 408, 416, 417, 456, 464, 484,
Patentgesetz, deutsches, das Bauwesen
im neuen P . 457
Pegel, Selbstzeichnender Hoch- u. Niedrig-
wasser-P . 6,
Peiffhoven, Preisbewerbung f. d. Kunst¬
gewerbe-Museum in Düsseldorf . .
Pescheck, Windbeobachtungen auf dem
Eiffelthurm und an der Forthbrücke
— Vom Panama-Canal . 239,
— Geschofsvorrichtung zum Abstillen der
Meereswellen mit Oel .
Peters, Magdeburger Baudenkmäler
(Bücherschau) . 482
St. Petersburg, Brücken, Entwürfe zur
Troizkij- und Palais-Br . 121
Petri, Die Verwendung von Glocken zu
Ncbelsignalen an den Küsten der
Vereinigten Staaten . 464
Photographir-Raum , Potsdam, Kuppel¬
gebäude zur photograph. Aufnahme
der Himmelskarte . 389
Physicalisch-technische Reichsanstalt . 350
Pieper, Karl, Die Hafen -Erweiterungs¬
bauten der Stadt Altona . . 165, 178
Pillau, Hafenbauten von 1880 bis 1890 . 497
Pinkenburg, Baugeschichtliches von der
Kaiser Wilhelm -Brücke über die
Spree in Berlin . 97 110
— Die Gasexplosion auf der Kaiser
Wilhelm-Brücke in Berlin .... 119
— Ueber Schlackencement . 510
Pittsburgh, Point-Hängebrücke über den
Monongahela . 378
Pneumatisch, s. Druckluft.
Pochets bewegl. Wehr . 456
Pogge, die St. Marien-Domkirche in Col-
berg . 73, 99
Pommer, Max, Der Bau billiger Woh¬
nungen . 184
Popps Kraftversorgung von Paris durch
Druckluft . 49, 61
Postwesen, England, Wiedereinführung
von Strafsenposten . 216
Potsdam, Entwässerung, Rothes Spülvor¬
richtung . 51
— Kuppelgebäude zur photogr. Aufnahme
der Himmelskarte . 389
Prag, Karlsbrücke, Einsturz . . . 402, 420
Prämien, Prämiirung, s. Auszeich¬
nungen.
Pregel, Wasserbauten im Pregelgebiet
von 1880 bis 1890 . 493
Preisbewerbungen, Die Ergebnisse d. Pr.
in den letzten 22 Jahren ....
— Berlin, Architekten -Verein, Schinkel-
fest-P . 95, 428,
- Gartenbau- Ausstellung ... 15,
- Geschäftshaus, mal. Ausschmückung
der Front . 51
- Kaiser Wilhelm-Denkmal, 215, 242,
245, 280, 380
- Kaiser Wilhelm - Gedächtnifskirche
476, 517
- Kaiserin-Augusta-Gedächtnifskirche 144
- Strafsenbrunnen-Gehäuse . . 80, 188
- Verein deutscher Eisenbahn- Ver¬
waltungen, neue Erfindungen usw. 171
— Bremen, Gerichtsgebäude und Unter-
suchungsgefängnifs .... 171, 188
— Breslau, Kaiser Wilhelm-Denkmal 152,
171, 179, 203, 215
— Bukarest, Directionsgebäude d. rumän.
Eisenbahnen . 111
- Gebäude f. Senat u. Abgeordneten¬
kammer . 327
381
511
56
Preisbewerbungen, Colberg, „Strand-
schlofs“ . 347, 394
— Cottbus, Kreishaus . 267, 328
— Dresden, Geschäftshaus „Victoria-Haus“
407, 476, 535
— — Kirche für die Lucas-Parochie . . 526
- Kirche f. d. Trinitatispfarrei 15, 71, 80
— Düsseldorf, Kunstgewerbemuseum 15,
20, 130
— Enge b. Zürich, reformirte Kirche . . 483
— Esslingen, Brücke üb. d. Neckarcanäle 526
— Euskirchen, Kreishaus .... 56, 209
— Frankfurt a. Main, Peterskirche 120,
136, 415, 443
- Stadtbibliothek, Erweiterungsbau . 44
- - Uhrthürmchen mit Brunnen . . . 415
— — ■ Vereinshaus f. d. Bürgerverein . . 512
— Geestemünde, Rathhaus .... 420, 543
— Giefsen, zweite evangel. Kirche . . . 428
— Grunewald, Villen-Colonie, Brücke 120, 188
- Jgh) Entwürfe zu Villen usw. 120, 188
— Heilbronn, evangel. Kirche . . .363, 371
- Stadtbad . 56
— Indianapolis, Kriegerdenkmal, P. f. d.
Bildhauerarbeiten . 243
— Karlsruhe, Kaiser Wilhelm-Denkmal . .340
— Köln a. Rh., Herz Jesu-Kirche 111, 139, 152
- Kaiser Wilhelm-Denkmal . 7, 51, 243
— Kreuznach, Kreisständehaus 215, 228,
384, 415
— Kyffhäuser, Kaiser Wilhelm -Denkmal
84, 267, 284, 318, 428
— Langensalza, Schulgebäude .... 80
— Lausanne, „Rumine“-Gebäude . . . 215
— Leipzig, Rathhaus . 235
— London, Watkin-Thurm . 337
— Ludwigshafen a. Rh., Realschule 256, 420
— Mannheim, gufseiserner Brunnenstock 500
— Mayen, Kreishaus . 56
— Mülheim a. d. Ruhr, Kreishaus . . . 111
— Oderschiff, Entwurf oder Modell 215, 415
— Oldenburg, Turnhalle . 64
— Paris, d. „Encyclopedie d’Architecture* 400
— Quedlinburg, Wohnhaus Vogler ... 56
— Remscheid, Saalbau für d. Concordia-
Gesellschaft . 363, 535
— Rheinprovinz, Kaiser Wilhelm-Denkmal
187, 198, 210, 225, 240, 252, 260
— Riga, Silo-Speicher . 80
— Rom, Parlamentspalast . 145
— Rostock, Museum . 339
— Schöneberg - Friedenauer Terrain - Ge¬
sellschaft, Wohnhäuser . 84
— Strafsburg i. E., evangel. Garnisonkirche 64
— Stuttgart, Hospitalanlage . . . 228, 499
— Warschau, Eisenb. -Empfangsgebäude
der Warschau-Wiener Eisenb. . . 500
— W’’estfalen, Kaiser Wilhelm -Denkmal
der Prov. Westfalen an der Porta
Westfalica 56, 280, 300, 347, 363,
371, 388, 397
— Wilhelmshaven, Rathhaus . 84
— Zwickau, evangel. Kirche . 428
Prellbock auf engl. Bahnen . 124
— Wasser-Pr., Berechnung dess. . . . 186
- Gestaltung u. Wirkungsweise ders. 398
— — Langleys . 116, 398
Prefsluft, s. Druckluft.
Preufsen, s. a. Beamte.
— Eisenbahnen, Erweiterung und neue
Nebenbahnen . 70, 79, 136
— Eisenbahnfachwissenschaftliche Vor¬
lesungen . 159, 439
— Gesetzliche Bestimmungen über die
Breite der Radfelgen und die Lade¬
gewichte der Fuhrwerke .... 191
— Hochbauten in 1889 . 526
- Ausführungskosten .... 161, 473
— Schöpfwerke, neue . 167
— Staatshaushalts-Etat für 1890/91 . . 32
— Wasserbauten 1880 bis 1890 .... 485
Profilmafsstäbe, s. Mefswerkzeuge.
Prüfungen, s. a. Untersuchungen und
Versuchsanstalten.
— Deutsches Reich, Vorschriften über die
Ausbildung, Pr. und Anstellung im
Schiffbau- und Maschinenbaufache
der Kaiserl. Marine ... 42, 45, 51
— Preufsen, f. d. Staatsdienst im Baufache,
Ergebnisse von 1880/81 bis 1889/90 543
- dgl. 1889/90 . 256
Centralblatt der Bauverwaltung.
1890.
Seite
Prüfiing’eu, Preulsen, Reg.-Baumeister u.
Reg.-Bauführer, Reiseprämien . . 280
- Vorprüfung . _ . . 429
— — techn. Prüfungs-Aemter, Mitglieder 329
- Landmesser-Pr . 73, 505
Piiller, Wasserpuffer (Prellböcke) 116,
124, 186, 398
Piizzolau-Cenieut, s. Gement.
Quellen, s. Sickerwasser.
Radreifen, s. Eisenbahn-Fahrzeuge
Ralitjeus „Patent-Composition“ .... 121
Rathliäuser, Aachen, Wiederherstellung
des R . 111, 448
— Leipzig, Netibau . . . 87, 101, 144, 235
— Osnabrück, Bildwerke am R. . . 460, 472
Raucliplage in grofsen Städten .... 350
— Verwendung d. Leuchtgases gegen d. R. 364
Raucliverliiudening, Carios Feuerungs¬
anlage mit rairchfreier Verbrennung 93
Rausclieuberg, F. W., Nachruf für Heinr.
Müller (Bremen) . . 132
Rawitscli, Strafanstalt, neues Zellenhaus,
132, 256
Rechtsprechung, Grenzen des Flufsbettes
gegenüber dem Privateigenthum . 222
Regenmesser, s. Mefs Werkzeuge.
Reg-eninessungen, aufserordentl. Regen-
höhen in 1889 . 136
Reichstagsgehäade, Berlin . 541
Reitbahnen, Mannheim, Gebäude der
„Tattersall“-Gesellschaft .... 117
Restaurationsbauten, s. Ausbauten,
Erueuerungsarbeiten , Um¬
bauten, Wiederherstellung s-
bauten.
Rettigs Stufenbahu, Versuche mit ders. . 7
Rettungsboje mit unauslöschbarera Licht 463
Rettungswesen, Rufsland, Gesellschaft für
Hülfeleistung auf dem Wasser . . 112
Rhein, Der Rheinstrom und seine wich¬
tigsten Nebenflüsse (Bücherschau) 234
— Regulirung des Rh. zwisch. Mannheim-
Ludwigshafen und Kehl-Strafsburg
105, 113, 128, 133, 140
— Schiffahrt, Statistik . 308
— Wasserbauten am Rh. von 1880 — 1890 488
Rheinland, Kaiser Wilhelm - Denkmal,
Preisbewerbung 187, 198, 210, 225,
240, 252, 260, 508, 530
Richter, Johannes, Eisenb.-Bauinsp. a. D. f 20
Richter, 0., Das Grabdenkmal d. Kaisers
Hadrian . 295
Riedler, A., Kraftversorgung durch Druck¬
luft in Paris . 49, 61
Riiidl, Die Bohrmaschinen im Mansfelder
Kupferschiefer-Bergbau . 343
V. Ritgen, Dr. 0., Burg Gleiberg ... 20
Roeder, F., Schützenwehr mit umlegbaren
Griessäulen . 484
Roeder, R., Beseitigung der Schiff'ahrts-
hindernisse am Eisernen Thor . . 23
Rolirleituugen, Anschlufs d. Blitzableiter
an Gas- und Wasser- R . 350
— Unterbringung des Versorgungsnetzes
im grofsstädt. Strafsenbau 353, 375, 386
Rohrpost-Anlage, Stettin, Güterbahnhof 508
Rom, Grabdenkmal des Kaisers Hadrian 295
— Parlamentspalast, Wettbewerbung . . 145
— Seecanal nach R . 58
— Strafsenbrücke, altröm., Ausgrabung . 28
Roman-Cement, s. Gement.
Rost-Brüchigkeit des Eisens, Versuche . 235
Rothes Spülvorrichtung f. Schmutzwasser¬
leitungen . 51
Rügenwalderniünde , Hafenbauten von
1880 bis 1890 498
Ruramelsbiu'g (Berlin), Erlöserkirche,
Grundsteinlegung . 187
Rufsland, Attaches, techn. d. russ. Regier. 16
— Berichte d. techn. Attaches .... 189
— Eisenbahn Wladikawkas- Tiflis (Kau-
kasus-Uebergang) . 540
— Gesellschaft f. Hülfe auf dem Wasser 112
— Seehäfen . 266
Rutschungen, Sicherung eines Eisen¬
bahndammes durch Entwässerungs¬
stollen . 60
V. Rziha, Fr., Der Mansfelder Kupfer¬
schiefer - Bergbau (Betriebsergeb¬
nisse der Bohrmaschinen) .... 343
— Der Einsturz der Prager Karlsbrücke 402
Seite
Saal, Das Kuppelgebäude zur photograijh.
Aufnahme der Himmelskarte bei
Potsdam . 389
Saale, Wasserbauten an der S. von 1880
bis 1890 490
Saar, Ganalisirung der S . 489
Salviati, A., in Venedig f . 52
Sandsteiugliederungeu an Miethshäuser-
fronten . 173
Sarkophage, Gonstantinopel, makedonische
Königs-S. aus Saida (Sidon) . 329, 526
Schäfer, Geschwindigkeitsmesser f. Loco-
motiven . 524
Schienen, s. Eisenbahn - Oberbau.
Schittahrt, s. a. Dampfschiffe.
— Gongrefs für Binnenschiffahrt in Man¬
chester . 227, 328
— deutsches Reich, Karte des Wasser-
strafsen-Verkehrs 1885 . 41
— Main-Sch., Verkehr .... . . 291
— Oder, Preisbewerbung für ein Segel-
— Oel zur Beruhigung der Meereswelleu,
Silas Geschofs mit Oelfüllung . . 447
— Ohio-Sch . 407
— Preufsen, Verkehr, Schiffsgröfse und
Tragfähigkeit von 1880 bis 1890 . 494
— Rhein-Sch., Statistik . 308
— Schiflszug durch Maschinenkräfte, Ver¬
suche am Oder-Spree-Ganal ... 37
— Suez-Ganal, elektr. Beleuchtung . . . 535
— Verkehr auf den Wasserstraisen Ber¬
lins 1889 . 123
Schiffahrtszeichen, Glocken als Nebel-
siguale in Nord-America .... 464
— Preufsens von 1880 bis 1890 .... 496
Schilling, W. , Beitrag zur Gründung in
Triebsand . 40
— Schienen-Profllmesser . 104
— Schi'aubenschlüssel mit Selbsteinstel¬
lung . 544
Schimmels Waschküchen-Einrichtungen f.
Kliniken . ... 314
Schizophon, Aufsuchen von Blasen in
Metallen mittels des Sch . 392
Schlacliencement, s. Gement.
Schleichers Patent-Theaterstuhl .... 159
Schlösser, s. a. Burgen, Kaiserpalast
u. Paläste.
— Alhambra, Brand . 452
— Heidelberger Schlofs, Bodenunter¬
suchung . 260
Schmieröl, Mineral-Sch., Lieferungs- Be¬
dingungen . 477, 478
Schmitz (Franz) Ernennung zum Dom¬
baumeister in Strafsbxirg i. E. . . 111
Schueeahfuhr, Beseitigung durch die
städt. Entwässerungscanäle . . . 159
Schiieehöheii, Messung ders . 159
Schiieepflüge, Szarbinowskis Vorrichtung
an Sch. zur Theilung der Schnee¬
massen . 536
Schiieeverwehungeii,preufs.Staatsbahnen,
Verbesserung der Mittel zur Ver¬
hütung und Beseitigung von Sch. . 36
Schöiiermark , G., Die Zimmergothik in
Deutsch -Tirol. II. Das Etschthal.
Von Fr. Paukert (Bücherschau) . . 440
Schöpfwerke, s. Entwässerung.
Schrauheiischlüssel, Schillings Sch. mit
Selbsteinstellung . 544
Schulze, Friedr., Werkstattgebäude für
Monumental - Bildwerke am Kron-
prinzen-Ufer in Berlin . 423
Schulze, Friedr. Otto, Wettbewerb um den
Parlamentspalast in Rom .... 145
— Das Studium der Naturformen an
kunstgewerblichen Schulen, von
M Meurer {Bücherschau) .... 245
— Die Bauten der nationalen Ausstellung
von 1891 in Palermo . 332
Schweifsverfahreu, elektr., von Thompson 95
Schwelleu, s. Eisenbahn-Oberbau.
Schwesternhaus, Gassei, z. Rothen Kreuz 1
Schwinge, Wasserbauten an der Schw.
von 1880 bis 1890 . 490
Seecaual, s. Ganal.
Seger, Prof. Dr. H., Wetterbeständigkeit
altrömischer Ziegel und Mörtel . . 90
Shay-Locomotive . 327
Siam, Eisenbahnbauten . 500
Seite
Sicherheitsmafsregelii bei Arbeiten in
Prefsluft . 446, 483
Sickerwasser, Einflufs des Waldes auf
Bodenfeuchtigkeit und S. . . 433, 472
Siehels Verfahren zur Herstellung von
Metall-, Dach- u. Wandpaxxpe . 72 .
Silas’ Geschofsvorrichtung zum Abstillen
der Meereswellen mit Oel .... 447
Spandau, Garnisonkirche . 341
Speisehalle, Hamburg, Sp. am America-Kai 355
Spree-Reguliruugen von 1880 bis 1890 . 491
Stadtbahnen, s. Eisenbahnen.
Stahl, Stahlgemische durch Zusatz von
Metallen . 246, 392
Stahmers Stellvorrichtungen f. Eisenbahn-
abschlufstelegraphen u. Vorsignale 412
Statik, s. Graphische Ermittlungen.
Statistik, America, Eisenbahnen, Umfang
der einzelnen Eisenb. -Netze . . . 536
— Baden, Hochbauten 1890/91 .... 284
— Berlin, Fernspi-echanlagen, unterird.
Netz . 484
- Schifl’ahrtsverkehr . 123
— Brücken, weitgespannte Br. d. Neuzeit
357, 366, 376, 383, 391, 407
— Deutsches Reich, Eisenbahnen 1888/89 336
— — dgh, Radreifenbi’üche . . . 271, 337
— — Strafseubahneu, Entwicklung von
1865 bis 1890 250
— London, Strafsenverkehr . 199
— Main -Schiffahrt, Verkehr . 291
— Mittelalterl. Werk-, Lohn- u. Geldwerth 13
— New -York, Hochbahnen, Verkehr von
1872 bis 1889 . . . _ . . . . .426
— Preisbewerbungen, architektonische,
Ergebnisse seit 1868 . 381
— Preufsen, Hochbauten in 1889 . . . 526
— — dgh, Ausführungskosten . . 161, 473
- Prüfungen für den Staatsbaudienst,
Ergebnisse von 1880/81 bis 1889/90 543
- dgh, Ergebnisse 1889/90 .... 256
— — Schiffahrt, Verkehr und Tragfähig¬
keit der Schiffe von 1880 bis 1890 494
— — Wasserbauten, Aufwendungen 1880
bis 1890 485
— Rhein-Schiffahrt . . . 308
— Wasserstandsbeobachtungen an der
Elbe und Oder . 147
— Wasserstrafsen, Verkehr in Deutsch¬
land 1885 . 41
— Techn. Hochschulen, s. Hochschulen.
Staudämme, s. Thal sperren.
Steiiibrüche, Marmorbrüche der Gewerk¬
schaft „Vereinigte Mecklinghauser-
Marmorgruben“ . 108
Steiiidorfl“, H., Lehrbuch der gothischen
Gonstructionen von G. Ungewitter
(Bücherschau) . 415
Steine, natürh Bausteine, deutsche, Festig¬
keit usw . 53, 72
— Hausteine, Zusammenstellung der in
Deutschland gebräuchlichen H . . 350
— natürh und künstl. Bausteine, Frost¬
beständigkeit . . 290, 319, 340, 363
Steinmetz-Werkzeug, McGoys Druckluft-
Werkzeug . .... 417
Steiuzauge für Strombauten . 124
Sternwarte, Potsdam, Kuppelgebäude zur
photograph.' Aufnahme der Himmels¬
karte . 389
Stettin, Rohrpost-Anlage auf dem Gentral-
Güterbahnhofe . 508
Stier, H., Die Ergebnisse des architekto¬
nischen Wettbewerbs in den letzten
22 Jahren . 381
Stiftungen, Boissonnet-St . 27, 187
— Stipendium für Gulturtechniker . . 9, 537
Stil, s. Baugeschichte und Baustil.
Stipendien, s. Stiftungen.
Stolpinünde, Hafenbauten von 1880—1890 498
Stoltenberg, W., Zur Anwendung des
Eisens im Hochbau . 30
Stolz, Zur Frage der Feuerlöschgranaten
207, 291
Strafanstalt, s. Gefängnisse. _
Strafsburg i. E., Ganal oder freier Rhein
für die Schiffahrt bis St. 105, 113,
128, 133, 140
— Dombaumeister-Stelle . Ul
— Kaiserpalast, Inneres . 23
— Kirchen, Garnison-K . 393
1890.
Gentralblatt der Bauverwaltung.
Seite
Strafsenbahiien , Judsons Treibwelle für
St. -Betrieb . 379
— London, elektr. Betrieb . 455
— Rettigs Stufenbahn, Versuche mit ders. 7
— Deutschlands, Entwicklung von 1865
bis 1890 250
Strafsenhau, Versorgungsnetze in Grofs-
städten, Unterbringung d. V. 353,375, 386
Strafsen verkehr, London, Regelung des
St. in der Innenstadt . 484
- Umfang des St . 199
Strafsenwalzeii, Widerstände der Dampf¬
walzen . 131
Struck, Ueber Profilmafsstäbe .... 62
Stufeiihalm, s. Strafsenbahn.
Suez -Canal, elektr. Beleuchtung .... 535
Swiiieinüiide, Hafenbauten von 1880 — 1890 498
Szarbinowskis Vorrichtung zur Theilung
der Schneemassen bei Schneepflügen 536
Techniker, deutsche, im Auslande ... 52
— Unterstützung d. Hinterbliebenen v. T. 256
Teinperaturbleche, s, Eisenbahn-Ober¬
bau.
Thalspevreii, Chemnitz, für die Wasser¬
versorgung . 471
— Johnstown, Bruch der Th . 28
— Walnut - Grove- Damm (Nordamerica)
Bruch . 133
Theater, Feuersichere Decorationen aus
Asbest-Gewebe . 181
— Schleichers Patent-Theaterstuhl . . . 159
— Worms, städt. Spielhaus . . . 154, 167
Theaterbräude, s. Brände.
Theekücheii für Kliniken . 314
Thiersch, Friedr., Die Entwürfe zum neuen
Justizgebäude in München . 465, 480
Thompsons elektr. Schweifsverfahren . . 95
Thorbauteu, Trier, Porta nigra . . 505, 519
Thüreu, Feuersichere Brandmauer -Th.,
Verhalten bei einem Brande . . .371
Thürme, Breslau, Nordthurm der Maria-
Magdalenenkirche, Wiederaufbau . 198
— London, Watkin-Th . 337
— Paris, Eififel-Th., Windgeschwindig¬
keitsmessungen . 45
— Ulm, Münsterth., Vollendung 228, 243,
258, 273, 287
Tillinauns Rohrkörper aus schraubenför¬
mig gewundenem Blech . 456
Tiinbys Heizung u. Lüftung ganzer Stadt-
theile . 412
Titz, Eduard, Architekt in Berlin f 52, 80
Tolle, Adolph, Geheimer Baurath in Ber¬
lin f . 152
Träger, Doppelfachwerkträger, Anordnung
der Wandglieder in den Endfeldern
der D . 190
— Fachwerk-Tr., Zur Lehre vom F.-Tr. 71
■ — ■ mit freischwebenden Stützpunkten . . 121
Tragfähigkeit v. Monierbauten 15, 340, 543
Trier, Porta nigra, Baugeschichtliches 505, 519
Trockenvorrichtuugen , Schimmels
Wäschetrockenvorrichtung .... 314
Troja, Schliemanns Ausgrabungen, . 409, 423
Tunnel, s. a. Bohrmaschinen.
— Trockenlegung nasser Tunnelgewölbe
— T. unter Wasser, L. Beechers Bau¬
weise mittels keilförmiger Stirnwand 416
— Firth of Forth-T . 448
— Glasgow, Clyde-T . 278
— New-York,Hudson-T., Wiederaufnahme
der Bauarbeiten . 302
- dgl., Mannschaftskammer f. d. Bau¬
arbeiten in Prefsluft . 483
— Olimpino-T. bei Como, Umbau . . 462
Turin, Architektur- Ausstellung 244, 442, 500
Ueberliugen, Münster, Ausbau des M. . 308
tJferschutzbauteu vor dem Wesselburener
Koog (Schleswig-Holstein) .... 286
Ulm, Münster, Vollendung des Münster-
thurmes . . 228, 243, 258, 273, 287
Umbauten, Leipzig, Rathhaus, Erweite¬
rung u. Neubau . . . .87, 101, .144
Unfallverhütung b. Fensterputzen, Schutz¬
vorrichtung . . 64
Ungarn, „Eisernes Thor“, Beseitigung der
Schiffahrtshindernisse . 23
Unstrut, Wasserbauten an der Unstrut
von 1880 bis 1890 . 490
Untersuchungen von Bau- und Construc-
SeiU
tionsmaterial, einheitl. Prüfungsver¬
fahren . 348, 438
Untersuchungen von Mineral-Schmierölen
477, 478
Universitätsbanten, Kliniken, zweckm.
Einrichtungen . 21, 38, 304, 314, 404
— Breslau, Wirthschaftsgebäude der kli¬
nischen Anstalten . 304
Utheinann, Regierungs- und Baurath in
Cassel t . 16
Yarnhagen,0., Kirche i. Langenstein a.Harz 107
Vereine, America, V. d. Eisenbahnwagcii-
bauer(MasterCarbuilder association) 472
— Berlin, Architekten- V., Jahresfest . . 120
- dgl. Vorstand . 63
- V. Berl. Künstler, Bismarck-Adresse 144
— V. deutscher Eisenbahntechniker, Feier
des 40jährigen Bestehens .... 227
— V.deutscheiTngenieure, Hauptversamm¬
lung in Halle a. S . 318, 352
— für Fabrication von Ziegeln, Thonwaren
usw. 26. Haupt- Versammlung . . 103
— V. f. öffentliche Gesundheitspflege, Ver¬
sammlung in Braunschweig . . . 363
— Köln, Arch.- u. Ing.-V. für Niederrhein
und Westfalen . 159
— Königsberg i. Pr., ostpreufs. Arch.- u.
Ing.-V., Vorstand . 152
— München, Gesellschaft zur Beförderung
rationeller Malverfahreu .... 64
— Preufsischer Beamten -V . 256
— Rufsland, Gesellschaft für Hülfeleistung
auf deui Wasser . 112
— Verband deutscher Arch. u. Ing.-V.,
Abgeordneten- und Wander-Ver-
samml. in Hamburg 188, 223, 280,
328, 349, 361, 373, 390, 500
— — Vereinssecretär . 349
— — Vorstand . 526
- Mitgliederverzeichnifs . 349
- „Mittheilungen“ des Verbandes 349, 448
Yersammluiigeii, Berlin, zur Vereinbarung
einheitl. Prüfungsarten für Bau- und
Constructionsmaterialien . . 348, 438
— Manchester, 4. Internat. Binnenschiff-
fahrtscongrefs . 227, 328
— Palermo, V. italienischer Arch.- u. Ing. 8
— St.Petersburg,internat.Eisenbahncongr. 80
— — IV. internat. Congrefs f. Gefängnifs-
wesen . 268
Versammlungsräume, Feuersichere Deco¬
rationen und Podien aus Asbest-
Gewebe . 181
Versorgungsnetz, s. a. Beleuchtung,
Druckwasserversorgung, Ent-
w äs serung, Fe r ns p rech lei tu Il¬
gen, Kabelleitung, Wasser¬
versorgung.
Versuchsanstalten, Vereinbarung einheitl.
Prüfungsverfahren für Bau- und
Constructionsmaterialien . . 348, 438
— Berlin, physicalisch-technische Reichs¬
anstalt . 350
Verwaltungsgebäude, Euskirchen, Kreis¬
haus . 56, 209
— Hameln, Wasserbauamt . 411
Villiugeu, Münster, Wiederherstellung . 363
Vogdt, Spülvorrichtungen für Schmutz¬
wasser-Leitungen . 51
Voiges, Widerstände der Dampfwalzen . 131
Voigtei, Amtlicher Bericht über den Fort¬
bau des Domes in Köln .... 277
Volkmann, Seehäfen Rufslands .... 266
— Bau einer Eisenbahn Wladikawkas-
Tiflis über den Kaukasus . .
540
439
Vorlesungen, eisenbahnfachwissenschaftl.
in Preufsen . 159,
Wagemann, Regierungs- und Baurath in
Cottbus t . 20
Wagenscliieber, Goliath-Eisenbahn-W'^. . 407
Wärmemessungen mittels Kabelleitungen 123
Warthe, Wasserbauten an der W. von
1880 bis 1890 . . . ... . .482
Wascliküchen-Einrichtung für Kliniken . 314
Waschmaschinen, Schimmels W. f. Kliniken 314
Wasserbauten, Preufsen, 1880 bis 1890 . 485
— Steinzange f. Strombauten . 124
Wasserkraft der Niagara-Fälle, Nutzbar¬
machung . 272
Wasserkraftmaschinen, s. D r u ck w a s s e r-
mas chinen.
Wasserrecht, Grenzen des Flufsbettes
gegenüber dem Privateigenthum . 222
Wasserstandsbeobachtungen mit Bezug
auf die Stromregulirungen .... 147
Wasserstrafsen, deutsche, Karte des Ver¬
kehrs 1885 41
— • Preufsens von 1880 bis 1890 .... 485
Wasserversorgung, s. a. Druck Wasser¬
versorgung, Rohrleitungen.
— Chemnitz, Thalsperre für die W. . .471
— holländischer Städte . 54
— Iglau i. Mähren, Kühlschacht d. Wasser¬
leitung . 316
Wasserwirthschaft, Einflufs des Waldes
auf Bodenfeuchtigkeit . 433
Webbs Wasser- Prellbock . .398
Wehre, Carros Rollklappenwehr .... 211
— Klappenwehre bei Canalisirung von
Flufsstrecken mit schnellem Wasser¬
wechsel . 185, 203
— Pochets bewegl. W . 456
— Reeders Schützenwehr mit umlegbaren
Griessäulen . 484
Weichen, s. Eisenbahn-Oberbau.
Weichsel, Regulirung, Gutachten d. Akad.
d. Bauw . 77
— Wasserbauten an d. W. 1880 bis 1890 493
Weiudorfer, Rieh., Feuerungsanlage mit
rauchfreier Verbrennung (Cario-
Feuerung) . 93
Wellblech, W.-Dächer, Verbesserungen
an dens. . . . 370
— Tillmanns’ Candelaber aus W. . . . 456
Wellen, Silas Geschofs mit Oelfüllung
zum Abstillen der Meereswellen . 447
Werkzeuge, MeCoys Druckluft-W. . . . 417
Weser, Wasserbauten von 1880 bis 1890 490
Westfalen, Kaiser Wilhelm -Denkmal der
Prov. W. 56, 280, 300, 347, 363, 371,
388, 397
Wetterbeständigkeit altrömischer Ziegel
und Mörtel . 90
Weyrich, C., Ueber Stahlgemische durch
Zusatz von Metallen .... 246, 392
Wickop, Ausstellung von Aquarellen usw.
Ewerbecks in Aachen . 222
— Die Renaissance in Belgien und Hol¬
land, von Pr. Ewerbeck (Büchersch.) 360
W i ederher stellungsb auten, B eh an dl ung
von Mauerflächen . 201
— Aachen, Rathhaus . 111, 448
— Breslau, Nordthurm der Maria Magda-
lenenkirche . 198
— Colberg, St. Marien-Domkirche . 73, 99
— Freiburg i. Br., Münster . 269
— Heidelberg, Schlofs, Bodenuntersuchung 260
- Köln, Dom, Bericht über den Fortbau 277
- — St. Pantaleonskirche . 309
— Marienburg, Zustand der Marienburg
unter polnischer Herrschaft . . . 183
— Osnabrück, am Rathhaus . . . 460, 472
— Ueberlingen, Airsbau des Münsters. . 308
— Ulm, Münsterthurm, Vollendung 228,
243, 258, 273, 287
— Villingen, Münster, Wiederherstellung 363
Wien, Strafsenbrücken in Monier -Bau¬
weise, Versuche der Südbahngesell¬
schaft . 15, 340
Wietholf, Ausführungskosten neuerer
preufs. Staatsbauten aus dem Gebiete
des Hochbaues . 161, 473
Wiuddruck, Messungen a. d. Forthbrücke 45
Windgeschwindigkeit, Messungen am
Eiffelthurm in Paris . 45
Wohnhaus, s. a. Dien st wohn haus.
— Hameln, Wasserbauamt . 411
— Neubrandenburg, Haus Giesecke • . 66
Wollt', Hülfsmittel für die Annahme und
Abfertigung der Züge auf dem
Bahnhofe in Frankfurt a. M. . 231, 238
Wolltrain, H., Ueber die Grenzen des Flufs¬
bettes eines öffentlichen Stromes
gegenüber dem Privateigenthum . 222
Worms, städtisches Spielhaus . . . 154, 167
Wronke, Central-Gefängnifs d. Prov. Posen 501
Württemberg, Staatsbahnen, Entwicklung 453
Xanten, Kirche des heil. Victor, mittel¬
alterliche Bauführung . 13
Zahnradbahnen, Pilatusbahn . 3
Zeichenunterricht an kunstgewerblichen
Schulen, Studium der Naturformen 245
Centralblatt der Ban Verwaltung.
1890,
Seite
Zeitsclirifteu, s. a. Nachdruck.
— Centralblatt d. Bauverwaltuug, Inhalts-
verzeichnifs für 1881 bis 1890 . . 455
— Sammelmappe . • 208
Zeitschrift fiii’ Bauwesen, Inhalt 44, 152,
308, 448
Ziegel, s. a. Dachziegel.
— altrömische Z., Wetterbcstäiidigkeit . 90
Ziegelrohbau, Behaudlung d, Mauerfläche 201
— Miethshäuserfroiiten .
Seite
Ziinnierniaiiii, Dr. H., Rechentafel, Be¬
richtigungen . 20
— Zur Frage des Einflusses der Fahr¬
geschwindigkeit auf die Durchbie¬
gung eiserner Brücken . 4.32
— Einflufs der Biegung auf die Abnutzung
an den Stützflächen der Eisenbahn¬
schienen . 437
— Versuche mit Gewölben aus verschie¬
denen Baustoffen . 4Ö3
Seite
Zollanschlufsbauteu, Altona . . . 165, 178
— Hamburg . 356
Zoller, Egon, Die gesetzlichen Bestim¬
mungen über die Breite der Rad¬
felgen und die Ladegewichte der
Fuhrwerke in verschiedenen Län¬
dern im Zusammenhang mit der
Strafsentechnik . 191
Zürich, Theaterbrand . 16
Bruckfeliler-Bericlitigimgen.
S. 20,
., 44,
.. 56,
„ 79,
„ 168,
„ 183,
., 235,
„ 243,
„ 249,
2. Spalte, Zeile 21 v. o. lies 1841 statt 1842.
2. Sp., Zeile 7 u. Zeile 8 v. o. lies Kaiserlichen statt König¬
lichen.
2. Sp., „ 40 V. u, lies Abels statt Meis.
in der Tabelle, vergl. die Berichtigung auf S. 136, 2. Sp.
2. Sp., Zeile 20 v. o. lies Verbreitung statt Verbreiterung.
Sp.,
„ 14 V. u.
,. polnische statt russische.
Sp.,
„ 17 V. 0.
„ Kalksteinquadern statt Sandstein¬
quadern.
Sp.,
,, 42 V. u.
„ Drollinger statt Dallinger.
Sp.,
,, 33 V. u.
„ 1861 statt 1876.
S. 327, 2. Sp., Zeile 16 v. o. lies 11,3 cbm statt 1,13 cbm.
„ 368, 2. Sp., „ 3 V. 0. fällt „(Centralbl. d. Bauverw. 1886, S.
313)“ fort.
„ 369, in der Tabelle, vergl. die Berichtigung auf S. 407, 1. Sp.
377, 2. Sp. ist die Abb. 10 um 180° gedreht zu denken.
., 395, 2. Sp. und S. 397, 2. Sp., vergl. die Berichtigung auf S. 407,
1. Sp.
,, 475, 1. Sp., unter b. Wohnhäuser für Förster lies in Nr. 11 in der
7. Sp. 69,8 statt 9,8.
,, 527, 1. Sp., Zeile 15 v. o. lies 18. Jahrhunderts statt 17. Jahr¬
hunderts.
1
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 4. Januar 1890. Nr. 1.
Bedaction : SW. Zimmerstrafse 7 n. öesehäftsatelle nnä Annahme der Anzeigen :
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.5 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,7.5 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INBAliT; Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches Schwesternhaus
zum Rothen Kreuz in Cassel. — Die Pilatusbahn. — Herstellung grofser Betonbetten
unter Wasser. — Selbstzeichnender Hoch- und Niedrigwasser-Pegel. — Vermischtes:
Preisausschreiben für ein Kaiser Wilhelm-Denkmal in Köln. — Kurfürstendamm-Ge-
Seilschaft in Berlin. — Eettigsche Stufenbahn. — Besuch der techuischeu Hochschule
in Darmstadt im Winterhalbjahr 1889/90. — Technische Hochschule in Darmstadt. —
Versammlung der italienischen Architekten und lugenieiire in Palermo im Jahre 1891.
— Seecanäle in Italien. — Professor Karl Elis t. — Bücherschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ge¬
heimen Ober-Baurath und Vortragenden ßath im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten, Friedrich En de 11, den Charakter als Ober-
Baudirector mit dem Kange eines Kaths erster Klasse, und dem Bau¬
inspector, Baurath Daemicke in Erfurt, sowie den Kreis - Bau-
inspectoren, Bauräthen Passarge in Elbing, Schulz in Verden
und Gramer in Langenschwalbach aus Anlafs ihrer Versetzung in
den Ruhestand den Rothen Adler-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Dem Regierungs- und Baurath Delmes in Elberfeld ist die
Stelle eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahndirection daselbst
verliehen worden
Versetzt sind: der Regierungs- und Baurath Taeglichsbeck,
bisher in Köln, als Mitglied (auftrw.) an die Königliche Eisenbahn¬
direction in Erfurt, der Eisenbahn - Maschineninspector Briinjes,
bisher in Stendal, als Mitglied (auftrw.) an die Königliche Eisenbahn¬
direction in Magdeburg, die Regierungs- und Bauräthe Darup,
bisher in Danzig, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche
Eisenbahn - Betriebs - Amt in Cottbus, und Sprenger, bisher in
Cottbus, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs -Amt in Danzig, sowie die Eisenbahn -Bau- und Betriebs¬
inspectoren Frantz, bisher in Frankfurt a. M., als ständiger Hülfs¬
arbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt (linksrh.) in Köln,
und Simon, bisher in Thorn, nach Breslau als Leiter des bei der
Kgl. Eisenbahndirection daselbst bestehenden Bureaus für Vorarbeiten.
Ernannt sind: die Königlichen Regierungs - Baumeister Danco
in Saarbrücken zum Eisenbahn - Bau- und Betriebsinspector unter
Verleihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem König¬
lichen Eisenbahn - Betriebs - Amte daselbst, und Jahr, bisher in
Potsdam, zum Eisenbahn-Bauinspector unter Verleihung der Stelle
eines solchen bei der Hauptwerkstätte in Stendal.
Angestellt sind: der Königliche Regierungs-Baumeister Boleslaus
Gerpe in Kirchhain, Regierungsbezirk Cassel, als Königlicher Kreis-
Bauinspector daselbst und der Königliche Regierungs - Baumeister
Franz v. Pelser-Berensberg in Minden als Bauinspector und
technischer Hülfsarbeiter bei der dortigen Königlichen Regierung.
Zu Kömgliehers Regierungs -Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Johann Schlaeger aus Köln a. Rh., Hermann
Salomon aus Gerdauen, Max Michael aus Reichenbach i. Schl.,
Theodor Neuhaus aus Königsberg O.-Pr. und Karl Sieben aus
Aachen (Hochbaufach); — Franz Stoltenburg aus Stettin (Ingenieur¬
baufach); ■ — Hermann Niemeyer aus Altenstein in Thüringen,
Friedrich Knoll aus Frankfurt a. 0., Max Rosenthal aus Berlin
und Ludwig Heilmann aus Hannover (Masehinenbaufach).
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Otto Schulze
in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste er-
theilt worden.
Nachruf.
Am 25. d. M. ist unser Mitglied, der Docent der Architektur an
der Königlichen technischen Hochschule hierselbst
Herr Professor Karl Elis
infolge einer Herzlähmung entschlafen. Wir betrauern in ihm einen
durch Tüchtigkeit, Pflichttreue und persönliche Liebenswürdigkeit
ausgezeichneten Collegen und werden ihm stets ein ehrendes An¬
denken bewahren.
Berlin, den 28. December 1889.
Königliches technisches Prüfungs-Amt.
Oberbeck.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, den ver¬
tragenden Rath im Reichsamt des Innern, Geheimen Regierungs-Rath
Busse zum Geheimen Ober-Regierungs-Rath zu ernennen, sowie den
Garnison -Bauinspectoren Gerstner in Altona, Rettig in Münster
i. W., Ullrich in Erfurt, Reinmann in Mainz, v. Rosainsky in
Stettin, Kienitz in Graudenz, Veitmann in Gleiwitz, Schneiderl.
in Halle a. d. S., Brook in Magdeburg, Arendt in Küstrin, Rühle
v. Lilienstern in Karlsruhe, Drewitz in Rostock, Schmidt in
Strafsburg i. E., Zychlin v. Zychlinski in Wittenberg, Dublanski
in Königsberg i. P., Busse und la Pierre in Berlin den Charakter
als Baurath zu verleihen.
Bayern.
Der Bauamtmann Greding in Aschaffenburg wurde auf An¬
suchen wegen körperlichen Leidens und hierdurch hervorgerufener
Dienstunfähigkeit auf die Dauer eines Jahres in den Ruhestand ver¬
setzt; an das Landbauamt Aschaffenburg der Bauamtmann Pacher
in Windsheim, seiner Bitte entsprechend, versetzt; zum Bauamtmanne
des Landbauamtes Windsheim der Bauamts -Assessor Schmidt in
Hof befördert, und die Assessorstelle bei dem Landbauamte Hof
dem Staatsbauassistenten Miller in Preising verliehen.
Württemberg.
Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschliefsung
vom 24. December v. J. die Stelle eines Bahnmeisters in Ravensburg
dem stellvertretenden Bahnmeister Weifs in Bopfingen, diejenige in
Ebingen dem stellvertretenden Bahnmeister Frey in Weil der Stadt,
diejenige in Weinsberg dem Bauführer Busse bei dem Betriebs¬
bauamt Ravensburg und die Stelle eines Werkführers bei der Wagen¬
werkstätte Cannstatt dem Maschinen-Bauführer Süfsdorf bei der
Locomotivwerkstätte Rottweil Gnädigst übertragen.
Bahnmeister Fell in Ostrach wurde am 26. December v. J. nach
Schwaigern versetzt.
Nichtamtlicher TheU.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar HofsfeM.
Schwesternhaus zum Rothen Kreuz in Cassel.
Der Vaterländische Frauenverein in Cassel erbaute zu Anfang
dieses Jahrzehntes ein Krankenhaus in der Strafse vor dem Königs-
thore. In diesem wohpten bisher auch die der Krankenpflege in Krieg
und Frieden sich widmenden Schwestern vom Rothen Kreuze, soweit sie
dem Casseler Zweigvereine zugehören. Allein die Ansprüche an das
Krankenhaus steigerten sich bereits in den letztverflossenen Priedens-
jahren derartig, dafs sich das Bedürfnifs geltend machte, das bisherige
Gebäude lediglich den Kranken zu überlassen und die Wohnungen
der Schwestern anderweitig unterzubringen. Der Verein erwarb des¬
halb ein neben seinem Krankenhause belegenes Grundstück von der
Stadt und beschlofs, ein besonderes Schwesternhaus mit einem Bet¬
saale, der zugleich auch den nicht-gottesdienstlichen Versammlungs¬
zwecken des Vereins dienen sollte, zu erbauen. Im Falle der Noth,
zu Kriegszeiten, soll jedoch der Neubau auch mit Verwundeten und
9
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
4. Januar 18D0.
Kranken belegt werden, worauf beim Plane in verschiedener Be¬
ziehung Kücksicht genommen ist.
Aus einem im vorigen Jahre ausgeschriebenen Wettbewerbe
gingen der Eegierungs-Baumeister Böse und der Unterzeichnete als
Sieger hervor (vgl. Jahrg. 1888 S. 310 d. Bl.) und wurden im Herbste
desselben Jahres mit
der Ausarbeitung und
Ausführung des Baues
betraut. Gegen die
Pläne der Preisbewer¬
bung enthält der Ent¬
wurf einige wenige Er¬
weiterungen, doch ent¬
spricht er ziemlich
genaiT den ursprüng¬
lichen Programmbedin¬
gungen oder enthält
vielmehr, ohne die in
diesen gezogenen nie-
drigstenGrenzen bezüg¬
lich der beanspruchten
Grundfläche und der
Kostensumme zvi über¬
schreiten, inehrEäume
von der vorgeschrie¬
benen Gröfse, als ver¬
langt waren, welche
aber durchaus nicht
überflüssig sind.
Das Gebäude liegt
ringsum frei und in
der ziemlich gleichen
Entfernung von durch¬
schnittlich G m vom
Krankenhause und der
nachbarlichen Grenze
entfernt sowie hinter
der Strafsenfluchtlinie
zurück, sodafs ein
Vorgarten zwischen
Haus und Strafse ver¬
bleibt, wie es beim
Krankenhause auch der
Fall ist. Beide Ge¬
bäude sollen später
als Strafsenabschlufs
ein gemeinsames Gitter mit zwei
Durchfahrten erhalten. Auf der
Hinterseite verbleibt ein ge¬
räumiger Hof oder Garten, der
nach Vollendung des Baues
gleichfalls mit dem des Kranken¬
hauses verbunden werden wird.
Da die gesamte Bewirthschaf-
tung und Ueberwachung des
Schwesternhauses vom Haupt¬
gebäude aus geschehen soll, und
damit die Schwestern bei un¬
günstiger Witterung und nachts
geschützt zu oder von ihrem
schweren Samariterdienste gehen
können, ist ein aus zwei Jochen
bestehender , kreuzgewölbter
V erbindungsgang angeordnet,
der nach der Strafse hin nur
eine Gruppe schmaler Schlitz¬
fenster, nach dem Hofe zu da¬
gegen zwei dreifache Gruppen
gröfserer Fenster hat und zu¬
gleich in einem kleinen Vor¬
bau die Haupteingangsthür
enthält. Der Verbindungsgang
dient im ersten Stock eben¬
falls als solcher, ist aber hier offen und soll als Söller zum Aufent¬
halt für Genesende im Freien dienen. Nur der Theil dieses Söllers
unmittelbar vor der Eingangsthür ins Schwesternhaus ist mit einer
Laube in Holzarchitektur überdeckt. Für sie ebenso wie für die
zweistöckige, auf massivem Unterbau in Holz zu errichtende Garten¬
laube an der Hinterseite des rechten Flügels wurde die ausnahms¬
weise Genehmigung beim Bezirks- Ausschufs erwirkt.
Das Gebäude selbst enthält im Erdgeschofs in ähnlicher An¬
ordnung wie in dem nebenstehend abgebildeten Obergeschofs sechs
ziemlich gleich grofse Zimmer von 15 bis 16,25 qm Flächeninhalt, die je
zwei Schwestern als Wohn- und Schlafräume dienen, ferner zwei
grüfsere für je drei Schwestern. Diese beiden sowie eins der erst¬
genannten Zimmer liegen unter dem Betsaale. Der eine der
gröfseren Eäume ent¬
hält einen nischen¬
artigen Bettwinkel und
ist mit dem angren¬
zenden Hinterzimmer
durch eine 2,11m breite
dreiflügelige Thür ver¬
bunden , damit unter
Umständen beide Zim¬
mer zusammen als ge¬
meinsamer Versamm¬
lungsraum für die Haus-
bewohnerinnen dienen
können. Im Hauptflur
und in dem Vorraum
zum Abort befinden
sich zwei Wasserzapf¬
stellen, am Nebenflure
ein geräumiger Besen-
raum. Die Anordnung
der Eäumlichkeiten im
ersten Stock ist aus
Abb. 2 ersichtlich.
Die Decke des 79 qm
grofsen Bet- und Ver¬
sammlungssaales ist
als ein in den Dach¬
raum hineinragendes
Holzgewölbe ausge¬
bildet, und die Hänge¬
werke der Dachbinder
gehen verziert durch
den freien Eaum. Im
Dachgeschofs befinden
sich an bequemem Vor¬
flure noch ein Giebel¬
zimmer undzwei geräu¬
mige Dachkammern,
die ebenfalls noch für
je zwei Schwestern
Schlafräume darbieten,
sodafs im ganzen 34 Schwestern
das Haus bewohnen können.
Die zweiiäufige Treppe hat
mit Eücksicht darauf, dafs in
dem Betsaale auch Leichenfeier¬
lichkeiten abgehalten werden
sollen , eine Laufbreite von
1,50 m erhalten. Die Stufen der
Läufe vom Erdgeschofs bis zum
ersten Stock, sowie die der
Kellertreppe und alle Eingangs¬
stufen sind aus Granit, während
nach dem Dachgeschosse und in
diesem nach dem Bodenraum
über dem durchgehenden Kehl¬
gebälk Holztreppen führen. Das
Haus ist ganz unterkellert,
und die Kellerräume sind mit
Kappen zwischen Gurtbögen
überwölbt. Der Hauptflur wird
im Erdgeschofs mit drei Kreuz¬
gewölben versehen. Die Fufs-
böden im Keller werden in
Cementbeton ausgeführt, die
der Flure im Erdgeschofs er¬
halten Thonplattenbelag. Die
Geschofshöhen betragen, von
Fufsboden zu Fufsboden gerechnet, im Keller 3 m, im Erdgeschofs
3,85 m, im ersten Stock 3,54 m und im Dachgeschofs 3,20 m. Die
Lichthöhe des Saales, in der Mitte bis zum Scheitel der Holztonne
gemessen, ist 6,54 m.
Das Gebäude ist in einfachen Formen gothischen Backsteinbaues
gehalten und trägt, seinen Zwecken entsprechend, ein halb weltliches,
halb kirchliches Gepräge. Die äufseren Wandflächen werden an den
Vorderseiten aus rothen sogenannten Wasserstrichsteinen, hinten aus
iji"
Abb. 1. Längenschnitt.
Centralblatt der Bauverwaltang.
Sr. 1.
3
sogenannten „FaQ.adensteinen“, eine durch Maschinen hergestellte
bessere Sorte gewöhnlicher Mauerziegel, im Biockverbande ausgefiihrt,
eigentliche feinere Verblendsteine kommen also nicht zur Verwendung.
Die Fugen werden glatt verstrichen und weifs gelassen. Die Bogen¬
zwickel der Fenster, so¬
wie die Blenden der
Seiten- und Hinteran¬
sichten werden verputzt,
ebenso die Flächen
der Wappenschilde an
den Giebeln der Vorder¬
seite, denen die Wappen¬
bilder des Rothen Kreu¬
zes, des deutschen
Reichs und Preufsens
sowie der hessische
Löwe und das Stadt¬
wappen in den ge¬
hörigen heraldischen
„Tincturen“ aufgemalt
werden. Das Sockel¬
und Gurtgesims, so¬
wie die Fensterschrägen
und die Abdeckung der
Brüstung des Verbin¬
dungsganges werden in
braunen Glasursteinen
ausgeführt. Auf dem
Kreuzungspunkte der
beiden Satteldächer,
deren Neigung unter
60 o angenommen ist,
erhebt sich ein schlan¬
ker Dachreiter als
Glockenthürmchen. Alle
Dächer werden mit
Schiefer in deutscher
Weise eingedeckt, ihre
Bekrönungen aus
Schmiedeeisen mit Blei¬
knäufen und Bleimänteln
der Stengel gebildet.
Die Dachrinne wird an
der Vorder- und rechten
Seitenansicht hinter der
Zinnenbrüstung aus
Blei, auf den Hofseiten
als angehängte Zink-
rinne hergestellt.
Die innere Aus¬
stattung soll gleichfalls
im ganzen ziemlich ein¬
fach bleiben. Die Fen¬
ster und äufseren Thü-
ren werden aus Eichen¬
holz, die inneren Thüren,
Fufssockel usw. aus
Tannenholz, die Fufs-
böden dagegen aus
Pitch -pine- Holz gefer¬
tigt, Für die Decken-
und Wandflächen ist durchgängig einfach glatter Leimfarbenanstrich
gewählt. Nur der Betsaal wird eine etwas reichere Ausbildung erfahren.
Für die seitlichen Saalfenster ist einfache Bleiverglasung, für das vor¬
dere grofse Mafswerkfenster Musterbleiverglasung mit farbigen
Friesen und einzelnen farbigen Punkten in Kathedralglas vorgesehen.
Die Saalwände sollen mit einer 2 m hohen kiefernen Vertäfelung
ausgestattet und die gleichfalls kiefernen Flügelthüren etwas reicher
behandelt werden. Die Wände sind, von den Fensterpfeilern aus¬
gehend, in breite Pfeiler mit zwischenliegenden Blenden gegliedert,
und den Pfeilern soll oberhalb der Täfelung ein Pflanzenmuster auf¬
gemalt werden, während
in die Blenden hotfent-
lich figürliche Dar¬
stellungen zwischen
Rankenzügen durch¬
zusetzen sein werden.
Die Beheizung des
Saales geschieht durch
zwei grün glasirte
Kachelöfen, während
alle übrigen Zimmer
durch eiserne Füll-
reguliröfen geheizt wer¬
den. Dem Hause sollen
endlich Gas- und
Wasserleitung nicht
fehlen.
Der Kostenanschlag
schliefst mit 60000 Mark
ab, welche Summe vor¬
aussichtlich nicht über¬
schritten werden wird.
Abgesehen von dem Ver¬
bindungsgange und der
hinteren Laube be¬
deckt das Haus rund
270 qm Grundfläche,
sodafs 1 qm bebaute
Fläche sich auf 222,22
Mark stellt. Nach Cu-
bikmetern umbauten
Raumes berechnet, wo¬
bei der Verbindungs¬
gang mit berücksichtigt,
das ausgebaute Dach
mit ^/s der Höhe von
Oberkante Dachfufs-
boden bis First und
der Dachreiter mit sei¬
nem wirklichen Inhalte
von der First bis zur
Spitze in Rechnung
gesetzt sind , ergeben
sich rund 3750 cbm,
also 16 Mark für ein
Cubikmeter. Der Bau
wurde im Juni dieses
Jahres begonnen, erlitt
infolge verzögerter Lie¬
ferung der aus Han¬
nover bezogenen Gla¬
sursteine einen wesent¬
lichen Aufenthalt, ist
aber noch vor Winter
unter Dach gebracht
und soll am 1. Juni
nächsten Jahres vollen¬
det sein. Die Geschäfte und die Ueberwachung der Ausführung
liegen hauptsächlich in den Händen des Regierungs -Baumeisters
Rose, die stilistische und constructive Lösung und Durchbildung
der Aufgabe ist die Arbeit des Unterzeichneten.
Cassel, im September 1889.
Karl liiert.
Die Pilatusbahn.
Hart auf der Grenze der schweizerischen Cantone Luzern und
Unterwalden, angesichts der westlichen Gestade des uferreichen Vier¬
waldstädter Sees, erhebt, aus hartem Kalkgestein, der Pilatus sein
Haupt, ein Vorposten vor dem Gebirgsstock der Vierwaldstädter
Alpen. Vom St. Gotthard aus scheidet diese das Thal der Reufs
und weiter hinab die breitere Fläche des Sees von der Gruppe der
Schwyzer und Glarner Alpen, vor welchen der Rigi die nachbarliche
Wacht hält.
In freierer Stellung und um 300 m höher aufragend, als sein
östlicher Genosse, empfängt der Pilatus unvermittelt die West- und
rauhen Nordwinde, welche die Schneedecke der zurückliegenden
Bergeshäupter erneuern oder festigen. Die Unbilden der Witterung
abwehrend, ist ihm dafür andrerseits der Blick fast allseitig weiter
geöffnet; nur wo östlich der Bergstock des Rigi dazwischen tritt,
ist die Fernsicht verschränkt. Des gröfseren Genusses der sich dem
Auge bietenden wild-romantischen Naturschönheiten im Süden und
Osten, des freieren Blickes über die nördlichen und westlichen strom-
und seedurchglänzten Gaue, welche das Flufsgebiet der Aar aus¬
machen, theilhaftig zu werden, war früher nur den Wenigeren ver¬
gönnt, welche die steilen Höhen des Berges 1500 bis 2000 m hoch
hinanzusteigen sich getrauten. Beim Rigi, dessen Verhältnisse für
den Aufstieg günstigere Bedingungen boten, hatte die Technik durch
4
Centralblatt der Bauverwaltung.
4. Januar 1890.
Anlage einer Zahnradbahn bereits vor Jahren bequemeren Zugang
für jedermann zu schaffen gewufst; ■ — • beim Pilatus hatte man sich
an solche Aufgabe lange nicht herangewagt. Wollte man die Anlage¬
kosten mit Paicksicht auf einen aus den zu erwartenden Verkehrs¬
einnahmen zu schöpfenden billigen Gewinn mälsig halten, so waren
wegen des aufsergewöhnlich steil auzunehmenden Aufstiegs der Bahn
die für geringere Steigungen bereits erprobten und bewährten Biggen-
bachschen und Abtschen Zahnschienen-Anordnungen zur Verwendung
nicht geeignet, da in dieser Hinsicht angestellte Versuche ergeben
hatten, dafs die Zahntriebräder aus dem Eingriff gehoben würden.
Es blieb daher, da sonstige bekannte Anordnungen gleichfalls nicht
in Frage kommen konnten, nur der Uebergang zu einer für den
besonderen Zweck nach veränderten Gesichtspunkten neu zu schaffenden
Betriebsweise übrig.
Dem Oberst E. Locher gebührt das Verdienst, zur Anwendung
liegender Zahnräder mit seitlichem Eingriff in eine beiderseits ge¬
zahnte I\Iittelschierie die Anregung gegeben zu haben. Nach diesem
Grundgedanken wurde denn auch thatsächlich die mit aufserordent-
licher Kühnheit geplante Anlage mit all ihren zahlreichen neu er¬
fundenen und trefflich durchdachten Einzelheiten verwirklicht, und im
Juni V. J. dem Betriebe übergeben.
Die Spur der Bahn führt, von Alpnach, einem Weiler am Vier¬
waldstädter See, ausgehend, in einer Länge von 4618 m
und mit einer mittleren Steigung von 42 pCt. (die
gröfste beträgt 48 pCt.) bis zum Gasthof Bellevue,
5.3 ni unter dem sog. ,,Esel'', der besuchtesten Spitze
(2123 m hoch) des Berges. Ungefähr die halbe Bahn¬
strecke liegt in Bögen von 80 bis lüO m Halbmesser.
Der Unterbau, auch in Aufträgen, wo nicht Schluchten
oder Wildbäche zu überbrückcn waren, besteht aus
einer durchlaufend mit Granitplatten abgedeckten
Mauerung, in welchei’, wie aus Abb. 1 ersichtlich ist, die
angewendeten j jförmigen eisernen Querschwellen fest
verankert sind. Nachdem die Bahn zunächst durch
Birken- und Taunengehölz emporgestiegen, windet sie
sich später über und durch hartes, theilweise aus¬
gesprengtes, theilwcise mit Tunneln durchbrochenes
Gestein. Man zählt insgesamt sieben Tunnel in Einzel¬
längen von 10 bis ‘.)7 m.
Die aus Martiuflufseisen in Stücken von 3 m angefertigte, mit
Zähnen von 85,7 mm Theilung und 40 mm Breite beiderseits versehene
Zahnstange ist in der in Abb. 2 gezeigten Weise auf durchlaufenden
_1 i„ förmigen Trageschienen U befestigt, welche auf Stühlen von
ähnlich gestaltetem Querschnitt ruhen. Auf Zahustangeulänge sind
allemal drei Querschwellen (Stofsscliwellenentfernung 24cm) angeordnet
(Abb. 3). Die Schienen, welche ohne Querneigung mit einer überall
Fahrschienen seitlich umfassen und ein Abheben der Fahrzeuge ver¬
hindern. Die Laschen lassen aus diesem Grunde den oberen Theil
des Schienensteges frei.
Zur Vermeidung einer schiefen Stellung ist der Dampfkessel
(|uer gelagert. Derselbe ist als
Röhrenkessel in 2,02 m Länge und
mit 20 qm Heizfläche für einen ge¬
wöhnlichen Druck von 12 Atra.
eingerichtet. Die beiden aufsen
liegenden Dampfcylinder von 220 mm
Durchmesser und 300 mm Hub
(Schieber- und Kolbenstange sind
in Abb. 1 ersichtlich) treiben
mittels eines mitten auf der Kurbel¬
welle aufgekeilten Zahnrades ein auf
gleichlaufender Achse befestigtes
gröfseres zweites Zahnrad, mit wel¬
chem nach Art der Abb. 4 zwei Kegel¬
räder BB verbunden sind. Durch
diese werden zwei weitere mit BB in Eingriff stehende Kegelräder CC
bewegt und deren Bewegung auf senkrechte Achsen übertragen,
auf welchen auch die Zahnstangenräder angebracht sind. Um unver¬
Abb. 4.
Abb. 3
gleichbleibenden Spurweite von 80 cm auf den Querschwellen befestigt
sind, haben 6 m Länge und 120 mm Höhe. Die Locomotive ist zur
Ermäfsigung des zu befördernden todten Gewichts mit dem 32 Personen
fassenden viertheiligen Wagen nach Abb. 1 zu einem einzigen Fahr¬
zeuge von 10,5 t Gesamtgewicht (in belastetem Zustande) vereinigt,
welches ohne Anwendung von Federn auf vier glatten Laufrädern
{aai Abb. 1) ruht. Aufser den treibenden Zahnrädern lllt (Abb. 1
und 2), welche sich unter dem Maschinengelafs befinden, sind bei
den höher hinaufliegenden Laufrädern «i zwei weitere liegende Zahn¬
räder RiRi angeorduet, welche man ihrem eigentlichen Zwecke nach
als Bremsräder bezeichnen kann. Mit den Zahnrädern verbundene
und gegen die Trageschiene U gelehnte Eeibungsscheiben rr (Abb. 2)
sichern die seitliche Führung. Die häufig vorkommenden Stürme
haben ferner die Anwendung von Klauen nöthig gemacht, welche die
Abb. (i.
Abb. 7.
meidliche Ungenauig-
keiten in der Theilung
der Zahnstange für die
Bewegung auszugleichen,
werden die Räder BB
durch Ringe 66 in un¬
mittelbarem Zusammen¬
hänge mit dem Rade J _|
gehalten, doch lediglich
durch Mitnehmer cc be¬
wegt, welche denselben
auf der Drehachse einiges
Spiel lassen. Die Zahn¬
stangenräder machen in
der Minute 47 Umdre¬
hungen, bei der gewöhnlichen Fahrgeschwindigkeit von 1 m in der
Secunde und bei 180 Kurbelachsendrehungen in der Minute.
Der Ausbildung der Bremswerkzeuge mufste nach der Natur der
ganzen Anlage eine hervorragende Sorgfalt gewidmet werden, und in
der That kann man sagen, dafs hier alles geschehen ist, was mensch¬
liche Voraussicht irgend nur für wünschenswerth halten konnte. Das
Fahrzeug ist mit folgenden Bremsen ausgerüstet:
1) einer Luftdruckbremse,
2) einer Reibungsbremse auf der Kurbelachse (in Abb. 1 bei B
gezeigt),
3) einer Reibungsbremse, welche die oberen (Lauf-)Zahnräder
festhält und sowohl durch den Maschinenwärter als durch den
Schaffner bewegt werden kann;
4) einer selbstthätigen Bremsvorrichtung, welche die Lauf-Zahn¬
räder sofort hemmt, wenn bei der Thalfahrt die Geschwindig¬
keit über 1,3 m hinausgeht.
Die Anordnung dieser letzteren Bremse ist aus den Abb. 5, 6, 7
ersichtlich. Die beiden senkrechten Achsen AJ der Lauf-Zahnräder
tragen an den oberen Enden feste Sperrräder ss und lose Sperrkegel-
gehäuseNN, welche mit denWurmgetriebenlUlUmittelsRandverzahnung
in Eingriff stehen. Während bei der Bergfahrt die Achsen
in den Gehäusen SN (bei stillstehenden Wurmgetrieben) sich frei
drehen, werden die Gehäuse bei der Thalfahrt durch die Sperrräder
mitgenommen, und dadurch die Wurmgetriebe bewegt. Die Achse
der letzteren, welche sich sechsmal schneller dreht, als die Achsen
trägt an einem Ende die oben unter 2) gedachte Reibungs(Band-)-
Bremse K (deren Erwärmung durch einen aus dem Innern der Achse
Centralblatt der Bauverwaltung.
5
Nr. 1.
WW tretenden Kühlwasserstrom verhindert wird), am anderen Ende
aber die zur Regelung der Fahrgeschwindigkeit dienende Einrichtung.
Diese besteht aus der Scheibe A'j, in welcher einander gegenüber¬
stehend zwei Schwungmassen pp angebracht sind; bei wachsender
Fahr-, also auch Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe K\ entfernen
sich diese Massen, indem sie die Widerstände zweier Federn über¬
winden, von der Drehachse, lösen den Hebel N aus, sodafs die
Feder S imstande ist, vermittelst der durchlaufenden Achse T die
Bandbremse am anderen Ende anzuziehen, so schnell, als es eine bei
Z angeordnete Hemmung gestattet.
Die für den Auf- wie Abstieg verwendete Zeit beträgt gleich-
mäfsig l'/2 Stunde, die aufzuwendende Zugkraft 51/2 Tonnen. Km.
Herstellung grofser Betonbetten unter Wasser,
Für Betonbetten unter Wasser ist, wie bekannt, die Verwendung
von Trafsmörtel bequemer als diejenige von Cementmörtel, weil
ersterer langsamer bindet, mithin einen innigeren Anschlufs zweier
nach einander geschütteter Lagen gewährleistet, und weil er weniger
Schlamm absetzt. Letzteren Vorzug verdankt er seiner gröfseren
Zähigkeit (nament¬
lich wenn er mit
Kalkbrei zubereitet
wird), die es ver¬
hindert, dafs er von
dem Wasser wäh¬
rend der Versenkung
nicht so leicht aus
den Betonsteinen
ausgespült wird, als
der kurze Mörtel aus
Gement und Sand.
Indessen kann man
auch bei letzterem
durch angemessene
Vorsichtsmafsregeln
das Ausspülen erheb¬
lich einschränken.
Als solche Mafs-
regeln haben sich
namentlich die fol¬
genden bewährt:
1. Beim Ver¬
senken in Trommeln
oder Kästen mufs
man die Betonober¬
fläche durch ein
Stück getheerte
Leinwand bedecken,
damit beim Ein¬
tauchen der Trommel
in das Wasser und
beim Wege der¬
selben durch das
Wasser die sich über
der Trommel bilden¬
den Wirbel die Be¬
tonoberfläche nicht
angreifen können.
Die getheerte Lein¬
wand wird zweck-
mäfsig mit der einen Längsseite an dem Betonkasten befestigt und
an den übrigen Rändern durch Gewichte beschwert, sodafs sie beim
Versenken nicht auftreibt.
2. Da ein Ausspülen des Mörtels desto leichter eintreten mufs,
je flüssiger derselbe ist, so soll man denselben den Betonsteinen (die
vorher gewaschen sind) möglichst steif, also etwa in erdfeuchtem
Zustande, beifügen.
3. Der Betonkasten mufs eine Form haben, bei der die Entleerung
möglichst wenig Bewegung ihres Inhaltes verursacht. Als solche ist
besonders der Halbcylinder zu empfehlen, mit dem Gelenke zum
Oefinen in der Achse des Cylinders. Nimmt man Kästen von eckigem
Querschnitt, so dürfen dieselben nicht hoch, sondern mehr flach ge¬
halten werden.
4. Die Vorrichtung zum Oeffnen der Kästen mufs so eingerichtet
werden, dafs sie unbedingt erst ausgerückt werden kann, wenn der
Kasten unten aufsteht. Eine solche Einrichtung ist leicht dadurch
zu erreichen, dafs man die Ausrückung durch die Last der hängenden
Betontrommel in Spannung treten läfst, sodafs eine dünne Schnur,
mit welcher das Ausrücken bewirkt werden soll, reifsen müfste, wenn
der Arbeiter die Ausrückung ausführen wollte, bevor die Trommel auf
dem Boden aufsteht. Auch kann die Vorrichtung leicht selbstthätig
eingerichtet werden, sodafs das Ausrücken erfolgt, sobald der Kasten |
unten aufsteht.
5. Der Beton mufs reichlich Mörtel enthalten. Gerade in
dieser Beziehung wird oft fehlgegriffen. Ist die zugesetzte Mörtel¬
menge auch nur wenig geringer als nothwendig, um alle Hohlräume
auszufüllen, so wird bereits bei der ersten Betonlage der Fall ein¬
treten, dafs der Mörtel nach unten sinkt und über sich eine dünne
Schicht Steine ohne Mörtel zurückläfst. Schüttet man die zweite
Betonlage, so fängt deren ganzer Mörtel an zu wandern, um auch die
losen Steine der ersten Schicht auszufüllen. Auf diese Weise ver-
gröfsert sich die
Menge der mörtel¬
losen Steine mit je¬
der neuen Beton¬
schicht; der Weg,
den der Mörtel
durchwandert, wird
immer gröfser, und
mit demselben
wächst die Ausspü¬
lung und Schlamm¬
bildung. Auch in
diesem Falle wird
recht steifer IMör-
tel weniger leicht
sinken,als solcher mit
reichlichem Wasser.
Aus demselben
Grunde ist es auch
verwerflich, wie es
wohl bisweilen ge¬
dankenlos empfohlen
wird, zunächst eine
Lage mörtelloser
Steine in die Bau¬
grube zu schütten,
wenn etwas loser
Schlamm in der¬
selben sein sollte.
Man beabsichtigt
dabei, den Mörtel
für die unterste
Schicht zu sparen
und denselben gleich¬
sam durch den losen
Schlamm zu ersetzen,
der die Hohlräume
zwischen den Steinen
ausfüllen soll. Es
wird aber offenbar
der weiche Schlamm
nicht widerstandsfähig genug sein, um das Niedersinken des Mörtels aus
der ersten Betonschicht in die lose geschütteten Steine zu hindern, und
damit tritt wieder die vorhin geschilderte schädliche Wanderung des
Mörtels ein, welche sich — falls der Beton nicht überreichlich Mörtel
enthält — durch die ganze Stärke der Schüttung fortsetzt. Das Rich¬
tige ist, den Schlamm durch eine recht mörtelreiche Schüttung
bei Seite zu drängen und schliefslich abzuschöpfen. Nur so erreicht
man einen möglichst dichten Anschlufs der Betonsohle an den Bau¬
grund, während sich sehr leicht Wasseradern unter dem Betonbette
bilden können, wenn die zu unterst geschütteten Steine ohne Mörtel
nicht genügend durch Schlamm oder den Mörtel der darüber liegenden
Betonschicht ausgefüllt werden. Für Beton, der unter Wasser ge¬
schüttet werden soll, müfste die hinzuzusetzende Mörtelmenge stets
so reichlich bemessen sein, dafs auch die oberste Steinlage bei vor¬
zunehmenden Proben noch voll im Mörtel läge.
Wenn man diese Bedingung erfüllen will, wird man allerdings
erheblich mehr Mörtel verbrauchen, als in den Anschlägen gemeinig¬
lich vorgesehen ist, und zwar wird der Verbrauch um so gröfser
werden, je gleichmäfsiger die Gröfse des Steinschlages ist. Die häufig
in den Ausschreibungen auf Steinschlag für Beton zu findende Be¬
stimmung, dafs die Gröfse der einzelnen Stücke ein bestimmtes Mafs
nicht unterschreiten darf, ist daher in Bezug auf den Mörtel verbrauch
entschieden unvortheilhaft. Richtiger wäre es, nur ein gröfstes Mafs
festzusetzen und, um zu verhindern, dafs ausschliefslich Grus geliefert
werde, zu bestimmen, dafs nur ein bestimmter Theil durch ein Sieb
von bestimmter Weite fallen darf. Dadurch würde dem Steinschlag-
Abb. 1. Ansicht. Holzstich v. 0. Ebel.
Pilatusbahn,
6
Centralblatt der Bauverwaltung.
4. Jiiimar 1890.
Lieferer das Sieben und dem Bauherrn ein grofser Theil Mörtel oder
zum mindesten Mauersand gespart, ohne dafs die Festigkeit des
Betons vermindert würde.
Bei Beobachtung vorerwähnter Vorsichtsmafsregeln, die selbst¬
verständlich auch für
Trafsmörtel zu empfehlen
sind, wird man auch bei
Anwendung von Cement-
mörtel erheblich weniger
Schlamm erhalten.
Der zuerst erwähnte
Vorzug des Trafsbetons,
infolge des langsameren
Abbindens desselben
einen innigeren Anschlufs der auf ein¬
ander folgenden Schichten zu ermög¬
lichen, als bei Verwendung von Cement-
beton, mufs man bei letzterem dadurch
einzubringen suchen, dafs man die
Schichten möglichst klein macht.
Bei Betonbetten von grofser Aus¬
dehnung wird man dies am besten
dadurch erreichen , dafs man die
einzelnen Lagen der Böschung ent¬
lang 'sich von der Sohle bis zur Oberfläche
selben würden dann also das in Abb. 1
-- l
Abb.
- Sr-
Abb. 3.
erstrecken läfst. Die-
dargestellte Bild bieten.
welches einen Längenschnitt durch die Betonsohle darstellt. Diese
Art der Herstellung giebt auch vom wissenschaftlichen Standpunkte
aus betrachtet eine festere Betonsohle, als die nach Abb. 2 gebildete,
welche, um einen möglichst guten Anschlufs zu erzielen, etwa in der
durch Abb. 3 dargestellten Weise herzustellen wäre.
Denn wenn wir den ungünstigsten Fall annehmen, dafs in beiden
Fällen ein Binden zwischen den zeitlich aufeinander folgenden Schichten
überhaupt nicht stattgcfunden hätte und die Betonsohle als Balken
betrachten, der an den Längsseiten unterstützt werde, also die Länge b
in Abb. 1 habe, so erhalten wir für die Sohle nach Abb. 1 das Wider¬
standsmoment m .
für die Sohle nach Abb. 2 und 3
dagegen nur n .
Die Böschung für die Schüttung nach Abb. 1 dürfte nicht zu steil
genommen und mit derselben entweder von unten nach oben in der
ganzen Breite 6, oder — wenn dieser Arbeitsvorgang zu viele Beton¬
kästen erfordern oder aus anderen Gründen nicht ausführbar sein
sollte — in der ganzen Höhe von a b nach der Richtung des Pfeiles
fortschreitend, ausgeführt werden.
Bei Betonirungen im Trocknen ist die Ausführung nach Abb. 1
unbedingt die zweckmäfsigste.
Kiel, im November 1889. L. Brennecke.
Selbstzeicliiiender Hocli-
Bekanntlich erfolgen die Wasserstandsbeobachtuugen, abgesehen
von den selbstzeichnenden Fhithmesseru, an gewöhnlichen Pegeln,
und Niedrigwasser-Pegel.
I wasser und zu bestimmten Zeitpunkten (in der Regel 8 Uhr vormittags)
1 werden entweder durch besonders damit beauftragte Beamte oder
meistens durch Private gegen
welche an verschiedenen Punkten längs den Flufsufern aufgestellt sind.
Die Aufzeichnungen des Wasserstandes bei Hochwasser und Niedrig¬
entsprechende Entschädigung,
vorgenommen. Wenn auch
im ersteren Falle die Ge¬
nauigkeit der Beobachtungen
im allgemeinen nichts zu
wünschen übrig läfst, so
kann dasselbe nicht von den
Leistungen der Privatperso¬
nen behauptet werden. Die
gewährte Entschädigung ist
meistens so gering bemessen,
dafs diese mit dem zur ge¬
wissenhaften Beobachtung
erforderlichen Zeitaufwande
nicht im Einklang steht. Die
Erfahrungen in Holland
haben ergeben, dafs es in
hohem Mafse wünschenswert!!
erscheint, sich von der letz¬
teren Beobachtungsweise
möglichst gänzlich zu be¬
freien. Es liegt auf der
Hand, dafs der Schwierig¬
keiten und Kosten wegen
nicht überall die gewöhn¬
lichen Pegel durch selbst¬
zeichnende Fluthmesser er¬
setzt werden können, so
wünschenswerth dies auch aus verschiedenen Gründen ist. Man wird,
daher auch stets zwischen den Punkten, wo solche aufgestellt sind
oder werden, die gewöhnlichen Wasserstandsbeobachtungen trotz der
ihnen anhaftenden grofsen Mängel beibehalten.
Die Tijdschrift vnn het Koninklijk Instituut van Ingenievrs
bringt in dem letzten Hefte 1888/89 eine sehr schätzenswerthe Ver¬
besserung dieser gewöhnlichen Pegel, bei welcher auf einfachere und
namentlich weniger kostspielige Weise als bei den selbstzeichnenden
Fluthmessern Hoch- und Niedrigwasser sowie der Wasserstand zu
bestimmten Zeitpunkten des Tages selbstthätig aufgezeichnet wird
und nur ein hohler Pegel zur Befestigung und behufs Einbringung
eines Schwimmers erforderlich ist. Die Einrichtung läfst sich daher
leicht den verschiedenartigsten Verhältnissen anpassen. Wegen der
Einfachheit empfiehlt sich dieselbe ferner auch für Beobachtungen
von vorübergehender Dauer und (wegen des langen Ganges und der
bequemen Versetzung) für solche Punkte, wo ein selbstzeichnender
Pegel nicht zulässig ist. Die Kosten betragen bei Lieferung von
mindestens 10 Pegeln 765 Mark für das Stück und dürften bei gröfserer
Anzahl sich noch billiger stellen. Die Versuche haben den praktischen
Nutzen dieser verbesserten Pegel erwiesen, sodafs die Regierung mit
deren Einführung nunmehr vorgegangen ist.
Centralblatt der Bauverwaltung.
7
h\ 1.
Unter Bezugnahme auf die beigegebenen Abbildungen läfst sich
die Einrichtung kurz folgendermafseu beschreiben: Der äufsere Um¬
fang des Zififernrades K (Abb. 2) ist derartig mit kupfernen Ziffern
und dazwischen liegenden Punkten besetzt, dafs die Zeit von 5 zu
5 Minuten angegeben wird, und dieses Rad mufs so gestellt sein, dafs
die genaue Zeit mit dem höchsten Punkt desselben zusammenfällt.
Die Bewegung erfolgt durch ein Uhrwerk. Das daneben befindliche
Ziffernrad J ist ebenso eingerichtet, doch geben die Ziffern und Punkte
den Wasserstand von 5 zu 5 cm an, auch hier wird der Wasserstand
am höchsten Punkte des Rades abgelesen. Die Bewegung erfolgt
durch das Steigen und Fallen des Schwimmers in dem hohlen Pegel.
Der Schwimmer hängt an einem um das Rad L gewundenen Draht,
welches Rad durch ein kleines Zahnrad seine Bewegung auf das mit
dem Ziffernrade verbundene Rad L‘ überträgt. Das Gegengewicht T
dient dazu, den Platindraht gespannt zu halten.
Die Ziffern auf dem Umfange der beiden Räder J und K sind
stehend oder schräg, je nachdem sie die Zeit des Nachmittags und-
die Wasserhöhe über Null oder die Zeit des Vormittags und die
Wasserhöhe unter Null angeben.
Ueber beide Ziffernräder ist ein Streifen weifsen Papiers ge¬
spannt, welcher um die Rolle A gewickelt ist und an den Gleitrollen
C und C‘ entlang nach der Rolle A‘ läuft. Zwischen Ziffernrädern
und Papierstreifen liegt ein zweiter Streifen des bekannten, bei der
Telegraphie zum Aufnehmen der Telegramme benutzten Papiers,
welcher zwischen den Rollen B und B‘ läuft.
Der Hammer i^, welcher in später beschriebener Weise bei jedem
Hoch- und Niedrigwasser und aufserdem des Vormittags um 8 Uhr
mit der nöthigen Kraft niederfällt und beide
Papierstreifen auf die Ziffernräder drückt, hinter- ^
läfst auf diesen einen Abdruck, wie Abb. 4 an-
deutet. Der Querstrich ist der Abdruck des . ',v!i i
zwischen beide Zitternrader und mitten unter den
Hammer gestellten Stiftes W. Da letzterer genau den höchsten Punkt
der Ziffernräder angiebt, so kann man durch Schätzung genau genug
die Zeit auf Minuten und den Wasserstand auf Centimeter ablesen.
Der mittels Reibung mit der Achse X des Rades L befestigte
gezahnte Bogen R greift in die Zähne des Rades M und kann letz¬
terem eine halbe Umdrehung mittheilen. Bei dem Stande des
Apparates, wie solcher in ausgezogenen Linien dargestellt ist, fällt
das Wasser; der Bogen R hat sich soviel wie möglich in der Richtung
des stark ausgezogenen Pfeiles bewegt, und die Kraft des Schwimmers
überwindet ferner die Reibung, mit welcher der Bogen auf der
Achse X befestigt ist. Steigt nun das Wasser, so bewegt sich L in
entgegengesetzter Richtung, Bogen R gelangt in den durch ge¬
strichelte Linie angedeuteten Stand, Rad M hat dann eine Viertel¬
umdrehung gemacht, die Zugstange H wird gehoben, Stift Y drückt
gegen den unteren Arm des Sperrkegels E, der Hammer F wird da¬
durch frei und fällt nieder, die kleine Sperrklinke G greift in einen
folgenden Zahn des Rades D. Das fortdauernde Steigen des Wassers
bewegt den Bogen R weiter aufwärts, Rad M vollzieht seine halbe
Umdrehung, die Zugstange H wird zurückgeholt, der Hammer aufs
neue gespannt, und infolge der dem Rade I) und der in dasselbe mit
kleinen Zähnen eingreifenden Rolle A' durch den Hammer mitge-
theilten Bewegung wird der weifse Papierstreifen ein wenig ver¬
schoben, um die folgende Aufzeichnung aufzunehmen. Zur Aus¬
führung dieser Bewegung ist ein gewisses Steigen oder Fallen des
Wassers nöthig, bei der gezeichneten Einrichtung 5 cm; es liegt
jedoch auf der Hand, dafs ebenso gut mit 2 cm oder 3 cm derselbe
Zweck erreicht wird. Da das zum Aufnehmen der Telegramme be¬
nutzte Papier durch vielfachen Gebrauch seine abfärbende Eigen¬
schaft verliert, so ist die Einrichtung getroffen, dafs auf die Rolle C‘
jede 24 Stunden von dem Stundenziffernrad eine kleine Bewegung
übertragen wird.
Damit der Hammer auch des Vormittags 8 Uhr fällt, wird zu
dieser Zeit die Zugstange durch den Hebel O gehoben und der
Bogen R dadurch zeitweise in den durch gestrichelte Linien be-
zeichneten Stand gebracht. Sobald die Stange jedoch losgelassen ist,
spannt das steigende oder fallende Wasser den Hammer aufs neue.
Das Werk kann so eingerichtet werden, dafs nur einmal im
Monat das Aufbringen eines neuen Papierstreifens erforderlich ist.
Dieses geschieht durch Wegnehmen der Brücke P mit den Rollen
A, A‘, B, B' und C, C‘, doch mufs alsdann eine zweite Brücke mit
diesen Rollen vorhanden sein, um diese sofort an Stelle der ersteren
setzen zu können.
Gegen Dünung in dem hohlen Pegel mufs soviel wie möglich
Fürsorge getroffen werden; wenn indessen zeitweise eine Hebung
oder Senkung des Wassers von mehr als 5 cm infolge starker Wellen¬
bewegung den Hammer in Wirkung setzt, so kann solche unzeitige
Aufzeichnung ohne weiteres als solche erkannt werden.
A. V. Horn.
Termischtes.
Für ein Kaiser Wilhelm -Denkmal in Köln ist von dem ge¬
schäftsführenden Ausschüsse vor wenigen Tagen ein Preisausschreiben
erlassen worden, dem wir folgendes entnehmen. Das Denkmal
soll in Bronce oder wetterfestem Stein auf dem Kaiser Wilhelm-
Ringe in Köln errichtet werden. Zugelassen zu der Preisbewerbung
sind lediglich Angehörige des deutschen Reiches ohne Rücksicht
auf ihren Wohnsitz im In- oder Auslande. Es wird dem Künstler
überlassen, zu seiner Darstellung ein Reiter Standbild oder einen
monumentalen Laufbrunnen zu wählen. Bei der Wahl eines
Brunnen- Denkmals mufs die Gestalt des Kaisers in hervorragender
Weise zum Ausdruck gebracht werden. Es ist ein Modell des Denk¬
mals in einem Fünfzehntel der wirklichen Gröfse einzusenden, wobei
eine Abweichung bis zu .ö pCt. des Gesamtmafses gestattet ist. Bei¬
zufügen ist ein kurzgefafster Erläuterungsbericht sowie eine Zeich¬
nung der Umgebung des Denkmals. Zu dieser Zeichnung kann ein
Lageplan benutzt werden, der vom städtischen Bausecretariate unent¬
geltlich zu beziehen ist. Der Entwurf soll mit einem Kostenaufwande
von 300000 Mark für die vollständige Ausführung des Denkmals
ausschliefslich der Gründung und unter Umständen der Wasserzu-
und -ableitung ausführbar sein. Die Modelle sind spätestens bis zum
1. Juni 1890 an das städtische Museum Wallraf-Richartz in Köln
einzusenden. Sie dürfen nur mit einem Kennwort versehen sein.
Für die fünf besten Entwürfe werden ein Preis von 6000 Mark, ein
solcher von 4000 Mark und drei Preise von je 2000 Mark ausgesetzt,
welche von dem Preisgerichte vergeben werden. Dieses besteht
aus den Herren Prof. Alb. Baur - Düsseldorf, Prof. A. Donndorf-
Stuttgart, Geh. Reg. -Rath Prof. Ende -Berlin, Baurath Pflaum e-
Köln und Prof. Alb. Wolff- Berlin. Nach der Entscheidung werden
die Modelle zwei Wocken im Museum Wallraf-Richartz öffentlich aus¬
gestellt.
Die Kurfiirsteudamm ■ Gesellschaft in Berlin hat vor kurzem
durch ein auf S. 425 des vorigen Jahrganges erwähntes, im Berliner
Architektenvereine veranstaltetes Preisausschreiben die Aufmerksam¬
keit der Leser dieses Blattes auf ihre Unternehmung der Villen-
Colonie Grunewald gelenkt. Bekanntlich kommt diese Ansiedlung
ländlicher Wohnungen auf einem von der Forstverwaltung abge¬
tretenen, sich zwischen den Bahnhöfen Grunewald und Halensee, der
Försterei und dem Gasthause Hundekehle und dem Orte Schmargendorf
erstreck enden Theile des Grunewaldes zur Anlage*) und ist aufser durch
die Linien der beiden genannten Bahnhöfe durch eine Dampfstrafsen-
bahn mit der Hauptstadt verbunden. Auf der bereits verkauften Fläche
von 32 ha ist die Errichtung von 30 Villen im bevorstehenden Bau¬
jahre vertragsmäfsig gesichert, deren Mittelpunkt eine seitens der
Gesellschaft zu errichtende Doppelvilla für Gutsverwaltung, Schule
und Arzt bilden wird. Auch die Wasserversorgung, Entwässerung
und Beleuchtung — es ist elektrisches Licht in Aussicht genommen
— übernimmt die Gesellschaft, die, wie aus dem Anzeigentheile
ersichtlich ist, jetzt bereits den zweiten Theil Grundstücke westlich
des mitten in der künftigen Ansiedelung belegenen Gasthauses
St. Hubertus sowie zwischen diesem und dem Wirthshause am
Halensee zum Verkaufe ausbietet.
Die Rettigsclie Stiifeiibalm, über deren Grundgedanken und
Einzelheiten auf Seite 152 u. 170 des vorigen Jahrganges d. Bl. berichtet
wurde, ist vor kurzem vom Garnison-Bauinspector Rettig in Münster
versuchsweise zur Ausführung gebracht worden. Natürlich konnte
nur eine kleine Geleisstrecke hergestellt und mit den erforderlichen
Wagenreihen versehen werden, welche letztere von einer Dampf¬
maschine mit Hülfe einer eingeschalteten, mehrere Seilscheiben von
verschiedenem Durchmesser tragenden Welle in stufenweise ver¬
schiedener Geschwindigkeit angetrieben wurden. Die Fahrt mufste
in Ermangelung eines vollständig geschlossenen Geleisringes natür¬
lich immer nach kurzer Zeit unterbrochen werden; doch genügte die
Geleislänge, um einer Gesellschaft von Herren und Damen — etwa
60 Personen — ausreichende Gelegenheit zu wiederholten Versuchen
des Auf- und Absteigens zu bieten. Auch der Oberpräsident von
Westfalen nebst Gemahlin beehrten die Stufenbahn mit einer Be¬
sichtigung und überzeugten sich durch eigenen Versuch, dafs die
Hintereinanderschaltung mehrerer Wagenreihen es ermöglicht, mit
grofser Leichtigkeit einen Zug von 4,5 m Geschwindigkeit während
der Fahrt zu besteigen. — Dafs die Stufenbahn dieser Anforderung
genügen würde, war von vornherein nicht zu bezweifeln. Die der
*) Vgl. den Lageplan auf der letzten Seite des Anzeigentheiles
dieser Nummer.
8
Centralblatt der Bauverwaltung. 4. Januar 1890.
Ausführung des Gedankens entgegenstehenden Schwierigkeiten liegen
u. E. viel mehr in der Aufgabe des gleichmäfsigen Antriebes grofser,
geschlossener Wagenringe, als in der llenutzungsweise des neuen
Beförderungsmittels, an welches sich die grofsstädtisclie Bevölkerung
gewifs schnell gewöhnen würde. Bei der von Tag zu Tag immer
fühlbarer werdenden Unzulänglichkeit der Berliner Verkehrseinrich¬
tungen, insbesondere der Pferdebahnen, wäre cs sehr erwünscht,
dafs der hiesigen Bevölkerung ein mit etwas gröfseren Älittelu an¬
zustellender Versuch vorgeführt und damit womöglich den berufenen
Kreisen die Aiu’egung zur Aufnahme und weiteren Ausbikhing des
Gedankens gegeben würde. — m —
Besiifli der technisclieu Hocliscliale in J>armstadt im Winter¬
halbjahr 1SS1»,!>0.
Fachabtheilungen
Studirende
Hospitanten
Summe
Hie
0
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3
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rvoii si
S 3
<D Cl
^ - 53
i|l
nd
0 a
1.
Bauschule .
26
12
38
27
10
1
9^
Ingenieurschule .
33
0
0
3G
24
9
3
.3.
Maschinenbauschule .
52
4
56
25
29
2
4.
Chemisch-technische Schule :
Chemiker .
21 1
25]
101
15)
34
9
43
24
19
Pharmaceuten .
13)
5)
18 1
14)
4)
5.
Mathematisch - naturwissen-
schaftliche Schitle .
14
6
20
16
3
1
G.
Elektrotechnische Schule . .
75
7
82
25
46
11
Gesamtsumme
234
41
275
141
116
18
Technische Hochschule in Dariiistadt. Dem wissenschaftliclien
Director des zoologischen Gartens in Frankfurt a. M., Herrn Dr. phil.
Wilhelm Ilaacke, ist die Genehmigung ertheilt worden, an der
Grofsherzoglichen technischen Hochschule in Darmstadt über
Zoologie zu lesen.
Versainmluag der italienischen Architekten und Ingenieure in
Palermo im .lahre ISJH. Aehnlich den Wander-Versammlungen des
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine werden von
Seiten der italienischen Techniker bereits seit einer Reihe von Jahren
von Zeit zu Zeit Vereinigungen aller vaterländischen Fachgenossen
bald in der einen, bald in der anderen Stadt Italiens veranstaltet.
Bei der letzten Zusammenkunft im September 1887 in Venedig wurde
als Ort der nächsten Versammlung im Jahre 1891 Palermo gewählt,
und da dort in dem gleichen Jahre eine nationale Kunst- und Ge¬
werbe-Ausstellung statttinden soll, so hat man auf Anregung der
Stadtvertretung beschlossen, die Zusammenkunft diesmal zu einer
internationalen zu machen. Das Einladungsschreiben, aus dem wir
ersehen, dafs der Bürgermeister von Palermo, Duca di Verdura, selbst
als Ehrenvorsitzender an der Spitze des Ausführungs-Ausschusses
steht, ersucht um recht zahlreiche Betheiligung an dem Congresse.
Eine genaue Zeitangabe über Beginn und Dauer der Vereinigung
steht allerdings noch aus; es heifst nur, dafs dafür nicht weniger
als 8 und nicht mehr als 12 Tage in Aussicht genommen werden
sollen. Als Stätte für die Abhaltung der Versammlungen wird die
Universität bezeichnet. Die Vorträge und Verhandlungen dürfen
sich auf alle Fragen erstrecken, die die Architektur und im Ingenieur¬
fache das Civil-, Militär-, Gewerbe- und Gesundheits-Bauwesen be¬
treffen. Entsprechende Vorschläge, die in italienischer oder fran¬
zösischer Sprache abgefafst und vorgearbeitet sein müssen, darf
jeder fremde oder inländische Techniker unterbreiten, sobald er sich
als Theilnehmer zu der Versammlung durch Zahlung einer Gebühr
von 12 Franken angemeldet hat. Die Auswahl behält sich der Aus-
schufs vor, verspricht aber jedem Mitgliede zeitig genug von dei--
selben und von den Abtheilungen, in welche der Congrefs zerfallen
wird, schriftliche Mittheilung zu machen. Die mündlichen Verhand¬
lungen erhalten die Theilnehmer später gedruckt. Als sehr erwünscht
wird es bezeichnet, dafs Techniker, die an der Spitze gröfserer Bau-
Unternehmen stehen oder bei deren Ausführung hervorragend betheiligt
sind oder waren, hierüber unter Vorlegung von Zeichnungen und Mo¬
dellen Vortrag halten. Einen wesentlichen Theil des Programms,
ja dessen Glanzpunkt vielleicht, bildet die Inaussichtnahme einer
gemeinschaftlichen Rundreise durch das Innere Siciliens, auf der die
landschaftlich und kunstgeschichtlich bedeutendsten Punkte der Insel
besucht werden sollen.
Wir können dem Unternehmen der italienischen Fachgenossen
nur von ganzem Herzen den besten Erfolg wünschen. Die deutschen
Architekten und Ingenieure, welche diese Gelegenheit, den klassischen
Boden der ehrwürdigen Trinacria unter sachverständiger Führung
kennen zu lernen, benutzen, werden sicherlich einen werthvollen
Schatz von Erfahrungen, Kenntnissen und Erinnerungen nachhaltig¬
ster Art mit nach Hause bringen. Küster.
Seecaiiäle in Italien. Der gute Erfolg des Suezcanals hat auch
in Italien Pläne hervorgerufen, mit Hülfe von Seecanälen die Ver¬
bindung zwischen dem Adriatisclien und Tyrrhenischen Meere abzu¬
kürzen. Da Nachrichten hierüber in die deutsche Tagespresse ge¬
langt sind und von derselben ernst genommen zu werden scheinen,
mögen die in letzter Zeit aufgetaucliten Entwürfe auch an dieser
Stelle kurze Erwähnung finden. Romano und Fiandra wollen
einen Canal zwischen Venedig und Spezia anlegen. Bocca will
einen 200 km langen Seecanal von Fano (nördlich von Ancona) nach
Montalto di Castro (nördlich von Civitavecchia) bauen. Ein dritter
Plan nimmt die Verbindung der S. Eufemia-Bucht mit der Squillace-
Bucht des Jonischen Meeres in Aussicht. An die Ausführung dieser
ujid ähnlicher Anlagen ist unter den jetzigen Verhältnissen keines¬
falls zu denken und kann wohl auch in absehbarer Zeit kaum ge¬
dacht werden. Auch der Gedanke, Rom durch einen Seecanal mit
dem Meere zu verbinden, wird neuerdings wieder lebhaft erörtert,
dürfte aber diesmal ebenso wie bereits früher an den übermäfsig
hohen Kosten scheitern, die von den zu erreichenden Vortheilen
schwerlich aufgewogen werden können. — K.^ —
Professor Karl Elis j*. Durch das am 25. d. M. nach kurzer
Krankheit erfolgte Hinscheiden des Docenten an der Königl. techni¬
schen Hochschule und am Königl. Kunstgewerbemuseum in Berlin,
l’rofessor Karl Elis, haben beide Anstalten einen herben Verlust
erlitten. Der Verewigte war am 3. August 1838 in Halberstadt ge¬
boren. Die Eindrücke, welche die mittelalterlichen Bauwerke dieser
Stadt auf sein empfängliches Gemüth ausübten, bestimmten ihn, sich
dem Studium der Architektur zu widmen. Er besuchte die frühere
Bau-Akademie in Berlin, legte 1862 die Bauführerprüfung ab und
wurde auf Stülers und v. Quasts Veranlassung mit Wiederherstellungs¬
arbeiten an den Kirchen in Arnsberg und Soest betraut. 1866 begab
er sich zur Vollendung seines Studiums nach Berlin, wo ihm für den
Entwurf zu einem Parlamentshause seitens des Architektenvereins die
Schinkelmedaille zuerkannt wurde. Nach einigen Jahren begann er
seine Lehrthätigkeit zunächst als Hülfslehrer an dem früheren Ge¬
werbe-Institute, am Gewerbemuseum und an der Kunstschule. 1873
wurde ihm der Unterricht über mittelalterliche Formenlehre an der
Bau- Akademie übertragen, den er auch jetzt noch an der technischen
Hochschule ertheilt hat. 1877 legte er die Staatsprüfung als Bau¬
meister ab, 1884 wurde ihm der Titel Professor verliehen, zwei
Jahre hindurch war er als Hülfsarbeiter im Ministerium der öffent¬
lichen Arbeiten beschäftigt. Die Wiederherstellung der Liebfrauen¬
kirche in Burg, von ihm entworfen und ausgeführt, die Entwürfe zu
den neuen Glasfenstern der Nicolaikirche in Berlin und für drei
Fenster des Domes in Halberstadt, künstlerisch ausgeführte Adressen,
Diplome usw. gaben ihm Gelegenheit, nicht nur seine Kenntnifs der
mittelalterlichen Technik und Formensprache zu verwerthen, sondern
auch sein schöpferisches Talent zu entfalten. Auf litter arischem
Gebiete ist u. a. seine Veröffentlichung des Halberstädter Domes zu
erwähnen. Seine besondere Fähigkeit zu lehren, unterstützt dureb
hervorragendes Geschick in der zeichnerischen Darstellung, erwarben
ihm die hohe Ehre, in den Jahren 1874 bis 1877 Ihren Königlichen
Hoheiten den Prinzessinnen Charlotte und Victoria sowie dem Prinzen
Waldemar Unterricht ertheilen zu dürfen. Sein freundliches Wesen,
die liebevolle Behandlung seiner Schüler nach ihrer Eigenart sichern
ihm bei diesen wie bei seinen Fachgenossen ein treues Andenken.
Büclierschaii.
Der Bau steiiieriier Wendeltreppen, erläutert an Beispielen aus
der deutschen Gothik und Renaissance von Friedrich Rauscher. —
Verlag von Ernst Wafsmuth. (1 Band Tafeln in gr. Fol. 1 Band
Text in Quart.) Preis 90 J(.
Rauschers vorbenanntes Werk ist ein Lehrbuch, welches die
weiteste Verbreitung verdient. Aus einer grofsen Zahl vortrefflicher
Zeichnungen mittelalterlicher Treppen, die der Verfasser selbst
gemessen und aufgetragen hat, sehen wir, wie man ehedem Wendel¬
treppen baute und wie man dabei zu grofser Vollkommenheit
gelangte. Den Tafeln ist ein kurzer erklärender Text beigegeben,
der zunächst eine allgemeine Belehrung über Anlage und Gestaltung
der W endelstiegen enthält und sodann zu einer Einzelbeschreibung
der in den Tafeln vorgeführten Beispiele übergeht. Was es beim
Bau der Wendeltreppen nur Wissenswerthes giebt, welche Schwierig¬
keiten dabei in Entwurf und Ausführung zu lösen sind, das erfahren
wir bis zu jenen scheinbaren Nebendingen, die nur dem scharfen
Auge des kunstgeübten Mannes sichtbar werden. Kein Architekt
sollte die Mühe scheuen, sich den Inhalt eines Werkes zu eigen zu
machen, das eine so grofse Fülle von Lehrstoff enthält und geeignet
ist, manches Vorurtheil zu zerstreuen. R- S.
Verlag von Ernst&Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
9
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 11. Januar 1890. Nr. 2.
Redaction : SW. Zimmerstratse 7 a- fleschäftsatelle and Annahme der Anzeigen :
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Anslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Bekanntmachung vom 8. Januar 1890. — Personal-Nachrichten.
— Nichtamtliches: Seecanal nach Berlin. — Sicherheits-Weichensignal. — Zur Frage der
Freilegung des Kölner, Domes. — Bauführnng des Mittelalters. — Vermischtes:
Sammlung australischer Nutzhölzer. — Wettbewerb zur Erlangung von Plänen für
ein Gewerbemuseum in Düsseldorf. — Preisbewerbung für die Allgemeine Gartenbau-
Ausstellung im Berliner Architektenverein. — Preisbewerbung um die Trinitatiskirche
in Dresden. — Verwendung des sogenannten Monier-Gewölhes zu Strafsenbrücken. —
Theaterbrand in Zürich. — Voraussichtliche Entsendung weiterer russischer tech¬
nischer Attaches. — Eisenbahn-Wagenräder ohne Spurkränze. — Regierungs- und
Baurath Uthemann f. — Giuseppe Brentano f.
Amtliche Mittheilungen.
Bekanntmachung.
Das von dem Herrn Minister für Landwirthschaft, Domänen und
Forsten errichtete Stipendium, welches bezweckt, denjenigen in der
Richtung des Ingenieurwesens geprüften Königlichen Regierungs-
Baumeistern, welche bei vorkommenden Vacanzen als Meliorations-
Bauinspector angestellt oder anderweit mit culturtechnischen Aufgaben
betraut zu werden wünschen, Gelegenheit zu geben, sich neben ihrer
Fachbildung auch noch genügende Kenntnifs der praktischen und
theoretischen Grundlagen der eigentlichen Culturtechnik zu erwerben,
ist vom 1. April d. J. ab auf ein Jahr zu vergeben. Dem Bewerber
steht es frei, den culturtechnischen Cursus nach seiner Wahl entweder
bei der landwirthschaftlichen Hochschule hierselbst oder der land-
wirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf zu absolviren. Die Höhe
des mit Collegienfreiheit verbundenen Stipendiums beträgt 1500 Mark,
deren Zahlung in vierteljährlichen Raten im voraus erfolgt. Der
Stipendiat hat sich zu verpflichten, am Schlüsse des zweisemestrigen
Cursus sich einem Examen aus dem Bereiche der von ihm gehörten
Vorlesungen zu unterziehen. Ueber den Umfang dieser Vorlesungen
bleibt weitere Bestimmung Vorbehalten. Qualificirte Bewerber um
dieses Stipendium haben ihre Meldung unter Beifügung der bezüg¬
lichen Atteste, aus denen die bisher erlangte Ausbildung ersichtlich
ist, bis zum 1. Februar d. J. an mich einzureichen.
Berlin, den 3. Januar 1890.
' Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
Im Aufträge
Schultz.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den
Regierungs- und Bauräthen K rieh eldorff, Director des Königlichen
Eisenbahn -Betriebs -Amts (Directionsbezirk Bromberg) in Berlin,
Hinüber, Director des Königlichen Eisenbahn - Betriebs - Amts
(Directionsbezirk Erfurt) in Cassel, Rumschoettel, Mitglied der
Königlichen Eisenbahn - Direction (rechtsrh.) in Köln, Sebaldt,
Director des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts in Aachen, Nah¬
rath, Director des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts in Stolp, und
Rüppell, Mitglied der Königlichen Eisenbahn -Direction (linksrh.)
in Köln, den Charakter als Geheimer Baurath, sowie ferner dem
Hafen-Bauinspector Schierhorn in Pillau den Rothen Adler-Orden
IV. Klasse zu verleihen und den nachbenannten Beamten die Erlaub-
nifs zur Anlegung der ihnen verliehenen nichtpreufsischen Insignien
zu ertheüen, und zwar: des Komthurkreuzes I. Klasse des Herzoglich
sachsen-ernestinischen Haus-Ordens dem Geheimen Ober -Regierungs-
Rath Bensen, Vorsitzenden des Eisenbahn -Commissariats in Berlin;
des Ehrenritterkreuzes I. Klasse des Grofsherzoglich oldenburgischen
Haus- und Verdienst-Ordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig dem
Regierungs- und Baurath Eilert, Director des Eisenbahn-Betriebs-
Amts in Saarbrücken; des Kaiserlich russischen St. Annen-Ordens
III. Klasse dem Eisenbahn -Director Werchan, Mitglied der Eisen-
bahn-Direction in Berlin; des Fürstlich waldeckschen Verdienst-Ordens
III. Klasse dem Baurath Queisner in Arolsen, betraut mit der Bau¬
inspectorstelle für die Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont, sowie
des Kaiserlich russischen St. Stanislaus-Ordens III. Klasse dem Eisen¬
bahn-Maschineninspector Garbe, Vorsteher der Hauptwerkstatt
(Eisenbahn-Directionsbezirk Berlin) in Berlin und dem Regierungs-
Baumeister Pritsch im betriebstechnischen Bureau der Königlichen
Eisenbahn-Direction in Altona.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Rudolf Peschke aus Wioska, Kreis Graetz
(Ingenieurbaufach); — Hermann Liebenau aus Grofs - Neudorf,
Kreis Bromberg, Otto Mangelsdorff aus Rusiec bei Exin, Friedrich
Leutfeld aus Düsseldorf, Robert Kampfhenkel aus Branden¬
burg a. H. und Max Lud ewig aus Rostock i. M. (Hochbaufach).
Die Regierungs- und Bauräthe Wagemann, Director des König¬
lichen Eisenbahn-Betriebs-Amts in Cottbus, und Uthemann, Director
des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts (Main -Weser-Bahn) in
Cassel, sowie der Baurath Braune, Vorsteher der Eisenbahn-Bau-
inspection I in Elbing, sind gestorben.
Deutsches Reich.
Garnison - B auverwaltung. Der Regierungs - Baumeister
Pasdach in Braunschweig ist zum Garnison-Bauinspector ernannt.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Ein Seecanal nach Berlin.
Von Wasserbauinspector W. Germelmami in Berlin,
Ungefähr elf Jahre sind es her, da erschien im Buchhandel eine
kleine Schrift „Berlin ein Stapelplatz des Welthandels“, die den bald
nachher verstorbenen Dr. Strousberg zum Verfasser hatte. In dem
anregenden Buche führte Dr. Strousberg den Entwurf zu einem Nord-
Ostsee-Canal vor, der bei Glückstadt an der Elbe beginnt, seinen
Lauf die Elbe hinauf bis Wittenberge nimmt, von hier als Schleusen¬
canal über Berlin, Liebenwalde, Oderberg geht, die Oder aufsucht
und endlich bei Stettin in das Haff und die Ostsee mündet. Der
Canal sollte für den grofsen überseeischen Verkehr angelegt
werden, und Berlin, das Herz von Deutschland, war als mächtiger
Seehandelshafen und als Hauptstapelplatz aller überseeischen Er¬
zeugnisse gedacht. In der That ein grofsartiger Gedanke, zumal in
einer Zeit, wo künstliche Wasserstrafsen noch wenig im Ansehen
standen. Dr. Strousberg begründete die Nothwendigkeit einer der¬
artigen Canalverbindung mit dem Hinweis darauf, dafs unsere See¬
handelshäfen Hamburg und Bremen nicht genügende Fühlung mit
dem Binnenlande und nicht Antheil genug an der heimischen Ge-
werbthätigkeit hätten und deshalb sich vorzugsweise auf die leichtere
Einfuhr ausländischer Waren legten, die minder einträgliche und
mühevollere Ausfuhr aber sehr vernachlässigten. Dieses Verhältnifs
wirke nachtheilig auf die Entwicklung der Industrie, hindere deren
Ausdehnung und habe veranlafst, dafs unsere Handelsflotte in Verfall
gerathen und hinter der des skandinavischen Reiches und Italiens
zurückgeblieben sei. So überzeugend die in dem Büchlein angeführten
Gründe für den aufmerksamen Leser zum Theil auch sein mögen,
so ist dennoch der Erfolg desselben damals ein sehr geringer ge¬
wesen. Mit dem Worte „Schwindel, überspannte Idee“ wurde dieser
grofse Gedanke abgethan.
In dem verflossenen Jahrzehnt hat sich in dieser Hinsicht
vieles geändert. Wurde früher die Wasserstrafse als das Aschen¬
brödel der Verkehrswege angesehen und stiefmütterlich behandelt,
so hat sich hierin heute schon ein merklicher Wandel geltend
gemacht, und die Frage der Verbesserung und des Ausbaues der
Wasserstrafsen ist ganz bedeutend in den Vordergrund getreten.
Kann man die vergangene Zeit die Zeit der Eisenbahnen nennen, so
scheinen alle Anzeichen dafür zu sprechen, dafs die nächsten Jahr-
10
Centralblatt der Bauverwaltung.
11. Januar 1890.
zehnte der Ausbildung des Wasserstrafsennetzes gehüren. Unter solchen
Verhältnissen darf es daher nicht Wunder nehmen, wenn Canalent¬
würfe schon jetzt in übergrofser Zahl auftauchen und die Ausführung
derselben von berufener und niclit berufener Seite berechtigter- oder
unberechtigterweise verlangt wird. Begnügte man sich aber noch
vor 6 bis 7 Jahren mit der Forderung von Wasserstrafsen für die
grofsen Verkehrsmittelpunkte des Binnenlandes von 2 bis 2,5 m Tiefe
für Schiffsgefäfse bis zu 10 000 Ctr. Tragfähigkeit, so erschallt heute
schon überall der Kuf nach dem Seeschiff. Seit dem Tage, wo der
belgische Ingenieur Gobert auf dem Binnenschiffahrts-Congresse in
Brüssel das geflügelt gewordene Wort „Bruxelles port de mer“ aut-
geworfen hat, kann dieses Wort auch tür andere Städte keine Buhe
mehr finden. Ueberall hört man die Losung: „SeecanaT’, und es hat
Wochen gegeben, wo man kaum eine gröfsere Zeitung in die Hand
nehmen konnte, ohne diesen Gegenstand in der einen oder anderen
Weise behandelt zu sehen. So ist es denn nur natürlich, dafs in
Deutschland, zumal man auch in Frankreich bemüht ist, Paris zur
Seestadt zu machen, der Wunsch ebenfalls auftaucht, Berlin, die Haupt¬
stadt des deutschen Beiches, mit den Weltmeeren in unmittelbare Ver¬
bindung zu bringen. Nachdem aber dieser Gedanke von Seiten der
Laien in ausgiebigster Weise behandelt und besprochen ;ist, er¬
scheint es angezeigt, denselben auch einmal vom technischen Stand¬
punkte aus auf seine Möglichkeit und Nützlichkeit zu prüfen.
Anregung hierzu hat ein von dem Vice.admiral Bätsch in der
„Deutschen Bevue" veröffentlichter Aufsatz gegeben, der betitelt ist
„Das erste Seeschiff in Berlin“. In demselben beschäftigt sich der
Herr Verfasser zunächst damit, den Nachweis zu führen, dafs das
deutsche Volk nicht innig genug mit dem Weltmeer in Verbindung
stehe und deshalb auch auf dem grofsen Weltmärkte eine verhältnifs-
mäfsig bescheidene Stellung einnähme. Er meint, dafs diesem Uebel-
stande durch Verbesserung der Wasserstrafsen abzuhelfen sei, be¬
schäftigt sich dann des längeren mit der Transportkostenfrage auf
Eisenbahnen und Canälen und kommt endlich zu der Ueberzeugung,
dafs dem ersterwähnten Mifsverhältnifs nur entgegengetreteu werden
könne, wenn man Berlin unmittelbar mit dem überseeischen Verkehr
in Verbindung bringe, alle binnenländischen Wasserstrafsen nach
Berlin ausbaue und somit Berlin zu einem Welthandelsjffatze um-
schaö'e, von dem aus ganz Deutschland belebt und versorgt würde.
Herr Bätsch hält eine Verbindung Berlins mit der Elbe und weiter
mit der Nordsee wohl für möglich, kommt aber wegen der grofsen
Schwierigkeiten, die eine Vertiefung der Elbe verursacht, und wegen
der sehr grofsen Länge des Canals zu der Ueberzeugung, dafs es
besser sei, schon um dem wirthschaftlich günstiger gestellten Westen
gegenüber gewissermafsen im Osten ein Schwei'ge wicht zu schaffen,
einen Seecanal von Berlin zur Ostsee bei Stettin zu bauen. Nach
den Angaben des Aufsatzes soll der Seecanal von Berlin aus das
Pankethal verfolgen, bei Steinfurt-Grafenbrück den Finowcanal er¬
reichen, diesen dann bis Hohensaathen verfolgen und weiter die Oder
bis Stettin benutzen. Die Länge des so geführten Canals beträgt:
Berlin-Hohensaathen 84 km, Hohensaathen-Stettin 76 km, zusammen
160 km.
Im grofsen und ganzen hat Herr Bätsch den alten Strousbergschen
Gedanken wieder aufgenommen, hat aber, weil bereits ein Nord-Ostsee¬
canal im Bau begriffen ist, nur den einen Arm des Strousbergschen
Planes ins Auge gefafst und die Bichtung desselben in nicht gerade
glücklicher Weise etwas verändert. Vollständig im Einklang mit den
thatsächlichen Verhältnissen ist von ihm die Höhe des Wasserspiegels,
von dem man in Berlin ausgehen mufs, zu ungefähr 30 m über dem
Wasserspiegel der Ostsee angenommen. Im weiteren Verfolge der Be¬
sprechung haben sich jedoch mehrere Voraussetzungen eingeschlichen,
die dem Verfasser zu fälschen Schlufsfolgerungen Veranlassung geben
und dadurch geeignet sind, in den Augen der Laien Hoffnungen zu er¬
wecken, deren Verwirklichung denn doch mit viel gröfseren Schwierig¬
keiten zu kämpfen hat, als der Aufsatz es glauben machen will.
Herr Bätsch läfst nämlich irrigerweise die Oder von der Mündung
des Finowcanals bis Stettin um 10 bis 12 m fallen, obgleich zur Zeit
des mittleren Wasserstandes hier nur ungefähr 1 m Gefälle vorhanden
ist. Auf diese Weise sind 10 m Höhenunterschied zwischen Berlin
und Hohensaathen verschwunden, und weitere 10 m verlieren sich im
Laufe der Auseinandersetzungen noch auf unerklärliche Weise, sodafs
von den zuerst angegebenen, 30 m betragenden und thatsächlich auch
vorhandenen Gefällunterschiede bei Herrn Bätsch nur noch 10 m für
die Staffelbildung des Schleusencanals von Berlin bis zur Oder übrig
bleiben, die nach Ansicht des Verfassers leicht mit zwei Schleusen
von je 5 m Gefälle überwunden werden können. Aus diesen günstigen
Höhenverhältnissen wird alsdann der Schlufs gezogen, dafs ein Seecanal
nach Berlin längst nicht die Schwierigkeiten biete, wie der in der
Ausführung begriffene Seecanal von Liverpool nach Manchester, bei
dem auf etwa 56 km Länge rund 17 m Höhe zu überwinden sind.
Bevor in die technische Untersuchung der von Herrn Bätsch vor¬
geschlagenen Canallinie des weiteren eingegangen werden kann, wird es
nöthig sein, die Grundlagen zu einer solchen Besprechung zu schaffen.
Der Aufsatz behandelt die Seecanalfrage nur sehr allgemein; es fehlen
deshalb Angaben über die Abmessungen, die dem Canal gegeben
werden sollen, vollständig. Für dieselben ist in erster Linie der in
Aussicht genommene Tiefgang der Schiffe mafsgebend, aus dem sich
dann die weiteren Abmessungen von selbst ergeben. Eine Bede-
wendung des Aufsatzes deutet jedoch darauf hin, dafs dem Verfasser
ein Seec.anal vorgeschwebt hat, auf dem Schifte bis zu 6 m Tiefgang
verkehren sollen; die Wassertiefe hätte demnach mindestens 6,5 m
zu betragen. Diese Annahme entspricht den Verhältnissen der Ostsee
und der Ostseehäfen durchaus, die Tiefe genügt für ^8 der Handels¬
marinen aller Länder, wie dies in dem Entwürfe für den Nord-Ostsee¬
canal ebenfalls mitgetheilt worden ist. Bei einem Seecanal mufs
der Wasserquerschnitt mindestens das Fünf- bis Sechsfache des
eingetauchten Schiffsquerschnittes betragen; letzteren zu 50 qm an¬
genommen, ergiebt einen Wasserquerschnitt von 250 bis 300 oder im
Mittel 275 qrn. Hieraus bestimmt sich die Sohlenbreite, wenn man
den Canal zunächst einschiffig macht, zu 2,5 bis 3 mal dem Tiefgang
der Schiffe, also zu etwa 20 m. Bei zweifacher Böschung, 20 m Sohlen¬
breite und 6,5 m Tiefe unter Annahme von 2,5 m breiten seitlichen
Bermen erhält der Wasserspiegel eine Breite von rund 50 m. Die
nutzbare Schleusenlänge wird auf rund 100 m und die Breite in den
Häuptern auf 15 m einzurichten sein. Das Gefälle! der Schleusen ist
entsprechend dem Aufsatze zu 5 m bemessen. In den weiteren Aus¬
führungen ist diese Annahme beibehalten, trotzdem vielleicht in Er¬
wägung zu ziehen wäre, ob nicht hydraulische Hebevorrichtungen,
Schwimmschleusen in der Weise, wie sie im vergangenen Jahre vom
Königlichen Begierungs- Baumeister Petri vorgeführt wurden, oder
Schleusen mit gröfseren Gefällen bis 11 m, wie solche für den Panama¬
canal von Eiffel in Vorschlag gebracht worden sind, am Platze sein
möchten. Die Schleuse mit 5 m Gefälle ist bei dem Stande der
heutigen Technik jedenfalls sicher herzustellen, sie wird auch beim
Seecanal von Liverpool nach Manchester zur Ausführung gebracht
und hat deshalb wohl ein Becht, einer Besprechung wie der vor¬
liegenden zu Grunde gelegt zu werden.
Nach diesen Festsetzungen kann nun der Hauptfrage der Wasser¬
versorgung des Canals näher getreten werden. Der Aufsatz nimmt
an, dafs die Wasserversorgung aus der Spree und Havel reichlich
gedeckt werden kann. Zur Zeit des niedrigsten Wasserstandes führt
die Spree etwa 13 cbm, die Havel bei Spandau nach den Messungen
von Veitmeyer ungefähr die Hälfte hiervon. Wird man also das
Wasser beider Flufsläufe zur Speisung heranziehen können, so stehen
hierzu in der Secunde rund 20 cbm zur Verfügung. Verbraucht wird
das Wasser zum Füllen der Schleusen, und aufserdem geht ein Theil
verloren durch Versickern, Verdunsten und durch Undichtigkeiten
im Canal. Es soll angenommen werden, dafs jedes Schiff’ sowohl zum
Abstieg als zum Aufstieg rund 8000 cbm, d. i. eine Schleusenfüllung
Wasser gebraucht; für die sonstigen Verluste sind täglich noch 8 mm
Wasserhöhe des Canals in Abgang zu bringen, sodafs sich der tägliche
Wasserverbrauch aus der Zahl der verkehrenden Schiffe mal 8000 und
der Wasserfläche mal 8 mm ergiebt. Die Strecke von Hohensaathen
nach Stettin kommt bei der W asserversorgung nicht in Frage. Eechnet
man, dafs Berlin als Seehandelsstadt denselben Verkehr erreicht, den
Antwerpen 1886 besafs, so würden ungefähr 4 000 000 Tonnen in
Betracht zu ziehen sein. Die durchschnittliche Ladung zu rund
500 Tonnen bemessen, giebt einen Schiffsverkehr von 8000 Schiffen,
die innerhalb 250 Tagen den Canal durchfahren müfsten, was einem
Tagesverkehr von 32 Schiffen gleichkommt. Es werden mithin ge¬
braucht 32 . 8000 4- 50.84 000 . 0,008 = 300 000 cbm Wasser im Tage
oder in der Secunde rd. 3,5 cbm. 20 cbm stehen aus Spree und Havel
zur Verfügung, die Entnahme von 3,5 cbm dürfte demnach wohl zu¬
lässig erscheinen, ohne gröfsere wirthschaftliche Nachtheile im Ge¬
folge zu haben. Der Bestand der Wassertriebwerke bei den
Spandauer Mühlen kann hierbei nicht ausschlaggebend sein, und
die Schiffahrt der Elbe und Havel wird eine nennenswerthe Einbufse
nicht erfahren. Bei dem grofsen Wasserquerschnitt der Elbe kommt
diese geringfügige Wassermasse kaum in Betracht.
In dem Uebersichtsplane (Abb. 1) ist nun mit Hülfe der General¬
stabskarten versucht, den Gedanken des Herrn Bätsch nachzugehen
und die Linie darzustellen, die der vorgeschlagene Canal anzunehmen
hätte. Der Anfangspunkt ist in den Tegeler See verlegt. Der Auf¬
satz spricht sich hierüber nicht aus, doch sind mit diesem Anfang
eine ganze Menge Vortheile verknüpft, die an irgend einer anderen
Stelle in der Nähe Berlins nicht vorhanden sind, oder nur mit un¬
geheuerlichem Kostenaufwande gewonnen werden können. Zunächst
würde der Tegeler See sich wegen seiner Tiefe leicht zu einem Seehafen
ausbilden lassen, die nöthigen Kailängen sind durch die langen Ufer,
Werder und Inseln in bedeutendem Mafse vorhanden; die Wasser¬
verbindung nach Berlin mit den Canälen und der Spree ist gegeben
oder läfst sich leicht hersteilen, das umgebende Gelände ist noch
unbebaut und die Höhenlage des Wasserspiegels ist eine derartige.
Centralblatt der Bauverwaltang.
11
2.
dafs sowohl das Wasser der Havel wie der Spree zur Speisung des
Canals benutzt werden kann. Bei gewöhnlichen Verhältnissen liegt der
Tegeler See auf Ord. 31,0 N. N. (niedrigstes Wasser Ord. 30,85), während
der Wasserspiegel der Spree
beim Charlottenburger
Wehr nicht unter 30,40 N. N.
fallen kann. Schiebt man
den Spreewasserstand um
20 bis 30 cm in die Höhe
und senkt den Tegeler See
um ebensoviel, was durch
die vorhandenen Stauwerke,
ohne Schädigungen herbei¬
zuführen, leicht geschehen
kann, so würde man als
Ausgangsordinate des
Wasserspiegels für den
Seehafen von Berlin etwa
30,70 anzunehmen haben.
Diese Höhe von Berlin
ist, wie der Längenschnitt
in Abb. 2 zeigt, bis zum
Finowcanal beibehalten und
mufste auch bis zum Ab¬
stieg in das Oderthal
durchgeführt werden , weil
höher gelegene Haltungen
nicht mehr gespeist werden
können. Den Finowcanal
schneidet die Canallinie
bei Grafenbrück. Hier
hat die untere Haltung
die Ord. 29,70 bezw. 29,17,
je nachdem Hochwasser
oder Niedrigwasser im
leicht bewerkstelligen zu können. Zu dem Ende mufs in dem Finow-
canale die untere Haltung etwas höher gelegt werden, sodafs sie in
gleicher Höhe mit Berlin oder um ein geringes Mafs tiefer liegt.
Der Abstieg nach dem
Oderthal hat mit sechs
Schleusen und nicht mit
zwei, wie Herr Bätsch
meint, zu erfolgen; die
Schleusen bekommen im
Durchschnitt 5 m Gefälle.
Der Canal soll nicht in den
Finowcanal, sondern neben
denselben gelegt werden,
er geht nördlich um Ebers¬
walde herum und schmiegt
sich dann der Eichtung
des vorhandenen Canals
möglichst an. Den Finow¬
canal in einen Seecanal
umzubauen , wäre ein
grofser Fehler, weil da¬
durch für viele Jahre
hinaus der Kleinschiffahrts¬
verkehr unterbrochen und
damit eine arge Benach-
theiligung desselben her¬
beigeführt würde. Vom
Geldstandpunkte aus ist
die Benutzung des Finow¬
canals ebenfalls nicht zu
rechtfertigen , denn , wenn
dieser wegfällt, müssen
im neuen Seecanal neben
den grofsen noch kleine
Schleusen erbaut werden.
Abb. 1. Uebersichtsplan.
Seecanal nach Berlin.
Querschnitt im tiefsten Einschnitt.
Mafsstat) f. d. Höhen. Mafsstah f. d. Längen.
Abb. 2. Quer- und Längenschnitt.
Seecanal nach Berlin.
Canal ist, die obere Haltung die Ord. 33,04 bezw. 32,77. Es wird
jedenfalls zweckmäfsig sein, den Finowcanal in Wasserspiegel¬
höhe zu schneiden, um einen Uebergang von- diesem zum Seecanal
deren Herstellung voraussichtlich mehr kostet, als bei der Benutzung
des Finowcanals sich ersparen läfst.
(Schlufs folgt.)
Das Sicherheits
Die immer mehr zur Anwendung gelangenden Stellwerke ge¬
währen durch die Abhängigkeit zwischen den Signal- und Weichen¬
hebeln, welche das Ziehen eines Signalhebels nur nach richtiger
Einstellung der in der Fahrtrichtung liegenden Weichen gestattet,
eine grofse Sicherheit für die Einfahrt der Züge. Es ist aber be¬
kannt, dafs diese Sicherheit besonders bei den Stellwerken mit
Drahtzügen durch den Wechsel in den Wärmegraden der Luft um
so mehr beeinträchtigt wird, je weiter die betreffenden Weichen von
dem Stellwerke entfernt sind, je länger also die Drahtzüge werden;
denn bei Leitungen von einer gewissen Länge können die Weichen¬
hebel am Stellwerke ln ihren Endstellungen eingeklinkt werden,
■Weichensignal.
auch wenn der feste Zungenschlufs durch zwischenliegenden Schnee,
Steine usw. verhindert wird. Aus diesem Grunde werden an den
entfernteren Weichen besondere Siegel angebracht, welche bei rich¬
tiger Stellung der Weichen durch die Signal-Drahtzüge verschlossen
werden und bei nicht [genauem Zungenschlufs das Ziehen des Ein¬
fahrtsignals verhindern. Die durch diese Sicherheitsriegel für die
Einfahrt der Züge auch bei den entferntesten Weichen gegebene
Sicherheit entfällt beim Verschieben der Züge innerhalb der
Stationen.
Um auch für diesen Fall dem Stationsbeamten die Möglichkeit
zu bieten, sich von der richtigen Stellung der weitabliegenden
12
Ceutralblatt der B auverwaltnng.
11. Januai' 1890.
Weichen zu überzeugen, ohne sich zu denselben hin begeben zu
müssen, habe ich versucht, die Weichenlaternen zu Signalen aus¬
bilden zu lassen, an welchen aus der Ferne nicht allein die Stellung
der Weichen, sondern auch der genaue Zungeuschluls erkannt
werden kann.
Das Ergebnil’s der zu diesem Zwecke in Gemeinschaft mit der
Eisenbahnsignal- Bauanstalt Max Jüdel u. Co. in .Braunschweig aus-
gefiihrteu Versuche bildet das auf beifolgender Zeichnung dargestellte
„Sicherheits- Weichensignal“.
Die AVeichenlaterre — Abb. 1 bis 4 — hat hierbei eine sechs-
oder achteckige Form, also sechs oder acht Seiten erhalten. Von
diesen sind, wie bei der gewöhnlichen Weichenlaterne, zwei einander
gegenüberstehende Seiten mit rechteckigen Scheiben aus Fensterglas
und zwei ebenfalls einander gegenüberstehende Seiten mit Milchglas
ist zu berücksichtigen, dafs bei gleicher Gröfse des umschriebenen
Kreises die sechseckige etwas breitere Seiten hat, während die acht¬
eckige den Vorth eil gewährt, dafs bei Stellung der Weiche auf das
krumme Geleis die Fensterglasscheiben nicht verdeckt sind, sondern
im Dunkeln zur Erleuchtung der Weiche dienen.
Die Bewegung des Sicherheits -Weichensignals erfolgt nicht, wie
bei der gewöhnlichen Weicheulaterne, gleichmäfsig während der
ganzen Umstellung, sondern ruckweise in zwei Absätzen. Dasselbe
dreht sich zunächst um 60 Grad bei der sechseckigen bezw. 45 Grad
bei der achteckigen Form, bleibt während der eigentlichen Um¬
stellung der Weiche stehen und dreht sich zum Schlufs nochmals
um 60 bezw. 45 Grad. Für die Anbiängung des Signals ist es daher
erforderlich, dafs auch die Umstellung der Weiche in drei Abschnitten
erfolgt, sodafs in dem ersten die Entriegelung der anliegenden Zunge,
in Form eines Pfeiles und einer kreisrunden Scheibe versehen, ent¬
sprechend den vorgeschriebenen Signalbildern, welche die Stellung
der Weiche auf das gerade oder krumme Geleis kennzeichnen. Die
beiden letzten Seiten der sechseckigen, bezw. zwei einander gegen¬
überstehende Seiten der achteckigen Laterne sind mit rother Farbe
gestrichen und mit einem roth verglasten Ausschnitt (in Abb. 1
und 4 punktirt) versehen. Diese bei richtiger Stellung der Weichen
und genauem Zungenschlufs nicht sichtbaren Seiten treten sofort zu
Tage, sobald bei der Umstellung die anliegende Zunge den festen
Anschlufs verliert, bleiben während der Umstellung der Weiche
sichtbar und verschwinden erst, sobald die andere Zunge zum An¬
liegen gekommen ist und verriegelt wird. Bei gefahrloser Stellung
der Weiche dienen zum Verdecken dieser, die Gefahrstellung an¬
zeigenden Seiten bei der sechseckigen Laterne zwei kreisförmig
gebogene Blenden AA und BB (Abb. 2), bei der achteckigen vier
gerade Blenden CC, DD, EE und FF (Abb. 3), welche aus Blech
gearbeitet und mit dem Laternenbock fest verbunden sind. Nach
den beiden Bichtungen des Geleises werden in den Zwischenräumen
AB bezw. CD und EF die verschiedenen Weichensignale sichtbar.
Bei der Wahl zwischen einer sechseckigen und achteckigen Laterne
in dem zweiten die Umstellung und in dem dritten die Verriegelung
der anderen Zunge bewirkt wird. Diese Art der Umstellung ist
bereits vielfach bei Weichen angewandt, die von Stellwerken bedient
werden, indem die Verbindungsstange der Zungen mit Zwischen¬
gelenken versehen ist.
In der Zeichnung ist angenommen, dafs die LTmstellung der
Weiche mittels eines Weichenstellschlosses nach dem Patent Büssing
erfolgt, wie solches in Nr. 8 der technischen Mittheilungen aus der
Eisenbahnsignal - Bauanstalt von Max Jüdel u. Co. in Braunschweig
vom Jahre 1887 beschrieben ist.
Die in der Verlängerung der Weichenzugstange a angebrachte
Laternenzugstange b ist nicht fest mit der Laternenstange c ver¬
bunden, sondern umfafst dieselbe, um die erforderliche Führung zu
erzielen, mit einer Schleife de (Abb. 2, 8 und 9). Die hieran be¬
festigten beiden Stifte f und bewirken die Drehung der Laterne,
indem sie gegen den an der Laternenstange befestigten Kloben gJi
stofsen. In den Endlagen — Abb. 5 und 7 — drückt einer der
beiden Stifte f oder gegen eine Nase g des Klobens und hält die
Laterne fest, wobei gleichzeitig am anderen Ende des Klobens der
Ansatz h gegen die Schleife d drückt und eine zu weite Drehung
Centralblatt der Bauverwaltung.
13
Kr. 2.
der Laterne verhindert. In der Gefahrstellung — Abb. 6 — schleift
eine zwischen den beiden Stiften f und befindliche Gleitfläche kk^
— Abb. 8 und 9 — an dem Kloben entlang, sodafs keine Drehung
der Laterne erfolgen kann. Die Bewegung der Weiche und der
Laterne ist aus den Abb. 5, 6 und 7 ersichtlich. Abb. 5 zeigt die
Stellung der Weiche auf das krumme Geleis; bei einer Umstellung
bewegen sich die Zugstangen a und b in der Eichtung des Pfeils,
die rechte Weichenzunge wird entriegelt und die Laterne bis zur
Gefahrstellung gedreht. Abb. 6 zeigt den weiteren Verlauf der Um¬
stellung, die beiden Weichenzungen werden bis zum Anliegen der
linken Weichenzunge weiterbewegt, die Laterne wird in der Gefahr¬
stellung festgehalten, bis die linke Zunge verriegelt und gleichzeitig
die Laterne für das gerade Geleis richtig gedreht wird (Abb. 7).
Diese letzte Bewegung der Laterne kann nur erfolgen, sobald die
Weichenzunge so fest anliegt, dafs auch die Verriegelung bewirkt
werden kann. Die Bewegung der Weichenzugstange kann hierbei
mittels Drahtzugs oder Gestänges aus der Ferne oder von einem
Handweichenbock aus bewirkt werden.
Bei den von Stellwerken bedienten Weichen bleibt bei einem
etwaigen Aufschneiden die Laterne in der Gefahrstellung stehen,
bis die Weiche wieder vom Stellwerke aus verriegelt wird; Hand¬
weichen werden durch das schwere Gegengewicht nach dem Auf¬
schneiden in der neuen Stellung verriegelt.
Die Anwendung des Sicherheits -Weichensignals dürfte sich bei
allen von Stellwerken bedienten Weichen und bei allen in Haupt¬
geleisen liegenden, spitzbefahrenen Handweichen empfehlen. Es ge¬
währt einen sieheren, aus Entfernungen bis 300 ra erkennbaren
Verschlufs.
Das erste nach diesem System ausgeführte Weichensignal wurde
vor 3 Jahren auf Bahnhof Loecknitz aufgestellt und hat sich völlig
bewährt. Inzwischen sind einzelne Theile der Construction weiter
ausgebildet und auf verschiedenen Stationen des Betriebsamts Stettin-
Stralsund 27 derartige Signale mit ebenso günstigem Erfolge her¬
gestellt.
Stettin, im October 1889. Lademann,
Eegierungs- und Baurath.
Zur Frage der Freilegung des Kölner Domes
ergreift die neuerdings gebildete Vereinigung von Privat¬
architekten in Köln*) das Wort in einem Rundschreiben, in
welchem sie einen der ältesten Freilegungs- Vorschläge, den so¬
genannten Philipp sehen, wieder ans Tageslicht zieht und in
etwas veränderter Form zu dem ihrigen macht. Der Stand der
Frage der Domfreilegung ist den Lesern aus dem zusammenfassen¬
des Beschauer-Standpunktes vom Südportale des Domes in etwas
verkürzt werden würde.**) Den Mehrkostenaufwand ihres Entwurfes
gegenüber dem Stübbenschen berechnet die Vereinigung auf höch¬
stens 5 — 600 000 Mark. — Die „Westprojecte“ werden von dem Süd-
westvorschlage, wenn wir diese Bezeichnung für den Plan Philipps
und der Vereinigung wählen dürfen, örtlich nicht durchkreuzt, viel-
Norden.
t.,.P . ■ ■ ■ . ■ ■ ^^9
Plan, der Umgebung des Domes in Köln mit den Entwürfen zur Freilegung.
den Aufsatze des Herrn Stadtbaumeister J. Stubben im Jahr¬
gange 1887 S. 427 dieses Blattes bekannt. Zwei Freilegungspläne
aus der Zahl derer, die in den letzten fünf Jahren aufgetaucht
sind, erfreuen sich der Gunst der betheiligten Kreise, das sogenannte
Stübbensche „ Süd - Project “ und der Heimann - Kaafsche
Vorschlag für die Freilegung der Westseite. Das erstere geht,
nachdem es an Allerhöchster Stelle genehmigt ist, bereits seiner Ver¬
wirklichung entgegen, und die Durchführung des letzteren mit dem
Reste der aus den bewilligten Lotterieen fliefsenden Geldmittel findet
lebhafte und einflufsreiche Fürsprache. Der Philippsche Vorschlag
nun und mit ihm jetzt der der Kölner Architekten-Vereinigung gehen
darauf hinaus, die wirksamste Gesamtansicht des Domes, die Süd¬
westperspective , zur freien Erscheinung zu bringen. Die vor¬
stehende Abbildung läfst den Gedanken erkennen. Seine Durch¬
führung würde erreicht werden durch südöstliche Verschiebung
und anderweite Gestaltung des das Domhotel enthaltenden Häuser¬
blockes zwischen Wallrafs-Platz und Domhof, wie dieser Block aus
der Durchführung des Stübbenschen Planes hervorgeht (vgl. unsere
Abbildung mit der auf S. 427, J. 1887). Stübbens an sich vor¬
trefflicher Plan würde dadurch nur insofern um ein geringes beein¬
trächtigt werden, als der in ihm angenommene senkrechte Abstand
*) Vgl. J. 1889 S. 442.
mehr nur insofern geschädigt, als ihrer Durchführung die genannte
Geldsumme entzogen werden würde.
Der leider etwas spät kommende Vorschlag der Kölner Archi¬
tekten-Vereinigung verdient gewifs Beachtung. Er würde zu dem
Ueberblicke über den Dom von einem Standpunkte aus verhelfen,
für den sich jeder Architekt in erster Linie entscheiden würde, wenn
es sich für ihn um eine Gesamtdarstellung des Bauwerkes handelte,
und den z. B. auch der Architekturmaler Prof. Conrad für sein
im Vatican befindliches Dombild ausgewählt hat. Wir sind entfernt
davon, zu weit getriebenen Freilegungsplänen das Wort zu reden.
Die Erhaltung der umgebenden Gebäude in gewisser Nähe eines
hervorragenden Bauwerkes ist für dessen Gesamterscheinung und
Mafsstab von ebenso grofsem Werthe wie für die Bildung der um¬
liegenden Plätze. Doch wenn der Philippsche Plan, der den er¬
wähnten Häuserblock in der Nord -Süd -Richtung schmaler machte
und weiter vom Dom abrückte, in dieser Beziehung schon etwas zu
weit ging, so scheint sich der Vorschlag der Vereinigung, der nach
dieser Richtung allerdings einer sorgfältigen Prüfung an Ort und
Stelle zu unterziehen sein wird, doch innerhalb der zulässigen Grenzen
zu halten. — d.
**) In der Abbildung ist dieser nähere Standort durch einen
Punkt bezeichnet, ebenso der Standort auf dem Wallrafplatze.
Die Bauführung des Mittelalters
Wenn es sich um die Frage handelt, wie einer Kunstübung
fördersam durch öffentliches Wirken zu helfen sei, sind wir geneigt,
den gesellschaftlichen Verhältnissen der Künstler nachzuspüren und
aus einer Hebung ihrer Lebensstellung auch eine Hebung des Schaffens
zu erhoffen. Bei der kunstgeschichtlichen Betrachtung betreffen wir
uns leider meist auf mehr idealistischer Lebensauffassung. Dort glauben
wir nur zu leicht an die Alleinmacht geistiger Strömungen und achten
wenig auf die gesellschaftliche Stellung der Schaffenden. Es ist daher
von hohem Werthe, einem Buche zu begegnen, welches dieser Ein¬
seitigkeit nicht huldigt, nämlich der soeben in zweiter Auflage er-
14
Centralblatt der Bauverwaltung.
11. .laiiiiar 1890,
schienenen Arbeit Stephan Beissels über die Ballführung des
Mittelalters.*)
Dieses treffliche Werk behandelt zwar auch nicht allein gesell¬
schaftliche Verhältnisse vergangener Jahrhunderte. Es zerfällt in
drei scharf getrennte Gebiete, von welchen das erste die Bau¬
geschichte der St. Victorkirche in Xanten an der Hand der in den
dortigen Archiven in Seltenem, wohl einzigem Reichthume vorhandenen
Urkunden behandelt, während das letzte sich mit gleicher Gründ¬
lichkeit mit der inneren Einrichtung des Gotteshauses beschäfiigt.
So merkwürdig der vortrefflich erhaltene Bau auch in allen seinen
Theilen ist, so liegt doch nicht in seiner Darstellung der Schwer¬
punkt des Buches, sondern vielmehr in den socialwissenschaftlichen
Abhandlungen, zu welchen die Rechnungen des Victorstiftes die
breiteste Unterlage bieten. Nach dieser Richtung ist Beissels Werk
ohne gleichen in der deutschen Schriftwelt. Nur Johannes Falckes
Statistik der l’reise in Sachsen in Hildebrands Jahrbüchern für
Nationalökonomie, Band XVI, bietet, soweit mir bekannt, einen ähn¬
lich reichen, wenn auch nicht annähernd einheitlichen, weil unter
schwierigeren Umständen gesammelten Stoff.
Der Abschnitt des Beisselschen Buches „Geldwerth und Arbeits¬
lohn“ bietet so wichtiges, dafs sein Inhalt hier in Kürze wiedergegeben
werden soll. Zunächst wird in ihm die Art des Baubetriebes festgestellt.
Die Baufabrik hatte bestimmte jährliche Einnahmen, die bei mäfsigem
Baubetrieb meist einen Ueberschufs ergaben, der dann, angesammelt,
die Mittel zu gröfseren Unternehmen bot. So mufste der Baumeister
sich nach der Kasse richten, welche Stillstand gebot, wenn die
Schulden anwuchsen. Die Gesamtausgaben wechselten stark. Sie
wurden entnommen aus dem Vermögen der Kirchenfabrik, das aus
Grundbesitz und aus Erbrenten bestand, ferner aus den fällig
werdenden Pfründen anderer Art, namentlich aus den Opfern an
Altären, deren Inhaber abwesend waren, aus Begräbnissen, Opfer¬
stöcken, Stiftungen einzelner und der verschiedenen Brüderschaften.
Im Fall der Noth halfen Ablafsbullen der Päpste und die durch sie
geschaffenen neuen Gnadenmittel nach. 1514 erschien auch in Xanten
der Ablafskasten für den Bau von St. Peter in Rom. Leider hat
Beissel die Einnahmen nicht tabellarisch aufgeführt, sondern nur
willkürliche Beispiele wiedergegeben. Für die Sittengeschichte nament¬
lich des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts wäre gerade diese
Tabelle vom allerhöchsten Werthe gewesen.
Die Verwaltung der Baurechnung unterstand dem magister fabricae,
dem Werkmeister, einem Geistlichen, also einem nicht technisch
gebildeten Beamten. Unter diesem wirkte der magister lapicida, der
Baumeister, und zwar bis 1374 als Besitzer einer Pfründe, die ihn
den Kanonikern gleichstellte. Es scheint diese Einrichtung noch aus
der Zeit zu stammen, in welcher die Geistlichen selbst die Bau¬
leitenden waren. Eine mit grofser Umsicht geführte Berechnung
beschäftigt sich damit, die Lohnverhältnisse des Baumeisters und
seiner verschiedenen Gehülfen festzustellen. Diesem Unternehmen
setzten sich ganz aufserordentliche Schwierigkeiten entgegen. Zunächst
durch die Unsicherheit des Geldwerthes und die traurige Lage des
Münzwesens. Die Zahl der verschiedenen Geldsorten ist aufserordent-
lich und ihr Verhältuifs zu einander ein stets schwankendes. Beissel
konnte sich aber nicht damit begnügen, den Betrag des Lohnes auf ein¬
heitliche Silberwerthe zurückzuführen, er mufste auch die Kaufkraft des
Silbers feststellen, indem er in umfassender Weise die Getreidepreise
statistisch behandelte. Denn nicht die Höhe des Geldbetrages
bestimmt den Werth der Einnahmen des Arbeiters, sondern die
Möglichkeit, sich für den Tagelohn eine reichliche Menge Brod zu
schaffen. Andere Gebrauchsgegenstände kommen zur Erläuterung
Jahr
Name des Meisters
G e 1
in Solidis
1 a 1 1
in Reichsmark
1374
Jacob
396
630
1398
1400
Conrad v. Cleve.
227
201
435
285
1454
Theodorich Moer
75
138
1489
1490
Wilhelm aus Utrecht
530
300
630
300
1494
432
780
1508
4092/3
390
1509
Johann Langenberg aus Köln
437
450
1513
3752/3
480
1519
3742/3
600
*) Stephan^ Beissel, S. J., die Bauführung des Mittelalters.
Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten. Bau, Geldwerth,
Ausstattung. Mit Abbildungen. 2. vermehrte u. verbesserte Auflage,
Freiburg i. B. 1889. Herdersche Verlagsbuchhandlung. 8o. XIV,
232, 190 und 192 Seiten. Preis 7,50 Mark.
nebenher in Betracht. Nun erst, nachdem das Werthverhältnifs des
Malters Weizen, Roggen und Gerste zu den einzelnen Münzen fest¬
gestellt war, konnte Beissel eine eigentliche Lohnstatistik auf¬
stellen.
Zunächst beschäftigt er sich mit den Einnahmen der Meister,
die in Jahresgehalt, 4’agelohn und Kleidern bestanden. Vorstehende
Tabelle giebt zunächst sein Gehalt in der zumeist üblichen Münze,
den Solidis, deren 12 eine Mark ausmachten, sowie den Werth des
Gehaltes, gemessen an der von Beissel der Berechnung zu Grunde
gelegten Getreideeinheit von je einem Malter Weizen, Gerste und
Roggen.
Die auffallenden Schwankungen erklären sich aus dem jähen
Sinken und Steigen der Getreidepreise im Mittelalter, wo noch nicht
die Verkehrsmittel imstande waren, Mifsernten einzelner Landes-
theile auszugleichen. Aufser diesem Gehalt erhielten die Meister
Taglohn, wenn sie für das Stift arbeiteten. Auch dieser Lohn ist
in fortwährendem Schwanken begriffen. Ich ziehe aus den umfang¬
reichen Tabellen jene Zahlen heraus, welche sich der erst gegebenen
Tabelle anschliefsen und auch die Steinmetzgesellen und Gehülfen
(Lehrlinge) in Betracht nehmen.
Jahr
Sommer- Ta
f
Steiumetzmeister
glohn in D
Ür einen
-gesellen
enaren*)
-gehülfen
Umgerechnet
heutigem Get
werth in Reicl
Meister | Geselle
nach
reide-
ismark
Gehülfe
1374
50
36
14
6,70
4,83
1,88
1398
60
42
21
9,36
6,55
3,28
1400
65
50
30
5,01
3,85
2,31
1454
3(3
36
20
6,62
6,62
3;68
1489
72
33
16
8,55
3,92
1,90
1490,94
36
28
15
4,57
3,56
1,91
1508/09
33
25
15
3,30
2,50
1,50
1513/19
30
25
15
4,32
3,60
2,16
Ich nehme nun, freilich ziemlich willkürlich, die Jahresleistung
eines Steinmetzen etwa auf 250 Sommertage an. Etwa 70 Tage gehen
für Feste und Sonntage, 50 als Verlust für den Winter von der
Gesamtsumme der Tage ab. Es ergeben sich dann für die Stein¬
metzen Jahreseinnahmen nach dem heutigen Gelde (Reichsmark) und
dessen Kaufkraft.
Jahr
M
Gehalt
eiste
Lohn
r
Summe
Geselle
t
Gehülfe
1
1374
630
1675
2305
1208
i 470
1398
435
2340
2775
1637
820
1400
285
1252
1537
962
577
1454
138
1655
1793
1655
920
1489
630
2137
2767
980
475
1490 94
465
1142
1607
890
477
1508,09
420
825
1245
625
375
1513/19
540
1080
1620
900
540
Durchschnitt
443
1513
1956
1107
582
Diese Zahlen geben ein ungefähres Bild der Stellung der minder
hervorragenden Werkleute an den gothischen Bauten. Die Meister,
welche selten mit mehr als drei bis vier Gesellen arbeiteten und
nach den Hüttenordnungen nicht mehr als einen oder zwei Lehrlinge
haben sollten, die also den Bau grofser Dome im „Kleinbetrieb“
führten, wie wir heute sagen würden, erhoben sich in Xanten noch
nicht zu jener freieren gesellschaftlichen Stellung, welche sie in
anderen Städten sich zu ervverben verstanden, und namentlich nicht
zu jenem Umfange des Geschäftsbetriebes, wie andere vielbeschäftigte
spätgothische Künstler. Beissel freilich scheint den Umstand, dafs
die Meister sich vor den Gesellen wenig erhoben, dafs ihr Verdienst
ein geringer war, als ein Zeichen hoher Kunst und als ein Er-
gebnifs der opferwilligen Frömmigkeit zu betrachten, während es
doch aller Zeit sich zeigt, dafs die Steinmetzen mit Recht kräftig für
die Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Lage eintraten, zumal im
späteren Mittelalter, als durch das Wachsen der Städte die Preise all¬
gemein stiegen und die Löhne mit dieser Steigerung nicht mehr
Schritt halten wollten.
Diesen Wechsel des Lohnwerthes lehrt am besten eine weitere
Tabelle, welche von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Löhne eines Meisters
(Steinmetzen, Dachdeckers, Maurers) und eines Gesellen zusammen¬
stellt. Ich gebe hier nur auf je 50 Jahre zusammengezogene Zahlen
und die Zahl der Tage, in welchen der Betreffende je ein Malter
Weizen, Roggen und Gerste erarbeiten konnte.
*) 12 Denare sind 1 Solidus.
Centralblatt der Bauverwaltung.
15
5(r.2.
Jahre
Meister
Geselle
Jahre
Meister
Geselle
1350—99
12
17
1550-99
36
3G
1400—49
15
20
1600—49
27
29
1450—99
18
21
1650-79
23
25
1500—49
20
26
Geschichtlich ist diese Tabelle von hohem Werth. Sie lehrt
das langsame Fallen des Werthes der Arbeit. Um das Jahr 1470
begann der Verdienst der Meister ganz auffallend niederzugehen.
Es ist die Zeit der Handwerkerunruhen, der Zunftbildungen und,
unter den Steinmetzen, der Hüttenstreite, des um sich greifenden
Verfalles der Brüderschaften, die an sich schon gegründet waren,
um die alten besseren Zustände durch Beschränkung des Wettbewerbes
wieder zurück zu bringen. 1480 — 1500 brauchte der Meister 24,5 Tage,
um jene Getreideeinheit zu verdienen, die er ein Jahrhundert früher
in 10 Tagen erarbeiten konnte. Die Folgezeit, 1500 — 1530, die Zeit
der Vorbereitung der Reformation, der grofsen Gewissensangst im
deutschen Volke, der leidenschaftlichen Bethätigung in guten Werken,
namentlich im Kirchenbau, brachte bessere Zustände. Die Zahl der
Tage sank auf 18,3. Aber mit den Wirren der Reformation und mit
der Entwicklung der Städte, des Grofsbetriebes, der Besserung der
Verkehrswege, der mächtigen Einfuhr americanischen Silbers durch
die Spanier begann der aufserordentliche Fall des Werthes der
Arbeit, welcher das 16. Jahrhundert kennzeichnet. 1580 — 90 brauchte
der Meister 46 Tage; in zwei Jahrhunderten war sein Erwerb auf
weniger als ein Viertel herabgesunken. Ja, lange Zeit erhob sich
sein Verdienst gar nicht über den des Gesellen, die Handwerks¬
meister waren völlig auf die Gleiche der Lohnarbeiter herabgedrückt,
Deutschland befand sich vor dem dreifsigjährigen Kriege in einer in
allen Lebensgebieten, namentlich auch im Münz- und Creditwesen
sich äufsernden tiefen socialen Bedrängnifs. Der Krieg aber, mit
seinem furchtbaren Aderlafs am Blute des Volkes, seiner Zurück¬
führung aller Betriebe auf ihre ursprüngliche Einfachheit, d. h. das
Zerbrechen der Grofsindustrie und die Minderung der Bevölkerungs¬
zahl, brachte endlich wieder einen Ausgleich. Beissel berechnet
schliefslich — zum Vergleiche — die Einnahmen eines Meisters von
1882 mit 3 Mark, eines Gesellen mit 2,50 Mark. Daraus würde sich
ergeben, dafs der moderne Meister in 23 Tagen, der Geselle in
27,6 Tagen seine Getreideeinheit verdient haben. Die Zustände von
1882 sind also ähnlich jenen zur Blüthezeit der Renaissance, etwa
von 1545.
Die wichtigste Zeit ist die des Ueberganges von der Gothik zur
Renaissance, die bekanntlich mit der Reformation und vielen grofs-
artigen Erfindungen, also mit einer Umgestaltung der socialen Lage,
zusammenfällt. Es sei gestattet, die Ergebnisse meiner Studien in
Sachsen den Beisselschen gegenüber zu stellen.
Getreide¬
art
Preise von
1455 — 1480 in der¬
zeitigem Gelde
Preise von
1.530 — 1560 in der¬
zeitigem Gelde
Preise
von
1877 in
Reichs¬
mark
höchster
niedrig¬
ster
Mittel¬
preis
liöchster
niedrig¬
ster
Mittcl-
preis
Gr. Pf.
Gr. Pf.
Gr. Pf.
Gr. Pf.
Gr. Pf.
Gr. Pf.
Roggen .
23 —
4 —
6 4
1 42 —
12 —
20 5
1 16,80
Gerste . .
14 8
4 —
7 3
23 —
8 —
14 11
! 12,—
W eizen .
18 —
5 2
9 6
; 41 4
17 -
23 2
' 22,70
Diese Tabelle, zu der J. Falcke die meisten Unterlagen bot,
ergiebt, dafs der Betrag von 23 Gr. 1 Pf. um 1470 gleichen Kaufwerth
hatte als 1877 von 49,50 Reichsmark, dafs also der Groschen damals
denselben Kaufwerth besafs, als 2,15 Reichsmark im Jahre 1877.
Um 1545 stellen sich 58 Gr. 6 Pf. gleich 49,50 Reichsmark, ist also
der Kaufwerth des Groschens auf 0,85 Reichsmark herabgefallen.
Nachstehende Lohnlisten entnehme ich den im Dresdner Haupt¬
staatsarchiv befindlichen Bauacten über die Albrechtsburg in Meifsen
(1476) und das Schlofs in Dresden (1553). Das alte Geld sind
Groschen und Pfennige, der heutige Kaufwerth ist in Reichsmark an¬
gegeben.
Wocheiüohn
H
e u t i
S e r
K a n f w e r
t h
Jahres-
Stand
in
des
des
der
lohn
altem
Geld
Wochenlohns
Taglohns
Jahreseinnahme
von
1476
1.553
1476
1553
1476
15.53
1476
1553
1877
N ( Meister .
42 !
_
35,70
_
6
_
1500
?
g Ballier . .
18
—
38,70
—
6,45
—
1612,5
—
1250,—
1 .Geselle. .
16
28
34,40
23,80
5,73
3,97
1432,5
992,50
875 —
'S Hütten-
S ' junge . .
Maurer - Bai-
6
12
12,90
9,20
2,15
1,53
537,5
382,50
437,50
lier .
_
21
_
17,85
_
3
_
750
12.50,—
Maurer- oder
Zimmer¬
gesell . . .
16
18
34,40
15,30
5,73
2,55
1432,5
637,50
625,—
Handarbeiter
7 Gr. 6
10
16,13
8,50
2,69
1,41
672,5
352,5
500, —
Also auch hier ergeben sich ähnliche Zahlen: Der Verdienst der
Gesellen sank in 80 Jahren auf zwei Drittel und auf die Hälfte, der
der Handarbeiter auf die Hälfte, obgleich die Menge von Silber,
welche man ihnen auf die Hand zählte, um mehr als ein Drittel stieg.
So stark ging der Silherwerth zurück. — Hier können die zahlreichen
durch das Beisselsche Buch angeregten Betrachtungen nicht weiter
geführt werden. Hoffentlich giebt die treffliche Arbeit Veranlassung,
dafs auch anderwärts dem Werklohn früherer Zeiten eine ähnliche
Theilnahme entgegengetragen werde, wie dem rein künstlerischen
Schaffen. Denn dieser ist die Vorbedingung für jenes.
Cornelius Gurlitt.
Vermischtes.
Eine Sammlung austraRscher Nutzhölzer ist durch den Kgl.
Regierungs -Baumeister Jaffe gelegentlich seines Aufenthaltes in
Melbourne als Mitglied der deutschen Commission für die australische
Weltausstellung 1888/89 erworben und dem preufsischen Ministerium
der öffentlichen Arbeiten überreicht worden. Der die Sammlung
begleitende Bericht macht Mittheilungen über die Verbreitung de"
Hart- und Weichhölzer innerhalb der einzelnen Colonieen, giebt
Festigkeitstabellen und die technische Beschreibung einer gröfseren
Zahl von Holzarten des australischen Festlandes, Tasmaniens und
Neuseelands und verbreitet sich über die Einführung einer Forst-
wirthschaft sowie über die Ein- und Ausfuhrverhältnisse der Nutz¬
hölzer in Australien. Die bemerkenswerthe Sammlung steht im
Ministerialdienstgebäude, Wilhelmstrafse 80, II Tr. im Zimmer 118,
in welchem die Berichte der technischen Attaches ausliegen, zur
Einsicht offen.
Zxir Erlangung von Plänen für ein Gewerbemuseum in Düssel¬
dorf ist am 31. v. M. unter den deutschen Architekten ein Wett¬
bewerb ausgeschrieben worden. Dem Preisgerichte gehören an die
Herren Architekt Grunow, I. Director des Kgl. Kunstgewerbemuseums
in Berlin, Baurath Haege-Siegen, Baurath Pflaume -Köln, Architekt
Prof A. Schill-Düsseldorf und der Vorsitzende des ausschreibenden
Ceutral-Gewerbevereins für Rheinland, Westfalen usw., Commercien-
rath H. Lueg in Düsseldorf. Die beiden Preise betragen 1200 und
800 Mark; die Einlieferung beim Central- Gewerbe -Verein in Düssel¬
dorf, von dem auch die Bedingungen kostenfrei zu beziehen sind,
mufs bis zum 15. März dieses Jahres erfolgen.
Die für die Allgemeine Gartenbau - Ausstellung in Berlin unter
den Mitgliedern des Berliner Architektenvereins ausgeschriebene
Preisbewerbung (vgl. S. 425, Jahrg. 1889) gelangte in der Vereins¬
sitzung vom 6. d. M. durch Herrn Reg.- u. Baurath Eggert zur Be-
urtheilung. Ein Plan für die Gesamtanlage war nicht eingegangen.
Von den Entwürfen für die künstlerische Ausschmückung des an der
Strafse Alt-Moabit belegenen Einganges in den Ausstellungspark
erhielt den Preis von 400 Mark Herr Architekt Rieth in Berlin mit
der Mafsgabe, dafs noch ein geometrischer Aufrifs des in einer
perspectivischen Skizze sehr flott dargestellten Entwurfes nachzu¬
liefern ist. Für den Bau einer Vorhalle vor dem Mitteleingange
des Hauptgebäudes konnte ein Preis nicht ertheilt werden. Dagegen
wird unter den Verfassern der Entwürfe „Sommernachtstraum“ (Re¬
gierungs-Baumeister Kr aem er- Berlin), „Farbig“ (Architekt Rieth-
Berlin) und ,,A. G. — A. G.“ (Architekt Ziller-Berlin) ein engerer
Wettbewerb veranstaltet werden. Für seine Entwürfe zur architek¬
tonischen und gärtnerischen Ausschmückung einer Grabstelle und zu
einem Blumen-Erker wurde Herrn Ziller ein Vereinsandenken zu¬
gesprochen.
Preisbewerbung um die Trinitatiskirche in Dresden (vgl. S. 253
u. 370 d. V. J.). Die Frist für die Ablieferung der Entwürfe ist auf
mehrseitigen Wunsch vom 8. auf den 31. d. M. nachmittags 6 Uhr
verschoben worden.
Verwendung des sogenannten Monier-Gewölbes zu Strafsen-
brückeu. Die Baudirection der K. u. K. priv. Südbahngesellschaft in
Wien hat in Aussicht genommen, bei dem bevorstehenden Umbau
zahlreicher Wegebrücken in der Strecke Wien -Felixdorf (Wiener-
Neustadt) das eine sehr geringe Constructionshöhe erfordernde soge¬
nannte Monier-Gewölbe dort anzuwenden, wo nach Lage der Ver¬
hältnisse gemauerte Bögen nicht Platz finden. Da ausreichende
Erfahrungen über die Eignung der bezeichneten Gewölbe für Brücken¬
bauten noch nicht vorliegen, so hat man auf dem Güterbahnhof in
Watzleinsdorf bei Wien ein 4 m breites Probegewölbe von 10 m
16
11. Januar 1890.
Centralblatt der Baiiverwaltung.
Spannweite ausgeführt und dasselbe mehrfaclien Belastungsversuchen
unterworfen.
Das Gewölbe ist zwischen gemauerten Widerlagern am 19. October
V. J. aus Stampfbeton in Schichten von je 4 cm Stärke hergestellt
worden. Die Pfeilhöhe beträgt nur 1 m = i/io der Spannweite, die
Gewölbestärke im Scheitel 15 cm, an den Kämpfern 20 cm ; die
Zwickel sind nicht übermauert. Der Beton besteht aus 1 Theil
Portlandcement und 3 Theilen Donausand. Das zu dem Monier-
Gewölbe gehörige Drahtgeflecht, welches geviertförmige Maschen von
je 55 cm Weite hat, liegt nur 2 cm von der inneren Leibung entfernt.
Die der Stirn parallelen Stäbe bestehen aus 10 mm starken Rund¬
eisen, welche von Widerlager zu Widerlager in einem Stücke durch¬
gehen; die parallel den Widerlagern angeordneten Drähte sind 7 mm
stark.
Nach 14 Tagen wurde der Bogen ausgerüstet und mit einer
eben abgeglichenen Kiesschüttung überdeckt, welche im Scheitel
25 cm hoch ist. Die ganze Constructionshöhe im Scheitel beträgt
daher 15 25 = 40 cm. In der Kiesschüttung i’uht ein vollspuriges
Eisenbahngeleis, dessen Querschwellen je 80 cm von einander ent¬
fernt sind. Am 10. December 1889, bei einer Kälte von — 8° C.,
wurde das damals 52 Tage alte Gewölbe mehrfachen Probebelastungen
unterzogen, bei welchen zunächst zweiachsige Lastwagen von bezw.
3000 und 6000 kg Achsdruck in verschiedenen Stellungen zur Ver¬
wendung kamen und neben den schwereren Wagen auch noch eine
dem Menschengedränge entsprechende gleichförmige Belastung auf¬
gebracht wurde. Schliefslich führte man noch einen dreiachsigen
Tender von 9200 kg Achsdruck, endlich denselben Tender in Ver¬
bindung mit einer dreiachsigen Locomotive von bezw. 13 000, 13 000
und 10 300 kg Achsdruck hinüber. Die Einsenkungen des Gewölbes
beobachtete man an neun Punkten, von denen drei in der Scheitel¬
linie und je drei in der Mitte zwischen Scheitel und den beidei’-
seitigen Widerlagern sich befinden. Die gröfste vorübergehende
Senkung bei diesen starken Belastungen betrug lV2-2mm, während
an zwei Punkten die gröfsten bleibenden Senkungen mit Yi und
1 mm beobachtet wurden. Irgend ein Rifs oder eine Beschädigung
des Gewölbes konnte nicht wahrgenommen w'erden.
Seit den Probeversuchen und bis zum Ablauf des Winters und
Frühjahrs bleibt das Versuchsgewölbe vollständig den Witterungs¬
einflüssen ausgesetzt, weil man ein Urtheil auch über die Wetter¬
beständigkeit der Construction gewinnen will. Zu Anfang des
nächsten Sommers sollen nochmals zwei Reihen von Belastungs¬
versuchen bis zum Bruche des Gewölbes durchgeführt werden, sodafs
dann genügende Unterlagen für die Entscheidung über die Verwend¬
barkeit desselben gewonnen sein dürften. — R. —
Theaterbraiid in Zürich. Im Dachraume des Foyers vom
Züricher Actientheater brach am Neujahrsabend während der Vor¬
stellung aus bisher nicht erklärter Ursache Feuer aus, das sich rasch
über das ganze Gebäude erstreckte und dieses in wenigen Stunden
vollständig zerstörte. Die Rettung aller Besucher und Angestellten
des Theaters wird der Geistesgegenwart des Präsidenten der
Theatervorsteherschaft, Herrn S. Kisling, verdankt. Dieser theilte,
sobald er Kenntnifs von der Feuersgefahr hatte, von der offenen
Scene aus den Zuschauern mit, dafs das Stück nicht zu Ende gespielt
werden könne, und ersuchte sie, sich in aller Ordnung sofort zu
entfernen. Das Theater war in acht Minuten geleert und man sah
erst draufsen, in welcher Gefahr man geschwebt hatte. Herr Kisling
selbst verliefs das Theater erst, nachdem er alle Sicherheitsmafsregeln
angeordnet und sich mit eigener Lebensgefahr davon überzeugt hatte,
dafs kein Menschenleben mehr bedroht sei. Die Schweizerische
Bauzeitung, der wir diese Nachricht entnehmen, theilt mit, dafs das
Actientheater im Jahre 1832 in der um das Jahr 1240 erbauten
Barfüfser (Franciscaner-) Kirche eingerichtet war. Die dreischiffige
Kirche diente nach der Reformation als Kornmagazin, zu welchem
Zwecke die Seitenschiffe bis zur Höhe des Mittelschiffes aufgemauert
wurden. Bei der Umwandlung zum Theater benutzte man die
Umfassungsmauern und richtete im Mittelschiff die Bühne, den
Zuschauerraum und das Foyer ein, während die Seitenschiffe zu
Fluren und Nebenräumen dienen mufsten. Das Theater hatte über dem
Erdgeschosse vier Ränge und fafste etwa 800 Personen.
Voraussichtliche Entseudung weiterer russischer technischer
Attaches. Wie wir seiner Zeit an dieser Stelle (Jahrg. 1887, Seite
406 d. Bl.) erwähnt haben, hat das russische Verkehrsministerium,
in Nachahmung der beim preufsischen Ministerium der öffentlichen
Arbeiten ins Leben gerufenen Einrichtung der technischen Attaches,
in den letzten Jahren bei einigen ausländischen diplomatischen Ver¬
tretungen Rufslands ebenfalls technische Attaches („technische
Agenten“) bestellt, und zwar bestehen bis jetzt drei solche Posten:
der eine in Washington, der andere in London, der dritte in
Paris.
Dem Vernehmen nach ist man in den mafsgebenden Kreisen
der russischen Regierung mit der neuen Einrichtung durchaus
zufrieden und beabsichtigt, demnächst weitere technische Attaches
an die wichtigsten westeuropäischen Gesandtschaften Rufslands zu
entsenden. Diese Beamten sollen in möglichst gründlicher und
zuverlässiger Weise über bemerkenswerthe Neuerungen und Vervoll¬
kommnungen auf technischem, wirthschaftlichem und Verwaltungs-
Gebiete berichten. Es scheint hiernach, dafs auch in Rufsland die
von den technischen Hochschulen ausgehende Vorbereitung für die
Aufgaben der Staatsverwaltung mehr und mehr die Aufmerksamkeit
und Würdigung der Regierung auf sich lenkt. — V.—
Eisenbahn -Wageuräder ohne Spurkränze. Auf der „Chicago-
und Nordwestbahn“ in America sind erfolgreiche Versuche mit sechs-
rädrigen Drehgestellen gemacht worden, deren Mittelräder glatte
Laufkränze besafsen. Als Vortheile werden genannt: 1) stark
ausgelaufene Aufsenräder können abgedreht und sodann in der
Mitte weiter verwendet werden; 2) wesentlich verringerte Zugkraft;
3) geringere Abnutzung der Schienen, besonders in gekrümmten
Strecken. Km.
Regienuigs- und Baurath Uthenianiin f. In der Nacht vom
1. zum 2. d. M. starb in Cassel der Betriebs-Director des Königlichen
Eisenbahn-Betriebsamts (Main -Weserbahn) Regierungs- und Baurath
Wilhelm Adolf Uth emann. Geboren am 8. December 1827 in
Sandau a. d. Elbe, Regierungsbezirk Magdeburg, widmete sich Uthe-
mann dem Baufache und legte im Jahre 1859 die Prüfung zum Bau¬
meister ab. Zunächst war er bei dem Bau einer schmalspurigen Neben¬
bahn für Locomotivbetrieb von Hörde nach Schacht Schleswig bei
Brachei thätig und verwaltete dann eine Kreis-Communal-Baumeister-
stelle in Montjoie. Vom Januar 1864 bis Ende 1873 arbeitete Uthe-
rnann bei der Bergisch-Märkischen Bahn, wo er den Bau der Zweig¬
bahn von Rittershausen nach Remscheid ausführte und sich in hervor¬
ragender Weise bei dem Bau der Eisenbahnen Düsseldorf-Neuss,
München-Gladbach-Düren-Stolberg u. a. betheiligte.
Im Jahre 1873 wurde er mit der Verwaltung der Stelle des techni¬
schen Mitgliedes der Königlichen Direction der Main -Weserbahn in
Cassel betraut und im Juni 1874 zum Regierungs- und Baurath er¬
nannt. Nach Auflösung der Königlichen Direction der Main-M^eser-
bahn blieb er seinem Wunsche gemäfs in Cassel als Betriebs-Director
des neu errichteten Betriebsamtes, in welcher Stellung er bis zu
seinem nunmehr erfolgten Tode lange Jahre hindurch höchst erfolgreich
gewirkt hat. Seine Verdienste wurden durch Verleihung des Rothen-
Adler-Ordens IV. Klasse und des Königlichen Kronen-Ordens III. Klasse
anerkannt; auch erhielt er das Ritterkreuz I. Klasse des Grofsherzog-
lich hessischen Verdienst-Ordens Philipps des Grofsmüthigen.
In den letzten Jahren war Uthemanns Gesundheit schwankend,
und suchte er vergeblich Heilung in verschiedenen Kurorten. Un¬
geachtet seiner Leiden war er noch bis in die letzten Tage des ver¬
flossenen Jahres unermüdlich thätig; der Hoffnung aber, dafs der
kommende Frühling seine belebende Kraft auch an ihm erweisen
sollte, bereitete ein Blutsturz in unerwarteter Weise ein jähes und
schmerzliches Ende.
Der Verewigte besafs einen edlen und festen, allem unwahren
Wesen abholden Charakter; sein gediegenes Wissen war verbunden
mit einer sicheren Menschenkenntnifs, mit einer seltenen Arbeitskraft
und Pflichttreue, die er in den verschiedenen Stellungen, in denen
er dem Staate gedient, überall in vollster Weise bethätigte. Sein Hin¬
scheiden wird in den Kreisen aller derer, die ihm je näher getreten
sind, aufrichtig und herzlich bedauert — ein treues Andenken bleibt
ihm stets gewahrt. Friede seiner Asche ! — m —
Giuseppe Brentano Die Besprechung der Entwürfe für die
Westfront des Mailänder Doms auf Seite 495, Jahrgang 1888 d. Bl.
schliefst mit den Worten: „Nach alledem wird die Wahl des Brentano-
schen Entwurfs nur mit Befriedigung aufzunehmen sein. Der junge
Künstler ist aufrichtig zu beglückwünschen und der Hoffnung Raum
zu geben, dafs sein guter Stern ihm auch bei dem weiteren Werke
treu bleiben möge.“ Leider ist dieser Wunsch nicht in Erfüllung
gegangen. Am 31. December 1889 verschied Giuseppe Brentano-
im siebenundzwanzigsten Lebensjahre. Als Schüler Boitos hat er
das Polytechnicum in Mailand bis 1883 besucht, hierauf einige Zeit
auf Reisen im Auslande zugebracht und nach seiner Rückkehr in die-
Heimath sich als Architekt in Mailand niedergelassen. Durch den
grofsen Erfolg, den er bei dem Wettkampfe um die Westfront des-
dortigen Domes als Sieger über [so viele hervorragende Meister aus-
aller Herren Ländern errang, ist sein Name weit über die Grenzen
seiner Heimath bekannt geworden. Sein vorzeitiges Dahinscheiden
wird auch bei den deutschen Architekten die schmerzlichsten Em¬
pfindungen hervorrufen. • — K- —
Verlag von Ernst&Korn (Willielm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.,
Nr. 2A.
17
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT: Amtliclies: Allerliöchster Erlafs vom 30. December 1889, betreffend die DüsseldorL — Burg Gleiberg. — Eegierungs- und Bauratb Wagemaun t. — Johannes
Galaldeidung und die Dienstkleidung des Personals der Staatseisenbahnverwaltung. Richter t- — Bücherschau.
— Nichtamtliches: Vermischtes: Preisbewerbung um ein Gewerbemuseum in
Amtliche Mittheilung.
Allerhöchster Erlafs, betreffend die Uniform der Beamten
der Staatseisenbalinverwaltung sowie der Königl.
Bauräthe, Baiünspectoren , Reg’ierungs- Baumeister
lind -Baufülirer der allgemeinen Bauverwaltung.
Auf Ihren Bericht vom 29. November d. J. will Ich den mit den
vorgelegten Zeichnungen hierneben zurückfolgenden Vorschriften
über die Galakleidung und die Dienstkleidung der Beamten der
Staatseisenbahnverwaltung die Genehmigung ertheilen. Dieselben
treten sogleich in Kraft mit der Mafsgabe jedoch, dafs den Beamten
gestattet wird, die bisherige Kleidung noch bis zum 1. October 1892
zu tragen. — Gleichzeitig genehmige Ich, dafs die im Bereich der
allgemeinen Bauverwaltung beschäftigten technischen Beamten der
fünften Rangklasse (Bauräthe, Bauinspectoren, Regierungs-Baumeister)
sowie die Regierungs-Bauführer die für die gleichstehenden Beamten
der Staatseisenbahnverwaltung vorgeschriebene Galakleidung und
Dienstkleidung mit der Mafsgabe tragen, dafs vorn auf jeder Seite
des Kragens der Galakleidung an Stelle des geflügelten Rades ein
rechtwinklig gleichschenkliges Dreieck mit durchgelegtem Zirkel
und Loth ohne Krone und vorn an der zur Dienstkleidung gehörigen
Mütze über der Cocarde das gleiche Abzeichen mit der Krone an¬
zubringen ist. Wegen Einführung der neuen Vorschriften wollen
Sie das Erforderliche veranlassen.
Berlin, den 30. December 1889,
Wilhelm R.
V. Maybach.
An den Minister der öffentlichen Arbeiten.
Vorschriften über die Galakleidung und die Dienstkleidung sowie die Dieustabzeichen des Personals
der Staatseisenbahnverwaltung.
Dienstkleidung.
Bezeichnung
der
Beamtenklassen
Rock
Ab¬
zeichen
am
Kragen
Schulter-
verzieruüg
Beinkleider
Kopfbedeckung
Besondere
Abzeichen
Degen
Paletot
Be¬
merkungen
1.
Präsidenten der
Eisenbahn-
directionen.
Kurzer Oberrock
von dunkelblauem
Tuch mit vorn ab¬
gerundetem Steh¬
kragen von
schwarzem Sammet
und zwei Reihen
— jesechs Stück —
vergoldeter Knöpfe
mit dem gekrönten
Wappenschilde
nach Muster.
Runde Aufschläge
von schwarzem
Sammet mit Schlitz
und zwei kleinen
vergoldeten
Knöpfen mit dem
gekrönten
Wappenschilde
nach Muster,
ebenso auf der
Rückseite in der
Taille und unten
auf den Taschen¬
patten je zwei ver¬
goldete Knöpfe mit
dem gekrönten
Wappenschilde.
Orangefarbener
V orstofs an den
Kragen, den Auf¬
schlägen, denBrust-
klappen (nicht auch
an den Vorder-
schöfsen) und den
Taschenpatten.
Der Rock wird
zugeknöpft, dazu
wird eine schwarze
Halsbinde ge¬
tragen.
ohne
Zweifach
gewundene
Raupen von
Gold mit je
einem sechs¬
zackigen
silbernen
Stern nach
Muster. Am
oberen Ende
sind die¬
selben durch
einen kleinen
mit dem ge¬
krönten
Wappen¬
schilde ver¬
sehenen ver¬
goldeten
Knopf —
nach Muster
— zu be¬
festigen.
Von dunkel-
grauemTuch
mit orange¬
farbenem
Vorstofs an
den Seiten¬
nähten. -
Schwarzer Hut
mit goldener
Agraffe, golde¬
nen Cordons
und preufsi-
scher Cocarde
nach Muster,
sowie mit gol¬
denen Tressen
von 26mm Breite
nach Muster,
oder
Mütze in der
Form der
preufsischen
Militärmützen
aus dunkel¬
blauem Tuch
mit breitem
schwarzen
Sammetstreifen,
orangefarbenem
V orstofs an dem
Deckel und zu
beiden Seiten
des Streifens,
sowie schwarz-
lackirtem
Schirm nach
Muster. Preus-
sische Cocarde.
V orn an der
Mütze über
der Cocarde
ein doppelt
geflügeltes
Rad mit der
Krone nach
Muster.
Leichter
vergoldeter
Degen mit
zwei glatten
Stich¬
blättern,
Griff mit
Silberdraht
umwunden
nach Muster.
Schwarze
Leder¬
scheide mit
Messing¬
beschlägen.
Portepee
von Gold mit
Seide in den
preufsischen
Landes¬
farben.
Paletot von
dunkel¬
grauem Tuch
in der Form
der preufsi¬
schen Offi-
cierpaletots
mit Um¬
schlag¬
kragen von
dunkel-
blauemTueh
mit orange¬
farbenem
Vorstofsund
mit Kragen¬
futter von
schwarzem
Sammet, auf
der Vorder¬
seite zwei
Reihen — je
sechs Stück
— vergol-
deterKnöpfe
mit dem
gekrönten
Wappen¬
schild, auf
der Rück¬
seite je drei
gleiche
Knöpfe und
zwischen der
oberen
Knopfreihe
ein zwei¬
theiliger
Bund mit
Knopf nach
Muster.
2.
Abtheilungs-
Dirigenten bei
den Eisenbahn-
directionen
(Ober -Regie¬
rungs- und Ober-
Bauräthe).
wie zu 1.
ohne
Breite ge¬
flochtene
Schnüre von
Gold mit je
einem sechs¬
zackigen
silbernen
Stern nach
Muster.
Befestigung
derselben
wie zu 1.
wie zu 1.
Schwarzer Hut
wie zul, jedoch
ohne Tressen¬
besatz nach
Muster
oder
Mütze wie zu 1.
wie zu 1.
wie zu 1.
wie zu 1.
1
18
Centralblatt der Bauverwaltnng.
15. Januar 1890.
Bezeichnung
der
Beamtenklassen
Bock
I Zeichen
am j
Kragen
Schulter¬
verzierung
Beinkleider llvopfbedeckung
Besondere
Abzeichen
Degen
Paletot
Be¬
merkungen
Mitglieder der
Eiseubahndirec-
tionen, Betriebs-
Directoren und
ständige Hülfs-
arbeiter der
Eisenbahn - Be¬
triebsämter, so¬
weit sie den Rang
der Käthe IV. Kl.
haben (Geh. Re-
gierungs- u. Ge¬
heime Bauräthe,
Regierungsräthe,
Regierungs- und
Bauräthe. Eisen¬
bahn - Directoren
mit dem Range
der Käthe
IV. Klasse).
wie zu 1.
ohne
wie zu 2
jedoch ohne
Stern.
wie zu 1.
wie zu 2.
wie zu 1.
wie zu 1.
wie zu 1.
4.
Höhere Eisen¬
bahnbeamte der
V. Rangklasse
(Bauräthe, etats-
mäfsige Regie¬
rungsassessoren,
Eisenbahn - Bau-
und Betrlebs-
inspectoren, Bau-
bezw. Maschinen-
inspectoren,
aul’seretats-
mäfsige Reg.-
Assessoren und
Reg.- Baumeister),
sowie Verkehrs-
inspect. u. nicht
Jurist, od. techn.
vorgebildete
ständige Hülfs-
arbeiter der
Eisenbahn - Be¬
triebsämter.
wie zu 1.
ohne
Schmale
geflochtene
Schnüre von i
Gold nach
Muster.
Befestigung |
derselben
wie zu 1. I
wie zu 1. I Mütze wie zu 1.
wie zu 1.
wie zu 1. 1 wie zu 1.
Den Reg-
Baumeistern
f. d. Ing.- u.
Hochbau¬
fach steht
frei, an Stelle
des geflügel¬
ten Rades
an der Mütze
das Ab¬
zeichen für
I Baubeamte
! (rechtwinkl-
jl ig gleich-
ii schenkliges
|! Dreieck mit
ii durchgeleg-
I; tem Zirkel
jundLothmit
jj der Krone
jt darüber) zu
il tragen.
5. Regierungs-Bau- '
führer.
wie zu 1.
ohne
ohne
wie zu 1.
wie zu 4.
wie zu 1. 1 wie zu 1.
wie zu 1.
I Für dieReg.-
* Bauführer
f. d. Ing.- u.
' Hochbau-
1 fach wie zu 4.
Galakleidung.
Bezeichnung
der
Beamtenklassen
Rock
Stickerei
Schulter-
verzieruDg
Weste
Hals¬
binde
Beinkleider
Kopf¬
bedeckung
Degen
!
i
Präsidenten
Rock von dunkel-
Goldene Sticke-
Zweifach
Weste nach
Weifs.
Beinkleider
Schwarzer
Degen mit:
der Eisenbahn-
blauem Tuch nach
rei am Kragen
gewundene
altbranden-
von weifsem
Hut mit gol-
nur einem ‘
directionen.
dem Schnitt des alt-
aut beiden
schwache
burgischem
Kasimir
dener
Stichblatt,
brandenburgischen
Seiten d. Brust,
Raujren von
Schnitt von
bezw. von
Agraffe,
Griff" mit
Waft'enrocks, ohne
den Aufschlägen
Gold mit je
weifsem Ka-
blauemTuch.
goldenen
Perlmutter
Vorstofs mit stehen-
und Patten —
einem sechs-
simir, ohne
Goldene
Cordons
belegt, nach
dem Kragen und Auf-
vorn auf )eder
zackigen
Patten nach
Tressen von
und 2oreufsi-
Muster.
schlagen aus schwär-
Seite d. Kragens
silbernen
Muster. —
26 mm
scher Co-
VV eifs
zem Sammet nach
mit dem einfach
Stern nach
Vorn sechs
Breite nach
carde nach
lackirte
Muster.
geflügelten
Muster.
kleine gol-
Muster.
Muster.
Leder-
Auf der rechten Brust-
Rade ohne
Am oberen
deneKnöpfe
Goldene
scheide, zu
Seite unterhalb der
Krone—, dazu
Ende sind
mit dem ge-
Tressen von
den blauen
Stickerei sechs matt-
laufende Ein-
dieselben
gekrönten
26 mm
Beinkleidern
vergoldete Knöpfe mit
fassung V. Gold
durch einen
preufsischen
Breite nach
schwarz
dem gekrönten preus-
am Kragen, auf
kleinen gol-
Adlerschilde
Muster.
lackirte
sischen Adlerschild
beiden Seiten
denen , mit
nach Muster.
Leder-
— nach Muster - ,
der Brust, an
dem gekrön-
Goldene
scheide.
unter den Patten je
den Vorder- und
ten preufsi-
Tressen von
Portepee von
drei, im Rücken je
Hinterschöfsen
schenAdler-
10 mm
Gold mit
zwei an den oberen
Patten u. Auf-
Schilde ver-
Breite nach
Seide in den
und unteren Enden
schlagen, sowie
sehenen
Muster.
jireufsischen
der Hinterschöfse.
auf der linken
Knopf • —
Landes-
Rocktütter weifs, im
Brustseite
nach Muster
färben.
Kragen schwarz.
unterhalb der
— zu be-
Haken im Innern des
Stickerei sechs
festigen.
Rocks, um denselben
goldgestickte
auf der Brust zu-
Knopflöcher
sammenzuhalten.
nach Muster.
Be¬
merkungen
Nr. 2*-
Centralblatt der Bauverwaltung.
19
Lfd. Nr.
Bezeichnung
der
Beamtenklassen
Rock
Stickerei
Schulter¬
verzierung
Weste
Hals¬
binde
Beinkleider
Kopf¬
bedeckung
Degen
Be¬
merkungen
2.
Abtheilungs-
Dirigenten bei
den Eisenbahn-
directionen
(Ober - Regie¬
rungs- u. Ober-
Bauräthe).
Wie zu 1., jedoch
auf der rechten Brust¬
seite vom Kragen ab¬
wärts neun Knöpfe.
Goldene Sticke¬
rei am Kragen,
auf den Auf¬
schlägen und
Patten — vorn
auf jeder Seite
des Kragens
mit dem ein¬
fach geflügel¬
ten Rade ohne
Krone—, dazu
laufende Ein¬
fassung V. Gold
am Kragen, an
den Patten und
Aufschlägen,
sowie auf der
linken Brust¬
seite vom Kra¬
gen abwärts
neun goldge¬
stickte Knopf¬
löcher nach
Muster.
Breite ge¬
flochtene
Schnüre von
Gold mit je
einem sechs¬
zackigen
silbernen
Stern nach
Muster.
Befestigung
derselben
wie zu 1.
wie zu 1.
wie
zu 1.
wie zu 1
wie zu 1.,
jedoch ohne
Tressen¬
besatz
nach
Muster.
wie zu 1.
Sofern der
betreffende
Beamte den
Rang der
Räthe
III. Klasse
hat, trägt er
den Rock
und die
Stickerei
wie bei
lfd. Nr. l.,
dazu die
neben-
bezeichneten
Schulter¬
schnüre ohne
Stern.
3.
Mitglieder der
Eisen bahn-
directionen,
Betriebs-
directoren und
ständige Hülfs-
arbeiter der
Eisenbahn-
betriebsämter,
soweit sie den
Rang derRäthe
IV. Kl. haben
(Geheime Re¬
gierungs- u. Ge¬
heime Bauräthe,
Regierungs-
räthe, Regie¬
rungs- und Bau¬
räthe, Eisen-
bahndirectoren
mit dem Range
der Räthe
IV. Klasse).
wie zu 2.
wie zu 2.
wie zu 2.,
jedoch ohne
Stern.
wie zu 1.
wie
zu 1.
wie zu 1.
wie zu 2.
wie zu 1.
4.
Höhere Eisen¬
bahnbeamte
der V. Rang¬
klasse
(Bauräthe,
etatsmäfsige
Regierungs¬
assessoren,
Eisenbahn-Bau-
und Betriebs¬
inspectoren,
Bau- bezw.
Maschinen¬
inspectoren,
aufseretats-
mäfsige Regie¬
rungsassessoren
und Regierungs-
Baumeister 1,
sowie Verkehrs¬
inspectoren und
nicht juristisch
oder technisch
vorgebildete
ständige Hülfs-
arbeiter der
Eisenbahn-
betriebsämter.
wie zu 2.
wie zu 2.
Schmale ge¬
flochtene
Schnüre von
Gold nach
Muster.
Befestigung
derselben
wie zu 1.
wie zu 1.
wie
zu 1.
wie zu 1.
wie zu 2.
wie zu 1.
Den Regie¬
rungs-Bau¬
meistern für
das Inge¬
nieur- und
Hochbaufach
steht frei,
an Stelle des
geflügelten
Rades am
Kragen das
Abzeichen
für Bau¬
beamte
(rechtwinkl¬
ig gleich¬
schenkliges
Dreieck mit
durchgeleg¬
tem Zirkel
und Loth
ohne Krone)
[ zu tragen.
5.
Regierungs-
Bauführer.
!
wie zu 2.
' wie zu 2.
1
j
1
ohne.
wie zu 1.
wie
zu 1.
wie zu 1.
wie zu 2.
wie zu 1.
1
Für die
1 Regierungs-
1 Bauführer
für das In-
’genieur-und
Hochbaufach
1 wie zu 4.
1
20
Centralblatt der Banverwaltung.
15. Januar 1890.
Yermischtes.
Den Hedingungen der Preisbewerljung- um ein (tewerbeinnsenni
in Diisseldoi'f (vgl. S. 15 d. J.) entnelimeu wir, cl.afs das Gebäude in
einem Untergeschofs, Erdgescliol’s und zwei Stockwerken an der
Ecke des Friedriclisplatzes und der Neubrückstrafse auf einer Fläche
von rund 2000 qm zu errichten ist. Zunächst sollen jedoch nur etwa
drei Fünftel dieser Fläche bebaut, der auf der Ecke belegene Theil
des Hauses erst später errichtet werden. Gleichwohl soll die Be¬
bauung, insbesondere auch was die nach dem Friedrichsplatze zu
belegene Hauptseite anlangt, durchaus einheitlich jetzt schon geplant
werden, wenn auch sowohl in der Gestaltung dieser Front wie im
Grundrisse darauf Eücksicht zu nehmen ist, dafs der jetzt zu er¬
richtende Gebäudetheil längere Zeit für sich allein bestehen wird.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dafs das Grundstück vom
Düsselbache durchflossen wird, der künftig in einem geschlossenen
Canale von 4 m Breite unter dem Gebäude hindurchgeführt werden
soll und gewisse Beschränkungen in der Führung der Längsmauern
auferlegt. Das Bauwerk soll [nebst den erforderlichen Verwaltungs¬
räumen Säle zur Aufstellung kunstgewerblicher Gegenstände sowie
eine öffentliche Bücher- und Vorbildersammlung enthalten, und der
jetzt zu errichtende Gebäudetheil mufs für die Summe von 250000 Mark
herstellbar sein. Entwürfe, deren Ausführungssumme nach dem Er¬
messen der Preisrichter diesen Betrag überschreiten, dürfen einen
Preis nicht erhalten. Im übrigen sollen die beiden ausgesetzten
Preise in jedem Falle zur Vertheilung kommen.
Zu dem Aufsatze über Eurg Gleiberg (S. 467 ff. d. v. Jahrg.)
wird auf Wunsch des Herrn Kreisbaumeister Witte in Wetzlar
noch nachgeholt, dafs derselbe den besonderen Entwurf der in Abb. 10
dargestellten Treppe nebst Laufgang fertigte, auch von 1885 — -1888
die erforderlichen Unterhaltuugsbauten auf dem Gleiberge geleitet hat.
Die hauptsächlichsten Wiederherstellungsarbeiten, durch deren be¬
sondere Leitung sich Herr Kreisbaumeister Dr. Hefse in Giefsen
verdient machte, fielen in eine frühere Zeit. 0. v. Kitgen.
Kegieruugs- und Baurath Wagenianii Der Director des
Königlichen Eisenbahn -Betriebsamtes in Cottbus, Regierungs- und
Baurath Wagemann, ist am 31. December v. J. das Opfer eines
beklagenswerthen Unfalles geworden. Im Begriffe, ein Geleis des
Bahnhofes Cottbus zu überschreiten, wurde er von einem in Be¬
wegung gesetzten Zugtheile überfahren und sofort getödtet. —
AVagemann war am 12. Januar 1832 in Rethem a. d. Aller, Land¬
drostei Lüneburg, geboren. Er erhielt seine Schulbildung auf dem
Gymnasium und studirte demnächst auf dem Polytechnicum in Han¬
nover. Am 1. März 1856 bestand er die erste Staatsprüfung für den
Landbau, trat alsdann aber, da es an Gelegenheit zu seiner Be¬
schäftigung in der Hochbauverwaltung fehlte, am 1. October 1856
als Ingenieur- Assistent in den Dienst der Königlich Hannoverschen
General-Direction der Eisenbahnen und Telegraphen, bei welcher er
u. a. bei den Vorarbeiten und bei der Ausführung der Strecke
Bremen-Geestemünde thätig war. Durch dienstliche Interessen wurde
AVagemann genöthigt, die Ablegung der zweiten Staatsprüfung für
das Eisenbahnwesen länger hinauszuschieben, als es seinem Wunsche
entsprach. Er bestand dieselbe im Juli 1864 und trat sodann als
Eisenbahnbau-Conducteur in den Dienst seiner früheren Verwaltung
wieder zurück, von welcher er u. a. mit den Vorarbeiten für die
Strecke Osnabrück - Bremen betraut wurde. Nach der durch den
Krieg vom Jahre 1866 veranlafsten politischen Umgestaltung der
A^erhältnisse des ehemaligen Königreichs Hannover war Wagemann
im Bezirke der Königlichen Direction der Ostbahn bei den A^or-
arbeiten für die Strecke Thorn - Insterburg und weiterhin als Ab¬
theilungsbaumeister für die Ausführung der Strecke Dirschau-
Pr. Stargardt thätig. Aus dieser Stellung wurde er nach dem
französischen Kriegsschauplätze entsandt, um in Nancy zunächst
die Stelle eines Eisenbahn -Baumeisters xmd später die Stelle eines
Betriebsinspectors zu übernehmen. Nach dem Friedensschlüsse ver¬
waltete er die Stelle eines Betriebsinspectors in Colmar. In An¬
erkennung seiner Leistungen während dieses vom 20. September 1870
bis zum 1. September 1871 dauernden Commandos erhielt Wagemann
das eiserne Kreuz II. Klasse am weifsen Bande. Bald nach seiner
Rückberufung aus dem Elsafs wurde er, nachdem er zunächst kurze
Zeit die Eisenbahn-Baumeisterei in Königsberg i. Pr. verwaltet hatte,
nach Höxter zur Königlichen Direction der Westphälischen Eisenbahn
versetzt. Im Jahre 1873 wurde er zum Eisenbahn-Bau- und Betriebs¬
inspector befördert und im December 1873 mit den Geschäften des
Betriebsinspectors der Hannoverschen Staatsbahn in Hannover be¬
traut, von wo er in gleicher Amtseigenschaft im Februar 1875 nach
Hirschberg und am 1. Juli 1876 zu der neu eingerichteten, dem
Bezirke der Niederschlesisch - Märkischen Eisenbahn angehörigen
Königlichen Eisenbahn-Commission in Breslau versetzt wurde. Nach
der Umwandlung der letzteren in das Königliche Eisenbahn-Betriebs¬
amt Breslau - Sommerfeld war AVagemann seit April 1880 ständiger
Hülfsarbeiter und seit April 1881 ständiger A'^ertreter des Betriebs-
directors daselbst. Am 30. April 1883 wurde er zum Regierungs¬
und Baurath ernannt, und seit November 1884 war er Director des
Königlichen Eisenbahn-Betriebsamtes in Cottbus.
AVagemann besafs eine tüchtige Fachkenntnifs und ein reges
Interesse für seine Berufsthätigkeit, welcher er seine Kräfte mit
unermüdlichem Fleifse widmete. Obwohl er selbst nicht Soldat
gewesen war, lag in seinem ganzen AVesen eine straffe, militärische
Schneidigkeit, welche im Eisenbahnwesen, namentlich in der ver¬
antwortlichen Stellung eines Betriebsleiters, wohl am Platze ist.
Seinen Untergebenen war er in dienstlicher und aufserdienstlicher
Beziehung ein wohlwollender Berather und gern suchte er für die¬
selben zu wirken, soweit es irgend in seinen Kräften stand. K.
•loliauues Richter 'j*. Am 31. December v. J. starb plötzlich in
Bonn infolge eines Herzschlages einer der hervorragendsten und
bekanntesten rheinischen Fachgenossen, der vormalige Eisenbahn-Bau¬
inspector und Stadtbaumeister .Johannes Richter. Geboren am
1. April 1842 in Coblenz machte er nach bestandener Abgangs¬
prüfung am Coblenzer Gymnasium den damals vorgeschriebenen
Ausbildungsgang für zukünftige Baubeamte durch und legte im
Jahre 1868 die Baumeisterprüfung ab. Seine Thätigkeit war darauf,
abgesehen von manchen Privatbauten (z. B. dem Kunstgewerblichen
Hause auf der Düsseldorfer Gewerbeausstellung, mehreren Privat¬
häusern in Köln, Bonn usw.), dem Eisenbahn-Hochbau gewidmet, bis
1870 unter Umpfeubach bei der Thüringischen, nach dem Kriege bis
zur A^erstaatlichung unter Menne bei der Rheinischen Eisenbahn.
Richters AA^erke legen ein rühmendes Zeugnifs ab von seinen Kennt¬
nissen und seiner reichen Phantasie. Die Stilformen des Alittelalters
und der frühen Renaissance beherrschte er in einer für die damalige
Zeit seltenen AA^’eise, wie die Empfangsgebäude in Neufs, Oppum und
an der Linie Bonn-Euskirchen beweisen. Am 1. Oct. 1880 wurde er
zum Kgl. Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector ernannt und als
solcher nach Dirschau versetzt. Zur Ueberraschung seiner Freunde
lebte er sich in die neue, ungewohnte Beschäftigung leicht und
freudig ein und fand sich, obwohl ganz und gar Sohn des Ehein¬
landes, in die A^erhältnisse des Ostens mit grofser Zufriedenheit-
Als aber im .Jahre 1884 der Ruf der Stadt Aachen an ihn erging,
die dortige Stadtbaumeisterstelle zu übernehmen, folgte er demselben
in der frohen Hoffnung auf eine selbständige künstlerische Thätig¬
keit. Zwar blieb diese Hoffmxng nicht unerfüllt, da manche reizvolle
Aufgaben sich ihm darboten. Aber zum rheinischen Stadbaumeister
pafste Richter nicht; seine gutherzige und weiche Natur war
den AA’’iderwärtigkeiten und Reibereien des Gemeindedienstes nicht
gewachsen. Schon nach wenigen Jahren schied er aus dem dornen¬
vollen Amte aus. Trotz eines Herzleidens, welches sich bei ihm
ausgebildet hatte, lag er von nun ab, nachdem er seinen AA^ohnsitz
nach Bonn verlegt hatte, einer mannigfaltigen, künstlerischen Privat-
thätigkeit ob, welche nicht auf AA^ohngebäude und kleinere Entwürfe
beschränkt blieb, sondern sich auch auf gröfsere Aufgaben ausdehnte.
Von letzteren sind die AA^iederherstelluug der durch Brand zerstörten
Eemigiuskirche und der zugehörigen, ehemaligen Klostergebäude in
Bonn, der Neubau einer katholischen Pfarrkirche in Kessenich und
der Entwiirf zum Neubau des erzbischöflichen Convicts in Bonn zu
nennen. — Richter war nicht blofs ein tüchtiger Baukünstler, er war
ein edler, liebenswürdiger Mensch in des AVortes bester Bedeutung.
Mit seiner hinterlassenen Familie trauern zahlreiche Freunde an
seinem Grabe. J. St.
Mit Rücksicht auf die Traurigkeit des Falles entsprechen wir
gern dem uns ausgedrückten AA^’unsche, die Leser auf den Aufruf
au der Spitze des heutigen Anzeigetheils hiermit besonders auf¬
merksam zu machen.
Büclierschaii.
lu der Reclieiitafel von Dr. H. Zimmermann, welche auf S. 186
des vorigen Jahrgangs d. Bl. besprochen ist, sind auf S. 202 (Factoren-
tafel) zwei unrichtige oder vielmehr unvollständige Angaben gefunden
und mit je 10 Mark vergütet worden. Danach ist statt 255 = 5 . 51
zu setzen 255 = 3 . 5 . 17 ; ferner ist statt 285 — 5.57 zu setzen
285 = 3 . 5 . 19. — Zwei für den Gebrauch der Tafel unwesentliche
Fehler finden sich in der Einleitung. Auf Seite XXI, Zeile 3 von
unten ist nämlich statt 100,00000 62503 zu setzen: 100,50000 62503;
3 _ 3 _
und auf Seite XXW, Zeile 1 von oben ist statt 1/4,76 zu setzen j/47,6.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von .1. Ke rskes, Berlin.
21
Centralbktt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 18. Januar 1890. Nr. 3.
Bedactiou: SW. Zimmerstrarse 7 (üeschäftBstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Ueher zweckmäfsige
Einrichtungen von Kliniken. (Fortsetzung). — Beseitigung der SchifEahrtshindernisse
am ^Eisernen Thor“. — Das Innere des Strafshui'ger ICaiserpalastes. — Seecanal nach
Berlin. (Schlufs.) — Vermischtes; Vermehrung der Bauinspectorstellen beider
preufsischen Eisenbahnverwaltung, der allgemeinen Bauverwaltung und der landwirth-
schaftlichen Verwaltung. — Boissonnet-Stiftung. — Versuche über die Fortbewegung
von Schüfen auf Canälen. — Aufserbetriebsetzung von Eilzügen in England. — Be-
suchsziifer der technischen Hochschule Berlin für das Winter-Halbjahr 1889/90. —
Altrömische Strafsenbrücke. — Dammbruch bei Johnstown.
Amtliche M
Bayern.
Der Generaldirectionsrath Gustav Ebermayer in München
(Generaldirection) ist zum Oberregierungsrath und Vorstand der
Bauabtheilung bei der Generaldirection der K. b. Staatseisenbahnen
befördert; derselbe erhielt das Ritterkreuz des Ordens der Württem-
bergischen Krone. Der Oberingenieur Ferdinand Volkert in Nürn¬
berg (Canalamt) erhielt den Verdienstorden vom hl. Michael IV. Klasse.
Der Abtheilungsingenieur Rieh. Gottlieb Frobenius in Nürnberg
ist zum Betriebsingenieur dortselbst befördert. Der Abtheilungs¬
ingenieur und Vorstand der Eisenbahnbausection Heinrich Endres
in Reichenhall ist in gleicher Diensteseigenschaft zur Eisenbahnbau¬
section München versetzt. Der Ingenieurassistent Konrad Wagner
ist zum Abtheilungsingenieur und Vorstand der Eisenbahnbausection
Traunstein ernannt. Der Abtheilungsingenieur Karl Barth in Zwiesel
ist zum Vorstand der Eisenbahnbausection Zwiesel berufen. Der
Abtheilungsingenieur und Vorstand der Eisenbahnbausection Johannes
Schrenk in Kronach ist in gleicher Diensteseigenschaft nach Bam¬
berg versetzt.
ittheilungen.
Der Director und Vorstand der Bauabtheilung Franz Gyfsling
in München (Generaldirection) und der Betriebsingenieur und Vor¬
stand der Eisenbahnbausection Johann Nepomuk Kurz in Zwiesel
sind in den Ruhestand versetzt.
Der Betriebsingenieur Karl Hüttner in Rosenheim ist gestorben.
Württemberg.
Durch Höchste Entschliefsung vom 20. Juni v. J. hat der da¬
malige Director des K. Polytechnicums in Stuttgart, Professor Dr.
V. Marx an der chemischen Fachschule, die Krone zum Ehrenritterkreuz
des Kronordens erhalten, und durch Ministerial-Erlafs vom 26. v. M.
ist der Di-, phil. Friedrich Freiherr v. Westenholz als Privatdocent
für englische Sprache und Litteratur am Polytechnicum in Stuttgart
zugelassen worden.
Hamburg.
Der Ingenieur F. Th. Muh s fei dt ist als Baumeister angestellt
worden.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
lieber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken
(Fortsetzung aus Nr. 40 des vorigen Jahrganges.)
7. Die Heizungs- und Lüftungs-Einriclitungeii.
Die in den Krankenräumen der Kliniken an die Heizungs- und
Lüftungsanlagen zu stellenden Anforderungen sind mannigfachster
Art. Hinsichtlich der Heizung mufs gefordert werden, dafs überall
eine gleichmäfsige Temperatur von 22° C. hergestellt und thunlichst
dauernd (Tag und Nacht) gehalten wird. Der Luftwechsel mufs
sowohl im Winter wie im Sommer ein reichlicher sein und für den
Kopf und die Stunde etwa 80 cbm betragen, auch mufs dafür gesorgt
werden, dafs die eingeführte frische Luft im Winter vorgewärmt
wird und thunlichst frei von Verunreinigungen (Staub usw.) ist.
Endlich mufs gefordert werden, dafs die Heizungs- und Lüftungs-
Einrichtungen weder durch Hitze, noch durch unangenehmes Geräusch
oder Zug u. dgl. belästigend auf die Kranken wirken. Für die Flure
und Treppenhäuser genügt eine Temperatur von 15° C., die nur
während des Tages einzuhalten ist, und ein zweimaliger Luftwechsel
in der Stunde.
In den bisher erbauten Universitäts - Kliniken sind fast alle
bekannten Heizungs- und Lüftungs-Systeme zur Anwendung gebracht
worden. Es liegt auf der Hand, dafs einzelne den vorbezeichneten
Anforderungen nicht in ausreichender Weise genügen, da sie ihrem
Wesen nach hierzu nicht imstande sind.
a. Localheizungen.
Von Heizungen mit örtlichem Betriebe sind zur Anwendung ge¬
bracht: eiserne Schüttöfen mit Lüftungsmänteln und Kachelöfen.
Von diesen haben sich die Schüttöfen bei zweckmäfsiger Bau¬
art gut bewährt; sie gestatten einen dauernden Betrieb ohne
umständliche Bedienung und ermöglichen wegen der starken Aus¬
strahlung nicht nur eine schnelle Erwärmung der Räume, sondern
auch eine reichliche Zufuhr frischer Luft von angemessener Wärme.
Bei richtiger Entfernung des Mantels vom Ofen, die in jedem Einzel¬
falle durch Versuche festgestellt werden mufs, ist ein derartiger
Ofen von entsprechender Gröfse imstande, in der Stunde 800 bis
1000 cbm warme Luft zuzuführen. Dabei wirkt die strahlende W’^ärme
des Ofens auf die Umgebung nicht belästigend, weil sie durch den
Lüftungsmantel abgefangen und nach oben geführt wird. Wenn für
eine bequeme Bedienung dieser Oefen durch kleine Kohlenvorräthe
in der Nähe, durch Kohlenaufzüge nach den verschiedenen Geschossen
und Vorrichtungen zur schnellen Entfernung der Asche (kleine
Absturzschachte, welche unmittelbar nach Sammelgruben führen)
gesorgt wird, so genügen die eisernen Schütt-Mantelöfen den An¬
forderungen sowohl hinsichtlich der Heizung wie der Lüftung.
Die Kachelöfen haben sich nicht in demselben Mafse bewährt,
weil sie meist nicht wie die eisernen Oefen mit Schütttrichtern, die
den dauernden Betrieb wesentlich erleichtern, versehen werden und
ihre Bedienung daher umständlicher ist; auch erfordern sie häufige
Ausbesserungen und sind wegen der viel mäfsigeren Wärmeabgabe
für Lüftungszwecke weniger verwendbar. Führt man den Kranken¬
räumen indessen auf anderem Wege frische vorgewärmte Luft zu,
so kann auch die Kachelofenheizung in Einzelfällen als eine brauch¬
bare namentlich dann bezeichnet werden, wenn man die Wandungen
der Oefen in gröfserer Stärke als gewöhnlich üblich (Hintermauerung
der Kacheln mit Ziegeln) herstellt und dadurch fähiger macht, die
zugeführte Wärme lange Zeit zu halten. Durch die Beschaffung und
Unterhaltung centraler Heizvorrichtungen für eine gesonderte Zu¬
führung frischer Luft entstehen indessen nicht unerhebliche Kosten.
Im allgemeinen dürfte es sich empfehlen, für kleinere Kranken¬
häuser Localheizungen, und zwar Schüttöfen mit Lüftungsmänteln,
dagegen für Gebäude von grofser Ausdehnung oder für umfangreiche
Anstalten zweckmäfsige Centralheizungen zu wählen.
b. Centralheizungen.
Von diesen haben die Feuerluftheizungen, sowie die Heifswasser-
und Dampfheizungen den gehegten Erwartungen am wenigsten ent¬
sprochen. Die Feuerluftheizungen haben Veranlassung zu Klagen
über trockne Wärme bezw. Verbreitung von Rauch und versengtem
Staub gegeben; auch ist eine anhaltend gleichmäfsige Temperatur
nur bei fortdauerndem Betriebe zu erzielen, da in den bewohnten
Räumen Heizkörper, welche die zugeführte Wärme längere Zeit
halten, fehlen. Endlich ist wegen des geringen Leitungsvermögens
erwärmter Luft auf wagerechten Wegen die Anlage zahlreicher Heiz¬
kammern erforderlich. Kann man auch die Klagen über trockne
Luft durch Anwendung von Befeuchtungsapparaten und die über
Staubbelästigung durch Einschaltung weitmaschiger Filter theilweise
2-2
Centralblatt der Bauverwaltuug.
18. Januar 1890.
haltend gleiclimäfsigen Teinperatur wegen des geringen Wärme¬
haltungsvermögens ebenfalls einen dauernden Betrieb, macht auch,
weil erwärmtes Wasser nur in geringem Umfange wagerecht geleitet
werden kann, viele Peuerstellen nöthig und friert aufserdem leicht
ein 5 sie ist deshalb im allgemeinen nicht zu empfehlen. Aehnliche
Mängel hat, abgesehen davon, dafs
wegen der grofsen Leitungsfähig¬
keit des Dampfes in wagerechter
Richtung Betriebsstellen nur in sehr
geringer Zahl erforderlich werden,
die gewöhnliche Dampfheizung,
welche aufserdem wegen des die
Kranken und Zuhörer belästigenden,
nur in seltenen Fällen zu vermei¬
denden Geräusches in den Heiz¬
körpern wenig beliebt ist.
Von den sonst gebräuchlichen
Centralheizungen haben sich die
Warmwasserheizungen gut be¬
währt. Sie verbreiten eine gleich-
mäfsige, milde Wärme, besitzen ein
grofses Wärmehaltungsvermögen und
sind auch für Lüftungszwecke sehr
wohl verwendbar, wenn die frische
Luft den Heizkörpern nicht mit
niedriger Temperatur, unmittelbar
von aufsen, sondern von etwas vor¬
gewärmten Räumen zugeführt wird,
wodurch die sonst bestehende Gefahr
des Einfrierens ausgeschlossen ist.
Diese Heizungen können, wie be¬
kannt, entweder durch (im Keller
aufgestellte) Warmwasserkessel mit
unmittelbarer Feuerung oder durch
solche mit eingelegten Dampfröhren
betrieben werden. Erstere sind in
der Bedienung umständlicher, weil er¬
wärmtes Wasser nur auf mäfsige
Strecken wagerecht geleitet werden
kann und deshalb verschiedene
Feuerstellen eingerichtet werden
müssen, letztere sind in der Be¬
dienung bequemer, weil der Betrieb
(die Dampfbereitung), von einer Stelle
aus erfolgen kann. Es wird daher,
den örtlichen Verhältnissen ent¬
sprechend, eine Warmwasserheizung mit Feuerbetrieb bei einzeln stehen¬
den Kliniken von geringem Umfange, dagegen eine derartige Heizung
mit Dampfbetrieb bei gröfseren Kliniken und Anstalten, welche in der
Regel mit einem, verschiedenen Zwecken dienenden Dampfkesselhause
versehen werden, zu wählen sein. In jedem Falle ist dafür zu sorgen,
dafs innerhalb der bewohnten Räume glatte, Staubablagerungen nicht
zulassende Heizkörper verwendet werden; sogenannte Rippenheiz¬
körper sind daher zu vermeiden.
Die sonst noch üblichen Dampf wasserheizungen ver¬
schiedener Art mit Umlauf-Dampfröhren innerhalb der Räume sind
wegen des unvei'meidlichen Geräixsches in den Röhren und Heiz¬
körpern weniger zu empfehlen.
Bei centralem Betriebe verdienen auch die Dampf luft-
heizungen Beachtung, weil bei diesen die den Feuerluftheizungen
anhaftenden Uebelstände in viel geringerem Grade auftreten, nament¬
lich dann, wenn Dampf mit mäfsiger Ueberhitzung (Niederdruck) ver¬
wendet und die zugeführte frische Luft filtrirt wird. Bei Anwendung
dieses Heizsystems, welches wegen der wünschenswerthen Verein¬
fachung des Betriebes nur während der Tagesstunden in Benutzung
zu nehmen sein wird, dürfte indessen dafür zu sorgen sein, dafs zur
Erzielung einer angemessenen Temperatur während der Nachtzeit
innerhalb der Krankenräume noch besondere kleine Heizkörper
(Wasseröfen mit Dampfbetrieb u. dgl.) vorgesehen werden, welche
imstande sind, die zugeführte Wärme längere Zeit zu halten.
Als Beispiele neuerer Anordnungen werden die in den Kranken¬
sälen der Kliniken in Breslau und Göttingen ausgeführten Heiz¬
einrichtungen mitgetheilt (Abb. 12 u. 13). Abb. 12 zeigt eine Ver¬
bindung von Local- und Centralheizung (Keidelsche Füllöfen zur
Unterstützung des Tagesbetriebes und für den Nachtbetrieb — und
gesonderte Luftheizung), Abb. 13 dagegen eine Dampf luftheizung
(mit Erhitzung der bereits vorgewärmten Luft in der neben dem
Saale belegenen Heizkammer 6) für den Tagesbetrieb und vier
kleine Wasser-Heizkörper a innerhalb des Krankensaales für den
Nachtbetrieb. (Fortsetzung folgt.)
beseitigen, so ist doch beim Schadhaftwerden der Heizapparate das
Eindringen von Rauch nicht zu vermeiden, auch ist ein Dauerbetrieb
bei Tag und Nacht an den meist zahlreichen Heizstellen zu umständlich.
Für Räume, in denen sich Kranke dauernd aiifzuhalten pflegen, ist
deshalb eine Feuerluftheizung im allgemeinen nicht zu empfehlen.
IUI Warme Luft. ^ Abluft.
Grundrifs des Erdgeschosses.
Abb. 12. Krankensaal der Frauenklinik in Breslau
(Heizung u. Lüftung).
Sie eignet sich indessen sehr wohl für Räume, die nur vorübergehend
benutzt werden, schnell erwärmt werden müssen und einen starken
Luftwechsel erfordern, wie Hör- und Operationssäle, Flure, Treppen¬
häuser, Aborte usw.
Die Heifswasserheizung erfordert zur Erzielung einer an¬
ScliDitt a—h.
i‘ - 2,48
y -
Centralblatt der Bau Verwaltung.
23
Nr. 3.
Beseitigung der Schiffahrtshindernisse am „Eisernen Thor“,
Bekanntlich ist im Artikel LVII des Berliner Vertrages vom
Jahre 1878 die Ausführung der Arbeiten zur Beseitigung der Schiff¬
fahrtshindernisse in der unteren Donau, am Eisernen Thor und bei
den Stromschnellen, an Oesterreich - Ungarn übertragen worden,
welchem auf Grund des Artikels VI des Londoner Vertrages vom
Jahre 1871 das Eecht zugestanden wurde, zur Deckung der ent¬
stehenden Kosten eine „provisorische Taxe“ zu erheben. Die Aus¬
übung der hiermit dem Gesamtstaate zugefallenen Eechte und
Pflichten hat dann die K. ungarische Eegierung übernommen. Durch
die Gesetz-Artikel XXVI vom Jahre 1888 und XII vom Jahre 1889
wurden über die auszuführenden Bauarbeiten und über die Be¬
schaffung der nöthigen Geldmittel die grundlegenden Bestimmungen
getroffen, nach welchen für die sämtlichen, bis zum Schlufs des
Jahres 1895 zu vollendenden Bauten die Summe von 9 000 000 Fl.
vorgesehen wurde. — Im Sommer 1889 ist dann die ausführende
Baubehörde unter Leitung
des Sectionsraths Ernst
V. Wallandt in Orsova
eingerichtet worden.
Das K. ungarische
Handelsministerium hat
nunmehr in jüngster Zeit
ein öffentliches Aus¬
schreiben zur Verdingung
der Felssprengungen usw.
erlassen, nachdem im
Laufe des Jahres 1889
umfangreiche V erarbeiten,
auch Sprengversuche, aus¬
geführt worden sind. Es
ist daher zu hoffen, dafs
im bevorstehenden Früh¬
jahr die Inangriffnahme
der überaus wichtigen
Arbeiten erfolgen wird.
Die die Schiffahrt
in der unteren Donau be¬
hindernden Stromschnel¬
len befinden sich bekannt¬
lich in der etwa 120 km
langen Strömstrecke von
Moldova bis zum serbischen Dorfe Sibb unterhalb Orsova. Man
beabsichtigt, unter Vermeidung von Schleusen, wie dieselben
für das Eiserne Thor durch die internationale Commission vom
Jahre 1879 vorgeschlagen waren, in den Felsenstrecken Canäle aus¬
zusprengen, welche bei Niedrigwasser noch 2 m Wassertiefe besitzen.
Diese Canäle sollen in den oberen Stromschnellen 60 m, im eigent¬
lichen Eisernen Thore dagegen 80 m Sohlenbreite erhalten.
Es handelt sich im wesentlichen um die folgenden Arbeiten.
Aussprengung des erwähnten Canals durch die Felsenbänke
Stenka, Kozla und Dojke, Izlas und Tachtalia, Greben und Jucz
unterhalb Moldova, sowie die Beseitigung von vielen einzelnen, in
dieser Strecke im Fahrwasser anstehenden Felsenriffen. Die Masse
des hier abzusprengenden Gesteins ist zu 162 000 cbm ermittelt; das¬
selbe besteht aus Granit, quarzhaltigem Glimmerschiefer, thonhaltigem
und mit Schieferadern durchzogenem Kalkstein, sowie porphyrartigem
Serpentin, welcher mit Quarzschieferadern durchzogen ist. Die durch¬
schnittliche Höhe, in welcher die Felsen abzubrechen sind, beträgt
nicht ganz 1 m, die Wassergeschwindigkeit in den Stromschnellen
2,5 — 4,5 m in der Secunde.
Zur Ausgleichung des Gefälles und Erzielung einer gleich-
mäfsigen Strömung auch bei höheren Wasserständen sollen aufserdem
vor dem rechten Ufer zwei mächtige Längsstaudämme (Parallelwerke)
angelegt werden. Der erste derselben beginnt an der Grebener Spitze,
wo die Strombreite sich ganz plötzlich von 425 m auf 1400 m ver-
gröfsert, und endigt, 6200 m lang, bei Milanovacz. Der zweite Stau¬
damm von 3935 m Länge reicht von der Felsenbank Jucz bis Kolubinje.
Beide Dämme sollen aus Steinschüttung hergestellt, in den Aufsen-
flächen abgepflastert werden und 3 m Kronenbreite erhalten ; zu den¬
selben sind rund 600 000 cbm Steinschüttung und 105 000 qm Pflaster
veranschlagt.
Die umfangreichsten Arbeiten sind im Bereiche des eigentlichen
Eisernen Thores unterhalb Orsova in der rumänisch-serbischen Donau¬
strecke auszuführen. Man
beabsichtigt, für die Schiff¬
fahrt hier einen offenen
Canal von 2070 m Länge
dicht am rechten Ufer
entlang herzustellen, wel¬
cher beiderseitig durch
gepflasterte, bis zum Hoch¬
wasser emp erreichende
Steindämme begrenzt wer¬
den soll. Der linksseitige
Damm erhält 4 m, der
rechtsseitige 6 m Kronen¬
breite, weil auf dem letz¬
teren der Leinpfad liegen
soll. — Zur Herstellung
des Canals in den ange¬
gebenen Abmessungen
müssen 246 000 cbm Felsen
ausgebrochen werden. Zur
Erleichterung dieser Ar¬
beit beabsichtigt man,
den linksseitigen Canal¬
damm an seinem oberen
Ende vorübergehend wäh¬
rend der Bauzeit durch
einen Querdamm an das rechte Ufer anzuschliefsen, sodafs die Be¬
seitigung der Felsen bei entsprechend gesenktem Wasserspiegel er¬
folgen kann und durch die Strömung nicht erschwert wird. Für die
Canaldämme sind 552 000 cbm Schüttung und 95 000 qm Pflaster
veranschlagt.
Die Angebote auf Ausführung der bezeichneten Arbeiten müssen
bis zum 31. März 1890 eingereicht sein. Die Arbeiten sind bis
31. December 1895 zu vollenden, mit der Mafsgabe, dafs 10 pCt. im
Jahre 1890, je 20 pCt. in den folgenden vier Jahren urd die Eest-
arbeiten im Jahre 1895 ausgeführt werden. Der Unternehmer hat
ein Haftgeld von 720 000 Fl. zu hinterlegen.
Es sei noch bemerkt, dafs gleichzeitig eine Ausschreibung auf
das beste Verfahren zur Beseitigung von Felsen unter Wasser er¬
lassen wurde, nachdem die für denselben Gegenstand schon im
Jahre 1889 durchgeführte Verdingung zu einem befriedigenden Er¬
gebnisse nicht geführt hat. Die betreffenden neuen Angebote sollen
am 31. Januar 1890 eröffnet werden. E. Eoeder.
a a Heizkörper, h Luftkammer mit Dampfbetrieb.
Abb. 13. Eirankensaal der chirurgisclien Klinik in Göttingen
(Heizung u. Lüftung).
Das Innere des Strafsburger Kaiserpalastes,
Im Anschlufs an die Veröffentlichung des Strafsburger Kaiser¬
palastes in Nr. 8 vorigen Jahrganges d. Bl. wird nachträglich ein
Durchschnitt des Gebäudes gegeben, der einen Theil des sehr be-
merkenswerthen Inneren desselben zur Erscheinung bringt. Der
Schnitt zeigt zur Linken die Unterfahrt und darüber die an dem
Audienzsaale gelegene Vorhalle, welche beide ganz in Haustein aus¬
geführt und mit mannigfaltigem Schmuck figürlicher und ornamentaler
Art reich ausgestattet , sind ; sie haben wagerechte Felderdecken, die
aus sichtbaren Eisenträgern und kräftig profilirten, nur sparsam mit
Ornament geschmückten Steinplatten gebildet werden. Hier haben
Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin bei Ihrem vorjährigen
Besuche in Strafsburg sich dem Volke wiederholt gezeigt, und die
Halle hat an dem letzten Abende des Besuches, an welchem dem
Herrscherpaare eine grofsartige Huldigung von der Strafsburger Be¬
völkerung dargebracht wurde, in einer Beleuchtung von elektrischem
und bengalischem Lichte nach uns von verschiedenen Seiten zuge¬
gangenen Berichten einen wundervollen Anblick geboten.
Die hinter der Unterfahrt liegende Eintrittshalle ist gleichfalls
mit einer wagerechten, aber reicher abgestuften Cassettendecke aus
sichtbaren Eisenträgern und Gipsstuck-Feldern versehen. Ihr schliefsen
sich seitwärts Hallen an, die durch rothe, polirte Granitsäulen mit
broncefarbenen Capitellen und Basen von dem Hauptraume ab-
getrennt sind. In gleicher Weise ist auch der auf die Vorhalle
folgende Vorraum der Haupttreppe behandelt. Die Wände und Decken
dieser Eäume sind schlicht getönt und mit einfachen Ornamenten
und einiger Vergoldung belebt, während das Eisengerüst der Decken
in hellem Bronceton gehalten ist. Die Beleuchtungskörper sind zu¬
meist aus schwarzem Schmiedeeisen mit wenigen polirten Kupfer-
theilen hergestellt; für den Vorraum der Haupttreppe bilden zwei
Standleuchter aus blauen Majolicavasen und geschmiedeten, altver¬
goldeten Blumensträufsen einen wirkungsvollen Schmuck.
Das Haupttreppenhaus ist mit hoher, von Stichkappen und um¬
rahmten Kundfenstern durchbrochener Voutendecke abgeschlossen.
Ihr wagerechtes Feld bildet ein Oberlicht, dessen teppichartig
24
Centralblatt der B auverwaltung’.
18. Januar 1890.
gemusterte mattgrüne Mittelfläche von einem breiten, kräftig ge¬
tönten Rundstreifen mit Motiven aus der Kette des Schwarzen Adler¬
ordens umzogen ist. Die Stufen und durchbrochenen Brüstungen
der Treppe, sowie die Säulen des Umganges sind in hellem
Murgthal- und fein getöntem, grauem Vogeseusaudstein ausgeführt.
Nur die Handläufe der Brüstungen und die den lurteren Lauf der
Treppe begleitenden Cascadenstufen sowie das stattliche Wasser¬
becken auf dem mittleren Treppenabsätze bestehen aus hell-
rothem Tiroler Marmor. Die Wände des Treppenhauses sind im
Einklang mit der Farbe der Sandstein- Architekturtheile hell getönt
und mit wenig Ornainent in gelblichen Tönen und rothen Zwickel¬
umrahmungen der Bogeufelder versehen. Im Mittelraume ist etwas
reichere Malerei angewandt mit vorherrschend tief blauem Grunde
der Ornamente. Die Bogenzwickel zur Seite der Mittelachse
des Gebäudes sind mit den Gestalten der Weisheit, Gerechtigkeit,
Kraft und Mäfsigung bemalt. Erhöht wird die Farbenwirkung dieses
Raumes durch die sechs seitlichen Rundbogenfenster. Sie sind mit
hellem Kathedralglas in musivischen Mustern verglast, mit farbigem
Rändern und Cartouchenwerk umzogen und tragen in den oberen
Feldern tief gefärbte Vasen mit Blumen und Bändern. Auch hier
bilden die Beleuchtungskörper einen hervorragenden Schmuck.
Ueber der Eintrittshalle liegt in der Mitte der Hauptfront der ein¬
gangs erwähnte kuppelgedeckte Audienzsaal, welcher sein Licht durch
ein grofses bleiverglastes Rundbogenfenster und ein getöntes Oberlicht
erhält. Das erstere hat hellen Grund aus Kathedralglas, trägt in der
Mitte eine grofse, von Eichen- und Lorbeerzweigen umgebene Kaiser¬
krone und wird von einem breiten, in kräftigen Farben gehaltenen Rande
mit Fruchtgehängen, die von Sclmörkelschildern mit Königskronen
unterbrochen sind, umzogen. Das Oberlicht ist in hellgelben und
braunen Tönen gehalten und trägt über einem Ornament-Rundstreifen
die Zeichen des Thierkreises. Die die Galerieen des Saales tragenden
Säulen bestehen aus rothem belgischen Marmor und haben ver¬
goldete Capitelle. Die Wände sind mit Stuckmarmor in hellgrauem
Tone bedeckt und von einem Brüstungsgetäfel in rothen und grünen
Tönen umzogen; bei den schweren Umrahmungen der Thüren
ist der festlich wirkende Vert de Genes vortrefflich nachgeahmt.
Der ganze obere Theil des Saales ist vorwiegend hell gehalten.
Die Bogenfelder und die grofse Wandfläche über der Haupteingangs¬
thür haben zunächst nur einfache Umrahmungen erhalten und würden
geeignet sein, dereinst den bedeutungsvollen Schmuck geschichtlicher
Bilder zu tragen. Die Decke ist durch vier breite, mit Schuörkelschilder-,
Trophäen- und Ornamentwerk belebte Streifen in Felder getheilt, in
deren Mitte wieder, von Cartouchen eingerahmt, die Bildnisse des
Grofsen Kurfürsten, der Könige Friedrich I. und Friedrich II. und
Kaiser Wilhelms I. angebracht sind. Die Bogenzwickel endlich sind
mit grofsen, kränzetragenden Siegesgöttinnen ausgefüllt. Ein sehr wir¬
kungsvoller, 4,3 m hoher und im Durchmesser fast 3 m grofser Kron¬
leuchter aus vergoldeter Bronce vollendet die Ausstattung dieses
Raumes; an ihm sind die Wajipen der deutschen Bundesstaaten in
Gold auf farbigem Grunde angebracht; feiner irisirender Glasbehang
verleiht ihm eine reizvolle Farbenwirkung. Ueber dem Audienzsaal er¬
hebt sich die freie Kuppelhalle, durch deren weite Bogenöfinungen dem
Saale von oben Licht zugeführt wird. Von ihr eröffnet sich eine
entzückende Aussicht über die Stadt Strafsburg und die liebliche
Rheinebene.
An der Hinterfront schliefst sich dem Treppenhause der grofse
Festsaal an, der die Mitte einer sich durch die ganze Länge des
Gebäudes erstreckenden Flucht von Festräumen bildet. Seine Decke
besteht aus einer Vereinigung weit gespannter gefelderter Tonnen¬
gewölbe in Korbbogenform und eines über die Nische des Saales
gespannten Melonengewölbes mit flach gewölbtem, von reichem Gesims
und Felderkranz umzogenem Spiegel aus Gipsstuck auf Eisengerüst.
Die achtzehn Säulen des Saales wurden aus hellgrauem Nassauer
Marmor von theilweise sehr guter Wirkung gefertigt. Die Wände
sind unten mit Stuckmarmor von feiner gelber Farbe und einem ein¬
fach getheilten Brüstungsgetäfel in kräftigen, vorwiegend rothen Tönen
bekleidet. Der Farbenschmuck der oberen Theile der Wände ist
auch hier nicht als endgültig gedacht, vielmehr ist angenommen, dafs
die vorhandenen, nur mit Ornamentstreifen auf rothem Grunde um¬
zogenen Bogenfelder dereinst mit selbständigen Malereien werden
versehen werden. Das mittlere Deckenfeld und die Gewölbeflächen
der Nische haben einen hellblauen Grund und sind mit zarten golde¬
nen Blumen bestreut. In den Feldern der Tonnengewölbe und den
Bogenzwickeln der Wände sind farbige Kinderfiguren mit Emblemen
der kaiserlichen Würde angebracht. Beleuchtet wird der Festsaal
durch vier tief hei’abhängende grofse Kronleuchter und zwei Wand¬
leuchter aus reichem vergoldeten Schmiedewerk.
Kann das sparsam ausgestattete Palast -Innere, wie aus dem
Gesagten erhellt, auch noch nicht in allen seinen Theilen als
fertig und den Absichten des Erbauers entsprechend angesehen
werden, so bildet es doch bereits in seiner jetzigen Erscheinung
eine harmonische Vereinigung fürstlicher Pracht und vornehm-behag¬
licher Wohnlichkeit, wie sie der Bestimmung des Bauwerkes, vor¬
übergehender Kaiserlicher Hofhaltung in den Reichslanden zu dienen,
in vollkommener Weise entspricht.
Ein Seecanal nach Berlin.
(Schlufs.)
Im Oderthal ist der weiteren Canalführung des Herrn Bätsch
nicht mehr zu folgen. Derselbe will nämlich schon von Oderberg
abwärts die Oder benutzen und diese für Seeschiifahrt vertiefen. Die
Möglichkeit dieser Vertiefung kann nicht in Frage gestellt werden,
die Folgen, die dieselbe aber haben dürfte, sind unberechenbar und
in hohem Grade gefährlich. Die Oder hat bei Oderberg zur Zeit des
Niedrigwassers eine Tiefe von 1,5 m. Wird diese auf 6,5 m gebracht,
so darf das nicht, sollen schwere Mifsstände verhütet werden, plötz¬
lich geschehen, sondern das Sohlengefälle rnufs sich dem Spiegel¬
gefälle anpassen, die Vertiefung mufs also allmählich nach oben aus-
laufen. Andernfalls würde der Strom bei Hochwasser mit Gewalt
das gestörte Sohlengefälle wieder herzustellen versuchen, und die
I* olge davon werden tiefe Auskolkungen, Dammbrüche und ver¬
heerende Ueberscliwemmungen sein. Das Wasserspiegelgefälle der
Oder bei Hohensaathen beträgt 1 : 22 000 bis 1 ; 9000; nimmt man
ein Sohlengefälle von 1 ; 10 000, so müfste der Auslaut der Vertiefung
rund 50 km oberhalb Oderberg liegen. Dafs hierdurch bedeutende
Kosten entstehen werden, leuchtet ohne weiteres ein, wird doch u. a.
durch solche Aenderungen der Bestand der oberhalb an der Oder
befindlichen Bauwerke, sowohl derjenigen für die Reguliruug des
Stromes wie aller übrigen, stark in Frage gestellt. Ein anderer nicht
zu unterschätzender Uebelstand liegt in der Sandführung der Oder.
Seitdem dieselbe von Cüstrin abwärts mit Regulirungswerken ver¬
sehen ist, die geeignet sind, den Strom selbst bei niedrigem Wasser¬
stande zu zwingen, die mitgeführten Sandmassen auch weiterzuführen,
kommen diese erst unterhalb Oderberg zur Ablagerung und schreiten
hier wie die Kopfschüttung eines Dammes immer weiter voran. Wird
die vertiefte Oder bei Hochwasserabführung gefährlich, so sind die
Mittel- und Niedrigwasser-Monate fortwährend thätig, die künstlich
hergestellte Vertiefung wieder zu versanden. Wie umfangreich die
Baggerungen sein müfsten, um diesen Uebelstand wieder auszu¬
gleichen, entzieht sich aller Berechnung, jedenfalls werden aber ganz
bedeutende Massen zu bewältigen sein.
Unter solchen Umständen wird der Sachkundige nicht zweifelhaft
sein, dafs es jedenfalls richtiger ist, nach dem Abstieg in das Oder¬
thal die Canallinie nicht sofort in die Oder zu führen, sondern einem
Seitencanal den Vorzug zu geben, der, mit hochwasserfreien Deichen
dem Entwässerungsgraben der eingedeichten Niederung folgend, von
Oderberg nach Lunow führt und erst bei Schwedt oder noch besser
unterhalb Schwedt, etwa bei Garz, in die Oder mündet. Hier sind
die Verhältnisse der Oder ganz andere. Das Gefälle von Schwedt
bis Garz beträgt nur noch 1 : 48 000, von da nach Stettin sogar nur
noch 1 : 103 000. Die Wassertiefe ist durchschnittlich 3,5 bis 4 m, auf
laugen Strecken sogar über 5 m. Die Geschwindigkeit des Wassers
ist gering und steht schon sehr unter den Einwirkungen des Windes
und der Wasserbewegimgen des Haffs. Der Oder auf dieser Strecke
eine Tiefe von 6,5 m zu geben, kann deshalb erhebliche Gefahren
nicht im Gefolge haben. Eine Versandung wird wenigstens für ab¬
sehbare Zeit hier nicht zu befürchten sein, die einmal hergestellte
Tiefe läfst sich voraussichtlich auch erhalten.
Der so besprochene Seecaual bietet demnach bei dem Stande
der heutigen Technik übergrofse Ausführungs-Schwierigkeiten nicht.
Es sind zwar recht lange und tiefe Einschnitte, Einschnitte bis zu 48 m
zu machen, die Möglichkeit ihrer Ausführung kann aber nicht
bestritten werden. Die Grundwasser -Verhältnisse der vom Canal
durchschnittenen Gegenden werden in nächster Nähe zwar stark be-
einflufst, bei der lehmigen Beschatfenheit des Untergrundes wird aber
hierdurch eine gröfsere wirthschaftliche Schädigung kaum zu erwarten
sein. Die drei Eisenbahnen, die der Canal schneidet, sollen mittels
Hochbrücken in 33 m Höhe über dem Wasserspiegel überführt
werden; für die Ueberleitung der Chaussee- und Landwege sind
Drehbrücken bezw. Fähren nach dem Vorbilde des Nord-Ostsee-
Canals in Anschlag gebracht.
Soweit sich daher, ohne gründliche Vorarbeiten, eine Ansicht
über den hier in Rede stehenden Seecanal überhaupt bilden läfst,
ist die Ausführung desselben lediglich eine Geldfrage. Nach über-
25
Kaiserpalast in Strafsbnrg.
Quei’sclinitt durcli die Mittelachse.
26
18. Januar 1890.
Centralblatt der Bauverwaltiing.
schläglicher Berechnung beträgt die Erdbewegung auf der Strecke
Berlin-Grafenbrück für jedes Meter Länge 2150 cbm bei 19 m mitt¬
lerer Einschuittstief'e. Die Gesamt-Erdbewegung berechnet sich zu
ungefähr 130 Millionen Cubikmeter.
Danach ergiebt sich folgende Kostenberechnung:
I. Grunderwerb einschl. Canalerweiterung
um 20 m, Ausweichen, Erweiterungen,
Rampen usw. zur Ablagerung des Bodens
2200 Hektar zu 4000 Mark . 8,8 Millionen Mark
II. Erd-, Bagger- und Böschungsarbeiten
130 Millionen Cubikmeter zu 1 Mark . . 130,00 „ „
III. Uferbefestigung für 1 m 150 Mark . . . 17,00 ,, „
IV. Brücken, Fähren und sonstige Bauwerke 16,25 „
V. 6 Schleusen zu 3,5 Millionen Mark . . 21,00 „
VI. Hafenanlage nach dem Vorbilde Ham¬
burgs und Bremens mindestens .... 50,00 „
VH. Insgemeinkosten etwa 10 pCt. des An¬
schlags . 21,95 „ „
Zusammen 265 Millionen Mark
AVird an Stelle der Batschschen Linie die von Strousberg be-
zeichnete der A^eranschlagung zu Grunde gelegt, so verringern sich
die Erdarbeiten um 50 Millionen Cubikmeter. Die Linie ist zwar
etwa 10 km länger, die mittlere Einschnittstiefe auf der Strecke
Berlin-Grafenbrück beträgt aber statt 19 m nur 14 m. Die Kosten
werden sich hierbei voraussichtlich auf 200 Millionen Mark ermäfsigen.
200 bis 265 Millionen Mark werden aber jedenfalls erforderlich sein,
um das erste Seeschiff in Berlin erscheinen zu lassen.
Erörtert man nun die Nützlichkeitsfrage einer solchen An¬
lage, so ist zunächst, allgemein gesprochen, ein Seecanal nur dann
wirthschaftlich nützlich, wenn die Einnahmen aus ihm und die mittel¬
baren Vortheile, die er verspricht, zusammengenommen die Verzinsung
des Anlagecapitals und die Unterhaltungskosten überwiegen. Letztere
werden, nur 4 pCt. Verzinsung und 1/2 pCt. Unterhaltung vor¬
ausgesetzt, die Summe von 9 bis 12 Millionen Mark jährlich be¬
tragen. Herr Bätsch glaubt zwar noch gröfsere Meliorationen im
Oderbruch mit dem Seecanal nach dem Muster von Amsterdam ver¬
binden zu können; sie scheinen aber so kostspieliger und zweifel¬
hafter Natur zu sein, dafs damit wohl kaum gerechnet werden kann.
Daher dürfte der Seecanal lediglich dem Handel und der Industrie
zu gute kommen. Diese müfsten also jedenfalls so grofse Ersparnisse
machen oder einen so grofsen Nutzen aus der Anlage ziehen, dafs
die Zinsen des Anlagecapitals aus den gemachten Ersparnissen ge¬
deckt werden könnten. Es ist deshalb zunächst die Frage aufzu¬
werfen: Welche Aussichten und welche Vortheile sind für Berlin von
einem Seecanal nach der Ostsee zu erwarten?
Berlin ist Manufacturstadt; es erzeugt eine Menge Waren, die
bestimmt sind, auf dem grofsen Weltmarkt in Mitbewerb zu treten.
Massenerzeugnisse, wie Kohlen, Erze, Salz oder etwas derartiges
kommen für einen Seehafen von Berlin, wenn seine Ausmündung in
der Ostsee liegt, nicht in Betracht, denn trotz der besten Canalver¬
bindungen und der billigsten Eisenbahntarife wird es niemals ge¬
lingen, die schlesische Kohle und schlesisches Eisen, sächsische
Steine und sonstige Güter oder die Erzeugnisse Rheinlands und
AVestfalens nach Berlin zu bringen, um sie hier in Seeschiffe zu ver¬
laden und nach dem Auslande zu versenden. Die einen werden viel
billiger die Oder benutzend nach Stettin, die anderen die Elbe
hinunter nach Hamburg gehen, und die dritten finden auf dem Rhein
oder dem Rhein-Emscanal ihre Verladung. Es wird deshalb Berlin
wohl aufnahmefähig für Roh- und Halbproducte sein, aber kaum
Gelegenheit bieten, den Seeschiffen eine genügende Rückfracht zu
gewähren, selbst dann nicht, wenn seine Einwohnerzahl und seine
Gewerbthätigkeit sich verdoppelt.
Die Ausführung von Seecanälen wird von oberflächlichen Be¬
obachtern damit begründet, dafs die Seeschiffsfracht so aufserordent-
lich gering und von einem überseeischen Platze nach einem
binnenländischen Hafen des europäischen Festlandes dieselbe wie
nach einem Hafen der Küste sei. Die Verhandlungen auf dem inter¬
nationalen Binnenschiffahrts-Congresse in Frankfurt, auf dem die
Frage der Nützlichkeit von Seecanälen einer eingehenden Erörterung
unterzogen worden ist, haben aber zur Genüge gezeigt, dafs dem
durchaus nicht so ist. Weit entfernte und binnenländisch belegene
Seehäfen werden nur dann gleiche Frachten mit näher gelegenen
Küstenhäfen haben, wenn einestheils die Hafeneinrichtungen und
Gebühren aufserordentlich günstig sind, anderntheils den Schiffen die
Anwartschaft auf eine lohnende Rückfracht gesichert ist. Der letztere
Punkt ist von aufserordentlicher Wichtigkeit.
Sichere Rückfracht ist aber nur da zu erwarten, wo Massen¬
güter zur Ausfuhr gelangen oder wo ein alter befestigter Handel
mit bedeutenden überseeischen Verbindungen vorhanden ist. Das
erstere trifft bei Berlin nicht zu, ob das letztere der Fall ist, ist
schwer zu beurtheilen. Nach der geringen Bereitwilligkeit des Capitals,
sich an colonialen Unternehmungen zu betheiligen, scheint dem nicht
so zu sein; jedenfalls dürfte aber so viel feststehen, dafs die über¬
seeischen Verbindungen Berlins mit denjenigen Hamburgs niemals
den Wettbewerb aushalten werden. Hamburg mit seinem alten be¬
festigten Seehandel wird somit stets ein gefährlicher Mitbewerber für
einen Seehafen in Berlin bleiben, der seinen Ausgangspunkt in der
Ostsee hat. Schwerlich wird Berlin in diesem Falle imstande sein,
den Handel zu verlegen, es sei denn, dafs sich ein Vorgang vollzöge,
der bis jetzt in Europa, England eingeschlossen, ohne Beispiel ist.
Es ist unmöglich anzunehmen, dafs ein Seeschiff für dieselbe
Fracht nach Berlin fährt, für welche es nach Hamburg segelt. Der
Weg nach Berlin geht an Hamburg nahezu vorbei. Die Benutzung
zweier Binnenlandcanäle, auf denen Zölle erhoben und Schleusen
durchfahren werden müssen, in Verbindung mit dem bedeutenden
Umwege, mufs Kosten verursachen, die unmöglich der Reederei allein
zur Last fallen können. Die Seeschiffsfracht nach Berlin wird sich
deshalb mindestens um die Kosten für Zeitversäumnifs und den Be¬
trag der Canalabgaben höher stellen. Eine nach den Angaben des
Königlichen Regierungs-Baumeisters Sympher — veröffentlicht im
Centralblatt der Bauverwaltung, Jahrgang 1886 — für Dampfer an-
gestellte überschlägliche Berechnung hat ergeben, dafs in diesem
Falle die Unkosten für Zoll im Nord-Ostseecanal und für den Um¬
weg durch die Ostsee nach Berlin sich auf etwa 3 Mark für die
Tonne beziffern. Hierin ist die auf dem Seecanal nach Berlin zu
erhebende Canalabgabe noch nicht in Anschlag gebracht.
Die Fracht für eine Tonne von Hamburg nach Berlin auf Flufs-
schiffen mit 10 000 Ctr. Tragfähigkeit kann, wenn die Elbe bei
Niedrigwasser ebenso leistungsfähig wie die anschliefsenden mär¬
kischen Wasserstrafsen ausgebaut und der Betrieb auf der ganzen
Strecke in zeitgemäfser Weise geregelt wird, sicher nicht
höher als im Durchschnitt ungefähr 3 Mai’k für die Tonne sein.
Erspart wird also an Frachtkosten durch den Seecanal nach der
Ostsee wenig oder gar nichts. Der einzige Vortheil, der für Handel
und Gewerbe sich rechnungsmäfsig feststellen läfst, ist in den
geringeren Speditions- und Umladegebühren zu suchen.
Bei der Aufstellung des Entwurfs für die Unterweser-Correction
sind die Ersparnisse, die Bremen dadurch haben wird, dafs die See¬
schiffe bis an diese Stadt herankommen können, von Franzius zu
2,6 Mark für die Tonne angegeben. Hierin sind die Umlade-,
Speditions- und Frachtkosten von Bremerhaven nach Bremen ent¬
halten. Da bei den Berliner 'Verhältnissen die Umladekosten nicht
ganz in Wegfall gebracht werden können, weil selbst beim Seehafen
Berlin ein grofser Theil der Waren doch wieder umgeladen werden
mufs, während sie, mit dem Flufsschiff ankommend, unmittelbar an
den vorhandenen Speichern und industriellen Werken Berlins aus¬
geladen werden können, so greift man wahrscheinlich nicht fehl,
wenn man die thatsächliche Ersparnifs auf 1,5 Mark für die Tonne
veranschlagt. Der Hafen von Berlin würde hiernach einen Verkehr
von 6 bis 8 Millionen Tonnen haben müssen, ehe sich das in dem
Seecanal angelegte Capital wirthschaftlich nützlich machen könnte.
Ersparnisse, wie sie beim Seecanal Liverpool-Manchester gemacht
werden, Ersparnisse, die einen Canalzoll von 5 Mark für die Tonne
zulassen, sind für einen in die Ostsee ausmündenden Seecanal nach
Berlin nicht im entferntesten in Aussicht zu nehmen.
Die vorstehenden Rechnungen können natürlich auf vollkommene
Richtigkeit keinen Anspruch machen, sie sind nur als überschlägliche
anzusehen, und die gefundenen Zahlen werden sich bei genauerer
Prüfung vielleicht noch ändern. Soviel dürfte aus ihnen aber wohl
hervorgehen, dafs man sich nicht zu grofsen Hoffnungen hingeben
darf bei dem Seeschiff in Sicht. Bringt Herr Bätsch Berlin mit
Manchester in Vergleich, so mufs dabei nicht aufser acht gelassen
werden, dafs die Handelsverhältnisse von Manchester denjenigen
Berlins bei weitem überlegen, und dafs die Transportkosten von
Liverpool nach Manchester jetzt die denkbar ungünstigsten sind.
Wenn unter solchen Verhältnissen bei der günstigen Lage von
Manchester mitten in einem Massengüter erzeugenden Gebiet ein
Seecanal von 56 km Länge und 17 m Steigung gebaut wird, so kann
dieses Beispiel keinen Rückschlufs auf Berlin zulassen.
Im allgemeinen hat ein Seehafen nur soweit seine natürliche Be¬
rechtigung, wie die Einwirkungen des Meeres in den Strom sich er¬
strecken. Trotzdem ist nicht in Abrede zu stellen, dafs möglicher¬
weise die Nützlichkeit eines Seecanals nach Berlin eintreten und
nachgewiesen werden kann. Wer weifs, vielleicht gelingt es berufenen
Personen schon recht bald, diesen Nützlichkeitsnachweis zu führen.
Soviel dürfte aber feststehen, dafs, wenn jemals dieser Gedanke
ernstlich verfolgt wird, der Ausgangspunkt des Seecanals nicht in
der vom Herrn Bätsch vorgeschlagenen Richtung zur Ostsee, sondern
auf dem unmittelbaren Wege zur Nordsee mit dem A^orhafen Ham¬
burg zu suchen ist. Soll Berlin Seestadt werden, so ist ein Seecanal
in dieser Richtung jedenfalls natürlicher und nicht theurer als eine
Gentralblatt der Bauverwaltung,
27
Kr. 3.
über die Wasserscheide zweier grofsen Stromgebiete nach der Ostsee
gezwängte Wasserstrafse. Der Handel ist viel zu praktisch und
materiell, um solche gezwungene Verhältnisse zu dulden. Für ihn
bleibt immer die Losung: „der kürzeste Weg zum Meere der beste“.
Für den überseeischen Verkehr ist aber das Meer die Nordsee.
W. Germeimann.
Vermischtes.
Vermehrung der Bauinspector -Stellen bei der preufsischen
Eisenbahnverwaltung, der allgemeinen Bauverwaltung und der
landwirthschaftlichen Verwaltung. In dem Etat der Eisenbahn¬
verwaltung für 1890/91 ist die Zahl der technischen ständigen
Hülfsarbeiter der Betriebsämter sowie der Eisenbahn - Bau- und
Betriebsinspectoren bezw. Maschineninspectoren um 63 erhöht worden,
von denen 48 bautechnische und 15 maschinentechnische Beamte sind.
Die neuen Stellen vertheilen sich auf die Neubauverwaltung, die Be¬
triebs- und Werkstättenverwaltung, das Wagenamt in Kattowitz usw.
Eine Anzahl derselben ist für die ständigen Vertreter der Vorstände
der technischen Directionsbureaus sowie der technischen Hülfsarbeiter
bei umfangreichen Betriebsämtern in Aussicht genommen, soweit die
Vertreter dauernd noth wendig sind und ihnen als solchen die Leitung
und Bearbeitung wichtiger technischer Dienstgeschäfte selbständig
übertragen werden mufs. Weiterhin ist noch die Stelle eines Directions-
Mitgliedes vorgesehen, welche für einen höheren, in der Neubau¬
verwaltung thätigen technischen Beamten bestimmt ist.
In der allgemeinen Bauverwaltung ist zunächst die Er¬
richtung einer neuen Wasserbauinspector - Stelle vorgesehen, für
welche die Stadt Cöpenik als Amtssitz in Aussicht genommen ist.
Die Stelle wird erforderlich mit Rücksicht auf die in Kürze erfolgende
Inbetriebnahme des Oder-Spreecanals. Ferner genügt die Zahl der
bei Neubauten usw. beschäftigten Bauinspectoren, welche in dem
Etat für 1885/86 auf 30 festgesetzt war (vergl. Jahrgang 1884,
S. 117 d. Bl.), dem vorhandenen Bedürfnifs nicht mehr. Insbesondere
erfordern die in neuerer Zeit in Angrilf genommenen und in Aus¬
sicht stehenden grofsen Canal- und Wasserbauten ständig einen ver¬
mehrten Beamtenstand. Auch müssen mit den seit kurzem angeord¬
neten Untersuchungen über die Hochwasserverhältnisse der Ströme
usw. dauernd Beamte betraut werden, die während einer längeren
Zeit praktische Erfahrungen gesammelt haben. Es ist daher eine
Erhöhung jener Stellen von 30 auf 50 in Aussicht genommen.
Im Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung ist die
Anstellung eines zweiten Meliorations-Baubeamten für die Provinz
Schlesien, und zwar für den Regierungsbezirk Oppeln, vorgesehen.
Nach dem Statut der Louis Boissonnet -Stiftung für Architekten
und Bau - Ingenieure ist für das Jahr 1890 ein Stipendium von
2000 Mark 'zum Zwecke einer gröfseren Studienreise, und zwar der
vorgeschriebenen Reihenfolge gemäfs an einen Bau-Ingenieur, zu ver¬
geben. Als fachwissenschaftliche Aufgabe ist das nachfolgende, von
der Abtheilung für Bau-Ingenieurwesen vorgeschlagene und von dem
Senat der technischen Hochschule festgesetzte Programm dureh den
Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegen-
heiten genehmigt worden:
„Studium culturtechnischer Anlagen in Elsafs- Lothringen
und benachbarten Ländern und Erläuterung derselben durch
Reisebericht und Zeichnungen.
Insbesondere sind zu berücksichtigen: Der Canal zur Ab¬
leitung der Hochwasser der 111 bei Erstein, die Stauweiher im
Doller-, Fecht- und Lauch -Thale, die Correctionsarbeiten an
der 111 und den gröfseren Wasserläufen, die bedeutenderen
genossenschaftlichen Wässerungsanlagen, sowie die wichtigsten
Gemeinde -W asserleitungen. “
Die Bewei’ber um dieses Stipendium haben an den Unterzeichneten
Rector (unter der Adresse: Technische Hochschule, Charlottenburg)
eine Beschreibung ihres Lebenslaufs und die über ihren Studiengang
bezw. über ihre praktische Beschäftigung sprechenden Zeugnisse,
Entwürfe usw. bis spätestens zum 10. Februar d. J. einzureichen,
aufserdem aber noch durch Beibringung schriftlicher Arbeiten bezw.
Zeichnungen nachzuweisen, dafs sie die zur Aufnahme und Wieder¬
gabe technischer Bauanlagen von hervorragender Bedeutung nöthige
Vorübung besitzen.
Die Bewerber müssen einen wesentlichen Theil ihrer Ausbildung
auf der früheren Bau- Akademie oder auf der technischen Hochschule
zu Berlin (Abtheilung für Bau-Ingenieurwesen) erlangt haben.
Charlottenburg, den 10. Januar 1890.
Der Rector: E. Jacobsthal.
Zu Versuchen über die Fortbewegung von Schiffen auf
Canälen durch Maschinenkräfte, die am Ufer in Thätigkeit gesetzt
werden, ist — insbesondere im Interesse des Dortmund-Ems-Canals
— in dem Etat der Bauverwaltung für 1890/91 ein einmaliger Betrag
von 120 000 Mark angesetzt. In den Erläuterungen wird hierzu
folgendes bemerkt:
Der Verkehr auf dem mit einer der vorhandenen Wasserstrafsen
nicht in Verbindung stehenden Canal von Dortmund nach den Ems¬
häfen wird sich sowohl in Bezug auf die Gestaltung und Einrichtung
der Schiffsgefäfse, als auch hinsichtlich der Mittel zur Fortbewegung
der letzteren durchaus selbständig und unabhängig von Bestehendem
zu entwickeln haben. Der Staatsi-egierung fällt die Aufgabe zu,
diese Entwicklung einheitlich und zweckmäfsig zu gestalten. Hierbei
kommt in Frage, ob die zur Fortbewegung der Schiffe zu ver¬
wendenden Maschinenkräfte auf den Schiffen selbst anzubringen sein
werden, wie beim Ketten- und freien Schleppbetriebe und bei Fracht¬
schiffen mit selbständigen Maschinen, oder ob es zweckmäfsiger sein
würde, diese Kräfte vom Lande aus auf die Schiffe wirken zu lassen.
In letzterer Beziehung mangelt es bisher an ausreichenden Erfahrungen ;
ein sicheres Urtheil wird sich daher nur an der Hand praktischer
Versuche gewinnen lassen. Von dem Ergebnisse der Versuche hier¬
über würde indessen nicht allein die Ausgestaltung der einzelnen
Canalbauwerke, sondern auch die Entwicklung des Schiffsbaues und
insbesondere die Entscheidung der Frage abhängig sein, ob vielleicht
der Grofsbetrieb auf dem Dortmund - Ems - Canal durch den Staat
selbst in die Hand genommen oder geeigneten Unternehmern über¬
tragen, oder aber ganz freigegeben werden soll. Hieraus folgt, dafs
die bezüglichen Versuche bis zur theil weisen oder gänzlichen Fertig¬
stellung des Dortmund-Ems-Canals nicht ausgesetzt werden können,
vielmehr ohne Verzug auf einer der vorhandenen Wasserstrafsen an¬
gestellt werden müssen. Als geeignet hierzu erweist sich der bereits
im Betriebe befindliche Theil des Oder- Spree -Canals zwischen dem
Seddinsee und Fürstenwalde. Es wird beabsichtigt, auf dieser Canal¬
strecke Versuche nach zwei verschiedenen Richtungen anzustellen,
einmal mit einem Seil ohne Ende, welches an den Ufern des Canals
durch Maschinenkraft in Bewegung gesetzt werden und den Schiffen
Gelegenheit geben soll, sich daran anzuhängen und hierdurch fort¬
ziehen zu lassen, zum anderen mit kleinen Locomotiven, welche, auf
Schienen an den Ufern entlang laufend, die Schiffe unmittelbar
ziehen sollen. Die Kosten dieser Einrichtungen, einschliefslich des
für die Dauer eines Jahres in Aussicht genommenen Versuchs¬
betriebes, würden sich im ganzen auf etwa 110 000 Mark beziffern.
Ein weiterer Betrag von 10 000 Mark soll für anderweitige Versuche,
namentlich in Bezug auf die beste Form und Einrichtung der für
den Dortmund - Ems - Canal seitens der Betheiligten zu erbauenden
Schiffsgefäfse, verfügbar gehalten werden.
Ausserbetriebsetzung von Eilzügen in England. Mit dem Jahres¬
wechsel kommt aus England die Kunde, dafs die Mittelland-Bahn
— dieselbe, welche zuerst die dritte Wagenklasse bei allen Eilzügen
zuliefs und bald darauf die zweite Wagenklasse ganz abschaffte —
vom 1. Januar 1890 ab durch Beseitigung mehrerer Eilzüge die
Zahl ihrer Eilzugskilometer um V4 bis 1/3 vermindert hat. Unter
anderen sind ausgefallen die Von London ausgehenden Züge um
10^° Vm., 8*5 Nm. und 12 Mitt. nach Schottland, von welchen der
erstere hinsichtlich der Zeitlage den bekannten Wettbewerbszügen
der Nord- und Nordwestbahnen, dem „fliegenden Schotten“ bezw.
dem „fliegenden Nordwest“ entspricht, welcher aber, da die Mittelland-
Bahn an dem Wettkampf der genannten Bahnen im Jahre 1888 fast
unbetheiligt blieb, nach wie vor eine längere Fahrzeit beanspruchte.
Verschwunden sind ferner der um 9 Vm. von London nach Manchester
abgehende Eilzug, während die Züge, welche um 2 Nm. sowie um
330 Nm. dorthin abgingen, durch einen einzigen Zug um 3 Nm. er¬
setzt und die Züge um 4*5, 5*5 („dining express“) und um lO^ Nm.
von Leeds nach London eingegangen sind. Auf der Linie Bristol-
Derby ist u. a. der 8 Vm. Zug nach Derby ausgefallen. Dafs mit
dem Beginn der eigentlichen Reisezeit der frühere Zugdienst wieder
in vollem Umfange wiederhergestellt werde, ist nicht zu erwarten.
Die Railway Presx, welcher diese Angaben entnommen sind, er¬
blickt die Ursachen für diese Mafsregel einerseits in den unverhältnifs-
mäfsig geringen Einnahmen aus dem Personen- insbesondere dem
Eilzugverkehr, gegenüber dem Güterverkehr, anderseits in dem aufser-
ordentlichen Aufschwung des Güterverkehrs. Der letztere wird aber
unablässig durch den Verkehr der Eilzüge in seiner freieren Be¬
wegung gehemmt, da durchlaufende Gütergeleise nicht in dem Um¬
fange vorgesehen sind, dafs Ueberholungen im allgemeinen vermieden
werden könnten. Die Einstellung des Eilzugdienstes auf der Bristol-
Linie dagegen gründet sich wesentlich auf die Aussichtslosigkeit der
Bemühungen, nach Eröffnung des Severn -Tunnels auf dieser Linie
noch ferner wirksamen Wettbewerb gegen die West- und Nordwest¬
bahnen zu führen. Km.
28
18. Januar 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Technische Hochschule in Berlin. Besuchszifler ITir das Winter-
Halbjahr 1881) hO. An der technischen Hochschule in Berlin be¬
stehen folgende Abtheilungen:
Abtheiluug I für Architektur, II für Bau-Ingenieurwesen, III für
!Maschinen-Ingenieur\veseii mit Einschlufs des Schiffbaues, IV für
Chemie und Hüttenkunde, V für allgemeine AVissenschaften, ins¬
besondere für Mathematik und Xaturwissenschaften.
I. Lehrkörper.*)
Abtheiluug
Summe
I.
II.
HL
IV.
V.
1. Etatsmäfsig angestellte
Masch.
Scliilf-
Professoren bezw. selb-
ständige, aus Staatsmitteln
besoldete Docenten ....
20
9
9
4
9
12
63
2. Privatdocenten bezw. zur
1 Q
Abhaltung von Sprach-
±o
stunden berechtigte Lehrer
5
4
4
—
3
13
29
3. Zur Unterstützung der
Docenten bestellte Hülfs-
docenten bezw. Assistenten
41
8
17
1
15
14
96
18
H. Studirende.
Im 1. Semester .
25
31
102
30
33
—
221
0
38
24
27
16
16
—
121
„3. ., .
27
23
61
26
23
—
160
.4. ., .
17
18
16
6
11
- -
68
„5. ., .
23
21
50
22
19
- -
135
„6. ., .
16
18
11
3
9
- -
57
„ 'i'. .
19
26
36
9
10
—
100
„8. ., .
18
20
13
4
9
—
64
In höheren Semestern ....
25
29
42
6
15
—
117
358
122
Summe . . .
208
210
480
145
—
1043
Für das AVinter - Halbjahr
1889,1891) wurden:
a. Nett eingeschrieben ....
37
46
121
39
55
—
298
b. V on früher ausgeschiede-
nen Studirenden wieder
lüU
eingeschrieben .
5
3
11
1
1
—
21
12
Von den 298 neu eingeschrie-
benen Sfuilirenden sind auf-
genommen auf Grund der
Reifezeugnisse :
a. von Gvmnasien .
11
15
33
15
12
—
86
b. „ Realgymnasien ....
7
13
32
18
13
—
83
c. „ Oberrealschulen ....
- -
3
1
1
3
_
8
d. auf Grund der Reifezeug-
nisse bezw. Zeugnisse von
aufserdeutschen Schulen .
11
13
30
3
20
_
77
e. auf Grund des § 41 des
A'erfassungs-Statuts ....
8
2
25
2
7
—
44
i
1
121
39 1
Summe . . .
37
46
160
55
298
Von den Studirenden sind aus:
England .
2
—
6
_
2
_
10
Griechenland .
—
4
_
_
_
_
4
Holland .
1
1
2
1
2
_
7
Italien .
—
2
_
_
_
_
2
Luxemburg .
—
3
—
5
—
8
Norwegen .
7
8*
11
—
5
—
31
Oesterreich-Ungarn . . .
3
2
10
—
2
_
17
Rumänien .
1
- 1
3
_
2
_
6
Rufsland .
—
2,
31
2
23
_
58
Schweden .
3
_ '
1
_
1
_
5
Schweiz .
1
2\
2
_
_
5
Serbien .
1
ll
—
—
—
—
2
Spanien .
—
1
_
_
_
_
1
Türkei .
—
—
_
_
1
_
1
Nord-America .
6
1
1
_
_
_
8
Argentinien .
_
1
_
_
_
_
1
Brasilien .
—
_
2
_
1
_
3
Chile .
_
2
_
_
_
2
Mexico .
_
_
_
_
1
_
1
Japan .
1
1 1
1
_
_
3
Siam .
—
1 _
1
—
—
—
1
!
74
3
Summe . . .
26
1 28
1 77
45
—
176
^') Mehrfach aufgeführt sind; a) bei Abth. II ein Privatdocent als
Assistent; b) bei Abth. III ein Docent als Privatdocent und Assistent,
HI. Hospitanten und Personen, welche auf Grund der §§ 35
und 3G des Verfassungs-Statuts zur Annahme von Unterricht be¬
rechtigt bezw. zugelasseu sind;
a. Hospitanten, zugelassen nach §34 des Verfassungs-Statuts; 283.
Von diesen hospitiren im Fachgebiet der Abtheilung I. = 125, II. = 5,
III. = 125 (einschl. 6 Schiffbauer), IV. = 28. Ausländer befinden sich
unter denselben 6 (1 aus Holland, 2 aus Norwegen, 1 aus Rumänien,
1 aus Nord-, 1 aus Süd- America).
b. Personen, berechtigt nach § 35 des Verfassungs- Statuts ziir
Annahme von Unterricht; 92, und zwar: Königliche Regierungs-Bau¬
meister: 3, Königliche Regierungs - Bauführer: 8, Studirende der
Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin: 78, Studirende
der Königlichen Bergakademie in Berlin: 2, Studirende der König¬
lichen landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin; 1.
c. Personen, denen nach § 36 des Verfassungs-Statuts gestattet
ist, dem Unterricht beizuwohnen (darunter 5 commandirte Officiere,
und 2 Maschinen-Unteringenieure der Kaiserlichen Marine): 39.
Summe; 414. Hierzu Studirende; 1043. Gesamtsumme: 14.57.
Charlottenburg, den 3. Januar 1890.
Der Rector: E. Jacobsthal.
Altröiuische Strafsenbrücke. Beim Bau des Sammelcanals, der
am rechten Ufer des Tiberstroms aus dem „Prati di Castello“ ge¬
nannten neuen Stadttheil unter der neuen Uferstrafse hin bis zur
Garibaldibrücke führt und von dort ab quer durch den Stadttheil
Trastevere am kürzlich vollendeten gleichnamigen Bahnhof vorbei
oberhalb der Magliana in den Flufs weitergeleitet werden soll, ist
neuerdings eine altrömische Strafenbrücke aufgefunden worden. Sie
lag an der Stelle, wo jener Canal annähernd senkrecht die Lungaretta-
strafse kreuzt, unweit der Kirche S. Crisogono und dicht bei dem
Excubitorium der VH. Cohorte der Vigiles, d. h. bei der altrömischen
Feuerwache, welche dort 1866 ausgegraben worden ist. Leider mufste
die kleine Brücke, soweit sie aufgedeckt wurde, abgebrochen werden,
da ihre Bögen sich in fast gleicher Höhe mit dem Sammelcanal be¬
fanden. Dafs die Lungarettastrafse einen altrömischen Strafsenzug
verfolgt, dessen Pflaster etwa 3 m tiefer als heutzutage liegt, ist
schon lange bekannt. Wo die vom steilen Berghang des Janiculus
herabströmenden Wassermassen auf die Strafse trafen, scheint die¬
selbe auf eine Bogenstellung gelegt worden zu sein, um dem Berg¬
wasser leichten Abflufs in die Tiber zu ermöglichen. Eine Ableitung
derselben in gemauerten Canälen, wie dies in den Stadtbezirken auf
dem linken Ufer der Fall war, scheint in der Vorstadt am rechten
Tiberufer nicht bestanden zu haben. Die vorhandenen Entwässerungs¬
canäle stammen sämtlich erst aus der päpstlichen Zeit. Von jener
Strafsenbrücke sind zwei Bögen mit je 3 m Spannweite aufgedeckt
worden, getrennt durch einen 2,35 m breiten Mittelpfeiler. Die Breite
der Brücke hat nur etwa 6 m betragen, wie denn die altrömischeü
Strafsen und Brücken in der Regel nur schmal sind. Ueber der
Bogenstellung lagen noch fünf Schichten Quadersteine, deren oberste
gesimsartig vorgekragt war. Die Art des in Peperin ausgeführten
Mauerwerks läfst vermuthen, dafs der Bau aus den ersten Jahr¬
hunderten der römischen Republik herrührt. Zu beiden Seiten der
Brücke befinden sich Ueberreste von Gebäuden, scheinbar Keller,
deren Wände mit zum Theil gut erhaltenem „opus reticulatum“ be¬
kleidet sind. Die Fufsböden liegen auf annähernd gleicher Höhe
mit den Kämpfern der Brücke, also ungefähr 6 m unter der jetzigen
und 3 m unter der ehemaligen Strafsenkrone. — K. —
Eine Besprechung des Daminbruchs bei Johnstowu schliefst die
americanische Zeitschrift „Der Techniker“ mit folgenden Worten:
„Unter den vielen guten Lehren, welche wir mit so theuren Opfern
in dieser Katastrophe erkauft haben, scheint uns die eine am wich¬
tigsten, und das ist die Frage, welche die Gemüther aller Ingenieur¬
kreise Americas, sowie auch den Deutsch -Americanischen Techniker¬
verband seit lange beschäftigt; die Frage der Anstellung tüchtiger
Kräfte in Diensten des Staates. Einem staatlich eigens zu dem
Zwecke angestellten Ingenieur hätte es obgelegen, den Neubau des
Dammes zu überwachen, gegen die Art und AVeise, mit welcher
solcher Neubau ausgeführt wurde, Einspruch zu erheben und Abhülfe
zu schaffen! In diesem Sinne sind wir selbst als eine Nation schuld
an dem Unglück, indem wir zulassen, dafs derartige Bauten, welche
die genaueste Kenntnifs der obwaltenden Umstände, grofse Er¬
fahrung und grofses Studium erfordern, leichtfertig zu Häupten von
vielen tausenden, dem Schutz der Regierung anheimgegebenen Per¬
sonen errichtet werden, ohne dafs wir die Gewähr haben, dafs solche
Bauten sicher und fest errichtet werden.“
zwei Privatdocenten als Assistenten; c) bei Abth. lA^ ein Privatdocent
als Assistent; d) bei Abth. V ein Docent als Privatdocent, ein Docent
als Privatdocent und Assistent, ein Privatdocent als Assistent, zwei
Privatdocenten der Abth. II als Assistenten.
Verlag von Ernst&Korn OVilhelm Ernst), Berlin. P'ür die Eedaction des nichtamtliclien Tlieiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
i\r. 0A.
29
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT : Nachrufe. — Geheimer Oberbaurath Grüttefien t- — Anwenduu!; des Eisens
iin Hochbau. — Aus dem preufs. Staatshaushalts- Etat für 1890/91. — Vermischtes:
Ausführung kunstgewerblicher Arbeiten im Kunstgewerbe - Mu.seum. — Verhütung
und Beseitigung von Schneeverwehungen auf den Eisenbahnen. — Dom in Mailand.
Nachrufe.
Am 17. tl. M. entschlief unser Mitglied der Geheime Ober-Baurath
Herr Ernst Grüttefien
hierselbst nach eben vollendetem 52. Lebensjahre.
Derselbe gehörte seit der Begründung der Unterzeichneten Akademie der Abtheilung für das Ingenieur- und Maschinenwesen an.
Wir verlieren in dem Dahingeschiedenen einen durch reiches Wissen und grosse Arbeitskraft sowie durch persönliche Liebens¬
würdigkeit ausgezeichneten Collegen, dem wir ein ehrendes Andenken dauernd bewahren werden.
Berlin, den 18. Januar 1890.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
Am 17. d. M. entschlief nach kurzer Krankheit unser Mitglied, der Königliche Geheime Ober-Baurath und vertragende Eath im
/Ministerium der öffentlichen Arbeiten
Herr Ernst Grüttefien.
Derselbe gehörte der obersten technischen Prüfungsbehörde seit deren Einsetzung an. Ausgezeichnet durch hervorragende Viel¬
seitigkeit seines Wissens, Schärfe im Denken und Milde im Urtheil hat er sich an allen uns obliegenden Arbeiten mit nie versagender Hin¬
gebung und grofsem Erfolg betheiligt. Sein gediegener Charakter und seine Liebenswürdigkeit im Umgänge sichern ihm bei uns dauernd ein
ehrenvolles Andenken.
Berlin, den 18. Januar 1890.
Königliches Technisches Ober -Prüfungsamt.
Schneider.
Oeheimer Oberbaurath Grüttefien f
Wiederum ist die preufsische Eisenhahnverwaltung von einem
herben Verluste betroffen worden. Einen ihrer Tüchtigsten und
Thätigsten hat unerwartet ein schneller Tod dahingerafft. Am Freitag,
den 17. d. M., starb nach nur zweitägigem Krankenlager der Ge¬
heime Oberbaurath und Vortragende Rath im Ministerium der öffent¬
lichen Arbeiten Ernst Grüttefien. Drei Tage vor seinem Tode
noch in voller Thätigkeit, hatte er sich am Mittwoch unter den Er¬
scheinungen der jetzt herrschenden Grippe niedergelegt, und die
Krankheit schien einen harmlosen Verlauf zu nehmen, bis am Freitag
früh ein örtliches inneres Leiden zum Ausbruch kam, und eine
Lungenlähnmng bald nach Mittag desselben Tages seinem Leben un¬
erwartet schnell ein Ziel setzte. In der Vollkraft seines arbeits¬
reichen Lebens ist er dahingegangeii ; erst vor kurzem hatte er sein
52. Lebensjahr vollendet.
Ernst August Leopold Grüttefien war am 18. Decemher 1837 in
Neuhaldensleben als Sohn eines Kaufmanns geboren. Des Vaters
Lieblingswunsch war, auch den Sohn zum Kaufmann auszubilden,
und er sandte ihn daher auf die damalige höhere Gewerb- und
Handelsschule nach Magdeburg. Dem Knaben widerstrebte der Ge¬
danke, Kaufmann zu werden, jedoch mehr und mehr, und der Vater
gab seinem Drängen, das Baufach ergreifen zu dürfen, bald nach.
Die Bauführer-Prüfung legte Grüttefien Ende 1858 ab und war dann
bei Eisenbahnbauten an der Westfälischen und später an der Bergiscli-
Märkischen Bahn beschäftigt. Am 2. August 1864 wurde er nach
wohlbestandener Prüfung zum Baumeister ernannt.
Km’z vorher, im April 1864, hatte der Geh. Oberhaurath Lentze
von der preuTsischen Regierung den Auftrag erhalten, die Möglichkeit
der Anlage eines Nord-Ostsee-Canals zu prüfen und einen bezüglichen
Plan auszuarbeiten. Lentze wählte sich den jungen Baumeister
Grüttefien zu seinem Gehülfen, unter dessen wesentlicher Mitwirkung
bei den Vorarbeiten und beim Entwerfen dann in den Jahren 1864
und 1865 die bekannten „Lentzeschen Entwürfe“ für den Nord-
Ostsee-Canal entstanden, welche später die Hauptgrundlage bildeten
für die nachfolgenden Pläne, den viel genannten Dahlströmschen
und den gegenwärtig in der Ausführung befindlichen Canalentwurf.
Auf dem Gebiete des Wasserbaues ist Grüttefien indessen nur in
diesen beiden Jahren thäfig gewesen; im März 1866 wandte er sich
wieder dem Eisenbahndienste zu, dem er sich fortan ganz gewidmet
hat. Zunächst war er bis Mitte 1868 hei der damaligen Nieder¬
schlesisch - Märkischen Eisenbahn in Berlin beschäftigt. In dieser
Zeit war es, wo er — ^ erinnern wir uns recht, nach dem Tode des
Professors Schwarz — vorübergehend die Ertheilung des Unter¬
richts im Eisenbahnbau an der Königlichen Bauakademie übernahm
und daselbst überaus zahlreich besuchte Vorlesungen über höhere
Mathematik hielt. Von jeher waren die mathematischen Wissen¬
schaften sein Lieblingsfeld gewesen, und mit Freude erinnern sich
seine Zuhörer noch heute jener gediegenen, lichtvollen Vorträge.
Dieses sein umfassendes Wissen praktisch zu verwerthen war ihm
in seiner nunmehr folgenden Thätigkeit hei den Neubauten der
Bergisch - Märkischen Bahn, zu welcher er im August 1868 versetzt
wurde, namentlich beim Bau der Unteren Ruhrthalbahn , vollauf
Gelegenheit geboten. Er war hier mit der Stelle eines Abtheilungs-
Baumeisters betraut, die er bis zu seiner Versetzung nach Hannover
im Mai 1872 inne hatte. Inzwischen war er nach dem Feldzuge von
1870/71, während dessen er zu der „Feld-Eisenbahn-Abtheilung Nr. 4“
als Baumeister einberufen gewesen und mit dem eisernen Kreuze
ausgezeichnet worden war, zum Eisenbahn-Baumeister ernannt und
wurde nun, da seine hervorragende Begabung und Tüchtigkeit längst
die Blicke der mafsgebenden Stellen auf sich gezogen hatten, in
rascher Folge im Juli 1873 als Vorsteher des technischen Bureaus
der Königlichen Eisenbahn -Direction in Hannover zum Bau- und
Betriebsinspector, im Juli 1876 zum Mitgliede dieser Direction und
im Januar 1877 zum Regierungs- und Baurath befördert. Am 6. Juli
1877 erfolgte seine Ernennung zum Geheimen Baurath und Vor¬
tragenden Rath in der Eisenbahn -Abtheilung des Ministeriums der
öffentlichen Arbeiten und am 13. Juli 1882 die Beförderung zum
Geheimen Oberbaurath.
Eine der Hauptaufgaben, die Grüttefien während seiner Thätig¬
keit in Hannover zufielen, war die Umgestaltung der dortigen Bahn¬
hofsanlagen, welche in ihrer bisherigen, noch aus der älteren Eisen¬
bahnzeit stammenden Anordnung für den Betrieb der Bahnen selbst,
wie für den städtischen Verkehr und die ganze Entwicklung der
Stadt Hannover in gleichem Mafse hemmend und einer gründlichen
Aenderung bedürftig waren. Diese schwierige Aufgabe in muster¬
gültiger Weise gelöst zu haben, ist in erster Linie Grüttefiens
unbestrittenes Verdienst, und zwar ein Verdienst, das weit hinaus¬
reicht über diesen Einzelfall. Denn die Grundsätze, welche hier
mafsgebend gewesen, sind als bewährt befunden und bei späteren
Anlagen ähnlicher Art gröfstentheils wieder zur Anwendung ge¬
kommen. Zudem sind die meisten dieser neueren Bahnhofsanlagen,
wie diejenigen in Bremen, Hildesheim, Halle u. a., vor allem aber
die grofsartigen Anlagen in Frankfurt a. M., unter der unmittelbaren
mafsgebenden Mitwirkung Grüttefiens entstanden. Auf Einzelheiten
näher einzugehen ist hier nicht der Ort; auch ist der ausgezeichnete
Vortrag noch in frischer Erinnerung, den Grüttefien über diese Frage
vor zwei Jahren auf der Wanderversammlung des Verbandes deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine in Köln gehalten und in diesem
Blatte veröffentlicht hat, und in welchem er sich über die Gesichts¬
punkte, die für die neueren Umgestaltungen der gröfseren preufsischen
Bahnhöfe leitend gewesen sind, in klarer, meisterhafter Darstellung
ausgelassen hat. Als ein besonderes Verdienst darf es ihm hierbei
angerechnet werden, dafs bei diesen grofsen Bauten auch die Architektur
zu dem ihr gebührenden Rechte gekommen und die äufsere Gestaltung
der Bahnhofs-Hochbauten überall tüchtigen, bewährten Meistern an¬
vertraut worden ist.
Neben den grofsen Bahnhofsanlagen, die einen nicht unerheb¬
lichen Bestandtheil seiner Thätigkeit im Ministerium der öffentlichen
Arbeiten ausmachten, war Grüttefien namentlich mit der Bearbeitung
solcher eisenbahntechnischen Sachen betraut, bei denen vielfache
Berathungen mit anderen Behörden nothwendig waren, weil seine
grofse Fachkenntnifs und Geschäftsgewandtheit, gepaart mit milder
Ruhe und einem freundlichen Wesen, ihn zu solchen Aufgaben he-
30
Centralblatt der Bauverwaltung.
22. Januar 1890.
sonders befähigten. Der Akademie des Bauwesens gehörte Grüttefien
seit ihrer Begründung als Mitglied an, ebenso wurde er alsbald nach
der Einsetzung des Technischen Oberprüfungsamts in diese Behörde
berufen. Seine verdienstvolle amtliche Thätigkeit fand über¬
haupt überall vollste Anerkennung, die noch vor zwei Jahren
bei Gelegenheit des Krönungs- und Ordensfestes durch Verleihung
des Eothen Adler -Ordens II. Klasse mit Eichenlaub ihren beredten
Ausdruck fand.
Die rastlos strebende Arbeitskraft und die grofse Arbeitsfreudig¬
keit, die den Verstorbenen auszeichneten, haben vor allem auch dazu
beigetrageu, ihn aufrecht zu erhalten in Ungemach und Unglücks¬
schlägen, die ihm nicht erspart geblieben sind. Der schwerste Schlag
traf ihn, als vor nunmehr neun Jahren die geliebte Gattin ihm ent¬
rissen ward und er zurückblieb mit sechs noch in jugendlichstem
Alter stehenden Kindern, für welche er nunmehr die ganze schwere
Last vereinigter Elternsorgen allein tragen sollte. Und er hat sie
getragen in einer Weise, die der höchsten Bewunderung werth ist.
Von Natur selbstlos und bedürfnifslos, suchte und fand er nach der an¬
gestrengten Tagesarbeit seine Ruhe und volle Befriedigung fast nur im
Kreise der Seinen, in harmloser Freundes- und Familien-Geselligkeit.
Und darum ist der Schmerz der Hinterbliebenen um so gröfser, da sie
am Sarge des liebevollsten, zärtlichsten Vaters stehen, der der Mittel¬
punkt war eines innigen Familienlebens, das nun so jäh zerstört ist.
Einen erhebenden Trost aber werden sie in dem Gedanken finden,
dafs der Heimgegangene schmerzlich vermifst werden wird überall,
wo er gewirkt und gearbeitet hat. An allen Stellen seiner einst¬
maligen segenvollen Thätigkeit, in dem Fache, dem er angehörte und
für das er so viel gethan, in der Eisenbahnverwaltung, in der Akademie
des Bauwesens, im Oberprüfungsamt — überall hat sein Tod eine Lücke
gerissen, die voll wieder auszufüllen nicht leicht sein wird. — S.—
Zur Anwendung des
Bis weit in dieses Jahrhundert hinein galten Stein und Holz un¬
bestritten als die wichtigsten Baustofte. Erst seit wenigen Jahrzehnten
hat sich ein drittes, das Eisen, diesen beigesellt und, mit ungeahntem
Erfolge vordringend, die ersten beiden aus immer weiteren Gebieten
des Bauwesens verdrängt. Während dieses Metall in früheren Jahr¬
hunderten nur zu Hülfsconstructionen, zu geschmiedeten Ankern,
Klammern usw. verwandt wurde, gelang es später, gröfsere Bautheile,
wie Säulen, Träger u. dergl. zu giefsen. Die Anwendung blieb aber
trotzdem eine beschränkte. Ein weiteres Gebiet eröft’nete sich dem
Eisen erst durch die Erfindung der Walztechnik. Die bedeutende
und gleichwerthige Zug- und Druckfestigkeit des Walzeisens begün¬
stigte seine Anwendung zu Trägern, denen im Laufe der Zeit alle zu
unseren mannigfaltigen Eisenconstructionen erforderlichen Profileisen
folgten. Die Festigkeit, Gestaltungsfähigkeit und verhältnifsmäfsige
Billigkeit des Eisens führten zu immer weiteren und kühneren Ver¬
suchen, bis gegenwärtig kaum ein bauliches Werk ohne diesen Bau¬
stoff denkbar ist.
Seit das Eisen in nennenswerthem Umfange zu Bairzweckeu V er-
wendung gefunden hat, mögen etwa 60 Jahre verflossen sein. Die in
diesem Zeiträume gesammelten Erfahrungen genügen nicht, um da¬
nach zu beurtheilen, wie sich das Eisen als Baustoff für Monumental¬
bauten bewähren wird. Die Anforderungen, die wir an einen solchen
Baustoff’ stellen müssen, sind Feuersicherheit, Widerstandsfähigkeit
gegen Witterungseinffüsse und verhältnifsmäfsige Billigkeit. Durch
Brände wie diejenigen am Kaiserhof, am Lagerhause in der Kaiser-
strafse in Berlin u. a. ist zur Genüge festgestellt, dafs Eisenconstruc¬
tionen nur dann als feuersicher gelten können, wenn sie durch eine
Umhüllung mit feuerfesten, schlechten Wärmeleitern geschützt sind.
Das Eisen steht also in dieser Beziehung gegen den Stein zurück
und hat vor dem Holze nur den Vorzug, dafs es nicht selbst brennt,
was allerdings für Hallen- und Brückenbauten von grofser Bedeutung
ist. Unverhüllte Eisenconstructionen, besonders solche mit Niet¬
verbindungen, können bei einer Feuersbrunst infolge ihrer Längen¬
änderung das Mauerwerk zerstören und zu einem schwer entwirr¬
baren Knäuel verbrennen, dessen Beseitigung unter Umständen
lebensgefährlich werden kann, jedenfalls aber bedeutende Kosten
verursacht, während das geborgene Eisen so gut wie werthlos ist.
Die Dauer der Eisenbairwerke hängt fast ausschliefslich von den
Vorsichtsmafsregeln ab, die gegen das Rosten angewendet werden.
Das einzige bis jetzt bekannte Mittel, durch welches gröfsere Bau¬
werke gegen das Rosten geschützt werden können, besteht im Oel-
farbenanstrich, der stets sorgfältig unterhalten werden mufs. Schon
aus der Thatsache, dafs das Eisen einer beständigen Unterhaltung
und Bewachung bedarf, geht hervor, dafs die Eisenbauten nicht in
dem Mafse für monumental gelten können, wie gut construirte Stein¬
bauten. Der Anstrich ist nicht allein für Bauten, die dem Wetter
ausgesetzt sind, erforderlich, sondern auch für innere Bautheile,
namentlich für Dachconstructionen. Wenn letztere auch durch das
Deckmaterial den Einwirkungen des Wetters entzogen sind, so sind
sie desto mehr dem Schwitzwasser ausgesetzt und haben überdies
den Nachtheil, dafs viele Stellen mit dem Pinsel nicht zu erreichen
sind. Es ist somit kein Grund vorhanden zu der Annahme, dafs ein
eiserner Dachstuhl länger halten wird als ein liölzerner. Hölzerne
Dachconstructionen alter Rathhäuser und Kirchen haben bereits
Proben von einigen hundert Jahren bestanden und bedürfen keiner
so ängstlichen Ueberwachung wie die eisernen. Eiserne Dächer in
der Weise, wie dieselben jetzt ausgeführt werden, bestehen dagegen
erst kurze Zeit. Bei den Erfahrungen, die wir beim Eisenbau be¬
züglich seiner Haltbarkeit gesammelt haben, darf nicht vergessen
werden, dafs man bestrebt gewesen ist, die Eisenconstructionen mit
fortschreitender Zeit und Wissenschaft aus immer schwächeren Be-
standtheilen zusammenzusetzen. Die gufseisernen Träger, Streben
und Brücken, die schmiedeeisernen Zugstangen, die Röhrenbrücken
Eisens im Hochbau.
aus der ersten Zeit des Eisenbaues bieten dem Rost eine geringere
Angriffsfläche und in ihrer gröfseren Stärke mehr Widerstand und
sind aufserdem leichter unter Farbe zu halten als die neueren, fein
ausgedachten und mit allen Hülfsmitteln einer hochentwickelten
Technik aus schwachen Profileisen zusammengenieteten Constructionen.
Gniiidrirs.
Gufseiserne Säulen, I-Träger und preufsische Kappen.
Grundiifs.
A. Pfeiler aus Klinkern in B. Gurtbogen, I-Träger
Gement, Böhmische Kappen. und preufsische Kappen.
Decke für eine Niederlage.
Wenn aber diese längst bekannten Uebelstände des Eisens dasselbe
aus seiner herrschenden Stellung beim Brücken-, Hallen- und Schiffbau
nicht werden verdrängen können, es sei denn, dafs es gelingt, ein
Metall, welches nicht rostet, in der erforderlichen Menge zu gewinnen,
so dürfte es doch in manchen Fällen möglich sein, die Constructions-
theile zu vereinfachen und zu verstärken. Jedenfalls giebt es aber im
Hochbau viele Aufgaben, bei denen das Eisen es nicht verdient, dem
Holz und dem Stein vorgezogen zu werden, es müfste denn jenes
billiger oder das Holz der Nässe besonders ausgesetzt sein, sodafs
Schwammbildungen zu befürchten wären.
In nachstehendem lasse ich eine Gegenüberstellung der Kosten
folgen, welche unter Zugrundelegung hierorts üblicher Preise die
verschiedenen Materialien für die gleichen baulichen Aufgaben er¬
fordern.
Nr. 3A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
31
A. Balken von gleicher Tragfähigkeit.
Für I-Träger aus Walzeisen beträgt bei fünffacher Sicherheit
und gleichmäfsiger Belastung = Q
das Widerstandsmoment 3^750
. ^ ^ 6000
die zulässige Belastung Q —
Für Holzbalken von rechtwinkligem Querschnitt beträgt bei
zehnfacher Sicherheit und gleichmäfsiger Belastung
das Widerstandsmoment ^k = . 60 = 10 6
a b
das Angriffsmoment — g— > mithin die zulässige gleichmäfsige Be¬
lastung = 10 6 g =
Wird das Verhältnifs der Höhe zur Breite —5:7 angenommen,
so ergiebt sich Q :
80.5Ä3 , 57 Ä3 , i/QZ
=: rund — ; h = y
11 ““ ; ’ ~ 57
Bei gleicher Inanspruchnahme für einen Holz- und einen Eisen¬
balken bestehen demnach die Beziehungen
6000 fl _ 51h ^ Beseitigung des gemeinschaftlichen l
6000ir=57A3 oder h
ö
6000^
57
oder A = rundj/l05IF
Es ergeben sich nach dieser Berechnung für nachstehende Walz¬
träger die danebenstehenden Holzbalken von derselben Tragfähigkeit.
Bei einem Preisansatz von 20 Pf. für 1 kg Walzeisen und von 60 Mark
für 1 cbm Holz kostet ein Holzbalken 2/3 bis 3/5 soviel als ein eiserner.
Eiserne Träger. Normalprofil.
Holzbalken, b : h = 5:1.
Nr.
W
Ge¬
wicht
Preis
Quer¬
schnitt
chm
Preis
10
34,4
8,3
20 Pf.
1,66
10,16
0,0160
60,00
0,96
20
216,2
26,2
5,24
21/28
0,0590
3,54
24
357,3
36,2
7,24
25/34
0,0850
5,10
30
659,2
54,1
10,82
30/42
0,1260
7,56
36
1098,1
76,1
5>
15,22
35/49
0,1755
10,29
Es können demnach Balken -Unterzüge und Sparrenlagen, bei
welchen die Unverbrennlichkeit des Eisens keinen Werth haben
würde, mit Vortheil aus Holz hergestellt werden. Und da es in der
Regel keine Schwierigkeit verursacht, die freie Länge eines Holz¬
balkens durch Kopfbänder einzuschränken, werden sich die Kosten
für das Holz noch verringern lassen.
B. Stützen von gleicher Tragfähigkeit,
Die Last, welche eine gufseiserne Hohlsäule bei fünffacher Sicher-
^
heit tragen kann, ergiebt sich aus der Formel P=15 ^ — ß — j. Bei
15.0,59IP
einer Wandstärke gleich ^/lol) ist d^ = 0,41DK
8,85 Di
/2
^2
s — 1/10 B
P =
8,85 B^
r-
D = ]/PP
^ 8,85
s = 1/12 B
P =
7,53 Di
D = ]/?r'
^ 7,53
P —
6,00 Di
D = i/i^^
^ 6,00
Die zulässige Belastung eines Holzpfostens von geviertförmigem
Querschnitt beträgt bei zehnfacher Sicherheit
12 '^—V 2,5
Zwischen dem Durchmesser einer gufseisernen Hohlsäule mit
einer Wandstärke —^ko des Durchmessers und der Seitenlänge eines
Holzpfostens von geviertförmigem Querschnitt und derselben Länge
und Tragfähigkeit besteht somit die Beziehung
1/^^^ n t. t T, PP- PP
8,85 ’ 2,5 ’ • i/p’j/pg 1,25-1,72
Bei « = V12D — h = 1,32D
„ s = i/i5D = A = 1,24D.
JL _ 1_
1,25 ■ 1,72
Demnach ergeben sich nachstehende Querschnitte und Preise für
gleich starke Stützen in Holz und Gufseisen :
Gufseisen.
D
cm
s
t
G
hg
Preis
10
VioD
28,28
20,36
0,25
5,09
15
63,62
45,8
11,45
20
113,1
81,43
20,36
25
’;i2D
144,0
103,68
25,92
30
VisD
176,0
126,72
r>
31,68
Holz. Tragfähigkeit in to.
Seite
F
Preis 2
0
4
5 m
13,6
0,0185
ß0J6
1,11 2,21
0,98
0,55
0,35
20,4
0,0416
2,49 11,2
4,97
2,80
1,79
27,00
0,0729
4,37 35,4
1.5,73
8,85
5,66
33,00
0,1089
6,53 73,5
.32,7
18,4
11,77
36,7
0,1347
35
8,08 121,5
54,0
30,4
i9;4
Für die Holzpfosten von 2 m Länge und 33 bezw. 36,7 cm Seite
würden bei 60 kg auf 1 qcm nur 67 bezw. 80 To. zulässig sein. Die
Holzpfosten, welche überall anwendbar sein dürften, wo hölzerne
Unterzüge zulässig sind, erfordern demnach nur ^/i bis Vs der Kosten
von gufseisernen Säulen. Der Mehraufwand an verzierten Holzpfosten
für Mehrarbeit und Querschnittsverlust dürfte sich annähernd mit dem
Mehrgewicht von profilirten und verzierten Gufssäulen decken.
Für Steinpfeiler berechnen sich Tragfähigkeit und Preise wie folgt:
Material
Zu¬
lässige
Bean¬
spruch.
Ein¬
heits¬
preis
25=
To
Preis
40=
To
Preis 1
50=
To
Preis 1
65=
To
Preis
Gew. Ziegel
7 kg
35
4,375
2,2
11,2
5,6
17,5
8,75
29,57
14,7
Klinker in
Gement
14
45,00
8,75
2,81
22,4
7,2
.85,0
11,25
59,15
18,9
Sandstein
25
120,0
15,62
7,5
40,00
19,2
62,5
30,0
105,6
50,4
Granit
45
200
27,4
12,5
t2,0
32,0
117,5
50,0
184,4
84i0
Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dafs auch schwer
belastete* Säulen, bei Ladeneinbauten und Gewölben, sich sowohl in
Bezug auf die Kosten als auf die Feuersicherheit und auf das Aus¬
sehen mit Vortheil durch Steinpfeiler ersetzen lassen. Der Eindruck,
den unsre auf dünnen eisernen Stelzen stehenden Kaufhäuser bieten,
kann wohl kaum als ästhetisch befriedigend gelten, die Lichtzufuhr
wird bei Anwendung von Steinpfeilern vollauf genügen, und wenn zu
gunsten des Schönheitsgefühls die Marktschreierei der bauenden Ge¬
schäftswelt etwas zurückgedrängt wird, so kann das nur als eine
Errungenschaft bezeichnet werden, auf die der Baumeister stolz zu
sein alle Veranlassung hat.
Es mögen hier noch einige Beispiele aus der Praxis folgen:
A. Unterzug unter einer Holzdecke 6 m Stützweite, 3 m Last¬
weite, 18 qm Lastgebiet, 4 m lichte Höhe, 500 kg Belastung f. d. qm
für 12 m Länge, 2 Säulen und 12 m Balken.
I. Eiserner Unterzug und gufseiserne Säulen 5=VioD.
9000 . 600
6000
Q = 3. 6,00. 500=: 9000. TF
Stole i)=l/g?=l/wr6»w
: 900. Nr. 34. G = 68 kg.
= 20,2. 5 = 2,0. G = 82,33 kg.
8,85 * 8,85
12 . 68 = 816 kg zu 20 Pf. = 163,20 Mark
8 . 82,33 = 658 kg zu 25 Pf. = 165,40 „
329,60 Mark.
H. Holzbalken und Holzstützen, die freie Länge des Balkens
durch Kopfbänder auf 4 m eingeschränkt.
Balken Q = 4 . 3 . 500 = 6000. h = =^35. 6 = 25.
Pfosten 20,2 . 1,36 = 27,5 cm. Kopfbänder 1,50 lg. 14/16.
12 m Balken zu 25/35 = 1,05
8 m Pfosten zu 27,5^ = 0,60
6 m Kopfbänder 14/16 = 0,15
1,80 cbm zu 60 Mark = 108 Mark.
Der Holzunterbau wird mithin nur Vs so theuer als der eiserne.
B. Decke in einer Niederlage (Abb. 1), 15 m lichte Gebäudetiefe,
3 Stützweiten [zu 5 m, Stützweite der Länge nach 5 m, Geschofs-
höhe 4 m.
I. Der Tiefe nach 2 gufseiserne Säulen mit Unterzug, der Länge
nach 8 Träger mit preufsischen Kappen, Ueberfüllung im Scheitel
8 cm, Kappenstärke 12 cm, Stich 20 cm, Last 900 kg.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
22. Jaiiiiiir 18!)0.
90U . 5,0 . 1,67 . 50U
1. Kappenträger/=!)ui. Al)staud 1,6( in. // = ' rOOO - —
Q = r,4.io kg.
-25 . 000 . 500
•2. l uterzug Jf
6000
= I,s75. G = 11.5.20 kg.
i/22’5. OSO'
6. Säule l = .'v’iO in. P='22 500 kg. s — Vi2 — [/ — — = -
G = 09,;!6 kg.
Kostenbcrcclinuug für eine Achse.
8 Kappeiiträger 8.5. 54 = 2160 kg
1 Unterzug 15,8 . 115 — 1817
3977 kg zu 20 Pf. = 795,4 Mark.
2 Säulen 2 . 3,30 . 100 = 660 kg
Unterlagsplatten = 40
700 kg zu 0,25 Mark = 175 Mark
75 qm preufslselie Kappen f. d. qm 6,5 ,. = 487,5 „
14.
1457,9 Mark.
II. Für die Säulen .50 ein starke Pfeiler aus guten Ziegeln in
Cementmürtel, zwisclien den Pfeilern 40 cm im Geviert starke Gurt-
högen, die Felder mit böhinischen Kappen 1/2 St. im Scheitel, 1 St.
am Kämpfer stark, die l’feiler nach beiden Kiclitungen mit 3 cm
starken Kundeisen verankert (Ahh. 2, A).
Gurthögen 15 -j- • 4,50 —
24.0,4.0,6 . =5,76 chm
2 Pfeiler 0,50'^ . 3,20 .2 . . =1,60 „ _
7,36 cbm zu 40 Mark = 294,40 Mark
14,20 . 4,60 = 65,.32 qm böhmische Kappen zu 8 Mark = 522,56 ,,
1.50 kg Schmiedeeisen zu Ankern zu 30 Pf. = 45,00 ,.
861,96 Mark.
III. Wie I, nur statt Säulen und Unterzug 40/65 cm Pfeiler mit
Bögen (Ahh. 2, B).
8 Kappeiiträger zu 5 m = 40 . 54 = 2160 kg zu 20 Pf. = 432 Mark
110 kg Anker zu 30 Pf . =33
Wand (15 . 4 — 13,4(; . 3,10) . 0,40 = 7,31 . 40 . . . = 292,4 ..
Preufsisclie Kappen 15.4,60 = 69.6,50 .... =448,5 „
Hamburg, Mai 1889.
1205,9 Mark.
W. Stoltenberg, Architekt.
Alis dem preiirsisclieii Staatshaushalts -Etat für 1890/01
Dem am 15. Januar d. J. zusammengetretenen preufsischen Land¬
tage ist der Staatshaushalts -Entwurf für 1890/91 am 16. d. M. zu¬
gegangen. Wir stellen aus demselben nachstehend diejenigen Beträge
zusammen, die unter den „einmaligen und aufserordcntlicheu“ Aus¬
gaben in den gröfseren Etats der einzelnen Verwaltungen für Bau¬
ausführungen enthalten sind. Die zum ersten Male auftretenden
Beträge sind durch ein Sternchen * hervorgehoben. Die einge¬
klammerten Zahlen bezeichnen die anschlagmäfsigen Gesamtbau¬
kosten, soweit solche aus den Erläuterungen zu ersehen sind.
In den minder umfangreichen, unten nicht besonders aufgefühlten
Etats sind noch folgende hieher gehörige aufserordentliche Ausgaben
enthalten;
In dem Etat der Berg- usw. Verwaltung ist ein Betrag
von 160 OOO Jt enthalten zur Fertigstellung des Dienstgebäudes der
Königlichen geologischen Landesanstalt und Bergakademie in Berlin ;
ferner ein Theilbetrag von 67 OOü Ji zur Herstellung der für den Berg¬
werksbetrieb erforderlichen Anlagen auf Bahnhof Göttelborn, deren
Gesamtkosten auf 116 000 JC veranschlagt sind.
Im Etat der Staatsarchive ist zum Umbau des Staatsarchiv-
und Bibliothekgebäudes in Hannover ein zweiter Theilbetrag von
200 000 JC vorgesehen. Die Gesamtkosten sind auf 576 000 JC ver¬
anschlagt.
Der Etat des Finanz-Ministeriums enthält eine Summe von
5500 Ji zur Erneuerung des Fufsbodens im Concertsaale und im
Tanzsaale des König!. Opernhauses in Berlin.
Der Etat des Kriegs -Ministeriums enthält einen Betrag von
20 000 Jt zur Einrichtung des Zeughauses in Berlin als Mehrbedarf
zu den durch Gesetz vom 17. März 1877 bewilligten Mitteln, und zwar
zur Vollendung der künstlerischen Ausschmückung des Zeughauses.
Zu den vorstehenden einmaligen Beträgen von . . 452 500 M
treten die nachstehend zusammengestellten Ausgaben
für Bauführungen, und zwar:
I. Im Etat der Eisenbahnverwaltung . 15 307 000 Jt
H . der Bauverwaltung . 9 862 000 ..
HI. ,. .. des Handelsministeriums . 120 340 ..
Ilh „ der Justizverwaltung . 2 547 800 „
V. „ des Ministeriums des Innern .... 648 500 ..
VI. „ „ der landwirthschaftlichen Verwaltung . 418 860 .,
VII. ,. der Gestütverwaltung . 552 060 ..
VHI. .. „ des Cultiisrninisteriums . 5 481584 „
Gesamtbetrag der einmaligen Ausgaben für Bau¬
ausführungen . 35 390 644 Jt
1. Aiilserordeiitliclie Ausgaben ITu’ die Bauausfiihnmgen der
Eisenbahn -Verwaltung.
Betniij Gesamt-
fiir 18ä0/!)l kosten
1) Bezirk der Ei.senbalm-Directioii
Altona.
*1. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Eutin 132 000 (132 000)
2) Bez. d. Eisenb.-Dir. Berlüi.
2. Zum Umbau des Bahnhofes in Wilmers¬
dorf-Friedenau, letzte u. Ergänzungsrate . 140 000 (390 000)
=^3. Zum Umbau des Görlitzer Bahnhofes in
Berlin, 1. Rate . 120 000 (200 000)
*4. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Cottbus,
1. Kate . . 200 000 (300 000)
Zu übertragen 592 000
Uebertrag 592 000
*5. Zur Beseitigung der Schieneuübergänge
der Boxhagen - Rummelsburger Chaussee
über die Ostbahn und die Schlesische Bahn
bei Rummelsburg, 1. Rate . 150 000 (850 000)
*6. Zur Erbauung eines Geschäftsgebäudes
für die Eisenb. -Direct, in Berlin, 1 . Rate . 100 000 (1 650 000)
■'7. Zur Einrichtung elektrischer Beleuchtung
auf dem Güterbahuhofe in Berlin (N. M.) 103 000 (103 000)
3) Bez. d. Eisenb. -Dil’. Breslau.
8. Zur Vereinigung der Bahnhöfe der Rechte-
Oder-Ufer- u. d. Poseu-Kreuzburger Bahn
bei Kreuzburg, fernere Rate . 100 000 (500 000)
"''9. Zur Erweiterung d. Bahnhofes in Schwien-
tochlowitz, 1. Rate . . 200 000 (250 000)
*10. Desgl. in Laurahütte, 1. Rate . 120 000 (226 000)
*11. Desgl. in Glatz, 1. Rate . 150 000 (895 000)
*12. Zum Umbau d. Bahnhofes i. Glogau, 1. Rate 150 000 (945 000)
*13. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Tar-
nowitz, 1. Rate . 200 000 (860 000)
4) Bez. d. Eisenb.-Dir, Bromberg.
*14. Zum Umbau des Dienst- und Empfangs¬
gebäudes auf Bahnhof Bromberg, 1. Rate 150 000 (460 000)
*15. Zum Ausbau der Bahnstrecke Jablonowo-
Allenstein-Kobbelbude, 1. Rate .... 250 000 (470 000)
*16. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Lichten-
berg-Friedrichsfelde, 1. Rate . 500 000 (3 750 000)
5) Bez. d. Eisenb.-Dir. Köln (iinksrin).
17. Zum Umbau des Bahnhofs in Stolberg,
letzte und Ergäuzungsrate . 380 000 (1 300 000)
18. Desgl. in Euskirchen, fernere Rate . . . 300 000 (779 000)
19. Zur Herstellung einer neuen Güterstation
bei Nippes, fernere Rate . 350 000 (950 000)
*20. Zum Umbau des Bahnhofes in Völklingen,
1. Rate . : • • • 400 000 (1650000)
*21. Zur Umgestaltung der Bahnhofsanlagen
in Uerdingen, 1. Rate . 300 000 (2 250 000)
*22. Zur Erbauung eines Geschäftsgebäudes für
das Eisenb. -Betriebsamt in Crefeld, 1. Rate 120 000 (200 000)
*23. Zur Erbauung eines Locomotivschuppens
auf dem Bahnhofe in Karthaus, 1. Rate . 70 000 (110 OOO)
6) Bez. d. Eisenb.-Dir. Köln (reciitsrii.).
24. Zum Umbau der Umgangsbahu bei Ober¬
hausen, letzte Rate . 76 000 (226 000)
25. Zur Verlegung der Bahnstrecke Welver-
Hamm behufs directer Einführung in den
Rangirbahnhof Hamm, fernere Rate . . 70 000 (300 000)
26. Zur Vereinigung der beiden Bahnhöfe
(Rhein u. Westf.) in Dortmund, fernere Rate 50 000 (200 000)
27. Zum Umbau des Bahnhofes in Essen (Rh.),
fernere Rate . 100 000 (1 230 000)
*28. Zur Erweiterung des Geschäftsgebäudes
der Eisenb.-Dir. (rechtsrh.) in Köln, 1. Rate 200 000 (550 000)
*29. Zur Erweiterung der Geleisanlagen auf
dem Bahnhofe in Neuwied, 1. Rate . . 100 000 (165 000)
*30. Zur Erweiterung des Locomotivschuppens
auf Bahnhof Wanne, 1. Rate . 120 000 (145 000>
*31. Zur Anlage einer Haltestelle b. Fahr, 1. Rate 50000 (105 000)
*32. Zur Erweiterung des Bahnhofes Mül¬
heim a. d. R. (B. M.), 1. Rate . . . . . 150 000 (1110000)
Zu übertragen 5 601 000
Ir. P-
Centralblatt der Bauverwaltung’.
33
Uebertrag 5 601 000
7) Bez. d. Eisenb.-Dir. Elberfeld.
33. Zur Herstellung einer Verbindungsbaliu
zwischen den Bahnhöfen Hengstei und
Hagen (Rh.), fernere Rate .
34. Zur Erbauung eines Locomotivschuppens
nebst Betriebswerkstatt und Dienstwohn¬
gebäuden auf Bahnh. Lennep, fernere Rate 200 000
35. Zum Umbau des Bahnhofes in Unna,
fernere Rate . . 200000
*36. Zur Erweiterung des Bahnhofes Unter¬
barmen (B. M.), 1. Rate ....... 200 000
*37. Zur Erweiterung der Geleisanlagen auf
dem Bahnhofe Ohligs, 1. Rate
*38. Desgl. auf dem Güterbahnhofe Hagen
(B. M.), 1. Rate .
*39. Desgl. auf dem Bahnhofe Schwelm (B. M.),
1. Rate .
*40. Desgl. auf dem Bahnhofe Elberfeld-Stein-
beck, 1. Rate . . .
*41. Zur Erbauung eines Geschäftsgebäudes für
das Eisenb.-Betriebsamt in Hagen, 1. Rate
*42. Zur Einrichtung elektrischer Beleuchtung
auf dem Bahnhofe Hagen (B. M.) . . .
8) Bez. d. Eisenb.-Dir. Erfurt.
43. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Bitter¬
feld, fernere Rate .
*44. Desgl. in Fröttstedt, 1. Rate .
9) Bez. d. Eisenb.-Dir. Frankfurt a.M.
45. Zum Umbau des Bahnhofes in Oberiahn-
stein, letzte Rate .
46. Zur Erbauung eines definitiven Empfangs¬
gebäudes auf dem Bahnhofe in Eichenberg,
fernere Rate .
*47. Zum Neubau des Bahnhofes in Afsmanns-
hausen, 1. Rate . . .
*48. Zur Umgestaltung der Bahnhöfe bei Wolk¬
ramshausen, 1. Rate . . .
*49. Zur Umgestaltung des Bahnhofes in Nord¬
hausen, 1. Rate ..........
*50. Zur Herstellung von Strafsenanlagen auf
dem Terrain der aufser Betrieb gesetzten
Westbahnhöfe in Frankfurt a. M., 1. Rate
auf die weiteren Kosten .......
*51. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Eltville
10) Bez. d. Eisenb.-Dir. Hannover.
52. Zum Umbau des Bahnhofes in Soest, letzte
Rate .
53. Zur Herstellung einer Beleuchtungs- und
, Wasserversorgungsanlage auf dem Bahn¬
hofe in Kreiensen, letzte Rate ....
54. Zum Umbau des Bahnhofes in Löhne,
fernere Rate . .
*55. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Celle,
1. Rate . . . , .
*56. Desgl. in Wülfel, 1. Rate .
*57. Desgl. in Ottbergen, 1. Rate .
*58. Zum Umbau des Bahnhofs in Nien¬
burg a. d. Weser, 1. Rate . _ .
11) Bez. d. Eisenb.-Dir. Magdeburg.
59. Zum Umbau und zur Erweiterung des
Bahnhofes Halle, fernere Zusatz- und zu¬
gleich Ergänzungsrate .
60. Zur Anlage eines Güterbahnhofes in St.
Leonhard b. Braunschweig (Braunschweig-
Ostbahnhof), letzte Rate .
61. Zum Umbau des Bahnhofes in Börssum,
fernere Rate . .
62. Zum Umbau der Havelbrücke bei Werder
u. zu den dadurch bedingten Mehrkosten
d. Umbaues des Bahnh. das., fernere Rate
*63. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Wann¬
see, 1. Rate . . . .
*64. Desgl. in Schlaehtensee, 1. Rate ....
*65. Zur Erweiterung des Magdeburger Bahn¬
hofes in Leipzig, li Rate . .
*66. Zur Erweiterung des Bahnhofes Alte-Neu¬
stadt und der Rangirstation Bude 4 bei
Magdeburg, 1. Rate .
*67. Zur Erweiterung des Bahnhofes Grizehne
und Ausbau der Verbindungsbahn zwischen
diesem Bahnhofe und dem Bahnhofe Stadt
Calbe, 1. Rate . .
*68. Zur Erweiterung des Bahnhofes in Seesen,
1. Rate . .
*69. Desgl. in Schönebeck, 1. Rate . . . .
60 000 (260000)
(350000)
(430 000)
(460 000)
(158 000)
(175 000)
(145 000)
(510 000)
(285 000)
(105 000)
120000
150000
100 000
200 000
100 000
105 000
250 000
60000
(1 000 000
(105 ooo;
106 000 (506 000)
40 000
100 000
100000
150000
300 000
112000
(150 000)
(260 000)
(280 000)
(250000)
(564 400)
(112 000)
50 000 (680 000)
73 000
100 000
100 000
100 000
80 000
100 000
(173 000)
(300 000)
(600000)
(250 000)
(190 000)
(325 000)
1400000 (10250 000)
50ÖOO
(350 000)
100 000
(470 000)
23.
100000
(330 000)
300 000
(870 000)
24
150000
(330 000)
25.
250 000
(426 000)
26.
150 000
(572 000)
27.
*28.
150 000
(544 000)
*29.
150 000
(635 000)
*30.
150000 (1 060 000)
Zu übertragen 11 807 000
Uebertrag 11 807 000
70. Zur Herstellung von Weichen u. Signal¬
stellwerken, fernere Rate .
71. Zur Ausrüstung der Betriebsmittel mit
durchgehenden Bremsen, fernere Rate
72. Zur Einrichtung der Personenzüge zur Gas¬
beleuchtung und zur Herstellung von Fett¬
gasanstalten, fernere Rate .
73. Zur Herstell, von Vorsignalen, fernere Rate
*74. Zur Vermehrung und Verbesserung der
Vorkehrungen zur Verhütung und Beseiti¬
gung von Schneeverwehungen, 1. Rate
800 000
1 100 000
300 000
600 000
700 000
Summe 15 307 000
II.
*8.
*9.
*10.
*11.
*12.
*13,
*14.
*15.
*16,
*17.
*18.
*19
*20.
*21.
*22.
Aufserordeiitliclie Ausgaben für die Bauausführungen der
Bauvertvaltnug.
Zur Regulirung der Weichsel ira Bereiche
der Weichselstrombauverwaltung und des
Rheins von Bingen abwärts . 1 900 000
Zur Regulirung der Memel, der Warthe,
der Saale und Unstrut und der Ems . .
Zur Regulirung des Rheins von Mainz bis
Bingen, Rest . 148 000
Zur Regulirung der Oder vom Lunower
Dammhause unterhalb Cüstrin bis Patziger
Theerofen, 4. Rate . 100 000
Zur Wiederherstellung der Bauwerke des
Klodnitzcanals und Verbesserung der Be¬
nutzbarkeit des letzteren, 3. Rate . . .
Zum Neubau der Saaleschleuse bei Calbe,
Rest .
Zur Verbreiterung und Vertiefung der
Havelhaltung des Berlin-Spandauer Schiff¬
fahrtscanals, Rest .
Zur Anlage eines Winterhafens bei Tilsit
Zur Herstellung eines Winterliegeplatzes
am Mühlenholz bei Havelberg ....
Zur Anlage eines Sicherheitshafens bei
Mülheim am Rhein, 1. Rate . 350 000
Zum Neubau der Rosenbecker Schleuse,
1. Rate .
Zur Erweiterung d. schmalen Grabens u. z.
Neubau der Pareyer Schleuse, 1. Rate . .
Zum Bau eines Leitwerkes in der Spree
unterhalb der Eisenbahnbrücke in Char¬
lottenburg .
Zur Anlage eines Bauhofes nebst Winter¬
hafen f. d. Wasserbauinspect. in Tapiau .
Zur Anlage eines Bauhofes am Ruppiner
See in Neu-Ruppin .
Zur Beschaffung eines Schlepp- und Be¬
reisungs-Dampf bootes für die Wasserbau-
inspection Kukerneese .
Zur Beschaffung von fünf eisernen Prähmen
für den Dampfbagger „Tiege“ ....
Zur Beschaffung eines Dampfbaggers und
sechs eiserner Prähme für die Elbstrom¬
bauverwaltung .
Zur Beschaffung eines Schleppdampfers
ersehnten für die
arburg
und acht eiserner Ba
Wasserbauinspection
Zur Beschaffung von zehn eisernen Bagger¬
prahmen f. d. Wasserbauinspect. Emden .
Z. Beschaff, eines neuen Dampfbaggers f.
d. Mosel im Regierungsbezirk Coblenz
Zu Versuchen über die Fortbewegung von
Schiffen auf Canälen durch am Ufer in
Thätigkeit gesetzte Maschinenkräfte, ins¬
besondere im Interesse des Dortmund-
Ems-Canals .
Zur Herstellung einer 5 Meter tiefen Fahr¬
rinne von Königsberg durch das Frische
Haff nach Pillau, 2. Rate . . .
Zur Herstellung eines Sicherheitshafens
bei Safsnitz, 2. Rate .
Zum weiteren Ausbau des Buhnensystems
auf der Westküste der Insel Sylt, 2. Rate
Zu den Schutzbauten auf den Ostfriesi¬
schen Inseln, weitere Rate .
Zur Anlegung eines Fischereihafens am
Norddeich bezw. bei Norderney, Rest . .
Zur Erweiterung des Verkehrshafens in
Harburg, 1. Rate .
Zur Verbesserung und Vervollständigung
der Hafenanlagen in Harburg, 1. Rate .
Zur Errichtung v. drei offenen Schuppen z.
Holzablagerung im Hafen v. Geestemünde
Zu übertragen
Betia!?
füi- 1890/91
M
Gesamt-
kosteii
M
1 900 000
560 000
148 000
(1 798 000)
100 000
(500 000)
225 000
(1 120 000)
67 000
(407 000)
80 000
30 000
(160 000)
(30 000)
38 000
(38 000)
350 000
(825 000)
140 000
(181 000)
300000
(1 891 000)
76 000
(76 000)
65 000
(65 000)
40 000
(40 000)
40 000
(40 000)
30 000
(30 000)
95000
(95 000)
108 000
(108 000)
40 000
(40 000)
38 500
(38 500)
120 000
(120 000)
1 000 000
(7 300 000)
200 000
(600000)
330 000
(1 900 000)
114 500
200000
(1 600 000)
250 000
(500 000)
393 000
(693 820)
.50 000
(50 000)
7 128 000
22. Januar ISDO.
34
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
Uebertrag 7 128 000
=^•31. Zur Herstellung eines Leitdammes ober¬
halb der Geestemündung im Anscblufs an
die bei der Correction der Unterweser
seitens Bremens auszut'ülirenden Anlagen 350 000
''B2. Zur Verlängerung des Aufsentiet's bei
Carolinensiel u. ,z. Beleuchtung desselben 32o00
*33. Für die Verbreiterung des Hafendammes
zu Xorddeich behufs Zuführung der Eisen¬
bahn Xorden-Xorddeich, sowie f. d. Bestein¬
ung der auschliefsenden Deichbüschungeu 140 000
*34. Zur Verbesserung der ZuAvegungen am
wasserfreien Fahrdamm auf Norderney
und zur Erbauung eines Lamlungshauses
daselbst, sowie z. Anlegung e. Süfswasser-
rohrleitung zum Hafen auf Norderney . . lOO 500
*35. Zur Herstellung eines Bohlwerks am Ilaten
in Emden . '34 000
*36. Zur Erweiterg. d. Dockwerkstätte in Husum 21 000
*37. Zur Vervollständigung der Anlagen auf
dem Bauhofe bei Emden durcli den Bau
eines Schift'sliegeplatzes, sowie Herstellung
des Böschungspflasters und mehrerer Lade¬
bühnen usAv . . 55 700
*38. Zur Beschattung eines neuen Dampfkessels
sowie zum Umbau der Maschine des
Schleppdampfboots „Danzig“ der Hafen-
bauinspection Neutährwasser ..... 42000
*39. Zur Beschattung von zwei Dampfbagger¬
prähmen für den Baggerbetrieb in Swine¬
münde . _ ■ 247 000
*40. Zur Beschattung eines Kammprahmes für
die Hafenbauiuspection in Swinemünde . 20 000
*41. Zur Beschattung von vier eisernen Klappen¬
prähmen für die Dampfbagger „Stralsund“
und „Rügen“ . 60 000
*42. Zur Beschaffung v. vier eisernen Bagger¬
schuten für den Hafen von Geestemünde . 39 600
*43. Zur Festlegung u. BeAvaldung der Wander¬
dünen zwischen Südersj)itze und Schwarz¬
ort auf der Kurischen Nehrung, 1. Rate . 100 000
44. Zum Umbau der sogenannten bunten
Brücke in Minden, Ergänzungsrate ... 51 000
*45. Zum Neubau der langen Brücke über die
Dahme bei Köpenick, 1. Rate . 150 000
*46. Zum Umbau der Waterloobrücke in Han¬
nover . 58 500
*47. Zum Umbau der Emsbrücke bei Rhede . 69 000
*48. Beitrag zu den Kosten des Neubaues der
Brücke über die Lesum bei Burg . . . 117 300
*49. Zum Neubau eines Dienstgebäudes für
die Wasserbauinspection in Harburg . . 52 000
50. Zum Um- und Erweiterungsbau des jetzigen
Oberpräsidial-, vormaligen Regierungsge- 55 500
bäudes in Breslau, Rest u. Ergänzungsrate
51. Zum Um- u. Erweiterungsbau d.Regierungs-
gebäudes in C>ppeln, Rest u. Ergänzungsrate 52 900
52. Desgl. in Hildesheim, 4. Rate . 200 000
53. Zum Erweiterungsbau des Regierungs¬
gebäudes in Düsseldorf, 2. Rate .... 60 000
*54. Zum Erweiterungsbau des Dienstgebäudes
der Ministerial-, Militär- u. Baucommission
auf dem Grundstück HausvoigteiplatzNr. 14
in Berlin, 1. Rate . 400 000
*55. Zum Neubau eines Dienstgebäudes für die
Elbstrombauveinvaltung, 1. Rate . . . 80 000
Summe 9 862 000
(350 000)
(32 000)
(140 000)
(196 500)
(84 000)
(21 000)
(55 700)
(42 000)
(247 000)
(20 000)
(60 000)
(39 600)
(1 500 000)
(217 000)
(282 000)
(58 500)
(69 000)
(215 000)
(52 000)
(129 500)
(200 000)
(700 000)
(297 000)
(850 000)
(197 000)
III. Aufserordeiitliclie Ausgaben für die Bauausfüiirungeii des
Ministeriums für Handel und Gewerbe.
1. Zur Errichtung eines Dienstgebäudes für
das Eichungsamt in Königsberg, einschl.
der Ergänzung des Inventars, letzte Rate
2. Desgl. in Dortmund, einschliefslich der Er¬
gänzung des Inventars, letzte Rate . . .
*3. Zur Erweiterung des Drehereigebäudes der
Königlichen Porcellanmanufactur . . .
Summe
Betrag
Gesamt-
für ISOü/ai
kosten.
M
M
23 600
(83 600)
20 440
(60 440)
76 300
120 340
(76 300)
lY. AufserordentUche Ansgaben für die Bauausfülirungen der
Justizvei’waltung.
1) Bez. d. Oberlandesger. Marienwerder.
1. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
fängnisses in Marienburg, 3. und letzteRate
*2. Zum Neubau eines Geschäftshauses für das
Amtsgericht und eines Gefängnisses in
Pr. Stargardt, 1. Rate .
Zu übertragen
Betrag
Gesamt-
für 1890/91
kosten.
Jl
M
46 900
(206 900)
100 000
(452 050)
146 900
Uebertrag 146 900
2) Bezirk des Kammer gericJits.
3. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes im Anschlüsse an das
Dienstgebäude des Polizei-Präsidiums und
an das Polizeigefängnifs in Berlin am
Alexanderplatz, letzte Rate . 94 900
*4. Zum Neubau eines Centralschuppens für
das Strafgefängnifs bei Berlin .... 26 000
3) Bez. d. Oberlandesger. Stettin.
5. Ziim Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes in Bütow, letzte Rate . 14 800
■■■6. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes und Gefängnisses in
Belgard, erste Rate . 60 000
*7. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge-
fängnifsgebäudes in Dramburg .... 31 400
4) Bez. d. Oberlandesger. Posen.
8. Zur Erbauung eines Centralgefängnisses
in der Provinz Posen zuWronke, 2. Rate 300000
5) Bez. d. Oberlandesger. Breslau.
9. Zum Neubau eines Geschäftshauses für
das Landgericht in Ratibor und zur Ein¬
richtung des früheren Appellationsgerichts¬
gebäudes daselbst zu einem Geschäftshause
für das Amtsgericht, 3. Rate . 150 000
10. Zum Neubau eines Geschäftshauses für
das Amtsgericht und eines Gefängnisses in
Kattowitz, 3. Rate . 180 000
11. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
fängnisses in Liebau, letzte Rate ... 27 000
*12. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes und Gefängnisses in
Lublin itz, 1. Rate . 150 000
*13. Zum Neubau einer Centralstation für
jugendliche männliche Gefangene und
eines Gerichtsgefängnisses für erwachsene
Gefangene in Grofs-Strehlitz, 1. Rate . . 150 000
6) Bez. d. Oberlandesger. Naumburg.
14. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäfts- und Gefängnifsgebäudes in Garde¬
legen, 2. und Ergänzungsrate . 46 000
7) Bez. d. Olmrlandesger. Kiel.
*15. Zum Neubau eines Dienstgebäudes für das
Oberlandesgericht in Kiel, 1. Rate . . . 100 000
S) Bez. d. Oberlandesger. Celle.
*16. Zum Um- und Erweiterungsbau des Amts¬
gerichtsgebäudes in Nienburg . 19 000
*17. Zur Erweiterung des amtsgerichtlichen
Gefängnisses in Papenburg . 20 500
9) Bez. (1. Oberlandesger. Hamm.
18. Zum Neubau eines Landgerichtsgebäudes
in Bochum, 2. Rate . 150 000
*19. Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Oberlandesgericht und das Amtsgericht
in Hamm, 1. Rate . . 150 000
10) Bez. d, Oberlandesger. Frank¬
furt a. M.
20. Zum Neubau eines aratsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes in Braunfels, 2. Rate . . 45 000
11) Bez. d. Oberlandesger. Köln.
21. Zur Erweiterung des Justizgebäudes in
Köln, 4. Rate . 250 000
22. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
schäftsgebäudes und Gefängnisses in
München-Gladbach, letzte Rate .... 7 800
23. Zum Neubau eines amtsgerichtlichen Ge¬
fängnisses in Waldbroel, Ergänzungsrate 8 500
24. Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Amtsgericht, die Kammer für Handels¬
sachen, die Strafkammer und die Staats¬
anwaltschaft, sowie eines Gefängnisses in
Crefeld, 2. Rate . . . 100 000
*25. Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Amtsgericht in Hennef, 1. Rate . . 45 000
*26. Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Landgericht und das Amtsgericht in
Coblenz, 1. Rate . . 150 000
*27. Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Amtsgericht in Kempen, 1. Rate . . 60 000
*28i Zum Neubau eines Geschäftsgebäudes für
das Amtsgericht zu Berncastel, 1. Rate . 65 000
Summe 2 547 800
(287 600)
(26 000)
(74 750)
(141 400)
(31 400)
(2 100 000)
(533 100)
(775 000)
(63 000)
■ (477 500)
(520 500)
(115 950)
(450000)
(19 000)
(20 500)
(460 000)
(782 869)
(106 500)
(367 862)
(24 600)
(560 000) ;
(76 600) j
(720 000)
(111 400)
(90 100)
Nr. 3A.
Centralblatt der Bauverwaltang.
35
V. Aiifserordeutliche Ausgaben für die Bauausführungen des
Jlinisteriums des Innern.
Betrag Gesamt-
für 1890/01. kosten.
Jl M
1. Für den Neubau eines Zellenflügels bei
der Strafanstalt in Siegburg, letzte Rate 73 500 (153 500)
2. Für den Neubau eines Arresthauses in
Düsseldorf, 2. Rate . 400 000 (1 497 800)
=•=3. Für den Neubau eines Arbeits- und Zellen¬
flügels bei der Strafanstalt in Ziegenhain 78 500 (78 500)
*4. Für den Neubau eines Verwaltungs¬
gebäudes b. d. Strafanstalt in Wartenburg 46 700 (46 700)
*5. Für die Einrichtung eines Hülfsgefängnisses
in dem ehemaligen Cavallerie-Casernement
in Wohlau . 49 800 (49 800)
Summe 648 500
YI. Aufserordentliche Ausgaben für die Bauausführungen der
landwirthschaftlichen Y erwaltung.
Betrag Gesamt-
für 1890/91 kosten
M M
1. Für den Uferschutz der Wüster Marsch,
9. Rate . 40 000 (1518 000)
2. Zur Befestigung der Binnendünen auf der
Halbinsel Heia, 7. Rate . 11 000
*3. Zum Neubau eines Fahrzeuges für den
Fischerei-Aufsichtsdienst an der ostfriesi¬
schen Küste . 9 000 (9 000)
4. Zum Weiterbau des Süd-Nord-Canals im
linksemsischen Moorgebiete . 300 000
5. Zum Bau und zur inneren Einrichtung
eines Gebäudes zur Aufnahme der Lehr-
und Sammlungsräume der landwirthschaft-
lichenAkademie in Poppelsdorf, letzte Rate 37 500 (267 500)
*6. Ergänzungsbauten bei der Lehranstalt für
Obst- und Weinbau in Geisenheim . . . 11510 (11510)
*7. Ergänzungsbauten bei dem pomologischen
Institut in Proskau . _ 9 850 (9 850)
Summe 418 860
YII. Aufserordentliche Ausgaben für die Bauausführung der
Gestiitverwaltung.
1. Zur Errichtung eines Landgestüts auf Vor¬
werk Kreuz (Cröllwitz) bei Halle a. S.
behufs Zurückverlegung des zur Zeit in
Lindenau, Rgbz. Potsdam, untergebrachten
Sächs. Beschälerdepots, letzte Rate . . .
*2. Zum Neubau eines Ackerpferde- und
Pohlenstalles auf dem Vorwerke Gurdszen,
Hauptgestüt Trakehnen, 1. Rate ....
*3. Zur Erricht, einer Scheune auf d. Vorwerke
Mattischkehmen , Hauptgestüt Trakehnen
*4. Zum Neubau eines Ackerpferde- und
Ochsenstalles auf dem Vorwerke Birken¬
walde, Hauptgestüt Trakehnen . . . .
*5. Zum Umbau des östlichen Flügels des
Fohlenstalles auf dem Vorwerke Döhlen,
Hauptgestüt Graditz .
*6. Zur Herstellung der Wasserleitung auf
dem mittleren Gestüt -Hofe des Haupt¬
gestüts Beberbeck .
*7. Zur Regulirung der Wasserleitung auf
dem Vorwerke Sababurg, Hauptgestüt
Beberbeck .
8. Zur Errichtung eines neuen Landgestüts
im Regierungsbezirk Königsberg, 2. Rate
*9. Zum Neubau eines Zwölf-Familienwohn¬
hauses nebst Stallgebäude bei dem Lit-
thauischen Landgestüt in Gudwallen . .
*10. Zum Neubau ein. Scheune auf d. Vorwerke
Asteckersberg, Landgestüt Gudwallen . .
Summe
Betrag
für 1890/91
Jt
Gesaml-
kosten.
Jl
173 950
(460 000)
50 000
(123 000)
26 500
(26 500)
26 990
(26 990)
21200
(21 200)
11 000
(11 000)
22 490
(22 490)
147 050
(460 000)
59 700
(59 700)
13 180
552 060
(13 180)
YIII. AufserordeiitUche Ausgaben für die Bauausführuugen des
Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegen¬
heiten.
1. Zum Neubau eines Dienstgebäudes für
das Consistorium in Stettin, 2. Rate . .
2. Zum Umbau des alten Domgymnasialge¬
bäudes i. Magdeburg behufs Unterbringung
des dortigen Consistoriums, 2. Rate .
Zu übertragen
Betrag
Gesamt-
für 1890/91
kosten
M
Jt
50 000
(160 000)
50 000
(180000)
100000
Ueb ertrag 100 000
3. Zur Restauration der Schlofskirche in
Wittenberg, 3. und Ergänzungsrate . . . 200 000
*4. Zum Um- und Erweitei’ungsbau des Dienst¬
gebäudes für dasProvincial-Schulcollegium
und das Consistorium in Münster, 1. Rate 100 000
*5. Zur Errichtung eines Prediger- Seminars
f. d. Consistorialbez. Cassel in Hofgeismar 37 500
Universität Königsberg’.
6. Zum Neubau des pathologischen und des
pharmakologischen Instituts, letzte Rate . 30 285
*7. Zur inneren Einrichtung des mineralogi¬
schen Museums und Instituts . 22 725
*8. Zur Herstellung vorschriftsmäfsiger Um¬
währungen u. Bürgersteige a. botan. Uni¬
versitätsgarten, sowie z. Instandsetzg. ver¬
wilderter Gartenflächen u. z. Anlage eines
neuen Teiches in demselben . 29 724
Universität Berlin.
9. Zum Umbau des Universitätsgebäudes, ein-
schliefslich d. inneren Einrichtung, 2. Rate 250 000
*10. Zum Anschlufs d. physicalischen Instituts
an die für die Dorotheenstadt herzu¬
stellende Centralstation der allgemeinen
Elektricitätsgesellschaft . 11 500
*11. Zur Instandsetzung der Dächer der Ge¬
bäude des ersten chemischen Laborato¬
riums, des ersten anatomischen Instituts
und der Sternwarte . 15 200
Universität Greifswald.
12. Zum Neubau des physicalischen Instituts,
einschl. d. inneren Einrichtung, letzte Rate 74 500
*13. Zum Ei’weiterungs- und Umbau des Ge¬
bäudes der Universitätsbibliothek, 1. Rate 85 000
Universität Breslau.
14. Zum Neubau der chirurgischen Klinik,
einschliefsl. d. inneren Einrichtung, 3. Rate 250 000
15. Zum Neubau der medicinischen Klinik,
einschl. der inneren Einrichtung, 2. Rate . 150 000
*16. Zur Regulirung d. Maxgarten-Grundstücks
und Herstellung der für die neuen medi¬
cinischen Anstalten erforderlichen Aufsen-
anlagen, 1. Rate . 160 000
*17. Zur Herstellung der das Maxgarten- Grund¬
stück umgebenden Strafsen, 1. Rate . . 100 000
*18. Zum Neubau d. patholog. Instituts, 1. Rate 100 000
*19. Zum Neubau der dermatologischen Klinik,
1. Rate . 120 000
*20. Zu baulichen Aenderungen des chemischen
Laboratoriums . 18 000
Universität Halle.
21. Zum Neubau einer Irrenklinik, 2. Rate . 300 000
Universität Kiel.
*22. Zur theilweisen Erneuerung und Vervoll¬
ständigung der Einfriedigung des Grund¬
stücks der akademischen Heilanstalten . 5 600
*23. Zum Neubau des mineralogischen Museums
und Instituts, 1. Rate . 70 000
Universität Göttin gen.
24. Zum Neubau der medicinischen Klinik,
einschl. d. inneren Einrichtung, letzte Rate 200 000
25. Zum Neubau des pathologischen Instituts,
einschl. d. inneren Einrichtung, letzte Rate 117 500
26. Zur Herstellung des Maschinenhauses und
der übrigen auf die Sammelheizung der
medicinischen Neubauten bezügl. Neben¬
anlagen, letzte Rate . 73 050
*27. Zur Herstellung von Aufsenanlagen bei
den medicinischen Neubauten, 1. Rate . 60 000
28. Zum Neubau von zwei Absonderungs¬
baracken für die neuen Universitäts-
Kliniken . 74 000
Universität Marburg.
29. Zum Bau des Aulaflügels am Universitäts¬
gebäude, letzte Rate . 101 250
*30. Zum Erweiterungsbau der chirurgischen
Klinik und zur Vervollständigung der Ein¬
richtungen des Vorhand. Gebäudes, 1. Rate 72 000
Universität Bonn.
*31. Zum theilweisen Um- u. theilweisen Neu¬
bau der Universitäts-Bibliothek, einschl.
der Kosten der inneren Einrichtung und
des Umzuges, 1. Rate . 150 000
Zu übertragen 3 077 834
(895 000)
(170 000)
(37 500)
(240 285)
(22 725)
(29 724)
(649 600)
(11 500)
(15 200)
(180 000)
(85 850)
(625 700)
(549 500)
(264420)
(170 000)
(217 500)
(280 000)
(18 000)
(665 000)
(5 600)
(123 800)
(439 000)
(181 500)
(222 450)
(192 000)
(74 000)
(236 250)
(116 700)
(359 300)
Centralblatt der B auverwaltiing.
22. .laiiiiar 1890,
sr,
Uebertrag
•■v)2 Zur Herriclituug der bisherigen Dienst¬
wohnung des Directors des physikalischen
Instituts zu Arbeitsräuinen ......
*33. Zur theilweisen Erneuerung und Erweite¬
rung der Gasbeleuchtungsanlage im Uni¬
versitäts-Hauptgebäude .
34. Zum Neubau des Friedrichs-Collegiums in
Königsberg i. Pr., 2. Eate . .
35. Beihülfe zum Neubau des Gymnasiums in
Memel, letzte Kate .
36. Zum Neubarr eines Yorschul- und Director-
wohngebäudes beim Luisengymnasium in
Berlin, letzte Eate .
37. Zum Neubau eines Klassengebäudes usw.
für das Eealprogymnasium in Otterndorf,
letzte Kate .
38. Zum Neubau des Gymnasiums in Bonn,
3. Eate .
39. Desgl. in Saarbrücken, 2. Kate ....
*40. Zum Neubau des Schullehrer-Seminars in
Kagnit, 1. Eate .
*41. Zum Ausbau und zur Einrichtung des ehe¬
maligen stiftischen Orangeriehauses in
Neuzelle für Zwecke des Turnunterrichts
des dortigen Schullehrer-Seminars . . _ .
42. Zum Neubau des Schullehrer- Seminars in
Alt-Döbern, 2. Eate ........
*43. Zu baulichen Keparaturen bei den Seminar-
gebäudeu u. z. Erneuerung d. Umwähr¬
ungen d. Seminargrundstücks in Exin
*44. Zum Erweiterungsbau der Turnhalle des
Schullehrer-Seminars in Liebenthal . .
*45. Zur Herstellung einer massiven Treppen¬
anlage nach den Schlafsälen der Semi¬
naristen bei dem Schullehrer- Seminar in
^yeifsenfels . _ .
46. Ziim Neubair des Schullehrer-Seminars in
Heiligenstadt, letzte Kate .
47. Desgl. in Verden, 2. Eate . .
*48. Zum Umbau des Seminargebäudes in
Büren, 1. Eate . _ . .
*49. Zum Anschlirfs des Schullehrer-Seminars
in Neuwied an die städtische Wasserleitung
und Entwässerungsanlage .
Zu übertragen
3 077 834
50.
S OOO
(8 000)
5 500
(5 500)
51.
150 000
(407 000)
40 OOO
(217 670)
52.
87 700
(157 700)
53.
84 000
(174 000)
54.
60 000
150 000
(412 734)
(300 400)
*55.
100 000
(324 600)
*56.
9 700
(9 700)
*57.
30 OOO
(190 650)
58.
23 550
(23 550)
*59.
10 000
(10 CHJO)
*60.
6 400
(6 400)
*61.
150 000
100 000
(370 000)
(287 000)
*62.
100 000
(251 000)
*63.
6 400
4 199 084
(6 400)
Uebertrag 4 199 084
Zu Elementarschulbauten behufs be¬
sonderer Förderung des deutschen Volks¬
schulwesens in den Provinzen West-
preufsen und Posen, sowie im Kegierungs-
l3ezirk Oppeln . .500 000
Zur Errichtung eines Gebäudes für die
Gipsformerei der Kgl. Museen auf einem in
der Sophie-Charlottenstrafse in Charlotten¬
burg belegenen, bisher dem Eisenbahn-
üscus gehörigen Grundstücke, letzte Kate 120 000
Zur Vollendung der Einrichtung des Mu¬
seums für Völkerkunde in Berlin . . . 73 000
Für Keinigung usw. von Sculpturen, ins¬
besondere der bei Pergamon gemachten
Funde, iveitere Kate . 7 000
Zum Neubau des geodätischen Instituts
auf dem Telegraphenberge bei Potsdam
sowie zur Erweiterung der dort vorhande¬
nen Wasser- und Gasanlagen, 2. Eate . 250 000
Zum Neubau des meteorologischen In¬
stituts auf dem Telegraphenberge bei
Potsdam, 1. Eate . 1.50000
Zu baulichen Aeudei-ungen auf dem Grund¬
stücke der Kunstakademie in Königs¬
berg i. Pr . 7 200
Zum Anschlufs des Kunstakademie¬
gebäudes in Königsberg i. Pr. an die städt.
Wasserleitung . 1 300
Beitrag des Staates zu den Kosten der
Eestauration des Schlosses in Marienburg 50 000
Zur Errichtung eines selbstregistrirenden
Pegels in Swinemünde an Stelle des durch
Brand zerstörten Fluthmessers .... 3 000
Zur Erweiterung des Hörsaales für Elek¬
trotechnik bei der technischen Hochschule
in Hannover . 3 400
Zur Erweiterung der Dampfkesselanlagen
bei der technischen Hochschule in Aachen 47 300
Zur baulichen Instandsetzung und Um¬
änderung der Quarantäne- Anstalt in Neu¬
fahrwasser . . . 10 300
Zum Erweiterungsbau der Entbindungs¬
anstalt auf dem Grundstücke des Charite-
Krankenhauses in Berlin . 60 000
Summe 5 481 584
(270 000)
(763 000)
(373 000)
(7 200)
(1 300)
(3 000)
(10 300)
(60 000)
Vermischtes,
Bei dem Unterriclite des Kniistgetverhe- Museums hat sich die
Nothwendigkeit fühlbar gemacht, die Schüler eingehender als bisher
in die Bedürfnisse der Ausführung solcher Arbeiten, die sie zu
entwerfen lernen, und in die Anforderungen einzuführen, welche an
die Herstellung guter kunstgewerblicher Stücke gemacht werden
müssen. Im Etat des Cultusministeriums für 1890/91 ist deshalb eine
Summe von 150 000 Mark ausgeworfeu, die den Versuch ermöglichen
soll, derartige Arbeiten unter Leitung des Kunstgewerbe -Museums
hersteilen zu lassen. Die Ausführung soll in der Kegel dem Privat¬
gewerbe überlassen, die Werkzeichnungen und die diesen ent¬
sprechenden plastischen Vorarbeiten sollen dagegen durch die Schüler
des Museums unter Leitung der Lehrer hergestellt werden. Bei der
Wahl der Aufgaben soll thunlichst darauf Kücksicht genommen
werden, dafs die Schüler mit einiger Aussicht auf Erfolg Ver¬
suche zu ersten Entwürfen nach festgestelltem Programme machen
können; unter Umständen würden die Lehrer oder andere Künstler
hierbei einzutreten haben, jedenfalls aber würde thunlichst auf die
Betheiligung der Schüler bei der Ausführung Bedacht zu nehmen
sein. Nach den Bemerkungen zum Etat, in denen als Aufgaben
solche Gegenstände empfohlen werden, welche für öffentliche Gebäude,
für Dienstwohnungen höherer Staatsbeamten und ihre Eepräsentations-
räume usw. erforderlich sind, verspricht man sich aus der Sache er¬
wünschte Anregung und Förderung, für das gesamte Kunstgewerbe.
Zur Verhütung und Beseitigung von Schneeverwehungen auf
den Eisenbahnen ist in den Staatshaushalts-Entwurf für 1890 91 ein
erstmaliger Betrag von 700 000 Mark eingestellt für die Vermehrung
und Verbesserung der dazu geeigneten Vorkehrungen. In den Er¬
läuterungen wird hierzu folgendes bemerkt:
Die zahlreichen Unterbrechungen, welche der Eisenbahnbetrieb
auf den Hauptverkehrslinien in den letzten Jahren durch Schnee¬
verwehungen erlitten hat, und die damit verknüpften erheblichen
Nachtheile machen es nothwendig, auf thunlichste Abhülfe Bedacht
zu nehmen. Wenn auch unbedingt sichere Mittel zur gänzlichen
Verhütung von Schneeverwehungen der Bahnen noch nicht gefunden
sind, so sind doch die gegen solche Verwehungen — insbesondere
auf den östlichen Bahnen — bereits in erheblichem Umfange an¬
gewendeten Vorkehrungen (Schneeschutzwälle, Zäune und Hecken.,
Abflachung der Einschnittsböschungen usw.) von durchaus günstigem
Erfolg gewesen. Es erscheint deshalb geboten, auf den Haupt¬
verkehrslinien diejenigen nach den bisherigen Beobachtungen der
Schneeverwehung ausgesetzten Bahnstrecken, auf welchen Vor¬
kehrungen hiergegen noch nicht zur Ausführung gebracht sind, in
thunlichst kurzer Frist mit solchen zu versehen und die vorhandenen
Vorkehrungen, soweit sie aus der älteren Zeit stammend sich nicht
als ausreichend erwiesen haben, den neueren Erfahrungen ent¬
sprechend zu verbessern. Aufserdem emjjüehlt sich die Beschaftung
von Schneeräumungsmaschinen neuerer Construction, wie sie in
America angewendet worden sind, um durch Versuche in gröfserem
Mafsstabe feststellen zu können, inwieweit unter den hiesigen, von
den americanischen wesentlich abweichenden Verhältnissen die Ma¬
schinenkraft zur Beseitigung entstandener Schneeverwehungen vor-
theilhaft verwendet werden kann.
Die Westfront des Domes in Mailand. In Anschlufs an die
auf Seite 16 d. Jahrg. gebrachte Nachricht von dem unerwarteten
Tode Giuseppe Brentanos wird uns aus Mailand von zuständiger
Seite mitgetheilt, dafs eine Unterbrechung der Domangelegenheit
nicht zu befürchten sei. Die Herstellung des Holzmodelles der neuen
Westfront im Mafsstabe 1 : 20, für welches Brentano die erforder¬
lichen Zeichnungen bereits sämtlich gefertigt hatte, ist der bewährten
Werkstatt von Giovanni Brambilla in Mailand übertragen, und dieser
durch Vertrag zur Fertigstellung bis Ende des Jahres 1890 ver¬
pflichtet. Alsdann erst wird es Sache der Domverwaltung und —
da der Dom als „monumento nazionale“ der Aufsicht des Unter¬
richtsministeriums untersteht — auch der Eegieruug sein, sich über
die Ausführung und die Wahl des leitenden Baumeisters zu ent¬
scheiden.
Verlag von Ernst<fe Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction ries nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s kes, Berlin.
37
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 35. Januar 1890.
Redaction: SW. ZimmerstraCse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Neuerungen auf
dem Gebiete der Niederdruckdampfheizungen. — lieber zweckmäfsige Einrichtungen
von Kliniken (Fortsetz.). Beitrag zur Gründung in Triebsand. — Karte desWasser-
strafsen-Verkehrs 1885. — Parsons Blockirung und Weichenstellnng. — Vorschriften
über die Ausbildung, Prüfung u. Anstellung im Schiffbau- und Maschinenbau-Fache
der Kaiserl. deutschen Marine. — Vermischtes: Preisbewerbnng betr. die Stadt¬
bibliothek in Frankfurt a. M. — Schwimmender Schutzdamm gegen Feuersgefahr in
Häfen. — Geh. Baurath Hermann Kirchhoff f- — Inhalt der Zeitschrift für Bauwesen.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Des Kaisers und Königs Majestät haben Allergnädigst geruht,
dem ßegierungs- und Baurath Fülscher, zur Zeit Mitglied der
Kaiserlichen Canal-Commission für den Bau des Nord-Ostsee-Canals
in Kiel, den Charakter als Geheimer Baurath zu verleihen.
Der Bauinspector Wegen er, bisher technischer Hülfsarbeiter
bei der Königlichen Kegierung in Stade, ist in gleicher Eigenschaft
unter Beilegung des Amtscharakters als Wasser-Bauinspector an die
Königliche Oderstrom-Bau-Direction in Breslau, und der bisherige
Kreis -Bauinspector Mau in Berent W/Pr. als Bauinspector und
technischer Hülfsarbeiter an die Königliche Eegierung in Stade ver¬
setzt worden.
Der Geheime Ober-Baurath Grüttefien, vertragender Eath in
den Eisenbahn-Abtheilungen des Ministeriums der öffentl. Arbeiten,,
der Geheime Baurath Kirchhoff in Coblenz, der Geheime Eegierungs-
rath Grimmer, Mitglied der Kgl. Eisenbahn-Direction in Breslau, der
Kreis -Bauinspector Friedr. Schlepps in Greifenberg i. Pomm. und
der Landesbauinspector Flindt in Diez sind gestorben.
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
I^euerungeii auf dem Gebiete der Mederdruckdampflieizungen.
Den in Nr. 18 des vorigen Jahrgangs dieses Blattes enthaltenen
Erörterungen über einige neuere Constructionen von Dampfnieder¬
druckheizungen fügten wir die Schlufsbemerkung hinzu, dafs die stetig
fortschreitende Technik in ihren Vervollkommnungsbestrebungen
bald weitere Erfolge auf diesem Gebiete zu verzeichnen haben werde.
Schon jetzt sind wir in der Lage, einige Ergänzungen über bemerk ens-
werthe Neuerungen nachzutragen.
Im Anschlufs an die a. a. 0. beschriebene und durch Zeichnung
erläuterte Selbstregelung des Feuerbetriebes der nach dem System
Käuffer erbauten Dampfniederdruckheizungen ist inzwischen unter
Beibehaltung der Hauptanordnung der ganzen Vorrichtung eine Ver¬
vollkommnung eingeführt worden, welche bezweckt, das Eindringen
von Verbrennungsgasen in den Heizraum nach Abschlufs der unter
den Kost führenden Luftleitung gänzlich zu verhindern. Zu diesem
Behufe sind die Wasserverschlufstrichter des Bauch- und Luftzuges
(f und 6 in Abb. 1) nicht in gleicher Höhe wie früher angeordnet,
vielmehr liegt die Absperrung bei ersterem auf 2 m, bei letzterem
auf 1,80 m über dem mittleren Wasserstande des Kessels, oder mit
anderen Worten: die Hemmung des Luftzutritts erfolgt schon bei
0,18 Atm. Ueberdruck, während darüber hinaus bis 0,20 Atm. dem
Eauche freier Abzug verbleibt. Es können somit die auch nach voll¬
kommenem Abschlufs des Luftzutrittes zum Koste sich aus dem
Kokefeuer noch entwickelnden Eauchgase in den Schornstein bis zu
einer auf 0,20 Atm. Ueberdruck gesteigerten Dampfspannung unge¬
hindert eintreten. Selbst darüber hinaus ist ein schädliches Ein¬
dringen in den Kesselraum nicht zu befürchten, da eine in der Kauch-
klappe g angeordnete Oeffnung von 30 mm Weite ein Zurücktreten
unmöglich macht.
Eine weitere Verbesserung betrifft die Ersetzung des früher an¬
gewandten, mit Luftauslafsventilen versehenen Windkastens durch
den neu patentirten Luftbehälter (Abb. 2). Dieser besteht aus einem
zum Theil mit Wasser ange¬
füllten cylindrischen Gefäfse
in welchem eine oben ge¬
schlossene Glocke B mittels des
Luftringes h schwimmt und
durch den Führungsschacht i
in gleichmäfsiger Lage gehalten
wird. Das oben offene, in den
Luftraum der Schwimmglocke
mündende Eohr C steht mit
der Dampfwasserleitung in der
auf der Uebersichts-Darstellung
Abb. 3 gezeichneten Weise
dauernd und nicht abstellbar
in Verbindung.
Wird nun ein Heizkörper
durch Oeffnen des Dampfventils
in Betrieb gestellt, so verdrängt der einströmende Dampf die in dem
Körper befindliche Luft durch die Dampfwasserleitung und das Eohr c
in die Schwimmglocke und hebt letztere entsprechend; beim Abstellen
des Dampfes hingegen drückt die sinkende^Glocke die Luft wieder
in den Heizkörper zurück. Es kann sich somit ebenso wenig eine
Luftleere bilden, als Dampf in die Dampfwasserleitung zurücktreten,
da die früher (S. 163 d. vor. Jahrganges) in ihrer Wirkungsweise be¬
schriebenen Wasserschleifen N von 2 m Höhe unter allen Umständen
dem Dampfdruck durch Wasserverschlufs das Gleichgewicht halten.
Bei dieser Anordnung der Luftleitung und des Luftbehälters wird
somit nach Abstellung der Dampfventile das gesamte Innere der
Dampfwasserrohre und der Heizkörper stets mit derselben Luft er¬
füllt bleiben, welche ihre oxydirende Eigenschaft allmählich ganz ver¬
liert, da einer Auswechslung mit frischer Aufsenluft nunmehr voll¬
kommen vorgebeugt ist. Der grofse Uebelstand des inneren Kostens
der Kohre, woran Dampfheizungen bisher so sehr litten, dürfte damit
auf das denkbar geringste Mafs zurückgeführt sein.
Eine bemerkenswerthe, auf einer Anregung des Prof. H. Fischer
in Hannover beruhende Anordnung zeigt ferner das unter Kellerdecke
Centralblatt der Bauverwaltung.
25. Januar 1890,
38
liegende Dampfvertheilungsrohr. Um besonders bei weit ausgedehnten
Anlagen der Ansammlung gröfserer Wassermengen im Dampfrohr
und der Bildung von Geräusch vorzubeugen, erhält das Rohr eine
zickzackförmige Lage. An den Brechpunkten sind die oben erwähnten
Abt>. 3.
H Heizkörper, K Kessel, L LiiftbeliäUer, S Wasserschleife.
— Dampfleitung. — Dampfwasserleitung. — x— Ventil.
Wasserschleifen angeordnet, in [denen sich das uiederschlagende
Wasser auf kurzen Wegen sammelt und von hier aus durch das
Dampfwasserrohr nach dem Kessel zurückfliefst.
Eine von der Käulferschen Anordnung wesentlich abweichende Art
der Niederdruckdampfheizung wird in neuester Zeit von der Firma
Gebr. Körting in Hannover ausgeführt. Hierbei beruht die Wirkungs¬
weise des ganzen Systems oder die dem Bedürfnifs anzupassende
Wärmeabgabe der gleichfalls ohne Wärmeschutzmäntel hergestellten
Heizkörper auf der sog. Syphon -Wasserregulirung. Abbildung 4
veranschaulicht schematisch die Anordnung einer derartigen Heizung.
^ om Kessel K aus steigt der Dampf nach einem auf dem Dachboden
liegenden Vertheilungsrohre D und gelangt durch Fallstränge nach den
einzelnen Heizkörpeim H A', in die er nach Bedürfnifs durch Ventile
eingelassen werden kann. Die Heizkörper stehen geschofsweise durch
eine Leitung R' H' S' und R“ H“ S“ mit Wasserbehältern bezw.
IF“ in Verbindung, welche ihrerseits durch Ueberlaufrohre an die
Rücklaufleitung C angeschlossen sind, die zum Kessel zurückführt.
Die Regelung der Wärmeabgabe-Fähigkeit der einzelnen Heizkörper
geschieht nun auch hier wie beim Käufferschen Systeme dadurch, dafs
nach Belieben eine gröfsere oder geringere Menge Dampf in den
Körper eingelassen und ein beliebiger Theil der Heizkörperoberfläche
als wirksame Heizfläche nutzbar gemacht werden kann. Während
aber bei letzterem der jeweilig nicht von Dampf erfüllte oder zur
Dampfwasserbildung in Anspruch genommene Innenraum der Heiz¬
körper von einer zwischen diesem und dem Luftbehälter hin und her
strömenden Luftmenge eingenommen wird, tritt beim Körtingschen
System Wasser an Stelle der Luft. Zu diesem Behufe erhalten die
mit ihrer Unterkante etwas höher als die zugehörigen Heizkörper
stehenden Wassergefäfse JV‘ und IF" einen Fassungsraum gleich
dem sämtlicher zugehörigen Heizkörper. Wird nun in einen der
letzteren eine gewisse Menge Dampf eingelassen, so verdrängt dieser
aus dem Heizkörper durch die communicirende Rohrleitung A' //' S'
und R“ H“ S“ so viel Wasser nach dem Gefäfs fF‘ bezw. f-F“, bis
die durch den wagerechten Unterschied der Wasserspiegelhöhen im
Heizkörper und Wassergefäfs dargestellte Wassersäule dem im Heiz¬
körper wirksamen Dampfdruck das Gleichgewicht hält. Man hat es
also vollkommen in der Hand, einen beliebigen Theil des Heizkörpers
■wirksam zu machen. Das verdrängte Wasser fliefst aus IF' bezw.
I durch den Ueberlauf in die Rückflufsleitung C und von da nach dem
Kessel zurück. Beim Abstellen des Dampfventils füllt sich der Heiz¬
körper nach dem Gesetz der communicirenden Röhren sofort wieder
mit Wasser und tritt somit aufser Heizwirkung. Dieses System bietet
älteren Anlagen von Dampfniederdruckheizungen gegenüber die auch
schon beim Käulferschen hervorgehobeneu Vortheile der Entbehrlich¬
keit der Wärmeschutzmäntel, des Fehlens von Luftventilen an den
Heizkörpern, der sicheren Regelbarkeit der Heizwirkung und der
Beseitignng der Gefahr des inneren Röstens. Einige Bedenken ruft
jedoch die Wasserfüllung der Syphonleitung und der Heizkörper im
ungeheizten Zustande insofern hervor, als ein Einfrieren des Wasser¬
inhalts bei längerer Aufserbetriebstellung einzelner Gruppen nicht
ausgeschlossen ist. Um diesem Uebelstande zu begegnen und um bei
Ausbesserungen einzelne Gruppen ausschalten zu können, sind zwar
die nach Geschossen getrennten Entleerungshähne F' und F" an¬
geordnet, doch wird es sich überdies empfehlen, die Heizkörper-
Dam^jfventile so einzurichten, dafs die Dampfzuströmung unter ge¬
wöhnlichen Umständen und bis auf ein gewisses kleinstes Mafs ab¬
gestellt werden kann, damit dauernd eine der Gefahr des Einfrierens
in ausreichendem Mafse begegnende Wärmemenge den Heizkörpern
und der Syphonleitung zu gute kommt.
Von Interesse ist,1 dafs bei diesem System die aus den Gefäfsea
JF‘ W“ nach der Rücklaufleitung entströmende Wassermenge im ge¬
nauen Verhältnisse zu der in der zugehörigen Heizkörpergruppe ver¬
brauchten Dampfmenge steht. Durch Einschaltung von Wasser¬
messern in die Ueberlaufanschlüsse ist man somit in der Lage, den
Dampfverbrauch und die der betreffenden Heizkörpergruppe zugeführte
Wärmemenge unmittelbar zu messen. Für die mit derartiger Heizung
ausgestatteten Gebäude, deren einzelne Geschosse abgeschlossene
Wohnungen, Geschäftsräume u. dgl. umfassen, ist diese Neuerung
insofern von grofser Bedeutung, als der von den einzelnen Miethern zu
tragende Antheil an den Gesamtbetriebskosten der Heizung nach den
Angaben der Wassermesser sicher festgestellt werden kann. P. B.
lieber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken.
(Fortsetzung.)
Besonders zu erwähnen sind noch die von den Aerzten neuerdings
sehr empfohlenen, in einzelnen Krankenhäusern mit bestem Erfolge
ausgeführten Fufsbodenheizungen, bei welchen die Aufstellung
besonderer Heizkörper in den Krankenräumen nicht erforderlich ist,
die Wärmeabgabe an letztere vielmehr durch Vermittlung des
mäfsig erhitzten, aus Stein hergestellten Fufsbodens stattfindet. Diese
Heizung eignet sich für die Erwärmung im Erdgeschofs belegener
Krankenräume, weil unter diesen die Heizkörper bequem untergebracht
werden können; sie wird daher in eingeschossigen, nach dem Pavillon¬
system hergestellten Krankenhäusern, bei denen auf eine anderweitige
Benutzimg des Untergeschosses verzichtet wird, Verwendung finden
können. Eine derai-tige Heizung ist in kleinerem Umfange in dem
neben der Königl. Charitd in Berlin erbauten Kinderkrankenhause
Im Schlufssatze der Fortsetzung auf S. 22 d. J. sind die in der
Frauenklinik in Breslau angewandten Füllöfen durch ein Versehen
als Keidelsche bezeichnet. Sie rühren von der Firma E. Kelling
her, von der auch die gesamte Heiz- und Lüftungsanlage in der ge¬
nannten Klinik ausgeführt worden ist.
(vgl. Centralbl. d. Bauverwaltung 1888, S. 61 und 1889, S. 463), in
grofsem Umfange in den zahlreichen Pavillons des neuen allgemeinen
Krankenhauses in Hamburg-Eppendorf ausgeführt. Da die an den
bezeichneten Stellen vom Kinderkrankenhause gegebenen Zeichnungen
das System der Heizung nicht ganz klar erkennen lassen, ist
dieses nach den älteren, bewährten Anordnungen von Hamburg-
Eppendorf nebenstehend in Grundrissen und Schnitten**) schematisch
dargestellt (Abb. 14). Die Vorzüge dieses im allgemeinen noch wenig
bekannten Heizsystemes sollen hier kurz hervorgehoben werden. Es
wird bei ihm die Wärmequelle dahin verlegt, wo sie am meisten
eiuvünscht ist, d. h. in den Fufsboden. Letzterer wird als Ofen
benutzt, welcher seiner Beschaflfenheit nach nicht nur imstande ist,
die ihm mitgetheilte Wärme sehr lange zu halten, sondern auch eine
so gi’ofse ausstrahlende Fläche besitzt, dafs er nur mäfsig (durch¬
schnittlich 20 bis 25° R. an der Oberfläche) erhitzt zu werden braucht,
**) Diese Zeichnungen sind der Schrift von Dr. Th. Deneke,
Braunschweig 1889, mit Genehmigung des Herrn A^erfassers ent¬
nommen.
Centralblatt der Bauverwaltang.
39
Sr. 4.
um die in den darüber liegenden Räumen geforderte Temperatur
zu erzielen. Auch wird durch die Erwärmung des Fufsbodens eine
s 0 kräftige Bewegung der Luft hervorgebracht, dafs ein nachtheiliges
Stagniren derselben in Winkeln und unter den Betten nicht ein-
treten kann. Endlich läfst sich eine ausgiebige Befeuchtung der
Luft in einfachster Weise durch die tägliche Reinigung des Fufs¬
bodens mit Wasser erreichen.
Die Vorzüge dieses Heizsystemes treten am meisten hervor bei
ist. Damit die Kranken durch die zugeführte erwärmte Luft nicht
belästigt werden, sind die Ausmündungsstellen in einer Höhe von
2 bis 2,5 m über dem Fufsboden anzuordnen. Eine Filterung der
frischen Luft erscheint in jedem Falle nothw endig. Für die Venti¬
lation im Sommer wird in den meisten Fällen die Benutzung der
in den Fenstern reichlich vorzusehenden Lüftungseinrichtungen (vgl.
S. 368 u. f. 1889) genügen. Nur im Frühjahr und Spätherbste ist
die zu dieser Jahreszeit weniger lästige Einführung der frischen Luft
U.0
W
'u
l öden
IL.C.
einer Construction des Fufs¬
bodens aus Stein, welche
gleichzeitig die gröfste Rein¬
lichkeit gestattet. Im Ber¬
liner Kinderkrankenhause
ist der Fufsboden aus
Monier-Platten mitTerrazzo-
belag darüber, in den Kran¬
kenpavillons von Hamburg-
Eppendorf aus Gemen tplat-
ten von 4 bis 7 cm Dicke
mit Terrazzobelag dainiber
hergestellt. Die Heizrohren
liegen in bekriechbaren
(besser begehbaren) Canä¬
len, welche untereinander
durch Schlitze in den
Scheidewänden in Verbin¬
dung stehen. Durch Ventile
an den Enden der Röhren
können einzelne derselben
von der Wärmeabgabe nach
Bedürfnifs ausgeschlossen
werden. Die Speisung der
Heizröhren ist in den be-
zeichneten Krankenhäusern
theils durch heifses Wasser,
theils durch Dampf erfolgt;
letzterer dürfte wegen der
geringeren Gefahr des Ein¬
frierens und wegen der
gröfseren Leitungsfähigkeit
den Vorzug verdienen. Bei
vereinzelt liegenden Kran¬
kenhäusern wird die Erzeu¬
gung des Dampfes zweck-
mäfsig innerhalb des Ge¬
bäudes, bei gröfseren An¬
stalten wegen der wünschens-
werthen Vereinfachung des
Betriebes und geringeren
Rauchbelästigung besservon
einer Stelle aus erfolgen.
c. Lufterneuerung.
Diese mufs sowohl im
Sommer wie im Winter eine
reichliche sein und etwa 80
bis 100 cbm für den Kopf
und die Stunde betragen.
Im Winter ist die frische
Luft den Krankenräumen
stets erwärmt zuzuführen, entweder durch Vermittlung der in den
Räumen aufgestellten Heizkörper oder von besonderen Heizkammern
aus. Von einer Verwendung der sehr wirksamen, aber im Betriebe
theuern Ventilatoren zur Einführung der frischen warmen Luft wird in
den meisten Fällen abgesehen werden können. Die in einzelnen Kliniken
gewählte Luftentnahme von den erwärmten Fluren aus kann im
allgemeinen nicht empfohlen werden, da hierbei eine Uebertragung
von Ansteckungsstoffen aus einem Raum in den anderen zu befürchten
Kellergeschofs.
R Rampe.
S Schrank.
SB Spülbecken.
T Tisch.
Tr Treppe in den Keller.
Abb. 14.
(unter Umständen mittels
Ventilatoren, die durch Gas¬
kraftmaschinen betrieben
werden) mit Benutzung der
im Mauerwerk vorhandenen
Canäle zu empfehlen,
d. Abführung der ver¬
dorbenen Luft.
Von dieser dürfte in gut
eingerichteten Kranken¬
häusern kaum abzusehen
sein, da andernfalls eine
kräftige Lufterneuerung sehr
erschwert wird. Für ge¬
wöhnlich erfolgt die Ab¬
führung der verbrauchten
Luft durch besondere bis
über Dach geleitete Canäle
in den Umfassungswänden
der Krankenräume. Es ist
dafür zu sorgen, dafs der
Luftauftrieb in diesen Ca¬
nälen zu geeigneter Jahres¬
zeit durch Dampfspiralen
oder kleine Gasroste, durch
Lockfeuerungen oder ge¬
eignete Verbindung der
Luftcanäle mit warmen
Rauchröhren unterstützt
werden kann. Die zur Ab¬
führung der Luft bestimmten
Canäle müssen mit zwei
verschliefsbaren Abzugs¬
öffnungen in der Nähe des
Fufsbodens und in der
Nähe der Decke versehen
werden, von denen die
ersteren im Winter, die
letzteren im Sommer in
Gebrauch zu nehmen sind.
In eingeschossigen Kranken¬
häusern und in den oberen
Geschossen mehrstöckiger
Krankenhäuser kann die
Abführung der Luft im
Sommer durch Dachreiter
von entsprechender Länge
erfolgen (Firstlüftung), die
in der Decke und im First
angebracht werden und stets
mit regulirbaren Jalousie¬
klappen zu versehen sind (vgl. Abb. 14). Im Winter ist diese
Art der Luftabführung nicht brauchbar, weil die nach der
Decke steigende warme Luft durch die Dachreiter entweichen, auch
lästiger Zug entstehen würde; da, wo eine Firstlttftung eingerichtet
ist', werden die Jalousieklappen in den Dachreitern während des
Winters vielmehr sorgfältig zu verschliefsen sein. — Trotz aller
Lüftungseinrichtungen wird die Ansammlung übler Gerüche in den
Krankenräumen nicht ganz zu vermeiden sein, und es mufs deshalb
UT Glastisch für Geiäthe.
VS Verbandschrank.
VT Verbandtisch.
Wu. ST Wasch- n. Schreib¬
tisch.
Erdgeschofs.
WT Waschtisch.
HK Heizkörper.
LC Luftcanal.
WTr Wäschetrumpf.
Neues allgemeines Krankenhaus in Hamburg-Eppendorf.
Grosser Krankenpavillon (Fufsbodenheizung).
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
25. .Januar 1890.
40
von Zeit zu Zeit eine gründliche Durchlüftung der letzteren durch
Oeffnen der Thüren und Fenster vorgenoinmen werden.
8. Die Aborte.
Die Lage der Aborte mufs derartig sein, dafs die selbst bei
besten Einrichtungen nicht ganz zu vermeidenden üblen Ausdünstungen
nicht in die Krankenzimmer gelangen können. Es empfiehlt sich
deshalb, nicht zerstreute Einzelaborte in unmittelbarer Verbindung
mit den Krankenräumen, sondern von den Fluren aus zugängliche
Sammelaborte, thunlichst in der Nähe jener Eäume herzustellen.
Diese Anordnung ist bei fast allen neuen Kliniken gewählt worden
und hat sich bewährt, da die Flure in der Regel geheizt und von
Leichtkranken ohnehin zum Spazierengehen benutzt werden, während
die Schwerkranken in jedem Falle auf den Gebrauch von Stech-
beckeii angewiesen sind. Es empfiehlt sich, die Aborträume von den
Fluren durch besondere kleine Vorräume zu trennen und in allen
Geschossen übereinander anzuorduen, damit bei eintretenden Schäden
(Verstopfungen, Ueberschwemmungen usw.) nicht andere Theile des
Gebäudes in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Abmessungen der
einzelnen Abortverschläge dürfen nicht zu knapp sein, da Kranke
etwas mehr Raum zur Bewegung als Gesunde brauchen; als geeignet
sind Breiten von 1 m und Tiefen von 1,5 m zu empfehlen. Die Zahl
der in jedem Geschofs anzuordnenden Aborte ist von der Zahl der
Kranken und der einzelnen, meist von einander gesonderten Kranken¬
stationen abhängig. Im allgemeinen kann angenommen werden, dafs
für je 10 Kranke mindestens ein Abort herzustelleii ist; aufserdem
sind für die Aerzte und das Wärterpersonal gesonderte Aborte vor¬
zusehen. Im Interesse möglichster Sauberkeit und reichlicher
Lüftung ist grofser Werth darauf zu legen, dafs jeder Abortverschlag
mit einem kleinen Fenster versehen wird. Dafs aufserdem auch die
gemeinsamen Vorräume gut beleuchtet werden müssen, ist selbst¬
verständlich. Die Anordnung von Abortverschlägen ohne Fenster
innerhalb selbst heller Räume ist nicht zu empfehlen, da die einzelnen
Sitze in diesem Falle dunkel bleiben und mehr als sonst zu Unreinig¬
keiten Veranlassung geben. — Wenn irgend thunlich, sind die Aus¬
wurfstoffe weder innerhalb der Aborträume noch unterhalb derselben
(in Tonnenräumen oder Gruben) anzusammeln, da in Krankenhäusern
nachtheilige Ausdünstungen, welche bei dieser Anordnung nicht aus-
bleiben würden, mehr als anderswo vermieden werden müssen. Es
empfiehlt sich vielmehr, die Abgangsstoffe in verdünntem Zustande
möglichst schnell aus dem Bereiche der Krankenhäuser zu entfernen,
woraus folgt, dafs eine kräftige Spülung der Trichter und eine unter¬
irdische Abführung der Stoffe anzustreben ist. Können letztere nicht
unmittelbar in die städtischen Entwässerungs-Canäle eingeführt werden,
so sind sie zunächst in wasserdichten, vom Hause thunlichst entfernt
liegenden Gruben anzusammeln, dort zu klären und zu desinficiren.
Hinsichtlich der Construction ist zu bemerken, dafs sich Spül¬
aborte einfachster Herstellungsweise (II. Klasse) mit gewöhnlichen
Geruchsverschlüssen und festschliefsenden Deckeln am besten bewährt
haben. Die Abführung der verdünnten Abgangstoffe erfolgt zweck-
mäfsig in gufseisernen Röhren, die nach oben, behufs schneller Ent¬
fernung der sich ansammelnden Gase, bis über die Dachfläche zu
führen sind. Da die Abortsitze von den Kranken trotz peinlicher
Ueberwachung zur heimlichen Beseitigung von allerlei Gegenständen
(Verbandstücken, Resten unerlaubter Speisen usw.) benutzt zu werden
pflegen, wodurch Beschädigungen und Verstopfungen eintreten, so
ist dafür zu sorgen, dafs die Abfallröhren überall zugänglich sind.
Sie müssen deshalb frei auf den Wänden liegen und in jedem Geschofs
mit verschraubten Reinigungsstutzen versehen werden, damit die Be¬
seitigung entstandener Schäden schnell und ohne erhebliche Kosten
erfolgen kann. Auch empfiehlt es sich, für die häufig als Verstecke
benutzten Sitze knappe, den Aborttrichtern thunlichst angepafste
Formen zu wühlen. Eine kräftige Bewegung der Luft in allen
Theilen ist dringend erwünscht; zu diesem Zwecke sind die einzelnen
Verschlüge nicht bis zur Decke des Raumes zu führen, sondern nur
etwa 2,5 m hoch herzustellen und die Thüren zu denselben im unteren
Theile mit reichlichen Ausschnitten zu versehen.
Die Aborträume müssen ebenso wie die benachbarten Flure aus¬
reichend (15° C.) geheizt und gelüftet werden. Zur Heizung kann
entweder warme Luft (vgl. Abb. 15) oder ein kleiner Heizapparat ver¬
wendet werden. Auf eine kräftige Entlüftung ist besondere Sorgfalt
zu verwenden. Zu entlüften sind nicht nur die Aborträume, sondern
vor allen Dingen auch die Abortsitze, da auf diese Weise die in den
0 5 10"*
1 I 1 : I 1 . . I
aa Eütlüftuug der Abortsitze. b Entlüftung des Abortraumes,
c Zuführung warmer Luft
||[||j|[j[jjj| Warme Luft. Abluft.
Abb. 15. Anordnung der Aborte.
Becken entstehenden Ausdünstungen schnell und sicher entfernt
werden, bevor sie Gelegenheit haben, sich im Raume zu verbreiten.
Die Entlüftung erfolgt zweckmäfsig durch Canäle in den Wänden
oder durch Metallröhren, welche bis über die Dachfläche zu führen
und zur Beförderung eines schnellen Dunstabzuges mit Gasflammen
zu versehen sind. Die Fenster müssen mit Luftflügeln oder Glas-
jalousieen ausgestattet werden. Zur Erhöhung der Reinlichkeit sind
die Wände der Aborträume mit Oelfarbe zu streichen und die Fufs-
böden ohne Fugen und undurchlässig, d. h. mit einem Belage von
Asphalt oder Terrazzo, herzustellen. Eine zweckmäfsige Anordnung
von Aborten ist in Abb. 15 dargestellt. (Fortsetzung folgt.)
Ein Beitrag zur Gründung in Triebsand
Bei Gründungen von Brückenpfeilern und sonstigen Bauwerken
in sandigem Untergründe ist bekanntlich jegliches starke Abpumpen
des Wassers aus der Baugrube zu vermeiden, weil sonst wegen der
Verminderung des Gegendrucks das durch den Sandboden auf¬
quellende Wasser den Sand auf lockern und die Tragfähigkeit des
Baugrundes erheblich beeinträchtigen würde. Abgesehen aber von der
Rücksicht auf die Verschlechterung des Baugrundes mufs unter be¬
sonderen Verhältnissen auch die Rücksichtnahme auf die Gefährdung
der in der Baugrube beschäftigten Arbeiter von einer kräftigen
Wasserhaltung abrathen. Durch den gelockerten Sand hindurch
quellen bald hier bald dort kleine Wasseradern. Hierdurch kann
die Wasserzunahme in der Baugrube bisweilen so schnell eintreten,
dafs diese trotz der Wirkung kräftigster Pumparbeit in wenigen
Secunden sich völlig anfüllt; Arbeiter, die sich gerade am Boden der
Baugrube auf halten, wird man nicht immer rechtzeitig und rasch
genug vor der ihnen drohenden Gefahr warnen können.
Beim Bau der Neustrelitz- Warnemünder Eisenbahn hatte ich im
Herbst 1884 Gelegenheit, bei Gründungen im Recknitzthal bei Laage
in Mecklenburg Beobachtungen von überraschend plötzlich ein¬
tretenden Wasser-Einbrüchen zu machen, und ich glaube, dafs eine
nähere Schilderung eines Vorganges dortselbst vielleicht ein allge¬
meines Interesse finden wird. Der etwa 5 m breite und 1,5 m tiefe
Recknitzbach wird bei Laage von der genannten Bahn mittels einer
5 m weiten gewölbten Brücke überschritten. An der Baustelle be¬
findet sich unter einer 5 m tiefen Moor- und Torfschicht sehr feiner
reiner Sand von genügender Mächtigkeit und Tragfähigkeit. Auf
diese Schicht waren die Fundamente aufzusetzen. Die beiden Bau¬
gruben für die Landpfeiler wurden ohne Verlegung des Bachlaufes
mit einer noch 1,5 m in die Sandschicht eindringenden Spundwand
umschlossen, deren viereckiger Grundrifs die Abmessungen 8,5 m zu
4 m hatte. Der Moorboden konnte in beiden Spundwandkasten bis
zu 3 m Tiefe unter nur geringem Wasserschöpfen ganz im Trocknen
ausgestochen und abgekarrt werden; darauf wurde der Wasser-
zudrang etwas stärker, doch genügte die Anstellung einer doppelt
wirkenden Saug- und Druckpumpe in jedem Kasten für die Aus¬
schachtung des Torfes im Trockenen bis zu 4 m Tiefe (vgl. die Abb.).
Centralblatt der Bauverwaltung.
4i
Nr. 4.
Um nun auch die Ausschachtung der letzten, nur noch 1 m
starken Torfschicht und darauf möglichst auch die Maurerarbeiten
ohne Anwendung von Betonschüttung im Trocknen bewirken zu
können — ein Vorgehen, welches meinerseits von vornherein für un-
thunlich erklärt war — wurden jetzt alle verfügbaren Pumpen, näm¬
lich drei doppeltwirkende Saug- und Druckpumpen und drei kleinere
einfache Pumpen bei einem der beiden Kasten angestellt. Da jedoch
Bern. Wasserstaud in den Kasten nach Eintritt des Durchbruchs.
nach weiterer Beseitigung der Torfschicht trotz alles Pumpens der
Wasserandrang sich zu grofs zeigte, so gab man im ersten Kasten
die Wasserhaltung auf und entschied sich für die Betonirung der
Sohle.
Inzwischen war bei dem — vom ersten 5 m entfernten —
zweiten Spundwandkasten unter sehr kräftigem Pumpen die letzte
Torfschicht entfernt und die Sandschicht freigelegt. Die Maurer
waren auf die Sohle hinabgestiegen; die erste Fundamentschicht
war in Angriff genommen: da schien sich ganz plötzlich der
Sandboden unter den Füfsen der Maurer zu heben. Es quoll eine
so grofse Wassermenge von unten herauf, dafs das Wasser im
Kasten in wenigen Secunden die Höhe von 2,5 m erreichte. Maurer¬
und Arbeiter konnten sich durch schleunigste Flucht kaum recht
zeitig in Sicherheit bringen, obgleich vorsorglich genügend viele
Leitern und Gerüste in die Grube gestellt waren.
Eine sofortige Untersuchung ergab die sehr überraschende That-
sache, dafs der zweite. Kasten sich nicht etwa aus der Recknitz
selbst, sondern aus dem durch den 5 m breiten Bach getrennten
ersten Spundwandkasten zur Hälfte gefüllt hatte. Der erste Kasten
nämlich, der kurz vor Eintritt dieses Vorfalls bis zur Höhe des
Wasserspiegels der Recknitz, d. h. fast bis zu seinem oberen Rande
gefüllt gewesen war, hatte beim Durchbruch der Wassermenge in
dem zweiten Kasten genau soviel Wasser verloren, wie der zweite
so plötzlich erhalten batte; in beiden stand das Wasser nun gleich
hoch, etwa 2 m unter dem Wasserspiegel der Recknitz. Erst nach
Verlauf vieler Stunden hatten sich in den beiden Kasten die Spiegel,
die jetzt stets in gleicher Höhe blieben, mit dem der Recknitz aus¬
geglichen.
Wenngleich der hier geschilderte Vorgang nur ein ganz natür¬
licher ist, weil beide Kasten durch die Sandschicht unter dem Reck¬
nitzbett hindurch in Verbindung standen, so hatte man ihn damals
doch nicht vermuthet. Es waren nach bestem Wissen die Um-
schliefsungen der Baugruben hergerichtet; gegen ein seitliches Ein¬
dringen von Wassermassen hatte man sich geschützt und einen auch
nur nennenswerthen Einbruch unmittelbar aus dem Recknitzbache
von der Sohle her glaubte man mit Recht nicht fürchten zu müssen,
weil unter der Recknitzsohle sich noch 3,5 m tiefer Torfboden be¬
fand, der, wie die Erfahrung lehrt, als Dichtungsmaterial sehr gute
Dienste leistet.
Im vorliegenden Falle wurde nach so trüben Erfahrungen nun¬
mehr von einer Trockenlegung auch der zweiten Baugrube durch
Pumpen Abstand genommen, und erst nach Ausführung einer Beton¬
schüttung wurde im Trockenen mit den Maurerarbeiten begonnen.
Es mögen diese Vorkommnisse einen neuen Beweis dafür liefern,
wie vorsichtig und umsichtig der Tiefbauingenieur bei Gründungen
in Triebsand zu Werke zu gehen hat.
Stettin, im October 1889. W. Schilling,
Königl. Reg.-Baumeister.
Karte des Yerkehrs auf deutschen Wasserstrafsen im Jahre 1885
Nachdem vor zwei Jahren im preufsischen Ministerium der öffent¬
lichen Arbeiten von den Königl. Regierungs -Baumeistern Sympher
und Maschke eine Karte der deutschen Wasserstrafsen*) bearbeitet
worden ist, welche ein übersichtliches Bild des ausgebreiteten deut¬
schen Schiffahrtsnetzes gewährt, ist jetzt eine ähnliche Karte**) er¬
schienen, welche die Ergebnisse der Statistik des deutschen Reiches
über den Verkehr auf den deutschen Wasserstrafsen im Jahre 1885
zeichnerisch zur Darstellung und damit die Gröfse und örtliche
Vertheilung des Güterverkehrs auf unseren Wasserstrafsen zu
lebendiger Anschauung bringt. Dies ist dadurch bewirkt worden,
dafs erstens der kilometrische Verkehr der Wasserstrafsen oder der
Umlauf durch verhältnifsmäfsige farbige Breitenbänder, nach Berg-
und Thalverkehr getrennt, und zweitens der Verkehr einer gröfseren
Anzahl von Hafenplätzen, nach Ankunft und Abgang getrennt, durch
gleichfalls verhältnifsmäfsige und farbige Kreisflächen verzeichnet
sind. Ein besonderes Heft „Erläuterungen“ enthält in gedrängter
Kürze die nöthigen Aufklärungen über die Grundlagen der Be¬
arbeitung und die Verwerthung des vorhandenen Materials. Das
zur Darstellung gebrachte Verkehrsgebiet umfafst das ganze deutsche
Reich. Aufser acht gelassen ist indes derjenige Binnenschiffsverkehr,
welcher sich auf den Mündungen der grofsen, in das Meer strömenden
Flüsse innerhalb derjenigen Strecke abgewickelt hat, welche auch
von Seeschiffen befahren wird.
Während derartige Verkehrskarten in Frankreich alljährlich den
amtlichen Veröffentlichungen der betreffenden statistischen Erhebungen
beigefügt werden, ist diese bildliche Darstellungsweise des Verkehrs
auf den Wasserstrafsen in Deutschland neu, und diese Arbeit kann
daher nur freudigst begrüfst werden, da sie nicht allein mehr als
alle todten Zahlen wirkt, sondern auch sehr vielen Kreisen erst eine
richtige Vorstellung von der Bedeutung unseres Wasserstrafsen-
verkehrs geben wird. , Dem Bearbeiter gebührt umsomehr unser
*) Vgl. Jahrg. 1887 d. BL, S. 497.
**) Karte des Verkehrs auf deutschen Wasserstrafsen
im Jahre 1885. Nach den Ergebnissen der Statistik des Deutschen
Reiches, nach Handelskammerberichten und anderweiten Quellen auf
Veranlassung des Central -Vereins für Hebung der deutschen Flufs-
und Canalschiffahrt bearbeitet und mit Unterstützung des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten herausgegeben von Sympher,
Königlicher Regierungs -Baumeister. 4 Blätter colorirt. Mafsstab:
1 zu 1250 000. Berlin 1889. Verlag des Berliner Lith. Instituts
(Julius Moser). Preis 6 Mark.
Dank, als bei dem Mangel an einheitlichen und umfassenden
statistischen Aufzeichnungen in Deutschland das vorhandene Material
immer nur als ein lückenhaftes bezeichnet werden mufs, und man¬
cherlei umständliche Zwischenrechnungen erforderlich waren, um
schon jetzt ein ziemlich genaues Bild der Gesamtverkehrsleistungen
zu geben. Der in demselben Mafsstabe und in derselben Anordnung
und Ausführungsweise wie die Karte der deutschen Wassei'strafsen
hergestellten Verkehrskarte ist daher die gröfstmöglichste Verbreitung
zu wünschen, ihr Zweck ist erreicht, wenn sie die Kenntnifs von der
aufserordentlichen Bedeutung unserer Binnenwasserstrafsen in Bezug
auf den Güterverkehr in die weitesten Kreise hineinträgt und An¬
regung giebt zur Beseitigung der noch vorhandenen Mängel, sowohl
was die Ausnutzungsfähigkeit der Wasserstrafsen, als auch was die
statistischen Ermittlungen des Verkehrs anbetrifft, um allseitig be¬
friedigende Ergebnisse zu liefern.
Wenn die vorliegende Karte für den Zweck einer reinen Ver¬
kehrskarte vielleicht auch einen etwas zu grofsen Umfang hat und
zu reichhaltig ausgestattet ist, so sind doch anderseits solche An¬
gaben wie die kilometrischen Entfernungszahlen der an den Wasser¬
strafsen gelegenen Ortschaften, von der Mündung des betreffenden
Flusses oder von dem Anfänge des Canals ab gerechnet, die Be¬
zeichnung der Grenzen der Schiffbarkeit und Flöfsbarkeit eines
Flusses, ein vollständiges Eisenbahnnetz, sowie die politische Landes-
eintheilung nach Staaten und Provinzen, Regierungsbezirken oder
Kreisen usw. für die Kenntnifs des Flufs- und Canalnetzes sowie
für die Schiffahrt von grofser Wichtigkeit und geben daher der
Karte eine erweiterte Bedeutung. Für die Zukunft würde allerdings
wohl ein kleineres Format und eine einfachere Darstellungsweise
mehr dem Zweck entsprechen, denn wir hoffen, dafs die jetzt ge¬
gebene Anregung fruchtbringend sein wird, und mag daher dieser
Gedanke der zuständigen Erwägung anheimgegeben werden.
Aus den in einer Tabelle auf der Karte zusammengestellten
Schlufsergebnissen können wir uns nicht versagen hier noch einiges
anzuführen. Der durch die vorliegende Arbeit zum ersten Male
zahlenmäfsig nachgewiesene Antheil der Wasserstrafsen am Gesamt¬
güterverkehr Deutschlands beträgt 23 pCt. oder fast ein Viertel,
ein Ergebnifs, das umsomehr überrascht, als die Eisenbahnen an
Länge die Wasserstrafsen, selbst viele nur flöfsbare, im Naturzustände
befindliche Strecken eingeschlossen, fast um das Vierfache übertreffen,
während die bewegten Gütertonnenkilometer nur etwas mehr als das
Dreifache ausmachen. Hieraus ergiebt sich die gleichfalls sehr be-
42
Centralblatt der Bauverwaltung.
25. Januai- 1890.
deutsame Thatsache, dafs der kilometrische Verkehr oder die Stärke
des Verkehrs auf den Wasserstrafsen durchschnittlich gröfser
ist als auf den Eisenbahnen, nämlich 480 000 t gegen 450 000 t.
Ferner giebt es Tausende von Kilometern deutscher Wasserstrafsen,
auf denen ein stärkerer kilometrischer Verkehr als 1000 000 t vor¬
handen ist, und der Ehein, dessen Verkehrsstärke sich stellenweise
auf mehr als 4 500 000 t steigert, besitzt einen durchschnittlichen
Umlauf von 2 800 000 t auf fast 600 km Länge. Dabei ist der Schiffs¬
verkehr in stetem Wachsen begriffen und hat sich seit 10 Jahren
mehr als verdoppelt. Es ist also schon hieraus zur Genüge ersicht¬
lich, welche aufserordentliche Bedeutung die Wasserstrafsen für das
wirthschaftliche Leben Deutschlands haben. — J. —
Parsons Blockirung
Als ein bemerkenswerther Beitrag zur Klärung der Frage, ob
und inwieweit es praktisch möglich ist, die Bereitstellung wie die
Sicherung der Faln-strafse einem fahrenden Eisenbahnzuge gewisser-
mafsen selbst in die Hand zu geben, ist die von dem americanischen
Ingenieur Parson angegebene Art der Zugblockirung und Weichen¬
stellung anzusehen. Statt der an bestimmten Punkten getroffenen
Vereinigung von Weichen- und Signalhebeln ist eine verstreute An¬
ordnung von seitlichen, einseitig festliegenden Druckschienen, zum
Theil mit gegenseitiger Verriegelung, vorgesehen. Besondere Aus¬
leger, welche in senkrechten, mit Laufrollen versehenen Stangen
endigen, sind vorn und hinten am Zuge angebracht und können aus
diesem jederzeit heraus¬
gelegt und festgestellt,
ebenso jederzeit wieder
zurückgezogen werden.
Dieselben erhalten ein
beträchtliches Eigenge¬
wicht, welches unter
Mitwirkung von Spiral¬
federn benutzt wird, um
entriegelte Druckschie¬
nen in allmählichem Auf¬
lauf niederzudrücken und
hierdurch das Stellen von
Signalen, Weichen und
Herzstücken besonderer
Anordnung, sowie ferner
die Verriegelung anderer
Druckschienen auszu¬
führen. Da aber, wo
etwa verriegelte Druck¬
schienen den Auslegern
starren Widerstand ent¬
gegensetzen, geben diese
nach und bringen, indem
sie angehoben werden,
entweder eine Glocke oder die
Dampfpfeife der Maschine zum
Ertönen oder setzen die Bremsein¬
richtung des Zuges unmittelbar in
Thätigkeit.
In der in Abb. 1 u. 2 augedeu¬
teten Weise wird durch Senken der
Druckschiene d eine ejuer unter dem Geleis durchlaufende Welle w
etwas gedreht. Das Stellen eines Signals erfolgt nun von dieser aus
so, dafs vermittelst eines am abgewendeten Ende derselben ange¬
ordneten Armes die Bewegung durch Drahtseilzug auf ein ähnlich
wie in Abb. 1 gestaltetes, aber in umgekehrter Folge wirkendes Trieb¬
werk und hierdurch auf die Signalflügel übertragen wird. Verriegelung
einer Druckschiene erfolgt durch Untersetzen eines Hebedaumens,
auf welchen in ähnlicher Weise die Bewegung mittels eines 8 mm
starken Drahtseiles übertragen wird. Die geringe, zum Stellen einer
Weiche erforderliche Seitenbewegung wird durch Vermittlung eines
Wurmgetriebes erzielt, dessen Spindel auf der Achse iv angeordnet ist.
Die besondere, zur Vermeidung führungsloser Stellen von Parsoii
angewendete Fonn der Herzstücke ist in den Abb. 3 bis 5 dar¬
gestellt. Die Böwegung des um den einen Endpunkt a drehbaren
Schienenstückes ah in die eine oder andere Schienenrichtung wird
ähnlich wie bei den Weichenzungen bewirkt. Diese Anordnung von
Wurmgetrieben bildet in beiden Fällen einen wirksamen Verschlufs
der bewegten Theile, macht allerdings dabei ein Aufsehneiden der
Weichen unmöglich.
und Weichenstellung.
Eine etwa 5 km lange, stark befahrene Strecke der Chicago,
Rock Island und Pacific Bahn ist nach der llailroad Gazette ver¬
suchsweise mit der Parsonschen Einrichtung versehen. Alle 1,6 km
sind Blocksignale S (Abb. 6) aufgestellt und an derselben Geleisseite,
15 cm von den Schienen, je zwei Druckschienen a und e, 3 m vor
und hinter den Signalen angeordnet. Ferner sind Zwischenschienen m
vorhanden. Der vordere Ausleger eines von links heranfahrenden
Zuges wird bei Fahrstellung des Signales iS über die alsdann ent¬
riegelte (daher gesenkte) Schiene a widerstandslos hinweggeführt;
bei dem folgenden Niedergehen der Schiene e wird a durch einen
Daumen angehoben und verriegelt, S auf Halt gestellt und in Ni
ein weifses Signal ge¬
zogen, dessen Bedeutung
weiterhin noch anzu¬
führen ist. Beim Befahren
der Schiene m\ zwischen
S\ und 1S2 wird durch
den beim Zug-Ende an¬
gebrachten Ausleger die
Schiene a entriegelt, N
auf Fahrt gestellt, dabei
gleichzeitig e wieder an¬
gehoben. Dieser hintere
Ausleger ist so einge¬
richtet, dafs er nur auf
die Zwischenschienen m,
nicht aber auch auf die
Druckschienen a und e
Einflufs hat. Die Lage
desselben am Zug-Ende
hat den Zweck, zu ver¬
meiden, dafs für den Fall
einer unbemerkten Zug¬
trennung die zurücklie¬
gende Strecke frei ge¬
geben werde.
Die Bedeutung des vorer¬
wähnten weifsen Signals ist eine
zweifache: dasselbe soll den Ma¬
schinenführer von dem fehlerfreien
Arbeiten der Vorrichtung in
Kenntnifs setzen, und bei ein¬
geleisigen Bahnen den Zug nach
vorne sichern. Züge, welche selbstthätig umstellbare Weichen
zu durchfahren haben, werden durch besondere Signale im Rücken
gedeckt. Umgestellte Weichen werden von den Zügen hinterher
wieder zurückgestellt, wobei gleichzeitig die Zufahrt wieder frei¬
gegeben wird. Bahnkreuzungen in Schienenhöhe werden ge¬
sichert, indem der zuerst heranfahrende Zug das kreuzende Geleis
nach beiden Richtungen durch Signale und Druckschienen absperrt
oder, in besonderen Fällen, den kreuzenden Zug durch Umstellen
einer Weiche in ein Nebengel eis führt. Bei Wegeübergängen in
Schienenhöhe endlich sollen besondere, durch den Zug von weitem
zu stellende Warnungssignale errichtet werden, welchen auch ein
Läutewerk beigegeben werden kann.
Die Railroad Gazette führt an, dafs auf der bereits erwähnten
Versuchsstrecke die Parsonsche Einrichtung sich zufriedenstellend
bewähre. Da aber bekannt ist, dafs man bei americanischen mehr
noch als bei englischen Beschreibungen von Neuerungen Schlüsse
über den Werth derselben nur vorsichtig ziehen darf, werden hier¬
über noch weitere Erfahrungen abzuwarten sein. Km.
_
Abb. G.
Die neuen Vorschriften über die Ausbildung, Prüfung und Anstellung im Schiffbau'
und Maschinenbau-Fache der Kaiserlich deutschen Marine.
Die letzte Nummer des „Marine -Verordnungsblattes“ enthält neue 1
Vorschriften über die Ausbildung, Prüfung und Anstellung im Schiff¬
bau- und Maschinenbaufache der Kaiserlichen Marine, welche auch
für die Leser dieses Blattes von allgemeinem Interesse sein werden,
da sie sich an die im Jahre 1886 erlassenen „Vorschriften über die
Ausbildung und Prüfung für den Staatsdienst im Baufache“ an-
schliefsen, soweit dies die eigenartigen Verhältnissse in der Marine
zulassen. Es war seit langem das Bestreben der höheren Techniker
in der Marine, einen gleichen Ausbildungsgang, wie ihn die Techniker
der übrigen Staatsverwaltungen haben, zu erhalten, und diesen Be-
Centralblatt der Bauverwaltung.
43
Mr.4.
Strebungen ist der Staatsseeretär des Reichs -Marine -Amts nunmehr
durch Erlafs der neuen Vorschriften gerecht geworden.
Der wesentlichste Unterschied zwischen den bisher geltenden,
1879 erlassenen Vorschriften für die Ausbildung und Prüfung von
Schiffbau- und Maschinenbau -Ingenieuren, die sieh der Ingenieur-
Laufbahn in der Marine widmen wollten, und den neuen Be¬
stimmungen besteht darin, dafs man nach den alten Vorschriften
die Vorprüfung und die erste Staatsprüfung, letztere als „Diplom¬
examen“, an der technischen Hochschule in Berlin ablegte und
einen Titel durch letztere Prüfung nicht erwarb, während nach den
neuen Vorschriften sowohl die Vorprüfung, wie die erste Haupt- oder
Staatsprüfung vor dem „technischen Prüfungsamte“ in Berlin abge¬
legt werden müssen und die Candidaten durch die erste Staatsprüfung
den allgememen Titel „Eegierungsbauführer“ erwerben oder, wenn
sie in der Marine Anstellung finden, zum „Kaiserlichen Marine-Bau¬
führer“ ernannt werden. Ferner liegt die Verschiedenheit der alten
und neuen Vorschriften darin, dafs der bisherige Militärdienstzwang
in Wegfall gekommen ist, dagegen, einjährige praktische Arbeitszeit
vor Beginn des Studiums vorgeschiieben wird, und dafs, während
bisher der „Ingenieur-Aspirant“ nach der zweiten Staatsprüfung zum
„Kaiserlichen Marine-Ingenieur“ ernannt wurde, nunmehr der „Marine-
Bauführer“ nach der Prüfung zum „Kaiserlichen Marine-Baumeister“
ernannt wird.
Als erste Vorbedingung für die Zulassung zur Laufbahn des
höheren Baubeamten in der Marine ist die Beibringung des Reife¬
zeugnisses eines Gymnasiums oder eines Realgymnasiums (Realschule
I. Ordnung) des deutschen Reiches aufgesteilt; in besonderen Fällen
können jedoch auch Reifezeugnisse aufserdeutscher Gymnasien an¬
erkannt werden. Den Abgangschülern der Ober-Realsehulen, denen
z. Z. noch die Berechtigung eingeräumt ist, nach dem akademischen
Studium zu den Prüfungen im Schiff- und Sehiffsmasehinenbau zu¬
gelassen zu werden, soll aus Billigkeitsrücksichten noch bis zum
1. April 1893 gestattet sein, die Marinebau-Laufbahn zu ergreifen.
Nach dem Abgänge von der Schule folgt die praktische Ar¬
beitszeit auf einer der Kaiserlichen Werften oder ausnahmsweise
auch auf einer Privatwerft bezw. einer PrivatmascMnenfabrik, welche
Schiffsmaschinen baut. Ist ein „Eleve“ aus besonderen Gründen zur
Wahl einer der letzteren veranlafst, so wird immer eine Werft oder
Maschinenfabrik vorzuziehen sein, auf der Kriegsschiffe bezw. Kriegs¬
schiffs-Maschinen gebaut werden. Als Regel mufs aber stets die
Arbeit auf einer der Kaiserlichen Werften gelten, da der Eleve natur-
gemäfs auf diesen in zweckdienlichster Weise ausgebildet wird.
Auch wird sich während des Arbeitsjahres auf einer Kaiserlichen
Werft bereits heraussteilen, ob der Eleve für den Marinedienst ge¬
eignet ist oder nicht, und er wird im letzteren Falle immer noch
rechtzeitig einen anderen Beruf ergreifen können. Ist der Eleve ge-
nöthigt, die -praktische Ausbildungszeit durch Krankheit oder mili¬
tärische Dienstleistung länger als 4 Wochen zu unterbrechen, so mufs
er die verlorene Arbeitszeit nachholen. Es wird ihm jedoch, damit
er den Beginn der Studien nicht zu versäumen braucht, gestattet,
dies in den Ferien zu thun. Eine etwaige Beurlaubung darf die Zeit
von zwei Wochen nicht überschreiten; geschieht dies dennoch, so ist
die versäumte .Arbeitszeit, wie vorhin angegeben, nachzuholen. Da
die Studien an den technischen Hochschulen in der Regel zu Michaelis
beginnen, so wird denjenigen Eleven, welche Ostern ihre praktische
Arbeit begonnen haben, gestattet, diese nach einem halben Jahre
zu unterbrechen und sie während der Sommerferien der Studienzeit
fortzusetzen. Die praktische Arbeit mufs aber vor der ersten Haupt-
Prüfung beendet sein.
Die Studienzeit ist, wie bei den übrigen Baufächern, eine
vierjährige. Sie wird, wie bisher, durch die Vorprüfung, die nach
zweijährigem Studium abzulegen ist, unterbrochen.
Die zwei Tage dauernde Vorprüfung, die in den Monaten
April und Mai oder October und November von dem Prüfungsamte
in Berlin abgehaiten wird, erstreckt sich für beide Fachrichtungen
auf Physik, Chemie, reine Mathematik, darstellende Geometrie,
Mechanik, mechanische Technologie, Bauconstructionslehre und
Maschinenelemente. Die Zulassung zur Vorprüfung hängt jedoch
•davon ab, ob die Studien-Zeiehnungen, weiche der Studirende beim
Prüfungsamte mit der Meldung zur Prüfung einzureichen hat, als
.genügend befunden werden. Da unter den Zeichnungen auch
solche von Verbänden und. Einrichtungen eiserner oder hölzerner
Schiffe und von Maschinentheilen nach eigener Aufnahme verlangt
werden, so wird es immer rathsam sein, das Elevenjahr vor dem
Beginn des Studiums hintereinander oder doch den Rest während
■des ersten Semesters abzumachen, damit der Studirende die richtigen
praktischen Anschauungen, welche zur Anfertigung derartiger Zeich¬
nungen .nöthlg sind, während des. Elevenjahres erlangen kann.
Die erste Hauptprüfuug kann nach beendetem Studium vor
■dem Prifungsamte . zu jeder Zeit des Jahres mit Ausnahme der Zeit
von 1. Juli bis 1. October. abgelegt werden. Sie zerfällt in eine drei¬
tägige Clausur- und in eine zweitägige mündliche Prüfung, welche
sich auf theoretische Maschinenlehre, Hebe- und Kraftmaschinen,
Grundzüge der Eisenhüttenkunde, Theorie des Schiffes, praktischen
Schiffbau, Construction der Schiffe, Kriegsschiffbau, Schiffsmaschinen¬
bau, mechanische Technologie und Elektromechanik erstreckt.
Während der Clausur soll der zu Prüfende seine Fähigkeiten im Ent¬
werfen einfacher Schiffbauten bezw. Maschinenanlagen einschliefslich
ihrer Einzeltheile darthun. Die Zulassung zur ersten Hauptprüfung
hängt wie bei der Vorprüfung davon ab, ob die Studienzeichnungen,
die auch hier mit der Meldung zur Prüfung einzureichen sind, ge¬
nügen.
Nach bestandener Prüfung wird der Candidat auf seinen Antrag
beim Reichs-Marine-Amt entweder zum „Regierungs-Bauführer“
oder, wenn er in den Marinedienst einzutreten beabsichtigt, zum
„Kaiserl. Marine - Bauführer“ ernannt und im letzteren Falle
einer der Kaiserlichen Werften zur weiteren Ausbildung überwiesen.
Die Dauer dieser praktischen Ausbildung beträgt wie bisher mindestens
2 Jahre, und es wird während dieser Zeit dem Bauführer in derselben
Weise wie jetzt dem Aspiranten Gelegenheit geboten, sich in allen
Fächern des technischen Marinedienstes, bei Probefahrten an Bord
der Schiffe und auch im Verwaltungs wesen eingehende Kenntnisse
zu erwerben.
Die Ausbildung wird abgeschlossen durch die zweite Haupt-
prüfung, welche vor einer bei dem Reichs-Marine-Amte bestehenden
„Prüfungs- Commission“ abgelegt wird. Zur Lösung der für diese
Prüfung erforderlichen Aufgaben werden dem Bauführer 9 — 12 Monate
Frist gewährt, während welcher er aus dem Werftdienste aus¬
scheidet.
Nach erfolgreich abgelegter Prüfung wird der Marine-Bauführer
zum „Kaiserlichen Marine - Baumeister“ ernannt und, soweit
Stellen frei sind, etatsmäfsig angestellt, sonst aber remuneratorisch als
aufseretatsmäfsiger Marine-Bäumeister beschäftigt. —
Es sei hier gleichzeitig erwähnt, dafs, diesen neuen Ausbildungs¬
vorschriften entsprechend, die jetzt in der Marine bestehenden Titel
umgeändert werden. Die bisherigen Ingenieur - Aspiranten werden
! Marine-Bauführer, die Ingenieure Baumeister und die Ober-Ingenieure
Bauinspectoren. Neu eingeführt werden die „K. Marine-Bauräthe und
Betriebsdirectoren“ mit dem Range der Eäthe IV. Klasse. Die bis¬
herigen Werftdirectoren werden „K. Marine - Ober - Bauräthe und
Eessortdirectoren“ und behalten ihren Rang als Räthe IV. Klasse.
Die ganze Ausbildungszeit bis zur Baumeister -Prüfung erfordert
nach vorstehendem die folgende Zeit:
1 Elevenjahi-,
2 Studienjahre,
(Ablegung der Vorprüfung),
2 Studienjahre,
(Ablegung der ersten Hauptprüfung),
2 Jahre praktischer Ausbildung,
1 Jahr für Ablegung der zweiten Hauptprüfung,
zusammen: 8 Jahre.
Sämtliche Prüfungen dürfen nur einmal in bestimmten Fristen
wiederholt werden. Beachtenswerth erscheint ferner, dafs eine Prüfung
als nicht bestanden gilt, wenn der Candidat die Prüfung ohne triftige
Gründe versäumt oder unterbricht, sowie dafs auch für die ver¬
schiedenen Meldungen bestimmte Fristen vorgeschrieben sind, deren
Nichtinnehaltung den zu Prüfenden nur Unannehmlichkeiten be¬
reiten würde.
Die Berechtigung, auf Grund der bisher bestehenden Vorschriften
in den Dienst der Marine einzutreten, erlischt am 1. April 1893.
Die neuen Vorschriften werden dagegen in vollem Umfange erst auf
diejenigen angewendet, welche die technische Laufbahn für den
Marinedienst im Frühjahre dieses Jahres als Eleven beginnen.
Zum Schlüsse möge noch besonders auf die allgemeinen Be¬
stimmungen und auf die Uehergangsbestimmungen aufmerk¬
sam gemacht werden, welche für die zur Zeit Studirenden gelten.
Aus ersteren ist unter anderem ersichtlich, dafs der Eleve während
seiner praktischen Arbeitszeit auf einer Kaiserlichen Werft keine
Entschädigung erhält. Ferner finden die neuen Vorschiiften auf die¬
jenigen Studirenden, welche bei Erlafs derselben bereits das Studium
begonnen, das Diplomexamen aber noch nicht abgelegt haben, nur
soweit Anwendung, als sie sich auf den praktischen Ausbildungs¬
dienst als Marine -Bauführer und die Ablegung der zweiten Haupt¬
prüfung beziehen. Auf Wunsch des Studirenden können jedoch die
neuen Vorschriften auch in ihrem ganzen Umfang auf ihn Anwendung
finden. Die Uehergangsbestimmungen beziehen sich auf die ver¬
schiedenen Vorbereitungsstufen, in denen sich die Studirenden zur
Zeit befinden. So können z. B. die jetzt Studirenden des Marine-
Baufaches die Vorprüfung und erste Hauptprüfung getrennt ablegen
ohne Innehaltung der zweijährigen Zwischenzeit. Die Studirenden
' können zur Vorprüfung zugelassen werden, auch wenn sie nicht
44
Centralblatt der Bauverwaltung.
25. Januar 1890.
praktisch gearbeitet haben; sie müssen dann aber die praktische
Arbeit bis zur ersten Ilauptprüfung nachholen. Ferner steht es dem
Studirenden frei, sich der Vorprüfung zu unterziehen oder nicht, im
letzteren Falle wird dann aber die erste Hauptprüfung durch die
Gegenstände der Vorprüfung erweitert. — Auch Königliche Kegierungs-
Bauführer des Maschinenbaufaches, welche die Bauführerprüfung
nach den Vorschriften des preufsischen Ministeriums der öffentlichen
Arbeiten vom 6. Juli ISSd und nach den Uebergangsbestimmungen
vom 21. Februar 1887 bestanden haben, können in den Marinedienst
übertreten. Sie müssen dann eine Probedienstleistung auf einer
Kaiserlichen AVei-ft von 6 Monaten ablegen; auch müssen sie, wenn
sie sich für das Schiffbaufach entscheiden, vier, und wenn sie zum
Schiffsmaschinenfach übergehen wollen, drei Semester an der tech¬
nischen Hochschule in Bei'lin in der Abtheilung für Schiffbau studiren.
Hierauf haben sie sich noch einer Nachprüfung in den Specialfächern
für Schiffbau und Schiffs-Maschinenbau zu unterziehen. Nach dieser
Prüfung erfolgt dann die Ernennung zum „Königlichen Marine-Bau¬
führer“ und die weitei-e Ausbildung auf einer Königlichen Werft,
wobei die sechsmonatliche Probebeschäftigung in Anrechnung ge¬
bracht wird.
Yermischtes.
In der Preishewerhuiig um einen Erweiterungsbau der Stadt¬
bibliothek in Frankfurt a/M. (vgl. S. 381 d. v. J.) haben den ersten
Preis im Betrage von 2000 Mark der Architekt Wilhelm Müller,
den zweiten Preis von 1000 Mark der Architekt Franz v. Hoven,
beide in Frankfurt, erhalten. Der Entwurf „Guttenberg“ wurde zum
Ankauf empfohlen. Das Preisgericht bestand aus den Herren Ober¬
bibliothekar Prof. Dr. Barack -Strafsburg, Prof. Bluntschli- Zürich,
Bürgermeister Dr. Heufsenstamm-Frankfurt, Geh. Ober-lleg.-Ilath
Spieker-Berlin und Geh. Baurath Prof. Wagner-Darmstadt. (Vgl.
auch den Anzeigentheil dieser Nummer.)
Scliwiuiinender Scliutzdainni gegen Feuersgefahr in Häfen. In
der Science pour tous giebt Herr H. Welsch die Beschreibung einer
Vorrichtung, welche dazu bestimmt ist, in Seehäfen die Gefahren
solches Feuers zu umgrenzen, das durch Fette, Harze und insbe¬
sondere durch Mineralöl genährt wird. In langer Kette aneinander
gereihte, sorgfältig genietete Kasten aus galvauisirtem Eisenblech
bilden einen schwimmenden Schutzdamm. Die Kasten, jeder 10 m
lang, hängen durch die Gelenkbolzeu eines Metallstücks zusammen,
das als Verbindungsglied dient, sodafs der ganze Schwimmdamm ein
dicht zusammenhängendes, biegsames und unverbrennliches Ganzes
bildet. Fängt nun ein Schiff Feuer, droht ein Brand sich zu ver¬
breiten, so legt man diesen Kettendamm herum oder man führt ihn
unter Plmständen schräg über den Strom, sodafs die brennende
Flüssigkeit an eine Uferstelle geleitet wird, wo sie anderen Schiffen
nicht schaden kann. Die Länge eines solchen Schwimmdammes hängt
von der Oertlichkeit ab; man kann ihm mehr oder weniger Höhe
geben, je nach dem zu erwartenden Wellenschlag. Der etwas hohe
Preis der Vorrichtung in Eisen hat Herrn Normand auf den Ge¬
danken gebracht, sie aus leichtem, mit Blech beschlagenem Holze
herzustellen, unter Beibehaltung der ganzen sonstigen Anordnung.
Wiewohl dieser Schwimmdamm kostspielig und lästig ist, leistet er
doch in den Petroleumhäfen grofse Dienste. In Havre, Bordeaux,
Cette und Marseille ist er bereits angeschafft worden. Die Handels¬
kammern dieser Hafenstädte erheben für jede Gewichtstonne Petroleum,
bei Einladung wie Ausladung, eine Abgabe von 8 ct., welche zur
Tilgung der Anschaffungskosten und Bestreitung der Unterhaltung
bestimmt ist. Auch in den Vereinigten Staaten sollen derartige
Schwimmdämme bereits in Anwendung sein. — P. —
Geheimer Baiiratli Hermann Kirehlioff f. Am 18. Januar d. J.
starb in Coblenz nach kurzer Krankheit an einer Lungenentzündung
das Mitglied der Kgl. Regierung daselbst, Geheimer Baurath Hermann
Kirchhoff, im 65. Lebensjahre, ein Mann, der in den Kreisen
seiner Fachgenossen und darüber hinaus in der gesamten Bürger¬
schaft sich einer ungewöhnlichen Beliebtheit erfreute und ein hohes
Ansehen genofs. Geboren am 2. März 1825 in Grimmen im Regie¬
rungsbezirke Stralsund als Sohn des dortigen Rechtsanwalts und
Bürgermeisters Kirchhoff, wandte er sich zu Ostern 1842, nach seinem
Abgänge vom Gymnasium in Cöslin, dem Studium des Baufaches zu.
April 1846 bezog er, nachdem er einige Zeit als geprüfter Feldmesser
gearbeitet, die Bau- Akademie in Berlin und bestand 1849 die Vor¬
prüfung zum Land - Bauinspector. Als Bauführer war er zunächst
mehrere Jahre bei den Meliorationsbauten des Nieder - Oder¬
bruchs thätig, führte von 1852 bis 1853 unter Hitzig Privatbauten
in Berlin aus und leitete sodann vom Mai 1853 bis Anfang 1855
unter schwierigen Verhältnissen den Bau des Leuchtthurmes auf der
Greifswalder Oie. Bis Ende 1856 wiederum mit Ausführung von
Hochbauten in Berlin beschäftigt, bestand er am 21. März 1857 die
Prüfung als Land-Bauinspector. Schon im October desselben Jahres
wurde ihm die Verwaltung der Kreisbaumeisterstelle in seiner
Vaterstadt Grimmen übertragen, welche er eine Reihe von Jahren,
bis Ende Januar 1868 geführt hat. Nunmehr wurde er als Bau¬
inspector nach Marienwerder versetzt und im Januar 1870 zur
Verwaltung der Ober - Bauinspectorstelle an die Regierung da¬
selbst berufen. Anfang 1871 erfolgte seine Ernennung zum Ober-
Bauinspector und im Januar 1873 zum Regierungs- und Bau¬
rath. Als solcher wurde er nach neunjähriger Thätigkeit in
Marienwerder an die Regierung in Coblenz versetzt, woselbst er nun¬
mehr, nachdem ihm im vorigen Jahre der Charakter als Geheimer
Baurath verliehen worden war, gestorben ist. — Kirchhoff verband mit
grofser Geschäftsgewandtheit einen feinen und geläuterten baukünst¬
lerischen Sinn, der in allen Zweigen seiner fachlichen Thätigkeit zur
Erscheinung kam und ihn namentlich auch stets bestrebt sein liefs,
das Kunsthandwerk zu fördern. Auch der Erhaltung und Wieder¬
herstellung der Baudenkmäler innerhalb seines Wirkungskreises
wandte er mit grofser Sachkenntnifs seine eifrige Fürsorge zu. Im
persönlichen Verkehr von besonderer Liebenswürdigkeit, kannte seine
Gefälligkeit gegen seine Freunde thatsächlich keine Grenzen. Stets
war er mit Rath und Zeichenstift, welch letztem er unerachtet seines
vorgerückten Alters mit erstaunlicher Gewandtheit zu handhaben
wufste, bereitwillig zur Hülfe da, mochte es sich um eine kunstvolle
Stickerei für die Hausfrau oder um den Bau einer Villa für den
Hausherrn handeln. Und galt es ein Fest zu feiern, so war er im
Freundeskreise voll jugendlichen Frohsinns, voll sprudelnden Humors,
dem er dann in treffenden, launigen Versen Ausdruck zu geben
pflegte. — So trauert nun um den edlen und liebenswürdigen Mann
mit der hinterlassenen Familie eine grofse Zahl von Freunden an
seinem Grabe. H. A.
Hie Zeitschrift für Bauwesen enthält in Heft I bis III des Jahr¬
gangs 1890 folgende Mittheiluugen:
Die Hercules-Brücke in Berlin, mit Zeichnungen auf Blatt 1 im Atlas,
von Herrn Regierungs-Baumeister R. Borrmann in Berlin.
Das Königliche Regierungsgebäude in Breslau, mit Zeichnungen auf
Blatt 2 bis 6 im Atlas.
Der Concertsaal der Philharmonie in der Bernburger Strafse in
Berlin, mit Zeichnung auf Blatt 7 im Atlas.
Backsteinbauten in Mittelpommern. X. Die Marienkirche in Stargard
und verwandte kirchliche Bauwerke, mit Zeichnungen auf Blatt 8
bis 10 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister H. Lutsch
in Breslau.
Ueber die Entwässerung der Stadt Königsberg i. Pr., mit Zeichnungen
auf Blatt 11 bis 13 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister
Gustav Becker in Königsberg i. Pr.
Die Schützvorrichtungen der Stadtschleuse in Bromberg, mit Zeich¬
nungen auf Blatt 14 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister
Lieckfeldt in Lingen.
Die Festlegiing der Lebamündung, mit Zeichnungen auf Blatt 15
und 16 im Atlas, von den Herren Regierungs- und Baurath
Benoit in Cöslin und Regierungs-Baumeister Paul Roloff in
Fürstenberg a. 0.
Untersuchungen über die Bewegung des Wassers in Canälen und
Flüssen, mit Abbildungen auf Blatt 17 im Atlas, von Herrn
Kreis-Bauiuspector Mau in Berent (Westpreufsen).
Anordnung der Wegeschranken „am Stern“ bei Bahnhof Schulter¬
blatt in Altona, mit Zeichnungen auf Blatt 18 im Atlas.
Ueber die Ermittlung und die gegenseitigen Beziehungen der Ein-
flufslinien für Träger, von Herrn Ingenieur Robert Land in
Chemnitz.
Ueber das Zuschlägen der Schleusenthore im strömenden Wasser,
von den Herren Wasser-Bauinspector G. Tolkmitt in Potsdam
und Regierungs-Baumeister C. Ruprecht in Brunsbüttel.
Verzeichnifs der im preufsischen Staate und bei Behörden des
deutschen Reiches angestellten Baubeamten. (Am 1. December
1889.)
Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie des Bauwesens. (Am 1. De¬
cember 1889.)
Statistische Nachweisungen, betreffend die in den Jahren 1881 bis
einscbliefslich 1886 vollendeten und abgerechneten preufsischen
Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues. Im Aufträge des
Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten aufgestellt von Herrn
Land-Bauinspector Wiethoff in Berlin.
Verlag von Ernst&Eorn CWilheLm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
45
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 1. rehruar 1890. Nr. 5.
Kedaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezngspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches: Windboobach-
tungen auf dem Eiffelthurm und an der Forthbrücke. — Monopol-Hotel in Berlin.
— Vertiefung des Elbstroms. — Kraftversorgung durch Druckluft in Paris. — Eoells
Encyklopädie des Eisenbahnwesens. — Vermischtes; Wettbewerbung um die
malerische Ausschmückung der drei oberen Geschosse der Front vom Geschäfts¬
hause der „Actiengesellschaft für Möbelfabrication“ in Berlin. — Preisausschreiben
betreffend die Errichtung eines Kaiser Wilhelm-Denkmals in Köln. — Beschäftigung
der Regierungs-Bauführer des Ingenieurbaufachs bei Eisenbahn-Vorarbeiten. — Mit¬
theilung über die neuen Prüflings -Vorschriften für die Marinebaubeamten. — Spül¬
vorrichtung für Schmutzwasser-Leitungen. — Deutsche Techniker im Auslande. —
Besuch der technischen Hochschule in Braunschweig im Winterhalbjahr 1889/90. —
E. Titz ’L — A. Salviati t. — Neue Patente.
Amtliche M
Preufsen.
Des Kaisers und Königs Majestät haben Allergnädigst geruht,
dem Geheimen Baurath Cuno in Wiesbaden den Rothen Adler-Orden
HI. Klasse mit der Schleife und mit der Zahl 50, dem Königlich baye¬
rischen Regierungs- und Kreis-Baurath Paucker in München den
Königlichen Kronen -Orden HI. Klasse und dem städtischen Ober-
Ingenieur Max Niedermayer in München den Königlichen Kronen-
Orden IV. Klasse zu verleihen, sowie dem Königlichen Regierungs-
Baumeister Richard Borrmann in Berlin die Annahme und
Anlegung des ihm von Seiner Kaiserlichen und Königlichen
Majestät dem Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn verliehenen
Ritterkreuzes des Franz Josef-Ordens zu gestatten.
Dem Regierungs- und Baurath Paul in Bromberg ist die Stelle
eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahndirection daselbst ver¬
liehen worden.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Backs in Guben ist zum
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector unter Verleihung der Stelle
eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem Königlichen Eisenbahn-
Betriebs-Amte daselbst ernannt worden.
Dem bisherigen Kreis-Bauinspector Reiche in Oels ist die Stelle
eines Bauinspectors und ständigen technischen Hülfsarbeiters im
Königlichen Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Porsten
verliehen worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Gustav
Hasse in Halle a. S. und Friedrich Lietzmann in Helmstedt ist
die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
ittheilungen.
Bekanntmachung.
Nachdem uns die Abnahme der Vorprüfung und der
ersten Hauptprüfung im Schiffbau- und Maschinenbau -
fache der Kaiserlichen Marine nach Mafsgabe der von dem
Herrn Staatssecretär des Reichs -Marine -Amts erlassenen Prüfungs¬
vorschriften vom 3. Januar d. J. übertragen worden ist, bringen wir
im Aufträge des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten hierdurch
zur allgemeinen Kenntnifs, dafs die Gebühren, welche die Candidaten
für jede dieser Prüfungen vor Eintritt in dieselbe zu entrichten
haben, auf dreifsig Mark festgesetzt sind.
Für die erweiterte erste Hauptprüfung, wie sie nach den
zu jenen Prüfungsvorschriften gehörigen Uebergangs- und Aus¬
führungsbestimmungen unter gewissen Bedingungen an Stelle der
genannten beiden Prüfungen abgelegt werden kann, werden ebenfalls
dreifsig Mark an Gebühren erhoben.
Für jede Wiederholungsprüfung, auch wenn sie sich nur
auf einzelne Gegenstände erstreckt, sind die vollen Prüfungsgebühren
zu entrichten.
Berlin, den 29. Januar 1890.
Königliches technisches Prüfungsamt.
Oberbeck.
Deutsches Reich.
Der württembergische Regierungs -Baumeister Eduard Roth ist
zum Kaiserlichen Eisenbahn -Baumeister bei der Verwaltung der
Reichseisenbahnen in Elsafs-Lothringen ernannt worden.
Nichtamtlicher Thed.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Windbeobachtungen auf dem Eiffelthurm und an der Forthbrücke,
1) Auf der Spitze des Eiffelthurms werden Messungen der Ge¬
schwindigkeit des Windes angestellt. Dieselben haben bereits,
verglichen mit gleichzeitigen Messungen unten, Ergebnisse geliefert,
welche nicht nur für die Wetterkunde, sondern auch für die Be¬
rechnung hoher Thürme gegen Winddruck von Werth sind. Eine
auf die Wetterkunde bezügliche Mittheilung ist der Pariser Akademie
der Wissenschaften am 4. November 1889 gemacht und im Amtsblatt
der französischen Republik vom 12. November veröffentlicht worden.
Zu den Messungen haben zwei Richardsche Anemometer gedient,
das eine auf der Thurmspitze in 303 m Höhe, das andere auf dem
Beobachtungsthurme des meteorologischen Centralbureaus in 21m Höhe
über dem Erdboden und vom Thurm nur 500 m entfernt. Bis zum
1. October 1889 hat man 101 Beobachtungstage gehabt, 12 im Juni,
28 im Juli, 31 im August und 30 im September. Die täglichen
Schwankungen der Windgeschwindigkeit folgen in jedem dieser
Monate oben und unten genau demselben Gesetz, welches aber für
den 303 m hohen Beobachtungsort ein anderes ist als für den 21 m
hohen Ort. Während .an letzterem die tägliche Zunahme und Ab¬
nahme der Windgeschwindigkeit der Zunahme und Abnahme der
Tageswärme folgt, findet oben auf dem Thurme das Umgekehrte
statt, wie dies auch auf hohen Bergen beobachtet worden ist. Dafs
diese Umkehrung sich schon in verhältnifsmäfsig so geringer Höhe
über dem Erdboden zeigt, ist sehr bemerkenswerth. Da das Gesetz
der täglichen Schwankung der Windgeschwindigkeit sich oben wie
unten gleich bleibt, so ist für jede Tagesstunde das Mittel aus allen
101 Beobachtungstagen berechnet und in einer Tafel zusammen¬
gestellt worden, deren Zahlen hier nach den mittleren Ge¬
schwindigkeiten des untern Orts wachsend aufgestellt sind.
Mittlere Windgeschwindigkeit in Metern in der Secunde.
Stunde
Thurm¬
spitze
Central¬
bureau
V erhältnifs
5 Uhr morgens
7,49
1,50
5,0
4
7,68
1,60
4,8
2
8,10
1,61
5,0
3
7,97
1,62
4,9
6
7,08
1,64
4,3
1
8,42
1,73
4,9
0
W
Mitternacht
8,48
1,85
4,6
7
morgens
6,55
1,86
3,5
11
abends
8,75
1,95
4,5
9
8,12
1,98
4,1
8
7,72
2,02
3,8
10
8,60
2,07
4,2
8
n
morgens
5,60
2,09
2,7
7
abends
6,98
2,11
3,3
9
morgens
5,47
2,40
2,3
6
abends
6,73
2,47
2,7
10
morgens
5,35
2,66
2,0
5
abends
6,69
2,78
2,4
3
>?
nachmittags
6,21
2,82
2,2
4
99
6,46
2,85
2,3
11
55
morgens
5,94
2,95
2,0
12
59
Mittag
6,03
3,07
2,0
2
59
nachmittags
6,44
3,07
2,1
1
99
Mittag
6,32
3,19
2,0
1. Februar 1890,
46
Centralblatt der Bauverwaltung.
Das Gesamtmittel ist für diese 101 Tage 7,05 m auf dem Thurm
und 2,24 m auf dem Centralbureau, was für die Thurmspitze eine
etwa dreimal (3,1 mal) so grofse Geschwindigkeit giebt als unten.
Die Windgeschwindigkeit in 300 m Höhe zeigt sich viel gröfser als
mau bisher angenommen hatte. Für 101 Sommertage übersteigt das
Mittel 7 m in der Secunde. Auf 2516 Beobachtungsstuuden innerhalb
dieser Zeit war die Windgeschwindigkeit während 986 Stunden
(39 pCt. der Zeit) über 8 m, und während 523 Stunden (21 pCt. der¬
zeit) über 10 m.
Beim Entwurf des Eiffelthui-ms ist auf ein so starkes Anwachsen
der Geschwindigkeit des Windes mit der Höhe nicht gerechnet
worden. Man hat diese Berechnung auf zwei Annahmen gestützt:
1) Wiuddruck gleichmäfsig von unten bis oben = 300 kg auf das
Quadratmeter, 2) Wiuddruck von unten nach oben zunehmend von
200 auf 400 kg auf das Quadratmetei-. Die beiden entsjjrechenden
Momentencurven weichen wenig von einander ab, und die Mittelcurve
Wahrscheinlichkeit des Verhältnisses in der zweiten Druckannahme.
Uebertrieben kann mau die Zahlen dieser Annahme nicht nennen,
denn wie aus den nachstehenden Winddruck -Messungen an der
Forthbrücke zu ersehen, sind in der Nähe des Erdbodens ausnahms¬
weise Winddruckkräfte bis zu 200 kg auf das Quadratmeter thatsäch-
lich beobachtet worden.
Die übliche Winddruck-Formel für eine zur Windrichtung senk¬
rechte Ebene von 1 qm Gröfse ist P = 0,12248 wobei P der Druck
in kg und v die Geschwindigkeit in Metern auf die Secunde bedeuten.
Danach ergiebt sich z. B. für die oben genannte Geschwindigkeit
von 10 m ein Druck von 12,2 kg, woraus zu ersehen, wie weit die
in der obigen Zusammenstellung aufgeführten Geschwindigkeiten von
den für die Berechnung des Eiffelthurms angenommenen Druck¬
kräften entfernt bleiben. Für einen Sturm von 40 m Geschwindig¬
keit, einen Orkan, ei-giebt sich nach der Formel ein Druck von
196 kg, also rund jene 200 kg auf das Quadratmeter. —
inso . . , , f , ^ ^ ^ 1,0 _ ^5 _ 20^"
Eidgeschofs. Monopol-Hotel in Berlin. Erstes Stockwerk.
zwischen beiden ist der Gestaltung des Thurmes zu Grunde gelegt
worden. In der zweiten Annahme ist der Druck oben doppelt so
grofs als unten, also die Geschwindigkeit oben, nach der üblichen
Winddruck -Formel, das }/2fache, also kaum das lV2fache der Ge-
schwipdigkeit unten. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dafs
bei ausnahmsweise gewaltigen Stürmen, wie sie Thurmberechnungen
zu Grunde gelegt werden müssen, die Geschwindigkeit oben dreimal
so stark, der Druck also neunmal so stark sein sollte als unten.
Ein Blick in vorstehende Tafel lehrt auch, dafs bei wachsender
Windgeschwindigkeit unten der Unterschied gegen die Geschwindig¬
keit oben immer geringer wird. Für die kleinsten Geschwindig¬
keiten unten, von 1,50 bis 1,85, sind die gleichzeitigen Wind¬
geschwindigkeiten oben 4,3 bis 5 mal so stark. Für die gröfsten
Geschwindigkeiten unten dagegen, von 2,95 bis 3,19, sind die oberen
Geschwindigkeiten nur 2,0 bis 2,1 mal so stark. Wenn der genannte
Unterschied, wie wohl anzunehmen, bei gröfseren Geschwindigkeiten
noch mehr ab nimmt, so dürfte die Eiffelsche Annahme — 200 kg
unten, 400 kg oben — sehr richtig getroffen sein. Eiffel sagt in
seiner ersten Veröffentlichung über den Thurm - Entwurf; „Die
Unsicherheit, welche über die Wirkung des Windes und die zu
machenden Annahmen besteht, sowohl bezüglich des Winddrucks
selbst als auch bezüglich der getroffenen Flächen, hat uns ver-
anlafst, mit ganz besonderer Vorsicht zu Werke zu gehen.“ Daher
die oben genannten hohen Druckannahmen, welche denn auch
den Erfolg gehabt haben, dafs der Thurm während seiner ganzen
Betliebszeit keine merkbaren Schwankungen im Winde gezeigt hat.
üebrigens bekräftigt diese gute Erfahrung auch noch die grofse
2) Ueber die Gröfse des Winddrucks, also nicht seine Ge¬
schwindigkeit, werden sehr dankenswerthe Beobachtungen beim Bau
der Forthbrücke angestellt. Wie die Zeitschrift La Nature in Nr. 819
vom 9. Februar 1889 auf Seite 174 mittheilt, haben die Orkane im
Januar 1889 folgende gröfste Druckkräfte auf 1 Quadratmeter
gezeigt; die grofse Vorrichtung von 28 qm Druckfläche 132 kg, die
kleine Vorrichtung von 14 qdm Druckfläche 200 kg. Während der
beiden Jahre vorher betrugen die gröfsten angegebenen Druckkräfte
an der grofsen Vorrichtung 92 kg, an der kleinen 185 kg, wie dies
der am Brückenbau betheiligte Ingenieur Cooper mitgetheilt hat.
Derselbe ist der Meinung, dafs der Winddruck auf die Flächen¬
einheit um so geringer ausfällt, je gröfser die vom Winde getroffene
Fläche ist. (Man sucht dies, was nicht sehr bekannt sein dürfte,
dadurch zu erklären, dafs sich vor einer grofsen Fläche eine verhält-
nifsmäfsig ruhige Luftschicht festsetzt, über welche der stärkste Wind
hinwegstreicht, wodurch es z. B. auch verständlich wird, dafs grofse Glas¬
fenster starkem Winddruck widerstehen können.) Hiernach ist ein durch¬
brochener Thurm, wie der Eiffelthurm, der Wirkung des Windes schwer¬
lich in geringerem Grade ausgesetzt, als ein voll ausgeführter Thurm.
Ueber die an der Forthbrücke angestellten Winddruck -Beob¬
achtungen und die hierzu angewendeten Vorrichtungen enthält die
auf S. 310 des vorigen Jahrgangs d. Bl. besprochene Schrift von
Barkhausen, „Die Forthbrücke“, auf Seite 2 und 3 nähere An¬
gaben. Nach dieser Quelle ist der bei Berechnung der Forthbrücke
zu Grunde gelegte Winddruck, infolge der Erfahrung an der um¬
gewehten Taybrücke, zu 273,5 kg auf das Quadratmeter (56 Pfund
auf den Quadratfufs) angenommen worden. Pescheck.
Centralblatt der Bauverwaltang.
47
Kr. 5.
Das Monopol -
Der grofse geschäftliche Erfolg, welchen das von dem Unter¬
zeichneten erbaute „Hotel Continental“ nahe dem Stadtbahnhofe
„Friedrichstrafse“ in Berlin erzielt hat, ist im Zusammenhänge mit
dem stark gestiegenen Fremdenverkehr für Unternehmungslustige die
Veranlassung geworden, ein weiteres gröfseres Hotel, das „Monopol-
Hotel“, in unmittelbarer Nähe desselben Bahnhofes zu errichten.
Man hat dazu das Grundstück Friedrichstrafse Nr. 100 ausersehen.
Hotel in Berlin.
und ein Caf4 Platz gefunden, denen sich der Zugang zu den Wirth-
schaftsräumen anschliefst.
Die Wphnräume des Hotels sind in vier Obergeschossen an¬
geordnet, deren jedes 40 gröfsere und kleinere Zimmer, doppelte
Aborte für Männer und Frauen, auch je ein Bad, ferner die Räume
für Bedienung und ein Gelafs für die Aufbewahrung des Etagen-
Geschirrs und Vorrichtung zum Warmhalten der Speisen enthält.
MONOPObHOTELl
Arch. L. Heim.
1
Holzstich V. O. Ehe), Berlin.
Strafsenseite.
welches mit seiner Vorderfront dem Bahnhofszugang unmittelbar
gegenüber liegt und mit seiner Hinterseite an die künftige Ver¬
längerung der Charlottenstrafse stöfst. Seine Frontlänge an der
Friedrichstrafse mifst 42 m, die Tiefe 100 m. Das Hotel nimmt
gegenwärtig den Grundstücktheil an der Friedrichstrafse ein, während
der hintere Theil zur Zeit in Verbindung mit dem Restaurant als
Garten benutzt wird. Hier sind jetzt aufser der Maschinenhaus-
Anlage nur leichte Gebäude, Hallen u. dgl. errichtet, die bei Aus¬
dehnung des Hotelgeschäfts einem Vorderhause an der etwa in zwei
Jahren benutzbaren Charlottenstrafse sowie entsprechenden Zwischen¬
bauten Platz machen sollen.
Der Hotelbau besteht in einem Vorderhause, zwei Seitenflügeln
und einem Quergebäude, welche einen grofsen offenen Schmuckhof
umschliefsen, und deren letzteres mit seiner Rückfront an den er¬
wähnten Garten grenzt. Der aufserordentliche Werth des Grund
und Bodens hat eine Anordnung ergeben, bei welcher im Erd¬
geschosse nur der Zugang zum Hotel, die Flurhalle, die Räume für
Pförtner und Bureau sowie ein Hotel -Restaurant mit Ablegeräumen
dem eigentlichen Gasthofbetriebe dienen, während die übrigen Theile
dieses Geschosses anderen Geschäftszwecken nutzbar gemacht sind.
Zur Rechten des Hoteleinganges sind zwei Läden und ein grofser
Bier-Ausschank angelegt, zu dessen Betriebe auch der Garten ver-
miethet ist; links vom Hoteleingange haben ebenfalls zwei Läden
Die Hotelküche liegt in dem gegen das Grundwasser wasserdicht
hergestellten Kellergeschosse, welches im übrigen Weinlager und
Wirthschaftsräume verschiedenster Art birgt. Die Küche des Bier-
Ausschanks ist in den Garten hinaus gebaut. Alle drei Betriebe :
der des Hotels, der für den Ausschank und der des Cafes sind voll¬
ständig getrennt. Im Dachboden befindet sich die Wäscherei- Anlage,
zu deren Betrieb der Dampf [der dem Hotel zugehörigen Maschinen-
Anlage verwendet wird und deren Maschinen -Einrichtungen mittels
elektrischer Kraftübertragung betrieben werden.
Der Baugrund ist schlecht, er besteht in Moor und Torf. Der
Bau ist deshalb theilweis auf Kästen, theilweis auf Pfahlrost ge¬
gründet worden. Die Anwendung des letzteren war mit Rücksicht
auf die Behinderungen durch alte Baureste geboten, auch konnten
alte Pfahlroste unter Nachrammung Wiederverwendung finden. Die
sehr ungünstigen Grundwasserverhältnisse machten die Abdichtung
der Kellersohle zu einer sehr mühevollen Arbeit.
Die Architektur wurde in freien Renaissanceformen unter ange¬
messener Verwendung bildnerischen Schmuckes durchgeführt; für die
Hauptfront kamen im Erdgeschosse schwedischer Granit, in den
Obergeschossen schlesischer Sandstein zur Verwendung. Die Innen-
Architektur schliefst sich im allgemeinen der des Aeufseren an: für
den Bier- Ausschank und für die Säle der Hotel-Restauration geht sie
ins Barocke über, das Cafe dagegen ist maurisch gehalten und mit
48
Ceutralblatt der Banverwaltnng:. 1. Februar 1890.
reichen Stuckdecken und Pfeilerbekleidungen unter Verwendung von
Spiegeln und Einlagen farbiger Gläser*) geschmückt.
Das Hotel ist bauseitig für die Obergeschosse mit Möbeln,
Hausgerätb und Ausstattungsstücken vollständig eingerichtet und
18 Monate nach Beginn der Bauausführung im November 1888 dem
Betriebe übergeben worden. Seine Beleuchtung ist elektrisch; die
Maschinen - Anlage befindet sich auf dem Grundstück selbst und
speist bei 170 Pferdekräften 1200 Glüh- und 60 Bogenlampen. Zwei
Maschinen, jede zu 65 Pferdekräften, sind mit den Dynanomaschinen
unmittelbar gekuppelt vorhanden, dazu eine Maschine von 40 Pferde¬
kräften, die zugleich noch andere Betriebe übernehmen kann. In
der Eegel arbeitet abends je nach Bedarf eine der beiden grofsen
Maschinen allein oder in Gemeinschaft mit der kleinen. Die Anlage
leistet zugleich die Versorgung des Hotels und der beiden Wasser¬
kraft-Aufzüge mit Wasser und bewirkt die Lüftung der Gebäude.
*) Die Technik knüpft an alte Vorbilder an. Bunte Gläser
wurden zu Blumen und Ornamenten ausgeschnitten und in weifseu
Stuck versenkt, die Bänder aber mit Gold umzogen, sodafs eine
farbenprächtige Wirkung erzielt ist. (Vgl. Centralbl. d. Bauverwalt.
1889 S. 282.) D. K.
Die Yertiefimg
Herr Eobert M. Sloman, ein angesehener hamburger Eeeder,
wirkt seit einer Eeihe von Jahren für eine weitere Vertiefung der
Ober-Elbe mit ihren Nebenflüssen. In neuerer Zeit hat derselbe im
Hinblick auf den aufserordentlicheu Aufschwung, den der über¬
seeische Verkehr Hamburgs, dank der stetigen Verbesserung des
Fahrwassers in der Unterelbe, genommen hat, die Forderung auf¬
gestellt, die Elbe oberhalb Hamburgs so zu vertiefen, dafs sie beim
niedrigsten Wasserstande noch mindestens 2 m Tiefe hat. Er geht
dabei von der Ansicht aus, dafs durch den gegenwäi'tigeu Zustand
des Stromes, der zu Zeiten der niedrigsten Wasserstände den Schifl'en
nur einen Tiefgang von höchstens 0,835 m gewährt, den berechtigten
Ansprüchen der heutigen Zeit nicht Eechnung getragen wird. Handel,
Gewerbe und Schiffahrt wären nicht in der Lage, den vollen Nutzen
aus der grofsen Gabe der Natur, der unmittelbaren Verbindung der
See mit dem Herzen Deutschlands zu ziehen. Nur etwa 60 pCt. der
Tragfähigkeit der Schiffe würde wegen mangelnder Wassertiefe
wirklich ausgenutzt, trotzdem genügende Gütermassen zur Beförde¬
rung stets vorhanden seien. Hieraus ergebe sich der hohe Frachten¬
satz auf der Oberelbe, der bei voll ausgenutzter Tragfähigkeit der
Schiffe sich nennenswerth herabsetzen liefse. Namentlich sei aber
eine bessere Verbindung Hamburgs mit Berlin von gröfster Wichtig¬
keit, weil Hamburg nun einmal als der natürlich gegebene Hafen
Berlins angesehen werden müsse.
Bei der technischen Möglichkeit einer Vertiefung der Elbe auf
2 m hält sich Herr Sloman weiter nicht auf. Er zollt den bisherigen
Leistungen der deutschen Techniker die höchste Anerkennung und
ist überzeugt, dafs, wenn man ihnen nur die nöthigen Mittel be¬
willigte, sie auch die gestellte Aufgabe unbedingt lösen würden.
Für ihn ist die ganze Angelegenheit überhaupt lediglich eine Geld¬
frage, zu deren erfolgreicher, schneller Durchführung er, als han¬
seatischer Grofskaufmann, nicht einmal die Hülfe des Staates aus-
schliefslich in Anspruch zu nehmen gedenkt. Von letzterem glaubt
er vielmehr, dafs er schwerlich in der Lage sein werde, eine so er¬
hebliche Summe für die Elbe unverzinslich und nicht rückzahlbar
auszugeben, weil man ein Vorrecht der Elbe vor anderen ähnlichen
Forderungen nicht nachzuweisen vermag. Daher sollen die Eegie-
rungen für diesen Zweck die Aufnahme einer Anleihe bewilligen,
deren Verzinsung und Tilgung von der Schiffahrt oder dem Waren¬
verkehr zu decken wäre. Am einfachsten würde es sein, wenn die
Schiffe eine Abgabe zahlten. Eine solche von 5 Pf. für einen Centner
der Tragfähigkeit, das sind etwa 15 pCt. der Durchschnittsfracht und
nicht mehr als die Hamburger Kaigelder betragen, würde schon bei
dem gegenwärtigen Verkehr eine jährliche Abgabe von mindestens
3 Millionen Mark ergeben, wodurch ein Capital von nahezu 80 Mil¬
lionen Mark verzinst und allmählich getilgt werden könnte. Die
Schiffahrt vermag diese geringe, im Laufe der Jahre bei steigendem
Verkehr sich noch verringernde Abgabe um so leichter zu tragen,
als sie dann reichlich weitere 30 bis 40 pCt. der Tragfähigkeit ihrer
Fahrzeuge ausnutzen, letztere selbst durch zweckmäfsigere, billiger
zu handhabende ersetzen, die Eeisedauer verkürzen und alles in allem
ihren Betrieb so bedeutend verbessern könne, dafs ihre Frachtsätze,
um 50 pCt. ermäfsigt, nicht wesentlich höhere würden, als die der
Seeschiffahrt.
Soweit Herr Sloman. Man konnte gespannt sein, wie seine ver¬
lockenden Anregungen aufgenommen werden. Dafs dieselben in
technischen Kreisen eine besonders grofse Beachtung nicht erfahren
würden, liefs sich von vornherein erwarten. Wer sich jemals mit l
Der abgehende Dampf dient zur Beheizung des Hotels, und zwar
werden alle Bäume, 60 durch Oefen erlieizte Wohnzimmer ausge¬
nommen, durch eine Wasserheizung erwärmt. Da der abgehende
Dampf meist nur abends zur Verfügung, die Beheizung aber be¬
sonders auch in den Morgenstunden Bedürfnifs ist, so wurde im
Kellergeschofs ein grofser Wasserbehälter in Kesselform angelegt,
welcher die Wärme aufnimmt und nach Bedarf abgiebt. Natürlich
ist auch die Möglichkeit vorgesehen, der Heizung unmittelbar aus
der Kesselanlage Dampf zuzuführen, was für die Säle an kalten
Tagen dann und wann nothwendig wird. Die Beheizung der mit
Oefen versehenen Zimmer erfolgt von den durchweg feuersicher her¬
gestellten Flurgängen aus.
Die Hotel-Kestauration, welche auch von dem Berliner Publicum
stark besucht wird, ist von der Strafse und von der Vorhalle des
Hotels aus unmittelbar zugänglich. Der Schmuckhof dient im Sommer
zum Aufenthalt der Gäste, die Zimmer des I. Stocks sind gegen ihn
hin mit grofsen, breiten Balcons versehen. Ein Lese- und Damen¬
zimmer, welches im ersten Stock dicht am Treppenhause liegt und
ebenfalls nach jenen Balcons mündet, vervollständigt die allen neu¬
zeitlichen Anforderungen entsprechende Einrichtung des welt-
städtischen Hotels. Heim.
des Elbstroms.
der Eegulirung der Elbe mitthätig zu beschäftigen gehabt hat, wer
die umfangreichen, sorgfältigen Erhebungen über die bei kleinen
Wasserständen zur Verfügung stehenden Wassermassen kennt, wer
da weifs, welche Schwierigkeiten die Eegulirung des Stromes schon
jetzt bietet, wo es sich nur um die Herstellung einer geringsten
Tiefe von 0,94 m handelt, einer Tiefe, welche trotz der Aufwendung
von mehr als 80 Millionen Mark an einigen wenigen Stellen dennoch
nicht erreicht ist, für den konnte es überhaupt keinen allzugrofsen
Beiz haben, den weitgehenden Slomanschen Vorschlägen vom tech¬
nischen Standpunkte aus näher zu treten. Aber auch bei der Schiff¬
fahrt und Handel treibenden Bevölkerung ist der erhoffte Erfolg
nahezu vollständig ausgeblieben. Zwar haben sich diese unmittelbar
betheiligten Kreise nicht die Mühe verdriefsen lassen, die Aus¬
führungen und Eechnungen von Herrn Sloman auf ihre Eichtigkeit
und ihren Nutzen zu prüfen, das Ergebnifs der Prüfungen führte
jedoch im allgemeinen zu einer allseitigen Ablehnung der Vor¬
schläge.
Zunächst berieth der österreichische Elbeverein in Aufsig
in zahlreich besuchter Versammlung über die Frage der Vertiefung
der Elbe auf 2 m, wobei die anwesenden österreichischen Ingenieure
mit voller Bestimmtheit eine derartige Vertiefung, was die öster¬
reichische Strecke anbetriff’t, für unmöglich erklärten, während her¬
vorragende Kohlenverfrachter eine Erhöhung der Frachtsätze um
5 Pf. auch nur sehr bedingungsweise für zulässig erachteten. In
einem besonderen, der Handelskammer in Hamburg erstatteten Gut¬
achten werden vorstehende Ansichten noch näher begründet, und
selbst eine Canalisirung der Elbe, zur Herstellung von 2 m
Wassertiefe, als nicht erwünscht bezeichnet, weil die gröfsten Vor¬
theile der jetzigen Beförderungsweise, die Billigkeit und Schnelligkeit
der Thalfahrt, dadurch verloren gingen. Der Versuch von Sloman,
die Seeschiff’ahrtsfrachten mit den Binnenschiff’ahrtsfrachten ohne
weitere Begründung zu vergleichen, ist überhaupt nicht zulässig;
was letztere Frachten heute vorzugsweise erhöht, ist namentlich der
Umstand, dafs ein Schiff, welches alljährlich 6 bis 7 Eeisen von
Dresden nach Hamburg macht, jedesmal nicht weniger als 14 Tage
Lösch- und Liegezeit in Hamburg braucht. Einrichtungen zur Ab¬
kürzung dieser Liegezeit thun daher der Schiffahrt zuvörderst noth.
Ein eingehendes Gutachten hat ferner der sächsische Schiffer¬
verein abgegeben. Dieser Verein erörtert die technische und wirth-
schaftliche Seite der Frage. In ersterer Beziehung kommt derselbe
zu dem Schlüsse, dafs die geforderte Vertiefung technisch nicht aus-
fühi-bar sei, und selbst wenn sie es wäre, für die Schiffahrt nicht
nur von keinem Nutzen, sondern von Nachtheil sein würde. Will
man die Tiefe durch Eegulirung hersteilen, so müfste man zur Zu¬
sammenhaltung der Wassermasse den Strom so einengen, dafs das
Fahrwasser für jeglichen Schiffahrtsbetrieb viel zu enge und die
Stromgeschwindigkeit zu grofs würde. Man hätte alsdann die jetzt
bestehende Betriebsweise zu ändern, wodurch die vorhandenen Be¬
triebsmittel fast gänzlich werth- und zwecklos werden. Aber auch
die Canalisirung der Elbe mufs aufser Betracht bleiben, weil der
Betrieb alsdann schwerfälliger, langsamer und theurer wird. Ueber-
haupt läfst sich ein Strom nicht ungestraft Gewalt anthun, und
darum ist die bisherige Eegulirungsweise, wobei die Vertiefung ganz
allmählich nach wissenschaftlich festgesetzten Eegeln erfolgt, die
richtige.
In wirthschaftlicher Hinsicht, glaubt der sächsische Schifferverein,
werden die von Sloman erhofften Vortheile ebenfalls nicht in nennens-
Centralblatt der Bauverwaltung.
49
Nr. 5.
werthem Umfange eintreten. Zunächst müssen alle auf der Elbe ver¬
kehrenden Frachtschiffe, weil die Höhe ihrer Borde keine gröfsere
Eintauchung als 1,5 bis 1,75 m zuläfst, durch Schiffe mit höheren
Borden, welche eine Eintauchung von 2 m gestatten, zu ersetzen sein.
In kurzer Frist ist eine so tief eingreifende Aenderung in der Bauart
der Schiffe jedenfalls nicht durchzuführen, und die Kosten, welche
dadurch bei 10 622 die Elbe befahrenden Schiffen entstehen, deren
Werth auf etwa 115 Millionen Mark zu schätzen ist, sind jedenfalls
sehr erhebliche. Angenommen aber, es liefse sich die volle Trag¬
fähigkeit der Schiffe immer ausnutzen, was z. B. bei leichten, sperrigen
Schiffen überhaupt nicht möglich ist, so ergiebt die angestellte, der
Wirklichkeit entnommene Eechnung, dafs der Gewinn nicht entfernt
in demselben Verhältnifs zunimmt, als die vermehrte Tragfähigkeit
der Schiffe.
Die Zukunftsfracht würde sich vielmehr nicht um 50, sondern
nur um 25 pCt. niedriger stellen als die jetzige, das ist 6 Pf. für
den Centner, sodafs wenn eine Abgabe von 5 Pf. für den Centner
erhoben werden soll, der Gewinn nur einen Pfennig beträgt.- Es
unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs dieser Vortheil ein so geringer
ist, dafs auch vom wirthschaftlichen Standpunkte aus der von Herrn
Sloman vorgeschlagenen Regulirung der Elbe nicht das Wort zu
reden ist.
Für eine Beschleunigung des Lösch- und Ladegeschäftes bei der
Elbschiffahrt wird aber auch in diesem Gutachten lebhaft eingetreten,
weil sich die Fahrgeschwindigkeit selbst kaum steigern läfst, und von
der gesamten Betriebszeit überhaupt nur ein Viertel auf die Fahrt
und drei Viertel auf das Löschen und Laden verwandt werden.
Letzteres liegt einmal an den ganz veralteten, ungenügenden Hafen¬
einrichtungen Hamburgs, wo Hand-, Dampf- und Druckwasserkrahne
bisher ausschliefslich der Seeschiffahrt zugute kommen, dann aber
auch an den Gebräuchen des Handels und insonderheit des Getreide¬
handels, durch welche der Schiffer gezwungen wird, sein Schiff un¬
gebührlich lange, oft Wochen hindurch, als Lagerraum anstatt als
Transportmittel herzugeben. Jetzt mufs ein Eildampfer, der in sechs
Tagen von Dresden nach Hamburg fährt, gar nicht selten eine volle
Woche liegen, bis man ihm einen Platz zum Löschen anweist.
Mäfsige Abgaben, welche für bessere Hafeneinrichtungen in Hamburg
gefordert werden sollten, würde die Schiffahrt sicherlich gern ent¬
richten, da sie alsdann die Möglichkeit hätte, ihre Betriebsmittel
besser auszunutzen und bei einer jährlichen Betriebsdauer von etwa
270 Tagen zehn Reisen von Hambui-g nach Dresden und zurück zu
machen, während jetzt nur sechs, allerhöchstens sieben auszu¬
führen sind.
In einem nicht minder eingehend bearbeiteten Gutachten benutzt
endlich der Magdeburger Schifferverein die Gelegenheit, um
seine Ansicht über das Bedürfnifs und die Zweckmäfsigkeit einer
weiteren Vertiefung der Oberelbe darzulegen. Derselbe glaubt zu¬
nächst, dafs, wenn die Herstellung einer Tiefe von 2 m beim niedrigsten
Wasserstande in der Elbe überhaupt möglich ist, was zu beurtheilen
er den Technikern überläfst, hierzu der Betrag von 80 Millionen Mark,
ja selbst die doppelte Summe nicht ausreichen würde. Der Verein
hält auch die Slomansche Forderung für zu weitgehend und vorläufig
das Mafs von 1,25 m als Mindesttauchtiefe der Schiffe für ausreichend.
Hierfür tritt derselbe mit der Begründung ein, dafs der ungeheure
Aufschwung der Elbschiffahrt den besten Beweis liefere für die
wirthschaftlich gute Verwendung, welche die bisher für die Regu¬
lirung verausgabten Summen gefunden haben. Bei dem beständig
wachsenden überseeischen Verkehr Hamburgs, von dem der bei
weitem gröfste Theil auf die Elbe übergeht bezw. von derselben
stammt, genügt die früher festgesetzte Mindesttauchtiefe von 0,835 m
für wasserarme Jahre nicht mehr. Den sonstigen Anschauungen
des Herrn Sloman wird theilweise nur sehr bedingungsweise bei¬
getreten und namentlich die Bezahlung einer Abgabe von 5 Pf. für
den Centner ganz von der Hand gewiesen. Die durch eine derartige
Regulirung entstehenden Kosten bleiben nach Ansicht des Magde¬
burger Schiffervereins lediglich Sache der Uferstaaten. — s.
Kraftversorgung durch Druckluft in Paris.
Ueber die grofse Anlage zur Kraftversorgung von Paris durch
Druckluft nach dem System Popp hat der Professor au der techn. Hoch¬
schule in Berlin, Herr Riedler, zwei Vorträge, im Verein zur Beför¬
derung des Gewerbfleifses und im Verein deutscher Ingenieure, gehalten,
welche seither in den Zeitschriften dieser Vereine und in einer be¬
sonderen erweiterten Ausgabe*) in Druck erschienen sind. Unter
Bezugnahme auf diese ausführliche Veröffentlichung, welche auch
über alle Einzelheiten Aufschlufs giebt, soll im folgenden das wesent¬
lich Neue der Pariser Anlage kurz angegeben werden. Weiter können
wir einige neue Anwendungen der Druckluft, die seither in Paris
gemacht wurden, sowie dies und jenes neue Detail hinzufügen.
Im Osten von Paris (Belleville) befindet sich die Centralanlage
zur Erzeugung der Druckluft, welche aus einer grofsen Maschinen¬
anlage von etwa 2000 Pferdekräften mit 11 Dampfkesseln und
6 doppelten Luftprefsmaschinen besteht. Durch ein 7 km langes
Hauptrohr wird die Druckluft von dort in die Stadt, und zwar die
grofsen Boulevards entlang bis zur Madeleinekirche, geleitet, während
eine zweite, etwa 10 km lange Hauptleitung, südlich zur Seine führend,
die Rue de Rivoli entlang an die erste Hauptleitung bei der Madeleine
anschliefsend, vor 7 Monaten als geschlossene Ringleitung vollendet
wurde.
Die Einrichtungen für die Ausnutzung von Druckluft sind in
Paris jetzt schon derart zahlreich, dafs der Betrieb der 2000pferdigen
Anlage nicht mehr ausreicht. Es wird deshalb auch eine ältere
Maschinenanlage von etwa 500 Pferdekräften, aus welcher das
jetzige grofse Werk hervorgegangen ist, zur Zeit des gröfsten
Druckluftverbrauches mit in Betrieb gesetzt, und eine grofse Er¬
weiterung der Centralanlage, bestehend aus 6 Luftprefsmaschinen von
je 400 Pferdekräften, ist im Laufe dieses Winters in Betrieb ge¬
kommen. Die Maschinen der Centralanlage sind in mehrfacher Hin¬
sicht mangelhaft; weder sind die Dampfmaschinen von der für grofse
Centralanlagen nothwendigen und erreichbaren Vollkommenheit, noch
sind die Prefsmaschinen günstigster Bauart; letztere leiden insbe¬
sondere an dem Fehler, dafs die Luft wegen mangelhafter Kühlung
unter zu grofser Wärmeerzeugung und unnütz grofser Kraft¬
entwicklung verdichtet wird, Fehler, welche sich bei richtiger Bauart
und insbesondere bei grofsen Maschinen leicht vermeiden liefsen.
Für die Beurtheilung der Pariser Anlage bleiben diese Mängel jedoch
von untergeordnetem Einflufs; es ist im Gegentheil unzweifelhaft
nachweisbar, dafs die in Paris bisher erzielten Ergebnisse mit ein¬
fachen Mitteln wesentlich verbessert werden können.
*) Riedler, A. Die Kraftversorgung von Paris durch Druckluft.
Zwei Vorträge. Berlin 1889. R. Gaertners Verlagshandlung (H. Hey¬
felder). 72 S. in 80 mit 21 Abb. Preis 1,50 Mark.
Durch die Centralisirung der Kraftanlage wird selbstver¬
ständlich beabsichtigt und mit guten Maschinen auch erreicht, dafs die
Krafterzeugung, im Gegensätze zu den Kleinkraftmaschinen, mit den
technisch vollkommensten Mitteln und den geringsten Gestehungskosten
durchgeführt werden kann. Die grofsen Maschinen der Central -
Station können unter sachverständiger Behandlung mit geringstem
Dampfverbrauch und kleinsten Verlusten arbeiten, können ohne
Unterbrechung bei möglichster Ausnutzung der Anlage in Betrieb
bleiben und gestatten den kleinsten Material- und Personalverbrauch,
somit die geringsten allgemeinen Betriebsauslagen. Alle Gefahr,
Verantwortung und Belästigung der Krafterzeugung für einzelne
Maschinen wird aus der Stadt entfernt und der Betrieb einheitlich
mit allen Erfahrungen und Verbesserungen durchgeführt; auch die
im Kleinbetriebe oft lästige oder kostspielige Wasserbeschaffung wird
im Grofsbetrieb einfacher, und alle Ausgaben, bis zum viel billigeren
Bezüge der Kohle im grofsen usw., werden unvergleichlich geringer
als wenn dieselbe Kraft in zahllosen einzelnen kleinen Betrieben
erzeugt wird.
In dieser Centralisirung der Krafterzeugung ist der gröfste
Fortschritt zu suchen. Er läfst sich in Zahlen vergleichsweise da¬
durch ausdrücken, dafs vollkommene, grofse Maschinen einer Central¬
anlage etwa Vs der Kohlen verbrauchen, die für gute, etwa lOpferd.
Maschinen des Kleinbetriebes erforderlich sind.
Zur Ansammlung der Druckluft und zur Druckausgleichung
dienen 8 Blechwindkessel, jeder mit 3272 cbm Inhalt. Ein grofser
unterirdischer Luftbehälter von 12 000 cbm Inhalt ist geplant, aber
bisher nicht ausgeführt worden. Man beabsichtigte ein Schacht¬
rohr von 1 m Durchmesser und 80 m Tiefe niederzubringen, von
diesem Schachtrohr aus einen Stollen von 12 000 cbm Inhalt zu
treiben und luftdicht auszumauern und das Ganze mit Wasser aus¬
zufüllen, sodafs die eingepumpte Luft unter beständigem Druck der
80 m hohen Wassersäule sich befindet. Mit Hülfe dieses grofsen
Behälters würde dann die Central-Maschinenanlage möglichst gleich-
mäfsig während des ganzen Tages und nicht blofs, wie jetzt, während
der Abendstunden mit der gröfsten Leistung betrieben und die Ge¬
samtleistung von gegenwärtig 250 000 cbm auf 350 000 cbm täglich
angesaugter Luft erhöht werden können.
In der Aufspeicherung grofser Mengen von Druckluft liegt
ein wesentlicher Vortheil; denn schon bei der jetzigen Pariser Anlage,
wo die Druckluft nur in 8 Windkesseln angesammelt wird, ist plötz¬
liches Ausbleiben der Prefsluft in der Stadt ausgeschlossen. Es ist
in der That schon vorgekommen, dafs der Maschinenbetrieb in der
Centralstation unterbrochen wurde, ohne dafs der Betrieb in der
Stadt irgendwie beeinflufst worden wäre, weil der Verbrauch in¬
zwischen durch den Vorrath der Windkessel und durch den grofsen
50
Centralblatt der Bauverwaltung.
1. Februar 1890.
Inhalt der langen Hauptleitung gedeckt wurde. Im Gegensätze hierzu
ist stundenlange Aufspeicherung der Arbeit mehrerer tausend Pferde¬
kräfte bei Druckwasser oder elektrischem Betrieb u. dgl. nach den
bisherigen Erfahrungen nicht möglich, ohne mit dem Kostenpunkte
in unlösbaren Widerspruch zu gerathen.
Die Haupt - Druckluftleitung von 300 mm Durchmesser ist
mit den Eöhren für Grund -Wasserleitung, für die Rohrpost, Kabel-
und Fernsprechleitungen unterirdisch in den gemauerten und gang¬
baren Abzugscanälen der Stadt angebracht und am Gewölbe der¬
selben aufgehängt. Die Röhren werden durch die Zugangschächte
eingelassen und durch einen auf dem Abzugwasser schwimmenden
Kahn an den Ort ihrer Verlegung gebracht. In dieser Hinsicht kann
jede andere Stadt Paris um sein hochentwickeltes Canalsystem nur
beneiden, umsomehr als die Planlosigkeit der Rohr- und Draht¬
legungen in anderen Städten bei der ungeheuren und unaufhaltsamen
Entwicklung der Rohr- und Drahtnetze in kurzer Zeit unhaltbar
werden mufs. Etwa ein Drittel des jetzt in Betrieb befindlichen
Rohrnetzes ist aber nicht in die Abzugscanäle eingebaut, sondern
ist gewöhnliche Erdleitung; jedoch liegt die Rohideitung, da Ein¬
frieren nicht Vorkommen kann, nur einige Decimeter unter der Erde.
Die nächstens zur Ausführung kommende grofse Rohrleitung für die
16 OOOpferdige Pariser Neuanlage wird zu mehr als zwei Drittel als |
gewöhnliche Erdleitung ausgeführt werden, da diese 500 mm weite
Ringleitung von etwa 15 km Länge in den Abzugscanäleu nicht mehr
becpiem untergebracht werden kann. Auch sind die Kosten der Erd¬
leitung keine höheren als die der Rohrlegung bezw. Aufhängung in den
Canälen. Diese neue Hau^itleitung wird aus geschweifsten Blech¬
röhren hergestellt.
Der Vertrag der Stadt Paris mit H. Popp bestimmt, dafs dieser
für die Benutzung der genannten Canäle eine jährliche Abgabe von
45 Franken für jedes Kilometer Rohrleitung, alle Zweigleitungen ein¬
geschlossen, zu entrichten hat. Er gewälirt dem Unternehmer 40jährige
Concession für Centralanlagen und Rohrlegungen und schliefst ähnliche
Unternehmungen während der ersten 5 Jahre der Concessionsdauer
aus unter der Voraussetzung, dafs mindestens jährlich 3 km Haupt¬
druckleitungen gelegt werden. Vertragsbedingungen sind weiter,
dafs der Betrieb nicht unterbrochen werden darf, dafs die Central¬
stationen innerhalb Paris liegen müssen, die Heizkohle aber frei von
Abgaben bleibt. Die Tarife für Luftabgabe sind freigestellt, nur ist
der Höchstpreis mit 2 Centimes für 1 cbm Luft, auf atmosphärische
Spannung bezogen, festgesetzt. Die Gegenleistung besteht in
15 pCt. Antheil der Stadt am Reingewinn, nach Abzug, aller Be¬
triebs- und Verwaltungskosten und nach Abschreibung von 5 pCt.
Rücklage, 10 pCt. Tilgung und 6 pCt. Verzinsung. Die Stadt behält
das Recht, die Anlage gegen Inventarwerth und 6 pCt. Capitalisatiou
des Roherträgnisses, aber nicht vor 15 Jahren, zu erwerben.
Die Druckrohrleitung hat einen lichten Durchmesser von 300 mm.
Diesem entspricht bei Uebertragung von 2500 Pferdekräften eine
Luftgeschwindigkeit von nur 10 m, und die Leitung würde für
4000 Pferdekräfte ausreichen. Durch ein ausgedehntes Netz von
Zweigleitungen steht z. Z. in den inneren Stadtbezirken sowie in
den nach Osten und Süden angrenzenden Bezirken Druckluft,
d. i. Kraft für alle Betriebe, ähnlich wie Gas und Wasser, zur
Verfügung. Die Abgabe der Druckluft an den Verbrauchstellen
und ihre Nutzbarmachung in den Arbeitsmaschinen erfolgt mit
sehr einfachen, zweckmäfsigen Einrichtungen, welche die Fracht
langjähriger Erfahrungen und Versuche sind. Als Arbeits¬
maschinen sind viele alte Dampfmaschinen in Verwendung,
dei’art, dafs vorhandene Dampfkessel aufser Betrieb gesetzt wurden
und die Dampfmaschinen jetzt, ohne jede Veränderung an der
Maschine selbst, mit Druckluft statt mit Dampf betrieben werden.
Als eigentliche neue Luftmaschinen sind für ganz kleine Kräfte, bis
zu 1 Pferdekraft, Maschinen mit rotirendem Kolben, für gröfsere
Leistungen gfewöhnliche Kurbelmaschinen in Anwendung.
Den Luftmaschinen wird die Luft durch Zweigröhren zugeführt,
in welche der Luftmesser mit Flügelrad, dessen Zählwerk die ver¬
brauchte Luft in Cubikmetern angiebt, und ein Reducirventil ein¬
geschaltet sind. Letzteres hat den Zweck, die Luftspannung der
Hauptleitung (6 Atmosphären) auf ein bestimmtes unveränderliches
Mafs (4 oder 41/2 Atmosphären) zu vermindern, sodafs jede Maschine
im Bedarfsfälle über die normale Leistung, einfach durch Verände¬
rung der Belastung des Reducirventiles, gesteigert werden kann.
Weiter ist in die Druckluftleitung ein Vorwärme-Ofen ein¬
geschaltet. Dieser dient dem wesentlich Neuen in der ganzen An¬
ordnung. Die Wärme, welche bei Verdichtung der Druckluft frei
I wird, geht unfehlbar verloren, sie wird aber durch die Vorwärmung
der Druckluft wieder zugeführt. Die V^orwärmung ist erwünscht,
um den Luftverbrauch der Luftmaschinen möglichst zu vermindern,
und nothwendig, um die Eisbildung, eine Folge des unvermeid¬
lichen Wassergehaltes der Luft, zu verhüten; denn in dem Mafse,
wie Wärme erzeugt wird bei der Verdichtung der Luft, wird bei
deren Ausdehnung Kälte entstehen. In Paris sind vor jeder Luft¬
maschine eiserne Oefen in Verwendung, mit Doppelmantel und ein¬
gegossenen Wänden, und der Innenraum dieser Oefen ist mit mäfsigem
Kohlenfeuer geheizt; in diesen kleinen Oefen wird die Luft auf 150'
bis 170° C. erhitzt. Die Kosten der Vorwärmung sind ganz ver¬
schwindend und betragen für die Stunde und Pferdekraft ^''2 Centime
bei gröfseren Maschinen und bis 1 Centime bei kleinen Maschinen
(unter 2 Pferdekraft). In der Vorwärmung liegt eine wichtige
Neuerung. Die Druckluft stand von jeher in dem üblen Rufe, dafs
sie Kraftübertragung nur mit grofsen Verlusten ermögliche, weil ein
grofser Theil der aufgewandten Arbeit in nutzlose Wärme verwandelt
wird. Die Wärme, welche bei der Verdichtung verloren geht, läfst
sich aber bei der Vorwärmung mit den einfachsten Mitteln und ohne
nennenswerthe Kosten wieder ersetzen. Auch in dieser Hinsicht
zeigt die Druckluft einen Vortheil gegenüber anderen Kraftüber¬
tragungen, bei denen alle Verluste bei Krafterzeugung oder Fort¬
leitung unwiederbringlich verloren sind.
Von Wichtigkeit ist der Auspuff der Druckluft, nachdem sie in
der Luftmaschine Arbeit abgegeben. Je nach dem Grade der Vor¬
wärmung läfst sich beliebige Auspufftemperatur erzielen. Wird wenig
vorgewärmt, so ist die Temperatur der Auspuö’luft niedrig; es ist
also selbstverständlich, dafs als Nebenerzeugnifs der Kraftgewinnung
auspuft’ende Kaltluft gewonnen werden kann. Wird in den Vor¬
wärmeofen gleichzeitig Wasser eingespritzt, so ist der Verbrauch an
Luft ungefähr 30 pCt. niedriger als ohne Einspritzung; auch kann
hierdurch höhere Temperatur der Auspuffluft erzielt und letztere für
Heizungszwecke verwendet werden. (Schliffs folgt.)
Eine Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens,
Ein für weite Kreise höchst beachtenswerthes Werk begrüfsen wir
in der durch die Ueberschrift bezeichneten Encyklopädie*), von welcher
kürzlich der erste Band erschienen ist. Die Behandlung des ge¬
samten Eisenbahnwesens nach allen seinen vielverzweigten Richtungen
auf streng wissenschaftlicher Grundlage und doch in möglichst ge-
meinfafslicher und bündiger Darstellung, und somit die Ausfüllung
einer viel und schwer empfundenen Lücke in unserer Litteratur:
das ist der Zweck des Buches. Die Herausgabe eines solchen
Werkes erscheint in der That als ein grofses und sehr verdienst¬
volles Unternehmen, wenn man bedenkt, wie viele einzelne Wissens¬
zweige sowohl der Technik des Baues und Betriebes als auch
der Verwaltungs- und Rechtskunde, des Verkehrs- und Finanz¬
wesens, der Eisenbahnpolitik usf. hier in Betracht zu ziehen sind.
Bei einer solchen Ueberfülle des Stoffs erscheint die encyklopädische
Form mit alphabetischer Anordnung wohl als die allein zweckmäfsige.
Sie soll nicht nur allen dem Eisenbahnwesen ii'gendwie Nahestehenden,
*) Encyklopädie des gesamten Eisenbahnwesens in
alphabetischer Anordnung, herausgegeben von Dr. Victor Röll, Ober¬
inspector der K. K. österreichischen Staatsbahnen, unter redactioneller
Mitwirkung des Ingenieurs Karl Wurmb. Erster Band: „Aachen-
Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn“ bis „Betrieb“. 480 Seiten Text in
gr. 80 mit 207 Originalholzschnitten, 8 Tafeln und 3 Eisenbahnkarten.
Wien, 1890. Karl Gerolds Sohn. Preis 10 Jt.
sondern allen Gebildeten überhaupt die Möglichkeit gewähren, sich
über jeden bestimmten in das erstere einschlagenden Begriff oder
Gegenstand ohne grofsen Zeitaufwand und ohne Vorstudien Belehrung
und Klarheit zu verschaffen. Die einzelnen Gegenstände müssen also»
nach bestimmten Stichworten geordnet und als durchaus selbständige
Aufsätze behandelt werden. Es leuchtet ein, dafs ein solches Werk
nur durch das Zusammenwirken einer sehr grofsen Zahl von Mit¬
arbeitern ermöglicht werden kann, dafs es ferner seitens des Heraus¬
gebers einer sehr langen, mühsamen Vorarbeit bedarf, bevor die
Drucklegung auch nur beginnen kann, und dafs es ungemein schwierig
sein mufs, trotz der Vielheit der Verfasser doch der Behandlung der
einzelnen Aufsätze eine gewisse Gleichartigkeit der Form zu wahren.
Denn bereits an 100 Mitarbeiter weist das „erste Verzeichnifs“ der¬
selben auf, darunter neben vielen Professoren an technischen und
anderen Hochschulen zahlreiche hervorragende Fachmänner aus allen
Zweigen des Eisenbahnwesens, sodafs die theoretischen wie die
praktischen Seiten desselben zu voller Geltung gelangen können.
Bei den angedeuteten Schwierigkeiten mufs es um so höher an¬
erkannt werden, dafs der — nach fast fünfjährigen Vorarbeiten des
Herausgebers — jetzt erschienene erste Band des grofs angelegten
Werkes allen berechtigten Anforderungen in hohem Mafse entspricht.
Obwohl derselbe bereits mit dem Worte „Betrieb“ abschliefst, so
behandelt er doch schon eine überraschende Fülle von wichtigen
Centralblatt der Bau Verwaltung,
51
Blr.5.
Gegenständen des Eisenbahnwesens, darunter auch manche, die man
vielleicht zunächst unter einem, anderen erst später vorkommenden
Stichworte suchen würde. So finden wir z. B. unter dem Worte
„Abschlufsvorrichtungen“ eine ausführliche Behandlung der Wege¬
schranken, ferner unter dem Worte „Ausweichvorrichtung“ (für Seil¬
bahnen, von Abt) eine vortreffliche Beschreibung einer ganzen Reihe
von Bergbahnen mit Seilbetrieb (meist auch mit Zahnstange zur
Sicherung), weiche sich mit den unter „Agudio“ und unter „Berg¬
bahnen“ gegebenen Aufsätzen bestens ei’gänzt. Eine solche Beschrei¬
bung wird jedenfalls eher unter den Wörtern „Drahtseilbahn, Seil¬
bahn, Seilbetrieb“ gesucht werden. Es ist aber gewifs nur zu billigen,
wenn die einmal schon vorliegenden Aufsätze nicht einem bestimmten
Stichworte zu Liebe auf einen erst viel später erscheinenden Band
zurückgestellt werden. Die leichte Auffindbarkeit derselben wird ja
zweifellos durch kurze Hinweise bei den später folgenden Worten
gesichert werden, was allerdings nicht versäumt werden darf. Dafs
die einzelnen Aufsätze fast durchweg von den Verfassern unterzeichnet
sind, dürfte dem Buche in jeder Hinsicht zu gute kommen, indem
dadurch die Lust zur Mitarbeit gefördert und häufig auch bei den
Lesern die Aufmerksamkeit erhöht wird.
Die gröfseren Aufsätze technischen Inhalts sind mit trefflich
ausgeführten Abbildungen ini Text, theilweis auch auf besonderen
Tafeln ausgestattet, so u. a. die schon erwähnte sehr ausführliche
Abhandlung über die „Abschlufsvorrichtungen der Wege“ (Löwe);
ferner die Aufsätze über „Abnutzung der Schienen“ (Löwe); „Achsen
und Achslager“ (Pintzger); „Bagger“ (Forchheimer) ; „Arbeiter¬
wohnungen“ (Geul); „Bahnhofsanlagen“ (Goering); „Bahnwärter¬
häuser“ (v. Eysank); „Bahnzustandssignale“ (Kecker); „Beheizung
und Beleuchtung der Wagen“ (Schützenhofer) und „Beleuchtungs¬
apparate“ (Voit).
Die Abhandlungen über die badischen, bayerischen und belgischen
Bahnen sind mit Karten versehen und enthalten ebenso wie diejenigen
über die adriatischen und americanischen (besonders ausführlich über
die Vereinigten Staaten, v. d. Leyen) und kürzer auch diejenigen über
die asiatischen und australischen Bahnen, sowie über zahlreiche
einzelne Liniennetze wohl alle wünschenswerthen Angaben geschicht¬
lichen, statistischen und sonstigen Inhalts. Als Aufsätze von mehr
theoretischem Gepi’äge seien u. a. diejenigen über „Anlaufsteigung“
und „Bauwürdigkeit“ (Launhardt), ferner über „Arbeitswiderstände
der Locomotiven“ (Frank) und über „Abstecken von Bögen“ (Decher)
genannt.
Ausgiebig sind sodann noch zahlreiche andere in diesen ersten
Band einschlagende Gegenstände behandelt aus den (zum Theil schon
berührten) Gebieten der Betriebs-, Verwaltungs- und Eechtskunde so¬
wie des Finanzwesens, alsz. B.: „Bahnaufsicht“ und „Bahnerhaltung“
(Rybarz); „Beleuchtung der Bahnhöfe“ (Karplus); „Bahntelegraphen“
(Kohlfürst); „Bauleitung“, „Bausysteme“ (Wurmb). Ferner „Admini¬
stration“, „Aufsichtsrecht“ und „-Behörden“, „Bahnbedienstete“,
„Bahnverbände“, „Bahnzeit“, „Besteuerung“ (Röll); „Actien“, „An¬
kaufsrecht“, „Anleihen“, „Arbeiter“, „Bahnpolizei“ (Haushofer);
„Accordarbeit“ (Fenten); „Ausgeschlossene“ und „bedingungsweise
zugelassene Sendungen“ und andere Fragen des Frachtgeschäfts
(Wehrmann) usf.
Wenn hier eine Reihe einzelner Aufsätze herausgegriffen ist,
so sollen deshalb die andern in keiner Weise als minderwerthig
erscheinen. Nur würde es nicht möglich sein, hier alle einzeln anzu¬
führen.
Es mag gestattet sein, bei dieser Gelegenheit einen Irrthum zu
berichtigen, welchen der Aufsatz über „Bergbahnen“ im Widerspruch
mit Angaben desjenigen über das System „Agudio“ enthält, nämlich
die Bemerkung auf S. 452, wonach das Zahnrad mit senkrechter Achse
zuerst 1888 zur Anwendung gebracht sei. Die senkrechte Zahnrad¬
achse hat bekanntlich bereits im Jahre 1884 bei der (nach Agudio-
schem System betriebenen) Bahn zur Superga bei Turin*), und sogar
schon 1876 auf einer kleinen Bahn bei Lang le Bourg am Mt. Cenis
Verwendung gefunden (vgl. S. 86 u. Abb. 72).
Bei Aufsätzen technischen Inhalts fanden wir einige recht
störende Druckfehler (wie z. B. auf S. 160 „Züge“ statt „Stäbe“ und
S. 246, 248 „Umlegung“ statt „Uebergang der Züge“; „Grundzweck“
statt „Grundform“ u. a. m.), welche bei einer Correcturvorlage an die
Verfasser — die freilich schwer durchführbar sein mag — vielleicht
zu vermeiden gewesen wären.
Solche kleine Ausstellungen, die zudem bei einer gewifs bald
erforderlichen 2. Auflage leicht zu beseitigen sind, vermögen übrigens
dem hohen Werthe des hervorragenden Werkes nicht den mindesten
Abbruch zu thun. Dasselbe wird vielmehr ohne Zweifel rasch eine
weite Verbreitung finden und überall willkommen geheifsen werden.
Möge deshalb die Hoffnung auf eine baldige Fortsetzung des Buches
sich erfüllen und möge es dem Herausgeber vergönnt sein, auch für
die Folge die vielen entgegenstehenden Schwierigkeiten in ebenso
guter Weise zu überwinden, somit das Werk mit gleichem Erfolge
ohne allzugrofse Zwischenpausen zu Ende zu führen. — r —
*) Vgl. Centralbl. d. Bauverwaltung, Jahrg. 1885, S. 230.
Vermischtes.
Die Preise in der Wettbewerbung um die malerische Aus¬
schmückung der drei oberen Geschosse der Front vom Geschäfts¬
hause der „Actiengesellschaft für Möbelfabrication‘^ in Berlin
(vgl. S. 446 d. V, J.) sind der Reihe nach vertheilt worden an die
Herren Decorationsmaler Richard Schultz-Leipzig (600 Mark) und
E. Wich mann -Berlin (300 Mark) sowie an Herrn G. Neuhaus-
Berlin (200 Mark). Dem Entwürfe „Contrast“, Verfasser Architekt
0. Rieth-Berlin, wurde eine lobende Anerkennung ausgesprochen.
Die eingegangenen Arbeiten sollen demnächst im hiesigen Kunst¬
gewerbe-Museum öffentlich ausgestellt werden.
Zu dem Preisausschreiben betreffend die Errichtung eines Kaiser
Wilhelm -Denkmals in Köln (vgl. S. 7 d. J.) macht der geschäfts¬
führende Ausschufs bekannt, dafs auf mehrfachen Wunsch die
Bestimmung in Nr. 3 der Bedingungen dahin abgeändert wird, dafs
die Modelle des Denkmals nicht in einem Fünfzehntel, sondern in
einem Achtel der wirklichen Gröfse einzusenden sind.
Den im Eisenbahndieuste beschäftigten Regierungs-Bauführern
des Ingenieur-Baufachs soll gemäfs Ministerial-Eiiafs vom 23. Januar
dieses Jahres, soweit die Verhältnisse es gestatten, Gelegenheit ge¬
boten werden, auf die Dauer von zwei bis drei Monaten auch bei
Eisenbahn-Vorarbeiten thätig zu sein. Diese Beschäftigung soll jedoch
in den ersten — einjährigen — praktischen Vorbereitungsdienst fallen,
da die spätere achtzehnmonatliche Praxis für die besondere Leitung
von Bauausführungen bestimmt ist.
In der Mittheilung über die neuen Prüfungs- Vorschriften für
die Marinebaubeamten in der vorigen Nummer mufs es auf Seite 44
im Schlufssatze selbstverständlich heifsen: Kaiserliche Marine-Bau¬
führer und Kaiserliche Werft.
Spül -Vorrichtung für Schmutzwasser-Leitungeii. Die Berliner
Vorstadt in Potsdam besitzt eine nach dem Trennungssysteme ein¬
gerichtete Entwässerungsanlage, welche nur Wirthschaftswasser
und Abortjauche aufnimmt, der also die Spülung durch das Regen-
wasser fehlt. Um die langen, 125 mm i. L. weiten und durch den
Wasserverbrauch der Grundstücke wenig gespülten Anschlufs-
leitungen regelmäfsig zu^reinigen, ist die Leitung jedes Grundstücks
mit einer selbstthätigen Spülvorrichtung versehen worden. Die Con-
struction dieser dem Ingenieur W. Rothe in Güsten patentirten
und von demselben gelieferten Vorrichtung ist bereits auf S. 122 d.
vor. Jahrg. d. Bl. durch einen Auszug aus der bezüglichen Patent¬
schrift mitgetheilt worden; sie hat jedoch einige Aenderungen erfahren
und jetzt die in
der Abbildung
dargestellte Ge¬
stalt angenom¬
men. Die Vor¬
richtung besteht
im wesentlichen
aus einem gufs-
eisernen Heber,
welcher in einem
gemauerten
oder, wie hier,
aus Gement her¬
gestellten Ka¬
sten befestigt
wird. Durch das
, p ^ . . 5° _ ly _ 15“'" Einlaufrohr a er-
giefst sich die
Jauche in die Rinne b und gelangt zum gröfsten Theil durch di-ei
über der Hebermündung angeordnete Schlitze in den Heber und durch
die untere Oeffnung c desselben in den Kasten, den sie allmählich
anfüllt. Wenn die Füllung des Kastens den Heberscheitel erreicht,
erfolgt bei weiterem Zuflusse eine plötzliche Entleerung des Kastens
in das Abflufsrohr d. Papiere, fester Koth usw. gleiten über die
Schlitze der Rinne b hinweg und gelangen unmittelbar in das Ueber-
laufrohry und durch dieses in das Ablaufrohr d. Sand und andere
schwere Sinkstofl’e fallen durch die untere Oeffnung c des Hebers
in die Vertiefung g des Kastens, aus welcher sie von Zeit zu Zeit
entfernt werden. Die aufgestaute Wassermenge, welche bei jeder
52
Centralblatt der Bauverwaltung.
1. Februar 1890.
Leerung des Kastens abgeführt wird, beträgt etwa 140 1 und bewirkt
eine so gründliche Spülung des Ablaufrohres, dafs es gelungen ist,
die Anschlufsleitungen ohne jede Spülung mit reiuem Wasser voll¬
ständig frei von Ablagerungen zu halten. Im allgemeinen werden
die Anschlüsse derartig angeordnet, dafs in das Einlaufrohr a nur
die Leitungen aus den oberen Stockwerken eingeführt werden, während
Ableitungen aus Kellerräumen unmittelbar an das Ablaufrohr d an¬
geschlossen werden. Vogdt, Stadtbaurath.
Deutselie Teciinikei* im Auslände. Der Künigl. Kegierungs-
Baumeister Aug. Jas m und war vor zwei Jahren zur Ausführung
einer Studienreise nach dem Orient aus dem preufsisclien Staatsdienst
beurlaubt worden, während welcher er u. a. in Constantinopel neben
archäologischen Studien auch die Entwurfsarbeiten und die architek¬
tonische Ausführung beim Bau eines neuen Empfangsgebäudes auf
dem dortigen Bahnhofe geleitet hat. Vor kurzem ist derselbe, nach¬
dem sein Urlaub verlängert worden, in den Dienst der türkischen
Regierung geti’eten und durch Kaiserliches Irade mit dem Amte eines
„Architecte-couseiller du Palais Iinpürial et de la Liste Oivile, Con-
seiller et Inspecteur des Tiiinisteres Irnperiaux“, sowie mit dem Amte
eines „Professeur de l’Ecole Imperiale de genie et de l’Ecole des
beaux arts“ betraut worden.
Technische Hochschule in Braunsclnveig. Besuchszifrer für
(las Winter- Halbjahr 1880/90. Die Herzogliche technische Hoch¬
schule wird im laufenden 'Winter-Semester von 241 Personen, nämlich
104 eingeschriebenen Studirenden, 55 nicht eingeschriebenen Studiren-
den und 82 Zuhörern besucht.
Nicht
eingeschr. Zuhörer
Stuclireude
8 —
Von diesen gehören
au;
Eingeschr.
Stndirende
1. der Abtheilung für
Architektur . . .
5
2. „
Ingenieurbauwesen
15
3- « :: „
Maschinenbau . .
30
4
y> 511 r
ehern. Technik . .
20
1
Pharmacie . . .
30
V> 55
allgemein bildende
Wissenschaften und Künste . . . .
4
104
5
27
15
82
55
82
159
Die in der zweiten Gruppe aufgeführteu Studirenden betreiben
ein vollständiges Fachstudium, können aber wegen der verschärften
Aufnahmebestimmuugen nicht eingeschrieben werden.
Von den 159 Studirenden stammen 49 aus der Stadt und 21 aus
dem Lande Brauuschweig, 58 aits Preufsen, je 3 aus Mecklenburg-
Schwerin, Hamburg, England und Rufsland, 2 aus Bremen, je 1 aus
Oldenburg, Sachsen -Weimar, Altenburg, Meiningen, Cöthen, Bücke¬
burg, Waldeck, den Reichslanden, der Schweiz, der Bukowina, Holland,
Nord- America, Mexico, Brasilien, Java, Japan und den Sandwich-
Inseln.
Von den 82 Zuhörern gehören 69 der Stadt und 5 dem Lande
Braunschweig an, 7 Zuhörer sind aus Preufsen und 1 aus Hamburg.
Im vergangenen Winter - Halbjahr betrug die Zahl der ein¬
geschriebenen Studirenden 86, der nicht eingeschriebenen 50 und der
Zuhörer 77; im ganzen 213 Personen. Es hat also die Zahl der ein
vollständiges Fachstudium Betreibenden um 23, die Gesamtzahl um
28 Personen zugenommen.
E. Titz f. Am 22. d. M. starb in vorgerücktem aber noch
rüstigem Alter einer der begabtesten und meistbeschäftigten Berliner
Privatbaumeister nachschinkelscher Zeit, der Architekt Eduard Titz
in Berlin. — 1820 in Reichenberg in Böhmen geboren, kam der Ver¬
storbene 1839, durch Schinkel angezogen, nach der preufsischen
Hauptstadt und trat hier in das Atelier E. Knoblauchs ein, von dem
er beim Bau der russischen Botschaft unter den Linden beschäftigt
wurde. Bald machte sich jedoch der strebsame junge Architekt
selbständig und entwickelte seit dem Jahre 1850 eine erstaunlich
rege Bauthätigkeit. Vornehmlich sind es Theater und Gebäude für
öffentliche Vergnügungen, durch die sich Titz einen Namen gemacht
hat. Berlin verdankt ihm die meisten seiner Privattheater. So er¬
baute er 1850 das ehemals Friedrich-Wilhelmstädtische, jetzt Deutsche
Theater, 1857 — 59 im Wettbewerbe mit keinem geringeren als Langhaus
das Victoria-Theater, 1864 das Wallner-Theater. Schon 1852 war das
damals abgebrannte Krollsche Etablissement von ihm wiederauf¬
gebaut und durch den noch jetzt in seiner ursprünglichen Ausstattung
erhaltenen grofsen Königssaal bereichert worden, in den 60er
Jahren rief er dort die allbekannten Weihnachtsdecorationen ins
Leben. In der folgenden Zeit entstanden mehrere kleinere Berliner
Bühnenhäuser, Concertsäle usw. sowie nicht weniger als sechs aus¬
wärtige Theater, darunter die in Gotha, Görlitz, Guben und Chemnitz.
Auf (lern Gebiete des Wohnhausbaues entfaltete der Verstorbene eine
nicht minder rege Thätigkeit. So betheiligte er sich wesentlich bei
der Anlegung und Bebauung der Dessauer und Hohenzollern-Strafse in
Berlin. Er errichtete zahlreiche Villen und Wohnhäuser in und aufser-
halb der Hauptstadt, unter denen das leider dem Reichstagshause
zum Oj)fer gefallene x'^^l^startige Wohnhaus Rudolf Hertzog in der
Sommerstrafse besonders hervorragt. Aber auch mehrere Schlösser,
Geschäftshäuser und andere Gebäude verschiedener Bestimmung,
von denen wir nur das weltbekannte Caf6 francais in Leipzig
erwähnen, rühren von Titz her. — Alle diese Werke zeugen von der
ungewöhnlichen Befähigung ihres Erfinders. Wenn sich diese ins¬
besondere auf decorativem Gebiete bethätigt hat, so hängt das viel¬
leicht mit den Aufgaben zusammen, die sich dem Künstler in der
Zeit der Vollkraft seines Schaffens boten. Aber Erfindungen wie das
Hertzogsche Wohnhaus beweisen, das dieser auch denjenigen An¬
forderungen gewachsen war, die eine hohe und strenge Architektur¬
auffassung stellt. Mit dem Mafsstabe seiner Zeit gemessen werden
mufs jedermann; und wenn der Name Titz’s unter den Neueren
seltener genannt worden ist, so wird er sicher unvergessen bleiben,
so oft die bauliche Entwicklung Berlins um die Mitte unseres Jahr¬
hunderts eine gerechte Würdigung erfährt. — d.
A. Salviati Aus Venedig erhalten wir die traurige Nachricht
von dem dort am 25. v. M. plötzlich eingetretenen Tode des auch in
der deutschen Kunstwelt mit grofser Achtung genannten Dr. Antonio
Salviati, des Neubegründers der weithin berühmten venetianischen
Glas- und Email- Mosaik- Industrie. Die Verdienste dieses Mannes
um das Kunst-Gewerbe auf dem Gebiete der Monumental-Malerei
sind bereits in früheren Aufsätzen dieses Blattes (Nr. 16 u. 17 d. J. 1889)
eingehend gewürdigt worden. Dem dort Gesagten bleibt heute nur
noch hinzuzufügen übrig, dafs die von Salviati angeregten und zu
thatkräftiger Entfaltung gebrachten Kunst-Bestrebungen der bezeich-
neten Art durch dessen Hinscheiden nach Lage der Verhältnisse nicht
mehr so leicht untergehen können. Die unter seiner theils mittel¬
baren, theils unmittelbaren Einwirkung entstandenen Glas- und Mosaik-
Fabriken in Venedig und auf der Insel Murano besitzen bereits ge¬
nügende Erstarkung zur Weiterentwicklung unter den inzwischen
von ihrem Begründer herangebildeten jüngeren Kräften. — Venedig
selbst aber hat an dem Verstorbenen unzweifelhaft einen seiner
besten Söhne und Bürger aus neuerer Zeit verloren, auf dessen Namen
die meerumspülte Lagunenstadt immer mit Stolz wird hinweisen
dürfen. P. K.
Neue Patente.
Seilbagger. Patent Nr. 50 037. Aug. Bünger in Düsseldorf. —
Das Arbeiten dieses Baggers ist ähnlich gedacht wie das der Dampf¬
pflüge. Die leeren Eimer sollen nicht durch feste Leitern oder
Schlitten geführt werden, sondern durch Seile 6, welche zwischen den
zu beiden Seiten des Canales laufenden Dampfmaschinen ausgespannt
und in der /Mitte durch einen ebenfalls von Seilen h gesteuerten.
Wagen verbunden sind. Dieser Wagen würde also die unteren
Eimertrommeln c aufnehmen, während die Dampfmaschinen selbst die
oberen Eimertrommeln a tragen.
Verlag von Ernst&Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
Nr. 5Ä-
Centralblatt der Bauverwaltung.
53
INHALT ; Festigkeit und physical. Eigenschaften der deutschen natürlichen Bau¬
steine. — Wasserversorgung holländischer Städte. — Anwendungen der graphischen
Statik. — Vermischtes: Preishewerbnug zu einem Kaiser Wilhelm-Denkmale der
Prov. Westfalen. — PreisbeWerbung um ein Wohnhaus in Quedlinburg und für die
Allgemeine Gartenbau-Ausstellung in Berlin. — Preisbewerbung für ein Kreishaus
in Euskirchen. — Preisbewerbung um ein Kreishaus in Mayen. — Preisbewerbung
um den Bau eines Stadtbades in Heilbronn. — Bücherschau.
Die deutschen natürlichen Bausteine in Bezug auf ihre Festigkeit
und physicalischen Eigenschaften.
Von Max Gary.
Wenn wir von deutschen natürlichen Bausteinen im weiteren
Sinne reden, so sind darunter aufser den Gesteinsarten, welche im
deutschen Keiche ihren Ursprung haben, alle diejenigen zu ver¬
stehen, die aus unseren Nachbarländern eingeführt und — sehr
häufig mit Unrecht — deutschen, völlig ebenbürtigen Gesteinen aus
Vorurtheil oder Unwissenheit vielfach vorgezogen werden. Zu diesen
gehören norwegische, schwedische und böhmische Granite, belgischer
Porphyr u. a., weiche vorzugsweise für Pflasterungen Verwendung
finden und von denen vielfach die Meinung verbreitet ist, dafs sie
an Wetterbeständigkeit, Festigkeit und Härte von keinem deutschen
Steine nur erreicht, geschweige denn übertrolfen würden. Dem
gegenüber haben sich allerdings seit einigen Jahren schon einzelne
Staats-Baubehörden und Stadtgemeinden bestrebt, den ausländischen
gegenüber die Erzeugnisse der deutschen Stein -Industrie mehr zur
Geltung zu bringen und ihnen zu ihrem wohlverdienten Eechte zu
verhelfen. So erläfst z. B. der Magistrat von Berlin alljährlich ein
allgemeines Ausschreiben für Pflastersteine, in welchem von allen
Bewerbern Probestücke eingefordert und der Königlichen Prüfungs-
Station für Baumaterialien in Charlottenburg zur einheitlichen Unter¬
suchung auf ihre mechanischen Eigenschaften überwiesen werden.
Dafs die in Deutschland gewachsenen natürlichen Bausteine in keiner
Weise hinter denen anderer Länder zurückstehen, beweisen am besten
diese kürzlich veröffentlichten Prüfungen, i) deren Ergebnisse dem
vorliegenden Aufsatze zu Grunde gelegt sind.
Die Versuchs-Ergebnisse der Berliner Prüfungs - Station sind in
sehr umfangreichen Tabellen zusammengestellt, welche für den Fach¬
mann und den Laien sehr viel Bemerkenswerthes bieten, aber ihres
grofsen Umfanges wegen schwer zu übersehen und für den Un¬
geübten auch nicht ganz leicht zu verstehen sind. In den Tabellen
sind die Gesteine nach ihrer Gattung und Art geordnet, und zwar
nehmen den ersten Rang unter den versteinerungslosen Felsarten,
aus denen hauptsächlich unsere Pflastersteine gewonnen werden, die
massigen ungeschichteten Gesteine, und unter diesen die Granite,
Porphyre und Augitgesteine ein, denen sich Hornblendegesteine,
Ophiolite und Trachyte anschliefsen. Von den Felsarten, die Ver¬
steinerungen führen und den'gröfsten Theil unserer Bau- und Hau¬
steine liefern, sind an erster Stelle zu nennen die Kalksteine, die
Sandsteine und Grauwacken und schliefslich die Dolomite. Alle
diese Felsarten haben ausführlichen Versuchen zu Grunde gelegen.
Es sind aus ihnen je eine Anzahl Würfel von 5 oder 6 cm Seitenlänge
mit Hülfe einer Steinsäge sauber gesehnitten, dann mittels Diamant¬
hobels auf zwei gegenüberliegenden Seiten genau parallel und eben
gehobelt und nebst einigen Bruchstücken zu Versuchen verwendet
worden, welche sich bei den meisten auf Druckfestigkeit senkrecht
zur Richtung des Lagers — und zwar im lufttrockenen, wassersatten
und ausgefrorenen Zustande — auf specifisches Gewicht, Härte und
Wasseraufnahme, auf Abnutzung, Cohäsionsbeschaffenh eit und Wetter¬
beständigkeit erstreckten. Alle Versuche sind in durchaus gleicher
Weise unter Beobachtung gröfstmöglicher Sorgfalt ausgeführt und
verzeichnet worden, sodafs die gefundenen Ergebnisse untereinander
ohne weiteres vergleichbar sind.
Auf die Ausführung der Versuche näher einzugehen, würde zu
weit führen, dagegen sollen deren Ergebnisse hier kurz be¬
sprochen werden. Die Durchsicht der umfangreichen Tabellen er-
giebt zunächst, dafs die Festigkeits-Eigenschaften der an sich gleich¬
artigen Baustoffe aufserordentlich verschieden sind. Abgesehen von
den Schwankungen, welche die einzelnen Versuche ergeben, d. h.
den Unterschieden, die zwischen der gröfsten und der geringsten
Festigkeit jeder einzelnen Würfelreihe bestehen, liegen die mittleren
Festigkeitszahlen, an lufttrockenen Würfeln ermittelt: 2)
1) Prof. Dr. Böhme: Untersuchungen von natürlichen Gesteinen.
2. Ergänzungsheft der Mittheilungen aus den Kgl. techn. Versuchs-
Anstalten. Berlin 1889. Verlag von Julius Springer.
2) Nach „Des Ingenieurs Taschenbuch, der Hütte“ (1890) be¬
wegen sich die Festigkeiten der einzelnen Gesteinsarten in anderen
Grenzen; dort findet inan:
Granite, Porphyre usw. 600 — 2000 kg auf d. qcm
Basalte . 1000 - 3000 „ „ „ „
Kalksteine . 500-1500 „ „ „ „
Sandsteine . 300 — 1800 „ „ „ „
Grauwacken .... 500 — 1500 „ „ „ „
Der „Ing.-Kalender“ giebt noch geringere Festigkeiten an, nämlich:
für Granit . 500 — 800 kg auf d. qcm
„ Kalkstein .... 400—500 „ „ „ „
„ Sandstein .... 200 — 550 „ „ „ „
1) bei Graniten zwischen 1103 und 2576 kg auf d.
qcm
2) „ Porphyren
n
1301
n
2583 „
W «
9?
3) „ Basalten
»
1664
f)
4442 „
r> ’ ' »
y>
4) „ Kalksteinen
w
235
r>
1826 „
r)' w
99
/Sandsteinen
' ” /Grauwacken
n
357
n
2063 „
« V
99
n
803
w
2252 „
» 5?
99
„ Porphyre
„ Basalte
„ Kalksteine
/Sandsteine
” \Grauwacken
Leicht begreiflicher Weise sind die Unterschiede in den Festig¬
keiten der drei ersten sehr festen Steinarten verhältnifsmäfsig ge¬
ringere als in denen der Kalk- und Sandsteine, welche je nach
Vorkommen und Entstehung weit mehr von einander ab weichen.
Während bei ersteren meist eine möglichst grofse Härte Bedingung
der Verwendbarkeit ist, der Grad der Bearbeitungs-Möglichkeit aber
erst in zweiter Linie in Betracht kommt, ist bei letzteren, die zu¬
nächst als Bausteine im Frontenbau zur Verwendung kommen, der
Grad der Bearbeitungs-Möglichkeit häufig Hauptsache, während die
Festigkeit diesem gegenüber von geringerer Bedeutung erscheint.
Durchschnittlich berechnet sich die Festigkeit
der Granite im Mittel aus 59 untersuchten Arten auf 1834 kg
„ « «28 „ „ „ 2120 „
« « «19 « « « 3111 „
« « «24 „ „ „ 1000 „
« « , « 48 „ „ „ 761 „
« « 14 « « « 1337 „
Man sieht, dafs die durchschnittliche Festigkeit aller sechs Ge¬
steinsgattungen der oberen Grenze näher liegt als der unteren,
woraus wieder hervorgeht, dafs die weitaus gröfste Mehrzahl der
Steine höhere Festigkeiten besitzt, dafs die Schwankungen in den
Festigkeiten mithin - durchschnittlich nicht so grofs sind, als es auf
den ersten Blick den Anschein hat. Da die vorstehenden Festig¬
keitszahlen sämtlich aus einer gröfseren Reihe einzelner Gesteins¬
arten hervorgegangen sind, können die mittleren Durchschnittswerthe
als genügend zuverlässig angesehen werden, sodafs man, zehnfache
Sicherheit angenommen.
Kilogramm
auf das Quadratcentimeter belasten könnte, falls die Steine in
Quadern zur Verwendung kommen. Beachtet man, dafs beispiels¬
weise die baupolizeilichen Verordnungen für den Stadtkreis Berlin
vom 15. Januar 1887
für Sandstein nur 15— 30 kg auf d. qcm
„ Kalkstein „ 25 „ „ „ „
„ Granit „ 45 „ „ „ „
« Busalt „ 75, „ „ „ „
Belastung zulassen, so ist ersichtlich, dafs die Festigkeit unserer
Bausteine zum weitaus gröfsten Theil nicht voll ausgenutzt -wird,
denn diesen Belastungen würden auch die wenigen sehr schlechten
Steinsorten mit mehr als zwanzigfacher Sicherheit genügen, den sehr
verschieden zusammengesetzten Kalkstein ausgenommen.®)
Werden die Druckfestigkeiten der aufserdeutschen Granite den
oben aufgeführten Durchschnittszahlen der Festigkeiten deutscher
Granite gegenüber betrachtet, so ergiebt sich im Durchschnitt die
Festigkeit
des böhmischen Granites . 2241 kg auf d. qcm
„ schwedischen „ 2205 „ „ „ „
„ norwegischen „ 1654 „ „ „ „
„ österreichischen „ (a. d. Donaugegend) 1556 „ „ „ „
Die letzten beiden Sorten liegen erheblich unter dem Durchschnitt.
1) Sandstein
mit
75
2) Kalkstein
99
100
3) Granit
99
180
4) Grauwacke
99
180
5) Porphyr
99
200
6) Basalt
99
300
Man sieht, dafs die Grenzen der Festigkeiten in Wirklichkeit
höher liegen, als man bisher annahm. Wie hohe Festigkeit einzelne
süddeutsche Gesteine erreichen, beweisen u. a. auch die neuerdings von
Prof. J. Bauschinger in den „Mittheilungen aus dem mech. -techn.
Laboratorium der Kgl. techn. Hochschule in München“ (18. Heft 1889.
München, Theod. Ackermann) veröffentlichten Versuche, welche be¬
sonders Elsässer und badische Porphyre umfassen.
®) Uhlands Kalender für Maschinen-Ingenieure giebt die zulässige
Belastung einzelner Gesteinsarten höher an, nämlich:
Sandstein . 20 kg auf d. qcm
Kalkstein . 30 „ « « «
Gneis und Granit ... 60 „ « « «
Basalt . 120 „ „ „ «
54
5. Februar 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Weiter unten werden wir sehen, wie sich die übrigen Eigenschaften
der einzelnen Sorten zu einander verhalten.
Gehen wir zunächst auf die Wasseraufnahme der Gesteine
näher ein, so beobachten wir in den Tabellen der Prüfungs-Station,
dafs auch die härtesten Steine noch mefsbare Mengen Wasser in
sich aufnehmen, und dafs selbst eine noch so geringe Wasser¬
aufnahme imstande ist, die Festigkeit herabzudrücken. Für diese
Thatsache hat man zwei Erklärungen. Einmal läfst sich annehmen,
dafs durch das in die Poren der Gesteine eindringende Wasser eine
Lösung des Bindemittels der einzelnen Theilchen bezw. der Grund¬
masse derselben bewirkt wird, die den Zusammenhang zu lockern
vermag, ‘1) anderseits kann angenommen werden, wie bereits
an anderer Stelle ausgesprochen, dafs das zwischen die Stolf-
theilchen gelagerte Wasser bei einem auf dieselben ausgeübten
Druck eine Abminderung der Keibung der einzelnen Theilchen be¬
wirkt und so die Ursache eines leichteren Aufgebens des Zusammen¬
hanges derselben wird.
Die Menge des Wassers, welche bis zur vollkommenen Sättigung
von den einzelnen deutschen Gesteiusarten aufgenommen wird, be¬
rechnet sich für diese im Durchschnitt aus den Tabellen der
Prüfungs- Station wie folgt.
1) Sandstein . . .
5,93 pCt. Wasseraufnahme
2) Kalkstein . . .
2,44 „
V
3) Granit ....
. 0,62 „
yi
4) Grauwacke . .
0,73 „
n
5) Porphyr . . .
0,76 „
91
6) Basalt ....
0,41 „
91
Diese Reihe zeigt, dafs die Wasseraufnahme der sechs Gesteins¬
arten im Durchschnitt abnimmt mit dem Wachsen der Druck¬
festigkeiten im lufttrockenen Zustande. C)
Bei den
aufserdeutschen
Graniten
finden wir die Wasser-
aufnahme:
des
böhmischen
Granites , .
. . . 0,46 pCt.
99
schwedischen
99 •
. . . 0,55 ,
99
norwegischen
99 •
. . . 0,70 „
99
österreichischen
99
. . . 1,05 „
Fassen wir nun die Herabminderung der Festigkeit, weiche durch
Wasserauluahme bei den einzelnen Gesteinsarten hervorgerufen wird
ins Auge, so ergiebt sich folgende Zusammenstellung.
Nr.
Gesteinsart
Durchschnittliche
Druckfestigkeit
.Wasser¬
auf¬
nahme
in pCt.
Festigkeits¬
verlust
luft¬
trocken
wasser¬
satt
absolut
in pCt.
der luft¬
trockenen
1
Sandstein . . .
761
693
5,93
i 68
8,9
2
Kalkstein . . .
1000
803
2,44
1 197
19,7
3
Granit .....
1834
1774
0,62
! 60
3,3
4
Grauwacke . .
1857
1795
0,73
62
3,3
5
Porphyr ....
2120
2036
0,76
1 84
4,0
6
Basalt .
3111
2911
0,41
200
6,4
Es ist ersichtlich, dafs die Herabminderung der Festigkeiten
durch Wasseraufnahme in keinem Verhältnisse steht zu der Gröfse
Vgl. Prof. Tetmajer: Mittheilungen der Anstalt zur Prüfung
von Baumaterialien im eidgenöss. Polytechnicum in Zürich. 1884.
1. Heft.
5) Vgl. Gary: Zur Frage der Frostbeständigkeit der Bausteine.
Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 371.
6) Zu vollständig sicheren Schlüssen berechtigen derartige Er¬
scheinungen natürlich niemals, weil die Fehler in den Mittelwerthen
infolge der zuweilen sehr erheblichen Schwankungen der Festigkeiten
und sonstigen Eigenschaften mehrerer Steinblöcke aus demselben
Bruch, aber aus verschiedenen Bänken, oder einzelner Würfel aus
demselben Block, sich nie vollständig ausgleichen werden.
der Wasseraufnahme selbst. Bemerkenswerth ist ferner die Er¬
scheinung, wie übereinstimmend sich Granit und Grauwacke in allen
Fällen verhalten und wie die verhältnifsmäfsigeFestigkeitsverminderung
bei den spröden Gesteinen mit der Höhe der Festigkeit selbst zu¬
nimmt. Dafs Sandsteine und Kalksteine diesem Gesetze nicht folgen,
kann nicht auffallen, es erklärt sich dies vielmehr aus der Zusammen¬
setzung dieser Gesteine von selbst. Die verhältnifsmäfsig hohe Festig¬
keitsabnahme der Kalksteine ündet ihre Erklärung darin, dafs ein
Theil derselben durch die Einwirkung des Wassers nicht nur erheb¬
liche mechanische, sondern auch theilweise chemische Veränderungen
erleidet, welche den Zusammenhang der kleinsten Stofftheilchen
lockern. Dafs eine Lockerung des Gefüges der einzelnen Theilchen
in den Gesteinen auch durch die Einwirkung des Frostes eintritt,
ist bereits bekannt und mehrfach nachgewiesen. Die in der Prüfungs-
Station für Baumaterialien seit Jahren angestellten und in den
Tabellen veröffentlichten Versuche reichen zwar noch nicht aus, um
zuverlässige Durchschnittswerthe zu bilden, doch bestätigen sie auch
im einzelnen die Erscheinungen, welche über die Einwirkung des
Frostes auf trockene oder nasse Steine schon lange beobachtet und
bekannt gegeben sind. Auf diese Erscheinungen hier nochmals ein¬
zugehen, würde zu weit führen.'^) .-ifc.
Bei einem Vergleiche der Versuche auf Abnutzbark'eit der
Bausteine erhalten wir wieder lehrreiche Aufschlüsse. • . '
Es ergeben nach den Tabellen der Prüfungs -Station iin' Mittel
aus allen Versuchen bei durchaus gleicher Beanspruchung: ;
1) Sandsteine . .
. . 61,7
ccm
Abnutzung
2) Kalksteine . .
. . 36,0
99
. i.;..
3) Grauwacken .
. . 10,8
99
” /
4) Granite . . .
. . 8,3
99
99 . - .
5) Basalte . . .
. . 7,3
. 1. / ; . .
99 . 4
6) Porphyre . .
. . 6,8
99
. 'i. l
99
Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dafs die Abnutzbarkeit . eines
Gesteines, also auch seine Bearbeitungs- Möglichkeit, in keinem
Verhältnifs steht weder zur rückwirkenden Festigkeit, noch zur
Porigkeit desselben, welche durch die Wasseraufnahme ausgedrückt
wird. Die Abnutzung der Granite ist eine ziemlich übereinstimmende,
deshalb zeigen auch die geprüften aufserdeutschen Granite hierin nur
geringe Abweichungen. Es ergiebt sich:
für böhmischen
Granit . . .
, 9,0 ccm Abnutzung
„ schwedischen
99 . . .
6,7 n «
„ norwegischen
99 . . .
7,8 „
„ österreichischen
99 . • .
7,7 „
Was schliefslich die in der Prüfungs - Station für Baumaterialien
in Berlin aufser den unmittelbaren Frostversuchen üblichen Versuche
auf Wetterbeständigkeit durch Beanspruchung mit verschiedenen
Säuren anbelangt, so hat diese Versuche nur ein einziges Gestein
nicht bestanden, und zwar grober Muschelkalk aus altem Material
vom Dome in Halberstadt, von dessen Thürmen der nördliche be¬
kanntlich wegen Baufälligkeit vor einigen Jahren abgetragen werden
mufste.
Vgl. Vicat: Neue Versuche über den Kalk und Mörtel. Berlin
und Posen 1825 (S. 36). Neuerdings auch: Prof. Bauschinger:
Versuche über die Frostbeständigkeit natürlicher und künstlicher
Bausteine, Mittheilungen aus dem mech.-techn. Laboratorium der
Kgl. techn. Hochschule in München. 19. Heft. 1889. Die Ergebnisse
der umfangreichen Versuche des Münchener Laboratoriums lassen
sich mit denen der Berliner Prüfungs - Station um deswillen nicht in
unmittelbaren Vergleich stellen, weil erstere mit Würfeln vorge¬
nommen wurden, die z. Th. künstlich (unter der Luftpumpe) wasser¬
satt gemacht und dann parallel zum Lager auf Druck beansprucht
wurden, während in der Berliner Anstalt die Inanspruchnahme überall,
wo nicht das Gegentheil bemerkt ist, normal zum Lager des Gesteines
erfolgte.
W asserversorgung
Ueber die Versorgung der holländischen Städte mit Wasser aus
Dünen, Heideländern und sonstigen sandigen Gebieten bringt
der im December 1889 erschienene Bericht über den Pariser Congrefs
eine bemerkenswerthe Arbeit des Ingenieurs Musquetier in Utrecht,
welche als Grundlage für die nachfolgende Zusammenstellung ge¬
dient hat.
Aufser den angegebenen Städten, welche zusammen eine Be¬
völkerung von über 1 Million umfassen, haben noch die Städte:
Rotterdam, Dordrecht, Delfshaven, Schiedam, Gouda, Kralingen,
Gorinchen, Sliedrecht, Vlaardingen, Oud-Beyerland, Groningen und
Leeuwarden besondere Wasserleitungen, welche aus Flüssen bezw.
Seen gespeist werden. Die letztgenannten Orte sind mit etwa
1/2 Million Einwohnern anzuschlagen, sodafs insgesamt etwa 1/3 der
holländischer Städte.
ganzen Bevölkerung des Landes die Wohlthaten einer geordneten
Wasserleitung geniefst.
Die nachstehenden Wasserleitungen sind fast ausnahmslos von
holländischen Ingenieuren angelegt worden. Die älteste ist diejenige
von Amsterdam-Harlem, welche bereits seit 36 Jahren im Betrieb ist;
die Mehrzahl der Leitungen ist jedoch erst in den letzten 5 Jahren
erbaut worden. Von den angeführten 20 Wasserversorgungen ge¬
hören nur 6 den betreffenden Gemeinden; die übrigen sind in Händen
von Gesellschaften, von denen einige Eigenthümerinnen mehrerer
Anlagen sind; so gehört Harlem der Amsterdamer Gesellschaft,
während Utrecht auch Besitzerin derjenigen in Hilversum, Baarn,
Soest und Bilt ist.
Die Wasserentnahme für Amsterdam-Harlem findet aus einem
St. 54.
Centräiblatt der Bäuverwaltung.
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17
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20
Amsterdam , .
Hartem , . ^
Haag . . . .
Utrecht . . .
Arnheim . . .
Leyden . . .
Maestricht . .
Nimwegen . .
Delft . . . .
Zaanstreek und Beverwyk
Herzogenbusoh
Nieuwer - Amstel
Helder
Kamp
Zütph
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Alkmaar . .
Vlies singen .
Hilversum .
Eosendaal .
Baarn und Soest
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1883
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1884
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1887
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3-25
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16 900
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1889
14
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20
in den Dünen angelegten Netze von Canälen statt, die eine Gesamt¬
länge von 24159 m haben, ebenso bezieht Haag das Wasser aus den
Dünen bei Scheveningen, Leyden aus denjenigen bei Katwyck, Delft
aus denen bei Delftland, Zaanstreek bei Wyekaan-Zee, Helder bei
Huisduinen, Alkmaar bei Bergen und Vliefsingen bei Zoutelande,
während Utrecht mit Hilversum und Baam auf das Heideland bei
Station Soest, Herzogenbusch auf dasjenige bei Rosmalen und Kämpen
auf das beiWesep angewiesen sind. Arnheim wird aus fünf Brunnen i
in den sogen. Arnhem -Broek versorgt, Maestricht aus einem Stau- I
hecken in der Maasebene, Nimwegen gleichfalls aus drei Brunnen,
Nieuwer - Amstel aus den sandigen Gebietstheilen bei Hilversum, |
Zütphen aus Quellen.
Das Wasser der Orte unter 1, 6, 10, 11, 15, 16, iO und 20 wird
durch Sand bezw. Kies und Musebein gefiltert, die übrigen Leitungen
führen ungefiltertes Wasser. Chemische Reinigung findet nur in
Delft statt, wo das Wasser aus torfigem Untergrund stammt. Das
ungefiltert verwendete Wasser enthält nur 0,024 bis 0,042 Gramm feste
Stoffe in 1 Liter, während diese z. B. bei Delft nach der Reinigung
noch 0,400 Gramm betragen; Ammoniak ist, wenn überhaupt, dann
nur in Spuren vorhanden.
Der Wasserverbrauch schwankt im allgemeinen zwischen 5 und
82 Liter auf den Kopf, die höchste Ziffer in Baarn und Soest wird durch
den grofsen Verbrauch für die öffentlichen Springbrunnen erklärt.
Die Leistungsfähigkeit der Anlagen ist durchweg ein Vielfaches des
derzeitigen Verbrauchs, .sie beträgt oft das 15 bis 20faehe desselben,
und wird voraussichtlich noch auf lange Zeit hinaus genügen. '
Die Wassermessung findet überall .mittels Wassermesser statt,
die Erhebung dagegen in sehr verschiedener Weise, mittels Abonne¬
ments, durch Zimmertarif, durch Berechnung für' 1 qm Oberfläche
oder auf Grund des Miethwerthes ; der Preis schwankt zwischen 3
und 66 Cents für 1 cbm. ‘ ’ Ask.enasv.
Die Anwendimgeii der grapMsehen
Auf dem Felde der graphischen Statik herrscht gegenwärtig eine
rege schriftstellerische, Thätigkeit. In Deutschland giebt Professor
Müller-Breslau seinem früheren Werke über diesen Gegenstand
eine völlig neue, erweiterte Form; in Frankreich hat vor kurzem
das grofse vielbändige Werk von Professor L4vy seinen Abschlufs
erlangt; in der Schweiz hat es der Nachfolger Culmanns, Professor
W. Ritter, unternommen das vom Meister unvollendete Werk
.weiter zu führen, und bereits befindet sich der zweite Theil seiner
„Anwe-ndungen“ unter der .Presse (über den ersten Theil haben wir
auf Seite 158 des vorigen Jahrganges dieses Blattes berichtet). Dafs
uns nun überdies noch ein ausübender Ingenieur einen stattlichen
Band, ebenfalls „Anwendungen“ betitelt*), auf den Büchertiseh legtj
ist gewifs ein erfreuliches Zeichen dafür, dafs diese Wissenschaft
immer noch weiter an Boden gewinnt und sich in immer breiteren
Kreisen der Praxis Eingang und Anerkennung erwirbt. Aus dem
Leben stammend und für die Anwendung bestimmt ist in der That
fast allep, was uns Koechlin, ein ehemaliger Schüler Culmanns,
in seinem Werke bietet, wie eine kurze Uebersicht des Inhaltes
zeigen möge.
Die Anfangsgründe der graphischen Statik werden als bekannt
vorausgesetzt oder nur wiederholt, soweit es gerade nothwendig er¬
scheint. So z. B. die Lehre vom Kräfte- und Seilpolygon, vom
Schwerpunkt und den Momenten ersten und zweiten Grades. Die
.Anwendungen beginnen mit der Bestimmung der äufseren Kräfte
am einfachen, vollwaiidigen Träger bei den verschiedensten Be-
festigangs- und Belastungsarten und mit Berücksichtigung des ver¬
änderlichen Trägheitsmomentes, soweit dieses die Auflagerkräfte und
Momente beeinflufst. Ebenso ausführlich werden die statisch be¬
stimmten Fachwerksformen durchgenommen. Besondere Beachtung
ist den .vom Winddruck herrührenden Spannungen geschenkt, und,
■ *) Applications de la statique graphique par Maurice.
Koechlin, ancien. 41Sve de lAcoIe polyteohnique de Zürich, ingenieur.
de la inaison Eiffel; Paris, 1889. Librairie polytechnique Baudry u. Co.,
515 Seiten Text in 80 mit -273 Abb. und 30 Tafeln. Preis 24 M.
in Uebersetznng ist ein lehrreicher Aufsatz von Friedrich Ritter*)
über die Nebenspannungen in den . Hauptträgern und in den Quer¬
trägern aufgenömmen. Auf vier Tafeln sind vollständige Kräfte¬
pläne von Fachwerken mit geraden und krummlinigen Gurtungen
gegeben, zwei weitere sind den Formänderungen derselben unter
den aufgebrachten Lasten mit Berücksichtigung des Einflusses der
Füllungsglieder gewidmet. In einem besonderen Abschnitt werden
die eisefnen Pfeiler behandelt und auf zwei Tafeln deren Bean¬
spruchung und Formänderung unter dem Einflufs seitlicher Kräfte,
namentlich des Windes, ermittelt. Es wird hier auch der- Grundsatz
erörtert, nach welchem der Verfasser, bekanntlich Berechner und
Constructeur des Eiffelthurmes, die Form der Hauptrippen dieses
grofsartigen Bauwerkes gebildet hat — so nämlich, dafs der Wind
keine Spannungen in den Füllungsgliedern erzeugt — , welche Form
sich aber nur für Pfeiler von über 60 m Höhe eignet.
Im folgenden, : umfangreichen Theil ist der elastische Bogen be¬
handelt. In der Hauptsache ist dieser Abschnitt eine Uebersetzung
von W. Ritters kleinem Werk „Der elastische Bogen, berechnet mit
Hülfe der graphischen Statik“.**) Offenbar war der Verfasser, und
wohl mit Recht, der Ansicht, dafs er diesen immer etwas schwierigen
Gegenstand kaum klarer und fafslicher darstellen könnte. Er hat
den Abschnitt aber ergänzt und erweitert durch den vollständigen
Kräfteplan eines vollwandigen Bogens mit zwei Gelenken und durch
denjenigen eines Fachwerkbogens mit drei Gelenken. Ferner sind
auf einer besonderen. Tafel die elastischen Formänderungen des
ersteren für Eigengewicht, zufällige Belastung und Wärmeänderung
ermittelt, und endlich ist der Einflufs des Windes auf den Bogen
überhaupt besprochen.
Der Abschnitt über den Balken auf mehreren Stützen wird durch
die zeichnerische Bestimmung der Pfeilerkräfte und Momente für einen
Balken veränderlichen Trägheitsmomentes eingeleitet. Im übrigen ist
*) Von Koechlin wird derselbe fälschlich dessen Bruder, Prof.
W. Ritter in Zürich,' zugeschrieben.
**) Besprochen auf Seite 16 des Centralbl. d. Bauverw. für 1887...
56
Centralblatt der Bauverwaltung.
5. Februar 1890.
die Mohr-Culmannsche Theorie wiedergegeben. Dann wird ausführ¬
lich die Durchbiegung und Beanspruchung durchgehender Balken¬
brücken während des Ueberschiebens derselben über die Pfeiler und
bei der Erstellung als freitragende Balken von den Pfeilern aus
besprochen und construirt. Ein weiterer Abschnitt, der sich diesem
sachlich nahe anschliefst, ist den verschiedenen Arten von Dreh¬
brücken gewidmet, für welche die inneren Kräfte und die Durch¬
biegung der frei schwebenden Arme ermittelt werden.
Sehr lehrreich ist auch der neunte Abschnitt, welcher die eisernen
Dachstühle behandelt. Namentlich sind es hier die Kräftepläne der
bogenförmigen Hallen mit und ohne Scheitelgelenk, welche Beachtung
verdienen (Tafel 27 und 28), also derjenigen Anordnungen, nach
welchen die berühmte Maschinenhalle und einige kleine Hallen der
Pariser Ausstellung gebildet sind. Es werden die Einflüsse senk¬
rechter und wagerechter Lasten (Winddruck) untersucht und nament¬
lich die Kräfteschnittlinien für beide Lastrichtungen ermittelt.*)
Im weiteren werden noch die Stofsdeckungen und die Mauer¬
werkspfeiler, welche im Vergleich mit ihren Gröfsenverhältnissen
erhebliche seitliche Kräfte auszuhalten haben, besprochen, also
Brückenpfeiler und hohe Schornsteine.
Aus diesen kurzen Andeutungen kann der Leser freilich kaum
die Reichhaltigkeit des Inhaltes von Koechlins Werk voll erkennen.
Der Verfasser giebt uns eine grofse Anzahl von Anwendungen der
graphischen Statik auf alte und neue Aufgaben, für welche die
Lösungen zum Theil schon bekannt waren, zum Theil aber von ihm
gesucht werden mufsten — Aufgaben, wie sie ihm wohl zum Theil in
seiner Thätigkeit als Ingenieur der Firma Eiffel aufgestofsen sein
mögen. Neue theoretische Untersuchungen lagen nicht im Zweck
*) Ueber den Bogen mit festem Auflager unter dem Einflufs
horizontaler und schiefer Lasten siehe den Aufsatz in der Schwei¬
zerischen Bauzeitung, Jahrg. 1888,^ Bd. 12 S. 98 u. 111 sowie S. 157
u. 162.
des Buches. Der Verfasser hat sich sein Arbeitsfeld vielmehr so
abgegrenzt, wie es für den ausübenden Ingenieur am naturgemäfsesten
war: er zeigt, wie sich in der Hand des geschickten Arbeiters das
vorhandene Werkzeug der graphischen Statik auf die verschiedensten
Aufgaben anwendet. Nach dieser Richtung hin bildet denn auch
sein Buch eine wesentliche Bereicherung der einschlägigen Litteratur.
Neben diesen durften natürlich, namentlich für den französischen
Leser, die Entwicklungen für die graphische Behandlung der Grund¬
aufgaben einfacher Träger, durchgehender Träger und Bogenträger
nicht fehlen. — In demselben, auf unmittelbare Anwendung hin¬
zielenden Sinne sind auch die vielen Tafeln gehalten; fast alle geben
wirkliche, durchaus fertige Kräftepläne, nach welchen unmittelbar
die Mafse der beanspruchten Theile berechnet werden können.
Blofse erläuternde Abbildungen, die nur den einzuschlagenden
Weg andeuten sollen und von welchen zu wirklichen Kräfte¬
plänen oft (namentlich für den Lernenden) noch ein weiter Schritt
ist, linden sich nicht, und man kann dem Verfasser vom Stand¬
punkte der praktischen Brauchbarkeit seines Werkes nur recht
geben, wenn er hierauf, wie er sich in der Vorrede ausspricht,
besonderes Gewicht legt. Demselben Zwecke dienen auch die viel¬
fachen, z. Th. schon mehr in den Brückenbau fallenden Notizen und
Angaben, wie z. B. die Zusammenstellungen über die in Frankreich
vorgeschriebenen, der Berechnung zu Grunde zu legenden Belastungen
für Eisenbahn- und Strafsenbrücken ; die Tabellen über Eigengewicht
derselben, über Gewichte und Trägheitsmomente von Form-Eisen usw.
Wenn nun auch das Werk Koechlins in erster Linie für den
französischen Leser bestimmt ist und sein Hauptverdienst darin be¬
steht, die bei uns heimischen zeichnerischen Verfahren den Technikern
jenes Landes zugänglich zu machen, so wird doch auch jeder deutsche
Fachgenosse dasselbe mit Nutzen in die Hand nehmen und immer
einige lehrreiche neue Anwendungen der so nützlichen und schönen
Wissenschaft linden. Es darf daher mit vollem Recht den deutschen
I Ingenieuren zur Beachtung empfohlen werden. G. M.
Vermischtes
Für Pläne zu einem Kaiser Milhelm-Denkmale der Pi’ovinz
M'estfalen auf dem Wittekindsberge der Porta Westfalica bei Minden
ist unter dem 31. v. M. ein vorbereitendes Preisausschreiben
an die deutschen Künstler erlassen worden. (Vgl. den Anzeigentheil
dieser Nummer). Aus der Bekanntmachung heben wir hervor, dafs
das Denkmal ein der Landschaft sich anpassendes Bauwerk sein
soll, welches den Gedanken des Kaiserdenkmals schon aus der Ferne
erkennen läfst und in Verbindung mit einem Bilde Kaiser Wilhelms
zu bringen ist. Für letzteres und etwaigen sonstigen bildnerischen
Schmuck des Denkmals bleibt ein besonderer Wettbewerb Vorbehalten.
In erfreulicher Weise ist hierdurch klar ausgesprochen, dafs es sich
zunächst um eine lediglich baukünstlerische Arbeit handelt, und es
wird diesem zielbewufsten Vorgehen gewifs der Erfolg nicht fehlen.
Die Ausführungssumme beträgt 600 000 Mark; an Preisen sind zwei
zu je 1500 Mark und zwei zu je 1000 Mark ausgesetzt. Zu dem aus
neun Personen bestehenden Preisgerichte gehören die Architekten
Geh. Reg. -Rath Prof. Hase in Hannover, Geh. Reg.-Rath und Conser-
vator Persius und Bauinspector Klutmann in Berlin und der
Bildhauer Prof. v. Zumbusch in Wien.
Die Preishewerbung um ein Wohnhaus des Herrn Vogler in
Quedlinburg (vgl. S. 482 d. v. J.) und der engere Wettbewerb für
die Allgemeine Gartenbau - Ausstellung in Berlin (vgl. S. 15 d. J.)
kamen in der Sitzung des Berliner Architektenvereins vom 3. d. M.
zur Beurtheilung. In der ersteren erhielt den Hauptpreis Regierungs-
Bauführer Emil Hoffmann, der zweite wurde dem Architekten
Walter Hentschel, ein Vereinsandenken dem Architekten Mös-
singer zugesprochen. — In dem engeren Wettbewerbe um die Vor¬
halle der Gartenbau -Ausstellung vor dem Mittel eingange des
Hauptausstellungsgebäudes haben sich die Preisrichter nicht ent-
schliefsen können, einen Preis zu ertheilen, obwohl in der Arbeit
des Architekten Rieth ein ausgezeichneter Entwurf vorlag. Es steht
zu hoffen, dafs der Vorstand der Gartenbau - Ausstellung die mit
Bezug auf den Kostenpunkt geltend gemachten Bedenken des Be-
urtheilungsausschusses zu theilen nicht genöthigt ist und Herrn
Rieth mit der Ausführung nicht nur seines früher preisgekrönten
Vorschlages für die künstlerische Ausschmückung des Park-Einganges,
sondern auch dieses seines Voi-hallen- Entwurfes betraut. Denn der
Name Rieths bietet die Gewähr für eine glückliche Lösung der Auf¬
gabe, auch wenn die vorliegende Skizze noch nicht in allen Einzel¬
heiten als eine solche angesehen werden sollte.
Nach der den Kreishansbau in Euskirchen betreffenden Be¬
kanntmachung im Anzeigentheile dieser Nummer ist der Entwurf
„Rheinisch“ der Architekten Schreiterer u. Schreiber in Köln
mit dem ersten Preise bedacht worden und soll gemäfs Beschlusses
des Kreistages zur Ausführung kommen. Den 2. Preis von 300 Mark
erhielten die Architekten Frejtag u. Zetzsche in Hamburg. Der
Arbeit „Glück auf“ des Architekten Richard Meis in Köln wurde
eine lobende Anerkennung und nachträglich eine Vergütung von
300 Mark zu Theil.
In der Preisbewerbung für ein Kreisständehans in Mayen (vgl.
Seite 433 des vorigen Jahrgangs d. Bl.) ist der erste Preis (500 Mark)
dem Entwurf „Nach der Väter Weise“ des Kgl. Regierungs -Bau¬
meisters Joseph Maas in Lutzerath, der zweite (250 Mark) dem Ent¬
wurf „Per laborem ad honorem“ des Architekten Gustav Lüttich in
Bonn zuerkannt worden. Im ganzen waren 23 Arbeiten eingegangen.
Preishewerbung um den Bau eines Stadtbades in Heilbronn
(vgl. S. 433 u. 446 d. v. J.). Das Preisgericht hat einstimmig be¬
schlossen, einen ersten Preis nicht zu ertheilen, vielmehr nur einen
zweiten mit 600 Mark, zwei dritte Preise mit je 400 Mark zuzuerkennen
und die noch zur Verfügung stehenden 600 Mark für den Ankauf
von drei weiteren Entwürfen zu verwenden. Den zweiten Preis er¬
hielten die Herren Regierungs-Baumeister Ernst Peters und Ingenieur
Eduard Eickhoff in Berlin, den ersten dritten Architekt Treu in
Heilbronn, den zweiten dritten Architekt Julius Braun in Leipzig.
Zum Ankauf wurden empfohlen die Entwürfe Nr. 1 („Hygieia“),
Nr. 2 („In trinitate robur“) und Nr. 16 („Quelle“).
Bücherschaii.
Die Siche i'lieits- und M^ohlfahrtseiurichtnngen auf der Jubi-
läums-Gewerbeausstellung in MJen 1888 von Max Kraft, o. ö. Pro¬
fessor an der technischen Hochschule in Brünn. Sonderdruck aus
der Zeitschrift des österreichischen Architekten- und Ingenieurvereins.
In den Berichten über die Allgemeine deutsche Ausstellung für
Unfallverhütung in Berlin 1889 im vorigen Jahrgange d. Bl. ist Ge¬
legenheit gewesen auf die österreichische Abtheilung hinzuweisen,
welche sich sowohl durch die grofse Reichhaltigkeit des Gebotenen,
wie durch die Vorzüglichkeit der vorgeführten Schutzmafsregeln und
Wohlfahrtseinrichtungen, sowie endlich durch strenge Sachlichkeit
auszeichnete. Die Ausstellungsgegenstände hatten bereits im Jahre
1888 auf der Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung in Wien die Gruppe XX:
Schutzvorkehrungen , Gewerbe - Hygiene , Arbeiter- Wohlfahrtseinrich¬
tungen gebildet und auch dort die wohlverdiente Aufmerksamkeit
der Sachverständigen gefunden. Ueber diesen Gegenstand hat Herr
Professor Max Kraft von der technischen Hochschule in Brünn den
eingehenden in der Ueberschrift bezeichneten Aufsatz veröffentlicht,
dessen Studium allen denen, welchen die Arbeiterschutzgesetzgebung
Interesse einflöfst, empfohlen werden kann. Pbg.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Kcdaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
57
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 8. Fehrnar 1890. Nr. 6.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.7 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark.
DiHALT: Amtliches: Gerichtsbauten in Kattowitz 0. Schl. — Römischer See¬
canal. — Sicherung eines Eisenhahndammes durch Entwässerungsstollen. — Kraft-
versorgung durch Druckluft in Paris (Schlufs). — Ueber Profilmafsstäbe. — Ver¬
mischtes; Messung der Durchbiegung eiserner Brücken. — Vorstand des Archi¬
tektenvereins in Berlin für das Jahr 1890. — Preisrichter- Gutachten über die Wett-
bewerbung zur Erlangung von Plänen für eine evangelische Garnisonkirche in
Strafsburg i. E. — Preisbewerbung für den Neubau einer Turnhalle des Oldenburger
Turnerbundes. — Deutsche Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren in
München. — Schutzvorrichtung gegen das Herabstürzen beim Fensterpntzen. — Be¬
such der technischen Hochschulen des deutschen Reichs.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den nach¬
benannten Beamten die Evlaubnifs cur Annahme und Anlegung der
ihnen verliehenen nichtpreufsischen Ordens - Insignien zu ertheilen,
und zwar des Ritterkreuzes I. Klasse des Königlich Sächsischen
Albrechts-Ordens: dem Regierungs- und Baurath Wer nich, Director
des Königlichen Eisenbahn - Betriebsamts (Breslau - Tarnowitz) in
Breslau; des Komthurkreuzes des Grofsherzoglich Mecklenburg-
Schwerinschen Greifen-Ordens: dem Geheimen Regierungsrath Rock,
Mitglied der Königlichen Eisenbahndirection in Berlin, und des
Ehrenkreuzes desselben Ordens: dem Regierungs- und Baurath Klose,
Director des Königlichen Eisenbahn-Betriebsamts in Stralsund, sowie ^
des Ritterkreuzes I. Klasse des Herzoglich Sachsen - Ernestinischen
Hausordens: dem Eisenbahndirector Lochner, Mitglied der König¬
lichen Eisenbahndirection in Erfurt.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Reichenbach in Obomik
ist zum Königlichen Kreis -Bauinspector ernannt und demselben die
Kreis -Bauinspectorstelle daselbst verliehen worden.
Der Kreis -Bauinspector, Baurath Winterstein in Höxter ist
am 1. Februar d. J. in den Ruhestand getreten.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeister Philipp
Gasteier ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste
ertheilt worden.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die neuen Gerichtsbauten in Kattowitz in Oberschlesien.
Die Stadt Kattowitz, noch bis zum Jahre 1840 ein dürftiges
slavisches Bauerndorf, kaum genannt aufserhalb des landräthlichen
Kreises, etwa eine Wegstunde von der russischen, zwei von der
österreichisch -galizischen Grenze entfernt, nahm infolge des Auf¬
blühens des oberschlesischen Gruben- und Hüttenbetriebes und
der damit zusammenhängenden Entwicklung des Eisenbahnver¬
kehres in den fünfziger Jahren
dieses Jahrhunderts einen aufser-
ordentlichen Aufschwung. Vor dem
Jahre 1871 noch ohne eigene Ge¬
richtsstelle, hat der erst 1867 zur
Stadt erhobene Ort jetzt bereits
bei einer Einwohnerzahl von über
15 000 Seelen ein Amtsgericht, an
dem sieben Richter thätig sind.
Die Unzulänglichkeit der bisher
für letzteres sowie zur Unter¬
bringung von Gefangenen von der
Stadt angemietheten Räumlich¬
keiten erheischte die Ausführung
neuer fiscalischer Gebäude für den
gedachten Zweck. Dieselben werden,
da ein geeigneter Platz im Innern
der zwischen der Eisenbahn und
dem Industriebezirke lang hin¬
gestreckten Stadt nicht zu erwerben
war, aufserhalb derselben jenseit
der Bahn, hoch und frei gelegen,
in einer Gegend errichtet, welche
für eine spätere Städter Weiterung
zunächst ins Auge gefafst ist.
Nach dem Lageplane (Abb. 1)
umfafst die Anlage aufser dem
Gescbäftsgebäude des Amtsgerichts das Männergefängnifs mit zuge¬
hörigem Thorhause, Wirthschaftsgebäude und einem Arb eits schuppen,
ferner das Weibergefängnifs mit Wirthschaftsgebäude und schliefslich
an der Landstrafse, in Vorgärten gelegen, zwei Beamtenwohngebäude
für den Gefängnifsinspector und vier Aufseher mit den zugehörigen
Stallungen.
Bei Bemessung der Gröfse des Geschäftsgebäudes (Abb. 4 u. 5)
ist auf eine Vermehrung der zur Zeit thätigen sieben Richter auf
deren acht, sowie auf die Einrichtung einer Strafkammer ent¬
sprechend gerücksichtigt worden. Das Gebäude enthält im Keller-
geschofs die Wohnung des Hauswarts, Räume für die Standesamts¬
register und für die Centralheizung. Unter der einen der im Erd¬
geschosse belegenen Gerichtsschreibereien ist ein besonderer, abge¬
schlossener Zugang zur inneren Nebentreppe angelegt zum Zwecke
der Vorführung der Gefangenen
von den Gefängnissen her. Eine
Berührung der dem Publicum zu¬
gänglichen Flure findet dabei nicht
statt. Im Erdgeschofs (Abb. 5)
sind die für die Gerichtskasse, das
Katasterbureau , das Grundbuch¬
amt und zwei Richter erforderlichen
Räumlichkeiten vorgesehen. Das
I. Stockwerk dient zur Aufnahme
von weiteren vier Richtern nebst
zugehörigen Gerichtsschreibereien
und einigen Nebenräumen. Im
II. Stock endlich finden sich
der 8 m tiefe und 13 m lange
Schöffensaal, welcher später zu¬
gleich als Strafkammersaal dienen
soll, und im Anschlufs daran das
Berathungszimmer angeordnet. Die
übrigen Räume des zweiten Stock¬
werks sind zur Aufnahme des Staats¬
anwalts und des Amtsanwalts, der
zwei Civilprocefsrichter und der
Rechtsanwälte bestimmt.
Den inneren geschäftlichen
Verkehr soll neben der an den
Haupteingang sich anschliefsenden
stattlichen Treppe die nach dem Hofe gelegene steinerne Wendel¬
treppe vermitteln.
Die Geschofshöhen betragen von Fufsboden zu Fufsboden ge¬
messen: für den Keller theils 3,30 m, theils 2,80 m, für die übrigen
Geschosse je 4,30 m; nur für den Schöffensaal ist durch Einbau in
den Dachboden eine gröfsere Höhe erreicht. Die Keller, Vorhallen,
Treppen und Flure sowie die Kassen- und Grundbuchräume werden
überwölbt, im übrigen sind Balkendecken vorgesehen; die Treppen
A. Sch. Arteitsschuppen. Th. Gb. Thorgebäude. W. Gb. Wirthschaftsgebäude.
B. W. Beamten-Wohnhäuser. St. Stallungen.
Abb. 1. Lageplan der Gerichtsbauten in Kattowitz.
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Centralblatt der Bauverwaltuug,
8. Februar 18D0.
werden durchweg aus Granit hergestellt. Zur Erwärmung des Ge¬
bäudes ist eine Warmwasserheizung in Aussicht genommen. Die
steilen Dächer sollen in Holz gezimmert und mit blaugrauen glasirten
Biberschwänzen eingedeckt werden. Für die Gestaltung der Fronten
sind die Formen der deutschen Frührenaissance in einfacher Fassung
gewählt; die Architekturtheile werden in graurothem Sandstein aus
dem Glatzer Gebirge ausgeführt, die Zwischenflächen mit dunkel-
rothen ganzen Ziegeln bekleidet.
Das Männergefängnifs (Abb. 2 und 3) ist unter Anlehnung
au die neueren derartigen Gebäude ent¬
worfen. Es enthält vier Geschosse und ist
nicht unterkellert. Es wird Raum für 160 Ge¬
fangene bieten, von denen nur 24 in gemein¬
schaftlicher Haft untei’gebracht werden. Die
Breite der Einzelzellen ist zu 2,20 m, die Tiefe
zu 3,50 angenommen. Die Schlafzellen für
die am Tage im Arbeitsschuppen und in den
Höfen beschäftigten Gefangenen sind dagegen
nur 1,34 m breit und 3,30 m tief. Die Ge-
schofshöheu betragen von Fufsboden zu
theile der Betsaalfront graurother Sandstein gewählt. Die steilen
Dächer werden in derselben Weise wie die des Gerichtsgebäudes
eingedeckt. Die Möglichkeit einer späteren Erweiterung des Ge¬
bäudes ist bei der Anordnung desselben auf der zur Verfügung
stehenden Baustelle berücksichtigt.
Das Weibergefängnifs hat nur zwei Stockwerke über dem
Erdgeschofs erhalten und ist zur Aufnahme von 40 Weibern einge¬
richtet; im übrigen schliefst sich seine Durchbildung und Ausstattung
genau dei’jenigen des Männergefängnisses an.
Der Kostenanschlag schliefst für die ganze Anlage
mit 775 000 Mark ab, wovon auf
1. das Geschäftsgebäude . 231 000
2. das Männergefängnifs . 270 000
3. das Weibergefängnifs . 72 000 „
4. alle Nebengebäude zusammen . . . 148 500 „
^ 5. die Nebenanlagen . 53 .500 ..
•v-
T. Tonucuraum.
Z. Zellen.
St.Z. Strafzelle. Schl. Z. Scblafzelle.
W. Wärter. V. Verfügbar.
Ut. Utensilien. A. S. Abgen. Sachen.
V. R. Vorrathsrauiu.
H. R. Heizraiun.
Abb. 2. Männergefängnifs.
Erdgeschofs.
Fufsboden je 3,20 m. Der genaue Rauminhalt
der Einzelhaftzellen stellt sich danach auf je
21,87 cbm, derjenige der Schlafzellen auf je
12,55 cbm. Der au den Haupteingang sich
anschliefsende Flügel enthält die Aufnahme-,
Lager-, Verwaltungs- und Krankenräume und
im III. Stockwerke den Betsaal, dessen Grundrifsabmessungen (12,62
zu 8,26 m) eine gröfsere Höhe für diesen Bautheil bedingten. Die
Bodenräume, die Schule und die Arbeitsräume haben ihren Platz
über der Mittelhalle erhalten. Alle Räume, mit Ausnahme des Bet¬
saales, werden überwölbt, letzterer erhält eine sichtbare Balkendecke;
die Fufsböden der Zellen werden im Erdgeschofs massiv, in den oberen
Geschossen jedoch als Dielung hergestellt. Die inneren Flurgalerieen
erhalten einen Monier-Plattenbelag auf I- Trägem. Die Erwärmung
des von einem Punkte zu übersehenden Flures soll durch eine Luft¬
heizung, die der übrigen Räume durch eine Warmwasserheizung von
der Mittelhalle aus erfolgen; für den Betsaal und alle seltener benutzten
Räume ist eine Beheizung durch Oefen vorgesehen. Für die Fronten
ist rother Verblendstein, für die Sohlbänke' und einige Architektur-
Abb. 3. MännergefärLgnifs.
Schnitt durch den Zellenflügel.
entfallen. Als Einheitspreise ergeben sich dabei für das Geschäfts-
gebäude 306,6 Ji auf 1 qin und 18,4 Jl auf 1 cbm, für das Männer¬
gefängnifs 253 bezw. 19,2 Jl, für das Weibergefängnifs 179,5 bezw.
18,3 Mark. Mit der Bauausführung, welche am 1. April 1888 be¬
gonnen hat und einen Zeitraum von drei Jahren in Anspruch nehmen
wird, ist unter Oberleitung des Regierungs- und Bauraths Laessig
der Königliche Kreis-Bauinspector Posern in Plefs betraut, welchem
für die besondere Bauleitung die Königlichen Regierungs-Baumeister
Killing und Schramke zugewiesen sind. Die Entwurfbearbeitung
erfolgte auf Grund der im Ministerium der öffentlichen Arbeiten
aufgestellten Skizzen gleichfalls durch den Kreis - Bauinspector
Posern unter Hülfeleis.tung des letztgenannten Regierungs - Bau¬
meisters.
Der Römische Seecanal.
Auf Seite 384 des Jahrgangs 1885 d. Bl. ist eines Entwurfs
Erwähnung gethan, der Rom mit dem Meere durch einen für See¬
schiffe benutzbaren Canal in Verbindung setzen wollte. Es war dies
einer der zahlreichen Pläne, die seit der Vereinigung Roms mit dem
Königreich Italien aufgetaucht, von der öffentlichen Meinung freudig
begi’üfst, aber bald als unausführbar erkannt und wieder in Ver¬
gessenheit gerathen sind. Ein anderer Entwurf, der vom Ingenieur
F. Oberholtzer bereits vor einigen Jahren bearbeitet und neuer¬
dings den Behörden zur Prüfung vorgelegt worden ist, hat letzthin
auch in deutschen Zeitungen von sich reden gemacht, ohne dafs
jedoch ernstliche Anstalten zur Verwirklichung des von ihm ver¬
tretenen Gedankens getroffen wären. Nach der Beurtheilung, welche
der vom Verfasser in den letzten Sitzungen des Ingenieur- und
Architekten -Vereins in Rom vorgelegte und näher erläutei'te Plan
bei den ausführlichen Verhandlungen erfahren hat, dürfte auch wohl
kaum auf eine solche Verwirklichung zu rechnen sein.
Oberholtzer wählt als Ausgangspunkt für den Canal eine Stelle
der Küste im Süden der Tibermündung, die von den Anlandungen
des Flusses nicht mehr berührt wird und seit altrömischer Zeit sich
unverändert erhalten hat. Als Endpunkt des Canals bei Rom ist
von ihm eine weite Fläche neben der Tiber, dicht unterhalb der
Basilika S. Paolo in Aussicht genommen. Diese beiden Punkte
sollen nach seinem Plane mit einander in gerader Linie verbunden
werden, welche den Strom mehrfach kreuzt und in dem rechts¬
seitigen Hügelland einen langen Einschnitt bis zu 50 m Tiefe nöthig
machen würde. Der Querschnitt ist übermäfsig grofs angenommen:
auf 10 m Tiefe, 40 m Sohlen- und 80 m Spiegelbreite. Obgleich die
Länge des Canals nicht ganz 20 km beträgt, würden doch mindestens
60 Millionen Cubikmeter Boden zur Ausschachtung gelangen. Die
voraussichtlichen Kosten werden vom Verfasser zwar nur auf
88 Millionen Franken angegeben, dürften sich jedoch nach anderen
Annahmen auf mindestens 100 bis 120 Millionen belaufen. Auch
wenn dieselben durch Wahl einer günstigeren, die Höhenunterschiede
besser berücksichtigenden Linie und kleinerer, für Handelsschiffe
ausreichender Abmessungen erheblich vermindert werden sollten,
sprechen doch immer noch gewichtige Bedenken gegen diesen Ent¬
wurf. Ebbe und Fluth sind an der Tibermündung so gering, dafs
die schwache, höchstens 26 cm hohe Fluthwelle bei ihrem Einlauf in
Centralblatt der Bauverwaltung.
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h. 6.
den Canal nur geringe Bewegungen in der grofsen Wassermasse
desselben verursachen würde. Sein Salzwasser erhält aber nicht
unbeträchtliche Zuflüsse von unreinem Süfswasser aus den vom Canal
gekreuzten Wasserläufen des römischen Hügellands und aus dem
Sickerwasser der Einschnitte. Man befürchtet nun, dafs das nahezu
stehende Wasser des Canals infolge dieser Verunreinigungen Ursache
zur Erzeugung von
Malariafieber werden
könne. Auch die Spü¬
lung mit Tiberwasser,
das zuvor in Klär¬
becken von seinen
gröbsten Beimengun¬
gen zu befreien wäre,
kann hierin wenig
bessern, da angeblich
erfahrungsmäfsig
durch die Vermi¬
schung von See- mit
Flufswasser in den
heifsen Monaten stets
Fieber hervorgerufen
werden soll. Der Ein¬
wand Oberholtzers,
dafs die Aerztliche
Akademie in Rom
gegen seinen Entwurf
aus Gesundheitsrück¬
sichten nichts zu er¬
innern gefunden habe,
da nicht das Wasser,
sondern der Boden
Träger der Fieber¬
keime sei, fand bei
jenen Verhandlungen
wenig Anklang.
Recht bedenklich
erscheint, dafs der
Wasserspiegel des
Canals und des Hafens
in nächster Nähe der
Tiber 5m unter deren
niedrigstem und mehr
als 12 m unter ihrem
höchstem Stand liegen
würde. Da die zu
durchschneidenden
Bodenschichten theil-
weise zum Ausfliefsen
neigen, so würde an verschiedenen Stellen das Canalbett künstlich
befestigt werden müssen. Eine genügende Sicherung der Sohle
des Hafenbeckens, die nach dem Entwurf über 22 m tiefer als
das Hochwasser des in geringer Ent¬
fernung vorbeifliefsenden Stromes an¬
zulegen wäre, wurde von einem, dem
Anscheine nach mit den Bodenverhält¬
nissen genau vertrauten Redner für
kaum möglich gehalten. Ueberhaupt
dürfte die Herstellung eines schleusen¬
freien Canals schon deshalb wenig
zweckmäfsig sein, weil die zur Anlage
des Hafens bei Rom allein in Frage
kommenden Ländereien etwa 12 m
über dem mittleren Meeresspiegel ge¬
legen sind.
Noch gröfsere Schwierigkeiten
bietet die Umgestaltung der Tiber
selbst zu einer für Seeschifie brauch¬
baren Wasserstrafse. Von dem jetzigen
Flufshafen Ripagrande in Rom bis
zur Ausmündung des für kleine Küsten¬
fahrzeuge zugänglichen Armes bei
Fiumicino besitzt der Strom mit seinen
zahlreichen Krümmungen eine Längen¬
entwicklung von etwa 37,5 km, die
nach verschiedenen Vorschlägen mit Hülfe von Durchstichen auf
24 km abgekürzt werden soll. Bei Niedrigwasser würde alsdann
das Gefälle etwa 1 : 5000, bei Mittelwasser 1 : 3300 und bei Hoch¬
wasser nahezu doppelt so viel betragen. Da die Hochfluthen grofse
Massen von Sinkstoffen mit sich führen, wird es schwerlich
angängig sein, eine Fahrrinne von genügender Tiefe in brauch¬
barem Zustand zu erhalten. Auch die Anlage und Offenhaltung
eines für tiefgehende Handelsschiffe zugänglichen Hafens im Schlick¬
gebiet der Tibermündung ist eine Aufgabe, deren Lösung in be¬
friedigender Weise nicht zu bewirken sein möchte.
Da alle bisherigen Pläne für die Seeschiffahrt-Verbindung Roms
entweder den Ausbau der Tiber oder den Neubau eines schleusen¬
freien Canals in Aus¬
sicht genommen ha¬
ben, so bleibt die
Frage einstweilen
noch unentschieden,
ob und wie die Haupt¬
stadt Italiens mit dem
nur 20 km entfernten
Meere in eine für
grofse Handelsschiffe
benutzbare Verbin¬
dung gebracht werden
kann. Auch abge¬
sehen von dieser ge¬
ringen Entfernung
und dem geringen
Höhenunterschiede
liegen die Verhält¬
nisse für den Bau
eines Seecanals gün¬
stig, ungleich günsti¬
ger als für den in
diesem Blatte letzthin
besprochenen See¬
canal nach Berlin.
Die Bodenbeschaffen¬
heit des unteren Tiber¬
thals macht nur ver-
hältnifsmäfsig kleine
Erdarbeiten in durch¬
weg leicht zu bear¬
beitenden Boden nö-
thig. Die vom Canal zu
berührenden Grund¬
stückebesitzen keinen
grofsen Werth. Stra-
fsen und Wasserläufe
werden nur wenige
gekreuzt. Die einzige,
allenfalls zu überfüh¬
rende Eisenbahn von
Rom nach Fiumicino
hat keinen nennens-
werthen Verkehr und wird denselben nach Anlage des See¬
canals wohl ganz verlieren. Speisewasser läfst sich in genügender
Menge leicht gewinnen. Der Bau des Mündungshafens findet keine
besonderen Schwierigkeiten, wenn
man nur weit genug von dem
Schlickgebiet der Tiber entfernt bleibt.
Voraussichtlich würden die Kosten
der Ausführung wenig mehr als die
Hälfte der von Oberholtzer veran¬
schlagten Summe betragen, wenn der
Canal nach ähnlichen Grundsätzen
entworfen wird wie der Berliner See¬
canal.
Die Schwierigkeiten der Frage
liegen also nicht auf dem technischen,
sondern auf dem wirthschaftlichen
Gebiet. Wären in Rom einigermafsen
gesunde Keime des Grofsgewerbes vor¬
handen, so erschiene das Opfer nicht
zu schwer, eine zunächst schlecht ver¬
zinsende Wasserstrafse herzustellen,
die sich mit der Zeit durch den wirth¬
schaftlichen Aufschwung der Stadt
reichlich bezahlt machen würde.
Leider fehlt es aber vollkommen an
den Ansätzen des Grofsbetriebs von
Gewerbe und Handel; und die Bedingungen für eine gedeihliche
Entwicklung fehlen gleichermafsen. Der einzige unweit Roms ge¬
wonnene Rohstoff, der sich zur Ausfuhr eignet, ist Puzzolanerde.
Alles andere mufs man erst in die Stadt schaffen, die zur Ver¬
arbeitung kommenden Stoffe sowohl als auch die Kohlen zur Ge¬
winnung der Dampfkraft. Obendrein sind die Arbeitslöhne infolge
Abb. 4. Holzstich v. O. Ebel, Berlin.
Abb. 5. Erdgeschofs.
Geschäftshaus für das Amtsgericht iu Kattowitz.
8. Februar 1890,
60
Centralblatt der Bauverwaltung-.
der hohen Preise für Wohnungen und Nahrungsmittel bedeutend
theurer als in allen Orten, mit denen Rom in Wettbewerb treten
müfste.
Sehr nachtheilig erweist sich hierbei, dafs die Arbeitskräfte nicht
aus der im Sommer unbewohnbaren Umgegend genommen werden
können, und dafs die hauptsächlich als Viehweide benutzten aus¬
gedehnten Ländereien des sogenannten Agi-o romano den römischen
Markt nicht derart versorgen, wie es bei einer zweckmäfsigen Be-
wirthschaftung möglich wäre. Falls die Bestrebungen der Regierung
zur Besserung dieser Zustände den gewünschten Erfolg haben, so
würde hierdurch gleichzeitig ein wichtiger Schritt für die gewerbliche
Entwicklung der Hauptstadt vorwärts gethan sein. Ein weiterer
Schritt von gröfster Bedeutung wäre die Ausnutzung der reichen
Wasserkräfte des römi sehen Berg- und Hügellands, womit die im
Bau befindliche Anlage zur elektrischen Beleuchtung Roms aus einer
bei den berühmten Wasserfällen von Tivoli hergestellten Kraftquelle
einen kleinen Anfang macht. Aber auch hierzu sind viele Millionen I
erforderlich, deren Verzinsung zunächst ungewifs ist, weil die Mög¬
lichkeit der Verwendung erst geschafi’en werden mufs.
Wenn die italienische Regierung einer Canalgesellschaft durch
jährliche Zuschüsse zu den Betriebseinnahmen eine angemessene
Rente der Bausumme gewährleistet, so thut sie schliefslich für die
Hau])tstadt nur dasselbe, was sie durch die jährlichen Zuschüsse an
die Eisenbahngesellschaften für diejenigen Landestheile thut, in denen
der Bau und Betrieb schlecht verzinsender Bahnlinien sonst nicht
möglich gewesen wäre. Obgleich der wirthschaftliche Nutzen eines
Römischen Seecanals keineswegs zweifellos ist, erscheint daher seine
Ausführung doch wohl denkbar, wenn nur erst an die Stelle der
bisherigen ins blaue hinein gearbeiteten Pläne ein Entwurf tritt, der
auf dem festen Boden der Thatsachen eine für die Handelsschiffahrt
ausreichende Wasserstrafse herzustellen trachtet mit mäfsigen Mitteln,
die zu den voraussichtlichen Vortheilen in einem angemessenen Ver-
hältnifs stehen.
Rom, im Januar 1890. H. Keller.
Sicherung eines Eisenhahndainines durch Entwässerungsstollen
Die in den .Jahren 1884 — 86 erbaute Linie Hadamar -Westerburg-
Altenkirchen der Westerwaldbahn befindet sich auf eine erhebliche
Länge ihrer südlichen Hälfte in der Basaltformation des Wester¬
waldes und kommt daselbst auch mit einigen Thonlagern in Be¬
rührung. Ein solches, zwischen Km. 24,4 und 24,5 kurz vor der
Station Willmenrod belegen, ist einem darüber geführten Damme
verhängnifsvoll geworden, hat der Bahnunterhaltung längere Zeit
Schwierigkeiten bereitet und schliefslich umfassende Sicherungs¬
arbeiten nöthig gemacht. Wie beistehender Lageplan (Abb. 1)
zeigt, überschreitet der fragliche Damm eine kleine Thalsenke nalie
ihrer Ausmündung in das breitere Elbbachthal, dem die Eisenbahn
mit einer ziemlich erheblichen Steigung (vielfach 1 ; 50) aufwärts
folgt. Die Seiten des Nebenthaies endigen gegen das Hauptthal mit
zwei steileren Köpfen, wo Fels, theils Basalt, theils Basaltlava und
Tuff zu Tage tritt. Der Grund des ansteigenden, sich nach oben
verflachenden Seitenthaies besteht in etwa 2 m Tiefe unter der Ober¬
fläche aus einem Thonlager von erheblicher Mächtigkeit. Vor
Schüttung des Dammes ist dies nieht bekannt gewesen, und es waren
deshalb auch keine Vorkehrungen gegen Rutschung desselben auf
dem Thonlager getroffen worden. Als die Schüttung von der West¬
seite her bis etwa zur Mitte des Thaies vorgeschritten war, begannen
sich vor dem nördlichen Böschixngsfufse Auftreibungen der Boden-
obei-fläche zu zeigen. Daraufhin vorgenommene Bodenuntersuchungen
stellten das mit der Thalsöhle ansteigende Thonlager fest, auf dem
die Dammschüttung theilweise langsam rutschte. Obwohl nun, soweit
es der Stand der Erdarbeiten noch zuliefs, durch Herstellung von
Rigolen für möglichste Entwässerung der Rutschfläche Sorge getragen,
auch die thalabwärts gelegene Dammböschung durch Verbreiterung
erheblich flacher gelegt wurde, kam der Damm, welcher wegen der
Kürze der bis zur Eröffnung der Bahn noch zur Verfügung stehenden
Zeit rasch fertiggestellt werden mufste, nicht zur völligen Ruhe. Das
Bahnplanum sank vielmehr nach zeitweiligem Stillstand langsam
weiter, und nach der im October 1886 erfolgten Inbetriebsetzung
der Strecke erforderte das Geleis regelmäfsigj starkes Anstopfen,
um in betriebsfähigem Zustande erhalten zu werden. Allmählich
hörte zwar das Weiterschieben des Böschungsfufses auf, nicht aber
das Einsinken des Planums, und es wurden nun die Massen etwa in
der Mitte der nördlichen Böschung in breiten Ausbauchungen in die
Höhe geprefst. Es schien sich dadurch diejenige Stelle anzuzeigen,
wo von einem angebrachten Gegendruck eine günstige Wii-kung
erwartet werden konnte. Wirklich hatte auch eine dort vorgenommene
belastende Anschüttung einigen Erfolg, doch nicht von längerer
Dauer. Nach einem zeitweiligen Stillstände sank das Planum mit
dem Geleise wieder in bedenklicher Weise tiefer. Inzwischen war
auch ein gemauerter Durchlafs a b, welcher das auf der Thalsohle
herabfliefsende und das dui’ch die Entwässerung der Felder in einem
bedeckten Canal zusammengezogene Wasser unter dem Damme
hinwegführte, durch die Bewegung desselben zu Bruche gegangen.
Die zur Ofl'enhaltung noch zeitig genug vorher durchgesteckten
eisernen Röhren nutzten zur Durchführung des Wassers bald auch
nichts mehr, weil sie durch den Längsschub auseinandergezogen
worden waren und nun das Wasser in den Untergrund laufen liefsen,
wodurch wieder eine ganz wesentliche Verschlechterung desselben
eintreten mufste. Ein grofser Theil des abzuführenden Wassers
konnte zwar durch eine anderweitige Ableitung fern gehalten werden,
indem der wasserführende Canal von einem höher oben im Thale
belegenen Punkte c aus seitlich geführt, alsdann mit schwachem
Gefälle der Neigung des Geländes folgend zum Westende d des
Dammes geleitet und dort mittels eines Rohres durehgeführt worden
war. Durch alle diese Mafsnahmeii konnte aber kein dauernder
Erfolg erzielt werden, und es ging aus dem ganzen Verhalten des
Dammes sowie allen sonstigen Erscheinungen hervor, dafs es nöthig
war, sowohl das bereits eingedrungene Wasser, dem der Abflufs
fehlte, abzuzapfen, als auch das dem Damm noch zufliefsende Wasser
auf dem kürzesten Wege abzuleiten, endlich die Rutschfläche und
den Untergrund auf möglichst grofse Tiefe trocken zu legen und
daselbst auch für dauernde Trockenhaltung zu sorgen. Es wurde
deshalb seitens des Königl. Eisenbahn-Betriebsamtes Neuwied die
Ausführung einer für diesen Fall schon früher in Aussicht genommenen
ausgedehnten Entwässerungsstollen-Anlage verfügt. Die Bearbeitung
des zur Ausführung gekommenen Entwurfes erfolgte durch den
Unterzeichneten von den genannten Gesichtspunkten aus. Ein tief
liegender Haujotstollen e f von 1,25 m unterer und 0,70 m oberer
Lichtweite und 1,70 m Lichthöhe, sowie mehrere von diesem
abzweigende, nach der Rutschfläche aufsteigende Seitenstollen von
1,20 m unterer und 0,80 m oberer Lichtweite bei 1,20 m Lichthöhe
suchen möglichst viele Wasseradern zu durchschneiden und abzu¬
fangen, namentlich auch diejenigen Wasseransammlungen zu erreichen,
welche in der Nähe des geborstenen Durchlasses wegen mangelnden
Abzuges entstanden waren. Gleichzeitig liaben die Stollen, welche
mit Steinen ausgepackt worden sind, für Austrocknung und Trocken¬
haltung des Untergrundes in möglichst grofser Ausdehnung zu wirken.
Wesentlich unterstützt wird diese Trockenhaltung, namentlich die
der Rutschfläche selbst, durch eine tiefe und breite Rigole g h, welche
oberhalb des Dammes und etwa gleichlaufend mit ihm bis unter die
Oberfläche des Thonlagers in den Boden eingeschnitten ist. Alles
gegen den Damm hinfliefsende Wasser wird so, bevor es ihn erreicht,
durch die Rigole abgefangen, welche es nach dem brunnenartigen
Abfallschacht f am oberen Ende des Hauptstollens abgiebt. Von
dort erfolgt die Weiterführung und gänzliche Ableitung mittels eines
0,50 m weiten eisernen Rohres, welches in den Hauptstollen verlegt
ist und ihn der ganzen Länge nach durchzieht. Dieses Rohr nimmt
mittels des Einfallbrunnens auch den ursprünglich vorhanden gewesenen
Wasserabflufs aus der Thalsohle auf.
Die leitenden Gesichtspunkte verlangten es natürlich, dafs die
Stollen in den gewachsenen Boden selbst und nicht etwa nur in die
Dammmasse zu treiben waren, dafs die Stollen aber auch in die
Rutschfläche selbst einschneiden mufsten. Diese letztere Aufgabe
übernehmen die abzweigenden Seitenstollen. Für den Hauptstollen
mit dem Durchlafsrohr mufste möglichst sichere Lage eine Haupt-
rücksicht bilden, weshalb er mit mäfsiger Sohlenneigung tief in den
gewachsenen Boden gelegt wurde. Es verband sich mit dieser Lage
von selbst der Vorth eil einer tiefgreifenden Untergrund-Entwässerung.
Im übrigen ist die Lage durch die örtlichen Verhältnisse ziemlich
gegeben gewesen.
Die Herstellung der Stollen konnte ohne Getriebezimmerung
erfolgen, doch war durchweg Holzausbau erforderlich, in den Seiten¬
stollen schon deshalb, weil sie ihrem Zweck entsprechend gröfsten-
theils das weniger standfähige Gebirge durchsetzten. Für den Haupt¬
stollen war ein kräftiger Holzausbau mit Rücksicht darauf nöthig,
dafs er längere Zeit, nämlich bis zur Vollendung sämtlicher Seiten¬
stollen in druckhaftem Gebirge offen gehalten werden mufste. Dieses
Gebirge, reiner Thon, war frisch angebrochen recht standfähig, kam
aber, zumal in den etwas feuchteren und mit sandigen Schichten
durchsetzten Theilen, bald in langsame, aber unaufhaltbare Bewegung
und übte dabei gewaltigen Seitendruck aus, sodafs der Holzausbau
vielfach verschoben oder zerbrochen wurde. Die geschmeidige Thon¬
masse wurde dabei durch die Spalten und Lücken in spiegelglatten
Scheiben weit herausgeprefst. Die stetige Bewegung und die Ver¬
engung des Stollens konnte längere Zeit beobachtet werden, während
BIr. 6.
Centralblatt der Bauverwaltung.
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welcher die Förderung der Massen immer noch mit verhältnifsmäfsiger
Sicherheit so lange vor sieh gehen konnte, als der Stollen dafür noch
nicht zu eng geworden war. Alsdann mufste wieder eine Ausweitung
desselben unter Erneuerung des Ausbaues erfolgen, was an einzelnen
Stellen sogar einigemal wiederholt werden mufste.
Die Seitenstollen wurden so weit vorgetrieben, als noch feuchter
Boden angetroffen wurde, und dann erfolgte gleich nach Fertigstellung
jedes einzelnen das Auspacken mit Steinen. Die letzte Arbeit war
die Verlegung des eisernen Rohres in dem Hauptstollen und mit
dieser Verlegung fort¬
schreitend die Um¬
packung mit Steinen
bis zur gänzlichen
Ausfüllung des Stol¬
lens. Bei dem Zu¬
sammensetzen der
Rohrstücke von je
4 m Baulänge mufste
Anordnung getroffen
werden, dafs ein Aus¬
einanderziehen der
einzelnen Stücke bei
eintretendem Schie¬
ben des Gebirges
verhindert wurde. Da
keine Röhren mit
Vorrichtung für
Längsverbindung zur
Verfügung standen,
so mufste eine beson¬
dere Verankerung an¬
gebracht werden, wie
die Abbildungen 5 — 7
zeigen. Je zwei zu-
sammenstofsende
Rohrstücke sind durch
zwei sie umfassende
Anker zusammenge¬
schlossen, und an
dieses Rohrpaar ist
ein in gleicher Weise
verbundenes ange¬
hängt, sodafs durch
Fortsetzung dieses
Verfahrens die Röhren
auf die ganze Durch-
lafslänge zusammen¬
gebunden werden. Im
einzelnen ist die Ver¬
bindung in der Weise
erfolgt, dafs die Anker
hinter den Rohrmuffen
umgekröpft sind und
sich daselbst hinter¬
haken, wo sie dann
durch einen über die
gekröpften Enden ge-
schobenenRing gegen
Abheben gesichert werden. Am anderen Ende gehen sie durch die
senkrechten Schenkel eines um die Muffe vor dem Endwulst gelegten
Ringes aus Winkeleisen und sind daselbst mit Schraubenmuttern
versehen. Die Anker ■ des nächsten Rohrpaares sind gegen die des
vorhergehenden um 90° versetzt und werden in entsprechende Aus-
klinkungen des senkrechten Schenkels desselben Winkeleisens ein¬
gelegt, sowie hinter das Rohrende gehakt, wo sie in gleicher Weise
wie beim vorhergehenden Paar gegen Abheben gesichert werden.
Diese Befestigungsweise wiederholt sich bei jeder zweiten Muffe auf
die ganze Länge.
Die bergmännischen Arbeiten sind unter besonderer Aufsicht des
Bahnmeisters und steter Ueberwachung des Unterzeichneten im Einzel¬
gedinge durch einen geeigneten Schachtmeister mit einigen Bergleuten
und Schleppern ohne wesentliche Störung ausgeführt worden. Das mit
Abb. 2.
dem Schachtmeister verabredete Gedinge erstreckte sich immer nur
auf eine kürzere Länge, meistens von 25 m, und wurde der Schwierig¬
keit der einzelnen Arbeitsabschnitte angepafst. Gezahlt wurde für
bergmännische Herstellung des Hauptstollens einschliefslich Ausbauen
und Lieferung des dafür benöthigten Holzes, Förderung der Massen
auf 75 m Entfernung, sowie Vor- und Unterhaltung des Gezähes 22
bis 28 Mark, im Mittel 26 Mark f. d. lfd. Meter, für die gleiche
Leistung bei den Seitenstollen und ferner das Auspacken mit Steinen
nebst Beförderung derselben unter Tag, aber ausschliefslich deren
Lieferung 24 Mark
f. d. lfd. Meter. Die
gufseisernen Röhren
kosteten auf der Ver¬
wendungsstelle 19 JC
f. d. lfd. Meter, desgl.
die Verankerung
3,20 Mark. Das Ver¬
legen der Röhren im
Hauptstollen mit allen
Nebenarbeiten und
Auslagen, sowie das
Auspacken des ver¬
bliebenen Raumes bis
zur völligen Ausfül¬
lung des Stollen ein¬
schliefslich Beförde¬
rung der Steine unter
Tag, aber ausschliefs¬
lich Lieferung kostete
6 Mark f.d.lfd. Meter.
Bis zur Vollendung
und Abnahme der
einzelnen Gedinge¬
strecken war der Un¬
ternehmer auch zur
Unterhaltung der¬
selben verpflichtet,
nicht aber mehr für
die späteren Arbeiten
dieser Art. Solche
kamen thatsächlich
in gröfserem Um¬
fange vor. Erneutes
Ausweiten des Stol¬
lens und Neuher¬
stellung des Holz¬
ausbaues ist ein¬
schliefslich der mehr¬
fachen Arbeit dieser
Art zusammen für
59 lfd. Meter auszu¬
führen gewesen, und
es stellten sich die
Kosten dafür fast ge¬
nau auf die Hälfte
der Neuherstellungs¬
kosten, nämlich auf
13 Mark f. d. lfd. Meter.
Ohne die früher und später zur Sicherung und vorschriftsmäfsigen
Herstellung des Dammes vorgenommenen Erdarbeiten und die Mauer¬
arbeiten am Dammfufse haben die Gesamtkosten der Anlage aus¬
schliefslich der Beschaffungskosten für die zur Verwendung gekommenen
220 cbm Steine etwa 6500 Mark betragen. Dafür sind 68 lfd. Meter
Hauptstollen, 59 lfd. Meter Seitenstollen, 80 lfd. Meter Rohrdurchlafs
mit dem 9,5 m tiefen Einfallschacht ausgeführt und 59 lfd. Meter
Stollenverdrückung wieder hergestellt worden.
Die Anlagen haben sich bewährt, die Bewegung des Dammes
hat nach deren Ausführung gänzlich aufgehört, und das Geleis
befindet sich seitdem in vollkommen ruhiger und sicherer Lage.
Dr. Bräuler,
Eisenbahn-Bau- u. Betriebsinspector.
Kraftversorgung durch Druckluft in Paris.
(Schlufs.)
Die praktische Verwendung der Druckluft in Paris hat
jetzt schon grofse Ausdehnung gefunden. Allerdings ist der Boden in
Paris sehr günstig; es haben nämlich dort die elektrischen Gesell¬
schaften nichts Erhebliches geleistet. Die Druckluft fand deshalb
ein sehr günstiges Feld und konnte insbesondere Beleuchtungs¬
anlagen übernehmen, die ihr sonst nur im Wettbewerb mit elektro¬
technischen Unternehmungen zugefallen wären. Beispiele grofser An¬
wendung der Druckluft sind: Theaterbeleuchtungen, u. a. das Eden-
62
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. Februar 1890.
theater, das Variet^theater, das Theater D(^jazet, zahlreiche Cafes,
Restaurants, Vergnüguiigslocale, Clubs, die Strafsen und Plätze in
der Nähe der Oper usw. Für elektrische Beleuchtung innerhalb der
inneren Stadtbezirke sind gegenwärtig 3 Centralanlagen in Betrieb,
bestehend aus unterirdisch unter den Höfen gröfserer Gebäude
angelegten Räumen für die Aufstellung gröfserer Luftmaschinen zum
Betriebe von Dynamomaschinen, von welchen der Strom den kleinen
Beleuchtungsanlagen durch Kabel zugeführt wird. So können gi’öfsere,
vortheilhaft arbeitende Antriebsmaschinen im Innern der Stadt in
beschränkten und billigen Räumen aufgestellt werden, wo Dampf¬
maschinen und Dampfkessel unmöglich wären; auch werden durch
diese Anordnung lange Leitungen von Hauptkabeln erspart und der
Strom unmittelbar an der Centralstelle zertheilt. Zahlreiche Drucke¬
reien, die Druckerei des „Figaro“ mit einer .bOpferdigen Maschine,
die des „Petit Journal“ mit einer solchen von 100 Pferden, und eine
grofse Zahl von Privatdruckereien, bis zu den kleinsten Betrieben,
benutzen die Druckluft als Betriebskraft, ebenso zahlreiche Werk¬
stätten der verschiedenartigsten Kleinbetriebe des überaus gewerb-
tleifsigen Paris bis herab zu den kleinsten Luftmaschinen zum Treiben
von Nähmaschinen, Bohrern der Zahnärzte u. dgl. Die Luftmaschinen
für Kleinbetrieb sind auch häutig in Oertlichkeiten aufgestellt, wo
Dampf- oder Gasmaschinen überhaupt nicht möglich wären. Ein
Vortheil der Luftmaschinen ist dabei, dafs sie von wenig sachver¬
ständigen Personen bedient werden können. In Paris sind Kellner,
Hausdiener usw. mit allen möglichen Nebenbeschäftigungen die ge¬
wöhnlichen Maschinisten. Die Luftmaschine ist anscheinend ein nocli
viel geduldigeres Ding als die in dieser Hinsicht berühmte Dampf¬
maschine.
Nicht minder grofs ist die Verwendung der Luft für un¬
mittelbaren Luftb etrieb ohne Zwischenmaschinen. Hier steht mit
der Druckluft überhaupt nichts in Wettbewei'b. Aufzüge z. B. werden
mit Luft statt mit Dvuckwasser betrieben; 1 cbm Wasser kostet in
Paris 32 Centimes, das cbm Luft IV2 Centimes. In zahlreichen
Restaurants und Cafes wird das Bier aus den Kellern durch Luft
hinaufgeschaflt derart, dafs ein Luftröhrchen an das Fafs ange¬
schlossen wird. In grofser Ausdehnung ist diese unmittelbare
Hebung mit Luftdruck durchgeführt in den grofsen Weinlagern.
Dort sind vor 6 Monaten einige hixndert Einrichtungen in Be¬
trieb gekommen, um den Wein aus den Kellern mit Luft un¬
mittelbar in die Versandfässer zu drücken. Als neue Anwendungen
sind in dieser Beziehung zu nennen der selbstthätige Betrieb von
Luftkesseln, die in Hausbrunnen eingebaut werden und sich bei
ausströmender Luft mit Wasser füllen, welches dann durch Druckluft
zum Zwecke der billigen Beschaffung von Nutzwasser in einen Be¬
hälter unter Dach gehoben wird. Sehr wahrscheinlich werden die
in jüngster Zeit durchgeführten gelungenen Versuche, die Auswurf¬
stoffe durch Druckluft zu beseitigen, statt sie, wie jetzt, durch fahr¬
bare Luftpumpen abzusaugen, eine durchgreifende Veränderung der
Abfuhr der Abfallstoffe, welche nicht in die Stadtcanäle geleitet
werden dürfen, zur Folge haben.
In grofsartigem Mafsstabe ist in Paris die Druckluft für den
Betrieb von Uhren in Anwendung, und zwar für diesen Betrieb
schon seit einem Jahrzehnt. Aus kleinen Anfängen hat sich die jetzige
grofse Centralanlage entwickelt. Gegenwärtig werden über 8000 Luft¬
druckuhren betrieben, die im ganzen stündlich 180 cbm Luft erfordern.
Die „französische Bank“ ist an die Luftleitung angeschlossen
und hat eine eigeire Rohrpost innerhalb ihrer einzelnen Geschäfts¬
räume eingerichtet. Ebenso ist im „Credit Lyonnais“ eine eigene
Rohrpost in Betrieb und aufserdem eine grofse Luftrohrverbindung
mit den Kellern hergestellt, aus denen die grofsen Depötkoffer auf
einem Wagen mit Druckluft in die Bureaus geblasen und wieder
zurückbefördert werden.
Ein grofses und vorläufig nicht absehbares Feld für die Aus¬
nutzung der Druckluft ist ihre oben kurz erwähnte Verwendung
als Kaltluft. Diese kann zwar wirthschaftlich günstiger als durch
Druckluft, aber erst auf Umwegen erzeugt werden, und im kleinen
Mafsstabe, den der Kleinbetrieb oder gar die Haushaltung er¬
fordert, sind andere Kaltluftmaschinen kaum ausführbar. Restaurants
und Cafes in Paris mit Luftmaschinen für den Beleuchtungsbetrieb
und mit schwacher Vorwärmung der Druckluft verwenden die Aus¬
puffluft zum Kühlen des Trinkwassers; Conditoren treiben mit der
Luftmaschine tagsüber Hülfsmaschinen, Rührwerke usw., beleuchten
abends ihren Laden und benutzen nebenbei die Abluft für Gefrier¬
zwecke. Eine wichtige Anlage ist in der Bourse de commerce
in Betrieb. Dort werden in den grofsen Kellerräumen Kaltluft¬
kammern eingerichtet für die Lagerung von Lebensmitteln, welche
augenblicklich nicht auf die benachbarten Centralhallen zu
Markt gebracht werden können. Aufserdem haben sich in der
Nähe der Markthallen Fleischhauer zahlreiche Kaltkammern für
viele hundert Schlachtthiere eingerichtet. Nicht unerwähnt sei, dafs
die Pariser „Morgue“ bereits seit Jahren Anschlufs an die Luft¬
druckleitung, und Kaltlufträume besitzt, in welchen Leichen so lange
als wünschenswerth aufbewahrt werden. — Pariser Zeitungen ent¬
halten die Hinweisung auf die grofse militärische Wichtigkeit
der Ver2)flegung der Festung Paris im Kriegsfälle durch Zu-
hülfenahme der Kaltluft für die Aufbewahrung frischer Lebensmittel
in bisher unmöglichen Mengen. Insbesondere wird darauf hingewiesen,
dafs die Druckluftanlagen mit den geplanten drei grofsen Central¬
anlagen ausreichen, um frische Lebensmittel für 2V2 Millionen Ein¬
wohner auf 1/2 Jahr zu sichern.
In neuerer Zeit werden in Paris wesentlich verbesserte Luft¬
maschinen angewendet, welche schon bei 2pferdigen Maschinen so
geringen Luftverbrauch ergeben (etwa 16 cbm für die Stundenpferde¬
kraft) wie die älteren lOpferd. Maschinen. Selbst kleine 1/4 — 'Apferd.
rotirende Luftmaschineii verbrauchen, obschon sie ohne Expansion
arbeiten, nur etwa 40 cbm Luft. Bei Betrieb mit Vorwärmung und
gleichzeitiger Wassereinspritzung wird ein Luftverbrauch von 12 cbm
für die Stundenpferdekraft erzielt.
Im Laufe dieses Jahres wird die Pariser Anlage- in grofsartiger
Weise erweitert. Es werden zwei grofse Luftpressmaschinen von
je 3000 Pf. in der vorhandenen Centralstation aufgestellt und sollen
Anfang September in Betrieb kommen, und im Süden der Stadt, an
der Seine, wird eine neue Centralstation in der Nähe des Lyoner
Bahnhofes gebaut mit Maschinen von zusammen 12 000 Pf., die bis
Ende dieses Jahres in Betrieb kommen sollen.
Aus diesen Andeutungen und thatsächlichen Mittheilungen dürfte
zu entnehmen sein, dafs es sich um eine fertige, dabei sehr einfache
und lebensfähige Sache handelt, die mit einfachen, jedermann be¬
kannten Mitteln arbeitet, aber auch durch die wichtigen technischen
Neuerungen der centralisirten Kraftei'zeugung und der Wärme¬
zuführung der Druckluft sowie durch das Nebenerzeugnifs der Kalt¬
luft ein unabsehbares Gebiet erschlossen hat. Darüber besteht kein
Zweifel, dafs die erfolgreiche Einführung von Druckluft in Städten
einen wesentlichen Fortschritt für die technische, wirthschaftliche
und gesundheitliche Entwicklung von Grofsstädten und von gewerb-
treibenden Städten überhaupt bildet. Die Frage, ob Druckluft so
billig herstellbar ist, dafs sie innerhalb der Stadt mit Gewinn für
den Erzeuger und den Abnehmer abgegeben werden kann, mufs auf
Grund der Pariser Erfahrungen bejaht werden, und es mufs noclr
hinzugefügt werden, dafs die Druckluft jetzt schon viele bisher un-
gekannte Verwendungen gefunden hat und in die Verhältnisse des
Kleingewerbes in der günstigsten Weise eingreift. Für jede Stadt
kann es nur ein Gewinn sein, wenn die rauchenden Schlote, die
Dam^^fkessel und die Belästigungen durch diese, wie Rauch, Lärm,
Hitze usw., und nicht minder alle Gefahr und Verantwortung solcher
Betriebe, insbesondere auch derjenigen kleinen Umfanges, aus der
belebten Stadt entfernt und vor das Weichbild verlegt werden. Die
in die Stadt gelieferte Druckluft ist nicht nur geeignet, dem hart
bedrängten Kleingewerbe aufzuhelfen und damit eine brennende
Frage zu lösen, ihre allgemein zugängliche Verwendung ist auch in
hervorragender Weise geeignet, unseren Lebensbedürfnissen und An¬
nehmlichkeiten entgegen zu kommen, neue Bedürfnisse zu befriedigen
und ganz ebenso wie Gas- und Wasserleitungen jedem Gemeinwesen
zum Segen zu gereichen.
Uelber Profllmafsstäbe.
Die Flächeninhalte der Auf- und Abtragsquerschnitte für Eisen¬
bahn-, Canal-, Wege- usw. Anlagen lassen sich bekanntlich, wenn
man die Rechnung vermeiden will, in bequemer Weise mittels eines
Profilmafsstabes feststellen, dessen Höhen denen des Längenprofils
entsprechen, dessen Längen die zugehörigen Flächeninhalte in einem
zweckmäfsig gewählten Mafsstabe angeben. (Vergl. hierüber die Ab¬
handlung von Goering im Centralblatt der Bauverwaltung von 1881
und desselben Verfassers Ausführungen in der „Hütte“.)
Die Grundlage für die Genauigkeit dieses Verfahrens bildet also
der Höhenmafsstab des Längenprofils. Alle Fehler, welche durch
das Verhältnifs dieses Mafsstabes zur natürlichen Grofse bedingt
sind, übei-tragen sich auf den Profilmafsstab und werden vermehrt
durch diejenigen Fehler, welche bei dem Abgreifen der den Höhen
entsprechenden Flächengröfsen entstehen.
Diese Thatsache einer doppelten Fehlerquelle legt den Gedanken
nahe, einen Profilmafsstab zu benutzen, in welchem durch die Höhen
unmittelbar die zugehörigen Flächeninhalte angegeben werden, also
die zweite Fehlerquelle fortfällt.
Ein solcher Mafsstab ist für einen Damm von 5,4 m Kronenbreite
mit l*/2fachen Böschungen in der nebenstehenden Abbildung dar¬
gestellt. Für das zugehörige Längenprofil ist der übliche Höhen¬
mafsstab von 1 : 250 vorausgesetzt.
Centralblatt der Bauverwaltung.
63
Nr. 6.
Dis Herstellung dieses Profilmafsstabes ist einfach. Es werden
die den Flächeninhalten F = 10, 20, 30, 40 usw. qm zugehörigen Höhen
aus der Formel
5,4__
2. 1,5 +
y + (2'^.!, 5) — — + 1/ i;5~
berechnet. Die Ergebnisse der Rechnung sind in der folgenden
Tabelle zusammengestellt:
sonderen Massenmafsstabes unmittelbar erfolgen, selbstverständlich
unter Beachtung der von der regelmäfsigen Profilentfemung ab¬
weichenden Profilabstände (Massenreduction).
Das bei dem sonst üblichen Profilmafsstabe erforderliche beson¬
dere Abgreifen der Flächen wird hierbei erspart, wie das Aufträgen
des Flächenprofils.
Ganz besondere Vortheile bietet aber der vorgeschlagene Profil-
mafsstab, wenn derselbe durchsichtig hergestellt wird (auf starkem
FürJ5’= 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130
ist h = 1,35 2,27 3,02 3,67 4,25 4,78 5,26 5,72 6,15 6,56 6,95 7,32 7,68
Die Tabelle zeigt, dafs die Unterschiede der auf einander folgen¬
den Werthe von h schon am Anfänge verhältnifsmäfsig wenig von
einander abweichen und
mit wachsendem h sich
einander stark nähern.
Es ist daher völlig un¬
bedenklich und beein¬
trächtigt die Genauigkeit
des Mafsstabes nicht,
wenn die Zwischen-
werthe von i^nach dem
Gesetze der geraden
Linie mit h wachsend
angenommen werden,
wenn also das Ge¬
setz des parabolischen
Wachsens von F nur
in bestimmten, für jeden
Fall zweckmäfsig zu
bemessenden Zwischen¬
räumen zur Geltung ge¬
bracht wird. Nur für
den Zwischenraum von F=0 bis F^IO empfiehlt es sich vielleicht,
die Werthe von h besonders zu ermitteln, wie das in nachstehender
Tabelle geschehen ist.
FürF’=l 2 3 4 5 6 7 8 9 qm
ist h = [0,18 0,34 0,49 0,63 0,76 0,89 1,01 1,13 1,24 m
Das Aufstellen der Tabellen und Aufzeichnen des Mafsstabes
erfordert bei Zuhülfenahme von Rechentabellen einen Zeitaufwand
von höchstens IV2 Stunden, mufs allerdings für jede Planumsbreite
besonders erfolgen, sodafs z. B. für Auf- und Abtrag besondere
Profilmafsstäbe anzufertigen sind.
Die Benutzung des Mafsstabes mittels des Zirkels ist bequem.
Für jede in den Zirkel zu nehmende Höhe des Längenprofils wird
die der Zirkelöffnung entsprechende Fläche gesucht und abgelesen.
Die Ablesung kann nach dem Augenmafse bis auf Zehntel Quadrat¬
meter genügend genau erfolgen, nöthigenfalls auch durch Vermehrung
der senkrechten Linien erleichtert werden. Falls eine bestimmte
Entfernung der Querprofiie vorherrscht (z. B. 50 m), so können nicht
nur die Flächen, sondern auch die Massen auf dem Mafsstabe un¬
mittelbar gefunden werden, wie durch die neben der Abbildung mit
vermerkten Massenwerthe angedeutet ist. Danach kann auch das
Aufträgen des Massenprofils (vergl. Goering a. a. 0.) mittels eines be-
140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 250 qm
8,03 8,36 8,69 9,00 9,30 9,60 9,89 10,17 10,44 10,71 10,98 11,23 m
Pauspapier oder Hornmasse). In diesem Falle werden die Flächen
bezw. Massen ohne Benutzung des Zirkels lediglich durch Auflegen
des Profilmafsstabes
auf das Längenprofil er¬
mittelt, und, falls das
Massenprofil gezeich¬
net werden soll, die
abgelesenen Massen
auf einem besonderen
Massenmafsstabe abge¬
griffen und aufgetragen.
Der letztere wird zweck¬
mäfsig mit dem Profil¬
mafsstabe auf einem
Stücke Papier dar-
gestelKi
Wenn das Längen¬
profil ein Gefälle dar¬
stellt, empfiehlt es sich,
zur sicheren Benutzung
des durchsichtigen Pro¬
filmafsstabes durch die
Fufspunkte der Auf- und Abtragshöhen des Längenprofils je eine
kleine wagerechte, später zu entfernende Bleilinie zu ziehen.
Dafs ein solcher Profilmafsstab sich für alle möglichen Verhält¬
nisse vortheilhaft anwenden läfst, namentlich auch dort, wo es nicht
auf zweckmäfsige Vertheilung der Massen, sondern nur auf Massen -
ermittlung ankommt, dürfte klar sein. Selbstverständlich mufs für
die durch Diagonalen zu verbindenden und durch Rechnung festzu¬
stellenden Zwischenpunkte des Mafsstabes nach den jeweilig vor¬
liegenden Verhältnissen eine geeignete Auswahl getroffen werden.
Bei Querneigung des Geländes sind die Auf- oder Abtragshöhen,
welche bestimmten Flächenwerthen entsprechen, für jede Neigung
besonders auszurechnen. Der Mafsstab wird in solchen Fällen nur
dann vortheilhafte Verwendung finden können, wenn eine bestimmte
Querneigung auf gröfseren Strecken vorhanden ist.
Handelt es sich um die Feststellung der Erdarbeiten für aus¬
gedehnte Anlagen, oder kommen solche Feststellungen, wie in den
technischen Bureaus der Eisenbahndirectionen, häufig vor, so dürfte
es lohnend sein, für die verschiedensten Querneigungen Mafsstäbe
anzufertigen, die, wenn sie durchsichtig hergestellt werden, durch
Zirkelstiche bei der Benutzung nicht leiden und dahei von unbe¬
schränkter Dauer sind.
Dirschau, im September 1889. Struck,
Königl. Regierungs-Baumeister.
Yermischtes.
Die Messung der Durchbiegung eiserner Brucken ist, wie auf
Seite 417 des Jahrganges 1883 d. Bl. nachgewiesen wurde, von nur
geringem W erthe für die Beurtheilung der Tragfähigkeit der Brücken.
Die Richtigkeit dieser Behauptung wird jetzt auf Seite 54 der Deut¬
schen Bauzeitung bestritten, ohne dafs jedoch auch nur der Versuch
gemacht wird, die in dem erstgenannten Aufsatze angeführten Gründe
zu widerlegen. Die auf Seite 55 bis 58 der Deutschen Bauzeitung
enthaltenen Formeln und Zahlenrechnungen bilden im Gegentheil
ein zwar nicht neues, aber doch ganz lehrreiches Beispiel für die
Genügsamkeit, mit welcher die Anhänger der Biegungsmessungen
ihre Sache behandeln. Jene Formeln geben nämlich ihrer Herleitung
nach nur eine ziemlich rohe Annäherung an die Wirklichkeit, wie
man u. a. schon daraus ersehen kann, dafs für den Elasticitätsmodul
durchweg der Mittelwerth E — 2000 t eingesetzt, und dafs die Ver¬
änderlichkeit der Querschnitte (Nutzquerschnitte, volle Querschnitte
usw.) und der Spannungen entweder gar nicht oder doch in un¬
genügender Weise berücksichtigt wird. Die Durchbiegung eines aus
30 Stäben gebildeten Parabelträgers von 20 m Stützweite läfst der
Verfasser abhängig sein von dem einen Spannungswerthe, den er
aus dem Trägheitsmomente des Querschnittes der Gurte und dem
Biegungsmomente für den der Ti'ägermitte nächsten Knotenpunkt
berechnet. Es liegt auf der Hand, dafs die etwaige Uebereinstimmung
des so berechneten und des gemessenen Durchbiegungswerthes einen
Beweis für die Sicherheit des Trägers nicht liefern kann. In der
Regel wird auch eine genaue Uebereinstimmung nicht vorhanden
und aus dem mehr oder weniger grofsen Unterschiede zwischen dem
gemessenen und dem berechneten Werthe nur der Schlufs zu ziehen
sein, dafs die der Rechnung zu Grunde gelegten willkürlichen An¬
nahmen mehr oder weniger unrichtig waren. — Z. —
Zum Vorstände des Architekteuvereins in Berlin für das
Jalir 1890 sind in der Sitzung vom 3. d. M. folgende Herren gewählt
bezw. wiedergewählt worden: Ob erb audirector Wiebe, Vorsitzender;
Baurath Schwechten, Stellvertreter des Vorsitzenden; Eisenbahn¬
bauinspector G. Meyer, Säckelmeister; ferner Regierungs- und Bau¬
rath Eggert, Professor Goering, Geh. Oberbaurath Hagen, Bau¬
rath Hofsfeld, Geh. Baurath Keller, Geh. Regierungsrath Persius,
Baurath Schmieden, Baurath Wallot und Baumeister Wieck.
Satzungsgemäfs für dieses Jahr nicht wieder wählbar waren die
Herren Stadtbaurath Blankenstein, Baurath Böckmann und
Regierungs- und Baurath Housselle.
64
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. Februar 1890.
Das Preisrichter- Gutachten Uber die Wetthewerhung: zur Er-
languuj' von Pläueu für eine evangelische Garuisonkirche in
Stralshurg i. E. (vgl. S. 505 d. v. J.) ist in dem Anzeigentheile der
vorigen Ni'. 5 a veröffentlicht.
Aus einer Preishewerbung für den Neubau einer Turnhalle
des Oldenburger Turuerbundes sind als Sieger hervorgegangen die
Herren Klingenberg u. Weber (ein zweiter Preis) und Architekt
L. Backhaus (ein dritter Preis). Der Entwurf „Hei causa“ (Verf.
Klingenberg u. Weber) wurde zum Ankauf empfohlen, die Arbeit
,, Halle Nr. 4“ (Architekt C. Spieske) lobend anerkannt.
Die Deutsche' Gesellschaft zur Beförderung rationeller Mal¬
verfahren in München hat in ihrer Ausschufs-Sitzung vom 5. Januar
1890 unter dem Vorsitz des König!. Akademieprofessors Herrn
Lindenschmit bezüglich der zunächst in Angriff' zu nehmenden
Arbeiten folgendes Programm aufgestellt: 1. Die Feststellung von
Typen für die Normalfarben für Oel- und Aquarellmalerei; 2. die
rationelle Präparation der Oelfarben; 3, Feststellungen über die er¬
forderlichen und zulässigen Bindemittelmengen für die Oelfarben;
4. die Ermittlung möglichst einfacher und sicherer Methoden für
die qualitative Untersuchung der Oelfarbenbindemittel; 5. Unter¬
suchung über die Vor- und Nachtheile der verdickenden Mittel, Wachs,
Walrat, Paraffin usw. in den Oelfarben; G. Untersuchungen und Ver¬
suche über die zweckmäfsigsten Arten der Grundirungen für Maler¬
leinen und Malbretter für Oelgemälde. An den Berathungen hatte
auch das Ehrenmitglied Herr Geh. Rth. Prof. Dr. v. Pettenkofer
.theilgenommen. — Ferner wurde beschlossen, den schon für 1888 an¬
gesetzten Congrefs der Deutschen Gesellschaft zur Beförderung
rationeller Malverfahren, mit dem eine Fachausstellung verbunden
wird, im Jahre 1890 in München abzuhalten. Ueber alle die Gesell¬
schaft oder sonstwie die Maltechnik betreffenden Angelegenheiten
ertheilt der Secretär, Herr Redacteur Adolf Keim in München, unent¬
geltlich die gewünschten Auskünfte. Durch ihn können auch die
Satzungen der Gesellschaft bezogen werden.
Sclmtzvorrichtuiig gegen das Herabstürzeii beim Fensterputzen.
Das Reinigen der Fenster in den oberen Geschossen ist jetzt mit
steter Gefahr für die arbeitende Person verbunden. Werden zur
Reinigung der der Hand nicht unmittelbar zugänglichen Scheiben
Bürsten, Putztücher u. dgh, die an Stangen befestigt sind, benutzt,
so läfst sich die Arbeit nicht mit der wünschenswerthen Gründlich¬
keit vornehmen.
Im Sommer v. J. hatte der Verfasser auf einer Rheinreise Gelegen¬
heit in Köln eine höchst einfache Schutzvorrichtung gegen das Herab¬
stürzen beim Fensterputzen in Anwendung zu sehen, welche neben¬
stehend zur Darstellung gebraclit ist. Bemerkt sei dabei, dafs der
den Abbildungen zu Grunde liegende Gegenstand etwas unvoll¬
kommenere Formen aufwies. Eine Beschreibung der Schutzvor¬
richtung machen die Holzschnitte entbehrlich, aa sind Holzleisten,
h eine Eisenschiene. Zwei Stufen werden in den gewöhnlichen Fällen
ausreichen. Besonderen Verhältnissen, etwa bei hohen Saalfenstern
u. dgh, kann die Vorrichtung leicht angepafst werden; besonders
da, wo viele gleichartig zur Ausführung gebrachte Fenster, z. B.
in grofsen Miethshäusern, Gasthöfen usw., vorhanden sind, erscheint
ihre Anwendung am Platze. Von vorsichtigen Hausbesitzern werden
zuweilen an den äufseren Fensterrahmen oder in deren Nähe Haken
angebracht, durch die den Fenster¬
wäscherinnen Gelegenheit gegeben
werden soll, sich, etwa unter Benutzung
eines Riemens oder dgh, selbst zu be¬
festigen, doch ist dies nur als ein un-
zulänglicher Nothbehelf zu betrachten.
Noch sei darauf hingewiesen,
dafs auf der Unfallverhütungs- Aus¬
stellung in Berlin mehrere neue
Fensterconstructionen zur Schau ge¬
bracht waren, die insofern vor Unfall schützen, als bei ihnen der
obere innere Fensterflügel behufs Putzens herausgenommen werden
kann. Wenn sich hierdurch zwar die Arbeit der Reinigung gefahr¬
los bewerkstelligen läfst, so darf man doch nicht übersehen, dafs das
Einsetzen der Fensterflügel eine beschwerliche und ein gewisses Ge¬
schick voraussetzende Arbeit ist. Bei Neuanlage von Fenstern würden
derartige Constructionen möglicherweise mit einigem Nutzen Ver¬
wendung finden können, für vorhandene Fenster jedoch wird sicher
die beschriebene Schutzvorrichtung die besseren Dienste leisten.
0. Leonhardt, Ingenieur. .
Der Besuch der tecliuischen Hocliscliuleii des deutschen Reichs
betrug im Winterhalbjahr 1889/90 insgesamt 3372 Studirende (gegen
2910 im Winterhalbjahr 1888/89), 1106 (1060) Hospitanten und 343
(470) Hörer, im ganzen also 4821 Besucher, welche sich auf die ein¬
zelnen Anstalten nach der folgenden Uebersicht vertheilen:
Aachen
Berlin
Braun schweig
Darm¬
stadt
Dresden
Hannover
Karlsruhe
München
Stuttgart
Unterrichtsgebiete
Ä
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O
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Mathematik u. Natur-
Wissenschaften ....
14
6
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Ingenieurwesen .
16
3
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5
20
33
3
62
4
86
9
49
2
118
7
27
Maschinenwesen .
61
18 {
358
122')
119
6')
57
—
(
1
52
752)
4
Ti\
‘ J
89
11
83
55
197
10
177
38
77
—
—
Architektur .
13
12
210
125
—
13
_
—
26
12
33
8
29
39
48
4
—
76
51
58
—
—
Chemie .
30
19
1453)
283)
(
35
i
21
4
73
9
495)
495)
102
6
85
53
66
l
30 ‘)
l
13^)
5^^)
Forstwesen (Bergbau u.
Landwirthschaft) . . .
96)
217)
l7)
l
(
43
2
—
158)
148)
—
—
—
Keiner Fachabtheilung
7ng'pi]iorig .
_
9
_
92
39
4
_
82
__
_
83
_
_
4
22
_
_
_
30
_
193
Summe 1889/90
150
65
1043
375
39
159
_
82
234
41
265
115
249
171
449
46
29
551
293
272
_
193
(Summe 1888/89)
(133)
(71)9)
(873) (273)
(146)
(86)
(50)
(77)
(198)
(52)
(240)
(124)9)
(221)
(199)
(415)
(52)
(25)
(496)
(290)9)
(248)
(171)
—
Gesamtzahl 1889/90
215
1457
241
275
380
420
524
844
465
(Gesamtzahl 1888/89)
(204)
(1292)
(213)
(250)
(364)
(420)
(492)
(786)
(419)
1) Schiffbau. Elektrotechnik. 3) Chemie u. Hüttenkunde. ■*) Pharmaceuten. einschl. der Elektrotechniker. 6) Bergbau. ’') Hütten¬
kunde, 8) Landwirthschaft. 3) Hospitanten und Hörer zusammengefafst.
Verlag von Ernst&Korn CWillrelm Ernst), Berlin. Für die Kedaction des nichtamtliclien Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
65
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 15. Februar 1890. Nr. 7.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 -Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Eine neuere An¬
ordnung von Eisenhalkendecken. — Haus Giesecke in Neuhrandenhurg. — Die neuen
Hafenanlagen hei Calais. — Erweiterung des preufsischen Staatsbahnnetzes und Anlage
neuer Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung. — Beitrag zur Lehre vom Fachwerk.
— Vermischtes: Preisbewerbnng um Entwürfe für die Trinitatiskirche in Dresden.
— Hamburg und seine Bauten. — Deutsche natürliche Bausteine in Bezug auf ihre
Festigkeit und physicalischen Eigenschaften. — Bücherschau. — Neue Patente.
Amtliche IVI
Preufsen.
Versetzt sind: die Eisenbahn - Maschineninspectoren Reuter,
bisher in Kiel, an die Hauptwerkstätte in Bromberg und Steinbifs,
bisher in Hamburg, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche
Eisenbahn -Betriebsamt in Kiel, sowie der Eisenbahn-Bauinspector
Richter, bisher in Bromberg, als Vorsteher der Hauptwerkstätte
nach Hamburg.
Die Königlichen Regierungs-Baumeister Hermann Winckler und
Friedrich Prinzhausen sind als Kaiserliche Post-Bauinspectoren in
Düsseldorf bezw. in Aachen angestellt worden.
Die Kaiserlichen Marine- Schiff bau-Ober-Ingenieure van Hüllen
und Hofsfeld und der Kaiserliche Admiralitätsrath Rotter sind
zu Mitgliedern des Königlichen technischen Prüfungs-Amts in Berlin
ernannt worden.
Zu Königlichen Regierungs -Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Heinrich Taentzscher aus Köln a. Rh., Karl
ittheilungen,
Hemletzkj^ aus Pieschen und Hermann Simon aus Halle i. West¬
falen (Maschinenbaufach).
Der Eisenbahn-Maschineninspector Palmie, Vorsteher der Haupt¬
werkstätte in Frankfurt a. 0., und der Königliche Regierungs -Bau¬
meister Johannes Pah 1 in Breslau sind gestorben.
Sachsen.
Bei der fiscalischen Hochbauverwaltung im Königreiche Sachsen
ist infolge des freiwilligen Austritts des Regierungs - Baumeisters
Ferdinand Richard Möbius der technische Hülfsarbeiter Regierungs-
Baumeister Emil Heinrich Wapler zum ständigen Regierungs - Bau¬
meister ernannt worden.
Anhalt.
Der Herzogliche Regierungs- und Oberbaurath Rudolf Vogt in
Dessau ist gestorben.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Eine neuere Anordnung Ton Eisenbalkendecken.
Im Jahrgang 1886 dieses Blattes sind unter der Ueberschrift
„Allgemeine Einführung von Eisenbalkendecken und deren Anordnung“
auf S. 134 und 143 eine Anzahl von Deckenbildungen besprochen,
bei denen zur Ausfüllung zwischen den eisernen Deckenträgern Holz,
Stein, Beton, Wellblech verwendet ist. Zum Schlufs war hierfür die
Anwendung von Cementplatten mit Einlage von Eisengitterwerk
(Patent Monier) empfohlen. Die Firma G. A. Wayfs u. Co., jetzt
Actiengesellschaft für Monier-Bauten, hat kürzlich eine neue Bildung
errichten, bei dem ebenfalls ausschliefslich Eisenträger statt der
Holzbalken verwendet sind. Die Firma G. A. Wayfs & Co. hat hier
die sämtlichen Zwischendecken in der oben erwähnten neuen Weise
hergestellt; sie gab mir Gelegenheit von dieser Anordnung eingehend
Kenntnifs zu nehmen und stellte auch für die nachstehende Mit¬
theilung einen Theil der Unterlagen zur Verfügung.
Zur Ausfüllung zwischen den Eisenträgern werden nämlich aus¬
schliefslich die seit einigen Jahren bekannten und zu mancherlei
A B
Dielung.
T ••
-rHöheveränilEplich.
J
1— s - - = - J
Wasserdichte Zwischenlage.
Hartgufsdielen.
7 N
1 - x
desgl.
desgl.
- - 1
L.-— ~rPr
-> Putz.
Putz.
Abb. 1. I-Träger für 6 m Spannweite bei 300 kg/qm Nutzlast.
Abb. 2. Anordnungen {A und B)
mit unverputztem Träger-Ünterflansch
der Zwischendecke zum Patent angemeldet und bereits mehrfach aus¬
geführt, welche wegen ihrer besonderen Vorzüge sich zur allgemeineren
Anwendung eignet und daher der Aufmerksamkeit der technischen
Kreise empfohlen zu werden verdient. Es ist als ein Fortschritt im
Bauwesen zu begrüfsen, dafs nicht blofs bei ölfentlichen, sondern auch
bei besseren Privatbauten damit begonnen wird, die Holzbalken durch
Eisenträger zu ersetzen. In dem neuen Geschäftshause, welches die
americanische Lebens-Versicherungs-Gesellschaft „Equitable“ in Berlin
in aufsergewöhnlich gediegener Weise hat errichten lassen, sind alle
Decken unter Verwendung von Eisenträgern gewölbt hergestellt. Zur
Bildung gerader Untefsichten sind, wie in der eingangs erwähnten Mit¬
theilung u. a. empfohlen wurde, aufrechtstehende Bohlen eingewölbt,
an denen in gewöhnlicher Weise die Schalung mit dem Rohrputz be¬
festigt ist. Dieses Beispiel ist aber keineswegs vereinzelt; es sei u. a.
an den Bau der „Dresdner Bank“ am Opernplatz hierselbst erinnert,
bei welchem zwischen den Eisenträgern Monierplatten verlegt sind.
Gegenwärtig läfst Hr. Dr. G. A. Freund, Unter den Linden 69, ein
vier Stock hohes Wohnhaus diu’ch den Reg.-Baumeister Walther
Zwecken gebrauchten „Mack’schen Gipsdielen“ verwendet. Eine
Reihe dieser gewöhnlich 2,5 m langen , 20 bis 25 cm breiten Dielen
wird zunächst rechtwinklig zur liängsrichtung der Träger auf deren
Unterflansch verlegt. Sollen diese Flansche später durch Putz ge¬
deckt werden, so werden die Gipsdielen an den Enden dem Flansch¬
profile entsprechend so ausgeschnitten, dafs sie die Unterfläche der
Flansche etwas überragen (Abb. 1). Die Fugen werden mit Gips
vergossen. Auf diese Lage wird jederseits dicht an den Steg der
Länge nach eine Diele gelegt, und auf diese Längslage kommt wieder
eine der unteren entsprechende Querlage von Dielen so, dafs die obere
Fläche der Oberflansche damit erreicht oder etwas überschritten wird.
Auch diese Lage wird in den Fugen und an den Stegen dicht mit
Gips ausgegossen, und auf sie kam ein Ilolzfufsboden unmittelbar
genagelt oder geschraubt werden, da beide Befestigungsmittel in den
Gipsdielen ebenso haften, wie in Holz. Um Feuchtigkeit vom Gips
abzuhalten, welche durch die Fugen des Fufsbodens dringen könnte,
ist die obere Dielenlage mit einem Ueberzug von Holzcementmasse
zu versehen. Selbstredend kann auf die Gipsdielen statt des Holz-
15. Februar 1890,
(]() Ceutralblatt der Baiiverwaltung.
fufsbodens auch unmittelbar Linoleum oder ein anderer geeigneter
Belag aufgebracht werden.
Die Vorzüge dieser Deckenbildung fallen in 'die Augen. Der
Deckenputz kann ohne Schalung unmittelbar an der unteren Gips¬
dielenlage angebracht werden. Um auch die unteren Trägerflansche
zu verputzen, werden diese mittels Kohr und Draht verkleidet, welcher
beiderseits an den Gipsdielen befestigt wird*). Zur Anfertigung der
Zwischendecke ist weder eine Einschalung, noch sind Gerüste nöthig,
auch kommt, abgesehen von der geringen Menge beim Fugen -Ver-
giefsen, keine Feuchtigkeit in den Bau, da die Dielen selbst ganz
trocken verlegt werden. Alles Füllmaterial, wie es bei den Holz¬
balkendecken erforderlich ist, wird vermieden; zur Befestigung des
Fufsbodens bedarf es weder der Unterlagshölzer, noch einer Asphal-
tirung; es wird somit ein Mindestmafs an Deckenstärke erreicht,
namentlich bei Verwendung von Linoleumbelag. Die Träger sind
allseitig von unverbrennlicheii Baustoft’en eingehüllt, ebenso ist die
Ausfüllung zwischen den Trägern unverbrennlich. Die Decke ist
weniger schalldurchlässig als eine Holzbalkendecke, weniger Wärme
durchlassend als ein Gewölbe, schnell herstellbar, in gesundheitlicher
Beziehung allen Ansprüchen genügend, überdies sehr leicht und billig.
Eine Vergleichung zwischen diesen und den Holzbalkendecken
führt zu folgendem Ergebnifs bezüglich des Gewichts und der
Kosten.
a. Gewicht. Die Eisenträger werden zweckmäfsig 0,84 m von
M. z. M. verlegt; dann kann eine Gipsdiele zum Einschub ohne Ver¬
schnitt in 3 Theile zerlegt werden. Die freie Länge soll in beiden
Fällen 6 m betragen ; die Holzbalken, 26/28 cm stark, mögen 1 m von
M. z. M. entfernt liegen, mit halbem Windelboden und Holzdielen
versehen sein. In beiden Fällen soll Linoleum verlegt werden.
1. Gipsdieldecke zwischen Eisenträgern.
26 2
Ein Träger nach N. P. 20 wiegt ^ — ... 31,2 kg
Gipsdielen 2,48 qm zu 45 kg = . 111,6 „
Putz 1 qm . 15,0 „
Linoleumbelag und Goudronanstrich . . . . 2,2 „
Daher für 1 qm = 160,0 kg
2. Balkendecke.
Balkengewicht für 1 qm . 47,3 kg
Stakuug, Auftrag, Dielung, Deckenschalung . . 198,2 „
Eohrputz 1 qm . 16,0 „
Linoleumbelag . . . 2,0 „
zus. 263,5 kg
Demnach ist die Gipsdieldecke etwa 39 pCt. leichter als die
Holzbalkendecke,
b. Kosten.
1. Gipsdieldecke.
31,2 kg Träger mit Verlegen zu OßO JL = . . 6,24
2,48 qm Gipsdielen 7 cm stark desgl. zu 2,75 jK — 6,82 „
Deckenputz mit Material 1 qm . 0,60 ,,
Goudron- Anstrich und Linoleum . 4,14 ,.
zus. 17,80 Ji
2. Holzbalkendecke.
1 m Balken 26/28 cm stark mit Verlegen bei
einem Preis von 48 Jt f. d. cbm .... 4,30 J(
Deckenstakung mit Auftrag, Dielung und Decken¬
schalung desgl . 6,70 „
Rohrputz 1 qm . 1,00 ,,
Linoleumbelag desgl . . . 3,60 „
zus. 15,60 Jt
Hiernach stellt sich die Gipsdielendecke zwar etwas theurer als
die eingangs erwähnten, im Jahrg. 1886 d. Bl. mitgetheilten Decken-
*) Trotz dieser Verkleidung mit Rohr und Draht werden sich
die Träger in einer derart gebildeten Deckenfläche doch meist störend
bemerkbar machen, und man wird immer gut thun, sie mit irgend
einem Deckmittel zu versehen oder zum wenigsten die Deckenbe¬
malung der Trägertheilung anzupassen. D. R.
Unordnungen. Doch ist dabei zu berücksichtigen, dafs seitdem Ar¬
beitslohn und Matei’ial gestiegen sind, und dafs, wenn zugleich Fufs-
boden und Deckenputz berücksichtigt werden, diese sich billiger
oder doch nicht theurer stellt als jene. Die Holzbalkendecke ist
nur um weniges billiger und auch dieser Unterschied verschwindet,
von den gröfseren Vorzügen der Gipsdieldecke abgesehen, wenn die
Höhenverhältnisse in Betracht gezogen werden. Die Gesamthöhe der
letzten beträgt 23 cm, die der Balkendecke 35 cm, also 12 cm mehr,
und diese Höhe kann in jedem Geschofs an aufgehendem Mauerwerk
gespart werden. Die Gipsdieldecke mufs demnach in jeder Beziehung
für vortheilhafter erachtet werden als die Holzbalkendecke und in
mancher Beziehung zweckmäfsiger als andere Deckenbildungen mit
Eisenträgern.
Es mögen noch einige Mittheilungen angeschlossen werden über
die Herstellung der Gipsdielen und die bei einer aus diesem Material
hergestellten Decke ausgeführten Belastungsversuche.
Die Gipsdielen werden als sog. Hartgipsdielen auf Gufstischen
in Rahmenformen aus abwechselnden Ijagen von Eohrstengeln und
mit Leimwasser angemachtem Gipsbrei gefertigt, dem Kork, Haare
u. dergl. zugesetzt werden. In besonders eingerichteten Trocken¬
häusern werden sie zur möglichst schnellen Austrocknung gebracht.
Die im Querschnitt porigen Decken lassen sich mit der Säge wie
Holz zerschneiden und wie dieses nageln. Die schwächsten Dielen
sind mit einer einseitigen Bekleidung von Asphaltdachpappe ver¬
sehen. Der Preis für Berlin beträgt je nach der Stärke 1,50 bis
2,b0 Jl f. d. qm, das Eigengewicht ist f. d. qm und 1 cm Stärke
auf 6 bis 7 kg anzu¬
nehmen.
Die Belastungs¬
proben wurden in
Gegenwart königlicher
und städtischer Bau¬
beamten wie folgt vor¬
genommen (Abb. 3).
a. Ruhende Ein¬
zellast.
Zur Belastung dien¬
ten Hartgipsdielen von
50 ,00™ 2,5 m Länge, 0,20 m
- ' - ’ - ' — ’ Breite und 8 cm Stärke,
Abb. 3. mit dem Durchschnitts¬
gewicht von 28,5 kg
das Stück. Das Belastungsfeld zwischen den Trägern hatte 0,57 m
Breite bei 1 m Länge; auf dieses wurde eine Belastung von 85 Dielen
2422
= 2422 kg aufgebracht, welche einer Belastung von — rund
4250 kg f. d. qm entspricht. Sowohl während der Belastung, als nach
Wegnahme derselben zeigten sich die Oberfläche wie die Unterfläche
der Decke vollständig unverändert; auch eine Durchbiegung der
oberen Dielenlage war nicht bemerkbar.
b. Fallende Einzellast. Ein Gewicht von 55 kg liefs man
aus einer Höhe von 2 m auf die Mitte einer oberen Gipsdiele fallen,
es erzeugte nur eine etwa 0,5 cm tiefe Einpressung an der Oberfläche
der Diele, während sich an deren Unterfläche stellenweise Risse
zeigten. Die untere Dielenlage blieb unverändert. Aehnliche Ver¬
suche wurden an andern Stellen mit einem geringeren Gewicht von
25 kg aus 3 m Fallhöhe wiederholt, jedesmal zeigten sich nur geringe
Einjjressungen an der von dem Gewicht getroö’enen Stelle.
Wie weit dieses günstige Ergebnifs auch bei anderen und gröfseren
Entfernungen der Träger von einander und bei gröfseren freien Längen
als 6 m zutreffen wird, kann erst die Erfahrung lehren, die sich eben
nur aus verschiedenartiger Anwendung gewinnen läfst. Jedenfalls
wird man aus der vorstehenden Darstellung den Eindruck empfangen,
dafs es sich um eine wohl anwendbare emj)fehlenswerthe Decken¬
anordnung handelt, und zu solcher Anwendung anzuregen, ist der
Zweck dieser Mittheilung. Ha es ecke.
Haus Giesecke in
Wer „Niegen-Bramborg“ nur aus Fritz Reuters „Ollen Kamellen“
kennt und in ihm nichts anderes vermuthet als eines jener freund¬
lichen, aber architektonisch wenig reizvollen Landstädtchen, wie sie
im norddeutschen Flachlande die Regel bilden, der wird bei einem
ersten Besuche der Stadt aufs angenehmste übei’rascht werden.
Neubrandenburgs wohlerhaltene mittelalterliche Befestigung, seine
vier schönen gothischen Thore, seine Marien- und Johanniskirche,
sowie sein in schlichter Renaissance erbautes Rathhaus bilden
eine willkommene Ausbeute für den Architekten, und die Stadt in
ihrer hübschen Lage am langgestreckten Tollense-See, insbesondere
in ihrer doppelten, mit uralten, malerischen Eichen bestandenen
N eubraudenburg.
Umwallung hat landschaftliche AnziehungsjDunkte ungewöhnlicher
Art. Weniger bietet dem Besucher der Bestand an bürgerlichen
Wohnhäusern. Zwar findet er in den sauberen Strafsen gut gehaltene,
nicht zu hohe Gebäude, die auf die Betriebsamkeit und den Wohl¬
stand ihrer Bewohner schliefsen lassen; von der anheimelnden Bau¬
weise aber, wie wir sie uns zu der erhaltenen Umwehrung denken
müssen, haben die Brandgeschosse Tillys, der im Jahre 1631 die
Stadt belagerte und erstürmte, kaum eine Spur übrig gelassen. Da
ist jeder einzelne Fall freudig zu begrüfsen, wo einer der Bürger,
anknüjjfend an jene Zeit vor der allgemeinen Zerstörung, den Neu¬
bau seines Hauses in die Hände eines Baumeisters legt, der es.
Centralblatt der Bauverwaltung.
67
i\r. 7.
unbekümmert um die herrschende Modelaune, versteht, seiner Er¬
findung unter Erfüllung aller billigen Erfordernisse unserer Zeit
das Gepräge jener gediegenen
und schönen Bauart zu geben,
die sich an die mittelalterliche
Aufsenerscheinung der Stadt
anschliefst.
Das neue Wohn- und
Geschäftshaus des Herrn Gie-
secke, welches wir in den
Holzschnitten abbilden, ge¬
hört zu diesen Erfindungen.
Es wurde durch die Regie¬
rungs - Baumeister Professor
K. Schäfer und H. Hartung
in Berlin entworfen und im
Jahre 1888 ausgeführt.
Das Gebäude erhebt sich
in der Strafsenflucht auf ein¬
gebautem Grundstücke. Den
Grundrifs seiner oberen Ge¬
schosse giebt Abb. 2. Er stellt
eine Miethswohnung von sieben
Zimmern, drei Kammern
und sonstigem vollständigen
Zubehör dar und folgt im
wesentlichen dem üblichen
Berliner Muster. Doch ermög¬
lichte sich, da nach dem
linken Nachbar hin in einer
gewissen Tiefe Fensterrecht
besteht , die unmittelbare
Beleuchtung des langge¬
streckten Flurganges im
Seitenflügel, und die Tiefe
des -Grundstückes gestattete
in jedem Geschosse die An¬
lage eines stets sehr will¬
kommenen Gelasses für Brenn¬
holz und Kohlen. Im Erd- '
und hat die
treppenhause.
Abb. 1. Strafsen- Ansicht.
Breite der Kammer oben neben dem Haupt-
Sie vermittelt den Zugang zu den Kellerräumen
im Vorderhause durch zwei
Treppenläufe, die zu beiden
Seiten des vorderen Durch-
fahrttheiles liegen. Noch vor
diesen Treppen, dicht hinter
der Front, befinden sich die
Zugänge zu den Läden.
Zu den Gliederungen
an der Strafsenseite ist
rother Pfälzer Sandstein,
zu den Flächen, die in Voll¬
steinen mit starken weifsen
Fugen aufgemauert sind
und mit denen die Fenster¬
gewände selbstverständlich
bündig liegen , lichterer,
gleichfalls rother schlesischer
Backstein verwendet. Die
Dachflächen sind mit deut¬
schem Schiefer gedeckt. Für
die Hoffronten wurde aus¬
gesuchter Demminer Back¬
stein gewählt. Ihre Fenster¬
gerüste sind aus gefirnifs-
tem Holze gefertigt. Der
Drempel des Seitenflügels
ist in Fachwerk aufgesetzt,
er zeigt weifs geputzte Ge¬
fache und in Umbra ge¬
strichenes Holzwerk. Der
innere Ausbau des Hauses
entspricht der Aufsenerschei¬
nung desselben, ist besonders
gezeichnet und in gediegener
Weise ausgeführt worden. Die
Baukosten belaufen sich auf
„ rund 64 000 Mark, d. i. 150 Mk.
für das Quadratmeter bebauter
Abb. 3. Hofseite und Schnitt durch den Seitenflügel
! Haus Giesecke in Neubrandenburg.
geschosse befinden sich an der Strafse Läden., Die Durch¬
fährt nach dem Hofe ist in die Mittelachse des Hauses gelegt
Grundfläche und 8,6 Mark für das Cubikmeter umbauten Raumes
von der Kellersohle bis zur halben Dachhöhe gerechnet. — d.
68
Centralblatt der B auverwaltun^. 15. Februar 1890.
Die neuen Htafenanlagen bei Calais.
Es ist wolil nicht zu bezweifeln, dafs die Tiefe der Hafenzugänge
bis jetzt stets dem Tiefgang der Schiffe eine Grenze gesetzt liat. ln
neuerer Zeit wachsen nun aber die überseeischen Dampfer stetig in
Zahl und Abmessungen und werden sicherlicli innerhalb kurzer
Zeit noch gröfseren Tiefgang besitzen, sobald nur die Häfen auf
gröfsere Tiefen gebracht sein werden. Es macht sich daher auch
allenthalben, und namentlich im Auslande, das Bestreben bemerkbar,
diesen Anforderungen der überseeischen Schifl'ahrt gerecht zu werden,
d. h. die Hafenanlagen zu erweitern und zu vertiefen, um auch den
tiefgehendsten Dampfern, welche die Häfen des grofsen Weltverkehrs
anlaufen, mit voller Ladung das Ein- und Auslaufen sicher und
ohne Leichter zu ermöglichen. Es werden in Zukunft nur diejenigen
Häfen im Dienste des grofsen Weltverkehrs verbleiben, welche diese
Tiefe hersteilen und erhalten können, wogegen die übrigen umsomehr
zurückgehen müssen, je weniger sie imstande sind, diesen Anforde¬
rungen zu genügen, wenn auch sonst alle Bedingungen zur Ver¬
mittlung des Weltverkehrs vorhanden sind.
So ist auch der Hafen von Calais in den letzten Jahren mit
einem ganz bedeutenden Kostenaufwande erweitert und verbessert,
und die Neubauten sind am 3. Juni v. J. von dem Präsidenten der
französischen Republik feierlich eingeweiht worden. Ueber die ausge¬
führten und nunmehr dem Verkehr übergebenen Bauten lassen wir
in nachstehendem an der Hand eines Berichtes des technischen
Attaches in Paris, Eegierungs- und Baurath Pescheck, sowie der
Veröffentlichungen im Genie civil ^ 1889, Nr. 23 bis 25, eine kurze
Beschreibung folgen.
Der Hafen von Calais ist vorzugsweise Einfuhrhafen, er ver¬
mittelt aber aufserdem die Postverbindung mit England sowie den
Personenverkehr, und es handelt sich bei ihm vorwiegend um die
Mitbewerbsfähigkeit für den Durchgangsverkehr der Reisenden
und der Eilgüter. Calais ist bestimmt, die grofsen Schiffe aufzu¬
nehmen, die hier die Ableichterungen auf der Reede vermeiden
können, infolge dessen sich bereits mehr und mehr die überseeische
Schiffahrt nach Calais hingezogen hat und der Seehandel dort in
stetiger Zunahme begriffen ist. Dazu kommt noch, dafs die beiden
Städte Calais und Saint- Pierre -les- Calais innerhalb derselben Um¬
wallung vereinigt eine sehr wichtige und belebte Oertlichkeit bilden,
und dafs durch die Verlegung der Festungswerke der Raum für die
Vergröfserung dieses der englischen Küste am nächsten gelegenen
Hafens frei geworden war.
Die neuen Hafenbauten stehen, wie aus dem Lageplane ersicht¬
lich, mit neuen Eisenbahnanlagen im Zusammenhänge und umfassen
1) ein Spülbecken A für die Hafeneinfahrt von 90 ha Gröfse,
2) einen Vorhafen B von 6 ha Gröfse,
3) einen Dockhafen C von 12 ha Gröfse,
4) die Verlängerung des westlichen Hafendammes um das Stück
a — b und die Hinausrückung des östlichen Hafendamnies zur
Verbreiterung der Einfahrt von 100 auf 120 m,
5) ein Trockendock D und
6) einen Binnenschiffahrtshafen E von 4 ha Gröfe.
Während man in Havre und Dieppe die Spülung der Hafen¬
einfahrt gänzlich aufgegeben und lediglich durch Baggerungen ersetzt
hat, während man in Dünkirchen das gröfse, so günstig gelegene
und gestaltete Spülbecken in Dockhäfen umgebaut und dadurch die
Spülung der Hafeneinfahrt beeinträchtigt, sie theil weise den Ver¬
kehrsinteressen geopfert hat, ist in Calais die Spülung nicht allein
beibehalten, sondern durch die Anlage eines neuen grofsen Spül¬
beckens ganz wesentlich verbessert worden. Dasselbe ist in seiner
nahen Lage, in seiner beinahe abgerundeten Gestalt ganz ähnlich
dem in Dünkirchen beseitigten und wird später vielleicht auch einmal
in Dockhäfen umgebaut, falls es das Verkehrsbedürfnifs erfordern
sollte. Man beobachtet eben allgemein, dafs die Spülung an Werth
verliert und durch Baggerungen ergänzt oder gänzlich ersetzt wird,
je mehr der Hafenverkehr wächst. Für die neueren Schiffe mit
grofsem (6 bis 8 m) Tiefgang ist sie selbst bei hohem Fluthwechsel,
also grofsen Spülhöhen, grofsen vortheilhaft gestalteten und gut ge¬
legenen Spülbecken unzureichend, sodafs doch Baggerungen eintreten
müssen. Auch in Calais ist aufserhalb der Hafendämme zu baggern,
um, wie man will, eine Tiefe von 4,5 ra bei todter Ebbe erhalten zu
können, und zwar werden nach den bisherigen Erfahrungen jährlich
etwa 170 000 cbm zu baggern sein. Als die Schiffe noch 4 m Tief¬
gang hatten und nur bei Springfluth einliefen, erschien die Spülung
gründlich, ohne es zu sein; mit der Vermehrung des Tiefgangs der
Schiffe hat der Handel aber wirksamere Räumungen gefordert, und
da sind die Dampfbagger eingetreten. Das neue Spülbecken hat
2 m geringste Tiefe unter gewöhnlichem Hochwasser und fafst etwa
1 600 000 cbm Spülwasser, das bei einem wechselnden Gefälle von
4,25 bis 6 m in V4 bis 1 Stunde zum Abflufs kommt. Die Spül¬
schleuse hat 5 Oeffnungen von je 6 m Weite, die durch ausge¬
glichene, um eine Mittelachse drehbare Thore abgeschlossen sind.
Die Sohle der Schleusen-Oeffnungen liegt in Höhe der gewöhnlichen
Ebbe. Das Spülwasser soll besonders in dem unteren Theile des
Hafencanals wirken, wo die sandigen Sinkstoffe noch ziemlich reich¬
lich sind, und wo die Baggerung schwierig ist, es soll diese Massen
auf die Barre werfen, wo sie leichter von den Baggern entfernt
werden können.
Der Vorhafen hat eine Tiefe von 4 m unter tiefster Spring¬
ebbe erhalten, am Fufse des Südwestkais sollen sogar 7 m Wasser¬
tiefe gehalten werden (vgl. Abb. 2), damit die gröfsten Schiffe hier
stets flott bleiben können. Dieser Kai ist besonders für die grofsen
Dampfer der fremden überseeischen Linien bestimmt, die Calais
als Ordrehafen anlaufen, um hier ihre Geschäfte in einer Tide ab¬
wickeln zu können, ohne dafs sie in den Dockhafen einzufahren
brauchen. Der 240 m lange Südwestkai sowohl wie der 570 m lange
Nordostkai stehen mit dem neuen Centralbahnhofe in Schienen¬
verbindung, sodafs ein unmittelbares Uebersteigen der Reisenden
und eine unmittelbare Ueberladung der Post und der Frachtgüter
zwischen Bahnzug und Dampfer am Kai erfolgen kann. Der Nord¬
ostkai ist für die Postdampfer zwischen England und Frankreich
bestimmt, er hat zu dem Zwecke vier Gruppen eiserner treppen¬
förmiger Landebrücken erhalten, sodafs gleichzeitig 4 gröfse Paket¬
dampfer von 100 bis 120 m Länge und 3,5 m Tiefgang auch beim
niedrigsten Wasserstande anlegen können.
Der neue Dockhafen ist durch zwei Kammerschleusen zu¬
gänglich, um beim Durchlässen der Schiffe nicht blofs, wie bei ein¬
fachen Dockschleusen, auf die Zeit der stehenden Fluth beschränkt
zu sein. Die Sohle der Schleusen liegt 2,47 m unter gewöhnlichem
Niedrigwasser, die Wassertiefe beträgt mithin 5,70 m unter dem
mittleren Meeresspiegel, sodafs die Schleusungen für Schiffe mit
kleinerem Tiefgang bereits bei halber Fluth beginnen und bis zur
halben Ebbe fortgesetzt werden können. Die gröfsere Schleuse hat
21m nutzbare Weite, die kleinere 14 m. Die Länge zwischen den
Drempelspitzen der unteren und oberen Ebbethore beträgt für die
gröfsere 133,5 m und für die kleinere 137,45 m. Mittelthore theilen
jede Schleuse in zwei ungleiche Theilschleusen für kleinere Schiffe.
Die Schleusen gestatten das Durchschleusen von Schiffen von 133
bezw. 135 m Länge, während der stehenden Fluth können jedoch bei
offen stehenden Thoren Schiffe von jeder Länge in den Dockhafen
einfahren. Die Bewegungsvorrichtungen für die Schleusenthore, die
Schützen, Drehbrücken und Schiffswinden werden sämtlich durch
Wasserkraft betrieben. Die Länge der Kaie beträgt 1500 m. Nach
Mafsgabe der ersten Häfen Englands, Belgiens und Hollands er¬
fordert ein guter Hafenbetrieb so gröfse Kaibreiten, dafs die Kai-
flächen etwa das Doppelte der entsprechenden Wasserfläche aus¬
machen. Die Beseitigung der alten Festungswerke hat die Möglich¬
keit geboten, diesem Erfordernifs Rechnung zu tragen. Auf der
Südostseite sind die Kaie 120 bis 140 m und auf der Nordwestseite
100 m breit, sie sind mit Druckwasser-Krahnen, Schuppen, Eisenbahn¬
geleisen und Strafsen versehen.
Der Hafencanal ist wegen der grofsen Schifie, die jetzt hier
einlaufen, durch Verschiebung des östlichen Hafendammes von 100
auf 120 m verbreitert, oder es ist vielmehr die frühere Verengung
beseitigt. Diese Verengung sollte die Spülungen verstärken, was
jetzt nach Anlage des neuen Spülbeckens nicht mehr nöthig erscheint.
Die Verlängerung des westlichen Hafendammes hat den Zweck, die
einlaufenden Schiffe vor den herrschenden Westwinden und vor der
von West nach Ost gerichteten Fluthströmung besser zu schützen.
Die Hafendämme sind gebaut als Dämme mit sog. „durchsichtigem
Pfahlwerk“ (jetees ä claire voie), d. h. sie bestehen bis etwa 0,50 m
unter Mittelwasser aus einem vollen Dammkörper und darüber aus
offenem Pfahlwerk. Nur die Köpfe der Dämme sind in ganzer Höhe
gemauert. Das Pfahlwerk trägt die für nicht geschleppte Segel¬
schiffe nothwendige Leinpfadbrücke.
Die Schwierigkeiten, welche die Beseitigung der Barre vor den
Hafendämmen macht, sind es gewesen, welche in Frankreich zum
Bau dieser Art Hafendämme geführt haben. Die beiden vollen
Körper eines solchen Hafendammpaares fassen entweder einen
Küstenflufs ein, an dessen Ausmündung in das Meer gewöhnlich ein
kleiner Seehafen liegt, oder sie schneiden blofs die Hafeneinfahrt in
den ansteigenden Strand und das Ufer ein. Die vollen Hafendämme,
welche früher allein üblich waren, bewirken ein Aufhäufen des
Sandes, welcher schliefslich über den Hafendammkopf hervor- und in
die Hafeneinfahrt tritt. Das durchsichtige Pfahlwerk dagegen läfst
gröfse Sandaufhäufungen nicht zu, der Sand treibt hindurch und
fällt zum Theil in die Hafeneinfahrt, wo er sich einerseits im Bereich
der Spülkraft des Küstenflusses zur Ebbezeit, anderseits im Bereich
leichterer Baggerungen befindet als draufsen vor den Köpfen. Aller¬
dings kann der durch Spülung hinausgeführte Sand sich auf der
Centralblatt der Bauverwaltung.
69
Nr. 7.
Barre ablagern, wobei aber zu' berücksichtigen, dafs nur ein Theil
des Sandes in die Hafeneinfahrt fällt, weil die vermöge der Zwischen¬
räume des Pfahlwerks quer hindurch gehende Strömung den andern
Theil des Sandes weiter führt. Die Barre wird also von diesem
Theil, der bei ganz vollem Damm auch mit über den Kopf hervor¬
getreten wäre, entlastet. Sie wird daher auch durch die Verlängerung
durchsichtiger Dämme nicht in demselben Mafse mit vorgetrieben,
und man kann letztere bis an die
Barre heranführen. Dadurch werden
zwei wesentliche Vortheile erreicht:
erstens trilft die Ebbeströmung des
Küstenflusses, zusammengehalten bis
an die Barre, letztere ungeschwächt
und erhält die Durchfahrt in fester
Lage und etwa um 1 m tiefer als
vordem, und zweitens brauchen die
Schiffe nach Ueberschreitung der
Barre nicht mehr in Brandung zu
fahren, weil sie gleich in die Hafen¬
einfahrt einlaufen. Wenn die quer
durch die Hafeneinfahrt gehende
Strömung die Schiffe gegen den
einen oder den anderen Hafendamm
drücken kann, dann mufs eine theil-
weise Verkleidung der Oeffnungen des
durchsichtigen Pfahlwerks in jedem
besonderen Falle ausgeprobt werden.
Das Pfablwerk wird jetzt meist in
Eisen hergestellt, und die alten höl¬
zernen Pfahlwerke sind schon vielfach
durch eiserne ersetzt worden (vgl. auch
Jahrg. 1885 d. Bl., S. 519, Le Havre.)
Das neue Trockendock hat
eine Länge von 155 m und eine nutz¬
bare Weite von 21m, wie die gröfsere
Schleuse, es kann also Schiffe von
150 m Länge und von jedem Kaum¬
gehalt aufnehmen. Die am besten
ausgestatteten Häfen sollen *wa
800 jährlich einlaufende Schiffe ein Trockendock haben; da jene
Anzahl in Calais über 1800 beträgt, so würden selbst zwei Trocken¬
docks hier gerechtfertigt erscheinen.
Die Ausstattung der beiden Städte Calais und St. Pierre mit
einem für die Binnenschiffahrt bestimmten Hafen war ebenso noth-
wendig, als die Verbindung des Seehafens durch Hafengeleise mit
dem Eisenbahnnetz, weil Calais als Durchgangshafen auch mit den
Binnenwasserstrafsen unmittelbar Fühlung halten mufs. Dieser
Binnenhafen von 4 ha Gröfse besteht in dem verbreiterten Canal von
Calais und hat Verbindung mit dem neuen Dockhafen. Innerhalb
des Stadtgebietes von St. Pierre hat der Canal dieselbe Sohlenbreite,
16 m, wie oberhalb der Stadt, und auf der letzten etwa 1 km langen
Strecke nach dem Seehafen hin, wo der Canal bereits 16 m Sohlen¬
breite hatte, weil er hier auch früher als Binnenschiffahrts-Hafen
diente, eine Sohlenbreite von 25 m erhalten. Die letztere gewährt
an beiden Kaien 5 m, also im ganzen 10 m für liegende Schiffe, und
gestattet dazwischen in dem Raum von 15 m Breite das Kreuzen sich
begegnender Flufsschiffe. Die Tiefe dieser Hafenstrecke beträgt
2,5 m.
Die Neubauten waren nach den betreffenden Baugesetzen ver¬
anschlagt zu 36030 000 Fr., werden aber nach jetziger Veranschlagung
nicht weniger als 43 Millionen Fr. kosten. Die Handelskammer von
Calais hat hierzu dem Staat 8 450 000 Fr. vorgeschossen (die mit 4 pCt.
zu verzinsen und von 1887 ab in 20 Jahresraten zurückzuzahlen sind),
sowie eine Beihülfe von 4 250 000 Fr. geleistet. Bei der erheblichen
Anschlagsüberschreitung aber hat die Handelskammer aufserdem,
um die Eröffnung des neuen Vorhafens und Dockhafens in diesem
Jahre zu sichern, dem Staat 1888 einen weiteren Vorschufs von
4 Millionen geleistet, unverzinslich und zurückzuzahlen in 17 Jahres¬
raten von 1890 ab. Die Handelskammer ist durch das bezügliche
Gesetz vom 4. December 1888 ermächtigt worden, eine Anleihe in
dieser Höhe zu höchstens 5 pCt. aufzunehmen. Um die aufgenommenen
Anleihen verzinsen und tilgen zu können, ist die Handelskammer
gesetzlich ermächtigt worden zur Erhebung eines Tonnengeldes von
0,30 Fr. für die Registertonne und bei Personendampfern von 0,06 Fr.
für die Registertonne. Es ist dies die übliche Weise, in welcher in
Frankreich die Handelskammern der betreffenden Seestädte dem
Staat bei so grofsen Lasten durch tilgbare Anleihen zu Hülfe
kommen.
Was nun die Ausführung der grofsartigen Anlagen anbetrifft,
so lassen sich die Schwierigkeiten derselben schon daraus ersehen,
dafs das Spülbecken und seine Schleusen, der Vorhafen, die Schleusen
Abb. 1. Lageplan von Calais und Saint-Pierre-les-Calais.
des Dockhafens und der nördliche Theil des Dockhafens selbst auf
dem offenen Strande erbaut werden mufsten, während der südliche
Theil des Dockhafens quer durch die Dünenkette und durch die
militärischen Befestigungswerke ausgehoben werden mufste, welche
bis dahin die Stadt St. Pierre, die ungefähr 2 m unter Sturmfluthhölie
liegt, gegen die Sturmfluthen schützten. Die Ausschachtungen mufsten
ganz in dem feinen Sande des Strandes und der Dünen gemacht
werden, auf welchem auch die Bau¬
werke zu gründen waren. Man
mufste sich also vor der Ausführung
zunächst gegen das Meer schützen,
und zwar mufste man den Deichen
und Fangedämmen umsomehr Stärke
geben und ihre Böschungen gegen
die Wirkungen des Windes und der
Wellen schützen, als sie unmittelbar
dem Meere ausgesetzt waren und auf
mehrere Jahre Vorhalten mufsten.
Alle Erdarbeiten, gegen 5 500 000 cbm,
sind theils mit der Hand, theils mit
Baggermaschinen nach dem System
Couvreux ausgeführt. Letztere sollen
sich hier sehr bewährt haben, ihre
gröfste Tagesleistung hat 2400 cbm
bei 14stündiger Arbeitszeit betragen.
Der äufsere Hafencanal ist mittels
Hopperpumpenbagger hergestellt, die
1 473 000 cbm ausgebaggert und auf
eine Meile fortgeschafft haben zu
einem Preise von 0,75 Mark/cbm. Zu
dem Eintreiben der Pfähle und Spund¬
wände ist mit gutem Erfolge auch
hier die Wasserspülung verwandt
worden. Die Herstellung aller Dämme
usw. hat ohne Schwierigkeiten und
ohne Unfälle stattgefunden, aber im
Jahre 1882, mehrere Jahre nach der
Vollendung, hat eine aufsergewöhn-
liche Fluth zur Zeit der Tag- und
70
Centralblatt der Banverwaltung.
15. Februar 1890,
■wäre dalier wohl, wenn auch thexier, doch als sicherer vorzuziehen
gewesen. Infolge von Versuchen, die ein günstiges Ergebnifs hatten,
wurde schliefslich Gründung mit gemauerten rechteckigen Brunnen
gewählt, die in folgender Weise hergestellt und versenkt wurden.
Auf der Sohle der Ausschachtung wurde an Ort und Stelle der recht¬
eckige Brunnenkranz von 7 bezw. 8 m Seitenlänge aus Cementbeton
1 m breit und 0,50 m hoch hergestellt, indem der Beton einfach in
eine aus wegnehmbaren Bohlen gebildete Form gegossen wurde, ohne
dafs ein Holzrahmen oder sonstige Bohlen darunter gelegt waren.
Sobald der Beton genügend erhärtet, wurde der Brunnen aus Bruch¬
steinmauerwerk in Cementmörtel aufgemauert mit senkrechten äufseren
Seiten und mit einer auf eine Höhe von 2,10 m zunehmenden Wand¬
stärke von 1 auf 1,75 bezw. 2 m, die dann bis oben beibehalten
wurde (vgl. Abb. 2 und 3). Die inneren Ecken des Brunnens wurden
abgestumpft, um das Mairerwerk in den vier Ecken zu verstärken.
10 bis 15 Tage nach der Herstellung der Bninnen wurde mit ihrer
Versenkung begonnen, welche Arbeit in der Weise ausgeführt wurde,
dafs mau den Sand innerhalb und unterhalb des Brunnens durch
einen kräftigen und ununterbrochenen Wasserstrahl verdünnte und
dann diese Mischung von Sand und Wasser mittels einer Säugpumpe
aus dem Innenraum entfernte. Die Saxigpumpe war eine Centrifugal-
pumpe, die von einer Locomobile von 10 Pferdestärken getrieben
wurde, das Saugrohr war an einem leichten Gerüst aufgehängt und
ging senkrecht in der Mitte des Brunnens herab, und zwar so, dafs
der Saugkorb stets etwas tiefer war als die Unterkante des Brunnens.
Vier kleine Dampf-Druckpumpen, welche ungefähr 600 Liter in der
Minute mit einem Druck von 2 kg lieferten, speisten je 3 Rohre.
Von diesen 12 Rohren gingen 8 längs der Innenseiten in der Mitte
der 8 Seiten hinab, während die 4 anderen um das Saugrohr an¬
geordnet waren, wie in Abb. 3 angegeben. Von den letzteren dienten
drei dazu, den Sand um den Saugkorb herum zu verdünnen und
den Korb stets frei zu halten, sie vermehrten so die Leistungsfähig¬
keit der Säugpumpe, wie sie auch die Gefahr der Verstopfung ver¬
minderten. Das vierte Rohr war endlich vollständig mit dem Saug¬
rohr verbirnden und hatte seine Mündung über dem Fufsventil des
Saugkopfes. Durch diese Anordnimg war es möglich geworden, fast
alle Verstopfungen zu vermeiden, welche sich anfangs sehr oft
gebildet hatten, und mit deren Beseitigung immer viel Zeit verloren
gegangen war. Die Wasserstrahlen aller Rohre zusammen hielten
den Sand im Wasser schwebend, wobei es viel Sorgfalt erforderte,
die Wassermengen der Pumpen so zu regeln, dafs die Masse des
äusgesaugten Wassers immer ziemlich gleich der zirfliefsenden Masse
war, und dafs der Wasserspiegel im Brunnen immer nahe dem
Aufsenwasserstande, oder besser ein wenig darunter blieb. Auf diese
Weise brauchte man nicht das Hereinrutschen des Sandes von aufsen
zu fürchten, und es ist thatsächlich auch nur eine geringe Masse
Sand mehr als der Inhalt der Brunnen gefördert. Ein Schiefgehen
der Brunnen wurde dabei sehr leicht verhindert, indem man die
Rohre an der einen oder anderen Seite hob oder senkte, sodafs sie
mehr oder weniger tief in den Sand eindrangen. Nachdem der
Brunnen bis auf die richtige Tiefe versenkt war, liefs man den
Sand sich setzen, schüttete dann die ersten 2 bis 2,5 m unter Wasser
mit Wasserkalkmörtel-Beton aus, und diese Schüttung bildete nach
ihrer Erhärtung infolge der unteren Gestaltung der Brunnen einen
vollständig dichten Pfropfen, der sehr wohl dem Wasserdruck von
unten widerstand, sodafs der Brunnen nunmehr ausgepumpt und mit
Cementbeton bezw. Mauerwerk ausgefüllt werden konnte.
Zwischen je zwei Brunnen liefs man 0,40 m Spielraum, der später
ausgefüllt wurde. Die Erfahrung hat gezeigt, dafs es vollständig
genügt, zwischen zwei nacheinander zu senkenden Brunnen einen
Zwischenraum zu lassen, der der Breite eines einzigen Brunnens
entspricht, sodafs die Senkung des zweiten Brunnens genau so wie
die eines alleinstehenden stattfindet. Bei der Senkung des dazwischen
liegenden Brunnens hebt sich dann der Einflufs der beiden bereits
gesenkten vollständig auf, da sie gleichmäfsig liegen. Mit der Aus¬
füllung der Brunnen wurde ferner nicht eher begonnen, bis die
benachbarten Brunnen gesenkt waren, um den Uebelstand zu ver¬
hüten, der hätte eintreten können, wenn beim Senken des benach¬
barten Brunnens der Sand unter dem Beton fortgesogen wäre. Nach¬
dem eine Reihe aufeinanderfolgender Brunnen gesenkt und gefüllt
war, ging man daran, die Zwischenräume zwischen je zweien zu
schliefsen. Um diesen Schlufs zu erleichtern, waren in den äufseren
Seiten des Brunnenmauerwerks senkrechte Falze ausgespai-t, die
Ausfüllung selbst wurde in folgender Weise hergestellt. Aufsen vor
den benachbarten Kanten der vorderen und hinteren Seiten zweier
aufeinanderfolgenden Brunnen trieb man mit Hülfe der Wasserspülung
Blechstreifen senkrecht bis zum Fufse der Brunnen hinab, und diese
Bleche bildeten dann eine Wand, innerhalb der wieder in derselben
Art wie bei den Brunnen der Sand verdünnt und entfernt wurde.
Den Zwischenraum füllte man schliefslich mit Beton aus (vgl. Abb. 3).
Auf diesen so gedichteten Pfeilern wurde dann die eigentliche Mauer
hochgeführt. Die Zeitdauer, die erforderlich war, um die kleineren
Brunnen auf 6,5 bis 7 m Tiefe zu senken, hat im Mittel 23 Stunden
betragen, die stündlich geförderte Masse betrug dabei 6,35 cbm,,
während für die gröfseren Brunnen der Südost-Kaimauer, die auf
8,75 m Tiefe versenkt werden mufsten, die zur Senkung erforderliche
Zeit im Mittel 45 Stunden betrug bei einer stündlichen Förderung
von 10,88 cbm Sand. Die Kosten der Senkungsarbeiten haben für
alle Brunnen zusammen, auf 1 cbm ßrunneninhalt berechnet, 2,54 Mark
betragen. Th. Janssen^
Erweiterung des preufsischen Staatsbahnnetzes und Anlage neuer Eisenbahnen
untergeordneter Bedeutung.
Dem preufsischen Landtage ist im Anschlufs an ähnliche Vor¬
lagen früherer Jahre*) vor einigen Tagen der „Entwurf eines Gesetzes,
betreffend die Erweiterung und Vervollständigung des Staatseisenbahn¬
netzes“ zugegangen, nach welchem die Staatsregierung ermächtigt
werden soll, für die genannten Zwecke die Summe von 201 656 466 v/f
zu verwenden, und zwar:
I. Zur Herstellung von 30 — späterhin noch im
einzelnen aufzuführenden — neuen Eisenbahn¬
linien und der durch dieselben bedingten Ver¬
mehrung des Fuhrparks der Staatsbahnen, sowie
zur Beschaffung von Betriebsmitteln zusammen 117 396 000 Jt
II. Zur Anlage des zweiten bezw. dritten und vierten
Geleises auf den nachstehend bezeichneten Strecken
und den dadurch bedingten Ergänzungen und
Geleisveränderungen auf den Bahnhöfen: l)Neifse-
Deutsch-Rasselwitz 1 350 000 2) Lauban-Greif-
fenberg und Hirschberg - Ruhbank 2 260 000 Ji,
3) Eberswalde - Freienwalde a. 0 . 820 000 Jf,
4) Grünau-Königswustei’hausen 400000 tJf, 5) Ber¬
liner Ringbahn zwischen Bahnhof Rixdorf und
Bahnhof Stralau-Rummelsburg nebst Umbau be-
ziehungsw. Verlegung der zwischen der Ringbahn
und der Berlin- Görlitzer Bahn bestehenden An¬
schlüsse 610000Ö J( , 6) Berlin - Oranienburg
1 150000 Ji, 7) Finsterwalde-Eilenburg 3660000 J(,
8) Gera- Weida nebst Einführung des bestehenden
Doppelgeleises Gera - Zeitz -Weifsenfels in den
■ ' Bahnhof Weifsenfels 1960000 .Jf, 9) 0 Schersleben-
Nienhagen 715 000 JC, 10) Heudeber-Vienenbui’g
*) Centralbl. der Bauverw. 1882 S. 39, 1883 S. 58, 1884 S. 21 u 37:
1885 S. 55, 1886 S. 86, 1887 S. 69,- 1888 S. 85 und 1889 S. 58. —
860000 .Jf, 11) Hardegsen -Northeim 1 110000 ,Jf,
12) Wilhelmsburg (Rangirbahnhof) - Hamburg -
(Venloer Bahnhof) 3 100 000 .Jf, 13) Kirchweyhe-
Bremen und Sagehorn -Lauenbrück 1455 000 ./ff,
14) Rödelheim -Oberursel 600 000 .Jf, 15) Hamm- ^
Herbern in Verbindung mit der selbständigen
Einführung der Bahn von Münster in den Bahn¬
hof Hamm 1 570 000 .Jf, 16) Drensteinfurt-Münster
673 000 Ji, 17) Vohwinkel - Aprath 400 000 M,
18) Grevenbroich-Elsdorf 800 000 .Jf . 28 983 000 .Jf
III. Zu nachstehenden Bauausführungen: 1) für die
Vereinigung der Bahnhöfe der früheren Ober-
schlesischen und Rechte-Oder-Ufer-Eisenbahn in
Beuthen O./S. sowie der anschliefsenden Strecken
bis Chorzow und Herstellung einer Bähnverbin- ■ ■
düng Chorzow -Kattowitz 5 400 000 .Jf, 2) für die . ‘
selbständige Einführung der Bahnlinie Groscho- ■ .
witz— Grofs-Strehlitz — Laband in die Bahnhöfe
Gleiwitz und Oppeln, sowie Aenderung der Bahn- - -
höfe zu Gleiwitz und Erweiterung des Bahnhofs '
Oppeln 8 650 000 .Jf, 3) für die Herstellung einer
Verbindungsbahn zur Umleitung durchgehender '
Güterzüge auf der Südseite von Breslau, sowie ■’ )• ,
eines Rängirbahnhofs daselbst 19950000./^, 4) für ’ -■ ■ ■
die Erweiterung des Personenbahnhofs in Stettin '
4 150 000 .Jf, 5) für den LTtnbau und die Erweite- ' "
rung des Bahnhofs Stendal 3 200 000./^, 6) für . .
den Umbau und die Erweiterung des Bahnhofs ' )
in Buckau 5 000 000 .Jf, 7) zur Deckung der Mehr-
kosten für den Bau der Eisfenbahn von Jerxheim '' .
näch Nienhagen 330000 .Jf, ■ 8) zur Deckung der .' „'V'
Mehrkosten des Ausbaues der Bahnstrecke Vie- - -- .
Centralblatt der Bau Verwaltung.
71
Nr. 7.
nenburg - Goslar - Grauhof 400 000 Ji, 9) für die
Herstellung einer abgekürzten Schienen Verbin¬
dung zwischen den Linien Hannover-Nordstemmen
und Nordstemmen-Hildesheim 615 000 10) zur
Deckung der Mehrkosten für den Bau der Eisen¬
bahn von Wissen nach Morsbach 160000 Jt,
11) für die Herstellung eines Rangirbahnhofs
in Saarbrücken und Erweiterung der Anlagen
für den Personen- und Güterverkehr daselbst
6 500 000 Ji, 12) zur Deckung der Mehrkosten
für den Bau der Eisenbahn von Solingen nach
Vohwinkel 230 000 13) zur Gewährung eines
weiteren Zuschusses zu den Grunderwerbskosten;
a) der Eisenbahn von Prüm nach Rothe Erde
(Aachen) mit Abzweigung nach Malmedy 488466./Ä,
b) der Eisenbahn von Ahrweiler nach Adenau
204 000 Ji, zusammen . . 55 277 466 Ji
Insgesamt 201 656 466 Ji
Beitrag zur Lehre vom Fachwerk.
Auf Seite 362 des Jahrgangs 1886 des Centralblatts der Bau¬
verwaltung hat Herr Dr. Forchheimer folgenden bemerkenswerthen
Satz aus der Lehre vom Fachwerk bewiesen:
„Für ein Fachwerk von unveränderlicher Stoffmenge, welches
eine Stofifvertheilung gleichmäfsiger Beanspruchung zuläfst, wird bei
dieser Vertheilung sowohl die Einsenkung als auch die Meist-
beanspruchung am kleinsten. Für ein solches Fachwerk ist also
diejenige Vertheilung die günstigste, bei welcher die Einsenkung
am geringsten ist.“
Dies läfst sich, wie im folgenden gezeigt werden soll, in ein¬
facher Weise aus einem von Castigliano aufgestellten Satze ab¬
leiten, und bildet so eine vielleicht nicht uninteressante Anwendung
des letzteren auf die Lehre vom Fachwerk.
Sind F und l Querschnitt und Länge eines Fachwerkstabes, ist
F die Belastung eines Knotenpunktes, S die durch die Belastung
hervorgerufene Spannung des erstgenannten Stabes, p die Einsenkung
des Knotenpunktes, E der Elasticitätsmodul, so gilt die Gleichung
8^
1) 2 P2) = 2 l.
Aendert man F um so erfahren auch S und p Aenderungen,
die durch J[S\ und J[p] bezeichnet werden sollen, und man hat
i.) +
l,
sodafs man ferner erhält:
2)
PJ[p'] =
EiPJrJlF]) "“FF’
3) 2PJ[p]
FiF-\-J[F])
1 + 2
SJ[S]
FiF+J[F])
l
FF (F+ J[FJ)
l.
Die Aenderungen der Gröfsen N sind nun offenbar solche, die mit
den statischen Beziehungen vereinbar sind. Nach Castigliano wird
aber durch jede derartige Aenderung der Ausdruck
. . ' • ^ FF
vergröfsert, es ist also auf jeden Fall — mögen die ^[S\ nun un¬
endlich klein sein oder nicht —
SJ[S]l
FF
= 0.
Mit Hülfe dieser Gleichung läfst sich das mittelste Glied auf der
rechten Seite von 3) folgendermafsen umformen:
2’ 2
F{F+Jm)
Sj[8]
FF
während man weiter hat:
S^J[F]
1 — -2
F{F+J[F])
SJiS]J[F^
l
l,
F{F+ JlFy)F
—
FF
l = 2
l -
FF(F+ ^[F])
J[F] { F + J[F] -J[F] }
F(F+J[F]) F~^
l
FF^ (F+ J[F])
l.
Die soeben angegebenen Gleichungen verwandeln die unter 3) an¬
gegebene Beziehung in die folgende:
4) 2 Pj[p'] = 2 -.,rM^P^^l — 2 2
F{F+J[_F])
8^ {JIF]Y
FF'^ {F+JiFJ)
l -
l
FF (F4
8+J[F]
EF^
J[F])
8^J{F^
l.
” E{F + ^[F]) " “ EF^
Stellt nun die durch die Gröfsen F bedingte Stofifvertheilung eine
solche gleichmäfsiger Beanspruchung dar, d. h. haben die Quotienten
^ einen gemeinschaftlichen Werth wird ferner durch die Quer-
schnittsänderuug ^ [F] die Menge des Stoffes nicht geändert, ist also
5) 2JiF]l^0,
so wird das letzte Glied auf der rechten Seite von 4)
s^^iF] , _ :ej[F-\ i = 0.
EF^
l =
E
Dann erkennt man sofort, dafs 2Pz/'ip'\ positiv ist; das heifst aber
nichts anderes, als jede Veränderung der Stoffvertheilung bewirkt
eine Vergröfserung von 2 Pp. Da nun durch die Gleichung
f2P = 2Pp
die Einsenkung f des Fachwerks definirt ist, so haben wir im vor¬
hergehenden bewiesen;
„Sobald eine Stofifvertheilung gleichmäfsiger Beanspruchung mög¬
lich ist, erreicht bei dieser Anordnung die Einsenkung ihren kleinsten
Werth.“
Unter der durch Gleichung 5) bestimmten Voraussetzung können
wir das zweite Glied auf der rechten Seite von 2) folgendermafsen
umgestalten :
C2 (72 7,2 7.2
" l = 2^^Fl^2 + {F+J\F^)l-2-^J\F^l
EP
FF^
F
==2^{F+JiFj) i;
aus Gleichung 2) folgt dann unmittelbar die Gleichung:
61 ^ P /TjU — ^ ^ ('^+‘^[*5])^ 7.2 1 (F+J{F])
6) ^ - l.
Von der linken Seite dieser Gleichung haben wir schon nach¬
gewiesen, dafs sie unter den gemachten Voraussetzungen stets
positiv ist. Die rechte Seite kann höchstens dann positiv sein, wenn
\F+'+\+\} <ienjenigen Stab, bei welchem diese
Gröfse den beträchtlichsten Werth hat, gröfser als k'^ ist, d. h. wenn
die Meistbeanspruchung nach der Umlagerung des Mateiüals gröfser
ist als vor der Umlagerung. Aus Gleichung 6) folgt also unmittelbar:
„Bei einem Fachwerk der hier betrachteten Art ist die Stofif¬
vertheilung gleichmäfsiger Beanspruchung zugleich diejenige geringster
Meistbeanspruchung.“
Vereinigen wir nun diesen Satz mit dem vorher bewiesenen, so
erhalten wir das Forchheimersche Gesetz;
„Für ein Fach werk, bei welchem eine Stofifvertheilung gleich¬
mäfsiger Beanspruchung möglich ist, ist diejenige Anordnung die
günstigste, bei welcher die Einsenkung möglichst gering ist.“
Berlin, im September 1889. Dr. F. Kötter.
Vermischtes.
In der Preisbewerbung um Entwürfe für die Trinitatiskirche
in Dresden (vgl. S. 253 und 370 des vorigen Jahrgangs d. Bl.) ist
ein erster Preis nicht ertheilt worden, weil nach der Ueberzeugung
der Preisrichter keiner von den eingegangenen 22 Entwürfen für
die ausgeworfene Bausumme ausführbar erschien. Der zweite Preis
(2000 Mark) ward dem Entwürfe „Trinitas“ der Architekten Abesser
u. Kröger in Berlin, der dritte Preis (1000 Mark) der Arbeit „Edles
Material“ des Architekten Schramm in Dresden zuerkannt. Gemäfs
Empfehlung der Preisrichter sollen weitere drei Entwürfe („Dreieck
im grünen Kleeblatt“, „Ora et labora“ und „weifses Dreiblatt“), falls
die Verfasser einverstanden sind, zum Preise von je 1000 Mark an¬
gekauft werden.
72
Centralblatt der Bauverwaltung.
15. Februar 1890.
,,Hanil)urj^ mul seine BaTiteii.‘‘ Zu der im August dieses Jahres
nach Hamburg einberufenen 9. Wanderversammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieurvereine gedenkt der Hamburger
Verein ein Buch „Hamburg und seine Bauten“ herauszugeben, das
nach der vorliegenden Ankündigung sich den früher in Berlin,
Frankfurt a- M. und Köln veranstalteten Veröffentlichungen ähn¬
licher Art würdig anschliefsen , seinen Hamburger Vorgänger aus
dem Jahre 1868 aber an Umfang und Reichhaltigkeit des Inhalts
bei weitem übertreffen wird. Die beizugebenden Abbildungen, welche
nach den in neuerer Zeit bedeutend vervollkommneten Verfahren
hergestellt werden, versprechen nach den vorliegenden Proben be¬
sonders vortrefflich zu werden. Neben einem durch alte Stadtpläne
erläuterten Abrifs über die Geschichte der baulichen Entwicklung
Hamburgs sollen die bedeutenderen und durch Eigenart bemerkens-
werthen baulichen Werke und Anlagen aus älterer und neuerer Zeit
zur Darstellung gelangen, wobei auch das Bauwesen der Nachbarstadt
Altona volle Berücksichtigung erfahren wird. Das Werk soll in
einer Stärke von mindestens 25 Druckbogen in Grofsoctav im Selbst¬
verläge des Hamburger Architekten- und Ingeuieurvereins erscheinen.
Eine beschränkte Anzalil von Exemplaren wird zur vorherigen Zeich¬
nung aufgelegt und zwar zu den Vorzugspreisen von 10 Mark (auf
gutem Druckpapier) bezw. 12,50 Mark (auf Kupferdruckpapier) ;
nach dem Erscheinen tritt eine erhebliche Preiserhöhung ein. Be¬
stellungen sind an Herrn Oberingenieur P. Andreas Meyer in Ham¬
burg, Bleichenbrücke 17, zu richten.
Zu dem Aufsätze „IMe deutschen natürlichen Bausteine in
Bezug auf ihre Festigkeit und physicalischeu Eigeuschaften‘‘
erhalten wir das nachfolgende Schreiben;
In Nr. 5A des lfd. Jahrg. des Centralbl. der Bauverw. S. 54 sagt
Herr Max Gary am Schlüsse seines Aufsatzes über „die deutschen
natürlichen Bausteine usw.“ in einer Anmerkung; „Die Ergebnisse der
umfangreichen Versuche des Münchener Laboratoriums lassen sich
mit denen der Berliner Prüfungsstation um deswillen nicht in un¬
mittelbaren Vergleich stellen, weil erstere mit Würfeln vorgenommen
wurden, die z. Th. künstlich (unter der Luftpumpe) wassersatt gemacht
und dann parallel zum Lager auf Druck beansprucht wurden . .
Dies ist nur richtig bezüglich eines Theils derjenigen Versuche, über
welche in dem von Herrn Gary angeführten 19. Hefte meiner „Mit¬
theilungen“ zwar berichtet wird, die aber nicht im Laboratorium
selbst, sondern von Herrn Dr. Blümcke an einzelnen Stücken je
einer Steinsorte angestellt worden sind, welche allerdings dann später
im Laboratorium im Anschlüsse an dort früher angestellte Versuche
parallel zum Lager zerdrückt wurden. Bei meinen späteren Frost-
beständigkeits -Versuchen, deren Mittheilung den Hauptinhalt jenes
19. Heftes bildet, habe ich gemäfs den Beschlüssen der Münchener
und Dresdener Conferenzen 18 Würfel von jeder Steinsorte verwendet,
von denen 6 in trockenem, 6 in wassersattem Zustande und 6 nach
25 maligem Gefrieren zerdrückt wurden, und zwar immer je drei von
den 6 Würfeln senkrecht und je drei parallel zum Lager, wo ein
solches vorhanden und erkennbar war. Die Tränkung der im wasser¬
satten Zustande geprüften und der dem Gefrierverfahren unterworfenen
Würfel geschah dabei immer durch Capillarität. — Allerdings be¬
stehen auch zwischen diesen meinen Versuchen über Frostbeständig¬
keit und denjenigen der Berliner Prüfungsstation noch solche Unter¬
schiede, dafs ein „unmittelbarer Vergleich“ nicht möglich ist, diese
Unterschiede liegen aber für jeden Leser so klar zu Tage, dafs sie
hier nicht besonders hervorgehoben zu werden brauchen.
München, 7. Februar 1890. Bauschinger.
Biiclierscliaii.
Führer durch Hildesheim und Uragehuug von A. v. Behr. Hildes¬
heim 1889. Aug. Lax. 72 S. in 16*^ mit Abbild, u. einem Stadtplane.
Wenn aus berufener Feder eine neue, nach kunstwissenschaft¬
lichen Gesichtspunkten bearbeitete Zusammenstellung der Denkmäler
Hildesheims erscheint, wo über diese Stadt bereits eine Reihe tüch¬
tiger Werke vorhanden ist, auch eine gute, zum Gebrauch des
Reisenden bestimmte Monographie (Gerstenbergsche Buchhandlung,
4. Aufl. 1883), so darf man mit Recht eine treffliche Leistung er¬
warten. Und eine solche ist das vorliegende Büchlein. Den über¬
reichen Stoff gliedert es in folgende Abschnitte; 1) eine Zeittafel
der Bau- und Kunstgeschichte, welcher auf der gegenüberstehenden
Seite die Daten der politischen Geschichte angereiht sind (nach
dem Vorgänge C. Peters in seinen Zeittafeln zur römischen Geschichte
und neuerdings C. Steinbrechts in seinem „Thorn im Mittelalter“);
2) einen Rundgang durch die Stadt, bei dem ein Ueberblick
über das Gesamtbild und die genauere Kenntnifs der Bürgerhäuser
gewonnen wird; 3) eine Schilderung der Kirchen, des Rathhauses
und des Römerschen Museums; 4) eine kurze Zusammenstellung der
Ausflüge und statistischer Angaben. Wenn der erste Abschnitt auch
nicht gerade für die Mitglieder der vereinigten norddeutschen Lieder¬
tafeln brauchbar gewesen sein dürfte, gelegentlich deren Vereinigung
das Büchlein verfafst ist, um so brauchbarer ist es für den Freund
der Kunst- und Culturgeschichte, da es schnell und sicher zurecht¬
weist. Dankeuswerth sind unter den Abbildungen (die meist einigen
im gleichen Verlage erschienenen Studien Cunos entnommen sind)
die Gebäude -Grundrisse. Dankenswerth ist es insbesondere, dafs
auch der in Reisebüchern so oft veimachlässigten neuzeitlichen Technik
ihr Recht wird. Nur das unter Leitung des Verfassers im Um- bezw.
Neubau begriffene Regieruiigsgebäude ist in doch zu bescheidener
Weise übergangen. Vor Besichtigung der Denkmäler und Kunst¬
werke Avird namentlich der ostdeutsche, an regelmäfsigere Städte¬
bilder gewöhnte Besucher gut thun, den — geschickt gewählten —
Weg durch die Avinkligen Gassen mit Blaustift auf dem Stadtplane
vorzureifsen. Die Besichtigung erleichtert, dafs die überaus zahl¬
reichen Inschriften, die in dieser Vollständigkeit bisher nicht zu¬
sammengestellt sind, genau aufgeführt und übersetzt sind, sodafs
man sich mit der mühsamen Entzifferung nicht aufzuhalten braucht.
Gegenüber den jetzt so beliebten „Europäischen Wanderbildern“
zeichnet die Arbeit die stets in den Vordergrund gerückte Hervor¬
hebung der künstlerischen Momente aus; sie hebt sich damit weit
über die in Ueberfülle erscheinende örtliche Litteratur hinaus, zumal
sich das Urtheil überall als Ergebnifs persönlicher Umschau darstellt.
Bei einer zweiten Auflage würde die kurze Erklärung der oft
wunderbaren Strafseunamen erwünscht sein, auch ein Hinweis auf
die Litteratur, die doch nur wenigen bekannt ist. An Versehen,
die sich bei der Eile der Ausführung eingeschlichen haben, ist fol¬
gendes aufgefallen. In dem „qui fuit“ sc. filius auf S. 55 bezieht
sich der im Genitiv stehende Name nach Lucas 3 auf den Vater
des dargestellten Vorfahren des Heilands. — Wenn auch der Ur¬
sprung der doppelchörigen Kirchen bei den Benedictinern zu suchen
ist, so ist doch dieser Gruudrifs nicht durch die Ordensregel geboten,
Avie der Verfasser auf S. 56 angiebt; das Zusammentreffen ist ein
zufälliges. — Auf dem im übrigen guten Plane würde auch ein
Längenmafsstab erwünscht sein; in dem Geviert F. 5 fehlt der Name
der Annenstrafse, Avas um so mifslicher, als Bädeker hier einen
falschen Namen hat. H. Lutsch.
Neue Patente.
Eiiuleckung von Dächern mit biegsamen Materialien ohne
Nagelung derselben. Patent Nr. 49 707. Adalbert Keim in Potsdam.
— Je nachdem die Dachfläche aus Schalung oder aus Gewölben her¬
gestellt ist, erfolgt die Rinnenbildung entweder durch Latten, die auf
die Sparren genagelt sind und deren Zwischenraum mit dem Deck¬
material ausgekleidet wird, oder durch Profileisen. Das Deckmaterial
wird in beiden Fällen in die Rinne hineingebogen und dort mittels
Schienen s und Keile k festgeklemmt. Es ist für jede beliebige Dach¬
neigung verwendbar. Die Herstellung und den Vertrieb desselben
hat die Firma Salzmann u. Co. in Cassel übernommen.
Verfahren zur Herstellung von Metall-, Dach- und Waudpappe
(Universalpappe). Patent Nr. 43 349 und 45 509 (Zus.). Arthur
Siebei, in Firma A. Siebei in Düsseldorf. — Nach diesem Ver¬
fahren wird ungeleimtes filziges Papier, Pappe, Filz, Gewebe od. dgl.
von einer Rolle ab und durch einen Bottich gezogen, welcher mit
Theer, Lack, Asphalt oder ähnlichem gefüllt ist und von unten be¬
feuert Avird. Während der Stoff’ durch den Bottich läuft, wird er
von einer Tauchwalze niedergehalten, kommt dann zwischen zwei
Quetschwalzen und hierauf zwischen zwei Streuwalzen. Letztere be-
Averfen das Papier mit Haaren, Faserstoff’ - Abfällen , Sägespänen,
gepulvertem Kalk usw. und geben es an eine Trommel ab, deren
ETmfang gleich der Länge einer fertigen Pappe ist. Die Trommel
läfst man nun so viele Umdrehungen machen, als man Papierlagen
zu einer Bahn haben Avill. Die verschiedenen Lagen Averden durch
Druckwalzen fest auf einander geprefst. Auf die so vorbereitete Bahn
aus Faserstoffen wird eine Bahn aus Drahtgeflecht (Pat. Nr. 43 349)
oder eine Bahn aus Blech, z. B. Walzblei (Pat. Nr. 45 509), aufgelegt
und hierauf wird Avieder eine Bahn aus Faserstoffen in der vorher
geschilderten Weise aufgewalzt. Schliefslich wird die Bahn auf¬
geschnitten und von der Trommel abgehoben. Ebenso wie man der
Pappe eine mittlere metallische Lage gegeben hat, kann man ihr
auch noch eine äufsere metallische Haut geben.
Verlag von Erust&Korn (Wilbelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des niclitamtliclien Theiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
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Centralblatt der Baiiverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der ööentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang.
Berlin, 22. Februar 1890.
Nr. 8.
Bedaction; SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslaude 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Die St. Marien-
Domkirche in Colberg. — Ueber Profilmafsstäbe und über den Genauigkeitsgrad bei
der Erdmassen-Ermittlung. — Die Viaducte der Eisenbahnlinie Tabor-Pisek. — Die
Begulirung der Stromverhältnisse der Weichsel und Nogat. — Anlage neuer Eisen¬
bahnlinien in Prcnlsen. — Vermischtes: Preisbewerbiing um ein Schulhaus in
Langensalza. — Preishewerbung für den Bau eines Silospeichers in Riga. — Preis-
hewerbung um die Trinitatiskirche in Dresden. — Wettbewerbung für die archi¬
tektonische Durchbildung des gufseisernen Gehäuses für einen Strafsenbruunen in
Berlin. — Etruskisches Pompeji. — Internationaler Eisenbahncongrefs. — Mittheilungen
über Baumeister Eduard Titz. — ßücherschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Des Königs Majestät haben dem Director der städtischen Gas-
und Wasserwerke, Eegierungs- Baumeister Ernst Winter in Wies¬
baden den Charakter als Baurath zu -verleihen geruht.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Hermann Wilms aus Münster i. W., Gustav
Werner aus Göttingen, Georg Matzdorff aus Breslau und Georg
Schultz aus Stettin (Hochbaufach); — Walter Groebler aus
Aschersleben (Ingenieurbaufach).
Der Landes -Bauinspector, Königlicher Baurath Reinhardt in
Berlin, ist gestorben.
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Die Landmesser- Prüfung in Preufsen haben bestanden
I. im Frühjahr 1889:
a) Berufslandmesser:
Ambrosius, Adolf, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Beumelburg, Karl, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Dickow, Ernst, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Gei^^^Otto bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Göbel, Ernst, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Grofs^^&igo^^^*^ } der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Grofse, August, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Hahn, Ludwig, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Hellmich, Max, bei der Prüfungs- Commission in Berlin.
Konegen, Erich, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Krähahn, Konrad .
Lauw, Willy I
Möller, Karl
Mühlenbeck, Karl |
Reimann, Fritz '
S an de^^ Theodor } Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Sprich, Georg, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Stötzel, Friedrich, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Sutter, Otto, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
Terwey, Heinrich, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
Wehm^r^’w^elm } Prüfungs-Commission in Berlin.
Weimer, Karl \ bei der Prüfungs - Commission in
Winkler, Johann Peter f Poppelsdorf.
II. im Herbst 1889:
a) Berufslandmesser:
Bollmann, Fritz,!
Göbel, Ernst /
Nowack, Alois J
bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
4. Schulze, Johann Friedrich Wilhelm ) n • , -n -r n
5. Wachert, Karl P^ufungs - Com-
6. Wilski, Paul Friedrich Hermann i mission in er in.
b) Forstbeamte:
1. Aschoff, Friedrich Ludwig (Forstassessor), bei der Prüfungs-
Commission in Poppelsdorf.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, die Post-
Bauinspectoren Techow in Berlin, Hintze in Köln a. Rh., Schäffer
in Hannover und Bettcher in Strafsburg i. E. zu Post-Bauräthen
zu ernennen.
Sachsen.
Der geprüfte Civilingenieur für Maschinenwesen Gustav Adolf
Hultsch ist zum etatmäfsigen Regierungs-Baumeister beim Maschinen-
Betriebsdienste in Chemnitz befördert und der Regierungs-Baumeister
im Werkstättendienste in Chemnitz, Karl Eduard Friefsner, zum
Maschinen-Ingenieur daselbst ernannt worden. Der geprüfte Civil¬
ingenieur für Maschinenwesen Paul Bafsenge ist zum etatmäfsigen
Regierungs-Baumeister beim Werkstätten dienste in Chemnitz und der
Sections-Ingenieur (mit der Bearbeitung der Projecte für die Um¬
gestaltung der Dresdener Bahnhöfe betraut) Otto Reinhold Klette
zum Abtheilungs-Ingenieur befördert worden. Der Betriebs-Director
Ernst Eduard Poppe in Leipzig ist zum Bau-Oberingenieur er¬
nannt und der Betriebsinspector Max K r auf se zum Betriebs-Director
bei der Betriebsoberinspection Leipzig I befördert worden. Der
Abtheilungs-Ingenieur Wilhelm Alexander Julius Homilius ist zum
Betriebsinspector in Leipzig ernannt worden. Der Sections-Ingenieur
Arthur Oskar Heise ist zum Abtheilungs-Ingenieur in Rochlitz und
der technische Hülfsarbeiter, präd. Regierungs - Baumeister Emil
Fickert zum etatmäfsigen Regierungs-Baumeister bei der Staats¬
eisenbahn-Bauverwaltung befördert worden. Der etatmäfsige Re¬
gierungs-Baumeister Wolfgang Paul Schenkel ist zum Sections-
vorstand für die Linie Kamenz-Elstra ernannt worden. Der Ober¬
ingenieur für Staatseisenbahnbau Karl Paul Prefsler ist zum Finanz¬
rath und etatmäfsigen Mitgliede der Generaldirection der Staatseisen¬
bahnen befördert worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, am
18. Februar d. J. die erledigte Stelle eines Bahnmeisters in Ostrach dem
stellvertretenden Bahnmeister Ziegler in Altshausen zu übertragen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben sich Gnädigst
bewogen gefunden, den Kammerjunker Oberingenieur Frhrn. Teuffel
von Birkensee in Bruchsal zum Kammerherrn zu ernennen.
Der Baurath Karl Diez in Freiburg ist gestorben.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die St. Marien -Domkirche in Colbersj.
Durch ein Gnadengeschenk Kaiser Wilhelms I. wurde die
St. Marien -Domgemeinde in Colberg im Jahre 1886 in den Stand
gesetzt, ihr stark in Verfall gerathenes Gotteshaus, die Hauptpfarr¬
kirche der Stadt, in planmäfsiger Weise wieder herzustellen. Die
Kirche, von der umstehend Grundrifs, Querschnitt und Nordansicht
dargestellt sind, hat ihre jetzige Gestalt erst durch mehrmalige
Vergröfserungen und Veränderungen erhalten. Der Beginn ihrer
Erbauung fällt zusammen mit der um die Mitte des 13. Jahrhunderts
erfolgten Gründung des deutschen Colberg nahe der Mündung des
Persante-Flusses und mit der bald darauf vorgenommenen Verlegung
des Domcapitels aus dem Va Stunde oberhalb am Flusse gelegenen
alten wendischen Colberg in die neubegründete Stadt. Die für da¬
malige Zeiten sehr bedeutenden Einnahmen des dem Bischof von
Cammin unterstellten Capitels, dessen Mitglieder dem Gottesdienste
gröfseren Glanz und höhere Würde zu verleihen berufen waren, er¬
laubten im Verein mit zahlreichen zum Bau gesammelten Opfergaben
die räumlich sehr ausgedehnte und auf eine volkreiche Stadt be¬
rechnete Anlage der Kirche. Der damals begonnene, ältere Theil
74
Centralblatt der Bauverwaltung.
22. Februar 1890.
des Gotteshauses, welcher im Grundrisse schwarz angelegt ist, besteht
aus einer dreischiffigen, fünf Joch langen, mit Kreuzgewölben auf
Achteckpfeilern überdeckten Hallenkirche, einem für zwei Spitzen
berechneten Thurmbau und dem für den Gottesdienst der Geistlich¬
keit bestimmten, mit fünf Seiten eines Zehnecks abgeschlossenen
Prälatenchore. Der Bau mufs mit einer für damalige Verhältnisse
grofsen Schnelligkeit gefördert worden sein, denn bereits im Jahre
1282 waren die drei Kirchenschiffe vollendet und ist in denselben,
wie die Capitelsurkunden melden, Gottesdienst abgehalten worden.
Doch eines weiteren Zeitraumes von vierzig Jahren bedurfte es, bis
der Prälatenchor fertig gestellt und der Thurmbau bis zu der jetzigen
Höhe gebracht wurde. Der Ausbau der beiden Thurinspitzen ist,
wie das im obersten Thurmgeschosse unvollendete, nur in halber
Stärke mit innerer Verzahnung ausgeführtc Mauerwerk zeigt, über¬
haupt nie erfolgt.
Der erste Anbau an diese ältere Kirchenanlage, die mit Stern¬
gewölben überdeckte Mariencapelle, welche ah der Südseite jetzt die
zwei östlichsten Joche mit der Altarnische umfafst, mufs 1379 bereits
vollendet gewesen sein, da in diesem Jahre nach den Urkunden eine
Vicarie in derselben gestiftet wurde. Im Anfänge des 15. Jahrhunderts
ist sodann, nach Abbruch der westlichen Wand dieser Capelle, aber
mit Belassung des (im Grundrisse sichtbaren) inneren Schildbogens,
das äufsere südliche Seitenschiff’ durch Anbau der drei westlichen,
mit reichen Sterngewölben versehenen Joche vollendet worden; aixcli
wurden zur V erbindung mit der alten Kirche nach Ausbruch der
ehemaligen Fensterwände grofse, spitzbogig überwölbte Gurtbogen-
öff’nungen hergestellt, die in das Dachgeschofs ragenden Theile der
alten Fenster aber (vgl. den Querschnitt) vermauert. Diese Bau¬
ausführungen sind mit dem Namen des Colberger Bürgermeisters
Bade in Verbindung gebracht und daher diesem äufseren Seitenschiff’
der Name „Badengang“ beigelegt. Um der ganzen Anlage mehr
Festigkeit zu geben, sind Mitte des IG. Jahrhunderts die Pfeiler des
Badenganges 5 m über dem Fufsboden durch Gurtbögen von der
Breite der Pfeiler miteinander verbunden, über denen dann hölzerne
Emporen errichtet wurden.
Etwa gleichzeitig mit der Herstellung des Badenganges wurde
der Anbau eines fünften Schiffes nördlich in derselben Weise wie
südlich, jedoch zweigeschossig, ausgeführt. Für letztere Art der
Ausbildung gab die an der Stelle der jetzigen Sacristei belegene,
bereits 1386 geweihte zweigeschossige Holkencapelle das Vorbild.
Wahrscheinlich hat das obere Geschofs derselben nicht die für das
vierjochige fünfte Schiff beabsichtigte Höhe gehabt, und ist deshalb
letzteres nach Osten hin durch einen übereck gestellten Strebepfeiler
abgeschlossen. Später, im Jahre 1423, gestattete die Patricier-Familie
Holk dem Käthe der Stadt gegen die Verpflichtung der baulichen
Unterhaltung ihrer Capelle, das Bleidach über derselben abzu¬
nehmen und zu verkaufen. Jedenfalls gleichzeitig wird die Erhöhung
des oberen Geschosses der früheren Holkencapelle und die Verbin¬
dung mit der Kirche in gleicher Weise, wie südlich bei der Marien¬
capelle, erfolgt sein. Von jener Capelle hat das nördliche äufsere
Seitenschiff den Namen „Holkengang“ erhalten. In wie einfacher
Weise die Strebepfeiler und die Dachconstruction der alten Anlage
für die Kirchenerweiterungen benutzt wurden, zeigt der Querschnitt.
Von den weiteren, jetzt aber nicht mehr vorhandenen Anbauten
sind südlich am Thurm die „Schlieffencapelle“, nördlich neben
dem Chore die „Garvekammer“ (Geräthe- und Kleiderkammer), zu er¬
wähnen. Letztere diente ehemals zur Aufbewahrung der Schätze
des Capitels an Mefsgewändern, Büchern, Gold- und Silbergeräthen.
Sie wurde im Jahre 1617, wie eine auf den Putz gemalte Jahreszahl
anzeigt, vermittelst eines Durchbruches mit der Kirche in unmittel¬
bare Verbindung gebracht, im Jahre 1822 jedoch als die Kirche
entstellend abgebrochen, und ein Fenster in der Kirchenwand an
dieser Stelle angelegt.
Das Kirchendach war ursprünglich mit Hohlpfannen gedeckt;
nach der beschriebenen Erweiterung durch zwei Schiffe trat an Stelle
dieser Eindeckung (mit Ausnahme des hohen Chores, welcher später
mit Schiefer gedeckt ist) im Jahre 1450 eine Kupferbedachung, wozu
das Material für 5 fl. pommersch (11 Thaler 25 Silbergroschen) für
den Centner angekauft wurde. Auch aus dieser urkundlichen Nach¬
richt ist man wohl berechtigt den Schlafs zu ziehen, dafs die Er¬
weiterungsbauten zu einer fünfschiffigen Kirche in jener Zeit fertig
gestellt sind. Nur die Thurm¬
anlage ist erst später, nämlich
im Anfänge des 16. Jahrhunderts,
derart zum Ab^chlufs gebracht,
dafs an Stelle der beabsichtigten
zwei Spitzen nur der mittlere
Theil hochgeführt und die bei¬
den Seitentheile mit niedrigen
Dächern in Pyramidenform ver¬
sehen wurden. Die jetzige mitt¬
lere Spitze (s. Abb. 2) ist im
Jahre 1646 infolge Einsturzes
der alten errichtet.
Bei der Grofsräumigkeit
der älteren Anlage erscheint
es auffallend, dafs sie inner¬
halb 150 Jahren' so bedeuten¬
dende Vergröfserungen der
Grundfläche erfahren hat. Hier¬
zu hat in erster Linie die Her¬
stellung von Capellen, die durch
Beiträge oder auf Kosten von
reichen Patricierfamilien erbaut wurden (wie die Schlieffen-, Holken¬
capelle usw.), die Veranlassung gegeben. Dazu kamen das schnelle
Emporblühen der Stadt und der auf dem Seehandel und der Salz¬
gewinnung aus den in der Gegend zu Tage tretenden Soolquellen be¬
ruhende Reichthum der Bürger, welcher werthvolle Schenkungen oder
Vermächtnisse an die Kirche zur Folge hatte und so eine Vergröfse-
rung und Bereicherung des den Wohlstand der Stadt zu damaliger
Zeit zum Ausdruck bringenden Gebäudes ermöglichte. Vermuthlich
haben aber auch constructive Gründe mit zur Erbauung der äufseren
Schilfe geführt. In den Aufsenwänden und Strebepfeilern der alten
Anlage sind bei den jetzigen Wiederherstellungsarbeiten gröfsere
Hohlräume aufgefunden, die auf eine frühere Ausfüllung derselben
mit Schutt schliefsen lassen. Diese Art der Ausführung wird, viel¬
leicht im Verein mit einer ungenügenden Gründung, schon frühzeitig
mancherlei Bauschäden haben in die Erscheinung treten lassen, von
denen der bedeutendste, die Neigung der 6 westlichen Achteck¬
pfeiler nach Südwesten zu, noch heute sehr in die Augen fällt.
Die Abweichung von der Lothrechten beträgt bei dem schiefsten
Pfeiler 47 cm bei einer Höhe von 12 m. Doch welches auch die
Gründe zum Anbau der beiden äufseren Seitenschiffe gewesen sein
mögen, diese Anbauten haben die äufsere Erscheinung der Kirche
wesentlich beeinträchtigt. Durch die Verringerung der Dachneigung
und Vergröfserung der vorher schon bedeutenden Dachfläche auf
Kosten der Frontwandhöhen ist das Verhältnifs der letzteren zu den
Dachhöhen sehr ungünstig geworden. Dazu kommt die im Vergleich
zur Länge der Kirche (30 m) bedeutende Breite von 40 m, welche
die ausreichende Beleuchtung des Raumes erschwert und zum Ver¬
zicht auf reichere Ausführung der Fenster gelegentlich des jetzigen
Umbaues geführt hat. (Schlufs folgt.)
lieber Profilmafsstäbe und über den Genauigkeitsgrad bei der Erdmassen-Ermittlung.
Unter der Ueberschrift „Ueber Profilmafsstäbe“ enthält Nr. 6
d. Bl. (S. 62) eine schätzenswerthe Mittheilung, in welcher mehrfach
Bezug genommen wird auf meinen Aufsatz über „Erdmassen-
Ermittlung“ usf. vom Jahre 1881. Es wird mir daher gestattet sein,
an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dafs der betreffende Gegenstand
in einer wesentlichen Umgestaltung und Erweiterung, namentlich mit
Ausdehnung auf Querneigung, im Jahre 1889 neu erschienen ist (s. die
Besprechung auf S. 434 des vorigen Jahrgangs d. Bk), und zugleich
noch einige Bemerkungen hier anzufügen.
Zu Eingang der erwähnten Mittheilung wird erwähnt, dafs die
JIr. 8.
Centralblatt der Bauverwaltung.
75
Grundlage für die Genauigkeit der Anwendung von Profilmafsstäben
(auch des daselbst neu angegebenen) durch den Höhenmafsstab des
Längenprofils gebildet wird, und dafs die durch letzteren bedingten
Fehler sich somit auf das weitere Verfahren übertragen. Dieser
durchaus richtige Satz könnte in dem angeführten Zusammenhänge
den — gewifs nicht beabsichtigten — Irrthum erregen, als ob diese
Fehlerquelle gerade für
die Anwendung von Pro¬
filmafsstäben, also für
das graphische Massen-
ermittlungs - Verfahren
allein, oder doch in be¬
sonderem Grade von Ein-
flufs wäre. Es dürfte des¬
halb nicht überflüssig sein,
auf das Irrige einer sol¬
chen Meinung ausdrück¬
lich hinzuweisen. Gleich¬
viel, ob man die Inhalte
durch Kechnung oder
durch Zeichnung ermittelt,
die Höhen des Längen¬
profils bilden in gleicher
Weise die Grundlage des
Verfahrens, und dessen
Höhenmafsstab, der die-
serhalb thunlichst grofs
— mindestens 1 ; 250 —
zu nehmen ist, beeinflufst
die Fehler des weiteren
Verfahrens in beiden
Fällen in ganz gleichem
Grade, sofern die Höhen
überhaupt aus 'dem Län-
genpröfile abgemessen
werden. Sobald aber, wie
bei ausführlichen Vor¬
arbeiten, die Querprofile
draufsen aufgemessen und
ihre Inhalte aus der Zeich¬
nung bestimmt sind, so
werden selbstverständlich
auch bei dem zeichne¬
rischen Verfahren der
Massenermittlung diese
Inhalte unmittelbar auf¬
getragen und entfällt dann
das Abmessen aus dem
Längenprofil ebenso wie
bei der Rechnung. Der
Fall aber, dafs ohne Quer-
profilaüfnahmen — also
bei allgemeinen Vorar¬
beiten — jeder einzelne
Knickpunkt des Längen¬
profils einnivellirt und
jede einzelne Auf- und
Abtragshöhe durch reine
Rechnung aus gegebenen
Zahlen festgestellt ist,
dürfte nur selten vor¬
liegen; und wenn er vor¬
liegt, so hindert in
diesem Falle nichts, den
Profilmafsstab beliebig
grofs zu nehmen, da er
alsdann vom Längenprofil
unabhängig ist.
Was dann weiter die
in jener Mittheilung er¬
wähnte zweite Fehler¬
quelle betrifft, welche
durch Abgreifen im , Profilmafsstabe selbst entsteht (und welche
etwa dem in der Regel meist auch nicht genau gerechneten —
weil sehr lästigen — Einschalten zwischen Zahlenwerthen von Ta¬
bellen entspricht), so bietet der von Herrn Regierungs -Bau¬
meister Struck a. a. 0. mitgetheilte neue Profilmafsstab in der That
ein sehr sinnreiches Mittel zur Verminderung dieser Fehler, so lange
es sich um eine gleichbleibende Planumbreite und um Profile ohne
Querneigung handelt oder um solche mit nur wenigen, lange gleich¬
bleibenden Querneigungen. Sobald jedoch letztere häufig wechseln.
Abb. 3. Nordseite.
Badehgang
so wird das Verfahren doch recht umständlich, da man, wie der
Verfasser selbst hervorhebt, dann für jede einzelne Querneigung zwei
besondere Mafsstäbe (Auf- und Abtrag) berechnen und mit der so
entstehenden grofsen Zahl von Mafsstäben arbeiten mufs, wobei leicht
Verwechslungen eintreten können.
Die für Berücksichtigung der Querneigungen in meiner kleinen
Schrift (zweite Auflage)
behandelten beiden Ver¬
fahren vereinigen da¬
gegen alle Querneigungen
in einem Bilde, ver¬
ursachen daher keiner¬
lei Umstände und ge¬
statten zudem das un¬
mittelbare Einschalten
zwischen verschiede¬
nen Neigungen. Ein
und dasselbe Bild ist
ferner für Auf- und Ab¬
tragsprofile sowie für
jede beliebige Planum¬
breite anwendbar, indem
eine Veränderung der
letzteren nichts weiter
erfordert, als die Ein¬
zeichnung einer andern
Geraden als Nullinie. Da¬
gegen gestatten sie aller¬
dings nicht ein so ge¬
naues Abgreifen.
Prüft man nun aber
den Werth grofser Ge¬
nauigkeit bei dem Ver¬
fahren zur Ermittlung von
Erdmassen, so wird
man zugeben müssen,
dafs die Unterlagen, auf
welchen diese Ermittlung
beruht , vielleicht abge¬
sehen von einzelnen ganz
besonderen Fällen, doch
naturgemäfs ganz erheb¬
liche Ungenauigkeiten in
sich schliefsen, woran
selbst die sorgfältigste
Rechnung nichts bessern
kann , dafs mithin ein
sehr hoher Genauigkeits¬
grad der weiteren Er¬
mittlung — gleichviel ob
durch Rechnung oder
Zeichnung — kaum er¬
heblichen praktischen
AVerth haben kann. Da
ist zuerst die Unebenheit
des Erdreichs zwischen
den etwa aufgemesse¬
nen Punkten des ein¬
zelnen Querprofils; weiter
namentlich die erheb¬
liche Unregelmäfsigkeit
des Geländes zwischen
den mehr oder weniger
weit von einander ab¬
stehenden Querprofilen ;
da ist ferner der rein
rechnerische Fehler, wel¬
cher dadurch entsteht, dafs
man den (bei ebener Erd¬
oberfläche) in Wahrheit
obeliskenartigen Körper
zwischen zwei Profilen
Holkengang
Abb. 4. Grundrifs.
St. Marien-Domkirch.e in Colberg.
durch ein Prisma
Fl
■0
ersetzt, und welcher bekanntlich
mit dem Quadrat des Höhenunterschiedes der beiden Profile wächst.
Alle diese Ungenauigkeiten bleiben selbst bei sorgfältigster Auf¬
messung der einzelnen Profile bestehen. Wenn man nun aber, wie
bei allgemeinen Vorarbeiten wohl meistens, die Höhen und die Quer¬
neigungen aus Schichtenplänen entnimmt oder durch Ein schalten
zwischen Höhenpunkten gewinnt, also zu alledem auch die gerad¬
linige Querneigung an die Stelle der in Wirklichkeit unregelmäfsigen
Centralblatt der Bauverwaltung'.
22. Februar 1890,
76
Ei'd Oberfläche setzt; wenn man sich weiter die Unsicherheit der Auf-
lockerungsgröfse, endlicli die unvermeidlichen Ungenauigkeiten der
Ausführung vergegenwärtigt: was wollen gegen solche Abweichungen
von der AVirkliclikeit die verhältuifsmäfsig kleinen Ungenauigkeiten
besagen, welche bei einigerinafsen sorgfältigem Verfahren der Eech-
nung oder Zeichnung anhaften'? Da würde man sich offenbar einer
Täuschung hingeben, wenn man glauben wollte, auf Grund solcher
Unterlagen durch sehr genaue Ermittlungsarten ein besonders zu¬
verlässiges Ergebuifs erzielen zu können. Was für die Berechnung
einer Bauconstruction der Grundsatz des gleichen Sicherheitsgrades, das
ist für die — gleichviel ob rechnerische oder zeichnerische — Ermitt¬
lung von Zahlenwertheu aus gegebenen Grundlagen ein etwa gleicher
Genauigkeitsgrad. Ist ein Ilaupttheil einer Brücke zu schwach, so
wird dieselbe durch irunöthige Stärke anderer Theile nicht sicherer.
Gerade so verhält es sich hier mit dem Genauigkeitsgrade bei Er¬
mittlung der Erdmassen. Man wird sich also bei der Natur der
gegebenen Unterlagen mit Rücksicht auf den praktischen Zweck
stets mit Annäherungswerthen begnügen müssen und auch begnügen
dürfen, da glücklicherweise die grofse Zahl der Abweichungen in
der Unterlage wie in dem Ermittlungsverfahren im allgemeinen
ebensowohl nach der positiven als nach der negativen Seite fallen,
mithin sich einigermafsen ausgieichen.
Manche Fehlerquellen, wie z. B. die oben bezeichiiete Abweichung
des prismatischen von dem wahren Körper (auch gewisse Fehler bei
Aufsuchung von Schwerlinien u. a. m.) sind bei der Rechnung und
Zeichnung dieselben, nur werden sie im ersteren Falle nicht bemerkt,
während sie bei der Zeichnung viel eher zur Erscheinung kommen
und dann mit grofser Leichtigkeit vermindert werden können, wie
z. B. die auf dem Papier sehr leicht vorgenommene Einschaltung
eines mittleren Profils jenen Fehler auf den 4. Theil herabmindert,
was zwar durch Rechnung auch, aber umständlicher zu erreichen ist.
Zudem ist die letztere einer Reihe von äufseren, zwar vermeidbaren
aber leicht vorkoinmenden Irrthümern ausgesetzt, wie beim Ablesen
der Profilhöhen, Aufsuchen der betreft'enden Ziffern in langen Zahlen¬
tabellen, Einschaltrechnungen, Niederschreibeu von Zahlen, Aus¬
rechnen, Summiren usf., was bei dem fast nur aus Zirkelbewegungen
bestehenden graphischen Verfahren fast ganz wegfällt oder doch in
viel geringerem Grade der Fall ist.
Was die in der erwähnten Mittheilung berührte etwaige Fort-
lassung des Flächenprofils anbetrifft, so dürfte solche bei beabsich¬
tigter Massenvertheilung nicht rathsam sein, weil grade das
Flächenprofil mit der Darstellbarkeit alles Nebeneinanderliegenden
ein nicht anders zu ersetzendes klares Bild der Vertheilung giebt
und deshalb auch für den ganzen Baufortgang, für die Aufstellung
der Abschlags- und endgültigen Rechnungen, der Bauberichte usf. von
besonderem Werth ist.
Berlin, 16. Febr. 1890. A. Goering.
Die Viaducte der Eisenbahnlinie Tabor-Pisek.
Von Professor Melau in Brünn.
Hie im Bau befindliche Theilstrecke Tabor-Pisek der böhmisch-
mährischen Transversalbahn durchquert einen Landstrich, der seiner
geologischen Be¬
schaffenheit nach
dem Hercynischen
Granitgebirgstocke
angehört und der
den Charakter einer
Hochebene trägt, in
welche die Wasser¬
läufe meist mit
steilen Thalgehän¬
gen eingeschnitten
sind. Letzterer Um¬
stand hat iin Zuge
der genannten
Bahnlinie den Bau
mehrerer gröfserer
Viaducte nothwen-
dig gemacht, über
deren Ausführung
nachstehend einige
Mittheilungen fol¬
gen, zu welchen die Bauunternehmung Brüder Redlich u. Berger,
welcher der Bau der ganzen Linie seitens der Staatsverwaltung
übertragen ist, freundlichst die Angaben zur Verfügung gestellt hat
Zunächst ist die ausgesprochene Bevorzugung steinerner ge¬
wölbter Bauwerke gegenüber solchen mit eisernem Ueberbau
hervorzuheben. Diese Bevorzugung, welche in Hinsicht auf den Kosten¬
vergleich durch die ausschliefsliche Anwendung von Bruchsteinmauer¬
werk möglich gemacht und seitens der Baudirection der österreichischen
Staatsbahnen durch die mustergültigen Bauausführungen auf der
Arlbergbahn eingeleitet wurde, war hier um so eher begründet, als
brauchbarer Baustein, Gneis und Gneisgranit, zumeist in der Nähe
der Bahnlinie oder wenigstens in nicht zu weiter Entfernung sich
vorfand. Die rund 60 km lange Strecke erhielt sonach drei gröfsere
gewölbte Viaducte, und nur der Uebergang über das Moldauthal,
welcher in einer Höhe von 65 m über dem Niederwasser des Flusses
erfolgt, wird mittels einer auf gemauerten Pfeilern ruhenden Eisen-
consti'uction bewerkstelligt.
Die gewölbten Viaducte sind nach dem üblichen Muster der
k. k. Staatsbahnen ausgeführt. Die beistehenden Abbildungen 1 — 4
veranschaulichen den Viaduct bei Mühlhausen; ganz damit über¬
einstimmende Bauart zeigen die beiden anderen Viaducte, jener bei
Tabor und der über den Smutna-Bach; auch die bereits vor zwei
Jahren vollendete Theilstrecke Iglau-Tabor der in Rede stehenden
Bahnlinie besitzt einige derartige Bauwerke. Die Ausführung ist
ganz in lagerhaftem Bruchsteinmauerwerk in Cementmörtel, blofs die
Brüstungsmauern sind mit einer 50 cm starken Quaderschicht ab¬
gedeckt. Die Pfeiler erhalten in der Ebene der Brückenachse 1/50,
senkrecht hierzu 1/20 Anlauf. Die Kämpferfuge der vollen Halbkreis¬
bögen ist unter 1:5 gegen die Wagerechte geneigt angenommen und
die Hintermauerung der Gewölbzwickel so hoch aufgeführt, dafs
Abb 5. Querschnitt. Lauf- u.
beiderseits ein Gefälle von etwa 1 : 15 gegen den Gewölbscheitel
entsteht. Zur Abdeckung wird ausschliefslich Ponti-Cement benutzt,
eine flüssige Masse,
welche in dünner
Schicht auf dem
mit Beton abge¬
glichenen Gewölb-
rücken aufgetra¬
gen wird, und die
Entwässerung er¬
folgt im Gewölb¬
scheitel durch ein
gufseisernes Rohr
mit übergestülpter,
durchlöcherter
Kappe.
Die Ausführung
der gewölbten Via¬
ducte geschah nach
einem einheitlichen
Plane. Die hierzu
verwendeten Ge¬
rüste sind aus den
Abbildungen 1 — 3 ersichtlich. Sie be¬
stehen aus zwei parallel zur Viaduct-
achse gestellten Ständerreihen, welche
einen solchen Abstand haben, dafs
zwischen ihnen auf jeder Seite der Via-
ductpfeiler noch je ein Rollbahngeleis
Platz hat. Die Ständer in jeder Reihe
stehen in 7 — 8 m Entfernung und sind
untereinander und mit den gegenüber¬
stehenden Ständern der andern Reihe
durch Diagonalkreuze in der aus den
Zeichnungen ersichtlichen Weise ver¬
bunden. Die Gerüste sind mittels durch¬
laufender Langhölzer in Geschosse von
10 — 13 m Höhe untertheilt; die Ständer
des oberen Geschosses sind auf das
Langholz aufgesetzt und mit den da¬
runter befindlichen Ständern durch an¬
gelegte Kupplungshölzer verlascht. Auf
den Kapphölzern, welche die beiden
Ständerreiheu in Viaduethöhe verbinden,
liegen die mit Sattelhölzern verstärkten
Balken, welche das Geleis für die Krahn-
wagen tragen, sowie die Unterzüge für die
schmalen Laufstege, welche beiderseits
desKrahngeleises angebracht sind (Abb. 6).
Jeder Ständer ist nach aufsen durch eine schiefe Strebe abgestützt und
steht mit dieser auf einer gemeinschaftlichen Grundschwelle. Die
Verbindung der Gerüsthölzer ist durchgehends mit Schraubenbolzen
bewerkstelligt.
Abb. 6. Längenschnitt.
Abb. 7. Lehrbogen auf
Tragsteineu.
Centralblatt der Bauverwaltung.
77
Nr. 8.
Die in Anwendung gekommenen Krahnwagen (Abb. 5 und 6)
mit doppelter Parallelbewegung liefsen jede Stelle innerhalb des
Versetzgerüstes mit dem Hebezeuge erreichen. Die auf den Koll-
Einrüstung einer Oeffnung waren 5 Lehrbogen nothwendig, von denen
ein jeder bei 10 m Spannweite ohne Schalung rund 2,8 cbin Holz
erforderte.
Abb. 2. Grundrifs.
Brücke über den Müblhausener Bach.
bahngeleisen in der Thalsohle zugeführteii Baumaterialien wurden
mitsamt dem Wagen, auf welchem sie lagen, gehoben und an der
entsprechenden Verwendungsstelle abgeladen. Ein solcher Krahn-
Die nachstehende Zusammenstellung enthält die Ausmafse an
Mauerwerk und Gerüstholz bei den drei gewölbten Viaducten der
in Rede stehenden Bahnlinie.
CO
O
Mittlere
Pfeilerhöhe
Getriebe¬
zimmerung
im Fundament
bß
Mauerwerk
Gewölbe¬
abdeckung
Holz-
t-i bß
:3 S
Bezeichnung
Anzahl
der
Oeffnungen
Länge
des Viaduct
Lage
der
Geleis¬
achse
Fundament
Aushub
s
&J0
s
£
ä
W
Fundament-
Auf¬
gehendes
Gewölb-
Quader-
Versetz¬
gerüst
Gewölbe¬
einrüstung
Tragsteine f
Gewölbrüstu
m
m
cbm
qm
cbm
cbm
cbm
cbm
cbm
qm
cbm
cbm
cbm
Koschiner Viaduct bei Tabor
5 zu 10 m
65,18
6,4
R=3 300
653
504
150
366
1276
256
26
150
rund
170
24
9
Smutna-Bach-Viaduct . . .
9 zu 12 m
1 zu 7 m
147,35
12,8
Gerade
2714
1274
319
1374
4117
637
35
396
rund
400
52
24
Müblhausener Viaduct . . .
6 zu 12 m
3 zu 10 m
140,04
13,0
Gerade
2965
1650
436
1540
4360
557
58
400
rund
380
45
22
wagen, für eine Tragkraft von etwa 2,2 t berechnet, erforderte rund
5 cbm Holz.
Die Lehrgerüste für die Wölbung sind als Dreiecksprengwerke
hergestellt und ruhen unter Vermittlung von Keilen und Sandbüchsen
auf 40 cm weit ausladenden Tragsteinen, welche in der Höhe des
Bogenanlaufs in den Pfeiler eingemauert wurden (Abb. 7). Für die
Auf 1 cbm Viaductmauerwerk (ohne Fundament) entfallen sonach
rund Vi2 bis Vs cbm Gerüstholz ohne Lehrgerüst. Auf 1 qm ver¬
bauter Thalfläche berechnet, ergeben sich ungefähr 3,3 — 4,6 cbm
Mauerwerk und 0,22 — 0,4 cbm Rüstholz. Das Lehrgerüst erforderte
auf je 1 m Oeffnungs weite etwa 1,4 cbm Holz.
(Fortsetzung folgt.)
Die Regulirung der Stromverhältnisse der Weichsel und Jfogat.
Anläfslich der Berathungen über den im Februar 1888 dem Land¬
tage zugegangenen Gesetzentwurf, betreffend die Regulirung der
Stromverhältnisse der Weichsel und Nogat — Centralblatt der Bau¬
verwaltung 1888 S. 82 — , fafste das Haus der Abgeordneten infolge
der kurz vorher eingetretenen Ueberschwemmung der rechtsseitigen
Nogatniederung den Beschlufs, „die Königliche Staatsregierung auf¬
zufordern, auf Grund der während des vorjährigen Hochwassers
gemachten Erfahrungen von neuem Ermittlungen darüber anzustellen,
ob durch die Schliefsung und Canalisirung bezw. durch eine ent¬
sprechende Regulirung der Nogat mit Aussicht auf Erfolg und unter
möglichster Berücksichtigung aller damit zusammenhängenden Inter¬
essen der Wiederkehr von Ueberschwemmungsgefahren für die durch
die Hochwasser der Weichsel und Nogat bedrohten Gebiete vor¬
gebeugt werden könne, und darüber dem Landtage thunlichst in
seiner nächsten Session eine Vorlage zu machen“. Der Minister
der öffentlichen Arbeiten legte darauf der Akademie des Bauwesens,
Pisek.
78
Centralblatt der Banverwaltung.
22. Februar 1890.
die sich früher bereits wiederholt mit diesem Gegenstände beschäftigt
hatte, vier Fragen zur Berathung und Beantwortung vor, welche von
der Abtheilung für Ingenieur- und Maschinenwesen im Februar und
März vorigen Jahres eingehend erürtert worden sind. Das am 6. Mai
1889 erstattete umfangreiche Gutachten ist nunmehr dem Abge¬
ordnetenhause zugegangen (Nr. 58 der Drucksachen des Hauses).
Die erste Frage laritete: „Erscheint mit Rücksicht auf die in
der Landesvertretung erhobenen Bedenken und auf die Erfahrungen,
welche bei dem ungünstigen Verlaufe des Hochwassers im Frühjahr
1888, sowie überhaupt seit Erstattung des Gutachtens vom 28. Mai
1881 gemacht sind, eine entsprechende Abänderung des letzteren
geboten, und kann insbesondere die Nogat bei ihrer Abzweigung
überhaupt oder doch zeitweise bei Hochwasser gesperrt werden,
ohne dafs dadurch eine Gefährdung des Pillauer Hafens eintritt?“
Die Akademie war der Ansicht, „dafs aus der Absperrung der Nogat,
mag dieselbe dauernd durch einen festen Damm oder nur zeitweise
bei Hochwasser durch eine bewegliche Vorriclitung bewirkt werden,
eine erhebliche Benachtheiligung des Pillauer Hafens zu erwarten ist“.
Sie blieb damit auf dem von ihr früher vertretenen Standpunkte
stehen, nachdem sie zunächst nochmals den Einflufs der Nogat auf
die Spülung des Pillauer Tiefs und Seegatts untersucht und dabei
festgestellt hat, dafs jegliche Verminderung der Abflufsmengen der
in das Frische Haff mündenden Gewässer von erheblichem Nachtheile
auf die Offenhaltung der Pillauer Hafeneinfahrt sein müsse. Es würde
dadurch die Wirkung der ausgehenden Strömung, die für die Er¬
haltung und Vermehrung der Tiefe im Seegatt bei Pillau allein in
Frage komme, in ihrer Spülkraft erheblich geschwächt werden, was
um so bedenklicher wäre, als durch den Nord -Ostsee- Canal auch
Schiffen von mehr als 7 m Tiefgang der Eintritt in die Ostsee eröffnet
werden wird, und man deshalb bestrebt sein müsse, in den wenigen
Häfen, die den tiefgehenden Schiffen an der preufsischen Ostseeküste
überhaupt zugänglich sind, nicht nur die vorhandene Tiefe zu erhalten,
sondern letztere auch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zn ver¬
mehren. Durch verschiedene Vorgänge aus älterer und neuerer Zeit
findet diese Ansicht ihre Bestätigung und auch die starke Auswässe¬
rung im Frühjahr 1888 hat ihre wohlthätige Wirkung auf das Seetief
bei Pillau nachweisbar ausgeübt. Von ähnlichen Folgen, wie die
vollständige Abdämmung der Nogat, würde auch eine zeitweilige Ab¬
sperrung derselben, etwa durch ein Wehr oder ein Sperrschiff, be¬
gleitet sein. Eine solche Absperrung würde nur dann Erfolg haben,
wenn sie vor dem Eintritt der Eisbildung geschehen und bis zur Be¬
endigung des Eisganges in Wirkung bleiben könnte. Erfahrungs-
mäfsig finden die Eisgänge der Weichsel aber stets bei höheren
Wasserständen statt, die entsprechenden Wassermengen würden also
für die Spülung des Pillauer Tiefs verloren gehen und die ganze
Anlage würde in ihren Folgen dem gänzlichen Verschlüsse der Nogat
nahezu gleichkommen. Man hat ferner die Meinung ausgesprochen,
dafs eine zeitweise Abspen-ung der Nogat durch eine Reihe von Eis¬
böcken erfolgreich ausgeführt werden könne, es erscheint dies jedoch
mehr als zweifelhaft und könnte sogar leicht, im Vertrauen auf die
Wirksamkeit des Bauwerks, zur Sorglosigkeit in der Deichunterhaltung
an der Nogat führen. Endlich ist zu Gunsten der Nogatabdämmung
angeführt worden, dafs die Sinkstoff’e, welche die Nogat herabführt,
am Ufer des Haff's sich ablagern und dessen Wasserfläche verkleinern,
wodurch die Wirksamkeit des Haffs als Spülbecken vermindert wird.
Die Verminderung der Wasserfläche an den Nogatmündungen be¬
trägt indes nur etwa 13 ha im Jahre und ist demnach gegenüber der
ganzen Hafffläche von 870 qkm so unbedeutend, dafs erst nach Jahr¬
hunderten eine merkbare Abminderung der Spülkraft des Haffes ein-
treten könnte. Eine theilweise Wanderung der Sinkstoff'e der Nogat
bis Pillau, auf 60 km Entfernung, wie ebenfalls behauptet ist, ist bei
der verhältnifsmäfsig geringen Strömung im Haff natürlich ausge¬
schlossen; man hat derartige Ablagerungen von Schlick im Pillauer
Tief und Seegatt auch niemals gefunden.
Die zweite, der Akademie vorgelegte Frage ging dahin; „Ei--
möglichen es die Fortschritte, welche auf dem Gebiete der Technik
in neuerer Zeit gemacht sind, auch ohne die Spülkraft des Nogat¬
wassers den Pillauer Hafeneingang anderweit durch künstliche Mittel
dauernd und ohne zu grofse Belästigung der Schiffahrt in der er¬
forderlichen Tiefe offen zu halten? Hierbei wird namentlich auch
das Gutachten des Ingenieurs Ziese in Elbing zu prüfen sein.“
Diese Frage wird wie folgt beantwortet: „Trotz der Fortschritte,
welche auf dem Gebiete der Technik in neuerer Zeit gemacht worden
sind, ist doch ein genügender Beweis noch nicht erbracht, dafs es
ohne die Spülkraft des Nogatwassers und ohne grofse Belästigung
der Schiffahrt zu ermöglichen sein würde, den Pillauer Hafeneingang
durch Baggerung offen zu erhalten. Um ein Urtheil hierüber zu
gewinnen, empfiehlt es sich, mittels kräftiger Bagger vor Pillau und
vor einem derjenigen Ostseehäfen, durch welche nur eine geringe
Binnenentwässerung stattfindet, Probebaggerungen auszuführen und
durch sorgfältige Peilungen den Einflufs, welchen Stürme und Küsten¬
strömung auf die künstlich vertiefte Rinne haben, festzustellen.“ Bei
der Begründung dieses Beschlusses werden zunächst die Baggerungen
im Pillauer Tief und Seegatt besprochen. Im Tief waren dieselben
bisher nur sehr gering, im Seegatt waren sie gar nicht nothwendig.
Würde die Nogat abgedämmt werden, so müfsten vermehrte Bagge¬
rungen eintreten. Zwischen den Molen, also im Seetief, ist die
Wellenbewegung meistens nicht so stark, dafs dadurch bei Ver¬
wendung geeigneter Bagger die Baggerarbeit gestört wird. Es dürfte
deshalb bei entsprechendem Geldaufwande nicht unausführbar sein,
hier ein Profil von solcher Tiefe herzustellen, dafs sich der bei
Nordweststürmen hineintreibende Sand darin niederschlagen könnte,
ohne dadurch die Zugänglichkeit des Hafens für die tiefgehenden
Schiffe zu beeinträchtigen. Bedenklicher ist die Erhaltung einer
ausreichenden Fahrtiefe im Seegatt. Selbst bei der Anwendung von
Hopperbaggern, die das gebaggerte Material nicht in nebengelegte
Prähme, sondern in den eigenen Laderaum des Baggers hinein¬
schütten, ist die Zeit, in welcher die Bagger arbeiten können, eine
beschränkte, da bei stärkerem Seegang die Arbeit eingestellt werden
mufs. Wenn es nun auch gelingen möchte, durch eine entsprechende
Anzahl leistungsfähiger Bagger während der eisfreien Zeit die
Wirkung der durch Abdämmung der Nogat verloren gegangenen
Spülkraft zu ersetzen, so liegt jedenfalls die Gefahr nahe, dafs
während des Winters, wo die Baggerarbeiten ruhen müssen, eine
Verflachung des Seegatts eintreten wird, mit deren Beseitigung auf
der Barre erst nach Aufhören des Eistreibens und bei genügend
ruhiger See begonnen werden kann. Nach dem Durchschnitt der
letzten elf Jahre wäre das frühestens fünf Tage nach Eröffnung der
Schiffahrt möglich. Es kann mithin leicht der Fall eintreten, dafs
der Pillauer Hafen infolge einer derartigen Verflachung für tief¬
gehende Schilfe zeitweise geschlossen ist, wodurch die Sicherheit für
den Schiffsverkehr aufhört und unberechenbare Nachtheile für den
Handel von Königsberg entstehen könnten.
Die Annahme, dafs, da andere Ostseehäfen, wie z. B. Libau,
Neufahrwasser und Kiel, denen ein gröfserer Strom zur Spülung^
nicht zu Gebote steht, und in welchen die erforderliche Tiefe künst¬
lich erhalten werden mufs, der Schiffahrt zugänglich sind, es auch
möglich sein werde, die Schwierigkeiten, welche für den Pillauer
Hafen aus der Absperrung der Nogat entstehen, zu überwinden, trifft
nicht unbedingt zu, da die Verhältnisse bei jenen Häfen andere sind
und mit denjenigen von Pillau, wie nachgewiesen wird, nicht ohne
weiteres in Vergleich gestellt werden können. In dem Nordseehafen
Ymuiden, wo es sowohl an künstlicher wie an natürlicher Spülung
fehlt, wird die für die grofse Schiffahrt erforderliche Tiefe aller¬
dings lediglich durch Baggern geschafft und erhalten. Deshalb ist die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs mau auch bei Pillau die durch
Abdämmung der Nogat verloren gehende Spülung durch Baggerung
werde ersetzen können. Da nun erst nach einer Reihe von Jahren
mit der Absperrung der Nogat begonnen werden könnte, so bietet
sich die Gelegenheit, in der Zwischenzeit nach jener Richtung zu¬
nächst Versuche zu machen. Das in der Frage erwähnte Gutachten
des Ingenieurs Ziese hat die Akademie geprüft und auf Grund eiu-
gezogener Erkundigungen und Ermittlungen festgestellt, dafs die
darin enthaltenen, nicht näher begründeten Angaben unzutreffend
und hinfällig sind.
Die dritte Frage: „Stehen der Absperrung der Nogat, abgesehen
von dem befürchteten Einflüsse auf den Pillauer Hafen, noch ander-
weite Bedenken entgegen, und würde dessenungeachtet die Ausführung
dieses Projectes sich empfehlen, weil die davon zu erwartenden Vor¬
theile von überwiegender Bedeutung sind“, hat zu ganz besonders
eingehenden Erwägungen der für und gegen die Abdämmung
sprechenden Umstände und zu dem Beschlüsse geführt: „Die Be¬
denken, welche, abgesehen von der Benachtheiligung des Pillauer
Hafens, der Absperrung der Nogat entgegenstehen, sind so erheblich,,
dafs trotz der hiervon zu erwartenden Vorfheile empfohlen werden
mufs, von der Abdämmung der Nogat zur Zeit Abstand zu nehmen.
Die Akademie empfiehlt indessen vor weiterer Entscheidung zunächst
die Wirkung abzuwarten, welche die Regulirung der Weichsel und
deren Deiche auf den Verlauf des Hochwassers und des Eisganges
haben werden. Dies kann um so unbedenklicher geschehen, als die Ab¬
dämmung der Nogat jedenfalls erst zur Ausführung kommen kann,
nachdem die Regulirung der unteren Weichsel einschliefslich ihrer
Deiche bis über die Montaner Spitze hinauf vollständig beendet sein
wird.“ Die Wiedergabe dieser umfassenden, sehr interessanten Dar¬
legungen würde hier selbst auszugsweise zu weit führen, der Einflufs
einer Nogatabdämmung auf die Nogat- und Weichselniederungen
wird nach allen Richtungen hin klargelegt, wie auch alle Be¬
hauptungen, die zu gunsten der Nogatabschliefsung aufgestellt sind,
eingehend besprochen und auf ihren Werth und Nutzen geprüft
werden. Das Endergebnifs des Abwägens sämtlicher Vortheile gegen¬
über den Nachtheilen ist obiger Beschluss.
Endlich hatte sich noch die Akademie mit der vierten Frage.
Centralblatt der Bauverwaltung.
79
Nr. 8.
zu beschäftigen: „Werden Mafsregeln und bezw. welche zur Abwendung
von Ueberschwemmungsgefahren bis zu dem Zeitpunkte, in welchem
die Nogat möglicherweise abzusperren sein würde, angeordnet
werden müssen?“ Die Akademie glaubt, dafs, bevor die Absperrung
der Nogat angeordnet werden darf, die nachbezeichneten Mafsregeln
zur Abwendung von Ueberschwemmungsgefahren ausgeführt werden
müssen; „1) die planmäfsige Kegulirung der Weichsel und ihrer
Deiche von der Gemlitzer Wachtbude bis zur Ostsee; 2) die Eegu-
lirung, Erhöhung und Verstärkung der Weichseldeiche von der
Gemlitzer Wachtbude aufwärts bis zu dem Punkte, welcher durch
die bei etwaiger Schliefsung der Nogat entstehende Hebung des
Wasserspiegels noch erreicht werden würde; 3) die Regulirung des
Hochfluthprofils der Nogat durch Beseitigung der Deichengen und der
stärksten Krümmungen der Nogatdeiche, sowie die Normalisirung dieser
Deiche.“ In der Erläuterung dieses Beschlusses sagt die Akademie,
dafs die zur Zeit an der Weichsel und Nogat bestehenden Verhältnisse
nothwendig der Verbesserung bedürfen und dafs sich die vorgeschlagenen
Verbesserungen auf das nächste und dringendste Bedürfnifs be¬
schränken. Zustände, durch welche Ueberschwemmungsgefahren an der
Weichsel und Nogat unbedingt beseitigt werden, lassen sich an keinem
der beiden Stromarme schaffen. Besonders nachdrücklich wird die
ohne Verzug auszuführende Regulirung, Verstärkung und Erhöhung
der Nogatdeiche empfohlen, falls sich nicht Ereignisse, wie die des
Frühjahrs 1888 wiederholen sollen. Diese Arbeiten wären gleichzeitig
mit der Regulirung der getheilten Weichsel und ohne Rücksicht dar¬
auf, ob die Nogat abgeschlossen werden soll oder nicht, zur Aus¬
führung zu bringen. Dann wird es nur noch der Ausbildung eines
einheitlichen, regelmäfsigen Stromlaufs bis in das Haff bedürfen, um
die Eisgänge in das Haff oder durch die Ueberfälle in die geräumige
Einlage zu führen.
Anlage neuer Eisenbahnlinien in Preufsen
Im Anschlufs an die Mittheilungen in der vorigen Nummer d. Bl.
(S. 70) über die Erweiterung des preufsischen Staatsbahnnetzes lassen
wir nachstehend das Verzeicbnifs der neu zu erbauenden Eisenbahn¬
linien folgen. Von denselben sollen die Linien Nr. 18a Hagenow-
Oldesloe, 28 Remscheid-Solingen und 29 Ohligs-Hilden von vornherein
als Vollbahnen, die übrigen dagegen nach den für Nebenbahnen
mafsgebenden Bestimmungen ausgeführt werden. Der Baubeginn ist
jedoch, den bisher beobachteten Grundsätzen entsprechend, davon
abhängig gemacht, dafs der zur Anlage sämtlicher Bahnen erforder¬
liche Grund und Boden der Staatsregierung überwiesen wird, und
zwar a) bezüglich der Linien unter Nr. 1 bis 4, 6 bis 15, 17, 18 b und
19 bis 30 in der ganzen Ausdehnung; b) bezüglich der Linie unter
Nr. 5 (Rogasen-Dratzig [Kreuz]) für die Strecke von Eogasen bis
Dratzig; c) bezüglich der Linien unter Nr. 16, soweit der Grund und
Boden gothaisches Staatseigenthum ist; d) bezüglich der Linie unter
18 a für die im mecklenburg-schwerinschen und lübeckschen Gebiete
belegenen Theilstrecken. Dagegen wird zu den Grunderwerbskosten
staatsseitig ein Zuschufs gewährt für die in Mecklenburg-Schwerin
gelegene Theilstrecke der Bahn unter Nr. 18 a, für die in Preufsen
belegenen Theilstrecken der Bahn unter Nr. 21 und für die Bahnen
unter Nr. 25 und 30. Weiterhin ist für die Bahnen unter Nr. 1 bis
17, 18b, 19 bis 21, 23 bis 27 und 30 die Mitbenutzung der Wege
und Chausseen unentgeltlich zu gestatten. Endlich mufs für die
Bahnen unter Nr. 3, 4, 8, 9, 11, 13 und 16 von den Interessenten zu
den Baukosten ein unverzinslicher, nicht rückzahlbarer Zuschufs ge¬
leistet werden.
In der nachstehenden Zusammenstellung, welche nach den An¬
gaben der der Vorlage beigefügten Denkschriften angefertigt ist,
sind die anschlagmäfsigen, wirklich entstehenden Grunderwerbs- und
Baukosten — ohne Rücksicht auf die vom Staate oder von den Be¬
theiligten zu leistenden Zuschüsse — aufgeführt.
Die Baukosten stellen sich mit 58000 Mark für 1 km am niedrigsten
bei der Bahn unter Nr. 2 von Lublinitz nach Vossowska in der Pro¬
vinz Schlesien, am höchsten mit 193100 Mark bei der Bahn unter
Nr. 22 von Detmold nach Sandebeck, welche zu etwa drei Vierteln
im Fürstenthum Lippe-Detmold und zu einem Viertel in der Provinz
Westfalen liegt. Von den durch ganz ungewöhnliche örtliche
Verhältnisse bedingten Baukosten der als Vollbahn auszuführenden
Linie Remscheid -Solingen (465 200 Mark für 1km) ist hierbei ab¬
gesehen.
Die Grunderwerbskosten für 1km Bahnlänge schwanken
zwischen 4420 Mark bei der Bahn unter Nr. 2 von Lublinitz nach
Vossowska in der Pi'ovinz Schlesien und 40 500 Mark bei der oben
genannten Bahn unter Nr. 22 von Detmold nach Sandebeck.
Grunderwerbs-
Baukosten (ohne
Bau-
kosten
Grunderwerb)
Zusammenstellung der neuen Eisenbahnlinien.
länge
im ganzen
für 1 km
im ganzen
für 1 km
km
Mark
Mark
Mark
Mark
1. Von Mohrungen nach Wormditt .
29,3
280 000
9 560
3 070000
104800
2. Von Lublinitz nach Vossowska .
24,2
107 000
4420
1 420 000
58 700
3. Von Kosel (Stadt) nach Polnisch-Neukirch .
17,5
200 000
11400
1 540 000
88 000
4. Von Striegau nach Maltsoh .
38,8
240000
6180
3 200 000
82 500
5. Von Rogasen nach Dratzig (Kreuz) . . i . .
76,4
537 000
7 030
6 960000
91 100
6. Von Goldberg nach Löwenberg . . .
26,9
190 000
7 070
2 840 000
105 600
7. Von Goldberg nach Merzdorf .
36,2
294 000
8120
3 700 000
102 200
8. Von Kallies einerseits nach Wulkow, andererseits nach Arnswalde .
94,7
503 000
5 320
8 550 000
90 300
9. Von Swinemünde nach Heringsdorf .
8,1
44000
5 430
620 000
76 500
10. Von Pretzsch nach Eilenburg .
37,9
281 000
7 420
3 270 000
86 300
11. Von Zeitz nach Kamburg . .
37,9
397 000
10 480
3 600 000
95 000
12. Von Deuben nach Korbetha . .
24,3
341 000
14030
3 000000
123 500
13. Von Schlettau nach Schafstädt mit Abzweigung von Lauchstädt nach Merseburg
27,9
321 000
11 500
2 450 000
87 800
14. Von Hersieben nach Tennstädt . . . .
6,2
72 000
11600
595 000
96 000
15. Von Langensalza nach Gräfentonna und von Döllstädt nach Walschleben oder
einem in der Nähe belegenen Punkte der Linie Nordhausen-Erfurt .
7,0
213 000
30400
1640000
92 100
16. Von Georgenthal nach Friedrichroda (an Stelle der Eisenbahn von Georgenthal nach
Schnepfenthal) . .
10,3
126 000
12 200
1 708 000
165 800
17. Von Ilsenburg nach Harzburg .
15,6
! 150 000
9 620
2 150 000
137 800
18. a) Von Hagenau nach Oldesloe (als Vollbahn auszuführen) .
77,7
1 1488000
19 200
10 412 000
134000
b) Von einem bei SteiTey belegenen Punkt der Bahn zu a) nach Mölln .
11,5
147 000
12 780
1 230 000
107 000
19. Von Tondern nach Hoyer (Schleuse) . . .
13,8
82 000
5 940
840000
60900
20. Von Tönning nach Gar ding . . .
10,8
75 000
6 940
640000
59 300
21. Von Geestemünde nach Kushaven mit Abzweigung nach Be'derkesa .
60,4
944000
15 600
5 450000
90200
22. Von Detmold nach Sandebeck .
18,9
766 000
40 500
3 650000
193 100
23. Von Lage nach Hameln .
49,8
882 000
17 700
5100000
102400
24. Von Homburg v. d. H. nach Usingen . ■ .
22,5
253 000
11 200
2 750000
122200
25. Von Langenschwalbach nach Zollhaus .
18,7
280 000
14 950
2 670000
142 800
26. Von Fröndenberg nach Unna .
13,5
160000
11800
1240000
91 900
27. Von Norden nach Norddeich .
5,7
76 500
13400
700000
122 800
28. Von Remscheid nach Solingen (als Vollbahn auszuführen) .
10,7
570 000
53 200
4 978 000
465 200
29. Von Ohligs nach Hilden ( desgl. ) .
6,8
140 000
20 600
822000
120 900
30. Von Hermeskeil nach Wemmetsweiler .
53,0
780 000
14 700
7 100 000
134000
893,0
; 10 939 500
12 250
97 895 000
109 600
80
22. Februar 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Vermischtes.
In der Preist ewerlniiig: um ein Sehulliaus in Langensalza (vgl.
S. 406 d. V. J.) ist einstinimig der erste Preis von 850 Mark dem
König], Eegierungs-Banineister Fritz Wendorff in Leipzig zuerkannt
worden. Den zweiten Preis von 500 Mark erhielten die Architekten
Keinhold Weifse und Bernhard Seitz in Erfurt, den dritten Preis
von 300 Mark Architekt Ludwig Hirsch in Jena. Zum Ankauf liat
das Preisgericht den städtischen Behörden die Arbeiten „Langensalza“,
„Trotz alledem” und „Gesundheitspflege“ empfohlen. Sämtliche Ent¬
würfe sind vom 14. bis 27. d. M. im Bathhaussaale in Langensalza
öffentlich ausgestellt (vgl. den Anzeigentheil von Nr. 7).
Zur Preisbewerhung- für den Bau eines Silospeichers in Riga
(vgl. Seite 394 des vorigen Jahrgangs d. Bl.) giebt der Bauausschufs
bekannt, dafs von den eingegangenen Arbeiten der Entwurf „Vielen
vieles“ der Maschinenbauanstalt G. Luther in Braunschweig mit
dem ersten Preise (2000 Rubel), der Entwurf „Central“ der Maschinen¬
bauanstalt Unruh u. Liebig in Leipzig mit dem zweiten Preise
(1000 Rubel) ausgezeichnet worden ist.
Preisbewerhung um die Triuitatiskirclie in Dresden. Als Ver¬
fasser der drei angekauften Entwürfe (vgl. S. 71 d. vor. Nr.) haben
sich zu erkennen gegeben die Architekten Herren G. Weidenbach
in Leipzig, Schubert in Dresden und Vollmer in Berlin.
Die architektonische Durchbildung des gufseisernen Gehäuses
für einen Strafsenbrunnen in Berlin wird durch Vermittlung des
Berliner Architektenvereins zum Gegenstände einer Wettbewerb¬
ung unter den Mitgliedern desselben gemacht. Für die beiden
besten Arbeiten sind Preise von 300 und 200 Mark ausgesetzt. Die
Entwürfe (Zeichnungen in '/s der wirklichen Gröfse) müssen bis
Dienstag, den 15. April, nachm. 2 Uhr eingereicht werden (vgl. den
Anzeigentheil von Nr. 7'^).
Ein etruskisches Pompeji. Bei Marzabotto im Kreise Vergato,
Provinz Bologna, sind, wie die Mailänder Fersevermiza vom
2./3. Februar d. J. mittheilt, durch einen Zufall die Ueberreste einer
etruskischen Stadt aufgefunden worden. Nach Angabe des Professors
Brizio, welchem eine gedrängte Beschreibung der einstweiligen
Ausgrabungsergebnisse verdankt wird, ist die Stadt zunächst durch
zwei inmitten derselben sich rechtwinklig kreuzende, nach den Haupt-
Himmelsrichtungen laufende, 15 m breite Hauptstrafsen in vier Viertel
eingetheilt gewesen. Zwei weitere von Osten nach Westen gerichtete,
gleich breite Strafsenzüge haben diese vier Viertel in acht gleiche
Abschnitte getheilt, und letztere wiederum sind von 5 m breiten,
unter sich parallele Nebenstrafsen durchkreuzt. Die auf solche
Weise gebildeten HaSserinseln sind, soweit die Ausgrabungen reichen,
mit nur einer Ausnahme je 165 m lang und 35 bis 40 m breit; eine
einzige Insel weist 68 m Breite auf und scheint eine Doppelinsel zu
sein. Die Hauptstrafsen zeigen zwei Fufssteige von je 5 m Breite,
zwischen denen der ebenfalls 5 m breite Fabrdamm liegt. Die längs
der Fufssteige an der Häuserseite in regelmäfsiger Neigung hin¬
laufenden Gossen haben 80 cm Durchmesser.
Die bereits ausgegrabenen etruskischen Häuser sind nach Art
der römischen angelegt und von Verkaufshallen umgeben. Eins der¬
selben, von 35 m Front, besitzt ein geräumiges, mit Mosaiksteinen
gepflastei'tes Vestibuluin von 5 : 17 m Bodenfläche. Durch dieses
gelangt man in ein Atrium von 27 :10m, welches gleichfalls mit
Mosaik gepflastert ist und ein Impluvium zeigt. An das Atrium
schliefsen sich drei 6,80 qm messende Schlafräume (cubiculi), sowie
ein gröfserer, nach einer Seite ganz offener Raum, in welchem man
das Eiszimmer (tablinium) erblicken darf.
Die grofse Regelmäfsigkeit, welche die Anlage dieser Stadt aus¬
zeichnet, läfst darauf schliefsen, dafs letztere nicht allmählich ent¬
standen, sondern als Colonie nach einem einheitlichen Plane und in
einem Gusse erbaut worden ist. Auf Grund der aufgefundenen
Gegenstände, namentlich der bemalten Vasen, sowie im Hinblick auf
den Inhalt der entdeckten Gräber darf die Errichtung dieses etrus¬
kischen Pompeji in die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts vor
Christi Geburt gesetzt werden.
Der Internationale Eisenbahncongrefs hatte bei seiner in Paris
im September 1889 stattgehabten letzten Versammlung einstimmig
den Wunsch ausgesprochen, dafs sein nächstes Zusammentreten im
Jahre 1891 in St. Petersburg stattflnden möchte. Dieser Wunsch
war seinerzeit seitens der belgischen Regierung der russischen
Regierung zur Kenntnifs und Aeufserung unterbreitet worden. Am
24./12. Januar d. J. ist nun vom Kaiser die Erlaubnifs dazu ertheilt
worden, dafs der Congrefs seine nächste Versammlung in St. Peters¬
burg abhält, jedoch mit der Mafsgabe, dafs der Zusammentritt der
Abgeordneten nicht schon im Jahre 1891, sondern erst im Jahre
1892 erfolgt. Die russische Regierung ist nämlich der Ansicht, dafs
ein Zeitzwischenraum von zwei Jahren nicht genügt, um die erforder¬
lichen Vorarbeiten mit der wünschenswerthen Gründlichkeit betreiben
zu können. — V. —
In den Mittheilungen über den Lebensgang des Baumeisters
Eduard Titz auf S. 52 d. J. ist das Hoftheater in Gotha zu den
Werken des Verstorbenen gezählt worden. Herr Geh. Reg.- und Bau¬
rath Eberhard in Gotha berichtigt diese Angabe dahin, dafs das
genannte Theater in den Jahren 1834 — 38 durch seinen Vater, den
damaligen Geh. Reg.- und Baurath Gustav Eberhard, erbaut
worden sei, während von Titz ein späterer Umbau des Zuschauer¬
hauses herrühre.
Bücherscliau.
Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei im Zeit¬
alter der Renaissance, der nationalen Blüthe und des Klassicismus,
von Dr. Georg Galla nd, Privatdocent an der Königl. technischen
Hochschule in Berlin. Mit 181 Textabbildungen, XII und 635 Seiten
in grofs 8". Frankfurt a. M. 1890. Heinrich Keller. Preis 15 JC.
Galland giebt in dem umfangreichen, gut ausgestatteten Werke,
welches Sr. Kgl. Hoheit dem Grofsherzoge von Sachsen-Weimar ge¬
widmet ist, eine Erweiterung seiner schon 1882 erschienenen Arbeit
„Die Renaissance in Holland“ (Berlin, Duncker), indem er sein Thema
sowohl hinsichtlich des Zeitabschnittes, als hinsichtlich des Gebietes
derart ausdehnte, dafs es eine vollständige Geschichte der holländi¬
schen Kunst etwa von 1500 — 1700 bietet, abgesehen von deren bisher
allein in eingehender Weise behandeltem Hauptzweige, der Malerei.
Für die letztere, unzweifelhaft die bemerkenswertheste Aeufserung
holländischen Kunstgeistes, bietet sein Buch den von der gesamten
Kunstgeschichte bisher schwer entbehrten Hintergrund. Die Unter¬
suchung geht aus von den Anfängen der Renaissance bei den Malern
und Formstechern, schreitet zur bürgerlichen, kriegerischen und kirch¬
lichen Baukunst und zum Gewerbe der Uebergangszeit fort, um dann
länger bei der „klassischen Frührenaissance“ zu verweilen, die in
den Niederlanden so aufserordentlich edle Erzeugnisse zu Tage
förderte, namentlich dort, wo italienischer Einflufs unmittelbar das
Schaffen anregte. Zur Darstellung der Meisterwerke der Schnitz¬
kunst, namentlich der prächtigen Kirchengestühle, konnte Galland
Zeichnungen des verstorbenen Ewerbeck benutzen, die dem Buche
zur grofsen Zierde gereichen. Die herrlichen Denkmäler von Breda
werden in die ihnen gebührende Stellung gerückt, anderes Geistes¬
verwandte aufgezählt, Werke, die sich bisher der kunstgeschichtlichen
Betrachtung fast ganz entzogen hatten. Während aber in diesen
Arbeiten sich immer noch die Abhängigkeit von Italien bekundet,
beginnen mit der nationalen Befreiung die eigenartigen Aeufse-
rungen der Holländer auf allen Gebieten der Kunst. Man braucht
nur die Namen der auch als Kupferstecher thätigen Hans Vredeman
de Vries und Cornelis Bloemaert zu nennen, um die Zeit in ihren
Hauptformen vor Augen zu führen. Fast ganz neu ist, was Galland
über die Bildhauer jener Zeit sagt, ein Abschnitt, welcher unsere
Achtsamkeit dadurch auf sich lenkt, weil in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts Deutschland von holländischen Bildhauern über¬
schwemmt wurde. Leider hat Galland sich versagt, deren Wege zu
verfolgen. Ueber Adrian de Vries und Gerhard Hubert, Gerhard
Heinrich und Peter de Witte und zahlreiche andere Männer, die, vom
Norden kommend, in Deutschland zu Einflufs gelangten, hätte man
gern mehr erfahren: ihre stilistische Herkunft und ihr Verhältnifs
zur Heimath usw. Auch im folgenden Capitel, welches den Beginn
des Klassicismus darstellt, scheint uns Galland den rein holländischen
Charakter des Buches zu sehr betont zu haben. Von der Lehrthätig-
keit des Schlesiers Goldmann als Architekturprofessor in Leiden, und
von dem grofsen Einflüsse des Franzosen Marot auf die Gestaltung
der Herrensitze unter Wilhelm HI. von Oranien finde ich nicht hin¬
reichende Erwähnung. Aber der ganze, überaus reichhaltige Stoff
erweist sich als geschickt verarbeitet und übersichtlich abgetheilt,
sodafs dem Verfasser für seine fleifsige und sachkundige Arbeit der
vollste Dank gebührt. Die Darstellung der Baukunst und Bildnerei
des 17. Jahrhunderts hat namentlich für Norddeutschland hohen
Wei’th. Denn wenn man hier gleich an vielen Orten holländischen
Einflufs vermuthete, so liefs derselbe sich nicht sicher feststellen, so¬
lange man die holländische Kunst selbst nicht genau kannte. Galland
zeigt uns nun, wie ihr Klassicismus beschaffen war, wie wenig der¬
selbe dem französischen sich gleich stellen kann, und wie z. B. das
Berliner Zeughaus ein Werk ist, welches aufser allem Zusammenhänge
mit Holland steht, während in Schlüters bildnerischer Kunst sich
die Grundzüge wieder finden, welche wir in Artus Quelljin und
Rombout Verhulst zu so glanzvoller Entwicklung vereinigt finden;
den Zug nach Idealismus, die klassische Durchtränkung der Formen
und die holländische Kraft der Individualisirung. C. G.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Bciiin. Für die Eedactiou des nichtamtlichen Thciles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin,
Nr. 8A.
81
Centralblatt der Bauverwaltung*.
INHALT : Neuere Horizontir- uud Ceutrirvorrichtuugen für geodätische Instru¬
mente. — Vermischtes; Preisbewerhuugen um ein Kathhaus in Wilhelmshaven uud
um Wohnhäuser für die Schöueherg -Friedeuauer Terrain- Gesellschaft. — Denkmal
für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyffhäuser. — Betriehserüffnung der Forth- Brücke.
— Brand des Amsterdamer Stadttheaters. — Druckwasserversorgung in London. —
B üche r s chau.
^feuere Horizontir- und Centrirvorrichtungen für geodätische Instrumente.
Von R. Doergeiis.
In ungünstigem, lockerem Boden, auf Gebirgswegen, gepflasterten
Strafsen usw. verursacht die Aufstellung der gewöhnlichen Stative
für geodätische Instrumente, derart, dafs der Stativkopf annähernd
wagerecht ist, meist Schwierigkeiten, die noch erhöht werden, wenn
nicht nur die Horizontiruug des Instruments, sondern auch dessen
Centrirung gefordert wird. Die Wagerechtstellung geschieht nach
dem Augenmafse durch Veränderung der Lage der Stativbeine.
Dieses Verfahren ist mühsam und zeitraubend und hat doch nicht
immer den gewünschten Erfolg. Hat der Stativkopf die wagerechte
Lage, so genügen für die Horizontirung des Instruments wenige
Umdrehungen der Fufsschrauben und es werden dann deren Mutter¬
gewinde gleichen Abstand von der oberen Seite des Stativkopfes
haben. Ist der letztere gegen den Horizont geneigt, so werden die
drei Seiten des durch die unteren Enden der Fufsschrauben be¬
stimmten Dreiecks, abc, im allgemeinen eine gegen den Horizont
geneigte Lage haben. Ist zufällig eine der drei Seiten a 6 horizontal,
so findet nach Einstellung der Instrumentenlibelle durch die Fufs¬
schrauben a und 6, bei Benutzung der dritten Schraube c, die
Drehung des Instruments um eine horizontale Achse statt und
es wird die Horizontirung bezw. die Lothrechtstellung der Verticäl-
achse des Instruments sofort gelingen. Hierbei werden die Mutter¬
gewinde der Fufsschrauben a und 6 in gleicher Höhe über dem
Stativkopf, das Muttergewinde der dritten Fufsschraube dagegen in
einer davon verschiedenen Höhe sich befinden. Sind aber alle drei
Seiten des in der oberen Stativkopfebene liegend gedachten ungleich¬
seitigen Dreiecks gegen den Horizont geneigt, wie es wohl in der
Regel der Fall ist, so wird, nachdem man durch Einstellen mittels
der Fufsschrauben a und b deren Muttergewinde in die wagerechte
Lage gebracht hat, beim Einstellen durch die dritte Fufsschraube c
diese Lage sofort geändert werden, da nun die Drehung des In¬
struments um die gegen den Horizont geneigte Achse ab stattfindet.
Es ist eine mehrmalige Wiederholung des Einstellungsverfahrens er¬
forderlich, um schliefslich die Horizontirung des Instruments zu er¬
reichen. Hierbei werden die Muttergewinde der drei Fufsschrauben
in ungleichen Abständen vom Stativkopf sich befinden. Besitzt in
diesem Fall das Instrument nicht einen Gewindezapfen zum Ein¬
schrauben des mit Muttergewinde versehenen Federstengels, sondern
eine Oese zum Einhaken des letzteren, so wird die Achse des Feder¬
stengels nicht die Fortsetzung der Verticalachse bilden. Das Ab-
lothen mittels Schnurloths wird also nicht genau erfolgen können.
Herr Eegierungs - Baumeister Hoech hat, um die Drehung
des Instruments um eine wagerechte Achse zu ermöglichen, dem
Instrumenten -Dreifufs folgende Einrichtung gegeben. Von den drei
Armen desselben besitzt nur einer das Muttergewinde für eine Fufs¬
schraube c. Die beiden anderen ruhen mit entsprechenden Lager¬
flächen lose auf den oberen kugelförmig gestalteten Enden zweier
im Stativkopf angeordneter Unterstützungen a und 6, von denen die
eine, 6, aus einem aufrecht stehenden kurzen Metallcylinder besteht,
die andere, u, dagegen als Stellschraube aitsgebildet ist, für welche
das Muttergewinde in einem in den Stativkopf fest einzusetzenden
Hohlcylinder sich befindet. Im übrigen wird die feste Vei’bindung
des Instruments mit dem Stativ, wie gewöhnlich, durch den Feder¬
stengel bewirkt. Diese Horizontirvorrichtung eignet sich besonders
für Nivellirinstrumente. Es ist nur dafür Sorge zu tragen, dafs die
Libelle gleichlaufend und senkrecht zu ab gestellt werden kann.
Alsdann bedarf es selbst bei stark geneigtem Stativkopf nur der
einmaligen Benutzung der Schrauben a und c, um die Horizontirung
des Instruments herbeizuführen. Die geodätische Sammlung der
technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg besitzt zwei solcher
Nivellirinstrumente von Dennert u. Pape bezw. von A. Meifsner,
welche sich beim Gebrauch gut bewährt haben.
Denselben Zweck verfolgen die unter Nr. 13 075 und Nr. 21798
patentirten Horizontirvorrichtungen von B. Geyer-München
bezw. L. Tesdorpf-Stuttgart. Die erstere Einrichtung besteht
aus der Verbindung dreier übereinander liegenden Platten durch
zwei rechtwinklig zu einander angeordnete Blattfedern (Blattgelenke,
wie sie nach dem Vorgänge des americanischen Ingenieurs Emery
.neuerdings vielfach als Ersatz der Schneiden und Pfannen bei Wagen
angewendet werden) in der Weise, dafs je zwei Platten gegeneinander
durch je eine Stellschraube beweglich werden, wobei die Bewegungs¬
richtungen der so gebildeten Doppelplatten rechtwinklig zu einander
stehen. Die Einrichtung von Tcsdorpf besteht aus einem Unter¬
bau in Verbindung mit zwei Platten, die sich um cylindrische Achsen
bewegen und zwar derart, dafs jede dieser Platten einzeln durch eine
lothrecht stehende Stellschraube, die unter sich im Winkel von 90°
stehen und deren Lagerstücke wiederum in cylindrischen Lagern
ruhen, bewegt werden kann. Diese Einrichtung hat jedoch einen
Vorgang in einer älteren französischen Horizontirvorrichtung. Die
geodätische Sammlung besitzt eine solche aus der Werkstatt von
Secretan u. Lerebours-Paris, aus dem Jahre 1800 herrührend,
welche in Deutschland, wie es scheint, nicht allgemein bekannt ge¬
worden ist. Die Tesdorpfsche Einrichtung ist, wie der Erfinder an-
giebt, auf dem Stativ verschiebbar angeordnet, sodafs sie auch zum
Centriren benutzt werden könnte. Der Patentanspruch bezieht sicli
jedoch nur auf die Horizontirvorrichtung.
Der Gedanke, die rohe Horizontalstellung durch Anordnung
eines Kugelgelenks in Verbindung mit einem Gewiclit selbstthätig
zu bewirken, ist in den Patenten 6132 (P. v. Peene - Ehrenfeld
b. Köln) und 15422 (W. Bandermann-Berlin) verwirklicht worden.
Bei der er st er en Einrichtung ist mit dem Kugelzapfen mittels
eines kurzen oberen Fortsatzes die eigentliche Stativscheibe, zur
Aufnahme des auf drei Fufsschrauben ruhenden Instruments, fest
verbunden. Das entsprechend gestaltete Lager für den Kugelzapfen
befindet sich in dem Stativkopf. Nach unten hat die Kugel einen
zum Theil als Schraube ausgebildeten langen Fortsatz in Verbindung
mit dem zur Einstellung dienenden Gewicht. Die Feststellung erfolgt
mittels Schraubenmutter uud eines kugelförmigen Zwischenstückes.
Sobald die rohe Einstellung sich von selbst ergeben hat, wird die
Gelenkverbindung geschlossen und die feine Einstellung mittels der
Fufsschrauben vorgenommen. Von dieser selbstthätigen Einstell¬
vorrichtung ist mit Vortheil bei photographischen Küstenaufnalunen,
von Bord des Schiftes aus, Anwendung gemacht worden. Wird bei
der Verwendung zu Lande auf der Stativscheibe eine Dosenlibelle
angebracht, so kann das Gewicht in Wegfall kommen, alsdann er¬
folgt die rohe Einstellung von Hand. Es ist klar, dafs das Kugel¬
gelenk auch durch die sogen, cardanische Aufhängung ersetzt werden
1 kann, wodurch zugleich das auf der Stativscheibe befindliche In¬
strument gegen unbeabsichtigte Drehung gesichert wird. Bei der
Bandermannschen Einrichtung wird das Lager für die mit der
Stativscheibe verbundene Kugel durch drei kleinere Stützkugeln ge¬
bildet, die mittels eines cardanischen Gelenkes mit dem Stativ ver¬
bunden sind.
Diesen beiden Einrichtungen ist auch die unter Nr. 41 292 paten-
tirte Horizontirvorrichtung von W. D. Johnson-Washington zu¬
zurechnen. Während jedoch bei den beiden vorhergehenden mit der
Feststellung der Horizontirvorrichtung auch zugleich die Feststellung
der Stativscheibe erfolgt, ist bei der letzteren die Stativscheibe (die
in diesem Falle unmittelbar als Mefstischplatte Verwendung finden
könnte) nach erfolgter Feststellung der Horizontirung mittels eines
Verticalzapfens drehbar eingerichtet. Es sind zu dem Ende zwei
gleichachsig angeordnete Klemmvorrichtungen mit halbkugeligen
Schalen vorhanden. Von den unter einander liegenden Flügelmuttern
dient die eine zur Feststellung der Horizontirvorrichtung, die andere
zur Feststellung des mit der Stativscheibe verbundenen Vertical¬
zapfens.
Die erwähnten Vorrichtungen sind lediglich Horizontirvor¬
richtungen. Handelt es sich um die Aufstellung eines Nivellir-
instruments, so kommt nur dessen schnelle Horizontirung in Betracht.
Für Winkelmefsinstrumente ist aufser der Horizontirung auch die
Centrirung erforderlich. Das Instrument soll so aufgestellt werden,
dafs dessen Verticalachse nicht nur lothrecht ist, sondern auch durch
den Scheitelpunkt des zu messenden Winkels geht. Bei seitlicher
Aufstellung entsteht im allgemeinen ein Fehler in der Winkel¬
messung, der um so gröfser ist, je gröfser die seitliche Aufstellung
und je kürzer die Winkelschenkel sind. Bei derselben Gröfse der
seitlichen Aufstellung und derselben Länge der Schenkel hängt der
Fehler von der Gröfse des zu messenden Winkels und der Richtung
der seitlichen Aufstellung ab. Am gröfsten ist der Fehler, wenn der
zu messende Winkel nahezu 180° und wenn die Richtung der seit¬
lichen Aufstellung nahezu rechtwinklig zu beiden Winkelschenkeln
steht. Beträgt unter diesen Voraussetzungen die seitliche Aufstellung
nur 1 mm, so ist bei einer Winkelschenkellänge von 40 m der Fehler
in der Wiukelmessung 10 Sec. Bei einer seitlichen Aufstellung von
5 mm und derselben Winkelschenkellänge rd. 52 Sec. Nun kommen
beim Messen von Polygonzügen sehr häufig nahezu gestreckte V iukel
vor, anderseits sind kurze Stationen sehr oft gar nicht zu vermeiden.
Es geht hieraus hervor, dafs auf die Centrirung des Instruments die
gröfstmögliche Soi’gfalt verwendet werden mufs. In vielen Fällen
genügt deshalb die übliche Ablothung mittels eines Schnurlothes
nicht, da schon bei geringem Luftzug das Loth überhaupt nicht mit
82
Centralblatt der Bauverwaltung.
26. Februar 1890.
Sicherheit zum Einspielen gebracht werden kann. Das Schnuidotli
ist deshalb durch das sogen, optische Loth und durch das schon
seit langer Zeit bekannte feste Loth ersetzt worden. Zum Zwecke
der genauen Centrirung des Theodoliten und der Signale sind be¬
sondere Centrirajjparate construirt worden. Bei dem Apparat der
Herren Professor Nagel - Dres den und Mechaniker Hilde¬
brand-Freiberg (s. Zeitschrift f. Vermessungswesen , 1888, S- 39
bis 50) läfst sich auf dem nach dem Augenmafs einzustelleuden durch¬
bohrten Stativkopf die dreiseitige, mit einer lothrecht nach unten ge¬
richteten (Centrir-) Rölire versehene Centrirplatte nach allen Rich¬
tungen im Horizont verschieben und festklemmen. Die innen 16 mm
weite Centrirröhre dient zur Aufnahme des kugelförmig gestalteten
Objectivendes ''der Centrirkugel) eines kurzen lothrecht zu stel¬
lenden Fernrohrs, dessen schwach konisch gestaltetes Objectivrohr
genau in die Durchbohrung eines mit seinen drei Fufsschrauben auf
der Centrirplatte ruhenden Dreifufses drelibar eingeschliffen ist. Das
Fernrohr mufs genau centrirt sein, seine Achse soll durch den Mittel¬
punkt der Centrirkugel gehen. Bei der Drehung des Fernrohrs um
seine Achse wird also hiernach das Objectivrohr in der Durchbohrung
des Dreifufses, die Centrirkugel dagegen in der Centrirröhre sich
drehen müssen. Mittels der drei Fufsschrauben des Dreifufses und
zweier an demselben angebrachter, sich rechtwinklig kreuzenden
Röhrenlibellen wird die Fernrohrachse lothrecht gestellt und darauf die
Centrirplatte bei einspielenden Libellen so von Hand verschoben,
dafs das Bild des auf dem Erdboden befindlichen Lothpunktes durch
den Fadenkreuzpunkt gedeckt wird. Alsdann ist die Achse der
Centrirröhre centrirt und es wird nun, bei festgestellter Centrirplatte,
der Centrirapparat durch den gleichfalls unten mit einer gleich grofsen
Centrirkugel versehenen Theodoliten ersetzt. Der Mittelpunkt dieser
Centrirkugel, welche als Ersatz für die bekannte Centrirspitze zu be¬
trachten ist, mufs in der Verticalachse des Theodoliten liegen. Wird
also der Theodolit so aufgestellt, dafs dessen Centrirkugel in der
Centrirröhre sich befindet, so wird nach der durch die Fufsschrauben
bewirkten Lothrechtstellung der Verticalachse diese dieselbe Stelle
einnehmen müssen, welche vorher die Achse des Centrirfernrohrs ein¬
nahm, d. h. es wird die Centrirung des Theodoliten vorhanden sein.
Es wird behauptet, dafs durch dieses Vei’fahren die Centrirung sich
bis auf 0,1 mm genau bewirken lasse, was jedoch seine Schwierig¬
keiten haben dürfte. Denn es wird aufserordentlich schwer sein,
die Verschiebung der Centrirplatte, ohne Feinbewegung, lediglich von
Hand, bis auf 0,1 mm genau auszuführen. Aufserdem dürfte auch
trotz sorgfältigster Ausführung das Auswechseln der Instrumente Un¬
genauigkeiten zur Folge haben, Dafs Herr Hildebrand mit der
Centrirkugel das richtige Mittel getroffen hat, um die durch den
Centrirapparat bewirkte Centrirung auf den Theodoliten genauer zu
übertragen, als dies durch eine Centrirspitze überhaupt möglich ist,
mufs hier besonders anerkannt werden. In welcher Vollkommenheit
Stahlkugeln hergestellt werden können, hat übrigens Herr Mechaniker
Reichel-Berlin, welcher seit langer Zeit von der Kugellagerung
bei Libellen Anwendung macht, auf der Berliner Gewerbeausstellung
1879 bereits gezeigt (vergl. den Bericht über die wissenschaftlichen
Instrumente auf der Berk Gew.-Ausst. 1879 und Deutsche Bauztg.,
1879, Seite 408.)
Die Anwendung eines besonderen Aj^parates macht das Centriren
zu einer zeitraubenden Arbeit. Man ist darauf bedacht gewesen, die
optische Centrirvorrichtung, das sogen, optische Loth, mit dem
Theodoliten selbst zu verbinden, und hat zu dem Ende den Alhidaden-
zapfen in der Richtung seiner Achse durchbohrt, um die lothrechte
Sehlinie zu ermöglichen. Bei der unter Nr. 45 593 patentirten Centrir¬
vorrichtung von 0. Fennel-Cassel ist der Theodolit mit einem
gebrochenen Fernrohr versehen, dessen Objectiv in dem centrisch
durchbohrten Verticalzapfen des Theodoliten sich befindet. Den-
nert u. Pape-Altona benutzen bei der unter Nr. 47 061 patentirten
Einrichtung das Fernrohr des Theodoliten selbst zur centrischen
Aufstellung desselben. Das Fernrohr wird, mit seiner Objectivseite
nach unten, mit Hülfe der Nonien und des Höhenkreises lothrecht
gestellt und der mit Hülfe der Fufsschrauben horizontirte Theodolit
mittels einer Zwischenplatte innerhalb der Durchbohrung des Stativ¬
kopfes so verschoben, dafs die Sehachse des Fernrohrs auf den unter
dem Stativ liegenden Lothpunkt gerichtet ist, wobei die Beobachtung
dadurch ermöglicht wird, dafs sowohl der Verticalzapfen des Instru¬
ments als auch die Zwischenplatte lothrecht durchbohrt sind. Die
Lothrechtstellung des Fernrohrs mittels Höhenkreises wird immer
einige Zeit beanspruchen, aufserdem erfordert die Benutzung des
Theodoliten-Fernrohrs auf eine so kurze Entfernung (rd. 1,4 m) einen
sehr langen Ocularauszug, dessen genaue Verschiebung in der Rich¬
tung der Achse schwierig sein dürfte.
Die beiden zuletzt angegebenen Vorrichtungen sind, wie der
Nagel -Hildebrand’sche Apparat, lediglich Centrirvorrich¬
tung en. Die Horizontirung des Instruments mufs, nachdem der
Stativkopf durch Rücken der Beine annähernd in die richtige Lage
gebracht worden ist, durch die Fufsschrauben erfolgen. Neuerdings
ist durch das Patent 48147 0. Fennel-Cassel eine Centrir¬
vorrichtung mit optischem Loth patentirt worden mit der
zugleich auch eine Hör izontirvorrichtung verbunden. Die
V orrichtung besteht aus einer mit Rillen versehenen Instrumenten¬
platte, die auf einer mittels zweier Stellschrauben und Kugelgelenk hori¬
zontal einstellbaren und durchbohrten Stativplatte verschiebbar ist und
im Mitteli^unkt ein senkrecht zu derselben gerichtetes, mit einem Diopter
ausgerüstetes Rohr trägt, mit Hülfe dessen unter Verschiebung der
Rillenplatte die Achse des Rohrs und damit die Verticalachse des
aufzustellenden Insti-uments über den gegebenen Lothpunkt gebracht
werden kann. Der Theodolit ist zugleich mit einer Centrirkugel ver¬
sehen. Mit der genannten Vorrichtung läfst sich nun zwar die
Horizontirung und auch die Centrirung bewirken, allein es sind zu
dem Ende zwei getrennte Vorgänge erforderlich: Zuerst hat man
zwei Stellschrauben für die Horizontirung der Stativplatte zu be¬
nutzen, dann zum Zwecke der Centrirung die Rillenplatte mit fest
angeschlossener Centrirröhre zu verschieben und durch eine dritte
Schraube die Feststellung der Rillenplatte zu bewirken. Schliefslich
müssen nach Aufstellung des Theodoliten immer noch die Fufs¬
schrauben zur genauen Lothrechtstellung der Verticalachse benutzt
werden.
Es mag liier noch die unter Nr. 7841 jjatentirte, jedoch nur für
kleinere Instrumente geeignete Centrir-Horizontirvorrichtung
von B. Geyer- München erwähnt werden, bei welcher die Centri¬
rung durch eine mit dem Instrument verbundene geschlitzte und
drehbare Platte, die Horizontirung dagegen mittels der Compafs-
aufhängung erfolgt.
Das Bedürfnifs, dem Stativkopf eine Einrichtung zu geben, die
es ermöglicht, dafs selbst bei ungünstigster Aufstellung des Stativs
die Horizontirung und Centrirung des Instruments schnell und
sicher erreicht werden kann, hat nicht nur in Deutschland die
Mechaniker veranlafst, sich mit diesem Gegenstände eingehend zu
beschäftigen. Es sind in America verschiedene Versuche nach dieser
Richtung gemacht und mehrere dahin zielende Vorrichtungen unter
Patentschutz gestellt worden;
Nr. 197 369 v. 20. 10. 1877. Tripod Heads for Surveying-Instruments.
Daniel Hoff’mann (Horizontir- und Centrirvorrichtung).
Nr. 202 916 v. 6. 4. 1878, desgl. Alfred Young (nur Horizontir-
vorrichtung).
Nr. 208 732 v. 9. 9. 1878, desgl. W. Guidey (nur Centrirvorrichtung).
Nr. 209 255 v. 25. 9. 1878, desgl. W. Gurley (nur Horizontirvorrichtung).
No. 209 562 v. 25. 9. 1878 desgl. W. Gurley (Horizontir- und Centrir¬
vorrichtung).
Die letztere Einrichtung ist mit einer geringen Abweichung in
dem Manual of the principal Instrimeyits used in American Enginee¬
ring and Surveying manufactured by W. & L. E. Gurley, Troy. N. Y.
1886, 26 Edition, S. 213 abgebildet. Bei dieser Einrichtung enthält
der Stativkopf zwei fest mit demselben verbundene, sich um-
schliefsende Kugelschalen A A, zwischen welchen sich die gleich
gestaltete Endfläche B eines aufrechten, oben sich erweiternden
Hohlcylinders führt. In das an der Innenseite dieses Hohlcylinders
eingeschnittene Gewinde wird ein als Schraubenspindel ausgebildeter,
mit der durchbohrten Stativdoppelplatte fest verbundener hohl-
cylindrischer Ansatz mit Schraubenfederdruck eingeschraubt. Hier¬
durch wird ein den erwähnten Hohlcylinder umschliefsender zweiter
Cylinder mit kugelschaliger Endfläche C auf die obere Seite der
Kugelschale A geprefst, gleichzeitig aber auch die halbkugelige
Endfläche B an die innere Seite von A angeprefst. Nachdem die
Horizontirung, bei loser Verbindung der einzelnen Theile, mittels
Libelle von Hand bewirkt, erfolgt durch Drehen der als Schrauhen-
kopf dienenden Stativdoppelplatte die Feststellung der Horizontir¬
vorrichtung und darauf durch Verschieben der Instrumentenplatte
innerhalb der Stativdoppelplatte die Centrirung mittels Schnurlothes.
Die feine Einstellung, sowie die Feststellung des Instruments erfolgt
durch dessen vier, das Kugelgelenk desselben beeinflussenden Fufs¬
schrauben.
Zum Horizontiren und Centriren gehören also auch zwei von
einander getrennte Vorgänge. Die Horizontirvorrichtung ist in dem
Stativkopf nicht verschiebbar, sondern fest gelagert.
In überraschend einfacher Weise ist m. E. die Aufgabe, die
Horizontirung und Centrirung zugleich zu bewerkstelligen, durch die
unter Nr. 36 577 in Deutschland und unter Nr. 356 891 (5. 10. 1886)
in America patentirte Stativeinrichtung von H. Müller u.
F. Reinecke, in Firma A. Meifsner-Berlin gelöst worden. Vor
den erwähnten Vorrichtungen zeichnet sich diese Horizontir-
Centrirvorrichtung durch die grofse Leichtigkeit und Schnellig¬
keit der Handhabung aus. Die ganze Thätigkeit des Horizontirens
und Centrirens währt bei geringer Uebung kaum eine Minute. Für
die Feststellung ist nur eine einzige Schraube erforderlich. Die
Centrirung läfst sich mit Leichtigkeit bis auf 1 mm, die Horizontirung
Blr. 8A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
83
bis auf 2,5 Min. genau bewirken. Die Einrichtung ist zwar in erster
Linie auf die Anwendung des sogen, festen Lothes berechnet, doch
kann dieselbe ebenso leicht mit einem Schnurloth oder optischen
Loth, oder mit beiden zugleich, versehen werden. Ebenso läfst sich
für die genaue Aufstellung des Instruments die Centrirkugel an-,
wenden. Die Einrichtung hat bereits eine grofse Verbreitung erlangt,
und die Leichtigkeit und Schnelligkeit der Handhabung, sowie die
damit erzielte Genauigkeit werden allseitig anerkannt. Schon der
Umstand, dafs das vor vier Jahren (9. 1. 86) ertheilte deutsche Patent
heute noch in Kraft ist, während fast alle die anderen genannten
deutschen Patente bald nach ihrer Ertheilung wieder gelöscht wurden,
läfst darauf schliefsen, dafs diese Erfindung, welche als eine werth¬
volle Bereicherung des Vermessungswesens zu bezeichnen ist, einen
grofsen praktischen Werth hat. Der Preis der Anschaffung eines
solchen Stativs (100 Mark) dürfte sich durch die mit dessen An¬
wendung zu erzielende bedeutende Zeitersparnifs und durch den
Umstand, dafs dasselbe für Instrumente verschiedener Gattung und
Gröfse verwandt werden kann, dafs also nur ein Stativ mit ins Feld
genommen zu werden braucht, sehr rasch bezahlt machen.
In den vorstehenden Abbildungen ist die an einem gewöhn¬
lichen Stativ anzubringende Vorrichtung dargestellt.
Abb. 1 ist ein axialer lothrechter Schnitt in theilweiser Ansicht
durch die an dem Stativkopf angebrachte Vorrichtung bei wage-
rechter Lage des letzteren.
Abb. 2 ist ein ähnlicher Schnitt bei schiefer Lage des Stativ¬
kopfes.
Abb. 3 zeigt in Oberansicht die Einrichtung, welche die Ver¬
wendung von Mefsinstrumenten mit Dreifufs ermöglicht.
Abb. 4 ist ein lothrechter Schnitt mit theilweiser Ansicht durch
Abb. 3.
Abb. 5 zeigt in verkleinertem Mafsstabe Schnitt und theilweise
Ansicht des zum festen Loth ausgebildeten Centralzapfens.
Die Abb. 6 und 7 zeigen, in welcher Weise beim Centriren die
Spitze des festen Lothes mit dem Lothpunkt in Verbindung er¬
halten wird.
Abb. 8 zeigt die Vorrichtung mit umgekehrter Anordnung der
Gelenke.
Das Mefsinstrument wird entweder unmittelbar auf den Schrauben¬
zapfen a aufgeschraubt oder mit seinem Dreifufs auf eine dreieckige
Zwischensohle a^, Abb. 3 und 4, gesetzt, welche auf den Zapfen a
geschraubt wird. Dieser Zapfen bildet das obere Ende eines Ein¬
stellhebels 6, der zwecks Horizontirung des Instruments hin- und
herbewegt wird. Der kugelförmig abgedrehte Kopf c des Einstell¬
hebels bewegt sich in' einem schalenartigen, ebenfalls kugelförmig
ausgedrehten Ringe d, der sich auf der Stativkopfplatte e verschieben
läfst. Letztere ist mit äufserem Verstärkungsringe versehen, durch
welchen die in den Stativkopf greifenden Schrauben gezogen werden.
Auf der inneren Seite der Platte e bewegt sich eine planparallele,
mit centraler Oeffnung versehene Scheibe f, durch die der Stellhebel b
hindurchtritt und deren innerer Rand abgeschrägt ist, um Neigungen
des Stellhebels nach allen Seiten hin zu gestatten. Gegen die untere
Seite der Scheibe f legt sich ein Ring der auf der äufseren Seite
nach einer Kugel abgedreht ist und auf der Scheibe f gleiten kann,
während der Ring (j von einem Kugelabschnittringe h umschlossen
wird, gegen welchen sich wiederum der kugelschalenförmige Flansch i
eines Rohres k legt, das den Stellhebel h umschliefst und sich genau
auf demselben führt. Die Mittelpunkte sämtlicher Kugelflächen sollen
zusammenfallen. Die Zahl der Ringe kann mehr als zwei betragen.
Von der Zahl derselben ist die Neigung des Stellhebels zur Stativ¬
kopfplatte abhängig. Der untere Theil des Rohres k ist erweitert
zur Aufnahme einer um den Stellhebel gelegten Schraubenfeder /,
welche gegen eine Flügelmutter m wirkt, die auf einen Gewindetheil
des Stellhebels 6 geschraubt ist und mittels deren das Rohr k nach
oben gedrückt werden kann, um durch Vermehrung der Reibung
zwischen den erwähnten Kugelflächen und der ebenen Flächen die
Feststellung der ganzen Vorrichtung bewirken zu können. Die An¬
ordnung des Kugelkopfes c und der Theile h und i mit gemein¬
samem Mittelpunkt ermöglicht es, dafs der Stellhebel nach jeder
Richtung frei bewegt werden kann, wobei, eine bestimmte Stellung
der Flügelmutter m vorausgesetzt, in jeder Lage desselben zwischen
den sämtlichen Lagerflächen der Vorrichtung dasselbe Mafs von
Reibung stattfindet. Diese Mittelpunktsgemeinschaft bildet ein be¬
zeichnendes Merkmal der Vorrichtung, wodurch sie sich namentlich
von älteren zu demselben Zwecke erdachten Vorrichtungen mit festem
Loth wesentlich unterscheidet. Auch die Verschiebbarkeit dieser
Horizontir - Centrirvorrichtung
nach allen Richtungen inner¬
halb der Durchbohrung der
Stativkopfplatte ist bei keiner
der bisherigen Vorrichtungen
vorhanden. Diese Verschieb¬
barkeit fehlt insbesondere gänz¬
lich bei der durch das ameri-
canische Patent 209 562 be¬
kannt gewordenen Anordnung.
Da die obere ebene Fläche
des kugelförmigen Kopfes c,
auf welchem die horizontale
Sohle des Instruments sitzt,
genau senkrecht zur Achse des
Stellhebels b steht, ist das
Mefsinstrument horizontirt, sobald der Stellhebel b eine lothrechte
Lage einnimmt. Die Bewegung des Hebels erfolgt, wie erwähnt, von
Hand nach Lösen der Flügelmutter ra, und die mit dem Instrument
verbundene Dosenlibelle dient wie bisher als Richtung bei der
Horizontirung. Ihre Einstellung kann, wenn der Hebel tief erfafst
wird, mit grofser Sicherheit geschehen.
Die in Abb. 3 und 4 dargestellte Zwischensohle wird dann auf
den Zapfen a des Stellhebels b geschraubt, wenn Instrumente mit
Dreifufs in Anwendung kommen. Sie ist mit Rillen o versehen, so-
dafs Instrumente von verschiedener Fufsspitzenentfernung auf dem
Stativ aufgestellt werden können. Die Füfse des Dreifufses werden
dann zweckmäfsig so, wie bei /? (Abb. 4) gezeigt, ausgebildet und die
feste Lage des Instruments durch eine auf die Zwischensohle zu
schraubende Unterlage s mit federnden Armen gesichert, die über
die Füfse p greifen. Mit der Zwischensohle wird zweckmäfsig eine
Dosenlibelle t verbunden, deren Achsenebene senkrecht zur Achse
des Stellhebels. Nach Abb. 2 ist der centrale Stellhebel b röhren¬
förmig gestaltet, und in diesem Rohr liegt die Schnur u für das Loth,
sodafs dasselbe den Einwirkungen des Windes entzogen wird. Das
Schnurloth kann durch ein optisches Loth ersetzt werden.
Abb. 5 zeigt die Anordnung des festen Lothes. Auf den nach
unten verlängerten Stellhebel wird ein gerades Rohr x geschoben, in
welchem sich der zugespitze Stab y verschieben läfst. Da bei hori-
zontirtem Instrument, infolge der senkrechten Lage der oberen Fläche
des Kopfes c gegen die Achse des Stellhebels 6, letzterer in die
Lothrechte fällt, so bietet dieser in der That zugleich eine Lothvor-
richtung, die gegenüber dem Schnurloth entschiedene Vorzüge be¬
sitzt. Die centrale Aussparung in der Stativkopfplatte e ist grofs
genug, 6 — 10 cm, um das Instrument nach dem Punkte, auf den es
einzulothen ist, verchieben zu können. Die Dosenlibelle der Zwischen¬
sohle ist nach einem Halbmesser von 1,4 m (der durchschnittlichen
Instrumentenhöhe) genau geschliffen, was bei einem Abstande der
beiden um den Spielpunkt gezogenen Kreise von 1 mm einer Empfind¬
lichkeit von 2,5 Min. entspricht. Da man mit Leichtigkeit das Ein¬
spielen der Libelle bis auf 1 mm genau herbeiführen kann, so läfst
sich mit derselben Genauigkeit auch die Centrirung bewirken.
Die Handhabung der Vorrichtung ist nun folgende.
1. Wenn nur Horizontirung verlangt wird, bewegt man den
Stellhebel, indem man ihn möglichst tief erfafst, so, dafs die Dosen¬
libelle des Instruments oder der Zwischensohle genau einspielt.
Darauf wird die Flügelmutter m angezogen. Alsdann ist die Achse
des Stellhebels, also auch die Verticalachse des Instruments lothrecht.
84
Central blatt der Bauverwaltung.
26. Februar 1890.
Für das mit empfindlicherer Köhreiilibelle ausgerüstete auf die
Zwischensohle zu stellende Nivellirinstrument werden wenige Um¬
drehungen der Fufsschrauben zur genauen Lothrechtstellung der
Verticalachse genügend sein. AVird y genügend ausgezogeii, so kann
leicht der Punkt angegeben werden, in dem die A^erticalachse den
Erdboden trifft.
2. AA’^enn nicht nur Horizontirung, sondern auch Cen-
trirung verlangt wird, so stelle man, indem die Spitze des Stell¬
hebels in der durch die Abb. G und 7 veranschaulichten AVeise mit
dem Lothpunkt in Verbindung gebracht wird, das Stativ so auf, dafs
die Dosenlibelle der Zwischensohle oder des Instruments ungefähr
einspielt. Drücke die Stativbeine fest. Nunmehr verschiebe man, bei
unveränderter Lage der Stellhebelspitze, die ganze A^orrichtung durch
Erfassen von d, innerhalb der Durchbohrung der Stativkopfjjlatte e,
so, dafs die Libelle genau einspielt, wobei y sich in x entsprechend
verschieben wird, und ziehe dann die Flügelmutter m an. Alsdann
ist die Horizontirung und Centrirung bewirkt.
YermiscMes
Die Preishewerhuiigeu um ein Katliliaus in AVillielmshaveu
(S. 425 d. V. J.) mul um AVoliiihiiuser für die Schöiieherg-Friedeiumer
Terrain - (ilesellschaft (S. 489 d. v. J. ) kamen in der Sitzung des
Berliner Architekten -A^ei'eins vom 24. d. M. zur Begutachtung. In
beiden AA^ettbe werben wurden erste Preise nicht zuerkannt, vielmehr
gelangten je zwei gleiche Preise zur A^ertheilung. Für das AVilhelms-
havener Eathhaus erhielten diese die Herren Regierungs -Baumeister
Richard Schnitze und Regierungs - Bauführer Emil Hoffmann,
für die Wohnhäuser der Terrain -Gesellschaft die Herren Architekt
Ho eiliger und Architekten Erd mann u. Spin dl er. Im erst¬
genannten AVettbewerbe wurden überdies noch zwei Vereinsandenken
zuerkannt, und zwar an die Herren Stadtbaumeister Dylewski und
Architekt AI ö s s i n g e r.
. Das Proteclorat über die ErricMimg eines Denkmals für Kaiser
AA’illielm I. auf dem Kyffliäuser (vgl. S. 425 d. v. J.) hat an Stelle
des hochseligen Fürsten Georg zu Schwarzburg- Rudolstadt der er¬
lauchte Nachfolger des A^erewigten, Se. Durchlaucht Fürst Günther
übernommen. Der geschäftsführende Ausschufs, der dies bekannt
giebt, theilt gleichzeitig mit, dafs die Entwürfe s. Z. an das Bureau
der akademischen Kunstausstellung im Landesausstellungsgebäude
in Berlin eiuzusenden sind und dann gleichzeitig mit den Kunst¬
werken der diesjährigen Berliner Ausstellung vom 1. Juli ab be¬
sichtigt werden können.
Die feieriiclie Betriehseröffiuiug der Fortli - Brücke , welche in
ihrem Entstehen seit fast sieben Jahren die Erwartungen aller ge¬
bildeten Kreise der AVelt wach gehalten hat, wird am Dienstag den
4. Alärz d. J. stattfinden. Der Prinz von AVales selbst hat sein Erscheinen
bei der Eröffnungsfeier zugesagt und wird , iudem er den letzten
verbindenden Bolzen einfügt, gewissermafsen die letzte Hand an das
grofse AVerk legen. Ueber die Festordnuug ist im einzelnen folgendes
bekannt geworden: Am 3. Alärz wird der Prinz von London aus
über Edinburg in Dalmeny eintrefl’en, wohin ihn der Lord Eoseberry
zu Gaste geladen hat. Die Directoren der Brücke nebst den übrigen
geladenen Gästen reisen am Alorgen des Eröffnungstages von Ediu-
burg aus mittels Sonderzuges nach Dalmenj^, um hier die fürstlichen
Gäste zu erwarten. Der Zug wird hierauf über die Brücke an dem
am jenseitigen (nördlichen) Ufer des Firth of Forth gelegenen Orte
North Queensferry vorüber bis nach Inverkeithing geführt, von wo
nach kurzem Aufenthalt die Rückfahrt nach North Queensferry an¬
getreten wird. Zwei hier bereit gehaltene Dampfer nehmen die
fürstlichen Personen nebst Gefolge sowie die übrigen Festtheilnehmer
auf zur Besichtigung der Brücke auch von der AVasserseite. Nach
North Queensferry zurückgekehrt, wird sodann die Rückfahrt über
die Brücke angetreten, auf der A'Iitte derselben Halt gemacht und
hier der letzte Nietbolzen vom Prinzen von AVales befestigt. Im
Anschlufs an diese Feierlichkeit wird in North Queensferry in einem
besonders zu diesem Zweck errichteten Raume, in welchem auch die
Entwürfe der Brücke gezeigt werden, die Eröffnung des Werkes bei
festlichem Alahle begangen.
Von deutscher Seite wird im Aufträge des iVIinisters der öffent¬
lichen Arbeiten, Hrm. v. Alaybach — einer Einladung des Aufsichts¬
raths der Forthbrücke entsprechend — der Eisenbahn -Bau- u. Be¬
triebsinspector Mehrtens in Bromberg an der Eröffnungsfeier theil-
nehmen.
Das gewaltige Unternehmen wurde bekanntlich nach Entwürfen
der Ingenieure Sir John Fowler und Benjamin Baker im Jahre
1882 an die Firma Tancred, Arrol u. Co., einer eigens für diesen
Bau zusammengetretenen Gesellschaft, zur Ausführung übergeben,
zu dem anschlagsmäfsigen Kostenbeträge von 32 Alillionen Alark.
Die gesamte Längenausdehnung der Brücke beträgt 2720 m, ihre
gröfste Spannweite 519 m; die erstere wird wohl von der AUctoria-
Brücke in Montreal und von der Tay-Brücke übertroffen, doch reichen
die gröfsten Spannweiten dieser Brücken — rund 106 bezw. 75 m —
nicht an diejenige der Forth-Brücke heran. Selbst die gröfste Spann¬
weite der East-River-Hängebrücke ist um 33 m geringer als diejenige
der Forth-Brücke. Alittheilungen über den Bau der Brücke finden
die Leser u. a. in den Jahrgängen 1881 S. 265 u. 275, 1882 S. 12,
1883 S. 401, 1885 S. 59 u. 540 des Centralblatts der Bauverwaltung.
Das Amsterdamer Stadttheater ist in der Nacht vom 19. zum
20. d. AI. ein Raub der Flammen geworden, glücklicherweise
ohne dafs Menschenleben dabei zum Opfer gefallen sind. Ueber die
Entstehung des Brandes ist sicheres noch nicht ermittelt. Nach
übereinstimmenden Berichten sollen die gewissenhaftesten und bis
ins einzelne gehenden Vorsichtsmafsregeln getroffen gewesen sein.
Am Abend des 19. führte man aus Veranlassung des Geburtstages
Sr. Älajestät des Königs ein Stück auf, dessen Schlufs- und „Glanz“-
Leistung in einem — nach heutigen Bühnenbegriflfen ja unentbehr¬
lichen — Feuerwerke bestand. Allem Anschein nach ist dieses
die Ursache des Brandunglückes geworden. Der Fall giebt Ver¬
anlassung zu der Erwägung, ob es nicht endlich an der Zeit ist, die
gleiche Strenge, mit der in dankenswerther AVeise heutzutage überall
die baulichen Einrichtungen eines Theaters geprüft, beschränkt und
überwacht werden, auch gegenüber den Bühnen-Betrieben in An¬
wendung zu bringen. Die Erkenntnifs wird sich dann gewifs bald
allgemein Bahn brechen, dafs durch Fortlassung der „Feuerzauber“
und ähnlicher unnatürlicher Natürlichkeiten eine gut geschriebene
und gut gespielte Bühnenaufführung nicht verlieren, sondern nur
gewinnen kann.
Druclnvasserversorgnng in London. Die Londoner Druckwasser-
Gesellschaft (London Hydraulic Power Company) verfügt zur Zeit
über ein Druckrohrnetz von 65 km Gesamtlänge. Die Rohre bestehen
aus Gufseisen, haben zwischen 5 und 17,8 cm Weite und sind einem
Druck von 52,7 kg/qcm ausgesetzt. Aufser den beiden in Blackfriars
und Westminster errichteten Pumpstationen, welche wöchentlich
13 600 bezw. 9100 cbm Druckwasser abgeben können, ist infolge der
gesteigerten Nachfrage der Bau einer dritten Pumpstation in AVapping,
mit einer AVochenleistung von 18 200 cbm, nöthig geworden. Gegen¬
wärtig werden über 1000 Alaschinen — Hebezeuge, Pressen u. a. —
mit wöchentlich 17 000 cbm Druckwasser versorgt; 200 weitere Ge¬
suche um Gewährung von Anschlüssen liegen vor. Die AVasserabgabe
findet zu allen Tages- und Nachtstunden, auch au Sonn- und Feier¬
tagen, statt.
Biiciierscliaii.
WaudtäfeluHg’en und Holzdecken. Eine Alustersammlung kunst¬
handwerklicher Schöpfungen alter und neuer Zeit in geschichtlicher
Reihenfolge als Hülfsmittel zum Entwerfen für Architekten, Kunst¬
tischler und Studirende des Kunstgewerbes. Herausgegeben von Hans
Issel, Architekt und Lehrer an der Herzogi. sächsischen Baugewerbe¬
schule in Gotha. 40 Tafeln nebst einem illustrirten Textbande. Leipzig,
Karl Scholtze. Preis 18 M.
Das im Laufe des letzten halben Jahres in 10 Heften erschienene
AVerk bietet eine Reihe guter, nach Federzeichnungen ausgeführter
Lichtdrucke, durch die ein übersichtliches Bild der Entwicklung der
hölzernen Wandtäfelung und Flach decke vom gothischen Alittelalter
bis auf unsere Zeit gegeben wird. Die Auswahl ist derart getroffen,
dafs neben allgemein mustergültigen Beispielen, die die Alehrzahl bil¬
den, der geschichtlichen Vollständigkeit wegen auch solche Stücke ge¬
geben wurden, die mehr bezeichnend für die Eigenart einer bestimmten
Zeit sind, denn dafs sie als vorbildlich angesehen werden können.
Die Beispiele wurden unter Angabe der Quellen zum grofsen Theile
anderen Veröffentlichungen entlehnt. — Der Text führt in einem
ersten, kunstgeschichtlichen Abschnitte das grofse und oft abge¬
handelte Thema der Stilwandlungen vom Alittelalter bis zur Neuzeit
für das den Vorwurf bildende Einzelgebiet knapp und hübsch durch
und verbreitet sich im zweiten Theile etwas eingehender über die
Entwicklung und Technilc der Arbeiten in eingelegten Hölzern. Läfst
der Verfasser den Erzeugnissen aller Zeiten entsprechende AA^ürdigung
zu Theil werden, so verweilt er doch mit Vorliebe bei den Bildungen,
welche Decke und Täfelung während des Alittelalters und der
Eenaissancezeit in Deutschland aufweisen, und er bekennt, dafs der
Zweck seiner Arbeit erreicht sei, wenn es ihm gelänge, für diese
heimische, stimmungsvolle und warme Ausstattungsweise des bürger¬
lichen Zimmers von neuem Verständnifs und Zuneigung zu schaffen.
— d.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Ecdaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s k es, Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 1. März 1890. Nr. 9.
Kedaction: SW. Ziramerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Die Viaducte der
Eisenbahnlinie Tahor-Pisek. (Fortsetzung.) — Der Neubau des Eatlihauses in Leipzig.
— Zur Frage der Wetterbeständigkeit altrömischer Ziegel und Mörtel. — Ver-
mischtes: Erste deutsche Fachausstellung für Stein -Strafsenbau- Materialien usw.
— Caualisationsentwurf der Stadt Moskau. — A. Hartei -t-.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den nach¬
benannten Beamten, und zwar: dem Ober-Baurath Schmeitzei,
Abtheilungs - Dirigenten bei der Königlichen Eisenbahndirection in
Bromberg, den Königlichen Kronen-Orden II. Klasse, dem ßegierungs-
und Baurath Blumberg, Director des Königlichen Eisenbahn-Be-
triebs-Amts in Bromberg, und dem Baurath Talke in Königsberg i. Pr.,
Betriebs - Director der Ostpreufsischen Südbahn, den Königlichen
Kronen-Orden IIL Klasse, dem ßegierungs- und Baurath Wolff,
Director des Königlichen Eisenbahn -Betriebs -Amts in Danzig, dem
ßegierungs- und Baurath Frankenfeld, ständigem Hülfsarbeiter
bei dem Königlichen Eisenbahn - Betriebs - Amte (Directionsbezirk
Bromberg) in Posen, dem Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector
Prins, Vorsteher der Eisenbahn -Bauinspection in Inowrazlaw, und
dem Kreis-Bauinspector, Baurath Bohl in Berlin, den ßothen Adler-
Orden IV. Klasse, dem Betriebsdirector der Breslau -Warschauer
Eisenbahn, Fischer in Oels i. Schl., und dem Betriebsinspector
der Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn, Seng er in Marienburg W.-Pr.,
den Königlichen Kronen-Orden IV. Klasse, ferner dem technischen
Mitgliede der Direction der Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn-Gesell¬
schaft Breidsprecher in Danzig den Charakter als Baurath zu ver¬
leihen sowie dem ßegierungs- und Baurath Döltz in Magdeburg die
Annahme und Anlegung der ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge von
Anhalt verliehenen Decoration des ßitterkreuzes I. Klasse des Haus¬
ordens Albrechts des Bären zu gestatten.
Dem ßegierungs- und Baurath Monscheuer in Thorn ist die
Stelle des Directors des Königlichen Eisenbahn -Betriebs -Amts da¬
selbst verliehen worden.
Zu Eisenbahn- Bau- und Betriebsinspectoren sind ernannt: die
Königlichen ßegierungs-Baumeister Buchholtz in Posen unter Ver¬
leihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem Königlichen
Eisenbahn -Betriebs -Amte (Directionsbezirk Bromberg) daselbst und
Settgast in Wittenberge unter Verleihung der Stelle des Vorstehers
der Eisenbahn-Bauinspection daselbst.
Dem bisherigen Kreis-Bauinspector Gnuschke in Zellerfeld a. H.
ist unter Beilegung des Amtscharakters als Land -Bauinspector eine
Bauinspector- Stelle im technischen Bureau der Bauabtheilung des
Ministeriums der öö'entlichen Arbeiten übertragen worden.
Der ßegierungs- und Baurath Z astrau ist zum Mitgliede des
Königlich technischen Ober-Prüfungs-Amts in Berlin, die Kaiserlichen
Marine -Maschinenbau -Ingenieure Petzsch und Strangmeyer sind
zu Mitgliedern des Königlich technischen Prüfungs- Amtes in Berlin
ernannt worden.
Zu Königlichen ßegierungs -Baumeistern sind ernannt: die ße¬
gierungs - Bauführer Karl ßiebensahm aus Wehlau O.-Pr. und
Wilhelm Strebe aus Zilly, Kreis Halberstadt (Ingenieurbaufach); —
Werner Lun dt aus Hamburg, Julius Stüdemann aus Solkendorf
bei Stralsund und Johannes Baltzer aus Bielefeld (Hochbaufach); —
Oskar Töpert aus Görlitz und Otto Scheer aus Treuenbrietzen,
Kreis Zauch-Belzig (Maschinenbaufach).
Dem Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector Kolle, ständigem
Hülfsarbeiter bei dem Königlichen Eisenbahn - Betriebs - Amte
(Directionsbezirk Erfurt) in Berlin, und dem bisherigen Königlichen
ßegierungs-Baumeister Karl Sieben in Aachen ist die nachgesuchte
Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Sich Gnädigst
bewogen gefunden, dem Hofrath, Hofbaumeister Bohm in Berlin
das ßitterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen zu ver¬
leihen und dem Vorstand der Eisenbahn -Hauptwerkstätte, Baurath
H. Esser in Karlsruhe, die unterthänigst naehgesuchte Erlaubnifs
zur Annahme und zum Tragen des ihm von Seiner Hoheit dem
Fürsten von Hohenzollern verliehenen Ehrenkreuzes III. Klasse des
Fürstlich Hohenzollernschen Hausordens zu ertheilen.
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Yiaducte der Eisenbahnlinie Tahor-Pisek.
(Fortsetzung.)
Der Moldauviaduct hei Cervena. (Abb. 8—17.)
Ein durch seine Bauart und Ausführungsweise hervorragendes
Werk ist der Viaduct,
mit welchem das Mol¬
dauthal bei dem Dorfe
Cervena in der Höhe von
65 m über dem Nieder¬
wasser des Flusses über¬
setzt wird. Derselbe hat
drei Oeffnungen von je
84,4 m Stützweite , an
welche sich auf jeder
Seite eine kleine ge¬
wölbte Oetfnung von 6 m
bezw. 8 m Weite an¬
schliefst. Der eiserne
Ueberbau wird von
durchgehenden Gelenk¬
trägern (Gerber -Träger)
gebildet; die Mittelöff¬
nung enthält einen 33,76 m weit gespannten Träger, welcher auf
den 25,32 m weit überstehenden Auslegern der Träger der beiden
Die Träger haben parallele Gurte und
nämlich 9,5 m zwischen den Gurt¬
schwerpunkten (Abb. 8
bis 10). Die beiden Mit¬
telpfeiler sind über der
Fundamentsohle 58 m
(Taborer Pfeiler) und
62 m (Piseker Pfeiler)
hoch; sie sind in lager¬
haftem Bruchsteinmauer¬
werk mit Portland -Ce-
mentmörtel ausgeführt
und haben am Haupte
5,1m Stärke (in derBahn-
achse) und 7,9 m Breite,
am Fundamentabsatze
11,6 m Stärke und 14,5 m
Tiefe. Die Grundfläche
dieser beiden Pfeiler ist
zusammen 414 qm; sie
sind höchstenfalls mit 10 kg/qcm belastet und auf festen Granit¬
fels gegründet. Der Baustein wurde aus Brüchen theils unmittel-
Seitenöflnungen aufgelagert ist,
durchgehends gleiche Höhe,
86
Centralblatt der Bauverwaltung.
bar neben den Pfeilern der Berglehne, tlieils einige Kilometer tlial-
aufwärts entnommen und besteht aus grofsen Blöcken von lagerhaft
brechendem Granit. Diese sind nur an den sichtbaren Stirnen, am
Lager und Stofs etwas zugerichtet, jedoch mit Vorköpfen bis zu
0,3 m belassen. Der Mörtel ist aus einem Raumtheile Perlmoser
Portland-Cement (lose aufgeschüttet) und drei Raumtheilen schönen
Sandes gebildet.
Mit den Gründungsarbeiten der Mittelpfeilcr wurde anfangs
December 1886 begonnen. Zuerst wurden die Arbeiten von der
k. k. Bauleitung in Selbstunternehmung durchgeführt. Mitte April
1887 waren auf der Taborer Seite 778,7 cbm, auf der Piseker Seite
1. März 1890.
denen die erste den gemauerten Pfeiler umschliefst, die zweite den
Materialaufzug und die dritte die von Geschofs zu Geschofs führende
Trejjpe enthält. Die Ständer sind an den Stöfsen gekuppelt und
untereinander, wie aus den Zeichnungen ersichtlich, durch starke
Quer- und Diagonalverstrebung verbunden. Die Aufzüge sind in den
Abb. 14 und 15 in gröfserem Mafsstabe dargestellt. Die beiden aus
Eisen hergestellten, mit einem quadratischen Holzboden von 2 m
Seitenlänge versehenen Förderschalen im Gewichte von je 675 kg
bewegten sich zwischen je zwei Führungsständerii aus behauenen
Balken. Sie hingen an 22 mm starken, aus 84 Drähten Nr. 16 ge¬
bildeten Gufsstahldrahtseilen, die über je eine Seilscheibe von 2 m
Tabor
iaschinenllul
Abb. 10. Schnitt J — B.
Abb. 8. Ansicht.
Schwellenhöhe.
Abb. 9. Schnitt C—1).
Moldaubrücke bei Cewena.
Abb. 11. Lageplan.
1537,6 cbm aufgemauert, womit die Hochwasserhöhe (-|- 329,9) er¬
reicht war.
Nach einjährigem Stillstände der Arbeiten folgte im Mai 1888
deren Wiederaufnahme durch die Bauunternehmung Gebr. Redlich
u. Berger. Zunächst wurde mit der Materialbeischaffung und mit
der Herstellung der Gerüstuugen begonnen, zugleich aber auch die
Mauerung so gefördert, dafs 8.m 10. August 1888, an welchem Tage
der Maschinenbetrieb der Materialaufzüge eingeleitet wurde, die
Pfeiler auf etwa 13 m über Hochwasser gebracht waren.
Die Abbildungen 11 — 15 geben eine Uebersicht der Baustelle
und schematische Zeichnungen der angewendeten Pfeilergerüste.
Letztere wurden nach Mafsgabe der fortschreitenden Mauerung ge-
schofsweise um je 8 m erhöht. Sie sind durch vier zur Brückenachse
parallele Reihen von Ständern in drei Abtheilungen geschieden, von
Durchmesser zum Maschiuenhause geführt waren und hier auf zwei
in entgegengesetzter Richtung angetriebeneu, gufseisernen, mit Holz¬
belag versehenen Seiltrommeln aufgewunden wurden, sodafs immer
die eine Förderschale gehoben wurde, während gleichzeitig die andere
sank. Die Feststellung und Ingangsetzung des Aufzuges erfolgte mit
Hülfe elektrischer Signalgebung in das Maschinenbaus ; dieselbe wirkte
durch Stromschlufs selbstthätig, wenn der Aufzug die bestimmte
Höhe erreicht hatte. Fangvorrichtungen waren nicht vorhanden.
Die auf dem Rollbahngeleise längs des Flufsufers zugeführten
beladenen Wagen wurden mittels Drehscheiben auf die Förderschale
gebracht, auf dieser bis zu dem betreffenden Rüstungsgeschofs ge¬
hoben und hier wieder auf einem Geleise zum Pfeiler vorgeschoben.
Das Material wurde daselbst entweder abgeladen und mittels Rutsche
auf den Pfeiler befördert, oder es wurde der ganze Förderwagen
Centralblatt der Bauverwaltung.
87
Sr. 9.
mittels der auf einer höheren Rüstung laufenden Krahnwagen (Abh.
auf Seite 85) abgehoben und über der betreffenden Stelle des
Pfeilers entleert. Die Bereitung des Mörtels fand auf dem Gerüste
und immer neben der Arbeitsstelle statt.
Zum Betriebe des Aufzuges diente bei jedem Pfeiler eine
14pferdige Dampfmaschine (Cylinderdurchmesser 240 mm, Kolbenhub
240 mm, Betriebsspannung 6 Atmosph.). Aufserdem war eine kleine,
direct wirkende Dampfpumpe (Dampfcylinder 150 mm, Pumpencylinder
90 mm) in Thätigkeit, welche das zur Mörtelbereitung nöthige Wasser
auf die Höhe des Gerüstes zu pressen hatte und imstande war, in
24 Stunden 40 cbm Wasser 70 m hoch zu heben. Das Wasser wurde
der Moldau entnommen, und zwar mit einem 4 m langen Gummi¬
schlauch, der das Ende der Saugleitung bildete und mit Seiher und
Fufsventil versehen war.
Die Beleuchtung des Bauplatzes erfolgte durch fünf Bogenlampen,
von denen je eine an jedem Pfeiler, in den beiden Steinbrüchen und
am Treppeiweg Pisek angebracht war; ferner durch mehrere Glüh-
8,8 Aufzüge und eine Mauerwerksleistung von 5,56 bezw. 5,92 cbm.
Rechnet man die durch zweimaliges aufsergewöhnlich grofses Hoch¬
wasser im September und October bewirkte Arbeitsunterbrechung
in der Dauer von 12 Tagen ab, so ergiebt sich für 64 Arbeitstage
eine durchschnittliche tägliche Leistung an jedem Pfeiler von rund
63 cbm.
Nach Einstellung der Mauerungsarbeiten im November 1888
wurden die Pfeiler sowohl als auch die Anlagen für die Material¬
förderung gegen Hochwasser und Eisgang durch Fangdämme und
Steinwurf geschützt.
Am 4. April 1889 wurden die Mauerungsarbeiten wieder aufge¬
nommen, und am 14. Mai ward der Taborer Pfeiler, am 18. der
Piseker Pfeiler vollendet. Während dieser Zeit hatten bei dem
ersteren in 374 Arbeitsstunden 2189 Aufzüge, bei dem letzteren in
271 Arbeitsstunden 1378 Aufzüge stattgefunden. Das Verhältnifs der
für sie benöthigten Dauer stellt sich in dieser Bauzeit etwas un¬
günstiger (5.8 bezw. 5,1 Aufzüge in der Stunde) als in der vor-
Abb. 15.
Schnitt c — d.
Aufeüg-e für die Mauerung.
Abb. 12. Abb. 13.
Ansicht links der Bahn, Ansicht gegen die Moldau.
Mauerongsgerüste .
lichter, die an den Gerüsten und im Maschinenhause vertheilt waren.
Den elektrischen Strom lieferte eine Gramme -Maschine, weiche von
einer lOpferdigen Locomobile betrieben wurde. Diese Anlage befand
sich auf dem Piseker Ufer; eine Leitungsverbindung war über den
Plufs hergestellt.
In der Zeit vom 10. August bis 5. November 1888 wurden am
Piseker Pfeiler in 746 Arbeitsstunden 5805 Aufzüge der Materialien
(Stein, Sand, Gement) gemacht und der Pfeiler bis zur Höhe 871,2,
d. i. bis auf rund 12 m unter seinem oberen Haupte aufgemauert.
Auf der Taborer Seite wurden während dieser Zeit in 680 Arbeits¬
stunden 6003 Aufzüge bewerkstelligt und der Pfeiler bis zur Höhe
368,64 aufgemauert. Die Mauerung betrug 414.6 bezw. 4025 cbm.
Es entfallen sonach auf die Arbeitsstunde durchschnittlich 7,8 bezw.
erwähnten, was sich aus dem Aufenthalte erklärt, den das Ver¬
setzen der schweren, 3,56 cbm grofsen Auflagsquader verursachte.
Nachstehende Zusammenstellung giebt die Ausmafse der beiden
Pfeiler:
Mauer werk
V ersetz-
gerüste
Bezeichnung
Funda¬
ment-
Auf-
gehendes
Quader-
Ge-
wölb-
Insgesamt
Holz
Schrau¬
ben
cl)m
cbm
cbm
cbm
cbm
cbm
hsr
Piseker Mittelpfeiler
Taborer „
Beide Mittelpfeiler
samt Seitenan-
1537,60
778,73
4668,49
4664,85
78,94
78,94
6285,03
5522,52
j580
12 300
Schlüssen . ’ . .
13 289
188
106
13 583
(Schlufs folgt.)
Der leulbau des Rathhauses ln Leipzig,
Die Leipziger Ratbbausb aufrage, durch welche seit mehr als
einem Jahrzehnt nicht allein die nächstbetheiligten Kreise sondern
auch die gesamte deutsche Architektenschaft in mehr oder weniger
langen Pausen beschäftigt wurde, bildet neuerdings wieder den
Gegenstand lebhafter Erörterungen. Der Rath der Stadt hat der
Gemeindevertretung einen neuen Bauvorgchlag zur Besehlufsfassung
unterbreitet, und mit begreiflicher Spannung sieht man allseitig der
Entscheidung dieser Körperschaft entgegen. Dürfen wir die ein¬
schlägigen Vorgänge bei unseren Lesern auch im wesentlichen als
bekannt voraussetzen, so erscheint eine kurze Zusammenstellung
derselben doch umsomehr am Platze, als die Vorgeschichte der die
allgemeine Aufmerksamkeit erheischenden Frage in diesem Blatte
eine Darlegung bisher nicht gefunden hat.
Schon aus dem Jahre 1877 stammt ein Beschlufs der Leipziger
Stadtverordneten, nach welchem, unter Vorbehalt einer grundsätz¬
lichen Entscheidung über den weiter einzuscblagenden Weg, die
Aufstellung eines Programms für den Rathbaus -Neubau verlangt
wurde. Diesem Beschlüsse gab der Rath der Stadt im weitesten
88
Centralblatt der B auverwaltiing'.
1. Miir* 1890.
Sinne Folge , indem er nach Anstellung eingehender Erhebungen
gegen Ende des Jahres 1882 einen Entwurf seines Baudirectors
Herrn Hugo Licht vorlegte, der das gewünschte Programm lieferte
und, mehr als das, schon einen vollständig fertigen Baugedanken
zur Darstellung brachte. Dieser Entwurf lief auf die Errichtung
eines grofsartigen Neubaues hinaus, welcher in geschlossener Masse
das Häuservdertel zwischen dem Markte und der Eeichsstrafse einer¬
seits, der Grimmaischen Strafse und dem Salzgäfschen anderseits
bedecken sollte (vgl. den Lageplan) und die Beseitigung des um die
Mitte des 16. Jahrhunderts durch Ilieronymus Lotter erbauten alten
Rathhauses sowohl wie der hinter demselben auf dem Naschmarkte
stehenden, dem Ende des 17. Jahrhunderts entstammenden frühei-en
Haudelsborse zur Vorbedingung hatte. Der Bau sollte über einem
Untergeschosse mit grofsem Rathskeller ein Erdgeschofs, darüber
ein Halbgeschofs, zwei Obergeschosse und ein ausgebautes Dach
erhalten sowie mit einem Festsaale und mächtigem Thurme ausgestattet
werden. Sein Stil schlofs sich mit Glück dem des alten Rathhauses,
also der insbesondere in Leipzig heimischen Fassung der deutschen
Renaissance an. Dieser Entwurf, dessen Kosten auf überschläglich
6 400 000 Mark angegeben waren, wurde von den Stadtverordneten
im Februar 1883 abgelehnt. War hierfür wohl in erster Linie die
bedeutende Höhe der Bausumme, die sich durch nachträgliche ein¬
gehendere Veranschlagung sogar auf rund 6 875 000 Mark steigerte,
ausschlaggebend, so mag dabei doch auch die namentlich in der
öffentlichen Meinung lebhaft verfochtene Ansicht mit von Einflufs
gewesen sein, dafs es nicht zu vertreten sei, dem Neubau zwei Bau¬
werke zu opfern, die, wie das Lottersche Rathhaus und die Börse,
für die Erscheinung des alten inneren Theiles von Leipzig bestimmend
sind und jedenfalls der an Werken der Väter armen Stadt zur un¬
ersetzlichen Zierde gereichen. Sei dem, wie ihm wolle, es
tauchte unmittelbar nach
führte zu dem Entwürfe, den er im August des Vorjahres dem Rathe
unterbi’eitet und den letzterer nunmehr den Stadtverordneten zur
Beschlufsfassung vorgelegt hat. Die nebenstehenden Abbildungen (die
Ansicht ist dem Leipziger Tageblatte entnommen) geben die Grundpläne
dieses jüngst in Leipzig öffentlich ausgestellten Entwurfes; eine Gesamt¬
ansicht der Baugruppe beabsichtigen wir demnächst folgen zu lassen.
Wie der Lageplan veranschaulicht, besteht die Baugruppe aus
den beiden alten Bauwerken des Rathhauses und der Handelsbörse,
aus einem stattlichen Neubau an der Reichsstrafse und aus ebenfalls
neuen, diese drei Gebäude zu einem Ganzen zusammenschliefsenden
Verbinduugsbauten an der Grimmaischen Strafse sowohl wie zwischen
Naschmarkt und Salzgäfschen. Das in seinem baulichen Kerne der
Hauptsache nach noch durchaus gesunde alte Rathhaus soll im
wesentlichen in seinem jetzigen Zustande erhalten bleiben. Nur das
Dach bis zum Hauptgesims, einschliefslich der baufälligen Giebel,
soll abgebrochen und genau in der alten Gestalt, wenn auch unter
Anwendung der technischen Fortschritte der Neuzeit wiederhergestellt
werden. Dabei ist eine Bedachung mit glasirten Ziegeln gewählt,
eine Eindeckungsweise, deren Annahme für Leipzig und die Er¬
bauungszeit des Rathhauses insofern besonders berechtigt ist, als es
in der Stadtchronik heifst, dafs die Schmalkaldener 1547 bei der
Belagerung der Stadt „das gläserne“, d. i. glasirte Dach der Peters¬
kirche zerschossen. Der Thurm bleibt im Aeufseren vollständig er¬
halten, nur seine Treppe erfordert einen Umbau, und sein Portal
nebst dem über demselben befindlichen hölzernen Söller ist in der
alten Form neu herzustellen. Ganz abzubrechen und der Front in
Hausteinausführung wieder vorzulegen sind auch die jetzt an der
Marktseite befindlichen hölzernen Lädenvorbauten. Schliefslich sollen
— ein vortrefflicher, ganz aus dem Geiste des Bauwerks und seiner
Entstehungszeit abgeleiteter Vorschlag
dem ablehnenden Spruche
der Stadtvei'ordneten der
vortreffliche Gedanke
auf, ob es nicht an¬
gängig sei, das alte Rath¬
haus nicht nur zu erhalten,
sondern es auszubauen, es
mit einem weniger um¬
fangreichen Neubau auf
dem nun einmal für den
Zweck erworbenen Grund
und Boden zu einer ma¬
lerischen Baugruppe zu
vereinigen und damit eine
erheblich billigere, den
Bedürfnissen der Stadt
aber doch in w'ürdiger
Weise entsprechende Lö¬
sung zu gewinnen.
Es ist ein grofses Ver¬
dienst des Baudirectors
Licht, dafs er sich dieser
öffentlichen Stimme, so¬
bald er sich davon über¬
zeugt hatte, wie sehr sie
im Rechte war, nicht
entgegenstellte. Unter
gewifs nicht leichtem Ver¬
zicht auf die hohen und
verlockenden Ziele, die
sich der Künstler zuvor
gesteckt, nahm er jenen
Gedanken auf und wid¬
mete sich fortab mit aller
Thatkraft seiner Verwirk¬
lichung. Noch Ende 1883
und in der ersten Hälfte
des Jahres 1884 entstand
in diesem Sinne ein neuer
Entwurf, der den Beifall
von Baukünstlern ersten
Ranges, wie Gnauth in
Stuttgart und Gedon in
München, fand. Dieser
Entwurf kam damals noch
zur Kenntnifs der Mit¬
glieder des Ausschusses für den Rathhaus-Neuban, die Baufrage selbst
aber gerieth infolge anderer dringenderer Aufgaben in jahrelanges
Stocken. Licht benutzte die Zeit des Stillstandes dazu, seinen neuen
Plan zur Reife kommen zu lassen, und erneute Durcharbeitung desselben
Reiohs - Strasse
Markt
Erdgeschofs.
Neubau des RatKbauses in Leipzig-,
an beiden Giebelseiten im
Erdgeschosse Lauben an¬
gelegt werden, um in der
Grimmaischen Strafse und
dem Salzgäfschen den
Bürgersteigverkehr der
einen Seite durch das
Haus hindurchzuleiten
und auf diese zweck-
mäfsige und zugleich
schöne Weise beiden
Strafsen die wünschens-
werthe Verbreiterung zu
geben. Im übrigen ist
das Aeufsere vollkommen
zu erhalten. Das Mauer¬
werk wird stellenweis
auszubessern und im
ganzen neu zu putzen
sein. DiePutzflächen sollen
dann hier und da bemalt
und dem Hause damit
jener wohlfeile und dank¬
bare Schmuck gegeben
werden, der es ganz be¬
sonders volksthümlich zu
machen und als Rathhaus
zu kennzeichnen geeignet
ist. Im Inneren wird
es besonders darauf an¬
kommen, den durch eine
sogenannte Restauration
aus dem Jahre 1863 ver¬
dorbenen grofsen Vorsaal
angemessen wiederherzu¬
stellen. Ueberdies sollen
die Zugänge zur grofsen
Rathsstube und zur jetzi¬
gen Stadtkasse insbeson¬
dere durch Aenderung der
Licht- und Luft -Verhält¬
nisse verbessert werden.
Sonst bleibt alles erhalten.
Der Umbau der alten
Handelsbörse ist nach
den gleichen Gesichts¬
punkten geplant. Auch
hier ist, der wünschens-
werthen Verbreiterung des Salzgäfschens wegen, der Bürgersteig ins
Innere des Gebäudes verlegt, also unter einer offenen Laube an dessen
Giebelseite hindurchgeführt gedacht. Die Front gegen den Naschmarkt
wird um eine Achse vorgerückt werden müssen, um hinter ihr die
flir. 9.
Centralblatt der Bauverwaltung.
89
liAarkt
iiothwendige Verbindung zwischen dem kleinen Bauwerke und den
beiden Hauptgebäuden zu ermöglichen. Auf diese Weise und durch
Ausnutzung des alten Börsensaales für Zwecke der Stadtkasse wird
es dann gelingen, die werthvolle Saal¬
decke, die im Jahre 1G80 der kurbr anden¬
burgische Hofstuccateur Simonetti fertigte,
auch fernerhin zu erhalten. In dem Hause
würden dann noch über dem Verbindungs¬
gange die Schatzkammer und im Unterge¬
schosse Versteigerungsräume untergebracht
werden können.
Im Gegensatz zum Kathhause und zur
Börse, deren bebaute Flächen einzu¬
schränken Herr Licht, wie er in dem
seinem Entwürfe beigegebenen Erläuterungs¬
berichte darlegt, mit Recht für unzulässig
hält, ist das neue Verwaltungsgebäude
soweit hinter die jetzigen Fluchtlinien zu¬
rückgezogen, dafs die Grimmaische und
die Reichsstrafse auf 17 m, das Salzgäfs-
chen auf 12,30 m verbreitert werden können.
An der Naschmarktseite ist die alte Flucht
beibehalten, da sich hier vorzügliche alte
Grundmauern benutzen lassen. — Den
Hauptausgangspunkt nun für die Plan¬
gestaltung dieses Neubaues mufste die
Rücksicht auf seinen vornehmsten Raum,
den Stadtverordneten -Sitzungssaal, bilden.
Bestimmend für die Lage dieses Saales
wurde das Vorhandensein einer alten, noch
sehr gut erhaltenen gewölbten Halle, des
jetzt als Bierwirthschaft
dienenden sogenannten
^Burgkellers“ , der in¬
mitten der alten Häuser¬
gruppe im Erdgeschosse
an der Reichsstrafse liegt.
Der Architekt glaubte
diesen Raum vornehmlich
aus Kostenrücksichten er¬
halten zu sollen und be¬
nutzte ihn, indem er ihm
die zur Verbreiterung der
Reichsstrafse abgetrennte
Achse seitlich anfügte,
als Unterbau für sei¬
nen Stadtverordnetensaal.
Letzterer erhielt damit
im breiten Mittelflügel
der zwei Höfe umschlie-
fsenden Neubauanlage
■einen vorzüglichen Platz.
Mit seinem Treppenhause
und seinen Vorräumen
liegt er inmitten der ge¬
samten Verwaltungsräu¬
me, ohne doch deren durch¬
gehende Flurverbindungen
irgendwie zu unterbrechen,
und mit ihm zusammen
können einige kleinere
Säle, die an der Reichs¬
strafse vorgesehen sind,
erwünschtenfälls bequem
zur Veranstaltung von
Festlichkeiten benutzt
werden. Die Ausschufs-
und Amtszimmer der
Stadtverordneten liegen
in nächster Nähe des
Sitzungssaales nach dem
Naschmarkte zu , die
übrigen Verwaltungsräu¬
me sind, bequem zugäng¬
lich und mit allem wün-
schenswerthen Zubehör
ausgestattet, an durchweg
hellen Fluren über die einzelnen Flügel und Geschosse des Gebäudes
-zweckmäfsig vertheilt. Im Erdgeschofs ist der herkömmliche Durchgang
■vom Naschmarkte nach der Reichsstrafse, den die an dergleichen Ver¬
bindungen gewöhnte Leipziger Bevölkerung kaum würde missen wollen,
Neumarte
a. Lauten für die Bürgersteige, b. Säiilenhallen, darüber Ver¬
bindungsgänge. c. Läden (Gewölbe), d. Thurm.
Lageplan.
I. Stockwerk.
Neubau des Rathbauses in Leipzig.
an seiner alten Stelle belassen, im übrigen ist das Erdgeschofs an
den drei Strafsenseiten zu Läden bestimmt. Die Frage, ob auch der
Burgkeller gleichen Zwecken dienen oder ob er seiner jetzigen Be¬
stimmung erhalten bleiben soll, läfst der
Entwurf offen, im letzteren Falle würden
die erforderlichen Wirthschaftsräume zum
Theil in den Keller gelegt werden müssen.
Am Naschmarkte liegen im Erdgeschosse
Amtszimmer, wie solche auch der Ver¬
bindungsbau an der Grimmaischen Strafse
im Obergeschosse aufweist. Hinzuzufügen
dürfte noch sein, dafs dieser Verbindungs¬
bau im Erdgeschosse eine offene Bogen¬
halle zeigt, durch die sich ein reizvoller
Einblick in den zu einem Schmuckhofe
umzugestaltenden Naschmarkt und auf
die Börse, sowie umgekehrt von dieser
gegen die Grimmaische Strafse hin dar¬
bieten wird.
Läfst nach dem Gesagten und nach Aus¬
weis der Pläne die Grundrifsanordnung mit
Beziehung auf praktische Brauchbarkeit
und künstlerische Durchbildung kaum irgend
etwas zu wünschen übrig, so stellen sich
die Gebäude in ihrer Gesamt-Aufsenerschei-
nung als eine Baugruppe von über¬
raschender Schönheit dar. Die Stadt
Leipzig wird, wenn sie diese Bauten zur
Ausführung bringt, sich eine Rathhausanlage
schaffen, wie sie sehr wenige deutsche Städte
aufzuweisen haben. Lichts Schöpfung ist in
ihrer Einfachheit und An¬
spruchslosigkeit , in der
Sicherheit, mit der die
künstlerische Einheit der
alten und neuen Theile
getroffen ist, von so
zwingender Ueberzeu-
gungskraft, dafs es kaum
zu verstehen ist, wie auch
nur eine Stimme des
Widerspruches sich gegen
ein solches Werk er¬
heben kann. Und doch
ist dies, wie Kundge¬
bungen verschiedener Art
zeigen, der Fall. Die Ein¬
wendungen, welche, ins¬
besondere in der Leipziger
Tagespresse, gemacht
werden, sind freilich
kleinlicher Art und selbst
wenn sie in diesem und
jenem Falle Berechtigung
hätten, nicht imstande,
den Gesamtwerth des
Lichtschen Entwurfes her¬
abzusetzen und seine Un¬
brauchbarkeit darzuthun.
Sie scheinen das aber
doch zu bezwecken, und
diese unverkennbare Ab¬
sicht veranlafst uns hier
noch kurz auf sie einzu¬
gehen, da es uns Pflicht
erscheint, für die Durch¬
führung eines Werkes
einzutreten, welches nicht
der Stadt Leipzig allein,
sondern unserer heutigen
deutschen Baukunst über¬
haupt in aufsergewöhn-
licher Weise zur Zierde
gereichen wird.
Als ein Hauptgrund,
der sich gegen die Ge¬
samtauffassung und damit
gegen die Erhaltung der alten Bauwerke richtet, wird ange¬
führt, dafs durch den Entwurf die bestehenden Verkehrshindernisse,
insbesondere beim Eintritt der Grimmaischen Strafse in den Markt,
nicht beseitigt würden. Die geplanten Lauben werden als geeignete
90
Centralblatt der Bauverwaltung.
1. März 1890.
Abhülfemittel nicht anerkannt, da sie eine südländische B.auart seien
und Stockungen des Fufsgängerverkehrs, Schmutzwinkel und dunkle
Läden mit sich brächten. Die Nichtigkeit dieser Einwendungen
leuchtet ohne weiteres ein, wenn man sich die zahlreichen ähnlichen
Anlagen insbesondere in sächsischen, schlesischen und böhmischen
Städten wie Bautzen, Görlitz, Hirschberg, Eeichenberg und Prag
vergegenwärtigt, für welche gleiche Bedingungen wie für Leipzig
gelten. Aber auch auf Lübeck, Münster i. W. und Wien, wo für
die neuen Baugruppen neben dem Eathhause vorzulegende Bogen¬
gänge Bauvorschrift waren, kann u. a. hier hingewiesen werden.
Was aber die Strafsenb reiten selbst betrifft, so sei ein Beispiel zum
Vergleiche herangezogen, welches geflissentlich den gröfsten Ver¬
hältnissen entnommen ist. Die Strafse Cheapside in London, die
einen ganz bedeutenden Weltstadtverkehr bewältigt, hat eine Breite
von 9,15 bis 11,28 m im Fahrdamm und von 14,64 bis 17,69 m ein-
schliefslich der Bürgersteige. Die Breite der Grimmaischen Strafse
würde nach Hineinlegung des einen Bürgersteiges in das Eathhaus
an dieser Stelle 9,60 m (Fahrdamm) -j- 2,40 m (Bürgersteig gegenüber
dem Eathhause) -j- 5 m (Bürgersteig im Eathhause), zusammen 17 m
betragen, also der von Cheapside an der weitesten Stelle nur um
69 cm nachstehen, sie aber an der schmälsten Stelle um 2,36 m über-
trefl'en. Der Leipziger Fahrdamm wäre dabei immer noch um 45 cm
breiter als der von Cheapside an der schmälsten Stelle. Vielleicht
empfiehlt es sich, dafs der Eath von Leipzig zunächst einmal Er¬
hebungen über den Verkehr an dem fraglichen Punkte anstellen läfst;
nach dem Urtheile zuverlässiger Beobachter ist die Zahl der Fuhr¬
werke überhaupt gar nicht erheblich, die während eines Tages jene
Strecke befahren. — Weitere Einwendungen sind untergeordneterer
Art. Im neuen Verwaltungsgebäude hat man die vier runden Treppen
ihrer Form und Gröfse, auch ihrer Zugänglichkeit wegen bemängelt.
Dem Erdgeschosse wird vorgeworfen, dafs die Läden, um einträglich
zu sein, nicht genug Tiefe hätten und eines Zwischengeschosses ent¬
behrten. Von der Erhaltung des Burgkellers will man nichts wissen
und die Anlage von Stufen beim Anschlüsse der Verbindungsflure an
den Neubau, die sich aus der verschiedenen Höhenlage der alten und
neuen Bautheile ergiebt, wird angegriffen. Die Erwägung, inwieweit
diese Ausstellungen zutreffen oder nicht, würde hier zu weit führen.
Ihre Berechtigung zugegeben, würde es gewifs ein Leichtes sein, bei
der Durcharbeitung des Entwurfes entsprechende Abhülfe zu schaffen.
Die Treppen geräumiger und in der üblichen Form herzustellen, liegt
eine Schwierigkeit nicht vor; gegen ihre Zugänglichkeit dürften keinerlei
Bedenken mehr zu erheben sein, wenn der Burgkeller zu einer Haupt¬
eingangshalle gemacht würde. Den Läden gebe man die gewünschte
Tiefe dadurch, dafs man sie im Erdgeschosse nach dem Hofe zu um
eine Achse hinausbaut. Und die Ausgleichung von Höhenunterschie¬
den in einem Flure kann, wenn die betreffenden Stellen, wie hier,
hell beleuchtet sind, unmöglich ein Grund werden, Bodenbewegungen
vorzunehmen, die, von den in einem solchen Falle gewöhnlich erheb¬
lichen Schwierigkeiten der Einigung mit den betroffenen Nachbarn zu
geschweigen, einen bedeutenden Kostenaufwand verursachen würden.
Die Kostenfrage aber, zu der wir hiermit gekommen sind, wird
durch den neuen Lichtscheu Entwurf in ganz besonders glück¬
licher Weise gelöst. Die Kosten der Gesamtanlage sind mit
3 572 000 Mark veranschlagt, wobei für das Cubikmeter umbauten
Zur Frage der Wetterbeständigkeit
Seitens des Kaiserlichen Post-Bauinspectors Herrn Prinzhausen
in Aachen war der Eedaction dieses Blattes im vergangenen Herbste
ein Ziegelstück von den römischen Badeanlagen in Trier zugesandt
worden, welches auf der einen Fläche einen etwa 1 mm stark auf¬
liegenden dichten, grauen, glasurartigen Belag aufwies. Dieser Belag
schien auf einen beim Brennen des Steins aufgebrachten Ueberzug
hinzuweisen, und Herr Prinzhausen glaubte in dem Vorhandensein
dieser Schicht den Grund für die aufserordentliche Wetterbeständig¬
keit des Ziegels erblicken zu dürfen. Das Steinstück wurde Herrn
Commercienrath March und durch diesen auch dem Unterzeichneten
zur Begutachtung bezw. Untersuchung vorgelegt.
Es ergab sich dabei, dafs die Schicht keineswegs bei der An¬
fertigung der Ziegel aufgebracht sein konnte, dafs sie vielmehr durch
eine Auflagerung und Einlagerung von krystallinischem kohlensauren
Kalk in das Steinmaterial erzeugt wurde, und dafs ihre Entstehung
den lange Zeit auf sie einwirkenden Mörtelbestandtheilen zuzu¬
schreiben ist.
Beim Betupfen des Belages mit Salzsäure entwickelte sich aus
diesem nämlich energisch Kohlensäure, die Schicht verschwand und
liefs nach kurzer Zeit das Steinmaterial vollständig in der rothen
Farbe des Ziegelbruches hervortreten. Andere Stellen des Stein¬
stückes zeigten keine Kohlensäure-Entwicklung, mit Ausnahme einiger
kleiner weifslicher Punkte auf der Bruchfläche, welche sich demnach
Baumes des neuen Verwaltungsgebäudes 24 Mark gerechnet sind.
Der Anschlag des Neubauplanes von 1882 schlofs ohne die erheb¬
lichen Kosten der Bodenregulirung mit einer Ziffer ab (s. oben),
die nach den heutigen Preisverhältnissen etwa 8 250000 Mark
betragen würde. Für diese Summe wurden damals 19 700 qm Eaum
geschaffen, während der jetzige Plan 16 300 qm erzielt, eine Flächen-
gröfse, die selbst in Anbetracht des bedeutenden Anwachsens der
Stadt auf lange Zeit auskömmlich erscheint, da man sich einer ge¬
wissen Decentralisation auf die Dauer nicht wird verschliefsen
können, wie ja mit einer solchen durch die inzwischen erfolgte Ab¬
sonderung der Polizeiverwaltung in gewissem Sinne bereits der An¬
fang gemacht ist.
Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dafs der
Lichtsche Bauvprschlag der seiner Zeit kund gewordenen öffentlichen
Meinung nicht nur, sondern auch den Wünschen der Gemeinde¬
vertretung, soweit sie. sich bei der Beurtheilung des ersten Neubau-
Entwurfes namentlich auf den Kostenpunkt erstreckten, in vollem
Mafse gerecht geworden ist. Ueber seine künstlerische Bedeutung
aber herrscht in Sachverständigenki-eisen, die der Frage unbefangen
gegenüberstehen, nur eine Stimme. Sie findet ihren Ausdruck in den
Gutachten, welche von vier der bedeutendsten deutschen Fachmänner
eingeholt worden sind. Oberbaurath Friedrich Freiherr von Schmidt
in Wien, Professor Anton Springer in Leipzig, Baurath P, Wallot
in Berlin und Professor Hauberrisser in München haben den Ent¬
wurf einmüthig als ein in hohem Grade gelungenes Werk bezeichnet
und den Wunsch ausgesprochen, dafs dieses ungeschmälert zur Aus¬
führung gelangen möge. Wir schliefsen uns diesem Wunsche freudig
an und möchten zum Schlüsse nur noch vor einem Gedanken warnen,
auf dessen Verwirklichung uns ein Theil der Urheber jener erwähnten
Angriffe abzuzielen scheint, das ist der Gedanke an eine allgemeine
oder engere Preisbewerbung. Es werden heutzutage viel zu viel
Wettbewerbungen veranstaltet. Mögen sie ihre volle Berechtigung
haben, wenn es sich um grofse nationale Aufgaben, um Werke han¬
delt, bei denen weite Kreise unmittelbar betheiligt sind, mögen sie
besonders da in vollem Mafse am Platze sein, wo es sich um die
Gewinnung vielseitiger und neuer Grundgedanken handelt, oder wo dem
Bauherrn geeignete baukünstlerische Kräfte nicht zur Verfügung stehen.
Im vorliegenden Falle aber, wo die Stadt über einen in langjährigem
Dienste bewährten Architekten ersten Eanges verfügt, wo die Auf¬
gabe eingehende Vorstudien, die gründlichste Kenntnifs aller ein¬
schlägigen Verhältnisse, vor allen Dingen aber einen harten Verzicht
auf hochstrebende persönliche Ideale erfordert, in diesem Falle wäre
nichts weniger angezeigt, als die Veranstaltung einer Preisbewerbung.
Wir glai’ben nach alledem, dafs Herr Baudirector Licht und mit
ihm der Eath der Stadt, der den neuen Bauvorschlag zu dem seinen
gemacht hat, getrost der Entscheidung der Gemeindevertretung
entgegensehen können. Denn es erscheint uns undenkbar, dafs das
Schicksal eines Bauwerkes von dem Eange und der Bedeutung des
Leipziger Eathhauses abhängig gemacht werden sollte nicht von dem
Eathe einer Eeihe berühmter Sachverständigen, sondern von einer in
entscheidender Stunde vielleicht die Oberhand gewinnenden Strömung,
deren Urheberschaft auf eine sachliche und von persönlichen Neben¬
absichten freie Würdigung der bestehenden Verhältnisse nicht zurück¬
geführt werden kann. Hd.
altrömisclier Ziegel und Mörtel.
als kleine Kalktheilchen darstellten, die beim Brennen des Steins
„todt gebrannt“ worden waren, dessen Haltbarkeit also nicht beein¬
trächtigten. Die Entstehung der kalkhaltigen Schicht auf der Obei--
fläche ist leicht zu erklären. Kohlensaurer Kalk, der im Mörtel aus
dem Aetzkalk sich bildet, ist in kohlensäurehaltigem Wasser etwas
löslich, und scheidet sich daraus beim Verdunsten der Kohlensäure
in krystallinischer Form wieder ab. Die Kohlensäure ist von dem
Wasser aus der atmosphärischen Luft aufgenommen worden. Ge¬
schieht eine solche Abscheidung langsam, so kann der kohlensaure
Kalk in Krystallen, die mit blofsem Auge sichtbar sind, abgeschieden
werden, und daraus erklärt sich das emailartige Aussehen des Ueber-
zuges. Im übrigen verdanken die Steine ihre Dauerhaftigkeit der
Wahl eines gediegenen, nicht zu mageren Ziegelgutes, der gleich-
mäfsigen Durcharbeitung desselben, der sorgfältigen Behandlung der
Steine während der Anfertigung und des Trocknens sowie dem dem
Materiale angepafsten Feuergrade und dem guten Durchbrennen der
Ziegel, lauter Herstellungsbedingungen, die sich für jeden guten
Ziegel von selbst verstehen, denen aber beim starken Bedarfe und
den Wettbewerbsverhältnissen der Gegenwart heute nicht immer die
erforderliche Beachtung geschenkt werden kann.
Dafs eine krystallinische Abscheidung des kohlensauren Kalkes
aus wässriger Lösung leicht eintritt, beweist einerseits die krystalli¬
nische Structur der Tropfsteine, welche sich in Kalksteinhöhlen durch
91
Ansicht von der Reichsstrafse.
Neubau des Rathhauses in Leipzig.
92
Centralblatt der Bauverwaltung.
L März 1890.
das einsickeriide Wasser bilden, es ist mir aber auch bei Mörteln
bekannt. So finden sieb beispielsweise krystalliniscbe Ausscheidungen
in den Mörtelmassen an der alten Metzer Wasserleitung bei Ars a. d.
Mosel in Form von darin eingewachsenen Kalkspathkrystallen von
2 — 3 mm, die gleichfalls nur durch die Einwirkung von Wasser und
Kohlensäure in langer Zeit entstanden sein können. Einer solchen
Umwandlung des amorphen kohlensauren Kalkes in krystallinischen
mögen überhaupt die alten Mörtel zum Theil ihre grofse Festigkeit
verdanken, und unsere Nachkommen werden vielleicht ebenso über
die Vortreft'lichkeit unseres Mörtelmaterials ihre Verwunderung aus¬
sprechen, wie wir es über die der Römer thun. Es ist die Härte
derselben meist lediglich ihrem Alter zuzuschreiben.
Nachträglich eingezogene Erkundigungen ergaben übrigens, dafs
die Fläche, welche den fraglichen Ueberzug zeigte, eine Lager¬
fläche des Steines gewesen war, die also stets mit dem Mörtel in
Berührung stand, und zum Eindringen des Kalkes in das Steininnere
leicht (Gelegenheit bot. Ein Steinstück mit einer Aufsenfläche
zeigte nur einen schwärzlichen, sehr dünnen Belag, der als eine Auf¬
lagerung staubiger und kohliger Producte aufzufassen ist.
Berlin im Februar 1890. Prof. Dr. 11. Seger.
Yermischtes.
Die erste deutsche Fachausstellung [für Stein - Strafseuhau-
Materialien us>v., veranstaltet vom Bunde deutscher Steinsetzer-
Innungen, hat in dieser Woche weit im Norden der Stadt, in der
Landsberger Allee 39, stattgefunden. Ist es an sich schon ein Ent-
schlufs, weit hinaus zu pilgern, so hätte man wenigstens erwarten
dürfen, dafs das Gebotene reichlich für den Aufwand an Zeit und
IMühe entschädigt. Wir glauben imlessen den Veranstaltern der
Ausstellung nicht gar zu nahe zu treten, wenn wir unserer voll¬
ständigen Enttäuschung über das Gesehene an dieser Stelle Ausdruck
geben. Zxinächst litt die Ausstellung an den bekannten Mängeln
eines unzureichenden und ungenauen Kataloges sowie an ungenügender
Bezeichnung der ausgestellten Gegenstände. Um nur einen ganz
erheblichen Mangel anzuführen: bei keiner der vielen Stein-, Kies-
und Sandsorten fanden sich Preisangaben.
Der Natur der Sache nach war die erste Abtheilung „ Stein -
Strafsenbau-Materialien“ am zahlreichsten beschickt worden.
Der Katalog führt 91 Aussteller aus allen Theilen des deutschen
Vaterlandes auf. Man ersieht daraus, welch grofse Anzahl von
schönen Pflastersteinen Deutschland besitzt. Um so bedauerlicher
ist die geringe Leistungsfähigkeit der Bruchbesitzer, sodafs es ihnen
nur in ganz verschwindendem Mafse gelingt, zu den jährlich Hundert¬
tausende betragenden Steinlieferungen für Berlin herangezogen zu
werden, obgleich sich die Stadtbauverwaltung in dieser Beziehung
die gröfste Mühe giebt. Hier wäre es Sache des Bundes, Mittel
und Wege zu finden, dafs nicht jährlich für Pflastersteine Millionen
in das Ausland gehen. Im übrigen erscheint uns die Ausstellung der
Rohmaterialien ohne Angabe des Preises und der Leistungsfähigkeit
der Brüche vollständig ungenügend. Praktisch läfst sich damit gar
nichts anfangen. Es ist hier eben auch der Fehler so vieler Aus¬
stellungen gemacht worden, dafs man sich nicht die Frage vorgelegt
hat, für wen stelle ich aus, was verlangt der Beschauer und Besucher
zu sehen und zu wissen.
Die zweite Abtheilung umfafste Fachhandwerkzeug nebst
Zubehör, die dritte Transportmittel und Fuhrwesen, die
vierte Litteratur und die fünfte, damit der Ausstellung auch die
heitere Seite nicht fehle, Innungsembleme nebst Zubehör.
Sollte der Bund wiederum eine Ausstellung veranstalten, so möchten
wir empfehlen, auch auf eine Abtheilung für Pflasterausführungen
Bedacht zu nehmen, damit der Beschauer Gelegenheit hat, zu sehen
und zu beurtheilen, was die Mitglieder der Innungen, also das
deutsche Steinsetzer-Gewerbe in der Herstellung aller möglichen
Pflasterarten für Fahrdämme und Bürgersteige leistet. Erwähnen
wir noch, dafs das Grusonwerk eine grofse Steinbrechmaschine und
Fowler, John u. Co. eine Strafsen- Dampfwalze ausgestellt haben, so
dürfte alles gesagt sein, was über diese Ausstellung überhaupt zu
sagen ist. Pbg.
Der Caiialisatioiiseiitwxirf der Stadt Moskau, mit dessen Aus¬
arbeitung im Aufträge der Stadtduma schon längere Zeit fünf Stadt¬
ingenieure unter Vorsitz eines Stadtamtsgliedes beschäftigt sind,
wird, wie die Moskauer Deutsche Zeitung berichtet, in diesen Tagen
fertiggestellt und binnen kurzem dem Stadtamt zur weiteren Ent¬
scheidung übergeben werden. Die Verfasser des Entwurfes geben,
wie dem genannten Blatte zu entnehmen ist, dem Theilungssystem
der Canalisation der Stadt den Vorzug, bei welchem alle Tagewasser
auf den früheren Wegen in die Moskwa und deren Nebenflüfschen,
die Jausa, abfliefsen könnten, während neue Canäle ausschliefslich
für die Entfernung von Abtrittstoft’en usw. vorgesehen sind. Nach
dem Entwurf sollen diese Stoffe an einen bestimmten Ort an der
städtischen Grenze und von dort auf die anzulegenden Rieselfelder
geleitet werden. Für die erste Zeit soll die Canalisation nur in der
Stadtmitte innerhalb der Gartenstrafse durchgeführt werden, wobei
man die Nothwendigkeit befürwortet, die Verbindungscanäle zwischen
den einzelnen Grundstücken und dem Hauptröhrennetz längs den
Strafsen auf Kosten der Stadt erbauen zu lassen, da nur so eine
vollkommen übereinstimmende Anlage dieser Canäle durchführbar sei.
Angesichts des Umstandes, dafs die Wasserleitungsanlage ihrer bal¬
digen Verwirklichung entgegengeht, wird dem Wunsche Ausdruck
gegeben, dafs der Canalisationsentwurf schleunigst der endgültigen
Entscheidung zugeführt werde. Es sei dies schon aus dem Grunde
empfehlenswerth, weil die gleichzeitige Legung der Canalisations-
und Wasserleitungsröhren im Innern der Stadt sich billiger stellen
und auch in vielen anderen Beziehungen vortheilhafter sein würde.
-V.—
A. Hartei f- Am 18. d. M. ist in Strafsburg der dortige Dom¬
baumeister, Architekt August Hartei gestorben. Im kaum vollendeten
46. Lebensjahre, in der Vollkraft unermüdlichen, erfolgreichen Schaft'ens
hat ihn, einen der tüchtigsten unter den deutschen Kirchenbaumeistern,
ein langes unheilbares Leiden dahingeraflt. — August Hartei wurde
am 26. Februar 1844 als Sohn des Maurers Eberth Hartei in Köln
geboren. Seine Schulkenntnisse und die ersten Grundlagen für die
fachliche Laufbahn erwarb er sich in einer Elementarschule und auf
der Provincial-Gewerbeschnle seiner Vaterstadt. Im Jahre 1860 trat
er in das Atelier des damaligen Kölner Stadtbaumeisters J. Rasch-
dorff ein, dem er im wesentlichen seine künstlerische Ausbildung
verdankt. Sein Lehrer in der von ihm im späteren Leben mit be¬
sonderer Vorliebe gepflegten gothischen Bauweise ist alsdann zunächst
A. Lauge geworden. Ueber seiner Thätigkeit am Reifsbrett und in
der Studirstube vergafs Hartei aber nicht, seinem Können eine ge¬
diegene praktische Grundlage zu erwerben. Vorübei-gehende Be¬
schäftigung bei einer Essener Baufirma gab ihm dazu Gelegenheit,
dann aber vornehmlich sein Eintritt in die Werkstätte des Kölner
Dombaumeisters Franz Schmitz, unter dessen Leitung sich ihm an
der besten Quelle die besondere Welt mittelalterlicher Kunstübung
erschlofs. Voimehmlich beschäftigte ihn Schmitz bei der genauen
Aufnahme des Kölner Domes für seine grofse Veröffentlichung, liefs
ihn aber auch an der Bearbeitung verschiedener Neubauentwürfe
theilnehmen. So wuchsen dem jungen Architekten die Schwingen,
und er arbeitete sich bald zu einer solchen Meisterschaft empor,
dafs es ihm im Jahre 1870 gelang, in dem um den Entwurf einer
evangelischen Kirche für Crefeld veranstalteten Wettbewerbe unter
78 Betheiligten den ersten Preis zu erringen und demnächst mit der
Ausführung des Baues betraut zu werden. Mit diesem Werke begann
für ihn eine umfassende und erfolgreiche Bauthätigkeit, insbesondere
auf kirchlichem Gebiete. Zunächst erstreckte diese sich namentlich
über die heimathliche Provinz und Westfalen, woselbst als eine
der bedeutendsten Schöpfungen des Verstorbenen die Christus¬
kirche in Bochum entstand. Dann siedelte Hartei nach Halle
und später nach Leipzig über, um nach dem in der Preisbewer¬
bung um die dortige Petrikirche errungenen Siege, der ihn besonders
bekannt gemacht hat, die Ausführung dieser Kirche in Gemeinschaft
mit Baurath Lipsius in Dresden zu übernehmen. Wie bei diesem
Werke, so hat er auch bei seinen sonstigen Arbeiten sich häufig mit
künstlerischen Genossen zusammengethan. In Crefeld war es Archi¬
tekt Quester, später, in Leijjzig, nach Lipsius Architekt B. Schmitz,
zuletzt, seit 1885, Architekt Neckelmann, mit dem er bis zu seinem
Tode verbunden geblieben ist. Mit ihnen in Gemeinschaft bearbeitete
er mit einer kaum wieder dagewesenen Unermüdlichkeit eine zahllose
Reihe von Preisbewerbungen, denen der Erfolg selten gefehlt hat
und denen er auch einen grofsen Theil der ihm gewordenen Bauauf¬
träge verdankt. Von letzteren seien hier nur noch das Landesaus-
schufsgebäude und die Jung- St. Peterskirche in Strafsburg hervor¬
gehoben, da sie augenscheinlich die nächste Veranlassung dazu ge¬
worden sind, die Aufmerksamkeit auf Hartei zu lenken, als es sich
vor jetzt Jahresfrist um die Neubesetzung der Strafsburger Münster¬
baumeister-Stelle handelte. Ein kurzes Jahr nur ist es ihm vergönnt
gewesen, dieses wichtigen nun wiederum verwaisten Amtes zu walten.
Aber nicht allein Strafsburg sieht sich in den berechtigten Hoffnungen,
die es auf den Heimgegangenen setzte, schmerzlich getäuscht, auch die
deutsche Baukunst hat Ursache den Tod August Harteis zu betrauern,
denn sie hat in ihm einen ihrer Tüchtigsten und Besten verloren.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
Sr. 94-
93
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT: Eine Feuerungsanlage mit raucbfreier Verbrennung. — Beziehungen
zwischen Kräfte- und Seilpolygon. — Vermischtes; Wettbewerbung um den
Schinkelpreis im Berliner Architektenvereine. — Rechtsfahren auf den deutschen
Eisenbahnen. — Thompsons elektrisches Schweifsverfahren. — B üche r s chau.
Eine Feuerungsanlage mit rauchfreier Verbrennung.
Vor einiger Zeit hatte Schreiber dieses Gelegenheit, eine Feuerung
kennen zu lernen, welche auf einfache Weise die Rauch- und Rüfs-
bildung fast vollkommen verhindert und infolge dessen eine nicht
unbedeutende Ersparnifs an Brennstotf gegenüber anderen Feue¬
rungen darbietet. Diese Feuerung, nach ihrem Erfinder, Herrn
C. Cario, derzeit Director des Magdeburger Dampfkessel-Ueber-
wachungs -Vereines in Magdeburg, Cario-Feuerung genannt, wird von
der Firma Otto Thost in Zwickau, Sachsen, hergestellt und verkauft-
Eine solche Anlage, als Innenfeuerung angeordnet, stellen die
Abbildungen 1 — 5 dar. Aus diesen ist ersichtlich, dafs der Rost
eine zweiseitige Neigung hat, wodurch, gegenüber einer gewöhn¬
lichen Feuerung, der Vortheil einer gröfseren Breite in einem und dem¬
selben Raume erzielt wird. Der Neigungswinkel ist dem Böschungs¬
winkel des Brennstoffes angepafst, sodafs letzterer in gleichmäfsiger
Schicht auf dem Roste liegen bleibt, wenn er auf dessen oberster
Kante aufgeschüttet wird. In der Stirnwand befinden sich eine kreis¬
kalter Luft verhindert wird, entsteht die gute, vollständige Ver¬
brennung. Da der frische kalte Brennstoff nicht auf die Glut,
sondern dazwischen fällt, entsteht eine weniger stürmische Ver¬
gasung, für welche ein Luftmangel leicht zu vermeiden ist; auch ist
die helle Glut zur Rauchentzündung stets gewahrt. Hierdurch wird
auf natürlichste Weise die Rauch- und Rufsverbrennung erzielt.
Der Heizer hat nur für Aufschüttung des frischen Brennstoffes
zu sorgen, welche Arbeit leichter ist als sonst, da der Brennstoff
nicht geschleudert zu werden braucht. Die Arbeit des Schürens
und Stocherns kommt in Wegfall und wird durch die Wirkung der
Kohlenmulde, wie oben geschildert, ersetzt. Der Heizer ist auch
wegen der stets geschlossenen Feuerungsthüren der strahlenden Hitze
des Feuers nicht ausgesetzt. Der Gang der Verbrennung ist hier
viel weniger von der Geschicklichkeit und dem guten Willen des
Heizers abhängig, als bei den gewöhnlichen Feuerungen. Die Ver¬
brennungsregelung geschieht durch Einstellung des Essenschiebers.
Querschnitt
mit eingeschobener Vorderansicht.
Kohlenschaufel. Abb. 1.
Abb. 2. Senkrechter Längenschnitt.
runde Kohlenthür B und die Schlackenthüren DD (Abb. 1). Dieselben
sind zweitheilig und jede Hälfte pendelt um einen gemeinsamen oberen
Zapfen. Beim Einschieben eines Geräthes drängt dieses selbst die
Thürhälften auseinander, so weit, als das Geräth es beansprucht.
Nach dem Herausziehen des Geräthes fallen die Thüren selbstthätig
wieder zu. Die Oeffnungen C (Abb. 1) dienen zur bequemen Beobachtung
des Feuers und sind mit Glimmerplatten verschlossen. Zum Aufschütten
der Kohle dient die muldenförmige Schaufel K (Abb. 2 u. 4), deren
offene Länge gleich der Rostlänge ist und welche vorn keilartig ge¬
staltet ist. Diese Kohlenmulde wird aufserhalb auf beliebige Weise
mit Brennstoff gefüllt, durch die Kohlenthür eingeschoben und innen
durch Umwenden ausgeschüttet. Dabei schneidet die Mulde mitten
durch die glühende Kohlenschicht, drängt diese zu beiden Seiten auf
den Rosten abwärts und schüttet oben in die so entstandene Furche
ihren Inhalt aus. Dadurch nun, dafs hierbei der Brennstoff ohne
jedes besondere Zuthun des Heizers von vorn bis hinten völlig
gleichmäfsig fällt, auch die helle Glut nicht zudeckt und abkühlt,
dafs ferner die zusammengebrannte Kohlenschicht selbstthätig wieder
dicht zusammengeschoben, die etwas backende Kohle dabei aufge¬
brochen und aufgelockert, und auch der Eintritt schädlicher Mengen
Während der Brennstoff auf den Rosten niedergleitet, verbrennt
er allmählich und läfst schliefslich seine Schlacke an den zwei
tiefsten Stellen des Rostes liegen. Hat sich dort ein Haufen ange¬
sammelt, so wird er durch die Schlackenthüren D herausgezogen.
Auf jedem Quadratmeter Rostfläche können stündlich 70 bis 140 kg
Kohle verbrannt werden, je nach Art der Kohle und der vor¬
handenen Zugstärke. Dabei können die Kessel auch mit gering-
werthigem Brennstoff vollständig ausgenutzt werden. Wie Schreiber
dieses von glaubwürdiger Seite erfuhr, soll in einem Falle mit der
gewöhnlichen Feuerung 8,5 kg und mit der Cario - Feuerung an
demselben Kessel 9,36 kg Dampf erzeugt worden sein, was ein sehr
günstiges Ergebnifs zu nennen ist.
Eine Cario - Feuerung ist wohl die billigste rauchverzehrende
Anlage. Eine solche kostet für das Quadratmeter Heizfläche etwa
10 Mark, für gröfsere Kessel etwas weniger. Da die Umänderung
einer bestehenden Anlage bei Innenfeuerungen nur einen Tag und
bei Unterfeuerungen 2 bis 4 Tage, je nach Umständen, erfordert,
so liegen auch der nachträglichen Anbringung der Cario-Feuerung
keine Schwierigkeiten im Wege.
Eich. Weindorfer, Ingenieur.
94
Centralblatt der Bauverwaltung.
5. März 1890
Beziehungen zwisclien Kräfte- und Seilpolygon
nebst Anwendung auf die Aufgabe:
ein Seilpolygoii durcli drei Punkte zu legen.
Von llobert Land in Chemnitz.
Vorbemerkung. Nach Abfassung des nachstehenden Auf¬
satzes fand der Verfasser, leider zu spät, dafs die in den nachfolgen¬
den §§ 1 und 2 gegebenen Beziehungen bereits in einem Aufsatze
von Hüppner im Civiliugenieur 1887 S. 89 enthalten sind, und auch
in der neuen Auflage des Werkes von L4vy „La statique graphique“
stehen sollen, sodafs als neu wohl nur § 3 verbliebe. Da aber das
in § 2 befindlictie einfache Verfahren, ein Seilpolygon durch drei
Punkte zu legen, in der Theorie der Gewölbe und bei anderen zeich¬
nerischen Untersuchungen sehr vortheilhaft verwerthet werden kann
und in deutschen Fachkreisen noch wenig oder fast gar nicht be¬
kannt zu sein scheint, so dürfte die nochmalige Mittheilung desselben
in dieser verbreiteten Zeitschrift wohl gerechtfertigt erscheinen.
§ 1-
Für gegebene Kräfte PvPi ■ . . ein Seilpolygon
so zu legen, dafs zwei bestimmte Seiten Sa, sh durch
zwei gegebene Punkte B gehen (Abb. 1*).
Ist zum gezeichneten Kräfteplan mit beliebigem Pole O' ein
Seilpolygon S' gezeichnet, dessen Seiten s'a, s'b (entsprechend sa, sb)
Abb. 1.
die durch A und B zur Mittelkraft R (im Kräfteplan) gezogenen
Parallelen a, b in A‘, B‘ schneiden, und zieht man im Kräfteplan
0‘ Ti 11 der Schlufslinie f — A‘ B‘ bis zum Schnitt Ti mit R, so ist
die durch Ti\\t=AB gezogene Gerade t der geometrische Ort für
alle neuen Pole (O), deren zugehörige Seillinien zwischen den Geraden
a, b Schlufslinien parallel AB = t bilden. Zieht man deshalb durch
A die (erste) Seilseite «a, so mufs die (letzte) Seite sb durch B gehen.
Beweis. Zerlegt man R in zwei durch A‘ und B' gehende, zu
R parallele (also in die Kichtungen a und b fallende) Seitenkräfte
Ra, Rb, so werden letztere bekanntlich durch die im Kräfteplan von
Ti auf R gebildeten beiden Abschnitte dargestellt. Da aber diese
Seitenkräfte für beliebige andere Seillinien ungeändert bleiben, so
müssen, wenn AB = t (oder eine Parallele) zur Schlufslinie werden
soll, umgekehrt die zugehörigen Pole auf der durch T\\\AB gelegten
Geraden t im Kräfteplan liegen, welche hiernach kurz die zu AB
gehörige Polgerade heifse.
Anmerkung. Bekanntlich schneiden sich je zwei entsprechende
Seiten zweier, zu zwei Polen O, 0' gezeichneten Seillinien S, S‘ auf
Punkten einer Geraden, genannt Polar achse />, welche parallel
der Verbindungsgeraden O 0‘ ist; (vergl. z. B.: Handbuch der Bau¬
kunde, Hülfswissenschaften [Mechanik von Mehrtens] S. 506).
Wendet man diese Eigenschaft auf die zu Ra gehörenden beiden Seil¬
seiten Sa und U^ezw. s‘a nnd t' an, so erkennt man die Beziehung:
1. Die zu den beiden Seillinien N und S‘ gehörige Polar¬
achse p geht durch den Schnittpunkt T der beiden
Schlufslinien t und t‘ und ist parallel O 0‘.
§ 2.
Für gegebene Kräfte Pi, Pi . . . ein Seilpolygon
so zu legen, dafs drei bestimmte Seiten «a, >^6, «c durch
drei gegebene Punkte A, B, C gehen (Abb. 2*).
Unter Anwendung von § 1 ergiebt sieh sofort der Satz:
2. Der gesuchte Pol, dessen Seillinie die drei Bedingungen
erfüllt, ist der Schnittpunkt der zu A, B und B, C ge¬
hörigen Polgeraden ii und ti.
*) Die Seiten Sa, sb usw. sind in den Abb. 1 u. 2 mit Sa, Sb usw.
bezeichnet.
Hiernach folgt die Lösung:
Man zeichne ein beliebiges Seilpolygon S' mit dem angenomme¬
nen Pole O', zieht im Kräfteplau zwischen s'a und s'b die Mittel¬
kraft Ri, zwischen s'b und s'c die Mittelkraft R-i und ferner durch
A und B zu Ri die Parallelen «], 6i, welche mit s'a, s'b die Schlufs¬
linie t'i bilden, sowie durch B, C zu Ri die Parallelen bi, a, welche
mit s'b, s'c die Schlufslinie t'i bilden. Zieht man dann im Kräfteplau
durch die Schnittpunkte T\, Ti der durch O' zu den Schlufslinien t'i
bezw. t'i gelegten Parallelen mit Ri bezw. Ri die weiteren Parallelen
ti, ti zu den gewünschten Schlufslinien A B = ti und B C=ti, so
erhält man im Schnittpunkt O den gesuchten zugehörigen Pol und
in der Verbindungsgeraden der Schnittpunkte ti | t'i und ti \ t'i die
Polarachse p.*)
Anmerkungen. 1) In ganz ähnlicher Weise kann man auch
die Gesamtmittelkraft R der zwischen s'a und s'c befindliehen Kräfte
benutzen und durch die Parallelen durch A, C die zu s'a, s'c gehörige
Schlufslinie t' zeichnen; dann mufs die Polarachse auch durch den
3
Abb. 3.
Schnittpunkt von t' mit t=AC gehen. (Dieses Verfahren wurde
der Deutlichkeit wegen in Abb. 2 nicht ausgeführt.)
2) Der gesuchte Pol O läfst sich nach der angegebenen Er¬
mittlung der Polarachse p auch ohne die Theilpunkte Ti, Ti er¬
mitteln, nämlich aus den durch die Schnittpunkte von s'a. s'b, s'c mit
p und den Punkten A, B, C bestimmten Kichtungen sa, sb, Sc (Ver¬
fahren von Mohr.) Auch läfst sich nach der Grundeigenschaft der
Polarachse die verlangte Seillinie N ohne Benutzung des Kräfte¬
planes zeichnen, da die Seiten Sa, sb, Sc, wie eben angegeben, dureh
die Polarachse p bestimmt sind. Ueberhaupt wird man von den hier
gegebenen verschiedenen Verfahren in jedem besonderen Falle stets
dasjenige wählen, welches die günstigsten Schnittpunkte liefert und
die anderen Eigenschaften als Zeichenproben benutzen.
3) Legt man das erste Seilpolygon von vorn herein so, dafs es
bereits eine Bedingung erfüllt, dafs z. B. s'a durch A geht, dann ist
A bereits ein Punkt der Polarachse, da ti und t'i durch A gehen.
*) Die letzte Beziehung wurde bereits von Mohr gegeben, welcher
die gleiche Aufgabe durch andere Betrachtungen löst; vergl. Civil-
ingenieur 1886 S. 535.
Nr. 9A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
95
Wie einfach und übersichtlich sich das Verfahren bei parallelen
Kräften gestaltet, zeigt folgende Aufgabe:
Fiür ein Gewölbe durch drei Punkte A, B, C eine
Drucklinie zu legen (Abb. 3).
Man zeichne für einen rechts von der Kraftlinie gewählten Pol
O' eine (abwärts liegende) Seillinie S\ deren erste Seite durch A
geht und zieht mit Hülfe der Lothrechten durch B und C die Schlufs-
linien t'i, t'-r, die hierzu durch 0‘ gelegten Parallelen geben auf der
Kraftlinie die Schnittpunkte Ti, T2, und die hierdurch gezogenen Pa¬
rallelen zu ti = AB bezw. (2 = B C schneiden sich im gesuchten
Pol O. Die Polarachse js ist die Verbindungslinie von A mit dem
Schnittpunkt Zeiclienprobe: 0' O^p.
§ 3.
Weitere Beziehungen zwischen Kräfte- und Seil-
polygon.
Im Anschlufs an die vorhergehenden Betrachtungen mögen noch
folgende leicht nachweisbare Beziehungen aufgestellt werden.
Denkt man sich in Abb. 1 das erste Seilpolygon S' (mit Pol O')
fest, das zweite Seilpolygon S (mit Pol O) veränderlich und nur
an die Bedingung geknüpft, dafs es durch den festen Punkt A
geht, so erkennt man nach Satz 1 leicht die Bichtigkeit der folgenden
Beziehung:
3. Bewegt sich der Pol O im Kräfteplan auf einer beliebigen
Polgeraden t, so dreht sich die zu und jeder (einem Pole O
entsprechenden) Seillinie S gehörige Polarachse p um einen
festen Punkt T, genannt Polarenmittelpunkt, und um¬
gekehrt;
denn durch die Gerade t ist Punkt 7i auf R und hierdurch
t — 0‘ Ti bestimmt. Durch A und R ist weiter a und A' festgelegt,
und die durch A und A' gezogenen Parallelen zu t und t' schneiden
sich im festen Punkt T, dem Drehungsmittelpunkt aller zum festen
Pole 0‘ und dem veränderlichen Pole O auf t gehörigen Polarachsen.
Ist umgekehrt der Polarenmittelpunkt T gegeben, so sind durch
A T und A' T die Richtungen t bezw. t‘ bestimmt und hiernach die
Polgerade t im Kräfteplan festgelegt. Obiger Satz 3 läfst sich daher
auch in der übersichtlichen Form aussprechen:
3a. Jeder Polgeraden t im Kräfteplan entspricht ein zur festen
Seillinie S' und zu den veränderlichen, durch A gehenden Seil-
linien ä gehöriger Polarenmittelpunkt T und umgekehrt.
Weiter folgt hieraus sofort:
4. Dreht sich eine Polgerade t im Kräfteplan um einen festen
Punkt O, so bewegt sich der zugehörige Polarenmittel¬
punkt T auf einer festen Geraden, der Polarachse p zum
Pole O;
denn je zwei durch O gehende Polgeraden <i, t-2 entsprechen zwei
Polarenmittelpunkten 7], T2, deren Verbindungslinie, als Polarachse
aufgefafst (einmal durch den Mittelpunkt 7i, das andere Mal durch
22 gehend), nach dem vorigen Satze in O den zugehörigen Pol be¬
sitzen mufs.
Chemnitz, im Sommer 1889.
Vermischtes.
Die diesjährige Wettbewerbung um den ScMnkelpreis im Ber-
liner ArcMtektenvereme, für welche im Gebiete des Hochbaues der
Entwurf zu einer Hochschule für Musik auf dem Lützowplatze
in Berlin als Aufgabe gestellt war, kam in der Vereinssitzung vom
3. d. M. zur öffentlichen Begutachtung. Der Schinkelpreis und die
Vereinsdenkmünze wurden dem Entwürfe „Palladio“ des Regierungs-
Bauführers J. Boethke in Berlin zuerkannt. Der zweiten eingegangenen
Arbeit konnte eine Auszeichnung nicht zu Theii werden. Die den
Ingenieuren gestellte Aufgabe hatte keinen Bearbeiter gefunden.]
Das ReehtsMireu auf den deutschen Eisenbahnen. Das Bahn¬
polizei-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands enthält die Be¬
stimmung, dafs auf doppelgeleisigen Bahnstrecken die Züge das in
ihrer Fahrtrichtung rechts liegende Geleis befahren sollen. Da indes
bei Erlafs dieser Vorschrift im Jahre 1875 etwa der achte Theii aller
doppelgeleisig ausgebauten Bahnstrecken in Deutschland links be¬
fahren wurde, und die Aenderung der Betriebsweise zeitraubende und
kostspielige Umbauten bedingte, so wurde gleichzeitig gestattet, dafs
bestehende Ausnahmen bis auf weiteres beibehalten werden dürften.
Im Interesse der Betriebssicherheit war aber eine durchweg gleich¬
artige Benutzung der zweigeleisigen Bahnstrecken dringend zu
wünschen. Die betheiligten Aufsichtsbehörden haben deshalb unaus¬
gesetzt auf die Beseitigung der vorhandenen Abweichungen hinge¬
wirkt und dementsprechend sind die erforderlichen Umbauten von
den Bahnverwaltungen allmählich ausgeführt worden. Nachdem nun¬
mehr vor kurzem die letzten derartigen Arbeiten zum Abschlüsse
gebracht worden sind, ist das Rechtsfahren auf den deutschen Eisen¬
bahnen jetzt allgemein „durehgeführt. Ausgenommen bleiben
nur zwei kurze Grenzstrecken, auf welchen in Uebereinstimmung mit
der Betriebsweise auf den anschliefsenden fremdländischen Bahnen
auch ferner links gefahren werden wird.
Das Thompsonsche elektrische SchweifsYerfahren ist in America
versuchsweise zum Vernieten von Eisentheilen angewendet worden.
Dabei hat sich nach einer Mittheilung der Engineering News heraus¬
gestellt, dafs das Verfahren für diesen Zweck vollkommen ver¬
wendungsfähig ist. Die Niete wurden in kaltem Zustande in die
Nietlöcher gebracht und sodann mit Hülfe des elektrischen Stromes
auf die erforderliche Schweifswärme erhitzt. Da hierbei die Loch¬
wandungen mit erwärmt wurden, fand thatsächlich ein Zusammen-
sehweifsen der Niete mit den zu befestigenden Eisentheilen statt.
Vernietung mittels 13 mm starker und 50 bis 75 mm langer Niete
erforderte 20 bis 30 Secunden Zeit.
Hieran anscMiefsend möge bemerkt werden, dafs die Elektricität
zur Herstellung von Vernietungen nach der bisher üblichen Aus¬
führungsweise bereits seit mehreren Jahren in England Anwendung
gefunden hat. Die hierbei verwendeten Maschinen kleben mit mäch¬
tigen Elektromagneten . an den mit Nieten zu durchziehenden Flächen.
Der Niethammer wird durch eine elektrische Kraftmaschine gegen
eine Feder gezogen und nach einer gewissen Hubhöhe selbstthätig
ausgelöst, worauf derselbe kräftig auf den Nietkopf herabschnellt.
Die Zahl der Hammerschläge beläuft sich auf etwa 150 in der Minute.
Eine derartige Maschine — von einer englischen Schiffsbauanstalt
hergeliehen — war im Jahre 1887 auf der in Newcastle veranstalteten
Gewerbe- und Industrieausstellung in Thätigkeit zu sehen. Km.
Bftclierscliaii.
Die Architektur der Renaissance in Toscana nach den Meistern
geordnet; begonnen von der Gesellschaft San Giorgio in Florenz,
herausgegeben und weitergeführt von Dr. Karl v. Stegmann. Text
von Heinrich v. Geymüller. München, Verlagsanstalt für Kunst
und Wissenschaft, 1889. Lieferung III; — VII. Preis 250 Ji.
Nachdem bereits zweimal an dieser Stelle auf die umfassende
Veröffentlichung über die Renaissance - Architektur Toscanas hin¬
gewiesen, kann jetzt, mit dem Erscheinen von fünf neuen Lieferungen
zu den bisher vorhandenen beiden ersten, über die weiteren Ergebnisse
des Unternehmens berichtet werden. In der Ausstattung und künst¬
lerischen Behandlung stehen die neuen Hefte den älteren gleich.
Neben wirklich ausgeführten Bauwerken und hervorragenden Denk¬
mälern der Bildhauerkunst in Verbindung mit der Architektur werden
vornehmlich auch die reichen Schätze von Bau- Entwürfen in der
Florentiner Handzeichnungen-Sammlung berücksichtigt. Aus der Zahl
der letzteren sind der Entwurf für einen Medicäer-Palast von Antonio
da Sangallo, sowie vier höchst interessante Fronten -Entwürfe von
Giuliaco da Sangallo für die Kirche San Lorenzo in Florenz ver¬
öffentlicht.
Der Text bringt gerade in den vorliegenden Lieferungen manche
neue, die bisherigen Anschauungen und Ueberlieferungen berichtigende
Gesichtspunkte. Zunächst wird die in der zweiten Lieferung be¬
gonnene Baugeschichte der Kirche S. Lorenzo weitergeführt und
beendet, und zwar in einer Weise, die über die Frage nach dem
ursprünglichen Entwürfe für diesen Bau und den Antheil, den
Brunellesco selber an ihm gehabt, zum ersten Male Klarheit bringt.
Während Chor und Querschiff, mit Ausnahme der Kuppel, nach des
Meisters Plane und unter seiner Leitung ausgeführt, das Langhaus
erst lange nach seinem Tode vollendet wurden, ist die Sacristei un¬
bedingt als Brunellescos Werk in Anspruch zu nehmen, und zwar
neben dem Findelhause an Piazza S. Annunziata und dem unvollendet
gebliebenen Palazzo della parte Guelfa als eine seiner frühesten
Schöpfungen. Die erste Anwendung und sichere Beherrschung der
antiken Bauformen an diesem Bauwerke rief die Bewunderung der
Zeitgenossen hervor. Doch treten auch neue Motive auf, unter denen
die sogenannte „concentrische Doppel - Arcade“ als ein von der
Renaissaneekunst späterhin fruchtbar verwertheter Baugedanke her¬
vorzuheben ist. Im Gegensätze dazu werden die Mängel des Lang¬
hauses beleuchtet, über die sich schon Luca della Rohhia und der
Biograph Brunellescos Antonio di Tuccio Manetti beklagten. —
Eine eingehende Behandlung erfährt sodann die schöne Capella
de’ Pazzi im Klosterhofe von S. Croce in Florenz. Gestützt auf
neuere Veröffentlichungen von Urkunden und auf stilkritische Er¬
wägungen kommt V. Geymüller zu dem bemerkenswerthen Ergebnisse,
1 dafs diese reizvollste Schöpfung Brunellescos nicht, wie bisher an-
96
Centralblatt der Bauverwaltung.
5. März 1890.
genommen, eines seiner Erstlingswerke gewesen, sondern dafs der
Entwurf dazu etwa der Mitte der zwanziger Jahre angehöre, der
Bau ferner erst nach seinem Tode beendet worden sei.
Von AVerken anderer toscanischer Meister kommt der Palazzo
Bartolini von Baccio d’Agnolo zur Darstellung, bekannt durch die
Tabernakel - Architektur seiner Fenster, eine Neuerung, die nach
Vasari allgemein dem Baccio zugeschrieben wird, jedoch, wie v. Gey¬
müller wahrscheinlich macht, auf Eaphaels der Zeit nach früheren
Entwurf zu dem leider zerstörten schönen Palast an der Via San
Gallo in Eom zurückzuführen ist.
Die Abbildungen greifen, wie in den früheren Lieferungen, dem
Texte weit vor. Unter den Architekturen mag hier, um nur der
wichtigsten zu gedenken, auf die Lichtdrucke vom Palast Pitti, vom
Innern der Kirchen S. Lorenzo und S. Spirito, der Klosterhöfe von
S. Lorenzo und S. Croce hingewiesen werden. Von Giuliano da San
Gallo findet sich u. a. der reizende Hof des Palastes Gondi, von
Crouaca der durch seinen Sgrafittoschmuck bekannte Palast Guadagni,
von Alberti die Pront von S. Maria Novella in sorgtältigen Detail-
Aufnahmen, von Vasari die Uffizien.
Die schnelle Folge, mit der diesmal eine gröfsere Anzahl neuer
Lieferungen fertig gestellt worden ist, darf als Bürgschaft für den
weiteren raschen Fortgang und damit den sicheren Erfolg des
grofs angelegten kunstwissenschaftlichen Unternehmens angesehen
werden. E. B.
IS'2 Tafeln zur graphischen Berechnnng der AVasserniengen
und zur Bestimmung der Profilabmessungen der Wasserläufe nach
der Formel von Ganguillet und Kutter. Bearbeitet vom Cultur-
Ingenieur H. Breme. Freiberg i. S., Craz und Gerlach, 1889.
202 Seiten in 4^. 12 Lieferungen zu 1,50 Jt — 18 Jl.
Bei dem Entwerfen der für Entwässerungs- und Bewässerungs¬
anlagen erforderlichen Wasserläufe sowie bei der Eegulirung kleiner
Flüsse ist die Bestimmung der Querschnitte an möglichst vielen
Stellen geboten; denn AA^assermengen und Gefällverhältnisse ändern
sich in den langen Wasserzügen gewöhnlich so oft, dafs man bei
einer beschränkten Zahl untersuchter Querschnitte für weite Strecken
entweder übermäfsig grofse oder für andere zum Schaden der Vor-
fluth zu kleine Abmessungen vorsehen würde. Die langwierige Er¬
mittlung von benetztem Umfang, hydraulischem Eadius u. dgl. pflegt
mau bei kleinen Wasserläufen durch Benutzung der Kutterschen
„Tabellen über die Bewegung des Wassers in Canälen und Flüssen“
(Berlin bei Parey, 7 Jt) zu vermeiden. Dieselben geben für die drei
Eauhigkeitsgrade 0,025, 0,030 und 0,035 unter Annahme l'/sfacher
Böschungen diejenigen Wassermengen und Wassergeschwindigkeiten
unmittelbar an, welche den AVassertiefeu 0,1 bis 2 m, den Gefäll-
verhältnissen 0,1 bis 3%o und gewissen Sohienbreiten entsprechen.
Der Bearbeiter der vorliegenden Tafeln hat sich- der Mühe unter¬
zogen, diese Zahlentabellen graphisch darzustellen. Er hat sie auf
AVassertiefen bis 3 m, Gefällverhältnisse bis 8%(i und Sohlenbreiten
bis 20 m ausgedehnt, auch die Böschungsverhältnisse 1:1, 1 : 1,5 und
1 : 2 sowie endlich vier Eauhigkeitsgrade 0,020, 0,0225, 0,025 und 0,030
berücksichtigt. Jede Lieferung behandelt ein Böschungsverhältnifs
und einen Eauhigkeitsgrad. Der Vortheil der Tafeln ist unver¬
kennbar: er beruht nicht allein in der erweiterten Ausdehnung,
welche diejenige der Kutterschen Tabellen um das Vierfache über-
triift, sondern vor allen Dingen in der Möglichkeit, die Zwischen-
werthe der Sohlenbreiten und Gefällverhältnisse, deren Bestimmung
nach den Kutterschen Zahlentafeln immer einigen Zeitaufenthalt
verursacht, ohne Mühe unmittelbar ablesen zu können. Nur bei
kleinen Sohlenbreiten und geringen Wassermengen wird das Lesen
der Bremeschen Tafeln durch den verhältnifsmäfsig kleinen Mafsstab
erschwert, die Genauigkeit der Ablesung läfst dann zu wünschen
übrig. Der Herr Verfasser würde diesen Nachtheil vermieden haben,
wenn er für die Sohlenbreiten und Wassermengen statt des gleich¬
bleibenden Mafsstabes einen sich verjüngenden Mafsstab etwa nach
logarithmischer Theilung gewählt hätte. Trotz dieses Umstandes sind
die Vorzüge der Tafeln so grofs, dafs ihre Benutzung allen Technikern
empfohlen werden darf. Gerhardt.
[Neu erscliieueue, bei der Eedaction emgegaiigeiie AVerke:
Artarias Eisenbahn- und Post-Communications-Karte von Oester¬
reich-Ungarn und den nördlichen Balkanländern. Wien 1890. Artaria
u. Co. Preis gefalzt 1 fl., auf Leinwand in Carton 2,20 fl.
Bach, C. Elasticität und Festigkeit. Zweite (Schlufs-) Lieferung.
Berlin 1890. Julius Springer. Seite 211 bis 377. In 8“ mit Abb. im
Text und 4 Lichtdrucken. Preis 8 Jl.
Baer, J. Das Strafsenbauwesen in dem Grofsherzogthum Baden
unter dem Einflufs der Eisenbahnen mit besonderer Eücksicht auf
den Kreis- und Gemeinde- Strafsenbau und auf die Strafsen- Eisen¬
bahnen. Karlsruhe 1890. J. Bielefeld. 231 S. in 8”. Preis 7,50 .JC
„Bau- und Kunstgewerbe-Zeitung für das deutsche Eeich“ nebst
„Blätter für kunstsinnige Frauen“ herausgegeben von A. Nothnagel.
2. Halbjahr 1889. Berlin 1889. Verlag von A. Nothnagel. Jährlich
24 Nummern in 4" mit Abb. im Text und 100 Lichtdrucktafeln. Preis
jährlich 27 JL (vom 6. Jahrgang ab 24 Jt). — Die „Blätter für kunst¬
sinnige Frauen“ allein jährlich 24 Nummern in 4” mit 12—16 Licht¬
drucken und Abb. im Text. Preis vierteljährlich 1 Jt.
Bauscliiuger, J. Mittheilungen aus dem mechan.-techn. Labo¬
ratorium der K. techn. Hochschule in München. 19. Heft. Versuche
über die Frostbestäudigkeit natürl. u. künstl. Bausteine. München
1889. Theodor Ackermann. 71 S. in 4“. Preis \t) Jt.
Belise, I)r. AV. 11. Der Bau hölzerner Treppen. 3. Auflage.
Weimar 1890. B. F. Voigt. 19 S. in 8“ mit 64 Abb. auf 4 Tafeln.
Preis 1 Jt.
Cauevazzi, Silvio. Sulla teoria della resistenza dei materiali.
Abdruck aus der Zeitschrift LI Politecnico 1889. Mailand 1889.
Bartolomeo Saldini. 97 S. in 8® u. 2 Bl. mit Abbildungen.
Criiguola, Gaetaiio. Serbatoi d’acqua o laghi artificiali. Estratto
dair Enciclopedia delle arti e mdustrie. Turin 1890. 68 S. in gr. 8“
mit 100 Abb.
Eydaiii, W. , Dr. med. Samariterbuch für Jedermann. Braun¬
schweig 1890. Otto Salle. 80 S. in 16“ mit 73 Abb. Preis 0,80.40
Handbuch der Architektur, herausgegeben von Durm, Ende,
Schmitt und Wagner. IV. Theil. Entwerfen, Anlage u. Einrichtung
der Gebäude. 6. Halbband, Heft 1. Schulbauwesen im allgemeinen.
Volksschulen und andere niedere Schulen. Niedere technische Lehr¬
anstalten und gewei-bliche Fachschulen. Gymnasien u. Eeal- Lehr¬
anstalten. Mittlere technische Lehranstalten. Höhere Mädchenschulen.
Sonstige höhere Lehranstalten. Pensionate u. Alumnate. Lehrer- u.
Lehrerinnen-Seminare. Turuanstalteu. Von Belinke in Frankfurt a. AI.,
Prof. Dr. Scliinitt in Darmstadt, Prof. Laug in Karlsruhe, Prof.
AVagner in Darmstadt, Architekt Otto Lijullieimer in Frankfurt a. AI.
Darmstadt 1889. A. Bergsträsser. 311 S. in gr. 8^ mit 350 Abb. u.
2 Tafeln. Preis 16 Jt.
Heurici, Karl. Concurreuz-Entwurf zu der nordwestlichen Stadt¬
erweiterung von Dessau. Aachen 1890. C. Alayer. 18 S. in kl. 8“’
mit einem Lichtdruck. Preis 0,80 Jt.
Hil gers, E. Bau -Unterhaltung in Haus und Hof. 5. Auflage.
Wiesbaden 1890. Eud. Bechtold u. Co. 378 S. in 8“ mit zahlreichen
Abb. Preis geh. 5 Jl, geb. 6 Jt.
Hirtli, Georg. Der Formenschatz. Alünchen u. Leipzig. G. Hirth.
Jahrg. 1890. Heft 1. Jährlich 12 Hefte in gr. 8". Preis des Jahrgangs
IbJt.
Juughäudel, Alax. Die Baukunst Spaniens in ihren hervor¬
ragendsten Werken. Dresden 1890. Gilberssche Kgl. Hof-Verlags¬
buchhandlung (J. Bleyl). Lief. 3. 25 Bl. Lichtdrucke in Alappe.
Preis der Lieferung 25 Jt.
Koch, Alb. Der Hochbaudienst. Eine Darstellung des Geschäfts¬
ganges nach den Vorschriften für die Bauten der Königl. AVürttem-
bergischen Finanz -Verwaltung. Tübingen 1890. Lauppsche Buch¬
handlung. 269 S. in 8“. Preis 4: Jl.
Lambert, A. u. Stahl, E. Älotive der deutschen Architektur
des XVI., XVII. u. XVHI. Jahrhunderts. Alit Text von H. E.
V. Berlepsch. I. Abth. Früh- u. Hochrenaissance. 1500 — 1650.
Stuttgart 1889. J. Engelhorn. Lief. 16. 6 Tafeln in Folio. Preis der
Lieferung 2,75 Jt.
Ledebur, A. Eisen und Stahl in ihrer Anwendung für bauliche
und gewerbliche Zwecke. Berlin 1890. «S. Fischer. 163 S. in 16“.
Preis 4 Jt.
Lehfeldt, I)r. P. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens. Heft A^I.
Herzogthum Sachsen- AI einingen. Amtsgerichtsbezirk Saalfeld. Jena
1889. Gustav Fischer. 138 S. in gr. 8“ mit 13 Lichtdrucken u. 47 Abb.
im Text. Preis 5 Jt.
Leouhardt, 0. Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfall¬
verhütung. Berlin 1889. Abdruck aus „Gesundheits-Ingenieur“ 1890^
Bau -Hygiene u. neuere Materialien für Bauausführungen bezw. In¬
stallationen. 6 S. in 4“. — Theater der Ausstellung. 4 S. in 4“.
Alehrtens. Zur bevorstehenden Vollendung der Forth- Brücke.
Abdruck aus Nr. 2 der Zeitschrift „Stahl u. Eisen“ 1890. Düsseldorfl890.
6 S. in gr. 8“.
Nördlinger, Br. H. Die gewerblichen Eigenschaften der Hölzer.
Stuttgart 1890. Cottasche Buchhandlung Nachfolger. 92 S. in 16“'
mit Holzschnitten. Preis 2 Jl.
Rölirich, AVilli. Das Buch von Staat u. Gesellschaft. 1. Lief.
32 S. in 8“. Leipzig 1890. F. W. v. Biedermann. 25 Lieferungen
zu je 0,40 Jt.
Soltaus Uebersicht für Bauausführungen. Berlin 1890. 12 S.
Formulare in Folio.
Soltau, E. Zur Demoralisation im deutschen Baugewerbe. Berlin
1890. 10 S. in Folio.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen TheUes verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. DiuclivonJ. Kerskes, Berlin.
97
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 8. März 1890.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle and Annahme der Anzeigen;
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Baugeschicht¬
liches von der Kaiser Wilhelmhrücke über die Spree in Berlin. — St. Marien-Dom-
kirche in Colberg. (Schlufs.) — Neue Satzungen der Königl. Sächsischen technischen
Hochschule in Dresden. — Viaducte der Eisenbahnlinie Tabor-Pisek. (Schlufs.) —
Vermischtes: 2G. General -Versammlung des deutschen Vereins für Fabrication
von Ziegeln, Thonwaren, Kalk und Gement. — Curvcnweichen. — Schienen- Profil¬
messer vou Schilling. — Selbstthätige Bahnwagen-Kupplungen in America. — Bücher¬
schau. — Neue Patente.
Amtliche M
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den Geheimen
Ober-Baurath und vertragenden Eath im Ministerium der öffentlichen
Arbeiten Siegert zum ordentlichen Mitgliede der Akademie des Bau¬
wesens zu ernennen, dem Architekten Franz v. Hoven und dem
Architekten und Glasmaler Alexander Linnemann in Frankfurt
a. Main den Königlichen Kronen-Orden IV. Klasse zu verleihen, sowie
ferner den nachbenannten Beamten die Erlaubnifs zur Annahme und
Anlegung der ihnen verliehenen nichtpreufsischen Orden zu ertheilen,
und zwar: des Persischen Sonnen- und Löwen -Ordens III. Klasse:
dem Eegierungs- und Baurath Taeger, Mitglied der Königlichen
Eisenbahndirection in Berlin; der IV. Klasse desselben Ordens: dem
Eegierungs- und Baurath Dulk, Director des Königlichen Eisenbahn-
Betriebs- Amts in Guben und dem Eegierungs- und Baurath v. Schütz,
ständigem Hülfsarbeiter bei dem Königlichen Eisenbahn -Betriebs-
Amte (Berlin - Sommerfeld) in Berlin; des Kaiserlich Eussischen
St. Annen -Ordens III. Klasse: dem Eisenbahn -Maschineninspector
Court ois und dem Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Grapow,
ständigen Hülfsarbeitern bei dem Königlichen Eisenbahn -Betriebs-
Amte (Stadt- und Eingbahn) in Berlin.
Dem bisherigen Königlichen Eegierungs-Baumeister Karl Lange
in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst er¬
theilt worden.
ittheilungen.
Sachsen.
Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Königs hat
die auf die Zeit vom 1. April 1890 bis 1. März 1891 erfolgte Wahl
des Geheimen Eegierungsraths Professors Dr. Ernst Hartig in
Dresden zum Eector der technischen Hochschule daselbst die er¬
forderliche Bestätigung erhalten.
Sachsen - Kohurg - Gotha.
Dem Geheimen Eegierungs- und Baurath Bruno Eberhard ist
von Sr. Hoheit dem Herzog unterm 24. December v. J. das Eitter-
kreuz I. Klasse des Herzoglich Sachsen Ernestinischen Hausordens
verliehen worden.
Der Hülfsbeamte beim Herzoglichen Staatsministerium in Gotha,
Baurath Karl Griebel, wurde seinem Ansuchen entsprechend mit
dem 1. Januar d. J, aus dem Herzoglichen Staatsdienst entlassen und
die durch dessen Ausscheiden zur Erledigung gekommenen Eeferate
beim Staatsministerium sowie die obere Leitung der Gewerbeschule
dem Geheimen Eegierungs- und Baurath Bruno Eberhard mit über¬
tragen. Mit der Führung der Directionsgeschäfte der Gewerbe- und
Handwerkschule in Gotha ist der Eegierungs-Baumeister Völlers
auftragweise betraut worden.
Hamburg.
Der Ingenieur M. W. E. Schütt ist zum Baumeister beim In¬
genieurwesen der Stadt-Wasserkunst ernannt worden.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Baugeschichtliches von der Kaiser Wilhelmhrücke über die Spree in Berlin.
Im November vorigen Jahres sind die letzten Bauzäune an
der neuen Kaiser Wilhelmbrücke in Berlin gefallen, und damit
ist dieselbe dem Verkehr in ihrer ganzen Ausdehnung freigegeben.
Nur ein Krahn an der südlichen Stirn der Mittelöffnung gemahnt
daran, dafs Herr Professor Lüerssen noch mit der Fertigstellung
der daselbst beabsichtigten Schlufssteingruppe beschäftigt ist. Da die
eigenartige Brücke weit über die Grenzen der Eeichshauptstadt hinaus
die Blicke der Sachverständigen auf sich gezogen hat und in Eück-
sicht auf den Namen, welchen sie trägt, aus ganz besonders kostbaren
Baustoffen hergestellt ist, auch einen aufsergewöhnlich reichen archi¬
tektonischen Schmuck erhalten hat, dürften einige Mittheilungen über
die Baugeschichte der Brücke, zu deren Vollendung drei Jahre er¬
forderlich gewesen sind, am Platze sein.
Die Brücke bildet einen wesentlichen Theil der Anlage der
Kaiser Wilhelmstrafse, da durch sie die Verbindung der letzteren
mit dem Lustgarten bezw. den Linden bewirkt wird. Der Bau¬
gesellschaft Kaiser Wilhelmstrafse gegenüber war daher von der
Stadtgemeinde die Verpflichtung übernommen worden, die Brücke
zwei Jahre nach ertheilter staatlicher Genehmigung für den Verkehr
fertig herzustellen. Die Brücke in einer Breite von 26 m zu erbauen,
war indessen nur möglich, nachdem der Hochselige Kaiser im Sommer
1884 die Genehmigung ertheilt hatte, einen Theil des Grundstückes
der Schlofsapotheke für die Zwecke der westlichen Brückenrampe
abzutreten, wie denn überhaupt der Kaiser stets das allergröfste
Interesse an dem Zustandekommen des neuen Strafsendurchbruchs
und dem Bau der Brücke bekundet hat.
Nach langen, mehrjährigen Verhandlungen und nach Aufstellung
der verschiedensten Entwürfe fand endlich derjenige, auf Grund dessen
die Brücke — allerdings noch nach Vornahme verschiedener Ab¬
änderungen — nunmehr erbaut ist und welcher als eine Art Ver¬
mittlungs-Entwurf zwischen Staat nnd Stadt angesehen werden kann,
die Billigung der verschiedenen bei dem Bau in Frage kommenden
Staatsbehörden. Derselbe wurde im Sommer 1885 vom Herrn Minister
der öffentlichen Arbeiten dem Kaiser zur Genehmigung empfohlen.
Der denkwürdige Kronbefehl, in welchem diese Genehmigung aus¬
gesprochen ist, datirt vom 24. Juni 1885 aus Ems. Dieser Tag kann
daher füglich als der Geburtstag der Brücke angesehen werden.
Wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst dem Entwürfe zu,
wie ihn die Abbildungen im Grundrifs, Längen- und Querschnitt
zeigen. Um die ungewöhnliche Grundrifsform der Brücke zu ver¬
stehen, sei vorausgeschickt, dafs die Unterspree, deren normale Breite
50 m beträgt und welche an den Stellen, wo Brücken gebaui sind,
Erweiterungen bis auf 56 m aufweist, an der Brückenbaustelle zwischen
den senkrechten Ufermauern nur eine Breite von 38,50 m besitzt.
Eine Einschränkung dieser Breite durch Zwischenpfeiler oder vor¬
springende Widerlagspfeiler, wie letztere im Interesse der architek¬
tonischen Gestaltung der Brücke unmöglich entbehrt werden konnten,
war von den Strombehörden als ausgeschlossen erachtet worden.
So ist man dazu gelangt, um die durch die beiden Mittelpfeiler
dem Durchflufsraume entzogene Querschnittfläche wieder zu ersetzen,
die beiden Seitenöffnungen zu krümmen. Die lichte Durchflufsweite
der drei Oeffnungen beträgt daher: 22,2 -j- 2 . 8,2 = 38,60 m. Da die
linksseitige Oeffnung unterstromseitig, wie der Grundrifs zeigt, keine
Vorfluth besafs, so lange die in ihr Profil hineinspringende Ecke der
Domfundamente erhalten blieb, war auf eine Abschrägung derselben
nach der Linie a — 6 in dem Entwürfe Bedacht genommen.
98
Ceutralblatt der ßauverwaltung.
8. März 189«.
In dem vorerwähnten Kronbefehl war die Genehmigung dieser
Abschrägnng indessen noch Allerhöchster Entscheidung Vorbehalten.
Die lichte Durchfahrtshöhe der Mittelöffnung ist den vorhandenen
Bestimmungen entsprechend auf 3,20 m über dem höchsten Hoch¬
wasser bemessen, und da dieser Spreearm der durchgehenden Schiff¬
fahrt zur Zeit verschlossen ist, konnte das nach Ausführung der
Spreeregulirung an dieser Stelle zu erwartende Hochwasser den
Berechnungen zu Grunde gelegt werden. Dieses war zu -|- 32,19 über
Normal-Null berechnet, sodafs die Unterkante des Brückenscheitels
auf 32,19 3,20 = + 35,39 über N. N. zu liegen kam.
Dafs diese Brücke, au hervorragender Stelle der Stadt und in
unmittelbarer Nähe des alten Hohenzollernschlosses gelegen, aufser-
dem bestimmt, den Namen eines der ruhmreichsten Herrscher aller
Zeiten und Länder und insbesondere Deutschlands zu tragen, in
ihren sichtbaren Theilen auch eine entsprechend bedeutsame Ge¬
staltung erhalten mufste, darüber sind sich die ausschlaggebenden
städtischen Behörden von Anfang an klar gewesen. So wurde zu¬
nächst beschlossen, alle äufseren sichtbaren Theile der Stirnen und
Pfeiler sowie die Gewölbe aus Werksteinen herzustellen und einen
reichen künstlerischen Schmuck für die oberen Theile in Aussicht zu
nehmen. In ihrer äufseren Form
schliefst sich die Brücke inso¬
fern der Kurfürstenbrücke au,
als für die Gewölbeform eben¬
falls der Korbbogen gewählt
worden ist. Die untei-en
Theile der Pfeilervorköpfe
und Widerlagerabschlüsse sind
aus rohem Bossen - Quader¬
werk aufgeführt und lassen
auf diese Weise den ganzen
Unterbau der Brücke von ver¬
trauenerweckender Stand¬
festigkeit erscheinen. Auf den
vier Vorköpfen der Mittel¬
pfeiler erheben sich oberhalb
des Hauptgesimses auf kräftig
gegliederten Sockeln vier
Obelisken aus Granit, be¬
stimmt, die elektrischen Lam¬
pen zu tragen. Bekrönt
werden diese Obelisken von
Trophäengruppen aus Bronce
nach dem Muster der Schlüter-
schen auf dem Zeughause;
auf den Endpostamenten der
Landwiderlager sind broncene
Opferschalen aufgestellt. Ganz
besonders reich ist der Schmuck
der beiden Schlufssteine der Mittelöffnung gestaltet. Hier ist ein
broncener Schild mit dem Namenszuge des Kaisers angebracht,
bekrönt von der auf einem Kissen ruhenden Kaiserkrone nebst
Schwert und Scepter — alles aus Bronce — , während das Ganze
von zwei marmornen Figuren in Ueberlebensgröfse flankirt wird,
welche die Genien des Friedens und des Krieges darstellen.
Um nun in der Auswahl passender Hausteine möglichst un¬
beschränkt zu sein, hat man es den Unternehmern überlassen, ihrer¬
seits in den verschiedenen Verdingen Vorschläge für die zu wählenden
Steinsorten zu machen. Dieses Verfahren hat sich durchaus bewährt
und hat im Laufe der Zeit zu folgenden Ergebnissen geführt, welche
wir hier zusammenfassen wollen. Für das Gewölbe und den Pfeiler¬
aufbau unter Wasser ist ein hellgrauer bezw. hellgelber bayerischer
Granit gewählt worden, welcher dem Bayerischen Walde entstammt
und von den Blauberger Granitwerken geliefert worden ist. Für die
Stirnverkleidungen, das Geländer, sämtliche Postamente und Sockel
der architektonischen Aufbauten entschlofs man sich zur Verwendung
eines Granits aus dem hessischen Odenwalde, welcher im geschliffenen
bezw. polirten Zustande eine dunkle, ins bläuliche bis schwarze
spielende Färbung besitzt. Für die vier Obelisken endlich ist rother
schwedischer Granit verwendet, dessen lebhaftere Färbung von der
dunklen des Odenwald-Granits vortheilhaft absticht. Wenn wir hierzu
noch erwähnen, dafs der Kostenanschlag für den ausführlichen Ent¬
wurf der Brücke mit 1 500 000 Mark abschlofs, ohne dafs hierin die
Kosten für die erforderlichen Anrampungen enthalten waren, die auf
etwa 200 000 Mark veranschlagt worden sind, so können wir uns
nunmehr zu der Bauausführung selbst wenden.
Bald nach Ertheilung der Genehmigung zum Bau wurde im Flerbst
des Jahres 1885 zunächst mit dem Abbruch der alten hölzernen
„Cavalierbrücke“ und der Futtermauern an der Burgstrafse und am
Schlofs begonnen und der Verding für die Gründungsarbeiten der
Brücke im Januar 1886 ausgeschrieben. Die Ausführung der letzteren
erhielt der Eisenbahnbauunternehmer E. Schneider. Diese Arbeiten
wurden im Februar 1886 in Angriff genommen. Zunächst entwickelte
sich nun auf dem rechten Spreeufer eine sehr rege und fesselnde
Bauthätigkeit. Die Verhältnisse lagen hier ungewöhnlich schwierig.
Zu gleicher Zeit nämlich, als die Gründungsarbeiten in Gang kamen,
begann die Baugesellschaft Kaiser Willi elmstrafse mit der
Ausführung der Eckbauten an der Kaiser Wilhelm- und Burgstrafse.
Für die nothwendige Materialienzufuhr mufste der Gesellschaft an
beiden Häuserfronten ein Streifen von 5 m überlassen bleiben, und
da aufserdem von der I’olizei die Freihaltung eines Weges für Fufs-
gänger von der Heiligengeistsfrafse nach dem südlichen Theile der
Burgstrafse, welche im übrigen für den Verkehr vollständig gesperrt
war, verlangt wurde, verblieb für die städtische Bauverwaltung als
Bauplatz nur der mittlere Danimstreifen der späteren Kaiser Wilhelm-
strafse bis zur Heiligengeiststrafse in einer Breite von 13 m. Viel
erschwerender aber war der Umstand, dafs infolge der gekrümmten
Seitenöffnung das Widerlager der Brücke unverhältnifsmäfsig weit
unter die Burgstrafse hineiugriff. Das, wie anzuerkennen ist, gewifs
gerechtfertigte Verlangen der Polizei, für Fufsgänger einen Durch¬
gang frei zu halten, hat, namentlich als die schwierigen und lang¬
wierigen Gründungsarbeiten
des südlichen Eckgrundstücks
in Angriff genommen und hier¬
durch zwei tiefe, unmittelbar
aneinander stofsende Bau¬
gruben geschaffen wurden, zum
Bau einer Nothbrücke Veran¬
lassung gegeben, welche nur
zu häufig, je nach dem Vor¬
schreiten des einen oder an¬
deren Baues, in ihrer Lage
verändert werden mufste.
Die Ausführung der Grün¬
dung hat zu besonderen
Schwierigkeiten keinerlei Ver¬
anlassung gegeben. Das ein¬
zige, was erforderlich wurde,
war ein häufiges Aufklotzen
der Rammen bei Eintritt des
Frühjahrhochwassers der Sj)rce
im April. Die Gründung der
Brücke ist auf Beton zwischen
Spundwänden erfolgt; der
Beton hat eine Stärke von
2 bezw. von 2,20 m; die Ober¬
kante desselben liegt noch
unterhalb der späteren Flufs-
sohle, welche infolge der
Spreeregulirung an der
Brückenbaustelle um 1,20 m tiefer zu liegen kommt als die jetzige
(siehe den Längenschnitt). Der Baugrund besteht aus scharfem
Sande, welcher, soweit er nach dem Aüsbaggern rein war, sofort
wieder zum Betoniren benutzt wurde. Der Beton selbst be¬
steht aus 6 Theilen Steinschlag (Rüdersdorfer Kalksteine), 3 Theilen
Sand und 1 Theil Portlandcement. Um das richtige Mischungsverhältnifs
zu finden, sind eingehende Versuche angestellt worden. Zu dem Zwecke
wurden gröfsere Kästen zunächst mit Steinschlag — die Steine
tüchtig eingerüttelt — und hierauf mit Wasser gefüllt, bis das Wasser
den oberen Rand der Kästen erreichte und auch in dieser Höhe
stehen blieb, ein Zeichen, dafs die Steine selbst vollständig mit
Wasser getränkt waren. Das Wasser wurde hierauf beim Abgiefsen
sorgfältig gemessen und die Mörtelmenge gleich seinem Rauminhalt
angenommen. Die Hauptregel für die Erzielung eines guten Betons
ist, dafs der Steinschlag vollständig dicht von der Mörtelmasse um¬
hüllt wird. Theoretisch mufs daher die Mörtelmenge der praktisch
gefundenen Wassermenge gleich sein. Die Gröfse des Steinschlages
beeinflufst verhältnifsmäfsig wenig die Gröfse der Wasser- bezw. der
Mörtelmenge. Man wird durch Versuche bestätigt finden, dafs
das beste Verhältnifs 2 Theile Steine und 1 Theil Mörtelmasse ist.
Aufserdem aber thut man gut, die Mörtelmenge lieber zu reichlich
als zu gering zu bemessen, ersteres umsomehr, je gröfser die Beton¬
stärke und je gröfser die Schüttungshöhe ist, namentlich wenn mit
Trichtern geschüttet wird. Denn dem Gesetze der Schwere zufolge
wird die Lagerung der Mörtelmasse nach unten zu um. so dichter
werden, je gröfser die Stärke des Betonbettes ist; aufserdem wird die
sorgfältigste Schüttung nicht vermeiden können, dafs ein gewisser
Theil des Mörtels verloren geht. Endlich ist noch zu bedenken, dafs
das Einheitsgewicht des Gementes gröfser als das des Sandes, und
daher das Bestreben des Gementes vorhanden ist, nach unten zu
sinken. Es empfiehlt sich daher, die Mörtelmischung der obersten
Lage stets etwas fetter zu gestalten. Das beste Merkmal für die
n.d, Lustgarten^ J
_ MittsUinis
j^iy81betSürO.
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Parzelle A.
der
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38,50 -
Grundrifs der Kaiser Wilhelmbrücke in Berlin.
Sr. 10.
Centralblatt der Bauverwaltung.
99
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^zukünftiges Norm.-W;"
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Güte des Betons bildet nach dem Erhärten allerdings die geringere
oder gröfsere Anzahl der lose auf der Oberfläche liegenden Steine.
Bei der Kaiser Wilhelm-
hrücke, wo das Beton-
hett mittels Trichter in
drei Lagen geschüttet
worden ist, fanden sich
nur sehr wenig lose
Steine.
Ende Jidi 1886 war
die Gründung fertigge¬
stellt mit Ausnahme des
stromabwärts liegenden
Theiles des linken Wi¬
derlagers, welches in die
Uomfundamente hinein¬
griff. Da die Frage der
Beseitigung der Dom¬
fundamente noch nicht
entschieden war, so
mufste eine Querspund¬
wand geschlagen und die
Ausführung des Restes des
Fundamentes späterer Zeit
Vorbehalten werden.
Inzwischen waren auf
der Lustgartenseite zwei
weitere Bauplätze geschaffen.
Der eine in unmittelbarer
Nähe der Schlofsapotheke
auf dem Grund und Boden
des abgerissenen Theiles
Längenschnitt.
Querschnitt im Scheitel.
Die Kaiser Wilhelmbrücke in Berlin.
derselben, der andere auf den Domfundamenten seihst, welche
für die Zeit des Baues von der Domgemeinde gepachtet und
dazu bestimmt waren,
als Lagerplatz für die
Quader und als Werk¬
platz für die Steinmetzen
zu dienen. Die Verdin¬
gung für diese (bis ein-
schliefslich des Haupt¬
gesimses) sowie für die
Herstellung der Maurer¬
arbeiten nebst Lieferung-
aller Materialien und der
Vorhaltung der Lehr¬
gerüste hatte bereits im
Februar 1886 stattgefun¬
den. Als Sieger aus
diesem Wettbewerbe gin¬
gen der hiesige Archi¬
tekt und Steinmetzmeister
0. Plöger und die mit
ihm verbundene Firma
Ph. Holz mann u. Co. in
Frankfurt a. M. hervor.
Die Verdingung umfafste in
der Hauptsache rund 4200
cbm Klinkermauerwerk,
2000 cbm bayerischen und
220 cbm Odenwald - Granit
und belief sich auf 550000
Mark.
(Schlufs folgt.)
Die St. Marien -Domkirche in Colherg,
(Schlufs aus Nr. 8.)
Das Innere der Kirche ist, wie die sorgfältige Ausführung und
Ausfugung der inneren Wandflächen unter dem Putze zeigt, anfangs
in Rohbau belassen worden. Erst im Beginn des 15. Jahrhunderts
sind, entsprechend dem wachsenden Reichthum von Stadt und Kirche,
die Wände und Gewölbeflächen mit reichen Malereien auf Putzgrund
geschmückt, von denen ein grofser Theil erhalten ist. In der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts
erhielt die Kirche unmittel¬
bar am Prälatenchor einen
bemerkenswerthen Lettner.
Er besteht (vgl. Abb. 5) aus
einer Empore, deren Vorder¬
wand von schlanken, aus
Bornholmer Kalkstein her¬
gestellten und mit Rund¬
bögen verbundenen Achteck¬
pfeilern getragen wird, wäh¬
rend die das Kirchenschiff
vom Chore trennende Hinter¬
wand die Verbindungsthüren
und die sehr enge Treppeii-
anlage enthält. An Bögen,
Gesimsen und Stabwerk
wechseln rothe und schwarz
glasirte Steine ähnlich wie
bei äufseren Giebelverzierun¬
gen ab, die Felderflächen
sind geputzt.
In der Geschichte des
Kirchengebäudes, in welchem
seit 1542 evangelisch gepredigt
wird, sind sodann die drei
russischen Belagerungen, von
denen die dritte mit der Ueber-
gabe der Stadt endigte, in den Jahren 1758, 60 und 61 zu erwähnen.
Während dieser Zeiten hat das Gebäude durch Bomben und Brand¬
maschinen (von denen noch einzelne aufbewahrt werden) sehr zu leiden
gehabt. Das Kirchendach und die Gewölbe der Kirchenschiffe wurden
vielfach durchlöchert, die des Prälatenchores ganz durchschossen,
sodafs sie vollständig einstürzten. Nicht minder grofse Verwüstungen
hatte die französische Belagerung der Stadt im Jahre 1807, an die
sich die Namen Gneisenaus und des Colberger Bürgers Joachim
Nettelbeck als beldenmüthiger Vertheidiger knüpfen, für das Gottes¬
haus zur Folge gehabt; denn nicht nur wurden mehrere Gewölbe
der mittleren Schüfe durch Bomben zerstört, auch manche Kunst¬
werke des Innern fielen infolge der zeitweisen Umgestaltung der
Kirche in ein Lazareth und Waffenmagazin der Vernichtung anheim.
Von den durch diese Belagerung verursachten Schäden wurden
zwar manche im Jahre 1822 ausgebessert. Seit jener Zeit hat jedoch
nur der Chor, welcher samt dem Vermögen des Domcapitels 1811 Staats¬
eigenthum wurde, im Jahre
1874 einen gründlichen Durch¬
bau mit Neuwölbung erfah¬
ren, an den übrigen Gebäude-
theilep dagegen ist aus Mangel
an Geldmitteln nichts ge¬
schehen, wodurch dem all¬
mählichen Verfall des Ge¬
bäudes Einhalt gethan wäre,
sodafs es kaum noch möglich
war, Gottesdienst zu halten,
und der im Jahre 1887 that-
sächlich erfolgte Beginn einer
planmäfsigen Wiederher¬
stellung nicht mehr von der
Hand zu weisen war.
Der demselben zu Grunde
gelegte Entwurf rührt von
dem Stadtbaurath Kruhl
in Stettin her und ist im
Jahre 1882 aufgestellt. Bei
den erfolgten Nachprüfungen
hat derselbe jedoch mehr¬
fache, auf die sorgfältigere
Erhaltung der alten schlichten
Bauformen und Vermeidung
decorativer Anordnungen ge-
richteteAenderungen erfahren.
Die mitgetheilte Ansichtszeichnung (Abb. 3 in Nr. 8) stellt die an der
Hauptstrafse der Stadt gelegene Nordfront nach dem im äufseren bereits
vollendeten Umbau dar. Letzterer umfafste hauptsächlich die Wieder¬
herstellung der Zerstörungen, welche sowohl die Witterung als auch
die Kriegsschäden und „der Vandalismus vergangener Jahrhunderte"
an dem Bauwerke verursacht hatten. Einige der einfachen Bauformen,
die das Gebäude aufweist, sind in Abbildung 6 bis 16 gegeben ;
Abb. 6 bezeichnet das aus Granit hergestellte Sockelgesims, Abb. 7
das Hauptgesims mit Fries, Abb. 8 und 9 Fenstereinfassungen mit
Pfosten, 10, 11 und 12 Thüreinfassungen.
Abb. 5. Lettner.
100
Centralblatt der Bauverwaltung'.
8. März 1890.
Durchgreifendere Aenderungen erfährt das Innere der Kirche.
Auch hier zeigen sich die Bauformen dem Aeufseren entsprechend
einfach. Die Abbildungen 13 und 14 zeigen die Dienstcapitelle und
Gewölbeanfänger, Abb. 15 die profilirten Arcadenbögen zwischen den
drei inneren Seitenschiffen, Abb. 16 die einfachen Capitelle und Sockel
der an vier Seifen mit dreifachen Diensten versehenen Achteckpfeiler,
an denen die obere Endigung der nicht zum Tragen der Gewölbe¬
rippen benutzten Dienstbündel merkwürdig ist. Wie diese einfachen
Bauformen durch Bemalung geschmückt sind, ist am Pfeilercap itell
angedeutet.
Von den oben erwähnten, aus dem Anfänge des 15. Jahrhunderts
stammenden Malereien sind nur diejenigen der vier westlichen
Gewölbejoche des Mittelschiffs und der Arcadenbögen — das östliche
fiel der Beschiefsung von 1807 zum Opfer — vor späterer Ueber-
tünchung bewahrt. Sie bestehen auf den mehrfach getheilten Kappen
in figürlichen Darstellungen, Scenen aus dem Alten und Neuen Testa¬
mente, sowie musicirenden Engels- und kleineren Zwickelfiguren.
Die einzelnen Darstellun-
Abb. 6. Abb. 7.
Abb.
Abb. 13. Abb. 14.
gen sind durch ein ein¬
faches gothisches Vier-
pafsmuster umrahmt, ähn¬
liche Ornamente be¬
decken die Gewölbe¬
rippen. Da vorauszu¬
sehen war, dafs unter
der Tünche sich weitere
Malereien finden würden,
ist im Winter 1887/88
deren Entfernung mit
gröfster Vorsicht gesche¬
hen, und es haben sich
dabei soviel Reste der
alten Bemalung vorgefun¬
den, dafs höheren Orts die
Wiederherstellung dersel¬
ben durch Künstlerhand
angeordnet, und hierfür ein namhafter Beitrag
durch das preufsische Ministerium der geistlichen
usw. Angelegenheiten bewilligt worden ist. Aufser
reichen Baud-, Blattwerk- und Ornamentmustern
sind noch zahlreichere figürliche Darstellungen
aufgefunden, aus denen ersichtlich ist, dafs die
ganze ältere dreischiffige Kirche nebst der Thurm¬
halle reich bemalt, dagegen in den äufseren Sei¬
tenschiffen nur einzelne Bautheile, wie Gewölbe¬
rippen und Kragsteine, gefärbt gewesen sind. Wäh¬
rend die grofsen Gewölbekappeii des Mittelschiffes
in ganzer Fläche mit Figuren bedeckt sind, findet
sich auf den Kappen zweiter Gröfse neben Figuren
in Medaillons (zwei auf jeder Kappe) auch ornamen¬
tales Rankenwerk, auf den nächst kleineren Ranken mit grofsen
Blumen, und auf den kleinsten endlich Ranken allein, eine Anordnung,
aus der man auf einen wohldurchdachten Plan schliefsen kann. Auch
an den Wänden und an einem der Pfeiler wurden figürliche Dar¬
stellungen aufgedeckt, deren Vorwürfe, den Deckengemälden ent¬
sprechend, der biblischen Geschichte ent¬
nommen sind. Für die Wiederherstellung
aller dieser Malereien innerhalb der Jahre
1888 und 1889 wurde Herr Maler Grimmer
gewonnen, dessen Leistungen im Schlosse
Marienburg und im Dome von Culmsee
bereits Anerkennung gefunden haben. Vor
Inangriffnahme der Ausmalung wurde eine
gründliche Ausbesserung der Gewölbe im
Mauerwerk und Putz vorgenommen. Letztere
Arbeit bot dadurch Schwierigkeiten, dafs das
bis zu einer Höhe von 18 m errichtete, nur
aus einfachen Stangen bestehende Gerüst
welches für die Malerarbeiten bestimmt war,
zu den Wölbungen nicht benutzt werden
konnte. Die zu den Arbeiten des Maurers
erforderlichen Lehrbögen sind daher in
Höhe der Gewölbeanfänger auf starke
Balkenstücke gestellt, welche übereck theils
auf die ausladenden Capitelle der Achteckpfeiler verlegt, theils, wie
in Abb. 17 und 18 angedeutet, in die Pfeiler und Wände eingestemmt
wurden. Am oberen Ende sind die Lehrbögen mittels starker Eisen
an den über den Gewölben befindlichen Dachbalken oder an darauf¬
gelegten Wechseln befestigt und so die Ausbesserungen ohne ver¬
bundenes Gerüst ausgeführt worden.
Die demnächst vorzunehmenden Zimmer- und Tischlerarbeiten
Abb.l2.
umfassen im wesentlichen: Herstellung hölzerner Emporen, einer
Orgelbühne, einer Schauseite für die westlich in der Mittelachse des
Thurmbaues eingebaute Orgel, neuer Thüren, Windfänge und voll¬
ständigen, offenen Gestühls. Aufserdem sind die zahlreichen Kunst¬
werke, aus Metall und Holz, welche für die Zeit des Umbaues aus
der Kirche entfernt wurden, wiederherzustellen und an geeignete
Plätze zu verth eilen. Von den Werken aus Bronce ist vor allem ein
grofser, siebenarmiger, mit den Apostel - Gestalten geschmückter,
4 m hoher Leuchter*) aus dem Jahre 1327, wie eine Inschrift an ihm
besagt, erwähnenswerth. Ein grofses, kesselförmiges Taufbecken
mit Reliefdarstellungen aus dem Jahre 1355 ist handwerksmäfsiger
gearbeitet; sehr schön gefertigt dagegen ist ein broncener Thür¬
klopfer mit einem Löwenkopf, ixmgeben von den vier Evangelisten¬
zeichen und vier figürlichen Dai'stellungeu. Abgüsse von diesem Werke,
ebenso wie von der aus dem Jahre 1494 stammenden, spätgothischen,
messingnen Holkenkrone befinden sich im Berliner Gewerbemuseum.
Eben dorthin wurde zur gelegentlichen Ausstellung während des
hiesigen Ausbaues das
bedeutendste der Schnitz¬
werke aus der Marien¬
kirche, die Schlieff’enkrone
von 1523, gesandt; sie ist
in zierlichen spätgothi¬
schen Stilformen mit rei¬
cher Tabernakel- Archi¬
tektur gearbeitet, in deren
Mitte sich die Gestalten
der Maria mit dem
Christuskinde und Jo¬
hannes des Täufers be¬
finden. Hervorragende
W^erke sind auch die
Seitenlehnen der mittel¬
alterlichen Chorstühle und
des Rathsstuhles. Die
ersteren zeigen ge¬
schnitzte Drachen , deren Schwänze in Blumen
endigen, der Rathsstuhl ist mit figürlichen
Schnitzereien in der strengen Weise des 14. Jahr¬
hunderts versehen. Alle vorhandenen Schnitz¬
werke, wie Grabmäler, Heiligenfiguren, Altar¬
werke, grofse zweigeschossige, durchbrochen ge¬
arbeitete Gestühle, Crucifixe, Wappenschilder usw.
aufzuzählen, würde hier zu weit führen. Erwähnt
sei nur noch, dafs die Kirche auch eine grofse Zahl
von Tafelbildern, darunter mehrere mittelalter¬
liche, besitzt. Von den sechs Glocken, welche
in dem nördlichen, mit grofsen Schallluken im
Dache versehenen Thurme aufgehängt sind, stammt
die gröfste (1,75 m Durchmesser) aus dem An¬
fänge des 14. Jahrhunderts, eine der Stundenglocken ist fast ebenso
alt, die übrigen sind mehrfach umgegossen. Die aus Bornholmer
Kalkstein gefertigten Grabsteine sind gröfsten theils derart abgetreten,
dafs Inschriften usw. auf denselben sich kaum mehr erkennen lassen;
am besten erhalten ist der sog. „Adebarstein“, in den die ganze
Figur des in der Colberger Stadtgeschichte vielgenannten Bene-
dictus Adebar (1524) eingemeifselt ist.
Gelegentlich des jetzigen Umbaues wird die Kirche von Seiten
der Gemeinde auch mit Gasbeleuchtung und einer Heizvorrichtung
versehen. Die erstere soll mittels 100 Stück dreiflammiger Wand¬
arme bewirkt werden, die letztere in vier in den Ecken des Kirchen¬
raumes aufgestellten, je vier grofse, mehrfach ummantelte Regulir-Füll-
öfen enthaltenden Heizbatterieen bestehen. Je zwei dieser bereits auf¬
gestellten Oefen stehen über Canälen von 0,75, qm Querschnitt, welche
die kalte Luft aus der Mitte der Kirche ansaugen sollen, während
die übrigen für unmittelbaren Luftumlauf eingerichtet sind. Obgleich
die unter dem Fufsboden herzustellenden Kaltluftcanäle, der in der
Kirche befindlichen Rüstungen wegen, noch nicht zur Ausführung
gekommen sind, so ist doch schon durch die bei Frostwetter im
Winter 1888/89 in Benutzung genommene Heizvorrichtung eine aus¬
giebige Erwärmung erzielt worden. Die Kosten der Heizanlage ein-
schliefslich der Herstellung der im Mauerwerk ausgestemmten Rauch¬
rohre und der noch zu fertigenden Kaltluftcanäle betragen rund
5000 Mark, die jedesmalige , zur vollen Heizung erforderliche Koks¬
menge 800 kg (18,50 Mark), die Heizdauer 8 Stunden. Der Raum¬
inhalt des zu erheizenden Raumes beläuft sich auf rund 29000 Cubik-
meter.
*) Er ist ähnlich dem in dem Werke von Adler, Backsteinbau¬
werke der Mark Brandenburg, Baud I, Seite 78 abgebildeten fünf-
armigen Leuchter.
Nr. 10
Centralblatt der Bauverwaltung.
101
Um während der Bauzeit Gottesdienst abhalten zu können, ward
im Prälatenchor unter Benutzung der alten Emporenhölzer eine kleine
Emporenkirche eingebaut, und die grofse Triumphbogenöffnung durch
Verschalung gegen die Kirche abgeschlossen.
Die Kostensumme aller vorgenannten Bauausführungen, ein-
schliefslich der noch von mehreren Privaten für die Erneuerung der
ihren Familiennamen tragenden Kunstwerke (Graf Schlieffen, von
Braunschweig, von Manteuffel usw.) bereit gehaltenen Mittel, beträgt
rund 140 000 Mark. Die Dauer des Umbaues ist in Berücksichtigung
der künstlerischen Wiederherstellung der Malereien auf 3'/2 Jahre
berechnet. Die Vollendung wird im Herbst dieses Jahres erreicht
werden.
Pogge,
Kgl. Regierungs-Baumeister.
Die neuen Satzungen der Königl. Sächsischen technischen Hochschule in Dresden.
Wenn innerhalb der letzten Jahre wiederholte Klagen über die
wenig entsprechende Stellung der Staatsbaubeamten gegenüber den
anderen Verwaltungsorganen des Königreichs Sachsen auf eine nicht
und „Colloquien“ vorgesehen. Die Abtheilungen haben gleichwie
auf der Berliner Hochschule die allgemeinen Interessen des Unter¬
richts auf den von ihnen vertretenen Gebieten wahrzunehmen, und
Der Neubau des Rathbauses in Leipzig. Holzstich v. 0. Ebel, Berlin.
Gesamtansicht (vergl. Seite 87 d. Bl.).
hohe Werthschätzung der Technik schiiefsen liefsen, so wird man
wenigstens die neuen Satzungen der Königlichen Sächsischen Hoch¬
schule vom 3. Februar d. J. mit Genugthuung begrüfsen können,
ffa durch dieselben der höchsten technischen Unterrichtsanstalt des
Landes möglichste Selbständigkeit in der Förderung ihres Haupt¬
zweckes, der Pflege der Wissenschaften und Künste, soweit sie ihrem
Unterrichtsgebiet zugehören, von der Staatsregierung vertrauensvoll
■zugewiesen worden ist.
Die neuen Satzungen folgen im wesentlichen den für die tech-
■nische Hochschule in Berlin bereits vorhandenen Bestimmungen. Es
Kndet sich die gleiche Anzahl von Abtheilungen; nur bei der
„Allgemeinen Abtheilung“ ist noch besonders hervorgehoben, dafs sie
aufser der Behandlung der allgemeinen Wissenschaften für die Aus¬
bildung der Cändidaten des höheren Lehramts in der mathematisch¬
naturwissenschaftlichen bezw. in der mathematisch -technischen Rich¬
tung zu sorgen habe. Wohl im Hinblick auf diese Sonder- Aufgabe
sind nach dem Vorbilde der Universitäten bei dieser Abtheilung aufser
den Vorträgen und FTebungen noch „seminaristische Repetitorien“
es liegt somit auch fast ausschliefslich in ihnen der Schwerpunkt für
die sachgemäfse Gestaltung des Unterrichts. In welcher Ausführ¬
lichkeit und Richtung die nach § 14, Nr. 9 am Schlüsse eines
Halbjahrs einzureichenden Berichte über die Thätigkeit der Studi-
renden zu erstatten sind, ist nicht recht ersichtlich. Sie dürften
wohl hauptsächlich für diejenigen Studirenden bestimmt sein, die an
den erwähnten seminaristischen Hebungen und Colloquien theilnehmen,
oder aber die Honorarerlafs oder Stipendien nachsuchen wollen.
Das Studienjahr beginnt in Rücksicht auf die Schlufsprüfungen
der sächsischen Gymnasien mit der Osterzeit.
Der Senat weist in seiner Zusammensetzung einige Abweichungen
auf; er besteht aus dem Rector, dem Prorector, den fünf Abtheilungs-
Vorständen und zwei weiteren Professoren der allgemeinen Abthei¬
lung, somit aus neun Mitgliedern, deren Amtsdauer ziveijährig ist.
Wenn ihm auch vorwiegend die Leitung der allgemeinen Angelegen¬
heiten und die Aufsicht über die Studirenden zugewiesen wurde, so
ist ihm doch bei der Berufung von Professoren und Docenten gegen¬
über den „Vorschlägen“ der Abtheilungen durch die ihm aufgegebene.
102
Centralblatt der Banverwaltung.
8. März 1890,
auf Grund besonderer Ausscliufsberathung' zu erstattende Antrag¬
stellung an den Minister eine erhöhte Mitwirkung gesichert. Ebenso
beantragt der Senat die Zulassung von Privatdocenten, während
hierbei die Abtheilungen nur Gutachten vorzulegen haben.
Der Rector wird vom Könige ernannt; die Amtsdauer ist ein¬
jährig und beginnt und endigt am 1. März. Er hat ganz wie bei der
Berliner Schwesteranstalt die Leitung des Geschäftsganges des Senats,
die Berufung des letzteren sowie die Vertretung der Hochschule nach
aufsen. Während in den Satzungen der Berliner Hochschule die
..Gesamtheit der Abtheilungs-Collegien*’ nur bei der Wahl des Rectors
als in Wirksamkeit tretend genannt wird, ist im Dresdner Statut
noch das „Professoren-Collegium“ als besonderes Verwaltungs¬
organ angeführt, dem aufser der Wahl des Rectors die Ertheilung
von Preisen, Stipendien xmd Unterstützungen, die Beschlufsfassung
über akademische Feierlichkeiten, die Oberaufsicht über die Kranken¬
kasse der Studirenden usw. übertragen ist.
Die Stellung des Verwaltungsbeamten entspricht fast voll¬
ständig der des Syndicus in Berlin. Die Abtheilungen I — IV er-
theilen Diplome als Zeugnisse akademischer Reife für den Eintritt
in das Berufsleben, während für die Studirenden der allgemeinen
Abtheilung (V), die sich dem Lehrberufe widmen, ein besonderer Prü-
fungs-Ausschufs unter Vorsitz eines Ministerial-Commissars bestellt ist-
Die Personen, welche auf der Berliner Plochschule als Hospitanten
zugelassen werden würden, heifsen nach den Dresdner Satzungen
Znhörer'‘, während für ältere Personen, die ihrer äufseren Lebens¬
stellung nach weder als Studirende noch als Zuhörer eintreten können,
die Bezeichnung „Hospitanten" gewählt ist.
Die neuen Satzungen sind hiernach im wesentlichen denen der
Berliner Hochschule entsprechend; in den letzteren ist nur noch in
entschiedenerer Weise die Selbständigkeit der Abtheilungen bezüglich
der Handhabung des Unterrichts und der Wahl der Lehrkräfte zum
Ausdruck gelangt, deren Minderung wohl auch durch die bisherigen
Erfahrungen kaum als erwünscht und zweckentsprechend bezeichnet
werden darf. Für die Berliner Hochschule sind ihre von Kaiser
Wilhelm I. erlassenen Satzungen vom 28. .Juli 1882*) in jeder Be¬
ziehung von segensreichen Folgen gewesen; somit darf man auch mit
Sicherheit erwarten, dals die Dresdner Hochschule auf Grund der
ihr jetzt auch gewordenen Selbständigkeit in der Leitung ihrer An¬
gelegenheiten sich immer bedeutsamer für die Pflege der technischen
Wissenschaften entwickeln wird.
Die Satzungen treten am 1. April d. J. in Kraft. Es wurden vor¬
behaltlich der Genehmigung des Königh Cultusministeriums und,^
soweit der Rector in Frage kommt, vorbehaltlich Allerhöchster Be¬
stätigung**) gewählt: als Rector Herr Geh. Reg.-Rath Professor Dr.
Hartig, als Prorector Hofrath Professor Dr. Schmitt, als Mitglieder
des Senates die Herren Baurath Professor Heyn, zugleich als Vor¬
stand der Hochbau- Abtheilung, Geh. Reg-Rath Professor Nagel,,
zugleich als Vorstand der Ingenienr-Abtheilung, Reg.-Rath Professor
Lew ick i, zugleich als Vorstand der Mechanischen Abtheilung, Pro¬
fessor Dr. Hempel, zugleich als Vorstand der Chemischen Abtheilung,
Professor Dr. Krause, zugleich als Vorstand der Allgemeinen Ab¬
theilung, und die Professoren Dr. Stern und Dr. Gaedeke.
— n.
*) Vgl. Jahrgang 1882 d. BL, Seite 326.
**) Vgl. die „Amtlichen Mittheilungen“ an der Spitze dieser Nummer.
Die Viaducte der Eisenbahnlinie Tahor-Pisek
(Schlufs.)
Für die Wahl des eisernen Ueberbaues war der Umstand
malsgebend, dafs die Aufstellung des Eisenwerks ohne festes Gerüst in
der Mittelöffnung erfolgen sollte, was wieder wegen der grol'sen Höhe
des Viaductes, der felsigen Beschaffenheit der Flufssohle und der
Rücksichtnahme auf die Flofsfahrt geboten erschien. Dem früher
sonst in einem solchen Falle beliebten Hinüberschieben eines durch¬
gehenden Trägers wurde hier mit gutem Grunde jene Art der Auf¬
stellung mit freier Auskragung vorgezogen, für welche in den Aus¬
führungen der Americaner (Niagara -Brücke u. a.) und Engländer
(Forth -Brücke) hervorragende Beispiele bestehen, welche aber auf
dem europäischen Festlande bisher erst vereinzelt und hauptsächlich
nur bei Bogenbrücken (Douro- und Garabit -Viaducte, Noce- Brücke
in Südtirol) zur Anwendung gelangt ist.
Der Ueberbau der Brücke setzt sich, wie bereits erwähnt, aus
zwei je 109,72 m langen Auslegerträgern, deren Endfelder eine
Länge von je 84,40 m haben, und aus einem auf den Enden dieser
überstehenden Ausleger gelagerten Mittelträger zusammen, der eine
freie Stützweite von 33,76 in besitzt. Die 9,5 m hohen Träger haben
zweitheiliges symmetrisches Fachwerk, dessen Maschenweite von
8,44 m noch durch einen eingeschalteten Querträger, der sich mittels
einer Hülfsverticalen auf den Kreuzungspunkt der Diagonalstäbe
stützt, untertheilt ist. Die Tragwände stehen 5,04 m ab; die ein¬
geleisige Fahrbahn ist aus Sicherheitsgründen versenkt und liegt
1,4 m unter der Oberkante der Obergurte. Der Mittelträger ist in
seiner neutralen Achse mittels kleiner stählerner Kipplager aufge¬
lagert. Die Endverticale des Auslegers ist zu diesem Behufe kasten¬
förmig ausgebildet und umschliefst vollständig den mit „
kreuzförmigem Querschnitt construirten Endständer des = — |
Mittelträgers (Abb. 18). Die Auflagerung ist in der | =|f= |
halben Höhe der Verticalen mittels eines getheilten i==-—
Lagers bewerkstelligt, welches den Endständer des ' ^
.Mittelträgers hindurchgehen läfst. Eine seitliche Be- Abb. 18.
wegung des Mittelträgers erscheint dadurch verhindert,
dafs dessen Endknotenbleche in die Gurte des Auslegers hinein¬
reichen und sich hier an Gleitplatten (a in Abb. 19) anlegen. Die
Gurtungen sind mit kästen- bezw. TTförmigem Querschnitt ausge¬
bildet; die Zug- und Druckdiagonalen erhielten durchgehends steifen
Querschnitt.
Die Brücke ist ganz in Plartin-Flufseisen ausgeführt. Die Be¬
rechnung erfolgte mit Zugrundelegung der neuen österreichischen
Brückenverordnung, wonach die Inanspruchnahme so wie für Schweifs¬
eisen, im Consolträger mit 844 kg/qcm, im Mittelträger mit 768 kg/qcm
gew'ählt wurde.*)
Das Eisenwerk der beiden Seitenöff’nungen wurde auf festen
Gerüsten aufgestellt, jenes der Mittelöff’nung aber frei auskragend
*) Man vergleiche die Mittheilung von Oberinspector Hufs in
der Wochenschrift des österr. Ing.- u. Arch. -Vereins Nr. 31 vom
2. August 1889.
montirt. Es war hierzu nothwendig, nachdem die beiderseitigen
25,32 m langen Ausleger aufgestellt waren, diese mit dem Mittel¬
träger einstweilen in feste A^erbindung zu bringen, um auch diesen
freischwebend montiren zu können. Diese Verbindung bestand aus
einer an die Obergurte angeschraubten Lasche und im Untergurte
aus einer zwischen zwei kleinen Consolen festgehaltenen Schi-auben-
winde und einem Eisenkeile k (Abb. 19).
Das Eisenmaterial wurde mittels Locomotive zu den Ablade-
f)lätzen beiderseits der Baustelle ge¬
bracht. Von hier wurden die einzelnen
Constructionstheile auf leichten eisernen
Bahnwagen längs eines aushülfsweise
vorgelegten Oberbaues bis zu dem in Auf¬
stellung befindlichen Fache geführt, dort
von einem Krahne gefafst und zur A^er-
wendungsstelle befördert. Auf jedem
Auslegerträger befand sich ein aus zwei
Gestellen bestehender verschiebbarer
Krahn, welcher mittels Laufräder auf den
Obergurten vorwärts bewegt werden
konnte und bei seiner Feststellung an
den Trägern verankert wurde. Der Krahn
hatte eine Ausladung von 4,7 m und eine
Tragkraft von 6t; er wurde auch bereits
früher bei der Aufstellung der auf festen
Gerüsten erbauten Endfelder augewendet.,
des Mittelträgers mit dem 2ur freischwebenden Alontirung diente
Auslegerträger. dann weiter ein 20 m langes Vorschub¬
gerüste, welches mittels 10 Laufräder
an den Flanschen der LTnterguite hing und entsprechend dem Fort¬
schritte derAufstelluugsarbeiten vorgeschoben werden konnte (Abb. 20
u. 21). Es wui’de zuerst immer mit dem Auslegen der Untergurte be¬
gonnen, welche, in der Alitte vom Krahne gehalten, mit dem letzten
Knotenpixnkt einstweilen durch Schrauben und Dorne verbunden wurden,
worauf das Einziehen der Hülfsdiagouale // folgte. Nachdem noch die
beiden Untergurte gegenseitig durch Hölzer abgesteift worden, konnte
nun das A^orschubgerüst bis an das freie Ende des Faches vorgerückt
werden, womit ein fester Boden für die Einbringung der übrigen
Glieder geschaffen war. Zur Aufstellung eines Faches waren zwei
bis drei Tage erforderlich. Die Nietarbeit auf der Baustelle wurde
möglichst beschränkt; von den rund 329 000 Nieten, welche die
Brücke enthält, waren am Bauplätze nur rund 85 000 Stück zu
schlagen, die übrige Nietung wurde in der AVerkstätte mit Druck¬
wasser-Nietmaschinen hergestellt. Bei der Aufstellung wurden stets
alle Nietlöcher mit Schrauben und Dornen ausgefüllt, und dann
folgte die Nietung vom Träger-Ende aus nach, doch konnte dieselbe
mit den Aufstellungsarbeiten nicht gleichen Schritt halten. Es kam
hierbei ein fahrbares, auf den Obergurteö verschiebbares Nietgerüste
in Anwendung.
Nr. 10.
Centralblatt der Bauverwaltung.
10.3
Die eigentlichen Aufstellungsarbeiteh haben auf der Piseker Seite
am 1. August 1889, auf der Taborer Seite am 2. September 1889 be¬
gönnen. Die Mitte des Mittelträgers wurde auf erstgenannter Seite
am 6. October erreicht, der Schlufs der ganzen Brücke erfolgte am
20. October v. J. Damit war die Aufstellung glücklich und ohne
jeden Unfall zu Ende geführt. Die Zahl der hierbei beschäftigten
Arbeiter hat auf jeder Seite rund 90 Mann betragen.
Die Brücke enthält 900,9 t Martin-Flufseisen, 37,3 t Martin-Gufs-
stahl für die Lager, 1,3 t geschmiedeten Stahl für die Lager des
Mittelträgers, 5,6 t Blei für Unterlagen und 12 t verzinktes Wellblech
für den Fahrbahnbelag. Auf 1 m Stützweite entfallen sonach 3,75 t
Eisengewicht.
Das Aufstellungsgerüst für die beiden Seitenötfnungen erforderte
620 cbm Holz und 15 t Schrauben; es war dessen Herstellung an die
Bauunternehmung Redlich u. Berger zum Preise von 19 220 fl. (31 fl.
f. d. cbm) vergeben worden. Die Eisenconstruction wurde von der
I. böhm.- mährischen Maschinenfabrik im Vereine mit der Prager
Maschinenbau-Actiengesellschaft geliefert. Das verwendete Material
stammt von der Gewerkschaft Kladno der Prager Eisenindustrie-
Gesellschaft. Die Aufstellung des Eisenwerks besorgte die I. böhm.-
mährische Maschinenfabrik. Die Kosten des eisernen Ueberbaues
samt Aufstellung und Beistellung der Gerüstungen in den beiden
SeitenöfPnungen, ferner samt Aufstellung und Lieferung des Well¬
blechbelages und der .Beistellung der Brückenhölzer (rund 120 cbm)
betragen 320 000 fl.;
die Erd- und Maurer¬
arbeiten kosteten rund
190 000 fl.
Wir möchten diese
Mittheilungen nicht
schliefsen, ohne die
an der Schaffung der
beschriebenen Bau¬
werke leitend bethei¬
ligten Fachgenossen zu
nennen. Es sind dies
seitens der General-
direction der österr.
Staatsbahnen: der
k. k. Baudirector Hof¬
rath Bischoff, der
Vorstand des Brücken¬
bau - Bureaus Oberin¬
spector Hufs und der
Bauleiter der Linie In¬
spector Klemencic.
Der Entwurf für den
Cervena-Viaduct wurde
unter Leitung der bei¬
den erstgenannten
Herren von Ingenieur
Meitzer gearbeitet,
welcher auch die Auf¬
stellung der Eisen¬
construction zu überwachen hatte. Die Ausführung der Steinbauten
durch die Bauunternehmung Gebr. Redlich u. Berger erfolgte
nach den durch Oberingenieur Klimpfinger getroffenen An¬
ordnungen, welche als mustergültig bezeichnet werden können.
Brünn, im November 1889. Professor Mel an.
Vermischtes.
In der 26. General -Versammlung des deutschen Vereins ffir
Fabrication von Ziegeln, Tlionwaren, Kalk und Gement, welche
am 27. und 28. Februar und 1. März d. J. im Hause des Berliner
Architektenvereins stattfand, kamen einige Fragen zur Verhandlung,
die für die Leser dieses Blattes von Interesse sein werden. Herr
Dr. Goslich sprach über Verwendung von Stampfbeton für
Zwischendecken in Wohnhäusern. Die vielfachen Mängel der
Balkendecken haben den Vortragenden veranlafst, für den Bau eines
eigenen Hauses eine Herstellungsweise der Decken zu wählen, welche
seit etwa 6 Jahren bei der Errichtung von Villen in Hannover an¬
gewendet wird und sich dort bestens bewährt hat. Die sonst üblichen
Holzbalken werden dabei durch eiserne I-Träger ersetzt, und zwischen
diesen wird auf einer an dieselben angehängten Unterschalung, welche
also den bei der Belastung entstehenden geringen Durchbiegungen
der Träger folgen kann, ein leichter Schlackenbeton von etwa 12 cm
Dicke eingebracht. Dieser findet seine Auflager auf den unteren
Trägerflanschen, wenn die Unterschalung nach der Erhärtung der
Masse fortgenommen wird. Die so gebildeten Betonplatten werden
mit einem Füllmaterial beschüttet und in dieses die Lagerhölzer für
die Dielung gelegt. In den meisten Fällen ist der letzteren ein
Beton-Estrich vorzuziehen, welcher wenigstens 2 cm über den oberen
Flansch der Träger übergreifen soll und, mit Linoleum bedeckt, einen
sehr angenehmen Fufsboden bildet. Der Deckenputz wird ohne weiteres,
wie an Gewölbe, an die Unterseite solcher Decken angetragen.
Die zur Erörterung gestellte Frage, welche Erfahrungen in Bezug
auf Holzcementdächer gesammelt sind, fand keine Beantwortung,
was zu Gunsten der Holzcementdächer sprechen dürfte, da es der
Versammlung nahe lag, hervorgetretene Mängel bekannt zu geben.
Die Nothv/endigkeit der Einführung von Normalformaten für
Dachpfannen wurde bestritten, dagegen wurden für Falzziegel
zwei Normalformate, ein grofses und ein kleines, in Vorschlag ge¬
bracht. Das grofse Format, von welchem etwa 15 Stück 1 qm decken
sollen, wurde 32 bis 34 cm in der Deckfläche bezw. Lattenweite lang
und 20 bis 21,5 cm breit angenommen, während das kleine Format
22,5 bis 24,5 cm lang und 19 bis 20 cm breit ausgeführt werden soll,
sodafs etwa 23 Stück 1 qm decken. Der Spielraum in den Ab¬
messungen wurde mit Rücksicht auf die Verschiedenheit des
Schwindemafses gewährt. Die Falzziegel sollen so geformt sein.
dafs sie eine geringe Veränderung der Lattenweite und eine kleine
seitliche Verschiebung zulassen. Ueber die Form und Deckweise
der Falzziegel eine weitere Bestimmung zu treffen, wurde als un¬
zuträglich bezeichnet.
Bei der Besprechung über den geeignetsten Neigungswinkel
für die mit Falzziegeln zu deckenden Dachflächen erklärte
Herr Block von der Handlung Ferd. Tenhompel u. Block in Wesel,
welche jährlich 9—10 Millionen Falzziegel des kleinen Formats,
sogen. „Bouletziegel“, anfertigt, dafs der fragliche Winkel häufig zu
gering angenommen und hierdurch eine zu schnelle Zerstörung der
Dachflächen auch von bestem Materiale bedingt werde. Unter 35°
solle man bei gröfseren Dachflächen nicht heruntergehen; vorzuziehen
sei ein Neigungswinkel von 45°. Bei schmalen Dachflächen, wie bei
Sägedächern, könne man allenfalls noch einen Winkel von 25° zu¬
lassen. Als besonders geeignet für Falzziegeldeckung empfahl Herr-
Block den in Holland häufig angewendeten Dachverband aus leichten
Hölzern, bei welchem statt der Sparren Pfetten iin Abstande von
etwa 1,40 m die Unterlage für eine Bretterschalung bilden. Ueber
dieser wird eine gewöhnliche Lattung für die Falzziegel angebracht.
Dieses Dach hat Aehnlichkeit mit dem in Ost- und Westpreufsen
allgemein üblichen verschalten Pfannendache, bei dem auf die Sparren
eine überstülpte Bretterschalung gebracht wird. Letztere stellt schon
an und für sich eine Dachfläche dar, auf welche eine Lattung für
die Dachpfannen gelegt wird. Diese Dächer sind zwar etwas theuer,
bewähren sich aber gegen Sturm sehr gut und halten Schnee und
Rufs vom Dachboden fei-n. Das Eindringen der letzteren 'ohne An¬
wendung einer Verschalung zu verhüten, hält sehr schwer, wenn
nicht die Falzziegel von tadelloser Beschaffenheit sind. Die Falz¬
ziegel in Kalk zu verlegen oder die Fugen mit Kalk zu verstreichen
wurde im allgemeinen widerrathen, weil hierdurch die Lüftung der
Unterseite der Dachfläche und ihr Austrocknen beeinträchtigt werden,
auch das an der Unterseite der Falzziegel sich ansetzende Schwitz¬
wasser nicht nach aufsen abziehen kann. Am besten hat sich nach
Ansicht des Herrn Block eine Dichtung der wagerechten Fugen mit
geklopften Kuhhaaren bewährt. Von anderer Seite wurde als erprobt
empfohlen, ein dichtes Rohrgeflecht zwischen den Sparren unmittelbar
unter den Falzziegeln zur Abhaltung des Treibschnees und Russes
anzubringen. R.
104
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. März 1890.
lieber Ciirveinveieheii. Bei Curvenweichen läfst sich zwischen
den Halhmessei'n ri und r2 der beiden Weichengeleise folgende ein¬
fache Beziehung aufstellen:
+ ^ = -- oder = -I - . . . . (A
— n ' r2 r — n—r
wo r ■=■ Halbmesser der Weichencurve bei geradem Hauptgeleis und
demselben Kreuzungswinkel a. Das Zeichen -f- ist zu setzen, wenn
sich die Weichengeleise im entgegengesetzten Sinne, das Zeichen — ,
wenn sie sich im gleichen Sinne krümmen.
Bezeichnet in nebenstehender
Abbildung
l die Zungenlänge,
den Centriwinkel der ge¬
krümmten Zunge,
b\ u. b‘2 die Bogenlängen der Wei¬
chengeleise bezw. der
sich kreuzenden Schieneu-
stränge,
?'i u. r-2 die zugehörigen Halbmesser,
f/2 n Centriwinkel,
so mufs sein ß -f- r/j + (f -, — «, oder, da ^ = -
1 \
ß i
\
- -
— ''***‘^ _.n
1
1
1
C— I
Ir
% r
bl
n
und —
Ol I 02 a
-d - = a—ß.
n n
Bei geradem Hauptgeleis, wo n =: r, b\
stehende Gleichung über in
-- =« — ß, sodafs sich ergiebt —
= 6, = oo, geht vor-
, 6^ ^
~ ?'2 r
Für Krümmungen gleichen Sinnes erhält man in gleicher Weise
- ^ -1 — - = Man kann daher allgemein setzen
r2 r ^
i'i r
Ist nun bl — bi = b , so ergiebt sich mathematisch genau die
fragl. Beziehung -k - 1 - = — . In der Wirklichkeit ist die Vor-
n r> r
aussetzung bi = b-i = b selten vollkommen erfüllt und somit auch
Gl. A nur annähernd richtig. Doch weicht der hiernach berechnete
Werth von n unter gewöhnlichen Verhältnissen, insbesondere wenn
den Curvenweichen die Länge der Normalweiche gegeben wird, so
wenig von dem mathematisch genauen Werthe ab, dafs er für die
Zwecke der Anwendung vollständig genügt. Nur in dem ungewöhn¬
lichen Falle, wo die gerade Zunge in das schärfer gekrümmte Geleis
gelegt wird, können sich erheblichere Abweichungen ergeben. Am
genauesten ist Gl. A bei Krümmungen gleichen Sinnes; hier beträgt
die Abweichung meist nur wenige Bruchtheile eines Meters, was für
die Anwendung ohne Belang ist. Fr. Engefser.
Der Schiene ii-Profilmesser von Schilling-, dessen Beschreibung
nebst Abbildung auf S. 306 des vorigen Jahrgangs d. Bl. veröffent¬
licht ist, hat neuerdings, wie uns mitgetheilt wird, durch Anordnung
nur einer Führungsstange (u) mit drehbarer Tastervorrichtung eine
Vereinfachung und Verbesserung erfahren. Derselbe wird zum Preise
von 180 Mark von der Firma Sommer u. Runge (Berth. Pensky Nachf.)
in Berlin geliefert.
Selhstthätige Baluiwagen-Kupplimgeii in America. Von den
180 873 auf den Eisenbahnen des Staates Newyork verkehrenden
Güterwagen sind nach den Engineering News 35 423 Stück mit selbst-
thätigen Kupplungen ausgerüstet, in Gemäfsheit der Vorschi-ift des
Gesetzes vom Jahre 1884, wonach alle neugebauten oder ausge¬
besserten alten Wagen mit derartigen Kupplungen versehen werden
müssen. Ein ferneres Gesetz vom vorigen Jahre bestimmt, dafs bis
zum 1. Januar 1892 alle überhaupt vorhandenen Güterwagen in dieser
Weise abgeändert sein müssen. Ein einheitliches Vorgehen hinsicht¬
lich der zu wählenden Art der Kupplung schreibt das Gesetz nicht
vor, ein Uebelstand, welcher sich im durchgehenden Betriebe bereits
recht fühlbar gemacht hat.
Bücherscliau.
Hamlbncli der Baukimde. Ahtheilung III. Heft 2: Der Wasser¬
bau. Bearbeitet von L. Franzius, Ober -Bau director in Bremen.
Mit einem Anhänge, betr.: Wildbach- Verbauungen und Kegulirungen
von Gebirgsflüssen, sowie Ent- und Bewässerung von Ländereien,
bearbeitet von W. Frauenholz, vormal. Professor an der tech¬
nischen Hochschule in München. — Berlin, 1890. Commissions -Ver¬
lag von Ernst Toeche. 376 S. in 8“ mit 656 Abb. Preis Q Jl.
Von einem Meister wie L. Franzius, dem in gleicher Weise die
Erfahrungen des Lehrers, des Schriftstellers sowie des entwerfenden
und ausführenden Wasserbaumeisters zu Gebote stehen, war eine
solch vortreffliche, klare und bei aller Knappheit doch erschöpfende
Bearbeitung des grofsen und vielseitigen Gebietes des Wasserbaues,
wie sie uns diese neueste Lieferung des Handbuchs der Baukunde
bringt, zu erwarten. Entsprechend der von den Herausgebern des
Handbuchs gestellten Aufgabe, durch dasselbe nicht nur den An¬
forderungen jüngerer Kräfte zu entsprechen, sondern auch den Be¬
dürfnissen der Fachmänner von Erfahrung zu genügen, wenn sie sich
rasch über Besonderheiten unterrichten wollen, hat der Wasserbau
eine wesentlich andere und erweiterte Bearbeitung erfahren wie in
dem deutschen Bauhandbuche. Während die Wasserversorgung und
Entwässerung der Städte gänzlich ausgeschieden ist, um in einem
besonderen Abschnitte behandelt zu werden, ist der Seebau ganz
besonders und eingehend berücksichtigt worden. Es erscheint uns
zweckmäfsig, dafs der Verfasser den Seebau nicht, wie dies mit
voller Berechtigung in den ausführlicheren eigentlichen Lehrbüchern
des Wasserbaues und im Hörsaale üblich, besonders behandelt,
sondern ihn überall, beim Uferbau, Deichbau, Flufs- und Hafenbau,
in gegliedertem Zusammenhänge mit eingeflochten hat. Denn gerade
dieses unmittelbare Nebeneinanderstellen der betr. Bauweisen usw.
läfst die kennzeichnenden Unterschiede und Eigenthümlichkeiten um
so schärfer hervortreten, während die Knappheit des Werkes wegen
der dadurch ermöglichten zusammenfassenden Erörterung der ge¬
meinsamen Grundsätze usw. wesentlich gefördert worden ist. Behufs
Durchführung der angedeuteten Stoffgliederung ist in dem ersten
Abschnitte „die Physik des Meeres“ besonders behandelt worden.
Den Häfen und ihrer Ausstattung, insbesondere den Vorrichtungen
zum Ent- und Beladen der Schiffe, ist eine eingehende Besprechung
gewidmet, welche um so werthvoller ist, als namentlich die Flufs-
häfen in unserer bisherigen Litteratur stets stiefmütterlich behandelt
sind. Im übrigen würde die sehr reichhaltige Zusammenstellung der
Flufs- und Seehafen-Pläne erheblich gewonnen haben, wenn für diese
ein einheitlicher Mafsstab — etwa 1:20 000 — durchgeführt
worden wäre. Bei Besprechung der Schiffahrtszeichen wäre ein Hin¬
weis auf den vortrefflichen Hagenschen Vortrag (Zeitschr. f. Bauw.
1887) erwünscht gewesen.
Auf Einzelheiten einzugehen verbietet uns der Raum. Nur das
sei bemerkt, dafs wir als Vorbild für Querschnittsformen von festen
steinernen Wehren (S- 85) das so zweckmäfsige Wehr mit lothrechtem
bezw. parabolischem Abfallboden vermissen. — Bei einer sorgfältigen
Durchsicht hätten sich wohl einige sinnentstellende Druckfehler
(S. 67, 69, 243) vermeiden lassen, wie denn auch die Angabe zur
Ermittlung der Fortschrittsgeschwindigkeit der Fluthwelle (S. 13)
berichtigt worden wäre. — Der von Frauenholz geschriebene „An¬
hang“ gieht einen klaren Ueberblick über die behandelten Gegen¬
stände. Die diesem Theile beigefügten Holzschnitte lassen hinsicht¬
lich ihrer Ausführung zu wünschen übrig. — Wir sind überzeugt,
dafs das Buch allenthalben Freunde finden wird. Engels.
Neue Patente.
Eiiiscliienige Drehscheibe. Patent Nr. 49 975. Philipp Forch-
heimer in Aachen. — Um das Fahren einzelner Wagen und ganzer
Züge bei Spurbahnen mit Bögen
von sehr kleinem Halbmesser zu
ermöglichen, kannte man, abgesehen
von der üblichen Spurerweiterung nur
das Aushülfsmittel, das eine Rad dreh¬
bar auf der Achse des zugehörigen
Rades anzuordnen. Dieses Hülfsmittel
ist für Locomotivbahnen somit schon
von selbst ausgeschlossen. Das vor¬
liegende Patent macht den Vorschlag
eines anderen Aushülfsmittels, näm¬
lich den, den inneren Strang eines
stark gekrümmten Geleises beweglich
— als Drehscheibe — anzuordnen. Beim
Durchfahren dieser Drehscheibe läuft die¬
selbe also rückwärts in Bezug auf die-
Fahrrichtung des Zuges. Die feste
Schiene b schliefst sich hierbei mit unter¬
schneidenden Backen an die ringförmig
laufende Schiene a an. Statt der festen
Anschlufsstücke b können auch bewegliche
Zungen c angeordnet werden, wenn es sich darum handelt, die Dreh¬
scheibe als Mittel zur sehr steilen Abzweigung von Weichengeleisen,
zu verwenden.
Der Anzeigentheil dieser Nummer enthält eine Aufforderung zur
Unterstützung der Hinterbliebenen eines jüngst verstorbenen Fach¬
genossen. Die bittere Noth, in der sich dieselben befinden, veranlafst
uns, auch an dieser Stelle das Augenmerk unserer Leser besonders-
auf den Aufruf hinzulenken.
Verjag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
105
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 15.
März 1890. Nr. 11.
Kedaction: SW. Zimmerstrafse 7 deschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzhand oder durch Postvertrieh 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
IXHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Die Wasserstrafse
Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-Strafshurg, Canal oder freier Rhein? — Kirche in
Langenstein am Harz. — Die Marmorhrüche der Gewerkschaft „Vereinigte Meckling-
häuser Marmorgruhen“ im Bergrevier Attendorn, Kr. Olpe. — Baugeschichtliches von
der Kaiser Wilhelmhriicke üher die Spree in Berlin. (Schlufs.) — Vermischtes:
Wetthewerh zur Gewinnung des Neuhauplanes für eine Herz Jesu-Kirche in Köln a. Rh.
— Wetthewerh zur Erlangung von Entwürfen zu einem Kreishause in Mülheim a. d.
Ruhr. — Preishewerhung um ein Verwaltungsgebäude der GeneraUlirection der Rumäni¬
schen Eisenbahnen in Bukarest. — Wiederherstellung des Rathhauses in Aachen. —
Wiederbesetzung der Strafsburger Domhanmeisterstelle. ~ Feierliche Eröffnung der
Forth-Brücke. — Russische „Gesellschaft zur Hülfeleistung auf dem Wasser“. — Seil¬
zug durch drei Punkte.
Amtliche Mittheilungen.
Preiifsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den Geheimen
Ober - Baurath Voigtei, Chef der Bauabtheilung im Kriegs¬
ministerium, und den Geheimen Postrath und Vortragenden Eath
im Reichspostamt Skaiweit zu aufserordentlichen Mitgliedern der
Akademie des Bauwesens zu ernennen, sowie dem Land-Bauinspector
Küster im Ministerium der öffentlichen Arbeiten den Charakter als
Baurath zu verleihen.
Dem bisherigen KöniglichenEegierungs-Baumeister Paul Steffen¬
hagen in Königsberg O.-Pr. ist die nachgesuchte Entlassung aus
dem Staatsdienst ertheilt worden.
Der Kreis - Bauinspector, Baurath Th. Pollack in Sorau ist
gestorben.
Sachsen.
Bei der fiscalischen Strafsen- und Wasserbau -Verwaltung im
Königreiche Sachsen tritt die Veränderung ein, dafs der Sitz der für
die amtshauptmannschaftlichen Verwaltungsbezirke Löbau und Zittau
bestehenden Strafsen- und Wasserbauinspection vom 1. April 1890 an
von Löbau nach Zittau verlegt wird.
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Wasserstrafse Mannheim -Ludwigshafen und Kehl-Strafshurg,
Canal oder freier Dhein?
Von Max Honseil.
I.
Auf keinem Strome Europas hat sich im 19. Jahrhundert — nach
Wegfall der früheren politischen Hemmnisse, und dank der künst¬
lichen Verbesserung der Wasserstrafse wie der Fortschritte in der
Technik des Verkehrswesens — die Schiffahrt in so grofsartiger Weise
und so bedeutungsvoll für die wirthschaftlichen Verhältnisse des
Stromlandes entwickelt, wie auf dem Rhein. Weithin zu beiden
Seiten des Stromes und bis über seine Quellengebiete hinaus dehnt
sich das Gebiet, für dessen Anschlufs an den Verkehr der Welt¬
meere die Wasserstrafse des Rheins die Hauptader bildet. An dem
ungeheuren Aufschwung der rheinisch-westfälischen Montanindustrie
hat die Benutzung dieser Wasserstrafse den gröfsten Antheil, nicht
minder an dem Gedeihen der Uferstädte am Hauptstrom, wie
an den schiffbaren Nebenflüssen; und den von den gröfseren Hafen¬
plätzen abzweigenden Schienenwegen gewährt der Umschlagsverkehr
mit dem Rhein die wesentlichste Nahrung. Das Aufblühen der Stadt
Mannheim folgt schrittweise der wachsenden Bedeutung der Rhein¬
schiffahrt: die Ein- und Ausfuhr zu Wasser, die hier in den 1820er
Jahren wenig mehr als 10 000 Tonnen im Jahre betrug, hat 1889
2 500000 Tonnen überstiegen. Während dieser Zeit ist die Ein¬
wohnerzahl Mannheims von rund 20000 auf 70000 und das Grund-
und Häusersteuer- und Gewerbesteuercapital von etwa 20 auf 215 Mil¬
lionen Mark augewachsen, i) Seit Jahrzehnten behauptet Mannheim
den ersten Rang unter den süddeutschen Handelsplätzen, und neuer¬
dings hat zudem die Industrie hier ganz namhafte Bedeutung ge¬
wonnen. Gegenüber Mannheim aber ist seit den 1840er Jahren die
Stadt Ludwigshafen erst entstanden und bald zu einem wichtigen
Verkehrs- und Industrieplatz aufgeblüht. Im Jahre 1888 sind hier
schon rund 670 000 Tonnen ein- und ausgeführt worden, und der
Verkehr ist augenscheinlich in raschem Zunehmen begriffen.
Wenn nun auch die erstaunliche Entwicklung dieser beiden
Städte, die unter wir th schaftspolitischem Gesichtspunkte als Einheit
zu betrachten sind, nicht zum geringsten Theil der Tüchtigkeit und
dem lebhaften Unternehmungsgeist der rheinfränkischen Bevölkerung
zuzuschreiben ist, so kommt in Mannheim -Ludwigshafen doch zum
Ausdruck, was culturgeographisch als die Hauptstadt des Oberlaufes
eines Stromes bezeichnet wird; sie entsteht und gedeiht dort, wo in
1) Das Gesamtsteuercapital der Stadt Mannheim, einschliefslich
des Einkommen- und des Capitalrentensteuercapitals betrug zu An¬
fang 1889 385 974 610 Mark.
der Richtung von der Strommündung gegen das Quellengebiet die
Schiffbarkeit des Stromes abnimmt, an der Stelle, bis wohin die
grofsen Stromfahrzeuge gegen das höhere Binnenland Vordringen
können, wo jetzt der Umschlag der Güter auf die Schienenwege
vortheilhaft erscheint, weil die Weiterfahrt auf der Wasserstrafse
wegen der geringeren Wassermenge, des stärkeren Gefälles und in
der Regel auch wegen sonst ungünstiger Zustände des Strombettes er¬
schwert ist, kostspieliger wird als auf dem Landwege.
In der That bezeichnet Mannheim -Ludwigshafen zur Zeit den
oberen Endpunkt der grofsen Handelsschiffahrt auf dem Rhein,
insbesondere jenes Verkehrs, der von den Seeplätzen Amsterdam,
Rotterdam und Antwerpen ausgeht, beziehungsweise den Anfangs¬
punkt der vom Binnenlande dorthin gerichteten Schiffahrt. Ueber
Mannheim stromauf gehen zwar noch ansehnliche Transporte, weitaus
gröfstentheils Steinkohlen von der Ruhr, nach den Häfen von
Leopoldshafen, Maxau und Lauterburg, weiterhin aber nur noch in
geringerem Mafse bis Kehl und Strafsburg. Zwischen Strafsburg
und Basel wird eine Handelsschiffahrt gar nicht betrieben, obschon
auch diese Stromstrecke noch Gegenstand jener internationalen Ver¬
einbarungen ist, welche zu der Rheinschiffahrtsacte geführt haben.
Zwischen Strafsburg und der Schweizer Grenze dicht unterhalb Basel
besteht indes eine künstliche Wasserverbindung, indem dem Rhein-
Rhone -Canal durch die Abzweigung nach dem Rhein bei Hüningen
die Eigenschaft eines Seitencanals des Oberrheins gegeben ist. Ein
uennenswerther Verkehr vom Rhein auf diesen Canal und umgekehrt
besteht aber ebenso wenig, als dies für Strafsburg selbst und für
den dort abzweigenden Rhein-Marne-Canal der Fall ist. Die beiden
Canäle sind für die Aufnahme grofser Eheinschiffe nicht eingerichtet,
und bis daher lag auch kein Bedürfnifs hierzu vor, weil ihre Mündung
in den Rhein bei Strafsburg vom grofsen Stromverkehr nicht erreicht
wird. Diese gröfste Stadt am Oberrhein hat denn auch an dem Auf¬
schwung, wie ihn die Entwicklung des Stromverkehrs in den stromab
gelegenen gröfseren Uferstädten hervorgerufen oder wesentlich ge¬
fördert hat, nicht Theil genommen.
Da ist es denn wohl begreiflich, dafs die deutsche Verwaltung
in Elsafs-Lothringen schon bald ihr Augenmerk auf die Ausdehnung
der grofsen Rheinschiffahrt bis Strafsburg gerichtet hat, um diese
Stadt in die Reihe der bedeutenden Rheinhäfen eintreten zu lassen, den
Handel daselbst zu beleben und für Elsafs die Vortheile der Lage an
einer europäischen Wasserstrafse durch den billigeren Bezug insbeson¬
dere der Ruhrkohlen und von überseeischen Gütern zu verschaffen.
106
15. März 1890.
Centralblatt der Baiiverwaltung.
Befremdet aber hat es überall da, wo die Verhältnisse des
Oberrheius gekannt sind, am meisten in technischen Kreisen und
nicht minder bei den Schiffährttreibenden, dafs zur Erreichung
jenes Zieles die Herstellung eines Schiffahrtscanals neben dem
Rhein von Ludwigshafen bis Strafsburg als einziges Mittel ernst¬
lich empfohlen wird. Der Fachmann konnte sich nicht erinnern,
dafs anderwärts eine Stromstrecke, wie der Rhein zwischen Mannheim
und Strafsburg, als Wasserstrafse aufgegeben und durch einen Seiten¬
canal ersetzt worden ist. Selbst in Frankreich, in dem Lande, wo die
Schiffahrtscanäle verhältnifsmäfsig die gröfste Verbreitung gefunden
haben, ist der Gedanke immer verworfen worden, neben jenem Strom,
der am meisten Aehnlichkeit mit’- dem Rhein zwischen Strafsburg
und Mannheim, ja ungünstigere Verhältnisse als dieser, airfweist»
der Rhone, einen Seitencanal anzulegen; vielmehr wird dort die
Verbesserung der natürlichen Wasserstrafse durch Stroinregulirung
mit grofseu Anstrengungen und neuerdings auch mit gutem Erfolg
betrieben. 2) Dem Schiffährttreibenden ist schwer begreiflich, dafs
es nicht möglich sein soll, eine Stromstrecke, die er schon jetzt bei
günstigen Wasserständen mit den grofsen Radschleppern und schwer¬
beladenen Anhangschilfen befährt — in der Strecke von Mannheim
bis Maxau, selbst bis Lauterburg, nicht selten den gröfseren Theil
des Jahres hindurch, und sogar mit Schraubenschleppern — , so viel
weiter zu verbessern, dafs die Schiffahrt hier ebenso gut betrieben
werden kann, wie in der Gebirgsstrecke St. Goar-Caub, die noch
vor 60 Jahren auch nur bei günstigen Wasserstäuden mit beladenen
Schiffen befahren werden konnte. Und wo man davon wufste, dafs
für die Verbesserung der Stromzustände entlang der bayerisch¬
badischen und badisch -elsässischen Grenze seit vielen Jahrzehnten
grofse Summen verwendet worden sind, hat es Erstaunen erregt,
dafs diese noch ganz in der Tiefebene gelegene Stromstrecke selbst
in ihrem unteren Theil, in einer Höhenlage von 88 bis 137 m über
dem Meer, für die Schiffahrt soll verloren gegeben werden. Dafs
aber die Correction des Oberrheins als ein wesentlicher Grund gegen
die Möglichkeit der Verbesserung der Wasserstrafse geltend gemacht
wird, hat vollends überrascht.
Wenn die Strafsburger Handelskammer die Verbindung mit dem
Mittelrhein durch einen Canal begehrt hat, so ist das aus der
Haltung der elsässischen Bevölkerung wohl erklärlich. Die Elsässer
waren immer stolz gewesen auf die Schiffahrtscanäle, die sie unter
der französischen Herrschaft erhalten haben. In dem Besitz dieser
Canäle und dem Eiubezug in das grofse Netz der französischen
Wasserstrafsen trat gegenüber den deutschen Nachbarstaaten die
Zugehörigkeit zum Grofsstaat vortheilhaft hervor. Kein Wunder,
dafs der Canalgedanke in der altelsässischen Bevölkerung stark
Wurzel gefafst hat und gerade in jenen Kreisen fortlebt, wo man
die französischen Erinnerungen mit Vorliebe pflegt.
In der deutschen Verwaltung hat die Canalfrage Wandlungen
durchgemacht. Die Herstellung einer Canalverbindung Ludwigshafen-
Strafsburg war einer der ersten Wünsche, die 1871 der deutschen
Verwaltung vorgetragen wurden. Dieser scheint zunächst aufgefallen
zu sein, dafs die grofse Rheiuschiffahrt sich nicht bis Strafsburg —
der Rheinstadt — ausdehnt, ungeachtet des schön geregelten Zu¬
standes des Stromes. Dafs ein grofsartiges Strombauwerk zu anderen
Zwecken unternommen werde, als zur Verbesserung der Schiffbar¬
machung, war dem aus Norddeutschland nach dem Elsafs entsandten
Beamten fremd; ist ja doch ein ähnliches Werk in Mittel- und Nord¬
deutschland nicht ausgeführt, wo bis auf die neuere Zeit das staat¬
liche Strombauwesen sich fast ausschliefslich mit der Verbesserung
der Gewässer in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege befafst hat.
Aus jener Zeit stammen die ersten ungünstigen Urtheile über die
Correction des Oberrheins. Was bis dahin als ein ebenso grofsartiges
wie für die Bewohner der Rheinniederuug segensreiches Werk all¬
gemein anerkannt war, ward jetzt als ein völlig mifslungener Versuch
der Schiffbarmachung des Stromes bezeichnet — ein willkommener
Gegenstand für einen Dieck und andere, die in ihren Schriften sich
bemühten, alles herabzusetzen, was in Deutschland auf dem Gebiete
der Stromregulirung geschehen, bei den durch die wiederholten Hoch-
fluthen und Eisgänge des Jahrzehnts 1872 — 1883 hierfür leicht zu¬
gänglichen Strom- und Flufsanwohnern Unzufriedenheit hervorzurufen
oder zu schüren und in höheren Kreisen Mifstrauen gegen die Thätig-
keit der Wasserbauverwaltungen zu erregen. Die Herstellung von
Sammelbecken und Canälen und die Canalisirung der Ströme wurden
als die wasserwirthschaftlich allein richtigen Mittel gepriesen, die
Regulirung der Gewässer aber als ein auf ganz verfehlter Anschauung
beruhendes, geradezu gemeingefährliches und deshalb für die Folge
grundsätzlich zu verwerfendes Vorgehen hingestellt. Dabei ward dann
in der Regel auf die Correction des Oberrheins als abschreckendes
Beispiel hingewiesen.
Wenn nun schon eine unrichtige Behauptung dadurch nicht
2) Vgl. Annales des ponts et chaussees. 1887. 2. sem.
richtiger wird, dafs sie immer von neuem wieder erscheint, so ist
die hartnäckige Wiederholung doch geeignet, bei den der Sache
ferner Stehenden Zweifel hervorzurufen, und mit der Zeit gewinnt
die Behauptung selbst den Schein der Wahrheit um so leichter,
wenn sie vorhandenen Wünschen entgegenkommt. Dies scheint auch
bei dem Strafsburger Canalgedanken der Fall zu sein, dem die Ab¬
schätzung der Stromregulirung als Mittel zur Verbesserung einer
Wasserstrafse willkommen sein mufste. '
Noch in der ersten Hälfte der 1870er Jahre hat die Elsafs-
Lothringensche Wasserbauverwaltung einen flüchtigen Entwurf mit
Kostenüberschlag für den Schiffahrtscanal Strafsburg -Ludwigshafen
gefertigt. Das Ergebnifs ward nicht als befriedigend angesehen und
die Ansicht, dafs der Rhein schon in seinem dermaligen Zustande
in der guten Jahreszeit eine regelmäfsige Beschiffung bis Strafsburg
hinauf gestatte, wenn nur für gute Verhakung und Reinhaltung der
Fahrrinne von Baumstämmen u. dgl. und für Bekanntgebung der
jeweiligen Fahrtiefen gesorgt werde, und ferner dafs mit dem weiteren
Abschlufs der noch offenen Seitenarme die Fahrwassertiefe bald er¬
heblich sich verbessern werde, liefs damals das Canalunternehmen
in den Hintergrund treten. Elsässischerseits wurden nun die Oeff-
nungen in den Uferwerken abgebaut. Weiteres ist nicht geschehen
und konnte in dem Grenzstrom von Elsafs allein auch nicht geschehen;
eine Anregung in der Sache bei dem Nachbarstaat aber ist nie erfolgt.
Nach längerem Beruhen und, wie es den Anschein hat, nicht un¬
wesentlich veranlafst durch — allerdings bald wieder aufgegebene —
Canalbestrebungen der Stadt Karlsruhe, ist in Elsafs-Lothringen die
Canalfrage wieder aufgenommen, nunmehr unter Mitwirkung baye¬
rischer Ingenieure der Entwurf für mehrere Canallinien zwischen
Strafsburg und Ludwigshafen vollständig bearbeitet und der elsäs-
sische Theil bei Gelegenheit des III, internationalen Binnenschiffahrts-
congresses öffentlich ausgestellt worden, und zwar von dem Ministerium
für Elsafs-Lothringen selbst. Dieselbe hohe Behörde liefs auch eine
Beschreibung des Canalentwurfs an die Congrefsmitglieder vertheilen,
sowie eine zweite Druckschrift, betitelt:
Die Schiffahrtsverhältnisse des Rheins zwischen Strafsburg und
Lauterburg. Ein Beitrag zur Entscheidung der Frage über die
Nothwendigkeit eines oberrheinischen Schiffahidscanals — zum
Zweck der Ueberreichung an den 1888 in Frankfurt a. M.
tagenden III. internationalen Binnenschiffahrtscongrefs aufge¬
stellt mit Genehmigung des Ministeriums für Elsafs-Lothringen
von Ministerialrath, Wasserbaudirector Willgerodt.
Welche Förderung des Canalunternehmens man in Strafsburg
von dem internationalen Binnenschiffahrtscongrefs sich versprochen
hat, ist nicht bekannt geworden. War nur beabsichtigt, den Entwurf
als eine hervorragende technische Leistung vorzuführen, so bleibt
doch die Ueberreichung der obengenannten Schrift an den Congrefs
schwer verständlich.
In dieser Schrift - — wie aber auch in der Einleitung zu der
Beschreibung des Canalentwurfs — wird die badisch - bayerisch-
elsässische Rheincorrection vorwiegend ungünstig beurtheilt. Wenn
in jener Einleitung gesagt ist:
„Obschon die Rheinstrecke von Speyer bis Basel unter Auf¬
wand von vielen Millionen nach demselben System corrigirt
worden ist, wie der Rheinlauf unterhalb Speyer, so haben sich
die Schiffahrtsverhältnisse jener Strecke im ganzen nicht ver¬
bessert; es ist vielmehr heute die Wassertiefe an den seichten
Stellen des Fahrwassers — an den sogenannten Schwellen —
geringer als sie vor der Correction war“,
so mufs das bei jedem, der nicht Gelegenheit gehabt hat, sich mit
der Entstehungsgeschichte des grofsen Strombauwerkes und mit
seinen bedeutenden Erfolgen für die Landescultur näher bekannt zu
machen, die Meinung erwecken, dafs hier ein verfehltes Unternehmen
vorliege, und dafs die betheiligten Staaten jene vielen Millionen
nutzlos ausgegeben haben. Bei einem internationalen Congrefs pflegt
sonst jeder Staat seine Thätigkeit auf dem Gebiet, in das die Ver¬
handlungen einschlagen, in möglichst vortheilhaftem Licht zu zeigen;
von Elsafs -Lothringenscher Seite ist bei dem Frankfurter Congrefs
das Gegentheil geschehen in Bezug auf ein Werk, dessen Zustande¬
kommen und Durchführung zwei deutschen Staaten, Bayern und Baden,
immer zur Ehre angerechnet worden ist, und an dessen Ausführung
auch das Reichsland Elsafs-Lothringen seit bald 20 Jahren mitwirkt
und hierfür seinerseits ungefähr 17 Millionen Mark ausgegeben hat.
Und wenn in jener Schrift weniger bewiesen, als sehr bestimmt
behauptet wird — die Kraft des Ausdruckes mufs oft den Mangel
der Schlüssigkeit ersetzen — , dafs strombauliche Mafsnahmen zur
Verbesserung der Wasserstrafse des Oberrheins unmöglich, ohne
jede Aussicht auf Erfolg, selbst schädlich, wenn ausführbar, nicht
zu erhalten, zudem übermäfsig kostspielig, nicht lohnend wären, und
dafs überdies die Ausführung zu lange Zeit in Anspruch nehmen
würde, sodafs, wie in der Einleitung zu der Beschreibung des Canal¬
entwurfs bemerkt wird.
Centralblatt der Baüverwaltung.
107
k. II.
„von weiteren Versuchen, den Rheinstrom auf der Strecke
Speyer- Strafsburg für dön grofsen Handelsverkehr schiffbar
zu machen, auf Grund der bisherigen Erfahrungen und Be¬
obachtungen ein für allemal Abstand genommen werden
mufs“,
so betrifft dies, da von der 105 km langen Stromstrecke nur das eine
Ufer und nur in einer Länge von 65 km zu Elsafs gehört, eine An¬
gelegenheit, an der doch auch die Nachbarstaaten wesentlich betheiligt
sind. Während eines halben Jahrhunderts ist die Correction des
Oberrheins durch das einmüthige Zusammenwirken der Uferstaaten
ausgeführt und auf Grund des vereinbarten Planes zur Stunde noch
in der Ausführung begriffen. Es hat deshalb seltsam berührt, dafs
eine Auseinandersetzung über die Frage weiterer Regulirungsmafs-
nahmen in dieser Stromstrecke von Elsässischer Seite einem inter¬
nationalen Congrefs überreicht ward, dies ohne dafs in der Sache
ein Meinungsaustausch mit der Regierung des Nachbarstaates auch
nur versucht worden wäre.
Durchweg ist in den Darstellungen jener Schrift starke Seiten¬
beleuchtung angewendet — mehr, als durch ihren Zweck, die
Nothwendigkeit des Seitencanals nachzuweisen, entschuldbar erscheint
und mehr, als man dies von einer amtlichen Veröffentlichung gewöhnt
ist. Ihre amtliche Eigenschaft schützt die Schrift gegen herbe Kritik,
liefs es aber auch nicht zu, sie hier mit Stillschweigen zu übergehen.
Doch darf im folgenden nicht mehr auf jene Darstellungen im einzelnen
zurückgekommen werden, wenn es gelingen soll, hier den Gegenstand
in das Volllicht zu rücken, indem sachlich und kurz und in einer
auch für nichttechnische Kreise verständlichen Weise, mit
Beiseitelassung aller politischen und vorwiegend wirthschaftlichen
Gesichtspunkte, die Frage erörtert wird: ob nach Lage der
that sächlichen Verhältnis se und nach dem Stande der
Wasserbaukunde im letzten Zehnt des 19. Jahrhunderts
es wirklich unmöglich erscheint, die Wasserstrafse des
Rheins so zu verbessern, dafs die grofse Handels¬
schiffahrt Strafsburg erreichen kann. (Forts, folgt.)
Kirche in Langenstein am Harz.
Im Jahre 1885 wurde von der Genieinde und deni Patron in
Langenstein, einem am Fufse des Hoppelberges am nördlichen Harz-
abhange gelegenen Dorfe, der Beschlufs gefafst, an Stelle der alten.
von 50 000 Mark nicht übersteigen sollten, so mufste davon Abstand
genommen werden, die Kirche zu wölben. Es sind daher die Schiffe
mit hölzerner Flachdecke versehen , und nur der Chor hat ein
West- Ansicht.
Seiten -Ansicht.
sehr baufälligen Kirche einen Neu¬
bau zu errichten, und der Unter¬
zeichnete mit Aufstellung des Ent¬
wurfes und Kostenanschlages beauf¬
tragt. Zur Bedingung war gemacht,
dafs die Kirche zunächst Raum für
etwa 500 Sitzplätze im Schiff und
auf der Orgelempore erhalten sollte.
Es sollte jedoch möglich sein, durch
später einzurichtende Emporen im
Bedürfnifsfalle Platz für weitere 60
bis 70 Sitze zu schaffen. Aus diesem
Grunde ist für den Grundrifs die her¬
kömmliche Form des Kreuzes ge¬
wählt worden, denn diese Anordnung
ermöglicht den späteren Emporen-
Einbau ohne Einschränkung des
Langschiffes am besfen, indem sie
die Kreuzarme dafür zur Verfügung
stellt. An das Langschiff schliefst sich östlich der aus fünf Seiten
des regelmäfsigen Achtecks geschlossene Chor. Vor der Westseite
des Langschiflfes erhebt sich der Thurm, durch dessen zur Vorhalle
gemachtes Untergeschofs einer der drei Eingänge zur Kirche führt.
Da ursprünglich festgesetzt war, dafs die Baukosten die Summe
Gewölbe erhalten. Als Baustein ist,
abgesehen von den Grundmauern,
zu denen die aus dem Abbruch ge¬
wonnenen Sandsteine wiederbenutzt
sind, fester Blankenburger Sandstein
verwendet worden. Das Dach ist
mit deutschem Schiefer auf Schalung
gedeckt.
Im Februar 1888 wurde mit
dem Abbruch der alten Kirche be¬
gonnen, und der Neubau so geför¬
dert, dafs die Kirche am 21. Decem-
ber desselben Jahres geweiht werden
konnte. Die Kosten des ganzen
Baues belaufen sich, einschliefslich
der Instandsetzung der alten Orgel,
der Kanzel und des Altars, auch
einschliefslich Beschaffung einer
neuen Uhr und eines neuen eisernen
Glockenstuhles sowie verschiedener Nebenarbeiten auf rund
65 800 Mark. Die Ausführung des Baues wurde an Ort und Stelle
mit Umsicht und Sorgfalt durch den Kgl. Regierungs - Bauführer
Schröder geleitet.
Halberstadt im December 1889. Varnhagen.
Grundrifs.
15. Mürz 1890.
108 Centralblatt der Bauverwaltung.
Die Marmorbrüche der Gewerkschaft „Yereiiiigte Mecklinghäuser Marmorgruben‘‘
im Bergreyier Attendorn, Kr. Olpe.
Die Anreguug, welche die von dem Verein zur Beförderung des
Gewerbdeifses in Berlin gestellte Preisaufgabe einer Beschreibung
der in Deutschland vorkomnienden Marmorarten gegeben hat, um
weiteren Kreisen ein Interesse für die Hebung des inländischen
Marmorgewerbes einzuflöfsen, ist nicht zu verkennen. Seitdem in der
gekrönten Preisschrift des Verfassers*) zugleich mit der Uebersicht
der im deutschen Reiche vorhandenen Marmorlager die Bedingungen
einer gedeihlichen Entwicklung für derartige Unternehmen auf Marmor
erörtert wurden, ist dem Verfasser eine Anzahl von Marmorunter¬
nehmungen bekannt geworden, welche demnächst mit ihren Waren
den deutschen Markt beschicken werden.
Zu diesen Unternehmungen zählt in erster Reihe diejenige der
Gewerkschaft ,, Vereinigte Mecklinghäuser Marinorgruben“, mit dem
Sitze in Siegen, welche Besitznachfolgerin der „Rheinischen Bau¬
gesellschaft“ ist. Letztere erwarb im Jahre 1870 sämtliche ira Berg¬
revier Attendorn belegenen Marmorgruben, vermochte indessen wegen
der ungünstigen und die Selbstkosten zu hoch belastenden Abfuhr¬
verhältnisse, vielleicht auch infolge ungenügender Auswahl und
Sichtung des Materials und dadurch hervorgerufeuer Mifserfolge, den
Betrieb nicht lange fortzuführen.**) Die neue, den gesamten Gruben¬
besitz gleichfalls in einer Hand vereinigende Gewerkschaft hat die
vor etwa zwei Jahren wieder begonnene Erschliefsung der Gruben
und die Errichtung der erforderlichen Verarbeituugs- und Ver¬
frachtungs-Anlagen auf der Grundlage wesentlich günstiger gestalteter
Verhältnisse in Angriff nehmen können.
Der Ausdruck „Marmorgruben“ ist vorliegend im bergrechtlichen
Sinne aufzufassen, insofern den Besitzstand der Gewerkschaft ein
bergrechtlich verliehenes Bergwerkseigenthum bildet, welches in den
fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts nach der Kurkölnischen Berg¬
ordnung vom 4. Januar 1669 zur Verleihung gekommen ist, da nach
dieser Bergordnung die Marmorbrüche zu den Bergwerken und der
Marmor zu den Regalien gehörten. Das Bergwerkseigenthum der Ge¬
werkschaft besteht aus 18 durch Consolidation vereinigten Einzel¬
feldern, die das Gebiet eines mächtigen und ausgedehnten Vorkommens
von mitteldevonischem Kalkstein bedecken, welcher im westfälischen
Sauerlande im oberen Laufe des Lenneflusses zu beiden Seiten des¬
selben auftritt und die sogen. Doppelmulde von Attendorn bildet.
In einer ringsum von Lenneschiefer, der unteren Abtheilung des
Mitteldevon, umschlossenen Mulde (s. das beigegebene Kärtchen)
setzen zwei Rücken des sogen. Eifel- oder Stringocephalen-
kalks der oberen mitteldevonischen Gebirgsstufe auf, welche von
einander in ihrem südwestlichen Theile von dem sich einschiebenden
Faltungssattel der Lenneschiefer, in der Mitte und nach Nordosten
von den auflagernden oberdevonischen Schichten der Kramenzel-
schiefer und den untersten Gliedern des Carbonsystems (Culm und
Kohlensandstein) getrennt werden; diese jüngeren Schichten bilden
auch im Süden die hangende Scheide des Eifelkalksteins.
Der Kalksteinzug des nördlichen Muldeuflügels ist zwischen Haus
oder Kloster Ewig bei Attendorn und Fretter (nicht mehr auf der
Karte) bei einer durchschnittlichen Breite von 1280 m gegen 15 km
lang. An der südlichen Schichtengrenze zwischen Eifelkalkstein und
Lenneschiefer ist das Thal der Bigge in vielfach gewundenem Laufe
aufgerissen, und es erhebt sich entlang diesem ganzen Laufe auf der
linken Thalseite der Kalkstein in steiler Felswand zu 100 m über der
Thalsohle, in den zahlreichen Windungen des Thals ebenso viele be¬
queme Angriffspunkte zur Anlegung ungeheurer Steinbrüche bietend.
Der Nordflügel der südlichen Mulde (ein Südflügel tritt hier nicht
auf) ist zwischen den Orten Mecklinghausen und Nied. Melbecke
9,28 km lang bei einer Breite (in der Querlinie zwischen Dünschede
und Silbecke) von 1920 m. Seine westliche Hälfte wird an der süd¬
lichen Scheide vom Wasserlaufe des Repebachs begrenzt oder durch¬
schnitten. Dieses Thal hat wesentlich flachere Abdachungen, die
Felsen erheben sich nördlich bis zu 80 m über der Thalsohle. Im
Lennethale, welches diese Kalksteinzüge quer durchbricht, stehen
die Kalksteinfelsen am linken Ufer bei Borghausen steil an und
zeigen sich von der Mündung des Repebaches bis nördlich an die
hangenden Kramenzelschiefer heran in den hier angelegten Kalk¬
steinbrüchen in ununterbrochener Lagerung bänkiger Massen.
Die ausschliefslich auf den westlich der Lenne gelegenen Theilen
der Kalksteinzüge sich ausdehnenden, consolidirten Felder der Ge¬
werkschaft lassen den der zukünftigen Ausbeutung zustehenden
Vorrath an Rohmaterial als schier unerschöpflich erscheinen in Ver¬
*) Dr. B. Kosmann, die Marmorarten des deutschen Reiches,
Verhandl. d. Ver. z. Beförd. d. Gewerbfl. 1888, S. 56, auch im Sonder¬
abdruck bei Leonh. Simion, Berlin 1888.
**) Kosmann, a. a. 0. S. 127.
bindung mit dem Umstande, dafs für eine einträgliche Ausgewinnung
die Vorbedingung geeigneter Abfuhrwege gewährleistet ist. Die
frühere Marmorgewinnuug liatte sich, mit Rücksicht auf die Be¬
schaffung von Wasserkraft sowie — da zu jener Zeit dem Lenne¬
thale noch die Eisenbahnstrecke Hagen - Siegen fehlte — auf die
über Olpe nach dem Rheinstrom zu nehmende Abfuhrstrafse, bei
dem Dorfe Mecklinghausen im Repethal angesiedelt. Für die gegen¬
wärtigen Neuanlagen konnte man von wesentlich anderen Bedingungen
in der Auswahl der Angriffspunkte ausgehen, und es wurde ein
solcher im Anschlufs an die am Ausgange des Repethals bei Borg-
hauseu hergestellte, mit der Hauptbahn verbundene Verladungsstelle
östlich des Dorfes Dünschede ausersehen. Dieser Angriffspunkt steht
mit dem Verladeplatz durch eine 1500 m lange, schmalspurige Loco-
motivbahn in Verbindung, und in 300 m Entfernung von letzterem
ist auf dem linken Thalufer die Marmormühle, d. h. die Schneide-
und Schleifwerkstätte, angelegt worden, zu der in einem gemauerten
Obergraben das Bachwasser geleitet worden ist, um dort eine Turbine
von 35 — 40 Pfdkr. zu treiben.
Für den Hauptbetrieb der Marmorgewinnung hat die Gewerk¬
schaft in dem Einzelfelde Carrara auf einem eigenthümlich erworbenen
Flächenstück von 16,8 ha in Fortführung der erwähnten Schmalspur¬
bahn unter der Landstrafse her einen offenen Stollen in nördlicher
Richtung querschlägig gegen die Schichtenstellung in das Lager hinein¬
getrieben, welcher gegen 150 m lang werden soll und zur Zeit etwa
ein Drittel dieser Länge erreicht hat. Dieser Einschnitt bringt die
derzeitige tiefste Lösung bis zu 50 m unter der Rasenoberfläche ein.
Eine vor der Landstrafse nach Westen angelegte Abzweigung der
Schmalspurbahn überschreitet in 180 m Entfernung vom tiefen Ein¬
schnitt die Strafse und hier ist ein zweiter querschlägiger Aufhieb
angelegt, welcher in einer 10 m höheren Sohle die hängenderen
Schichten des Marmorlagers löst. Diese obere Sohle wird von dem
tiefen Einschnitt aus mit einem streichenden Aufhieb erreicht, um
dieselbe trocken zu legen und eine Verbindung der Arbeitspunkte
im Bruche herzustellen. Endlich findet sich in einem noch 270 m
weiter westlich gelegenen, alten Steinbruche eine dritte hängendere
Partie des Marmorlagers entblöfst, welche ebenfalls mit der Schmal-
sf)urbahn wie mit dem streichenden Aufhieb erreicht worden, sodafs
nach Vollendung dieser Arbeiten das Marmorlager in einer Mächtig¬
keit von nahezu 200 m und einer Länge von 500 m durchörtert und
dem Abbau zugänglich gemacht sein wird. Das Marmorlager steht
in regelmäfsig gelagerten, massigen, gesunden Bänken von 1 — 1,5,
auch 2 m Mächtigkeit an, die hier und da mit Zwischenlagen von
klüftiger und schiefriger Beschaffenheit und ungeordneter Stärke
wechsellagern, und die beschriebene Art der Vorrichtung gestattet
jede Bank auf die Art ihres Gefüges und ihrer Färbung zu unter¬
suchen und zu vermerken; ebenso ist vom Querschlage aus das Ab¬
treiben gröfserer Blöcke an jedwedem Punkte ermöglicht. Das Ge¬
stein der Marmorbänke ist äufserst dicht, gleichmäfsig und von sehr
feinkörnigem Gefüge. Vorwiegend sind der Färbung nach die blau¬
grauen und röthlichen Abtönungen, welche infolge der ausgezeichneten
Politur, die sich dem Marmor ertheilen läfst, zu guter Wirkung
kommen. Der Marmor stellt sich auch der geognostischen Stellung
seiner Schichten zufolge im grofsen und ganzen dem Nassauischen
Marmor an die Seite, in einigen gleich zu erwähnenden Abänderungen
wird er aber auch die beliebten dunklen und geäderten Marmore
belgischer Herkunft ersetzen können.
Aufscr diesem gröfseren Aufschlüsse hat die Blofslegung von
Mai-mor an den Fundpunkten der zahlreichen Grubenfelder und so
mancher ältere wie neuere Bruchversuch an den vieler Orten an¬
stehenden Kalksteinklippen einen Einblick in den Wechsel des
Marmorvorkommens gewährt, und den Beweis der gröfsten Mannig¬
faltigkeit geliefert. An weiteren Gewinnungspunkten aus dem Be¬
reiche des Grubenbesitzes der Gewerkschaft sind in dieser Beziehung
zu nennen; Im Repethale
1. Mecklinghausen: Schön roth gefärbte Gesteine in zwiebel-
bis blutrothen Tönungen, mit grünlich und grau geäderten Bänken
wechselnd, stehen mehrfach in niedrigen Hügeln an. Eine eigen-
thümliche Agglomeration des Gefüges bewirkt knollige oder knollen¬
artige, rundliche Absonderungen, deren Zwischenräume von chlori-
tischen Silikaten ausgefüllt sind, wodurch diese Bänke den sogen.
Knollen kalken der obersilurischen Schichten im südlichen Thüringen
ähnlich werden.
2. Kirchhelden: In einem unweit südöstlich des Dorfes angelegten
Bruche wurde früher dunkelblauer Marmor gebrochen, welchem weifse
Bänke von späthigem Gefüge von 25—40 cm Dicke eingelagert sind.
Neben den Abänderungen reiner Färbungen würden sich hier auch
Nr. 11.
Centralblatt der Bauverwaltung.
109
dunkele Platten mit weifser Äderung durchzogen, nach Art des bel¬
gischen St. Anne-Marmors, gewinnen lassen. — Im Lennethale
3. Borghausen: In den bereits erwähnten Kalksteinschichten nörd¬
lich der Einmündung der Repe stehen, durch Steinbruchbetrieb ent-
blöfst, mächtige Wände an, welche ausgezeichnete lichtblaue und
lebendig rothe Abänderungen aufweisen, die zum Theil durch ein¬
gelagerte fossile Thierreste eine wechselreiche Musterung entfalten.
In dem nördlichen Kalksteinzuge des Biggethaies sind fol¬
gende Stellen zu bezeichnen;
4. Von einem Punkte in der Nähe der ersten Eisenbahnbrücke,
westlich Finnentrop, bis zur westlichen Grenze der Verleihungen stehen
am nördlichen Ufer der Bigge die bereits erwähnten mächtigen Fels¬
wände an und zeigen bläulich und blaugrau gefärbte Bänke mit röthlich
geflammten Einlagerungen von feinkörnigem bis ganz dichtem Gefüge.
5. Unterhalb der erwähnten Eisenbahnbrücke, unweit des von
Heggen zum Biggethal herabführenden Weges, ist an der Landstrafse,
zur Gewinnung der Bau¬
steine für die Brücke, ein
Bruch in einem hellgelb
bis zart röthlich gefärb¬
ten Marmor angelegt
worden. Der Marmor,
welcher ebenfalls knollen¬
artige Absonderungen
zeigt, ist von sehr dich¬
tem, gleichmäfsigem Ge¬
füge und zartem Aus¬
sehen, wie es gewissen
französischen Marmor¬
arten der Jurabildung
eigen ist.
6. Heggen; Ungefähr
0,5 km westlich des Dorfes
sind in einem grofsen, zur
Zeit von der Firma Hefs
u. Schulte, Siegen, betrie¬
benen Bruche graue, fein
krystallinische und in
starken Bänken von regel-
mäfsiger Lagerung ent¬
wickelte Kalksteine ent-
blöfst. Der splittrige
Bruch und das späthige,
selbst im feinsten Korn
krystallinische Gefüge
läfst die echte Marmor¬
beschaffenheit erkennen.
7. Heggen: Am öst¬
lichen Ausgange des
Dorfes stehen nördlich der
Dorfstrafse tief schwarz
gefärbte, von Korallen¬
resten erfüllte Marmorkalke an, welche für das Einzelfeld Schwarzenberg
den Fundpunkt abgegeben haben. Die in der dunkler getönten Grund¬
masse eingelagerten Querschnitte der fossilen Korallenstöcke, die meist
von einer späthigen weifsen Rinde umgeben sind, heben sich in sehr
bemerkenswerther Weise von ihrer Umgebung ab, und die hier zu
gewinnenden Platten dürften in Ansehen und Gefälligkeit mit dem
beliebten belgischen Korallenmarmor wetteifern.
8. Milstenau: In einem älteren Bruche, östlich des Dorfes, sind
mächtige Bänke schwarzen und dunkelblaugrauen Marmors entblöfst.
Da derartige tiefdunkele und reingehaltene Abänderungen zu den
Seltenheiten gehören, so legt man seitens der Gewerkschaft auf
dieses Vorkommen, ebenso wie auf das voraufgehend erwähnte,
grofsen Werth.
Aus dieser Aufzählung vorhandener Aufschlüsse lassen sich,
soweit dies aus einer Beschreibung möglich, die Reichhaltigkeit und
Mannigfaltigkeit der in der Attendorner Kalkstein- Ablagerung ent¬
haltenen Marmorsorten erkennen. Soweit aber nun einerseits durch
die staatlich erfolgte Verleihung der Marmorlager zum Bergwerks-
eigenthume, anderseits durch sachverständige und geschickte An¬
ordnung der Anlagen sowie durch Vorhaltung ausreichender Geld¬
mittel alle Grundlagen gesichert erscheinen, um diese Unternehmung
einer gedeihlichen Entwicklung entgegenzuführen, so sind dennoch
der Gewerkschaft gerade aus ihrer Stellung als Bergbautreibenden
nicht unbedenkliche Schwierigkeiten erwachsen, deren eigenthümliche
Gestaltung kurz gestreift sein möge, weil sie aueh für fernerstehende
Kreise nicht des Interesses entbehren und einen belehrenden Einblick
in das derzeitige Veihältnifs zwischen dem Bergwerks- und dem
Grundeigenthümer gewähren, wie es sich durch Berggesetzgebung
und Industrie gestaltet hat.
Durch die bergrechtliche Verleihung ist dem Grundeigenthümer
das Recht der Verfügung über die verliehene Marmorlagerstätte
entzogen. Diese Thatsache ist bei den hiervon berührten Grund¬
besitzern theils, weil die bergbaüliche Thätigkeit der Geliehenen
während langer Jahre geruht hat, in Vergessenheit gerathen, theils
dadurch verdunkelt, dafs die Beschaffenheit des anstehenden Kalk¬
steins als Marmor in Abrede gestellt und von den Grundbesitzern
im guten Glauben im verliehenen Felde ein Bruchbetrieb auf Kalk¬
stein eröffnet worden ist. Der für fast verschollen erachtete Berg¬
bautreibende erscheint unter diesen Umständen als ein unerwünschter
Eindringling. In zwei Richtungen zumal bekunden sich die durch
den Widerspruch der Grundeigenthümer geschaffenen Schwierigkeiten.
Einmal bei der für den Bergbaubetrieb erforderlich werdenden Ent¬
eignung von Grundstücken, zum andern hinsichtlich der Wahrung
des Bergwerkseigenthums gegen die Beeinträchtigung durch fremden
Bruchbetrieb. Im ersten Falle fordert der Grundeigenthümer neben
der Entschädigung für
die beanspruchte Ober¬
fläche auch noch eine
solche für die entzogene
Kalksteinnutzung — wie¬
wohl im verliehenen
Felde — , und zwar unter
Hinweis darauf, dafs unter
allen Umständen nicht der
ganze Kalkstein für die
Verwendung als Marmor
tauglich sei. Im anderen
Falle beruft er sich gleich¬
falls darauf, dafs dem
von ihm im verliehenen
Felde gewonnenen Kalk¬
stein die Beschaffenheit
als Marmorgestein abgehe
und dieser deshalb dem
V erfügungsbereich des
Grundeigenthümers unter¬
falle. Es handelt sich bei
diesen gegenseitigen Ans¬
prüchen also wesentlich
um die Feststellung des
Begriffs „Marmor“, um
danach bestimmen zu
können, in welcher Aus¬
dehnung die aus der
bergrechtlichen Verlei¬
hung herzuleitenden An¬
sprüche auf das vorhan¬
dene Kalkgestein Anwen¬
dung zu finden haben.
Indessen ist bei diesem
Widerstreit ein Umstand
nicht zu übersehen, der die Parteien der Erörterung über den „Marmor¬
begriff“ und dessen Tragweite überhebt. Es ist dies die nach dem allge¬
meinen Berggesetz (vom 24. Juni 1865) dem Geliehenen ausschliefslich
zustehende Befugnils, das verliehene Mineral aufzusuchen und zu ge¬
winnen. Ersichtlich vollzieht sich für den Beliehenen mit dieser
Befugnifs auch diejenige, das ausschliefsliche Urtheil und somit die
entscheidende Stimme darüber auszuüben, welche Gesteine seinen
Zwecken tauglich und dienlich erscheinen, auch diejenigen Stellen
zu bezeichnen, wo die zweckentsprechend erscheinenden Gesteinsbänke
anstehen. Damit aber ist ausgesprochen, dafs auf des Beliehenen
Verlangen jeder andere Bruchbetrieb aufzuhören hat, sobald jener
bemerkbar gemacht hat, dafs durch letzteren die Substanz seines
Bergwerkseigenthums vernichtet werde. Da aber zugleich bei Auf¬
suchung und Erschliefsung der Lagerstätte nicht vorhergesagt werden
kann, in welcher Ausdehnung Gestein von tauglicher Beschaffenheit
anzutreffen sein wird, so kann zu Gunsten des zu enteignenden Grund¬
eigenthümers keine Grundlage gefunden werden, auf welcher die
Berechnung der Entschädigung für entzogene Kalksteinnutzung statt¬
haben könnte.
Der hier für den Beliehenen günstige Gesichtspunkt gewinnt
aber an Umfang noch dadurch, dafs die an die Marmoreigenschaft
des Gesteins zu stellenden Ansprüche nicht allein auf die Verwendung
zu Kunstwerken beschränkt, sondern infolge der Fortschritte und
Entwicklung der chemischen Industrieen auch für diese Gebiete von
grofser Wichtigkeit geworden sind. Eine Anzahl von Industrieen,
wie die Glas-, Soda-, Zucker-, Cellulose- und Selterswasserfabvication,
ja selbst die Mörtelbereitung, finden heutzutage ihren Vortheil in
der Verwendung reinster Rohmaterialien und verlangen für ihre
Lieferungen in diesem Artikel ausdrücklich Marmorkalk. Wie sehr
[ - ' j Lenne - Schiefer
I^SS^I Eifel - KaJkstein
Kramenzei
Kohiensandsiem
Culm
Einzelfelder, consoiidirt unter
dem Namen^^VerelnigieMecklinghäuser-
Marmorgpuhen'i^
1 . Naxoa
2. Hollenbock
3. Germania
4. Schwarzenberg
5. Brauneberg
6. Perikies
7. Potsdam
8. Rotheburg
9.
10. Berlin
11. Carrara
, ,.^1Z. Grioito
^^13. Weiseberg
14. Schwarzkopf
15. Blauberg
16. Ahausen
17. Grüneberg
I, Strahlenberg
1Q0D 2000 3000 4000 3000
2000 3000 400D 5000
10000 Schritte
10000"
110
Centralblatt der Bauverwaltung.
15. März 1890.
der Kalkstein brechende Grundeigenthümer sich auf die reine Be¬
schaffenheit seines Products berufen mag, die Bezeichnung desselben
als „Marmorkalk“ wird ihm nicht erlaubt sein zu führen, wenn er
nicht im selben Augenblick den Ansprüchen des Beliehenen in die
Hände arbeiten will. Anderseits ist aber letzterer imstande, die Be¬
schaffenheit des verliehenen Minerals auf jedwede, ihrer chemischen
Beschaffenheit nach tauglichen Bestaudtheile der Lagerstätte, nament¬
lich auch auf die im Bruche entstehenden Ab fälle auszudehnen,
welche nunmehr die Rolle eines bei der Gewinnung abfallenden
Nebenproducts annehmen, dessen Zugutemachung für die Rentabilität
des Betriebs eine nicht zu unterschätzende Quelle abgiebt. Bezüglich
dieser Abfälle, welche, wiewohl sie nicht zur Marmorfabrication ver¬
wendbar, dennoch ausschliefslich gewissen Ansprüchen der chemischen
Technik genügen, ist folgerichtig die Anforderung ausgeschlossen, dafs
sie der Verfügung des Grundeigenthümers wieder zurückgegeben
werden inüfsten, wie dieser Anspruch seitens des Grundeigenthums
bereits erhoben worden ist. Man wird hieraus ersehen, dafs trotz
des klaren und unanfechtbaren Wortlauts der bergrechtlichen Ver¬
leihungsurkunde der Eigenthumsbereich des Beliehenen ein vielfach
umstrittener ist, und dafs sich an die Ausbeutung auch der in Rede
stehenden Marmorlager eine Menge von Rechtsfragen knüpfen, deren
Auskämpfung zur reinen Freude industriellen Schaffens nicht gerade
beitragen kann.
Breslau, im October 1889. Dr. B. Kosmann
Kgl. Bergmeister und Privatdocent.
Baugeschichtliches von der Kaiser Wilhelmbrücke über die Spree in Berlin,
(Schlufs.)
Der Wunsch, die Brücke recht schnell herzustellen, hat sich
leider nicht erfüllen lassen. Verschiedene widrige Umstände sind
zusammengetroffen, um das Gelingen des Werkes über Gebühr zu
verzögern. Einmal haben die strengen Winter von 1887 — 1889 die
Bauarbeiten sehr aufgehalten, ferner kam die Entscheidung über die
Abschrägung der Domfundamente erst so spät, dafs der letzte Theil
des linken AViderlagers und Seitengewölbes nach Fertigstellung der
übrigen Brückentheile für sich hergestellt werden mufste. Vor allem
aber sind die Schwierigkeiten, welche sich aus der wohl noch nie
dagewesenen Grundrifsform der Seitengewölbe ergaben, von niemand
im voraus richtig gewürdigt worden, und endlich ist es ein Schwer¬
ins Gewicht fallender Unterschied, ob 1500 cbm Gewölbemauerwerk
in Ziegeln, in -weichem Sandstein oder in fast stahlhartem Granit
ausgeführt werden sollen, wobei dann, wie bereits angedeutet, die
Stirnsteine der Seitengewölbe sämtlich windschief uird alle Ansichts¬
flächen geschliffen sind. So konnte es nicht ausbleiben, dafs nament¬
lich zu Anfang der Arbeiten am aufgehenden Mauerwerk sehr häufig
Mangel an Werksteinen eintrat, dafs alles Drängen der Bauverwaltung,
aller guter Wille des Unternehmers, selbst mehrere Reisen von Be¬
amten der städtischen Bauverwaltung nach den Brüchen und Be¬
arbeitungsstellen des Granits, der Unfähigkeit der Brüche gegenüber,
genügend fertiges Material zu liefern, erfolglos blieben und man sich
mit der Zeit eben in das Unvermeidliche fügen mufste. Ende Mai
1887 waren die Lehrgerüste fertig gestellt und konnte mit dem Ein¬
wölben der Mittelöftnung und der mittleren Theile der Seitenöffnungen
begonnen werden. Die Lehrgerüste sind durchweg als feste herge¬
stellt. Die Rücksicht auf die wenn auch nur geringe Schiffahrt be¬
dingte, dafs in der Mitte der Hauptöftuung eine Durchfahrtsbreite
von 6 m lichter Weite bleiben und dafs in Rücksicht auf die geringe
verfügbare Höhe der mittlere Theil des Lehrgerüstes aus Eisen
hergestellt werden mufste. Die Lehrgerüste wurden bedingungsgemäfs
vom Unternehmer nur vorgehalten, welcher dafür den Preis von
40 000 Mark bedungen hatte.
Nunmehr einige Worte über die Herstellung der Werkstücke für
die im Grundrifs gekrümmten Gewölbe der Seitenöff'nungen. Der Ver¬
band der Wölbsteine der mittleren Theile bot keine grofsen Schwierig¬
keiten, wohl aber derjenige der Endtheile, wie leiclit begreiflich, da die
äufseren Leibungen infolge der Krümmung viel länger waren, als die der
von den Pfeilern ausgehenden Leibungen. Zunächst wurde ein kleines
Gipsmodell hergestellt und auf dessen Oberfläche ein einigermafsen
vernünftiger Verband aufgerissen und dieses Modell dem Unternehmer
als Unterlage für seine weiteren Arbeiten übergeben. Auf dem Werk¬
platze desselben wurden alsdann unter einem vor den Unbilden der
Witterung geschützten Schuppen zwei Lehrgerüste — wegen der
Schiefe der Brücke — in natürlicher Gröfse mit sorgfältig behobelter
Schalung aufgestellt und auf dieser der Verband aufgezeichnet.
Hierauf begann der schwierigere Theil der Arbeit, die Austragung
der Schablonen. Es ist irnmöglich, ohne eine gröfsere Anzahl von
Zeichnungen und weitgehende theoretische Abhandlungen klarzulegen,
in welcher geistvollen Weise, nach Herstellung sinnreicher Instru¬
mente, es den Ingenieuren der Firma Holzmann gelungen ist, der
schweren Aufgabe auf durchaus wissenschaftlicher Grundlage Herr
zu werden. Monatelang haben mehrere Ingenieure daran gearbeitet,
die Schablonen auszutragen, deren mancher Stein bis zu 20 Stück
bedurfte! Als ganz besonders schwierig erwies sich die Austragung
der profilirten Stirnsteine. Nicht gering anzuschlagen ist auch das
Verdienst der Werke, welche diese Steine bearbeitet haben. Die
inneren Wölbsteine aus dem bayerischen Granit sind durchweg an
Ort und Stelle in Blauberg unter Leitung des Directors F ellermeier
bearbeitet, die Stirnsteine dagegen — im ganzen 44 Stück — sind
im Fichtelgebirge in den Werkstätten der Firma W öl fei u. Herold
in Bayreuth und des Herrn Grimm in Schwarzenbach gefertigt.
Das fast stahlharte Material setzte der Bearbeitung grofsen Wider¬
stand entgegen; an einem Steine haben zwei Steinmetze nicht weniger
als sechs Wochen vollauf zu thun gehabt. Der bayerische Granit steht
in grofsen Blöcken an und die einzelnen Stücke werden durch Sprengen
gewonnen. Anders der Odenwald -Granit vom Felsenmeere. Hier
liegen die Geschiebeblöcke bis zu 100 cbm Inhalt frei zu Tage. Das
Jahrtausende alte Material zeigt keinerlei Spuren von Verwitterung.
Ende September 1887 waren das Mittelgewölbe und die regelmäfsigen
Theile der Seitengewölbe fertiggestellt. Unter der Last der Wölbung
fand ein Setzen des Lehrgerüstes um etwa 2 cm statt, während bei
der Ausrüstung ein weiteres Setzen um 1 cm beobachtet wurde. Die
Bruchfugen waren zunächst nur bis zu ihrem, untern Drittel vergossen
und sind erst nach dem Ausrüsten voll verfüllt. Das Versetzen der
Quader erfolgte in vollem Mörtelbette; die Stofsfugen wurden ver¬
gossen, nachdem dieselben in der Vorderfläche mit Werg sorgfältig
auskalfatert waren, ein Verfahren, das sich sehr gut bewährt hat.
Trotzdem im Herbst 1887 erst der mittlere Theil der Brücke ein-
schliefslich der Ueberschüttung fertiggestellt war, mufste mit allen
Kräften dahin gearbeitet werden, dieselbe, wenigstens so weit irgend
angängig, für den Verkehr freizugeben. Seit langem drängte die
Baugesellschaft Kaiser Wilhelmstrafse, welche inzwischen ihre Häuser
zwischen Heilige Geiststrafse und Burgstrafse zum Vermiethen fertig-
gestellt hatte, darauf, dafs die Stadt ihren vertragsmäfsigen Ver¬
pflichtungen nachkäme und die Brücke dem Verkehre eröffn ete, da
andernfalls an ein Vermiethen der Häuser kaum zu denken war. So
wurde denn die Herstellung der westlichen Brückenrampe nach dem
Lustgarten zu mit Macht in Angriff genommen und alsdann eine vor¬
läufige Pflasterung in einer Breite von etwa 15 m (11 m Damm und
je 2 m Bürgersteig) ausgeführt; die nicht fertigen Theile der Brücke
wurden mit Zäunen abgegrenzt und Anfang December 1887 der neue
Strafsenzug dem Verkehr freigegeben. Erwähnt sei noch, dafs in
den Tagen des November ein Urkundenkasten in den linksseitigen
Strompfeiler eingemauert wurde, und nicht ohne wehmüthiges Gefühl
vermag man daran zu denken, dafs an dem Tage der Einmauerung
gerade die ersten Nachrichten von der schlimmen Wendung, welche
die Krankheit des fürstlichen Dulders genommen, aus S. Remo her¬
überkamen und dafs die Zeitungen mit ihren spaltenlangen betrüben¬
den Berichten mit eingemauert worden sind.
Am 2. August des Jahres 1888 endlich sind die letzten Archi¬
volten-Steine der Seitenöffnungen versetzt worden; die Fertigstellung
der Stirnen nahm alsdann nur noch wenig Zeit in Anspruch. Hier¬
von ausgenommen war der stromabwärts gerichtete Theil des linken
Seitengewölbes. Wie bereits erwähnt, war die Entscheidung über
die erforderliche Abstumpfung der Domfundamente Kaiserlicher Be¬
stimmung Vorbehalten. Die Verhandlungen mit den Ministerien haben
sich sehr in die Länge gezogen. Zunächst wurde die Abschrägung
zugegeben, das Widerlager selbst sollte indessen auf dem übrigblei¬
benden Theile der Domfundamente hergestellt werden. Dies erwies
sich jedoch in Rücksicht auf die mangelhafte Gründung der Dom¬
fundamente und die in Aussicht stehende Spreeregulirung als unaus¬
führbar. Da eine Tieferlegung der Flufssohle um 1,20 m in Aussicht
genommen war, würde die Unterkante der Domfundamente bezw. des
Brückenwiderlagers höher als die Flufssohle zu liegen gekommen sein.
So wurde denn im Herbste 1888 die vollständige Beseitigung der
Fundamente, soweit eine solche für den Brückenbau erforderlich war,
zugestanden.
Wenden wir uns nunmehr zu den übrigen Theilen der Brücke.
Hier können wir uns um so kürzer fassen, als technische Schwierig¬
keiten keinerlei Art Vorlagen, nur eine gewisse Geduld erforderlich
war, um die aus Granit bestehenden Arbeiten und Lieferungen
der Vollendung entgegenreifen zu lassen. Bereits im Februar 1887
hatte die Verdingung für das Brückengeländer stattgefunden. Als
Stein wurde ebenfalls Odenwald-Granit gewählt und die Lieferung
gleichfalls Herrn Plöger übertragen. Gefertigt sind die Geländer-
Centralblatt der Bauverwaltung.
111
BIr. 11.
stücke theils in Bensheim von den Besitzern der Brüche, theils im
Fichtelgebirge von der bekannten tüchtigen Firma Ackermann in
Weifsenstadt, theils endlich von der Berliner Firma ß. Schleicher.
Aus demselben Stein bestehen die Unterbauten für die vier Obelisken,
die Endpostamente und die Aufsätze über den Schlufssteinen des
Mittelgewölbes. Alle Arbeiten hat ebenfalls die Firma R. Schleicher
ausgeführt. Die Werksteine sind theils geschliffen, theils polirt zur
Verwendung gelangt.
Von dem architektonischen Schmuck war die Herstellung der vier
Obelisken aus rothem schwedischem Granit der Firma Kessel u. Röhl
übertragen worden. Die krönenden Trophäen, vom Professor
Lüerssen modellirt, sind von der Firma Gladenbeck in Bronce ge¬
gossen, während die Ausführung der broncenen elektrischen Lampen
durch die Actiengesellsehaft Lauchhammer erfolgt ist. Die Her¬
stellung der auf den Endpostamenten aufgestellten broncenen Opfer¬
schalen nebst Untersätzen, deren Modellirung Herrn Bildhauer Wes t-
phal übertragen war, hatte die Firma Schäffer u. Walcker in
Berlin übernommen. Die Modellirung der Schlufssteingruppen der
Mittelöffnung stammt gleichfalls von Professor Lüerssen, ebenso die
Ausführung der in carrarischen Marmor herzustellenden Genien des
Krieges und des Friedens, während Schild, Krone, Scepter und
Schwert von der Firma Gladenbeck in Bronce gegossen sind. Alle
diese Arbeiten sind im Laufe des Sommers 1889 vollendet worden;
nur die Marmorgruppe an der Südstirn harrt, wie bereits erwähnt,
noch ihrer Fertigstellung.
Grofse Arbeit hat wegen der geforderten Genauigkeit der
Bearbeitung und der Gröfse der Abmessungen die Herstellung der
Bürgersteigplatten aus Granit verursacht. In dieser Beziehung ist
die Firma Körner allen Ansprüchen der Bauverwaltung gerecht
geworden. Die endgültige Pflasterung der Brücke nebst der
Rampe nach dem Lustgarten erfolgte im Herbst 1889. In Rück¬
sicht auf die Nähe des Domes war die Verwendung geräuschlosen
Pflasters geboten und da die Steigung der Rami^e — 1 : 61 — die
Verwendung von Asphaltpflaster nicht gestattete, so mufste zum
Holzpflaster gegriffen werden. Dem Vorschlag der im Verding mindest-
fordernd gebliebenen Firma Rütgers, Buchenholz zu verwenden, ist
nicht Folge gegeben, vielmehr imprägnirtes Kiefernholz verlangt. Die
in Berlin mit dem Buchenholz gemachten Erfahrungen — dafs nämlich
die einzelnen Klötze viel unelastischer sind als die aus Kiefernholz
und sich infolge dessen ebenso rund und kuppenartig abfahi-en, wie
die Pflastersteine, und die daraus mit der Zeit sich ergebenden
breiten und tiefen Fugen — lassen die Verwendung des Buchenholzes
nicht räthlich erscheinen. Anders die Kiefernklötze. Durch das
Zerfahren verfilzt die Oberfläche und die Fugen setzen sich voll¬
ständig zu, sodafs wenigstens das Wesen des geräuschlosen Pflasters
länger gewahrt bleibt, als bei den harten, unelastischen, kuppigen
Buchenklötzen.
Der Abschlufs der westlichen Brückenrampe ist nach dem Schlosse
zu ein endgültiger. Derselbe besteht in einer Futtermauer mit eisernem
Geländer. Nach dem Dome zu ist ein gewöhnliches Bohlwerk er¬
richtet. Hier wird ein endgültiger Zustand erst nach dem Umbau des
Domes, also erst nach Jahren eintreten können.
So ist mit dem Herbste des verflossenen Jahres eine Brücke
vollendet und in ganzer Ausdehnung dem Verkehre übergeben worden,
wie sie Berlin noch nicht besitzt, die aufserdem in Bezug auf Kost¬
barkeit der Baustoffe ihresgleichen suchen und, soweit die Aus¬
führung in Betracht kommt, auch hochgesteigerten Ansprüchen ge¬
nügen dürfte. Pinkenburg.
Yermischtes.
Ein zur Gewinnung des Neubauplanes für eine Herz Jesu-
Kirche in Köln a. Rh. unter zehn Architekten veranstalteter Wett¬
bewerb ist in diesen Tagen zur Entscheidung gelangt. Die beiden
Preise gewannen die aus der Kölner Dombauhütte hervorgegangenen
Altmeister Friedrich Freiherr v. Schmidt in Wien und Baurath
Vincenz St atz in Köln im Verein mit seinem Sohne, Baum eistet
Franz St atz. Der Entwui'f des ersteren wird zur Ausführung ge¬
langen. Als drittbester Entwurf wurde der des Baumeisters Blanke
in Köln bezeichnet. Acht Arbeiten waren eingegangen, da zwei der
aufgeforderten Architekten, Hertel in Münster und J. Richter in Bonn,
inzwischen gestorben sind. Dem Preisgerichte gehörten als Fach¬
männer an die Herren Ober-Baurath Denzinger- München, Baurath
Wallot-Berlin und Stadtbaumeister Stübben-Köln. Wir gedenken auf
die Wettbewerbung eingehender zurückzukommen.
Zur Erlangung von Entwürfen zu einem Kreishause in Mülheim
a. d. Ruhr hatte der Kreisausschufs fünf Architekten bezw. Archi-
tekten-Firmen unter Aussetzung eines einzigen Preises von 1000 Mark
zum engeren Wettbewerbe aufgefordert. Das Preisgericht bestand
aus den Herren Landesbaurath Guinbert in Düsseldorf, Kreis-Bau¬
inspector Hillenkamp in Wesel, Landrath Haniel, Bürgermeister
und I. Kreisdeputirter v. Bock, Gutsbesitzer und II.Kreisdeputirter
Stöcker. In der am 19. Februar abgehaltenen Sitzung hat dieses
•einstimmig dem Entwürfe des Architekten Siepmann, Firma Hecht
u. Siepmann in Hannover, den Preis zuerkannt. Die übrigen vier
Entwürfe wiesen ebenfalls recht anerkennenswerthe Leistungen auf.
Der Kreisausschufs hat dem Sieger die Ausführung des Baues über¬
tragen. — p.
In der Preisbewerbuug um ein Verwaltungsgebäude der General-
direction der Rumänischen Eisenbahnen in Bukarest (vergl. S. 466
und 497 d. v. J.) hat das aus fünf rumänischen Fachmännern be¬
stehende Preisgericht am 2. dieses Monats seinen Spruch gefällt.
Unter den 13 eingegangenen Entwürfen wurde der des Pariser Archi¬
tekten Gaston Trelat mit dem ersten Preise (3000 Pranken) aus¬
gezeichnet. Der zweite und der dritte Preis (1500 und 1000 Franken)
sind den Rumänen Belau und Xenopolu zuerkannt worden.
Die Wiederherstellung des Rathhauses in Aachen dürfte jetzt,
nachdem sich die Stadtverordneten -Versammlung mit dem neuesten
Entwürfe des Professors Frentzen in allen Punkten einverstanden
erklärt hat, ihrer Verwirklichung baldigst entgegengehen. Der ur¬
sprüngliche siegreiche*), auf Grund der Ausstellungen des Preis¬
gerichts umgearbeitete Frentzensche Entwurf hat bekanntlich der
Akademie des Bauwesens Vorgelegen und ist von dieser eingehend
begutachtet worden (S. 9 d. v. J.). Bei nochmaliger Bearbeitung
seines Entwurfes, zu der Herrn Frentzen dieses Gutachten veranlafste,
hat sich der Künstler in den meisten Punkten den Anschauungen
■der Akademie angeschlossen. So hat er dem Verlangen nach einer
*) Vergl. Jahrg. 1885 S. 258 d. Bl.
mehr dachreiterartigen Form des Marktthurmes entsprochen. Die
nach Angabe des Gutachtens zu sehr gehäuften wagerechten Gur¬
tungen an den oberen Theilen beider Thurmhelme sind beseitigt
worden, ebenso die bedeckten Galerieen am Marktthurme, an deren
Stelle wieder die unbedeckte Galerie des ersten Entwurfes getreten
ist. Die geneigten Brüstungen und Fialen sind vermieden worden,
ebenso die völlige Auflösung einiger Thurmhelmgeschosse in Mafs-
werkformen; hier hat wie im ersten Entwürfe Einfügung senkrechter,
geschlossener Bautheile stattgefunden. Die früher an beiden Thurm¬
helmen angebrachte decorative Kaiserkrone ist jetzt unter nur ein¬
maliger Verwendung dieses Motivs unmittelbar auf einen Theil der
Helmfläche aufgesetzt. Die schmiedeeisernen Aufsätze der Schorn¬
steine kamen in Wegfall, ebenso die brückenartige Verbindung des
Dachkammes mit dem Marktthurme. Bezüglich der Anordnung der
Luken auf den hohen Flächen des Hauptdaches ist der Verfasser
dagegen bei seinem zweiten Entwürfe verblieben, weil durch eine
Dürersche und andere ältere Zeichnungen dargethan ist, dafs das
Dach des Krönungshauses stets eine dreifache Reihe von Dachfenstern
gezeigt hat. — Der Firstaufbau auf dem Treppenhause der Südseite
ist unter Wiedereinführung der achteckigen Grundform abgeändert
worden, dagegen ist der Laubengang vor den vermauerten Fenstern
in seiner Höhe belassen, weil sonst die erinnernde Beziehung zu
denselben verloren gehen würde. Dem etwas gesetzten Eindruck
des Laubenganges wurde durch Einschaltung einer Stui-ztheilung in
der oberen Hälfte der Oeffnungen zu begegnen gesucht.
Wiederbesetzung der Strafsbiirger Dombauraeisterstelle. Der
auf Seite 92 d. Bl. erfolgten Meldung von dem Tode des Strafsburger
Dombaumeisters August Hartei können wir schon jetzt diejenige von
der Wiederbesetzung der Stelle desselben folgen lassen. Lange ist
somit die altberühmte Bauhütte nicht verwaist gewesen.
Architekt Franz Schmitz aus Köln, der Lehrer Hart eis, wird
diesem im Amte folgen. Der neue Dombaumeister, wie sein Vor¬
gänger ein Kölner von Geburt, steht jetzt im 58. Lebensjahre. Seine
Schulkenntnisse erwarb er sich am Marcellengymnasium seiner Vater¬
stadt, in deren Dombauwerkstatt er als sechzehnjähriger Jüngling
eintrat. In vierjähriger praktischer Thätigkeit erlernte er in der
Domhütte aufs gründlichste das Steinmetzen- und Maurerhandwerk.
Von 1852 bis 1868 war er vornehmlich mit Aufmessung und
zeichnerischer Darstellung der architektonischen Einzelheiten des
Domes beschäftigt. Zum jetzigen Dombaumeister von St. Stephan
in Wien, Oberbaurath Friedrich Freiherrn v. Schmidt, stand er dabei
im Verhältnisse anfänglich des Schülers, später des Mitarbeiters.
Als Schmidt nach Wien übergesiedelt war, wurde Schmitz im Jahre
1859 dessen Nachfolger, und es lag ihm als dem Domwerkmeister*)
die besondere Leitung der umfangreichen Arbeiten ob, die sich der
Hauptsache nach auf den Weiterbau der Domthürme nach den alten
*) Irrthümlich ist er auf S. 92 d. J. als Dombaumeister bezeichnet.
112
Centralblatt der Baiiverwaltung.
15. März 1890.
Plänen erstreckten. Ein bedauerliches Zerwürfnifs mit der Dombau¬
verwaltung veranlafste seinen Austritt aus der Dombauwerkstatt im
Jahre 1868, als er mit der Herausgabe seines berühmten Werkes
„Der Dom zu Köln, seine Construction und Ausstattung“ begann.
Mit einem Eifer, der ihm den Dank seiner Fachgenossen sichert,
unterzog er sich der gewichtigen und mühevollen Arbeit einer klaren,
übersichtlichen und erschöpfenden Darstellung des gewaltigen Bau¬
werkes. In 150 zumeist eigenhändig in musterhafter Weise auf den
Stein gezeichneten Blättern löste er die selbstgestellte Aufgabe in
einer des Baudenkmals in jeder Beziehung würdigen Weise. Die
Veröffentlichung gelangte erst 1880 zum Abschlufs. Nicht ohne
Erfolg betheiligte sich Schmitz bei verschiedenen Wettbewerbungen.
Im Jahre 1864 erhielt er den ersten Preis für seinen schönen Ent¬
wurf zur Dreiköuigenkirche in Frankfurt-Sachsenhausen; 1867 wurde
ihm die höchste Auszeichnung für einzelne ausgestellte Arbeiten auf
der Pariser Weltausstellung zu Theil. Seine baukünstlerische Thätig-
keit erstreckte sich vornehmlich auf den Kirchenbau, und zwar sowohl
in der heimischen rheinisch-westfälischen Gegend wie auch im Aus¬
lande. In wie hohem Grade er aber gerade seiner neuen Stellung ge-
w’achsen ist, davon legen seine Wiederherstellungen mittelalteidicher
Kunstdenkmäler beredtes Zeugnifs ab. Erwähnt seien in dieser Be¬
ziehung nur die St. Annakirche in Düren, die Nicolauskirche in Aachen,
die Severins-, Gereons- und FTrsulakirche in Köln sowie die Münster¬
kirche in Bonn. So darf man die feste Zuversicht hegen, dafs die
Thätigkeit Franz Schmitz’s dem Kleinode deutscher Baukunst, über
das er nun zu wachen hat, zum vollen Segen gereichen wird.
— n.
l)ie feierliche Eröifiniiig' der Forth-Brlicke hat ohne wesentliche
Abweichungen von der auf Seite 84 d. J. mitgetheilten Festordnung
am 4. März d. J. stattgefunden. Die Feier vollzog sich bei bewölktem
Himmel, unter dem Brausen eines westlichen Sturmwindes, welcher
den Firth of Forth zeitweise ungeberdig aufschäumen machte. Die
Bedeutung des Tages erhielt in der Eede des Prinzen von Wales
bei dem an die eigentliche Eröffnungsfeier sich anschliefsenden Fest¬
mahl ihren bemerkenswerthen Ausdruck. Er könne sagen, bemerkte
der Prinz, dafs er in der Eröffnung von Brücken eine lange Er¬
fahrung habe. Als er vor 30 Jahren, einer Einladung der canadischen
Regierung folgend, den letzten Nietbolzen der Victoria -Brücke über
den Lorenz-Strom bei Montreal befestigte, habe die Gesamtzahl der
verwendeten Niete eine Million betragen; in dem heutigen Palle
seien 8 Millionen Niete verwendet, um 51 000 Tonnen Stahl zusammen¬
zufügen. Den Ausführungen des Prinzen, die auch eine vortreffliche
kurze Beschreibung des Kiesenbaues enthielten, entnehmen wir noch
folgendes. Der höchste Punkt der Brücke liegt mehr als 113 m
über dem Spiegel des Mittelwassers, 138 m über der tiefsten Grün¬
dungssohle, die Schienenoberkaute 48 m über dem Hochwasser. Für
den Wärmeausgleich sind Spielräume von V1200 der ganzen Brücken¬
länge gelassen. Der Winddruck ist zu 274 kg/qm angenommen
worden, was auf die Ausleger der Brücke einen Gesamtdruck von
7700 Tonnen ausmacht. lieber 10 Hektar Flächen des Eisenwerkes
sind mit dreifachem Anstrich zu versehen. Die Gesamtlänge der zu
den röhrenförmigen Druckstreben verwendeten Bogenplatten beträgt
67,5 km, ungefähr ebensoviel wie die Entfernung zwischen Edinburg
und Glasgow. 40 Millionen Mark sind aufgewendet worden für Vor¬
bereitungsarbeiten, Gründungen, Pfeilerbauten, für Errichtung des
Ueberbaues, für Beschaffung und Herrichtung von Stahl, Granit,
Mauerwerk, Holz, Concret, ferner für Werkzeuge, Krahne, Bohrer
und sonstige Maschinen. Die Gesamtkosten haben 50 Millionen Mark
betragen, wovon allein 16 Millionen oder rund ein Drittel auf Hülfs-
maschiaen und allgemeine Ausgaben entfallen. Beiläufig sieht man
hieraus, wie bedeutend der ursprünglich aufgestellte Kostenanschlag
— 32 Millionen Mark — überschritten worden ist. Hinsichtlich der
wirthschaftlichen Bedeutung des Unternehmens hob der Kedner
hervor, dafs das Werk nothwendigerweise grofsen Einflufs auf die
Gestaltung des Eisenbahnbetriebes längs der schottischen Ostküste
haben müsse, dafs es aber vor allem zwischen den wichtigen In¬
dustriebezirken und Erzgruben von Fife — der Halbinsel zwischen
dem Meerbusen des Forth und dem des Tay — und den südlichen
Landestheilen eine unmittelbare Verbindung herstelle. Sobald die
nahezu fertiggestellte Glenfarg-Linie dem Verkehre übergeben ist,
wird der Schienenweg zwischen Edinburg und Perth von 111 auf
76 km, die entsprechende Fahrzeit von 2 Stunden 20 Minuten auf
1 Stunde abgekürzt. Der Bahuweg nach Dundee vermindert sich in
gleicher Weise auf 95 km, nach Aberdeen auf 209 km, die Benutzung
von Seefähren hört auf. Bekanntlich ist das Werk durch die drei
bedeutenden Eisenbahnlinien, welche die nordsüdliche Verbindung
an der englischen und schottischen Ostküste hersteilen, die Nord-,
Nordost- und Nordbritischen Eisenbahnen, in Gemeinschaft mit der
Mittellandbahn, unternommen und verwirklicht worden. Unter lautem
Beifall verkündete der Prinz beim Schlüsse seiner Rede, dafs die
Königin anläfslich der Vollendung dieses Baues Herrn Mathew
William Thompson, Vorsitzenden der Forth-Brücken-Gesellschaft
und der Mittellandbahn, sowie Sir John Fowler, Oberingenieur
der Brücke, zu Baronets des Vereinigten Königreichs ernannt, dem
Mitarbeiter des letzteren, Herrn Benjamin Baker, den Orden vom
heiligen Michael und heiligen Georg verliehen und den Unternehmer
Herrn William Arrol zur Würde eines Knight erhoben habe. Herr
An'ol hat, wie bemerkt zu werden verdient, sich von einem einfachen
Eisenarbeiter zu einem der bedeutendsten britischen Unternehmer
aufgeschwungen.
Von den übrigen Tischreden ruul Trinksprüchen sei noch der
Ansprache des preufsischen Vertreters, des Eisenbahn-Bau- und Be¬
triebsinspectors Herrn Mehrten s, gedacht, welcher zugleich im
Namen der anwesenden sächsischen, österreichischen und ungarischen
Fachgenossen den Dank für die Einladung aussprach und angesichts
der grofsartigen Eindrücke des Tages seiner Bewunderung Worte
lieh. Dieser Tag bedeute den Beginn eines neuen Abschnittes in
der Geschichte des Baues eiserner Brücken; die Verwendbarkeit des
Auslegersystems und die Anwendung von Stahl für den Ueberbau
weitgespannter eiserner Brücken sei nunmehr in hervorragender
Weise dargethan.
Die russische „Gesellscliaft zur Hülfeleistuug auf dein Wasser‘‘,
welche unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin von Rufs¬
land steht, hielt am 6. März/22. Februar d. J. in Gegenwart der
Allerhöchsten Schutzherrin unter dem Vorsitz des ehemaligen Ver¬
kehrsministers K. N. Pofsjet ihre diesjährige festliche Jahresversamm¬
lung ab. Aus den Verhandlungen dieser Sitzung dürften nachfolgende
Angaben von allgemeinem Interesse sein. Der Vorsitzende eröffnete
die Versammlung mit einer Eede, in welcher er die Thätigkeit der
russischen Rettungsgesellschaft mit der Thätigkeit ähnlicher Gesell¬
schaften des Auslandes verglich. Herr Pofsjet wies darauf hin, dafs
diese Gesellschaften in England, Frankreich, Deutschland und anderen
Staaten ausschliefslich am Meeresufer thätig sind, während sie in den
Vereinigten Staaten Nordamericas auch an den Ufern der grofsen
Binnenseen wirken. In England sind dabei die Raketenstationen
nicht der Verwaltung der Rettungsgesellschaft, sondern der Ver¬
waltung des Handelsministeriums unterstellt. Mit der Thätigkeit der
ausländischen Rettungsgesellschaften verglichen, erscheint diejenige
der russischen Gesellschaft zur Hülfeleistuug auf dem Wasser wesent¬
lich vielseitiger; letztere Gesellschaft hat Rettungsstationen mit Böten,
Kreuzern, Raketen usw. sowohl am Meeresstrande als auch im Innern
des Reiches an Seen und Flüssen und arbeitet im Winter auch auf
dem Eise. Hinsichtlich des geographischen Umfanges ihres Thätig-
keitsgebietes steht sie ihren ausländischen Schwestergesellschaften
bei weitem voran. Der Erfolg der verschiedenen Eettungsgesell-
schaften im Jahre 1888 drückt sich in folgenden Ziffern aus. Es
wurden in dem genannten Jahre Menschenleben gerettet: Von der
Gesellschaft in England 1078, in den Vereinigten Staaten 826, in
Frankreich 425, in Rufsland 410, in Dänemark 144, in Spanien 89,
in Schweden 57, in Deutschland und Holland je 46. Wiewohl nun
für das riesige Zarenreich, wo jährlich im Durchschnitt gegen 7000
Menschen in den Wellen umkommen, die Ziffer 410 an sich nicht
bedeutend erscheint, so mufs sie dennoch als ein beredtes Zeugnifs
für die Tüchtigkeit und Thatkraft der russischen Rettungsgesellschaft
angesehen werden, denn man darf nicht aufser acht lassen, dafs in
Rufsland die Lösung von Aufgaben, wie sie jene Gesellschaft ver¬
folgt, eben wegen der ungeheuren Ausdehnung des Reiches mit ganz
ungewöhnlichen Schwierigkeiten verknüpft ist.
Die Gesellschaft hat in dem Zeitraum von 1884 bis 1889 zahl¬
reiche neue Rettungsstationen eröffnet und zählte am 1. Januar 1889:
49 Bootstationen, 12 Eaketenstationen und 2 Kreuzerstationen am
Meeresufer, 41 Bootstationen an Flüssen und Seen, 6 Signalfeuer-
Punkte, 72 Halb Stationen und 73 Winterstationen, im ganzen 255
Rettungsstationen; ferner 711 Rettungsposten und Rettungsasyle.
Aufserdem werden in Rufsland noch 281 Rettungsposten von der Zoll¬
verwaltung unterhalten. In der Zeit von 1884 bis 1889 sind durch
die Gesellschaft 4697 Menschenleben gerettet und 252 Schiffbrüche
verhütet worden. Die Gesellschaft verfügte am 1. Januar des laufen¬
den Jahres über ein Vermögen von rund 550 000 Rubel, und zwar
betrug das Grundvermögen 147 033 Rubel, das Vermögen, aus welchem
die laufenden Ausgaben bestritten werden, 245 249 Rubel, das Ver-
sicherungsvei-mögen 24158 Rubel, endlich das Vermögen zur Unter¬
stützung der Wittwen und Waisen 133 606 Rubel. — V. —
Seilziig durch drei Punkte. Wir werden darauf aufmerksam
gemacht, dafs das in Nr. 9A, Seite 94 dieses Blattes mitgetheilte
Verfahren, eine Seillinie durch drei Punkte zu führen, sich auch —
mit einer sehr einfachen Begründung — in der Graphischen Statik
von Müller -Breslau, Band I (Seite 192 und 193)*) findet.
*) Leipzig, 1887, Baumgärtners Buchhandlung.
Verlag von Ernst & Korn (tVilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
113
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 22. März 1890.
Redactlou : SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen :
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Anslande 1,30 Mark.
INHAIiT; Amtliches: Personal-Nachrichten. — Gutachten und Berichte. FaQaden-
Entwurf für das neu zu erbauende Dom-Hotel in Köln. — Nichtamtliches: Wasser¬
strafse zwischen Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-Strafshurg, Canal oder freier Rhein ?
(Fortsetzung.) — Sicherheits - Prellbock mit Wasserbremse von Langley. — Gebäude
der ,Tattersail“-Gesellschaft in Mannheim. — v. Esseuweins Kriegshauknnst. — Gas-
explosion auf der Kaiser Wilhelm-Brücke in Berlin. — Vermischtes: Jahresfest
des Berliner Architekten -Vereins. — Internationale elektrotechnische Ausstellung in
Frankfurt a. M. — Preisbewerhung der Kurfurstendammgesellschaft in Berlin für ihre
Villencolonie Grnnewald. — Preisausschreiben der Stadt Frankfurt a. Main für den
Bau der neuen Poterskirche.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
SeineMajestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Garnison-
Bauinspector Rofsteuscher in Spandau den Rothen Adler-Orden
IV. Klasse zu verleihen, sowie den bisherigen Abtheilungs-Dirigenten
bei der Königlichen Eisenbahndirection in Erfurt, Ober-Bau- und
Geheimen Regierungsrath Quas so wski, zum Präsidenten der König¬
lichen Eisenbahndirection in Magdeburg zu ernennen.
Der Professor an der Königlichen technischen Hochschule in
Berlin, Müller-Breslau, ist zum Mitgliede des Königlichen tech¬
nischen Ober-Prüfungs-Amtes in Berlin ernannt worden.
Zu Königlichen Regierungs - Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Paul Trieglaff aus Arnswalde i. N. (Ingenieur¬
baufach); — Fritz Garnn aus Magdeburg, Albert Grund aus
Spandau, Wolfgang Hassenpflug aus Eschwege und Friedrich
Schmidt aus Darmstadt (Maschinenbaufach).
Die bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Paul Hesse
und Vincent Dylewski sind seitens der Stadt Berlin als Stadt¬
baumeister angestellt worden.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Georg Matz¬
dorff in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienst ertheilt worden.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, dem
Admiralitäts-Rath im Reichs - Marine -Amt Görris aus Anlafs seiner
auf eigenen Antrag erfolgten Verabschiedung aus dem Reichsdienst
den Charakter als M^irklicher Admiralitäts-Rath zu verleihen.
Bayern.
Dem Königl. Ober-Baudirector der Obersten Baubehörde Max
Ritter v. Siebert in München ist die II. Klasse des Königl. bayer.
Verdienstordens vom heiligen Michael verliehen worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, am 13. März
d. J. die erledigte Strafsen-Bauinspection Künzelsau dem Verweser der¬
selben, Abtheilungs-Ingenieur Lambert, die erledigte Strafsen-Bau¬
inspection Ehingen dem Verweser derselben, Abtheilungs-Ingenieur
Braun, und die erledigte Strafsen-Bauinspection Oberndorf dem Ver¬
weser derselben, Abtheilungs-Ingenieur Reger zu übertragen, sowie
am 11. März d. J. den Eisenbahnbetriebs -Bauinspector Riedinger
in Mühlacker seinem Ansuchen gemäfs in den Ruhestand zu versetzen.
Bremen.
Der Bauinspector E. Böttcher in Bremen ist gestorben.
Gutachten und Berichte.
FaQaden- Entwurf für das neu zu erbauende Dom -Hotel in Köln.
Gutachten der Königlichen
Berlin, den 4. December 1889.
Der Akademie des Bauwesens ist durch den Erlafs des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 11. November d. J. — III
19 666 -— der Auftrag ertheilt worden , sich gutachtlich über die
Angemessenheit des obengenannten Paraden -Entwurfes mit Rück¬
sicht auf die Nähe des Domes zu äufsern. In der Sitzung vom
26. November d. J. hat die Abtheilung für den Hochbau den Gegen¬
stand einer Prüfung unterzogen und ist dabei zu folgendem Ergebnifs
gekommen.
Nach dem vorliegenden Entwürfe beträgt der Abstand der nörd¬
lichen Baufluchtlinie des Hotels vom Dome 37 m, während die künftige
östliche Baufluchtlinie des Hotels um rund 36 m hinter die jetzt vor¬
handene alte Häuserflucht am Domplatze, d. h. soweit zurücktritt,
dafs die Hauptfa9ade etwa in die Querachse der beiden Domthünne
fällt, wodurch eine unmittelbare Nachbarschaft der Fa^aden des
Hotels mit denen des Kirchenschiffes vermieden wird.
Die Fa^aden des Hotels sollen eine Höhe von 20,4 m bis Ober¬
kante des Hauptgesimses erhalten, während über dem Hauptgesims
drei kuppelartige Aufbauten von 36 bezw. 40 m Höhe bis zur
äufsersten Spitze projectirt sind.
Ein Vergleich der entworfenen Hotelfa^aden mit den geometri¬
schen Aufrissen der Domfa^aden läfst erkennen, dafs die für erstere
angenommenen Höhen an sich zwar sehr beträchtlich, aber im Ver¬
gleich zu den gewaltigen Höhenabmessungen des Domes unbedeutend
Akademie des Bauwesens.
sind, da die Thürme des letzteren eine Höhe von rund 150 m und
die Hauptschiffe bis zur Galerie oberhalb des Hauptgesimses eine
Höhe von 50 m haben, wonach die Spitze der höchsten Hotelkuppel
noch 10 m unterhalb der vorgenannten Galerie liegen würde. Die
Höhenverhältnisse des Hotels geben somit zu Bedenken keinen Anlafs.
Ebensowenig sind die für das Hotel gewählten Architekturformen
geeignet, einen nachtheiligen Einflufs auf den Dom auszuüben, da
dieselben von denen des Domes gänzlich abweichen und daher eine
Concurrenz beider Bauwerke auch in dieser Richtung ausgeschlossen
ist. Die Kuppelbauten des Hotels stehen in wohlthuendem Gegensatz
zu dem verticalen Aufbau des Domes, sodafs deren Beibehaltung
umsomehr empfohlen werden kann, als ohne dieselben die architek¬
tonische Erscheinung des Hotels wesentlich beeinträchtigt werden
würde.
Da die vorliegenden Fa^aden-Zeichnungen nur in flüchtiger Aus¬
führung zum Zwecke der baupolizeilichen Genehmigung gefertigt sind
und die architektonische Ausbildung nur skizzenhaft dargestellt ist,
darf erwartet werden, dafs für einige weniger befriedigende Theile
der Facade, unter welchen besonders die obere Säulenhalle der Ost¬
front zu erwähnen ist, bei weiterer Durcharbeitung und Detaillirung
der Architekturformen eine bessere Wirkung zu erreichen sein wird.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
[Alle EecMe Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Wasserstrafse zwischen Mannheim -Ludwigshafen und Kehl-Strafshurg,
Canal oder freier Rhein?
II.
Wie schon angedeutet, ist das Mafs der Schiffbarkeit des Rheins
von Mannheim bis Strafsburg streckenweise verschieden. Von Mann-
(Fortsetzung.)
heim bis Speyer sind die Fahrwasserverhältnisse in jeder Beziehung
mindestens ebenso günstig als unterhalb Mannheim, ja günstiger als
im Rheingau und als in der Gebirgsstrecke Bingen - St. Goar; die
114
Centralblatt der Bauverwaltuug. ,? 2^ März 1890
-- . - - - - - ^ :• „ 1<
Falirwasserverliältnisse tragen keine Schuld, dafs in dem Hafen von
Speyer sich nur ein äulserst geringer Verkehr abspielt. Weiter auf¬
wärts aber nimmt die Zeit, während welcher innerhalb des Jahres
die Grofs - Schiffahrt unbehindert durch Mangel an Fahrwassertiefe
betrieben werden kann, gegenüber dem Miftelrhein ab. Ein scharfer
ziff’ermäfsiger Vergleich hierüber läfst sich nicht geben, weil bei
günstigen Frachtsätzen die Schiffahrt noch fortbetrieben wird, auch
wenn die grofsen Fahrzeuge schon lange nicht mehr volle Ladung
aufuehmeu können. Man kann aber schätzungsweise annehmen, dafs,
wenn auf dem Khein unterhalb Speyer die Störung oder die emptind-
liche Beeinträchtigung der Schiffahrt durch Eisbildung^ und allzu
knappe Fahrwassertiefe durchschnittlich 50 Tage im Jahr dauert,
dieser Ausfall an guten Schiff'alirtstagen weiter stromauf beträgt:
bis Leopoldshafen 00, bis Maxau 100, bis Lauterburg 120 Tage.
Mit der Abnahme der Fahrwassertiefe oder, was gleichbedeutend,
mit der Zunahme der Dauer der Beeinträchtigung der Schiffahrt
durch Niedrigwasser steht die Verkehrsbewegung in den genannten
Häfen nicht in Uebercinstimmung. Die Zu- und Abfuhr an Gütern
— ohne Flofsholz — hat beispielsweise im Jahre 1888 betragen: in
Speyer 1960, in Leopoldshafen 17 247, in Maxau 47 656, in Lauter¬
burg 40041 Tonnen.
Speyer, die Hauptstadt der Kheinpfalz, an der vorzüglichsten
Wasserstrafse gelegen, erscheint mit der bei weitem kleinsten Ziffer
— es ist auch die kleinste in der Statistik des Rheinverkehrs.
Germersheim ist dort gar nicht verzeichnet. Trotz der ungünstigeren
Fahrwasserverhältnisse ist der Verkehr in Maxau erheblich gröfser
als in Leopoldshafen; und dasselbe gilt auch von Lauterburg, wo¬
selbst erst vor wenigen Jahren der Hafen eröffnet worden ist, um
alsbald einen ziemlich lebhaften Verkehr aufzunehmen.
Zwischen Lauterburg und Strafsburg ist die für grofse Rhein-
schiff'e erforderliche Fahrwassertiefe in der Regel nur während der
periodischen Sommeranschwellung des Rheins vorhanden. Aber auch
diese, doch meist zwei bis drei Monate währende, günstige Zeit wird
von der Schiff'ahrt keineswegs ausgenutzt; in der Regel gehen nur
einige Kohlenladungen bis Plittersdorf, Greff'ern, Strafsburg und
Kehl.
Man sieht — es möge hier nur nebenher darauf hingewiesen
werden — , dafs die Fahrwasserverhältnisse nicht allein entscheidend
sind für die Benützung einer Wasserstrafse und für den Verkehr
eines Uferortes. Schon Speyer ist hierfür ein beredtes Beispiel, aber
auch im übrigen der bescheidene Verkehr auf dem Rhein oberhalb
Mannheim. Bis Lauterburg ist der Rhein unzweifelhaft eine bessere
Wasserstrafse als der Ober- und Mittellauf vieler anderen Flüsse mit
lebhafter Schiffahrt, wie der Elbe, Oder u. a. Auch auf dem Neckar
mit seinen während der für die Rheinschiff’ahrt besten Jahreszeit
— Sommer und Herbst — anhaltenden Niederwasserständen, mit
kleinsten Fahrtiefen, die nicht selten unter 0,50 m herabgehen und
dann zur Einstellung der Schiff'ahrt zwingen, mit seinen zahlreichen
Stromschnellen und Felsriff’en — • also unter Verhältnissen, die gewifs
nicht günstiger sind als jene der Rheinstrecke Lauterburg-Strafsburg,
herrscht im Anschlufs an den Rhein reger Verkehr: 1888 hat die
Schleppschiff'ahrt hier 136 555 Tonnen Güter zu Berg befördert und
123 045 Tonnen Thalgüter sind auf dem Neckar in Mannheim an¬
gekommen. Die Verkehrsbewegung auf dem Seitenflufs ist also
erheblich gröfser als jene in den Rheinhäfen oberhalb Mannheim.
Heilbronns Handel und Industrie stützen sich wesentlich auf die
bescheidene Wasserstrafse des Neckars, und Strafsburg hat so gut
wie gar keinen Rheinverkehr! Die Ursachen dieser auf den ersten
Blick auffallenden Erscheinung sind auf einem Gebiete zu suchen,
auf das hier die Betrachtungen nicht erstreckt werden sollen.
Ebenso ist es nicht aus technischen Gründen zu erklären, wes¬
halb man in Strafsburg in erster Linie einen Canal von dort bit
Ludwigshafen anstrebt, obschon nie zweifelhaft war, dafs zwischen
Ludwigshafeu und Speyer die natürliche Wasserstrafse lediglich
nichts zu wünschen läfst, und obschon der Bau der Canalstrecke
Speyer - Ludwigshafen 6 Millionen Mark kosten würde. Deutlich
kommt hierin die Voreingenommenheit für den t^anal zum Aus¬
druck. —
Worin liegt nun aber die Ursache, dafs zwischen Speyer und
Mannheim der Strom sich für die Schiff'ahrt günstiger gestaltet hat
als oberhalb? Schon die Beantwortung dieser Frage mufs erkennen
lassen, ob eine Verbesserung der Wasserstrafse stromauf von Speyer
bis Strafsburg möglich erscheint und mit welchen Mitteln sie anzu¬
streben wäre.
In der ganzen Stromstrecke entlang der baj-erisch-badischen und
der badisch-elsässischen Grenze ist der Rheinstrom „corrigirt“.. Unter
der Correction eines Wasserlaufes versteht man die Verbesserung
seines Zustandes durch Aenderung, Geradelegung oder doch Streckung
der Laufrichtung und durch regelmäfsige Gestaltung der Bettbreite
und der Ufer — im Gegensatz zur Stromregulirung, womit jene
Mafsregeln bezeichnet werden, die im wesentlichen auf die Schaffung
regelmäfsiger Gestaltung des Gerinnes selbst, -4- der Solde — und
damit auch des Stromstriches abzielen. Correctionen haben in der
Regel den Landschutz, Regulirungen die Verbesserung der Wasser¬
strafse zum Hauptzweck.^)
In der bayerisch-badischen und badisch-elsässischen Rheinstrecke
waren die Stromzustände verschieden, und deshalb sind zur Erreichung
desselben Zweckes auch verschiedene Mittel in Anwendung gekommen.
Die weit ausschweifenden Windungen der ersteren mit ihrem Wechsel
von tiefen Kolken und hohen Geschiebeanlagerungen hatten heftige
Angriffe der überall angebauten und^Iiesiedelten Ufer veranlafst und
den Abflufs der Hochwasser und den Eisabgang gehemmt, dadurch
Ufereinbrüche, häufige Ueberschwemmungen und Versumpfungen
gröfser Flächen mit gesundheitsschädlichen Folgen verursacht. Ent¬
lang der badisch-elsässischen Grenze war es die zunehmende Ver¬
wilderung des Rheidlaufes — der Strom war durch Inseln und
Kiesfelder in zahlreiche Arme und Giefsen getheilt und das ganze,
vielerorts über 1 km breite Stromgebilde fortwährenden Verände-
i'ungen unterworfen, insbesondere in der Aufschüttung’ durch die
von den Ufern weggerissenen Geröllmassen begriffen — , die, ähnliche
Uebelstände zur Folge gehabt hat. Während es sich also, um die
Rheinanwohner aus ihrer mehr und mehr unerträglich gewordenen
Lage zu befreien, bei der 1817 begonnenen bayerisch-badischen Rhein-
correction in der Hauptsache darum gehandelt hat, jene schlimmen
Stromkrümmen durch Geradelegung des Laufes mittels Durchstiche
zu beseitigen, lag bei der 1840/41 zwischen Baden und Frankreich
vereinbarten Correction die Aufgabe vor, in dem Gewirre von Inseln
und Stromarmen, Kiesbänken und Rinnsalen ein geschlossenes Strom¬
bett durch Herstellung paralleler Uferbauwerke erst zu schaffen.
Aber auch zwischen den bayerisch -badischen Durchstichen in den
in der Laufrichtung unverändert belassenen Stromstrecken ist die
für die Durchstiche angenommene Normalbreite nachmals durch
Uferbauwerke hergestellt worden.
Das Ergebnifs der beiden Correctionsweisen ist dasselbe: hier
wie dort ein Stromlauf in gestreckter oder doch nur sanft und stetig
gekrümmter Richtung mit gleichrnäfsiger Breite zwischen den regel-
mäfsig gestalteten und durchweg befestigten Ufern oder deren Stelle
vertretenden Werken. Dabei ragen diese letzteren fast durchweg
über den Mittelwasserstaud , so zwar, dafs bei dem gewöhnlichen,
durch die Schneeschmelze des Hochgebirges verursachten Sommer-
, hochwasser die ganze Wassermasse noch zwischen den Normalufern
abfliefst; erst durch die aufsergewöhnlich hohen Fluthwellen werden
sie überstiegen. ' ’ , , ’ > ;
Die Correction des Oberrheins ist also ganz wesent¬
lich und grundsätzlich verschieden von den Regulirungen,
wie sie am Mittel- und Unterrhein zur Förderung der
Schiffahrt ausgeführt und noch in der Ausführung be¬
griffen sind. Dort spielt sich die strombauliche Thätigkeit haupt¬
sächlich innerhalb des Strombettes ab und grÖfserentheils unter
Mittelwasser. Die Ausbildung einer regelmäfsigen Stromrinne für
die niedrigeren Wasserstände ist das Hauptziel; bei höheren Wasser¬
ständen sollen die Strombauten mehr und mehr aufser Wirkung
treten, während durch die Correction des öbei-rheins gerade bei
diesen Wasserständen die Ausschweifungen des Stromes verhindert
und die gleichmäfsige und unschädliche Abströmung befördert wird.
Durch die Correction des Oberrheins ist hauptsächlich eine Ver¬
änderung der Stromverhältnisse bei den periodischen und aufser-
ordentlichen Hochwassern, durch die Regulirungen am Mittel- und
Unterrhein eine Einwirkung auf die Niederwasserverhältnisse an¬
gestrebt.
Hier wie dort ist durch die ausgeführten Strombauten der Zweck
erreicht, der ihre Herstellung veranlafst hat. Die Schiffahrt auf dem
Mittelrhein konnte nur durch die ausgiebige Verbesserung der Wasser¬
strafse zu ihrer grofsartigen Entwicklung kommen, und der Strom-
correction ist es zu danken, wenn die badisch -elsässisch- bayerische
Rheinniederung zu einer gesunden, wohlhabenden Gegend geworden
ist und heute niemand mehr daran denkt, ein Dorf vOm Rhein weg¬
zuverlegen, wie dies noch zu Anfang dieses Jahrhunderts der häufigen
Wassersnoth wegen in der Gegend von Germersheim -Philippsburg
geschehen ist. Allein während am Mittel- und CNiederrhein die im
Interesse der Schiffahrt ausgeführten Regulirungen auch fast überall,
wo es nöthig war, ausreichenden Uferschutz gewährt haben, ist um¬
gekehrt am Oberrhein durch die Correction die Verbesserung des
Stromes als Wasserstrafse nicht in dem Mafse erreicht worden, wie
3) Diese Unterscheidung des’ sprachlichen Ausdruckes ist aller-
^ dings nicht immer und überall beobachtet. Im Süden des Reiches
ist das Wort „Correction“, im Norden ,, Regulirung“ für Verbesserung
eines Wasserlaufes vorzugsweise gebräuchlich; im höheren Binnen¬
lande bezwecken diese Verbesserungen aber in der That auch über¬
wiegend den Landschutz, im nördlichen Tiefland die Förderung des
Verkehrs.
C entr al bl a tt de r ß a u ver w al t u ag.
115
dies von manchen Seiten gehofft war, von anderen allerdings von
Anfang bestritten worden ist. / /Der G;i-upd Mggt, in deuf Syfetöm dey
(.'orrection selbst, ..wie , es hier, im Hinblick auf deren ^weck
wohl berechtigt, Anwendung gefunden hat. • '
Wenn am Mittel- und Niederrheip die Normalbreite der Kegu-
lirung >vechsell; je ^nach den Gefällverhältnissen, so war dies, noth-
wehdig, uni mbgliclist.uherall' die gleiche Fahrwassertiefe zu schaffen,
und diese Ungleichheit in der Breite des J^iederwasserbettes .hat
für den regelmiafsignn Wasserablauf und sonst für den .Landschiit?
keinerlei nachtheilige Wirkung. Wenn aber aip Öberrhein von der
Neckarmündühg änfwäfts die Breite des Cörfectipnsbettes trotz des
nach oben zunehmenden Stfbmgefälles gleich bleibt, ja oberhalb der
bayerisch -elsässischen. Grenze , bis hoch über Kehl - Strafsburg hinaus
sogar gröfser ist als entlang der bayerisch-badischeh Grenze, so war
es deshalb nllein schon unmöglich, . da.fs sich in der neuen Strombahn
durchweg die gleiche , Wassertiefe einstellte. Denn, wie leicht ein¬
zusehen, wird sich . bei gleicher Wassermenge und gleicher Strombreite
da, wo das Gefalle stärker und damit die Strömung rascher ist, der
W assefspiegel , weniger hoch über die Stromsohje erheben als bei
weniger starkem Gefälle und langsamem Wasserabflufs. Der Unter¬
schied wird noch gröfser, wenn irtit dem zunehmenden Gefälle auch
die Wassermasse sich vermindert, was beim Aufsteigen in ,der
Richtung gegen das; Quellengebiet des Wasserlaufes ja immer der
Fall ist. ' ■ . ■ .
Die Normalbreite des Rheins — von Uferkante zu Üferkante
gemessen — ist von der Neckarmündung bis zur Mündung der Lauter
an der bayerisch -elsässischen Grenze 240 m, von hier aufwärts bis
20 km oberhalb Kehl 250 m; die Zunahme des Stromgefälles aber ist
gestaltet, wie folgt:
Stromstrecke
Länge
Gefälle
auf 1 km
km
in
zwischen Mannheim -Ludwigshafen und Speyer .
24,45
0,14
zwischen Speyer und Philippsburg (Germersheim)
11,65
0,20
zwischen Philippsburg und Leopoldshafen . . .
17,86
0,25
zwischen Leopoldshafen und Maxau . j
,8,81
0,33
zwischen Maxau und Lauterburg ... . . . '
13,03
0,36
zwischen Lauterburg und Plittersdorf- Selz . .
9,05
0,43
zwischen Plittersdorf-Selz u. Söllingen (Fort Louis)
12,74
0,47
zwischen Söllingen und Gambsheim (Freistett) .
19,07
0,54
zwischen Gambsheim und Kehl (Strafsburg) . .
14,85
0,57
In der untersten .Stromstrecke — abwärts Speyer — mit ihrem
schwachen Gefälle ist nun seit Jahren schon eine Wassertiefe vor¬
handen, die, wie erwähnt, den weitestgehenden Ansprüchen der
Schiffahrt genügt. Dabei ist die Richtung des Thalweges (Haupt¬
stromstrich und Schiffweg) gestreckt und nur unerheblichen Ver¬
änderungen unterworfen, und das Längenprofil der Thalwegsohle
zeigt, von einigen tieferen Kolken am hohlen Ufer der noch vor¬
handenen Stromkrümmungen abgesehen', sanft wellige Form. Solch
ausnehmend günstige Gestaltung war vor der Rheincorrection nicht
vorhanden gewesen; sie war auch ‘nicht vorhanden, als erst die
einzelnen Geradelegungen mittels Durchstiche ausgeführt waren.
Sie hat sich aber alsbald eingestellt, alS in diesen Durchstichen
infolge der stromauf fortschreitenden Tieferbettung der Sohle das
anfangs verstärkte Gefölle sich wieder namhaft vermindert hatte und
nachdem in den zwischen den Durchstichen verbliebenen Strom¬
strecken die zu grofsen Strombreiten auf das als Norm angenommene
IMafs von 240 m eingeschränkt worden waren. Hier - — zwischen
Mannheim und Speyer — ist also durch die Rheincorrection
nicht nur die Sicherung der Ufer und der Stromniederung, sondern
zugleich auch eine ganz vorzügliche Wasserstrafse geschaffen worden.
Einige Kilometer oberhalb Speyer beginnen die für die Benützung
als Wasserstrafse mafsgebenden Verhältnisse sich ungünstiger zu ge¬
stalten, und bald bewegt sich der Thalweg von einem Ufer zum
andern, so zwar, däfs er in Abständen von je etwa 2 km wieder dem
gleichen Ufer anliegt — meist in schmaler Rinne, gebildet durch das
feste Ufer und eine den übrigen Theil des Strombettes einnehmende
Geröllanlagerung, die bei niedrigeren Rheinständen als Kiesbank über
den Wasserspiegel hervortritt. Wo der Thalweg, vom einen gegen
das andere Ufer sich wendend, die Strominitte überschneidet, kreuzt
er auch eine hochliegende Schwelle, welche jeweils die beiden in der
Längsrichtung des Stromes aufeinanderfolgenden Kiesbänke ver¬
bindet und von dem an dieser Stelle stets seichten Wasser in gröfser
Breite und mit namhaft gesteigerter Geschwindigkeit überströmt wird.
Diese für die Schiffahrt sehr ungünstige Thal wegbil düng ist, wenn
auch weniger schroff gestaltet als weiter oberhalb, schon in der
Gegend von Philippsburg- Germersheim in einem bemerkenswerthen
Grad von Regelmäfsigkeit vorhanden. Bei einem Wassei’stande, der
in der Stromstrecke Mannheim-Speyer noch vollkommen 2 m Fahr¬
wassertiefe gewährt, finden sich auf den Thalwegschwellen im oberen
Theil der- Strecke Speyer-Gcrmersheim schon Stellen mit nur
1,30 m, zeitweise. noch weniger. In der einen wie in der andern Strecke,
sowie überhaupt in seinem Lauf durch die Oberrheinische Ebene vom
l{|aisßrstuhlgebirge bis zur Nbckarmündung hinab bewegt sich der Rhein
aüf seiner eigenen Alluvion; den Grad der Beweglichkeit der Strom-
öohle im Verhältnifs zur Stromkraft ist hier also überall der gleiche.
Vollkommen gleich ist auch die Breite des Strombettes. Eine Verschie-
deüheit der Abflufsbedingungeu der beiden Stromstrecken besteht
nur in der Wassermenge und in dem Gefälle. Der Unterschied der
Wassermengen ist nicht von Belang; da unterhalb Speyer nur einige
Bäche münden, die in Zeiten niedriger Wasserstände — und auf
solche kommt es hier hauptsächlich an — dem Rhein nur sehr wenig
Wasser znbringen, so ist die in der Stromstrecke Germersheim-Speyer
abfliefsende Wassermenge auch nur wenig kleiner als in der Strecke
Speyer -Mannheim. Dagegen ist der Unterschied des Gefälles be¬
deutend; in der Strecke Speyer -Mannheim 0,14 o, Io, ist das Gefälle
in der Strecke Genuersheim-Speyer' schon auf 0,20 o'oo gewachsen; —
klar tritt diese Gefällzunahme als die Ursache der veränderten
Thalweggestaltung, der geminderten Schiffbarkeit, hervor.
Zwischen Mannheim und Speyer ist die Strombreite zu dem
Gefälle in solch günstiges Verhältnifs gesetzt, dafs hier die Strom¬
sohle in der für die Schiffahrt denkbar besten Weise sich ausgebildet
hat. Gerade aber, weil dies hier der Fall ist, kann es in der oben
anschliefsenden Stromstrecke, in welcher zwischen der Strombreite und
dem Gefälle ein wesentlich anderes Verhältnifs besteht, nicht auch
der Fall sein.
Und was für die Strecke Kpey er - Germersheim gilt, trifft
für die ganze Stromstrecke Germersheim-Kehl mit ihrem zu¬
nehmenden Gefälle in wachsendem Mafse zu. In dieser gröfseren
Erstreckung macht sich, zumal oberhalb der Mündung der Schwarz¬
wald- und. Vogesenwasser, überdies auch noch die Abnahme der
Wassermenge geltend • — wennschon gegenüber der Gefällzunahme
nur in weniger erheblichem Mafse. Kein Zweifel: wenn von Speyer
aufwärts die Normalbreite des Stromes entsprechend dem wachsenden
Gefälle und der Wasserabnahme gemindert worden wäre, so hätte
auch die gleiche Sohlengestaltung und Wassertiefe, wie in der Strom¬
strecke Speyer-Mannheim, herbeigeführt werden können. Dafs nicht
so verfahren worden, hat seine volle Berechtigung; denn solche Ver¬
engung des Strombettes, das nicht nur Mittelwasser, sondern sogar
noch die gewöhnlichen Hochwasser aufzunehmen hat, würde schon
in der bayerisch -badischen Stromstrecke, wo sie, wenigstens unter¬
halb Leopoldshafen, nur in mäfsigem Betrag nöthig gewesen wäre,
doch üble Wirkungen auf die Gesamtverhältnisse des Stromes
— Hebung des. Hochwasserspiegels, heftige Strömung, verstärkte Ge¬
schiebebewegung, übermäfsige Senkung der Stromsohle — zur Folge
gehabt, und in der badisch- elsässischen Rheinstrecke würden sich
geradezu ungeheuerliche Stromprofile ergeben haben.
Die Berechtigung der Gründe zu prüfen, welche davon abgehalten
haben, die Normalbreite am Oberrhein, wie es oberhalb Strafsburg
geschehen, auch zwischen Mannheim und Strafsburg wenigstens mit
Rücksicht auf die Wasserlieferung der Nebengewässer innerhalb ge¬
wisser Grenzen abnehmen zu lassen, ja sogar dazu bestimmt haben,
diese Breite oberhalb der Lauter gröfser zu bemessen, hat hier um
so weniger Zweck, als aufser Zweifel steht, dafs durch eine stromauf
fortschreitende Verminderung der Normalbreite des Strombettes selbst
— zwischen den Uferbauten — in dem bescheidenen Mafse, in wel¬
chem sie mit Rücksicht auf die höheren Wasserstände nur hätte in
Anwendung kommen können, eine sehr wesentliche Aenderung in der
Thalweggestaltung, jedenfalls eine für die Gi'ofsschiffahrt bis Kehl
hinauf ausreichende Vergröfserung der Fahrwassertiefen nicht erreicht
worden wäre; und so kann auch jetzt von einer solchen Mafsnahme,
die zudem sehr grofsen Kostenaufwand erforderte, ernstlich nicht die
Rede sein.
Wie erwähnt, ist es ja auch nicht die Regelung der Breite,
welche der Strom bei mittleren und höheren Wasserständen ein¬
nimmt, wodurch mau die Schift'ahrtsstrafse verbessert, sondern die
Ausbildung einer regelmäfsigen Niederwasserrinne. Und dieses Mittel
kann denn auch am Oberrhein allein in Frage kommen: nachdem
der Stromlauf selbst regelmäfsig gestaltet ist, würde es
sich nunmehr darum handeln, innerhalb des durch die
Correction hergestellten Strombettes die Niederwasser¬
rinne in der für die Schiffahrt erforderlichen Tiefe und
Breite zu schaffen. Jetzt erst hätte hier zwischen den künst¬
lich gestalteten Uferlinien das zu geschehen, was am Mittel¬
und Unterrhein zur Verbesserung der Wasserstrafse innerhalb des
natürlichen Strombettes seit vielen Jahrzehnten geschehen ist
und zur Zeit noch geschieht.
(Fortsetzung folgt.)
116
Centralblatt der ßauverwaltung'.
22. März 1890.
Sicherheits-Prellbock mit
Es erfordert einen nicht unbeträchtlichen Grad von Geschick¬
lichkeit und Sicherheit, einen Zug so in eine Kopfstation einzuführen,
dafs derselbe ohne Fahrtunterbrechung nahe vor dem Endabschlufs
eines Kopfgeleises zum Stillstand kommt. Den Beweis hierfür liefern
die infolge Ueberfahrens dieser Abschlüsse wiederholt vorgekommenen
Unfälle und Betriebsstörungen. Die Abschlüsse unverrückbar fest
und starr zu gestalten, wie dies in England bis in die neuere Zeit
üblich und durch die dortigen hohen Bahnsteige begründet war, hat
ebensowohl Bedenken, wie dieselben in leichter Bauart herzustellen,
wie man dies wohl bei niedrigen Bahnsteigen findet. Im ersten Falle
erscheint der Zug mit seinen Insassen, im andern Fall die Bahnanlage
und das auf derselben verkehrende Publicum besonders gefährdet.
In England besteht die allgemeine Vorschrift — wenigstens für alle
beim Abrechnungshofe betheiligten Verwaltungen — , dafs die Fahr¬
geschwindigkeit der Züge bei der Einfahrt in die Kopfbahnhöfe so
geregelt werden soll, dafs es möglich ist, dieselben durch alleinige
_C
o
Anwendung der Handbremsen zum Stehen zu bringen (vgl. Regel 293
der englischen Anweisung für den äufseren Betriebsdienst). In
Deutschland hat man in einzelnen Fällen die besondere Weisung
erlassen, dafs die Züge nicht zu nahe an das Ende der Kopfgeleise
herangefahren werden dürfen. Derartige Vorschriften tragen zur
Vermehrung der Betriebssicherheit nur mittelbar bei; im weiteren
läfst sich jedoch auch eine Vergröfserung der Sicherheit in un¬
mittelbarer Beziehung dadurch herbeiführen, dafs die lebendige
Kraft des Zuges allmählich so abgeschwächt wird, dafs nachtheilige
Folgen nicht mehr zu besorgen sind.
Von dem Gedanken ausgehend, dafs Federkraft für derartige
Zwecke ungeeignet sei, weil jeder Rückstofs vermieden werden müsse,
hat Alfred A. Langley in Derby eine Einrichtung angegeben, bei
welcher durch die Stofskraft des anfahrenden Zuges eine einge¬
schlossene Wassersäule durch einen Ausflufsquerschnitt von mäfsiger
Gröfse allmählich zum Entweichen gebracht wird. Mit der Vor¬
richtung ist ein starrer Bufferkörj)er verbunden, welcher sowohl zur
Begrenzung des Hubes als auch dazu dient, bei besonders starken
Stöfsen deren Kraft vollends zu erschöpfen. Langley nennt seine
Erfindung „hydraulic buffer stop“. Die Einzelheiten der im Jahr¬
gange 1886 des Engineering beschriebenen Einrichtung sind in den
Abbildungen 1 bis 4 dargestellt.
Durch den anfahrenden Zug werden zwei stählerne Kolben¬
stangen AA (Abb. 1 und 2) zurückgetrieben und hierdurch das in
dem Raume jedes Cylinders B (Abb. 3) befindliche Wasser in den
Raum Rs gedrückt. Zu dem Ende hat zunächst jeder Kolben an
seinem Umfange soviel freies Spiel, dafs ein Durchflufsquerschnitt
Wasserbremse von Langley.
von 2,45 qcm frei gelassen wird. Aufserdem sind die Kolben mit zwei
gegenüberliegenden rechtwinkligen Ausschnitten versehen, in welche
zwei schmiedeeiserne Schienen CC eingreifen, deren Höhe so zunimmt,
dafs die verbleibende lichte Fläche der Ausschnitte von dem Betrage
von 30 qcm — in der Anfangsstellung — sich allmählich auf Null ver¬
ringert. Die Veränderlichkeit der Durchflufsfläche ist mit Rücksicht
auf die abnehmende Geschwindigkeit des Kolbens so festgestellt,
dafs der geleistete Widerstand unverändert bleibt. Auf Grund ge¬
nauer Versuche sind hiernach die Schienen CC so abgeschrägt
worden, dafs die Durchflufsquerschnitte bei den Kolbenstellungen
G, F, F, D (s. Abb. 3 und 4) bezw. 32,45, 20,80, 9,16 und 5,16 qcm
betragen.
Um die Kolben nach jedem Rückgänge wieder in die Anfangs¬
stellung zurückzuführen, sind nach Art der Abb. 1 Gegengewichte J
nach der Geleisseite in leicht zugänglichen Schächten angeordnet.
Dieselben werden gebildet aus übereinandergelegten gufseisernen
Scheiben, welche durch Filzeiulagen getrennt sind. Diese Einlagen
sowie ferner eine zwischen der unteren Fläche jedes Gegengewichtes
und dem Kopfe des durchgeführten Bolzens angebrachte Gummi¬
packung haben den Zweck, die Beanspruchung der Kette m beim
ersten Anstofs des Zuges etwas zu mildern. Die Kolbenstange läuft
am Angriffspunkt K der Kette auf einem Rollenpaar, welches die
Abb. 4. Querschnitte durch den Cylinder.
Bern. Sämtliche Mafse sind in Centimeteru angegeben.
senkrechte Seitenkraft der Kettenspannung auf den Unterbau des
Prellbockes überträgt. Damit die Stöfse der Kolben auf die Cylinder-
deckel möglichst abgeschwächt werden, sind zu beiden Seiten der
Kolben Gummiringe um die Kolbenstangen gelegt. Die vorderen
Enden der letzteren wurden anfänglich durch eine Bufferbohle ver=
bunden; die Erfahrung hat indes gezeigt, dafs sie besser unab¬
hängig von einander angeordnet werden, wie dies jetzt allgemein
durchgeführt wird. Zur Ableitung des Tropfwassers sowie zum
Nachfüllen der Cylinder sind besondere Röhrenleitungen vorgesehen.
Ueber die Leistungen der beschriebenen Prellböcke sind ein¬
gehende Versuche angestellt worden. Dabei hat sich herausgestellt,
dafs eine Hubhöhe von 1,22 m (4 engl. Fufs) für gewöhnliche Ver¬
hältnisse vollständig ausreicht. Mit dieser Hubhöhe ist es möglich,
Eisenbahnzüge mit 13 Stundenkilometer Geschwindigkeit zum Stehen
zu bringen. Für Zwecke des Verschiebdienstes ist nach Langley
eine Hubhöhe von 0,6 m (2 engl. Fufs) angemessen. Der Erfinder
giebt an, dafs nach den angestellten Versuchen der Widerstand des
Wassers in geradem Verhältnifs mit dem Quadrat der Geschwindig¬
keit des auffahrenden Zuges zu wachsen scheine. Da die Stofskraft
ebenfalls im quadratischen Verhältnifs der Geschwindigkeit zu- und
abnimmt, so würde hiernach der Kolbenweg von der Geschwindigkeit
unabhängig sein, wie dies die angestellten Versuche im allgemeinen
auch bestätigt haben.
Die erste Anwendung der beschriebenen Prellböcke wurde in
den Liverpool- und Fenchurch - Strafsen - Bahnhöfen der englischen
Ostbahn in London gemacht. Der Kolbenweg hat hier das ange¬
führte Mafs von 1,22 m. In dem letztgenannten Bahnhofe wurde über
den Prellböcken ein Erfrischungsraum angeordnet, ohne dafs sich
nachtheilige Erschütterungen in demselben bemerkbar gemacht hätten.
Die Prellböcke kosteten hier das Stück 3000 Mark.
In der Exchange-Strafsen-Station der Nordwestbahn in Manchester
findet man Prellböcke mit 0,6 m Hub. Neuerlich sind u. a. in der
Hr. 12.
Centralblatt der Bauverwaltung.
117
Exchange -Station der Lancashire- und Yorkshire-Bahn in Liverpool
Sicherheits-Prellböcke der gröfseren Art aufgestellt worden.
Von der Langleyschen Anordnung im Grundgedanken nicht ab¬
weichende Prellböcke sind neuerdings auch von anderer Seite ein¬
geführt worden. So stellt die Nordwestbahn in ihren Locomotiv-
werken in Crewe Vorrichtungen her, welche sich von der Langley¬
schen nur dadurch unterscheiden, dafs die bremsende Wasserfüllung
durch die Stofskraft des Zuges in einen besonderen Behälter ge¬
trieben wird. Dem Wasser ist eine Seifenlösung zugesetzt.
Kemmann.
Der allgemeine Aufschwung auf wirthschaftlichem Gebiete, den
Deutschland in den letzten 20 Jahren genommen, und der dadurch
erzeugte gröfsere Wohlstand lassen nach und nach eine früher bei
Das Gebäude der „TattersalD^- Gesellschaft in Mannheim.
Die Mannheimer Gesellschaft „Tattersall“ wurde im Jahre 1883
gegründet mit einem Capital von 110000 Mark, welches sich auf
22 Actien zu je 5000 Mark vertheilte. Aufserdem lag noch eine
Zeichnung vor, die sich auf eine fünfjährige Zinsgewähr erstreckte,
und es handelte sich darum, mit diesen für die verlangte Ausdehnung
der Anlage geringen Mitteln auszukommen. Dies war nur dadurch
möglich, dafs von jeder über das unabweisliche Bedürfnifs hinaus¬
gehenden äufseren wie inneren Ausstattung abgesehen wurde. Die
Anlage besteht aus der gedeckten Reitbahn, aus Stallung und Wagen¬
remise nebst Wohnhaus, in dessen Erdgeschofs sich das Bureau der
Gesellschaft und eine kleine Wohnung für den Stallmeister befinden,
während das obere Geschofs die Wohnung des Directors enthält.
Der Hauptraum ist naturgemäfs die gedeckte Reitbahn. Es lag in
der ursprünglichen Absicht, diese Reitbahn auch ab und zu an
luHt.n.l.. 1
10
äö'"
a. Im Erdgeschofs Conversationszimmer, darüber Kleidergelafs für Damen.
b. Geräthe, darüber Kleidergelafs für Herren.
Grundrifs.
uns ziemlich seltene Gattung von Gebäuden entstehen, welche den
verschiedenen Zwecken des Sports dienen. Die Litteratur über
solche ist noch verhältnifsmäfsig dürftig bestellt, und es werden
selbst kleine Beiträge zu derselben wohl manchem Fachgenossen
dienlich erscheinen. Von diesem Gesichtspunkte aus möge nach¬
folgende kurze Mittheilung beurtheilt werden.
Querschnitt mit Ansicht der Zuschauerbühne.
wandernde Circusgesellschaften oder dgl. zu vermiethen und in
diesem Falle Zuschauerbühnen einzubauen. Aus diesem' Grunde
wurden baupolizeilich an allen Seiten grofse Thore angeordnet, um
in Nothfällen eine rasche Entleerung des Raumes zu ermöglichen.
Jedoch wurde dieser Gedanke später wieder aufgegeben, und der
Raum dient jetzt lediglich als Reitbahn. Diese ist mit Oberlicht
erleuchtet und besitzt an ihrer vorderen Schmalseite eine zwei¬
geschossige Galerie für Zuschauer und Musikcapelle. Im oberen Ge¬
schofs sind rechts und links die Kleidergelasse und Toiletten für
Damen und Herren, darunter, zu ebener Erde, ein kleines Conversations-
zimmer und Gerätheräume angeordnet. Alles übrige ist aus den Ab¬
bildungen wohl mit hinlänglicher Deutlichkeit zu ersehen. Angeführt
möge nur noch werden, dafs der Zuspruch sich so lebhaft erwies,
dafs die Wagenremise mittlerweile gleichfalls zu Stallung eingerichtet
werden mufste und dadurch für die Wagen ein besonderer Anbau
nöthig wurde.
Mannheim, im Februar 1890. W. Manchot.
Die Kriegsbaukunst.
Das, was der Verfasser des unter diesem Titel jüngst erschienenen
Theiles des inhaltreichen „Handbuches der Architektur“, Director
Dr. A. von Essenwein schreibt, und das, was er als Künstler aus¬
führt, ist geeignet, unsere Erwartung hoch zu spannen. Wenn wir
zurückblicken auf das, was er geschrieben hat über die Kunstdenkmäler
von Krakau, über den norddeutschen Ziegelbau, in den Mittheilungen
der k. k. österreichischen Centralcommission sowie in den Schriften
des Germanischen Museums, und auf das Grofse, was er hier geleistet,
wenn wir uns vergegenwärtigen, in wie vielen Kirchenbauten — von
anderen Meisterleistungen zu geschweigen — er theils selbstwirkend,
Iheils ausschlaggebend geschafiFen hat, so können wir uns nur freuen.
dafs er ein so schwieriges Werk wie die Darstellung der mittelalter¬
lichen Kriegsbaukunst im Handbuche der Architektur*) übernommen
hat. Daraus, dafs bei einer so umfangreichen Arbeit, bei einer so
reichen und mannigfaltigen Beispielsammlung wie die vorliegende,
*) Handbuch der Architektur, herausgegeben von Durm,
Ende, Schmitt und Wagner. II. Theil. Die Baustile. Historische
und technische Entwicklung. 4. Band: Die romanische und die
gothische Baukunst, von Director Dr. August v. Essenwein in
Nürnberg. Erstes Heft: Die Kriegsbaukunst. Darmstadt 1889.
A. Bergsträsser. 259 S. in gr. 8” mit 199 Abbildungen und 14 Tafeln.
Preis 16 Mark.
118
Centralblatt der Bauverwaltung. ;
22. März 1890;
aucli manches verinifst, manches anders gewünscht wird, wird'
niemand dem Berichterstatter xind noch weniger dem Verfasser einen
Vorwurf machen.
In der Einleitung schon sagt uns v. Essenwein,, dafs er seine
Kriegsbaukunst erst mit der Zeit beginnen läfst, in welcher sich die
Wogen der Völkerwanderung gelegt hatten, dafs er also von dem,
was die sogenannte vorgeschichtliche, und die römische Zeithinterlassen
haben, absieht. Er führt uns unmittelbar in das Lehnswesen ein, durch
welches gröfsere oder kleinere Gebiete Halt und Widerstandsfähigkeit
erhielten; er zeigt, wie dadurch der Verkehr befördert und Veran¬
lassung zur Anlage von Städten gegeben wurde. Es werden dann die
Pläne einiger Städte mitgetheilt, und zwar theils, wie die von Krakau und
Friesach, naclr eigener Aufnahme oder, wie Köln, nach alten Stichen,
theils nach anderen Autoren, so Nürnberg nach Bath, Saona und Giblet
in Syrien nach Key, Carcassonne und Aigues Mortes nach Viollet le
Duc, Reichenweier, Zellenberg, Mömpelgard und Sitten nach Merian,
Luzern nach Martini. Auf die Lago der Kirche, des Markt¬
platzes, der Verkaufshallen, des Rathhauses sowie auf die den Be-
düi'fnissen der Zünfte ents^jrechenden Anlagen wird hingewieseu.
Was aber die Befestigung anlangt, so wird auf die der Burgen
Bezug genommen.
Bei den alten Burgenanlageu ist nicht die Bequemlichkeit des Ver¬
kehres, sondern die durch das Gelände bewirkte Sicherheit das Mafs-
gebende. Wo sich eine passende Bodenbildung nicht fand, suchte man
sie annähernd durch Anschüttung eines Hügels (Motte, Mound, Mota)
zu erzwingen. Es werden aus Frankreich und England dergleichen
aufgeführt und auch aus Deutschland die Pipinsburg und andere ge¬
nannt, die wir aber bei uns nicht für die Anfänge einer Burg, sondern
eher für den versteckten Platz einer Hütte für arme Waldschmiede
halten möchten; wir würden hier lieber auf die Hundsrücker Erd¬
burgen, Laudert, Dudenrot, Horn und Bubach hingewiesen sehen
(Bonner Jahrb. XVIII und XXVI). Der weitere Ausbau der Wehr-
wie W'ohnräuine war in Holz durchgefühlt, dessen verkohlte Ueber-
reste sich noch häufig finden. Allmälilich aber trat an die Stelle des
Holzes der Steinbau, dessen Vorbilder die Römer am Rhein und an
der Donau hinterlassen hatten, und der durch die Kirche ins innere
Deutschland eindrang.
Hierauf giebt der Verfasser als eine der ältesten Steinbui-gen die
Oberburg bei Rüdesheim im Grundrifs und — eine Darstellungs¬
weise, die überhaupt in den nachfolgenden Blättern wiederkehrt —
in schönen Abbildungen aus der Vogelschau. Es folgen der regel-
mäfsig achteckige Grundrifs der Pfalz bei Egisheim und die
französische Burg Arqnes in Grundrifs, Schnitt und Vogelschau,
ferner die Salzburg bei Neustadt (Kissingen), Dankwarderode
und die Wartburg. Daran schliefst sich die Burg Steinsberg
im Kraichgau, welche von Krieg von Hochfeld und Mono noch mit
so grofsem Eifer als ein römisches Bauwerk hingestellt und ver-
theidigt wurde, während wir sie jetzt aus bautechni sehen Gründen mit
Bestimmtheit dem 12. Jahrhundert zuschreiben. Dadurch wird eine
grofse Zahl von Burgen hinfällig, zumal solche mit Bossenciuadem,
durch welche der sonst so verdiente Forscher grofse und noch nicht
überall verschwundene Verwirrung angerichtet hat; dazu gehören die
gleichfalls im Grundrifs und in Einzelnheiten dargestellten Burgen
Frankenburg, Schlofseck, drei Burgen bei Egisheim, ebenso Landeck,
Wineck, Fleckeustein, Trifels und Neiischarfifeneck, alle im Elsafs.
Auch gehört hierher die Burg Nürnberg, deren fünfeckiger Thurm
noch vor zwei Jahren für römisch angesprochen wurde!
Wir dürfen nicht fortfahren, in dieser Weise die grofse Fülle
von über 200 Abbildungen zu verzeichnen, obschon eigentlich in
ihnen, im Verein mit den eingestreixten geschichtlichen und tech-
nisehen Bemerkungen der Hauptwerth des Werkes liegt. Nur die
Abtheilungen, die den Ueberblick über das letztere einigermafsen
ermöglichen, seien hier aufgeführt. Sie umfassen die älteren
Klosteranlagen, die Burgen der Kreuzfahrer in Syrien nach Rey,
die späteren französischen Burgenanlagen: Gaillard, Coucy, den
Louvre, Vincenues, Pierrefonds und andere; dann die späteren
deutschen Burgenanlagen, zwischen denen allerdings sehr un¬
erwartet Marieiiburg erscheint, obschon dieselbe später in gröfserer
Ausführlichkeit wiederkehrt; die Burgen des 15. Jahrhunderts; im
Elsafs, Burg Eltz, Schlofs Mailand. Weiter der Burgthürm und
das feste Haus.
Essenwein verwirft den Namen „Bergfried“ für den Haupt¬
thurm. Als der Schreiber dieses 1860 in den Bonner Jahrbüchern
einen Aufsatz über die Bergfriede veröffentlichte, war er nicht der
erste, der einer Abhandlung von Leo in Räumers Historischem
Taschenbuch 1837 gefolgt ist; er hatte für sich eine Urkunde
(Lacomblet III 145), in welcher 1320 der Ritter Wilhelm der Stadt
Köln verspricht, sein Haus Frechem nicht zu befestigen „ungeyne
ringmur umb den Hof, noch Berchfrit in den Hof zu machen,
noch Turn noch Blochus“. Ob von Stein, wie wahrscheinlich,
oder von Holz, darauf kommt es hier nicht an, es ist jedenfalls
ein Bergfried, ein dauernder Bau, deti nicht zu bauen er sich ver¬
pflichtet. Andere Urkundenstfellen vvürden sich wohl auch noch;
finden. Es ist keine Frage, dafs die- mittelalterlichen Mundarten den
Namen „Bergfriede“ für die zur Belagerung aufgeschlageueu Thürme,
Wandelth firme, sonst auch Ebenhoch genannt, benutzt haben. Aber
dem Sinn nach entspricht der Name Bergfried, der den Frieden
birgt, besser dem letzten Zufluchts- und Sicherungsort in der Burg,
als dem Belagerungsthurra^' der • den iPrieden zerstört. Ich glaube
daher auch, dafs. der Bergfried für den Hauptthurm bei uns bei¬
behalten werden wird.
Es folgen dann nochmals der Thurm von Steinsberg und weitere
Ausführungen über die Elsässer, Kreuzfahrer-, englische und andere
Burgen. In Bezug auf die Niederburg bei Büdesheim, bei der ich
näher betheiligt bin*) Und in die ich meinen geehrten' Freund ein¬
geführt habe, erlaube ich mir auch hier meinen Standpunkt kurz zu
berühren. Ob sie und die Oberburg auf einer Mota, S. 49, einer
künstlichen Anschüttung liegt oder nicht, ist für dcn Zweck der
Vertheidigung von geringem Belang. Die mehr oder minder sanften
Bergvorsprünge leisten, wie hier, dasselbe. Die Burg wird eine
Wasserburg genannt, weil bei Hochwasser der Rhein sie rings um-
fliefst. Einigermafsen, wenn auch nicht für alle Zeiten entscheidend,
spricht dagegen, dafs der einzige Weg zum Keller durch den AVasser-
graben führen und das AVasser ihn füllen würde. Das Hindernifs ist
nicht unüberwindlich, da man an Alosel und Rhein, wo das AA^asser oft
die Keller überschwemmt, durch Stützen gegen das Kellergewölbe
die Fässer sehr wohl feststellen und gegen das Schwimmen und Um¬
stürzen sichern kann. Essenwein glaubt, dafs a.uf der Südostecke der
Niederburg nicht, wie ich angegeben, ähnlich dem nordwestlichen, ein
älterer Thurm, an den die anderen Gebäude später angebaut worden
seien, gestanden habe, sondern eine zu diesen gehörige Küche nebst
Raxichfang. AA^as es auch war,- es war ein thurmarfiges, in vei’jüngenden
Absätzen aufgeführtes Bauwerk, ähnlich dem der Oberburg, an das
die beiden Flügel mit übergreifenden Absätzen angebaut worden sind;
denn so stellen sie sich dar, und zeigen dadurch ihr jüngeres, nicht
gleichzeitiges Alter. Von einem Gang unter einem nassen Graben hin¬
durch, den Essenwein verinuthet, kann wohl in jener Zeit nicht die
Rede sein.
AVemi der A'erfasser meint, der Burgthurm (Bergfried) habe mit
dem Fortschreiten des 13. Jahrhunderts seine Bedeutung verloren, so
glauben wir ihm doch eine grofse Menge derartiger Thürme noch
aus dem 15. Jahrhundert entgegenstellen zu können, welche erst
verschwanden, als in die Urnfassungsmauern schwere Rondelle traten.
An einzeln gelegenen, zur Benachrichtigmig an nahe oder ferne Burgen
bestimmten Thürmen sind uns in Deutschland keine anderen vorge¬
kommen, als die AA^ arten um die Landwehren der Städte und am
Mittelmeer die sogenannten Sarazenenthürme, als AA^arner vor den
Seeräubern. In Deutschland aber in Stadt und Land bestehen
noch zahlreiche kleine und grofse Burghäuser, an die zur Sicherung
von Habe und Leben, zumal gegen Räuber und sonstiges Gesindel,
noch im 17. Jahrhundert ein fester Thurm angebaut war.
Es folgt die Marienburg in Preufsen. AVir hätten dem so be¬
stimmt ausgeprägten System der Deutschordensburgen einen aus¬
führlichen Abschnitt gewünscht, und lieber manche andere Burg
entbehrt. Auch mochten hier die englischen sogenannten Normannen-
Burgen und zahlreiche italienische erwähnt werden.
Das 11. Capitel über AA^all und Graben, Mauern und Thürme
enthält manches Beachteuswerthe, manche Nachlese aus früheren Ab¬
schnitten. Auf dem aus älterer Zeit vorhandenen AA^all wurde die Mauer
in der Art aufgesetzt, dafs man, um nicht die ganze Mauer funda-
mentiren zu müssen, Pfeiler in den AA^all einsenkte und diese durch
Bogen — oft recht eckige, wie bei Andernach zu sehen ist — verband
und darauf die Mauer erbaute. Die Bogen aber waren dann auch
wohl, wie z. B. am genannten Platz, in Coblenz und in Köln durch
die AA^alloberfläche verdeckt, also für den Angreifer unkenntlich.
Auch zu dem, was der Verfasser von dem Zwinger sagt, wünschten
wir einen Zusatz; Das AA^eseii des Zwingers ist der vSchutz der AA’ächter
am Fufse der Hauptmauer. Auf die A'ertheidigung vor der Zwinger¬
mauer kommt es nicht so sehr an, wenn immerhin auch ein Schufs
aus der Tiefe des Zwingers gegen den nächtlichen Horizont sicherer
gezielt werden kann, als ein solcher von der Höhe des AA^alles hinab
ins Dunkle. Aufserdem aber hat der Zwinger den grofsen, schon bei
den alten Doppelringwällen zu erkennenden A^ortheil, dafs er dem j
Vertheidiger einer in die Hauptumfassung gelungenen Bresche leicht
machte, gedeckt und von beiden Seiten dem Stürmenden in die Flanke
zu fallen.
Des Verfassers Vorliebe für die Dächer mittelalterlicher Bau- |
weise auf Thürmen, Maxiem und AA^ohngebäuden ist sehr gerechtfertigt. ;
Sie wurden mit gutem Grunde überall, selbst auf schmalen, langen j
Stadtmauern, übei'haupt überall da angebracht, wm die Kosten irgend |
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1886, S. 303.
»M2.
Centralblatt, der Bauverwaltung.
119
zu erschwingen waren; und die jetzigen Besucher mittelalterlicher
Bauwerke, ; welche die Dachbodenräume geplattet und mit Ausläufen
und Wasserspeiern an der Aufsenfläche sehen, mögen sich nicht
zu dem falschen Schlufs verleiten lassen, diese seien ohne Dach
geplant und angelegt worden; Jene Wasserableitungen dienten nur
dazu, die unter dem Dache liegenden Stockwerke, wenn ersteres
wegen einer Belagerung abgenommen wurde oder verbrannt war,
nicht der Nässe auszusetzen. Wir erwähnen als Beispiel nur den
schönen bischöflichen Thurm von Eltville vom Jahre 1330 — 1487, den
man daher jetzt, als er abgebrannt war, trotz der Regenableitung auf
dem Dachboden, doöh mit Recht wieder mit seinem Dache geschmückt
hat. Die schönen Beispiele von Thürmen, Thoren und Vorthoren
oder Thorzwingern Wörden jedem ausübenden Architekten erwünscht
und vorbildlich sein.
Was der Verfasser über Zinnen, Wehrgänge, Erker und
Schiefsscharten sagt und an'Beispielen anführt, ist gewifs richtig,
allein wir hätten das alles lieber schon früher gehört, ja vielmehr in
der Zeiteintheilung als Kriterien mitbenutzt gesehen. Wir glauben,
dafs der Verfasser nicht nur sich seine Aufgabe, sondern auch dem
Leser das Eindringen in den Stoff schwerer gemacht hat als nöthig
war. Er hat eine schöne Beispielsammlung geliefert und sie topo¬
graphisch und geschichtlich erläutert, dann aber dem Leser über¬
lassen, wenn ihm das Buch gut gegenwärtig ist, sich das heraus¬
zusuchen, was er eben braucht. Wenn aber der Verfasser selbst
nicht ohne einen gewissen Uebermuth sagt: ich lese keine Bücher,
sondern ich benutze sie zum Nachschlagen, so hat er bei seiner Ge¬
lehrsamkeit, Belesenheit und Eifährung recht. Allein, man will doch
mehr mit Büchern, man will ein belehrendes Ganze liefern , in dem
auch der Schüler sich in der gewünschten Art zurechtfinden kann.
Es ist wahr, jeder fafst dieselbe Aufgabe anders an. Ich
glaube, wenn man z. B. eine grofse Anzahl von Einzelheiten nach
Ort und Zeit aufgefunden und verzeichnet hat, z. B.. Schartenformen,
Thurmgrundrisse, Thoranordnungen, Rondelle, Wendel- und Mauer¬
treppen, Mauerverbände usw., so wird man in ihnen eine Anzahl
Kriterien besitzen, mit denen man unter Zuhülfenahme der geschicht¬
lichen Nachrichten die Bauzeit auch von Befestigungsbauten wohl
annähernd wird feststellen können, freilicli nicht mit der Leichtigkeit
und Sicherheit, wie bei kirchlichen Bauten, die in einem grofsen,
stetigen System voranschreiten, wie wir das an einem anderen Orte
eingehender dargelegt haben. Jene technische Methode wird immer den
Vorzug einer festen Grundlage haben, während die Weise, aus dem all¬
gemeinen Gange der Geschichte die Befestigungsformen als nothwendig,
als natürliche Folge zu errathen, zur Gewaltthätigkeit führt. Nach
jener Methode würde es immer noch sehr fraglich bleiben, ob man
eine allgemeine Geschichte der Befestigungskunst, wie sie etwa
M. Jähns und Köhler versucht haben, für alle Länder und alle Zeiten
gültig schreiben kann. Ich glaube, es wird mehr Brauchbares ge¬
wonnen, wenn man sich im einzelnen auf Frankreich, England,
Deutschland, auf den Deutsch-Orden, auf Italien und den Orient be¬
schränkt. Nur hier und da wird man Brücken schlagen können von
einem Land, von einer Zeit zur andern, man wird sich aber dabei
zu hüten haben vor allzu sicheren geschichtlichen Bezügen und Her¬
leitungen.
Haben wir unsere Meinung unverhohlen ausgesprochen, so können
wir nun um so lieber sagen, dafs wir uns freuen, in Essenweins Be¬
festigungskunst ein in jeder Beziehung der „Architecture Militaire“
von Viollet le Duc ebenbürtiges Buch zu besitzen.
v. Cohausen.
Die Gasexplosion auf der Kaiser Wilhelm -Brücke in Berlin.
Am Montag, den 17. März, abends gegen 7 Uhr hat auf dem
südlichen Bürgersteige der Kaiser Wilhelm-Brücke eine Gasexplosion
stattgefunden, durch welche nicht unerhebliche Zerstörungen an dem
Bestände des Bürgersteiges hervorgerufen worden sind; leider sind
aUch Verletzungen von Fufsgängern zu beklagen. Zur Klarlegung
und Würdigung dieses äufsergewöhnlichen Ereignisses sei zunächst
auf Grund der auf Seite 98 und 99 d. Bl. gegebenen Zeichnungen der
Brücke folgendes mitgetheilt.
Aus dem Querschnitte auf Seite ,99. erhellt, in welcher Weise
unter den. Bürgersteigen Hohlräunie zur Aufnahme von , Gas- und
Wasserrohren, Kabeln usw. angeordnet sind. Den gröfsten Hohl¬
raum nimmtj wie aus der Zeichnung ersichtlich, das Gasrohr der
städtischen, Gaswerke ein. Es besitzt einen länglich runden Quer¬
schnitt und besteht aus einzelnen schmiedeeisernen, genieteten
Schossen in Längen von etwa 6 m, welche an den Stöfsen auf¬
genietete Flansche ei-halten haben. Diese Flansche sind unter Ver¬
wendung einer Bleidichtung durch 22 Schrauben miteinander ver¬
schraubt. Die Verschraubung des Rohres, welches der Neigung
der Brückenabdeckung — vgl. den Längenschnitt — folgt, geschah
auf Böcken oberhalb des Hohlraums. Nach der Verschraubung
wurde das Rohr in ganzer Ausdehnung auf .seine Dichtigkeit ge¬
prüft und alsdann in den Hohlraum hinabgelassen, an verschiedenen
Stellen untermauert und bis zur Unterkante des Plattenbelages sorg¬
fältig mit gutem, reinem Sandboden verfällt. Diesem Gasrohre zu¬
nächst, und zwar unmittelbar neben dem Brückengeländer — vergl.
den Querschnitt — , befindet sich ein Hoh}raum, welcher den Elektri-
citätswerken zur Aufnahme ihrer Strafsenkabel überwiesen worden
ist. Von diesen Kabeln zweigen auch die Leitungen für die elektri¬
schen Lampen auf der Brücke ab. Dieser Raum war nicht verfällt,
da die Elektricitätswerke Werth darauf legten, jederzeit unbehindert
zu ihren Kabeln gelangen zu können. Die Platten des Bürgersteigs,
in einer Stärke von 13 cm, waren überall auf den Wangen in Cement-
mörtel verlegt , und die Stofsfugen ebenfalls mit einem solchen sauber
verstrichen- Um ohne Zerstörung der Platten jederzeit bequem zu
den einzelnen Rohren gelangen zu können, war eine Anzahl von
Platten in eigens construirte, eiserne Zargen lose verlegt und auf
der Oberfläche mit zwei Ringen versehen, die ein leichtes Heraus¬
nehmen der Platten gestatteten. Die Zai-gen ihrerseits waren eben¬
falls in Cementmörtel verlegt. Unmittelbar vor den Pylonen, welche
die elektrischen Lampen tragen, befinden sich über dem Canale der
Elektricitätswerke zwei, derartige kleinere Platten von etwa 0,5 m
im Geviert. Sockel und Schaft der Pylone sind bis zur Höhe der
broncenen Arme, an denen die elektrischen Lampen hängen, durch¬
bohrt. So die Beschaffenheit der Bürgersteige.
Dutch die Explosion sind nun auf dem südlichen Bürgersteige zu¬
nächst die beiden obenerwähnten lose aufliegenden Platten hinaus¬
geschleudert worden; dann sind mehrere Platten über dem Canale der
Elektricitätswerke, und zwar in unmittelbarer Nähe des dem Schlosse
zunächst stehenden Obelisken, theils zertrümmert und in den Canal
hinabgestürzt, theils gelockert worden. Auf dem C'anale, in welchem
das Gasrohr liegt, sind mehrere Platten ebenfalls gelockert. An dem
Geländer zeigen sich Spuren der Zerstörung an den Deckplatten und
Docken, welche wohl durch nmhergeschleuderte Granitstücke bewirkt
sind. Die elektrischen Lampen an dem Obelisken sind zum Theil zer¬
trümmert und die beiden sie haltenden Broncearme von ihrer senk¬
rechten Auflagei-fläche abgehoben. Endlich ist der Krahn, welcher
sich noch über der Mittelöffnung befindet und mit Hülfe dessen dem¬
nächst die noch fehlenden Schlufssteinfiguren an Ort und Stelle ge¬
schafft werden sollten, in seinem Gerüste erschüttert, aber zum Glück
nicht zum Abstui'z gekommen. Die Brücke selbst ist nicht im ge¬
ringsten beschädigt worden; weder haben sich Fugen am Geländer
noch an den Pylonen geöffnet. Dafs die Explosion immerhin eine
beträchtliche Kraft entwickelt hat, geht daraus hervor, dafs ein
Fufsgänger über das Brückengeländer geschleudert worden, zum
Glück aber auf die unter dem Krahne befindliche Plattform gefallen
ist; andernfalls würde er wohl unrettbar ertrunken sein. Mehrere
andere Personen sollen durch umherfliegende Steinsplitter unerheblich
verletzt sein. Es ist ein Glück, dafs die sonst so belebte Brücke
um die Zeit, wo die Explosion stattfand, wenig begangen war.
Die Entzündung des Gases mufs nun unmittelbar neben dem
oben erwähnten Pylonen stattgefunden haben, da hier neben der
losen Platte die einzigen Schlitze waren, aus welchen das in dem
Kabelcanale befindliche Gas entweichen konnte. Hierfür spricht
ferner der Umstand, dafs der Sockel des Pylonen, welcher
unmittelbar über der Platte aufsteigt, vollständig mit Staub be¬
schlagen ist; endlich das Abheben der Broncearme von ihrer Auf¬
lagerfläche. Leider ist es unmöglich gewesen, den Thatbestand
unmittelbar nach der Explosion festzustellen, da die alarmirte
Feuerwehr sofort die zertrümmerten Platten bei Seite geschaft't und
aufserdem noch eine gröfsere Zahl der nur gelockerten Platten
über dem Gasrohrcanale unverständlicherweise abgehoben hat. Im
Interesse der Wissenschaft ist dieses Vorgehen sehr zu beklagen.
Wie die Entzündung entstanden, ist ebenfalls nicht aufzuklären.
Dafs ein elektrischer Funke dieselbe bewirkt habe, ist zwar ver-
muthet worden, erscheint auch nicht geradezu ausgeschlossen, ist
aber wenig glaublich, zumal auch der spätere Zustand der Leitungen
für eine solche Annahnie nicht den mindesten Anhalt bietet. Dann
bleibt aber nur die Möglichkeit, dafs ein fortgeworfenes brennendes
Zündholz oder eine glimmende Cigarre den Anlafs zu der Entzündung
gegeben hat.
Nach erfolgter Explosion wurde die Unfallstätte von der Polizei
abgesperrt, die Feuerwehr herbeigerufen und die städtischen Gas¬
werke zur Absperrung ihres Rohres veranlafst. Am folgenden Tage
begannen die Aufgrabungen des Rohres und ergaben die Undichtig¬
keit einer Flanschverbindung, welche dem nach der Burgstrafse zu
stehenden Obelisken etwa gegenüberliegt. Es waren auf der oberen
Seite fünf Schraubenbolzen abgesprengt, und eine Fuge hatte sich
gebildet, welche ein reichliches Ausströmen \'on Gas gestattete.
120
Centralblatt der Bauverwaltung.
22. März 1890.
Ueber der Flanschverbindung liegt ebenfalls in schmiedeiserner Zarge
eine herausnehmbare Platte. Diese Zarge war auf ihrer Unterlage
gelockert, und von hier aus mufs das Gas den Weg in den Kabel¬
canal gefunden haben.
Den Grund für das Absprengen der Bolzen, welche allerdings
nicht gerade aus dem besten Schmiedeeisen bestanden, anzugeben,
erscheint unmöglich. Wahrscheinlich indessen haben die Bolzen be¬
reits beim Einbringen des Kohres eine aufsergewöhnliche Spannung
erhalten und die geringste weitere Lagenveränderung des Rohres hat
dann genügt, sie abzusprengen.
Die Wiederherstellungsarbeiten sind sofort in Angriff genommen,
werden aber in Rücksicht auf die grofse Zahl zertrümmerter Platten
längere Zeit in Anspruch nehmen.
Pinkenburg.
Vermischtes,
Das Jaliresfest des Beidiner Architekten- Yereins trug an diesem
13. März in seinem ersten Theile das Gepräge einer ernsten Ge-
dächtnifsfeier. Wie das Fest, das früher stets dem Andenken
Schinkels geweiht war, neuerdings öfter zum Rahmen der Todten-
feier eines bedeutenden, im Laufe des Vereinsjahres gestorbenen
Fachgenossen gemacht wurde, so hatte mau es diesmal den Manen
Karl Böttichers gewidmet. Schon die äufsere Ausstattung des
Sitzungssaales spiegelte diesen Inhalt. Der Grundzug des schönen,
vom Regierungs - Baumeister Jaffe entworfenen Saalschmuckes war
der feierlichen Ernstes, und die sonst wohl beliebte Bezugnahme auf
die an diesem Tage stattfindende Ertheilung der Vereinsdenkmünze
an die Sieger in der Schinkelpreisbewerbung trat zurück hinter dem
sinnvollen Hinweise auf den Vorkämpfer hellenischen Geistes und
hellenischer Formenschönheit. Aus dunklem Pfianzengrün erhob sich
zwischen der purpurn verhängten Fensterwand des Saales und dem
Rednerpulte in strengen Formen, braunroth mit blau-broncenem
Rosettenfriese, ein flaches Nischenrund. In seiner Mitte trug es,
postamentartig höhergeführt, die Gestalt einer Athene, auf seinen
Flügeln je zwei Musen zwischen Lichtträgern, die durch tiefgrüne,
aus vergoldeten Haltern herniederhängende Laubgewinde verbunden
waren ; vorn zwei gröfsere Standleuchter, an denen Schilder in Bronce
und Blau mit den Namen der jüngstverstorbenen Vereinsgenossen
aufgehängt waren. Eine Tafel mit dem Namen des zu Feiernden
schmückte den Sockel Pallas Athenens, hinter deren weifsem
Standbilde unter einem Architekten -Schilde der Fensterbehang
aufgenommen war und einen stumpfblauen, goldbesternten Grund
zeigte.
Auch in dem lichtvollen, die Feier einleitenden Jahresberichte
des Vereins Vorsitzenden, Herrn Ober-Baudirector Wiebe, traten die
Mittheilungen in den Vordergrund, die von den vielen und schmerz¬
lichen Opfern sprachen, welche der Tod im veidlossenen Berichtsjahre
gefordert hatte. Männer wie den Ober-Baudirector H. Herrmann, den
Geheimen Ober-Baurath Grüttefien, die Eisenbahndirectoren Köhne und
Hennig, den Baurath Wentzel in Berlin und viele andere hat der
Verein zu betrauern, von der grofsen Zahl ihm nicht angehörender be¬
deutender Männer zu geschweigen, die dem Baufache binnen Jahresfrist
entrissen wurden. Aus dem Berichte sei noch hervorgehoben, dafs der
Verein zur Zeit 1894 Mitglieder (gegen 1930 im Vorjahre) zählt, dafs
seine Bibliothek auf die stattliche Zahl von 11422 Bänden angewachsen
ist und dafs, eine besonders erfreuliche Erscheinung im Vereinsleben,
eine überaus rege Betheiligung an den in erheblicher Zahl veranstalte¬
ten aufserordentlichen Preisbewerbungen verzeichnet werden kann.
Nachdem darauf Herr Ministerialdirector Schultz im Aufträge des am
Erscheinen verhinderten Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten den
Sieger in der Schinkelpreisbewerbung, Herrn Regierungs -Bauführer
Boethke, der Versammlung vorgestellt und ihm mit warmen und
beherzigenswerthen beglückwünschenden Worten die Vereinsdenk¬
münze überreicht hatte, hielt Herr Postbaurath Tuck ermann die
Festrede über Karl Bötticher. Das Lebensbild des Verstorbenen,
welches wir im vorigen Jahrgange dieses Blattes (S. 315 ff.) aus der
Feder des Herrn Stadtbaurath Blankenstein unseren Lesern bieten
durften, enthebt uns des Eingehens auf die begeistert vorgetragenen
Ausführungen des Redners, der zu Böttichers treuesten Anhängern
gehört, an dieser Stelle. In erwünschter Weise ergänzt und er¬
läutert wurde die Rede durch eine in den vorderen Räumen des
Vereinshauses seitens des rührigen Festausschusses veranstaltete Aus¬
stellung von Entwürfen meist ornamentalen Inhalts, die theils —
freilich leider nur in sehr geringer Zahl — von der Hand des Ver¬
ewigten herrühren, theils unter seiner Leitung von seinen Schülern
gefertigt wurden. Die Besichtigung dieser Sammlung und der Schinkel¬
arbeiten sowie einer im Nebensaale vorgeführten sehr sehenswerthen
Ausstellung der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft leiteten ge¬
schickt zu dem heiteren Theile des Festes, dem gemeinsamen Mahle
über, welches, gewürzt durch gehaltvolle und launige Trinksprüche
und durch unterhaltende Aufführungen aller Art — wir heben aus
ihrer Fülle nur ein vom Regierungs -Baumeister Körber gedichtetes,
unter Mitwirkung der Hofschauspielerin Frl. Clara Meyer vortrefflich
dargestelltes allegorisches Festspiel »Der Wettstreit der Baustile“
hervor — , die Festgenossen bis in die frühen Morgenstunden in fröh¬
licher Gemeinschaft beisammenhielt.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin.
Der Vorstand der Internationalen elektrotechnischen Ans¬
stellung in Frankfurt a. M.j über die auf Seite 473 des vorigen
Jahrganges berichtet wurde, versendet nunmehr unter Mittheilung
des Programms und der Ausstellungs- Ordnung die Anmeldebogen
für die Aussteller. Ohne hier weiter auf den Gegenstand einzugehen,
heben wir aus dem Programme nur hervor, dafs zur Ausstellung blofs
diejenigen Gegenstände zugelassen werden, welche der Hauptsache
nach in eine der nachbenannten Gruppen gehören;
Gruppe 1: Motoren für elektrotechnische Zwecke, als Dampf-,
Wasser-, Luft- und Gasmotoren mit den nöthigen Dampferzeugern
und Nebenapparaten; Gruppe 2; Erzeugung der Elektricität ; Gruppe 3:
Fortleitung der Elektricität nebst sämtlichen Leitungsmitteln und
Hülfsapparaten; Gruppe 4: Elektricitäts- Sammler und Umsetzungs¬
apparate; Gruppe 5: Elektrische Kraftübertragung in ihrer Anwendung
auf industrielle Zwecke aller Art; Gruppe 6; Elektrische Beleuchtung
mit besonderer Abtheilung für Installation aller Art; Gruppe?: Tele¬
graphie und Telephonie; Gruppe 8: Elektrisches Signalwesen in seiner
Anwendung auf Eisenbahnen, Bergwerks-, Schiffs-, See-, Kriegswesen
und Zeitübermittlung, Haustelegraphie, Schutzvorrichtungen gegen
Blitz-, Feuer-, Einbruch- und andere Gefahren; Gruppe 9; Elektro¬
metallurgie und Elektrolyse; Gruppe 10: Mefsinstrümente, wissen¬
schaftliche Apparate, akustische und optische Instrumente in Be¬
ziehung zur Elektrotechnik, Lehrmittel; Gruppe 11: Anwendung der
Elektricität in der Medicin und Chirurgie; Grupjpe 12; Elektrotech¬
nische Litteratur.
Als Ausstellungsplatz ist das infolge seiner günstigen Lage am
Hauptbahnhofe besonders geeignete Gelände der alten Westbahnhöfe
seitens der betheiligten staatlichen und städtischen Behörden zur
Verfügung gestellt worden.
Die von der Kurfiirstendammgesellschaft in Berlin für ihre
Villencolonie Griinewald ausgeschriebene Preisbewerbung (vergl.
S. 425 d. V. J.) gelangte in der Sitzung des Berliner Architekten¬
vereins vom 17. d. M. zur Begutachtung. Zum ersten Theile der
Ausschreibung (Bi-unnengehäuse usw.) waren nur zwei Entwürfe ein¬
gegangen. Beide erhielten Preise, und zwar der des Architekten
0. Rieth den ersten, der der Reg.-Baumeister Reimer u. Körte
den dritten; der zweite Preis ist nicht ertheilt worden. Von den für
die von nur einer Familie zu bewohnende Villa eingelaufenen
11 Entwürfen hat keiner einen Preis erhalten. Dagegen ist die zur
Verfügung gestellte Summe von 800 Mark zu gleichen Theilen an
die drei besten Arbeiten der Herren Reg.-Baumeister Lübke,
Architekt Mössinger und Reg.-Baumeister Reimer u. Körte ver¬
theilt worden. Der Entwurf des Reg.-Baumeisters Endell ist zum
Ankauf empfohlen worden und hat, ebenso wie die Leistungen der
Herren Architekt Hoeniger, Architekt W. Hentschel und Reg.-
Baumeister Kraemer, ein Vereinsandenken erhalten. Auch für das
Zweifamilienhaus wurden die Preise nicht ertheilt; vielmehr sind die
Herren Architekt 0. Rieth und Architekt F. Ehemann durch den
vorgesehenen Ankaufspreis von je 150 Mark entschädigt und mit den
Verfassern der drei anderen zu diesem dritten Theile des Aus¬
schreibens eingegangenen Entwürfe zu einem engeren Wettbewerbe
eingeladen worden, bei welchem der Restbetrag von 700 Mark als
Preis ausgesetzt werden soll.
Gleichzeitig haben wir über eine neue Preisbewerbung^
unter den Mitgliedern des Architektenvereins für die
Villencolonie Grunewald der Kurfürstendamm - Gesell¬
schaft in Berlin zu berichten, und zwar handelt es sich dabei
um eine massive Brücke von 15 m Spannweite über den Verbindungs¬
canal zwischen dem Hubertus- und Hertha-See, im Zuge der Bismarck-
Allee. Der aus Sandstein herzustellende Aufbau der Brücke soll der
Landschaft angepafst und bei beschränkter Anwendung ornamentalen
Schmuckes in einfachen und wirksamen Formen gehalten werden.
Als Preise für die besten Entwürfe stehen 500 und 300 Mark zur
Verfügung. Ablieferungstag ist der 19. April d. J.
Preisausschreiben. Die Stadt Frankfurt a. Main schreibt für
den Bau einer neuen Peterskirche einen allgemeinen Wettbewerb
unter den deutschen Architekten aus. Die Entwürfe sind zum
24. September d. J. nachmittags 6 Uhr an die städtische Bau-Depu¬
tation einzureichen (vgl. den Anzeigentheil dieser Nummer).
Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
Sr. 12 i.
121
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHAIiT: Eahtjens „Patent-Composition“. — Triiger mit frei scliwebeuden Stütz¬
punkten. — V ermischtes: Verkehr auf den Wa.sserstrafsen Berlins im Jahre 1890.
— Benutzung der Kabelleitungen für Wärmemessungen.
Bahnen. — Steinzange für Strombauteu.
Prellbock auf englischen
[Alle Rechte Vorbehalten.]
ßahf jens „Patent - Composition“.
Mit der von D. Decken in Flensburg vertriebenen Anstrichmasse
für Eisen sind zufolge der im Centralblatt der Bauverwaltung (Jahr¬
gang 1884 S. 247) mitgetheilten günstigen Ergebnisse im Bezirk der
Königl. Eisenbahn -Bauinspection Arnstadt im Verlaufe der letzten
sechs Jahre weitere Versuche gemacht worden. Es sind mit der
Masse gestrichen worden:
im Jahr 1884 rund 920 qm
„ „ 1885 „ 260 „
„ « 1886 „ 46 „
„ „ 1887 „ 4400 „
„ „ 1888 „ 5200 „
„ „ 1889 „ 2000 „
Der Anstrich ist aufgebracht auf den eisernen Ueberbauten von
Brücken, Viaducten, Wege-Unter- und Ueberführungen, auf eisernen
Schutzgeländern, Drehscheiben, Wasserkrahnen, Candelabern, Well¬
blech-Wärterbuden und eisernen Glockenbuden. In den Jahren 1884
bis 1886 ist ausschliefslich die Mischung in rothbraunem Farbtone,
in den drei letzten Jahren vo.'wiegend die Mischung in lichtgrauem
Tone verwendet worden. Letztere Farbe wird auf Verlangen in
zwei Tönen geliefert, um namentlich bei Ausführung in Verding eine
leichtere Ueberwachung des zweimaligen Anstriches zu ermöglichen.
Die Ergebnisse der Versuche sind als durchaus günstige zu be¬
zeichnen, wenn auch ein endgültiges Urtheil noch nicht hat gewonnen
werden können. Als Vorzüge der in Eede stehenden Anstrichmasse
sind nach den diesseitigen Erfahrungen anzuführen:
1. Dauerhaftigkeit. Der im November 1884 ausgeführte An¬
strich des Ueberbaues einer 34 m weiten Gerabrücke hat sich bis
jetzt, also nach 5^/2 Jahren, im allgemeinen gut erhalten; an einzelnen
Stellen nur ist der Farbüberzug rissig und fängt an abzublättern.
Bei der hiesigen vorherrschend feuchten Witterung haben die ge¬
wöhnlichen Oelfarbenanstriche der übrigen Bauwerke auf der freien
Strecke erheblich früher erneuert werden müssen, zum gröfsten Theile
ist dies bereits nach 4 Jahren erforderlich gewesen. Hierbei mufs
überdies hervorgehoben werden, dafs der erwähnte Anstrich im
Monat November, also zu einer hierfür sehr ungünstigen Jahreszeit,
ausgeführt worden ist.
Als zweites Beispiel für die lange Dauer dieses Schutzmittels
gegen Kost sind 7 Stück eiserne Läutewerkbuden im Brandleite-
Tunnel anzuführen. Die Rostbildung ist daselbst so stark, dafs der
gewöhnliche Oelfarbenanstrich bereits nach 2^/2 Jahren erneuert
werden mufste. Es wurde versuchsweise ein nur einmaliger Anstrich
mit der in Rede stehenden Farbmasse ausgeführt, und dieser An¬
strich hat sich 3 Jahre hindurch gut erhalten. Wäre entsprechend
der Gebrauchsanweisung ein zweimaliger Anstrich ausgeführt worden,
so wäre derselbe ohne Zweifel von erheblich gröfserer Dauer ge¬
wesen. Wiewohl in beiden angeführten Fällen nur die rothbraune
Mischung verwendet wurde, so läfst sich nach den sonstigen Er¬
fahrungen annehmen, dafs auch die Mischung in lichtgrauem Farb¬
tone von gleicher Dauer ist.
2. Schnelles Trocknen. Bei günstiger Witterung trocknete
der erste Anstrich in einzelnen Versuchsfällen so schnell, dafs bereits
nach einer Stunde der zweite Anstrich aufgebracht werden konnte,
der alsdann nach 3 Stunden trocken geworden ist. Dies schnelle
Trocknen ist ein nicht zu unterschätzender Vorzug gegenüber anderen
Anstrichmassen bei Ausführung des Anstrichs zu ungünstiger Jahres¬
zeit oder bei feuchter Witterung. Denn der Anstrich wird bereits
erhärtet sein, wenn ein gewöhnlicher Oelfarbenanstrich durch ein¬
tretenden Regen noch beschädigt werden kann, wodurch er in seiner
Dauer erheblich beschränkt wird.
3. Leichte Ausführbarkeit. Die Anstrichmasse wird derart
geliefert, dafs sie leicht ohne weitere Vorübung von jedem etwas
gewandten Arbeiter, wie ein solcher sich in jeder Bahnmeisterei
findet, der Gebrauchsanweisung gemäfs verwendet werden kann.
Es ist nur darauf zu halten, dafs angebrochene Fässer möglichst
luftdicht verschlossen gehalten werden, dafs ferner vor und bei dem
Verbrauche ein tüchtiges Verrühren stattfindet, um die Bildung eines
Bodensatzes zu verhindern. Bei einer Unterbrechung der Arbeit von
etwa zwei Stunden trocknete die Masse im Farbtopf derart ein, dafs
sie durch Zusatz von Terpentinöl wieder streichbar gemacht werden
mufste. Es empfiehlt sich daher, jedesmal nur so viel Farbmasse
aus dem verschlossenen Behälter zu entnehmen, als bis zur Beendigung
der Arbeit verwendet wird.
Die leichte Ausführung des Anstrichs und die hierdurch ermög¬
lichte Verwendung von ständigen Arbeitern der Eisenbahnverwaltung
zu dieser Arbeit ist der Kostenersparnifs halber von wesentlichem
Vortheil, namentlich aber wird hierdurch eine sorgfältigere Reinigung
sämtlicher Eisentheile und dauerhaftere Ausführung des Anstrichs
erzielt. Tritt während der Arbeit ungeeignete Witterung ein, so kann
der ständige Arbeiter sofort anderweitig zweckmäfsig beschäftigt
werden, während der Arbeiter eines Unternehmers zur Vermeidung
von Wegen und Zeitverlust zum Schaden der Arbeit diese weiter
fortführen wird, so lange es nur irgend möglich ist.
In der ersten Zeit sind die Anstriche hier lediglich durch Unter¬
nehmer theils in Tagelohn, theils in Gedingelohn ausgeführt worden ;
der Preis hat sich auf 25 bis 35 Pfennig für 1 qm ausschliefslich An¬
strichmasse gestellt. Im letzten Jahre sind nur Arbeiter der Eisenbahn¬
verwaltung verwendet, wodurch der Arbeitspreis sich bis auf 16 Pfennig
für 1 qm durchschnittlich vermindert hat.
4. Billigkeit. Die Anstrichmasse wurde zum Preise von 76 Mark
für 50 kg geliefert. Nach den hiesigen Ermittlungen können mit
1 kg Masse durchschnittlich 5 qm Fläche zweimal gestrichen werden;
der Preis für den Farbstoff beträgt somit 30 Pfennig für 1 qm. Der
Arbeitslohn beträgt bei Heranziehung von gewöhnlichen Arbeitern
durchschnittlich 16 Pfennig, mithin stellt sich ein zweimaliger An¬
strich für 1 qm auf 46 Pfennig, während im allgemeinen ein zwei¬
maliger Oelfarbenanstrich mindestens 50 Pfennig kosten wird.
Arnstadt, im März 1890. Hoeft
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector.
Träger mit frei schwebenden Stützpunkten
In der Mittheilung von Mehrtens „Ueber den Plan einer Eisen¬
bahnbrücke zwischen England und Frankreich“ ist auf Seite 481 des
vorigen Jahrganges d. Bl. die Mittheilung gemacht, dafs Träger mit
freischwebenden Stützpunkten im gröfseren Mafsstabe zum ersten
Male*) im Jahre 1881 von Sir John Fowler und Baker bei Ge¬
legenheit der Ausarbeitung der Pläne für die Forth-Brücke ange¬
wendet seien. Dies veranlafst mich zu der nachstehenden kleinen Mit¬
theilung, welche zeigt, dafs rhindestens gleichzeitig, wahrscheinlich
aber früher, die Anordnung in grofsem Mafsstabe von mir benutzt
wurde.
Im Jahre 1879 erhielt ich vom Herrn Ingenieur -General A. E.
V. Struwe, bei dem ich damals in St. Petersburg beschäftigt war,
den Auftrag, den Entwurf einer dritten festen Brücke über die Newa
für genannte Stadt zu bearbeiten. Es handelte sich in erster Linie
um eine feste Brücke als Ersatz der Troizkij - Schiff brücke von dem
südlich liegenden Haupttheile der Stadt, nach der sogenannten Peters¬
burger Seite hinüber, auf welcher die alte Festung liegt, und in
zweiter Linie um eine feste Brücke als Ersatz für die sogenannte
Palais-Schwimmbrücke vom südlichen Stadttheile nach der Wilhelms-
Insel (Wassilij-Ostrow) hinüber und von dort wieder mittels einer
getrennten Brücke über die kleine Newa nach der Petersburger Seite
zur Festung. Für alle diese Entwürfe wandte ich die in Rede stehende
*) Abgesehen von dem Vorläufer dieser jetzt so häufig ange¬
wendeten Bauweise, der Bosporus-Brücke von Euppert.
Anordnung an und zwar dem Aeufseren nach in der den Hänge¬
brücken ähnelnden Form, welche entschieden das gefälligste Aus¬
sehen bietet und sich dabei ziemlich gut den Momenten -Linien an¬
schliefst.
Namentlich wurden zwei Entwürfe für die Troizkij -Brücke genauer
durchgearbeitet und von beiden grofse schaubildliche Darstellungen
mit den zugehörigen Stadttheilen als Hintergrund in Wasserfarben
angefertigt und 1880 in der Duma (dem Stadthause) von St. Petersburg
ausgestellt. Da in Fachzeitschriften über diese Entwürfe meines
Wissens bisher nichts mitgetheilt wurde, so sind sie verhältnifsmäfsig
wenig bekannt geworden, und es möge mir daher gestattet sein, noch
jetzt einiges darüber zu berichten.
Die Constructionslinien der beiden Entwürfe zeigen die Abb. 1 u. 3,
diejenigen der zugehörigen Querträger die Abb. 2 u. 4. Beide Ent¬
würfe zeigen in der Mitte eine Fahrbahn für schwerstes Strafsen¬
fuhrwerk von 12,80 m lichter Weite und zu beiden Seiten je ein
Pferdebahngeleise und einen Fufsweg von 3,20 m Breite. Ein Unter¬
schied in der Anordnung bestand bei beiden Entwürfen nur darin,
dafs bei dem zweiten Entwürfe die Pferdebahngeleise unmittelbar
neben der Strafsenbahn, die Fufswege zu äufserst lagen, während bei
dem ersten Entwürfe die beiden Fufswege zwischen der Fahrstrafse
und den beiden Pferdebahn-Geleisen lagen. Weil nämlich bei Ent¬
wurf 1 infolge der bedeutenden Spannweite und der grofsen Breite
sich sehr grofse Gurtungsquerschnitte ergaben (auf den Pfeilern für
die Gurtungen über 3300 qcm), so wurde jeder der Hauptträger als
122
Centralblatt der Bauverwaltnuff.
O
26. März 1890.
Zwilliugsträger ausgebildet, deren Gurtungen, senkrechte und schräge
Streben durch Gitter werk eng mit einander verbunden wurden, und
deren Gurtungsquerschnitte zu einem einzigen grofsen rechteckigen
vollwandigen Kasten zusammen geschmolzen Wurden, sobald der
Querschnitt ohne grofse Verschwendung von Eisen dies gestattete.
Die Weite zwischen den Streben der Zwillingsträger war so grofs,
dafs die Fufswege zwischen dieselben unmittelbar über den unteren
sowie auch doppelte Diagonal-Verbände angeordnet. Die oberen
Querverbände hörten bei Knotenpunkt 10 und 25 auf, um die freie
Oeffnung über der Fahrbahn nicht zu sehr gedrückt erscheinen zu
lassen.
Bei dem zweiten Entwurf waren die beiden Consolen der Quer¬
träger zusammen gerade so lang wie der zwischen den Hauptträgeru
liegende Theil derselben. Die Lastvertheilung auf die Hauptträger
Abb. 1. Hauptträger.
Abb. 2. Querträger.
Troizkij- Brücke in St. Petersburg. Entwurf I.
Gurtungskasten gelegt werden konn¬
ten (Abb. 5). Die obere Gurtung der
Querträger ging durch die senk¬
rechten Wände der unteren Gurtung
der Zwillingsträger hindurch, und war
mit derselben nicht fest verbunden,
sondern wurde nur darin geführt.
Um dies zu ermöglichen, wurden
die senkrechten Bleche der Haupt-
träger-Gurtungen an den Querträgern gestofsen und zwar durch Bleche,
welche niedriger, aber entsprechend stärker als die zu stofsenden waren,,
und welche unter den oberen Gurtungen der Querträger diese kreuzten.
Für die gleichmäfsige Vertheilung der Last von den Querträgern auf
Abb. 5. Schnitt (/-d in Äbb. 1.
die beiden Hälften der Hauptträger war eine besondere Zwischencon-
struction eingerichtet. Die beiden Hauptgurtungen waren von innen
begehbar, sodafs sie gut im Anstrich erhalten werden konnten.
Die rechnungsmäfsige Höhe der Träger des ersten Entwurfes
betrug über den beiden Pfeilern 32 m. Wegen dieser bedeutenden
Höhe wurden oben sehr bedeutende Quer- und Längsversteifungen,
war also hier eine sehr günstige. Die
rechnungsmäfsige Höhe der Träger
über den Pfeilern betrug 19,2 m. Quer¬
verbindungen waren oben nur zwi¬
schen den fünf höchsten senkrechten
Streben vorhanden.
Die Anordnung der festen und
beweglichen Auflager ist in Abb, 1
u. 3 durch die Buchstaben f und h
gekennzeichnet. Die beweglichen Auflager waren sowohl bei den
grofsen Trägern wie bei den Zwischenträgern Pendellager. Die
Gewichte der Hauptträger beider Entwürfe hatte ich in ganz der¬
selben Weise, wie für die Canalbrücke geschehen, aus den Spannuugs-
zahlen und Längen unter Zuschlag eines Procentsatzes für Stöfse,
Niete und Anschlüsse berechnet, während die Gewichte der Quer- und
Längsträger, der Windverstrebungen und der Vergitterungen genauer
ermittelt wurden.
Das Gewicht der Eisentheile ohne die Belageisen der Strafsen-
bahn, die aus Holz^DÜaster bestehen sollte, sowie ohne die Wellbleche
der Fufsstege und ohne sämtliche Gufs- und Stahltheile belief sich
bei Entwurf 1 auf rund 8500 Tonnen, bei Entwurf 2 nur auf rund
4750 Tonnen.
Bei diesem bedeutenden LTnterschiede der Gewichte wurde der
zweite Entwurf ganz erheblich billiger, trotzdem auch die Pfeiler¬
bauten wegen der bedeutenden Wassertiefe, die an der Troizkij -Brücke
zu damaliger Zeit bis zu 12,8 m gemessen wurde, und wegen des
schlechten Baugrundes aufsergewöhnliche Kosten verursachten. Die
Pfeilergründung sollte mittels Prefsluft geschehen und zwar in
ähnlicher Weise, wie die für die Brücke über den Aermel-Canal ge¬
plante, welche im ganzen derjenigen der neuen Newabrücke in
St. Petersburg (Alexander-Brücke) entspricht. Die eisernen Senk¬
kasten, mit hohen eisernen Mänteln über der Decke sollten in
Schwimmdocks fertig gestellt werden und, nachdem sie zu Wasser
gebracht und auf der richtigen Stelle durch Anker festgelegt waren,
durch das Mauerwerk, welches mau über der Decke aufführte, all¬
mählich auf den Grund gesenkt werden. Die Senkkasten der Mittel¬
pfeiler des Entwurfes 1 hatten eine Grundfläche von 406 qm und
mufsten bis zu rund 26 m unter dem Mittelwasser der Newa versenkt
Abb. 4. Querträger.
Palais -Brücke bezw. Troizkij -Brücke. Entwurf II.
Nr. I2A-
Centralblatt der Bauverwaltung.
123
werden. Die Belastung des Baugrundes betrug etwa G6 Tonnen
auf 1 qm.
Das Gewicht des Eisens für die Senkkasten des Entwurfes 1
nebst den zugehörigen Mänteln und Aussteifungen über den Decken
derselben belief sich auf rund 1520 Tonnen. Bei beiden Entwürfen
schlofs sich an die festen Brücken südlich eine einarmige Drehbrücke
von rund 21,4 m Lichtweite an, wie bei der Alexanderbrücke.
Die Ausführung eines dieser Entwürfe unterblieb damals, weil
durch den Kaisermord alle Geschäftsthätigkeit gelähmt wurde, jedoch
ist es neueren Nachrichten zufolge nicht unwahrscheinlich, dafs
demnächst den Entwürfen wieder näher getreten wird. Jedenfalls ist
eine dritte feste Brücke für St. Petersburg ein dringendes Bedürfiiifs,
an und für sich bereits eine ausreichend hohe ist, sodafs der Zwischen¬
träger nur noch etwa 10 m gehoben zu werden braucht, um die
Schiffe mit Masten durchzulassen, oder aber, wenn, bei niedriger
Lage der ganzen Brücke, nur Schiffe ohne Masten durchzulassen sind.
Die Ausführung ist eine sehr bequeme, indem man an den
Krag -Enden nur Säulen aus Eisengitterwerk zu errichten braucht,
an denen die Zwischenbrücke in die Höhe gehoben wird. Die Gegen¬
gewichte finden entweder unmittelbar in oder hinter diesen eisernen
Säulen Platz, oder, wie in Abb. 6 dargestellt, zwischen den nächsten
Pfeilern, wenn diese aus Gitterwerk bestehen.
In jetziger Zeit, wo die Segelschiffahrt immer mehr von der
Ketten- und Schleppschiflfahrt verdrängt wird, bietet diese An-
da bei den oft mehrmals sich wiederholenden Eisgängen im Herbst
und Frühjahr, bei denen die Schiffbrücken ausgefahren werden
müssen, die Verbindung zwischen dem Norden und Süden der Stadt
eine höchst mangelhafte ist.
Zum Schlüsse meiner Mittheilung sei noch gestattet, auf eine
Verwendung der Träger mit frei schwebenden Enden aufmerksam zu
machen, welche, trotzdem sie sehr nahe liegt und nicht unwesentliche
Vortheile bietet, meines Wissens bisher nicht zur Ausführung kam,
ich meine die Verwerthung der kleinen Zwischenbrücke als beweg¬
liche Brücke, sei es als Klappbrücke, Rollbrücke oder auch als Hub¬
brücke, um die Schiffahrt hindurch zu lassen.
Diese Anordnung hat in fliefsendem Wasser den grofsen Vorzug
vor den Drehbrücken voraus, dafs der Wasserquerschnitt in der
Durchfahrtsöffnung nicht nennenswerth verengt zu werden braucht
und dafs somit die Wirbelbildungen und Rückströmungen in der
Durchfahrt und hinter den Pfeilern, welche namentlich für kleinere
Fahrzeuge sehr unbequem werden, hier fortfallen.
Die Anordnung der kleinen Zwischenbrücken als Hubbrücken
wird sich besonders da empfehlen, wo die Lage der ganzen Brücke
Ordnung noch den Vortheil, dafs man sie gewissermafsen als eine
Uebergangs-Anordnung verwenden kann. Wenn man die feste Brücke
so hoch legt, dafs alle Dampfer und Schleppschiffe die Brücke
kreuzen können, ohne dafs die Hubbrücke geöffnet werden mufs, so
kann man sicher sein, dafs in absehbarer Zeit — wenn nämlich die
Zahl der Schiffe mit höheren Masten auf einen unbedeutenden Rest
zusammen geschmolzen ist — das Oeffnen ganz unterbleiben kann.
Nach Abbruch der beiden Säulen hat man alsdann eine vollständig
zweckmäfsige Hochbrücke, die nicht, wie etwa eine aufser Betrieb
gesetzte, hochgelegene Drehbrücke durch ihre Pfeiler den freien
Verkehr stört. Anstatt zur Hubbrücke kann man indessen die
Zwischenbrücke der ausgekragten Träger auch ebenso leicht zur
Rollbrücke umgestalten, z. B. nach der Anordnung derjenigen im
Barmouth-Viaducte der Cambrian-Eisenbahn*), und sie in dieser Form
für jede Höhenlage der ganzen Brücke bequem als bewegliche Brücke
verwenden. L. Brenn ecke.
*) Vergl. Handbuch der Ing. -Wissenschaften Band II: „Der
Brückenbau“, 3. Abth. S. 5.
Vermischtes.
Der Verkehr auf den Wassei'strafseu Berlins im Jahre 1889 hat
sich auf der Höhe der beiden vorhergehenden Jahre gehalten, nach¬
dem 1887 eine sehr erhebliche Zunahme aus Anlafs der gesteigerten
Bauthätigkeit stattgefunden hatte. Nach den amtlichen Erhebungen
ist bezüglich der Anzahl der Schiffe eine Verminderung ein¬
getreten. Die Zahl betrug:
1885
1886
1887
1888
1889
a) durchgehende . .
. . 4 016
3 917
4 270
3 657
3 083
b) angekommene
. . 41359
45057
49 168
46 307
44 737
c) abgegangene . .
. . 40 980
44562
48 935
46187
44310
Dagegen zeigt das Gesamtgewicht der angekommenen Güter
eine Zunahme von 122 010 Tonnen gegenüber dem Vorjahre, während
betreffs der durchgehenden und abgegangenen Güter kleine Ver¬
minderungen zu verzeichnen sind. Das Gesamtgewicht betrug näm¬
lich in Tonnen:
1885 1886 1887 1888 1889
a) durchgehende 308 883 316 735 344707 326111 283 667
b) angekommene 3 426415 3 632 690 4 228170 4 229 540 4 351550
c) abgegangene . 314 613 296 050 355 595 339 748 327 538
Unter den angekommenen Schiffen befanden sich 4367 Per-
sonen-Dampfschiffe, 1850 Schleppdampfer, 368 Tau- (bezw. Ketten-)
Schiffe, 549 Güterdampfschiffe (davon 23 unbeladen) mit einer Trag¬
fähigkeit von 52 247 Tonnen und beladen mit 33 048 Tonnen Gütern,
37 603 Segelschift’e (davon 2743 ixnbeladen) mit einer Tragfähigkeit
von 4 504 612 Tonnen und beladen mit 4 318 502 Tonnen Gütern.
Unter den abgegangenen Schiffen waren 4365 Personen¬
dampfer, 1826 Schleppdampfer, 368 Tau- (bezw. Ketten-) Schiffe,
582 Güterdampfer (davon 120 unbeladen) mit 28 282 Tonnen Gütern,
37 199 Segelschiffe (davon 33 382 unbeladen) mit 299 256 Tonnen
Gütern.
Unter den durchgehenden Schiffen waren 1 Schleppdampfer,
10 Güterdampfschiffe mit 800 Tonnen Gütern, 3072 Segelschiffe (da¬
von 774 unbeladen) mit 282 867 Tonnen Gütern.
Bezüglich der Güterdampfer ist seit dem Jahre 1888 eine Zu¬
nahme von etwa einem Zehntel der Schiffe eingetreten.
An Flöfsen sind
durchgefahren angekommen
Anzahl
der Flöfse
Tonnengehalt
Anzahl
der Flöfse
Tonneugehalt
1887 .
191
13 289
175
10 084
1888 .
153
11 554
122
11 203
1889 .
154
10 903
149
11533
Garbe.
Die Benutzung der Kahelleitungeu für Wärinemessungeii be¬
handelt ein beachtenswerther Aufsatz von Dr. H. Hoppe in der
Meteorologischen Zeitschrift (Maiheft 1889). Bekanntlich wächst,
wie bei allen Metallen, so auch beim Kupfer, aus welchem vor¬
wiegend die Kabeldrähte gefertigt werden, der Widerstand, den das¬
selbe der Fortpflanzung des elektrischen Stromes entgegensetzt, mit
dem Steigen seines Wärmegrades und zwar für jeden Grad Wärme¬
zunahme von Null Grad an gerechnet um eine bestimmte gleich-
bleibende Gröfse. Da nun die unterseeischen Kabelleitungen vor
ihrer Versenkung hinsichtlich ihrer Widerstände bei verschiedenen
Temperaturen genau geprüft werden, so kann auch nach ihrer Vei--
124
Centralblatt der Baiiverwaltung.
26. März 1890.
legung aus jedem gemessenen Widerstande auf eine bestimmte, durch
die umgebenden Wassermassen bedingte Temperatur der Kabel¬
drähte geschlossen werden. Hiermit ist ein einfaches und bequemes
Hülfsmittel gefunden, die Wärme des das Kabel umgebenden Meeres¬
wassers jederzeit auf dem Festlande aus den gemessenen Wider¬
ständen unmittelbar festzustellen, ohne umständliche Lothungen vor¬
nehmen zu müssen. Selbstverständlich können sich bei diesen
Messungen, da die Kabelleitungen auf ihrer Gesamtlänge verschieden
tief liegen, also in Meeresschichten mit wechselnden Wärmegraden
eintauchen, nur mittlere Temperaturen der Meere ergeben, und zwar
derjenigen Wasserschicht, welche der mittleren Tiefenlage der Kabel
entspricht und durch die Projection der versenkten Leitung auf die
Meeresoberfläche leicht berechnet werden kann. In verschiedenen
Meeren, z. B. im Mittelmeer und im Schwarzen Meer — bei letzterem
mittels des Kabels Constantinopel-Odessa — haben bereits umfang¬
reiche Messungen in den verschiedenen Monaten aus den Wider¬
standsänderungen der Kabel stattgefunden. Es sind hierbei mit den
Lothungen übereinstimmende Ergebnisse erzielt worden. Das Mittel¬
meer zeigte eine mittlere Temperatur von 13,8 ° C., das Schwarze
Meer eine erheblich niedrigere, und zwar 6,1 ° C. im März, 9,5 ° C.
im September.
Für die ausübende Meteorologie können sich diese Messungen
dadurch sehr nutzbar erweisen, dafs das Vordringen kälterer und
wärmerer Wassermassen in den Meeren, wodurch vorwiegend der
Weg und die Geschwindigkeit der Luftwirbel beeinflufst werden und
dessen rechtzeitige Kenntnifs für die Vorherbestimmung der Witte¬
rung von erheblichem Werthe ist, durch Einwirkung auf die Tempe¬
ratur und die Widerstände der betrofienen Kabel sich sofort auf dem
Festlande erkennbar macht.
In gleicher Weise wie die Meereswärme mittels der unterseeischen
Kabel kann auch die Bodenwärme auf dem Laude durch Messung
der Widerstände der unterirdischen Kabel zu jeder Zeit bestimmt
werden, zumal letztere gewöhnlich auf ihre ganze Länge gleich tief
verlegt sind und somit sichere Messungswerthe ergeben. — p. —
und durch drei übereinander angebrachte, quer durchlaufende Stuhl¬
schienen A auf den eigentlichen Prellbock übertragen. Bei Q, Qi
und Q> sind die beiden Hälften des Bockes durch kräftige, in den
Mitten verstärkte Kundstangen fest verbunden. Zu bemerken ist
noch, dafs zwischen den angeordneten Laschenblechen und den
Schniit a a:
+ SchPAubenbolzen
Englischer Prellbock.
Schienenstegen allenthalben Futterstücke eingelegt sind, wie dies im
Schnitt a a angedeutet ist. — Die hier mitgetheilte Zeichnung wurde
im Bezirk der Lancashire- und Yorkshire-Bahn aufgenommen. Km.
Steiuzange für Strombauten. Zum Beseitigen von Steinen in
dem Fahrwasser der Ströme dient die nachstehend abgebildete
Steinzange. Sie hängt an zwei Ketten, welche über die Trommeln
zweier an einem drehbaren Krahngerüst angebrachten Winden ge¬
führt sind. Der Krahn steht auf einem Arbeitsschiff von 13,5 m Länge
und 2,5 m Breite und etwa 200 Centner Tragkraft. Nachdem die
Hauptkette a um ein der Falltiefe h entsprechendes Stück abgewickelt
ist, wird der Greifer durch Anziehen der Kette 6 geöffnet, und nach
Lösen der Sperrklinke und der Bremsvorrichtung schnell bis auf den
Grund des Stromes hinabgelassen, durch das Anziehen der Kette a
PreUhock axif englischen Bahnen. Im Anschlufs an die |
Mittheilungen auf Seite 116 d. Bl. über den Sicherheits -Prell¬
bock mit Wasserbremse von Langley ist in der obenstehen¬
den Abbildung ein Beispiel eines jener starren Prellböcke dar¬
gestellt, wie sie in England zum Abschlufs von Kopfgeleisen
zwischen hoch liegenden Bahnsteigen und an sonstigen besonders
gefährdeten Stellen benutzt werden. Die Vorriclitung ist aus Stuhl¬
schienen geschickt zusammengefügt. Der Kraft des Stofses durch
einen auffahrenden Zug leisten die beiden Druckstreben d und </i,
der mit d\ verbundene Zugstab z und ferner die über den Fahr¬
schienen ff fest eingespannten senkrechten Schienen 5 s s kräftigen
Widerstand. Der Stofs wird von einer Bufferbohle 6 aufgenommen
I wieder geschlossen und gehoben. Zum Auffinden der Steine dient
die je nach der Fahrwassertiefe zu verstellende Schiene s. Das vor
Anker liegende Arbeitsschiff pendelt quer über die Fahrrinne, indem
gleichzeitig ein der Schienenlänge entsprechendes Stück der Anker¬
kette nachgelassen wird. Auf diese Weise kann jeder Punkt des
Flufsbettes untersucht und eine zuverlässige Reinigung von den der
Schiffahrt gefährlichen Steinen bewirkt werden. Auch zum Heben
einzelner schwerer, bei Dampfbaggerungen blofsgelegter Steine leistet
die Vorrichtung gute Dienste. Von derselben wurden zwei Stück
für die Wasserbauinspection Hameln durch H. Erbstein daselbst für
den Preis von 500 Mark für das Stück ausschl. Arbeitsschiff geliefert.
Die Vorrichtung hat sich bislang gut bewährt. H.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaclion des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s k es, Berlin.
CentraMatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 29. März 1890. Nr. IJ.
Sedaction : SW. Zimmerstrafse 7 u- Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen :
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
illBAIiT; Amtliches: Personal - Nachrichten. — nichtamtliches: Die ehemalige
Kirche der Dominicaner in Cohlenz. — Wasserstrafse zwischen Mannheim-Ladwigs-
hkfen und Kehl- Strafsburg, Canal oder freier Rhein? (Fortsetzung.) — Kunstgewerbe-
Museum in Düsseldorf. — Neubau des Königlichen Gymnasiums in Bonn. — Wider¬
stände der Dampfwalzen. — Vermischtes: Ban eines neuen Zellenhanses in der
Strafanstalt von Rawitsch. — Heinrich Müller t.
Amtliche Mittheilungen.
Ordens- Yerleihungeii am Krönnngs- und Ordensfest.
Pes Kaisers und Königs Majestät haben Allergnädigst zu ver¬
leihen geruht:
den Stern zum Rothen Adler -Orden II. Klasse mit Eichen¬
laub: dem Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsrath und Ministerial-
Director Schultz im Ministerium der öffentlichen Arbeiten;
den Rothen Adler-Orden II. Klasse mit Eichenlaub: dem
Geheimen Ober -Regierungsrath Bensen, Vorsitzenden des Eisen-
bahn-Commissariats in Berlin;
den Rothen Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife:
dem Ministerialrath Beemelmansin Strafsburg i. E., dem Geheimen
Ober-Baurath Bernhardt, Vortragenden Rath im Kriegsministerium,
-dem Geheimen Regierungsrath Grapovv, Mitglied der Eisenbahn-
Direction in Berlin, dem Geheimen Admiralitätsrath Gurlt, ver¬
tragenden Rath im Reichs -Marine -Amt, und dem Geheimen Regie¬
rungsrath Menne, Director des Eisenbahn-Betriebs- Amts in Neuwied;
den Rothen Adler -Orden IV. Klasse: dem Kreis -Bau¬
inspector, Baurath Arnold in Hanau, dem Marine-Maschinenbau-
Oberingenieur Afsmann in Danzig, dem Professor Brandt an der
technischen Hochschule in Berlin, dem Bauinspector, Baurath Krause
in Berlin, dem Marine-Maschinenbau-Director Langner in Danzig,
dem Eisenbahn-Director Lochner, Mitglied der Eisenbahn-Direction
in Erfurt, dem Regierungs- und Baurath Loenartz in Oppeln, dem
Regierungs- und Baurath Meifsner, Vorstand des betriebstechnischen
Bureaus der Eisenbahn - Direction (rechtsrh.) in Köln, dem Regie¬
rungs- und Baurath Müller, Director des Eisenbahn-Betriebs-Amts
(Directionsbezirk Altona) in Kiel, dem Intendantur- und Baurath
beim V. Armeecorps, Schüfsler, dem Professor Schulz an der techni¬
schen Hochschule in Aachen, dem Regierungs- und Baurath Schulze,
Director des Eisenbahn-Betriebs-Amts Breslau -Sommerfeld (Dir.-
Bez. Berlin) in Breslau, dem Marine- Maschinenbau -Oberingenieur
Schulze in Wilhelmshaven, dem Regierungs- und Baurath Skai weit,
Mitglied der Eisenbahn-Direction in Magdeburg, dem Regierungs¬
und Baurath Vieregge, Director des Eisenbahn-Betriebs-Amts
(Directionsbezirk Bromberg) in Schneidemühl, dem Kreis-Bauinspector,
Baurath Weinert in Grünberg i. Schlesien und dem Regierungsrath
Dr. Zimmermann, ständigen Hülfsarbeiter im Reichsamt für die
Verwaltung der Reichs-Eisenbahnen in Berlin.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Re¬
gierungs- und Baurath Friedrich Z astrau zum Geheimen Baurath
und Vortragenden Rath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten und
den bisherigen Wasser-Bauinspector Eugen Frölich in Glückstadt
zum Regierungs- und Baurath zu ernennen, ferner dem Geheimen
Regierungsrath Gottgetreu in Köln die nachgesuchte Entlassung aus
dem Staatsdienste mit Pension und unter Verleihung des Königlichen
Kronen-Ordens II. Klasse zu ertheilen und dem Eisenbahn-Bau- und
Betriebsinspector Kolszewski in Kattowitz bei seinem Uebertritt in
den Ruhestand den Charakter als Baurath zu verleihen, sowie dem
Hafen-Bauinspector Kummer in Neufahrwassser die Annahme und
Anlegung des ihm verliehenen Kaiserlich russischen St. Annen-Ordens
III. Klasse, dem Königlichen Regierungs-Baumeister Wilhelms da¬
selbst die Annahme und Anlegung des ihm verliehenen Kaiserlich russi¬
schen St. Stanislaus-Ordens III. Klasse und dem Regierungs-Baumeister
March in Charlottenburg die Anlegung der ihm verliehenen Grofs-
herzoglich hessischen goldenen Verdienst-Medaille zu gestatten.
Der Regierungs- und Baurath Frölich ist der Königlichen
Regierung in Hildesheim überwiesen worden.
Das Königliche technische Ober-Prüfungs-Amt ist für die Jahre
vom 1. April 1890 bis dahin 1893 zusammengesetzt aus: dem Ministerial-
Director, Wirklichen Geheimen Rath Schneider als Präsidenten,
dem Ober - Baudirector Wiebe als Stellvertreter desselben, dem
Ober -Bau director Endell, den Geheimen Ober-Bauräthen Siegert
und Baensch, dem Geheimen Ober-Baurath a. D. Franz, dem
Geheimen Ober-Regierungsrath Spieker, den Geheimen Ober-Bau¬
räthen Oberbeck, Hagen, Küll, Schröder, Kozlowski,
Stambke und Nath, dem Geheimen Baurath Jungnickel, dem
Geheimen Regierungsrath Per sius, den Geheimen Bauräthen Dresel,
Lorenz und Wiehert, dem Geheimen Regierungsrath Professor
Reuleaux, dem Geheimen Bergrath Gebauer, den Geheimen Bau¬
räthen Keller und Z astrau, den Regierungs- und Bauräthen
Emmerich, Weber, Ehlert und Eggert, dem Professor Hör¬
mann, dem Baurath Professor Kühn und den Professoren Meyer
und Müller-Breslau.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Karl Zeuner in Rawitsch
ist zum Königlichen Kreis Bauinspector ernannt und demselben die
Kreis-Bauinspectorstelle daselbst, deren Sitz vom 1. April d. J, ab
nach Lissa verlegt wird, verliehen worden.
Versetzt sind: Der Baurath Kröhnke in Glückstadt infolge Ver¬
legung des Amtssitzes der Kreis -Bauinspection nach Itzehoe, der
Kreis-Bauinspector, Baurath Linker von Mühlhausen i. Thür, nach
Rinteln a. d. Wesei-, der Kreis -Bauinspector Röttscher von Rinteln
a. d. Weser nach Mühlhausen i. Thür., der Kreis-Bauinspector Holt¬
greve von Montabaur nach Höxter, der Kreis-Bauinspector Dapper
von Labiau nach Montabaur, der Kreis -Bauinspector, Baurath Otto
von Könitz W.-Pr. nach Elbing, der Kreis -Bauinspector, Baurath
Garn per von Göttingen nach Sorau, der bisher bei der Königlichen
Ministerial-Bau-Commission angestellte Bauinspector Kleinwächter
als technischer Hülfsarbeiter an die Königliche Regierung in Erfurt,
der bisherige technische Hülfsarbeiter bei der Königlichen Regierung
in Coblenz, Land-Bauinspector Kifs, als Kreis -Bauinspector nach
Bochum, der Kreis -Bauinspector Wentzel in Wiesbaden als Bau¬
inspector und technischer Hülfsarbeiter an die Königliche Regierung
in Coblenz, der bisher im Ministerium der öffentlichen Arbeiten be¬
schäftigte Baurath Küster als Bauinspector in eine Localbaubeamten-
Stelle bei der Königlichen Ministerial-Bau-Commission in Berlin, der
bisherige technische Hülfsarbeiter bei der Königlichen Regierung in
Schleswig, Wasser-Bauinspector Boden, in die Wasser-Bauinspector-
Stelle in Glückstadt, der bisher bei den Universitätsbauten in Göt¬
tingen beschäftigte Land-Bauinspector Breymann in die Kreis-Bau-
inspector-Stelle daselbst; derselbe hat die Geschäfte als Universitäts-
Architekt weiterzuführen.
Die Kreis -Bauinspectoren, Bauräthe Rotmann in Prenzlau,
Friedrich in Braunsberg, Schütte in Rastenburg, Gerlhoff in
Osterburg und der Wasser - Bauinspector, Baurath Eckhardt in
Frankfurt a. M. treten am 1. April d. J. in den Ruhestand. Ueber
die Wiederbesetzung der Stellen ist bereits anderweitig verfügt.
Zu Königlichen Regierungs -Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Theodor Koldewey aus Bücken in Hannover
und Robert Lang aus Hoboken, im Staate New Yersey, Nordamerica
(Hochbaufach).
Der bisherige Königliche Regierungs - Baumeister Anton Swart
ist als Landesbaumeister bei der Pro vincial -Verwaltung in Hannover
angestellt worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Bernhard
Richter in Rofsla a. Harz, Albert Ludorff in Münster i. W. und
Paul Bon er in Hamm i. W. ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienst ertheilt worden.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, die bis¬
herigen Marine -Schiffbau -Directoren, Wirkliche Admiralitätsräthe
Guyot und Zeysing zu Marine-Ober-Bauräthen und Schiffbau-
Directoren mit dem Charakter als Geheime Bauräthe, den bisherigen
Marine-Maschinenbau-Director, Admiralitätsrath Bauck zum Marine-
Ober-Baurath und Maschinenbau-Director mit dem Charakter als
Geheimer Baurath, die bisherigen Marine - Hafenbau - Directoren
Rechtem und Franzius zu Marine-Ober-Bauräthen und Hafenbau-
Directoren, die bisherigen Marine-Maschinenbau-Directoren Meyer
und Langner zu Marine-Ober-Bauräthen und Maschinenbau-Direc-
126
Centralblatt der Bauverwaltiing.
29. Miliz 1890.
toreil, die bisherigen Marine- Schiffbau -Directoreu Schunke und
Gebhardt zu Marine-Ober-Baiiräthen und Schiff’bau-Directoreii zu
ernennen; ferner die Marine-Maschinenbau-Oberingenieure Schulze,
Afsmann, Beck und Dübel zu Marine-Bauräthen und Maschinen¬
bau - Betriebs - Directoreu , die Marine - Schiff'bau - Oberingenieure
van Hüllen, Bartsch, Liudemann und Jäger zu Marine-Bau¬
räthen und Schiffbau-Betriebs-Directoren, mit dem Bange der Eäthe
IV. Klasse, zu befördern, sowie dem bisherigen Mariiie-Hafenbau-
Oberingenieiir mit dem Charakter als Hafenbau-Director, Müller
den Charakter als Marine-Baurath zu verleihen.
[.411e Eeclite vorbehalteu.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die elieiiialige Kirche der
Von den Bauten der Dominicaner und Frauziscaner besitzen wir
in Deutschland nur eine sehr geringe Zahl. Haben sich von den
Klöstern der Benedictiner, der Prämonstratenser und der Cistercienser,
welche mit Vorliebe die Einsamkeit
aufsuchten, immerhin verschiedene
Beisiiiele theils mehr, theils minder
vollständig erhalten, so sind doch
von den Klöstern des Prediger- und
des Bettelordeiis , die sich in den
Städten niederliefseii, vollständige
Anlagen, etwa in der Art der
Cistercienserabtei Maulbronn, über- j_
haupt nicht auf uns gekommen. 7'
hlanche derselben, wie z. B. die i,
Dominicanerklöster in Berlin i\nd T
Köhl, sind gänzlich vom Erdboden i
verschwunden. Ja, Städte wie Erfurt 1
lieh schätzen, wenn sie wenigstens
die Kirchengebäude beider Orden
noch besitzen, und diese noch heute
für den Gottesdienst benutzt werden.
Andere Städte haben zwar das
Kirchengebäude gerettet, aber ent¬
stellt und verachtet mufs es profanen Höhen
Zwecken, gewöhnlich den militäri- tler eingebauten
sehen Bedürfnissen der Neuzeit die- Gsscitosse.
neu. In diesem Zustande zeigt sich
auch heute die ehemalige
Kirche der Dominicaner in
Coblenz, die, hart am west¬
lichen Ende der Stadt, unfern
der alten IMoselbrücke ge¬
legen, durch benachbarte
Häuser fast ganz dem An¬
blick von der Strafse ent-
den
als
Sie
Schnitt R — &
zogen ist und samt
Bäumen des Klosters
Militärlazareth dient,
wird durch drei Balkenlagen
in vier Geschosse getheilt,
von denen das Erdgeschofs
dem Artilleriedexjot über¬
wiesen ist und die drei
Stockwerke den Kranken¬
saal und die Vorrathsräume
des Lazareths enthalten,
während der Altarraum als
Treppenhaus eingerichtet
ist. Aufserhalb der sie be¬
sitzenden Behörden ist die
Kirche so gut wie unbe-
Abb. 1.
der emsig sammelnde Kugler
ihr gab, welche in anderen
kannt, wenngleich in der
kunstgeschichtlichen Litteratur schon
(1841) die ersten Nachrichten
Handbüchern -wiederholt wurden, und Lotz und Lehfeldt sie
in ihren Inventarien erwähnten und beschrieben.!) Es ist das
\erdienst des Herrn Dr. A. Eeichensperger in Köln, bekannt¬
lich eines der ältesten Forscher unserer vaterländischen Bau¬
denkmäler, insbesondere derjenigen seiner engeren Heimath, und
eines beredten Vorkämpfers für ihre Erhaltung, von neuem hinge¬
wiesen zu haben auf die geschichtliche Bedeutung der Coblenzer
!) F. Kugler, Kleine Schriften und Studien, Bd. II 1854, S. 130
u. 239. W. Lotz, Kunst -Topographie Deutschlands. Bd. I 1862,
S. 144. P. Lehfeldt, Bau- und Kunstdeukmäler des Begierungsbezirks
Coblenz. 1886, S. 150.
Dominicaner in Coblenz.
Dominicanerkirche und auf die Möglichkeit, sie dem Gottesdienste
Der Orden der Dominicaner hatte unmittelbar nach seiner Grün¬
dung sich über das ganze west¬
liche Abendland verbreitet. Wann
er nach Coblenz kam, ist nicht genau
bekannt. Eine in gothischen Klein¬
buchstaben ausgeführte Inschrift am
ersten dem Chore zugewandten Bo¬
gen auf der Südseite des Mittel¬
schiffs meldet, dafs die Brüder in
diesem Kloster die allererste Messe
an dem Ostertage des Jahres 1233
gesungen hätten. Diese Nachricht
kann jedoch nur auf diejenigen
Baulichkeiten bezogen werden, die
den Brüdern im Anfänge überwiesen
worden waren oder welche sie sich
selbst vor der Hand hergerichtet
hatten. Immerhin mufs mau mit
der Ausführung der heutigen Kirche,
wie deren Prüfung ergeben wird,
spätestens kurz nach dem erwähnten
Zeitpunkte begonnen haben. 2)
Das Unternehmen schritt nur
langsam vorwärts; auch waren
die erbitterten Kämpfe zwischen
Kaiser Friedrich II. und Papst Inno-
cenz IV. ihm nichts weniger
als günstig. Als besonders
thätige Anhänger des Pap¬
stes erwiesen sich in diesen
Kämpfen die Dominicaner,
-nmlche, dessen Sache als
diejenige der Beligion dar¬
stellend, die Unterthanen
zum Abfall von ihrem welt¬
lichen Oberhaupte aufriefen.
Von Lyon aus, wohin luno-
ceuz sich zurückgezogen
hatte und von wo aus er¬
den Kaiser in den Baun
that, ertheilte er dem ge¬
treuen Convente der Co¬
blenzer Dominicaner am
26. Juni 1245 einen Ablafs
zur Förderung seines Baues.
Noch in demselben Jahre
mufs dieser Bau durch eine
Feuersbrunst zerstört wor¬
den sein, da schon am
12. Januar 1246 der Papst
ebenfalls von Lyon aus einen
zweiten Ablafs zur Wiederherstellung des während der Ausführung
abgebrannten Klosters und der Kirche ertheilte. Nachdem der Convent
einen ferneren Ablafs im Jahre 1252 erhalten hatte, verlieh wieder
Alexander IV., der inzwischen nach dem Tode Innocenz’ D. den
päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, von dem Städtchen Anagni bei
Born aus am 25. Mai 1259 allen denen einen Ablafs, 3) welche der
bevorstehenden Eimveihung der Kirche beiwohnen würden.
2) Die mehrfach wiederholte Angabe des Jahres 1239 als Beginn
des Baues scheint auf keiner urkundlichen Nachricht zu beruhen, ist
auch mit den noch theilweis romanischen Formen der Kirche nicht
vereinbar.
3) Die Originale der genannten vier Ablafsbriefe befinden sich
im Königlichen Staatsarchiv in Coblenz und wurden abgedruckt bei
L. Eltester und A. Goerz, Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt
Nr. 13.
Centralblatt der Bauverwaltung.
127
Die Einweiliung wird daraufhin gewifs vor sich gegangen sein.
Doch brauchten deswegen Kirche und Kloster noch nicht in allen
Theilen vollendet zu sein; denn im Jahre 12G5 erhielt der Convent
einen Ablafs gelegentlich seines Kirchweihfestes, und noch aus dem
Jahre 1334 ist ein Ablafsbrief auf uns gekommen. Im Jahre 1441
hatte das Kloster unter einem grofsen Brande zu leiden. Die Mittel
zum Neubaix flössen abermals recht spärlich, aus welchem Grunde
Papst Eugen IV. am 28. November 1441 einen Ablafs zum Wieder¬
aufbau des Klosters und zur Ausbesserung der Kirche bewilligte.^)
Erst im Jahre 1489 waren die Bauarbeiten einer verloren gegangenen
Inschrift zufolge beendet.») Noch einmal wurde im Anfänge des
vorigen Jahrhunderts eine gründliche, leider recht nüchterne Er¬
neuerung der Klostergebäude vorgenommen ß), von welcher die Kirche
aber glücklicherweise im wesentlichen verschont blieb.
Die Kiiegsstürme, die nach der grofsen französischen Revolution
die Rheinlande heimsuchten, zogen auch das Coblenzer Dominicaner¬
kloster in Mitleidenschaft; es mufste als Lazareth für die verbündeten
deutschen Heere dienen, und nachdem das linke Rheinufer der fran¬
zösischen Republik einverleibt worden war, erfolgte 1802 die Auf¬
hebung aller geistlichen Orden in den ehemals deutschen Bezirken,
eine Mafsregel, die man in Frankreich schon früher durchgeführt
hatte. Unser Gotteshaus wurde nunmehr zum Militärmagazin für
Rauhfutter eingerichtet, und, wie aus den im Coblenzer Staatsarchiv
liegenden Schriftstücken jener Zeit hervorgeht, mufste der Verkauf
der inneren Einrichtung xind der Glocken
nicht nur der Dominicaner-, sondern auch
der gleichfalls aufgehobenen St. Florins-
kirche die Mittel zur baulichen Instand¬
haltung der Liebfrauenkirche einbringen.
Das Kloster wurde Garnisonlazareth. Dieser
Zustand blieb auch unter der preufsischen
Regierung derselbe, bis nach dem Jahre 1872,
das Lazareth auch auf die Kirche, die vor¬
übergehend als Artillerie-Zeughaus gedient
hatte, ausgedehnt wurde.
Nach solchen Mifshandlungen raufs es
überraschen, dafs man die Kirche zur Zeit
verhältnifsmäfsig gut erhalten findet. Sie
stellt sich als eine langgestreckte Basilika
dar, welche von zweimal neun Stützen in
drei Schiffe getheilt wird und durchweg
überwölbt ist. Die Abseiten schliefsen gerad¬
linig, dem Mittelschiffe fügt sich ein aus
sieben Seiten eines Zwölfecks gebildeter
Altarraum an. Bereits die Querschnitte der
Pfeiler lassen erkennen, wie die Kirche nicht
nach einem einheitlichen Plane entstand.
Die acht westlichen Pfeiler sind rund; ihnen
folgen drei andere Rundpfeiler mit je vier
vorgelegten kreisförmigen Diensten, während
die sieben östlichen Pfeiler einen mehrfach
abgetreppten Querschnitt aufweisen. Trotz dieser Verschiedenheit
gehören aber sämtliche Pfeiler noch der Frühgothik an. Ja es
scheint, dafs man ursprünglich beabsichtigt habe, die Kirche in
den Formen des romanischen Stils aufzuführen. Die beiden Bögen
des westlichsten Gewölbejoches vom Langhause haben eine gröfsere
Spannweite als die übrigen und sind nach einem Halbkreise ge¬
schlagen, obgleich sie im Profile (Abb. 2, I) mit den spitz herge¬
stellten der nächstfolgenden vier Joche übereinstimmen. Die Ver¬
hältnisse der drei Schiffe erinnern ganz an die romanischen Kirchen,
mit denen sie auch den Mangel von Strebepfeilern und Strebebögen
theilen. Diesem letzten Umstande gegenüber bleibt zu beachten,
dafs an dem gleichfalls frühgothischen Chore die Strebepfeiler sehr
wohl vorgesehen sind. Bedenkt man nun, dafs die flache Holzdecke
noch lange nach Einführung des Gewölbebaues im Gebrauch blieb,
dafs ferner die Hauptkirchen von Coblenz, die Liebfrauen-, die
St. Florins- und die St. Castorkirche, erst in viel späterer Zeit ihre
Gewölbe erhielten, so wird es glaubwürdig, dafs die Dominicaner
im Hinblick auf ihre beschränkten Mittel beim Beginn des Baues
die preufsischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden
mittelrheinischen Territorien. Bd. III. Coblenz 1874. S. 618, 632,
633 u. 1071.
^) r.ad illius conventus restaiirationem et predicte ecclesie repa-
rationem.'^ Die unveröffentlichten Originale der drei letzteren Ab-
lafsbriefe ruhen ebenfalls im Coblenzer Staatsarchive.
^) J. Marx, Geschichte des Erzstifts Trier. Bd. II, 2. Trier 1862.
S. 445 ff.
®) 1713 aus Mauerankern gebildete Jahreszahl im Hofe, 1728 im
Ziegelpflaster eines Ganges.
auf die Ueberwölbung des Langhauses ihrer Kirche verzichtet hatten.
Die Franziscanerkirche in dem unfernen Limburg an der Lahn, an
welcher ebenfalls nur der Chor mit Gewölben und Strebepfeilern
ausgestattet ist, vermag daher, wenngleich sie erst dem 14. Jahr¬
hundert angehört, ein annäherndes Bild von der urspünglich beab¬
sichtigten Gestalt der Coblenzer Dominicanerkirche zu gewähren.
Die Einwölbung des Langhauses dürfte erst nach dem urkundlich
gegebenen Brande vom Jahre 1245 bewirkt worden sein. Wenn auch
der Gebrauch der Strebepfeiler und sogar der Strebebögen unter den
damals entstandenen gothischen Bauwerken sich bereits eingebürgert
hatte, so nahmen doch die Coblenzer Dominicaner von der nachträg¬
lichen Anbringung dieser Hülfsmittel Abstand. Sie trauten dem
Beispiele der zahlreichen dieser Hülfsmittel gleichfalls entbehrenden
romanischen Gewölbebauten, und dafs ihr Versuch gelungen ist, be¬
zeugt der heutige gute Zustand der Kirche; freilich ist man der
nicht unbedeutenden Spannweite des Mittelschiffs (8,30 m) durch
eine ziemlich steile Anlage der Kreuzgewölbe begegnet. Nur au
den vier mittleren Pfeilern sind die Dienste der Gurtbögen bis auf
den Fufsboden herabgeführt (Abb. 1). Oberhalb der Capitelle der
übrigen Pfeiler treten besondere Dienste vor die Wandflächen
des Mittelschiffs; sie sind im westlichen Theile der Kirche einfach
kreisförmig, im östlichen aber als ein dreitheiliges Bündel ge¬
staltet, welches nach unten ■ in einen schlichten Kragstein aus¬
läuft. Diese Dienste tragen über ihren Laubcapitellen noch
frühgothische Gewölbe, während die Capi¬
telle jener mit ihren Gewölben in spät-
gothischer Zeit, wohl ohne Zweifel nach
dem Jahre 1441, erneuert wurden. Die Pro¬
file der älteren Gurtbögen und Rippen sind
sehr verschieden gebildet. Sie entwickelten
sich während des Baues zu immer reicheren
Schattenwirkuugen, und an einigen Orten
verschwindet bereits der Unterschied zwischen
Gurtbogen und Rippe. In den spätgothischen
Theilen erhebt sich das zur Regel; zugleich
wird für diese ein feinerer Mafsstab gewählt
und der W echsel der Profile auf einen Unter¬
schied des Hauptschifl’es und der Abseiten
beschränkt. Die ältesten der frühgothischen
Rippen (Abb. 1 u. 2, d) besitzen noch keine
Schlufssteine, die übrigen haben solche mit
Laubrosen. Bei der Erneuerung des 15. Jahr¬
hunderts wurden dagegen Drei- und Vier¬
pässe als Schmuck der Schlufssteine bevor¬
zugt, und auch derjenige Schlufsstein, wel¬
chen man im fünften westlichen Joche des
südlichen Seitenschiffs bemerkt, dürfte erst
aus dieser Zeit herstammen, wenngleich die
ihn tragenden Rippen noch ein früh-
gothisches Profil (e) aufweisen. Er giebt
innerhalb eines Vierpasses das Abbild des
heiligen Dominicus zwischen zwei Meisterschilden zu erkennen. Mit
derselben Feinheit sind auch die übrigen spätgothischen Schlufssteine
des südlichen Seitenschiffes durchgearbeitet, welche bei der niedrigen
Lage der Gewölbe und der günstigen Beleuchtung durch die vom
Fufsboden zurückgeworfenen Strahlen der Mittagssonne das Auge
des Beschauers in alter Zeit wohlthuend auf sich lenkten. Einer
von ihnen trägt das Wappen eines Stifters, welches von einem schrägen
Balken durchschnitten wird, zu dessen beiden Seiten je drei Kugeln
liegen. Drei andere zeigen auf den knapp 45 cm messenden Unter¬
ansichten figürliche Darstellungen, in zwei Beispielen die Jungfrau
Maria mit dem Kinde, einmal im Brustbild, das andere Mal auf der
Mondsichel thronend; das dritte Mal sieht man die Verkündigungs¬
scene. In dieser besonders erwecken die geringen Mittel, mit denen
der alte Meister eine Wirkung zu erzielen verstand, unser Erstaunen.
Ehemals werden sich diese Kunstwerke, die zur Zeit mit Oelfarbe
dick vei’schmiert sind, eines hellen Farbenschmuckes erfreut haben;
denn noch bemerkt man unter der das Innere der Kirche bedecken¬
den Tünche zahlreiche Reste alter, theilweis figürlicher Malereien,
an verschiedenen Stellen scheinen sogar mehrere alte Farbschichten
über einander zu liegen. Beachtenswerth ist, dafs man im vierten
Joche des Mittelschiffes, von Westen her gerechnet, statt eines Schlufs-
steins einen durchbrochenen Ring von 70 cm Lichtweite angeordnet
hat. Vermuthlich erhob sich über diesem das Glockenthürmcheu,.
welches auf älteren Stadtansichten abgebildet erscheint und im Jahre
1827 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde, sodafs die Bedienung
der Glocken, einer viel verbreiteten Gepflogenheit der geistlichen
Orden entsprechend, vermittelst langer, auf den Fufsboden der Kirche
herabgeführter Seile geschah.
(Schlufs folgt.)
Abb. 2. Gurtbögen und Rippen der Gewölbe.
128
Ceutralblatt der ß auver\valtnn{?.
29. März 1890,
Die Wasserstrafse zwischen Mannheim -Ludwigshafeii und Kehl-Strafshurg,
Canal oder freier Rhein?
(Fortsetzung.)
III.
Der Gedanke, dafs der Correction des Oberrheins, wenigstens
in der Strecke Kehl-Maxau, später die liegulirung der Nieder¬
wasserrinne iin Interesse der Schiffahrt werde nachzufolgen haben,
ist keineswegs neu; er gehört schon lange der Fachlitteratur an
und ist insbesondere auch bei den internationalen Stroinbefahrungen
des Rheins ‘‘) wiederholt zur Sprache gekommen.
So äufsern sich bei der Strombefahrung von 18495) ,]ie Ver¬
treter von Preufsen, Hessen und Nassau über die Correction des
Oberrheins,
„dafs das grofsartige Unternehmen, welches in der zwischen
Baden und Frankreich belegenen Stromstrecke begonnen ist,
ihres Erachtens vorzugsweise, wenn nicht ausschliefslich, die
Melioration des Landes bezwecke, obgleich sie nicht in Abrede
stellen, dafs die Schiffbarkeit im Vergleich zu dem früheren
Zustande des Stromes wesentlich verbessert werden wird und
unterhalb Strafsburg schon verbessert ist. Die Anlagen
beziehen sich indes nur auf das Hochwasser, sind
also eine Art Eindeichung. Sie (die genannten Ver¬
treter) haben keine Ausführungen bemerkt, welche auf die
Bildung eines Bettes für das kleine Wasser hinwirken können.
Sollte daher das Bedürfnifs der Schiffbarmachung
dieser Strecke sich einst her ausstellen, so werde
man noch ein r egeliuäfsiges Bett für das kleine
Wa s s e r bilden müssen, was in allen folgenden
Stromtheilen als die Hauptaufgabe anzusehen ist.“
Dieses Girtachteu erhält dadurch erhöhte Bedeutung, dafs Preufsen
damals durch den Altmeister der Wasserbaukunst, Gotthilf Hagen,
vertreten war, der auch die Verhandlungen geleitet hat.
Wenn demgegenüber die Vertreter von Bayern, Baden und
Frankreich geltend machten, dafs die Rheincorrection entlang der
französisch - badisch - bayerischen Grenze
„nicht allein ausschliefslich (!) wegen der Melioration
des Landes, sondern vielmehr auch zur Verbesserung der
Schiffahrt und Minderung des Aufwandes für den Stromliau
in der Zukunft unternommen“
worden sei, und wenn sie unter Hinweis auf die auch für die Schiff¬
fahrt schon erzielten Erfolge und fernerhin zu erwartende bessere
Ausbildung des Stromes sich wenig geneigt zeigten, der angeregten
Herstellung eines Niederwasserbettes zuzustimmen, so ist dies wohl
begreiflich; mufsten sie doch Bedenken tragen, das Bedürfnifs
nach weiteren umfassenden Strombauten anzuerkennen in einer
Zeit, in der die Rheincorrection entlang der badisch -elsässischen
Grenze eben erst kräftig in Gang gesetzt worden war, und die Durch¬
führung des grofsen Werkes wie auch die Vollendung der bayerisch¬
badischen Rheincorrection noch grofse Anforderungen an die Aus¬
gabebudgets der betheiligten Staaten stellte. Auch war in jener Zeit
des Aufschwunges der Eisenbahnen, wie anderwärts, so auch am
Mittel- und Oberrhein wenig Neigung vorhanden, für Verbesserung
der Wasserstrafsen erhebliche Opfer zu bringen. An eine Entwicklung
der Rheinschiff'ahrt, wie sie sich in den jüngsten Jahrzehnten voll¬
zogen, hat damals niemand gedacht; selbst in den unmittelbar be¬
theiligten Kreisen war man in jener Zeit kaum in Zweifel, dafs die
Rheinschiffahrt im Wettbewerb mit den auf beiden Ufern erbairteu
und geplanten Eisenstrafsen werde unterliegen müssen. Frankreich
hatte nicht lange zuvor den Rhein -Rhonecanal von Strafsburg bis
gegen die Schweizergrenze vollendet und war doch bereit gewesen,
mit Baden zusammen dem verwilderten Rheinstrom ein geregeltes
Bett anzuweisen, — allerdings gewifs nicht in der Meinung, damit
die Schiffahrt zwischen Strafsburg und Basel zu heben, sondern allein
um die Rheinniederung gegen die Ausschreitungen des Stromes zu
schützen. Dies war ja auch in Baden und in Bayern das Ziel, das
man bei dem gemeinsamen Werke von Anfang im Auge hatte, und
dieses Ziel mufsten die genannten Staaten mit aller Kraft zu er¬
reichen suchen, bevor an eine weitere Ausbildung des gebändigten
'*) Artikel 31 der Rheinschiffahrtsacte bestimmt, dafs von Zeit zu
Zeit durch Wasserbautechniker der Uferstaaten Strombefahrungen
sollen vorgenommen werden, um die Beschaffenheit des Stromes, die
Wirkung der zu dessen Verbesserung getroffenen Mafsregeln und die
etwa eingetretenen neuen Hindernisse einer regelmäfsigen Schiffahrt
zu untersuchen und festzustellen. Solche gemeinsame Befahrung und
Untersuchung hat bis jetzt stattgefunden 1849, 1861 und 1874 jeweils
von Basel ab, und 1885 von Maxau ab bis ins Meer.
5) Begutachtungsprotokoll Nr. XI Seite 21.
Stromes als Wasserstrafse überhaupt gedacht werden konnte.*') Der
Standpunkt war auch technisch richtig. Zwar hat schon Defontaine
in den 1830er Jahren ein Niederwasserprofil für den Oberrhein zu
bestimmen versucht; mit Recht aber ist bei der Vereinbarung des
Rheincorrectionsentwurfs von 1841 hiervon abgesehen worden, weil,
wie es in einer französischen Denkschrift aus jener Zeit heifst, „il
serait impossible, dans la Situation actuelle du fleuve, de creer
un lit minimum“. Der verwilderte, zerfaserte Strom mufste erst eine
geregelte Bahn und feste Ufer erhalten; ob dann später innerhalb
dieses künstlieh geschaffenen Strombettes auch auf die Gestaltung
der Niederwasser-(Schiff’ahrts-)rinne regulirend einzuwirken sein werde,
— die Lösung dieser Frage mufste der Zukunft überlassen bleiben.
So lag die Sache im wesentlichen auch noch bei der Strom¬
befahrung von 1861. Die Commission, nachdem sie darauf hinge-
wieseu, dafs auf der Stromstrecke Strafsburg -Lauterburg von jeher
Schiffahrt betrieben und jetzt durch die Rheincorrection die wesent¬
lichsten Schiffahrtshindernisse beseitigt worden seien, so zwar, dafs
bei günstigen Wasserständen bereits die gröfsten Rheindampfschiffe
bis Strafsburg gehen, bemerkt weiter:
„Da nun das relative Gefälle des Rheins unterhalb Strafsburg
und mit ihm die heftige Strömung des Wassers sichtbar ab¬
nimmt, das relative Gefälle bei Lauterburg sogar nur noch
C'öoo betragen soll, so unterliegt es keinem Zweifel, dafs dei~^
Rheinstrom unterhalb Strafsburg selbst für die gröfsten Schilfe
schiffbar gemacht werden kann . “'')
Und die Commission sprach sich
„einstimmig dahin aus, dafs der Zustand der bayerisch-
badischen Stromstrecke nach erfolgter Durchführung des
vereinbarten Planes für die Ausübung der Schiffahrt und
Flöfserei vollständig genügen wird, wenn auf die weitere
Ausbildung der Schiffahrtsrinne für das niedrigste
Wasser vielleicht auch noch später Rücksicht zu
nehmen sein dürfte.“
Die Vertreter von Bayern und von Baden glaubten auch jetzt noch
die Nothwendigkeit weiterer Regulirungsbauten nicht anerkennen
zu sollen. Mochte diese Stellungnahme vorwiegend wieder durch
andere als technische Gründe veranlafst sein, so erschien sie doch
auch in der zunehmend günstigen Gestaltung der bayerisch-badischen
Stromstrecke gerechtfertigt.
Anders bei der Strombefahrung von 1874, bei welcher die Ver¬
besserung der Wasserstrafse des Gberrheins sehr eingehend erörtert
worden ist. Die Vertreter von Bayern und von Baden, wenn
ihnen zwar zu den erwähnten Rücksichten noch jene auf die Ver¬
kehrsverhältnisse von Ludwigshafen und von Mannheim und der
von dort ausgehenden Eisenbahnen eine gewisse Zurückhaltung auf¬
erlegten, konnten doch nicht bestreiten, dafs die seit 1861 hinsichtlich
der Gestaltung der Stromsohle oberhalb Germersheim gemachte Er¬
fahrung wenig Hoffnung gab, dafs die Fahrwasserverhältnisse im
oberen Theile der bayerisch-badischen und in der badisch-elsässischen
Rheinstrecke in absehbarer Zeit sich ohne weiteres Zuthun so aus¬
bilden werden, wie es der Tiefgang der beladenen grofsen Rhein¬
schiffe erfordern würde. Sie machten aber geltend, dafs — zumal
oberhalb der Lautermündung — weitere Mafsregeln noch verfrüht
erscheinen, weil der Abbau der noch offenen Altrheine wegen der
seitlichen Ablagerung der Geschiebe und im Interesse der Ver¬
landungen erst allmählich zu bewirken sei.
Ueber das Ergebnifs dieser Verhandlungen ist in dem Begut¬
achtungsprotokoll für die Strecke Kehl-Maxau bemerkt:*)
„Unter diesen Verhältnissen möchte daher eine sofort in
Angriff zu nehmende weitere Regulirung der Schiff¬
fahrtsrinne innerhalb des normalmäfsig begrenzten
Stromes nicht anzurathen sein, obgleich dieselbe, nach An-
*) Dafs man in der Correction des Oberrheins seiner Zweck¬
bestimmung nach nichts anderes als ein grofses Meliorationsunter¬
nehmen vor sich hat, kann für den nicht zweifelhaft sein, der sich
mit der Entstehungsgeschichte des Werkes bekannt gemacht hat.
Für die badisch-elsässische Strecke ist dies auch klar in dem zwischen
Baden und Frankreich 1840 abgeschlossenen Grenzvertrag ausge¬
sprochen. Dort heifst es in Artikel 19: „Die beiden Regierungen
kommen überein, künftig die Bauten an jedem LTfer des Rheins nur
zum Zweck der Vertheidigung und auf eine Weise ausführeii
zu lassen, um nach und nach eine Regelung seines Laufes zustande
zu bringen.“
'^) Strombefahrungsprotokoll Seite 23.
s) Protokoll Nr. VL
i\r. la.
Centralblatt der Bauverwaltung.
129
sicht der Techniker, mit Ausnahme des Commissars von Elsafs,
künftig nothwendig werden dürfte, sobald auf die Be¬
schaffung eines tieferen Fahrwassers gedrungen werden sollte,
als die Natur des Stromes allein zu beschaffen und zu erhalten
imstande ist.“
Und bezüglich der Strecke von Maxau bis Mannheim:
„Ebenso wie in der oberen Strecke eine weitere Vertiefung
nur durch eine fortgesetzte ßegulirung sich erzielen läfst,
würde auch hier eine solche Eegulirung ausgeführt werden
müssen, sobald ein tieferes Fahrwasser verlangt werden sollte,
als die Natur des Stromes allein zu beschaffen vermag.“
Bei der Strombefahrung von 1885 konnte festgestellt werden,
dafs die Fahrwasserverhältnisse von Maxau bis Leopoldshafen nahezu,
von da bis Speyer durchgehends genügen, und ist bemerkt,^) dafs
„eine weitere Stromregulirung beziehungsweise Verengung des Strom¬
bettes, wie solche bei der gemeinsamen Strombefahrung vom Jahre
1874 besprochen wurde,“ unnöthig erscheine. Wenn eine solche
weitere Eegulirung dann aber auch als nicht zweckmäfsig bezeichnet
wird, weil „auf dieser Stromstrecke durch weitere Profilbeschrän¬
kungen die Fahrwasserverhältnisse nicht verbessert werden können,“
so hätte man wohl erwarten dürfen, auch zu vernehmen, worin denn
diese Stromstrecke so sonderbar beschaffen sei, dafs ein Mittel, das
überall anderwärts mit Erfolg angewendet worden ist und angewendet
wird, hier ohne Wirkung bleiben soll, und worin die früheren Strom¬
befahrungscommissionen, worin ein Gotthilf Hageni®) und ein Mann
von der reichen Erfahrung und dem praktischen Blick wie Nobiling,
der bei beiden Strombefahrungen von 1861 und 1874 sich ganz be¬
sonders eingehend mit der Oberr heinfrage befafst hatte, im Irrthum
sich befunden haben sollen. Der seltsame Ausspruch der 1885er
Commission steht aber ohne jede Begründung da, und er ist nur
daraus erklärlich, dafs die Commission, deren Mitglieder sämtlich
erstmals an der gemeinsamen Strombefahrung sich betheiligt haben,
bei knapp zubemessener Zeit vom Oberrhein nur die Strecke Maxau-
Mannheim in wenigen Stunden durchfahren haben, aber auch daraus,
dafs damals in Elsafs, wie in der bayerischen Eheinpfalz die Vor¬
arbeiten für den Strafsburg -Ludwigshafener Canal und zwar unter
der Leitung der zur Strombefahrung abgeordneten technischen Be¬
amten schon weit vorgeschritten waren. Der Vertreter Badens
mochte wohl nicht widersprechen, wo in der Hauptsache der gute
Zustand der Fahrwasserverhältnisse anerkannt war und ausgesprochen
wurde, dafs weitere Opfer für die in Eede stehende Eheinstrecke
nicht erfordert werden.
Die Commission von 1885 hätte umsomehr Anlafs gehabt,
ihren Ausspruch mit Gründen zu belegen, als seit 1874 auch in der
Fachpresse die Eegulirung des Oberrheins im Sinne der Beurtheilitng
der früheren Strombefahrungscommissionen von mehreren Seiten
empfohlen worden war. Zwei Abhandlungen aus jener Zeit sind
besonders beachtenswerth. In geistvoller Weise und mit wissen¬
schaftlicher Schärfe hat der verstorbene Ober-Baurath und Professor
Sternberg gezeigt, wie gerade unter Verhältnissen, wie sie am
Oberrhein vorliegen,
ein Strom mit einem sich nach der Tiefe zu stark verengenden
Querprofil die Eigenschaft besitzen kann, bei allen Wasser¬
ständen und Wassermengen an demselben Punkte eine constante
mittlere Geschwindigkeit, welche dem Geschiebe an diesem
Punkte entspricht, anzunehmen. Dieser Strom würde dann
die Geschiebe stetig fortführen, weder Kiesbänke absetzen,
noch zwischen ihnen den schlängelnden Thalweg entwickeln.
Das ideale Querprofil desselben bildet eine tiefe schmale
Wasserrinne, welche bei niedrigstem Wasser bordvoll ist; für
höhere Wasserstände wird das ziemlich flach ansteigende Ufer
überfluthet und die Wasserfläche nimmt schnell eine gröfsere
Breite an, die beim Hochwasser eine gewaltige Ausdehnung
gewinnt.
Sternberg verkennt nicht, dafs ein solches Profil praktisch nicht wohl
genau ausführbar ist; allein er kann darauf hinweisen, dafs die
Profile gut regulirter Flüsse, namentlich im Grofsherzogthum Baden,
jenenMdealen Profil ziemlich nahe kommen.
®) Begutachtungsprotokoll Nr. I.
Auch in der dritten Auflage (1871) seines berühmten Werkes,
Handbuch der Wasserbaukunst, H. Theil, 2. Band, Seite 9 u. ff,
schildert Hagen die Oberrheincorrection als ein eigenthümliches Werk,
bei dem man nur dem Hochwasser ein regelmäfsiges Bett angewiesen,
von der Eegulirung des Strombettes selbst aber ganz abgesehen habe.
Er beschreibt dann die Windungen des Thalweges und das Wandern
der Kiesbänke und bemerkt: „Gewifs würde man anderweitig bei
solchem Zustand des Stromes denselben keineswegs regulirt nennen,
vielmehr die Verbesserung des Thalweges in dem für das Hochwasser
bestimmten breiten Bette für nothwendig erachten, um die darin be¬
findlichen Kiesbänke festzulegen.“
1^) Ueber Längen- und Querprofile geschiebeführender Flüsse.
Zeitschrift für Bauw-esen. Jahrgang XXV. Berlin 1875.
Kommt der Sternbergschen Arbeit in erster Eeihe ein namhafter
Werth für die Theorie zu, so ist in einem gröfseren Aufsatz,
„Schiffahrt und Stromregulirung des Oberrheins“, der
Gegenstand sachkundig, insbesondere mit viel praktischem Ver-
ständnifs und mit vollkommener Kenntnifs der örtlichen Strom-
verhältnisse behandelt. '2) Kurz und klar wird hier geschildert, wie
die Verhältnisse am Oberrhein dazu geführt haben, zunächst ein
einheitliches, für alle Fälle (aufser dem des eigentlichen Hoch¬
wassers) genügend breites und namentlich die Gefahr der Ueber-
schwemmung ausschliefsendes Normalprofil anzuwenden. Dem weitaus
wichtigsten Interesse des Landes, der Melioration des Ueberschwem-
mungsgebietes, sei dadurch vollkommen und in sehr vorsichtiger Weise
Eechnung getragen, und das, wie der Verfasser glaubt, von der
französischen Verwaltung absichtlich vernachlässigte Schiff'ahrts-
interesse, welches ein beträchtlich engeres Profil erheischte, in zweite
Linie gestellt worden. Dies habe auch geschehen können, ohne
weiteren Eegulirungsarbeiten im Interesse der Schiffahrt vorzugreifen;
es seien im Gegentheil solche Arbeiten durch die Herstellung der
jetzt bestehenden Parallelwerke wesentlich erleichtert und bis zu ge¬
wissem Grade vorbereitet. Die Thatsache sei viel zu wenig bekannt,
dafs der seitherige Aufwand für die Eheincorrection fast ausschliefslich,
und zwar mit bestem Erfolge, im Interesse der Landescultur gemacht
worden, und als unrichtig wird die Ansicht bezeichnet, dafsf nicht
weiteres für die Verbesserung der Wassei'strafse geschehen könne.
ATelmehr: „das grofse Correctionswerk mufste zunächst aus dem
gröbsten herausgearbeitet werden; nachdem dies geschehen und auf
der ganzen Stromlänge der Thalweg in das neue Bett gefafst und
dem Abbruche sowie der häufigen Ueberschwemmung der Ufer
wirksam gesteuert ist, tritt die weitere Aufgabe gebieterisch an uns
heran, den inneren Ausbau des Strombettes zu unternehmen.“ Dafs
in dem gleichmäfsig (250 m) breiten Strombett zwar die Hochwasser
gut abgeführt werden, die Bewegung des Mittel- und Niederwassers
aber eine xinregelmäfsige (schlängelnde) und insbesondere die Wasser¬
tiefe für die gröfsere Schiffahrt nach wie vor eine ungenügende sein
werde, sei von den mit den betreffenden Studien betrauten fran¬
zösischen, als auch de» bayerischen und badischen Ingenieuren
richtig erkannt gewesen. Letztere hätten ja auch schon früher,
unter Mitwirkung Tullas für die bayerisch -badische Strecke, trotz
des gegenüber der badisch -elsässischen Strecke viel geringeren Ge¬
fälles und der durch mehrere wasserreiche Nebenflüsse vermehrten
Wassermenge eine geringere Normalbreite von 240 m festgesetzt,
während die ersteren, unter ihnen Defontaine, „der schärfste Be¬
obachter und beste Kenner des Eheinstromes“, sowie Coumes, der
nachmalige Ingenieur en chef des travaux du Ehin, für die Ehein¬
strecke Strafsburg-Lauterburg eine Breite von 120 bis 140 m als aus¬
reichend bezeichnet haben.
Der Verfasser zeigt dann, wie er sich die Ausbildung einer
Niederwasserrinne denkt, wie sich hierdurch eine gute Wasserstrafse
schaffen liefse und zwar, wie er glaubt, mit sehr bescheidenem
Kostenaufwand. —
Wahrlich, — der Umstand, dafs die zum Zweck des Landschutzes
unternommene Correction des Oberrheins nicht ohne weiteres auch
die Ausbildung eines Fahrwassers, wie es die Grofsschiffahrt erfordert,
bewirkt hat, kann keinen Grund dagegen abgeben, nunmehr auch,
wenn anders es als ein hervorragendes Verkehrsbedürfnifs erachtet
werden sollte, durch weitere Eegulirung ein gutes Fahrwasser aus¬
zubilden. Nicht anders ist man an anderen Gewässern verfahren:
so hat man am Neckar in zwei Durchstichen, die dicht oberhalb
Mannheim zur Verbesserung der Hochwasser- und Eisgangsverhältnisse
Ende des vorigen Jahrhunderts ausgeführt worden sind, im gegen¬
wärtigen Jahrhundert ein regelmäfsiges Niederwasserbett als Schiffs¬
weg durch Einschränkungswerke hergestellt mit bestem Erfolg. Aber
auch die zur Verbesserung der Wasserstrafse in der preufsischen
Eheinstrecke unternommene planmäfsige Eegulirung hat damit be¬
gonnen, dafs man, wo es nöthig war, die Ufer befestigte, die tiefen
Buchten ausbaute und sonst die Uferlinie regelte, ’3) bevor mit der
Einschränkung im Strombett selbst vorgegangen worden ist. Nicht
selten begegnet man dort auch älteren Parallelwerken, denen zur
weiteren Einschränkung neue Buhnen und Grundschwellen vorgelegt
sind. In gleicher Weise sind die Eegulirungen der anderen preufsi¬
schen Ströme behandelt.
1-) Deutsche Bauzeitung 1878, Nr. 16 und 18. Der Verfasser ist
nicht genannt; doch ist nicht unbekannt geblieben., dafs die von
vielen Seiten mit Beifall aufgenommene Arbeit von einem Elsafs-
Lothringenschen Wasserbaubeamten herrührt, der eine Eeihe von
Jahren hindurch am Oberrhein eifrig und mit gutem Erfolg thätig
war, dann aber unter Beförderung von Strafsburg versetzt worden ist.
’3) Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts sind
am Unterrhein — unter ganz ähnlichen Verhältnissen wie am Ober¬
rhein — im Interesse des Landschutzes auch einige grofse Strom¬
krümmen mittels Durchstiche beseitigt worden.
130
Centralblatt der Bauverwaltung.
20. Mürz 1800.
Allerdings könnte eingewendet werden, dafs dort die Gefälle
und die Gescliiebefülirnng meist erheblich geringer seien, als im
Oberrhein, sodafs es sich hier immer noch um einen Sprung ins
Dunkle handle. Solche Bedenken sind nun aber durch die Er¬
fahrungen widerlegt, die von der Eegulirung der schiff bareii Rhone
neuerdings vorliegen. Was dort im jüngsten Jahrzehnt geschehen
und erreicht worden, ist für das hier in Rede stehende Vorgehen
überaus lehrreich und beruhigend.
Deutsche Bauweise ist es, die au der Rhone den zuvor während
einer langen Reihe von Jahren mit grofsen Anstrengungen vergeblich
angestrebten Erfolg gebracht hat. Der in den Fachkreisen Ai^eit-
bekannte Ingenieur Jarjuet^b hat dies vor dem 1889 in Paris ver¬
einigten internationalen Congrefs für die Benutzung der fliefsenden
Gewässer in einer für das deutsche Wasserbairwesen wie für den
Redner gleich ehrenvollen Weise dargelegt. Sein vorzüglicher Vor-
tragi^) begann mit dem Hinweis darauf, dafs Frankreich hinsichtlich
der Canalisirung der Flüsse aufserordentliche Leistungen und stolze
Kunstbauten aufzuweisen habe, dafs hingegen in Deutschland durch
äufserlich unscheinbare, meist vom Wasser bedeckte Bauwerke sehr
bedeutende Erfolge in der Verbesserung der Wasserstrafsen erzielt
seien und die freie Flufsschift’ahrt dort eines nicht zu bestreitenden
Gedeihens sich erfreue. An der Rhone war man in ähnlicher Weise
vorgegangen wie am Oberrhein, indem durch Parallel werke, deren
Krone die gewöhnlichen Hochwasser noch überragt, der Stromlauf
geregelt wurde — ohne die hier von vornherein angestrebte Ver¬
besserung des Fahrwassers herbeizuführen. In den Jahren 1879 und
Inspecteur general des ponts et chaussees. Ende 1889 ge¬
storben.
1’’) De ramelioration des rivieres navigables ä fond mobile. —
Compte-rendu detaille des travaux du congres international de l’utili-
sation des eaux fluviales. — Paris 1889.
1880 bereiste Jaquet im Aufträge seiner Regierung die schiffbaren
Binnengewässer in Oesterreich-Ungarn und in Deutschland, und hier
— am Unterrhein, an der Elbe, Oder und Weichsel — fand er in
der Anwendung von versenkten Buhnen und Grundschwellen eine
Bauweise, die bis dahin in Frankreich fremd war, und er erkannte,
wie in der Ausdehnung der Regulirung auf die theilweise Befestigung
des Strombettes innerhalb der festen oder künstlich ausgebauten Ufer
in der That ein wirksames Mittel zur Verbesserung der Fahrwasser¬
verhältnisse geboten sei, das er nun in Anpassung an die Strom¬
verhältnisse auch an der Rhone anzuwenden sich entschlofs. Der
Erfolg war der erwünschte und bald von den der neuen Bauweise
anfänglich wenig vertrauenden Schiffern lebhaft begrüfst.^G) Seine
Schilderung des Bauvorgehens und der dabei in Betracht gezogenen
Gesichtspunkte schliefst Jaquet mit den Worten: „C’est ce que les
Allemands ont fait avec un plein succes, et je puis dire, que nous
n’avons pas moins bien reussi sur le Rhone.“
Ist dies an der Rhone mit ihrem Wechsel an Stromschnellen
und tiefen Wogen und ihrer starken Geschiebeführung gelungen,
so mufs es am Oberrhein wohl auch gelingen; und die dort ge¬
wonnenen Erfahrungen würden sicherlich mit Vortheil hier zu be¬
nutzen sein. (Fortsetzung folgt.)
IG) „Les epis noyes,“ berichtet Jaquet, „ont eu bientöt l’appro-
bation des mariniers et de tous les hommes qui se servent de la voie
fluviale du Rhöne. De vives inquietudes se sont manifestees, il faut
le reconnaitre, lorsque Ton a vu pour la premiere fois echouer des
enrochemeuts en plein chenal. II a fallu une certaine energie de
couviction pour persister, d'autant plus qu’il s’agissait de travaux
qui u’avaient nieme pas encore une approbation officielle. Mais les
resultats immediats qui ont cte obtenus ont de suite convaincu les
gens de riviere et ont valu ä ce genre d’ouvrages la faveur dont ils
jouissent actuellement.“
Kiiiistgewerlbe" Museum iii Düsseldorf.
Die Preisbewerbung für Pläne zu einem Kunstgewerbe-Museum
in Düsseldorf ist in diesen Tagen zur Entscheidung gelangt.
Ueber die Programm - Bedingungen finden die Leser das Wesent¬
liche auf Seite 15 und 20 dieses Jahrganges. In Ei-gänzung jener
Mittheilungen sei hier noch angeführt, dafs der Grundrifs so anzu¬
ordnen war, dafs die für Bücherei und Verwaltung erforderlichen
Räume auch betreten und benutzt werden können, ohne den für Aus-
stelhrngszwecke bestimmten Theil zu berühren. Bei der Wahl der
Lage der einzelnen Räume sollte thunlichst darauf geachtet werden,
dafs möglichst viele Ausstellungssäle Nordlicht erhielten, was aber
unserer Ansicht nach im vorliegenden Falle von geringer Bedeutung
um deswillen sein dürfte, weil die Entfernung der Nordgrenze des
Grundstückes von den Nachbarhäusern gegenwärtig eine sehr geringe
ist und auch wohl künftig, d. h. für den später zu errichtenden Bau-
theil, sein wird.
Zum Ablieferungstage waren 49 mit wenigen Aiisnahmen
recht mittelmäfsige, zum Theil ganz unreife Arbeiten eingegangen.
Ob die Ursache dieses verhältnifsmäfsig ungünstigen Ergebnisses in
der überaus kurzen Frist oder aber in den sehr karg bemessenen
Preisen oder im Zusammenwirken beider Umstände zu suchen ist, sei
dahingestellt, jedenfalls war die Preisbewerbung für bewährtere und
stark beschäftigte Architekten wenig verlockend. Um so erfreulicher
ist es,'= dafs wenigstens durch den mit dem ersten Preise gekrönten
Entwurf des Architekten Karl Hecker in Düsseldorf eine Grundrifs¬
lösung gegeben ist, die mit geringen Abänderungen wohl für die
Ausführung geeignet befunden werden wird, die übrigens fast genau
einem etwa vor Jahresfrist aufgestellten vorläufigen Plane des am
Kunstgewerbe - Museum beschäftigten Architekten Halmhuber ent¬
spricht. In dem Heckerschen Entwürfe ist der ganze Verkehr des
Hauses in einen geräumigen, durch Glaswände abgeschlossenen Vor¬
raum geleitet, von welchem man geradeaus das Haupttreppenhaus
für die Ausstellungsräume betritt. Letzteres durchquert in der Mittel¬
achse einen länglichen, überdachten Lichthof, von dem rechts die
Räume für Bücherei und Verwaltung zu erreichen sind. Diesen
Lichthof umgeben im zweiten Stock ein geräumiger Balkon, im
Erdgeschofs und ersten Stockwerk gewölbte Hallen, an welche sich
dann nach aufsen hin die Ausstellungssäle und übrigen Räume in
vortrefflichem Zusammenhang aneinanderreihen. Der Leser erkennt
hierin auf den ersten Blick das musterhafte Vorbild Martin Gropius’,
wenn auch der Lichthof wegen des ungünstigen Verhältnisses von
Länge zu Breite niemals die Schönheit des Berliner Vorbildes er¬
reichen kann. In eigenartiger, wenn auch vielleicht nicht nachahmens-
werther Weise, hat der Verfasser die Treppenanlage ausgebildet.
Offenbar in der Absicht, auch auf der Treppe einen Zusammenflufs
der ankommenden mit den fortgehenden Besuchern der Ausstellungs¬
säle zu vermeiden, hat er zwei vollständig von einander unabhängige
Treppen angelegt, von denen die eine von Süden nach Norden, die
andere dicht daneben von Norden nach Süden aufsteigt. Hierdurch
ist es unvermeidlich, dafs man beim Besteigen der Treppe stets gegen
die Untersicht des daneben liegenden Laufes blickt. Abgesehen hier¬
von aber ist die Grundrifsanordnuug als eine überaus klare und
zweckmäfsige zu bezeichnen. Alle Säle des zweiten Stockwerks sollen,
mit Ausnahme der nach Norden liegenden, Oberlicht erhalten, eine
Anordnung, die offenbar den Aufsenfronten zu Liebe gewählt worden
ist, welche sich in zwei Geschossen in freier italienischer Renaissance
monumental aufbauen. Durch diese Oberlichter wird aber wohl ohne
Zweifel im Sommer eine so starke Erwärmung der betreffenden Räume
hervorgerufen werden, dafs sie ihrem Zwecke schwerlich dienen können.
Auch wird die reiche Architektur mit den verfügbaren Mitteln in
echtem Baustoffe, dessen Anwendung hier geboten ist, nicht herzu¬
stellen sein. Dies scheint der Verfasser auch selbst gefühlt zu haben,
da er seinem Entwürfe eine zweite Frontenzeichnung beigefügl hat,
welche das zweite Stockwerk auch nach ai;fsen in die Erscheinung
treten läfst und in einer auf niederländischen Vorbildern fufsenden
Mischung von Werkstein- und Backsteinbau gehalten ist. Abgesehen
von einzelnen kleineren Mängeln: dem wenig entwickelten Portalbau,
der nicht günstig wirkenden Fensterbehandlung und den winzigen
Treppengiebeln, wirkt diese Architektur im ganzen gut, namentlich
aber wird sie sich wohl mit den verfügbaren Mitteln herstellen lassen.
Ob sie freilich dem Zwecke des Gebäudes angepafst ist, erscheint
uns zweifelhaft.
Der mit dem zweiten Preise bedachte Entwurf Nr. 14 der
Architekten und Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Offenbach
Jacob Lieblein und Karl Wiegand mit dem Merkwort „Wahr¬
heit — Klarheit“ zeigt eine weniger glückliche Grundrifslösung.
In der Mittelachse des Gebäudes haben die Verfasser zwei vollständig
gleichwerthige Haupttreppen mit seitlichem Aufgang angeordnet, an
welche sich nach rechts und links je ein mäfsig grofser offei^' Hof
anschliefst. Der Umgang ist nur an der südlichen Seite dieser Höfe,
durchgeführt, sodafs die Säle zum Theil eine übermäfsig grofse Tiefe
erhalten haben, ein Fehler, der auch noch in sehr vielen der übrigen
Entwürfe auffällt. Die in italienischer Renaissance entworfene Haupt¬
front am Friedrichsplatze gliedert sich in ein Mittel- und zwei Eck¬
risalite, beide mit Pilasterstellungen durch zwei Geschosse, und in zwei
Zwischenbauten. Die Architektur ist von einer gewissen Nüchtern¬
heit nicht freizusprechen, namentlich wirken die beiden Obergeschosse
viel zu gleichwerthig. — Eine lobende Anerkennung wurde noch dem
Entwürfe Nr. 1 mit dem Merkwort „Benvenuto Cellini“ zu theil, der
eine ähnliche Grundrifsanordnung wie der Heckersche, aber sehr nüch¬
terne Aufsen- Architektur aufweist. Aus der Reihe der übrigen Entwürfe
fiel uns namentlich noch der mit Nr. 44 bezeichnete (Merkwort „Volks¬
wohl“) auf, und zwar sowohl durch seinen guten Grundrifs, in dem aller-
Nr. !3.
Centralblatt der Bauverwaltung.
131
dings die Säle auch zu tief wurden, wie durch seine vornehm monu¬
mentale Aufsenfront, die aber auch mit den vorhandenen Mitteln
nicht in echtem Baustoff herzustellen sein wird. Der Verfasser hat
zwei einarmige Treppen mit Mittelabsatz in die Längenachse des
länglichen Lichthofes rechts und links frei hineingebaut, wodurch der
letztere für Ausstellungszwecke allerdings verloren gehen würde. Um
auch zum Schlufs das Komische noch zur Geltung kommen zu lassen,
sei noch der Entwurf „sub manu“ erwähnt, der einschliefslich Keller¬
und ausgebautem Dachgeschofs acht Stockwerke aufweist und mehr
einem grofsen Touristen-Hotel, denn einem Gewerbe-Museum ähnelt.
Peiffhoven.
Neubau des Königlichen Crymnasiums in Bonn.
Die zur Zeit vom. Königlichen Gymnasium in Bonn benutzten,
inmitten der engen Altstadt belegenen Gebäude sind von den Jesuiten
in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts errichtet worden.
Nach Aufhebung des Ordens im Jahre 1773 wurden sie durch den
Kurfürsten von Köln akademischen, später Universitätszwecken ge¬
widmet, dann Ende des vorigen Jahrhunderts während der französi¬
schen Herrschaft als Secundärschule und Lyceum hergerichtet, bis
endlich die preufsische Herrschaft den Gebäuden ihre jetzige Be¬
stimmung gab. Eine wesentliche Veränderung der alten Baulichkeiten
ist in neuerer Zeit nur insofern vorgenommen, als im Jahre 1856
auf das die Mehrzahl _
der Klassenräume
enthaltende Haupt¬
gebäude ein zweites
Stockwerk aufgesetzt
wurde. Die grofsen
Mängel der Bauan¬
lage und deren inne¬
rer Einrichtung in
räumlicher und
gesundheitlicher
Beziehung ha¬
ben sich weiter¬
hin bei stets
wachsender
Schülerzahl
mehr und mehr
fühlbar gemacht
und führten
schliefslich zu
dem jetzigen -p u u r
Neubau in der Erdgeschofs.
Coblenzer Stra- I Vorsclmle. 5 Sexta.
. 2 Obersecuuda.
sse, mit dem im 3 Oberprima.
November 1888 4 Unterprima,
begonnen worden ist.
Der Bauplatz, eine Fläche von 57 Ar, liegt durchschnittlich 16 m
über dem Nullpunkte des Kheinpegels und gewährt eine herrliche
Aussicht auf den Strom und das nahe Siebengebirge. Diesen Aus¬
blick möglichst zu erhalten, mufste bei der allgemeinen Anordnung
der Baulichkeiten — aufser dem Klassengebäude sind eine Turnhalle
und Abortgebäude für Schule und Vorschule zu errichten — eine
wesentlich bestimmende Rücksicht sein.
Das Klassengebäude wird Unterrichtsräume für 620 Gymna¬
siasten und 144 Vorschüler, aufserdem Wohnungen für den Director
und den Schuldiener enthalten. Zu Zwecken des Unterrichts dienen
3 Klassenzimmer mit besonderem Eingänge für die Vorschule,
16 Gymnasial-Klassen, 6 Klassen für Combinationen und für den
naturwissenschaftlichen Unterricht nebst einem gröfseren Raume für
Apparate und Sammlungen, ferner eine geräumige Bibliothek, ein
Zeichensaal, ein Conferenzzimmer und schliefslich die Aula. Die
ziemlich weitgehenden räumlichen Anforderungen und der verhältnifs-
mäfsig geringe Umfang des Bauplatzes führten zu einer dreistöckigen
Anlage.
Die Verth eilung der Räumlichkeiten ist aus den Grundrissen er¬
sichtlich. Man erstrebte mit ihr insbesondere eine übersichtliche
Gruppirung und reichliche Erleuchtung der Klassenzimmer. Diese
wurden in einen vorderen und hinteren Langbau vorwiegend nach
G Untertertia.
7 Combiuirte Klasse.
8 Scluilcüeuer.
Ost und West gelegt, woselbst sie durch eine immerhin mögliche
weitere Bebauung der nachbarlichen Privatgrundstücke in ihrer Er¬
leuchtung nicht geschädigt werden können. Ein die Langbauten
verbindender Querflügel konnte sodann zweckmäfsig zur Aufnahme
der mehr vorübergehend benutzten Räumlichkeiten verwerthet werden.
Das 3 m hohe Kellergeschofs dient wesentlich zu Zwecken der
Heizung und Lüftung; einzelne seiner Räume werden den Dienst¬
wohnungen im Erdgeschofs und ersten Stock zugetheilt.
Die architektonische Durchbildung des Aeufseren erfolgt, an der
Hauptfrout etwas stattlicher als an den Seitenfronten, in einfachen
Renaissanceformen.
Das Innere wird in
gediegenster Weise
ausgebaut. Die
Decken werden sämt¬
lich feuersicher her¬
gestellt, nur die Aula
erhält eine Holzdecke
mit sichtbarer Bal-
kentheilung. Die
Treppen werden
in Stein , die
Dachbinder in
Eisen construirt,
das Dach wird
mit Holzcement
gedeckt. Die Be¬
heizung erfolgt
miteisernen Lüf-
tungs - Regulir-
füllöfen, nur für
die AulaistLuft-
heizung vorge¬
sehen. Das Was¬
ser wird der
städtischen Leitung entnommen.
Die Turnhalle wird nordöstlich hinter dem Gymnasium in
25 m lichter Länge, 12,5 m Breite und 8,5 m Höhe errichtet. An ihre
Schmalseiten werden sich rechts ein Gerätheraum und ein Zimmer
für den Turnlehrer, links die Abortanlage für das Gymnasium an-
schliefsen. Das Gebäude erhält die Architektur der Hinterfronten
des Klassengebäudes. Sein Holzcementdach bildet zugleich die Hallen¬
decke, deren Binder frei sichtbare Hängewerke sind. Der Fufsboden
wird aus Eichenholz hergestellt. Erwärmt werden soll die Plalle durch
zwei gröfsere Mantel -Regulirfüllöfen.
An Nebenanlagen werden aufser der Einfriedigung des Vor¬
gartens namentlich zwei 44 m lange Futtermauern zum Abschlufs
der östlichen Grenze des Grundstückes zur Ausführung gelangen,
um die nach der Rheinwerft belegenen, 9 m hohen Böschungen —
ehemalige Weinberge — für den Turnplatz und den Garten des
Directors nutzbar zu machen.
Die Gesamtbaukosten sind auf rund 408 000 Mark veranschlagt.
Für die Bauausführung sind 272 Jahre in Aussicht genommen. Ihre
Oberleitung liegt in den Händen des Kgl. KreisbauinspectorsR einicke,
dem anfänglich der Kgl. Reg. -Baumeister Röttscher für die be¬
sondere Leitung zur Seite stand, während diese jetzt dem Kgl. Reg.-
Baumeister Laurentius übertragen ist.
II. Stockwerk.
1 Zeiclieusaal,
2 Aula.
3 Quarta.
4 Uutersecuiida.
5 Director- Woliuuiis
Widerstände der Dampfwalzen.
Auf Anregung des Herrn Professor Sonne in Darmstadt hatte
der Unterzeichnete über die Widerstände der Dampfwalzen bei ihrer
Bewegung auf frisch Beschotterten und festgewalzten Steinschlag¬
bahnen dadurch einige Anhaltspunkte zu gewinnen versucht, dafs
beim Einwalzen einer 1 Kilometer langen, 80 mm starken Quarzit-
Decklage auf einer Strafsenstrecke bei Bad Ems unter Leitung des
Herrn Landesbauinspector Leon in Montabaur Beobachtungen da¬
rüber angestellt wurden, bei welchen Gefällverhältnissen in den ver¬
schiedenen Graden der Dichtung dieser Schotterlage die Dampfwalze
bei ihren Thalfahrten der Bremsung (durch Gegendampf) bedurfte.
Die erwähnte 1 km lange Strafsenstrecke hat auf der uirtern 350 m
langen Theilsti-ecke eine Steigung von öVi pCt., auf der ebenso
langen mittlern Theilstrecke eine solche von 7 pCt. und auf dem
obersten 300 m langen Theile eine solche von 9 bis 9' 2 pCt.
Die dabei verwendete Dampfwalze ist nach dem bekannten eng¬
lischen Systeme in der Fabrik von Aveling u. Porter in Rochester
gebaut, hat im betriebsfähigen Zustande ein Gewicht von 15 000 kg,
von welchem etwa zwei Fünftel auf den beiden cylindrischen Vorder¬
walzen und drei Fünftel auf den beiden Hinterwalzen ruhen. Da
die beiden 1100 mm im äufsern Durchmesser haltenden Vorderwalzen
zusammen 1200 mm breit sind, jede der beiden 1670 mm im äufsern
Durchmesser haltenden Hinterwalzen aber eine Breite von 500 mm
132
Centralblatt der Bauverwaltung. 29. März 1890.
hat, so entfällt annähernd auf jedes Centimeter der Breite dieser
letzteren ein Druck von 90 kg, während jedes Breiten-Centimeter der
V'^orderwalzen nur einen Druck von 50 kg ausübt. Die Gesamt-
Walzbreite der Maschine beträgt 2100 mm, die Entfernung der
Walzenachsen 3350 mm, die Gesamtlänge der Maschine 5550 mm.
Die Ergebnisse der vorgenannten und einiger schon früher zu
gleichem Zwecke angestellten Beobachtungen gestatten vorläufig und
bis auf weiteres die Annahme folgender Widerstandszitfern der be-
zeichneten Dampfwalze auf der 80 mm starken Quarzit-Decklage:
a) 0,12 bis 0,14 auf der losen, gänzlich ungedichteten Schotterlage;
b) 0,090—0,095 auf der etwas gedichteten Schotterlage, etwa nach
Ablauf des ersten Drittels der ganzen Walzzeit;
c) 0,075 — 0,080 auf der mehr gedichteten Lage, etwa nach Ablauf
des zweiten Drittels der ganzen Walzzeit;
d) 0,065 — 0,070 auf völlig festgewalzter, aber noch nicht mit Ab-
glättungsmaterial versehener Decklage;
e) 0,080 — 0,090 auf völlig festgewalzter, aber mit kiesigem und
nicht angenäfstem Abglättungsmaterial bedeckter Decklage;
f) 0,060—0,065 auf völlig festgewalzter Decklage, nachdem das
kiesige Abglättungsmaterial nicht nur eingeschlämmt, sondern
auch durch die Dampfwalze geglättet worden war.
Um eine Vergleichung dieser Widerstandswerthe mit denen der
Frachtwagen und Karren auf Steinschlagbahnen bei mittleren
Eadhöhen von 1,26—1,40 m der ersteren und 1,57 — 2,00 m der letz¬
teren zu ermöglichen, mag angeführt werden, dafs Weisbach die
WiderstandsziÖern dieser Fuhrwerke bei IOV2 cm Felgenbreite
annimmt:
1. Bei sehr guten, trockenen und ebenen Steinschlagbahnen zu
0,017—0,020 für Wagen und 0,012-0,015 für Karren;
2. bei harten, aber mit Geleisen und Koth bedeckten Steinschlag-
bahnen zu 0,039 — 0,045 für Wagen und 0,028 — 0,033 für Karren;
3. bei sehr aufgerissenen, mit Koth und 5 bis 8 cm tiefen Ge¬
leisen bedeckten Steinschlagbahnen zu 0,059 — 0,069 für Wagen und
0,042 — 0,053 für Karren;
4. auf Erddämmen mit einer 5 bis 6 cm hohen Kiesdecke zu
0,083 — 0,095 für Wagen und 0,060-0,083 für Karren;
5. auf Erddämmen mit einer 10 bis 12 cm hohen Kiesdecke zu
0,100—0,125 für Wagen und 0,069-0,091 für Karren.
Nach den Versuchen von Lavelard (Seite 425 des Jahrgangs
1884 d. Bl.) beträgt der Zugwiderstand auf den Pariser Strafsen
zwischen 0,013 und 0,020.
Wenn nun die diesseitigen, ihrer Zahl nach allerdings ungenügen¬
den Beobachtungen über Widerstandsziffern der Dampfwalze mit
denen der Frachtwagen einen zutreffenden Vergleich gestatten würden,
was zu behaupten mir fern liegt, so dürfte zu folgern sein:
dafs auf loser, völlig ungedichteter Schotterlage die beiden be¬
züglichen Widerstände nahezu einander gleich sind, dafs aber
auf kunstgerecht durch die Dampfwalze gedichteter Decklage
die Widerstandsziffer der Dampfwalze etwa dreimal so grofs
ist, als diejenige eines Frachtwagens von der bezeichneten Art.
Wiesbaden. Voiges.
Vermischtes.
Der Bail eines neuen Zellenhaiises in der Strafanstalt von
Ravvitsch geht mit Ende dieses Monats nach zweijähriger Bauzeit
seiner Vollendung entgegen. Das viergeschossige Zellengebäude ist
für 154 Gefangene errichtet und birgt ebensoviel Haftzellen von je
rund 8 cpn Grundfläche. Neben diesen Zellen, die mit ihrem grofsen,
in der ganzen Länge des Gebäudes sich erstreckenden Verbindungs¬
flure den Eauminhalt des Hauses fast allein in Anspruch nehmen,
befinden sich in letzterem nur noch im Erdgeschosse ein Zimmer für
den Arzt, ein Lager- und ein Heizraum sowie in jedem Geschosse
eine Spül- und eine Aufseherzelle. In Bezug auf die Constructionen
des Gebäudes ist hervorzuheben, dafs der Flur und die Zellen über¬
wölbt sind, während das Ziegeldach auf hölzernem Stuhle ruht. Die
Zellenthüren und -Fenster sind ebenfalls aus Holz hergestellt, die
Eingänge können aufser durch Holzthüren noch durch gitterartige
eiserne Thüren geschlossen werden. Für die Flurumgänge der Ober¬
geschosse wurden Fufsböden aus ebenen, 5 cm starken Monierplatten
auf Eisenträgern und schmiedeeiserne Brustgeländer gewählt. Die
Fufsböden der Haftzellen des Erdgeschosses und der Spülzellen
haben Asphaltbelag auf Beton, die der übrigen Zellen Holzdielen.
Erwärmt werden die Zellen durch 1U2 bis 159 mm weite geschweifste
Eöhren, die durch zwei Wasserkessel von je 18 f(m Heizfläche
mit Donneleyscher Eostanlage gespeist werden. Der Flur hat Luft¬
heizung. Zuluft erhalten die Gefangenenräume durch Z förmige
Schlitze über den Thüren, ihre Abluft entweicht durch Eöhren
in den Flurwänden und Sammelcanäle in Rabitzputz auf dem Dach¬
boden ins Freie. Die Kosten des Gebäudes betragen einschliefslich
der vollständigen Ausstattung der Flaftzellen (jede 47 Mark) im ganzen
132 000 Mark, wobei sich das Quadratmeter bebauter Grundfläche
auf rund 170 Mark, das Raummeter auf 11,20 Mark stellen, während
auf den Gefangenen 857,14 Mark kommen. Der Bau ist unter Ober¬
leitung der Kreisbaubeamten — anfangs Kreisbauinspector Grass-
mann, dann Kreisbauinspector Zeuner — und unter der besonderen
Leitung des Eegierungs -Baumeisters Schiele zum gröfsten Theile
durch Sträflinge ausgeführt worden.
Heinrich Müller f. Am 8. März ist in Bremen aus der Reihe
der Baukünstler ein Mann geschieden, dessen Name weit über das
Weichbild seiner Vaterstadt hinaus einen guten Klang hat, dessen
Tod in Bremen das Ende eines baugeschichtlichen Abschnitts be¬
deutet, ja eine schwer zu ersetzende Lücke dem ganzen Gemeinwesen
gerissen hat.
Am 2. Februar 1819 in Bremen geboren, erhielt Heinrich Müller
eine gediegene Bildung auf dem heimathlichen Gymnasium und erwarb
sich von 1836 ab während einer dreijährigen Lehrzeit bei zwei Maurer¬
meistern seiner Vaterstadt die praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten
zur Ausübung seines Architektenberufes. Nach handwerksmäfsiger
Sitte folgte den Lehrjahren die Wanderzeit, während welcher er in
Kopenhagen, Riga, Beidin und München künstlerischen Studien oblag.
In München genofs er den Unterricht Bürkleins und stand unter
dem Einflüsse der romanisch - romantischen Bestrebungen dieses
Meisters. Nach anderthalbjährigem Aufenthalt in Berlin zog ihn der
gewaltige, durch den grofsen Brand von 1842 hervorgerufene Bau-
aufschwung nach Hamburg, wo er zuerst unter Chateauneuf, dann
selbständig baute. Vom Jahre 1847 ab wirkte er mit einer einzigen
kurzen Unterbrechung fortdauernd in seiner Vaterstadt Bremen, deren
äufserer Erscheinung er durch eine lange Reihe von Bauten in hervor¬
ragender Weise den Stempel seiner Kunstweise aufgedrückt hat. Von
den grofsen Bauausführungen dieser 40 Jahre sind vor allen die Börse,
das Museum, die St. Rembertikirche, der Saalbau des Künstlervereins,
das Gebäude der Loge „Friedrich Wilhelm zur Eintracht“ in Bremen,
auch die Börse in Königsberg, zu nennen. Unter den nebenher erbauten
Privathäusern stammt aus seiner ersten Zeit das dauernd jugendfrische,
im romanischen Stil durchgeführte Wohnhaus des Herrn von Kapff an
der Börsenbrücke. Ferner sind hervorzuheben sein Erstlingswerk „Hill¬
manns Hotel“, die Anlage der Häusergruppe am Rosenplatz, die Wohn¬
häuser Melchers, Wätjen, Nielsen, Schütte, Fritze, ein zweites Wohn¬
haus des Herrn von Kapff, die Häusergruppe der Herren Lürmann
und Hachez und eine zahllose Reihe von Stadt- und Landhäusern, auch
von Wettbewerbs-Entwürfen (z. B. für das Hamburger Naturhistorische
Museum), deren Aufzählung nicht Zweck dieser Zeilen sein kann.
In allen seinen Werken zeigte Müller, dafs er Meister im Dis-
poniren war, dafs er jede Aufgabe, die gröfste wie die kleinste, im
springenden Punkte zu fassen verstand und mit grofsem Zuge alles
Nebensächliche dem Hauptgedanken unterzuordnen wufste. Man mag
über die äufsere Erscheinung mancher seiner Werke mit ihm rechten
können, stets mufs man die Klarheit seiner Grundrisse, meistens den
richtigen Griff' der Kunstmittel anerkennen. War er in letzterer Be¬
ziehung manchmal bis zur Grenze der Nüchternheit einfach, so hielt
er sich anderseits stets vollkommen frei von jeglicher Uebertreibung
und Scheinwirkung. Wie er seine Entwürfe immer „von innen heraus“
zu arbeiten verstand und die Eaumeintheilung und Eaumwijkung als
die Seele der Baukunst erkannt hatte, so zeigen auch seine Werke
stets ein Stück vom ganzen Menschen, von seiner Seele in ihrer
kraftvollen und eigenartigen Geschlossenheit. Ein bedeutender Theil
seiner Erfolge lag in der ihm von einer gütigen Natur mitgegebenen
Macht seiner Persönlichkeit, die'er zu allen Zeiten nach seinem starken
Willen wirken zu lassen vermochte und kraft derer er fast ausnahms¬
los alles erreichte, was er durchsetzen wollte. In dieser echt sächsi¬
schen Urkraft und mit diesem „furor teutonicus“ erinnerte er aufs
lebhafteste an jene markvollen Gestalten der Renaissance -Künstler,
mit denen er auch noch in anderer Hinsicht grofse Aehnlichkeit hatte: in
der Fähigkeit, bei festlichen Anlässen, in den Mufsestunden überhaupt,
des Daseins heitere und glänzende Seiten hell hervortreten zu lassen
und fern von der Arbeit den Menschen zum Menschen in Wirkung
zu bringen. Für ihn galt im vollsten Mafse der Spruch: „Es ist
eine Lust zu leben!“ Dies hat er insbesondere oft als Leiter des
Bremer grofsen Künstlervereins bewiesen. Und dabei bewährte er
sich als ein echter Freund ebenso im Ernste des Lebens. Wer nur
einmal Gelegenheit gehabt hat zu sehen, wie er sich bei seinen zün¬
denden Reden begeisterte oder wie er, rasch entschlossen, ohne viel
Aufhebens eine gute That vollbringen konnte, der wird gefühlt haben,
dafs, wie der Schwung der Begeisterung, auch der grofse Zug seines
künstlerischen Schaffens ihm aus vollem, warmem Herzen flofs. Die
Kunst seiner V aterstadt hat in ihm einen ihrer edelsten \ ertreter
verloren; alle, die ihn kannten, betrauern den Heimgang einer grofsen
Seele und eines seltenen Charakters. F. W. Rauschenberg.
Verlag von Ernst & Korn CWilhelm Ernst), Berlin. B'iir die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druch von J. Kerskes, Berlin.
ür. m-
Centralblatt der Bauverwaltung. 133
INHALT: Bruch des Walnut- Grove- Dammes in Nordamerica. — Wasserstrafse | Peterskirche in Frankfurt a. M. — Aul'serordentliche Regenmengen im Jahre 1889. —
zwischen Mannheim -Ludwigshafen und Kehl- Strafshurg, Canal oder freier Rhein? Anlage neuer Eisenbahnlinien in Preuf.sen.
(Fortsetzung,) — Vermischtes: Preisausschreiben für die neue protestantische |
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Bruch des Walnut- Grove -Dammes in Nordamerica.
Am 22. Februar d. J. brach der Staudamm des Hassayampa-
flusses in dem nordamericanischen Staate Arizona, etwa 50 km unter¬
halb Prescott, bei Gelegenheit eines Sturmes, welcher dem künst¬
lichen See hinter dem Damme beträchtliche Wassermengen zuführte.
Nach den neuesten Mittheilungen beläuft sich die Zahl der zu be¬
klagenden Menschenleben auf etwa 150, zumeist mexicanische Berg-
und Hüttenarbeiter, welche sich unterhalb des Dammes im Hassayampa-
Thale an den dort an¬
gelegten Goldwäschereien
angesiedelt hatten. Ueber
die näheren Ursachen des
Dammbruchs ist bislang
nichts thatsächliches be¬
kannt geworden.
Der Damm wurde zur
Berieselung der im unteren
Hassayampa-Thale bele-
genen Wiesen sowie zum
Wasserkraftbetriebe bei Ausbeutung der dortigen
ausgedehnten und reichen Goldfelder angelegt und
vor etwa zwei Jahren vollendet. Er gehört zu der
in den westlichen Staaten Americas als „Dämme
mit Steinfüllung“ bezeichneten, für; bergbauliche
Zwecke allgemeiner verwendeten Klasse derartiger
Anlagen, von welcher die folgenden als die wichtigsten anzu¬
sehen sind:
Name
Höhe
in
m
Ki'ouen-
länge
m
Oberfläche
des "Wasser¬
spiegels
ha
Fassuugs-
raum iu
Millionen
cbm
Kosten
Mark
1. Bowman-Damm . . .
31
129,5
200
261/3
528 000
2. Englischer Damm (ge¬
brochen i. J. 1883) .
40
101
160
181/3
620 000
3. Eureka-See-Damm
21
?
137
19
140 000
4. Fordyce-Damm . . .
23
198
486
301/2
?
5. Walnut -Grove-Damm
33,5
122
365
85
440 000
Aufser den angeführten Dämmen sind noch über 50 kleinere
gleicher Art vorhanden. Die Dämme sind aus trockenen Steinen
hergestellt. Die gröfseren Blöcke sind zur Herstellung der Ansichts¬
flächen verwendet und möglichst in Verband gelegt, das Innere ist
mit kleineren Steinen gefüllt. Abb. 1 u. 2 zeigen Längen- und Quer¬
schnitt des Walnut-Grove-Dammes; die Abmessungen sind den Ab¬
bildungen beigeschrieben. Zur Herstellung wurde Granit aus den
felsigen Hängen des Thaies verwendet; die Steine wurden mittels
einer Seilbahn hinabgelassen, und von einem Baugerüste aus ver-
stürzt.
Die Hölzer liefs man später im Damm stecken. Zum Versetzen
der besonders ausgesuchten Ansichtsteine wurden Handkrahne ver¬
wendet, das Füllmaterial blieb im übrigen so, wie es abgestürzt war,
einfach liegen. Nur die Sohle des Bauwerks, in einer Stärke von
etwa 3 m, wurde in Mörtel hergestellt.
Die Innenseite des Dammes wurde mit 7,5 cm starken dop¬
pelten Planken bekleidet (Abb. 2 u. 3); die untere Lage war an
wagerechten Hölzern von 20 X 20 cm Querschnitt und 0,9 m lichtem
Abstand befestigt, und
letztere mit schräg ste¬
henden Rundhölzern ver-
kämmt und verbolzt. Vor
Aufbringen des oberen
Plankenbelags wurde die
untere Bekleidung mit
Kalkmilch getüncht, so¬
dann mit 3 cm starker
Theerpappe überzogen.
Die obere Bekleidung
wurde zunächst ebenfalls mit Kalkmilch, sodann
mit heifsem Theer gestrichen; hierauf wurde eine
doppelte Lage von Theerpappe aufgenagelt. Zwei
Entnahmeröhren von je 50 cm Weite waren in
einem durch den Hang geführten Tunnel a verlegt
und auf der Innenseite durch Schützen ge¬
schlossen, welche von einem gezimmerten Schacht S aus bedient
wurden. Ferner war ein in Mörtelmauerwerk liegender gezimmerter
Ablafscanal c von 1,5 X 0,9 m Querschnitt angeordnet, dessen innen¬
seitige Vers chlufs Vorrichtung mittels einer bis zur Dammkrone
hinaufreichenden Stange bewegt werden konnte. Ein 8 m weiter und
1,8 m tiefer Fluthcanal ist in den Hang neben der Dammkrone ein¬
gesprengt. Der Damm leckte bei der ersten Aufspeicherung des
Wassers beträchtlich, wie man allerdings auch nicht anders erwartet
hatte, doch nahm die Undichtigkeit in der Folge erheblich ab.
Da die verfügbare Druckhöhe von etwa 300 m weit über den
Bedarf der unterhalb gelegenen Goldwäschen hinaus ging, so wurde
später, um zugleich an Länge der Druckleitung zu sparen, 20 km
unterhalb noch ein zweiter Damm von 7,5 m Höhe und 75 m Länge
ausgeführt, aus einfachem Holzgerüst mit Steinfüllung. Von diesem
aus wurde das Wasser den Verbrauchstellen mittels einer 10 km
langen hölzernen Druckleitung zugeführt.
Nach der Herstellungsweise will es schwer werden, Dammanlagen
der beschriebenen Art besonderes Vertrauen entgegenzubringen, und
der traurige Vorgang trägt nicht dazu bei, dieses Vertrauen zu be¬
festigen. Ueber die Ursache des Vorfalles sind bis jetzt nur Ver¬
muthungen laut geworden; hiernach würde dieselbe in der Unzuläng¬
lichkeit des Fluthablasses anzunehmen sein, welche zur Folge gehabt
hätte, dafs das Fluthwasser den Damm überströmt und die äufsere
Steinbekleidung fortgerissen habe. Km.
Abb. 3. Wagerechter Schnitt m — m.
Die Wasserstrafse zwischen Mannheim -Ludwigshafen und Kehl -Strafshurg,
Canal oder freier Rhein?
(Fortsetzung.)
IV.
Die erste und wichtigste Frage ist dahin zu richten, ob die
Fahrtiefe, wie sie im Rhein zwischen Mannheim und Strafsburg ver¬
langt werden mufs, herzustellen ist durch Ausbildung eines Nieder-
wasserproflls von annehmbarer Gestalt, insbesondere von einer Breite,
die für den Verkehr von grofsen Rheinschiften und Schleppzügen
noch ausreicht und in welchem die Stromgeschwindigkeit nicht
gröfser wird, als sie mit den jetzt auf dem Rhein vorhandenen
Schleppdampfern noch gut überwunden werden kann.
Im einzelnen sind sodann für die Bedingungen, wie sie für
den Schiffsweg im Oberrhein zu stellen wären, die folgenden
Gesichtspunkte bestimmend :
Auf Grund eines Gutachtens der Strombefahrungscommission vom
Jahre 1861 haben die'Uferstaaten in gegenseitigem Einverständnifs
als Ziel der Regulirungsmafsnahmen die Herstellung einer Fahr¬
wassertiefe bei gemitteltem Niederwasserstand bezeichnet:
unterhalb Köln . von 3,00 m
zwischen Köln und St. Goar .... von 2,50 m
zwischen St. Goar und Mannheim . . von 2,00 m
zwischen Mannheim und Strafsburg . von 1,50 m.
Als gemittelter Niederwasserstand ist diejenige Wasserhöhe erklärt.
welche bei beharrendem Zustand des Rheins vorhanden ist, wenn
das Wasser am Pegel bei Köln auf 1,50 m steht. Dafs dabei die
Zahl der Tage, an welchen im Jahresdurchschnitt der so begi-ift'lich
festgesetzte Niederwasserstand nicht erreicht ist, stromaufwärts von
Köln zunimmt, ist bedingt durch die Wasserabnahme des Stromes
vom Unterlauf gegen das höhere Binnenland.
Die Commission von 1861 ist bei der Wahl des Vergleichswasser¬
standes überhaupt davon ausgegangen, dafs eine Abnahme der Schiff¬
barkeit des Stromes gegen den Oberlauf hin, sowohl in Bezug auf
das Mafs der normalen Fahrtiefe, als auch in der Zahl der Tage, an
welchen dieses Mafs während eines Jahres vorhanden ist, in der Natur
der Sache begründet sei. Die Wasserhöhe nun, welche in den ver¬
schiedenen Stromstrecken unter der angegebenen Voraussetzung dem
Wasserstand von 1,50 m am Kölner Pegel entspricht, ist für die
wichtigsten Hauptpegel nach vereinbarter Methode und in gegen¬
seitigem Benehmen der Wasserbaubehörden letztmals 1885 ermittelt
und hiernach durch die Centralcommission für die Rheinschiffahrt
festgestellt worden — für die hier in Betracht kommenden Pegel:
Mannheim .... zu 3,35 m
Speyer . zu 3,30 m
Maxau . zu 3,20 m
Strafsburg .... zu 2,30 m.
134
Centralblatt der Bauverwaltung.
2. April 1890.
Wäre bei solchem Wasserstand zwischen Mannheim und Strafs¬
burg die Fahrwassertiefe von l,5ü m überall mindestens vorhanden,
sicherlich würde die Erbauung eines Seitencanals hier niemals ernst¬
lich in Frage gekommen sein. jBietet ja doch zur Zeit das Fahrwasser
im Gebirge, Bingen-Caub, kaum diese Tiefe, und auch in der Rheingau¬
strecke war seither nicht mehr, sehr oft aber weniger vorhanden.
Dafs die vom Niederrhein tief abgeladen kommenden Schiffe zeitweise
— oft Monate lang — bei St. Goar oder bei Caub zum Lichten ge¬
zwungen sind, ist ja gewifs eine erhebliche Belästigung des Verkehrs,
deren Beseitigung denn auch lebhaft angestrebt wird; sie hat aber
den Aufschwung der Hafenplätze Mannheim und Ludwigshafen und
neuerdings Frankfurt a. M. nicht verhindert. Soll jedoch jetzt ein
Vorschlag, den ( )berrhein selbst besser schiffbar zu machen, mit dem
Entwurf des Seitencanals Ludwigshafen- Strafsburg hinsichtlich der
Leistungsfähigkeit in Wettbewerb treten, so müfsten an die Fahr¬
wasserverhältnisse des Stromes allerdings gröfsere Anforderungen
gestellt werden, als es auf Grund jener Verhandlungen bei der
Strombefahrung von 1861 geschehen ist; nunmehr wäre zu verlangen,
dafs der Rhein zwischen Mannheim und Strafsburg stets dieselbe
Fahrtiefe biete, wie sie für die Stromstrecke Mannheim -St. Goar den
Regulirungen als Ziel vorgesteckt ist, das ist 2 m, und zwar bei einem
Wasserstande, der mindestens vorhanden ist, wenn und so lange der
gemittelte Niederwasserstand in der Strecke Mannheim -St. Goar .er¬
reicht oder überstiegen ist. Hierfür erhält man, von dem für den
Pegel von Mainz bestimmten gemittelten Niederwasserstand (0,70 m)
ausgehend, als den für die Bemessung der normalen Fahrtiefe als
mafsgebend zu erachtenden Wasserstand am Pegel von
IMannheini .... statt 3,35 m nunmehr 2,90 m
Speyer . statt 3,30 m nunmehr 2,85 m
Maxau . statt 3,20 m nunmehr 3,00 in
Strafsburg .... statt 2,30 m nunmehr 2,0<) m.
Dieser Wasserstand soll, zur Unterscheidung des vereinbarten
gemittelten Niedrigwasserstandes“ im folgenden „gewöhnliches Nieder¬
wasser“ genannt sein.^^)
Für das von dem Fahrwasser zu verlangende Breiteumafs ist
zu berücksichtigen, dafs auf dem Oberrhein — jedenfalls von Maxau
aufwärts — auch bei gutem Fahrwasser der kräftigen Strömung wegen
Schleppzüge von mehr als drei Anhangschiffen nicht Vorkommen
werden. Für einen solchen Schleppzug ist eine Fahrwasserbreite
von 50 ra auch in Krümmungen genügend. Die Breite der Flöfse
darf, gemäfs Artikel XXI der Polizeiordnung für die Schiffahrt und
Flöfserei auf der Stromstrecke
von Kehl bis Steinmauern . 17 m
von Steinmauern bis Germersheiin .... 27 m
von Germersheim bis Mannheim . 36 m
nicht übersteigen. Die Flöfse sind kurz — oberhalb der Murg nur
27 m , unterhalb 90 m — , sodafs für das Begegnen eines Flofses mit
einem Schleppzug ein inäfsiger Zuschlag genügt. Hiernach ergiebt
sich das Erfordernifs für die Breite des Schiffsweges in runden Zahlen
für die Stromstrecke
von Speyer bis Germersheim .... zu 100 m
von Germersheim bis zur Murgmündung zu 90 m
von da bis Kehl . zu 80 m
als so bemessen, dafs sie auch für das Begegnen eines Berg- und
eines Thalschleppzuges hier ausreichen.
Ferner erscheint es für den Schiffahrtsbetrieb äufserst erwünscht,
dafs die Stromgeschwindigkeit, wenn nicht gemindert, so doch
wenigstens nicht gröfser werde als sie jetzt ist; und endlich mufs
mit Rücksicht auf die Hochwassergefahr verlangt wei'den, dafs das
lebendige Fluthprofil keine Verminderung erfahre.
Die Untersuchung nun, ob zwischen Strafsburg-Kehl und Speyer
durch Regulirung ein Schiffsweg sich ausbilden und erhalten liefse,
der diesen Bedingungen entspricht, ist nicht ganz leicht. Man sieht
sich hier auf versuchsweise Berechnungen und Annäherungsverfahren
angewiesen, denen, wenn scharfe Zahlenwerthe erhalten werden sollen,
gleichzeitig auszuführende geometrische Aufnahmen der Stromsohle
an verschiedenen Stellen zu Grunde zu legen wären. Um indes doch
im allgemeinen ein Urtheil über die gestellte Frage zu erhalten, ist
eine solche Untersuchung an vorhandenen typischen Stromprofil¬
zeichnungen versuchsweise angestellt worden. Die umständlichen
Berechnungen wiederzugeben, ist hier nicht die richtige Stelle; es
mufs dies, sofern der Gegenstand weiter verfolgt werden sollte, einer
späteren Darlegung Vorbehalten bleiben; der Gedankengang und die
Ergebnisse sollen aber nachstehend mitgetheilt werden.
Es sind drei Profile (vgl. die Abb. I bis III) untersucht worden:
i‘) Dafs die Unterschiede beider Bestimmungen ungleich sind,
erklärt sich im wesentlichen daraus, dafs jetzt ein neues Element —
die Häufigkeit — in die Ermittlung eingetührt ist.
I nahe unterhalb Maxau,
II bei Wintersdorf — das ist oberhalb der Mündungen der
Lauter und der Murg und unterhalb der Renchmündung,
III bei Diersheim zwischen den Mündungen der 111 und der
Kinzig.
Die secundlichen Durchflufsmengen bei „gewöhnlichem Nieder¬
wasser“ wurden rechnerisch gefunden
für die Profile: I II HI
zu: 6201*) 590 500 cbm.
Wäre die Stromsohle eben und fest, so würden — dies war das
erste, zur Fortsetzung der Untersuchung ermuthigende Ergebnifs —
die genannten Wassermengen ausreichen, um bei dem gewöhnlichen
Niederwasserstand eine Wassertiefe in dem Profil:
I II HI
von 2,30 m 2 m 1,95 m
in der ganzen Breite zu erhalten, also selbst unweit Kehl-Strafsburg
noch nahezu das verlangte Mafs.
Jene Voraussetzung trifft nun aber keineswegs zu. Die Sohle ist
in hohem Grade beweglich und deshalb unregelmäfsig gestaltet; eine
Einschränkung der Breite, und wäre es nur dui-ch Befestigung der
Sohle in einem Theil des Profils, wird daher jedenfalls nothwendig,
um jene Unregelmäfsigkeit der Sohlengestaltung aufzuheben und um
ein Gleichgewicht zwischen der Stromkraft und den von dieser zu
überwindenden Widerständen herzustellen. Diesem Gleichgewichts¬
zustand müssen gewdsse Beziehungen zwischen den Abflufsgröfsen —
Fläche und Form des Durchflufsprofils, Beschaffenheit des Bettes
und Gefälle — entsprechen.!®) Es ward nun untersucht, wie diese
Beziehungen in der jetzigen Thalwegrinne verschiedener Strecken
des Oberrheins gestaltet sind; und da diese Thalwegrinne, wenn sie
auch unregelmäfsig im Längenprofil und ihre Lage veränderlich,
doch die wichtigste Bedingung erfüllt, dafs sie sich stets offen erhält,
so wurde durch versuchsweise Einführung von regelmäfsig gestalteten
Profilen in der Form, wie sie bei Flufsregulirungen unter ähnlichen
Verhältnissen angewendet worden ist, rechnerisch ermittelt, welche
Breite und Wassertiefe erhalten werden, wenn das Profil bei der
gegebenen Wassermenge und dem gegebenen Gefälle die gleichen
Beziehungen zwischen den Abflufsgröfsen aufweist, wie die jetzige
Thalwegrinne an der betreffenden Stelle.
Das Ergebnifs dieser Untersuchung sind die in den Abbildungen
gestrichelt angegebenen Regulirungsprofile. Die Sohlenbreite ist
für das Profil I zu 130 m , für das Profil HI zu 90 m gefunden und
angenommen, dafs dazwischen ein dem Wachsen des Gefälles und
der abnehmenden Wassermenge entsprechender Uebergang stattfinde;
ebenso würde nach abwärts eine Vergröfserung der Breite einzutreten
haben. Dabei haben sich Wassertiefen von etwas über 3 m ergeben,
sodafs, wenn auch die Sohle sich nicht vollkommen regelmäfsig ge¬
stalten sollte, doch als Mindestmafs die Tiefe von 2 m überall zu
erreichen sein wird.
Die Rechnung, wenn auch, zumal in den Zahlen-
werthen, nicht durchweg sicher, zeigt jedenfalls so viel,
dafs die Herstellung der zu verlangenden Tiefe und Breite
der Fahrwasserrinne mit der Natur der Stromwasserver¬
hältnisse nicht unvereinbar wäre.
Wie die Fahrrinne im Grundrifs zu gestalten sein würde,
ob sie in die Mitte des Strombettes oder an das eine Ufer zu legen
wäre, ist eine Frage untergeordneter Bedeutung; voraussichtlich
würde weder die eine, noch die andere Anordnung in der ganzen
Stromstrecke durchzuführen sein. Die Krümmungen des Stromlaufes,
die Einmündungen der Seitengewässer, die Schiffbrücken, anzulegende
Landungsplätze u. dgl. m. würden Anlafs geben, den Schiffsweg hier
dem rechten, dort dem linken Ufer zu nähern, wie dies in dem hier
beigefügten Plane (Lauf des Rheinstroms bei Greffern) beispielsweise
angedeutet ist. Jedenfalls hätte die Rinne gestreckte Richtung zu er¬
halten und der Uebergang vom einen zum andern Ufer stets in
sanfter Biegung zu geschehen. Dabei würde durch einige Ein¬
schmälerung in den Uebergangsstrecken und Erweiterung im Scheitel
der Krümmungen sowie durch Anwendung von Grundschwellen dem
Entstehen seichter Schwellen und tiefer Kolke vorzubeugen sein.
In solchem Rinnsal wären die Ursachen nicht mehr vorhanden,
welche in der gegenwärtigen, stets wechselnden und in scharfer
Krümmung vom einen zum andern Ufer fallenden Thalwegrinne die
1*) Die Vergleichung dieser Zahl mit dem Ergebnifs der von
Grebenau bei Sondernheim ausgeführten Messungen läfst erkennen,
dafs die hier durch Rechnung ermittelten Wassermengen eher zu
klein als zu grofs sind.
1®) Diese Beziehungen sind ausgedrückt in dem Verhältnifs
— = diauHschm Radi^^ ermittelt worden, mit der Schiff-
rGitltlVBS CTCfällB
barkeit des Flusses wächst, oder doch in den schiffbaren Strom¬
strecken nicht unter einer gewissen Gröfse bleibt.
Är. I3A-
Centralblatt der Bauverwaltuag.
135
überaus unregelmäfsige Gestaltung des Längenprofils der Sohle
— tiefe Kolke und hohe Furten — bewirken. Daraus folgt, dafs die
Schiffahrt in der regulirten Rinne die heftige Strömung nicht antreffen
würde, wie sie jetzt in den engen Kolken und über den seichten,
vom Wasser überstürzten Schwellen vorhanden ist, gefolgt zudem
von wirbelnden Bewegungen, dem sogenannten „falschen Wasser“.
Die mittlere Stromgeschwindigkeit bei Niederwasser ergiebt
sich aus der Berechnung, wie nach dem obigen leicht erklärlich, für
die jetzige und für die regulirte Rinne ungefähr gleich; bei höheren
Wasserständen aber in dem regulirten Profil kleiner als in dem
jetzigen mit seinen gröfseren Tiefen entlang der beiden Ufer.
Dafs endlich die Aufnahmefähigkeit des Stromprofils bei
Hochwasser durch die Regulirung nicht beeinträchtigt würde, zeigt
schon ein Blick auf die nachstehenden Profilzeichnungen, wobei noch
zu beachten, dafs die hier eingezeichnete Einschränkung weiter geht,
als das Bedürfnifs durch die Berechnung nachgewiesen ist. Und wenn
man weiter berücksichtigt, dafs die jetzt vorhandenen tiefen Kolke in
entscheidender Bedeutung, voraussichtlich nicht einmal hinsichtlich
der Baukosten.
Wie hoch sich der Kostenaufwand für das hier besprochene
Regulirungsunternehmen stellen würde, wäre selbstredend ebenfalls
nur auf Grund eines vollständigen Entwurfes mit Sicherheit zu be¬
rechnen. Nach einer überschläglichen Schätzung jedoch dürfte unter
der Annahme eines gemischten Systems — flachabfallende Buhnen,
Grundschwellen, Leitwerke in den Hohlen — , und wenn auch noch
erhebliche Beträge für Einlenkungsbauten und für nachhülfsweise
Baggerungen berücksichtigt werden, der Aufwand für die Durch¬
führung des Unternehmens in seiner ganzen Ausdehnung sich zwischen
12 und 15 Millionen Mark bewegen.
Dabei würde sich aber auch ein Minderaufwand für den Ausbau
der Rheincorrection selbst ergeben; denn durch die neuen Regulirungs¬
werke an sich und als Folge der Ausgleichung des Längenprofils
würden die Uferbauten nicht mehr jenen scharfen Stromanfällen und
Unterkolkungen ausgesetzt sein, wie sie jetzt deren solide Befestigung
dem lebendigen Hochfluthprofil nicht zur Geltung kommen, so läfst
sich denken, dafs durch die regelmäfsige Gestaltung des inneren
Profils die regelmäfsige Abströmung des Hochwassers geradezu be¬
fördert würde. Im Grunde genommen bedeutet ja auch die hier in
Frage kommende Regulirung keine Verengung des Stromprofils; die
Eins ehr änkungs werke würden fast durchweg unter der Höhe der
jetzigen Kiesbänke bleiben können. Nur die ungünstige Richtung
des gegenwärtigen Thalweges mufs davon abhalten, die Schiffahrts¬
rinne einfach durch Festlegen dieser Kiesbänke auszubilden, wie
dies wiederholt vorgeschlagen worden.^®) Wird aber diese Rinne in
gestreckter Richtung geschaffen, so werden die Kiesbänke als solche
verschwinden und die abgetriebenen Geröllmassen zwischen dem
Niederwasserbett und dem Ufer sich als niedrige Verlandungen an-
legen.
Welches Bausystem zur Ausbildung des Niederwasserbettes,
ob vorwiegend Quer- oder Längsbauten und in welchem Umfang
versenkte Buhnen und Grundschwellen anzuwenden sein würden,
mufs der Ausarbeitung eines ins einzelne gehenden Entwurfes Vor¬
behalten bleiben^i). Die Wahl des Bausystems ist keine Frage von
Auch bei Franzius und Sonne, Handbuch der Ingenieurwissen¬
schaft. III. Band. Seite 149.
21) Die Einzeichnung in dem beigefügten Plan soll nichts mehr
sein als eine bildliche Andeutung. Höchst wahrscheinlich würden
die Einschränkungswerke nicht in dem angedeuteten Umfang nöthig
werden. Wesentlich scheint die Durchbauung der gröfseren Tiefen
mittels Grundschwellen und versenkter Buhnen. Ob die letzteren
auch, wie nach den Erfahrungen an der Rhone wohl anzunehmen,
genügten, um eine Verflachung der Uferfüfse, deren steile Neigung
jetzt augenscheinlich ungünstig auf die Stromsohle wirkt, herbeizu¬
führen, wäre zu erproben, wie es sich denn überhaupt empfehlen würde,
im Wege des Versuchs — auf eine nicht zu kleine Stromstrecke aus¬
gedehnt — vorzugehen, bevor über das Bausystem entschieden wird.
und insbesondere kräftige Deckung durch Steinvorlagen überall bis
auf die gröfste Thalwegtiefe nothwendig machen. In der erwähnten
Abhandlung in der Deutschen Bauzeitung von 1878 ist sogar die
Herstellung eines Niederwasserprofils im Oberrhein empfohlen als
eine Mafsregel, die „aus technischen und ökonomischen Gründen
selbst noch für den Fall durchgeführt werden mufs, dafs der pro-
jectirte Ludwigshafener Canal thatsächlich zustande komme“. Die
Gesamtkosten eines (unsymmetrischen) Niederwasserprofils im Rhein
von Strafsburg bis Lauterburg (57 km) sind dort zu 4 350 000 Mark,
die Ersparnifs an der weiteren Befestigung der Ufer¬
bauten zu . 2 850 000 Mark
angegeben, sodafs für die Schaffung des Niederwasser¬
profils nur . 1 500 000 Mark
aufzubringen gewesen wären. So günstig stellt sich die Rechnung
allerdings hier nicht. Immerhin kann die Ersparnifs, welche an
dem Ausbau der Uferwerke sich ergeben würde, von Anfang der
1890er Jahre ab für die beiden Ufer von Strafsburg bis Speyer zu
wenigstens 2 Millionen Mark geschätzt werden.
Aehnliche Erwägungen lassen auch annehmen, dafs für die In¬
standhaltung der vollständigen Regulirung der Aufwand nicht
oder doch nicht wesentlich höher würde, als für die Erhaltung der
Corrections- und Uferwerke im gegenwärtigen Zustand, — abgesehen
allerdings von den Kosten für Baggerungen, wie sie zur Ofl’enhaltung
der vollen Fahrtiefe in dem neuen Schifi’sweg noch hin und wieder
nothwendig werden könnten.
Dafs die letztgedachten. Kosten einen hohen Betrag erreichten,
ist indes nicht wahrscheinlich, wie auch die Besorgnifs, dafs das
Niederwasserprofil sich zeitweise völlig verschütten und wohl auch
der Strom eine neue Rinne durch die Regulirungswerke durch¬
brechen würde, zum mindesten als stark übertrieben zu bezeichnen
ist. Die Reguliruiigs werke hätten bei Hochwasser nicht mehr.
136
Centralblatt der Bauverwaltung.
2. Äpiil 1890.
j<a weniger Stromangriff auszuhalten, als jetzt viele Stellen der
Uferwerke und die vom Wasser überstürzten sogenannten Tief¬
bauten in den Verlandungsöffnungeu. Dafs bei noch stärkerem Gefälle
und stärkerer Geschiebebewegung, als sie dem Oberrhein zwischen
Strafsburg und Speyer eigen sind, Einschränkungswerke haltbar her¬
zustellen sind, beweisen die Correctionswerke am Ehein zwischen
Basel und Strafsburg, wie oberhalb des Bodensees, die Regulirungs¬
werke in der Gebirgsstrecke zwischen Bingen und St. Goar, in der
Donau oberhalb Wien, in der Rhone im Canton Wallis, wie ins¬
besondere auch in Frankreich--) und noch in vielen Gebirgsflüssen.
Selbstverständlich wären auch am Oberrhein die Regulirungs¬
werke so anzulegen, dafs die Geschiebe zwischen und hinter
dieselben eintreten und hier zur Ruhe gelangen können. Bei Hoch¬
wasser allerdings würde, wie es zur Zeit der Fall ist, eine Geschiebe¬
bewegung in der ganzen Breite des Strombettes, auch über die
niedrigen Regulirungswerke weg stattffndeu, beim Zurückgehen des
Wassers aber der Stromstrich sich doch wieder in die Niederwasser¬
rinne legen und diese ausspülen, sodafs bis zum Eintreten niedrigeren
Wasserstandes die frühere Tiefe sich -wieder eingestellt hat —
ähnlich, wie dies jetzt mit der Thalwegiänne geschieht. Nur bei
ungewöhnlich raschem Zurückgehen einer Fluthwelle würde es wohl
Vorkommen, dafs hier und dort die Ausspülung der Rinne mit dem
Sinken des Wasserspiegels nicht gleichen Schritt hält, und dann
würde, wenn die Schiffahrt auch nicht vorübergehend behindert sein
soll, Baggerung nöthig werden. Um ungeheure Kiesmengen würde
es sich dabei jedoch schwerlich handeln. Die Geschiebeführung des
Oberrheins wird oft überschätzt, indem nicht bedacht wird, dafs die
meisten und alle die gröfseren Gewässer, die sich zum deutschen
Oberrhein vereinigen, ganz geschiebefrei den Läuterungsbecken der
Alpenrandseen entfliefsen und auch die Zuflüsse aus dem Schwarz-
Avald und aus den Vogesen theils gar kein, theils nur sehr wenig
Geschiebe an den Rhein liefern. Immerhin findet aber in dem Vor¬
rücken der Kiesbänke des Oberrheins eine ansehnliche Geschiebe¬
bewegung statt, verursacht durch die Erosionsvorgänge im Strombett
selbst, — nach sicheren Wahrnehmxuigen in der allmählichen Ab¬
schwächung begriffen. Nach ungefähren Ermittlungen ist die Ge¬
schiebemasse, die der Rhein in der Strecke zwischen Strafsburg und
Maxau im Laufe eines Jahres durch einen Querschnitt zur Zeit noch
bewegt, durchschnittlich auf ungefähr 120 000 cbm anzuschlagen.
Selbst wenn diese ganze Masse vom Eintritt in die regulirt gedachte
Stromstrecke künstlich abgehalten werden wollte, so wären für
Baggerungen oberhalb Kehl jährlich höchstens 70 000 Mark auf¬
zuwenden. Die Folge wäre aber, wenn so dem Strom von Kehl
abwärts die Arbeit der Fortbewegung der Geschiebe ganz oder
gröfstentheils abgenommen würde, eine Eintiefung der Niederwasser¬
rinne in keineswegs mehr willkommenem Mafse ; denn der Strom
würde jetzt diese Rinne weiter ausspülen. Die Baggerungen werden
also nur dort eintreten müssen, wo etwa ein kräftiger Geröllschub
nach Hochwasser stehen geblieben ist. Da dies aber in ungünstigem
Falle auch an mehreren’ Stellen verkommen könnte, so würde es
22) Jaquet berichtet hierüber in dem gedachten Vortrag: „Depuis
que les digues longitudinales du Rhone ont ete abaissees et que l’on
a construit tout un Systeme de digues transversales de rattachement
aux rives, d’epis noyes et de seuils de fond, le Rhone a eu plusieurs
grandes crues, uotamment celles de 1882 et 1886, et recemment celle
de novembre 1888. Nulle part on n’a constate d’avaries serieuses
aux nouveaux ouvrages de navigation.“
der Vorsicht entsprechen, für die Off'enhaltung der Fahrrinne mittels
Baggerung doch einen namhaften jährlichen Kostenaufwand, bis zu
100 000 Mark, als möglicherweise nothwendig anzunehmen.
Eine solch beträchtliche, jährlich wiederkehrende Aufwendung
für die nächste Zxxkunft vorzusehen, wäre namentlich auch deshalb
gerechtfertigt, weil mit der Herstellung eines Niederwasserbettes als
Schiffahrtsrinne die Belassung der hauptsächlich auf dem badischen
Ufer noch in ziemlich grofser Zahl vorhandenen Lücken in den
Correctionswerken xmverträglich wäre. Besteht der Zweck dieser
Lücken ja doch darin, dafs den in der Stromsohle sich bewegenden
Geschieben Gelegenheit gegeben ist, in die Altrheine einzutreten,
und die vortheilhafte Wirkung dieses Verfahrens äufsert sich sowohl
in der Entlastung des Stromes von Geschieben, als auch in der
Verlandung der abgeschnittenen Stromarme. Wenn nun aber auch
auf dem rechtsseitigen Ufer diese Verlandungsöffnungen durch niedrige
Werke — immerhin etwas weniges höher als das „gewöhnliche Nieder¬
wasser“ — abgebaut werden müfsten, so würde hier nur geschehen,
was auf dem linken Ufer in bayerischem Gebiet seit lange schon,
in elsässischem Gebiet während der 1870er Jahre ausgeführt und
wiederholt von den Strombefahrungscommissionen, 1874 besonders
nachdrücklich von dem Elsafs-Lothringenschen Vertreter, im Inter¬
esse der Schiffahrt als nothwendig bezeichnet worden ist. Bayerischer-
und elsässischerseits ist für das von dem badischen abweichende
Bausystem stets auf die Thatsache hingewiesen worden, dafs durch
die wenigstens bis annähernd auf Mittelwasserlinie ununterbrochene
Uferlinie die regelmäfsige Ausbildung des Strombettes wesentlich ge¬
fördert werde und die Verlandung gleichwohl ihren Fortgang nehme,
ja, dafs selbst grober Kies über die nicht zu hoch gehaltenen Ab-
schlufswerke gegen die Altrheine einlaufe. Beides ist nicht zu be¬
streiten; zweifellos ist aber, dafs bei diesem System die Verlandung
der Altrheine langsamer fortschreitet. Die Verzögerung dieser Ver¬
landungen erscheint denn auch als ein Nachtheil, dem bei etwaiger
Ausführung des hier besprochenen Regulirungswerkes kaum aus¬
zuweichen sein würde. Allein gerade in der Stromstrecke Kehl-
Speyer hat man fast durchweg die ältesten Theile der oberrheinischen
Correction vor sich; die Altrheine sind gröfstentheils schon verlandet
oder doch an ihrer Einmündung vom Rhein her meist so hoch ver¬
schüttet, dafs die weitere Verlandung hauptsächlich nur durch Ab¬
lagerung feinerer Sinkstoff’e stattfindet, und diese würde durch die
besprochene Eegulirung auch für die Folge nicht gehindert. Seit
bei den Verhandlungen der Strombefahrungscommission von 1874
mit Rücksicht auf den Verlandungsvorgang die Ausbildung einer
Niederwasserfahrrinne im Oberrhein noch als verfrüht bezeichnet
worden ist, sind unter der Wirkung der wiederholten Hochwasser
die Vei'landungen mächtig gefördert, und zahlreiche Lücken in den
Uferwerken konnten seitdem geschlossen werden; indes sind die
Verlandungen allerdings noch nicht soweit gediehen, dafs es an sich
zweckmäfsig erschiene, jene Oeflnungen in den Uferbauten jetzt schon
sämtlich zu schliefsen. Sollte dies aber zu Gunsten des Wasser¬
verkehrs nun doch schon bald geschehen müssen, so wäre der Schaden
nicht allzu grofs, zumal während der Ausführung der Regulirung in
vielen Fällen die günstigste Gelegenheit geboten wäre, durch ent¬
sprechende Bauanordnung noch recht beträchtliche Mengen schwererer
Geschiebe in die Altwasser einzuweisen. Auch würde, wenn der
Verkehr auf dem Oberrhein sich belebte, manchenorts die Verlandung
sogar zu verhindern sein, um die Altrheine als Häfen und als Zu¬
fahrten zu den Ortschaften offen zu halten. (Schlufs folgt.)
Vermischtes,
Ueher das auf Seite 120 <1. J. kurz erwähnte Preisausschreiheu
für die neue protestantische Peterskirche in Frankfurt a. M.
theilen wir noch mit, dafs die Kirche etwa 1000 Sitzplätze erhalten
soll, von denen 300 auf Emporen angeordnet werden dürfen. Auf
eine geräumige Sacristei, die gleichzeitig zur Benutzung für minder¬
besuchte Betstunden, Trauungen usw. geeignet sein soll, wird Werth
gelegt. Stil und Bauart der Kirche werden freigegeben, die Bau¬
summe soll den Betrag von 300 000 Mark nicht überschreiten. Das
Preisgericht besteht aus den Herren Hofbaudirector v. Egle- Stuttgart,
Geh. Regierungsrath Prof. Rasch dorff-Berlin, Architekt Wiethase-
Köln sowie aus dem Stadtbaurath Behnke in Frankfurt a. M. und
dem Pfarrer der Kirche. Der erste Preis beträgt 4000, der zweite 2000
und der dritte 1000 Mark. Nach erfolgtem Urtheilspruche des Preis¬
gerichts werden die Entwürfe 14 Tage lang öffentlich ausgestellt.
Aufserordeutliche Regenmengen im Jahre 18811 , die in ver¬
schiedenen Ländern der Erde beobachtet worden sind und deren
Kenntnifs für die Wasserbaukunst von hervorragender Bedeutung
ist, sind im Decemberheft des Jahrgangs 1889 der Meteorologischen
Zeitschrift zusammengestellt. Danach fielen in Norddeutschland bei
dem Gewitter vom 15. Mai 1889 im Kreise Oschersleben in 1^/4 Stunden
75 mm, in 5 Stunden 153 mm. In Bayern (Partenkirchen) wurde am
9. Juli ein Regenfall von 21,6 mm in 8 Minixten, in Lausanne während
eines Gewitters ein solcher von 56,5 mm in 65 Minuten gemessen.
Im südlichen und östlichen Belgien gingen im Juni 1889 aufser-
ordentlich starke Gewitterregen nieder (bis 75 mm in li/'s Stunde),
während der westliche Theil des Landes in dieser Zeit durch Trocken¬
heit litt. In England fielen am 13. Juli während eines Gewitter¬
sturmes in 65 Minuten 92,7 mm und in einer Gegend, wo der gesamte
jährliche Regenfall nur 610 mm beträgt, in 8V4 Stunde 115,6 mm.
Die gröfsten Regenfälle wurden in Hongkong bei einem verheerenden
Gewitter in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 1889 beobachtet. Es
fielen in 38 Stunden 866 mm, in 6 Stunden 390 mm, während die
gröfste stündliche Regenmenge 85,1 mm betrug ! — p —
Anlage neuer Eisenhahnlinien in Prenfsen. In der Zusammen¬
stellung der neuen Eisenbahnlinien auf Seite 79 d. J. ist bei den
unter Nr. 15 aufgeführteu beiden Strecken (Langensalza-Gräfentonna
und Döllstädt-Walschleben) in der ersten Spalte der Tabelle die
Baulänge der Linie von Döllstädt nach Walschleben — 10,8 km —
ausgefallen und mufs daselbst zugesetzt werden. Mit Einrechnung
dieser Linie stellt sich die Gesamt- Baulänge aller Linien auf
903,8 km. Die Angaben der Grunderwerbs- und Baukosten sind an
der genannten Stelle für beide Linien zusammen gerechnet.
in, Berlin. Druck von J. K e r s k e s , Berlin.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarraz
137
Centralblatt der Baiiverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 5. April 1890. Nr. 14.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark,
INHALT; Amtliches: Personai - Nachrichten. — Nichtamtliches; Mittheilungen
über Oberbau auf englischen Eisenbahnen. — Entwurf zur neuen Herz-Jesu-Kirche
in der Stadterweiterung von Köln. — Wasserstrafse zwischen Mannheim-Ludwigs-
liafen und Kehl - Strafsburg, Canal oder freier Rhein? (Schlufs.) — Die ehemalige
Kirche der Dominicaner in Coblenz. (Schlufs.j — Vermischtes: Zur Leipziger
Kathhausbaufrage. — Glückwunsch der Berliner Künstler an den Fürsten Bismarck.
— Gewinnung des Entwurfes für ein dem Gedäclitnifs der hochseligen Kaiserin
Augnsta gewidmetes Gotteshaus.
Amtliche Mittheilungen.
Preufseu.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den charakteri-
sirten Geheimen Baurath im Kriegs-Ministerium Appelius zum Ge¬
heimen Baurath und vertragenden Bath im Kriegs-Ministerium zu er¬
nennen und dem Intendantur- und Baurath Duisbergim Kriegs-Mini¬
sterium, sowie den Eegierungs- und Bauräthen Laur in Sigmaringen,
Doebbel in Cöslin, Kruse in Aachen, v. Morstein in Frank¬
furt a./O., Doeltz in Magdeburg, Albrecht in Posen, Lieber in
Düsseldorf, Heithaus in Lüneburg, v. Schumann in Cassel,
D enninghoff in Düsseldorf und Geifsler in Arnsberg den Charakter
als Geheimer Baurath zu verleihen.
Der Königliche Regierungs - Baumeister Paul Werne bürg in
Geestemünde ist zum Königlichen Wasser-Bauinspector ernannt und
der Königlichen Regierung in Königsberg O./Pr. überwiesen worden.
Der Regierungs- und Baurath Hinckeldeyn ist in gleicher Amts¬
eigenschaft von Berlin an'die Königliche Regierung in Königsbei-g O./Pr.
und der bisher bei dem Erweiterungsbau des Landwehr- Canals be¬
schäftigte Wasser-Bauinspector Lang in Berlin als technischer Hülfs-
arbeiter an die Königliche Regierung in Schleswig versetzt.
Versetzt sind; die Regierungs- und Bauräthe Janssen, bisher
in Essen, als Director an das Königliche Eisenbahn-Betriebs -Amt
(Main -Weser-Bahn) in Cassel, Kottenhoff, bisher in Köln, als
Director an das Königliche Eisenbahn - Betriebs - Amt in Hagen,
Lange, bisher in Neuwied, als Mitglied (auftrw.) an die Königliche
Eisenbahndirection (rechtsrh.) in Köln, Ballauff, bisher in Nord¬
hausen, als Director (auftrw.) an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-
Amt in Cottbus und Haarbeck, bisher in Münster, als ständiger
Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn -Betriebs -Amt in Essen,
die Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspectoren Gottstein, bisher in
Beuthen O.-S., als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisen¬
bahn-Betriebs -Amt in Kattowitz, König, bisher in Eschwege, als
ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn -Betriebs -Amt
(linksrh.) in Köln, Staggemeyer, bisher in Düsseldorf, als ständiger
Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Bremen,
Sauer, bisher in Warburg, als ständiger Hülfsarbeiter an das König¬
liche Eisenbahn-Betriebs-Amt (rechtsrh.) in Düsseldorf, Wiesner,
bisher in Bremen, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche
Eisenbahn-Betriebs-Amt (Directionsbezirk Erfurt) in Berlin, M eisei,
bisher in Wesel, als Vorsteher der Eisenbahn-Bauinspection nach
Warburg, Stündeck, bisher in Elberfeld, als ständiger Hülfsarbeiter
an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Neuwied, und Buch-
holtz, bisher in Posen, als Vorsteher der Eisenbahn-Bauinspection
nach Gnesen, die Eisenbahn-Maschineninspectoren Stiebler, bisher
in Stolp, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt (Directionsbezirk Bromberg) in Posen, Ingenohl,
bisher in Deutz, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisen¬
bahn-Betriebs-Amt (rechtsrh.) in Düsseldorf, und Götze, bisher in
Stralsund, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt in Halle a. S., die Eisenbahn-Bauinspectoren N eumann,
bisher in Oppeln, als Vorsteher des Materialien-Bureaus der König¬
lichen Eisenbahndirection nach Breslau, Krüger, bisher in Posen,
als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt
(Directionsbezirk Bromberg) in Stettin und Borchart, bisher in
Halle a. S., als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt in Stralsund, sowie der Land-Bauinspector Bergmann,
bisher in Hannover, nach Osnabrück zur Leitung des Baues des
Eisenbahn-Empfangsgebäudes daselbst.
Es ist verliehen: dem Regiei-ungs- und Baurath Neumann in
Magdeburg die Stelle eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahu-
direction daselbst, den Eisenbahn - Bau- und Betriebsinspectoren
Peters in Breslau die Stelle des Vorstehers des bautechnischen
Bureaus der Königlichen Eisenbahndirection daselbst und Euhrberg
in Hannover die Stelle eines Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspectors
im bautechnischen Bureau der Königlichen Eisenbahndirection da¬
selbst, dem Eisenbahn- Maschineninspector Bindemann in Breslau
die Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem Königlichen Eisen¬
bahn-Betriebs-Amt (Breslau-Tarnowitz) daselbst, und dem Eisenbahn-
Bauinspector Brüggemann in Breslau die Stelle des Vorstehers
der Hauptwerkstätte (Breslau-Oderthor) daselbst.
Am 1. April d. J. sind in den Ruhestand getreten : der Eisenbahn-
Bau- itnd Betriebsinspector, Baurath Kolszewski, ständiger Hülfs¬
arbeiter bei dem Königl. Eisenbahn-Betriebs-Amt in Kattowitz und
der Eisenbahn-Maschineninspector Schmitz, ständiger Hülfsarbeiter
bei dem Königl. Eisenbahn-Betriebs-Amt (rechtsrh.) in Düsseldorf.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt; die Re¬
gierungs-Bauführer Otto Stephani aus Cassel und Karl Schiefler
aus Görlitz (Ingenieurbaufach); — Karl Kleimenhagen aus Cassel
(Maschinenbaufach).
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Richard
Kaufmann in München und Werner Lun dt in Hamburg ist die
nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben' im Namen des Reiches Aller¬
gnädigst geruht, den bisherigen Eisenbahn-Betriebs-Director Wilhelm
Volkmar zum Regierungsrath und Mitglied der Kaiserlichen General-
direction der Eisenbahnen in Elsafs-Lothringen, sowie den bisherigen
Eisenbahn -Maschineninspector Eduard Hüster zum Eisenbahn-Be¬
trieb s-Director mit dem Range eines Rathes IV. Klasse zu ernennen.
Dem Betriebs-Director Hüster ist die Stelle des Vorstehers des
maschinentechnischen Bureaus der Generaldirection der Eisenbahnen
in Strafsburg definitiv übertragen worden.
Bayern.
Der Eegierungs- und Kreisbaurath Joh. Nepom. Saerve bei der
Regierung, K. D. I., der Pfalz wurde seiner Bitte entsprechend unter
Anerkennung seiner eifrigen, vieljährigen Dienstleistungen in den
Ruhestand für immer versetzt, zum Eegierungs- und Kreisbaurath für
das Landbaufach bei der Regierung der Pfalz der Bauamtmann Franz
Kreut er in Kempten befördert und auf die sich hierdurch bei dem
Landbauamte Kempten erledigende Bauamtmannstelle der Kreisbau¬
assessor Hugo Höfl in Augsburg berufen.
Sachsen.
Seine Majestät der König haben dem Director des Polytechnicums
in Dresden, Geheimen Rath Professor Dr. Gustav Anton Zeuner, das
Comthurkreuz I. Klasse des Albrechtsordens Allergnädigst zu ver¬
leihen geruht.
Sachsen - Altenburg.
Der Geheime Baurath Enger in Altenburg, Vortragender Rath
in Bausachen bei den Ministerial- Abtheilungen des Innern und der
Finanzen, ist gestorben.
[Alle Eechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Mittheilungeii über Oberbau auf englischen Eisenbahnen.
Von A. Goeriug.
Die zur Zeit in Deutschland angestrebte Erhöhung der Fahr- i Veranlassung, auf die Verstärkung des Schienengestänges Bedacht zu
geschwindigkeit unserer Schnellzüge giebt den Eisenbahnfachmännern I nehmen, indem eine wesentliche Zunahme der Geschwindigkeit sowohl
138
Ceutralblatt der ß auvervvaltuug'.
5. Apiil 1890.
iinuiittclbar durch stärkere Erschütterungen und Seitenstöfse, nament¬
lich in Krümmungen, als auch mittelbar durch die kaum zu um¬
gehende Yergröfserung des Kaddruckes der Locomotive eine höhere
Beanspruchung der Fahrbahn herbeitÜhren, mithin eine weitere
Kräftigung und Sicherung derselben verlangen
rde.
lauter diesen Umständen richten sich die Blicke der Eisonbahn-
techniker naturgemäfs mit erneuter Aufmerksamkeit nach England
als demjenigen Laude, in welchem bei einer ganzen Anzahl von
Zügen — keineswegs bei allen — eine hohe Fahrgeschwindigkeit die
Kegel bildet, ohne dafs die Betriebssicherheit darunter gelitten hätte.
Ua mufs es nun als ein fühlbarer Mangel aufi'allen, dafs in
Deutschland über die Einzelheiten des in England üblichen Geleis¬
baues verhältnifsmäfsig wenig bekannt ist, dafs es namentlich an zu¬
verlässigen Angaben über die Abmessungen und Gewichtsverhältnisse
des englischen < »berbaues fehlt. Aus diesem Grunde dürften die nach¬
folgenden Mittheilungen über den gegenwärtig bei der Midland-Eisen-
bahn bestehenden Oberbau zeitgemäfs erscheinen. Die INlidlandbahn,
bekanntlich ausgehend von dem grofsen St. Pancras-Bahnhofe in Lon¬
don und dem daneben gelegenen zweigeschossigen Güteibahnhofe, ist
eine der grofsen, von zahlreichen sehr schnellen Zügen befahrenen
englischen Linien (vgl. die Zusammenstellung in der Zeitung Deut¬
scher Eisenb. -Verw. 18üO, S. G5.) Die Zeichnungen, welche diesen
Mittheilungen zu Grunde liegen, stammen aus den .Tahren 1885 und
1888, und die im folgenden angegebenen Abmessungen und Vor¬
schriften sind sämtlich den Zeichnungen beigedruckt.
1. Die Aiiordnuiig des regelinäfsigeii Beleises.
(Abb. 1 bis 5 und 9 a.)
Die Schienen (Abb. 1) haben eine nicht ganz symmetrische
Gestalt, da bekanntlich das Umdrehen derselben sich infolge des Ein-
schleifens der Auflager¬
stellen als nicht wohl
ausführbar gezeigt hat
und zudem bei der lang¬
sameren Abnutzung des
Stahls, welche eine
bessere Ausnutzung der
Tragfähigkeit gestattet,
als dies früher bei Eisen¬
schienen der Fall war,
ohnehin kaum von Werth
sein würde. Die Breite
des Kopfes und Fufses
sind gleichmäfsig mit
67 mm (2^8“) bemessen,
die Höhe derselben be¬
trägt jedoch (bis zum
Schnitt der verlängerten,
unter 1 : 1,8 geneigten
Laschenanschlufsflächen)
54 bezw. 35 mm ; der Steg
ist gradlinig begrenzt
und 18 mm stark, die
Gesamthöhe mifstl43mm
(bVs")- Die Achse des
25,4 mm (1") weiten Bol¬
zenloches liegt 81 mm
(S^/ie") unter der Ober¬
kante der neuen Schiene.
Vergleicht man diese Ab¬
messungen mit den in
Deutschland üblichen
Querschnitten, beispielsweise mit denjenigen der preufsischen
Schienenform für Hauptbahnen von 1885, so fällt zunächst ins Auge,
dafs die englische Stuhlschiene erheblich stärkere Breitenmafse be¬
sitzt, nämlich 67 mm Kopf- und 18 mm Stegstärke gegen 58 und
11 mm, und dafs die Neigung der Anschlufsflächen sehr viel steiler
ist (1 : 1,8 gegen 1 : 4). Der letztere Umstand legt die Erwägung nahe,
ob nicht die in Norddeutschland übliche Neigung von 1 : 4 zweck-
mäfsig durch eine steilere ersetzt werden sollte, um in Ilücksicht auf
die unvermeidlichen Ungenauigkeiten der Herstellung die Wirkung
der Laschen gegen seitliche Verschiebung zu erhöhen und somit den
Widerstand der Laschenverbindung gegen die Seitenstöfse, den weit¬
aus schlimmsten Feind des Gestänges, zu vergröfsern. Die noch
über 1 ; 2 hinausgehende Neigung bei der englischen Schiene mag
vielleicht zu steil sein; wenn sie jedoch unter dem Reibungswinkel
zwischen Schiene und Lasche (der wohl mindestens 0,4 = 1 : 2,5 be¬
tragen dürfte) bleibt, sodafs ein keilförmiges Auseinanderdrängen der
Schienen entfällt, so dürfte ein zwingender Grund zu weiterer Ab¬
flachung kaum vorliegen. (Die Schiene der Oesterreichischen Staats¬
bahn hat 1 ; 2,5; die italienische und Gotthardbahn 1:2, ebenso die
Abb. 1.
Querschnitt der Schiene mit Lasche.
Matsstab 1 : 2.
frühere Rheinisclie Bahn; die Württembergisclie und die frühere Köln-
Mindener Bahn 1 : 3.) Die noch flachere Neigung der neuen belgi¬
schen Seidene (1 : 5) kann hier nicht in Vergleich kommen, weil die
zugehörige Lasche zugleich mit ilirem Fufs auf der Schwelle aufruht,
also in ganz anderer Weise wirken soll.
Das Gewicht der Schiene beträgt auf das 5'ard 85 d. i.
42,2 kg auf das Meter’*) oder 26 pCt. mehr als die preufsische Schiene
von 1885. Die Abrundung an Kopf
und Fufs geschieht nach einem
Halbmesser von 143 mm (ö^/s").
Die Laschen (Abb. 1) um¬
fassen den Schienenfufs nahe bis
zur Mitte mit entsprechender Krüm¬
mung, jedoch ohne weitere Be¬
rührung als in den Anschlufsflächen.
Sie wiegen 18,1 kg (40 )^), sind
etwa 130 mm hoch, 19 mm stark,
46 cm (18“) lang und mit 4 Löchern
in gleichen Abständen von 114 mm
(4i/i>“) versehen. Die Schraubbolzen
haben 22 mm (Vs") Durchmesser,
114 mm (40^“) Länge, vierkantige
Muttern und sind im unteren Theile
— demnach auch die Löcher der
äufseren Lasche — quadratisch
gestaltet. Ein Bolzen mit Mutter
wiegt l’A
Die
Abb. 4 a.
Holznagel.
Abb. 4 b.
Eisennagel.
Mafsslab 1 ; :
Abb. 5.
Querschnitt des
Holzkeils.
Mafsstab 1 : 3.
= 0,68 kg.
gufseiserneu Stühle
(s. Abb. 9 a) sind erheblich breiter
und schwerer als die früher in
Deutschland angewandten. Der
regelmäfsige Stuhl ist 184 mm
breit und 394 mm (lö'/^“) lang, hat am Rande 38 mm, unter der un¬
mittelbar aufruhenden Schiene aber 44,5 mm (l^A“) Stärke und wiegt
50 = 22,68 kg; er umfafst die Schiene mit 82,5 mm (3'/4“) breiten
Backen, deren äufsere bis 32 mm unter Schienenoberkante hinauf¬
reicht und für den Holzkeil Platz läfst, während die
innere den Schienensteg an zwei Stellen berührt, an
der schrägen und senkrechten Fläche des Fufses
aber Spielraum läfst und nur bis 60 mm unter
Schienenoberkante hinaufgeht. Die Backen sind in
der Älitte durch eine 15 mm breite, nur wenig
vortretende Rippe verstärkt und an den Innen¬
kanten abgerundet, damit sie nicht die Holzkeile
zerschneiden.
Die Befestigung des Stuhles auf den
Schwellen geschieht bemerkenswertherweise durch
je zwei eiserne und zwei aus Eichenholz beste¬
hende Nägel, welche einander diagonal gegenüber¬
stehen. Der Sinn dieser erprobten Anordnung ist
der, dafs die Holznägel gegen Losrütteln durch
die gewöhnlichen Erschütterungen am besten
wirken, während die Eisennägel zur Sicherheit gegen besonders starke
Stöfse vorhanden sind, welche die Holznägel absprengen könnten. Beide
Nagelarten sind rund, innerhalb der Stuhlplatte etwas verjüngt, im
übrigen cylindrisch (mit Ausnahme des unteren Endes) und greifen
114 mm tief in die
Schwelle ein (s. Abb. 4 a,
4b). Die Löcher für alle
Nägel sollen ganz durch
die Schwelle hindurch ge¬
bohrt werden. Die Eisen¬
nägel sollen ebenso wie
die Laschenbolzen vor
dem Gebrauch in Theer
getaucht, die Holznägel
nur nach dem Eintreiben
oben mit Theer bedeckt
werden. (Auf manchen
englischen Bahnen kom¬
men auch Stühle mit
drei Befestigungsstellen
vor, von denen zwei an
der Innenseite liegen.)
Die Keile (Abb. 5) sind aus Eichenholz und völlig prismatisch
ohne jede Verjüngung bei 178 mm (7“) Länge. Sie liegen an der
Aufsenseite der Schiene, die äufsere Seitenfläche ist wie die ent¬
sprechende Wand der Stuhlbacke senkrecht, die dem Schienensteg
Abb. 9a.
Schnitt durch Schiene und Stidil.
Mal'sstali 1 : 8.
■*) 1 = 0,4536 kg; 1 Yard = 3' = 0,9144 m
1' engl. = 0,3048 m; 1" = 25,40 mm
Nr. 14.
Centralblatt der Baii Verwaltung.
1.39
anliegende liat genau die bestinunte Neigung (1 : 22), ebenso wie die
auf der anderen (inneren) Seite die Schiene unmittelbar berührende
Backe des Stuhls. Nach mündlichen Mittheilungen werden die Keile,
räume von Mitte zu Mitte gegeben: 4 Mittelräume von Je 3' (1(14 mm),
dann jederseits 2' 11“, 2‘ 9“, 2‘ 3", endlich V 1“ bis zum Schienen-Ende
(Entfernung der Stofsschwellen 2' 2^/\i-,“ = Besondere Mittel
Abb. 2. Querschnitt des Geleises.
Mafsstab 1:2-1.
beziehungsweise das dazu
verwendete Holz vor dem
Gebrauch sehr stark geprefst,
damit es nachher nicht wohl
weiter schwinden kann, viel¬
mehr sich auszudehnen strebt.
Die Keile sollen in der Eich-
tung des Fahrens eingetrieben
werden, wo solche feststeht.
Der Keil heifst übrigens
im Englischen nicht so, son¬
dern „Schlüssel“ (key).
Schwellen und Bet¬
tung (Abb. 2, 3). Die
Schwellen sind 2,72 m (8' 11“)
lang, 127 mm (5") stark,
254 mm (10“) breit, und es
wird ausdrücklich vorge¬
schrieben, dafs die breite
(gesägte) Seite (sawn face)
oben liegen soll und hierin
mag es begründet sein, dafs
die Schwellen auf englischen
Bahnen durchweg erheblich
breiter und vollkantiger, als
bei uns üblich, zu sein
scheinen, da wir die breite
Seite nach unten legen. (In¬
wieweit die Schwellen etwa
wirklich vollkantig verlangt werden, dürfte noch näher festzu¬
stellen sein.)
Die Anzahl der Schwellen auf eine Schienenlänge von 30' =
9,144 m beträgt 11, und die Vertheilung ist durch folgende Zwischen-
gegen das Wandern der
Schienen sind aus den Zeich¬
nungen nicht ersichtlich. Je¬
doch können die Laschen
sich mit ihrem unteren, den
Schienenfufs beiderseits um¬
fassenden Theile gegen den
Stuhl anstemmen, welcher in
dem mittleren, die Schiene
tragenden Stücke bis zu
dieser mit senkrechten Kanten
begrenzt ist.
Die Bettung (Abb. 2)
soll zwischen den Schienen
mit der Schwellenoberkante
abschliefsen, an der Aufsen-
seite aber bis zur Ober¬
kante der Keile hinauf¬
reichen, „um diese am Hinaus¬
fallen zu hindern.“*) — Das
Planum erhält eine kräftige
Abwässerung ( gezeichnet
ist etwa 1 : 22), und Je nach
Bedarf sollen Saugrohre
(Drains) eingelegt werden,
„sodafs kein Wasser auf
oder unter der Bettung
bleiben kann.“
(Forts, folgt.)
*) Diese Angabe findet sich auch auf der Uebersichtszeichnung
der Weichen- und Herzstücke und zwar hier mit dem Zusatz „au
Stelle der früher zu diesem Zweck benutzten Nägel (nails)“.
Abb. 3a. Grundrifs des Geleises.
Abb. 3b. Längenschnitt des Geleises.
Mafsstal) 1 : 24.
Der Entwurf zur neuen Herz Jesu -Kirche in der Stadterweiterung von Köln
Bei dem Wettbewerb für Entwürfe zur neuen Herz Jesu-Kirche
in der Kölner Stadterweiterung erhielt, wie schon auf S. 111 d. Bl.
mitgetheilt wurde, die Arbeit des Ober-Bauraths Freiherrn Friedrich
V. Schmidt in Wien den ersten Preis. Zugleich beschlofs der
Vorstand des Kirchenbauvereins auf Empfehlung der Preisrichter,
vorbehaltlich der erzbischöflichen Genehmigung, den Schmidtschen
Entwurf zur Ausführung zu bringen. Friedrich v. Schmidt wird
somit die Freude haben, an der Stätte seines ersten Wirkens, wo er
mit seinem Freunde und Mitbewerber Vincenz Statz viele Jahre
unter Zwirners Leitung der Dombauhütte angehörte, nach Ablauf
eines Zeitabschnittes, den man gewöhnlich ein Menschenalter zu
nennen pflegt, die erste neue Kirche nach Erweiterung der Stadt zu
schäften. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dafs seit dem An¬
fänge dieses Jahrhunderts, vom Aufbau des Domes und zahlreichen
Wiederherstellungsarbeiten abgesehen, in Köln zwar etwa 25 Kirchen
und Capellen in französischer Zeit abgebrochen oder ihrem Zwecke
entzogen wurden, aber nur eine einzige katholische Kirche, die St.
Mauritiuskirche, von V. Statz in den sechziger Jahren, wenn wir
nicht irren, errichtet worden ist. Die zweite wird die Schmidtsche
Herz Jesu-Kirche sein.
Einen Grundrifs, einen Durchschnitt und eine äufsere Gesamt¬
ansicht theilen wir in den Abbildungen mit. Der frühgothische Stil
war in dem unter 10 Architekten veranstalteten Wettkampfe vor¬
geschrieben. Das veröft'entlichte Urtheil des Preisgerichts sagt von
dem Schmidtschen Entwürfe kurz und trocken: „Der Grundrifs ist
klar und vortrefflich durchgebildet; die Eingänge sind aufs zweck-
mäfsigste angeordnet. Es bleibt aber zu erwähnen, dafs eine ge¬
eignete Taufcapelle in der Nähe des nördlichen oder westlichen Ein¬
ganges fehlt. Das Langschiff ist in grofsen Verhältnissen als Hallen¬
kirche ausgebildet. Der Entwurf schliefst sich in glücklicher Weise
an hervorragende Bauwerke der finihgothischen Periode an; die un¬
gewöhnlich reife Durchbildung desselben sowie die grofsartige
Formengebung ist, als mit dem Programm besonders übereinstimmend,
rühmend anzuerkennen. Der nutzbare Grundrifs ist (da die Felder
zwischen den Strebepfeilern des Langschift’s als Beichtcapellen mit
der Kirche vereinigt sind) 1330 qm grofs.“
Anscheinend dem Erläuterungsbericht des Herrn Verfassers ent¬
nommen ist folgende Mittheilung der Kölnischen Volkszeitung:
„Des Chores „Mafs und Gerechtigkeit“ war der Ausgangspunkt für
die gesamte Anordnung des Grundrisses sowohl als auch des Auf¬
baues. Die Bestimmung des Baues zur Pfarrkirche liefs die Aus¬
gestaltung des im Concurrenz-Programm gewünschten Chorumganges
(Säulenstellung um den Chor) zu einem förmlichen Capellenkranze
als nicht sachgemäfs erscheinen; dagegen führte die erhabene Wid-
140
Ceutralblatt der B auverwaltuiig’.
5. April 1890.
mung der Kirche zu der Anlage einer Herz Jesu -Capelle in der
Mittelachse des Grundrisses, au deren Aufseuseite nach dein Hohen¬
staufenring hin, im idealen Zusammenhänge mit dem Altäre im Innern
der Capelle, die im Pro¬
gramm gewünschte Herz
Jesu-Statue angebracht
ist. Für den Aufbau des
Chores ergab sich nach
dieser Anordnung des
Grundrisses ein basilicaler
Querschnitt mit niedrigen
Seitenschiffen und Strebe¬
bögen gewissermafsen von
selbst; für das Langhaus
dagegen mufste der Ver¬
fasser nach reiflicher
Ueberlegung für einen
Wechsel des Systems und
für den Uebergang zum
Hallenbau sich entschei¬
den, zunächst um der
Gefahr zu entgehen, an¬
statt einer Kirche das
Modell einer Kathedrale
herzustellen. Aufserdem
erschien es ihm geboten,
das Langhaus im Gegen¬
sätze zum Sanctuarium
als eine luftige Halle
zu gestalten mit mög¬
lichst freien Durchsichten
nach jeder Richtung hin,
um dem Kirchenbesucher
die ungeschmälerte Theil-
nahme an jeder gottes¬
dienstlichen Verrichtung
und den vollen Eindruck
des Innenraumes zu ge¬
währen. Das Festhalten
an diesem Gedanken
führte zu der in dem
Entwürfe dargelegten
Ausgestaltung mit Quer-
schiflf und capellenartigen
Ausbauten an den Seiten¬
wänden des Langschiff’es,
welche zixr Aufnahme
kleiner Seitenaltäre, der
Beichtstühle, des Tauf¬
steines und des heiligen
Grabes bestimmt sind.
Durch letztere Anordnung
wurde es ermöglicht, die
architektonische Hau^it-
linie festzuhalten und dem
Ganzen die so nothwen-
dige Ruhe zu bewahren
trotz des Wechsels in
der Form des Quer¬
schnittes.“
Leider hat Frhr. v.
Schmidt es unterlassen,
seinen Entwurf von der
Chorseite aus in Per¬
spective zu setzen. Es
ist das zu bedauern, weil
die Kirche nicht die Westfront, sondern den Chor der neuen
Ringstrafse zuwendet, von welcher die grofse Mehrzahl der Wanderer
das Werk betrachten wird. Aus diesem Grunde war auch im Pro¬
gramm die besonders reiche Ausbildung der Chorseite verlangt wor¬
den. Der Standpunkt, aus welchem die dem Entwürfe beigegebene,
hier abgebildete Gesamtansicht gezeichnet wurde, ist in Wirklichkeit
leider nicht vorhanden.
Eine entschiedenere
Betonung der Chorseite
findet sich bei mehreren
anderen der ausgestellt
gewesenen Pläne, so bei
dem an zweiter Stelle
gekrönten Entwürfe von
Baurath Vincenz St atz
und Baumeister Franz
St atz in Köln, welche
ihren reichen Chorauf¬
bau in einen eigenartigen
Firstthurm ausklingen
lassen; ferner bei der
an dritter Stelle be¬
lobten Arbeit von W.
Blanke in Köln, der
zwei stattliche Chor-
thürme angeordnet hat.
Bei der gewählten Grup-
pirung wäre freilich dem
Westthurm eine etwas
gröfsere Höhe zu wün¬
schen gewesen. Der
eigenartigste Entwurf be¬
züglich der in diesem
Falle besonders wichti¬
gen Choransicht war
wohl derjenige von Aug.
Rincklake in Brauu-
schweig. In ihm wird
der Chor von zwei Thür¬
men flankirt, welche in
einer etwas ungewöhn¬
lichen, aber wirksamen
Formengebung mächtig
aufstreben, während das
Langhaus als dreischiffige
Basilika ohne Querschiff
angeorduet und mit einer
reizvoll gezeichneten
Westfront ohne Thurm
abgeschlossen ist. Das
Preisgericht nennt in
seinem Urtheil die Er¬
scheinung der beiden
Thürme „eine etwas
fremdartige“ und findet
ferner, dafs dieselben
„mit dem Langhause und
dem seitlichen Anbau
kein völlig harmonisches
Ganze bilden“. Von der
Preisvertheilung wurde
übrigens der Rincklake-
sche Entwurf ausge¬
schlossen, weil „der Quer¬
schnitt nicht vollständig
gezeichnet ist und der
Längenschnitt überhaupt
fehlt“. Unseres Erachtens
enthalten die Entwürfe
von Rincklake, Blanke
sowie von Statz Vater und Sohn für die in der Kölner Stadterweite¬
rung noch ausstehenden vier Neubauten katholischer Pfarrkirchen,
von denen noch wenigstens zwei den Chor der Ringstrafse zuwenden,
sehr beachtenswerthe Vorschläge. J. St.
Preisbewerbxxng für Entwürfe zur neuen Herz Jesu-Kirche in Köln.
Entwurf von Friedr. Freiherrn v. Sclunidt in Wien (I. Preis).
Die Wasserstrafse zwischen Mannheim- Lud wigsliafeii und Kehl -Strafsburg,
Canal oder freier Rhein?
(Schlufs.)
V.
Ist im vorstehenden dargethan, dafs die Stromverhältnisse des
Oberrheins zwischen Mannheim -Ludwigshafen und Strafsburg doch
keineswegs so beschaffen sind, dafs von vornherein darauf verzichtet
werden mufs, diese Stromstrecke der Grofsschiffahrt zugänglich zu
machen, so liegt nun die Frage vor, welche der beiden Wasser-
strafsen — der Rhein, durch Regulirung schiffbar ge¬
macht, oder der Seitencanal — aus technischen Gründen
vorzuziehen wäre.
Der von dem Engländer Brindley in scherzhaftem Uebermuth
i\r. 14.
Centralblatt der Bauverwaltung.
141
ausgesprochene Satz, dafs die Flüsse nur dazu da sind, um das
Wasser den Canälen zu liefern, ist doch nur mifsverständlich zu¬
weilen ernst genommen worden, denn im allgemeinen ist unbestritten,
dafs, so lange es möglich ist, im Strome selbst die von der Schiffahrt
verlangte Tiefe und Breite des Fahrwassers wie im Canal herzustellen,
die freie Wasserstrafse
dem letzteren über¬
legen ist. In höherem
Mafse gilt dies da,
wo es sich um eine
Stromstrecke handelt,
die unmittelbar an
eine grofse natür¬
liche Wasserstrafse an¬
schliefst, und ganz be¬
sonders für die Ver¬
hältnisse, wie sie sich
am Ehein ausgebildet
haben.
Eine Mindestfahr¬
wassertiefe von 2 m,
die hier im Ehein bis
Kehl hinauf zu schaf¬
fen wäre, ist für die
grofse Schiffahrt voll¬
kommen genügend.
Bei höheren Wasser¬
ständen könnten die
Schiffe aber auch mit
dem gröfseren Tief¬
gang, mit dem sie dann
vom Mittelrhein bei
Mannheim - Ludwigs-
hafen ankommen, die
Eeise auf dem Ehein
bis Strafsburg fort¬
setzen. Auf dem Canal
wäre dies zwar, da er
3 m Wassertiefe erhal¬
ten soll, bis zu einem
gewissen Mafse eben¬
falls noch möglich,
doch nur mit erheblich
gröfserer Zugkraft.
Hierauf dem Canal
müfsten die Schiffe ein¬
zeln von kleinen Canal¬
dampfern geschleppt
werden; auf dem Ehein
würden die gleichen
Schleppdampfer Ver¬
wendung finden kön¬
nen, die den Strom
zwischen Mannheim
und den Seehäfen be¬
fahren — ein Vor¬
zug der freien Wasser¬
strafse, den die Schiff¬
fahrttreibenden be¬
greiflicherweise sehl-
hoch anschlagen;
würde damit ja doch
die Gelegenheit ge¬
schaffen, ein vorhan¬
denes werthvolles Ma¬
terial noch mehr aus¬
zunutzen.
Auch läfst sich
wohl denken, dafs die
Tauschiffahrt, die sich
bei der geringeren
Strömung im unteren Ehein als
dem Oberrhein, zumal oberhalb
rinne mit Vortheil anzuwenden
mission für die Eheinschiffahrt
Thalfahrt 7,1 km in der Stunde nicht
Ludwigshafen ab 18 (von Speyer
übersteigen. Dabei wären
ab 16) Durchschleusungen
mit je einem Zeitaufwand von rund 1/2 Stunde zu überwinden. I5e-
man noch den beim Uebergang vom Ehein auf den
rücksichtigt
Canal und
umgekehrt entstehenden
Zeitverlust, und ferner,
dafs der Canalbetrieb
während der Nacht
still steht, so ergiebt
sich, dafs die Berg¬
reise von Ludwigshafen
bis Strafsburg, wenn
sie ohne alle Störung
vor sich geht, 2‘,2 bis
3 Tage, die Thalreise
2 Tage in Anspruch
nehmen würde. ^3) Auf
dem Ehein wird schon
jetzt von den Schlepp¬
zügen (2 bis 3 Kähne
im Anhang) die Strecke
Mannheim - Strafsburg,
je nach der Leistungs¬
fähigkeit des Schlep¬
pers, in 20 bis 30 Stun¬
den , -^) die Thalreise
in kaum 9 Stunden
zurückgelegt , sodafs
auf dem Ehein für
die Doppelreise zum
mindesten 1 Tag
weniger zu verwenden
ist als auf dem Canal.
In dem regulirten
Schiffsweg würde die
Fahrt aber ungleich
leichter von ' statten
gehen und bei sich¬
tigem Wetter auch die
Nacht hindurch fort¬
gesetzt werden können,
sodafs im Durchschnitt
ein Zeitunterschied für
eine Eeise von wenig¬
stens IV2 Tagen zu
Gunsten der freien
Fahrt angenommen
werden darf.
Das starke Gefälle
des Oberrheines war
früher wohl eine er¬
hebliche Erschwerung
der Bergfahrt. Durch
die Fortschritte der
Technik ist dies anders
geworden. Von den
heute auf dem Ehein
schwimmenden neuen
Dampfern mit ihren
kräftigen Maschinen
und ihrem geringen
Kohlenverbrauch wird
Ansicht. Holzstich v. 0. Ebel, Berlin.
Preisbewerbung für Entwürfe zur neuen Herz Jesu-Kircbe in Köln.
Entwurf von Friedr. Freiherrn y. Schmidt in Wien (1. Preis).
nicht lohnend erwiesen hat, auf
Maxau, in der geregelten Fahr¬
wäre. Die von der Centralcom-
zur Prüfung der Entwürfe der
stehenden Brücken bei Altbreisach, bei Neuenburg und bei Hüningen
seinerzeit berufenen Techniker haben sogar mit der Möglichkeit
rechnen zu müssen geglaubt, dafs die Tauschiffahrt einstmals bis
Basel hinauf sich ausdehnen könnte.
Die Fahrgeschwindigkeit auf dem Canal soll, nach den Erläute¬
rungen zu 'dem Canalentwurf, bei der Bergfahrt 5,4 km, bei der
wieder Thalanhang und für
finden.
das auslaufende
-23) Wenn der Canal
in Speyer vom Ehein
abgeht, so wäre für
den Schiffahrtsbetrieb
deshalb nichts ge¬
wonnen, weil hier viel
weniger als in Mann¬
heim - Ludwigshafen
Gelegenheit bestände,
für den Schlepper
Schiff Schleppkraft zu
-^) Von den Schleppern der Mannheimer Dampfschleppschiff'ahrts-
gesellschaft schleppen zur Zeit:
Mannheim I, II, III und V je 2 Kähne mit einer Gesamtladung
von 1200 Tonnen in 10 Stunden nach Maxau, und mit einer
Gesamtladung von 800 bis 1000 Tonnen in 20 bis 23 Stunden
nach Strafsburg,
Mannheim VI 3 Kähne mit zusammen 2000 bis 2150 Tonnen
in 10 bis 12 Stunden nach Maxau und mit zusammen 1500
bis 1800 Tonnen in 25 bis 30 Stunden nach Strafsburg.
142
Centralblatt der Bauverwaltung.
die starke Strömung unschwer und mit wenig erhöhtem Kostenauf¬
wand überwunden.
Dafs bei Belassung des Elieins in seinem gegenwärtigen Zustande
die auf dem Canal nach Strafsburg gekommenen Schiffe zur Thalfahi-t
den Strom benritzen würden, darauf ist nicht zu rechnen. Möglicli
wäre dies für die grofsen Schiffe überhaupt nur bei höheren Wasser¬
ständen; aber auch daun ist die freie Fahrt, zumal bei Wind, für
die werthvollen Schiff'sgefäfse immer mifslich. Auch auf dem Mittel¬
rhein ist das Thalschleppen solcher Schiff’e, namentlich bei Nachfrage
nach Schiffsraum, neuerdings mehr und mehr als vortheilhaft ei'kannt.
Die Canalschlepper wären aber auf dem freien Strom im gegen¬
wärtigen Zustande, selbst nur als Bugsirboote, nicht kräftig genug
und auch ihres Tiefganges wegen in der Regel nicht zu brauchen.
Sicherlich würde, wenn der Seitencaual zustande käme, der Ober¬
rhein als Wasserstrafse, wenigstens oberhalb i\Ia.\au, vollends veröden,
und für die Hheinfahrt nach Strafsburg bald kein Steuermann (Lotse)
mehr zu finden sein; denn schon die den Steuerleuten zur Pflicht
gemachte häufige Untersuchung des Fahrwassers würde sich nicht
mehr lohnen, l’halfahrt ohne ortskundigen Steuermann ist aber beim
unregulirten Zustande des Kheinfahrwassers ausgeschlossen. Die
Schiffe müfsten also auch zu Thal auf dem Canal geschleppt werden.
Dagegen würde in dem durch Regulirung geschaffenen Fahrwasser,
wenn nur für deutliche Verhakung der Fahrwassergrenzen gesorgt
wird, die Fahrt so wenig schwieiäg sein, dafs, wenn auch vielleicht
nicht immer für den Schlepper, so doch jedenfalls für die Anhang¬
schiffe der Lotse entbehrt werden könnte.
Ob der Schitfahrtsbetrieb trotzdem auf dem Canal billiger wäre
als auf dem Stimm, ist nicht leicht zum voraus zu beurtheilen;
jedenfalls wäre es dann niclit der Fall, wenn Canalgebühren er¬
hoben werden.
Die Zahl der nutzbaren Schiff’ahrtstage im Jahre wäre auf dem
freien Rhein erheblich gröfser als auf dem Canal. Dieser mufs, und
zwar in der guten, in der Regel auch der verkehrsreichen Jahreszeit,
jeweils für einige Wochen gesperrt und abgeschlagen werden, damit
die Bauwerke untersucht und die erforderlichen xVusbesserungen vor¬
genommen werden können. Dazu die längere Einwinterung: auf dem
Oberrhein ist die Eisbildung nicht bedeutend und Treibeis und Eis¬
stand, wenn sie überhaupt eintreten, dauern viel kürzer als am
Mittel- und Unterrhein. Der Canal aber würde zugefriereu, wenn der
Rhein noch lange offen ist, und noch woclienlang das Eis im Canal
liegen, nachdem es auf dem Strom abgegangen und die Schiffahrt
hier schon wieder in vollem Betrieb ist. Die Winter der ober¬
rheinischen Tiefebene sind bekanntlich ziemlicli streng, nicht selten
kälter als an dem mehr unter dem Eintlufs der See - Klimas
stehenden Unterrhein. Wenn auf dem (Jberrhein gleichwohl das Eis
sich nur selten stellt, so ist dies neben dem geregelten Zustand des
Stromlaufes der kräftigen Strömung zuzuschreiben. Der letztere Grund
aber trifft für den Canal nicht zu; dieser würde in manchem Winter
mit Eis sich bedecken, in dem die Rheinschitfahrt durch Eisbildung
wenig oder gar nicht gestört ist.
Dafs anderseits für den Canal die Behinderung der Schiffahrt
durch Hochwasser, durch aufsergewöhiilich niedrige Wasserstände
und durch Nebel wegfällt, hat deshalb keinen grofsen Werth, weil
die Canalschiff’ahrt unmittelbar an die Rheinschiffahrt anschlösse,
also unter den Störungen, welche die Schiffahrt unterhalb Manuheim-
Ludwigshafen erfährt, in der Regel mit zu leiden hätte.
Die Herstellungskosten des Canals sind für die Ausdehnung
Strafsburg-Ludwigshafen auf 38 Millionen Mark, für die Ausdehnung
Strafsburg- Speyer auf 32 Millionen Mark veranschlagt. 2'') Die Kosten
für die Herstellung einer Fahrrinne, wie oben beschrieben, würden,
sehr hoch geschätzt, nicht die Hälfte der letzteren Summe erfordern.
Und wenn man auch annehmen will, dafs die Unterlialtungskosten
des Canals nicht mehr betragen würden als der Mehraufwand, der
nach erfolgter Fahrwasserregulirung für die Instandhaltung der
Stromstrecke Kehl -Speyer alljährlich aufzuweuden wäre, so bleiben
immer noch die sehr bedeutenden Kosten für den Betrieb des Canals,
— hauptsächlich für die Bedienung der Schleusen und Drehbrücken.
Wenn also die Kostenfrage zweifellos für die Schiffbarmachung
des Rheins durch Regulirung spricht und die Wasserstrafse im wohl-
regulirten freien Strom auch hinsichtlich des Schiffahrtsbetriebes
unter den hier vorliegenden Verhältnissen dem Seitencanal vorzu¬
ziehen wäre^'j), so erscheint der letztere in einem Punkte überlegen.
Auffallend ist, dafs die Baukosten des Canals für 1 km auf
elsässischem Gebiet sich zu 308 256 Mark, auf bayerischem Gebiet
aber zu 336 222 Mark berechnen, also auf letzterem höher, obschon
hier das Getälle und damit die Zahl der Schleusen geringer ist.
In diesem Sinne liegt auch schon eine gewichtige Aeufseruug
aus den Kreisen der Schiff'ahrttreibejiden vor: In seiner General-
Versammlung vom 18. Juni 1883 hat der Verein zur Wahrung der
Rheinschiffahrts - Interessen, dem fast alle rheinischen Schiffahrts¬
gesellschaften und gröfseren Reeder angehören, im wesentlichen aus
5. Ajiril 1800.
nämlich in der Zeitdauer der Ausführung. Ein Schiffahrtscanal von
Strafsburg nach Ludwigshafen oder Speyer liefse sich, wenn nicht
besondere Zufälle eintreten, insbesondere die Grunderwerbung und
die Verhandlungen wegen Verlegung von Wegen und Wasserläufen
keine allzu langen Verzögerungen herbeiführen, nöthigenfalls in etwa
fünf Baujahren hersteilen. Im gleichen Zeitraum wäre die Aus¬
führung der besprochenen Rheinregulirung zwar nicht unmöglich,
jedoch ein derart beschleunigter Baubetrieb <aus technischen und aus
ökonomischen Gründen nicht zweckmäfsig. Dem Strom wäre Zeit zu
lassen, an der Umgestaltung des Profils hauptsächlich durch die
seitliche Lagerung der Geschiebe mitzuarbeiten. Durchschnittlich
sieben Jahre dauert es jetzt, bis eine Kiesbank am gleichen Ufer
an derselben Stelle wieder ersclieint, und diese Zeit wäre für die
Durchführung der Regulirung und das Eintreten ihres vollen Erfolges
wohl auch erforderlich. Mit Rücksicht auf Störungen durch die
Wasserstandsverhältnisse würde man vorsichtig 10 bis 12 Jahre
Bauzeit in Aussiclit zu nehmen haben. Indes würde man bemüht
sein müssen, und es würde wohl auch gelingen, die Arbeiten so an¬
zuordnen, dafs der Verkehr, Schritt haltend mit dem Fortgang des
Werkes, nach und nach in den Genufs der Vortheile einträte. Von
Jahr zu Jahr würde die Zahl der guten Schiff’ahrtstage auf dem Ober¬
rhein wachsen; wie jetzt nur bei den höheren, würden die Schleppzüge
schon bald bei den mittleren Wasserständen, also in der Regel
schon den ganzen Sommer hindurch, auch nach Eintritt der Spät¬
jahrsregen, Kehl und Strafsburg erreichen können — bis endlich die
gleiche Fahrwassertiefe, wie unterhalb Mannheim, beziehungsweise
die gleiche Anzahl der guten Schiff'ahrtstage wie am Mittelrhein
gewonnen wäre.
Ganz ebenso war und ist der Vorgang an anderen regulirten
und in der Regulirung begriffenen Strömen, insbesondere am Rhein
selbst. Wie schon bemerkt, auch abwärts Mannheim sind die Mindest¬
fahrwassertiefen, deren Herstellung das Ziel der Regulirungen ist,
weder im Rheingau, noch in der Gebii-gsstrecke, aber auch nicht
abwärts Köln und noch weniger auf der Waal durchweg vorhanden.
Deshalb wird aber nicht weniger dankbar anerkannt, was hier, ins¬
besondere von Preufsen seit 1830, für die Verbesserung der Wasser¬
strafse geschehen ist, deren Werth in der Entwicklung des Schiff-
fahrtsbetriebes mit grofsen Schleppzügen, mit werthvolleu Schiff’s-
gefäfsen, die neuerdings mit einer Laduugsfähigkeit bis zu 1300 Tonnen
■ — d. i. mehr als das doppelte der Ladungsfähigkeit der noch vor
30 Jahren gebrauchten gröfsten Rheinschiffe — gebaut werden, in
dem Wegfall des Lotsenzwanges, in der Einführung von Schrauben¬
dampfschiffen, wie denn überhaupt in der ganzen Entfaltung des
Verkehrslebens auf und an dem Strom beredt zum Ausdruck kommt.
Noch nie hat die längere Dauer der Durchführung einer Strom¬
regulirung von dem Unteimehmen abgehalten und nirgendwo ist man
aus diesem Grunde zur Herstellung eines Seitencanals geschritten.-^}
Auch daran sei erinnert, dafs der Zeitpunkt der Vollendung
eines Unternehmens nicht allein von der Zeitdauer seiner Ausführung,
sondern zunächst von dem Zeitpunkt seiner Inangriff’nahme abhängt,
und diese pflegt sich um so länger zu verzögern, je kostspieliger
das Unternehmen ist und je mehr es in bestehende Verhältnisse
störend eingreift. Dafs letzteres bei einem Canal, der ein dicht be¬
völkertes, vielfach gartenbauartig bestelltes Land mit seinen zahl¬
reichen Wegen, und viele Wasserläufe kreuzend, durchzieht, in un¬
gleich gröfserem Mafse der Fall wäre als bei einer Regulirung
innerhalb des Rheinbettes, liegt wohl klar.
Einleuchtend ist auch, dafs der gut schiffbare Oberrhein einem
sehr viel gröfseren Verkehrsgebiete dienen würde als der Seitencanal,
der in Bezug auf den Verkehr nur ein Ufer hat; denn ein Heran¬
ziehen des rechten Rheinufers zu dem Canalverkehr mit Hülfe von
Zweigeanäleu wäre wegen der iingenügenden Fahrwasserzustände des
Rheins, jedenfalls oberhalb Maxau, nicht in Aussicht zu nehmen.
Indes soll hier ja auf eine Vergleichung zwischen Canal- und Rhein¬
regulirung nach der wirthschaftlichen ebenso wenig als nach der
politischen Seite eingetreten werden, sodafs auch die wichtigste Vor¬
frage unerörtert bleiben mufs, ob überha^ipt in der Fortsetzung der
gi'ofsen Wasserstrafse von Mannheim- Ludwigshafen oder von Speyer
den hier angeführten Gründen sich einstimmig dahin ausgesprochen,
„dafs die Stromregulirung einem Canal — gleichviel ob links- oder
rechtsrheinisch — vorzuziehen sei“.
2^) Als bei den 1880 unter dem Vorsitz eines Reichscommissars
gepflogenen Verhandlungen über die Rheiuregulirung Mainz -Bingen
der Vorschlag zur Berathuug kam, im Binger Loch eine grofse
Schleusenanlage herzustelleu, um dadurch mit einem Male nicht nur
diese schwierigste Durchfahrtsstelle zu beseitigen, sondern auch auf
der Kheingaustrecke gutes Fahrwasser zu schaffen, haben sich die
Schiffahrtsinteressenten einmüthig und ganz entschieden hiergegen
ausgesprochen, und die schwierige Regulirung des Fahrwassers im
Rheingau und die langwierige weitere Ausspreugung im Binger Loch
befürwortet.
ir. 14.
143
Centralblatt der Bauverwaltung.
aufwärts bis Kelil-Stral'sburg ein volkswirthschaftliches Bedürfnifs
von solch hervorragender Bedeutung zu erkennen ist, dafs es gerecht¬
fertigt wäre, hierfür die Steuerkraft der Bevölkerung in erheblichem
Mafse in Anspruch zu nehmen, und dafs die Verschiebungen, die
sich aus dem neuen Verkehrswege auch wieder zum Nachtheil des
Gedeihens bestehender Einrichtungen und Zustände unvermeidlich
ergeben müfsten, durch die einem weiteren Interessengebiet zu¬
gehenden Vortheile oder durch die nothwendige Rücksicht auf ge¬
wichtige, höher stehende Gesichtspunkte aufgewogen würden. Was
mit dem hier Gesagten bezweckt war, ist erreicht, wenn es gelungen
ist, darzulegen, dafs — im Falle der Bejahung der eben gedachten
Frage — es sich voraussichtlich lohnen würde, dieses Ziel durch
eine Regulirung des Rheinstroms selbst anzustreben, oder dafs cs
doch wenigstens angezeigt erscheint, diese Frage in umfassender
und gründlicher Weise zu untersuchen und, nachdem ein Canal¬
entwurf vorliegt, nun auch für die Rheinregulirung einen Entwurf zu
bearbeiten, um dann — im Zusammenhalt aller Gründe für und gegen
— abzuwägen, welcher der beiden Lösungen der Vorzug gebührt.
Max Ilonsell.
Die ehemalige Kirche der Dominicaner in Cohlenz.
(Schlufs.)
Die Eingänge sowie die Fenster des Langhauses sind heute sämt¬
lich verunstaltet. Nur noch von den die Obermauern des Mittelschiffes
durchbrechenden Fenstern ist die alte Gestalt, freilich unter Aus-
schlufs des Mafswerkes, erkennbar. Sie verlängerten sich ehemals
nach unten in der Art von Blenden, liefsen aber bei einer gröfsten
Breite von etwas weniger als 2 m in romanischer Weise einen be¬
deutenden Theil der Wandfläche zwischen den Gewölbdiensten er¬
halten. Von dem alten Hauptgesimse des Mittelschiffes sind noch
Theile unter einem späteren Dache auf der Nordseite bemerkbar,
und an der Ostfront kragt noch in der Ecke zwischen dem Chore
und dem nördlichen Seitenschiffe ein Treppenthürmchen hervor,
welches bestimmt war, den Dachboden über dem Mittelschiffe zu¬
gänglich zu machen. Das Material der Mauern und Gewölbe ist der
am Niederrhein verbreitete Grauwackenschiefer.
Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient der Chor, dessen ur¬
sprüngliche Gestalt sich ip allen Theilen wiederherstellen läfst. Durch
keine späteren Stiländerungen getrübt, gehört er jedenfalls den vier¬
ziger Jahren des 13. Jahrhunderts an und vervollständigt so die
Kette der frühgothischen Schöpfungen des Niederrheins, welche mit
der Liebfrauenkirche in Trier (1227) ihren Anfang nimmt und im
Chor des Kölner Domes (begonnen 1248) ihren Gipfel erreicht. Frei
von jener drückenden Enge, welche sonst oft genug die gothischen
Kirchen beeinträchtigt, hat er noch die behagliche Breite der roma¬
nischen Zeit, und während anderseits die Proflle und das Laubwerk
bereits die reine Sprache der
Gotliik reden, läfst die von
den Ordensregeln verlangte
Einfachheit das Ganze grofs
erscheinen. Von den Fen¬
stern ist das mittelste mit
seinem zweitheiligen Mafs-
werk und dem Dreipafs im
Bogenfelde erhalten. (Abb. 1
u. 3). Die anderen sind jetzt
geschlossen, und ihr Mafs-
werk ist herausgeschlagen:
doch läfst sich aus einigen
Resten schliefsen, dafs die
Bogenfelder abwechselnd mit
Drei- und Vierpässen gefüllt
waren. Aufsen zieht sich
unter den Fenstern ein an
den Strebepfeilern sich verkröpfendes Kaffgesims herum. Der
Höhenunterschied zwischen dem Kämpfer der Gewölbe und dem¬
jenigen der Fenster beträgt über 5 m, sodafs auf diese Länge die
Gewölbe als senkrechte Ebenen emporsteigen. So kennzeichnend
diese auf eine kräftige Abschattung hinzielende Bauweise für die
deutsche und die französische Gothik ist, ebensosehr widerspricht
sie dem Wesen der italienischen. Die Dominicaner und Franziscaner
jedoch, die thatkräftigen Verbreiter des gothischen Stils in Italien
verpflanzen eben diese Bauweise auch nach dort hin, wenngleich sie
in Italien ihren Kirchen eine ganz andere Gestalt als in Deutsch¬
land geben (S. Giovanni e Paolo und S. Maria dei Frari in Venedig).
Das Kloster, welches, wie schon erwähnt wurde, im vorigen Jahr¬
hundert eine durchgreifende Erneuerung erfahren hat, ist auf der
Nordseite der Kirche um einen geviertförmigen Hof herum angeordnet
(Abb. 1). Gewöhnlicher ist allerdings die Lage auf der Südseite; doch
kommen Ausnahmen von dieser Regel wiederholt vor.'') Was in Coblenz
'') Unter anderen auch am Dominicanerkloster in Frankfurt a. M.
Die Kirche desselben steht der Coblenzer, was sowohl den Grundrifs
als auch das Einzelne angeht, in ihren älteren Theilen stilistisch und
zeitlich sehr nahe; als eine verhältnifsmäfsig niedrig augelegte Hallen¬
kirche und in spätgothischer Zeit stark erneuert, kann sie aber in
ihrem Innern weder an Macht noch an Einheitlichkeit der Wirkung
sich mit jener messen. Nachdem auch sie lange mifshandelt worden
ist, wurde ihre westliche Hälfte kürzlich von der städtischen Bauver-
die Brüder zu der Wahl des Bauplatzes bestimmte, ist nicht bekannt;
vielleicht reizte sie der Blick auf die lieblichen Moselufer, welchen
sie zur Zeit der Gründung des Klosters, da dieses damals aufserhalb
der Stadtmauern lag, bequem geniefsen konnten. Einige bemerkens-
werthe Reste des mittelalterlichen Baues sind noch ei’halten. Dem
Dst-Ende der Kirche schliefst sich ein anscheinend frühgothischer
Raum an, der zur Sacristei gedient haben mag. Er wird von vier
rundbogigen, rippenlosen Kreuzgewölben überspannt, die auf einer
in der Mitte stehenden schlichten Säule ruhen. Sodann folgen Reste
eines zweiten, wohl späteren Gemaches, dessen Kreuzgewölbe von
achteckigen Pfeilern getragen werden. Ueber beide Räume erstreckt
sich im ersten Stock ein 12,80 m langer Saal, der heute zur Capelle
des Lazareths eingerichtet ist. Er gehört dem Bau zwischen 1441
und 1499 an. Von den drei in der Längsachse stehenden Stützen
sind eine als Rundsäule, die beiden anderen wieder als achteckige
Pfeiler behandelt; das Laubwerk der Capitelle und der Wandkrag¬
steine trägt deutlich das späte Ge])räge, und die Rippen der Kreuz¬
gewölbe bestehen aus einem Birnstabe zwischen zwei Hohlkehlen.
Aus dem Coblenzer Dominicanerkloster ging eine nicht geringe
Zahl von Männern hervor, welche theils zum bischöflichen Amte ge¬
langten, theils den Satzungen ihres Ordens gemäfs als Vertheidiger
der kirchlichen Rechtgläubigkeit bekannt geworden sind.* *) Die
meisten derselben werden in der Klosterkirche ihre Ruhestätte ge¬
funden haben; doch nur ein einziger ihrer Grabsteine ist heute über¬
haupt noch vorhanden. Schon vor mehreren Jahrzehnten wurde er
aus der jetzt aller Kunstwerke beraubten Kirche nach dem Gym¬
nasium (dem ehemaligen Jesuitenkloster) überführt und rechts vor
der Thür zum Conferenzsaale in die Wand eingelassen. Der Stein
gehört dem 1493 verstorbenen Heinrich von Rübenach*), welcher,
aus dem unweit Coblenz gelegenen Orte gleichen Namens gebürtig,
den Rang eines Weihbischofs von Köln mit dem Titel eines Bischofs
von Venecomponum in Syrien bekleidete, und giebt einen überlebens-
grofs dargestellten Prälaten in seiner Amtstracht zu erkennen. Die
Mitra auf dem Haupte, den Stab in der Rechten und ein Buch in
der Linken, steht er in kräftiger, edler Gewandung, fast frei gearbeitet,
auf einem Löwen. Früher lag dieses Denkmal vor dem mit Stein¬
bildwerken geschmückten Hochaltäre, dessen Ursprung in das Ende
des 14. Jahrhunderts verlegi: wii-d, über dessen Verbleib ich aber
keine Kunde zu erlangen vermochte, i^)
Es wird keine aufsergewöhnlichen Mühen und Kosten bereiten,
um die Kirche ihrer Bestimmung zurückzugeben, und die Gelegenheit
dazu dürfte sich vielleicht schon in den nächsten Jahren bieten,
da die gänzliche Aufhebung der Stadtbefestigung von Coblenz
neuerdings, und zwar durch Cabinetsbefehl vom 13. v. M., genehmigt
worden ist. Alsdann würde die Stadt sich hauptsächlich nach
der Moselseite hin ausdehnen, und, wie Herr Reichensperger aus¬
führt, die Dominicanerkirche nach Verlegung des Garnisonlazareths
in einen eigenen Neubau sehr geeignet sein, zur Pfarrkirche der
westlichen Stadt und des mit ihr durch die Moselbrücke verbundenen
Lützelcoblenz erhoben zu werden. Die Stadt würde damit ihr
bedeutendstes gothisches Bauwerk wiedergewinnen. Wie aber dieses
in Vergessenheit gerathen ist, so ist es auch einem kleineren
Denkmal ebenderselben Kunstweise ergangen. Ich meine die auf der
Nordseite der St. Castorkirche gelegene einschiffige Capelle, die zum
Militär - Proviantamte , dem ehemaligen Besitzthume des deutschen
Ordens, gehört, und welche man als ein Kleinod der beginnenden
waltung sehr geschickt als Stadthalle für Ausstellungs- und Ver¬
sammlungszwecke wiederhergestellt; hoffentlich wird es auch noch
gelingen, die Kirche dem Gottesdienste zurückzugeben. Das Kloster
ist auch hier durch einen unbedeutenden barocken Neubau ersetzt.
(Vgl. W. Lotz und F. Schneider, Die Baudenkmäler im Regierungs¬
bezirk Wiesbaden S. 136.)
*) Marx a. a. 0.
®) Die LTmschrift ist mitgetheilt bei Lehfeldt S. 172.
i*^) J. A. Klein, Rheinreise von Strafsburg bis Rotterdam. Coblenz,
2. Auflage, S. 114. — Lotz a. a. 0.
Abb. 3. Schnitt der Chorfenster.
144
Centralblatt der Banverwaltung.
Spiitgotliik bezeichnen möchte. Wer sich erinnert, welclien geringen
Schlitz unsere geschichtlichen Denkmäler immer noch geniefsen, wie
erst jüngst in dem wenige Kilometer oberhalb Coblenz am Kheine
gelegenen Städtchen Boppard das sogenannte Templerhans, ein in
seiner Art seltener romanischer Profanbaiii^)^ von einer kirchlichen
Behörde selber durch einen Umbau zerstört werden konnte, ohne dafs
'!) Beschreibung bei Lehfeldt S. 166.
'-) Beschreibung und Skizze der Gesamtansicht bei F. Bock, Bhein-
lands Baudenkmale des Mittelalters. Köln und Xeufs. 2. Serie.
5. April 1890.
auch nur eine befriedigende Aufnahme des alten Zustandes mitge-
theilt worden wäre, der wird den Wunsch gerechtfertigt finden, dafs
der genannten Capelle der erforderliche Schutz und die leicht zu be¬
wirkende Wiederherstellung nicht vorenthalten werden möchte. Noch
sind ihre Schäden nicht gerade erheblich, aber die Zugehörigkeit zum
Proviantamte setzt sie allerhand Gefahren aus, während dieses sie
unschwer entbehren könnte. Möchte man deshalb dieses Bauwerks
bei der Erneuerung der Dominicanerkirche nicht vergessen.
Julius Kohte.
Vermischtes.
Zur Leipziger Kathhaushanfrage, über die in Nr. 9 d. J. ein¬
gehender berichtet worden ist, hat neuerdings auch der Verein
Leipziger Architekten in einer der Geffentlichkeit übergebenen
Denkschrift Stellung genommen, und zwar spricht er sich gegen den
geplanten Umbau und für einen Neubau aus. Der Gründe, die
der Vei’ein gegen den Lichtscheu Vorschlag ins Feld führt, sind
im wesentlichen zwei. Einmal wird behauptet, dafs bei dem Umbau¬
plane nicht genug Rücksicht auf die Verkehrsfreiheit in der Um¬
gebung genommen werde und, im Zusammenhänge damit, dafs nicht
ausreichend für Licht und Luft gesorgt sei. Es wird ausgeführt,
dafs durch gröfsere Zusammendrängung der Baugruppe eine Ver¬
breiterung der Grimmaischen Strafse auf etwa 20 m, des Salzgäfschens
auf 15 m und der Reichsstrafse auf 22 m ermöglicht werde und dafs
dabei ein genügend grofser Bauplatz übrig bleibe, um auf ihm einen
Neubau mit mehr nutzbarer Grundfläche, als sie der Umbauplan
bietet, zu errichten. Weiter wird der Satz hingestellt, dafs die
Lebensinteressen Leipzigs nicht hinter die Pietät vor dem alten
Rathhause zurückgestellt werden dürften, und endlich wird in einer
etwas tragischen Anwandlung ausgerufen, dafs mit der Ausführung
des beabsichtigten Umbaues die Hoffnungen auf Erweiterung und
Verschönerung der inneren Stadt, auf Förderung von Handel und
Wandel sowie in letzter Linie auf den vermehrten Wohlstand der
heutigen und kommenden Geschlechter wohl für immer dahiusinken
werden. Wir halten alle diese Punkte für hinfällig. Der in der Denk¬
schrift vorgeschlagene, ringsum vier Geschofs hohe Neubau mit seinen
engeren Höfen ist in den angeführten Beziehungen ungünstiger als
der Lichtsche Entwurf, bei dem einzelne Gebäudetheile erheblich
niedriger gehalten wurden. Eine Verbreiterung kurzer Strafsenstrecken
— die Reichsstrafse ist in ihrem weiteren Verlaufe 15 m, die
Grimmaische Strafse nur 13,50 m breit — ist nicht dazu angethan,
„endlich einmal im Herzen der Stadt Verkehrsfreiheit, Luft und
Licht zu schäften“, und der Vorth eil einzelner benachbarter Bürger
kann u. E. nicht in Betracht kommen, wenn es sich darum handelt,
der gesamten Bürgerschaft ihr werthvollstes Baudenkmal aus alter
Zeit zu erhalten. Auf das Gebiet der diese Denkmalerhaltung be-
treft'enden Fragen möchten wir den Leipziger Architekten ebenso¬
wenig folgen, wie wir hier auf ihre insbesondere vom baukünst¬
lerischen Standpunkte erhobenen, auf den Umbauentwurf selbst be¬
züglichen Einwände eingehen wollen. Der Werth der Erhaltung
eines geschichtlichen Baudenkmals scheint von den Leipziger Fach¬
genossen noch nicht in dem Mafse gewürdigt zu werden, wie das im
übrigen deutschen Vaterlande heutzutage wohl ausnahmslos der Fall
ist, und über die rein architektonischen Gesichtspunkte findet die
Denkschrift so wenig zu sagen, dafs damit die Vorzüglichkeit des
Lichtscheu Entwurfes nur von neuem bestätigt wird. Uebrigens sind
die auf Seite 10 u. f. beregten Punkte von uns schon in der eingangs
angezogenen Besprechung erörtert worden.
Der zweite Hauptgrund, der den Verein Leipziger Architekten
veranlafst hat, gegen den Umbauplan Stellung zu nehmen, ist die
Kostenfrage. Sie ist für den Aufsenstehenden schwerer zu beurtheilen.
Mag die Summe von 8 250 000 Mark für den Neubauentwurf von 1882
etwas hoch gegriffen sein, immerhin darf man als sicher annehmen,
dafs sie durch eingehende Berechnungen des Stadtbauamtes annähernd
zutreffend ermittelt ist; denn sonst würde die Höhe der Bausumme
kaum so ohne weiteres Hauptgrund für die damalige Ablehnung
seitens der Stadtverordneten geworden sein. Der Einheitssatz von
36 Mark für das Cubikmeter umbauten Raumes eines Neubaues, mit
dem die Leipziger Architekten ihren Beweis führen, ist sicherlich
wohl zu niedrig gegriffen. Die Beispiele, welche die Denkschrift
anführt, sind nicht recht beweisend. Das Hamburger Rathhaus soll
41 Mark kosten. Die 5 Mark Mehrbetrag sind wohl kaum durch die
Verschiedenheit der örtlichen Verhältnisse begründet. Ueberdies
gelten u. W. die 41 Mark für jene Bauausführung ohne die innere
Decoration, und ob die Summe bei den neuerdings stark veränderten
Preisverhältnissen reichen wird, ist eine weitere Frage. Das Rath¬
haus in München (34 Mark) ist 1870 erbaut, kann also heut kaum
noch in Betracht gezogen werden; dasselbe gilt vom Wiesbadener
Rathhause (27 Mark), und der Kaiserpalast in Strafsburg (29 Mark)
ist in seinem Innern so sparsam ausgestattet, dafs er als ein jetzt
schon künstlerisch fertig durchgebildetes Bauwerk kaum gelten
kann. Wir möchten aber ein beweiskräftigeres Beispiel anführen:
das Wiener Rathhaus, welches 29 Gulden, das sind nahezu 50 Mark
gekostet hat. Man wird danach für das Rathhaus in Leipzig einen
Einheitspreis von mindestens 42 Mark anzunehmen haben, und da¬
mit würde sich für einen Neubau auf der von der Denkschrift an¬
genommenen Gruudftäche dem Umbau gegenüber ein Mehrbetrag von
rund 2 Milionen Mark ergeben. Und selbst wenn das Kostenver-
hältnifs wirklich das in der Denkschrift herausgerechnete wäre, so
würde dieses doch nimmer in die Wagschale fallen dürfen gegenüber
den schwerwiegenden Gründen, die der Stadt die Erhaltung ihrer
werthvollen geschichtlichen Baudenkmäler zur Pflicht machen. Dafs
die Denkschrift aber auf den Vorschlag einer Preisbewerbung
hinausläuft, die ja wohl manchem an den eigenen Erfolg glaubenden
Architekten sehr erwünscht sein mag, setzt uns ganz besonders in
diesem Falle in Erstaunen, wo es sich um einen Entwurf handelt,
den das einstimmige Urtheil der hervorragendsten, zu seiner Begut¬
achtung berufenen Sachverständigen, eines Friedrich v. Schmidt,
Springer, Wallot und Hauberrisser als einen aufsergewöhnlich
glücklichen bezeichnet hat. Hd.
Dem Fih'steu Bismarck ist zu seinem Geburtstage von Berliner
Malern, Bildhauern, Musikern und Baukünstlern folgender telegra¬
phische Glückwunsch gesandt worden. „In seiner vollendetsten
Leistung ragt alles Menschenwerk über das Menschliche hinaus und
wird zur gottbegnadeten Kunst, der Mensch zum Werkzeug der
Gottheit In dieser Empfindung senden die Unterzeichneten Berliner
Künstler ihrem bewunderten Vorbilde, dem Baumeister des Deutschen
Reichs, dem Bildner der Germania, dem Schöpfer des gröfsten natio¬
nalen Epos deutscher Geschichte ehrfurchtsvollen Grufs und Glück¬
wunsch. Niemals werden wir aufhören, in Bewunderung, in herz¬
licher Liebe und unwandelbarer Dankbarkeit der Vergangenheit zu ge¬
denken sowie der Zukunft zu vertrauen, welche Euerer Durchlaucht
den Segen bringen möge, welcher auf jeder treuen Pflichterfüllung
ruht.“
Zur Getviiiuuiig des Entwurfes für eine dem Gedächtnifs der
hochseligen Kaiserin Angusta gewidmete Kirche in Berlin war in jüng¬
ster Zeit unter den Staatsbaubeamten, Bauräthen Schulze und Spitta
und unter den Berliner Privatarchitekten Doflein, Grisebach, Bau¬
rath Orth, Geh. Reg.-Rath Otzen, Baurath Schwechten und Architekt
Vollmer ein engerer Wettbewerb veranstaltet worden. Nach dem
Urtheile des aus Mitgliedern der obersten Baubehörden zusammen¬
gesetzten Preisgerichts waren die Pläne der Herren Doflein,
Schwechten und Spitta zur engeren, die der beiden letzteren zur
engsten Wahl gestellt, und durch Seine Majestät den Kaiser ist der
Spittasche Entwurf zur Ausführung bestimmt worden. Die in
romanischen Formen für Hausteinausführung geplante Kirche würd
1400 Sitzplätze enthalten und inmitten des Invalidenparkes zwischen
der dortigen Denksäule und der Invalidenstrafse erbaut werden. Die
Kirche gehört zu der gröfseren Zahl von Gotteshäusern, durch deren
für die nächste Zeit in Aussicht genommene, zum Theil schon im
Werke begriffene Errichtung der in Berlin bestehenden Kirchennoth
abgeholfen werden soll, und die den Gegenstand besonderer Fürsorge
des erlauchten Kaiserpaares bilden. Aufser ihr werden in nächster
Zeit noch in Angriff genommen werden Kirchen für den Lausitzer
und Dennewitz-Platz vom Baurath Orth und Geh. Reg.-Rath Otzen,
eine Kirche des erstgenannten für die Elisabethgemeinde und eine
vom Baurath Schulze entworfene Kirche in Moabit. Bereits in
Ausführung begriffen sind eine Kirche der Nazarethgemeinde von
Baurath Spitta und eine von diesem unter Zugrundelegung von
Plänen des Geh Reg.-Raths Professor Hase in Hannover bearbeitete
Kirche für den Berliner Vorort Rummelsburg.
Verlag von Ernst &Korn fWilhelm Ernst), Berlin. Für die Rcdaction des nicbtamtliclien Tlieiles verantwortlich: O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
145
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 12. April 1890. 15.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder dnrch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Anslande 1,30 Mark.
IMBALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Wettbewerb nm
den Parlamentspalast in Rom. — Der Einflufs der Stromregulirungen auf die
Wasserstände in den Flüssen. — Mittheilungen über Oberbau auf englischen Eisen¬
bahnen. (Fortsetzung.) — Vermischtes: Wettbewerb für ein Reiterstandbild
Kaiser Wilhelm I. in Breslau. — Herz Jesu -Kirche in Köln. — Vorstand des Ost-
preufsischen Architekten- und Ingenieur-Vereins in Königsberg i. Pr. — Inhalt der
Zeitschrift für Bauwesen. — Geheimer Baurath Adolf Tolle f.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Ge¬
heimen Regierungsrath und vertragenden Rath im Ministerium der
geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, Conservator
der Kunstdenkmäler Reinhold Persius zum Geheimen Ober -Regie¬
rungsrath und den Geheimen Regierungsrath Früh in Erfurt zum
Ober-Baurath mit dem Range der Ober-Regierungsräthe, sowie ferner
die Garnison -Bauinspectoren, charakterisirte Bauräthe, Gerstner,
V. Rosainsky, Rühle v. Lilienstern, Schmidt und Dublanski,
bisher mit Wahrnehmung der Dienstgeschäfte der bautechnischen Mit¬
glieder bei den Intendanturen des IX., II., XIV., provisorischen XVI.
und XVII. Armeecorps beauftragt, zu Intendantur- und Bauräthen
zu ernennen, und dem Kreis -Bauinspector, Baurath Gerlhoff in
Osterburg aus Anlafs seines Uebertritts in den Ruhestand den Rothen
Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife, sowie aus gleichem Anlafs
dem Kreis-Bauinspector, Baurath Schütte in Rastenburg O.-Pr. den
Königliehen Kronen-Orden III. Klasse und dem Wasser-Bauinspector,
Baurath Eckhardt in Frankfurt a. M. den Rothen Adler-Orden
IV. Klasse zu verleihen, sowie dem Intendantur- und Baurath
Goedeking bei der Intendantur des II. Armeecorps die nachgesuchte
Entlassung mit Pension unter Beilegung des Charakters als Geheimer
Baurath zu ertheilen.
Der Ober-Bau- und Geheime Regierungsrath Früh ist mit- der
Wahrnehmung der Geschäfte des Dirigenten der III. Abtheilung der
Königlichen Eisenbahn-Direction in Erfurt definitiv betraut worden.
Die Intendantur- und Bauräthe Schmidt und Dublanski sind
zu den Intendanturen XVI. bez. XVII. Armeecorps versetzt.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Eugen Werren in Lim¬
burg a. d. Lahn ist unter Verleihung der Stelle des Vorstehers der
zum Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte Wiesbaden gehörigen Bau-
inspection in Limburg zum Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector
ernannt worden.
Der Kaiserliche Marine-Schiffbauinspector Hofsfeld ist infolge
seiner Versetzung nach Kiel von den Geschäften als Mitglied des
Königlichen technischen Prüfungs-Amts in Berlin entbunden und der
Kaiserliche Marine-Baurath und Schiffbau-Betriebs-Director Jäger
in Berlin zum Mitgliede des gedachten Prüfungs-Amts ernannt worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeistern Johannes
Radke in Berlin und Fifiedrich Leutfeld in Göttingen ist die nach¬
gesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Der Geheime Baurath und vertragende Rath im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten Adolf Tolle ist gestorben.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst geruht,
dem Marine-Hafen-Bauinspector Schirmacher bei der Kaiserlichen
Werft in Kiel und den Marine -Maschinenbauinspectoren Mechlen-
burg und Hoffert bei der Kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven
den Charakter als Marine-Baurath zu verleihen.
Der Maschinen -Ingenieur Julius Plafs ist zum Kaiserlichen
Eisenbahn -Maschineninspector bei der Verwaltung der Reichseisen¬
bahnen in Elsafs -Lothringen ernannt und ihm die Werkstätten-
Maschineninspection in Mülhausen übertragen worden.
Garnison - Bauverwaltung. Die Regierungs-Baumeister
Knitterscheid und Reimer in Metz bezw. Aachen, Klatten,
Wieczorek und Wutsdorff, technische Hülfsarbeiter in der Bau-
Abtheilung des Kriegsministeriums, Vetter in Berlin, Leeg, tech¬
nischer Hülfsarbeiter bei der Intendantur XI. Armeecorps in Cassel,
Köppers in Mörchingen, v. Fisenne in Greifswald, Klingel¬
höf fer, technischer Hülfsarbeiter bei der Intendantur des Garde¬
corps in Berlin, Schwenck in Karlsruhe, Hildebrandt in Spandau
und Bösensell, technischer Hülfsarbeiter bei der Intendantur
XV. Armeecorps in Strafsburg i. E. sind zu Garnison - Bauinspectoren
ernannt.
Versetzt sind: Die Garnison -Bauinspectoren Pieper in Frank¬
furt a. M. nach Hanau und Reimer nach Gumbinnen, j
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den Oberingenieur Wilhelm Aicham, Vorstand der Wasser- und
Strafsenbauinspection Waldshut, in gleicher Eigenschaft zu der
Wasser- und Strafsenbauinspection Freiburg zu versetzen, den Be¬
zirksingenieur Julius Gasteiger, Vorstand der W'asser- und Strafsen¬
bauinspection Bonndorf, in gleicher Eigenschaft zu der Wasser- und
Strafsenbauinspection Waldshut zu versetzen und zum Oberingenieur
zu ernennen, den Bezirksingenieur Adam Baum in Rastatt zum Vor¬
stand der Wasser- und Strafsenbauinspection Bonndorf, den Ingenieur
I. Klasse Hugo Kühlenthal in Donaueschingen zum Culturingenieur
und zum Vorstand der Culturinspection Donaueschingen und die
Ingenieure II. Klasse Gustav Montigny in Karlsruhe und Jakob
Bug in Tauberbischofsheim zu Ingenieuren 1. Klasse zu ernennen,
sowie den Professor Dr. Eberhard Gothein an der technischen
Hochschule in Karlsruhe auf sein Ansuchen auf den 1. April 1. J.
aus dem Grofsherzoglichen Staatsdienste zu entlassen.
[Alle EecMe vortielialten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Vom Wettbewerb um den
Das Amtsblatt für das Königreich Italien theilte unterm
15. Januar d. J. das Gutachten des Königlichen Ausschusses für den
Wettbewerb um den Parlamentspalast in Rom mit, nachdem die Er-
gebnifslosigkeit dieser Bewerbung, die bekanntlich schon im Jahre
1883/84 ein ebenso erfolgloses Vorspiel hatte, bereits einen Monat
früher bekannt gegeben war. Eine in Nr. 51 des vorigen Jahrg. d. Bl.
darüber gegebene Mittheilung enthebt uns einer weiteren Erwähnung.
Im ganzen waren 49 Entwürfe eingegangen. Die Betheiligung war gegen
den ersten Wettbewerb (mit 19) also erheblich gestiegen, doch hatten
immerhin viele bei der herrschenden Meinungsverschiedenheit über
die eigentliche Nothwendigkeit und bis zu einem gewissen Grade
Parlamentspalast in Rom.
auch Ernsthaftigkeit der Bewerbung und über die Zweckmäfsigkeit der
Platzwahl von einer Betheiligung Abstand genommen oder die be¬
gonnene Arbeit wieder bei Seite gelegt. So sind namentlich be¬
kanntere und hervorragendere Namen der Aufgabe fern geblieben.
Nur die jüngere italienische Architektenwelt hatte sich dafür um
so zahlreicher in den Wettkampf eingelassen, und wenngleich auch
dies mit immer noch für eine solche grofse Aufgabe vielfach unzu¬
reichenden Kräften geschehen, so stand der Durchschnittswerth der
Mehrzahl der eingelieferten Arbeiten doch über dem der übrigen
nationalen Wettbewerbe, die sich in den letzten Jahren in Rom ab¬
gespielt haben.
146
Centralblatt der Bauverwaltung.
12. April 1890.
Bezüglich der Progranimbestimmuugen und der Platzfrage können
wir ebenfalls auf den in Nr. 46 und 47 des Jahrganges 1888 von
anderer Seite veröffentlichten Aufsatz verweisen. Uns scheint, wenn
auch, wie dort lobend hervorgehoben, mit „den nur ganz allgemein
zu beachtenden und nur in gTofsen Zügen angedeuteten Gesichts¬
punkten der Gestaltungskraft des einzelnen Künstlers ein thun-
lichst weites Feld der Bewegung gewährt worden war“, denn doch,
und heut noch mehr als früher aufser Zweifel, dafs mau mit einer
sorgfältigeren Abfassung dieses Programmes und einer schärfer und
genauer bestimmten Angabe namentlich der [Kaumbedürfnisse der
Sache mehr genützt haben würde. Nach dieser Richtung hin, für
einen vielleicht zu erwartenden zweiten Wettbewerb und dann für
die Aufstellung eines
in sicherere Bahnen
lenkenden Progi'am-
mes hat die abge¬
laufene Bewerbung
ja genügende Grund¬
lagen gefördert; in¬
dessen dürfte die
Platzfrage wohl noch
ernstlicher zu erwä¬
gen sein. Die be¬
deutenden Höhen¬
unterschiede des für
jetzt gewählten
Platzes sind wenig
empfehlend, die Ent¬
schädigungen für die
Grundstücks - Enteig¬
nungen der in Frage
kommenden Com-
plese, des Klosters
und der Kirche von
S. Domenico e Sisto,
der Gebäude um den
Torre delle Milizie
nach dem Trajans-
forum hinab, dürften
gewaltige Höhen er¬
reichen, und noch
manches Hindernifs
würden die Abbruchs¬
arbeiten hier durch
die Aufdeckung an¬
tiker Reste bereiten,
deren Erhaltung wohl
nicht immer möglich,
auch nicht immer
nöthig ist. Den alten
Ziegelthurm — Torre
delle Milizie — so in
unmittelbarster Nähe
vor der Hauptfront
des Parlamentspa¬
lastes zu belassen,
hat sich — wenn
anders letzterer hier gebaut werden sollte — durch die Bewerbung
wohl sicher widerlegt. Es hatte sich übrigens auch keiner der Be¬
werber verleiten lassen, den der Erhaltung empfohlenen Thurm etwa
als Ausgangspunkt für irgend welche Plananordnung zu nehmen.
Dieser Ausgangspunkt, der die Aufgabe zugleich zu einer höchst
anziehenden und für das Parlamentsbauwesen bedeutsamen gestaltete,
lag vielmehr allein in dem Erfordernifs dreier grofser Sitzungssäle,
wie darin, dafs die beiden Körperschaften, aus denen sich das
italienische Parlament zusammensetzt — Senat und Abgeordneten¬
kammer — insoweit voneinander geschieden gehalten werden sollten,
dafs jeder der beiden Theile für sich allein, unabhängig vom andern,
in Thätigkeit sein könne. Daraus ergab sich die Nothwendigkeit,
ganz getrennte Mittelpunkte zu schaffen, die Sitzungssäle weit aus¬
einander zu legen und um sie herum dann die zugehörigen Räum¬
lichkeiten anzuordnen. Die besten der Arbeiten haben diesen Aus¬
gangspunkt auch richtig erfafst und das Bauwerk danach gegliedert.
Auf viele der Arbeiten hier einzugehen, ist bei dem uns zugemessenen
Raume nicht möglich, wir greifen hier im wesentlichen die unseres
Erachtens nach reifste und am sorgfältigsten durchgearbeitete Lö¬
sung des den Lesern schon bekannten Architekten Basile heraus.
Professor Ernesto Basiles Entwurf zeichnet sich, wie auch das
Gutachten des Ausschusses hervorhebt, vor allen andern Arbeiten
durch das Bestreben aus, den beiden Körperschaften des Parlamentes
die gröfstmögliche Unabhängigkeit von einander zu sichern. Dies
ist erreicht durch die Anlage eines grofsen Mittelhofes, zu dem man
sogleich von der Hauptfront der Via Nazionale aus gelaugt und
von dem aus zugleich die Haupttheile des Baues in angemessener
und würdigster Weise zugänglich sind. Andere Arbeiten sind in den
Fehler verfallen, zwischen den zu trennenden Theilen grofsräumige,
von oben beleuchtete Gemächer, mit Kuppeln gedeckte Vorhallen
oder Galerieen zu gemeinsamer Benutzung anzulegeu, und haben da¬
durch die beiden Theile des Parlaments nur zusammengeführt, aber
nicht getrennt, wie verlangt war. Durch die Anlage des Hofes ist
die Gruudanordnung ungemein klar geworden — links Senat, rechts
Abgeordnetenkammer, in der Mitte, über den Ehreuhof hinweg, der
Saal für die sog. Königssitzungeu, die Eröffnungssitzungen der
Legislaturperiode —
jedes mit seinem Zu¬
behör und seinen be¬
sonderen, auch in der
Architektur genü¬
gend betonten Ein¬
gängen, jeder Theil
für sich getrennt, für
sich zugänglich, im
Innern durch Flur¬
gänge und Galerieen
zusammengehalten.
Im Untergeschofs
hat der Verfasser ge¬
schickt die Drucke¬
rei, Ställe und Re¬
misen, Wohnungen
für Bedienstete, Cu-
stoden,Wache,Feuer-
wehr usw. unterge¬
bracht. Im Erdge-
schofs, das etwa
1,45 m über der Sohle
des Haupteinganges
liegt, sind aufser den
schon erwähnten drei
Sitzungssälen und
deren Vorräumen
die Empfangssäle für
die Parlamentsmit¬
glieder, einige Säle
für verschiedene
Aemter, Post- und
Telegraphie , Erfri¬
schungsräume usw.
angeordnet, und in
einem theilweis ein¬
gebauten Halbge¬
schosse finden sich
die Zimmer für die
Stenographen, die
Bureaus für Verwal¬
tung und Revision.
Der sogenannte Piano
nobile enthält sodann
einige Festräume, die Säle für die Partei -Versammlungen, Con-
versationsräume, Zimmer für den Gebrauch der Präsidenten, die
Giunta usw., und ein im Programm allerdings nur bedingungsweise
gestatteter zweiter Stock, der sich übrigens nur auf einzelne Theile
erstreckt, beherbei’gt das Archiv und die Büchereien, wie die
Wohnungen für Präsidenten und Quästor.
Der grofse, fast quadratische Ehreuhof von etwa 65 m Seite
(3932 qm) tritt würdig in die Erscheinung und verleiht dem Ganzen
jenen „ausgesprochenen Charakter des italienischen Palastes als
würdigen Sitzes der Repräsentanten der Nation“. Die Nebenhöfe
sind noch in ansehnlichen Abmessungen gehalten. Für die mit
grofsen, gegen den Ehrenhof gelegenen Vorhallen ausgestatteten
Sitzungssäle ist passend die Halbkreisform und eine aufsteigende
Anordnung der Sitze gewählt. Ihr Fufsboden liegt nur wenige Stufen
über dem Boden des Erdgeschosses, und der oben hinter den Sitz¬
reihen umlaufende Gang entspricht der Höhenlage des Zwischen¬
geschosses, während die Tribünen in der Höhe des ersten Stockes
zugänglich sind. Die Sitze sind für den 450 qm fassenden Sitzungs¬
saal des Senates (250 Senatoren) mit 1,80 qm, für den Saal der
508 Abgeordneten mit 1,21 qm noch bequem bemessen. Die Tribünen
haben 445 bezw. 530 Plätze. Der königliche Hof und das diploma¬
tische Corps gelangen zu ihren Tribünen auf breiten Treppen vom
Ehrenhofe her. Alle anderen haben die Zugänge von aufsen im
Untergeschofs des Baues, sodafs auch das Publicum vollständig von
Grundrifs vom I. Geschofs.
Wettbewerb um den Parlamentspalast in Kom.
Entwurf von Professor Ernesto Basile.
\t. 15.
Centralblatt der Bauverwaltung,
147
den Räumen der Parlamentsmitglieder abgetrennt ist. Für den Saal
der Königssitzungen, der überhaupt nur einmal im Jahre in Gebrauch
kommt und kaum als Parlamentssaal aufgefafst werden darf, ist die
rechteckige Form eingesetzt; der Saal hat etwa 713 qm Fläche, die
Tribünen 570 Sitzplätze.
Zeichnet sich der Entwurf in seiner Grundanordnung vor allen
andern sofort aus durch seine grofse Klarheit und Uebersichtlichkeit,
dui’ch geschickte Vertheilung von Eingängen und Treppen, sowie
durch reichliche Zuführung von Licht und Luft, so dürften manche
Nachtheile, wie einzelne in der Durchbildung etwas stiefmütterlich
behandelte Treppen oder die Verbannung der Bücherei und des
Archives ins zweite Stockwerk, bei weiterer Durcharbeitung wohl
noch zu beheben gewesen sein. Der zur Verfügung gestellte Bau¬
platz gestattet sicher noch eine Erweiterung, die hier und da eine
zweckmäfsigere, dem Geschäftsbetriebe der beiden Theile des Hauses
auch wohl noch mehr entsprechende Zusammenlegung gewisser Räum¬
lichkeiten ermöglichen würde.
Die architektonische Entwicklung des Innern ist mafsvoll, fein
abgewogen und auf die Verwendung echten Materials berechnet; der
Von den sonstigen, durch einen Preis ausgezeichneten Arbeiten
erwähnen wir nur kurz die Arbeit der in Neapel ansässigen Bau¬
meister Quaglia u. Benvenuti. Der Grundrifs scheint, allerdings
unter Weglassung mancher verlangten Räumlichkeiten, wohlüberlegt,
doch entbehrt die, wenn auch im einzelnen geschickt behandelte
Aufsenarchitektur der erforderten Ruhe und Würde. Die Mailänder
Broggi u. Sommaruga bringen trotz den vielen (an 18 oder 22)
zum Theil sehr winzigen Höfchen einen unzureichend beleuchteten
Grundrifs und sind in den schon erwähnten Fehler der Anordnung
einer gemeinsamen Flurhalle von 1300 qm verfallen. Die äufsere
Architektur ist trotz allen Aufwandes nicht monumental, die Durch¬
bildung der Einzelheiten oft recht schwer und unsicher. Gaetano
Moretti von Mailand hat einen nur obeidlächlich durchgearbeiteten
Grundrifs und eine französischen Vorbildern sich anschliefsende
Aufsenarchitektur; die über den Sitzungssälen angeordneten Kuppeln
dürften kaum in Erscheinung treten. Ernesto Ristori fehlt mit
seiner dreigetheilten Mittelgalerie, und die Front ist für einen Parla¬
mentspalast wohl etwas zu einfach gehalten.
Wir verzichten ungern auf ein näheres Eingehen auf diese und
0 10 20 30 40 50 100
I • . ■ i'" ■ ■ I _ ! _ I _ U _ ^ _ _ _ !
Hauptansicht in der Via Nazionale.
Wettbewerb um den Parlamentspalast in Rom.
Entwurf von Professor Ernesto Basile.
den Haupträumen gegebene reichere künstlerische Schmuck gipfelt
in der Ausgestaltung der Säle. Alles trägt ein würdig ernstes,
römisches Gepräge, in dem sich auch die Aufsenarchitektur hält, die
vor allem durch die anderen Entwürfen gegenüber — welche sich
vielfach in kleinlichen und marktschreierischen Motiven zerstückeln
— so wohlthuende gemessene Ruhe Eindruck macht. Von den
Sitzungssälen, die vom Geräusch des Tages hinweg nach dem Innern
geschoben sind, hat keiner im äufsern weiteren Ausdruck erhalten
können, und nur der Saal für die Königssitzungen hat eine geringe
Höherführung über die niederen Gebäudetheile erfahren. Nicht ganz
gelungen scheinen uns die oberen Theile der Front und namentlich
der hier eingestellte Thurmaufbau. Im ganzen indessen sieht man
aus der Arbeit, dafs der Verfasser in der Lösung monumentaler Auf¬
gaben zu Hause ist. Wie er insbesondere der vorliegenden mehr
als ein anderer gewachsen ist, dafür spricht schon das sorgfältige
Studium, welches er dem deutschen Reichstagsbau in seiner Schrift
rll palazzo del Parlamento di Berlino“ gewidmet hat.
noch so manche andere, zum Theil mit lobenswerthem Fleifse durch¬
gearbeiteten Entwürfe, doch können wir weder mehr Raum [für den
Gegenstand beanspruchen noch durch ausgiebige Abbildungen die
Einzelbesprechungen erläutern. Im allgemeinen sei nur [noch hin¬
zugefügt, dafs sich die Besseren wohl bemüht haben, eine mehr
klassische Sprache zu reden, freilich zu oft nur die des Niederganges
mit seinem überwuchernden, zum Theil nur übel am Platz sitzenden
Reichthum an Ausdrucksmitteln — sonst sind natürlich auch alle
Richtungen vertreten, und auch die kaum zu verkennenden Offen¬
barungen offenbarer Dilettanten fehlen nicht.
lieber die weitere Entwicklung der Angelegenheit verlautet noch
nichts; die Finanzverhältnisse scheinen auch einem rascheren Vor¬
gehen jetzt durchaus nicht günstig, und man wird sich wohl vor¬
läufig damit begnügen, den alten Saal des Hauses auf Montecitorio
in einen den Anforderungen nach baulicher und gesundheitlicher
Richtung mehr entsprechenden, besseren Zustand zu versetzen.
Friedrich Otto Schulze.
Der Einflufs der Stromregulirungen
In den Kreisen der Landwirthe begegnet man vielfach der An¬
schauung, dafs die in den letzten Jahrzehnten seitens des Staates
kräftig geförderte Verbesserung der Flufsläufe Nutzen lediglich der
Schiffahrt, der Landwirthschaft aber vielfach Nachtheile gebracht
habe. In erster Linie wird behauptet, die Regulirungsbauten in
einem Flusse seien dem Abflüsse der Hochwasser hinderlich, sie
förderten daher das Austreten derselben über die Ufer und hätten
eine Erhöhung des Grundwasserstandes zur Folge, wodurch die Er¬
giebigkeit der angrenzenden Fluren erheblich geschmälert würde.
Jeder Versuch, das Irrige dieser Ansicht an der Hand sorgfältig an-
gestellter Ermittlungen nachzuweisen, ist daher im Interesse der
Allgemeinheit um so mehr erwünscht, als manche nothwendige Ver¬
vollkommnung unserer Wasserstrafsen infolge des Widerstandes der
Landwirthe unterbleibt, oder wenigstens zurückgestellt wird, bis sie
auch seitens der letzteren Unterstützung findet.
auf die Wasserstände in den Flüssen.
In dem soeben erschienenen Aprilheft der Zeitschrift für Bau¬
wesen*) findet sich nun eine Abhandlung des Regierungs- und Bau¬
raths Kröhnke, welche besonders geeignet erscheint, derartige
unzutreffende Behauptungen zu ^widerlegen, weil der Herr Verfasser-
im Hinblick auf den Laienkreis, dem seine aufklärenden Erörterungen
vorzugsweise gelten sollen, von technischen, durch mathematische
Formeln begründeten Ausführungen absieht und durch Führung eines
Nachweises, der im Wesen der Flüsse und in den Wirkungen der
Regulirungsbauten seine Begründung findet, zeigt, dafs was durch
diese Bauten beabsichtigt und bewirkt wird, den Vorfluthverhält-
nissen der Flufsgelände nicht schädlich sein kann und, soweit sich
dies aus den seit einer Reihe von Jahren gemachten Beobachtungen
beurtheilen läfst, thatsächlich auch nicht schadenbringend, sondern
*) Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. 1890, S. 263 u. f.
148
Ceutralblatt der B auverwaltung.
12. April 1890.
eher nützlich gewesen ist. Den Ursprung jener irrigen Anschauungen
tindet Kröhnke vornehmlich in dem Umstande, dafs ohne Itücksicht
auf die ursächlichen Verhältnisse Wasserstände einzelner Jahre oder
kurzer Zeitabschnitte mit einander verglichen sind, während die fort¬
laufenden Aufzeichnungen der Wasserstände an unseren Flüssen klar
erkennen lassen, dafs Beobachtungen aus einzelnen wenigen Jahren
keineswegs zutreffende Schlüsse ergeben, solche vielmehr erst aus
langjährigen Beobachtungen und nach Abwägung aller mitwirkenden
Ursachen gezogen werden können.
Herr Kröhnke geht in seinen Betrachtungen von der Entwick¬
lung eines Flufslaufs im allgemeinen aus und schildert zunächst
die Vorgänge, wie sie an jedem in Erde, Sand-, Thon- oder Lehm¬
boden eingeschnittenen Flufslaufe, wenn derselbe sich völlig selbst
überlassen ist, beobachtet werden können. Man tindet alsdann, dafs
die abfliefsenden Wassermassen nach Mafsgabe ihrer jeweiligen
Gröfse uiul der aus dieser, wie aus den Gefällverhältnissen sich er¬
gebenden Stromgeschwindigkeit und Kraft stets eine bald stärkere,
bald schwächere auswaschende Wirkung ausüben, die so lange auf
eine Erweiterung und Vertiefung des Flufsbettes hinarbeitet, l)is sich
ein gewisser Gleichgewichtszustand zwischen den auswaschenden
Kräften und den durch die Auswaschung in Bewegung gesetzten
Bodenmassen — gewöhnlich „Geschiebe“ und „Sinkstoffe“ genannt —
herausgebildct hat. Wenn daher bei einem gröfseren Hochwasser
eine erhebliche iMenge gröberen Geschiebes in Bewegung gekommen
und mit der Ausbreitung ites Wassers über das Gelände oder mit
dem allmählichen Abfallen des Wassers infolge der dadurch herbei¬
geführten Verringerung der Stromgeschwindigkeit eine vorläufige Ab¬
lagerung des Geschiebes eingetreten ist, so wird ein nachfolgendes
Hochwasser von geringerer Gröfse und Mächtigkeit eine solche Ab¬
lagerung auch nur in geringerem Umfange anzugreifen und wieder
in Bewegung zu setzen vermögen. Der Strom wird an derselben also
einen Widerstand linden, durch welchen er genöthigt wird, seitwärts
auszuweichen und sich in minder widerstandsfähigem Boden eine
neue Rinne auszuwaschen. So zeigt, da sich diese oder ähnliche
Vorgänge stetig wiederholen, ein derartig sich selbst überlassener
Strom nach und nach zahlreiche Uferabbrüche, Sandbänke, Strom¬
krümmungen, die sich immer schärfer ausbilden und endlich wieder
durchbrochen werden, Inselbildungen, Stromspaltungen, kurz, eine
vollständige Verwilderung mit ihren vielen nachtheiligen Folgen,
namentlich neben erheblichen Landverlusteu eine Verschlechterung
der Vorduth und damit höhere Hochwasserstände und Ueberschwem-
mungen, eine Hebung des Grundwasserstandes und Versumpfung der
angrenzenden Gelände. Diese Uebelstände treten besonders hervor
in der Nähe der Ausmüudung eines Flusses in das Meer, in einen
Landsee oder in einen anderen gröfseren Flufs, woselbst fortgesetzt
eine Ablagerung der Sinkstoffe, mithin Anschwemmungen stattfinden,
die wiederum eine Erhöhung des Wasserspiegels und auch der Flufs-
sohle stromaufwärts mit sich bringen müssen. In gleichem Mafse
steigt auch der Grundwasserstand des Geländes, und die Folge ist,
wenn die Erhöhung des ganzen Flufsthals mit diesem Steigen nicht
Schritt halten kann, eine allmähliche VersumjDfung desselben,
welche weiter und weiter fortschreitet, solange die Zuführung und
die Bewegung der Sinkstoffe sich fortsetzt.
Um diesen Wirkungen, wie sie in und an jedem sich selbst über¬
lassenen Flufslaufe naturgemäfs sich entwickeln müssen, nach Mög¬
lichkeit entgegenzuarbeiten, bietet sich als Mittel zur Abhülfe im
unteren Flufslaufe selten ein anderes, als ein beständiges Hinwirken
auf Erhöhung der Flufsgelände und, wo dies nicht ausreicht, schliefs-
lich nur noch eine Einpolderung und künstliche Entwässerung der¬
selben. In den weiter aufwärts gelegenen Flufsstrecken stehen
aufserdem die Vorkehrungen zur Verfügung, welche unter dem
Sammelnamen „Regulirungswerke“ fallen, und deren Hauptaufgabe
immer die möglichste Beseitigung aller Unregelmäfsigkeiten des
Flufsufers, die Befestigung der Ufer und deren Sicherung gegen
Stromangriffe, sowie möglichste Festlegung der Sinkstoffe ist. In
der Regel kommen solche Vorkehrungen nur da zur Anwendung, wo
sowohl der Schiffahrt als auch der Vorfluth Vorschub geleistet wer¬
den soll. Es ist demnach von vornherein eine irrthümliche Ansicht,
wenn man sagt, was der Schiffahrt nützlich sei, mufs der Landes-
cultur schaden.
Geht man nun die hauptsächlichsten Mafsnahmen zur Regulirung
eines Flufslaufes durch und beginnt mit der Begradigung des¬
selben, so hat letztere jedenfalls eine Verstärkung des Gefälles, mit¬
hin auch der Stromgeschwindigkeit zur Folge, mufs also die Ge¬
schiebeführung beschleunigen und ein tieferes Einschneiden des
Flufsbettes bewirken. Eine Begradigung kann also der Vorfluth nur
förderlich sein und ist demnach der Landescultur nützlich, sofern
ein rascheres und tieferes Abfliefsen des Grundwassers erwünscht
ist. Wo letzteres nicht zutriff’t, oder bei Herstellung eines Durch¬
stiches sich andere Nachtheile für die anschliefsenden Ländereien
ergeben, mufs denselben natürlich durch geeignete Vorkehrungen
vorgebeugt werden. Im Schiffahrtsinteresse sind Durchstiche über¬
haupt nur selten erforderlich, hier genügt meistens eine Abflachung
der Krümmungen. Durch das weitere Mittel der Reguliruug eines
Flusses, die Festlegung der Ufer, sollen alsdann die vorgenom¬
menen Begradigungen gesichert, soll Ufereinrissen und überhaupt Ver¬
wilderungen vorgebeugt und eine regelmäfsigere Wanderung der dem
Flufsbette verbleibenden Sinkstoffe befördert werden. Gegen diese
Mafsregel erheben die Landwirthe auch höchst selten Einspruch, da
durch die Festlegung der Ufer der Bestand ihrer Grundstücke un¬
mittelbar gesichert wird.
Die hauptsächlichsten Einwendungen werden von ihnen gegen
das dritte Mittel der Regulirung, die Umformung des Flufs¬
bettes, und zwar des Mittel- und Niedrigwasser-Querschnittes ge¬
macht. Dieselbe erfolgt bekanntlich in der Weise, dafs der Flufs
durch seitliche Einbaue gezwungen wird, sein verwildertes Bett von
wechselnder Breite und Tiefe in ein schmäleres Bett von gleich-
mäfsiger Breite und gröfserer Tiefe umzubilden. Die Deckwerke,
Parallelwerke, Buhnen usw. entziehen aber nicht allein einen Theil
des Flufsbettes und der auf demselben lagernden Sinkstoffe ohne
weiteres der Einwirkung der Strömung, sondern es werden zwischen
und hinter denselben auch Flächen gebildet, auf denen andere vom
Flusse herabgeführte Sinkstoffe sich ablagern und die Flächen all¬
mählich zur Verlandung bringen. Es entsteht also hierdurch eine
weitere Einschränkung der Sinkstoffe des Flusses. Zugleich tritt in
der durch die Einbaue gebildeten schmäleren Rinne eine erhöhte
Stromgeschwindigkeit ein und nnt dieser eine kräftigere Einwirkung
auf die Sohle des Flusses. Auf diese Weise wird die Auswaschung
der Flufssohle soweit fortschreiten, bis sich ein neuer Gleichgewichts¬
zustand zwischen der vergröfserten Geschwindigkeit des Wassers in
der vertieften Stromrinne und dem Widerstand der Flufssohle ge¬
bildet hat. Da die Anlage der vorerwähnten Reguliruiigswerke ledig¬
lich die Umformung des Querschnittes eines Flusses bei Mittel- und
Niedrigwasser bezweckt und die Werke deshalb nur bis zur Höhe
dieser Wasserstände aufgeführt werden, so wird durch dieselben eine
Einschränkung des Hochwasserquerschnittes von irgendwelcher Be¬
deutung, namentlich eine Verlangsamung des Abfliefsens der Hoch¬
wasser gar nicht herbeigeführt. Vielmehr wird durch die Vergröfse
rung der Tiefe im Flufsschlauche, durch die hergestellte Begradigung
und Festlegung der Ufer eine gröfsere Gleichmäfsigkeit der Wasser¬
bewegung erzielt und der Hochwasserabflufs ganz wesentlich befördert.
Durcli die Beseitigung der Unregelmäfsigkeiten und Sandbänke im
Strome wird auch eine Haui^tursache der Eisversetzungen behoben.
Eine weitere Mafsnahme zur Reguliruug eines Stromes ist endlich
die Begrenzung des Hochwasserprofils. Hierdurch wird eine
kräftigere Spülung erzeugt, die einer Erhöhung der Flufssohle und
des Wasserspiegels entgegen wirkt, und der Vortheil erreicht, dafs
die Ufergelände plötzlichen Ueberschwemmungen entzogen werden.
Die Bedeichungen sind jedoch bereits lange bevor man an eine
Regulirung der Flüsse im Schiff'ahrtsinteresse dachte von den Land-
wirthen selbst in ihrem eigenen Interesse ausgeführt, ohne dafs dabei
vielfach die Nachtheile der Deichanlagen für die Landwirthschaft
genügende Berücksichtigung gefunden hätten. Durch die Eindeichung
hört die Zufuhr an Sinkstoff’en zu den Ländereien auf, das Vorland
wächst allein und beschränkt das Hochwasserproffl, die Deiche
müssen alsdann erhöht werden, für das eingedeichte Land werden
mehr Dungstoff’e gebraucht usw., alles Dinge, die bei neugeplanten
Eindeichungen zur Vorsicht mahnen und Gegenstand ernster Er¬
wägungen sein müssen.
Nach vorstehenden, dem Kröhnkeschen Aufsatze nur auszugs¬
weise entnommenen Auseinandersetzungen kann es keinem Zweifel
unterliegen, dafs die Flufsregulirungen, wie sie in neuerer Zeit bei
uns aubgeführt werden, weder bei Büttel- und Niedrigwasser, noch
bei Hochwasser eine Behinderung oder Verzögerung des Wasser¬
abflusses zur Folge haben, dafs sie vielmehr im Vergleich mit den
vor der Regulirung herrschenden Zuständen eine wesentliche Besse¬
rung ergeben. Dasselbe läfst sich aber auch aus den seit einer Reihe
von Jahren an allen gröfseren deutschen Flüssen mit vieler Sorgfalt
ausgeführten Wasserstandsbeobachtungen nachweisen. Aus
diesen Aufzeichnungen geht zunächst ohne weiteres hervor, dafs die
Wasserstände in den einzelnen Jahren sehr erheblichen Schwankungen
unterworfen sind; ebenso ergiebt sich aus der völligen Unregelmäfsig-
keit dieser Schwankungen klar, dafs ihre Ursache nicht in der Be¬
schaffenheit des Flusses selbst und noch viel weniger in den verhält-
nifsmäfsig geringfügigen und durch die Regulirungswerke allmählich
herbeigeführten Veränderungen seines Bettes zu suchen ist, sondern
nahezu ausschliefslich eine Folge der Witterungs- und von diesen
vorzugsweise der Niederschlagsverhältnisse ist. Die Veröffentlichungen
der jetzt zahlreich über das ganze Land vertheilten meteorologischen
Stationen über die Niederschläge lassen bei einem Vergleich mit den
Wasserständen diesen Zusammenhang sofort erkennen. Hierzu kommt
noch, dafs das Sammelgebiet der Niederschläge in neuerer Zeit im
Nr. 15.
Centralblatt der Bauverwaltung.
149
Landesculturinteresse erheblichen Veränderungen unterworfen ist.
Grofse Waldflächen sind in Culturland verwandelt, die Grundstücke
erheblich besser entwässert und der Abflufs des Wassers nach dem
Hauptstrom erleichtert, die Eindeichungen vermehrt, kurz zahlreiche
Mafsregeln getroffen, die für die Wasserführung eines Flusses jeden¬
falls von weit gröfserer Bedeutung werden mufsten, als die geringen
Profilveränderungen durch die Eegulirungswerke.
Wie wenig letztere den Niederschlägen gegenüber kaum noch
ins Gewicht fallen, zeigt recht deutlich das Gröfsenmafs der
Schwankungen in den Wasserständen. So z. B. waren in der Oder
die Hochwasserstände des Jahres 1854 durchgängig 2,5 bis 3 m höher
als die von 1852 und 3 bis 4 m höher als die von 1857. Ebenso
liegen die Grenzen der Mittelwasser um 1,9 m und die der Niedrig¬
wasser um 1,75 m aus einander. Bei solchen Unterschieden könnte
der Einflufs der niedrig gehaltenen Eegulirungswerke überhaupt nur
erkennbar sein, wenn man die Mittelzahlen längerer, mindestens
25- bis 30jähriger Zeitabschnitte vergleicht. Kröhnke hat zu
diesem Zwecke die Hoch-, Mittel- und Niedrigwasserstände an 13
seit dem Anfänge der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts regel-
mäfsig beobachteten Pegeln der Oder in Tabellen und Zeichnungen
zusammengestellt und für jeden Pegel die gemittelten Hoch-, Mittel¬
und Niedrigwasser der einzelnen Jahrzehnte und die Mittelzahlen
aus der ersten und zweiten Hälfte sowie aus der ganzen Beobach¬
tungszeit angegeben. Aus diesen Zahlen geht klar hervor, dafs in
den letzten 60 bis 70 Jahren eine wesentliche Veränderung in den
Wasserständen des Oderstromes und namentlich eine Schädigung der
angrenzenden Gelände durch Hebung des Grundwasserstandes nicht
stattgefunden hat. Wie für die Oder, so sind in gleicher Weise auch
die Wasserstände von 13 Pegeln der Elbe seit 1820 zusammengestellt
und auch hier ist das Ergebnifs das gleiche, ja es hat sich sogar
durchgängig eine sehr geringe Senkung mindestens der Mittel- und
Niedrigwasserstände im Laufe der Jahre vollzogen. Mithin lehren
auch die Wasserstandsbeobachtungen, dafs die Landwirthschaft durch
die Flufsregulirungen nicht benachtheiligt wird.
Mittheilungen über Oberbau auf englischen Eisenbahnen.
(Fortsetzung.)
2. Die Auordiiung der Weichen, Herz- und Kreuzstücke.
(Abb. 6 bis 10.)
Die Weichen (Abb. 6) (points) sind nach der Zungenlänge
unterschieden, welche 12, 15 oder 18', d. i. 3,66, 4,57 oder 5,49 m be-
Backenschiene, wie auf der freien Strecke, 2' 2Vi6" = 668 mm, dagegen
am Ende der Zunge nur 1' 10" == 559 mm, und im übrigen z. B. zwischen
den 9 Schwellen unter der 18' langen Zunge je 2' IV4" = 641 mm.
Vergleicht man die angegebenen Abmessungen beispielsweise mit
trägt, und J werden
danach als „12'
Weiche“, „15' Wei¬
che“ u. s. f. be¬
zeichnet. Die
Backenschienen
sind dementspre¬
chend 191/2, 221/2
und 30' oder 5,94,
6,86 und 9,144 m
lang und werden
von 9, 10 und 14
Schwellen unter¬
stützt. Der Stofs
am Anfang und
Ende der Backen¬
schiene (Abb. 7 a)
ist stets schwebend
gebildet , ebenso
derjenige am Zun-
gen-Ende. Zählt
man die Schwellen
vom Stofs vor der
Weiche an, so
liegt die Zunge im
ersten Falle über
den Schwellen Nr.
2 bis 7, im zweiten
über Nr. 2 bis 8
und bei 18' Wei¬
chen über Nr. 3 bis
11, beginnt dann
also erst über
der dritten Weichenschwelle, und zwischen dem Ende der Zunge
und der Backenschiene liegen noch 3 Schwellen. Die Zwischenweite
der Schwellen (von Mitte zu Mitte) beträgt am Stofs vor und hinter der
denen der preufsi-
schen Normalwei¬
che (1 : 10) von
5,8 m Zungenlänge
und 7 m langer
Backenschiene, so
fällt namentlich
der weit gröfsere
Unterschied (3,66
gegen 1,2 m) zwi¬
schen diesen bei¬
den Längen sowie
die gröfsere Nähe
der Stützpunkte
ins Auge. Die eng¬
lische Backen-
schieue überragl:
ihre Zunge am
vorderen Ende um
1,62, am hinteren
um 2,04 m, die
preufsische nur um
0,5 bezw. 0,7 m,
und die Zahl der
Stützpunkte der
nahezu gleich lau¬
gen (5,5 gegen 5,8)
Zunge beträgt 9
gegen 6. Die
grofse Länge der
Backenschiene
wird für die Ver¬
sendung und Ver¬
legung der Weiche nicht gerade bequem sein, aber im Verein mit der
grofsen Zahl der Stützpunkte jedenfalls zur guten Lage derselben
wesentlich beitragen.
Abb. 6. Grundrifs einer „18' Weiche“.
Mafsstab 1 ; 48.
nm
A
1
( -
17. - 382 L-
A
.-i—.
%
i
i
1
i
< .
... 30S . .
; i
;<64
i
Abb. 7 b.
Längenschnitt der Zunge.
Mafsstab 1 : 12.
Abb. 7 c. Abb. 7 d. Abb. 7 e.
Querschnitte der Zunge.
Abb. 7 a. Grundrifs einer Zunge.
Mafsstab 1 : 24.
150
Centralblatt der Banverwaltnng.
12. April 1890.
Die Gleitstühle sind thunlichst im Anschlufs an die sonstigen
Schienenstühle hergestellt, mir wird die (durchweg geneigte) Backen¬
schiene durch stählerne Schraubbolzen (studs) von der einen Seite
des Stuhls aus gehalten, da die Holzkeile hier nicht anwendbar sind.
Diese Bolzen haben auf den ersten 5 Stühlen einen so flachen, platten¬
artigen Kopf, dafs er, am Steg anliegend, nicht über die Flucht des
Schienenkopfes hinausragt und somit ein dichtes Anliegen der Zunge
gestattet. Die vier anderen Bolzen sind als Stützbolzen verlängert,
sodafs sie den Anschlag und die richtige Lage der Zunge genau be¬
schnitten sein, und „keinesfalls darf das Laschen -Ende der Schiene
dazu benutzt werden“.
Auf der Schwelle Nr. 3, welche den ersten Gleitstuhl trägt, be¬
findet sich eine Grundplatte zur besseren Sicherstellung der Spur von
2,06 m Länge, 216 mm Breite und 12,7 mm (*/2") Stärke; im übrigen
ist aufser den Schwellen keine weitere Querverbindung zwischen den
Backenschienen vorhanden. Die Zungen sind an 3 Stellen (etwa 385,
1165 und 1800 mm von der Spitze) durch Stangen von 32 mm Durch¬
messer verbunden, die erste derselben liegt in der Richtung der Lenk-
Abb. 9 a. Schnitt durch Stuhl a.
Abb. 8. Grundrifs.
Mafsstab 1 : 24.
Abb. 9 d. Schnitt durch Stuhl d.
Abb. 9 b. Schnitt durch Stuhl b.
Abb. 9 e. Schnitt durch Stuhl e.
Abb. 9 c. Schnitt durch Stuhl c.
Abb. 9f. Längenschnitt und Ansicht der Herzstückspitze.
Mafsstab 1 : 8.
Herzstück 1 : 7.
stimmen. Für diese Bolzen ist ausdrücklich vorgeschrieben, dafs sic
mit dem Kopf aus einem vollen Stück geschmiedet und nicht etwa
geschweifst sein sollen und dafs auf ihre genaue Länge und richtige
Anbringung mit besonderer Sorgfalt zu achten ist. — Hinter dem
Zungen-Ende, wo die Beweglichkeit aufhört, tritt der Holzkeil wieder
ein, und zwar zunächst auf jedem Stuhl verdoppelt, sodafs die beiden
Keile die zwei benachbarten Schienen gegen den dazwischen liegenden
Eisenkern des Stuhls festpressen. Hier liegt also der eine Keil an
der Innenseite der Schiene. Die Weichenschwellen (von Nr. 3 bis 15)
sind 12" breit und 6" stark (304 auf 152 mm), die ersten beiden wie
sonst 10" auf 5".
Die Zunge (Abb. 7a bis 7b) ist am Anfangspunkte um 28 mm
niedriger als die Schiene und steigt dann auf 762 mm Länge bis
zur vollen Höhe in sanfter Krümmung an. Die Querschnitte derselben
sind aus Abb. 7c bis 7e ersichtlich. Die Zungenspitze soll, wie aus¬
drücklich vorgeschrieben, aus dem mittleren Tbeil einer Schiene ge-
stange. Beide Stränge werden ohne jede Spurerweiterung durch¬
geführt.
Die Bildung des Drehpunktes geschieht in äufserst einfacher
Weise durch die gewöhnliche Laschenverbindung. Der Zungen¬
aufschlag beträgt bei den angegebenen Weichenformen durchweg
freilich nur 41/4" = 108 mm und die Spurrinne am Drehpunkt nur
13/4" = 44,5 mm. (Bei der preufsischen Normalweiche betragen die
letzteren Mafse 140 und 65 mm.)
Neben den bezeichneten drei einfachen ist auch eine Doppel¬
weiche (three throw) angegeben und zwar ist dieselbe symmetrisch
angeordnet, mit einer Versetzung der Spitzen um 737 mm (2' 5").
Die Längen der Zungen sind 4,42 m (14V2') und 3,66 m (12‘); die
Enden derselben liegen also fast in gleicher Linie. Die Mittelzunge
schlägt auch hier 108 mm auf, die innere Zunge also etwas mehr.
Die Backenschienen sind hier nur 5,94 m (191,2') lang angegeben,
woraus zu schliefsen sein dürfte, dafs diese Weichenform nur für
Nr. 15.
Oentralblatt der Bauverwaltung.
151
ungefährliche Stellen bestimmt ist. Im übrigen ist die Bauart ganz
derjenigen der einfachen Weichen entsprechend.
Bezüglich der geometrischen Anordnung ist es auffallend,
dafs die Musterzeichnung vom Jahre 1888 für die spitz befahrenen
Weichen („for all Pacing Points, where practicable“) ausdrücklich die
symmetrische Gestaltung mit 18' langen graden Zungen, also die
gleiche Abweichung der Zunge und der Backenschiene von der
Graden des Stammgeleises vorschreibt. Es kann dann also keines
der beiden Geleise gradlinig fortlaufen, vielmehr das Stammgeleis nur
mit Hülfe einer, wenn auch sehr unbedeutenden, aber doch vorhan¬
denen Gegenkrümmung in seine ursprüngliche Richtung zurückkehren.
Dieser Uebelstand müfste nach unseren Anschauungen jedenfalls durch
ganz besondere Vortheile aufgewogen werden, um annehmbar zu sein.
Solcher Vortheil scheint in der Beibehaltung grade r Zungen trotz
verhältnifsmäfsig kleiner Ablenkung an der Spitze gefunden zu werden,
welche durch die Vertheilung auf beide Geleise für jedes derselben
erreicht wird. Der Abstand der Leitkanten am Drehpunkte beträgt
(Abb. 8 bis 10). Die Herzstückspitze wird in der Weise hergestellt, dafs
die zusammenlaufenden Schienen am Ende etwas geknickt, dann mit
den Stegen aneinander gelegt und durch versenkte Niete (z. B. 4
zu 1" Durchmesser) verbunden werden, und zwar so, dafs der Steg
der einen, dem Hauptstrange (main line) angehörenden Schiene mit
etwa 14 mm oberer Stärke und etwas Abrundung, aber ohne Senkung,
das Ende der Spitze bildet. Der Kopf dieser Schiene wird sodann
nach dem Herzstückwinkel behobelt, bleibt aber im übrigen be¬
stehen. Die andere Schiene, welche dem Nebenstrange (siding/ line)
angehört, wird an die erstere angelegt und demgemäfs zugespitzt.
Auch für diese Herzstückspitzen ist ausdrücklich vorgeschrieben,
dafs sie nie aus dem Laschen-Ende der Schienen, sondern nahezu
aus der Mitte der Schienenlänge geschnitten werden sollen.
Die Flügelschienen sind bis zum Knie auf 44V2 mm (1^4“)
zusammengeführt und sodann gradlinig geknickt, sodafs auch neben
der Spitze beiderseits die Spurrinne nur 44V2 mm beträgt (Pr. Norm
49 mm). Die Unterstützung geschieht durchweg mittels gufseiserner
Abb. 10 a. Grundrifs.
Mafsstat) 1 : 24.
Abb. 10b. Querschnitt durch Stuhl A. Abb. 10c. Querschnitt durch Stuhl B.
Mafsstab 1 : 8.
Kreuzstück 1 : 7.
44,5 -j- 67 = 111,5 mm, demnach der gesamte Ablenkungswinkel am
Zungen-Ende wie an der Spitze;
Mithin für jedes Geleis nur die Hälfte:
ß '2 = 0 o 35' = 0,01015 =
oder rund 1 : 100. (Bei der preufsischen Normalweiche 1 : 10 beträgt
der Ablenkungswinkel am Zungen-Ende etwa 1 ° 54', dagegen an der
Spitze dank der Zungenkrümmung doch nur 0 ° 33', aber immerhin
kaum weniger als bei jener englischen Form.) — Die Backen¬
schienen sind am Anfallpunkte der Zungen geknickt, im übrigen
gradlinig.
Abgesehen von diesem Uebelstande der Krümmung des Stamm¬
geleises, welcher durch eine Biegung der einen Zunge unschwer ver¬
mieden werden könnte, zeigt die ganze Anordnung und Ausführung
der Lenkvorrichtung eine aufserordentliche Einfachheit, welche
zu erwägen giebt, ob die in Deutschland mit der Zeit recht verwickelt
gewordenen Weichenbauarten, namentlich bezüglich des Drehpunktes,
nicht auch einer Vereinfachung fähig wären, ohne der Sicherheit und
Bequemlichkeit des Betriebs Eintrag zu thun. Denn die Thatsache
kann nicht bestritten werden, dafs die Weichen der englischen Bahnen
auch von den sehr raschen Zügen in der Regel ohne jedes fühlbare
Stofsen oder Schwanken durchfahren werden, was in Deutschland
nicht der Fall ist.
Uebrigens kommen in reinen Güterwagengeleisen, wie z. B. auf
dem erwähnten neuen Güterbahnhofe St. Pancras, Weichen vor mit
noch erheblich kleineren Zungenlängen, nämlich von 8 und 6' oder
2,4 und 1,8 m.
Die Herz- und Kreuzstücke werden durchweg aus Schienen
gebildet, stets unter Aufrechterhaltung der Neigung von 1:22
Stühle und Holzkeile (Abb. 9 a bis 9f) und gestaltet sich deshalb
durchaus einfach, weil das Gufseisen mit Leichtigkeit den betreffenden
Formen angepafst werden kann.
In ähnlicher Weise werden auch die Kreuzstücke (diamond
crossings) gebildet, nur dafs hier das Zusammenspleifsen der
Schienen wegfällt, die Ausführung sich also noch einfacher gestaltet.
Auch hier beträgt die Spurrinne stets D/4" = 44,5 mm (Abb. 10).
Für solche Kreuzstücke zeigen die Musterzeichnungen der Mid-
landbahn 5 verschiedene Formen: 1 zu 4, 5, 6, 7 und 8; ferner ein¬
fache Herzstücke (common crossings) für die Winkel 1 zu 4, 5, 6, 7,
8, 9 und 12.
Für die Flügelschienen der Herzstücke sind durchweg 15', also
halbe Schienenlänge = 4,57 m, und für die Spitzenschienen Längen
von mindestens IOV4 bis 14' oder 3,28 bis 4,27 m vorgeschrieben,
ebenso für die Spitzenschienen der Kreuzstücke 10' = 3,048 m und
für die zugehörigen Zwangschienen I21/2 bis 15' = 3,8 bis 4,57 m.
Diese Ausführung der Herz- und Kreuzstücke mit so langen
Spitzen- und Flügelschienen hat die grofse Annehmlichkeit,
dafs in unmittelbarer Nähe derselben jeder Schienenstofs wegfällt,
und hierin liegt neben der sehr engen Spurrinne der Grund, weshalb
man das Durchfahren der Herzstücke in englischen Schnellzügen
thatsächlich nicht bemerkt. Die beiden rasch aufeinander folgenden,
meist ziemlich harten Stöfse, welche das Ueberfahren eines Block¬
herzstückes wegen der beiden Schienenanschlüsse und wegen der
von dem sonstigen Geleise abweichenden Beschaffenheit des ersteren
unvermeidlich mit sich bringt, fallen ganz aus. Bezüglich der Flügel¬
schienen läfst sich die entsprechende Anordnung auch bei unserer
Breitfufsschiene unschwer und mit gutem Erfolge ausführen, wie die
zahlreichen Beispiele der Linksrheinischen, der Bayerischen und
anderer Bahnen zeigen (so auch das eine Herzstück der preufsischen
Doppelweiche). Bezüglich der Spitze würde dagegen die Zusammen-
152
Centralblatt der Bauverwaltung.
12. April 1890.
führung der Schienen wegen des dünnen Stegs (11 mm gegen 18)
besondere Schwierigkeiten machen; statt derselben wird deshalb be¬
kanntlich eine eingelegte Stahlspitze angewandt. Auch werden Niete
in den Schienen von vielen Oberbau-Technikern für durchaus unzu¬
lässig gehalten, was freilich nach jenen bei englischen Bahnen vor¬
liegenden Erfahrungen nichfganz zutreffen dürfte. Den einen Stofs
werden wir immerhin bei Festhaltung unsrer Schienengestalt kaum
beseitigen können. (Schlufs folgt.)
Vermischtes.
AVetthewerb für ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in
Breslau. Infolge des Preisausschreibens vom Ende Juli v. J. (vgl.
S. 278 d. V. J.) sind am 1. April bei der Verwaltung des Museums
der bildenden Künste in Breslau 46 Modellskizzen von Bildhauern
aus Berlin, Dresden, München und aus Breslau selbst eingeliefert
worden. Dieselben haben bereits in dem grofsen Saale der Gemälde¬
sammlung, dem V. Werner-Saale, und in noch vier anderen Räumen
daneben gut übersichtliche und nicht zu gedrängte Aufstellung ge¬
funden. Eine erste Durchsicht dieser Fülle von Arbeiten läfst schon
erkennen, dafs mindestens ein Drittheil der Modelle preiswerthe
Leistungen erfahrener Künstler sind. Bei nur fünf vorhandenen
Preisen werden die Preisrichter, wie so häufig der Fall, einen
schweren Stand haben. Sie müssen bei Zeiten ihre Prüfungen und
Erwägungen beginnen, um ihre Meinung sachgemäfs am festgesetzten
Tage der Entscheidung äufsern zu können. Bei dieser Sachlage ist
es als gut und zweckmäfsig zu begrüfsen, dafs nach Bestimmung
der Provincial- Behörde das Preisgericht zur Entscheidung erst am
24. April d. J. Zusammentritt. C. L.
Herz Jesu • Kirche in Köln (vgl. S. 139 der vorigen Nummer).
Die Ausführung des Frhr. v. Schmidtschen Entwurfes hat inzwischen
bereits die erzbischöfliche Genehmigung erhalten.
Der Vorstand des Ostpreiifsischeii Architekten- und liigeuienr-
Vereins in Königsberg besteht für das Vereinsjahr 1890/91 aus fol¬
genden Herren: a) Geschäftsführender Ausschufs: Reg.- und Baurath
Grofsmann, Director des Eisenbahn-Betriebsamts, Vorsitzender, Re¬
gierungs-Baumeister Becker, Schriftführer, Stadtbaumeister Naumann,
Bibliothekar, Baurath Siebert, Säckelmeister, b) Beisitzer: Garnison-
Bauinspector Bähcker, Stadtbaurath Frühling, Baurath Kapitzke-
Tilsit, Reg.- und Baurath Natus, Landes-Bauinspector Wienholdt.
Die Zeitschrift für Banwesen enthält in Heft IV bis VI des
Jahrgangs 1890 folgende Mittheilungen:
Neubau des physiologischen Instituts der Universität Marburg, mit
Zeichnungen auf Blatt 19 bis 23 im Atlas, von Herrn Regierungs-
Baumeister Zölffel in Marburg.
Haus Wesendonck in Berlin, mit Zeichnungen auf Blatt 24 und 25
im Atlas, von Herrn Architekt C. Heidecke in Berlin.
Bairgeschichte des Domes und Klosters Ettal, mit Zeichnungen auf
Blatt 26 bis 28 im Atlas, von Herrn Generaldirectionsrath Georg
Friedrich Seidel in München.
Die Kirche San Lorenzo in Mailand, mit Zeichnungen auf Blatt 29
bis 35 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister Julius Kohte
in Berlin.
Die Strafsenbrücke über die Norder-Elbe bei Hamburg, mit Zeich¬
nungen auf Blatt 36 bis 44 im Atlas, erbaut in den Jahren 1884
bis 1887 von dem lugenieurwesen der Bau-Deputation des Ham-
burgischen Staates (Oberingenieur F. Andreas Meyer). Nach
amtlichen Quellen dargestellt von den bauleitenden Ingenieuren
C. 0. Gleim, Abtheilungs-Ingenieur in Hamburg, und H. Engels,
jetzt Professor an der technischen Hochschule in Braunschweig.
Die Höherlegung der unter Hochwasser liegenden Strecke der Bahn¬
linie Troisdorf - Niederlahnstein und die Anlage des zweiten
Geleises derselben, mit Zeichnungen auf Blatt 45 bis 47 im
Atlas.
Neuerungen an Schiffahrtsschleusen, mit Zeichnungen auf Blatt 48
im Atlas, von Herrn Regierungs -Baumeister Th. Janssen in
Pillau.
Ueber den Einflufs der Strom regulirungen auf die Wasserstände in
den Flüssen, mit Abbildungen auf Blatt 49 im Atlas, von Herrn
Regierungs- und Baurath Kröhnke in Gumbinnen.
Statistische Nachweisungen, betreffend die in den Jahren 1881 bis
einschliefslich 1885 vollendeten und abgerechneten preufsischen
Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues. (Fortsetzung.)
XH. Geschäftshäuser für Gerichte. Im Aufträge des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten zusammengestellt von Herrn
Land-Bauinspector Wiethoff in Berlin.
Geheimer Bauratli Adolf Tolle f. Die preufsische Staatsbau¬
verwaltung hat einen ihrer tüchtigsten Wasserbaubeamten durch
plötzlichen Tod verloren. Der Geheime Baurath und Vortragende
Rath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Adolf Tolle, welcher
sich mit kurzem Urlaube zu seiner in Wesel verheiratheten Tochter
begeben hatte, ist dort am 4. d. M. am Schlagflusse verschieden. Vor
anderthalb Jahren von einer verderbenbringenden, heimtückischen
Krankheit, einem Kehlkopfkrebs, ergriffen, hatte er sich mit männ¬
lichem Muthe und voll Gottvertrauen einer schweren Operation
unterworfen; der ärztlichen Kunst war es gelungen, ihn von seinem
Leiden zu befreien, sodafs nach menschlichem Ermessen gegründete
Hoffnung auf weitei-es gesegnetes Wirken für ihn vorhanden war.
Gott hat es anders gewollt: mitten im arbeitsfreudigen Schaffen ist
er zur ewigen Ruhe abberufen worden.
Adolf Tolle, 1832 in Hanekenfähr in der Nähe von Lingen an
der Ems geboren, war 1853 als Wasserbauführer in den vormals
hannoverschen Staatsdienst eingetreten. Schon in dieser Stellung
wurde er im Anfang des Jahres 1858 nach der Insel Norderney ver¬
setzt, wodurch ihm die Gelegenheit wurde, sich insbesondere beim
Bau eines umfangreichen Dünenschutzwerkes mit der Eigenart der
Nordsee in ihrem steten Kampfe gegen die das Festland schützenden
Inseln gründlich bekannt zu machen. Unterm 14. Juni desselben
Jahres nach gut bestandener zweiter Staatsprüfung zum Wasserbau-
Conducteur auf Norderney ernannt, wurden ihm die dortigen Strand¬
bauten selbständig unterstellt, bis er im December 1861 mit der
Verwaltung der Wasserbauinspection Norden, mit Einschlufs der
derselben wieder beigelegten Insel Norderney, betraut wurde. In
dieser Stellung ist er nach erfolgter Beförderung zum Wasserbau¬
inspector (1866) verblieben, bis er durch Allerhöchste Bestallung am
26. Juli 1876 zum Regierungs- und Baurath ernannt und ihm die
Reg.- und Baurathsstelle in Aurich verliehen wurde. Im Jahre 1887
ward er als Hülfsarbeiter in das Ministerium der öffentlichen Arbeiten
berufen, worauf ihm zunächst der Titel Geheimer Regierungs -Rath
verliehen wurde; unterm 4. April 1888 erfolgte dann seine Beförde¬
rung zum Geheimen Baurath und vertragenden Rath in diesem
Ministerium.
Tolle hat fast sein ganzes Leben der Förderung der Wasser¬
bauten in Ostfriesland gewidmet. Als gründlichster Kenner der
Nordsee ist er von bahnbrechender Bedeutung für die Ermittlung
der zweckmäfsigsten Systeme für Inselschutzbauten und deren Aus¬
führung gewesen; die Landungsbrücke auf Norderney, welche den
Aufschwung der Insel zu einem Weltbade ermöglichte, verdankt ihm
ihre Entstehung. Neben sonstigen zahlreichen gröfseren und kleineren
Wasserbauten, von welchen hier nur die Hafenanlagen bei Emden,
der Fischereihafen Norderney-Norddeich, die Correction der Unter-
Ems, der Bau verschiedener Leuchtthürme genannt werden mögen,
hat er den Ems- Jade -Canal ausgeführt. Mit Rücksicht auf seine
hierbei bewiesene Tüchtigkeit war ihm zur Zeit die obere Leitung
des Baues des Canals von Dortmund nach den Ems-Häfen anvertraut,
dessen gegenwärtig — nach der Erledigung umfassender Vorarbeiten
— nahe bevorstehende thatsächliche Inangriffnahme er nicht mehr
erleben sollte. In allen Stellungen hat er Vorzügliches geleistet;,
mehrfach ist er mit der Ausführung von Reisen (nach Schleswig,
Frankreich, England) zum Zweck des Studiums von Inselschutz¬
bauten, Landungsvorrichtungen, Hafenbauten, der Hochsee-Fischerei
und Austernzucht beauftragt worden. Als Anerkennung seiner
Thätigkeit sind ihm 1874 der Rothe Adler-Orden IV. Klasse, 1875
die Fortschrittsmedaille der Wiener Weltausstellung, 1889 der Rothe
Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife zu Theil geworden.
Der Verewigte war das Muster eines umsichtigen, pflichttreuen
und unverdrossenen Beamten, der unter Einsetzung der eigenen
Person und Gesundheit stets nur das Gelingen der ihm anvertrauten
Aufgaben im Auge hatte, der keine Anstrengung und keine Gefahr,
sei es im Winter oder Sommer, bei Tages- oder Nachtzeit scheute,
wenn es galt, einen schwierigen, von Wind und Wetter abhängigen
Bau durch persönliches Eingreifen rechtzeitig und in einer den
financiellen Interessen des Baues entsprechenden Weise zu vollenden.
Wie er namentlich auch in dieser Richtung allen seinen jüngeren
Fachgenossen stets ein leuchtendes Beispiel gewesen ist, so war er
allen Freunden ein selbstloser, treuer und ehrlicher Freund. Grau¬
same Schicksalsschläge, welche ihm in wenigen Jahren seine geliebte
Gattin und zwei erwachsene Töchter entrissen, sodafs er zuletzt ver¬
einsamt in seinem Hause zurückgeblieben war, — die schreckliche
Krankheit, welche ihn ergriffen hatte, haben den festen Mann nicht
zu beugen vermocht: erst der Tod hat ihn seinem Berufe entrissen
und seiner nie rastenden Thätigkeit ein Ziel gesetzt. Sein Andenken
wird ein gesegnetes sein. — k.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theilcs verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck vonJ. Kerskes, Berlin.
153
Centralblatt der Bauverwaltimg.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 19. April 1890. Nr. 16.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Circular - Erlafs vom 31. März 1890, betreffend Reisekosten,
Portoauslagen usw. bei staatsseitigen Enteignungen. — Circular-Erlafs vom 6. April 1890,
betreffend die Strombereisuugen. — Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Das
Städtische Spielhaus in Worms. — Graftons Drehschaufelbagger. — Mittheilungen über
Oberbau auf englischen Eisenbahnen. (Schlufs.) — Vermischtes: Eisenbahnfach-
wissenschaftliche Vorlesungen in Preufsen. —. Vorstand des Arcliitekten- und Ingenieur-
Vereins für Rheinland und Westfalen in Köln. — Beseitigung des Schnees durch die
städtischen Entwässeruugscanäle. — Neuer Patentstuhl für Theatergebäude usw. —
,Der Wettstreit der Baustile“. — Zur Messung der Schneehöhen. — Geplante neue
Bahnverbindung zwischen London und dem mittelenglischen Industriegebiet.
Amtliche Mittheilungen.
Circnlar-Erlafs, betreffend Reisekosten, Portoauslagen usw.
bei staatsseitio-en Enteio-nuno-en.
O O O
Berlin, den 31. März 1890.
Zur Herbeiführung eines gleichmäfsigen Verfahrens bestimmen
wir nach Benehmen mit der Königlichen Ober-Rechnungskammer,
dafs in Enteignungssachen der Staatsverwaltung die durch die Ab¬
haltung örtlicher Termine entstehenden Reisekosten und Portoaus¬
lagen der Commissare der Königlichen Regierungen bezw. Regierungs¬
präsidenten, sofern der zu den Bauausführungen oder sonstigen An¬
lagen erforderliche Grund und Boden vom Staate für eigene Rechnung
erworben werden soll, in allen Fällen auf die betreffenden Fonds der
zuständigen Regierung zu übernehmen sind, also die Reisekosten auf
den Fonds zu Diäten, Fuhr- und Versetzungskosten, die Portoauslagen
auf den Fonds zu Bureaubedürfnissen.
Dagegen sind die vorerwähnten Kosten, wenn die unentgeltliche
und lastenfreie Beschaffung des dem Staate zu überweisenden Grund
und Bodens Dritten obliegt, bei den letzteren gemäfs § 43 des Gesetzes
über die Enteignung von Grundeigenthum, vom 11. Juni 1874, seitens
der Königlichen Regierung zur Erstattung zu liquidiren.
Der Minister Der Finanzminister. Der Minister
der öffentlichen Arbeiten. In Vertretung des Innern.
V. Maybach. Meinecke. Im Aufträge
Lodemann.
An die Herren Ober-Präsidenten, die Königlichen
Regierungs -Präsidenten bezw. Regierungen und
die Königliche Ministerial - Militär- und Bau¬
commission. F. M. I 4096. — M. d. I. I A 3384.
— M. d. ö. A. IV 835. 1 1842. III 6131.
Circular -Erlafs, betreffend die Strombereisungen.
Berlin, den 6. April 1890.
Es erscheint im dienstlichen Intei'csse wünschenswerth, bei der
regelmäfsig stattfindenden Bereisung der Ströme usw. durch tech¬
nische Commissarien meines Ministeriums neben dem betreffenden
Strombaudirector bezw. Regierungs- und Baurath und dem für die
betreffende Strecke usw. zuständigen Localbaubeamten in der Regel
auch die Wasserbauinspectoren der benachbarten Bezirke in der
Weise heranzuziehen, dafs dieselben an der Bereisung der ober- und
unterhalb des ihnen zugewiesenen Dienstbezirks belegenen Strom-
usw. Strecken theilnehmen.
An der Bereisung derjenigen Ströme, für welche besondere
Strombaudirectionen bestehen, wird aufser den betreffenden Beamten
der Strombauverwaltung auch der Regierungs- und Baurath der Re¬
gierung, welchem die Bearbeitung der Wasserbausachen obliegt,
innerhalb der Grenzen des betreffenden Regierungsbezirks theilzu-
nehmen haben und zu diesem Behufe den zuständigen Herren Re¬
gierungs-Präsidenten jedesmal rechtzeitig vor der stattfindenden Be¬
reisung eine entsprechende Mittheilung zu machen sein.
Soweit durch diese Mafsregel Kosten erwachsen, sind solche für
die betreffenden Localbaubeamten bei Capitel 65 Titel 13 des Bau-
verwaltungs-Etats, für die Regierungs- und Bauräthe bei dem Diäten¬
fonds der Regierung zu verrechnen, die ersteren aber in den be¬
treffenden Abschlüssen unter Hinweis auf diesen Erlafs besondCTS
kenntlich zu machen.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
V. Maybach.
An sämtliche Herren Regierungs -Präsidenten bezw.
Königlichen Regierungen (ausgenommen Liegnitz,
Erfurt, Arnsberg, Aachen, Köln und Sigmaringen),
die Königliche Ministerial-Bau-Commission hier-
selbst sowie an die Herren Chefs der vier Strom¬
bauverwaltungen. III. 20 871.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Re¬
gierungs- und Baurath Richter, ständigem Hülfsarbeiter bei dem
Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte in Harburg, die nachgesuchte
Entlassung aus dem Staatsdienste zu ertheilen, sowie bei dem Ueber-
tritt in den Ruhestand dem Eisenbahn-Maschineninspector Schmitz,
ständigem Hülfsarbeiter bei dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-
Amte (rechtsrh.) in Düsseldorf, den Rothen Adler-Orden IV. Klasse
zu verleihen.
Der Abtheilungs- Ingenieur Sachse in Aschersleben ist unter
Ernennung zum Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector in den un¬
mittelbaren Staatsdienst übernommen worden. Demselben ist die
Stelle des Vorstehers der Eisenbahn-Bauinspection in Aschersleben
verliehen.
Versetzt sind: die Regierungs- und Bauräthe van den Bergh,
bisher in Münster, als Director (auftrw.) an das Königliche Eisen-
bahn-Betriebs-Amt in Harburg und Koenen, bisher in Saarbrücken,
als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Ei senb ahn -Betrieb s-
Amt (Münster-Emden) in Münster, die Bauräthe Sobeczko, bisher
in Berlin, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt in Nordhausen, Arndt, bisher in Osnabrück, als stän¬
diger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt
(Wanne-Bremen) in Münster und Boenisch, bisher in Essen, als
ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt
(Directionsbezirk Altona) in Berlin, der Eisenbahn-Bau- und Betriebs¬
inspector Müller, bisher in Uelzen, als ständiger Hülfsarbeiter an
das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Harburg und der Eisen¬
bahn-Maschineninspector Wagner, bisher in Lauban, als Vorsteher
der Hauptwerkstätte nach Frankfurt a. 0.
Der Königliche Wasser-Bauinspector Beuck in Posen ist in
gleicher Amts eigen schaft nach Birnbaum versetzt.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt; die Re¬
gierungs-Bauführer Thomas Antony aus Huscheidermühle, Reg.-
Bezirk Trier, KarlFrancke aus Greifenberg i. P., Karl Rutkowski
aus Königsberg O.-Pr. und Ernst Sam wer aus Gotha (Ingenieur¬
baufach); — Karl Haubach aus Darmstadt (Hochbaufach).
Den bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeistern Wilhelm
Möller in Berlin, Anton Nagel in Essen a. d. Ruhr, Otto Stahn in
Berlin und Adolf Winkelmann in Halle a. S. ist die nachgesuchte
Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren M ei sei, Vorsteher
der Eisenbahn-Bauinspection in Warburg, und Kiepenheuer, Vor¬
steher des Materialien-Bureaus der Königlichen Eisenbahndirection
in Erfurt, sind gestorben.
Deutsches Reich.
Ernannt sind:
zu Marine - Schiff bauinspectoren : die Marine - Schiffbau - Ober¬
ingenieure V. Lindern, Rudloff, Hofsfeld und Schrödter;
zu Marine -Maschinenbauinspectoren: die Marine -Maschinenbau-
Oberingenieure Weispfennig, Görris, Bertram, Thomsen und
die Marine-Maschinenbau-Ingenieure 1. Kl. Petzsch und Lehmann;
zum Marine - Hafenbauinspector: der Marine - Hafenbau - Ober¬
ingenieur Schirmacher;
zu Marine -Schiffbaumeistern; die Marine -Schiffbau -Ingenieure
I. Kl. Kasch, Krieger, Gräber, Johow und der Marine-Schiffbau¬
ingenieur H. Kl. Schwarz;
zu Marine - Maschinenbaumeistern: die Marine - Maschinenbau¬
ingenieure 1. Kl. Veith, Uthemann, Scheit und die Marine-
Maschinenbau-Ingenieure 11. Kl. Eickenrodt, Ofers, Lechner,
Klamroth und Fritz;
zu Marine -Hafen -Baumeistern: der Marine -Hafenbau -Ingenieur
I I. Kl. Gromsch und der Regierungs-Baumeister Stieber;
154
Centralblatt der Banverwaltung.
19. April 1890.
zu Marine -Bauführern des Schiffbaufachs: die Marine -Ingenieur-
Aspiranten Schmidt, Göcke, Hölzermann und die Schiffbau¬
ingenieure Arendt, Schultz und Schirmer;
zu Marine - Bauführern des Maschinenbaufachs : der Marine-
Ingenieur - Aspirant Fränzel und die Candidaten des Schiffs¬
maschinenbaufachs Collin und St ä ding.
Der Marine - Maschinenbauinspector Beck ist von der Bau-
Beaufsichtigung in Stettin ab-, und nach Kiel zurückcommandirt,
und der Marine - Maschinenbauinspector Lehmann von Kiel zur
Bau-Beaufsichtigung nach Stettin commandirt.
Der Marine -Schiff baumeister Krieger ist von Kiel nach Berlin
und der Marine -Hafenbaumeister Stieb er von Berlin nach Kiel
versetzt.
Bayern.
Der Oberingenieur Anton Kottmüller in Ingolstadt ist zum Käthe
bei der Generaldirection der Königl. 1). Staatseisenbahnen in München,
der Bezirksingenieur Johann Rasp in Nürnberg zum Oberingenieur
in Ingolstadt und der Betriebsingenieur Christian Schmidt in
Nürnberg zum Bezirksingenieur daselbst befördert. Der Betriebs¬
ingenieur Rudolph Klingsohr in Buchloe ist in gleicher Dienstes¬
eigenschaft nach Rosenheim versetzt. Die Abtheilungsingenieure
Karl Quinat in Memmingen und Hermann Frhr. v. Feilitzsch in
Donauwörth sind zu Betriebsingenieuren in Nürnberg bezw. Buchloe
betördert. Der Abtheilungsingenieur Heinrich Zeulmann in Forch-
heim ist in gleicher Diensteseigenschaft zur Generaldirection der
Königl. b. Staatseisenbahnen versetzt. Der Ingenieurassistent Victor
Fries ist zum Abtheilungsingenieur iind Vorstand der Eisenbahn-
bausection Forchheim und der Ingenieurassistent Heinrich Ga reis
zum Abtheiluugsiugenieur in Regensburg ernannt. Der Abtheilungs¬
ingenieur Eugen Frhr. v. Schacky bei der Generaldirection der
Königl. b. Staatseisenbahneu in München ist in gleicher Dienstes¬
eigenschaft nach Bamberg versetzt.
[Alle Rechte vorbelialten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Das Städtische Spielliaiis in Worms.
Fieber die neue Wormser Volksbühne hat in einer der letzten
Sitzungen des Berliner Architektenvereins der Erbauer dieses eigen¬
artigen Bühnenhauses, Herr Regierungs-Baumeister Otto March in
Charlottenburg, einen mit allgemeinem Beifall entgegengenommenen,
so iuhaltreichen und formvollendeten Vortrag gehalten, dafs wir nicht
verabsäumen möchten, denselben im nachstehenden, erläutert durch
einen Grundrifs und eine Gesamtansicht des Bauwerkes, unseren
Lesern mitzutheilen und ihn so späterer Zeit zu erhalten. Herr
March führte folgendes aus:
„Die Frage der Volksbühne ist zur Zeit eine viel besprochene.
Man darf hieraus auf die Erkenntnifs schliefsen, dafs man der volks-
thümlichsten aller Künste, der Schauspielkunst, einen gröfseren
Einflufs auf unser Culturlebeu einzuräumen gesonnen ist. Ich folge
hier der gegebenen Anregung, einige Mittheilungen über die Wormser
Volksbühne zu machen, deren Entwurf und Ausführung mir über¬
tragen war. Worms ist die Stadt, die für sich das Verdienst in An¬
spruch nehmen darf, in der Frage der Volksbühne zuerst den Kreis
der wissenschaftlichen Erörterungen verlassen zu haben und opferwillig
und muthig mit einem praktischen Versuche vorgegangen zu sein.
Ganz allgemein ausgesprochen, wird es sich bei einem Volks¬
theater darum handeln, den Schauspiel -Genufs einem möglichst
grofsen Publicum ohne Ausschlufs der Minderbemittelten zugänglich
zu machen, d. h. — solange der Staat hierbei seine Verpflichtung zu
Opfern, wie z. B. die für die Museen gebrachten, nicht anerkennt —
die Kosten des Eintritts für den einzelnen Besucher möglichst zu
verringern. Dieses Ziel läfst sich auf zwei AVegen erreichen. Ent¬
weder man vergröfsert unter Beibehaltung der heutigen, immer ver¬
wickelter und kostspieliger werdenden Bühneneinrichtung den Zu¬
schauerraum, oder man verringert die Kosten der Aufführung durch
A^ereinfachung der Bühne und ihrer Einrichtungen. AA^orms hat den
zweiten AVeg eingeschlagen, schon aus dem Grunde, der für jede kleinere
Stadt Geltung behält, dafs hier ein grofses Haus durch den zu er¬
wartenden Besuch nicht gefüllt werden kann. Es lagen aber bei der
Entschliefsung über die Gestaltung des AVormser Städtischen Si^iel-
hauses auch so viele innere Gründe vor, dafs sie mit einigen AA^orten
hier Erwähnung finden müssen.
A^on allen Vorschlägen zu einer Umänderung unsrer heutigen
Bühne mufs uns hier derjenige Schinkels besonderes Interesse ein-
flöfsen. Schinkel machte einen solchen bereits im Jahre 1829, also
zu einer Zeit, in welcher weder eine heut thatsächliche Theater¬
müdigkeit nahelegte neues zrr versuchen, noch übertriebener Theater¬
prunk zu nüchterner Ueberlegung einer Rückänderung zwang. Er be¬
seitigt in seinem für das hiesige Schauspielhaus bearbeiteten Entwürfe,
der in Mappe 23 des Schinkelmuseums auf bewahrt wird, die Coulissen
und Soffiten, die er durch Vorhänge von gleichmäfsig purpurrothem
Stoff in Uebereinstimmung mit dem Vorhang ersetzt, und begnügt
sich zur Andeutung des Platzes der Handlung mit einem gemalten
Hintergründe. Den vorderen Theil der Bühne zieht er halbkreis¬
förmig weit in den Zuschauerraum hinein. Schinkel machte seinen
A^orschlag nicht infolge äufserer A^eranlassung — die Ersparnifs im
Theaterbetriebe führt er erst am Schlüsse des zugehörigen Berichtes
an — , sondern aus ästhetischen Rücksichten. AVir finden sie theil-
weise auf dem Rande der erwähnten Zeichnungen angegeben, voll¬
ständig veröffentlicht aber erst von seinem Neffen Hans v. AVolzogen
in den Bayreuther Blättern 1887. Schinkel beruft sich dabei auf das
Theater der Alten, die, weit entfernt die physische Täuschung zum
Gii^fel der Kunst zu erheben, dieselbe absichtlich vermieden hätten.
Sie hielten eine sinnbildliche Andeutung des Ortes der Handlung für
vollkommen ausreichend, die mitschaffende Phantasie des Zuschauers
anzuregen und diesem die ideale Täuschung erwachsen zu lassen, die
ihm ein ganzes modernes Theater mit allen Coulissen und Soffiten
nicht geben kann. Seine Berufung hätte Schinkel auch auf Shake¬
speare ausdehneii können. In den von Gädertz vor wenigen Jahren
veröffentlichten Zeichnungen des holländischen Gelehrten Johannes
de AVitt, welcher 1596 London bereiste, ist diese völlig decorations-
lose altenglische Bühne dargestellt. Sie sprang viereckig frei in den
mächtigen länglichrunden Zuschauerraum hinein, sodafs die Schau¬
spieler — wenn mau die au der Rückwand der Bühne befindlichen
Logen für bevorzugte Gäste mitberücksichtigt — von allen Seiten
vom Publicum umgeben waren. Dabei wurde in dem oben offenen
Hause bei Tageslicht in den Nachmittagsstunden täglich, auch Sonn¬
tags, gespielt, bezeichnend genug für die Zeit vor den Puritanern.
So befremdlich uns diese A^oraussetzuugen für die Erregung der
schauspielerischen Täuschung erscheinen, so zweifellos müssen wir
davon überzeugt sein, dafs der Eindruck, den die Schauspieler durch
ihr der AA^irklichkeit entsprechendes Spiel in unmittelbarer Nähe
der Zuschauer auf diese ausüben konnten, ein mächtiger war. Dafür
spricht erstens die heut bei weitem nicht erreichte grofse Bedeutung,
welche das Theater in jener Zeit bei dem Volke hatte. De AAutt
nennt in London aufser dem beschriebenen und gezeichneten
Swantheater für 3000 Personen noch vier grofse Schauspielhäuser,
zu denen wenige Jahre darauf noch das Blackfriars -Theater und
das Shakesjjearesche Globe-Theater kommen. Zweitens spricht aber
für die künstlerische AVirkung dieser Aufführungen ganz besonders
die Erwägung, dafs die gewaltige, nicht wieder erreichte Entwick¬
lung des Schauspieles durch Shakespeare nicht zu denken gewesen
wäre, wenn nicht der Dichter in dieser Bühne die richtige Form
für seinen Inhalt gesehen hätte.
Der grofse Denker Richard AA^agner kommt in seinen zahlreichen
das Theater behandelnden Schriften immer wieder zu dem Schlüsse,
dafs die Oper und das gesprochene Schauspiel ganz verschiedene
Phantasieerregungen beabsichtigen, dafs jede der beiden Kunst¬
gattungen einen ganz verschiedenen Stil der Bühne und des Zuschauer¬
raumes erfordern. Ich beziehe mich hier auf die AA^agnerschen
Schriften „Ueber ein Nationaltheater für Sachsen“, „Ueber die Er¬
richtung eines Theaters in Zürich“, auf seine Aufsätze „Staat und
Religion“, „deutsche Kunst und deutsche Politik“ in Band A"III
seiner gesammelten Schriften, und besonders auf die 1851 geschriebene
längere Auslassung: „Oper und Drama“. Er setzt hier auseinander,
dafs das gesprochene Schauspiel die Erlebnisse des einzelnen Menschen
vorführt, sich mit der AA^elt der AAflrklichkeit befafst, während die
Oper auf die Erregung allgemeiner Stimmungen abzielt, eine
idealistische AA^'elt vorführt und schon durch das Mittel des Gesanges
dem Realen abgewandt ist: das Schauspiel plastisch-wirklich, die
Oper malerisch-idealistisch. Für letztere ist daher das dem Zuschauer
örtlich entrückte, malerisch - perspectivische Guckkastenbild das
stilistisch Richtige, für ersteres die plastische AAflrklichkeit; daher
hier lieber die Andeutung als ein Coulissenwesen, welches in der
gesprochenen Aufführung doch nie als AAflrklichkeit empfunden wird,
vielmehr den Dichter, die Phantasie des Zuschauers und auch
diejenige des Spielers beschränkt. Der Einflufs der Puritaner unter¬
brach die grofsartige Entwicklung des altenglischen Schauspiels
• — T ' I ir^'nii iBHi 1 ÜBti lii«ii— iimm im hmi mi i i ■ i'i i imI
Centi^alblatt der Bauverwaltung.
155
Kr. 16.
und verurtheilte es zu dem Todeschlafe, von dem es auch heut noch
nicht erwacht ist. Richard Wagner führt in der erwähnten Schrift
„Oper und Drama“ weiter aus, wie weder das Shakespearesche
Drama, noch die mittelalterlichen Mysterien und Fastnachts¬
schwänke es zu einer stetigen Entwicklung der Schauspielbühne
haben bringen können, wie in Italien die höfischen Singspiele,
dann die italienische, später die französische Oper die Bühnenein¬
richtung lediglich zur Befriedigung ihrer Stilbedürfnisse beeinflufst
und ausgebildet haben und unseren Bühnendichtern nur das aus¬
gesprochene und unausgesprochene Bewufstsein übrig blieb, dafs die
richtige Bühnen- und Schauspiel -Form für ihren dichterischen Stoff
soll. Wohl aber bestätigen die bei diesem Lehrverhältnifs der
Schauspieler und Dilettanten gemachten Erfahrungen die Schillersche
Ansicht, dafs ein solches Zusammenwirken gewinnreich für den Ge¬
schmack und das Empfinden des Volkes und anregend für den
Schauspieler von Beruf sein wird, da dieser hier wirklich einmal mit
dem Volke in Berührung kommt. Denn unsere ausverkauften Häuser
sind vielleicht die „Gesellschaft“ oder ein Theil der Gesellschaft,
aber keineswegs das Volk. Richard Wagner bringt sogar in seinem
Vorschläge eines Theaters für Zürich dieses Verhältnifs der vorbild¬
lichen Berufskünstler und der geplanten städtischen Spielgenossen¬
schaft in ein vollständiges System. Wer einmal in der poetischen
Das Städtische Spielhaus in Worms.
nicht vorhanden ist. Unser gröfster Bühnendichter, Schiller, be¬
ginnt mit der Dramatisirung des Romans, nähert sich dann der
Befolgung der strengeren Formensprache der Franzosen und kommt
schliefslich im Wilhelm Teil so ziemlich beim Gegentheil von dem
an, was er noch bei seiner vorletzten Arbeit, der Braut von Messina,
im Auge gehabt hatte. Wenn er dann seine gröfste dramatische
That, den Wallenstein, selbst ein dramatisches Gedicht nennt, so
verstehen wir die Klage des greisen Goethe, dafs auch er, Goethe,
einmal in dem Wahne gelebt hätte ein deutsches Theater mitschaffen
zu können, dafs aber sein ganzes Leben nur ein Suchen nach dem
Publicum und nach der Form geblieben sei.
Künstlerisch schöpferische Kräfte waren gewifs immer vorhanden
und sind es auch heut. Aber unsere grofsen Bühnendichter Kleist und
Grabbe gingen zu Grunde, ohne die ersehnte Fühlung mit dem V olke
durch das Theater erreicht zu haben. Unsere Dichter nach Goethe
beschränkten sich auf das Lyrische und den Roman, und nur ver¬
einzelte von den Berufenen machen überhaupt den Versuch, sich mit
dem Publicum vermittelst der Bühne auszusprechen. Gewifs mufs
daher das Vorgehen zweier Männer, Friedrich Schön und Hans
Herrig, mit lebhaftem Interesse begleitet werden, die es unter¬
nahmen, unter Anknüpfung an frühere, in ihrer Entwicklung unter¬
brochene Ueb erlief eruugen einer neuen Art der Schauspielkunst
den, wie zu hoffen ist, fruchtbaren Boden zu ebenen. Es handelt
sich hier keineswegs um litterarische und archai'sirende Experimente,
wie etwa Tieck die Wiederherstellung der Shakespeare-Bühne ver¬
langte, sondern Schön und Herrig gingen von dem wirklich Er¬
fahrenen und Erlebten aus, beide mit Richard Wagner nah be¬
freundet und mit seinen durch Nachdenken und reichste Erfahrung
gereiften Ansichten über das Theater innig vertraut.
Die volksthümlichen Aufführungen, deren Erfolge zu weiteren
( theoretischen Ueberlegungen veranlafsten, sind das geschichtliche
^ Festspiel in Rothenburg ob der Tauber und alsdann die Luther-
f aufführung in Worms. Diese Kunstleistungen wurden durch
f Dilettanten unter Anleitung von Berufsschauspielern bewirkt. Man
war dabei gar nicht versucht, an sie den grofsen Mafsstab der berufs-
mäfsigen Schauspielkunst zu legen, deren Wirkungsfeld auch gar
■ nicht durch die volksthümliche Kunstübung beeinträchtigt werden
Tauberstadt Rothenburg am Pfingstm.ontag das Festspiel und die
erhebende Stimmung der Bevölkerung miterlebt hat, der empfindet,
dafs hier thatsächlich ein verheifsungsvolles neues Mittel geschaffen
ist, des Volkes Phantasie anzuregen, deren Beschäftigungslosigkeit
Herrig den grofsen Fluch unserer Zeit nennt. Es ist ein Volksfest
mit geschichtlichem Hintergrund, wie es Fr. Ludwig Jahn in seinem
„Deutschen Volksthum“ auf das wärmste befürwortet hatte. Nicht
durch faschingsmäfsige Reizmittel und Uebertreibungen, sondern durch
das ausschlufslose Interesse an der gemeinsamen Kunstleistung wer¬
den die Stadtbewohner und ihre Gäste zu wahren Festmenschen im
Wagnerschen Sinne gemacht.
Das Festspiel „Der Meistertrunk“ ist von dem Rothenburger
Glasermeister Hörber in theilweise sehr packenden Versen ge¬
dichtet und behandelt einen legendenhaften Vorgang aus der Belagerung
Rothenburgs im dreifsigjährigen Kriege. Es erscheint nicht unwichtig,
seinen Inhalt hier kurz zu erwähnen; Tilly erobert nach tapferer
Gegenwehr der protestantischen Bürger die Stadt und beschliefst
sie durch Plünderung und Zerstörung und durch Hinrichtung der
Rathsherren zu strafen. Während der zwischen dem unerbittlichen
Feldherrn und den verzweifelnden Rathsherren geführten Verhand¬
lungen kommt der Rathskellermeister auf den Gedanken, durch
einen angebotenen Trunk Wein den Sinn Tillys milder zu stimmen.
Der dem Wein sonst grundsätzlich abholde Heerführer läfst sich
durch die kunstvolle Form des mächtigen Ehrenhumpens der Stadt
bewegen, davon zu trinken, und stellt in einer Anwandlung von
Laune die höhnische Bedingung: falls einer der anwesenden
Rothenburger Mannes genug sei, den Riesenbecher in einem Zuge zu
leeren, so wolle er Gnade für Recht ergehen lassen und die Stadt
schonen. Nach kurzem Kampfe entschliefst sich der alte Bürger¬
meister Nusch zu dem Wagnifs und befreit durch dessen Gelingen
die Stadt aus ihren Nöthen.
Es ist nun sehr lehrreich zu erleben, wie dieser Hergang, der
sich nach der flüchtigen Erzählung gut zu einer Lustspielepisode
eignen könnte, in dem Rahmen der Dichtung durch plastische
Wirklichkeit und die nahe Anschaulichkeit der Vorführung zu einem
die Zuhörer tief ergreifenden sich gestaltet. Freilich bietet in diesem
Falle die geschichtliche Oertlichkeit des Schauspielsaales an sich
156
Centralblatt der Baiiverwaltnng.
19. April 1890.
schon einen sonst selten zu erzielenden Kealisinus. Es ist derselbe
Kaum, in dem am 30. ( )ctober 1631 die thatsäcbliclien Verhandlungen
zwischen Till}' und dem Käthe stattfandeu; dieselben Glocken der
nahen Jacobskirche, welche die geängsteten Bürger damals zur
Messe riefen, läuten jetzt zu den Saalfenstern herein; wie damals
hält Tilly mit seinem Gefolge seinen Einzug in den Saal und zwar
mitten durch das zuschaueude Volk hindurch der Bühne zu. Die
hier naiv zwischen Schauspieler und Publicum hergestellte Gegen¬
seitigkeit gestaltet in eigenthümlicher Weise das Interesse an den
leidenden und handelnden Persönlichkeiten zu mitfühlender Täuschung,
und mau kann sich hiernach wohl eine Vorstellung davon machen.
dafs auf der erwähnten alteuglischen Bühne die von allen Seiten
vom Publicum umgebenen Schauspieler imstande waren, einen mäch¬
tigen Eindruck hervorzubringen. Wiederholt habe ich auch Schau¬
spieler sehr guten Namens den Wunsch aussprechen hören, auch
einmal in solchem Kähmen versuchen zu dürfen, Auge in Auge mit
dem Zuschauer ihre eigene zwingende Kraft auf diesen auszuüben,
ohne Hülfe oder Behinderung durch Coulissen mit ihrer von hinten
gesehenen Leinewand und Pappe. — Auf J’reue und Vollendung
der Trachten wird dabei in Kothenburg wie in Worms im Sinne
möglichster Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit das gröfste Gewicht
gelegt. (Schlufs folgt.)
Graftons Drehschaufelbagger,
Wenn Drehschaufelbagger den Anforderungen des Betriebes in
allen Arbeiten gerecht werden sollen — als da sind; Aufnehmen und
Abgeben des Materials in beliebigen Höhen, und zwar Abgeben mit
freihUngendem oder aufliegendem Baggergefäfs, Oeft’nen des Gefäfses,
falls dasselbe unter Wasser einen Gegenstand gefafst hat, den der
Krahn nicht heben kann — , so waren bisher stets zwei Ketten nöthig:
eine eigentliche Lastkette und eine Kette zur Steuerung der Schaufeln.
Solche Baggergefäfse mit zwei Ketten erfordern aber wieder be¬
sondere Ausleger und Winden für den Krahn. Da es nun anderseits
für vorübergehende Bauausführungen, für Versendung der Bagger
auf gröfsere Entfernungen in den Kosten einen erheblichen Unter¬
schied macht, ob man zu vorhandenen Krahnen nur ein Baggergefäfs
nöthig hat, oder ob man sich den ganzen Bagger neu beschaffen
mufs, so sind schon verschiedene Einketten -Drehschaufelbagger auf¬
getaucht, die aber den oben gestellten Anforderungen nur zum Theil
genügen. Eine neue, von Grafton in London angegebene Erfindung*)
löst ihre Aufgabe in folgender Weise:
In dem Gestell des Baggergefäfses B ruhen drehbar bei a die
Schaufeln .1, welche durch Leuker D an ein im Gestell B auf- und
niedergleitendes Querstück C angeschlossen sind und durch die Be¬
wegungen dieses Gleitstücks C geschlossen oder geöffnet werden.
Mit C ist durch Ketten G eine Trommel F verbunden, die um
eine Hohlachse H sich drehen kann, welch letztere fest in den
Schlitten IFIF ruht. Diese Schlitten laufen in denselben Führungen
wie das Gleitstück 6’, sodafs eine Bewegung der Trommel FF^ im
Gestelle nach auf- oder abwärts gleichzeitig mit einer Bewegung des
Gleitstücks C oder unabhängig davon erfolgen kann. Im Inneren
der Hohlachse FI ist
eine Achse K gelagert,
welche kleine Drehun¬
gen machen kann und
dadurch die Trommel
FF'^ unten im Gestelle
festhält oder derselben
den Weg in den Füh¬
rungen B freigiebt.
Angenommen nun,
der Bagger stürze
durch schnelles
Ablassen derKette
E zum Schöpfen
nieder, so befinden
sich alle Theile des
Baggergefäfses in der
aus Abb. 3 (schau¬
bildlich aus Abb. 11)
zu ersehenden Stellung.
Namentlich befindet
sich die Trommel F F^
mit allem Zubehör ganz
oben im Baggergestell,
während eine unten
am Gestell bei i dreh¬
bare Klinke /, deren
Bewegung durch An¬
schläge iz und i-2 be¬
grenzt ist, durch einen Dorn der einen Schaufel gezwungen, ihre
höchste Lage einnimmt.
Sitzt das Baggergefäfs auf dem Boden, wo es schöpfen soll, auf,
so wird die Kette E noch weiter nachgelassen; folglich gleitet jetzt
die Trommel F F^ mit den Schlitten FF IF in den Führungen BB
nach unten, während das Gleitstück C, durch die Schaufeln A
und Lenker ü gehalten, oben im Gestelle in Kühe bleibt. Ist die
Trommel F F^ ganz unten angelangt, so schnappt der Klinkenarm /c
der Welle K unter dem Einflufs des kleinen Hebelgewichtes L über
*) Deutsches Patent Nr. 48 117. Henry Grafton in London.
die Nase U der in ihrer höchsten Stellung befindlichen Klinke 7,
wie in Abb. 5 und in Abb. 3 angedeutet. Die Trommel hat sich
während ihres Niederganges gedreht, in der Art, dafs die am Gleit¬
stück C befestigten Ketten G sich von F^ abwickelten, während die
Krahnkette E sich auf F aufwickelte. Alle Theile nehmen jetzt die
schaubildlich in Abb. 6 dargestellte Lage ein.
Wenn nun die Krahnkette E angezogen wird, so übernimmt der
in der Kette herrschende Zug die Arbeit, welche zum Einschnappen
von k unter D die Dorne A^ zu leisten hatten, nämlich die Federn J
zusammenzudrücken und die Klinken / zu verhindern, in ihre untere,
in Abb. 3 gestrichelt gezeichnete Lage zu gehen, und es bleibt somit
die Achse K der Trommel festgelegt, wenn auch die Dorne A^ beim
Schöpfen der Schaufeln A die Klinken I verlassen. Die Krahnkette
wickelt sich also von F ab, während sich die Ketten G auf F^ auf-
wickeln, sodafs das Gleitstück C nach unten gezogen wird und die
Schaufeln A sich schliefsen. Alle Theile des Baggergefäfses befinden
sich jetzt in der aus Abb. 7 ersichtlichen Stellung.
Für die Entleerung des Baggergefäfses sind drei Fälle zu
unterscheiden. Dasselbe soll entwoder mit Unterstützung von oben,
z. B. beim Baggern aus der Grube und Füllen in Eisenbahnwagen,
oder mit Unterstützung von unten, z. B. unter Wasser beim Betoniren
am Grunde, oder aber ohne jede Unterstützung, also frei an der
Ki-ahnkette hängend, entleert werden.
Im ersteren Falle kommt das Baggergefäfs aus der Stellung,
Abb. 7, ^ allmählich in die Stellung Abb. 8. Die durch Gewichte O
nach innen gehaltenen Klinken M greifen schliefslich über den Ring N,
der mit kurzen Stangen oder Ketten unter dem Kopf des Auslegers
befestigt ist, und das
ganze Werk zeigt die
aus Abb. 1 und 2 er¬
sichtliche Stellung der
Theile, wobei das
Baggergefäfs nicht
mehr an der Krahn¬
kette, sondern unmittel¬
bar am Ausleger hängt.
Wenn jetzt die
Kette E einen
Augenblick nach¬
gelassen wird, so
sinkt die Achse K mit
der Trommel FF^ etwas
herunter. Die Klinke 7
kommt in die in Abb. 3
gestrichelte Lage, und
der Arm k schiebt sich
wieder unter der Nase
F heraus, Abb. 5,
weil die Anschläge l
am Gestell B die Achse
K mittels der Arme L
beim Niedersinken zu
einer kleinen Drehung
nöthigen. Ein neues
A n z i e h e n der Kette E
hat nunmehr zur Folge,
dafs die Trommel FF'^, ohne sich zu drehen, in die Höhe geht, das
Gleitstück C mituimmt und so das Baggergefäfs öffnet (Abb. 9).
In Bezug auf den eben erörterten Punkt hat der vorliegende
Einketten -Bagger sogar in der Arbeitsweise einen Vorzug vor dem
Priestmanschen und ähnlichen Zweiketten -Baggern. Wenn nämlich
beim Baggern aus der Grube die volle Constructionshöhe ausgenutzt
werden soll, wobei der Krahn nicht höher gestellt wird, als dafs die
Beladung der Eisenbahnwagen vom Ausleger gerade noch gelingt,
so ergiebt sich die ganze Höhe, um welche die Trommel 7*^ T*’!
im Gestelle bei der Entleerung ansteigt, als Gewinn, da
beim Priestmanschen und ähnlichen Baggern das ganze Gestell
Abb. 1. Abb. 2.
Nr. 16.
Centralblatt der Bauverwaltung.
157
nm den gleichen Betrag behufs Entleerung von der erreichten
Höhe unter dem Ausleger wieder herabfallen mufs.
Die während der ganzen Dauer der Entleerung aufsteigende
Bewegung der Kette E wird erst dann unterbrochen, wenn das
Gleitstück C durch Anstofsen an die Hebel O die Klinken M auslöst
(Abb. 3 und 4), sodafs nunmehr ein schnelles Nachlassen der Kette
ein Niederfallen des Baggergefäfses behufs neuer Materialaufnahme
ermöglicht (Abb. 10 und 11).
Wenn der Bagger nicht gezwungen ist, die ganze Constructions-
höhe voll auszunutzen, so wird er dadurch entleert, dafs das nach
Abb. 7 gefüllte Gefäfs auf irgend welche feste Gegenstände, Roll¬
wagen, Baggerschuten, Querbalken über einer Schüttrinne oder dgl.
Soll endlich das Baggergefäfs ohne unmittelbare Unterstützung,
also nur an der Kette E hängend, an beliebiger Stelle zur Entleerung
gebracht werden, so wird auf einen Augenblick die Kette E nach¬
gelassen. Ehe nun das dem freien Falle überlassene Baggergefäfs
zu fallen anfängt, haben bereits die in J eingeschlossenen Federn
die Klinken I nach unten gedrückt und somit die Welle K ausgelöst.
Während also jetzt die Trommel FF^ am Orte bleibt, stürzt wie
beim Priestmanschen Bagger das ganze Gefäfs nach unten, bis die
Gewichte O an das Gleitstück C stofsen, womit der Bagger entleert
und zu neuem Aufgreifen von Material bereit ist.
Wie ersichtlich, sind die Federn J nur für die letzterwähnte be¬
sondere Art der Entleerung nöthig, und da man diese Entleerungs-
Abb. 0.
Stellung, weuu die Schau¬
feln zu schöpfen (sich zu
schliefsen) anfangen.
Abb. 7.
Stellung beim Heben
und Senken des vollen
Gefäfses.
Abb. 8.
Stellung der
Klinken M u.
Gewichte 0 un¬
mittelbar vor
Einhängnng
des Gefäfses in
den Ausleger.
K
Abb. 9.
Stellung bei der Entlee¬
rung, wenn das Bagger¬
gefäfs am Krahnausleger
hängt.
Abb. 10.
Stellung der
Klinkeu 3f u.
Gewichte 0 un¬
mittelbar nach
Lösung des
Baggergefäfses
vom Ausleger.
Abb. 11. Abb. 12.
Stellung beim Nieder- Stellung bei der Entlee-
stürzen des leeren Gefäfses rung, wenn das Gefäfs mit
zum Schöpfen. den Schaufeln aufniht.
aufgesetzt wird. In diesem Fall wird wieder die Krahnkette E ent¬
lastet, weil das Gewicht des Gefäfses von der Unterstützung auf¬
genommen wird. Die Welle K mit der Trommel FF^ kann sich im
Gestelle also wieder etwas senken, sodafs sie sich von der Klinke 1
auslöst, und nun erfolgt durch Anziehen der Kette E eine Entleerung
nach Abb. 12 genau so, wie wenn das Gefäfs am Krahnausleger
hängt (Abb. 9).
weise stets umgehen kann, so sind auch die Federn J als überflüssig
zu betrachten.
Der erste nach dieser, auch in England patentirten Bauart
ausgeführte Bagger arbeitete im verflossenen Sommer im Alexandra-
Dock in Hüll und zwar in dünnschlammigem Boden, was seine
Leistungsfähigkeit beeinträchtigte. Bei Arbeiten in festerem Boden
dürfte der Bagger nichts zu wünschen übrig lassen. — n.
Mittheiliingen über Oberbau auf englischen Eisenbahnen
(Schliffs.)
3. Ergebnisse.
Was nun die Leistung des Stuhlschienen -Oberbaues anbetrifft,
so ist bekannt, dafs der Verkehr sowohl an Dichtigkeit als auch an
Schnelligkeit auf den wichtigeren Eisenbahnlinien Englands denjenigen
der anderen Länder nicht unerheblich übertrifft, während zugleich
die Betriebssicherheit als eine verhältnifsmäfsig hohe anerkannt wird.
Denn wenn auch die diesbezüglichen Vergleiche des kürzlich er¬
schienenen Buches von Foxwell und Farrer von zuständiger Seite (im
Archiv für Eisenbahnwesen 1890 I und darauf fufsend auch in der
Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen, 1890 Heft 7
u. 8), zumal hinsichtlich der daselbst ermittelten Durchschnittsge¬
schwindigkeiten, als durchaus einseitig und vielfach unrichtig nach¬
gewiesen sind, und wenn in England auch langsame Personenzüge
(z. B. von 35 km Durchschnittsgeschwindigkeit mit Aufenthalt) recht
wohl Vorkommen, so wird doch obenbezeichnete Thatsache keines¬
wegs bestritten, und jedenfalls dürften so hohe regelmäfsige Fahr¬
geschwindigkeiten wie z. B. zwischen Edinburg und London (645 km
mit 4 — 5 Aufenthalten nebst einer Mittagspause von 20 Minuten in
8V2 Stunden, also mit Aufenthalt 76 km in der Stunde) wohl kaum
irgendwo anders erreicht werden. (Berlin- Köln etwa 63, Spandau-
Hannover 69, Breslau -Berlin 68,8 nach der bezeichneten Quelle.)
Gleiches gilt von der reinen Fahrgeschwindigkeit, welche Verfasser
mehrfach zu 108 bis 109 km in der Stunde beobachtet hat, und welche
sogar bis 120 km steigen soll. Wenn nun bei dem regelmäfsigen Vor¬
kommen so grofser Geschwindigkeiten und bei gleichzeitig grofser
Lebhaftigkeit des Verkehrs — also auch kleinen Pausen für die
Arbeiten am Geleise — der Oberbau doch so gut zu erhalten ist, dafs
das Fahren auf demselben, und zwar auch in dritter Wagenklasse*),
*) Die englischen Schnellzüge führen bekanntlich zum Theil nur
erste und dritte Klasse. Die letztere ist dann jedoch sehr viel be¬
quemer als diejenige auf deutschen Bahnen, namentlich mit Polstern
zum bequemen Anlehnen des Kopfes versehen, deren Fehlen langes
Fahren in der dritten Klasse auf deutschen Bahnen schwer erträglich
macht.
durchweg ein überraschend sanftes und ruhiges ist, wie man es auf
dem Festlande selbst bei den besterhaltenen Strecken nicht findet,
so kann man jedenfalls dem englischen Oberbau das Zeugnifs einer
vorzüglichen Bewährung nicht versagen. Bezüglich der dort aufzu¬
wendenden Unterhaltungsarbeiten und -Kosten wären zuverlässige
Angaben, weiche dem Verfasser zur Zeit noch fehlen, von besonderem
Werth. Jedoch ist es auffallend, dafs man sehr grofse Strecken
durchfahren kann, ohne von irgend welcher Arbeit am Geleise etwas
zu merken. Auch macht der Oberbau keineswegs den Eindruck, als
ob viel daran gearbeitet würde, scheint sich vielmehr in einer sehr
dauerhaften und ruhigen Lage zu befinden, und es möchte nicht
unwahrscheinlich sein, dafs die gegenüber dem deutschen Oberbau
vorhandenen Mehrkosten der ersten Anlage durch die Ersparnisse
an Untei-haltungs- und Erneuerungskosten mehr als aufgewogen
werden. In so günstigen Ergebnissen ist denn auch der Grund zu
suchen, weshalb man in England mit bekannter Zähigkeit an dem
Stuhlschienen-Oberbau festhält und denselben nur nach der Seite der
Gewichtsverstärkung weiter ausgebildet hat, dagegen von allen Ver¬
suchen mit anderen Grundformen des Gestänges immer bald wieder
zurückgekommen ist.
Betrachtet man die Wirkungsweise des Oberbaues und beachtet
als die schlimmsten Feinde der Schienenbefestigung und der ruhigen
Geleislage einmal die seitlichen Stöfse der Spurkränze gegen den
Schienenkopf und sodann die schwingenden Erschütterungen des
ganzen Gestänges mitsamt den Schwellen, welche durch die Fahr¬
bewegungen in senkrechter und wagerechter Ebene hervorgerufen
werden; berücksichtigt man ferner, dafs diese Wirkungen mit der
Schwere der Maschine und mit der Geschwindigkeit zunehmen, so
erscheint es durchaus erklärlich, wie der oben geschilderte schwere
Stuhlschienen-Oberbau in hervorragendem Mafse geeignet ist solchen
Beanspruchungen zu widerstehen. Die Seitenkräfte wirken zunächst
auf Verschiebung und Umkanten der Schiene nach aufsen
und somit auf Verdrücken der äufseren und Heben der
inneren Befestigungsmittel. Wenn nun diese die Schiene nur an
ihrem unteren Rande fassen, so mufs die letztere schon eine merk-
158
Centralblatt der Banverwaltung.
19. Apiil 1890.
liehe elastische Yerdrehiiug erfahren, bevor die Befestigungsmittel
am inneren Fufsrande der Schiene zur Wirkung gelangen können.
Verstärkt wird diese Verdrehung, sobald der Seitenstofs gegen den
Schienenkopf zwischen zwei Befestigungspunkten der Schiene er¬
folgt; auch tritt alsdann zu der Verdrehung noch eine Biegung iin
wagerechten Sinne hinzu. Aber auch wenn ein starker Seiteustofs
gerade über einem Stützpunkte erfolgt, so reichen doch die Befesti¬
gungsmittel an dem einen Punkte keineswegs aus, um allein gegen
Verschiebung und namentlich gegen Kanten auf die Dauer genügend
zu widerstehen*); vielmehr müssen die benachbarten Befestigungs¬
stellen zur Mitwirkung herangezogen werden, was wieder eine vorgän¬
gige elastische Verdrehung der Schiene voraussetzt. (Hieraus erklärt
sich die Thatsache, dafs man an der inneren Seite stets zwischen die
Xagelköpfe und den Schienenfufs die Klinge eines Taschenmessers
einschieben kann.) Bei Anwendung von richtig gelochten Unterlags¬
platten wird zwar der Widerstand der äufseren Befestigungsmittel
gegen Verdrücken dxn-ch Hinzuziehen der inneren wesentlich ver¬
stärkt; auch erhält die Schiene gegen Umkanten nach aufsen einen
festeren Stützpunkt, aber der AViderstand der inneren Befestigungs¬
mittel gegen Ausziehen wird dadurch nicht gebessert. Zudem bieten
diese, gleichviel ob Nägel oder Schwellenschrauben, stets nur sehr
kleine Flächen bis höchstens 2 cm Breite zum Anlegen der Schiene
dar. [Die senkrechte Haltkraft der Schrauben ist zwar zu Anfang
erheblich gröfser als diejenige der Nägel; sie läfst aber mit der Zeit
stark nach.
Ganz anders ist hier eine richtig ausgeführte Stuhlbefestigung
imstande, die Angriffskräfte aufzunchmen. Der schwere, mit den
Schwellen zu einem Stück festverbundene Stuhl fafst die Schienen
mit ganz breiten Flächen (etwa 80 mm an der inneren, 180 mm
an der äufseren Seite) und — was sehr wesentlich — au der Aufsen-
seite unmittelbar unter dem Kopf, also so hoch, dafs die auf Um-
kanteu der Schienen wirkenden Kräfte fast ganz ohne Hebelarm zu¬
nächst von dem festanliegenden Holzkeil und sodann von dem Stuhl
selbst aufgenommen werden. Zu einer Verdrehung der Schiene liegt
also kaum noch irgend welcher Grund vor. Ein Aufkanten des
ganzen Stuhles aber ist bei der grofseii Grundfläche (394 mm quer
zur Schiene) und reichlichen Befestigung desselben vollends ausge¬
schlossen.
AA"as dann weiter die Erschütterungen betrifft, welche nach
Uebertragung der senkrechten und wagerechten Stöfse durch die
Befestigungsmittel auf die Schwellen das ganze Gestänge auszu¬
halten hat, so verlangt die thunlichste Unschädlichmachung derselben
vor allen Dingen eine möglichst grofse Masse, also ein reichliches
Gewicht des gesamten Oberbaues, und dieser Punkt scheint nicht
immer die nöthige Beachtung gefunden zu haben, so u. a. bei der
Anwendung zu leichter eiserner Schwellen. AVie jeder andere, Be¬
wegungen ausgesetzte Baukörper — beispielsweise das Grundmauer¬
werk einer Maschine — nur durch sein Gewicht die nöthige Festigkeit
gewinnt, so kann auch das eines gemauerten Unterbaues entbehrende
Eisenbahngestänge nur durch seine eigene träge Masse den sich
immer wiederholenden Erschütterungen die nöthige Ruhe entgegen¬
setzen.
Das umgebende Bettuugsmaterial kann niemals das fehlende
Gewicht des Gestänges ersetzen, weil es in sich keinen zusammen¬
hängenden Körper bildet und der festen Verbindung mit dem Ge¬
stänge ermangelt. Die ruhige Lage des Geleises wird also
etwa in gleichem Verhältnifs mit dem Gesamtgewichte
des Gestänges zunehmen. In dieser Beziehung bieten nun die
gufseisernen Stühle neben ihrer kräftigen AVirkung zur Befestigung
der Schienen zugleich ein verhältnifsmäfsig billiges Mittel zur Er¬
höhung des Gewichts. Der obengeschilderte Stuhlschieneu- Oberbau
wiegt im ganzen, ivenn man die Schwelle (in beiden Fällen) zu 68 kg
rechnet, auf 1 Aleter Geleislänge 228 kg gegen etwa 156 kg bei einem
durchweg mit Unterlagsplatten versehenen deutschen Oberbau, also
46 pCt. mehr. Hieraus erklärt sich zur Genüge die erheblich ruhigere
Lage des englischen Gestänges, welche den Unterhaltungsarbeiten
aufserordentlich zu statten kommen mufs.
Neben diesen für die Leistung und Dauer des Oberbaues wichtigen
Punkten spricht noch ein anderer, für die Auswechslungsarbeiten
wesentlicher Umstand sehr zu guusten des Stuhlschienen -Oberbaues.
Zunächst erfordert das Auswechseln einer Schiene (abgesehen von
der Stofsverbindung) nur das Losschlagen und AA^iedereintreiben
von 11 Holzkeilen, während bei der Breitfufsschiene auf 11 Schwellen
24 Nägel und 11 Unterlagsplatten, zusammen 35 lose und meist recht
*) Die Rechnung ergiebt dies sofort, wenn man die freilich
unbekannte Seitenkraft schätzungsweise zu Vs oder auch nur zu
1/2 des gröfsten Achsengewichtes annimmt, was wohl nicht zu hoch
sein dürfte.
kleine Stücke zu handhaben sind. Sodann kommt alles Arbeiten
an der Schwelle wie Ausziehen und Eintreiben von Nägeln, Bohren,
Nachkappen, Spurnageln u. dergl. mehr in AA^egfall. Jede Schwelle
bildet mit den beiden Stühlen zusammen ein festes, unveränderliches
Ganzes bis zum Vergang der Schwelle, welches als ein Stück zusammen
ausgewechselt wird. Dieselbe Einfachheit der Aufstellung und Er¬
haltung kehrt bei den AVeichen, Herz- und Kreuzstücken wieder, so-
dafs auch in dieser Hinsicht im Verein mit der längeren Dauer die
Unterhaltungsarbeiten sich sehr viel günstiger gestalten müssen, als
es bei der Breitfufsschiene des Festlandes erreichbar ist.
Fragt man nun nach den Umständen, welche seiner Zeit in
Deutschland zum Verlassen des Stuhlschienen-Oberbaues geführt haben,
naclidem derselbe (obwohl mit sehr viel leichteren Stühlen als der
jetzige englische) sich bei verschiedenen Bahnen bereits bewährt
hatte, so ist es dem Verfasser bisher nicht gelungen, recht stich¬
haltige Gründe dafür zu ermitteln. Man hört zunächst einwenden, dafs
Gufseisen im Geleise wegen seiner geringeren Sicherheit grundsätz¬
lich auszuschliefsen sei. Nachdem jedoch auf den englischen Bahnen bei
einem erheblich stärkeren und grofsentheils zugleich schnelleren Ver¬
kehr durch die Jahrzehnte hindurch diese Besorgnifs als irrig erwiesen
ist, kann dieselbe nicht wohl ernstlich mehr in Betracht kommen.
Uebrigens ist auch nicht bekannt, dafs in Deutschland Klagen über
häufiges Brechen der Stühle vorgekommen seien, und selbst wenn es
der Fall sein sollte, so würde das nur darauf schliefsen lassen, dafs
mau dazumal der Gestaltung und Herstellung der Stühle noch nicht
diejenige Erfahrung zuwenden konnte, welche heute ohne Zweifel
mindestens in England besteht.
AVeiter wird angeführt, dafs die Holzkeile infolge des Schwin¬
dens leicht lose würden und herausfielen. Nun mag vielleicht der
gleichmäfsigere Feuchtigkeitsgehalt der Luft in England in dieser
Beziehung dem Verhalten des Holzes etwas günstiger sein als auf
dem Festlande, aber ein entscheidender Einflufs dürfte diesem Um¬
stande doch kaum zuzumessen sein. Vielmehr würde auch hier eine
richtige Auswahl, Behandlung und Gestaltung des Holzes (vgl. die
oben angeführte starke Pressung, die nicht keilförmige Gestalt
u. a. m.) sowie namentlich auch die richtige Bildung der Stuhlbacken,
die Bedeckung der Keile mit Kies, endlich die Lage derselben an
der Aufsenseite des Geleises — damit im Augenblick eines Seiten-
stofses der Keil nicht gelockert, sondern im Gegentheil festgeprefst
wird — voraussichtlich die Haltbarkeit der Keile zu einer ganz oder
nahezu ebenso günstigen machen wie in England. Zudem hört man
übrigens von denjenigen Beamten, welche in Deutschland mit der
Unterhaltung von Stuhlschienengeleisen selbst betraut gewesen sind,
namentlich von den betreffenden Bahnmeistern, soweit bekannt,
nur günstige Urtheile über die einfache und leichte Unterhaltung
derselben.
Der gerügte Uebelstand scheint also auch hier kaum in sehr
erheblichem Mafse fühlbar geworden zu sein. Auch ist jedenfalls
das Ueberwachen und Nachtreibeu von 11 kräftigen Holzkeilen un¬
gleich einfacher als dasjenige von 24 Nägeln oder das Nachziehen
ebensovieler Schrauben, ganz zu schweigen von dem Hinzukommen
des Nachbohrens, Nachkappens, Aufwuchtens der Schwelle und der
damit verbundenen häufigen Beunruhigung der Bettung.
AVenn nun auch ohne Zweifel der Oberbau mit Breitfufsschienen
durch Vermehrung der Schwellenzahl (von 10 auf 11) sowie durch die
sehr wünschenswerthe Verlängerung der Schwellen von 2,5 auf 2,7 m
und namentlich auch durch den AVegfall der schwellenzerstörenden
Kappung mittels Anwendung heiliger Unterlagsplatten, endlich durch
Verstärkung der Schiene wesentlich verbessert werden kann, so sind
dadurch doch keineswegs die bezeichneten A^orzüge eines guten
Stuhlschienen-Oberbaues — hohe und kräftige Fassung der Schiene,
schwere Alasse der Stühle, AVegfall jeder Nacharbeit an der Schwelle,
leichteste Auswechslung — zu ersetzen. Es dürfte sich sonach in
hohem Mafse empfehlen, auch in Deutschland unter sorgfältiger Be¬
achtung aller bisherigen Erfahrungen Versuche mit einem ähnlich
gebildeten Stuhlschienen-Oberbau in gröfserem Mafsstabe anzustellen.
Bei richtiger Ausführung derselben läfst sich ein guter Erfolg mit
Sicherheit voraussehen.
Hinsichtlich der AA^eichen möchte abgesehen von der schon her¬
vorgehobenen Einfachheit der Ausführung und dem AVegfall der
beiden Schienenstöfse am Herzstück noch die ununterbrochene
Durchführung der Schienenneigung und der AVegfall jeder
Spurerweiterung, überhaupt die grofse Knappheit aller Spiel¬
räume Beachtung verdienen. Namentlich dieser letzte Umstand
dürfte die Seitenbewegung der Fahrzeuge wesentlich vermindern und
somit nicht unerheblich beitragen zu dem stofsfreien, obwohl sehr
raschen Durchfahren der Stationen, welches die englischen Schnell¬
züge ebenso auszeichnet wie die sanfte Fahrt auf freier Strecke.
A. Goeriug.
Kr. 16.
Centralblatt der Bauverwaltung.
159
Vermischtes.
f '■ Die eisenl)ahufacli>vissenscli.aftlichen Vorlesungen in Preufsen
werden im Sommerhalbjahr 1890 in folgender Weise stattfinden. In
Berlin werden in den Räumen der Universität Vorlesungen über die
Verwaltung der preufsischen Staatseisenbahnen sowie über die Na¬
tionalökonomie der Eisenbahnen, insbesondere das Tarifwesen, ge¬
halten werden. Das nähere, namentlich auch bezüglich der Anmel¬
dung zu den Vorlesungen, ist aus dem Anschläge in der Universität
ersichtlich. In Köln finden Vorlesungen über Eisenbahn-Betriebs¬
lehre im Verwaltungsgebäude der Königlichen Eisenbahn-Direction
(linksrheinische) daselbst statt.
Der Vorstand des Architekten- und Iiigoiieur- Vereins für
Rheinland und Westfalen in Köln ist für das neue Vereinsjahr wie
folgt zusammengesetzt. Vorsitzender: Geh. Baurath Rüppell, Stell¬
vertreter desselben: Stadtbaurath Stübben, Schriftführer: Regierungs-
Baumeister Schwedler, Kassenführer: Architekt Franz Erben. Sonstige
Mitglieder: Regierungs- und Baurath Bessert-Nettelbeck, Architekt
Mewes, Bauinspector a. D. Schellen, Architekt Wiethase.
Beseitigung des Schnees durch die städtischen Entwässerungs¬
canäle. In gleicher Weise, wie von Frankfurt a. M. berichtet wird,
wurden auch seitens des Tiefbau-Amtes der Stadt Köln beim letzten
Schneefall Versuche zur raschen Beseitigung der Schneemassen durch
Einstürzen in die unterirdischen Entwässerungscanäle ausgeführt.
Die für diesen Zweck an mehreren Stellen der Neustadt über dem
Hauptabzugscanale zum Rheine hergestellten gemauerten Einwurf¬
schächte mündeten senkrecht in den Canalscheitel ein und hatten
einen rechteckigen Querschnitt von 0,75 zu 1,50 m. Bei einem
Schachte, unter welchem der Canal einen eiförmigen Querschnitt von
1,80 zu 1,20 m und ein Sohlengefälle von 1 : 600 hat, war es möglich,
den Schnee aus den zweirädrigen, etwa IV2 cbm fassenden Pftrde-
kippkarren unmittelbar in den Canal abzustürzen, ohne die Vorfluth
zu behindern. Bei einem anderen Schachte über einem Canal von
1,20 zu 0,70 m Querschnitt und dem gleichen Sohlengefälle erwies
sich dieses Verfahren zwar als nicht durchführbar, obgleich bei
diesem Schachte eine kräftige, in der Richtung des Canalstromes
wirkende, durch die Wasserleitung betriebene Brause im Canal¬
scheitel angebracht war: die plötzlich hineingestürzte, verhältnifs-
mäfsig grofse Schneemasse bildete im Canale sofort eine Verstopfung,
welche künstlich beseitigt werden mufste. Dagegen konnte auch bei
diesem Schachte trotz der verhältnifsmäfsig geringen Canalwasser¬
menge durch vier Arbeiter gleichzeitig fortdauernd Schnee eiir-
geschaufelt werden, welcher, infolge der augenscheinlich vorzüglichen
WTrkung der Brause, ohne jede Stockung von dem Canalwasser fort¬
geführt wurde. Wenige hundert Meter weiter abwärts waren die
Schneemassen schon vollständig zerschmolzen. Durch die erwähnten
beiden Schächte allein wurden innerhalb weniger Stunden mehrere
hundert Fuhren Schnee beseitigt. G.
Neuer Patentstuhl für Tlieatergebäude usw. Es war zu er¬
warten, dafs die die bauliche Anlage und innere Einrichtung von
Theatern, Circusgebäuden und öffentlichen Versammlungsräumen
betreffende Polizei -Verordnung vom 30. November v. J. zu neuen
Einrichtungen und Erfindungen auf dem von der Verordnung
betroffenen Gebiete anregen würde. So haben die Paragraphen 9
und 16, welche u. a. vorschreiben, dafs „nur Klappsitze, welche selbst-
thätig aufschlagen, verwendet werden dürfen“ und dafs „die Thüren
und Treppen derart anzuordnen sind, dafs die Mehrzahl der Besucher
sich der Bühne abwenden mufs, um die Ausgänge zu erreichen“, den
Regierungs - Baumeister W. Schleicher in Düsseldorf eine neue
Stuhleinrichtung ersinnen lassen, die es ermöglicht, dafs die Besucher
des Parketts und der Galerieen nicht nur, wie bisher üblich, in den
Gängen parallel zur Bühne, sondern auch in Gängen senkrecht zu
dieser den Zuschauerraum verlassen können. Die Einrichtung ist
von der Ersten Würzburger Möbelfabrik, Gebi’. Billigheimer, zur
Ausführung übernommen und besteht im wesentlichen darin, dafs
der aus Eisen und Holz gefertigte Stuhl sich nicht, wie es bisher
üblich war, nach hinten, sondern selbstthätig nach der Seite auf¬
klappt. Näher wird die Construction durch die Abbildungen ver¬
anschaulicht. Der Sitz hat eine seitlich liegende, nach hinten geneigte
Achse, um die er aufklappen kann. Eine Zugstange verbindet ihn
mit der als Gegengewicht wirkenden Lehne und zieht diese herab,
wenn der Sitz hinaufklappt. Im offenen Zustande nimmt der Sitz
nicht mehr Platz von dem Durchgänge weg, als die Rückenlehne
breit ist. Beträgt diese Breite 12 cm, so bleiben bei 55 cm Stuhl¬
breite für den Durchgang zwischen zwei Stühlen 43 cm, ein Mafs,
welches den Verhältnissen in besseren Theatern entspricht. Der
Gang parallel zur Bühne wird bei Annahme der geringsten zulässigen
Tiefe von 80 cm für die Reihe 41,5 cm breit, welches Mafs für das
Vorbeigehen einer anderen Person vollkommen frei wird, da der
Stuhlinhaber beim Aufstehen nicht vor dem Stuhle steht, also den
Gang verengt, sondern in den offenen Stuhl hineintritt. Die Ein¬
richtung nutzt den Raum thunlichst aus (der Mittelgang im Parkett
wird fortfallen können), sie ist gewifs ein wirksames Mittel, bei
einem entstehenden Brande plötzlicher Verwirrung und daraus
folgendem Unheile zu steuern, und ihre baldige versuchsweise An¬
wendung in einem gröfseren Theater dürfte sich sehr empfehlen.
„Der Wettstreit der Banstile‘‘, das allegorische Festspiel, mit
dem Herr Regierungs -Baumeister W. Körber zur diesjährigen
Schinkelfeier des Berliner Architektenvereins die Festtheilnehmer er¬
freute (vgl. S. 120 d. J.), ist bei der Verlagsbuchhandlung von Ernst
u. Korn in Berlin erschienen und für 50 Pfennig käuflich zu er¬
halten. Wird die Drucklegung der gehaltvollen und dabei launigen
Dichtung denen, die bei ihrer Aufführung zugegen waren, dauernd
eine angenehme Erinnerung bilden, so werden die gewandten Verse
Körbers sicherlich in weiten Fachkreisen mit vielem Vergnügen
gelesen werden; auch wird die Berliner Aufführung des Stückes
gewifs nicht die erste und zugleich letzte gewesen sein.
Zur Messung der Sclmeeliöhen. Wie im Jahrgang 1888 dieses
Blattes (S. 212) mitgetheilt wird, ist die Beobachtung der winter¬
lichen Schneebedeckung für meteorologische und hydrologische
Zwecke im Königreich Bayern bereits angeordnet worden; ihre
weitere Einführung in anderen Staaten steht wohl in naher Aussicht.
Es wird hierdurch ermöglicht, die im Niederschlagsgebiet eines
Stromes zeitweise lagernden Schneemengen annähernd zu messen
und einen ungefähren Anhalt über die mögliche Gröfse des im Früh¬
jahr durch das Schmelzen dieser Schneemassen herbeigeführten Hoch¬
wassers der Ströme zu gewinnen. Um nun die Messung der Schnee¬
höhen für die Vorausbestimmung der Hochwasser nutzbar zu machen,
bedarf es der Beantwortung der Frage, welche Mächtigkeit in Milli¬
metern eine Schneedecke haben mufs, um nach dem Schmelzen eine
Wasserschicht von 1 Millimeter Mächtigkeit zu liefern, wie grofs
also die Dichtigkeit des Schnees im Vergleich zum Wasser ist; erst
dann ist man imstande anzugeben, wie viel Cubikmeter Wasser —
das spätere Hochwasser — die im Niederschlagsgebiet eines Stromes
gemessenen Schneemengen enthalten.
Wir machen deshalb auf die bezüglichen Untersuchungen des
Meteorologen Dr. Schreiber aufmerksam, welche im Aprilheft 1889
der Meteorologischen Zeitschrift veröffentlicht sind. Es wurde in
einem Kasten bei verschiedenen Temperaturen der gefallene Schnee
seiner Höhe nach genau bestimmt, sodann in einem Gefäfs gesammelt
und gewogen. Durch Vergleich des gefundenen Gewichtes, der ge¬
messenen Schneehöhe und der gegebenen Bodenfläche des Kastens
ergab sich die einem Millimeter Regenniederschlag entsprechende
Schneehöhe in Millimetern. Die Messungsergebnisse schwankten nun,
wie leicht erklärlich ist, je nach der Temperatur, bei welcher der
Schnee gefallen war, zwischen der Verhältnifszahl 6,6 Schnee : 1 Wasser
bei Thauwetter, und 34 : 1 bei strengem Frost. Bei höheren Tem¬
peraturen ist der Schnee mit Wasser reichlich durchsetzt, enthält
also eine verhältnifsmäfsig gröfsere Wassermenge als bei grofser
Kälte, wo der Schnee lockerer ist und sich weniger fest zusammen¬
ballt. Als Mittelwerth für die Dichtigkeit des Schnees ergab sich
aus 26 verschiedenen Messungen das Verhältnifs 16 : 1.
Um nun den Wassergehalt der im Niederschlagsgebiet eines
Stromes lagernden Schneemengen zu bestimmeir, worauf es dem
Hydrotechuiker hauptsächlich ankommt, können die angegebenen
Dichtigkeitszahlen selbstverständlich nur als ungefähre Anhaltspunkte
dienen, da jede ältere gelagerte Schneedecke in ihren einzelnen
Höhenschichten erhebliche Dichtigkeitsunterschiede zeigt. Während
die oberen, jüngeren Schichten noch aus frisch gefallenem, lockeren
Schnee bestehen können, dessen Dichtigkeit eine geringe ist, sind
die unteren Schichten in der Regel durch Regen, Thau, Nebel und
Reif verdichtet und vielfach mit Eisplatten — durch gestautes und
160
Centralblatt der Bauverwaltung.
1». April 1890.
später wieder gefrornes Schmelzwasser entstanden — durchsetzt. Um
somit zu einem genaueren Ergebnifs zu gelangen, müfste die Dichtig¬
keit der verschiedenen Höhenschichten einer Schneedecke vorher
ermittelt werden, vielleicht durch Einstechen eines senkrechten
Schneecylinders — Messungen, die sich immerhin als zeitraubend und
schwierig ausführbar heraussteilen werden.
Einen ungefähren Kückschlufs auf die Dichtigkeit einer älteren
Frühjahrs-Schneedecke kann man auch aus den winterlichen meteoro¬
logischen Vorgängen des betreffenden Niederschlagsgebietes machen.
Regenreiche, durch starke Temperaturwechsel ausgezeichnete Winter
werden eine dichtere, wasserreichere Schneedecke aufweisen, als
trockene gleichmäfsige Winter, in denen der gefallene Schnee lockerer
bleibt und sich weniger fest lagert.
Neben den atmosphärischen Vorgängen spielen bei diesen
Schätzungen der Schneedichtigkeit die allgemeinen Verhältnisse des
Erdreichs selbst im Niederschlagsgebiet eine grofse Rolle. Es sind
hier vor allem die Tiefe, bis zu welcher der Frost eingedrungen ist
und die Bodenbeschaff’enheit des vom Schnee bedeckten Erdreichs
ins Auge zu fassen. Wenig gefroi'enes und weiches Erdreich (Humus
und Sandboden) vermag gröfsere Massen von Schmelzwasser aufzu¬
nehmen, verringert also in jeder winterlichen Thauzeit den Wasser¬
gehalt der Schneedecke, während auf tiefgefrorenem und felsigem
Boden das Schmelzwasser nicht zur Versickerung gelangt, sich staut
und bei späterem Gefrieren eine dichte Eisschicht unter dem Schnee
bildet. Im ersteren Falle wird man somit auf eine geringere, iin
letzteren auf eine gröfsere Dichtigkeit der Schneemassen schliefsen
können. Aufser den erwähnten können noch andere örtliche Be¬
dingungen einer Schneedecke für die annähernde Bestimmung ihrer
Dichtigkeit inafsgebend werden, wie, um nur einiges anzuführen, die
Neigung, Vegetation und Sonnenbestrahlung der betreffenden Boden¬
fläche — Bedingungen, deren eingehende Betrachtung hier zu weit
führen dürfte.
Es ergiebt sich aus dem Angeführten, dafs die Schätzung
des Wassergehaltes der im Niederschlagsgebiete eines Stroms
lagernden Schneemassen nur unter Zugrundelegung einer gröfseren
Reihe von Beobachtungen erfolgen kann und nicht unerheb¬
liche physicalische imd meteorologische Forschungen voraussetzt.
Den einzigen thatsächlichen Beweis für die Richtigkeit derartiger
Niederschlagschätzungen liefert dem Hydrotechniker der Vergleich
mit dem eintretenden Frühjahrshochwasser, wobei freilich voraus¬
gesetzt werden mufs, dafs die oberhalb lagernden Schneemassen in
verhältnifsmäfsig kurzer Zeit zum Abffufs gelangen, dafs etwaige in
der Schneeschmelze eintretende Regenniederschläge in Rechnung ge¬
zogen werden und das in den einzelnen Jahreszeiten verschiedene
Verhältnifs der Abflufsmenge zur Niederschlagsmenge für das Strom¬
gebiet ermittelt ist. Durch jährliche sorgfältige Vergleichungen der
berechneten und wirklichen Hochwasser und tabellarische Zusammen¬
stellungen der gemessenen Schneehöhen und Niederschläge im Nieder¬
schlagsgebiet sowie der Wasserstände im Strome wird es vielleicht
in Zukunft möglich werden, auf diesem statistischen Wege brauch¬
bare Ergebnisse für die Hochwasser -Vorausbestimmungen zu ge¬
winnen und somit der Wasserbaukunst ein wichtiges Hülfsmittel zur
Bekämpfung der Hochwassergefahren zu bieten. — P. —
(xeplaute neue Balmverbindung zwischen London und dem
inittelenglisclien Industriegebiet. Sir Edward Watkin, der Vor¬
sitzende der Manchester-, Sheffield- und Lincolnshire-, der Südost- und
Metropolitan-Eisenbahnen in England, trägt sich mit dem bedeut¬
samen Plane, zwischen dem mittelenglischen Industriegebiet und
London eine neue durchgehende Schienenverbindung einzurichten,
■welche gleichzeitig in fortlaufender Linie Anschlufs au die Südküste
Englands gewähren und so für den vom Festlande in nördlicher
Richtung über London hinaus sich bewegenden Verkehr wesentliche
Vortheile bieten würde. Wenn man von einem bis Doncaster nord¬
wärts geführten Zweige der Ostbahn absieht, sind es vier verschiedene
Bahnverbindungen, die AVest-, Nordwest-, Mittelland- und Nordbahn
(vgl. Abb. 1), welche zur Zeit wetteifernd den gewaltigen Verkehr
zwischen Mittelengland und London vermitteln. Doch ist es auf keiner
dieser Linien möglich, unmittelbar an die Südküste Englands zu ge¬
langen, da hinsichtlich der wenigen Bahnlinien, welche in nordsüd¬
licher Richtung über die Themse geführt sind, aus verschiedenen
Gründen auf eine derartige Einrichtung des Betriebes nicht Bedacht
genommen ist. Der Durchreisende ist entweder zu mehrmaligem Um¬
steigen auf entlegeneren Vorstadtstationen genöthigt, oder, wenn er
die Reise bis an die dicht an das Stadtinnere herangeschobeueu
Endbahnhöfe fortsetzen will, auf die Benutzung von Strafsenverkehrs-
mitteln angewiesen, um von einem Bahnhof zum andern zu gelangen.
Diese Verhältnisse würden durch die Watkinsche Linie wesentlich
gebessert, wie auch ferner die durchgehende Linie mit den verkehrs¬
reichsten Theilen des Stadtinneren in innige und vielfache Berührung
gebracht wäre. Der Ausführung des Watkinschen Gedankens stehen
aber keineswegs unüberwindliche Schwierigkeiten gegenüber, da die
obengenannten, von Watkin selbst geleiteten Bahnnetze in dem
Unternehmen verschmolzen würden. Die Hauptlinie der Südostbahn,
von Dover bis an die Themse bei Blackfriars, wo die London-
Chatham- und Dover - Bahn anschliefst (vgl. Abb. 1 u. 2), würde den
südlichen Abschnitt der Linie ausmachen. Auf der letztgenannten
Bahn würde die
Themse überschrit¬
ten, neben deren
Endbahnhof Hol¬
born - Viaduct die
Metropolitan - Bahn
den Betrieb auf¬
nehmen und über
Kings Cross nach
Bakerstreet und
nordwestwärts bis
Aylesbury weiter
leiten würde. Hier
würde ein kleines
selbständiges Bahn¬
unternehmen, die
Aylesbury- und
Buckingham -Eisen¬
bahn einbezogen.
Die folgende Strecke, bis zum Anschlufs an die in den mittel¬
englischen Bezirken reich verzweigte Manchester-, Sheffield- und
Lincolnshire-Bahn würde im wesentlichen auszubauen bleiben. Von
dieser Zwischenstrecke ist die AVeiterführung des südlichen Ab¬
schnittes bis Northampton, des nördlichen Theiles bis Nottingham
bereits gesetzlich gesichert, sodafs es nur noch der Verbindung dieser
beiden Städte untereinander bedarf, um die Bahnverbindung voll¬
ständig zu machen (vgl. die stark gezeichnete Linie in Abb. 1).
Innerhalb Londons würden, da die Tunnelstrecken der Metro-
politan-Bahn auf den Verkehr von Fernzügen nicht eingerichtet
sind, nicht unerhebliche Umbauten bevorstehen, unter denen die
Umgestaltung des bestehenden Zwillingsbahnhofes Bakerstreet in
einen grofsen Hauptbahnhof in erster Reihe stehen würde.
Das gedachte Unternehmen ist im übrigen nur als ein Theil des
umfassenderen Planes anzusehen, für die mittelenglischen Industrie¬
bezirke neue Anschlüsse nach London einerseits, nach den Erz- und
Kohlengebieten von Süd- Wales anderseits zu gewinnen, und zwar
ohne die Beihülfe der grofsen Bahngesellschaften, welche bereits
derartige Verbindungen eingerichtet haben, irgendwie in Anspruch
zu nehmen. Die Manchester-, Sheffield- und Lincolnshire-Bahn ist in
letzter Beziehung bereits gesetzlich ermächtigt ■worden, mit den
24 wälschen Eisenbahngesellschaften Betriebs vertrage zu vereinbaren,
und hat durch den Bau einer neuen Brücke über den Dee bei Chester
(eröffnet am 3. August 1889) den Anschlufs dieser Bahngebiete an
das eigene Netz thatsächlich vollendet. Die Eröffnung dieser Brücke
bezeichnet den ersten Schritt zur Erweiterung der Manchester-,
Sheffield- und Lincolnshire-Bahn zu einem mächtigen Bahngebiete,
welches im Laufe der Zeit den gröfsten Bahnen in England eben¬
bürtig dastehen dürfte. Km.
Vei'lag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
161
Hr, 16*. Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT: Verzeichnifs der Bau- und Kunst - Denkmäler Thüringens. — Ans- deren Ahrechnungen im Jahre 1888'zum Abschluls gebracht sind. — Vermischtes:
iühvungskosten neuerer preui'sischer Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues, Verhalten der Monier-Decken gegen Feuer.
[.411e Hechte Vorbehalten.]
Verzeichnifs der Bau- und Kunst -Denkmäler Thüringens.
Plan und Behandlungsweise des Werkes*) sind bei Erscheinen des
Heftes I an dieser Stelle (1888, S. 320) eingehend besprochen worden.
Nur in einem Punkte ist, von Heft VI ab, eine Aenderung eingeführt
worden, sofern für häufig wiederkehrende, fachliche Bezeichnungen,
wie Bund-, Spitz-, Kleeblatt-, Korb-Bogen, Drei- und Vier-Pafs und
dergl. nunmehr Bildzeichen gewählt und in die Beschreibung einge¬
führt wurden: eine Mafsnahme, welche unfraglich ihren Nutzen hat
und wohl in der Verzeichnung von Denkmälern zulässig ist. In
weiteren Kreisen angenommen, könnte das Vorgehen von Bedeutung
werden, insoweit damit eine einheitliche, verkürzte Ausdruck sweise
gewonnen wird. Alle Anerkennung verdient die rüstige Förderung
des Unternehmens im ganzen. Hinsichtlich der bildlichen Ausstat¬
tung bieten die im Laufe der beiden letzten Jahre erschienenen Ab¬
theilungen, welche zwei stattliche Bände füllen, eine Eeihe werth¬
voller Vorlagen. Die zeichnerischen Aufnahmen sind durchweg von
derselben Hand, und in der Einheitlichkeit der Darstellungsweise
liegt sicherlich auch ein Vorzug.
Im einzelnen sei diesmal nur bemerkt was von besonderer
Wichtigkeit auf die verschiedenen Gebiete entfällt. Dafs die ver¬
schiedenen Kunstzweige nicht gleichwerthig nebeneinanderstehen, ist
begreiflich. Auffallend ist immerhin, wie gering die kirchlichen Bau¬
denkmäler in den beschriebenen Landschaften vertreten sind. Um¬
bauten, Kriegsstürme und Zerstörungen haben, namentlich in Saal¬
feld, ihren verhängnifsvollen Theil daran. Aus romanischer Zeit ist
als Gesamtanlage die kreuzförmige Pfeilerbasilika in Klosterlausnitz
(IV, 223) **) zu nennen. Der neuerdings erfolgte Umbau nimmt ihr frei¬
lich viel vom einstigen Werth. Göllingen (V, 31) bietet in seiner
Unterkirche ein merkwürdiges Beispiel von hufeisenförmiger Bildung
der Gurtbogen. Der Thurm daselbst zeigt eine treffliche Lösung
von vierseitigem Unterbau und Uebergang ins Achteck. Die mehrfach
mitgetheilten Einzelheiten dieser Eichtung sind meist roh und selt¬
sam, sodafs daraus ein Eückschlufs auf wenig entwickelte Verhält¬
nisse im früheren Mittelalter gestattet ist. Frühgothische Eeste sind
in den Euinen des ehemaligen Klosters der Cisterzienserinnen in
Eoda (II, 40 ff.)***) erhalten. Das 15. Jahrhundert bestimmte auch in
diesen Gegenden die bauliche Erscheinung der meisten Kirchen. Von
kleineren Fällen abgesehen, ist als Anlage die Stadtkirche in Kahla
(III, 108) mit ihrer „Cavete“ (Cavatae, gewölbter Unterbau, wie auch
in Erfurt) beachtenswerth. Ein vielfach reizvoller Bau ist die aus
verschiedenen Bauzeiten stammende Johanniskirche in Saalfeld, die
an Bauinschriften reicher ist als irgend ein anderes Bauwerk. Einen
betrübenden Eindruck macht der greulich verwüstete Zustand aller
schmückenden Einzelheiten des Baues. Aus der Neuzeit ist die
Schlofskirche in Eisenberg, Ende des 17, Jahrhunderts (III, 203),
als vornehme Leistung der Barockkunst erwähnenswerth. Im ganzen
sind den Kirchenbauten wenig Grundrisse beigegeben, ein Mangel,
der für die Folge zu beachten sein möchte.
*) Bau- und Kunst-Denkmäler Thüringens. Im Aufträge der Ee-
gierungen von Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen-Hildburg-
hausen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Schwarzburg-
Eudolstadt, Eeufs ältere Linie und Eeufs jüngere Linie bearbeitet von
Prof. Dr. Paul Lehfeldt. Band II. Herzogthum Sachsen-Altenburg.
Hefte II — IV. Amtsgerichtsbezirke Eoda, Kahla, Eisenberg. Mit
97 Abbildungen im Texte und 27 Tafeln in Lichtdruck. 1888. VIII
und 235 S. Preis 9,50 Ji. — Heft V. Fürstenthum Schwarzburg-
Eudolstadt. Unterherrschaft. Amtsgerichtsbezirke Frankenhausen und
Schlotheim. Mit 10 Lichtdruckbildern und 53 Abbildungen im Texte.
1889.^ IV und 81 S. Preis 3,40 Jt. — Heft VI. Herzogthum Sachsen-
Meiningen. Amtsgerichtsbezirk Saalfeld. Mit 13 Lichtdruckbildern
und 47 Abbildungen im Texte. 1889. VI und 138 S. Lex. 8o. Jena,
Gust. Fischer.
**) S. a. Zeitschrift für Bauwesen 1863 S. 377.
***) S. a. Zeitschrift für Bauwesen 1860 S. 521.
Von älteren Burganlagen sind zumeist nur ehrwürdige und theil-
weise hochbedeutende Namen, in Wirklichkeit jedoch geringe Eeste mit-
zutheilen, wie die Lobdaburg,*) welche einem ganzen Gau den Namen
gab (II, 9, wo die Eeste der Capellenanlage noch vorhanden, jedoch
kaum genügend besprochen sind), Orlamünde (11, 144), Leuchtenburg
(II, 164), Kyffhäuser (V, 55), die Sorbenburg in Saalfeld (VI, 119)
u. a. m. Dem ausklingenden Mittelalter gehören zwei Schlofsbauten
von malerischer Erscheinung an: das Kitzerstein-Schlöfschen in Saal¬
feld (VI, 110) und das Schlofs von Grofskochberg (VI, 22). An
bürgerlichen Wohnbauten bieten Frankenhausen und Saalfeld einige
gute Beispiele aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Die Werke der Bildnerei sind in einer verhältnifsmäfsig grofsen
Zahl von mittelalterlichen Schreinaltären vertreten. Eine ältere, ge¬
bundene Eichtung begegnet uns in einem Altarwerk in Gumperda
(II, 96) und in der Saalfelder Johanniskirche (HI, 77). Durch eine
Inschrift an dem Altaraufsatz in Neusitz (II, 130) „1515 . . facta in
Salfelt“ wird übrigens das Bestehen einer vielbeschäftigten und hoch¬
stehenden Bildhauerwerkstätte in Saalfeld beglaubigt. Ein breiter,
vornehmer Zug, der auf fränkischen und wohl zumeist Würzburger
Einflufs zurückzuführen ist, geht durch alle Werke dieser Art. Unter¬
schiede im einzelnen mögen auf verschiedene Hände oder auch auf
mehrere, in der Gegend bestehende Werkstätten zurückzuführen sein.
Erwähnenswerth sind die Altäre in Dienstädt (H, 75), Eeinstädt
(II, 153), Schweinitz (II, 161, wo die Flügelbilder seltsamerweise
als Wohlgemutscher Eichtung „unter unmittelbarem Einflufs des
Eogier v. d. Weiden“ bezeichnet werden), Hummelshain (H, 101),
Mockfeld (II, 128), Oberhasel (II, 135), Grofskochberg (HI, 19), wo
die Doppeldarstellung Maria und Michael im Mittelfeld zu beachten.
Durch edle Naturwahrheit und feine Empfindung ausgezeichnet ist
ein Sippenbild in Eabis (H, 33), das sicher zu den werthvollsten
Leistungen des 16. Jahrhunderts zu zählen ist. Die von den kunst¬
liebenden Prälaten des Benedictinerstiftes in Saalfeld um die Wende
des 15. Jahrhunderts geförderte Kunstpflege, dürfte die Begründung
und ausgiebige Thätigkeit von Bildhauerwerkstätten in und um Saal¬
feld veranlafst haben; eine unmittelbare Betheiligung der Kloster¬
genossen an diesen Arbeiten ist bestimmt ausgeschlossen.
Von Werken der Malerei sei hier nur ein Tafelgemälde auf
Schlofs Grofskochberg (III, 27) hervorgehoben, welches, entgegen der
Annahme, dafs es „wohl mitteldeutsche Arbeit um 1500, unter Mem-
lincschem Einflufs“ sei, vielmehr von einem portugisischen Meister,
der wie seine Zeitgenossen von Flandern beeinflufst war, herrührt.
Das Bild verdient in hohem Grade Beachtung, da es in sich von
grofser Schönheit und eine bei uns ganz vereinzelte Erscheinung
ist. Die Verwandtschaft mit den Werken des Velasco da Coimbra
um 1520 ist unverkennbar.
Was an Erzeugnissen der Edelschmiedekunst und der Giefserei, an
W erken der Stickkunst us w. in mannigfaltigen Beispielen vorgeführt wird,
kann im einzelnen hier nicht näher berührt werden. Von Künstler¬
namen lernen wir u. a. ums Jahr 1300 einen geschätzten Maler Zorn
in Saalfeld kennen, und um 1486 ist ein sonst unbekannter Baumeister
Eupert Wickert aus Mainz beim Neubau des Benedictinerklosters
gleichfalls in Saalfeld thätig.
Das Thüringische Denkmälerwerk gereicht jenen Landschaften,
mit deren Kunst- und Geschichts-Denkmälern es uns bekannt macht,
in der That zu hoher Ehre. Manche bislang unbekannten Perlen
werden ans Licht gerückt; ganze Kunstzweige offenbaren sich der
Wissenschaft, und der wechselvollen, zum Theil hochbedeutenden
Vergangenheit jener alten Culturlande wird eine neue, ehrenvolle
Bezeugung damit zu theil. D-r.
*) S. a. Zeitschrift für Bauwesen 1860 S. 519.
Ausführungskosten neuerer preufsischer Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues,
deren Abrechnungen im Jahre 1888 zum Abschlnfs gebracht sind.
Das statistische Material über ausgeführte und abgerechnete
Hochbauten des preufsischen Staates, welches seitens der Eegie-
rungen alljährlich an das Ministerium der öffentlichen Arbeiten ein¬
gereicht wird, gelangt in ausführlicher Behandlung unter Beigabe
von Grundrifsskizzen, für gröfsere Zeitabschnitte zusammengestellt
und geordnet, in der Zeitschrift für Bauwesen zur Veröffent¬
lichung. Da die Ansammlung, Bearbeitung und Veröffentlichung
dieses werthvollen und vielseitigen Materials längere Zeit erfordert,
so kann dasselbe verhältnifsmäfsig spät, meist erst einige Jahre nach
Vollendung der Bauten, zur Kenntnifs des Leserkreises gebracht
werden, und wird infolge dessen der u. a. erstrebte Zweck, die An¬
gaben über Ausführungskosten unmittelbar für die Veranschlagung
neuer Bauten nutzbar zu machen, bei dem häufigen Wechsel der
Baupreise nur unvollkommen erreicht. Es liegt daher die Absicht
vor, diejenigen Ergebnisse, welche die amtlichen statistischen Nach¬
weisungen hinsichtlich der Ausführungskosten der Hauptgebäude im
ganzen sowie für die Einheit der bebauten Fläche, bezw. des um¬
bauten Eaumes, ferner für Nutzeinheit, Heizung und Bauleitung liefern,
in gedrängter Form möglichst bald nach Ablauf desjenigen Jahres,
in welchem die jüngst vollendeten Bauten zur Abrechnung gelangten
162
Centralblatt der Bauverwaltung.
23. April 1890.
im Centralblatt der Bauverwaltung vorweg zu veröffentliclien. In der
nachfolgenden ersten Zusammenstellung dieser Art sind die bereits
vorhandenen Kosten -Ergebnisse derjenigen Staatsbauten mitgetheilt,
deren Abrechnungen im Jahre 1888 abgeschlossen wurden, während
in einer weiteren Zusammenstellung demnächst die Ergebnisse der
gleichartigen Bauten des Jahres 1889 veröffentlicht werden sollen.
P.estiimuuiis
uud
Ort des Baues
Regie-
Zeit
der
Aus-
füh-
Ausführungskosten des
■ Hauptgebäudes ausschl.
der Bauleituugskosten
Kosten der
Heizuiigs-
anlage
für 1
für
bezirk
rung
iu4
i 1
qm cbm
Nutz-
gan-
100
52 ) v)
heit
zeu
chm
>
JC
1 M M
M
Jl
Jl
Kosten
der
Bau¬
leitung
für die
ganze
Bau-
aulage
M
(Bern. Es bedeutet:
E. E.-F.
K.-Oe. Kaclielöfen, E. Oe. Eiserne Oefen, M.-Oe. Maiitel-Oefeu,
Oe. Eiserne Regulir-FiUlöfeu, Z.-Oe. Ziegel-Üefen.)
I. Kirchen.
a) Kirchen mit llolzdecken.
4 63! 1
U 33Ü
•2 318
1
Ev. K. i. Seehurg
Königs¬
berg
86
87
24 817 j
133,7
18,6
111,8
2
Laugszargen
Gnm-
hiniieu
86
87
■29 718
1
103,9
14,9
61,2
—
3
Katli. K. i. Gr.
Bislaw
Marien-
Werder
85
87
66 889 1
1(X!,7
11,7
47,0
-
4
Loiig
86
87,
99 491
118,7
11,2
66,0
-
- 1
b) Kirchen mit gewölbten Decken.
Ev. K. i. Scheidel-
j witz
Oppeln 11 86
i.
87;
1'
45 369 113,8
1-2,9
58,8;' -
—
1 Emmeringen
1 Magde- |l SG
, bürg 1:
87 II
9 614 r25.7
li
18,2
19-2,3' -
--
II. Pfarrhäuser.
a) Eingeschossige Bauten.
Grüiiheide
Gnm-
hiuneu
86
87
21 371
63,8
10.2
—
929 101,0
K.-Oe. *
—
31
Maniewo jl
Zirkwitz
Stettin
86
88
23 847
95,5
12,1
—
1199 ! 160,0
K.-Öe.
1631
1
Crouthal
Brom¬
berg
87
88
17 035
76,3
13,0
—
1330 298,7
K.-Oe.
-
32
Fordon '
1
Fordon
86
87
18 912
84,7
14,4
-
1105 -215,8
K.-Oe.
—
00 i
1
Ober-Heiduk j
j Kapsdorf
Breslau
87
88
14 -271
79,8
11,1
-
545 ! 13-2,0
K.-()e.
-
1
b) Zweigeschossige Bauten.
61
Gattern
li Breslau [l 87188 " ‘2-2 048 '' 90.5 ' 9,4 1 —
1' 585. 61,6 :
ll
ll ! 1' 11
1, K.-Oe. t:
III. Sehulhänser.
a) Eingeschossige Schulhäuser.
1. Mit 1 Schulzimmer.
Ij
Alt Barkoschin
Danzig
87188 1
7 892
48,6
10,7
98,7
161
K.
57,0
-Oe.
-
2. Mit 12 Schulzimmern.
1
36
Cosel i
Oppeln 1
86
88 1
64 -245
127,5
7,4
66,1
29281 68,51
2
Kunzendorf
87
87
9 ‘249
57,0
1-2,1
11.5.6
327
lüG,5
—
I
1
j
E.P..-F.-Oe.:
K.
-Oe.
3
Weruersdoif
87
87
10 313
63,5
13,6
1-28,9
-290 103,5
_
d) Schulhäiisei- ohne Lehrei-wohnung (zweigeschossig).
87
K.
-Oe.
1.
Mit 4 Schulzimmern.
4
Bochliu
Marieii-
werder
88
8 203
48,8
10,4
136,7
‘260
K.
104,0
-Oe.
—
37
Nakel
Brom¬
87
88
13 500
1 87,5
8,3
35,6
3351 4.5,1
1
berg
1 K.-Oe.
5
Nicolaiken
87
87
9 021
50,8
12,3
112,8
271
89,4
—
K.
-Oe.
2.
Mit 8 Schulzimmern.
6
Dt. Daineiau
"
87
88
9 994
56,3
11,9
1-24,9
260
K.
85,8
-Oe.
—
38
Dt. Piekar ]
Oppeln 1
1
87
88 jj 18 1-29 jl 61,8
7,7
28,3
j '703 1 47,7
! K.-Oe.
7
Schakenbruch
87
88
10 -298
58,0
12,4
183,9
-265
98,2
—
K.
-Oe.
e)
Lehrerwohnhäuser.
8
Trankwitz
87
87
10 600
60,6
12,8
132,5
_
_
—
39
Stnhm I
Marien¬
87
88
12 843
1 96,5
11,2
—
1 650 1 142,0
9
Wiukelsdorf
87
87
11237
63,3
13,2
140,5
248
79.5
_
Werder !
werder
!
1
ll K.-Oe.
K.
-Oe.
40
Pots¬
87l87
8 6-28
69,7
1
14,4
—
378 1 168,8
10
Ligota
Posen
86
87
8 400
53,5
11,1
93,3
308
81,7
_
dam ,
1 K.-Oe. 1
K.
-Oe.
l^
Höhere Sclmleii.
11
Ilgen
88
88
9 173
60,7
13,4
114,7
355
86,8
—
12
Tarnowo
87
88
K.
-Oe.
t
König -Wilhelms- j
Gymnas. i. Stettin |
- i
85
88
171 882
199,0
15,0
505,5
: 4408 r- 88,1
: K.-Oe. !
•
9 344
52,8
11,2
116,8
-266
K.
71,3
-Oe.
—
13
Bilewo
86
87
14,9
Sf^miiiare und Aliimuate.
9 440
59,4
118,0
365
—
14
Brzezie
1
1
86
87
9 556
K.
-Oe.
1
Schullehrer-
Seminar 1. Peters-
Minden
84
88
121 959
174.8
9.9
1355,1
1 1
' 41031 77,3
13,1
112,4
55,0
‘293
K.
92,4
-Oe.
hagen
(Exteruat)
! E. u. K.- Oe.
15
Enden
86
87
9 608
68,4
13,3
192,2
344
101,9
—
2
Lehreiinnen-
Seminar i. Pader¬
85
87
259 563
181.9
10,3
4326,0
5191 1 49,9
K.-Oe.
born
(Internat)
E. Oe.
16
Walentiuow
87
88
9 844
54,8
13,0
133,0
261
78,6
—
K.
-Oe.
TI.
Turnhallen
17
Schneidemühl-
87
88
10 1.50
66,0
14,8
126,9
319
102,3
—
1
f. d. K.-Wilh.-G.
_
85
88
22 085
66,0
10,5
276,1
35-21 -2-2,5:
Hauland
K.
-Oe.
i. Stettin
E. Oe.
18
Smolary
Brom¬
86
87
11 165
.59,9
12,6
126,9
329
171,4
-1
2
f. d. Lehrer- Sem.
Oppeln
86
87
15 936
58,4
8,4
•245,2
1180 1 77,0
berg;
K.
■Oe.
i. Peiskretscham
E. Oe.
19
Scharley
Oppeln
87
88
8 986
50,3
9,2
112,3
330
98,2
_
3
f. d. Lehreriunen-
Minden
85
87
16 697
62,5
11,5
•256,9
241 21,0
K.
■Oe.
Sem. 1. Paderborn
1
E. Oe.
Zeit
Bestimmung
Regie-
der
Aus-
und
Ort des Baues
ruugs-
bezirk
füh-
ruug
- '
?!2
Ausführungsbosteu des
Hauptgebäudes ausschl.
der Bauleituugskosten
für 1
ini |j I
ganzen j qm |cbm
M I* JtC '' Jl
Niitz-
ein-
heit
M
Kosten der
Heizungs¬
anlage
iin
für
gran-
100
zen
chm
Jl
Jl
Kosten
der
Bau¬
leitung
für die
ganze
ßau-
anlage
J(
2. Mit 2 Schnlzimmern.
•20
Marsclianerberg
Danzig
87
88
11 733
57.0
1-2,6
73,3
.544 ! 104,0
K.-Oe.
•21
Chmieluo
”
87
87
11853
52,1
11,3
74,1
440 84,1 1
K.-Oe. I
22
Schöueberg
”
87
87
13 941
60,0
11,3
75,0 1
477' 88,3 1
K.-Oe. !
23
Bresin
Marien-
werder
87
88
11 ;ki3
48,9
10,6
75,8
39.5 i 76,2
K.-Oe.
•24
Zieglershnben
”
87
87
12 882
58,2
1-2,6
102.2
420 90,0
K.-Oe.
•25
Lipin
Broin-
berg
87
87
11000
55,0
1-2,1
91,7
500 5.5,2
K.-Oe.
-26
Podamin
■
87
87
1 1-2 000
58,3
1-2, 2
100,0
670 I 68,2
K.-Oe.
27
Schwieutochlo-
witz
Oppeln
87
88
1 9 914
1
41,4
8,4
62,0
355 1 79,8
K.-Oe.
28
Dirsclikowitz
■
87
88
i 1-2 4831 .52,7
|i
10,0
78,0
398 ! 84.0
K.-Oe.'
b) Zweigeschossige Schulhäuser.
1. Mit 1 Schulzimmer.
30
Kl. Lauchstädt
Merse¬
burg
87
87
9 964
118,6
12,2
249,1
1 -200 1 66,0 1
E.R.-F.-Oe.
Grofsjena
86
88
11 998
1-22,8
11,4
141,2
305 59,0 1
E. K.-F.-Oe.!
2. Mit 2 Schulzimmern.
Posen !i86|87|j 21 Sd'i
: 11-2,0 12,3, 134,6: 5031 83,81:
I I ii K.-Oe. !:
Brom¬
berg
Oppeln
3. Mit 3 Schulzimmern.
8818811 15 '243 ü 89,31 9,6
18 679 ! 74,1 7,2
62.7
77.8
738 1 110,2 ,
K.-Oe. j
1040 i 110,3!
K.-Oe.
3411
Znclcau
4. Mit 4 Schulzimmern.
Danzig |i 87188 r ■20 254!' 77,9 1 8,5!
59,6 II 719 : 73.1 1
K.-Oe. 1'
351! Rustenfelde
c) Dreigeschossige Schulhäuser.
1. Mit 2 Schulzimmern.
Erfurt 1' 87j88 i! 9 6101128,5 110,71 60,1,1 268 86,1]
!, ! 1: !. I I M.-Oe.
4 523
•204.58
11063
19 141
1284
Nr. I6A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
163
Bestimmung
Regie-
Zeit
der
Aus¬
füll-
AuSführungskosten des
Hauptgebäudes ausschl.
der Bauleitungskosten
Kosten der
Heizungs¬
anlage
Kosten
der
Bau-
und
rungs-
für 1
im
für
leitung
für die
Nutz-
Ort des B.iues
bezirk
ganzen
qm
cbm
gan-
100
ganze
Bau¬
anlage
g .2
beit
zen
cbm
JC
M
M
JC
jt
JC
Jt
Bestimmung
Regie-
Zeit
der
Aus-
füh-
Ausfübrungskosten des
Hauptgebäudes ausscbl.
der Bauleitungskosten
Kosten der
Heizungs¬
aulage
Kosten
der
Bau-
und
Ort des Baues
vungs-
l^ezirk
für 1
im
gan-
für
100
leitung
für die
ganze
Bau¬
anlage
riing
im
ganzen
1
(
qm jcbm
Nutz-
d ; 'A
heit
zen
cbm
JC
JC JC
JC
Jt
JC
JC
YII bis X. Gebäude, welche der Pflege vou Kunst imd Wissenschaft
b). Wohnhäuser für Förster.
und dem Fachunterricht dienen.
(Eingeschossig ohne Drempel.)
a) Gebäude für akademischen und Fachunterricht.
.5
Schönbruch
Königs¬
berg
86
87
8 979
72,7
13,0
-
441
K.
167.0,1
Oe ’
1. Hörsaal-, Instituts- und Akademie-Gebäude.
G
Kl. Fliefs
86
87
9 114
73,8
13,2
4.50
II
170,5 1
1
K.-
Oe.
K.:
Oe. il
1
Rbysical. Institut
i. Königsberg
84
88
213 579
217,9
13,5
.5485 1 107,1
3055 1 563,0
Lufth.
23 1.52
7
Grüuwalde
■
86
87
10 068
81,5
14,6
-
470
K.
178,0 1
Oe. j
2
Patbol. Institut d.
_
87
87
22148
104,3
20,9
_
2959
381.1
656
8
Gensken
86
87
11253
91,1
16,2
—
430
184,0
Charite i. Berlin
Damplb.
K.
Oe. ||
3
Patbol.Inst.i.Kiel
Schles¬
87
87
24 841
208,7
20,3
_
4857
694.0
_
9
Eichenthal
Gum¬
86
87
10 075
81,6
14,2
—
460
16.5,7 i;
(Anbau)
wig
Heifsw.-H.
binnen
K.
Oe. 1
2.
Klinische Universitäts-Anstalten usw.
10
Schillelwetheu
87
88
10 .575
85,6
15,2
—
405
K.
172,8
Oe.
4
Med. Klinik i. Mar¬
Cassel
83
86
488 788
209,3
17,9
ue.
142851 -
38 347
11
Darguszen
,
86
87
11 110
. 89,9
16,1
-
420
178,0
burg
7866
—
K,
Oe.
Lufth.
12
Karunischken
86
87
11 280
91,3
16,3
425
181,5
5
Absondb. d. Med.
85
86
23 324
106,9
25,1
2915,5
870
93,7
1 915
K.
Oe.
Klinik i. Marburg
E. Oe.
13
Darslub
Danzig
87
88
8 659
69,7
12,4
—
355 149,0
G
Obduct.-Haus der
__
86
86
47 278
172,3
16,3
—
3042
165,0
4069
K.
Oe.
Univers. - Frauen-
Dampfli.
14
Ferdinandshof
Marien¬
87
88
10 298
76,2
13,5
_
407
174,0
Oe.
Klinik i. Berlin
werder
K.
7
Leicbenscbaub.
i. Berlin
_
85
86
287 506
223,1
19,1
—
8571 1 363,5
Dampfh.
27 234
15
Kohhelberg
"
86
87
11 244
90,7
16,1
-
412
K.
176,0 '
Oe.
8
Leicbenbaus des
88
88
9 214
131,6
16,1
—
140
129,6
360
16
Alt-Buchhorst I
Pots¬
87
88
11075
89,6
15,9
_
540
192,0
Landg. i. Danzig
E. Oe.
dam
K.
Oe.
3.
Fachschulen.
17
Kerngrund
Frank¬
86
87
9 962
80,7
14,3
—
485
_
0
Navigations - Vor¬
Auricli
86
87
23 301 1
148,2
14,1
408,8
400
58,8
" _
furt a.O.
K.
-Oe.
schule i. Wester-
1
E.
Oe.
18
Saugarten
86
87
10 793
87,4
15,5
_
_ 1
banderfebn
i
K.-Oe. 1
b) Gebäude für technische Zwecke.
19
Meddersin
Cöslin
87
88
10 599
85,8
15,3
—
505
175,7 i
10
Eicb.-Amti.Poseu
—
86
88
j 17 033
I 51,3
10,9
560
118,9
—
K.
Oe.
K.-
Oe.
20
Röderhorst
Posen
86
87
9 008
72,9
12,9
—
317 i 100,0
c) Gebäude, welche der Pflege des Köimers und der
21
K.
Oe.
Erholung dienen.
Althof
Brom¬
berg
86
87
9 420
77,0
15,9
—
455
K.
186,5;
-Oe.
11
Speisesaal i. Bad
Cassel
186
88
54 057
112,8
12,0
1910
96.01! 6759
22
Beerenheig
87
10 671
86,4
15,3
Nenndorf
E.R.-F.-Oe.
88
—
.500
16.5,0 1
K.
-Oe.
XI. Regierungs-,
Ministerial- Gebäude usw.
23
Domhrowo
87
88
10 671
86,4
15,3
_
.500
165,0
1
Dienstgebäude f.
K.
-Oe. !
d. Katasterverw.
84 86
45 428
126,7
10,2
—
1100
85,9
6 795
24
Wendelstein
Merse¬
87
88
9 460
76,6
13,8
_
305
130,0
i. Minden
Ueiea
burg
E.u.K
'.-Oe. 1
IXII. Geschäftshäuser für
Gerichte.
25
Niedernstöcken
Han¬
87
88
10 695
86,6
15,4
—
400
163,6
nover
K.
-Oe.
1
Amtsger. i.Driesen
Frank¬
85
87
67 647]
217,0
17,1
_
2475
189.8
10739
26
Düngel
Stade
87
11644
furt a.O.
1
K.-Oe.
86
94,3
16,7
—
—
—
2
Seebansen
Magde¬
86
87
37 412
130,0
11,3
_
1346
117,8
30G7
27
Cathrinhagen
Minden
87
88
12 236
97,5
17,5
—
306
—
burg
K.-
Oe.
28
Goldgrube
Wies¬
87
88
9 952
79,1
14,0
361
_
3
Aurich (Anbau)
—
85
87
25 026
150,2
16,5
—
336
42,6
4146
baden
E.u.K
i.-Oc.
K.-
Oe.
c) Wohnhäuser für
Förster in Verbindung mit dem
XIII. Geßingnisse und Strafanstalten.
Wirthschaftsg
ebäude.
a) Gefängnisse.
(Mit ausgebautem Drempelgeschofs, oder zweigeschossig.^
1
Ger.-Gef.i. Oppeln
84
87
1 284 729
192,9
13,6
1368,9
6605
90,2
21 285
29
Marienhagen
Hildes¬
86
88]
12 717
66,6
10,2
—
290
124,5
E. u. K.-Oe.
heim
K.-Oe.
b) Wirthschaftsgebäude usw.
30
Jagdhaus
86
87
15 788
90,6
14,7
-
300
E.
128,6
Oe.
2
Küchengeb. f. d.
Berlin
86
87
35 832
76,7
10,6
_ )l _
—
1462
Strafanst. i. Moabit
31
Falle
Stade
87
88
18 775
88,8
13,0
—
358
—
8
Ringof. f. d. Straf¬
Königs¬
87
88
34 395
40,3
10,6
1803
Dietenhausen
E. u.K.-Oe.
anst. bWartenburg
berg
c)
Berlin
32
Wies¬
baden
86
87
9 802
57,1
10,5
—
180
E.
88,2
Oe.
Beamtenwohnhänsftr
33
Hof-Rhoda
86
87
10 729
62,5
Beamten -Wobnb.
88
11,4
_
120
49,2
4
88
13 593
154,3
10,6
—
549
66,61
1 353
E.
Oe.
f. d. Strafanstalt i.
E. u. K.-Oe.
Moabit
34
Bremthal
87
88
10 812
63,0
11,7
—
189
93,1
5
Directorwohnb.
Frank¬
86
87
21865
134,3
10,5
_
1360
173.5
_
E.
Oe.
f. d. Strafanstalt i.
furt a.O.
K.-Oe.
35
Hochsteincheu
86
88
15 136
66,2
12,5
—
182
80,3
Luckau
j Coblenz
E.
Oe.
XIV
Steueramtsgebäude
•
XYI. Landwirthschaftliche Bauten.
1
Grenzaufseh. -Ge¬
höft i. Bacharcie
Brom-
berg
87
88
1 10 636
1
75,6
17,5
—
K.-
Oe.
a)
Pächterwohnhäuser.
2
Chelmce
86
87
16167
98,6
15,0
—
630
156,0
1. Eingeschossige Bauten
K.-
Oe.
1
1 Priment
Posen
[87
88
1 15 540
! 'i'7,7
t
13,2
_
760
119,6]
XY.
Forsthansbauten.
1
>
K.
-Oe. 1
a) Wohnhäuser für Oberförster.
2. Zweigeschossige Bauten.
1
Kurwien
Gum^
86
87
23 255
93,0
12,5
—
1289
140,6
2
1 Polommen
Gum¬
i86
87
49 819
110,3
11,9
_
2520
63,3
binnen
K.-
Oe.
binnen
K.-
Oe.
2
Padrojen
87
88
25170
i 115,2
13,4
—
1100
142,0
—
3
Plagow (Anbau)
Frank¬
87
87
19 282
122,4
9,8
_
1020
137,7
K.-
Oe.
furt a.O.
K.-
De.
3
Wannfried
Cassel
86
87
21207
121,7
12,8
—
797
115,2
4 866
4
Müggenhall
Stral¬
86
87
42 988
79,8
10,3
_
2135
111,6
E. u. K.-Oe.
sund
K.-
Oe.
4
Haiger
Wies¬
86
87
18 158
113,6
10,1
—
370
63,0
526
5
Bookhagen
86
87
43 080
121,1
12,7
i
1500 112,31
baden
E.
Oe.
K.-Oe. !
164
Centralblatt der Bauverwaltung.
23. April 1890,
Ausführungskosten des
Kosten der
Ausführungskosten des
Kosten der
Kosten
der
Zielt
Hauptgebäudes ausschl.
Heizungs-
/>Cll
der
Aus-
füh-
Hauptgebäudes ausschh
Heizungs-
Bestimmung
Regie-
der
Aus-
füh-
der ßauleituugskosten
anlage
Bau-
Bestimmung
Regie-
der Bauleitungskosten
anlage
•J
und
ruiigs-
für 1
im
für
leitung
für die
und
rungs-
im
für 1
im
für
leitung
für die
runs:
im
Nutz-
eiu-
rune:
Nutz¬
em-
i Ort des Baues
bezirk
gauzeu
qm
cbm
gan-
100
ganze
Bau-
Ort des Baues
bezirk
ganzen
qm
chm
gan-
100
ganze
Bau-
zen
cbm
zen
chm
heit
aiilage
heit
anlage
M
M
M
M
M
M
M
ji
M
Jl
M
M
Jt
b)
Arbeiterwohnhäuser.
h) Pferde-
und Ilindviehställe.
(Eingeschossig für
4 Familien.)
1. Ställe mit Holzdecken.
<;
Grünweitschen
Gum¬
binnen
88
88
1 14 408
1
1 70,7
1
17,7
—
344
—
32
1 Neu-Löhegalleu
Gum¬
binnen
1
87
38 521
55,8
8,5
481,5
-
-
-
Ratlistuhe
Danzig
87
87
13 400
62,5
1
15,7
—
320
K
140, -2
-Oe.
33
Maust
!
Frank-
! furta.O.
[87
i
88
34 198
48,6
6,7
412,0
-
-
-
8
Timwalde
Marien-
87
88
0 706
48,0
12,2
_
320
125,5
_
Werder
K.
-Oe.
2. Ställe mit gewölbten Decken.
\)
Weselitz
Pots-
87
87
12 177
56,8
14,0
_
.500
_
34
1 Primentdort
! Posen
87
88
63 939
68,1
8,8
603,2
1 ”
-
—
dam
K.
-Oe.
35
1 Heidau
1 Breslau
87
87
48 750
58,0
7,0
554,0
_
_
10
Droscdow
Coslin
87
87
11 711
40,0
8,2
—
143
Z.
40,0
Oe.
—
36
Haimbach
1 Cassel
86
87
14 037
57,2
6,5
610,3
-
200
11
Gr. Morin
Brom-
' 87
88
10 .V)2
56,8
14,1
_
240
00,6
il Stallgebäude für verschiedene Zwecke.
K
-Oe.
1. Ställe
mit Holzdecken
12
Bcrthelschütz
Oiipeln
87j87
10 930
60,0
10,0
—
400
K.
186,0
-Oe.
—
37
Alt-Ogrodtkeu
Gum-
87
87
26 280
46,0
6,5
_
_
_
_
binncu
c)
Scheunen.
38
Fürstenwerder
Danzig
88
88
10 842
47,1
11,6
-
~
—
—
1.
Fachwerkscheunen.
30
Schönwalde
Stettin
87
87
10 907
45,8
14,3
-
-
-
-
1:5:
Friedrichsberg
Gum-
87
87
.-.2 248
23,2
2,0
0,4
40
Abtshagen
Stral-
87
88
16 130
37,5
6,3
—
—
—
—
binnen
sund
14
Bischwalde
Marien¬
werder
87
88
0 010
1.7,4
3,8
3.3
-
-
-
2. Ställe mit gewölbten Decken.
41
Kaminiec
1 Brom-
187
88 ii 11 030
44,4
13,9
_
_
_
_
l.'r
Quartschen
Frank¬
furt a.O.
87
87
34 800
22,5
3,4
3,8
—
—
—
kerg
1
1
42
Hornburg
Magde- ! 87
88
1 29 415
44,7
6,1
—
_
_
_
16
Bretwisch
Stral-
88
88
20 480
18,5
2,7
3,2
—
_
_
! bürg
1
sund
9
Massive Scheunen.
3. Ställe
in Verbindung mit Scheunen (Holzdecke).
Woltersdorf
Frank-
43 II Stauuaitsclien
il
j Gum-
86
87
48 497
1 o6,y
6,7
j _
_
1 _
17
87
87
11 417
22,0
4,6
4,4
—
—
—
1 binnen
j
furta.O.
18
Schelitz
Oppeln
87
87
21 232
20,4
4,7
3,8
-
-
—
•1. Ställe in Verbindung mit Speichern
(Stalldecke gewölbt).
10
Wiedelah
Hildes-
87
87
10 8.76
30,3
6,0
7,0
_
_
_
44 11 Haimbach |
Cassel 1
87187 1
17 64211 86,3
10,0
-
1 -
-
1 -
heim
k)
Gewerbliche Anlagen.
20
Baiersröderhof
Cassel
87
88
10 130
31,4
3,4
4,7
_
_
rv2,6
12,4
45
Ringofen auf der
t Merse- 1180
87
16 .535
—
—
d)
Speicher.
Domäne Clöden
bürg
21
Tiefensee
Breslau
88
88
15 3.70
62,0
5,5
10,1
—
—
XVII.
Gestütsbauteiu
•>>:
Gronauerhof
Cassel
87
88
10 22.7
64,1
0,6
2.5,4 ;
1
Deputanten -Vieh-
Gum-
87
87
28 284
43,7
11,4
—
__
—
—
stell i. Trakehnen
binnen
e
) Schafställe.
2
Reitbahn i.Graditz
Merse-
87
88
28 352
21,5
3,8
—
—
—
2:5 1
Friedrichsherg
Gum-
87187 1
48 267
30,0
4,8
32,2 1
— 1
bürg
;
'
biuneii
1
1
1
3
Wohnhaus für d.
Schles-
87
87
17 158
70,5
16,0
—
500
126,3
—
Futtermeistcrund
wig
E. u.h
.-Oe.
f
Kinclviehställe.
1 Wärter i.Traven-
thal
1. mit TTolzflfto.kpn.
Cassel
86
91,5
14,3
4
2 Familienhäuser
87
33 804
—
964
40,8
—
24 i
Butterfelde
Frank-
88|88
12 120
47,4
6,6
330,7 1
—
- i
—
i. Beherbeck
E.
Oe.
furta.O.
25^
Lassentin
Stral-
87
87
22 183 '
.71,7
8,0
382,5
XVIII. Hochbauten aus
dem
Gebiete der Wasserbanverwaltung.
sund
a)
Wohnhäuser.
26
Trebisheim
Posen
87
87
26 081
46,1
7,0
415,1
_
_ '
_
1
Baggermeister-
_ !
87
87
9 474
100,0
13,8
_
390
48,9
900
27
Gr. Morin
Brom-
87
88
20 274
.75,2
8,5
4.50,5 1
_
_
_
Gehöft i. Potsdam
K.-
Oe.
berg 1
Lotsenstation
Stral-
86
87
—
—
—
—
—
4015
i. Barhöft
sund
2. Ställe mit gewölbten Decken.
2
Wohnhaus Nr. t
_ j
19 622
79,4
11,7
_
588
211,7
_
28
Wellmitz
Frank- i
87
881
38 7.70
.70,0
8,2
372,6 '
_
_ 1
—
K.-
Oe.
furt a.O. ;
3
Wohnhaus Nr. 2
„ ■
22 487
76,9
11,3
— 1
7.32
187,7
29
Gaterslebeu
Magde-
87
87 i
30 .772
53,1
6,5
430,7 1
—
—
000
K.-
Oe.
bürg
,
j
4
Wohnhaus Nr. 3
_ 1
19 605
79,7
11,7
_ 1
588
211,7
—
K.-
Oe.
g)
Fferdeställe.
b
{Schuppen.
1. Ställe mit Holzdecken.
ü|
Lagerhalle i. |
87|
87
10 813 1
18,2 1
4,8 !
_
-
-
30’
Kuckerneese i
Gum- Ii87i87i
10 251 ;
44,8
7,2
227,8 1
—
Danzig j
1
binnen 1
6i
Tonncuschuppen I
Schles-
86
88
15 248
51,9
8,7
—
—
—
125
2. Ställe mit gewölbten Decken.
1
i. Husum 1
■wig
31!
Baiersröderhof 1
Cassel !
87|SS i
14 040 i
54,0
8,5
482,0 i
-
- 1
-
Berlin, den 12. März 1890.
w
i e t h 0 f f .
Vermischtes,
Zu einer Eriu-obimg des Yerhaltens der Mouier-Deckeii gegen
Feuer hat der am 21. December v. J. ausgebrochene grofse Brand in
der Spritfabrik von H. Helbing in Wandsbeck Gelegenheit geboten.
In dem vollständig ausgebrannten westlichen Speicher, dem Ent¬
stehungsherde des Feuers, leisteten die Decken den Flammen und
der grofsen Hitze lange Widerstand. Da aber der brennende Sprit
durch die Fahrstuhlöffnungen herabfliefsen und so den Brand in alle
Geschosse fortpflanzen konnte, wurden die auf nicht ummantelten
I-Trägem ruhenden Decken infolge Nachgebens der letzteren schliefs-
lich doch zerstört. Im östlichen Speicher dagegen, dessen Dach vom
Feuer ergriffen wurde, verhinderte die oberste Monierdecke sowohl
das Durchbrennen als auch das Durchfliefsen der in die Gluth ge¬
schleuderten Wassermassen nach den unteren Geschossen. Die nur
I 4,5 cm starke Decke hat also dem Angriff der niederstürzenden Dach¬
trümmer und der plötzlichen Abkühlung durch Löschwasser voll¬
kommen widerstanden und das darunter befindliche grofse Spiritus¬
lager vor Entzündung geschützt.
— n.
Verlag von Ernst & Korn nVillielia Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
165
Centralblatt der Banverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 26. April 1890. 1^*
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal - Nachrichten. — Nichtamtliches: Die Hafen¬
erweiterungsbauten der Stadt Altona. — Neue Schöpfwerke in Preufsen aus dem
Jahre 1889. — Das Städtische Spielhaus in Worms. (Schlufs.) — Die Ausgaben der
Stadt Berlin für bauliche Zwecke im Haushalte für 1890/91. — Vermischtes: Ge-
haltsvcrbesserung für die Bauinspectoren. — Schiffbarmachung der Fulda von Münden
bis Cassel. — Wettbewerb um das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau. —
Preisbewerbung um ein Gerichtsgebäude nebst Untersuchungsgefängnifs in Bremen.
Preisausschreiben des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungeu. — Eiserne Gitter
an Vorgärten. — Beseitigung der Brunelschen weiten Spur auf der englischen West¬
bahn. — Bücherschau.
Amtliche M
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den bei
der Ansiedlungs - Commission in Posen beschäftigten Bauinspector
Georg Messerschmidt zum Eegierungs- und Baurath zu ernennen
und dem städtischen Baudirector Licht in Leipzig den Kothen
Adler-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Der Eegierungs- und Baurath Hermann Cuno, bisher in Hildes¬
heim, ist in gleicher Amtseigenschaft an die Königliche Kegierung in
Coblenz und der Kreis-Bauinspector Beckershaus in Carthaus W./Pr.
in gleicher Eigenschaft nach Greifenberg i. Pom. versetzt worden.
Der Amtssitz des Kreis-Bauinspectors in Eheine, Eeg.-Bezirk
Münster, ist nach Burgsteinfurt verlegt worden.
Den bisherigen Königl. Eegierungs -Baumeistern v. Czihark in
Breslau und Ernst Weber in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung
aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
jttheilungen.
Der Königliche Eegierungs-Baumeister Max Keinke in Burg¬
steinfurt ist gestorben.
Sachsen.
Bei der Königlich Sächsischen Strafsen- und Wasserbauverwal¬
tung ist der bisher mit der Verwaltung des Strafsen- und Wasser-
bauinspections-Bezirks Dresden I betraut gewesene Strafsen- und
Wasserbauinspector, Baurath Emil Moritz Weber, dem Wasserbau-
director Ober-Baurath Schmidt in Dresden zur Unterstützung und
Vertretung in dem dem letzteren zugewiesenen dienstlichen Wirkungs¬
kreise beigegeben, ferner ist dem bisherigen Strafsen- und Wasser¬
bauinspector in Annaberg, Gustav Emil Grosch, die Verwaltung
des Strafsen- und Wasserbauinspections-Bezirks Dresden I übertragen,
und der ^ bisherige Chausseeinspector Ernst Albert Eange zum
Strafsen- und Wasserbauinspector in Annaberg ernannt worden.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Hafenerweiterungsbauten der Stadt Altona,
Der Hafen von Altona war bekanntlich bis zum 15. October 1888
Freihafen und war in dieser Eigenschaft, wenn auch unter anderer
Landeshoheit stehend, wirthschaftlich als ein Theil des grofsen Ham¬
burger Freihafens anzusehen. Diese Verhältnisse haben für Altona
eine durchgreifende Veränderung dadurch erfahren, dafs der Ein-
schlufs Hamburgs in das Zollgebiet sich auf seine Seeschilfhäfen
nicht mit erstreckt, dafs letztere also Freihafengebiet geblieben sind,
während der Hafen Altonas samt der Stadt dem Zollgebiete einver¬
leibt worden ist. Dadurch sind nun im Gegensätze zu der wirth-
schaftlichen Aufgabe der Hamburger Häfen dem Altonaer Hafen und
seinen Lagerhäusern ganz bestimmte Verkehrsbedingungen vorge¬
zeichnet. In seiner neuen Eigenschaft als Zollhafen wird Altona in
erster Linie von denjenigen Seeschiffen aufgesucht werden, welche
den Verkehr der deutschen Nord- und Ostseeküste mit dem deutschen
Binnenlande vermitteln. Die Ladung und Löschung dieser Schiffe
vollzieht sich am bequemsten innerhalb des Zollgebiets, dieselben
haben somit keine zwingende Veranlassung, den Hamburger Freihafen
aufzusuchen. Die Eisenbahnen, welche Schleswig -Holstein, dessen
dänisches Hinterland, und über Kiel, Flensburg usw. einen Theil des
Ostsee-Verkehrs mit dem deutschen Schienennetze verbinden, münden
in Altona. Die zu Wasser hier ankommenden, für den Norden be¬
stimmten, und umgekehrt die voni Norden kommenden, zur Ver¬
schiffung bestimmten Güter finden deshalb ihren natürlichen Ab¬
fertigungsplatz in Altona.
Wenn so dem Altonaer Hafen als Seeplatz seine bestimmten
Aufgaben vorgezeichnet sind, so mufs demselben vermöge seiner
Lage naturgemäfs auch ein beträchtlicher Antheil an dem Flufs-
schiffahrts -Verkehr mit der Unterelbe zufallen. Selbstverständlich
konnte Altona — nachdem Hamburg für die Neugestaltung seiner
Hafenanlagen in Anlafs des bevorstehenden Zollanschlusses, unter
Beihülfe eines Zuschusses von 40 Millionen Mark aus Eeiclismitteln,
sehr beträchtliche Suüimen verfügbar gemacht hatte — nur dann
darauf rechnen, dafs der naturgemäfs Altona zufallende Verkehrs-
Antheil dieser Stadt auch wirklich zu Theil werde, wenn es auch ihr
gelang, die erforderlichen Mittel für einen entsprechenden Ausbau
der Hafen-Anlagen zu beschaffen. In gerechter Würdigung des Um¬
standes, dafs es sich hierbei nicht nur um örtliche, vielmehr in er¬
heblichem Mafse um öffentliche Verkehrs -Interessen handelt, wurde
durch Gesetz vom 30. Juni 1886 der Stadt eine Beihülfe im Höchst¬
betrage von G’/o Millionen Mark aus Staatsmitteln gewährt. Städtischer-
seits wurden aufserdem noch 1 300 000 Mark für die betreffenden
Bauten und Grunderwerbskosten bereitgestellt, sodafs im ganzen
7 800 000 Mark zur Verfügung standen.
Die Entwurfsarbeiten und die Ausführung der Bauten übernahm
gemäfs Vereinbarung zwischen der Staatsregierung und der Stadt¬
verwaltung die letztere unter Ueberwachung der ersteren, wobei be¬
stimmt wurde, dafs die für die Ausführung von Staatsbauten mafs-
gebenden Grundsätze auch im vorliegenden Falle zur Anwendung
gelangen sollten. Der allgemeine Entwurf für die zunächst auszu¬
führenden Anlagen war in städtischem Aufträge vom Verfasser dieses
Berichts bereits im December 1885 aufgestellt worden. Für die Be¬
arbeitung der ausführlichen Entwürfe und die Ausführung der Bauten
wurde im März 1886 Verfasser mit der Einrichtung einer besonderen,
vom Stadtbauamte abgezweigten Bauabtheilung beauftragt, deren
Oberleitung der kürzlich verstorbene Stadtbaumeister Winkler, und
deren besondere Leitung Verfasser dieses übernahm.
In Anbetracht der Kürze des Zeitraums vom Frühjahr 1886 bis
October 1888 und des Umstandes, dafs zur Feststellung der Pläne
die Genehmigung der städtischen Ausschüsse und Behörden, der
Staatsbau Verwaltung und gegebenenfalls auch die Zustimmung der
Zoll- und Eisenbahn -Verwaltung einzuholen war, mufste von vorn¬
herein angenommen werden, dafs die Fertigstellung der gesamten
Bauten zu der gleichen Zeit mit dem Zollanschlusse nicht werde
erreicht werden können. Aus diesem Grunde und weil es zweck-
mäfsig erschien, bei der zu erwartenden gänzlichen Umgestaltung
der bisherigen Verkehrsverhältnisse die Möglichkeit zur späteren
Ausführung nicht vorgesehener, aber im Betriebe sich als nothwendig
erweisender Bauten zu behalten, wurde für die Einzel-Entwürfe der
Grundsatz aufgestellt, dafs vorerst nur die zunächst erforderlichen
Bauten ins Auge zu fassen seien. Als solche wurden die folgenden
vier Gruppen der Bauanlage erkannt:
1. Der Ausbau des Seeschiffhafens nebst Anschlufs an die be¬
stehenden Geleis-Anlagen und Eegulirung der grofsen Elbstrafse.
2. Die Anlage der neuen Hafenstrafse mit bequemen Steigungs-
Verhältnissen zur Verbindung des Hafens mit der oberen Stadt.
3. Die Erweiterung des westlichen Hafens für Flufsschiffahrt.
4. Die Anlage eines östlichen Hafens und Landungsplatzes für
Fischerfahrzeuge.
.1
Altonaer Zollanschlufsbauten,
\t. 17.
Centralblatt der Bauverwaltung,
167
1. Der Ausbau des Seeschiffhafeus.
Die einzige in Altona vorhandene, zum Anlegen von Seeschiffen
taugliche, mit tief gegründeter Kaimauer versehene Uferstrecke war
bislang der Neumühlener oder Westkai in einer Länge von 330 m.
Obgleich es nahe lag, die neuen Kai- Anlagen im Anschlüsse an die
genannten älteren anzuordnen, so mufste doch hiervon aus verschie¬
denen Gründen Abstand genommen werden, und zwar einmal, weil
die Lage des Neumühlener Kais an dem dort schon ziemlich ver¬
breiterten Strome eine wenig günstige und bei schlechtem Wetter für
kleinere Fahrzeuge unbequeme ist, zweitens weil, wie dies aus den
nebenstehenden Lageplänen, Abb. 1 u. 2, ersichtlich, die Gasanstalt,
deren Verlegung aufserordentliche Schwierigkeiten bieten würde, im
Wege steht, und drittens, weil der östlich an den Neumühlener Kai
stofsende Hafen- und Löschplatz für Flufsfahrzeuge dort sehr vor-
theilhaft gelegen ist und dessen Verlegung äufserst unbequem er¬
schien.
Es ist deshalb der neue Seeschiffkai, welcher den Namen „Ost-
kai“ erhalten hat, östlich von der Gasanstalt angelegt worden. Die
einstweilen ausgeführte Länge beträgt 560 m und schliefst beiderseits
mit einer gröfseren Treppenanlage ab. Von dieser Länge sind die
mittleren 320 m zum Anlegen der tiefstgehenden, nach hier herauf
kommenden Seeschiffe unmittelbar an die Ufermauer benutzbar. Die
Baggerungstiefe beträgt daselbst 6,3 m unter mittlerem Niedrigwasser,
welche Tiefe — wenn dies etwa später erforderlich werden sollte —
durch einfache Baggerung auf 7,1 m gebracht werden kann. An den
beiden Enden des Kais, in der Länge von je 120 m, bleiben im Flufs-
bette vor der Ufermauer Böschungen liegen, welche den Uebergang
bilden aus der bezeichneten grofsen in die geringe Hafentiefe, wie
letztere vor der Gasanstalt und den östlich an den neuen Kai gren¬
zenden alten Speichern vorhanden ist. Die Neigung dieser Böschungen
in der Längenrichtung an der Ufermauer beträgt ungefähr 1 : 20.
Die Breite des Hafens vor dem Ostkai, zwischen der Kaimauer
und der Dalbenstellung — welche letztere den Hafen vor Eisgang
und Wellenschlag schützt — beträgt im Mittel 45 m, ein Mafs,
das zwar knapp bemessen, für die Bewegung der Schiffe im Hafen
aber noch ausreichend ist. Die Breite der Kaifläche hinter der Ufer¬
mauer einschliefslich der Fahrstrafse beträgt 50 bis 60 m. Diese
Breite genügt zur Aufnahme der Güterschuppen mit 23 m Tiefe, von
3 bis 4 Geleisen hinter denselben und der Fahrstrafse. Nördlich von
der Fahrstrafse erhebt sich mit steiler Böschung, theilweise durch
schwere Futtermauern gestützt, die Anhöhe, auf welcher bis zu 33 m
über dem Niedrigwasser der Elbe der obere Theil der Stadt liegt.
Dieser Umstand ist es, welcher die gröfstmögliche Einschränkung in
den Breitenverhältnissen sowohl des Hafens wie der Kaifläche er¬
forderte, (Schlufs folgt.)
Neue Schöpfwerke in Preufsen aus dem Jahre 1889,
Nach amtlichen Berichten wurden im vergangenen Jahre in
Preufsen u. a. folgende Schöpfwerk- Anlagen ausgeführt:
a) Ein Schöpfwerk mit Kreiselpumpe für den Bütz¬
flether Schleusenverband im Kreise Kehdingen des Regierungs-
Bezirks Stade. Dasselbe soll eine Fläche von 1500 ha entwässern,
nämlich 250 ha wildes Hochmoor, 450 ha hohes und mittelhohes
Marschland, 250 ha höheres Weideland, 5U0 ha niedriges und 50 ha
niedrigstes Weideland. Das Gebiet wird als Acker, Wiese und
Weide benutzt. An der tiefsten Stelle liegt es 0,50 m, an der höch¬
sten Stelle 3,50 m über dem zu gewinnenden niedrigsten Binnen¬
wasserstande. Die Ermittlung der auszuschöpfenden Wassermengen
geschah unter Zugrundelegung eines Frühjahrswassers von 0,276 m
Höhe, welches in 30 Tagen beseitigt werden sollte. Hiervon wurden
1/3 für Verdunstung usw. in Abzug gebracht, sodafs 63,9 cbm in der
Minute oder 2 760 000 cbm in 30 Tagen zu beseitigen sein würden.
Das Schöpfwerk wurde geliefert durch die Firma L. W. Besten¬
bostel u. Sohn in Bremen. Es besteht aus einer Kreiselpumpe von
1,9 m Durchmesser mit lothrechter Welle und schwimmendem Blech-
cylinder zur Entlastung des Spurzapfens nach dem Patent Neukirch,
sowie aus einer Dampfmaschine von 22 bis 24 nutzbaren Pferde¬
kräften. Die Schöpfhöhe steigt von 0,38 m bis 2,84 m, sie beträgt
durchschnittlich 1,61 m. Bei diesen Hubhöhen vermag das Pumpwerk
269 bezw. 36 bezw, 63,5 cbm in der Minute zu befördern. Die Kosten
der Dampfmaschine einschliefslich des Kessels in fertiger Aufstellung
und der Schöpfvorrichtung betragen 17 600 Mark, der Unterbau für
Maschine und Schöpfvorrichtung mit Ausmauerung des Kessels und
Errichtung des Schornsteines soll anschlagsmäfsig einen Aufwand
von 16 000 Mark, das 71 qm grofse Dampfmaschinengebäude einen
solchen von 7000 Mark hervorrufen, sodafs im ganzen einschliefslich
Grundentschädigung ein Kostenaufwand von 42 600 Mark entsteht.
b) Eine zweite Kreiselpumpe wurde von der Entwässerungs-
Genossenschaft in Tiege im Kreise Marienburg aufgestellt.
Dieselbe soll ein aus Acker und Wiese bestehendes Gebiet von
1000 ha entwässern. Rechnungsmäfsig werden 1750 000 cbm Wasser
zu beseitigen sein mit einer Schöpfhöhe von mindestens 0,2 m,
durchschn. 1,4, höchstens 2,6 m. Die mittlere Leistung des von der
Firma Schichau in Elbing gelieferten, aus einer Kreiselpumpe mit
30 nutzbaren Pferdekräften bestehenden Pumpwerkes beträgt 60 cbm
in der Minute. Die Schöpfmaschine nebst Kessel hat 12 000 Mark
gekostet, der Unterbau von Maschine und Schöpfvorrichtung nebst
Kessel-Einmäuerung und Schornstein 7500 Mark, das 132 qm grofse
Maschinengebäude 2500 Mark, sodafs die Kosten der Schöpfanlage
im ganzen ungefähr 30 000 Mark betragen haben.
c) Eine dritte Kreiselpumpe mit lothrechter Welle wurde für
die Entwässerungs-Genossenschaft in Thiensdorf im Kreise
Marienburg aufgestellt. Die 220 ha umfassende Niederung wird
meist als Wiese oder Weide benutzt, sie dacht sich ziemlich gleich¬
förmig nach dem Schöpfwerk hin ab, nur die entferntesten höheren
Ländereien sind Ackerland. Der Binnenwasserstand soll in der Nähe
des Schöpfwerkes auf 0,6 m unter Bodenoberfläche gesenkt werden.
Zur Berechnung der auszuschöpfenden Wassermenge wurde ange¬
nommen, dafs ein Niederschlag von 5 Wintermonaten in Höhe von
0,30 m in 30 Tagen mit je 20 Arbeitsstunden, sonach in einem Tage
durchschnittlich 1 cm Wasserhöhe zu beseitigen sei. Das Schöpf¬
werk mit einer Stärke von 38 nutzbaren Pferdekräften wurde von
der Firma Hotop in Elbing aufgestellt. Die Hubhöhen betragen
mindestens 1,8 m, durchschnittlich 2,2, höchstens 3,5 m. Bei diesen
Hubhöhen soll die Maschine in einer Minute schöpfen 28 bezw.
23 cbm bei 143 Umdrehungen, bezw. 29 cbm bei 182 Umdrehungen
in einer Minute. Die Kosten der Schöpfvorrichtung betragen ein¬
schliefslich Platten, Anker, stehender Welle und dgl. 3500 Mark, die¬
jenigen der Dampfmaschine nebst Kessel 10000 Mark, des Unter¬
baues von Dampf- und Schöpfmaschine einschliefslich Schornstein
10 200 Mark und des 92 qm grofsen Maschinenhauses 1800 Mark.
Mit Einschlufs der übrigen zum Schöpfwerk erforderlichen Anlagen
beziffern sich die Gesamtkosten der Schöpfvorrichtung auf 44 000 Mark.,
d) Eine vierte Schöpfvorrichtung wurde in der Danziger Niede¬
rung bei Gruben- und Kädingskampe aufgestellt. Die hier zu
entwässernde Niederung ist 275 ha grofs und besteht vorzugsweise
aus Acker- und Weideland. Sommer- und Wintergetreide, Kartoffeln,
Hülsenfrüchte und Rüben werden gebaut, sodafs das Bestreben
vorliegt, den Binnenwasserstand auf 0,6 bis 1 m unter Bodenhöhe
zu senken.
Die Schöpfhöhen betragen nur 0,8 bis 1,8, durchschnittlich
1,3 m. Ein altes, durch eine Windmühle getriebenes Wurfrad dient
seit Jahren zur Entwässerung. Bei Ueberschwemmungen steht jedoch
das ganze Land 0,3 m und höher unter Wasser. Die alsdann zu be¬
seitigende Wassermenge beträgt ungefähr 800 000 cbm. Hiervon
kommt ein grofser Theil unmittelbar zum Abflufs, ein anderer Theil
wird durch die Windmühle gehoben, es verbleibt aber noch eine
Wassermenge von 80 — 90000 cbm, welche durch Dampfkraft beseitigt
werden soll. Zu dem Ende wurde von der Firma Heinrich Lanz in
Mannheim eine Locomobile von 9 nutzbaren Pferdekräften geliefert,
welche durchschnittlich 3,6 cbm Wasser in der Minute befördert und
für welche eine Arbeitszeit von 400 Stunden in Aussicht genommen
wurde. Die Kosten des Anschlusses der neuen Maschine an das
alte Wurfrad haben 1300 Mark betragen, diejenigen der Maschine
selbst 4200 Mark, des 38,7 qm grofsen Maschinengebäudes 500 Mark,
sodafs insgesamt die Vergröfserung der Schöpfanlage durch Dampf¬
betrieb einen Aufwand von 6000 Mark verursachte. Die Maschine
verbraucht entsprechend ihrer Kleinheit 2,8 kg Kohlen auf die Pferde¬
kraft und Stunde. — dt.
Das Städtische Spielhaus in Worms.
(Schlufs.
Der Grundgedanke der im Wormser Spielhause zur Ausführung
gebrachten Bühne ist im wesentlichen derjenige, der sich in Worms
1883 als Lutherbühne bewährt hatte. Ich darf mich bei der Be¬
schreibung der Bühne angesichts der schon erfolgten Veröffentlichungen
wohl darauf beschränken, einzelnes kurz zu wiederholen. Die Bühne
des Städtischen Spielhauses theilt sich in eine durch Vorhang abzu-
schliefsende Hinterbühne und eine offene,, in den Zuschauerraum
flachbogig vorspringende Vorderbühne. Fluchtrecht mit der Oeffnung
168
26. April 1890.
Ceutralblatt dor Bauverwaltung'.
der Hinterbühne sind rechts und links d’hüren mit darüber betind-
licheu balconartigen Oeffnungen in einfacher Rahmenarchitektur ver¬
bunden. Zwischen dieser den Hintergrund der Yorderbühne bilden¬
den Rückwand und dem Proscenium befindet sich ein breiter
Schlitz, der ebenfalls den Zugang von rechts und links zu der
Vorderbühne gestattet und z. B. das Vorüberziehen von Kampfscenen,
den Spaziergang vor dem Thore und anderes ermöglicht. Einen al)-
schlieJfsenden Vorhang besitzt die Vorderbühne nicht. Man wollte
dem Zuschauer von vornherein den einfachen < )rganismus der Bühne
unverhohlen zeigen, um falsche oder spannende Erwartungen zu ver¬
meiden. Von der Mitte der Vorderbühne führt in den Zuschauer¬
raum eine Treppe, deren Wangen die Bühnenkante so viel überragen,
dafs in ihnen links der Souffleur und rechts der Spielmeister un¬
gesehen vom Publicum Unterkunft finden können. Bei dem Luther¬
festspiel und bei dem Eröffnungsspiel safsen auf den Treppeiiwangen
Schauspiel-Figuren, die die Handlung chorartig mit ihren Betrach¬
tungen gleichsam aus dem Publicum heraus begleiteten. Aber auch
ohne diese Ausnutzung bringt diese verbindende Treppe die Schau¬
spieler dem Gefühle der Zuschauer innerlich nahe, eine Wirkung,
von der man sich auch in dem königlichen Residenztheater in
München überzeugen kann, wo sich die Rampe in der ganzen Bühnen¬
breite stufenweise nach dem Parkett abtreppt.
Die Volksbühne ist zunächst völlig decorationslos gedacht, und
man hat sich bisher mit der Verwendung braunrother Behänge als
günstigen Hintergrundes für die farbigen Gewänder begnügt. Diese
Einfachheit wirkt indessen unleugbar in dem sonst einheitlich deco-
rirten Theaterraum auffällig. Es wird hier eine Abänderung beab¬
sichtigt gleichzeitig mit Versuchen für einfachste Andeutung des der
Handlung entsprechenden Ortes zunächst durch Befolgung des
Schinkelschen Vorschlags, einen einzigen Hinterhang anzubringen.
Die Mafse der Hinterbühne sind etwas reiclilicher als die
der Berliner Krollschen Bühne, die Vorderbühne ist bei nur 4,5 m
Tiefe 14 m breit. Diese breite und flache Bühne, welche bei An¬
ordnung des Zuschauerraumes sehr günstige Sehlinien ermöglichte,
war bei den Vorbesprechungen aus Stilgi'ünden ausdrücklich ge¬
fordert. Der bei der Spielordnung überall durchgeführte Grundsatz
der Andeutung legt mit Recht gar kein Gewicht auf die wirkliche
Vorführung der durch das Schauspiel etwa verlangten grofsen
Massen, deren Zahl in unseren Theatern häufig die Zuschauerzahl
übersteigt und die eine kleine Stadt überbaupt nicht aufbringen kann.
Es kommt hier vielmehr darauf an, dafs die Bühne bei der Anwesen¬
heit einer Anzahl von Menschen den Eindruck des Gefüllten und
Gedrängten macht.
In der Gestaltung des Z us chauer raumes sind die Vorbilder
Bayreuths, des für Paris geplanten grofsen Volkstheaters und des
Trocadero von Davioud und Bourdais ersichtlich. Die Verschieden¬
heit des von dem Schauspiel geforderten Stils hatte indessen manche
bewufsten Abweichungen zur Folge. Richard Wagner suchte in
seinem Bayreuther Theater den Zuschauer möglichst zu isolireu, um
ihn ganz in seinen Zauber einer traumhaften Stimmung zu bannen.
Die bedeutende Steigung der Sitzreihen, ihre parallele Anordnung
hintereinander lassen den einzelnen Beschauer, wenn ich nach meiner
Erfahrung urtheileu darf, dieses ganz ausschliefslich der Bühne Zu¬
gewandtsein als einen fast drückenden Zwang empfinden, der sich
erst mit dem Aufgehen des Vorhangs verliert. Für die Volksbühne
sollte ein gröfseres Gemeinsamkeitsgefühl bei den Zuschauern durch
die Raumanordnung hervorgerufen werden: das Gefühl des Zu-
sammensitzens. Man betonte daher eine geringere Steigung der
Sitzreihen und stellte theilweise die in Bayreuth vermiedenen, nach
dem Proscenium vorgezogenen Wandgalerieen für einen geringen
Bruchtheil der Zuschauer wieder her, damit das Publicum sich selbst
sehen könne. So sind in Worms von den 1400 Personen, die das
Theater mit der Sängerbühne bei völliger Raumausnutzung fafst,
200 in den Logen an der Rückwand und in dem darüber befindlichen
Range untergebracht. Die gewünschte geringe Steigung der Sitz¬
reihen ermöglichte dabei, dafs die höchsten Parkettsitze ■ — gleich'
zeitig die Fufsbödenhöhe der Logen — nur 2,5 m über dem Bühnen¬
boden sich befinden. Der Bühne gegenüber an der Stelle, die bei
Hoftheatern durch die Fürsteuloge eingenommen wird, befindet sich
eine in die Rückwand eingebaute Sängerbühne für 100 Sänger mit
einer grofsen Walkerschen Orgel. Die Ueberlegung, dafs bei Fest¬
aufführungen auf Musik nicht verzichtet werden dürfe, indessen ein
gutes Orchester zu halten für eine kleinere Stadt unmöglich ist,
führte auf diesen Ausweg der Verwendung der Orgel und der wohl
in allen deutschen Städten vorhandenen leistungstähigen Gesang¬
vereine. Aufserdem eröffnete sich damit noch die Aussicht auf eigen¬
artige Wirkungen der an den Chor der Alten erinnernden, gewisser-
mafsen aus dem Publicum heraus erschallenden Gesänge.
Da die Anordnung der erfahrungsmäfsig die Bühnentäuschung
sehr beeinträchtigenden, aufserdem schlechten Prosceniums-Zuschauer-
plätze grundsätzlich ausgeschlossen war, ergab sich in der breiten
Prosceniumswaud der günstigste Platz für die acht zweiflügeligen
Parkettzugänge. Im ganzen besitzt der Zuschauerraum 33 Ausgänge.
Als das Theater die erste Probe der Akustik zu bestehen hatte,
wurden die zur gänzlichen Füllung des Hauses bestellten 1400 Schul¬
kinder angewiesen, nach dem Schlufs der Vorstellung auf ein von
der Bühne gegebenes Zeichen gleichzeitig ruhig den Raum zu ver¬
lassen. Die Entleerung des vorderen Parketts erfolgte in 22 Seeunden,
die des ganzen Zuschauerraums in weniger als 40 Seeunden. Da
sich nun der umlaufende, zu ebener Erde liegende Wandelgang mit
9 Thüren und 8 breiten Fenstern, die im Falle der Noth auch als
Ausgänge dienen können, nach dem Freien öffnet, so erscheint die
Gefahr bei etwa ausbrechendem Feuer auf ein geringes Mafs ein¬
geschränkt.
Die tiefen, schräg gestellten Prosceniumswände sind als ganz
glatte Rahmenarchitektur behandelt, um nach der im Trocadero durch¬
geführten Theorie für die hinteren Plätze den Schall durch Mittöneu
zu verstärken. Die Reste eines alten Theaters in Athen zeigen ähn¬
lich gestellte Wände an dieser Stelle, auch empfiehlt eine bemerkens-
werthe, im Jahre 1800 erschienene kleine Schrift von Rode „Theorie
der Verbreiterung des Schalls“ Versuche mit dieser Theaterform auf
das nachdrücklichste. Die von Langhans in seiner Katakustik von
glatten Flächen des Prosceniums befürchtete schlimme Wirkung ist
in dem Wormser Spielhause nicht eingetrofl'en, wenigstens habe ich
Klagen darüber nicht gehört, habe auch selbst die in dieser Hinsiebt
heikelsten, vorn seitlich gelegenen Plätze eingenommen , ohne stören¬
den Nachhall zu vernehmen.
Zu bevorzugten Plätzen des Hauses sind die thatsächlich besten,
die etwa in der Mitte des Parketts befindlichen drei Sitzreihen, da¬
durch gemacht, dafs sie betjuemere Sessel erhalten haben. Zu dieser
Anordnung veranlafste auch die Ueberlegung, in einem volkthüm-
lichen Fcsthause die Wohlhabenderen sich von der Gemeinsamkeit
nicht dadurch ausschliefsen zu sehen, dafs sie sich in den Logen
verstecken. Bei fürstlichem Besuch wird nach Beseitigung einiger
Parkettplätze unmittelbar hinter diesen Sesseln vor der Orgel mitten
im Hause ein Podium geschaffen und mit erforderlichen Armsesseln
versehen. Die unbeobachtete Loge mag ja in mancher Hinsicht
Vorzüge der Annehmlichkeit und Bequemlichkeit haben, doch wird
das Einnehmen solcher dem ganzen Hause sichtbaren Plätze durch
die hohen Gäste vom Publicum stets dankbar empfunden werden.
Als bei der Anwesenheit des Kaisers das Publicum stehend in den
Schlufsgesang einstimmte, alle nach der Mitte des Hauses dem Kaiser
zugewandt, da war diese Huldigung auch durch ihre räumliche An¬
ordnung von besonderer Wirkung.
Bei dem Zuschauerraum sei als eigenartig noch erwähnt, dafs
ein grofses kreisförmiges Oberlicht von 9 m Durchmesser volles
Tageslicht einführt, um auch Vorstellungen bei Tage zu ermög¬
lichen. Abgesehen von der durch Fortfall künstlicher Beleuchtung
erhöhten Feuersicherheit und der Kostenersparnifs wurde auf die
Tagesstimmuug der Zuhörer besonderes Gewicht gelegt. Richard
Wagner verlangt von der Theilnahme des Publicums, dafs sie
eine angespannt thätige, nicht schlaffe und oberflächlich genufs-
süchtige sei. Das Oberlicht erhellt auch abends ausschliefslich
den Raum, da über der farbigen Verglasung zwei Bogenlichter
und 50 Glühlichter angebracht sind und nur wenige Glühlampen die
schrägen, mit bemaltem Ornament versehenen Prosceniumswände
lediglich schmückend beleben. Das Haus wird mit einer von Rösicke
in Berlin ausgeführten Centralheizung in der Weise erwärmt und
gelüftet, dafs in den Zuschauerraum mit Dampf vorgewärmte Luft
mittels Luftschaufel getrieben wird, Wandelgänge und Bühne unmittel¬
bar mit Dampf, die Ankleideräume aber mit Warmwasser geheizt
werden, während zwei grofse, durch Dampfspiralen gewärmte Ab¬
sauger über dem früher erwähnten Schlitz zwischen Vorder- und
Hinterbühne augeordnet sind.
Es war schon erwähnt, dafs die Wormser Volksbühne ohne
grofse Mühe in eine Bühne für das herkömmliche Schauspiel umzu¬
ändern ist. Nach Beseitigung des Bodens der Vorderbühne zeigt
sich ein versenktes Orchester für 90 Musiker. Die Oeffnungen seit¬
lich der nun als einzige Bühne dienenden Hinterbühne werden mit
angemessen decorirten Rahmen verstellt; die Bühne selbst ist mit
Versenkungen und allen erforderlichen Theater- und Beleuchtungsein¬
richtungen versehen, ebenso ist der nöthige Bestand an Coulissen und
Hinterhängen beschafft. Da auf die Oper des hierfür nothwendigen
Aufwandes wegen gänzlich verzichtet ist, konnte bei der Herstellung
dieser von Kautsky in Wien gemalten Decorationen auch für den
Spielplau der herkömmlichen Bühne der Grundsatz der Andeutung
im Auge behalten werden. Es ist daher der Versuch gemacht wor¬
den, die malerische Behandlung mehr zu stilisiren, etwa in der
Weise der Scheureuschen Aquarellzeichnungen, mit starken, be¬
zeichnenden Umrifslinien und bescheideneren Localtönen. Bei den
Seitencoulissen ist dabei auf Perspective ganz verzichtet, deren
täuschende Wirkung durch die danebentretenden Schauspieler auf
Hr. 17.
Centralblatt der Bauverwaltung.
169
einer kleinen Bühne besonders leicht beeinträchtigt wird. Aus dem¬
selben Grunde beginnt der Hinterhang in Menschenhöhe stets mit
einer Darstellung neutraler Art, einer Bogensteilung, einem Gitter,
einer Brüstung in natürlicher Gröfse, während erst darüber — über
Kopfhöhe — die perspectivische Behandlung ansetzt.
Das städtische Spielhaus in Worms soll aufser zu Schauspiel¬
zwecken auch noch durch andere Verwendung als Mittelpunkt der
geistigen Bestrebungen der Bevölkerung dienen. Der Raum wird zu
Vorträgen, zu musicalischen Aufführungen und zu Volksversamm¬
lungen verwendet werden, so auch zu Tanzfestlichkeiten, für welchen
Zweck dann die Parkettsitzreihen beseitigt und die zehn in der
mehrfach erwähnten schrägen Prosceniumswand vorhandenen Logen
nach Wegnahme der verschliefsenden Tafeln in Benutzung gezogen
werden können.
worden ist, welche etwa zweimal im Jahre volksthümliche Auf¬
führungen bewerkstelligen und aus jenen Berufskünstlern ihre Lehr¬
meister entnehmen soll. Wie sich dieses Verhältnifs entwickeln,
inwieweit sich die Genossenschaft von der Unterstützung der Berufs¬
künstler freimachen wird, ist eine Frage der Zeit, die damit zu¬
sammenhängt, dafs die Schauspieldichter durch den hier ge¬
schaffenen Bühnenrahmen, dem die gröfste poetische Beweglichkeit
nicht abgesprochen werden kann, sich zu selbständigen Schöpfungen
anregen lassen. Die Einfachheit und Billigkeit der Bühnenanordnung
neuer Stücke bietet die wünschenswerthe leichte Möglichkeit, es mit
neuen Dichtern und Dichtungen ohne grofse Bedenken zu versuchen,
während die heutigen Theaterunternehmer bei der aufserordentlichen
Kostspieligkeit neuer Einrichtungen auf sichere Kassenerfolge an¬
gewiesen sind, also auf bekannte, zugkräftige Namen und Stücke,
0 5 10 20 30 40"'-
Das Städtische Spielhaus in Worms.
Mit dem Theaterbau sind unmittelbar ein grofser Festsaal
und eine ständige Wirthschaft in der Weise verbunden, dafs sich
der Saal zwischen das Spielhaus und die Wirthschaft legt. Er
eignet sich dadurch bequem zum Aufenthalt der Theaterbesucher
in den Pausen und als Speisesaal bei Tanzfesten. Der Festsaal hat
ebenfalls eine kleine Bühne für Kammer- und Tafelmusik erhalten.
Die gesamte Festhaus-Baugruppe legt sich um einen Concertgarten,
der die Aussicht auf den Westchor des alten Domes hat. Die nicht
erhebliche Entfernung der letzteren von dem Spielhause war mit¬
bestimmend für dessen Formengebung, da in erster Linie die Rück¬
sicht geboten war, die neu zu schaffende Baumasse dem Dome gegen¬
über nicht fremd oder gar störend erscheinen zu lassen. Der
romanische Stil erlaubt und fordert die hier auch hinsichtlich der
verfügbaren Mittel gebotene Einfachheit durch die ihm eigenthüm-
liche Betonung grofser Linien und Umrisse und durch die Art seiner
Wirkung, welche wesentlich auf dem Gegensatz der Oefifnung zur
Fläche beruht. Indem ich nach diesem Grundsatz dem gestellten
eigenartigen Bauprogramm nach aufsen ehrlichen Ausdruck zu geben
versuchte, hoffte ich eine zwar schlichte, aber bei aller Einfachheit
doch nicht dürftige Wirkung erzielen zu können. — Stil in der Kunst,
sagt Feuerbach, ist das richtige Fortlassen alles Unwesentlichen.
Der Betrieb des Spielhauses ist zunächst in der Weise ge¬
regelt, dafs der grofsherzogliche Schirmherr des Unternehmens das
zeitweise Auftreten der Darmstädter Schauspieler gestattet, und
dafs eine Spielgenossenschaft unter den Bürgern der Stadt gegründet
kurz auf die handwerksmäfsige Ausübung ihres Berufes. Bekannt
genug ist die grofse Anzahl der Dichtungen, welche bei unsern
Bühnenleitern jährlich eingeht, und die verschwindend kleine der
Dichter, denen das Glück der nothwendigen Erprobung ihrer Werke
vor dem Publicum zufällt. —
Es lag nahe, zumal in heutiger Zeit, alle entbehrlichen Fremd¬
wörter im geschäftlichen Verkehr des städtischen Spielhauses durch
deutsche zu ersetzen. Entsprechend dem Wort Spielhaus bildet sich
ungesucht für Regie und Regisseur — Spielordnung und Spielordner,
für Repertoir und Saison — Spielplan und Spielzeit, für Inspicient —
Bühnenmeister, für Garderobier — Gewandmeister usw., Wörter, die
sich schnell eingeführt haben, wie man denn allgemein in der Stadt
auch nicht mehr von Loge, sondern von Laube spricht. Die An¬
gestellten des Hauses, die Beschliefser und Kellner tragen für sie
entworfene, theilweise farbenreiche Gewänder.
Die Eintrittspreise sind dem Zwecke des Hauses ent¬
sprechend niedrige; für die vorderen Sperrsitze 50 Pfennig, für die
mittleren 1 Mark, für die oberen 2,50 Mark, für die in der Mitte
befindlichen Sessel 3,50 Mark — Beträge, die gelegentlich noch auf die
Hälfte herabgesetzt werden sollen. Dies führt darauf, zum Schlufs
ein Wort über die Beschaffung der Geldmittel des Unternehmens zu
sagen. Wenn die Befolgung des § 1 der Spielhaussatzungen: „das
Wormser Städtische Fest- und Spielhaus soll eine Kunstanstalt sein,
in deren Betrieb die Würde der Kunst das oberste Gesetz ist* er¬
möglicht werden sollte, mufste das Theater seines heut allgemein
170
Centralblatt der Bauverwaltung.
26. April 1890.
üblichen Wesens eines gewerblichen Unternehmens völlig entkleidet
werden. Unser heutiges Theater ist eine Unterhaltuugsanstalt für
die Wohlhabenderen, nnd seine Leiter sind nach dem Gesetz
des Angebots nnd der Nachfrage auf handwerksmäfsige Geschäfts¬
gewandtheit ange^viesen, wenn nicht auf Schlimmeres. Forderungen
höherer Sittlichkeit und Geistesbildung können aber erfolgreich über¬
haupt nicht geltend gemacht werden gegen Privatunternehmei’, die ihre
theatralischen Leistungen um des Gelderwerbs willen so dringend und
oft wie möglich anbieten müssen. Das Wormser Unternehmen hat
nun lediglich die mäfsigen Betriebskosten der Aufführungen selbst
durch die Einti’ittspreise aufzubringen, da die Verzinsung der ein¬
zigen Belastung der Anlage, einer 3Vl' pCt. Hypothek der Stadt¬
sparkasse von 150 000 Mark, durch die Verpachtung der Wirthschaft
eingebracht wird. Die übrigen Anlagekosten, welche im ganzen für
Grundstück, Bauausführung, Einrichtung, Decorationen und Costüme
611000 Mark betrugen, wurden gedeckt: 1) durch die einmalige
Zahlung von 100 000 iMark seitens der Stadt, durch welche diese sich
zur Eigenthümerin des Hauses machte, 2) durch den Ertrag dreier
Lotterieen, 3) durch die von den Bürgern ohne irgend welche Gegen¬
leistung der Verzinsung oder Platzbevorzugung in einzelnen Beträgen
geschenkte Summe von 236 000 Mark. Von manchem Merkwürdigen
bei dem Wormser Unternehmen ist diese Opferwilligkeit einer in
der Gesamtheit keineswegs reichen Stadt von 23 000 Einwohnern
jedenfalls das Merkwürdigste und — da das Opfer einer idealen
Sache gebracht war — hohen Ruhmes werth. Ich gedenke dabei
des würdigen, verstorbenen Geschichtsprofessors Junk am Berliner
Fr. Werderschen Gymnasium, den vielleicht noch mancher hier an¬
wesende Werderaner mit mir in verehrendem Andenken hält. Er
pflegte in seinem Geschichtsvortrag hervorragende Opferwilligkeit
vergangener Zeiten unserer Erkenntnifs und Anerkennung mit den
Worten nahezulegen: „Sein Leben opfert man gern für das Vater¬
land, aber nicht sein Geld.“
Die Ausgaben der Stadt Berlin für bauliche Zwecke ini Haushalte für 1890/91.
Ueber die baulichen Ausgaben der Stadt Berlin für das ver¬
flossene Haushaltsjahr sind seinerzeit in diesem Blatte umfassende
Mittheilungen gemacht worden (siehe Jahrgang 1889 S. 155 ff.), sodafs
wir uns für das gegenwärtige Rechnungsjahr, unter Hinweis auf das
früher Gesagte, auf die Mittheilung der wichtigsten Zahlenangaben
beschränken können, umsomehr als die innere Einrichtung des Haus¬
halts dauernd die nämliche bleibt. Der Gesamthaushalt der Stadt
schliefst mit 73 516 296 IMark ab, ist also nur 'um 2 906 604 Mark
gegenüber dem Vorjahre gestiegen. Die für die hier in Betracht
kommenden Einzelhaushalte erforderlichen Gesamtsummen erhellen
aus nachstehender Uebersicht.
erwerb .300 000 Mark, Abbruchsarbeiten 40 000 Mark, Umbau der
Mühlendamm-, Mühlenweg- und der Fischerbrücke 580 000 Mark,
Umbau der Friedrichsbrücke 400 000 Mark, Umbau der Langen¬
brücke 350 000 Mark; 4. Regulirung der Stadtpanke 200 000 Mark;
5. Errichtung von Flufsbadeanstalten 100 000 Mark; 6. Anlegung eines
Hafens am Urban 1 000 000 Mark.
Diese Zahlen sprechen genügend für die Bedeutung und den
Umfang der Thätigkeit, welche seitens der Ingenieurabtheilung des
städtischen Bauwesens auf allen Gebieten entfaltet wird; namentlich
aber gewinnen die Brückenbauten von Jahr zu Jahr an Umfang und
Bedeutung.
1
Nr.
2
Bezeichnixng des Einzel -Haushalts
Festgesetz
Einnahme
Jl
te Summen für 1890/91
AiiscrqVip Erforderlicher
Ausgaoe 1 zi, Schilfs
JC 1 Jl
1 4
Erforderlicher
Zuschufs
für 1889/90
Jl
1
j Mithin fii
1 mehr
Jl
5 i!
r 1890/91
weniger
Jl \
1.
Bauverwaltung :
a) Hochbau .
1 906 000
5 359 837
3 453 837
4 190 570
736 733
b) Strafsen- und Brückenbau . . .
5 291 656
14 371 805
9 080 149
5 295 480
3 784 669
—
2.
Strafsenreinigung .
116 575
1 943 350
1 826 775
1 733 285
93 490
—
3.
Park- und Gartenverwaltung .
27 867
556 750
528 883
650 947
1 -
122 064
4.
Canalisationswerke:
a) Ordinarium .
4 443 880
6 792 051
2 3481711)
2 438 787
90 616
b) Extraordinarium .
2042 7662)
2 042 766
—
—
—
—
5.
Wasserwerke .
13 008 482
13 008 482
Vorjährige Haus-
haltssnmnie
6 084 326
6 924 156
6.
Gaswerke .
22 993 820
22 993 820
—
20 645 300
2 348 520
—
Ueberschufs
1 609 637
4 987 631
1) Von der Stadthauptkasse zu leisten. — Aus Anleihemitteln entnommen.
Der Minderbedarf an Geldmitteln einzelner Verwaltungszweige
ist gering gegenüber den Mehrforderungen, welche namentlich für
den Strafsen- und Brückenbau, die Wasserwerke und die Gaswerke
verlangt werden. Die Beträge für die verschiedenen Einzelhaushalte
stellen sich im einzelnen — in runden Summen — wie folgt:
1. Baiiverw.altiiug.
A) Hochbau. Es werden im Ordinarium verlangt für: 1. All¬
gemeine Verwaltung 115 000 Mark; 2. Gröfsere Reparaturen 345 000
Mark. Dagegen im Extraor dinarium: 1. Für den Bau höherer
Lehranstalten 988 000 Mark; 2. für den Bau von Gemeindeschulen
1585 000 Mark; 3. für den Bau anderer Gebäude 2 201000 Mark,
darunter für a) den Neubau einer Irrenanstalt in Lichtenberg
1400 000 Mark, b) den Neubau einer Anstalt für Epileptische
600 OOO Mark.
B) Strafsen- und Brückenbau. Es sind im Ordinarium
angesetzt: 1. Allgemeine Verwaltung 82 000 Mark; 2. Strafsenpflaste-
rung: a) Terrainerwerb zu Strafsenanlagen 3 350 000 Mark, b) Pflaster¬
material 930 000 Mark, c) für Neupflasterungen 215 000 Mark, d) für
Umpflasterungen 1350 000 Mark; 3. für Strafsenunterhaltung 600 000
Mark; 4. für die Unterhaltung der Chausseen 360 000 Mark; 5. für
die Unterhaltung der Brücken 126 000 Mark; 6. für Strafsenbrunnen
140 000 Mark; 7. für Bedürfnifsanstalten 30 000 Mark; 8. Regulirung
von Bürgersteigen vor städtischen Grundstücken 155 000 Mark.
Im Extraordinär ium werden verlangt: 1. Allgemeine Ver¬
waltung 12000 Mark; 2. für Neupflasterungen, Anlegung neuer
Strafsen und Strafsendurchbrüche 2 262 000 Mark; 3. für Brücken¬
bauten: a) Albrechtshoferbrücke 300000 Mark, b) Moltkebrücke
465 000 Mark, c) Alexandrinenbrücke 164 000 Mark, d) Paulstrafsen-
brücke 150 000 Mark, e) Waisenbrücke 280 000 Mark, f) Cottbuser-
brücke 100 000 Mark, g) für die Spreeregulirung und zwar: Land-
2. Strafseureinigauig imd Bespreugung.
Die Hauptausgaben gliedern sich wie folgt: Besoldungen
884 000 Mark, Bekleidung 12 000 Mark, Geräthe und Materialien
200 000 Mark, Abfuhr 589 000 Mark, Bespreugung 235 000 Mark.
Der vei-flossene Winter ist für diesen Zweig der Verwaltung ein
sehr günstiger gewesen, da kaum Schneefälle stattgefunden haben
und so der Verwaltung bedeutende Kosten erspart worden sind.
3. Park- und Garteiiverwaltung. ^
Die Kosten des Ordinariums beziffern sich auf 440 000 Mark;
hiervon entfallen auf Parkanlagen 142 000 Mark.
Im Extraordinarium werden 50 000 Mark für Herstellung eines
Wassersturzes im Victoria Park auf dem Kreuzberge verlangt.
4. Caiialisatiouswerke.
Die in Ansatz gebrachten Einnahmen des Ordinariums setzen
sich in der Hauptsache wie folgt zusammen:
Für Entwässerungsabgaben 2 200 000 Mark, aus der Verwaltung
der Rieselfelder 1800 000 Mark, Hausanschlüsse 425 000 Mark, Zu¬
schüsse aus der Stadthauptkasse 2 350 000 Mark. Die im Extra¬
ordinarium aufgeführten Einnahmen werden den Anleihen zu Canall-
sationszwecken entnommen und belaufen sich auf 2 000 000 Mark.
Die Ausgaben des Ordinariums gliedern sich wie folgt:
Kosten der Centralverwaltung 120 000 Mark, Betriebskosten der
Werke 950 000 Mark, Hausanschlüsse 480 000 Mark, Verwaltung
der Rieselfelder 1700 000 Mark, Schuldentilgung und Verzinsung
3 500 000 Mark.
5. Wasserwerke.
Die Haupteinnahmen der Wasserwerke entstammen dem Absatz
des Wassers und sind mit 5 650 000 Mark in Ansatz gebracht;
hierzu kommen aus Anleihemitteln 7 000 000 Mark. Unter den Aus¬
gaben sind für Verwaltungskosten 200 000 Mark, für Betriebskosten
1 000 000 Mark und für Schuldentilgung und Verzinsung 2 500 000 Mark
Nr. 17.
171
Centralblatt der Bauverwaltung.
vorgesehen; immerhin ergiebt sich ein Ueberschufs von 1 600 000 Mark.
Für die Fortführung der Bauten zu dem neuen Wasserwerke am
Müggelsee und eines Vertheilungswerkes bei Lichtenberg, für welche
Bauten sich der Kostenanschlag auf 20 000 000 Mark beziffert, werden
000 000 Mark gefordert.
(>. Gasanstalten.
Sehr erhebliche Einnahmen hat die Gasverwaltung zu ver¬
zeichnen; aus dem Absatz des Gases 12 600 000 Mark, aus den bei
der Gasbereitung gewonnenen Nebenerzeugnissen 5 400 000 Mark,
für Miethe von Gasmessern 400 000 Mark, für ausgeführte Gaslicht¬
einrichtungen 480 000 Mark.
Dem stehen an Ausgaben gegenüber: Feuerung der Retortenöfen
850 000 Mark, Kohlen zur Gaserzeugung 6 750 000 Mark, Arbeitslöhne
1 200 000 Mark, Schuldentilgung, Zinsen und Abschreibungen von dem
Werthe der Werke .3 000 000 Mark ; immerhin ergiebt sich ein barer
Ueberschufs von 5 000 000 Mark. Unter den Ausgaben des Extra-
ordinariums, welche aus Anleihemitteln entnommen werden und auf
3 665 000 Mark berechnet sind, befinden sich 2 000 000 Mark zur Aus¬
führung von Erweiterungs- und Erneuerungsarbeiten auf den vor¬
handenen Gasanstalten usw., sowie 1 000 000 als erste Baurate für
die Erbauung der fünften Gasbereitungsanstalt in Schmargendorf.
Pbg.
Vermischtes
Die Gehaltsverbesseriuig für die Bauinspectoren der allgemeinen
Bauverwaltung, der landwirthschaftlichen Verwaltung und des Mini¬
steriums der geistlichen usw. Angelegenheiten, wie solche in dem
dem preufsischen Landtage soeben zugegangenen Nachtragsetat vor¬
gesehen ist, besteht in einer Erhöhung des Durchschnittsgehaltes um
600 JC dergestalt, dafs die bisherigen Gehaltssätze von 2400 bis
4800 ./Ä (durchschn. 3600./^) in Zukunft 3600 bis 4800./^ (durchschn.
4200 JC) betragen werden.
Zur Scliiffbarinachuug der Fulda von Mündeu bis Cassel ist in
dem Nachtrag zum Staatshaushalt für 1890/91 ein erster Theilbetrag
von 100 000 Mark enthalten. Der Entwurf bezweckt eine Weiter¬
führung der Wasserstrafse der Weser über Münden hinaus bis nach
Cassel, ein Plan, der namentlich von der Stadt Cassel, welche zu
den Ausführungskosten 730000 Mark beizusteuern sich verpflichtet
hat, schon seit längerer Zeit wiederholt lebhaft befürwortet und auch
im Abgeordnetenhause mehrfach erörtert ist. Es steht zu erwarten,
dafs die Verlängerung der Wasserstrafse bis Cassel — um 28 km —
und der Anschlufs dieser Stadt an dieselbe den Verkehr auf der
Weser beleben und die auf die Correction des Flusses verwendeten
erheblichen Mittel entsprechend nutzbringend machen wird. Für
Cassel selbst ist aus der Gewinnung einer Wasserstrafse nach
Bremen und zum Meere ein erheblicher Aufschwung, insbesondere
seiner gewerblichen Thätigkeit, zu erwarten, zumal die Stadt nach
ihrer Belegenheit die Bedingungen für die Ausbildung zu einem
gröfseren Stapelplatze bietet.
Nach dem aufgestellten Entwurf soll die etwa 28 km lange Flufs-
strecke, die ein Gesamtgefälle von 17 m hat, durch Anlegung von
sieben Schleusen canalisirt und dadurch beim kleinsten Wasserstande
eine Tiefe von 1 m erzielt werden, welche mit Rücksicht auf die
Tiefenverhältnisse der Oberweser als zweckmäfsig erscheint. Bei
Cassel ist die Erbauung eines Sicherheits- und Handelshafens beab¬
sichtigt, der für 50 Schiffe Raum gewähren und mit der Eisenbahn
in Verbindung gebracht werden soll. Die Gesamtkosten sind auf
3 348 250 Mark veranschlagt; die Bauzeit wird etwa 5 Jahre betragen.
Beim Wettbewerb um das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I.
in Breslau (s. J. 1889, S. 278) erhielten: den ersten Preis Bildhauer-
Behrens in Breslau und Baudirector Licht in Leipzig, den zweiten
Prof. F. Sch aper in Berlin und die drei drittenPreisedieBildhauer
Hilgers- Charlottenburg, Lang-München und Stein in Gemein¬
schaft mit Architekt Enger, beide in Leipzig.
Zur Preisbewerbuiig um ein Gericlitsgebäude nebst Unter-
suchnngsgefängnifs in Bremen (s. Jahrg. 1889 S. 394) sind 37 Entwürfe
eingegangen. Das Preisgericht wird wegen dienstlicher Verhinderung
einiger Mitglieder desselben erst Anfang Mai d. J. zusammentreten.
Preisanssclireiben des Vereins deutscher Eisenbahn -Verwal¬
tungen. Die alle vier Jahre auszusetzenden Preise im Gesamt¬
beträge von 30 000 Mark für wichtige Erfindungen, Verbesserungen
oder schriftstellerische Leistungen im Gebiete des Eisenbahnwesens
sind soeben für den achtjährigen Zeitabschnitt vom 16. Juli 1883 bis
zum 15. Juli 1891 ausgeschrieben worden. Die an der Bewerbung
Theil nehmenden Erfindungen usw. müssen ihrer Ausführung bezw.
ihrem Erscheinen nach in die genannte Zeit fallen. Es wird die
Bearbeitung folgender Aufgaben als erwünscht bezeichnet: 1) Ent¬
wurf und Ausführung eines Locomotivkessels, welcher ohne erheb¬
liche Vermehrung des Eigengewichts sichere Gewähr gegen Explo¬
sionsgefahr bei gleichzeitiger Verminderung der Unterhaltungskosten
bietet. 2) Verbesserung in der Bauart der Locomotiven, namentlich
der Steuerung, durch welche eine günstigere Ausnutzung der Dampf¬
arbeit erzielt wird. 3) Vorschlag und Begründung einer Verein¬
fachung der Wagenmiethe- Abrechnung. 4) Herstellung eines dauer¬
haften und zweckmäfsigen Kupplungsschlauches für Dampfheizungen
oder durchgehende Bremsen an Fahrbetriebsmitteln ohne Anwendung
von Kautschuk. 5) Herstellung einer zweckmäfsigen und billigen
Rangirbremse für Güterwagen. Die Bewerbungen müssen während
der Zeit vom 1. Januar bis 15. Juli an die geschäftsführende Ver¬
waltung des Vereins in Berlin (Bahnhofstrafse 3) eingereicht werden.
Die eisernen Gitter an unsern Vorgärten. Speereisen oder
Harpunen mit scharfen Spitzen und Widerhaken bilden bekanntlich
eine der gebräuchlichsten Bekrönungen der eisernen Gitter an unseren
Vorgärten. Dafs diese Bewehrung den ernsten Zweck habe, das
Uebersteigen zu verhüten, läfst sich kaum annehmen, da jeder einiger-
mafsen gewandte Turner den Spitzen leicht ausweichen wird, und da
dieselben überdies (besonders durch nächtliche Eindringlinge) in der
einfachen Weise unschädlich gemacht werden können, wie es die
Pioniere gegenüber den „spanischen Reitern“ zu thun pflegen, näm¬
lich durch Verwickeln mit Lappenwerk oder Bedecken mit Stroh.
Die fraglichen Spitzen sind aber nicht nur zwecklos, sondern oft
gefahrbringend für ganz Unschuldige; höi-t man doch gar nicht selten,
dafs spielende Kinder sich an den Spitzen schwer verletzt haben,
oder dafs aus den Fenstern Gestürzte von dem Vorgartengitter
geradezu aufgespiefst worden sind. Aehnlich, wenn auch nicht
ganz so schlimm, liegt die Sache bei den Stacheln, welche häufig vor
den Schaufenstern zum Schutze der Glasscheiben angebracht sind.
Neuerdings hat nun das Berliner Polizeipräsidium die Reviervorstände
angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dafs diese Stacheln — falls sie
so spitz sind, dafs sich Personen, insbesondere Kinder, an denselben
Beschädigungen zuziehen können — - entweder beseitigt, oder durch
Aufsetzen von Metallkugeln, durch Abstumpfen oder auf andere ge¬
eignete Weise unschädlich gemacht werden. — Es wäre gewifs ver¬
dienstlich, wenn Bauherren und Bauausführende bei der Beschaffung
oder dem Entwerfen eiserner Gitter in gleichem Sinne verfahren
wollten, besonders wenn dieselben für Vorgärten bestimmt sind. Zu
erwägen wäre übrigens, ob die Aufstellung solcher Gitter nicht häufig
ganz unterlassen öder doch wesentlich eingeschränkt werden könnte.
In America ist es allgemein Brauch, die Gärten nicht mit derartig
mittelalterlichem Zierrath abzuschliefsen, während bei uns selbst die
winzigsten Vorgärten in einer den Spott herausfordernden Weise
eingezäunt sind. Oder sollten wir an allgemeiner Gesittung so viel
tiefer stehen, dafs ein solcher Schutz hier unentbehrlich ist? — n.
Die baldige Beseitigung der Bruuelscheu weiten Spur auf der
englischen Westbahn ist, wie aus der Anrede des Vorsitzenden dieser
Bahn bei der am 13. Februar d. J. stattgehabten Versammlung der
Gesellschafter zu entnehmen ist, in ernstliche Erwägung gezogen. Die
weite Spur von 2,135 m (7' engl. Fufs, broad gauge) liegt noch, mit
der gewöhnlichen Vollspur vereinigt (mixed gauge), von London über
Swindon, Bath und Bristol bis Exeter, unvermischt von Exeter bis
Truro und wiederum gemischt von Truro bis Penzance (Abb. 1),
ferner noch auf eini¬
gen Nebenstrecken, in
einer Gesamtlänge von
etwa 650 km. Dafs
man diese Anordnung
so lange beibehalten
hat, liegt zum nicht
geringsten Theil an
den Verhältnissen des
Wettbewerbes mit der
Südwestbahn, deren Betrieb, wie der aller übrigen englischen
Bahnen, auf gewöhnlicher Spur (Standard gauge) geführt ist. Die
breiten Westbahnzüge zeichnen sich durch besonders angenehmes
Fahren aus, ein Vortheil, welcher allerdings durch die Nach¬
theile des gemischtspurigen Betriebes aufgewogen wird. Früher lag
die weite Spur in weit gröfserem Umfange, unter anderm auch in
London auf der Westlondon-Bahn, einer von der Westbahn unweit der
grofsen Knotenstation Willesden abzweigenden, in südöstlicher Rich¬
tung bis Victoria geführten Verbindungsbahn, ferner auf der Strecke
der inneren Ringbahn zwischen dem Endbahnhof der Westbahn zu
Paddington und Moorgate street, wie man noch heute an dem breiten
Ausbau des Bahnkörpers der Westlondon-Bahn und dem weit an¬
gelegten Ringbahntunnel erkennt. Die Lichtweite auf dieser älteren
Tunnelstrecke beträgt 8,69 m, während die neueren Tunnel nur 7,63 m
Weite haben. Mit der Beseitigung der Weitspur auf der oben be-
zeichneten Hauptlinie der Westbahn wird die dem Reisenden sich
172
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
26. April 1890.
Boch unmittelbar aufdrängeiide Erinueruug an den seinerzeit zwischen
Brunei und Stephenson geführten Kampf um die Spurweiten („tlie
battle of the gauges"), in welchem Brunei nicht obgesiegt hat, ver¬
schwinden.
Die Nachtheile des weitspurigen, namentlich des gemischtspurigen
Betriebes liegen in der kostspieligen Umladung der Frachten —
welche allerdings heutzutage wesentlich eingeschränkt ist — , der er¬
schwerten Bahnunterhaltung und Instandhaltung der Weichen, dem
gröfseren Kostenaufwand für Bau und Unterhaltung der Betriebsmittel,
ganz abgesehen von den gröfseren Baukosten der Bahnlinie selbst.
Der weit- und gemischtspurige Oberbau zeigt noch stellenweise
Barlow- Schienen, vorwiegend jedoch Brückenschienen auf hölzernen
Langschwellen. Letztere stellt man aus Tannenholz in Längen
von 7,6 bis 10,7 m her und versteift sie durch Querhölzer, welche
mittels Flachbänder oder Knieeisen an den Langschwellen befestigt
sind. Die Schienen bestehen aus Stahl und wechseln in ihren Längen
von 5,5 bis 9,15 m, im Gewicht zwischen 30,7 und 33 kg/m. Da die¬
selben sich im Laufe der Zeit stark in die Langschwelleu einfressen
würden, hat man 2,5 cm starke Zwischenlagen aus festerem Holz, mit
der Faserrichtung quer, unter die Schienen gelegt. An den Schienen-
stöfsen sind eiserne Unterlagsplatten angeordnet (s. Abb. 3). Ab¬
bildung 2 bezieht sich auf die einfache weit¬
spurige Anordnung; die gemischte Spur weist
noch eine dritte, ebenfalls auf einer Lang¬
schwelle angeordnete Schiene auf.
Die beiden vorkommenden Formen ein¬
facher Weichen der gemischten Spur sind in
den Abb. 4 u. 5 in einfachsten Linien dar¬
gestellt. Die Zungenvon'ichtungen zeigen in
ihrer Anordnung nichts besonders bemer-
kenswerthes. Ein grofser Uebelstand sind
die zahlreichen Schienenunterbrechungen, welche ebenso viele Herz¬
stücke und Gruppen von Zwangsschienen nöthig machen; letztere
sind in Abb. 4 mit zz.. bezeichnet. An den durchbrochenen Stellen
laufen die Spurkränze
der Räder auf eisernen
Platten. So auch bei
den langgestreckten
Durchbrechungen bei
A A in Abb. 5. An den
letzteren Stellen läfst
sich eine besonders
starke Abnutzung der
Schienen wie der Platten
wahrnehmen.
Die weitspurigen
Fahrzeuge und Locomo-
tiven fallen, soweit man
nicht die weitspurige
Einrichtung derselben
auf das Untergestell be¬
schränkt hat, sofort durch
ihren gewaltigen Umfang auf. Die Locomotiven haben die von Sir
Daniel Gooch, dessen Name den Maschinenbauern wohl bekannt ist
— er starb am 15. Oc-
tober vorigen J ahres —
bereits vor 50 Jahren
angegebene Form im
wesentlichen beibe¬
halten. Sie haben
kurzen , gedrungenen
Bau, sechs kleine Lauf¬
räder, aber nur zwei
Triebräder von 2,44 m
(8 engl. Fufs) Durch¬
messer; letztere hat
man früher ohne Spur¬
kränze gelassen. Die
Cylinder liegen innenseitig. Die neueren Maschinen sind so gebaut,
dafs sie leicht auf die gewöhnliche Vollspur abgeändert werden können;
Abb. 5.
es ist zu dem Zwecke nur erforderlich, die Räder von der äufseren nach
der inneren Seite des Rahmens zu versetzen. Die äufseren Umrisse
einer solchen Locomotive sind in Abb. 6 in einfachsten Linien wieder-
gegeben. Gegen diese Form zeigt die erste der überhaupt gebauten
Weitspurmaschinen, der „Nordstern“ (North Star, von Gooch ent¬
worfen) aus dem Jahre 1839, welcher in der grofsen Hauptwerkstätte
der Westbahn in Swindon noch gezeigt wird, nur zwei vordere Lauf¬
räder. Bemerkenswerth ist es, wie diese Maschine bereits alle wesent¬
lichen Einzelheiten der neueren Maschine aufweist, in so voll¬
kommenem Grade, dafs man ohne besonderen Hinweis das Alter der
Maschine nicht errathen dürfte. Km.
Bücherscliau.
Hirtlis ,,Fornieuseliat7j^. Es ist Zeit, dafs, nachdem im Jahr¬
gange 1886 (S. 462) das Augenmerk der Leser auf diese breit an¬
gelegte Veröffentlichung gelenkt wurde, jetzt von neuem auf dieselbe
hingewiesen wird. Der Herausgeber des Formenschatzes hat sein
im Titel gegebenes Versprechen, aus den Werken der besten Meister
aller Zeiten und Völker eine Quelle der Belehrung und Anregung
für Künstler und Kunstgewerbetreibende sowie für alle Freunde stil¬
voller Schönheit zu bieten, getreulich eingelöst. Mit besonderer
Freude ist es zu begrüfsen, dafs das Unternehmen in den letzten
Jahren dadurch noch mehr an Gehalt gewonnen hat, dafs neben dem
früher vorherrschenden Kunstgewerblichen und Ornamentalen seit
einiger Zeit auch der Architektur sowie der selbständigen Malerei und
Plastik ein breiterer Raum gegeben wurde. Ist der Inhalt des Formen¬
schatzes dadurch dem Kunstfreunde, überhaiipt dem Gebildeten noch
willkommener geworden, so können auch Baukünstler und Kunst¬
gewerbetreibende nur zufrieden damit sein, dafs ihnen die Nachbil¬
dungen von Meisterwerken geboten werden, welche geeignet sind, sie
— um mit den jüngst vom Herausgeber selbst gebrauchten Worten zu
reden — „mit der Ueberzeugung vom grofsen Zusammenhänge aller
Kunst zu erfüllen“. Durchblättern wir den letzten Jahrgang, so finden
wir namentlich die Malerei stärker betont. Neben vielen anderen sind
die glänzenden Namen eines Raffael Santi, Dürer und Holbein, eines
Tizian und Velasquez naturgemäfs besonders stattlich, aber mit feiner
Auswahl des weniger allgemein Bekannten vertreten. Von den spä¬
teren seien Tiepolo mit Blättern aus seiner „Flucht nach Aegypten“
und die Franzosen Natoire, Boucher und Prudhon hervorgehoben.
An Werken der Bildhauerkunst werden eine Reihe von Antiken,
dann aber vornehmlich Perlen der italienischen und französischen
Früh- und Hochrenaissance geboten, von deren Schöpfern wir nur
Mino da Fiesoie, Donatello, die Robbia und Giovanni da Bologna
nennen. Aus dem Gebiete der Baukunst sind in den uns vorliegen¬
den Heften vorwiegend niederdeutsche Architekturen aus Brügge,
Antwerpen, Oudenarde usw. sowie Einzelheiten aus Italiens und
Frankreichs Frührenaissance-Schätzen zur Darstellixng gebracht, und
ihnen endlich reiht sich kunstgewerbliches und architektonisch-
decoratives in reicher Fülle an.
Die Wiedergabe der Kunstwerke ist, wie in den früheren Jahr¬
gängen, fast durchweg eine vortreffliche. In richtiger Erkenntnifs
der zu Gebote stehenden Mittel sind die Blätter häufig nicht unmittel¬
bar nach den Originalen gefertigt, sondern nach guten, in Stich,
Photographie usw. hergestellten Nachbildungen derselben. Abrathen
möchten wir von der neuerdings mehrfach versuchten Behandlung
verschiedener Blätter in leichten, lasurartig über einzelne Theile der
Darstellungen gelegten Farbentönen. Die Wirkung des Vorbildes
zu ersetzen ist eine derartige Behandlungsweise doch nicht geeignet,
und der Anspruch, etwas von dieser Wirkung zu geben, befriedigt
ebensowenig wie die coloristische Leistinig an sich, denn beide sind
nur dazu angethan, die Thätigkeit der sich die Farbe des Originals
ohnedies ergänzenden Phantasie des Beschauers einzuengen und da¬
durch den Kunstgenufs abzuschwächen.
Ebenfalls wie früher trägt der Deckel jedes Heftes knappe Inhalts¬
angaben, die, für den Jahrgang zusammengefafst, der Schlufslieferung
als kurzer Text beigegeben sind. Sie bringen mit wenigen Worten
die Erklärung oder kunstgeschichtliche Stellung der abgebildeten
Gegenstände, weisen auf die bezüglichen Litteraturquellen oder auf
den Zusammenhang mit früheren und noch vorbehaltenen Blättern
des Formenschatzes hin, sie nennen Standort, Fundstätte oder Auf¬
bewahrungsplatz des Kunstwerkes und machen das Ganze so zu
einem sehr brauchbaren kunstgeschichtlichen Atlas, dessen Ueber-
sichtlichkeit noch erhöht wird durch eine dem Inhaltsverzeichnisse
beigefügte Zusammenordnung nach Gegenständen und Meistern.^ In
dieser bewährten Weise und in dem bisherigen Sinne fortgeführt,
wird dem Unternehmen die Hebung noch manches wenig bekannten
Schatzes zu verdanken sein, denn der frischsprudelnde Quell, aus
dem das Gebotene fliefst, ist so leicht nicht zu erschöpfen. d.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. E e r shes, Berlin.
173
CentraMatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 3. Mai 1890. Nr. 18.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHALT: Amtliches: Personal - Nachrichten. — Nichtamtliches: Miethshäuser-
t'ronten in Charlottenburg. — Die Donaubrücke bei Cernavoda in Rumänien. — Die
Hafenerweiterungsbauten der Stadt Altona. (Schlufs.) — Wettbewerb für ein Reiter-
Standbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau. — Vermischtes: Semper- Denkmal. —
Internationale elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt a. M. — F. W. Laessig t.
Amtliche M
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Bildhauer Professor Lürssen an der technischen Hochschule in
Berlin den Eothen Adler-Orden IV. Klasse zu verleihen, sowie ferner
die Erlaubnifs zur Anlegung verliehener nichtpreufsischer Orden zu
ertheilen, und zwar: des Eitterkreuzes II. Klasse des Grofsherzoglich
oldenburgischen Haus- und Verdienst- Ordens des Herzogs Peter
Friedrich Ludwig dem Eisenbahn - Bau - und Betriebsinspector
Wiesner in Bremen, des Eitterkreuzes des Kaiserlich und Königlich
österreichisch-ungarischen Franz-Josefs-Ordens dem Eisenbahn-Ma-
schineninspector Callam in Berlin, des Grofsherrlich türkischen
Medschidje-Ordens II. Klasse mit dem Stern: dem Eegierungs- und
Baurath Eichter in Harburg und der III. Klasse desselben Ordens:
dem Oberingenieur der Orientalischen Eisenbahnen, preufsischen
Staatsangehörigen Goldstücker in Constantinopel.
Versetzt sind: der Eisenbahn-Director Eamra, bisher in Brom¬
berg, als Mitglied an die Königliche Eisenbahndirection in Breslau,
der Eisenbahn -Maschineninspector Mohn, bisher in Breslau, als
Mitglied an die Königliche Eisenbahndirection in Bromberg und der
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Dorner, bisher in Düsseldorf,
nach Köln behufs Beschäftigung im betriebstechnischen Bureau der
Königlichen Eisenbahndirection (rechtsrh.) daselbst.
Zu Königlichen Eegierungs-Baumeistem sind ernannt: die Ee-
gierungs-Bauführer Friedrich Stachle r aus Weidenau, Kreis Siegen
und William Hintze aus Lauenburg a. d. Elbe (Maschinenbaufach).
Den bisherigen Königl. Eegierungs-Baumeistem Max Malchow
in Bromberg, Georg Kegel in Cassel und Friedrich Lucko in
Eheine i. W. ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste
ertheilt worden.
Der Eegierungs- und Baurath Laessig in Oppeln ist gestorben.
Bayern.
Der Eegierungs- und Kreisbaurath Wilhelm Giese in Eegens-
ittheilung'en.
bürg wurde auf Ansuchen wegen körperlichen Leidens und hierdurch
hervorgerufener Dienstesunfähigkeit unter Anerkennung seiner viel¬
jährigen, erspriefslichen und ausgezeichneten Dienstleistungen in
dauernden Eubestand versetzt, und zum Eegierungs- und Kreisbau-
rathe für das Landbaufach bei der Eegierung der Oberpfalz und
Eegensburg der Bauamtmann August Bern atz in Amberg befördert.
Die bei Herstellung des Baues des Nord- Ostsee- Canales ver¬
wendeten bayerischen Staatsbauassistenten Adolf Specht von §chwein-
furt und Josef Hartmann von Gemünden bei Lohr, wurden vom
1. Mai 1. J. anfangend zu Bauamtsassessoren extra statum ernannt
unter Belassung in ihrer derzeitigen Verwendung.
Sachsen.
Das Königlich sächsische Ministerium des Cultus und öffentlichen
Unterrichts hat dem mit Allerhöchster Genehmigung zum aufser-
ordentlichen Professor ernannten Dr. ph. Eichard Moehlau Lehr¬
auftrag für Chemie der Textilindustrie, Farbenchemie und Färberei¬
technik an der technischen Hochschule in Dresden ertheilt.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Sich Gnädigst
bewogen gefunden, dem Königlich preufsischen Hofbaurath und
Director der Schlofsbaucommission, Peter Christian Tetens in Berlin
das Eitterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub des Zähringer Löwenordens
zu verleihen, den Centralinspector bei der Oberdirection des Wasser-
und Strafsenbaues, Bezirksingenieur Kosmas Sayer, zum Vorstand
der Eheinbauinspection Offenburg, den Ingenieur I. Klasse Karl
Kupferschmid in Freiburg unter Verleihung des Eanges eines
Bezirksingenieurs zum Centralinspector bei der Oberdirection des
Wasser- und Strafsenbaues und den Ingenieur II. Klasse Julius
Eofshirt in Mannheim zum Ingenieur I. Klasse zu ernennen sowie
ferner den Vorstand der Eheinbauinspection Offenburg, Oberingenieur
Hermann Beger, auf sein unterthänigstes Ansuchen unter An¬
erkennung seiner langjährigen Dienste in den Euhestand zu versetzen.
[Alle Eechte vorUehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Miethshäuserfronten
Neben die häufigen Klagen über die Stillosigkeit unserer Zeit,
über den Mangel an Einheit sowohl im Geschmacke des bauenden
Publicums wie in der künstlerischen Ueberzeugung der schaffenden
Architekten wird heutzutage vielfach der Satz gestellt, dafs doch
ein Punkt aus dem allgemeinen Wirrsal tröstlich hervorleuchte:
das Bestreben, in „echten“ Stoffen zu bauen. Dieser Satz ist gewifs
richtig, aber er gilt doch nur mit Einschränkung. Für öffentliche
Bauwerke, voran die des Staates, ist eine gediegene, alle unechten
Ersatzmittel verschmähende Bauweise schon seit geraumer Zeit
selbstverständlich. Auch der gebildete Privatmann, der sich ein
eigenes Heim baut, steht zumeist schon auf der Stufe der Erkennt-
nifs, die ihn zu Gunsten einer vernünftigen, durch die Verwendung
echter Baustoffe ansprechenden Einfachheit auf unnatürlichen, mit
ungesunden Mitteln erzielten Formenreichthum verzichten läfst. Die
grofsstädtischen Geschäftsgehäude lassen sich hier nicht anziehen.
Ihre Fronten werden zwar jetzt auch vielfach in echten Materialien
errichtet. Aber bei ihnen ist der Grund dafür die Eeclame. Grade
ihr übergrofser Eeichthum, die an ihnen zu Tage tretende Sucht
nach neuem, noch nicht dagewesenem hat ganz besonders zu der
Stil- und Geschmacksverwilderung der Zeit beigetragen; und vor¬
nehmlich unter ihrem unheilvollen Einflüsse entsteht die Klasse von
Gebäuden, für welche jener Satz von den echten Baustoffen einge¬
schränkt werden mufs, entstehen die Miethshäuser und ihre Fronten.
Es gab eine Zeit, zehn Jahre etwa sind es her, als in Berlin be¬
lli Charlottenburg.
sonders häufig Stuck von den Häuserfronten herunterfiel. Dabei
sind wohl auch vereinzelte Unglücksfälle vorgekommen. Damals
erhob sich ein Sturm gegen den Stuckplunder, und „Alt-Berlin“, die
„Schinkelschule“, wurde dafür verantwortlich gemacht und mit Hohn
und Spott überschüttet. Man hätte nun erwarten sollen, dafs jene
Vorkommnisse ein warnendes Beispiel abgegeben und dahin geführt
hätten, dafs auch die Miethshäuser bauende AVelt sich einer ge¬
diegenen Herstellungsweise zuwendete. Kaum aber hatte man sein
Müthchen an den älteren Häusern gekühlt, als die Stuckwirthschaft
in verzehnfachtem Mafse sich breit machte. Wir sind entfernt davon,
in der vorliegenden Frage für Alt-Berlin und seine aus der Stuckateur¬
werkstatt hervorgegangene Formenwelt eintreten zu wollen, aber was
sind jene paar bescheidenen Consölchen, Eosetten und Palmetten
gegen den Wust überladener und protziger sogenannter Deutsch¬
renaissance- und Barockfronten, die nun entstanden und deren an¬
geklebte und aufgehängte Gipsmassen noch ganz anderes Unheil an-
richten werden — ihre Zeit mufs nur erst gekommen sein.*)
*) Ein mir befreundeter Herr, aufmerksamer Beobachter dieser
Vorgänge, hat erst neuerdings wieder mehrfach das Herunterstürzen
von Stucktheilen an Berliner Häusern festgestellt; auch an der den
Fenstern meines Arbeitszimmers gegenüberliegenden Front beobachte
ich seit einiger Zeit, dafs auf der Langseite eines Consols die Kehl¬
leiste der Deckplatte abgefallen ist, sodafs man in den schwarzen
Hohlraum dieses „Kragsteines“ hineinblickt.
174
Centralblatt der Bauverwaltung.
3. Mai 1890.
Angesichts dieser bedauerlichen Verhältnisse ist es Pflicht, jede
auf deren Bekämpfung gerichtete ernste Bestrebung zu unterstützen,
und diese Pflicht wird zur Freude, wenn Beispiele angezogen werden
können, die den verdienstvollen Kampf mit bestem Erfolge führen.
Ein solches Beispiel bietet das Vorgehen des Amtsmaurermeisters
Gerhardt in Charlottenburg. Er hat die Einsicht gehabt, beim Bau
zweier iiliethshäuser in dem Theile der Nachbarresidenz, welcher
infolge des .Zuges nach dem Westen" der Hauptstadt jetzt kräftig
emporblüht, mit der Stuckwirthschaft zu brechen, und hat, wie wir
weiter unten sehen werden, den Beweis geliefert, dafs es wirthschaft-
lich keineswegs unmöglich ist, die ..Echtheit" auch bei Häusern ein¬
zuführen, die lediglich zum Zwecke der Vermiethung, also des Ge¬
winnes, ei'richtet werden. |Denn auf diese wirthschaftliche Mög¬
lichkeit oder Unmöglichkeit kommt es ja vor allen Dingen
an; sie ist es, die von den
Erbauern der Stuckpaläste
stets als der Punkt ins
Feld geführt wird, an dem
selbst der beste Wille
scheitere. Herr Gerhardt hat
sich bei Errichtung der beiden
Wohnhäuser, die in der Grol-
man- und Schlüterstrafse
stehen, der baukünstlerischen
Beihülfe des Regierungs-Bau¬
meisters Herrn Richard
Schnitze in Berlin bedient.
Von diesem rühi-en die Ent¬
würfe der Fronten her, welche
nebenstehend abgebildet
sind. Es handelt sich hier
allein um die Fronten. Die
ohne Mitwirkung des Archi¬
tekten entstandenen Grund¬
risse der Häuser kommen
nicht in Betracht. Sie folgen
dem üblichen Berliner Muster
und haben wenig bemerkens-
werthes, sodafs ihre Darstel¬
lung übeidlüssig erschien.
Ueber die Iler stel¬
lungsweise der Fronten
ist zu sagen, dafs die Flächen
durch fleischrothe Vollsteiue,
sogenannte Handstrich -Ver¬
blender aus der Ziegelei von
Otto Wenck in Torgau ge¬
bildet werden, die bei der
Ausführung des Fronteu-
mauerwerks gleich mit hoch¬
gemauert sind. Warmgrauer
Sandstein aus Wefenslebeu
bei Magdeburg wurde für
die knappen Gesimse, Fen¬
stergewände, Erkergerüste
und sonstigen Werkstein¬
theile verwandt. Die Ziegel¬
flächen zeigen also nicht die
heutzutage beliebte Verblen¬
dung aus sogen. Riemchen
und halben Steinen, welche
darum so unschön ist, weil
sie in ihrer geleckten Glätte als Farbe, nicht als Baustoff wirkt*)
und weil sie überdies ein zu enges und reizloses, wenn nicht
sogar durch farbige Ausfugung ganz unterdrücktes Fugenspiel
ergiebt. Den Regeln einer gesunden Technik entgegen und auch
wider den Willen des Architekten sind hier die Fugen leider
nachträglich mit Thaler Puzzolan- Gement verstrichen worden. Die
Werkstücke sind scharrirt, und zwar bei den ebenen Flächen mit
schrägem Hieb.
Die Erker wurden aus vollen Werkstücken schichtenweis und
gut einbindend ausgekragt. Die Fenster sind durch steinernes Pfosten¬
werk derart getheilt, dafs sich Flügelbreiten von 60—75 cm ergeben.
Von so grofsem Vortheile diese mittelalterliche Fensterbehandlung
*) Die Vorderfläche wirkt sogar nicht nur als Farbe, sondern
sie ist thatsächlich oftmals nicht viel mehr als solche. Denn be¬
kanntlich kann der gewünschte Farbenton häufig nur durch Ueber-
fangen erzielt werden, d. h. durch Eintauchen der Schauseite in eine
demnächst einzubrennende farbige Schlemme, deren Dauerhaftigkeit
sehr in Zweifel gezogen werden mufs.
in ästhetischer Beziehung für die Fronten ist, so mufs ihren Gegnern
zugegeben werden, dafs sie eines Vorzuges entbehrt, den wir heut¬
zutage in unseren Wohnungen ungern missen. Die Steinpfosten er¬
schweren leider die Anbringung der in der wärmeren Sommerzeit
so überaus angenehmen Stab- oder Rollläden. Man wird darauf
sinnen müssen, geeigneten Ersatz für sie zu schaffen. Die dann und
wann schon vorgenommene Einschaltung der Stellläden zwischen dem
Steinpfostenwerk und den Fenstern führt bei den üblichen Mauer¬
stärken zu sehr flachen Fensternischen und vertheuert die Tischler¬
arbeit. \ ielleicht dafs die Läden sich im Inneren anbringen lassen,
wenn man sich zu Schiebefenstern ähnlich der englischen Art ent¬
schliefst.
In dem vorliegenden Falle hat Herr Gerhardt an der nach
Westen gerich-teten Front in der Schlüterstrafse die Stablädeu
zwischen den Steinpfosten
für jeden Fensterflügel be¬
sonders anbringen lassen.
Das hat freilich in den
beiden unteren Geschossen,
wo die Pfosten der Höhe
nach durch wagerechte Sturze
getheilt sind, zu einer Zer¬
splitterung der Läden in
vier bezw. sogar sechs ein¬
zelne Theile geführt. Besser
angängig ist die Sache schon
da, wo die Sturze fehlen, wie
in den Obergeschossen. In
der Grolmanstrafse werden
die Stellläden nicht vermifst
werden, da die Front hier
nach Nordosten liegt. Im
Erdgeschosse ist der Fenster¬
schutz durch eiserne Klapp¬
läden bewirkt, die sich in
die Leibungen Zusammen¬
legen. Die schmalen Thüren
der dreitheiligen Erdgeschofs-
fenster setzen die Wohnungen
mit den Vorgärtchen in Ver¬
bindung.
Wie vortheilhaft sich
diese einfach - gut entwor¬
fenen Fronten von ihrer Um¬
gebung abheben, in der sich
neben dürftigen Erzeugnissen
geschmacklose Stuckfagaden
breit machen, bedarf keiner
weiteren Erörterung. Die
Abbildungen geben nur ein
unvollkommenes Bild der
Wirkung, die ja wesentlich
durch die belebende Farbe
und Behandlung der Bau¬
stoffe erreicht ist. Näheres
Eingehen aber erfordert die
bereits gestreifte, für die
ganze Beurtheilung der Sache
sehr wesentliche Kostenfrage.
Die Kosten der beiden
Gerhardtschen Fronten be¬
rechnen sich wie folgt;
1. Sandsteinarbeiten eiuschl. Modelle . 13 000 Mark
2. Verblendsteine . 3 600 ,,
3. Arbeitslöhne für die Herstellung der Verblen¬
dung und das Versetzen der Werksteine . . 5 000 „
4. Frontenrüstung und kleine Nebenarbeiten . . 1 200 ,.
im ganzen 22 800 Mark;
bei zusammen 775 qm Flächengi-öfse (die Giebel mitgerechnet, den
Erkerkopf der einen Front nicht) stellt sich somit das Geviert¬
meter auf 29,4 Mark. Hierbei sind die Vollverblender, welche
zugleich Frontmauerwerk bilden, mitgerechnet. Zieht man sie,
um den Vergleich zu ermöglichen, ab, so verringern sich, da der
Preis der Hintermauerungssteine halb so hoch war als der der Ver¬
blender, die Kosten der Fronten um 1800 Mark, und das Geviert¬
meter stellt sich dann auf nur 27 Mark.
Die Fronten besserer Miethshäuser — nur solche können in
Vergleich gezogen werden und um solche handelt es sich überhaiqjt
nur — beliebt man jetzt zumeist derart herzustellen, dafs das Archi¬
tekturgerüst in Nachahmung von Hausteinformen entweder in Gement-
Centralblatt der Bauverwaltnng,
175
Kr. 18.
putz und Cementstuck, zum Theil auch in Zink gefertigt, oder dafs
es in Gipskalk- und Cementkalkmörtel bezw. Gipsstuck aufgeführt
wird, die dazwischen verbleibenden Flächen aber mit glatter Kiem-
chenverblendung bekleidet werden. Die Putz- und Stucktheile
werden dann gleich beim Putzen mit Gement geschlemmt oder,
was die Eegel ist, später in Oelfarbe gestrichen, wobei dann die
Hausteinzeichnung wohl aufgemalt zu werden pflegt. Der Preis für
das Geviertmeter solcher Fronten stellt sich nach genauen, an ver¬
schiedenen Ausführungen angestellten Ermittlungen durchschnitt¬
lich etwa, wie die nebenstehende Tabelle zeigt.
Der Einheitssatz ist also bei der Cementfront nur unbedeutend,
bei der Gipsfront nicht wesentlich geringer als bei der Ausführungs¬
weise der Gerhardtschen Häuser. Und wenn dabei die Dauerhaftig¬
keit der verschiedenen Herstellungsarten in Betracht gezogen wird,
so fällt das Kostenergebnifs
mindestens gleich , wenn
nicht zu Gunsten der echten
Bauweise aus. Will man
aber mit diesem Umstande
nicht rechnen, sondern nur
die Kosten der Ausführung
in Betracht ziehen, so stellt
sich das Ergebnifs für die
Bauweise, der wir hier das
Wort reden, gleich günstig
heraus, wenn bei ihr die
Flächen, statt mit Hand¬
strichsteinen verblendet zu
werden , einfachen glatten
weifsen Kalkmörtelputz er¬
halten. Und der Vergleich
fällt sogar noch mehr zu
ihren Gunsten aus, wenn
bei unechten, reichverzierten
Fronten , was häufig ge¬
schieht, für die Structur-
theile und den bildnerischen
Schmuck Cement-Kunststein
zur Anwendung gelangt.
Dieser letztere aber mufs in
seiner unschönen, leblosen
Erscheinung als ein ebenso
ärmliches Ersatzmittel be¬
zeichnet werden, wie Putz
der Gliederungen und Stuck¬
ornament aus Gement oder
Gips; und anderseits wird
die Anwendung eines gut ge¬
fertigten Flächenputzes nim¬
mermehr gegen die Grund¬
sätze echter Bauweise ver-
stofsen.
Mit der gediegenen Her¬
stellung der Fronten ist es
aber noch nicht gethan, eine
gleiche Behandlung mufs
selbstverständlich auch für
das Innere des Hauses ver¬
langt werden, mit dem es
heutzutage vielfach nicht
minder schlimm bestellt ist.
Auch hier wird sich der Nach¬
weis führen lassen, dafs der Besserung financielle Unmöglichkeiten nicht
entgegenstehen. Man breche nur mit der Unsitte, gleich hinter der
Hausthür mit polirtem Marmor, sei es natürlicher oder künstlicher,
mit Stuck und reicher Farbe zu beginnen. Man setze an Stelle
des verschwenderischen Gipszierwerks an Decken und Thür¬
Gegenstand
bei
Cement-
fronten
bei
Gips¬
fronten
1.
Stuckateurarbeiten einschl. Modellkosten . .
Mark
7,35
Mark
6,00
2.
Putzarbeiten .
9,55
5,00
3.
Verblendung .
2,W
2,00
4.
Zinkarbeiten .
1,60
1,60
5.
Oelfarbenanstrich und Fugen mit gefärbtem
Cementmörtel .
2,00
2,00
6.
Verschiedene Nebenarbeiten, Abdeckungen,
Zimmermannshülfe, Eisenzeug usw. sowie
zur Abrundung .
2,50
2,40
zusammen
25,00
19,00
umrahmungen , der Schein¬
kamine, der Vergoldung usw.,
womit die Vorderzimmer
allenthalben überladen wer¬
den, eine gediegene Ein¬
fachheit, die in richtigem
Verhältnifs zu der zumeist
bescheiden bürgerlichen Ein¬
richtung des Miethers steht;
man gebe diesem dafür be¬
hagliche, ausreichende und
gesunde Hinter- und Neben¬
räume und verwende mehr
Sorgfalt auf einzelne Theile
des baulichen Kernes vom
Hause,*) dann wird es gewifs
nicht lange dauern, bis die
Einsicht zum Durchbruch
kommt, worin der wirkliche
Werth einer Wohnung für
den Miether sowohl wie für
den Vermiethenden gefunden
werden mufs.
Hofsfeld.
Front in der Schlüterstrafse.
Mietlisliäuserfronten in Cliarlottenburg.
*) Die neue Berliner
Baupolizeiordnung ist in
dieser Beziehung von segens¬
reicher Wirkung; es sei nur
an die jetzt menschenwür¬
digen Gesindestuben und an
die mit Licht und Luft ver¬
sehenen Aborte erinnert.
Anderseits läfst sich noch
mancher Punkt anführen,
in dem sich der Bauunter¬
nehmer, weil er nicht unter
dem Drucke der Polizei¬
vorschrift steht, am Miether
versündigt. Wir erwähnen
nur die durch schlechte Her¬
stellungsweise der Zwischen¬
decken und Scheidewände
manchmal bis zur Unerträg¬
lichkeit gesteigerte Durch¬
hörigkeit des ganzen Hauses.
So ist Schreiber dieses von
seinem Nachbar durch eine
dünne Wand von nur we¬
nigen Centimetem geschieden,
sodafs bei lautem Sprechen
von Wohnung zu Wohnung
fast W ort für W ort zu verstehen ist, von den Störungen durch Clavier-
spiel u. dgl. gar nicht zu reden. Die Kosten des Deckenstucks hätte
man hier dazu verwenden sollen, wenn nicht eine massive, so
doch wenigstens eine doppelte, un durchhörige Wand zwischen beiden
Behausungen herzustellen.
Die Donaubrücke bei Cernayoda in Rumänien
An der ganzen unteren Donau von Neusatz bis zur Donau-
mündung besteht bis jetzt bekanntlich eine feste Brücke nicht. Im
Laufe dieses Jahres wird der Bau einer solchen bei Cernavoda, etwa
280 km stromaufwärts von der Donaumündung, begonnen werden.
Die Lage der Brücke, die Breite und Tiefe des Stromes, die Boden¬
verhältnisse, die aufsergewöhnliche Bedeutung des Stromes im all¬
gemeinen sowohl wie auch als grofser Verkehr- und Handelsweg im
besonderen, tragen insgesamt dazu bei, dieser Brücke den Stempel
der Grofsartigkeit aufzuprägen. Wir glauben daher den Lesern
unseres Blattes zu dienen, wenn wir im folgenden eine Beschreibung
dieser Brücke bringen.
Die Brücke bei Cernavoda wird die Verbindung der zum See¬
hafen Constantza (am Schwarzen Meere) führenden Eisenbahnstrecke
Cernavoda -Constantza mit dem übrigen Eisenbahnnetze vermitteln.
Von diesem Standpunkte aus hat sie für Eumänien eine aufserordent-
liche Bedeutung, sowohl in politischer Beziehung, da durch sie der
Anschlufs der jenseit der Donau liegenden Provinz Dobrudscha an
das Mutterland ein innigerer und dauernderer wird, als auch in
wirthschaftlicher Beziehung, weil der Bau derselben einem grofsen
Uebelstande abhelfen wird. Das Getreide nämlich, die Grundlage
des rumänischen Wohlstandes, wird bisher hauptsächlich zu Schifl’,
meistenthcils durch die Donauhäfen Braila und Galatz, stromabwärts
176
3. Mai 1890.
Centralblatt der ß auverwaltung.
ausgefiihrt. Dieser Weg ist jedoch alljährlich während der ganzen
Winterzeit ganz und gar gesperrt, da in dieser Zeit der Schiffahrts¬
verkehr auf der Donau des mächtigen Eisganges wegen zur Unmög¬
lichkeit wird. Nach dem Baue der Donaubrücke wird dieser Uebel-
stand aufhöreu, weil dann die Erzeugnisse unmittelbar nach dem am
Schwarzen Meere liegenden Seehafen Constantza befördert und von
dort zu jeder Jahreszeit ungehindert ausgeführt werden können.
Die Lage der Brücke ist durch die unter der türkischen Regie¬
rung gebaute Eisenbahnstrecke Cernavoda-Constantza bestimmt. Sie
ist insofern nicht günstig, als dort der Strom in zwei Arme, einen
südlichen Hauptarm, die eigentliche Donau, und einen nördlichen
Nebenarm, kurzweg Borcea genannt, getheilt wird und beide durch
ein an 12 km breites, vom Hochwasser überschwemmtes Gebiet ge¬
trennt werden. Dieser Umstand bedingt die Ausführung z\>reier
grofser Brücken, mehrerer Viaducte und einer Anzahl kleinerer
Brücken und Schutzbauten. Der Hauptarm hat an der Ueber-
brückungsstelle bei mittlerem Wasserstande eine Breite von 620 m
und eine mittlere Tiefe von 10 m. Das Hochwasser steigt 7 m hoch
über den Nullwasserstand und bedeckt das Flufsthal auf eine Breite
von etwa 12 km mit einer Wasserschicht von 2 m bis 5 m Tiefe.
Die Stromgeschwiudigkeit steigt bei Hochwasser bis zu 2 m in der
Secunde. Die vom Flusse abgeführte Wassermenge beträgt dann
etwa 18 000 cbm. Zur Winterzeit gefriert die Donau beinahe jähr¬
lich. Bei Thauwetter setzt sich das Eis in Bewegung, staut sich
nicht selten — wie von Augenzeugen versichert wird — bis 10 m
hoch, macht begreiflicherweise den Verkehr auf dem Flusse unmög¬
lich und vernichtet alles, was seinem Gange trotzt. Es mag hier
erwähnt werden, dafs aus diesem Grunde in der Donau hölzerne
Gerüste oder Brückenjoche den Winter nicht überstehen können.
Das Flufsbett besteht bis zu einer mittleren Tiefe von etwa 31 m
unter dem Nullwasserstande aus angeschwemmten Sandscliichten. In
dieser Tiefe stöfst man auf festen kalkigen Felsboden. Diese
Bodenverhältnisse, beziehungsweise die durch dieselben bedingte
Gründungstiefe einerseits, die durch den grofsen Schiff'ahrtsverkehr
erforderte Höhenlage des Ueberbaues anderseits, bestimmen die
allgemeine Anordnung der "Brücke. Es wurde nämlich in dieser
Beziehung festgestellt, einerseits dafs die Pfeilersohle mindestens
30 m unter den mittleren Wasserstand zu legen sei und dafs ander¬
seits — damit die auf der Donau verkehrenden Dampfer und Segel¬
schiffe unter der Brücke zu jeder Zeit ungehindert durchfahren
können — der Ueberbau mit seiner tiefsten Unterkante 30 m über
dem höchsten Wasserstande liegen solle, und zwar auf der ganzen
Länge der Brücke, weil der Stromstrich seine Lage häufig ändert.
Der erste Entwurf wurde bereits im Jahre 1883 infolge eines
von der rumänischen Regierung erlassenen Preisausschreibens*), von
mehreren Brückenaustalten — darunter auch drei deutsche wohl-
bekannte Firmen — verfafst. Zur Ausführung wurde jedoch dieser
Entwurf von einem zur Prüfung desselben eingesetzten internationalen
Ausschufs nicht empfohlen. Dadurch wurde der Bau der Brücke
zum allgemeinen Bedauern verzögert. Die endgültigen, von der
rumänischen Regierung zur Ausführung genehmigten Pläne wurden
in dem Brückenbaubureau der Rumänischen Eisenbahnen unter der
Leitung des Oberingenieurs A. Saligny verfafst und vonges Jahr
vollendet. Es mag an dieser Stelle erwähnt werden, dafs dieser Ent¬
wurf von den früheren sich wesentlich unterscheidet, und zwar haupt¬
sächlich durch die Anordnung des Ueberbaues und besonders durch
die Ausbildung der Hauptträgef, insofern nämlich diesem Entwürfe
Auslegeträger (Träger mit frei schwebenden Stützpunkten) zu Grunde
gelegt wurden, während früher einfache, durchgehende (continuir-
liche) und Bogenträger vorgeschlagen -worden waren.
Die zur Ausführung genehmigte Brücke ist eingeleisig, hat eine
Gesamtlänge von 750 m in 5 Oeffnuugen, und zwar eine Oeffnung
von 190 m und vier von je 140 m. An diese Hauptbi-ücke schliefst
sich ein 960 ni langer eiserner Viaduct. Der Ueberbau soll aus Flufs-
eiseii hergestellt werden und mit seinem tiefsten Punkte 30 m über
dem höchsten Wasserstande auf vier Strompfeilern und zwei Land¬
pfeilern ruhen. Das Flufseisen soll für Stab- und Blecheisen eine
Festigkeitsziff’er von 42 — 48 kg/qmm und eine Dehnung von 16 bis
21 pCt., für Nieteisen eine Festigkeitsziff’er von 38 — 44 kg/qmm und
eine Dehnung von 22 pCt. haben. Die Beanspruchung soll 10 kg/qmm
betragen und bis auf 12 kg gesteigert werden können, wenn bei Be¬
rechnung der Querschnitte die durch den Winddruck hervorgebrachten
Beanspruchungen berücksichtigt werden. Die Dehnung soll an Probe¬
stäben von 5 qcm Querschnitt und 20 cm Länge so bestimmt werden,
dafs bei der Messung der verlängerten, in 20 gleiche Theile getheilten
Strecke derjenige Theil, in welchem der Bruch stattfindet, sowie die
beiderseitig anstofsenden Theile, also im ganzen drei Centimeter aus¬
geschlossen werden.
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1882, S. 253 u. 293, 1883,
S. 366 u. 413, 1889, S. 473.
Die Zahl der Hauptträger in jedem Brückenkörper beträgt zwei.
Der Untergurt der Träger ist gerade, der Obergurt theils gerade,
theils gekrümmt. Die Länge der Auslegeträger beläuft sich auf
240 m, die der Ausleger auf je 50 m. Die Form der Auslegeträger
ist derart, dafs die Trägerhöhen annähernd im Verhältnifs der
gröfsten Momente stehen. Die Höhe beträgt nämlich 9 m an den
Enden, 32 m über den Stroinpfeilern und 17 m in der Mitte. Die drei
Mittelträger sind als Halbparabelträger von je 90 m Länge mit Höhen
von 9 ni an den Enden und 13 m in der Mitte ausgebildet. Die Trüger-
wand besteht aus zweitheiligem, weitmaschigem Netzwerke. Durch
dasselbe wird der Halbparabelträger in 12 gleiche Felder von 7,50 m
Länge, der Auslegeträger in 23 Felder, und zwar in 9 Felder von 10,2 m
luid 13 Felder von 7,6 m bis 13 m Länge getheilt. Die Trägerebene hat
gegen eine durch die Längenachse der Brücke gelegte senkrechte
Ebene eine Neigung von Vio- Die Entfernung der Hauptträger
wechselt zwischen 6,5 m und 9 m, gerechnet zwischen den Schwer¬
punkten der Untergurte, und zwar beträgt die Entfernung der Halb¬
parabelträger 6,5 m, die der Auslegeträger 6,5 m an den Enden und
9 m über den Strompfeilern. Die Gurte haben Querschnitte von der
Form: | | die gedrückten Stäbe von der Form:
gezogenen von der Form: [ [.
die
Für die Berechnung der Spannungen nahm man als bewegliche
Last einen aus drei vierachsigen Locomotiven samt dreiachsigen
Tendern und einer unbestimmten Anzahl von zweiachsigen schweren
Güterwagen bestehenden Zug an. Es betrug der Achsendruck bei
den Locomotiven 13 Tonnen, bei den Tendern 10 Tonnen und bei
den Wagen 8 Tonnen. Die Zusammenstellung des Zuges wurde so
gewählt, dafs sie die ungünstigste Belastung für die jedesmal zu be¬
rechnende Spannung ergab. Demgemäfs befanden sich für die Be¬
rechnung der Gurte die drei Locomotiven in der Mitte des Zuges
und zwar zwei derselben Brust an Brust; für die Berechnung der
Stäbe zumeist am Anfänge des Zuges und insgesamt in gewöhn¬
licher Stellung, für einige Stäbe jedoch auch in der Mitte des Zuges
gerade so wie für die Momente. Für die Bestimmung des Eigen¬
gewichtes der Träger berechnete mau dasselbe zuerst annähernd nach
Erfahrungsregeln. Mit dieser gleichförmig vertheilt angenommenen
Last wurden dann die Spannungen, die Querschnitte und das wahr¬
scheinliche wirkliche Eigengewicht des Ueberbaues bestimmt. Für
die endgültige Berechnung der Spannungen wurde hierauf dieses
Eigengewicht für jedes Feld und jeden Knotenpunkt besonders er¬
mittelt, wobei sich ergab, dafs dasselbe keineswegs gleichförmig ver¬
theilt ist, sondern vielmehr bedeutend wechselt, sodafs die Annahme
einer gleichförmigen Eigenlast für die Berechnung der Querschnitte
zu beträchtlichen l^ehlern geführt haben würde. Die Beanspruchungen
dui'ch W ind wurden unter Annahme eines Druckes von 270 kg/qm
bei unbelasteter und von 180 kg/qm bei belasteter Brücke berechnet.
Eine vergleichende Untersuchung ergab, dafs die gröfste Bean¬
spruchung der Stäbe bei Annahme des letzteren Falles eintritt. Die
Windbeanspruchungen sind bedeutend. Dieselben entstehen theils
infolge der Ausbiegung der Träger im wagerechten Sinne, theils in¬
folge der senkrechten Durchbiegung des vom Winde nicht unmittel¬
bar getroffenen Trägers. Diese letztere Biegung wird durch das
Bestreben des Windes, die Träger umzustürzen, hervorgerufen. In¬
folge der Zulassung einer gröfseren Beanspruchung für die Wind¬
spannungen (1200 kg/qcm) als für die von den senkrechten Lasten
herrührenden Spannungen (lOOO kg/qcm) sind die ersteren Kräfte bei
der Bestimmung der Querschnitte so lange ohne Einflufs, als dieselben
Vs der übrigen Beanspruchungen nicht übersteigen. Es kamen daher
im vorliegenden Falle die Windbeanspruchungen thatsächlich nur
bei der Bestimmung der Querschnitte des Untergurtes zur Geltung.
Zu den bisher erwähnten Spannungen wurden aufserdem die
durch das Eigengewicht der einzelnen Stäbe hervorgerufenen gröfsten
Biegungsspannungen hinzugefügt. Diese sind bei der nicht unbe¬
deutenden Länge der Stäbe ziemlich grofs und können durchaus
nicht vernachlässigt werden.
Die Hauptträger haben nach dem Muster der Forthbrücke nur
eine in der Ebene der Untergurte angebrachte Windverstrebung.
Diese Anordnung ist durch die Neigung der Träger bedingt und
bietet bei grofsen Spannweiten und bedeutenden Trägerhöhen der
üblichen (mit zwei Windverstrebungen) gegenüber manche Yortheile,
da bei Weglassung der oberen Windverstrebung die durch dieselbe
sonst auf die Endständer übertragenen Spannungen gänzlich ent¬
fallen, während durch die Neigung der Träger anderseits die Ge¬
samtlänge der Querversteifungen erheblich vermindert wird. Die
Windverstrebung besteht aus zweitheiligem Gitterwerke mit nur ge¬
zogenen Diagonalen. Die Querversteifungen sind in der Ebene der
gedrückten Stäbe angebracht, mithin sind dieselben nur an den End-
und Mittel-Ständern senkrecht, im übrigen aber geneigt. Das Fahr¬
bahngerippe bilden an den Knotenpunkten angebrachte Blechquer-
Nr. 18.
Centralblatt der Bauverwaltuug.
177
träger und zwei Reihen von Blechlängsträgeru. Die Bahn wird von
aneinander genieteten eisernen Querschwellen, die im ganzen einen
ununterbrochenen wellenförmigen Brückenbelag bilden, getragen.
Die Lager sind zweierlei Art, nämlich auf den Pfeilern auf¬
ruhende Kipjjlager und auf die Ausleger sich stützende Pendellager.
Die Kipplager dienen zur Auflagerung der Auslegeträger und der
parabelförmigen Endträger. Im ersten Falle sind dieselben theils
feste theils auf Rollen bewegliche Zapfenkipplager, im letzteren nur
auf Rollen bewegliche Kugelkipplager. Die Pendellager sind nach
dem Muster der bei der Forthbrücke angewendeten geformt, derart,
dafs einerseits die durch Wärmewechsel und senkrechte Durch¬
biegung eintretende Längenverschiebung, anderseits die durch die
wagerechte Ausbiegung der Träger bedingte Drehbewegung der
Parabelträger ermöglicht wird.
Hülfe von Druckluft gegründet. Die hierzu nöthigen Kasten sind aus
Eisen, haben eine lichte Höhe von 2,2 m und sind mit drei Schächten
versehen. Für die Ausführung des unmittelbar auf der Decke ruhen¬
den Mauerwerkes sind eiserne, mit senkrechten Gitterträgern ver¬
steifte Blechmäntel angeordnet. Das darüberliegende Mauer werk wird
ohne Fangedamm über Wasser ausgeführt.
Es beträgt die Höhe der Kasten samt Mantel bei den Strom¬
pfeilern 10,5 m bis 15,9 m; bei den Landpfeilern 4,5 m.
Hinsichtlich der Aufstellung des Ueberbaues ist folgendes zu
bemerken. Die bedeutenden Vortheile, welche — wie allgemein an¬
erkannt — die Auslegeträger gegenüber allen anderen festen Träger-
arteu hinsichtlich der Aufstellung des Ueberbaues bei grofsen Spann¬
weiten darbieten, veranlafsten in erster Linie zur Wahl derselben für
die Donau-Ueberbrückung bei Cernavoda. Die heftigen und gefährlichen
Abb. 3.
Abb. 4.
Die Träger ruhen, wie
früher erwähnt, auf vier
Strompfeilern und zwei
Landpfeilern. Die ersteren
sind auf festen Sandboden
in einer Tiefe von 30 m
unterdem mittleren Wasser¬
stande gegründet. Der links¬
seitige Landpfeiler steht
ebenfalls auf Sandboden
in einer Tiefe von 20 m,
der rechtsseitige Land¬
pfeiler auf zu Tage treten¬
dem Fels. Dabei stecken
die Strompfeiler 18 bis 22 m,
der linksseitige Landpfeiler
32 m tief im Boden. Diese
Tiefen sind vollkommen
hinreichend, um die Pfeiler
gegen Auskolkungen zu
schützen. Der Querschnitt
der Pfeiler im Grundrisse
ist im allgemeinen ein an
den Enden von Halbkreisen abgeschlossenes Rechteck. In Höhe der
Grundfläche ist der stromabwärts liegende Vorkopf nach einer Ellipse,
in Höhe der Eisbrecher der stromaufwärts liegende Vorkopf nach
einem Dreieck geformt. Die obere Pfeilerstärke wurde nach Er¬
fahrungsregeln, die obere Pfeilerbreite mit Rücksicht auf die An¬
ordnung der Lager und die Aufstellungsart der Brückenkörper be¬
stimmt.
Es beträgt die obere Stärke die obere Breite
bei den Strompfeilern 5,0 m; 15,5 m;
bei dem linksseitigen Landpfeiler 3,5 m; ' 10,5 m.
Die übrigen Pfeilermafse wurden durch Rechnung unter Annahme
eines gröfsten Druckes von 12 kg/qcm für das Mauerwerk und von
10 kg/qcm für den Baugrund bestimmt. Diese letzere Beanspruchung
wurde im Hinblick auf die grofse Tiefenlage der Pfeilersohlen zu¬
gelassen.
Es beträgt nach diesen Rechnungen in Höhe der Grundfläche
der Mittelpfeiler der äufseren des linksseitigen
^ Pfeiler Landpfeilers
die Stärke 11,0 m; 10,5 m; 7,5 m;
die Breite 29,7 m; 29,7 m; 17,5 m.
Sämtliche Strompfeiler und der linksseitige Landpfeiler werden mit
Donaubrücke bei Cernavoda.
Wirkungen des Stromes
zur Winterzeit während des
Eisganges, die Unmöglich¬
keit, während dieser Zeit
umfangreiche Gerüste, wie
solche für die Aufstellung
gewöhnlicher Brücken noth-
wendig sind, im Strom aus¬
zuführen oder zu erhalten,
rechtfertigte diese Wahl
noch mehr. Wenn man da¬
bei bedenkt, dafs mit der
bedeutenden Eisenerspar-
nifs im Ueb erbaue zugleich
eine abermalige Erleichte¬
rung der Aufstellung ver-
- knüpft ist, so mufs man sich
wundern, dafs diese Träger¬
art nicht schon bei Bear¬
beitung der früheren Ent¬
würfe ins Auge gefafst
wurde.
Zum Schlüsse mögen
noch einige das Gewicht des Ueberbaues und die für die Pfeiler
nöthigen Baustoffe betreffende Zahlen angeführt werden.
Es beträgt:
das Gesamtgewicht des Ueberbaues ohne Lager,
Brückenbelag und Fahrbahn .
das durchschnittliche Gewicht des Ueberbaues
f. d. Meter .
das Gewicht des Brückenbelages .
das Gewicht der Lager .
das Gewicht des für die Senkkasten noth-
wendigen Eisens . ,. 901 „
Für die Pfeiler sind nothwendig:
Beton aus hydraulischem und Cement-Mörtel .... 9 988 cbm ;
Bruchsteinmauerwerk ............. 23 155 ,,
V erblendmauerwerk aus Hausteinen . 8 392
Quaderverblendung und Quadermauerwerk . 2 851 ,.
im ganzen Mauerwerk 44386 cbm.
Bei der am 15. Januar d. J. abgehaltenen Verdingung wurden
diese Arbeiten an die französische Brückenbauanstalt Fives- Lille,
welche das niedrigste Gebot eingereicht hatte (7 837 278 Franken),
vergeben. Die Bauzeit wird laut Vertrag fünf Jahre dauern.
rund 3439 Tonnen;
4,44 „
561
86,9 ,.
178
Centralblatt der Banverwaltung.
3. Mai 1890.
Die Hafeiierweiterimgsbauten der Stadt Altona
(Schlufs.)
Die Bauart der Kaimauer ist in Abb. 4 dargestellt. Sie
entspricht ungefähr derjenigen, welche am Bakenhafen in Hamburg
zur Anwendung gekommen ist. Die Mauer ist in ihrem vorderen
Theile massiv und besteht in dem der Laudseite zugekehrteu Theile
aus Pfeilern im Abstande von 9 m von Mitte zu Mitte und zwischen¬
gespannten Bögen, von denen der untere durch den Hinterfüllungs-
sand belastet wird und dadurch die Standfestigkeit der Mauer erhöht,
während der obere zur Aufnahme der einen Schiene für das Geleis
der beweglichen Dampfkrahne bestimmt ist. Es mufs hier einge¬
schaltet werden, dafs diese zur Ausführung gekommene zweite Krahii-
schiene der ursprünglich geplanten Anordnung der Güterschuppen
und Krahne entsprach. Diese Anordnung ist später verlassen worden,
nachdem eine „Kai- und Lagerhaus-Gesellschaft“ gebildet worden,
welche den Betrieb der Altonaer Kaien und die Einrichtung der Hoch¬
bauten axif dem Ostkai übernommen hat. Seitens dieser Gesellschaft
ist eine Anordnung der
Krahne, wie in dem
Querschnitt Abb. 3 dar¬
gestellt, gewählt worden,
durch welche die zweite
Krahnschiene auf der
Kaimauer überflüssig
wird.
Die Oberkante der
Abdeckplatten der Kai¬
mauer liegt auf -1- 5,25
Altonaer Pegel, während
die Höhe des mittleren
Niedrigwassers 0,40,
des mittleren Hoch¬
wassers -j- 2,20 und der
höchsten bekannten
Sturmfluth -1- 5,84 be¬
trägt. Die Mauer ist aus
harten Ziegeln inCement-
mörtel 1 ; 4 aufgebaut,
mit Bockhorner Klinkern
verblendet und mit Gra¬
nitplatten abgedeckt. Sie
ist ausgestattet mit
Schiflfsringen, schweren
gufseisernen Pollern zur
Aufnahme der Draht¬
seiltrossen der Schiffe,
mit Schutzpfählen und
Steigleitern.
Der Bauart der Kaimauer entspricht das Fundament. Es besteht
aus einem Pfahlrost, verbunden durch Längsholme und darüber
liegenden Querschwellen. Zwischen letztere legt sich parallel z.u
denselben der Bohlenbelag. Zwischen die Querschwellen mit Zapfen
eingesetzt sind Brusthölzer, welche ein Verschieben der Mauer auf
dem Fundament verhindern. Die Oberkante des Holzwerks liegt
45 cm über dem mittleren Niedrigwasserstande. Erfahrungsmäfsig
bietet dieses Mafs vollständige Sicherheit gegen ein Verfaulen des
Holzes. Die Pfähle stehen theils in Sand, theils in blauem Thon,
sind theils gerade, theils schräg gestellt, im Mittel 36 cm stark und
in der Anzahl von 32 Stück unter je 9 m Länge der Kaimauer an¬
geordnet. Die Mauer ist auf dem hölzernen Fundament in Tidearbeit,
ohne Anwendung eines Fangdammes ausgeführt worden.
An beiden Enden der Kaimauer, da wo vor derselben die volle
Tiefe für Seeschiffe nicht vorhanden ist und wo deswegen natur-
gemäfs die Leichterfahrzeuge (Schuten) zu verkehren haben, ist die
Möglichkeit vorgesehen, schwere mehrstöckige Speicher hart auf die
Uferkante zu setzen. Es ist zu diesem Zwecke auf den bezeichneten
Strecken das Fundament durch Vermehrung der senkrechten Pfähle
verstärkt worden.
Die zur Austiefung des Seeschiffhafens durch Baggerung auszu¬
hebenden Bodenmassen betragen rund 70 000 cbm. Dieselben be¬
standen etwa zur Hälfte aus blauem Thon, der theilweise von aufser-
gewöhnlicher Dichtigkeit und Härte war, zur anderen Hälfte aus
Sand. Zur Hinterfüllung der Kaimauer sind ebenfalls 70 000 cbm
erforderlich gewesen und ist nur Sand verwendet worden, sodafs also
die Hälfte des Baggergutes nach geeigneten Ablagerungsplätzen ge¬
schafft, und durch anderweitig gebaggerten Elbsand ersetzt werden
mufste. Zur Ausführung der Austiefungsarbeiten ist ein unter
günstigen Bedingungen angekaufter älterer Dampfbagger verwendet
worden, welchen die Zoll-Anschlufs-Commission nach vollständiger
Vollendung der Arbeiten wieder zu veräufsern beabsichtigt. Die
Hinterfüllung des Baggersandes hinter die Kaimauer ist, soweit dies
angängig war, durch einfaches Auswerfen aus den hinter dieselbe
gebrachten Baggerschuten bewirkt worden, und als für diese eine
genügende Fahrtiefe auch bei Hochwasser nicht mehr vorhanden war
durch die beweglichen Dampfkrahne auf der Ufermauer, wie sie
dem ursprünglichen Bebauungspläne gemäfs beschaft’t waren. Es
sind dies die in Altona und Hamburg allgemein üblichen direct
wirkenden Krahne Brownscher Bauart von 15 Tonnen Tragfähigkeit.
In regelmäfsigem Betriebe hat die Leistung des einzelnen Krahnes
auf den Hub etwa 550 Liter und auf den Tag von 10 Arbeitsstunden
etwa lUO cbm betragen. Als Fördergefäfse haben dabei theils geviert-
förmige, nach oben verjüngte eiserne Kästen mit selbstthätig öffnen¬
den Bodenklappen, wie sie in Euhrort, Duisburg usw. zur Ausladung
vou Eisenerzen üblich sind, theils einfache runde eiserne Kipptonnen
gedient. Ein erheblicher
V ortheil der erstge¬
nannten Gefäfse den
letzteren gegenüber hat
sich dabei nicht ergeben.
Die Beschreibung der
auf dem Kai zu errich¬
tenden Lagerhäuser und
der für dieselben zu ver¬
wendenden Hebevorrich¬
tungen kann hier nicht
gegeben werden , weil
diese Anlagen, wie be¬
reits erwähnt , seitens
der Kai- und Lagerhaus-
Gesellschaft auszuführen
sind und gegenwärtig
erst entworfen werden.
Die Strafsen- , Eisen¬
bahn- und Entwässe-
rungs - Anlagen bieten
nichts , das technisch
besonders beme.rkens-
werth wäre.
2. Die Hafenstrafse.
Die Verbindung des
Hafens mit der oberen
Stadt wurde bisher durch
zwei Strafsen vermittelt,
von denen die eine sehr
steile vom Westende, die andere sehr schmale und für den auf sie
angewiesenen Verkehr durchaus unzureichende vom Ostende des Ufers
hinaufführt. Alle übrigen nach oben führenden Strafsen sind wegen
ihrer unbrauchbaren Steigungsverhältnisse für Fuhrwerk nicht zu be¬
nutzen. Die neue Hafenstrafse geht vom Holzhafen, dem gegen¬
wärtigen Mittelpunkte des Hafenverkehrs aus und schneidet einen
Theil der erwähnten steilen Strafsen fast rechtwinklig. Sie über¬
windet bei etwa 440 m Länge einen Höhenunterschied von 11 m
zwischen Elbstrafse und Breitestrafse und erreicht damit das Strafsen-
netz der oberen Stadt in einem Punkte, von welchem aus die ver¬
schiedenen Theile der Stadt durch fernerhin nur mäfsig ansteigende
Strafsen zu erreichen sind. Die mittlere Steigung der Hafenstrafse
selbst, abgesehen von den fast wagerecht liegenden Mündungsplätzen,
beträgt 1 : 33, Die Strafse ist 15 m breit, wovon 10,5 m auf den
Fahrdamm und je 2,25 m auf jeden der beiderseitigen Fufswege ent¬
fallen. Zur Beurtbeilung dieser Breitenverhältnisse ist zu bemerken,
dafs die Strafse vorzugsweise von Lastfuhrwerk, verhältnifsmäfsig
wenig von Fufsgängern benutzt werden wird, und zur Aufnahme
zweier Pferdebahngeleise bestimmt ist. Die Pflasterung des Fahr¬
dammes und der Fufsweg-Belag sind aus bestem Stein sorgfältig
ausgeführt. Die Strafse ist mit Wasser-, Gas- und Siel-Leitungen
ausgiebig versehen.
Aus dem Umstande, dafs die Strafse sich an der steilen Böschung
entlang zieht, ergab sich, um nicht die erstere beiderseitig durch
Mauern einfassen und die gekreuzten Strafsen beiderseitig mit
Treppen anschliefsen zu müssen, die Nothwendigkeit, die nördliche
Fluchtlinie so zu führen, dafs durch dieselbe die gekreuzten Strafsen
in der vorhandenen Höhe getroffen wurden. Auf diese Weise waren
nur an der südlichen Fluchtlinie Stützmauern (bis zu 3,8 m Höhe)
und Verbindungstreppen erforderlich. Nur im südlichen Theile der
Strafse mufste die nördlich anstofsende steile Böschung durch eine
Grundrifs Aufsicht
des Pfahl- des Schwell- des Bohlen- auf die Mauer,
rostes. rostes. belags.
0 5 10 20 30'"
nuü 1 ! 1 : 1 1 ! 1 1 — 1 - - - - - j_ _ I
Abb. 4. Ufermauer des Seeschiffhafens. Normale Ufermauer.
Hafenerweiterungsbauten der Stadt Altona.
Kr. 18.
Centralblatt der Bauverwaltung.
179
kräftige Futtermauer gestützt werden. Die Bestimmung der Strafsen-
linie aus dem bezeichneten Gesichtspunkte ergab die gewundene
Form der Strafse, wie sie aus dem Lageplane Abb. 2 ersichtlich ist.
3. l)ie Erweiterung des westlichen Hafens für Flnfsfahrzeuge.
Durch diese Erweiterung ist im Anschlüsse an die bereits vor¬
handen gewesene Anlage für den Verkehr der kleinen Schiffahrt die
gesamte Uferstrecke zwischen Westkai und Gasanstalt ausgebaut
worden. Es sind 327 m Kailänge und 9240 qm Kaifläche der alten
Anlage hinzugefügt. Die Ufervorsetze ist ein hölzernes Bohlwerk,
gehalten durch 30 cm starke gerammte quadratisch beschlagene
Pfähle. Die Bauart der Vorsetze ist aus Abb. 5 ersichtlich. Die
Oberkante der Construction ist sehr niedrig, auf + 2,85 Altonaer
Pegel, gehalten. Die Austiefung der Flufssohle erstreckt sich an
der Vorsetze nur auf — 0,7 Altonaer Pegel. Diese Verhältnisse haben
sich als besonders zweckmäfsig zum Anlegen der sogenannten Ewer
bewährt, d. i. derjenigen Segelfahrzeuge, welche den Verkehr mit
der Ober- und Unterelbe vermitteln; die Bauart dieser Fahrzeuge
gestattet ein Aufsetzen auf den Grund, was jedesmal bei niedrigem
Wasser stattfindet. Es
wird dadurch erreicht,
dafs der Höhenunter¬
schied zwischen Bord¬
kante des Fahrzeugs und
Uferkante stets eine mög¬
lichst geringer und für
das Löschen und Laden
bequemer bleibt, wodurch
der Vortheil geringster
Ladekosten erzielt wird.
Diesem Vortheil gegen¬
über fällt der Umstand
nicht ins Gewicht, dafs
der vordere Theil der
Kaifläche seiner niedri¬
gen Lage halber gele¬
gentlich auf kurze Zeit
überschwemmt wird. Die
Kaifläche ist chaussirt
und durch zwei bequeme
gepflasterte Anfahrts¬
rampen zugänglich.
4. Der östliche Hafen
für Fischerfahrzeuge.
Die Anlage des öst¬
lichen Hafens ist den Be¬
dürfnissen des Markt¬
verkehrs zu dienen bestimmt. Es galt zunächst, die beiden Markt¬
flächen am Fischmarkt und Fischerplatz durch eine sehr bedeutende
Verbreiterung der'grofsen Elbstrafse mit einander zu verbinden und
zwischen beiden Plätzen einen neuen dritten Platz zu schaffen,
welcher vorerst zur Abhaltung der Versteigerungen über die aus
See ankommenden Fische und überhaupt für den Grofshandel mit
Fischen dienen soll. Dieser Verkehr ist bisher mit dem Gemüse¬
handel und sonstigem Kleinverkehr auf dem Fischmarktplatze zu¬
sammengedrängt gewesen.
Es ist im Plane, am Ufer massive Vorsetzen, soweit dieselben
vor den jetzt weggebrochenen Speichern nicht bereits vorhanden
waren, mit Treppen- und Aboi’t-Anlage auszuführen, desgleichen den
Schiengel an der Dalbenlinie zum Anlegen von Fahrzeugen geeignet
zu machen und den Schlengel mit dem Ufer durch eine neue Lan¬
dungsbrücke zu verbinden. Von den genannten Arbeiten ist jedoch
vorläufig nur die Verbreiterung der Elbstrafse in endgültiger Form
zur Ausführung gelangt. Inzwischen ist die Frage aufgeworfen
worden, ob nicht eine noch durchgreifendere Umgestaltung des öst¬
lichen Ufers, etwa eine vollständige Vereinigung des Fischmarkt-
Hafens und Fischmarkt-Platzes mit den neuen Anlagen geboten er¬
scheine. Es ist dies der Grund, weshalb man es vorgezogen hat, die
übrigen geplanten Anlagen am östlichen Hafen einstweilen nur in
leichter Bauart zur Aus¬
führung zu bringen.
Durch die Ueber-
nahme der Hochbauten
und Hebewerkzeuge auf
dem Seeschiffkai seitens
der Kai- und Lagerhaus-
Gesellschaft, ferner durch
die nur leichtere Aus¬
führung des östlichen
Hafens , und durch
mancherlei sonstige Er¬
sparungen gegen die
Kostenanschläge sind
zuzüglich der ursprüng¬
lich vorgesehenen Eück-
lagesumme im ganzen
noch 1800 000 Mark für
eine Erweiterung der
Anlagen verfügbar ge¬
blieben, über deren
nähere Verwendung ein
Entschlufs zur Zeit
noch aussteht. Es sind
für die bisherigen Aus¬
führungen somit im
ganzen 6 Millionen Mark
verausgabt worden, von
welcher Summe rund
3 600 000 Mark auf den Grunderwerb entfallen.
Hamburg und Altona, im Juli 1889. Pieper,
Civil -Ingenieur.
Abb. 5. Holz -Vorsetze des westlichen Hafens für Flufsfahrzeuge.
Hafenerweiterungsbauten der Stadt Altona.
Wettbewerb für ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau.
Wie wir neulich schon meldeten, haben sich die Künstler am
Wettbewerb um das Breslauer Kaiserdenkmal sehr lebhaft betheiligt.
Dieser Tage nun werden die Preisrichter zusammentreten, um wenig¬
stens fünf Meistern sichtbaren Lorbeer zuzuertheilen. Die Richter
gehören neben Künstlern und Kunstgelehrten den verschiedensten
Ständen und Berufskreisen an und werden vielleicht überraschende
Beschlüsse zu Tage fördern, überraschend für die gxofse Menge
aufserhalb, vielleicht aber auch innerhalb der nächstbetheiligten
Künstlerkreise. Deshalb möchten wir noch einmal, bevor der Sturm des
Wortkampfes die Meinungen klärt — oder trübt, die Reihen der Mo¬
delle durchschreiten, dabei anhalten bei unseren Lieblingen und hier
mittheilen, was uns an ihnen gefällt. Nach der Ansicht, die wir uns
durch eingehendes, tagelanges Studium gebildet haben, heben wir
eine kleine Zahl von Entwürfen heraus und führen sie in der Reihen¬
folge vor, nach welcher wir sie ausgeführt wünschen würden.
Der von Provinz und Stadt für das Denkmal gewählte Standort
ist ein so schöner, wie sich der Bildner ihn für sein Werk nur
wünschen kann. Er liegt zwischen einer inneren und einer äufseren
baumreichen Promenade, östlich der Schweidnitzer Strafse, der Haupt¬
verkehrsader der Stadt, dort, wo diese die Promenade durchschneidet,
über dem theilweise zugeschütteten Stadtgraben, der unmittelbar da¬
hinter in langem Zuge seinen Wasserspiegel hinerstreckt. Nach
dieser Wasserfläche zu wird der etwas über den Strafsen- und
Promenaden-Zug erhobene Denkmal-Unterbau in hoher Terrasse ab-
fallen. Deshalb wird der gröfsere, obere Theil des Denkmals, also
mindestens das Reiterstandbild selbst, frei vor der Luft stehen für
den Beschauer, der sich westlich davor in der Denkmalachse be¬
findet. Dem von der Vorstadt oder von der äufseren Promenade
Kommenden wird sich das Denkmal von der Seite wieder in einer
anderen Art schön darbieten, insofern es sich nämlich von einem
Hintergründe dunkler Bäume und von der in gröfserer Entfernung
darüber aufsteigenden hohen gothischen Corpus-Christi-Kirche abhebt.
Es lag in der Aufgabe, wenigstens in Zeichnung, in einem Lageplane,
mit anzugeben, wie sich der Künstler die Anordnung und architek¬
tonische Fassung dieses Denkmal-Ortes und auch seines Gegenüber
jenseits der Strafse dächte. Letzteres ist zumeist als kleine Garten-
Architektur, als brüstungsumsäumter Platz mit Sitzbänken im Halb¬
rund und einem Springbrunnen in der Mitte ausgebildet.
Heben wir aus der Zahl der eingegangenen Entwürfe den heraus,
welcher die bestimmten Erfordernisse der eigenthümlich gestalteten
Oertlichkeit am meisten berücksichtigt. Es ist Nr. 41, y,Aere
perennius'-^ . Der Künstler hat gefühlt, dafs an dieser landschaftlich
wechselreichen Stelle das Denkmal aus dem überaus lebhaften Ver¬
kehr herausgehoben und zu gröfserer Ruhe bedeutsam architektonisch
eingerahmt werden müsse. Die Terrasse, die er zu dem Zwecke
schafft, trägt das Denkmal auf ihrem vorderen Theile und ist der
breiten achtstufigen Freitreppe der oberen Plattform gewissermafsen
eingeschoben, weitere sechs Stufen laden davor zu einer Unterterrasse
aus, die drei unteren von ihnen im Halbrund heraustretend. Das
Denkmal selbst steigt in zwei Absätzen auf. Der untere, breitere
wird von zwei seitlichen Vorsprüngen überragt, besonderen Sockeln,
welche sitzende Gestalten tragen: auf der einen Seite die Land und
180 Centralblatt der Bauverwaltung. 3. Mai 1890.
Eeich scliützende Kriegskunst, auf der anderen Kunst und Wissen¬
schaft im Schutze des Friedens; in der Mitte ein breites Relief, die
„Gründung des deutschen Reiches“. Darüber steigt dann erst das
schmalere obere Postament auf, welches das Reiterbild trägt. Letz¬
teres hat mit 5,5 m Höhe gerade die wünschenswerthe Gröfse. Durch
seine Anordnung und Haltung ist es bedeutsam gestaltet, nicht durch
Steigerung des Mafsstabes, wie viele andere das versucht haben, in¬
dem sie den Reiter 8 m und darüber hoch machten. Der Kaiser ist
im Kröuungsmantel dargestellt; das Scepter auf die Hüfte gestemmt,
auf dem Haupte statt der schwerfälligen Krone den Siegeslorbeer.
Das Pferd steht ruhig und senkt den Kopf, dadurch dem Besch.auer
die Gestalt des Kaisers freier gebend.
Nr. 15, ,,Sc/ifesie7i seine^n Kaiser taid Köniff^, baut das Denkmal
inmitten einer dachen Terrasse von ungefähr 22 m Breite zu 24 m
Tiefe auf, die vorn in Grundform des halben Achtecks mit drei Stufen
zur Strafse niedersteigt und nach dem Stadtgraben hin beinahe
im Halbrund mit einer Balustrade abschliefst. Die Brüstung endigt
links und rechts mit Standbildern des Fürsten Bismarck und des
Grafen Moltke derart, dafs diese Nebendenkmale in guter Beziehung
und auch im guten Gröfsenverhältnisse zum Hauptdenkmale stehen.
Letzteres erhebt sich rund 10,50 m über der Terrasse bei 5 m Höhe
für das Reiterbild. Das Postament steht zunächst mit länglich recht¬
eckigem Grundrifs auf drei Stufen und hat eine ringsumlaufende,
breite Bank, auf deren Ecken vier allegorische Figuren sitzen. Der
weiter aufsteigende einfache Sockel ladet vorn und hinten im Halb¬
rund aus. Die Architektur bewegt sich in den Formen einer feinen,
klaren, fast griechischen Renaissance, zu der allerdings die Aufsätze
der Brüstungspfosten hinterwärts nicht recht passen wollen. Als
Abschlufs des Hintergrundes tragen diese Aufsätze vier ganz gleich-
mäfsig gestaltete Victorien mit Flammenschalen auf den Häuptern.
Die portraitmäfsige Erscheinung des Kaisers ist von vornehmer
Schlichtheit. Alles Figürliche an diesem Entwürfe ist vorzüglich schön.
Die vorbereitende Architektur ist weniger gelungen; sie giebt mehr ein
Tafelbrett, auf dessen Mitte das Denkmal gewissermafsen lose steht,
eine Anordnung, die sich bei einer grofsen Anzahl anderer Modelle
ähnlich wiederündet.
Nr. 5, „Im Volke unvergessen''^ giebt einfach und anmuthig eine
hübsche Promenadenzier schon allein in der Architektur der Deukmal-
terrasse und ihres Gegenüber. Das Hauptdenkmal ist über der
halbrunden, vierstufigen Vorterrasse 12 m hoch, davon kommen 5 m
auf das Reiterbild. Wie Nr. 41 stellt dieses Modell das Postament
mit dem Kaiserbilde vorn hin. Es schneidet in die Stufen zur oberen
Plattform von fast quadratischem Grundrisse ein und läfst rechts
und links vom Denkmale, ähnlich wie Nr. 15, die hinterwärts um die
Terrasse herumlaufende Brüstung durch zwei Postamente abschliefsen,
welche hier allegorische Figuren tragen. Nach dem Stadtgraben
hinaus erweitert sich die Terrasse noch zu einem Halbrund mit Sitz¬
bänken. Darüber als Abschlufs eine hübsche Figurengruppe, eine
Frau aus dem Volke, welche Kindern die Thaten des grofsen Kaisers
und Nationalhelden erzählt. Vorn am Postament des Kaiserbildes
eine Verkörperung Schlesiens mit der zu ihren Füfsen sitzenden
Oder. Schlesien hebt zum Kaiser einen Lorbeerkranz hinauf. Das
Denkmal wirkt in seinen mäfsigen Abmessungen doch grofs. Der
Kaiser erscheint würdevoll in Federhelm und Fürstenmantel. Die
Kaiserkrone heben Putten vorne am Postament zu ihm empor.
Nr. 24, „Silesia“, zeigt eine Terrasse von rechteckiger Grundform,
auf welche Freitreppen vorne von der Strafse her und auch seitlich von
den Promenaden hinaufführen. Hinterwärts senkt sich die gequaderte
Futtermauer in den Stadtgraben, mit vorspringendem Mittelrisalit noch
weiter in das Wasser voftretend. Zu Seiten dieses Vorsprunges geben
rundbogig geschlossene Canalöfiuungen den Durchflufs des Wassers
unter der Terrasse frei. Das Mittelrisalit aber hat eine Rundbogen-
nisclre, in welcher die Gestalt der „Oder“ ruhend aus einer Urne dem
Stadtgraben lebendiges Wasser spendet. Mitten auf der Fläche der
mit steinerner Brustwehr umsäumten Terrasse erheben sich über drei
mächtigen Stufen Postament und Reiterstandbild, das Ganze 11,5 m,
das Reiterbild 5,5 m hoch. Das in seiner oberen Grundfläche ver-
hältnifsmäfsig kleine, aber ausreichend grofse Postament ist einfach
und gut gegliedert; daran vorne eine Figurengruppe; Silesia erzählt
ihren Söhnen von den Thaten des Kaisers. Das Kaiserbild selbst
erscheint einfach portraitmäfsig mit Federhelm und Feldmantel. Die
Gestalten von Bismarck und Moltke, nur in lose aufgestellten Modell¬
skizzen beigegeben, sollen das Gegenüber jenseit der Strafse zieren.
Soweit hatten wir unseren Bericht geschrieben, als die Preis-
ertheilung am 24. d. M. stattfand. Wenn wir vor dieser Entscheidung
die Absicht hatten, noch mehrei-e der Modelle als fleifsige und preis-
werthe Arbeiten zix beschreiben, so wollen wir dieselben jetzt wenig¬
stens noch nach Nummer und Kennwort anführen. — Es sind
Nr. 21 „Dem grofsen Kaisei-'', Nr. 38 „Silesia* Nr. 31 „Dem
Emiger Deutsehlands das treue SchlesieiV^ das Werk eines sicher
sehr erfahrenen Bildhauers, der hier nur einen zu grofsen Mafsstab
gewählt hat, Nr. 34 „Schlesien- Breslau" , Nr. 11 „Friede", Nr. 4
„Schlesien dem ersten Deutschen Kaiser'", Nr. 8 „Gott mit uns
IV. S.“, Nr. 10 „Schlicht mul ivahr" und endlich Nr. 7 „Gott mit uns".
Das letztere, ausgezeichnet durch eine getreue Wiedergabe der
Persönlichkeit des Kaisers und durch eine schöne Figurengruppe
vorn am Postament: „Germania inmitten der Gestalten von Krieg
und Frieden“, ist mit den anderen vier eingehender beschriebenen
Werken von den Preisrichtern auserwählt worden. Somit hat sich
die Preisertheilung folgendermafsen gestaltet (vgl. S. 171 d. Bl.) :
Den ersten Preis von 6000 Mark gewannen mit ihrem Entwürfe
Nr. 41 der Bildhauer Christian Behrens in Breslau zusammen mit dem
Architekten, Baudirector Hugo Licht in Leipzig; der zweite Preis von
4000 Mark fiel dem Bildhauer Professor Fritz Sch aper in Berlin für
das Modell Nr. 15 zu; die dritten Preise zu je 2000 Mark erhielten auf
Nr. 24 Bildhauer Karl Hilgers in Charlottenburg bei Berlin, auf Nr. 5
Bildhauer Werner Stein und Architekt Hans Enger in Leipzig und
auf Nr. 7 Bildhauer Otto Lang in München. Die Ausführung des
mit dem ersten Preise gekrönten Werkes von Chr. Behrens, welcher
Vorstand des Meister - Ateliers am Museum der bildenden Künste
in Breslau ist, wurde alsbald in Absicht genommen. Das Ergeb-
nifs der Breslauer Wettbewerbung ist somit ein recht erfreuliches
zu nennen.
Breslau, 26. April 1890. C. L.
Vermischtes.
Semper -Denkmal. An der Spitze des Anzeigentheiles dieser
Nummer finden die Leser einen Aufruf des derzeitigen Vorstandes
vom Verbände deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine, in wel¬
chem mitgetheilt wird, dafs an der zur Errichtung eines Standbildes
Gottfried Sempers auf der Brühlschen Terrasse in Dresden erforder¬
lichen Summe noch 1000 Mark und aufserdem die Geldmittel für den
Grundbau und eine angemessene Einfriedigung des Denkmals sowie
für eine würdige Enthüllungsfeier fehlen. Die Einzelvereine und
ihnen nahestehenden Vereinigungen, ihre einzelnen Mitglieder und
alle Freunde der Baukunst werden zu weiterer Beisteuer aufgefordert.
W^ir sind der Ueberzeugung, dafs es nur des Bekanntwerdens der
Sachlage bedarf, um in kurzer Frist den Betrag zu gewinnen, der
die Vollendung des begonnenen Gedächtnifswerkes sicherstellt.
Die Internationale elektrotechnische Ausstellung in Frank¬
furt a. M. (vergl. 1889, S. 473 u. S. 120 d. J.) ist auf das Jahr 1891
verschoben worden.
F. W. Laessig 't'. Am Sonntag den 27. April d. J. starb in
Oppeln nach kurzem Leiden im kräftigsten Mannesalter von 51 Jahren
der Regierungs- und Baurath bei der dortigen Königlichen Regierung
Friedrich Wilhelm Laessig. Der Verstorbene gehörte zu den
Naturen, deren Art es ist, auf dem ihnen angewiesenen Wirkungs¬
felde bescheiden und geräuschlos zu arbeiten. In die gröfsere Oelfent-
lichkeit ist sein Name wenig gedrungen, aber seinem unermüdlichen
Schalfen hat darum der Erfolg nicht gefehlt, und die preufsische
Staatsbauverwaltung verliert in ihm — das darf ohne Uebertreibung
gesagt werden — einen ihrer tüchtigsten Baubeamten. Hielt man
doch in mafsgebenden Kreisen den Verstorbenen zu sjaäterem
Wirken in höherer Stelle für ganz besonders geeignet und setzte
Hoffnungen auf ihn, die mit seinem Dahinscheiden nunmehr leider zu
Grabe getragen worden sind. Aufsergewöhnliches fachliches Können,
Zuverlässigkeit und Pflichttreue sind die Tugenden, die Laessig jeder¬
zeit nachgerühmt wurden, und nicht zurück hinter ihnen stehen die
Eigenschaften seines Charakters, die ihn zu einer überall hoch¬
geachteten und beliebten Persönlichkeit machten.
Aus dem äufseren Lebensgange des verdienten Mannes theilen
wir mit, dafs er aus Beuthen i/0. -Schl, stammte, wo er im Jahre 1839
geboren war. 1862 trat er als Bauführer und Feldmesser in den
Staatsdienst und legte im April 1870 die Baumeisterprüfung ab. In
den ersten Jahren seiner selbständigeren Berufsthätigkeit war er bei
Eisenbahnbauten beschäftigt, insbesondere in der Stellung eines
Abtheilungs-Baumeisters bei der Bahnlinie Bebra-Friedland. Dann
trat er zur Allgemeinen Bauverwaltung über, wurde 1880 zum Bau¬
inspector bei der Regierung in Frankfurt a./O. ernannt und im Jahre
darauf mit der Verwaltung der Kreisbaubeamteu-Stelle in Demmin
betraut. Seit Februar 1885 ist Laessig als Regierungs- und Baurath
I in seinem sehr umfangreichen Oppelner Geschäftskreise thätig gewesen,
und hat sich neuerdings insbesondere durch rastlosen Eifer und vor¬
zügliche Leistungen bei Bewältigung der zahlreichen schlesischen Noth-
standsbauten rühmlich hervorgethan. — Ehre seinem Andenken!
Verlag von Ernst & Korn (Willielm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nicätamtliclien Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e rsk es, Berlin.
181
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 10.
Mai 1890. Nr. 19.
Rcdaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHALT: Amtliches: Circular -Erlafs vom 25. April 1890, betreffend einen neuen
Stoff für Theater-Decorationen aus Asbest-Gewebe. — Personal-Nachrichten. — Gut¬
achten und Berichte. Entwurf zum Bau einer zweiten Kirche für die St. Johannis-
Gemeinde in Moabit — Nichtamtliches: Neuer Oberbau für die Berliner Stadt-Eisen¬
bahn. — Die Marienburg unter polnischer Herrschaft — Der Bau billiger Wohnungen.
— Die Einrichtung der Staustufen bei Canalisirungeu von Flufsstrecken mit schnellem
Wasserwechsel. — Zur Berechnung von Prellböcken mit Wasserbremse. — Ver¬
mischtes: Grundsteinlegung zur Erlöserkirche in Eummelsburg. — Befohlener An-
zug bei Besuchen Sr. Majestät des Kaisers in Galerieen usw. — Stipendium der Louis
Boissonnet-Stiftung. — Preisbewerbnng für ein Kaiser Wilhelm-Denkmal der Ehein¬
provinz. — Preisbewerbung für ein Gerichtsgebäude in Bremen. — Preisbewerbungen
im Berliner Architekten-Verein. — Ewerbeck-Ausstellung. — Ausstellung bei der Ver¬
sammlung des Verbandes deutscher Arch.- und Ing.-Vereine in Hamburg. — Um¬
gestaltung der städt. Bauverwaltung in Düsseldorf. — Versagen der selbstthätigen
Luftsaugbremse. — Ober-Baurath Ludwig Büchner f.
Amtliche Mittheilungen.
Circular -Erlafs, betreffend einen neuen Stoff für Theater-
Decorationen aus Asbest-Gewebe.
Berlin, den 25, April 1890.
Den Decorationsmalern Müller u. Schaefer hierselbst, Stralauer-
strafse Nr. 58, ist es gelungen, einen Stoff für Theater-Decorationen
aus reinem Asbest-Gewebe herzustellen, welcher bei der von der
hiesigen Feuerwehr ausgeführten Probe als möglichst feuersicher er¬
achtet worden ist. Insbesondere ist dieser Stoff auch geeignet, die
Herrichtung feuersicherer Podien im Sinne der §§ 74 und 81 G der
Polizei- Verordnung, betreffend die bauliche Anlage von Theatern usw.
[Centralbl. der Bauverw. 1889, S. 447 u. f.] wesentlich zu erleichtern
und bei dem Preise von nur 2 Mark 70 Pf. für das Quadratmeter
billiger zu gestalten.
Ew. . . geben wir von dieser Erfindung behufs thunlichster
Nutzbarmachung derselben für die auszuführenden Abänderungen
bestehender Theater und Versammlungsräume hierdurch Kenntnifs.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Der Minister des Innern.
V. Maybach. Im Aufträge
Lodemann.
An sämtliche Königliche Herren Regierungs- Prä¬
sidenten und die Königliche Ministerial -Bau-
Commission in Berlin.
III 7009 M. d. ö. A. — II 5081 M. d. I.
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Hafen-
Bauinspector, Baurath Christian Richrath in Swinemünde aus
Anlafs seines Uebertritts in den Ruhestand den Königlichen Kronen-
Orden III. Klasse, sowie dem Kreis-Bauinspector Ernst Reinike in
Bonn und dem Hafen-Bauinspector Ernst Kummer in Neufahrwasser
den Rothen Adler-Orden IV. Klasse und dem Regierungs-Baumeister
und Privat- Architekten Otto March in Charlottenburg den König¬
lichen Kronen-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Karl Hesse in Bieden¬
kopf ist als Königlicher Kreis-Bauinspector daselbst angestellt worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Eugen
Wechselmann in Stettin, Theodor Hagemann in Wesel und
Gustav Stoltze in Taterberg bei Oebisfelde ist die nachgesuchte
Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Deutsches Reich.
Der Ingenieur Georg Hartmann ist zum Kaiserlichen Maschinen¬
ingenieur bei der Verwaltung der Reichseisenbahnen in Elsafs-
Lothringen ernannt worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, am
29. April d. J. die erledigte Stelle eines Betriebsbauinspectors in
Mühlacker dem Abtheilungsingenieur, tit. Bauinspector Veigele in
Leutkirch zu übertragen.
Bei der in der Zeit vom 10. bis 20. März d. J. vorgenommenen
ersten Staatsprüfung im Baufache sind für befähigt erklärt worden;
im Hochbaufache: Emil Högg von Heilbronn, Paul Eugen Nill von
Stuttgart; — ■ im Ingenieurfache; Adolf Emil Bechtle von Stuttgart,
Johann Evangelist Hochmüller von Auernheim, O.-A. Neresheim,
und Anton Scheuffele von Ulm. Denselben wurde am 14. April d. J.
der Titel Regierungs-Bauführer verliehen.
Mecklenburg - Schwerin.
Bei der Verstaatlichung der Friedrich Franz-Eisenbahn und der
Nebenbahnen Güstrow-Plau , Wismar-Rostock, Gnoyen-Teterow und
Doberan-Heiligedamm sind an die in diesen Verwaltungen beschäf¬
tigten Bautechniker nachfolgende Anstellungen bezw. Titel verliehen:
Der Eisenbahndirector Baurath Jacobi ist commissarisch Ab¬
theilungsdirigent in der General-Eisenbahndirection mit dem Titel
Geheimer Baurath.
Ferner sind ernannt: Der Regierungs-Baumeister Albrecht in
Schwerin zum Ober-Betriebsinspector im betriebstechnischen Bureau,
der Eisenbahn-Baumeister Möbius in Schwerin zum Eisenbahn-Bau-
inspector im bautechnischen Bureau, der Ober - Maschinenmeister
Pöschmann in Schwerin zum Ober-Maschineninspector in der Ma¬
schinen- und Werkstätten -Inspection, die Eisenbahn -Baumeister
Loycke und Langfeldt zu Ober -Bauinspectoren bei der Bau-
inspection I in Schwerin bezw. II. in Rostock, der Eisenbahn-Bau¬
meister Greverus zum Eisenbahn-Bauinspector bei der Bauinspec-
tion III in Malchin und der Plankammer -Verwalter Riemann in
Schwerin zum Ober-Geometer.
Aufserdem sind ernannt worden: der Betriebsingenieur Voigt
von der Wismar-Rostocker Bahn und der Betriebsingenieur Mittel¬
st ae dt von der Gnoyen - Teterower Bahn zu Betriebsingenieuren
beim betriebstechnischen Bureau in Schwerin und der Betriebs¬
ingenieur Voth von der Güstrow -Plauer Bahn zum Bahningenieur
bei der Bauinspection II in Rostock, und der Bahningenieur
Wunder von der Wismar-Rostocker Bahn zum Bahningenieur der
Bauinspection V in Wismar.
Gutachten und Berichte.
Entwurf zum Bau einer zweiten Kirche für die St. Johannis -Gemeinde in Moahit.
Gutachten der Königlichen Akademie des Bauwesens.
Berlin, den 25. Februar 1890.
Zum Bau einer zweiten Kirche für die St. Johannis-Gemeinde in
Moabit sind von dem Königlichen Baurath Schulze zwei ver¬
schiedene Skizzen entworfen worden, von welchen jedoch nur die
vom 20. September v. J. von dem Gemeindekirchenrath angenommen
ist. Da dieselbe in der That vor der ersten Skizze entschiedene
Vorzüge hat, so ist sie allein der Beurtheilung unterzogen worden.
Der Grundrifs zeigt die Form eines Kreuzes mit kurzen Armen
und einem Thurm an der Westfront, welcher den Haupteingang ent¬
hält. Vier Nebeneingänge sind in zweckmäfsiger Lage in den kleinen
Thürmen angeordnet, welche die Winkel zwischen den Kreuzarmen
ausfüllen und als Widerlager der vier grofsen Gurtbögen dienen
sollen. Für den letzteren Zweck sind diese Thürme aber zu stark
durchbrochen, sodafs namentlich die beiden in der Längsrichtung
stehenden Bögen ausreichender Widerlager entbehren. Der Entwurf
wird in dieser Hinsicht etwas verändert werden müssen.
Die gesamte Raumdisposition entspricht den Anforderungen des
Programms und mufs als durchaus zweckentsprechend bezeichnet
werden. Namentlich ist lobend hervorzuheben, dafs fast sämtliche
1500 Sitzplätze freien Ausblick auf die Kanzel und mit nur geringer
Ausnahme auch auf den Altar haben, und dafs sie in mäfsiger, für
das Verstehen der Predigt durchaus günstiger Entfernung von der
Kanzel liegen. Von den unter der Orgelbühne angeordneten Plätzen
werden indessen die dem Eingang zunächst belegenen wenig nutzbar
sein, da es hier an einer directen Beleuchtung fehlt. Die Zahl und
Weite der Eingänge und Treppen ist reichlich bemessen, doch haben
182
Centralblatt der Bauverwaltung.
10. Mai 18i)0.
die beiden vorderen Treppen, welche in drei Armen übereinander
aufsteigen, keine ganz genügende Beleuchtung erhalten. Die An¬
ordnung von Closets auf den Treppenpodesten empfiehlt sich nicht,
eher würden solche unter den ersten Treppenläufen zulässig sein.
Die Architektur der Kirche in einfach gothischeu Formen ist
eine angemessene und wirkt durch eine reiche Gruppirung malerisch.
Nur die Anordnung der beiden seitlichen Giebel neben dem Portal¬
giebel in der Westfront wäre zu vermeiden, zumal da sie den Zweck,
die ungleichen Dachneigungen au den Anbauten zu verdecken, doch
nicht vollständig erreicht.
Schliefslich wird noch empfohlen, die Kirche etwas weiter nach
Osten zu verschieben, um etwas mehr Raum vor der Westfront zu
gewinnen und die schiefe Richtung der Strafse weniger bemerkbar
zu machen.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Sclineider.
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Neuer Oberbau für die Berliner Stadt -Eisenbaliu.
Es wird beabsichtigt, auf der Berliner Stadt-Eisenbahn eine neue
Oberbau-Anordnung probeweise einzuführen, welche von der jetzt
auf den preufsischeu Staatsbahueii üblichen nicht unwesentlich ab-
Achse nunmehr 215 cmi, das Widerstandsmoment für dieselbe Achse
39 ciiF beträgt. Der gröfseren Tragfähigkeit der neuen Schiene ent¬
sprechend ist die Entfernung der Stützpunkte auf 90 cm bemessen
Abb. 1. Schienen -Querschnitt (Vs nat. Gröfse).
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Abb. 2. Schwellentheilung.
weicht. Wenn diese Anordnung sich bewährt, so ist ihre Anwendung
auf der ganzen Berliner Stadtbahn sowie auch auf anderen Strecken
mit besonders starkem Verkehr zu erwarten.
Zur Erj)robung des neuen Oberbaues hinsichtlich seiner Dauer¬
haftigkeit erscheinen die Betriebsverhältnisse der Berliner Stadt-
Eisenbahn in mehrfacher Beziehung besonders geeignet. Auf den
vielfach stark gekrümmten Geleisen dieser Strecke werden die mit
Zwischenpausen von 5 bis 10 Minuten auf einander folgenden Züge
durch dreiachsige Tenderlocomotiven mit einer Geschwindigkeit von
45 km in der Stunde befördert. Die Locomotiven müssen vielfach mit
einer Treibachse voran fahren; die Personenwagen haben zwei steif
geführte Achsen.
Da auf der Berliner Stadt-Eisenbahn bisher eine sehr starke
seitliche Abnutzung der Schienenköj)fe beobachtet worden ist, welche
eine entsprechend kurze Dauer der Schienen zur Folge hatte, so ist
die Schiene der neuen Oberbau- Anordnung mit einem breiteren
Kopfe versehen worden, der eine längere Nutzungsdauer erwarten
läfst. Die Breite des Kopfes ist auf 72 mm bemessen (Abb. 1). Die¬
selbe bedingte eine Verstärkung des Fufses und des Steges. Das
Gewicht der Schiene erhöht sich dadurch auf 41 kg für das Meter,
das Trägheitsmoment auf 1352 cm^, das Widerstandsmoment auf
193 cm3. Zugleich ist die seitliche Steifigkeit der Schiene bedeutend
vergi’öfsert worden, indem das Trägheitsmoment für die senkrechte
(Abb. 2), wobei am Schienenstofs, der zu den ruhenden Stofsver-
bindungen gehört, zwei Schwellen ungeordnet sind. Dieselben liegen
je 30 cm von den Schienenenden entfernt, damit sie bequem unter-
stopft werden können. Es entstehen so zwischen den vier Schwellen
am Stofs drei gleiche Theilungen von je 60 cm.
Die hölzernen Quers ch wellen sind nicht, wie bisher, 230 bis
250 cm, sondern 270 cm lang bemessen. Hierdurch wird erreicht,
dafs bei gleichmäfsigem Unterstopfen der ganzen Schwelle der Druck
auf die Bettung unter den Schwellen enden eben so grofs ist, wie
unter der Schwelleumitte, und dafs daher die Schwelle sich mög¬
lichst gleich mäfsig einsenkt.
Die Stützpunkte der Schienen auf den Mittelschwellen werden
durch Unterlags platten mit geneigten Lagerflächen und Rand¬
leisten gebildet (Abb. 3). Als Befestigungsmittel werden Schwellen¬
schrauben benutzt, und zwar für jede FTnterlagsplatte drei, von
denen zwei innen angebracht sind.
Die beiden Stofsschwellen werden durch zwei Brücken aus
Stahlgufs (Abb. 4a bis 4e) verbunden, auf deren Mitten die
Schieneuenden ruhen, ohne die Stofsschwellen selbst zu berühren.
Dadurch wird erreicht, dafs beim Uebergange der Räder über den
Schienenstofs jede der Stofsschwellen nahezu mit der halben Last
der Achse gedrückt wird. Da dies auch bei den Mittelschwellen der
Mr. 10.
Centralblatt der Bau Verwaltung.
183
Fall ist, so findet eine gleichmäfsige gröfste Belastung der
Schwellen bezw, der Bettung statt. Die Brücken werden durch je
vier Schwellenschrauben auf den Stofsschwellen befestigt. Die
Schienenenden werden durch zwei Schraubenbolzen auf den Stütz¬
flächen der Brücke festgehalten. Eine ähnliche Anordnung ist in
sollen. Sie sind durch zwei wagerechte Schraubenbolzen mit einander
verbunden. Die Klemmplatten sind durch Einklinkungen, in welche
entsprechende Vorsprünge an der Brücke eingreifen, gegen die letz¬
tere festgelegt, sodafs dem Wandern der Schienen der Widerstand
je zweier Stofsschwellen entgegenwirkt.
Abb. 4 a. Uebersicht der Stofsanordnung.
Abb. 4c. Grundrifs der Brücke (Ve nat. Gröfse).
America von Fisher eingeführt worden. Die zugehörigen Klemm¬
platten haben laschenartige Ansätze, welche theils die Schienenflucht
sichern, theils die Temperaturlücken zwischen den Schienen begrenzen
Abb. 4e. Querschnitt in der Mitte (a — a) (1/3 nat. Gröfse),
Man erwartet, dafs die neue Anordnung eine längere Dauer
des Oberbaues und eine Verminderung der Unterhaltungskosten zur
Folge haben wird.
Die Marienburg unter
Für die Marienburg, ihre Geschichte und Banverhältnisse alter
Zeit erschlofs sich kürzlich unerwartet eine neue Studienquelle. Es
hatte sich bei Gelegenheit baugeschichtlicher Forschungen in den
Ostseeprovinzen — den preufsischen wie den russischen — die Auf¬
merksamkeit hin und wieder auf russische und schwedische „Visitations¬
protokolle“ über fiscalischen und kirchlichen Besitz gerichtet, welche
aufgenommen waren, als nach Auflösung des Deutschordens-Staates
Polen und Schweden zeitweise Herren ganzer fremder Provinzen
wurden. Für die Marienburg wagte man nach den vielseitigen Nach¬
forschungen des Geschichtsschreibers Johannes Voigt und anderer
kaum an neue urkundliche Hülfsquellen zu glauben. Die erwähnten,
anderwärts gefundenen, ausführlichen Bauprotokolle machten es zwar
zur Gewifsheit, dafs dergn auch über die Marienburg mufsten be¬
standen haben — aber waren dieselben überhaupt noch vorhanden?
Angeregt durch diese Frage zog Herr Dr. Ehrenberg im vorigen
Jahre, kurz vor seiner Romreise, im Königsberger Staatsarchiv eine
gute Zahl solcher merkwürdigen, auf Marienburg bezüglichen alt¬
polnischen Schrifthefte ans Licht. Durch die Bemühungen des Herrn
polnischer Herrschaft.
Staatsarchivars Dr. Joachim und des Herrn Archivassistenten Wittig
wurden sogleich sorgsame Abschriften und Uebersetzungen derselben
eingeleitet, und zwar gelang es für diese nach vieler Hinsicht be¬
sonderes sprachliches und technisches Wissen und Gewissen erfor¬
dernde Arbeit in dem Herrn Johannes Semhrzycki in Königsberg
den Mann zu finden. Herr Sembrzycki hat soeben in einem Aufsätze
dei; altpreufsischen Monatsschrift, Bd. XXVII Heft 1 u. 2 1890, von
den bei seiner Arbeit gemachten Erfahrungen, soweit sie allgemeines
geschichtliches, besonders culturgeschichtliches Interesse haben, Mit¬
theilung gemacht.
1466 war Westpreufsen nach selbstvernichtendem Kampfe zwischen
den Städten und dem Orden an den feindlichen Nachbar gefallen
und unterstand 300 Jahre der polnischen Krone. Das erste Jahr¬
hundert dieser polnischen Zeit verlief verhältnifsmäfsig friedlich und
es erblühten besonders die gröfseren Städte zu äufserem Wohlstand.
Aus dieser Zeit (1565) rührt die erste sehr sorgfältige und voll¬
ständige Beschreibung des Marienburger Schlosses her, aus der her¬
vorgeht, dafs wesentliche bauliche Veränderungen gegen die Ordens-
184
Centralblatt der ß auverwaltung.
10. Mai 1890.
zeit nicht geschehen waren und dafs der bauliche Zustand ein guter
war: gewifs in erster Linie dank der festen und geschickten Bauart
der Kitter, doch mufs man auch durch die Zeilen lesen, dafs zur
baulichen Instandhaltung das Nothdürftige von der polnischen Krone
geschah. Hinsichtlich der Benutzungsweise kam freilich das Hoch-
schlofs, das Conventshaus der Comthurei, am schlechtesten fort. Die
Kirchen und Säle stehen leer oder werden zu Vorraths- und Wirth-
schaftsräumen verwerthet. Statt der stolzen Namen: Capitelsaal,
Eittersaal, Conventsremter, Conventsküche hätten wir uns die an-
muthigen Bezeichnungen: Bierkeller, Kumstkeller, Theerkammer,
Eiskeller, Getreide-, Pökelfleisch-, Mehl-, Salz- und Hopfenspeicher,
Pastetenbäckerei, Weifsbierbrauerei, Braunbierbrauerei usw. in den
Grundrifs zu schreiben. Das Mittelschlofs, ehemals des Hochmeisters
Wohnung, hatte als „Seiner Majestät Palast“ eine angemessene Ver-
werthung erhalten. Die weiten Vorburgen waren mit Kriegs volk
und allerlei Wirthschaftswesen erfüllt — wie zur Ordenszeit, nur
wohl etwas wilder und wüster.
Das zweite Jahrhundert der polnischen Zeit (rund 1600 bis 1700)
ist dadui’ch gekennzeichnet, dafs Polen und Schweden ihre Erbhändel
und Kämpfe auf dem Boden dieser Provinz und auf deren Kosten
austrugen. Zum Beispiel war im ersten nordischen Kriege die
Marienburg jahrelang (1626 — 1629) das vorgeschobene Kriegslager
und Hauptbollwerk der Schweden. Nach dem Abzug der Schweden
findet sich (Inventar von 1636), wie nicht anders zu erwarten, eine
handliche Verwüstung vor. Alles Metallene: Thürbeschläge, Orgel¬
pfeifen, Fensterblei, z. Th. auch die Glocken, verschwand, selbst das
Holzwerk der Dächer war in der Kriegsnoth angebrochen. Bald
darauf (1644) ergriff ein Brand das Hochschlols, und es blieb über
60 Jahre nur theilweise und unzulänglich bedacht. Die Bau¬
beschreibungeu von 1649 und 1675 nennen es eine Ruine. Besser
ergeht es dem Mittelschlofs. Als Königsschlofs erfährt es wiederholt
Instandsetzungen, während wieder bei den Vorburgen nichts wie Ver¬
fall gemeldet wird. Im dritten Jahi-hundert schreiten dann trotz
einiger Aufwendungen für die Dächer und den Königlichen Palast
die Bauten einer gründlichen Verwahrlosung entgegen. Als nach dem
Rückfall an Preufsen 1772 der grofse König Friedrich II. das Schlofs zu
erhalten und zu veiaverthen trachtete, wurden natürlich sehr ein¬
schneidende und umfangreiche Umbauten nöthig. Kurzsichtige Zer¬
störung kann man, nebenbei bemerkt, nur die um 1800 begonnene
Magazinirung des Schlosses nennen, gegen welche auch der allgemeine
Unwille der Bevölkerung sich auflehnte.
Die Sembrzyckischen Mittheilungen ergeben den Schlufs, dafs
unter polnischer Herrschaft absichtliche Zerstörungen am Schlosse
nicht stattfanden, sondern nur Veränderungen, welche die Benutzung
der Räume ermöglichten und erleichterten, dafs aber der Niedergang
und der Verfall der Marienburg nur als eine Folge und ein Abbild
der damaligen provincialen und polnischen Zustände zu betrachten
ist, denen Einhalt zu thun weder Mittel noch Muth vorhanden waren.
Der Hauptwerth aber dieser aufgefundenen Urkunden liegt für uns
in der Verwerthung für die Aufgabe der Erforschung und Wieder¬
herstellung dieses Baudenkmals. Sie bewähren sich dafür als durch¬
aus zuverlässig. Bei baulichen Untersuchungen und Ausführungen
gaben sie schon jetzt stets den bündigsten Aufschlufs der Räthsel.
Mit diesem Bindeglied zwischen den Ordensnachrichten einerseits und
den gegenwärtigen Raum- und Ruinenbeständen anderseits läfst sich
ein Bild der gewaltigen Bauanlage entrollen, welches fast die Ueber-
zeugungskraft besitzt, als hätten wir den Anblick der Wirklichkeit
genossen. Steinbrecht.
Der Bau billiger Woliimiigen
Bereits seit längerer Zeit besteht das Bestreben, für die unbe¬
mittelteren Klassen billige und gesunde Wohnungen zu schaffen, um
namentlich in dicht bevölkerten Bezirken einer Ausbeutung Minder¬
bemittelter entgegenzutreten und diesen gleichzeitig die Möglichkeit
zu bieten, ihre Ausgabe für Wohnung in ein gesunderes Verhältnifs
zum Verdienst zu bringen. Die Frage, in welcher Art und Weise
derartige Wohnungen zu erbauen sind, ist des öfteren besprochen,
auch zum Gegenstände von Preisbewerbungen gemacht worden.
Eine allseitig gültige Lösung ist aber bis heute noch nicht gefunden
und wird sich wohl kaum finden lassen, da die Beschaffenheit derartiger
Häuser abhängig ist von den Gewohnheiten derer, für die sie erbaut
werden sollen, und da bei Lösung derartiger socialer Fragen ver¬
mieden werden mufs, Bedürfnisse zu schaffen, die nicht bereits vor¬
handen sind. Soll die Erbauung billiger und gesunder Wohnungen
in grofsartigem Mafsstabe und in befriedigender Art gelöst und soll
die Theilnahme breiterer Schichten der Bevölkerung hierfür ge¬
wonnen werden, so ist es unbedingt erforderlich, „das Capital“ heran¬
zuziehen und vorher den Beweis zu erbringen, dafs es sich beim
Bau derartiger Wohnungen nicht darum handelt, minder Bemittelten
in dieser Form ein Almosen zu gewähren, sondern dafs dem Capital
ein Anlagewerth geschaffen wird, der auch seinem Interesse soweit
gerecht wird, als er dem aufgewendeten Gelde eine A^erzinsung
(nebst entsprechender Tilgung) schafft, die der im deutschen
Reiche herrschenden entspricht und dabei gleichfalls ausreichende
Sicherheit gewährleistet. Zweck dieser Zeilen ist, den Beweis zu
liefern, dafs auf genannter Grundlage in bedeutendem Mafsstabe mit
Erfolg in unmittelbarer Nähe grofser Städte vorgegangen werden
kann, wie dies das Unternehmen eines Leipziger Privatmannes in
Lindenau - Leipzig bezeugt.
Wie der Lageplan zeigt, handelt es sich um Bebauung eines
Grundstückes von etwa 14 800 qm Fläche, welches für diesen Zweck
erworben wurde, nachdem rechnerisch festgestellt war, auf welche
Art und Weise sich ein lebensfähiges, sich selbst tragendes Unter¬
nehmen schaffen liefse. Vom Bau von Einfamilienhäusern wurde ganz
abgesehen, weil die arbeitende Klasse in und um Leipzig derartige
Wohnungen nicht kennt und in unmittelbarer Nähe der Stadt Grund
und Bodeu bereits zu theuer ist, um durch solche Lösung billige
Wohnungen schaffen zu können. Es konnte nur der Bau mehr¬
geschossiger Häuser in Frage kommen, und die Berechnung ergab,
dafs an dieser Stelle nur der Bau aneinander gereihter Miethshäuser
das Unternehmen als dauernd gesichert erscheinen liefs.
Die Bebauung des grofsen Grundstückes erfolgte nach drei
Seiten in geschlossener Bauweise, während nach Süden nur zwei¬
geschossige Waschhäuser zur Ausführung gelangten. Diese sollen
der Sonne ungehinderten Zutritt zu den innen liegenden Gärten er¬
möglichen und sind vorgesehen, weil die in jedem Hause befindlichen,
einzelnen Waschküchen für die vielen Familien nicht genügen. Ihre
Benutzung ist unentgeltlich, nur Lohnwäscherinnen sollen eine be¬
sondere A^ei-gütung leisten. Inmitten des Grundstückes fand sich
ein noch ziemlich gut erhaltenes Stallgebäude vor, dessen schiefe
Stellung sich hieraus ei'klärt. Es wurde für Zwecke des Waschens
und Rollens umgebaut; für die Benutzung der Rolle wird ein geringes
Entgelt entrichtet.
Bedingung für die Gestaltung der Häuser war, den Bedürfnissen
der Bewohner entsprechend zu bauen und jede Familienwohnung mit
einem verschliefsbaren Flure zu versehen, sodafs nie zwei Familien
gemeinschaftliche Wohnungsflure benutzen. Aufserdem sollte die
Möglichkeit gewahrt bleiben, entsprechend der Bedürfnifsfrage eine
Verkleinerung oder Vergröfserung der Wohnungen vornehmen zu
können. Als Muster der Gesamtanlage dienen die nebenstehenden
Grundrisse Abb. 2. Ein eingebautes Haus hat 14 m Länge bei 9,70 m
Tiefe, also 143 qm bebaute Grundfläche, und enthält Kellergeschofs,
Erdgeschofs, drei Obergeschosse und Dachboden. Im Kellergeschofs
liegt jedesmal die von aufsen zugängliche AVaschküche, im Erdgeschofs
neben dem Eingänge befinden sich zwei Familienwohnungen, während
in den Obergeschossen aufser letzteren noch je ein Einzelzimmer vor¬
handen ist. Die Eckhäuser von 17,50 m Länge und 9,70 m Tiefe,
also 250 qm Grundfläche, besitzen im Erdgeschofs einen Laden und
drei Wohnungen, m jedem Obergeschosse vier Wohnungen. Die
lichte Höhe der AA''ohnungen beträgt 2,90 m, die Ausstattung ist ein¬
fach aber gediegen. Zur Gründung der Häuser fand Kalkbeton mit
Zusätzen von Puzzolancement Verwendung. Sämtliche Umfassungs¬
mauern bestehen aus Bruchsteinen, alle Scheidewände aus Ziegeln, die
unter der Isolirung liegenden Schichten sind der Bodenfeuchtigkeit
halber mit Thonsteinen*) gemauert. In den Obergeschossen sind die
Umfassungen 2 bezw. V-j-i Stein stark; die Treppenhauswände wurden
1 Stein, die Scheidewände V2 Stein stark ausgeführt. Die Treppen¬
stufen nach dem Erdgeschofs und den Waschküchen sind von Granit,
die Geschofstreppen aus Eichenholz hergestellt. Für Sohlbänke und
Verdachungen fand Cementgufs A'^erwendung. Die Balkenstärken
betragen 21 : 26 cm. Alle Zimmer sind mit einfacher Malerei,
fichtenen Streifenböden und Thonöfen mit eisernen Kochkästen, die
Küchen mit gefliefster, einröhriger Kochmaschine mit eiserner Ab¬
deckung und mit Aixsgufs versehen. Für die Einzelzimmer befinden sich
Ausgüsse auf den Treppenabsätzen. Die städtische Wasserleitung
ist, um Wasserschäden in den Häusern zu vermeiden, in diese nicht
eingeführt, die AVasserversorgung erfolgt vielmehr durch einen vor
jedem Hause angebrachten, sich selbst entleerenden Ständer. Die Ein¬
richtung der Aborte ist die ortsübliche mit 23 cm im lichten weiten
Thonabfallröhren, welche in gemauerte Gruben münden, deren Entlüf¬
tung durch gewöhnliche Rohre bewirkt wird. Der geringen Strafsen-
breite halber erhielten die an der Wettinerstrafse liegenden Häuser
als letztes Obergeschofs Mansarden mit ausgemauerten Sparren und
dicht über der Decke liegendem Holzcementdach. Die übrigen
Häuser haben an Stelle der Mansarde volle Obergeschosse und sind
*) In Leipzig gebräuchlicher Ausdruck für hellgelbe (Bitterfelder)
‘ Backsteine.
Jir. 19.
Centralblatt der Bauverwaltung.
18.5
mit Falzziegeln gedeckt.: Wie die städtische Wasserleitung ist auch
die Gasleitung in die Häuser nicht eingeführt, die Treppenhaus¬
beleuchtung erfolgt durch Petroleumlampen. Beiträge für Treppen¬
beleuchtung und Wasserzins werden von den Miethern nicht erhoben.
Die Gesamtanlage umfafst 26 Wohnungen und zwei grofse
Waschküchen von je 19 m Länge und 9,7 m Tiefe, sie bietet also
Unterkunft für 236 Familien. Innerhalb der Gebäude verbleibt ein
freier Raum von rund 7300 qm für Wege und Gärten. Von letz¬
teren sind 140 Stück von je 35 qm Fläche vorhanden. Mit dem Bau
Bedingung der Vermiethung ist wöchentliche Miethszahlung und
achttägige Kündigung, eine Einrichtung, die sich vortrefflich bewährt
hat. Zur Festsetzung der Miethen wurden bei Aufstellung der Be¬
rechnung dem Unternehmen zu Lasten gelegt:
1. die 31/2 procentige Verzinsung des Baugrundes nebst Anlage
der Strafsenzüge,
2. die 3*/2 procentige Verzinsung des Baucapitals,
3. 4 pCt. Bauzinsen,
4. 1 pCt. Tilgungsbetrag,
5. 1/2 pCt. Unterhaltungskosten,
6. Unkosten für Verwaltung, Steuern, Wasser, Treppenbeleuch¬
tung, Grubenreinigung usw.
Hieraus berechnete sich der jährliche Miethszins einer Wohnung,
bestehend aus einer zweifenstrigen Stube, einer einfenstrigen Stube
und Küche:
a Stabe,
b Kammer.
0 Küche.
Abb. 2.
Grundrisse der Obergeschosse.
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Wettiner-Slr.
Abb. 1. Lageplan.
der Anlage wurde am 1. März 1888 begonnen, und es sind bis heute
16 Häuser vollendet. Dafs durch das Unternehmen einem Bedürfnifs
abgeholfen wird, ergiebt sich daraus, dafs bereits lange vor Fertig¬
stellung der Häuser die einzelnen Wohnungen vermiethet sind.
im Erdgeschofs I. Stock II. Stock III. Stock
auf 150 Mark 160 Mark 145 Mark 130 Mark,
ferner einer Wohnung, bestehend aus einer zweifenstrigen, zwei ein¬
fenstrigen Stuben und Küche:
im Erdgeschofs I. Stock II. Stock III. Stock
auf 200 Mark 200 Mark 180 Mark 155 Mark.
Der Preis einer einfenstrigen Stube beträgt 60 bezw. 50 und
40 Mark für das J ahr. Für einen Garten sind wöchentlich 15 Pfennig
zu entrichten. Die Preise der Wohnungen stellen sich 15 pCt. billiger
als die ortsüblichen. Die Baukosten eines eingebauten Hauses be¬
tragen 174,50 Mark, die eines Eckhauses 162 Mark für das Quadrat¬
meter bebauter Fläche, während sich bei beiden das Cubikmeter
umbauten Raumes auf 10,83 Mark stellt.
Leipzig, im März 1890. Max Pommer,
Architekt.
Die Einrichtung der Staustufen hei Canalisirungen von Flufsstrecken
mit schnellem Wasserwechsel.
Wenn auf einer canalisirten Flufsstrecke, in welcher die Wasser¬
stände sehr plötzlichen und erheblichen Aenderungen unterliegen,
die Staustufen durch Nadelwehre gebildet werden, ohne dafs neben
den letzteren zum Ausgleich der Wasserschwankungen sich ein
festes oder ein anderes bewegliches Wehr befindet, so kann der Fall
eintreten, dafs bei einem unvorhergesehenen, plötzlichen Steigen des
Wassers das rechtzeitige Herausziehen der Nadeln und Niederlegen
der Böcke versäumt wird. Es ist daher auf solchen Flufsstrecken die
alleinige Herstellung eines Nadelwehres zur Stauung nicht unbedenk¬
lich, vielmehr erscheint es erforderlich, dem Nadelwehr ein festes,
oder ein anderes bewegliches Wehr, dessen Bedienung unabhängig
vom Nadel wehr erfolgt, hinzuzufügen.
Den nachfolgenden Betrachtungen mögen Verhältnisse aus der
Wirklichkeit, und zwar diejenigen der oberen Oder, zu Grunde gelegt
werden, weil in derselben bei Kosel ein festes Wehr vorhanden und
in dem dazu gehörigen Fluthcanal neuerdings ein grofses Nadelwehr
erbaut worden ist (vgl. Jahrg. 1889, S. 494 d. BL).
Nach den jahrelangen Pegelaufzeichnungen ist es nichts Un¬
gewöhnliches, wenn das Wasser der oberen Oder in 12 Stunden um
mehrere Meter steigt. Hier nur einige Beispiele:
In Ratibor stieg das Wasser am 30. Juli 1889 in der Zeit von
6 Uhr vormittags bis 6 Uhr nachmittags um 3,10 m, Anschwellungen
von 1 bis 2 m in 12 Stunden finden häufig statt.
Bei Kosel ist die Plötzlichkeit der Anschwellungen im all¬
gemeinen zwar etwas geringer, aber immerhin noch sehr erheblich.
So wurden z. B. im Herbst 1888 zweimal, im November und December,
drirch ein plötzliches Steigen des Wassers in der Nacht um 2 m und
1,8 m — in weniger als 12 Stunden — Störungen bei den dortigen
Bauarbeiten verursacht. Diese Anschwellungen kamen unerwartet,
weil sie gleichzeitig mit denjenigen in dem 6 Meilen oberhalb ge¬
legenen Ratibor eintraten, von wo aus sonst Hochwassermeldungen
erfolgen. Sie wurden hervorgerufen namentlich durch zwei Neben¬
flüsse, die oberhalb von Kosel in die Oder münden, und von denen
aus keine Hochwassermeldungen erfolgen. Die örtlichen Witterungs¬
verhältnisse liefsen ein Steigen des Wassers nicht vermuthen.
Derartiger Beispiele würden sich noch eine grofse Zahl aus den
verschiedensten Jahren und in Bezug auf verschiedene andere Flüsse
anführen lassen.
Wenn nun die Fluthwelle durch ein geschlossenes oder nahezu
geschlossenes Nadelwehr aufgehalten wird, so wird in kurzer Zeit
die Bedienungsbrücke des Wehres, welche in der Regel nicht höher
als 0,30 bis 0,50 m über dem normalen Stauspiegel liegt, so hoch
überfluthet sein, dafs eine Bedienung des Wehres nicht mehr möglich
ist. Die Ueberfluthung erfolgt natürlich um so schneller, je dichter
geschlossen das Wehr ist. Wenn, wie in der oberen Oder, die
Niedrigwassermenge nur 10 bis 20 cbm in der Secunde beträgf, so
dürfen zur Erhaltung des Stauspiegels nur einige wenige Nadeln ge¬
zogen sein, es wird also ein Ueberfluthen der Bedienungsbrücke in
der Niedrigwasserzeit bei jähen Anschwellungen sehr leicht erfolgen.
Eine solche Ueberfluthung läfst sich allerdings am Tage bei einiger
Aufmerksamkeit vermeiden, wenn ein ständiger Wärter bei dem
Wehr vorhanden ist. Tritt dagegen zur Nachtzeit unvorhergesehenes
Hochwasser ein, so kann eine rechtzeitige Beseitigung der Nadeln
leicht versäumt werden.
186
Centralblatt der Banverwaltnng. 10. Mai 1890.
Zur Wahruug der Möglichkeit, die Nadeln jederzeit rechtzeitig
zu ziehen, könnten mehrere Mittel in Betracht kommen. Zunächst
könnte die Bedienuugsbrücke eine höhere Lage — etwa 1 m über
Nadeloberkante — erhalten, doch würde diese Anordnung die Be¬
dienung sehr erschweren und höhere Böcke erforderlich machen.
Ferner liefse sich der Zweck erreichen durch die Einstellung eines
ständigen, zuverlässigen Wächters für die Nachtzeit. Sodann könnten
durch Einrichtung eines vervollkoinmneten Hochwassermeldungs¬
dienstes mittels Telephouverbindungen rechtzeitige Nachrichten über
eine bevorstehende Anschwellung erreicht werden. Die Meldungen
dürften aber nicht von dem oberen Strome allein ausgehen, sie
inüfsten auch von den Nebenflüssen — mindestens von den zunächst
gelegenen — aus erfolgen. Auch ein Läutewerk, welches sich bei
einem gewissen Wasserstande selbstthätig in Bewegung setzte, könnte
den Wärter bei Nacht rechtzeitig wecken.
Diese drei letzteren Mittel erscheinen aber insofern noch nicht
vollkommen, als infolge irgend welcher Zufälligkeiten oder Vernach¬
lässigungen ein rechtzeitiges Beseitigen der Nadeln versäumt werden
kann. Sicherer wird ohne Zweifel der Zweck erreicht durch eine
entsprechende Einrichtung der Staustufe selbst, wenn nämlich neben
dem Nadel wehr entweder ein festes Ueberfallwehr, welches das
Steigen des Wassers verlangsamt oder auch ein anderes bewegliches
Wehr vorhanden ist, durch dessen Oeffnung, wenn thatsächlich eine
Ueberfluthung des Nadel wehres in der Nacht stattgefundeu hat, das
Oberwasser wieder so tief gesenkt werden kann, dafs die Bedienungs¬
brücke des Nadelwehrs frei wird, die Nadeln dann beseitigt und die
Böcke niedergelegt werden können.
Die Herstellung eines beweglichen Wehres wird in den meisten
Fällen billiger sein als die Erbauung eines festen von derselben
Wirksamkeit. Wenn ein festes Wehr den wünschenswerthen Einflufs
auf das Steigen des Wassers ausüben soll, so mufs zwischen der
Höhe der Krone desselben und der Höhe der Nadel wehrbrücke ein
entsprechend grofses Profil angenommen werden.
Ist die Niedrigwassermenge sehr gering, so darf die Krone des
festen Wehres in Kücksicht auf die — wenigstens annähernde — Er¬
haltung des normalen Staues nur wenige Decimeter unter diesem
angeordnet werden. In einem solchen Falle wäre die Länge des festen
Wehres etwa gleich derjenigen des Nadelwehres zu wählen. Einige
Zahlen mögen das näher erläutern. Beträgt beispielsweise die Länge
des Nadelwehres sowie des festen Wehres gleichmäfsig je 60 m und
liegt die Krone des letzteren 40 cm unter dem normalen bei M.W. 2,3
imd bei N.W. 3,3 m betragenden Stau, die Bedienungsbrücke des
Nadelwehres 40 cm über dem letzteren, so wird bei einem niedrigen
Wasserstande von 15 cbm Wassermenge in der Secunde das feste
Wehr etwa rund 0,20 m hoch überströmt werden. Der Stauspiegel
würde dann 20 cm unter der normalen Höhe liegen, wenn von der
Undichtigkeit des vollständig geschlossenen Nadelwehres abgesehen
wird.
Sobald jedoch, wie in dem anfangs erwähnten Beispiel, das
Unterwasser in 12 Stunden um 2 m steigt, so vermehrt sich die
Wassermenge in der Secunde, wenn die Breite des Stromschlauches
_ entsprechend den Verhältnissen bei Kosel — 65 m und die
Wassergeschwindigkeit daun zu 1,5 m angenommen wird, um
2 . 65 . 1,5 = 195 cbm. Die Wasserhohe über der Krone des Ueber-
fallwehres beträgd, da immer noch vollkommener Ueberfall vorhanden
ist, dann 1,15 m. Wenn hierbei die Nadelwehrbrücke nur 0,80 m über
der Wehrkrone liegt,, so wird sie um 1,15 — 0,80 = 0,35 m überspült
werden, in Wirklichkeit um etwa 0,20 m, da das Wasser, sobald es
über die Nadeln tritt, deren Oberkante annähernd in gleicher Höhe
mit der Laufljrücke angenommen werden mag, ein gröfseres Durch-
flufsprofil gewinnt. Es wäre hierbei ein Herausziehen der Nadeln
.allenfalls noch möglich.
Das angeführte Beispiel entspricht annähernd den Stauverhält¬
nissen der Oder bei Kosel, dort hat das feste Wehr, dessen Krone
0,39 m unter dem normalen Stauspiegel liegt, dieselbe Breite wie die
Oder — 65 m, während das Nadelwehr in Rücksicht auf spätere Ein¬
deichungen eine Länge von 85 m erhalten hat.
Bei weitem zweckmäfsiger und billiger wird die Möglichkeit der
Bedienung des Nadelwehres gewahrt, wenn neben demselben ein
anderes bewegliches, vom Ufer zu bedienendes Wehr erbaut wird.
Hierfür würde unter den zur Zeit bekannten Wehranordnungen ein
Trommel- oder ein sonstiges Klappenwehr zunächst in Frage kommen.
Dasselbe mufs derartige Abmessungen erhalten, dafs, wenn es bei
etwa überflutheter Laufbrücke des Nadelwehres niedergelegt wird,
der Oberwasserspiegel genügend tief fällt, um die Nadeln beseitigen
zu können. Nimmt man an, dafs die feste Krone des Klappenwehres
0,7 m über Flufssohle und der noimale Stau 3,3 m über dem niedrigsten
Unterwasser liegt und dafs nun das Unterwasser von N.W. aus über
Nacht 2 m gestiegen ist, so berechnet sich die erforderliche Breite
der Klappe, welche genügt, um nach Niederlegung der letzteren
195 cbm Wasser unter gleichzeitiger Senkung des Oberwasserspiegels
bis zum normalen Stauspiegel durchfliefsen zu lassen, zu 15 m. Zur
Beseitigung der ersten Nadeln ist es indessen genügend, wenn der
Oberwasserspiegel nur etwas unter die Laufbrücke gesenkt wird,
denn gleichzeitig mit der weiteren Beseitigung der Nadeln fällt auch
der Oberwasserspiegel. Die Klappe wird sonach nur eine Breite
von etwa 12 m zu erhalten brauchen.
Es erwächst nun die Frage nach einer zweckmäfsigen Anordnung
des Klappen wehres; zunächst noch eine kurze Bemerkung über die
Höhenlage der festen Wehrkrone desselben.
Im Winter, wo, in Rücksicht auf Eisbildungen und den Früh¬
jahrseisgang, das Nadelwehr niederzulegen ist und der Wasserstand
ein niedriger zu sein pflegt, wird die Krone des Nadelwehres, die in
der Regel etwa 0,60 bis 0,80 m über Flufssohle liegt, nur um wenige
Decimeter überströmt sein.
Es empfiehlt sich, auch das Klappenwehr so tief anzuordnen,
dafs es in niedergelegtem Zustande mit sämtlichen Theilen unter
Wasser liegt, damit die Klappe durch Eisbildungen und Eisgang
keine Beschädigungen erleide. Die Krone des Wehrkörpers für
Nadel- und Klappenwehr mufs also .annähernd dieselbe Höhenlage
erhalten. Es liegt auf der Hand, dafs infolge dessen bei einem ge¬
wöhnlichen Trommelwehr die Gründung eine sehr tiefe und kost¬
spielige werden müfste, wenn durch die Klappe ein Stau von 2 bis 3 m
erzeugt werden soll. (Schlufs folgt.)
Zur Bereclmuug von Prellböckeii mit Wasserbremse.
Im „Civilingenieur“, Jahrgang 1883, hat Wehage die Wirkungs¬
weise der Wasserbremse, wie dieselbe bei der auf Seite 116 d. J.
beschriebenen Art von Prellbock en Anwendung findet, auf mathe¬
matischer Grundlage genauer erörtert. Dabei ist vorausgesetzt,
dafs die Masse des gegen die Bufferstangen des Prellbocks tretenden
Zuges ein starres Ganzes bilde, dessen gesamte lebendige Kraft von
der Bremse aufgenommen werden müsse. Thatsächlich trifft diese
Annahme, wie auch Wehage hervorhebt, nicht ganz zu, da auch die
Buffer der Fahrzeuge in sich zusammengedrückt werden und so ein
Theil der lebendigen Kraft bereits im Anfänge der Bremsung ander¬
weitig vernichtet wird. Dagegen wird durch die darauf folgende
Ausdehnung der Federn wiederum eine mäfsige Verstärkung des An¬
pralles herbeige¬
führt. In der Rech¬
nung ist ferner
von Berücksichti¬
gung anderer Ne¬
benumstände, wie
der Reibung im
Zuge, der Stopf¬
büchsen- und Kol¬
benreibung in der Bremse, ferner des Einflusses des anzuhebenden j
Gewichtes Abstand genommen.
Dem auf einen Bremskolben treffenden Gewicht G — gleich dem
halben Zuggewicht — setzt sich ein Widerstand F.p entgegen,
wenn F die wirksame Kolbenfläche und p den im allgemeinen ver¬
änderlichen Gegendruck auf die Einheit der Kolbenfläche bezeichnen
(vgl. Abb. 1). Nach einem gewissen Kolbenwege x mufs die von
diesem Widerstande verrichtete Arbeit gleich sein dem Verlust an
lebendiger Kraft; also wenn v die veränderliche Kolbengeschwindig¬
keit, g die Erdbeschleunigung bezeichnen:
1) ^ J V dv — — F j' p dx.
Die Veränderlichen p und x lassen sich durch v bezw. den
Durchflufsquerschnitt f ausdrück en, wenn zuvor die Veränderlichkeit
der Gröfse f in Beziehung zum Kolbenwege genauer festgestellt wird.
Wehage nimmt für seine weiteren Untersuchungen zunächst an, dafs
die im Inneren der Bremscylinder angebrachten Längsschienen
(vgl. S. 116 d. J. Abb. 3) geradlinig abgeschrägt seien, dafs also bei
gleichbleibender Breite dieser Schienen;
worin l die Länge des Kolbenhubes und /o die anfängliche Durch-
flufsfläche bezeichnen. Die Durchflufsgeschwindigkeit w kann gleich¬
gesetzt werden;
wenn den als unveränderlich angenommenen Durchflufscoefficienten,
y das Einheitsgewicht (Dichtigkeit) der Füllflüssigkeit bezeichnen.
Wenn aus den beiden letzten Gleichungen dx und p entwickelt
ir
1
F
1
\ - -
f.-— X —
[<- - v
- - >
Abb. 1.
Sr. 19.
Centralblatt der ßauverwaltung.
187
und in Gl. 1 eingesetzt werden, ergiebt sich unter Berücksichtigung
der Anfangsgeschwindigkeit Vq des Kolbens:
2) ,» 5 = 0(1 -J-),
oder wenn v auf x statt auf /" bezogen wird;
3) /n = Ci (t- —
VH — SC'
C und C'i bezeichnen Constanten.
Wehage hat unter Zugrundelegung der angeführten Formeln
Tabellen aufgestellt, welche für drei verschiedene Zuggewichte, IG,
80 und 400 t, also für G ~ 8, 40 und 200 t, und ferner für Werthe
von /q — 0,0004 und 0,0008 qin bei F = 0,032 qm = 80 bezw. 40^
die Aenderungen der Geschwindigkeiten v und w sowie der Kolben¬
pressung p während eines Kolbenhubes angeben. Der Kolbenweg
wurde zu 0,4 m angenommen, als Füllflüssigkeit Glycerin von einer
Dichtigkeit = 1280 kg/cbm und y = 0,6 vorausgesetzt. Die in
Tabellen verzeichneten Eechnungsergebnisse sind der besseren An¬
schaulichkeit halber in den nachstehenden Abb. 2 bis 4 zeichnerisch
wiedergegeben. Die ausgezogenen Linien beziehen sich auf geringe
Stofsgewichte von 16 t, die starkgestrichelten auf Zuggewichte von
80 t, die schwachgestrichelten auf solche von 400 t. Die Grundlinien
= 100
Vo
90
j=0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
Abb. 2.
der Verdopplung von / die Kolbenpressung sich auf i/i vermindern.
Bemerkenswerth ist, wie bei grofsen Zuggewichteu p zunächst zu¬
nimmt; während aber bei kleinem f diese Zunahme keine erhebliche
ist, kann dieselbe im andern Falle auf dem letzten Theil des Kolben¬
weges weit über das gröfste Mafs derjenigen Pressung hinausgehen,
welche sich bei kleinem f ergiebt. Dieser Nachtheil der gröfsereu
DurchflufsöfFnung würde noch mehr ins Gewicht fallen, wenn man
etwa statt einer Anfangsgeschwindigkeit von 1 m eine solche von
3 m annehmen würde; in diesem Falle würden die Pressungen und
hiermit auch ihr Unterschied auf das neunfache gesteigert. Die
Linien für iv zeigen im allgemeinen Aehnlichkeit mit denjenigen
für p.
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1.0= ^
Abb. 4.
Bemerkung.
■ Linien für fr = 8 t.
. . = 40 ,
, , =200 ,
0
= 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8
Abb. 3.
der Abbildungen stellen den Kolbenweg (von links nach rechts an¬
genommen) verkleinert dar. Die Ordinaten in Abb. 2 geben die Kolben-
bezw. Zuggeschwindigkeiten u, diejenigen in Abb. 3 die zugehörigen
Durchflufsgeschwindigkeiten w als Vielfache der Anfangsgeschwindig¬
keit Uq an. In Abb. 4 bezeichnen die Ordinaten die entsprechenden
Kolbenpressungen p in kg/qcm als Vielfache von v^. Nach den
F
beiden für -j angenommenen Verhältnifszahlen ergaben sich für
jedes G zwei verschiedene Linien.
Die Abbildungen lassen ohne weiteres erkennen, dafs der
Kolbenweg um so gröfser wird, je gröfser das Zuggewicht und die
Durchflufsöffnung sind. Die Anfangsgeschwindigkeit Vq des Kol¬
bens ist von beiden unabhängig. Die Kolbengeschwindigkeit nimmt
um so schneller ab, je kleiner f gewählt wird. Auch auf die an¬
fängliche Kolbenpressung ist unter sonst gleichen Verhältnissen
das Zuggewicht ohne Einflufs, dieselbe nimmt aber sofort ab, wenn
der Durchflufsquerschnitt vergröfsert wird; nach Abb. 4 würde bei
Nach dem Gesagten würde bei geringen Stofsgewichten die
gröfsere Durchflufsöffnung, für grofse Zuggewichte die kleinere
Oeffnung vortheilhafter sein. Wehage empfiehlt nun, die Oeffnung
anfänglich grofs zu wählen, um eine geringe Anfangspressung zu
erhalten, dieselbe aber allmählich so abnehmen zu lassen, dafs p im
weiteren Verlaufe möglichst unverändert bleibt. Will man, wie dies
Langley auf dem Wege der Versuche zu erreichen gestrebt hat, den
Kolbendruck während des ganzen Hubes gleichbleibend erhalten,
eine Forderung, welche nur bei bestimmten Zuggewichten und be¬
stimmter Anfangsgeschwindigkeit erfüllt werden kann, so würden die
Längsschienen im Innern der Bremscylinder bei gleichbleibender
Breite derselben parabelförmig abzuschrägen sein, wie sich auf rech¬
nerischem Wege unschwer erweisen läfst. Der erforderliche Kolben¬
weg ergiebt sich alsdann aus der Gleichung:
— 2 F . p . X
Kemmann.
Yermlschtes.
Für die Erlöserkirche in Kummelsburg-Boxhageu (vergl. S. 144
d. J.) ist am 4. d. M. in Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin und
Königin, der hohen Protectorin des Evangelisch -Kirchlichen Hülfs-
vereins, und des Prinzen Friedrich Leopold, als Vertreter Seiner
Majestät des Kaisers, die feierliche Grundsteinlegung vollzogen
worden.
Bei Besuchen von Galerieen, Museen, Ausstellungen usw. durch
Se. Majestät den Kaiser sollen getroffener Bestimmung gemäfs die
zum Empfang befohlenen Herren vom Civil in Zukunft im Ueberroek
erscheinen.
Das Stipendium der Louis Boissonnet -Stiftung für Architekten
und Bauingenieure für das Jahr 1890 ist mit Genehmigung des Herrn
Cultusministers an den Königl. Meliorations -Bauinspector Danck-
werts in Königsberg i. Pr. verliehen worden. Als fachwissenschaft¬
liche Aufgabe für die auszuführende Studienreise wurde nach dem
Vorschläge der Abtheilung für Bauingenieurwesen an der technisehen
Hochschule in Berlin bereits früher (vgl. Seite 27 d. J.) das Studium
der eulturtechnischen Anlagen in Elsafs-Lothringen und benachbarten
Ländern festgesetzt.
In der Preisbewerbung zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm-
Denkmals für die Eheinprovinz (s. S. 278 v. J.) hat das Preis¬
gericht seine Entscheidung am 5. d. M. getroffen. Danach sind mit
dem ersten Preise (6000 Mark) die Architekten Jakobs u. Wehling
in Düsseldorf, mit dem zweiten (4000 Mark) Architekt Bruno
Schmitz in Berlin und mit dem dritten Preise (2000 Mark) Bild¬
hauer W. Albermann in Köln gekrönt worden. Zum Ankäufe
empfohlen wurden die Entwürfe „Siegfried“, „Grafenwerth“
und „Dem unvergefslichen Kaiser“. Als Standort für das
Denkmal haben die Herren Jakobs u. Wehling die steile Felswand
des Drachenfelsens auserkoren, an der sie es über einer grofs-
artigen Treppen- und Cascadenanlage vor einer mächtigen dorischen
Halle errichten, die von mosaikgeschmückter Tonnennische überragt
wird. Herr Schmitz stellt das Keiterstandbild des Kaisers auf den
Sockelvorsprung eines Thurmbaues, den er auf der Insel Grafen¬
werth erbaut denkt, während Herr Albermann sich für den Hardt-
188
Centralblatt der
berg bei Königswinter entschieden hat, auf dem sein Kaiserstand¬
bild unterhalb der Drachenburg inmitten einer grofsen Terrassen¬
anlage Platz findet. Von den drei zum Ankauf empfohlenen
Entwürfen haben zwei die Insel Nonnenwerth und einer die Insel
Grafenwerth als Denkmalort gewählt. Von den übrigen 19 ein¬
gegangenen Plänen zeigen zwölf Inseldenkmäler, und zwar elf davon
solche für Nonnenwerth, drei haben sich für Berghöhen (den Hardt¬
berg, die Erpeler Ley und eine ungenannte Höhe) entschieden, einer
wählte den mittleren Strompfeiler einer — wahrscheinlich bei Bonn ge¬
dachten — Eheinbrücke, ein anderer eine Terrasse vor dem Coblenzer
Schlosse und zwei Bewerber endlich haben ihre Pläne ohne Angabe
eines bestimmten Standortes eingereicht. Die veranschlagten Aus¬
führungskosten schwanken zwischen 427 000 und 2 350 000 Mark. Wir
kommen auf die Preisbewerbung noch eingehender zurück.
Das Ergebnifs der Preisbewerbuiig zur Erlangung von Plänen
für ein Gerichtsgebäude nebst Untersuchungsgefängnifs in Bremen
(S. 394 V. J.) ist folgendes. Es erhielten den ersten Pi-eis (6000 Mark)
Architekt Ernst Krüger in Berlin, die zweiten Preise (je 3000 Mark)
die Architekten Klingenberg u. Weber in Oldenburg und Prof.
H. Stier in Hannover. Die beiden dritten Preise (je 2000 Mark)
wurden den Architekten H. Thüme-Dresden und B. Lindner-
Hannover zuerkannt. Die Ausstellung der Entwürfe findet vom 5. bis
18. Mai statt.
Drei aufserordeutliche Preisbewerbuiigeu des Berliner Archi¬
tekten- Vereins kamen in der Vereins-Hauptversammlung vom 5. d. M.
zur Begutachtung. Unter den für die architektonische Durch¬
bildung des gufseisernen Gehäuses eines Strafsen-
brunnens in Berlin eingelaufenen 14 Entwürfen (vgl. S. 80 d. J.)
wurde der erste Preis (300 Mark) dem des Eegierungs-Baumeisters
0. Schmalz, der zweite (200 Mark) dem des Regierungs-Baumeisters
0. Stahn zuerkannt. Vereinsandenken erhielten die Architekten
0. Rieth und F. Ehemann. — In dem Wettbewerb um eine
steinerne Strafsenbrücke in der Villencolonie Grunewald
siegten unter 15 Bewerbern die Regierungs -Baumeister A. Bohn-
stedt (1. Preis 500 Mark) und 0. Schmalz (2. Preis 300 Mark),
während den Architekten Rieth, B. Schaede und Pfann Vereins¬
andenken zuerkannt wurden. — In dem engeren Wettbewerb endlich
um ein Zweifamilienhaus für die Villencolonie Grunewald
(S. 120 d. J.), an dem sich die Herren Benda, Ehemann, Hentschel,
Kühn und Rieth betheiligt hatten, trug Baurath Prof. Kühn den
Preis (700 Mark) mit einem Entwürfe davon, der, mit dem Anheim¬
geben einiger Aenderungen im Aufbau, insbesondere seines vorzüg¬
lichen Grundrisses wegen zur Ausführung als durchaus geeignet be¬
funden wurde. Der Ehe man ns che Entwurf wurde mit einem
Vereinsandenken bedacht und der Kurfürstendamm-Gesellschaft zum
Ankauf empfohlen.
Eine Ausstellung vom künstlerischen Nachlasse des Professors
Franz Ewerbeck, bestehend in über 400 Blatt Aquarellen, ausge¬
führten Handzeichnungen und in Skizzen landschaftlichen, architek¬
tonischen und kunstgewerblichen Inhaltes, wird am Montag den
12. Mai in der Aula der technischen Hochschule in Aachen eröffnet
werden. Sowohl in Beziehung auf den künstlerischen Werth wie auf
den mannigfaltigen Inhalt der Darstellungen dürfte diese Ausstellung
geeignet sein, ein aufserordentliches allgemeines Interesse zu erregen.
Sie giebt ein wahrhaft erhebendes Bild von dem Studieneifer, dem
unermüdlichen Fleifse und dem für malerische Schönheiten überaus
empfänglichen Gemüthe des beliebten Meisters, weshalb wir nicht ver¬
fehlen, die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf sie zu lenken und
ihren Besuch wärmstens zu empfehlen. Die Ausstellung wird auf die
Dauer von zwei bis drei Wochen für das Publicum täglich mehrere
Stunden geöffnet sein, auswärtigen Besuchern soll der Zutritt jedoch
zu jeder Tageszeit ermöglicht werden. Henrici.
Die mit der diesjährigen Wanderversammluug des Verbandes
deutscher Architekten- und lugenieurvereine verbundene Aus¬
stellung wird in den Räumen der Wanderversammlung — Concert-
haus Hamburg, Gebr. Ludwig — stattfinden und soll enthalten:
1) Baupläne und Bauzeichnungen aller Art und 2) Modelle von aus¬
geführten oder beabsichtigten Bauten und Bauconstructioneu. Bau¬
stoffe, Instrumente, buchhändlerische oder photographische Veröffent¬
lichungen u. dgl. sollen nur ausnahmsweise zugelassen werden. Archi¬
tekten und Ingenieure, welche die Ausstellung beschicken wollen,
müssen ihre Ausstellungsgegenstände bis zum 15. Juli d. J. anmelden,
und zwar unter Benutzung der dafür aufgestellten Vordrucke, welche
nebst den Bedingungen für die Ausstellung von den Vorständen der
Einzelvereine oder von dem Ausstellungsausschufs bezw. dessen Vor¬
sitzenden (Abtheilungs-Ingenieur C. 0. Gleim in Hamburg, Bleichen¬
brücke 17) zu beziehen sind. Es steht zu erwarten, dafs die Be¬
theiligung an der Ausstellung eine recht rege werden wird.
Bau Verwaltung. 10. Mai 1890.
Umgestaltung der städtischeii Bauverwaltung in Düsseldorf.
Dem Beispiele anderer gröfserer Städte folgend, hat die Stadtver¬
ordnetenversammlung in Düsseldorf nunmehr die Verwaltung des
städtischen Bauwesens in zwei Bauämter eingetheilt, von denen das
eine den Hochbau, das andere die verschiedenen Zweige des Tief¬
baues (Sti-afsenbau, Canalisation, Wasserbau) umfafst. An die Spitze
der beiden Aemter sind die Stadtbaumeister Peiffhoven und Frings
gestellt worden; die dem Tiefbauamt untergebene Baumeisterstelle
für Strafsenbau ist gegenwärtig mit 5000 Mark Gehalt ausgeschrieben.
Leider hat die Stadt Düsseldorf bei dieser sachgemäfsen Ein¬
richtung den weiteren Schritt, nämlich die beiden Bauamtsvorsteher
den juristisch gebildeten städtischen Beamten, nämlich den besoldeten
Beigeordneten, gleichzustellen unterlassen. Die Folge davon ist, dafs
nach wie vor das städtische Bauwesen thatsächlich nicht von Tech¬
nikern, sondern von Laien geleitet wird, da eben die beiden Bau¬
amtsvorsteher selbständige Befugnisse nicht erhalten, sondern dem
Beigeordneten, welcher allein „Decernent“ ist, einfach unterstellt
sind. Leider geht aus diesem veralteten Zustande in manchen
rheinischen Städten eine bedenkliche Zerfahrenheit und Umständlich¬
keit der städtischen Bauverwaltung hervor; das beste Mittel hier¬
gegen, die Gleichstellung der technischen Oberbeamten mit den Ver¬
waltungsbeamten, oder — in anderer Weise ausgedrückt — die Wahl
unter sich gleichberechtigter juristischer und technischer Bei¬
geordneten für die verschiedenen Dienstzweige, hat aber bis jetzt in
keiner einzigen rheinischen Stadt Anwendung gefunden. Vielleicht
entschliefst man sich in Düsseldorf jetzt endlich zu dieser zeit-
gemäfsen Veränderung. Es handelt sich dabei nicht um einen ge¬
wagten Versuch, sondern um die Annahme derselben Einrichtung,
welche in den altpreufsischen Stadtmagistraten sowie bei den Pro-
vincialverwaltungen besteht und u. W. in allen staatlichen Verwal¬
tungskörpern durchgeführt ist. J. St.
Durch Versagen der selhstthätigeu Luftsaugbremse ist am
4. März d. J. in Carlisle (England) ein schwerer Unfall in der Weise
herbeigeführt worden, dafs der Zug, statt anzuhalten, die Station
mit voller Geschwindigkeit durchfuhr und auf die ihm in demselben
Geleise rückwärts entgegenkommende Locomotive stiefs, welche die
Weiterbeförderung übernehmen sollte. Die Untersuchung ergab, dafs
die Bremsen schon zwischen London und Crewe mangelhaft gewirkt
hatten. Auf letzterer Station fand Maschinenwechsel statt, wobei
man dem Locomotivführer über die vorerwähnten Mängel Mittheilung
zu machen vergafs. Nach dem Unfall fand sich in dem Leitungsrohr
zwischen Maschine und Tender eine geringe Menge Wasser, das
muthmafslich zur Zeit des Versagens der Bremse gefroren war und
so der Luft den Durchgang versperrt hat. Da bei dem Zusammen-
stofse vier Menschen getödtet worden waren, fand die in England
vorgeschriebene gerichtliche Todtenschau statt, in deren Folge die
Geschworenen den Locomotivführer von jeder Schuld freisprachen,
dagegen der Meinung Ausdruck gaben, „dafs die London- und Nord¬
western-Eisenbahngesellschaft durch die Anwendung einer so unzu¬
verlässigen Bremse eine schwere Verantwortung auf sich lade“.
Ober - B.auratli Ludwig Büchner f. Am 29. April d. J. verstarb
in Meiningen plötzlich infolge eines Herzschlages im Alter von
nahezu 80 Jahren ein in weiten Kreisen bekannter und verehrter
Mann, der vormalige Director der Werra- Eisenbahn , Ober-Baurath
Ludwig Büchner. Der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn¬
verwaltungen entnehmen wir folgenden Nachruf.
Mit Büchner wird wieder einer — vielleicht einer der letzten —
jener Männer der alten Schule der Eisenbahnbau-Technik, die man
als die eigentlichen Pfadfinder dieser Wissenschaft bezeichnen kann,
zu Grabe getragen. Ursprünglich dem Forstfache angehörig, hatte
er schon in den Jahren 1845 — 1848 bei den Vorarbeiten und dem
Bau der Thüringischen Eisenbahn mitgewirkt, war dann beim Be¬
triebe dieser Bahn als Abtheilungsingenieur in Weimar angestellt und
wurde aus dieser Stellung 1856 zur Oberleitung des Baues der
Werra-Eisenbahn berufen, den er in einer nach damaligen Verhält¬
nissen musterhafter Weise ausführte. Dieser Bahn waren auch die
folgenden 31 Jahre seines Lebens in aufopferungsvoller Thätigkeit.
gewidmet. Nach der Eröffnung des Betriebes bekleidete er die
Stelle eines Betriebsdirectors der Werrabahn vom Jahre 1858 bis
zum Jahre 1876, wo er nach dem Zurücktritt der Direction der
Thüringischen Bahn von der Verwaltung der Werrabahn durch den
Verwaltungsrath der letzteren zu der Stelle eines Director s der¬
selben berufen wurde, die er mit unvergleichlicher Gewissenhaftigkeit
und Pflichttreue verwaltete, bis ihn im Jahre 1886 das hohe Alter
und Gesundheitsrücksichten zur Niederlegung derselben nöthigten.
Neben umfassenden Kenntnissen und grofsen Erfahrungen in seinem
Berufe zierten den nun Verstorbenen auch hervorragende, edle
Charaktereigenschaften, die ihm die Hochachtung und Verehrung
Aller erwoi-ben hatten und die ihm ein ehrendes Andenken sichern.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
Kr. 191-
Centralblatt der Bauverwaltung.
189
INHALT: XIII. Verzeichnifs der Berichte der technischen Attaches. — Anordnung
der Wandglieder in den Endfcldern der Doppelfachwerkträger. — Gesetzliche Be¬
stimmungen über die Breite der Radfelgen und die Ladegewichte der Fuhrwerke. —
Verstärkung des Eiscnbahnhetriehes auf der Brooklyn-Brücke hei New -York. —
V ermischtes; Preishewerbung um das Kaiser- Wilhelm-Denkmal in der Rheinprovinz.
— Wiederaufbau des Nordthurmcs der Maria-Magdaleneukirche in Breslau. — Grofse
Allgemeine Gartenbau- Ausstellung in Berlin 1880. — Strafseuverkehr in London. —
Ursache des Treibens mancher Gemente. — James Nasmyth t. — Buch erschau.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
XIII. Verzeichnifs der Berichte der technischen Attaches.
(Die früheren Verzeichnisse sind aus den Inhaltsverzeichnissen vom Jahrgang 1884 u. ff. d. Bl. zu ersehen.
)
I. Berichte
227. (v. 1. Juni 1889.) Die elektrischen Leitungen unter den Strafsen-
dämmen von New-York. Hierzu 5 Druckschriften.
228. (v. 15. Juli 1889.) Die Regulirungsbauten am oberen Mississippi
und die Verwendung von Pumpenbaggern. Hierzu 1 Druck¬
band, 1 Patentschrift und 5 Pläne.
229. (v. 4. Juli 1889.) Americanische Eisenbahn-Werkstätten. Hierzu
9 Lichtpausen, 4 Photographieen, 4 Drucksachen.
230. , (v. 26. Mai 1889.) Dampfschneeschaufeln für die Eisenbahnen
in Nord- America. Hierzu 9 Anlagen.
231. (v. 25. Juni 1889.) Bruch der Thalsperre oberhalb Johnstown
in Pennsylvanien. Hierzu 6 Anlagen. (Mittheilung im Central¬
blatt d. Bauverw. 1889, S. 250.)
232. (v. 20. Dec. 1889.) Die XX. Versammlung der Americanischen
Gesellschaft der Maschinen-Ingenieure. Hierzu 15 Anlagen.
233. (v. 8. Jan. 1890.) Die Unterbrechung der Arbeiten an dem
Wasserleitungs-Tunnel in Washington. Hierzu 2 Druckhefte.
234. (v. 8. Nov. 188^9.) Die Verbindung zwischen dem Michigan-See
und Mississippi durch einen Schiffahrtscanal. Hierzu 7 Anlagen.
II. Berichte
209. (v. 25. Juni 1889.) Gesundheitseinrichtungen in den für d^e
französische Armee bestimmten Gebäuden. Hierzu 1 Druck¬
anlage.
210. (v. 24. Mai 1889.) Die Reinigung der Seine und die Entwässe¬
rung von Paris. Hierzu 1 Druckheft. (Mittheilung im Cen-
tralbl. d Bauverw. 1889, S. 208.)
211. (v. 26. Juni 1889.) Die Sonderausstellung des französischen
Ministeriums der öffentlichen Arbeiten in der Weltausstellung
in Paris und die dort gezeigte Vorrichtung zum Anhängen und
Abhängen von Schiffen, welche durch ein Treibseil fortbewegt
werden. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 286.)
212. (v. 27. Juni 1889.) Die seitens der französischen Forstverwal¬
tung veranstaltete Sonderausstellung in der Weltausstellung in
Paris, insbesondere betreffend die Verbesserung der Wildbäche.
Hierzu 1 Photographie.
213. (v. 20. Aug. 1889.) Die neuen Schleusen des Canals St. Denis.
Hierzu 3 Photographieen. (Mittheilung in der Zeitschrift für
Bauwesen 1890, Heft IV- VI, S. 255.)
214. (v. 6. Sept. 1889.) Der in Frankreich angewandte eiserne Ober¬
bau, System Paulet. Hierzu 1 Zeichnung.
215. (v. 30. Sept. 1888.) Der Dienst der französischen Binnen¬
schiffahrtsstatistik. Hierzu 30 Anlagen.
216. (v. 6. Oct. 1889.) Verbesserungen an Maschinen für Erdarbeiten.
Hierzu 2 Anlagen. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889,
S. 461.)
217. (v. 5. Sept. 1889.) Maschine zum Auskrauten der Wasserläufe.
Hierzu 1 Photographie.
III. Berichte
215. (v. 16. Juni 1889.) Krankenhäuser für ansteckende Krankheiten
in kleinen Städten und Dörfern. Hierzu 1 Anlage.
aus America.
Ueber den Entwurf einer Zahnradbahn auf den Pikes
Peak in dem Felsen-Gebirge (Colorado).
235. (v. 30. Nov. 1889.) Ueber das vom Colonel M. McConnell
nach Art seiner Fischwege construirte Modell eines Fahrweges
für Schiffe in Stromschnellen.
236. (v. 28. Dec. 1889.) Krankenhäuser für Seeleute der Handels¬
marine. Hierzu 2 Anlagen.
237. (v. 2. Jan. 1890.) Veröffentlichungen der Leuchtfeuerverwaltung
in Washington. Hierzu 116 Anlagen.
238. (v. 24. Jan. 1890.) Bohr -Prahm zur Ausführung von Fels¬
sprengungen in dem East River bei New -York. Hierzu
1 Zeichnung.
239. (v. 12. Nov. 1889.) Eigenthümliche americanische Maschinen
zum Heben und Beibringen von Baumaterialien. Hierzu 31 An¬
lagen.
240. (v. 14. Dec. 1889.) Die Vollendung des Weiland -Canals und
der Betrieb auf demselben. Hierzu 12 Anlagen.
IS Frankreich.
218. (v. 4. Sept. 1889.) Vorrichtung zum Ausbessern von Canälen.
Hierzu 1 Photographie.
219. (v. 19. Sept. 1889.) Vom Nicaragua -Canal. Hierzu 1 Druck¬
heft. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 274.)
220. (v. 10. Oct. 1889.) Die auf der Pariser Weltausstellung vor¬
geführten Locomotiven.
221. (v. 10. Juni 1889.) Die Einführung der Pariser Zeit in Frank¬
reich und Algerien. Hierzu 1 Anlage.
222. (v. 27. Aug. 1889.) Eiffels zerlegbare, stählerne Eisenbahn¬
brücken. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 470).
223. (v. 17. Sept. 1889.) Zerlegbare Eisenbahnbrücke des Eisen¬
hüttenwerks Fives- Lille. (Mittheilung im Centralbl. d. Bau¬
verwaltung 1890.)
224. (v. 9. Dec. 1889.) Die Windbeobachtungen auf dem Eiffelthurm
in Paris. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1890, S. 45.)
225. (v. 8. Dec. 1889.) Die internationale technische Suez -Canal-
Commission. Hierzu 1 Plan.
226. (v. 9. Sept. 1889.) Französische Verkehrsbauten. Hierzu
2 Druckhefte und 1 Karte.
227. (v. 22. Sept. 1889.) Die Gleiteisenbahn auf der Weltausstellung
in Paris. Hierzu 2 Anlagen. (Mittheilung im Centralbl. d.
Bauverw, 1889, S. 495.)
228. (v. 19. Dec. 1889.) Vorrichtungen zum Ziehen der Canalschiffe
mittels des Treibseils. Hierzu 1 Druckheft.
229. (v. 28. Dec. 1889.) Ein Slip mit seitlicher Bewegung der aus¬
zubessernden Schiffe. Hierzu 1 Photographie.
230. (v. 12. Jan. 1890.) Die französische Binnenschiffahrtsstatistik.
aus England.
216. (v. 21. Dec. 1889.) Die Explosion des Petroleum - Schiffes
United im Hafen von Bristol. Hierzu 1 Druckheft.
75.
76.
77.
78.
109.
110.
111.
112.
113.
114.
IT. Berichte aus Italien.
(v. 20. April 1889.') Die Gobelins-Weberei in Rom. (Mittheilung
im Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 430.)
(v. 3. Juli 1889.) Der Schulunterricht niederen und mittleren
Grades in Italien und die technischen Institute daselbst.
(v. 9. Aug. 1889.) Die gegenwärtige Lage der Eisen-, Ma¬
schinen- und Schiffs-Bau-Industrie in Italien. Hierzu 1 Anlage,
(v. 18. Sept. 1889.) Die von der Bauunternehmer -Firma C.
Zschokke u. P. Terrier in Italien ausgeführten Wasserbauten.
Hierzu 28 Anlagen.
V. Berichte
(v. 30. Mai 1889.) Der Hafen von Pernau. Hierzu 1 Denk¬
schrift.
(v. 4. Juni 1889.) Die Prüfung des Schweifseisens der Ketten¬
brücke zu Kiew. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889,
S. 309.)
(v. 24. Juni 1889.) Die niedrigsten Temperaturen und die
stärksten Winde im Gebiete der zukünftigen sibirischen Eisen¬
bahn.
(v. 26. März 1889.X Die erste Allrussische Fischereiausstellung.
Hierzu 14 Druckhefte.
(v. 17. Oct. 1889.) Verschiebung der eisernen Träger der
Wolgabrücke bei Rshew durch Winddruck. (Mittheilung im
Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 504.)
(v. 17. Sept, 1889.) Das Buch „Das arme Rufsland“ von
Roskoschny.
79. (v. 12. Jan. 1890.) Der Römische Seecanal. Hierzu 1 Anlage.
(Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1890, S. 58.)
80. (v. 19. Jan. 1890.) Neubau eines Parlamentsgebäudes in Rom.
Hierzu 1 Druckanlage. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw.
1889, S. 446.)
81. (v. 31. Jan. 1890.) Die Aufsichtsbezirke des Genio civile in
Italien.
82. (v. 30. Nov. 1889.) Die bauliche Entwicklung der Stadt Rom.
Hierzu 1 Plan.
aus Bufslaud.
115. (v. 24. Sept. 1889.) Die Canalisation der Stadt St. Petersburg.
Hierzu 1 Druckheft. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw.
1889, S. 509.)
116. (v. l5. Jimi 1889.) Die Zufuhrbahnen in Rufsland. Hierzu
1 Druckschrift.
117. (v. 31. Oct. 1889.) Die Verwendung von Oel zur Stillung hohen
Seeganges. (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 446.)
118. (v. 24. Oct. 1889.) Das Gebäude der Russischen Bank für aus¬
wärtigen Handel in St. Petersburg. Hierzu 5 Blatt Zeichnungen.
119. (v. 2. Dec. 1889.) Das Gebäude der Ostsibirischen Abtheilung
der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft in
Irkutsk. Hierzu 2 Zeichnungen.
120. (v. 18. Dec. 1889.) Schneeschutzvorrichtungen, System Rudnitzki.
Hierzu 1 Druckschrift und 1 Uebersichtskarte.
190
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
14. Mai 1890.
3.
(v. 30. Oct. 1889.)
Hierzu 1 Plan.
(v. !26. Nov. 1889.)
Donau und Oder.
(V. 23. Dec. 1889.)
Hierzu 4 Anlagen.
YI. Berichte aus Oesterreich.
Die Eegulirung der Narenta in Dalmatien.
Entwürfe zur Schiffalirtsverbindung zwischen
Hierzu 18 Anlagen.
Die elektrischen Strafsenbahnen in Budapest.
4. (v. 21. Dec. 1889.) Der Moldau-Viaduct bei Cerveua in Böhmen.
1890^'s 8r (Mittheilung im Centralbl. d. Bauverw.
.5. (v. 16. Jan. 1890.) Anlage eines Winterhafens in der Donau
bei Wien. Hierzu 1 Karte, 1 Druckschrift.
Aiiordimiig der Wandglieder in den
Bei der bisher nahezu allgemein üblichen Anordnung der Eudfelder
eiserner Träger mit Doppelfachwerk (Abb. 1) sind die oberen End¬
knotenpunkte schwer herzustellen, weil dort zwei starke Schrägbänder
(Diagonalen) von derselben Seite kommend Zusammentreffen. Aufser-
dem ist diese Anordnung
letzte
1
i <
» -
5
5
X
7
8
<5
9
0 11'
X.
1 23456 769 ifl 11
Abb. 1.
v 2' 3' 4' 5' O' 7' 8' 3’ m' n'
\
\
\
\
\
\
\
\
\
X
X
X
K \
Abb. 2.
unschön , da das
Schi-ägband eine ganz
andere Neigung hat, als
die anderen. Vom tech¬
nischen Standpunkte aus
ist aber ein Träger, ab¬
gesehen von der Form der
Gurtungen , nur daun
schön zu neunen, wenn
der Baustoff richtig an¬
geordnet ist. Mau darf
daher bei demselben Trä¬
ger den Neigungswinkel
der Schrägbänder, den man als den günstigsten erkannt und
infolgedessen gewählt hat, nicht bei einem Schrägbande verlassen,
sondern inufs denselben thunlichst durch den ganzen Träger bei¬
behalten.
Im Handbuche der Ingenieurwissenschafteu Band II giebt Steiner
an, dafs man dem letzten Schrägbande nicht dieselbe Neigung geben
könne, wie den anderen, weil es sonst in der Mitte des Endständers
aufliören, und derselbe dadurch auf Biegung beansprucht werden
wüi’de (Abb. 2). Dieser Uebelstand läfst sich aber leicht vermeiden,
wenn man dem Trägersysteme
noch einen Stab hinzufügt,
welcher von der Mitte des ersten
Ständers zum oberen Ende des
zweiten geht. In Abb. 2 ist
Abb. 4.
'Gelenk
Abb. 5.
dieser Stab gestrichelt einge¬
tragen. An den statischen Ver¬
hältnissen des Trägers ist durch
die Hinzufügung des neuen
Stabes gegenüber der bisher
üblichen Anordnung (Abb. 1)
nichts geändert, da für den hin¬
zukommenden Knotenpunkt 1,
auch zwei neue Stäbe, nämlich
1,-1' und 1, — 2' hinzugefügt
werden. Es findet nun kein so
jäher Wechsel in der Neigung
der Schrägbänder statt, wie bei der bisher üblichen Anordnung,
sondern es bleibt die Neigung der Schrägbänder unter Annahme
gleicher Feldlängen bei Parallelträgern durchweg gleich und auch
bei Halbparabelträgern nahezu gleich.
Für die neue Anordnung spricht aufser der bequemeren Aus¬
führung des oberen Endknotenpunktes und dem schöneren Aussehen
auch noch eine erhebliche Ersparnifs, wie an einem ausgeführten
Beispiele, nämlich an den Hauptträgern der Fluthöffnungen der
zweigeleisigen Eisenbahnbrücke, welche in den Jahren 1876/78 über
die Elbe bei Lauenburg erbaut wurde, nachgewiesen werden soll.
Die Träger haben 50,5 m Stützweite. In Abb. 1 ist die Anordnung
einer Trägerhälfte in einfachen IJnien dargestellt. Die Mittelfelder
sind durchweg 3,66 m lang, nur die Endfelder haben eine Länge von
3,79 m. Bei der Berechnung wurden seinerzeit 2,1 t als ruhende Be¬
lastung und 4,3 t als bewegliche Last für 1 m Geleis angenommen.
In Spalte 4 der folgenden Zusammenstellung ist für die einzelnen
Trägertheile das Product aus Spannung und Länge von Knotenpunkt
y
zu Knotenpunkt angegeben, welches mit — multiplicirt das rech-
ci
nuiigsmäfsige Gewicht darstellen würde (y bedeutet das Einheits¬
gewicht des Eisens und a die zulässige Beanspruchung). In Spalte 5
sind die wirklichen, der Massenberechnung entnommenen Gewichte
aufgeführt. Die Zahlen in Spalte 6 geben das Verhältnifs der in
Spalte 5 stehenden Zahlen zu denen in Spalte 4 an, also den
y
Werth c, worin c das Ausführungsverhültnifs (den sog. Construc-
a
tionscoefficienten) bedeutet.
Endfelderu der Doppelfacliwerkträger.
1
2
1 '^'3
4
I 5
6
Bezeichnung
1
Länge
m
Spauiuiiig
t
1
Spannung X
Länge
Gewicht
KS
Verhältnifszahl
Spalte X _ p
•* ff
Obere Gurtung
1'— 2'
1 3,79
119,27
452,03
477,42
1,056
2'-3'
3,66
180,44
660,41
686,46
1,039
3'— 4'
3,66
229,38
839,53
804,37
0,958
4'— 5'
3,66
266,09
973,89
1 053)37
1,082
5'— 6'
3,66
290,56
1 063,45
1 089,43
1,024
6'— 7'
3,66
302,79
1 108,21
1 089,43
0)983
7'— 8'
3,66
302,79
1 108,21
1 089,43
0,983
Zusammen . . .
25,75
—
6 205,73
6 289,91
1,014
Untere Gurtung
1-2
3,79
0
0
396,64
oo
2—3
3,66
44,56
163,09
335,54
2,057
3-4
3,66
119,27
436,53
508,24
1,164
4-5
3,66
180,44
660,41
790,95
1)198
5—6
3,66
229,38
839,53
895,29
1,066
6-7
3,66
266,09
973,89
1 189,13
1,221
7-8
3,66
290,56
1 063,45
1 288,38
1,212
Zusammen . . .
25,75
—
4 136,90
5 404,17
1,306
Ständer
1—1'
7,00
152,50
1 067,50
2 840,21
2,661
2—2'
7,00
59,68
417,76
1 705,24
4,082
3-3'
7,(:M:t -
49,07
343,49
1 513,56
4,406
4—4'
7,(X)
39,67
277,69
1 513,36
5,450
5—5'
7,00
30,17
211,19
1 264,87
5,989
6-6'
7,00
21,89
153,23
1 268,70
8,280
7“7 '
7,00
13,50
94,50
1 153,24
12,203
8-8' (1/2)
7,00 (1/2)
6,35
44,38
2
1 206,40
2
27,183
Zusammen . . .
52,50
2 587,55
11 862,38
4,584
Bänder
1'— 2
7,96
93,60
745,06
744,58
0,999
1'- 3
10,22
102,63
1 048,88
1 189,04
1,134
2'— 4
10,13
86,37
874,93
975,39
1,115
3'- 5
10,13
71,01
719,33
801,71
1.115
4'— 6
10,13
57,41
581,56
657,96
1,131
5'- 7
10,13
43,66
442,28
531,45
1,202
6'— 8
10,13
31,68
320,92
490,28
1,528
7'— 9
10,13
19,54
197,94
314,30
1,588
8'— 10
10,13
9,18
92,99
140,99
1,516
Zusammen . . .
Verbindungs-
89,09
5 023,89
5 845,70
1,164
theile
—
—
38,58 1
—
Nietköpfe
—
—
749,26
—
Gesamtsumme
—
—
17 954,07
30 190,00 [
1,682
In der folgenden vergleichenden Zusammenstellung sind die¬
jenigen Trägertheile des ersten und zweiten Feldes aufgenommen,
welche bei der neuen Anordnung in Fortfall kommen bezw. neu hinzu¬
treten oder eine Spannungsänderung erleiden.
y
Die Verhältnifszahlen c wurden bei der neuen Anordnung nach
G
dem Vorbilde der Lauenburger Elbbrücke gewählt und so für die
neue Anordnung das Gewicht der Trägertheile bestimmt. Dabei sind
diese Verhältnifszahlen thunlichst hoch angenommen, damit der Be¬
rechnung nicht der Vorwurf zu günstiger Annahmen gemacht werden
kann. Die Zahlen für 1— 1, und 1,-2 sind unmittelbar aus der
Zusammenstellung für die Lauenburger Brücke entnommen, trotzdem
der Ständer 1 — 1, nur halb so lang ist, wie 1 — 1' bei der älteren
Anordnung. Die Zahl für den Ständer 2—2' konnte aus den Zahlen
für den Ständer 4—4' und 5—5' durch Einschaltung leicht gefunden
werden, da die Länge und auch alle anderen Bedingungen gleich
sind. Die Verhältnifszahl für 1,-1' mufs der Spannung des Träger-
theils nach zwischen den Werthen für 1 — 1' und 2 — 2' liegen, d. i.
zwischen 2,661 und 4,082. Da nun aber der betreffende Trägertheil
nur halb so lang ist wie 1 — 1', so ist die Annahme der Zahl 3,0 gewifs
Nr. 19A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
191
1
2
3
4
5
6
Bezeichnung
,
Länge
m
Spannung
t
Spannung x
Länge
Gewicht
hg
Verhältnifszahl
5 y
4 ff
Lauenburg
l‘-2'
1 -1'
2 —2'
l'-2
3,79
7,00
7,00
7,96
- 119,27
- 152,50
- 59,68
4- 93,60
452,03
1 067,50
417,76
745,06
477,42
2 840,21
1 705,24
744,58
1,056
2,661
4,082
0,999
Summe . . .
25^75
-
2 682,35
5 767,45
2,150
N eue
Anordnung
1'— 2‘
1 -1.
li— 1'
2 —2'
1-2
1-2'
3,79
3,50
3,50
7,00
5,16
5,16
- 44,56
- 152,50
- 70,20
- 33,35
4- 60,68
- 60,68
168,88
533,75
245,70
233,45
313,11
313,11
337,76
1 420,11
737,10
1 356,11
312,80
469,67
2,000
2,661
3,000
5,809
0,999
1,500
Summe . . .
28,11
—
1 808,00
4 633,55
2,563
Unterschied der
Summen
-f2,36
—
— 874,35
-1 133,90
—
schon sehr hoch. Es fehlen nun nur noch die Zahlen für die Theile
der oberen Grurtung 1' — 2' und 1, — 2'. Die höchste Verhältnifszahl
für die Theile der oberen Gurtung bei der Lauenburger Brücke ist
1,056 und der Durchschnitt 1,014. Da der Trägertheil 1' — 2' bei er¬
heblich geringerer Spannung auch den Winddruck zu übertragen hat,
so ist die Zahl 2,0 gewählt. Für das Stück 1,-2' wurde mit Rück¬
sicht auf die gröfsere Länge dieses Trägertheils die Zahl 1,5 statt
1,014 angenommen.
Das Verhältnifs der rechnungsmäfsigen Gewichte der Träger-
theile, welche bei den beiden Anordnungen verschiedene Spannungen
haben, zu einander ist
1808
2682
= 0,674.
Das Verhältnifs der wirklichen Gewichte ist hierbei:
46.34
5767
= 0,803.
Die Ersparnifs an diesen Theilen beträgt mithin bei der neuen
Anordnung 20 pCt.
Bei den Gewichten der ganzen Hauptträger betragen diese Ver-
hältnifszahlen
17 954 _ 874
17 954
= 0,951 bezw.
30 190 — 1134
30 190
= 0,962.
Die Kosten der Hauptträger würdeur also bei der neuen Anord¬
nung um 4 pCt. geringer sein, als bei der bisher üblichen Aus¬
führungsweise.
Sehr bequem ist bei der Anwendung der neuen Anordnung die
Anbringung des Gelenkes in Gerberschen Gelenkträgern.
Der im Handbuch der Ingenieurwissenschaften Abtheilung H
Tafel 20 abgebildete Gelenkträger der Kentucky Thal-Ueberbrückung
hat in der Nähe des Gelenkes zwei steile Schrägbänder (Abb. 3).
Bei der neuen Anordnung würden die betreffenden Felder wie in
Abb. 4 aussehen. Die beiden Träger- Enden haben dabei die in Abb. 5
angegebene Form. Die gestrichelten Theile dienen nur als Wind¬
verband. Ehlers.
Die gesetzlichen Bestimmungen über die Breite der Radfelgen und die Ladegewichte
der Fuhrwerke
in verschiedenen Ländern im Zusammenhang mit der Strafseutechnik.
Wenn alle die Technik berührenden Gesetze, Polizeivorschriften
und Bestimmungen nur den einen Zweck verfolgen, die technische
Thätigkeit in vernünftigerweise zu regeln, sodafs dieselbe die Rechte
und Interessen anderer nicht verletzt, sondern sich dem Gesamt¬
gebiet der menschlichen Thätigkeit organisch einfügt, so müssen die
betreffenden Gesetze und Vorschriften zur Erreichung dieses Zieles
nicht nur den besonderen örtlichen oder Landes - Verhältnissen
Rechnung tragen, sondern sich auch dem jeweiligen Entwicklungs¬
zustande der Technik und der technischen Wissenschaft anschliefsen.
Da die Technik und die technischen Wissenschaften an kein einzelnes
Land gebunden sind, sondern von allen Culturvölkern in gemein¬
samer Arbeit gepflegt werden, so werden auch die betreffenden
Gesetze und Bestimmungen in den einzelnen Ländern, trotz den aus
den abweichenden Eigenthümlichkeiten entspringenden Verschieden¬
heiten, doch in ihren Grundzügen eine gewisse Uebereinstimmung
aufweisen müssen.
Ueberschauen wir von diesem Gesichtspunkte aus die gesetzlichen
oder polizeilichen Vorschriften der einzelnen Staaten über die Breite
der Radfelgen und die Ladegewichte der Strafsenfuhrwerke, so tritt
uns hier eine solche abweichende Gestaltung und Buntscheckigkeit
entgegen, wie sie durch die Verschiedenheit in der Bauart der Fuhr¬
werke und der Strafse oder in sonstigen V erhältnissen nicht begründet
ist und sich nur dadurch erklären läfst, dafs einerseits bei Abfassung
der Gesetze Technik und technische Wissenschaft nicht hinreichend
berücksichtigt worden sind, anderseits die betreffenden Gesetze
s'ch auf ein Gebiet beziehen, welches wissenschaftlich noch nicht
genügend durchdrungen worden ist. So lange den betreffenden
Gesetzen und Bestimmungen die feste wissenschaftliche Grundlage
fehlt, werden dieselben in unsicherer Weise tasten und schwanken
und anstatt den Zweck ganz zu erreichen, in gewissem Mafse auch
die gesunde Entwicklung der Technik hemmen. Ist daher eine
wissenschaftliche Untersuchung der betreffenden in Frage kommenden
Verhältnisse eine der Strafsentechnik obliegende Aufgabe, so möchte
gerade für die deutschen Techniker die Lösung dieser Aufgabe
umsomehr eine Pflicht sein, als bisher vorwiegend nur die Franzosen
das betreffende Gebiet wissenschaftlich bearbeitet und die Deutschen
auf demselben keine gröfseren selbständigen wissenschaftlichen
Leistungen aufzuweisen haben.
Bis Mitte und Ende des vorigen Jahrhunderts befand sich der
Strafsenbau in einem so' stark vernachlässigten Zustande, dafs irgend
ein Anlafs zur gesetzlichen Regelung der Felgenbreiten und der
Ladegewichte nicht vorlag.') Auf den mit tiefen Geleisen versehenen
') Wohl bekundet die Jülich- und Bergische Polizeiordnung vom
10. Oct. 1554 (Scottis Sammlung für Cleve und Mark I 136) eine
Erdwegen bewegten sich mühsam die Fuhrwerke, deren Ladung auf
ein Pferd etwa nur 400 kg^) betrug. Im rheinisch -westfälischen
Kohlenbezirk mufsten sogar die Kohlen wegen des unfahrbaren
„heillosen“ Zustandes der Strafsen in Säcken auf Pferde geladen
und fortbewegt werden.'"') Mit der durch die Erfindung der Dampf¬
maschinen (1763) veranlafsten Hebung der Industrie steigerte sich
der Versand an Rohstoffen und damit der Verkehr so bedeutend,
dafs sich allmählich die Einsicht von der grofsen wirthschaftlichen
Bedeutung der Strafsen Bahn brach und auch die Wissenschaft sich
des bisher von ihr gänzlich vernachlässigten Gebietes bemächtigte.
Mit dieser Anwendung der Wissenschaft auf den Strafsenbau beginnt
erst im eigentlichen Sinne des Wortes der sogenannte Kunststrafsen-
bau. Zwar erschien schon 1759 ins Deutsche übersetzt Gautiers
Tractat von der Anlegung der Wege und Strafsen; aber noch 1802
war die Ueberzeugung von der Berechtigung der Anwendung der
Wissenschaft auf den Strafsenbau so wenig allgemein anerkannt,
dafs Krönke in der Vorrede seines Werkes: „Theorie des Fuhrwerks“
entschieden die Annahme bestreitet, als ob die Anwendung der
Mathematik auf den Strafsenbau eine „müfsige Speculation“ sei.')
In einer Reihe von trefflichen Arbeiten“) wurde nicht nur der
Strafsenbau in eingehendster Weise behandelt, sondern auch dessen
wirthschaftlicher Nutzen überzeugend dargelegt. Es entwickelte sich
eine äufserst , lebendige Thätigkeit im Strafsenbau. Während im
Jahre 1788 1') in den preufsischen Provinzen Cleve, Essen, Mark,
Minden und Ravensberg noch keine Kunststrafsen vorhanden waren,
schufen in den letzten Vierteln des verflossenen und in den ersten
Jahrzehnten dieses Jahrhunderts England, Frankreich und Deutsch¬
erwachende Erkenntnifs von der Bedeutung der Wege; anderseits
aber bezeugt sie auch in ihren Vorschriften den schlechten Zustand
der Strafsen. Es heifst z. B.: „Zum fünfften. Und wan die Wege
trüg seyndt, soll ein jeder an seinem Ansehufs die Traden oder
Wagenleisten instechen, und da es vonnöthen, mit Reisern und Dörnen
unterlegen und högen.“
2) Wesermann: Taschenbuch für die Strafsen- und Bergbau¬
beamten usw. Düsseldorf 1814. S. 17.
^) Wesermann: Handbuch für den Strafsen- und Brückenbau.
Düsseldorf 1830. S. 28.
') Krönke: Theorie des Fuhrwerks mit Anwendung auf den
Strafsenbau. Giefsen 1802. S. VI.
“) Als Verfasser deutscher Arbeiten sind zu nennen: LucasVoch,
Krönke, Wiebeking, Wesermann, Gerstner, van Alten, von Langs¬
dorf, Voit, Arnd, Roeder, von Pechmann, Casparson, Krüger, Wölfer,
Wolfram, Sartorius, Umpfenbach. Weitere Verfasser enthält das
Litteraturverzeichnifs bei Wesermann: Handbuch usw. S. XXH.
*’) Wesermann: Taschenbuch usw. S. III.
192
Centralblatt der Bauverwaltung.
14. Mai 189«.
land unter Anwendung grofser Mittel ein ausgedehntes Netz von
Kunststrafsen.')
Zur Vermeidung weiter, theurer Verfrachtungen verwandte man
zum Bau und zur Unterhaltung der Strafsen fast ausnahmslos nur
die in dem von der Strafse durchzogenen Gebiete sich vorhndenden
Gesteinarten, ohne an deren Festigkeit weitgeliende Ansprüche stellen
zu können. Der Ersatz der weichen Gesteine durch härtere gehört
einem neuen Zeitabschnitt an. Da die neu erbauten Kunststrafsen
gegenüber den Erdwegeu eine bedeutend gröfsere Ladung^) ermög¬
lichten, durch diese jedoch namentlich auf den aus weichen Gesteinen
hergestellten Fahrbahnen eine stärkere Abnutzung hervorgerufen
wurde, so lag es nahe, durch entsprechende gesetzliche oder polizei¬
liche Vorschriften über die Gröfse der Ladung und die Bauart der
Fuhrwerke die Erhaltung eines guten Strafsenzustaudes zu sichern.
Freilich setzten Vorschriften über die Bauart des Fuhrwerks eine
wissenschaftliche Untersuchung desselben in seiner Einwirkung auf
die Strafsen voraus.
Trotzdem das Fuhrwerk seit alten Zeiten in engster Weise mit
der menschlichen Thätigkeit verbunden ist, so ist doch keiner
Älaschine die Wissenschaft weniger zu Hülfe gekommen.'') Die erste
deutsche Schrift — Johann Nicolaus Müller: Versuch einer syste¬
matischen Abhandlung vom Fuhrwesen. Göttingen — erschien erst
1787 ; es folgte 1798 die von der königl. dänischen wissenschaftlichen
Akademie preisgekrönte Schrift von Nicolaus Fufs: Versuch einer
abschnitte unterscheiden. In dem ersten Abschnitt fehlt den Be¬
stimmungen die wissenschaftliche Grundlage; im zweiten Abschnitt
liegen die trefflichen Versuche der Franzosen und deren wissen¬
schaftliche Verarbeitung vor, wodurch eine bessere Uebereinstiminung
der gesetzlichen Vorschriften mit den thatsächlichen Verhältnissen
und eine bessere Verwirklichung des beabsichtigten Zweckes herbei¬
geführt wird; im dritten Zeitabschnitt macht sich das Bestreben
geltend, durch Einführung der widerstandsfähigsten Gesteinsarten und
die sorgfältigste Pflege der Strafsen die Beschränkungen hinsichtlich
der Breite der Radfelgen und der Ladegewichte der Fuhrwerke
möglichst fallen lassen zu können.
Die Vorschriften des ersten Zeitabschnittes gehen von der ohne
Versuche als richtig angenommenen Voraussetzung aus, dafs die
Last eines Fuhrwerkes sich auf die Gesamtbreite der Felgen gleich-
mäfsig vertheile, dafs also z. B. bei einem im Eigengewicht und in
der Ladung 50U0 kg schweren vierräderigen Fuhrwerke mit 10 cm
breiten Felgen der Druck auf jedes Centimeter Felgenbreite 12.5 kg
betrage. Dieser Annahme entsprechend regelte man nicht nur die
Felgenbreiteu nach der Last, sondern schrieb auch möglichst grofse
Felgenbreiteu vor, damit der Druck auf die Strafse möglichst gering
werde.
Die erste Verordnung über Radfelgen scheint Oesterreich 17G8
erlassen zu haben. Nach derselben mufste bei einer Ladung über
00 Ctr. (3300 kgj die Felgenbreite 0 Zoll (10 cm) betragen. Doch
Theorie des Widerstandes zwey- und vierrädriger
Fuhrwerke usw., und endlich 1802 Krönkes schon
erwähnte treffliche Arbeit: Theorie des Fuhrwerks.
Krönke schreibt der gänzlichen Vernachlässigung
dieser Theorie die vielen Fehler — wie z. B. die
kleinen Räder, welche unsäglich viel Ki-aft ver¬
schwenden — sowie die grofsen Verschiedenheiten
in den Mafsen der Fuhrwerke zu.’") Einerseits
tritt er zur Verminderung des Widerstandes für
gröfsere Raddurchmesser, anderseits behufs Er¬
haltung der AVege für A'ergröfserung der Rad¬
felgenbreite ein, welche damals kaum 5 cm (2 Zoll)
betrug.!’)
Da jedoch das Kunststrafseunetz noch vielfach Lücken aufwies
— wie z. B. das 220 572 Ruthen grofse Netz des Regierungsbezirks
Düsseldorf 1827 noch 44 558 Ruthen, also 20 pCt. uuausgebaute
Theile enthielt ’2) — und die Gemeiudestrafsen sich in sehr schlechtem
Zustande befanden, so stiefs die Einführung der für Erdwege
ungeeigneten Räder mit breiten Felgen auf Schwierigkeiten. Man
suchte daher die Einführung der breiten Felgen durch Begünstigung
der betreffenden Fuhrwerke hinsichtlich der AVegegelder zu fördern,"’)
ehe man dieselben durch gesetzliche Bestimmungen endgültig vor¬
schrieb. In Tyrol nahm mau bei 0 Zoll breiten Felgen nur i/j, bei
9 Zoll breiten nur ’ s Weggeld. i’) In England bestand für breite
Felgen Zollfreiheit.’^)
Was die gesetzlichen Bestimmungen über h''elgenbreiten und
Ladegewichte aubelangt, so lassen sich in denselben drei Zeit-
'!) Frankreich schon unter Ludwig XV. (1715 — 1774); England
und einige deutsche Länder wie Berg, Hessen, Nassau, Hannover,
Braunschweig u. a. seit dem siebenjährigen Kriege. Siehe Weser¬
mann: Taschenbuch S. 0; Handbuch S. 4, 11, 13; Dietrich: die Bau¬
materialien der Steiustrafseu S. 5.
8) Nach Wesermann: Taschenbuch S. 17 lud ein Einspänner im
Gebirge 800 kg, nach dem Handbuch S. 112 in der Ebene bis
1500 kg (jetzt bis 2500 kg). Es erscheint doch übertrieben, wenn
Wesermann S. 123 behauptet, dafs auf zweiräderige Wagen mit breiten
Felgen 7000 bis 8500 kg geladen wurden.
9) Krönke: Theorie des Fuhrwerks S. 3.
!") Krönke S. 4.
”) Krönke S. 4, 161 u. 102.
12) Wesermann: Handbuch usw. Tabelle II.
13) Wesermann: S. 123.
1^) Wesermann: S. 125.
ij) Mac- Adam: Bemerkungen über das gegenwärtige System des
Chausseebaues. A. d. Engl. Darmstadt 1825. S. 53.
fügt Wesermann (Handbuch usw. S. 125), dem
diese Angabe entnommen ist, hinzu, dafs die Ver¬
ordnung nicht befolgt wurde. In Frankreich
liefs das Gesetz vom 29. floreal des Jahres X (1802)
bei zweiräderigem Fuhrwerk mit 25 cm breiten
Felgen als Last im Sommer 4750 kg, im Winter
3500 kg, bei geringerer Felgenbreite 3750 bezw.
2500 kg zu. 13) Das folgende Gesetz vom 7. ventöse
des Jahres XII ‘^) (1804) schreibt je nach der An¬
zahl der Pferde Felgenbreiten von 11 bis 25 cm
vor. Das Gesetz vom 23. Juli 18071®) regelt die
Felgenbreiteu nach der Gesamtlast, welche bei der¬
selben Felgenbreite im Sommer etwa 20 pCt. mehr
als im Winter und bei ungleicher Spur der Vorder- und Hinter¬
räder etwa 10 pCt. mehr als bei gleicher Spur betragen durfte. Die
höchste zulässige Last bezifferte sich bei einem vierräderigen Wagen
mit 22 cm breiten Felgen im Sommer und bei ungleicher Spur auf
11400 kg, bei einem zweiräderigen Karren mit 25 cm breiten Felgen
im Sommer auf 8200, im Winter auf 6800 kg. Auf das Centimeter
Felgenbreite betrug die Gesamtlast
im Winter im Sommer,
für 2räderiges Fuhrwerk 100 kg bis 141 kg 123 kg bis 171 kg,
für 4räderiges Fuhrwerk 75 „ „ 109 „ 91 „ „ 130 „
Hervorzuhebeu ist, dafs je gröfser die Felgenbreite, um so gröfser im
allgemeinen auch die Last auf das Centimeter Felgenbreite sein
durfte, während dieselbe umgekehrt hätte abuehmeu sollen. In
England erschien die erste Verordnung über die Felgenbreiten
schon 1771.1”) Dieselbe setzte für 4300 kg (85 Ctr.) schwere Ladungen
15 cm (6 Zoll) breite und für 6100 kg (120 Ctr.) schwere Ladungen
23 cm (9 Zoll) breite Felgen fest. Mac- Adam 2”) erwähnt Fuhrwerke
mit 41 cm (16 Zoll) breiten Felgen. Kröuke2i) führt nach Grobert;
Observatious sur les voitures ä deux roues S. 56 sogar Felgenbreiteu
von 46 cm bis 50 cm (18 bis 22 Zoll) an. Das englische Gesetz vom
19. Juli 182322) schreibt zwar auch noch überaus grofse Felgenbreiten
13) u. i'i Debauve: Manuel de l’ingenieur. 9“e fascicule. Routes.
Paris 1873.' S. 39.
18) AVesermaun: Handbuch usw. S. 128; Ahlburg: Der Strafseu-
bau 1870 S. 19 giebt den 23. Juni als Tag des Erlasses an. Debauve
führt S. 39 noch eine A^erorduung vom 23. Juni 1800 an.
1”) AA^esermanu: Handbuch S. 125.
20) Mac-Adam: Bemerkungen usw. S. 09.
21) Krönke: Theorie usw. S. 162.
22) Ahlburg: Der Strafsenbau S. 20; von Kaveu: AAi^egebau S. 20;
Laissle: Strafsenbau S. 531.
h-. 19 *•
Centralblatt der Bauverwaltang.
193
bis zu 23 cm vor, weist jedoch gegenüber dem französischen Gesetz
von 1807 insofern einen Fortschritt auf, als es die zulässige Last auf
das Centimeter Felgenbreite mit wachsender Felgenbreite abnehmen
liifst. Dieselbe durfte je nach der Felgenbreite
im Winter im Sommer
für 2räderiges Fuhrwerk G7 kg bis 109 kg 77 kg bis 120 kg,
•für 4räderiges Fuhrwerk 70„ „ 87 „ 76„ „ 98 „
betragen. Das 1807 er französische Gesetz gestattete die höchste
Last auf das Centimeter Felgenbreite (160 bis 170 kg) bei breiten
Felgen, das englische Gesetz (mit 120 kg) bei schmäleren Felgen.
Hinsichtlich des gröfsten Mafses der Felgenbreite gingen jedoch
beide Gesetze weit über das Ziel hinaus, indem infolge der
Wölbung der Strafsen die breiten Felgen nur theilweise aufruhten
und daher nicht in ganzer Breite zur Wirkung gelangten.
Abb. 10.
Da die deutschen Staaten erst mit diesem Jahrhundert eine
regere Thätigkeit im Kunststrafsenbau entfalteten, so fällt die
deutsche Gesetzgebung über die Radfelgenbreiten erst in den
folgenden Abschnitt. Sachlich dürfte hier eines hannöverschen
Gesetzes 23) zu erwähnen sein, welches Felgenbreiten von 15 cm bis
24 cm, je nach der Gröfse der Ladung, vorschreibt. —
Ehe der Aufsatz zum zweiten Abschnitt und zu den französischen
Versuchen übergeht, möchte derselbe den Einflufs der Strafsenwölbung
kurz darstellen. Bei ebener Strafse und senkrechter Stellung der
Räder zu denselben ruhen die Felgen in voller Breite auf. Da jedoch
die Strafsen von der Mitte aus ein Quergefälle von 1 : 20 bis 1 : 40
besitzen, so werden die Radfelgen eines die Mitte einer glatten harten
Strafse befahrenden Fuhrwerkes nur an der inneren Seite auf liegen
(Abb. 1). Thatsächlich sind jedoch auch die Räder bezw. die
Achsenschenkel geneigt. Die „ Unterachsung “ (in Abb. 2 ^ ly),
welche von der Neigung der Speichen gegen die Radfläche, dem
, Speichensturz“ (in Abb. 2 A o) zu unterscheiden ist, betrug nach
hier vorgenommenen Messungen 1° 4' bis 2° 23' (1:54 bis 1:24).24)
Da jedoch das Quergefälle der Strafsen nicht gleichmäfsig ist und
Ahlburg: Strafsenbau S. 18.
24) Laissle: Strafsenbau S. 530 giebt die Unterachsung zu 4° 20'
die Fuhrwerke nicht stetig die Mitte befahren, so wird auch durch
die Unterachsung wohl ein besseres, aber doch kein Aufruhen in
voller Breite erzielt. Ist das Quergefälle gröfser als die Unterachsung,
so ruhen nur die inneren Seiten auf (Abb. 3), Avährend bei schwachem
Quergefälle (Abb. 4) und einem Befahi-en der Strafsenseiten (Abb. 5)
die äufseren Seiten der Felgen vorwiegend den Druck vermitteln.
Abwechselnd werden daher auf glatter, fester Bahn die inneren und
die äufseren Kanten aufliegen, weswegen sich auch beide Kanten
in rascherem Mafse als die Mitte abnutzen werden. Die Radfelgen
runden sich daher im Gebrauche ab, wie solches aus den in Abb. 6
bis 10 dargestellten Felgenquerschnitten einiger verschiedene Jahre
im Gebrauche beflndlicher zweiräderiger Fracht- (Abb. 6 u. 7) und
landwirthschaftlicher (Abb. 8, 9 u. 10) Fuhrwerke hervorgeht. Die
Breiten sind in drittel, die Höhen in ganzer natürlicher Gröfse auf¬
getragen. Bemerkenswerth ist, dafs fast durchweg die Innenseiten
um einige Millimeter stärker abgenutzt sind, als die Aufsenkanten,
was sich aus dem Umstande erklärt, dafs die Unterachsung sehr
gering und kleiner als die Seitenneigung der Strafse ist (s. Abb. 3).
Während die Abb. 6 u. 7, desgl. 8 u. 9 erkennen lassen, wie in den
ersten Gebrauchsjahren die Kanten stärker als die Mitte abgenutzt
werden, zeigen Abb. 9 u. 10, dafs nach einem gewissen Zeiträume —
im vorliegenden Falle bei leichtem Fuhrwerk nach 7 Jahren — die
Abnutzung in allen Querschnitttheilen eine nahezu gleichmäfsige ist.
Es würde jedoch durchaus falsch sein, hieraus etwa den Schlufs
ziehen zu wollen, dafs sämtliche Querschnitttheile gleichzeitig zur
Druckübertragung gelangen, da dies ein vollständiges Aufruhen
des ganzen Querschnitts voraussetzen würde, was bei dessen Wölbung
ausgeschlossen ist. Dieses gleichmäfsige Fortschreiten der Abnutzung
ist vielmehr nur dadurch zu erklären, dafs bei einer gewissen (ge¬
wölbten) Form der Felge infolge des abwechselnden Befahrens der
Mitten und Seiten mehr oder weniger geneigten Strafsen nach ein¬
ander zwar stets verschiedene aber doch sämtliche Querschnitttheile
zur Druckübertragung bezw. zur Abnutzung gelangen.
Während bei den frisch aufgezogenen ebenen Felgen vorwiegend
die Kantentheile aufruhen, werden durch die Abnutzung nach und
nach auch die mittleren Felgentheile in stärkerem Mafse an der
Drackübertragung Theil nehmen. In keinem Falle aber wird auf
den festen Fahrbahnen der Kunststrafsen die ganze Breite der Felgen
gleichmäfsig den Druck vermitteln, und zwar umsoweniger, je gröfser
die Breite der Felgen ist. Es wird gleichsam eine Grenze geben, bis
zu der eine Vergröfserung der Felgenbreite eine entsprechende Ver¬
minderung des Centimeterfelgendruckes zur Folge hat, über die hinaus
jedoch eine solche Verminderung nicht mehr eintritt. Die Ueber-
schreitung dieser Grenze ist daher zum Zwecke der Schonung der
Strafse werthlos.
Es ist das Verdienst der den zweiten Zeitabschnitt der Rad¬
felgenbestimmungen einleitenden französischen Versuche, diese Grenze
erkannt, festgestellt, und dadurch für den Erlafs gesetzlicher Vor¬
schriften eine erste feste Grundlage geschaffen zu haben.
In dem ersten Zeitabschnitt machte sich das Fehlen dieser
Grundlage nicht nur in den unpraktischen Vorschriften allzugrofser
Felgenbreiten, sondern auch in den abweichenden Ansicliten der
hervorragenden Techniker geltend. Krönke (Theorie usw. 1802, S. 162)
will allgemein 15 cm (6 Zoll) breite Felgen eingeführt wissen. Roeder
(1821, S. 43) ebenso v. Pechmann (1822, S. 37, 184, 186) befürworteten
breite Felgen, wodurch nach v. Pechmann in England 25 pCt. an
Unterhaltungskosten gespart würden (S. 199). Roeder tritt auch für
flache Wölbung der Strafse ein. Nur bei letzterer hält Krüger (1826,
S. 18) die breiten Räder für nützlich. Wesermann (1830, S. 122) will
die Einführung der breiten Felgen von dem weiteren Ausbau des
Strafsennetzes abhängig machen. Arnd (S. 213) tritt behufs besseren
Anschlusses der Felgen an die Steinbahn für eine kegelförmige
Gestaltung derselben ein. Courtin (1800, übersetzt 1813, S. 39) sagt,
dafs durch die breiten Felgen wenig gewonnen sei. Sartorius (1827,
S. 220) hält den Strafsenaufwand bei breiten und schmalen Felgen
für gleich grofs. Mac-Adam (S. 8) und mit ihm Wölfer (1826, S. 176)
finden, dafs die Breite der Felgen keine so gröfse Berücksichtigung
verdiene, wie es viele Techniker wollten. Eine Entscheidung der
streitigen Frage konnte nur an der Hand von eingehenden Versuchen
gewonnen werden, wie die Franzosen diese in gründlicher Weise
anstellten.
Als ersten Versuch erwähnt Wesermann (S. 125) den eines
französischen Präfecten, der sich jedoch nur auf schlechte Wege
bezog. Der Graf von Rumford stellte alsdann durch Versuche auf
kunstmäfsig hergestellten Strafsen bei Paris fest, dafs Fuhrwerke mit
10 cm breiten Felgen bei derselben Last eine geringere Kraft zur
Fortbewegung erfordern, als solche mit ^ cm und 6 cm breiten
Felgen. 1808 stellte der Engländer Edgeworth, 1816 ein französischer
(1:13), Ahlburg: Strafsenbau S. 13 bis zu 7° 8' (1:8), Deutsches
Bauhandbuch III., S. 172 desgl. bis 1 : 8 an.
J94
14. Mai 1890.
Ceutralblatt der Bauvervvaltung.
Iiigenieur-Fachausscluifs Untersuchiingeu an, welche in einer Denk¬
schrift (1832) von Corrcze und Maues behandelt wurden.^'^) Neue
sorgfältige Versuche stellte im Aufträge des Ministers von 1837 bis
1842 General Morin an, die aufser den bereits von Krönke ver¬
tretenen Vortheil grofser lladdurchmesser zuerst auch die oben
erwähnte Grenze der Felgenbreite feststellten. Morin fand, dafs der
Widerstand auf Pflaster- und Steinschlagbahnen von der Felgenbreite
nahezu unabhängig ist, sobald dieselbe 8 bis 10 cm Gröfse erreicht,
dafs somit weder der Staat vom Standpunkte der Erhaltung der
Strafsc noch die Industrie ein Interesse habe, die Felgenbreiten über
10 cm bis 12 cm zu vermehren. Auf Anordnung des Ministers der
öffentlichen Arbeiten stellte Morin nochmals zur Beantwortung be¬
stimmt gestellter Fragen neue Versuche an, welche zu folgendem
Ergebnifs führten Aö)
1) Die Grundlage der Kadfelgengesetze, dafs die Felgenbreite
im Verhältnifs zur Last wachsen müsse, ist nicht genau.
2) Bei gleicher Last erzeugen Räder mit 0 cm breiten Felgen eine
stärkere Abnutzung als solche mit 11,5 und 16,5 cm breiten Felgen.
Die Abnutzung bei letzteren Felgenbreiten ist dagegen so wenig ver¬
schieden, dafs es nur von geringem Vortheil ist, über 11,5 cm breite
Felgen anzuwenden.
3) Im Interesse der Erhaltung der Strafsen ist zu wünschen,
dafs die Ladegewichte der Fuhrwerke nicht 3500 bis 4000 kg über¬
steigen usw.
Die Untersuchungen MorinsS") wurden von Dupuit heftig an¬
gegriffen, welcher auf Grund neuer Versuche u. a. zu dem Ergebnifs
gelangte, dafs der Widerstand auf befestigten Strafsen von der Breite
der PAlgen unabhängig sei. Ueber die von Dupuit in einer Denk¬
schrift niedergelegten Ergebnisse erstattete Emmery einen Bericht, 2«)
in welchem es heifst: „Bisher nahm man an, dafs die Zugkraft in
rascherem 1 erhältnifs als der Druck zu-, dagegen mit der Breite der
Felgen abnähme. Man schlofs hieraus, dafs es im Interesse der
Fuhrwerke liege, die Felgenbreiten zu vergröfsern und die Lade¬
gewichte zu vermindern. Trotzdem behände das Fuhrwerk dabei,
die Ladegewichte zu vermehren und die Felgenbreiten zu vermindern“
— ersteres auch um das Gewicht der todten Last einzuschränken. Um
diesen Widerspruch zu heben, suchte Emmery durch unmittelbare
Versuche festzustellen, ob die Breite der P"' eigen für die Erhaltung
der Strafsen eine solche Wichtigkeit besitzt, wie bis dahin ange¬
nommen wurde. Emmery fand, dafs bei einer 17 cm breiten Felge
(infolge der Abschleifung der Kanten) nur der 9 cm breite mittlere
Streifen, bei einer 14 cm breiten Felge nur ein Streifen von 6 cm
Breite vorwiegend den Druck vermittele. Emmery hält daher auch
das in England bei den Reisewagen übliche Verfahren, die Felgen
elliptisch zu gestalten, für begründet. 2»^) Die Berührungsfläche eines
Rades mit der Strafse ist nach Emmery kein Rechteck, sondern eine
Ellipse (Abb. 11), deren kleine Achse a jedoch nicht in gleichem
Verhältnifs wie die Felgenbreite zu¬
nimmt. In der Ellipse selbst ist der
Druck in den einzelnen Längen- und
Breitenlinien verschieden. Uebrigens
dürfe man nicht die Wirkung des
Raddruckes auf einen einzelnen Stein
oder Kiesel in der P^ahrbahn aufser
Acht 1 ässen. Eine Zerstörung einzelner
Steine würde nicht durch Vergröfse-
rung der Felgenbreiten, sondern nur
durch Einschränkung des Raddruckes
unter die Grenze des Widerstandes der P''ahrbahngesteinarten ver¬
mieden. Emmery glaubt, dafs bei einer Bemessung des Höchstdruckes
auf 4000 kg die Steinbahn nicht durch Zerdrückung, sondern durch
Abreibung abgenutzt werden würde. Wenn die Verkehrsindustrie zur
Verminderung der todten Last danach strebe, das Ladegewicht der
einzelnen Fuhrwerke möglichst zu steigern, so erfordere das Interesse
der Strafsenunterhaltung die Ijadegewichte möglichst zu theilen, um
den Raddruck unter der Grenze des Widerstandes der Gesteine zu
halten. Auf Grund seiner und seiner Vorgänger Untersuchungen
und Forschungen gelangt Emmery zu dem Endschlufs, dafs es genüge
1) ein Mindestmafs der Felgenbreite,
2) ein Höchstmafs des Raddruckes
(etwa 2000 kg Ladung f. d. Rad) vorzuschreiben, wobei die Interessen
2ä) Debauve: S. 13 — 16.
2<>) Debauve: S. 24.
27) Morin: Experiences sur le tirage des voitures etc.; Debauve;
S. 18 — 27 ; von Kaven : S. 18.
28) Emmery: Recherches sur les principes, qui paraissent devoir
former la base d’une nouvelle legislation pour la police de roulage.
Ann. d. ponts et chauss. 1841; Debauve: S. 33; von Kaven: S. 21.
28 Nach Krönke: S. 161 waren früher in Deutschland auch ge¬
wölbte Felgen in Gebrauch.
der Industrie und der Strafse gewahrt und ausgeglichen würden.
Die Morin -Dupuit -Emmeryschen wissenschaftlichen Arbeiten gaben,
indem sie die Fehler der bis dahin bestehenden Vorschriften über
die Radfelgen aufdeckten, zu einer neuen, den zweiten Zeitabschnitt
umfassenden Gesetzgebung Anlafs.
Wenn auch die «Gesetze des zweiten Abschnittes sich durch eine
bessere Uebereinstimmung mit den thatsächlichen Verhältnissen aus¬
zeichnen, so gelangte doch das Endergebnifs der Morin-Dupuit-
Emmeryschen Versuche zu keinem vollen Ausdruck. Die neuen
Vorschriften bilden gleichsam die Mittellinie aus den alten Gesetzen
und den 8chlufsfolgerungen der neuen P^ntersuchungen. Was zunächst
Frankreich anbelangt, so hatte dasselbe das oben erwähnte Gesetz
von 1807 mannigfach abgeäudert, bis dasselbe im Jahre 1837 eine
neue Gestaltung erhielt. Das neue Gesetz2») gestattete auf ein
Centimeter P^elgenbreite:
im Winter im Sommer
bei 2räderigem P^uhrwerk 100 kg 120 kg,
bei Iräderigem P^uhrwerk 123 kg 145 kg.
Gegenüber dem 1807er Gesetz bezeichnet das neue Gesetz insofern
einen P''ortschritt, als es auf das Centimeter Felgenbreite bei breiten
P''elgeu keinen gröfseren Druck gestattet, als bei schmalen Felgen.
Das Gesetz von 184180) setzt nach den Untersuchungen von Morin,
Dupuit und Emmery durchweg 125 kg als zulässige Belastung auf
das Centimeter Felgenbreite fest und hebt somit gegenüber dem
1837 er Gesetz die Unterscheidung der Jahreszeit und des zwei- und
vierräderigen Fuhrwerkes auf. Inzwischen ist auch das 1841er Gesetz
durch das noch geltende, später zu erwähnende Gesetz von 1851
aufgehoben.
In diesen Zeitabschnitt fallen in Deutschland die ersten Gesetze
über die Radfelgen, welche durch die lebhafte Thätigkeit in der
Herstellung von Kunststrafsen hervorgerufen wurden. Den älteren
Gesetzen, wie der Jülich-Bergischen Polizeiordnung von 1554, dem
Rheinischen Ruralgesetz von 1791, dem allgemeinen Landrecht
(Abschnitt von Land- und Heerstrafsen) von 1794, der Bergischen
Wegeordnung von 1805, fehlt jede Vorschrift über die Radfelgen.
Die erste Verordnung für Preufsen^i) wurde am 17. März 1839
erlassen, um „die bisher verstattete Willkür hinsichtlich der Be¬
lastung und Einrichtung der P^uhrwerke sowohl für die Unterhaltung
der Kunststrafsen, als für den Verkehr auf denselben zu begegnen“.
Diese bis 1888, also 49 Jahre in Kraft verbliebene Verordnung regelt
mit Berücksichtigung einer Abänderung von 1840 die Belastung für
gewerbsmäfsig betriebenes Frachtfuhrwerk wie folgt:
An¬
zahl
der
Räder
Felgenbreite
cm
Ladegewichte
im
Wa-
gen-
ge-
wicht
kg
Ladegewiclite
auf das
Centimeter
Felgenbreite
im
Wageu-
gewicht
auf das
Centi¬
meter
Felgen¬
breite
kg
Gesamtlast
auf das
Centimeter
Felgenbreite
im
Win¬
ter
leg
Som¬
mer
kg
Win¬
ter
kg
Som¬
mer
kg
Win¬
ter
kg
Som¬
mer
kg
zwei
bis 10,5
514
514
_
_
_
_
_
von 10,5 bis 13,1
1543
2058
1029
73
98
49
122
147
„ 13,1 „ 15,7
2058
2572
1158
79
98
44
123
142
15,7
2572
3087
1286
82
98
41
123
139
vier
bis 10,5
1029
1029
—
—
—
—
—
von 10,5 bis 13,1
3087
4116
2058
73
98
49
122
147
„ 13,1 „ 15,7
4116
5145
2315
79
98
44
123
142
15,7
5145
6174
2572
: 82
98
41
123
139
LTnter Zurechnung des Eigengewichtes ergab sich die gröfste
zulässige theilbare Last auf zwei Achsen zu 170 Ctr. oder der höchste
Raddruck zu 2187 kg. Gröfsere untheilbare Lasten waren nur unter
besonderen Bedingungen — Ministerial-Erlafs vom 10. September 1857
— gestattet. Die 1839er Verordnung bezeichnet gegenüber den
älteren französischen und englischen Gesetzen insofern einen Fort¬
schritt, als das gröfste Mafs der Felgenbreite mit 15,7 cm (6 Zoll)
richtiger bemessen ist. Dagegen sind die Felgenbreiten von 10,5 bis
15,7 cm zu stark begünstigt. Schon das geringe Ladegewicht von
.520 kg macht eine Felgenbreite von 10,5 cm erforderlich, obgleich
der Druck der Ladung und des etwa 700 kg betragenden Wagen¬
gewichtes auf das Centimeter Felgenbreite nur rund 60 kg beträgt,
mithin eine geringere Felgenbreite vollkommen ausgereicht haben
würde. Thatsächlich wurden somit für das Frachtfuhrwerk Felgen¬
breiten von 6 cm bis 10,5 cm ausgeschlossen.
Das zur Zeit gültige Gesetz vom 20. Juni 1887 — dem für
Hannover das Gesetz vom 22. Februar 1879, für Posen das Gesetz
vom 8. September 1886, für Wiesbaden die Verordnung vom 15. März
2«) Ahlburg: S. 20; von Kaven: S. 21.
8«) Ahlburg: S. 20.
81) Nach dem Deutschen Bauhandbuch HI. S. 171 sollen in
einigen Provinzen Felgenbreiten von 17,5 bis 29 cm vorgeschrieben
gewesen sein.
Nr. 19'.
Centralblatt der Bauverwaltung.
195
1884 voraugegangen war — bezeichnet daher gegenüber der 1839er
Verordnung darin einen wesentlichen, dem Ergebnifs der wissen¬
schaftlichen Untersuchungen entsprechenden Fortschritt, als die
untere Grenze der Felgenbreite von 10,5 cm auf 5 cm herabgesetzt
worden ist. Desgleichen ist in zeitgemäfser Weise der Unterschied
zwischen gewerbsmäfsig betriebenem und landwirthschaftlichem
Fuhrwerk fallen gelassen worden. Ebenso übt die Jahreszeit keinen
Einflufs mehr auf das zulässige Ladegewicht aus. Das Gesetz
gestattet bei
Felgenbreiten
cm
Ladegewichte
Ladegewicht auf das
Centimeter Felgenbreite
auf zwei-
räderigem
Fuhrwerk
kg
auf vier-
räderigem
Fuhrwerk
kg
zwei¬
räderiges
Fuhrwerk
kg
vier¬
räderiges
Fuhrwerk
kg
von 5 bis 6V2
1000
2000
100
100
« 6V2 „ 10
1250
2500
96
96
„10 „ 15
2500
5000
1 125
125
15 und darüber
7500
7500
! 250
125
Den Unterschied der beiden Gesetze verdeutlicht nachstehende
Zusammenstellung ;
Felgenbreite
cm
Ladegewicht auf ein Centimeter Felgenbreite
, Verordnung von 1839
i tg
Gesetz von 1887
kg
5
51
100
6V2
40
96
10
98
125
15
98
250
S
zweiräderiges Fuhrwerk
Der nach der Verordnung von 1839 2187 kg betragende höchste
Raddruck steigert das neue Gesetz, welches auf ein zweiräderiges
etwa 1900 kg wiegendes Fuhrwerk 7500 kg Ladegewicht (§ 4)
gestattet, auf 4700 kg. Zur Anpassung an die örtlichen Verhältnisse
gestattet § 6 Erhöhungen und Verminderungen der festgesetzten
Ladegewichte. Die Bestimmung, dafs die Felgen eben — nicht
gewölbt — sein sollen, ist beibehalten, bezw. der betreifende § 9 der
1839er Verordnung nicht aufgehoben.
Was die übrigen deutschen Staaten anbelangt, so setzt das
braunschweigische Gesetz vom 25. November 1839* *2) für Felgen¬
breiten von 10,5 bis 16 cm das zulässige Ladegewicht für zwei¬
räderiges Fuhrwerk im Winter auf rund 1250 bis 2750 kg, im
Sommer auf 1800 bis 3300 kg fest. Die im Sommer zulässige
Belastung auf das Centimeter Felgenbreite wächst wie beim 1807 er
französischen Gesetz mit zunehmender Felgenbreite, während dieselbe
abnehmen mufste. Im Königreich Sachsen besteht noch zur Zeit
die Verordnung vom 16. April 1840, die inhaltlich mit der preufsischen
Verordnung von 1839 übereinstimmt. Württemberg und Bayern
weisen insofern eine Abweichung auf, als sie die Felgenbreiten nicht
nach der Ladung, sondern nach der Zahl der Zugthiere bemessen,
Tvie dies schon von dem oben erwähnten französischen Gesetz von
1804 geschehen war. Das württembergische Gesetz vom 14. Juli 1839,
desgl. das bayerische vom 25. Juli 1850 setzen fest (ersteres jedoch
nur für vierräderiges Fuhrwerk mit drei und mehr Pferden) :
für zweiräderiges Fuhrwerk für vierräderiges Fuhrwerk eine Felgen¬
bespannt mit bespannt mit
— 2 Pferden 6,6
2 Pferden 3 oder 4 Pferden 10,5
3 oder 4 Pferden 5 bis 8 Pferden 15,7
Die vorstehenden Gesetze werden jedoch nicht oder nur in einzelnen
Bestimmungen gehandhabt.**)
In diesem zweiten Abschnitt hat sich in der Bestimmung der
Felgenbreiten, namentlich des gröfsten Mafses derselben, ein
bedeutender Umschwung auf Grund der französischen wissenschaft¬
lichen Arbeiten vollzogen. Jedoch finden letztere insofern noch
keine volle Berücksichtigung, als
1) die obere Grenze der Felgenbreite (mit 15 cm) zu hoch be--
messen ist, um in ganzer Breite zur Wirkung gelangen zu können,
2) das Mafs der Felgenbreite nicht freigegeben, bezw. dessen
Feststellung den Communalverbänden auf Grund der örtlichen Ver¬
hältnisse überlassen worden ist,
3) der zulässige Druck auf das Centimeter Felgenbreite mit
wachsender Last nicht stets ab- sondern auch zunimmt, und
*2) Ahlburg: S. 18.
**) Laissle: Strafsenbau S. 531.
Wie im preufsischen Gesetz von 1887 von 96 kg auf 250 kg.
4) der zulässige Raddruck nicht stets unter der zur Vermeidung
der Zerstörung einzelner Steine innezuhaltenden Gröfse liegt.**)
Um die Gesetze des dritten Zeitabschnittes zu verstehen, rnufs
nochmals darauf hingewiesen werden, wie die französischen Versuche
die frühere Annahme, dafs je gröfser die Felgenbreite desto geringer
der Druck auf das Centimeter Felgenbreite und desto geringer die
Abnutzung sei, als nicht oder nur bedingt richtig erwiesen hatten,
womit das Mafs der Felgenbreite für die Erhaltung der Strafse die
zugeschriebene weittragende Bedeutung verlor. Inzwischen war auch
für die Strafsentechnik insofern ein wesentlicher Fortschritt ein¬
getreten, als die entstandenen Eisenbahnen das früher eng begrenzte
Bezugsgebiet der Strafsenbausteine vielfach erweiterten und in
höherem Mafse die Verwendung härterer Gesteine ermöglichten,
wofür übrigens schon Ober-Wegebauiuspector Wesermann**') einge¬
treten war. Durch die gegen 1830 eingeführten Pferde walzen *7) und
die seit einigen Jahrzehnten daneben auftretenden und erstere ver¬
drängenden Dampfwalzen wurde des weiteren eine so feste Lagerung
der Steine in den Fahrbahnen erzielt, dafs dadurch in weiterem Mafse
die Breite der Felgen auf die Abnutzung an Einflufs verlor. Das
Bestreben in diesem Zeitabschnitt drückt von Kaven**) bezeichnend
dahin aus: „Man neigt sich daher immer mehr der Ansicht zu, dafs
die Begrenzung des Gewichtes der Wagen für die Bahn nicht von
so grofser Wichtigkeit ist, wie man bisher geglaubt hat, und bemüht
sich, das beste Material, wenn auch zu hohen Preisen, für die
Oberfläche der Strafse zu verwenden, um einschränkende Vorschriften
über Felgenbreite möglichst entbehren zu können. Genau genommen
ist auch die zulässige Belastung für jedes andere Strafsen-Material
eine andere.“
Auf diesem neuen Standpunkt steht das französische Gesetz
vom 30. Mai 1851,**) dessen Artikel 1 lautet: „Wagen mit oder ohne
Federn, mögen sie der Personen- oder Waren-Fortbewegung dienen,
dürfen auf den National-, Departemental- und den Gemeindestrafsen
mit grofsem Verkehr ohne jedwede Beschränkung bezüglich des
Gewichtes oder der Felgenbreite verkehren.“ Artikel 2 legt jedoch
dann der Verwaltung das Recht zu, die gröfste Zahl der Zugthiere
für die einzelnen Fuhrwerke festzusetzen. Die Verordnung vom
10. August 18521*) gestattet als gröfste Zugthierzahl:
für zweiräderiges Frachtfuhrwerk 5 Pferde,
„ vierräderiges „ 8 „
„ zweiräderige Personenwagen 3 „
„ vierräderige „ 6 „
Bei der Bewegung grofser Lasten, bei Schnee und Glatteis sind
Ausnahmen, bei langen Steigungen Vorspannpferde zulässig. Das
Gesetz und die Verordnung gewähren also hinsichtlich der Felgen¬
breite vollständige Freiheit, während sie anderseits die Gröfse der
Ladung durch die Beschränkung der Zahl der Zugthiere mittelbar
begrenzen. Auch England hat die beschränkenden Bestimmungen
über die Felgenbreiten aufgehoben, bezw. die Regelung den Gemein¬
wesen überlassen. Das für England gültige Gesetz vom 16. August 1878
— Highways and Locomotives (amendment) Act 1878 — gewährt in
Section 26 den Grafschaften das Recht zum Erlafs von Sondergesetzen
hinsichtlich der Felgenbreite, der Gröfse und Anzahl der Räder, der
Radnägel, der Hemmvorrichtungen usw. Zu erwähnen ist noch, dafs
die Kosten der Ausbesserungen, die durch aufsergewöhnlichen Ver¬
kehr oder durch aufserordentlich schwere Ladungen veranlaist worden
sind, nach Section 23 von den Fuhrwerksbesitzern eingefordert, bezw.
eingeklagt werden können.
In Deutschland hat Baden ebenfalls sämtliche Bestimmungen
über die Felgenbreiten aufgehoben. Von der Strafsenpolizeiordnung
vom 12. Mai 1882 besteht nur noch § 10 in Kraft, nach welchem
Brücken ohne vorgängige Genehmigung nicht mit gröfseren Lasten
als 10 000 kg befahren werden dürfen. Nach Mafsgabe der Bedürf¬
nisse und Verhältnisse können jedoch für einzelne Strafsenstrecken
orts- oder bezirkspolizeiliche Verfügungen erlassen werden. So setzt
eine Verordnung für die 7 km lange Sandstrafse in der Strafsenbau-
inspection Achern die Felgenbreiten fest
bei Belastungen von 3750 bis 6000 kg zu 9 cm,
bei desgl. von 6000 kg und mehr zu 13 cm.
Dieser kurze Ueberblick der geschichtlichen Entwicklung der
gesetzlichen Vorschriften über die Radfelgen und die Ladegewichte
der Fuhrwerke hat somit zu dem Ergebnifs geführt, dafs diese Vor¬
schriften in dem Mafse an Bedeutung verloren haben und dem-
**) Wie der nach dem preufsischen Gesetz von 1887 zulässige
Raddruck von 4700 kg.
**) Handbuch usw. S. 124.
*^) Dietrich: Baumaterialien der Strafsen S. 6.
*8) Wegebau S. 20.
**) Debauve: S. 39.
4®) Debauve: S. 40.
Centralblatt der Baiiverwaltung.
14. Mai 1890.
196
entspi-echend aufgehoben oder gemildert worden sind, wie die
Wissenschaft dieselben hinsichtlich ilires Werthes prüfte und gleich¬
zeitig die Strafsentechnik mehr und mehr das Ziel verwirklichte,
durch Anwendung festerer Gesteine und besserer befestigungs- und
Unterhaltungsverfahren möglichst widerstandsfähige, feste, dauerhafte,
ebene Fahrbahnen herzustellen. Anderseits aber hat dieser Ueber-
blick des weiteren die Thatsache an den Tag gelegt, dafs auch die
Aveitgehendste Pflege und Verbesserung der Strafsen niemals eine
vollständige Aufhebung aller gesetzlichen und polizeilichen Be¬
stimmungen herbeiführen kann. Uenn in demselben IMafse, Avie es
der Technik gelingt, durch Vermehrung der Festigkeit, Ebenheit
und Widerstandsfähigkeit der Fahrbahnen den ReibungsAviderstand
zu vermindern, Avird die Ladung der einzelnen Fuhrwerke vergröfsert
Averden können, Avas Aviederum eine stärkere Abnutzung zur Folge
hat und dadurch unter Umständen einschränkende Bestimmungen
nothAvendig macht. Desgleichen ist zu berücksichtigen, dafs, Avenn
auch das Bestreben darauf gerichtet ist, die Aveicheren Gesteinsarten
durch festere zu ersetzen, erstere doch nicht ausgeschlossen Averden
können, Avenn nicht die Unterhaltungskosten der Strafsen über das
zulässige Mafs hinaus Avachsen sollen. Wie neben dem harten Basalt
auch der Aveichere Kalk- und Sandstein, der spröde, leicht zerspringende
Kiesel auf absehbare Zukunft hinaus zur Fahrbahndecke verwendet
Averden mufs, so Avird auch neben der Dampfwalze die in geringerem
Grade eine Dichtung der Steindeckungen herbeiführende PferdeAvalze
noch in Gebrauch bleiben. Trotz der Fortschi-itte in der Strafsen¬
technik Averden daher die Strafsen in der Steinart, im Unterhaltungs¬
verfahren, soAvie in sonstigen Verhältnissen stets eine gCAvisse nicht
zu beseitigende Verschiedenheit aufAveisen. Hinzu tritt, dafs, nachdem
die Eisenbahnen an Stelle der Strafsen die grofsen durchgehenden
Verkehrslinien gCAvorden sind und die Strafsen nur dem örtlichen
Verkehr dienen, die örtlichen Eigenthümlichkeiten in dem Baix der
Fuhrwerke, in der Art der Ladung ixsav. jetzt Aveit stärker hervor¬
treten, als in jenem erstexx Zeitabschnitt — dem Ende des vorigen
und dem Anfänge dieses Jahi'hunderts — , wo dieselben FxxhrAvei-ke
nicht nur den Vei'kehr zAvischen einzelnen nahe gelegenen Ort¬
schaften, sondei’n auch zwischen ganzen Ländern vermittelten.
Diesen Verschiedenheiten und Eigenthümlichkeiten mufs ixnbedingt
die Gesetzgebung Rechnung tragen, wenn sie eine zeitgemäfse xxnd
zAveckentspi'echende sein soll. Die Bestimmungen über das Fxxhrwerk
sind daher nicht einfach axxfzxxheben, sondern den heutigen Vei'hält-
nissen gemäfs zxx gestalten.
Wenn axxf Gi’und des Gesetzes von 1851 die französische
Verordnung von 1852 für die National-, Departemental- xxnd Haxxpt-
Gemeindestrafsen dieselben Bestiramxxugen tiäfft, so ist hiex’bei die
Rücksichtnahme axxf die öi'tlichen Verhältnisse dem die Franzosen
kennzeichnenden Streben, zxx schematisiren, geopfert. Den richtigen
Weg schlagen Baden xxnd England ein, indem sie durch Staats¬
gesetze nur diejenigen Bestimmungen treffen, xvelclie — Avie z. B. in
Baden die Begrenzung des Höchstgewichtes der Ladungen im Intei-esse
der Axxfrechthaltung der Sichei'heit der Baxxwei’ke — für alle Strafsen
xxnter allen Verhältnissen beobachtet Averden müssen, im übi’igen
jedoch den Eidafs der im Strafsenintex-esse notliAvendigen Einzel-
bestimmxxngen über Felgenbreite usav. den einzelnen GemeinAvesen
überlassen xxnd deren Machtvollkommenheit nur veimünftig xxmgi-enzen.
Axxch das neixe prexxfsische Gesetz vom 20. Juni 1887 betritt diesen
Weg, insofern es in § 6 den Bezirksausschüssen das Recht giebt, die
festgesetzten Ladegexvichte herauf- xxnd hei-abzusetzen, jedoch gleich¬
zeitig das Mafs der Herabsetzung axxf ein Drittel begrenzt. Nach § 8
können Noriixalgexvichte für Wagen xxnd Frachtgüter von den Pro-
vincialräthen für die einzelnen Provinzen festgestellt Averden, Avähi’end
der § 6 der 1839er Verordnung die Wagenge xvichte ohne Rücksicht¬
nahme auf provincielle Eigenthümlichkeiten festsetzte. Auf diesem
Wege — die allgemeinen Bestimmungen durch Staatsgesetze, Sonder-
bestimmxxugen durch Eilasse der Gemeinwesen zxx treffen — wird den
besonderen Vex-hältnissen und Eigenthümlichkeiten in gebührender
xxnd vernünftigex-, iin Rahmen des Staatsinteresses liegender Weise
Rechnung getragen, Avie dies nicht nur der Sache selbst, sondern
axxch dem das Eigenthümliche und das Gemeinwohl gleichzeitig
pflegenden deutschen Wesen entspricht.
Damit jedoch die Sondergesetze und Einzelvorschi-iften mit den
besonderen Vex-hältnissen übereinstimmen, ist es ei-forderlich, für die¬
selben durch neu anzxxstellende Versuche, xvelche sich an die Moi-in-
Dupuit-Emmery sehen anzuschliefsen haben, eine neue, feste Grund¬
lage zu gewinnen. Seit jenen, für die damalige Zeit mustergültigen
Versuchen hat die Strafsentechnik in Bezug auf die Herstellung
glatter, fester Bahnen so wesentliche Fortschritte gemacht, dafs
diese Versxxche für die heutigen Vei-hältnisse nicht mehr voll aus¬
reichend sixid.
Durch neue Versuche Avird festzxxstellen sein u. a. :
1) Tn Avelchem Mafse hat bei derselben Last die Felgenbreitc
einen Einflufs axxf die Abnutzung, bezAv. Avelche gesetzmäfsigen
Beziehungen bestehen zwischen der Lastgröfse, der Felgenbreite xxnd
der Abnutzungsmenge?
2) Welchen Einflufs hat die Form der Felge — elliptische,
Ivreisbogen-, ebene Form — bei verschiedenen Felgenbreiten und
Lastgröfsen axxf die Abnxxtzxxng?
3) Wie ändern sich die unter 1 genannten Beziehungen zwischen
Lastgröfse, I^'elgenbreite xxnd Abnutzung bei den verschiedenen zur
Verwendxxng kommenden Gesteinarten?
4) Welchen Einflufs übt die Jahreszeit axxf die vorerxvähnten
Beziehxxngeu axxs?
5) Wie grofs ist mit Rücksicht auf die Brücken und Durchlässe
der höchstzxxlässige Rad- bezxv. Achsendruck zu bemessen?
0) Ist es notliAvendig, axxch desAvegen den Raddruck in seinem
Höchstmafs zxx bestimmen, um einer Zerdrückung einzelner Steine
vorzubeugen?
Gleichzeitig könnte durch Versxxche ermittelt Averden, in Avelchem
Mafse der Fahrbahixverschleifs bedingt wird
a) durch die Hufe der Zugthiere,
b) dxxx'ch die Räder der FixhrAverke,
Avobei «) ein Abschleifen,
ß) ein Zerdrücken der Fahi-bahnsteine
zxx unterscheiden xväre.
Möge diese kurze Darlegung den deutschen Fachgenossen und'
technischen Hochschxxlen eine gexvisse Anregung geben, auf dem
vorerwähnten Gebiete Untei-suchungen anzustellen und wissenschaftlich
zu verarbeiten, xxm die seit den französischen Versxxchen in dieser
Richtixng nicht fortgeschx-ittene Strafsentechnik durch Erkenntnifs
der zAvischexi dem Fxxhrwerk und der Strafse xxnter den heutigen,,
verschiedenartigen Verhältnissen bestehenden gesetzmäfsigen Be¬
ziehungen Aveiterzxxführen xxnd damit axxch für die das Fuhrwerk
betreffende neue Gesetzgebung eine feste, die Ei-reichung des Zweckes
sichernde Grundlage zu schaffen.
Kleve, im Juli 1889. Zoller,
Landes - J3aiiinspector.
Verstärkung des Eisenbahnbetriebes auf der Brooklyn -Brücke bei New-York.
Die Anzahl der zAvischen den Schwesterstädten Nexv-Yoi-k und
Brooklyn beförderten Personen bezifferte sich im Jahre 1887 aixf
rund 75 Millionen, von welchen 45 Millionen die zahlx-eichen zAvischen
beiden Städten eingerichteten Fährvex-bindungen benutzten, Avährend
der übrige Verkehr von 30 Millionen sich über die East River-Hänge¬
brücke hinweg bexvegte. Dieser letztere Verkehr war seit der im
Jahre 1883 erfolgten Eröffnxxng dieser Brücke, xvelche zwischen den
genannten Städten die einzige feste Verbindung herstellt, gexvaltig
angewachsen, xvie dies die folgende Zusammenstellung zeigt.
Dxxrchschnittliche Anzahl der täglich befördei-ten Personen xväh-
rend der ersten 9 IMonate des Betriebes bis Ende Mai 1884:
desgl. Juni 1884 bis Ende Juni 1885:
„ 1885
„ 1886
. 1887
„ 1888
.. 1889
Am 30. April 1889 benutzten die
159 259 Personen. Der Vei-kehr ist über
1886:
1887:
1888:
1889:
1889:
21 380
30 881
59 825
72 298
80 019
87 396
93 993
., „ Dec.
Bi-ücke nicht xveniger als
die einzelnen Tagesstunden
sehr xxngleichmäfsig vertheilt; in der Abb. 1 ist durch die aus¬
gezogenen Linien gezeigt, xvie die Hauptmasse des Verkehres sich
vor Beginn der Geschäftsstuuden voxi Brooklyn nach Nexv-York be¬
wegt; die gestrichelten Linien geben an, xvie dieser Verkehr nach
Schlufs der Geschäftszeit die xxmgekehrte Richtung nimmt. Die Auf¬
zeichnungen der Abb. 1 beziehen sich axxf den 29. November des
Jahres 1887.
Die Fahrbahn der Brücke ist nach Abb. 2 (vgl. Jahi-gang 1883,
S. 105 d. Bl ) in fünf Zonen getheilt, von xvelchen die beiden äufseren
dem Verkehr xmn Strafsenfahrzeugen dienen; die beiden anstofsenden
Abtheilungen xverden von vollspui'igen Eisenbahngeleisen eingenom¬
men, über der Mitte liegt ein ei-höhter Fxxfsxveg. Der Verkehr ver¬
theilt sich auf die Eisenbahnanlage und diesen Fxxfsxveg etwa im
Verhältnifs von 20 : 1. Die Geleise endigen beiderseits der Brücke
in kopfförmig angelegten Haltestellen, zwischen xvelchen stündlich
40 Züge von je 4 Wagexx vei'kehren. Die erforderliche Zugki-aft
liefert ein 38 mm starkes, über die Brücke geführtes Drahtseil, wel¬
ches durch eine xxnter dem Brückenzugang in Brooklyn axxfgestellte
Dampfmaschine mit einer Geschwindigkeit von 16 km in der Stunde
fortbexvegt xvird (x^gl. S. 332 d. J. 1885 d. BL). Bei der Ausfahrt
der Züge aus den Haltestellen xvird das Seil von denselben aufge-
«r. I9A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
197
Anzahl der
befördertenPersonon
100C0 ■
griffen und am andern Ende so zeitig fallen gelassen, dafs der Zug
die letzte Strecke von etwa 150 in, welche, obwohl beträchtlich über
die eigentlichen Anrampungeu der Brücke herausgehoben, doch
immer noch bedeutendes Gefälle
besitzt, mit Hülfe der eigenen
Schwerkraft in beschleunigter
Fahrt zurücklegt. Jeder Wagen
ist für 40 Personen eingerichtet;
zu Zeiten stärkeren Verkehrs
sind die Wagen indes oft der-
mafsen überfüllt, dafs sich in den¬
selben häufig bis zu 100 Personen
befinden. Auf diese Weise werden
zeitweise bis zu 14000 Personen
in der Stunde befördert. In den
ersten Zeiten des Betriebes wurden
Züge mit nur 2 Wagen gefahren;
im Jahre 1884 wurde ein dritter,
1888 ein vierter W ageu zugefügt ;
durch die so vermehrte Beförde¬
rungsgelegenheit wuchs indessen
der Verkehr dermafsen, dafs eine
thatsächliche Entlastung der Züge
nicht herbeigeführt wurde.
Die derzeitige Anordnung der
Endbahnhöfe wird durch Abb. 3
veranschaulicht, welche sich auf
die New-Yorker Brückenseite be¬
zieht. Die beiden Fahrgeleise der
über der eigentlichen Brücken¬
rampe erhöht angeordneten Bahn¬
hofsanlage sind an den beiden
Bahnsteigen a und 6, von welchen
a für Ankunft, 6 für Abfahrt be¬
stimmt ist, vorbeigeführt und endigen in zwei Ausziehgeleisen Z und Zi,
welche aufserhalb der Steige durch ein Weichenkreuz verbunden
sind. In den Geleisen Z und Z\ sind Verschiebmaschinen aufgestellt,
• Verkehr von Brooklyn nach New-
York (48 414 Personen).
Verkehr von New-York nach Brook¬
lyn (42 716 Personen).
Abb. 1.
welche die angekommenen Züge, sobald die Eeisenden ausgestiegen
sind, nach Z bezw. Z\ vorziehen und über die Kreuzung k hinweg in
das Abfahrtgeleis stofeen. Dieser Dienst erfordert im ganzen 5 Ver¬
schiebmaschinen und 4 Personale. Die Kosten hierfür beliefen sich
ira Jahre 1888 auf rund 60 pCt. der gesamten für den Betrieb aufge¬
wendeten Ausgabe. Der Fufsweg der Brücke ist unter den Kopf¬
geleisen Z und Z\ durchgeführt, liegt von m ab aber offen; die seit¬
lichen Fahrstrafsen sind unverändert gelassen und gegen die Bahn¬
hofsanlage durch senkrechte Wände abgeschlossen. Der Zugang zu
den Bahnsteigen erfolgt durch Treppenanlagen.
Betriebsstörungen sind bei der vorhin erläuterten Betriebsweise
begreiflicherweise nicht selten; zum grofsen Theil sind dieselben auf
Abb. 3. Gegenwärtiger Zustand.
Entgleisungen über der Kreuzung k und in den Gegenkrümmuugen
des Weichenkreuzes zurückzuführen.
Die Leistungsfähigkeit des Betriebes hängt lediglich von der
Einrichtung der Endbahnhöfe ab und ist zur Zeit, nachdem bau¬
liche Umänderungen — Verschiebung des Weichenkreuzes nach
der Brücke hin in die Lage x xi und Verlängerungen s«i der Bahn¬
steige, wie dies in Abb. 3' punktirt angedeutet ist — es nur schwer
ermöglicht haben, die Zugstärke auf 4 Wagen zu bringen, an der
äufsersten Grenze angelangt. Die Verhältnisse liegen so, dafs, wenn ein
Zug einfährt, ein anderer ausfährt und gleichzeitig ein dritter hält. Die
Erfahrung hat gezeigt, dafs zur ordnungsmäfsigen Abfertigung eines
Zuges ein Zeitraum von IV2 Minuten erforderlich ist. Bei dem stetig
wachsenden Verkehrsumfange ist nun eine Vermehrung sowohl der
Anzahl wie der Länge der Züge unabweisbares Bedürfnifs geworden.
Hierzu bedarf es aber eines vollständigen Umbaues der Endbahnhöfe.
Von den Verkehrsanstalten der Städte New-York und Brooklyn
ist die East River - Brücke die einzige, welche unter öffentlicher
Aufsicht steht; diese wird von einem besonderen Brück en-Ausschufs,
dem „Board of Trustees“ der Brücke, geübt. Im Jahre 1887 wurde
demselben ein von dem Ingenieur Emery ausgearbeiteter Entwurf
vorgelegt, bei welchem ein Hauptgewicht darauf gelegt war, die
Verschiebmaschinen entbehrlich zu machen. Es war eine Beseitigung
der Ausziehgeleise und eine Verlegung des Weichenkreuzes an das
andere Ende der Bahnsteige in Aussicht genommen, wie dies in
Abb. 4 angegeben ist. Gleichzeitig war noch ein Zwischensteig C
geplant und, um hierfür Raum zu schaffen, eine Verlegung des Fufs-
weges der Brücke auf eine über den Aufsensteigen erhöht liegende
Galerie vorgesehen. Die seitlichen Fahrstrafsen blieben hierbei im
wesentlichen unverändert. Für die Bemessung der Bahnhofslänge
war eine Zugstärke von 6 Wagen zugrunde gelegt. Die ankommen-
den Züge fahren auf einem der Geleise neben den Steigen a und b
ein, die angekommenen Reisenden steigen nach den Aufsensteigen
ab, gleichzeitig die zugehenden Reisenden vom Mittelsteig her ein,
worauf der Zug über die Kreuzung k abfährt. Dieser Anordnung
stehen so schwerwiegende Bedenken gegenüber, dafs es befremden
mufs, dafs die Brückenbehörde in der That die Ausführung in ernst¬
liche Erwägung genommen hat, und dafs dieselbe nur durch heftigen
Widerspruch, namentlich seitens der Presse, verhindert worden ist.
Waren bisher Zusammenstöfse zwischen einfahrenden und ausfahren¬
den Zügen unmöglich, so war ein derartiges Gefahr-Element in den
neuen Entwurf frisch hineingetragen. Die später angeregte Ver¬
besserung, anstatt der Weichen w und w\. Geleisverschlingungen an¬
zuordnen (vgl. Abb. 5), konnte diesen
Uebelstand nicht beseitigen; zudem war
es noch fraglich, ob eine dichtere Zug¬
folge als bisher ermöglicht werden
Abb. 5. konnte.
Die Folge war, dafs ein Ausschufs
von Sachverständigen eingesetzt wurde, welchem die Aufgabe wurde,
zu prüfen und zu berichten, „wie durch Umgestaltung der End¬
bahnhöfe am besten die Zahl und Länge der Züge auf der Brücke
zu vermehren sei“. Diesem Ausschufs gingen 17 bezügliche Ent¬
würfe zu, welche sich sämtlich nach vier verschiedenen Gesichts¬
punkten ordnen liefsen (vgl. hierüber auch die Jahrgänge 1888 und
1889 der Engineering News):
1. Betriebsweise auf den Endbahnhöten wie bisher mit beson¬
deren Verschiebmaschinen („tail switching System“),
2. Betrieb wie bei dem zurückgewiesenen Emeryschen Entwürfe,
ohne Anwendung von besonderen Verschiebmaschinen („head house
System“),
3. Betrieb auf endloser Bahn mittels endlosen Seiles; zu dem
Ende Vereinigung der Geleise an den Brücken-Enden in breit ausein¬
ander gezogenen Schleifen. Hier kamen zwei Formen in Betracht:
a) Grundrifsanordnung der Schleifen nach beiden Seiten der
Brückenachse gleichmäfsig; hufeisenförmig gekrümmte Bahn¬
steige innerhalb und aufserhalb der Schleifen; Zugang auf der
inneren, Abgang auf der äufseren Bogenseite. Zuglänge: 14
bis 18 Wagen („circulating System“),
b) Anordnung der Schleife nur nach einer Seite der Brücken¬
achse; Anlage der Bahnsteige in der Geraden; kurze Züge
von 3 bis 6 Wagen mit dichter Aufeinanderfolge von 10 bis
50 Secunden; Anordnung verschlungener Geleise („gauntleted
tracks“) auf der Brücke, welche zum Zwecke der Anlage dop¬
pelter Bahnsteige an den Brücken-Enden auseinander gezogen
werden sollten („loop System“).
Die Sachverständigen stellten als erste und wichtigste Bedingung,
dafs die Anwendung von Weichen und Kreuzungen, überhaupt jede Art
von Unterbrechungen im fortlaufenden Geleise vermieden werden müsse.
Dieser Forderung genügte nur eine Lösung nach 3 a, welche in einem
einzigen Entwurf, dem des Ingenieurs Wellington, vertreten war.
Dieser im übrigen eingehend begründete Entwurf wurde daun auch
198
Centralblatt der Banverwaltnng.
14. Mai 1890.
einstimmig angenommen (vgl. Abb. 6). In dem von dem Ansschufs
erstatteten Berichte wird auf die Einfachheit, Sicherheit und Billig¬
keit des Betriebes und auf die bedeutende Leistungsfähigkeit einer
solchen Anlage hingewiesen. Die Länge der Züge wie die Aus¬
dehnung der Bahnsteige konnten nach Belieben grofs bemessen, zahl¬
reiche Ab- und Zugänge angeordnet und so alles Gedränge vermieden
werden. Die Abfertigung der Züge mufste sich in der denkbar ein¬
fachsten Weise vollziehen, wenn man die Wagen nach der Seite des
Zugangsteiges mit einer Thür in der Mitte, nach der Abgangsseite
mit zwei Thüi-en an den Enden der Langseiten versah, wie dies in
Abb. 7 angedeutet ist. Als wei¬
terer Punkt verdiente Beachtung,
dafs die gleichförmige Grundrifs¬
bildung gestattete, durch eiu
grofses Kuppeldach den Bahn¬
hofsraum in wirkungsvoller Weise
zu überspannen, dessen Umfangs¬
wände benutzt werden konnten, um
über der geplanten noch eine zweite Station in Verbindung mit den
städtischen Hochbahnen anzulegen. Der Fufsgängerverkehr konnte
unbedenklich über den Innensteig nach und von der Brücke geleitet
werden.
Dieser grofsartig angelegte Plan, welcher im Jahrgang 1888 der
Engineering News näher erörtert ist, namentlich auch hinsichtlich des
Einflusses der gekrümmten Geleisanordnung an der Haltestelle auf
die Betriebsführung, wurde ungeachtet der warmen Befürwortung
seitens der Sachverständigen doch von der Brückenbehörde ohne
weiteres abgelehnt, und zwar, soweit die Mittheilungen der genannten
Zeitschrift erkennen lassen, wesentlich mit Rücksicht auf die erheb¬
lichen Grunderwerbskosten. Diese Behörde entschied sich vielmehr
für die Beibehaltung der gegenwärtigen Betriebsweise in ihren Grund¬
sätzen und lediglich für eine Erweiterung der bestehenden Anlagen
nach dieser Richtung, und zwar in der Weise, wie dies in einem der
Gruppe 1 angehörigen Entwurf des Ingenieurs Martin näher ausge¬
führt war. Dieser Plan stellt im wesentlichen eine Verdopplung
der bestehenden Anlage dar, durch welche man den Bedürfnissen
auf einen Zeitraum von etwa 7 Jahren Genüge zu thun hofft. Die
Anlagen sind auf beiden Seiten der Brücke wenig verschieden, sodafs
es genügt, den Entwurf für die New-Yorker Seite hier anzuführen,
welcher in Abb. 8 gezeigt ist.
f,nUunflsste/^
Kbfahptssie;^
Abb. 7.
Die Geleise sind auf der Brücke durch Verschlingung verdoppelt,
an den Enden aber soweit auseinander gezogen, dafs Raum für zwei
beiderseitig zu benutzende inselförmige Bahnsteige von je 6,1 m nutz¬
barer Breite gewonnen wird, welche je für ankommende und ab¬
gehende Reisende getrennt benutzt werden sollen. Hiernach sind die
Geleise zu Stumpfgeleisen Z und Zi, wie in der Abbildung ange¬
deutet, wieder vereinigt. Die Zahl der Geleiskrümmungen, welche
mit 30,.5 m Halbmesser angeordnet sind, ist gegen früher in einem
bedenklichen Umfange angewachsen.
Ein von links ankommender Zug läfst, wie bisher, das Zugseil
in einiger Entfernung von dem Bahnhofe fallen und gelangt, der
eigenen Schwere überlassen, auf abfallender Bahn mit vergröfserter
Geschwindigkeit an den Ankunfts-Bahnsteig, etwa bei a. Eine in
dem Geleise Z bereitstehende Maschine zieht, nachdem die Reisenden
ausgestiegen sind, den Zug aus, wird sodann abgekuppelt und
schiebt hierauf den Zug nach Umstellung der Weiche s über der
Kreuzung /c nach b an den Abfahrtssteig, ohne selbst die Kreuzung k
zu überschreiten. Mittlerweile ist auf dem Geleise «i ebenfalls ein
Abb. 8. Entwurf von Martin.
Zug eingefahren, welcher in ähnlicher Weise auf das Geleis bi be¬
fördert wird. Die Bedienung der Weichen soll von Hand geschehen.
Neuerdings ist geplant, die Verschiebbewegungen nicht mittels Ma¬
schinen, sondern mit Seilzug zu bewirken. Da die Aufeinanderfolge
der Züge lediglich von dem für das Umstellen derselben auf den
Bahnhöfen erforderten Zeitaufwande abhängt, dieser, wie bereits an¬
geführt, aber 90 Secunden beträgt, so rechnet man, dafs nach der
Ausführung des Martinschen Entwurfes eine Zugfolge von 45 Secunden
erreicht werden wird.
Wie man aus dem Gesagten sofort sieht, ist die Betriebsgefahr
bei dem neuen Entwurf in keiner Weise vermindert, eher vergröfsert,
sowohl infolge der vielen Gegenkrümmungen, als auch weil bei der
inselförmigen Anordnung der Bahnsteige in Fällen drohender Gefahr
ein Entweichen des auf denselben betindlichen Publicums kaum möglich
ist. Ueberdies stehen die Abmessungen der Steige zu dem Umfang
des Verkehrs in keinem rechten Verhältnifs. Trotzdem dürfte die
Anlage in nächster Zeit zur Ausführung gelangen und ist zu diesem
Zwecke bereits von der entscheidenden Stelle aus zum Erwerb des
erforderlichen Grund und Bodens die Ermächtigung ertheilt. Die
Kosten der Ausführung werden sich nach dem Anschläge auf
1 636 000 Mark belaufen, einschliefslich 1 036 000 Mark für Grund¬
erwerb. Kemmann.
Vermischtes.
Preisbewerhuiig um das Kaiser Wilhelin-Deukinal in der Rlieiii-
Itroviuz. Es wird für die Leser von Interesse sein zu erfahi-en,
welche Gründe bei der auf Seite 187 der vorigen Nummer mitge-
theilten Entscheidung in der genannten Wettbewerbung das Preisgericht
geleitet haben. Dem veröffentlichten kurzen Gutachten entnehmen
wir, dafs dem Entwürfe der Herren Jakobs u. Wehling der erste
Preis zuerkannt wurde, weil er nach Ansicht der Preisrichter die
glücklichste Lösung der Platzfrage enthielt. Die an und für sich
tüchtige künstlerische Arbeit befriedige indessen noch nicht, und die
endgültige Gestaltung für diesen Platz müsse einem späteren Wett¬
bewerbe Vorbehalten bleiben. — Die Schmitz’sche Arbeit hat den
zweiten Preis erhalten „wegen ihrer wuchtigen künstlerischen Dar¬
stellung“. Die Wahl des Platzes (Insel Grafenwerth) wird nicht ge¬
billigt, da ein Inseldenkmal nur auf der Nordspitze der Insel Nonnen¬
werth zu errichten sei. — Dem Plane des Bildhauers Albermann wurde
der dritte Preis zugesprochen „als dem einzigen Entwürfe eines
Denkmals für eine mäfsige Bergeshöhe (Hardtberg)“; von der künst¬
lerischen Leistung dieser Bearbeitung scheint man wenig befriedigt
gewesen zu sein. — Von den drei zum Ankauf empfohlenen Entwürfen
hat man „Dem unvergefslichen Kaiser“ wegen seiner treffenden
Lösung der Platzfrage für ein Inseldenkmal (Nonnenwerth) ausge¬
wählt; „Grafenwerth“ wurde erkoren, weil in ihm der Gedanke des
unbedingt zu fordernden Pestplatzes vor dem Denkmale zu vornehmer
Gestaltung gebracht sei, und „Siegfried“ hat man, obwohl der bild¬
nerisch zum Ausdruck gebrachte Gedanke für nicht verwendbar ge¬
halten wird, der hohen künstlerischen Reize seiner Hauptgruppe
wegen zur Berücksichtigung empfohlen.
Die Frage des Wiederaufbaues vom Nordthurme der Maria
Magdalenenkirclie iu Breslau, von der in den beiden letzten Jahr¬
gängen dieses Blattes wiederholt die Rede gewesen ist, hat vor
wenigen Tagen ihre endgültige Erledigung gefunden. Ein Antrag
des Magistrats, nach welchem der abgebrannte Thurmhelm und die
Brücke zwischen ihm und dem Südthurme in derjenigen Form wieder¬
hergestellt werden sollten, welche sie vor dem Brande in der Nacht
Sir. 19 A-
Centralblatt der Bauverwaltung.
199
zum 23. März 1887 gehabt haben, war von der Stadtverordneten- Ver¬
sammlung ihrem Bauausschusse zur Prüfung überwiesen worden.
Von diesem wurde die Genehmigung der Vorlage befürwortet mit
dem Hinzufügen, dafs der Nordthurm in seinen oberen Stockwerken,
insoweit sie jetzt geputzt sind, in Rohbau hei'gestellt werden möge.
Diesen Vorschlag des Ausschusses hat die Versammlung in ihrer
Sitzung vom 1. Mai d. J. zum Beschlüsse erhoben, und die Magda-
lenenkirche wird nun in wenigen Jahren wieder ihre beiden viel¬
geschossigen Renaissancehelme in die Lüfte recken, freilich ohne
durch ihre Erscheinung dem Beschauer von dem Geschicke zu er¬
zählen, das sie am letzten Geburtstage Kaiser Wilhelms I. getroffen.
Die Grofse Allgemeine Gartenbau -Ausstellung in Berlin 1890.
Der Gartenbau im preufsischen Staate ist eine verhältnifsmäfsig
junge Kunst, deren Anfänge nur bis zu der Regierung des Grofsen
Kurfürsten zurückreichen. Um so erfreulicher ist die Darstellung,
welche er in der vom Vereine zur Beförderung des Gartenbaues in
den Preufsischen Staaten in der Zeit vom 25. April bis 8. Mai d. J.
in Berlin veranstalteten Ausstellung gefunden hat und welche die
Aufmerksamkeit nicht nur engerer Kreise, sondern auch des Aus¬
landes in hervorragender Weise beansprucht.
Der genannte Verein, im Jahre 1822 in der Absicht gegründet,
auch auf dem Gebiete des Gartenbaues die Kräfte der vaterländi¬
schen Industrie und Kunst nach den verhängnifsvollen Jahren der
Befreiungskriege neu zu beleben und zu stärken, suchte seit seiner
Gründung durch wiederholte Ausstellungen einestheils gewonnene
Fortschritte zu veranschaulichen und durch gelegentlich der Aus¬
stellungen hervorgerufenen Meinungsaustausch neue Ergebnisse zu
erzielen, anderseits liefs er es sich angelegen sein, durch unmittel¬
bare Einwirkung auf die praktische Seite des Ganzen die Ziele,
welche er sich vorgesteckt, zu fördern.
Den beiden letzten im Frühjahr 1883 und im Herbst 1885
erfolgten Ausstellungen gröfseren Stils folgte die jetzige, welche
nach zwei Richtungen eine bedeutsame Erweiterung erfuhr, näm¬
lich nach der baukünstlerischen und nach der wissenschaft¬
lichen Seite. Es liegt sogar vielleicht das Wesentliche der dies¬
maligen Ausstellung darin, dafs sie neben sehr starker Betheiligung
und erschöpfender Veranschaulichung des heimischen und ausländi¬
schen Gartenbaues diese Erweiterung nach der Seite der Architektur
und des Kunstgewerbes zeigte und gleichzeitig der botanischen Wissen¬
schaft Gelegenheit gab, durch Sammlungen und sorgfältige Dar¬
stellungen von Forschungsergebnissen dem Verständnifs des grofsen
Publicums näher zu treten. Das Verdienst, diesem grundlegenden
Gedanken zur Ausführung verhelfen zu haben, gebührt dem Vor¬
sitzenden des Vereins, dem Geh. Ober -Finanzrath und Provincial-
Steuer-Director Herrn v. Pommer-Esche sowie dem Rector der
landwirthschaftlichen Hochschule, Herrn Professor Dr. Wittmack,
welcher als Generalseci’etär der Ausstellungs-Leitung wirkte.
Es kann an dieser Stelle nur auf eine kurze Mittheilung über
den baukünstlerischen Theil der Ausstellung ankommen. Die archi¬
tektonischen Gedanken, welche in dem Abschnitte des Katalogs
I. Decorative Abtheilung zusammengefafst waren und dessen
Unterabtheilung A. Gärtnerische Decorationen in Verbin¬
dung mit Architektur bildeten, waren im wesentlichen folgende:
1. Glänzende Decoration eines Festsaales; 2. decorative Aus¬
schmückung von Wohnzimmern, Salons, Speisezimmern; 3. Aus¬
schmückung eines Raumes in einem Hause für eine Trauung; 4. Aus¬
schmückung eines Raumes in einem Hause für eine Taufe; 5. gärt¬
nerische und architektonische Ausschmückung eines Erbbegräbnisses,
als freier Platz oder an der Rückwand eines Friedhofes gedacht;
6. gärtnerische Ausschmückung von Säulen -Balcons, freitragenden
Balcons, Freitreppen, offenen Hallen (Veranden), Terrassen am
Hause usw.; 7. ein heizbares, gröfseres Blumenfenster oder ein Blumen-
Erker mit zweckmäfsiger Lüftung; 8. decorirteWintergärten im An-
schlufs an das Wohnhaus; 9. decorirte Pavillons und 9a. Ver¬
schiedenes. Mit Ausnahme von Nr. 7 haben alle Nummern des Pro¬
gramms ihre baukünstlerische Ausführung erfahren. Unter Heranziehung
von ersten Firmen des Kunstgewerbes und durch die hohe Leistungs¬
fähigkeit der Gärtnerei ist es möglich geworden, alles Geplante in
die Wirklichkeit zu übersetzen und aufser durch Schaffung der
nöthigen Repräsentations- und Vorräume in Kojen, in Saalbauten usw.
in grofsem Mafsstabe das Gewollte vorzuführen. Von einer ein¬
gehenden Besprechung kann mangels geeigneter Abbildungen umso¬
mehr abgesehen werden, als gerade auch dieser Theil der Ausstellung
in den Tagesblättern eine erschöpfende Würdigung gefunden hat. Die
decorative Leitung der architektonischen Abtheilung lag in den Hän¬
den der Königl. Regierungs-Baumeister J affd u. Radke. Von ersterem
stammte unter anderem eine bemerkenswerthe Darstellung antiker Ar¬
chitektur in Verbindung mit Gartenbaukunst, eine Wiederherstellung
des Prachtzeltes des Ptolemäus Philadelphus , welches der König
ungefähr im Jahre 270 v. Chr. auf der Burg in Alexandrien zur Feier
der Dionysien errichten liefs. Die Darstellung, ein wandgrofses
decoratives Gemälde, zeigte das Innere des Baues, nach der Be¬
schreibung des griechischen Rhetors und Grammatikers Athenäus. —
Herr Radke hatte insbesondere den durch Herausnahme zweier
Trennungswände aus drei Sälen des Ausstellungsgebäudes zu über¬
raschender Raumwirkung hergerichteten grofsen Mittelsaal mit bau¬
lichen Einzelheiten versehen, aus deren Zahl wir nur die blumen¬
geschmückte Treppenanlage hervorheben, die [den Saal quer durch¬
zog und von deren oberster Plattform sich ein wunderhübscher
Ausblick auf die beiden Abtheilungen des mit erlesener Pflanzen¬
zier ausgestatteten Raumes bot.
Umfang des Strafsenverkehrs in London. Die Ueberfdllung der
Strafsen in der Londoner Innenstadt mit Wagen und Fufsgängern
nimmt von Jahr zu Jahr zu, und weder die Vermehrung der Verkehrs¬
mittel, noch die Herstellung neuer Strafsen durchbrüche , wie der
Königin Victoria-Strafse im Jahre 1874, haben die an sich zum Theil
recht engen Strafsen zu entvölkern vermocht. Zur Entlastung der in
westöstlicher Richtung geführten Strafsenzüge ist jetzt, nachdem die
im verflossenen Jahre eingebrachte Gesetzesvorlage über die Anlage
der sog. „London Central Railway“ zu Falle gekommen, der Bau
einer nach ähnlichen Gesichtspunkten anzulegenden, elektrisch zu
betreibenden Untergrundbahn, der „Central London Railway“, in
Antrag gebracht. Berathungen über diese Vorlage haben in diesen
Tagen durch einen Sonderausschufs des Unterhauses stattgefunden,
und hierbei wurden folgende Angaben über den Umfang des Strafsen¬
verkehrs zu Tage gefördert. Am 11. Februar d. J. belief sich der
Verkehr in der Cheapside auf 11558 Wagen und 72 645 Fufsgänger.
An Mercers Hall verkehrten am 1. April 11877 Wagen und 87 274
Fufsgänger; an Saddlers Hall am 2. April 13 590 Wagen und 101940
Fufsgänger. Durch Fosters Lane bewegten sich am 13. Februar
13 316 Fahrzeuge und 96 228 Fufsgänger. Ferner verkehrten am
12. Februar in der Roman Bath-Strafse 10 532 Wagen und 44 314 Fufs¬
gänger, am 1. April in der Newgate-Strafse 11556 Fahrzeuge und 47070
Fufsgänger, endlich wurden am 11. Februar zwischen 8 Uhr vor¬
mittags und 8 Uhr abends an den Holborn Bars 14 301 Wagen und
59 455 Fufsgänger gezählt. An den verkehrsreichsten Stellen in der
City sind bekanntlich Schutzleute aufgestellt, welche für die ordnungs-
mäfsige Bewegung des Verkehrs sorgen und den Fufsgängern bei
Ueberschreitung der Strafsen ihren Beistand leihen.
Als Ursache des Treibens mancher Gemente wird in neuerer
Zeit — besonders bei sehr langsam treibenden Cementen — ein über-
mäfsiger Gehalt an Magnesia angesehen. Näheres hierüber ergeben
z. B. die im Jahre 1888 von Dr. Böhme auf Seite 160 der Mitthei¬
lungen aus der Prüfungsanstalt für Baustoffe besprochenen Fälle.
Inzwischen sind von der Verwaltung der Reichseisenbahnen Proben
des Mörtels einer durch Treiben des Cementes beschädigten Brücke
der chemisch -technischen Versuchsanstalt behufs Ermittlung des
Gehaltes an Magnesia übergeben worden. Nach den vorliegenden
Zahlen beziffert sich der Gehalt des dem Mörtel zugesetzten Binde¬
mittels an Magnesia auf 13,19 v. Hundert. Wie viel Kalk bei der
Mörtelbereitung zugesetzt worden war, läfst sich jetzt nicht mehr
feststellen. Da aber der in der Gegend des Baues gewöhnlich ver¬
wendete Kalk nach einer seitens der Eisenbahnverwaltung angestellten
Untersuchung nur 1,13 v. H. Magnesia enthält, so ist zweifellos die
bei weitem gröfsere Menge der letzteren im Cemente vorhanden ge¬
wesen. Nimmt man an, dafs gleiche Theile Kalk und Cement ver¬
wendet waren, und dafs der Sand von Magnesia frei gewesen ist, so
berechnet sich die in dem Cemente enthaltene Menge dieses Stoffes
auf 2(13,19 — 1,13) = 24,12 v. H. Hiernach ist wohl auch in dem
vorliegenden Falle das stattgehabte Treiben des Mörtels auf den
aufsergewöhnlich hohen Magnesiagehalt des Cementes zurückzuführen.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, dafs die Frage der treiben¬
den Cemente durch die bisherigen Untersuchungen noch keineswegs
vollkommen geklärt ist. So ergeben beispielsweise die Zusammen¬
stellungen auf Seite 87 bis 91 des Jahrganges 1885 der Mittheilungen
aus den Königl. technischen Versuchsanstalten, dafs Cemente, die
nur Spuren von Magnesia enthielten (Sorte m), keine der drei Raum¬
beständigkeitsproben aushielten, und dafs andere mit 0,91 bis 1,67 v. H.
Magnesiagehalt (n, b, a, P) die Kochprobe nicht bestanden haben,
während Cemente mit 2,10 bis 2,89 v. H., also zwei- bis dreifachem
Gehalt an Magnesia (1, d, c, E, q) alle Treihproben ausgehalten
haben. Es erscheint hiernach — vorausgesetzt, dafs solche Proben
überhaupt mit einiger Sicherheit auf zukünftiges Treiben schliefsen
lassen • — , als ob aufser der Magnesia unter Umständen auch noch
andere Bestandtheile oder Herstellungsfehler das Treiben des Ce¬
mentes hervorrufen können. Weitere Untersuchungen und Mit¬
theilungen hierüber wären daher wohl angezeigt.
James Nasra3rtli f. Am 7. d. M. starb in London im hohen Alter
von 82 Jahren der bekannte englische Ingenieur James Nasmyth.
Er war im Jahre 1808 in Edinburg geboren. Seinen Weltruf be-
200
Centralblatt der Bauverwaltung.
14. Mai 1890.
gründete er dixrcli die Erfindung des Dampfhammers und der nach
ihm benannten Dampframme; aufserdem sind von ihm Bohrmascliinen,
Fräsmaschinen, Feilmaschinen u. a. nach eigner Erfindung vorhanden.
Büclierschau.
Handbuch der Architektur. Erster Band, zweite Hälfte: Die
Statik der Hochbau-Constructionen. Von Professor Theodor
Landsberg in Dannstadt. Zweite Auflage. Darmstadt 1889.
Arnold Bergsträsser. Preis 12 Mark.
Die neue Auflage des Werkes hat einen Umfang von 274 Seiten
mit 378 in den Text gedruckten Abbildungen und zwei Tafeln. Sie
zeigt gegenüber der ersten (auf Seite 110 des Jahrganges 1882 d. Bl.
besprochenen) Auflage einen Zuwachs von 37 Seiten und 57 Ab¬
bildungen; auch die Tafeln sind neu. Ein genauerer Vergleich mit
der früheren Fassung läfst erkennen, dafs eine sehr eingehende
Ueberarbeitung stattgefunden hat, durch welche die Brauchbarkeit
des Werkes ohne Zweifel nicht unwesentlich erhöht worden ist. In
diesem Sinne ist — aufser der Beseitigung einzelner kleiner Mängel
und der Hinzufügung manches Neuen — besonders die strengere
Gliederung des Stoffes anzuführen. Zweckmäfsig ist auch, dafs die
frühere willkürliche Eintheilung der Bände verlassen ist. Der vor¬
liegende Halbband umfafst nur einen Abschnitt, diesen aber voll¬
ständig, bildet also ein für sich abgeschlossenes handliches Ganzes.
Das Buch kann allen, die mit dem Entwerfen von Hochbau-Con¬
structionen zu thun haben, bestens empfohlen werden. — Z. —
Neu erschienene, bei der Kedaction eingegangene Werke:
Behse, l>r. W. H. Treppenwerk für Architekten, Zimmerleute
und Tischler, sowie für Baugewerk- und Gewerbeschulen, oder voll¬
ständige Abhandlung der Treppen in Holz. 3 Auflage. Weimar 1890.
Bernh. Friedr. Voigt. 13 S. Text und 199 Abb. auf 33 Steindruck-
Tafeln in 4". Preis ßjf.
14. Bericht über die Königliche Ober-Eealschule und Baugewerk¬
schule in Breslau. Breslau 1890. 28 S. in kl. 4“.
Borucki, Hr. Leon. Die trocknenden Gele und deren Eigen¬
schaften, Prüfung und Verwerthung in der Malerei. Abdruck aus
„Techn. Mitth. f. Malerei“ 1889. Nr. 74 u. 75. München. A. Keim.
29 S. in gr. 8“. Preis 0,80 .//f.
Breme, K. 182 Tafeln zur graph. Berechnung der Wasser¬
mengen und zur Bestimmung der Profilabmessungen der Wasserläufe
nach der Formel von Ganguillet u. Kutter. Freiberg i. S. 1889.
Verlag von Craz u. Gerlach (Job. Stettner). In 12 Lief. Lief. 5 — 12.
S. 65 — 194 in 4*. Preis der Lief. 1,50.///'.
Hammer, Hr. 0. Handwörterbuch der öffentlichen und privaten
Gesundheitspflege. Stuttgart 1890. Ferd. Enke. In 10 bis 12 Lief.
1. Lief. 80 S. mit 19 Abb. Preis der Lief. 2 J(.
Der Eheinstrom und seine wichtigsten Nebenflüsse von den
Quellen bis zum Austritt des Stromes aus dem Deutschen Eeich.
Im Auftrag der Eeichscommission zur Untersuchung der Eheinstrom¬
verhältnisse herausgegeben von dem Centralbureau für Meteoro¬
logie und Hydrographie im Grofsherzogthum Baden. Berlin 1889.
Ernst u. Korn. 359 S. in Folio, 9 Uebersichtskarten und -Profile
nebst einer Stromkarte des Eheins in 16 Blättern. Preis 45 jK.
Fritsch, K. E. 0. Die neue Synagoge in München, entworfen
und ausgeführt von Albert Schmidt. München 1889. J. B. Obernetter.
10 S. Text in Folio mit 15 Abbild., 10 photograph. Aufnahmen.
Preis 22,50 M.
Gemeinfafsliche Darstellung des Eisenhüttenweseus. Heraus¬
gegeben vom Verein deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf.
2. Auflage. Düsseldorf 1890. 112 S. in 8® mit 7 Abb. Preis 2J(.
Grashof, Hr. F. Theoretische Maschinenlehre. HL Bd. Theorie
der Kr.aftmaschinen. 5. Lief. (Schlufs des Werkes). Hamburg und
Leipzig 1890. Leopold Voss. S. 641—891 in 8® mit Holzschnitten
im Text. Preis der 5. Lief. 8 J(.
Günther. Verwendung des Delmenhorster Linoleums (Waltons
Patent) beim Bau des Herzog Ernst-Seminars in Gotha nebst Schil¬
derung der mit dem Material gemachten Erfahrungen, dem Legen
und Erhalten sowie den Kosten desselben. Dermbach 1889. 15 S.
in 8® mit Abbildungen.
Handbuch der Ingenieurwissenschaften von Dr. Th. Schaffer, Ed.
Sonne und Th. Landsberg. 2. Bd. 2. Auflage. 2. Abth. Die eisernen
Brücken im allgemeinen. Eiserne Balkenbrücken. 2. (Schlufs-)
Lieferung: Steiner, Fr., Theorie der eisernen Balkenbrücken (Schlufs).
Construction der eisernen Balkenbrücken. Leipzig 1890. Wilh.
Engelmann. S. 225 — 543 in gr. 8® mit 182 Abb. im Text und Tafel 8
bis 21. Preis 13 Jl.
Herrmann, L. Erläuterungen zur Planskizze für das Herrmann-
sche Eheindurchstich-Project behufs Gewinnung eines Hafens für die
Stadt Düsseldorf. Düsseldorf, März 1890. 4 S. in 4® nebst einem
Plan.
Hirth, Georg. Der Formenschatz. Jahrgang 1890. München
und Leipzig. G. Hirth. Heft III und IV. Jährlich 12 Hefte in
gr. 8". Preis des Jahrgangs 15 Jl.
Hohhs Berechnung elektrischer Messungen. Aus dem Englischen
übersetzt von 0. Kietzer. Halle a. S, 1890. Wilh. Knapp. 97 S.
in 16®. Preis 2 Ji.
Hoiisell, Max. Die Wasserstrafse zwischen Mannheim-Ludwigs¬
hafen und Kehl-Strafsburg — Canal oder freier Ehein? Abdruck aus
dem „Centralbl. der Bauverw.“, 1890. Berlin 1890. Ernst u. Korn.
37 S. in 8® mit einer Karte in Steindruck. Preis 1,50.4/.
Hojxpe, C. Hydi-aulische Schiffshebewerke (Entwurf von C.
Hoppe). Berlin 1890. 10 S. Text in 8® und eine Tafel.
Hoppe u. Roehmiiig. Das doppellagige Asphaltpappdach. Halle
a. S. 1889. 28 S. in 8® mit Abbildungen im Text.
Jacohstlial, E. Eückblicke auf die baukünstlerischen Principien
Schinkels und Böttichers. Eede zum Geburtsfeste Sr. Maj. des
Kaisers und Königs Wilhelm H. in der Aula der Kgl. techn. Hoch¬
schule in Berlin am 26. Januar 1890 gehalten. Berlin 1890. 20 S.
in gr. 8®.
Kosul), G. Accord-Lohn-Tabelle für die Aufstellung und Eevision
der periodischen Lohn-Eechnungen. Frankfurt a. M. Aug. Osterrieth.
208 S. Tabellen in 8®. Preis 3 Jl.
Krebs, Prof. Hr. G. u. Grawiiikel, C. Jahrbuch der Elektro¬
technik 1888 — 89. II. Jahrgang. Halle a. S. 1890. W. Knapp.
226 S. in 8® mit 99 Abbildungen im Text. Preis 6 Jl.
Lambert, A. u. Stahl, E. Motive der deutschen Architektur des
XVI., XVII. und XVIH. Jahrhunderts in historischer Anordnung.
(Mit Text von H. E. v. Berlepsch. I. Abth. Früh- u. Hochrenaissance
1500—1650. Stuttgart 1889. J. Engelhorn. Lief. 17 mit 2 Tafeln
und 16 S. Text in Folio. Preis der Lief. 2,75 Jl.
Lauiihardt, W. Theorie der Tarifbildung der Eisenbahnen.
Berlin 1890. Julius Springer. 84 S. in 8® mit 12 Abb. Preis 2 Jl.
Imoiihardt, 0. Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallver¬
hütung. Berlin 1889. Feuermelde- und Lösch-Vorrichtungen. Ab¬
druck aus „Gesuudheits-Ingenieur‘‘ 1890 Nr. 5. 8 S. in 4" mit 9 Abb.
Maerteus, Herrn. Optisches Mafs für den Städtebau. Bonn 1890.
Max Cohen u. Sohn (Fr. Cohen). 43 S. in 8“.
Neiiwirth, Hr. Joseph. Die Wochenfechnungen und der Betrieb
des Prager Dombaues in den Jahren 1372 — 1378. Prag 1890. Calve-
sche Hof- xmd Universitäts-Buchhandlung. 509 S. in 8® mit 5 Licht¬
drucken. Preis 15 Jl.
Programm der Kgl. Fachschule (Technische Mittelschule mit
Lehrwerkstätten) für die Kleineisen- und Stahlwaren-Industrie des
Bergischen Landes in Eemscheid. Eemscheid 1890. 39 S. in 8®.
Schleifer, M. Selbstthätige Zweikammer- Luftdruck-Schnellbremse
Bauart Schleifer. Berlin 1890. 16 S. in 4® mit 8 Steindrucktafeln.
Schloms, E. Der Schnittholzberechner. Weimar 1890. Bernh.
Friedr. Voigt. 174 S. Tabellen in 24®. Preis 1,80,4/.
Schöiiermark, Gustav. Die Architektur der Hannoverschen
Schule. Herausgegeben im Aufträge der Bauhütte Zum weifsen
Blatt. 2. Jahrgang Heft 1 — 4. Hannover -Linden 1890. Karl Manz.
Jährlich 10 Hefte mit ie 8 Tafeln in gr. 8®. Preis des Jahrgangs
IbM.
Statistik der im Betriebe befindlichen Eisenbahnen Deutschlands
nach den Angaben der Eisenbahn-Verwaltungen, bearbeitet im Eeichs-
Eisenbahn-Amt. Band 9. Betriebsjahr 1888/89. Berlin 1889. E. S. Mitt¬
ler u. Sohn. In gr. Folio mit einer Karte und 1 Bl. Zeichn. Preis 16 JL
Uebersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten Angaben der
Deutschen Eisenbahn-Statistik, bearbeitet im Eeichs-Eisenbahn-Amt.
Band 8. Betriebsjahr 1887/88 und 1888.89. Berlin 1889. E. S. Mittler
u. Sohn. 117 S. in Folio mit einer Karte. Preis 3 Jl.
Statistische Nachrichten von den Eisenbahnen des Vereins
Deutscher Eisenbahn -Verwaltungen für das Eechnungsjahr 1888.
Herausgegeben von der geschäftsführenden Verwaltung des Vereins.
39. Jahrgang. Berlin 1890. 213 S. in Folio. Preis 12,4/.
Stoltenberg, W. Hülfstabellen für Architekten, Ingenieure, Bau¬
gewerksmeister und Techniker zum Gebrauch beim Projectiren und
Eevidireu von Hochbauconstructionen. Hamburg 1890. Boysen u.
Maasch. 4 Tabellen. Preis 0,60 4/,
Ungewitter, G. Lehrbuch der gothischen Constructionen.
3. Auflage. Neubearbeitet von K. Mohrmann. Mit über 1200 AbK
im Text und auf eingehefteten Tafeln. Leipzig 1890. T. 0. Weigel
Nachf. Lief: 3. 80 S. in gr. 8". Preis der Lief. 3 4/.
Vogler, Hr. Ch. August. Geodätische Uebuugen für Landmesser
und Ingenieure. Berlin 1890. Paul Parey. 216 S. in 8" mit 36 Abb.
Preis 7 Jl.
Zetzsche, Prof. Hr. K. Ed. Der Betrieb und die Schaltungen
der elektrischen Telegraphen (2. Hälfte des 3. Bandes des Hand¬
buchs der elektr. Telegraphie) Heft 1. Halle a. S. 1890. Wilh. Knapp.
196 S. in 8® mit 117 Abb. Preis 6 Jl.
Verlag von ErDSt&Korn (VX'jlLelm Ercst). Berlin. Für die Kedaction des niclitamtlichen Tlieiles ver.-rntwortlicli : O. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin,
201
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. BerUn, 17. Mai 1890. Nr. 20.
Kedaction: SW. ZimmerstraCse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstralse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
IKHALT: Amtliches: Circular -Erlafs vom 2. Mai 1890, betreffend die Rücksicht¬
nahme auf die Fischerei bei Ausführung von Strombauten. — Personal- Nachrichten.
Nichtamtliches: Behandlung von Mauerllächen in Vergangenheit und Gegenwart. —
Wettbewerb für ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau. — Einrichtung der
Staustufen bei Canalisirungen von Flufsstrecken mit schnellem Wasserwechsel (Schlnfs).
— Gesetzentwurf über die Einrichtung von Architektur -Hochschulen in Italien. —
Block- und Torpedosignale auf den Hochbahnen in New-York. — Brüssel als Seehafen.
Vermischtes: Fenerlöschgranaten. — Heitiings Briefsammler. — Bücherschan.
Amtliche Mittheilungen.
Circular -Erlafs, betretfend die liücksichtnalune auf die
Fischerei bei Ausführung von Strombauten.
Berlin, den 2. Mai 1890.
Bei Ausführung von Strombauten wird noch regelmäfsiger und
sorgfältiger, als schon bisher geschieht, das Augenmerk darauf ge¬
richtet bleiben müssen, die Interessen der Fischerei thunlichst zu
fördern und vor Schädigungen, die nach den Zwecken der Bauaus¬
führung irgend vermeidlich sind, zu bewahren. Bereits in dem Eund-
erlasse vom 9. August 1884, III 14 095,*) sind Mafsnahmen empfohlen
worden, durch welche den Fischen der Zugang zu den vom Haupt¬
strom abgeschnittenen Altwassern und Laichplätzen ermöglicht wer¬
den soll. Im Anschlufs daran bestimme ich im Einverständnisse mit
dem Herrn Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten
weiterhin folgendes ;
In allen Fällen, in welchen wesentliche Veränderungen der
Stromverhältnisse durch Ausführung von Durchstichen, Schliefsung
von Nebenarmen usw. beabsichtigt werden, sind über die für den
Fischereibetrieb zu treffenden Einrichtungen die Fischerei -Inter¬
essenten, nach den Umständen auch Fischerei-Sachverständige zu
hören. In letzterer Eigenschaft kommen in erster Keihe die Ober¬
fischmeister und die nebenamtlich als solche fungirenden Meliorations¬
baubeamten in Betracht, bezw. solche Personen, welche von diesen
oder von localen und provinciellen Fischerei -Vereinen bezeichnet
werden. In wichtigeren Fällen ist nicht ausgeschlossen, dafs Anträge
auf Bezeichnung von geeigneten Sachverständigen an den Herrn
Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten gerichtet werden.
Die baüleitenden Beamten werden durch ausgiebige Benutzung sach¬
verständigen Raths in vielen Fällen in Stand gesetzt werden, die
Förderung der Fischerei mit der Ausführung von Wasserbauten zu
verbinden, ebenso werden die zugezogenen Sachverständigen auch in
der Lage und dazu anzuregen sein, dafs sie den Interessenten Rath er-
theilen, wie die Fischerei nach Mafsgabe der durch die Bauausführung
veränderten Umstände anderweit rationeller einzurichten sein wird.
Bei allen zu derartigen Zwecken angeknüpften Verhandlungen
ist auf die gröfste Beschleunigung Werth zu legen und im Auge zu
hehalten, dafs jede nachtheilige Verzögerung sowohl bei den Vor¬
arbeiten, als bei den Bauausführungen selbst unbedingt ferngehalten
werden mufs.
Ew. . . ersuche ich ergebenst, die Wasserbaubeamten im dortigen
Verwaltungsgebiete hiernach gefälligst mit Weisung zu versehen.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten,
v. Maybach.
An sämtliche Herren Regierungs -Präsidenten, die
Herren Ober - Präsidenten von Westpreufsen,
Sachsen, Schlesien sowie der Rheinprovinz, die
Königliche Ministerial-Bau-Commission hier und
die Königliche Canal-Commission in Münster (je
besonders). HI 7252.
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1884, S. 337.
Preiifseii.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den mit der
oberen Leitung des Baues des Oder-Spree-Canals betrauten Baurath
Eugen Mohr in Fürstenwalde (Spree), sowie den Vorsteher des
technischen Bureaus der Bau- Abtheilung des Ministeriums der öffent¬
lichen Arbeiten, Baurath Reimann in Berlin, und den bisherigen
technischen Hülfsarbeiter bei der Königl. Regierung in Königs¬
berg O.-Pr., Baurath Launer, zu Eegierungs- und Bauräthen zu er¬
nennen; ferner dem Geheimen Baurath bei der Königl. Regierung in
Frankfurt a. 0., v. Morstein die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienste mit Ruhegehalt zu ertheilen und dem Stadtbaurath
Winchenbach in Barmen den Rothen Adler-Orden IV. Klasse zu
verleihen.
Der bei den Rheinstrom-Regulirungsbauten beschäftigte Regie¬
rungs-Baumeister Hugo Schmidt in Oberwesel ist zum Kgl. Wasser-
Bauinspector ernannt worden.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Wilhelm Kühn aus Berlin (Ingenieurbaufach);
Bernhard Wibelitz aus Conow i. Mecklb. und Anton Sobocinski
aus Kulmsee, Kreis Thorn (Hochbaufach).
Den bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeistern Amandus
Eggert und Bruno Siegling in Berlin ist die nachgesuchte Ent¬
lassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
Bayern.
Der vom Landbauamt Aschaffenburg beurlaubte Bauamtsassessor
Freiherr v. Schacky wurde zum Bauamtmannn extra statum be¬
fördert, der Staatsbauassistent und dermalige Universitäts-Architekt
v. Horstig d’Aubigny in Würzburg zum Bauamts-Assessor extra
statum ernannt, auf die bei dem Landbauamte Amberg erledigte
Bauamtmannstelle der Bauamtsassessor M. Anton D orner in Schwein-
furt versetzt und die Stelle eines zu Schweinfurt exponirten Assessors
des Landbauamtes Kissingen dem Staatsbauassistenten Ernst Thal er
in München verliehen. Der Bauamtsassessor bei dem Landbauamte
München Eduard Reuter wurde zum Kreisbauassessor auf die bei
dem Landbaureferate der Regierung von Oberbayern wieder errichtete
zweite Kreisbauassessorstelle befördert; auf die Assessorstelle bei
dem Landbauamte München wurde der Bauamtsassessor Adolf
Stauffer in Traunstein seinem Ansuchen entsprechend versetzt und
die Assessorstelle bei dem Landbauamte Traunstein dem Staatsbau¬
assistenten Alfred Stamm in Speier verliehen. Auf die erledigte
Stelle eines Kreisbauassessors für das Landbaufach bei der Regie¬
rung von Schwaben ist der Assessor des Landbauamtes Donauwörth
Josef Förster befördert, an das Landbauamt Donauwörth der Bau¬
amtsassessor Anton Putz in Weilheim und an das Landbauamt
Weilheim der Bauamtsassessor Rudolf Laun in Windsheim, beide
auf Ansuchen, versetzt worden; die bei dem Landbauamte Windsheim
sich erledigende Assessorstelle wurde dem Staatsbauassistenten Otto
Voit in München verliehen.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, am
10. Mai d. J. den Abtheilungsingenieur Dulk bei dem Betriebsbau¬
amt Stuttgart seinem Ansuchen entsprechend auf die bei dem tech¬
nischen Bureau der Generaldirection der Staatseisenbahnen in Er¬
ledigung gekommene Stelle eines Abtheilungsingenieurs zu versetzen.
Bei der im Monat April d. J. vorgenommenen ersten Staatsprüfung
im Maschinenfache sind die Candidaten: Woldemar v. Alexandro-
witsch von Poltawa, Theodor Kober von Berg-Stuttgart, Rudolf
Schad von Tuttlingen, Max Strafser von Stuttgart und Otto
Z wifsler von Efslingen für befähigt erkannt worden. Denselben wurde
am 1. Mai d. J. der Titel Regierungs-Maschinen-Bauführer verliehen.
[Alle Eechte vovtehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Zur Behandlung von Mauerflächen in Vergangenheit und Gegenwart.
Infolge der seit einem halben Jahrhundert an vielen Orten vor- i man die Herrschaft des Ziegelrohbaues, wie z. B. am Schlosse in
genommenen Wiederherstellungen alter Backsteinbauten, bei denen I Liegnitz, in mifsverstandener Weise sogar auf ehedem geputzte
202
Centralblatt der Bauverwaltung.
17. Mai 1890.
Flächen aus dem Zeitalter der Deutschrenaissance zu übertragen
strebte, ist vielfach die Ansicht vertreten, dafs das IMittelalter mit
seiner Betonung des Baugefiiges ausschliefslich den Rohbau gepflegt
habe. Gewifs steht fest, dafs den äufseren Wandflächen im Gebiete
des Ziegelbaues in der Regel die freudige Farbe des Baustoffes ge¬
wahrt blieb. Nur gelegentlich erhielten kleinere Flächen, z. B. Friese,
die, wie jener an der Klosterkirche in Verdien bei Demmin, bemalt
wurden, Fensterleibungen, welche dem einfallenden Lichtstrome nur
wenig Kraft entziehen durften, und Bogenzwickel, wo die Herstellung
jener wohlthuenden Schraffur, wie sie durch die Fugen der ge¬
brannten Ziegel entsteht, technische Schwierigkeiten bot, glatte Putz¬
flächen, die mit ihrem luftigen, grauen Farbtone in schöner Wechsel¬
wirkung stehen zu dem gesättigten Roth der Ziegelflächen. Hier übt
das Mittelalter weise Selbstbeherrschung, da man es vermied allzu-
viele Flächen zu putzen. Beabsichtigte mau dies trotzdem, so durften
sie doch nicht im Vordergründe liegen, sondern mufsten etwa im
Hintergründe einer gröfseren, tiefe Schatten werfenden Nische auf-
treten, um die Schatteuumrisse kräftiger auszudrücken. Deshalb war
es wohl ein verhängnifsvoller Irrthum, dafs s. Z. die zahlreichen,
noch dazu dicht an dicht gereihten Flachnischen des Thurmes der
katholischen Pfarrkirche in Kulm eine wie die andere geputzt
wurden. Liefs sich hier etwa der Beweis erbringen, dafs sie auch
vordem geputzt waren, so war sicherlich damals ein entsprechendes
Gegengewicht durch Bemalung vorhanden. Hätte sich also deren
Wiederherstellung als zu kostspielig erwiesen, so würde man auch
auf einen Theil des Putzes haben Verzicht leisten müssen. Den
Mafsstab kann hier allein das künstlerische Gefühl liefern, und eben
der sichere Takt ist es, welchen wir an den Werken unserer Vor-
fahi’en bekundet finden und bewundern, nicht, gewifs nicht in erster
Linie das mehr oder minder ehrwürdige Alter der auf uns ge¬
kommenen Kunstwerke. Der Uebergangsstil des 13. Jahrhunderts
half sich, wo gröfsere Flächen auszufüllen waren, gern mit jener aus
den Römerbauten übernommenen fischgrätenartigen Musterung, die
bei aller Schlichtheit reizvoll wirkt. Auch im späteren Mittelalter,
wo, nach den sich von Tag zu Tage mehrenden Beispielen von
Malereien auf Putzflächen zu schliefsen, die Bemalung der geputzten
Flächen allgemein oder doch wenigstens erstrebtes Ziel ward, und
bis in die Spätrenaissauce hinein , z. B. an Ziegelbauten in Holland
und zur Ausfüllung der Gefache bei Riegelbauten des Harzes, erhielt
sich dieses ebenso einfache wie dankbare Motiv in Geltung, während es
bei neuzeitlichen Bauausführungen selten verwendet wird.
Der Untersuchung des alten Bestandes steht im Wege, dafs das
Zeitalter des Barock verwirrend eingegriffen hat, indem es licht-
dui'stig die Wandflächen auch des Aeufseren mit Putz überzog. In¬
dessen darf man, von dieser Beobachtung ausgehend, nicht ein-
fürallemal annehmen, dafs sämtliche jetzt an Ziegelrohbauten auf-
treteuden Putzflächen aus jener Zeit veränderter Geschmacksrichtung
herrühren. Der Maurer des Mittelalters führte den Fugenverstrich
gleichzeitig aus mit der Aufmaueruug, wie z. B. deutlich erhellt aus
der Thatsache, dafs sich die vollgefüllten Fugen auch au Stellen
finden, die später verdeckt werden sollten, z. B. über den Schildflächen
der Gewölbe. Demgemäfs sparte man, wo Friese anzulegen waren —
neuzeitlicher Gepflogenheit entgegen — nicht etwa die Flächen aus,
sondern trug den Putz nachträglich auf, sodafs er, statt umrahmt zu
werden wie wir es wünschen, erhaben vortrat. So liegen z. B. die
einzelnen, in ihrer Gesamtheit friesartig wirkenden Putzflächen an
den Thürmen der Marienkirche in Stendal vor der Wandfläche. In
Breslau bot bis vor kurzem die ehemalige Augustinerkirche unserer
lieben Frau auf dem Sande ein lehrreiches Beispiel. War hier der
mit seiner grofsen Breite offenbar zur Aufnahme von Malereien be¬
stimmte Fries unter der Dachtraufe, der sich sogar bis tief über den
Scheitel der Fensterbogen herunterzog, ohne den inzwischen verloren
gegangenen Farbenschmuck etwas schwerfällig, so wirkt die der Ein¬
heitlichkeit zu Liebe in Ziegelrohbau umgeänderte Fläche ziemlich
reiz- und freudlos. Dabei mufs allerdings für die u. E. unrichtige
Feststellung des Thatbestandes die in Schlesien auffällige Eigenart
zur Entschuldigung dienen, dafs die Köpfe der Ziegel im Gegensatz
zu den Langseiten fast ausnahmslos, absichtlich oder unabsichtlich,
schwarz verglast sind: so scheute man sich denn, dem Mittelalter
den Vorwurf der Verschwendung zu machen. — Aber auch die
gothischen Meister änderten am alten Bestände, wenn es sich neuen
Bedingungen anzupassen galt. Als man die Farbenpracht italieni¬
scher und oberdeutscher Städte um die Wende des 15. Jaln-hunderts
auf das Rathhaus in Breslau übertragen wollte, überzog man die
Flächen mit einer Putzhaut, welche die aus Quadersandstein herge¬
stellten Erkerbauten aufserdem einheitlich zusammenfafste. Wie
störend wirkt dagegen nach dem neueren Umbau der mittlere Theil
des Rathsthurmes, wo man die Putzhülle herunterschlug ganz wider¬
strebend dem Gepräge der Renaissance, der die Kunstformen des
Thurmes durchweg angehöreu, und in Widerspruch mit der ganzen
Westseite und dem krönenden Oberbau, die in grauem Tone ge¬
halten sind. Dafs die Aufdeckung der Ziegelflächen nicht im Sinne
jener alten Meister war, die den Oberbau schufen, geht auch daraus
hervor, dafs man etwa zu gleicher Zeit (um 1560) die Unterbauten
der Kirchthürme von Maria Magdalena und von Peter und Paul
in Liegnitz mit Sgraffiten überzog, um einen Einklang mit den
Renaissancehelmen herzustellen.
Aber auch ohne den Zweck der Vorbereitung der Wand für
malerischen Schmuck putzte man äüfsere Mauerflächen, so an¬
scheinend bei Bruchsteinbauten in der Regel. ’) So ist litterarisch
eine Zahlung für das „Bewerfen“ des Frauenthurms in Görlitz über¬
liefert. 2) Ein Kennzeichen für älteren Putz ist stets der dünne, nur
0,5 bis 1 cm betragende Auftrag, also so flach, dafs er noch gut an
den Unregelmäfsigkeiten der Ziegelflächen und Fugen haftete. Eine
weitere Handhabe für die Untersuchung bietet sich durch die Be¬
obachtung, dafs die Meister des Barocks rücksichtslos zu Werke
gingen. Wo immer sie putzten, nahmen sie gleichrnäfsig die ganze
Front oder doch mindestens die die Fenster umgebende Fläche in
Angriff. Schwieriger noch ist mitunter die Untersuchung der inneren
Wände, wo oft Putz und Tünche mehrerer Jahrhunderte haften.
Zum Zweck neuerer Bemalung legte z. B. bereits das 16. Jahrhundert
über die ältere des Mittelalters eine neue Mörtelschicht in der so¬
genannten rothen Kirche in Ober- Pritschen bei Fraustadt in der
Provinz Posen. Und vorher schon, nämlich um 1520, liefs der
Abt Christoph Mechil die Mauern des Klostergebäudes der Augustiner-
Chorherren in Sagan mit Cement bestreichen und weifsen. Bei der
Oberkirche in Görlitz erkennt man deutlich, dafs ungeputzt nur die
Arcadenpfeiler und die sie verbindenden Gurte verblieben sind,
jedoch ausschliefslich der Bogeuleibungen; geputzt wurden aufser
diesen die Wände einschliefslich der Fensterleibungen und der Ecken,
die in Schlesien sonst vielfach (in Breslau z. B. in der Barbara¬
kirche) 6 bis 10 cm weit vom Rande entfernt in Ziegelrohbau stehen
blieben, ferner die Gewölbekappen, aber ausschliefslich der Ziegel-
riijpen.
Hatte man im Mittelalter, um eine gute Beleuchtung zu erzielen,
die Innenflächen mit Ausnahme der constructiven Theile mit Putz
überzogen, so putzte man im Zeitalter der Deutschrenaissance auch
sämtliche Aufsenflächen, um den namentlich bei kleinen Achsen un¬
angenehmen Wechsel zwischen Haustein und Ziegelflächen zu ver¬
meiden. Ausnahmen, wfie am Schlöfschen Wohnwitz, Kreis Neumarkt,
und an den Giebeln einiger Kirchen des mittleren Schlesiens, sind selten.
Behielt man im Zeitalter der Renaissance in Deutschland die
bescheidene Reliefbildung des Mittelalters bei, so erlangte man für
die fortan auf die Innenräume beschränkte Bemalung willkommenen
Ersatz in der Sgraffitotechnik. Sie ist spätestens von der Mitte des
16. Jahrhunderts ab über ein Jahrhundert beliebt gewesen. In die
östlichen Lande drang sie wahrscheinlich von Böhmen her über
Schlesien bis nach der Mark und Pommeim vor, wo wflr sie z. B. in
Stargard amWallthore und an einem Bürgerhause der Mühlenstrafse
sowie am Schlosse in Plate in verblichener Gestalt finden. Die mit
einem von gesiebter Holzkohle durchsetzten, aber oft auch unge¬
färbten Mörtel geputzten Wandflächeu wurden geschlemmt, die Zeich¬
nung in der Regel aus freier Hand aufgetragen, der Hintergrund
ausgekratzt und dann mit brauner, ausnahmsweise auch, wie am
Schlosse Kinsburg bei Waldenburg, mit stahlblauer Farbe überzogen.
Als jüngstes Beispiel der Vorzeit ist dem Schreiber dieser Zeilen
das im Jahre 1654 erbaute Schlofs in Nachod mit seinen riesengrofsen
Quadern bekannt geworden. Sonst werden, wie z. B. an dem neuer¬
dings trefflich wiederhergestellten Palast Schwarzenberg auf dem
Hradschin in Prag von 1545, die Quader kleiner gestaltet, vorn zu¬
gespitzt oder mit Spiegeln gezeichnet. Aber auch Flechtbänder,
pflanzliche Darstellimgen, Thiere und menschliche Gestalten, nament¬
lich aus der Bibel und aus der durch die Humanisten bekannt ge¬
wordenen antiken Mythologie, weibliche Genien und zeitgenössische
Ereignisse in genrehafter Darstellung, meist ohne inneren Zusammen¬
hang und, abgesehen von Wappen, selten mit Beziehung auf das
Bauwerk schmücken die Wandflächen von Schlössern und Schlöfschen,
von Kirchen, Capellen und Friedhofsmauern, von Bürger- und Bauern¬
häusern, ja selbst von Mühlen, Scheuern und Ställen. Hierfür liefert
insbesondere der III. und auch der II. Band des Verzeichnisses der
Kunstdenkmäler Schlesiens eine übergrofse Zahl von Belagstellen.
Wurde diese dankbare Technik seit Lohdes Pfadweisung^) in
der Neuzeit vielfach, meist unter Verwendung zweier Putzlagen zu
neuem Leben erweckt, so bietet in Schlesien das erste umfangreichere
Beispiel eine von der rührigen Postbauverwaltung in Neustadt O.-S.
durch den Postbaurath Kux geleitete Ausführung. Sie war hervor-
gerufeu durch das Bedürfnifs, die todte Wand gegen das Nachbar¬
grundstück hin einigermafseu zu beleben, da dessen Bebauung in
1) Otte, Handbuch der Kunstarchäologie des Mittelalters 5. I. 34.
2) Anzeiger für Kunst der deutschen Vorzeit. N. F. 1876, Sp. 324.
3) Zeitschrift für Bauwesen 1867, Sp. 34.
Nr. 20.
Centralblatt der Bauverwaltung.
203
absehbarer Zeit nicht erfolgen wird. Um ein kräftiges Eelief zu
erzielen, ist der Putz in der freilich sehr erheblichen Stärke von
4 cm — zweckmäfsig übrigens in nur einer Lage — aufgetragen,
dann geschlemmt und der Hintergrund bis auf gewöhnliche Putz¬
stärke herausgekratzt. Durch weitere Vertiefung der Umrifslinien
näherte man sich sogar einer gewissen plastischen Wirkung, welche
entfernt jener Modellirung aus dem Mörtel heraixs verwandt ist, wie
sie in Gegenden vorherrscht, wo nicht, wie z. B. in Bamberg, der
gediegenere Haustein auch im Barock -Zeitalter ausschliefslich das
Feld behauptete, und zwar vorherrscht nicht nur, wie mehrfach in
der Neuzeit, an Decken und Wänden des Innern, sondern auch an
den freien Ornamenten der Front, ganz im Einklang mit dem flüch¬
tigen Gepräge dieses Stils. Die Herstellung des Putzauftrages in
Neustadt erfolgte entsprechend der Tagesleistung der Sgraffito -An¬
fertigung. Der Hintergrund wurde durch einen Anstrich mit Essig¬
farbe gefestigt, die, ohne das Korn des Putzes zu schädigen wie
Oelfarbe, mit dem Farbstoffe tief in die Masse eindringt. Die Kosten
der nach einem Entwürfe des Kegierungs- Baumeisters Heunicke
erfolgten Ausführung belaufen sich auf 3,5 Mark für das Geviert¬
meter.
Eine andere, für die Wiederherstellung von Putzflächen empfehlens-
werthe Festigung des Mörtels, der dadurch zugleich unter Vermeidung
jenes unansehnlichen und wenig haltbaren Graphitanstrichs, wie ihn
nachträglich das Breslauer Rathhaus erhielt, eine schöne, altersgraue
Färbung herbeiführte, erzielte Herr Stadtbaurath Kubale an der
alten Rathswage in Görlitz durch mäfsigen Zusatz von gesiebter
Koksasche zu gewöhnlichem Mörtel, deren Thongehalt cementirend
wirkt. Hans Lutsch.
Wettbewerb für ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau.
Ansicht.
Bei dem auf S. 179 d. J.
mitgetheilten Bericht über
die Wettbewerbung für das
Breslauer Kaiserdenkmal er¬
gab sich, wie so oft in ähn¬
lichen Fällen, das Unzu- <5
reichende der lediglich mit «
Worten gegebenen Beschrei- S
bung. Kunstwerke solcher o
Art wollen dem Auge durch
Zeichnung veranschaulicht ö
werden; und so holen wir %
wenigstens für das eine, mit “
dem ersten Preise gekrönte
Werk der Herren Chr. Beh¬
rens und Hugo Licht die
Abbildung nach. Dabei ist
auf die hier als ein Neues
erscheinende Architektur
zum Abschlufs der Plattform
im Rücken des Denkmals
hinzuweisen. Sie gehört nicht
unmittelbar zur Lösung der
Aufgabe des Wettbewerbes
und hatte deshalb in dem ersten Berichte noch keine Erwähnung ge¬
funden. Dieser architektonische Abschlufs ist aber durch die Oert-
lichkeit, für die sonst ziemlich steil und kahl nach dem Spiegel des
Grundrifs.
Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in Breslau.
Entwurf von Chr. Behrens u. H. Licht (I. Preis).
währt. Weitere Eigenthümlichkeiten
Genüge aus der Abbildung hervorgehen
Breslau, 6. Mai 1890.
Stadtgrabens abfallende
Plattform ebenso geboten,
wie er erwünscht erscheint
für die seitliche Einrahmung
des Denkmales selbst. Diese
Einrahmung ist durch hohe
Obelisken erzielt, Träger
reichlicher Inschriften, auf¬
steigend aus Trophäen¬
gruppen auf breiten Posta¬
menten und gekrönt von
mächtigen Adlern. Eine ein¬
fache und niedrige Brüstung
hinterwärts würde zur Ver¬
bindung dieser Obelisken
und auch zum Abschlufs des
Terrassenbaues nicht aus¬
reichen. Deshalb haben die
Künstler hier eine Säulen¬
stellung auf durchlaufender
Briistungsmauer angeordnet,
die den willkommenen Durch¬
blick auf den baumum-
säumten Stadtgraben ge-
des Entwurfes dürften zur
C. L.
Die Einrichtung der Staustufen hei Canalisirungen von Flufsstrecken
mit schnellem Wasserwechsel.
(Schlufs.)
In den Abb. 2 und 3 sind zwei Herstellungsweisen eines Klappen¬
wehres angegeben, die eine weniger tiefe Gründung erforderlich
machen. Die in Abb. 1 dargestellte Anordnung, welche jedoch nur
bei hochliegender Wehrkrone vortheilhaft anzuwenden ist, bringt den
Grundgedanken der Abb. 2 in der einfachsten Weise zum Ausdruck
und soll daher kurz zuerst erläutert werden.
204
C eutralblatt der Bauverwaltuug.
17. Mai 18i)0.
äugegeben ist. Ein unter allen Umständen notliwendiger Bestaud-
theil der Anordnung ist dieser Hohlraum nicht. Wenn er wegfällt,
dann wird die Gliederung des beweglichen Gerippes eine einfachere
als in der Abbildung angegeben.
Eine vergleichende Berechnung ergiebt, dafs die Kosten für
1 Längenmeter dieses Wehres nur unerheblich höher sind als die-
jenigen für 1 Längenmeter Nadelwehr, sodafs es in geeigneten Fällen
Ersatz für das letztere bieten könnte, umsomehr als zum Betrieb ein
Mann genügt, während bei einem Nadelvvehr zur Freilegung des
Durchflufsprofiles
bei schnell steigen¬
dem Wasser 2 oder
3 Manu erforderlich
sind. Auch erfor¬
dert der Abgang
der Nadeln bei
einem Nadel wehr
dauernde Unterhal¬
tungskosten.
Es erscheint un¬
bedenklich , der
Klappe eine Länge
von 20 bis 30 m zu
geben, sofern dafür
gesorgt wird, dafs
die Entleerung und
Füllung der Kam¬
mer auf der ganzen
Länge derselben
gleichmäfsig erfolgt,
was mittels eines
unter dem Kammer¬
boden liegenden
Canals geschieht,
der mit einem durch¬
brochenen Gitter
abgedeckt ist. Auf
diese Weise kann
sich in der Kammer
beim Leeren und
Füllen kein Quer¬
gefälle entwickeln,
sodafs Verbiegun¬
gen der Klappe
ausgeschlossen er¬
scheinen.
Die vorstehend
beschriebene Wehr¬
einrichtung der
Abb. 1 bietet indes,
wie bereits oben er¬
wähnt, nur Vortheile
bei nicht zu niedri¬
ger Lage des Wehr¬
rückens. Liegt der
letztere tief, so mufs
auch der cylinder-
förmige Theil der
beweglichen Ein¬
richtung gröfser, so¬
mit auch die Kam¬
mer tiefer werden,
wodurch die Grün¬
dungskosten sich
erhöhen. Bei tief¬
liegendem Wehr¬
rücken kommen die
Anordnungen Abb.
2 und 3 in Betracht.
Abb. 2. Bei der Anordnung Abb. 2 ist behufs Ermäfsigung der Tiefe
der Gründung der C3dinderabschnitt in drei Theile getheilt, welche
sich beim Niederlegen der Klappe fächerartig ineinander legen. Die
Dichtung an den Punkten a, b, c wird wie bei a der Abb. 1 durch
federnde Blechstreifen bewirkt. An denselben Punkten befinden sich
entsjjrechende Ansätze, welche das Aufrichten der Klapjje nur bis
zur bestimmten Höhe zulassen. Bei aufgerichteter Klappe, wobei
die Kammer mit dem Oberwasser in Verbindung steht, ist der
Wasserdruck auf die Segmenttheile von innen und aufsen gleich.
Nur beim Niederlegen der Klappe, wenn die Kammer mit dem Unter¬
wasser in Verbindung gesetzt wird, treten gewisse Momente in den
cylindrischen Theilen und den mit diesen fest verbundenen radialen
Abb. 1. Die gegen das Oberwasser etwas geneigte Klappe ist
mit einer cylindrischen Blechhaut fest verbunden, sodafs die darunter
befindliche Kammer durch Zuleituugscanäle im Landpfeiler mittels
eines Dreiwegehahns abwechselnd sowohl mit dem Oberwasser als
mit dem Unterwasser in Verbindung gesetzt werden kann. Bei ge¬
schlossenem Wehr, also aufgerichteter Klapjje, steht die Kammer mit
dem Oberwasser in Verbindung. Der Wasserdruck gegen die
Cj-linderfläche ist von innen und aufsen gleich. Damit der von innen
gegen die Klappe wirkende Wasser-Ueberdruck nicht ein Ueber-
schlagen des gan¬
zen beweglichen
W ehrtheiles nach
dem Unterwasser
hin herbeiführen
kann , wird der
letztere am Punkte u
durch einen mit
einem entsprechen¬
den Ansatz verse¬
henen Anker fest¬
gehalten.
Soll die Klappe
niedergelegt wer¬
den, so wird . die
Kammer mit dem
Unterwasser in Ver¬
bindung gesetzt,
worauf der beweg¬
liche Körper in¬
folge seiner eigenen
Schwere sich herab¬
senken mufs. Denn
auf die Klappe
wirkt dann nur
von beiden Seiten
der Druck des
Unterwassers, hebt
sich also auf, wäh¬
rend der auf die
Cj'linderfiäche von
aufsen wirkende
Ueberdruck durch
die Drehachse geht
und dort nur die
lleibung etwas ver-
gröfsert. Abgesehen
von den verhältnifs-
mäfsig geringen
Reibungswiderstän-
den wirkt also nur
die eigene Schwere
des beweglichen
Körpers als Mo¬
ment.
Soll die Klappe
aufgerichtet werden,
so wird mittels des
Dreiwegehahns die
Kammer wieder mit
dem Oberwasser in
Verbindung gesetzt,
worauf sich die
Klappe erhebt, bis
ihre Bewegung
durch den Ansatz
bei Punkt a aufge¬
halten wird. Selbst¬
verständlich mufs
hierbei für den An¬
fang der Bewegung ein genügender Ueberdruck des Oberwassers
über das Unterwasser vorhanden sein. Dieser läfst sich aber stets
durch das Einsetzen der nöthigen Anzahl von Nadeln im Nadelwehr
erzeugen.
Behufs Erzielung eines möglichst wasserdichten Schlusses am
Punkte a legt sich dort ein dünnes Blech aus Federstahl gegen die
cjdindrische Eisenhaut. Um etwaigen Unebenheiten der letzteren
besser folgen zu können, wird das Blech zweckmäfsig nicht in der
ganzen Länge durchgehend, sondern aus kurzen, etwa 1 m langen
Stücken gebildet.
In der Zeichnung Abb. 1 ist der bewegliche Wehrtheil noch mit
einem Hohlraum versehen, dessen Zweck am Schlufs des Aufsatzes
Centralblatt der Bauverwaltang.
205
Sr. 20.
Gliedern auf. Doch sind dieselben nicht erheblich, da gleichzeitig
mit dem Sinken der Klappe auch das Oberwasser fällt, sodafs der
Druck desselben auf die cylindrischen Theile den von dem Wasser
in der Kammer ausgeübten Gegendruck nur unbedeutend überwiegt.
Die demnach den einzelnen Gliedern zu gebenden Abmessungen sind
nur mäfsige und entsprechen annähernd den Abmessungen des Bockes
eines Nadelwehres, welches denselben Stau bewirkt.
Auch hier, wie bei Abb. 1, ist der auf der Zeichnung angegebene
Hohlraum nur unter besonderen Verhältnissen noth wendig.
Abb. 3 stellt
eine wesentlich an- Norm.siaiJs|.tega
dere Anordnung
dar. Hier ist die
obere Klappe eines
Trommelwehres
nach dem Unter¬
wasser hin mit
einem cylindrischen
Ansatz versehen,
sodafs man im gan¬
zen drei Kammern
erhält. Bei aufge¬
richtetem Wehr
steht mittels eines
Vierwegehahns die
Vorder- und Hinter¬
kammer mit dem
Oberwasser , die
Mittelkammer mit
dem Unterwasser
in Vei’bindung. Da
der in der Hinter¬
kämmer auf die
obere Klappe wir¬
kende Oberwasser¬
druck denjenigen in
der Vorderkammer
unterstützt , so ist
nur nöthi^, der unteren Klappe etwa die halbe Breite der oberen zu
geben, sodafs die Gründungskosten ganz erheblich geringer werden, als
bei einem gewöhnlichen Trommelwehr mit derselben Stauhöhe. Zum
Niederlegen des Wehres wird die Vorder- und Hinterkammer mit dem
Unterwasser, die Mittelkammer mit dem Oberwasser in Verbindung
gesetzt. Wenn, wie bei Abb. 1 und 2, über die ganze Länge des
Wehres sich erstreckende Leitungscanäle für das Verbrauchswasser
angeordnet werden, so erscheint es auch aus dem bei Abb. 1 näher
erörterten Grunde unbedenklich, der Klappe eine Länge von 20 bis
30 m zu geben. Die Anordnung der Leitungscanäle in dem mittleren
a-b-c Leitungscanäle
Flurssohle
Abb.
Mauerkörper beeinträchtigt dessen Standsicherheit nicht, da er nur
lothrechten Druck erhält. Die auf die Klappe wirkenden wage¬
rechten Kräfte werden durch die oberhalb der Vorderkammer befind¬
liche Verankerung aufgenommen.
Welche von den beiden Anordnungen Abb. 2 und Abb. 3 den
Vorzug verdienen würde, erscheint nicht ohne weiteres ersichtlich.
Die Einrichtung der Abb. 2 dürfte jedoch den Vortheil der gröfseren
Billigkeit bieten.
Vielleicht geben die vorstehenden Erörterungen eine Anregung
zur weiteren Ueber-
legung der Frage,
wie bei Herstellung
von Nadel wehren
inFlufsstrecken mit
schnellem Wasser¬
wechsel die Mög¬
lichkeit rechtzeiti¬
ger Beseitigung der
Nadeln am zweck-
mäfsigsten sicher¬
zustellen sei. Im
übrigen liegt es auf
der Hand, dafs die
beschriebenen Ein¬
richtungen auch in
anderen Fällen, un¬
abhängig von Na¬
delwehren, zweck-
mäfsig sein können.
Steht für das Auf¬
richten der Klappe
bei Beginn der Be¬
wegung eine genü¬
gende Druckhöhe
nicht zur V erfü-
gung, so ist, wie
bei Abb. 1 und 2
geschehen , ein
wasserdichter Hohlraum anzubringen, welcher mittels einer in der
Drehachse zwischen Klappe und Landpfeiler liegenden Stopfbuchse
mit einer Handpumpe auf dem Lande in Verbindung steht und aus¬
gepumpt werden kann. Die Klappe hebt sich dann infolge des Auf¬
triebes mit ihrer Oberkante soweit über den Wasserspiegel, dafs das
Oberwasser genügend anstaut, um den zum vollständigen Heben der
Klappe erforderlichen Ueberdruck zu liefern.
Kosel O./S., im October 1889.
Nakonz,
Kgl. Reg.-Baumeister.
Ein Gesetzentwurf über die Einrichtung
der vom Senat bereits angenommen ist und voraussichtlich in der
dort erhaltenen Form auch bei der zweiten italienischen Kammer zur
Annahme gelangen wird, liegt dieser gegenwärtig vor. Während für
die Ausbildung der Bauingenieure in Italien in reichem, fast zu
reichem Mafse gesorgt ist, fehlt es den Architekten zunächst noch an
Anstalten, auf denen sie eine höhere Ausbildung in unserem Sinne
erhalten können. Die Hochschulen für Ingenieure dürfen zwar
Diplome für Architekten ertheilen und thun dies auch, wenngleich
in sehr beschränktem Mafse, sie sind aber doch nicht geeignet, ihren
Zöglingen eine gediegene künstlerische Ausbildung mit auf den Weg
zu geben. Anderseits mangelt es den Anstalten für die schönen
Künste an der Möglichkeit, ihren Schülern genügenden Unterricht
in den wissenschaftlichen, für den Architekten unerläfslichen Fächern
zu ertheilen. Die vor wenigen Jahren in Rom, Florenz und Neapel
errichteten Fachschulen für Architekten endlich sind keine Hoch¬
schulen und haben sich in ihrer, Zwitterstellung schlecht bewährt.
Dafs eine gediegenere und vielseitigere Ausbildung für die
Architekten nothwendig sei, wird von allen Seiten zugegeben. Bei
der hohen Begabung der Bewohner Italiens für die Baukunst, von
der die zahlreichen Baudenkmäler dieses Landes aus den ältesten
Zeiten bis herab auf unsere Tage Zeugnifs ablegen, kann nicht
zweifelhaft sein, dafs die in jüngster Zeit an die italienischen Archi¬
tekten herangetretenen mannigfaltigen Aufgaben theilweise glück¬
licher gelöst worden wären, wenn ihre Vorbereitung auf höheren
Lehranstalten sie zu den schwierigen Lösungen besser gekräftigt
hätte. Sowohl die Erläuterungen des vom Unterrichtsminister Boselli
vorgelegten Gesetzentwurfs als auch die Berichte und Verhandlungen
des Senats über das Gesetz, an denen die hervorragendsten Fach¬
männer theilgenommen haben, betonen, dafs es in Italien an der ge¬
nügenden Zahl von Architekten, die ihr Fach nach allen Richtungen
von Architektur -Hochschulen in Italien,
beherrschen, infolge der unzureichenden Einrichtungen für höhere
Ausbildung fehlt. Am besten bestellt ist noch die technische Hoch¬
schule in Mailand, deren Abtheilung für Architektur — dank der
thatkräftigen und umsichtigen Fürsorge des Directors Brioschi —
räumlich und sachlich mit dem entsprechenden Zweige der Anstalt
für schöne Künste in Verbindung gebracht ist, sodafs trotz des
Fehlens wichtiger Lehrstühle günstige Ergebnisse erzielt und tüchtige
Architekten aus der Mailänder Schule hervorgegangen sind. Ist ihre
Zahl nur gering, so erklärt sich dies aus dem Umstande, dafs das
Diplom als Architekt einstweilen noch nicht dasselbe Ansehen ge-
niefst, wie das als Ingenieur. Jener Titel wird vielfach von Leuten
geführt, die eine höhere Ausbildung überhaupt nicht oder doch nicht
im genügenden Umfange besitzen. So verhält sich auch die Körper¬
schaft des „Genio civile“ einstweilen noch ablehnend gegen Architekten
und nimmt dieselben nur als Hülfsarbeiter im vorläufigen Dienst,
aber nicht als Mitglieder auf. Sobald die neu einzurichtenden Hoch¬
schulen ihre Wirksamkeit in der geplanten Weise entfalten, soll
jedoch nach einer Zusage des Arbeitsministers Finali das Architekten-
Diplom zur Zulassung in jene hochangesehene Körperschaft be¬
rechtigen.
Nach den Erläuterungen des Gesetzentwurfs hielt die Regierung
Umschau, welche Einrichtungen der Grofsstaaten Westeuropas als
Vorbild für die in Italien geplanten Neueinrichtungen dienen könnten.
Von England wurde abgesehen, weil dort die Ausbildung der Archi¬
tekten wie der Ingenieure den privaten Bestrebungen überlassen
bleibt, was in Italien undurchführbar erscheint. Auch Frankreich,
wo zur Zeit wichtige Aenderungen in der Ausbildungs- und Be¬
rechtigungsfrage bevorstehen, konnte nicht als Muster dienen. Ein
solches bieten dagegen Preufsen und die übrigen deutschen Staaten,
„wo — so heifst es in den Erläuterungen — der Unterricht am voll-
206
Ceutralblatt der Baiiverwaltung.
17. Mai 1890.
ständigsten und zweckmäfsigsten geordnet ist und jene Bildung lier-
vorbringt, welche den unbestrittenen Euhm dieses grofsen Volkes
ausmacht — einestheils weil die dortigen Einrichtungen die einzigen
sind, die in zweckmäfsiger Weise Kunst und Wissenschaft, die beiden
Grundlagen des Hochbauwesens, mit einander verbinden, anderntheils
weil die Schuleinrichtungen Deutschlands mehr als diejenigen der
anderen Länder mit den italienischen zu vergleichen sind“. Am
liebsten würde man eine oder zwei technische Hochschulen nach
dem Muster der deutschen Anstalten errichtet haben, mufs jedoch
aus mancherlei Gründen hiervon abseheu. Man hat sich daher ent¬
schlossen, die in Mailand bereits bestehende Einrichtung durch Zu¬
fügung von Lehrstühlen für Kunstgeschichte, Entwerfen von Gebäuden
und für Wiederherstellung von Baudenkmälern zu ergänzen und sie
erforderlichenfalls auf eine oder mehrere der Hochschulen für In¬
genieure zu übertragen, die in Orten ihren Sitz haben, in denen sich
gleichzeitig auch Anstalten für schöne Künste befinden. Es sind dies
Bologna, Neajjel, Palermo, Kom und Tuifin. Born kommt natürlich
in erster Linie in Betracht. Die so zu errichtenden Abtheilungen
für Architektur sollen durchaus gleichwerthig mit denen für Ingenieur¬
wesen sein. Ihre Lehrkräfte sollen sie aus den Professoren der
Hochschulen für Ingenieure und der Anstalten für schöne Künste
entnehmen, die unter dem Vorsitz des Directors der Hochschule
Lehr- und Stundenpläne vereinbaren. Aufserdem würden für die
Block- und Torpedosigiiale auf
Einem Berichte des technischen Attaches bei der deutschen Ge¬
sandtschaft in Washington, des Königlichen Regierungs-Baumeisters
Petri, entnehmen wir folgende Einzelheiten über die Anwendung
von Block- und Torpedosignalen auf den Hochbahnen in New-York.
Nach den für die Hochbahnen erlassenen Betriebsvorschriften
wird für den räumlichen Abstand zweier aufeinanderfolgenden Züge
kein bestimmtes Mafs zu Grunde gelegt, vielmehr nur bestimmt, dafs
dieser Abstand so grofs sein mufs, dafs jeder Zug zum Stillstand ge¬
bracht werden kann, ehe er den vorhergehenden erreicht. Um die in
dieser Vorschrift begründeten Gefahren für die Sicherheit des Be-
- _ t . - . j -r r
X'C,' c dj i?t B A, 1
triebes zu beseitigen, hat man vor etwa drei Jahren begonnen, ein
selbstthätiges Blocksystem nach Blacks Bauart einzuführen, welches
in den Grundzügen viel Aehnlichkeit mit dem in unserem Blatte auf
S. 42 d. J. beschriebenen Parsonschen Blocksystem hat. Man hofft
bei vollständiger Durchführung der Mafsregel neben dem Hauptzweck,
der Sicherung des Betriebes, auch eine gleichmäfsigere Vertheilung
der Zug-Abstände und hierdurch eine gröfsere Leistungsfähigkeit der
Bahn zu erzielen. Zur Zeit sind etwa 80 Blocksignale nach Black¬
scher Bauart aufgestellt und haben sich gut bewährt.
oben genannten Fächer bei jeder Architektur- Abtheilung drei Lehr¬
stühle, darunter zwei für ordentliche Professoren, neu zu errichten
sein. Gleichen Rang wie diese Abtheilungen sollen zwei ausschliefs-
lich für Architekten bestimmte Hochschulen für Architektur ein¬
nehmen, welche in den hierzu besonders geeigneten, durch ihre
künstlerischen Ueberlieferungen hervorragenden Städten Florenz und
Venedig mit Anlehnung an die dortigen Anstalten für schöne Künste
einzusetzen sind. Die wissenschaftlichen Lehrkräfte dieser beiden
Anstalten denkt man grofsentheils aus der Anstalt für höheren
Unterricht in Florenz, der Universität in Pisa und der Universität
in Padua zu gewinnen, ohne für alle Fächer besondere Lehrer neu
anstellen zu müssen.
Die Zulassungsbedingungen der Hochschulen für Architektur,
entsprechend jenen für Ingenieurwesen, verlangen 1) das Zeugnifs
der Reife eines Gymnasiums oder der naturwissenschaftlich -mathe¬
matischen Abtheilung einer Realschule, 2) eine Prüfung im geometri¬
schen und Freihand - Zeichnen sowie in den Anfangsgründen der
Ornamentik und Architektur. Die Gesamtdaixer der künstlerischen
und wissenschaftlichen Ausbildung soll fünf Jahre betragen, davon zwei
in der Vorschule, drei in der Fachschule. Nach Ablauf der Unter¬
richtszeit legt der junge Architekt eine Prüfung ab, bei deren Be¬
stehen ihm ein Diplom ertheilt wird, dessen innerer Werth ihm
bald die erforderliche Geltung verschaffen dürfte. Keller.
den Hochbahnen in New-York.
In mittleren Entfernungen von 335 m (1100') sind Flügelsignale
J, B, C usw. (Abb. 1 u. 3) errichtet, deren nach rechts zeigende wage¬
rechte Armstellung „Halt“ und deren senkrecht herabhängende Stellung
„freie Fahrt“ bedeutet. Das eine Vorderrad der Locomotive eines in
der Pfeilrichtung (Abb. 1) fahrenden Zuges trifft in der Block¬
strecke AB bei Ai einen Taster, dessen Entfernung von A der gröfsten
« Zuglänge, welche aus einer Maschine und 5 Wagen besteht, entspricht,
drückt denselben nieder und stellt hierdurch das Signal A aus der
Fahrstellung auf Halt. Derselbe Vorgang wiederholt sich in der fol¬
genden Blockstrecke BC bei dem Radtaster R], welcher das Signal B
auf Halt stellt. Unmittelbar darauf erreicht die Maschine den vor Bi
angeordneten Taster Ha, welcher das Signal A wieder auf freie Fahrt
stellt und so die Blockstrecke AB für den nachfolgenden Zug frei-
giebt.
Der Taster besteht nach Abb. 2 aus einer Verbindung zweier un¬
gleich langen, um die Punkte« und b und den gemeinschaftlichen Punkte
schwingenden Gelenkschienen. Von diesen liegt die längere den an-
kornmenden Zügen entgegen, damit auf diese Weise ein sanfterer
Auflauf der Räder herbeigeführt wird. Die abwärtsgehende Bewegung
des Punktes c wird mittels des Gelenkhebels cci auf einen um den
Punkt d drehbaren Winkelhebel ade und hierdurch auf die zum
Signal führende Stangenleitung übertragen. Durch eine zwischen dem
Kopfe e des Winkelhebels und der Schraubenmutter / eingeschaltete
Spiralfeder ff wird die Uebertragung von Stöfsen auf das Gestänge
verhütet. Letzteres besteht aus Gasröhren, welche auf Rollen ge¬
lagert sind. Durch das Gestänge wird eine geschlitzte Platte p
(Abb. 4) in der Pfeilrichtung vor- oder rückwärts bewegt und durch
die hierdurch erzielte Bewegung der Stange s das Signal gestellt.
Die gröfste auf den Hochbahnen in New-York vorkommende Länge
der Stangenleitung beträgt 825 m in der Geraden ; bei Anwendung
dieses Mafses haben sich Uebelstände in der Wirkungsweise nicht
ergeben, auch in Bögen, wie beispielsweise in einer Gegenkrümmung
von 38,2 m Halbmesser, arbeitet die Vorrichtung durchaus zufrieden¬
stellend. Bei der gewählten Anordnung der Signalmaste in 335 m
Centralblatt der Baaverwaltung.
207
Mr. 20.
Abstand ist eine Zugfolge in Zeitabständen von */4 Minuten bei 26
bis 27,5 km Geschwindigkeit in der Stunde ermöglicht.
Bei der Häufigkeit und dem plötzlichen Auftreten starker Nebel
in New-York hat man au gefährdeten Stellen, beispielsweise bei Ab¬
zweigungen oder Kreuzungen von Geleisen, die sichtbaren Signale
noch mit hörbaren, sogenannten „Torpedo“ - Signalen verbunden.
Diese letzteren haben die in den Abb. 5 (Längenschnitt) und 6 (untere
Ansicht) dargestellte Einrichtung. Die mit dem Signal verbundene
Stange J bewegt mit jeder Umstellung desselben einen Schieber B
vor- oder rückwärts, welcher am vorderen Ende eine Aussparung trägt,
in der sich eine Knallpatrone befindet. Die Aussparung befindet
sich bei der Haltstellung des Signals unter dem Hammer F, in der
Fahrstellung unter dem Raum C, in welchem eine bestimmte Anzahl
von Patronen unter Verschlufs gehalten sind. Wird das Signal in
der Haltstellung überfahren, so trifft das eine Vorderrad des Zuges
den Hammer F und feuert die in dem Schieber enthaltene Patrone
ab. Hierbei werden erfahrungsmäfsig alle Theile der zerrissenen
Patronenhülse fortgeschleudert. Beim Zurückziehen des Schiebers
fällt sodann eine neue Patrone in den hierfür bestimmten Ausschnitt
desselben. Der Hammer F ruht mittels einer Spiralfeder auf einem
Durchsteckbolzen M, welcher von den Enden zweier einarmigen Hebel
getragen wird, deren Unterkanten dreieckförmige Ansätze A' A" haben.
Durch zwei seitliche Ansätze des Schiebers B wird bewirkt, dafs
diese Hebel und gleichzeitig der Hammer F bei jedem Vor- und
Rückgänge des Schiebers gehoben und wieder gesenkt werden. Die
in dem Schieber befindliche Patrone wird hierdurch beim Zurück¬
ziehen rechtzeitig entlastet; beim Vorschübe aber werden heftige Be¬
rührungen mit dem Hammer vermieden. Der Bolzen M ist durch
zwei Schlitzöffnungen des Hammers geführt, welche so lang bemessen
sind, dafs auch bei etwaiger Halbstellung des Schiebers der (ver¬
mittelst des Durchsteckbolzens etwas angehobene) Hammer einen
gröfseren als den gewöhnlichen Hub ungefährdet zurücklegen kann.
Da es nicht selten vorkommt, dafs stark ausgelaufene Radreifen mit
vorstehender äufserer Kante den Hammer tiefer als unter gewöhnlichen
Verhältnissen hinabtreiben, so ist noch eine kräftige Spiralfeder K
vorgesehen, welche in solchen Fällen nachgeben kann. Die Wirkungs¬
weise der soeben beschriebenen Signalvorrichtung wird dem Ver¬
nehmen nach von Witterungseinflüssen in keiner Weise beeinträchtigt.
Brüssel als
Der Ausschufs der Gesellschaft für den Zweck, Brüssel durch
einen für Vollschiffe fahrbaren neuen Canal zu einem Seehafen um¬
zugestalten, hat sich mit einer Eingabe an den König von Belgien
gewandt, in welcher darum gebeten wird, die für den Canal selbst
erforderlichen Kosten seitens der Staatsregierung zu übernehmen,
während die Stadt Brüssel auf eigene Kosten den Hafen nebst sämt¬
lichen dazu gehörigen Anlagen und Einrichtungen ausführen soll.
Die Eingabe ist eingehend begründet und derselben ein Erläuterungs¬
bericht über die gewählte Linie, eine Nachweisung der Möglichkeit
der Speisung des Canals sowie ein Kostenanschlag beigegeben.
Der neue Canal soll eine Tiefe von 5,30 m und eine Sohlenbreite
von 18 m erhalten, wird einschiffig angelegt und erhält an den
Schleusen Ausweiche- und Halteplätze. Die Länge wird 27,401 km
von Brüssel bis zur Einmündung in den Rüpel betragen bei einem
Gesamtgefälle von 15 m. Für den neuen Canal wird im wesent¬
lichen die Linie des schon jetzt bestehenden Willebroekcanals bei¬
behalten; bei der Ausführung des neuen Canals soll eine Störung
oder Unterbrechung der Schiffahrt möglichst vermieden werden. Der
Canal erhält an den Schleusen einfache abgepflasterte Böschungen,
im Canalquerschnitt selbst in gutem Boden unter Wasser vierfache
Böschungen und in der Höhe des Wasserspiegels eine beiderseitige
1 m breite Berme, an welche sich 2 m hohe Dämme schliefsen. Die
Berme selbst sowie die daranschliefsenden Böschungsflächen in je
50 cm senkrechter
Höhe sollen mit
Schilf bepflanzt
werden; in weniger
standfestemBoden
erhält der Canal
einen beiderseiti¬
gen Schutz nach nebenstehender Zeichnung, eine Betonmauer zwi¬
schen Spundwänden mit daraufstehendem Mauerwerk. Wo der Canal
durch bewohnte Ortschaften führt, erhält er beiderseitige Ufermauern.
Das Gefälle wird durch fünf Schleusen überwunden, deren erste an
der Ausmündung in den Rüpel neben der alten Schleuse, welche für
die Fahrzeuge der Binnenschiffahrt bestehen bleiben soll, zu liegen
kommt. Diese Seeschleuse erhält vier Thorpaare, die Fluththore in
der Höhe der höchsten bekannten Fluth; im übrigen erhalten die
Schleusen 12 m lichte Weite und 120 m Länge. Aufser den Schleusen
kommt noch eine gröfsere Anzahl von Kunstbauten, als Eisenbahn-
und Strafsenbrücken sowie Bach- und Flufsunterführungen mittels
eiserner Rohrleitungen vor, ohne indessen besonders bemerkenswerthes
zu bieten.
Ein wesentlicher Punkt für den Canal ist die Gewinnung und
Zuführung des nöthigen Speisewassers, und dies hat zu eingehenden
Untersuchungen Veranlassung gegeben, die zu zwei Hauptvorschlägen
geführt haben. Der Wasserverbrauch des neuen Canals ist unter
fler Annahme eines Jahres Verkehrs von 2 000 000 Tonnen zu 123 000 cbm
Seehafen.
für den Tag unter den ungünstigsten Bedingungen ermittelt. Der
gegenwärtig bestehende Canal erhält durch die Senne und den Canal
von Charleroi täglich mindestens 36 600 cbm, es bleiben also für den
neuen Canal zu beschaffen 86 400 cbm. Diese liefsen sich nun durch
eine 21 km lange Zuleitung von dem Dyleflufs gewinnen, welcher
nach den Untersuchungen von Martial Hans selbst in der Zeit der
gröfsten Trockenheit mehr als das Erforderliche zu liefern imstande
ist. Eine derartige Anlage würde 610 000 Franken kosten und durch
das Zerschneiden und Zerstückeln der durchschnittenen und berührten
Ländereien und wegen sonstiger Unzuträglichkeiten schwierig auszu¬
führen sein. Man hat deshalb beschlossen, das Speisewasser aus
dem Rüpel, welcher ein klares und nicht salziges Wasser führt, zu
entnehmen und mittels Maschinen, welche an jeder Schleuse anzu¬
legen sind, je aus der unteren in die obere Haltung des Canals zu
pumpen. Aufser den stehenden Maschinen soll eine auf einem Schififs-
gefäfse untergebrachte Hülfsmaschine beschafft werden.
Die Gesamtkosten des Canals sind zu 16 100 000 Frauken er¬
mittelt, welche sich wie folgt zusammensetzen:
1. Erdarbeiten 4 321 000 cbm zu 0,8 Fr. . . 3 456 800,00 Fr.
2. Verbindungscanal mit dem Rüpel . . . 180 500,00 „
3. Schleuse am Rüpel . 1 217 750,29 „
4. 4 Zwischenschleusen zu 956 408,49 Fr. . 3 825 633,96 „
5. Brücken und Zuwegungen . 1 665 050,00 „
6. Wasserversorgung . 270 000,00 „
7. Schleusen- und Brückenwärterhäuser . . 185 000,00 „
8. Bach-Ueber- und Unterführungen . . . 525 607,00 „
9. Schilfpflanzungen auf den Böschungen . 99 000,00 „
10. Grunderwerb 53 ha . 1 564 424,00 „
11. Erdablagerungsplätze 46 ha . 368 000,00 „
12. Futtermauern . 2 526 000,00 „
13. Für Entschädigungen u. a . 216 234,75 „
Zusammen 16 100 000,00 Fr.
Die Kosten für die Hafenanlagen in Brüssel sind zu 10 000 000
Franken ermittelt und setzen sich zusammen aus:
1. Erdarbeiten 763 000 cbm zu 1 Fr . 763 000 Fr.
2. Werftmauern mit Zubehör . 1 101 160 .,
3. Schuppen . 825 000 „
4. Pflasterungen . 471 000 „
5. Lagerhäuser . 1 560 000 ,,
6. Lagerplätze 42 ha . 3 600 000 „
7. Silo- Anlagen . 250 000 „
8. Krahne, 6 Stück zu 25 000 Fr . 150 000 ,,
9. Gebäude, Maschinen und Röhren für Druck¬
wasserleitung . 310 000 „
10. Für unvorhergesehene Fälle . 969 240 „
Zusammen rd. 10 000 000 Fr.
Mülheim a. Rhein. Düsing.
Yermischtes.
Zur Frage der Feuerlöscligranateu. Unter Hinweis auf unsere
Mittheilungen über künstliche Feuerlöschmittel im Jahrgang 1885,
•S. 416, 1886, S. 420 und 1889, S. 425 d. Bl. geht uns folgendes zu:
Am 18. Januar d. J. nachmittags entstand in dem Materialwaren¬
laden in Magdeburg-Neustadt, Breite-Weg Nr. 24, durch Ueberkochen
von Stubenbohne ein Feuer, welches an dem daselbst vorhandenen
leicht brennbaren Ladeniuhalt reichliche Nahrung fand. Der Be¬
sitzer des Ladens, welcher auch Feuerlöschgranaten feilbietet, ver¬
suchte bei Ausbruch des Feuers, dasselbe mittels dieser Granaten
zu löschen. Bald jedoch wurde er durch den sich dabei entwickeln¬
den Dampf und Rauch gezwungen, den brennenden Raum zu ver¬
lassen und sich selbst in Sicherheit zu bringen. Währenddessen
208
Centralblatt der Bauverwaltung.
17. Mai 1890.
hatte das Feuer äufserst schnell an Ausdehnung zugenonnnen, dasselbe
hatte die am Laden betindliche Holztreppe ergriflFen und sich von
hier aus dem oberen Stockwerk und dem Dachraum mitgetheilt,
sodafs die nach diesem vergeblichen Löschversuch mittlerweile herbei¬
gerufene Feuerwehr bereits ein erhebliches „Grofs-Feuer“ vorfand,
dessen Beseitigung die Anwendung mehrerer Strahlrohre erforderlich
machte. Der Laden war mitsamt den darin vorhandenen Feuerlösch¬
granaten zum grofsen Theil ausgebrannt, weder das in ihnen vor¬
handene chemisch präparirte Wasser, noch die Entwicklung der an¬
geblich das Feuer erstickenden Gase hatte auf die Entwicklung des
Feuers irgend welchen Einflufs ausgeübt, geschweige dasselbe ge¬
löscht. Die Feuerlöschgranaten hatten somit ihren Zweck nicht nur
verfehlt, sondern sie hatten das Ilerbeirufen der Feuerwehr in sehr
erheblichem Mafse verzögert, sodafs dem Feuer Zeit zu seiner Ver¬
breitung gelassen wurde. Es scheint fast, dafs gerade die von den
Granaten herrührenden Gase den beschleunigten Bückzug des Laden¬
besitzers veranlafst hatten, der, anstatt die etwa 300 Schritt entfernt
belegene Feuerwehr zu rufen, die kostbare Zeit mit Versuchen
äufserst zweifelhafter Löschmittel zubrachte. • — Nichtsdestoweniger
veranstaltete derselbe, trotz dieses für ihn sehr verhängnifsvollen
Hifserfolges, am 8. April eine öffentliche Feuerlöschprobe, die bei
dem üblichen, mit Brennholz, Theer und Petroleum usw. augefüllten
und alsdann angezündeteu Holzkasten dem Publicum die Unfehlbar¬
keit seiner Feuerlöschgranaten vor Augen führen sollte.
Im Anschlufs hieran will ich nicht unerwähnt lassen, dafs bei
dem im Jahre 1886 stattgehabten Brande der Zuckerfabrik Glauzig
(Abhalt), welche gänzlich zerstört wurde, gleichfalls mit sog. Lösch¬
dosen vergebliche Löschversuche gemacht worden sind, worüber mir
geschrieben wurde: „Ich theile Ihnen noch mit, dafs beim Brande
der Zuckerfabrik Glauzig etwa 15 Stück Löschdosen, die in der
Fabrik vertheilt lagen, und zwar in jedem Baum ein Stück, zur
Wirkung kamen; aufserdem ist noch eine Löschdose vom Director M.
in einen der brennenden Bäume hineingeworfen. Alles natürlich
ohne Erfolg“. Brauddirector Stolz- Magdeburg.
L. Heitlings „Bidefsammler“. Patent Nr. 45 530. L. Heitling
in Berlin. — Das zu heftende Papier (Briefe, Eechnungeu, Zeit¬
schriften, Notenblätter, lose Zettel usw.) wird auf die Tischplatte
und zugleich nach Abb. 1 so über die linksliegende (glatte) Schiene a
gelegt, dafs es mit der rechten Kante derselben abschneidet, die
Schnur-Enden also, soweit sie auf der Schiene liegen, vom Papier
mit bedeckt werden. Darauf reifst man die Schnur-Enden scharf in
ab b a
den Bücken des Blattes soweit nach links hinein als dies möglich
ist, legt die Oberschiene 6 nach Abb. 2 links auf den eingebrachten
Bogen und dreht dann den Griff g nach rechts, wodurch die Schnüre
sich aufwickeln und die lose festgehaltene Oberschiene auf der Hef¬
tung nach rechts gleitet. Hat die Oberschiene die Bückenkante des
Papiers erreicht und sich fest auf das unterliegende Blatt gedrückt,
so schiebt man den Schieber s in eine der Biefelungen des Griffes g,
womit die Heftung fertig ist und die Festigkeit eines Buches erhält.
Die Einheftung eines neuen Blattes ist ebenso wie die Herausnahme
eines beliebigen bereits eingehefteten jederzeit leicht möglich. Der
Preis für das Stück beträgt je nach der Gröfse 1,25 bis 2 Mark.
Büclierscliau.
Tafeln der Hyperhelfimctionen und der Krelsfnnctionen nebst
einem Anhänge, enthaltend die Theorie der Hyperbelfunctionen von
Dr. W. Ligowski, Professor an der Kaiserl. Marine- Akademie und
-Schule in Kiel. Berlin, 1890. Ernst u. Korn. XXIV (Einleitung)
und 104 S. Text in gr. 8“. Preis b J(, gebd. ganz Lwd. ^ J(.
Der Begriff und die Anwendungsweise der Kreisfunctionen
(sinus, eosinus, tang. usw.) ist wohl jedem Techniker vollkommen
geläufig. Ebenso darf als allgemein bekannt gelten, dafs der Nutzen
dieser Gröfsen für den täglichen Gebrauch ein sehr geringer sein
würde, wenn nicht wohlgeordnete, übersichtliche Tafeln vorhanden
wären, aus denen die Zahlenwerthe mit Bequemlichkeit entnommen
werden können. Den Kreisfunctionen stehen zwar die Hyperbel¬
functionen in Bezug auf allgemeine und vielseitige Verwendbarkeit
etwas nach; dagegen wird die Lösung der Aufgaben, in welchen
diese Functionen Vorkommen, durch das Vorhandensein von Tafeln
der Zahlenwerthe der letzteren nicht minder erleichtert, als es bei
den Kreisfunctionen der Fall ist. Solche Tafeln sind freilich viel
schwerer in ausreichender Vollständigkeit herzustellen, da die
Hyperbelfunctionen nicht periodisch sind, wie die Kreisfunctionen,
sondern stets andere Werthe annehmen, wenn der Bogen, zu dem sie
gehören, von Null bis Unendlich wächst. Hierdurch erklärt es sich
wohl, dafs bisher überhaupt nur wenige Schriftsteller an die Berech¬
nung von Tafeln • der Hyperbelfunctionen herangetreten sind, dafs
keiner eine lückenlose Tafel geliefert hat, und dafs die Theorie und
die Anwendung dieser Functionen in technischen Kreisen wenig
Beachtung gefunden hat. Denjenigen Lesern, welchen dieser Gegen¬
stand ganz fremd geblieben ist, wird vielleicht die folgende Gegen¬
überstellung der beiden Arten von Gröfsen willkommen sein.
Kreisfuncti onen.
Vf*
COS (f! —
sin (f: —
cos (f
+ e
— <fi
- 7 i
2i
i sin (fj =
cos (f — i sin (p =
q sin- (f, =
o
cos 2
cos^ q-- — sin^ q
sin q
1
2 cos q
cos q
Coi q
sin q
©in q
ffi
■ e
— 7 i
e *
1
cos 2q
sin 2 q:
rä
Hyperbelfunctionen.
(5oi q
: 6oi q 4-
1
_r
2 !
' 2!
e = 6oj q
1 = q —
(5oi2^- = 6oj2y 4
©in 2 q = 2 föpj q
'4! 6!
'4! ^6!
1
T
1
_ ’
3!
^ 3!
^ 5!
j^<fl
' 5!
Die vorstehenden Formeln (denen sich übrigens noch viele andere
anreihen lassen würden) lassen u. a. erkennen, dafs die bekannten
Beziehungen der Goniometrie ihr vollständiges Seitenstück in ent¬
sprechenden, auf die Hyperbelfunctionen bezüglichen Gleichungen
finden. Auch geben die Formeln einen ungefähren Begriff von dem
Anwendungsgebiet dieser Functionen. Als besondere Beispiele aus
dem Baufache mögen hierfür noch die von Ligowski schon im
Jahrgang 1854 der Zeitschrift für Bauwesen ausgeführten Unter¬
suchungen über die Form und Stärke gewölbter Bögen, ferner die
Abhandlung über Seilcurven auf Seite 231 des Centralblattes der
Bauverwaltung für 1883, und schliefslich die vielfachen Anwendungen
bei der Berechnung des Eisenbahn-Oberbaues erwähnt werden.
Das vorliegende Buch bringt nun eine vollständige Tafel der
Logarithmen von ©in q, (£ü) q und Tang q für q = 0 bis qi = 9
und bietet die Mittel, die Logarithmen dieser Functionen auch für
gröfsere Werthe von q zu bestimmen. In manchen Fällen, und zwar
gerade bei statischen Aufgaben, ist die Anwendung der Logarithmen
etwas unbequem. Dem Buche ist deswegen noch eine von q = 0
bis q- — 8 fortschreitende Tafel der ©innö und Golinuö selbst ein¬
gefügt, sowie auch (in engeren Grenzen) eine Tafel der sinus und
Cosinus für.Längenmafs (statt Gradmafs), durch welche das lästige
Umrechnen des bei statischen Untersuchungen allein vorkommenden
Längenmafses in Gradmafs entbehrlich gemacht werden soll. Der
Gebrauch der Tafeln ist in einer ausführlichen Einleitung erläutert;
der Anhang enthält eine kurze Theorie der Hyperbelfunctionen nebst
Formelsammlung. An Uebersichtlichkeit der Anordnung und Klar¬
heit des Druckes läfst das verdienstliche Werk nichts zu wünschen
übrig, sodafs es seinen Zweck, die Verwerthung der Hyperbelfunc¬
tionen zu fördern, sicher erfüllen wird. — Z. —
Verlag von Ernst* Korn (Wilhelni Ernst), Berlin. Für die Kedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s kcs, Berlin.
209
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 34. Mai 1890. Nr. 31.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches: Kreishaus in
Euskirchen. — Kaiser Wilhelm -Denkmal für die Rheinprovinz. — Rollklappenwehr
von Carro. — Feste Strafsen -Flaggenmasthalter. — Dreitheiliges Drahtspannwerk. —
Vermischtes: Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin. — Reiterstandbild
Kaiser Wilhelms I. in Breslau. — Ehrenbezeigungen. — Preisbewerbung für ein Segel¬
oder Lastschiff für die Oder. — Preisbewerbung für ein Kreisständehaus für den Kreis
Kreuznach. — Preisbewerbung für das ,Romine“-Haus bei Lausanne. — Sclbstthätiger
Regenmesser. — Wiedereinführung von Strafsenposten in England. — Bücherschau.
Amtliche ]VI
Preiifseu.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Kegierungs- und Baurath Grofsmann, Director des Königlichen
Eisenbahn-Betriebs-Amts in Königsberg i. Pr., den Eothen Adler-
Orden IV. Klasse zu verleihen.
Die bisherigen Königlichen Kegierungs-Baumeister: Vatichö iri
Gleiwitz, Weisfer in Filehne, Stosch in Emden, Lieckfeldt in
Fingen, Ludwig Schulze in Burg i. Dithm., Heuner in Geeste¬
münde, Versmann in Coblenz, Düsing in Mülheim a. Eh., Siebert
in Oppeln, Eich in Berlin, Gatzmer in Colbergermünde, Eeer in
Kiel, Thomany in Posen, Khode in Königsberg O.-Pr., Wilhelm
Web er in Dortmund, Hellmuth in Hameln, Brandt in Burg i. Dithm.,
Michelmann in Fürstenwalde a. Spree, Adolf Franke in Meppen
und Lauen roth in Münster i. W. sind unter Belassung in ihren
gegenwärtigen Beschäftigungen zu Königlichen Wasser-Bauinspectoren
ernannt worden.
Den bisherigen Königlichen Eegierungs - Baumeistern Alfred
Sproemberg in Berlin und Max Ludewig in Leobschütz ist die
nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Der Eegierungs- und Baurath Ernst Schmidt in Marienwerder
ist gestorben.
ittheilungen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Sich Gnädigst
bewogen gefunden, dem Baurath und Professor Adolf Weinbrenner
in Karlsruhe das Eitterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub Höchstihres
Ordens vom Zähringer Löwen zu verleihen.
Brauuschweig.
Dem Privatdocenten Dr. Wernicke an der Herzoglichen tech¬
nischen Hochschule in Braunschweig ist der Titel Aufserordentlicher
Professor verliehen.
Elsafs - Lothringen.
Der bisherige technische Assistent der Wasserbauverwaltung,
Kegierungs-Baumeister Vetter, ist zum Wasser-Bauinspector ernannt
und demselben die etatsmäfsige Stelle für Eevisionsarbeiten in Strafs¬
burg übertragen worden.
Der bisherige technische Assistent der Wasserbauverwaltung,
Eeg.-Baumeister Paul Herr mann sowie der bisherige Keg.-Baumeister
August Pfann sind zu Kaiserlichen Meliorations -Bauinspectoren in
Elsafs-Lothringen ernannt worden. Denselben sind die beiden etats-
mäfsigen Stellen für Eevisionsarbeiten in Strafsburg übertragen.
Die Kegierungs-Baumeister Kapp in Saarburg und v. Kohden
in Strafsburg sind zu technischen Assistenten der Wasserbauverwal¬
tung ernannt worden.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Neubau des Kreishauses in Euskirchen,
Zu einem nicht geringen Theile sind die Baupläne der Kreis¬
häuser, welche seit Einführung der neuen Kreisordnung in den
preufsischen Provin¬
zen entstanden sind,
auf dem Wege der
Preisbewerbung ge¬
wonnenworden. Auch
das Amtsgebäude des
rheinischen Kreises
Euskirchen , welches
den Gegenstand dieser
Mittheilung bildet,
gehört zu ihrer Zahl.*)
Sein Entwurf rührt
von den ersten Sie¬
gern im Wettbewerbe,
den Kölner Archi¬
tekten Sehreiterer
und Schreiber her
und wird von ihnen
auch zur Ausführung
gebracht.
Das, wie die Ab¬
bildungen erkennen
lassen, zweigeschossi¬
ge, in den Formen
deutscher Eenaissance
entworfene Gebäude
birgt im wesentlichen
drei Kaumgruppen,
die , in sich ge¬
schlossen, thunlichst
von einander zu son¬
dern und doch auch
*) Vgl. S. 418 J. 1889 und S. 56 d. J. — Bei Gelegenheit dieses Hin¬
weises sei bemerkt, dafs sich in die letztangezogene Mittheilung ebenso
wie in die damalige Bekanntmachung im Anzeigentheile ein Druck-
wieder gegenseitig in bequeme Verbindung zu bringen waren. Es
sind dies die Amtsräume der Kreis Verwaltung, der Sitzungssaal des
Kreistages mit seinem
Zubehör und die Woh¬
nung des Landrathes.
Die ersteren beiden
Gruppen wurden pro-
grammgemäfs ins Erd-
geschofs gelegt, wäh¬
rend die Landraths¬
wohnung im Oberge-
schofs ihren Platz er¬
hielt und durch einige
im ausgebautenDach-
geschosse gewonnene
Dienerschaftsräume
vervollständigt wurde.
Der vorgeschriebenen
Trennung entspre¬
chend, die namentlich
für die Wohnung
streng durchgeführt
ist,wurden auch dieZu-
gänge behandelt. Der
Haupteingang zum
Erdgeschosse liegt
zwischen den beiden
Gruppen der Ge¬
schäftsräume ixnd
führt auf einen für
beide gemeinsamen,
wenn auch bescheiden,
so doch immerhin mit
einem angemessenen
fehler eingeschliehen hat. Der an dritter Stelle mit einem Geldpreise
besonders bedachte Verfasser ist der Architekt Kichard Abels —
nicht E. Meis — in Köln.
Kreishaus in Euskirchen.
210
24. Mai 1890.
Ceutralblatt der B aiiver waitung-.
Grade vou Monumentalität behandelten Vorflur. In der Gestaltung
solcher Vorplätze wird oft und wurde auch bei der Euskirchener Preis¬
bewerbung von manchem Betheiligten gefehlt, indem der Flur bald zu
grofsartig und nicht im Verhältnisse zu dem Wesen und den Kosten des
Gebäudes angelegt, bald wieder zu untergeordnet behandelt wurde. Der
Entwurf der Herren Schreiterer und Schreiber hält darin die richtige
Mitte. Ein Nebeneingang in den Amtszimmerflur, der insbesondere dem
Landrath zur Benutzung dienen soll, ist am entgegengesetzten Ende
des Hauses vorgesehen und stellt die unmittelbare Verbindung mit dem
dort befindlichen Eingangsflure und der Haupttreppe der Wohnung
her. Mit dem schönen Garten endlich, der liinter dem Plause liegt,
ist dieses derart unmittelbar verbunden, dafs von dem darum au die
Hinterfront gelegten Arbeitszimmer des Landraths aus eine Thür
über eine vorgelegte Gartenhalle ins Freie führt. Um die Trennung
räumen ist, um diese Stelle besonders zu betonen, ein einfacher
Thurm von mäfsigeu Abmessungen angeordnet, unter dem im Wohn-
geschosse vor dem Zimmerchen der Frau ein lauschiger Erker aus¬
gekragt wurde. Die Fronten des Hauses werden in Tuff und gelben
Verblendsteinen ausgeführt, seine Kosten sollen sich, die Stallgebäude
eiugeschlossen, aber ausschliefslich der Gartenmauern, auf nicht mehr
als rund 80 000 Mark belaufen, eine Bausuinme, zu deren Einhaltung
allerdings mit grofser Sparsamkeit wird verfahren werden müssen,
da auf das Quadratmeter bebauter Grundfläche nur etwa 160 Mark
entfallen.
Ist der Entwurf der Herren Schreiterer und Schreiber zweifellos
als eine wohlgelungene Lösung der durch das Programm gegebenen
Aufgabe anzusehen, so wollen uns einige Punkte dieses Programmes
selbst nicht glücklich erscheinen, indem sie nur dazu angethan
Erdgeschofs.
Kreishaus in Euskirchen.
I. Stockwerk.
der landräthlichen Wohnung und der zu ihr gehörigen Wirthschafts-
räume, Stallungen usw. von der Kreisverwaltuug ganz streng durch¬
zuführen, wurden auch die Aborte für die Kreisbeamten im Hause
selbst untergebracht, entgegen der ursprünglichen Programmbestim-
inung, welche diese Aborte mit der Stallung zusammengelegt wissen
wollte.
Um dem Kreissaale bei seiner vorgeschriebenen Lage im Erd¬
geschosse eine angemessenere Höhe zu geben und anderseits die
Höhe der Amtszimmer nicht allzusehr zu steigern, wird der Erd-
geschols-Fufsboden im östlichen Theile des Hauses etwa ein halbes
Meter tiefer zu liegen kommen und der Höhenunterschied durch di’ei
bis vier Stufen ausgeglichen werden, die an die Einmündungsstelle
des schmaleren Amtszimmei-flures in den Vorplatz der Räume der
Kreisverwaltung zu liegen kommen. Der Kreissaal wird auf neuer¬
lichen Wunsch des Bauausschusses etwas breiter und dafür kürzer
werden, sodafs der für 40 Personen bestimmte Sitzungstisch Huf¬
eisenform erhalten kann, gewifs eine zweckmäfsige Anordnung, die
auch der Vorderfront, in der die beiden Giebel dann verschiedene
Gröfse erhalten, nur zum Vortheile gereichen kann.
Für die Wohnung im Obergeschosse ergab sich durch die unten
nothwendigen, oben wiederholten Flure die naturgemäfse Sonderung
der Wohn-, Schlaf- und Wirthschafts -Räume, die im einzelnen
zweckmäfsig angeordnet sind. Ein Blumenzimmer über dem Woh¬
nungseingang, oben gegenüber dem Treppenaustritt und gegen
diesen mit einer grofsen Scheibe geöffnet, sowie ein Altan neben den
Schlafzimmern erhöhen in willkommener Weise die Annehmlichkeit
der Wohnung.
Bei der Gestaltung des Aeufseren sind die Architekten mit Er¬
folg bemüht gewesen, dem Gebäude ein Gepräge zu geben, welches
seiner doppelten Bestimmung, als öffentliches Gebäude und als Wohn¬
haus zu dienen, entspricht. Ueber dem HaujJteingange zu den Geschäfts¬
waren, den Bearbeitern unnöthige Fesseln anzulegen. Dies gilt vor
allem von der Bestimmung, dafs der Sitzungssaal in das Erdgeschofs
eingezwängt werden mufste. Er würde ebenso gut oder vielmehr
besser im Obergeschosse liegen, wo er nach Bedürfnifs in die Höhe
entwickelt und als dankbares und bezeichnendes Motiv für die
Aufsenerscheinung benutzt werden könnte. Seine Lage zu den Amts¬
zimmern würde sich damit nicht ungünstiger gestalten, für den Land¬
rath aber wäre es eine grofse Annehmlichkeit, wenn der Saal so ge¬
legen wäre, dafs er ihn bei gröfseren Gesellschaften und bei Fest¬
lichkeiten, deren Veranstaltung ihm infolge seiner Stellung obliegt,
bequem zu seiner Wohnung hinzuziehen könnte. Würde damit eine
Haupttreppe in diesem, hier östlichen Theile des Hauses erforder¬
lich, so liefse sich dafür die besondere Wohnungs-Haupttreppe ent¬
behren und mit jener etwa in einer Weise vereinigen, wie dies z. B.
in dem auf Seite 115 Jahrg. 1889 d. Bl. veröffentlichten Kreishause
für Prenzlau geschehen ist. Im Untergeschosse aber würde Raum
gewonnen, der die höchst unbequeme rind eine künstlerisch fertige
Lösung ungemein erschwerende Forderung des Programmes ausschlösse,
nach welcher die künftige Erweiterung der Geschäftsräume durch einen
für später vorgesehenen Anbau ermöglicht werden soll. Eine dritte
Programmvorschrift, die vom Uebel ist und später auch gewöhnlich
aufgegeben wird, ist noch die bei der Gebäudebeschreibung bereits
erwähnte Bestimmung, dafs die Beamtenaborte nicht im Hause liegen,
sondern mit den Stallungen verbunden werden sollen. — Es scheint,
als würden diese Bedingungen aus einem Programme für die gleiche
Gebäudegattung in das andere übernommen, ohne dafs man sich so
recht über die damit herbeigeführten Plnzuträglichkeiten klar wird,
und es wäre sehr erfreulich, wenn für die nicht unerhebliche Zahl
von Kreishäusern, deren Erbauung unter ähnlichen Verhältnissen
noch bevorsteht, die Programmbestimmungen in dem angedeuteten
Sinne abgeändert und erweitert würden. Hd.
Die Preisbewerbung zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm -Denkmals
für die ßheinprovinz.
Ueber das Ergebnifs des rheinischen Denkmal -Wettbewerbes
und die Entscheidung der Preisrichter ist schon in Nr. 19 und
19A. dieses Blattes berichtet worden. Ehe hier auf eine Be¬
sprechung der einzelnen Entwürfe eingegangen wird, soll zunächst
die Entwicklung der Denkmal-Angelegenheit beleuchtet werden.
Wie Überair in deutschen Landen, so brach sich auch am Rhein
bald nach dem Heimgange des unvergefslichen Kaisers Wilhelm I.
der Gedanke Bahn, dem Dahingeschiedenen ein bleibendes Denkmal
zu setzen. Jede nur einigermafsen bedeutende Stadt wollte den
verehrten Verblichenen durch ein Denkmal oder eine Stiftung oder
in sonstiger sinniger Weise der Nachwelt in Erinnerung halten, und
so war es natürlich, dafs auch die als geschlossener Körper auf¬
tretende Provinz hinter den Einzel -Gliedern dieses Körpers, den
Städten, nicht Zurückbleiben durfte. Der Beschlufs, an auserlesener
Stätte ein rheinisches Provincial- Denkmal für Kaiser Wilhelm zu
errichten, war bald gefafst, es fragte sich nur, wie ein solches in
angemessener Weise gestaltet werden sollte und wo es zu errichten
sein würde. Der hervorragenden Punkte giebt es am Rheinstrome
Är. 21.
Centralblatt der Bauverwaltung.
211
gar viele. Demgemäfs war es natürlich, dafs aus den verschiedenen
Kreisen die verschiedensten Vorschläge hervorgingen, dafs die mannig¬
faltigsten Gesichtspunkte ins Feld geführt und Gründe jeder Art
für die Vorschläge vorgebracht wurden. Manchmal spielte dabei
erklärlicherweise etwas Orts-Patriotismus mit, ja stellenweise blickte
wohl auch die Wirthshaus-Politik hindurch. An vielen Punkten am
Ehein, besonders auf Bergeshöhen, baute man Gerüste, um dem
Publicum die gemachten Vorschläge zu verdeutlichen und die Auf¬
stellung eines Denkmals an den betreffenden Orten zu veranschau¬
lichen; auch entbrannte manche Zeitungs-Fehde, und mancher Eede-
kampf hinter dem Schoppen über die Wahl des Denkmalplatzes
wurde ausgefochten.'
Inzwischen hatte sich die mafsgebende Behörde der rheinischen
Pro vincial -Verwaltung mit der Denkmalfrage beschäftigt, war aber
bei deren Schwierigkeit, zumal da innerhalb der vielköpfigen Körper¬
schaft auch wohl zu viele berufen, zu wenige auserlesen waren, ein
bestimmtes Urtheil über die offene Frage fällen zu können, über das
Wie und Wo sich nicht klar geworden. Dieselbe Unklarheit fand
sich im Publicum und in Künstlerkreisen. Die einen wollten — wohl
in Anlehnung an das National-Denkmal auf dem Niederwald — eine
Bergeshöhe, andere einen Platz in einer der hervorragendsten
rheinischen Städte, diese ein reines Bildhauerwerk, jene eine mit
Bildwerk verbundene Architektur. Die Provincial - Behörde hat,
um aus der Unklarheit herauszukommen, einen richtigen Weg be¬
treten, indem sie zunächst den Eath des rheinisch -westfälischen
Architekten-Vereins in Köln in der Angelegenheit einholte. Letzterer
wählte daraufhin zur Prüfung und Berathung der Platzfrage aus
seinen Mitgliedern einen Ausschufs und ertheilte diesem die Befugnifs,
sich durch andere geeignete Persönlichkeiten zu ergänzen. Der in
dieser Weise vervollständigte Ausschufs bezeichnete in seiner Sitzung
in Königswinter am 8. Juni 1889, wie in Nr. 24 v. J. des Central¬
blatts der Bauverwaltung berichtet worden ist, das Siebengebirge
oder seine Umgebung als die geeignetste Gegend für die Aufstellung
des Denkmals und empfahl insbesondere unter den Höhenpunkten den
Hirschberg, unter den mittleren Höhen den Hardtberg, unter den Ehein-
Inseln die Südspitze der Insel Nonnenwerth als Denkmalplätze.*) Die
Provincial-Behörde schlofs sich diesem Gutachten nicht vollständig an,
sie liefs vielmehr in dem darauf erlassenen Preisausschreiben den
Künstlern für die Wahl des Platzes einen viel weiteren Spielraum,
indem sie als Standort für das Denkmal nur einfach eine Höhe am
Ehein oder eine Khein-Insel vorschrieb, die Auswahl unter den ver¬
schiedenen mehr oder weniger geeigneten Punkten aber den Wett¬
bewerbern übeiiiefs. Dieses anscheinend auf einer gewissen Un¬
sicherheit beruhende Verfahren der Provincial-Behörde mag manchen
Wettbewerber und manchen unbetheiligten, aber doch die Ange¬
legenheit mit warmer Theilnahme verfolgenden Zuschauer zunächst
befremdet haben. Bei reiflicher Ueberlegung aber kann man zu¬
gestehen, dafs der eingeschlagene Weg ein wohlberechtigter ge¬
wesen ist. Die Auswahl unter den zur Verfügung stehenden Plätzen
war unstreitig schwierig. Es war dem Nichtkünstler und demgemäfs
auch den Behörden nicht möglich, sich für den einen oder andern
Punkt ohne einen bestimmten, ausgearbeitet vorliegenden Entwurf
ein Bild von der zukünftigen Gestaltung des Punktes mit einem dort
ausgeführten Denkmal in Gedanken zurecht zu legen. Deshalb
empfahl es sich, den Künstlern selbst es zu überlassen, ihren eigenen
*) Die Motive dieses Gutachtens sind in einer bei A. Henry in
Bonn verlegten kleinen Denkschrift dargelegt.
Ansichten über die Platzfrage durch die freie Wahl unter den Plätzen
Ausdruck zu geben und dementsprechend ihr Denkmal zu entwerfen.
Dadurch konnte sowohl die Platzfrage geklärt als auch vielleicht
günstigenfalls ein für die Ausführung unmittelbar oder mit ent¬
sprechenden Abänderungen geeigneter Entwurf gewonnen werden.
War letzteres nicht der Fall, so mufste doch durch den in diesem
Sinne durchgeführten Wettbewerb wenigstens soviel erreicht werden,
dafs die Behörde sich nunmehr für einen bestimmten Platz ent¬
scheiden und dann entweder mit Hülfe eines zweiten engeren Wett¬
bewerbes oder durch unmittelbaren Auftrag an einen Künstler die
endgültige Feststellung des Denkmal -Entwurfs veranlassen kann.
Inwieweit der dargelegte Gedankengang des eingeschlagenen Ver¬
fahrens berechtigt war, und ob sein praktischer Erfolg der gehoffte
sein wird, mufs die demnächstige Stellungnahme der Provincial-
behörde zeigen. Unseres Erachtens kann man hoffen, dafs es ge¬
lingen wird, auf Grund des Ergebnisses des vorliegenden Wett¬
bewerbes zu einem allseitig befriedigenden Ziele und damit zu einem
der Eheinprovinz würdigen Kaiser Wilhelm-Denkmale zu gelangen.
In welcher Weise dieses Ziel zu erreichen sein wird, soll zum
Schlüsse, nach der Besprechung der einzelnen Entwürfe, erörtert
werden.
Dafs im Wettbewerbs-Programme die Platzfrage offen gelassen
war, kann wohl als eine Erschwerung der gestellten Aufgabe auf-
gefafst werden, für den Künstler selbst aber mufste diese Lücke
einen ganz besonderen Reiz bieten, da sie ihm Gelegenheit gab, viel
freier und unbeschränkter, als das sonst der Fall zu sein pflegt,
seine eigenen Gedanken zum Ausdruck zu bringen und selbst zur
Lösung der Platzfrage wesentlich beizutragen. Noch eine andere
Lücke zeigte das Programm, insofern nämlich die Kosten für die
Ausführung des Denkmals im Preisausschreiben nicht genau begrenzt
waren. Demgemäfs war es schwer, in der Ausstattung wie in dem
Umfange der Denkmal-Anlage das richtige Mafs einzuhalten. Der
schaffende Künstler mufste sich entweder selbst klar legen, wie weit
er mit den Mitteln für das Denkmal gehen dürfe, oder er mufste auf
gut Glück — unbekümmert um den Kostenpunkt — seinen Gedanken
freien Lauf lassen, sich dabei selbst die der Würde des Unternehmens
angemessenen Grenzen ziehen und danach seinen Entwurf gestalten.
Endlich war auch darüber im Programm keine feste Bestimmung
getroffen, ob das Denkmal sich vorwiegend auf ein bildnerisches
Werk beschränken, oder ob Architektur in Verbindung mit der Bild¬
hauerkunst angewendet werden solle. Doch liefs wenigstens der
in seiner Fassung und nach seiner Auffassung allerdings eigenthüm-
liche Satz des Preisausschreibens, „dafs zur Theilnahme an dem
Wettbewerb deutsche Künstler und Architekten aufgefordert
wurden“, keinen Zweifel darüber, dafs man eine vorwiegend archi¬
tektonische Lösung für zulässig halte. Die Oertlichkeit des Denk¬
mals selbst, für welche eine Höhe am Rhein oder eine Rhein-Insel
nach dem Programm gewählt werden sollte, wies sogar in erster
Linie auf eine vorwiegend architektonische Lösung hin.
Das Ergebnifs des unter diesen Verhältnissen entstandenen Wett¬
bewerbs kann als ein recht erfreuliches bezeichnet werden, wenngleich
für den hohen Reiz der Aufgabe die Betheiligung eine verhältnifs-
mäfsig geringe gewesen ist. Während bei dem Wettbewerb um das
National-Denkmal für Kaiser Wilhelm in Berlin im vorigen Jahre
147 Arbeiten eingegangen waren, beschränkt sich der Wettstreit für
das Kaiserdenkmal der Rheinprovinz auf nur 25 Entwürfe. Darunter
aber sind hervorragende Leistungen zu verzeichnen.
(Fortsetzung folgt.)
Rollklappenwehr von Carro,
Neben den Poireeschen Nadelwehren erfuhren in den fünfziger
und sechziger Jahren namentlich die Chanoineschen Klappen bei
der Canalisirung von Flüssen eine schnell sich verbreitende Anwen¬
dung. Aber die fehlerhafte Einzelausbildung der letzteren,
welche sich beim Niederlegen der Klappen in einem häufigen Ver¬
sagen der Hakenstangen nebst Windevorrichtung zeigte, des ferneren
dadurch sich bemerkbar machte, dafs zuweilen beim Aufrichten des
Wehrs die hintere Bockstrebe unter der Einwirkung der heftigen
Strömung an dem selbstthätigen Einfallen in ihr Fufslager auf dem
Wehrboden verhindert wurde, machte nicht nur der weiteren An¬
wendung der Chanoineschen Klappen ein Ende, sondern führte sogar
dazu, dieselben zum Theil später durch Nadelwehre zu ersetzen.*)
Sobald es aber dem Ingenieur Pasqueau gelungen war — und das
ist gerade kennzeichnend, für die Werthschätzung, die man in Frank¬
reich dem Grungedanken der Klappenwehre entgegenbringt —
durch sein Gleitlager die genannten beweglichen Theile überflüssig
*) Die Canalisirung der Maas von Namur bis zur französischen
Grenze. Von M. Hans. Deutsch von E. Dü sing. Wiesbaden, 1885.
J. F. Bergmann.
zu machen, wurde im Anfänge der achtziger Jahre in La Mulatiere
bei Lyon wiederum ein Klappenwehr im grofsartigsten Mafsstabe
ausgeführt.**) Eine noch weitergehende Verbesserung der Chanoine¬
schen Klappen hat der französische Oberingenieur Carro früher als
Pasqueau in Vorschlag gebracht durch den Entwurf zu einem „Roll¬
klappenwehr“.***) Da letzterer in deutschen Fachkreisen nicht be¬
kannt geworden, dabei aber m. E. sehr viel Beachtenswerthes zu
enthalten scheint, so sei eine kurze Mittheilung über denselben hier
gestattet.
Etwas unter der Mitte der Klappe sind (Abb. 1 u. 2) oben auf
derselben zwei gufseiserne Halslager angebracht, in welchen die
Endzapfen der oberen Querachse eines rechteckigen schmiedeeisernen
Bockes ruhen, dessen unterer Querarm in Zapfen endigt, die sich in
gufseisernen, auf dem Wehrboden befestigten Lagern drehen. Dieser
also oberhalb der Klappe, mit der er fest verbunden ist, ange-
**) Zeitschrift für Bauwesen 1881, S. 113.
***) Memoire sur une disposition nouvelle de barrage automobile
ä grande retenue. Par T. Carro. Meaux, imprimerie typographique
Jules Carro. 1876.
212
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
24. Mai 1890.
orduetete Bock legt sich auf dieselbe uieder, sobald letztere selbst
uiedergelegt ist. Seiue Ständer wirken als Zugstreben. Jede Klappe
ist unten mit zwei gufseisernen Bollen versehen, welche auf Eisen¬
bahnschienen laufen, die auf dem Wehrboden befestigt sind. Die
hintere Stützstrebe der Chanoineschen Klappe fällt fort, ebenso die
Hakenstange nebst Windevorrichtung. Oberhalb des eigentlichen
Wehrs befindet sich der aus Nadelwehrböcken bestehende Arbeits¬
steg mit einer fahrbaren Winde für die Handhabung der KlaxDjDen.
Während der Aufrichtung einer Klappe ist ihr jeweiliger
Drehungsmittelpuukt hintereinander gelegen in den Schnittpunk¬
ten O 0‘ O" (Abb. 1) der Bockachse und der im jeweiligen Be¬
rührungspunkte der Bollen mit der Laufschiene errichteten Loth-
rechten. Daraus geht hervor, dafs im Anfänge der Aufrichtung der
Klappe der Angrift’spunkt des Wasserdrucks stromabwärts vom
Drehungsmittelpunkte liegt, und dafs das Moment des Wasserdrucks
negativ oder der Aufrichtung der Klappe entgegenwirkend ist. Der
Hebelsarm dieses Druckes vermindert sich in dem Mafse als die
Klapj)e sich erhebt, dann geht sein Moment in ein positives über
und kommt dem au der oberen Kante der Klappe augreifendeu Zuge
der Windekette zu Hülfe, Es giebt also während des ganzen Weges
der Klappe eine Grenzlage
zwischen den beiden
Endlagen der uiederge-
legteu und aufgerichteten
Klappe, in welcher die
Summe der Momente = 0
ist , d. h. bei der die
Klappe sich im unsicheren
Gleichgewichte befindet.
Die in dieser Grenzlage
zu der geringsten Zug¬
wirkung hinzukommende
Kraft der Strömung be¬
wirkt, dafs die Klappe,
selbstthätig ihren Lauf
vollendend, sich gänzlich
aufrichtet.
Bei wachsendem
Wasser nimmt allgemein
der Unterschied zwischen
Oberwasser und Unter¬
wasser ab, und in dem¬
selben Mafse geht der Au-
griftspunkt des Wasser¬
drucks auf die aufge¬
richtete Klappe in die
Höhe. Er wird schliefs-
lich den Drehungsmittelpunkt überschreiten, da ja die obere Quer¬
achse des Bockes, mit welcher bei aufgerichteten Klappen jener
zusammenfällt, unter der Klajjpeumitte liegt. Das Moment des
Drucks, welches einen Augenblick vorher positiv oder die Klappe
anpressend war, wird sein Vorzeichen ändern: das Wehr wird sich
selbstthätig vollständig auf den Boden niederlegen, ohne
Zuhülfenahme von Hakenstange und Winde.
Nähert sich beim Aufrichten die Klappe ihrer aufrechten End-
stelluug, dann wirkt die rollende Beibung an ihrem Eufse wie eine
Bremse, um in vortheilhafter Weise den Stofs abzuschwächen, wel¬
cher gegen die Sohlenschwelle ausgeübt wird, und welcher daher
offenbar kleiner sein wird als bei der Chanoineschen Klappe. Diese
Beibung etwa durch Vergröfserung der Bollendurchmesser zu ver¬
kleinern, erscheint daher um so weniger angebracht, als die Ver-
hältnifszahl der rollenden Beibung von Gufseisen auf Eisen schon an
und für sich sehr gering ist. Um beim Anschlägen der unteren
Klappen-Enden an die Sohlenschwelle ein Hinaufrollen der Klappen
auf diese und damit ein Durchschlagen derselben stromabwärts zu
verhindern, hat mau nur die Sohleuschwelle in der Verlängerung der
Eisenbahnschienen so tief auszuschneiden, dafs die Bollen nicht zur
Berührung mit derselben, daher auch nicht zum Auflaufen auf die¬
selben kommen. Die durch diese unteren Ausschnitte entstehenden
Wasserverluste sind verschwindend gegen diejenigen , welche
durch den Zwischenraum zwischen je zwei Klappen hervorgerufen
werden.
Um das selbstthätige Niederlegen der Klappen zu verhindern,
braucht man nur die oberen Kanten derselben durch Hakenstangen
mit dem nächsten Bocke des Arbeitsstegs zu verbinden. Das gleich¬
zeitige, der Schiffahrt gefährliche Umschlagen der Klappen wird
dadurch vermieden, dafs man die Drehachsen derselben in geringen
Abstufen verschieden hoch legt. Die Klappen, deren Drehachsen
am tiefsten liegen, werden sich zuerst niederlegen. Sie werden als¬
dann die Ausflufsöffnung soweit vergröfsern, bis ein neuer Beharrungs¬
zustand im Flusse eingetreten sein wird. Wenn das Wasser fortfährt
CaiTOS Rollklappenwehr.
zu wachsen, dann wird eine neue Anschwellung andere Klappen
schwingen lassen usw., bis der ganze Durchlafs geöffnet sein wird.
Wenn man, ohne die selbstthätige Wirkung der Anschwellung
abzuwarten, eine gewisse Anzahl von Klappen niederlegen wollte, so
würde es genügen, einen Zug auf eine am unteren Klappen-Ende be¬
festigte Kette auszuüben. Dadurch würde namentlich der Drehungs¬
mittelpunkt nach unten verlegt, sodafs, da auch gleichzeitig der An¬
griffspunkt des Wasserdrucks, wenn auch nur sehr wenig, in die
Höhe geht, das Moment der letzteren, sein Vorzeichen ändernd, die
gänzliche Niederlegung der Klappe bewirken würde. Das Vorhanden¬
sein der vielen Ketten giebt — wie aus den bei dem Klappenwehr
bei Port-ä-l’Auglais gemachten Erfahrungen hervorgeht — zu Ver¬
wirrungen keinen Anlafs. Anstatt durch einen Zug am unteren
Ende könnte man durch einen Schub auf das obere Ende der Klappe
dieselbe niederlegen. Hierzu genügt es also auf alle Fälle, der
Klappe einen ersten Anstofs zu geben, welcher den Sinn des Wider¬
standsmomentes ändern und die Klaj)pe in den Stand setzen würde,
ihren Lauf selbstthätig zu vollenden.
Die Hauptvorzüge, die Carro seinem Bollklappenwehr zuschreibt,
sind in Kürze folgende:
1. Da die Klappe
während ihrer Bewegung
in vier Punkten unter¬
stützt ist , so ist sie
keinen Querbewegungen
ausgesetzt wie die Cha-
noinesche Klappe. Man
kann daher den Zwischen¬
raum zwischen je zwei
Klappen vermindern zum
Vortheile der Dichtig¬
keit des Wehrs.
2. Der WasserdrucH
wird von einem Bocke
aufgenommen , welcher
nicht zu Formänderungen
hinneigt wie bei Chanoine.
Daher kann man den
Klapp)en namentlich
gröfsere Breitenabmess¬
ungen geben als den
Chanoineschen, zum Vor-
t heile der schnelle¬
ren Handhabung des
Wehrs, welches eine ent¬
sprechend geringere Zahl
Klappen erhalten wird.
3. Ein Bollklappenwehr ist billiger als ein Chanoinesches, da
einmal die beweglichen Theile fortfallen, dann auch der Wehrboden
— da ja der Stützpunkt der Klappen oberhalb dieser liegt —
erheblich schmaler ausfallen wird.
4. Das Wehr legt sich selbstthätig ohne Unterbrechung
gänzlich auf den Wehrboden nieder, während ja die Chanoineschen
Klappen nach ihrem Kippen auf ihren Böcken schwebend verbleiben
zwischen Oberwasser und Unterwasser und daher u. U. Gefahren
ausgesetzt sind, auch solche durch die Beschränkung des Durchflufs-
profils hervorrufen können.
5. Beim Herannahen einer Anschwellung auf einem durch die
gebräuchlichen Stauwerke canalisirten Flusse empfindet man zuweilen
eine gewisse Unsicherheit bezüglich des Zeitpiunktes, in dem man
das Wehr mehr oder weniger vollständig zu öffnen hat. Beim Boll-
klappenwehr kann man sich in solchen Fällen darauf beschränken,
die Dienstbrücke niederzulegen. Man wird alsdann ruhig abwarten
können, dafs die Hochfluth selbst das Niederlegen der Klappen in
dem Mafse bewirkt, in welchem die abfliefsende Wassermenge dies
erheischt.
An Bedenken gegen den Entwurf könnten hauptsächlich folgende
erhoben werden:
1. Sind Versandungen in dem Theile des Bodens zu befürchten,
auf dem die Klappen rollen? Ich glaube mit Carro diese Frage ver¬
neinen zu düi'fen. Denn während des Niederlegens des Wehrs
(Abb. 3) wird unter einem bedeutenden Wasserdruck eine kräftige
Spülung zwischen Klappenunterkante und Wehrboden erzeugt werden,
da sich ja hier eine der Schienenhöhe entsprechende Durchfiufs-
öfi’nung von 5 bis 10 cm Höhe bildet, durch welche das Wasser hin-
durchgeprefst wird, und zwar für gewöhnliche Verhältnisse mit einer
anfänglichen Geschwindigkeit von etwa 5 m, Offenbar hat man es
aber ganz in der Hand, jederzeit eine solche Spülung des Wehr¬
bodens durch Niederlegen von Klappen hervorzurufen, die am wirk¬
samsten sein wird bei Niedrigwasser, da ja alsdann die gröfste
Druckhöhe vorhanden ist. Auf diese Weise könnte man u. a. Au-
Abb. 4.
IHr. 21.
Centralblatt der Bauverwaltung.
213
faugsgeschwindigkeiteu des Spiilstroms bis etwa 8 m erzeugen, welche
gewifs hinreichend sein würden, um selbst schwerere Geschiebe und
Gefölle zu entfernen. Da aber allgemein die Fortbewegung von Ge¬
schiebe und Gerolle nur beim Vorhandensein einer gewissen Ge¬
schwindigkeit stattfindet, und zwar im allgemeinen bei Hochwasser,
dann aber die liegende Klappe den Wehrboden bedeckt, so wird
m. E. eine Anhäufung von Geschiebe in der Vertiefung des Wehr¬
bodens kaum zu befürchten sein. Aber selbst wenn eine Geschiebe¬
anhäufung stattfinden sollte, deren Forträumung durch eine recht¬
zeitig vorgenommene Spülung versäumt worden wäre, dann würde
dies höchstens die Wirkung haben, dafs die Klappe verhindert würde,
sich vollständig auf den Boden niederzulegen. Sie würde alsdann
nach Abb. 4 eine geringe Neigung erhalten, ohne dafs ein z. B. den
Schiffsdurchlafs durchfahrendes Schiff dadurch in Gefahr gebracht
werden würde. Schlamm- und Sandablagerungen werden gewifs auf
die erwähnte Weise fortgespült werden. Ueberdies laufen die Bollen
ja auf den über der Vertiefung erhöhten Schienen.
2. Können nicht mit dem Wasser treibende Körper, wie Pflanzen,
Gräser, Zweige usw. zwischen Klappe und Bocksfreben eindringen,
während das Wehr aufgerichtet ist? Auch dies erscheint nicht zu
befürchten, da diese Körper ja an der Oberfläche des Wassers
schwimmen und daher bei ihrer Anhäufung vor dem Wehr in der
oberen Hälfte der Wasserschicht schwimmend verbleiben. Sie
würden also durch die Strömung in dem Augenblicke fortgerissen
werden, wann die Klappe kippt.
Möge vorstehende Mittheilung dazu beitragen, den Carroschen,
jedenfalls trefflich durchdachten Entwurf einer eingehenden Prüfung
entgegenzuführen. Wenn für irgend einen Zweig der Wasserbaukunst,
dann gilt dies besonders für bewegliche Wehre, dafs die rein wissen¬
schaftliche Erwägung nie den sicheren Werth der Erfahrung besitzen
kann. Nur die Erfahrung wird endgültig darüber entscheiden können,
ob das Kollklappenwehr zur Anwendung sich eignet oder nicht.
Möge dem Entwürfe recht bald diese Erfahrung zu theil werden,
wenn auch vielleicht zunächst nur an Versuchsklappen!
Braunschweig, im Januar 1890. Engels.
Feste Strafsen - Flaggenmasthalter.
Schnitt a — b.
Bei Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers im December v. J. in
Frankfurt a. M. wurden die von dem Festzuge berührten Strafsen
mit zahlreichen Flaggenmasten geschmückt. Der Umstand, dafs
das. Graben, Wiederzuwerfen und gehörige Abpflastern der bei
dieser Gelegenheit hergestellten Flaggenmastlöcher in der Winter¬
zeit mit manchen Unannehmlichkeiten und nicht unerheblichen
Kosten verbunden war, legte den Gedanken nahe, die einmal ge¬
grabenen Flaggenmastlöcher
zu erhalten und entsprechend
zu befestigen. Wesentlich
unterstützt wurde dieser Ge¬
danke auch durch die hier
in den meisten Hauptstrafsen
bereits vorhandene und für
die Zukunft immer mehr in
Aussicht genommene Be¬
festigungsart der Strafsen-
Fahrbahnen und Fufssteige.
Diese Befestigungsart be¬
steht aus Pflaster auf fester
Betonunterlage, welch letz¬
tere ein Durchbrechen der
Flaggenmastlöcher natürlich
sehr erschwert und aufserdem
durch die Erschütterung
und Zerbröcklung bei dem
Durchbruch erheblich be¬
schädigt wird. Zudem sind
hier die Fugen der Fahr¬
bahnpflastersteine einiger
Hauptstrafsen s. Z. mit
Cementmörtel ausgegossen
worden, der inzwischen eine
solche Härte angenommen
hat, dafs beim Aufbrechen
des Pflasters auch die aus
Hartbasalt bestehenden
Pflastersteine fast sämtlich
gesprengt, d, h. in kleinen,
unbrauchbaren Stücken
herausgestemmt werden
müssen. Allein der Ersatz der auf diese Weise bei manchen Flaggen¬
mastlöchern verloren gehenden 8-12 Stück Würfelpflastersteine ver¬
ursacht, unter Zugrundelegung der hiesigen Pflastersteinpreise, bei
Hartbasalt 2,40—3,60 und bei Granit sogar 3,50 — 5 Mark Unkosten;
ebenso ist die blofse Wiederherstellung des Cementbelages der Fufs¬
steige für jedes Flaggenmastloch nicht unter 2 Mark auszuführen.
Ferner wurde in Erwägung gezogen, dafs seit dem Jahre 1871, also
in 18 Jahren, in Frankfurt a. M. siebenmal Veranlassung gegeben
war, Flaggenmasten in den Hauptstrafsen aufzustellen. Vergleicht
man die hierdurch entstandenen Kosten mit der einmaligen Ausgabe
für die jetzt geplante Einrichtung, so mufs man auch von diesem
Gesichtspunkt aus zu der Ueberzeugung gelangen, dafs die Herrich-
Ansicht von oben.
tung fester, doch mindestens 50 Jahre vorhaltender Flaggeumast-
halter wirthschaftlich richtig ist.
Das Wesentliche der hier jetzt in Ausführung begriffenen, bleiben¬
den Flaggenmasthalter erklären die nebenstehenden Abbildungen.
Es soll daher nur noch kurz bemerkt werden, dafs die ganze Ein¬
richtung aus einem 1,5 m langen, 20 cm im lichten weiten, gufs-
eisernen Rohre besteht, welches am oberen Ende mit einem
warm aufgezogenen schmiedeisernen Verstärkungsringe versehen
ist, unten und oben mit Beton hinterstampft und in Höhe der
Fahrbahn bezw. des Fufssteigs mit einem gufseisernen Rahmen¬
deckel — ähnlich denjenigen der in Frankfurt üblichen Districts-
wassermesser - Schächte — abgedeckt wird. Das Erdloch
für dieses eiserne Rohr wird
etwa 30 cm tiefer ausgehoben
als es die Rohrlänge erfor¬
dert , damit unter dem Rohr
ein entsprechender Raum
zum Ausfüllen mit Kies ver¬
bleibt, der zum Versickern
etwa eintretenden Regen¬
wassers dient. Die ganze
Einrichtung ist einfach und
leicht zu handhaben und
schliefst sich beim Anbrin¬
gen der Flaggenmasthalter
auf den in Frankfurt viel¬
fach vorhandenen Cement-
gufs-Fufssteigen durch die in
Aussicht genommene Ausfül¬
lung der oberen Deckelhöh¬
lung mit Cementbeton ein¬
heitlich an den übrigen Ce-
mentbelag an. Etwa zu dünne
Flaggenmaste, welche das
Rohr nicht genügend aus¬
füllen, müfsten an dessen
oberem Ende mit Holzkeilen befestigt werden.
Es ist wohl selbstverständlich, dafs man diese Flaggenmast¬
halter bei genügender Breite der Fufssteige am liebsten in diesen,
d. h. dicht hinter den Rand- oder Bordsteinen, unterzubringen
suchen wird, da sie hier, gewöhnlich in der Flucht der Laternen,
nur wenig begangen und gar nicht befahren werden. Schliefslich sei
noch erwähnt, dafs jeder fertig gestellte Flaggenmasthalter mit 32 Mark
veranschlagt ist und dafs zunächst 150 Stück davon zur Ausführung ge¬
bracht werden sollen. Bei Neupflasterungen auf einem Betonbett und in
Hauj)tstrafsen dürfte es sich empfehlen, die hier beschriebene Einrich¬
tung gleich von vornherein zu treft’en, da die nachträgliche Anbringung
der festen Flaggenmasthalter doch immer Störungen des Verkehrs und
gröfsere Kosten veranlassen mufs. Von der Verwendung schmiede¬
eiserner Röhren wurde wegen der schwierigeren Beschaffung derselben
und aufserdem deshalb abgesehen, weil die verhältnifsmäfsig dünnen
Wandungen solcher Rohre ein baldiges Durchrosten befürchten lassen.
Frankfurt a. M., im April 1890. Dehuhardt.
Querschnitt.
Dreitheiliges Drahtspannwerk für eine über Haupt- und Yorsignal ununterbrochen
durchgehende doppelte Drahtleitung.
Die Einfahrt der Züge in die Bahnhöfe wird neuerdings meist
durch ein Abschlufs- und ein damit verbundenes Vorsignal gesichert.
Beide Signale werden gewöhnlich durch ein und denselben Hebel
gleichzeitig gezogen. Die Bewegung der Signalarme und Signal¬
scheiben erfolgt bei Anwendung von Doppel -Drahtleitung fast
durchweg durch Hubscheiben, um welche die Drahtleitung mehr-
214
Oentralblatt der Bauverwaltung.
24. Mai
fach geschlungen wird und an denen dieselbe zur Vermeidung von
Verschiebungen an einer Stelle befestigt ist. Da die Hubscheiben
leicht beweglich sein müssen, kann eine über beide Scheiben durch¬
gehende Drahtleituug nur mit besonderen Vorkehrungen angewendet
werden, welche verhüten, dafs sich die Scheiben infolge eines Wärme¬
wechsels oder ungleicher
Widerstände gegen einander
schief stellen können.
Wegen dieser Schwierig¬
keiten hat man bisher nie¬
mals eine durchgehende
Drahtleitung verwendet, son¬
dern man hat entweder das
Stellwerk nur mit dem Haupt¬
signal verbunden und zwi¬
schen Haupt- und Vorsignal
Stellboch
, Hubecheibe des
Haupisignals
Abb. 1. Abzweigende Drahtleitung.
eine besondere Leitung angeordnet, oder man hat, wie zur Verdeut¬
lichung in Abb. 1 in einfachen Linien dargestellt ist, die beiden
Leitungen zum Haupt- und Vorsignal etwa 20 bis 30 m vor dem
Hauptsignal von einander abzweigen lassen. In beiden Fällen mufs
für jede Leitung ein beson¬
deres Spannwerk einge¬
schoben werden, welches bei
der in Abb. 1 dargestellten
Anordnung aus je zwei
gleichen, mit einander fest
verbundenen Spannhebeln
besteht.
Beide Anordnungen
haben den Nachtheil, dafs
ein Drahtbruch in den meisten
Fällen nur ein Signal aufser
Thätigkeit setzt, das andere
dagegen unberührt läfst iind
am Stellbock bezw. Stell¬
werk nicht bemerklich wird.
Abgesehen von gi-ofsen Zug¬
verspätungen, welche dadurch
entstehen können, dafs der
Bruch eines Signaldrahtes
unbemerkt bleibt, ist die
Anordnung auch nicht
ohne Gefahr. Stehen z. B.
die Signale auf „Fahrt“ und
reifst die Drahtleitung (vgl.
Abb. 1) zwischen der Ver¬
bindungstelle G und dem
Hauptsignal, so fällt dieses
Signal auf „Halt“, während
das Vorsignal auf „Fahrt“
stehen bleibt. Durch das
„Halt“ zeigende Hauptsignal
können sich nun die Stations¬
beamten gedeckt glauben,
während sie es thatsächlich
nicht sind; denn ein die
Station fahrplanmäfsig durchfahrender Zug wird,
wenn er das Vorsignal auf „Fahrt“ findet, mit
unverminderter Geschwindigkeit weiter fahren und
wird, wenn nachher das auf „Halt“ stehende
Hauptsignal gesehen wird, das übrigens unter
solchen Umständen auch leicht ganz übersehen
werden kann, schwerlich noch rechtzeitig zum
Halten zu bringen sein.
Das Drahtspannwerk, welches in Abb. 2 — 6
näher dargestellt und zum Patent angemeldet ist,
soll nun eine über die Hubscheiben des Haupt-
und Vorsignals ununterbrochen durchgehende Draht¬
leitung ermöglichen, welche bei jeder Wärme gleichmäfsige
Spannung behält, ohne dafs sich die Hubscheiben gegen ein¬
ander verdrehen können, und bei der ein jeder Drahtbruch
sofort am Stellwerk bemerkbar wird und stets bewirkt, dafs
beide Signale auf „Halt“ fallen bezw. auf „Halt“ stehen
bleiben oder von „Halt“ über „Fahrt“ auf „Halt“ zurück¬
fallen. Das Spannwerk ist ohne weitere Aenderung an den Signalen
überall da anwendbar, wo die beiderseitige Begrenzung der Be¬
wegung der Hubscheiben eine Haltstellung der Signale hervorruft.
Die drei Theile der Drahtleitung : Stellwerk-Hauptsignal, Haupt¬
signal- Vorsignal und Vorsignal-Stellwerk, sollen zur Vereinfachung
fernerhin ihrer Länge entsprechend mit A, B und bezeichnet
werden (Abb. 2). In jedem Theil ist ein besonderer Spannhebel an¬
geordnet. Die Leitung A wird durch den Spannhebel o mit dem
Spanngewicht C und der Spannrolle O gespannt (Abb. 3 u. 4), die
Leitung B durch den Spannhebel p mit dem Spanngewicht D und
der Spannrolle P, und die Leitung {A-\-B) durch den Spannhebel y
mit dem Spanngewicht E und der Spannrolle Q. Die drei Hebel,
welche durch die festen, kreis¬
förmig gekrümmten Füh¬
rungsstangen V gegen Seiten¬
schwankungen gesichert sind,
haben dieselbe feste Dreh¬
achse s t und sind an ihren
äufsersten Enden durch den
Bolzen i k (Abb. 4) derartig
verbunden, dafs sie im allge¬
meinen nur gleiche Winkel¬
bewegungen machen können.
Hubschelbe des>^
Vorsignals |
=0^
=0=
Die Entfernungen der Spannrollen von der Hebeldrehachse sind
bei den drei Hebeln verschieden und müssen sich zu einander ver¬
halten, wie die Längen der betreffenden Drahtleitungen. Es mufs
also sein (Abb. 2):
- Signal - Drahtleitung.
- Drahtleitung für die Auslösevorrichtung
X Feste Drehachse.
Abb. 2. Durchgehende Drahtleitung.
Abb. 5.
Schnitt c—d.
Schnitt e—f.
A : a = B : b = f A Bj : (a bj.
Dehnt oder verkürzt sich
nun der Draht, so können
sich die drei Theile der
Drahtleitung nur nach dem
Verhältnifs ihrer Längen
ändern. Die Hubscheiben
können sich also niemals
gegen einander verdrehen,
und gleichwohl mufs die
Spannung in allen Theilen
der Drahtleitung vollständig
gleich bleiben. Dieser gleich'!
mäfsigen Spannung wegen,
und weil anstatt der bis¬
herigen 4 Spannrollen nur
3 Spannrollen bewegt zu
werden brauchen, mufs die
Bewegung der Signale
leichter und gleich-
mäfsiger werden als
bisher.
Der Bolzen ik ist mit
den Hebeln nicht fest ver¬
bunden, sondern liegt lose
in gabelartigen Schlitzen an
den Enden der Hebel und
wird in dieser Lage durch
die beiden Bleche g h ge¬
halten, welche in einem
ebenfalls um die Hebel-Dreh¬
achse beweglichen Eahmen r
befestigt sind. Dieser Rah¬
men ist an einer von dem
Stellbock hergeführten ein¬
fachen Drahtleitung aufge¬
hängt, welche sich kurz vor
dem Signale in zwei Leitungen theilt und durch
die Spanngewichte F dieselbe Spannung wie die
Signal-Drahtleitung erhalten soll. Beide Leitungen
werden sich also bei Wärmewechsel vollständig
gleichmäfsig dehnen oder kürzen. Bei einer Längen¬
änderung gleich — ist die Tangente des Drehungs-
7
winkeis, um welchen sich der gemeinsame Spann¬
hebel bewegt:
A 1 A
1/2 ,
y a 2 ay
Die Länge der Leitung für den Rahmen r wird sich in diesem Falle
um ~ ändern, und der Rahmen, dessen Aufhängepunkt m (Abh. 3)
y
von der Hebelachse um die Länge 2 a entfernt ist, wird sich also um
einen Winkel drehen, dessen Tangente gleichfalls die Gröfse hat:
y 2a 2a y
Der Rahmen macht somit bei jedem Wärmewechsel dieselbe Be¬
wegung wie der Spannhebel, und die Lage der Bleche g h zu dem
Bolzen i k mufs stets dieselbe bleiben.
Ist die Entfernung zwischen Stellwerk und Hauptsignal sehr
grofs, so kann zur Ersparung von Kosten die einfache Drahtleitung
für den Rahmen r auch von einem näheren Punkte hergeführt werden
Nr. 21.
Centralblatt der Bauverwaltung.
215
Der Aufhängepunkt m mufs alsdann entsprechend verschoben werden.
Ist die Länge der Leitung gleich Ä, so ergiebt sich die Entfernung
{x) des Aufhängepunktes m von der Hebel-Drehachse:
2 a . R
^ ~
Beim Bruch der Signal-Drahtleitung an beliebiger Stelle
wickelt sich die um die Hubscheiben geschlungene Drahtleitung nach
irgend einer Seite hin ab, bis zur Begrenzung dieser Bewegung an
einer der Scheiben. Hierdurch senken sich die drei Spannhebel
zunächst gemeinsam, bis der Bolzen ik sich löst und nunmehr jeder
Hebel für sich wirken kann. Die Länge der Bleche ff h ist so zu
wählen, dafs bei einem jeden Drahtbruch der Bolzen sicher frei wird.
Tritt der Drahtbruch zwischen Haupt- und Vorsignal ein, so
ziehen die Gewichte C und E je ein Signal auf „Halt“. Bei einem
Bruche zwischen Stellbock und Hauptsignal wird das Hauptsignal
stets von dem Gewichte D auf „Halt“ gezogen. Damit jedoch auch
das Vorsignal, auf welches die beiden Gewichte D und E einwirken,
unter allen Umständen auf „Halt“ gezogen wird, damit also auch die
Hubscheibe des Vorsignals bis zu der Begrenzung der Beweglichkeit
gedreht wird, mufs das Gewicht E so schwer sein, dafs durch den
Spannhebel q nicht nur die Hubscheibe des Vorsignals bewegt wird,
sondern dafs gleichzeitig auch, falls es nothwendig wird, der Spann¬
hebel p gehoben werden kann. Die Spannung also, welche das
Spanngewicht D an sich in der Leitung B hervorruft, braucht nur
so grofs zu sein, dafs dadurch eine Hubscheibe, bei der die Gegen¬
spannung fehlt, auf „Halt“ gezogen wird; dagegen mufs die Spannung
welche das Gewicht E für sich allein in der Leitung {A -j- B) hervor¬
ruft, mindestens doppelt so grofs sein, wie die durch das Spann¬
gewicht D hervorgerufene Spannung. Ein ganz entsprechendes Ver-
tiältnifs mufs aueh zwischen den Gewichten C und D bestehen, damit
auch bei einem Drahtbruch zwischen Vorsignal und Stellwerk stets
beide Signale auf „Halt“ gezogen werden.
Sieht man von dem Eigengewicht der Hebel ab und bezeichnet
durchweg den Abstand der Spanngewichte von der Hebel -Drehachse
mit l, so sind die Drahtspannungen, welche durch die einzelnen
Spannhebel in den Leitungen A, B und (A-\-BJ erzeugt werden:
C I I) l E .1
^ und rr- Für die Vertheilung der Spanugewichte
2 a 2b 2(a + o)
gelten also folgende Gleichungen:
C.l E.l ^2.D.l
2a“2(a-f6)^ 26
Diese Einzelwirkung der drei Spannhebel tritt nur im Fall eines
Drahtbruches ein. Sind die drei Hebel durch den Bolzen ik ver¬
bunden, so gilt für die gleichmäfsig durchgehende Spannung (=cr)
die Gleichung:
C.l + DJ+EJ = 2a.a + 2a.b-]-2a{a-\-b)
_ C .1-^ D .l-\- E .1
4 6)
Da in der Leitung für den Rahmen r dieselbe Spannung a be¬
stehen soll, gilt für die Gewichte E die Gleichung:
2F .1 = G .2a
F—
l
Es bleibt noch hervorzubeben, dafs die Länge l für die einzelnen
Spannhebel nicht gleich zu sein braucht, da die einzelnen Spann¬
gewichte auf den Hebeln verschieblich sind.
Auch durch das Reifsen der Drahtleitung für den Rahmen r
kann niemals Gefahr entstehen, denn auch in diesem Fall wird der
Bolzen ik frei und die Signale werden durch die Gewichte C und E
auf „Halt“ gezogen, wobei erforderlichenfalls das Gewicht D gehoben
wird. Ein Gleiches tritt ein, wenn durch irgend einen Zufall der
Bolzen gelöst wird. Ebenso ungefährlich ist es schliefslich, wenn
einmal beide Drahtleitungen gleichzeitig brechen sollten.
Bei der Darstellung in den Abb. 3 — 6 ist angenommen, dafs das
Spannwerk, mit Ausnahme der Gewichte und der Rollen, durchweg
aus Schmiedeeisen hergestellt werde. Bei zahlreicher Herstellung
könnte auch aus Kostenersparnifs fast durchweg Gufseisen ver¬
wendet werden. Verschieden ist, je nach Entfernung der Signale
von dem Stellwerk, nur die Lage der Spannrollen. Bei Ver¬
wendung von Gufseisen müfste also für die Lager der Rollen in den
Hebelarmen ein Schlitz angebracht werden, in welchem die Rollen¬
lager je nach Bedürfnifs an beliebiger Stelle befestigt werden können.
Für Neuanlagen ist eine durchgehende Drahtleitung der
beschriebenen Art nicht theurer als die bisherigen Anordnungen.
Denn durch das dreitheilige Spannwerk werden zwei zweitheilige
Spannwerke erspart, und für die kurze einfache Drahtleitung für die
Auslöse -Vorrichtung kommen 20 bis 30 m Doppeldrahtleitung in
Fortfall. Bestehende Anlagen sind in einfacher und billiger Weise
abzuändern, zumal die durch jedes neue Spannwerk gewonnenen
beiden bisherigen Spannwerke auch fernerhin bei Signalen ohne
Vorsignal Verwendung finden können.
Köln, den .23. März 1890. Feldmann,
Kgl. Reg.-Baumeister.
Vermischtes,
Nationaldenkmal fiir Kaiser Wilhelm I. in Beriin. Der seitens
des Reichskanzlers dem Bundesrathe unterbreitete und von diesem
den zuständigen Ausschüssen überwiesene Antrag, betreffend das
Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. lautet nach dem Reichs-
Anzeiger wie folgt: „Der Bundesrath wolle beschliefsen : 1. Das
National-Denkmal für Se. Majestät den Hochseligen Kaiser Wilhelm I.
wird auf dem durch Niederlegung der Gebäude „an der Schlofs-
freiheit“ entstehenden Platz errichtet. 2. Dasselbe erhält die Gestalt
eines Reiter-Standbildes. 3. Der Reichskanzler wird ermächtigt, über
einen Entwurf für das Denkmal einen engeren Wettbewerb aus¬
zuschreiben.“
Wettbewerb für ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. in
Breslau. Der Provincial-Denkmalausschufs hat in seiner Sitzung
vom 19. d. M. beschlossen, das Kaiserdenkmal nach dem mit dem
ersten Preise gekrönten Entwürfe von Behrens und Licht nun¬
mehr auszuführen. Er ermächtigte den Landeshauptmann Herrn
V. Klitzing mit den genannten Künstlern deswegen sofort in ge¬
schäftliche Verbindung zu treten. Wünsche für kleine Aenderungen
des Entwurfes, die Erscheinung des Kaisers betreö’end, wurden im
Protokoll festgestellt. Sie gehen dahin, dafs der Kaiser statt des
Lorbeerkranzes auf baarem Haupte den Federhelm und statt des
Scepters den Marschallstab erhalten soll. Der Kaisermantel über
der grofsen Generals-Uniform soll beibehalten werden.
Ehrenbezeigungen. Dem Architekten und Bildhauer Otto Rieth
in Berlin, dem Schöpfer des jüngst enthüllten Prachtbrunnens auf
der Eugensplatte in Stuttgart, ist vom König von Württemberg
die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen worden.
— Dem Leiter der technischen Hochschule in Dresden, Geh. Rath
Prof. Dr. Zeuner, ist aus Anlafs seines Rücktrittes aus dem Amte
vom Verbände der Studirenden der Hochschule eine Adresse über¬
reicht worden, in deren Text drei kunstvolle Wasserfarbenbilder,
darstellend die Wirkungsstätten des Gefeierten, das Polytechnicum
in Zürich, die Bergakademie in Freiberg und die technische Hoch¬
schule in Dresden, eingefügt sind.
In der Preisbewerbung um Entwürfe für ein Segel- oder Last¬
schilf für die Oder, den Oder-Spree-Canal und die Spree (vgl. das
Preisausschreiben auf Seite 435 des vor. Jahrg. d. Bl.) sind im ganzen
14 Entwürfe eingegangen, von denen 8 mit Modell, 6 ohne solches
eingeliefert sind. Das Preisgericht, welches am 1. Juli d. J. in Breslau
Zusammentritt, besteht aus den Herren Geh. Admiralitätsrath Brix-
Berlin, Reg.- und Baurath Werner-Berlin, Reg.- und Baurath Dickhoff-
Potsdam, Wasser - Bauinspector Hamei - Breslau, Schiffbaumeister
Stutzer - Havelberg, Fabrikbesitzer und Schiffbauingenieur Hof¬
mann-Breslau, Schiffsreeder Rothenbücher-Berlin, Schiffahrtsdirector
Ströhler-Berlin, Schiffsreeder Krause-Breslau und Schiffsreeder Nagel-
Breslau.
Zur Erbauung eines Kreisständehauses für den Kreis Kreuznach
ist ein Preisausschreiben erlassen worden (vergl. den Anzeiger
Nr. 20A^ d. Bl.), auf das zurückzukommen wir uns Vorbehalten. Zur
Ertheilung von zwei Preisen sind im ganzen 1800 Mark ausgeworfen.
Ablieferungstag ist der 1. September d. J.
In der Preisbewerbung um die Bauanlage ,,Rumine‘‘ bei
Lausanne (vgl. S. 381 d. v. J.) ist ein erster Preis nicht vergeben
worden. Den zweiten Preis (8000 Franken) erhielt Architekt Andre
in Lyon, den dritten (5000 Fr.) Architekt Demiere in Paris. Aufser-
dem wurden Preise: von 4500 Franken an die Architekten Legrand
und Lero}^ in Paris, von 3500 Fr. an die Architekten Kuder-Zürich
und Mül 1er -Strafsburg, von 2500 Fr. an Architekt Recordon in
Lausanne und von 1500 Fr. an Architekt Emil Hagbeck in Berlin
ertheilt. Das Preisgericht traf alle Entscheidungen einstimmig.
Neuer selbstthätiger Regenmesser mit elektrischer Ueber-
tragung. Die bisher gebräuchlichen selbstthätigen Regenmesser
(vgl. auch Handbuch der Ingenieurwissenschaften. Wasserbau I.
Tafel I Abb. 2 u. 3) leiden an dem Uebelstande, dafs während ihres
Gebrauches die Rolle oder der Papierstreifen, auf welchem die zeich¬
nerische Darstellung der Niederschläge erfolgt, sich fortlaufend be¬
wegen müssen, sodafs auch in regenlosen Zeiten eine Erneuerung
der Aufzeichnungsrollen erforderlich ist und somit ein nutzloser
Papierverbrauch stattfindet. Einen neuen, auch sonst vervoll-
kommneten Regenmesser, welcher dem erwähnten Mangel dadurch
abhilft, dafs der Papierstreifen nur bei Eintritt eines Regenfalles
auf elektrischem Wege in Bewegung gesetzt wird, sonst aber nach
216
Centralblatt der Baiiverwaltnng.
24. Mai 1890.
Ablauf je einer Stunde nur um ein gleichbleibendes geringes Mafs
vorrückt, veröft’entlicht die Zeitschrift für Tnstrumentenkunde im
Jahrgang 1889, S. 90 u. f. Die Vorrichtung dürfte, da sie nicht
allein die täglichen und stündlichen Niederschläge, sondern auch die
Stärke und Zeitdauer des geringsten Eegenfalls mit gröfster Genauig¬
keit zur Darstellung bringt, für sorgfältige Beobachtung örtlicher
Niederschlagsverhältuisse sich sehr brauchbar erweisen.
Abb. 1 stellt denjenigen Theil dar, welcher den Witterungsein¬
flüssen ausgesetzt ist. Die in den Trichter T fallenden Niederschläge
tropfen auf die in zwei sich wechselnd hebende Abtheilungen ge¬
trennte und um eine wagerechte Achse drehbare „Wippe“ JJ'. Hat
sich eine Wassermenge entsprechend einer äufseren Eegenhöhe von
0,1 mm auf der aufwärts gerichteten Abtheilung von IV gesammelt,
so kippt letztere durch ihr Gewicht um und das Wasser läuft nach G
ab. Das Spiel wiederholt sich nun mit der andern jetzt gehobenen
Wippabtheilung. Etwaige gefallene feste Niederschläge werden durch
die Lampe L geschmolzen.
Bei jeder Auf- und Abwärtsbewegung der Wippe erfolgt nun
auf kurze Zeit bei c ein Stromschlufs, wodurch ein Elektromagnet E
(nur in dem Stromlaufschema Abb. 3 angedeutet) in Thätigkeit tritt
und einen Papierstreifen F (Abb. 2) von einer Eolle abwickelt. Die
fortlaufende Aufzeichnung der Niederschläge vei-anschaulicht Abb. 2.
Die an der unteren Fläche rauhe und die Schreibfeder F tragende
Schiene <S, welche auf den Eollen r und Ri aufliegt, wird durch die
mit rauhen Eändern versehene und mit dem (punktirt gezeichneten)
Uhrwerk U verbundene Eolle r langsam vom linken bis an den
rechten Eand des Papierstreifens P geschoben. Am Ende jeder
Stunde hebt der Zeiger Z durch Berührung der Backe B die Eolle R
und damit auch die Schienet von der Triebroller etwas ab, sodafs
erstere dem Zuge eines au ihr befestigten Gewichtes v nachgeben mufs
ixnd bis an den linken Eand von P wieder zurückschnellt. Alsdann er¬
folgt wieder die langsame Bewegung nach rechts, g dient zur Aus¬
gleichung des Gewichtes von v und R. Aufserdem wird nach Ablauf
jeder Stunde, wie schon erwähnt, der Papierstreifen um ein be¬
stimmtes kleines Mafs vorgeschoben, sodafs sich regenlose Zeiten
durch parallele nahe liegende Linien — z. B. ein Tag durch 24 Linien
— kennzeichnen. Die Eegendarstellung auf P (Abb. 2) bringt bei x
eine niederschlagsfreie Zeit zur Darstellung, während darüber ein
stärkerer dreistündiger Eegenfall sichtbar wird. Die Gröfse der
stündlichen Eegenmengen ergiebt sich leicht durch Messung des Ab¬
standes der parallelen Stundenlinien.
Das Stromlaufschema zeigt Abb. 3. Der Stromkreis der Bat¬
terie K, in welchem sich der Elektromagnet E befindet, kann durch
Berührung bei c im Eegenmesser und bei ci im Uhrwerk geschlossen
werden. W. P.
Wiedereinführung von Strafsenimsteii in England. Dafs im
Zeitalter des Schnellverkehrs eine Postverwaltung Miene macht,
wieder zu den Beförderungsmitteln der Landstrafse zurückzukehren,
erscheint im ersten Augenblick befremdlich, und doch wird in der
jüngsten Zeit, wie die Railway Press berichtet, die englische Post¬
verwaltung von den Eisenbahnen zu diesem Schritte geradezu gedrängt.
So ist kürzlich auf der 56 km langen Strecke zwischen Liverpool und
Manchester eine Strafsenpost für Paketbeförderung neu eingerichtet
worden, und der Ausfall dieses Versuches wird für die Einrichtung
weiterer Postverbindungen im Lande entscheidend sein. Das Vor¬
gehen der Post ist begründet in der aufserordentlich hoch bemessenen
Entschädigung, welche sie den Bahnen für die ihnen zur Beförderung
übergebenen Pakete zu zahlen hat. Nach dem englischen Postpaket¬
gesetz vom 18. August 1882 (45. und 46. Vict. Cap. 74) sind die Bahnen
verpflichtet, die Beförderung von Postpaketen mit allen Personen-
und Güterzügen auszuführen (mit Eil- und Postzügen nur dann, wenn
die regelmäfsige Abfertigung der Züge dies gestattet). Die Post hat
dafür an die Gesamtheit der Bahnen 11/20 oder 55 pCt. der Eoh-
einnahmen unter Zugrundelegung eines bestimmten Pakettarifs zu
vergüten. Die Gesamtvergütung wird vom Eisenbahn-Abrechnungshof
(Eailway Clearing House) unter die einzelnen Bahnen vertheilt. Die
nach dem besonderen Tarif den Bahnen zufliefsende Vergütung ist
nun etwa 1/3 höher, als angemessen sein würde. Kein Wunder daher
dafs die Bahnen die Paketbeförderung für eigene Eechnung be¬
deutend billiger übernehmen können, als die von ihnen abhängige
Post, und trotzdem ansehnlichen Gewinn aus diesem Verkehrszweig
erzielen. Der Eisenbahnpaketverkehr hat denn auch mit der Zeit
ebenso an Umfang zugenommen, wie die Postpaketbeförderung ab¬
genommen hat. IVill daher die Post auf den Paketverkehr nicht
überhaupt verzichten, so bleibt ihr nur übrig, auf Mittel und Wege
zu sinnen, sich von den Bahnen frei zu machen und ihnen in irgend
einer Weise wirksamen Wettbewerb zu bieten. Ob das angewendete
Mittel hierzu ausreicht, bleibt allerdings abzuwarten.
Büclierscliaii.
IHe neue Synagoge in München, entworfen und ausgeführt von
Albert Schmidt, erläutert von K. E. 0. Fritsch. München 1889.
J. B. Obernetter. 10 S. Text in Folio mit 15 Abbildungen; 10 photo-
graph. Aufnahmen. Preis 22,50 Jt.
Zu den Bauwerken, für deren Wesen die neuere Zeit in Er¬
manglung eines herkömmlichen Typus den künstlerischen Ausdruck
zu finden bestrebt ist, gehört das jüdische Gotteshaus. Der Wege
zur Lösung der Frage sind verschiedene eingeschlagen worden. Eine
Zeit lang wmren die Versuche mehr äufserlicher Art. Man glaubte
im allgemeinen das Wesentliche zur Kennzeichnung der Synagoge
gethan zu haben, wenn man besonders eigenartige Merkmale der
christlichen Kirche vermied und das Bauwerk in arabisch-maurische
Stilformen kleidete. Die Willkür, welche in der Wahl dieses Stiles,
mit dem das Judenthum gar nichts gemein hat, liegt, übersah man;
die Anschauung war eine so vorherrschende, dafs selbst ein Architekt
wie Albert Schmidt bei seinen ersten, mehr akademischen Studien,
die er für die Münchener Synagoge machte, noch unter ihrem Ein¬
flüsse stand. Wir ersehen aus den Textabbildungen der uns vor¬
liegenden Veröffentlichung, wie ein erster, von ihm vor nunmehr nahezu
zwanzig Jahren aufgestellter Entwurf trotz des in demselben bekundeten
tieferen Eindringens in den Gegenstand die gewählten gothischen
Formen mit maurischen Anklängen mischt. Erst später, so zuerst in
einem 1877 — 78 entstandenen Entwürfe, macht sich Schmidt frei von
dieser Auffassung und tritt der Ansicht bei, dafs, wie die Juden früher
stets ihre Gotteshäuser in der herrschenden Bauweise des Landes
errichteten, auch unsere Zeit fremde, in gar keiner Beziehung zum
Judenthunr stehende Stilarten zu vermeiden habe, eine Ansicht, die
vornehmlich Oppler stets vertreten und in allen seinen Synagogen¬
bauten bethätigt hat und die jetzt von aller Welt getheilt wird.
Was aber an die Stelle setzen, da wir eine herrschende Bauweise,
einen Stil im Sinne früherer Zeitabschnitte nicht haben? — Schmidt
hat gewifs, ebenso wie Oppler, den richtigen Weg eingeschlagen r
er bildet die Gestalt seines Baues aus dessen innerstem Wesen, aus
den „Programm“ -Forderungen heraus und bedient sich dazu der
entwicklungsfähigen Formen der romanischen Bauweise, des Stils,
den nicht nur die ältesten auf deutschem Boden erhaltenen Synagogen
aufweisen, sondern der auch, wie der Text der Veröffentlichung zu¬
treffend sagt, „bei ausreichender Beweglichkeit zugleich die Möglich¬
keit gewährt, das Bauwerk in jener schlichten Einfachheit und monu¬
mentalen Strenge zu halten, die dem Wesen des israelitischen Cultus
am besten entspricht“. Die gediegene und gesunde Art aber, wie
das in unermüdlicher, ernster Arbeit bei der Münchener Synagoge
geschah, ist es, worin der Hauptwerth dieses mustergültigen, schon
vielfach vorbildlich gewordenen Bauwerkes liegt. Sie macht es der
vorliegenden, mit vieler Sorgfalt behandelten Veröffentlichung werth,
die ihm zu der grofsen Zahl von Bewunderern, welche es schon
besitzt, immer neue Freunde werben wird.
Auf eine nähere Würdigung des Baues einzugehen, ist hier
nicht der Ort; sie wird treffend durch den erläuternden Text ge¬
geben, in dem wir auch eingehende Mittheiluugen über die Ent¬
stehungsgeschichte des nunmehr seit drei Jahren die bayerische
Hauptstadt zierenden Bauwerkes finden. — Hätten wir zu der Ver¬
öffentlichung einen Wunsch zu äufsern gehabt, so wäre es der ge¬
wesen, das Gebäude nicht fast ausschliefslich in photographischen
Aufnahmen, sondern in noch mehr geometrischen Eissen dargestellt zu
sehen. Der Mafsstab und die Darstellixngsweise dessen, was hiervon
im Texte gegeben ist, befriedigen nicht vollständig. Wir bekennen,,
dafs uns Blatt 7, der Aufrifs des Allerheiligsten, das liebste aller
gebotenen ist. Geometrische Darstellungen, insbesondere Schnitte, und
die sich in ihnen bekundende Handschrift des Architekten sind es nun
einmal, die allein dem Fachmanne das tiefere Eindringen in den Gegen¬
stand ermöglichen und die selbst durch die vorzüglichen Obernetter- 1
sehen Photographieen nicht ganz ersetzt werden können. — d. ,
Verlag von Ernst & Korn CWilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Thciles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
217
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 31. Mai 1890. Nr. 22.
Bcdaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Aimahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHAIiT:' Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches: Kirche in Nict-
ieben bei Halle a. S. — Mechanische Eigenschaften des Kiefernholzes. — Strafsen-
brücke über die Noce-Schlncht in Südtyrol. — Ausstellung von Aquarellen und Hand-
zeichuungen Franz Ewerbecks in Aachen. — Grenzen des Flufsbettes eines öffent-
liehen Stromes gegenüber dem Privateigenthum. — Vermischtes: IX. Wander-
vcrsanimlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine. — Ge¬
werbe- Aussteliung der Stadt Rom. — Besuchsziffer der Königlichen technischen
Hochschule in Hannover.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsea.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, die Er-
laubnifs zur Anlegung verliehener nichtpreufsischer Orden zu ertheilen,
und zwar: des Comthurkreuzes des Grofsherzoglich sächsischen Haus-
Ordens der Wachsamkeit oder vom weifsen Falken: dem Präsidenten
der Königl. Eisenbahn-Direction in Magdeburg Quassowski, und des
Officierkreuzes des Ordens der Königlich rumänischen Krone: dem
Geheimen Eegierungsrath Menne, Director des Königl. Eisenbahn-
Betriebs -Amts in Neuwied.
Zu Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspectoren sind ernannt: die
Königlichen Regierungs - Baumeister Niese in Gotha, Brandt in
Elberfeld, Langbein in Hamburg, Buff in Berlin, Kiesgen in
Eschwege, Schmalz in Biedenkopf, Goleniewicz in Lissa,
Schwandt in Breslau, Lohse in Köln, Richard in Bremen,
Behnes in Hannover, Merten in Düsseldorf, Lacomi in Berlin^
Herr in Berlin, Middendorf in Erfurt, Borggreve in Berlin,
Petri in Wesel, Brunn in Creuznach, Schmeifser in Altena,
Lohmeyer in Magdeburg, Spirgatis in Elberfeld, Fidelak in
Weilburg, Grapow in Oppeln, Holverscheit in Berlin, Fuchs in
Cottbus, Karsch in Münster, Blunck in Glatz, Schmidt in Erfurt,
May in Kattowitz, Freudenfeldt in Berlin, Scharlock in Bergen,
Walther in Ostrowo, Maley in Wesel, Schreinert in Altona,
Maas in Breslau, G rot he in Erfurt, Heufemann in Kattowitz,
Winde in Elbing, Rothmann in Hamm, Lehmann in Crefeld,
Scholkmann in Essen, Grosse in Breslau, Wiegand in Bromberg,
Stimm in Walsrode, Klinke in Berlin, Zachariae in Wittenberg
und Elender in Bromberg, sowie der Betriebsinspector Pritzel in
Insterburg und der Baumeister Recke in Uelzen.
Zu Eisenbahn - Bauinspectoren sind ernannt: die Königlichen
Regierungs-Baumeister (für das Hochbaufach) Weithmann in Köln,
Wegner in Berlin, Schwartz in Düsseldorf und Giasewald in
Elberfeld.
Zu Eisenbahn - Maschineninspectoren sind ernannt: der Werk-
stätten-Vorsteher Kirchhoff in Frankfurt a. M. und der Maschinen¬
meister Hey in Oppeln.
Zu Eisenbahn - Bauinspectoren sind ernannt: die Königlichen
Regierungs - Baumeister (für das Maschinenbaufach) Leissner in
Berlin, Gilles in Berlin, Busmann in Arnsberg, Bachmann in
Harburg, Dan in Betzdorf, Hellmann in Köln, Polle in Berlin,
Echternach in Breslau, Domann in Lauban, Jahnke in Köln,
Heer in Erfurt, Nitschke in Bromberg, Leitzmann in Köln,
Bergemann in Breslau, Neugebaur in Frankfurt a./O., Grauhan
in Köln-Deutz, Cordes in Elberfeld und Strasser in Tempelhof.
Es ist verliehen: dem Regierungs- und Baurath Ballauff in
Cottbus die Stelle des Directors des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-
Amts daselbst und dem Eisenbahn- Maschineninspector Brünjes in
Magdeburg die Stelle eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahn-
direction daselbst.
Der bisherige Königl. Regierungs-Baumeister Hermann Mathies
in Berlin ist zum Königl. Wasser-Bauinspector ernannt worden.
Versetzt sind: die Regierungs- und Bauräthe Hellwig in Königs¬
berg O./Pr. und Balzer in Hildesheim an die Königl. Regierungen
in Hildesheim bezw. in Köln, sowie der Kreis -Bauinspector Rofs-
kothen in Frankenberg (Reg.-Bez. Cassel) in gleicher Amtseigen¬
schaft nach Burgsteinfurt; ferner die Eisenbahn-Bau- und Betriebs¬
inspectoren Bansen, bisher in Züllichau, als Vorsteher der Eisen-
bahn-Bauinspection II nach Frankfurt a./O. und Winter, bisher in
Elbing, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt in Schneidemühl.
Zu Königlichen Regierungs -Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Heinrich Haltermann aus Lübeck, Richard
Bock aus Erfurt und Karl Aronson aus Königsberg O./Pr. (Hoch¬
baufach); — Hermann Schaffrath aus Bedburg bei Köln und Egon
Schümann aus Berlin (Ingenieurbaufach); — Karl Kunze aus Neun¬
kirchen im Regierungsbezirk Arnsberg, Maximilian Gärtner aus
Dissen bei Cottbus und Hermann Eschweiler aus Niddegen im
Kreise Düren (Maschinenbaufach).
Der Eisenbahn-Maschineninspector Kunz, ständiger Hülfsarbeiter
bei dem Königlichen Eisenbahn- Betriebs -Amt in Crefeld, ist ge-
storb en.
Oldenburg.
Der Weg- und Wasserbau -Conducteur Oeltjen in Ellwürden
ist zum Weg- und Wasserbauinspector ernannt.
Anhalt.
Se. Hoheit der Herzog haben Gnädigst geruht, den Bauinspector
Toelpe in Ballenstedt zum Baurath zu ernennen.
[Alle Eechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Kirche in Metlehen hei Halle a. S.
Das Dorf Nietleben, dessen Einwohnerzahl sich infolge des Be¬
triebes einer in seiner Flur liegenden Braunkohlen-Grube in den
letzten zwanzig Jahren bis auf 1704 Einwohner vermehrt hatte, besafs
nur eine kleine baufällige Kirche ziemlich entfernt vom Orte, in der
Flur der Domäne Granau. Da diese längst nicht mehr für die Ge¬
meinde ausreichte, beschlofs man einen Neubau im Orte selbst zu
errichten und beschaffte durch Ankauf eines verfallenen Oekonomie-
Grundstücks mitten im Dorfe einen zwischen zwei Strafsen gelegenen
Bauplatz. Wies schon die Form dieses Platzes auf einen Centralbau
hin, so war die Wahl eines solchen umsomehr angezeigt, als es sich
um eine evangelische Predigtkirche handelte.
Die nicht ganz leichte Aufgabe war, mit einem Kostenaufwande
von nur rund 60 000 Mark im Schiffe und auf den Emporen 700 Sitz¬
plätze zu schaffen. Sie wurde durch einen schlichten Gewölbebau
in romanisirenden Formen derart gelöst, dafs im achteckigen Mittel¬
raume für Erwachsene 22 Bänke mit zusammen 216 Sitzen und
6 Kinderbänke mit 54 Sitzen untergebracht werden konnten. In den
umgebenden Schifftheilen unter den Emporen fanden 34 Bänke mit
zusammen 218 Sitzen Platz, während auf den Emporen 36 Bänke mit
180 Sitzen und auf der Orgelbühne Kinderbänke mit 30 Sitzen, im
ganzen also 698 feste Sitze gewonnen wurden (vgl. die Grundrisse
auf Seite 219). Aufserdem lassen sich noch in verschiedenen ein¬
springenden Ecken der Bänke Klappsitze anbringen.
Um mit den vorhandenen Mitteln auszukommen, und dabei doch
die Einwölbung der Kirche nicht aufgeben zu müssen, war auf eine
durch Strebesysteme reicher zu gliedernde Architektur zu verzichten.
Die Grundform der Kirche wurde so gewählt, dafs ein um den acht¬
eckigen Hauptraum gelegter Kranz von acht Tonnengewölben das
Widerlager des mittleren Sterngewölbes bildet, während die ver¬
bleibenden Zwickel zwischen den Tonnen mit dreiseitigen Kloster-
218
Centralblatt der Bauverwaltung.
31. Mai 1890.
gewölben ausgefüllt wurden. Die Tonnengewölbe ruhen auf ver-
ankei'ten Kundbögen. Westlich schliefst sich an den Achteckbau
der Kirche der Glockenthurm an. Er enthält im Erdgeschosse eine
Vorhalle mit dem Haupteingange, darüber den Raum für Orgel und
Windbälge, in einem weiteren Geschosse den Läuteraum, darüber
die Glockenstube und endlich die Stube für eine Uhr mit Zeiger¬
werk für vier Zifferblätter. Das östliche Feld des Schiff-Umganges ist
zur Altarnische und zu zwei seitlichen Vorhallen mit Nebeneingängen
für das Erdgeschofs ausgebaut. Hinter der Altarnische liegt der
halbkreisförmige flachgewölbte Sacristeiraum, und ihn umschliefsen
ringförmig die hinteren Emporentreppen — zwei weitere liegen vorn, zu
Seiten des Thurmes — , welche durch einen vierten Eingang im Osten,
der auch zur Sacristei
führt, zugänglich sind.
Was die Ausführungs¬
weise der Kirche betrifft,
so ist zunächst zu erwäh¬
nen, dafs die Gründung
auf einem festen, thonigen
Lehm (vgl. den Schnitt)
trotz der Nachbarschaft
eines abgeleiteten und zu¬
geschütteten teichartigen
Sumpfes keinerlei Schwie¬
rigkeiten verursachte. Das
Grundmauerwerk ist aus
rothen Porphyr - Bruch¬
steinen vom Galgenberge
bei Halle, alles übrige
Mauerwerk der Kirche
aus i'othen vollen Mauer¬
steinen aus der Ziegelei
Plauena, gleichfalls böi
Halle, hergestellt. Zu den
Gesimsen, Fenstern, Thü-
ren und Gewölbrippen sind
Formsteine aus derselben
Ziegelei verwendet wor¬
den. Aus Sandstein von
der Weser und Unstrut
bestehen nur die Treppen
zu den Eingängen und Em¬
poren, die Säulen und das
Mafswerk in den Schall¬
öffnungen , sowie Altar
und Kanzel. Das Mauer¬
werk ist in Kalkmörtel
gefertigt mit Ausschlufs
der vorspringenden Ge¬
simse, Fensterpfeiler, Ge¬
wölbrippen und Gurt¬
bögen, die in Cement-
möi'tel ausgeführt wurden.
Die Kirchendächer sind
mit Thüringer Schablonen¬
schiefer auf Brettschalung
und Dachpappe gedeekt,
die Thurmdächer in deut¬
scher Art und ohne Pappe.
Die Spitze des Kirchendaches wurde mit einer schmiedeeisernen
Bekrönung, der Thurm mit Windfahne und kupfernem Knopf ver¬
sehen. Dachrinnen befinden sich nur über den Eingängen. Im
übrigen ist von solchen abgesehen, einmal, weil sie ohne öftere Reini¬
gung dem Gebäude sehr bald mehr schaden als nützen, zumal auf
dem Lande die dazu nöthigen Handwerker nicht leicht zur Hand sind,
dann aber auch, weil bei ihrer Reinigung das Schieferdach meist be¬
schädigt wird. Damit aber bei Thauwetter der vom oberen Dache
auf das untere abgleitende Schnee keinen Schaden anrichten kann, ist
am Dachrande ein starkes, eisernes Schnee -Schutzgitter angebracht.
Für den Fufsboden der Kirche kamen in den Gängen geschliffene
Sandsteinplatten, unter den Stühlen kieferne Dielen zur Verwendung,
deren Lager luftig auf Mauersteiupflaster, welches mit Gement ab¬
gegossen ist, liegen. Zwischen dem Kirchenpflaster und dem alten
Terrain ist der ganze Raum mit Steinschutt und reinem Kies ange¬
füllt. Die Thüren der Kirche sind in Verdoppelung, nach aufsen in
glatten Holzflächen und mit verzierten Beschlägen, nach innen mit
Rahmen und Zierleisten hergestellt und schlagen sämtlich nach
aufsen auf. Die Fenster sind mit Formstein- Einfassungen versehen,
zwischen Trageisen in Blei verglast und mit dem alten Schienen- und
Keilverschlufs befestigt. Bei den grofsen Fenstern wurden die Felder
durch schmale Ornament -Friese in goldgelbem Grunde belebt, das
Mittelfenster der Altarnische ist mit einem den segnenden Christus
darstellenden Mosaikbilde, die beiden Seitenfenster mit bunten
Teppichmustern geschmückt.
Die äufseren Wandflächen der Kirche sind in Backsteinbau
lisenenartig gegliedert, die Innenwände geputzt und mit farbigen
Friesen und Kanten auf hellem Grundtone verziert, während alle
Gewölbeflächen einen noch helleren gelblichen Grund mit bunt ge¬
musterten Kanten zeigen. Die Rippen des grofsen Stern -Gewölbes
heben sich durch ein kräftiges Profil aus einem Rundstabe und
zwei Hohlkehlen von den Flächen ab. Die Emporen sind in Holz
eingebaut. Ihre Brüstungen sind in Form kleiner Rundbogeu-
arcaden auf vortretenden Balkenköpfen aufgesetzt und, wie das Ge¬
stühl, mit etwas Okerzusatz
geölt, mit bunten Linien
in der Gliederung abge¬
setzt und lackii’t. Ebenso
ist auch das Gehäuse der
ISstimmigen Orgel in
Kiefernholz behandelt.
Der Glockenstuhl besteht
aus Schmiedeeisen , die
Glocken sind in Bronce
neu gegossen.
Erwärmt wird die
Kirche durch eine einfache
Umlauf-Luftheizung. Die
beiden Räume unter den
steinernen ersten Ab¬
sätzen der Thurm- und Em¬
porentreppen sind durch
Wände abgeschlossen und
zu Heizkammern einge¬
richtet. In jeder Heiz¬
kammer steht ein Regu-
lirfüllofen von 36 cm
Durchmesser und 2 m
Höhe mit Rippenansätzen
und chamotteausgefüt-
terter Feuerung. Die
erwärmte Luft zieht oben
aus der Heizkammer in
die Kirche hinein und
wird durch die Luft aus
den 60 cm weiten Thon¬
canälen ersetzt , welche
von der Altarnische her
unter dem Fufsboden ent¬
lang bis unter die Oefen
geführt sind. Da die
Gemeinde nur immer 1
bis IV2 Stunden sich im
Kirchenraume befindet,
und in der Zwischenzeit
durch Thüren und Fenster
schon eine hinlängliche
Lufterneueruug stattfin¬
det, so konnte von einer
besonderen Anlage für
Zuführung frischer Luft
von aufsen her abgesehen werden. Die Heizung hat sich recht gut
bewähi’t und erfordert verhältnifsmäfsig sehr wenig Brennstoff.
Die Baukosten der Kirche belaufen sich einschliefslich der Hand-
und Spanndienste sowie der Kosten für Glocken, Uhr, Orgel und
Platzregelung auf 63 600 Mark. Bei 420 qm Grundfläche kostet also
das Quadratmeter 151,40 Mark, das Cubikmeter bei 5145 cbm Inhalt
12,30 Mark und der Sitzplatz bei 700 Plätzen 90,80 Mark. Werden
jedoch die Kosten für die Uhr (805 Mark), für die Orgel (3720 Mark),
die Glocken (1022 Mark) und die Platzregelung (463 Mark), zu¬
sammen 6010 Mark, in Abzug gebracht, so kostet das Kirchengebäude
rund 57 600 Mark und somit das Quadratmeter bebaute Fläche rund
137 Mark, das Cubikmeter Rauminhalt 11,2 Mark und der Sitzplatz
82 Mark. Der Bau wurde im October 1884 begonnen und die Kirche
im October 1886 ihrer Bestimmung übergeben. Von Werth dürften
noch einige Bemerkungen über die Akustik der Kirche sein. Bei
leerem Gotteshause versteht man die Sprache in allen Ecken und
Enden recht gut, wenn jemand leise spricht, es hallt aber ineinander,
wenn laut gesprochen wird. Bei schwach besuchtem Gottesdienste
mufs der Prediger gemessen und nicht zu laut sprechen, wenn die
Stimme nicht etwas nachhallen soll. Bei voll besetztem Hause da¬
gegen fällt das Hallen der Stimme fort und jede Tonart wird gut
verstanden. Jedenfalls wird dem jetzigen Prediger von Nietleben
Längenschnitt.
Kii’che in Nietleben bei Halle a. S.
Nr. 22.
Centralblatt der Bauverwaltuug.
219
nach seiner Erklärung die Aussprache leicht und seine Kede überall
verständlich, weil er sich gewöhnt hat, bei nicht voller Kirche ruhig
zu sprechen.
Der Bau ist vom Unterzeichneten entworfen und zur Ausführung
gebracht worden. Mit der besonderen Planbearbeitung und Bauleitung
war der Königliche Kegierungs-Baumeister Deumling betraut.
Kilburger,
Königl. Baurath.
Ueber die mechanischen Eigenschaften des Kiefernholzes.
Die bereits seit einer langen Reihe von Jahren von Männern der
Wissenschaft und der Technik angestellten Forschungen zur Er¬
weiterung der Kenntnifs der technischen Eigenschaften der Bau¬
hölzer^) haben eine bemerkenswerthe Bereicherung erfahren durch die
eingehende Untersuchung dreier Kiefernstämme aus der Umgegend
von Berlin, welche im Aufträge des Herrn Ministers für Landwirth-
schaft usw. in der Kgl. mechanisch-technischen Versuchs-Anstalt in
Charlottenburg nach einem Plane des Vorstehers dieser Anstalt,
Professor Martens, ausgeführt wurde, und über welche dessen erster
Assistent, Herr Ingenieur Rudeloff, im 3. Ergänzungshefte 1889
der Mittheilungen aus den Kgl. technischen Versuchs- Anstalten 2)
berichtet. Diese Untersuchung soll zunächst die Zulänglichkeit
des von Herrn Martens entworfenen Arbeitsplanes für weitere,
in grofsem Umfange anzustellende Holzuntersuchungen fest¬
stellen, die sich vorzugsweise über die Abhängigkeit der Festig¬
keit der in Preufsen vorkommenden Hauptholzarten von den
Standortverhältnissen erstrecken wird. Dafs damit ein bedeutendes
48,2, 44,3 und 33,2 cm bei einem Alter der Bäume, nach den Jahres¬
ringen ebenda ermittelt, von 126 bezw. 129 und 118 Jahren. Von
der Beschreibung des Wachsthums und der Altersbestimmung geht
der Berichterstatter zu der Bestimmung des Feuchtigkeits- oder
Wassergehaltes über. Als Feuchtigkeitsgehalt wurde der Gewichts¬
verlust bestimmt, welchen die Probe beim Trocknen bis zum be¬
ständigen Gewicht erlitt. Die gefundenen Werthe drücken indessen
den wahren Wassergehalt des Holzes im Zustande vor der Unter¬
suchung nicht völlig genau aus, da einerseits ein Theil des im Holz
enthaltenen Wassers schon beim Zerkleinern der Probe theils ver¬
dunstet, theils herausgeprefst wird und sich somit der Gewichtsbe¬
stimmung entzieht, während anderseits infolge der beim Trocknen
stattfindenden Trockendestillation der Gewichtsverlust gröfser aus¬
fällt, als dem Wassergehalt vor Beginn der Trocknung entspricht.'* *)
Der gesamte Feuchtigkeitsverlust der Proben wurde beim Zerkleinern
bei Kernholz auf etwa 3,5 pCt. und bei Splintholz auf etwa 6,9 pCt.
ermittelt, während der Gewichtsverlust durch Trockendestillation
Unterer Grundrifs.
Oberer Grundrifs.
Kirche in Nietleben bei Halle a. S.
Material für die Beurtheilung unserer Bauhölzer gewonnen werden
wird, unterliegt keinem Zweifel, und es ist sowohl im Interesse
der Holzindustrie als der Forstwirthschaft und der Bautechnik
das Vorgehen der preufsischen Behörden in dieser Richtung mit
Freuden zu begrüfsen. Nächst der Forstwissenschaft, die durch die
geplanten Versuche mannigfache neue Erfahrungen auf dem Gebiete
der Forstcultur sammeln dürfte^), ist es die Bautechnik, welche in
ihrer Kenntnifs der Nutzbarmachung und praktischen wie wissen¬
schaftlichen Ausnutzung der vorhandenen Hölzer um vieles bereichert
werden wird. Ein wie weites Feld der Forschung sich hier bietet,
zeigt deutlich der Rudeloffsche Bericht über die Untersuchung von
drei Kiefernstämmen, die im Jagen 168 c des Forstreviers Köpenik in
einer Meereshöhe von 37 m Anfang November 1885 gefällt wurden.
Auf die Ergebnisse der Untersuchung dieser Stämme, welche in um¬
fangreichen Tabellen mit begleitendem Text und zeichnerischen Dar¬
stellungen niedergelegt sind, soll, soweit bei denselben die bau¬
technische Welt näher betheiligt ist, hier kurz eingegangen werden.
Von der sehr gewissenhaften Entnahme, Eintheilung und Be¬
zeichnung der einzelnen Probestücke sei hier nur erwähnt, dafs jeder
Stamm 1 m über dem Boden abgeschnitten, in drei Versuchsstücke
von je 3,1 m Länge zerlegt und unentrindet, gegen Regen geschützt,
in der Versuchsanstalt zwei Monate auf bewahrt wurde. Alsdann
wurde von jedem Stamm das obere und untere Stück nach einem
bestimmten Plane zerlegt und den Versuchen unterworfen. Der
Stammdurchmesser betrug 1 m über dem Boden durchschnittlich
^) Versuche von K. Jenny, K. Mikolaschek, Dr. Exner, Dr. Hartig,
Dr. Nördlinger, Prof. Tetmajer, Prof. Bauschinger, im Auszuge zu¬
sammengestellt in dem „Handbuch der Forstwissenschaft“, heraus¬
gegeben von Dr. Lorey, Tübingen, Verlag der Lauppschen Buch¬
handlung.
^) Verlag von Julius Springer, Berlin.
*) Die hier besprochenen Versuche haben von forstwissenschaft¬
licher Seite bereits volle Anerkennung gefunden. Vergl.«Dr. Danckel-
mann in der Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1890. 1. Heft.
beim Kernholz etwa 12,5 pCt. und beim Splintholz etwa 1,4 pCt. des
gesamten Gewichtsverlustes betrug.
Die „Schwindmafsbestimmungen“ erstrecken sich auf: 1) Fest¬
stellung der verhältnifsmäfsigen Längenänderungen in den drei
Hauptrichtungen, d. h. im Spiegel, in der Wölbfläche und in der
Richtung des Stammes ; 2) Feststellung der Abhängigkeit dieser
Längenänderungen von der Höhenlage im Stamm sowie 3) von der
Lage des Holzes im Stammquerschnitt; 4) Feststellung des Unter¬
schiedes im Schwinden zwischen Kern- und Splintholz. — Die Ver¬
suche haben ergeben, dafs 1) sowohl beim Splint- als beim Kernholz
die Schwindung tangential zu den Jahresringen (Wölbfläche) gröfser
ist als radial zu denselben (Spiegel), und zwar verhält sich erstere
zur letzteren beim Splintholz wie 154 : 100, beim Kernholz wie
132 ; 100; 2) eine Abhängigkeit der Gröfse der Schwindung von der
Höhenlage der Probe im Stamm besteht nicht; 3) die im Querschnitt
nach Süden gelegenen Stücke zeigen beim Splintholz eine kleinere
mittlere Schwindung als die nördlich gelegenen. Der mittlere Unter¬
schied beträgt tangential zu den Jahresringen etwa 3 pCt., radial
9 pCt.; 4) die Schwindung ist für das Splintholz tangential um
27,6 pCt., radial um 9,1 pCt. gröfser als beim Kernholz.
Die Versuche erstrecken sich alsdann weiter über den Einflufs
der Jahresringbreite auf die Schwindung, über die Beziehungen
zwischen Feuchtigkeitsabnahme und linearer Schwindung, und über
das specifische Gewicht der aus verschiedenen Theilen des Stammes
entnommenen Proben. Auf alles dies genauer einzugehen, würde
hier zu weit führen, es seien deshalb nur noch die Ergebnisse der¬
jenigen Versuche erwähnt, welche sich auf Druckfestigkeit (Knick¬
festigkeit), Scherfestigkeit, Biegungsfestigkeit und Zugfestigkeit er¬
strecken. Die Proben auf Druckfestigkeit sollen 1) einen
unmittelbaren Vergleich zwischen den Festigkeiten des grünen und
des lufttrockenen Holzes gestatten, 2) den Einflufs der Länge der
Vergl. Schild: „Ueber die Bestimmirng der absoluten Feuch¬
tigkeit der Hölzer“ (Mittheilungen aus den König], techn. Versuchs-
Anstalten 1886, S. 107.)
220
81. Mai 1890,
Ceutralblatt der ßauverwaltung.
Probe auf die Zerknickungsfestigkelt feststellen. Um zu möglichst
einflufsfreien Ergebnissen zu gelangen, ist durch eine besondere Reihe
von Versuchen vorher folgendes festgestellt worden: a) die Druck¬
festigkeit nimmt im allgemeinen mit zunehmender Höhe der Proben-
Lage im Stamm ab; b) die Druckfestigkeit nimmt annähernd im
gleichen Verhältnifs mit dem specifischen Gewicht ab; c) der gröfseren
Jahresriugbreite entspricht im allgemeinen die gröfsere Druckfestig¬
keit. Dieses Ergebnifs überrascht zunächst, weil man anzunehmen
geneigt ist, dafs dem engringigen, härteren Holz eine gröfsere Druck¬
festigkeit inuewohnt. Betrachtet man aber das Holz im Hinblick
auf seine abwechselnd weichen Frühjahrs- und härteren Herbstzonen
gleichsam als eine Schichtung von hai'ten Platten und weichem Binde¬
mittel, so mufs beim Druckversuch von hier aus, wo die ganze Last
von den härteren Platten aus Herbstholz aufzunehmen ist, eine Be¬
anspruchung dieser Platten auf Einknickung stattfinden. Thatsäch-
lich erkennt man diesen Umstand in dem Zusammenschieben der
Fasern unter der höchsten erreichten Belastung. Würde die Last beim
Versuche vollkommen gleichmäfsig über die Auflageflächen vertheilt
sein und zugleich genau in der Richtung der Jahresringjdatten wirken,
so würde das engringige Holz zweifelsohne, wenn nicht eine höhere,
so doch eine gleiche Druckfestigkeit zeigen wie weitringiges Holz.
In der That ist die eben ausgeführte Theoiäe nicht ohne weiteres
auf alle Holzarten anwendbar. Nach Bauschinger'^) ist das Verhältnifs
zwischen Sommerholz (Herbstholz) und Frühjahrsholz mafsgebend
für die Höhe der Druckfestigkeit, ein Gesetz, welches sich mit den
hier vorliegenden Versuchsergebnissen sehr wohl vereinbaren läfst,
wenn man annimmt, dafs bei engen Jahresringen das Verhältnifs der
Herbstzone gröfser ist als bei weiten Jahresringen. Da der Wider¬
stand gegen Zerknicken direct proportional ist dem Trägheitsmomente
des Plattenqnerschnittes, welcher seinerseits wieder nicht nur mit
dem Quadrate der Breite der Herbstzoneu wächst, sondern auch ganz
erheblich von dem Krümmungshalbmesser der Jahresringe abhängt,
so berechtigt dies zu dem Schlufs, dafs die Druckfestigkeit einer von
hier aus beanspruchten Holzprobe bei sonst gleichen Verhältnissen
um so gröfser ist, je geringer der Krümmungshalbmesser der Jahres¬
ringe ist. — Aus den Versuchen geht ferner hervor, dafs wie beim
lufttrockenen Holz auch beim grünen Holz die Druckfestigkeit mit
dem specifischen Gewicht, der Jahresringbreite und wachsender
Höhenlage im Stamm abnimmt.
Zur Ermittlung der Festigkeitsunterschiede zwischen den Proben
von verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt erschien es nothwendig, zu¬
nächst nur diejenigen Werthe in Vergleich zu ziehen, welche mit
Stücken aus einer und derselben Scheibe erhalten sind. Dabei er-
giebt sich, dafs die Druckfestigkeit des grünen Holzes sich zu der¬
jenigen des lufttrockenen verhält wie 60 : 100, während ohne Rück¬
sicht auf die Höhenlage im Stamm dieses Verhältnifs sich gestaltet
wie 47 ; 100. Daraus geht hervor, dafs es zur Erlangung zuverlässiger
Werthe nicht angängig ist, die Höhenlage der Proben im Stamm bei
dem Vergleich aufser acht zu lassen. Ob der Einflufs des Feuchtig-
Vergl. Bauschinger; Mittheiluugen aus dem mechanisch-tech¬
nischen Laboratorium der Königl. techn. Hochschule in München.
16. Heft 1887.
keitsgehaltes auf die Druckfestigkeit mit dem Schwinden des Holzes
in unmittelbarer Beziehung steht, ist noch nicht sicher nachgewieseu,
aber sehr wahrscheinlich. Nördlinger'j) weist nach, dafs eine Scheibe
trocknen Holzes, unter Wasser gebracht, nach einiger Zeit infolge
der Quellung genau die Grundabmessungen des gröfsten Wasser¬
reichthums wieder annimmt; die für die Technik des Wasserbaues
hochbedeutsame Frage, ob auch die Festigkeit des Holzes durch er¬
neute Wasseraufnahme wieder bis auf diejenige des grünen Zustandes
zurückgeführt wird, ist damit aber noch nicht gelöst.
Die in den Rudeloffschen Bericht mitaufgenommenen Versuclie
über den Einflufs des Längenverhältnisses zur kleinsten Durch¬
schnittsbemessung auf die Knickfestigkeit des trockenen Holzes
setzen sich in Widerspruch mit den bisher gebräuchlichen Annahmen
und den Tetmajerschen Versuchen,'^) nach welchen „die Knickgefahr
bei Balkenlängen gleich der fünf- bis zehnfachen (schätzungsweise
der achtfachen) Querschnittsbreite beginnt“. Die allerdings wenig
zahlreich angestellten und deshalb nicht ganz zuverlässigen Rudeloft-
schen Versuche ergeben u. a., dafs die Knickgefahr bereits früher,
also nicht erst bei achtfacher Balkenlänge eintritt.
Von den Ergebnissen der Versuche auf Scherfestigkeit,
welche sowohl in der Richtung des Sjjiegels als tangential zu den
Jahresringen angestellt wurden, ist zu erwähnen, dafs die Scher¬
festigkeit des dem Mark zunächst gelegenen Kernholzes geringer ist,
als die der übrigen Kernstücke; auch scheint die Scherfestigkeit des
Kernholzes mit der Annäherung zum Splintholz wieder abzunehmen.
Letzteres zeigt bei allen Stämmen eine geringere Scherfestigkeit als
das Kernholz.®) Ein gesetzmäfsiger Zusammenhang zwischen Scher¬
festigkeit und Höhenlage im Stamm liefs sich nicht erkennen.
Zu weniger positiven Ergebnissen haben die Versuche auf Bie¬
gungsfestigkeit und diejenigen auf Zugfestigkeit geführt, erstere, weil
die Zahl der Probestücke zu gering war, um den gewonnenen Ergeb¬
nissen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit zu verleihen, letztere, weil
die Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die sich der Ausführung
der Zugversuche entgegenstellten, zu mannigfaltige waren, um gänzlich
beseitigt zu werden, sodafs ihre Folgen auf das Endergebnifs nicht
ohne Einflufs geblieben sind. Immerhin bildet die mit aufserordent-
lichem Aufwand an Mühe und Zeit vollendete Rudeloffsche Arbeit
einen höchst beachtenswerthen und schätzbaren Beitrag zur Kenntnifs
der Festigkeit und der physicalischen Eigenschaften des Kiefern¬
holzes und hat ihren Zweck, die Grundlage für ein weitergehendes
Versuchsprogramm zu bilden, voll erreicht. Die Ergebnisse der be¬
sprochenen Versuche führen bezüglich des endgültigen Programmes,
welches den vergleichenden Untersuchungen über die „Abhängigkeit
der Festigkeit der in Preufsen vorkommenden Hauptholzarten von
den Standortverhältnissen“ zu Grunde zu legen sein würde, zu be¬
stimmten Vorschlägen, welche dem Berichte angefügt sind.
- Max Gary.
<^) Nördlinger: Die technischen Eigenschaften der Hölzer. S. 339.
Tetmajer: Die Knickfestigkeit der Bauhölzer. Schweizerische
Bauzeitung 1883, S. 141.
®) Abweichend hiervon vergl.: Bauschinger: Mittheilungen aus
dem mechanisch-technischen Laboratorium der Königl. techn. Hoch¬
schule in München. Heft 9. 1883. S. 22.
Strafsenbrücke über die Noce- Schlucht in Südtyrol
Die Ausführung eiserner Brücken
mit hochgelegener Fahrbahn als
Bogenbrücken liegt im allgemeinen
schon deshalb nahe, weil diese
Brücken allen andern hinsichtlich der
Formenschönheit voranstehen. Die
Wahl des Bogens ist auch bei erheb¬
lichen Spannweiten dann noch be¬
sonders angezeigt, wenn die Auf¬
stellung des Tragwerks ohne feste
Gerüste, von den Widerlagern aus,
vorgenommen werden kann. Eine
sehr bemerkenswerthe Ausführung
dieser Art ist die 1888 eröft’nete
Brücke über die Noce -Schlucht bei
St. Giustina in Südtyrol, welche in
der Zeitschrift des österreichischen
Architekten- und Ingenieur -Vereins
vom Jahre 1889 beschrieben und
abgebildet ist. Die Brücke liegt im
Zuge der Staatsstrafse Cles-Dermulo,
welche bei dem genannten Orte in
138 m Höhe über der Thalsohle wage¬
recht und rechtwinklig über die Schlucht geführt ist. Sie hat nur eine
Oefl’nung von 60 m Spannweite; es kam daher der bei Brücken mit
mehreren Oeftnungen sehr ins Gewicht fallende Vortheil, das von
einem Widerlager aus allmählich vorzustreckende Tragwerk einer
Oeffnung von der Gegenseite dieses Widerlagers durch das Tragwerk
der Nachbaröftnung in der Schwebe halten zu können, hier nicht
zur Geltung. Im vorliegenden Falle war die Aufstellung von den
Widerlagern aus nur dadurch zu erreichen, dafs nach letzteren zu
in der Ebene der Fahrbahn der Brücke starke Verankerungen an¬
geordnet und hinter besonders kräftig gestalteten Widerlagskörpern
befestigt wurden.
Die Brücke an sich ist geschickt als Gitterbogenbrücke durch¬
gebildet; die beiden Hauptträger haben 4,28 m Abstand. Die Unter¬
gurte sind mit Pfeil gekrümmt. Gelenke sind nur an den Käm-
jjfern angeordnet, der Scheitel ist dagegen starr vernietet. Die
Gliederung der Träger ist aus Abb. 1 ersichtlich. Die Widerlags-
maueru haben 68 m Abstand. Die zwischen dem Mauerwerk und den
Endständern der Träger verbleibenden Felder von je 4 m Breite sind
überbrückt durch Blechträger in der Verlängerung der Obergurte;
diese Träger liegen einerseits auf dem Mauerwerk auf und sind ander¬
seits mittels Bolzengelenken an den Obergurten befestigt (Abb. 3).
Die 6 m breite Fahrbahn ist in einfachster Weise aus quer gelegtem
doppeltem Bohlenbelag hergestellt, von welchem die untere Lage
10 cm, die obere 5 cm Stärke hat. Wie in dem Querschnitt Abb. 2
veranschaulicht, wird die Verkehrslast von vier Zwischenlängsträgern
aus gewalzten I- Eisen und zwei Fahrbahnabschlufsträgern aufge-
nommmen, welche sich sämtlich bis auf die Widerlager fortsetzen.
Abb. 1. Gesamtanordnung.
h\ 22.
Centralblatt der Bauverwaltung.
221
Die inneren Zwischenlängsträger ruhen auf gegliederten Trapez-
querträgern, die Abschlufsträger auf Auslegern. In den Ebenen der
senkrechten Trägerstäbe sind Querverbände (vgl. Abb. 2), in der
Ebene der Obergurte und in der Fläche der Untergurte Windvei'-
bände angeordnet.
Spannungswechsel in Rechnung gezogen, welche durch Wärme¬
schwankungen von + 30 hunderttheiligeu Graden um eine mittlere
Tageswärme hervorgebracht werden; endlich wurde ein Winddruck
von 150 und 250 kg/qm für die Fälle belasteter bezw. unbelasteter
Brücke auf die anderthalbfache Angriffsfläche einer Tragwand wirkend
Der Berechnung der Brücke wurden folgende Belastungswerthe
zu Grunde gelegt; für den Bohlenbelag 105 kg/qm, für das übrige
Eigengewicht 1170 kg auf das Meter Brücke, für die Verkehrslast
ein Gleichwerth von 465 kg/qm bei Annahme von Menschengedränge;
die Berechnung der Brückentafel erfolgte unter Annahme eines Rad¬
drucks von 2,5 t bei 3,5 m Abstand und 1,3 m Spurweite der Räder
des in Betracht gezogenen Fuhrwerks. Ferner wurden diejenigen
angenommen. Auf 1 qcm des verwendeten Schweifseisens wurden
800 kg Spannung zugelassen. Das Gesamtgewicht der fertigen
Brücke wurde zu 95,46 Tonnen ermittelt. Vor der Eröftnung der
Brücke wurde eine Probebelastung durch eine gleichmäfsig vertheilte
Schotterlage von 29,6 cm Stärke, deren Gewicht auf ein Quadratmeter
sich gleich der angenommenen Verkehrslast von 465 kg/qm stellte,
vorgenommen. Die Last wurde eine Stunde hindurch auf der Brücke
belassen und sodann nach und nach entfernt; dabei ergab sich eine
vorübergehende Einsenkung von 2 mm und eine bleibende von 7 bezw.
6 mm in der Mitte der Brücke über den Trägern.
Wie die Verankerung des Ti-agwerkes bei der Aufstellung der
Brücke vorgenommen wurde, ist aus den Abbildungen 3 und 4 er¬
sichtlich. Zum Nachspannen wurden Schraubenspindeln mit gegen¬
läufigen Gewinden s und eingeschaltet, welche mittels Sperrklinken¬
hebel h nach beiden Seiten gedreht werden konnten. Während die
Endfelder der Brücke mit Hülfe fester Gerüste aufgestellt wurden,
wurde beim Aufbau des übrigen Tragwerks von beiden Widerlagern
aus so vorgegangen, dafs mit Hülfe von Mastenkrahnen und hän¬
genden Gerüsten die einzelnen Theile aneinander gefügt wurden
(Abb. 5). Nach Vernietung der Schlufstheile wurden die Spann¬
vorrichtungen in den Ankern gelöst und hierdurch die Widerlager
entlastet. Es ist noch zu erwähnen, dafs beim Bau der Brücke auch
eine über die Schlucht gespannte Drahtseilbahn einfachster Art Ver¬
wendung gefunden hat.
Die beschriebene Brücke wurde von der Brückenbauanstalt der
„Oesterreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft“ nach dem Entwurf
des Oberingenieurs Hagen zur Ausführung gebracht.
Centralblatt der Bauverwaltung.
31. Mai 1890.
Ausstellung von Aquarellen und Haiidzeichimngeii Franz Ewerbecks in Aachen.
Auf Betreiben der Architektur- Abtheiluiig an der technischen
Hochschule in Aachen ist in den letzten Wochen in der Aula der
genannten Anstalt eine Ausstellung von Aquarellen und Handzeich¬
nungen aus dem Xachlafs des verstorbenen Professors F. Evv erbeck
veranstaltet worden,*) welche in überaus anziehender Weise einen
Einblick in bisher weniger bekannt gewordene Schöpfungen des
Meisters eröffnet. Indem man hierbei von seinen gr-öfseren
architektonischen Entwürfen, die fast sämtlich durch Veröffent¬
lichungen bekannt geworden, von vornherein absah, wurde eine
möglichst vollständige Zusammenstellung der zahlreichen kleineren
Arbeiten, welche die schaffensfreudige Hand des Künstlers in seinen
Mufsestunden entstehen liefs, angestrebt. So ist es der Thätigkeit
des Herrn Professors Henrici, welcher sich in dankenswerther Weise
der schwierigen Aufgabe unterzog, Ewerbecks künstlerischen Nachlafs
zu erschliefsen, gelungen, über 500 Blatt meist nach der Natur auf¬
genommener Aquarelle und Eeiseskizzen, darunter viele Original¬
zeichnungen zu Ewerbecks küi'zlich abgeschlossenem Werk „Die
Renaissance in Belgien und Holland“ und anderen Veröffentlichungen,
in übersichtlichen Gruppen zusammenzustellen.
Ein ganz besonderes Interesse beanspruchen in dieser Sammlung
die in einer Zahl von mehr als 200 vertretenen Aquarelle. Zwar
sind die meisten Blätter unfertig, so wie sie an Ort und Stelle
entstanden, aber eben diese Gelegenheits - Skizzen haben einen
ganz besonderen Reiz, da sich in ihnen Ewerbecks bestes Können
offenbart. Keck hingeworfen und doch dabei von tadelloser Klar¬
heit und Sauberkeit, zeigen sie eine erstaunliche Sicherheit in
der Beurtheilung und Wiedergabe der Farben, eine stets geist¬
reiche Auffassung und schlagende Darstellung des Wesentlichen
in Motiven und Gegensätzen, immer eine wohlthuende Harmonie und
nicht selten eine bei der Einfachheit der Mittel wahrhaft bewunderns-
werthe Stimmung. Als ein besonders glücklicher Umstand ist es
im Hinblick auf diese Eigenschaften zu bezeichnen, dafs Ewerbeck
wenigstens in späteren Jahren seine Skizzen nach der Natur stets
unverändert liefs. Denn es treten die nach denselben fertig
ausgeführten Darstellungen , welche z. Th. neben den Skizzen
ausgestellt sind, bei grofser Klarheit und Harmonie nicht selten
gegen letztere zurück, insofern durch eine zu weit ins einzelne
gehende Ausarbeitung und zu gleichmäfsige Durchführung des
Vorder-, Mittel- und Hintergrundes die fein abgestufte Luft-
Perspective sowie die klare Hervorhebung des Hauptsächlichen be¬
einträchtigt wurde und dadurch die Stimmung z. Th. verloren ging.
Diese Erscheinung spricht für das aufsergewöhlich scharfe, schnell
auffassende Auge des Künstlers und findet technisch ihre Erklärung
darin, dafs Ewerbeck sich von vornherein gewöhnte, mit verhältnifs-
mäfsig knappen Mitteln zu arbeiten, wodurch seine Mal weise gerade
zur schnellen Festhaltung des Gesehenen geeigneter und schlag¬
fertiger werden mufste. So übte er nur in sehr geringem Mafse die
Technik des Lasirens und war vielmehr stets bestrebt, die erschauten
Farbentöne gleich beim ersten Aufträgen richtig zu treffen und mit
der gröfsten Sauberkeit neben einander zu setzen. In wie hohem
Mafse ihm dies gelang, zeigen besonders einige seiner Schweizer
Skizzen, bei denen die fernen Schneegipfel bei aller Schärfe und
Genauigkeit der Zeichnung unvergleichlich zart und duftig wieder¬
gegeben sind. Ferner verzichtete er bei seinen Landschaftsbildern
fast gänzlich auf den Gebrauch von Deckfarben, eine Beschränkung,
die ihn gleichfalls nöthigte, an die Genauigkeit der Pinselführung
und Sauberkeit der Mischung die höchsten Ansprüche zu stellen.
Auf welchem Wege er in diesem Sinne allmählich zur vollen
Beherrschung seiner Malweise gelangte, läfst sich an der Hand der
ausgestellten Blätter deutlich verfolgen. Diese liefsen sich, ob¬
wohl Ewerbeck fast nirgends eine Angabe der Zeit oder des
Gegenstandes vermei’kt hat, mit ziemlicher Sicherheit nach der Zeit¬
folge ordnen, da das stetige Fortschreiten des Künstlers sich in
ihnen klar ausprägt. Die ältesten Studienblätter verweisen auf die
Zeit seines hannoverschen Aufenthaltes anfangs der sechziger Jahre,
in der er, in Hases Werkstatt angestellt, mehrere Studienreisen nach
Süddeutschland und Westfalen unternahm. Unter dem Einflufs des
*) Vgl. die Mittheilung auf Seite 188 d. J.
bekannten hannoverschen Afiuarellmalers Girot entstand in jener
Zeit eine Reihe von Aufnahmen und romantisch aufgefafsten archi¬
tektonischen Entwürfen mit landschaftlicher Umgebung, welche bei
schon jetzt erkennbarer grofser Sicherheit in der Farbengebung mehr
das Gepräge farbig behandelter Zeichnungen tragen. In Nürnberg,
wo er eine Zeit lang die Kunstakademie besuchte, scheint er durch
den bekannten Hofrath Fr. K. Mayer zu der seinen Werken eigen-
thümlich gebliebenen strengen architektonischen Auffassung und
genauen Zeichnung weitere Anregung erfahren zu haben. Es deuten
hierauf mehrere fast ängstlich genau durchgeführte Architekturbilder
aus jener Zeit hin, so Darstellungen des Hofes vom Pellerschen
Hause und anderer Nürnberger Motive, sowie besonders eine Innen¬
ansicht des Domes in Münster.
Während seines darauf folgenden dreijährigen Aufenthaltes in
Westfalen zur Ausführung verschiedener Eisenbahnhochbauten begann
zuerst ein ganz selbständiges freies Schaffen. Hier fällt sogleich
Ewerbecks besonderes Geschick auf, überall geeignete Motive auf¬
zufinden und nöthigenfalls passend zusammenzustellen. Auch jetzt
erscheint noch die Farbengebung mehr als eine Zuthat zur Zeichnung,
meist etwas kalt und wenig körperlich. Kurz nach jener Zeit scheint
eine Reise nach dem Süden die rechte Farbenfreudigkeit in ihm ge¬
weckt zu haben. Schon bald nach seiner Berufung an die Aachener
Hochschule entstanden Skizzen aus der Umgebung von Aachen, aus
der Eifel und vom Rhein, die einen ganz gewaltigen Fortschritt in
Bezug auf Plastik und Harmonie der Farben bekunden. Fortgesetzte
ausgedehnte Studienreisen und ein rastloses, in zielbewufster und
selbständiger Weise vergehendes Streben steigern seine Meister¬
schaft von Stufe zu Stufe. Manchmal wird der Einflufs irgend eines
fremden Künstlers bemerkbar, dessen Malweise Ewerbeck dann in
einzelnen Blättern nachzuahmen sucht, aber bald wieder verläfst.
Zixweilen hat er auch, um die Kraft und Plastik seiner Darstellungs¬
weise zu fördern, tüchtige Oelbilder nachgemalt. Höchst bezeichnend
für seine emsige Thätigkeit ist auch der Umstand, dafs er manchen
liebgewordenen Gegenstand, besonders aus seiner ersten Zeit in Süd¬
deutschland, während seines späteren Lebens immer wieder aufgreift,
um ihn von stets veränderten Gesichtspunkten aus und in anderer
Anordnung von neuem durchzuarbeiten. So gelangte er bei strengster
Wahrung seiner Eigenart, vor allem in der Darstellung malerischer
Architektur, zu einer Reihe von Schöpfungen, die zwar nicht den
Landschaftsmaler von Beruf in jeder Hinsicht befriedigen, wohl aber,
vom Standpunkt des architektonischen Darstellers betrachtet, als
wahre Perlen bezeichnet werden dürften, so vor allem seine Bilder
von dei’ Mosel und viele Blätter aus Italien und der Schweiz.
Eine gröfsere Anzahl von fesselnden Darstellungen in Sepia und
wenigen Farbentönen führt uns auf das Gebiet der strengen Archi¬
tekturaufnahme. Hier ist Ewerbecks fruchtbringende Thätigkeit ja
durch seine Veröffentlichungen überall bekannt geworden. Unter der
stattlichen Reihe von farbigen Aufnahmen fallen die herrlichen De-
corationsstücke aus dem Palazzo del Te und dem Palazzo ducale in
Mantua durch die überaus fleifsige und genaue Ausarbeitung, sowie
verschiedene kunstgewerbliche Musterzeichnungen, besonders bunte
Steingutkrüge, durch ihre geschmackvolle und vornehme Vortrags¬
weise auf. Hieran schliefsen sich die zahlreichen für die Veröffent¬
lichung geschaffenen Feder- und Stiftzeichnungen, deren meisterhafte
Durchführung hinlänglich bekannt ist. Von Originalentwürfen ist
aufser einigen Darstellungen zu einem monumentalen Laufbrunnen
sowie für das Gesellschaftsbaus „Erholung“ in Aachen nur der
Wettbewerbs-Entwurf zum Volksgarten für Köln ausgestellt, bei dem
auch mehr als die Erfindung der ganzen Anlage die reizvolle Aus¬
führung der beigegebenen Aquarelle hervorzuheben ist.
Alles in allem genommen bietet uns also die Ausstellung das
Bild eines aufserordentlichen, entschieden zu malerischer Darstellung
hinneigenden zeichnerischen Talentes von der unermüdlichsten
Schaffensfreudigkeit und selbständigsten Eigenart. Dafs bei dieser
ganz auf eigenen Füfsen fortschreitenden Entwicklung des Künstlers
seine Zeichnungen einen ausgeprägt subjectiven Charakter erhielten,
der sich besonders bei der fast fieberhaften Thätigkeit der letzten
Jahre bisweilen zur Manier steigerte, ist zu natürlich und erklärbar,
als dafs man besorgt sein müfste, es zu verschweigen.
_ Wickop.
lieber die Grrenzen des Flufsbettes eines öffentlichen Stromes
gegenüber dem Privateigenthum
hat das Königliche Oberverwaltungsgericht in Berlin in einem Urtheil
vom 12. December 1887 Rechtsgrundsätze aufgestellt, welche die Be¬
fugnisse der Strombauverwaltung klar stellen und deshalb verdienen,
in weiteren Kreisen bekannt zu werden.
Der Thatbestaud, welcher dem vorliegenden Falle zu Grunde
lag, war folgender:
Auf einem hart am Ufer der Lahn sich hinziehenden Flächen¬
streifen, der durch Baggergut aufgehöht und mit alten Weiden un-
»r. 22.
Centralblatt der Bauverwaltung.
223
regelmäfsig bestanden war, liefs Unterzeichneter die alten Weiden
beseitigen, die Unebenheiten ausgleichen und neue Weidenstecklinge
zur Beförderung der Verlandung setzen. Eine Actiengesellschaft
als Eigenthümerin der angrenzenden Wiesenflächen erachtete sich
hierdurch in ihren Eigenthumsrechten beeinträchtigt und erhob Be¬
schwerde bei dem Königlichen Regierungs-Präsidenten. Diese Be¬
schwerde wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dafs nach den
angestellten Ermittlungen der fragliche Streifen früher in Abbruch
befindlich gewesen, sodann im Schutz älterer Stromregulirungs werke
durch Verlandung neu gebildet und durch Baggergut weiter aufgehöht
sei, dafs er demnach als eine Anlandung im Sinne des Gesetzes vom
20. August 1883 G. S. S. 333 angesehen werden müsse, und die Strom¬
bauverwaltung befugt gewesen sei, die unvollständige Ausbildung
jener Anlandung weiter in angegebener Weise zu befördern.
Gegen diesen Bescheid wurde seitens der Eigenthümerin Klage
beim Oberverwaltungsgericht erhoben mit der Begründung, dafs von
fragl. Anlandung ein Streifen von etwa 27 m Länge, 2 bis 2V2 m
Breite zum Eigenthum derselben nach Ausweis des Stockbuches und
der Katasterkarte gehöre und die Strombauverwaltung nicht berech¬
tigt gewesen sei, ohne Anhörung der Klägerin eine Weidenpflanzung
auf deren Eigenthum anzulegen. Seitens der Strombauverwaltung
wurde noch der Nachweis in den späteren Verhandlungen geführt,
dafs fragliche Anlandung in ihrer Höhenlage über mittlerem Sommer¬
wasserstand, jedoch unter dem höchsten schiffbaren Wasserstand bei
bordvollem Strom liege. Innerhalb dieser beiden Wassei’stände be¬
fänden sich überhaupt die zur Eegulirung des Stromschlauches be¬
stimmten Werke. Da die Höhe des Wasserstandes fortwährend
zwischen diesen Grenzen wechsele, so könne auch innerhalb derselben
von einer bestimmten Begrenzung des Bettes nicht die Rede sein.
Das Oberverwaltungsgericht hat in dem ergangenen Erkenntnifs
zunächst die Frage einer Beurtheilung unterzogen, ob der streitige
Flächenraum dem Eigenthumsrechte der Klägerin überhaupt damals
unterlegen, und führt wörtlich aus:
„Diese Frage läfst sich nicht, wie Klägerin meint, auf Grund
derjenigen Feststellungen entscheidend beurtheilen, welche für die
in das Stockbuch aufgenommene Bezeichnung des Flächenraums der
klägerischen Wiese mafsgebend waren. Denn es handelt sich hier
um einen Landstreifen, bezüglich dessen in Frage kommt, ob und
wie weit er das Ufer eines öffentlichen Flusses bildet oder aber zum
Flufsbett gehört. Gehört die streitige Fläche gegenwärtig zum Flufs-
bett, so kann sie nicht im Privateigenthum sein. Die Grenze
zwischen Ufer und Flufsbett — hierin mufs dem Beklagten bei¬
getreten werden — ist, wie die Stromverhältnisse selbst veränder¬
liche sind, ebenfalls eine veränderliche. Nun will allerdings die
Klägerin den streitigen Flächenstreifen als Ufergrundstück angesehen
wissen und als solches für sich in Anspruch nehmen; wie sich jedoch
nach den mehrfachen gegenseitigen Erklärungen der Parteien heraus¬
gestellt hat, stützt die Klägerin, abgesehen von der vorstehend be¬
reits als hierzu unzureichend erkannten Bezugnahme auf die hinsicht¬
lich des Flächenraums enthaltenen Vermerke des Stockbuchs, diesen
Anspruch nur auf die Behauptung, dafs das im Jahre 1882 durch
Baggererde erhöhte Grundstück über den mittleren Wasserstand
hervorrage, deshalb als Ufergrundstück anzusehen sei und ihrem
Dispositionsrecht unterliege. Auf den mittleren Wasserstand kommt
es aber nicht an, um die Grenze zwischen Flufsbett und Ufer zu
bestimmen. Vielmehr reicht nach gemeinem Recht, welches für den
in Rede stehenden Bezirk in Anwendung kommt, wie auch nach
rheinischem Rechte das Bett soweit, als der höchste gewöhnliche
Wasserstand reicht. An dieser Grenze beginnt das Ufer (Nieberding,
Wasserrecht, Seite 39). Die Ufer sind die bei dem vollen gewöhn¬
lichen Wasserstande trocken bleibenden Einfassungen des Flusses
(Weiske, Rechtslexikon 1860, Band 14, Seite 184). Diese Grenzlinie
ist zwar nicht, wie Beklagter ausführt, mit der Linie des höchsten
schiffbaren Wasserstandes zu identificiren, sie ist vielmehr nach dem
Punkte der Vertiefung zu bestimmen, bis zu welchem der Wasser¬
spiegel bei gewöhnlicher voller Strömung des Flusses bei dem höch¬
sten gewöhnlichen Wasserstande sich zu erheben pflegt, d. h. dem
Punkte, welchen der Flufs in den wechselnden Jahreszeiten erfah-
rungsmäfsig erreicht, wenn derselbe infolge seiner gewöhnlichen und
regelmäfsig eintretenden Zuflüsse mit vollem Wasser strömt, ohne
durch aufsergewönliche Fluthen angeschwellt zu werden und über
seine Ufer auszutreten (zu vergl. Erkenntnifs des vormaligen Ober¬
tribunals vom 22. März 1859, Striethorst, Archiv Band 33, Seite 90ff).
Dafür, dafs innerhalb des gemeinrechtlichen Gebiets für die Grenze
zwischen Flufsbett und Ufer der höchste gewöhnliche Wasserstand
mafsgebend ist, sprechen insbesondere folgende Bestimmungen des
römischen Rechts, 1. 3 § 1 Dig. 43, 12. Ripa ea putatur esse, quae
plenissimum flumen continet;
1. 1 § 5 Dig. 43, 12. Ripa autem ita recte definietur id, quod
flumen continet, naturalem rigorem cursus sui tenens. Ceterum, si
quando vel imbribus, vel mari, vel qua alia ratione ad tempus
excrevit, ripas non mutat.
Im vorliegenden Falle ist nun vom Beklagten behauptet, dafs
die von der Strombauverwaltung mit Baggererde aufgefüllte Fläche
noch nicht so weit verlandet sei, dafs sie über den höchsten gewöhn¬
lichen Wasserstand hinausrage. Diese Behauptung des Beklagten,
welcher von der Klägerin nur mit der zur Widerlegung derselben
unzureichenden Bezugnahme auf den mittleren Wasserstand begegnet
wird, findet ihre Unterstützung in den vom Beklagten eingereichten
Zeichnungen und Profilen, gegen deren Richtigkeit ein Bedenken
nicht obwaltet. Die streitige Fläche, wenngleich sie als entstehende
Anlandung angesehen werden kann, ist hiernach als ein Theil des
Flufsbettes zu erachten. Das Flufsbett eines öffentlichen
Stromes fällt aber nicht unter das Privateigenthum der
Adjacenten (zu vergl. Nieberding, Wasserrecht Seite 33, 34,
Scheele, Wasserrecht Seite 17, Mittermaier, gemeines deutsches
Privatrecht, 7. Auflage, Band 1 Seite 617 ; Erkenntnifs des Reichs¬
gerichts, II. Hülfssenat, vom 23. September 1880, Entscheidungen in
Civilsachen Band 3 Seite 232) und unterliegt dem Verfügungs¬
recht der Strombauverwaltung.
Es fehlt hiernach der Klage an dem Fundamente, welches nur
darauf beruhen konnte, dafs von der Strombauverwaltung Grund¬
stücke, welche aufserhalb der Befugnisse derselben liegen, unter
Verletzung klägerischer Rechte in Benutzung genommen sind. Die
Klage war deshalb abzuweisen, ohne dafs es auf eine Würdigung
der von den Parteien erfolgten anderweiten Anführungen ankam.
Jedoch mag bemerkt werden, dafs die Annahme der Klägerin, das
Gesetz vom 20. August 1883 finde auf solche Anlandungen keine An¬
wendung, welche infolge von vor Erlafs dieses Gesetzes von der
Strombauverwaltung ausgeführten Regulirungswerken entstanden sind,
insoweit nicht zutrifft, als der § 5 dieses Gesetzes im Absatz 2 der
Strombauverwaltung ausdrücklich auch bezüglich der „bereits entstan¬
denen“ Anlandungen die dort näher bezeichneten Befugnisse zuweist.“
Aus dem vorstehenden Urtheil ergiebt sich nun bezüglich der
Behandlung von Anlandungen an öffentlichen Flüssen, und zwar ins¬
besondere derjenigen, welche zum Flufsbett gehören, folgendes:
Nach § 5 des Gesetzes betreffend die Befugnisse der Strombau¬
verwaltung gegenüber den Uferbesitzern an öffentlichen Flüssen vom
20. August 1883 (G. S. S. 333) gehören Anlandungen, welche infolge
der Anlage von Deckwerken, Buhnen, Coupirungen und anderen
Stromregulirungsbauten entstehen (die sogenannten künstlichen An¬
landungen) demjenigen, an dessen Ufer sich dieselben angesetzt
haben und zwar nach denselben Grundsätzen, wie die sich von selbst
bildenden, die sogenannten natürlichen Anlandungen.
Alle Anlandungen können jedoch nach gemeinem (wie auch nach
rheinischem) Recht nicht unter das Privateigenthum der Uferanlieger
fallen, so lange sie noch als zum Flufsbett eines öffentlichen Stromes
gehörig anzusehen sind.
Alle Anlandungen, welche daher unter der im Urtheil des Königl.
Ober-Verwaltungsgerichtes beschriebenen Linie des höchsten gewöhn¬
lichen Wasserstandes liegen, und zwar nicht nur die natürlichen,
sondern, da die künstlichen bezüglich ihrer Eigenthumsverhältnisse
nach den anfangs angeführten gesetzlichen Bestimmungen ebenso zu
behandeln sind, wie die natürlichen, auch die künstlichen, gehören
sonach zum Flufsbett und sind daher lediglich dem Verfügungsrechte
der Strombauverwaltung unterworfen.
Nach den an den Lahnpegeln geführten Wasserstandsbeobach¬
tungen der letzten 40 Jahre ist die Höhe des Wasserstandes, wel¬
chen die Lahn in den verschiedenen Jahreszeiten erreicht, wenn die¬
selbe infolge ihrer gewöhnlichen und regelmäfsig eintretenden
Zuflüsse mit vollem Wasser strömt, ohne durch aufsergewöhnliche
Fluthen angeschwellt zu werden und über ihre Ufer auszutreten,
zu rund 3,20 m am Hauptpegel in Diez gefunden, eine Höhe, die
etwas unter der Höhe der Leinpfade bezw. des höchsten schiffbaren
Wasserstandes bleibt. H. Wolffram,
Diez. Königl. Wasserbauinspector.
Vermischtes,
Die IX. Waudei'versainmluiig des Verbandes deutscher Archi¬
tekten- und Ingenieur -Vereine wird in den Tagen vom 24. bis
30. August d. J. in Hamburg stattfinden. Aus der festgestellten
Tages -Eintheilung heben wir folgendes hervor.
Sonntag, 24. August: 10 Uhr vormittags Eröffnung der Ge- i
schäftsstelle im „Patriotischen Hause“; 8 Uhr abends Begrüfsung
der Theilnehmer in Gertigs „Gesellschafts-Haus“.
Montag, 25. August: 1. allgemeine Versammlung im „Concert-
haus Hamburg“ mit Vorträgen des Oberingenieurs Meyer (Hamburg)
„Ueber Hamburg“ und des Stadtbauraths Dr. Hobrecht (Berlin)
224
Centralblatt der Bauverwaltung.
31. Mai 1890.
„Die moclernen Aufgaben des grofsstädtisclien Strafsenbaues mit
Rücksicht auf die Unterbringung der Strafsennetze“. Nachmittags
Dampferfahrt zur Besichtigung der neuen Häfen, der Elbbrücke usw.
und Fahrt nach Blankenese.
Dienstag, 26. August; Besichtigung von Bauwerken und An¬
lagen Hamburgs; dann 2. allgemeine Versammlung mit Vorträgen
des Architekten Fritsch (Beidin) „Stil - Betrachtungen“ und des
Kaiserl. Marine - Ingenieurs Busley (Kiel) „Die neueren Schnell¬
dampfer der Handels- und Kriegsmarine nebst deren Motoren“.
Nachmittags Besichtigungen; abends Fahrt auf der Alster und nach
„Alsterlust“ mit Feuerwerk auf der Alster.
Mittwoch, 27. August: Ausfahrt auf dem neuen transatlantischen
Schnelldampfer „Columbia“ nach der Nordsee und Cuxhaven.
Donnerstag, 28. August: Besichtigungen und 3. allgemeine
Versammlung mit Vorträgen des Geh. Ober-Bauraths Baensch
(Berlin) „Der Nord-Ostsee-Canal“ und des Eisenbahn-Bau- und Be-
triebsinspectors Mehrtens (Bromberg) „Weitgespannte Strombrücken
der Neuzeit“. Dann Schlufs der Verhandlungen. Nachmittags 5 Uhr
Festmahl im „Conccrthaus Hamburg“.
Freitag, 29. August: Morgens Eisenbahnfahrt nach Kiel; Be¬
sichtigung der Werften und der Kriegsschiffe unter Leitung der Ver¬
waltung der Kaiserlichen Marine und Dampferfahrt auf der Kieler
Föhrde nach der freien Ostsee und zurück. Nachmittags Essen auf
„Bellevue“ in Düsternbrook bei Kiel.
Sonnabend, 30. August; Für die Architekten: Besichtigung der
Stadt Lübeck unter Leitung des Technischen Vereins Lübeck. Für
die Ingenieure: Besichtigung des Nord-Ostsee-Canals unter Leitung
der Kaiserlichen Canal-Commission.
Die Gewerbe- Ausstellung der Stadt Rom, welche im Anfang
dieses Monats eröffnet worden ist und bis Anfang Juni dauert, bildet
einen Theil der unter dem Gesamtnamen „Maifeste“ bekannten Ver¬
anstaltungen zur Förderung des Fremdenverkehrs und zur Hebung des
römischen Geschäftslebens. Sie findet gleichzeitig mit einer Kunst¬
ausstellung in den recht unübersichtlichen Räumen des Ausstellungs¬
palastes an der Via Nazionale statt. Dort ist auch das Bauwesen
durch eine Anzahl von Zeichnungen, Photographieen usw. vertreten.
Von den 332 Ausstellern gehören zur Gruppe:*) Baugewerbe 29,
Maschinen, Instrumente usw, 48, Chemische Gewerbe 21, Möbel, Holz¬
arbeiten u. dgl. 43, Metallarbeiten, Mosaiken usw. 38, Arbeiten in
Thon, Glas usw. 16, Gewebe, Stickereien, Bekleidungswesen 59, Ver¬
vielfältigende Künste 44, Verschiedenes 34. Vieles Mittelgute und
einzelne tüchtige Leistungen finden sich in denjenigen Gruppen,
welche die wichtigsten Zweige des römischen Kunstgewerbes um¬
fassen, ohne jedoch ein vollständiges Bild von dessen Umfang zu
geben. Die ersten drei Gruxjpen enthalten zwar auch manches Gute,
würden aber doch in den meisten deutschen gröfseren Provincial¬
städten besser und vollständiger beschickt werden, als dies hier der
Fall. Die Gewerbthätigkeit Roms ist eben vorzugsweise auf die
Fremden berechnet sowie auf die Ausstattung der Paläste und
Kirchen. Von den für letzteren Zweck arbeitenden kunstgewerb¬
lichen Geschäften sind die meisten und besten überhaupt nicht ver¬
treten. Die sonstigen gewerblichen Erzeugnisse decken mit verein¬
zelten Ausnahmen den Bedarf der Stadt nicht, geschweige denn dafs
sie zur Ausfuhr gelangen könnten.
Bei der Ausstellung des Bauwesens verdienen ausschliefslich die
Sammlungen von Zeichnungen usw. Erwähnung, welche seitens des
Arbeitsministeriums und der Stadtverwaltung zur Veranschaulichung
der neueren Bauthätigkeit in und bei Rom veranstaltet worden sind.
Im übrigen bietet diese Abtbeilung nichts Erfreuliches. Das Bau¬
gewerbe ist spärlich vertreten. Von den Anstalten zur Bearbeitung
des Marmors usw. fehlen die hervorragendsten. Von den Marmor-
Ersatzmitteln, in deren Anfertigung die Italiener so grofses Ge¬
schick besitzen, sind wenige gelungene Proben ausgestellt. Unter den
Maschinen, Instrumenten usw. machen sich die ersten Anfänge be-
merklich Dampfmaschinen in Rom selbst herzustellen. Von einiger
Bedeutung erscheint nur die Ausstellung chirurgischer und musica¬
lischer Instrumente. Bei den chemischen Gewerben gebührt den
Seifen und Kerzen Beachtung. Recht unbedeutend sind die meisten
ausgestellten Möbel und Gegenstände aus dem Gebiete der Kunst¬
tischlerei, obgleich man gerade hierin gute Leistungen erwarten sollte.
Unter den Arbeiten in Thon und Gla? zeichnen sich Majoliken und
römische Perlen aus. Mosaiken und Gemmen findet man in den
guten Geschäften der Stadt besser als auf der Ausstellung. Auch
bei der Edelschmiedekunst haben nur wenige tüchtige Meister aus¬
gestellt. Umfangreicher treten die Broncen auf. Bei den Geweben
und Stickereien ist die Sammetwirkerei gut vertreten, die in Rom
blühende Goldstickerei und die römischen Shawls auffallend schwach.
Verhältnifsmäfsig am besten kommen die vervielfältigenden Künste
zur Erscheinung, die Arbeiten des Buchdrucks, Steindrucks und
*) Die Gruppen-Eintheilung ist amtlich nicht beliebt worden.
anderer Druckverfahren, die Landkarten, Stahl- und Kupferstiche,
endlich in grofser Anzahl Photographieen von theils vortrefi’licher
Ausführung. Da gerade dieser Zweig der Kunst- und Gewerbe-
Thätigkeit erst innerhalb der letzten 20 Jahre zu seiner jetzigen
Entfaltung gelangt ist, so bleibt Hoffnung auf die günstige Ent¬
wicklung auch der übrigen Gewerbe, für deren Pflege durch die in
der Ausstellung mit tüchtigen Leistungen vertretenen Schulen des
Museo artistico industriale, des Orfanotrofio di Termini, des Ospizio
di S. Michele, des Ospizio Margherita und der Scuola professionale
femminile in anerkennenswerther Weise Sorge getragen ist.
— K.—
Die Königliche techiiisclie Hochschule in Hannover wird im
Studienjahre 1889/90 von 317 Studirenden und 213 Hospitanten, also
im ganzen von 530 Hörern besucht, welche sich auf die verschiedenen
Abtheilungen und Studienjahre wie folgt vertheilen:
Es befinden sich
im
P
*a3
’S
1.
2.
3.
4.
5. ff.
a
a
ni
rO
<
Studienjahr
N
I
A. Studirende.
Architekten .
18
8
3
3
4
36
II
Bau-Ingenieure .
41
21
31
12
10
115
III
Maschinen-Ingenievire ....
38
20
20
12
7
97
IV
Ohemiker und Elektrotechniker
44
13
6
2
—
65
V
l’ür allgemeine Wissenschaften
3
—
1
—
—
4
Zusammen . .
144
62
61
29
21
' 317
I
B. Hospitanten.
Architekten .
22
11
14
2
49
II
Bau-Ingenieure .
5
2
2
—
—
9
III
Maschinen-Ingenieure ....
19
13
30
2
—
64
IV
Chemiker und Elektrotechniker
48
14
4
3
—
69
V
Für allgemeine Wissenschaften
18
1
3
—
—
22
Zusammen . .
112
41
53
5
2
213
I
Summe der Studirenden und
Hospitanten.
Architekten .
40
19
17
3
6
85
II
Bau-Ingenieure .
46
23
33
12
10
124
III
Maschinen-Ingenieure ....
57
33
50
14
7
161
IV
Chemiker und Elektrotechniker
92
27
10
5
—
134
V
Für allgemeine Wissenschaften
21
1
4
—
—
26
Ueberhaupt . .
256
103
114
34
23
530
Von der Gesamtzahl der Hörer sind 362 (68,2 pCt.) aus dem
Königreich Preufsen, und zwar; 212 aus der Provinz Hannover,
7 aus Brandenburg, 4 aus Berlin, 26 aus Hessen-Nassau, 4 aus Ost-
preufseu, 1 aus Pommern, 4 aus Posen, 22 aus der Rheinprovinz,
24 aus Sachsen, 4 aus Schlesien, 23 aus Schleswig-Holstein, 28 aus
Westfalen, 3 aus Westpreufsen.
Aus den übrigen Ländern des Deutschen Reiches sind 94 (17,8 pCt.),
und zwar: 6 aus Anhalt, 3 aus Bayern, 4 aus Braunschweig, 14 aus
Bremen, 1 aus dem Elsafs, 22 aus Hamburg, 3 aus Hessen-Darmstadt,
3 aus Lippe, 13 aus Mecklenburg-Schwerin, 1 aus Mecklenburg-Strelitz,
8 aus Oldenburg, 3 aus Reufs j. L., 5 aus dem Königi-eich Sachsen,
3 aus Sachsen- Weimar, 1 aus Sachsen-Meiningen, 1 aus Sachsen- Alten¬
burg, 2 aus Schwarzburg-Rudolstadt, 1 aus Waldeck.
Aus den aufserdeutschen Ländern stammen 74 (etwa 14 pCt.),
3 aus Dänemark, 12 aus England, 2 aus Griechenland, 1 aus Italien,
6 aus den Niederlanden, 8 aus Norwegen, 3 aus Oesterreich, 12 aus
Rufsland, 1 aus der Schweiz, 2 aus Serbien, 2 aus Spanien, 1 aus
der Türkei, 1 aus Ungarn, 1 aus Asien (Japan), 2 aus Africa (1 Gold-
kiiste lind 1 Caplaud), 3 aus Nord- America, 1 aus Central-America,
13 aus Süd- America.
Von den Studirenden besitzen Reife- Z^gnisse
uDer V ersctzuiig.
zeugnu&e Prima
von Gymnasien . 103
„ Realgymnasien . 112
„ Oberrealschulen . 2
„ einer Gewerbeschule (1870) ... 1
„ Realschulen . ^
227
22
8
1
31
258
Zeugnisse von verschiedenen höheren Schulen 13
„ „ aufserdeutschen Schulen . . 46
317
Die Zahl der Hörer hat sich in diesem Jahre gegen das Vorjahr
um 49 wiederum erhöht.
Hannover, im Mai 1890. Der Rector: Dolezalek.
Verlag von Ernst & Korn CWillrelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Tlieiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s kes, Berlin.
Nr. 22 A.
225
Centralblatt der Bauverwaltung.
IKHAIjT: Kaiser Wilhelm-Denkmal für die Rheinprovinz (Fortsetzung). — Ver¬
mischtes: Feier zum Gedächtnifs des vierzigjährigen Bestehens des Vereins
deutscher Eisenhahntechuiker. — Vierter Biunenschiffahrtscongrefs in Manchester.
— Ehrenbezeigung. — Aufsetzung vom Schlufssteine des Dimer Münsterthurmes. —
Wettbewerbung um Entwürfe für ein Bürgerhospital usw. in Stuttgart. — Wettbewer¬
bung zu einem Kreisständehaus für Kreuznach. — Kunstausstellungsgebäude in Berlin.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Die Preisbewerbung zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm -Denkmals
für die Rheinprovinz.
(Fortsetzung.)
Die Verfasser des mit dem ersten Preise gekrönten Entwurfs,
die Architekten Jakobs u. Webling in Düsseldorf, sind bei der
Wahl des Platzes sowohl wie in der Gestaltung des Denkmals den
eigenartigsten Weg gegangen, indem sie, abweichend von der Be¬
stimmung des Pro¬
gramms , weder
eine Höhe am
Ehein noch eine
Insel im Ehein für
die Aufstellung des
Denkmals wählten,
sondern ein sanft
aus der Ebene ge¬
gen die schroffe
Felswand des Dra¬
chenfelsens anstei¬
gendes Weinge¬
lände in grofsarti-
ger Weise umzuge¬
stalten versuchten.
Die Preisrichter
bezeichnen in
ihrem inzwischen
veröffentlichten
Gutachten (vgl. S.
198 d. Bl.) diese
W ahl als die glück¬
lichste Lösung der
Platzfrage und ha¬
ben — nach dem
Wortlaut des Gut¬
achtens zu schlie-
fsen — dieserhalb
der genannten Ar¬
beit den ersten
Preis zuerkannt,
während nach ih¬
rem Urtheil die an
und für sich tüch¬
tige künstlerische
Arbeit noch nicht
befriedige und die
endgültige Gestal¬
tung für diesen
Platz einer späte¬
ren Wettbewer¬
bung Vorbehalten
bleiben müsse.
So sehr die
Zuertheilung des
ersten Preises an
die Jakobs u.
Wehlingsche Ar¬
beit wegen deren
hervorragender
Eigenschaften in
den weite sten Krei¬
sen befriedigt hat,
ebensosehr mufs
anderseits die in
den Worten der
Preisrichter lie¬
gende, ziemlich ab¬
fällige Kritik des künstlerischen Theiles einigermafsen befremden. Die
künstlerische Leistung des Entwurfs ist in der That eine hervorragende,
sie zeichnet sich vor den meisten anderen Arbeiten nicht nur durch die
Selbständigkeit und Eigenart der Gedanken aus, sondern der Entwurf
ist auch fast durchgeheüds in so schönen, glücklich abgewogenen
Verhältnissen durchgeführt, dafs man kaum wesentliche Aenderungen
in einem oder dem anderen Theile bei etwaiger Ausführung wünschen
möchte. Gelöst ist bei der Durchführung der künstlerischen Ge¬
danken nur nicht die Platzfrage, wovon man sich bei gründlicher
Prüfung der vorgeschlagenen Oertlichkeit überzeugen mufs. Als
Abb. 1. Ansicht.
Kaiser Wilhelm -Denkmal der Rheinprovinz,
Entwurf von Jahohs u. Wehling in Düsseldorf. I. Preis.
Platz für die Denkmal-Anlage ist in dem Entwurf die neben der
Landstrafse von Königswinter nach Honnef am rechten Eheinufer
unweit von Ehöndorf steil aus dem Gelände aufsteigende Felswand
des Drachenfelsens mit der davorliegenden, unter einem Winkel von
etwa 30 Grad an¬
steigenden, jetzt
als Weinberg be¬
stellten Schutt¬
halde gewählt. Die
letztere wird im
Entwürfe von
einem gewaltigen
Terrassenbau und
einer zu ihm füh¬
renden grofsarti-
gen Freitreppe ein¬
genommen, wäh¬
rend der Aufbau
■ des Denkmal-Hin¬
tergrundes sich an
die Felswand an¬
lehnt. Die Künst¬
ler haben das
Hauptgewicht auf
die Durchbildung
der Architektur
gelegt, sie haben
es dabei verstan¬
den, reichen bild¬
nerischen Schmuck
mit der Architek¬
tur in passender
und mafsvoller
Weise sinnreich zu
vereinigen, sodafs
die Schwester¬
künste einander
dienend unter¬
stützen, und doch
jede für sich selb¬
ständig, je nach
dem Standpunkte
desBeschauers,zur
Geltung kommt.
Das Hauptmo¬
tiv der Denkmal-
Architektur bildet,
wie aus Abb. 1
ersichtlich , eine
gewaltige , in den
senkrecht anste¬
henden Fels etwa
5 m tief eingear¬
beitete Nische von
33 m Durchmesser
und wenig mehr
Höhe. Die Nische
ist in ihrem Schild¬
bogen mit einem
Glas-Mosaik-Bilde
geschmückt, wel¬
ches in allegori¬
scher Form die
Kaiser-Proclamation von Versailles darstellt. Sie wird umrahmt von
einem mächtigen Quaderbogen von etwa 4 m Stärke, dessen Steine
mit Wappenschilden geziert sind, unter welchen jedoch nur die der
grofsen, in der ganzen Bogenstärke durchgehenden fünf Bindersteine
zur Geltung kommen. Die übrigen werden wegen ihrer geringen
Abmessungen bei der grofsen Höhe kaum noch erkennbar werden.
Dem Schlufssteine des Bogens ist als Krönung des Ganzen eine
Kaiserkrone aufgesetzt. Die den unteren Theil der Nische ausfüllende
dorische Halle zeigt Säulen von 14 m Höhe; die Pylonen zu beiden
Seiten der Nische treten 10,50 m weit hervor und dienen als Posta-
Holzstich V. O. Ebel, Berlin.
226
Ceütralblatt der Bauverwaltang.
4. Juni 1890.
mente für je einen Löwen, von denen der eine sinnbildlich ein
Schwert, der andere eine bezwungene Schlange in den Tatzen hält.
Von den an den Vorderseiten der Pylonen vor Nischen aufgestellten
allegorischen Figuren - Gruppen stellt die links vom Beschauer
Hermann den Cherusker dar, wie er mit seinen Kampfgenossen
dem Kaiser der Neuzeit zujauchzt, während die rechte aus Soldaten
der letzten Kriege besteht, die ihren siegreichen Feldherru feiern. Vor
der Freitreppe zwischen den Pylonen breitet sich eine Plattform von
26 m Breite und 20 m Tiefe aus, au deren Vorderseite in der Mittel¬
achse auf 9 m hohem Sockel sich das 6,50 in hohe Standbild des
Kaisers erhebt. Die zweite, 40 m breite und 9 m tiefe Terrasse liegt
3 in unter der oberen. Beide geben die Standpunkte zum Beschauen
der Keiterflgur des Kaisers sowie des Mosaikbildes in der Felswand-
Nische. Die Vorderseite des Sockels unter dem Reiterstandbilde ist
durch allegorische Figuren-Gruppen geschmückt, welche nach An¬
gabe der Entwurfs-Verfasser das in den Figuren der Stärke und der
Milde verkörperte Wesen des Verherrlichten versinnbildlichen sollen.
Die Anlage der zu der Plattform
mit dem Kaiserbilde emporführen¬
den Fahrstrafsen und weiteren
Freitreppen, deren untere Läufe
von zwei in der Spitze rund endi¬
genden und deshalb nicht eben
glücklich wirkenden Obelisken ab¬
geschlossen werden, ist aus den
Abbildungen zu erkennen. Die
Brunnen - Grujipe zwischen den
halbrunden Treppenarmen stellt
im wesentlichen die Gestalt der
Germania auf einem von einem
Viergesjiann gezogenen Triumph¬
wagen dar.
Unser durch den Lageplan
Abb. 2 ergänztes Schaubild zeigt
die Denkmal - Anlage von einem
Standpunkte her , welcher auf
der Königswinter-Honuefer Land-
strafse unweit der Kreuzung der¬
selben mit der rechtsrheinischen
Eisenbahn zu suchen ist. Der
architektonische Aufbau gestaltet
sich von hier aus grofsartig, ein¬
fach, ruhig und klar, dabei recht
glücklich in den meisten Ab¬
messungen. Das Mafshalten in
den Motiven und Gliederungen ist
durchaus anzuerkeuneu. Die ver-
hältnifsmäfsig kräftigen Glieder
werden auch im Vergleich mit
den feineren Einzelheiten an dem
Kaiserstandbild und seinem Un¬
terbau durchaus nicht roh und
plump erscheinen, auch nicht beim
Beschauen aus der Nähe. Die glückliche Verbindung der Bau¬
kunst mit der Bildhauerkunst zum gemeinschaftlichen Zusammen¬
wirken wird noch mehr durch das Hinzutreten der dritten Schwester¬
kunst, der Malerei in dem Mosaikbilde, gehoben. Die architek¬
tonischen Massen können für diesen Standpunkt um so leichter mit
den gewaltigen Massen der Felswand wetteifern, als die letzteren
wegen des nahen Standpunktes der Beschauer nicht in ihrer ganzen
Höhenausdehnung mitsprechen. Während der Berg von der Land-
strafse bis zu seiner Siiitze in Wirklichkeit 240 m hoch ist, zeigt
sich auf diesem Standpunkt dem Beschauer nur die sich etwa 141 m
über der Landstrafse erhebende schroffe Felswand, und die obere
Bergkuppe verschwindet fast gänzlich, indem sie sich hinter den
Felszacken versteckt oder perspectivisch verkürzt.
Zum Vorwurf könnte man es den Architekten vielleicht an¬
rechnen, dafs sie in der Aufstellung des Reiterstandbildes nicht
ganz glücklich gewesen sind, da es von der Vorderseite her für den
Standpunkt auf der Hauptplattform nur unter einem Augen- Aufschlag¬
winkel von 40 bis 50 Grad betrachtet werden kann, und dafs bei
diesem Beschauen der Kopf des Reiters durch den des Pferdes ver¬
deckt wird, oder dafs bei mehr seitlicher Stellung des Beschauers die
beiden Köpfe sich mindestens ungünstig nebeneinanderstellen. Es ist
aber auf diesen noch nicht vollständig gelösten Punkt nicht zu viel
Gewicht zu legen, weil bei der weiteren Ausarbeitung des Entwurfs die
Künstler ohne Zweifel hierfür in einer oder der anderen Weise einen
glücklichen Ausweg finden würden. Auch für den Beschauer des
Mosaikbildes in der Felswand-Nische ist der Augenaufschlag von der
Plattform aus vielleicht schon etwas steil. Es kommt das aber
weniger in Betracht, weil sich aufserhalb der Terrassen-Anlage, be¬
sonders auf der Landstrafse von Königswinter nach Honnef, welche
immer den Zugang zu dem Denkmal vermitteln würde, Gelegenheit
genug zur genaueren Würdigung der Einzelheiten des Bildes findet.
Es ist vorhin — im Gegensatz zu dem Ausspruche der Preis¬
richter — behauptet worden, dafs mit dem preisgekrönten Entwürfe
die Platzfrage nicht gelöst worden sei. Diese Behauptung beruht
auf folgenden, auf örtlichen, genaueren Untersuchungen fufsenden Er¬
hebungen und Schätzungen, von deren Richtigkeit sich jedermann
durch vergleichende Höhenmessungen überzeugen kann. Die Strafse
von Königswinter nach Honnef liegt neben dem für das Denkmal
ausgesuchten Platze auf einer Höhe von etwa -|- 52 über Normal-
Null. Der Drachenfels erhebt sich bis zu -{-291,51 über N.-N.; das
obere Ende der auf den Drachenfels führenden Zahnradbahn, welches
nur wenig tiefer als die Plattform des Wirthshauses daselbst gelegen
ist, liegt auf -{-263,87, also rund auf -f- 264 m über N.-N. Der
Höhenunterschied zwischen dem letztgenannten Punkte und der
Landstrafse beträgt also 212 m. Gegen diese Höhe mufs für die
weiter abgelegenen Schaupunkte
das Denkmal mit seinem ganzen
Aufbau zur Geltung kommen.
Das Denkmal mifst nach dem Ent¬
würfe von dem Beginn des unter¬
sten Treppenlaufs am Terrassen-
Aufstieg bis zum Scheitel der
Felswand-Nische 68 m, also nicht
ganz den dritten Theil der mafs-
gebenden Höhe. Die in der
Architektur als selbständiger Auf¬
bau über den Terrassen vorherr¬
schende Nische einschliefslich des
in der ganzen Breite der Nische
vorgelegten Tre23penlaufs zwi¬
schen beiden seitlichen Pylonen
ist 44: m hoch, also etwas mehr
als ein Fünftel der ganzen in
Betracht zu ziehenden Höhe. Das
Weinberggelände, auf welchem
die Verfasser die Trejipen- und
Terrassen - Entwicklung geplant
haben, steigt 61 m über die
Strafse emjior, erhebt sich also
ungefähr doppelt so hoch, als in
dem Entwürfe irrthümlich ange¬
nommen war. Die Erhebung
der Felswand über dem Wein¬
berggelände beträgt ungefähr
80 m. Der Irrthum, in welchen
die jireisgekrönten Architekten
bezüglich der Höhe des für die
Terrassenbildung und die Frei-
tre^ipen- Anlage benutzten Wein¬
bergs gefallen sind, ist ver¬
zeihlich, und man kann wohl
darüber hinweggehen in der berechtigten Annahme, dafs auch
für die gröfsere Höhe der Terrassen- und Freitrejipen- Anlage an¬
gemessene Lösungen — und zwar wahrscheinlich nicht zu Ungunsten
des Denkmal- Aufbaues — von den Künstlern leicht gefunden werden
würden. Nur müfsten die Auffahrten zum Denkmal anders gelöst
werden, weil der verfügbare Weinberg für die geplante Längen-
Entwicklung der Auffahrt -Rampen nicht breit genug ist und dem-
gemäfs die Fahrwege zu steil werden würden.
Die nebenstehend in Abb. 3 dargestellte, nach der Natur von der
Bahnhof -Terrasse in Rolandseck am linken Rheinufer aus aufge-
nommene Skizze giebt die genannten Höhenverhältnisse anschaulich
wieder, und gestattet einem jeden, sich selbst ein Bild davon zurecht
zu legen, wie der Denkmal -Entwurf sich an der gedachten Stelle
ausnehmen würde, ob seine Verhältnisse mit der Berghöhe harmo-
niren, oder ob nicht vielmehr die grofseu Massen des Berges das
Denkmal herabdrücken werden. Zum Vergleiche ist die Gröfse und
Lage der Denkmal - Nische in die Abbildung punktirt eingetragen.
Unseres Erachtens mufs die richtige Wirkung des Denkmals in
weitere Ferne hin bezweifelt werden. Schon die Wirkung nach dem
verhältnifsmäfsig nahegelegeuen Rolandseck hin wird voraussichtlich
nicht die gehoffte sein. Die Nischenöflnuug wird von hier aus zwar
noch grofs genug erscheinen, auch die Säulen des Porticus werden
für ein scharfes Auge noch deutlich zu unterscheiden und zu zählen
sein, aber das Denkmal, dessen Einzelheiten hinsichtlich der archi¬
tektonischen Gliederung sowohl wie der bildhauerischen Werke
dem Auge vollständig verloren gehen, wird gegen die schönen For¬
men der Berge, insbesondere des Drachenfelsens, nicht aufkommen
können, zumal wenn erst die Steine des Bauwerkes im Laufe der
Landsiratse
Kaiser Wilhelm-Denkmal der Rheinprovinz.
Entwurf von Jakobs u. Webling- in Düsseldorf. I. Preis.
!Sr. 22A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
227
Jahre sich in ihrer Färbung dem natürlichen Felsgestein mehr und
mehr genähert haben werden. Es kann die Einwendung gemacht
werden, ob es für das auszuführende Denkmal überhaupt als un-
erläfsliche Bedingung hinzustellen sei, dafs dasselbe noch in weiter
Ferne zur Geltung komme und dem Beschauer seine Reize nicht nur
in der Nähe zeige. Nach unserem Dafürhalten ist diese Frage ent¬
schieden zu bejahen. Das Denkmal der Rheinprovinz, für dessen
Aufstellung von fast allen
Wettbewerbern die Nähe
des Siebengebirges als
des ideellen Mittelpunktes
der Provinz gewählt ist,
mufs so gestellt werden,
dafs es in glücklicher
Form sich einem jeden
zeigt, welcher an ihm —
wenn auch nur zufällig —
vorbeikommt. Das Denk¬
mal mufs nicht nur von
den Verkehrsstrafsen bei¬
der Ufer sowie vom Rhein
selbst sichtbar, sondern
auch in seinem Grund¬
gedanken erfafsbar sein.
Auch der flüchtig vorbei¬
fahrende Reisende mufs den
Sinn der Anlage verstehen
können; das kann er aber
nicht, wenn ihm die Grund¬
formen des Denkmal -Auf¬
baues verloren gehen, wie
das für die meisten Punkte
der weiteren Umgebung hier
der Fall ist. Es ist schon
vorhin darauf hingewiesen
worden, dafs der Gesamt¬
aufbau sowie die Einzelheiten des Denkmals in der Nähe vor¬
züglich zur Geltung kommen werden. Diese Nähe wird sich
aber auf einen Halbmesser von höchstens 0,5 km eingrenzen. Die
malerische Wirkung wird sich am rechten Rh einufer auf die
Landstrafse und die Eisenbahn zwischen Königswinter und Honnef
beschränken, und zwar beginnend hinter der Mitte der Strecke
Königswinter — Rhöndorf, und endigend zwischen Rhöndorf und
Honnef ungefähr an dem sogenannten Nachtigallenwäldchen, sodafs
die Station Rhöndorf bei dieser Lösung der Ausgangsjjunkt für die
Besucher des Denkmals werden würde.
Auf Grund dieser Erwägungen kann man wohl mit Recht be¬
haupten, dafs das Felswand-
Denkmal ti'otz seiner gi'ofs-
artigen, edlen und schönen
Gestaltung nur in der un¬
mittelbaren Nähe desselben
und des rechtsrheinischen
Ortes Rhöndorf, sowie für
die Schiffahrer auf dem
Rhein zur richtigen Geltung
kommen, für alle ferneren
Standpunkte aber gegen
den Eindruck der Land¬
schaft Zurückbleiben wird.
— Und noch ein prakti¬
sches Bedenken gegen die
geplante Lage des Denk¬
mals darf wenigstens nicht
unerwähnt bleiben : Be¬
kanntlich besteht die senk¬
recht anstehende Felswand
des Drachenfelsens aus
Trachyt, einem an vielen
Stellen des Siebengebirges
wenig wetterfesten Gestein.
Es ist fraglich, ob das
Denkmal eine ausreichende
Anzahl von Jahrhunderten
den natürlichen Zerstörun¬
gen dieses Gesteins an die¬
ser Stelle Trotz zu bieten imstande sein wird.
Die Kosten des Denkmals sind auf 986 467 Mark veranschlagt.
Voraussichtlich wird diese Summe aber für seine Herstellung nicht
ausreichen. (Fortsetzung folgt.)
Abb. 3. Skizze der Umgegend.
Kaiser WiUielm -Denkmal der Rheinprovinz.
Entwurf von Jakobs u. Weliling in Düsseldorf. I. Preis.
Vermischtes.
Eine Feier zum Gedächtnifs des yierzigjälirigen Bestehens
des Vereins deutscher Eisenbahntechuiker fand am Freitag, den
30. V. M., im Empfangsgebäude des Anhaitischen Bahnhofs in Berlin
statt. Die zahlreich besuchte Versammlung wurde von Sr. Excellenz
dem Herrn Staatsminister v. Maybach, welcher in Begleitung des
Ministerialdirectors, Wirkl. Geh. Raths Schneider, Exc., erschienen
war, mit warmen Worten begrüfst. Zum Vorsitzenden der gleich¬
zeitig abgehaltenen Techniker-Versammlung wurde der Präsident der
Königl. Ungarischen Staatsbahnen, Herr v. Ludwigh, gewählt,
welcher dem Herrn Minister für sein Erscheinen und seine warm
empfundene Ansprache dankte und hierauf eine umfassende, sehr
beifällig aufgenommene Festrede hielt. Oberbaurath v. Prenningen
von der österreichischen Südbahn warf einen Rückblick auf die
Uerzigjährige Thätigkeit der Eisenbahntechniker, begrüfste die noch
anwesenden Mitglieder der ersten, vor vierzig Jahren stattgehabten
Technikerversammlung und gab dabei dem Wunsche Ausdruck, dafs
die heute bestehenden freundschaftlichen Beziehungen, welche die
beiden mächtigen Reiche Deutschland und Oesterreich -Ungarn um-
schliefsen, auch in Zukunft die Techniker des Vereins deutscher
Eisenbahn-Verwaltungen verbinden mögen. Abends fand ein grofses
Festmahl statt, an welchem auch der Herr Minister v. Maybach
theilnahm.
Am Sonnabend vereinigte eine Festfahrt die Theilnehmer zu
einem gemeinsamen Ausfluge nach Potsdam, dem die Ungunst der
Witterung leider einigen Abbruch that, und am Sonntag, den 1. Juni,
fand eine Fahrt nach Osnabrück statt zur Besichtigung der Anlagen
und Ausführungen des Stahlwerks Osnabrück und seiner Sammlung
eiseubahntechnischer Sehenswürdigkeiten.
Der vierte Biunenscliiffalirtscongrefs in Manchester. Soeben
hat der gesehäftsführende Ausschufs des vierten Binnenschiffahrts-
congresses, welcher, wie seinerzeit an dieser Stelle mitgetheilt ist
(vgl. J. 1888 d. Bl. S. 382, 390 fl.), laut eines auf dem letzten Binnen-
schiffahrtscongrefs in Frankfurt am Main gefafsten Beschlusses in
Manchester abgehalten werden soll, zur Abordnung von Theilnehmeru
an die Regierungen von Deutschland, Frankreich, Oesterreich, Belgien,
Italien, Spanien, Holland, Norwegen und Schweden, Dänemark, der
Schweiz, Rufsland, America, Portugal und Griechenland Einladungen
ergehen lassen, unter Beifügung der für den Congrefs aufgestellten
Geschäftsordnung. Dieser letzteren entnehmen wir, dafs der Congrefs
für den 28. Juli d. J. und die folgenden Tage anberaumt ist. Der
Congrefs stellt zur Erörterung die Fragen über Verbesserung der
Binnenschiffahrt und der Verhältnisse betreffs der in den Fluth-
gebieten liegenden breiten Flufsmündungen, sowie den wirthschaft-
lichen Nutzen schiffbarer Wasserwege, weiterhin technische Fragen,
welche sich auf den Bau und Betrieb von Canälen im allgemeinen
beziehen, endlich die weitere Verfolgung der Angelegenheit, betreffend
Aufstellung einer Statistik über Binnenschiffahrt. In dieser Hinsicht
wird auch der Bericht des auf dem Frankfurter Congrefs ernannten
Internationalen Statistischen Ausschusses entgegen genommen werden.
Die Behandlung der im einzelnen zur Besprechung gelangenden Fragen
wird zwei grofsen Abtheilungen zugewiesen, von welchen die eine das
Bauwesen, die andere das Verkehrswesen und wirthschaftliche Fragen
umfassen wird, und zwar nach der folgenden Eintheilung:
Abtheilung 1. Bauwesen.
Unterabtheilung 1. Binnencanäle und canalisirte Flüsse.
Gegenstand A. — a) Gegenwärtiger Zustand und EnLvicklung
der inländischen Wasserwege in England; b) die Aire- und Calder-
Schiffahrt; c) der Welland-Canal ; d) die Weaver-Schiffahrt.
Gegenstand B. — Mittel zur Fortbewegung auf Canälen.
Unterabtheilung 2. Seeschiffahrtscanäle und Arbeiten im Fluth-
gebiet der Ströme.
Gegenstand A. — Seeschifl’ahrtscanäle. a) Der Manchester See¬
canal; b) der Nicaragua-Canal; c) der Nord -Ostsee -Canal.
Gegenstand B. — Die Grundsätze der Verbesserung von Flufs-
strecken im Fiuthgebiet.
Gegenstand C. — Baggerarbeiten, a) In Britannien; b) im Aus¬
lande.
Abtheilung II. Verkehrswesen und wirthschaftliche
Fragen.
Gegenstand A. — Die gegenwärtige Lage der Binnenschiffahrt
im Vereinigten Königreich im Hinblick auf Rentabilität und Ver¬
kehr, sowie Mittel zur Verbesserung derselben.
Gegenstand B. — Allgemeine Lage, Verwaltung und Betriebs¬
kosten der Binnenschiffahrt in folgenden Ländern; a) Frankreich;
228
Centralblatt der Bauverwaltung-.
4. Juni 1890.
b) Deutschland; p) Oesterreich; d) Eufsland; e) Italien; f) Schweiz;
g) Schweden; h) Niederlande; i) Spanien; k) Belgien.
Gegenstand C. — Beförderungskosten auf Canälen im Vergleich
mit den Eisenbahnen und der gegenseitige Einflufs beider Verkehrs¬
wege.
Gegenstand D. — Der Umfang, in welchem der Staat bei der
Entwicklung oder der Verwaltung des Binnenschitfahrts-Betriebes
sich betheiligen oder Beihülfe leisten soll. —
Die Verhandlungen werden in englischer und französischer
Sprache geführt, sollen jedoch auch in deutscher Sprache ver¬
öffentlicht werden. Wie in Frankfurt, so ist auch für Man¬
chester eine Ausstellung von Entwürfen, Plänen und Modellen,
welche die Binnenschiffahrt betreffen, in Aussicht genommen. Die
Geschäftsordnung weist noch besonders darauf hin, dafs die werth-
vollsten der in Frankfurt gezeigten Pläne von der deutschen Eegie-
ruug geliefert worden seien, und knüpft daran die Hoffnung, dafs
dieselben Pläne und Modelle auch dem Congrefs in Manchester zu¬
gänglich gemacht werden möchten. Während der Dauer des Con-
gresses sollen Ausflüge zur Besichtigung hervorragender Bauaus¬
führungen und sonstiger sehenswerther Punkte im nördlichen Eng¬
land unternommen werden. Alle den Congrefs betreffenden Mitthei¬
lungen sind an den Secretär des Ausschusses, Lombard Chambers,
16 Brown Street in Manchester zu richten.
Ehrenbezeigung. Dem Dombauineister Friedrich Freiherrn
V. Schmidt in Wien ist aus Anlafs der Vollendung der Wieder¬
herstellung vom Innern des St. Stephans-Domes seitens des Wiener
Dombauvereins eine Denkmünze gewidmet worden. Die von dem
Bildhaiier A. Scharff gefertigte Münze zeigt auf der Vorderseite
das Bildnifs des Meisters, auf der Kehrseite die Südansicht des
Stephansdomes.
Die feierliche Aufsetznug vom Selilufssteine des Ulmer Münster-
thurines wurde am Sonnabend den 31. Mai nachmittags 6 Uhr vor¬
genommen. Die Feier der glücklichen Fertigstellung des Bauwerkes
findet in der Zeit vom 28. Juni bis 1. Juli d. J. statt.
Zur Erlangung von Entwürfen für ein Bürgerliospital, ein
Armenhaus, eine Armeii-Beschäftigungsanstalt und ein Asyl für Ob¬
dachlose schreibt die Stadt Stuttgart eine allgemeine Wettbewerbuug
unter deutschen Architekten aus (s. d. Anzeigentheil d. voi’. Nummer).
Drei Preise in Höhe von 5000, 3000 und 2000 Mark sind ausgeworfen,
2000 Mark stehen zum Ankauf weiterer Entwürfe zur Verfügung.
Ablieferungstag ist der 31. October d. J. Das Preisrichteramt haben
übernommen die Herren Baurath Berner, Architekt Frey, Ober¬
bürgermeister Dr. V. Hack, Werkmeister Höf er, Stadtbaurath
Mayer und der Obmann des Bürgerausschusses A. Schiedmayer,
sämtlich aus Stuttgart, sowie Herr Stadtbaurath Blankenstein aus
Berlin. Von der Ertheilung des ersten Preises kann unter Umständen
abgesehen werden, weitere Bestimmung über die Verwendung des
ausgesetzten Betrages bleibt in diesem Falle Vorbehalten. Auch be¬
züglich des Bauplanes und des ausführenden Architekten hält sich
die Stadt Stuttgart die Hand frei. Aus dem Programme ist hervor¬
zuheben, dafs die einzelnen Anstalten räumlich völlig gesonderte und
umfriedigte Anwesen bilden, aber doch so zu einander in Beziehung
gesetzt werden sollen, dafs die Verwaltung eine für alle Anstalten
gemeinsame sein kann und dafs die Insassen der drei letztaufgeführten
Anstalten zum Empfange von Speisen an das Küchengebäude des
Bürgerhospitals gelangen können. Das sehr soi-gfältig abgefafste
Programm verbreitet sich eingehend über alle an die einzelnen Bau¬
lichkeiten zu stellenden Anforderungen und die unterzubringenden
Personen, auch sind ihm ein Lage- und Höhenyilan, sowie überdies
ein Gesamt-Uebersichtsplan der Stadt Stuttgart beigegeben.
Die Mittlieiluug über die Wettbewerbung- zu einem Kreis-
ständeliause für Kreuzuacli auf Seite 215 d. Bl. ist dahin zu er¬
gänzen, dafs die zur Verfügung stehende Bausumme 110 000 Mark
beträgt und dafs mit diesen Mitteln 300 — 330 qm nutzbare Eaum-
fläche geschaffen werden sollen. Das Preisgericht besteht aus den
Herren: Landrath Agricola als Vorsitzenden, Baurath Möller,
beide in Kreuznach, Eegierungs- und Baurath Cuno in Cobleuz,
Baurath Pflaume in Köln und aus zwei Kreisdeputirten (Nicht¬
technikern). Da die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag giebt,
bilden die Bauverständigen die Minderheit. Das Programm unter¬
scheidet sich von anderen seiner Art vortheilhaft dadurch, dafs es
die Lage des Kreistagsaales nicht im Erdgeschosse, wo sich die
Amtszimmer befinden sollen, sondern im Obergeschosse, im Zu¬
sammenhänge mit der Landrathswohnung vorsieht. Dagegen be¬
fremdet es, für die Bereicherung der Flure, der beiden Sitzungssäle
und einiger Zimmer der Landrathswohnung im Gegensätze zu der
verlangten Einfachheit der übrigen Eäume „Stückarbeiten“ vor¬
geschrieben zu sehen. Zn einer angemessenen Steigerung des
Eeichthums in der Durchbildung der Innenräume, insbesondere bei
einem Gebäude der vorliegenden Art, dürfte es doch gediegenere
Mittel geben als gerade Stuck, dessen Anwendung oder gar Vor¬
schrift nur dazu dienen kann, zu falschem Eeichthum und verkehrter
Auffassung der ganzen Aufgabe zu verleiten. Zu bedauern ist auch
der Ausschlufs perspectivischer Zeichnungen. Warum soll der
Architekt die Eechenschaft, die er beim Entwerfen eines Gebäudes
über dessen perspectivische Wirkung sich selbst zu geben hat, nicht
auch durch Einlieferung eines einfachen Schaubildes vor seinen
Preisrichtern ablegen dürfen, insbesondere wenn diese in der Mehr¬
zahl Nichttechniker, also Personen sind, denen es doch nicht so leicht
wird, aus der geometrischen Zeichnung des Gebäudes auf dessen
spätere Erscheinung zu schliefsen?
Die Frage der Errichtung eines Kunstansstelliingsgehäudes
in Berlin beschäftigt bekanntlich seit langer Zelt die Berliner
Künstlerschaft aufs lebhafteste. Vor etwa zwei Jahren trug man
sich mit dem Plane, ein solches Gebäude in Verbindung mit
einem Künstlerhause auf der Stelle des Krollschen Etablisse¬
ments zu errichten, wobei man jedoch die Hoffnung nicht auf¬
gab, für diese Zwecke das bei weitem günstiger gelegene Grund¬
stück des jetzigen Kunstakademiegebäudes Unter den Linden zur
Verfügung gestellt zu erhalten. Die Erfüllung dieser Hoffnung schien
auch im Februar dieses Jahres infolge Eäumung der auf dem ge¬
nannten Grundstücke befindlichen Gardes du Corps-Caserne und einer
damit in Verbindung stehenden Allerhöchsten Anregung in naher
Aussicht zu stehen, und seitens des Senats, der Genossenschaft der
Akademie der Künste und des Vereins Berliner Künstler waren be¬
reits gemeinschaftliche Vorschläge über die Art der Befriedigung der
verschiedenen Bedürfnisse gemacht worden, da erklärte in der Sitzung
des Abgeordnetenhauses vom 19. April d. J. der Herr Cultusminister,
dafs auf dem sog. Akademieviertel Ausstellungsräumlichkeiten ge¬
schaffen werden sollten, welche für dauernde, unter Umständen
kleine Ausstellungen zur Verfügung ständen, ferner „dafs man viel¬
leicht in dem vorderen Theile die Akademieen der Wissenschaften
und Künste unterbringt, d. h. den Senat, dafs man in den mittleren
Kaum, der so weit ausgebaut werden kann, wie irgend möglich, die
Bibliothek unterbringt, und dafs vielleicht an einer Stelle, sei es an
der Seite, sei es mehr nach vorn, sei es in der Dorotheenstrafse, man
ein Kunstausstellungsgebäude anfügen läfst, in leichterem Stil, welches
vielleicht für 30 Jahre noch ausreicht; später würde das Ausstellungs¬
gebäude die Stätte sein, auf welche sich demnächst die Bibliothek
zurückziehen könnte“.
Diese Erklärung des Herrn Ministers hat die Künstlerschaft
bewogen, ihren Wünschen in der nachfolgenden Erklärung öffent¬
lichen Ausdruck zu geben.
„Indem die Berliner Kunstgenossenschaft sich dem Berichte*)
des Präsidenten der Akademie an den Herrn Cultusminister vom
10. März 1890 anschliefst, erklärt dieselbe:
1. dafs mit dem vom Herrn Minister in Aussicht gestellten wieder¬
holten Provisorium eines kleineren Ausstelluugsgebäudes für per¬
manente Kunst- Ausstellungen dem dringenden Bedürfnifs in keiner
Weise Eechnung getragen wird;
2. da die Berliner Künstlerschaft nicht nur den Wunsch hat,
ihre eigenen Erzeugnisse hier permanent ausstellen zu können, sondern
das lebhafteste Interesse daran hat, auch die Kunstthätigkeit anderer
Nationen und Kunststädte in umfassendster Weise hier zur An¬
schauung des Publicums zu bringen, und nachdem durch Allerhöchste
Initiative die denkbar günstigste Stelle, die historische Stätte Unter
den Linden in hochherzigster Weise zur Verfügung gestellt wird, so
kann sie nur den dringlichen Wunsch aussprechen, dafs als Definitivum
auf dieser Stelle das Kunstausstellungs-Gebäude in einer den weitest¬
gehenden Bedürfnissen voll entsprechenden Gröfse und Anlage er¬
richtet werden möge;
3. dafs endlich der Verein Berliner Künstler Bedenken tragen
müfste, seine permanente Ausstellung, für welche eine für das Kunst¬
geschäft günstige Lage das Werthvollste ist, nach der Dorotheen-
Strafse oder an eine abgelegene Seitenfi-ont dieses Viertels zu v^’-
legen, weil dies keine erhebliche Verbesserung gegenüber den jetzigen.
Verhältnissen wäi-e;
4. die moderne schaffende Kunst darf in Berlin nicht heimathlos
gemacht werden, ihr mufs kraft ihrer Bedeutung für das öffentliche
Leben die Stelle eingeräumt werden, welche sie mit Fug und Eecht
beanspruchen darf.
Die Kunstgenossenschaft beauftragt ihren Vorstand, diese Er¬
klärung in geeigneter Weise an den mafsgebenden Stellen zur Kennt-
nifs zu bringen.“
*) Dieser Bericht enthielt die obenerwähnten Vorschläge der ver¬
einigten Kunst-Körperschaften.
Verlag von Ernst & Korn CWillielni Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: 0. Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
229
CentraMatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 7.
Jnni 1890. Nr. 23.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches: Mausoleum im
Schlofsgarten von Charlottenburg. — Hülfsmittel für die Annahme und Abfertigung
der Züge auf dem Haupt-Personenbahiihofe in Frankfurt a. M. — Der Rheinstrom und
seine wichtigsten Nebenflüsse. — Kirche in Afhensleben. — Vermischtes: Rathhaus¬
bau in Leipzig. — Beizbrüchigkeit des Eisens. — Elammensiguale. — Rudolf Gott-
getreu f. — Bücher schau.
Amtliche Mittheilungen.
Preiifsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den Eegierungs-
und Baurath Hermann Julius Taeger zum Geheimen Baurath und
vertragenden Eath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, und den
bisherigen Kreis-Bauinspector, Baurath Moebius in Grofs-Strehlitz
O./Schl., zum Eegierungs- und Baurath zu ernennen; letzterer ist der
Königlichen Eegierung in Oppeln überwiesen worden.
Der Kreis-Bauinspector Kleinau in Wehlau ist als Land-Bau¬
inspector nach Berlin versetzt und der Königl. Ministerial-Bau-Com-
mission behufs Beschäftigung bei Ausführung verschiedener Kirchen-
Neubauten überwiesen worden.
Dem bei der Königl. Eegierung in Hildesheim als technischer
Hülfsarbeiter angestellten Bauinspector Friedrich Hei mann ist die
nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste zum 1. Juli d. J. er-
theilt worden.
Zu Königl. Eegierungs-Baumeistern sind ernannt: die Eegierungs-
Bauführer Karl Beckmann aus Göttingen, Hans Huckstorf aus
Zepelin i. Mecklenburg, Arnold Geisse aus Mariendorf, Kreis Hof¬
geismar, und Karl Lavezzari aus St. Petersburg (Ingenieurbaufach);
— Diedrich Meyer aus Hannover (Maschinenbaufach).
Dem bisherigen Königl. Eegierungs-Baumeister Eschenbrenn er
in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste er-
theilt worden.
Der Königl. Eegierungs-Baumeister Heinr. Oetken ist gestorben.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den
Vorstand der Nebenwerkstätte in Ulm, Werkführer Bose, seinem
Ansuchen gemäfs wegen vorgerückten Alters zur Euhe zu setzen
und demselben in Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste
den Titel eines Maschinenmeisters zu verleihen.
Der Baurath Necker bei der Ministerialabtheilung für das
Hochbauwesen ist durch Allerhöchste Entschliefsung vom 29. Mai d. J.
seinem Ansuchen gemäfs unter Verleihung des Titels und Eanges
eines Ober-Bauraths in den bleibenden Euhestand versetzt worden,
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben sich Gnädigst
bewogen gefunden, dem Vorstand der technischen Abtheilung bei
der Generaldirection der Grofsherzoglichen Staatseisenbahnen, Bau-
director v. Würthenau, das Commandeurkreuz II. Klasse, dem
Vorsteher des bahnbautechnischen Bureaus bei der Generaldirection
der Grofsherzoglichen Staatseisenbahnen, Oberingenieur Friedrich
Gernet, und den Bahnbauinspectoren Otto Hof bei genannter
Direction, Eduard Gockel in Lörrach, Karl Gebhard in Zollhaus
und Edwin Kräuter in Stühlingen das Eitterkreuz I. Klasse
Höchstihres Ordens vom Zähringer Löwen zu verleihen, sowie der
auf Professor Dr. Schröder gefallenen Wahl zum Director der tech¬
nischen Hochschule für das Studienjahr 1890/91 die allerhöchste Be¬
stätigung zu ertheilen.
[Alle Eechfe vorbelialten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Das Mausoleum im Schlofsgarten von Charlottenburg.
Die an Erinnerungen reiche Gruftstätte am Ende des dunklen
Tannenganges im Charlottenburger Schlofsgarten übt nicht allein
auf das grofse Publicum eine aufsergewöhnliche Anziehungskraft
aus. Von jeher hat sie auch in besonderem Mafse das Augenmerk
der Bauverständigen auf sich gelenkt, und diese werden jetzt gern
Kenntnifs nehmen von den Veränderungen, welche man mit dem
kleinen Bauwerke neuerdings zur Aufnahme der sterblichen Eeste des
verewigten Kaiserpaares vorgenommen und nunmehr, mit der fünfzig¬
sten Wiederkehr des Todestages seines Erbauers, König Friedrich
Wilhelms III., zur Vollendung gebracht hat. Der jetzt erfolgte Um¬
bau ist nicht der erste, den die Euhestätte der Königin Luise erfuhr.
Bereits in den Jahren 1826 — 28 wurde die ursprünglich in Sandstein
ausgeführte Vorhalle des Prostylos, welchen bekanntlich der Hof¬
baurath Gentz nach einem Entwürfe Schinkels im Jahre 1810
erbaute, durch die jetzt vorhandene Granitfront ersetzt. Der König
war durch die aus einem märkischen Granitfindling gearbeitete
„Cantian- Schale“, die jetzt im Berliner Lustgarten vor dem Alten
Museum steht, auf dieses schöne heimische Gestein aufmerksam ge¬
worden und wünschte es zur Verschönerung des Mausoleums ver¬
wendet zu sehen. Die Granittechnik war damals noch eine unge¬
wohnte Sache, und die Steinmetzmeister Trippei und Wimmel, denen
die schwierige Ausführung oblag, haben sich mit deren vorzüglichem
Gelingen, insbesondere lüit der Herstellung der vier geriefelten
Säulen aus einem einzigen, durch einen Grafen von der Schulenburg
geschenkten Block von der Feldmark Trampe bei Oderberg nicht
geringen Euhm erworben. Ueberhaupt war die Granitfront des
Charlottenburger Mausoleums lange Zeit hindurch in Fachkreisen
wie für das grofse Publicum der Gegenstand ungetheilter Bewunde¬
rung. Ihre Kosten haben beiläufig 40 372 Thaler 7 Silbergroschen
und 1 Pfennig betragen. Im übrigen erfuhr in dieser Zeit die erste
Anlage, die in dem in Abb. 1 schwarz angedeuteten Theile ABDC
des jetzigen Bauwerkes bestand und lediglich für Aufnahme des be¬
rühmten Eauchschen Sarkophages und des Sarges der Königin Luise
bestimmt war, keine nachweisbare Veränderung. Wohl aber ist es
wahrscheinlich, dafs eine solche schon früher stattgefunden hat. Bei
der Vornahme der jetzt an diesem ältesten Bautheile bewirkten
Wiederherstellungs arbeiten, von denen unten noch weiter die Eede
sein wird, fanden sich nämlich bei « — « und ß — ß hochgelegene
Fensteröffnungen in Halbkreisbogenform, die beiderseitig einen
halben Stein stark zugemauert waren. Der Sarkophag-Eaum war also
früher durch hohes Seitenlicht erleuchtet; das jetzt vorhandene Ober¬
licht lag nicht in der ursprünglichen Absicht und ist vermuthlich
erst von Eauch empfohlen oder gefordert, um für die Beleuchtung
des Sarkophags*) einheitliches Licht zu erhalten.
Einen weiteren, eingreifenden Umbau erfuhr das Mausoleum
nach dem Tode des Königs in den Jahren 1841—42 durch seinen
Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. Derselbe beschlofs die An-
*) Der von Eauch in Carrara gefertigte Sarkophag hatte bei
seiner Ueberführung widrige Schicksale zu erfahren. Auf der
Höhe von Lori ent wurde das Fahrzeug, auf dem er verfrachtet
war, von dem americanischen Kaper „The Leon“ genommen. Den
Leon nahm unmittelbar darauf der englische Kaper „Elisa“, der
seine Beute nach Jersey brachte und bedeutendes Prisengeld ver¬
langte. Nach langen Verhandlungen, die den König in begreifliche
Erregung brachten, wurde das Kunstwerk herausgegeben und von den
Engländern nach Cuxhafen gebracht, von wo es durch den Hofbau-
conducteur Habe und den Schiffer Peter Vofs endlich glücklich an
seinen Bestimmungsort geschafft wurde. (Hofmarschallamts-Acten.)
230
7. Juni 1890.
Ceutralblatt der B auverwaltuiig.
fertiguug eines Sarkophags auch für eleu König und liefs zu
dessen Aufstellung neben dem der Königin sowie zur Ermöglichung
gottesdienstlicher Handlungen durch Hesse nach Schinkelscher
Zeichnung den Erweiterungsbau GHKJ aufführen, den Abb. 1 dunkel
schraffirt giebt und der bis zum Vorjahre in dieser Gestalt bestanden
hat. Eine genaue Abbildung und Beschreibung dieses Bestandes
findet sich im Jahrgang 1844 von Försters „Allgemeiner Bauzeitung“,
auf die wir hier verweisen. Die Capelle wurde augebaut, ohne den
alten Theil zu berühren. Erst nach Fertigstellung des Anbaues ent¬
fernte man die Mauer CD (Abi). 1), woraus sich die in Abb. 1 u. 2
ersichtliche Verschiebung des Oberlichtes nach dem Eingänge zu und
die unsymmetrische Anordnung der Felderdecke des alten Sarkophag¬
raumes erklären. Dieser letztere wurde nunmehr Vorraum. In
seinen Fufsbodeu liefs man luschrifteutafelu ein zum Hinweis auf
die Särge, die in der alten Gruft verblieben. Unter dem neuen Bau-
theile wurde nur ein kellerartiger Kaum hergerichtet, den die Mauer¬
klötze, auf welchen oben die beiden Marmorsarkoi^hage ruhten,
unschön durchsetzten, in dem aber gleichwohl später die irdischen
Beste des Prinzen Albrecht und der Fürsten Liegnitz, Friedrich
Wilhelms III. zweiter Gemahlin, beigesetzt wurden,
nachdem schon zuvor das Herz König Friedrich Wil¬
helms IV. in einem herzförmigen grauitnen Behälter
zwischen den Särgen des Königspaares Platz ge¬
funden hatte.
Nach dem Hinscheiden Kaiser Wilhelms hat der
Wunsch des hochseligeu Monarchen , dereinst zu
den Füfsen seiner Eltern zu ruhen, den Anlafs zu
dem neuerdings ausgeführteii Erweiterungsbau ge¬
geben. Der Hauptbaugedanke rührt von der nun¬
mehr gleichfalls verewigten Kaiserin Augusta her,
deren Wille es war, dort auch selbst einmal an der
Seite ihres Gemahls bestattet zu werden. Die dem
Architekten, Hofbauinspector A. Geyer, und dem
unter ihm mit der besonderen Bauleituug betrauten
Eegierungs-Baumeister Weber gestellte Aufgabe
ging dahin, unter thunlichster Schonung und Er¬
haltung des Vorhandenen die Capelle Friedrich Wil¬
helms IV. für die Sarkophage zu erweitern und unter
ihr eine würdige Gruft zur Aufnahme aller sechs
Särge zu schaffen. — In welcher Weise diese Auf¬
gabe gelöst worden ist, geht aus den Abbildungen
hervor. In Abb. 1 ist der neueste Theil in heller
Schraffirung dargestellt, die Grundrisse Abb. 3 und 4
geben die einzelnen neuen Bautheile in schwarzer
Anlage.
Die Rückwand der alten Capelle ist unter Erhal¬
tung der Apsidenhalbkuppel vim 5,5 m zurückge¬
schoben, wodurch ein nahezu geviertförmiger Sarko-
phagraum erzielt worden ist. Erleuchtet wird dieser
nicht mehr, wie früher, durch zwei Reihen schmaler
rechtwinkliger Fenster, sondern durch zwei grofse,
halbkreisförmige, nach Art der römischen Thermen¬
fenster behandelte Lichtöffhungen, die in Form und Abmessung
der Apsidenöffuung entsprechen. Die Aufsenerscheinung des
Bauwerkes hat sich wenig verändert, wenigstens kommen die
Veränderungen dem herantreten den Beschauer wenig zum Be-
wufstsein, da die Seitenfronten wie die Rückseite durch dichtes
Baum- und Buschwerk gedeckt werden und das Gebäude nach
wie vor im wesentlichen nur mit seiner Vorderfront in die Er¬
scheinung tritt. Einzig eine Veränderung wird man beim Heran¬
nahen diu'ch den Tannengang aus gröfserer Entfernung gewahr:
Das kupfergedeckte Capelleudach kehrt jetzt seine Giebel der Vorder-
und Rückseite zu, während sich dieselben vordem an den Langseiten
des Gebäudes, also an den Capellen-Schmalseiten G J und KH (Abb. 1)
befanden. Das Bauwerk hat dadurch nur gewonnen; überdies ist damit
die Anordnung wieder hergestellt, welche Schinkel für den Erweite¬
rungsbau von 1841/42 geplant hatte, und die auch bereits zur Aus¬
führung gebracht, auf Befehl König Friedrich Wilhelms IV. jedoch
wieder beseitigt worden war. Abgesehen von dieser Umgestaltung
des Daches haben sich die Aufsenarbeiten im wesentlichen darauf
beschränkt, die bisher geputzten drei untergeordneteren Seiten in
ihren oberen Theilen mit grauem schlesischen Sandstein, im Sockel
mit geschliffenem märkischen Findling-Granit zu bekleiden. Von der
Absicht,, das Gebäude aufsen, der Vorderfront entspreehend, ganz
mit Granit zu verkleiden, mufste aus Zeitmangel Abstand genommen
werden. Die Sandsteinplatten sind bei den älteren Theilen schichten¬
weis 8 und 20 cm, bei den neuen Wänden 14 und 27 cm stark, die
Platten des Granitsockels haben 17 cm Stärke. Das Gurtgesims des
Capellenbaues wurde auf die Höhe vom Hauptgesims des ältesten
Theiles gebracht. Das alte Sandstein-Hauptgesims der Capelle ist
unter Veränderung der Profilirung, welche bei übermäfsig hoher
Platte kleinliche Gliederungen zeigte, wieder verwendet und ergänzt.
Da die Tiefe der alten Stücke durch die Profil Veränderung nur
gerade ausreichte, um ihr Abkippen zu verhüten, wurden über
das ganze Gesims starke u- Eisen gelegt und an diesen in ange¬
messenen Abständen Anker befestigt, deren Splinte unter die aus
T-Eisen gebildeten Mauerlatten greifen, welclie den Deckenträgern als
Auflager dienen. So wurde die bedeutende Deckenlast zweckmäfsig
als Gegengewicht ausgenutzt.
Ist auf diese Weise das Aeufsere des Gebäudes zu einer mit
dessen edler Bestimmung in Einklang befindlichen Gediegenheit ge¬
bracht worden, so liat auch das Innere durch den Umbau nur ge¬
wonnen. Vorraum und Capelle stehen in besserem Verhältnifs zu
einander als früher, die Raumwirkung ist günstiger geworden und
wird nur noch beeinträchtigt durch die alte, zu scharf-blaue Verglasung
des Vorraum-Oberlichtes, die mau zwar vielfach rühmen hört und
welche als etwas Aufsergewöhnliches, die Sinne Gefangenuehmendes
namentlich auf die grofse Menge wirkt, welche aber nur dazu an-
gethan ist, die Beleuchtungsverhältnisse und die feine Farbenstim¬
mung des Gesamt-Inneren, insbesondere des Hauptraumes mit seinen
kostbaren Bildwerken zu schädigen. Die Innenaus¬
stattung schliefst sich im w'esentlichen der der alten
Theile an. Vornehmlich ist Gewicht auf einheitliche
Durchführung der dort verwendeten vaterländischen
edlen Gesteinsarten gelegt worden. Einfache Fort¬
setzung haben erfahren der schwarz-weifse Marmor-
fufsboden, der nur bereichert worden ist durch eine
breite, friesartige Einfassung schön gezeichneter gufs-
eiserner Heizcanal -Deckplatten, ferner die Beklei¬
dung der Wände, welche mit einem Sockel von
dunklem Marmor aus der Umgegend von Werni¬
gerode beginnt, der Hauptsache nach aus einer
glatten Täfelung von polirtem schlesischen Marmor
besteht und in Höhe von etwa 5 m mit einem Gurt¬
gesims von Carraramarmor abschliefst. Auch die An¬
bringung dieser Wandbekleidung ist in der alten, be¬
währten Weise erfolgt: Bronceue Anker sind in die
Mauer eiugegipst und tragen die einzelnen Platten,
in die sie nach oben und unten mit je einem kleinen
Dorn eingreifen. Dadurch sind die Platten sicher
verankert, gegen die Mauer isolirt, und die untere
Schicht wird von der oberen nicht belastet. Für die
oberen Wandffächen wurde hingegen die alte Beklei-
duugsart nicht beibehalten. Sie bestand aus einer un¬
ruhig und kleinlich wirkenden Stuckirung, einem an
maurische Motive aiiklingenden Linienmuster mit auf¬
gesetzten Engelsköpfeu, und ist durch glatte, mit
einem feingestimmten Grünlichgrau gefärbte Putzfläche
ersetzt worden, zu deren Belebung lediglich ein-
fassende blaue Spruchfriese mit bronceneu vergoldeten
Schriftzügen verwendet wurden. Die Apsis hat ihren
alten Schmuck, das von Pfannschmidt in lichten
Farben auf Goldgrund gemalte Bild des thronenden,
segnenden Christus behalten, zu dessen Seiten das Königspaar
betend kniet. Ganz neu ist die Decke hergestellt. Sie ist aus
eisernen, leicht mit Bronce behandelten Trägern gebildet, auf welche
lichtgraue Sandsteincassetten mit silber- und goldbroncirten Rosetten
in blauem Felde gelegt sind.
Die Ausstattungsgegenstände sind die alten geblieben: in der
Apsis der Marmoraltar und das von Achtermann gefertigte Crucifix;
zu Seiten des ersteren, in den Ecken des Capellenraumes, die von
Rauch und Tieck nach Schinkelscher Zeichnung gearbeiteten Marmor¬
standleuchter, die früher zu Seiten der Sarkophage aufgestellt waren;
letztere auf ihrem alten Platze, zu ihren Seiten die Grabplatten,
welche früher im Vorraume lagen, zu ihren Füfsen Raum für Grab¬
denkmäler des kaiserlichen Paares, über deren Gestaltung endgültige
Bestimmung noch nicht getroffen sein soll.
Fast vollständig erneuert ist die Gruft, nur ein paar Mauer-
theile der Aufsenwände blieben, wie aus Abb. 4 ersichtlich ist, stehen.
Der Gruftraum, mit der zum Vorraume gemachten alten Gruft durch
eine gitterverschlossene Thüröffhung, in der einige Stufen liegen, ver¬
bunden, gliedert sich in ein mit flacher Tonne überspanntes Mittel¬
schiff und zwei mit Kreuzgewölben versehene Seitenschiffe. Dort
haben die kranzbedeckten Särge der beiden Herrscherpaare und das
Herz Friedrich Wilhelms IV., hier je einer der beiden anderen Särge
würdige Aufstellung gefunden. Die trennenden Pfeiler bestehen aus
geschliffenem rothen märkischen Granit, die Wände und Decken
des Raumes sind glatt geputzt und schlicht grau gefärbt, der Fufs-
boden wurde mit Platten von schwarzem Nassauer Marmor belegt.
Das Licht strömt dem Raume reichlich zu durch die ringsum an¬
gelegten gekuppelten Sockelfenster, durch deren lediglich mit Stell¬
klappen aus starkem gerippten Glase bewirkten Verschlufs auch
J
Erweiterungsbau von
/ 1889-SO
1
Anbau von
“
/
1841-42
i
Abb. 1.
Mausoleum im Schlofsgarten
von Charlottenburg.
Nr, 28.
Centralblatt der Bauverwaltung.
231
eine ständige kräftige Lüftung erzielt wurde, ohne dafs der Einblick
in den Eaum von aufsen möglich ist. Im oberen Eaume ist, wie
hier nachgeholt werden möge, die Entlüftung derart eingerichtet,
dafs durch vier Oeffnungen in der Felderdecke und zwei gemauerte
Canäle im Dachboden die verdorbene Luft zwei Schloten zugeführt
wird, die mit Volpertschen Saugern versehen sind, und durch welche
man die Eauchrohre der Heifswasserheizungsöfen hindurchgeführt hat.
Die letzteren haben, in Ermanglung eines geeigneten inneren Ge¬
lasses, ihren Platz an
der Hinterfront zu beiden
Seiten der Apsis erhal¬
ten. — Mit gewissen
Schwierigkeiten war die
Herstellung des Gruft¬
raumes insofern verbun¬
den, als sein Fufsboden
zur Gewinnung einer
auch nur einigermafsen
auskömmlichen Höhe —
sie ist auf 3,10m gebracht
— 0,60 m unter Hoch¬
wasser gelegt werden
mufste. Es ist deshalb
eine durchschnittlich
0,90 m starke Beton sohle
unter den Gruftraum ge¬
streckt worden. Theils
auf ihr, theils auf den
alten Grundmauern ste¬
hen die aus Klinkern in
Cement aufgeführten Seitenwände, die
in ihren alten Theilen eine 1 Stein
starke Klinkerbekleidung bis über
Erdboden erhalten haben. Für die
neue Eückwand mufste die Beton¬
platte jedoch auf 1,50 — 2 m verstärkt
werden, da hier das Mauerwerk auf¬
geführt und mit der etwa 45 000 kg
schweren Nischenkuppel belastet wer¬
den mufste, bevor man die neuen
Seitenmauertheile errichten konnte.
Durch die Stärke der Grundplatte und
die Aufmauerung in Cementmörtel
wurde erreicht, dafs sich am An¬
schlüsse an das alte Mauerwerk der
Seitenwände keinerlei Eisse zeigten.
Allerdings wurde die Vorsicht ge¬
braucht, den Schlitz erst zu vergiefsen,
nachdem die grofsen Fensterbögen,
welche einerseits auf altem, anderseits
auf neuem Mauerwerk ruhen, ausge¬
rüstet waren.
Es wurde schon erwähnt, dafs
die Halbkuppel der Altarnische in
ihrem alten Bestände vollständig er¬
halten und beim Beginn der Er¬
neuerungsarbeiten lediglich auf ihren
jetzigen Standort zurückgeschoben
worden ist. Dieses Zurückschieben
und das dazu erforderliche Anheben
um 17 cm wurde wie folgt bewirkt.
Aus den vorhandenen, 42 cm hohen,
12 m langen Deckenträgern wurde
eine Fahrbahn von der alten zur neuen
Eückwand hergcstellt. Auf diese Trä¬
ger kamen drei Achsenwalzen mit Spurringen, und darauf eiserne
Fahrbühnen träger von 36 cm Höhe, die durch Bolzen und Verkreu¬
zungen fest verbunden wurden. Die Halbkuppel fing man nach und
nach auf hölzernen Balken und eisernen Trägern ab. Zu ihrer Siche¬
rung gegen Bersten wurde ein Band aus Winkeleisen um sie ixnd
über die Fahrbühne gelegt und mit einem quer mit der Kuppel ver-
kämmten Balken verschraubt. Ferner wurde in senkrechter Eichtung
um die Halbküppel ein Bandeisen gelegt und mit dem ersten Ab¬
fangebalken verbolzt, und schliefslich noch ein Flacheisen in Kämpfer¬
höhe um das Sandsteingesims gezogen. Alle Eisenbänder wurden mit
Gips vergossen. Innerhalb der Halbkuppel wurde in der Kämpfer¬
ebene ein doppelter Bohlenkranz eingepafst und ebenfalls mit Gips
vergossen. Nachdem die Fahrbahnträger gleichmäfsig von 5 zu 5 cm
mit einer Theilung versehen waren, walzte man den ganzen Bau¬
körper mittels starker Schiffs-Spindelschrauben und mit Schiffstäuen
langsam bis zur neuen Ai)siswand zurück. Spindelschrauben wie
Fahrbahnträger waren gegen die neue Eückwand xind die alte Vorder¬
wand kräftig abgesteift.
Die ganze Bewegung
nahm etwa eine Stunde
Zeit in Anspruch und
gelang vollkommen.
Es ei’übrigt, noth
mitzutheilen , dafs die
Kosten des Erweiterungs¬
baues etwa 230 000 Mark
betragen haben, sowie
einige ergänzende Worte
über die zu dem jüng¬
sten Erweiterungsbau
verwendeten Materialien
und die Schwierigkeiten,
mit welchen deren Be¬
schaffung verbunden war,
hinzuzufügen. Dafs aus
Mangel an Zeit — der
Bau wurde im Januar
1889 in Angriff genom¬
men und sollte am
22. März 1890 beendet sein — von
einer einheitlichen Bekleidung des ge¬
samten Aeufseren mit märkischem
Granit Abstand genommen werden
mufste, wurde schon gesagt. Der an
seiner Stelle verwandte Sandstein
stammt aus Eackwitz in Schlesien.
Das Gesims und die Cassetten der
Decke im Inneren sind aus Cottaer
Sandstein gefertigt. Sehr schwierig
war hier die Beschaffung der Mar¬
morsorten für die Wandtäfelung. Der
Bruch, aus dem der Harzer Mar¬
mor des alten Sockels stammt, ist ein¬
gegangen, der Name xxnbekannt. Nach
längei’en Nachfox’schungen fanden sich
auf dem Potsdamer Baudepothofe noch
zwei Blöcke dieses Steines aus der
Zeit des Erweiterungsbaues von 1842,
die glücklicherweise den Bedarf gerade
deckten. Der Bruch, aus welchem
der lichtgraue, in gelb, grün xxnd
violett spielende Marmor der AVand-
bekleidung herrührt, liegt bei Hohen-
zechow in der Nähe von Bunzlau. Auch
er ist seit langer Zeit aufser Betrieb
xxnd verschüttet. Den unermüdlichen
Bemühungen der Hofsteinmetzmeister
P. Wimmel u. Co., der Nachfolger
des Meisters, der seiner Zeit die Gra¬
nitfront mitei’richtet hatte, gelang es
jedoch, ihn wieder aufzufinden, offen¬
zulegen und so axxch für die Wand¬
täfelung den genau passenden Stein zur
Verwendung zxx biüngen. — Und den
gleichen Eifer haben für ihren Theil alle anderen an den Tag gelegt,
denen es vergönnt wai', an dem bedeutsamen Werke mitzuschaffen. In
der bescheiden entsagenden Hingabe an das Ueberlieferte aber, wie sie
axxs der ganzen künstlerischen Behandlung des Erweiterungsbaxxes
an leitender Stelle spricht, liegt eine schöne Huldigung, dargebracht
nicht nur den xxnvergefslichen Todten, denen die würdige Euhestätte
nunmehr bereitet ist, sondex’n auch dem grofsen Architekten, in
dessen Geiste das Baxxwerk sowohl begonnen, wie foi-tgeführt und
vollendet wurde. Hd.
Abb. 2. Längenschnitt.
h) Sarkophag der Königin Luise-
t) Sarkophag König Friedrich Wilhelms III.
Abb. 3. Oberer Grundrifs.
a) Sarg der Königin Luise.
b) Sarg König Friedrich Wilhelms IlL
c) Sarg der Kaiserin Augusta.
d) Sarg Kaiser Wilhelms I.
20m
e) Sarg des Prinzen Alhrecht.
f) Sarg der Fürstin Liegnitz.
g) Herz König Friedrich Wilhelms IV.
Abb. 4. Unterer Grxxndrifs.
Mausoleum im Schlofsgarten von Charlottenburg.
Hülfsmittel für die Annahme und Abfertigung der Züge auf dem Haupt -Personen
bahnhofe in Frankfurt a. M.
Während auf den Bahnhöfen gewöhnlichen Umfanges der den
äufseren Dienst leitende Beamte mit den die telegraphische An¬
nahme xxnd Abmeldung der Züge besorgenden Bureaubeamten xxn-
mittelbar mündlich verkehi-t oder sich höchstens eines Sprachrohres
bedient, machten die aufsergewöhnlich grofsen Abmessungen des
Frankfxxrter nexien Personenbahnhofes andere Verständigungsmitt 6l
232 Centralblatt der
nöthig. Es genügteu hier aucli die üblichen Morseschreiber allein
ebenso wenig wie der Fernsprecher; denn erstere waren für einen
Theil der Mittheilungen zu umständlich und zeitraubend, bei letz¬
terem aber fehlt, da keine selbstthätige schriftliche Aufzeichnung
statttindet, die genügende Sicherheit gegen wirkliche oder angebliche
Mifsverständnisse.
Wenn auch über die allgemeine Anordnung des Frankfurter
Bahnhofes bereits Veröffentlichungen vorliegen,*) müssen wir dieselbe
doch zum besseren Verständnifs des folgenden an der Hand der bei¬
gegebenen Abbildungen 1 u. 2 hier kurz beschreiben.
Der Frankfurter Bahnhof ist eine Koi)fstation mit vollständig
getrennten Theileii für den Personen-, Post-, Gepäck- und Eilgut¬
verkehr einerseits und den Güterverkehr anderseits. Der Personen¬
bahnhof (I in Abb. 1) ist ein gemeinsamer für die Staatsbahnen und
die Hessische Ludwigsbahn; dagegen hat die letztgenannte Privat¬
bahn einen besonderen Güterbahnhof (V) unmittelbar nördlich neben
Bauverwaltuug. 7. Juni 1890.
dieses Geleis den dreimal täglich — morgens, mittags und abends —
zwischen dem Haupt-Personenbahnhofe und der Hauptwerkstätte ver¬
kehrenden Arbeiterzug auf.
In den Geleisen IV und V verkehren die Züge von und nach
Bebra und die seit vorigem Jahre eingeführten Anschlufszüge zwischen
dem Haupt-Personenbahnhofe und Hanau zur Verbindung mit den
vom Frankfurter Ostbahnhofe der Hessischen Ludwigsbahn nach
Bayern und in umgekehrter Richtung gehenden Zügen. Vorstatiou
ist Sachsenhausen, und bei km 1,6 findet die Trennung der Personeii-
und Güterzüge statt — Läute- und Blockstelle Mainstation. Seit
dem letzten Herbste wird ferner' der mittags von Bayern — Hanau —
in Geleis IV eintahrende Schnellzug behufs Kürzung der Aufenthalts¬
zeit alsbald wieder aus diesem Geleise nach Wiesbaden und Rüdes-
heim usw. abgelassen.
Die Geleise VI und VH dienen zur Ein- und Ausfahrt der Züge
der Main -Neckar -Bahn — Darmstadt, Heidelberg usw. Da auch
Bocken heim
\ Kaserne)
'^Bie^waid
Fabriken
Bornheim,
FlANKFÄt»*
)RebsIock
.Garteriy^J
^Hellerhof
.Kuern«^
{Griesheim
GutleutR^)
localhaKnh.
rtssahai»
Goldstein
Oberrad;
Sandht
V
'Riedh^
Sachsen hausen
■ iii " n 1 , ,1^ V ii * W
v\
Offenbaeh
Fortfallendc i ... _
Verbleibende / Eisenbahnlinien.
Neue Eisenbahnlinien.
Waldbahn.
Trambahn und Dampfstra.ssenbahn,
Elektrische Bahn.
Hoch- und Niederdruck-WasserleLtuu^
Station für elekiri.sche Beleuchtung.
0 fSOO 2000*"
Jw- -"ai . .-tu. <■
.Goldstein
I. Personenbahnhof (gemeinschaftlich).
H. Werkstättenbahnhof der Staatsbahnen.
HL Güterbahnhof f der Staats-
IV. Verschub-Bahnhof S bahnen.
Abb. 1.
V. Güterbahnhof \ der Hessischen
VI. Verschub-Bahnhof j Ludwigsbahn.
XJebersichtsplan der EisenbaRnanlagen bei Frankfuxt a. M.
dem Personenbahnhöfe errichtet, während der Güterbahnhof der
Staatsbahnen einschliefslich der Main-Neckar-Bahn (III) etwas mehr
nördlich längs der früheren Taunusbahnlinie angeordnet ist.
Die Hessische Ludwigsbahn nimmt mit ihren Geleisen und Bahn¬
steigen die nördlichste der drei Hallen ein, in welcher ihre Züge
selbständig abgefertigt werden. Da dies wegen des verhältnifsmäfsig
geringen Umfanges des Zugverkehrs ohne aufsergewöhnliche Hülfs-
mittel geschehen kann, sollen sich die nachfolgenden Betrachtungen
auf die Einrichtungen der Staatsbahnen beschränken.
Unter jeder Halle liegen sechs Geleise, zwischen denen ab¬
wechselnd Haupt-Bahnsteige für den Personenverkehr und Neben-
Bahnsteige für den Post- und Gepäckverkehr angeordnet sind. Die
zwölf Geleise der beiden, den Staatsbahnen einschliefslich der Main-
Neckar-Bahn dienenden Hallen werden in folgender Weise benutzt:
Gel eis I (Abb. 2) nimmt die ankommenden Züge von Wiesbaden,
Soden a. Taunus und dem Rheingau auf. Vorstation ist Höchst a. M.;
zwischen dieser und Bahnhof Frankfurt liegen zwei Blockstationen
bei km 1,97 und 4,2; an letzterer — ■ „Rebstock“ — werden die Güter¬
züge nach dem Staatsbahngüterbahnhofe abgelenkt. Aus Geleis II
fahren die Züge derselben Linie aus. Da mehrfach Schnell- und
Personenzüge in ganz geringem Abstande einander folgen müssen,
auch bei starkem Vei'kehre die Zugtheile von und nach Wiesbaden
und dem Rheingau getrennt gefahren werden, so dient Geleis III für
Ankunft und Abfahrt von Zügen dieser Gruppe. Aufserdem nimmt
*) Vergl. die Mittheilungen im Jahrg. 1888, Seite 357 ff. und
Seite 393 d. Bl.
hier mehrfach Schnell- und Personenzüge einander in kurzem Ab¬
stande folgen, ist Geleis VHI ebenfalls zur Ein- und Ausfahrt von
Zügen dieser Bahn bestimmt. Vorstation ist Louisa; die Trennung
der Personen- und Güterzüge findet an der Mainstation statt.
Die Geleise IX bis XII dienen für die von Bockenheim ab auf
denselben beiden Geleisen fahrenden Züge von Cassel einerseits und
Homburg-Cronberg anderseits, und zwar fahren in Geleis IX die Hom-
burger Züge aus und ein, in X und XI verkehren die Schnell- und
Persouenzüge der Main -Weser -Bahn (Giefsen, Cassel-), und XH
dient als Ein- und Ausfahrtgeleis für die zwischen Frankfurt und
Friedberg (der Main -Weser -Bahn) eingerichteten Omnibuszüge und
für die Cronberger Bahn. Zwischen Frankfurt und Bockenheim liegt
die Blockstation Hellerhof bei km 1,74.
Neben den beiden Hauptgeleisen der Strecke Frankfurt-Hellerhof
ist ein drittes hergestellt zur Verbindung des Personen- und Güter¬
bahnhofes, zur Beförderung von Kohlen und sonstigen Betriebs¬
materialien, zum Zubringen der schadhaften Wagen nach der Haupt¬
werkstätte usw.
Uebrigens sind die Geleisgruppen derart miteinander verbunden,
dafs ein Zug der einen Gruppe unmittelbar auf die benachbarte
Gruppe übergehen kann. Dieser Uebergang findet bei der Ausfahrt
statt, während der Zug bei der Einfahrt stets in das dafür bestimmte
Einfahrtsgeleis eingeführt wird.
Zur Sicherung der im vorstehenden beschriebenen Zugfahrten
sind einerseits etwa 100 m vor den letzten in den Hauptgeleisen
liegenden Weichen Bahnhofs-Abschlufstelegraphen f mit 400 m weit
vorgeschobenen Vorsignalen anderseits Ausfahrtstelegraphen i auf-
Nr. 23.
Centralblatt der Bauverwaltung.
233
gestellt worden. Der bessern Uebersichtlichkeit wegen ist bei den
Bahnhofs- Abschlufstelegraphen von der Benutzung mehrflügliger
Signale ganz abgesehen worden; jede Bahnlinie hat vielmehr nur ein
einflügliges Einfahrtssignal erhalten, und es sind an der westlichen
Hallenschürze für die einzelnen Einfahrtsgeleise Wegesignale h an¬
gebracht, deren Stellhebel derart mit denen der Einfahrtssignale in
Abhängigkeit stehen, dafs an einem Abschlufstelegraphen erst dann
das Einfahrtssignal gegeben werden kann, wenn eins der dazu gehöri¬
gen Wegesignale gezogen ist, während bei der Zurücknahme die um¬
gekehrte Reihenfolge eingehalten werden mufs. Zur Bedienung aller
Signale und der von den Zugfahrten berührten und diese gefährden-
anderseits geleitet. Zu diesem Zweck ist die Aufsenstation C mit
einem besonderen Läute-Inductor mit zwei Tasten und einem Morse¬
schreiber ausgerüstet. Ein zweiter Morseschreiber dient zur Ver¬
bindung mit dem Bureau A. Aufserdem war eine Vorrichtung in B
vorzusehen, um nach den am Eingänge bei EE liegenden Fahrkarten¬
ausgaben die bevorstehende Abfahrt eines jeden Zuges behufs
Schliefsung der Schalter rechtzeitig mitzutheilen.
Die Verbindung zwischen diesen Stellen B, C und E mufste
in vollkommen sicherer, jedes Mifsverständnifs ausschliefsender Weise
hergestellt werden, zugleich aber eine sehr rasche Verständigung ge¬
statten; denn neben den umfangreichen Zugverschiebungen und Leer-
g = 6 Vorsignale, f = 7 Abschlufssignale. fs = Abschlufssignal für das Verbindungsgeleis. i = 11 einflüglige und 1 zweiflügliges
Ausfahrts Signal, h — 12 Wegesignale. C = Assistentenbude. D D D = Stellwerke. — (Die Nebengeleise sind weggelassen.)
Abb. 2.
den Weichen dienen die drei Stellwerke D (ein viertes gehört zur
Ludwigsbahn), welche in etwa 5 m Höhe über Schienenoberkante an
einer über den ganzen Bahnhof hinwegführenden „Signalbrücke“,
die auch die Ausfahrtssignale trägt, angeordnet sind. An dieser
Brücke liegt die Stationsassistentenbude C, in welcher sich der den
äufseren Zug- und Verschubdienst überwachende Stationsbeamte und
zu dessen Unterstützung ein Telegraphist aufhalten. In dieser Bude C
ist ein grofses Blockwerk aufgestellt, mittels dessen der Stations¬
fahrten Von Locomotiven ist auf den in Frage kommenden Bahnen
(also mit Ausschlufs der Hessischen Ludwigsbahn) täglich zwischen
5 Uhr früh und 11 Uhr abends ein Verkehr von 248 Zügen zu be¬
wältigen, welche nicht gleichmäfsig über diese Zeit vertheilt sind,
sondern sich der Anschlüsse wegen gruppenweise dicht zusammen¬
drängen.
Da die einzelnen Läutezeichen bei Verwendung der gewöhnlichen
Glockenhäuschen wegen der grofsen Anzahl nicht genügend unter-
Klingelwerk für die Fall¬
scheibenwerke.
<- - 26—
Abb. 4.
Fallscheibenwerk für
Läutesignale.
Abb. 5.
Fallscheibenwerk für
Bureau A.
Fallscheibenwerk für die
Stationsbeamten bei B.
Abb. 7.
Fallscheibenwerk für die
Fahrkarten- Ausgabe.
beamte die Hebel der Wege- und Ausfahrtssignale der drei Stell¬
werke verschlossen hält und im gegebenen Falle durch Drehen der
entsprechenden Kurbel freigiebt; an mitgehenden Zeigern erkennt
er, ob der Weichensteller die Signale zieht und demnächst zurück¬
nimmt.
Auf den Haupt-Bahnsteigen befinden sich in der Nähe des west¬
lichen Hallen-Endes bei R die die abgehenden Züge abfertigenden
Stationsbeamten; jeder derselben hat zwei Haupt-Bahnsteige zu be¬
dienen, sodafs immer drei gleichzeitig im Dienste sind.
Mit A ist derjenige Theil des Stationsbureaus der Staatsbahnen
bezeichnet, in welchem die vorschriftsmäfsige Abmeldung und An¬
nahme der Züge stattfindet. Diese Stelle allein verkehrt mit den
Nachbarstationen; hier enden auch die Block- und Streckenläute-
Leitungen. Damit aber die Geleise zur Aufnahme der Züge recht¬
zeitig freigemacht werden, läutet es sowohl in den Stellwerksbuden D,
als auch in der Assistentenbude C mit. Damit ferner der Beamte
im Bureau A, welcher von den Zügen selbst gar nichts sieht, nicht
vor der wirklich vollendeten Einfahrt eines Zuges die hinterliegende
Blockstrecke wieder freigeben kann, ist die Assistentenbude C auch
in sämtliche Blockleitungen eingeschaltet und mit Blockwerken ver¬
sehen, mittels deren die Freigabevorrichtungen im Bureau A unter
Verschlufs gehalten werden. Ohne Mitwirkung der Station A werden
von dem Beamten in C selbständig aufser dem Verschubdienste nur
die Zug- und Locomotivfahrten zwischen der Werkstätte und dem
Locomotivschuppen einerseits und dem Personen- und Güterbahnhofe
schieden werden könnten, sind überall, wo eine gröfsere Zahl ver¬
schiedener Züge zu signalisiren ist, wie in dem Bureau A, der
Assistentenbude C, den Stellwerksbuden D, in Mainstation, Hellerhof
usw. statt der üblichen Läutewerke Fallscheibenwerke (Abb. 3 u. 4)
verwendet worden, bei welchen der durch Drehen der Inductorkurbel
erregte elektrische Strom eine in der Ruhelage versteckt liegende
Scheibe s mit der Angabe der Zugrichtung herabfallen und ein da¬
mit verbundenes Klingelwerk k so lange anschlagen läfst, bis durch
Heben der Scheibe mittels des Griffes g der elektrische Contact
wieder aufgehoben wird. An Stelle der mit Inschrift versehenen
Fallscheibe tritt alsdann ein rothes Feld.
Aehnliche, aber durch eine elektrische Batterie betriebene Fall¬
scheiben- und Klingelwerke dienen zur Verbindung der Station A
mit den Stationsbeamten bei B und dieser letzteren mit den Fahr¬
kartenausgaben E — Abb. 5, 6, 7 — , und zwar ist an diesen drei
Stellen für jede Fahrtrichtung ein besonderer Fallscheibenkasten an¬
gebracht. Die in A und B befindlichen Kästen enthalten am obern
Rande unter jedem Druckknopf eine feststehende Inschrift, durch
welche die Bestimmung der abzugebenden Meldung kurz angedeutet
wird. Ein Hauptvorzug dieser Fallscheibenwerke besteht neben der
genauen Unterscheidung der einzelnen zu signalisirendeh Richtungen
darin, dafs ein so gegebenes Zeichen nicht bei einer augenblicklichen
Abwesenheit des Beamten überhört werden kann, da das Klingelwerk
so lange ertönt, bis der Beamte die Scheibe wieder in die Ruhelage
zurückhebt.
234
Oeutralblatt der Bauverwaltung.
7. Juni 1890.
Bei etwaigem Versagen der Fallscheibenwerke ist den Stations-
beamteu bei B diirdi Fernsprecher die Möglichkeit gewährt, an das
Bureau A und die Fahrkartenausgaben die nöthigen Mittheiluugen
gelangen zu lassen. (Schlufs folgt.)
Der Rliein Strom und seine wichtigsten Nebenflüsse.
Die aufsergewöhnlichen Hochfluthen des Eheins in den Jahren
1882 und 1883 gaben dem Reichstage im Mai 1883 Veranlassung zu
dem Ersuchen an den Herrn Reichskanzler, durch eine Commission
von Sachverständigen die Stromverhältnisse des Rheins und seiner
Nebenflüsse untersuchen und je nach dem Ergebnifs dieser Unter¬
suchung Vorschläge zur Verbesserung der gegenwärtigen Zustände
machen zu lassen. Die unter dem
Vorsitze des zum Reichs- Commissar
ernannten Unterstaatssecretärs
V. Marcard berufene Commission er¬
kannte alsbald nach ihrem Zusam¬
mentritt, dafs zur Erledigung der
gestellten Aufgabe vorab eine hydro¬
graphische Beschreibung des deu¬
tschen Stromgebiets erforderlich sei,
und beschlofs die Ausarbeitung
einer solchen dem Centralbureau für
Meteorologie und Hj^drographie im
Grofsherzogthum Baden , welches
sich dazu bereit erklärt hatte, zu
übertragen.
Das jetzt vorliegende Werk*)
ist das Ergebnifs dieses Beschlusses
und weiterer Verhandlungen, in
denen auch eine Darstellung der
wasserwirthschaftlichen und wasser¬
rechtlichen Verhältnisse als wün-
schenswerth erkannt wurde. Für
dasselbe sindzunächstdie sämtlichen,
bei den verschiedenen Eheinufer-
Staaten vorhandenen amtlichen Ma¬
terialien von den Mitgliedern der
Commission gesammelt und gesichtet,
sowie nach Bedarf vervollständigt.
Ferner wurde in sehr dankens-
werther Weise das Material für
die in Oesterreich und der Schweiz
belegenen Theile des Stromgebiets
zur Verfügung gestellt. Endlich ist
von dem Bureau die Litteratur über
den Rhein, soweit sie in die Grenzen
der gestellten Aufgabe fällt, ge¬
sammelt und benutzt. Wenn schon
hiermit eine Fülle von Arbeit ge¬
leistet war, -welche allen Betheiligten
zur Ehre gereicht, so war doch die
Verarbeitung des sehr umfangreichen
und zum gröfsten Theile recht spröden
Stoffes in ein Werk von einladender
Form und fesselnder Darstellung
eine Aufgabe, welche eine umfassende
Sachkenntnifs, verbunden mit einer
aufserordentlichen Arbeitskraft und
einem hervorragenden Geschick in
der Anordnung, mit einem Wort,
einen rechten Meister erforderte. Dafs
dieser in dem Grofsherzoglich Ba¬
dischen Baudirector Ho ns eil ge¬
funden ward, davon giebt der erste
Theil „Hydrographie und Wasserwirth-
schaft“ beredtes Zeugnifs. Nicht min¬
*) Der Rheinstrom und
seine wichtigsten Nebenflüsse
von den Quellen bis zum Austritt des Stromes aus dem deutschen
Reich. Eine hydrographische, wasserwirthschaftliche und wasser¬
rechtliche Darstellung mit vorzugsweise eingehender Behandlung des
deutschen Stromgebietes. Im Auftrag der Reichscommission zur
Untersuchung der Rheinstromverhältnisse herausgegeben von dem
Centralbureau für Meteorologie und Hydrographie im Grofsherzog¬
thum Baden. Berlin 1889. Ernst u. Korn. 359 S. in Folio. Mit
9 Uebersichtskarten und Uebersichtsprofilen nebst einer Stromkarte
des Rheines in 16 Blättern. Preis 45 Mark.
der glücklich hat sich der Bearbeiter des zweiten Theils „Recht und
Verwaltung des Wasserwesens“, der Grofsherzogliche Ministerialrath
Dr. Schenkel, der von ihm übernommenen Aufgabe entledigt. Den
beiden Verfassern gebührt unstreitig der gröfste Theil des Ver¬
dienstes, dafs ein Werk über den Rhein geschaffen worden, welches
dieses stolzen Stromes würdig ist.
Der Inhalt des ersten Theiles
erstreckt sich auf die geographische
Lage und Gliederung des Strom¬
gebietes, den Gebirgsbau, die geo¬
logischen Verhältnisse, die Ge¬
staltung der Strom- und Flufsge-
i'inne und ihre Geschiebeführung,
die Bewaldung des Stromgebiets,
die klimatischen Verhältnisse, den
Wasserhaushalt, den Wasserschutz
und die Wasserbenutzung; der des
zweiten Theils auf das Wasser¬
recht und seine geschichtliche Ent¬
wicklung, den Wasserlauf und
seine Bestandtheile, den Wasser¬
schutz, die Wasserstrafse und ihre
Zubehörden, die Wasserbenutzung,
die Wasserverwaltung und auf
Wasser und Wald. Dazu gehören
6 Uebersichtskarten der politischen
und hydrographischen Theilung, der
orographischen und geologischen
Uebersicht, der Bewaldungsdichtig¬
keit und der Niederschlagsverthei-
lung, ferner geologische Profile
durch das Rheingebiet, Längen-
Profil des Rheins und seiner Ne¬
benflüsse, schematische Grundrifs-
Darstellung des Ueberschwemmungs-
gebiets und eine Rheinstromkarte
in 16 Blättern im Mafsstab von
1 : 100 000 , endlich nicht weniger
als 79 tabellarische Uebersichten
aller in Betracht kommenden Ver¬
hältnisse.
Man ersieht hieraus, welch eine
Fülle von Belehrung aus dem Werk
geschöpft werden kann. Es werden
alle diejenigen, welche nach den
Hochfluthen von 1882 und 1883 sich
in herben Urtheilen über die staat¬
liche Wasserwirthschaft am Rhein
ergingen, reichliche Gelegenheit finden,
sich aus bester Quelle über die that-
sächlich vorliegenden Verhältnisse
zu unterrichten und danach ein sach-
gemäfseres Urtheil zu fällen. Vor
allem aber wird das Werk die viel¬
fältigste Anregung denjenigen geben,
welche die Pflege und Verbesserung
der wasserwirthschaftlichen Verhält¬
nisse des Eheins und seiner Neben¬
flüsse ernstlich zu fördern wünschen,
und es wird ferner ein treffliches
Vorbild sein für gleiche Darstel¬
lungen der anderen Stromgebiete
des Reiches. Wenn wir daher den
Wiinsch aussprechen, dafs für die
Gebiete der Weser, Elbe, Oder und Weichsel baldigst Nachfolge
in die Wege geleitet werden möge, so geben wir uns auch der
festen Zuversicht hin, dafs das Grofsherzoglich Badische Central-
Bureau nicht in unfreiwilliger Mufse auf den errungenen Lorbeern
wird ausruhen müssen, sondern dafs man ihm den Vorzug nicht mifs-
gönnen wird, auch mit den weiteren Ermittlungen über die Verbesse¬
rung der Wasserwirthschaft des Rheins an der Spitze der gleich¬
artigen Bestrebungen im Reiche voranzugehn. - L. —
Grundrifs.
Kirche in Athensleben.
Centralblatt der Bauver waltung,
235
k. 23.
Beiträge zur Kenntnifs der evangelischen Kirchenbaukunst in der Gegenwart.
Das steigende Interesse für die Pflege der evangelischen Kirchen¬
baukunst veranlafst mich, eine Anzahl von ausgeführten Kirchen,
welche theils nach eigenen
Skizzen, theils unter meiner be¬
sonderen Leitung im Ministerium
der öffentlichen Arbeiten bear¬
beitet worden sind, in lockerer
Folge zu veröffentlichen. Selbst¬
verständlich kann das bei den
Baumgrenzen dieses Blattes nur
in knappster Fassung geschehen,
doch sollen die wichtigsten Ge¬
sichtspunkte durch Zeichnung
wie Text hervorgehoben, auch
praktische Erfahrungen von all¬
gemeinerer Bedeutung mitgetheilt
werden.
1. Die Kirche iu Atheusleben.
Die evangelische Gemeinde
des Amtes Athensleben (Pro¬
vinz Sachsen) besafs bis vor
wenigen Jahren für die Aus¬
übung ihres Gottesdienstes auf
dem sog. Schlofshofe einen sehr
beschränkten Raum neben dem
Pferdestalle. Dieses unwürdige
Verhältnifs sowie der Zwang,
die Wirthschaftsgebäude der
Königl. Domäne zu erweitern,
veranlafsten den Neubau einer
Kirche. Die Kosten übernahm
der Staat als Rechtsnachfolger
des Klosters Hillersleben, wel¬
chem Athensleben früher ge¬
hörte. Für die Gröfse der
Kirche wäre die Seelenzahl —
517 Erwachsene — mafsgebend
gewesen, indessen wurden mit
Rücksicht auf Bevölkerungs¬
zunahme statt 250 Sitzplätze
269 beschafft, davon 35, und
zwar auf der Orgelempore, für
Kinder.
Der wohlberechtigte Wunsch,
die an sich kleine Kirche —
15 m : 24 m — auf ihrem schön belegenen Standplatze in der Land¬
schaft möglichst grofs erscheinen zu lassen, führte zu der Wahl
Kirche in Athensleben.
einer Kreuzanlage nebst Vierungsthurm. Die erstere wurde mit
scharfgratigen Kreuzgewölben versehen, der letztere, aus dem Viei-cck
ins Achteck übergeführt, erhielt
eine Holzdecke. Der Grundrifs
läfst die Raumgestaltung und
die Abmessungen, die Anordnung
der Treppen und Thüreu, des
Gestühls, der Orgelempore usw.
mit hinreichender Deutlichkeit
erkennen, während die Wieder¬
gabe der Südfront über die ge¬
wählte, sehr einfache romanische
Architektur belehrt.
Infolge günstiger örtlicher
Verhältnisse konnte der Bau aus
gestockten Sandsteinquadern her¬
gestellt werden. Die Gewölbe
bestehen aus Ziegeln, alle Dächer
erhielten deutsche Schieferdeck¬
ung; das Innere wurde geputzt
und — soweit die Mittel es zu-
liefsen — stilgemäfs decorativ
geschmückt. Der im Juli 1887
begonnene Bau wurde zu Ende
October 1888 eingeweiht. Die
unmittelbare Leitung hatte der
Regierungs -Baumeister M. Fin¬
ke, die Oberleitung der K. Bau¬
rath H. Fiebelkorn aus Schöne¬
beck. Die einzelnen Arbeiten
und Lieferungen sind im öffent¬
lichen Ausschreibungsverfahren
an die Unternehmer vergeben
worden. Die Kosten haben
39 900 Mark betragen; das macht
für das Quadratmeter 167 Jf, für
das Cubikmeter 22,2 J6 und für die
Nutzeinheit (Sitzplatz) rund lUJi.
Wem das viel erscheint, der
möge nicht übersehen, dafs die
kleine Kirche, abgesehen von
ihrem holzgedeckten Vierungs-
thurme, durchweg monumental
behandelt ist.
Die Perspective giebt ein
getreues Abbild der Wirklich¬
keit, denn der Holzschnitt ist nach einer Photographie angefertigt
und in keinem Punkte verschönert worden. F. Adler.
Holzstich V. 0. Ehel.
Vermischtes.
In der Leipziger Ratliliaushaufrage (vgl. S. 87, 101 u. 144 d. J.)
hat die Stadtverordnetenversammlung in ihrer Sitzung vom 4. d. M.
mit grofser Mehrheit beschlossen:
1. den Umbauentwurf (Erhaltung des alten Rathhauses) abzu¬
lehnen und dem Rathe zu erkennen zu geben, dafs die Versammlung
nach wie vor einen gänzlichen Neubau für richtiger hält als den ge¬
planten Umbau;
2. den Rath zu ersuchen, zur Erörterung obschwebender Frage
eine gemischte Deputation aus beiden Collegien einzusetzen, welche
zunächst ein Programm zur Beschaffung eines geeigneten Bauplanes
festzustellen hat;
3. zum Zwecke der Aufstellung des Bauprogramms ein Preis¬
ausschreiben unter den deutschen Architekten zur Erlangung von
Skizzen zu beantragen.
Man verlangt also einen Wettbewerb, und noch dazu „zum Zwecke
der Aufstellung eines Bauprogrammes“, nachdem von dem berufenen
Baubeamten der Stadt zwei Entwürfe gefertigt worden sind, die von
den ersten Fachmännern Deutschlands als ausgezeichnete Leistungen
befunden worden sind! Wir bezweifeln den Erfolg eines solchen
Vorgehens und glauben, - dafs sich die namhaften deutschen Archi¬
tekten in diesem Falle an dem Wettbewerbe schwerlich betheiligen
werden. — d.
Uiitersuchiiugeii über die sogenannte Beizbriicliigkeit des
Eisens sind vor kurzem in der Königl. technischen Versuchsanstalt
ausgeführt worden und im Ergänzungsheft I der Mittheilungen aus
dieser Anstalt eingehend beschrieben. Der Zweck der Versuche war.
die mehrfach beobachtete Eigenschaft des Eisens, beim Beizen mit
schwachen Säuren sowie beim Rosten unter dem Einflüsse von Wind
und Wetter brüchig zu werden, einer umfassenden Prüfung zu unter¬
ziehen. Durch die Ergebnisse der angestellten Versuche ist die
fragliche Beobachtung bestätigt worden. Insbesondere hat sich gezeigt,
dafs das Beizen des Eisens mit Säuren, wobei eine Wasserstoftgas-
entwicklung stattfindet, die Biegungsfestigkeit verringern kann,
während die Zugfestigkeit keine mei’kliche Einbufse erleidet. Hieraus
läfst sich schliefsen, dafs die Druckfestigkeit vermindei-t worden ist.
Die meisten Ergebnisse der mit Druck und Stauchung angestellten
Versuche deuten in der That darauf hin, dafs eine derartige Ein¬
wirkung stattgefunden hat. — Aehnliche, aber weit schwächere
Wirkungen können durch Rosten hervorgerufen werden. Bei ver¬
schiedenen der angestellten Versuche ist jedoch ein Einflufs des
Röstens auf die Festigkeitseigenschaften nicht nachzuweisen gewesen.
Ebensowenig hat sich mit Deutlichkeit erkennen lassen, ob durch Ver¬
zinken des Eisens eine Benachtheiligung seines Verhaltens im frischen
oder gerosteten Zustande herbeigeführt wird. Als ein ferneres, für die
Anwendung des Eisens zu Bauzwecken nicht unwichtiges Ergebnifs der
angestellten Versuche ist schiefslich die Beobachtung zu erwähnen, dafs
die Beiz- und Rostbrüchigkeit um so unmerklicher auftritt, je gröfser die
Querschnittsstärken der betreffenden Eisentheile sind, und je schwächere
Säure beim Beizen zur Anwendung kam. Es sind also vorzugsweise
Drähte und Bleche, deren Haltbarkeit durch Beizen und Rosten
ernstlich gefährdet werden kann. Uebrigens läfst sich durch längeres
Lagern der Gegenstände an einem trockenen Orte die stattgehabte
Verminderung der Festigkeit zum gröfsten Theile wieder beseitigen.
236
Centralblatt der Bauverwaltung.
7. Juni 1890.
Flammeiisi^fiiale sind auf der New-Yorker Central -Balm iin Ge¬
brauch, um Zusammenstöfse aufeinanderfolgender Personenzüge zu
verhüten. Aufser den gewöhnlichen Knallsignalen und Signal¬
fahnen sollen die Züge nach einer bezüglichen Vorschrift noch
eine zinnerne Büchse mit verschiedenfarbigen Zündern führen, welche,
wenn etwa ein Zug auf der Strecke liegen bleibt oder Verspätung
erleidet, von der Hinterplattform des letzten Wagens brennend auf
den Bahnkörper geworfen werden, um den Führer des folgenden
Zuges rechtzeitig von dem Vorfall in Kenntnifs zu setzen. Die
Zünder, welche sich laut Engineering News auch bei starkem Sturm
gut bewähren sollen, brennen 8, 10 und 12 Minuten und zeigen durch
verschiedene Färbung ihres Lichtes die Art des Vorkommnisses ge¬
nauer an.
Rudolf Gottgetreu f. Wenige Tage sind verflossen, seitdem
sich das Grab über einem Manne schlofs, dessen hervorragende Be¬
deutung in allen Fachkreisen eine zu bekannte ist, als dafs sie hier
nochmals betont zu werden brauchte. Professor Rudolf Gottgetreu
hat in Tutzing am Starnberger See am Pfingstsonntage die Augen
zum ewigen Schlafe geschlossen. Kurze Zeit nur ist verflossen, seit¬
dem er vom Lehramte zurüekgetreten ist. Die wohlverdiente Ruhe,
die er nach einem Leben voll rastloser Thätigkeit am Abend seiner
Tage zu geniefsen gedachte, war nur von kurzer Dauer. Der durch
Jahre anhaltendes Arbeiten als Lehrer und als Schriftsteller schon
längere Zeit nicht mehr voller Gesundheit sich erfreuende, immer
aber mit trefflichem Humor ausgerüstete Arbeiter setzte noch das
Punktum an die Vollendung seines bedeutendsten Werkes. Von allen
Seiten darob beglückwünscht, von Seiner Majestät dem Kaiser dafür
durch eine Ordensverleihung ausgezeichnet, war es ihm nicht be-
schieden, all das weiter zum Abschlüsse zu bringen, was sein allezeit
reger Geist noch im Werden begriffen sah. Wer dächte an den Tod,
wenn der Blick noch klar und scharf, der Geist noch mit Entwürfen
aller Art beschäftigt ist, und wen zumal solche Lebenslust beseelt,
dafs er bis in die letzten Stunden des Daseins darauf sinnt, wo und
wann dies und jenes zu unternehmen sei.
Gottgetreu ist der Sohn des Hafenbau- Constructeurs und nach¬
maligen Landbaumeisters Gustav Adolph Gottgetreu und geboren in
Swinemünde am 2.5. April 1821. Die Göttin des materiellen Glückes
stand nicht an seiner Wiege. Was ihm das Schicksal nach dieser
Seite hin in jungen Jahren versagt hat, das eroberte er sich als
Mann, das errang er sich selbst; er war ein „Seif made man“ in des
Wortes bester Bedeutung. 1832 wanderte er als Stipendiat an das
Gymnasium in Bromberg, 1838 an das höhere Gewerbeinstitut in
Berlin. Wie alle Männer der Ingenieur- und Bau -Wissenschaft,
welche thätig in den mächtigen Umschwung eingriffen, der seit fünf
Jahrzehnten auf diesem Gebiete sich vollzog, so hat auch Gott¬
getreu sein Fach nicht nur von der theoretischen Seite kennen
gelernt, vielmehr schulte ihn die Praxis, in der er sozusagen von
der Pike an gedient hat. Das thut ein Lehrbrief als Mitglied der
Posener Maurerzunft dar, der ihm nach dreijähriger Lernzeit 1841 in
aller Form ausgehändigt wurde. Er blieb nur kurze Zeit noch im
Norden und wandte sich dann, wie gar viele aufstrebende Talente
jener Zeit, der Stadt an der Isar zu, wo ein kunstliebender und be¬
geisterter Monarch künstlerisches Leben zu entfalten gewufst hatte,
wie es sonst nirgends in den Landen deutscher Zunge zur Zeit
herrschte. Gottgetreu trat 1843 in die Abtheilung für Baukunst der
Königlichen Akademie in München und begann dort alsbald sieb den
Boden zu schaffen, auf dem sich fortan seine Thätigkeit entfaltete.
Schon im gleichen Jahre schlofs er mit J. C. Hoch wind einen Ver¬
trag wegen Lieferung „gravirter (lithographirter) Steine“, die Entwürfe
und Einzelheiten architektonischer Natur enthielten. Diese Thätigkeit
führte ihn unmittelbar über zum Stahlstich, welche künstlerische
Nachbildungs weise ihm den Beifall hervorragender Fachleute, so
z. B. Klenzes, eintrug, umsomehr als, wie es in einem bezüglichen
Schreiben heifst, „es selten Kupferstecher giebt, die imstande sind,
Blätter mit strengen Architekturformen entsprechend wiederzugeben“.
Daneben aber beschäftigte ihn die constructive Seite des Faches in
hohem Mafse, und unterm 20. November 1845 wird ihm von der
Königl. Akademie das Zeugnifs ausgestellt, dafs er durchaus zum
Privatunterricht in Dingen der Bauconstruction als befähigt zu er¬
achten sei. Damals entstand die erste Bahn in Bayern. Gottgetreu
trat über zum Bahndienste, machte aber immerhin die Staatsprüfung
als Civilarchitekt und kehrte dann 1848 nach München zurück, wo¬
selbst er sich ansäfsig zu machen versuchte. „Wegen Mangels eines
vollständig und nachhaltig gesicherten Nahrungszustandes“ ward er
abgewiesen, liefs sich indessen nicht abschrecken, sondern berief sich
auf die Akademie, die ihm denn auch thatkräftig zur Seite stand:
„da er in allen Dingen, die er unternommen, sich als voller Mann
bewährt hat, es aber auch Vorkommen kann, dafs berühmte Bau¬
künstler einmal ohne Einnahmen sind, zumal in schweren Zeiten wie
die jetzigen (1848).“ Das Wissen und Können Gottgetreus sichere
ihm aber jederzeit seine Existenz und deshalb liege absolut kein
Grund vor, „einem allezeit tüchtigen und bewährten Manne die Ein¬
willigung zur Verehelichung vorzuenthalten.“ Das wirkte, und
so ward ihm der Heirathsconsens ertheilt, „unter der Bedingung,
dafs er aus dem preufsischen Staatsverband austrete“. Seine Ge¬
mahlin war Anna Höhlein, Sie ist ihm längst vorausgegangen.
Offenbar suchte Gottgetreu nach einem sicheren Halt und trat —
er hatte das Praktische des Dienstes gelernt und sich durch Prü¬
fung hierüber ausgewiesen — als Telegraphist in den Staatsdienst,
und zwar stand er der Station Salzburg vor, bis ihn das Jahr 1850
in gleicher Eigenschaft nach München zurückberief. Gleichzeitig
wurde er — dessen Arbeitszeit doch hinlänglich in Anspruch ge¬
nommen war — als Assistent für das Fach des Ornamentzeichnens am
Königlichen Polytechnicum ernannt. Das Schicksal wollte es, dafs
er mehrmals zum persönlichen Dienste von König Maximilian als
Telegraphenbeamter nach Hohenschwangau beordert wurde, ein Um¬
stand, der für seine Zukunft ausschlaggebend ward. 1852 nahm er
neben der Stellung am Polytechnicum und jener als Telegraphen¬
beamter eine dritte an, und zwar an der Baugewerkschule in München,
und wurde im gleichen Jahre auf besonderen Wunsch des Königs
zum Eintritt in den „Baukunst- Ausschufs“, dem die Berühmtheiten
Münchens angehörten, aufgefordert, was denn auch alsbald seine
Anstellung als aufserordentlichen Professor am Polytechnicum für
Architekturzeichneu und Baumaterialienlehre zur Folge hatte. Dafs
ihm so ein ungemein weites Feld der Thätigkeit offen stand, ist klar.
Die bayerische Industrie-Ausstellung 1854 sah ihn als thätigen Mit¬
arbeiter. Kurze Zeit darauf erschien seine „Praktische Perspective“,
und als nun die Neugestaltung der Polytechnischen Schule eine
brennende Frage wurde, da wandte er als Ausschufsmitglied auch
diesem Punkte seine Arbeitskraft zu. Daneben beschäftigten ihn
auch stets Dinge praktischer Natur. So bekam er z. B. das Privileg
zur Erbauung eines neu coustruirten Ziegelofens, weiter ein solches
für Herstellung von unveränderlichen Werthpapieren in „Krystallo-
graphie“ usw. 1868 sodann rückte er zum Ordinarius auf und hat
auch seit dieser Zeit unaufhörlich seine Kraft angespannt. An
Anerkennung fehlte es ihm ebensowenig wie am Gegentheil, aber er
war nicht irre zu machen auf dem eingeschlagenen Wege. 1888 ver-
anlafsten ihn Gesundheitsrücksichten, seine Lehrstelle aufzugeben.
Unter der grofsen Reihe von Arbeiten, die er im Verlaufe der
Jahre geschaffen, ist unzweifelhaft sein „Lehrbuch der Hochbau-
Constructionen“ (5 Bände mit reich ausgestattetem Atlas) die hervor¬
ragendste, welche ihm unter den Schriftstellern dieses Faches ein
Denkmal von dauernder Bedeutung gesichert hat. Der Raum ist zu
beschränkt, um weitere Einzelheiten aus dem reichen Leben anzu¬
führen. Er ist dahin, und die sein Sterben betrauern, vermissen in
ihm ebenso den Mann von klarem, thatkräftigem Wollen, als den liebe¬
vollen Freund, der allezeit ein offenes Herz, ein liebes Wort zu bieten
wufste. V. Berlepsch.
Bücherschau.
Ueber Blitzableiter. Vorschriften für deren Anlage nebst einem
Anhänge mit Erläuterungen zu denselben. Von Dr. A. v. Walten¬
hofen, K. K. Regierungsrath und Professor der Elektrotechnik in
Wien. Braunschweig 1890. Friedrich Vieweg u. Sohn. 72 S. in 16®
mit 5 Abbildungen. Preis 2,40 J(.
Ueber Blitzableiter ist in den letzten Jahren viel geschrieben
worden. Wir erinnern nur an die Schriften von Urbanitzky und
Holtz. Vielleicht darf dieser Umstand ebenfalls als Beweis für die
unzweifelhaft festgestellte Zunahme der Blitzgefahr angeführt werden.
Ob das vorliegende Schriftchen für die österreichischen Verhältnisse
ein Bedürfnifs war, vermögen wir unserseits nicht zu beurtheilen.
Es zerfällt in drei Theile: 1) Vorschriften für Blitzableiter- Anlagen,
2) Allgemeine Bemerkungen und 3) Besondere Bemerkungen und
Zusätze zu 1). Die Vorschriften sind in 42 Paragraphen unter¬
gebracht. Wesentlich neues enthalten dieselben nicht. Bezüglich
der Anordnung des Büchleins will es uns logischer scheinen, wenn
die später nachfolgenden „Allgemeinen Bemerkungen“ in etwas aus¬
führlicherer Foi'm den Anfang des Buches gebildet hätten und hierauf
die Vorschriften gefolgt wären. Die zu diesen dem Verfasser er¬
forderlich erscheinenden, wenig umfangreichen Zusätze wären wohl
besser am Ende jedes Paragraphen in kleinerem Druck anzuhängen,
gewesen, was um so unbedenklicher erscheint, als die Vorschriften
ja nicht ohne weiteres als solche von den verschiedenen Behörden
erlassen werden sollen. Bei der gewählten Anordnung ist man ge¬
zwungen, beim Lesen der Zusätze erst wieder nachzuschlagen, was
die betreffenden Paragraphen der Vorschriften enthalten.
Eine umfassendere Angabe der einschlägigen Litteratur würde
den Werth des Büchleins erhöhen. Vielleicht wird man bei einer
weiteren Auflage die gegebenen Anregungen zu berücksichtigen im
der Lage sein. Pbg.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theilcs vertintvrortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
237
Oentralblatt der Bauverwaltimg.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 14. Juni 1890.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstralse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Allerhöchster Erlafs vom 3. Mai 1890. — Circular-Erlafs vom
31. Mai 1890, betreffend die Stellung der bisherigen technischen Hülfsarbeiter bei den
Königl. Eegierungen. — Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Hülfsmittel für die
Annahme und Abfertigung der Züge anf dem Hanpt- Personenbahnhöfe in Frank¬
furt a. M. (Schlufs). — Vom Panama- Canal. — Kaiser Wilhelm -Denkmal für die
Kheinprovinz (Fortsetzung). — Nationaldeukmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin. —
Vermischtes: Stellung der bisherigen technischen Hülfsarbeiter bei den Königl.
Eegierungen. — Preisbewerbung für ein Kaiser Wilhelm- Denkmal in Köln. — Feier
der Vollendung des Hauptthurmes vom Ulmer Münster. — Internationale Elektrische
Ausstellung in Frankfurt a. M. 1891. — Bildhauerbewerbung für das Kriegerdenkmal
in Indianapolis. — Erste italienische Ausstellung für Architektur. — Verschub- Bahn¬
hof in Chicago. — Bücherschau.
Amtliche Mittheilungen.
Auf Ihren Bericht vom 26. April cl. J. genehmige Ich, dafs die
bei den Regierungen etatsmäfsig angestellten Bauinspectoren (bezw,
Titular-Bauräthe) unter die Zahl der bautechnischen Mitglieder der
Regierungen (§ 48 der Instruction zur Geschäftsführung der Regie¬
rungen in den Königlich preufsischen Staaten vom 23. October 1817)
aufgenommen werden. Das Stimmrecht derselben im Plenum (D. V der
Cabinets-Ordre vom 31. December 1825) wird, wie bei den Regierungs-
Assessoren, auf die von ihnen bearbeiteten Sachen beschränkt,
während den Regierungs- und Bauräthen das Stimmrecht auch in
den den Bauinspectoren (bezw. Titular- Bauräthen) zu über¬
weisenden Angelegenheiten verbleibt.
Altenburg, den 3. Mai 1890.
Wilhelm R.
V. Maybach. v, Scholz. Herrfurth.
An den Minister der öffentlichen Arbeiten, den
Finanzminister und den Minister des Innern.
Circular -Erlafs, betreffend die Stellung der bisherig’en tech¬
nischen Htüfsarbeiter bei den Königl. Regierungen.
Berlin, den 31. Mai 1890.
Nach der Instruction zur Geschäftsführung der Königlichen Re¬
gierungen vom 23. October 1817 waren die Regierungs- und Bauräthe
die einzigen bautechnischen Mitglieder dieser Behörden, sodafs die
bei denselben angestellten Bauinspectoren lediglich die Stellung von
Hülfsarbeitern der Regierungs- und Bauräthe hatten. Dieses Ver-
hältnifs hatte zur Folge, dafs die letzteren für alle bautechnischen
Angelegenheiten, auch minder erheblicher Art, verantwortlich waren,
und häufig auf die besonders wichtigen Aufgaben der Vorbereitung
und Ueberwachung der Staatsbauten nicht die nöthige Zeit und
Sorgfalt verwenden konnten. Es erschien deshalb bei der steten
Zunahme der Geschäfte erforderlich, eine Entlastung der Regierungs¬
und Bauräthe von minder wichtigen Dienstgeschäften herbeizuführen.
Zu diesem Zwecke war bereits durch unseren gemeinsamen Erlafs
vom 22. Juni 1886 — III. 9202 M. d. ö. A., I. 8687 F. M., I. A. 4840
M. d. I.'*-) — bestimmt worden, dafs die bei den Königlichen Regie¬
rungen etatsmäfsig angestellten Bauinspectoren die ihnen aus der
früheren Abtheilung des Innern zur Bearbeitung übertragenen
Sachen selbständig und mit eigener Verantwortlichkeit ohne Mit¬
wirkung der Regierungs- und Bauräthe zu bearbeiten hätten. Nach¬
dem sich diese Mafsregel als zweckmäfsig bewährt hat, wird dieselbe
nunmehr hiermit auf die Bearbeitung der zum Geschäftskreise der
collegialisch geordneten Regierungs -Abtheilungen gehörigen tech¬
nischen Angelegenheiten ausgedehnt. Zu diesem Behufe ist durch
den in beglaubigter Abschrift beigefügten Allerhöchsten Erlafs vom
3. d. M. bestimmt worden, dafs die bisherigen technischen Hülfs-
arbeiter in entsprechender Aenderung des § 48 der erwähnten In¬
struction unter die Zahl der bautechnischen Mitglieder der König¬
lichen Regierungen aufzunehmen seien. Das Stimmrecht derselben
im Plenum (D. V der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 31, De¬
cember 1825 — Ges. S. 1826 S. 8 — ) ist dabei, wie bei den Regie¬
rungs-Assessoren, auf die von ihnen bearbeiteten Sachen beschränkt,
den Regierungs- und Bauräthen verbleibt dabei ihr bisheriges Stimm¬
recht in vollem Umfange, also auch in den demnächst von den Bau¬
inspectoren zu bearbeitenden Sachen. Die Rechte und Pflichten der
Bauinspectoren regeln sich nach den bestehenden allgemeinen Vor¬
schriften; ihre amtliche Stellung innerhalb des Regierungs-Collegiums
entspricht künftighin derjenigen der Regierungs-Assessoren. Bei der
Verth eilung der Geschäfte unter die technischen Mitglieder werden
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1886, Seite 261.
den Bauinspectoren die minder wichtigen Geschäfte zu übertragen
sein; auch hat die Bearbeitung der Personal- Angelegenheiten überall
den Regierungs- und Bauräthen zu verbleiben. Selbstverständlich
ist nicht ausgeschlossen, dafs auch in den den Bauinspectoren über¬
wiesenen Sachen die Regierungs- und Bauräthe als Correferenten
thätig werden, wie anderseits es in manchen Fällen wünschenswerth
sein kann, dafs der Bauinspector als Correferent im Decernate des
Regierungs- und Bauraths fungirt. Im übrigen wird ergebenst be¬
merkt, dafs, soweit den Königlichen Regierungen usw. Regierungs-
Baumeister zur Hülfeleistung überwiesen sind, die Beschäftigung der
Bauinspectoren als Hülfsarbeiter alsbald aufzuhören hat; soweit dies
aber nicht der Fall ist, werden, soweit es das dienstliche Interesse
erfordert, bis zur anderweiten Regelung die letzteren als Hülfsarbeiter
einstweilen noch weiter thätig bleiben müssen.
Bezüglich der den Bauinspectoren zu gewährenden Reisekosten
und Tagegelder verbleibt es einstweilen bei der Bestimmung des er¬
wähnten Circular-Erlasses vom 22. Juni 1886.
Ueber die den Bauinspectoren zuertheilten Decernate und die
Möglichkeit einer Verminderung der Reisekosten- Aversa der Regie¬
rungs- und Bauräthe sehe ich, der Minister der öffentlichen Arbeiten,
bis zum 15. April k. J. einem gefälligen Berichte ergebenst entgegen.
Der Minister Der Finanz- Der Minister
der öffentlichen Arbeiten. Minister. des Innern.
In Vertretung.
An sämtliche Herren Regierungs-Präsidenten, mit
Ausnahme der in Stralsund, Lünebm-g, Trier
und Sigmaringen, die Königliche Ministerial-
Bau-Commission hierselbst und die Herren Ober-
Präsidenten in Danzig, Breslau, Magdeburg und
Coblenz (als Chefs d. Strombauverw.).
Abschrift erhalten Ew. Hochwohlgeboren zur gefälligen Kenntnifs-
nahme.
Der Minister Der Finanz- Der Minister
der öffentlichen Arbeiten. Minister. des Innern.
V. Maybach. v. Scholz. In Vertretung
Braunbehrens.
An die Herren Regierungs -Präsidenten in Stral¬
sund, Lüneburg, Trier und Sigmaringen und
den Herrn Polizei - Präsidenten in Berlin. —
III. 9319. M. d. ö. A. — I. 7373. Fin.-M. —
I. A. 5425. M. d. I. _
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Wege-
Bauinspector Mathy in Halle a. S., dem Bauinspector Wolff bei
der Königlichen Regierung in Marienwerder, den Kreis-Bauinspectoren
Jungfer in Hirschberg i. Schl., Büttner in Marienwerder, Delius
in Eisleben, v. Niederstetter in Perleberg, Loebell in Hofgeismar,
V. Lukomski in Cassel, Dittmar in Marienburg und Koch in
Saarbrücken, dem Bauinspector Runge in Charlottenburg, dem Land-
Bauinspector Merzenich bei den Königlichen Museen in Berlin,
sowie den Wasser -Bauinspectoren Bauer in Magdeburg, Dannen¬
berg in Emden, Hoeffgen in Danzig und dem der Kaiserlichen
Botschaft in Wien attachirten Wasser -Bauinspector Rudolf Roeder
den Charakter als Baurath zu verleihen.
Der Königliche Regierungs -Baumeister Robert Schmidt in
Stafsfurt ist als Bauinspectqr im Bezirk des Königlichen Ober-Berg¬
amts in Halle a. S. angestellt worden.
Der bisher bei der Königlichen Regierung in Potsdam angestellte
Wasser-Bauinspector Tolkmitt ist nach Cöpenick versetzt und
demselben die dort vom 1. April d. J. ab neu errichtete Wasser-
Bauinspector-Stelle verliehen worden.
Zu Königlichen Regierungs -Baumeistern sind ernannt; die Re¬
gierungs-Bauführer Ernst Zimmer mann aus Braunschweig, Walther
238
14. Juni 1890.
Ceutralblatt der ß auverwaltiing.
Kesfler aus Dauzig, Johannes Lotter mos er aus Gumbinnen und
Robert Kohlhagen aus Köln a. Rh. (Hochbaufach).
Den bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeistern Friedrich
Tiburtius in Liegnitz und Max Eiselen in Paderborn ist die nach¬
gesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Bayern.
Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern
Verweser, haben Sich bewogen gefunden, zum ordentlichen Professor
für Geodäsie und Topographie an der Ingenieurabtheilung der K.
technischen Hochschule in München den Professor an der K. sächsi¬
schen Bergakademie in Freiberg Dr. Max Schmidt zu ernennen.
Der Bauaintmann Johann Geifsler in Weilheim wurde wegen
körperlichen Leidens und hierdurch hervorgerufener Dienstesunfähig¬
keit unter Anerkennung seiner treuen und eifrigen Dienstleistung in
den erbetenen Ruhestand versetzt, auf die bei dem Strafsen- und
Flufsbauamte Weilheim sich erledigende Bauamtmanustelle der
Kreisbauassessor Josef Schildhauer in Landshut auf Ansuchen
versetzt, auf die hierdurch bei der Regierung von Niederbayern K. d. J.
sich eröffnende Regierungs- und Kreisbauassessorstelle des Ingenieur¬
faches der Bauamtsassessor Ottmar Ruttmann in Würzburg be¬
fördert, und die hierdurch bei dem Strafsen- und Flufsbauamt Würz¬
burg in Erledigung kommende Assessorstelle dem Staatsbauassistenteu
und Functionär Karl Wolfius in Ingolstadt verliehen.
Der Kreisbauassessor, Baurath August Rothgangel in Augs¬
burg wurde wegen Krankheit und hierdurch hervorgerufener Dienst¬
unfähigkeit in den erbetenen Ruhestand auf die Dauer eines Jahres
versetzt, auf die bei der Regierung von Schwaben und Neuburg K. d. J.
in Erledigung kommende Regierungs- und Kreisbauassessorstelle für
das Ingenieurfäch der Bauamtsassessor Friedrich Be rling in Regens¬
burg befördert, auf die bei dem Königl. Strafsen- und Flufsbauamte
Regensburg sich eröffnende Bauamtsassessorstelle der Bauamts¬
assessor Heinrich Hohmann in Traunstein auf Ansuchen versetzt
und die hierdurch sich erledigende Assessorstelle bei dem Strafsen-
und Flufsbauamte Traunstein dem bei diesem Amte verwendeten
Staatsbauassisteuteir Max Mayr verliehen.
Scliauinburg-Lippe.
Der bisher am Stadtbauamte in Hannover angestellt gewesene
Bauführer Wunderlich ist zum Fürstlichen Baumeister, zur Ver¬
tretung des Fürstlichen Bauamts, ernannt worden.
[Alle Reclite Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Kedacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Hülfsmittel für die Annahme und Abfertigung der Züge auf dem Haupt -Personen
balinhofe in Frankfurt a. M.
(Schlufs.)
Betrachten wir nun den Gang der Verständigung an Beispielen
(vgl. hierzu Abb. 2) ;
1, Einfahrt eines Zuges.
Zug N der Main-Weser-Bahn wird von der Vorstation Bocken-
heim abgeläutet, es läutet auf der Strecke von Boekenheim bis
2. Ausfahrt eines Zuges.
Zug M nach Hanau-Bebra ist im Geleis V aufgestellt. 5 Minuten
vor der Abfahrtszeit drückt der Stationsbeamte bei B auf den linken
1 Knopf des in Abb. 6 dargestellten Fallscheibenwerkes; an dem eut-
Fraukfurt und es fallen die Scheiben im Stellwerke ZI3, in der
Assistentenbude C und im Bureau J., der Assistent in C sorgt dafür,
dafs das Geleis X frei wird. Bei der Ab- oder Durchfahrt des
Zuges N in Boekenheim sagt diese Station an das Bureau A mittels
Morseschreibers: „Zug N ab 10 1^“; Bureau A sagt an Bude C auf
dieselbe Weise: „Zug N kommt“; der Assistent in C giebt dem Stell¬
werke Da das Wegesignal hg frei. Bä stellt das Wegesignal hg und
dann das Einfahrtssignal ß, mit dem Vorsignal ffö- Wenn der Block¬
wärter nach Durchfahrt des Zuges in Hellerhof sich blockirt und
damit die hinterliegende Blockstrecke freigiebt, ertönt ein kurzes
Läutezeichen im Bureau A. Der Zug fährt ein. Sobald der Stell¬
werkswärter die Schlufsscheibe des Zuges gesehen hat, stellt er die
Signale ß/ffo und dann hg in die Ruhelage; der Assistent in C drückt
auf die Taste des entsprechenden Entriegelungsblocks und giebt
durch Drehen der Kurbel den Streckenblock im Bureau A frei
(Klingelzeichen und Weifswerden des Blockfensters im Bureau A),
damit zugleich die vollendete Einfahrt meldend. Das Bureau A
blockirt sich selbst durch Drehen der Kurbel wieder und giebt da¬
mit den Vorblock Hellerhof frei, welcher nun einem etwa nachfolgen¬
den Zuge Fahrsignal geben kann; gleichzeitig ist das entsprechende
Fensterchen im Blockwerke bei C wieder weifs geworden. Die tele¬
graphischen Mittheilungen werden in Boekenheim, im Bureau A
und in Bude C mit Angabe des Zeitpunktes in das Telegraphen¬
dienstbuch eingetragen, ebenso die Freigaben in C, A und Hellerhof.
sprechenden Kasten im Bureau A — Abb. 5 — fällt die linke Tafel
mit der Aufschrift „Fahrbereit“ herab, wobei das Klingelwerk ertönt.
Der Beamte in A läutet, nachdem er sich überzeugt hat, dafs die
Strecke Frankfurt-Mainstatiou (Sachsenhausen) frei ist (weifses Feld
hann ab fahren
Wiesbaden
GehisE
fahr-
Ab-
bereit
fahrt
Abb. 5.
Fallscheibenwerk für
Bureau A.
fahrberi
J^se WAbWirt
Wiesbaden
a
7
GeieisE
L
kann
ithihrm
Abb. 6.
Fallscheibenwerk für
die Stationsbeamten
bei B.
Abb. 7.
Fallscheibenwerk für
die Fahrkarten-
Ausgabe.
auf dem zugehörigen Streckenblocke) den Zug nach der Assistenten¬
bude C, dem Stellwerke Di und der Mainstation ab, blockirt seinen
Streckenblock, hebt die Fallscheibe und drückt auf den Knopf seines
Kastens, wodurch auf dem Bahnsteig bei B die Glocke ertönt und
die Scheibe mit „kann abfahren“ herabfällt. Der Beamte bei B hebt
flir. 24.
Centralblatt der Bauverwaltung.
239
die Scheibe wieder und drückt 3 Minuten vor der Abfahrtszeit auf
den mittleren Knopf; in der Fahrkartenausgabe fällt die Scheibe mit
„Kassenschlufs“ an dem für Bebra
gültigen Kasten herab und ertönt
die Glocke , der Schalter wird
geschlossen. Inzwischen hat der
Assistent C das Ausfahrtssignal i\
freigegeben und der Stellwerks¬
wärter D\ die Weichen und das
Ausfahrtssignal gezogen. Die
Abfahrtszeit ist herangekommen,
der Beamte bei B ertheilt den
Auftrag zum Abfahren und
drückt, sobald der Zug abge¬
fahren ist, auf den rechtsseitigen
Knopf des Fallscheibenkastens ;
im Bureau A fällt die Scheibe
mit „Abfahrt“, und der dortige
Beamte sagt mit dem Morse¬
schreiber nach Mainstation: „Zug
M ab 8^9“. Nach der Durch¬
fahrt des Zuges giebt Mainstation
den Streckenblock des Bureaus A
alsbald wieder frei.
Beiläufig sei noch bemerkt,
dafs die sonst üblichen Zeichen
zum Einsteigen und Abfahren
mit der Stationsglocke als zu
störend txnd bei der raschen
Folge der Züge lediglich verwirrend bald nach der Eröffnung des
neuen Bahnhofs aufgehoben wurden.
Alle mittels der Fallscheibenwerke zwischen dem Bureau A und
den Beamten bei B gewechselten Signale, welche im zweiten Bei¬
spiele beschrieben sind, werden auf elektrischem Wege auf einem
Papierstreifen aufgezeichnet, welcher über eine durch ein sehr
genaues Uhrwerk bewegte Walze läuft und so getheilt ist, dafs er
in jeder Minute um einen Strich gleich einem Millimeter fortrückt.
Abb. 8 zeigt in halber Gröfse ein Stück eines gebrauchten Streifens
mit den Aufzeichnungen; jedesmal, wenn an den Fallscheibenkästen
— Abb. 5 — ein Täfelchen fällt oder ein Knopf herabgedrückt wird,
drückt infolge des Stromschlusses ein Stift an der entsprechenden
Stelle ein Loch in den Papierstreifen (hier durch Punkte angedeutet),
sodafs man den Gang der Benachrichtigungen genau verfolgen und
jeden Zweifel, ob eine oder die andere Handlung etwa versäumt ist,
beseitigen kann.
Die vorbeschriebenen Betriebseinrichtungen sind von dem Be¬
triebs dir ector, Eegierungs- und Baurath Knoche, getroffen worden,
nach dessen Angaben der Telegraphen -Inspector Löbbecke die
Block- und Fallscheibenwerke ausarbeitete. Die Genannten hatten
bei der praktischen Ausführung eine vortreffliche Hülfe an dem
Mechaniker und Uhrmacher C. Theodor Wagner in Wiesbaden. Die
ganze Einrichtung bewährt sich vorzüglich, die elektrischen Werke
arbeiten tadellos und erfreuen sich vor allem deshalb der überein¬
stimmenden Anerkennung der Beamten, weil sie auch bei der schnell¬
sten Folge der Züge die damit Arbeitenden nicht anstrengen und
unruhig machen.
Das lebhafte Interesse, welches diesen Betriebseinrichtungen bei
den häufigen Besichtigungen des Bahnhofes von allen Besuchern ent¬
gegengebracht wurde, hat zu den vorstehenden Mittheilungen an¬
geregt.
Frankfurt a. M., im April 1890. Wolff,
Eis. -Bau- u. Betriebsinspector
Tom Panama- Canal.
I. Die letzte Mittheilung über das Panama-Canal-Unternehmen
im Jahrgang 1889, Seite 100 d. Bl. betrifft die rechtliche Eigenschaft
der Canalgesellschaft als Civilgesellschaft, den hierin liegenden Aus-
schlufs des Concursverfahrens und die dem Rechtsanwalt Brun et
übertragene Geschäftsauflösung. Letzterer hat alsbald zur Unter¬
suchung der technischen Lage des Canalbaues einen Sachverständigen-
Ausschufs eingesetzt. Der Ausschufs besteht aus 11 Mitgliedern.
Vorsitzender ist der Generalinspector Guillemain, Director der
Hochschule der Brücken und Chausseen in Paris. Zwei Mitglieder
sind Ausländer, ein belgischer Oberingenieur und Hochschulprofessor
und ein holländischer Ingenieur-Oberst. Die französischen Mitglieder
sind Staats- und Civil-Ingenieure der Brücken und Chausseen, der
Minen und der Marine. Der Ausschufs ist um Mitte October 1889
zusammengetreten und hat zunächst Urkunden gesammelt, auch viele
Personen gehört, welche an den Arbeiten auf der Landenge betheiligt
waren. Sodann wurden vier von den Mitgliedern, darunter der bel¬
gische Oberingenieur, nach der Landenge von Panama entsandt.
Diese Abordnung ist am 9. December 1889 abgereist und am 4, März
1890 zurückgekehrt. Am 5. Mai 1890 hat der Ausschufs seinen Haupt¬
bericht an den Geschäftsauflöser erstattet und noch sieben Sonder¬
berichte in Aussicht gestellt, von denen fünf nunmehr vorliegen.
Die hierin vollständig niedergelegte Auffassung des Ausschusses soll
in denjenigen technischen Punkten, von welchen das Schicksal des
Canals abhängt, kurz zusammengefafst wieder gegeben werden. Die
Sache ist um so interessanter, als der Ausschufs mit einem Grund¬
gedanken der früheren Bauleitung, die Hochwassermassen des Chagres
um jeden Preis vom Canal fernzuhalten, gänzlich bricht und ent¬
schlossen die grundsätzliche Vermischung des gefährlichen Chagres
mit dem Canal zur Unterlage seines Planes macht. Da der unlieb¬
same Nachbar nicht dauernd ferngehalten werden kann, so öffnet
man ihm lieber gutwillig das Haus und findet sich, so gut es gehen
will, mit ihm ab. Vor Entwicklung des neuen Planes sei noch be¬
merkt, dafs inzwischen die Geschäftsauflösung von Herrn Brunet
auf Herrn Monchicourt übergegangen ist.
II. Der Ausschufs hatte zwei Fragen zu beantworten: Was kann
der Canal noch kosten und was kann er denjenigen, welche ihr Geld
dazu hergegeben, wohl einbringen?
Die erste Frage bedingte eine technische Untersuchung und die
Aufstellung eines allgemeinen Planes für die Vollendung. Die An¬
nahme eines schleusenfreien Canals ist ausgeschlossen, weil die con-
cessionsmäfsig dazu noch verfügbare Zeit nicht ausreicht. Die
Vollendungszeit hängt lediglich von dem 8 Kilometer langen Ein¬
schnitt in den Cordilleren ab, dessen mittlerer Theil als „Culebra-
Einschnitt“ bekannt ist. Aus den bisherigen Erfahrungen weifs man,
dafs hier jährlich nicht mehr als 1200 000 cbm Erdarbeit geleistet
werden können, woraus sich die für einen solchen Canal erforder¬
liche Zeit berechnen läfst. Die von der columbischen Regierung er-
theilte Canal -Concession stellt als Vollendungszeit das Jahr 1893
fest, und für den Fall der Behinderung durch höhere Gewalt 1899.
Diese zweite Fristgrenze kann jetzt allein noch in Betracht kommen
und drängt die Nothwendigkeit der Annahme eines Schleusencanals
auf. In den noch zur Verfügung stehenden neun Jahren, oder eigent¬
lich nur acht Arbeitsjahren, weil ein Jahr auf die Vorbereitung der
neuen Unternehmungen zu rechnen ist, kann noch ein Gebirgs-Ein-
sehnitt bis zu solcher Tiefe gemacht werden, dafs eine natürliche
Speisung des Canals durch Aufstau des Chagres zu erreichen ist.
Die hierzu nöthigen Thalsperren dürfen nicht höher werden, als es
mit der Natur des Untergrundes verträglich erscheint.
Ein Lageplan des Panama-Canals ist im Jahrgang 1887, S. 360
und ein Höhenplan mit dem letzten Schleusenentwurf der alten Ge¬
sellschaft im Jahrgang 1888, S. 346 d. Bl. enthalten. Bei der hier
dargestellten Höhe der Scheitelhaltung wäre eine natürliche Speisung
— ohne Wasserhebemaschinen — nicht möglich.
III. Auf die Ausführbarkeit des grofsen Gebirgseinschnitts, wie
auf die Haltbarkeit der einzelnen Theile des Canals überhaupt, ist
die Frage der Erdbeben von besonderem Einflufs. Der Ausschufs
hat sich deshalb auf der Landenge selbst hierüber nach den Aus¬
sagen der Einwohner, dem Zustande alter Bauten und den Beobach¬
tungen an der Panama -Bahn so gut es ging zu unterrichten gesucht
und ist zu folgenden Ergebnissen gelangt.
Bei den gewöhnlichen Einschnitten und den für Verlegung der
Panama-Bahn nothwendigen Bauwerken erscheinen besondere Mafs-
nahmen wegen der Erdbeben übeidlüssig. Die vom Ausschufs ge¬
billigten (Eiffelschen) Schleusen dürften Erschütterungen, wie sie
seit zwei Jahrhunderten auf der Landenge vorgekommen sind, ohne
Schaden aushalten können (vergl. Jahrg. 1888, S. 508 unten und
S. 509 d. Bl.).
Bei den Thalsperren ist mit der unbestimmten Richtung der
möglichen Schwankungen zu rechnen. Offenbar sind letztere un¬
schädlich, wenn ihre Richtung dem angestauten Wasserspiegel
parallel ist. Wenn aber jene Richtung gegen die Senkrechte zu
dieser Wasserspiegel-Ebene strebt, so dürfte die Stofswirkung des
Wassers, bei seiner grofsen Masse, nicht verschwindend sein. Daher
empfiehlt der Ausschufs dringend die Anschüttung möglichst breiter
Erddämme gegen die nicht benetzte Wandfläche der Thalsperren.
Beim Culebra-Einschnitt würden selbst schwache Erderschütte¬
rungen diejenigen Erdmassen in Bewegung setzen können, welche auf
Gleitflächen ruhen. Hier sind unbedingt Vorsichtsmafsregeln zu
treffen, und es mufs daher die Lage der Schichten zwischen Ein¬
schnittsböschung und vulcanischer Grundmasse noch genauer unter¬
sucht werden.
IV. Um an Erdarbeiten möglichst zu sparen, mufs die Scheitel¬
haltung des Canals, welche den grofsen Gebirgseinschnitt in sich
aufnimmt, möglichst hoch gelegt werden. Den Wasserspiegel der-
240
Centralblatt der Bauverwaltung.
14. Juni 1890
selben aber auf -j- 49 m über dem mittleren Meeresspiegel anzunebmen,
wie in dem letzten Entwurf der alten Verwaltung geschehen, würde
die natürliche Speisung unmöglich machen. Der Untergrund ist
keineswegs so sicher, dafs man an entsprechend hohe Thalsperren
für den Aufstau des Chagres denken könnte, von der Gefahr der
Erdbeben für sehr hohe Thalsperren ganz zu schweigen. An einen
Speisegraben aus dem obern Chagres kann man ebensowenig denken.
Derselbe müfste auf mehrere Kilometer eine kairm erforsclite, von
tief eingeschnittenen tVasserläufeu durchfurchte Gegend durchziehen
und würde auch ein Stauwerk bedingen, welches wegen seiner Ent¬
fernung von der Eisenbahn sehr beschwerlich herzustellen wäre.
Eine künstliche Speisung durch Wasserhebemaschinen ist für die
Landenge von Panama um so mehr zu verwerfen, als dieses Aus¬
kunftsmittel schon in Frankreich Schwierigkeiten genug mit sich
bringt.
Der Wasserspiegel der Scbeitelhaltung ist .auf -b 34,50 fest¬
gesetzt worden. Diese etwa 20 km lange Haltung nimmt den .auf-
gestauten Chagres, der sich in einem See von 3000 Hektar Fläche
ausbreitet, unmittelbar auf. Der See besteht aus zwei Theilen,
welche durch den Gebirgseinschnitt in Verbindung stehen. Das
Hochwasser des Ch.agres fliefst über die Tlialsperre auf der Atlan¬
tischen Seite und auch zum kleinern Theil, um keine starke Strömung
in dem Verbinduugscanal beider Seetheile zu erzeugen, über die
Thalsperre auf der Seite des Stillen Meeres nach dem Thale des
Pio Grande hin ab. Es wird darauf gerechnet, dafs der Scheitelsee
um 3 m steigen kann, von -j- 34,50 bis 37,50. Die Thalsperren
erhalten demgemäfs ihre Oberkante auf 39 und die Brustwehr-
Oberkante auf -j- 40. Damit scheint die äufserste zulässige Höhe für
diese Bauwerke erreicht. Sie liegen bei San Pablo auf der Seite des
Atlantischen, bei Paraise auf der Seite des Stillen Meeres.
Im Gebirgseinschnitt soll der Canal 9 m tief sein, seine Sohle hier
also auf 25,50 liegen. Die Sohlenbreite ist in 8, .50 m Tiefe 22 m.
Der unterste h.albe Meter der Can.altiefe kann die auszubaggernden
Siukstoö’e aufnehmen.
Unter dem Scheitelsee wird auf der Atlantischen Seite wie avrf
der Seite des Stillen Meeres ein tieferer See durch Thalsperreu bei
Bohio Soldado einerseits und bei Pedro Miguel oder dem nahen
Mira Flores anderseits aufgestaut.
Die von den Thalsperren bestimmten Staue müssen durch
Schleusen überwunden werden. Ueberall sind zwei Schleusen neben¬
einander, weil sonst der Canal nicht ordentlich betriebsfähig sein
würde. Die Staue bei den beiden obersten Thalsperren von San Pablo
und Paraise haben jeder eine Treppe von zwei Schleusen mit je
11 m Gefälle. Diese noch nicht dagewesene Schleusenhöhe ist blofs
zugelassen worden, um die von der Eitfelschen Unternehmung schon
beschafften Schleirsentheile zu verwertheu (vergl. Jahrgang 1888,
S. 508 d. BL).
Die untere Thalsperre von Bohio Soldado auf der atlantischen
Seite bestimmt die Wasserspiegelhöhe des untern Sees auf -j- 15,
wobei ein Ansteigen des aus dem Scheitelsee zuströmenden Chagres-
wasser um 1 m bis 1,50 möglich bleiben soll. Hier wird der Stau
durch eine Treppe von zwei Schleusen mit je etwa 8 m Gefälle über¬
wunden. Unterhalb derselben folgt die 24 km lange See-Canalstrecke
der Atlantischen Seite, welche nur ganz unmerklicher Ebbe und Fluth
ausgesetzt ist.
Auf der Seite des Stillen Meeres ist keine untere Schleusentreppe
angenommen, sondern anstatt dessen eine Schleuse von etwa 8 m
Gefälle bei Pedro Miguel und eine zweite Schleuse bei Mira Flores,
die Fluthschleuse, deren Gefälle bei Ebbe im Stillen Meere bis 11 m
anwachsen kann. Unterhalb derselben liegt die See-Canalstrecke von
12 km Länge.
Die aufgestauten Seeir bilden von selbst Ausweichstellen für
die Schiffe. Aufserdem ist am Fufse jeder Schleusentreppe eine
Ausweichstelle und eine' in der 24 km langen See -Canalstrecke vor¬
zusehen.
Da der Canal in undurchlässigen Bodenarten liegt, so glaubt
mau, dafs die Seen keinen Wasserverlusten nach unten ausgesetzt
sein werden. Es ist auch wahrscheinlich, dafs der vertiefte Canal¬
aushub unterirdische Wassermengen sammeln wird, welche jetzt
andere Auswege finden. (Schlufs folgt.)
Die Preisbewerbiiiig zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm-Denkmals
für die Rheinproviuz.
(Fortsetzung.)
Der Arbeit des Architekten Bruno Schmitz in Berlin haben
die Preisrichter den zweiten Preis zuerkannt „wegen ihrer wuchtigen
die aber auch hier nicht ganz gelungen
künstlerischen Darstellun,s
sei, abgesehen da¬
von, dafs der ge¬
wählte Platz für
die Aufstellung des
Denkmals sich nicht
eigne. Das Preis¬
gericht spricht da¬
bei die Ansicht aus,
dafs ein Insel-
denkmal nur auf
der Nordspitze der
Insel Nonuenwerth
zu errichten sein
würde. Ebenso wie
bei der Beurthei-
lung des Jacobs u.
Wehlingschen Ent¬
wurfs sinddiePreis-
richter auch hier in
dem Wortlaut ihres
Gutachtens nicht
gerade glücklich
gewesen. Sie prei¬
sen an erster Stelle
„ die wuchtige künst¬
lerische Darstel¬
lung“, also anschei¬
nend die Leistung
des Zeichners, wäh¬
rend sie doch ohne
Zweifel das dar-
getellte wuchtige
Kunstwerk meinten.
Die Namen der Preisrichter bürgen wenigstens dafür, dafs sie sich
in ihrem Urtheile nicht durch eine schöne zeichnerische Darstellung
beeinflussen lassen werden, wenn ihnen nicht das dargestellte Kunst¬
werk an sich von entsprechendem Werthe scheint. Möge daher der
Lageplan.
Kaiser "Willielm- Denkmal der RheinprovirLZ.
Entwurf von Bruno Schmitz in Berlin. 11. Preis.
Preisgekrönte sich durch den Wortlaut des zweifellos in diesem
Sinne aufzufassenden Urtheilspruches nicht verstimmen lassen.
Der von dem Künstler gewählte Platz ist die Insel Grafenwerth.
Die Preisrichter be¬
zeichnen diesen
Platz wohl mit
Eecht als nicht ge¬
eignet, wenngleich
er den grofsen Vor¬
zug hat, dafs sich
auf der Inselfläche
in Verbindung mit
der Denkmal -An¬
lage ein geräumi¬
ger, vom Festlaude
aus leicht zugäng¬
licher Festplatz, ein
Kaiser - Hain, ein
rheinischer Natio¬
nal - Park schaffen
läfst, dessen breite,
ganz gerade V order-
seite eine bedeu¬
tende Entwicklung
der Anlage gestat¬
tet, ferner dafs das
Inselgelände von
dem Eigenthümer,
dem preufsischen
Staate, leichter zu
erwerben sein wür¬
de als jeder andere
Platz. Die Insel
Grafenwerth hat
aber längst aufge¬
hört, eigentliche In¬
sel zu sein, da sie nach Schliefsung des rechten, östlichen Rheinarmes
als solche nur bei bohem Wasserstande auftritt. Auch liegt diese Insel
zu versteckt und zu abgelegen von den Haupt -Verkehrsstrafsen.
Für die Beschauer vom linken Eheinnfer her, gerade von der be-
aa»'"
Centralblatt der Bauverwaltung.
k. 24.
jsuchtesten Stelle, von Rolandseck, würde sich das Denkmal hinter
dem Klosterhain der Insel Nonnenwerth verstecken; es würde sich
nur nach der Stromseite hin ausreichend bemerkbar machen, aber
nicht als ein Insel-Denkmal, sondern als stände es am Ufer.
Der Architekt hat sich die Aufgabe gestellt, eine freistehende
Reitergestalt in Verbindung mit einer architektonischen Masse,
letztere im Mittelpunkt der Anlage als knorrige Reichssäule gedacht,
in der Landschaft so zur Geltung zu bringen, dafs auf weite Ferne
das Denkmal in seiner Gesamtheit wirkt, für die Nähe aber das
Standbild des Kaisers zur hauptsächlichsten Geltung gelangt. Die
Anlage ist nach diesen Gesichtspunkten klar und einfach, dabei grofs-
artig und würdig durchgeführt. In der Mittelachse des durch theil-
weise Aufschüttung ganz hochwasserfrei zu machenden, sichelförmigen
241
lieh zu massig wirken. Die Stellung in der Ebene, wo die gewaltigen
Bergmassen weit zurücktreten und deshalb mit der Architektur nicht
in Vergleich kommen, erfordert derartige Abmessungen nicht. Für
die Säule wäre eine Erhebung von höchstens 40 m ausreichend, und
wenn dementsprechend auch die Mafse der andern Theile einge¬
schränkt würden, so möchte sich wohl die Denkmalgestalt besser in
den Rahmen der hier mehr lieblichen als mächtigen Landschaft ein-
fügen. Auch wü’’den dann die auf 800 000 Mark geschätzten Kosten
der Anlage beträchtlich niedriger ausfallen.
So sehr man der Zuerkennung des 1. und 2. Preises an die
beiden besprochenen Arbeiten zustimmen mufs, um so weniger ver¬
ständlich ist die Wahl des Entwurfs „Unserm Kaiser“ für den
3. Preis, da die Preisrichter an diesem Entwürfe nichts anderes als
, . , Holzstich v. 0. Ebel.
Ansicht.
Kaiser WilKelni- Denkmal der Rheinprovinz,
Entwurf von Bruno Schmitz in Berlin. II. Preis.
Inselgeländes, hart an dem westlichen, fast ganz geraden Uferrande
soll ein freier Festplatz von 116 m Breite und 88 m Tiefe gebildet
werden, jvelcher vom Bahnhof Honnef aus durch eine den ge¬
schlossenen Rheinarm mit einer Brücke überschreitende Allee zu¬
gänglich wird, während eine ähnliche Allee an der Westseite der
Insel den Festplatz durchquert. Am Schnittpunkt dieser beiden Alleen
erhebt sich der in den Abbildungen dargestellte Denkmalbau bis zu
einer Höhe von 60 m über der hochwasserfreien Umgebung. Die
Säule trägt als Abschlufs eine Kaiserkrone, der Knauf zeigt an der
Vorderseite den aus derbem Blattwerk auf den Rhein hinabschauen¬
den Kopf Bismarcks. Vor dem Sockel der Gedenksäule ist auf
hohem Postament das Reiterstandbild des Kaisers errichtet. An der
Vorderseite des Postaments liegt „Vater Rhein“, zu beiden Seiten
des Pferdes sind allegorische Figuren angebracht, die eine mit einem
Kranze, die andre mit Gesetztafeln. Ringsherum ist die Denkmal-
Terrasse durch eine 6 m hohe, jedoch mit grofsen, den freien Durch¬
blick gestattenden Oeffnungen versehene Wand abgeschlossen, die
sich nur an der Vorderseite ganz öffnet, um den Zugang von dem
Inselgelände und vom Rheinstrom her durch eine grofse Freitreppe,
auf deren Wangen zwei gewaltige Löwen ruhen, zu vermitteln. Der
Treppenunterbau ist halbkreisförmig in den Rhein hineingebaut.
So glücklich die Anlage in ihrer Klarheit und Einfachheit ist, würde
der Aufbau des Denkmals an dem gewählten Platze doch wahrschein-
den gewählten Platz rühmen, die Anordnung aber, die architek¬
tonische Gliederung und den bildnerischen Schmuck als zu wenig
den Anforderungen entsprechend bezeichnen, welche’ an die vor¬
liegende Aufgabe gestellt werden müfsten. Sie haben der Arbeit den
3. Preis zuerkannt „als dem einzigen Entwürfe eines Denkmals für
eine mäfsige Bergeshöhe“ (den Hardtberg), ohne sich dabei bestimmt
darüber zu äufsern, ob sie diesen Platz für ein Kaiserdenkmal in
irgend welcher Gestalt überhaupt geeignet halten oder nicht. Der
Verfasser des Entwurfs ist der insbesondere in rheinischen Kreisen
eines hervorragenden Rufes sich erfreuende Bildhauer Wilh. Alb er¬
mann in Köln. Seine Arbeit ist eine wesentlich bildnerische; die
Architektur, welche zur Umrahmung des Denkmals nicht entbehrt
werden konnte, ist nebensächlicher behandelt. Auf der Kuppe des
Hardtberges erhebt sich inmitten einer Plattform auf 18 m hohem,
von einer Pfeiler-Halle und im weiteren Umkreise von halbrunden
Säulenstellungen umgebenem Sockel das 9 m hohe Reiterstandbild
des Kaisers. Vor der Halle stehen kleinere Reiterbilder des Kron¬
prinzen und des Prinzen Friedrich Kai'l. Der Künstler hat, wie er an-
giebt, den Hardtberg als Standort gewählt, weil dieser zur Betrachtung
und bequemen Erreichung des Denkmals vom Rhein her nicht zu
hoch sei, und weil er bei seiner mäfsigen Höhe dem Denkmale den
Hintergrund des Siebengebirges erhalte, ohne dabei von ihm aus den
Ausblick auf die Landschaft verloren gehen zu lassen. Sein Versuch
242
Oentralblatt der Bauverwaltung.
14. Juni 1890.
jedoch, die Aufgabe hier durch Bevorzugung der Bildhauerkunst gegen¬
über der Architektur zu lösen, mufste niifsglücken. Eine Bergeshöhe
eignet sich nun einmal zur Aufstellung von derartig behandelten
Bildhauerwerken nicht. Alberinann hat den Fehler des Niederwald-
Denkmals wiederholt, indem auf seinem Denkmal-Platze kein ge¬
eigneter Standpunkt für die Betrachtung des Eeiterstandbildes zu
finden ist; denn es würde ohne einen Augen-Aufschlagwinkel von 45
bis 60 Grad nicht möglich sein, die Keitergestalt an den äufsersten
Punkten der Plattform in den Gesichtskreis zu bekommen. Die
Kosten der Anlage sind mit 503 üOO Mark wohl zu niedrig veran¬
schlagt.
Bei der Empfehlung von drei ferneren Arbeiten zum Ankauf
haben die Preisrichter ihre Anschauung über die passende Gestaltung
des Denkmals und insbesondere über die Beschaffenheit des zu
wählenden Platzes wenigstens durchschimmern lassen. Ein bestimmtes
Urtheil haben sie in der Platzfrage, wohl weil sie nicht darum er¬
sucht waren, nicht ausgesprochen. Die Gründe ihrer lediglich nach
dem Werthe, den die Entwürfe an sich haben, erfolgten Auswahl
dürften in weiteren Fachkreisen ebenso wenig Beifall finden wie der
Wortlaut ihres Urtheilspruches über die preisgekrönten Arbeiten.
Zum Ankauf empfehlen sie 1) den Entwurf „Dem unvergefslichen
Kaiser“ (Verfasser die Architekten H. vom Endt u. Bender in
Düsseldorf), „weil in demselben die Platzfrage für ein Insel-Denkmal
— die Nordspitze von Nonnenwerth — treffend gelöst“ sei, wogegen
„die künstlerische Gestaltung für diese Stelle ungeeignet“ sei; 2) den
Entwurf „Grafenwerth“ des Architekten Prof. Stiller in Düsseldorf,
an welchem gerühmt wird, dafs bei dem gewählten Platze der Ge¬
danke eines Festplatzes vor dem Denkmale zu einer vornehmen Ge¬
staltung gebracht sei, und dafs dieser Entwurf werthvolle Anhalts¬
punkte bei einer späteren Bearbeitung biete, umsomehr als die An¬
ordnung eines Festplatzes die unbedingte Forderung für jeden zur
Ausführung bestimmten Entwurf sein müsse; 3) die Arbeit mit dem
Kennwort „Siegfried“ von dem Bildhauer Prof. K. Hilgers in
Charlottenburg der hohen künstlerischen Reize seiner Hauptgruppe
wegen, wobei aber der plastisch zum Ausdruck gebrachte Gedanke
für dieses Denkmal nicht verwendet werden könne, jedoch wohl,
mit Ausschlufs der Kaiserfigur, bei einem späteren Entwürfe mit
einer Wasserfläche Verwendung finden dürfte.
Die Mehrzahl der nicht preisgekrönten Entwürfe, die eben¬
erwähnten, zum Ankauf empfohlenen eingeschlossen, hat sich für
eine Insel entschieden. Es sind denn auch viele reizvolle Lösungen
für Inseldenkmäler versucht, doch ist wohl keine einzige darunter,
die sich unmittelbar für die Ausführung eignen würde.
(Fortsetzung folgt.)
Das NationaMenkmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin.
Vom Stellvertreter des Reichskanzlers ist dem Reichstage mit
Schreiben vom 9. Juni d. J. im Namen Sr. Majestät des Kaisers
folgender „Antrag, betreffend die Errichtung eines Nationaldenkmals
für Kaiser Wilhelm I.“ nebst Begründung, wie solcher vom Bundes¬
rath beschlossen worden, zur Beschlufsnahme vorgelegt;
„Der Reichstag wolle beschliefseu: 1) Das Nationaldenkmal für
Seine Majestät den Hochseligen Kaiser "Wilhelm I. wird auf dem
durch Niederlegung der Gebäude „an der Schlofsfreiheit“ entstehen¬
den Platze errichtet. 2) Dasselbe erhält die Gestalt eines Reiter¬
standbildes. 3) Der Reichskanzler wird ermächtigt, über einen Ent¬
wurf für das Denkmal einen engeren Wettbewerb auszuschreiben.“
Die beigegebene Begründung lautet;
„Durch das Gesetz, betreffend die Vorarbeiten für das National¬
denkmal Kaiser Wnlhelms I., vom 23. December 1888 (Reichs-
Gesetzbl. S. 299) ist zu einer Preisbewerbung behufs Gewinnung
eines geeigneten Entwurfs für das Denkmal die Summe von
100 000 Mark zur Verfügung gestellt worden. In Uebereinstimmung
mit dem Bundesrath und Reichstag, welche bei der Bildung des
Preisgerichts durch die Beschlüsse vom 7. Februar und 30. März 1889
mitgewirkt haben, ist diese Preisbewerbung durch eine Vorconcurrenz
eingeleitet worden, um zunächst über den Platz und über die allge¬
meine Form und Art des Denkmals ein Urtheil zu gewinnen. Dem-
gemäfs wurden von den verfügbaren Mitteln vorerst nur 32 000 Mark
zu Preisen verwendet, der Rest dagegen zur Gewährung von Preisen
für die Hauptbewerbung zurückgestellt, bei welcher nach endgültiger
Entscheidung über die Platzfrage das Denkmal selbst die ausschliefs-
liche Aufgabe bilden sollte.
In der Vorconcurrenz wurden sechs Entwürfen Preise zuerkannt,
nämlich den Entwürfen der Architekten Wilhelm Rettig und Paul
Pfann, sowie des Architekten Bruno Schmitz je ein erster Preis, den
Entwürfen des Bildhauers Adolf Hildebrand, des Bildhauers Karl
Hilgers, des Bildhauers Professor Fritz Schaper und des Bildhauers
Professor Dr. Johannes Schilling je ein zweiter Preis.
Von den überhaupt zur Bewerbung zugelassenen Entwürfen hatte
die Mehrzahl einen Platz vor dem Brandenburger Thor gewählt;
unter den übrigen hatte sich die gröfsere Hälfte für den Pariser
Platz, eine nicht viel kleinere Zahl für die Schlofsfreiheit entschieden;
mir einzelne hatten einen Platz an der Schlofsbrücke oder den Opern¬
platz gewählt. Was die preisgekrönten Entwürfe betrifft, so ist der¬
jenige von Rettig und Pfann auf die westliche Seite des Königsplatzes,
derjenige von Schmitz auf den Schnittpunkt der Siegesallee und der
Charlottenburger Chaussee berechnet, während in dem Entwurf von
Hildebrand ein Platz im Thiergarten selbst, in den Entwürfen von
Hilgers und Schaper der Platz vor dem Brandenburger Thor, in dem¬
jenigen von Schilling aber der Opernplatz den Standort bildet.
Das Urtheil des Preisgerichts hatte lediglich die Verdienstlich¬
keit der künstlerischen Schöpfungen im ganzen ins Auge gefafst,
ohne zugleich über die Wahl des Platzes eine Entscheidung treffen
zu wollen. In der Platzfrage konnte auch nach Abschlufs der Prü¬
fung des durch die Concurrenz beschafften Gedankenmaterials das
Preisgericht sich nicht einigen. Eine nähere Erörterung, welche
diese Frage im Anschlufs an das Preisverfahren fand, ergab, dafs
neun Mitglieder für einen Platz vor dem Brandenburger Thor, fünf
Mitglieder für einen Platz im Innern der Stadt, und zwar zum Theil
für die Schlofsfreiheit, zum Theil für den Pariser Platz sich aus-
sprachen.
Bei der Entscheidung der Platzfrage wird als leitender Gesichts¬
punkt die Erwägung zu dienen haben, dafs das Denkmal in erster
Linie eine monumentale Darstellung der Gestalt des hochseligen
Kaisers zu geben haben wird. Darüber hinauszugehen und ein Werk
zu schaffen, welches zugleich ein zusammenfassendes Bild der bei
der Gründung des Reichs wirksam gewesenen Kräfte und Personen
zur Anschauung bringt, würde die Gefahr begründen, dafs die welt¬
geschichtliche Person des verewigten Kaisers entweder zu sehr in
den Hintergrund gedrängt werden, oder aber mit einen Aufwand von
Pathos zur Darstellung gelangen müfste, welcher mit dem Charakter
dieses Kaisers durchaus in Widerspruch steht. In der That hat die
hierin begründete Besorgnifs durch die architektonischen Entwürfe,
welche in der Vorconcurrenz vornehmlich die Aufmerksamkeit auf
sich zogen, ihre Bestätigung gefunden. So sehr der künstlerische
Werth dieser Entwürfe auch anzuerkennen sein mag, so ist es doch
keinem derselben gelungen, die Persönlichkeit des Monarchen gleich- i
zeitig in der Macht und in der Schlichtheit der Erscheinung wieder- |
zugeben, wie das deutsche Volk das Bild des ersten Kaisers in sich i
aufgenommen hat. |
Das Ergebnifs der Vorconcurrenz läfst erkennen, dafs, wenn die |
weitere Preisbewerbung zu einem veiwerthbaren Ergebnifs führen !
soll, alle auf ixmfassende architektonische Anlagen gerichteten Ideen I
von derselben auszuschliefsen sind, und dafs ein Reiterstandbild als i
diejenige Form zu betrachten ist, in welcher die Erscheinung des
Kaisers in der sein Wesen auszeichnenden schlichten Hoheit am ]
besten verkörpert werden kann. Damit scheiden aber alle Plätze '
aufserhalb der Stadt aus dem Kreise der weiteren Erwägungen aus.
Unter den Plätzen im Innern der Stadt können sowohl nach dem
Ergebnifs der Vorconcurrenz, als auch nach dem Gesamturtheil der J
künstlerischen Kritik, welche sich an die Vorconcurrenz angeschlossen ,j
hat, nur der Platz am Opernhaus, der Pariser Platz und die Schlofs- j'
freiheit in Frage kommen. Von diesen Plätzen ist der erste vermöge *
seiner seitlichen Lage für ein Denkmal von der hier gewollten histo¬
rischen und künstlerischen Bedeutung kaum geeignet, ganz abgesehen ;
davon, dafs er nach seinen räumlichen Verhältnissen nicht als aus¬
reichend erscheinen kann, und dafs seine Abschliefsung gegen den j
ihn gegenwärtig kreuzenden Verkehr nicht ohne Bedenken ist. Der (
Mangel zu beengter räumlicher Verhältnisse haftet dem Pariser Platz
gleichfalls an und würde auf diesem Platz infolge des noch zu er- l!
wartenden starken Wachsthums des dortigen Strafsenverkehrs und j
nach Ausführung der auf die Dauer wohl nicht zu umgehenden Um- i;
gestaltung des anschliefsenden Strafsenzuges „Unter den Linden“ i
immer empfindlicher werden. Die Aufmerksamkeit mufs sich unter
solchen Umständen unvermeidlich der Schlofsfreiheit zuwenden, und |
zwar umsomehr, als die Vorgänge der letzten Zeit, welche zu einer
Freilegung dieses Platzes geführt haben, erkennen lassen, wie die
künstlerische Bedeutung des Platzes und sein Werth für eine monu- i
mentale Gestaltung in der öffentlichen Meinung mehr und mehr zur
Geltung gelangt.
Um an der Schlofsfreiheit einen für die Aufnahme eines Reiter¬
standbildes ausreichenden Raum zu gewinnen, bedarf es neben der
Beseitigung der vorhandenen Gebäude einer theilweisen Zuschüttimg
oder Ueberwölbung des angrenzenden Wasserlaufs. Die dadurch be-
BIr. 24.
Centralblatt der Bauverwaltung.
243
dingte Verkleinerung der Wasserfläche ist nach dem Gutachten der
t Königlich preufsischeu Bauverwaltung ohne Nachtheile für Vorfluth
; und Schiffahrt ausführbar.
Auf dem so geschaffenen Platze läfst sich die Errichtung des
I Standbildes in verschiedener Anordnung denken; das Standbild kann
i entweder unter Verlegung der an der Schlofsfront hinlaufenden Strafse
! in enge Verbindung mit dem Schlofsbau gebracht werden, oder es
kann durch die Strafse von dem Schlofs getrennt, der Schlofsfront
gegenüber in passender architektonischer Einfriedigung, an den
Wasserlauf der Spree gerückt werden. Im Interesse der Schonung
des historischen Charakters der Schlofsfront, insbesondere des hier
belegenen Hauptportals, welches nicht verbaut werden darf, ferner
. zur Erzielung einer gröfseren malerischen Wirkung, endlich auch, um
das Denkmal nicht lediglich als einen Annex der Schlofsarchitektur
: erscheinen zu lassen, verdient der zweite Weg den Vorzug.
Abgesehen von der Begrenzung des Platzes durch die unmittelbar
anliegenden, im Falle der Niederlegung der Schlofsfreiheit einer ander¬
weiten Regulirung bedürfenden Strafsenzüge besteht die einzige, aus
den öifllichen Verhältnissen sich ergebende Beschränkung darin, dafs
I bei jeder monumentalen Gestaltung des Platzes darauf Rücksicht zu
j nehmen ist, dafs die Schütze des Mühlgrabens wegen der Vorfluth-
; und Schleusenverhältnisse des hier vorüberführenden Spreearmes in
[ der jetzigen Einrichtung erhalten bleiben und demgemäfs, sei es durch
! eine geringe terrassenartige Erhöhung des Platzes, sei es in anderer,
den künstlerischen Anforderungen entsprechender Anordnung, eine
Deckung finden müssen.
; In der Achse des Schlofsportals würde die Tiefe des Platzes,
i von der Schlofsfront bis zu dem zukünftigen Spreeufer gemessen,
75 Meter betragen. Die Mitte des für die Aufnahme des Denkmals
verfügbaren Raumes würde vom Schlosse 50 — 60 Meter entfernt sein,
j ein Abstand, welcher grofs genug ist, um dem Standbild seine selb¬
ständige Bedeutung zu wahren, und doch auch nicht zu grofs er¬
scheint, um das Denkmal zu dem Schlosse in eine künstlerische
Beziehung zu setzen.
In beiliegendem Lageplau*) sind die örtlichen Verhältnisse ver¬
anschaulicht; namentlich sind darin diejenigen äufsersten Grenzen
ersichtlich gemacht, bis zu welchen der Wasserlauf im Interesse
einer Erweiterung des durch Beseitigung des gegenwärtigen Häuser¬
zuges gewonnenen Raumes eingeengt werden darf. Financielle
Opfer werden nach einer Erklärung des Königlich preufsischen
Staatsministeriums dem Reich durch den Erwerb des Platzes nicht
erwachsen. Eine weitei'e Verständigung mit der Königlich preufsi¬
schen Regierung und mit der Stadt Berlin mufs bis dahin Vorbehalten
werden, dafs Bundesrath und Reichstag der Wahl des Platzes für
das National -Denkmal ihre Zustimmung gegeben haben.
In welchem Umfange der verfügbare Raum für das Denkmal in
Anspruch genommen werden soll, und in welcher Weise dem Platze
durch architektonische und gärtnerische Anlagen ein angemessener
Abschlufs zu geben sein wird, mufs der freien Würdigung der zum
Wettbewerb berufenen Künstler überlassen bleiben; es ist zu hoffen,
dafs die Concurrenz auch für diese Fragen eine befriedigende Lösung
ergeben wird.
Entsprechend dem in dem Preisausschreiben vom 30. Januar 1889
gemachten Vorbehalt, wird die neue Concurrenz auf einen engeren
Kreis von Künstlern zu beschränken sein. Die Berufung soll mit
Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers durch den Reichskanzler
erfolgen. Das Preisgericht wird in ähnlicher Weise, wie bei der
Vorconcurrenz, aus Mitgliedern des Bundesraths und des Reichstags
und aus einer entsprechenden Anzahl künstlerischer Sachverständigen
zu bilden sein.“
*) Der Lageplan folgt in der nächsten Nummer d. Bl.
Vermischtes.
Die Stellimg der bisherigen teclmisclien Hüifsarbeiter bei den
Königlichen Regierungen. Durch den Allerhöchsten Erlafs vom
3. Mai d. J., welcher im amtlichen Theile dieses Blattes mit einer
begleitenden Verfügung der betheiligten Minister veröffentlicht wird,
ist die Entwicklung, welche die Stellung der bisherigen technischen
Hüifsarbeiter bei den Königlichen Regierungen bereits in den
i letzten Jahren erfahren hatte, zu einem für alle betheiligten Inter¬
essen hocherfreulichen Abschlufs gelangt. Während nach der Re¬
gierungs-Instruction vom 23. October 1817 die Regierungs- und Bau-
räthe die einzigen bautechnischen Mitglieder der Regierungen, die
bei den letzteren angestellten Bauinspectoren aber nur Hüifsarbeiter
dieser Beamten waren, welche ihre Geschäfte von diesen zugewiesen
erhielten und nach deren Anweisung und unter ihrer Verantwort¬
lichkeit zu bearbeiten hatten, war bereits durch Ministerial-Erlafs
vom 21. October 1884 (vgl. Jahrgang 1884, Seite 435 d. Bl.) be¬
stimmt worden, dafs die technischen Hüifsarbeiter in die Behörden
förmlich einzuführen seien und dafs sie nicht mehr lediglich als
Hüifsarbeiter der Regierungs- und Bauräthe thätig sein, sondern
nach der allgemeinen Anweisung oder besonderen Zuschreibung der
Präsidenten bezw. Abtheilungsdirigenten die Bausachen bearbeiten
sollten. Der Circular -Erlafs vom 22. Juni 1886 (vgl. Jahrgang 1886,
Seite 261 d. Bl.) ging sodann den wichtigen Schritt weiter — was
ohne formelle Abänderung der Regierungs - Instruction geschehen
konnte — , dafs er den technischen Hülfsarbeitern die aus der
Präsidial - Abtheilung (frühere Abtheilung des Innern) ihnen zur
Bearbeitung übertragenen Geschäfte zur selbständigen Erledigung
unter ihrer'eigenen bautechnischen Verantwortung zuwies.
Durch den Allerhöchsten Erlafs vom 3. v. M. ist diese Anordnung
eine allgemeine geworden. Die bei den Regierungen etatsmäfsig an¬
gestellten Land- und Wasser -Bauinspectoren (Tit.-Bauräthe) sind,
j wie die Regierungs -Assessoren, Mitglieder dieser Behörden, die ihr
' eigenes Decernat erhalten, in den Regierungs - Abtheilungen ein
j volles Stimmrecht, im Plenum ein solches bei den von ihnen be¬
arbeiteten Sachen, wie die Regierungs -Assessoren, führen. Diese
Regelung führt die Entlastung der Regierungs- und Bauräthe insbe-
j sondere von den minder wichtigen Geschäften herbei und ermöglicht
I dadurch die im Interesse der Staatsverwaltung besonders erwünschte
! eingehendere Bearbeitung ihrer Geschäfte sowie die Vornahme
häufigerer Dienstreisen usw.; die getroffene Aenderung gewährt
j zugleich den Bauinspectoren der Regierungen eine solche Stellung
j bei der Behörde, auf welche sie nach ihrem jetzigen Bildungs-
; gange einen berechtigten Anspruch haben. Die Mafsregel wird
I mithin dazu beitragen, auch bei diesen jüngeren Beamten den
Diensteifer und die Schaffensfreudigkeit zu heben und daneben der
Centralverwaltung diejenigen Beamten besonders kenntlich zu
machen, welche sich zur demnächstigen Beförderung zu Regierungs¬
und Bauräthen an erster Stelle eignen.
In der Preisbewerbung für ein Kaiser Wilhelm -Denkmal in
Köln (S. 7 u. 51 d. J.) ist die Entscheidung getroffen worden. Den
ersten Preis erhielt Bildhauer R. Anders in Berlin, den zweiten
Bildhauer W. Albermann in Köln; die drei dritten Preise wurden
den Bildhauern Bus eher - Düsseldorf, Kühn u. Dallinger-
München und einem Verfasser zu Theil, der sich bis jetzt noch nicht
genannt hat.
Die Feiet* der Yollenduug des Hauptthurmes vom LTmer
Münster wird, wie bereits bei Gelegenheit der Nachricht von der
Schlufssteinlegung auf S. 228 mitgetheilt wurde, in den Tagen vom
28. Juni bis 1. Juli d. J. stattfinden. Während die Werkleute die
letzte Hand an das gewaltige Bauwerk legen, ist die Stadt emsig
beschäftigt, sich zum Empfange der Festgäste bereit zu machen.
Dem vom Münsterfest-Ausschusse veröffentlichten Programme der
Festlichkeiten entnehmen wir, dafs am Sonnabend den 28. die Feier
durch einen Umzug der Schuljugend, durch Läuten aller Glocken,
Musik und Gesang der Bürgerschaft auf dem Münsterplatze einge¬
leitet werden soll. Daran wird sich eine Beleuchtung des
Münsters schliefsen. Der Sonntag soll die Veranstaltung eines
grofsen Festzuges bringen, der in farbenprächtigen Bildern die
Geschichte des Münsters, welche die der Stadt ist, von seinem
ersten Entstehen im vierzehnten Jahrhundert an bis auf unsere
Tage vor den Augen der Zuschauer entrollen wird. Abends findet
im Münster eine Aufführung des Mendelssohnschen Oratoriums
„Elias“ statt. Am Montag wird Festgottesdienst abgehalten,
und diesem folgt ein von K. Oesterlen gedichtetes geschicht¬
liches Festspiel, welches von Einwohnern Ulms in einem durch
den Münsterbaumeister Prof. Beyer auf dem Casernenplatze für
den Zweck errichteten Spielhause zur Darstellung gelangt. Darauf
Volksfest in der Friedriehsau. Aus den für Dienstag geplanten Ver¬
anstaltungen endlich sind ein Fischerstechen, das Festessen und
eine nochmalige Beleuchtung des Münsters hervorzuheben.
Während der Iiiteruatioiialeu Elektrischen Ausstellung in
Frankfurt a. M. 1891 (vgl. 1889 S. 473 sowie S. 120 u. 180 d. J.)
werden, wie man uns von dort mittheilt, mehrere Versammlungen in
Frankfurt tagen. So tritt daselbst der Congrefs der Elektro¬
techniker zusammen; der Magistrat wird die deutschen Städte¬
verwaltungen im Hinblick auf die Verwerthung des durch die
Ausstellung Gebotenen für gemeinnützige städtische Zwecke zu einer
Zusammenkunft einladen, und auch die Gas- und W^asserfach-
männer werden Frankfurt zu ihrem nächstjährigen Versammlungs¬
orte wählen.
Tou den zur Bildhauerbewerbung für das Kriegerdenkmal in
Indianapolis (vgl. S. 511 d. v. J.) eiugelaufenen 20 Entwürfen, von
denen 7 aus Deutschland, 2 aus Italien, die übrigen aus America
stammen, ertheilte die State -Commission nach Anhörung der Sach-
244
14. Juni 1890,
Centralblatt der
verständigen einem Entwurf von George Thomas Brewster aus
Cleveland (Ohio), einem Schüler der Academie des beanx arts in
Paris, einstimmig den ersten Preis. Ein Entwurf von Nicolaus
Geiger in Berlin stand mit zur engsten Wahl. Dem Sieger ist als
Preis programmgemäfs die Ausfülirung der etwa 38 Fufs (rund 11,6 m)
hohen „Liberty' übertragen worden.
Eine „Erste italienische Ausstellung für Architektur^^ wird in
diesem Jahre in Turin veranstaltet und am 21. September eröffnet
werden. Während auf derselben im allgemeinen nur italienische
Arbeiten (ältere Pläne usw., Wiederherstellungsarbeiten und neuere
Werke) zugelassen werden, soll sie doch für architektonische
Veröffentlichungen eine internationale Abtheilung erhalten, zu
deren Beschickung das Ausland soeben vom Ausstellungscomite ein¬
geladen wird.
Anlage eines Verschub- Bahnhofs in Chicago. Der Durch¬
gangsverkehr der Güterzüge in Chicago hat wegen der zahlreichen
Schienenkreuzungen mit den städtischen Strafsen und der hierdurch
hervorgerufeneu Belästigung und Gefährdung des Strafseuverkehrs
einerseits ■ — nacli den Engineering News werden im Laufe eines
Jahres an 175 Personen auf den LTebergängen getödtet — und wegen
der nothwendigen Ermäfsigung der Fahrgeschwindigkeit anderseits,
sowie wegen der voll¬
kommen unzuläng¬
lichen Ausdehnung
und unzweckmäfsigen
Anlage derVerschub-
geleise mit so bedeu¬
tenden Schwierigkei¬
ten zu kämpfen, dafs
die Anlage eines um¬
fangreichen Ver¬
schub -Bahnhofes in
Aussicht genommen
ist, in welchem Raum
für 160 000 Güter¬
wagen geschaffen
werden soll. Die ge¬
samte nutzbare Ge¬
leislänge ist hierbei mit Rücksicht auf den stetig zunehmenden Verkehr
zu 1600 km angenommen. Die Anlage wird im Anschlufs au zwei
vorhandene Verbindungsbahnen so hergestellt (vgl. Abb. 1), dafs die
Zufahrtgeleise ein Geviert von etwa 5 km Seitenlänge umschliefseu.
Aus den Geviertseiten zweigen nach der Mitte zu vier einzelne Ver-
schub-Bahnhöfe I bis IV ab, welche je aus fünf nebeneinander an¬
gelegten doppelten Verschubgruppen bestehen, die sämtlich auf eine
kreisförmige Ringbahn von etwa 1,5 km Durchmesser ausmünden. Die
allgemeine Anordnung eines solchen Verschub-Bahnhofes ist aus der
nachstehenden Abb. 2 ersichtlich, lieber den Betrieb der Bahn¬
höfe sind in der genannten Quelle genauere Mittheilungen nicht ge¬
macht. Es ist nur angeführt, dafs für jede der zwanzig an dem
Unternehmen betheiligten Eisenbahngesellschaften eine besondere
Verschubgruppe vorgesehen sei, welche von beiden Seiten benutzt
werden könne. Hiernach mufs angenommen werden, dafs die Ord¬
nung der Züge je nach den Umständen sowohl von dem Umfang
nach der Mitte des Bahnhofs als auch in umgekehrter Richtung er¬
folgen wird. Weiter ist angegeben, dafs die in den Ecken des
Geviertes verfügbar bleibenden Flächen zur Errichtung von
Warenhäusern, Werkstätten und sonstigen Anlagen benutzt
werden sollen. Km.
’ Bauverwaltnng.
Bücherscliaii.
Rall'aele Cattaueo, L’architettiira in Italia dal secolo YI al
nillle circa. Venedig, Ferd. Ongania. 1888. 4®.
Gaetano Laudriaiii, La Basilica Ainhrosiaiia fino alla sua tras-
forinaziouc in chiesa loinl»arda a volle. I resti della Basilica di
Fausta. Mailand, Ulrich Hoepli. 1889. Fol. Preis 28,80 Jt.
Die Frage nach der Kunstthätigkeit desjenigen Zeitraums, wel¬
cher etwa mit der Herrschaft der Longobarden in Italien oder der
Franken in Gallien beginnt und mit dem Erlöschen des karolingi¬
schen Hauses abschliefst, hat bisher kein kunstgeschichtliches Buch,
welches Gebiet der Künste es auch behandeln möge, erschöpfend
gelöst. ^ Diese mächtige, vom 6. bis zum 11. Jahrhundert reichende
Lücke ist, was die Baugeschichte Italiens angeht, nunmehr durch
das oben genannte Werk des leider inzwischen verstorbenen, durch
seine Studien über die S. Marcuskirche bekannten R. Cattaneo
in Venedig geschlossen worden. Freilich hatte neuerdings bereits
F. de Darteins grofses Werk über die lombardische Architektur
manches Licht auf jenen Zeitraum geworfen, doch mufsten seine
Forschungen gerade in sehr wichtigen Punkten Bedenken erregen;
die Arbeit von 0. Mothes über die Baukunst des Mittelalters in
Italien aber mufs wegen der beständigen Unzuverlässigkeit des
Textes wie der Zeichnungen, ganz besonders was den erwähnten
Zeitraum betrifft, überhaupt aufser acht gelassen werden.
Von Werken der ornamentalen Bildhauerei ist zwar in allen Theilen
des Landes eine keineswegs geringe Zahl von Altären, Kanzeln und
Schranken aus jener Zeit auf uns gekommen, und der Betrachtung der¬
selben möchte Cattaneo wohl einen zu breiten Raum gewidmet haben;
vollständige Gebäude sind uns aber nur sehr selten erhalten geblieben.
Die Gestalt der Kirchen ist zumeist die dreischiffige, flach gedeckte
Säulenbasilika ohne Querhaus, und zu den bisher bekannten Bei¬
spielen dieser Art, wie S. Maria in Cosmedin in Rom oder dem Dome
auf Torcello bei Venedig, tritt die sehr bemerkenswerthe, vor mehreren
Jahren wieder entdeckte Kirche S. Vincenzo in Prato in Mailand*),
Sodann haben die gelegentlich der Wiederherstellung ausgeführten
Untersuchungen der S. Ambrosius-Kirche in Mailand ergeben, dafs
auch dieses Bauwerk die eben beschriebene Gestalt zeigte, bevor es
in einen vollständigen Gewölbebau umgewandelt ward. Wenn nun
auch die Vorgefundenen Reste des älteren Langhauses von S. Ambrogio
noch in das 4. Jahrhundert zurückreichen mögen, so waren dieselben
doch so ausgiebig, dafs sich die ältere Gestalt der Kirche mit hin¬
reichender Sicherheit wieder ermitteln läfst. Es ist daher freudig zu
begrüfsen, dafs G. Landriani, unter dessen Leitung die Bauarbeiten
der Kirche kürzlich vollendet wurden, über seine Untersuchungen in
dem oben an zweiter Stelle genannten Werke berichtet hat. Be¬
kanntlich hatte de Dartein — nach dem Vorgänge Clericettis in
Mailand — die Entstehung des heutigen Baues von S. Ambrogio in
das 8. und 9. Jahrhundert hinaufgerückt und damit für die Erfindung'
des Gewölbebaues auf gegliederten Pfeilern ein gleich hohes Alten
innerhalb der Lombardei beansprucht. Der Bau des Vorhofs sollte!
auf Grund der in der Kirche noch befindlichen Grabschrift des;
Bischofs Anspertus (869 — 881) unter diesem erfolgt sein, nachdeml
Langhaus und Chor, wie der bauliche Zustand bekundet, bereits'
fertiggestellt waren. Die Ansicht de Darteins hatte seither die ge¬
samte Litteratur beherrscht; auch Landriani hält an ihr fest, und,
de Dartein selber hat seine Behauptung nochmals gegen die Zweifel;
Ramees in einer besonderen Schrift vertheidigt**). ‘
Nichtsdestoweniger ist es fraglich, ob sie der Wahrheit entspricht,!
Die einzige urkundliche Grundlage für die Schlüsse de Darteins liefert
die erwähnte Grabschrift, welche aber des Nachweises entbehrt, dafs
sie sich wirklich auf den bestehenden Vorhof bezieht. Man mufsl
vielmehr Cattaneo beipflichten, wenn er nur den Bau der drei Chör(|
in den von ihm betrachteten Zeitraum verlegt, etwa gleichzeitig mi1
der Stiftung des — im Oberbau erneuerten — Ciborienaltars (835)
im übrigen jedoch für Langhaus und Vorhof eine Entstehung währenc
des 11. und 12. Jahrhunderts annimmt, aus welcher Zeit uns in dei
That gröfsere bauliche Arbeiten an der Kirche überliefert sind. Ohntj
der Lombardei den Vorrang des Alters zu nehmen, läfst sich nunl
mehr die weitere Kette von Gewölbebauten sowohl jenseit wie diesj
seit der Alpen ohne Mühe wieder anreihen. Hatte man somit den
Langbauten ein zu hohes Alter beigemessen, so gilt auch ein gleiche;
für die in Oberitalien zahlreich vorhandenen Centralbauten. Jeden!
falls kann, wie Cattaneo mittheilt, der merkwürdige Rundbau iij
Brescia nach einer Inschrift, welche bei den kürzlich stattgehabteiji
Wiederherstellungsarbeiten in einem der Kuppelpfeiler gefunden wurdfj
höchstens bis in das 10. Jahrhundert zurückverlegt werden; wahr
scheinlich ist er aber noch jünger. Julius Kohte.
*) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1887, S. 104.
**) Reponse aux observations presentees par M. A. Ram4e su|
l’Eglise de S. Ambroise ä Milan. Paris 1883. 8 ®.
Verlag von Ernst & Korn (tVillielm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtliclien Tlieiles venantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s kes , Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT: Studium der Naturformen. — Stalilgeinisclie durch Zu.'satz von Metallen. — V e rm 1 s eilte s: Erhöhung der Gehälter der Reichs-Bauheamten. — Befestigung der
Schienen auf eisernen Brückenträgern.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Das Studium der Naturformeii.
In einer Zeit, wo es keine Akademieen gab, wie während des
ganzen Mittelalters, wo man sich also „so behelfen“ mufste, sind
doch, wie z. B. durch die Bauhütten von Strafsburg und Köln,
von Wien und Zürich, auch Werke geschaffen worden, die sich sehen
lassen können, und Arbeiter ausgebildet worden, die nach überallhin,
weil als tüchtig bekannt, verlangt wurden. Der angehende Bau¬
meister von damals machte als Lehrling zünftig seine Zeit bis zum
Gesellen durch und mufste sich in weiteren zwei Jahren alle jene
Kegeln, Handgriffe und Kunstvortheile aneignen, die ihn befähigen
konnten, einen Bau selbständig zu leiten. Auf der Wanderschaft
von Stadt zu Stadt lernte er dann an den Bauten selbst und suchte
sich unter der Leitung tüchtiger Meister weiter zu vervollkommnen
dort, wo er an gröfseren Werken ein Unterkommen und Gefallen
fand. Er lernte praktisch und nicht auf dem heut gewöhnlich nur
allein eingeschlagenen akademischen Studienwege. Und wenn irgendwo
behauptet worden ist, dafs mit dem Wiederbeginn der Wirksamkeit
der Akademieen, deren
erste wieder 1660 von
Colbert in Paris ins Le¬
ben gerufen ward, auch
gleichzeitig die Kunst
sank, so mag das wohl
kühn aussehen, aber ein
Quentchen von Wahr¬
heit steckt doch auch da¬
hinter. Die Erwerbung
praktischer Fähigkeit
wenigstens in einem der
mafsgebenden Hand¬
werke wird heut leider
nicht mehr als nothwen-
dig erachtet, trotzdem
der Nutzen auf der Hand
liegt. Die rein theore¬
tische Ausbildung hat
die Oberhand gewonnen
und das Bischen Praxis
lernt man ja später auf
dem Bau spielend von
selbst. Auch so gründ¬
lich , wie wünschens-
werth?
In Italien war da¬
mals das Arbeiten bei
einem Goldschmied der
praktische Bildungsgang, den z. B. Künstler ersten Ranges, wie ein
Orcagna, ein Donatello, Brunellesco, Ghiberti, Pollajuolo, Verrocchio
u. a. m. durchmachten. Und die berühmte, unter dem Namen der
da San Gallo bekannte Florentiner Architektenfamilie hat uns, ob¬
gleich sie ihre künstlerische Erziehung nur in der Werkstatt eines
„legnaiolo“ genossen und auf keiner Akademie, in Rom und in anderen
italienischen Städten doch auch Werke hinterlassen, die wir noch
immer als Vorbilder studiren.
Man lernte also da wie dort vom Handwerk aus, und so ist
das Handwerk denn auch immer, wie der Abgeordnete v. Meyer in
der Sitzung des preufsischen Abgeordnetenhauses vom 24. März d. J.,
auf die wir noch weiter zurückkommen, heranzog, „der eigentliche
Urboden auch für die Entwicklung der höheren Kunst gewesen und
wird es immer bleiben“. Schon unser Altmeister Semper klagte in
seinem Londoner Vortrage (1854) über das Verhältnifs der decorativen
Künste zur Architektur darüber, dafs letztere heut ohne Originalität
sei und ihren Vorrang vor den anderen Künsten verloren habe: „Sie
wird nur dann wieder aufleben, wenn durch moderne Architekten
dem gegenwärtigen Zustand unserer Kunstindustrie mehr Aufmerk¬
samkeit geschenkt werden wird. Der Impuls zu einer so glücklichen
Aenderung wird wiederum vom Kunsthandwerk ausgehen.“ Wir
hätten also auf unseren Akademieen oder Architekturscbulen, die nun
einmal heut den Bildungsgang beherrschen, nach mancher Richtung
hin in andere Bahnen zu lenken. Vielleicht ist nach der ersten, der
Aneignung mehr praktischer Fähigkeit, hin schon der bessere Weg
bei uns durch die Einführung von sog. Meister -Ateliers betreten
worden, wo der Studirende, durch den Lehrer oder Meister auch zu
dessen Arbeiten für die Ausführung herangezogen, doch mehr als sonst
mit der Praxis in Berührung kommt und Gelegenheit findet, sich darin
Erfahrungen zu sammeln — ein in Paris (Ecole des Beaux-Arts)
schon lange bevorzugtes System des Unterrichts, auf das Semper in
seinem Unterrichtsplan (1853) auch schon mit den Worten hin wies.
dafs „Institute, in denen praktische Kunst oder Kunst überhaupt
gelehrt werden soll, ihrem Zwecke dann am besten entsprechen, wenn
sie mehr nach dem Muster von Ateliers als von Schulen einge¬
richtet sind“.
Nach der andern Richtung hin sollte der Unterricht an besagten
Anstalten an der Hand der Gesetze der Schönheit und des Stils
danach ausgehen, der Baukunst in ihrer Formensprache, der Orna-
mentation, mehr und mehr neue Ivebenselemente zuzuführen, die
durch das bis dahin geübte Anlehnen an frühere Stilformen schwer zu
gewinnen sind, und sollte so wieder wohlthätig befruchtend und neu
belebend auf die Kleinkunst einzuwirken suchen. Und was für
die Architekturschulen gilt, das werden nach dieser Richtung hin
unsere Kunstgewerbeschulen und alle ähnlichen Unterrichtsanstalten
ebenso nöthig haben. Wohl mufs zugegeben werden, dafs auch
darin seit Jahren anerkennenswerthe Fortschritte gemacht worden
sind, indem man, wie z. B. an der technischen Hochschule in
Berlin, zur Belebung
des Ornamentes Studien
an lebenden Pflanzen
machen läfst; doch sind
dies „Einzelbestrebun¬
gen, deren guter Wille
nicht zur Wirkung kom¬
men kann, solange er
nicht durch unseren gan¬
zen Unterrichtsgang,
durch die nöthigen Lehr¬
mittel und Schuleinrich¬
tungen unterstützt wird“.
Eine Rückkehr zu
einem sachgemäfsen
Studium der Natur
und ihrer formen-
reichen Gebilde, ein e
Rückkehr zu mehr
Selbständigkeit des
Denkens, das ist der
Weg, den wir gehen sol¬
len, und zugleich der
einzige, der zum Ziele
führt.
Eine sehr bemerkens-
werthe Anregung in die¬
ser Frage giebt die
vor kurzem erschienene
Schrift Prof. M. Meurers über „das Studium der Naturformen
an kunstgewerblichen Schulen“*), und wir freuen uns, dafs
dieselbe nicht nur bereits im Abgeordnetenhause und seitens des
Herrn Cultusministers Beachtung gefunden, sondern sich in den
weitesten Kreisen schnell die ja nur zu selbstverständlichen An¬
hänger verschafft hat.
Nur zu wenig Gefühl haben die schaffenden Künstler von heut,
seitdem der Zopf inzwischen wieder ans Ruder gekommen, für die
nothwendlge organische Entwicklung des Ornaments, und unsere
Kunstgewerbeschulen betonen den Anschauungsunterricht eben nur
zu wenig. Da thut es wohl noth, diesen sicheren Uebelständen ein¬
mal nachdrücklicher zu Leibe zu rücken, sich auf eigene Füfse zu
stellen und nicht blofs die ausreichende befruchtende Einwirkung
vom Pflanzenornament der Japaner zu erwarten, „einen Raubbau auf
ihrem Acker“ zu betreiben. Sind, wie der Herr Cultusminister in
der zuvor angezogenen Sitzung des Hauses der Abgeordneten in der
durch den Abgeordneten Goldschmidt angeregten Berathung über
unsern Gegenstand selbst sagt, die Japaner in der Beobachtung der
einzelnen Theile der Pflanze uns überlegen, so ist es doch unsere
Aufgabe, diese Ueberlegenheit abzuschütteln, aber nicht ewig nur
die Umbildungen zu studiren, sondern die die Kunstform erst be¬
lebenden Naturformen zum Gegenstände des Studiums zu machen. —
In klarster Weise entwickelt Meurer in seiner Schrift, wie das blofse
eklektische Schaffen nicht Vorhalten kann: „Einer blofsen Nach¬
ahmung folgt nur zu bald die Ueb er Sättigung, da dem Künstler dabei
das eigentliche Gefühl des rechtmäfsig durch eigene Arbeit und
eigenes Denken Erworbenen und somit eine Art von sittlichem Selbst-
bewufstsein fehlt, welches allein geeignet ist, einen durch Mühe er-
*) Das Studium der Naturformen an kunstgewerblichen Schulen.
Vorschläge zur Einführung eines vergleichenden L^^nterrichts von
M. Meurer. Berlin 1889. E. Wasmuth. 44 Seiten in 8”. Preis 1 J(.
Lageplan.
Nationaldenkmal für Kaiser Willielm I. in Berlin.
(Zu der Mittheilung auf S. 242 der vorigen Nummer.)
246
Centralblatt der Bauverwaltung.
18. Juni 1890.
worbenen Besitz mit Ueberzeugung festzubalteii. Das Studium der
Natur bedingt hingegen eine beständige Selbstthiitigkeit und die
Nothwendigkeit geistigen Erwerbes, da es nicht die unniittelliare
Verwendung der Formen gestattet, sondern zu Umbildungen nach
stilistischen und technischen Bedingungen des Kunstwerkes, also zu
selbstschaffender Arbeit zwingt. Ein so erreichtes künstlerisches
Product gewährt dauernde Zufriedenheit; die Selbsttäuschung eines
nur nachempfindenden Schaffens, wie es unserer Zeit nur zu sehr
eigen ist, erweist sich dem schlechten Gewissen gegenüber nicht als
beständig.“ Meurer zieht heran, wie das im Schmucke sich bethäti-
gende Kunstgefühl schon in den ersten Anfängen stets seine An¬
regung in dem unermefslichen Schatze der Naturbildungen suchte
und fand, und sagt nur zu richtig, dafs es mit der blofsen Vorlagen-
Stallfütterung von heut nicht allein geht, es müfste auch die Brüste¬
nahrung der Natur wieder in ihr Recht treten: ,Jn den Schulen mufs
dem Kunsthandwerker das erste gute Beispiel gegeben, der Sinn für
Naturbetrachtung geweckt und ausgebildet, und damit einem heran-
w'aehsenden Geschlecht das Mittel zur Formergänzung in die Hand
gelegt werden.“ Aber mit diesem reinen Anschauungsunterricht und
dem Erkennen der in den ja tausendfältig wechselnden Formen der
Natur liegenden Gesetzmäfsigkeit und Schönheit sei es nicht ab-
gethan, sondern die Methode des Unterrichts müsse sich von vorn¬
herein auf ein gemeinschaftliches Studium und eine ver¬
gleichende Betrachtung von Kunst- und Natur formen
gründen. Die Schrift vreist in überzeugender Weise auf die Mittel
hin, durch welche dies Ziel erreichbar wäre: unmittelbares Studium
der Naturformen mit begleitender botanischer und zoologischer Unter¬
weisung — vergleichende Betrachtung der Natur- und Kunstformen
und damit verbundene Stillehrc — Anlegung von Sammlungen leben¬
der und nachgebildeter Naturformen sowie mustergültiger Kunst¬
formen, welche aus Naturformen abgeleitet sind — Herausgabe
von Ijehrwerken, vergleichenden Tafeln und graphischem Unterrichts¬
material.
Es ist ein Genufs, sich in die Lecture der überall geistreichen
und durchweg reiche Anregung gebenden Schrift weiter zu vertiefen
und den Vorschlägen zu folgen, die hier in durchaus praktischer Art
gemacht werden und zugleich die Möglichkeit nachweisen, wie die
Einführung der gewollten Studien sich auch in den Rahmen der
schon vorhandenen Klassen einpassen läfst, ohne in den meisten
Fällen den Stundenplan erheblich zu erweitern. Wir empfehlen das
Lesen dieser gesunden Vorschläge zur Einführung eines vergleichen¬
den Unterrichts, zu einer rationellen Wiederaufnahme des Natur¬
studiums zum Zwecke der Erkenntnifs und Belebung der künst¬
lerischen Formensprache allen Berufenen und allen, die Interesse für
die Heilung der beregten Schäden und für die Förderung einer
wieder gesunden und frischen Entwicklung unseres Kunstgewerbes,
der decorativen Künste, der Baukunst haben, aufs wärmste und
wünschen vor allem, dafs sich diese Vorschläge nicht blofs die theo¬
retische Beachtung und die in der erwähnten Sitzung des Hauses der
Abgeordneten ausgesprochenen Hoffnungen des Herrn Cultusministers
allein verdient haben möchten, sondern die in allen der Frage näher-
stehenden Kreisen längst ersehnte und nur zum Segen unseres deut¬
schen Kunstgewerbes gereichende praktische Verwirklichung
Dann werden die Früchte dieser nicht genug anzuerkennenden und
gerade zu rechter Zeit kommenden Anregung auch nicht ausbleiben.
Rom, im .Tiuii 1890. Friedrich Otto Schulze.
lieber Stahlgeniisclie durch Zusatz von Metallen.
Von C. Weyrich, Baumeister der Bau-Deputation in Hamburg.
Festigkeit und Zähigkeit sind die Eigenschaften, welche die
Güte des Eisens bedingen. Ihre Vermehrung ist das unablässige
Bemühen der Eisenhüttenleute. Durch möglichste Beseitigung der
gewöhnlich mit dem Eisen verbundenen Metalloide, Kohlenstoff,
Phosphor, Schwefel, Silicium, gelingt es wohl die Zähigkeit zu ver-
gröfsern, gleichzeitig schwindet aber die Festigkeit, sodafs chemisch
reines Eisen wohl sehr zähe aber wenig fest sein würde. Man hat
daher in neuester Zeit versucht, das Eisen durch Beimengung von
anderen Metallen zu verbessern, in der Hoffnung, gleichzeitig so¬
wohl eine gröfsere Festigkeit wie auch vermehrte Zähigkeit zu er¬
langen. Dies ist denn auch gelungen, und besonders die Versuche
mit Zumischung von Mangan, Nickel, Chrom und Kupfer haben zu
beachtenswerthen Ergebnissen geführt, über die im nachstehenden
einige Mittheilungen gemacht werden mögen. Es mufs jedoch im
vorhinein bemerkt werden, dafs die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse
noch sehr unvollständig sind, weil das zu durchforschende Gebiet
ein zu umfangreiches ist. Da die gewöhnlichen Beimengungen Kohlen¬
stoff, Phosphor, Silicium, Schwefel nicht gänzlich aus den Metall¬
mischungen zu entfernen sind, so werden die Prüfungen ziemlich
v^erwickelt, denn man ['mufs, um die Wirkung des fremden Metalles
richtig beurtheilen zu können, die Untersuchungen so durchführen,
dafs man einmal die Metalloide unverändert hält und den Zusatz an
fremdem jMetall wechselt, und das andere Mal die metalloidischen
Beimengungen ändert bei gleichbleibendem Zusatz au Metall.
Sodanir ist die voraufgegangene Bearbeitung des zu prüfenden
Metalls nicht nebensächlich. Dieselbe sollte für die zu vergleichen¬
den Versuche stets in derselben Weise erfolgen. Diese Andeutungen
dürften genügen, den grofsen Umfang der durchzuführenden Unter¬
suchungen hervorzuheben, wobei zu bemerken ist, dafs dieselben
gegenwärtig noch nicht so weit gediehen sind, um auch nur ein
einigermafsen abschliefsendes Urtheil abgeben zu können. Immerhin
dürfte es von Nutzen sein, sich über die vorliegenden Ergebnisse zu
unterrichten.
Ueber Versuche mit Manganstahl sind bereits Mittheilungen
in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1889, S. 131, gemacht worden, auf die
daher Bezug genommen werden möge. Ueber andere Gemische ist
das folgende zu berichten.
1. Rer Niekelstalil.
Der Nickelstahl ist seit langer Zeit Ijekannt. Da jedoch in den
älteren Mischungen viel Kupfer, Kobalt und auch Schwefel und
Arsen enthalten waren, so konnte das Gemisch kein brauchbares
Metall ergeben. Erst in neuerer Zeit hat mau jene schädlichen Bei¬
mengungen entfernt und ist denn auch zu günstigeren Ergebnissen
gelangt.
Der Nickelstahl kann in jedem Mischlings verhältnifs mit Sicher¬
heit hergestellt werden, es läfst sich daher stets ein Metall mit vor¬
auszubestimmenden Eigenschaften erlangen. Es können hierbei alle
Darstelluugsverfahren angewandt werden, welche zur Erzeugung von
Stahl dienen, ebenso wie auch alle sonstigen Einrichtungen und
Werkzeuge benutzbar sind. Die Herstellung des Metalls erfordert
nicht mehr als die übliche Sorgfalt. Wenn die Schmelzung richtig
behandelt wird, geht von dem gesamten Nickelgehalt fast nichts ver¬
loren, nur äufserst geringe Mengen treten in die Schlacke über. Es
besteht in dieser Plinsicht daher ein grofser Unterschied zu andern
Stahlarten, z. B. zum Chromstahl. Der Nickelstahl ist dünnflüssiger
als Kohlenstahl, er verdichtet sich schnell und wird vollständig
gleichmäfsig. Die Gufsblöcke haben ein sauberes Aussehen, nur die
nickelreicheren sind rauher auf der Oberfläche als gewöhnliche Stahl¬
blöcke. Die Nickelblöcke neigen wenig zur Saigerung, es bestehen
daher die hierdurch bedingten Gefahren nur in geringem Mafse.
Nickelstahlabfälle können ohne Verlust von Nickel wieder einge¬
schmolzen werden. Es ist dies ein Umstand von Bedeutung in Hin¬
blick auf den hohen Preis — etwa 5 .Jf/kg — des Nickels.
Die erkalteten Blöcke lassen sich ohne Schwierigkeit wieder er¬
wärmen für die weitere Bearbeitung, sie ertragen eine Hitze, welche
ihrem Kohlenstoffzusatz entspricht. Eine Ausnahme machen die
Mischungen, welche mehr als 25 pCt. Nickel enthalten. Ihre Er¬
wärmung ist etwas niedriger zu halten und die Bearbeitung mufs
mit mehr Vorsicht geschehen. Wenn der Nickelstahl mit Sorgfalt
hergestellt wird und eine angemessene Zusammensetzung hat, läfst
er sich gut unter dem Hammer und in der Walze verarbeiten.
Namentlich bezieht sich dies auf Stahl mit nicht mehr als 5 pCt.
Nickelbeimengung. Ueber diesen Gehalt hinaus wird die Bearbeitung
etwas schwieriger. Die nickelärmeren Stahlsorten lassen sich gut
stanzen, die Löcher können dicht neben einander durchgedrückt
werden, ohne dafs die Lochränder reifsen. Der 1 pCt. Nickelstahl
schweifst gut, die Beimengung darf aber nicht wesentlich höher sein.
Alle Arten Nickelstahl bis zu 50 pCt. Zusatz nehmen gut Glätte an
bei sauberem Aussehen. Die Farbe der nickelärmeren Mischungen
ist dunkel, sie wird heller mit wachsendem Nickelgehalt. Nickelstahl '
rostet sehr wenig und bei höherem Nickelgehalt gar nicht. Das
Eigengewicht des Nickels beträgt 8,66. Nickelstahl mit 25 pCt. Bei¬
mengung hat ein Eigengewicht von 8,080, solcher mit 10 pCt. 7,866
und endlich solcher mit 5 pCt. 7,846, während gehämmerter Kohlen¬
stahl durchnittlich ein Eigengewicht von 7,840 hat.
Die Güteeigenschaften des Nickelstahls sind aus nachstehender
Zusammenstellung zu entnehmen. In betreff der einzelnen Ergeb¬
nisse ist folgendes zu bemerken.
1. Der Kohlenstoffgehalt beim Versuchsstab 6, welcher 4,7 pCt.
Nickelzusatz enthält, ist so niedrig — 0,22 pCt. • — wie bei gewöhn¬
lichem weichen Stahl, der im ausgeglühten Zustande etwa 26 kg
Elasticitätsgrenze, 48 kg Bruchfestigkeit, 25 pCt. Dehnung auf 200 mm
Versuchslänge und 50 pCt. Einschnürung hat. Es bewirkte also, ^
wie ein Vergleich mit der Zusammenstellung ergiebt, der Zusatz von i
4,7 pCt. Nickel eine Hebung der Elasticitätsgrenze von 26 auf 45 kg
Centralblatt der Bauverwaltnng.
Rr. 24 b
247
I und der Bruchfestigkeit von 48 auf 65 kg, ohne dafs die Dehnung I
I und Einschnürung des Metalls wesentlich beeinträchtigt wurde.
Durch Versuch 3 sind ähnliche Verhältnisse fcstgestellt. Hier sind
j 3 pCt. Nickel einem Kohlenstahl von 0,35 pCt. Kohlenstoff bei-
; gemengt.
er sich gut bewährt hat, so ist er auch auf anderen Gebieten der
Technik und mit Nutzen eingeführt worden. Zur Zeit wird der
Chromstahl hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, Schweden und
Frankreich hergestellt; in Schweden betrug die 1886 erzeugte Menge
32 500 t Stahlblöcke. Der Preis ist indessen immer noch ein der-
Zusammenstellung der Prüfungsergebnisse mit Nickelstahl.
Chem. Zusammensetzung
Gewalzt
Gewalzt und ausgeglüht
Num¬
mer
Ni
C
Mn
Elast.
Grenze
Bruch -
Grenze
Dehnung auf
200 ! 100
mm
Ein¬
schnü¬
rung
Elast.
Grenze
Bruch-
Grenze
Dehnung auf
200 100
mm
Ein¬
schnü¬
rung
pCt.
pCt.
pCt.
kg
kg
pCt.
pCt.
pCt.
kg
kg
pCt.
pCt.
pCt.
1
1,0
0,42
0,58 '
51,4
92,2
11,0
24,0
48,2
88,2
—
18,7
45,0
2
2,0
0,90
0,50
Zu hart, um bearbeitet werden
zu können.
3
3,0
0,35
0,57
50,2
81,6
_
20,3
37,0
44,8
77,6
—
20,3
42,0
4
3,0
0,60
0,26
47,0
82,4
9,0
10,1
9,0
48,5
68,6
7,5
9,0
12,0
5
4,0
0,85
0,50
Zu hart, um bearbeitet werden
zu können.
6
4,7
0,27
0,23
40,2
64,8
17,7
23,4
42,0
44,8
65,0
20,0
25,0
44,8
7
5.0
0,30
0,30
48,0
74,2
10,0
12,5
22,5
1 44,8
68,2
15,0
17,5
18,5
8
5,0
0,50
0,34
49,8
83,2
14,0
15,6
14,0
1 52,0
74,9
13,5
14,0
17,0
9
10,0
0,50
0,50
Zu hart, um bearbeitet werden
zu können.
10
25,0
0,27
0,85
61,1
82,2
10,5
11,7
—
20,3
i 73,3
29,0
30,0
28,6
11
25,0
0,82
0,52
35,2
76,2
43,5
47,6
60,0
24,2
40,0
45,3
43,6
12
49,4
0,35
0,57
32,8
59,8
12,0
24,0
33,6
59,2
—
20,0
29,0
2. Das Metall der Prüfungsstäbe 2 und 5 war von aufsergewöhn-
licher Härte, theils infolge des hohen Kohlenstoffgehaltes, theils aber
auch durch den grofsen Zusatz an Nickel. Im Stabe 9 ist der
Kohlenstoffgehalt zwar erheblich niedriger, anderseits aber der
Nickelgehalt bis auf 10 pCt. erhöht und daher wieder eine grofse
; Härte des Metalls vorhanden. Diese aufsergewöhnliche Härte be-
i steht fort, solange der Nickelgehalt wächst und zwar bis etwa
20 pCt. Dann greift ein Wechsel Platz und weitere Vermehrung
j des Nickels bewirkt, dafs der Stahl weicher und schmiedbarer wird.
Es findet eine Aufhebung des Einflusses des Kohlenstoffs statt, wie
i aus Versuch 11 ersichtlich ist, zu welchem ein Metall von 25 pCt.
Nickel und 0,82 pCt. Kohlenstoff-Gehalt benutzt wurde. Hinsichtlich
der Härte ist der Nickelstahl dem Manganstahl ähnlich (siehe Nr. 14
I des vorigen Jahrganges.)
; 3. Der Stahl mit 25 pCt. Nickel hat einige bemerkenswerthe
Eigenschaften. Ungeglüht hat das Metall eine hohe Bruchfestigkeit
I und entsprechende Elasticitätsgrenze, dagegen bleibt im ausgeglühten
Zustande die Bruchfestigkeit zwar günstig, die Elasticitätsgrenze
sinkt jedoch auf Vs der Bruchfestigkeit herab. In beiden Fällen ist
die Dehnung aufserordentlich grofs, 40 pCt. auf 200 mm Länge. So¬
dann ist zu erwähnen, dafs die Dehnung sich nahezu gleichförmig
über die ganze Länge des Versuchsstabes erstreckte, infolge dessen
die Einschnürung eine sehr geringe war (vergleiche Versuche 10 u. 11).
Die Anwendung des Stahls mit 25 pCt. Nickel ist dann zu em¬
pfehlen, wenn das Metall dem Rosten stark ausgesetzt sein würde,
da dasselbe hierzu nicht die geringste Neigung hat. Besonders vor-
theilhaft stellt sich die Anwendung dann, wenn der Bedarf verhältnifs-
mäfsig gering ist, z. B. bei kleinen Dampfkesseln, Schiffshäuten von
Torpedobooten usw., für welche Zwecke Leichtigkeit und Stärke
sowie Sicherheit gegen Rostbildung von höchster Bedeutung sind.
Aus der Betrachtung der Zusammenstellung geht ganz allgemein
hervor, dafs die Güte des Nickelstahls nicht abhängig ist von der
Höhe des Nickelzusatzes, denn Versuchsstab 1 liefert bei nur 1 pCt.
Nickelgehalt die besten Ergebnisse hinsichtlich der Bruchfestigkeit.
Die günstigen Eigenschaften des Nickelstahls lassen ihn zu
mehrfacher Verwendung brauchbar erscheinen. In den Mischungs¬
verhältnissen von 25 und 5 pCt. Nickelgehalt eignet sich der Stoff
vorwiegend zur Verarbeitung zu Blechen, deren Benutzung sich be¬
sonders dann empfiehlt, wenn die erforderlichen Mengen nicht zu
grofs sind, da die gröfsere Beimengung an Nickel das Metall erheb¬
lich vertheuert. Ein geringerer Zusatz als 5 pCt. macht den Stoff
vorzugsweise dann geeignet, wenn eine sehr hohe Festigkeit verlangt
wird, z. B. für Feuerwaffen.
Es ist wohl möglich, wenn man erst die beste Art der Her¬
stellung des Nickelstahls ausfindig gemacht hat und Mittel besitzt,
die Härte des Metalls zu überwinden, um die Bearbeitung zu erleich¬
tern, dafs dann der Kreis von Gebrauchszwecken sich vielleicht
bedeutend erweitert, zumal wenn es noch gelingt, die Eigenschaften
des Stoffs durch Härten und Anlassen zu verbessern.
2. Der Chromstahl.
Der Chromstahl dürfte besonders durch seine Verwendung zu
americanischen Eisenbahnbrücken bekannter geworden sein und da
artiger, dafs da, wo es sich um grofse Mengen handelt, kaum eine
Verwendung möglich erscheint. Man wird Chromstahl daher zunächst
wohl nur für besondere Zwecke, für welche der Preis weniger ins
Gewicht fällt, zur Anwendung bringen.
Der Chromstahl läfst sich in allen Verfahren, welche zur Dar¬
stellung von Kohlenstahl dienen, herstellen. Bei Erzeugung der
härteren Sorten empfiehlt es sich, einen geringen Zusatz von Silicium
zu machen, um die Bildung von Blasen zu hindern. Der Phosphor¬
gehalt mufs sehr niedrig gehalten werden und darf 0,3 pCt. nicht
überschreiten. Da die Wärme des harten flüssigen Chromstahls eine
sehr hohe sein mufs, so ist es erwünscht, denselben steigend zu
giefsen, damit durch den Gufsstrahl nicht Roheisen aus der Gufs-
wandung abgeschmolzen wird. Die Gufsblöcke sollen höchstens
125 mm Seite haben, um eine möglichst gleichmäfsige Erkaltung zu
erzielen. Der Kohlenstoffgehalt darf gewöhnlich 1 pCt. nicht über¬
schreiten und ist im Chromstahl stets etwas geringer zu halten als
in dem entsprechenden Kohlenstahl.
Chromstahl ist sehr zähe und besitzt daneben eine grofse Festig¬
keit und hohe Elasticitätsgrenze, sodafs er in sich die Haujffeigen-
schaften eines guten Stahls vereinigt. Die Prüfung eines Chrom¬
stahls, welcher 0,75 pCt. Chrom und 0,45 pCt. Kohlenstoff enthielt,
ergab, bei Oelhärtung, eine Festigkeit von 87,2 kg/qmm, eine
Elasticitätsgrenze von 38,3 kg und eine Dehnung von 10 pCt., also
ein sehr hartes, verhältnifsmäfsig zähes Metall.
Chromstahl läfst sich kalt gut biegen, wenn dies langsam
erfolgt. Gegen Stofs und Schlag ist er empfindlicher als gegen eine
allmählich in Wirkung tretende Beanspruchung. Chrom allein macht
Stahl nicht härtbar; in Verbindung mit Kohlenstoff dem Eisen zu¬
gesetzt, ergiebt derselbe aber einen besonders gut härtbaren Stahl,
dessen Härte bedeutender ist, als die des entsprechenden reinen
Kohlenstahls. Chromstahl zeigt ungehärtet gebrochen einen sehnigen
Bruch, im übrigen feines Korn.
Chromstahl von 1,5 pCt. Chromzusatz ist gut schmiedbar und
besitzt grofse Festigkeit und Härte. Eine Beimengung von 2,5 bis
4 pCt. Chrom macht ihn so hart, dafs er mit Kohlen- Werkzeugstahl
nicht mehr bearbeitet werden kann.
Man benutzt den Chromstahl mit Vortheil zu Werkzeugen aller
Art, besonders in solchem Mischungs-Verhältnifs, welches 1 bis
Vji pCt. Chrom enthält. Sodann wird derselbe gegenwärtig vielfach
zu militärischen Zwecken in England und Frankreich verwandt,
hauptsächlich zur Herstellung von Geschossen. Die Acieries et forges
d'Unieux in Frankreich fertigen solche an, und auf der vorigjährigen
Pariser Ausstellung waren sie in verschiedenen Gröfsen ausgestellt.
Die Gesellschaft zeigte von jeder Nummer zwei Stücke, von denen
immer das eine unbenutzt, das andere bereits verwandt war, und zwar
zur Durchbohrung einer Stahlplatte, deren Stärke etwa der Geschofs-
dicke gleich kam. Trotz dieser gewaltigen Beanspruchung war doch
kaum ein Unterschied zwischen benutzten und unbenutzten Geschossen
zu erkennen. Z. B. hatte ein Geschofs, welches 270 mm stark war,
eine Stahlplatte — geliefert vom Creusot — von 250 mm durch¬
schlagen und dann noch eine Flugbahn von 750 m gehabt. Das
Geschofs blieb vollkommen unverletzt, nur die Länge hatte um 2 mm
248
CentraJblatt der Bauverwaltaug.
18. Juni 18Ü0.
abgeuonimen und die Dicke um 0,6 mm gewonnen, während in der
Achsenrichtuug eine Verdrehung von 2 mm entstanden war! Gewifs
ein schlagender Beweis für die Güte des verwandten Chromstahls!
3. Der Kiipferstahl.
Neuerdings hat man auch durch Beimengung von Kupfer die
Eigenschaften des Stahls zu liehen versucht.
Im allgemeinen bewirkt die Beimischung des Kupfers, dafs das
iMetall bedeutend an Härte gewinnt. V^enn der Kupferzusatz nicht
zu grofs ist, läfst sich das Metall sowohl kalt wie warm gut be¬
arbeiten. Bei vermehrtem Zusatz jedoch — über 4 pCt. — wird der
Stotf im warmen Zustande brüchig. Annähernd kohlenstofffreier
Kupferstahl mit etwa 4 pCt. Kupferzusatz ist aufserordentlich hart,
sodafs er sich mit Werkzeugstahl kaum bearbeiten läfst. Festigkeits¬
versuche haben sein günstige Ergebnisse geliefert. Bei einer Beihe
von Prüfungen, die mit 2.5 mm breiten und 6 mm starken Flachstäben
stattfanden, wurden nachstehende Festigkeitszahlen ermittelt:
N ummer
Chem. Zusammensetzung
Cu 1 C
pCt. j pCt.
Zug¬
festigkeit
kg/qmm
1
0,847
0,102
29,3
2
2,124
0,217
58,6
3
3,630
0,380
76,2
4
7,171
0,712
89,6
Es sind ferner auch vergleichende Versuche zwischen Kupfer¬
stahl und gewöhnlichem Koh¬
lenstahl ausgeführt worden.
Eine Zusammenstellung der¬
selben findet sich hiernebeu.
Es ist daraus ersichtlich, dafs
Ku]iferzusatz die Zugfestigkeit
des Kohlenstahls erheblich
vermehrt.
Im ganzen sind die Eigen¬
schaften des Kupferstahls noch
zu wenig erforscht, um sich
auch nur ein einigermafsen
zutreffendes Urtheil bilden zu
können.
4. Der
Der Vollständigkeit wegen möge schliefslich noch erwähnt wer¬
den, dafs auch Wolfram als Zusatzmetall zur Anwendung gebracht
ist und dafs besonders die Acih’ies et forges d Unieux sich mit der
Herstellung dieses Metallgemisches beschäftigt haben. Der Wolfram¬
stahl soll den Vorzug haben, dafs daraus gefertigte Bleche ein Aus¬
glühen nicht erforderlich machen.
Es läfst sich noch nicht übersehen, ob eines und welches der
vorstehenden Metallgemische in Zukunft vielleicht eine Bevorzugung
vor den übrigen verdienen wird. Das mufs noch näher ermittelt
werden. Wären die physicalischen Eigenschaften, Festigkeit und
Zähigkeit, allein mafsgebend, so würde die Wahl vielleicht zu Gunsten
des Manganstahls ausfallen, der bei einer Zumischung von etwa
14 pt’t. Mangan und 1 pCt. Kohlenstoff sich in einer Festigkeit
von etwa 100 kg bei 50 pCt. Dehnung hersteilen läfst,
Eigenschaften, die durch die übrigen Stahlarten bislang nicht er¬
reicht worden sind. Eine beachtenswei'the Thatsache glaubt man
indes durch die bisherigen Versuche ganz allgemein festgestellt zu
haben, nämlich die, dafs bestimmte Beziehungen zwischen den
physicalischen Eigenschaften der Metalle und ihren Atom-
gewicliten vorhanden sind, die sich auch dann äufsern, wenn
mehrere Metalle zusammengemischt werden. So fand man z. B. bei
Versuchen mit Gold, dafs dessen Zähigkeit und Dehnbarkeit ver¬
mindert wurde durch solche Metallbeimengungen, welche geringe
Atomgewichte hatten, während diese Eigenschaften vermehrt wurden,
wenn die Atomgewichte gröfser waren. Auch hinsichtlich der
Schmelzbarkeit der Metalle will man einen gewissen Zusammenhang
mit den physicalischen Eigenschaften gefunden haben, indem Metalle
mit grofser Zähigkeit fast immer eine hohe Schmelzhitze
erfordern. Sodann sei noch eine neue Vervollkommnung in der
Herstellung schmiedbaren Eisens erwähnt, die, wenn sie durchführbar
I ist, von grofser Bedeutung im Eisenhütteuwesen werden dürfte. Die¬
selbe besteht in der Anwendung starker hydraulischer Pressen als
Ersatz für Blockwalzen und Dampf-Schmiedehämmer. Es würde sich
durch diese Neuerung ermöglichen lassen, solche Metallgemische
brauchbar zu machen, welche ein Walzen und Hämmern nicht gut
ertragen, z. B. Chromstahl, oder welche zu hart sind. Mau hat die
Pressen bereits bis zu 2000 Atm. Leistungsfähigkeit hergestellt.
Gelingt die Verbesserung des Eisens in vorbemerkter Weise und
lassen sich dementsprechend hochwerthige Metallgemische mit 100 kg
Festigkeit und 40 bis 50 pCt. Dehnung praktisch verwendbar hersteilen,
so werden sich Umwälzungen im ganzen Bauwesen vollziehen, die von
weittragendster Bedeutung sind. Besonders Schiffbau und Brücken¬
bau würden die ersichtlichsten Erfolge haben. Es sei z. B. nur er¬
wähnt, dafs dann die Spannungen in den Schiff'sdampfkesseln, welche
gegenwärtig das Schweifseisen bereits bis zur Grenze der Leistungs¬
fähigkeit beanspruchen, eine wesentliche Steigerung erfahren können
und dafs sich dadurch der Vortheil sowohl einer grofsen Gewichts¬
erleichterung der Schiffsgefäfse wie auch einer erhöhten Leistungs¬
fähigkeit hinsichtlich der Geschwindigkeit erlangen läfst. Im Brücken¬
bau würden Spannweiten möglich werden, an welche bislang die
kühnsten Gedanken sich nicht heranwagen durften. Wie manche
Schwierigkeiten, welche sich beispielsweise beim Bau der grofsen
Forthbrücke oder dem Eiff’elthurm nur mit Mühe überwinden liefsen,
würden dann ohne weiteres durch Gewichtserleichterung fortgefallen
sein. Auch das Aussehen der Bauwerke kann durch leichtere Bauart
nur gewinnen.
Schliefslich sei noch beiläufig erwähnt, dafs in allerneuester Zeit
Versuche gemacht worden sind, dem Eisen unter Ausscheidung der
übrigen ein Metalloid, z. B. Silicium, in verhältnifsmäfsig grofser
Menge zuzusetzen, wodurch sich ebenfalls ergeben hat, dafs sich
auch auf diesem Wege Festigkeit und Zähigkeit gleichzeitig steigern
lassen. Es sind somit voraussichtlich grofse Veränderungen im ge¬
samten Eisenhüttenwesen zu erwarten.
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,5 0,7 0,8 0,9 1,0pCt.
Kohlenstoff in pCt.
Wolframstalü.
Vermisclites
Erhöhung der Gehälter der Keichs-Baubeainten. In dem Nach¬
trags-Etat, welcher dem Reichstage mit Schreiben des Reichskanzlers
vom 7. d. M. zugegangen ist, ist für die Intendantur- und Bauräthe,
die Postbauräthe, die Garnison-Bauiuspectoren und die Post-Bau-
inspectoren eine Erhöhung der Durchschnittsgehälter um je 6U0 Mark
vorgesehen, und zwar sollen erhalten: Die Intendantur- und Bau¬
räthe sowie die Postbauräthe (bisher 4200—6000, durchschnittlich
5100 Mark) künftig 4800 — 6600, durchschn. 5700 Mark; die Garnison-
Bauinspectoren (bisher 2400—4800, durchschn. 3600 Mark) künftig
3600 — 4800, durchschn. 4200 Mark; die Post-Bauinspectoren (bisher
2400 — 4200, durchschn. 3300 Mark) künftig 3600 — 4200, durchschn.
3900 Mark.
Die Befestigung der Schienen auf eisernen Brückenträgern
wird bei den Reichseisenbahnen ohne Einfügung von Holz mit Hülfe
eiserner Unterlagsplatten und Schrauben bewirkt. Diese Anordnung
bietet manche Vortheile, namentlich eine gröfsere Dauer und eine
Ersparnifs an Constructionshöhe. Anderseits ist diese Art der Be¬
festigung allerdings auch mit einigen Uebelständen ver-knüpft. So
macht z. B. die Herstellung der richtigen Ueberhöhung und Spur¬
erweiterung in den Bahnkrümmungen einige Schwierigkeiten. Es ist
vorgekommen, dafs man auf einer am Eingang eines Bahnhofes
liegenden, mit 13 mm Spurerweiterung hergestellteu Brücke nach¬
träglich diese Erweiterung auf das für die freie Strecke gebräuch¬
liche Mafs von 21 mm erhöhen zu sollen geglaubt und dies in der
Weise ausgeführt hat, wie die nachstehende Abbildung zeigt, nämlich
durch Ausklinkung des Fufses der äufseren Schiene auf jeder Unter¬
lagsplatte um 8 mm. Ein infolge dessen eingetretener Schienenbruch
lehrte, dafs dieses Verfahren nicht unbedenklich ist und dafs es
richtiger gewesen wäre, die Vor¬
sprünge der Unterlagsplatten
entsprechend abzuarbeiten. —
Derartige Erfahrungen, sowie
auch die Beobachtungen, welche
während eines längeren Zeit¬
raumes an den eisernen Brücken
augestellt worden sind und ge¬
zeigt haben, dafs bei der ge¬
bräuchlichen Form der Verbin¬
dung zwischen Schienenträgern
und Querträgern eine allmäh¬
liche und nach ihrer Beseitigung
immer wiederkehrende Locke¬
rung dieser Anschlüsse kaum zu
verhüten ist, haben die Verwaltung der Reichseisenbahnen veranlafst,
in allen geeigneten Fällen die Brückenbahn so anzuordnen, dafs das
Kiesbett und damit auch der ganze Oberbau ununterbrochen über
die Brücke geführt werden kann. Bei mäfsigen Spannweiten und
ausreichender Höhe ist dies jedenfalls die zweckmäfsigste Lösung.
Verlag von Ernst & Korn OVilbelm Ernst), Berlin. Für die Kedaction des niclrtamtliclien Tlieiles veraiitwortlicb: 0. Sarrazin, Berlin. Drucl: von J. Kerslrcs, Berlin.
Centralblatt der Baiiverwaltung.
! Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 21.
Juni 1890. 25.
Kcdaction: SW. Zimmerstiafse 7 (lescliäftsstellc uud Annahme der Anzeigen;
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vieiteljäürlicb 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark,
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Kirche von Eydr-
hnhneii. — Die deutschen Stral'senbahnen von ISG.'l— 1890 — Kaiser Wilhelm-Denkmal
für die Rheinprovinz (Fortsetzung). — Berechnung des Zweigelenkbogens. - Panama-
Canal (Scliliils). — Vermischtes: Ergebnifs der Vorpiiifnng, der er.sten Haupt-
luüfuiig uud der zweiten Ilauptprüfung für den preufs. Staatsbaudienst 1889/i:0. —
l’reisbewerbung für eine Realschule in Ludwigshafeii. — Kosten des Zellcnbauses
in der Sirafanstalt von Rawitsch. — Unterstützung der Hinterbliebenen von Farh-
genossen. — Preiifsischer Beamien-Verein.
Amtliche M
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ge¬
heimen Baurath Jacobi, Abtheilungs- Dirigenten in der Geueral-
Direction der Grofsherzoglich mecklenburgischen Friedrich -Franz-
Eisenbahn in Schwerin, den Rotheu Adler -Orden III. Klasse, dem
Kreis-Bauinspector, Banrath Siehr in Insterburg deu Rothen Adler-
Orden IV. Klasse, dem Oberingenieur Mannlicher in Wien den
Königlichen Kronen-Ordeii III. Klasse sowie dem Stadt-Baumeister
Hackländer in Osnabrück den Charakter als Baurath zu verleihen.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Georg Andreae in Grofs-
Strehlitz O.-S. ist zum Königlichen Kreis-Bauinspector ernannt und
demselben die Kreis-Bauinspector-Stelle daselbst verliehen worden.
ittheilungen.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Karl Krüger ist mit der
coimnissarischen Verwaltung der neu errichteten Stelle eines zweiten
Meliorations-Baubeamten für die Provinz Schlesien, unter Anweisung
seines Wolinsitzes in Oppeln, beauftragt worden.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Paul Peters
in Charlottenburg ist die nacbgesuclite Entlassung aus dem Staats¬
dienst ertlieilt worden.
Sachsen.
Seine Majestät der König haben dem Baurath und ordentlichen
Professor an der technischen Hochschule in Dresden, Dr. phil.
Wilhelm Fraeiikel, den Titel uud Rang als Geheimer Hofrath in
der 3. Klasse der Hofrangordnung Allergnädigst zu verleihen geruht.
[Alle Eeclite Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Beiträge zur Kenntnifs der evaugelischen Kirchenbaukunst in der Gegenwart.
2. Die Pfarrkirche von
Eydtkuhiien.
Die Stadt Eydtkuhnen ge¬
hört zu den jüngsten Städten
des deutschen Reiches; der Bau
der Ostbahn hat sie ins Leben
gerufen. W ährend noch zu Ende
der fünfziger Jahre die Haupt-
strafse nach Petersburg über
Tilsit -Tauroggen ging, wurde
durch die Eröffnung der euro¬
päischen Linie Berlin -Königs¬
berg -Petersburg im Jahre 1876
der kleine, von wenigen bäuer¬
lichen Grundbesitzern bewohnte
Flecken Eydtkuhnen Endstation
für Preufsen. Der gewinnreiche
Grenzverkehr mit Rufsland
führte zu einer raschen Be¬
völkerungszunahme, aber auch
zu einem hastigen Geschäfts¬
treiben, welches die Begrün¬
dung kirchlichen Lebens und
die Pflege geistiger Güter sehr
erschwerte. Erst im Jahre 1873
wurde dem Plane, ein neues
Gotteshaus zu erbauen, näher
getreten , hauptsächlich veran-
lafst durch die huldvolle Zu¬
sage Kaiser Wilhelms I. bei
einer Durchreise, jene Absicht
durch ein namhaftes Gnaden¬
geschenk fördern zu wollen.
Dennoch verzögerte sich aus
verschiedenen Gründen — finan-
cieller wie administrativer Natur
— die Ausführung bis zum Früh¬
jahre 1887. Die damalige zum
Grunde gelegte Seelenzahl be¬
trug rund 5100 Seelen. Es
niufste also eine gewölbte Kirche
für 1450 Sitzplätze — davon
250 für Kinder - — erbaut wer¬
den, was bei der strengen Vorschrift, die Baukosten nicht viel über
200000 Mark hinauswachsen zu lassen, und bei der Entlegenheit
des Ortes mannigfache Schwie¬
rigkeiten — beispielsweise die
Ausarbeitung zweier Entwürfe
— hervorrief.
Insbesondere zwang die
nothwendige Rücksicht auf
äufserste Sparsamkeit zu dem
Versuche, so cubisch als mög¬
lich zu bauen und dabei mit
einem relativen Kleinstmafse
der Kranzgesimshöhe (15 m am
Chore und den Kreuzflügeln)
durchzukommen. So entstand
der Grundrifs in der ange¬
näherten Form eines griechi¬
schen Kreuzes mit polygonem
Chore (■^/s) und zwei Quadrat¬
thürmen an der Westseite. Die
Spannung beträgt zwischen den
Arcadenwänden fast 13 m.
Aufser der Orgelbühne im
Westen sind in den Kreuz¬
flügeln noch grofse Emporen
vorhanden, um eine Zusammen-
drängung der Sitzplätze in der
nächsten Nähe von Kanzel und
Altar zu ermöglichen. Durch
vier Treppen, zwei am Chore,
zwei in den Frontthürmen, sind
die Emporen zugänglich; die
Sacristei ist im hinteren Theile
des Chorraumes untergebracht.
Die Kirche wurde mit Stern¬
gewölben (die Kappen aus po¬
rigen Ziegeln) überwölbt — nur
die schmalen, gangartigen Sei¬
tenschiffe im Westflügel tragen
Tonnen — und in Backsteinen
auf bearbeitetem Granitsockel
erbaut. Alle Treppen bestehen
aus Granit; die Thurmdächer
sind geschiefert, die der Kirche
mit Pfannen gedeckt. Con-
struction und Raumgestaltung läfst der Querschnitt erkennen; von
der Erscheinung des Aeufsern mag die streng gewissenhaft gezeichnete
Holzstich V. O. Ebel.
21. Juni 1890.
250
Centralblatt der Bauverwaltung.
Perspective eine angeuälierte Vorstellung geben. Die Architektur
wird als romanische in frei behandelter Fassung gelten dürfen. Sie
ist unter dem Zwange entstanden, von der Verwendung reicherer
Kunstformen Abstand zu nehmen; selbst die Formsteinsorten wurden
auf ein Minimum besehränkt. Im Innern wurden nur die Wände und
Kappen geputzt und einfach bemalt, Dienste, Gurte, Ripf)eu, Capitelle
behielten den natürlichen Ziegelton. Der Altar und der Taufstein
bestehen aus Sandstein, die Kanzel und das Orgelgehäuse aus Holz,
die Kronleuchter aus Schmiedeeisen. Die Schiffsfenster empfingen Ver¬
glasung aus Kathedralglas, während die Chorfenster von dankbaren
Wohlthätern aus der Ge¬
meinde mit figürlichen
Glasmalereien , der Al¬
tar mit Leuchtern und
Decken, das Innere mit
Kronen geschmückt wur¬
den. Die Heizung bewir¬
ken grofse Mantelöfen.
Das Geläut erhielt drei
Glocken und die Orgel
28 Ilegister; die ersteren
sind von Collier (Zehlen¬
dorf), die letztere ist von
Saixer (Frankfurt a. 0.)
geliefert. Eine Blitzab¬
leiter-Anlage fehlt nicht.
Die Beleuchtung ist sehr
reichlich , die Akustik
wird vom Ortsgeistlichen,
Pfarrer Hengks, als gut
bezeichnet.
Die Lage des Gottes¬
hauses ist wohlgewählt:
ziemlich hoch in der
Mitte des Ortes auf einem
freien, rechteckigen Platze
von rund 130 Ar Grofse.
Die Bodenverhältnisse
erforderten sowohl eine
Drainirung, welche sehr
gut wirkt, als auch besondere Kücksichtuahmen bei der Grün¬
dung der Thürme und der westlichen Vieruugspfeiler. Durch sorg¬
fältige Eechnung und entsprechende Bankettverbreiteruug ist es
Querschnitt.
Kirche in Eydtkuhnen.
gelungen, die Belastung des Bodens auf 1,85 kg für das Quadrat-
centimeter einzuschränken.
Der am 1. Mai 1887 begonnene und Ende October 1889 been¬
digte Bau wurde an Luthers Geburtstage, am 10. November 1889,
feierlich eingeweiht. Die unmittelbare, mit rastlosem Eifer und
bestem Erfolge durchgeführtc Leitung hatte der Regierungs-Baumeister
l’etersen, die Oberleitung der K. Bauinspector Baumgarth; eine
besondere Fürsorge widmete der Ausführung der Regierungs- und
B au r ath D i 1 1 m a r .
Die Baukosten erreichten die aufserordentlich mäfsige Höhe
von 205 000 Mark, die
Gesamtkosten, Grunder¬
werbsausgaben einge¬
schlossen, eine solche von
210 000 Mark. Folglich
beziffert sich der Satz für
die Nutzeinheit (Sitzplatz)
auf nur 141 Mark, das ist
6 Mark weniger als der
entsprechende Betrag für
die kleine, aus Kalk¬
stein*) gebaute Kirche
von Athensleben, welche
in Nr. 23 dieses Blattes
mitgetheilt wurde , und
es kostet das Quadrat¬
meter 241 Jt und das
Cubikmeter 14,8 Jt. Das
sind Ergebnisse, welche
für manches Opfer, das
zu bringen war, entschä¬
digen und im Interesse
einer möglichst raschen
Abhülfe der Kirchennoth
nur ermuthigen können,
auf der Bahn selbst-
bewufster Beschränkung
und strenger Sparsamkeit
fortzuschreiten.
F. Adler.
*) Diese Kirche ist aus Kalkstein und nicht, wie auf Seite 2.35
versehentlich gedruckt, aus Sandstein erbaut.
Die Entwicklung der dentsclien Strafsenbalinen von 1865 i)is 1890
Die deutschen Strafsenbahnen haben ihren Ausgang in Berlin
genommen. Die Bestandsdauer der Berliner Pferdebahn ist deshalb
gleichbedeutend mit der der deutschen Strafsenbahnen, der Tag,
an welchem jene die ersten 25 Jahre ihrer Wirksamkeit vollendeten,
mithin auch der der 25jährigen Wirksamkeit der deutschen Strafsen¬
bahnen. Beide treten also am nämlichen Tage in das zweite Viertel¬
jahrhundert ihres Bestandes, ihrer Entwicklung ixnd ihrer Thätigkeit
ein, sodafs ein Rückblick auf die jetzt abgeschlossene Vergangenheit
des ersten Vierteljahrhunderts die Beachtung weiterer Kreise erregen
und finden wird.
Am 22. Juni 1865 wurde die 7800 m lange Strecke vom Branden¬
burger Thore in Berlin durch den Thiergarten nach Charlottenburg
unter Betheiligung der Staats- und Gemeindebehörden eröffnet. Sie
war ursprünglich dem dänischen Ingenieur Möller genehmigt, indes
bereits vor ihrer Vollendung einer Genossenschaft übereignet worden,
aus welcher später die Commanditgesellschaft auf Actien „Berliner
Pferdebahn -Gesellschaft, J. Lestmann u. Co.“ hervorgegangen ist,
welche noch heut besteht. An dem Ausbau waren als Techniker der
jetzige Mitdirector der Hamburger Strafseneisenbahn, Culin, und zwei
Brüder Büsiug betheiligt, von denen der eine noch jetzt bei dem Unter¬
nehmen thätig ist, der andere in Breslau wirkt. In den 12 ersten
Betriebsmonaten wurden auf 67 930 Fahrten zu 529 854 Wagenkilo¬
metern durch 19 Wagen und 126 Pferde bereits 964 512 Fahrgäste
gegen 246 048 Mark Fahrgeld befördert. Mittlerweile war für
Hamburg die Genehmigung zur Ausführung von Strafsenschienen-
wegen und zum Pferdebahnbetriebe darauf erwirkt. LTnter Culins
Betheiligung kam es zur Ausführung und am 16. August 1866 zur
Betriebseröffnung auf vorläufig 14 345 m Geleise mit 24 Wagen und
160 Pferden. Das erste Jahresergebnifs wies 43 935 Fahrten bei
598 196 Nutzkilometeru, sowie 1 887 445 Beförderte gegen 401 490 Mark
Fahrgeld nach. Mittlerweile war auch im Süden Deutschlands das
Bedürfnifs nach Strafsenbahnen erwacht und am 29. Juli 1868 in
Stuttgart durch Eröffnung einer 6742 m langen Strecke mit 20 Wagen
und 67 Pferden befriedigt, auf welcher bereits im ersten Betriebs¬
jahre 89 211 Fahrten zu 185 838 Wagenkilometern für 1655 298 Fahr¬
gäste gegen 147 459 Mark Fahrgeld zurückgelegt wurden.
Das damals bereits merkbare drückende Gefühl drohender Kriegs-
unruhen war der Förderung von Friedenswerken wenig günstig. Wie
auf anderen Gebieten des Gewerbfleifses und des Unternehmungs¬
geistes damals ein Stillstand bemerkbar war, so trat solcher auch in
der Entwicklung des Strafsenbahnwesens ein. Vielleicht wirkte der
Umstand mit, dafs die Gesetzgebung im Gebiete des Actienrechts
eine xvesentliche Aenderung gebracht, die bisher bestandene staats¬
behördliche Genehmigung der zu begründenden Actiengesellschaften,
welcher naturgemäfs eine Prüfung der Gründuugsvorgänge sowie der
Nützlichkeit und Ergiebigkeit der Unternehmungen vorausgehen
mufste, beseitigt und durch völlige Gründungsfreiheit ersetzt hatte,
indem der plötzliche Uebergaug zur zügellosen Freiheit von ängst¬
licher Bevormundung den einen oder anderen beunruhigen mochte.
Erst nach Beendigung des Krieges, der Wiedererstehung deutscher
Einheit und des deutschen Reiches, der Neubelebung des Handels,
der Gewerbthätigkeit und des Verkehres kam auch die Unter¬
nehmungslust für Strafseubahnanlagen und Betriebe wieder. Während
es für das Kriegsjahr 1870 innerhalb der drei bestandenen Betriebe
auf den damals beisammen 41 357 m Geleise nur zu 194 912 Fahrten
mit 1 556 003 Wagenkilometern für 4 988 951 Fahrgäste und hieraus
zu 917 028 Mark Fahrgeldeinnahme gekommen war, wurden am
18. Mai 1872 in Leipzig, am 19. Mai 1872 in Frankfurt a. M., sowie
im Laufe des Jahres noch in Dresden und Hannover Pferdebahn¬
betriebe eröffnet. Ueberdies kam es im nämlichen Jahre zur Grün¬
dung der „Grofsen Berliner Pferdeeisenbahn - Actiengesellschaft“,
welche gegenwärtig die hervorragendste Stellung unter den deutschen
Strafsenbahn-Betriebsuuternehmuugen einnimmt. Ihren Betrieb begann
sie jedoch erst am 8. Juli 1873, in welchem Jahre aufserdem noch
die Betriebseröffnungen in Danzig am 21. Juli und in Uetersen am
2. September erfolgten, worauf erst wieder im September 1875 in
Wiesbaden ein neues Pferdebahn-Betriebsunternehmen ins Leben trat.
Das Jahr 1876 brachte Düsseldorf am 6. Februar, Elberfeld-Barmen
Nr. 25.
251
Centralblatt der Bauverwaltuug.
' am 17. Februai-, Bremen am 4. Juni, München am 26. October und
j Metz am 1. December die Eröffnung von Pferdebahnen. Fruchtbarer
war jedoch das Jahr 1877 durch Eröffnung der Betriebe in Karls¬
ruhe am 1. Februar, Köln am
; 20. Mai, Breslau am 1. Juli,
Cassel am 9. Juli, Magde-
■ bürg am 16. October sowie
: durch Gründung der dritten
Berliner Gesellschaft „Neue
‘ Berliner Pferdebahngesell¬
schaft“. 1878 trat in Ham¬
burg am 15. April die Ham¬
burg - Altonaer Pferdebahn
in Mitbewerb, und wurden
die Betriebe zwischen Mann¬
heim und Ludwigshafen am
3. Juni, Strafsburg am 22.
Juli und Ingolstadt am 9. No¬
vember eröffnet, während
1879 Pyrmont im Juni und
j Stettin am 23. August Pferde-
! bahnen erhielten, sowie in
il Bremen eine zweite Gesell-
I Schaft im August zum Mit-
j bewerb zugelassen wurde.
I 1880 begann eine englische
Gesellschaft ihre Thätigkeit
in Dresden und Hannover
durch Erweiterung der dor¬
tigen bestehenden Bahn¬
netze und pachtweise Be¬
triebsübernahme auf den be¬
stehenden Strecken; aufser-
dem kam es zu neuen Be¬
trieben in Chemnitz am
22. April, in Potsdam am
13. Mai, in Posen am 31. Juli,
in Aachen am 16. December.
Das folgende Jahr 1881
brachte den Betrieb in Bre¬
merhafen und Lübeck am
1. Mai, in Augsburg am
10. Mai, in Königsberg am
26. Mai, in Dortmund am
1. Juni, in Kiel am 9. Juli,
in Nürnberg am 25. August,
in Braunschweig am 1. Sep¬
tember, in Bestock am 14. October, in M. -Gladbach am 12. November,
in Duisburg am 24. December, sowie in Flensburg und Schwerin.
An Fruchtbarkeit stand 1882 wenig nach, da Mülhausen am 20. März,
Halle am 1. October, Köpenick am 19. October
Bahnen, und Hamburg -Altona durch den Ein¬
tritt von „The Hamburg - Altona and North
Western Tramways Company“ eine dritte
Mitbewerberin erhielten. 1883 traten die Be¬
triebe in Erfurt am 13. Mai, Crefeld am 5. Mai,
Görlitz am 1. Juni, Mainz am 23. September
hinzu, denen 1884 solche in Mannheim-Feuden¬
heim am 6. März, Offenbach 10. April, Aachen
am 13. November, sowie Mitbewerbsunterneh¬
mungen in Hassel durch die Stadteisenbahn am
25. Mai und in Magdeburg durch die Tram¬
bahn folgten. Für die folgenden Jahre blieben
nur wenige Unternehmungen. In Heidelberg
wurde am 13. Mai 1885, in Spiekeroog mit dem
Beginn der dortigen Badezeit ein Pferdebahn¬
betrieb eröffnet; von der Weichbildgrenze in
Berlin kam es am 5. Mai 1886 zur Eröffnung
eines Dampfbetriebes, welcher gegenwärtig
einen Theil des Betriebsfeldes der Berliner
Dampfstrafsenbahn- Gesellschaft bildet, sowie
zur Eröffnung von Pferdebahnbetrieben am
28. Mai in Schönebeck und 25. Juli in Wiesloch,
sowie eines Mitbewerbs durch die Neue Strafsen-
bahn am 25. August in Stuttgart. 1887 wurden
am 28. Mai in Coblenz und am 28. Juni in Hal¬
berstadt Betriebe eröffnet, uhd am 16. September
in Hamburg ein vierter Betriebsunternehmer zu¬
gelassen, 1888 in Bromberg am 18. Mai, in Wittenberg am 26. Juni,
sowie in Oldenburg, 1889 in Eiesa am 19. November Betriebe eröffnet,
während gegenwärtig solche in Bonn, Schleswig, Thorn, Trier und
Würzbui-g zum Theil schon in Ausführung begriffen sind. Aufserdem
hat in Halle 1889 die Stadt weitere Linien ausgeführt, welche pacht¬
weise durch eine Gesellschaft betrieben werden, und ist in Dresden
eine neue Actiengesellschaft
als Mitbewerberin zum Bau
des Netzes zugelassen.
Auf diese Weise ist die
allmähliche Entwicklung der
Strafsenbahnen Innerhalb der
ersten 25 Jahre seit ihrem
Beginn, wenigstens im Haupt¬
umrisse, veranschaulicht und
dadurch gezeigt worden, wie
das Strafsenbahnnetz seine
Fäden über immer weitere
Kreise ausgedehnt und das
Verkehrsbedürfnifs zu neuen
Unternehmungen geführt hat.
Danach bestehen z. Z.
in 64 Orten 73 Strafsenbahn-
betriebe. Dieselben haben im
Jahre 1889 auf 1 341 472 m
Betriebslänge, ohne Bahn¬
hofs- und Zufahrtsgeleise, die
Beförderung von 333 269 504
Fahrgästen durch 15 326 517
Fahrten zu 80 725 266 Nutz¬
kilometern gegen 40 220 359
Mark Fahrgeld ermöglicht.
In Lichterfelde und Offenbach
wird Elektricität verwendet,
währendaufden dreiBetriebs-
strecken der Berliner Dampf-
strafsenbahn-Gesellschaft, in
Feudenheim -Mannheim, bei
der Frankfurter Localbahn,
der Casseler Strafsenbahn und
in Mülhausen ausschliefs-
lich Dampf verwendet wird,
sowie die Betriebe in Crefeld,
Dortmund, Duisburg, Ham¬
burg, Karlsruhe, Magdeburg,
München, Strafsburg und
Wiesbaden einen gemischten
Betrieb haben, d. h. Pferde-
und Dampfkraft gebrauchen.
Von der Gesamtzahl der
Beförderten entfallen auf die beiden elektrischen Betriebe 1 109 902
Personen, welche 0,33 pCt. der Gesamtsumme ausmacheu; auf den
Dampfbetrieb kommen 15 535 960 = 4,65 pCt., sodafs auf den Pferde-
betrieb 316 623 642 Personen mit 95,02 pCt.
verbleiben.
Zur Bewältigung des Verkehrs verfügbar
waren im elektrischen und Dampfbetilebe
161 Maschinen, sowie für den Pferdebetrieb
14493 Pferde, welche letztere sich auf die
verschiedenen Betriebe von 2 in Spiekeroog
bis 5486 in Berlin in recht wechselnden Ab¬
stufungen vertheilen. Die Gesamtzahl der ver¬
fügbaren Wagen betrug 3962, die Zahl der
darin vorhandenen Plätze 133 389 , sodafs sie
zur Bewältigung der Beförderten täglich kaum
7mal und jährlich nur 2370 mal hätten benutzt
zu werden brauchen, während durchschnittlich
jeder Wagen täglich 28 mal gelaufen ist, sodafs
er durchschnittlich nur zum vierten Theil be¬
setzt wurde. An den verschiedenen Orten, auf
den einzelnen Strecken des nämlichen Betriebes
und nach den Tagesstunden liegen völlig ver¬
schiedene Verhältnisse vor, auf welche hier
näher einzugehen indes weder Baum noch
Zweck gestatten. Genaue Ziffern für die ein¬
zelnen Betriebe und Jahre, welche theils den
Gesellschaftsberichten entnommen, theils un¬
mittelbar gegeben wurden, haben zu der Fest¬
stellung geführt, dafs während des Bestandes
der deutschen Strafsenbahnen durch dieselben
über 3 Milliarden Personen befördert und da¬
raus rund 400 Millionen Fahrgeld vereinnahmt sind, welche sich auf
die einzelnen Betriebe höchst ungleich vertheilen.
Gegenwärtig überwiegen im Strafsenbahngewerbe die Actieu-
0 B TO 20"^
u,j I 1 1 I T 1 1 1 I I 1 » r T 1 1 t I I I
Grundrifs
über den Emporen. unter den Emporen.
Kirche in Eydtknhnen.
21. .Iiiiii I8Ü0.
252
Ceutralblatt der Bauverwaltiiiig.
Gesellschafteu, vou denen 10 iin Auslände, näinlicli 4 (in llarmcn,
Düsseldorf, Frankfurt und Köln) in Belgien und (J (in Dresden, Halle
[Strafseubalin], Hamburg [North Western Tramwaj’s Company], Han¬
nover, Leipzig und Magdeburg [Trambahn]) in England ihren Sitz
haben. Aus (Temeindemitteln sind nur die Schienenwege der Haller
Stadtbahn, in Köpeinck und in Wiesloch ansgeführt; in Wiosloch ge¬
schieht der Betrieb auf Gemeinderechnung, in den beiden anderen
Orten ist er verpachtet. Vorübergehend bestanden Gemeindeschienen¬
wege in Kixdorf und Mariendorf bei Bcrli)i, welche indes sehr 1)ald
erheblich unter dem Herstellungswerthe an die Grofse Berliner Pferdc-
bahn-Actiengesellschaft abgetreten wurden. Dieselbe hat auch das
Unternehmen der Grofsen Internationalen Pferdeeisenbahn -Gesell¬
schaft, welche die Linie Schönebcrg-Potstlamer l’latz besafs, käuflich
erworben. Zu bemerken bleibt schliefslich, dafs die ersten Liiiicn in
Dresden und Hannover dirrch die in Berlin sefshafte „CJontinental-
Pferdebahn-Gesellschaft"‘ ausgeführt sind, dieser noch gehören, aber
von englischen Gesellschaften pachtweise betrieben werden.
Keineswegs haben sämtliche errichteten Unternehmungen sich
gehalten, noch bietet jeder Ort für den Pferdebahnbetrieb und dessen
Bestandtähigkeit einen günstigen Boden. Vielmehr haben in Deutsch¬
land bereits zwei Betriebe, in Schwerin und Oldenburg, nach kurzer
Bestandsdauer durch ihre Einstellung und Herausnahme der Geleise
ein schnelles Ende gefunden, ohne dafs damit jedoch gesagt werden
soll, dafs die örtlichen Verhältnisse allein zu dem ungünstigen Ergeb¬
nisse geführt und nicht vielmehr die Mängel und Ungeschicklichkeit
der Betriebsführung den Hauiiteintlufs für die ausgebliebene Ergiebig¬
keit geübt haben. Denn je ungünstiger die Voraussetzungen für ein
gedeihliches Unternehmen liegen, mit je gröfserem Widei’stande man
zu kämpfen hat, desto regsamer müssen die Betriebsleiter und desto
besser die Betriebseinrichtungen sein. Leider hat an beiden Orten
ein Verständnifs für die örtlichen Verkehrsverhältnisse, für das Be-
dürfnifs nach Ortsveränderung gefehlt, hätte erst durch regen Betrieb
die Menge zur Benutzung gebracht werden müssen, besafsen indes
die Betriebsleiter auch nicht das allergeringste A'erständnifs für ihre
Aufgabe, den A^erkehrsbedarf zu erforschen und ihre Einrichtungen
ihm anzupassen. Mifserfolg ist insofern auch dem Hagener Betriebe
zugestofsen, als das Unternehmen im AA^ege der Zwangsveräufserung
seinen Besitzer zu wechseln hatte, wodurch indes eine gröfsere Keg-
samkeit, ein besseres Eingehen auf die örtlichen Bedürfnisse und
AATinsche der Ortsbevölkerung, ein Aderlässen fehlerhafter Mafsnahrnen
hervorgerufen und damit für die gedeihliche Entwicklung förderlich
gewirkt ist.
Gegenüber diesen Mifserfolgen tritt eine erfolgreiche Entwicklung
zunächst in Berlin hervor. Hier theilen sich drei Unternehmer in
das Eigenthum des Netzes und den Betrieb, Obenan steht die
Grofse Berliner Pferdeeisenbahn - Actiengesellschaft mit 234 177 m
Geleise, 3 581G56 Fahrten, 21039 779 AAdagenkilometern, 114 400 000
Fahrgästen gegen 13 398 570 Mark Fahrgeldlosung mittels 4590
Pferden und 959 AVagen. Es folgt die Neue Berliner Pferdebahn
mit 33 090 m Geleise, 586 912 Fahrten zu 3 306 008 Nutzkilometern
für 13 245 000 Fahrgäste gegen 1563 826 Alark Fahi-geldlosung durch
592 Pferde und 127 AVagen. Die Berliner dagegen hat es mit ihren
306 Pferden und 86 AVagen auf 30 423 m Geleise zu 371220 Fahrten
bei 1 876 729 Nutzkilometern für 4 905 620 Personen gegen 688 655 Mark
Fahrgeld gebracht. Mithin ist es in Berlin in den abgelaufenen
25 Jahren von 964 512 Beförderten des ersten Jahres zu 132 550 620
Fahrgästen, auf 4 539 788 Fahrten zix 27 122 516 Nutzkilometern, durch
1072 Wagen und 5486 Pferde sowie zu 15 651051 Alark Fahrgeld¬
losung gekommen. Dazu treten von der AVeichbildgrenze aus durch
die Dampfstrafsenbahn gegen 283 500 Alark Fahrgeld auf 103 950
Fahrten zu 631 500 Nntzkilometeru beförderte 1 849 811 Fahrgäste,
sodafs das Bedürfnifs nach Ortsveränderung innerhalb des AA^eich-
bildcs Berlins oder bis in die Nach))arweichbilde hinein 1.34 400 4.31
Personen Beförderung gebracht hat.
ln Hamburg ist es durch die vier Unternehmen im Jahre 1889
zu 1 300 851 Fahrten zu 11358 051 Nutzkilometern gegen 5 724 5G7
Alark Fahrgeld von 47 267 066 Falirgästen auf 407 Wagen durch
2356 Pferde und 19 Dampfmaschinen bei 152 483 m Geleise gekommen.
Die Linie vom llathhausplatz nach AA^andsbeck wird nämlich mit
Dampf betrieben, während sonst Pferde Verwendung finden. Amu
den Beförderten entfallen auf den Dampfbetrieb 3 538 891, sodafs dem
Pferdebetrieb 43 728175 Fahrgäste verbleiben. Hält man diesen
Ziffern die des ersten Betriebsjahres gegenüber, so hat sich auch
hier binnen 24 Jahren der ATrkehr auf annähernd das 22fache ge¬
hoben.
In Stuttgart sind beide Betriebe wieder vereinigt. Der A'erkehr
hat dort indes nur eine Steigerung auf das 2‘/L<fache erfahren, indem
4189 090 Fahrgäste gegen 511800 Alark Fahrgeld auf 366 290 Fahrten
bei 1377 644 Nutzkilometern durch 84 Wagen und 256 Pferde be¬
fördert wurden. Es liegt dies in den örtlichen Verhältnissen und
der anfänglich bereits verhältnifsmäfsig günstigen Lage des ersten
Bahnnetzes.
In gleicher AVeise und A’ollständigkeit die Entwicklungsfähigkeit
für sämtliche Betriebe zu verfolgen, würde zu weit führen, sodafs
man es bei den drei ältesten Betriebs -Orten bewenden lassen mufs.
Zeigen ja doch die gegebenen Ziffern die wirthschaftlichen Erfolge
sachgemäfs eingerichteter und geleiteter Betriebe für die auf ihre
Benutzung angewiesene Ortsbevölkerung. Dafs dabei der Betriebs¬
unternehmer gleichfalls seine Rechnung finden müsse, wäre jedoch
ein voreiliger Schlufs. In Berlin hat das Betriebsergebnifs von 1889
der Neuen Berliner eine Gewinnvertheilung nicht ermöglicht, wie sie
zu solcher überhaupt noch nicht gekommen ist, während die Berliner
wenigstens 112 pCt-, die Grofse aber sogar 1272 pCt. vertheilen
konnte. Die PTrsachen hierfür sind theils in den Gründungsvorgängen,
theils in dem Alitbewerb der Stadteisenbahn zu suchen und entziehen
sich hier der weiteren Darlegung; auch aufserhalb sind die Erträge
nicht immer mit dem Gewinn gleich. Alanche Betriebe leiden an
stetig zunehmender Unterbilanz, bei anderen schwindet solche immer¬
mehr; noch andere können wenigstens sachgemäfse Abschreibungen
aus den Betriebsüberschüssen vornehmen, manche auch Gewinn ver¬
theilen, der zwischen 10 pCt. (Alagdeburg) und 1 pCt. (Königsberg)
schwankt.
Im Zeitenverlaufe hat sich auch die A^erkehrspolitik der Ge¬
meinden im Gebiete des Strafsenbahnwesens geändert. Ursprünglich
gab man die Genehmigung zur Geleisanlage im Strafsenkörper ab¬
gabefrei und liefs sich an Uebernahme einer beschränkten Pflaster-
Unterhaltungs- und Reinigungs-A"erbindlichkeit genügen. Jetzt fordert
man ziemlich allgemein eine Abgabe theils in Form eines Bruchtheils
der Einnahme, theils für jedes Pferd oder jeden Wagen oder nach
Länge der Betriebsstrecke. Vereinzelt kommt es dagegen noch
immer vor, dafs Gemeinden durch Beiträge aus Gemeindemitteln
oder durch eine Zinsengewähr das Zustandekommen von Strafsen-
bahnen fördern.
So zeigt die Entwicklung der Strafsenbahnen, dafs die A'er-
wendung des Strafsenkörpers zu Schienenwegen und dem Beförde¬
rungsbetriebe darauf eine glückliche Alafsnahme gewesen ist, welche
dem A^erkehre, den Betriebs-Orten, der Ortsbevölkerung, ja selbst den
Gemeindeeinkünften Voi’theile zu bringen vermocht hat, ohne zu
namhaften Unzuträglichkeiten oder Gefahren geführt zu haben. So
darf denn gehofft werden, dafs mit dem Abschlüsse des ersten
A^ierteljahrhunderts ihres Bestandes die deutschen Strafsenbahnen in
ihrer Entwicklung nicht aufhören, dafs sie vielmehr in ihrem zweiten
ATerteljahrhundert gleich zahlreich und gewaltig zunehmen, sowie
etwaige AA^iderwärtigkeiten ebenso kräftig überstehen werden, wie
solches bisher geschah. Dr. Karl Hilse.
Die PreisbeAverbiiiig zur EiTichtuiig eines Kaiser Wilhelm -Deiikiiials
für die HheiiiproTiiiz.
(Fortsetzung.)
Der Entwurf der Herren vom Endt u. Bender in Düsseldorf
zeigt auf der dem nördlichen A^erlandungs-Gebiet der Insel Nonnen¬
werth abzugewinnnenden Fläche einen kreisförmigen Festplatz von
70 m Durchmesser, aus dessen Mitte sich ein offener Pavillon-Bau
erhebt, welcher das Kaiserstandbild aufnimmt {efg des nebenstehen¬
den Lageplanes, auf welchem die drei Inselplätze mit den drei zum
Ankauf empfohlenen Entwürfen angedeutet sind). Von der eigent¬
lichen Insel ist der Pestplatz durch einen AA''asserarm getrennt, in
dem die Nachen für die Denkmalbesucher sich bergen können.
Der Hauptlandeplatz befindet sich an der ungefähr 300 m stromab¬
wärts von dem Kaiser-Pavillon entfernten Nordspitze des A^erlan-
duugsgebiets, hier durch einen kräftigen Obelisken bezeichnet, zu
dessen Fufs aus dem Strome beiderseitig die Laudungs -Treppen
hinaufführen. Zwischen den beiden vom Obelisken nach dem Fest¬
platz führenden, sanft ansteigenden AA^egen ist eine hier im Strome
wohl nicht ganz glücklich angebrachte Cascaden-Anlage entwickelt,
deren AA'^asser an dem Denkmal entspringt und nach dem Obelisken
hin abstürzt. So geschickt auch die Ausnutzung des dem Eheinstrome
abzugewinnenden A^erlandungs-Gebiets hier durchgeführt ist, so steht
doch dieser Denkmalplatz besonders bezüglich der Geräumigkeit und
der landschaftlichen Lage den beiden andern Inselplätzen bei weitem
nach.
Nr. 25.
Centralblatt der Bauverwaltuug.
253
Viel besser gelungen in der allgemeinen architektonischen An-
I Ordnung des Aufbaues sowie besonders wirkungsvoll in der Gestal-
• tung des Festplatzes ist der von den Preisrichtern zum Ankauf
; empfohlene Entwurf des Architekten Professor Stiller in Düssel-
I dorf mit dem Kennwort „Grafenwerth“ des Lageplanesb Die
j Insel ist, wie in den Ei-läuterungen angegeben ist, für das Denkmal
i gewählt, weil sie leichter zu besuchen ist als jede Höhe, und weil
ferner die ganze Insel leicht zur Verfügung gestellt werden kann.
( Der Künstler hat der Insel Grafenwerth vor Nonnenwerth den Vorzug
! gegeben, well ihm die Nähe des hier befindlichen Klosters bei dem
Festplatze nicht angemessen erschien, und weil dort der Platz be-
; schränkter ist als auf Grafenwerth. Das Denkmal hat er sich als
„Friedens- und Erinnerungs-Denkmal“ mitten in einer neu zu schaffen¬
den Parkanlage gedacht. Danach soll ähnlich wie bei dem Bruno
: Schmitzschen preisgekrönten Entwürfe die Anlage in die Verlänge-
i rung einer vom Bahnhof Honnef über den östlichen Rheinarm auf
die Insel führenden Brücke gelegt werden. Hier ist ein halbrunder,
gegen die Brücke hin durch einen gewaltigen Ruhmeshallenbau von
128 m Länge und
50 m Breite abge¬
schlossener Fest¬
platzgedacht. Seine
i Mitte nimmt eine
[ 39 m breite und im
; lichten Bogen 32 m
hohe, mit Fresken
oder Mosaikbildern
zu schmückende
Muschel-Apsis ein,
auf deren Triumph¬
bogen noch ein klei¬
nerer Pavillon auf¬
gesetzt ist, und die¬
ser trägt seinerseits
eine auf der Kugel
schwebendeGlücks-
göttin , die , von
Genien und Löwen
umgeben, den Fest¬
platz um 80 m über¬
ragt. Vor den Tri¬
umphbogen mehr
als 40 m vorgerückt,
soll über niedrigem
Stufen - Unterbau
auf einem 16 m ho¬
hen, an der Vor¬
derseite mit der
Kaiserkrone geschmückten Postament das 14 m hohe Reiter¬
standbild Kaiser Wilhelms seinen Platz finden. Die Fest- und
Ruhmeshalle ist in anmuthigen, edlen Renaissanceformen durch¬
gebildet. Die ganze Anlage mit ihrem reichen Schmuck von Obe¬
lisken, Statuetten und Genien tragenden Säulen usw. zeigt ein fest¬
liches Gepräge und ist dabei der Entfaltung bunten Volkslebens
praktisch angepafst. Eine nicht ganz glückliche Lösung ist dabei,
dafs der landseitige Haupt-Zugang nicht unmittelbar auf den Fest¬
platz führt, sondern dafs dazu erst ein Umgang um die halbe
Insel an den Erfrischungs-Localen vorbei erforderlich wird. Auch
leidet diese sonst so schöne Arbeit an einem übertrieben grofsen
Mafsstabe,' bei welchem die angegebenen übermäfsigen Abmessungen
des Reiterstandbildes auf haushohem Postament sowohl wie der
Architektur-Theile deren W'irkung auf dem Festplatze selbst unmög¬
lich machen.
Dafs endlich die Preisrichter den Entwurf des Bildhauers Karl
Hilgers in Charlottenburg zum Ankauf empfohlen haben, wird wohl
jedermann billigen und es nur bedauern, wenn sich eine Verwendung
des Entwurfes, der ja in manchen Punkten nicht unerheblich wird
verändert werden müssen, vielleicht noch lange hinauszögert. Die
Preisrichter heben mit Recht die hohen künstlerischen Reize der
Hauptgruppe hervor, empfehlen aber deren unmittelbare Verwendung
nicht. Der Künstler hat die Südspitze der Insel Nonnenwerth als
Denkmalplatz gewählt {ab cd des Lageplanes). Hier erhebt sich
auf einer nach Norden gegen den Klosterpark durch eine elliptische
Säulenhalle abgegrenzten 16 m hohen Plattform von 80 m Länge und
ebensoviel Breite das Denkmal bis zu einer Höhe von 28,5 m. Der
Hauptreiz des bildnerischen Werkes liegt in dem figürlichen Unterbau
des Kaiserbildes: Die Rheinnixen führen den siegreichen Kaiser auf
ihrem Schiffe im Triumphzuge heimwärts, die eine reicht ihm die
aus dem Rheingold geschmiedete Kaiserkrone, die andere das
Wächterhorn, die dritte sitzt auf dem hinteren Tlieil des Schiffes
und spendet aus ihrem Füllhorn Blumen und Früchte, die Segnungen
des Friedens. Allen voran stürmt wild eine Nixe, welche zwei hocli
aufbäuinende Flufspferde mit sich fortreifst. Der Kaiser selbst ist
in majestätischer lüihe auf dem Schiffe thronend gedacht, in der
Linken das Reichsschild, uie Rechte beschützend und zugleich be¬
wundernd über sein schönes Rheinland zu seinen Füfsen ausbreitend.
Leider ist die mit Lorbeeikranz, Krönungsmantel usw. aus¬
gestattete Kaisergestalt in ihrer anscheinend in der Eile nicht
ausreichend überlegten Durchbildung mifsglückt. Unstreitig ist aber
der Hilgerssche Entwurf doch unter allen Arbeiten des Wettbewerbs
derjenige, welcher, und zwar nicht nur durch seine künstlerischen Reize,
sondern auch wegen seiner leichten Fafsbarkeit, den Beschauer am
meisten fesselt, und den wohl gern jedermann ausgeführt in geeigneter
Umgebung sich aus den Fluthen des Rheins erheben sehen möchte.
Und in der That scheint es wohl denkbar, den bildnerischen Theil
der Hilgersschen Arbeit mit einem anderen architektonischen Auf¬
bau, z. B. mit dem des preisgekrönten Schmitzschen Entwurfes, in
Verbindungzu brin¬
gen. Das Reiter¬
standbild Schmitz's
müfste dann durch
eine im Sinne des
Hilgersschen Ge¬
dankens neu zu ent¬
werfende bildneri¬
sche Gruppe, ver¬
bunden etwa mit
einer Brunnenan¬
lage, ersetzt, und
diese vor die nach
der Ferne hin wir¬
kende Schmitzsche
Kaisersäule gestellt
werden. Vielleicht
geben diese Zeilen
den beiden Künst-
lei-n Veranlassung
zu einer entspre¬
chenden Verschmel¬
zung ihrer Gedan¬
ken in gemein¬
schaftlicher Arbeit.
Unter allen
übrigen Insel-Denk¬
mälern, welche für
Nonnenwerth ent¬
worfen sind, ist an
erster Stelle der zweite Entwurf von Bruno Schmitz „Grufs
Dir Romantik“ zu nennen, welcher, nicht minder „wuchtig“ in
seiner Gestaltung als der preisgekrönte Entwurf desselben Ver¬
fassers, besonders durch seinen einfachen und markigen Auf¬
bau anzieht, und sich vor den meisten anderen Insel -Entwürfen
dadurch auszeichnet, dafs er in richtiger Empfindung den Schwer¬
punkt der Denkmal- Anlage so weit als thunlich der Insel spitze
genähert hat, sodafs das Denkmal fast allseitig vom Wasser umspült
zu sein und vermöge seines massigen, kernigen Aufbaues der Gewalt
des Stromes zu trotzen scheint. Diese Wirkung zu erzielen, läfst er
den Festplatz sanft aus dem Inselgelände emporsteigen, um dann
den architektonischen Denkmalaufbau, einen auf mächtiger Terrasse
stehenden baldachinartigen sechsseitigen Kuppelbau, in welchem der
Kaiser steht, um so kräftiger und wirksamer als Kernpunkt der
Anlage hervorzuheben. Die Abmessungen des Baues gestatten wohl
ebenso wie die des preisgekrönten Entwurfes des Künstlers noch
beträchtliche Einschränkungen. Die Architekturformen des Kuppel¬
baues sind ohne strenge Anlehnung an eine bestimmte Stilrichtung
phantasievoll geschaffen. Beim ersten, oberflächlichen Betrachten des
Schaubildes glaubt man eine romanische, so recht an den Rhein, die
Hcimath so vieler hervorragender romanischer Bauwerke, gehörende
Architektur vor sich zu haben, während die Formen sogar bis ins
Barocke gehen. Diese Unbestimmtheit in der Formgebung, über welche
der Künstler bei weiterer Durchführung des nur skizzenhaft be¬
handelten Entwurfes leicht hinwegkommen wird, beeinträchtigt jedoch
die Wirkung des Bauwerks, welches mit seinem ganzen Terrassen-
Unterbau gewissermafsen einer - antiken Trireme gleich im Rheine
zu schwimmen scheint, keineswegs. Ist der Bau auch nicht romanisch,
so wirkt er doch der Landschaft entsprechend romantisch. In diesem
Sinne stimmen wir in das „Grufs Dir Romantik“ von Herzen ein.
(Schlufs folgt.)
Honnef
a b c d Aufgelandeter Boden und Denkmalplatz von K. Hilgers; — efg Denkmalplatz von
H. vom Endt u. A. Bender; — hik Denkmalplatz von H. Stiller.
Kaiser Wilhelm -Denkmal der Rheinprovinz.
254
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
21. Juni 1890.
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1
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. ■■'iP'
Abb. 1.
In der im gegenwärtigen Jahrgänge der Zeitschrift für Bauwesen
abgedruckten Mittheilung über die neue Hamburger Elbbrücke wurde
die auf Seite 236 angeführte Formel für den Horizontalschub (Abb. 1)
Pa (I — «)
^ ~ TTl f
mir zugeschrieben und zwar ohne jeden
weiteren Zusatz. Ich mache daher darauf
aufmerksam (wie ich dies übrigens schon
in meinen „Vorlesungen über die Bcrech-
jiung der Bogenbrücken‘‘, Berlin 1880,
gethan habe), dafs diese Formel erstmals
von Herrn Prof. Engesser entwickelt
worden ist, allerdings auf eine weniger
strenge Weise, denn die Ableitung des Herrn Engesser stützt sich auf
die Annahme, es sei die Aenderung, welche der von den Kämpfer¬
tangenten eingeschlossene AVinkel infolge der Biegung des Bogens
erfährt, vernachlässigbar klein.
In meinem Buche habe ich nun bei Untersuchung des Horizontal¬
schubs dem Umstande Rechnung getragen, dafs der Eiuflufs von II
auf das Biegungsmoment = — ll {y J y) statt = — Hy ist, wo y
die elastische Aenderung der Bogenordinate y bedeutet, und das
überraschende Ergebnifs dieser schärferen Rechnung war die oben
angeführte einfache Gleichung für //, welche somit den verwickelteren
Formeln von Sternberg und Winkler an Genauigkeit keineswegs
nachsteht. Ich glaiibe, dafs die Hervorhebung dieser Tliatsaclie wohl
geeignet sein
dürfte, der An¬
wendung des ein¬
facheren Ge¬
setzes weiteren
Vorschub zu
leisten.
Bei sehr fla¬
chen Bogen¬
brücken ist die Berücksichtigung der Verkürzung der Bogenachse un-
erläfslich; ich empfehle hier die (für den Fall aufserhalb der Bogen¬
mittellinie angeordneter Kämpfergelenke erweiterte) Formel (Abb. 2)
jj Pa(l — a) *)
2, H =
Zur Berechnung des Zweigelenkbogens.
Die Rechnung wird also durch Einführung der Zift'er v nicht erschwert.
Ein zweites, in der Abhandlung über die
neue Elbbrücke angeführtes Gesetz, wonach
sich die absoluten Werthe der Spannkräfte
Abb. 2.
V =
f {Fq ~f~ F'it) ~f~ {^I'qFo • — huFjj
/ iFo-\- Fu) 2,;) {hoFg —
Fo und Fu bedeuten die mittleren Querschnitte der oberen bezw.
unteren Gurtung; die Bezeichnungen ho^ hu sind aus der Figur er¬
sichtlich. Das Querschnittsverhältnifs Fo : Fu ist von geringem Ein-
flufs auf V. Liegen beispielsweise die Kämpfergelenke in der unteren
Gurtung (/ia = 0, ho = h) und setzt man einmal Fo = Fu, sodann
Fo = 2 Fu, so erhält man, wenn y= 4 h ist, v = 0,85 bezw. v = 0,81.
Zum mindestens wird man daher bei der ersten Berechnung Fo — Fu
setzen und findet dann
2 /’+ (^^0 — Fi)
V =
15
2.5 (ho hu) -j- gy. (Jio^ -f“ hu~)
Für den am häufigsten vorkommenden Fall ho-hu -
1
1 +
15
'32'
h^
-p
*) Vergl. Seite 224 des binnen wenigen Wochen erscheinenden
II. Bandes meiner Graphischen Statik.
in den steifen Schrägstäben eines Feldes
(Abb. 3) umgekehrt wie die Quadrate der
Stablängen verhalten, ist ebenfalls von
Herrn Engesser zuerst abgeleitet worden,
mit besonderer Empfehlung für einfache
Balkenbrücken. Bei Berechnung von Bogen¬
brücken ist die Anwendung dieses Gesetzes
nur für die erste Querschnittsabschätzung,
durch welche jede genauere Untersuchung
eines statisch unbestimmten Trägers ein¬
geleitet werden mufs, zulässig. Genauere
Formeln (abgeleitet in des Unterzeichneten Buch über Bogenbrücken,
Seite 74 und 75) sind;
Q
B =
D‘
worin zu setzen:
0 =
Fä
V + (f. + jf)
5- sin «'
Fa‘
Fa
I (F ■ ,
Sin fc -\ — sin a
‘ 7i y
f 0 ü\ 2 ,•
\ F 7p J -5 sm a
siu ß -G ^ sin «'
■Fd Fa
Mu
h
+
Fu. h
(Flo ^Fji) -ir Q
1 _L -^2 I — U
' Fo^ Fu
U =
-Ff. _ ( 1/
h ^ FJi ^ °
Mu) —CiQ
^ Fo ^ Fu
Q ist die Querkraft für das fragliche Feld; Mo und 31u sind die
Angrifl’smomente für die in Abb. 3 mit o und u bezeichneten Punkte.
Weiter bedeuten
F'o, Fu die Gurtquerschnitte,
Fd, F'd' die Querschnitte der durch D bezw. D' beanspruchten
Schrägstäbe.
d, d‘ die Längen der Schrägstäbe,
d und C3 Ziffern, die nach den Formeln
C^ =
d^
COS a - COS Ci
Fd' Fa
d‘^ . , d^
FFT
Fa Fa.
sm a
s- sin (a -|- a‘)
. (P
sm cc
zu berechnen sind. Die übrigen Bezeichnungen sind aus Abb. 3 er¬
sichtlich. Man wird zuerst die Einflufslinien für die Q, Jio, Mu auf¬
tragen, hieraus die O- Linien und 6"- Linien berechnen und schliefslich
die H- und D'-Linien.
Berlin, im Juni 1890. Prof. Müller-Breslau.
Yom Panjima- Canal.
(Schlufs.j
V. Mag man für den Chagres, welcher die Canallinie mehrfach
kreuzt, ein neues Bett herstellen, wie es früher beabsichtigt war, mag
man ihn, nach dem neuesten Plan, mit dem Canal vereinen, immer
mufs man für die Abführung seines Wassers sorgen, welches bei
Hochwasser massenhaft und reifsend auftritt. Der letzte Plan der
alten Gesellschaft wollte die Theile des Chagresbettes beiderseits
des Canals mit Durchstichen verbinden, beiderseits des Canals also,
mit Rücksicht auf die von beiden Seiten kommenden Nebenflüsse,
ein Kleinwasserbett hersteilen und den Canal selbst durch Deiche
gegen das Hochwasser des Chagres schützen. Solche Deiche würden
den Hochwasserangriff schwerlich aushalten. Wo der Canal nahe an
die Bergabhänge tritt, liegen die Durchstiche am Fufse und die
Deiche auf den geneigten Abläufen der Abhänge; auch würden die
Deiche an manchen derartigen Stellen das Hochwasserbett übermäfsig
einengen. Durchstiche zudem, in denen das Wasser höher ist als
im Canal, würden Durchsickerungen nach dem Canale hin veranlassen,
was die ganzen lehmigen Erdmassen zwischen solchem Durchstich
und dem Canal in Bewegung setzen könnte. Die Vereinigung des
Flusses mit dem Canal drängt sich daher auf und führt zunächst
zur Annahme der Seen. Unterhalb Bohio sind die Durchstiche be¬
reits ausgeführt.
Der Abflufs aus dem Scheitelsee erfolgt in den Thalsperren durch
Centralblatt der Bauverwaltung,
255
air. 25.
i
I Ueberfälle, deren Krone auf + 35,50, also 1 m über dem niedrigsten
j Wasserstand liegen soll, um Im Wasserhöhe zur Speisung in trocke-
! ner Zeit bereit zu halten. Die Länge der Ueberfälle ist, vorbehalt-
; lieh genauerer Ermittlung der vom Chagres zu befürchtenden Wasser-
[ mengen, so einzurichten, dafs nach dem Atlantischen Meere, seiner
' natürlichen Mündung, 900 cbm in der Secunde, nach dem Stillen
; Meere aber nur 300 cbm in der Secunde abfliefsen können. Dann
wird die Strömungsgeschwindigkeit in dem Einschnitt zwischen
beiden Seetheilen 0,80 m in der Secunde nicht übersteigen und die
Schiffahrt an sich noch nicht hindern, wenn letztere bei Hochwasser-
Andrang nicht ohnehin gehindert sein sollte, ein selten eintretender
Nachtheil, den man in Kauf nehmen mufs. Bei der Lage der Ueber-
fall- Krone bleiben zum Auffangen des Hochwassers 2 m Wasserhöhe
vorhanden, welche bei den 3000 ha Fläche des Scheitelsees 60 Mil¬
lionen cbm fassen können. Da man genaue Zahlen für die möglichen
Hochwassermengen des Chagres nicht hat, so müssen die Ueberfälle
für unbestimmt grofse Mengen regulirbar eingerichtet werden, was
durch Anordnung eines beweglichen Theils geschehen soll, der sich
weiter nach unten hin öffnen kann, seine Krone also auch auf
35,50 hat. Als bewegliche Bautheile werden Desfontainesche
Klappen von 2,80 m Höhe über der Drehachse und von je 12 m Breite
vorgeschlageu.
Der See unterhalb der Thalsperre von San Pablo hat 1000 ha
Fläche. Er empfängt das über diese Thalsperre abfliefsende Chagres-
wasser und das Wasser der Seitenzuflüsse bis Bohio Soldado hin.
Hier hat der See, d. h. der Canal, Ueberfälle nach beiden Seiten, mit
der Krone auf der Höhe des niedrigsten Wasserstandes von -j- 15.
Unterhalb Bohio läuft das nunmehr durch keine Gebirgsvor-
sprünge mehr eingeengte Wasser im alten Chagresbett und den be¬
treffenden Durchstichen beiderseits des Canals, sowie durch den
Canal selbst nach dem Atlantischen Meere ab. Man wird keine
Trennung dieser drei Rinnen versuchen, sondern das Wasser wird
sich ausbreiten, wie es bei einem mit mehreren Armen in das Meer
ausmündenden Strome geschieht. Bei aufsergewöhnlichem Wachs¬
wasser könnte dann wohl einmal Schiffahrtsbehinderung entstehen,
was aber ebenso als höhere Gewalt zu betrachten ist, wie ein Sturm,
der die Schiffe am Einlaufen in den Canal hindert.
Nach der Seite des Stillen Meeres hin liegt alles viel einfacher,
weil hier weniger Wasser abfliefst, welches seinen Weg nach dem
Meere durch den Rio Grande und den Canal in ähnlicher Weise
flndet, wie auf der Atlantischen Seite.
VI. In dem 8 km langen Gebirgseinschnitt, welcher die beiden
Theile des Scheitelsees verbindet, ist die gefährlichste Stelle der
1800 m lange Einschnitt von Culebra. Derselbe erreicht in der Canal¬
achse -1-101,5 m über dem Meeresspiegel, und hat daher 101,5 — 25,5
= 76 m Höhe. Die Böschungen reichen seitwärts noch viel höher
hinauf in das Gebirge. Ein Einschnitt von solcher Höhe ist noch
niemals ausgeführt worden. Bei den angefangenen Arbeiten haben
sich Erdstürze gezeigt, veranlafst durch die lehmige Natur des Bodens,
die Lage der Schichten, durch unvorsichtigen Arbeitsangriff, durch
Vernachlässigung der Wasserableitung und auch dadurch, dafs die
Unternehmer gar kein Interesse an der Vermeidung der Erdstürze
hatten, die ihnen immer wieder leichte Arbeit zuführten. Vor allem
muf§ für den Wasserablauf hinter den Aussatzbodenmassen besser
als bisher Sorge getragen werden. Die einsturzdrohenden Massen
scheinen auf der Atlantischen Seite ICOOOOO cbm, auf der anderen
Seite 680 000 cbm zu betragen. Hauptsächlich sind die Erdbewegungen
in der Regenzeit zu fürchten — und diese dauert 7 Monate, von
Mitte Mai bis Mitte December — , weil dann der lockere Boden
durchweicht ist. Jährliche Regenhöhe 3 m! Wo Gleitflächen unter
den lockeren Massen zu Tage treten, sind Bermen herzustellen, auf
denen ein Arbeitszug zur Bekämpfung der nachfallenden Massen
fahren kann. Unter den beweglichen Massen sind Sedimentschichten,
welche sicher erscheinen bis auf die Stelle vor dem Culebra-Berge,
wo man nicht weifs, welchen Einflufs das Hervorbrechen der Basalt¬
massen des Berges auf die Lage der Sedimentschichten ausgeübt
hat. Unter Vorbehalt in dieser Beziehung schlägt der Ausschufs
vor: eine hochgelegene Berme von 11 m Breite, wo sich die beweg¬
lichen Massen von den zu Tage tretenden Sedimenten abheben,
ungefähr auf -|- 80 an der Atlantischen, auf -f- 60 an der andern Seite;
darüber, in den lockeren Massen, eine Böschung von zweifacher bis
anderthalbfacher Anlage; darunter, in den Sedimenten, einfache
Böschung. In letztgenannter Böschung würden sich, ohne deren
Gesamtneigung zu ändern, Zwischen-Bermen von 2 m Breite in 15 m
Höhenabstand zur gelegentlichen Aufnahme eines schmalspurigen
Arbeitsgeleises empfehlen; 3 m über dem niedrigsten Wasserspiegel,
also mit dem höchsten Wasserstande abschneidend, ist noch auf
jedem Canalufer eine Berme anzulegen, links (Richtung Colon-
Panama) 5 m, rechts 3 m breit, und zwar links für ein Arbeitsgeleis,
rechts blofs als Weg.
Das von den Böschungen abfliefsende Wasser ist auf letzt¬
genannten Bermen am Böschungsfufs in Rinnen aufzufangen und
in den Canal zu leiten. Im benetzten Canalquerschnitt sind die
Böschungen auf 1 : 1 angenommen. Da sie in verschieden hartem
Boden liegen, so können gewisse Theile ausgespült werden und die
härteren Theile dann als Vorsprünge stehen bleiben, welche die
Schiffe bedrohen. Wo dies zu befürchten, sind die benetzten
Böschungen abzupflastern.
Nach diesen Annahmen sind die Massen des Gebirgseinschnitts,
von denen die Vollendungszeit des Canals abhängt, auf 8 350 000 cbm
berechnet worden. Bei Bewältigung von 1200 000 cbm höchstens
jährlich würden 7 Jahre Arbeitszeit mindestens erforderlich sein,
woraus zu ersehen, dafs keine Zeit mehr zu verlieren ist, wenn die
Concession nicht verfallen soll.
VII. Die noch erforderlichen Kosten berechnet der Ausschufs,
auf Grund der erfahruugsmäfsig auf der Landenge anzunehmenden
Einheits-Preise, wie folgt:
Zur Eröffnung eines lohnenden Betriebs unbedingt nothwendige,
übersehbare Bauarbeiten . 485 800 000 Fr.
Unvorhergesehene Arbeiten etwa 20 pCt. davon . . 94 200 000 „
Sämtliche Bauarbeiten 580 000 000 „
Dazu kommen Verwaltungskosten in Paris und auf
der Landenge mit Rücksicht auf das Klima der
letzteren, welches häufige Ablösung der Personen
bedingt, 10 pCt . 58 000 000 „
Kosten der Capitalbildung, Bauzinsen mit Rücksicht
auf nach und nach eingeforderte Capitalzeichnungen
und zur Abrundung . . 262 000 000 „
Gesamtkosten 900 000 000 Fr.
Nur mit einer solchen Aufwendung darf man darauf rechnen,
den späterhin noch vielfach zu verbessernden Canal wenigstens so
weit zu führen, dafs bei nicht übertriebenem Zoll ein beträchtlicher
Theil der Schiffe vom Wege um Südamerica herum abgelenkt werden
kann.
Bei der Zeit- und Kosten -Berechnung ist auch angenommen,
dafs in den acht Baujahren kein Krieg, keine Revolution, keine
langen Arbeitsaustände störend eingreifen. Deshalb, und weil die
Kosten auch von der ganzen Art der Bauleitung beeinflufst werden,
macht der Ausschufs bei den berechneten 900 Millionen die aus¬
drücklichsten Vorbehalte. Warum da nicht lieber gleich eine gute
runde Milliarde annehmen? Das sieht an sich schon viel weniger
genau aus.
Bei Festsetzung der zu Grunde gelegten Einheitspreise konnten
die letzten Ausgaben der Canalgesellschaft, weil unter den drückend¬
sten Verhältnissen geleistet, nicht mafsgebend sein. Es mufste aber
auf die Nothwendigkeit, in den trocknen Monaten 15 — 20 000 Arbeiter
vereint zu halten, den Arbeitern und Unternehmern die Gelegenheit
aufsergewöhnlich grofsen Verdienstes in diesem Klima zu bieten,
Rücksicht genommen werden. Auch sind die Einheitspreise in der
Voraussetzung bestimmt worden, dafs alle Maschinen, alles Arbeits-
geräth der alten Gesellschaft, welches 150 Millionen gekostet hat
und sich in brauchbarem Zustande befindet, dafs alle Bauten, welche
52 Millionen gekostet haben, von der neu zu bildenden Gesellschaft
einfach unentgeltlich übernommen werden. Man findet an Ort und
Stelle Bausteine und Sand, mufs aber Kalk, Cement, grofse Bau¬
hölzer usw. einführen.
Die Betriebs- und Unterhaltungskosten berechnet der Ausschufs
auf jährlich 10 Millionen Franken.
VIII. Bleibt noch die Frage, was der Canal einbringen kann.
Der Durchschnitt des Suezcanal -Verkehrs betrug von 1885 — 1888
jährlich 3325 Schiffe mit 6 161 817 Registertonnen. Man darf ofienbar
den Tages -Verkehr nicht nach dem Durchschnitt berechnen, da
Zeiten lebhaften und schwachen Verkehrs naturgemäfs miteinander
abwechseln. Da die Schleusen und das Chagres-Hochwasser Verkehrs¬
unterbrechungen bedingen werden, so ist jährlich nur auf etwa
320 Tage Betriebszeit zu rechnen. Mit einem Verkehr wie im Suez¬
canal würden es durchschnittlich täglich 11 Schiffe sein. Man mufs
daher den Canal befähigen, mindestens die doppelte Durchschnitts¬
zahl der Schiffe durchlassen zu können, weshalb an jeder Stelle zwei
Schleusen nebeneinander gleich für die Eröffnung anzunehmen waren.
Dazu kommt, dafs hier auch, im Gegensatz zum Suezcanal, ge¬
schleppte Segelschiffe werden fahren können. Um die Verkehrs¬
fähigkeit des Canals zu steigern, hätte der Ausschufs Schleusen von
weniger als 11 m Gefälle und in entsprechend gröfserer Anzahl vor¬
gezogen, denn die Verkehrsfähigkeit eines Canals hängt nicht von
der Anzahl der Schleusen, sondern von der Dauer einer einzelnen
Schleusung ab. Je kürzer letztere, um so schneller können sich die
Schiffe folgen, wenn auch das ^einzelne Schiff bei weniger Schleusen
mit mehr Gefälle wohl etwas schneller durch den Canal kommt. Die
Schleusungsdauer nimmt mit dem Schleusengefälle ab.
Ein Schiff, welches den Canal benutzt, kann nur die Ersparnifs
25G
21. Juni 181)0.
Centralblatt der Bauverwaltung.
aufweiiclen, welche ihm der neue Weg bietet, und diese ist für ver-
scliiedene Fahrten sehr verschieden. Da aber die C'oncession einen
Einheitstarif vorschreibt, so wird ein Mittelwerth von 12,50 Fr. für die
Kegistertonne, alles einbegriffen, noch zulässig sein. Unter allem
Vorbehalt dürfte für die ersten 4 Betriebsjahre auf je llOOtlOUt zu
rechnen sein, worauf denn eine jährliche Steigerung von 250 000 t
auzunehmen wäre, sodafs 12 Jahre nach der Eröffnung jährlich
6 Millionen Tonnen durch den Canal gehen würden. Das ergäbe
für das vieile Betriebsjahr nach Abzug von 5 pCt. für die columbi-
sche Kegierung und von 10 IMillionen Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten eine Keineinuahme von 38 687 500 Fr. Wenn keine Zoll¬
herabsetzung nöthig wird, würden die Keineinnahmen im zwölften
Betriebsjahre 60 ]\lillionen Franken sein können. (Dürften nicht
auch die Schleusen die Schilfsversicherung beeinflussen und so auf
den Caualzoll drücken?)
Die Einnahme wird nach einem abzuschliefsenden Vertrage
zwischen der neuen und der alten Gesellschaft zu theilen sein. Die
neue hat 900 Millionen aufzubringen. Was die alte Gesellschaft zu¬
bringt, ist auf die Hälfte, 450 Millionen, abzuschätzen, ein Werth,
der aber nur vorhanden ist, wenn sich eine neue Gesellschaft bildet.
Dazu wäre allerdings, weil die nothwendige Wartezzeit auf Ein¬
nahmen das Mafs der Speculationen privaten Interesses zu über¬
steigen scheint, eine Zinsgewähr bis zu der Zeit nothwendig, wo das
Unternehmen auf eigenen Füfsen stehen könnte. Für die Gesamt¬
heit der Seemächte würde solche Zinsgewähr ein ganz unerhebliches
und vorübergehendes Opfer sein.
In Bezug auf diese mehr politische als flnancielle Frage schliefst
der Ilauptbericht des Ausschusses mit folgendem Satz: „Ist diese
Auffassung ein Traum? Ernste Männer halten sie für durchführbar,
und in Europa wie in America hat sie Anhänger gefunden. Sie giebt
die beste Lösung der Schwierigkeiten, mit denen ein Unternehmen
ringt, welches der Theilnahme der ganzen Welt werth ist, und eine
in diesem Sinne unternommene Bestrebung würde der Begierung
welclie sie anregen möchte, nur zur Ehre gereichen“.
Pescheck.
Vermischtes.
Ergehiiifs der Yorpriifiiiig und der ersten HaiiptprUfiiiig für den
preufsisehen Staatsdienst iin Banfaeli ini Keehnnngsjahre l.S8f> 90.
Vor den Königlichen technischen Prüfungsämtern in Berlin, Hannover
und Aachen haben im L.aufe des Jahres vom 1. April 1889 bis dahin
1890 im ganzen die Vor- bezw. die erste Hauptprüfung für den Staats¬
dienst im Baufache abgelegt, und zwar:
a. die Vorprüfung: in Berlin 120, . in Hannover 32 und in
Aachen 13, zusammen 165 Candidaten (im "tTrjahre 134);
b. die erste Hauptprüfung: in Berlin 85, in Hannover 19
und in Aachen 10, zusammen 114 Candidaten (im Vorjahre 93).
Von den 165 Candidaten zu a sind 42 für das Hochbaufach,
69 für das Ingenieurbaufach und .54 für das Maschinenbaufach ge¬
prüft worden und haben 116, also 70,3 pCt. (im Vorjahre von 134 Can¬
didaten 98 oder 73,1 pCt.), die l’rüfung bestanden, darunter 6 .,mit
Auszeichnung“.
Von den in die erste Hauptprüfung eingetretenen 114 Candidaten
sind 31 für das Hochbaufach, 44 für das Ingenieurbaufach und 39
für das Maschinenbaufach geprüft worden und haben 91, also 79,8 pCt.
(im Vorjahre von 93 Candidaten 73 oder 78,5 pCt.), die Prüfung be¬
standen, darunter 16 „mit Auszeichnung“.
Der ersten Ilanptprüfung im Schiffbau- und Schiffs-
maschinen-Baufache der Kaiserlichen Marine haben sich bei
dem Königlichen technischen Prüfungsamte in Berlin aufserdem zwei
Candidaten unterzogen, von denen einer die Prüfung bestanden hat.
Ergehiiifs der zweiten Hauptpriifang für den prenfsisclien
Staatsdienst ini Eaufaeh iin Keehnnngsjahre 1889/90. Vor dem
Königlichen technischen Ober-Prüfungsamte in Beidin haben während
des Zeitraums vom 1. April 1889 bis dahin 1890 im ganzen 187 Can¬
didaten die zweite Hauptprüfung für den Staatsdienst im Baufache
abgelegt. Von diesen haben 158 die Prüfung bestanden, und zwar
124 als Baumeister für das Hoch- und Ingenieurbaufach und 34 als
Baumeister für das Maschinenbaufach; dieselben sind sämtlich zu
Königlichen Begierungs-Baumeistern ernannt worden.
Nach den Vorschriften vom 27. Juni 1876 sind 46 Candidaten,
und zwar 22 für das Hochbaufach, 22 für das Ingenieurbaufach und
2 für das Maschinenbaufach, und nach den Vorschriften vom 6. Juli
1886 141 Candidaten, und zwar 50 für das Hochbaufach, 53 für das
Ingenieurbaufach und 38 für das Maschinenbaufach geprüft worden.
Von den 158 Candidaten, welche die Prüfung mit Erfolg ab¬
gelegt haben, haben vier das Zeugnifs „mit Auszeichnung“ erhalten.
Zur Erlangung von Plänen für den Neubau einer Realschule
für 600 Schüler schreibt die Stadt Ludwigshafen a. Eh. eine
Preisbewerbung unter den deutschen Architekten aus (vgl. den
Anzeigentheil der Nr. 24). Die Baukosten betragen 275 000 Mark,
und ihre Einhaltung gehört zu den wesentlichen Punkten des nach den
für Deutschland geltenden Grundsätzen sehr gründlich durchgearbei¬
teten Programmes. An Preisen werden vertheilt ein erster von
1500 Mark, ein zweiter von 900 Mark und ein dritter von 600 Mark.
Die von den Preisrichtern überdies zum Ankauf vorgeschlagenen
Arbeiten werden mit je 500 Mark honorirt. Das Preisrichteramt
haben übernommen die Herren Ober-Baudirector Sichert -München,
Bezirksingenieur Jolas und Architekt Haueisen, beide in Ludwigs¬
hafen, und zwei Nichttechniker, der Director der Realschule und ein
Mitglied des Stadtrathes.
Die Kosten vom Neubau des Zelleuhauses iu der Strafanstalt
von Rawitscli stellen sich nach der nunmehr vollendeten Abrechnung
nicht unwesentlich anders, als in der Mittheilung über den Neubau
auf Seite 132 d. J. angegeben. Die Gesamtkosten belaufen sich ein-
schliefslich der Beträge für Bauführung und Ausstattung der Haft¬
zellen (jede 37,4 Mark) auf 119 875 Mark, wobei sich das Quadrat¬
meter Grundfläche auf rund 145 Mark, das Baummeter auf 9,5 Mark
stellen, während auf den Gefangenen nur 778,4 Mark kommen. Die
Kosten der Warmwasserheizung betragen 16 986 Mark, d. i. 417 Mark
für 100 cbm Luftraum, die der Luftheizung 2668,8 Mark, d i. 87 Mark
für 100 cbm.
Mit ISoziigsiahine auf die Aufrufe zur Eluterstutzuug der Hiiiter-
biiebeneii verstorbener Facligeiutsseu erhielten wir vor kurzem
folgende Zuschrift: „Je häufiger derartige betrübende Fälle der Hülf-
losigkeit Ilinterlassener sich wiederholen, um so befremdlicher und
bedauerlicher mufs es erscheinen, dafs so viele Fachgenossen vor¬
handen sind, die trotz jahrelanger Beschäftigung als Regierungs-Bau¬
meister keine Veranlassung genommen haben, die Zukunft der Ihrigen
einigermafsen sicherzustellen. Die gesetzlichen Witwen- und Waisen¬
gelder sind, zumal bei jüngeren Beamten, naturgemäfs ziemlich
geringfügig, und die aufserordeutlichen Unterstützungen, die in Fällen
trauriger Nothlageu seitens des Staates an die Hinterbliebenen von
Beamten'*') gewährt werden, können über die Abhülfe eines gegen¬
wärtigen Nothstandes nicht weit hinausreichen. Seit Jahren schon
stellt der Preufsische Beamten- Verein in Hannover aufserordentlich
günstige Bedingungen für Lebens- und Rentenversicherung. Mögen
diejenigen, welchen die Einrichtungen dieses Vereins bisher unbe¬
kannt geblieben sind, sich wenigstens die Drucksachen kommen
lassen (dieselben werden unentgeltlich versandt), um die Vortheile,
die der Verein bietet, kennen zu lernen.“
Wir benutzen die Gelegenheit, welche die Einsendung des nach¬
stehend abgedruckten Geschäftsberichtes des erwähnten Beamten-
Vereins uns bietet, um gleichzeitig der obigen wohlgemeinten Mah¬
nung Baum zu geben, und fügen noch hinzu, dafs, iu je jüngeren
Jahren die Versicherung erfolgt, um so geringer der Jahresbeitrag
und die daraus erwachsende Belastung ist.
Der Preufsische Beamte ii-Tereiu in Hannover, Lebens- Versiche¬
rungs-Anstalt für den deutschen Beamtenstand, hielt am 11. d. M.
seine 13. ordentliche Hauptversammlung ab. Aus dem Geschäfts¬
bericht ist hervorzuheben, dafs der Versicherungsbestand sich 1889
auf 23 943 Versicherungen über 68163110 Mark Capital und
98 560 Mark Jahresrente belief und für 1889 einen reinen Zuwachs um
2348 Versicherungen über 7 206 350 Mark Capital und 17 040 Mark
Jahresreute zeigt. Die Sterblichkeit verlief günstig. Es erloschen
durch Tod 103 Lebens -Versicherungs- Policen über 366 300 Mark,
während rechnungsmäfsig erlöschen konnten 177,4 Policen über
673 057 Mark. Die Jahresrechnung schliefst in Soll und Haben mit
15 381 406 Mark 53 Pf. ab und ergiebt einen Gewinn von 494 338 Mark
76 Pf. Die Hauptversammlung beschlofs aus dem Gewinn 310 469 Mark
41 Pf. zur Zahlung von Gewinnantheilen an die Lebensversicherten
zu verwenden, womit jeder derselben 5 pCt. seines Prämien-Reserve-
Guthabens als Gewinnantheil erhält. Die Verwaltungskosten mit
79 326 Mark 76 Pf., oder 1,16 Mark auf je 1000 Mark des Versiche¬
rungsbestandes, waren sehr gering infolge des Umstandes, dafs der
Verein gar keine bezahlten Agenten und sonstige Aufsenbeamten hat.
Die Sicherheits- und aufserordeutlichen Sicherheits -Rücklagen er¬
reichen nunmehr zusammen die Höhe von 1 645 869 Mark 76 Pf. und
stellen den Theil des Vereinsvermögens dar, dem keinerlei Ver-
jiflichtungen gegenüber stehen.
*) Bei der letzten durch den Anzeiger des Centralblattes der
Bauverwaltung veranstalteten Sammlung handelte es sich um die
Hinterbliebenen eines verstorbenen Fachgenossen, der nicht Staats¬
beamter gewesen war, weshalb um so dringlichere Veranlassung zur
Unterstützung vorlag.
Verlag von Ernst & Korn (tVillielm Ernst), Berlin. Für die Redaction des niclitamtliclien Tlieilo.s verantwortlicü; Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r s k cs , Berlin.
257
Centralblatt der Baiiverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 28. Juni 1890. Nr. 26.
Rodactiou: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
IKHAL'f: Amtliches: Belianntmachiing vom 19. Juni 1890. — Personal-Nachrichten.
— Nichtamtliches: Westthurm des Münsters in Ulm. — Wiederherstellung des Heidel¬
berger Schlosses. — Kaiser Wilhelm-Denkmal für die Rheiuprovinz (Schlufs). — Hemm¬
schuhe im Verschubdienst. — Ziegelsteiugewölbe aus verzahuten Ringen. — Seehäfen
Rufslands. — Vermischtes: Wettbewerb um das Denkmal für Kaiser Wilhelm I.
auf dem Kyft'häuser. — Preisbewerbung für ein Kreishaus in Cottbus. — Berechnung
der Monicr-Bauteu. — Pfarrkirche von Eydtkuhnen. — Reinigung der Siehvässer in
Frankfurt a. M. — Besuch der technischen Hochschule in Dresden 1888/90. — Besuchs-
zitfer der technischen Hochschule in Braunschweig 1889/90. — IV. Internationaler
Congrefs für Gefängnifsw’esen in St. Petersburg.
Amtliche Mittheilungen.
Bekanntinachnng.
Der Lieutenant a. D. Brunkow, hier Gneisenaustrafse Nr. 27
wohnhaft, hat den Preis seines Werks „Die Wohnplätze des Deutschen
Eeichs“ auf 40 Mark herabgesetzt.
Im Anschlufs an meine Bekanntmachung vom 20. August v. J.
mache ich die betheiligten Behörden hierauf aufmerksam.
Berlin, den 19. Juni 1890.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
Im Aufträge
Schultz.
Prenfseii.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den Geheimen
Ober-Eegierungsrath und Vortragenden technischen Eath im Mini¬
sterium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Kunisch in
Berlin, und den Meliorations-Baubeamten für die Eegierungs- Bezirke
Breslau und Liegnitz, Eegierungs- und Baurath v. Münster mann
in Breslau, zu aufserordentlichen Mitgliedern der Akademie des Bau¬
wesens zu ernennen.
Der bisherige technische Attachö bei der Kaiserl. Botschaft in
Paris, Eegierungs- und Baurath Pescheck ist der Königl. Eegierung
in Frankfurt a. 0. überwiesen, und der Wasser-Bauinspector Mathies
in Berlin mit der Wahrnehmung des Amtes eines technischen Attaches
bei der Kaiserl. Botschaft in Paris betraut worden.
Die bisherigen Kreis -Bauinspectoren, Baurath Junker in Har¬
burg und Haake in Sagan sind als Bauinspectoren und technische
Mitglieder an die Königlichen Eegierungen bezw. in Plildesheim und
Königsberg O.-Pr. versetzt worden.
Der Land-Bauinspector Baurath Tiede in Berlin tritt am 1. Juli
d. J. in den Euhestand.
Zu Königlichen Eegierungs -Baumeistern sind ernannt; die Ee¬
gierungs -Bauführer Moritz Boelling aus Köln a. Eh. und Gustav
Böhmer aus Telgte, Kreis Münster i. Westfalen (Maschinenbaufach).
Den bisherigen Königlichen Eegierungs -Baumeistern Theodor
Starke in Eostock, Eichard Kampf in Eatibor und Heinrich Ein¬
tel en in Bromberg ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienste ertheilt worden.
Bayern.
Der Vorstand des Strafsen- und Flufsbauamtes Eosenheim, Bau¬
rath Adam Nabinger, wurde seiner Bitte entsprechend in den
dauernden Euhestand versetzt und demselben in Anerkennung seiner
langjährigen treuen und ausgezeichneten Dienstleistungen der Ver¬
dienstorden vom heil. Michael IV. Klasse verliehen, auf die sich
erledigende Bauamtmannstelle bei dem Strafsen- und Flufsbauamte
Eosenheim der Eegierungs- und Kreisbauassessor Alois WöhiTe in
Würzburg seinem Gesuche entsprechend versetzt, auf die bei der
Eegierung, K. d. J., von Unterfranken und Aschaff’enburg sich er¬
öffnende Stelle eines Eegierungs- und Kreisbauassessors für das
Ingenieurfach der Bauamtsassessor Eduard Fleischmann in
Aschaffenburg befördert, an das Strafsen- und Flufsbauamt Aschaft'en-
burg der Bauamtsassessor Karl Kurz in Neuburg a. D. auf Ansuchen
versetzt und die bei dem Strafsen- und Flufsbauamte Neuburg a. D.
in Erledigung kommende Assessorstelle dem Staatsbauassistenten
Alfred Mitte rmaier in Kgmpten verliehen.
Sachsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den
Professor an der technischen Hochschule in Braunschweig H. Engels
vom 1. October d. J. ab zum ordentlichen Professor für Wasserbau
und Elemente der Ingenieur -Wissenschaften an der technischen
Hochschule in Dresden zu ernennen.
Der Finanzrath Christian Heinrich Strick, Mitglied der General-
direction der Staatseisenbahnen, hat das Prädicat ( tberffnanzrath und
die Bezirksmaschinenmeister Paul Emil Heinrich Ehrhardt in Leip¬
zig II und Gustav Wilhelm Eschke in Leijjzig I das Eitterkreuz
11. Klasse des Königl. Sächsischen Verdienstordens erhalten.
Der Bezirksingenieur Dr. Friedrich Hermann Fritzscheist zum
Betriebs - Oberingenieur befördert, der Directionsingenieur Otto
Alexander Schmidt zum Bezirksingenieur in Dresden-Neustadt er¬
nannt und der Betriebsingenieur Wolfgang Ebei-hard Hermann
Eachel zum Directionsingenieur befördert worden.
Ernannt sind: die Abtheilungsingenieure Karl Hugo Dannen-
felfser in Zwickau zum Betriebsinspector bei der Betriebs-Ober-
inspection Zwickau und Julius Otto Spangenberg in Dresden-
Friedrichstadt zum Betriebsinspector bei der Betriebs-Oberinspection
Dresden- Altstadt.
Versetzt sind: die Abtheilungsingenieure Friedrich August
Alexander Piltz in Döbeln II in gleicher Eigenschaft zum Ab¬
theilungsingenieurbureau Dresden-Neustadt I und Ernst Paul Drefs-
1er in Geithain in gleicher Eigenschaft nach Dresden-Friedrichstadt,
sowie der Sectionsingenieur Johannes Georg Eichard Aufschläger
beim Sectionsbureau Buchholz in gleicher Eigenschaft zum Sections-
bureau Oschatz.
Der Betriebsinspector Otto Traugott Katzer in Zwickau ist
zum Abtheilungsingenieur in Döbeln II ernannt worden.
Zu Abtheilungsingenieuren sind befördert : die Sectionsingenieure
Alfred Holekamp in Zwickau I, Heinrich Eichard Kaiser in Geit¬
hain, Paul Mehr in Adorf und Georg Edmund Lucas; letzterer
ist vorläufig noch mit Verwaltung der Bausection Dohna betraut
geblieben.
Zu Sectionsingenieuren sind ernannt: die etatsmäfsigen Eegie¬
rungs - Baumeister Wolfgang Paul Schenkel für die Bausection
Kamenz, Christian Ulh'ich Hans Wolf für die Bausection Neusalza,
Arthur Eobert Thieme-Garmann für die Bausection Wolkenstein,
Volkmar Julius Ackermann für die Bausection Tanna, Christian
Heinrich Menzner für die Bausection Jöhstadt und Karl Eduard
Grüner für die Bausection Hirschberg.
Zu etatsmäfsigen Eegierungs -Baumeistern sind befördert: Die
präd. Eegierungs-Baumeister Max Oskar Dietsch beim Bau-Sections-
bureau Brand, Heinrich Ludwig Schönherr beim Bureau für den
Umbau der Dresdner Bahnhöfe, Ernst Moritz Arndt unter Verwen¬
dung bei den generellen Vorarbeiten, Guido Heinrich Bley beim
Bau - Sectionsbureau Lauenstein, Georg Adalbert Schramm beim
Abtheilungsingenieurbureau Freiberg sowie der Bahnverwalter, präd.
Eegierungs-Baumeister Eichard Leonhard Müller; letzterer wird zur
interimistischen Verwaltung des Abtheilungsingenieurbureaus Geithain
verwendet.
Versetzt sind: Die Eegierungs-Baumeister Albert Schneider I
beim Sectionsbureau Brand zum Bezirksingenieurbureau Chemnitz,
Ernst Hugo Toller beim Bauhauptbureau und Wilhelm Gustav
Georg Täubert beim Sectionsbureau Kamenz zum Ingenieurhaupt¬
bureau, Karl August Schneider II beim Sectionsbureau Bautzen
zum Bezirksingenieurbureau Dresden-Neustadt, Heinrich Maximilian
Lincke beim Sectionsbureau Easchau zum Bezirksingenieurbureau
Leipzig H, Otto Wilhelm Ferdinand Eichter bei der Abtheilung für
generelle Vorarbeiten zum Bauhauptbureau, Georg Adalbert Sauppe
bei der Betriebstelegraphen - Oberinspection zum Sectionsbureau
Oschatz, Hans Decker beim Bezirksingenieurbureau Dresden-
Altstadt zum Abtheilungsingenieurbureau Leipzig II, Ernst Maxi¬
milian Pietsch bei der Abtheilung für generelle Vorarbeiten zum
Sectionsbureau Wolkenstein, Friedrich Otto Häbler beim Sections¬
bureau Annaberg zum Sectionsbureau Neusalza, Friedrich Eudolf
Haase beim Sectionsbureau Schwarzenberg zum Abtheilungsingenieur-
258
Centralblatt der Bauverwaltung.
28. .Juni 1890.
bureau Chemnitz I, Karl Heinrich Kcinhold beim Abtheilungs¬
ingenieurbureau Döbeln II zum Abtheiluugsingenieurbureau Adorf
für die Bauausführung der Linie Falkenstein -Muldenberg, Ernst
Eduard Bahse beim Abtheilungsingcnieurbureau Leipzig II zum
Bureau für den Umbau der Dresdner Bahnhöfe, Reinhold Woldemar
Christoph beim Sectiousbureau Buchholz zur Betriebstelegraphen-
Oberinspectiou, August Richard Volgmann beim Abtheilungs¬
ingenieurbureau Dresden -Friedrichstadt zum Abtheilungsingenieur¬
bureau Döbeln II, Rudolf Schurig beim Abtheilungsingenieurbureau
Leipzig II zur Abtheilung für generelle Vorarbeiten, ( Ittomar Rudolf
Fromm hold beim Sectiousbureau Glashütte zum Sectiousbureau
Kamenz, Friedrich Otto Kräh beim Abtheilungsingenieurbureau
Plauen zum Sectiousbureau Hirschberg und Emil Fickert beim
Sectiousbureau Bautzen nach Neschwitz.
Der Directionsingenieur Gustav Friedrich Eduard Helmer ist
in den Ruhestand getreten.
Der präd. Regierungs-Baumeister beim Sectiousbureau Laueustein
Karl Paul Lehmann ist freiwillig abgegangen.
Der Abtheilungsingenieur Albin Wilke in Adorf ist gestorben.
Württemberg-.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
auf die beiden erledigten technischen Expeditorsstelleu bei dem
hydrograjihischen Bureau der Ministerial-Abtheilung für den Strafseu-
und Wasserbau den für die Strafsenbauinspectionen des Landes
bezw. die Strafsen- und Wasserbauinspection Stuttgart bestimmten
Abtheilungs-Ingenieur Hochstetter und den Regierungs-Baumeister
Steudel, z. Z. Amtsverweser der Königlichen Strafsen- und Wasser¬
bauinspection Stuttgart, letzteren mit dem Titel eines Abtheilungs¬
ingenieurs,
auf die erledigte technische Expeditorsstelle bei dem technischen
Bureau der Ministerial-Abtheilung für den Strafsen- und Wasserbau
den für die Strafsenbauinspectionen des Landes bezw. die Strafsen-
und Wasserbauinspection Stuttgart bestimmten Abtheilungs-Ingenieur
Fleischhauer zu befördern;
die bei der Locomotivwerkstätte Efslingen zu besetzende Stelle
eines Abtheilungs-Ingenieurs dem Maschinenmeister Heigl der Saale-
Eisenbahngesellschaft in Jena zu übertragen;
auf die erledigte Stelle eines Abtheilungs-Ingenieurs bei dem Be¬
triebsbauamt Stuttgart den Bahnmeister Staib, zur Zeit provisorischer
Abtheilungs-Ingenieur bei dem technischen Bureau der General-
direction der Staatseisenbahnen, und
auf die erledigte Stelle eines Abtheilungs-Ingenieurs bei dem
technischen Bureau der Generaldirection der Staatseisenbahnen den
Bahnmeister Mayer, zur Zeit provisorischer Abtheilungs-Ingenieur
bei diesem Bureau, zu befördern; ferner
den Ober-Baurath v. Brockmann bei der Generaldirection der
Staatseisenbahnen seinem Ansuchen entsprechend wegen vorgerückten
Alters und dadurch gehemmter Thätigkeit in den Ruhestand zu ver¬
setzen und demselben in Anerkennung seiner langjährigen und
treuen Dienste das Coinmenthurkreuz II. Klasse des Königlichen
Friedrichs -Ordens zu verleihen.
[Alle Eechte voibelialten.]
Nichtamtlicher Theü.
Kedacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Der Westtliurm des Münsters in TJlni
In Ulm beginnen heute die Festtage zur Feier der Vollendung
des Hauptthurms am dortigen Münster, des gröfsten und bedeut¬
samsten unter den protestantischen Gotteshäusern unseres Vater¬
landes. Noch ist das Jahrzehnt nicht ganz ver¬
flossen, seitdem man den gewaltigen Thürmen
des Domes zu Köln iinter den Augen des
unvergefslichen Kaisers Wilhelm I den
Schlufsstein aufgesetzt, und schon steht ein
anderes jener kühnen Baudenkmäler, welche
von dem frommen Sinne wie dem hohen
Kunstvermögen unserer Voreltern beredtes
Zeug-nifs ablegen, in neuem Schmucke fertig
da. Ein solcher Erfolg ist wahrhaft geeignet,
unser ganzes Volk, dessen Stämme sich nicht
zu politischer Einigung allein, sondern auch
zu gemeinsamen Bestrebungen auf den Ge¬
bieten friedlicher Kunstbethätigung zusam¬
mengefunden haben, hoch zu ehren. Im be¬
sonderen darf noch die Architektenschaft in
Deutschland sich jenes denkwürdigen Er¬
eignisses, zu dessen Feier die einst so mäch¬
tige freie Reichsstadt Ulm im Schwaben¬
lande Vertreter aller Stände gastlich zu sich
geladen, mit stolzem Muthe freuen; ist es
doch gerade ihrem thatkräftigen Eintreten
zu nicht geringem Theile zuzuschreiben,
wenn der Gedanke, die Wiederherstellung
des Ulmer Münsters als ein Unternehmen
von All-Deutschland zu betrachten, in allen
Orten des Vaterlandes einen fruchtbringenden
Boden gefunden hat.
Die Geschichte*) dieses bewunderungs¬
würdigen Baudenkmals späthgothischer
*) Ueber die Baugeschichte des Münsters zu Ulm sind bereits
ziemlich eingehende Mittheilungen bekannt geworden. Wir erinnern
zunächst an die Festschrift (Ulm und sein Münster 1877) von
Friedrich Pressei, welche ihre Entstehung der im Jahre 1877
erfolgten 500jährigen Jubelfeier der Grundsteinlegung der Kirche
verdanlH. Wichtige Aufschlüsse haben auch die in den Schriften
des Württembergischen Alterthums - Vereins (Vierteljahrschrift für
Wüittembergische Landeskunde V. Jahrgang) niedergelegteu For¬
schungen des Diaconus Alfred Klemm geliefert. Sodann verdienen
die ausführlichen Mittheilungen der Deutschen Bauzeitung, welche
der Wiederherstellungsfrage des Münsters und seines Westthurms
von Beginn an das wärmste Interesse gewidmet hat (man sehe die
Angaben, Zeichnungen und Aufsätze vornehmlich in den Jahrgängen
1881, 1882, 1884 usf.) besondere Beachtung. Ferner enthält die Zeit-
Kunst, das s. Z. für die gesamte süddeutsche Kunst mafsgebend war,
ist, wie diejenige jeder grofsaitigen Unternehmung, reich an Ereig¬
nissen bald glücklichen, bald unglücklichen Charakters. Mit frohen
Hoffnungen im späteren Mittelalter begon¬
nen, ist seine Ausführung viele Jahre hin¬
durch mit Freudigkeit und unter grofsen
Opfern seitens der städtischen Bevölkerung
vorwärts gebracht worden, bis schlimme Zu¬
stände baulicher Art sich einstellten, die den
Bestand des Werkes beinahe in Frage stell¬
ten. Darauf nothdürftig soweit ausgebessert,
dafs die Standfähigkeit gesichert erschien,
fiel es Jahrhunderte lang der Vernachlässi¬
gung anheim, weil die neue Zeit der Re¬
naissance und Reformation andere Auf¬
gaben zu verfolgen fand, als den religiösen
Empfindungen des Mittelalters, welche in
den herrlichen Kathedralen von Köln, Strafs¬
burg, Ulm und weiter von Mainz und
Speier zu ihrem vollendetsten Ausdrucke ge¬
kommen sind, weiter nachzugehen. Unseren
Tagen ist es erst Vorbehalten geblieben,
die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf
jene Kleinode unter den alten vaterländi¬
schen Denkmälern der Baukunst hinzulenken
und die Begeisterung dafür zu wecken, die¬
selben als kostbare Vermächtnisse der Vor¬
zeit in Ehren zu halten und, im Sinne der
Vergangenheit vollendet, den Enkeln zu
überliefern.
Der Bau des Münsters zu Ulm beginnt
mit dem 30. Juni 1377, als um 9 Uhr morgens,
„die Stunde, da einst der heilige Geist den
Schrift des Architekten- und Ingenieur- Vereins in Hannover in Heft 4
Jahrg. 1888 von Funk über die „Wiederherstellung und Fortführung
des Ulmer Münsters“ die Wiedergabe einer genaueren Mittheilung,
die um so schätzenswerther erscheint, als Funk s. Z. dem Sach¬
verständigen- Ausschüsse mit angehörte, welchen die Stadt Ulm im
Jahre 1882 berief, um sich über die Beyerschen Vorschläge zur Ver¬
stärkung der Fundamente und Mauern des Thurms auszusprechen.
Schliefslich verweisen wir auf die jüngste Festschrift „Ulm, sein
Münster und seine Umgebung“ des Dr. R. Pfleiderer, Ulm, Ebner
1890. Von älteren Quellen sind voran die Inschriften, Steinmetz¬
zeichen, Hausmarken und Bildwerke am Münster selbst zu nennen,
und weiter das Geschichtswerk des Felix Fabri aus Zürich (gegen
Ende des 15. Jahrhunderts), die sorgfältige und mehrfach aufgelegte
Beschreibung von Elias Frick (1731) u. a.
no S 0 lu 20 30"^
I . ■ ■ • I - ■ ■ ....I - 1 - ^ - 1
Abb. 1. Grundrifs des westlichen Theils vom
Münster in Ulm.
Nr. 26.
259
Centralblatt der
I Jüngern geschenkt ward“, der Bürgermeister Ludwig Kraft jm Auf-
i trage des Käthes der Stadt den Grundstein zu einer neuen „Pfarr-
j kirche U. L. Frau“ am Kornmarkte legte. Die ersten Meister am
j Bau werden kurz mit den Namen Heinrich, Michael und wieder-
I um Heinrich genannt. Der erste starb 1386; die Wirksamkeit des
I dritten reichte bis zum Jahre 1392. Wahrscheinlich waren schon sie
' Mitglieder der aus Bern stammenden berühmten Familie der Ensingen,
I aus welcher in der Folgezeit noch viele Baukünstler am Dome her¬
vorgegangen sind. Zu ihr gehörte gleich der nächste Meister Ulrich
von Ensingen, dem die Stadt um 1392 die Bauleitung auf 5 Jahre
j in aller Form übertrug. Ulrich darf wold als derjenige betrachtet
werden, welcher der Kirche die ihr in den wesentlichen Punkten bis
I heute eigenthümlich verbliebene Gestaltung gegeben hat. Der Grund-
i rifs-Anordnung und ihrem Aufbau nach eine dreischiffige Basilika
! ohne Querschiff, mit einem nach dem halben Zehneck abgeschlossenen
Chore in der Achse des Mittelschiffs, mit zwei Chorthürmen und einem
riesigen, in das Langhaus hineingezogenen Westthurme gewinnt das
i Bauwerk in der ursprünglichen Erscheinung seine hervorragende Be¬
deutung weniger durch die architektonische Formengebung, als viel¬
mehr durch die gewaltigen Abmessungen der einzelnen Bautheile.
So besitzt das Mittelschiff die bedeutende, selbst bei dem Kölner
Dome nicht erreichte lichte Spannung von 15 m, ein Mafs, welches
auch die Seitenschiffe aufwiesen, bis sie später durch die jetzt vor-
I handenen Säulenreihen eine Theilung in ihrer Mittelachse erfuhren. Der
Chorbau mifst 27 m, das Hochschiff im lichten 42 m und die Seiten¬
schiffe 21 m in der Höhe; dabei beträgt die Länge der Kirche 139 m
und die von ihr bedeckte Grundfläche 5100 qm. Nur der Dom zu
Köln nimmt einen noch ausgedehnteren Platz, nämlich von 6200 qm
ein; schon das Münster zu Strafsburg steht mit seinen 4100 qm da¬
gegen erheblich zurück, und St. Stephan in Wien zeigt nur 3200 qm
lichten Flächenraum.
Läfst sich nun auch die Thätigkeit Ulrichs von Ensingen am
Dome zu Ulm nicht völlig scharf begrenzen, so darf doch als wahr¬
scheinlich angesehen werden, dafs er sowohl den Chor wie die Chor-
thürme zum vorläufigen Abschlufs gebracht, auch bereits an dem
Langhause und dem Westthurme mit der Vorhalle des Eingangs ge¬
arbeitet hat. Im Jahre 1399 siedelte er nach Strafsburg über, um
bis zu seinem 1419 erfolgten Tode den dortigen Münsterbau fortzu¬
führen. Sein Name ist übrigens u. a. auch mit der Ausführung der
anmuthigen Frauenkirche von Efslingen eng verknüpft.
Ulrichs unmittelbare Nachfolger in Ulm waren Hans und Kaspar
Kuhn, Vater und Sohn, deren Wirksamkeit bis 1446 hinreicht. Nach
ihnen wird Matthaeus von Ensingen, Ulrichs Sohn, genannt, der
bis dahin den Bau des Münsters in Bern geführt hatte. Während der
Zeit von 1451 — 1463 zum wirklichen Dombaumeister berufen, förderte
er den grofsen Westthurm bis zur Höhe des Mittelschiffs, entwarf
auch für diesen selbst einen eigenen, in der Münsterbauhütte noch
jetzt aufbewahrten Plan und legte im 2. Geschosse des Thurms über
dem AVestportale zur Erhellung des Mittelschiffs der Kirche das
„Martinsfenster“ an, das seine Bezeichnung nach einem auf ihm in
ungewöhnlicher Gröfse dargestellten Bilde des heiligen Martin erhielt.
Matthaeus wurde durch seinen Sohn Moritz Ensinger abgelöst,
dessen Thätigkeit bis 1477 reichte und der urkundlich 1471 das Hoch¬
schiff vollendete. Seiner Zeit gehört auch die Herstellung des kost¬
baren Chorgestühls durch Jörg SyiTin den Aelteren, den bedeutend¬
sten Holzbildschnitzer des Mittelalters, und diejenige des überaus
prächtigen Sacramentshauses am nördlichen Eingang zum hohen
Chore an.
So hatten Mitglieder der Ensinger Familie 85 Jahre hindurch am
Dome die oberste Bauleitung ausgeübt, als diese nun an Matthaeus
Böblinger, einen Sohn jenes Hans Böblinger, überging, welchen
Matthaeus Ensinger ehemals den Eathsherren von Efslingen für die
Bauausführungen an der dortigen Frauenkirche warm empfohlen hatte.
Dieser Mann erwies sich als der hervorragendste unter den alten
Ulmer Dombaumeistern, allerdings zugleich auch als der unglück¬
lichste von ihnen. Sein Werk ist die Aufführung des dritten Stocks
vom Hauptthurme mit einem Stücke vom Achteck bis auf etwa 77 m
über der Fläche des Domplatzes, also bis auf ungefähr die Hälfte
der damals beabsichtigten Gesamt-Erhebung des Thurmes von 151 m.
Er ist denn auch der Verfasser desjenigen Planes, nach welchem
380 Jahre später die endliche Vollendung des Hauptthurmes ein¬
geleitet und innerhalb verhältnifsmäfsig kurzer Zeit durch den jüngsten
der Ulmer Dombaumeister, Professor Beyer, durchgeführt werden
konnte.
Mancherlei, sicherlich, weniger dem Matthaeus Böblinger als
dessen Vorgängern zur Last fallende Fehler in der Gründung und
Ausführung des Bauwerkes wurden die Ursache, dafs dieses gegen
Ende des 15. Jahrhunderts seine Standfähigkeit zu verlieren drohte.
An einem Sonntage 1492 — so wird berichtet — fielen Steine aus
dem Gewölbe des grofsen Thurmes heraus, auch zeigten sich bald
darauf dort gefährliche Risse. In ihrer Noth sahen sich die Ulmer
Baiiverwaltung.
gedrängt, unter dem 5. October des folgenden Jahres Bürgermeister und
Kath von Efslingen um schleunige Absendung von „fünf Steinmetzen“
anzugehen, da man, „nachdem dem Thurme U. L. Frauen Pfarrkirche
merkliche Brüche zugestanden, eilend Hilf und guter Steinmetzen
noth dürftig“ sei.
Der unglückliche Böblinger verschwand 1494 aus Ulm, starb aber
erst 1505, seines Postens als Dombaumeister längst enthoben; er
wurde in der Irauenkirche in Efslingen neben seinem Vater Hans
ins Grab gelegt.
Von nun an kam für die Stadt Ulm beinahe allein noch die Er¬
haltung des Münsters im baulichen Bestände in Frage, und für
solches Unternehmen fand sie in Burkhard Engelbcrg von Horn¬
berg in Württemberg, dem Erbauer von St. Ulrich in Augsburg,
einen vortreftlichen Meister. Dieser nahm, da der Westthurm sich
infolge von Setzungen des Fundaments stark nach Norden über¬
geneigt hatte, vor allem Unterfahrungen der Mauern daselbst vor,
liefs darauf die Bogenöftnungen des Thurmes gegen die Seitenschiffe
sowie die zunächst anstofsenden Bogenstellungen des Mittelschiffes
bis auf kleinere Durchgangsöffnungen fest mit Mauerwerk schliefsen,
und sorgte hierdurch sowie durch Aufführung entsprechend starker,
von den östlichen Thurmpfeilern quer durch die Seitenschiffe bis
nach den seitlichen Fronten der Kirche reichender Wände für kräftige
Absteifung des massigen Thurmkörpers gegen das Dom-Innere. Es
entstanden dadurch die beiden, in der Abb. 1 mit A und B be-
zeichneten Capellen nördlich und südlich des Thurmes, der nur noch
gegen das Mittelschiff hin die grofse Bogenöffnung behielt, durch
welche das Martinsfenster sein Licht in die Kirche hineinsenden
konnte. In westlicher Richtung fand sich der Thurm durch die da¬
selbst vorhandenen starken Pfeilervorlagen, zwischen denen die mit
Bildwerken reich geschmückte, schöne Vorhalle des Haupteinganges
errichtet steht, ausreichend gesichert. Nicht minder wichtig mag
sich dem Meister Engelberg alsbald der Schutz der Seitenschiffe des
Langhauses gegen Einsturz der durch viel zu schwache Widerlager
nur mangelhaft gestützten Deckengewölbe aufgedrängt haben. Hier
schuf er in der Zeit von 1502 — 1507 Abhülfe, indem er die bisher
dreischiffige Basilika dadurch in eine fünfschiffige umwandelte, dafs
in der Mitte der Seitenschiffe je eine Reihe von 9 schlanken Pfeilern
aufgerichtet und die Decke nun mit reichen Sterngewölben neu ab¬
geschlossen wurde. Wenige Jahre hernach (1512) starb Engelberg,
von den dankbaren Ulmern als der Retter des kostbarsten Schatzes
ihrer Stadt hoch gepriesen.
Seitdem hörte über 300 Jahre lang jeder Baufortschritt am
Münster auf. Ein Protokolleintrag von 1529 besagt schon: „die Bau¬
pfleger sollen den Thurm mit wenig Kosten vor Schaden bewahren“ ;
und als am 3. November 1530 Ulm zur Sache der Reformation über¬
trat, da erlosch das werkthätige Interesse für das Baudenkmal bei¬
nahe vollständig. Wohl wird um 1518 noch ein Kirchenmeister,
Bernhard Winkler mit Namen, genannt; er scheint indessen
nur kurze Zeit und in ganz unbedeutender Weise thätig gewesen
zu sein.
Das neunzehnte Jahrhundert übernahm das Münster als Torso.
Der unfertige Thurmkolofs stand da nothdürftig durch ein Dach ab¬
gedeckt, welches mit seiner eigenthümlichen Spitze für Ulm ein ähn¬
lich charakteristisches Wahrzeichen geworden war, wie ehedem der
bekannte Krahn auf dem Südthurm der Domruine von Köln für diese
Stadt. Den Mauern des Hochschiffs drohte der Einsturz; sie waren
nicht nur durch die Gewölbe, denen die Strebebögen mit den Be¬
lastungsfialen fehlten, sondern auch durch eine unglückliche Sprenge-
werks-Construction des Dachgebälks aus der richtigen Lage gedrängt
worden. Unvollendet erblickte man ferner die Chorthürme; und die
oberen Mauertheile der Kirche hatten bei unzureichendem Schutze
gegen die Einwirkungen des Wetters arge Schäden erlitten. Als
aber in Köln die kühne Absicht auf Wiederherstellung und Voll¬
endung der dortigen Kathedrale festere Gestalt annahm, da gewann
auch in Ulm der Gedanke auf Verwirklichung eines ähnlichen Vor¬
habens allmählich immer breiteren Boden. Wichtig wurde hier der
Umstand, dafs der „Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und
Oberschwaben“ die Sache aufnahm und dafs ihr in dem damaligen
Kronprinzen, jetzigen Könige Karl von Württemberg, ein mäch¬
tiger Schutzherr und warmer Förderer erstand.
Am 21. August 1844 begann Ferdinand Thrän als erster Dom¬
baumeister der neuen Zeit mit zwei Steinmetzen das Wiederher¬
stellungswerk am Münster. Die Arbeiten gingen jedoch nur langsam
vorwärts. Es fehlte einmal an einem ordentlichen, planmäfsigen
Vorgehen und sodann an hinreichenden Geldmitteln; standen damals
jährlich doch nur 15 000 Gulden zur Verfügung, die zum vierten
Theile allein schon durch die Kosten der Bauleitung in Anspruch
genommen wurden. Thrän starb 1870, um Ludwig Scheu, einem
näheren Schüler des Altmeisters der neueren Baupflege in Schwaben
V. Egle Platz zu machen. Jetzt wurde die Aufrichtung der 18,5 m
Spannweite messenden Strebebögen für die Wölbungen des Hoch-
260
Ceutralblat.t der Bauverwaltung.
28. .Juni 1890.
Schiffs zu Ende geführt, dann zur Ausführung des hohen Chors mit
der ungemein reizvoll wirkenden Galerie, den Treppen und Laub¬
gäugen geschritten. Nachdem auch hier die Beendigung erreicht
worden, kamen die Chorthürme an die Leihe, von denen der nörd¬
liche 1877, an dem Tage, an welchem vor 500 Jahren die Grundstein¬
legung zum Münster stattgefunden, als fertig betrachtet werden
konnte. Der Südthurm gelangte erst nach Sehens Tode (1880) zur
Vollendung; und mit diesem Ereignisse schliefst der erste Abschnitt
der Wiederherstellungs-Arbeiten aus dem gegenwärtigen Jahrhundert.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Wiederherstellung des Heidelberger Schlosses.
Nach dem Schlüsse der Vorarbeiten für die Wiederherstellung
des Heidelberger Schlosses wurden die beiden Vorstände des
Baubureaus, die Herren Koch u. Seitz, beauftragt, getrennte Gut¬
achten über den baulichen Zustand und über die zu treffenden Mafs-
uahmen für die Erhaltung und Wiederherstellung des Schlosses ab¬
zugeben. Diese sind vor kurzem dem Grofsherzogl. Ministerium der
Finanzen vorgelegt worden, welches ihre Drucklegung anordnete.
Zugleich wurde verfügt, dafs auch die Grofsherzogl. Baudirection ein
Gutachten ausarbeiteii solle, und es soll dieses mit den beiden er¬
wähnten Berichten s. Z. dem Sachverständigen- Ausschüsse, der über
das Schicksal des Schlosses zu berathen haben wird, mitgetheilt
werden. Mau beabsichtigt, dieses Material und das Wichtigste von
den Aufnahmen den Mitgliedern des Ausschusses einige Wochen
oder Monate vor deren Zusammentritt auszuhändigen, damit sie sich
in Ruhe die vorzunehmende Arbeit überlegen können. Der Zu-*
sammentritt des Ausschusses dürfte in Heidelberg auf Einladung des
Grofsherzogl. Finanzministeriums vielleicht noch in diesem Siiätherbst
oder spätestens im kommenden Frühjahr erfolgen, während die Er¬
nennung der .Mitglieder schon in wenigen Wochen stattfinden wird.
Der Ausschufs wird aus Architekten und Kunstverständigen zusammen¬
gesetzt sein.
Neben den bautechnischen und künstlerischen Gutachten wurde
aber auch das eines Geologen, des Professors an der Universität
Heidelberg, Dr. Adolph Schmidt, eingeholt, welches Aufschlufs
über die Gründung und über die Gesteinsarten, auf denen das
Schlofs ruht, zu geben hatte. Dieses geologische Gutachten berührt
auch die vielbesungenen Risse des Friedrichsbaues, und wir geben
unsern Fachgeuossen gerne jetzt schon Kenntnifs von seinem dies¬
bezüglichen Theile:
„Auszug aus der geologischen Beschreibung des Heidelberger Schlofs-
geländes von Prof. Dr. Adolf Schmidt.
9. Friedrichsbau. (Seite 18 bis 23.)
Der Friedrichsbau steht auf Granit. Einige Centimeter Roth-
liegendes finden sich nur in der Nähe des Schlofshofes über dem
Granite vor, sind aber nur soweit abgehoben worden, als nöthig war,
um die Mauern auf Granit zu stellen. Vom Granite selbst wurde
der oberste verwitterte Theil mit entfernt. Der Granit ist gröfsten-
theils der gewöhnliche grobkörnige Krystall-Granit. Einige Granit¬
gänge darin sind 2 bis 15 cm mächtig, streichen meist NO- — SW
und fallen steil gegen SO. Sie bestehen theils aus feinkörnigem
Granitit, welcher besonders im südöstlichen Theile des Baues auf-
tritt, theils aus grofskörnlgem sprödem Pegmalit. Sie nehmen gegen
Westen hin au Zahl und Masse ab. Die Granit-Oberfiäche fällt
gegen Norden und Westen.
Der jetzige Zxistand dieses Plntergrundes ist ein sehr verschie¬
dener, und auch hier, wie im Otto-Heinrichsbau, steht der Grad der
Erhaltung in nicht zu verkennendem Zusammenhänge mit der vor¬
handenen Feuchtigkeit. In der Mitte der Süd- oder Hoffacade,
ferner an der Ostmauer beim Durchgang zum Altan, sowie über
einem grofsen Theil der Bodenfläche des Kellers ist der Granit
trocken und verhältnifsmäfsig fest, immerhin aber bis zu etwa 1 m
Tiefe mit dem Pickel bearbeitbar. In der Südostecke des Baues ist
er feucht und merklich weicher, in der Südwestecke völlig durch-
näfst und zersetzt, und selbst die widerstandsfähigeren Ganggranite
sind hier stark angegriffen.
Entlang der Nord-Facade des Baues nimmt der Grad der Ge¬
steins-Zersetzung von Osten gegen Westen hin beständig zu. Am
Ost-Ende der Faeade ist der Gr.anit fast trocken und ziemlich fest;
zwischen dem zweiten und dem dritten Wandpfeiler ist er sehr
feucht und stark zersetzt, westlich vom dritten Pfeiler ganz durch-
uäfst und in solchem Grade aufgeweicht, dafs er mit der Schaufel
bearbeitet werden kann. Er ist aufserhalb des Gebäudes am weich¬
sten und seine Feuchtigkeit nimmt gegen das Innere hin ab. Die
zersetzende Feuchtigkeit ist also von aufsen gekommen.
Der grofse Mauerrifs, welcher den Friedrichsbau seiner ganzen
Länge nach durchzieht, schneidet auch in die Granitunterlager ein.
Seine Weite in der Gesteinsoberfläche beträgt in der Mitte des
Baues in dem mürben Krystall-Granit bis zu 3 cm, und der Rifs ist
hier meist mit thonigen Zersetzungs-Erzeugnissen des Granites an¬
gefüllt. Unter der östlichen Giebelwand, wo er festere Gang-Granite
durchsetzt, klafft er bis zu 6 cm und ist stellenweise leer. Letzteres
beweist, dafs der Rifs im Gi'anit bei Errichtung des Baues noch
nicht vorhanden war. In dem mürben Gi'anit des Kellerbodens
konnte, wenn auch mit Mühe, 1^/2 bis 13/4 m tief mit dem Pickel
niedergearbeitet werden, um das Verhalten des Risses gegen die
Tiefe zu untersuchen. Dabei zeigte es sich durchgehends, dafs der
Rifs sich nach unten rasch verengert und in obiger Tiefe an den
meisten Stellen nur noch 1/2 cm weit ist, an andern schon gänzlich
geschlossen. Seine Lage ist im ganzen vertical, bald besitzt sie ein
steiles Einfällen gegen die Süd- oder Bergseite, niemals gegen den
nördlichen Berghang. Der Rifs im Granit bedeutet also nicht etwa
die Loslösung einer gröfseren Gesteinsscholle am Berghang, sondern
er ist ein durch seitliche Verschiebung der obersten verwitterten
Gesteinsmasse entstandener oberflächlicher Klaff-Spalt. Am Ost-Ende
des Baues unter dem Durchgang konnte im Gang-Granit auch eine
verticale Verschiebung der Granitoberfläche au einer beschränkten
Stelle beobachtet werden, wobei das Gestein der Nordseite des
Spaltes sich gegen dasjenige der Südseite um etwa 10 cm scheint
gesenkt zu haben. An andern Stellen wurde dergleichen nicht be¬
merkt. Der allgemeine Verlauf des Risses bekundet eine gewisse
Abhängigkeit von der Lage der oben beschriebenen besonders nassen
und weichen Stellen des Untergrundes der beiden Facaden. Der
Rifs im Granit wird von solchen Stellen gleichsam angezogen, sendet
Ausläufer gegen dieselben hin und erleidet da, wo er der ganz er¬
weichten Nordwestecke des Baues nahekommt, eine starke Ablenkung
nach Norden mit gleichzeitiger Zersplitterung.“
Nach den Beobachtungen der Mitglieder des Bauausschusses sind
in den letzten sieben Jahren keine Veränderungen im Gemäuer des
Schlosses und besonders bei den angeführten Rissen vorgekommen,
wenn man nicht der von den Wurzeln und Aesten des Epheus ge¬
sprengten Mauerquadern gedenken will, welche beispielsweise die
Sprengrisse am Brückenthurme im verflossenen Jahre so bedenklich
erweiterten, dafs eine Entfernung der Epheuäste und dne Erneuerung
der einen ganz verschobenen Quaderecke des unteren Thurmgeschosses
nöthig wurde. Was dem Schlosse noth thut, ist eine gründliche,
sachgemäfse Abführung der Tagwasser, die bis jetzt nur unvoll¬
ständig und unvollkommen durchgeführt wai-, sowie die Fernhaltung
der Vegetation von allen erhaltenen und der Erhaltung werthen
architektonischen Theilen. Es bleiben ja immer noch genug epheu-
umrankte Stücke übrig, um den romantischen Zauber der Ruine fest¬
zuhalten. Mit der Ausführung der Entwässerungsanlagen soll
übrigens, unabhängig von den Arbeiten des Ausschusses, schon in
der allernächsten Zeit vorgegangen, und somit die erste wirkungs¬
volle Arbeit für die Erhaltung unseres Kleinodes deutscher Baukunst
begonnen werden. D.
Die Preisbewerbiiiig zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm -Denkmals
für die Rlieinprovinz.
(Schlufs.)
Obgleich man erwarten durfte, dafs für ein ausschliefslich rhei¬
nisches Bauwerk mehr Entwürfe in Anlehnung an mittelalterliche
Bauweise entstehen würden, ist doch nur ein einziger Entwurf in
romanischem Stil ausgearbeitet und drei in gothischen Formen. Die
romanisch durchgebildete Arbeit mit dem Kennwort „Nonnenwerth“
zeigt einen unten geviertförmigen, an allen vier Seiten offenen,
baldachinartigen, ins Achteck übergehenden, 43,7 m hoch sich er¬
hebenden Kuppelbau, darunter auf 5 m hohem von allegorischen
Figuren umgebenen Postament die 3,5 m hohe Gestalt des Kaisers
mit Krone, Mantel, Scepter und Reichsapfel. Die Architektur ist in
edlen, mafsvolleu Verhältnissen wirkungsvoll durchgebildet, doch
ruft sie einen zu kirchlichen Eindruck hervor.
Unter den drei gothischen Wettbewerbern hat einer den Rhenser
Kaiserstuhl in ungeeigneter Weise verarbeitet. Ein zweiter, der
Verfasser des Entwurfs mit dem Kennwort „Rhein“, hat auf einen
wunderlichen, pyramidenartig über einer geviertförmigen Grundfläche
von 24 m Seite, 25 m hoch aufsteigenden, mit reichem figürlichen
Schmuck ausgestatteten Terrassenbau das 5,5 m hohe Reiterstandbild
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Kr. 26.
261
Centralblatt der Bauverwaltung.
des Kaisers gesetzt. Es ist zu bedauern, dafs der Künstler sein
augenscheinlich hervorragendes Können auf die Durchführung eines
so unglücklichen Gedankens verschwendet hat.
Der dritte gothische Entwurf, die Arbeit mit dem Kennwort J L,
ist hinsichtlich des Mafshaltens in den Abmessungen als eine der
gelungensten zu bezeichnen, auch in der sonstigen Gestaltung zeigt
sie die Hand eines bewährten Meisters. Auch dieser Entwurf hat
die Südspitze der Insel Nonnenwerth gewählt. Hinter dem auf die
Inselspitze gelegten Festplatz von 180 m Länge und 140 bezw. 75 m
Breite erhebt sich auf reich gegliederter Terrasse die Denkmal-An¬
lage, deren Mittelpunkt ein 5,2 m hohes Keiterstandbild einnimmt,
welches sich 15 m über den Festplatz erhebt, auf einem mit figür¬
lichen Gruppen — Vater Ehein zwischen Eheinnixen mit der Kaiser¬
krone — geschmückten Postament von etwa 6 m Höhe. Hinter dem
Standbild erhebt sich ein architektonischer Aufbau, in dessen Mitte
sich eine Nische innerhalb eines aus einem rechteckigen Grundrifs
oben ins Achteck übergehenden Thurmes öffnet, welche die Um¬
rahmung der Kaiserfigur bildet. Zu beiden Seiten des Thurmbaues
schliefst eine im Grundrifs nach einem Kreisbogen geformte Abschlufs-
niauer mit allerhand Trophäen- und Waftenschrauck die Terrasse
ab. Die Nische hinter dem Kaiserstandbild soll mit Teppichmustern
in Mosaik geziert werden, während die übrigen Architekturtheile
reichen figürlichen Schmuck zeigen. Die, wie gesagt, hinsichtlich
des Mafsstabes vorzüglich gelungene Arbeit, ist auch in ddr Form¬
gebung vortrefi’lich, ansprechend und ruhig durchgeführt, doch würde
bei etwas weniger feiner Durchbildung mancher Einzelheiten eine
kräftigere Wirkung in der Landschaft erzielt worden sein. Die in
glücklicher Weise zusammengedrängte Anordnung der Terrassen
sowie der Haupt- und Nebentheile der Denkmal- Anlage ist rühmend
anzuerkennen.
Ebenso glücklich im Mafsstab ist der in edlen italienischen
Eenaissanceformen und in schönen Verhältnissen durchgebildete Ent¬
wurf mit dem Kennwort „Im deutschen Ehein“ ausgefallen, als dessen
Verfasser sich Herr S. Neckelmann in Stuttgart bekannt hat. Der
Schwerpunkt des Denkmalaufbaues ist hier — ähnlich wie bei dem
zweiten Entwurf von Bruno Schmitz — möglichst weit nach der
Spitze der Insel Nonnenwerth hingerückt. Der Künstler läfst aus
einem sich in dem hochwasserfrei aufgehöhten Inselboden schroff er¬
hebenden Fels-Unterbau eine gleich einer „Kaiser-Eheinpfalz“ empor¬
ragende Halle herauswachsen, augenscheinlich eine Euhmeshalle zur
Verherrlichung der hervorragenden rheinischen Zeitgenossen des ver¬
ewigten Kaisers, seiner Mitarbeiter an dem grofsen deutschen Eini¬
gungswerke. Diese Halle erhebt sich in einer Länge von 49 m und
einer Tiefe von 14 m auf der 12 m über dem Inselgelände erhöhten,
steilen, aus dem Fels herauswachsenden Terrasse 15 m hoch (vom
Fufsboden bis zur Attica), sie wird in dem erweiterten quadratischen
Mittelbau durch einen, das wasserfreie Gelände 50 m überragende,
in der Kaiserkrone endigenden Kuppelbau gekrönt. Die Halle öffnet
sich nur in dem quadratischen Mittelbau nach der Vorderseite (Süden),
aufserdem noch an den beiden kurzen Seiten. Nach Norden ist sie
ganz geschlossen und in der Mittelachse durch eine halbkreisförmige
Apsis erweitert. Die beiden Langseiten haben bei einer Achsweite
von 7 m acht 2 m tiefe Nischen erhalten, in welchen Figuren-Grupjpen
aufgestellt sind, welche die bedeutenderen deutschen Staaten versinn¬
bildlichen. Auf den dicht vor die Südseite der Halle gelegten, ebenso
geschickt und ansprechend wie bei der vorbesprochenen Arbeit zu¬
sammengedrängten Terrassenbau soll das 5,7 m hohe Eeiterstandbild
des Kaisers auf 2,6 m hohem Sockel seinen Platz erhalten.
Leider gestattet der beschränkte Eaum und auch die ohnehin
schon auf die Probe gestellte Geduld der Leser nicht, auf alle
übrigen, zum Theil noch als tüchtige Leistungen zu bezeichnende
Arbeiten des Wettbewerbs näher einzugehen. Es kann daher nach¬
stehend nur noch in Kürze einiger Entwürfe gedacht werden, welche
sich durch gewisse Eigenart besonders bemerkbar machen.
Der Entwurf der Architekten Ch. Weib u. Wilh. Müller in
Frankfurt a. M. mit dem Kennwort „Deutschlands Strom, nicht
Deutschlands Grenze“ zeigt auf der Südspitze der Insel Nonnenwerth
einen zwölfsäuligen Eundtempelbau von 20 m Durchmesser, in dessen
nach aufsen abgeschlossenem Innenraum das Kaiserstandbild steht.
Der Bau endigt in einer Kuppel, ist in edlen Formen und schönen,
mafsvollen Verhältnissen durchgebildet, wirkt aber zu mausoleum¬
artig; auch erscheint der Gedanke, das Kaiserbild im Innern des
Baus vor der Aufsenwelt zu bergen, dem Charakter des Denkmals
nicht angemessen.
In entgegengesetzter Art zu lustig und luftig wirkt die Arbeit
-Könne wollen, wolle können“, welche — • ebenfalls auf der Südspitze
von Nonnenwerth ein Eeiterstandbild unter einem vierseitigen offenen
Pavillon aufstellt, dessen Architektur wohl schöne Einzelformen
zeigt, im ganzen aber einen etwas „labilen“ und deshalb nicht aus¬
reichend würdigen Eindruck hervorruft.
Einen ganz besonderen Platz endlich unter den Insel-Denkmal-
Entwürfen nimmt die Arbeit mit dem Kennwort „Eheinlands Dank“
ein. Sie legt das Hauptgewicht auf die Durchbildung des Festplatzes
und hat diesem eine eigenartige, reizvolle, festliche Gestaltung zu
geben verstanden, wenngleich derselben das eigentlich Weihevolle
fehlt, welches einer Denkmal-Anlage der vorliegenden Art eher durch
einen ruhigeren, ernsten, architektonischen Aufbau gegeben wird.
Die Inselspitze ist in dem Entwurf zu einer grofsen, von Ufermauern
eingefafsten Plattform ausgebildet, auf welcher sich ein 6 m hoher,
60 m langer, 20 m breiter, durch zwei seitliche halbrunde Ausbauten
auf 35 m Breite erweiterter, an den vier Ecken mit Figuren-Gruppen
geschmückter Terrassenbau mit dem 7,5 m hohen Eeiterstandbild des
Kaisers auf 7,5 m hohem Postament erhebt. Zu beiden Seiten dieser
Terrasse stehen an den Uferrändem der Inselplattform aufsteigend
zwei 36 m hohe, mit kranzspendenden Genien als Krönung ge¬
schmückte, zugängliche Thurmbauten, welche dem Festplatz in Ver¬
bindung mit dem reichlich angewendeten Schmuck durch Flaggen¬
masten, Löwen, Baumpflanzungen, Treppen- Anlagen usw. einen
fröhlich festlichen Charakter verleihen. Die reizvolle Arbeit ist mit
viel Geschmack durchgeführt und verräth die Hand eines wohlge¬
schulten Künstlers.
Ueber die übrigen, weniger in die Augen fallenden Insel-Denk¬
male mufs des beschränkten Eaumes wegen hinweggegangen werden.
Es bleibt nunmehr noch übrig, diejenigen Arbeiten zu erwähnen,
welche andere Plätze vorschlagen. Eine gröfsere Berghöhe hat
allein die Arbeit mit dem Kennwort „Semper augustus“ berücksich¬
tigt, welche sich die Erpeler Ley gegenüber dem Städtchen
Eemagen als Denkmalplatz ausersehen hat. Dieser Platz wurde
schon seiner Zeit bei den Vorstudien für das jetzt auf den Nieder¬
wald bei Eüdesheim aufgestellte Nationaldenkmal mehrfach genannt,
aber wohl mit Eecht nicht gewählt. Der vorliegende Entwurf legt
an dem 152 m sich über den Ehein erhebenden schroffen Abhang
der Erpeler Ley, in dem alten Säulen-Basalt-Steinbruch eine kunst¬
volle Strafse nach der Höhe an, welche sich mit einem aus dem
Basaltfels auf mächtigen Pfeilern herauswachsenden Terrassenbau
verbindet. Auf letzterem ist ein viersäuliger dorischer Porticus er¬
richtet, von Obelisken flankirt, mit dahinter befindlichem, zur ober¬
sten Plattform führenden Treppenhaus. Die Plattform, welche nur
13 m im Geviert mifst, nimmt das auf 5,5 m hohem Postament
stehende 5 m hohe Eeiterstandbild des Kaisers auf. So geschickt
und anziehend in seinen Formen auch der Aufbau entwickelt ist,
wird derselbe doch weder nach der Ferne hin bedeutungsvoll zur
Geltung kommen, noch auch würde das kleine Kaiserstandbild be¬
merkbar werden, und auch selbst für die Besucher der obersten
Terrasse würde zur günstigen Betrachtung des letztem sich kein
Standpunkt finden lassen.
„Als König zur Abwehr empörenden Angriffs zogest Du aus,
„Als Kaiser kehrtest Du heim, mit ewigem Lorbeer bedeckt.“
So lautet das ungewöhnlich lange Kennwort der Arbeit des Professors
Aug. Eincklake in Braunschweig, welche einen schwerlich zur
Verfügung zu stellenden, und auch wohl nicht geeigneten Platz in
dem nicht öffentlich zugänglichen Garten des Königlichen Schlosses
in Coblenz gewählt hat. Der Künstler stellt hier auf einer neu zu
errichtenden, mit einem Putten-Friese reich geschmückten Terrasse
zwischen Schlofs und Ehein ein Eeiterstandbild, links und rechts
davon stattliche Obelisken mit Inschriften. Die Wahl des Platzes
ist schon deshalb keine glückliche, weil der Terrassenbau sowohl
den Blick aus dem Schlofs nach dem Ehein wie umgekehrt be¬
schränken würde.
Schliefslich ist noch als einziger Vertreter eines eigenartigen
Gedankens der Entwurf mit dem Kennwort „Wer will des Stromes
Hüter sein?“ zu erwähnen, als dessen Verfasser sich uns der
Architekt W. Linse in Aachen genannt hat. Dieser Entwurf bringt
den Bau einer festen Eheinbrücke in irgend einer nicht genannten
Stadt mit dem Kaiser -Denkmal in Verbindung, indem er letzteres
auf dem mittelsten, stark verbreiterten Strompfeiler unter einer
mächtigen, mit reichem architektonischen und bildnerischen Schmuck
ausgestatteten Kuppel inmitten der Brückenstrafsenzüge aufstellt
und dabei Gelegenheit geben will, durch Hinzufügung zweier ferneren
Kaiserfiguren unter den seitlichen Kuppelbögen ein „Drei Kaiser-
Denkmal“ daraus zu machen. Die vier mit eisernen Bögen ge¬
schlossenen Brückenöffnungen haben eine Lichtweite von je 100 m,
der Mittelpfeiler den ansehnlichen Querschnitt von 40 m im Geviert.
Ein verwandter Gedanke ist im vorigen Jahr mehrfach in der Stadt
Bonn zur Sprache gekommen, da hier gleichzeitig mit der Anregung
eines Kaiser-Denkmals auch der Bau einer festen Brücke in Anregung
gebracht worden war. Die Kosten des Brückendenkmals ohne den
auf etwa drei Millionen zu schätzenden eigentlichen Brückenbau hat
Herr Linse auf 1 300 000 Mark veranschlagt. Auf eine Verwi’-klichung
dieses Gedankens ist zur Zeit in keiner Stadt der Eheinprovinz zu
rechnen. —
Wir haben am Anfänge unserer Besprechung das Ergebnifs des
262
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
28. .Juni 1890.
Wettbewei'bs als ein erfreuliches bezeichnet, ^\ir sprechen jetzt
am Schlüsse den ^Vnnscll und die Hoftnung aus, dafs es der rheini¬
schen Provincial- Behörde gelingen möge, auf Grund der Klärung,
welche der Wettbewerb in die bis dahin noch in mancher Hinsicht
dunkle Frage gebracht haben mufs, zu einem weisen Beschlufs und
dadurch zu einem der Rheinprovinz würdigen Kaiser Wilhelm-
Denkmal zu gelangen. Es wird zunächst die Platzfrage endgültig
zu entscheiden sein. Eine gewisse Einigkeit scheint im allgemeinen
wohl wenigstens darüber vorzuherrschen, dafs die Nähe des Siebeu-
gebirges, als des ideellen Mittelpunktes der Rheinprovinz, die
empfehlenswertheste Stelle für das Denkmal bieten würde. In
einem Aufsatz des Baurath Maertens (Bonn) in Nr. 164 der Köl¬
nischen Zeitung vom 15. Juni 1890 wird das bestätigt. Die Aus¬
führungen desselben werden unsrerseits zwar nicht durchweg als
unserer Ansicht entsprechend anerkannt, namentlich hinsichtlich der
zum Theil nicht zutreffenden — an anderer Stelle zu widerlegenden
— Preisangaben und Kostenberechnungen, aber doch als schätzens-
werther Beitrag dem Studium der Leser sowie der für die weitere
Entwicklung der Angelegenheit berufenen Behörden und Sachver¬
ständigen empfohlen. Eine Höhe am Rhein, wie sie das Preisaus¬
schreiben den Wettbewerbern freigegeben hatte, dürfte nunmehr
kaum noch in Betracht kommen, nachdem die wenigen für eine
solche eingegangenen Lösungen den Beweis geliefert haben, dafs auf
einer Höhe ohne die Verwendung unerschwinglicher — durch Samm¬
lungen nach dem Beispiel des Niederwalddenkmals erfahrungsgemäfs
nicht aufzubringenden — Geldmittel ein würdiges Denkmal nicht ge¬
schaffen werden kann. An einem Platz in einer der hervorragen¬
deren rheinischen Städte dürfte kaum noch gedacht werden, nachdem
die meisten derselben schon für sich selbständig durch Stiftungen
oder Denkmäler oder in anderer Weise ihrer Verehrung für den
verstorbenen Kaiser Ausdruck gegeben haben. Es bleibt demnach,
wenn nicht noch andere wesentlich neue Vorschläge eingehen sollten,
nur die Wahl zwischen einem Insel-Denkmal und dem von Jakobs
u. Wehling vorgeschlagenen Platze bei Rhöndorf an dem schroffen
Abhang des Drachenfels übrig. Unter den in der Nähe des Sieben¬
gebirges in Betracht kommenden Inselplätzen hat die Mehrzahl der
Wettbewerber die stromaufwärts gelegene Südspitze von Nonnen¬
werth gewählt, zwei haben sich für die Insel Grafeuwerth, nur einer
für die Nordspitze von Nonnen werth erklärt, aufserdem aber haben
die Preisrichter die letztere als den geeignetsten lusel-Denkmal-Platz
bezeichnet. Neuerdings ist im Publicum mehrfach die Nordspitze
der Insel Grafenwerth genannt worden. .ledenfalls verdient diese
wegen ihrer hervorragenderen landschaftlichen Lage den Vorzug vor
der von B. Schmitz und von Stiller gewählten Inselmitte. Alle
Inselplätze sind in gewissen Kreisen augefochten, weil der Weg zu
einer Insel durch das Wasser führt und deshalb von dem einen für
unbequem, von dem anderen für gefährlich gehalten wird, weil ferner
der Nichttechniker sich nicht recht vorstellen kann, dafs das Insel¬
gelände mit verhältnifsmäfsig geringen Mitteln über das Hochwasser
hinaus erhöht und sonach zu jeder Zeit zugänglich gemacht werden
kann, auch dafs dasselbe gegen die verheerenden Angriffe des
tückischen nassen Elementes ausreichend durch die Mittel der
Technik zu schützen ist; endlich auch machen viele es sich nicht
klar, dafs ohne allen Zweifel sofort nach Fertigstellung eines Insel-
Denkmals neue, sich leicht bezahlt machende Verkehrsmittel über
das Wasser hinweg entstehen werden. Gegen die Insel Nonuenwerth
insbesondere wird mit Vorliebe die Näbe des auf dem alten Insel¬
theile befindlichen „Klosters“ angeführt, dessen Ruhe angeblich
durch das geräuschvolle Treiben auf dem Denkmalplatze beein¬
trächtigt werden würde, während doch das sogenannte Kloster auf
Nonnenwerth in Wirklichkeit nichts weiter ist als eine Privat-
Mädchenerziehuugsanstalt unter Leitung geistlicher Ordensschwestern.
Dieser Anstalt würde weder ein Platz entzogen, noch auch die fried¬
liche Ruhe durch ein benachbartes Kaiser-Denkmal geraubt werden,
welches nichts weniger als störend wirken kann, besonders wenn
der mit dem Denkmal zu verbindende Festplatz sich ebenso wie das
Denkmal in den durch die Verhältnisse gebotenen mafs vollen Ab¬
messungen hält, welche dem Denkmal mit seinem Festplatz den
weihevollen, würdigen Charakter wahren und besonders jedes
lärmende Wirthshaustreiben von letzterem fernhalten, während
dieses auf so grofsen Plätzen nicht zu vermeiden ist, wie sie z. B.
Maertens in dem angeführten Aufsatz in der Kölnischen Zeitung
zur Unterbringung einer Mensclienmasse von 200 000 Köpfen vor¬
schreibt. Die vielen hervorragenden Entwürfe für ein Insel-Denkmal
zeigen anderseits, welche vielseitigen eigenartigen und dabei an¬
Hemmschuhe im
Das Verschieben der Wagen auf dem Bahnhofe Köln- Gereon
erfolgt von zwei Ablanfgeleisen und nimmt für einen Zug von 50 bis
60 Wagen mit Einschlufs der Auffahrt auf die Ablaufgeleise höch-
ziehenden, der Umgebung entsprechenden Lösungen sich für ein
Insel-Denkmal schaffen lassen. Und in der That würde ein lediglich
rheinisches Kaiser -Denkmal am besten im Rheinstrome selbst seinen
Platz finden, wo es, umspült von den Wellen des schönsten deutschen
Stromes als Wahrzeichen der Zugehörigkeit des Rheinstroms und
des Rheinlandes zum gesamten Vaterland und der Unti-ennbarkeit
von diesem, trotzend allen feindlichen Angriffen der Menschen wie
der Elemente, von jedem Rheinlandbewohner so recht als das Eigen¬
thum der engeren Heimath empfunden werden würde. Der Gedanke
eines Insel -Denkmals für die Rheinprovinz ist ein so glücklicher,
dafs der Name des bis jetzt unbekannt gebliebenen Anregers desselben
wohl bekannt zu werden verdient.
Es würde zu weit führen, die einzelnen Licht- und Schatten¬
seiten der drei genannten Inselplätze nochmals vorzuführeu; der
Leser dürfte in der Lage sein, sich dieselben an der Hand der vor¬
stehenden Besprechung selbst zu vergegenwärtigen. Sollten bei der
Entscheidung über die Platz frage diese Inselplätze wider Erwarten
unberücksichtigt bleiben, so wäre noch eine andere Insel in Betracht
zu ziehen, welche schon bei den Berathungen des Ausschusses in
Königswinter am 8. Juni 1889 genannt wurde, nämlich die unterhalb
Andernach nahe bei der Ruine Hammerstein gelegene, etwa 700 m
lange Insel Hammersteinerwerth, welche vollständig im Besitze des
preufsischen Staates ist und leicht erworben werden kann. Einem
jeden, der einmal den Rhein zwischen Bonn und Coblenz befahren
hat, wird das anmuthige Bild dieser kleinen Insel, welche zwischen
den beiderseitigen schroffen, sich coulissenförmig hinter einander
stellenden Felsmasseii im breiten Strom schwimmt, und weithin
stromaufwärts und stromabwärts sichtbar bleibt, unvergefslich sein.
Landschaftlich würde hier vielleicht ein architektonisch entwickeltes
Kaiser-Denkmal noch günstiger wirken, als an den anderen Stellen.
Diese Stätte liegt zwar nicht in unmittelbarer Nähe des Sieben¬
gebirges, sie ist demselben aber noch nahe genug und von den be¬
nachbarten Eisenbahnstationen in kurzer Zeit zu erreichen, und ein
hier leicht zu entwickelnder Local- Dampf boot -Verkehr wird sie um
so zugänglicher machen. Welcher Inselplatz aber auch immer in
Betracht kommen mag: unter allen Umständen sollte man bei einem
solchen die hier in mancher Beziehung bedenkliche Reiteidigur
fortlassen und — bei etwaiger Aufstellung unter einer Bedachung —
durch ein stehendes Standbild, bei freier Aufstellung aber durch
eine Gruppe im Sinne des Hilgersschen Entwurfs ersetzen.
Sollte man sich an entscheidender Stelle nicht zur Wahl eines
Inselplatzes entschliefsen, so würde wohl nur der Drachenfels-Abhang
bei Rhöndorf und mit ihm der Jakobs u. Wehlingsche Entwurf,
jedoch in nicht unwesentlich veränderter Gestalt, für die Ausführung
in Betracht kommen, vorausgesetzt, dafs die vorläufig noch nicht
verfügbaren Mittel dafür aufgebracht werden können. Auch hiermit
würden wir uns in Rücksicht auf eine baldige Verwirklichung der
Denkmal- Ausführung einverstanden erklären, obgleich wir selbst in
erster Linie Anhänger eines Insel -Denkmals sind. Vor allem aber
ist, welcher Platz in freier Landschaft auch gewählt werden möge,
eine architektonische Entwicklung des Denkmals zur Bedingung zu
machen, weil ohne eine solche jede Wirkung in der Landschaft ver¬
loren gehen mufs. Bei Anlehnung an den Jakobs u. Wehlingschen
Entwurf wird die entscheidende Behörde, ehe sie einen bindenden
Entschlufs fafst, im Anschlufs an die unsrerseits nach persönlicher
Auffassung in vorstehender Besjjrechung erhobenen Bedenken gegen
die Lage und den Mafsstab der geplanten Denkmal -Anlage unter
Zuziehung vorurtheilsfreier Sachverständigen zunächst sich noch Auf¬
klärung über den Mafsstab und die dementsprechende Formgebung
der hier mit den Massen der landschaftlichen Umgebung stark in
Vergleich tretenden Anlage nochmals Aufklärung verschaffen müssen.
Gb dann noch ein engerer Wettbewerb unter einzelnen der hervor¬
ragenderen Künstler des ersten Wettbewerbs stattzufinden haben
wird, oder ob die Ausführung eines neuen Entwurfs unmittelbar an
einen derselben unter Zugrundelegung seines ersten Gedankens er¬
folgen soll, wird die Provincial -Behörde zu erwägen und zu ent¬
scheiden haben. Die Blicke nicht nur der Rheinländer, sondern des
ganzen deutschen Vaterlandes, welches gleich den Bewohnern der
Rheinprovinz den Rhein als seinen Strom betrachtet, werden dabei
auf sie gerichtet sein. Möge sie bei ihren Entschlüssen glücklich
sein und möge dadurch das deutsche Rheinland am oder im deutschen
Rhein ein würdiges Denkmal erhalten für den unvergefslichen
Schirmer des deutschen Rheins!
Johannes Lemcke.
Regierungs- und Stadt-Baumeister in Bonn.
Yerschubdieiist.
stens 20 Minuten in Anspruch. Die Wagen werden nach Ankunft
auf der oberen Strecke den Ablaufgeleisen auf der der Rampe zu¬
gekehrten Kopfwand mit der Nummer des Geleises, in welches sie
Nr. 26.
Centralblatt der Bau Verwaltung-.
26.3
ablaufen sollen, beschrieben, abgehängt, durch die Verschub-
maschine auf die Ablauframpe langsam zurückgedrückt und dann
sich selbst überlassen. Eine Beeinflussung des Laufes der einzelnen
Wagen oder Abtheilungen tritt insofern noch ein, als ihre Abstände
von einander durch Bremse oder Bremsknüppel geregelt, und die
langsam und schwerfällig laufenden Wagen am Fufse der Ablauf¬
rampe durch bereitstehende Pferde in schnellere Bewegung gesetzt
werden. An der Aufschrift der Kopfwand des Wagens erkennen die
Weichensteller, in welches Geleis derselbe laufen soll, und stellen
dann ohne weiteren Auftrag die in Frage kommenden Weichen. Bei
ungünstiger Witterung, Nebel oder Dunkelheit, wenn zu befürchten
steht, dafs die Aufschrift nicht mit Sicherheit gelesen werden kann,
werden die Nummern der Geleise den Weichenstellern durch den
Verschubmeister zugerufen. Das Neigungsverhältnifs der Ablauf¬
rampe beträgt für die Sommermonate bezw. in den günstigen Jahres¬
zeiten annähernd 1 : 60 und wird für die Wintermonate durch An¬
ermöglicht. Bei den Hemmschuhen mit fester Spitze trat der Uebel-
stand ein, dafs letztere sich allmählich nach oben verbog und da¬
durch das Auflaufen des Rades erschwert wurde. Auch ist es öfters
vorgekommen, dafs solche mangelhaften Hemmschuhe durch den An¬
stofs des Rades von den Schienen fielen , was bisweilen heftige Zu-
sammenstöfse und Beschädigungen der Wagen im Gefolge hatte.
Durch Anwendung der Hemmschuhe mit beweglicher Spitze ist dem
wirksam vorgebeugt, und wenn ähnliche Vorkommnisse einmal ein-
treten, sind sie stets auf mangelhafte Geleislage oder breitgefahrene
Schienenköpfe zurückzuführen gewesen. Namentlich die letzteren
üben dabei einen sehr ungünstigen Einflufs und müssen deshalb
aus Verschubgeleisen rechtzeitig entfernt werden. Wo dies nicht
angängig ist, sollten Hemmschuhe nicht zur Verwendung gelangen.
Als Nachtheil der Verwendung von Hemmschuhen im Verschub-
dienst ist die starke Beanspruchung der Achsgabeln und Lagerkasten
der Wagen anzusehen, welche eintritt, wenn die ablaufenden Wagen
Eiserner Hemmschuh, für Eisenbahnfahrzeuge.
stopfen des Geleises bis auf 1 ; 40 verstärkt. Die durchschnittliche
Länge der Rampe beträgt 60 m. Die in den Verschubgeleisen an-
kommenden Wagen werden durch Hemmschuhe, die ein Arbeiter
je nach der Geschwindigkeit der Wagen 15 — -30 m vor der Stelle,
wo sie zum Stillstände kommen sollen, auf den Schienenkopf legt,
aufgehalten und zum Stehen gebracht. Diese Hemmschuhe haben
die in Abb. 1 u. 2 dargestellte Form. Sie bestehen aus einem
schmiedeeisernen Kern mit gelenkartig beweglicher Stahlspitze
(Patent Barthelmefs) und unterscheiden sich im allgemeinen von den
früher hier im Gebrauch gewesenen nur durch diese bewegliche
Spitze, welche den Vortheil bietet, dafs sie sich stets fest auf den
Schienenkopf legt, und dadurch ein sicheres Auf laufen des Rades
mit einigermafsen erheblicher Geschwindigkeit auflaufen. Es müssen
deshalb gewandte und eingeschulte Verschubarbeiter stets zur Hand
sein, welche mit den Bremsknüppeln sofort einzugreifen haben, wenn
ein Wagen oder eine Abtheilung mit nicht bedienter Bremse in zu
rasche Bewegung geräth. Wo dies geschieht und es an der er¬
forderlichen Aufsicht nicht fehlt, erscheint die Anwendung der
Hemmschuhe nicht nur unbedenklich, sondern sogar höchst empfeh-
lenswerth.
Derartige Hemmschuhe sind auf dem Bahnhofe Köln -Gereon
bereits seit IV2 Jahren in Gebrauch; Bechädigungen derselben infolge
der Benutzung sind nur in ganz vereinzelten Fällen vorgekommen.
Bezogen wurden sie von der Firma Joh. Schumacher in Deutz.
Ziegelsteingewolbe aus yerzahnten Ringen.
Bei der Ausführung gröfserer Gewölbe- und Bogenconstructionen
aus Ziegelsteinen prismatischen Formates verursacht die aus der
radialen Anordnung der Schichten sich ergebende Stärkezunahme
der Lagerfugen von innen nach aufsen mehrfache Schwierigkeiten.
Es wird aufserdem durch dieselbe die der statischen Behandlung des
Gewölbes zu Grunde gelegte Annahme gleichbleibender Beschaffenheit
des Materials zum Theil hinfällig gemacht, und dies in um so höherem
Grade, je gröfser diese Stärkezunahme ist. Nur durch die Anwendung
keilförmiger Steine könnte man diesen Nachtheilen aus dem Wege
gehen, doch wird man bei umfangreicheren Bauten der Kostspieligkeit
wegen hiervon nicht Gebrauch machen. Es bleibt also dem aus¬
führenden Techniker nur die Wahl, entweder alle Schichten von
der inneren zur äufseren Leibung durchzuführen, also das Gewölbe¬
mauerwerk im Verbände herzustellen und das Uebel der Fugen¬
erweiterung nebst seinen Folgen mit in den Kauf zu nehmen, oder
das Gewölbe in einzelnen Ringen herzustellen, von denen ein jeder
nur eine solche Stärke besitzt, dafs die Fugenerweiterung an seinem
Rücken nicht zu erheblich wird. Aber auch die Rücksicht auf mög¬
lichst geringe Belastung des Lehrgerüstes kann unter Umständen zu
der Wahl der Ringanordnung führen. Erfolgte völliger Schlufs des
vorhergegangenen Ringes, bevor der folgende begonnen oder doch
wesentlich gefördert worden ist, so hat das Lehrgerüst zunächst nur
die Last des untersten Ringes zu tragen und später helfen die schon
geschlossenen Ringe sowohl ihre eigene Last als auch die des in
Arbeit begriffenen Ringes mit tragen, wodurch eine wesentliche Ent¬
lastung des Lehrgerüstes bewirkt v/ird. Das Lehrgerüst mufs, und
es ist dies eine wesentliche Eigenthümlichkeit desselben, aufser
genügender Festigkeit auch einen hinreichenden Grad von Starrheit
besitzen. Hierdurch wird im allgemeinen eine gröfsere Stärke der
Constructionstheile bedingt, als solche mit Rücksicht auf die Festig¬
keit allein sich ergeben würde. Je geringer also im Verhältnifs zu
der thatsächlich vorhandenen Stärke des Lehrgerüstes die demselben
aufzubürdende Last gemacht werden kann, um so günstiger wird es
für die Erhaltung der Form des Lehrgerüstes und damit für die gute
Herstellung des Gewölbes sein. Infolge der geringeren Inanspruch¬
nahme und Abnutzung wird auch das Lehrgerüst für etwaige wieder¬
holte Verwendung länger tauglich bleiben, was bei Gewölbebauten
mit zahlreichen Oeffnungen von Bedeutung sein kann.
Bei der Gewölbeausführung in Ringen ist zur Vermeidung von
anderen Nachtheilen und Gefahren aber manches besondere zu be¬
achten. Es wird beispielsweise bei der Mischung des Mörtels darauf
ankommen, diese so zu wählen und in den einzelnen Arbeitsstadien
nöthigenfalls so abzuändern, dafs nach Vollendung des ganzen Ge¬
wölbes die Mörtelmasse sich überall möglichst in gleichem Erhärtungs¬
zustande befindet. In constructiver Beziehung sind besondere Mafs-
nahmen erforderlich, um es zu erreichen, dafs die verschiedenen Ringe
wirklich als ein Ganzes zusammen wirken. Das praktische Gefühl
schon hat gewisse Richtungen angedeutet, nach welchen hin man
das Verhalten dieser Constructionen zu untersuchen hat, ohne in¬
dessen zu bestimmten Forderungen gelangt zu sein. Die bequemste
Art der Ausführung ist die, das Gewölbe in concentrischen, je
1/2 Stein starken, übereinander gelegten Ringen zu mauern, von
einem Steinverband überhaupt abzusehen und der Bindekraft des
Mörtels allein das Zusammenhalten der verschiedenen Ringe zuzu¬
weisen. In seiner Bauingenieurkunst sagt Rankine sehr richtig, dafs
dieses Verfahren mangelhafte Festigkeit gebe, wenn man nicht in
Gement mauere. Welchen Kräften aber mit den besonderen Eigen¬
schaften des Cements begegnet werden solle, begründet er nicht
näher. Zu gleichem Zwecke giebt derselbe Autor die Regel an,
je zwei Stein starke Ringe paarweise mit einander zu verbinden
durch periodisches Einschalten einiger Binderschichten oder durch
Verwendung von flacheisernen Bändern, welche rund um das Gewölbe
2U
Centralblatt der Baiiverwaltnng.
28. Juni 1890.
zwischen die Ziegelsteinringe sowohl wie auch radial iind der Lange
nach gelegt werden sollen. Nach einem anderen \ erfahren wird das
Gewölbe mit sämtlichen Eingen, in welche man es entsprechend der
für zulässig erachteten Fugenerweiterung getheilt hat, gleichzeitig
begonnen und gleichförmig fortgeführt, dabei aber jedesmal, sobald
in irgend zwei benachbarten Eingen die Schichten Zusammentreffen,
diese über beide Einge im Verbände durchgeführt, wonach wieder
getrenntes Weitermauern stattfindet. Damit ist für die Verbindung
der Einge sicher etwas gewonnen, ob dieses aber für die Stand-
fähigkeit und Festigkeit genügend ist, pflegt nicht untersucht zu
werden, mau überläfst offenbar dabei zu viel dem Zufall. Nach¬
folgend soll versucht werden, die bei dieser angestrebten Vereinigung
der Einge in Frage kommenden Kräfte und Beanspruchungen zu
ermitteln.
Aus der auf die eine oder andere Weise gewonnenen Drucklinie
des Gewölbes als Mittelkraftlinie der äufseren Kräfte lassen sich
die Beanspruchungen der einzelnen Gewölbecpierschnitte bezw. Quer¬
scheiben ableiten. Wenn die Mittelki-aftlinie aus den Zuwachsen
der äufseren, ebenfalls auf dünne Bogenr|uerscheiben entfallenden
Kräfte gezeichnet worden ist, so entspricht jedem Bogeuquerschnitt
eine Berührende an diese Linie, welche die Mittelkraft aller auf den
durch den Querschnitt abgetrennten Theil des Gewölbes einwirkenden
äufseren Kräfte der Lage nach angiebt. Für den vorliegenden Zweck
braucht bei diesen Ermittlungen
nicht streng nach der Lehre vom
elastischen Bogen verfahren zu
werden.
Es werde eine aus dem Gewölbe
von der Tiefe = 1 geschnittene
dünne, von der prismatischen Form
unendlich wenig abweichende Quer¬
scheibe von der Dicke d L und der
Gesamthöhe B der Betrachtung unter¬
zogen. Durch einen gleichlaufend
zu der Gewölbeachse und winkel¬
recht zum Querschnitt geführten
Schnitt in der Entfernung vom
Querschnittsmittelpunkt werde von
ihr ein Theil abgetrennt und die Gröfse der auf diesen wirkenden
inneren und äixfseren Kräfte untersucht. Von den ersteren kommen zur
Wirkung die Zug- und Druckkräfte der beiden einander gegenüber-
B B B
stehenden Seitenflächen X ndv und
{ ndv d ( :
n d V (wobei
V die Entfernung eines schmalen Flächenstreifens vom Querschnitts¬
mittelpunkt und n die Spannung desselben bedeutet) sowie die Schub¬
kraft TdL gleichlaufend zur Bogenachse AA. Die Gleichgewichts¬
bedingung dieser inneren Kräfte ist
B B B
ndv TdL —
ndv
d I ndv = 0 .
Hieraus folgt
TdL
n
= d I n
J>'
B
ndv
1)
2)
Die Gröfse der Zug- oder Druckspannung ergiebt sich aus der
Gleichgewichtsbedingung für die inneren und äirfseren Kräfte. Von
diesen letzteren fällt nur die Seitenkraft von Li in die Eichtung der
Bogenachse. Wenn die Drucklinie des Gewölbes wie Seite 265
Abb. 1 ( rechts) als Seilpolygon unter Beachtung einer der gesicherten
Standfähigkeit des Gewölbes entsprechenden Lage gezeichnet worden
ist, so ergiebt sich die Gröfse der mit der Bogenlänge sich ändernden
Mittelkraft li aus dem Kräftepolygon in bekannter Weise als Pol¬
strahl, welcher durch die entsprechend vorgenommene Zerlegung,
wie gezeichnet, die Seitenkräfte P und Q winkelrecht und gleich¬
laufend zum Quei’schnitt liefert.
Die Spannung n auf ein in der Entfernung v vom Mittelpunkt
belegenes Flächenstreifchen bestimmt sich nach der Formel für zu¬
sammengesetzte Beanspi’uchung als
y-* , V2 P e V
- + •
B ' B^ ■ • •
Durch Einsetzen in den Ausdruck (2) wird dieser zu
B
TdL = d
P 12Pev
E + E3
) di
3)
4)
Die Ausrechnung des bestimmten Integrales ergiebt
./(
P 12 P e V
B +
^ dv =
2B
sodafs man erhält:
T =
dL
. . 5)
Um die Differentiation ausführen zu können, müfste die Abhängigkeit
der einzelnen Gröfsen von L bekannt sein. Beschränken wir der
Einfachheit wegen die Betrachtung auf ein Gewölbe von gleich¬
bleibender Dicke inid in diesem auf eine in gleicher Entfernung
von der Mittellinie durchlaufende Fläche, nehmen wir also B und
6 constant, so bleibt als mit L veränderlich nur P und e, sodafs der
Ausdruck (5) die Gestalt annimmt:
■6
T=^
2 B
B — b
2B
dP 3(E2_^2)
2E3
dP
+
3 {B^ — b^)
dPe
dL ' 2 Bi
und nach weiterer Zixsammenfassung unter Beobachtung, dafs
B — b
2B
+
3e (E2 — 62^
2 Bi
dP . 3(E2_62)
¥77 + - 27ß3 - ^
6)
Bezeichnet man ~ß
mit + so vereinfacht sich der Ausdruck zu
rp _ 1 -f jW/
dP
(1 + |U,) qJ
dP
Zur Bestimmung von , . ist es nöthig, dafs das Gesetz der
(l Jj
Abhängigkeit der Kraft P von der Länge L bekannt ist. Ein ein¬
facher rechnerischer Ausdruck wird gewöhnlich nicht dafür ent¬
wickelbar sein. Bei graphischer Ermittlung könnte P als Höhe zum
Grundabstand L aufgetragen werden und es wäre möglich, aus der
Neigung der Berührenden an die so erhaltene Linie für jede Länge L
d P
das zugehörige zu entnehmen. Man findet aber bei einer solchen
(i Jj
Darstellung, dafs dieser Werth sehr klein bleibt gegenüber dem
Werthe von Q, sodafs das ganze erste Glied der Klammergröfse
deren Werth kaum um etwa Vioo erhöht, mithin füglich ganz weg¬
gelassen werden kann. Es gilt also mit hinreichender Genauigkeit
der Ausdruck
^ 3(l-n.2)Q
2 B
8)
Die Fähigkeit, dieser Schubspannung Widerstand leisten zu
können, ist es, worauf es hauptsächlich ankommt, wenn das aus
einzelnen Eingen gebildete Gewölbe als ein Ganzes wirken soll.
An jeder Stelle mufs die zwischen je zwei Eingen sich entwickelnde
Schubkraft aufgehoben werden, und es kann dies nur geschehen
entweder durch den Scherwiderstand von entsjrrechend gutem,
zwischen die Einge gebrachtem Mörtel oder dadurch, dafs die Einge
nicht glatt aufeinander gelegt, sondern in den Berührungsflächen
miteinander verzahnt werden. Die Zähne werden der Gröfse der
aufzunehmenden Schubkraft entsprechend aus mehreren Schichten
zu bestehen haben. Die besonderen Formverhältnisse bringen es
mit sich, dafs die aus dem oberen Eing in den unteren eingreifenden
Theile mindestens eine Schicht mehr enthalten müssen als diese,
da jene mit den engeren, diese mit den erweiterten Fugen Zu¬
sammentreffen.
Nebenstehend gezeichnetes Gewölbe (Abb. 1, linke Hälfte) liefert
mit der folgenden Behandlung ein Beispiel, wie im besonderen Falle
zu verfahren ist. Die Untersuchung müfste sich natürlich auf die
verschiedenen Belastungsarten erstrecken, hier möge aber nur der¬
jenige Fall behandelt werden, in welchem sich das Gewölbe bei dem
Ausrüsten befindet, bei welchem also nur das Eigengewicht des noch
nicht mit Hintermauerung versehenen Gewölbes wirksam ist. Die
eingezeichnete Drucklinie (rechte Hälfte der Abb. 1), welche (da
wenig abweichend) auch als Stützlinie zu benutzen ist, verbleibt
innerhalb des mittleren Drittels des Gewölbes; dasselbe ist also,
als ein Ganzes betrachtet, so standfest als man dies zu verlangen
pflegt. Würde es in zwei glatten Eingen von je 2 Stein Stärke,
wie in Abb. 2 gezeichnet, ausgeführt werden, so würde jeder Eing,
namentlich der untere, von sehr zweifelhafter Standfähigkeit sein,
und ohne besondere Mafsnahmen zur Verbindung der Einge würde
Rr. 26.
Centralblatt der Bauverwaltung.
265
Da
sich die Consti'uction nach dem Ausrüsteu wohl sehr bedenklich
verhalten; durch richtige Anwendung der Verzahnung wird sie völlig
sichei’.
Die Fugenstärke am Eücken eines Bogens von der Dicke D
und dem inneren Halbmesser R berechnet sich aus der Fugenstärke d
an der inneren Leibung unter Zugrundelegung der gewöhnlichen Ziegel-
6,5 + di R + D „ D r B\
dicke aus — — — = — - — oder aufgelöst J* = 6,5 — 1- ( 1 H - 1 d.
6,5 + d R R \ RJ
Wenn im vorliegenden Falle bei R — 800 cm, D = 103 cm, d = 1 cm
angenommen wird, so er-
giebt sich d^ = rd. 2 cm.
Bei dieser erheblichen
Fugenerweiterung von
1 cm erscheint die Zer¬
legung des Bogens in
zwei Ringe mit je
etwa 0,5 cm Fugen¬
erweiterung gebo¬
ten. Die hierbei an¬
zuwendende Zahn¬
länge ist zunächst
so zu bemessen,
dafs n 1 Schich¬
ten mit den uner¬
weiterten Fugen
des oberen Ringes
11 S — n Schichten mit
"i den erweiterten Fu¬
ji gen des unteren
I Ringes werden. Un¬
ter Bezugnahme
auf vorstehende Abbil¬
dung wird also
n (6,5 + d^) = (« 4" 1)
(6,5 -f- dj) sein, woraus
w + 1 _ 6,5 + d^
n 6,5 4- dl
6,5 4- d^ R + D
ergiebt sich durch Ein¬
setzen und Auflösen n —
_ (6,5 4- dl) R
(d — di)ü:4-(6,5 + d)D‘
Wenn ö ~ so wird
R
n-
In der bis zu einem
gewissen Grade freien
Wahl der beiden Grö-
fsen d und di hat man
ein Mittel, um für n,
also auch für die Zahn¬
breite, verschiedene, dem
jeweiligen' Falle anzu¬
passende Werthe zu er¬
zielen. Praktische Rück¬
sichten setzen für d und di
gewisse Grenzen fest, als welche man etwa 1,2 bezw. 0,8 cm annehmen
kann. Im vorliegenden Falle ergiebt sich dann für n die untere Grenze
m — - - (_^ — ^ - - — 1'/^ 8 Die obere Grenze für 7i
(1,2 - 0,8) 800 + (6,5 -1- 1,2) 50 ~ bnenze
ist = oo, da der Zähler (d — di) R -j- (6,5 -|- d) D = 0 werden kann
, . (A 4- D) d -4 6,5 D
und zwar für di = - - - - — - -
R
Von n = 8 ab ist also eine jede Zahnlänge ohne Verhauen der
Ziegelsteine nur durch Aenderung der Fugenstärke ausführbar.
Wählt man die Zahnlänge zu etwa 1 m, so findet man durch einiges
Probiren bald, dafs man eine solche erreicht durch Wahl von
50
d = 1,1 cm und di — 1 cm. Es berechnet sich dann d = 6,5 -|-
/ 50 \ ,
(^1 4" g^l 1,1 = 1,6 cm. Die Zahnlänge wird genau
12 (6,5 -f 1,6) = 13 (6,5 4- 1,0) = rd. 97 cm.
Die Schubspannung zwischen den beiden Ringen hat in dem
4 Stein starken Theil des Gewölbes, wo 6 = 0 und m- = 0 ist, die
15 0
’ = 1,46 Q. In den 4^/2 Stein starken Theilen ist
)1G
= — 8 cm, also 6 = — 16 cm und u, — — =
‘ 116
■ =: 0,98, mithin die Schubspannung
1,27 Q.
Gröfse T -
1,03
— 0,138 sowie 1
3._0,98Q
2 . 1,16
Zur Gewinnung der Werthe von Q an den einzelnen Stellen ist
in der Abb. 1 die Zerlegung der Polstrahle nach Richtung von
Tangente und Radius eines jeden Bogenpunktes durchgeführt. Die
Zeichnung liefert für Q in den einzelnen Theilpunkten die folgenden
abgerundeten Werthe in kg (1 cbm Gewölbemauerwerk = 1600 kg an¬
genommen) Q = 350; 700;
950; 1000; 850; 750; 250;
— 500; — 1700; — 3100;
— 4950.
Die Schubspannungen
erhalten danach die ab¬
gerundeten Werthe T
= 510; 1020; 1385; 1460;
1240; 950; 320; — 635;
— 2160; — .3940; - 6280.
Diese Werthe sind
in Abb. 1 links aufge¬
tragen und zwar auf die
zu den Schubrichtungen
parallel gezogenen Ra¬
dien, von deren Schnitt¬
punkte mit einem Kreise
aus dessen Halbmesser
gleich dem derTrennungs-
fläche gewählt worden ist.
Für die Beanspruch¬
ung eines Zahnes kommt
die auf Zahn- und Lücken¬
länge zusammen entfal¬
lende Schubkraft in Be¬
tracht, im vorliegenden
Falle unter der Annahme,
_ dafs beide Längen ein-
*■*'" dif Längen! ander gleich sind, also
Schubkraft 5 =
1,94 T. Je
nach der Lage des Zahnes
in der Nähe eines der
Theilpunkte berechnet
sich danach die aufzu¬
nehmende Schubkraft in
kg abgerundet zu N =
985; 1975; 2680; 2820;
2400; 1850; 615; - 1230;
— 4180; — 7620; — 12150.
Eine gleichmäfsige
Vertheilung auf die 6
Binderschichten eines
Zahnes, welche allein zur
Aufnahme der Kraft ge¬
eignet sind, bringt also auf
eine solche eine Kraft in
kg von s = 165; 330; 445;
470; 400; 305; 100; — 205;
— 695; - 1270; - 2025.
Es mufs untersucht werden, ob eine Binderschicht dieser Be¬
anspruchung kragsteinartig widerstehen kann. In den Lagerfugen,
welche den Stein einschliefsen, entwickelt sich aus den Gegendrücken
des Fugenmörtels ein Moment, das dem Angrifi’smoment der Kraft s
gleich ist. Letztere werde über die vor-
20000*^ Matsstab für die Kräfte,
2 . 0,9 ( 1
s
h
.A ^
o
o
v////////Ay////////j
y '
/
/
vertheilt gedacht, der Widerstand des Mör¬
tels aber von 0 in geradem Verhältnifs zu
der Entfernung von der Vorderkante zu-
bezw. abnehmend angenommen. Die Mo¬
menten - Gleichung ist dann 10 . « = 4 . 5i.
Daraus s = 0,4äi. Bezeichnet k die gröfste
Beanspruchung des Mörtels in der Fuge, so ist ^ ^ ^ ^^>5 . 100 . X-,
mithin s — 0,4 . 625 k oder k = kg/qcm.
In den einzelnen Bogenpunkten ergiebt sich also, falls dort Zähne
ihren Platz finden, in kg 4- = 0,66; 1,32; 1,78; 1,88; 1,60; 1,22; 0,40;
0,82; 2,78; 5,08; 8,10.
Diese Werthe verbleiben mit Ausnahme der letzten innerhalb
2G6
Centralblatt der Bauverwaltung.
28. Juni 1890.
die volle Gewölbelast berechnete Lehrgerüst Überschiefsende
Steifigkeit gehabt, und beim Ueberwölben des zweiten Einges
trug der erste geschlossene schon so kräftig mit, dafs ein Nach¬
geben nur in erheblich geringerem Mafse als ohne diese Hülfe
eintreten konnte.
zulässiger Grenzen. Da aber die letzten Zähne nahe am 'Widerlager
sich befinden, das den nothigeu gröfseren iderstand leistet, so ist
auch dort keine Gefahr vorhanden.
Der Verfasser hat bei seinen Ausführungen Gelegenheit gehabt,
das vorstehend geschilderte Verfahren zur Anwendung zu bringen,
namentlich bei einigen 11 m weiten Bögen eines gröfseren ge¬
wölbten Viaductes der IVesterwaldbahn bei Sa^Ti. Die Aus¬
führung der Verzahnung verursachte nicht die geiäugste Schwierig¬
keit. imd die ganze Anordnung hatte sich insofern gut bewährt,
als die sonst unvermeidlichen Eisse und Sprünge, welche infolge
der Nachgiebigkeit des Lehrgerüstes vor dem Ausrüsten in der
Nähe der Kämpfer zu entstehen pflegen, mit Ausnahme von
^'■anz unbedeutenden Haarrissen ausgeblieben waren. Für die Last
des zuerst geschlossenen imteren Einges hatte also das für
Diese Anordnung mit verzahnten Eingen schliefst übrigens die
Anwendung der verschiedenen Verfahren nicht aus, nach welchen,
um das Auftreten jener Sprünge zu vermeiden oder ihren schädlichen
"Wirkungen zu begegnen, von vorläufigen Aussparungen oder theil-
weiser Trockenmauerung Gebrauch gemacht wird, um erst nach er¬
folgtem Setzen des Gewölbes diese ausgesparten Theile zu ergänzen.
Dr. Bräuler,
Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector.
Ueber die Seehäfen Enfslands.
plätzen des Schwarzen Meeres Hafenarbeiten ausgeführt: in Batum
(Handels- und Kriegshafen), Noworossijsk, Jalta (auf der Halbinsel
Krvm), und in Nikolajew. An letzterem Punkt bestehen die Hafen-
arbeiteu in der Herstellung eines für Seeschiffe geeigneten Landungs¬
platzes am Ufer des Bug. Im übrigen steht der Nikolajewer Handels-
I hafen in keinerlei Zusammenhang mit dem ebenfalls in Nikolajew
befindlichen Hafen der russischen Schwarzmeer-Kriegsflotte; letzterer
Hafen liegt an der Mündung des in den Bug entwässernden Flusses
i Ingul. — Ferner hat das russische Verkehrsministerium Vertiefungs-
I arbeiten ausführen lassen; 1) im Mündungsgebiet des Dnjepr-Bug-
j Limans, bis zu 6 m Tiefe (Otschäkowscher Seecanal, zwischen
I Nikolajew und dem Meere 7,7 km lang): 2) in der das Schwarze
i Meer mit dem Asowschen Meere verbindenden Durchfahrt von
Kertsch, bis zur Tiefe von 5,7 m, um Seeschiffen mit gröfserem Tief-
I gang die Einfahrt in das Asowsche Meer zu ermöglichen. Sowohl
j beim Otsehakowschen als auch bei dem Kertsch-Jenikaleschen See-
j canal sind die Vertiefungsarbeiten mit Hülfe grofser Baggermaschinen
; ausgeführt worden. Die übrigen Häfen des Schwarzen Meeres :
i Eupatoria (russisch: Jewpatoria), Sudak, Theodosia (russisch: Feo-
i dossia), Anapa, Gelendshik, Tuapsse, Suchum-Kale, sind bis jetzt
noch in ihrem natürlichen Zustande belassen worden. In Poti da¬
gegen wird seit dem Jahre 1833 seitens der Verwaltung der Kriegs¬
marine ein künstlicher Hafen gebaut, der auch heute noch nicht
fertiggestellt ist, und der trotz der darauf verwendeten erheblichen
Kosten als ein wenig gelungenes F'nternehmen zu bezeichnen ist. —
Im Asowschen Meer wurde der Anfang mit dem Bau künstlicher
j Häfen zwar bereits von Peter dem Grofsen gemacht — derselbe liefs
in Taganrog den nach ihm benannten, gegenwärtig völlig verflachten
und kaum noch zu erkennenden Petrowschen Sicherheitshafen an-
legen — , seitdem aber hat man bis auf die neueste Zeit für die
Verbesserung der Asowschen Häfen nichts weiter gethan. Erst im
Jahre 1863 wxrrde zum Schutz der Eeede von Berdjansk ein unbe¬
deutender Wellenbrecher hergestellt; dieses etwa 530 m lange und
I gegen 850 m vom Ufer entfernte Bauwerk besteht aus einer gewöhn¬
lichen Steinschüttung. Im übrigen will es fast scheinen, als habe
die Natur selbst das Asowsche Meer*) nur für die kleine Küsten-
schiff’ahrt bestimmt; denn die gröfste Tiefe dieses Meeres beträgt
selbst in dessen mittlerem Theil an keiner Stelle mehr als 12 m.
Daher waren denn auch die Häfen von Eostow, Taganrog, Mariupol,
Berdjansk, Genitschesk, Jejsk, Temrjuk, welche sämtlich nicht nur
aufserordentlich flach sind, sondern auch völlig oflfene und bei starken
Nordostwinden nicht ungefährliche Eeeden haben, von jeher nur für
Küstenfahrzeuge zugänglich. Nachdem sich aber in letzter Zeit
die Kohlen- und Eisenindustrie Südrufslands in bemerkenswerther
"Weise entwickelt hat, ist bei der Eegierung der Wunsch rege ge.
worden, an einzelnen Punkten des Asowschen Meeres Häfen zu er¬
bauen, die zwar nur für Schiffe von geringem oder mittlerem Tief¬
gang bestimmt sein sollen, die aber diesen Fahrzeugen ein sicheres ^
Ankern und Landen ermöglichen sollen. So wdrd seit dem Jahre 1884 [ )
bei Mariupol mit anerkennenswerthem Eifer ein 4,2 m (14 Fufs) tiefer
Hafen erbaut, welcher hauptsächlich für die Ausfuhr der Steinkohle
des Donezbeckens dienen würd. In Taganrog dagegen hat man seit
dem Jahre 1887 begonnen, den alten Petrowschen Hafen wieder her¬
zustellen, und zwar beabsichtigt man, denselben auf eine Tiefe von
3 m (10 Fufs) zu bringen. Indessen wird hierdurch der Schiff’ahrts-
betrieb des Hafens nicht völlig sichergestellt werden, da in letzterem
bei starkem Nordost wind der Spiegel des Meeres infolge des Zurück¬
weich ens der Wassermassen bis zu 2,4 m (8 Fufs) unter dem mittleren
Wasserstand sinkt, zufolge dessen die auf der Eeede ankernden
Schiffe zuweilen vollständig aufs Trockene gerathen. — Im Kaspischen
Entsprechend der Verschiedenheit der das russische Eeich um¬
spülenden Meere — des Eismeeres, des Weifseu Meeres, der (Ostsee,
des Schwarzen. Asowschen und Kaspischen Meeres, soxvie des Stillen
oder Oestlichen Oceans — befinden sieh die russischen Seehäfen
unter dem Einflufs der verschiedenartigsten örtlichen Bedingungen.
Dabei haben die Häfen die Eigenthümlichkeit, dafs in ihnen allen,
mit Ausschlufs der am Ostufer des Schwarzen Meeres gelegenen
Häfen, mit dem Eise zu kämpfen ist. Die Fürsorge der russischen
Eegierung für den Ausbau der Seehäfen begann unter der Herrschaft
Peters des Grofsen. Nachdem derselbe durch Eroberung der Newa-
Mündimgen dem russischen Eeich das „Fenster nach Europa” geöffnet
hatte, liefs er in Kronstadt den ersten und zugleich wichtigsten See¬
hafen Eufslands einrichten. Späterhin, und zwar gegen Ende des
18. Jahrhunderts, wurde durch den bekannten Feldmarsehall und
Staatsminister Münnich*) an der Küste des Baltischen Meeres, in
Eeval, der zweite künstliche Seehafen Eiü’slands erbaut. Demnächst
entwickelten sich allmählich diejenigen Hafeuplätze der russischen
Ostseeküste, welche als natüidiche Häfen schon seit alter Zeit für
Handelszwecke in Benutzung standen, nämlich die Häfen von Narwa,
Pemau, Windau, Libau und an mehreren anderen, minder wichtigen
Küstenpunkten. Die Verwaltung der zuletzt gedachten Häfen, sowie
diejenige des Hafens von Eeval, der zur Zeit für Kriegszwecke nicht
mehr benutzt wird, befindet sich gegenwärtig in Händen des Ver¬
kehrsministeriums. Es ist indessen hervorzuheben, dafs diese Häfen
auch heute noch der Mehrzahl nach reine Naturhäfen sind, und dafs
nur in Eeval, Eiga und Libau in neuerer Zeit nicht unbedeutende
Ingenieurbauten ausgeführt worden sind. Als wichtigster künstlicher
Hafen des Baltischen Meeres ist der Hafen von St. Petersburg anzu¬
sehen, und zwar hat dessen Bedeutung ganz erheblich durch den
Bau des im Jahre 1885 vollendeten Seecanals (6,6 m tief) gewonnen,
insofern dank demselben gegenwärtig, ungeachtet der im Gebiete der
Newamündungen vorhandenen zahlreichen Verflachungen xmd Sand¬
bänke, die Mehrzahl der tiefgehenden Seeschiffe den Kronstadter
Hafen zur Seite liegen läfst und unmittelbar entweder das Peters¬
burger Gutüjewski-Hafenbecken oder die tieferen Theile des Newa¬
stromes aufsucht.
Im Schwarzen Meer bestanden bis in die neueste Zeit hinein —
wenn man vom Hafen von Odessa absieht — ausschliefslich natür¬
liche Häfen. Der Odessaer Hafen dagegen hatte bereits zu Anfang
des 19. Jahrhunderts verschiedene Kunstbauten aufzuweisen, und
schon im Jahre 1850 war er mit zwei selbständigen Hafenbecken,
dem sogenannten „Quarantäne-Hafen” und dem „Praktischen Hafen",
ausgestattet.
Die stetig fortschreitende Entwicklimg des Handels sowie der
politischen Bedeutung Odessas veranlafste die russische Eegierung,
im Jahre 1865 eine internationale Wettbewerbung auszuschreiben, um
für die Erweiterung des Odessaer Hafens geeignete Pläne zu erhalten.
Im Jahre 1867 wurde von den hierbei eingegangenen 21 Entwürfen
auf Grund des Gutachtens eines besonderen Ausschusses der Ent¬
wurf des englischen Ingenieurs Hartlej**) für die Ausführung be¬
stimmt. Nachdem die Hartleyschen Vorschläge in einigen Punkten
abgeändert worden waren, hat man dieselben seit dem Jahre 1868
aUmählieh zur Ausführung gebracht, und wiewohl die geplanten
Arbeiten auch heute noch nicht völlig zum Abschlufs gelangt sind,
so ist dennoch der Hafen von Odessa unter allen künstlichen See¬
häfen Eufslands der weitaus beste. — Seit dem Jahre 1882 werden
seitens des russischen Verkehrsministeriums an folgenden Küsten-
*) Geboren i. J. 1683 zu Neuhxmtorf in Oldenburg, gestorben im
J. 1767 in St. Petersburg.
**) Hartley hatte bereits durch die nach Abschlufs des Pariser
Friedens (1858) behufs Verbesserung der Sulina - Donaumündung
ausgeführten Arbeiten die Aufmerksamkeit der russischen Eegierung
auf sich gelenkt.
*) Das Asowsche Meer ist im allgemeinen als ein Busen des
Schwarzen Meeres imd in seinem nordöstlichen Theü im besonderen
als der Liman des Flusses Don anzusehen.
Centralblatt der Bauverwaltung
267
5r. 26
Meer, welches im Grunde genommen nur einen mit Salzwasser ge¬
füllten, ungeheuren Binnensee bildet, befindet sich das Hafenwesen
noch in seinen ersten Anfängen. Im übrigen bestand in diesem
Meer bei Astrachan, also richtiger gesagt an der Mündung der Wolga,
von alters her ein durchaus natürlicher Kriegshafen, welcher indessen
gegenwärtig dieser Bestimmung entzogen ist. Derselbe war zeit¬
weilig vom Meere her aufserordentlich schwer zugänglich, da bei ab¬
treibenden Winden die Tiefe des Wassers in der Mündung der Wolga
nicht selten bis zu 1,2 m (4 Fufs) herabgeht. Gegenwärtig sind alle
für die Kaspi-Kriegsflotille bestimmten Einrichtungen und Vor¬
kehrungen nach dem besten, und man kann zugleich sagen nach
dem einzigen Hafen des Kaspischen Meeres, d. i. nach Baku über¬
geführt. Von den künstlichen Handelshäfen des Kaspimeeres ver¬
dient nur der Hafen von Petrowsk, welcher am westlichen Ufer des
Meeres, südlich der Mündung des Flusses Sulak liegt, erwähnt zu
werden. Dieser Hafen, der seine Entstehung ebenfalls militärischen
Erwägungen verdankt, befindet sich in sehr vernachlässigtem Zustand
und bedarf namentlich dringend der Vertiefung seiner Einfahrt. —
Endlich liegt am östlichen Ufer des Kaspischen Meeres, am Kopfe
der Transkaspischen Eisenbahn, in der Nähe der vortrefflichen Bucht
von Krafsnowodsk, der bis jetzt noch in natürlichem Zustand befind¬
liche Hafen — besser gesagt die Reede — von Usun-Ada.
Das Baltische, Schwarze, Asowsche und Kaspische Meer sind
Binnen - Meere und daher frei von den Ebbe- und Flutherschei-
nungen der Weltmeere. Wenn nichtsdestoweniger in den genannten
vier Meeren die Höhenlage des Wasserspiegels zeitweilig nicht un¬
beträchtlichen Schwankungen ausgesetzt ist, so ist diese Erscheinung
lediglich auf die Einwirkung der Winde zurückzuführen. Bald jagen
dieselben das Wasser vom Meere nach den Ufern hin, bald treiben
sie die Fluthen vom Ufer nach dem Meere zurück, und es entstehen
infolge dessen fluthartige Schwankungen, die sich namentlich in den
engeren Ausbuchtungen der in Rede stehenden Meere, vrie z. B. in
der Bucht von Taganrog oder an der Spitze des Finnischen Meer¬
husens bei St. Petersburg, stark bemerkbar machen. Infolge dessen
ähneln die Bedingungen für den Bau der Häfen in der russischen
Ostsee sowie im Schwarzen, Asowschen und Kaspischen Meer den¬
jenigen Bedingimgen, welche für den Bau der Häfen des Mittel¬
ländischen Meeres mafsgebend sind, jedoch mit dem Unterschied,
dafs das Strandgebiet der russischen Meere infolge der gröfseren
Rauhigkeit des Klimas bisweilen zufriert, sodafs auf diesen Umstand
bei den russischen Häfen Rücksicht genommen werden mufs, während
derselbe bei den Häfen des Mittelmeeres nicht in Betracht kommt.
Unter anderen Bedingungen, und zwar unter solchen, wie sie bei
der Mehrzahl der Häfen des westlichen Europas vorzukommen pflegen,
befinden sich die nördlichen und östlichen oceanischen Häfen Rufs-
lands. So sind z. B. am Gestade des Nördlichen Eismeeres — wie
am Murmanufer, in der Mündung der Petschora und im Weifsen
Meere — zuweilen sehr beträchtliche Ebbe- und Fluthströmungen
wahrzunehmen. Dieselbe Erscheinung zeigt sich auch in Archangelsk,
dem an der Mündung der Nördlichen Dwina gelegenen einzigen Hafen
Nordrufslands von gröfserer Bedeutung. Der Hafen von Archangelsk
war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der wichtigste Handels¬
hafen des Zarenreiches: auch spielte derselbe damals in Hinsicht auf
die Landesvertheidigung eine hervorragende Rolle. Späterhin büfste
Archangelsk seine Bedeutung als Handelshafen nach und nach ein
und erst in allemeuester Zeit, seit dem Jahre 1888, hat die russische Re¬
gierung wieder umfangreichere Arbeiten zur Verbesserung des Hafens
von Archangelsk vornehmen lassen. Diese Arbeiten bezwecken vor¬
nehmlich die V ertiefung der zwischen der Stadt Archangelsk und dem
Meere gelegenen Strecke des Bettes der Nördlichen Dwina. Endlich
besteht an den russischen Ufern des Stillen Oceans, bezw. des Ochotz-
kischen und Japanischen Meeres, eine ganze Anzahl vortrefflicher
Naturhäfen, die aber infolge der Unbevölkertheit des Landes bisher
von keinerlei Bedeutung sind, mit Ausschlufs des Hafens von Wladi-
wostock, woselbst sich sämtliche, für die russische Kriegsflotte des
Ostens bestimmte Einrichtungen und Anstalten befinden, ein Um¬
stand, dem es zu verdanken ist, dafs in Wladiwostock eine gewisse
bauliche Thätigkeit herrscht. —
Die vorstehenden Mittheüungen beruhen im wesentlichen auf
einem von dem Director des St. Petersburger Institutes der Verkehrs¬
ingenieure, Geheimrath M. N. Gerssewanow, vor kurzem heraus¬
gegebenen russischen Lehrbuche, betitelt: -Allgemeine Begriffe über
die Hafenbauten."
Volkmann.
Yermischtes,
In dem Wettheiverb um das Denkmal der ehemaUgen deutschen
Soldaten für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyffhäuser (vergl. Jahrg.
1889, S. 425 u. 1890, S. 84 d. Bl.) wurde unter 24 eingesandten Ent¬
würfen der erste Preis mit 6000 Mark dem Architekten Bruno
Schmitz, der zweite mit 4000 Mark dem Reg.-Baumeister Stahn
und Bildhauer Boese und der drifte mit 3000 Mark dem Bildhauer
Hundrieser und Architekten Doflein zuerkannt. Sämtliche
Preise blieben in Berlin. Zum Ankauf wurden von den Preisrichtern
empfohlen: die Entwürfe (10), (12) und (21), von denen die beiden
ersten den Berliner Bildhauern Max Klein, Prof. Herter und Max
Baumbach angehören, während (21) das Kennwort „Deutsche Sol¬
daten“ trägt. Die Beschlüsse sind sämtlich einstimmig gefafst. Der
geschäftsführende Ausschufs hat sich für die Ausführung des Schmitz-
schen Entwurfs unter Vorbehalt einiger Aenderungen entschieden und
beschlossen, die drei letztgenannten Arbeiten für je 2000 Mark anzu¬
kaufen.
Eine'Preisheiverhung für ein Kreishaus iu Cottbus ist im Ber¬
liner Architektenverein ausgeschrieben worden (vgl. den Wortlaut im
Anzeiger Nr. 25A. d. Bl.). Für die beiden besten Entwürfe sind
Preise von 700 und 300 Mark ausgesetzt. Ablieferungsfrist ist der
21. Juli d. J.
Ueber die Berechnung der Monier -Bauten sind neuerdings
einige bemerkenswerthe Abhandlungen erschienen. Auf Seite 209
der Wochenschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-
Vereins erhebt der Oberingenieur P. Neumann eine Reihe von Ein¬
würfen gegen das von Koenen angegebene, einfache Verfahren, bei
welchem die Zugfestigkeit des Betons von vornherein vernachlässigt
und durch diejenige des Eisengerippes ersetzt gedacht wird, während
die Berechnuug der Druckspannung des Betons in derselben Weise
erfolgt, wie bei Betonkörpem ohne Einlage.*) Neumann will auch
die Zugspannungen des Betons berücksichtigen und dem Eisen nur
so viel Mitwirkung zutheüen, als dem Verhältnifs der Elasticitäts-
mafse beider Stoffe entspricht. Die nach diesem Grundsätze auf¬
gestellten Formeln führen zu Ergebnissen, die mit denjenigen der
zahlreich angestellten Versuche durchaus nicht übereinstimmen. Der
^ erfasser folgert hieraus mit Recht, dafs in seiner Rechnung minde¬
stens nicht zutreffende Zahlenannahmen enthalten sein müssen, dafs
aber vielleicht auch noch Nebenumstände obwalten, die einen wesent¬
lichen Einflufs auf die Tragfähigkeit der Monierplatten ausüben,
*) Vergl. Centralblatt der Bauverwaltung Jahrg. 1886, Seite 462.
in der fraglichen Rechnung aber nicht berücksichtigt sind; so z. B.
die Möglichkeit einer durch geringe Raumzunahme des Betons bei
der Erhärtimg hervorgerufenen Anfangsspannung, oder einer Ver¬
schiedenheit des Elasticitätsmafses des Betons für Zug und Druck.
Den letzteren Umstand berücksichtigt die in derselben Wochen¬
schrift (S. 223) veröffentlichte Abhandlung von Professor J. Mel an,
deren Ergebnisse eine auffallend gute Ueberein Stimmung zwischen
Rechnung und Versuch zeigen. Melan schliefst aus einigen — aller¬
dings nach dieser Richtung nur spärlichen — Erfahrungen, dafs vor¬
läufig bei Cementbeton das Elasticitätsmafs für Druck sechzehnmal
so grofs als dasjenige für Zug, und gleich dem zwanzigsten Theil
des Elasticitätsmafses für Eisen angenommen werden kann.
Die Koenensche Rechnungsweise leistet dafür Gewähr, dafs die
danach ausgeführten Bautheüe selbst dann nicht zusammenbrechen,
wenn bereits Risse in den auf der Zugseite liegenden Theüen des
Betons entstanden sind; sie erscheint daher für die Anwendung, ins¬
besondere zur Bestimmung der erforderlichen Mindestmafse, nach
wie vor ausreichend und vermöge ihrer Einfachheit am meisten ge¬
eignet. Hiermit soll jedoch den hier kurz besprochenen eingehen¬
deren L^ntersuehungen nicht etwa aller Werth abgestritten werden:
aufser erheblichem theoretischen Interesse bieten dieselben ein lehr¬
reiches Beispiel, wie mit glücklichem Griffe wichtige Erfindungen
gemacht werden und sich schon längst bewährt haben können, ehe
es der Wissenschaft gelingt, ihre Wirkungsweise klar zu durch¬
schauen. — m —
In der Mittheilimg über die Pfarrkirche von Ej-dtkuhneu an
der Spitze der vorigen Nummer ist im Eingang als Eröffnungsjahr
der Linie Berlin-Königsberg-Petersburg infolge Setzfehlers 1876 an¬
gegeben. Es mufs, wie auch vom Herrn Verfasser richtig nieder¬
geschrieben war, 1861 heifsen.
Reinigung der Sielwässer in Frankfurt a. 31. Der soeben er¬
schienene Jahresbericht des Frankfurter Phvsicalischen Vereins für
1888 89 enthält eine ausführliche Zusammenstellung über die chemi¬
schen Untersuchungen der verschiedenen Verfahren zur Reinigung
der Sielwässer im Klärbecken in Frankfurt a. M. Bei der bedeuten¬
den Gröfse der Frankfurter Anlage — das Klärbecken nimmt täglich
etwa 25 000 Cubikmeter Sielwasser auf und liefert 127,4 Cnbikmeter
Schlamm — und bei der Gründlichkeit, mit welcher die Versuche
gemacht wurden, dürften dieselben ohne Zweifel ein allgemeines
Interesse beanspruchen. Die jeweils wochenlang fortgesetzten Ver¬
suchsreihen beziehen sich auf die rein mechanische Klärune. auf eine
268
Centraiblatt der Bauverwaltuug.
28. Juni 1890.
solclie mit Ziisatz von Kalk allein, von Thouerde nud Kalk, von
Eisenvitriol und Kalk und von Phosphorsäure und Kalk. Die zu-
gesetzteu Mengen waren jeweils reichlich bemessen und betrugen
z. B. in 24: Stunden je 6449 kg Eisenvitriol. Das Gesamtergebn ifs
der im Laufe der beiden letzten Jahre vorgenommeneu Lbiter-
suchungen lautet folgeudermafsen: «Die vorliegenden Untersuchungen
haben übereinstimmend gezeigt, dafs die Anwendung von Cheinicalien
nicht so wesentliche Vorzüge vor der mechanischen Klärung besitzt,
als dal’s man sich entschliefseu sollte, eine derselben der mechani¬
schen Klärung voranzustellen. Dies kann selbstverständlich nicht
allgemein für die Sielwasserklärung überhaupt gelten, sondern nur
für den vorliegenden Fall, in Beziehung auf die hiesigen Klärbecken.
Für alle Fälle ist aber damit der Beweis geliefert, dafs man bei
Anwendung von Klärbecken, welche sich den hier ausgeführten in
Bezug auf Anlage und Abmessungen, namentlich Längenabmessuugeu,
anschliefsen, imstande ist, auf rein mechanischem Wege zum
mindesten dasselbe zu leisten, was man in Klärbecken von ge¬
ringeren Abmessungen nur mit Hülfe von Cheinicalien, also mit
grofseu laufenden Kosten erreichen kann."
Bei dem zuletzt vorgenommenen Versuch, demjenigen mit Phos¬
phorsäure, war mau insbesondere auch von dem Gedanken ausge-
gangeu, ein Klärmittel zu verwenden, welches den Dungwerth des
sich ergebenden Schlammes erhöhen sollte, und derart das Klärbecken
gleichzeitig in eine Düngerfabrik umzuwandeln. Es stellt sich jedoch
das nicht gerade befremdende Ergebuifs heraus, dafs man bezüglich
des l)ungwerthes einen bessern Erfolg erzielen würde, wenn man
nach einer rein mechanischen Klärung den ganzen Phosphorsäure¬
zusatz unmittelbar dem Schlamm beifügte.
Der Besuch der teelmisclieii Hochschule in Dresden im Studien¬
jahr October 18S8 89 bezifferte sich im ganzen auf 453 Hörer (gegen
509 im Vorjahre)*), unter denen 329 Studirende (im Vorjahre 346; und
124 Hospitanten. Von den Studirenden — 180 Sachsen, 76 andere
Deutsche und 73 Ausländer — gehörten 116 der mechanischen Ab¬
theilung, 65 der Ingenieur- Abtheilung, 54 der Hochbau- Abtheiluug,
90 der chemischen Abtheilung und 4 der Lehrer- Abtheiluug an. Im
Winterhalbjahr 1889 90 belief sich die Besuchsziffer auf 297 Stu¬
dirende und 99 Hospitanten, zusammen 396 Hörer. Von den 297 Stu¬
direnden stammen 149 aus Sachsen, 61 aus dem übrigen Deutschland
und 87 aus dem Auslande; es gehörten 100 Studirende der mecha¬
nischen Abtheilung, 66 der Ingenieur- Abtheilung, 41 der Hochbau -
Abtheilung, 82 der chemischen Abtheilung und 8 der Lehrer-
Abtheilung an.
Zu den Diplom - Vorprüfungen des Jahres 1888 hatten sich
.39 Studirende gemeldet und 25 sich der Prüfung unterzogen, während
im Jahre 1889 sich 43 Studirende meldeten und 39 sich der Prüfung
unterzogen. Zu den Diplom - Schlufsprüfungen meldeten sich im
Studienjahr 1888 89 35 Studirende. Von den 31, welche sich der
Prüfung unterzogen, erhielten 5 das Diplom eines Maschineningenieurs,
einer das Diplom eines Fabrik - Ingenieurs, 5 dasjenige eines Bau¬
ingenieurs, einer dasjenige eines Vermessungs-Ingenieurs, 6 das eines
Architekten und 12 das Diplom eines Chemikers. Im Winterhalbjahr
1889,90 meldeten sich zu den Diplom-Schlufsprüfuugen 23 Studirende,
von denen 22 die Prüfung bestanden und 9 das Diplom eines
Maschineningenieurs, einer das Diplom eines Fabrik - Ingenieurs,
4 dasjenige eines Bauingenieurs, 2 das eines Architekten und 6 das
Diplom eines Chemikers erhielten.
Besuchszitter der Herzoglichen tecliiiisclieu Hochschule lii
Brannschweig im Stiulienjahre 1889/90. Die Herzogliche technische
Hochschule ist im laufenden Studienjahre von 311 Personen, nämlich
143 eingeschriebenen Studirenden, 74 nicht eingeschriebenen Stu¬
direnden und 94 Zuhörern besucht. (Im gegenwärtigen Sommer-
Halbjahr sind 39 eingeschriebene und 19 nicht eingeschriebene
Studirende und 12 Zuhörer, im ganzen also 70 Personen hinzu¬
gekommen.)
Es gehörten an:
Eingeschr.
Studirende
Nicht
eingeschr.
Studirende
Zuhörer
1. der Abtheilung für Architektur . . .
8
9
- -
2. _ _ „ Ingenieurbauwesen
20
6
—
3. _ .. „ Maschinenbau . .
36
36
—
4. ,. .. _ chemische Technik
33
23
—
5. „ .. „ Pharmacie . . .
38
—
—
6. „ .. _ allgemein bildende
Wissenschaften und Künste ....
8
94
143
74
94
Studirende
Die in der zweiten Gruppe aufgeführten Studirenden betreiben
ein vollständiges Studium, können aber wegen der verschärften Auf-
nahmebestimmungeu nicht eingeschrieben werden.
Von den 217 Studirenden stammen 65 aus der Stadt und 27 aus
dem Lande Braunschweig, 83 aus Preufsen, 6 aus Eufsland, je 4 aus '
Hamburg und England, je 3 aus Mecklenburg-Schwerin und Brasilien
je 2 aus Bremen und Cöthen, je 1 aus dem Königreiche Sachsen’
Oldenburg, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Weimar, Altenburg, Meiningen’
Bückeburg, Waldeck, den Eeichslauden, Oesterreich, der Schweiz, der
Bukowina, Holland, Xord- America, Mexico, Java, Japan und den
Sandwich-Inseln.
Von den 94 Zuhörern gehören 76 der Stadt und 7 dem Lande
Braunschweig an, 10 Zuhörer sind aus Preufsen und 1 aus Hamburg.
Der II. Internationale Cong’refs für Gefängnifstvesen, mit
welchem eine Ausstellung von Gefangenen-Arbeiten verbunden ist
tagte soeben in St. Petersburg. Zu dem Congrefs haben fast
alle Culturstaaten eine mehr oder minder grofse Anzahl von Ver¬
tretern entsandt. Die Ausstellung, welche in der St. Petersburger
Michael-Manege (Beitbahn) untergebracht ist, umfafst drei Abthei¬
lungen, nämlich: a) Arbeiten von Gefangenen, welche der Einzelhaft
unterworfen sind; b) Gegenstände aller Art, welche auf die Besse¬
rungsanstalten für jugendliche Gefangene Bezug haben; c) Gegen¬
stände, welche nicht in den Eahmen der vorgenannten beiden Ab¬
theilungen entfallen, die indessen für die Mitglieder des Congresses
von irgend welchem Interesse sein können. An der Ausstellung
haben sich folgende Staaten betheiligt (für die Eeihenfolge der Auf¬
zählung ist die Folge innegehalten, nach welcher die Staaten im
Ausstellungsraum, vom Eingang aus betrachtet, Unterkunft gefunden
haben): Deutschland, welches durch die Staaten Baden, Bayern,
Hamburg, Preufsen und Württemberg vertreten ist (wiewohl das
Deutsche Eeich nicht als solches ausgestellt hat, so sind dennoch
die genannten Bundesstaaten zu einer gemeinsamen Gruppe vereinigt
worden); Oesterreich-LMgarn, England (^in sehr untergeordneter Weise
vertreten), Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Japan, Griechen¬
land, Norwegen, Schweden, Schweiz, Spanien, Portugal, Argentinische
Eepublik. Es folgen dann die Gouvernements des europäischen
Eufslands, ferner das Grofsfürstenthum Finnland, sowie in zwei be¬
sonderen Gruppen dargestellt die sibirischen Strafanstalten des
Nertschinskschen Kreises für die zu Zwangsarbeiten verurtheilten
Verbrecher und die Straf-Anstalten und -Einrichtungen der Insel
Sachalin. Neben letzterer Abtheilung ist dann noch eine Sammlung
allgemein-wissenschaftlicher Art ausgestellt, welche den Zweck hat,
über die in geographischer, naturwissenschaftlicher und staatswirth-
schaftlicher Hinsicht der Allgemeinheit noch wenig bekannte, wichtige
Insel Sachalin (an der Ostisüste Sibiriens) einiges Licht zu ver¬
breiten. Diese hochbedeutsame und reichhaltige Sammlung ist von
dem bereits mehrere Jahrfünfte auf der genannten Insel lebenden
russischen Arzt, Dr. med. Peter Iwanowitsch Suprunenko, zusammen¬
gestellt worden.
Die Gesamtausstellung ist mit grofsem Geschick in höchst an¬
sprechender Weise angeordnet. Beim Betreten des Ausstellungs¬
raumes wird man zunächst an nichts weniger als an die traurige
letzte Veranlassung oder den ernsten Zweck erinnert, welchem diese
Schaustellung ihre Entstehung verdankt. Die Mehrzahl der ausge¬
stellten Gegenstände ist verkäuflich. Uebrigens darf man, ohne der
Unbescheidenheit geziehen zu werden, sagen, dafs die Ausstellung i
der deutschen Staaten sich in vortheilhafter Weise durch strenge '
Sachlichkeit und übersichtliche Anordnung in vortheilhafter Weise |
auszeichnet, ein L^mstand, der nicht durchweg in der Ausstellung j
die gebührende Beachtung gefunden hat.
Der Congrefs wurde am Sonntag den 15. (3.) Juni d. J. mittags ;
gegen 2 Uhr im grofsen Saale der St. Petersburger Adelsversamm- I
lung in Gegenwart der Kaiserlich Eussischen Majestäten und des |
gesamten Kaiserlichen Hofes, ferner der Chefs der in Petersburg be- |
glaubigten Gesandtschaften, sowie einer glänzenden Versammlung j
höchster und hoher Würdenträger des In- und Auslandes in feier-
lich.ster Weise eröffnet. Am Abend des Eröffnungstages vereinigten |
sich auf eine Einladung des Stadthauptes von St. Petersburg hin die j
Congrefsmitglieder zu einem geselligen Zusammensein in den Eäumen
des Eathhauses. !
Montag den 16. (4.) Juni morgens begannen die Sitzungen des !
Congresses. Letzterer hat sich in folgende drei Unterabtheilungen !
getheilt: 1) für Gesetzgebung; 2) für Strafvollzug; 3) für vor¬
beugende Einrichtungen (Institutions preveutives). Die Verhand¬
lungen wurden in französischer Sprache geführt. Der Congrefs |
ist in diesen Tagen geschlossen worden; an denselben sollten sich
dann noch zwei gröfsere wissenschaftliche Ausflüge anschliefsen,
von denen der eine die Stadt Helsingfors , der andere die Stadt
Moskau zum Ziele hat. Die Ausstellung wird drei Wochen währen
und dann voraussichtlich geschlossen werden, keinesfalls aber über
*) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltui^ 1888, S. 340.
Verlag von Ernst & Korn OVillielm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Tüeiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e rs kes, Berlin.
y
Älr.26A-
Centralblatt der Bauverwaltung^.
INHALT: Freileguug und Wiederherstellung des Freiburger Münsters. — Ver¬
mischtes: Grabdenkmal für Prof. Ewerbeck — Hadreifenbrüche auf den Eisen-
baliueii Deutschlands im Jahre 1880. — Brücke über den North-Pdrer. — Nutzbar¬
machung der Kräfte der Niagara-Fälle. — Artesischer Bezirk des, Jamesflufs-Thales.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Die Freilegung und Wiederherstellung des Freiburger Münsters
Seit einer längeren Eeihe von Jahren bildet die Frage der Frei¬
legung vom Chore der Freiburger Münsterkirche den Gegenstand
eingehender Erörterungen. Die mangelhafte Verbindung der Süd-
und Nordseite des grofsen Münsterplatzes in seinem östlichen Theile,
die aufserordentlich grofse Nähe der mehrstöckigen Gebäude am
Münsterchore, endlich die Thatsache, dafs sich nirgendwo ein Platz
linden läfst, der es ermöglicht, einen befriedigenden lleberblick über
die Chorseite des Münsters zu gewinnen, waren Veranlassung
der Frage näher zu treten. Den nächsten Anstofs hierzu gab
der Umstand, dafs ein dem Münsterchor zunächst liegen¬
des Haus zum Abbruch be¬
stimmt wurde und durch einen
dreistöckigen Neubau ersetzt
werden sollte. Ehe aber ein
entscheidender Schritt in der
Sache geschehen sollte, ent-
schlofs man sich in Freiburg,
zunächst einen Sachverständi¬
gen -Ausschufs, bestehend aus
Autoritäten auf dem Gebiete
der kirchlichen Baukunst, zu
Rathe zu ziehen.
Mit der Frage der Frei¬
legung waren aber auch Fra¬
gen über den baulichen Zustand
des Münsters, über die Ver¬
besserungen von schadhaft ge¬
wordenen Bauth eilen usw. auf¬
geworfen und enge verbunden,
und der Sachverständigen- Aus¬
schufs wurde daher mit der
Beantwortung nicht nur der
ersteren, sondern auch der
sich aus ihr ergebenden wei¬
teren Fragen betraut.
Es bildete sich nun in
Freiburg in den ersten Tagen
des Monat Juli 1889 ein „Pro¬
visorisches Comite zur Frei¬
legung und Wiederherstellung
des Münsters in Freiburg i. B.“,
dem die Herren Domdecan
Weickum und Oberbürger¬
meister Winter er vor stan¬
den. Diese liefsen Aufforde¬
rungen an die Herren Schmidt
in Wien, Adler in Berlin,
Denzinger in München, Egle
in Stuttgart, Durm in Karls¬
ruhe und Essenwein in N ürn-
berg ergehen zur Uebernahme
des Sachverständigen- Amtes.
Alle mit Ausnahme Essenweins
folgten dem Rufe und am
10. September vorigen Jahres
traten die Genannten, denen
sich noch der erzbischöfliche
Baumeister Ba er in Freiburg zugesellte, in Freiburg zu gemeinsamem
Augenschein und zur Berathung zusammen. Den Vorsitz übernahm
Ober-Baurath v. Schmidt, während Baudirector Durm das Protokoll
führte und dieses auch später für die Veröffentlichung ausarbeitete.
Das von allen Sachverständigen ohne Vorbehalt unterschriebene, redi-
girte Protokoll wurde in der zweiten Hälfte des Monats November v. J.
an das provisorische Comite abgegeben und von dem in der jüngsten
Zeit ins Leben getretenen „Freiburger Münsterbauverein“ ver¬
öffentlicht. Das Protokoll lautet:
Griitacliten der Sacli verständigen
über den
bauliclien Zustand, die ' nothweudigeii Wiederlierstellimgsarbeiten
uud die Freilegung des Münsters in Freihurg.
Von dem provisorischen Comite für die Wiederherstellungs¬
arbeiten und die Freilegung des Freiburger Münsters wurden die
nachstehenden Architekten:
Geheimrath Professor Adler in Berlin,
Ober-Baurath Denzinger in München,
Baudirector Professor Dr. Durm in Karlsruhe,
Baudirector Egle in Stuttgart,
Dombaumeister Freiherr v. Schmidt in Wien
berufen, welche am 10. September 1889 zur gemeinschaftlichen Be¬
rathung und zur Vornahme eines Augenscheines in Freiburg
zusammentraten.
Das provisorische Comitö unter dem Vorsitz des Herrn Prälaten
Weickum und des Herrn Oberbürgermeisters Winterer in Frei¬
burg eröft’nete die Berathungen mit einer eingehenden Darlegung der
Umstände, welche ein technisches Gutachten über den Zustand des
Münsters und dessen Frei¬
legung hervorriefen und wün-
schenswerth erscheinen liefsen.
Das Comite legte sodann
den Sachverständigen — un¬
beschadet weitergehender Ur-
theile und Eathschläge — nach¬
stehende Fragen zur Beantwor¬
tung vor, während der erz-
bischöfliche Bauinspector Bär
die vorbereitenden Mafsnahmen
zur Ermöglichung eines Augen¬
scheines und eingehender Prü¬
fung der einzelnen Bautheile
und der Sachlage im allge¬
meinen in der umfassendsten
Weise traf, und so die Arbeiten
der Sachverständigen wesent¬
lich erleicherte und in dankens-
werther Weise förderte.
Die zu beantwortenden
Fragen waren getrennt, und
zerfielen in solche, welche sich
auf die Wiederherstellungs¬
arbeiten, und in solche, die sich
auf die Freilegung des Münsters
bezogen. Sie lauten:
A. Hinsichtlich der Eestaii-
riruiig des Mimsters.
1. In welchem baulichen
Zustande befindet sich zur
Zeit der Westthurm und die
Westfacade des Münsters?
Sind im Interesse des Be¬
standes desselben gröfsere Re¬
paraturen nöthig und welche?
Ist eine Zugänglichmach¬
ung der Pyramide wünschens-
werth oder nothwendig, und
soll im bejahenden Falle aufsen
oder innerhalb des Thurm¬
helmes eine Treppe angebracht
werden?
2. Bietet der alte, grofse,
hölzerne Glockenstuhl im W est-
thurm im Falle eines Brandes
für den Bestand des Thurmes keine Gefahr, und kann derselbe bei
Einhaltung der nöthigen Vorsichtsmafsregeln belassen werden?
3. Sind am Langhaus und Querschilf gröfsere Ausbesserungen
und Restaurationen nöthig?
Können die alten hölzernen Dachstühle belassen oder sollen die¬
selben durch feuersichere Constructionen ersetzt werden?
Soll die alte Eindeckung des Mittelschiffdaches mit farbigen
Ziegeln wieder angestrebt werden, und welche Dachdeckung wäre
alsdann für die Seitenschiffe und Querschiffe zu empfehlen?
4. Genügt bei den beiden Hahnenthürmen eine Ausbesserung,
oder müssen die oberen Theile ganz abgetragen und neu aufgeführt
werden?
Wäre es nicht zu empfehlen, künftighin die Hahnenthürme im
Innern zugänglich zu machen, um die Unterhaltung der Thürme zu
erleichtern ?
In welcher Weise hätte dies eventuell zu geschehen?
5. Sind am Chorbau gröfsere Reparaturen nöthig, und soll
derselbe in seinen Strebepfeileraufsätzen ausgebaut werden?
Können die im vorigen Jahrhundert und in den vierziger Jahren
270
Centralblatt der Bauverwaltung.
2. Juli 181)0,
dieses Jahi-hunderts ausgeführteu Strebepfeileraufsätze belassen |
werden, oder ist deren Entfernung und der Ausbau des Chores nach
einheitlichem Plane wiiuschenswerthV
Soll der Chordachstuhl durch eine feuersichere Construction
ersetzt werden, oder welche Bedachung erscheint für das Chordach
geeignet?
0. 'Welche Kostensumme wäre annähernd erforderlich, um die
von den Sachverständigen vorgeschlagenen Eestaurationsarbeiten
zu bestreiten?
7. Welche Summe pro anno ist erforderlich, um nach Aus¬
führung der Kestaürationsarbeiten das Münster in gutem baulichen
Zustande zu erhalten?
B. Hmsichtlich der Freilegung des Münsters.
1. Ist eine gröfsere Freilegung des Münsters durch Beseitigung
einzelner Häuser nach der Ostseite hin in ästhetischer Beziehung
wünschenswerth, und wird die imponireude Wirkung des Baues durch
die Freilegung nicht beeinträchtigt?
2. Wenn eine Freilegung für geeignet erachtet wird, wie weit hat
sich dieselbe zu erstrecken, und in welcher Weise soll die Neu¬
gestaltung des Platzes vorgenommeu werden?
Die Unterzeichneten nahmen zu
wie folgt:
A.
den angeregten Fragen Stellung
Der Westthurm ist in seinem Bestände als gesund anzuerkennen,
und es bestehen keinerlei Bedenken über dessen Haltbarkeit, seine
Stabilität ist nicht gefährdet und im ganzen gut. Schadhaft ist nur
die Spitze, welche in ihrer jetzigen Verfassung nicht gehalten werden
kann. Diese soll daher auf eine Höhe von etwa 1.5 m abgetragen
und neu aufgeführt werden. Die Kreuzblume ist als die ursprüngliche
anzuerkennen, sie soll daher nach der Abnahme als geschichtlich
beachtenswerthes Denkzeichen aufbewahrt und die neu zu erstellende
genau nach der alten geformt werden, selbstredend unter Ergänzung
schadhaft gewordener oder herabgefallener Einzeltheile derselben.*)
Die einzelnen Zonen der durchbrochenen Platten, aus denen die
Pyramide sich zusammensetzt, erweisen sich als durch horizontale,
im Querdurchschnitt quadratische Eisenstäbe von beiläufig 5 cm
Seitenlänge verankert. Die in Achtecksform zusammengefügten Stäbe
treten am Fufse der untersten Platteni-eihe sichtbar zu Tage, weiter
oben wurden sie durch Anhaueu der Steine früher schon festgestellt,
während die beiden obersten Ringe offen liegen. Die Kantenlinien
der Pyramide sind keine stetig emporsteigenden, sie sind verkrümmt
oder mehrfach geknickt und zeigen auch sonst verschiedene Unregel-
mäfsigkeiten in der Ausführung, gleichwie die der Hahnenthürme,
bei denen die dem Auge in der Ferne als regelmäfsige Curven er¬
scheinenden Krümmungen der Kantenlinien — in Knicken geführte
Geraden sind. Um der Pyramide beim Aiistritt aus der Galerie
mehr Fleisch oder Körper zu geben, ist der untere Theil derselben
steiler emporgeführt als die höher liegenden, und da die Höhe der
Pyramide eine vom Architekten zum voraus bestimmte war, so ei-gab
sich dann die Krümmung der Kantenlinien in der Ausführung von
selbst. Einzelne schadhafte Stellen der Pfeiler, welche die Stein¬
pyramide tragen, sind gleichwie kleinere beschädigte Stellen an der
Pyramide selbst auszuheilen und durch gesunde Ersatzstücke zu
ergänzen.
■*) Aus den Aufsätzen: Baugeschichtliche Betrachtungen
über unserer lieben Frauen Münster zu Freiburg i. B. von
Franz Baer, Erzbischöfl. Bauinspector (Freiburg i. B. Buch¬
druckerei von C. H. Wagner 1889), entnehmen wir von Seite 23:
„Diese schwere Beschädigung des Münsterthurmes im 16. Jahrhundert
wurde damals als eine förmliche Landescalamität angesehen, und der
Rath der Stadt berief die ersten Meister jener Zeit zu einer Conferenz
nach Freiburg, um zu berathen, wie diese schöne Pyramide wieder
hergestellt werden könnte. Aus jener Zeit stammt auch die etwas
klein gerathene Schlufskreuzblume des Thurmes.“
Die Kreuzblume, welche Steinmetzzeichen trägt, ist aber mit
solcher Meisterschaft in der Meifselführung gemacht und in der Gröfse
und den Ausladungen so schön abgewogen, dafs von ihr als einer
spätem Zuthat nicht die Rede sein kann. Die technischen Sach¬
verständigen hoben daher in ihrem Gutachten ausdrücklich hervor,
dafs sie die Blume für die ursprüngliche halten.
Die umstehende Zeichnung der Blume in ihrem jetzigen
Zustand, nach einer auf den Untersuch iingsgerüsten gemachten
Lichtbild- Aufnahme, liefert wohl den Beweis, dafs ihre Erneuerung
kein Uebei-flufs ist. Sie zeigt aber auch, was Wetter und Wetter¬
strahl aus dem Gesteine mit der Zeit gemacht haben und welche Mafs-
nahmen nöthig geworden sind, um die Blume noch zu erhalten.
Betreffs der Curvaturen des Helmes bringen wir die Aufsätze
Redtenb achers in der deutschen Bauzeitung (Jahrgänge 1876, 77
u. 78), den von Durm, Lang und Warth in der Lützowschen
Kunstzeitung, Jahrgang 1877, sowie auch die Mittheilung im Jahrg.
1881 des Centralblattes der Bauverwaltung, S. 57, in Erinnerung.
Mit einer Zugänglichmachung der Pyramide durch besondere
Treppen können sich die Unterzeichneten nicht befreunden und
lehnen eine solche ab. Eine Vermehrung der vorhandenen Steigeisen
bei sachgemäfser Anlage derselben an der Aufsenseite der Pyramide,
soweit solche für die Begehung der Pyramide durch Handwerksleute
nöthig ist, wird für genügend erachtet.
Der Zustand der Bautheile am Langhause und Querschiff ver¬
langt keine gröfseren Ausbesserungen, es sind keinerlei Bedenken
gegen den Bestand derselben vorhanden, sowie auch keine bedenk¬
lichen Deformationen und Risse bei denselben festzustellen sind.
Die Dachstühle der Seitenschifl:’e sind aus Holz neu hergestellt,
während der Dachstuhl über dem Mittelschiff, gleichfalls aus Holz
construirt, noch gut erhalten ist. Die Construction läfst den Dach¬
raum sehr frei und weist keine schweren Hölzer auf. Ein Brand des
Mittelschiffdaches würde daher den Hauptthui’m in seinem Bestände
nicht erschüttern und wohl nur die Schale, nicht aber den Kern
beschädigen.
Anzustreben wäre allerdings der Ersatz aller und «jeder Holz-
constructiouen bei den Dächern und in den Thürmen durch Eisen-
constructioneu, mit welchen daun die Eindeckung der Dachflächen
mit Kupfertafelblechen zu verbinden wäre.
Werden die alten Holzdachstühle beibehalten, so empfiehlt sich
die Neudeckung der Dachflächen mit farbigen Ziegeln unter Ver¬
wendung deceuter Farben bei passender Gröfse der Legmuster zu
den Bauformeu. Alle bunten Tönungen sind daher auszuschliefsen,
und soll der Gesamteffect der Flächen mehr einem Bronce-Ton
gleichkommen, welcher der Patina des Gesteines keinen Eintrag thut.
Dabei wird das Mettlacher Material aus dem Grunde bevorzugt,
weil die sonstigen glasirten, farbigen Ziegel nicht denjenigen Grad
von Haltbarkeit auf die Dauer versprechen, welcher für einen
Monumentalbau von der Bedeutung des FreiburgerMünsters wünschens¬
werth erscheint. Als nothwendige Folge der farbigen Dachflächen
wird die Verwendung von Firstkämmen aus dem gleichen Materiale
wie die Ziegel anerkannt, denn wo die Farbe auf hört, soll die
plastische Form anfangen. Die gleiche Deckung wie die Dächer des
Mittelschiffes und der Seitenschiffe soll auch das Chordach erhalten
und in allen Fällen der Giebel, welcher das Chordach vom Mittel¬
schiffdach trennt, eine architektonische Ausbildung erfahren.
Die Dachluken sind jetzt schon und besonders bei der Neu¬
deckung der Dächer mit Drahtgitteru gegen Flugfeuer von aufsen
zu schützen und die Zugänge zu dem Dachstuhl feuersicher zu
schliefseu, und jeder Verkehr zu den' Dachräumen ist zu beschränken.
Letztere sind von allem freizuhalten, was die Feuersgefahr vermehren
kann, so dürfen sie namentlich nicht wie bisher als Lagerplätze für
Strohmatten, alte Kircheustühle, abgängige Decorationsstücke u. dgl.
mehr verwendet werden.
Eine grössere Gefahr bei einem Brande liegt in dem hölzernen
Einbau des Westthurmes, dem schweren hölzernen Glockenstuhl mit
der Thürmerwohnung.
Können nun die hölzernen Dachstüble beibehalten werden, ohne
den Bestand des Bauwerkes bei einem Schadenfeuer in denselben in
Frage zu stellen, so ist dies nicht der Fall bei einem Brande des
jetzigen Glockenstuhles.
Nach wiederholter Besichtigung dieses Werkes und nach ein¬
gehender reiflicher Ueberlegung und Besprechung aller Für und
Wider kamen die tTnterzei ebneten daher zu dem Entschlüsse, den
bestimmten Antrag zu stellen, es möge der hölzerne Glockenstuhl
durch einen eisernen sobald als möglich ersetzt werden. Die Halt¬
barkeit des jetzigen Glockenstuhles auf längere Zeit soll dabei nicht
angezweifelt und auch der archäologische Werth desselben nicht
unterschätzt werden. Doch auch dieser könnte wie die abgängige
über 3 m hohe Kreuzblume des Westthurmes als historisches Denk¬
zeichen in Freiburg seine bleibende Aufstellung wieder finden,
da ein Herausnehmen desselben seine Zertrümmerung nicht in sich
schliefst.
Es unterliegt für uns keinem Zweifel, dafs, wenn der Glocken¬
stuhl mit seinem mächtigen Holzwerk in Flammen aufgeht, der West¬
thurm in seinem Bestände gefährdet wird; denn die am Thurme
angebrachten und im Thurmgemäuer liegenden Eisenanker und -reifen,
welche bei der Construction des Thurmes eine bedeutende Rolle
spielen, müfsten bei einem Feuer durch ihre gefahrbringende Aus¬
dehnung zerstörend auf das Thurmgemäuer wirken, worin wir die
besondere Gefahr für den Bestand desselben erblicken. Aufserdem
würde die Hitze auch schon direct verderbliche Steinausspringungen
am Thurmhelme verursachen.
Die Hahnenthürme, bei denen, wie oben schon bemerkt, die
Kantenliuien der Pyramiden zweimal gebrochen sind und keine
stetigen Curven bilden, sind in den unteren Theilen stellenweise
schadhaft geworden und bedürfen dort der Ausbesserungen, während
das obere Drittel der Helme abzutragen und neu zu fertigen ist.
Dabei sollen dann die Kreuzblumen ihre frühere, stilistisch richtige
Är. 26 A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
271
Form erhalten und die Wimpergen bei den oberen Fenstern wieder
vollständig hergestellt werden.
Eine weitere Zugänglichmachung dieser Thürme durch besondere
Treppen erscheint ebensowenig geboten wie bei dem Westthurm.
Am Chorbau sind gröfsere Reparaturen nicht nothwendig, da
bedenklichere Schäden nicht zu bemerken sind. Bei denjenigen
Strebepfeilern, bei welchen die Aufsätze fehlen, sind die letzteren in
stilgerechter Form zu ergänzen; dabei sind die kleinen Aufsätze aus
später Zeit, bei welchen, neben den rothen Sandsteinen, helle Kalksteine
zur Verwendung kamen, sobald als möglich abzutragen und durch
neue, stilgemäfse zu ersetzen, während die ungeschickten und stil¬
widrigen Aufbaue der Strebepfeiler aus den vierziger Jahren dieses
Jahrhunderts einstweilen belassen werden können und erst bei ihrem
Niedergange durch stilgemäfse zu ersetzen wären.
Wird von den Wiederherstellungsarbeiten mit der Zeit auch die
im Detail einfacher gehaltene Nordseite berührt, so empfiehlt sich
die Beibehaltung der gleich einfachen Weise, überhaupt sollen stets I
die ursprünglichen Formen, so¬
weit sie einen guten Stil zeigen,
beibehalten werden.
Werden alle die empfohle¬
nen und auch die als absolut
nothwendig bezeichneten Wie¬
derherstellungen und Neuai'bei-
ten an dem Münster ausgeführt
und die Kosten für Ergänzungen
der Glasmalereien und für Bau¬
personal in Betracht gezogen,
so dürften Millionen Mark
erforderlich sein. Der erzbischöf¬
liche Bauinspector, Herr Bär
in Freiburg, welcher den Unter¬
suchungen und Berathungen der
Unterzeichneten beiwohnte, hat
auf Grund der letzteren und
nach seinen seitherigen Erfah¬
rungen bei den Unterhaltungs¬
arbeiten am Münster eine Kosten¬
berechnung aufgestellt, welche
die Unterzeichneten im wesent¬
lichen als eine richtige Grundlage für spätere genaue Aufstellungen
anzusehen imstande sind und welche als ziemlich sicherer Ausgangs¬
punkt für die weiteren einzelnen Mafsnahmen dienen kann.
Sind all die genannten Arbeiten im Verlaufe der Zeit zur Aus¬
führung gebracht, dann dürfte für die Unterhaltungsarbeiten immerhin
ein Satz von jähidich 10 bis 12000 Mark einzustellen sein.
Schliefslich empfehlen wir dem provisorischen Comitö in Freiburg
die sofortige sorgfältige Aufnahme des Bauwerkes als eine absolute
Noth Wendigkeit, weil diese als Grundlage für alle weiteren Mafs¬
nahmen am Baue dient und als solche ein unabweisbares Erforder-
nifs ist.
Mit der Herstellung dieser Aufnahme würde wohl am besten der
seither am Münsterbau thätige, erzbischöfliche Herr Bauinspector
Bär betraut, der für die Gewissenhaftigkeit, welche die Arbeit ver¬
langt, in sich und seinen seitherigen Leistungen die nöthigen
wünschenswerthen Garantieen bietet.
B.
Die eigenthümliche Gestaltung des Münsterplatzes in Freiburg
und die Begrenzung desselben auf der West-, Süd- und Nordseite
mit zum Theil stattlichen und öffentlichen Gebäuden, welche alle in
genügender Weise von dem Gotteshaus entfernt sind, verlangt nach
fliesen Himmelsgegenden keinerlei Aenderung in der Stellung und
Lage der den Münster einschliefsenden Bauten.
Anders verhält es sich mit der Ostseite des Platzes, an welcher
:staffelförmig vorspringend eine Reihe nicht gerade schöner und statt¬
licher Bauten dem Chore des Münsters zu nahe gerückt sind.*) Diese
Bauten beeinträchtigen einerseits den freien Blick auf die Chorseite
des Münsters und können anderseits bei dem Ausbruch eines
Schadenfeuers dem Münster sogar gefährlich werden. Aufserdem
sollte der kirchlich bedeutsamste Theil des Münsters von möglichen
Störungen durch zu nahe gerückte Anwohner oder deren Beschäfti¬
gungen ein für allemal verschont bleiben.
Um den Betheiligten nicht zu grofse Opfer auf einmal auf¬
zuerlegen, dürfte bei der Freilegung des Münsters nach Osten nach
drei Stufen vorzugehen sein.
In erster Linie wären die Häuser Nr. 22, 24, 26 und 28 der
Herrenstrafse niederzulegen, dann die Hauptwache Nr. 38 am süd¬
lichen Theile des Münsterplatzes, und schliefslich das Haus Nr. 33
des Präsenz -Fonds bei der Nordostecke des Münsterplatzes und das
Gebäude des Münster-Fabrik-Fonds, Münsterplatz Nr. 40 und 42, mit
der Münsterbauhütte, Haus Nr. 30 der Herrenstrafse.
Das Münster wird durch diese Mafsnahme in seiner Wirkung
nicht beeinträchtig werden, da
die Freilegung sich so nur auf
ein bescheidenes Mafs und auf
das Nothwendigste beschränkt
— im Gegentheil wird das Werk
an Grofsartigkeit gewinnen, und
seither verschlossene, neue reiz¬
volle Bilder und Blicke von
Osten aus auf den ehrwürdig
schönen Bau werden ermöglicht
werden.
F. Adler, Geheimer Ober-
Baurath.
F. J. Denzinger, Königl.
bayr. Ober-Baurath.
Dr. Josef Durm, Baudi-
rector.
J. V. Egle, Königl. Hofbau-
director.
V. Schmidt, Dombaumeister
zu St. Stephan in Wien.
Der Münsterbauverein hat nun gedruckte Satzungen heraus¬
gegeben, nach welchen er den Zweck verfolgt, die Erhaltung,
Wiederherstellung und Freilegung sowie den Ausbau der Freiburger
Münster-Kathedrale im Sinne des Gutachtens der im September 1889
berufenen Sachverständigen in jeder angemessenen Weise, insbesondere
durch Sammlung von Geldbeiträgen, nach Kräften zu fördern. Zur
Mitgliedschaft des Vereins berechtigt ein Jahresbeitrag von drei
Mark. Der Vorstand des Münsterbauvereins besteht zur Zeit aus
folgenden 26 Herren: Freiherr Ernst v. Böcklin, Privatier Brassert,
Rechtsanwalt Föhrenbach, Kaufmann Fischer, Freiherr v. Gleichen¬
stein, Staatsanwalt v. Gulat, Stadtpfarrer Hansjacob, Graf v. Helm¬
stadt, Buchhändler Herder, Privatmann Hummel, Landgerichtsrath
Dr. Kern, Geheimer Hofrath Dr. Kraus, Stadtrath Dr. Krebs, Rechts-
anwaltMarbe, Domcustos Maier, Rechtsanwalt Neumann, Administrator
Pfister, Weinhändler Pyhrr, Oberst a. D. Roberts, Stadtrath W alterspiel,
Oberbürgermeister Winterer, Domcap itular Behrle, Domcapitular
Rudolf, Domcapitular Kiefer und Stadtrath Güss, sämtlich in Frei¬
burg, sowie aus einem Vertreter der Grofsherzoglichen Regierung,
der noch nicht ernannt ist. Der geschäftsführende Ausschufs (§ 10
der Satzungen) besteht zur Zeit aus den Herren: Geheimer Hofrath
Dr. Kraus als Vorsitzender, Oberbürgermeister Winterer als Stell¬
vertreter, Stadtrath Güss, Domcapitular Rudolf, Domcapitular Kiefer,
Freiherr v. Böcklin und Stadtrath Dr. Krebs, ebenfalls sämtlich
in Freiburg.
*) Vgl. den beigegebenen Lageplan.
Vermischtes,
Grabdenkmal für Prof. Ewerbeck. Unter Schülern und Freun¬
den des verstorbenen Professors Ewerbeck ist der Wunsch rege ge¬
worden, dem verdienstvollen Lehrer und Künstler einen würdigen
Grabstein zu setzen. Um diesen Plan der Ausführung näher zu
bringen, hat sich auf Anregung des Akademischen Architekten-Vereins
in Aachen ein Ausschufs gebildet, bestehend aus dem jeweiligen
Vorstand des genanntem Vereins sowie dessen A. H. A. H. Professor
Mouris (Brüssel) und Reg.-Baumeister Wickop (Köln). Da das
Unternehmen sich der bereitwilligstem- Förderung seitens der Ar-chi-
lektur-Abtheilung an der technischen Hochschule erfreut und des
wärmsten Interesses in den Kreisen früherer Schüler und Freunde
des Verewigten sicher ist, so steht zu hoffen, dafs dieses Werk der
Dankbarkeit und Pietät einen schönen Erfolg haben wird. — Geld¬
beiträge wolle man an den Kassenwart des Akad. Architekten-Vereins
Herrn stud. arch. Pützer einschicken. I. A.:
Anton Hirsch, stud. arch.
Ueber die auf deu Eiseubahnen Deutschlands im Jahre 1889
vorgekommeneu Eadreifenbrüclie sind von dem Reichs-Eisenbahn-
Amte Erhebungen angestellt und deren Ergebnisse den Eisenbahn¬
verwaltungen mitgetheilt worden, um zur Vornahme weiterer Ver¬
besserungen Anregung zu geben. Während der letzten 6 Jahre läfst
die Anzahl der in den Sommermonaten vorgekommenen Radreifen¬
brüche eine stetige Abnahme erkennen; dagegen zeigt die Gesamt¬
zahl der Brüche ein wechselndes Steigen und Sinken, was auf die
verschiedenen Temperaturverhältnisse in den Wintermonaten der
einzelnen Jahre, durch welche das Eintreten von Reifenbrüchen in
272
Centralblatt der Bauverwaltung.
2. Juli 1890.
hohem Mafse beeinflufst wird, zurückzuführen ist. Im Jahi'e 1889
sind auf 41 selbständigen Bahnuetzen mit 39 682,89 km Betriebslänge
4187 Kadreifenbrüche vorgekommen; auf je 1000 km einfachen Ge¬
leises entfielen 72 Eeifenbrüche gegen 87 im Vorjahre und auf je
100 Millionen der geförderten Achskilometer aller Art 35 Beifen-
brüche gegen 40 im Vorjahre. Auf die drei Monate Januar, Februar
und März allein kommen im Jahre 1889 63,55 pCt. aller überhaupt
erfolgten Brüche. Durch die Reifenbrüche wurden 21 Entgleisungen
und 171 Zugverspätungen herbeigeführt. An 320 Bädern wurden die
Eadreifenbrüche alsbald nach ihrem Entstehen bemerkt, während die
Entdeckung des Bruches bei den übrigen erst erfolgte, nachdem die
gebrochenen Reifen noch kürzere oder längere Strecken durchlaufen
hatten.
lieber die Art des Bahnoberbaues an dem Oi'te, wo der Bruch
der Radreifen stattfand, haben zuverlässige Feststellungen nur in
2544 Fällen erfolgen können. Danach ergaben sich auf je 1000 km
Geleise beim Stuhlschienenoberbau 3 Radreifenbrüche, beim Quer¬
schwellenoberbau 47, beim Langschwellenoberbau sowie beim Ober¬
bau mit Steinwürfeln oder sonstigen Einzelunterlagen 16. Auf
Schnellzüge kamen 167, auf Persouenzüge 461, auf gemischte Züge
229, auf Güter- und Arbeitszüge 2360, auf Rangirzüge 118 und auf
Leerzüge 87 Brüche. In 765 Fällen konnte die Art des Zuges nicht
mehr festgestellt werden.
Wie oft das mit dem gebrochenen Reifen versehene Rad schon
vorher einen Reifen getragen hatte, war in 3338 Fällen = 79,72 pCt.
nachweisbar und zwar war
die Radscheibe
der Eadstern
in 591,
in 1398 Fällen zum
ersten Male,
83,
„ 883 ..
zweiten „
n 9,
019
dritten „
.. 1,
96
vierten „
n 0,
51 „
fünften „
0,
„ 12 „
sechsten „
.. 0,
2
siebenten „
benutzt worden.
Auf je einen auf
einem Scheibeurade
gebrochenen Radreifen
kamen Radreifenbrüche auf Speichenrädern:
bei den zum ersten Male benutzten Radsternen 0,59,
„ ,, zweiten „ „ 2,66,
., „ dritten „ ., „ 5,89,
., .. vierten „ „ ., 24,00.
Die Bruchtläche zeigte in 2656 Fällen =r 63,43 pCt. gesundes, in
1095 Fällen = 26,16 pCt. fehlerhaftes und in 26 Fällen = 0,62 pCt.
mangelhaft geschweifstes Material. In 2636 Fällen war der Bruch
frisch, in 1141 Fällen alt oder es war wenigstens ein alter Anbruch
vorhanden und in 410 Fällen nicht sichtbar.
Unter den für den Bruch der Reifen als entscheidend anzusehen¬
den Ursachen kamen auch im vergangenen Jahre am häufigsten
vor: fehlerhaftes (unganzes, undichtes, unreines, poriges usw.) Material
bei 1312 Reifen = 31,34 pCt. , sprödes Material bei 796 Reifen
= 19,01 pCt. und Temperatureinwirkung (niedrige Temperatur, Tem¬
peraturwechsel) bei 652 Reifen = 1.5,57 pCt., gegen 32,57 pCt. bezw.
16,41 pCt. bezw. 16,87 pCt. im Jahre 1888. Bei 946 gebrochenen
Reifen ist die Veranlassung zum Bruch unbekannt geblieben. Von
je 10 000 der im ganzen im Betriebe vorhanden gewesenen Radreifen
und Vollrädern sind 27 gebrochen.
Auf je 10 000 des für jede Fahrzeuggattung angegebenen Be¬
standes an Radreifen kamen an Brüchen vor:
bei Locomotiven . . .
43,
„ Tendern .
51,
„ Personenwagen . .
35,
„ Postwagen ....
53,
„ Gepäckwagen . . .
35 und
„ Güterwagen . . .
25.
Da durchschnittlich der dritte Theil der vorhandenen Räder der
Bremswirkung unterworfen ist, so ergiebt sich, dafs diese Räder an
den vorgekommenen Brüchen mit 0,29 pCt. betheiligt waren, während
von den der Einwirkung einer Bremse nicht ausgesetzt gewesenen
Radieifen 0,25 pCt. gebrochen sind.
Bei der Unterscheidung nach dem Material des Radreifens
zeigte, wie in früheren Jahren, der Puddel-(Schweifs-)stahl das un¬
günstigste Ergebnifs, indem auf je 10 000 Reifen dieser Art 68 Brüche
entfallen. Demnächst folgen die Eisenreifen (Feinkorn- und Schmiede¬
eisen) mit 47 Brüchen und sodann die Reifen aus den verschiedenen
Flufsstahlsorten (Gufsstahl, Tiegelstahl, Martin-, Mangan- und
Bessemerstahl sowie Stahl ohne nähere Bezeichnung) mit 27 Brüchen
auf je 10 000 Reifen.
In Bezug auf die Befestigungsart ist im Bestände einer Ver¬
minderung der Radreifen mit älteren, dagegen eine Vermehrung der
Radreifen mit neueren Befestiguugsarten eingetreten, wodurch das
Bestreben der Eisenbahnverwaltungen, ungenügende Befestigungsarten
durch wirksamere zu ersetzen, wiederum bestätigt wird. Den gröfsten
Antheil an den Reifenbrüchen haben die eine Schwächung des
Reifens bedingenden älteren Befestigungsarten. Auf je 10 000 Reifen
dieser Befestigungs arten kommen 53 Brüche, wogegen auf eine gleiche
Zahl Reifen mit neueren Befestigungsarten nur 12 Brüche entfallen.
Zieht man die nur in geringer Anzahl vorhandenen Radreifen in
einer Stärke von 20 mm und darunter nicht in Betracht, so sinkt die
Anzahl der Brüche mit der Zunahme der Eeifenstärke. Bei den
Reifen mit einer Stärke von über 20 bis 25 mm betrug der Procent¬
satz au gebrochenen Reifen 2,07, bei den über 60 mm starken Reifen
dagegen nur 0,01.
Ziuu Bau einer Brücke über den Vorth-River (Hudson) zwischen
den Städten Vew-York und Vew-Yersey ist soeben einer dieser-
halb zusammengetretenen Körperschaft vom Repräsentantenhaus in
Washington die Genehmigung ertheilt worden. Die hierbei erhobenen
Anforderungen sind folgende: Die Brücke ist als vereinigte Eisen¬
bahn- und Strafsenb rücke zur Ausführung zu bringen; die Zahl
der anzulegenden Eisenbahngeleise soll nicht unter sechs betragen,
dabei aber die Möglichkeit einer späteren Vermehrung um vier
weitere Geleise gewahrt bleiben. In dem Flusse dürfen keinerlei
bleibende oder auch nur vorübergehende Einbauten errichtet werden,
und es soll unter der Brücke die gleiche Lichthöhe für den Verkehr
frei bleiben, wie bei der ausgeführten Brooklyn-Brücke. Der Bau
mufs innerhalb dreier Jahre begonnen und in zehn Baujahren voll¬
endet werden. Genehmigung der Pläne durch den Kriegsminister
bleibt Vorbehalten.
Die aufgeführten Anforderungen werden erfüllt durch den im
Jahrgang 1888 auf Seite 126/127 d. Bl. mitgetheilten Entwurf einer
North River-Brücke, welcher vom Ingenieur Lindenthal aufgestellt
und befürwortet ist. Da der Genannte zu den Mitgliedern der oben¬
genannten Körperschaft zählt, so dürfte zu erwarten sein, dafs jener
gewaltigste aller bisherigen Brückenentwürfe ohne wesentliche Ab¬
änderungen zur Ausführung gelangt. Bekanntlich hat Lindenthal
die Anlage einer Hängebrücke mit einer Spannweite von 869 m vor¬
gesehen, welche an den Ufern von 152 m hohen eisernen Pfeilern ge¬
tragen wird, und deren Tragseile in zwei weiter zurückliegenden
Verankerungspfeilern festgehalten sind, sodafs neben der Haupt-
(Flufs-) Oeffnung noch beiderseits Landöffnungen von je 457 m Weite
angelegt werden.
Vutzhariiiacliung der Kräfte der Niagara -Fälle. Verschiedene
Gesellschaften haben sich bereits mit Untersuchungen darüber be-
fafst, wie ein Theil der ungeheuren) in den Niagara-Fällen von der
Natur gewissermafsen verschwendeten Kräfte in den Dienst der
Menschheit gestellt werden könnte. (Vgl. hierüber auch Jahr¬
gang 1885, S. 16 d. Bl.) Nach dem „Techniker“ haben nun zwei
derartige Gesellschaften, die „Niagara Falls Power Company“ und
die „Cataract Construction Company“ unlängst einen Vertrag ver¬
einbart, nach welchem der letztgenannten Gesellschaft obliegt, unter
Aufwendung von 14 Millionen Mark bis zum 1. Januar 1892 eine
Anlage zu schaffen, durch welche eine Kraft von 119 000 Pferde¬
kräften für gewerbliche Zwecke dauernd zur Verfügung gestellt wird.
Zu diesem Zwecke ist nun auf einen früheren Plan aus dem Jahre 1847
zurückgegriffen worden, in welchem die Anlage eines Tunnels in
Aussicht genommen war, um einen Theil des Niagara, etwa IV2 km
oberhalb der Fälle, aufzunehmen und nach einem geeigneten Punkte
in dem Gelände unterhalb der Fälle abzuleiten. Durch einen stark
fallenden Canal soll eine Anzahl Turbinen getrieben werden, deren
Kraft, soweit sie von zu errichtenden Mühlen- und Fabrikanlagen
nicht verbraucht werden kann, durch elektrische Uebertragung dem
benachbarten Buffalo zugeleitet werden soll.
Der artesische Bezirk des Jauiestlufs - Thaies ist nach den
Engineering News der gröfste unter artesischer Wasserversorgung
stehende Bering der Erde. Der Jamesflufs vereinigt sich nach einem
fast genau nordsüdlichen Lauf von 650 km bei Yankton mit dem
Missouri, wo der artesische Bering seine gröfste Ausdehnung, und
zwar eine Breite von etwa 80 km erreicht. Der Umfang des ganzen
Gebietes wird zu rund 2,8 Millionen ha (rund 28 000 qkm) angegeben.
Im äufsersten Süden des Staates Dacota sind etwa 50 artesische
Brunnen in Gebrauch, welche das Wasser verschiedenen Tiefen —
von 180 bis 480 m — entnehmen. Man zählt in Süd-Dacota im
ganzen 1000 Laufbrunnen, zum Theil in Städten angelegt, zum
Theil für Ackerbauzwecke dienend. Bemerkenswerth ist die reichliche
Menge, Kraft und Stetigkeit des gelieferten Wassers. Der Druck
beträgt bei den gröfsten Brunnen zwischen 1,75 kg/qcm bei High¬
more und 12 kg'qcm bei Yankton, wo fünf Brunnen für Haus-, Stadt-
und Fabrikzwecke angelegt sind. Die Ergiebigkeit in der Minute
schwankt zwischen 18 cbm bei Columbia, 16 cbm bei Aberdeen, 7 cbm
bei Yankton bis auf 0,06 cbm bei Highmore. Die Höhe über dem
Meere beträgt zwischen 580 m bei Yankton und 300 m bei Grafton.
Die Herstellungskosten eines Brunnens belaufen sich auf 10 800 bis
29 200 Mark.
Verlag von Ernst & Korn tV ilbelm Ernst). Berlin. Für die Redactiou des nicbtamtliclien Tbeiles verantwortlich: 0. San azin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
273
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 5. Juli 1890. Nr. 27.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 GeschäftssteUe und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzhand oder durch Postvertrieh 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten — Nichtamtliches: Westthurm des
Münsters in Ulm (Fortsetzung). — Canal Ulef'os - Strengen in Norwegen. — Bericht
über den Bau des Domes in Köln. — Clyile-Tunnel in Glasgow. — Geschwindigkeits-
nhr für Locomotiven. — Vermischtes: Eeiseprämien an Reg.-Baumeister und Reg.-
Bauführer in Preufsen. — Nationaldeukmal für Kaiser Wilhelm I. in Berlin. — Ehren-
hezeigungen. — Kaiser Wilhelm -Denkmal der Provinz Westfalen. — Abgeordneten-
Versammluug des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. — Dom-
hrücke in Breslau. — Buch erschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, die Erlaub-
nifs zur Annahme und Anlegung verliehener nichtpreufsischer Orden
zu ertheilen, und zwar: des Ritterkreuzes I. Klasse mit Eichenlaub des
Grofsherzoglich badischen Ordens vom Zähringer Löwen dem Hof-Bau¬
rath und Director der Schlofsbau-Commission Tetens, des Kaiserlich
Russischen St. Stanislaus -Ordens III. Klasse dem Regierungs- und
Baurath Müller, Director des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts
in Kiel, des Fürstlich Waldeckschen Verdienstordens II. Klasse dem
Regierungs- und Baurath Delmes, Mitglied der Königlichen Eisen-
hahndirection in Elberfeld, der III. Klasse desselben Ordens dem
Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector Mohr in Warburg und des
Ritterkreuzes des Königlich dänischen Danebrog- Ordens dem Vor¬
steher der mit der Königlichen technischen Hochschule in Berlin ver¬
bundenen Prüfungsstation für Baumaterialien, Professor Dr. Böhme
in Charlottenburg, ferner dem Regierungs- und Baurath Messow,
bisher Mitglied der Königl. Eisenbahndirection in Erfurt, beim Ueber-
tritt in den Ruhestand den Königl. Kronen-Orden III. Klasse zu ver¬
leihen sowie die Wahl des etatsmäfsigen Professors, Geh. Regierungs¬
raths Reuleaux zum Rector der Königl. technischen Hochschule in
Berlin für das Amtsjahr vom 1. Juli 1890 bis dahin 1891 zu bestätigen.
Es ist verliehen: dem Baurath Lund in Glückstadt bei Ueber-
nähme in den unmittelbaren Staatsdienst die Stelle des Directors
des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts in Glückstadt, sowie den
Regierungs- und Bauräthen Schaper in Köln die Stelle eines Mit¬
gliedes der Königlichen Eisenbahndirection (linksrh.) in Köln und
Taeglichsbeck in Erfurt die Stelle eines Mitgliedes der Königlichen
Eisenbahndirection daselbst, ferner dem Eisenbahn - Bauinspector
Herr in Magdeburg die Stelle des Vorstehers des maschinentechni¬
schen Neubau-Bureaus der Königlichen Eisenbahndirection daselbst.
Der Regierungs- und Baurath Schneider in Berlin ist aus dem
Eisenbahndirectionsbezirk Magdeburg der Königlichen Eisenbahn¬
direction in Berlin behufs Wahrnehmung der Geschäfte eines Direc-
tionsmitgliedes überwiesen worden.
Der Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector Brill, bisher in
Meseritz, ist als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisen-
bahn-Betriebs-Amt (Stadt- und Ringbahn) in Berlin versetzt worden.
Zu Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren sind ernannt: die
Königlichen Regierungs-Baumeister Hähner in Königsberg i. Pr.
unter Verleihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem
Königlichen Eisenbahn-Betriebs- Amte daselbst und Mühlen in Saar¬
brücken unter Verleihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters
bei dem ^Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte daselbst, sowie der
[Alle Rechte vovhehalten.]
Abtheilungs-Ingenieur Peter in Stendal unter gleichzeitiger Ueber-
nahme in den unmittelbaren Staatsdienst; letzterem ist die Stelle des
Vorstehers der Eisenb.-Bauinspection II in Stendal verliehen worden.
Der bisherige Regierungs-Baumeister Krey in Breslau, zur Zeit
bei der Regulirung des Loheflusses beschäftigt, ist zum Königlichen
Wasser-Bauinspector ernannt, ferner sind die bisherigen Regierungs-
Baumeister Herzig und Traugott Unger als Königliche Kreis-Bau-
inspectoren bezw. in Verden und in Nordhausen angestellt worden.
Der Wasser-Bauinspector Heuner in Geestemünde ist nach
Hannover versetzt und mit den Vorarbeiten zur besseren Schiffbar¬
machung der Leine und Aller von Hannover abwärts bis zur Mün¬
dung in die Weser betraut worden.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Regie¬
rungs-Bauführer Otto Windschild aus Magdeburg, Friedrich
Müller aus Emmerich a. Rhein und Otto Afsmann aus Quedlinburg
(Ingenieurbaufach).
Der Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Roth in Frankfurt a. 0.
ist in den Ruhestand getreten.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeister Friedrich
Krause in Posen ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienste ertheilt worden.
Der Regierungs- und Baurath G. Dulk, Director des Königl.
Eisenbahn-Betriebs-Amts in Guben ist gestorben.
Deutsches Reich.
Der Marine-Schiffbaumeister Kasch ist zum Marine-Schiffbau¬
inspector und der Marine-Hafenbaumeister Heeren zum aufseretats-
mäfsigen Marine-Hafenbauinspector ernannt.
Württemberg.
Zur Ausführung der Arbeiten für die Vergröfserung der Wagen¬
werkstätte Cannstatt wird auf den 1. Juli d. J. ein Baubureau da¬
selbst errichtet werden. Mit den Verrichtungen des Vorstandes
dieses Bureaus ist der Bahnmeister Bosch in Beimerstetten beauf¬
tragt worden; ferner wird für den Bau des zweiten Geleises auf der
Bahnstrecke Bietigheim- Jagstfeld und die weiter damit verbundenen
Bauaufgaben auf den 1. August d. J. eine Bahnbausection in Heil¬
bronn errichtet werden. Die Verrichtungen des Vorstandes dieser
Section werden dem Eisenbahn -Betriebsbauinspector Veigele, z. Z.
Vorstand der Bahnbausection Leutkirch, übertragen.
Elsafs - Lothringen.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, den bis¬
herigen Kreis-Bauinspector Blumhardt zum Kaiserlichen Regierungs¬
und Baurath in der Verwaltung von Elsafs-Lothringen zu ernennen.
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Der Westthurm des Münsters in Ulm.
(Fortsetzung.)
Als das mit Aufbietung gemeinsamer Kraft begonnene Werk der
Wiederherstellung des Kölner Domes 1880 seiner Vollendung nahe
rückte, da brach sich auch der durch den damaligen preufsischen
Bauinspector H. Schuster in Zehdenik angeregte und warm vertretene
Gedanke, dafs es Pflicht der deutschen Nation sei, nun dieselbe Kraft
einem anderen Denkmale ihrer Vorzeit zu widmen, bald allgemein
Bahn. Anfangs richteten sich die Blicke auf das Münster in Strafs¬
burg, der Hauptstadt der neu gewonnenen Reichslande; später aber
infolge eines Vorschlages von K. E. 0. Fritsch, dem Redacteur der
Deutschen Bauzeitung, auf das Ulmer Münster, für dessen Wahl sich
auch der Verband deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine ge¬
legentlich seiner IV. General-Versammlung im Herbste 1880 zu Wies¬
baden aussprach. Daselbst wurde zugleich zum Zwecke der Ge¬
winnung der erforderlichen Geldmittel die Veranstaltung von Dombau-
Lotterieen, ähnlich wie für den Dom zu Köln, anempfohlen; und
dank dem Entgegenkommen der Staatsregierungen, vornehmlich
derjenigen von Preufsen, durften solche Lose sehr bald im ganzen
deutschen Reiche vertrieben werden. Als nun vier Jahre später der
Verband die gleiche Angelegenheit auf der VI. General-Versammlung
in Stuttgart zur Berathung brachte, konnte der Hof bau director
V. Egle die Vollendung des Ulmer Münsterthurms binnen etwa 6 Jahren
in Aussicht stellen; wir wissen nun, dafs diese Hoffnung voll in
Erfüllung gegangen ist.
Die Berufung des Professors Adolf Beyer zum Münsterbau¬
meister von Ulm erfolgte im Frühjahr 1881. Seine nächste Aufgabe
war die Vornahme genauer Untersuchungen in betreff der am West-
thurme erforderlichen Verstärkungs arbeiten, worüber sich denn auch
bereits im März des folgenden Jahres eine mit rechnerischen Dar¬
legungen und Zeichnungen ausführlich erläuterte Denkschrift von
ihm aussprach. In dieser wurde zunächst als Hauptgrund für die
274
Central blatt der ßauverwaltüug.
5. Juli 1890.
im Laufe der Zeit eingetretene Senkung des nordöstlichen Thurm¬
viertels die ungenügende Gründung der Mauern nachgewiesen. Man
hatte letztere ursprünglich nur 2,6 m tief bis zu der daselbst vor¬
handenen festen Lehmschicht in die Erde geführt, was wohl für Bau¬
lichkeiten gewöhnlicher Art, nicht aber für so gewaltige Baumasseu
wie die in Eede stehenden genügen konnte; theil weise standen die
Wände sogar auf Resten alter Gebäude. Schon Meister Burkhard
Eugelberg hatte sich mit Rücksicht hierauf veranlafst gesehen, ein¬
zelne Abschnitte des Thurms nachträglich bis auf 4,5 m, d. i. bis auf
eine Kicsschicht von hinreichender Mächtigkeit mit neuem Mauer¬
werk zu unterfahren. Die Beyerschen Ermittlungen ergaben bei dem
nordöstlichen Thurmtheile Belastungen des Baugrundes von 9,47 kg
und bei dem nordwestlichen solche von 6,96 kg auf das Quadrat-
centimeter; wäre hier die Thurmpyramide nach dem Plane von Böb-
linger ohne weiteres aufgesetzt wmrden, so würden jene Mafse sich
auf 11,44 bezw. 8,06 kg erhöht haben. Die ferneren Untersuchungen
erstreckten sich auf die Standsicherheit gewisser', besonders stark in
Anspruch genommener Theile des Thurmbaues; dahin gehörten vor
allem die durch die Fensterpfeiler der oberen Geschosse in den
Scheiteln belasteten Bögen über den grofsen Oeffnungen an der
Ost- und Westseite. Gefährdet erschien namentlich der Bogen der
baumeister beabsichtigten Mafsnahmen in allen wesentlichen Punkten
zustimmend, gab nur hinsichtlich der Art des Vorgehens bei der
Ausführung einige neue Winke. Von hoher Bedeutung war noch
sein bei dieser Gelegenheit auf Anregung des Hof-Baudirectors v. Egle
zustande gekommener Ausspruch bezüglich des für die Architektur
des Thurmes zu wählenden Entwurfs. Der Ausschufs erklärte sieh
einstimmig für Festhaltung des alten, von Matthäus Böblinger auf¬
gestellten Planes, jedoch mit einigen entsjjrechenden Umgestaltungen
in technischer und künstlerischer Hinsicht; er empfahl jenen Plan
in solchem Sinne einer Ueberarbeitung zu unterziehen und sodann
ein Modell in geeigneter Gröfse anzufertigen, um an diesem die
letzten endgültigen Prüfungen vornehmen zu können.
Die Verstärkungsarbeiten, mit denen Beyer im Juni 1882 begonnen,
sind von ihm innerhalb dreier Jahre zu Ende gebracht worden. Sie
erstrebten, wie angedeutet, in erster Linie eine Vergröfserung der
tragenden Fundamentsohle des nordöstliehen Thurmviertels, welche
durch einen in den Abb. 2 und 3 näher dargestellten Sohlenbogen aus
Granitquadern in der grofsen Oeffnnng nach dem Mittelschiffe er¬
reicht worden ist. In Vereinigung hiermit hat eine Verkleinerung
der grofsen östlichen Oeffnung von 8,50 m auf 6 m dadureh statt¬
gefunden, dafs die Pfeiler an jeder Seite der Oeffnung um etwa
Abb. 6 — 9. Grundrisse vom Achteck und Helm.
Ostseite, welcher der Hauptsache nach nur aus Ziegeln errichtet aus¬
einander gewichen war; bei ihm stellte die Rechnung Pressungen von
10,2 kg auf 1 qcm fest, die sich späterhin bis zu 15 kg hätten
steigern müssen. Ziemlich mifslich lagen die Dinge auch im oberen
Abschnitte des Thurms, woselbst die Eckpfeiler des Achtecks sowie
die ganze Construction des Uebergangs vom Viereck zum Achteck
zumeist auf dem Scheitel der nur 0,50 m starken Bögen über den
oberen Thurmfenstern ruhten. Dort zeigten sich Pressungen von
20,5 kg auf das Quadratcentimenter Mauerwerk und ein unzureichend
aufgehobener Seitenschub von 106 000 kg.
Zur Abhülfe aller dieser und noch anderer minder bedeutsamer
Uebelstände brachte die Beyersche Denkschrift wohl begründete
Vorschläge, zu deren Begutachtung der um die Förderung der Dom¬
bausache des Münsters höchst verdiente FUmer Oberbürgermeister
Karl V. Heim einen Sachverständigen - Ausschufs zusammenberief,
welchem aufser dem ständigen technischen Bei-
rathe v. Egle noch eine Anzahl der angesehen¬
sten Architekten aus Deutschland und Oester-
Abb. 2. Abb. 3.
Sohlenbogen zur Verstärkung der Ostseite des Hauptthurmes.
reich angehörten*). Der Ausschufs äufserte sich zu den vom Dom-
*) Ueber die Zusammensetzung des Sachverständigen-Ausschusses
und über das von demselben abgegebene Gutachten haben wir schon
früher (vergl. Jahrgang 1882, S. 139 u. 169 d. Bl.) ausführliche Mit¬
theilungen gebracht.
1,25 m verstärkt und ein oberes Quadergewölbe angeordnet sind,
damit die Mehrbelastungen durch den Thurmaufbau nach unten
sicher aufgenommen und auf die jetzt von 99 qm auf 132 qm ver-
gröfserte Fundamentfläche übertragen werden. Diese Mafsnahmen
haben erreicht, dafs der Baugrund im höchsten Falle mit 9,45 kg be¬
lastet und der aus festem Quader-Material errichtete neue Bogen nicht
mit mehr als 23,7 kg auf 1 qcm mit Druck in Anspruch genommen
wird. Besondere Vorsicht wurde dabei auf die Einsetzung des grofsen
Einbaires an der Ostseite verwendet. Da es darauf ankam, einen
möglichst dichten Anschlufs des neuen an den alten Bogen und
weiter eine sichere
V erkeilung der Schlufs-
steine zu gewinnen, so
stellte man von der
neuen Wölbung vor¬
erst nur den unter¬
sten Ring her, liefs
darauf dem Mauer¬
werk mehrere Monate
Ruhe zu Setzungen in
den Fugen und ging
dann erst zu den Ver-
vollständigTingsarbei-
ten über. Zur Ver¬
keilung der Schlufs-
stücke dienten Keile
aus Eisen mit geho¬
belten Lagerflächen
(vergleiche Abb. 4);
zwischen Eisen und
Stein wurden Blei¬
platten angeordnet.
Nachdem die Ver¬
stärkungsarbeiten am
oberen Thurmabschnitt
und der Uebergang vom Viereck zum Achteck neu zu Ende geführt
worden, liefs sich am 30. Juni 1885 in Höhe von 70 m, dem Ende
Abb. 4. Verstärkungsbogen an der Ost¬
seite des Hauptthurmes. Schnitt durch
den Bogen mit Angabe der Verkeilung des
Schlufssteines des neuen Bogens gegen
den alten.
Rr. 27.
Centralblatt der Bauverwaltung.
275
des Thurmvierecks, mit dem ferneren, das 32 m hohe Achteck und
den Steinhelm von 59 m Höhe umfassenden Aufbau beginnen. Die
Arbeiten erlitten von da ab keine
erheblichere Unterbrechung mehr und
gestatteten, am 30. Mai des gegen¬
wärtigen Jahres den Schlufssteiu
der Thurmspitze in feierlicher Weise
aufzubringen. Der Thurm mifst nun
vom Kirchenboden aus genau 161 m
in der Höhe, überschreitet also noch
um 10 m das im Böblingerschen Plane
angenommene Mafs und um rund 5 m
die Domthürme zu Köln. Am 30. Juni
d. J., dem Haupttage des soeben
beendeten letzten Münsterfestes, er¬
blickte man die Thurmspitze bereits
bis auf etwa 25 m Höhe vom Gerüste
befreit.
Wie bereits erwähnt, liegt den
neuesten, überaus gelungenen Aus¬
führungen , welche die Geschichte
der Architektur ohne Zweifel zu den
hervorragendsten Leistungen zählen
wird, im wesentlichen der im Münster
aufbewahrte alte Pergamentrifs des
Matthäus Böblinger vom Jahre 1494
zu Grunde. Die wenigen Aenderungen
bestehen der Hauptsache nach in
einer geringen Kürzung des Acht¬
ecks mit gleichzeitiger Streckung des
Helms; die Spitze des letzteren
endigt jetzt in einer Doppel -Kreuz¬
blume von gewaltigen Abmessungen,
während sie nach Böblinger durch
ein Marienbild gekrönt werden sollte.
Im übrigen schliefst sich die mit
meisterhaftem Verständnifs der spät-
gothischen Formenwelt behandelte Ar¬
chitektur der neuen Theile in har¬
monischer Einheitlichkeit den reichen
Formengebungen des vierseitigen, in
seiner Gesamt-Erscheinung breit und
massig wirkenden Unterbaues an. Auf
diesem erhebt sich in schlankeren
Verhältnissen das stattliche Acht¬
eck mit den zierlichen Schnecken¬
stiegen, und weiter darauf frei und
leicht die reich durchbrochene Stein¬
pyramide, in sanfter Einziehung der
Rippen sich langsam nach oben ver¬
jüngend und so in künstlerisch
vollendeter Weise den nicht nur
höchsten, sondern auch prächtigsten,
vielleicht selbst schönsten Thurm
aller christlichen Gotteshäuser ab-
schliefsend. Die Schneckenstiegen
führen bis zum Umgänge auf dem
durch Sterngewölbe abgedeckten
Achtecksbau (vergl. die Abb. 5);
von dort aus läfst sich die luftige
Spitze auf einer in ihrer Mitte
sich erhebenden Wendeltreppe aus
Stein bis auf 143 m Höhe des Thurms
besteigen.
Einen ungemein reizvollen Schmuck
hat der Helm, von welchem wir in
den Abb. 6 — 9 die hauptsächlichsten
Grundrisse geben, und auf dessen An¬
lage wir weiterhin noch ausführlicher
zurückzukommen gedenken, durch die
vier, aus sich kreuzenden Kielbögen
gebildeten Wimpergskränze erhalten ,
welche ihn im Verein mit der Umgangs¬
galerie unterhalb der Kreuzblume
wagerecht in sechs Abschnitte theilen.
Diese der spätesten Zeit der Gothik
angehörende , wirkungsvolle Archi¬
tekturform tritt übrigens schon an
einem Entwürfe des Matthäus Böblinger vom Jahre 1474 zum
Oelberg am Münster auf. Leider ist dieser zur Ausführung
Abb. 5. Schnitt durch das Achteck und den Helm
gelangte Oelberg 1807 abgetragen worden, doch hat sich, wie
uns Herr Professor Beyer mittheilt, von demselben noch der
Originalrifs erhalten, welcher seit
Jahresfrist wieder in der Münsterbau¬
hütte aufbewahrt wird. Der Oelberg
stand südlich vom Münster und trug
eine Inschrift von Böblingers Hand, aus
welcher dessen Anstellung beim Bau
des Domes genau zu berechnen war.
Mit dem Aufbau des West¬
thurms ist auch die Instandsetzung
der anderen Theile der Kirche ge¬
fördert worden. Das Kirchendach
besitzt neues Gebälk aus Eisen und
eine Eindeckung aus glasirten Biber¬
schwänzen von rother Farbe mit
grünen Friesen und Musterungen in
Grün, Gelb und Schwarz. Gegen die
ursprünglich beabsichtigte Kupfer-
Eindeckung, auf welche der eiserne
Dachstuhl eigentlich angelegt war,
hat sich die öffentliche Meinung in
Ulm lebhaft aufgelehnt; sie würde
vermuthlich auch recht unvortheilhaft,
etwa wie ein riesiger dunkler Sarg¬
deckel gewirkt haben. Die prächtige,
reich mit Bildwerken geschmückte Halle
vor dem Hauptportale ist vollständig
erneuert; an Stelle des alten tunnel¬
artigen Eingangs im Thurme findet
sich jetzt eine luftige Vorhalle von
stattlicher Höhenentwicklung; und
sowohl die Orgelbühne darüber wie
die Orgel sind derartig umgebaut,
dafs das Martinsfenster wieder sein
Licht in das Kirchen-Innere hinein¬
senden kann. Weiter belebt die Wand¬
fläche über dem Chorbogen wie ehedem
das grofsartige Bild „Das jüngste Ge¬
richt“, welches um 1470 durch Jesse
Herlen oder dessen Vater Ferdi¬
nand Herlen gemalt, später über¬
tüncht und im Jahre 1881 wieder¬
aufgefunden worden ist. Im Triumph¬
bogen erblickt man auch das grofse,
schön geschnitzte Hängekreuz mit
dem Christusbilde, eine Stiftung der
Garnisongemeinde an das Münster
bei Gelegenheit der 400jährigen Ge¬
burtsfeier Luthers ; es ist eine ge¬
treue Nachbildung des Originals aus
dem Anfänge des 16. Jahrhunderts,
das sich im benachbarten Wiblingen
befindet und dem Münster selbst
bez. eben jener Stelle des [Triumph¬
bogens entstammen soll. Vor allem
sind auch der Chor mit seinen welt¬
bekannten Kunstschätzen ganz voll¬
endet, seine Gewölbe bemalt und
die Fenster mit farbenprächtigen
Glasmalereien — die neuen von
Burckhardt und von Zettler in
München gefertigt — bedeckt.
So darf bis auf Restarbeiten von
allerdings immer noch ziemlich be¬
merken swerthem Umfange die Wieder¬
herstellung des Münsters im grofsen
und ganzen als glücklich erreicht
angesehen werden. Was dieser That
einen ganz besonderen Werth verleiht,
ist die Wahrnehmung, dafs dem ge¬
waltigen Bauwerke die volle Eigenart,
aus der es hervorgegangen, bis in die
letzten Stücke gewahrt geblieben ist;
heute wie ehedem äufsert sich der
beste Theil seiner Wirkung in der
Erscheinung des Einfach-Grofsartigen,
das, ganz im Sinne der protestantischen
Geistesrichtung, in dem Beschauer eine gesammelte, weihevolle
Stimmung hervorruft. (Schliffs folgt.)
Centralblatt der Bauverwaltung.
276
5. Juli 1890.
Canalanlage von Ulefos nach Strengen in Norwegen.
(Baiidak - Nordsjö - Canal.)
Die drei gestreckt hintereinander liegenden und sich weit in das
Innere Norwegens erstreckenden Seen — Flaavand, Hvitesejdvand
und Bandakvaud — bilden gegenwärtig nicht blofs eine von Ver¬
gnügungsreisenden viel benutzte Schiffahrtsstrafse, sondern erschlieisen
vor allem den Eeichthum der Landschaft Telem.arken an Kupfer,
Eisen, feinen Schleifsteinen und Holz. Auch dienen sie bereits jetzt
dem Kleinverkehr an
Stückgütern nach
dem Hochlande. Der
Ausflufs der Seen bei
Strengen ergiefst sich
durch ein wildes, tief
eingeschnittenes Thal
bei Ulefos in den
Nordsjö-See, der
durch den Canal von
Löveid mit Skien und
so mit der Nordsee
in Verbindung steht.
Dieses 22 km lange
Stromthal zwischen
den Telemarkenschen
Seen und demNordsjö
soll nun eine neue
Canalanlage schiffbar
machen, um so eine
Wasserstrafse von
Skien ins Binnenland
bis Dalen am Nord-
westeude des Ban-
dakvand mit einer
Gesamtlänge von 104
km zu vollenden (vgl.
Abb. 1).
Man berechnet den Umfang des zu erwartenden Verkehrs jährlich
wie folgt:
Kupfer, Roheisen und andere Metalle .... 4000 Tonnen,
Kleinverkehr au Getreide, Kartoffeln, Obst, Fisch,
Salz, Kaffee, Steinkohlen, Eisen, Kalk, Ziegel,
Stroh und Heu aufwärts . 5000 v
Personenverkehr . 8000.
Danach sind die Abgaben festgesetzt, ohne dafs daraus der Staat
ein Verdienst erzielen soll, und zwar zu 1,50 Kr. oder 1,69 Mark für
die Tonne Rohgut
und Metalle; zu 15
Ore oder 17 Pf. für
den Ceutner Colonial-
sacheu und Kleinver¬
kehr; zu 50 Ore oder
56 Pf. die Person und
aufserdem zu 3 bis
4 Kr. oder 3,38 bis
4,.50 Mark für das
Dampfschiff.
Das Stromthal
von Strengen nach
Ulefos führt verschie¬
dene Namen. Der
Strom selbst, der oft
kleine Seen und zahl¬
reiche Wasserfälle bildet, hat ganz die Natur eines Gebirgsffusses.
Sein Bett ist felsiges Gerolle; seine Ufer sind steile, oft sehr hohe Fels¬
wände, seine Wassermenge stark veränderlich, sodafs zur Schiffbar¬
machung des Stromes nur die Canalisirung in Frage kommen konnte.
Beiläufig beträgt die Abflufsmenge bei Niedrigwasser, das in Nor¬
wegen im Winter eintritt, nur 20 cbm, bei Hochwasser dagegen 800
bis 900 cbm, während bei mittlerem Sommerwasserstand etwa 300 cbm
abgeführt werden.
Der Höhenunterschied zwischen den Telemarkenschen Seen und
dem Nordsjö, der von -j- 15,06 bis 72 rund 57 m beträgt, soll
durch 14 Schleusen überwunden werden, deren Gefälle von 3 bis
5,50 m beträgt. Möglicherweise soll am oberen Einlauf bei Hoggar
statt zweier Schleusen von 4 bezw. 3 m Gefälle nur eine von 7 ni
Gefälle ausgeführt werden. Die Länge der einzelnen Haltungen so¬
wie ihre Höhenlage ergiebt der vorstehende Längenschnitt (Abb. 2).
Zu bemerken ist noch, dafs bei Vrangfoss aufserdem eine Hoch¬
wasserschleuse von 59 bis -j- 61,50 ausgeführt wird, da die Haltung
Grotevje -Vrangfoss von dem Hochwasser der seitlichen Zuflüsse ab¬
hängig ist.
Die Abmessungen der Schleusen sind nach den ortsüblichen
Schiffen von 30,5 m Länge, 5,5 m Breite und 2,51 m gröfstem Tief¬
gang bei 127,617 cbm Wasserverdrängung wie folgt bestimmt: nutz¬
bare Länge 38 m (die alten Schleusen des Löveid-Canals haben 120'
nutzbare Länge),
Breite in den Thoren
6,90 m, Tiefe des
Drempels 2,60 m.
Die Mindestbreite
der Ein- und Aus¬
fahrten zu den
Schleusen, die ent¬
weder durch stehen¬
bleibende Felswände
oder durch schwim¬
mende Leitwände
gegen den Strom ab¬
geschlossen sind, ist
zu 8 m in geraden
und zu 9 m in ge¬
krümmten Strecken
festgesetzt. Bei lan¬
gen Umfahrten sind
Ausweichstellen an¬
geordnet , die bei
einer Länge von zwei
Schiffslängen 16 bis
20 m Breite erhalten.
Was die bauliche
Ausführung der
Schleusen- und Wehr¬
anlagen betrifft, so
weicht dieselbe von der sonst dort üblichen wenig ab. Die
Schleusen sind entweder ganz aus dem Fels herausgesprengt,
oder nach der Stromseite hin durch eine starke Granitmauer abge¬
schlossen. Die Schleusenthore sind ohne Wende- und Schlagsäule
aus wagerecht übereinander geschichteten, nur wenig bearbeiteten
Rundhölzern gebildet, deren Stärke dem gröfseren Wasserdruck ent¬
sprechend nach unten zunimmt. Zusammengehalten werden dieselben
durch darüber senkrecht verbolzte Halbhölzer und eiserne Zuganker,
die von unten nach oben bezw. diagonal durchgehen. Die Wende¬
nische ist cylindrisch
und besteht aus Holz,
ebenso der Drem¬
pel, dessen Neigung
etwa 1:6 ist (genau
1,166 : 6,90).
Die Oeffnungen
in den Thoren zum
.j. Füllen der Schleuse
sollen als Drossel¬
klappen von 1,726 zu
0,732 m Gröfse ganz
ähnlich den bei den
Spreeschleusen in
Charlottenburg aus¬
geführt werden. Um¬
läufe sind nirgends
vorhanden. Das Zapfenlager der Thore sowie das obere Hals¬
lager sind einfacher Art. Der Drehzapfen soll aus sog. Adouce-
rings - Eisen hergestellt werden, das der Beschreibung nach
unserem Flufsstahl sehr ähnlich ist. Die Drehung der Thore wird
voraussichtlich wie üblich mittels Zahnstangen erfolgen.
Eigenartig ferner ist die Bauweise der festen und beweglichen
Wehre. Auf dem felsigen Grunde wird zunächst ein festes Wehr
und oben ein bewegliches (Nadel-) Wehr ausgeführt; dazwischen
jedoch auf etwa 1 m Höhe ein Dammbalken-Wehr. Um ein Beispiel
anzuführen, hat das Wehr bei Ulefos nebenstehenden Querschnitt
(Abb. 3). Das feste Wehr besteht in der Hauptsache aus einer
mächtigen Steinpackung zwischen vier Wänden von übereinander
gestapelten, wenig bearbeiteten Rundhölzern, die durch Querbalken
gegen einander abgesteift und durch bolzenartige Nägel, von denen
immer drei Hölzer gefafst werden, mit einander verbunden sind. Drei
Meter unter der gröfsten Stauhöhe hört das feste Wehr auf und hat
hier noch eine 6 m breite Krone. Darauf setzt sich zunächst ein
5fr. 27.
Centralblatt der Bauverwaltung,
277
leicht gebautes verlorenes Nadel wehr, in dessen Schutz das bleibende
Nadelwehr errichtet wird. Hierzu werden feste eiserne Böcke ein¬
fachster Art auf durchgehende Querbalken in 5 m Entfernung auf¬
gesetzt. Diese tragen in 1 bis 1,1 m Höhe eine durchgehende starke
Schwelle, die späterhin den unteren Stützpunkt der Nadeln bildet,
und sind oben durch dicht gelegte Balken überbrückt, die den 10 ; 1
geneigten Nadeln das obere Auflager gewähren. Zwischen diesen
grofsen Böcken sind besondere kleine Zwischenböcke, die mit den
grofsen Böcken abwechselnd den Dammbalken zum Widerlager
dienen. Die gröfste Nadellänge beträgt 2,50 m; die Nadelwehrkrone
wird bei Hochwasser noch um 2,20 m überfluthet.
Auf grofse Schwierigkeit ist man für die Ausführung des Wehrs
bei Vrangfoss gestofsen, das im ganzen 32 m Stauhöhe erhält. Gerade
an der für das Wehr bestimmten Stelle befindet sich ein mächtiges
Geröllelager im Untergrund, das nicht als tragfäbig anzusehen ist
(vgl. Abb. 4 und 5). Man hat sich daher entschlossen, den untersten
Thaleinschnitt zu überwölben und das unten bleibende Loch durch
1 eine 10 m breite Steinpackung davor zu schliefsen. Während der
Bauausführung soll ein Umlaufcanal unter der Schleusentreppe von
4,5:5m Querschnitt das Wasser abführen, der schliefslich gleichfalls
geschlossen werden soll, und zwar entweder, indem man sein keil¬
förmig gearbeitetes Mundstück nach Auspumpen des Wassers im
Schutze eines Fangedammes mit keilförmiger Ausfütterung und pris¬
matischen Balken vollsetzt — was sehr dicht, aber langwierig und
Amtlicher Bericht über den
^ Nach Vollendung der Marmormosaikböden in den Chorcapellen
' mit Ausnahme der Achscapelle, in welcher das Mausoleum der
’ heiligen drei Könige verblieben ist, während seit einer längeren Reihe
von Jahren der Schrein der heiligen drei Könige in der Schatzkammer
j aufgestellt wurde, ist nunmehr der Abbruch des aus farbigem Marmor
; errichteten Mausoleumsbaues angeordnet und im Laufe des verflossenen
Winters zur Ausführung gekommen. Gleichzeitig sind die unter
Zerstörung der Pfeilerprofilirungen und Wandnischen später vorge¬
blendeten Marmorbekleidungen der Capellenwände und des Altar-
! tisches der Achscapelle unter thunlichster Schonung der dahinter
hefindlichen Wandmalereien abgenommen und ist die Wiederher¬
stellung des früheren Zustandes der Achscapelle, wie die Ausführung
eines Steinaltars in den Abmessungen des im Mittelalter daselbst
befindlichen Altars in Angriff genommen. Die Achscapelle erhält dem¬
nächst einen farbenreichen Stiftmosaikboden, und die aufgefundenen
Wandgemälde sollen, insoweit eine Restauration thunlich, erhalten
^ werden.
I Die zahlreichen in den Chorboden eingelassenen und meist bis
zur Unkenntlichkeit der Wappen und Inschriften abgenutzten grofsen
Grabplatten, welche die Gräber der kölnischen Erzbischöfe, Bischöfe
j und kirchlichen Würdenträger überdecken, mufsten behufs sorgfältiger
j Ueberwölbung der Gräber abgehoben und beseitigt werden. Bei Er-
f Öffnung der Grabstellen wurden wenige Reste der Särge aufgefunden,
j vielmehr ergab sich, dafs die Gräber bereits früher geöffnet und
[ theilweise mit Erde angefüllt waren. Nach Beschlufs des Metropo-
litan-Capitels sollen die gut erhaltenen Grabplatten theils im Inneren
der Kirche, theils an dem Sockel des Domes im Aeufseren aufge¬
stellt und vor weiteren Beschädigungen geschützt werden.
In dem nördlichen Theile des Chorumgangs sind die Solnhofener
Einfassungs-Friese, unter denen die Gasleitungsrohre liegen, fertig
theuer in der Ausführung sein würde — , oder indem man über wage¬
rechte I Eisen einfach senkrechte Balken verlegt, die dann aber
keinen besonders dichten Schlufs ergeben dürften. Ueber das feste
Wehr setzt sich ähnlich wie bei dem Wehr in Ulefos ein festes
Nadelwehr, dessen Böcke jedoch bis 50 cm über das höchste Hoch¬
wasser geführt sind und hier eine 2 m breite Fufsgängerbrücke tragen.
Das feste Wehr soll durchweg aus Granit hergestellt werden, der
dicht oberhalb der Wehranlage gebrochen wird, und dem die dortigen
Ingenieure bei sauberer Bearbeitung und Versetzen in Cementmörtel
z. B. im Gewölbe 30 kg/qcm Druck Zutrauen, bei ganz roher Be¬
arbeitung noch 14 kg und in Trockenmauerwerk 7 bis 9 kg/qcm.
Die ganze Anlage bei Vrangfoss wird an Grofsartigkeit alle
übrigen Wehr- und Schleusenanlagen der skandinavischen Halbinsel
Wehr bei Vrangfoss.
übertreffen, auch verspricht sich die Gegend für den grofsartigen
Wasserfall eine erhebliche Zunahme des Fremdenverkehrs.
Die Ausführung der gesamten Canalanlage hat vor zwei Jahren
begonnen und wird dieser unerwarteten Schwierigkeit bei Vrangfoss
wegen voraussichtlich noch ebenso lange Zeit beanspruchen. Die
Gesamtanschlagskosten betragen 1 500 000 Ki\ = 1 687 500 Mark,
dürften aber aus demselben Grunde möglicherweise überschritten
werden. Die Ausführung liegt in der Hand des Canaldirectors
Soetren in Skien, dem der Canal auch in Zukunft unterstellt
bleiben soll.
Vorstehende Angaben habe ich dem Herrn Ingenieur Strom
in Ulefos zu verdanken.
Lingen, im November 1889. Bergius.
Vorstehende Mittheilung konnte Raummangels wegen erst jetzt
zum Abdruck kommen. Die Red.
Forttoau des Domes in Köln.
gestellt, auch die Marmormosaiken der Querfriese, welche die ein¬
zelnen Stiftmosaikfelder begrenzen, verlegt, sodafs mit Ausnahme der
in Mettlach zu fertigenden Stiftmosaiken die Beflurung des Chorum¬
gangs in seiner ganzen Ausdehnung vollendet ist.
Nach Fertigstellung der Cartons in natürlicher Gröfse zu den
farbigen Stiftmosaiken des Chorumgangs und der Vierung durch den
Director v. Essenwein in Nürnberg, hat die mit der Ausführung be¬
auftragte Fabrik von Villeroy u. Boch zunächst ein Probefeld an¬
gefertigt, das im Laufe des Monats October 1889 an Ort und Stelle
verlegt wurde. Gleichzeitig sind die Vorarbeiten zu den Mosaik¬
böden soweit gefördert, dafs im Juni des Jahres die Verlegung der
Stiftmosaiken im Bereiche des Chorumgangs wie der Vierung ohne
Unterbrechung fortgeführt werden kann.
Die nach den Entwürfen des Professors Schneider in Cassel aus¬
geführte Broncethür des Westportals ist im Laufe des Monats Sep¬
tember 1889 als Probethür in die Thüröffnung des Nordthurms ein¬
gefügt. Dieselbe besteht bei einer lichten Breite von 1,8 m und
5,4 Höhe aus einem feststehenden Obertheile und zwei aufgehenden
Thürflügeln von 3,7 m Höhe. Die etwa 11 qm messende Bronce-
bekleidung von durchschnittlich 8 mm Metalldicke ist auf der reich
geschnitzten Eichenholzthür mittels Schrauben befestigt, und der
Verband der einzelnen Bi’oncetafeln untereinander wie mit der Holz¬
thür wui'de so angeordnet, dafs sich die Metallflächen bei Einwirkung
der Wärme ausdehnen können, ohne ein Eindringen der Feuchtigkeit
zu gestatten.
In Ausführung der mit dem Professor Schneider in Cassel und
Bildhauer Mengelberg in Utrecht abgeschlossenen Verträge sind die
Werkzeichnungen, Gipsmodelle und die ciselirten Broncemodelle, wie
die reich geschnitzten Holzthüren nebst Eisenbeschlägen zu den
Thüren des Süd- und Nordportals gleichmäfsig in Angriö’ genommen
278
Centralblatt der Bauverwaltung.
5. Juli 1890.
und theilweise vollendet. Nach Fertigstellung der Probethüren zum
Süd- und Nordportale werden zuerst die sämtlichen Thören des
Westportals, demnächst die zum Südportale und zuletzt die Nord-
portalthüren in die Thüröffnungen eingefügt werden.
Auf Grund des festgesetzten Alignements -Planes zur weiteren
Freilegung des Domes an der Südseite und nach Abschlufs des Ver¬
trages mit den Erben Metz über den Neubau des Domhotels auf
dem Grundstücke des Steueramts am Hof Nr. 5 und des früheren
Tilmesschen Hauses Domkloster Nr. 4, sind die genaunteii Gebäude
im Winter 1889 1890 abgetragen und ist der Neubau des Domhotels
in diesem Frühjahre in Angriff’ genommen, nach dessen Vollendung
innerhalb der Zeit von drei Jahren der Abbruch des alten Domhotels,
wie der sämtlichen vom Dombauvereine erworbenen Häuser am Hof
und auf dem Domhofe erfolgt.
Ferner ist an der Westseite des Domes das Haus Domkloster
Nr. 9 au der Ecke der Litsch niedergelegt, auch wird in nächster
Zeit das dahinter belegene Gartengrundstück, zu den Domcurien
Domkloster Nr. .9 und 7 gehörig, für Rechnung des Freilegungsfonds
erworben und der Stadt Köln behufs Erbreiterung der Litsch über¬
wiesen werden.
Nach längeren Verhandlungen sind nunmehr auch die Pläne zu
den beiden auf dem v. Grooteschen Gartengrundstücke zu erbauenden
neuen Domcurien genehmigt uud soll der Bau derselben innerhalb
der Zeit von zwei Jahren beendet sein, nach Ablauf welcher Zeit die
beiden Domcurien Domkloster Nr. 5 und 7 niederzulegen sind.
Die Freilegung des Kölner Domes an der Südseite und Nord-
Westseite wird demnach im Jahre 1893 gleichzeitig mit der Umgestal¬
tung der Umgebungen des Kölner Domes an der Nordseite infolge
der neuen Bahnhofsanlage in der Trankgasse zum Abschlufs ge¬
langen.
Durch Allerhöchste Cabinetsordre vom 7. October 1889 ist dem
Central-Dombau- Vereine die Veranstaltung von drei Dombauprämien-
collecten behufs Erwerbes der zur Freilegung des Kölner Domes nach
der Westseite anzukaufenden Grundstücke genehmigt.
Durch Abbruch der fünf Häuser zwischen dem Margarethenkloster
und der Bui-gmauer sowie Unter Fettenhennen Nr. 6, 8, 13 und 1.5
wie Domkloster 3 a soll nach dem genehmigten Plane ein freier Platz
vor dem Westportale geschaffen werden, von dessen Westseite aus,
in Entfernung von 140 m vom Westportale, der Beschauer die ganze
Westfront des Domes und die Westthürme bis zu den Kreuzblumen
hinauf, geschützt vor dem Strafseuverkehre, übersehen kann.
Köln, den 20. Mai 1890. Der Dombaumeister,
Geheime Regierungsrath
V oigtel.
Clyde- Tunnel in Glasgow
Bislang bestehen in Glasgow im Gebiet des zum Hafen ausge¬
bauten Clyde -Flusses keinerlei feste Verbindungen zwischen den
beiden Ufern. Das Bedürfnifs eines derartigen, von dem Schiff’s-
verkehr unabhängigen Verkehrsweges ist mit der Zeit in immer
höherem Mafse fühlbar geworden, und bereits seit geraumer Zeit
wurden die verschiedenartigsten Vorschläge laut, durch Herstellung
beweglicher Brücken, Anordnung fester Brücken mit hochliegender,
stark ansteigender Fahr¬
bahn, Anlage schrau¬
benartiger Bahnen usw.
den Verkehr der nörd¬
lichen und südlichen
Stadttheile unterein¬
ander zu erleichtern. In
allerneuester Zeit ist
nun endlich ein Entwurf
vom Parlament gutge-
heifsen worden, dahin
gehend, unter dem Clyde
oberhalb der älteren
Dockanlagen an Stelle
einer vorhandenen Fähre
eine Tunnelverbindung
für Strafsen- und Fufs-
gängerverkehr anzu¬
legen. Nach dem Engi¬
neering wurden die Bau¬
arbeiten zur sofortigen Inangriffnahme zu Anfang
dieses Jahres verdungen.
Die bemerkenswerthe Anlage (Abb. 1 u. 2)
wird in drei mit nur 0,6 m Abstand nebeneinander
angelegten Tunneln bestehen, von 4,9 m gering¬
ster Lichtweite, von welchen die beiden äufsern
dem Fuhrverkehr nach beiden Richtungen, der
innere dem Fufsgängerverkehr dienen werden.
Beiderseits des Flusses münden die Tunnel in
24,4 m weiten und 22 bezw. 23 m tiefen Schäch¬
ten, in welchen der Zu- und Abgang der Strafsen¬
fuhrwerke durch je sechs Aufzüge vermittelt
werden wird, welche die äufsere Hälfte der Schächte einnehmen.
Dieselben werden je j)aarweise für Lasten von 5,7 und 10 Tonnen
berechnet.
Für den Fixfsgängerverkehr ist von Anlage von Aufzügen
abgesehen worden, weil das Publicum dieselben im allgemeinen
nicht liebt. Der Verkehr des mittleren Tunnels wird vielmehr mit
Ansteigungen 1 : 3, welche niedrige Trittstufen erhalten sollen, bis
zu einer die innere Hälfte der Schächte einnehmenden Plattform, und
von da mittels Stufen bis zur Strafsenkrone geführt. Die Tunnel
erhalten zwischen den Schächten 220 m Länge und werden 4,6 m
unter der Flufssohle und 10,7 bezw. 14 m unter dem Niedrig- bezw.
Hochwasserspiegel des Clyde angelegt. Unter dem Flusse werden
die Tunnel zum gröfsten Theil mittels gufseiserner rippenartig ver¬
steifter Cylinderplatten nach Abb. 4 ausgekleidet, welche 1,22 m
lang, 0,46 m breit, 25 mm stark und mit Flanschen zum Verschrauben
versehen sind. Diese Verkleidung bildet einen Ring von 4,9 m Licht¬
weite. Durch Einlegen von 9V2 mm starken Leisten aus weichem Holz
wird wasserdichter Schlufs der Fugen hergestellt, eine Anordnung,
welche sich anderweitig bei einem Druck von 14 kg/qcm noch voll¬
kommen bewährt hat. Der unter der Flufssohle anstehende stark
wasserführende Sand bedingt bei der Bauausführung die Anwendung
von Prefsluft, nach dem Vorbilde der neuen Londoner Tief bahn,
welche als „City of
London and Southwark
Subway“ demnächst für
den Personenverkehr er¬
öffnet wird. Unter dem
südlichen Ufer findet
sich undurchlässiger
Thon, in welchem die
Abschnitte der äufseren
Tunnel ohne Verwen¬
dung von Prefsluft aus¬
geführt werden und eine
0,61 m starke in 5 Rin¬
gen über einem Sohl¬
stück aus Cement her¬
zustellende Auskleidung
in Ziegeln erhalten
(Abb. 3). Die Licht¬
weite beträgt hier 5,5 m.
Die Schächte erhalten,
soweit sie durch Sand geteuft werden, gufseiserne
Doppelwandungen in 1,2 m Abstand. Die zu ver¬
wendenden C3dinderplatten erhalten Abmessungen
von 1,22 X 0,61 m, 13 mm Wandstärke und
werden mittels angegossener Flansche miteinander
verschraubt. Der Zwischenraum wird sodann mit
Concret gefüllt. Die Art der Abteufung ist im
übrigen ganz ähnlich dem Bauvorgang bei Brunnen¬
senkungen ixnd erfolgt bei dem Südschachte so,
dafs ein vollständig geschlossener, mit unterer
Schneide versehener Doppelring hergestellt, mit
Concret gefüllt und sodann mit Hülfe seines
eigenen Gewichtes unter beständiger Abgrabung des inneren
Bodens niedergebracht wird. In dem Mafse, wie der Brunnen
weiter einsinkt, werden neue Theile aufgesetzt, bis die Schneide in
einer Tiefe von 8 m angelangt ist. Der Bruunenkörper wird
sodann unverändert noch weitere 5,5 m heruntergebracht, bis zu
derjenigen Tiefe, wo nach Ausweis vorgenommener Schürfungen
Thon ansteht.
Hierauf wird der Brunnen auf weitere 9,2 m mit einem Kranz
aus Ziegelmauerwerk unterfahren, während gleichzeitig bis zur
Bodenhöhe ein gleicher Mauerkranz aufgesetzt wird. Die Sohle wird
mit Concret abgekleidet.
Weitere Mittheilungen über die Anlage erscheinen zur Zeit noch
verfrüht und werden Vorbehalten, bis die Bauarbeiten zu einem
gewissen Abschlufs gebracht sein werden.
Km.
Süden.
<_ 24,4- .Ui
Abb. 1. Längenschnitt.
Abb. 2. Grundrifs.
\r. 27.
Centralblatt der Banverwaltung.
279
Creschwindigkeitsuhr für Locomotiven.
Aus den Antworten, welche in Beantwortung der für die Be-
rathung auf der X. Techniker-Versammlung der Techniker des Vereins
deutscher Eisenbahnverwaltungen (Berlin 1884) gestellten Frage:
„Welche Construction von Geschwindigkeitsmessern eignet sich nach
den an einer gröfseren Anzahl und längeren Zeit im Betriebe befind¬
lichen Vorrichtungen gemachten Erfahrungen am besten für Loco¬
motiven?“ seinerzeit eingegangen sind,i) geht hervor, dafs damals
keine derartige Vorrichtung vorhanden war, welche auf die Dauer
zuverlässig arbeitete und deshalb zur allgemeinen Einführung
empfohlen werden konnte. In der Sachlage hat sich bis heute
nichts geändert: Alle bis jetzt bekannten, auf den Locomotiven
selbst angebrachten Vorrichtungen zur Feststellung der Geschwindig¬
keit einer Locomotive leiden an dem Fehler, dafs sie nicht einfach
genug sind, dafs sie mit Federn, welche ihre Spannung verlieren,
mit Flüssigkeiten
arbeiten , welche
verdunsten, ver¬
schmutzen und,
wenn es sich um
Quecksilber han¬
delt, auch durch
die Wärme bedeu¬
tend nachtheilige
Ausdehnungen er¬
fahren , dafs der
Führer also nie
weifs, ob die sei-
nige noch richtig
geht oder nicht.
Wenn man auch die
Ansicht der König¬
lichen Eisenbahn-
direction Berlin^)
theilt, dafs es nicht
für erforderlich zu
halten ist, die Zug¬
geschwindigkeit zu
jeder beliebigen
Zeit und an jedem
beliebigen Orte der
Bahn feststellen zu
können, und dafs
deshalb die neben
den Geleisen angebrachten, elektrisch mit den Stationen verbundenen
Taster zur Feststellung der Zuggeschwindigkeit sehr zu empfehlen sind,
so mufs man anderseits doch zugeben, dafs es erforderlich oder doch
wenigstens in hohem Grade erwünscht ist, dem Führer die Möglichkeit zu
geben, sich von der Geschwindigkeit seiner Locomotive zu überzeugen.
Schreibt man ihm vor, welche Fahrzeit er von einem Taster bis zu
dem um 1 Kilometer entfernten innezuhalten hat, dann mufs man
ihm auch ein Mittel in die Hand geben, festzustellen, ob die Ge¬
schwindigkeit seiner Locomotive dieser Fahrzeit entspricht. Unter
gewöhnlichen Verhältnissen, also da, wo ein Geschwindigkeitsmesser
sich auf der Locomotive nicht befindet, ist der Führer auch ohne
solchen die Geschwindigkeit festzustellen in der Lage, so lange es
Tag ist und so lange die Kilometersteine sichtbar sind.
Mit Hülfe der Kilometersteine kann er sich helfen, und wenn diese
auch bei Nacht und bei schlechtem Wetter und Schnee sichtbar
wären, dann bedürfte es wohl weiterer Vorrichtungen nicht. Da dem
aber nicht so ist, so mufs dem Locomotivführer, namentlich dem
jungen, eine derartige Vorrichtung gegeben werden, welche ihn un¬
abhängig von der Dunkelheit usw. macht und an welche die Be¬
dingung zu stellen ist, dafs sie einfach sei und dafs sie stets richtige
Angaben mache; ist letzteres nicht der Fall, dann ist es besser,
ganz darauf zu verzichten.
Nach Anweisung des Unterzeichneten hat nun die Firma Julius
Blancke u. Co. in Merseburg eine durch die Abbildungen veranschau¬
lichte, „Geschwindigkeitsuhr“ benannte Vorrichtung hergestellt,
welche den angegebenen Bedingungen entspricht und die, wenn sie
auch nicht die Geschwindigkeit der Locomotive in Kilometern in
der Stunde fortwährend angiebt, doch hinreicht, solche, wenn ge¬
wünscht, zu ermitteln. Bei Anordnung derselben ist der Gedanke
mafsgebend gewesen, dafs, wie die Kilometersteine bei Tage einen
Siehe 9. Supplementband zu dem Organ für die Fortschritte
■des Eisenbahnwesens Seite 248 u. f.
Siehe a. a. O. S. 248, 1. Spalte unten.
Anhalt zur Beurtheilung der Fahrgeschwindigkeit geben, eine Vor¬
richtung für alle Fälle genügen mufs, welche dem Führer die Kilo¬
metersteine so zu sagen auf einem Zifferblatte vorführt und auch bei
Nachtzeit erkenntlich macht. Demzufolge ist ein Zifferblatt mit einer
Haupteintheilung 1 bis 10 gewählt mit einem Zeiger (K), der bei
einem Wege der Locomotive von 1 Kilometer eine Umdrehung und
bei dem Wege von einem Kilometersteine zum andern i/io Umdrehung
macht. Die 10 Haupttheilstriche des Zifferblattes entsprechen daher
den Kilometersteinen, und eine Umdrehung des Zeigers dem Wege
von einem Taster zum andern. Angetrieben wird der Zeiger mittels
Kegelräder und Schraube ohne Ende von der Treib- oder von einer
Kuppelachse aus.
Dieser Kilometerzeiger, der nie falsch gehen kann und auch
keiner besonderen Abnutzung unterworfen ist, würde für sich
allein schon allenfalls genügen können, doch ist
demselben noch ein Uhrwerk mit einem Zeiger M
hinzugefügt und letzteres so eingerichtet, dafs die
Zeigerwelle durch die Welle des Kilometerzeigers
hindurchgeht und eine Umdrehung in einer Minute
macht.
Für den Führer ist es unerläfslich, die Uhr zu
Hülfe zu nehmen, um zu sehen, ob die Fahrgeschwin¬
digkeit — die Fahr¬
zeit von einem Kilo¬
metersteine oder
von einem Taster
zum andern — die
gewünschte ist. Bei
der mangelhaften
Beleuchtung der
Führerstände ist es
aber meist mit
Schwierigkeiten
verbunden, Minuten
oder gar Bruch-
theile von Minuten
an einer gewöhn¬
lichen Taschenuhr
abzulesen. Diesem
Uebelstande wird
durch den Minuten¬
zeiger abgeholfen,
dabei aber noch
der weitere Vortheil erreicht, dafs, da die „relative“ Bewegung der
beiden Zeiger ein Mafs für die Fahrgeschwindigkeit hergiebt,^) der
Führer schon nach einiger Zeit mit ziemlicher Sicherheit aus dem Ver¬
halten der beiden Zeiger gegen einander auf die Geschwindigkeit
seiner Locomotive schliefsen wird. Jedenfalls ist die Beobachtung
zugleich der Zeit wie des Weges — welche beide zusammen die
Geschwindigkeit bestimmen — durch die Uhr sehr ei-leichtert, und
ein Falschgehen derselben ist ausgeschlossen, da sie entweder gar
nicht oder doch nie so falsch gehen kann, dafs Abweichungen gegen
eine richtig gehende Uhr innerhalb einer Minute merkbar wären.
Aufserdem kann der Führer jederzeit die Eichtigkeit der Uhr an
seiner eigenen Uhr, wie die Eichtigkeit des Kilometerzeigers nach
den Kilometersteinen prüfen.
Die gewöhnliche Art, die Geschwindigkeit einer Locomotive nach
Kilometern in der Stunde zu bezeichnen, ist dem Führer im all¬
gemeinen nicht recht fafslich; viel besser versteht er, wenn man ihm
sagt: „Du hast in einer Minute einen so und so grofsen Weg zu
machen“, oder: „Du hast 1 Kilometer in der und der Zeit zurück¬
zulegen“. Letztere Ausdrucksweise läfst sich namentlich bei Fahrten
zwischen den Tastern anwenden. Mit Hülfe der Geschwindigkeitsuhr
kann man sowohl das eine wie das andere leicht feststellen.
Das Antriebwerk ist, um es vor Beschädigungen und möglichst
vor Abnutzungen zu schützen, ganz in ein gufseisernes Gehäuse ge¬
legt, in welchem die Wellen usw. ganz in Oel laufen können. Er¬
setzt man das Gehäuse, was thunlich, durch einen einfachen schmiede¬
eisernen Bock, dann wird sich der Preis der Vorrichtung etwas
niedrieger als sonst stellen.
Schliefslich werde noch darauf aufmerksam gemacht, dafs sich der
obere Theil, der Kilometerzeiger nebst Uhr, ähnlich den Manometern,
leicht von einer Locomotive auf eine andere mit gleich grofsen Trieb¬
rädern versetzen läfst. Brettmann.
3) Bei 60 Kilometer Geschwindigkeit z. B. laufen die Zeiger
gleich rasch.
280
Centralblatt der B auverwaltiing.
5. Juli 1890.
Yermischtes.
Ertheiluiig- von Reisei)rainien an Regienings-Baumoister und
Resrierungs-Baufiilirer in Preufsen. In Anerkennung der im Prü¬
fungsjahre vom 1. April 1889 90 bei Ablegung der zweiten Haupt-
(Baumeister-) Prüfung für den Staatsdienst im Baufache dargelegten
tüchtigen Kenntnisse und Leistungen sind von dem Herrn Minister
der öffentlichen Arbeiten auf unseren Vorschlag den fünf Königlichen
Regierungs -Baumeistern: Otto Rupreeht aus Aurich, Johannes
Baltzer aus Bielefeld, Ernst Sam wer aus Gotha, August Busse
aus Potsdam und Adolf Lerche aus Bonese, Kreis Salzwedel,
Prämien von je 1800 Mark zur Ausführung gröfserer Studieni-eisen
behufs Förderung ihrer weiteren Ausbildung für ihren Beruf bewilligt
worden.
Ferner wurden den fünf Königlichen Regierungs -Bauführern:
Bernhard Rofs aus Hannover, Philipp Pforr aus Hersfeld, Karl
Petzei aus Jerichow a. d. Elbe, Fritz Peters aus Ludwigslust und
Alfons Götte aus Eupen, welche sich bei der ersten Haupt- (Bau¬
führer-) Prüfung für den Staatsdienst im Baufache im Prüfungsjahre
vom 1. April 1889 90 durch besonders tüchtige Leistungen ausge¬
zeichnet haben, Prämien von je 900 Mark zur Ausführung einer
Studienreise zuerkannt.
Berlin, den 28. Juni 1890.
Königliches technisches Ober-Prüfungsamt.
Das yatioiialdeiikinal für Kaiser JVillielm I. in Berlin. Die
auf Seite 213 d. J. mitgetheilte Vorlage der verbündeten Regierungen,
betreffend die Errichtung des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I.
auf der „Schlofsfreiheit" ist in einem hierzu gewählten Ausschüsse
des Reichstags berathen worden, welcher nach längeren Verhand¬
lungen folgenden Antrag gestellt hat:
„Die Entscheidung 1) über den Platz, auf welchem das National-
denkmal für Seine IMajestät den Hochseligen Kaiser Wilhelm I. er¬
richtet werden soll, 2) über die Gestaltung des Standbildes und
3) über die Art, in welcher ein engerer Wettbewerb über einen Ent¬
wurf für das Denkmal vom Reichskanzler auszuschreiben ist, wird
der Entschliefsung Sr. ^lajestät des Kaisers anheimgegeben.“
Dieser Antrag ist in der Sitzung des Reichstags vom 2. Juli d. J.
nach Befürwortung durch den Berichterstatter, Abg. Frhr. v. Unruhe-
Bomst, ohne weitere Erörterung zum Beschlufs erhoben worden. Der
Berichterstatter führte u. a. aus, dafs ein Urtheil über die Eignung
des in Aussicht genommenen Platzes für die Aufstellung des Denk¬
mals sich vor dessen wenigstens theilweiser Freilegung nicht ge¬
winnen lasse, und dafs der Reichstag eine Verantwortung in der
Richtung der Vorlage der verbündeten Regierungen daher gegen¬
wärtig zu übernehmen nicht wohl in der Lage sei.
Ehreuhezeiguugeu. Dem Münster-Baumeister Prof. Beyer in
Ulm ist anläfslich der soeben stattgehabten Festfeier zur Vollendung
des Ulmer Münsterthurmes von Sr. Majestät dem König von Preufsen
der Kronen-Orden III. Klasse, von Sr. Majestät dem König von
Württemberg das Ehrenritterkreuz vom Kronenorden und vom Prinz¬
regenten von Bayern der Michael-Orden HI. Klasse verliehen worden.
Die philosophische Faeultät derUniversität Tübingen hat Herrn Beyer
zum Ehrendoctor ernannt.
In der Preisbewerbuiig für ein Kaiser Wilhelni-Deiiknial der
Provinz Westfalen auf dem Wittekindsberge der Porta Westfalica
bei Minden (vgl. S. 56 d. J.) sind bis zum Ablauf der Einlieferungs¬
frist am 30. V. M. im ganzen 56 Entwürfe eingegangen.
Die diesjährige (XIX.) Abgeordneten -Versaminlnng des Ver¬
bandes dentsclier Architekten- und Ingenieur-Vereine findet in Ver¬
bindung mit der anschliefsenden Wanderversammlung am 23. August
in Hamburg statt. Auf der Tagesordnung steht zunächst eine
Reihe geschäftlicher Angelegenheiten : Aufnahme der Vereinigung
Mecklenburgischer Architekten und Ingenieure, Vorlage der Ab¬
rechnung für 1889 und des Voranschlags für 1891, Antrag des Ver¬
bands-Vorstandes auf Regelung der Zahlung der Verbandsbeiträge,
einheitlicher Druck der Mitglieder-Verzeichnisse der Einzelvereine,
Wahl des Vororts für 1891/92, Wahl des Ortes für die nächste
Wanderversammlung und die Abgeordneten-Versammlung 1891, Er¬
richtung des Semper-Denkmals in Dresden, Verbreitung der Verbands-
Mittheilungen, Anstellung eines ständigen besoldeten Secretärs. Der
technisch-wissenschaftliche Theil der Tagesordnung enthält: Auf¬
stellung neuer Berathungs-Gegenstände für das Jahr 1890,91, An¬
fragen an die physicalisch-technische Reichsanstalt, Anschlufs der
Gebäude-Blitzableiter an die Gas- und Wasserröhren, Beseitigung
der Rauch- und Rufsbelästigung in grofsen Städten, Prüfung und
Berichterstattung über die im Entwürfe eines bürgerlichen Gesetz¬
buchs enthaltenen baurechtlichen Bestimmungen, Anfertigung einer
tabellarischen Zusammenstellung der in Deutschland gebräuchlichen
Hausteine, Einführung einer Einheitszeit für Deutschland.
Die neu erbaute Doinbrücke in Breslau, welche die Oder
zwischen Sand- und Dom -Insel überschreitet, wurde am 24. v. M.
dem Verkehr übergeben. Die Brücke hat zwei Oeff’nungen von je
25 m "Weite mit eisernem Ueberbau und bietet insofern Interesse,
als dabei die von Director Gerber für die Mannheimer Rheinbrücke
1887 in Vorschlag gebrachte Trägerform,*) für zwei Oeffnungen ent¬
sprechend abgeändert, hier zum ersten Male ausgeführt worden ist.
Die Dombrücke sieht in ihren Umrissen einer Kettenbrücke ähnlich,
deren Ketten von der Brückenmitte nach den Enden abfallen. Ueber
dem Mittelpfeiler ist ein verziertes schmiedeeisernes Portal angeordnet,
das auf beiden Seiten reich ausgebildete Fahnenstangen trägt. Zur
Einweihung war die Brücke festlich mit Laubgewinden und Kränzen
geschmückt. Die Eröffnung vollzog der Oberbürgermeister der Stadt
in Gegenwart von Vertretern des Magistrats, der Stadt-Baudeputation,
des Stadtbauamts, der Provincial- und Polizeibehörde und der bei
dem Bau betheiligten FTnternehmerfirmen. — s.
Büclierscliau.
ie fertigt mau techuische Zeichmingeul Leitfaden für Her¬
stellung von technischen Zeichnungen jeder Art von A. zur Megede
Königl. Regierungs -Baumeister. 3. vei-m. Auflage. Berlin 1890.
Polytechnische Buchhandlung A. Seydel. VHI u. 112 S. in 8®. Preis
1,60 Jf.
Nachdem der auf S. 39 Jahrg. 1888 d. Bl. angezeigten ersten
Auflage des empfehleuswerthen W^erkchens binnen Jahresfrist eine
zweite gefolgt ist, hat es jetzt bereits zum dritten Male gedruckt
werden müssen. Wurde in der zweiten Auflage unter Berücksichti¬
gung inzwischen erschienener Neuerungen und Verwerthung mit-
getheilter Erfahrungen der Stoff durch acht neue Unterabschnitte
erweitert, das Firmenverzeichnifs vervollständigt und ein Anhang
über die Behandlung von Baupolizei- und Patent-Zeichnungen bei¬
gefügt, so haben in der vorliegenden dritten, wieder um einige Unter¬
abschnitte vermehi'ten Auflage insbesondere die Fortschritte des
vaterländischen Gewerbtleifses auf den einschlägigen Gebieten Be¬
achtung gefunden.
Der Werth des kleinen Buches hat durch diese Vervollständi¬
gungen seines Inhaltes erheblich gewonnen, insbesondere für den
Ingenieur, für den es ein ausgezeichneter Rathgeber ist. Der
Architekt wird es mit einer gewissen Wahl zu benutzen haben, denn
für ihn wird sich, wie wir schon bei Besprechung der ersten Auflage**)
hervorhoben, immer gröfstmögliche Einfachheit und Knappheit der
Hülfsmittel empfehlen. Es ist ein Verdienst des Verfassers, dafs er
— selost Ingenieur — hierauf wiederholt hinweist. Wir hätten
diesen Hinweisen nur hier und da noch etwas Verschärfung ge¬
wünscht. So z. B. da, wo vom Reifszeuge und seiner Benutzung
die Rede ist (S. 23 u. 65). Der angehende Architekt wird vor dem
Gebrauche der runden Rieflerschen Reifszeuge und der Zirkel mit
sogenanntem ..Vaseukopf“, die für flottes Zeichnen nur hinderlich
sind, geradezu zu warnen und dahin zu berathen sein, dafs er sich
nur der alten schönen und bewährten einfachen Zirkelform bedient.
Aehnliches gilt von den Schienen und Dreiecken: Bewaffnet mit einer
unhandlichen und theuren Stellschiene und mit riesengrofsem
60° -Dreieck pflegen die Besucher der jüngeren Hochschul -Semester
sich in den ersten LTebungsstunden einzufinden, um bald zu erkennen,
dafs sie die Ausgabe für diese nebensächlichen Geräthe nahezu um¬
sonst gemacht haben und dafs eine leichte imd nicht zu lange ein¬
fache Schiene und ein mittelgrofses 45° -Dreieck das Werkzeug
sind, mit dem der Architekt fast überall auskommt und mit dem
allein er sich die erforderliche Handfertigkeit schnell anzueignen
vermag. — Den Abschnitt, in welchem (S. 5) gesagt wird, dafs der
Hochbauer zum bequemen Zeichnen der häufig vorkommenden Acht¬
ecke Dreiecke mit einem rechten Winkel, einein solchen von 22'/'2° und
einem von 67V2° verwende ebenso wie Dreiecke, „welche den Giebel¬
winkel der Antike enthalten“ (?), rathen wir zu streichen, dagegen die
„Punktirnadel“, welche auf S. 23 mit Recht als unbedingt noth-
wendiges Zeichengeräth mitaufgeführt ist, als eine einfache, für das
Schaubild-Zeichnen wie für das so häufig vorkommende Ziehen von
Strahlen nach einem Mittelpunkte unerläfsliche Nähnadel mit Siegel¬
lackkuppe zu erläutern.
So geringfügig die erwähnten Einzelheiten erscheinen, es ist auf
sie das gröfste Gewicht zu legen, und wenn wir sie hier erwähnen,
so möchten wir damit nur dem auf die Beibringung von Ergänzungen
gerichteten Wunsche des Herrn Verfassers entsprechen, entfernt da¬
von, den Werth seiner vortrefflichen Arbeit, die jedem Zeichner nur
Vortheil bringen wird, schmälern zu wollen. — d.
*) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung, 1887, Seite 430 u. f.
**) Jahrg. 1888, S. 39 d. Bl.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K e r sk es, Berlin.
281
CentraMatt der Baiiverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 12. Juli 1890.
Redaction; SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT; Amtliches: Personal -Nachrichten — Nichtamtliches: Bauten auf dem
FestpLatze des X. Deutschen Bundesschiefsens bei Berlin. — Staatliche Hochbauten
Im Grofslierzogthnm Baden. — Denkmal für Kaiser Wilhelm I. aut dem Kyflfhäuser. —
Ufersebutzbauten vor dem Wesselburener Koog iu Schleswig-Holstein. — Westthurm
des Münsters in Ulm (Schlafs). — HI. Nachtrag znm Reich.shaushalts-Etat für 1890/91.
— Frostbeständigkeit von Bausteinen. — Vermischtes: Ehrenbezeigungen. — Tech¬
nische Hochschule in Berlin. — Verkehr auf dem Main. — Feuerlöschgranaten. —
Weiche mit feststehender Zunge und beweglichen Backenschienen. — Bücli erschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preiifsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den Geheimen
Baurath Adolf Keller in Berlin zum vertragenden Rath im Mini¬
sterium der öffentlichen Arbeiten, ferner den Baurath Lund, Director
des Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amts in Gliiekstadt, und die
Eisenbahn-Maschineninspectoren Mohn, Mitglied der Königlichen
Eisenbahn-Direction in Bromberg, Brünjes, Mitglied der Königlichen
Eisenbahn-Direction in Magdeburg und Wittmann, Erster Vorstand
der Eisenbahn-Hauptwerkstätte in Witten, zu Eisenbahn-Directoren
mit dem Range der Räthe vierter Klasse zu ernennen, sowie dem
Königlich sächsischen Eisenbahn-Betriebs-Director Kr auf s e in Leipzig
den Rothen Adler-Orden IV. Klasse, dem Hofbaurath Kluge und
dem Stadtbaumeister Elberling in Altenburg den Königlichen
Kronen-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Der bisherige Regierungs -Baumeister Friedrich Hoffmann in
Potsdam ist als Königlicher Wasser-Bauinspector bei der Königlichen
Regierung daselbst angestellt worden.
Der Kreis-Bauinspector Baurath Brunner in Neu-Ruppin tritt
zum 1. August d. J. in den Ruhestand. Ueber die Wiederbesetzung
der erledigten Stelle ist bereits verfügt.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Regie¬
rungs-Bauführer Richard Wentzel aus Krotoschin (Ingenieurbau¬
fach); — Otto Wortmann aus Barmen, Heinrich Brohl aus Cleve,
Emst Bräuel aus Pieckei W.-Pr., Egon Rosenbaum aus Allen-
burg O.-Pr. und Bernhard Schwarz aus Naugard (Hochbaufach) ; —
Edmund Grosse aus Berlin und Heinrich Collins aus Annaberg,
Kreis Orteisburg (Maschinenbaufach).
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Alfred R ö s e
in Cassel ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst
ertheilt worden.
Der Eisenbahn -Maschineninspector Geitel, ständiger Hülfs-
arbeiter bei dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amt in Erfurt, der
Wasserbauinspector Burczek in Stendal und der Königl. Regierungs-
Baumeister Erwin Schultz sind gestorben.
Württemberg.
Seine Königliche Majestät haben Allergnädigst geruht, dem
Münsterbaumeister Professor a. D. Dr. Beyer in Ulm das Ehren-
Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone und dem
Regierungs-Baumeister Borkhard in Stuttgart den Titel eines Pro¬
fessors mit dem Rang auf der VIII. Stufe der Rangordnung zu ver¬
leihen, sowie die Stelle eines Bauraths bei der Königlichen Ministerial-
abtheilung für das Hochbauwesen dem Verweser derselben, Strafsen-
und Wasserbauinspector Leibbrand in Stuttgart zu übertragen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den ordentlichen Professor Dr. Karl Bücher an der Universität
Basel zum ordentlichen Professor der Volks wirthschaftslehre an der
technischen Hochschule in Karlsruhe zu ernennen.
Sachsen - Koburg - Gotha.
Seine Hoheit der Herzog haben dem Bezirksbauinspector Richard
Melot de Beauregard in Gotha das Dienstprädicat Baurath zu
verleihen geruht.
[Alle Eechte vorlbelialten.]
Mchtamtlicher Theil.
Redactenre: Otto Sarrazin nnd Oskar Hofsfeld.
Die Bauteil auf dem Festplatze des X.
In dieser Woche (6. bis 13. Juli) findet in Pankow bei Berlin
die Feier des X. Deutschen Bundesschiefsens statt. Wenn eine solche
in unserem Vaterlande seit jeher so volksthümliche Feier überall als
ein aufsergewöhnliches, umfangreiche Veranstaltungen erheischendes
Ereignifs betrachtet wird, so gewinnt das diesjährige Schützenfest
durch die Wahl Berlins zum Festort noch eine besondere Bedeutung,
einmal wegen der Stellung, die Berlin anderen Festorten gegenüber
einnimmt, dann aber auch wegen der aufsergewöhnlichen Betheiligung,
die dem X. Bundesschiefsen den Anmeldungen nach schon Monate
im voraus gesichert war. Darf doch kaum bezweifelt werden, dafs
der erfreuliche Zustrom von ausländischen Gästen aus Oesterreich-
Ungarn, Italien und America, aller anderen nicht zu gedenken, nicht
allein dem festlichen Zwecke, sondern auch der in jüngster Zeit so
schnell emporgeblühten Hauptstadt des neuen deutschen Reiches ge¬
golten hat. Sowohl die Leiter des Festes und die städtischen Be¬
hörden, denen hauptsächlich die Pflicht der Bewillkommnung und
Aufnahme der fremden Gäste oblag, als auch die Berliner Bürger¬
schaft sind sich dessen wohl bewufst gewesen, das zeigt die bei allen
Veranstaltungen hervorgetretene rege Betheiligung und die Bereit¬
willigkeit, zum Schmucke der Strafsen, welche die Schützenzüge
durchschreiten sollten, nach Kräften beizutragen. Ueber den Empfang
der Schützen, die verschiedenen Vorfeiern, insbesondere über den
durch seine künstlerische Ausstattung wie gewaltige Theilnehmerzahl
überraschenden Festzug haben die Tagesblätter ausführlich berichtet.
Keine geringe Schwierigkeit bot die für Berlin bekanntlich immer
sehr heikle Frage nach einem passenden Festplatze, vollends nach
einem solchen, der, wie in diesem Falle, eine bedeutende Ausdehnung
Deutschen Bundesschiefsens hei Berlin.
sowie mit Rücksicht auf die mit dem Schiefsen verbundenen Gefahren
auch eine möglichst abgesonderte, freie Lage haben mufste. Das
anfangs wegen seiner guten Verbindungen mit der Stadt in Aussicht
genommene Tempelhofer Feld konnte von den Militärbehörden nicht
zur Verfügung gestellt werden, sodafs sich schliefslich kein ge¬
eigneterer Platz als ein vor dem Schönhauser Thore auf halbem
Wege nach Pankow belegenes Grundstück gefunden hat. Bei dieser
Lage des Platzes mufsten freilich die aufserordentlichen Schwierig¬
keiten, welche die Bewältigung des Massenverkehrs an so welt¬
entrückter Stelle mit sich bringt, in den Kauf genommen werden;
abgesehen aber davon ist die Wahl als glücklich und passend zu
bezeichnen, vor allem wegen der Gröfse des Platzes, der sowohl für
die umfänglichen Vorkehrungen für das Schiefsen selbst, als auch
für bauliche Anlagen anderer Art, dem Vergnügen und der Erfrischung
gewidmet, reichlich Raum bietet. In der That tritt allein schon in
den Bauten des Festplatzes, die sich, von weitem gesehen, wie eine
kleine Stadt ausnehmen, der Charakter, den das Bundesschiefsen
nach aller Hoffen und Wünschen haben soll, der eines wirklichen
Volksfestes, klar und deutlich zu Tage.
Die Bauanlagen zerfallen in drei räumlich sowie ihrer Bestim¬
mung nach streng geschiedene Gruppen. Zunächst im Hintergründe
des Platzes die Gruppe der Schiefsstände mit der Schiefshalle und
den anschliefsenden Nebenbauten, davor liegt der eigentliche, noch
eingehender zu besprechende Festplatz mit seinen Baulichkeiten,
während sich seitwärts, durch einen schützenden Bretterzaun ge¬
schieden, ein reichlich ebenso grofser, lediglich für Volksbelustigungen
aller Art bestimmter Raum befindet. Schaubuden in dieser Zahl
282
Ceutralblatt der Bau verwaltuug.
12. Juli 1890.
und von dieser Vielseitigkeit des Inhalts haben sich hier am Ort
vielleicht noch niemals au einer Stelle zusammengefuiiden; sie be¬
seitigen, wie der Massenbesuch bereits vor den Festtagen gezeigt
hat, die hier und da geäufserten Zweifel, ob ein derartiges Jahrmarkts¬
treiben nicht vielleicht
doch schon als ver¬
altet zu bezeichnen
wäre und bei der durch
Schaustellungen der
verschiedensten Gat¬
tungen fortwährend in
Anspruch genommenen
Berliner Bevölkerung
noch auf Beifall zu
rechnen hätte. Einen
breiten Baum nehmen
wie billig die der Er¬
frischung gewidmeten
Anlagen ein. Bereit¬
willigst haben sieh
mehrere Berliner und
auswärtige Brauereien
in den Dienst der gu¬
ten Sache gestellt, ihre
weiträumigen , einla¬
denden Hallen verlei¬
hen die ermuthigende
Gewifsheit, dafs für
das leibliche Wohl
aller in entgegenkom¬
mendster Weise ge¬
sorgt ist. In vortheil-
haftester Lage, gerade
auf der Grenze zwi¬
schen dem sogenannten
Budeuplatz und dem
eigentlichen Festplatz
befindlich, sind sie von
beiden Seiten gleich
bequem zugänglich.
Beachtung durch ge¬
schickte Anordnung
und heitere Bemalung
verdienen die von dem
Architekten Laas er-
fAbb. 2. Querschnitt.
richteten Ausschankräume der Gräflich Eeischachschen und der
Brauerei Königsstadt, zwischen beiden liegt die einfache Hallen¬
anlage der Spandauer Bergbrauerei. Im Bewufstsein ihrer Volks-
Gabriel Seidl entworfene und von dem Zimmermeister Görisch aus¬
geführte Ausschank der Münchener Kindl-Brauerei hervor. Die Mitte
dieses Bauwerks nimmt ein thurmartiger Aufbau mit hohem Walm¬
dach ein, an den sich seitwärts in der Diagonale hinausspringende
Flügelbauten mit Hal¬
len anschliefsen , wel¬
che einen offenen Vor¬
platz umgrenzen. Mit
seinen mit Strohge¬
winden belegten Dä¬
chern, den frischen
' Farben des weifs
und grün gestrichenen
Holzwerks , den bunt¬
bemalten Scheiben und
Wappen trägt dieser
Bau ein heiteres und
ländliches, sehr ge¬
schickt seiner Bestim¬
mung angepafstes Ge¬
präge.
Wir kommen nun
zu den Bauwerken,
welche zum Schmucke
des eigentlichen Fest¬
platzes dienen. Ver¬
ständigerweise hat sich
die hiesige Schützen-
genosseuschaft für
diese Ausführungen,
bei welcher es sich mit
in erster Linie um
künstlerische Gestal¬
tung handelt, an ge¬
eignete Kräfte aus dem
Berliner Architekten¬
kreise gewendet. Die
Herren Crem er u.
Wolffenstein und
B. Sehring theilten
sich in die dankbare
Aufgabe, indem jene
die Herstellung der
grofsen Festhalle, die¬
ser das Festthor sowie
den zur Aufbewahrung und Ausstellung der zahlreichen Festpreise
bestimmten „GabentempeF' entwarfen.
In der Achse der Westseite des Festplatzes, an der Pankower
Abb. 1. Grundrifs.
thümlichkeit begnügt sich die Weifsbierwirthschaft der Willnerschen
Brauerei mit einem Ausschank im Freien, während eine Theebude
mit dem bunten chinesischen Kleinkram der Firma Taen Arr Hee
sich an nicht leicht zu übersehender Stelle ziemlich in der Mitte des
Festplatzes aufgethan hat. Als künstlerische Leistung ragt gleich
rechts vom Haupteingange der von dem Münchner Architekten
Chaussee, erhebt sich das stattliche Eingangsthor. Im Halbkreise
herumgeführte, zinnenbekrönte Mauern mit Thürmen an den Enden
— natürlich aus Holz und Leinewand mit Zuhülfenahme von Farben
hergestellt — rahmen einen breiten Vorplatz ein und führen auf das
wie der Eingang zu einer mittelalterlichen Burg ernst und trotzig
sich ausnehmende Thorgebäude hin. Der breite spitzbogige Eingang
Nr. 28.
283
Centralblatt der Bauverwaltung.
öffnet sich zwischen zwei Eckthiirinen , welche durch einen oberen
Laufgang in Form einer bedeckten Holzgalerie verbunden sind. Beim
Durchschreiten des Eingangs übersieht man den ganzen Platz mit
seinem fröhlichen Getümmel, doch ist der Blick zunächst vorwärts
durch die von Flaggen -Masten begrenzte Feststi-afse auf den in der
Mitte des Platzes befindlichen Gabentempel gerichtet. Auf einer
durch Freitreppen zugänglichen Terrasse, die ebenfalls durch Be¬
malung das Aussehen massiven Mauerwerks erhalten hat, erhebt
sich der von Glaswänden umschlossene Rundbau mit hohem,
baldachinartig nach aufsen vorspringendem Dache. Seine Spitze
bekrönt eine Fortuna- Figur, gewifs ein passendes Sinnbild für das
bei Preisvertheilungen zumeist ja so unsichere Geschick. Zur linken
uns wendend treten wir nunmehr vor die ihrer Gröfse nach alle
übrigen Baulichkeiten weit überragende Festhalle, unseres Erachtens
zugleich der gelungenste Theil der gesamten Anlage. Ein Vorzug
derselben springt wenigstens sofort in die Augen: der Bau, als eine
Augenblicksanlage, will nichts weiter scheinen als er ist. Wie alle
übrigen ist er nur aus Holz und Leinwand errichtet und zeigt dies
wie am Gabentempel der Hoftapezierer Fischer übernommen. Im
Aeufsern der Festhalle fällt zunächst der stattliche Vorbau mit dem
Haupteingange in die Augen. Ueber demselben erhebt sich bis zur
Höhe von 29 m ein Thurmbau mit oberer Galerie und steilem Walm-
dache, zwei angrenzende Ausbauten mit Verkaufshallen zu ebener
Erde leiten zu den niedrigeren Theilen über, welche die Kleider¬
gelasse enthalten. Zierliche Giebel umrahmen die der Strebecon-
struction entsprechend dreieckig geschlossenen Fensteröffnungen.
Den Abschlufs bilden auch hier Thurmbauten mit Galerieen und ge¬
brochenen Walmdächern. Zwei riesige, von Röchling gemalte
Schützenfiguren zieren die Vorderseite. Von gefälliger Wirkung ist
ferner die farbige Behandlung des Ganzen. Das Holzwerk hat einen
warmen gelblichen, die Constructionstheile und Gliederungen einen
braunrothen Ton erhalten, die Dächer der Thürme dagegen ein
leuchtendes, merklich von der Luft sich abhebendes Grün. Das
mittlere Thurmdach zeigt einen mächtigen schwarzen Reichsadler
lind einen Kranz bunt bemalter Wappentafeln. Zu allem tritt noch
der Schmuck farbiger Banner und Flaggen, sowie die Gewinde und
Abb. 3. Ansicht.
Festhalle des X. Deutschen Bundesschiefsens in Berlin.
auch, ohne sich dessen zu schämen. Abb. 1 bringt den Grundrifs,
Abb. 2 den Querschnitt, Abb. 3 endlich ein Bild der Gesamtanlage
von einem entfernteren Standpunkte aus gesehen. Der Bau von
rund 150 m Länge und 36 m Breite bildet eine dreischiffige, basilikal
abgestufte Halle von 17 m Höhe im Mittelschiffe. Nordwärts
schliefsen sich durch einen schmalen Hofraum geschieden die aus¬
gedehnten Küchen- und Wirthschafts - Räume an. Die Dachcon-
struction zeigt ein Sprengewerk mit seitwärts zur Erde geführten
Streben.
An den Ecken des Mittelschiffs erheben sich Thürme als feste
Widerlagspunkte, das Dach selbst ist mit Leinwand eingedeckt.
Die Beleuchtung bewirken an den Schmalseiten mächtige Bogen¬
fenster, im übrigen ist für Einführung von seitlichem Oberlicht der
ganze freie Raum zwischen den Constructionstheilen verfügbar ge¬
blieben. Die Oeffnungen sind mit in Oel getränkter Leinwand über¬
spannt, welche das Licht durchläfst und mit Ornamenten und
Wappencartuschen bemalt, von innen den Anschein farbiger Glas¬
fenster erweckt. Den sonstigen Innenschmuck bilden die Laub¬
gewinde, die an den Knotenpunkten der Construction aufgehängten
zahlreichen Banner und Wimpel, die Menge der von Fahnen um¬
kränzten Wappenschilder. In die Ausführung des Hallenbaues,
in der am Eröffnungstage 5500 Personen gespeist haben, theilten sich
die Zimmermeister Hesse, Krause und Küster. Die Malerarbeiten
hat der Maler Senft der Firma Bodenstein, die Tapezier arbeiten hier
Kränze von Laub und Tannenreis, um den Einklang mit dem bunten
Gewimmel der zahllosen auf dem Festplatze verstreuten Fahnen und
Wimpel herzustellen.
Am östlichen Ende des Platzes liegen, wie schon erwähnt, die
von dem Zimmermeister Görisch ausgeführten, sehr ausgedehnten
Schiefsstände — die gröfste Standlänge beträgt 300 m — mit den
umständlichen, zur Sicherung gegen abirrende Kugeln, zum Schutze
der Anzeiger sowie zur Anbringung der Scheiben erforderlichen
Zimmer- und Erdarbeiten. Die Stände, etwa 120 an der Zahl,
schliefsen an eine langgestreckte Halle an, zu welcher noch Ge¬
schäftsräume zur Leitung und Ueberwachung des Schiefsens, ferner
Aufbewahrungsräume für die Waffen und Kleider, Post- und Tele-
graphen-Aemter, endlich auch Erfrischungs-Anstalten hinzutreten.
Mit diesen Andeutungen dürfen wir uns hier begnügen. Wenn,
was nicht zu bezweifeln sein wird, die geschilderten baulichen An¬
lagen wesentlich zum glücklichen Gelingen des Festes, das am mor¬
gigen Tage seinen Abschlufs finden soll, beigetragen haben, so ver¬
dienen die Künstler und Techniker, die sie entworfen und ausgeführt
haben, den Dank aller, seien es nun Festgenossen oder blofse Be¬
sucher der Feier. Die Berichterstattung glaubt auch ihrerseits dieser
Dankespfiicht nachgekommen zu sein, indem sie das nach ihrem
Ermessen Bemerkenswerthe, soweit es der Raum an dieser Stelle
gestattete, durch Wort und Bild hervorzuheben und zur Kenntnifs
ihrer Leser zu bringen bemüht gewesen ist. R. B.
Centralblatt der Bauverwaltung.
12. Juli 1890
284
Die Bauthätigkeit auf dem Gebiete des
Nachdem in dem verflossenen Rechnungsjahre von gi'öfseren
Staats - Neubauten das Landesbad in Baden (Architekt: Durm,
398 000 Mark), das Amtsgerichtsgebäude in Baden (Durm-Kredell,
148 500 Mark), das hygienische Institut in Heidelberg (Durm-Koch,
82 000 Mark), das physicalische und f)hysiologische Institut in Frei¬
burg (Durm, 380 000 Mark), die Grofsherzogliche Kunstgewerbe¬
schule in Karlsruhe (Durm, 304000 Mark) und die evangelische
Kirche in Schopfheim (Durm, 302 000 Mark) ganz oder zum Theil
vollendet wurden, sind für das Rechnungsjahr 1890/91 zur Ausfüh¬
rung weiter genehmigt worden;
Nr.
1 Gegenstand.
Ort.
Bau¬
summe
Mark.
Arcliitekt.
1.
Palais für S.K.H.den
Erbgrofsh. von Baden
Karlsruhe
1 455 000
Baudir. Dr.Durm.
2.
Evangelische Kirche
Badenweiler
346 000
derselbe.
3.
Frauenbad
Baden
757 000
derselbe.
4.
Gymnasium
Heidelberg
479 000
derselbe.
5.
Amthausneubau
Constanz
140 000
Bauinspect. Braun
unter Mitwirk, der
Grofsh. Baudirect.
6.
Hauptsteueramtsgeb.
Constanz
250000
derselbe.
7.
Nebenzollamtsgebde.
Unter¬
uhldingen
15 200
derselbe.
8.
Amtsgefängnifs
Bonndorf
65000
Bauinsp.Nebenius
9.
Obereinnehmereigeb.
Donau-
eschingen
67 600
derselbe.
10.
Hauptsteueramts- u.
Amtsgerichtsgebde.
Saeckingen
123 000
Nach Skizzen der
Baudirection,Bau-
meisterForschner.
11.
Amthaus
Lörrach
112 000
Bauinsp. Schöpfer.
12.
N ebenzollamtsgebde.
Leopoldshöhe
10 325
derselbe.
13.
Hörsaalbau des
patholog. Instituts
Freiburg
15 000
Bauinspector
V. Stengel.
14.
Vergröfserung der
medicin. Klinik
Freiburg
13 000
derselbe.
15.
Aufseherwohnungen
Freiburg
19 000
derselbe.
16.
Obereinnehmereigeb.
Achern
64 500
Bauinspect. Ebert.
17.
Krankenbaracken
Illenau
43 000
derselbe.
18.
Forsthaus
Ettlingen
60 000
Bauinsp. Kredell.
19.
Hauptsteueramtsgeb.
Karlsruhe
255 000
Baurath Dycker¬
hoff.
20.
Erweiterung des
Finanzministerialgb.
Karlsruhe
59 000
derselbe.
21.
Dienstgebäude der
Steuerverwaltung
Karlsruhe
130 000
derselbe.
22.
Amtsgefängnifs-
vergröfserung
Karlsruhe
30 000
derselbe.
23.
Turnhalle beim
Seminar II.
Karlsruhe
20 000
Ober-Baurath
Lang
24.
Kirche im l./andes-
gefängnifs
Bruchsal
15 000
Bauinspect. Beck.
25.
Obereinnehmerei- u.
Forsteigebäude
Sinslieim
85 500
Bauinspect. Koch.
26.
Erweiterung des
ehern. Laboratoriums
Heidelberg
285 000
derselbe.
Hochbaues im Grofsherzogthum Baden.
Nr.
Gegenstand.
Ort.
Bau¬
summe
Mark.
Architekt.
27.
Hörsaalneubau der
medicin. Klinik
Heidelberg
82 000
Nach Plänen der
Baudirection von
Bauinspect. Koch.
28.
Amthaus
Weinheim
80 000
Bauinsp. Hendrich
29.
Wohngebäude für
Zollbedienstete
Mannheim
180 000
derselbe.
30.
Magazingebäude
beim Landesgefängn.
Mannheim
38 000
derselbe.
31.
Heil- u. Pflegeanstalt,
Weiterbau
Emmendingen
372 000
Bauinsp. Schäfer.
32.
Chirurg. Klinik,
Ausbau
Freiburg
95 000
Ober-Baurath
Lang
33.
Baugewerkschule
Karlsruhe
280 000
Director Kircher.
Dazu kommen für Bauunterhaltungen noch gegen 1 000 000 Mark.
Für Wiederherstellungen von alten Baudenkmälern sind
reichlichere Mittel bewilligt worden, und zwar für die Schlofscapelle
in Krautheim (Uebergangsstil), für die Abteikirche in Schwarzach
(Romanisch), für das Amtsgebäude, früher Basler Hof, in Freiburg
(Renaissance).
Von gröfsern Bauausführungen sind noch in Aussicht ge¬
nommen eine katholische Kirche in der Wiehre-Freiburg mit 1500
Sitz- und 1000 Stehplätzen und der Ausbau des Galeriegebäudes in
Karlsruhe.
Die Grofsherzogliche Eisenbahnverwaltung bringt zur
Ausführung im kommenden Rechnungsjahre:
Nr.
Gegenstand.
Ort.
Bau¬
summe
Mark.
Bemerkungen.
1.
Kleinkinderschuie b.
den Dienstwohngn.
Mannheim
33 000
Arch: Ober -Bau¬
rath Heinrich
2.
Beamten- u. Arbeiter¬
wohnungen
Mannheim
77 000
und
Bauinsp. Ziegler.
3.
Umbau d. Bahnhofes
Pforzheim
462 000
betr. grofsentheils
Schienenverleg, u.
Grunderwerb.
4.
Telegraphenwerkst.
Karlsruhe
188 000
—
5.
Bahnhof-Neubau
Baden-Baden
1 289 000
einschl. Geleise¬
anlagen und
Grunderwerb.
6.
Dienst- u. Wohngeb.
Freiburg
54000
—
7.
Neuherstellung, Erweiterungen und
Veränderungen
366 740
Dazu rechnen sich noch verschiedene Ausführungen der katho¬
lischen und evangelischen Kirchenbauinspectionen, welche der Bau-
direction nicht unterstellt sind, und die Ausführungen der Militär¬
verwaltung, welche z. Z. in Karlsruhe eine gröfsere Cadettenanstalt
und Cavalleriecaserue mit Verwaltungsgebäuden ausführt.
Die Staatsbauthätigkeit im Grofsherzogthum Baden ist daher zur
Zeit eine recht erhebliche.
Das Denkmal für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyffliäuser
Die Hoffnung
unserer Väter auf
das Kommen einer
Zeit der Wieder¬
vereinigung aller
deutschen Stämme
zu einem einzigen,
grofsen Volke hat
in der Kyffhäuser-
Sage ihren leben¬
digen Ausdruck ge¬
funden. Darum
steht unter den
Plätzen , die zur
Aufnahme eines
Denkmals für unseren unvergefslichen Heldenkaiser Wilhelm I.
würdig und geeignet sind, der Gipfel jenes Berges obenan, in dessen
verborgenem Schlosse dem Volksglauben nach der stolzeste der
Hohenstaufischen Kaiser, Friedrich Barbarossa, zu langem Schlafe
sich niedergesetzt, um erst bei der Wiederkehr eines anderen deut¬
schen Reiches von neuer Kraft und Herrlichkeit eine glänzende Auf¬
erstehung zu feiern. Als die Krieger Kaiser Wilhelms I. den Gedanken
erfafsten , ihrem gewaltigen kaiserlichen Heerführer, unter dessen
Fahnen ihnen so oft Sieg auf Sieg geworden, ein Ehrendenkmal
zu errichten, da haben sie mit der Bestimmung des Kyffhäuser-
Berges als Standort für dasselbe wahrlich einen vortrefflichen Griff
gethan. Dort, im Herzen deutschen Landes aufgerichtet, wird der
Bau dastehen als die greifbare Versinnbildlichung dafür, dafs alle
die hehren und frommen Wünsche, welche in dem Herzen unserer
Voreltern trotz aller seit dem Tode Kaiser Rothbarts über das Vater¬
land dahingezogenen schlimmen Zeiten wach geblieben sind, endlich
doch eine frohe Erfüllung gefunden haben.
Dem von seiten des geschäftsführenden Ausschusses der Vereine
ehemaliger Soldaten gegen Ende vorigen Jahres an die deutschen
Architekten und Bildhauer ergangenen Aufrufe um Einsendung von
Plänen für ein solches Denkmal sind zwar verhältnifsmäfsig nur
wenige Künstler*) gefolgt. Trotzdem darf der Ausschufs mit Be¬
friedigung auf das erzielte Ergebnifs hinblicken, denn der Wett¬
bewerb hat ihm unter den eingegangenen Entwürfen einen Vorschlag
von so glücklicher Eigenart geliefert, dafs mit diesem die Frage
über die dem beabsichtigten Denkmale zu gebende Gestaltung einer
*) Wir führen hier in Ergänzung unserer Mittheilung auf S. 267
d. ,1. noch an, dafs uns als Verfasser des Entwurfs Nr. 21 „Deutsche
Soldaten“ der Königliche Regierungs-Baumeister F. v. Mauikowsky
in Berlin genannt worden ist.
Abb. 1. Ansicht des Berges von Sittendorf aus.
Sr. 28.
Oentralblatt der Bauverwaltung.
285
ungewöhnlich günstigen Lösung nahe geführt erscheint. Wohl selten
hat, wie in dem vorliegenden Falle, der Spruch eines Preisgerichts
so allgemeinen Beifall gefunden. Schon die flüchtige Durchmusterung
der eingelieferten Pläne und Modelle, welche gegenwärtig iin Landes-
Ausstellungsgebäude der öffentlichen Besichtigung zugänglich ge¬
macht sind, läfst erkennen, wie weit der mit dem ersten Preise aus¬
gezeichnete Entwurf
von Bruno Schmitz
die Arbeiten aller an¬
deren Wettbewerber
überragt; und der von
demselben sogleich
gewonnene fesselnde
Eindruck wird ver¬
stärkt, je mehr man
in eine nähere Prü¬
fung dieser ausge¬
zeichneten Kunstlei¬
stung eintritt.
Wie die Abb. 3
ersichtlich macht, er¬
strebt Schmitz in der
Gesamtanordnung sei¬
nes Planes einen mög¬
lichst engen Anschlufs
an die alte Burgan¬
lage auf dem Gipfel
des Berges, wobei er
davon ausgeht, den
Zugang zu letzterer
von dem Platze her zu
nehmen, auf welchem
sich der alte vorhan¬
dene Thurm erhebt,
dessen Erhaltung das
Programm der Preis-
Ausschreibung aus¬
drücklich forderte.
Von dort soll der
Weg über eine den
ehemaligen Burggra-
hen überspannende
Brücke nach dem durch die neu aufzurichtenden alten Burgmauern
eingesehlossenen und prächtig auszubildenden Schlofsgarten oder
Festplatz hinführen, um alsdann den Zugang zu dem als unter¬
irdisches Schlofs Barbarossas gekennzeichneten Unterbau des neuen,
in seinem Mittelpunkte das Standbild Kaiser Wilhelms T. tragenden
„Eeichsthurmes“ zu
gewinnen. Wir kön¬
nen uns in der Be¬
schreibung der Ein¬
zelheiten des geni¬
alen Entwurfs mit
Rücksicht auf die hier
heigefügten Abbil¬
dungen dieser
Stelle kurz fassen.
Von dem Vorplatze
des Denkmals betritt
der Wanderer zu¬
nächst einen Ter¬
rassenbau, in dessen
Mitte ein aus dem
Gestein des Berges
herausgesprengter
Schlofshof von vier¬
eckiger Gestalt ange¬
ordnet liegt. Die hier
gewonnenen Steine
sollen zum Bau des
Denkmals Verwendung finden. In dem Hofe fällt das Auge des Be¬
schauers sogleich auf eine das unterirdische Euhegemach Friedrich
Barbarossas andeutende Eundbogennische, in welcher die mächtige
Gestalt des alten, Reichsapfel und Scepter in den Händen haltenden
Kaisers sitzt. Auf breiten Treppenanlagen gelangt man sodann zu der
Hoch- Terrasse mit dem neuen Thurmbau von wuchtiger Erscheinung,
der, fast noch einmal so hoch wie der alte Thurm, einfach und grofs, in
derben Formen der romanischen Bauweise behandelt ist und als eine ge¬
waltige, über den Zinnen mit der Eichenlaubumwundenen Kaiserkrone
geschmückte Warte weit in das deutsche Land hinausschäut. Dem
Thurine ist in der Mitte der Hauptfront gegen eine halbrunde Aus-
nischung ein nach vorn halbkreisförmig endigender Sockel für das
Standbild des hoch zu Rosse haltenden Kaisers Wilhelm vorgebaut.
Zu beiden Seiten der in der militärischen Tracht unserer Tage dar¬
gestellten Reiterstatue lagern die Idealgestalten der die Thaten des
gefeierten Herrschers verzeichnenden Geschichte und des mit Schild
und Schwert ausge¬
rüsteten Kriegsgottes.
Den Fufs des Denk¬
mals schmücken ma¬
lerisch gruppirte Waf¬
fen- und Kriegszei¬
chen. Der in stolzer
Ruhe zu Pferde
sitzende Kaiser senkt
mit der Rechten, wie
nach vollbrachter
That , das Schwert
nach unten, während
er mit der Linken das
Rofs zügelt.
In einem zweiten
Vorschläge (vgl. das
Schaubild, Abb. 2) will
Schmitz das Denkmal
so aufgestellt wissen,
dafs dessen Haupt¬
front gegen Osten
sieht, von woher als¬
dann auch der vor¬
nehmste Zugang zu
demselben erfolgen
müfste.
Dem Verfasser des
Entwurfs hat, wie er
seihst bezeugt , als
Ziel vorgeschwebt,
ein Erinnerungs- und
Sieges -Denkmal der
Nation zu erdenken,
das die Bethätigung
des Dankes für den
Gründer der deutschen Einheit und zugleich die Wehrhaftigkeit und
Gröfse des neuen Kaiserreichs zum treffenden Ausdruck bringt. Diese
Absicht hat er unzweifelhaft mit seltenem Geschick erreicht und wir
können nur die Hoffnung ausspreclien, dafs es gelingen möge, die
Ausführung des Entwurfes bald verwirklicht zu sehen. Freilich wäre
hierbei in erster Reihe
nöthig, als Standort
des Denkmals die
Kyft’häuser-Burg un¬
ter allen Umständen
festzuhalten, und nicht
etwa nach einem an¬
deren Platze — es
wurde letzthin in
manchen Kreisen die
Ansicht laut, es sei
besser, die Sitten-
dorfer Höhen, eine
mittlere Erhebung
des Gebirgszuges zu
wählen — auszu¬
schauen. Bei solcher
Veränderung würde
nicht nur der schöne
Schmitzsche Entwurf,
der seinem ganzen
Wesen nach in der
Eigenthümlichkeit je¬
ner sagenumwobenen Kyffhäus er- Stätte wurzelt, zum besten Theile hin¬
fällig werden; es verschwände für das Denkmal auch der poesievolle
Reiz, welcher ihm nach den bisher bekannt gewordenen Absichten
der Betheiligten durch die Vereinigung mit dem von unserem Volke
treu gepflegten Glauben verliehen werden soll, als sei der Einiger
des neuen deutschen Reiches eben jener Held und Herrscher, auf
dessen Erscheinen der edle, im Schlummer von seiner mühevollen Ar¬
beit ausruhende Hohenstaufen-Kaiser viele Jahrhunderte hindurch ge¬
duldig geharrt hat. P. K.
Nachdruck der drei Abb. verboten. Photogr. Aufnahme v. 6. J. Junk, Berlin.
Abb. 2. Schaubild.
Denkmal für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyfihäuser.
Abb. 3. Lageplan.
286
12. Juli 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Uferschutzbauten vor dem Wesselburener Koog in Schleswig -Holstein,
lu deu Jahren 1886 — 1889 wurde das durch die Eider stark an¬
gegriffene Vorlandufer des Wesselburener Koogs (Provinz Schleswig-
Holstein) mit Erfolg durch eine Deckungsart geschützt, welche wegen
der Einfachheit ihrer Herstellung sowohl als auch wegen ihrer
Billigkeit der Mittheiluug werth erscheint. Iin wesentlichen bestand
diese vom Herrn Geheimen Baurath Fülscher angegebene Ufer¬
deckung aus einer Reihe durch Schüttung von Ziegelbrocken her¬
gestellter Buhnen (Steiurippen), welche sämtlich an einem über dem
gewöhnlichen Niedrigwasser liegenden, gleichfalls aus Ziegelbi'ocken
angelegten Parallelwerke deu laudseitigen Anschliffs fanden. Ein
solcher \Tferschutz war bereits an der Stör, einem in der Nähe von
Glückstadt mündenden Nebenflüsse der Elbe, mehrfach zur Ausfüh¬
rung gekommen und hatte sich dort gut bewährt. Doch waren an
der vorliegenden, nahe der Seeküste belegenen Baustelle ungleich
stärkere Angriffe zu erwarten. Zur Erläuterung der für diese Ufer¬
strecke weiterhin in Frage kommenden Verhältnisse mögen unter
Hinweis auf deu beigefügien Uebersichtsplan, Abb. 1, nachstehende
Angaben vorausgeschickt werden.
Das Vorland des Wesselburener Koogs bildet das holsteinsche
U^fer der Aufseneider, welche abwärts von dem genannten Vorlaude
als Watteustrom auftritt und etwa 20 km von dieser Stelle in die
Nordsee mündet. Das einbuehtende Ufer des Stromes an der vor¬
springenden Ecke des Wesselburener Koogs hatte sich in den
letzten Jahren stetig schärfer ausgebildet. Seit 1876 war die Eider
hier um 225 m in der Richtung auf deu Deichfiffs vorgerückt. Mithin
betrug der jährliche Abbruch des hohen, etwa 0,5 m über gewöhn¬
lichem Hochwasser sich erhebenden Vorlandes durchschnittlich 25 ni.
Noch während des Beginns der Bauausführungen im Frühjahr 1886
wmrde festgestellt, dafs in einem Zeiträume von vier Wochen die
grüne Kante des im Abbruch befindlichen Ufers um 6,5 m zurück-
gewicheu war. An der gefährdetsten Stelle hatte sich die Vorland¬
breite bereits bis auf 100 m vermindert. Es war hiernach dringend
geboten, dem bedrohenden Vorgänge entgegenzutreten.
Gegen die Angriffe
des an der Küste bei
westlichen Winden auf¬
tretenden kräftigen Wel¬
lenschlages lag die Bau¬
strecke, wie ausderUeber-
sichtskarte erhellt, nicht
sehr ungünstig. Zudem
wirkte der Wellenschlag
höherer, über das Vorland
steigenden Fluthen nur
kurze Zeit zerstörend auf
die Uferböschung. Der
bei jeder Tide sich hart
an dem Klaiufer bewe¬
gende kräftige Strom voll¬
führte in erster Linie den
Abbruch des Ufers, indem
er, fortwährend den Fufs
der Böschung angreifend
und unterspülend, nach
und nach das Einstürzen
der oberen Theile des
Uferrandes verursachte.
Die Stromgeschwindigkeit
wurde an dieser Stelle bei
mittlerer Tide zu 1,37 m
in der Secunde ermittelt.
Abb. 3 giebt einen Quer¬
schnitt einer im starken
Abbruch befindlichen
Uferstelle. In einem Ab¬
stande von 35 m von der
Niedrigwasserlinie waren
meistens schon die gröfsten
Tiefen 7 bis 8 m bei
Niedrigwasser vorhanden,
welche von hier aus nach
dem gegenüberliegenden,
etwa 300 m entfernten
Niedrigwasserufer in sanf¬
ter Ansteigung auf die Watthöhe ausiiefen.
Für das erste Baujahr war die Deckung einer 600 m langen
Uferstrecke an der bedrohten Stelle vorgesehen. Die Arbeiten be¬
gannen im April 1886. Mittels der vorerwähnten Schüttungen von
!
Ziegelbrocken wurden zunächst die buhnenartigen Rippen, 4 m breit i
und 0,5 m stark, in einer Länge von 35 m von Niedrigwasser bis zur 1
Stromtiefe reichend, rechtwinklig zu der jeweiligen Uferstrecke, und j
zwar in Abständen von 30 m von Mitte zu Mitte eingebracht. Nach- j
dem ein Theil der Steinrippen fertiggestellt war, wurde gleichzeitig j
die Ausführung des Parallelwerks betrieben. Dasselbe i’eichte im |
Anschliffs an die Rijipen von der Niedrigwasserlinie bis auf 1,8 m j
über Niedrigwasser. Die Ziegelbrocken wurden auf der 1 : 3 geneigten j
Uferböschung in einer Stärke von 0,4 m bis 0,6 m fest verpackt. Den ,
oberen Abschlufs des Parallelwerks bildete eine Faschinenwurst von
0,6 m Durchmesser; 1,7 m lange, in Abständen von 0,4 m einge¬
rammte Stakpfähle sicherten die feste Lage der Wurst. Zur '
Verhinderung der Unterspülung der letzteren durch Wellenschlag
und das zurückfliefsende Wasser wurde ein Steinzwickel derselben i
vorgeschüttet. Ferner erschien es zur Sicherung des Werkes ge¬
boten, das Parallel werk an einzelnen Stellen durch Steinschüttungen
von 4 m Breite und 0,4 m Stärke mit der grünen Uferkante in Ver¬
bindung zu bringen, um den zur Hochwasserzeit oberhalb des
Parallelwerks gehenden Strom zur Verhütung von Abspülungen an
dieser Stelle zu unterbrechen. Es wurden im ganzen fünf solcher
oberen Uferanschlüsse in Aussicht genommen.
Ueber die Ausführung der A.rbeiten sei folgendes bemerkt:
Die Verschüttung der Steine für die unter Niedrigwasser liegenden
Rippen geschah unmittelbar aus den Schiffen, welche die Ziegel¬
brocken theils von benachbarten Ziegeleien, theils von den in Ham¬
burg gelegentlich der Zollanschlufsbauten niedergelegten Gebäuden
der Baustelle zuführten. Die Ausschüttung jeder Rippe begann von
der Niedrigwasserlinie und schritt allmählich nach dem Kopfe vor.
Das Fahrzeug war aufser der Schiffskette durch ein Vordertau sowie
durch ein Hintertau und durch vier Seitentaue festgelegt. Die seit¬
lichen Landtaue wurden in der Regel an besonderen, am Lande ein¬
geschlagenen Pfählen befestigt, die übrigen Ketten und Taue im
Strome verankert. Das parallel zum Strome und über der durch
Baken am Lande bezeich-
neten Rippe solcher Art
festgelegte Schiff wurde,
nachdem eineRippenläuge
von 0,5 m fertig geschüttet
war durch Einholen bezw.
Losgeben der betreffenden
Seiteutaue um 0,5 m in der
Längenrichtung der Rippe
weiter seitlich bewegt.
Die 4 m breiten und 0,5 m
starken Rippen erforder¬
ten auf 0,5 m Länge 1 cbm
Ziegelbrocken, welche in
14 Körben verpackt an der
Langseite des Schiffes
nach der bestimmten Stelle
versenkt wurden. Der zu
versenkende Korb wurde
von zwei Arbeitern erfafst,
lothrecht ins Wasser ge¬
lassen und am Grunde an¬
gelangt von einem dritten
Arbeiter durch eine Leine,
welche unter dem Boden
des Korbes befestigt war,
gekippt. Während man
die Körbe bei Stauwasser
senkrecht über der Stelle,
an welcher die Steine zu
lagern waren, hinabliefs,
betrug die Abtrift der
Körbe bei gröfster Tiefe
(bis 7 m unter Niedrig¬
wasser) und stärkster
Strömung etwa 5 m. Das
V erbleiben der ausge¬
schütteten Steine wurde
durch fortwährende Pei¬
lungen festgestellt und
hiernach für jeden Fall an
der Schiffsreling der Punkt durch einen Kreidestrich bezeichnet, an i
welchem der Korb zu versenken war. Bei der erwähnten Wassertiefe
wurde zeitweise ein Verholen des Schiffes in der Stromrichtung nöthig.
Die Ausführung des Parallelwerks bot keine Schwierigkeiten.
Die
Eider
Ebbe
Abb. 2. Lageplan der Uferschutzwerke vor dem Wesselburener Kooge.
Abb. 3. Querschnitt des Strombettes an der Abbruchstelle.
I
Mr. 28.
Centralblatt der Baiiverwaltung,
287
Die Faschinenwurst wurde in Längen von 12 bis 15 m auf dem
Lande fertig gebunden, zur Ebbezeit verlegt und gegen den Auftrieb
der nächsten Fluth durch eine ausreichende Anzahl eingeschlagener
Stakpfähle sogleich gesichert. An den Stöfsen der Wurst wurde das
keilförmige Stamm-Ende des letzten Stückes in das Wipfel-Ende des
vorhergehenden eingeschoben.
Nachdem nach Verlauf von zwei Monaten 15 Steinrippen vollendet
waren, zeigten sich die ersten Veränderungen im Strombette.
Zwischen den unteren fünf Kippen hatten sich erhebliche Ver¬
tiefungen ausgebildet, die auch ein Abbrechen der über dem Ebbe¬
spiegel befindlichen Uferböschung zur Folge hatten. Obgleich die
entstandenen Austiefungen gegen die benachbarten Steinrippen eine
steile Böschung annahmen, wurde an den letzteren selbst keine Ver¬
änderung wahrgenommen. Diese Tiefenzunahme am Fufse der
Böschung war indessen
nicht nur auf der Bau¬
strecke, sondern in glei¬
chem Mafse auch unter¬
halb derselben beobachtet
worden. Es war die ge¬
wohnte Angriffswirkung
des Stromes, welche bei
dem angenommenen Ab¬
stande der Rippen von
30 m sich noch geltend
machte. Die Vertiefungen
zwischen den Rippen
erstreckten sich bis auf
20 m vom Ufer aus. Sie
waren am stärksten in
nächster Nähe der Ufer¬
böschung und liefen all¬
mählich in der Richtung
nach dem Strome auf die
frühere Flufssohle aus.
Auf die genannte Länge
wurde das Strombett in
ganzer Fläche mit einer
0,4 m starken Ziegel¬
brockenschicht bedeckt,
wodurch weitere Auskol¬
kungen für die Folge ver¬
hütet sind. Im Laufe
der Arbeiten begann auch
zwischen den nächsten,
ob erhalb liegenden Ripp en
eine Zunahme der Tiefen,
jedoch in geringerem
Grade, aufzutreten. Hier
hat man durch Einlegung je einer Zwischenrippe das weitere Vor¬
dringen der Stromtiefen aufgehalten. Diese Erfahrungen haben dazu ge¬
führt, für die Fortsetzung der Uferschutzwerke die Abstände der Stein¬
rippen auf 15 m von Mitte zu Mitte zu ermäfsigen. Die in solchen Ab¬
ständen angelegten Steinrippen haben sich auch nach den Erfahrungen
der nächsten Baujahre als eine genügende Abwehr gegen das Vorrücken
des kräftigen Stromes erwiesen. Ihre Haltbarkeit ist einmal bedingt
durch die geringe Höhe der Werke von 0,50 m. Hierdurch bieten
sie dem Strome nur eine geringe Angriffsfläche und vermindern den
Ueberfall, welcher bei dem leicht beweglichen Flufsboden im Laufe
der Zeit den Einsturz höherer Werke zur Folge haben würde. In
zweiter Linie trägt der zwischen den Fugen der Steinschüttung sich
lagernde Schlick dazu bei, den Rippen einen festen Halt zu geben.
Die Schlicklagerung verkittet die einzelnen Steine der Schüttung und
gestaltet das Werk zu einem festen Körper. In gleicher Weise gilt
dies für das Parallelwerk. Nur an der Oberfläche verhindert der
tägliche Strom und der Wellenschlag eine Ablagerung der Sinkstoffe.
Die Endpunkte der Baustrecken haben einen zwickelartigen bis
auf die halbe Rippenlänge hinabreichenden Steinbewurf erhalten,
um den Sti'om möglichst sanft nach der gedeckten Uferstrecke hin¬
zuleiten.
Im Jahre 1886 wurde infolge der Verwendung des verfügbaren
Materials zu den eingelegten Zwischenrippen sowie zu den sonst be¬
sprochenen Sicherungsarbeiten statt der geplanten Deckungslänge
von 600 m nur eine Länge von 450 m ausgebaut. In den beiden
folgenden Jahren ist die Verlängerung des Schutzwerkes noch ober¬
halb und unterhalb zur Ausführung gebracht, wodurch im ganzen
eine Uferlänge von 1140 m befestigt worden ist. Während des
Sommers 1889 wurden einzelne zwischen den oberen Rippen einge¬
tretene Vertiefungen durch Steinschüttungen gesichert.
Die Anschlufsstellen der in den Jahren 1887 und 1888 ausge¬
führten Werke, welche gegen die Fluchtlinie des Werkes vom Jahre
1886 zurückspringen, zeigen, in welchem Mafse die nicht geschützte
Uferstrecke in der zwischenliegenden Zeit noch dem Abbruch aus¬
gesetzt gewesen ist. Aus dem Lageplane ist fernerhin ein Zurück¬
gehen der oberen Uferkante ersichtlich. Die im Jahre 1886 nach
der Vorlandhöhe geführten Verbindungsrippen haben den Anschlufs
mit derselben verloren.
Indessen vermindert sich
mit fortschreitendem Ab¬
bruch die Höhe der obe¬
ren Uferkante. Da ferner
die Uferböschung ober¬
halb der Faschinenwurst
eine feste, gleichmäfsige
Sandablagerung aufweist,
so steht zu erwarten, dafs
im Laufe der Zeit hier
eine flache Böschung ge¬
schaffen wird, welche be¬
fähigt ist, den bestehen¬
den Angriffen gegenüber
sich zu halten.
Die Kosten der 1140 m
langenUferdeckung haben
in den drei Baujahren
einschliefslich der in die¬
sen Jahren aufgewendeten
Beträge für die Unter¬
haltung der Werke
111 000 Mark betragen.
Dieser Kostenbetrag mufs
nach Lage der Verhält¬
nisse als sehr gering be¬
zeichnet werden, wie sich
am besten daraus ergiebt,
dafs die zur Deckung der
betreffenden Uferstrecke
früher aufgestellten, aber
nicht verwirklichten Pläne
einen Kostenaufwand von
weit über eine Million
Mark beanspruchten. Die Ausgaben für die Unterhaltung waren
bisher nicht unbedeutend. Es sind jährlich Nachschüttungen für das
Parallel werk erforderlich gewesen, da im Winter das Eis, welches
bei der Ebbe sich dort ablagert, mit der Fluth wieder forttreibt und
dabei einige Ziegelbrocken mit fortzuführen pflegte.
Auch haben einzelne Stellen des Uferabhanges zwischen den
Rippen der nachträglichen Sicherung durch Steinschüttungen bedurft.
Dies gilt namentlich für den im Jahre 1888 ausgeführten Theil der
Schutzstrecke. Die in den früheren Jahren eingebrachten Steinrippen
sind indessen schon mit einer Schlicklage bedeckt, wie durch Pei¬
lungen vom Frühjahr 1889 festgestellt und bei tief abfallender Ebbe
an den Anschlüssen wahrzunehmen ist. Hier werden Unterhaltungs¬
arbeiten voraussichtlich nicht mehr erforderlich sein.
Die Uferdeckung hat demnach ihren Zweck vollkommen erfüllt
und es kann damit die Gefahr, welche dem erst vor etwa zwanzig
Jahren eingedeichten Wesselburener Koog sehr nahe drohte, als be¬
seitigt angesehen werden.
Die Kosten zum Bau und zur Unterhaltung dieser Werke hat,
abgesehen von einem Beitrage, welchen der zunächst betheiligte
Wesselburener Koog hergegeben hat, die Landschaft Norder-Dith¬
marschen getragen.
Grünthal i. Holstein. Kohlenberg,
Königl. Reg.-Baumeister.
Der Westthurm des Münsters in Ulm.
(Schlafs.'
Ein Hauptinteresse in bautechnischer Hinsicht nimmt die Aus¬
führungsweise der Thurmpyramide in Anspruch. Wir haben schon
angedeutet, dafs die Rippen derselben nicht in geraden Linien, son¬
dern mit sanfter Schweifung nach innen aufsteigen. Es ist dies
eine schon von Böblinger geplante Anordnung, die jetzt aber eine
dahingehende Aenderung erfahren hat, dafs die Einziehung nicht haupt¬
sächlich in die unteren Abschnitte des Helmes, sondern nach der Spitze
hin verlegt ist. Denkt man in der Richtung der Rippen vom Fufse
der Pyramide gerade Linien einmal nach der Galerie des Helmkranzes
und ein zweites Mal nach dem höchsten Punkte des Thurmes ge-
288
12. .Iiili 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
zogen, so ermitteln sich die gröfsten Einziehungen der Rippen gegen
jene Linien auf etwa 15—20 cm im ersteren, und auf 80 cm im andern
Falle. Diese der spätgothischen Bauweise eigenthümlichen Einwärts¬
krümmungen wirken ungemein günstig und tragen wesentlich mit zu
dem ruhigen und befriedigenden Eindruck bei, welchen die Gesamt¬
erscheinung des Thurmes hervorruft — vorläufig allerdings nur
erst in dem Modelle, da der Bau von dem Gerüste noch zumeist
bedeckt wird. Eine andere Abweichung von dem Böblingerschen
Entwürfe besteht darin, dafs die ehemals achteckigen und nur in
den oberen Theilen durchbroclien gedachten Schneckenstiegen neben
dem Achtecksbau jetzt im Grundrifs sechseckig geformt und von
unten bis oben durchbrochen gearbeitet sind. Böblinger wollte sie
in Höhe des Beginns der Helmpyramide in Plattformen geendigt
wissen, um, ganz im Sinne der Kunst- und Denkweise seiner Zeit,
bestimmt ausgesprochene Absätze in der Umrifslinie seines Thurmes
zu erzielen, ähnlich wie bei dem Uebergange des massigen Unter¬
baues von viereckiger Gestalt zum Achtecksbau; in dem alten
Originalrifs von ihm findet sich an diesen Stellen je eine Trompeter¬
gestalt gezeichnet. Dergleichen Lösungen entsprechen jedoch nicht
dem ästhetischen Empfinden der Neuzeit, die darin unzulässige
Härten erblickt und überall auf sanft vermittelte Uebergäuge hin¬
drängt. Und doch ist es oftmals schwierig genug, die Gefahr
zu vermeiden, dafs mit der fliefsenden Linienführung nicht flaue
und weichliche Formen-Gestaltungen zu Tage kommen, wie der¬
gleichen selbst die Thürme des Kölner Domes aufweisen. Beyer
hat offenbar dieser Gefühlsrichtung unserer Zeit Rechnung tragen
wollen, als er die Schneckenstiegen des Achtecksbaues oben durch
Baldachine mit stumpfen Spitzhelmen krönte. Wie wir hören, soll dem¬
nächst auch die von Böblinger unzweifelhaft mit voller Absichtlichkeit
erstrebte scharfe Scheidung des Unterbaues vom achtseitigen Aufbau
in ähnlicher Art durch Fialen- oder Baldachin-Aufsätze „vermittelt'‘
werden; vielleicht jedoch erfährt der wichtige Umstand, dafs mit
dem Verschwinden des Böblingerschen Gedankens das Bauwerk zu¬
gleich eine w’erthvolle, aus seiner Baugeschichte erwachsene Eigen¬
artigkeit auf immer verlieren würde, an mafsgebender Stelle noch
einmal nähere Erwägung.
Für die Erscheinung der Wimpei’gskränze des Helmes ist be-
merkenswerth, dafs die Kielbögen nicht, wie man glauben sollte, aus
der senkrechten Ebene nach aufseu hinausgebogen sind. Eine solche
Anordnung würde die Arbeit des Steinschnitts aufserordentlich er¬
schwert haben. Sie liegen vielmehr in diesen Ebenen selbst und
stellen sich im Grundrisse durch gerade Linien dar. Nur der Gegen¬
satz, welcher zwischen einer derartigen Ausbildung der innerhalb
lothrechter Flächen ausgeschweiften Bögen einerseits und dem schräg
aufsteigenden Körper der Thurmpyramide mit ihren nach innen ein-
gezogenen Rippen anderseits zum Ausdruck kommt, erweckt in
dem Auge den Eindruck, als wären die Wimperge aus dem Helme
nach Bogenformen hervorgekragt. Nicht minder mit Rücksicht auf
möglichst bequeme Ausführung hat Beyer bei dem Helm -Aufbau
grundsätzlich durchweg wagerechte Fugenrichtungen für die Lage¬
rung der Steine angewendet, auch an denjenigen Stellen, wo sich
verhältnifsmäfsig spitze Winkel ergaben und die Gefahr leichten
Ausspringens des Materials an den Kanten nahegerückt erschien.
Die Verklammerung der Werkstücke untereinander ist bei allen be¬
sonders gefährdeten Bautheilen durch Dübel aus Bronce, im übrigen
drrrch solche aus verzinktem Eisen bewirkt. Die mächtigen Stein¬
blöcke des obersten, undurchbrochen belassenen Abschnittes der
Thurmspitze sind, wie auch in unserer Abbildung 5 zur Darstellung
gebracht, mittels einer lothrechten, nach unten durch ein schweres
Gewicht belasteten Ankerstange verbunden. Die Pyramide trägt die
Hauptverankerung an ihrem Fufs-Ende, woselbst das kräftige Rippen-
gewölbe ansetzt, auf dem die Wendeltreppe im Innern des Helms
sich erhebt. Dort ist ein geschlossener Ring aus 10 cm starken
Rundeisenstangen mit Kniestücken in dem Rippen-Mauerwerk und mit
Muffen-Verschraubungen verlegt, um angezeigtenfalls die Spannung
des Ankers vermehren zu können. Die Muffen sind indessen nicht
unmittelbar zugänglich gemacht, da bei der gewählten Ausführungs¬
weise und bei der geschützten Lage des Eisens eine irgend erheb¬
liche Bewegung desselben als ixnwahrscheinlich betrachtet wird.
Man hat sich damit begnügt, Bogenstücke und Muffen in Asphalt
so zu verlegen, dafs auf alle Fälle einiger Spielraum für die Aus¬
dehnungen und Zusammenziehungen des Spannrings gewahrt bleibt.
Im übrigen hat der Helm genau wie der Achtecksbau in mehreren
Höhenlagen Verankerungen erhalten, bei denen die Ankereisen immer
von einem Sjxarrensteine der Rippen zum andern bezw. von einem
Eckpfeiler des Achtecks zum nächstfolgenden hinüberreichen, ohne
aber zu festen Ringen mit einander verbunden zu sein.
Was das Baumaterial der neuen Ausführungen betrifft, so hat
für die feineren und der Witterung stark ausgesetzten Stücke bester
Obernkirchener Sandstein von im allgemeinen hellgrauer, hin und
wieder leicht gelblicher Farbe, für die anderen Theile dagegen
grauer, grobkörniger Keupersandstein vom Neckar (aus den Brüchen
von Schlaitdorf bei Herreudort) Verwendung gefunden; von dem erst¬
genannten Stein bezahlt man in Ulm auf dem Bauplatze das Cubik-
meter mit etwa 105 Mark, von dem andern mit 75 Mark. Der Neckar¬
stein ist übrigens neben dunkelgelbem Lias -Sandstein vom Nord-
abhange der Alpen schon bei den unteren Thurmabschnitten benutzt
worden. Vorläufig heben sich die hellen Flächen der neuen Bau-
theile von der dunklen Tönung der alten noch ziemlich auffallend
ab, einigermafsen zum Nachtheile der erstrebten Einheitlichkeit in
der Gesamtwirkung des Bauwerks; indessen lehrt ja die Erfahrung,
wie bald die Natur es versteht, den erwünschten Ausgleich herbei-
zuführeu.
Das Material wird mit Hülfe einer Gaskraftmaschine gehoben,
wobei die Einrichtung in der Weise getroffen ist, dafs, sobald
oben ein in die Höhe geschafftes Werkstück zur Abgabe gelangt,
unten ein anderes zur Hebung bereit gestellt werden mufs. So er-
giebt sich gewissermafsen ein Betrieb ohne Ende, der die Arbeiter
zu reger Thätigkeit anhält; gewöhnlich gelingt es, innerhalb zweier
Stunden so viel an Steinen zu fördern, als während eines Tages
oben verarbeitet werden kann. Dabei ist die Rüstung ungemein
einfach und zweckmäfsig eingerichtet. In dem Dache über der nörd¬
lich an den Thurm grenzenden Capelle findet sich eine Klappen¬
vorrichtung, durch welche die Werkstücke bis auf die Plattform am
Fufse des Achteckbaues hindurchgeschafft werden; hier gelangen sie
auf eine Rüstung, die sich im Achteck kreuzförmig hochbaut und in
den einzelnen Stockwerken Geleisanlagen, Drehscheiben usw. besitzt,
um das Material nach den rüstungsfreien Hohlräumen zu schaffen,
in denen die Weiterförderung sich ohne Schwierigkeiten bewerk¬
stelligen läfst.
Auch am Thurme ist noch ein ziemlich bedeutendes Stück zu
bewältigender Arbeiten übrig geblieben; dahin gehört vornehmlich
das Versetzen von allerhand krönendem Spitzenwerk, ferner das
Einziehen der Thurmgewölbe und ähnliche Ausführungen, die ein
nur ganz allmähliches Niederlegen der Gerüste erlauben. So mag
immerhin noch eine geraume Zeit verstreichen, bevor sich der ge¬
waltige Thurm völlig von den Gerüsten befreit den Blicken wird
darbieten können. Allein schon heute tritt seine in hohem Mafse
gelungene Gestaltung unverkennbar in die Erscheinung, lautes
Zeugnifs ablegend von der seltenen Schaffenskraft des hochbegabten
Künstlers, der mit kühnem Muthe das dem Untergange nahe Münster
zu Ulm in seinem schönsten Schmucke, dem Westthurme wieder her¬
gestellt hat und der es dann verstanden, mit edler Selbstverleugnung
jenes ehrwürdige Baudenkmal der Vergangenheit ganz im Sinne der
Väter glücklich zu vollenden. Dafs dieses aufserordentliche Unter¬
nehmen so herrlich gelungen, mufs aber nächst der Thatkraft des
genialen Beyer noch der Wirksamkeit des Hofbaudirectors v. Egle
zugeschrieben werden, jenes unermüdlichen, allzeit bereiten Rath¬
gebers der Ulmer Dombauhütte, zu welchem so viele Jünger der
Baukunst in Schwaben, und unter diesen, wahrlich nicht in letzter
Reihe, die Dombaumeister von Ulm aus neuerer Zeit als zu ihrem
Lehrer und Meister in warmer Verehrung auf blicken.
Man liebt es, unsere Zeit als eine allzu materielle zu bezeichnen,
die für Ideale auf den Gebieten der Kunst kein volles Verständnifs
mehr besitzt. Das Münster zu Ulm in seiner heutigen Gestalt legt
erneut Zeugnifs davon ab, wie auch unserem Geschlechte hehre Be¬
geisterung und Hingabe nicht mangeln, sobald nur Aufgaben von
wahrhafter Kunstbedeutung sich einstellen, die Herz und Geist ge¬
fangen zu nehmen wissen. Alsdann fehlen auch die berufenen
Meister nicht, solche Aufgaben der rechten Lösung zuzuführen.
Möge die heilige Flamme der Begeisterung für die Wiederherstellung
und Vollendung der herrlichen Baudenkmäler unserer Altvordern
mit der Beendigung der Arbeiten am Dome der alten Donaustadt
Ulm nicht erlöschen, sondern an den dort erreichten, bewunderungs¬
würdigen Erfolgen vielmehr neue Nahrung schöpfen, immer weiteren
Zielen nachzustreben. Küster.
Aus dem III. Nachtrag zum Reichsliaushalts-Etat für 1890/91,
welcher dem deutschen Reichstage unter dem 26. v. M. zugegangen
ist, theilen wir nachträglich diejenigen Beträge mit, welche in dem¬
selben für bauliche Zwecke, und zwar im aufserordentlicben Etat
für Bauausführungen der Verwaltung des Reichsheeres, sowie zur
Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes vorgesehen sind.
Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die anschlagmäfsigen Ge¬
samtbaukosten; die zum ersten Male auftretenden Posten sind durch
ein Sternchen * hervorgehoben.
Jfr. 28.
Centralblatt der Bauverwaltung.
289
Einmalige Ausgaben für die Bauausführungen der Verwaltung
des Reichsheeres.
Aufserordentlicher Etat. l8iW/9l Gesamt-
treten Qiuzu kosten.
a. Preufsen. ji jn
=*=1. Zur Herstellung der dringendsten Magazin¬
anlagen für den erhöhten Brod- und Fou-
ragehedarf in Düsseldorf, Dt. Eylau, so¬
wie zur Errichtung von Garnison-Bäcke¬
reien in Lissa und Dt. Eylau, 1. Rate (für
Entwurf) . 14 000 (280 000)
*2. Neubau und Ausstattung eines Beklei¬
dungsamts für das 17. Armeecorps in
Danzig, 1. Rate (für Grunderwerb und
Entwurf) . 50 000 (475 000)
*3. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
eine reitende Abtheilung Feld-Artillerie
in Potsdam, 1. Rate (für Entwurf) ... 6 000 (925 000)
*4. Desgl. in Gumbinnen . 6 000 (820 000)
*5. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für eine fahrende Abthei¬
lung Feld-Artillerie in Bromberg, 1. Rate
(für Entwurf) . 10 000 (824000)
6. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Pionier -Bataillon — früher für zwei
Pionier-Compagnieen — in Stettin, einschl.
der Ausstattung für den Bataillonsstab
und zwei Compagnieen bezw. der Aus¬
stattungsergänzung für zwei Compagnieen,
2. Rate (noch für Entwurf und zum Bau¬
beginn) . 84000 (1071000)
*7. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
den Stab einer Abtheilung, die Mann¬
schaften von zwei fahrenden Batterieen und
die Pferde von einer fahrenden Batterie
Feld- Artillerie in Schweidnitz, einschl. der
Ausstattung bezw. Ausstattungsergänzung
für je eine Batterie, 1. Rate (für Entwurf)
5 000
(406 000)
*8. Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Caserne nebst Zubehör für eine reitende
Abtheilung Feld-Artillerie in Düsseldorf,
1. Rate (für Entwurf) .
6 000
(789 000)
*9. Desgl. für eine fahrende Abtheilung Feld-
Artillerie u. den Regimentsstab in Itzehoe,
1. Rate (für Entwurf) .
10000
(965 000)
*10. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
eine fahrende Abtheilung Feld -Artillerie
in Celle, einschliefslich der Ausstattung
für eine fahrende Batterie, 1. Rate (für
Entwurf) .
10 000
(809 000)
*11. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für den Stab eines Train-
Bataillons und eine Train -Compagnie in
Darmstadt, 1. Rate (für Entwurf) . . .
5 000
(372 000)
*12. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
eine reitende Abtheilung (3 Batterieen)
Feld- Artillerie in Hanau, einschliefslich
der Gerätheausstattung für eine Batterie,
1. Rate (für Entwurf) .
10 000
(1 127 000)
*13. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für eine fahrende Abthei¬
lung Feld -Artillerie in Danzig, 1. Rate
(für Entwurf) .
6 000
(664 000)
14. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Train-Bataillon zu drei Compagnieen
— früher Neubau von Stallungen nebst
Zubehör für die Pferde von zwei Train-
Compagnieen — in Danzig, einschliefslich
der Ausstattung für den Bataillonsstab
und eine Compagnie bezw. der Aus¬
stattungsergänzung für zwei Compagnieen,
2. Rate (für Grunderwerb) .
50 000
(974000)
*15. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
eine reitende Abtheilung Feld- Artillerie
in Dt. Eylau, 1. Rate (für Entwurf) . .
6 000
(808 000)
*16. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für eine fahrende Abthei¬
lung Feld - Artillerie in Marienwerder,
1. Rate (für Entwurf) .
10 000
(937 000)
*17. Zur Errichtung von Mannschafts- und
Stallbaracken auf vorhandenen fiscalischen
bezw. zu erpachtenden Grundstücken . .
480 000
(480 000)
*18. Neubau, bauliche Herstellungen und Aus¬
stattung von Stallungen für die bei der
Cavallerie und Feld-Artillerie eintretende
Etatsverstärkung an Pferden, 1. Rate . .
100000
(300 000)
*19. Zum Neubau bezw. zu baulichen Her¬
stellungen von Reitbahnen und Mon-
Zu übertragen
868 000
Füi- 1890/91 Gesamt¬
treten hinzu kosten.
Ueb ertrag 868 000
tirungskammern , sowie von Menage -An¬
stalten in solchen Orten, in denen Natural¬
quartier für die Truppen nicht in An¬
spruch genommen wird . 830 000 (830 000)
*20. Zum Bau eines Wagenhauses bezw. zur
Vergröfserung der vorhandenen Wagen¬
häuser in Königsberg i. Pr . 41 400 (41 400)
*21. Desgl. in Alt-Damm . 125100 (125 100)
22. Zum Bau eines Wagenhauses in Danzig
bezw. zur Vergröfserung des daselbst in
Aussicht genommenen Baues . 83 700 (83 700)
*23. Zur Herstellung der dringendsten Magazin¬
anlagen für den erhöhten Brod- und
Fouragebedarf in Colmar, Bisch weil er,
Hagenau u. Dieuze, 1. Rate (für Entwurf) 17 000 (570 000)
*24. Neubau und Ausstattung eines Beklei¬
dungsamts für das 16. Armeecorps in Metz,
1. Rate (für Grunderwerb und Entwurf) . 50 000 (475 000)
*25. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Cavallerie-Regiment in Dieuze, 1. Rate
(für Entwurf) . 15 000 (2 540 000)
*26. Desgl. für eine reitende Abtheilung Feld-
Artillerie in Saarburg, 1. Rate (f. Entwurf) 6 000 (950 000)
*27. Neubau' und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für eine fahrende Abthei¬
lung Feld -Artillerie in Hagenau, 1. Rate
(für Entwurf) . 10 000 (935 000)
*28. Desgl. für ein Train-Bataillon zu 2 Com¬
pagnieen — früher für eine Train -Com¬
pagnie — in Forbach, 2. Rate (noch für
Grunderwerb und Entwurf) . 25 000 (672 000)
*29. Desgl. für eine fahrende Abtheilung und
für die Verstärkung zweier vorhandenen
fahrenden Batterieen Feld - Artillerie in
Metz, 1. Rate (für Entwurf) . 10 000 (751 000)
*30. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
eine fahrende Abtheilung Feld-Artillerie
in Mörchingen, 1. Rate (für Entwurf) . . 10 009 (1 096 000)
*31. Desgl. für ein Regiment Infanterie in Metz,
1. Rate (für Entwurf) . 15 000 (3172 000)
*32. Zur Errichtung von Mannschafts- und
Stallbaracken auf vorhandenen fiscalischen
bezw. zu erpachtenden Grundstücken . . 1944 000 (1944000)
*33. Neubauten, bauliche Herstellungen und
Ausstattung zur Unterbringung der bei den
Cavallerie-Regimentern und einer Anzahl
Batterieen eintretenden Etatsverstärkung
an Mannschaften und Pferden, 1. Rate (für
Grunderwerb, Entwürfe und Baubeginn) 300 000 (800 000)
*34 Zum Neubau bezw. zu baulichen Herstel¬
lungen von Reitbahnen und Montirungs-
kammern sowie von Menageanstalten in
solchen Orten, in denen Naturalquartier
nommen wird . 570 000 (570 000)
b. Sachsen.
*35. Zum Neubau von Geschütz- und Kammer¬
schuppen für Artillerie- Abtheilungen, ein-
schliefslich Grunderwerb und Ausstattung 150 0(X) (150 000)
*36. Zum Neubau von Gebäuden zur Unter¬
bringung des ruhenden Artilleriematerials
für 2 Artillerie-Abtheilungen, 1. Rate . . 50 000 (100 000)
c. Württemberg.
*37. Zur Errichtung von Magazingebäuden für
den vermehrten Brod- und Fouragebedarf
in Ludwigsburg . 36 000
*38. Zum Neubau und zur Ausstattung eines
Casernements nebst Zubehör für eine Feld-
Artillerie- Abtheilung mit drei Batterieen
auf hohem Etat in Ludwigsburg, 1. Rate
(zum Grunderwerb, zur Entwurfsbearbei¬
tung und zum Beginn der Bauarbeiten) . 200 000 (1 125 000)
*39. Zum Neubau von Stallungen sowie zur
baulichen Instandsetzung und Ausstattung
vorhandener Gebäude für die Casernirung
der hinzutretenden Mannschaften u. Pferde 225 000
Summe 5 581 200
Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes.
Für die Vervollständigung des deutschen Eisenbahnnetzes im
Interesse der Landesvertheidigung trägt das Reich vorbehaltlich der
noch ausstehenden endgültigen Feststellung der Bausummen an Her¬
stellungskosten:
290
12. Juli 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
*1) Herstellung zweiter Geleise
Lissa-Posen . 1722 000 Jtt ( 2 870 000)
Neiinkirchen-Schleifmühle-Saardamm
(Forbach) . 2 010000 ( 3 350 000)
Rubnow-Neustettin-Konitz .... 6136000 ( 767000{))
*2) Besondere örtliche Ergänzungsanlagen
(Ladevorrichtungen , Kreuzungsge¬
leise usw.) . . 1 5l4 000 ( 1 902 740)
Zu übertragen 11 382 000
Ueb ertrag 11382 000 J(
*3) Projectbearbeitung für den Umbau der
schiefen Ebene bei Neuenmarkt-
Marktschorgast ......... 20000 Jl
*4) Bau einer festen Weichselbrücke bei
Fordon . . 6 300 000 Jl (10 500 000)
Summe 17 702 000
Das Erfordernifs für das erste Jahr ist auf 10 305 000 JC be¬
messen worden.
Yersiiclie über die Frostbeständigkeit natürlicher und künstlicher Bausteine.
Unter obigem Titel veröffentlicht Herr Professor Bauschinger
in München vier Reihen von Versuchs-Ergebnissen'), vvelche hier kurz
besprochen sein mögen. Die erste Versuchsreihe lehnt sich an bereits
früher von Herrn Dr. Blüincke angestellte Versuche, deinen Ergebnisse
in die Tabelle mit aufgenommen sind, an und umfafst 39 natürliche
Bausteine, von welchen je einige rauh bearbeiteten Würfel von
8 cm Seitenlange auf specifisches Gewicht (durch Eintauchen in
Wasser und durch Ausmessen bestimmt), auf Wasseraufnahme in
Volumen-Procenten, auf Gewichtsverlust durch Gefrierenlassen, Aus¬
sehen der Probestücke nach dem Gefrieren und Druckfestigkeit
parallel zur Lagerrichtung im lufttrockenen und mehrfach ausge¬
frorenen Zustande geprüft wurden. Da alle diese Versuche nur an
einzelnen, unter der Luftpumpe oder durch Berieseln mit Wasser
getränkten Versuchsstücken ausgeführt wurden, so ist den Ergeb¬
nissen derselben eine hohe Bedeutung nicht beizumessen, wie auch
Professor Bauschinger selber in der einleitenden Beschreibung der
Versuche ausspricht. Immerhin haben aber diese Versuche aufs
neue bewiesen, d.afs die blofse Beobachtung der Aufsenseite der ge¬
frorenen Proben luid die Feststellung des Gewichtsverlustes ebenso¬
wenig zur Beurtheilung der Frostbeständigkeit der Bausteine aus¬
reicht, wie der Vergleich der Festigkeiten lufttrocken und wassersatt
und der aus ihnen hervorgegangene Tetmajersche sog. Beständigkeits-
coefficient.2)
Auch das Gefrieren der Probestücke im Freien, wie es früher
von Professor Bauscliinger geübt wurde, führt zu unzuverlässigen
Ergebnissen, weil die Temperatur im Winter selten sehr schnell
einen niedrigen Stand erreicht, stark schwankt und deshalb leicht
bald eine gröfsere, bald eine geringere als die beabsichtigte Wirkung
äufsert. Bei späteren Gefrierversuchen hat deshalb Prof. Bauschinger
sich des von Dr. Blümcke construirteu Eiskastens 3), sowie eines
weiteren von einfacherer Bauart bedient, welcher dem in der Kgl.
preufs. Prüflings - Station für Baumaterialien von Prof. Dr. Böhme
eingeführten, von mir a. a. 0.“') beschriebenen ähnelt.
Aus den Blümckeschen Versuchen, über welche Prof. Bauschinger
berichtet, geht hervor, dafs 1) die Frostwirkung abhängig ist von der
Art und Weise, wie der Stein mit Wasser getränkt wurde, denn es
leuchtet ein, dafs Steine, die nur einige Stunden ins Wasser gelegt
und dabei sogleich ganz untergetaucht werden, erheblich weniger
Wasser aufnehmen, als wenn sie Gelegenheit erhalten, dasselbe län¬
gere Zeit hindurch capillar aufzusaugen, oder als wenn sie gar unter der
Luftpumpe mit Wasser gesättigt werden; 2) dafs die Frostwirkung
um so gröfser wird, je öfter man das Gefrierenlassen wiederholt.
Den letzteren FTmstand versucht Herr Bauschinger damit zu erklären,
dafs nicht mit Nothwendigkeit ein Stein bereits nach der ersten Frost¬
einwirkung eine wesentliche Lockerung seines Gefüges erleiden
müsse, dafs aber eine solche Lockerung auch äufserlich erkennbar
unzweifelhaft bei fortgesetzter Frosteinwirkung (bis zu 100 und mehr
Gefrierungen) endlich eintreten müsse. Da eine Grenze in der An¬
zahl der Gefrierungen bei der grofsen Verschiedenheit unserer Bau¬
steine unmöglich zu bestimmen ist, nimmt Herr Bauschinger ein für
alle mal 25 Gefrierungen als Normalmafs an. Berücksichtigt man,
dafs jeder Würfel nach jedesmaligem Gefrierenlassen wieder auf-
gethaut und demnächst in eine neue Kältemischung gebracht werden
mufs, so ist leicht ersichtlich, welche grofsen Opfer an Zeit und Geld
derartige Versuche erfordern würden, namentlich wenn man die Ver¬
suche, was für die Gewinnung zuverlässiger Ergebnisse von hohem
Werthe ist, auf eine gröfsere Anzahl, etwa 10 Versuchskörper jeder
Reihe ausdehnt. In der preufsischen Prüfungs-Station sind seit vielen
Jahren Prostversuche an Bausteinen angestellt worden, welche nur
einmal dem Frost ausgesetzt wurden, und es hat sich gezeigt, dafs
jeder, auch der festeste Stein, schon bei einmaligem Gefrieren einen
Festigkeitsverlust erleidet, der im Vergleich zu dem Festigkeits-
1) Vergl. Mittheilungen aus dem mech.-techn. Laboratorium der
Kgl. techn. Hochschule in München. 19. Heft 1889. Theod. Acker¬
mann, München.
2) Vergl. Mittheilungen der Anstalt zur Prüfung von Bau¬
materialien im eidgenöss. Polytechnicum in Zürich. 1884. 1. Heft,
S. 31 ff.
3) Vergl. Centralblatt der Bauverwaltung 1885, S. 379.
^) Centralblatt der Bauverwaltung 1887, S. 372.
vertust anderer Steine sehr wohl einen Schlufs auf die gröfsere-
oder geringere Frostbestäudigkeit zuläfst,^) auch wenn die Frost¬
einwirkung äufserlich an dem Stein selbst nicht erkennbar ist. Für
Versuche, welche der Praxis dienen sollen, wird es sich kaum ermög¬
lichen lassen, mit der Feststellung der Ergebnisse bis zum Abschlufs
von 25 Gefrierungen zu warten.
Herr Bauschinger kommt in seiner weiteren Abhandlung zu dem
Ergebnifs, dafs die Steine, unter dem Recipienten der Luftpumpe
mit Wasser getränkt, nur selten dem Froste widerstehen, dafs daher
diese Behandlung eine zu strenge ist und dafs als das beste und
natürlichste Verfahren das langsame Eintauchen der Steine in Wasser
zu empfehlen ist. Die Richtigkeit dieser Schlüsse geht aus einer be¬
sonderen Versuchsreiche hervor, die sich über je einen Granit, Jura¬
kalk, Buntsandstein, Schilfsandstein, Grünsandstein und drei Ziegel¬
steingattungen erstreckt. Von diesen sind nur Granit und Buntsand¬
stein nach Wassersättigung unter der Luftpumpe und 25maligem
Gefrieren äufserlich unversehrt geblieben, die übrigen Würfel sind!
bereits nach mehrmaligem Gefrieren zersprengt worden.
In einer weiteren umfangreichen Tabelle hat Herr Professor
Bauschinger die Ergebnisse der Versuche mit 21 Sorten natürlicher
Bausteine zusammengestellt, die unter grofsem Aufwand von Zeit
und Sorgfalt unter genauer Beobachtung der Vorschriften der Mün¬
chener Conferenzen''), welche bekanntlich das 25malige Gefrieren¬
lassen und die Anstellung der Druckversuche in der Lagerrichtung
und senkrecht zum Lager vorschreiben, ausgeführt wurden. Die-
Wassersättigung der Steine erfolgte durch langsames Eintauchen.
Die Versuche erstreckten sich auf: Material und Fundort, speci¬
fisches Gewicht, Druckfestigkeit trocken, Wasseraufnahme in Vo¬
lumen-Procenten, Druckfestigkeit nafs, Verhalten und Aussehen der
Probekörper während und nach 25maligem Gefrieren, Verlust an im
Wasser löslichen und unlöslichen Bestandtheilen, Volumenänderung
und Druckfestigkeit nach dem Frost.
Diesen Versuchen wurden je 3 bis 6 Würfel der folgenden Ge¬
steinsarten unterworfen ;
1) 1 niederbayei’ischer Granit,
2) 1 Dolorit,
3) 1 Diorit,
4) 1 Kalkstein (weifser Jura),
5) 7 bayerische und 1 badischer Buutsandstein,
6) 3 bayerische Sandsteine,
7) 3 ., Keupersandsteine,
8) 3 Molassensandsteine (Echelsbach b. Weilheim).
Den natürlichen Gesteinen schliefst sich noch eine ganze Reihe-
künstlicher Steine an. Interessant ist, dafs Herr Professor Bauschinger
bei jeder Steinsorte sein Urtheil über deren Frostbeständigkeit hinzu¬
gefügt hat, welches natürlich zunächst nur ein persönliches sein kann,
da bestimmte Zahlen und Merkmale für Frostbeständigkeit oder
Frostunbeständigkeit noch nicht bekannt sind. Wir erfahren aus-
den Bauschingerschen Versuchen, dafs sich von den oben angeführten
21 Steinsorten mehr oder minder, d. h. nach allen Merkmalen oder
nur nach den meisten, sechs als frostbeständig erwiesen haben, näm¬
lich die oben unter 2) und 3) angeführten Gesteine, ferner der badische
und zwei bayerische Buntsandsteine und 1 Sandstein von Burg-
preppach. Bedingungsweise noch als frostbeständig wurden be¬
funden: der schwarzweifse Granit von Egg bei Deggendorf, die Bunt¬
sandsteine von Mömlingen und von Hain, der Keupersandstein von
Ebelsbaeh, also vier Gesteine, während nicht ganz frostbeständig
ebenfalls vier, der Buntsandstein von Grofsheubach, der Keupersand¬
stein aus dem Sassendorfer Bruch und zwei Molassen-Sandsteine be¬
zeichnet werden. Nicht frostbeständig waren: Kalkstein vom Biesen-
bachthale, Buntsandstein von Iphofen und Kleinwallstadt, Sandstein
von Wehrhof und Behrbach, brauner Keupersandstein von Wasser-
tründingen und der dritte Molassen-Sandstein, also sieben Gesteine.
^) Vgl. Mittheilungen aus den Kgl. techn. Versuchs -Anstalten.
1889. 2. Ergänzungsheft. Verlag von Jul. Springer, Berlin.
Gary: Zur Frage der Frostbeständigkeit der Bausteine. Central¬
blatt der Bauverwaltung 1887, S. 371.
Beschlüsse der Conferenzen in München und Dresden über
einheitliche Untersuchungs-Methoden bei der Prüfung von Bau- und.
Constructions-Materialien. München 1887. Theod. Ackermann..
h\ 28.
Centralblatt der Bauverwaltung.
291
Der hohe Procentsatz der nur bedingungsweise oder nicht frost¬
beständigen Steine kann nicht übeiTaschen, wenn man die überaus
scharfe Inangriffnahme durch 25 Gefrierungen bei einer jedesmaligen
Temperatur von — 10 bis — 15° C. berücksichtigt. Von 41 Ma¬
schinen- und Handstrichsteinsorten haben diese harte Probe nur
drei Sorten bedingungslos und acht Sorten theilweise bestanden.
Was die Festigkeit im lufttrockenen Zustande der von Bau-
schiuger untersuchten natürlichen Gesteine anbelangt, so berechnet
rsich im Mittel, und senkrecht zur Lagerrichtung beansprucht:
Granit (6 Versuche)
Dolerit (.3 Versuche)
Diorit (3 Versuche) . .
Kalkstein (6 Versuche) .
Sandstein (51 Versuche)
auf 1601 at.
1877
2337
1073
744
Diese Ergebnisse stimmen mit den von mir aus den Versuchen
der preufsischen Prüfungs - Station ermittelten Näherungswerthen
überein.'^)
Schliefslich umfafst das 19. Heft der Bauschingerscheu Mittheilungen
noch eine Eeihe von Versuchen, angestellt mit Probestücken von
Mauerwerkskörpern, die Herr Baumeister Büchner in Würzburg vor
strenger Kälte anfertigen liefs, um den Einflufs wiederholter Fröste
auf dieselben zu erfahren. Die Probekörper zeigten beim Zerdrücken
keine wesentlichen Unterschiede in der Festigkeit gegen die dem
Frost nicht ausgesetzt gewesenen gleichartigen Proben, nur war bei
allen dem Frost ausgesetzt gewesenen Probestücken das Innere
merklich nässer als bei den anderen. Max Gary.
') Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1890, S. 53 f.
Vermischtes
Ehrenbezeigungen. Der unsern Lesern aus zahlreichen Beiträgen
im Centralblatt der Bauverwaltung, namentlich aber durch die aus¬
gezeichnete Veröffentlichung des Mainzer Domes in der Zeitschrift
für Bauwesen (Jahrg. 1884) sowie durch seine sonstigen archäologi¬
schen Forschungen bekannte Geistliche Eath Dr. Friedr. Schneider
ln Mainz ist von dem Bischof von Mainz zum Ehrendomherrn er¬
nannt worden. In dem betreffenden Erlasse wird betont, dafs durch
•diese seltene Auszeichnung der Anerkennung Ausdruck verliehen
werden solle, welche der Ernannte namentlich wegen seiner beson¬
deren Verdienste um die Baugeschichte und Wiederherstellung des
Mainzer Domes durch seine Schriften wie durch seine thätige Mit¬
hülfe sich erworben habe.
Der Geh. Eegierungsrath Prof. Johannes Otzen in Berlin ist
vom „Eoyal Institute of British Architects“ in London zum Ehren-
mitgliede ernannt worden.
An der technischen Hochschule in Beriin sind seitens der Ab-
thellungs-Collegien bezw. der Section für Schiffbau zu Abtheilungs-
bezw. Sections- Vorstehern für das Amtsjahr vom 1. Juli 1890 bis
30. Juni 1891 gewählt und durch Erlafs des Herrn Cultusministers
vom 14. Juni d. J. bestätigt worden: 1) Professor Schäfer für die
Abtheilung für Architektur, 2) Professor Dietrich für die Abthei¬
lung für Bauingenieurwesen, 3) Professor Ludewig für die Abthei¬
lung für Maschinen-Ingenieurwesen, 4) Professor Dr. Liebermann
für die Abtheilung für Chemie und Hüttenkunde, 5) Professor Dr.
Lampe für die Abtheilung für allgemeine Wissenschaften und 6) der
Wirkl. Admiral.-Eath a. D. Görris für die Section für Schiffbau.
Der Verkehr auf dem Main. Durch die Canalisirung des Mains
Ton Mainz bis Frankfurt und infolge der Anlage der städtischen
Hafen- und Lagerhaus-Einrichtungen hat sich der Verkehr dauernd
günstiger entwickelt. Derselbe ist ohne den Flofsverkehr
von 311586 Tonnenkilometern im Jahre 1880,82
auf 15 352452 Tonnenkilometer „ „ 1887
„ 20 551 352 „ „ „ 1888
„ 29 159 283 „ „ „ 1889
;gestiegen. Es hat sich somit die Verkehrsleistung der canalisirten
Mainstrecke gegen das Jahr 1882 im Jahre 1887 auf das 49fache,
1888 auf das 66fache und 1889 auf das 93fache erhöht.
Der höchste kilometrische Verkehr belief sich auf der 33 km
ilangen canalisirten Mainstrecke auf
9 442 Tonnen im Jahre 1880/82
494193 „ „ „ 1887
696 759 „ „ „ 1888
939 446 „ „ „ 1889.
Hierzu tritt der Flofsverkehr mit 155 442,5 Tonnen im Jahre 1889.
Der Schiffsverkehr durch die Schleuse bei Frankfurt a. M. hat
betragen im Jahre 1889
im ganzen
Schitfszahl
zu Berg
ZU Tlial
Ladung
zu Berg zu Thal
8093
4051
4042
417 946
141 327
Dg.
Zur Frage der Feuerlöschgranateii. Unter Bezugnahme auf
die Mittheilungen des Herrn Branddirector Stolz auf Seite 207 d. J.
über die Imperial -Feuerlöschgranaten (vergl. auch Jahrgang 1889,
Seite 425 d. Bl.) geht uns seitens des Herrn Paul Kröhmer in Magde¬
burg-Neustadt, welcher dieses Löschmittel vertreibt, mit der Bitte
um Veröffentlichung ein Zeitungsausschnitt aus dem „Kleinen Journal“
vom 7. September 1889 zu. Danach soll der internationale Congrefs
von Branddirectoren und Feuerwehrleuten, welcher zu jener Zeit in
Paris im Trocadero- Palast unter dem Vorsitz des Ministers des
Innern, Herrn Constans, und unter der Präsidentschaft des Herrn
Eaincourt, des Pariser Branddirectors, getagt, sich über die Imperial-
Feuerlösch-Granaten infolge angestellter Versuche sehr anerkennend
ausgesprochen haben; auch sei der Gesellschaft durch Herrn Constans
das Ehrendiplom und die silberne Medaille zuertheilt worden.
Gleichzeitig erhielten wir von Herrn Branddirector Stolz in
Magdeburg nachstehenden Bericht über weitere Löschproben, welche
mit Feuerlöschgranaten angestellt sind:
„Am 28. Mai d. J. fand auf der Lackfabrik des Herrn Blume in
Magdeburg eine Löschprobe mit Löschgranaten statt, welche von
dem Verkäufer derselben selbst geleitet wurde. In der Lackkocherei
wurde ein Kessel mit 12 bis 15 kg Leinöl bis zum Selbst-Entzünden
erhitzt. Als das Feuer seinen Höhepunkt erreicht hatte, warf der
Verkäufer eine Granate an den inneren Kesselrand, sodafs dieselbe
zerschellte; in demselben Augenblicke schlug die Flamme hoch auf,
das brennende Oel spritzte umher und alle Anwesenden flohen er¬
schreckt aus dem Baume. Nur einem glücklichen Zufall war es zu
verdanken, dafs eine Verletzung der Anwesenden durch das umher¬
spritzende Oel nicht stattgefunden hatte. Nachdem einige in den
Eaum zurückgekehrt waren, wurde noch eine Löschgranate in den
Eauchfang des Schornsteins, in welchem sich gleichfalls die an¬
haftenden Harztheile entzündet hatten, geworfen, aber ohne jeden
Erfolg. Da mit den Löschgranaten das Feuer nicht zu bewältigen
war, wurde dasselbe schliefslich mit einer kleinen Eimerspritze,
welche etwa einen halben Eimer Wasser enthielt, ohne Schwierig¬
keiten gelöscht. Im Anschlufs hieran wurde im Freien ein Haufen
von Brennstoffen aus kleinen Harzkisten, Körben, Lackfiltern usw.
auf dem Hofe zusammengetragen, das Ganze mit Oel übergossen
und dann angezündet. Das Feuer entwickelte sich infolge der guten
Nahrung alsbald mit sehr grofser Flamme, und als dieselbe ihren
Höhepunkt erreicht hatte, wurde das Feuer von dem Verkäufer
gleichfalls mit Granaten bekämpft. Auch bei diesem zweiten Ver¬
suche blieben dieselben ohne jegliche Wirkung und das Feuer
brannte ruhig weiter; eine von den fünf geworfenen Granaten, die
auf weiches Filterzeug gefallen war, platzte erst nachträglich, ohne
irgend welche Wirkung zu zeigen. Schliefslich wurde das Feuer
auch hier in einigen Augenblicken mit der kleinen Eimerspritze
gelöscht.
Am 10. Juni wurde von dem Verkäufer der Löschgranaten eine
dritte Löschprobe, ähnlich wie die vorhin erwähnten, auf demselben
Grundstück vorgenommen. Diesmal wurde jedoch der Kessel mit
dem brennenden Leinöl aus dem Herd abgehoben und dicht an die
massive Wand gestellt. Nachdem derselbe eine für das Werfen der
Granaten günstige Stelle erhalten hatte, warf der Verkäufer fünf
bis sechs Granaten an die Wand unmittelbar über den Kessel. Die
Wirkung war auch hier wieder gleich Null, das Feuer brannte unge¬
stört weiter, und der Verkäufer erklärte nach all diesen Mifserfolgen,
mit Granaten dieser Art Feuer überhaupt nicht löschen zu können.
Ein Arbeiter der Fabrik erstickte alsdann das nicht ganz unbedeutende
Feuer durch Auflegen des Deckels auf den Kessel. Hieran schlofs
sich, wie am 28. Mai, ein vierter Versuch im Freien mit ähnlichem
Material wie früher, nur wurden hierbei hinter das Feuer Kisten,
welche gegen die Mauer abgesteift wurden, aufgestellt, um eine feste
Wand zum Zerschellen der Granaten zu haben. Die in das Feuer
hineingeworfenen etwa 15 Stück zerschellten wohl an der Holzwand,
löschten auch das Feuer, welches sich derselben mitgetheilt hatte,
auf den Herd des Feuers jedoch blieben sie ohne W^irkung. Zuweilen
war nach der einen oder anderen Granate je nach der Menge des
einströmenden Wassers das Feuer stellenweise gelöscht, jedoch nur
für Augenblicke ; es brannte dann ruhig weiter, sodafs es schliefslich
mit der kleinen Eimerspritze und einem halben Eimer Wasser ge¬
löscht werden mufste.
Da das bei all diesen Proben zum Löschen benutzte Wasser mit
sogenannter Löschmasse versetzt worden war, so handelte es sich
für den Besitzer der Fabrik darum, zu wissen, welchen Erfolg reines
Wasser dem sogenannten Löschwasser gegenüber habe. Zu diesem
Zwecke fand eine fünfte Löschprobe auf genanntem Fabrikgrund-
292
Centralblatt der Baiiverwaltung.
12. Juli 1890.
stück am 21. Juni statt, welcher auch der Unterzeichnete beiwohnte.
Es wurden zwei Haufen leicht entzündbarer Brennstoffe, wie bei
den früheren Proben iin Freien hergestellt, mit Oel begossen und
angezündet. Nachdem die Feuer ihren Höhepunkt erreicht hatten,
wurden dieselben von zwei Arbeitern der Fabrik mit zwei kleinen
Eimerspritzen bekämpft, das eine Feuer mit chemisch zubereitetem
Löschwasser, das andere mit reinem Wasser. Beide Wassermassen
waren gleich grofs. Die verbrauchten Wassermasseu und
die Wirkung bei beiden Feuern waren vollständig gleich,
jedes derselben wurde mit kairm einem halben Eimer Wasser ohne
Schwierigkeiten gelöscht. Ein sechster gleicher Versuch wurde noch
mit reinem Wasser und mit solchem, welches mit Kochsalzlösung
gesättigt war, vorgenommeu; auch hier wurden die Feuer gleich-
mäfsig durch die gleichen Wassermassen bewältigt.
Diese Versuche haben wiederholt unwiderleglich bewiesen, dafs
alle chemischen Zusätze zum Wasser auf die Löschfähigkeit des¬
selben nicht den mindesten Einflufs haben, denn die dünne Salz¬
kruste, welche sich auf einzelnen Holztheilen bildet, ist vollständig
bedeutungslos, und von sog. feuererstickenden Gasen ist überhaupt
nichts zu merken; reines unver mischt es Wasser ist somit
zum Feuer löschen genau von derselben Wirkung, wie
chemisch zubereitetes. Sie haben ferner gezeigt, dafs die Be¬
nutzung des Wassers in Flaschen (wie bei den Granaten) zu Lösch¬
zwecken eine sehr fragliche und sehr beschränkte ist, und dafs das
beste und billigste Löschmittel trotz aller marktschreierischen An¬
preisungen und Löschversuche der Strahl des natürlichen Wassers
ist und bleibt. Eegierungs -Baumeister Stolz, Branddirector.“
Eine Weiche mit feststehenden Zungen und hewegliehen JJacken-
schienen ist in America versuchsweise und, wie die Engineeriny
Eews mittheilen, mit günstigem Erfolg angewendet worden. Die
nachstehenden Abb. 1, 2 und 3 zeigen die allgemeine Anordnung
derartiger Weichen. Behufs Umstellung derselben werden von dem
Stellbock Ä aus mittels der Zugstange A ß die Schieneupaare C D
und CE in dem einen, FG und FH in dem andern durchlaufen¬
den Geleis bei den Punkten C und F in der einen oder andern
Kichtung seitwärts bewegt, sodafs um die Punkte B, E, G und H
geringe Drehungen stattfinden. Der seitliche Ausschlag ist so be¬
messen, dafs in den Endstellungen der Weiche an der Zungenspitze
64 mm Spielraum vorhanden ist. Die Zugstange A B ist bei Jund K
mittels Pendelstützen, wie in Abb. 2 gezeigt, drehbar gelagert und
wird infolge dessen samt den Schienen während des Umlegens von
ihren Auflagern bei C und F etwas abgehoben, und zwar um das
Mafs von 13 mm bei Halbstelluug der Weiche. Hierdurch wird der
A
o
ß
Abb. 1. Anordnung der Weiche.'
Zugstange
Abb. 2.
Pendelstütze bei
J und K.
Abb. 3.
Aufhängung einer
Druckschiene.
Vortheil erreicht, dafs die über die Weiche fahrenden Züge die etwa
nicht genau anliegenden Backenschienen zum festen Schlufs bringen.
Im übrigen wird in der obigen Quelle darauf hingewiesen, dafs nicht
unterlassen werden dürfe, Vorkehrung zn treffen, dafs die Weichen
bei der Halbstellung sich nicht im Zustande unsicheren Gleichgewichts
befinden, sondern, sich selbst überlassen, sofort in die eine End¬
stellung zurückkehren. Die Zugstange ist mit zwei seitlich des Ge¬
leises drehbar aufgehängten Druckschienen L M und N O (Abb. 1
und 3) in solcher Weise verbunden, dafs die Druckschienen und
somit auch die Weiche von den Flanschen der darüber fahrenden
Räder in ihrer Lage festgehalten werden und so ein Umstellen der
Weiche unter den Zügen mit Sicherheit vermieden wird. Die Druck¬
schienen haben ferner die Wirkung, dafs die mit der Weichenspitze
fahrenden Züge bereits vor Erreichung der beweglichen Backen¬
schienen festen Schlufs der Weiche sichern. Als Vorzug der Weiche
wird ferner hervorgehoben , dafs die gegen die Spitzen fahrenden
Züge bereits in angemessener Entfernung vor diesen allmählich nach
der Seite gelenkt werden.
Nach der obengenannten Zeitschrift sollen in der Nähe von
Boston mehrfache Versuche mit Weichen der beschriebenen Art an¬
gestellt sein. Dieselben sollen sich gut bewährt haben, namentlich
auch was sanftes Fahren und Haltbarkeit betrifft. Eine dieser Weichen
soll sich seit mehr als sechs Jahren im Betriebe befinden, ohne dafs
bisher Ausbesserungen erforderlich geworden wären. Ungangbar¬
werden der Weichen durch Schnee soll nicht zu befürchten sein,
weil nur die äul'sersten Zungen-Enden mit der Backenschiene in Be¬
rührung kommen. Km.
Bnclierscliaii.
Bauuiiterhaltiiug in Haus und Hof von E. Hilgers. Handbuch
zum Beurth eilen von Neu- und Ausbesserungs- Arbeiten an Wohn- und
Wii’thschaftsgebäuden. 5. verbesserte und vermehrte Auflage. Wies¬
baden 1890. Rud. Bechtold u. Co. 378 S. in 8“ mit zahlreichen
Holzschnitten. Preis geh. 5 J(, geb. 6 Jl.
Die verdienstliche Arbeit des leider früh verschiedenen Verfassers
hat eine fünfte Auflage erfahren. Die bewährte Eintheilung des
Buches ist beibehalten, Ei’gänzungen und Nachträge sind im ein¬
zelnen hinzugefügt. So werden in der Einleitung übersichtliche An¬
gaben über die Form der Baugesuche, das Wesen der Bauerlaubnifs,
Verdingung einzelner Arbeiten, Stempelpflicht, Bauausführungen,
Abnahme, Abrechnung, Schlufszahlung u. a. gebracht. Capitel 1 ist
durch Mittheiluug von Geschäftsadressen und Gewichtstabellen ver¬
mehrt, ferner durch Angaben zur Beurtheilung der Güte des Bau¬
holzes sowie durch Tabellen über Rauminhalt und Widerstands¬
moment der Rundhölzer. Die Bemerkungen über Auftreten und Be¬
seitigung des Hausschwammes sind in Capitel 5 verwiesen. Die
Preistabellen über geschnittene Hölzer verschiedener Stärke werden
manchem willkommen sein. Capitel 2 (Mörtelmaterialien) ist ganz
umgearbeitet und hat wesentlich gewonnen. Kalk-, Cement-, Trafs-,
Gipsmörtel und Beton sind ausführlich unter Angabe guter Bezugs¬
quellen besprochen und für die Zusammensetzung von Kalk- und
Cementmörtel ausführliche Tabellen beigefügt. Das folgende, dritte
Capitel ist aus der Dienstanweisung der Bauinspectoren der Hochbau-
Verwaltung neu hinzugekommen und mit einfachen, klaren Zeichnungen
versehen. Vielleicht geht das Buch hierin für den Nichttechniker
etwas zu weit, doch ist die Art der Zusammenstellung übersichtlich.
Vielfach sind die Preise der einzelnen Bauarbeiten und Lieferungen
gegen früher geändert; eine Spalte ist zum Einträgen ortsüblicher
Preise offen gehalten. Capitel 9 ist wesentlich erweitert. Hölzerne
Fufsböden, Plattenfufsböden, Pflaster und Estrich sind getrennt be¬
schrieben und ihre Herstellungskosten unter Beifügung von Skizzen
angegeben. Einen wesentlichen Vorzug bietet die neue Auflage vor
früheren darin, dafs in den Capiteln 10 und 11 mehr Gewicht auf
die Beschlagtheile gelegt wird; besonders im 11. Capitel sind die
Zeichnungen durch Andeutung der Beschläge wesentlich verbessert
und für den Nichtfachmann anschaulicher gemacht. Skizzen zur
Herstellung einfacher eiserner Thore, Thüren und Fenster sind eine
weitere zweckraäfsige Zugabe, ebenso Zeichnungen für Fensterläden.
Das CajDitel 13, eiserne Säulen und Träger umfassend, ist wesentlich
erweitert; ebenso das folgende. Genietete Träger haben eine gröfsere
Berücksichtigung gefunden; die Angaben zur Berechnung der tragen¬
den Constructionen sind erheblich vermehrt. Es dürfte Sorge zu
tragen sein, in dieser Beziehung das rechte Mafs zu halten. Der
Techniker findet in zahlreichen Handbüchern, Kalendern usw. die
nöthigen Angaben, und der Nichttechniker wird um so weniger ge¬
neigt sein, sich auf derartige Berechnungen einzulassen, als für jede
einigermafsen zusammengesetzte Construction die Baujjolizei be¬
stimmte Anforderungen stellt, die er doch nicht ohne Schwierigkeiten
erfüllen kann.
Vor dem „Zuviel“ dürfte umsomehr zu warnen sein, als die
handliche, ansprechende Form den Leser verleitet, über alles mög¬
liche in dem Buche Auskunft zu suchen, und den Bearbeiter veran-
lafst, über alles mögliche Auskunft geben zu wollen. Es wird den
weiteren Auflagen am besten gedient sein, wenn dieselben, unter
Berücksichtigung neuer Erfahrungen, für das bereits Gebotene die
kürzeste und klarste Ausdrucksweise suchen. Zum Beispiel werden
Angaben wie auf S. 225 pos. 22 usw. über eiserne Dachstühle kaum
besonderen Werth haben. Sehr brauchbar sind dagegen praktische
Bemerkungen, wie solche in das Capitel 16 vielfach eingeflochten
sind: Angaben über Schornsteinanlagen, Oefen, Brennstoffe sowie
die Mittelwerthe ihrer Heizkraft. Zweckmäfsig sind ferner die Aus¬
führungen über Fernsprech -Anlagen sowie das viele praktische Winke
enthaltende Capitel über Beleuchtungswesen, welches sich auf Pe¬
troleum-, Gas- und elektrische Beleuchtung ausdehnt und bezügliche
Preisangaben enthält.
In den Capiteln über Wasser- und Canal-Anlagen, Brunnen usw.,
Wegeunterhaltung sind mehrfach kleine Kostenanschläge von ab¬
geschlossenen Ausführungen nicht unzweckmäfsig eingeschaltet.
Es würde zu weit führen, auf alle Aenderungen aufmerksam zu
machen, welche das Werkchen in seiner jetzigen Gestalt vor den
früheren Ausgaben zeigt. Es mufs zusammenfassend als ein gutes,
brauchbares Nachschlagebuch bezeichnet werden, welches für den
Nichtfachmann verständlich und für den Techniker bequem und
handlich ist. L. B.
Verlag von Ernst & Korn (Williclin Ernst), Berlin. Für die Hedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
293
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 19.
Juli 1890. Nr. 29.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Circnlar-Erlafs vom 28. Juni 1890, betr. die Revision der zu
Justizzwecken dienenden Miethsgebäude usw. — Circular- Erlafs vom 4. Juli 1890,
betr. die Ueberweisung der Regierungs - Baumeister an die Bezirks-Regierungen. —
Personal Nachricbten — Nichtamtliches: Berechnung des Zweigelenkbogens. — Grab-
denkmal des Kaisers Hadrian. — Neuere Arten zerlegbarer eiserner Brücken. —
Vermischtes: Kaiser Wilhelm-Denkmal der Provinz Westfalen. — Technische
Hochschule in Dariustadt. — Höherlegung eines Häuserblocks in Boston. — Büclier-
schau.
Amtliche Mittheilungen.
Circular-Erlafs, betreffend die Revision der zu Justizzwecken
dienenden Mietlisgebäude usw.
Berlin, den 28. Juni 1890.
Inhaltlich eines von dem Herrn Justizminister mir mitgetheilten
Berichts der Vorstandsbeamten des Königlichen Oberlandesgerichts
in Breslau haben Ew. Hochwohlgeboren es abgelehnt, die Revision
der gerichtlichen Geschäfts- und Gefängnifsgebäude durch die König¬
lichen Kreis-Bauinspectoren auch auf die für Rechnung der Staats¬
kasse zu unterhaltenden, zu Justizzwecken dienenden Miethslocalien
erstrecken zu lassen. Hiermit vermag ich mich nicht völlig einver¬
standen zu erklären, erachte es vielmehr im Einverständnifs mit dem
Herrn Justizminister für zweckmäfsig, dafs die Baubeamten ver¬
pflichtet werden, jährliche Revisionen nach § 110 der Dienstanweisung
für die Bauinspectoren der Hochbauverwaltung vom 1. October 1888,
abgesehen von den eigentlichen Staatsgebäuden, auch bei solchen
Gebäuden vorzunehmen, welche von Gemeinden oder Privaten allein
für die Zwecke der Justizverwaltung erbaut und von letzterer auf
die Dauer des Bestehens des Amtsgerichts an dem betreffenden Ort
angemiethet werden, an deren sachgemäfser Unterhaltung der Fiscus
daher dasselbe Interesse hat, als wenn es sich um eigentliche Staats¬
bauten handelt. Selbst wenn die Unterhaltung der Substanz der¬
artiger Gebäude, wie es öfter der Fall ist, vertraglich den Gemeinden
usw. obliegt, ist eine regelmäfsige Besichtigung dieser Gebäude durch
den Baubeamten nicht zu entbehren, da ihm dann obliegen wird, darauf
zu achten, dafs die Gemeinden usw. ihren Verpflichtungen ordnungs-
mäfsig nachkommen.
Die Bestimmungen des § 110 der gedachten Dienstanweisung
auch auf die übrigen angemietheten Räume auszudehnen, welche in
mehr oder minder kurzer Zeit dem Fiscus gekündigt oder von ihm
aus anderen Gründen aufgegeben werden können, erscheint nicht
nothwendig, zumal es sich dabei meist um ganz unerhebliche
Reparaturen handeln wird. Nur für den Fall etwa, dafs letztere
bei derartigen Localen für ein Jahr nach Meinung der betreffenden
Gerichtsbehörde den Betrag von 500 Mark überschreiten, würde auf
besonderen Antrag der Baubeamte seitens Ew. Hochwohlgeboren mit
der Besichtigung der fraglichen Baulichkeiten und Behandlung der
Sache nach § 110 der erwähnten Dienstanweisung zu beauftragen sein.
Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, die Baubeamten
Ihres Verwaltungsbereichs gefälligst mit entsprechender Weisung zu
versehen,.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
An den Königlichen Regierungs-Präsidenten Herrn
Dr. V. Bitter, Hochwohlgeboren in Oppeln.
Abschrift erhalten Ew. . . zur Kenntnifsnahme und gleichmäfsigen
Beachtung.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
V. Maybach.
An die übrigen Königlichen Regierungs-Präsidenten
und die Königliche Ministerial-Bau-Commission.
III 12135.
Circillar-Erlafs, betreffend die Ueberweisung der Regierungs-
Baumeister an die Bezirks -Regierungen.
Berlin, den 4. Juli 1890.
Unter Aufhebung des Rund -Erlasses vom 16. März 1883 —
IH. 4251*) — bestimme ich folgendes:
Für Hochbauten, deren Kosten aus dem Extraordinarium des
Staatshaushalts -Etats bestritten werden, bedarf es von jetzt ab be¬
sonderer Anträge auf Ueberweisung von Regierungs-Baumeistern nicht.
Solche Anträge sind nur erforderlich für Wasserbauten der vor¬
gedachten Art sowie für Hoch- und Wasserbauten, deren Mittel aus
anderen Staatsfonds bezw. theilweise von Gemeinden usw. bestritten
werden, oder sofern es sich um Ueberweisung von Hülfsarbeitern für
die Regierungs- und Bauräthe bezw. die Kreisbauinspectoren handelt.
Diese Anträge sind je nach Bedürfnifs, für die fraglichen Bauten
aber erst dann zu stellen, wenn die Genehmigung zur Ausführung
derselben von dem betreffenden Herrn Ressortminister ertheilt ist.
In den bezüglichen Berichten ist jedesmal unter entsprechender
Begründung anzugeben, auf wie lange Zeit voraussichtlich ein Re¬
gierungs-Baumeister zu überweisen sein wird.
Im übrigen ist von jetzt ab spätestens bis zum 31. December
jeden Jahres anzuzeigen, welche von den in dem Bezirk der König¬
lichen Regierung usw. beschäftigten Regierungs - Baumeistern zum
nächsten 1. April oder später im Laufe des folgenden Jahres zur
anderweitigen Verwendung verfügbar werden.
Bei der Berichterstattung hierüber mufs, sofern der betreffende
Baumeister bei einer Bauausführung thätig ist, abgesehen von beson¬
deren Verhältnissen, davon ausgegangen werden, dafs der bezügliche
Bau vollendet ist, und auch die Abrechnungsarbeiten, einschliefslich
der etwa zu fertigenden Revisions-Kosten-Nachweisung, sowie die
Inventarien- Zeichnungen im wesentlichen fertig gestellt sind, die
etwa verbleibenden, nicht erheblichen Restarbeiten aber mit Sicher¬
heit von dem zuständigen Localbaubeamten allein binnen kurzem
zum Absehlufs gebracht werden können.
Hinsichtlich der den Königlichen Regierungen usw. bezw. den
Localbaubeamten als Hülfsarbeiter überwiesenen Regierungs -Bau¬
meister ist, wenn die fernere Beschäftigung über den 1. April hinaus
gewünscht wird, dies unter Angabe des in Aussicht zu nehmenden
Endtermins kurz zu begründen.
Die Berichte sind für die einzelnen R egierungs - Bau¬
meister gesondert zu erstatten.
Stellt sich nachträglich die Nothwendigkeit heraus, einen Re¬
gierungs-Baumeister über den angegebenen Zeitpunkt hinaus weiter
zu beschäftigen, so ist hiervon thunlichst zeitig, mindestens aber
6 Wochen vor Ablauf des früher angegebenen Termins Anzeige zu
erstatten. Ebenso ist im umgekehrten Falle die Abkömmlichkeit
eines Regierungs-Baumeisters, welche früher, als ursprünglich ange¬
nommen war, eintritt, mindestens 6 Wochen vorher zu melden.
Endlich bedarf es weiterer besonderer Anzeige mindestens
6 Wochen vor Beendigung der einem Regierungs -Baumeister zuge¬
wiesenen Beschäftigung auch in den Fällen, wo im Decemberbericht
die Zeit der Abkömmlichkeit nicht bestimmt, bezw. nur annähernd
angegeben werden konnte.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
V. Maybach.
An die Herren Regierungs-Präsidenten, die Herren
Chefs der Strombauverwaltungen, das Königliche
Polizei-Präsidium und die Königliche Ministerial-
Bau-Commission hierselbst. — III. 10871.
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem im Mini¬
sterium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
angestellten Land -Bauinspector Bürckner in Berlin den Rothen
Adler-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Der bisherige König!. Regierungs-Baumeister Heimsoeth ist als
Königl. Kreis-Bauinspector in Wiesbaden angestellt und der Königl.
Regierungs-Baumeister Dietrich in Marienburg zum Eisenbahn-Bau-
und Betriebsinspector unter Verleihung der Stelle eines solchen im
Bezirk der Königlichen Eisenbahndirection Bromberg ernannt worden.
Der Letztere verbleibt in seiner Beschäftigung beim Brückenbau in
Marienburg.
Der Königl. Regierungs-Baumeister Paul Döbbel ist gestorben.
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1883, S. 101.
294
19. .Juli 1890.
Centralblatt der Bauvervvaltüug’.
Bayern.
Zu Ober-Iiigenieureu bei der General -Direction sind ernannt:
die Bezirks - Ingenieure bei der General -Direction Michael Es dien -
beck, Franz Weikard und Albert Jiiger.
Zu Bezirks -Ingenieuren sind ernannt: die Betriebs -Ingenieure
Adolph Grau und Karl Straub bei der General-Direction, Kasimir
Ost er ehr ist in Eisenstein, Eudolph Klingsohr in Rosenheini,
Joseph Weil in Mühldorf, Cornel v. Moro in Lindau, Lorenz
Demeter in Memmingen, Emil Knorr in Würzburg, August Eoos
in Eosenheim, Heinrich Zelt bei der General-Direction, Karl Frhr.
V. Lerchenfeld-Aham in Donauwörth, Ludwig Längenfelder bei
der General-Direction und Eduard Pendele bei dem Ober-Bahnamte
München. Der Abtheilungs-Ingenieur bei dem Ober-Bahnamte Bamberg,
Eugen Frhr. v. Schacky, ist zum Secretär (zum Verwaltungsdienst
gehörig) bei dem Ober-Bahnamte Bamberg ermannt.
Zu Betriebs-Ingenieuren sind ernannt: die Abtheilungs-Ingenieure
Oskar Zahn in Nürnberg, Heinricli Endres in München (Vorstand
der Eisenbahn-Bausection), Ferdinand Wagner in Kirchseeon (Vor¬
stand der Imprägniranstait), Eduard Schöutag in Kempten, August
Koscher in Landshut, Max Thenn in Regensburg, Alexander
Panzer in Ansbach, Gottfried Wagner in Eger, Johann Perzl in
Landshut, Nikolaus Körper in Nürnberg, Heinrich Schon- in
Würzburg, Thomas Baumgärtel in Treuchtlingen, Johannes
Schrenk in Bamberg, Karl Theuerner in Eosenheim, Franz Xaver
Schmid bei der General-Direction, Karl Schilcher in Aschaffen¬
burg, Emanuel Lutz in Freyung (Sectionsvorstand), Christian
Giegler in Augsburg, Ludwig Sperr in Kempten und Heinrich
Zeulmann bei der General-Direction.
Zu Abtheilungs - Ingenieuren sind ernannt : die Ingenieur-
Assistenten Karl Loy in Donauwörth, Paul Stein in Eger, Albert
Frank bei der Eisenb.-Bausection in München, Friedrich Dercum bei
dem Ober-Bahnamte in Bamberg, Johann Eofskopf b. d. General- i
Direction in München, August Mangold b. d. Eisenb.-Bausection in
Bamberg, Friedrich Reinsch b. d. Ober-Bahnamte in Eosenheim,
Otto Engel b. d. Eisenb.-Bausect. in Hof, Kasimir Frhr. v. Pech- i
mann b. d. Ober-Bahnamte in München, Albrecht v. Bezold b. d.
Ober-Bahnamte in Augsburg, Friedrich Fahr b. d. Ober-Bahnamte
in Würzburg, Gottlieb Gumprich b. d. General-Direction in München,
August Eexroth b. d. Ober-Bahnamte in Würzburg, Karl Maistre
b. d. Ober-Bahnamte in Ingolstadt, Friedrich Köfsler und Ludwig
Frhr. v. Neubeck b. d. Ober - Bahnamte in München, Theobald
Ritter im Stande der Eisenb.-Bausect. Bamberg in Lichtenfels,
Eligius IMarggraff b. d. Ober-Bahnamte in München, Karl West¬
hoven b. d. Eisenb.-Bausect. in Passau, Matthäus Steinhäuser b.
d. Eisenb.-Bausect. in Günzburg, Friedrich Kieffer im Stande der
Eisenb.-Bausect. Hof in Cham, Johann Hafner b. d. Eisenb.-Bausect.
in Passau, Wilhelm Weifs b. d. Eisenb.-Bausect. in München und
August Keif b. d. Ober-Bahnamte in Augsburg.
Versetzt sind: der Bezirks -Ingenieur Alois Reinhard von Ingol¬
stadt nach Salzburg, der Bezirks -Ingenieur August Roos von Eger
nach Rosenheim, der Betriebs -Ingenieur Oskar Zahn von Nürnberg
nach Ingolstadt, der Abtheilungs-Ingenieur Adam E ding er von Lichten¬
fels nach Memmingen und der Abtheilungs-Ingenieur Joseph Dorner
von Mühldorf zum Ober-Bahnamte Nürnberg.
Der Betriebs-Ingenieur Heinrich Haas e in Salzburg tritt auf ein
Jahr in den Ruhestand. Der Bezirks -Ingenieur Heinrich Pfälzer
in Eosenheim tritt für immer in den Ruhestand.
Sachsen.
Der Regierungs - Bauführer, geprüfte Civil - Ingenieur August
Hermann Franze ist zum Kegierungs- Baumeister hei der Königl.
Strafsen- und Wasserbau -Verwaltung ernannt worden.
[Alle Eeclite vorbelialten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Zur Berechnung des Zweigelenkbogens.
Den in Nr. 25 (Seite 254) des gegenwärtigen Jahrgangs d. Bl.
gegebenen Mittheilungen des Herrn Professor Müller-Breslau,
welchem die mathematisch strenge Begründung der einfachen Formel
für den Horizontalschub
?,Pa(l — a)
zu verdanken ist, gestatte ich mir kurz noch einige auf die Berech¬
nung der Zweigelenkbogeir bezügliche Bemerkiurgen beizufügen.*)
Bei Entwicklung fraglicher Formel wurde eine parabolische
Bogenachse vorausgesetzt und von dem Einflufs der Verkürzung der
Bogenachse durch die Normalkräfte abgesehen; der Horizontalschub
wird hierdurch etwas zu grofs erhalten (bei der Cobleuzer Ehein¬
brücke um rund 5 pCt.). Diese Abweichung ist überall dort ohne
Ijraktische Bedeutung, wo nur die absolute Gröfse von H in Betracht
kommt, wie z. B. bei Berechnung der Auflagergelenke und der
Pfeiler; auch zur Ermittlung der Belastungsscheiden kann Formel 1),
4
bezw. die derselben entsprechende Kämpferdrucklinie — -a ./ (hori-
o
zontale Gerade) unbedenklich benutzt werden. Ganz anders liegt
jedoch die Sache bei Bestimmung der inneren Spannungen, welche
als Unterschied zwischen den Spannungen des frei aufliegenden
Trägers und den von H hervorgerufenen Spannungen erscheinen.
Hier kann schon eine geringe Aenderung von H eine bedeutende
Erhöhung von G veranlassen, sodafs hier ein genaueres Verfahren am
Platze ist.
Die Berücksichtigung des Einflusses der Bogenverkürzung kann
nun auf doppelte Weise erfolgen. Einmal nach dem üblichen Ver¬
fahren, indem man obigen Airsdruck von H noch mit einem gewissen
Bruche v multiplicirt, d. h.
3 P a {I — a)
2)
H =
Afl
. V setzt.
Für sehr flache Bogen erhält v den bekannten Werth
_ 1
3) ^
1 +
8 p
*) In Gleichung 1) und 2) des oben erwähnten Aufsatzes ist
irrthümlich der Factor 3 im Zähler fortgelassen.
wo — Trägheitsradius des Querschnitts in Bogenmitte. Ist der
Bogen als Fachwerk angeordnet, wobei h = Abstand der Gurtungen,
Fg und = Querschnitt der obern bezw. untern Gurtung, so wird
= h‘^ F^P^^ : {F^ F^y-, Für F^ — F^ ergiebt sich hieraus
1
und V— — 15”^” Uebereinstimmung mit dem von
^ 32 75
Müller-Breslau auf anderem Wege hergeleiteten Ausdrucke. Es
wurde hierbei vorausgesetzt, dafs die Kämpfergelenke, wie üblich, in
der Bogenachse angeorduet seien, eine Voraussetzung, welche auch
der Gleichung 1) zu Grunde liegt. Bei gröfseren Pfeilverhältnissen
/: l nimmt der Werth von v zu; man kann hierfür den Ausdruck
setzen
15 5 cos 1“ 15^■2 1*)
4) = 1 : [1 4
wo 5 = Bogenlänge,
8/--
Ho
1
1
\c
D
//i
I L ' 8 /■“ tg
Winkel der Kämpfertangente mit der
-S cos Cf'g
Horizontalen. Das Verhältnifs
l
wird in nebenstehender Abbildung durch
AD : AC dargestellt. Mit wachsendem
Pfeilverhältnifs nähert sich dieser Bruch
dem Werthe 0 und somit v dem Wer-
- e - » the 1. Für abnehmendes Pfeilverhält¬
nifs ist der Grenzwerth des Bruchs gleich 1; Gleichung 4) geht
dann in die frühere Gleichung 3 über.
Das zweite Verfahren, auf welches ich in der Deutschen Bau¬
zeitung 1881 S. 231 hingewiesen habe, besteht darin, dafs man zur
Bestimmung von Fl die einfachere Formel 1) benutzt und sodann nach¬
träglich den Einflufs der Bogenverkürzung gleichzeitig mit den
übrigen Einflüssen, welche eine Spannweitenänderung darstellen
(Ausweichen der Widerlager, unrichtige Länge des Eisenwerks, Tem¬
peratureinflüsse), berücksichtigt. Für Parabelbogen ist der einer
Spannweitenvergröfserung z/Z entsprechende Horizontalschub
5)
H, = -
15
SfH
V =
15 EFmiPJl
SfH
V )
*) Vgl. Gl. 205 in „Der Brückenbau; Eiserne Bogenbrücken von
Schäft’er und Melan“.
Nr. 29.
Centralblatt der Bauverwaltun«:.
295
wobei V für unsern Zweck genau genug gleich 1 gesetzt werden
kann. ^ und beziehen sich auf den Bogenquerschnitt in
Trägermitte.
Es ist nun = z//i +
/I l\ = Spannweitenvergröfserung, welche der Bogenverkürzung
durch die Normalkräfte,
Jh — Spannweitenvergröfserung, welche den übrigen Einflüssen
entspricht.
Die Gröfse J l\ ist naturgemäfs für die verschiedenen mafs-
gebenden Belastungsfälle etwas verschieden, jedoch um so weniger,
je mehr die ruhende Belastung überwiegt. Es genügt für die Zwecke
der Anwendung, unveränderlich einzuführen, und zwar in der
Regel gleich seinem *Gröfstwerth , Dies kann um so
unbedenklicher geschehen, als man bezüglich der Gröfse Jk, welche
in der Regel ziffermäfsig weit stärker ins Gewicht fällt als doch
nur auf mehr oder minder zutreffende Schätzungswerthe ange¬
wiesen ist.
Für die Querschnittsbestimmung bei Vollträgern empfiehlt sich
folgendes Verfahren. Man ermit¬
telt zuerst die Spannung (Tj im
Querschnitt x, welche einer Spann¬
weitenänderung ^l, bezw. einem
Horizontalschub entspricht.
N , Me
J
cos
F J Fm ^ ' Im
wenn man hier näherungsweise F = F^ : cos J — J^ \ cos
setzt. Nach Einführung des Werths von IF für v = 1 aus Gl. 5)
erhält man
IbEJl
6)
öl =
(-
cos ff -|- ye) cos cp,
ein Ausdruck, welcher den beim Entwerfen vorerst noch unbekannten
Querschnitt F^ nicht mehr enthält. Für das verhältnifsmäfsig
geringen Einflufs übt, kann bei gegebener Bogenhöhe h leicht ein
zutreffender Schätzungswerth eingeführt werden. Ist nun die zu¬
lässige Spannung == /c, so bleibt für die Beanspruchung durch Eigen¬
gewicht und Verkehrsiast noch der Betrag k — öi zur Verfügung.
Es mufs daher sein
, JSr. Me 1
und Querschnitt
7) F ^
- — : F
e ' e'
Je — öl
Hierbei wurde gesetzt w= W : F ■
Für N (Normalkraft) und M (Moment) führt man zweckmäfsig
die „Ersatzwerthe“ ein (siehe Zeitschr. deutscher Ing. 1889 S. 324),
d. h. die einer gedachten ruhenden Belastung entsprechenden
Werthe, welche den gleichen Querschnitt verlangen, wie die wirk¬
liche, z. Th. in Bewegung befindliche Belastung. Der Werth von k
ist hierbei unveränderlich, gleich der Spannungszahl für ruhende
Last, anzunehmen.
Die Ersatzwerthe werden nach der genannten Quelle gleich dem
Gröfstwerth, vermehrt um den halben Unterschied zwischen dem
gröfsten und kleinsten Werthe der betreffenden Gröfsen gesetzt,
z. B. {M) = max M -|- 0,.ö (max M — min M).
Will man die Querschnittsbestimmung unter Benutzung der Gl. 2)
für den Horizontalschub durchführen, so ist hierbei ö", nach folgender
Gleichung zu berechnen
\bEJl2 ■ V f ■ 2 1 ^
= - §7^^ — (— CO.S (f -i- ye) cos ff,.
Handelt es sich um einen steifen Fach werkbogen, so können die
Gurtungsquerschnitte desselben mit Hülfe der vorstehenden Formeln
bestimmt wei'den. Gewöhnlich ist zu setzen F^ = F^ = ^ U; dann
wird i — e = w = ^ (halbe Bogenhöhe)
1.5 EJl
6b)
7a)
ö, =
F = F = — —
1
Je
N
■2
M.
Ji J-
Sind hrernach die Gurtquer schnitte und somit auch das Trägheits-
moment = F^ ermittelt, so ergiebt sich nach Gl. 5) der Werth
von Hi. Die Querschnitte der Wandstäbe können sodann leicht nach
einem der üblichen Verfahren bestimmt werden.
Aus den Gl. 6) geht hervor, dafs öj, abgesehen von den den
Kämpfern benachbarten Querschnitten, mit der Bogenhöhe h zunimmt;
aus den Gl. 7), dafs die Querschnitte des Bogens mit wachsendem Ji
anfänglich abnehmen und dann wieder zunehmen. Die theoretisch
günstigste Bogenhöhe kann gefunden werden, indem man nach Art
des in der Zeitschrift für Bauwesen 1877 entwickelten Verfahrens
das Gesamtgewicht als Function von k aufstellt und sodann deren
Kleinstwerth bestimmt. Ohne näher hierauf einzugehen ist ersicht¬
lich, dafs Ä um so gröfser ausfallen wird, je gröfser k und je
kleiner H l\ ferner je stärker M gegenüber W, d. h. je mehr die Ver¬
kehrslast überwiegt. Eisenbahnbrücken verlangen daher eine gröfsere
Bogenhöhe als Strafsenbrücken unter sonst gleichen Verhältnissen;
mit wachsender Spannweite nimmt das günstigste Höhenverhältnifs
ab. Anderseits gestattet ein höherer Pfeil f auch eine gröfsere
Bogenhöhe h anzuwenden.
Für sehr gröfse Werthe von h kann ö^ ^ k und somit F —
werden.
Der Einflufs von öj bezw. von Hl wird unter sonst gleichen Ver¬
hältnissen um so geringer, je gröfser A:, d. h. je besseres Material
für den Bogen verwendet wird. Es spricht dies neben andern Grün¬
den dafür, dafs bei Bogenbrücken Stahl von gröfserer Festigkeit in
Anwendung gebracht werde.
Karlsruhe, im Juni 1890. Fr. Engefser.
Das Grabdenkmal des Kaisers Hadrian.
Von wenigen Denkmälern des klassischen Rom besitzen wir ansehn¬
lichere Reste, als von dem Grabmal Hadrians, der „Moles Hadriani“,
seit dem 11. Jahrhundert Engelsburg genannt. Aber die kaum
zu irgend einer Zeit des Mittelalters unterbrochene Weiter- und
Umbildung desselben, dazu die Dürftigkeit und Oberflächlichkeit der
antiken Beschreibungen, von denen die wichtigste die des Procop,
Gothenkrieg I, 22, ist, gestatten der Phantasie einen derartigen Spiel¬
raum, dafs die in Menge angestellten Wiederherstellungsversuche
weit auseinandergehen. Am bekanntesten, weil in Ermangelung
einer besseren unzählige Male (neuerdings auch auf dem jetzt in
Berlin ausgestellten Panorama von Bühlmann und Wagner) wieder¬
holt, ist die in den Hauptpunkten willkürliche Wiederherstellung
Caninas. Charakteristisch an derselben ist die Annahme, der auf
dem quadratischen Unterbau sich erhebende runde Kern sei mit
einer Säulenhalle umgeben gewesen, über diesem runden Kern habe
sich ein zweiter, ebenfalls mit einer Säulenhalle geschmückter Rund¬
bau erhoben, als Bedeckung habe eine mit dem bekannten vatica-
nischen Pinienapfel gekrönte Kuppel gedient (Abb. 1).*) Nicht ge-
*) Es ist übrigens zu bemerken, dafs Canina keineswegs der
erste Erfinder dieser Darstellung ist. In einer von Domenico Pronti
um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts herausgegebenen Römi¬
schen Vedutensammlung findet sich eine namenlose, von der Canina-
schen sich mxr in Einzelheiten, und zwar zu ihrem Vortheil unter¬
scheidende Wiederherstellung.
ringere Willkür beherrschte die Vorstellungen von der inneren Anlage
des Baues.
Es wurde daher allseitig mit Freude begrüfst, als im Jahre 1888 die
italienischen Ministerien des Cultus und des Krieges sich vereinigten,
um Ausgrabungen und Erneuerungs arbeiten an der Engelsburg zu ver¬
anstalten. Unter der umsichtigen und sachverständigen Leitung des
Ingenieur - Hauptmanns M. Borgatti sind denn auch eine ganze
Reihe von Entdeckungen gemacht worden, die in erster Linie über
die ursprüngliche Gestalt des Denkmals, dann aber auch über die
Baugeschichte des Mittelalters neues Licht verbreiten. Borgatti hat
die Ergebnisse seiner Untersuchungen in einem Buche veröffentlicht,
das den Titel führt: Castel Sant' Angela in Roma, storia e descrizione.*)
Es zerfällt in zwei Hauptabschnitte: 1. Geschichte des Castells
von seiner Gründung bis heute (S. 7 — 173); 2. Beschreibung des
heutigen Zustandes des Castells (S. 173 — 196). Beide Theile sind
mit einem aufserordentlichen Reichthum an Plänen, Ansichten, Hand¬
zeichnungen usw. (35 Tafeln) ausgestattet.
Unter dem vielen Trefflichen, was das Buch bietet, ist für unsere
Leser das Interessanteste der Borgattische Wiederherstellungsversuch
(Cap. 1, S. 7 — 28). In der Darlegung desselben wendet sich der Ver-
*) Castel Sant’ Angelo in Roma; storia e descrizione. Bor¬
gatti Mariano, capitano del Genio. Roma 1890. Voghera Carlo,
tipografo delle LL. MM. il Re e la Regina. 215 Seiten in 8® mit
vielen Abbildungen. Preis 8 Mark.
296
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
19. Juli 1890.
fasser zuerst gegeu Caniua luui macht gegen ilm folgende Punkte
geltend :
1. Die Annahme, dafs der runde Kern des Denkmals von einem
Säulengange, in den
Intercolumnien Stand¬
bilder, umgeben ge¬
wesen sei (Abb. 1), ent¬
behrt der Begründung
und der Wahrschein¬
lichkeit. Das hatte
schon Nibby erkannt,
der auf den Mangel jeg¬
licher Andeutung davon
in den Beschreibungen
des heiligen Leo aus
dem 5. Jahrhundert und
Procops aus dem G.
Jahrhundert aufmerk¬
sam machte, aufserdem
darauf, dafs der Raum
zwischen der Kante des
quadratischen Unter¬
baues und der Wand
des runden Kernes viel
zu schmal ist, als dafs
man einen Säulengang
in der erforderlichen
Breite annehmen dürfe.
Dies ist freilich aus
dem phantastischen
Aufrifs Caninas nicht
ersichtlich, wohl aber
aus der gewissenhaften
Wiederherstellung des
Architekten M o n an n i,
die nach Borgattis An¬
gaben gemacht ist.
Caniua selbst wagte
die Autorität Leos und
Procops nicht anzu¬
zweifeln , aber er
meinte, entweder habe
schon Constantiu die
Säulen entfernt und
zur Ausschmückung
der Basilika S. Paolo
fuori le uiura verwendet, oder
Theodosius zur Errichtung der
vom Pons Aelius zur Basilika
Vaticana laufenden Säulenhalle.
Borgatti wendet mit Recht da¬
gegen ein, es sei ganz un¬
denkbar, dafs man damals schon
daran gedacht haben sollte, ein
solches Monument zu zerstören.
Auch würde eine etwaige Zer¬
störung sich doch zuerst an
den Standbildern vergriffen ha¬
ben, die aber nach Procop beim
Sturme der Gothen noch unver¬
letzt an ihren Plätzen standen.
Rechnet man dazu, dafs Canina
diese Standbilder zwischen die
Säulen stellt, so müfste man
mit ihm annehmen, dafs die
Säulen fortgenommen wurden,
während die Standbilder stehen
blieben, und das wird doch wohl
niemand für möglich halten.
2. Die Annahme Caninas,
dafs über dem jetzt noch vor¬
handenen runden Kern ein zwei¬
ter mit einem etwas geringeren
Durchmesser , aber gleicher
Höhe gesessen habe, ist ebenso willkürlich. Welche Zeit nach
den Gothenkriegen sollte wohl auf den unerhörten Gedanken
gekommen sein, diesen Theil des Baues spurlos abzutragen?
Wir haben vom 4. Jahrhundert an eine fortlaufende Reihe von
Erwähnungen des Grabmals; bald hinterher wird es in eine Festung
verwandelt, am Anfang des 7. Jahrhunderts wird auf der Plattform
eine Capelle errichtet, aus allen Zeiten finden wir Notizen über Ein¬
Caninasche Wiederherstellung.
richtung des Denkmals zu neuen Zwecken, aber nirgends die Spur
einer Zerstörung, sodafs wir als sicher annehmen 'können, dafs dieser
Bau seiner Lage und Bedeutung wegen vor dem traurigen Schicksal
behütet wurde, dem
das Colosseum, die
Tliermen , die Kaiser¬
paläste usw. zum Opfer
fielen : ein Steinbruch
zu werden.
3. Caninas An¬
nahme endlich, dafs
der obere Abschlufs
des Denkmals durch
eine pyramidenförmige
Kuppel gebildet wor¬
den sei, ist, abgesehen
von dem gewisser-
mafsen geschichtlichen,
aberganz willkürlichen
Hinweis auf ältere
Maussoleen — mitRecht
macht Borgatti darauf
aufmerksam, dafs das
Grabmal nie Mausso¬
leum, stets nur Sepul-
crum oder Moles Ha-
driani genannt werde — ,
lediglich durch die Ver-
muthung hervorgeru¬
fen und begründet, dafs
dervaticanischePinien-
apfel von dem Denk¬
mal stamme. Borgatti
stellt die bekannten
Zeugnisse über seine
Herkunft zusammen;
es ergiebt sich daraus
so viel, dafs er jeden¬
falls nicht von dem
Grabmal stammt.
LTebrigens widerspricht
die Annahme einer
Kuppelbedeckung
gradezu den Angaben
Procops über die von
der Höhe des Denkmals
geleitete Vertheidigung
Abb. 2.
gegen die anrückenden Gothen.
Gegen die ungeheure Höhe, die
nach der Caninaschen Wieder¬
herstellung das Grabmal erhält,
wendet Borgatti sehr hübsch die
Worte Procops an, das Denkmal
habe die Stadtmauern an Höhe
überragt. So spreche man nur
von einem Bauwerke , das die
jMauern um etwas überrage, aber
nicht von einem dreimal so
hohen, das keinen Vergleich
mit den Stadtmauern mehr zu¬
lasse.
Im Gegensatz zu Canina
nun hält sich Borgattis Wieder¬
herstellung genau an den noch vorhandenen Kern. Er gliedert
den runden Mittelbau durch flache Wandpfeiler (Abb. 3); die
von Procoi:» erwähnten Standbilder nimmt er auf der Plattform
an. Von hier wurden sie von den Belagerten auf die Köpfe
der Gothen geworfen, die sich anschickten, den quadratischen Unter¬
bau auf Leitern zu ersteigen. In Bezug auf die Krönung des
Baues schliefst sich Borgatti der durch Canina und seinen Vor¬
gänger verdrängten Ansicht an, dafs ihn eine colossale Quadriga,
sei es nun mit einem Helios, wde Gamucci meinte, oder mit dem
Kaiser selbst, wie Nibby wollte, auf einem thurmartigen Posta¬
ment, entsprechend dem noch heut die Mitte des Bauwerkes ein¬
nehmenden Thurme, gebildet habe.
Können wir demnach lobend anerkennen, dafs Borgatti zu ge¬
sunden Grundsätzen in der Wiederherstellung des Denkmals zurück¬
gekehrt ist, so verdanken wir anderseits seiner unermüdlichen Arbeit
mehrere werthvolle Entdeckungen im einzelnen. Die wichtigste ist,
dafs es ihm gelungen ist, 3 m unter dem heutigen Boden den ganz
vergessenen antiken Eingang zu dem runden Mittelbau zu entdecken.
Nr. 29.
297
Centralblatt der Bauverwaltung,
Zu letzterem gelangte man bisher nur auf einer in der Mitte des
Kernes angebrachten, in einen mittelalterlichen Gang führenden Zug¬
brücke. Der antike Eingang führte vermittelst eines Ganges c (Abb.2)
in die Vorhalle welche dem Eingang gegenüber mit einer halbrunden
Nische abgeschlossen ist, in der aller Wahrscheinlichkeit nach ein
Standbild Hadrians stand. In dem Gange c sind bisher unbekannte
Architekturbruchstücke von dem Gesims des runden Kernes gefunden
worden (vgl. die Wiederherstellung). Von der Vorhalle d führt eine
spiralförmige, genau einen Kreis beschreibende ßamjDe e . . ,e zu dem
12 m über d liegenden Vorraum /, und von diesem ein wagerechter
Gang g zu der gerade im Mittelpunkte des Eundbaues liegenden
Grabkammer h , die
durch drei Schachte
(rri) Licht empfängt. In
derselben befand sich
der Porphyrsarg mit
Hadrians Leiche. Im
12. Jahrhundert kam
er in den Lateran und
ist jetzt verschwunden;
dagegen ist der Deckel
noch als Taufbecken
in Sanct Peter vor¬
handen.
Infolge der fal-
s chen V orstellungen
über den Bau war
man bisher der An¬
sicht , die spiralför¬
mige Eampe sei über
d hinausgegangen und
habe in mehreren
Windungen die Höhe
des Bauwerkes er¬
reicht. Borgattis Un¬
tersuchungen haben
ergeben , dafs die
Kampe bei d endigt
und keinen anderen
Zweck hatte, als zur
Grabkammer Hadrians
zu führen. Es ergiebt
sich hieraus ein neuer
Beweisgrund gegen
die von Canina ange¬
nommene Höhe des Denkmals. Bei den Ausgrabungen
im Innern des Kernes wurde auch ein wahrscheinlich
zur Ausbildung eines der genannten Räume gehöriges
Capitell gefunden.
Auch für die Gestaltung des quadratischen
Unterbaues, in welchem sich alle übrigen Grab¬
kammern (Tav. 6A. 6) befanden, hat Borgatti neue
Belege in zwei Zeichnungen des Sangallo und Sanso-
vino beigebracht. Dieselben stellen einen Eckpilaster
des quadratischen Unterbaues sowie Theile der oberen
Bekleidung desselben dar. Reste von beiden sind
vorhanden, sodafs die Wiederherstellung dieses Theiles des Denk¬
mals in 'allen Punkten gesichert ist. Die hier angebrachten In¬
schriften haben sich, freilich in immer mehr sich vermindernder
Anzahl, durch das ganze Mittelalter erhalten, selbst Alexander VI.
schonte die noch vorhandenen und noch Andrea Fulvio (1543) hat
einige an ihrer Stelle gesehen.
Von nicht geringerem Erfolge als die auf Wiederherstellung des
Grabmals abzielenden Studien sind Borgattis technische Unter¬
suchungen der mittelalterlichen Theile des Castells begleitet. Er hat
an der Hand derselben in Cap. 2 — 13 eine sehr fleifsig gearbeitete
Geschichte des Denkmals gegeben, aus der namentlich Cap. 10 her¬
vorzuheben ist, welches die Bauthätigkeit Alexanders VI. und Pauls HI.
behandelt. Daran schliefst sich in Cap. 14 eine kurze Uebersicht der
Haupt - Zeitabschnitte
und der Hauptverän¬
derungen an (S. 168
bis 172), die ein schnel¬
les Zurechtfinden in
dieser Fülle von Daten
ermöglicht. Erwäh-
nenswerth sind auch
die unter Leitung
Borgattis begonnenen
Aufräumungsarbeiten.
Namentlich hat er
den Cortile Leos X.,
der völlig verwahrlost
und zum Theil ver¬
schüttet war, frei¬
gelegt und die auf
der südöstlichen Seite
des Eundbaues be¬
findlichen ehemaligen
Staatsgetängnisse, in
denen unter andern
Benvenuto Cellini und
Beatrice Cenci ge¬
sessen haben, aufge¬
deckt. Es steht zu
erwarten, dafs wei¬
tere Herstellungs-
Arbeiten folgen. Die
Engelsburg ist nach
Errichtung der Aufsen-
werke, welche Rom
jetzt in weitem Kreise
umgeben, als Festung
nicht mehr zu brauchen und zur Caserne oder als Ge-
fängnifs nicht eben sehr geeignet, und wird daher hoffent¬
lich über kurz oder lang wirklich das werden, wozu
es schon erklärt ist, ein „Monumento nazionale“. Wer
sich den Genufs gönnt, an der Hand der Borgatti¬
schen Schrift einmal den Verlauf der Geschichte
vom Standpunkt der Moles Hadriani aus zu be¬
trachten, wird erkennen, dafs es keinen Bau in
Rom, ja in der ganzen Welt giebt, der auch nur
entfernt ähnliche Geschicke durchgemacht hat , keinen,
der es mehr verdient, von den Römern als National¬
denkmal hergestellt und erhalten zu werden.
Berlin. Otto Richter.
Grabdenkmal des Kaisers Hadrian.
Wiederherstellung Borgattis.
Neuere Arten zerlegbarer eiserner Brücken.
Bei der hohen Bedeutung, welche den Eisenbahnen als Beförde¬
rungsmittel in Kriegsfällen beigemessen werden mufs, ist es nur natür¬
lich, dafs man es sich in neuerer Zeit mit besonderem Eifer angelegen
sein läfst, Mittel und Wege zu finden, um Eisenbahn- und Strafsen-
brücken auch von erheblicher Spannweite in kürzester Zeit wieder auf¬
zurichten. Aber auch unter anderen Verhältnissen, wie bei der Her¬
stellung von Zuwegungen in unwegsamen Colonialgebieten können
ähnliche Gesichtspunkte für die besondere Anordnung der Verkehrs¬
brücken mafsgebend sein, wie in einem Aufsatz über zerlegbare
Brücken Eiffelscher Bauart im vorigen Jahrgange d. Bl. S. 470 näher
erläutert wurde. Auf thunlichst leichte Beförderungsfähigkeit der
einzelnen Theile solcher Brücken mufs naturgemäfs in jedem Falle
besondere Rücksicht genpmmen werden.
In Frankreich ist in neuerer Zeit eine Reihe von Brücken¬
systemen, welche nach den angedeuteten Gesichtspunkten entworfen
wurden, weiteren Kreisen bekannt geworden. Dahin gehören, aufser
den bereits erwähnten Eiffelschen Brücken unter anderen diejenigen
des Systems Henry und die engverwandten Brücken des Hüttenwerkes
Fives-Lille, welche auf der im vorigen Jahre veranstalteten Pariser
Weltausstellung in mehreren Mustern vertreten waren. Ferner ist
hinzuweisen auf eine vom französischen Obersten Marcille ange¬
gebene Brückenart, welche für Kriegszwecke als besonders geeignet
bezeichnet wird. Die Brücken von Henry und Marcille sind in
der französischen Zeitschrift La Nature behandelt. Die sämtlichen
vorgenannten Systeme sind ferner auch von dem früheren Attache in
Paris, Regierungs- und Baurath Pesch eck, in mehreren dem preufsi-
schen Minister der öffentlichen Arbeiten erstatteten Berichten genauer
beschrieben. Man kann die genannten Brücken, einschliefslich der
von Eiffel angegebenen, nach einheitlichen Gesichtspunkten be¬
trachten. Sie bestehen sämtlich aus leicht auszuwechselnden Einzel¬
gebilden von Flufsstahl (acier doux), deren Verschiedenartigkeit für
jedes System nach Möglichkeit eingeschränkt ist. Diese ein für alle¬
mal feststehenden, in grofser Zahl vorräthig gehaltenen Einzelgebilde
sind für die Hauptträger bei Eiffel dreieckförmig, bei Henry und
Fives-Lille geradlinig, bei Marcille flächenförmig gestaltet. In den
beiden ersten Fällen ist es auf die Anordnung gegliederter Träger,
im letzteren Falle auf die Herstellung von Blechträgern abgesehen.
Ein gemeinsames Kennzeichen der Anordnungen ist ferner die Art
298
Centralblatt der Bauverwaltung.
19. Juli 1890.
der Zusammeafiiguug der Einzelglieder, welche mittels Schrauben¬
bolzen von der in Abb. 2 Seite 470 des vorigen Jahrgangs d. Bl.
dargestellten und erläuterten Gestaltung bewerkstelligt wird. Die
Spannweite geht bei den genannten Systemen, aufser bei Henry, bis
auf 45 m. Die Aufstellung der Ueberbauten erfolgt durchweg durch
Ueberschiebeu von dem einen Ende aus.
Nachdem von Eiffels zerlegbaren Brücken bereits früher an dieser
Stelle die Kede gewesen ist, dürften einige Mittheilungen auch über
die übrigen vorgenannten Brückensysteme den Lesern nicht unwill¬
kommen sein. Wir lassen daher den wesentlichsten Inhalt der diese
Brücken betreffenden Attacheberichte hier kurz folgen.
I. Systeme Henry und Fives-Lille.
Im Juli vorigen Jahres wurde eine Colonnenbrücke Henry sehen
Systems über den Var bei Gattieres in einer Gesamtlänge von 357 m
durch eine 120 Mann starke Eisenbahn-Compagnie und 120 Mann
Infanterie in 77 Stunden aufgestellt, 30 Stunden Kuhepausen einge¬
rechnet. Die Brücke ruhte in 17 Spannweiten von je , * ,
21 m auf verstrebten Pfahljocheu von der in Abb. 1 , ,
gezeigten Grundrifsform, welche in 4 Tagen einge- • , •
rammt wurden. Die Brückenbreite betrug 3,6 m zwi- j^bb 1
sehen den Trägern. Die Fahrbahntafel hatte Bohlen¬
belag, auf welchem in 1,75 m Abstand Uingslaufende Schrammbalken
für Lastfuhrwerk befestigt waren. Die wesentlichsten Einzeltheile der
Brücke waren: die
Tir
waren :
Gurtungstheile in
der Mitte und an
den Enden , die
Stofslaschen , die
Diagonalen, 3,35 m
lang, die Verticalen,
2,07 m lang, die
Querträger , Fahr¬
bahnträger und die
wagerechten Wind¬
bänder. Die gröfste
Länge von 6,28 m
hatten die mittleren
Gurtungstheile. Die einzelnen Ueberbauten wurden durch Ueber-
schieben auf Walzen unter Benutzung von Flaschenzügen, welche an
werk Fives-Lille hergestellt, war auf der Pariser Ausstellung 1889 zu
sehen, mit dem einzigen wesentlichen Unterschiede, dafs innerhalb
der um 3 m abstehenden Hauptträger auf der Brückenbahn noch
eine 0,6 m weite Spurbahn vorgesehen war, deren Wagen an jeder
Seite noch Raum für einen Fufsgänger liefsen. Die Brücke war hier-
.„oe--. nach gleichzeitig Eisenbahn- und Strafsen-
I W . ^ ^ .-ja — ^ brücke (vgl. Abb. 5). Die Brückentheile
5 waren im übrigen so eingerichtet, dafs von
3 zu 3 m fortschreitend alle Spannweiten
bis zu 24 m hergestellt werden konnten. Bei 21 m ist es möglich,
Züge von 1,6 t Gewicht auf 1 Längenmeter mit 6 t schweren vier¬
rädrigen Locomotiven auf der Brücke zu befördern.
Nacli ganz ähnlichen Gesichtspunkten war eine auf der genannten
Ausstellung im Pavillon des Ki’iegsministeriums gezeigte Eisenbahn¬
brücke des Werkes Fives-Lille erbaut, wie sie für Spannweiten bis
45 m anwendbar ist. Einige Einzelheiten dieser Brücke sind in den
Abb. 6 bis 8 wiedergegeben, welche jedoch nicht mafsstäblich aufzu¬
fassen sind. Zunächst ist aus Abb. 6 ersichtlich, dafs die Haupt¬
träger, wie beim System Eiffel, mit gekreuzten Diagonalen herge¬
stellt sind. Die Anordnung der Stabquerschnitte ist in der Abbildung
angegeben. Die gedrückten Theile sind durch seitliches Gitterwerk
kastenförmig geschlossen. Die Vereinigung der Theile wird durch
Schraubenbolzen von 3, 4,5 und 6,5 cm Stärke bewirkt. Auch die
Diagonalen, deren Querschnitte so angeordnet sind, dafs die Druck¬
streben zwischen
den Zugbändern
bequem durchge¬
führt werden kön¬
nen, werden an den
Kreuzungs stellen
durch Verbolzung
gesichert (Abb. 7).
Die gegliederten
Querträger sind
nach Abb. 8 an
den Verticalen der
Hauptträger ge¬
lenkartig zu beiden
Seiten derselben befestigt. Durch Bolzen a sind auch die Untergurte
der Querträger mit am Hauptträger befindlichen Hülsen verbunden.
Die Querträger haben nach dem Gesagten doppelte Gurtungen, ebenso
doppelte, um die Stärke der Hauptträgerverticalen entfernt liegende
Diagonalen, doch nur einfache (J-förmige Verticalen ( f7, U, Abb. 8).
Da, wo die Schwellenträger T angeordnet sind, sind zwei Verti¬
calen zur bequemeren Befestigung dieser Träger neben einander
gestellt. Letztere sind mittels seitlich aufgelegter Laschen an
den Enden so verstärkt, dafs sie in gabelartigen Eingriff gebracht
< _ 0,42.
System der Hauptträger.
Einzelheiten der Hauptträger.
Abb. 6.
Abb. 7.
Kreuzung
zweier
Diagonalen.
Abb. 8. Verbindung der Querträger mit den Verticalen.
den Jochpfählen befestigt wurden, aufgestellt, itnter Anbringung von
eisernen Verstärkungen, welche die Ueberbauten mit 18 kg auf
1 Längenmeter belasteten. Die Fahrbahn konnte eine Nutzlast von
300 bis 400 kg/qm mit Sicherheit aufnehmen und gestattete den
Verkehr von aufeinanderfolgenden vierrädrigen Wagen mit 2 t Achs-
druck, bespannt mit 6 Pferden. Das Gewicht des Ueberbaues
betrug 0,5 t/m, uneingerechnet die vorbezeichneten Verstärkungen
und den Holzbelag. In den hier beigefügten Abb. 2 bis 4 sind
einige Einzelheiten der in Rede stehenden Brücke wiedergegeben.
Abb. 2 zeigt die Seitenansicht des Ueberbaues über den Jochen,
Abb. 3 den Brückenquerschnitt, Abb. 4 in Ansicht und Grundrifs
einen Knotenpunkt des Untergurtes, mit Andeutung der Befestigung
der Fahrbahntafel. Die Formen der Stabquerschnitte sind in Abb. 2
angedeutet. Ein Muster dieser Brückengattung, von dem Hütten-
und mit einem gemeinschaftlichen Bolzen von 6,5 cm Stärke befestigt
werden können.
Für eine Spannweite von 45 m beträgt die Trägerhöhe 3,6 m,
also nur der Spannweite. Die Gurtungsquerschnitte sind dem¬
entsprechend reichlich stark gemacht. — Es wird berichtet, dafs die
Aufstellung einer derartigen Brücke von 28,8 m Spannweite in
32 Stunden bewirkt werden konnte.
II. System 3Iarcille.
Die zerlegbaren Blechbrücken Marcillescher Bauart werden unter¬
schieden in :
1) „kleine Brücken“, und zwar a) von 10 m Spannweite und
darunter, und b) von 10 bis 20 m Spannweite;
h\ 29.
Centralblatt der Bauverwaltung.
299
2) „grofse Brücken“, und zwar a) von 20 bis 30 m Spannweite
und b) von 30 bis 45 m Spannweite.
Die Trägerhöhen betragen für
10 m Spannweite 0,6 m (“iß2/’ )’
20
1,2
16'^/3 '
30 m Spannweite 1,5 m ^ )i
' •' ” (2o!4s)-
Abb.
Die Trägerhöhen sind also verhältnifsmäfsig niedrig gewählt; es
wird angegeben,
dafs „die gröfsten
Brückentheile so
bemessen sind,
dafs sie auf den
höchsten Wagen
der französischen
Bahngesellschaft¬
en aufgestapelt
überall ungehin¬
dert durch die Um¬
grenzung des
freien Raumes be¬
fördert werden
können“. Diese
Rücksicht dürfte
auf die Wahl der
Trägerhöhen
nicht ohn e Einflufs
gewesen sein. Die
Theilstücke der
kleinen Brücken
haben Längen
von 1,25, 2,5, 5 und 10 m. Sie können so gruppirt werden, dafs
man eine von 1,25 zu 1,25 m fortschreitende Stufenfolge der Spann¬
weiten erhält. Auch schiefe Brücken mit 1,25 m Ueberstand des
einen Trägers lassen sich damit in einfacher Weise hersteilen. Die
Schienen der kleinen Eisenbahnbrücken liegen oben auf den l'rägern.
Die Theilstücke der grofsen Brücken sind 7,5 und 10 m lang;
man hat ferner besondere Endstücke von 2,5 und I2/3 m Länge.
Diese Theile können so zusammengestellt werden, dafs man eine von
0,83 zu 0,83 m fort¬
schreitende Reihe
für die Brücken¬
längen erhält (2,5
_ 12/3 ^ 0,83).
Man kann damit
ferner schiefe
Br ücken mit 0,83 m
Ueberstand des
einen Trägers her¬
steilen. Die Eisen¬
bahn schienen lie¬
gen entweder auf
den Hauptträgern
oder aber auf be¬
sonderen Quer¬
trägern zwischen
denselben. -Bei der
geringen Träger¬
höhe sind die Gur¬
tungen aus meh¬
reren breiten Blechstreifen (bei 30 m Spannweite sind dieselben 50 cm
breit) gebildet. Die Blechwände der Hauptträger sind gegen Ver¬
biegungen durch aufgenietete senkrechte Versteifungsplatten gesichert.
Das zu den Marcilleschen Brücken verwendete Flufseisen hat
eine Bruchfestigkeit gegen Zerreifsen von 4500 kg/qcm; es verträgt
eine Dehnung von 20 pCt. und nimmt erst bei 2200 kg/qcm bleibende
Formänderung an. Bei Berechnung der Brücken wurden als zulässige
Inanspruchnahme 1000, auch 1200 kg/qcm zu Grunde gelegt, daher sind
die Theilstücke verhältnifsmäfsig leicht. Brücken von 10, 20, 30 und
45 m Spannweite wiegen bezw. 550, 785, 1500 und 2200 kg 'm.
Besonders beachtenswerth ist der bei der Aufstellung Marcille-
scher Brücken befolgte Arbeitsvorgang. Die beiden Abb. 9 und 10
veranschaulichen die Art und Weise der Beförderung der Brücken¬
theile und der Aufstellung der Brücke selbst. In Abb. 9 ist an
einem bestimmten Beispiel gezeigt, wie eine fertig zusammengestellte
Brücke von 45 m Spannweite von der einen Seite her über die
Widerlager geschoben wird. Zu dem Ende wird der eigentliche
Ueberbau mit besonderem Vorstück (avant-bec) und Hintergewicht
(contrepoids) versehen. Die Zusammensetzung der Theile geht zu¬
nächst auf dem festen Ufer in der Verlängerung der Brückenöffnung
so vor sich, dafs zuerst das Vorstück, sodann die dahinter folgenden
Theilstücke und das Hintergewicht auf Rollen gesetzt werden. Die
Theile werden sodann fest an einander geschoben und an den Stöfsen
mit Deckplatten und Schraubenbolzen verbunden. Das Ganze be¬
wegt man hiernach auf die zum Ueberschieben der Brücke dienenden,
mit Sperrrädern versehenen Walzen, welche durch Hebebäume ge¬
dreht werden. Ist die Brücke über den Auflagern angelangt, so
werden Vorstück und Hintergewicht entfernt und die Brücke durch
vier unter den
Enden befindliche
Wasserpressen
unter Fortnahrne
der zur vorläufigen
Unterstützung un¬
tergelegten
Schwellen allmäh¬
lich auf die Auf¬
lager niederge¬
lassen. Liegt die
Fahrbahn nicht
über , sondern
zwischen den Trä¬
gern, so wird die
Arbeit infolge der
anzuordnenden
Querconstructio-
nen umständli¬
cher. Man bedient
sich in diesem
Falle , nachdem
die Träger etwas
gesenkt sind, eines auf denselben laufenden Fahrkrahnes, mit
welchem die vorläufigen Querversteifungen herausgenommen werden.
Die Träger werden hierauf auf 4,2 m Abstand von Achse zu Achse
gebracht, und nun mit Hülfe eines breiteren Fahrkrahnes die Quer-
und Zwischenträger eingefügt. Nachdem diese Theile mit den Haupt¬
trägern und untereinander fest verschraubt sind, wird die Brücke
vollends auf ihre Lager niedergelassen.
Hinsichtlich der Beförderung der Brückentheile an die Baustelle
ist zu bemerken,
dafs die Stücke
in derjenigen Rei¬
henfolge herange¬
schafft werden,
wie sie gebraucht
werden, und zwar
zunächst die Hebe¬
zeuge, Böcke, Win¬
den und Flaschen¬
züge, sodann das
Vorstück, hierauf
die Theilstücke
der Brücke, end¬
lich die Theile des
Hintergewichtes.
Zur Beförderung
der Theilstücke
werden besondere
Abb. 10. Eisenbahnwagen
von der in Abb. 10
dargestellten Einrichtung benutzt, welche die Stücke, wie in der Ab¬
bildung gezeigt, zwischen sich nehmen und mittels auslegerartig
eingerichteten Ueberbauten schwebend erhalten.
Brücken der beschriebenen Art sind versuchsweise bei einigen
im Betriebe befindlichen Bahnen aufgestellt worden, und zwar dem
Vernehmen nach mit durchaus befriedigendem Erfolg. Eine solche
Brücke wurde bei Argenteuil in der Nähe von Paris erbaut, in drei
Spannweiten von 20, 27 und 20 m, und einer Gesamtlänge der Träger
von 70 m, einschliefslich der Auflager. Von Versailles mit Sonder¬
zug abgesendet, kam alles Material am 18. August 1889 abends an
der Baustelle an. Die am 19. früh begonnene Aufstellung, bei welcher
ein Hauptmann, ein Leutnant und 52 Mann Eisenbahntruppen, ein¬
schliefslich der Unterofficiere, beschäftigt waren, wurde so rüstig
gefördert, dafs die Brücke in 24 Stunden zum Ueberschieben fertig
aufgestellt war. Das Ueberschieben erforderte 3, das Niederlassen
auf die Auflager 18 Stunden. Die ganze Arbeit, um eine Bahn¬
unterbrechung von 70 m Länge betriebsfähig zu überbrücken, er¬
forderte noch nicht 60 Stunden. Die eigentliche Bauzeit beträgt für
Brücken mit oben liegender Fahrbahn bei 30 m Spannweite 46, bei
45 m Spannweite 80 Stunden.
300
Centralblatt der Bauverwaltung.
19. Juli 1890.
Yermischtes.
Im tVettbewerlje um das Kaiser IVilhelm-Denkmal der Provinz
Westfalen sind nicht, wie auf S. 280 gesagt wurde, 56 Entwürfe,
sondern 58 Entwürfe von 56 Bewerbern eingegangen. Eine öffent¬
liche Besichtigung der bereits vollendeten Ausstellung der Entwürfe
im Ständehause in Münster rindet erst nach dem Zusammentritt des
Preisgerichtes statt. Der Berufung des letzteren würde schon jetzt
nichts entgegenstehen, wenn nicht mehrere seiner Mitglieder durch
Erholungsreisen usw. zunächst behindert wären. Unter diesen Um¬
ständen sind für die Arbeiten des Preisgerichtes der 19. August d. J.
und folgende Tage in Aussicht genommen. i
All ? der tecliuischeu Hoehsclmlc in Barmstadt ist für das
Studienjahr 1890/91 von Seiner Königlichen Hoheit dem Grofsherzoge
Herr Professor Th. Landsberg gemäfs der Wahl des Professoren-
Collegiums zum Director ernannt worden. Vorstände der Fach¬
abtheilungen sind für dieses Studienjahr die Herren; Prof. E. Marx
für die Bauschule, Geh. Baurath Prof. Dr. Schmitt für die Tn-
genieurschule, Prof. E. Brauer für die Maschinenbauschule, Prof.
Dr. Staedel für die chemisch-technische Schule, Prof. Dr. Henne¬
berg für die mathematisch-naturwissenschaftliche Schule und Geh.
Hofrath Prof. Dr. Kittier für die elektrotechnische Schule.
Höherlegiiiig eines Häiiserbloeks in Boston. Anläfslich der
Höherlegung der Boylston-Strafse in Boston wurde unlängst eine
zusammenhängende Eeihe von 17 aus Ziegeln errichteten Wohn¬
häusern an dem einen Ende um 0,9, an dem andern um 1,8 m ge¬
hoben. Die Häuser waren sämtlich nach demselben Plane in 6,7 m
Breite und 1.3,7 m Tiefe erbaut und zeigten nach der Strafse eine
Höhe von di-ei, nach der tiefer liegenden Rückseite eine solche von
fünf Stockwerken. Der bei der Hebung beobachtete Arbeitsvorgang
ist im Engineering and Building Record näher erläutert. Hiernach
wurde der Häuserblock an zwei Stellen, unmittelbar neben zwei
Scheidewänden nach der Tiefe durchschnitten und die so von ein¬
ander vollkommen losgelösten drei Abtheilungen nacheinander ge¬
hoben. In den nebenstehenden Abbildungen ist die Hebung der
ersten Reihe von sechs Häusern veranschaulicht. Vorder- und
Hinterwaud, Dachgeschofs und Fufsböden des Hauses 6 wurden zu¬
nächst bei AA (Abb. 1) von Haus 7 abgetrennt, die Fufsbodenlager
auf eisernen Unterzügen B, vorläufig abgefangen und über den
noch in der Wand des Hauses 7 steckenden Kopf-Enden der Lager¬
hölzer soviel Mauerwerk ausge¬
brochen, dafs sich die Hölzer beim
Anheben der ersten Häuserreihe
frei aufwärts bewegen konnten.
Nach der Tiefe des Hauses 6 wur¬
den die Zwischenräume der Fufs¬
bodenlager mit Holzklötzen dicht
Abb. 2. ausgepackt und nun in den oberen
drei Stockwerken Vor- und Rück¬
wand dieses Hauses durch Ketten E
(Abb. 2) miteinander fest verbun¬
den. Hierdurch wurde ein Aus-
0)
10
CO
ej
C.
-i-»
CO
c
o
-2
o
CQ
Abb. 1. Abb. 3.
weichen der abgetrennten Wände wirksam verhindert. Die Spannung
der Ketten E wurde zunächst durch Zugbänder FF aufgenommen,
von diesen auf wagerechte Schienen D D und mittels senkrechter
Träger C C auf das Mäuerwerk übertragen. Nachdem hierauf die
Umfassungswände vollständig blofsgelegt waren, wurde die eigentliche
Hebung so ausgeführt, dafs durch Fenster, Thüren und besondere
im Mauerwerk hergestellte Oeffnungen 30 X 30 cm starke Unter¬
züge G G . . hindurchgesteckt, diese von Langhölzern gleicher
Stärke H H unterfangen und letztere auf Schraubenspindeln J ge¬
setzt wurden, durch deren Drehung die Hebung bewirkt wurde. Den
Spindeln diente eine zu beiden Seiten der Wände augeordnete Holz¬
stapelung als Auflager; die in Abb. 3 im Querschnitt gezeichneten
Haus 7.
Stapelhölzer, die obern in 25 X 25, die untern in 25 X 30 cm Stärke,
waren lang durchlaufend angeordnet.
Für jedes Haus wurden 100 Schraubenspindeln nöthig, welche
von 27 Arbeitern gleichzeitig bedient wurden. In der oben genannten
Quelle werden das Gewicht eines Hauses zu 400 t, die Hebungs¬
kosten hierfür zu 2200 Mark angegeben. Die Höherlegung eines
Abschnittes von sechs Häusern nahm einen Monat in Anspruch,
ausschliefslich der sonstigen Wiederherstellungsarbeiten. Km.
Bücherscliau.
Die Architektur der Hannoverschen Schule. Moderne Werke
der Baukunst und des Kunstgewerbes im mittelalterlichen Stil. Her¬
ausgegeben im Aufträge der Bauhütte zum weifsen Blatt von Gustav
Schönermark. Jahrgang 1, 1889 und Jahrgang II, 1890, Heft 1 — 1.
Hannover- Linden, Karl Manz. Jährlich 10 Hefte mit je 8 Tafeln in
gr. 8". Preis f. d. Jahrgang in Mappe 15 Mark.
„Die Architektur der Hannoverschen Schule ist so bedeutend für
die moderne Baukunst ganz Deutschlands geworden, dafs es Wunder
nimmt, nicht schon längst eine umfassende und fortlaufende Ver¬
öffentlichung ihrer Werke veranstaltet zu sehen. Wohl hat es nicht
an dahin gehenden Versuchen gefehlt, aber man kam über die An¬
fänge nicht hinaus, weil solche Arbeit die Kräfte einzelner überstieg.
Der Bauhütte zum weifsen Blatt gehört ein grofser Theil der Meister
mittelalterlicher Kunst an oder ist ihr doch befreundet; auf diese
Weise steht ihr das beste Material sehr reichlich zur Verfügung,
und deshalb glaubt sie auch, dasselbe veröffentlichen zu sollen, damit
es denen nützlich werde, welche die Baukunst im Geiste des Mittel¬
alters pflegen.“ — So lautet die Vorrede eines Bilderwerkes, welches
seit dem 2. October 1888, dem siebenzigsten Geburtstage Conrad
Wilhelm Hases im Aufträge der Bauhütte zum weifsen Blatt, einer
Gesellschaft von Schülern und Freunden, die sich um den Altmeister
schaart, in jährlich 10 Heften zu je 8 Blättern erscheint. Das erste
Heft schmückt sich denn auch mit dem nach Schapers Gemälde in
Lichtdruck hergestellten Bildnifs Hases. Die Darstellungen sind
Zink- und Steindruck kleineren Formats von grofser Deutlichkeit,
und zeigen kirchliche und profane Bauwerke, Einzelheiten und Aus¬
stattungsgegenstände verschiedener Art, meist nach Federzeichnungen
in geometrischer, wenige in schaubildlicher Auftragung. Viele der
vorgeführten Bauwerke weisen jene Art des Backsteinbaues auf,
welche, als besonders bezeichnend für die Hannoversche Bauweise
angesehen, namentlich nach dem Vorgänge Hases geübt wird und
sich vornehmlich nach dem (Isten hin weit über die in der vor¬
liegenden Veröffentlichung innegehaltenen Grenzen erstreckt hat,
nämlich die Verwendung des Thonbrands in nicht gröfseren Ab¬
messungen als denen des gewöhnlichen Hand- oder Maschinenziegels.
Es fehlt jedoch auch nicht an Beispielen des gemischten Ziegel- und
Werksteinbaues wie der Ausführung in reinem Haustein. Der
ganzen Richtung eigenthümlich ist die angestrebte Kraft der Farben¬
wirkung, welche durch die wechselvolle Verwendung vieltönigen
Materials an Ziegeln, Glasuren und natürlichem Stein erzielt wird.
Von diesem Vorzüge kann freilich die in Rede stehende Veröffent¬
lichung, die nichts als ein durch billigen Preis allgemeiner zugäng¬
liches Sammelwerk sein will, nur einen geahnten Begriff geben. Ein
Bauwerk, wie die bekannte Glitzerburg in Cassel kommt in Feder¬
zeichnung jedenfalls nicht zu seinem durch jene volksthümliche Be¬
zeichnung gewährleisteten Rechte.
Von den Meistern der Hannoverschen Schule ist Hase bisher
mit der gröfsten Anzahl von Blättern vertreten. Es folgen -der ver¬
storbene Liier, Hebl, die in Hamburg wirkenden Andreas Meyer und
Hauers, ferner Möckel, der kürzlich in Cassel verstorbene Eeben-
tisch, W. Schulz, Winkler, Börgemann, Grelle und Bollweg, Mialaret
und der Bildhauer Gundelach. Altona, Doberan, Cassel, Noordwyk
aan Zee in Holland bilden die Grenzpunkte des Gebietes, über
welches die vorgeführten Baulichkeiten zerstreut sind. Als einen
Mangel des Werks, der aber in dem nächsten besten Hefte nach¬
geholt werden kann, müssen wir es vorläufig bezeichnen, dafs ein vor¬
bildlicher Bau, wie die Hasesche Wiederherstellung des alten Rath-
hauses in Hannover, noch fehlt, dafs ferner Namen vermifst werden,
welche zweifellos vertreten sein müssen, wenn das Werk seinen Titel:
„Die Architektur der Hannoverschen Schule“, mit Recht führen soll,
wie Oppler, Wilsdorf und Hillebraud. Auch Stier und Unger dürften,
wenngleich sie weniger strenge Bahnen wandeln, unseres Erachtens
nicht fern bleiben. Immerhin wird schon jetzt eine wohlgewählte
Sammlung von Bauwerken geboten, die in weiteren Kreisen anregend
und fruchtbringend wirken kann, namentlich wenn, unter Vermei¬
dung der Modeströmungen, aber doch mit Aufnahme frischer Motive,
eine Weiterentwicklung nach der freien, heiteren Seite hin erstrebt
wird. Eo.
Verlag von Ernst & Korn (WiLhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des niclitamtlichen Tüeiles verantwortlich i. V.: O. Hofsfeld, Berlin. Druck von J. Eerskes, Berlin.
301
Centralblatt der Bauverwalturig.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 26.
Juli 1890. 30.
Bedaction: SW. Zimmerstrafse 7 "• Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn ia Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHAIiT: Amtliches: Personal-Nachiicbten — Nichtamtliches: Bauten der Nord-
westdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen. — Wiederaufnahme
der Bauarbeiten beim Hudsontunnel. — lieber zweckmiifsige Einrichtungen von Kliniken
(Fortsetzung aus Nr. 4). — Architektur auf der diesjährigen Berliner Kunstausstellung.
— Verm iscbte.s: Verbessertes Ijäutewerk für Urahtzngsebranken. — Grofsberzoglicbc
technisebe Hochschule in Darmstadt. — Ausbau des Münsters iu Ueberliugeii. —
Aquarelle des verstorbenen Prof. F. Ewerbeck in Aachen, — Schifl'ahrtsverkebr auf
dem Rhein. — Inhalt der Zeitschrift für Bauwesen.
Amtliche M
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ee-
gierungs- und Baurath Abraham, Director des Eisenbahn-Betrieb s-
Amts in Nordhausen die Erlaubnifs zur Anlegung des ihm verliehenen
Fürstlich schwarzburgischen Ehrenkreuzes II. Klasse zu ertheilen.
Der bisherige Eegierungs-Baumeister Hensch ist als Königlicher
Wasser-Bauinspector in Frankfurt a. Main angestellt worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, die er¬
ledigte Stelle eines Bauinspectors bei dem technischen Bureau der
Generaldirection der Staatseisenbahnen dem Maschineningenieur K o c h
in Salzburg unter Verleihung des Titels Oberinspector zu übertragen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den Vorstand der Wasser- und Strafsenbauinspection Heidelberg,
Oberingenieur Eduard Helbing, auf sein Ansuchen unter An¬
erkennung seiner langjährigen, treu geleisteten Dienste auf den
1. October d. J. in den Euhestand und den Vorstand der Wasser-
ittheilungen.
und Strafsenbauinspection Achern, Oberingenieur Max Wipper¬
mann, in gleicher Eigenschaft auf den gedachten Zeitpunkt zur
Wasser- und Strafsenbauinspection Heidelberg zu versetzen.
Hessen.
Der Grofsherzogliche Kreisbaumeister des Kreishauamts Dieburg
Freiherr Wilhelm v. Eiefel wurde von der commissarischen Leitung
der Grofsherzoglichen Baubehörde für die Zellenstrafanstalt Butzbach
enthoben und nach Dieburg zurückversetzt, und dem Grofsherzog¬
lichen Kreis-Bauassessor Hermann Dan dt die Leitung der vorge¬
nannten Behörde conimissarisch übertragen.
Elsafs - Lotlu'ingeii.
Der bisherige Kreis-Bauinspector Blum har dt in Mülhausen ist
zum Kaiserlichen Eegierungs- und Baurath in der Verwaltung von
Elsafs-Lothringen ernannt und demselben die Stelle des Eegierungs-
und Bauraths bei dem Bezirkspräsidium in Metz übertragen worden.
Der Kreis-Bauinspector Kitter ist von Altkirch nach Mülhausen
versetzt und der Eegierungs-Baumeister Hub er in Molsheim zum
Kreis-Bauinspector in Altkirch ernannt worden.
[Alle Rechte vovhehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Bauten der Ifordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie -Ausstellung in Bremen.
Abh. 1.
Holzstich V. O. Ebel.
EingangstUor zur Bremer Ausstellung.
Es war für die Bewohner Bremens kein geringes Wagnifs, un¬
mittelbar nach dem Vorgang der gröfseren und berühmteren Schwester¬
stadt Hamburg mit dem gleichen Gedanken einer Gewerbeausstellung
hervorzutreten. Doch wiesen die herrschenden Verhältnisse in
zwingender Weise darauf hin, dafs auch von Seiten Bremens das
Möglichste geschehen müsse, den Vaterlandsgenossen im Inlande
im Verein mit Hannover und Oldenburg die Ergebnisse seiner eigenen
Leistungsfähigkeit sowie der der beiden Nachbargebiete vorzuführen.
Mancherlei charakteristische Züge unterscheiden ja die gegenwärtige
Nordwestdeutsche von der vorjährigen Hamburger Ausstel¬
lung, welche sich bekanntlich auf die Vorführung der örtlichen
Productionsfähigkeit beschränkte, während die Bremer Aus¬
stellung eben auch die erzeugende Kraft der Nachbarstaaten
einschliefst. Fand die Hamburger Ausstellung auf einem
reizend gelegenen, stark bewegten Gelände statt, auf dem
eine Anzahl Architekten ihre Kunst zwanglos in mannig¬
faltiger Weise bethäfigen konnte, so mufste sich Bremen
vielmehr dazu entschliefsen, den besten Theil seiner mit
Kecht hochgeschätzten Lieblingsanlage, des Bürgerparks,
herzugeben, um hier, und zwar im Gegensatz zu der Ham¬
burger Anlage auf völlig ebenem Platze, für die erforder¬
lichen Baulichkeiten Kaum und Eath zu schaffen. Zugleich
sollte statt des bisherigen provisorischen und in seinem
Aeufseren ziemlich dürftig gehaltenen Parkhauses ein der
veränderten Umgebung sich würdig anschliefsendes neues
Gebäude errichtet werden, praktisch betrachtet wohl die
schwierigste Aufgabe , da der Bau erst im October des
vorigen Jahres in Angriff genommen werden konnte und
mit den übrigen Bauten zusammen bis zum 1. Juni dieses
Jahres fertigzustellen war. Der Architektur war, wie schon
aus diesen Andeutungen erhellt, bei den Vorbereitungen
der über Erwartung bedeutenden Ausstellung ein umfang¬
reiches Arbeitsfeld zugewiesen, und sie hat ihrer nicht
leichten Aufgabe in jeder Beziehung entsprochen. Mit
der Ausarbeitung des Gesamtentwurfs wurde infolge ver¬
dienstvoller Vorarbeiten und eines ohne entscheidendes
Ergebnifs verlaufenen Wettbewerbes der Architekt Joh.
G. Poppe beauftragt.
Nicht geringe Schwierigkeit bot dem künstlerischen Schaffen
des Baumeisters die Anforderung, bei einer möglichst einheitlichen
und eindrucksvollen Gesamtanlage den vorhandenen Baumwuchs nicht
nur mit peinlichster Kücksicht zu schonen, sondern ihn auch geschickt
für die Ausstellungszwecke zu benutzen. Wurde die Erfüllung dieser
Bedingung auch erleichtert durch das Vorhandensein einer ziemlich
grofsen und verhältnifsmäfsig baumfreien, hinter dem Parkhause be-
legenen Wiese, so ist gleichwohl das Geschick zu bewundern, mit
Centralblatt der Bauverwaltüug.
26. Juli 1890.
Abb. 2. Lageplau.
Bezeichnungen:
302
welcbem der Architekt die
gegebenen Verhältnisse in
meisterhafter Weise zur Schaf¬
fung des grofsartig wirkenden
Bildes einer symmetrischen
Eococo- Anlage ausnutzte.
Tritt man in den Aus¬
stellungsplatz durch das in
unserer Abb. 1 dargestellte,
in malerisch reizvoller Ge¬
staltung theilweis einer alten
Bremer Stadtpforte nachge¬
bildete Thorgebäude ein, wel¬
ches einem im Gegensatz zu
dem bekannten altbremischen
Thorspruch „Bremen wäs’ be¬
dächtig, lat nich mehr in
denn du bist ehrer mächtig‘‘,
vielmehr ein „Tretet ein, auch
hier sind die Götter“ zuzu¬
rufen scheint, so bietet sich
zuerst die Fläche des grofsen,
von geometrischen Linien be¬
grenzten Wasserbeckens dar
(vgl. den Lageplan Abb. 2).
In seiner Mitte erhebt sich
auf quadratischem Flofs eine
phantastische japanische Pa¬
gode, die nur in Boten zu
erreichen und lediglich dem
Vergnügen der Wasserfahrten
gewidmet ist. Die Seiten
des Beckens sind durch
Lindenalleen eingefafst, wäh¬
rend im Hintergründe die
mächtigen Formen des neuen
Parkhauses das Bild prächtig
abschliefsen. In diesem Ge¬
bäude , welches zugleich
dem bleibenden Zwecke eines
Gesellschafts- und Wirth-
schaftshauses für den Bür¬
gerpark dienen soll, hat
der Architekt offenbar den
Glanzpunkt des Ganzen
schaffen wollen, und es ist
ihm dies durch eine über¬
aus wirkungsvolle Gruppirung
des Aeufsereu auch aufs
beste gelungen. Den Kern
des Gebäudes bildet ein ge¬
viertförmiger , zweigeschossi¬
ger Mittelbau, überragt von
hoher , mit reicher Laterne
gekrönter Walmkuppel und
an den Ecken von vier
Thürmen, welche zwiebel-
1. Parkhaus, Hauptrestauratiou.
2. Bootshaus.
3. Fessel-Ballon (Ballon captif).
4. Architektenhaus (Restauration).
.5. Bergbahn.
G. Ausschank der vereinigten Brauer
(Dr. W. Baydt, Hannover).
7. Taucherpavillou.
8 Fischräucherei.
9. Brücke, Act.-Ges. f.Monierbauten, Berlin.
10. Seefahrtshier - Pavillon (Wilh. Eemmer,
Bremen).
11. Bibelgesellschaft.
12. Theater.
13. Westälisches Bauernhaus (Restau¬
ration).
14. Meierei.
15. Maschiuenhaus (Carl Ilgner u. Co.,
Minden).
10. Carroussele.
17. Schiefshalle.
18. Lachcabinet.
19. Metalhvareu (A. Mehliug, Wien).
20. Conditorei.
20a. Kaiserpauorauia.
21. Alt-Bremen- Strafse.
22. Hesse u. Haars, Weinbaus.
23. Bureau der elektrischen Fabrik, Bam¬
berg.
24. Castans Spiegel-Irrgarten.
25. Actien-Gesellschaft für automatischen
Verkauf.
26. Jul. Linstedt, Weinausschank.
27. Forsthaus (Restauration).
förmige, ebenfalls in schlan¬
ken, hier einfacher ge¬
bildeten Laternen endigende
Dächer tragen. In der Mittel¬
achse sind vorn und hinten
in Höhe des Untergeschosses
halbkreisförmige Ausbauten
angefügt, an der Rückfront
sind dem Mitteltheil vorge¬
lagerte Säulengänge ange¬
ordnet, vermittelst deren Altan-
Plattform der Reichthum der
baulichen Entwicklung hier
noch gesteigert ist. Die Säu-
lengäuge legen sich links und
rechts auch noch den beiden
symmetrischen Bautheilen vor,
welche zwischen Mittelbau
und Gebäudeflügeln vermitteln
und auch ihrerseits wieder
mit je zwei thurmartigen,
in leichten Spitzen barocker
Bildung endigenden Eck-
Viauten abschliefsen. Die Ge¬
bäudeflügel sind luftig lauben¬
artig behandelt und durch
kuppelbedeckte Pavillons be¬
grenzt, sie vollenden har¬
monisch die Wirkung des
trefflich gegliederten und
in seinen Massen reif ab¬
gewogenen Bauwerkes. In
seinem Inneren birgt dieses
im wesentlichen einen grofsen
Concertsaal, dem sich aller¬
hand Nebenräume an-
schliefsen und dessen Aus¬
gestaltung durch säulen¬
getragene Galerieen zweck¬
dienliche Bereicherung er¬
fahren hat. Leider nur ist
es nicht gelungen, dieses
Gebäude noch vor der Er¬
öffnung der Ausstellung in
seiner äufseren und inneren
Gestaltung und farbigen
Ausstattung zur beabsich¬
tigten Wirkung zu bringen.
Es hat unvollendet dem vor¬
läufigen Gebrauch übergeben
werden müssen, was umsomehr
zu bedauern ist, als der Bau
augenscheinlich der Gesamt¬
heit der Ausstellungsbauten als
besondere, krönende Zierde
dienen sollte.
(Schlufs folgt.)
28. Camera okscura.
29. Musikpavillon.
30. Photographie-Salou.
31. Willmaim & Duuker, Restauration.
32. Champaguer-Pavillon.
33. W. H. Wietiug, Restauration.
34. Erven Lucas Bois, Likör-Pavillon.
35. Max Rieck, Chocoladen-Pavillon.
36. A. Werner, Verkaufs-Pavillon.
37. Bombayhütte.
38. J. R Krouel, Bremen, Blumenverkauf.
Wiederaufnahme der Bauarbeiten beim Hudsontunnel.
Der gegenseitige, rastlose Verkehr zwischen den drei Städten
Brooklyn und New-York einerseits, New-York und Jersey-City ander¬
seits läfst dieselben, obwohl die beiden ersteren durch den East River,
die letzteren durch die breite Wasserfläche des Hudsons geschieden
sind, doch als ein einziges grofses Stadtgebiet erscheinen, welches in
seiner Gesamtheit ein grofses Eingangsthor für die Vereinigten
Staaten darstellt. Jersey-City findet in dem ihr unmittelbar ange¬
schlossenen Hoboken ihre Ergänzung; in beiden haben 16 Bahnen
ihre Endigung, welche strahlenförmig mit dem Inneren des Landes
verkehren. Die Beziehungen dieser Bahnen mit den Geleisen jenseit
des Hudsons werden durch Eisenbahnfähren vermittelt, eine Art des
Verkehres, welche naturgemäfs mit wesentlichen Mängeln behaftet
ist, die in erster Linie von den zahlreichen Eisenbahnreisenden leb¬
haft empfunden werden.
Um nun die Züge in ununterbrochenem Laufe von New-Jersey,
welches am westlichen Ufer des Hudsons liegt, auf die östliche Seite,
nach einem der in New-York belegenen Endbahnhöfe leiten zu
können, wurde auf Anregung von D. C. Haskins im Jahre 1881 der
Nr. 30.
Centralblatt der Bauverwaltung
303
Bau eines zweigeleisigen, in zwei getrennten Röhren herzustellenden
Tunnels in Angriff genommen,*) welcher in seinem Bau indessen nur
langsam fortschritt, und bereits im Jahre 1882, nachdem 4 200000
Mark verausgabt waren, infolge financieller Schwierigkeiten wieder
eingestellt wurde. Auch die Bauleitung hatte, wie bereits auf S. 158
Jahrg. 1883 dieses Blattes ausgeführt ist, eine grofse Sachkenntnifs
nicht an den Tag gelegt. Die Länge der beiden Tunnel war zu
1646 m vorgesehen, die lichte Höhe der Röhren zu 5,5 m, die Weite
zu 4,9 m angenommen. Die Ausmauerung wurde als 0,6 m starke
Wölbung mittels Hartbrandsteinen innerhalb einer ringförmigen Aus¬
kleidung von Stahlplatten vorgesehen. Der Bau wurde von zwei an
beiden Enden geteuften, etwa 18 m tiefen und 9 m weiten Schächten
aus unternommen, welche je die beiden Tunnelmündungen an jeder
Seite aufnahmen, und an welche später die auf eine beträchtliche
Länge in Tunneln anzulegenden Zufahrtsrampen angeschlossen werden
sollten. Auf der New-Jersey- Seite wurden die Tunnelröhren in
Schlammboden vorgetrieben, während man auf der anderen Seite auf
feinen Triebsand stiefs. Ueber die Art der Bauausführung, welche
mit Hülfe von Prefsluft gefördert wurde, und die mit der Ausführung
verbundenen grofsen Schwierigkeiten sind genauere Mittheilungen auf
S. 158 Jahrg. 1883 dieses Blattes enthalten, in welchen insbesondere
auch der Bauvorgang auf der Seite der Stadt New-York eingehender
erläutert ist. Von der dort beschriebenen, hier daher nicht weiter zu
erörternden Art der Ausführung war diejenige auf der Seite von New-
Jersey wesentlich verschieden. Dort hatte man den Vortrieb mit
Hülfe eines centralen Richtstollens bewerkstelligt, wie in Abb. 1 an¬
gedeutet, indem man eine 1,83 m weite Röhre aus gebogenen und mit
Planschen verbundenen Platten in dem schwimmenden Gebirge voran¬
führte. Diese Röhre ragte nach rückwärts in den freien Tunnel¬
raum hinein; gegen diese Verlängerung wurden beim fortschreitenden
Vollausbruch die Ringplatten, welche das Vollprofil des Tunnels aus¬
kleideten, nach dem Mittelpunkte zu abgestützt, bis das Mauerwerk
innerhalb der Auskleidung fertiggestellt war. Die Verlängerung der
Richtstollenröhre geschah in der Weise, dafs die am hinteren Ende
überflüssig gewordenen Platten vor Ort wieder angefügt wurden.
Diese Röhre gewährte ein treffliches Mittel, die Art des Gebirges im
voraus festzustellen; Einbrüche vor Ort waren aber infolge des ge¬
ringen Röhrenquerschnitts so gut wie ausgeschlossen. Der Ausbruch
wurde auf Karrbahnen abgefahren, wie aus der Abbildung 1 ersicht¬
lich ist. Der äufsere Wasserdruck mufste nothwendigerweise in ver¬
schiedener Höhe der Tunnelleibung in ungleicher Stärke auftreten,
am geringsten in den oberen Theilen, am stärksten in der Sohle.
Demgegenüber war man nur in der Lage, überall gleichbleibenden
Luftdruck im Innern herzustellen. Die Luft entwich stark im Scheitel,
welcher hierdurch im allgemeinen trocken gehalten wurde, während
von unten her flüssiger Schlamm zudrang, sich bis zu einer gewissen
Höhe in den Tunnel ergofs, — wie auch in Abb. 1 und 2 angedeutet
ist, — und die Ausführung wesentlich erschwerte.
Als 1882 die Arbeit eingestellt wurde, war der südliche Tunnel
auf der Seite von New-York kaum begonnen, während der nördliche
Tunnel bereits in einer Länge von 150 m vorgetrieben war. Auf der
Seite von New-Jersey war der südliche Tunnel 180 m, der nördliche
sogar schon 560 m weit vollendet.
Nach langer Unterbrechung sind nun unlängst die Arbeiten
durch eine englische Gesellschaft wieder aufgenommen worden; die
Oberaufsicht ist in die Hände der bewährten englischen Ingenieure
Sir John Fowler und Benjamin Baker gelegt worden und somit wohl
auch eine bessere Gewähr dafür gegeben, dafs die Arbeiten nunmehr
ohne weitere Unterbrechung zu glücklichem Ende geführt werden.
Die unmittelbare Leitung ist dem bei der Forthbrücke thätig ge¬
wesenen Ingenieur E. IV. Moir anvertraut. Die Bauweise ist gegen
früher so verändert worden, dafs nicht die begonnene Wölbung
weitergeführt, sondern eine Auskleidung der Tunnelleibung mittels
*) Vergl. den Lageplan im Jahrg. 1884 d. Bl. S. 113.
Eisenplatten vorgenommen und der Vortrieb vor Ort nach Vor¬
schlag von Sir Benjamin Baker mittels grofser Schilde bewerk¬
stelligt wird.
Zunächst wurde die Arbeit an dem nördlichen Tunnel auf der
Seite von New-Jersey, später auch auf der New-Yorker Seite wieder
begonnen. Das in nur 46 m Länge fertiggestellte Ende des auf
letzterer Seite angefangenen südlichen Tunnels ist in beistehender
Abbildung 2 zur Zeit der Wiederaufnahme der Arbeiten dargestellt.
Der Arbeitsschacht, welcher 6,7 X 11,0 m Querschnitt zeigt, besteht
in seinem untern Theile aus einem hölzernen Senkkasten, welcher
wie bei Brückengründungen unter Anwendung von Prefsluft versenkt
worden ist. Die Wände bestehen aus mehrfachen, einander kreuzförmig
und schräg überdeckenden Lagen kräftiger Balken, welche sorgfältig
bearbeitet und miteinander verbolzt sind. Aehnlich ist die Decke
gebildet. In der letzteren ist eine Luftschleuse G für die Arbeiter, eine
von früher stammende, neuerdings nicht weiter erforderliche und
daher bis auf ein kurzes Stück abgebrochene Schleuse F, durch
welche früher die Zimmerungshölzer des Tunnels eingebracht wurden,
und endlich eine dritte Schleuse Z) zum Ausschleusen des Tunnel¬
ausbruches angebracht. Letztere hat die Gestalt eines umgekehrten T,
der wagerechte Schenkel öffnet sich nach beiden Tunnelmündungen
hin. Bei C war in einer auf einem Betonkörper errichteten
Zwischenmauer eine weitere Luftschleuse angeordnet, um dem Bau¬
fortschritte entsprechend den mit Prefsluft zu füllenden Raum einzu¬
schränken. Da bei Wiederaufnahme der Arbeiten die Stärke dieser
Mauer nicht für ausreichend erachtet wurde, um dem anzuwendenden
starken Luftdruck zu widerstehen, wurde eine fernere Schleuse B in
zwei kräftigen Quermauern angeordnet, und hierdurch, neben weiterer
Verringerung des Arbeitsraumes der Vortheil erreicht, dafs bei einem
etwaigen Tunneleinbruch die Prefsluft in dem kleineren Raume
schnellere Verdichtung erfahren und so den einbrechenden Massen
kräftigeren Widerstand entgegensetzen mufste. Derartige Befürch¬
tungen waren insofern gerechtfertigt, als zunächst eine Tunnel¬
erweiterung bei A hergestellt werden mufste, welche den nöthigen
Raum zum Bau des vorerwähnten, in der Gröfse der äufseren Leibung
zusammenzusetzenden Schildes gewähren sollte. Zur Trockenhaltung
des zurückliegenden Tunnelabschnittes sollte auch in diesen ver¬
dichtete Luft eingeführt, im übrigen aber der Wasserzudrang hier
nur soweit durch Luftdruck vermindert werden, wie es der Bauvorgang
unbedingt erforderlich machte.
Der neuerdings zum Vortrieb in Aussicht genommene Arbeitsschild
ist in den Abb. 3 bis 5 (Seite 304) dargestellt. Beim Vorschieben dieses
304
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
26. .luli 1890.
Schildes wird der Ausbruch durch eiuc ringförmige Stahlschneide ab ab
(Abb. 4) gewissermafsen herausgeschält und in neun Abtheilungen auf-
genominen, welche durch je zwei wagerechte und senkrechte Scheide¬
wände cc.dd,ee und //'(Abb. 5) gebildet werden. Durch zwei kreis¬
förmige Blechtafeln (j g und h h (Abb. 4) sind ferner neun Arbeits¬
kammern zwischen den Scheidewänden gebildet, deren jede mit einer
Oeffnung an der Ortseite für den Eintritt des Bodens (mit den arabi¬
schen Ziffern 1 bis 3 bezeichnet) und einer Oeffnung an der Stollen¬
seite (mit entsprechenden römischen Ziffern bezeichnet) versehen
sind. Durch letztere wird der Ausbruch auf die Tunnelsohle ge¬
bracht, um von hier abgekarrt zu werden. Je nach der angetroff’enen
Bodenai't können einzelne Kammern geschlossen und so vom Betriebe
ausgeschaltet werden. Bei besonders schlammiger Bodenbeschaffen¬
heit sollen sämtliche Kammern mit Blechthüreu fest verschlossen
werden, um zur Anwendung von Sandpiumpen oder anderer geeigneter
jMittel zur Entfernung des Ausbruches überzugehen.
Das Yorschiebeu des Schildes geschieht durch Wasserdruck¬
stempel, welche an den in Abb. 3 durch Kreise angedeuteten Stellen
angreifen und sich mit dem anderen Ende gegen die Auskleidung
des Tunnels stützen. Man hat es durch Veränderlichkeit der Hub¬
höhe der einzelnen Stempel in der Hand, den etwa aus der Eich¬
tling gekommenen
Schild wieder genau
in die Tunnelachse zu
bringen. Für den F’all,
dafs Fels angetroften
werden sollte , sind
rings am Umfange des
Schildes und in Reihen
unterhalb der wage¬
rechten Scheidewände
.36 Röhren zur Durch¬
führung von Bohrern
eingesetzt, welche in
den beistehenden Abb.
indes nicht weiter er¬
sichtlich gemacht sind-
Während die Aus¬
brucharbeiten vor f)rt
ihren Fortgangnehmen,
wird die Auskleidung
der Tunnelleibung aus
richtung.
Längenschnitt.
gufseisernen Ringtheilen zusammengefügt und stets soweit vorgeführt,
dafs sie futteralartig den hinteren Rand des Schildes untergreift. Der
äufsere Durchmesser dieser Auskleidung beträgt 5,95 m. Wie in den
Abb. 6 bis 8 (Seite .303) gezeigt ist, wird dieselbe in einzelnen geschlos¬
senen Ringen von 0,5 m Breite hergestellt, welche untereinander durch
angegossene Flansche und 32 mm starke Schraubenbolzen verbunden
werden. Jeder Ring besteht aus 10 Bogenplatten, welche ebenfalls mit
Flanschen aneinandergefügt werden. An den (wagerechten) Stöfsen
der Bogenplatten werden Futterstücke aus hartem, getränktem Holz
eingelegt, während die kreisförmigen Trennungsfugen der einzelnen
Ringe nur einen Eingufs von Portland-C'ement erhalten. Die ein¬
zelnen Eingplatten sind nach dem äufseren Drucke in Stärke und
Gewicht veränderlich. Das kurze Scheitelstück wiegt 102 kg, die
anstofsenden beiden Theile je 380 kg, die nächstfolgenden je 407 kg,
alle übrigen je 534 kg. Das Scheitelstück ist im übrigen keilförmig
nach oben verjüngt, um es bequem am Schlüsse eiubringen zu
können. Mit Rücksicht auf diese Verjüngung ist dieses Schlufsstück
auch besonders kräftig gehalten. In der Mitte der Platten sind Oesen
zum besseren Handhaben angegossen. Während beim Bau des ähnlich
hergestcllten Themsetunnels Löcher in den Platten gelassen waren,
zum Durchtritt etwa innerhalb der genauen Kreisform noch stehen¬
gebliebenen Materials, ist diese Rücksichtnahme beim Bau des
Hudsontunnels nicht erforderlich, da hier das Gebirge dem Druck
der Platten genügend nachgiebt.
Nicht lange nach Wiederaufnahme der Arbeiten ereignete sich
der Fall, dafs durch Unvorsichtigkeit bei dem Bemühen eines Ar¬
beiters, mit einem brennenden Lichte einige undichte Stellen in der
Zwischendecke H (Abb. 2) ausfindig zu machen, diese letztere an
der mit E bezeichueten Stelle Feuer fing. Die Prefsluft drängte das
Feuer begreiflicherweise sofort nach aufsen, ohne dafs der Arbeiter
dasselbe wahrgenommen hätte. Der aufsen durchtretende Rauch
wurde aber glücklicherweise sofort bemerkt, sodafs rechtzeitig sämt¬
liche Arbeiter aus dem Tunnel entfernt, der Luftzutritt abgesperrt
und durch das nachdrängende Wasser das fortglimmende Feuer ge¬
löscht werden konnten. Alle späteren Versuche aber, das Wasser durch
Prefsluft wieder zurückzutreiben, erwiesen sich als fruchtlos, da die
Luft durch das eingebrannte Leck sofort wieder einen Ausweg fand. Da
Taucher das Leck nicht aufzufinden vermochten, wurde der Versuch
gemacht, durch eingeworfenen Stalldünger, Holzfaser und aufge¬
drehte Hanfseile eine Dichtung herzustellen, doch auch nur mit
geringem Erfolge. So
entschlofs man sich
denn zu dem letzten
Auswege, das Wasser
auszupumpen. Zu¬
nächst wurden die von
Arbeitern offen ge¬
lassenen Thüren der
Luftschleuse B durch
Taucher geschlossen,
um denWasserzudrang
so weit als thunlich
einzuschränken. Doch
auch dann gelang es
erst, des Wassers Herr
zu werden, nachdem
man aufser den vor¬
handenen Pumpen,
deren Stundenleistung
nicht über 140 cbm hin¬
ausging, noch einige
Pfeilrichtung gesehen.
weitere aufgestellt hatte, welche die Beseitigung von 450 cbm Wasser
in der Stunde ermöglichten. Nachdem kürzlich dieser Zwischenfall
glücklich überwunden worden ist, zeigte es sich, dafs sich bei den
Wasserhaltungsarbeiten die Schachtwände in ihrem Gefüge vollständig
gelockert hatten, sodafs fernere Trockenhaltung des zurückliegenden
Tunnelabschnittes mittels Druckluft, selbst wenn man die Decke aus¬
gebessert haben würde, nicht mehr möglich war. Die Entwässerung
wird daher soweit nöthig fortan durch Pumpen bewerkstelligt.
Eine der jüngsten Neuerungen ist die von Moir angeordnete
Bereithaltung eines an den Enden und in der Mitte verschliefsbaren
liegenden Luftcylinders von 1,8 m Durchmesser und 4,9 m Länge,
in dem diejenigen bei Schichtwechsel den Tunnel verlassenden Berg¬
leute und Arbeiter, welche unter der zu schnellen Luftdruckverminde¬
rung beim Austritt aus den Luftschleusen besonders stark zu leiden
haben, sich erholen können. Die betreffenden Arbeiter werden in die
eine Abtheilung des Cylinders verbracht, in welcher sodann ein an¬
gemessener Luftdruck angelassen und ganz allmählich vermindert
wird. Die andere Abtheilung ist Einsteigekammer für den behan¬
delnden Arzt. Kemmann.
lieber zweckmäfsige Einrichtungeii von Kliniken
(Fortsetzung aus Nr. 4.)
9. Die Badeeiurichtiuigen.
Die zum Baden dienenden Einrichtungen sind entweder trans¬
portabel, für den Gebrauch in den Krankensälen, oder sie befinden
sich in unveränderlicher Stellung in kleinen Badezimmern, welche
meist in der Nähe der Krankensäle angeordnet, von diesen indessen
nicht unmittelbar zugänglich gemacht zu werden pflegen. Besondere
Bäder für die Aerzte und das Wärterpersonal sind erwünscht. In
neueren Kliniken sind aufserdem noch Baderäume im Untergeschofs
eingerichtet für neu eingelieferte Kranke, welche vor der Unter¬
bringung in bestimmte Stationen einer gründlichen Reinigung unter¬
worfen werden.
Für etwa 10 Kranke ist ein Baderaum erforderlich, dessen
Gröfse ausreichend zu bemessen ist, damit die ungezwungene Be¬
wegung der oft von allen Seiten zu unterstützenden Kranken nicht
behindert wird. Bei Einzelbädern ist den betreffenden Räumen eine
Breite von etwa 2,5 m und eine Länge von etwa 5 m zu geben.
Räume mit Einzelbädern werden im allgemeinen bevorzugt, doch
kommen auch solche mit zwei und mehr Wannen vor. Die Bade¬
räume dienen nicht nur zur Aufstellung der festen, sondern auch zur
Aufbewahrung, Füllung und Entleerung der transportabeln, in den
Krankensälen zur Verwendung kommenden Wannen. Die Bade¬
zimmer müssen durch Fenster gut erleuchtet werden, welche zweck-
mäfsig mit geriefeltem Glase zu versehen sind. Den Thüren ist eine
lichte Weite von mindestens 1,20 m zu geben, damit erforderlichen¬
falls Krankenwagen oder Betten ohne Hindernifs hindurchgebracht
werden können.
Der Fufsboden ist wasserundurchlässig herzustellen und mit
allseitigem Gefälle nach einem in der Nähe der Badewanne anzu¬
ordnenden Abflüsse zu versehen. Die mit einem Wasserverschlufs
auszustattende Abflufsleitung mufs wegen öfterer Reinigung bequem
Nr. 30.
Centralblatt der Bauverwaltung.
305
zugänglich gemacht und deshalb nicht versteckt unter der Bade¬
wanne angeordnet werden. Sehr geeignet sind Terrazzo- oder Fliesen-
Fufsböden auf einer Unterwölbung, mit dazwischengelegter Asphalt¬
schicht.. Für die Decken verdient eine Ueberwölbung vor allen
anderen Constructionen den Vorzug. Die Wandflächen sind mit
Oelfarbe zu streichen. In Schwefelbädern, welche bisweilen Verwen¬
dung finden, hat sich Oelfarbenanstrich nicht bewährt; hier ist eine
Bekleidung der Wände mit Kacheln oder Fliesen zu empfehlen. Die
Baderäume sind stets mit Heiz- und mit reichlichen Lüftungsvorrich¬
tungen (Abzugscanäle in den Mauern mit Gasflammen, Glasjalou-
sieen in den Fenstern u. dgl.) zu versehen. In der Nähe des Bade¬
zimmers ist ein Abort und ein kleiner, nach dem Kellergeschofs
führender Abwurfschacht für schmutzige, inficirte Wäsche anzuordnen.
Eine zweckmäfsige Lage des Bade¬
zimmers neben dem Krankensaale,
in Verbindung mit Abort und
Kaum für schmutzige Wäsche
nebst Abwurfschacht, ist in Abb. 17
dargestellt; aus dieser Abbildung
ist auch die gebräuchliche Anord¬
nung der Theeküchen (vgl. Nr. 12)
und der Wärterzimmer in der
Nähe der Krankensäle zu ersehen.
Die Ausstattung der Bade¬
zimmer besteht in der Kegel aus
einem Heizapparat zur Erwärmung
des Kaumes, einer Wanne für den
stationären Betrieb mit den erfor¬
derlichen Hähnen und Brausevor¬
richtungen, aus mehreren trans-
portabeln, in einander gestellten
Wannen verschiedener Gröfse auf
Gummirädern für die Verab¬
reichung von Voll-, Sitz-, Arm-
a Badezimmer, b Abort.
Für schmutzige Wäsche, d Ab¬
wurfschacht.
Abb. 17.
und Fufsbädern in den Kranken¬
sälen, ferner aus einer gepolsterten Ruhebank, einem kleinen Tisch,
einem Stuhl und einem Handtuchhalter, welcher zweckmäfsig (wie in
Halle) oberhalb des Heizapparates anzubringen ist (Abb. 16). Bis¬
weilen befinden sich in diesen Räumen auch
Waschvorrichtungen und Klingeln nach den Kran¬
kensälen.
Als Material für die Badewannen ist Kupfer¬
blech bezw. starkes Zinkblech zu empfehlen. Die
an einzelnen Orten verwendeten Wannen aus Kunst¬
stein oder emaillirtem Gufseisen haben sich im all¬
gemeinen nicht bewährt, da erstere zu schwerfällig
sind und bei letzteren die Emaille nvtr von geringer
Dauer ist. Für Medicinal- und Schwefelbäder sind
gemauerte Wannen mit innerer Kachelbekleidung
zu empfehlen. Die Wannen zu Vollbädern für Er¬
wachsene werden in der Regel m lang, m
0,55
Abb. 16.
H andtuchh alter
über der Heiz¬
vorrichtung.
breit und m hoch gemacht, doch kommen auch
andere Mafse vor; die Wannen für Kinder erhalten
entsprechend -geringere Abmessungen. Da sich bei
der allgemein üblichen Aufstellung der Badegefäfse
zwischen diesen und der Wand Unreinigkeiten anzusammeln pflegen,
und Kranke beim Gebrauch der Bäder oft von allen Seiten unterstützt
werden müssen, empfiehlt es sich, die Wannen frei im Raume anzu¬
ordnen. Das Besteigen
der Wannen wird
ferner wesentlich er¬
leichtert, wenn die¬
selben etwa 20 bis
-30 cm in denFufsboden
eingelassen werden,
welche Anordnung in
■einzelnen Kliniken mit auu -<q r-. j. j j
T, f . Abb. 18. V ertieft stehende Badewanne mit
^1 og gewa IS . geschweifter bezw. gerader Rückwand.
Bisweilen sind auch
Wannen, bei denen die Rückwand nicht geradlinig, sondern mit einer
den Körperformen angepafsten Schweifung versehen ist, angewendet
worden (Abb. 18). Namentlich in chirurgischen Kliniken sind aufser
den vorbeschriebenen Badegefäfsen noch solche für sogenannte
.„Permanentbäder“ gebräuchlich, welche nach Abb. 19 mit einem im
Wasser frei schwebenden, eingesp annten Betttuch construirt werden.
Die Erwärmung des Wassers erfolgt hier entweder in derselben Art
wie bei den gewöhnlichen Badeeinrichtungen, oder durch Dampf-
TÖhren, die über dem Fufsboden der Wanne angeordnet sind. Die
aus Metall herzustellende Wanne des Permanentbades ist mit einer
Holzbekleidung gegen Abkühlung zu versehen.
Zur Bereitung warmen Wassers für die Bäder sind verschieden¬
artige Einrichtungen getroffen. Am gebräuchlichsten sind schmiede¬
eiserne Wasserbehälter von 2 und mehr cbm Inhalt mit eingelegten
Dampfröhren innerhalb des Dachbodens oder an einem anderen hoch
gelegenen Orte. Diese Behälter müssen mit guter Isolirung gegen
Wärmeverluste versehen und so hergerichtet werden, dafs der
Wasserzuflufs und die Regelung der Wärme selbstthätig erfolgt; sie
sind deshalb mit Schwimmerventilen, Ueberlaufrohren und anderen
Apparaten auszustatten. An einzelnen Orten sind zur Erzeugung
und Vertheilung des warmen Wassers innerhalb des Kellergeschosses
Kessel mit directer Feuerung im Gebrauch, welche durch Umlauf¬
leitungen mit Expansionsgefäfsen innerhalb des Dachbodens in Ver¬
bindung stehen; an diese Umlauflei¬
tungen sind die Zuleitungen nach den
Badewannen augeschlossen. Ob aufser
diesen Einrichtungen zur Bereitung war¬
men Wassers in den Baderäumen selbst
noch besondere Oefen aufzustellen sind,
hängt von der Art des Betriebes ab.
Selbst da, wo centraler Betrieb bei
Tage vorhanden ist, werden bisweilen
besondereBadeöfen mit örtlicher Heizung
(Gasroste usw.) für Nachtbäder erforder¬
lich, namentlich in Frauenkliniken neben
den Krankensälen der Wöchnerinnen.
In einzelnen Kliniken sind römisch¬
irische Bäder als nothwendig erachtet
worden, für welche sich die in Abb. 20
dargestellte Einrichtung bewährt hat.
Die drei Baderäume sind mit Dampf¬
röhren ausgestattet, die innerhalb des
Fufsbodens unter hölzernen Lattenrosten
liegen. Im sog. Lavarium befindet sich
eine Badewanne, sowie eine Sitz-, Kopf-
und Dampfdouche. Die Mauern des
römisch-irischen Bades sind überall durch innere Luftisolirschichten
gegen Abkühlung zu schützen.
\ /
Ult
-r~*v . ■
-Io O Ol
Abb. 19. Wanne für
manentbäder“.
„Per-
Abb. 20.
Römisch -irisches Bad.
10. I)ie Kocliküelieu.
Die Kücheneinrichtungen in Kliniken weichen nicht wesentlich
von denen in anderen Anstalten ab, und es soll deshalb hier nur
dasjenige, was besonders für jene Krankenhäuser von Wichtigkeit
ist, hervor gehoben werden. Es empfiehlt sich im allgemeinen nicht,
die Kochküchen, welche meist mit den Waschküchen vereinigt zu
werden pflegen, innerhalb der Kliniken einzurichten, was bisweilen
geschehen ist, da trotz aller Schutzvorkehrungen Belästigungen durch
Dünste, üblen Geruch usw. nicht ganz zu vermeiden sind. Wenn
irgend thunlich, werden daher für die Küchen besondere Wirthschafts-
gebäude in angemessener Entfernung von den klinischen Gebäuden
herzustellen sein.
Die Gröfse der Küchenräume ist von der Zahl der zu ver¬
pflegenden Kranken abhängig. Sind mehrere Kliniken auf einem
Grundstück vereinigt, so ist die Anordnung gemeinsamer Küchen für
sämtliche Institute gebräuchlich. Hinsichtlich der Bauart ist zu be¬
merken, dafs die Küchenräume nicht zu hoch sein dürfen, da sonst
die Beseitigung des Wrasens Schwierigkeiten bietet; bei kleinen
Küchen wird in der Regel eine Höhe von 4 m, bei gröfseren eine
solche von 5,5 m genügen. Die Räume sind wegen der nachtheiligen
Einwirkungen des unvermeidlichen Wrasens wenn thunlich zu über¬
wölben und mit Steinfufsboden (Fliesen oder Terrazzo) zu versehen.
Asphaltbeläge haben sich nicht bewährt, da sie allmählich Ein¬
drücke von den warmen Efsgeschirren usw. aufnehmen und infolge
dessen bald sehr unansehnlich werden. Wände und Decken sind
zweckmäfsig mit verlängertem Cementmörtel zu putzen und mit Oel¬
farbenanstrich zu versehen; da der untere Theil der Wände stärker
abgenutzt wird und deshalb häufiger im Anstrich erneuert werden
mufs, empfiehlt es sich, denselben in anderem Tone wie die oberen
Wandtheile zu färben. Die Penster sind wegen der in deu Küchen¬
räumen herrschenden Feuchtigkeit aus Eisen herzustellen, in aus¬
reichender Zahl und Gröfse (wenn thunlich auf zwei Seiten) anzuordnen
und mit reichlichen, leicht zu handhabenden Lüftungseinrichtungen
(Kipp- und andern Luftflügeln) zu versehen. Für zweckmäfsige
Heizung und Lüftung der Küchenräume ist jedenfalls Sorge zu tragen.
Damit so wenig wie möglich Wrasen in den Küchenraum dringt,
sind die Kochapparate mit besonderen Dunstabzügen auszustatten.
Aehnliche Abzugs-Einrichtungen sind in der Nähe der Decke für den
Raum selbst vorzusehen und wenn thunlich mit den warmen Schorn¬
steinen in passende Verbindung zu bringen. Zur wirksamen LTnter-
stützung der Lüftung ist den Küchen im Winter frische, an Heiz¬
apparaten erwärmte Luft zuzuführen. Die Entfernung der Dämpfe
wird wesentlich erleichtert, wenn die Decken der Küchen durch
306
Centralblatt der Bauverwaltung.
26. Jnli 1890.
darüber liegende Geschosse gegen Abkühlung geschützt werden; es
ist deshalb wo möglich dafür zu sorgen, dafs die Decken nicht
gleichzeitig das Dach bilden.
Bei Kliniken von mäfsigem Umfange, in denen Dampf zu anderen
Zwecken nicht gebraucht wird, erfolgt die Zubereitung der Speisen
auf Herden üblicher
Bauart mit directer
Feuerung, bei gröfse-
ren Anstalten dagegen
in metallenen Gefäfsen
mit Dampfbetrieb und
Maschinenkraft. Als
zweckmäfsighaben sich
Kocheinrichtungen er¬
wiesen, welche sowohl
mit Dampf- wie mit
örtlicher Feuerung be¬
trieben werden können.
Als Beispiel einer
neueren , zweckmäfsi-
gen Kochküchen -Ein¬
richtung in gröfserem
Mafsstabe kann die
im Wirthschaftsge-
bäude der vereinigten
klinischen Anstalten
in Breslau ausgeführte
Anlage dienen, welche
in Abb. 21 dargestellt
ist. Die mit centralem
Dampfbetriebe ver¬
sehenen Einrichtungen
reichen zur Verpfle¬
gung von etwa 500 Per¬
sonen aus. Sämtliche
für die Kochküche be¬
stimmten Räume sind,
ebenso wie die in dem¬
selben Gebäude be-
flndlichen Räume für
die Wäscherei, um
einen grofsen Dampf¬
schornstein von 40 m
Höhe gruppirt, welcher
die Rauchgase aus
den Dampfkesselfeue¬
rungen und gleichzeitig
den Wrasen aus den
Küchen abführt. Aus
Abb. 21 dürfte die Be¬
stimmung der einzel¬
nen Räume und Ap¬
parate ohne weitere
Erklärung verständ¬
lich sein. Besonders
zu erwähnen ist, dafs
zur Bereitung der Spei¬
sen Hennebergsche, so¬
genannte Wasserbad-
Koehapparate Verwen¬
dung gefunden haben,
bestehend aus kupfer¬
nen , innen verzinnten
Kesseln mit hermetisch
schliefsenden Deckeln.
Sämtliche Apparate
sind mit Zuleitungen für kaltes und warmes Wasser versehen. Zur
Aufstellung sind gekommen: 1 Kessel mit 300 Liter und ein solcher
mit 200 Liter Inhalt, 2 Kessel mit je 130 Liter, 1 desgleichen mit
60 Liter und ein Kartotfelsieder mit 200 Liter Inhalt, ferner
ein gröfserer Bratherd, ein Dampf katfeekocher mit 200 Liter
Inhalt, eine Kaffeebrennmaschine und ein Wasserbad - Koch¬
apparat mit Oeffnungen zum Einsetzen von 4 kleinen schmiede¬
eisernen, verzinnten Kesseln von 15 bis 35 Liter Inhalt. — In
anderen Kliniken sind doppelwandige Kochapparate nach dem be¬
währten System Sen-
king mit Erwärmung
der Speisen durch
heifses Wasser oder
solche mit Erwärmung
der Speisen durch
Dampf, der in die
Hohlräume einströmt,
ausgeführt worden.
Als Muster für
kleinere Kochküchen
mit directer Feuerung
können die für die
medicinische Klinik
der Universität Mar¬
burg (etwa 100 Betten)
von Liebau in Mag¬
deburg getroffenen
Einrichtungen dienen
(Abb. 22). Der mit
einem grofsen Bratofen
verbundene Kochherd
ist dort mit Schütt¬
feuerung versehen und
dient neben der Be¬
reitung von Speisen
gleichzeitig zur Be¬
reitung des in den
Theeküchen , Bädern
usw. erforderlichen
warmen Wassers, wel¬
ches vom Herde nach
einem im Dachboden
aufgestellten Behälter
aufsteigt und von dort
nach den einzelnen Ge¬
brauchstellen fliefst.
In allen Koch¬
küchen sind Wärm¬
spinden nothwendig,
um die Speisen bis
zum Abtragen warm
halten zu können. Bei
gröfseren Anlagen (wie
in Breslau, Göttingen
usw.) mit centralem
Betriebe in beson¬
derem Wirthschafts-
gebäude sind in den
einzelnen Kliniken
bezw. Krankenblocks
besondere kleine An¬
richteküchen vorge¬
sehen, in welchen die
fertigen , nach dem
Gebäude gebrachten
Speisen vertheilt wer¬
den und gleichzeitig
das auf den einzel¬
nen Stationen benutzte
Efsgeschirr gereinigt
und aufbewahrt wird. Dieselben sind dementsprechend mit
Schränken, Wandgestellen, Anrichtetischen, Spültischen, einem Wärme¬
schrank und einem Kochherd für kleine Küchenbedürfnisse ausge¬
stattet. (Fortsetzung folgt.)
Längenschnitt.
|< - - - 25,68 - -
Kellergeschofs.
Abb. 21. Wirthschaftsgebäude der klinischen Anstalten in Breslau.
Die Architektur auf der diesjährigen Berliner Kunstausstellung.
Die Betheiligung der Architektur an der Berliner Kunstaus¬
stellung ist in diesem Jahre eine etwas regere als in den beiden
Vorjahren. Insbesondere ist die Zahl der ausgestellten Entwürfe
gestiegen, nicht so die der ausstellenden Architekten, deren es sogar
zwei weniger sind als 1888. Während in letzterem Jahre 12 Aus¬
steller (darunter 8 einheimische) mit 13 Arbeiten und im Vorjahre
7 Architekten (unter ihnen 1 auswärtiger) mit 12 Entwürfen vertreten
waren, sind diesmal 24 Arbeiten von 10 Verfassern ^darunter auch
nur ein auswärtiger) zur Ausstellung gelangt. Ein wesentlicher
Fortschritt gegen früher ist also nicht zu verzeichnen. Es wäre
müfsig, ein Klagelied darüber anzustimmen oder nach Gründen für
diese Erscheinung zu forschen. Die Architektur ist nun einmal,
wenn man von einem gewissen, mehr dem Decorationsfache ange-
hörigen Theile ihres Gesamtgebietes absieht, ihrem innersten Wesen
Nr. 30.
Gentralblatt der Bauverwaltung.
307
nach nicht dazu angethan, auf einundderselben Ausstellung mit den
beiden Schwesterkünsten diesen ebenbürtig aufzutreten. Die Malerei
und Bildhauerkunsl, insbesondere die erstere, werden ihr naturgemäfs
stets weitaus den Rang ablaufen. ,Es sei dahingestellt, in welchem
Verhältnisse überhaupt das Publicum, selbst das gebildete, den ein¬
zelnen Künsten Theilnahme entgegenbringt; jedenfalls erfordern die
eingehendere Betrachtung und Würdigung der Architekturdarstellun¬
gen eine angestrengtere Geistesthätigkeit, als das Beschauen eines
Gemäldes oder Bildwerkes, sie erheischen eine Arbeitsleistung, wenn
man so sagen darf, deren sich der Beschauer, der in der Kunstaus¬
stellung ohne viel Mühe geniefsen will, nur ungern unterzieht. Man
hat diesem Uebelstande dadurch begegnen wollen, dafs man den
Ausstellern gerathen hat, nur mit Schaubildern, mit Aquarellen und
Modellen vor das Publicum zu treten, Grundrisse, Aufrisse und
Schnitte aber zu Hause in der Mappe zu behalten. Das führt jedoch
zur Bildermacherei; und
diese kann der Baukunst,
kann Publicum wie Ar¬
chitekten wenig nützen.
Welcher Baukünstler
übrigens, insbesondere
welcher von den viel¬
beschäftigten ersten Mei¬
stern , kommt heutzu¬
tage zur ausstellungsge¬
rechten bildlichen Dar¬
stellung eines für die
Ausführung bestimmten
Werkes! Es sind ihrer
sehr wenige. Die Zeit
lebt zu schnell, die Dar¬
stellung eines Archi¬
tekturwerkes ist eben
nur Mittel zum Zweck
und nicht Selbstzweck,
ihre Vollendung zum aus¬
stellbaren Bilde wird in
den wenigsten Fällen er¬
folgen. Am vollkommen¬
sten noch und am meisten
im Hinblick auf die
Wantilocli
> Zapfhähne
0.
Deuekh.
Bratofen
fl
1
t
1
i -gl
A-e.
R.3
Venfil E.
m
^Zapfhähne
Abb. 22. Kochherd mit directer Feuerung in der Marburger medicinischen Klinik.'
Schaustellung wird ja
bekanntlich gearbeitet
bei den Preisbewer¬
bungen, und diese sind
es denn auch, die in der
Regel die besten Aus¬
stellungsstücke liefern.
Auch diesmal ist es der
Fall. Wir begegnen einer
ganzen Anzahl guter Be¬
kannten aus den Wett¬
bewerben der letzten
Jahre. Nicht £twa, dafs
ihr Erscheinen zu tadeln
wäre ; im Gegentheile,
für die grofse Menge der
Ausstellungsbesucher,
wenn dieselbe nicht überhaupt die Cabinette, in denen die archi¬
tektonischen Stiefkinder eingesargt sind, eilig durchhuscht, um
sich in den nächstgröfseren farbenglänzenden Saal zu flüchten, sind
gerade diese Schaustücke besonders am Platze, und auch den
meisten Fachmännern werden sie neu und besonders willkommen
sein. Aber ihr Werth ist nun einmal ein akademischer geworden,
und der Genufs wird gerade den schönsten Leistungen gegenüber
durch eine Art schmerzlichen Gefühls getrübt, dafs so viel köstliche
Arbeit nach dieser kurzen Auferstehung vielleicht für immer in der
Mappe begraben bleiben, jedenfalls nicht zu lebendiger Verkörpe¬
rung gelangen soll. Dieses Gefühl hat uns besonders gegenüber
dem Werke beschlichen, das wir rückhaltlos als die Perle der dies¬
maligen Architekturausstellung bezeichnen, gegenüber dem Entwürfe
von Schäfer u. Hartung für die Frankfurter Römerfront. Die Vor¬
gänge seiner Entstehung sind den Lesern bekannt, wir dürfen in dieser
Beziehung auf S. 20 und 384 des vor. Jahrganges dies. Bl. verweisen.
Der Schäfer-Hartungsche Entwurf gehört zu denjenigen des Wettbe¬
werbs, welche sich, unter Verzicht auf die vergängliche Frontmalerei,
zu einer lediglich architektonischen Behandlung der „Dreigiebelfront
des Römers“ in spätgothischer Steinarchitektur entschieden hatten. Das
alte geschichtliche Gepräge der dreigiebeligen Front am Römerberg ist
in seinen Hauptzügen erhalten. Eine wesentliche Bereicherung hat nur
der Mitteltheil, die ursprüngliche Rathhausfront, erfahren. Die Staffeln
^ A.^-
Ventil
Aufrifs.
seines mit einem vorgekragten Thürmchen gekrönten Treppengiebels
sind durch Mafswerk- und Fialenaufsätze und durch Wappenzier auf
den Flächen hervorgehoben. Der Bedeutung des Kaisersaales haben
die Künstler entsprochen durch stattliche Behandlung seiner Fenster¬
gruppe, welche spitzbogige Felderkrönungen, reich ornamentirte
Leibungen und Standbilderschmuck an den Zwischenpfosten erhalten
hat. Vor die Eingänge legt sich, dem Ganzen Kraft und Relief ver¬
leihend, eine vierachsige, von reichen Rippengewölben überspannte
Laube mit schön geschwungenen Kielbögen über den Spitzbogen¬
öffnungen, Mafswerkbrüstung und Standbildern von Kaisern und
Kirchenfürsten über den Kämpfern. Ein grofses Reichswappen nimmt
die Mitte des Giebels ein. Die Giebelfronten der Häuser Limpurg
und Löwenstein links und rechts sind erheblich einfacher gehalten.
Ihre Wiederherstellung beschränkt sich im wesentlichen auf ange¬
messene Durchbildung der Gruppenfenster und Thoröffnungen, bei
deren Behandlung, so¬
weit dies ohne Gewalt¬
samkeit angängig war,
auf Symmetrie oder
doch Gleichwerthigkeit
beider Fronten und auf
einen wirkungsvollen Ge¬
gensatz zum Mittelbau
hingearbeitet wurde. Der
Entwurf ist auf drei
Blättern, in einer Ge¬
samtansicht der ganzen
Römergruppe, in einem
Längenschnitte durch
die Laube und in einer
geometrischen Ansicht
der Dreigiebelfront mei¬
sterhaft in Federzeich¬
nung dargestellt. Be¬
sonders das letztge¬
nannte grofse Blatt offen¬
bart die ganze Schön¬
heit der Erfindung und
die vollendete Beherr¬
schung des Gegenstan¬
des. Zu beklagen ist
nur, dafs man es ver¬
standen hat , gerade
diesem Entwürfe den
schlechtesten Platz an
der lichtlosen Fenster¬
wand eines ohnehin küm¬
merlichen Raumes an¬
zuweisen.
Schäfer und Hartung
haben aufserdem noch
zwei Arbeiten ausge¬
stellt: die Ausführungs¬
zeichnungen und ver¬
schiedene Photogra-
phieen des anmuthig
traulichen Heims des
einen der beiden Künst¬
ler, von dessen fröhlicher, in den Darstellungen nicht zur Anschauung
gebrachter farbiger Wirkung man sich durch einen Spaziergang nach
der Knesebeckstrafse in Charlottenburg überzeugen kann*), und
ferner den in seiner Einfachheit und Ursprünglichkeit wahrhaft er¬
frischenden Entwurf zu einer zweiten evangelischen Kirche in Moabit
(Berlin). Der Grundrifs ist ein den Anforderungen des protestantischen
Gottesdienstes angepafstes einfaches Kreuz mit flachen, rechteckigen
Querarmen und gerade geschlossenem Chor. Die Sacristei mit ihrem
Zubehör ist malerisch zwanglos an der Südostseite — Orientirung
vorausgesetzt — angebaut. Ueberaus reizvoll ist dem Chore mittels
Auflösung seiner Wände in Säulenstellungen seitliches Gestühl ange¬
fügt. Wie dieses Motiv dem Inneren ein besonderes, aus dem Be¬
dürfnisse abgeleitetes Gepräge giebt, so besteht die Eigenart des in
einer gesunden Zusammenstellung von Backstein und Haustein durch¬
geführten Aeufseren in der Gestaltung der Westseite. Diese ist dem
Langschiffe querhausartig vorgelagert und nach oben mit den ein¬
fachsten Mitteln in eine sehr ansprechende dreitheilige Thurmgruppe
aufgelöst. Bei der ersten Betrachtung erschien uns diese etwas zu
gedrückt und eingesunken, bei näherer Vertiefung wird man sich aber
bewufst, wie gerade in dieser Gedrungenheit das Kraftvolle, gewisser-
-R.4
*) Das Haus ist im Jahrgange 1889 der
wesen“. Bl. 41, S. 315 veröffentlicht.
-Zeitschrift für Bau-
308
Centralblatt der Baiiverwaltung.
26. Juli 1860.
mafseu Trotzig-Protestantische der Erscheinung des Bauwerks wesent¬
lich mit begründet liegt. Die Entstehungsgeschichte des En twurfes ist
uns unbekannt; sehr zu wünschen wäre, dafs dieses Gotteshaus unter
der beträchtlichen Zahl von Kirchen, deren Errichtung jetzt für Berlin
geplant wird, mit in erster Linie seinen Platz fände.
(Schlufs folgt.)
Vermischtes
Yerbessertcs Läutewerk für Drahtzugscliraiikeii. Bahnschranken,
welche vom Wärter aus gröfserer Entfernung bedient werden sollen,
müssen nach polizeilicher Voi-schrift mit einer Glocke ausgerüstet sein,
deren Läuten als Warnungszeichen dem Schliefsen der Schranke vor¬
herzugehen hat. Das Publicum wird über die Bedeutung des Er¬
tönens der Schrankenglocke durch Tafeln mit entsprechender Auf¬
schrift unterrichtet.
Bei den Drahtzugs chrankeu neuerer Bauart erfolgt das Läuten
selbstthätig und beginnt das Schliefsen der Schranken erst, nachdem
die Glocke schon eine angemessene Zeit geläutet liat, in welcher sich
verschiedene Abhandlungen über das Ueberlinger Münster geschrie¬
ben hat. D.
Die Aquarelle des verstorbenen Prof. F. Ewerbeck in Aachen
(vgl. S. 188 u. 222 d. J.) sind zur Versteigerung gebracht worden
und haben einen Erlös im Betrage von rund 5700 Mark ergeben.
Scliilfahrtsverkelir auf dem Ithein. Wie sich der Schiffahrts¬
verkehr airf dem Rhein, soweit derselbe deutsches Gebiet durch¬
strömt, im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt hat, zeigen die
folgenden Zahlenangaben, welche den Jahresberichten der Central¬
commission für die Rheinschiffahrt entnommen sind.
die des Weges Kommen¬
den ohne Ucbereilung aus
der gefährlichen Nähe
der Schranken entfernen
können. Da das etwaige
Versagen eines Schran¬
kenläutewerks zur Folge
haben kann, dafs Per¬
sonen, Fuhrwerke u. a. m.
beschädigt oder zwischen
den Schraidcenbäurnen
eingesperrt werden, so
ist man schon seit langer
Zeit bestrebt, die Läute-
111,^?°,.,, werke für Drahtzug¬
schranken in Bauart und
Ausführung nach Möglichkeit zu vervollkommnen.
Ein Schrankenläutewerk, welches an Einfachheit wohl kaum
etwas zu wünschen übrig läfst, und bei dem ein Versagen fast aus¬
geschlossen erscheint, ist in vorstehender Zeichnung dargestellt.
Bei demselben sind die vielfach gebräuchlichen, nicht stets zuver¬
lässigen Federn, deren die meisten Läutewerke zwei Stück enthalten
(eine für das Vorschnellen des Hammers, die andere für die Riick-
bewegung der Zunge), gänzlich vermieden und durch den Gewichts¬
hebel G ersetzt, an dem der Hammer H angebracht ist. Dafs so¬
wohl bei der Vorwärts- als bei der Rückwärtsdrehung des Ketten¬
rades die Glocke ertönt, dürfte als nicht unerwünscht anzu sehen sein.
In Bezug auf die Einzelheiten der Anordnung sei nur noch be¬
merkt, dafs der angegossene Stift A den Zweck hat, einen zu grofsen
Ausschlag der Zunge Z nach beiden Richtungen zu verhindern , und
dafs es sich zur Kostenersparnifs empfiehlt, alle Theile des Läute¬
werks mit Ausnahme der wenigen Bolzen und des Hammerstiels
durch Gufs herzustellen, und zwar den Glockenhalter, das Ketten¬
rädchen,' den Hebel G und den Hammer II aus Gufseisen, die
Zunge Z aus Rothgufs und die Glocke aus Glockenmetall.
Gegen Vereisen läfst sich das Läutewerk zweckmäfsig durch
einen die Glocke und das Gewicht des Hebels G freilassenden Kasten
schützen.
Guben, im Juli 1890. Haas,
König!. Eisenbahn-Bauinspector.
An der Grofslierzoglicheu technischen Hochschule in Darinstadt
ist dem Herrn Dr. Otto Dieffenbach die Genehmigung über Chemie
zu lesen ertheilt worden.
Für den Aushau des Münsters in Ueberlingen am Bodensee ist
ein Münsterbauverein gegründet worden, der sich bei den gleichen
Satzungen und unter den gleichen Bedingungen wie in Freiburg i. B.
die vollständige Wiederherstellung und Ausschmückung des Münsters
und den Ausbau seiner Thürme zur Aufgabe gemacht hat. An der
Spitze des Vereins stehen der Münstergeistliche Dr. v. Rüppelin,
Bürgermeister Betz und Privatmann Allgeyer, welch letzterer schon
Jahr.
Grenzverkehr in
Emmerich (zu Berg
und zu Thal)
Tonnen.
Kohlenausfuhr
aus Ruhrort und
aus Duisburg
Tonnen.
Verkehr in den
wichtigsten deut¬
schen Rheinhäfen
Tonnen.
1865
1 430 885
1 867 3-i2
3 843 965
1870
1 815 690
1 869 399
4 053 162
1875
2 486 233
1 760 837
4 455 150
1880
3 683 838
2 225 533
5 637 513
1885
4 529 028
2 954 999
8 075 626
1886
4 544 328
2 951 779
9 747 260
1887
4 988 791
2 909 964
9 972 819
1888
5 524 785
3 542 150
12183 813
Die Anzahl der Fahrzeuge, welche diesen Verkehr bewältigen,,
hat im Jahre 1888/89 betragen: 5623 Segelschiffe und Schlepp¬
kähne mit einer Tragfähigkeit von zusammen 1 166 425 Tonnen, und
615 Dampfer mit zusammen 31 857 effectiven Pferdekräften. Die Be¬
mannung dieser Fahrzeuge beträgt nahezu 20 000 Mann. Was die
Gröfse der Schleppkähne anlangt, so glaubte man eine Zeit lang
eine Tragfähigkeit von 20 000 Ctr. nicht überschreiten zu sollen;,
diese Abmessungen sind seiner Zeit auch den Schleusen der Mäin-
canalisirung zu Grunde gelegt. Neuerdings ist man indessen über
dieses Mafs weit hinausgegangen und baut jetzt Schleppkähne mit
26 000 und 28 000 Centner Tragfähigkeit. Der Rhein -See -Verkehr
wird mit zwei Dampfschiffen, „Industrie“ und „Energie“, zwischen Köln
und London betrieben, welche im Jahre 1889 insgesamt 41 288 Tonnen
Güter befördert haben. Indessen findet dieser Rhein -See -Verkehr
ein Haupthindernifs in der noch immer ungenügenden, den Verein¬
barungen nicht entsprechenden Fahrwassertiefe auf der holländischen
Stromstrecke. Dg.
Die Zeitschrift für Bauwesen enthält in Heft VII bis IX des
Jahrgangs 1890 folgende Mittheilungen;
Neubau des physiologischen Instituts der Universität Marburg, mit
Zeichnungen auf Blatt 19 bis 23 im Atlas, von Herrn Regierungs-
Baumeister Zölffel in Marburg. (Schlufs.)
Die Kirche San Lorenzo in Mailand, mit Zeichnungen auf Blatt 29'
bis 35 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister Julius Ko hte-
in Berlin. (Schlufs.)
Das Post- und Telegraphengebäude in Hamburg, mit Zeichnungen,
auf Blatt 50 bis 54 im Atlas.
Vergleich des Betriebes einer Seilbahn und eines Bremsberges, von
Herrn Ingenieur Müller, Lehrer an der Baugewerkschule in
Höxter.
Die Stiafsenbrücke über die Norder-Elbe bei Hamburg, mit Zeich¬
nungen auf Blatt 36 bis 44 im Atlas. (Schlufs.)
Der Oder-Spree-Canal und seine Bauten, mit Zeichnungen auf Blatt 57
bis 65 im Atlas, von Herrn Regierungs- und Baurath Mohr in
Fürstenwalde a. d. Spree.
Die auf der Chaussee von Garnsee nach Lessen angelegte vollspurige
Eisenbahn, mit Zeichnungen auf Blatt 55 im Atlas, von Herrn
Regierungs- und Baurath Bach mann in Bromberg.
Auflagerdrucklinien und deren Eigenschaften, mit Abbildungen auf
Blatt 56 im Atlas, von Herrn H. T. Eddy, Ph. D., Professor
der Mathematik und des Ingenieurfaches an der Universität in
Cincinnati.
Statistische Nachweisungen, betreffend die in den Jahren 1881 bis-
einschliefslich 1885 vollendeten und abgerechneten preufsischeii
Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues. (Fortsetzung.)
Schlufs der Tabelle XH. Tabelle XIH: Gefängnisse und Straf¬
anstalten. Im Aufträge des Herrn Ministers der öffentlichem
Arbeiten zusammengestellt von Herrn Land-Bauinspector Wi et -
hoff in Berlin.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich i. V.: 0. Hofsfeld, Berlin. Djuck von J. Kerskes. Berlin.
309
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 2. August 1890.
Redactiou: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten. — Gutachten und Berichte.
Bauentwurf zur Wiederherstellung der St. Pantaleouskirche in Köln am Rhein. —
Entwurfsskizze zum Neubau der evangelischen Kirche in Marggrabowa. — Nicht¬
amtliches: Bauten der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Bremen (Schlufs). — Festigkeitsverhältnisse einiger neuerer Eisenbahn - Oberbau¬
systeme. — Ueber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken (Fortsetzung). — Kühl¬
schacht der neuen Wasserleitung in Iglau i. Mähren. — Architektur auf der dies-
jährigen Berliner Kunstausstellung (Schlufs). — Durchbiegungsmessungen und
Einflufs der Fahrgeschwindigkeit auf die Beanspruchung eiserner Brücken. —
Vermischtes: Denkmal für Kai.ser Wilhelm I. auf dem Kyfl'häuser. — 31. Haupt¬
versammlung des Vereins deutscher Ingenieure. — Technische Hochschule in Berlin.
— Frostbeständigkeit natürlicher und künstlicher Bausteine. — Ersatz einer
hölzernen Eisenbahnbrücke durch eine eiserne während des Betriebes. — Büche r-
schau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufseu.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Gräflich Stolbergschen Kammer- und Baurath Messow in Wernige¬
rode den Königlichen Kronen-Orden IV. Klasse zu verleihen.
Es ist verliehen: dem ßegierungs- und Baurath van denBergh
in Harburg die Stelle des Directors des Königlichen Eisenbahn-Be-
triebs-Amts daselbst, dem Eisenbahn-Maschineninspector Farwick
in Magdeburg die Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem
Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte (Wittenberge-Leipzig) daselbst,
dem Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Mohr in Warburg die
Stelle des Vorstehers der Eisenbahn-Bauinspection daselbst und dem
Eisenbahn-Bauinspector Heer in Erfurt die Stelle des Vorstehers
des Materialien -Bureaus der Königlichen Eisenbahn -Direction da¬
selbst. Der bisher bei dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte
(Directionsbezirk Bromberg) in Berlin beschäftigte Eisenbahn-Ma-
schineninspector Müller ist der Königlichen Eisenbahn-Direction in
Berlin behufs Wahrnehmung der Geschäfte eines Directionsmitgliedes
überwiesen worden.
Zu Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren sind ernannt: die
Königlichen Regierungs -Baumeister Sigle in Düsseldorf unter Ver¬
leihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem König¬
lichen Eisenbahn-Betriebs-Amte (rechtsrh.) daselbst, Seyberth in
Salzwedel unter Verleihung der Stelle eines Eisenbahn-Bau- und
Betriebsinspectors im Bezirke der Königlichen Eisenbahndirection
Magdeburg und unter fernerer Belassung in der bisherigen Beschäfti¬
gung beim Bahnbau Oebisfelde-Salzwedel bezw. Salzwedel-Lüchow,
sowie Herr in Köln unter Verleihung der Stelle eines Eisenbahn-
Bau- und Betriebsinspectors im betriebstechnischen Bureau der
Königlichen Eisenbahndirection (linksrh.) daselbst.
Die Regierungs - Baumeister Schreiber in Berent, W.-Pr.,
Nolte in Labiau, O.-Pr., Jablonowski in Hadersleben und Rühl-
mann in Zellerfeld a. Harz sind als Königliche Kreis-Bauinspectoren
ebendaselbst angestellt worden.
Versetzt sind: der bisherige Kreis -Bauinspector de Groote in
Wollstein als Bauinspector und Hülfsarbeiter an die Königliche Re¬
gierung in Posen, der bisher bei der Königlichen Regierung in
Danzig angestellte Bauinspector Habermann als Kreis-Bauinspector
nach Wollstein, der Kreis -Bauinspector, Baurath Otto von Elbing
nach Könitz, W.-Pr., der Kreis -Bauinspector Johl von Naugard
nach Neu-Ruppin, der Kreis-Bauinspector, Baurath Stoll in Aachen
als Bauinspector an die Polizei -Direction in Köln, der Kreis -Bau¬
inspector, Baurath Holtzhausen von Leobschütz nach Sagan, der
Bauinspector Blankenburg von Köln nach Swinemünde (letzterem
ist die Verwaltung der dortigen Kreis-Bauinspector-Stclle übertragen
worden) sowie ferner der Eisenbahn-Maschineninspector Meyer, bisher
in Berlin, als Vorsteher des Materialien-Bureaus der Königlichen
Eisenbahndirection nach Magdeburg und die Eisenbahn -Bauinspec¬
toren Wilhelm, bisher in Magdeburg, als ständiger Hülfsarbeiter
an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt (Berlin-Magdeburg) in
Berlin, Mayr, bisher in Elberfeld, an die Hauptwerkstätte in Köln
(Nippes), Becker, bisher in Köln (Nippes), als ständiger Hülfs¬
arbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Crefeld und
Cordes, bisher in Elberfeld, als ständiger Hülfsarbeiter an das
Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt (Directionsbezirk Bromberg) in
Berlin.
Der Regierungs- und Baurath Reimann, der Baurath Hofsfel d
und der Kaiserl. Marine-Maschinenbau-Directoi’, Baurath Afsmann,
sämtlich in Berlin, sind zu Mitgliedern des Königl. technischen
Prüfungs-Amts hierselbst, sowie die Professoren an der Königl. tech¬
nischen Hochschule in Aachen Dr. Jürgens und Schupmann zu
Mitgliedern des Königl. technischen Prüfungs-Amts in Aachen und
der Eisenbahn -Bauinspector v. Bor ries in Hannover zum Mitgliede
des Königl. technischen Prüfungs-Amts dortselbst ernannt worden.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Jakob Harr aus Siegen, Ludwig Witthöft aus
Frankfurt a. M. und August Schräder aus Wulferstedt, Kreis
• Oschersleben (Maschinenbaufach).
Der Regierungs- und Baurath Melchiors in Harburg ist in den
Ruhestand getreten.
Den bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeistern Blümner in
Breslau, Dr. Ferdinand Krieger in Königsberg i. Pr. und Bernhard
Vaal in Salzwedel ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienste ertheilt worden.
Der Königliche Kreis-Bauinspector, Baurath Reinhard Wurff-
bain in Hersfeld und der Eisenbahn-Maschineninspector Olfenius,
Vorsteher der Hauptwerkstätte in Halle a. S., sind gestorben.
Beiitsclies Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, dem
Marine-Maschinenbaumeister Veith und dem Marine-Schiffbaumeister
Graeber den Königlichen Kronen-Orden IV. Klasse, sowie ferner im
Namen des Deutschen Reichs den Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspec¬
toren V. Kietzeil in Hagenau, Dietrich in Saarburg, Lachner in
Saargemünd, Strauch in Mülhausen, Franken in Metz und den
Maschineninspectoren Möllmann in Bischheim und Wolff in
Montigny bei der Verwaltung der Reichseisenbahnen in Elsafs-Loth-
ringen den Charakter als Baurath zu verleihen.
Württemberg.
Der Strafsenbauinspector Nast in Reutlingen ist vermöge Aller¬
höchster Entschliefsung seinem Ansuchen gemäfs auf die erledigte
Strafsen- und Wasserbauinspection Stuttgart in Gnaden versetzt
worden.
Gutachten und Berichte.
Bauentwurf zur Wiederherstellung der St. Pantaleonskirche in Köln am Bhein.
Gutachten der Königlichen
Berlin, den 13. März 1890.
Im Aufträge des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten hat
die Hochbau-Äbtheilung der Akademie des Bauwesens den von der
Bauabtheilung des Kriegsministeriums eingereichten Entwurf zur
IViederherstellung der St. Pantaleons-Kirche in Köln in ihren Sitzungen
vom 4. Februar und 11. März d. J. einer eingehenden Prüfung unter-
Akademie des Bauwesens.
worfen. Die Akademie des Bauwesens war mit der Frage der bau¬
lichen Wiederherstellung von St. Pantaleon schon einmal, und zwar
in der Sitzung vom 24. April 1888, befafst.*) Damals erklärte sich
dieselbe für einen Vierungsthurm, auch selbst wenn die Arcaden in
*) Centralblatt der Bauverwaltung 1888, S. 321.
310
Centralblatt der ßauverwaltaug-.
2. Anglist 1890.
demselben niclit geöffnet werden könnten. Die Ausführung des
westlichen Vorbaues wurde abgelehnt, anderseits die Beibehaltung
des Lettners an jetziger Stelle beschlossen, die Zulässigkeit der
früheren Zwiebelhaube des Thurmes abgelehnt, dagegen der Au-
schlufs an die vorliandene Darstellung des Aut. v. Worms empfohlen.
Die unter Berücksichtigung dieser Beschlüsse in der Bauabthei¬
lung des Kriegsministeriunis entstandenen Skizzen Bl. 16a und 17
wurden dem vorliegenden Bauentwürfe vom 29. Juli 1889 zu Grunde
gelegt. Infolge sehr eingehender Studien und Untersuchungen be¬
züglich der alten Fundamente der AVestvorhalle, der Anschlüsse
dieser Vorhalle an die westlichen Treppenthürme, endlich der bau¬
künstlerischen und baucoustructiven Einzelheiten au dem Kirchen¬
gebäude, besonders am nordwestlichen Kreuzflügel, zeigt der Entwurf
manche neue Gesichtspunkte, in deren Würdigung die Akademie zu
theilweise verändertem Beschlüsse gelangen mufste.
So ist nunmehr im Hinblick auf die alte Darstellung des
Steugelius sowie auf die in Münstereifel vorhandene, sehr verwandte
Anlage die Akademie des Bauwesens mit der Wiederherstellung der
westlichen Vorhalle einverstanden und spricht sich dafür aus, dafs
dieselbe in der durch die alten Fundameutreste erkennbaren Aus¬
dehnung wieder aufgeführt wird. Der über der Halle sich erhebende
Vierungsthurm findet in seinem äufseren Aufbau und in der Be¬
handlung der stumpfen Dachpyramide Beifall; es wird indes zur
Erwägung gegeben, ob nicht die Grujipenfenster der Glockenstube
gröfser auzunehmeu seien, etwa unter Anlehnung au die Formen¬
behandlung der Gruppenfenster im Erdgeschofs des Capitelhauses.
Sodann wurde die Form des Thurmkreuzes bemängelt und bemerkt,
es sei einem kräftigen, indes einfachen Thurmknopf der Vorzug zu
geben. Die flankirenden Treppenthürme sind in den unteren Ge¬
schossen, sowohl in den viereckigen, als auch in den achteckigen,
richtig entwickelt, das Abschlufsgesims der Achteckgeschosse er¬
scheint aber zu schwer und ist feiner zu zeichnen. Die darüber sich
erhebenden Kundgeschosse sind im Hinweis auf die alten Dar¬
stellungen von A. V. Worms und Stengelius und auf Münstereifel
niedriger zu halten. Das oberste Eundstockwerk zeigt im Entwurf
Bl. 7 und 7a verschiedene Formenbehandlung. Es wird der auf Bl. 7
dargestellte Entwurf mit den flachen Blend-Arcaden zur Ausführung
empfohlen, jedoch mit der Mafsgabe, dafs an Stelle der beiden, einen
modernen Eindruck machenden Spitzbogenkuppeln Kegeldächer an¬
geordnet werden.
Was nun die Ausgestaltung des Inneren, namentlich im west¬
lichen Kreuzflügel, betrifft, so ist die Akademie mit dem Entwürfe
einverstanden, insofern das Zwischengewölbe über dem Erdgeschofs
beseitigt werden soll, ebenso dafs die Bogenblenden daselbst ge¬
schlossen, diejenigen im ersten Stockwerk geöffnet werden sollen, und
dafs die Decke über dem ersten Stockwerk dieses Kreuzflügels als
sehr kräftige Holzbalkendecke construirt werde. Dagegen soll der
Triumphbogen über der Orgel freigelegt werden. Der in der Vor¬
halle projectirte Vorbau für die Emporentreppen und die Bälge¬
kammer fludet keinen Beifall, daher wird eine andere Lösung der
Emporentreppen zur Erwägung gegeben, unter Berücksichtigung der
vorhandenen Treppenthürme. Die Akademie beharrt auf ihrem
früheren Beschlüsse bezüglich der unveränderten Beibehaltung des
Lettners an jetziger Stelle.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
Eiitwurfsskizze zum Neubau der evangelischen Kirche in Marggrahowa.
(lutachteii «ler Königlichen Akademie des Bauwesens.
Berlin, den 17. März 1890.
Zum Bau einer neuen Kirche in Marggrahowa ist bereits im
Jahre 1869 ein Entwurf gefertigt worden, welcher nicht genehmigt
wurde. Im Jahre 1878 wurde ein zweites Project ausgearbeitet,
nach welchem der Bau der Kirche mit einer sichtbaren Holzdecke
geplant war. Mit Rücksicht auf die bezüglich der Feuersicherheit
gröfserer Kirchen erheblich gesteigerten Anforderungen wurde die
Aufstellung eines den Bestimmungen der Circular- Verfügung vom
27. October 1884, betreffend Vorkehrungen zur Sicherstellung der
Gebäude gegen Feuersgefahr entsprechenden Entwurfes gefordert.
Hinsichtlich der Gi'öfse der Kirche war der Beschlufs des Gemeiude-
Kirchenrathes in Marggrahowa vom 16. September 1887 mafsgebend,
nach welchem die Kirche 1550 Sitzplätze und 290 Stehplätze er¬
halten sollte.
Diesem Aufträge wui-de durch Vorlage des Entwurfes vom
5. Juli 1888 entsprochen, welcher den Bau einer gewölbten Kirche
mit 1483 Sitzplätzen und 316 Stehplätzen in Aussicht nimmt. Die
Gemeindevertretung hat in der Verhandlung vom 9. Mai 1889 nach
dem Vorschläge des Gemeindekirchenrathes, sich mit Einstimmigkeit
hinsichtlich der Zahl der Plätze mit diesem Entwürfe einverstanden
erklärt, ferner die Anlage einer Sacristei in Gröfse von 50 qm als
ihren Bedürfnissen entsprechend bezeichnet, da dieselbe sowohl als
Sacristei, wie auch als Local zu Versammlungen der Gemeinde¬
vertretung, zu Bibelstunden und dergl. benutzt werden soll. Das
Königliche Consistorium der Provinz Ostpreufsen hat in dem Schrei¬
ben d. d. Königsberg 31. Mai 1889 diesen Wünschen der Gemeinde
zugestimmt.
Die in der Abtheilung für das Bauwesen im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten vorgenommene Prüfung des Entwurfes vom
5. Juli 1888 hatte das Ergebnifs, dafs wegen mancherlei Mängeln
des Projeetes die auf drei Blatt Zeichnungen vom 7. December 1889
dargestellte Projectskizze und ein dazu gehöriges „technisches Gut¬
achten“ vom 19. December 1889 aufgestellt wurden. Diese Aus¬
arbeitungen sind durch den Erlafs des Herrn Ministers der öffent¬
lichen Arbeiten vom 6. Februar 1890 — III 2108 — der Akademie
des Bauwesens zur Prüfung und Begutachtung zugefertigt worden.
Die Berathung dieser Angelegenheit fand in der Sitzung der
Abtheilung für den Hochbau am 11. d. M. statt und ergab das
Folgende :
Der Grundrifs zeigt eine dreischiffige Anlage mit einem Chor-
abschlufs am Mittelschiff und einem den Haupteingang enthaltenden,
vorgelegten breiten Glockenthurm an der Westfront. Die Sacristei
ist in den hinteren Theil des Chores eingebaut, dessen vorderer
Theil durch den Altar eingenommen wird. Die Zahl, Lage und Ab¬
messungen der Kebeneingänge und Treppen entsprechen den be¬
treffenden Vorschriften. Die Decke der Kirche wird durch Kreuz¬
gewölbe gebildet. Die Kaumausuutzuug ist durch die Anordnung
von nur drei Pfeilerpaaren bei einer möglichst ausgiebigen Breiten¬
entwicklung der Schifte eine sehr günstige.
Die Zahl der Sitzplätze beträgt;
a. Im unteren Theile . 962
b. Auf den Seiteuemporeu . 450
zusammen 1412
c. Auf der Orgelempore . 108
Sitzplätze für Kinder
zusammen 1520 Sitzplätze;
d. in den Gängen . 380 Stehplätze,
sodafs im ganzen 1900 Plätze
vorhanden sein würden, wodurch den Anforderungen vollkommen ge¬
nügt wird.
Bezüglich der Sacristei, welche bei 3,60 m Länge und 2,70 m
Breite eine Grundfläche von nur 9,72 qm hat, wird bemerkt, dafs
dieselbe zwar für den Prediger genügenden Raum gewährt, für die
von dem Gemeinde -Kirchenrath nach Ausweis der Verhandlung vom
9. Mai 1889 beabsichtigte Benutzung als Versammlungslocal der
Gemeindevertretung usw., wofür eine Grundfläche von 50 qm bean-
sj^rucht ist, aber unzureichend erscheint. Es wird zur Erwägung
gestellt, ob nicht dem auf Beschaffung einer gröfseren Sacristei ge¬
richteten Wunsche der Gemeinde in geeigneter Weise Rechnung zu
tragen sei.
Die architektonische Gestaltung der Kirche, welche im Aeufseren
den Ziegelfugenbau zeigt, ist bei aller Einfachheit der Formengebung
durchaus wirkungsvoll und ansprechend. Die auf dem freien, 10 ha
grofsen Marktplatze gelegene, gegen die FTmgebung mehrere Meter
hervorragende Baustelle ist für die Erscheinung des Bauwerks sehr
günstig. Mit Rücksicht auf diese Höhenlage wird eine geringe
Höherführung des unteren, rechteckigen Thurmtheiles, und eine Ver¬
stärkung des achtseitigen Dachreiters empfohlen.
Die vor den Eingängen zu den Seitenschiffen zu beiden Seiten
des Thurmes gelegenen Vorhallen haben eine Breite von 1,5 m. Es
wäre erwünscht, dieses Mafs zu erhöhen, wodurch auch die Entfer¬
nung zwischen den davorliegenden, sehr nahe aneinander stehenden
Pfeilervorlagen angemessen vermehrt werden würde. Die einsprin¬
genden Winkel zwischen den (östlichen) Seitenwänden der Emporen¬
treppen und dem ersten Strebepfeilerpaare am Chor werden zu be¬
seitigen sein.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
Kr. 31.
Centralblatt der Bauverwaltung.
.311
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Bauten der Nordwestdeiitschen Oewerbe- und Industrie -Ausstellung in Bremen,
(Schlufs.)
Im Rücken des mit Baumpflanzungen umgebenen Parkliauses
haben wir das zweite Hauptbild, den eigentlichen Ausstellungs¬
platz, vor uns, welcher im Geiste des vorigen Jahrhunderts er¬
sonnen und durchgeführt ist. War der Architekt hier auch
gezwungen, wegen der notwendigen Einfügung der Anlage in
den vorhandenen Baumbestand die Achse zu brechen, so ist diese
Abweichung von der geraden Richtung mit so viel künstlerischem
Geschick durchgeführt, dafs der Erfolg Bewunderung erregt. Die
Mitte wird wieder von einer stattlichen Wasseranlage eingenommen;
die durch mehrere grofse Springbrunnen und zahlreiche, von Tritonen
emporgeschleuderte Einzelstrahlen reich belebt wird. Zur Rechten
der mächtigen niederländischen und nordischen Handelsgebäude aus
der Zeit der alten Hansa durchgeführt ist. Ein schön ausgebildeter
Renaissance-Giebel krönt den durch eine Bogenvorhalle zugänglichen
und mit achteckigen Seitenthürmen abgeschlossenen Mittelbau. Diesem
sind basilikal behandelte Flügel angefügt, bei denen das dem Mittel-
alter entlehnte, in der Renaissancezeit jedoch consolenartig behandelte
Motiv der das Mittelschiff stützenden Streben besonders eigenartig
und belebend wirkt. Den Eintretenden nimmt eine prächtig durch¬
gebildete Flurhalle auf, an die sich die weiteren Innenräume mit ihren
Quergalerieen und stattlichen Treppenanlagen gut und wirkungsvoll
anschliefsen. Am Ende dieses reich mit Pavillons und Erholungs-
Ansicht. Holzstich y. O. Ebel.
Hauptgebäude der Bremer Ausstellung.
erhebt sich, ihrem Inhalt entsprechend in würdigen Verhältnissen
und edlen Formen, die Kunsthalle. Offne Säulenhallen mit Nach¬
bildungen antiker Statuen vor warm abgetöntem Hintergründe, der
nach oben durch einen Fries tüchtig gemalter Landschaften abge¬
schlossen wird, fügen sich zu beiden Seiten an das Eingangsportal.
Durch dieses tritt man in einen Vorraum von so prächtiger Wirkung
in Form und Farbe, dafs man nur bedauern kann, dafs die technische
Ausführung, dem vorübergehenden Zweck entsprechend, etwas derb
und flüchtig ausgefallen ist. Aehnlich verhält es sich mit der gegen¬
überliegenden Marinehalle. Sie zeigt mit ihrer elliptischen, säulen¬
getragenen Vorhalle die Formen eines freien Rococo. Schiffsschnäbel
geben das vorherrschende Decorationsmotiv ab, den Kuppelabschlufs
bildet das phantastische Modell eines alten Orlogschifies. Den
Hintergrund dieses reichen Bildes schliefst das prächtige, kuppel¬
gekrönte Haupt-Ausstellungsgebäude ab, und es bietet sich durch
diese Gruppirung auch hier wieder ein einheitliches, architektonisch
reiches und durch kleinere zierliche Pavillons, Musikbühnen usw. ver¬
vollständigtes Ganzes dar. Wir dürfen bezüglich des Hauptgebäudes
auf unsere Abbildung verweisen und müssen aus Mangel an Raum
auf seine Beschreibung verzichten. Mag man über das Zurückgreifen
unsrer Zeit auf das Rococo verschiedener Meinung sein, es drängt sich
hier dem Beschauer die Ueberzeugung auf, dafs sich dem vorliegenden
Zwecke kaum eine andere Bauweise besser angepafst haben würde.
Zwischen Kunsthalle und Haupt -Ausstellungsgebäude hindurch
gelangt man zu einer dritten Gruppe von Baulichkeiten, mit welcher
die symmetrische Anordnung verlassen ist, und die im Gegensätze
dazu durch freie malerische Wirkung anspricht. Ins Auge fällt hier
insbesondere gegenüber der Seitenfront des Hauptausstellungsgebäudes
der stattliche Bau der Handelsausstellung, welcher in der Weise
localen besetzten Platzes trifft man auf die trefflich gelungene
Nachbildung eines altbremischen Kaufmannshauses mit der ihm eigen-
thümlichen hohen, von reich geschnitzten Galerieen umgebenen Diele
und den daranstofsenden Zimmern, deren Ausstattung zum grofsen
Theil aus echten alten Sachen zusammengestellt |ist, ähnlich der
reizvollen Nachbildung einer alten Hamburger Diele, deren wir uns
noch von der vorigjährigen Ausstellung erinnern. Dem Bremer
Hause gegenüber befindet sich die treue Nachbildung eines hier
kürzlich abgebrochenen malerischen Treppenthurms, und an diese
beiden, eine Strafsenmündung darstellenden Bauten schliefsen sich die
Fronten einer alten Bremer Strafse an, die leider etwas coulissenartig
wirkt. Es gilt dies umsomehr, als bekanntlich jede gemalte Plastik
im Freien den gröfsten Theil ihrer Wirkung verliert, und man mufs
hier schon ziemlich viel Phantasie zu Hülfe nehmen, um sich wirk¬
lich im Geiste in eine alte Bremer Strafse zu versetzen.
Um unsern Gegenstand einigermafsen zu erschöpfen, sei die Auf¬
merksamkeit auf einige kleinere, hier umherstehende Baulichkeiten
gelenkt. Neben dem altbremischen Hause ist Castans Irrgarten, ein
kleiner Bau in orientalischen Formen, errichtet. Weiterhin eine sehr
zierliche Forsthausanlage, und in der Nähe leider die sich in den
Weg schiebenden, plumpen und ungefügen Gegenstände einer
Stampfmörtelfabrik, die die Gruppe in störender Weise beeinträch¬
tigen und überdies auch technisch kaum etwas bemerkenswerthes
bieten. Den am Ausgang der Bremer Strafse liegenden Mefsbuden-
platz zur Seite lassend, wenden wir uns nunmehr der links von dem
Hauptgebäude liegenden Hälfte des Ausstelhingsgeländes zu. Dort
treffen wir zuerst auf die hübsche Nachbildung eines strohgedeckten
westfälischen Bauernhauses, welches sich mit allen seinen bekannten
Hauptzügen: der von Stallungen eingefafsten Tenne, dem Herde im
312
Centralblatt der Bauverwaltung.
2. August 1890,
Hintergründe, dem Quergang, den Zimmern dahinter usw. darstellt,
und bei dem auch das Storchnest auf dem Giebel, die Scheunen und
sonstigen Aufsengebäude nicht vergessen sind. Die übrigen Bauten
der Ausstellung, die sich an dieser Seite des Hauptplatzes betindeu,
wie Theater, Fischkosthalle, Monier-Baiiten, eine im japanischen Stile
durchgeführte offene Blumenhalle usw., seien nur einfach erwähnt.
Auch das Maschinenausstellungsgebäude bietet, abgesehen von seiner
Gröfse, baulich wenig bemerkenswerthes. Besonders gedacht mufs nur
noch des von dem Architekten Eauschenberg entworfenen Archi¬
tektenhauses werden, schon weil es in seinem Innern aufser den Ent¬
würfen und Modellen verschiedener hannoverscher, Oldenburger und
Bremer Architekten die vortrefflich gearbeiteten Modelle der Behörde
für öffentliche Arbeiten zur Freihafenanlage und Wesercorrection ent¬
hält. Dem diese Ausstellung enthaltenden Theile des Architekten¬
hauses ist ein in schweren, altromanischeu Bauformen gehaltener Kreuz¬
gang augefügt, der den mit reichem Baumwuchs besetzten Kloster¬
hof, einen schattigen und zu behaglichem Genufs einladenden Garten,
umzieht. Die sich hieran anschliefsende Bierstube ist durch die
Hand des hierfür noch im letzten Augenblick gewonnenen Berliner
Malers Karl Becker mit leicht hingeworfenen, aber aufserordentlich
wirkungsvollen Darstellungen voll köstlichen Humors belebt, während
eine benachbarte Weinstube als sogenannte Hundingshalle im Sinne
Kichard Wagners herausgeputzt ist.
Nach der Betrachtung dieser Erzeugnisse lustiger Laune über¬
blicken wir noch einmal die Gesamtheit der Ausstellungsbauten.
Das Innere aller Hallen zeichnet sich durch schöne, hohe Ver¬
hältnisse und lichte, luftige Bauweise aus. Der einheitliche künst¬
lerische Zug, welcher durch alle Hauptgebäude der Anlage geht,
wirkt äufserst wohlthuend. Die äufseren und inneren Vorhallen
sind zum Theil in reichster Anordnung, mit feinem Formen- und
Farbensinn erdacht und durchgeführt. Die reiche Anordnung des
Haupt- Ausstellungsplatzes mit seinen Wasserkünsten ist, namentlich
unter dem Zauber elektrischer Beleuchtung, von geradezu märchenhafter
Wirkung, und man würde in Bezug auf den Architekten unwillkürlich
an den Spruch am Gewölbe der Londoner Paulskirche „Si monumen-
tum quaeres circumspice“ erinnert, wenn das vorliegende „Monument“
nicht leider ein so vergängliches wäre. G. R.
Ueber die Festigkeitsverhältnisse einiger neueren Eisenbahn -Oberbausystenie.
Die entsprechende gröfste Spannung im Schienenfufs ist
In den letzten Jahren hat man, dem Vorbilde Englands folgend,
auch auf dem Continente damit begonnen, einen stärkeren und
schwereren Oberbau auf verkehrsreichen Hauptlinien in Anwendung
zu bringen. So wurden beispielsweise auf der Belgischen Staatsbahn
die auf das Meter 52 kg schwere Goliathschiene, auf einzelnen fran¬
zösischen Bahnen Schienen von 47 kg Einheits- Gewicht eiugeführt,
und nevrerdings für die Berliner Stadtbahn eine Schiene von 41 kg
auf das Meter (Centralblatt der Bauverw. 1889, S. 182) in Aussicht
genommen.
Im folgenden soll nun auf theoretischem Wege ein Vergleich
zwischen dem normalen Querschwellen -Oberbau der preufsischeu
Staatsbahueu und einigen der verstärkten Anordnungen angestellt
und hierfür als Mafsstab die Gröfse der in den Schienen unter be¬
stimmten, einfachen Voraussetzungen auftreteuden Spannungen be¬
nutzt werden.
1. Her iiorinale Oberbau der preufsiselieii Staatsbahiieii.
Zur Berechnung des mafsgebeuden Moments der Schiene bezügl.
der senkrechten Lasten wird folgende, am Schliffs dieses Aufsatzes
näher begründete Gleichung benutzt
0,171
■i
1 4,5 Yyj
Hierin bedeutet
F den gröfsten Raddruck im Ruhezustand = 7000 kg,
l den mittleren Achsabstand der Querschwellen = 93 cm (unter
Nichtberücksichtigung des Stofsschwellenabstands),
ip den Ausdruck - — ^
E den Elasticitätsmodul = 2 000 000 kg/cm,
J das Trägheitsmoment der Schiene = 1037 cm^
C' die Bettungsziffer für die halbe Querschwelle.
Sieht man von dem unter gewöhnlichen Verhältnissen geringen
Einflufs der Querschwellenbiegung auf die Druckvertheilung ab,*) so
M^=Fl l 0,226 Vyj +
(neu).
kann man setzen
C - 8G00 = -g—
b — Schwellenbreite = 25 cm,
u — Länge der Unterstopfung (mit Rücksicht auf die schwächere
Unterstopfung in Schwellenmitte sei u = 250 — 20 =
230 cm gesetzt),
y — Bettun gszift’er f. d. qcm. Entsprechend den Versuchen der
Reichseisenbahnen (Org. 1889, Heft 4), welche für Holz-
und Eisenschwellen annähernd die gleichen Werthe er¬
geben, setzen wir für den ungünstigsten Fall (Kies auf
Lehmboden) y = 2).
Hiermit ergiebt sich C, zu
25 . 230 .
- — rund 8600.
Mit Hülfe vorstehender Zahlenwerthe erhält man
6 . 2 000 000 . 1037
■ip = -
8600 . 93^
= 7000 . 93 (^0,226 . 1,16
1,8; V^p
0,171
= 188
1 -j- 4,5 . 1,
790 kgyem
16
= 1/1,8 = 1,16
-A =: 651000 . 0.29
IV
*) Der Einflufs der Schwellendurchbiegung kann nach Gl. 35b
der Abhandlung „Zur Berechnung des Eisenbahn -Oberbaues“, Org.
f. d. Fortschr. d. Eisenbahnw. 1888, Heft 3, berücksichtigt werden.
1226 kgyqcm.
(j., =
3838 /ikgyqcm.
_ il/j _ 188 790
“ k?i “~154 “
Als wagerechte Belastung der Schiene werde ein Seitenstofs
= ßP in der Mitte zwischen zwei Schwellen angenommen, welcher
bei unverrückbaren Schwellen ein Moment an der Angriffstelle von
M.2 = 0,171 ßFl = 0,171 ß . 7000 . 93 = 111 321 /J kg'/cni
erzeugt.
Die zugehörige gröfste Spannung im Schienenfufs ist
M2 111 321 /i
~W.2 ~~ 2 9 ~
Der Beiwerth ß ist derart zu wählen, dafs sich für 02
ein der Wirklichkeit entsprechendes Verhältnifs ergiebt. Ebenso¬
wenig wie oben zur Berechnung von qj die allerungünstigsten Vor¬
aussetzungen gemacht wurden, die Gröfse von qj vielmehr in Wirk¬
lichkeit den berechneten Werth von 1226 kg infolge von senkrechten
Stöfsen, Schwankungen in den Achsbelastungen, mangelhafter Unter¬
stopfung einzelner Schwellen usw. beträchtlich übersteigen kann,
ebensowenig darf hier zur Berechnung von G2 der gröfstmögliche
Werth von ß gewählt werden. Als passender Werth von ß dürfte
bei gut unterhaltenen Geleisen und bei Geschwindigkeiten von
60 — 100 km die Stunde (i = 0,2 bis 0,3 anzunehmen sein.
Man erhält hiermit für
ß = 0.2. 02 — "^68 kgyqcm
ß = 0,3. 02 = 1152 ko’/qcin.
Die für den theoretischen Vergleich in Betracht zu ziehende
Gesamtspannung ergibt sich für
ß = 0,2 zu q = 1226 -j- 768 = 1994 kg/qcm
ß = 0.3
P =
y; = -
7000 kg;
zu q= 1226 -[- 1152 = 2378 kg/qcm.
Der neue Oberbau der Berliner Stadtbaliu.
26 (270-
h-
90 cni; J = 1352 cm^
= rund 9700
2 000 000 . 1352
c =
20) . 3
9700 . 90=5
il/j = 7000.90 (^0,226
— 0
,29; Vip = 1,23
0,171
+ 4,5.1,23
= 191 520 kg/cm
U23 + j
) =
630000.0,304
191 520
193
= 0,171 .
ß.
21 546
39
32 319
rooo
90 = 107 730 (Skg/cm
= 21 546 kg/cni für ß = 0,2
= 32 319 kg/cm für /S = 0,3
— = 552 kg für ß = 0,2
= 828 kg für ß = 0,3.
39
Gesamtspannung:
q = 992 + 552 = 1544 kg’
= 992 4- 828 = 1820 kg
für
für
ß = 0,2
ß = 0,3.
ür. 31.
Centralblatt der Bauverwaltung.
313
S. Der Oltjerbau der englischen Midlandbahn.
(Stuhlschienen; siehe Centralblatt der Bauverwaltung 1890, S. 137),
7000 kg; I = 8b cm; J — rd. 1320 cm^; Wi — rd. 170;
6-=2!1=^?)1M^ = 9600
Ji
6 . 2 000 000 . 1320 ^ ‘ —
- = 2,71; 1,28
950 . 85®
Ml = 7000.85 fo,226 . 1,28 + , i oq) =
V i ‘“I“ . XjÄOy
= 186 830 kg/cm
186 830 , ,
ö"! ^ — jyq— = 1 100 kg/qcm
1/2 = 0,171 ^ 7000 . 85 = 101750/? = 20 350 kg/cm für /? = 0,2
= 30 520 kg/cm. für /S = 0,3
20 350 , ,
ö'2 = — ~ — = 433 kg/qcm für ß — 0,2
30 520 , ,
= — — = 650 kg/qcm für ß — 0,3.
Bei Bildung der gröfsten Gesamtspannung G ist zu berücksich¬
tigen, dafs wegen der besonderen Form des unteren Schienenkopfs
Cj und 0*2 nicht in dem gleichen Punkte auftreten und daher nicht
einfach addirt werden dürfen. Die gröfste Spannung G tritt in einem
zwischen den zu üj und Ö2 gehörigen Punkten gelegenen Punkte
auf und ergiebt sich annähernd zu
(r= 0,93 o'i, + 0,95 Ö-2 = 0,93. 1100 + 0,95 .433 = 1434 für /?=0, 2
= 0,93 . 1100 4-0, 95 . 650 = 1640 für /?=0,3.
Streng genommen treten auch bei den früher betrachteten breit-
füfsigen Schienen, mit Rücksicht auf die kleine Eckabrundung des
Fufses, ähnliche Verhältnisse ein. Von einer zahlenmäfsigen Be¬
rücksichtigung dieses günstigen Umstandes konnte jedoch bei seiner
Geringfügigkeit um so eher abgesehen werden, als anderseits auch
bei der StnhlscHene der günstige Einflufs der theilweisen Schienen-
einspannung durch den Keil aufser Betracht blieb.
4. Der Oherhau der belgischen Staatsbahn (Goliathschienen).
P= 7000 kg; I = 80 cm; J ~ 1890 cm^; Wi = 262 (Fufs);
25 . (260 20) . 3
G =
9000;
6.2 000 000.1890 . i,—
f- - onAa--«-n-3 - = 4,93; = 1,49
9000 . 80®
lfj=^ 7000 . 80 fo,226 . 1,49 + —, VJV.nl =560000.0,359
V 1 -j-4,5. 1,497
= 201 040 kg/cm
201040 , ,
2Q2-- = ^67 kg/qcm
M2 = 0,niß . 7000 . 80 = 95 760 /S = 19 150 kg/cm für ^ = 0,2
= 28 730 kg/cm für ß~0,3
1 9 1 50
0-2 = ^+^ = 295 für ß = 0,2
65
28 730
442 für ^ = 0,3.
65
Gesamtspannung :
0' = 767 + 295 = 1062 kg/qcm für ß = 0,2
= 767 -4 442 = 1209 kg/qcm für ß = 0,3.
Zusammenstellung der
Werthe
von G.
^ = 0,2
,5 = 0,3
1.
Preufsische Staatsbahn G ■
= 1994
2378
2.
Berliner Stadtbahn
1544
1820
3.
Englische ' Midlandbahn
1434
1640
4.
Belgische Staatsbahn
1062
1209.
Die vorstehenden Gröfstwerthe von G beziehen sich auf das Neu¬
profil der Schienen, und zwar auf den Sehienenfufs. Bei abgefahrenen
Schienen sind diese Spannungen naturgemäfs gröfser, jedoch nicht
in dem Mafse, wie es die Abnahme des Trägheitsmoments erwarten
liefse, weil durch die Abnutzung hauptsächlich das Widerstands¬
moment des Kopfes, weit weniger aber das hier in Betracht
kommende Widerstandsmoment des Fufses geschwächt wird. Aufser-
dem nimmt auch das äufsere Kraftmoment Mi mit kleiner werdendem
Trägheitsmoment ab, wie der Ausdruck für Mi unmittelbar er¬
kennen läfst.
Beispielsweise ergiebt sich für die Schiene der preufsischen
Staatsbahn bei einer Abnutzung von 10 mm Höhe, /= 796 = 0,77
des bisherigen Werths, 120 (Kopf) = 0,77 des bisherigen Werths,
W=1S1 (Fufs) = 0,89 des bisherigen Werths, fFb = 25,6 = 0,89 des
bisherigen Werths.
Ml = 651 000 . 0,273 = 177 723; Gi = 177 723 : 137 == 1297
Ö-2 = 768 ; 0,89 = 863 für ß = 0,2
= 863 . 1,5 = 1294 für ß = 0,3
G= 1297 4" 863 = 2160 kg/qcm für ß = 0,2
= 1297 + 1294 = 2591 kg/qcm für ß — 0,3.
Im Mittel nimmt hiernach die gröfste Spannung infolge der
Abnutzung von 10 mm Höhe um rund 9 pCt. und einschliefslich der
Schwächung durch seitliche Abnutzung um rund 10 pCt. zu.
Soll nun die Spannung G der abgenutzten Schiene den Betrag
von 1800 bis höchstens 2000 kg/qcm nicht überschreiten, so mufs der
Oberbau, namentlich für schnellfahrende Züge (ß = 0,S), verstärkt
werden. Diese Verstärkung kann durch Vermehrung der Schwellen¬
zahl oder durch Vergröfserung des Schienenquerschnitts erfolgen.
Legt man auf eine Schienenlänge von 9 m zwei weitere Quer¬
schwellen ein, so wird 1=16 cm, d. h. = 0,817 des bisherigen Werths
von 93 cm.
ip “ 3,3; y ip = 1,35
Ml — 7000 . 76 . 0,33 = 175 560; Gi = 1140 = 0,93 des bis¬
herigen Werths
G.^ = 0,817 des bisherigen Werths ~ 627 für ß — 0,2
= 940 für ß = 0,3
ö''.=3»o'^ + qg =: 1767 für ß — 0,2
“ 2080 für ß = 0,3.
Bei abgenutzter Schiene steigen die Spanungen um rund 10 pCt.,
d. h. auf 1940 bezw. 2290 kg/qcm.
Will man für die Schienenverstärkung den gleichen Geldbetrag
aufwenden wie für die Schwellenvermehrung, und rechnet man
1 Querschwelle = 40 kg Schienengewicht, so trifft auf 1 m Schiene
40 : 9 = 4,4 kg Mehrgewicht und 5,6 qcm Querschnittsvergröfserung.
Gegenüber dem bisherigen Querschnitt von 42,5 qcm bedeutet dies
eine Verstärkung von 1 auf 1,1318. Unter der Annahme, dafs der
neue Querschnitt dem alten ähnlich sei, findet eine Vergröfserung
der linearen Abmessungen von 1 auf j/ 1,1318 d. h. 1 auf 1,063, des
Trägheitsmoments von 1 auf 1,063“^ = 1,28, des Widerstandsmoments
von 1 auf 1,2 statt. Vip vergröfsert sich im Verhältnifs 1 zu 1,063
und erhält den Werth 1,063 . 1,16 = 1,23. Ferner wird
Ml = 651 000 . 0,304 = 197 904
Gl = 1070 = 0,87 des bisherigen Werths
des bisherigen Werths = 640 für ß = 0,2
= 960 für ß = 0,3
G Gl G2 — 1710 für ß = 0,2
2030 für ß = 0,3.
Für den abgenutzten Zustand erhält man Spannungen von 1880
bezw. 2230 kg/qcm.
Auf beiden Wegen wird hiernach die Spannung in annähernd
gleicher Weise herabgemindert ; doch bleibt sie immer noch auf
solcher Höhe, dafs für Hauptlinien mit grofsen Zuggeschwindigkeiten
eine noch weiter gehende Verstärkung des Oberbaues, etwa nach
Art von 0. Z. 2 oder 3, angezeigt erscheint.
Der Oberbau der belgischen Staatsbahn bietet gegenüber den
anderen Anordnungen eine ganz hervorragende Stärke, welche durch
die Forderungen der Betriebssicherheit allein wohl kaum vollständig
begründet sein dürfte. Inwieweit die sonstigen, hiermit verknüpften
Vorzüge (geringer Unterhaltungsaufwand, ruhiges Fahren usw.) die
gröfseren Herstellungskosten rechtfertigen, darüber kann allein die
Erfahrung die Entscheidung bringen.
Anmerkung. Die Ableitung der Formel
Mi=Pl f 0,226 K+H -
V 1 + 4,5 Vip
ist kurz folgende:
Denkt man sich die Querschwellen durch zwei Langschwellen
von der gleichen wirksamen Bodenfläche ersetzt, so ist die Bettungs-
Q
Ziffer f. d. cm bei den Langschwellen offenbar c = -j-- Das gröfste
Moment, welches in dem Langschwellenstrang unter einer ruhenden
Einzellast entsteht, ist bekanntlich,*) wenn man von dem unter
*) Siehe die Abhandlungen von Zimmermann und von
Schw edler in der Ztschr. für Bauwesen 1887 u. 1889.
314
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
2. August 1890.
normalen Verhältnissen geringfügigen Eiuflufs des Abliebens der
Langschwelle vom Boden absiebt,
L i/:^ = 0,2. P 1/^ -fL' = 0,25 Fl j/ ^
4 1 C ' '
p
J/. = f f
CI'
oder = 0,’226
PI = 0,22(3 PlVilu
wenn zum besseren Vergleich mit den Formeln des Trägers auf
melu'eren nachgiebigen Stützen die Ziffer 4 unter dem Wurzelzeichen
durch die Ziffer 6 ersetzt wird.
J bezeichnet hierbei das Trägheitsmoment der Schiene.
’N'orstehende Foimiel gilt annähernd auch für die Belastung durch
eine unendliche Reihe gleich grofser, in gleichen Abständen a be¬
findlicher Lasten P wenn a und c grofs gegenüber J (Winklers
Gleichung).
Das Moment ilii der Schiene, welches durch eine in der Mitte
zwischen zwei Schwellen aufgebrachte Eiiizellast P hervorgeruten
wird, ist nun jedenfalls gröfser als Mo, und zwar ist der Unterschied
am gröfsten für ^i = 0 (feste Stützen).
Hierfür ist Mo — O, Mi = 0,171 Pf, somit Unterschied U=0,171 Pf.
Mit wachsendem ip nimmt U ab und kann für ip^oo gleich
Null gesetzt werden.
Diesen Bedingungen genügt die Function
U = 0,171 PI : (1
Wählt man « = 4,5, setzt also
il/i = ("o,22(‘. +
a y xp).
0,171
PI,
1 -[- 4,5 y ^p/
so stimmen die hiermit berechneten Werthe von Mi sehr gut mit
anderweitig bestimmten Zwischenwerthen von Mi überein, wie aus
folgender Zusammenstellung ersichtlich ist, in welcher die von
Schwedler für einen Balken auf acht nachgiebigen Stützen berech¬
neten Werthe angeführt sind (siehe Ztschr. f. Bauwesen 1889).
<// = 4 2 1 0,5 0
Formel Mi = 0,342 0,296 0,257 0,225 0,171 7^/
Schwedler Ml =0,337 0,294 0,255 0,226 0,173 Pt.
Karlsruhe, im .Juni 1890. Fr. Engefser.
lieber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken
(Fortsetzung.)
11. Die Waschküchen.
Auch die 4Vaschkücheueinrichtungeu weichen nicht wesentlich
von denen in anderen Anst.alten ab, und es bleibt deshalb hier ebenfalls
nur das weniger Bekannte bezw. besonders für Kliniken Wichtige
hervorzuheben. Hinsichtlich der Lage, Gröfse, Bauart, Heizung und
Lüftung gilt das bei den Kochküchen (Nr. 10 auf S. 305) in dieser
Beziehung Gesagte. Bei Kliniken von geringem Umfange, in welchen
Dampf zu anderen Zwecken nicht Verwendung findet, erfolgt die
Reinigung der Wäsche in der Regel mit Handbetrieb, bei gröfseren
Kliniken dagegen mit Dampfbetrieb und Maschinenkraft.
Als Beispiel einer zweckmäfsigen Waschküchen-Einrichtuug in
gröfserem Mafsstabe kann
auch hier die im Wirth-
schaftsgebäude der neuen
klinischen Institute in
Breslau ausgeführte die¬
nen (Abb. 21 S. 306). Zu
der aus dieser Abbildung
ohne weiteres verständ¬
lichen allgemeinen Anord¬
nung ist im besonderen
folgendes zu bemerken.
Neben der grofseu Wasch¬
küche befindet sich ein
kleiner Raum zur Reini¬
gung inficirter Wäsche,
und im Kellergeschofs
aufserdem ein gröfserer
Raum für die Desinfection
von Wäsche, Kleidungs¬
stücken, Betten, Matratzen
usw. mit dem hierzu er¬
forderlichen, eigenartig
construirten Apparate.
Die Desinfection hat den
Zweck, die in den be-
zeichneteii Gegenständen
enthaltenen Ansteckungs-
stotfe, Ungeziefer usw.
zu vernichten, ohne die
Stücke stark anzugreifen
oder für eine fernere Verwendung unbrauchbar zu machen. Nach
neueren Erfahrungen geschieht dies am besten durch eine combinirte
Behandlung der Gegenstände mit trockener und feuchter Hitze (heifse
Luft und strömende Wasserdämpfe) in Verbindung mit kräftiger Lüf¬
tung. Der Desinfectionsapparat ist, wenn thunlich, so grofs herzustellen,
dafs erforderlichenfalls ein ganzes Bett eingebracht werden kann. Es
ist dafür Sorge zu tragen, dafs der Weg, auf welchem die inficirten
Stücke in den Apparat gebracht werden, von demjenigen gänzlich ge¬
trenntist, auf welchem die desinficirten Gegenstände fortgeschafft werden.
Ein zweckrnäfsig eingerichteter Desinfectionsapparat (System
Schimmel) mit combinirter Behandlung der zu reinigenden Gegen¬
stände, in der vorangegebenen Gröfse und Construction, ist in
Abb. 23 dargestellt. Er hat eine Länge von 2 m bei 1 m Breite und
1,2 m Höhe, ist von Blech in elliptischer Form hergestellt, mit
schlechten Wärmeleitern umhüllt und mit einem zur Aufnahme der
zu desinficirenden Gegenstände bestimmten ausfahrbaren Wagen ver¬
sehen. Im unteren Theile liegt ein System von geschlossenen Dampf¬
röhren zur Erzeugung der trocknen Kitze, und darüber ein mit kleinen
Löchern versehenes Rohr, durch welches freier Dampf in den Apparat
eingelassen werden kann.
Hinsichtlich des Ganges des Reinigungsverfahrens der Wäsche
in den Küchenräumen mit Dampfbetrieb und Maschinenkraft ist
folgendes zu bemerken. Die in den einzelnen Stationen gesammelte
unreine Wäsche wird in Drillichbeuteln nach einem neben der Wasch¬
küche belegenen Raum geschafft und hier sortirt. Von dort gelaugt
die Wäsche in die Einweichbottiche und von diesen in die Wasch¬
maschinen, oder bei stark verunreinigtem Zustande in besondere
Kochfässer. Nach Ent¬
nahme der Wäsche aus
diesen Apparaten wird
dieselbe in die Spül¬
maschinen und von dort
in die Ausschleuder¬
maschinen (Centrifugen)
geschafft, sodann im Win¬
ter in sogenannten Schnell¬
trockenapparaten , im
Sommer auf Trockenböden
vom Wasser gänzlich be¬
freit, hierauf gerollt bezw.
geplättet und alsdann in
die Wäschekammern ge¬
bracht. Diesem Gange
des Reinigungsverfahrens
entsprechend sind die
einzelnen Apparate so auf¬
zustellen, dafs der Betrieb
in ununterbrochener Rei¬
henfolge stattfinden kann.
Von den zahlreichen
Wäsche- Reinigungsappa¬
raten für gröfsere Be¬
triebe verdienen die in
letzter Zeit vervollkomm-
neten Waschmaschinen
und Schnelltrockenappa¬
rate Erwähnung. Unter den
Waschmaschinen haben sich besonders die Hammermaschinen (System
Schimmel) und neuerdings die Trommelmaschinen (System ter Welp)
gut bewährt. In ersteren (vergl. Abb. 24) erfolgt die Reinigung
durch die Bewegung messingener Walkhämmer, welche entsprechend
ihrer Befestigung an einer doppelt gekrümmten Welle nach ver¬
schiedenen Seiten ausschlagen. Auf jeder Seite der Hämmer bilden
sich in besonderen Ausbuchtungen des Apparates zwei Wäscheknäuel,
welche beim jedesmaligen Vorwärtsgange der Hämmer gegen die
Wände des Troges gejirefst werden, beim Rückwärtsgange der
Hämmer aber zurückfallen und sich wenden. Durch das dabei statt¬
findende .abwechselnde Auspressen und Aufsaugen der Waschlauge
wird der Schmutz in den Stücken gründlich gelöst.
In den Trommelmaschinen (Abb. 25) erfolgt die Reinigung der
Wäsche durch die Bewegung einer um etwa 20 Grad geneigten
Trommel von gewelltem Blech um eine wagerechte Achse. Die mit
Lauge zur Hälfte gefüllte Trommel macht mit Hülfe eines Wende-
Nr. 31.
Centralblatt der Bauverwaltuncr.
315
getriebes 15 Drehungen nach rechts und 15 nach links. Durch diese
Bearbeitung der Wäsche geht die Lösung des Schmutzes gut vor
sich, was noch dadurch befördert werden kann, dafs die Waschlauge
durch Zuleitung von Dampf zum Kochen gebracht wird. Diese Ma¬
schinen gewähren den Vortheil, dafs die Wäsche darin auch gespült
werden kann, was in den beiden zur Hälfte durchlochten Böden er¬
reicht wird. Durch die gelochte Hälfte wird bei tiefer Stellung das
Wasser abgefangen, während es aus der geschlossenen Hälfte in
hoher Stellung nach dem hohlen Drehzapfen abfliefst, wodurch die
Wäsche während des Ganges der Maschine von der Schmutzlauge
befreit und in der Hauptsache rein gespült wird. Den Trommel¬
maschinen wird von den klinischen Verwaltungen im
allgemeinen der Vorzug gegeben, weil die Wäsche in
denselben mehr geschont wird als in den Hammer¬
maschinen.
Unter den Trockenapparaten verschiedener Con-
struction sind für kleinere Betriebe solche mit Auszieh¬
schiebern (Coulissen) ohne Maschinenkraft (Abb. 26),
und für gröfsere Betriebe die eigenartigen Schim-
12. Die Theekiicheii.
Die allgemein mit dem Namen „Theeküchen“ bezeichneten Räume
dienen nicht nur zur Bereitung von Thee, sondern auch zum Kochen
von Milch, Hafergrütze usw., desgleichen für die Zubereitung der
während der Nacht etwa erforderlichen warmen Getränke und
Speisen; aufserdem finden dieselben zur Reinigung und Aufbewah¬
rung der für die einzelnen Krankenabtheilungen bestimmten Efs- und
Trinkgeschirre Verwendung. In den neueren Kliniken in Göttingen
und Breslau sind besondere Theeküchen nicht eingerichtet worden;
an deren Stelle treten dort Räume zum Anrichten und Vertheilen
der aus dem Wirthschaftsgebäude eingelieferten Sjjeisen und Ge-
Abb. 24. Schimmels Hammer-Waschmaschine.
Abb. 26. Wäschetrockenapparat mit Ausziehschiebern (Coulissen).
Abb. 25. Schimmels Trommel -Waschmaschine
(System ter Welp).
melschen Maschinen (Abb. 27) bemerkenswerth.
Während die ersteren einer Erläuterung nicht weiter
bedürfen, ist hinsichtlich der letzteren zu erwähnen,
dafs in ihnen das Trocknen der Wäsche in grofsen
(7 bis 12 m langen, 2 bis 3 m breiten) Gehäusen aus
Eisenblech erfolgt, in welchen auf beiden Seiten
mit Ausschnitten versehene Ketten ohne Ende laufen. Die Wäsche,
auf Holzstäben in den Ausschnitten der Ketten liegend, wird
langsam durch die Maschine geführt und fällt am Ende derselben
in dort aufgestellte Kästen. Die Erwärmung des Inneren erfolgt
durch ein System von geschlossenen Dampfröhren, unter welche
von aufsen frische Luft tritt, während die mit Wasserdunst ge¬
sättigte Luft an der Decke entweicht. An den Langseiten des
Apparates sind verglaste Oefifnungen angebracht, welche die noth-
wendige Zuführung des Tageslichts während des Trockenvorganges
ermöglichen.
Die Trockenböden, welche für den Sommerbetrieb zur Verwen¬
dung kommen, sind durch Oeffnungen in den Wänden und im First,
die mit Jalousieen versehen werden, gut zu lüften, auch gegen Rufs
lind Staub thunlichst zu schützen.
Die auf dem Gebiete der Wäscherei-Einrichtungen besonders be¬
kannte Firma 0. Schimmel u. Co. in Chemnitz liefert nicht nur
Apparate der in den Abb. 23 bis 27*) dargestellten Constructionen
mit Maschinenbetrieb, sondern für kleinere Anstalten, in denen ein
Motor zum Betriebe fehlt, jedoch Dampf und billige Arbeitskräfte zur
Verfügung stehen, auch ähnlich construirte Apparate für Handbetrieb.
Die Wascheinrichtungen in kleinen Kliniken ohne Dampfbetrieb und
Maschinenkraft weichen von den sonst üblichen wenig ab, und es
kann deshalb von einer Beschreibung derselben abgesehen werden.
Ounstabzug.
*) Diese Abbildungen sind der von der genannten Maschinen¬
fabrik veröffentlichten Broschüre entnommen.
Abb. 27. Schimmels Wäschetrockenmaschine (Patent).
tränke, welche mit der im Untergeschofs belegenen Anrichte- bezw.
Spülküche durch kleine Aufzüge in Verbindung stehen.
Für die Theeküchen genügen Räume mit bescheidenen Ab¬
messungen, welche am zweckmäfsig-
sten in unmittelbarer Nähe der
Krankensäle anzuordnen sind. In
der Regel genügt eine Theeküche
für je 10 bis 15 Kranke. Die häufig
mit indirecter Beleuchtung vom Flur¬
gange oder einem anderen Raume aus
(vgl. Abb.l5,S.40) hergestellten Thee¬
küchen sind nicht zu empfehlen ;
zweckmäfsiger ist eine Anordnung
wie in Abb. 17 (S. 305) dargestellt,
mit unmittelbarer Beleuchtung von
aufsen, wegen der wünschenswerthen
Lüftung dieser Räume und des be¬
quemeren Gebrauchs bei Tage. Die
Theeküchen sind sehr sauber zu
halten und dementsprechend mit
einem Steinfufsboden (Terrazzo oder
Fliesen) auszustatten, auch mit Oel-
farbenanstrich auf den Wänden zu
versehen; für ausreichende Heizung und Lüftung ist gleichfalls
zu sorgen. Ihrer Bestimmung entsprechend sind diese Räume
mit folgenden Gegenständen auszustatten: a) mit einem. Spül-
Abb. 28. Wärmeschrank
mit Gaskocher.
316
Centralblatt der Bauverwaltuug.
2. August 1890.
tisch, welcher Zuleitungen für kaltes und warmes Wasser erhält;
b) mit einem kleinen Wärmeschrank; c) mit einem Gaskochapparat;
d) mit einem Geschirrschrank; e) einem Wandschränkchen für Ihee-
büchsen und Arzneien; f) bisweilen auch mit einem kleinen Eis¬
schrank. Eine zweckmäfsige Verbindung des Wärmeschrankes mit
dem Gaskocher zeigt die im Kinderhospital in Berlin getroffene An¬
ordnung (Abb. 28); dort befindet sich der bezei ebnete Apparat im
Zimmer der Wärterin, da eine Theeküche fehlt. Für eine voll¬
kommene Abführung der Verbrennungsproducte und Dünste aus
dem Gaskochapparate ist jedenfalls Sorge zu tragen.
_ (Schlufs folgt.)
Der Külilschacht der neuen Wasserleitung in Iglau (Mähren)
Die etwa 23 000 Einwohner zählende Stadt Iglau in Mähren
besafs seit längerer Zeit eine alte Wasserleitung, welche das Trink- und
Gebrauchswasser aus mehreren Teichen aufserhalb der Stadt entnahm
und in hölzernen Röhren den Verbrauchstellen zuführte. Die Be¬
schaffenheit dieses Wassers liefs sowohl hinsichtlich der chemischen
Zusammensetzung, wie bezüglich der Wärme, welche letztere
zwischen mehr als 20° C. im Sommer und 1 — 3° 0. im Winter
schwankte, sehr viel zu wünschen übrig.
Man entschlofs sich zur Anlage einer neuen Wasserleitung,
welche man aus den Quellen des die Stadt umgebenden Waldgebietes
zu speisen beabsichtigte. Untersuchungen ergaben zwar die vorzüg¬
liche Beschaffenheit des Quellwassers, indessen auch die unzu¬
reichende Menge desselben während der trockenen Jahreszeit. Man
mufste sich schliefslich überzeugen, dafs die einzige, jederzeit für die
Versorgung der Stadt genügende Wassermenge nur in eben jenen
Teichen zu finden war, welche schon die alte Wasserleitung gespeist
hatten. Bei näherer Prüfung fand man, dafs das den Teichen zu-
fliefsende Wasser in seiner chemischen Zusammensetzung durchaus
den Anforderungen entspricht, welche an ein gutes Trinkwasser ge¬
stellt werden, und dafs die Verschlechterung des Wassers somit erst
in den Teichen und in der Rohrleitung eingetreten war, weil man
von 10 500 cbm erhalten, gleich dem ITfachen gegenwärtigen Tages¬
bedarf, welcher etwa GOO cbm beträgt, sodafs der Wasserwechsel ziem¬
lich langsam sich vollzieht. Mit Hülfe zweier Rohre wird das Wasser
aus den tiefsten Schichten des Schachtes entnommen und auf die
Filter geleitet. Es sei bemerkt, dafs die örtlichen Verhältnisse der
Anlage des unter der Teichsohle 11,4 m tiefen Schachtes insofern
aufserordeiitlich günstig waren, als gröfstentheils fester Gneis ge¬
brochen wurde, welcher sogleich zur Mauerung der Filterkammern usw.
verwendet werden konnte.
Um die Wirkung des am 20. Juni 1887 in Thätigkeit gesetzten
Kühlschachtes festzustellen, wurden seit dem 1. Mai 1887 regelmäfsige
Beobachtungen angestellt über;
a) die mittlere Luftwärme von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends,
b) die Wärme des Wassers in den Teichen 1 m unter dem Wasser¬
spiegel,
c) die Wärme des Wassers in den Reinwasserkammern, nachdem
dasselbe die Filter durchlaufen hatte.
Diese für das Jahr 1887 mitgetheilten Beobachtungen lassen die
vortheilhafte Wirkung des Kühlschachtes im grofsen und ganzen er¬
kennen, wenn wegen einiger in der ersten Zeit des Betriebes ein¬
Schnitt durch den Kühlschacht.
die ersteren seit undenklichen Zeiten nicht gereinigt hatte, und das
Holz der letzteren grofsentheils in Fäulnifs übergegangen war.
In der Erwägung, dafs der schlimmste Uebelstand durch gründ¬
liche Ausräumung und zukünftige Reinhaltung der Teiche sowie durch
zweckentsprechende Erneuerung der Rohrleitung sich beseitigen liefs,
entschlofs man sich daher, die alte Wasser -Entnahmestelle beizube¬
halten. Es verblieb freilich noch der oben erwähnte, auch ander¬
wärts so oft empfundene Uebelstand, dafs die Wärme des Wassers
grofsen Schwankungen ausgesetzt war, sich zu allen Jahreszeiten der
Luftwärme näherte. Auf Anregung des Entwurfs- Verfassers, Oberbau¬
inspectors Oelwein der K. K. Generaldirection der österreichischen
Staatseisenbahnen, ist zur Behebung bezw. Milderung dieses Uebel-
standes eine von demselben „Kühlschacht“ genannte Anlage aus¬
geführt worden, unseres Wissens zum ersten Male.
Es ist eine bekannte Thatsache, dafs in stehenden Gewässern die
Wasserwärme in der Tiefe weit beständiger ist, als an der Oberfläche.
Besondere Beobachtungen in dieser Hinsicht lagen von einigen öster¬
reichischen Alpenseen vor, von welchen der Atter- und Mondsee nur
geringe, der Gmundener und Hallstädter See dagegen starke Zuflüsse
besitzen. Nach diesen Beobachtungen fand sich im Atter- und
Mondsee (geringer Zuflufs) bei 14 — 19° C. Wasserwärme in der Ober¬
fläche bis 10 m Tiefe nur eine geringe Abnahme derselben; in 15 m
Tiefe sinkt die Wasserwärme aber auf 8 — 9° und in 20 m Tiefe auf
5,3 — 7°. In gröfserer Tiefe vermindert sich die Wasserwärme dann
wieder nur sehr unbedeutend und beträgt bei 189,6 m noch 4,25° C.
Wesentlich anders ergeben sich die Verhältnisse bei dem Gmundener
und Hallstädter See, welche starke Zuflüsse besitzen. Bei 11,5 — 16°
Wasserwärme in der Oberfläche konnte eine Abnahme derselben auf
etwa 5° erst in 60 m Tiefe festgestellt werden.
Aus diesen Wahrnehmungen, welche der Entwurfs - Verfasser
durch anderweitige Beobachtungen in Schächten, Cisternen, Thal¬
sperren und Teichen bestätigt gefunden hatte, zog man den Schlufs,
dafs in stehenden Gewässern mit geringen Zuflüssen bezw. langsamem
Wasserwechsel in einer Tiefe von 15 — 20 m sich eine ziemlich gleich-
mäfsige Wasserwärme von 5 — 6,5° C. erhalten müsse, unabhängig von
der Wärme an der Oberfläche. Auf diese Erwägungen gestützt wurde
in dem untersten der Teiche, aus welchem das Wasser entnommen
wird, eine mit dem Namen „Kühlschacht“ belegte Vertiefung ausgeführt,
deren Sohle 17,3 m unter dem normalen Teichwasserspiegel liegt (vgl.
vorstehende Abbildung). Dieser Kühlschacht hat einen Fassungsraum
getretenen Unregelmäfsigkeiten ein ganz zutreffendes Bild auch noch
nicht gewonnen werden kann.
Am 20. Juni 1887, dem Tage der Ingebrauchnahme des Kühl¬
schachtes, zeigte das Wasser im Teiche und in den Reinwasser-
kammern die gleiche Wärme von 13,5° C. Von hier ab folgt die
Temperatur des Teichwassers im allgemeinen der Luftwärme und ist
am 3. — 5. Juli schon bis auf 22° C. gestiegen. In den Reinwasser¬
kammern war dagegen unter dem Einflüsse des Kühlschachtes die
Temperatur innerhalb sechs Tagen auf 9,6° C. gefallen; sie hob sich
in den nächsten Tagen zwar wieder bis auf 12° C., blieb aber immer
wesentlich hinter der Wasserwärme im Teiche zurück. Der gröfste
Unterschied wurde am 3. Juli 1887 mit 10,5° C. beobachtet. In der
ganzen Zeit bis Ende September, in welcher die Wärme des Teich¬
wassers bis zu 23° betrug und beträchtlichen Schwankungen unterlagt
zeigte das der Leitung zufliefsende Wasser stets eine gleichmäfsige,.
bedeutend niedrigere Temperatur. Ein auffallendes Ansteigen der
letzteren trat nur in der Zeit vom 4. — 24. August ein, während
welcher das Teichwasser gerade verhältnifsmäfsig kühl war. Diese
Erscheinung wird durch eine Unregelmäfsigkeit in der Zuleitung des
Wassers erklärt, ein Fall, der nicht mehr eintreten kann, nachdem
alle Teiche vorschriftsmäfsig gefüllt sind und bei aufmerksamer Be¬
dienung dauernd in diesem Zustande erhalten werden können. In
der kälteren Jahreszeit bis Ende des Monats December, in welcher
die Wärme des Teichwassers bis unter 2° C. sinkt, ist die vortheil¬
hafte Wirkung des Kühlschachtes zwar auch noch erkennbar, indessen
bewirkt derselbe doch nur eine Erhöhung der Wasserwärme um
1 — 2° C. Immerhin erscheint der wichtigste Zweck, die Ermäfsigung
der Wasserwärme während der heifsen Sommermonate, in beachtens-
werther Weise erreicht. Diese günstige Wirkung ist nach der er-
theilten Auskunft während des weiteren Betriebes in den Jahren 1888
und 1889 in gleicher Weise hervorgetreten. Die höchste Tempei’atur
des Leitungswassers blieb um 6,8 bis 9,5° C. hinter der gröfsten
Wasserwärme in den Teichen zurück. Oö’enbar würde der Einflufs
des Kühlschachtes sich in noch höherem Mafse geltend machen,
wenn die Tiefe bis auf etwa 20 m vergröfsert würde und auch der
Fassungsraum noch erweitert worden wäre, sodafs der Wasserwechsel
sich möglichst langsam vollzieht.
Nähere Mittheilungen über die besprochene Anlage finden sich
im Jahrgang 1888, Heft III, der Zeitschrift des österreichischen
Ingenieur- und Architektenvereins.
Centralblatt der Bauverwaltung.
317
Nr. 31.
Die Architektur auf der diesjährigen Berliner Kunstausstellung
(Schlufs).
Mit der allenthalben und besonders auch in Berlin neuerdings
bervorgetretenen Regsamkeit auf dem Gebiete des Kircbenbaues
bängt es wohl zusammen, dafs nicht weniger als 13 der ausgestellten
24 Arbeiten Kirchenentwürfe sind. Auch von ihnen sind uns ver¬
schiedene bereits aus Preisbewerbungen wohlbekannt; so die drei
Pläne, mit denen C. Doflein vertreten ist: eine Kaiserin Augusta-
Gedäcbtnifskirche für Berlin, eine preisgekrönte Garnisonkircbe für
Strafsburg und eine katholische Pfarrkirche für das Gartenfeld in
Mainz, durchweg sehr verdienstliche Arbeiten, auf die näher einzu¬
gehen wir hier aber unterlassen dürfen, da sie ihrer Zeit in diesen
Blättern Erwähnung oder Besprechung bereits gefunden haben.*)
Einen Wettbewerbs- Entwurf zur Berliner Kaiserin Augusta-Ge-
dächtnifskirche hat auch Joh. Otzen ausgestellt. Im übrigen sind
die Kirchenpläne dieses Meisters — er führt deren nicht weniger als
acht im Bilde, meist in farbigen Gesamtansichten, vor — wohl
durchweg für die Ausführung bestimmt und sprechen beredt von
dem ausgedehnten Wirken Otzens auf dem Gebiete der neueren
kirchlichen Baukunst. Im Vordergründe steht seine Lutherkirche,
die er auf dem Dennewitzplatze in Berlin errichten wird, und deren
Grundsteinlegung in nächster Zeit bevorsteht.**) Ihr schliefsen sich
an die Kirchen für Ludwigshafen, Dessau und AjDolda, ferner eine
neue Kirche für Altona, eine solche für Bernburg -Waldau
und die Wiederherstellung der Peter und Paulskirche in Lieg¬
nitz.***) Otzens Verdienste um das evangelische Kirchenbau¬
wesen sind bekannt. Er hat wesentlich an der Entwicklung
desjenigen Kirchengrundrisses mitgewirkt, der, ohne die Vorzüge
der aus katholischer Zeit überlieferten Vorbilder allesamt über
Bord zu werfen, den Programmbedingungen des protestantischen
Kirchenbrauches gerecht wird und dabei zu ebenso zweckmäfsigen
wie schönen Raumbildungen geführt hat. Die ausgestellten Pläne
geben weitere Beiträge zur Lösung dieses Vorwurfes. Die Kirchen
sind zum Theil zweischiffig, d. h. es ist unsymmetrisch neben das
Haupthaus ein mit Emporen versehenes Seitenschiff gelegt, meist
jedoch ist jene Grundrifsanordnung gewählt, bei der eine dreischiffige
Anlage zu Grunde liegt, die Seitenschiffe aber zu Gängen, in denen
höchstens einige Bänke der Länge nach Aufstellung finden, zusammen¬
gedrückt sind. In einem solchen Falle, bei der Gedächtnifskirche,
sind die Gänge im Obergeschosse zu stark vorgekragten Emporen
erweitert. Die Thürme, die gewöhnlich über dem Haupteingange
stehen, sind zumeist neben der Westfront, aber auch mitten vor
dieser oder zur Seite des Langhauses angeordnet. Die Nebenräume,
Sacristei usw., legt Otzen gern in niedrigen Anbauten um den Chor,
dessen Aufsenerscheinung darunter freilich oft leidet; doch begegnen
wir in der auf eingebautem Grundstück errichteten Ludwigshafener
Kirche auch einer Lösung, wo die Nebenräume — hier allerdings in
unmittelbarer Verbindung mit dem Pfarrhause — der Kirche male¬
risch und in losem Zusammenhänge auf der Nordostseite ange¬
schlossen sind. Im Aufbau zeigen die ausgestellten Entwürfe, bei
denen sich ein zielbewufstes Hinarbeiten auf Einfachheit erkennen
läfst, fast durchweg die Otzen eigenthümliche Behandlungsweise des
Backsteinbaues. In einem Falle, bei der Bernburg-Waldauer Kirche,
ist der Künstler von dem gewohnten Wege abgegangen und hat sich,
augenscheinlich mit Rücksicht auf den Baustein und die Stilüber¬
lieferung der Gegend, zu einer Hausteinkirche romanischer Bauweise
entschlossen. Ein gleicher Entschlufs hätte, wenigstens was das
Material betrifft, wohl auch bei der Ludwigshafener Kirche mehr
den örtlichen Verhältnissen entsprochen. — Mit einem Plane von
Löffler-Berlin zu einem evangelischen Gotteshause von 1642 Sitz¬
plätzen für eine Berliner Gemeinde schliefst die Reihe der Kirchen¬
entwürfe. Der Bestimmungsplatz wird nicht angegeben. Ist der Auf¬
bau auch nicht durchweg glücklich in seinen Verhältnissen und im
Mafsstabe seiner Einzelheiten, so ist der eingeschlagene Weg, die
Wahl des alten nordischen Backsteinbaues zur Richtschnur, als der
zweifellos richtige zu begrüfsen.
Der Rest sind Profanbauten. Mit Wohnhäusern sind 0. March-
Charlottenburg und Felix Wolf f-Berlin vertreten. Ein „Landhaus
Linderode“ des letzteren, welches im unklaren darüber läfst, ob es
*) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1890, S. 144, bezw.
1889, S. 505 und 109.
**) Der Plan dieser Kirche wird binnen kurzem im Centralblatt
der Bauverwaltung zur Veröffentlichung gelangen.
***) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1889, S. 107.
in Haustein oder Putz ausgeführt gedacht ist, bietet nichts bemerkens-
werthes. Die Marchschen Häuser, eine „Villa Grünberg“ am Sachsen¬
ring in Köln und ein rHerrenhaus Murkwitz“ im Posenschen, geben
den Verhältnissen von Stadt bezw. Land gut angepafste Beispiele
für zweckmäfsig wohnliches Zusammenfassen der Hauptwohnräume
und derjenigen Wirthschaftsräume, die der Hausfrau bequem gelegt
werden müssen, in einem Geschosse. Die Architektur beider Gebäude
ist in gesunder Schlichtheit entworfen, das Herrenhaus in Backstein¬
bau mit überhängendein Ziegeldache und geputzten, mit etwas farbigem
Schmucke versehenen Nischen am Hauptgiebel, das städtische Haus
in barocken Formen, die sich aber für die gewälilte mehr malerische
Gesamtanordnung des Aufbaues als nicht geeignet erweisen.
Jeder der letztgenannten beiden Architekten bietet auch den Plan
zu einem grofsen Kauf hause, der jetzt der Privatarchitektur in der
Grofsstadt so häufig gestellten, nicht ganz leichten Aufgabe. AVolff
giebt den Entwurf zu einer ausgedehnten Bazaranlage, die nahezu
das ganze Strafsenviertel zwischen Werderschem Markt und Oberwall-
strafse, Werder- und Jägerstrafse in Berlin bedeckt. Die ziemlich
ungeschlachten, bis auf einzelne Portalachsen und Rundbauten an
den Strafsenecken ganz in Oeffnungen aufgelösten Gebäudefronten
ziehen wenig an, und auch im Grundrisse vermögen wir keine muster¬
gültige Lösung zu erkennen für ein derartigs Geschäftshaus, bei dem
es Aufgabe ist, das ganze Innere so frei zu gestalten, dafs es für die
jederzeit leichte und bequeme Unterbringung der häufig wechselnden,
mit den verschiedensten Ansprüchen auftretenden einzelnen Geschäfts¬
zweige geeignet ist. Weit glücklicher erscheint sowohl in dieser Be¬
ziehung als auch was die Architektur anlangt, der Marchsche, bereits in
Ausführung begriffene Entwurf für das Berliner Kaufhaus „Zum Haus¬
voigt“ an der Ecke der Mohrenstrafse und des Platzes, von welchem das
Haus seinen Namen entlehnt und gegen den es seine hohe Giebel-Haupt¬
front kehrt. Das Wesen des Kaufhauses ist in der Aufsenerscheinung
gut zum Ausdruck gebracht, ohne dafs, wie man dies an -so vielen
neueren Ausführungen der gleichen Gattung beobachtet, das für eine
befriedigende ästhetische Wirkung unentbehrliche steinerne Gerüst
des Architektursystems der übertriebenen Sucht nach Schaufenster¬
fläche geopfert und durch eine für die Massenwirkung verlorene
Eisenconstruction ersetzt ist. Besondere Schwierigkeiten er¬
wuchsen dem Architekten daraus, dafs er sich mit den „Mohren-
colonnaden“, hinter deren nördliche sich das zu bebauende Grund¬
stück schiebt, abzufinden hatte. Doch auch für diese heikle Aufgabe
ist ihm eine Lösung gelungen, die dem geschichtlichen Bauwerke
sein Recht läfst, ohne einen Mifsklang in die Gesamterscheinung
des Neubaues und des Strafsenbildes zu bringen.
Nach kurzem Blick auf einen Wettbewerbentwurf von Finger¬
ling-Berlin zu einem Rathhause für Wilhelmshaven, auf eine
hübsche Wohnhausfront von 0. Sommer in Frankfurt a. M. und
auf G. Ebes Modell für die eigenartig gestaltete, doch was die
Bühnenwand betrifft noch nicht recht gelöste Prosceniumsecke des
unter seiner Leitung umgebauten Goncordia - Saaltheaters in der
Friedrichstrafse wenden wir uns zur letzten der ausgestellten
Arbeiten, die übrigens der Architektur nur lose angehört, zu
der trefflichen Darstellung des monumentalen Brunnens, den
H. Stöckhardt im engeren Wettbewerbe für Erfurt entworfen hat
und in Gemeinschaft mit dem Bildhauer H. Hoffmeister jetzt dort
zur Ausführung bringt. Die Stadt Erfurt ist zu diesem Brunnen
der am Schlüsse des „Angers“ Aufstellung findet, und den sie der
Beihülfe des preufsischen Cultusministeriums verdankt, zu beglück¬
wünschen. In edlen Verhältnissen und wohlabgewogener Umrifs¬
linie erhebt sich über sandsteinernem Doppelbecken ein 12 m hoher,
schlanker Obelisk in schwedischem Granit. Zu Seiten seines schön
profilirten Sockels ruhen „Gartenbau“ und „Gewerbe“, verkörpert in
den Gestalten eines anmuthigen Weibes und eines kraftvollen, an einen
Hejphäst erinnernden Mannes. Putten sind schwebend am Sockel
befestigt, an dessen Vorderseite ein Delphin und eine Maske breite
Wasserstrahlen in die abgestuften Becken speien. An der Aus¬
führung ist bemerkenswerth, dafs die Metalltheile soweit als möglich,
insbesondere auch die grofsen Figuren, in Kupfer getrieben sind,*)
eine Bedingung, welche in dankenswerther Weise die Kunstcommission
des Cultusministeriums stellte, um dieser leider in unserer Zeit so
wenig angewandten Technik bei dieser Gelegenheit einmal eine loh¬
nende Aufgabe zu schaffen. Hd.
*) Durch den Erzgiefser H. Howaldt in Braunschweig.
Zur Frage der Durchbiegungsmessungen und des Einflusses der Fahrgeschwindigkeit
auf die Beanspruchung eiserner Brücken
liefern die in Nr. 12 und 15 des 15. Bandes der Schweizerischen ; Probebelastung der im ganzen 1455 m langen Eisenbahnbrücke über
Bauzeitung veröffentlichten Mittheilungen über die Ergebnisse der 1 die Dordogne bei Cubzac einen sehr bemei-kenswerthen Beitrag.
318
Centralblatt der Bauverwaltung’.
2. August 1890.
Die Belastung sowolil als auch die Messung und die Bestinnnung der
rechuungsmäfsigen Durchbiegungen wurden nämlich mit Sorgfalt durch-
geführt, wobei sich gute Uebereinstimmuug zwischen den Rechnungs-
werthen und den Yersuchszahlen ergab. Es wird aber in dem Be¬
richt offen gesagt, dafs diese Uebereinstimmung nur einer unrichtigen
Annahme hinsichtlich des Elasticitätsmafses zuzuschreiben sei. Dieses
wurde zu IGOO t in die Rechnung eingeführt, während es bis 2200 t
betragen kann. „Auf diese ^Yeise wurde also eine von den Eüllungs-
gliedern herrühreude (in der Rechnung anscheinend vernachlässigte)
Einsenkung von möglicherweise bis etwa 27 pCt. des Ganzen durch
eine unrichtige Annahme des Elasticitätsmoduls gedeckt. Dafs bei
diesem allgemein üblichen Yerfahren doch noch ordentliche
Uebereinstimmung zwischen Rechnimg und Beobachtung gefunden
wird, beweist nur, dafs das Yerhältnifs, in welchem die den beiden
verschiedenen Ursachen zukommenden Einsenkungen zu einander
stehen, für das nämliche Trägersystem ein ziemlich gleichbleibendes
ist, während man sich freilich beim Uebergang zu anderen Systemen
wieder durch eine andere Y^ahl des Elasticitätsmoduls helfen mufs“,
um — so ergänzen wir den Wortlaut des Berichtes • — die gewünschte
Uebereinstimmung zwischen Beobachtung und Reclinung künstlich
herbeizuführen. Weiter: „Einen wirklichen Werth für die Beurthei-
lung des Zustandes einer Brücke kann die Beobachtung ihrer Ein¬
senkung nur dann haben — in diesem Falle ist ihr derselbe aber
auch durchaus nicht abzustreiten — wenn 1) die Berechnung der
Einsenkung mit aller erreichbaren Schärfe geschieht, also jedenfalls
mit Berücksichtigung der Yeränderlichkeit des Trägheitsmomentes
und der scherenden Kräfte, bezw. der Formänderung der Füllungs¬
glieder, und w'enn 2) für den Elasticitätsmodul ein aus den Material¬
proben, wie sie ja für jedes bedeutendere Bauwerk ausgeführt werden,
abgeleiteter Werth eingeführt wird’b Die vorstehenden wörtlichen
Anführungen zeigen, mit welchem Grade von Selbsttäuschung — um
nicht eine schärfere Bezeichnung zu brauchen — man die Durch¬
biegungsmessungen gewöhnlich handhabt. Hierin würde durch Ein¬
haltung der beiden im Berichte aufgestellten Bedingungen wohl ein
gewisser Fortschritt zum Besseren herbeigeführt werden. Dafs die
Beobachtung der Einsenkungen dann allgemein von grofsem Werthe
sei, müssen wir aber dem Yerfasser dennoch bestreiten. Die Gründe,
auf die wir uns hierbei stützen, sind schon im Jahre 1883 auf S. 417
und 418 des Centralblattes der Bauverwaltung eingehend erörtert
und bisher nicht widerlegt w'orden.
Hinsichtlich des Einflusses der Fahrgeschwindigkeit auf die
Beanspruchung, bezw. die Durchbiegung eiserner Brücken besteht
zur Zeit noch keine Uebereinstimmung der Ansichten. Während
Einzelne auf diesen Fall die Gesetze des gewichtlosen, unter dem
Einflüsse einer plötzlichen Belastung schwingenden Stabes anwenden
wollen und derngemäfs den doppelten Betrag der Durchbiegung für
ruhende Last als den oberen Grenzwerth ausehen, welchem sich die
Durchbiegung um so mehr nähern müsse, je gröfser die Fahr¬
geschwindigkeit wird, halten Andere den Einflufs derselben für viel
geringer. Die Mehrzahl neigt wohl dazu, die rechnungsmäfsig zu¬
gelassenen Spannungen für höhere Fahrgeschwindigkeiten etwas zu
vermindern, womit aber mehr dem bei zunehmender Geschwindigkeit
wachsenden Einflufs der Unregelmäfsigkeiten des Geleises und der
durch sie verursachten Stöfse, als der schnellen Belastuugszunahme
Rechnung getragen werden soll. Demgegenüber ist es nun sehr
beachtenswert!!, dafs die an der Dordognebrücke ausgeführten
Messungen bei 25 und 35 km Fahrgeschwindigkeit wesentlich kleinere
und mit wachsender Geschwindigkeit abnehmende Durch¬
biegungen ergeben haben, als für ruhende Belastung, und dafs einer
Zunahme der Fahrgeschwindigkeit um 40 pCt. eine Yerminderung
der Durchbiegung um 53 pCt. entsprach. Der Bericht meint, dafs
diese Erscheinung auf zweierlei Weise erklärt werden könne:
„Erstens nimmt der Druck eines horizontal bewegten Körpers auf
seine Unterlage mit zunehmender Geschwindigkeit ab; für unendlich
grofse Geschwindigkeit ist er offenbar gleich Null. Dieser Umstand
kann aber liier nicht in Betracht kommen, da die fraglichen Ge¬
schwindigkeiten, 7 und 10 rn in der Secunde, noch viel zu unbedeu¬
tend sind, um eine merkbare Gewichtsabnahme des Zuges zu be¬
wirken. Zweitens aber bedürfen die elastischen Deformationen zu
ihrer vollen Ausbildung offenbar einer gewissen endlichen Spanne
Zeit, und wenn mau bedenkt, durch wie viele Glieder sich diese
Formänderungen fortzupflanzen haben, so erscheint es in der That
begreiflich, dafs ein Zeitunterschied von 40 pCt. von Einflufs auf die
mehr oder weniger vollständige Ausbildung der Einsenkung sein
kann.“ Dafs die erstere Erklärung nicht weiter in Betracht gezogen
zu werden braucht, der Meinung sind wir auch, da uns scheint, dafs
dieselbe mit dem Satze vom Parallelogramm der Kräfte unvereinbar,
also überhaupt unrichtig ist. Die Brauchbarkeit der zweiten Erklä¬
rung wird in der Schweizerischen Bauzeitung selbst (Bd. 15, Nr. 26)
unter Hinweis auf die von Professor Ritter in Nr. 9 der Zeitschrift
des Yereins deutscher Ingenieure (1890) veröffentlichten Abhandlung
bestritten, laut welcher sich die Spannungen in elastischen Körpern
nach den für die Schallgeschwindigkeit gültigen Gesetzen, also aufser-
ordentlich schnell (im Eisen z. B. auf 5000 m in der Secunde) fort¬
pflanzen. Hiernach müssen, so wird in der bezeichneten Quelle ge¬
schlossen, die an der Dordognebrücke gemachten und ähnliche, etwa
weiter noch zu machende Beobachtungen entweder als „falsch“ be¬
trachtet, oder es mufs eine andere Erklärung für die auffällige Er¬
scheinung gesucht werden; und diese Erklärung dürfte gefunden
werden „in den dynamischen Wirkungen der bewegten Lasten auf
die Brücke“. — Es ist nicht recht klar, was der letzte Satz besagen
soll; denn die beiden obigen Erklärungen des in Rede stehenden
Yorganges stützen sich ja auch auf Erwägungen dynamischer Art.
Um das „Wie“ handelt es sich; und diese Frage mufs einstweilen
als eine offene bezeichnet werden. Dafs eine Yermehrung der Fahr¬
geschwindigkeit auf den eisernen Brücken jedenfalls keine wesent¬
liche Yergröfserung der Durchbiegung, also auch keine bedeutende
Erhöhung der Beanspruchung zur Folge hat, ist übrigens durch zahl¬
reiche Beobachtungen erwiesen. Dagegen sind Wahrnehmungen,
welche für eine entschiedene Abnahme der Durchbiegung mit
wachsender Fahrgeschwindigkeit sprechen, bisher nicht bekannt ge¬
worden.*) Es ist daher wichtiger, dafs weitere Yersuche in dieser
Richtung angestellt werden, als dafs nach einer Erklärung für die
an der Dordognebrücke zum ersten Male beobachtete Abweichung
geforscht wird. — -Z.—
*) Nur die von der Yerwaltung der Reichseisenbahnen an
Schienensträngen angestellten Messungen haben Ergebnisse geliefert,
welche auf eine geringe Abnahme der Durchbiegung bei wachsender
Falirgeschwindigkeit hindeuten.
Vermischtes.
Das Denkmal für Kaiser Wilhelm I. auf dem Kyffhäuser wird,
entgegen den in letzter Zeit in der Tagespresse wiederholt aufge¬
tauchten Gerüchten, auf dem ursprünglich dafür in Aussicht ge¬
nommenen Platze, und zwar nach dem mit dem ersten Preise ge¬
krönten Entwürfe des Architekten Bruno Schmitz, zur Ausführung
gelangen. Für das Reiterstandbild des Kaisers wird noch im Laufe
dieses Herbstes eine allgemeine Wettbewerbung unter den deutschen
Bildhauern erlassen werden. Die Preisbewerbung nimmt danach den
erfreulichsten Yerlauf, und es steht nur zu hoffen, dafs die zur Yoll-
endung des Werkes berufene deutsche Bildhauerkunst sich mit ihrer
Leistung der ausgezeichneten und dem Yaterlande zum Stolze ge¬
reichenden Schöpfung B. Schmitz’s ebenbürtig an die Seite stellt.
Die 31. Hauptversammlung des Yereins deutscher Ingenieure
findet in diesem Jahre vom 18. bis 20. August in Halle a. S. statt.
Yon den Angelegenheiten, welche den Yerein im letzten Jahre
beschäftigt haben und auf dieser Hauptversammlung verhandelt
werden, sind die folgenden von allgemeinem Interesse:
Aenderung der Yereinssatzungeu zum Zwecke der Erwerbung
von Körperschaftsrechten; Herausgabe einer Litteratur-Uebersicht,
d. h. einer monatlich erscheinenden, gedrängten Inhaltsangabe aus
etwa 90 technischen Zeitschriften des In- und Auslandes ; Bewilligung
eines Geldzuschusses zu den Kosten der Umwandlung der Maschinen¬
fachschule der Stadt Köln a. Eh. in eine technische Mittelschule
nach den Yorschlägen des Yereins deutscher Ingenieure; die Be- ’>
lästigung grofser Städte durch Rauch und Rufs; Grundsätze und :
Normen für Anfrage und Angebot auf Lieferung von Dampfkesseln |
und Dampfmaschinen; die Novelle zum Patentgesetz vom 25. Mai 1877 ; |
Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches. Yorträge sind bis jetzt |
angemeldet über die Ausnutzung der Brennstoffe, über die Bitter- 1
felder Thonwaren-Industrie, über die Braunkohlen-Industrie und über |
die Maschinen im Bergwerks- und Hüttenbetrieb der Mansfelder j
Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft. 1
Die Yormittage werden den Yorträgen und Yerhandlungen ge- j
widmet sein, die Nachmittage der Besichtigung von industriellen |
Anlagen in und bei Halle. Den 21. August beabsichtigt der Yerein !
in Alexisbad zu verleben, der Stätte, wo vor 34 Jahren eine kleine I
Zahl begeisterter Jünger der Technik den Yerein begründete, der |
jetzt mit fast 7000 Mitgliedern die gröfste derartige Yereinigung !
Isildet. !
Techiiisclie Hochschule in Berlin. Besnchsziffer für das Sommer-
Halbjahr 1890. An der technischen Hochschule bestehen folgende
Abtheilungen :
Abtheilung I für Architektur, H für Bau-Ingenieurwesen, IH für
Maschinen-Ingenieufwesen mit Einschlufs des Schiffbaues, lY für
Chemie und Hüftenkunde, Y für allgemeine W^issenschaften, ins¬
besondere für Mathematik und Naturwissenschaften.
I
Centralblatt der Bauverwaltiinjy.
319
Sr. 31.
Abtheilung
0)
B
I. Lehrkörper.*)
I.
11. i
IH.
IV.
V.
B
1. Etatsmäfsig angestellte
Professoren bezw. selb¬
ständige, aus Staatsmitteln
besoldete Docenten ....
20
9
Mascli.
Ing.
9
SchitY-
bau
4
9
12
63
2. Privatdocenten bezw. zur
Abhaltung von Sprach-
stunden berechtigte Lehrer
6
4
1
4
3
3
13
30
3. Zur Unterstützung der
Docenten bestellte Hülfs-
docenten bezw. Assistenten
34
4
16
1
15
10
80
II. Studirende.
Im 1. Semester .
32
39
33
19
123
„2. „ .
20
31
93
12
25
—
181
r n .
36
22
28
9
17
—
112
4.
28
21
70
13
24
—
156
„5. „ .
17
19
17
4
9
—
66
„6. „ .
18
20
45
15
20
—
118
r 7. „ .
12
16
10
3
7
—
48
«8. „ .
21
24
34
7
9
—
95
In höheren Semestern ....
29
30
31
7
12
—
109
Summe . . .
213
222
861
4?
70
H
142
_
1008
Für das Sommer -Halbjahr
1890 wurden:
a. Neu eingeschrieben ....
29
43
36
25
133
b. Von früher ausgeschiede¬
nen Studirenden wieder
eingeschrieben .
2
4
1
, 7
Von den 133 neu eingeschrie¬
benen Studirenden sind auf¬
genommen auf Grund der
Eeifezeugnisse:
a. von Gymnasien .
13
22
14
6
55
b. „ Eealgymnasieu ....
9
17
9
—
6
—
41
c. „ Oberrealschulen ....
1
—
2
—
2
—
5
d. auf Grund der Keifezeug¬
nisse bezw. Zeugnisse von
aufserdeutschen Schulen .
3
3
8
9
23
€. auf Grund des § 41 des
Verfassungs-Statuts ....
3
1
3
_
2
_
9
Summe . . .
29
43
36
~
25
-
133
Von den Studirenden sind aus:
England .
1
2
2
5
Griechenland .
2
- -
—
—
—
2
Holland .
1
—
1
—
1
3
Italien .
—
1
—
—
_
—
1
Luxemburg .
—
1
3
—
4
Norwegen .
4
6
7
—
3
—
20
Oesterreich-Ungarn . . .
2
1
7
—
1
—
11
Eumänien .
1
—
3
—
2
—
6
Eufsland .
2
1
29
2
26
—
60
Schweden .
2
—
—
1
—
3
Schweiz .
—
1
—
—
1
—
2
Serbien .
1
—
—
—
—
—
1
Spanien .
—
1
—
—
—
—
1
Türkei .
—
- -
—
- -
1
—
1
Nord- America .
4
1
1
- -
1
—
7
Süd- America .
—
2
—
—
1
—
3
Asien (Japan) .
2
3
1
—
i 2
—
8
Summe . . .
20
19
! 52
1 5
2
4
i
i 45
_
138
III. Hospitanten und Personen, welche auf Grund der §§ 35
und 36 des Verfassungs-Statuts zur Annahme von Unterricht be¬
rechtigt bezw. zugelassen sind:
a. Hospitanten, zugelassen nach §34 des Verfassungs-Statuts; 259.
Von diesen hospitiren im Fachgebiet der Abtheilung I. = 96, II. = 6,
III. = 126 (einschl. 7 Schiffbauer), IV. = 29, V. = 2. Ausländer be¬
finden sich unter denselben 9 (1 aus Holland, 2 aus Oesterreich,
1 aus Eumänien, 2 aus Eufsland, 2 aus Nord-, 1 aus Süd-America).
b. Personen, berechtigt nach § 35 des Verfassungs - Statuts zur
Annahme von Unterricht: 68, und zwar: Königliche Eegierungs-Bau-
meister ; 1 , Königliche Kegierungs - Bauführer : 2 , Studirende der
*) Mehrfach aufgeführt sind; a) bei Abth. I ein Docent als
Assistent; b) bei Abth. H ein Privatdocent als Assistent; c) bei Abth.
HI ein Docent als Privatdocent und Assistent, zwei P rivatdocenten
als Assistenten; d) bei Abth. IV ein Privatdocent als Assistent; e) bei
Abth. V ein Docent als Privatdocent, ein Docent als Privatdocent
und Assistent, ein Privatdocent als Assistent, ein Privatdocent der
Abth. II als Assistent.
Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin; 64, Studirende
der Königlichen Bergakademie in Berlin: 1.
c. Personen, denen nach § 36 des Verfassungs-Statuts gestattet
ist, dem Unterricht beizuwohnen (darunter 4 commandirte Officiere
und 2 Maschinen-Ingeuieure der Kaiserlichen Marine): 28.
Summe; .355. Hierzu Studirende: 1008. Gesamtsumme: 1363.
Charlottenburg, den 2. Juli 1890.
Der Kector; Keule aux.
Zu der Mittheilung „Versuche Uber die Frostbestäiidigkeit
natürlicher und künstlicher Bausteine ‘‘ auf S. 290 d. J. erhalten
wir, mit dem Ersuchen um Veröffentlichung, folgende Zuschrift.
„In Nr. 28 des Centralblattes der Bauverwaltung vom 12. .luli d. ,1.
unterzieht Herr Gary meine „Versuche über die Frostbeständigkeit
natürlicher und künstlicher Bausteine“ einer Besprechung, in welcher
er, meinem Verfahren gegenüber, das in der preufsischen Prüfungs¬
station seit vielen Jahren gebräuchliche hervorhebt, bei welchem die
Versuchsstücke nur einmal dem Froste ausgesetzt werden und bei
welchem es sich gezeigt habe, dafs jeder, auch der festeste Stein, schon
bei einmaligem Gefrieren einen Festigkeitsverlust erleide, der im Ver¬
gleich zu dem Festigkeitsverlust anderer Steine sehr wohl einen
Schlufs auf die gröfsere oder geringere Frostbeständigkeit zuläfst,
auch wenn die Frosteinwirkung äufserlich an dem Stein selbst nicht
erkennbar ist.
Wie es scheint, werden an der preufsischen Prüfungsstation
die Druckversuche nach dem Gefrieren an den noch nassen
Steinen gemacht (ganz klar geht das auch nicht aus dem Bericht
über diese Versuche im II. Ergänzungsheft der „Mittheilungen“
von 1889 bervor). Wenn dem aber so ist, so liegt die Ursache des
Festigkeitsverlustes zunächst am Wasser, und in der That erleiden
fast alle (wenn auch nicht alle) Steine, selbst die festesten, durch
blofse Wasseraufnahme mehr oder weniger beträchtliche Verminde¬
rungen ihrer Druckfestigkeit; deswegen aber können sie doch recht
wohl frostbeständig sein, wie verschiedene Beispiele unter den von
mir veröffentlichten Versuchen zeigen. Durch diese Versuche glaube
ich auch bewiesen zu haben, dafs einmaliges oder nur einigemale
wiederholtes Gefrieren nicht ausreicht, um die Frostbeständigkeit
eines Steines zu constatiren. Es kommen unter jenen Versuchen
Beispiele vor, wo Frostwirkungen erst nach 10-, ja 20maligem Ge¬
frieren auftreten.
Allerdings ist mein Verfahren mühevoller und kostspieliger als
das in der preufsischen Prüfungsanstalt gebräuchliche, aber durch¬
führbar, auch für Versuche, welche der Praxis dienen sollen, ist es
doch. Es sind zum Trocknen der Steine (bei 30° C.) 4 Tage, zum
Sättigen derselben mit Wasser auch 4 Tage, zum Gefrierverfahren
höchstens 13 Tage, zum Wiedertrocknen der gefrorenen Steine etwa
6 Tage, im ganzen also etwa 4 Wochen erforderlich. So lange kann
wohl doch und mufs eben gewartet werden, wenn es sich um eine
so überaus wichtige Eigenschaft wie die Frostbeständigkeit handelt.
Auch mit der Kostspieligkeit ist es nicht so weit her, als Hei-r Gary
glaubt. Eis ist heutzutage billig und bequem zu jeder Jahreszeit zu
beschaffen, Salz ist auch nicht theuer, und die Mühe des Einsetzens
der Steine in den Trockenkasten oder in das Wasser oder in den
Gefrierkasten ist auch nicht sehr grofs. Nur das wiederholte Wiegen
der trockenen und nassen Steine in Luft und unter Wasser und das
Bestimmen der Verluste derselben nach dem Gefrieren erfordert
ziemlich viel Arbeit bei grofser Sorgfalt.
Dafs mein Verfahren, wie Herr Gary noch hervorhebt, ein
scharfes ist, das nur verhältnifsmäfsig wenige Steinsorten vollständig
bestehen, ist nicht zu bestreiten, aber zu scharf ist es gewifs nicht.
Witterungswechsel, bei denen die zuvor vom Eegen durchnäfsten
Mauern usw. einem Froste von — 10 bis — 15° C. ausgesetzt werden,
können in jedem Winter ein oder mehreremale verkommen. - —
Uebrigens können Steine, die sich nicht als ganz frostbeständig bei
meinem Verfahren erweisen, immerhin noch Verwendung finden. Es
kommt das eben auf den Fall an und ist Sache desjenigen, der sie
verwendet. Bei monumentalen Bauten werden sie sicher nicht zu¬
gelassen werden dürfen.“ Bauschinger.
Ersatz einer hölzernen Eisenhahnbrüeke durch eine eiserne
während des Betriebes. Bei Saundersville im nordamericanischen
Staate Massachusetts, im Zuge der New-York, Providence und Boston-
Bahn wurde unlängst eine doppelgeleisige hölzerne Eisenbahnbrücke
Howescher Bauart durch eine neue eiserne Brücke ohne L^nter-
brechung des Betriebes ausgewechselt. Der hierbei befolgte Arbeits¬
vorgang erscheint bemerkenswerth genug, um hier (nach den
Engineering News) kurz mitgetheilt zu werden.
Die alte Holzbrücke zeigte drei Howe-Träger, von welchen der
mittlere zwischen den beiden Geleisen angeordnet war; die Fahrbahn
lag in der Höhe der Untei’gurte. Die neue Brücke erhielt vier Haupt¬
träger von je 28,7 m Stützweite, mit parallelen Gurten. Die Fahr¬
bahn wurde über denselben, auf einer Abdeckung wellenförmiger
320
Centralblatt der Baiiverwaltung.
2. Ausust 1890,
Belageisen angeordnet. Auf letzteren wurde zunächst ein kräftiger
Asphaltüberzug angebracht und auf diesem die Schotterbettung aus-
gebreitet, in welcher das Geleis mit hölzernen Querschwellen — je
eine Querschwelle über jeder Wellenrinne des Eisenbelages — ver¬
legt wurde. Die Bauausführung selbst wurde nun so bewirkt, dafs
zunächst, behufs Ausführung neuer Widerlager, der Ueberbau der
alten Brücke an den Enden durch hölzerne Jochwände unterfangen
und zwischen diesen, nach vorläutiger Ueberbrückung der von den
Widerlagern eingenommenen Strecken durch eine einfache Holz-
construction, die schadhaften alten Widerlager abgebrochen, und da¬
für neue aufgemauert wurden. Die Aufstellung der neuen Brücke
erfolgte dann so, dafs zwei Träger derselben mit allen wagerechten
und Querversteifungen, aber ohne die Fahrbahn, neben den Geleisen
am Ufer des zu überbrückeuden Flusses vollständig zusammen¬
genietet, von der Seite auf ein Geleis gehoben und auf diesem ent¬
lang in die eine Oefinung der Howe-Brücke hineingeschoben wurden.
Hier wurde sodann das Tragwerk an den Obergurten der Holzbrücke
aufgehängt, die Fahrbahn der Holzbrücke unter demselben abge¬
brochen und die neue Brücke zwischen den hölzernen Untergurten
hindurch auf ihre Lager herabgesenkt. In der beigefügten Abbildung
ist der Zeitpunkt dargestellt, in welchem die Aufstellung der einen
Hälfte des eisernen Tragwerks bereits beendigt ist, sodafs der Bahn¬
verkehr vorläufig über dieses hinweg geleitet ist. Die Aufstellung
des anderen Tragwerks ist soweit vorgeschritten, dafs hier mit dem Ab¬
bruch der Fahrbahn der hölzernen Brücke begonnen werden kann. —
Während der Dauer der Arbeiten wurde der Betrieb eingeleisig
geführt.
Biiclierschau.
?ieu erschienene, hei der Eedaction eingegangene Werke:
Abel, Lothar. Das elegante AVohnhaus. Eine Anleitung AVohn-
häuser aufsen und innen mit Geschmack zu erbauen und auszustatten.
AAfien, Pest, Leipzig. A. Hartleben. 327 S. in gr. 8“. mit 226 Abb.
Preis geh. 8 Jl^ geb. 10 JC.
Bebauungsplan der LTmgebungen Berlins. Eevidirt im Jahre 1890.
Berlin 1890. Dietrich Eeimer. Abth. XHI, Sect. 1. Preis 2 Jt.
Bömches, Friedr. Der internationale Congrefs für die Nutzbar¬
machung der fliefsenden Gewässer (Paris 1889) im A^ergleich zu den
Binnenschiffahrts-Congressen von Brüssel, AATen und Frankfurt a. M.
Heft XV der „Technischen Vorträge und Abhandlungen“. AA^ien
1890. Spielhagen u. Schurich. 50 S. in 8". Preis 1 Ji.
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Beschrieben von einem Fachmanne. AA^ien 1890. Selbstverlag von
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Gliiizer, l)r. E. Grundrifs der Festigkeitslehre. Dresden 1890.
Gerhard Kühtmann. 123 S. in 8“ mit 91 Abb. im Text und mehreren
Tafeln. Preis 2,80 Jt.
Hilse, l)r. K. Schutzbedürfnifs der Pferdebahnen im Straf¬
rechtsgebiete. Berlin 1890. Karl Heymann. 159 S. in 8".
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zum raschen Ablesen von Kreisinhalt, Kreisumfang, Kreisdurch¬
messer, Quadratinhalt und Quadratwurzel. Köln a. Rh. 1890.
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graphie im Grofsherzogthum Baden usw. für das Jahr 1889. Karls¬
ruhe 1890. G. Braunsche Hof buchhandlung. 72 S. und 11 Blatt Zeich¬
nungen in kl. 4®. Preis 5,40 Jt.
Juiighäiulel, Max. Die Baukunst Spaniens in ihren hervor¬
ragendsten AA'^erken. Dresden 1890. Gilberssche Königl. Hof- Verlags¬
buchhandlung (J. Bleyl). 4. Lief. 2 Bogen Text, 22 Blatt Lichtdrucke
und 2 Blatt Cliromolithographieen in Folio. Preis der Lief. 25 Jl. —
(Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 310.)
Kraus, Franz Xaver, Hiirin, J. und AVaguer, E. Die Kunstdenk¬
mäler im Grofsherzogthum Baden. H. Band: Die Kunstdenkmäler
des Kreises Villingen. 162 S. in 8® mit 32 Abb. im Text und 20 Tafeln.
Preis 5 Jl. — (Centralbl. d. Bauverw. 1888, S. 163.)
Lambert, A. u. Stahl, E. Motive der deixtschen Architektur des
XA^I. , XVII. und XA^HI. Jahrhunderts in historischer Anordnung.
Mit Text von H. E. v. Berlep s ch. Stuttgart 1890. J. Engelhoru.
In Folio. I. Abth. Früh- und Hochrenaissance 1500 — 1650. Lief. 18
(Schlufs der I. Abth.) mit 2 Tafeln und Seite 17 — 35 des Textes,
Titel und Inhalt. — H. Abth. Barock und Rococo 1650 — 1800, Lief. 1
mit 6 Tafeln. Preis der Lief. 2,75 Jt. — (Centralbl. d. Bauverw.
1888, S. 548.)
Land, Eob. Ueber die Ermittlung und die gegenseitigen Be¬
ziehungen der Eiuflufslinien für Träger. Abdruck aus der Zeitschrift
für Bauwesen. Berlin 1890. Ernst u. Korn. 36 S. in 8“ mit 1 Tafel.
Preis 1,60 Jt.
Lass, Ludw., Dr. jur. Haftpflichtrecht und Reichsversicherungs¬
gesetzgebung. Marburg 1890. Oskar Ehrhardt. 177 S. in 8". Preis 3 .Jf.
Lehteldt, I)r. P. Bau- uud Kunstdenkmäler Thüringens. Heft A^H.
Herzogthum Sachsen -Meiningen. Amtsgerichtsbezirke Kranichfeld
und Camburg. Jena 1890. Gustav Fischer. 206 S. in gr. 8® mit
7 Lichtdrucken und 43 Abb. im Text. Preis 3 Jt. — (Centralbl. d.
Bauverw. 1888, S. 320 uud 1890, S. 161.)
Lohde -Buetticlier, Clarissa. Aus dem Leben Karl Boettichers.
119 S. in 8® mit einem Bildnifs Karl Boettichers. Gotha 1890.
Friedr. Andreas Perthes. Pi-eis 2,40 Jt.
Lübke, AVilh., Prof. Dr. u. v. Lützow, Karl, Prof. Dr. Denk¬
mäler der Kunst zur Uebersicht ihres Entwicklungsganges von den
ersten künstlerischen Versuchen bis zu den Standpunkten der Ge¬
genwart. 6. Auflage. Stuttgart 1890. Paul Neff. Classiker- Aus¬
gabe. 203 Tafeln in Folio uud erklärender Textbaud. 1. Lieferung.
36. Lieferungen zu je 1 Jt.
Müller. AVasserklärung durch Absetzen. Nach Beobachtung
und Theorie von James A. Seddon. Abdruck aus Schillings Journal
für Gasbeleuchtung und AVasserversorgung. 1890. 9 S. in 4®.
Oppermaim, AA'illi. Die Gröfsenbemessung der Eisenbahn-AA^erk-
stätteu. Erweiterter Abdruck aus „Glasers Annalen für Gewerbe
und Bauwesen“. Berlin 1890. Dierig u. Siemens. 40 S. in 8® mit
Abb. im Text. Preis 1,50 Jt.
Die Protokolle der internationalen Arbeiterschutzconferenz. In
amtlichem Auftrag. Leipzig 1890. Duncker u. Humblot. 227 S. in 8 ®.
Röttliiger, Josef. Die Bauführung. Heft 1. Anfertigung von
generellen Projecten. AATen 1890. Heinrich Brockhausen. 102 S. in
8® mit 9 Bl. Steindrucken.
Scliarowsky, C. Säulen uud Träger. Tabellen über die Trag¬
fähigkeit eiserner Säulen und Träger. Auszug aus dem Musterbuch
für Eisenconstructionen. Berlin und Leipzig 1890. Otto Spamer.
46 S. in 16 ®. Preis 0,60 Ji.
Scharowsky, C. AA’'iderstandsmomente und Gewichte genieteter
Träger. Leipzig 1890. Otto Spamer. VIII und 83 S. in Folio.
Preis 8 Jt.
Uebersichtskarte der Eisenbahnen Deutschlands. Beai-beitet im
Reichs-Eisenbahn- Amt. In 4 Blättern. Mafsstab 1 ; 1 000 000. Berlin
1890. E. S. Mittler u. Sohn. Preis 5 Jt.
AAJetlioff. Statistische Nachweisungen, betreffend bemerkens-
werthe, in den Jahren 1873 — 1887 vollendete Bauten der Garnison-
Bauverwaltung des Deutschen Reichs und in den Jahren 1870 bis
einschl. 1885 ausgeführte Gemeindebauten im Regierungsbezirk Köln.
Abdruck aus der Zeitschrift für Bauwesen. Berlin 1890. Ernst u. Korn.
263 S. in gr. 4 ®. Preis 12 Jt.
Verlag von Ernst & Korn CWilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des niclitanitliclien Tlieiles verantwortlicü i. V.: O. Ho fsf eld, Berlin. Druck von J. K e r sk es, Berlin.
321
Oentralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlicben Arbeiten.
X> Jahrgang. Berlin, 9. August 1890. Nr. 32.
Bcdaction: SW. Zimmerstralse 7 “• Geschäftsstelle uad Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
IIÜIALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Kestner-Museiira
in Hannover. — Eembrandt als Erzieher. — Bauausführung der zweiten Weichsel¬
brücke bei Dirschau. — Mafsnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des Eisenbahn¬
betriebes. — Concret-Dachziegel. — Shay-Locomotive. — Vermischtes; Ehren¬
bezeigungen. — Internationale Preisbewerbungen zur Erlangung von Entwurfskizzen
zu Gebäuden für den Senat und die Abgeordnetenkammer in Bukarest. — Preis-
bcwerbuug für ein Kreishaus in Cottbus. — Einführung einer einheitlichen Eisen¬
bahnzeit. — Verband deutscher Architekten und Ingenieur-Vereine. — Verhandlungen
auf dem vierten Biunenschiffahrtscongrefs in Manchester. — B üclierschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufseii.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Staats¬
minister und Minister der öffentlichen Arbeiten v. Maybach die
Erlaubnifs zur Anlegung des von des Grofsherzogs von Mecklen¬
burg-Schwerin Königlicher Hoheit ihm verliehenen Grofskreuzes
mit der Krone in Gold des Hairs- Ordens der Wendischen Krone zu
ertheilen.
Der Königliche Kegierungs- Baumeister Beilstein in Brauns¬
berg O.-Pr. ist als Königlicher Kreis-Bauinspector ebendaselbst an¬
gestellt worden.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Albert Neu¬
meister in Karlsruhe i. B. ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienst ei-theilt worden.
Der Eegierungs- und Baurath Albrecht Sperl, ständiger Hlilfs-
arbeiter bei dem Königlichen Eisenbahn -Betriebs -Amte Königsberg
ist gestorben.
Elsafs - Lothringen.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, im Namen
des Deutschen Reichs den nachgenannten Beamten der elsafs-loth-
ringischen Bauverwaltung, nämlich den Kreis-Bauinspectoren Schmidt
in Saarunion und Heidegger in Metz, dem Wasser-Bauinspector
Glükher in Strafsburg, dem Kreis -Bauinspector Pfersdorff in
Strafsburg, dem Bezirks-Bauinspector Metzenthin in Strafsburg,
dem Kreis-Bauinspector Sallmann in Weifsenburg, dem Wasser-
Bauinspector Doell in Saarburg, den Kreis-Bauinspectoren Boehm
in Diedenhofen und Freiherrn v. Althaus in Colmar sowie den
Wasser-Bauinspectoren Neumeyer und Mangold in Colmar den
Charakter als Baurath zu verleihen.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Das Kestner- Museum in Hannover*
Das Museum verdankt seine Entstehung dem hochherzigen Sinne
des hannoverschen Bürgers, dessen Namen es trägt, des Herrn Rentner
Herrn. Kestner, wel¬
cher seine sehr be¬
deutende, von dem
früheren hannover¬
schen Legationsrath
Kestner in Rom ge¬
gründete Sammlung
im Jahre 1884 seiner
Vaterstadt schenkte
und dieser aufserdem
einen Baarbetrag von
100 000 Mark zur Er¬
richtung eines passen¬
den Gebäudes über¬
wies. Die Stadt nahm
begreiflicherweise das
Geschenk gern an, ver¬
einbarte indessen mit
dem Schenker-, dafs das
städtische Archiv und
ein Theil der Biblio¬
thek ebenfalls in dem
Gebäude Unterkunft
finden sollten, wogegen
die Stadt die ent¬
stehenden Mehrkosten
übernahm. Auf Grund
dieser Abmachungen
wurde im Jahre 1885
eine öffentliche Preis- '
bewerbung ausge¬
schrieben. Das Preis- Ansicht,
gericht erkannte den
ersten Preis Herrn ProL Stier in Hannover, den zweiten Preis
Herrn Reg. -Baumeister Hartung in Berlin zu. Heber den Entwurf
des Unterzeichneten sprach es sich wie folgt aus; „Die auf die
engste Wahl gestellten Entwürfe wurden nun noch einmal der ein¬
gehendsten Untersuchung unterworfen, bei welcher in erster Linie
die Baukosten mafsgebend sein mufsten. Infolge dessen war es
leider nicht zu um¬
gehen , den Entwurf
Nr. 9 mit dem Motto
„Per aspera“ von der
Preisbewerbung aus-
zuschliefsen , obwohl
seitens des Preisge¬
richts einstimmig an¬
erkannt wurde , dafs
dieser Entwurf im
übrigen sich darstellt
als die beste sowohl
künstlerische wie prak¬
tische Lösung der Auf¬
gabe. Es wird des¬
halb den städtischen
Collegien nicht nur
der Ankauf dieses
Projectes, sondern
auch die Erwägung
empfohlen , den bau¬
lichen Gedanken die¬
ses Planes für die
Ausführung des Mu¬
seums zu verwenden,
trotzdem zu befürchten
ist, dafs sich die Bau¬
kosten etwas höher
stellen werden.“ Im
weiteren V erlauf der
Dinge gelang es je¬
doch, den Beweis zu
erbringen, dafs die
rechnerische Vorprüfung der Pläne, auf welche sich das Ui-theil
des Preisgerichts hinsichtlich der Kostenberechnung stützte, eine
durchaus oberflächliche war, und dafs sich der fragliche Entwurf
recht wohl für die vorgeschriebene Summe ausführen liefs. Nachdem
Holzstich V. O. Ebel.
322
Centralblatt der Bauverwaltung. 9. August 1890.
sich diese Erkenntnifs Balm gebrochen, wurde dem Unterzeichneten
nacli harten Kämpfen aller Art im Jahre 1886 die Ausführung des
Museums nach seinen Plänen, und zwar in Generalunternehmung,
übertragen. Eine Aenderung des Wettbewerbsplanes trat nur inso¬
fern ein, als der hintere Bibliothekanbau um eine Achse verlängert
wurde, wodurch nicht nur eine Vergröfserung des Büchermagazins,
sondern auch der Kaum gewonnen wurde, um unter diesem einen
kleinen Saal zur Benutzung für wissenschaftliche Vereine usw. anzu¬
ordnen. Während der Bauzeit wurde eine weitere Veränderung in
der Eintheilung des 2. Obergeschosses nöthig. Durch das Ableben des
Senators Culemann in Hannover kam nämlich dessen sehr bedeutende
mittelalterliche und kunstgewerbliche Sammlung zum Verkauf und
wurde mit Hülfe der Staatsregierung, welche die Hälfte davon be¬
zahlte, von der Stadt für 600 000 Mark zur Vergröfserung oder, besser
den Grundrissen ersichtlichen Anordnung der Haupteingang, die
Kasse und die Kleiderablagen, ferner das städtische Archiv, eine
Bildhauerwerkstätte und die Hausmannswohnung; unter der Haupt¬
treppe und hinter der östlichen Kleiderablage ist die Dampfkessel¬
anlage der Centralheizung mit ihrem Kohlenbedarfe untergebracht
(das Gebäude ist wegen des hohen Grundwasserstandes nicht unter¬
kellert). Hinten liegen der oben erwähnte Versammlungssaal mit
seinem Vorraum, zwei Werkstätten für Maler, die Küche und Kammer
der Hausmannswohnung und die Aborte. Der besondere Eingang
für diese Räume der Gruppe B befindet sich an der Westseite des
Hauses. Das 1. Obergeschofs enthält im Hauptbau die Sammlungen
egyptischer und römischer Alterthümer, Münzen und geschnittene
Steine, ferner ein Lesezimmer nebst Bücherausgabe, und im süd¬
lichen Mittelbau das Büchermagazin. Im 2. Obergeschofs liegt in
II. Obergeschofs.
gesagt, zur Ergänzung der Kestnerschen Sammlung angekauft. Trotz
dieses erheblichen Kostenaufwandes genehmigten die städtischen Be¬
hörden während der Ausführung des Baues noch weitere Verbesse¬
rungen und Verschönerungen in freigebiger Weise. So wurden u. a.
an Stelle des ursprünglich hölzernen Dachstuhls dessen Ausführung
in Eisen sowie die Anlage der sich um den Bibliotbekbau lagernden
erhöhten Terrasse nachträglich genehmigt.
Das Gebäude ist am Friedrichswall, auf der Masch gelegen.
Seine Räume lassen sich, ihrer Bestimmung nach, in zwei scharf ge¬
trennte Gruppen theilen, und zwar A. in Räume, welche zu Aus¬
stellungszwecken bestimmt sind, also dem allgemeinen Besuch des
Publicums geöffnet werden, und B. in solche, die vorzugsweise
Arbeits- und Wirthschaftszwecken dienen, folglich nur von Personen
benutzt werden, mit denen das die Sammlungen besuchende Publicum
nichts zu schaffen hat. Es schien daher geboten, diese beiden
Gruppen A und B für den Verkehr möglichst zu trennen. Da die
Räume der Gruppe A gleichzeitig in gewissem Sinne die Repräsen¬
tationsräume sind, so wurde ihnen der vordere Haupttheil des Ge¬
bäudes zugewiesen, der sich wegen seiner Lage nach Norden auch
ganz besonders für die Aufnahme der Cabinette der Oelgemälde-
sammlung eignete. Die Gruppe B wurde in dem südlichen, um ein
Geschofs niedrigeren Gebäudeflügel uutergebracht.
Im Erdgeschofs des vorderen Theils befinden sich in der aus
der Mitte über der unteren Vorhalle ein grofser Oberlichtsaal für
die gröfseren Gemälde der Kestnerschen Sammlung, davor — nach
Norden — drei Cabinette für kleinere Bilder, östlich die Kupferstich¬
sammlung, westlich die Culemannsche Sammlung und das Director-
zimmer. Alle Räume werden durch eine Niederdruck-Dampfheizung
erwärmt.
Für die besondere Leitung des Baues und zu meiner ständigen
Vertretung in Hannover hatte ich mich mit Herrn Architekt Gustav
Heine daselbst zu gleichen Rechten und Pflichten derart verbunden,
dafs wir den Bau für gemeinschaftliche Rechnung zur Ausführung
brachten. Begonnen wurde derselbe im Sommer 1886 und vollendet
Ende 1888. Im Laufe des Jahres 1889 kamen die Sammlungen zur
Aixfstellung und am 9. November 1889 wurde das Gebäude seiner
Bestimmung übergeben. Die Anlage der Heizung sowie die innere
Einrichtung mit Ausstellungsschränken, Büchergestellen usw. ist
durch das städtische Bauamt in Hannover besorgt worden. Die
Baukosten einschl. Heizung, Terrasse und Einebnungen, jedoch ohne
die Möbeleinrichtung, beliefen sich auf 337 500 Mark. Bei einem
Rauminhalte von 15 820 cbm (die Höhe hierbei von Erdboden bis
Oberkante Hauptgesims gerechnet) ergiebt dies 21,33 Mark für das
Cubikmeter.
Mannheim, Januar 1890. W. Manchot.
Rembrandt als Erzieher.
Unter diesem Titel ist unlängst ein Buch erschienen, welches in
sehr eindringlicher Form Betrachtungen über das heutige deutsche
Geistesleben anstellt.*) Trotz seiner hohen Ansprüche an die ge¬
spannte Aufmerksamkeit seiner Leser hat es in kurzer Frist 13 Airf-
*) Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen. Leipzig.
1890. C. L. Plirschfeld. 329 Seiten in 8“. Preis 2 Mark.
lagen erlebt und mufs mit seinem reichen Gedankeninhalt und viel¬
seitigen Urtheilen das Interesse auch derjenigen erregen, welche die
Ansichten des Verfassers nicht immer theilen, da dieser sich an die
höchsten und besten Empfindungen unseres Volkes wendet, dem er
einen erhebenden Ausblick auf seine zukünftige Stellung in der
Culturwelt eröffnet.
Der Verfasser übt eine freimüthige Beurtheilung der modernen
Nr. 32.
Centralblatt der Bauverwaltung.
323
deutschen Cultur mit ihrer alterthümelnden, registrirenden Neigung
und mahnt dazu, neue Wege der Erziehung und Bildung einzu¬
schlagen. Diese sieht er in dem Aufhören, uns als Epigonen zu
fühlen, in dem Aufgeben unserer einseitigen Verstandesbildung, in
der gleichmäfsigen Ausbildung des Gefühls und des Verstandes, in
dem Streben, die Wissenschaft zur Kunst zu erheben, um daraus ein
Drittes als neu zu gründende höhere Einheit zu gewinnen. Das
Leben als Kunst soll sich dem deutschen Volke dadurch erschliefsen,
dafs es seinem innersten Bestreben, sich individuell zu gestalten,
freie Entwicklung läfst, ohne sich durch Rückblicke auf fremde und
entschwundene Culturen hemmen und ablenken zu lassen, und der
Verfasser wählt zur Kennzeichnung dieses Planes seines Werkes
den obengenannten Titel, weil er in Rembrandt, dem „wahren
Menschen“, dem „deutschesten der deutschen Künstler“, den besten
Vertreter germanischer Eigenart sieht.*) Dafs er vor dem erholften
Wandel der deutschen Kunst eine Umkehr der Architektur für
unerlässig hält, wird den Architekten eine besondere Theilnahme an
seinen Auslassungen finden lassen.
Um in der gebotenen Kürze ein anschaulicheres Bild von der
Art und dem Inhalt des 20 Druckbogen enthaltenden Buches zu
geben, ist nachstehend eine Reihe ihm entnommener Sätze auf¬
geführt, die, obwohl aus dem engeren Zusammenhänge gelöst, den
verbindenden Gedankengang und die gemeinsame Stimmung erkennen
lassen, wie sie auch die anregende Form der gewählten Sprache
kennzeichnen: „Die gesamte Bildung der Gegenwart ist eine histo¬
rische, alexandrinische, rückwärts gewandte; sie richtet ihr Absehen
weit weniger darauf, neue Werthe zu schaffen, als alte Werthe zu
registriren. — Die Wissenschaft zerstiebt allseitig in Specialismus
die bildende Kunst entbehrt der Monumentalität und damit ihrer
besten Wirkung; die Architektur ist die Achse der bildenden Kun st
wie die Philosophie die Achse alles wissenschaftlichen Denkens ist
augenblicklich giebt es aber weder eine deutsche Architektur noch
eine deutsche Philosophie. — Jemehr die- Wissenschaft sich, inner¬
halb der ihr gezogenen Grenzen, nach einer künstlerischen Richtung
hin entwickelt, desto eher wird sie dem ihr jetzt anhaftenden Fluche
des Specialismus entgehen. — Der Specialist kann nicht objectiv
sein. — Es ist ein Zeichen von sittlicher wie geistiger Unreife, wenn
das Herz den Kopf ignoriren will; so ging es theil weise der Bildung
des vorigen Jahrhunderts; aber es ist ein Zeichen von sittlicher wie
geistiger Altersschwäche, wenn der Kopf das Herz ignoriren will;
so geht es vielfach der Bildung dieses Jahrhunderts. — Der Ver¬
stand, das männliche, und das Gefühl, das weibliche Element, sollten
sich im Menschen gegenseitig durchdringen. • — • Wissen ist keine
Weisheit. — Die Tage der Objectivität neigen sich wieder einmal zu
Ende und die Subjectivität klopft dafür an die Thüre. Man wendet
sich zur Kunst. — Dasjenige Volk, welches seine besondere Eigenart
am besten wahrt, wird es innerhalb der Kunst am weitesten bringen.
— Die neueste deutsche Bildungsfrage ist im Grunde nur eine Frage
des Muthes. Der civilisirte Deutsche wird seine Tapferkeit darin
zu zeigen haben, dafs er den Muth besitzt, er selbst zu sein auch
auf geistigem Gebiet. — Der Künstler hat seine Persönlichkeit zu
wahren; durch sie wird er schöpferisch. — Nur was natürlich ist,
ist ehrlich; und nur wer ehrlich ist, kann die Wahrheit erkennen. —
Diejenigen Menschen, welche natürlich bleiben, nennt man Genies.
— Besonnenheit ist weit mehr ein Zeichen echten Genies als Phan¬
tastik. — Die deutsche Wiedergeburt mufs von der deutschen Kinder-
*) Eine interessante Uebereinstimmung mit diesem Gedanken¬
gange findet sich in „Rembrandt et Tindividualisme dans hart“ von
A. Coquerel fils (Pai'is J. Cherbuliez. 1869): „Le vrai seul est
aimable, le vrai seul est vivant et fort. II n’y a de vrai que ce qui
est individuel; dans l’art comme dans la religion, tout ce qui est
imposö d’office, d^cretö par les puissances, tout ce qui n’est que
collectif, demeure entachö de mensonge et irremediablement bornö.
La r4volte du genie contre la tradition n’a jamais eu dans les arts
de plus illustre Organe, de Champion plus convaincu et plus intre-
pide, plus victorieux que Rembrandt.“
natur ausgehen; der echte und reine Deutsche hat mehr als sonst
irgend andere Völker etwas Kindliches in seinem Wesen. — Im
kindlich Menschlichen vereinigen sich die beiden Hauptfactoren der
bisherigen deutschen Bildung: Griechenthum und Christenthum.“
Für die Berechtigung des Standpunktes, welchen der Verfasser
in seinem Buche der Kunst, im besonderen der Architektur gegen¬
über einnimmt, lassen sich Beläge unschwer beibringen. Aus dem
immer rascheren Wechsel in der Anwendung geschichtlicher und
nationaler Stilformen ist eine Unzufriedenheit mit der Art des
eigenen Schaffens und seinem Mangel an Individualität deutlich er¬
kennbar. Entgegen der häufig geübten Befolgung von Stilrecepten,
der das Wort des Verfassers gilt, dafs Architektur gedichtet, nicht
gereimt werden müsse, will er keineswegs zu selbstsüchtiger Origi¬
nalität verleiten, aber er erwartet von einem anderen Eingehen auf
die Kunstwerke der Vergangenheit, von dem vertiefteren Studium
der Gründe, aus welchen die Alten, ihrer Zeit und ihrer künst¬
lerischen Persönlichkeit Genüge thuend, zu ihrer Formengebung ge¬
langten, den Wunsch und das Vermögen, die Persönlichkeit gleich
machtvoll über alles seit den alten Meistern Hinzugelernte herrschen
zu lassen. „An Stelle der Phrase mufs die Wirklichkeit treten.“
Wenn der Streit der Pflichten gegen die Kunst mit den Forderungen
des Erwerbs und Lebensunterhalts den Baukünstler bei der Verbindung
des Geschäftlichen mit dem Künstlerischen häufiger der Gefahr aus¬
setzt, sich selbst untreu zu werden — wie auch das Suchen nach
Erfolg um jeden Preis eine verhängnifsvolle Seite der zur Zeit über-
mäfsig geschätzten Wettbewerbe bildet — , so führt dagegen der
Verfasser aus, dafs der Künstler um so schöpferischer sein wird, je
mehr er sich gegen alle äufseren Ansprüche an Ueberlieferung,
Markt und Mode wehrt und je mehr er der demokratischen Mode
gegenüber den persönlichen Stil der aristokratischen Künstlernatur
einsetzt. Anknüpfend an das Wort Lichtenbergs , der Weg eines
Volkes, das sich einmal aus der edlen Einfalt in das mehr Schimmernde
verloren habe, gehe nach der Einfalt durch das höchst Affectirte
zurück, spricht er die Ueberzeugung aus, dafs eine Zeit hoher Kunst¬
entwicklung im Sinne der Schlichtheit die heutige Zeit mit ihren
durch die Künste beabsichtigten Reizungen abzulösen im Begriff
stehe. „Die Kunst soll erheben und nicht blenden; künstlerische
Simplicität, hoheitsvoll wie bei Leonardo oder demüthig wie bei
Rembrandt, ist daher das beste Erziehungsmittel für den unruhigen
und zerstreuten grofsen Haufen“.
Die in dem Buche gebotene grofse Mannigfaltigkeit des Stoffes
und die im Drange beabsichtigter Anregung häufig zugespitzte Rede¬
weise lassen wohl manchmal ausgeglichenere Harmonie wünschen
doch kann kein Leser das Werk aus der Hand legen, ohne aus
seinem hohen Gesinnungswerth und der darin geoffenbarten Geistes¬
bildung Gewinn gezogen zu haben. Auch der Tadel der Anonymität
— soweit nicht vermeidbare Angriffe persönlicherer Art das offene
Visir vermissen lassen können — darf einer Schrift gegenüber nicht
erhoben werden, deren Beurtheilung bei dem durch sie selbst be¬
kämpften Autoritätsglauben der heutigen Zeit durch Nennung des
Verfassers weniger unbefangen bleiben würde. Gewifs sind bei nie¬
mandem die Vorzüge jener ausgezeichneten Schriften kunstphilo¬
sophischen Inhalts „Zwölf Briefe eines ästhetischen Ketzers“*) und
„Der falsche Baurat“**) dadurch beeinträchtigt worden, dafs die
allseitig geschätzten Verfasser es für gut befanden, ihre neuen alten
Wahrheiten ohne Namennennung den Lesern ans Herz zu legen. —
Der Vorwurf schliefslich, dafs dem Buche kein praktischer Vorschlag
zu entnehmen sei, erscheint der Gröfse des in ihm gesteckten Zieles
gegenüber unangebracht. Als ob überhaupt mit Worten auf dem
Wege des Meinungsaustausches zu der erhofften nationalen Raumes-
und Formenkunst verhelfen werden könnte. 0. March.
*) Berlin. R. Oppenheim. 1874.
**) Eine Novelle für Kunst- und Alterthumsfreunde von Utis.
I Frankfurt a. M. Zimmersche Buchhandlung 1877.
Die Bauausführung der zweiten Weichselbrücke bei Dirschau.
Von A. Goerinff.*)
1. Die bestehende Brücke und die Gründe für den Bau
einer zweiten.
Die im Bau begriffene neue Weiehselbrücke bei Dirschau liegt
bekanntlich sehr nahe stromabwärts der bestehenden Brücke, sodafs
die beiderseitigen Mittellinien nur 40 m von einander abstehen. Der
Neubau mufste sich demnach mit Oeffnungszahl und Lage der Pfeiler¬
achsen ganz dem Vorhandenen anschliefsen. Es dürfte deshalb er-
*) Nach einem im Architektenverein in Berlin am 14. April d. J.
gehaltenen Vortrage.
wünscht sein, zunächst bei der bestehenden Brücke etwas zu ver¬
weilen.
Wie ein Blick auf die Karte (Abb. 1) zeigt, bildet die Eisen¬
bahnstation Dirschau gegenwärtig einen wichtigen Knotenpunkt,
indem dort von Westen her drei Linien zusammenlaufen, um sich
zur Ueberschreitung der Weichsel und Nogat und somit zu der
Hauptlinie nach Königsberg und Petersburg zu vereinigen und sich
zugleich von dieser aus in die östlich der Weichsel gelegenen deut¬
schen Gebiete wieder zu verzweigen. Diese Ueberschreitung der
beiden Weichselarme bei Dirschau und Marienburg haben demnach
324
9. August 1890,
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
sowohl den Durchgangsverkelu' zwischen Berlin und Königsberg-
Petersburg als auch den Einzelverkehr zwischen den Landestheilen
west- und ostwärts der AVeichsel znm gröfsten Theil zu vermitteln.
Lange Zeit hindurch bildeten sie die einzige Ueberschienung der
Weichsel auf deutschem Gebiet, denn erst etwa 15 Jahre später kam
die Brücke bei Thorn zu Anfang der siebziger Jahre und noch später
diejenige bei Graudenz hinzu. Aber auf die unteren hundert Kilo¬
meter des Stromlaufs bildet die Linie Dirschau- Marienburg noch
heute den einzigen
festen Uebergaug.
Die Oelfnungs-
weiten derDirschauer
Brücke ■'') mit 121 m
(386 ‘) sind auch ge¬
genwärtig noch die
gröfsten in Deutsch¬
land und die Aus¬
führung derselben in
den Jahren 1850 — 57
war dazumal ein gro-
fses und kühnes Un¬
ternehmen , denn sie
bildeten die ersten
grofsen Stromüber¬
gänge in Deutschland
und auf dem euro¬
päischen Festlande
überhaupt. Es fehlte also gänzlich au entsprechenden Erfahrungen,
und fast alles inufste an Ort und Stelle hergestellt werden, so u. a.
die Ziegel, der Gement und alle Eiseutheile sowie die hierzu erforder¬
lichen Maschinen und Vorrichtungen. Denn „Brückenbauanstalten“
waren damals ein unbekanntes Ding. War doch erst kurz zixvor, in
den Jahren 1845 -.50 mit dem Bau der ,, Britanuiabrücke “ durch
Stephenson (zwei Oeffnungen zu 70,5 und zwei zu 139,5 m Lichtweite)
der rechteckige Röhrenquerschnitt in ge¬
wisser Weise beibehalten, aber jede
Seitenwand zu einem selbständigen Trä¬
ger mit eignen, geraden Gurtungen und
verbindendem Gitterwerk ausgebildet.
Die gleiche Grundform fand bald darauf
bei den Rheinbrückeu von Köln (viermal
98 m) und Strafsburg (dreimal 56 m)
Anwendung. Dann jedoch ersetzte die
fortschreitende Wissenschaft ,wie bekannt,
diese Form durch weitergehende Auf¬
lösung der Wände in einzelne, auf ihre
gröfste und kleinste Anstrengung genau
zu untersuchende Stäbe sowie auch
meistentheils durch gekrümmte Gestalt
der Gurtungen, und so blieb die Brücke
bei Dirschau die gröfste aller eng¬
maschigen Gitterbrücken und aufser der
Leckbrücke bei Kuilenburg auch die
gröfste Balkenbrücke des europäischen
Festlandes.
Sie erhielt sechs gleiche Oeffnungen
von 121m = 386' (diejenige bei Marien¬
burg zwei Oeffnungen von 98 m = 312 ')
Lichtweite und Mittelpfeiler von etwa
10 m oberer Stärke, also einen Abstand
der Pfeilerachsen von 131 m (genau
130,88). Die Träger sind über je zwei
Oeffnungen fortlaufend angeordnet. Die
beiden westlichen Oeffnungen über¬
schreiten schon nahezu das ganze eigent¬
liche Strombett, die übrigen Spannungen
liegen über dem auf der Ostseite des
Flusses vereinigten Vorlande. Auch über
ScVlienen -Oberkarrte Xl^T.
Thon
jGrober
‘Sand
10 5 0
Thon
_ jiV.GJ?
Marsstab für die Längen.
50 100
Marsstab für die Höhen.
5 10
Abb. 4. Länffensclmitt von Pfeiler I bis IV.
die Bahn gebrochen für derartige Bauwerke, gerade wie in unseren
Tagen mit der Forthbrücke wieder ganz neue Wege eröffnet sind.
Während nun Stephenson für die genannte Brücke als Quer¬
schnittsform bekanntlich die rechteckige Rohre mit vollen Blech¬
wänden und mit Zellen in der oberen und unteren Doppeldecke
Verwendete, war inzwischen, namentlich in Preufsen, durch Versuche
und durch theoretische Untersuchungen das engmaschige Gitter
als tragfähig erwiesen, und so wurde denn für beide Brücken zwar
*) Zeitschrift für Bauwesen 1855, S. 445.
diesem sind die grofsen Lichtweiten bei¬
behalten, weil auf gewaltige Hochwasser¬
mengen und grofsen Eisgang Rücksicht
zu nehmen war, wie sie nicht selten
das Vorland erheblichen Veränderungen
aussetzen.
Die Brücke erhielt nun den damals
erwarteten Verkehrs Verhältnissen ent¬
sprechend nur ein Eisenbahngeleis und
beiderseits unmittelbar neben den Schie-
Ansicht der neuen Weichselbrücke von der Südseite.
(6 Oeffnungen von je 124,88 m lichter Weite.)
Nr. 32.
Centralblatt der Bauverwaltung.
nen einen schmalen einspurigen Fahrweg, alles zwischen den nur
6,6 m entfernten Tragwänden, während zwei Fufswege von je 1,1 m
Breite an der äufseren Seite der Träger äusgekragt wurden.
Heute nun hat die Brücke aufser dem gewaltig gesteigerten Verkehr
der drei zusammenlaufenden Bahnlinien auch einen sehr lebhaften
Uebergang von Fuhrwerk und Eeitern aller Art zu tragen. Da nun
die ganze Länge der Brücke — nahezu 800 m und mit Einschlufs
langer Zufahrtsrampeu über 1 km — für den Uebergang jedes Eisen-
wie oben gesagt, auf 40 m festgesetzt, obwohl eine etwas grüfsere
Entfernung gewisse unten zu berührende Schwierigkeiten für den
Neubau hätte vermeiden lassen, weil alsdann die Ablenkung der
Bahnhofsgeleise zur neuen Brücke sich zu ungünstig gestaltet hätte
und auch durch bebaute Fabrikgrundstücke erschwert worden wäre.
(Bei der Nogatbrücke vor Marienburg beträgt der Abstand der
Mittellinien 70 m.)
Die Anzahl und Lage der Pfeiler (Abb. 2 bis 4) mufste wegen
Korden.
Abb. 2. Lageplan.
bahnzuges von allem Wagen- und Eeiterverkehr völlig frei gehalten,
demnach die Zugänge zur Brücke beiderseits immer schon längere
Zeit vor Eintreten eines Zuges geschlossen werden müssen, so ergab
sich hieraus eine immer zunehmende Behinderung des Strafsenver-
kehrs, umsomehr als die Geleise des Bahnhofs erst unmittelbar vor
■der Brücke zusammenlaufen, deshalb auch die Eangirbewegungen
sich oft bis auf die Brücke
ausdehnen. Auch genügt das
eine Geleis durchaus nicht
mehr den gesteigerten An¬
forderungen des Eisenbahn¬
betriebes. Eine Trennung -
des Strafsen- und Bahn- i
Verkehrs sowie eine Ver- !
doppelung des Eisenbahn¬
geleises wurde sonach immer
dringlicher und führte end¬
lich im Jahre 1887 zu dem *
Beschlufs, sowohl bei Dir-
schau als auch bei Ma¬
rienburg, wo die Verhält¬
nisse ähnlich liegen, nahe
unterhalb der bestehenden
eine neue ganz selbständige,
zweigeleisige Eisen¬
bahnbrücke zu erbauen,
um alsdann die alten Brücken
ausschliefslich dem Strafsenverkehr freizugeben. Die Landpfeiler
der neuen Brücke werden durch eine Ufermauer mit denen der alten
verbunden, die fünf Zwischenpfeiler bleiben dagegen ohne Zusam¬
menhang mit denen der bestehenden Brücke.
2. Allgemeine Anordnung der neuen Brücke (Abb. 2, 3, 4).
Der Abstand der Achsen beider Bauwerke bei Dirschau wurde.
Schiffahrt und Eisgang, wie bemerkt, genau der bisherigen ent¬
sprechen, die Achsweite der Oeft'nungen zwischen den Pfeilermitten
mithin die gleiche (130,88 m) bleiben. Die Pfeilerstärke konnte da¬
gegen von 10 auf 6 m ermäfsigt werden, sodafs die Lichtweiten sich
auf 124,88, die Stützweiten auf 129 m vergröfserten. Die Breite der
neuen Pfeiler in Eichtung des Stromes beträgt 18 m (die Mafse
unter dem Gesims genom¬
men), und läfst sonach neben
den Stützpfeilern der Eisen¬
träger noch Platz für die
aufsen herumgeleiteten Fufs¬
wege.
Zur Sicherung einer
regelmäfsigen Abführung des
Hochwassers soll eine Be¬
richtigung des Vorlandes
bis etwa 2,3 km oberhalb
und 2,8 km unterhalb der
Brücke stattfinden. Die
dem Flusse zunächst ge¬
legenen höheren Theile des
Vorlandes werden bis auf
eine mittlere, etwa mit 1 : 7000
bis 1 : 8000 fallende Höhe ab¬
getragen, und zugleich wer¬
den in Abständen von 350
bis 400 m „Traversen“ ange¬
legt, welche von dieser berichtigten Uferhöhe (mit 1 : 230 bis 1 : 280)
bis zum Deich auf etwa 2,75 m unter H. W. oder etwa 6 m unter
Deichkrone ansteigen. Dadurch soll also das Vorland nach dem
Deich zu allmählich aufgehöht und einer weiteren Auskolkung
desselben vorgebeugt worden.
(Fortsetzung folgt.)
Mafsnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des Eisenhahnhetriehes.
Auf Anordnung des Herrn Ministers v. Maybach finden in Berlin
schon seit einer Eeihe von Jahren in gewissen Zeitabschnitten Be¬
rathungen statt, welche die zur weiteren Erhöhung der Betriebs¬
sicherheit auf Eisenbahnen erforderlichen Mafsnahmen zum Gegen¬
stände haben. Ueber die am 22. November 1888 abgehaltene der¬
artige Berathung ist im Jahrgang 1889 dieses Blattes Seite 11 u. 12
kurz berichtet worden. Am 8. Mai d. J. war nun wieder unter dem
Vorsitz des Ministerial-Directors, Wirkl. Geh. Eaths Herrn Schneider
eine gröfsere Anzahl von sachverständigen Mitgliedern der Königl.
Directionen der- preufsischen Staatsbahnen, der General- Direction
der Eeichseisenbahnen in ' Strafsburg, des Königl. Eisenbahn-Com-
missariats in Berlin und der Königl. Direction der Militär-Eisen¬
bahn zu gleichem Zwecke versammelt. Wie das vorige Mal nahmen
an den Berathungen auch Vertreter des Eeichs-Eisenbahn-Amts und der
General-Directionen der Königl. bayerischen und der Königl. württem-
bergischen Staatsbahnen theil. Aufserdem waren zum ersten Mal
Abgeordnete der General -Direction der Grofsherzogl. badischen
Staatsbahnen auf Wunsch der Grofsherzogl. Eegierung dazu ein¬
geladen und erschienen. Endlich wohnten der Berathung die meisten
technischen Eäthe der Eisenbahn-Abtheilungen des Ministeriums der
öffentlichen Arbeiten bei.
Von den erörterten Fragen beziehen sich viele auf technische
Einzelheiten, welche zwar für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebes
von grofser Bedeutung, aber für eine Besprechung an dieser Stelle
weniger geeignet sind. Dagegen dürften nachstehende Mittheilungen
allgemeinere Beachtung verdienen, welche die auf Grund früherer
Beschlüsse für die preufsischen Staatsbahnen eingeführten Sicher¬
heitsanordnungen betreffen und in üblicher Weise vor Eintritt in
die Berathung der neu aufgestellten Fragen zur Kenntnifs der Ver¬
sammlung gebracht wurden.
Die Weichen- und Signal-Stellwerke, welche den Zweck
haben, eine unrichtige oder nicht völlig genaue Stellung der für den
Zugverkehr wichtigen Weichen unmöglich zu machen, solange das
für einen ein- oder ausfahrenden Zug gültige Fahrsignal gegeben
ist, sind seit Ende des Jahres 1888 erheblich vermehrt worden.
Während damals etwa 1400 Stellwerke auf 700 Stationen der preufsi--
326
9. August 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung.
sehen Staatsbahnen vorhanden waren, belief sich die Zahl der im
Betriebe befindlichen oder noch in der Ausführung begriffenen Stell¬
werke im Mai d. J. auf 2030, welche auf 970 Stationen vertheilt sind.
Die seit dem Jahre 1878 für diesen Zweck aufgewendeten Summen
betragen, abgesehen von den beim Neubau von Bahnen oder beim
Umbau gröfserer Bahnhöfe dafür ausgeworfenen Mitteln, 5 900 000
Mark, und im Staatshaushalts-Entwurf für 1890/91 ist ein weiterer
Betrag von 800 000 Mark unter den einmaligen und aufserordent-
lichen Ausgaben dafür vorgesehen.
Die zur Ueberwachung der Fahrgeschwindigkeit der Züge
dienenden elektrischen Eadtaster, deren Wirkungsart in unserer
oben erwähnten Mittheilung aus dem Jahre 1889 näher beschrieben
ist, befinden sich gegenwärtig auf 4380 km Bahnlänge gegenüber
4170 km am Schlüsse des Rechnungsjahres 1888/89. Zur Her¬
stellung solcher Radtaster sind bisher unter den einmaligen und
aufserordentlichen Ausgaben des Staatshaushalts 850 000 Mark ver¬
wendet worden.
Mit der Einführung der durchgehenden Bremsen ist weiter
kräftig vorgegangen. Die Zahl der damit ausgerüsteten Locomotiven
ist seit Ende 1888 von 2265 auf 2992, die der Personenwagen von
6194 auf 9990 und die der Gepäck- und Güterwagen von 1612 auf 3314
gestiegen. Die verschiedenen Gattungen von Bremsen vertheilen
sich folgendermafsen auf die genannten Betriebsmittel:
Locomo¬
tiven
Personen¬
wagen
Gepäck- und
Güterwagen
Luftdruckbremse .
2213
7865
2795
Luftsaugbremse .
179
625
123
Gewichtsbremse .
600
1500
396
zusammen
2992
9990
3314
Für die Ausrüstung der Betriebsmittel mit durchgehenden
Bremsen sind bisher unter den einmaligen und aufserordentlichen
Ausgaben der Rechnungsjahre von 1884,85 bis 1889/90 zusammen
4 500 000 Mark bewilligt worden. Für 1890/91 ist ein weiterer Betrag
von 1100000 Mark zu dem gleichen Zwecke vorgesehen.
Auch die Aufstellung von Vorsignalen vor den Abschlufs-
telegraphen der Stationen ist in gröfserem Umfange in Angriff ge¬
nommen. In den Rechnungsjahren 1889/90 und 1890/91 ist dafür
jedesmal eine Summe von 600000 Mark ausgeworfen. Die Bedeu¬
tung der Vorsignale für die Sicherheit des Betriebes ist bereits in
unsern früheren Mittheilungen ausführlicher dargelegt.
Concret- Dachziegel
„Kunstsandstein“ wird, wie an vielen Orten so auch in Berlin
aus Cementmörtel bereitet und, was seine Wetterbeständigkeit anbe¬
langt, z. Th. auch mit recht gutem Erfolge. So sind z. B. an dem
Delbrück-Leoschen Hause an der Ecke der Kaiserhofstrafse, welches
seit etwa 1873 steht, bis heute noch keine Verwitterungsstellen
wahrnehmbar, während allerdings andere Bauten, deren Material
jedenfalls weniger sorgfältig und sachgemäfs hergestellt war, solche
schon nach kurzer Zeit recht zahlreich aufweisen. Nicht dieselbe
Verbreitung haben aus Cementmörtel bereitete Dachziegel gefunden,
obgleich auch über deren Wetterbeständigkeit sehr gute Erfahrungen
vorliegen. Dachplatten aus Cement sind wohl zuerst anfangs der
Abb. 2. Längenschnitt.
vierziger Jahre in Staudach in Ober-Bayern, in der Nähe des Chiem¬
sees, aus den dort vorhandenen Naturcementen angefertigt worden.
Die aus dem Jahre 1846 stammenden Probedächer haben sich trotz
des rauhen Gebirgsklimas vollkommen gut erhalten. Bei Gelegenheit
des mit der Niederländischen Gewerbeausstellung in Arnheim 1879
verbundenen internationalen Wettstreites für Kunststeine und einige
andere Artikel war durch Herrn Kroher in Staudach eine Cement-
pfanne ausgestellt, die laut amtlicher Bescheinigung ununterbrochen
35 Jahre (also seit 1844) als Dachpfanne gedient hatte und nicht nur
keine Spur von Verwitterung zeigte, sondern sich sogar weit fester
als das neue Material jenes Ausstellers erwies. Später wurde die
Herstellung solcher Dachpfannen von der Jansenschen Kunststein¬
fabrik in Elbing und einer Fabrik in Ober-Cassel aufgenommen. Alle
diese Fabrikate sind aber mehr oder weniger Nachahmungen vor¬
handener Dachsteine, die bereits früher in gebranntem Thone aus¬
geführt waren.
Etwas ganz Neues bietet jedoch die Kunststein - Fabrik von
Jörgensen u. Kahland in Wedel (Holstein), deutsches Reichspatent
Nr. 31529, in ihren Concret-Dachziegeln, welche in dem engeren
Bezirke von Schleswig-Holstein bereits vielfach Anwendung gefunden
haben, und deren Brauchbarkeit und Haltbarkeit die Herren Regie¬
rungs- und Baurath Germer in Schleswig und Baurath Greve in
Altona das beste Zeugnifs ausstellen. Derartig eingedeckte Dächer
zeigen eine fast ebene Fläche, wodurch sie ein dem Schieferdache
ähnliches Aussehen bekommen.
Die Construction machen Abb. 1 — 3 im Grundrifs, Längen- und
Querschnitt klar. Die Ziegel haben einen ebenen, nur durch die
Leitungsrippeu r unterbrochenen Wasserlauf und werden mit ver¬
setzten Fugen verlegt. Ihre Grundform ist ein Rechteck mit einer
an der Ablaufkante winklig ausgeschnittenen Seite, die bei den ge¬
deckten Ziegeln als Zickzacklinie erscheint. Der Ablaufkante ent¬
sprechend haben die Dachziegel oben einen vertieften Ansatz f mit
den Ausschnitten a in welche die Rinnen b münden, um das in
den Fugen aufgenommene Wasser auf die Mitte des unteren Dach¬
ziegels zu leiten. Den gleichen Zweck haben die spitzwinklig zu
einander angeordneten Rippen r sowie die winklig ausge¬
schnittenen Ablaufkanten der Ziegel. Dadurch, dafs der Ansatz f
tiefer gelegt ist, als der übrige, freiliegende Theil des Ziegels, er
reicht man eine vollständig ebene Bedachung, weil die vorderen
Enden der Ziegel der oberen Reihe in diesen Vertiefungen der
unteren Reihe sich lagern. An der unteren Fläche sind die Dach¬
ziegel mit Rippen r- versehen, über welche die Wasserrinnen b greifen
und so einen Doppelfalz herstellen, welcher das Durchdringen des
Wassers verhindert. Die Nasen n n und der Ablauf m dienen zum
Anhängen und als Auflager für die Steine; die Nasen n greifen dabei
über Nägel, die in die Dachlatten so weit eingetrieben sind, dafs zwischen
den Nasen und der Dachlatte ein Raum entsteht, durch welchen sich
etwa bildende Schwitzwassertropfen hindurchziehen und an der unteren
Fläche der Ziegel bis in den Wasserlauf derselben gelangen können,,
ohne von den Dachlatten abzuträufeln, was besonders für Futter¬
böden wichtig ist. Die Oese o dient zur Aufnahme eines die Dach¬
ziegel von oben bis unten verbindenden Drahtes d, durch welche
Befestigung das Abheben derselben durch den Wind verhindert wird.
Die Dächer haben sich auch im Winter gegen starkes Schneegestöber
dicht bewährt.
Kehlen werden wie beim englischen Schieferdach mit Zinkblech
ausgelegt, die anstofsenden Steine mit einem scharfen Mauerhammer
passend zurechtgehauen, Grate und Firste mit besonderen First¬
ziegeln überdeckt, welche in einen mageren Cementmörtel einzu¬
drücken sind. Die Lattungsweite beträgt 34,5 cm. Die Dachneigung
kann zwischen 25 und 75 Grad wechseln, also ist das Neigungs-
verhältnifs etwa 1 : 2 bis 1 : 4 bei einem Satteldache. Da die Cement-
ziegel in verschiedenen Farben geliefert werden, zumeist hell oder
dunkelgrau, aber auf Bestellung auch roth, gelb, weifs, grün.
Nr. 32.
Centralblatt der Bauverwaltung.
.327
blau usw., so lassen sich die verschiedenartigsten architektonischen
Muster in den Dachflächen ohne besondere Kosten herstellen. Die
Färbung erfolgt durch einen Anstrich.
Die Preise stellen sich nach Angabe der Fabrik folgendermafsen :
1000 Stück Ziegel = 125,00 Mark.
1000 Stück Zinkrinnen = 30,00 „
Nägel und verzinkter Draht hierzu = 5,50 „ '
Eindeckungskosten = 18,00 „
Reisekosten für den Dachdecker usw. = 5,10 „
Summe = 183,60 Mark.
142/3 Ziegel decken 1 qm Dachfläche, daher 1000 Stück 68 qm,
und es kostet demnach 1 qm fertiggestellten Daches ohne Latten
2,70 Mark, mit Latten 3,20 Mark. 1 Stück Firststein kostet 0,25
Mark; 10 Stücken decken ungefähr 3 Längenmeter First. Das Ge¬
wicht eines Quadratmeters dieser Dachdeckung einschl. der Lattung
beträgt 42 kg. Ein Modell in natürlichem Mafsstabe ist in der Bau-
Modellsammlung der technischen Hochschule in Charlottenburg aus¬
gestellt. Die Vertretung der Fabrik für Berlin und für die Provinz
Brandenburg hat Herr Stahlberg, Ritterstr. Nr. 40, übernommen.
Koch.
Die Shay-
In America kommt neuerdings eine von Shay angegebene be¬
sondere Art von Locomotiven für Schleppbahnen in landwirthschaft-
lichen, forstwirthschaftlichen und Bergwerks-Betrieben in Aufnahme,
deren Eigenthümlichkeit darin besteht, dafs sie durch Kegelrad¬
getriebe fortbewegt, die Zugkraft im übrigen aber, wie bei unseren
gewöhnlichen Locomotiven, lediglich durch die Reibung zwischen den
Rädern und den Schienen auf den Lastenzug übertragen wird. Das
nebenstehende Bild läfst die allgemeine Anordnung der Locomotive
erkennen. Die hier dargestellte Maschine ist von zwei kleinen, ver-
hältnifsmäfsig weit auseinander gelegten Drehgestellen getragen, deren
vorderes den Vorder-
theil des Kessels, und
deren hinteres den Ten¬
der trägt, während der
zwischen Kessel und
Tender eingeschaltete
Führerstand gleichsam
schwebend zwischen bei¬
den Gestellen angeord¬
net ist. An der rechten
Seite der Locomotive
liegt in Höhe der Rad¬
achsen durchlaufend
eine aus mehreren ge¬
lenkartig verbundenen
Theilen zusammenge¬
setzte Treibachse, wel¬
che von zwei hinter dem
Führerstande rechts¬
seitig angeordneten senkrechten Dampfcylindern aus in Um¬
drehung versetzt wird und daher mehrfach gekröpft ist. Auf die
der Welle zugekehrten Radflächen sind Kegelräder centrisch auf¬
gelegt und in Eingriff mit vier auf der Triebwelle aufgekeilten Zahn-
Triebrädern gebracht. Im übrigen stellt die Maschine gewissermafsen
eine Vereinigung der Fairlieschen Bauart mit der von Forney dar.
Die vorstehende Abbildung ist von den Engineering News mit-
getheilt. Im Railway Engineer Jahrg. 1890, S. 146 ist eine der in
neuester Zeit gebauten gröfseren Maschinen für Vollspur abgebildet,
welche von der vorstehenden darin abweicht, dafs der Tender in
nachgiebiger statt starrer Weise mit der eigentlichen Locomotive
verbunden ist. Dies hat die Anordnung eines dritten Drehschemels
kurz vor dem zweiten erforderlich gemacht, welcher zugleich das
Hinter-Ende der Locomotive und das Vorder-Ende des Tenders zu
tragen hat. Sonach hat die Maschine nicht weniger als 12 mitein¬
ander verbundene Triebräder. Von den im Railway Engineer mit-
getheilten Abmessungen dieser Locomotive mögen die folgenden Platz
finden: Die Triebräder haben 0,91 m Durchmesser; jeder der Cylinder,
von welchen hier drei vorhanden sind, hat 41 cm Bohrung und 38 cm
Hub. In dem Kessel, dessen kleinster Durchmesser 1,32 m beträgt,
und welcher des besseren Gleichgewichts halber ein wenig nach
links aus der Geleisachse liegt, befinden sich 180 Stück 3,05 m
Locomotive.
lange Röhren von 50 mm äufserem Durchmesser. Die Drehschemel
haben 1,42 m Radstand. Die Drehachsen der Gestelle liegen unter
der eigentlichen Locomotive 7,63 m, unter dem Tender 3,66 m weit
auseinander. Die ganze Länge der Maschine beträgt 16,37 m, das
gesamte Dienstgewicht 80 1. Dabei ist der Tender mit 1,13 cbm
Wasser und 3,6 t Kohlen gefüllt angenommen.
Die Geschwindigkeit und Zugkraft der Locomotiven hängen von
dem Uebersetzungsverhältnifs der Kegelräder ab. Dasselbe beträgt
nach den Engineering News für die gewöhnlich angewendete Ge¬
schwindigkeit von 24 bis 26 Stundenkilometern, welche eine bedeu¬
tende Zugkraft ermög¬
licht, 1:3; für gröfsere
Geschwindigkeiten, wel¬
che indes nur geringere
Zugkraft zulassen, wird
das Verhältnifs 1 : 2
und selbst 1 : 1 ange¬
wendet. (Nach dem
Railway Engineer ist
die Geschwindigkeit be¬
trächtlich geringer als
angegeben und beträgt
zwischen 14,5 und 22,5
km.)
Die Locomotiven wer¬
den für Bahnen ver¬
schiedenartigster Spur¬
weite bis zur Vollspur
und demnach auch in
mannigfach wechselnden Gröfsen hergestellt; ihr Gewicht schwankt
zwischen 10 und 80 1. Selbst für den Personenverkehr auf der Vorstadt¬
bahn von Chattanooga nach Mission Ridge ist eine Shay-Maschine von
28 t Gewicht auf vollspurigem Geleise verwendet worden; dieselbe war
imstande, zwei beladene Personenwagen auf einer 1400 m langen Stei¬
gung 1 : 12,5 zu befördern. Doch bildet diese Art der Verwendung die
Ausnahme; die eigentliche Bedeutung der Maschinen liegt in ihrer
trefflichen Verwendbarkeit zum Schleppen von Lasten auf Bahnen,
welche in der Regel schmalspurig, mit wenig Kostenaufwand, unter
Anwendung besonders starker Steigungen und Krümmungen herge¬
stellt zu werden pflegen. Die Maschinen überwinden je nach ihrer
Bauart Steigungen bis 1 : 10 und selbst darüber sowie Krümmungen
bis 15 m Halbmesser. Die im Railway Engineer veröffentlichte Ma¬
schine wird auf der Sinnemahoning-Thal-Eisenbahn in Pennsylvanien
für Zwecke des Güterverkehrs verwendet. Sie schleppt Lasten von
100 t in einer Neigung von 1 : 10.
Nach den genannten Quellen sind bis jetzt über 300 Shay-Loco-
motiven in Dienst gestellt worden und sollen sich dieselben trotz ver¬
schiedener, einzelnen Maschinen noch anhaftender Mängel zufrieden¬
stellend bewähren. In diesem Sinne könnte auch der Umstand gedeutet
werden, dafs die „Lima Maschinenbauanstalt“ in Ohio im laufenden
Jahr 75 weitere Maschinen zu bauen beabsichtigt. Km.
Vermischtes,
Ehrenbezeigungen. In der Architektur- Abtheilung der diesjährigen
Münchener Jahresausstellung ist mit einer ersten Medaille
der englische Architekt Alfred Waterhouse für sein „Kensington
Museum“ ausgezeichnet worden. Zweite Medaillen wurden ver¬
liehen dem Architekten R. Roward Anderson in Edinburgh für seine
„Schottische National-Portrait-Galerie“, dem Baudirector Hugo Licht
in Leipzig für seinen Entwurf zum dortigen Rathhause*) und den
Architekten Rettig u. Pfann in Berlin für ihren Plan zum Natipnal-
denkmal für Kaiser Wilhelm**).
Zur Erlangung von Entwurfshizzen zu Gebäuden für den
Senat und die Abgeordnetenkammer in Bukarest hat die rumänische
*) vgl. Centralblatt d. Bauverwaltung 1890, S. 87 u. 101.
**) ebendaselbst 1889, S. 376 u. 383.
Regierung vor kurzem internationale Preisbewerbungen aus¬
geschrieben. Die allgemeinen Bedingungen sind für beide Wett¬
bewerbe fast genau dieselben. Die Preisgerichte bestehen aus dem
Präsidenten des betreffenden Hauses, dem Ministerpräsidenten, je
einem Abgeordneten des Wettbewerbsausschusses, zwei rumänischen
und zwei auswärtigen Architekten, deren Namen noch nicht genannt
werden. Auch die Preissummen sind gleich; je 25 000 Franken
werden in Preisen von 15 000, 7000 und 3000 Franken ausgesetzt,
von denen die ersten unter allen Umständen ertheilt werden sollen.
Dabei beträgt die Bausumme für das Abgeordnetenhaus 2 500000,
diejenige für das Senatsgebäude nur 1500 000 Franken. Bezüglich
der endgültigen Entwurffeststellung und der Ausführung behält sich
die Regierung volle Freiheit vor. Der Tag der Ablieferung der Ent¬
würfe, die acht Tage vor und acht Tage nach der Entscheidung des
328
Centralblatt de^ Baliver Saitling.
9. August 1890,
Preisgerichtes öffentlich ausgestellt werden sollen, ist der 15. No-
Tember dieses Jahres. Neben Zeichnungen iin Mafsstabe 1 : 100,
1:200 und 1:400 werden Kostenüberschläge verlangt, bei denen
25 Franken für das Cubikmeter umbauten Eaumes zu Grunde zu
legen sind. Die eingehend und dabei klar abgefafsten Programme
nebst Lag-eplänen sind von den betreffenden rumänischen Gesandt¬
schaften (für Deutschland Berlin Vofsstrafse 26) zu beziehen.
Die Preisbevverbuug für ein Kreishaus in Cottbus (vgl. S. 267
d. J.), über deren Beurtheilung in der Hauptversammlung des Ber¬
liner Architektenvereins vom 4. d. H. durch Herrn Landbauinspector
Thür Bericht erstattet wurde, hat insofern zu einem abschliefsenden
Ergebnisse nicht geführt, als ein erster Preis nicht verliehen worden
ist. Nach der Ansicht des Beurtheilungsausschusses eignet sich
keiner der eingelaufenen 12 Entwürfe für die Ausführung, und es
ist deshalb die zur Verfügung gestellte Preissumme zu gleichen
Theilen an die drei besten Arbeiten vertheilt worden. Als Verfasser
derselben wurden die Herren Kegierungs- Baumeister G. Diestel,
Architekt W. Mössinger und Architekt B. Schaede ermittelt.
Einem vierten Entwürfe, als dessen Verfasser sich Architekt P. Pfann
ergab, wurde ein Vereinsandenken zuerkannt. Bei Berücksichti¬
gung der durch das Gutachten des Preisgerichtes gegebenen Finger¬
zeige ■würde eine engere Preisbewerbung unter den genannten
Herren gewifs zum erwünschten Ziele führen.
Bezüglich der Einführung einer einiieitlichen Eisenbahiizeit,
welcher in diesem Blatte wiederholt das Wort geredet worden ist
(vgl. die Jahrgänge 1884, 87, 88 und 89), ist für den Bereich des
Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen in der im Juli
d. J. in Dresden abgehaltenen Generalversammlung des Vereins
beschlossen worden :
L die (von der Ungarischen Staatseisenbahn) vorgeschlagene
Zonenzeit im innern Eisenbahndienst, und zwar mit Beginn der
nächstjährigen Sommerfahrplanperiode, zur Einführung zu
bringen,
2. die allgemeine Einführung gedachter Zonenzeit auch im bürger¬
lichen Leben als empfehlenswerth zu bezeichnen,
3. die Abgabe einer gleichen Erklärung auch in Beziehung auf
die Zeitangaben in den für das Publicum bestimmten Fahr¬
plänen solange auszusetzen, als die empfohlene Zeitrechnung
nicht auch im bürgerlichen Leben zur allgemeinen Einführung
gelangt.
Verband deutscher Architekten und Ingenieure. Vom Ver-
bands-Vorstande wird darauf aufmerksam gemacht, dafs, da die Be¬
theiligung an der diesjährigen Wander-Versammlung in Hamburg
eine sehr lebhafte zu werden verspreche, es dringend erwünscht sei,
recht bald einen Anhalt zu gewinnen, wie grofs die Zahl der Theil-
nehmer sich etwa stellen wird, damit alle Vorbereitungen in aus¬
reichendem Mafse getroffen werden können. Die Fachgenossen wer¬
den daher gebeten, eine voidäufige Mittheilung darüber, ob sie allein
oder mit Damen zur Versammlung zu kommen gedenken, an den
Vorsitzenden des Empfangsausschusses: Herrn Ingenieur Himmel¬
heber, Hamburg, Ferdinandstrafse 39, baldmöglichst einzusenden.
Gäste können nur durch den Verbands-Vorstand, die Vor¬
stände der Einzelvereine oder von dem Ortsausschüsse
Hamburg eingeführt werden. Pbg.
Die A’^erhaiidlungen auf dem vierten Biiiuenschiffahrtscougrefs,
welcher Ende Juli in Manchester tagte, sollten nach den Fest¬
setzungen des geschäftsführenden Ausschusses zwar auch in
deutscher Sprache veröffentlicht werden, doch sollte man sich in
den Sitzungen nur der englischen oder französischen Sprache be¬
dienen (vgl. S. 227 d. J.). Erfreulich ist, dafs es den vereinten
Bemühungen der deutschen Vertreter beim Congresse trotz hart¬
näckigen Sträubens des Congrefsausschusses gelungen ist, die volle
Gleichberechtigung der deutschen Sprache, also auch ihre un¬
beschränkte Zulassung in den Verhandlungen, zu erwirken. Die
Forderung der Deutschen hat sich bei den verschiedenen Sitzungen
auch in praktischer Beziehung als durchaus berechtigt erwiesen.
Biicherschaii.
Das Schreinerbuch. Von Theod. Krauth u. Franz Sales Meyer.
I. Band: Die gesamte Bauschreinerei. Von Theodor Krauth. Leipzig
1890. E. A. Seemann. 308 S. in kl. 4“ mit 238 Abi! düngen im Text
und 64 Tafeln. Preis geh. 12 geb. 14 M.
Das Schreinerbuch von Th. Krauth und F. S. Meyer ist eine
der erfreulichen neueren Erscheinungen auf dem architektonischen
Büchermärkte. Herr Professor Sales Meyer, bereits seit längerer
Zeit als Verfasser hervorragender Werke auf dem Gebiete der
ornamentalen Kunst bekannt, ist bei der Bearbeitung dieses ersten
Theiles des Sohreinerbuches nicht betheiligt, sodafs das Verdienst
allein Herrn Th. Krauth, Professor an der Grofsherzogl. Baugewerk¬
schule in Karlsruhe, zuzuschreiben ist.
Bis jetzt waren wir in Bezug auf Ausführung von Tischler¬
arbeiten ziemlich allein auf das seiner Zeit sehr verdienstvolle Werk
von Strack u. Hitzig „Der innere Ausbau“ beschränkt. Alles, was
später noch erschienen war, lehnte sich mehr oder weniger an dieses
an, ohne seinen Werth, welcher hauptsächlich in den im natürlichen
Mafsstabe ausgeführten Einzelheiten bestand, zu erreichen. Seine
Schwäche liegt allein in der Uebertragung der Steinarchitektur auf
das Holzmaterial, und diese machte immermehr das Bedürfnifs nach
einer neuen, sachgemäfsen Bearbeitung desselben Gegenstandes
fühlbar. Krauth hat sich von jenen Ueberlieferungen gänzlich los¬
gesagt. Bei seinen äufserst zahlreichen Beispielen aus dem Gebiete
der Bauschreinerei tritt allenthalben das Bestreben hervor, ihre Aus¬
bildung dem Wesen des Holzes anzupassen, und fast durchweg ist
dasselbe als gelungen zu bezeichnen. Nebenbei zeigt sich sowohl in
der Beschreibung als auch in der Darstellung des Stoffes eine so
hervorragende Kenntnifs der praktischen Ausführung, dafs man wohl
nicht fehlgeht in der Annahme, der Herr Verfasser habe sich die¬
selbe durch eigene Thätigkeit in der Werkstatt angeeignet. Aus
diesem Grunde ist, seinem Wunsche gemäfs, das Werk um so mehr
nicht nur dem entwerfenden Architekten, sondern auch dem aus¬
führenden Meister zu empfehlen.
Nachdem im ersten Capitel des Buches die für Tischlerarbeiten
geeigneten Hölzer, ihre Eigenschaften, Krankheiten und ihre Be¬
handlung in möglichster Kürze besprochen sind, wird weiterhin eine
Aufzählung und Beschreibung der dem Bauschreiner nöthigen Werk¬
zeuge und Hülfsvorrichtungen mit zahlreichen und klaren Abbil¬
dungen gegeben, um, wie der Herr Verfasser selbst sagt, „jenem
(dem Schreiner) vielleicht durch Vorführung neuerer, bewährter
Werkzeuge manches zu zeigen, was ihm von Nutzen sein kann, dem
Techniker aber einen allgemeinen Begriff' beizubringen, wie und
womit gearbeitet wird“. In dem folgenden Capitel behandelt Krauth
die Vei'bindungen der Hölzer und die hierzu unentbehrlichen Hülfs-
mittel, um dann auf die einzelnen Tischlerarbeiten selbst, und zwar
zunächst auf die verschiedenen Arten von Fufsböden, dann auf die;
Wandbekleidungen einzugehen, von der einfachsten Fufs- und Wand¬
leiste bis zur reichsten Täfelung.
Der Schwerpunkt des ganzen Werkes liegt naturgemäfs im nächsten
und umfangreichsten Abschnitt, welcher sich mit der Anfertigung der
Thüren und jThore beschäftigt. Wenn auch hier die Einzelheiten nicht
im natürlichen Mafsstabe, wie in dem erwähnten Strack -Hitzigschen
„Inneren Ausbau“ aufgetragen sind, so lassen sie doch an Deutlichkeit,
nichts zu wünschen übrig, zumal ihnen noch der auf die Herstellungs¬
weise sehr genau eingehende Text erklärend zur Seite steht. Man erhält
Auskunft über alle Thürarten, von der einfachsten Lattenthür und dem
Scheunenthore bis zur reichsten, gestemmten inneren Thür und
Hausthür. Dafs der Herr Verfasser über die fournirten Thüren kein
Wort gesprochen hat, liegt wohl daran, dafs diese Herstellungs weise-
in Süd -Deutschland nicht üblich ist, während bei uns in Nord-
Deutschland schon alle reicheren Eichenholzthüren, ja selbt Haus-
thüren nur selten aus vollem Holze gearbeitet werden.
Die nächsten zwei Capitel enthalten die Beschreibung der Fenster
und Fensterläden, wobei ein besonderer Abschnitt dem Glase und
der Verglasung gewidmet ist. Nur auf einer Seite sind die Schau¬
fenster kurz erwähnt, deren Construction zwischen Mauerpfeilern-
in Süd -Deutschland allerdings auch eine wesentlich einfachere ist,,
als bei uns, wo gewöhnlich eiserne Stützen und Träger durch das
Holzwerk des Schaufensters verkleidet werden müssen. Ganz ähnlich
verhält es sich mit den Holzdecken. Auch hier begegnen wir einer
reichen Auswahl von hübschen Motiven, doch ist die so häufig noth-
wendige Verkleidung gröfserer eiserner Deckenträger dabei nicht
berücksichtigt worden.
Nachdem ferner der Herr A^erfasser nicht mit Unrecht auch die
Abortsitze einer näheren Beschreibung gewürdigt, wendet er sich
den Thür- und Fensterbeschlägen und zum Schlufs den Holztreppen
zu. Während bei letzteren noch die darauf bezüglichen Arbeiten in.
eingehender AVeise behandelt werden, ist das weniger bei den Be¬
schlägen der Fall, bei welchen selbst ziemlich gebräuchliche Con-
structionen vermifst werden, andere von zweifelhaftem AA’erthe jedochi
aufgeführt sind. Besonders tritt das bei den Pendelthürbeschlägen
hervor. Sollte der Herr Verfasser einmal in die Lage kommen, von
einzelnen seiner hier aufgeführten Vorrichtungen Gebrauch zu machen,
so würden für ihn unangenehme Erfahrungen jedenfalls nicht aus-
bleiben. Unter allen Umständen ist das vorliegende Werk das
beste, welches über Schreinerarbeiten in den letzten 25 Jahren er¬
schienen ist, und deshalb allen Architekten und Gewerbtreibenden.
bestens zur Anschaffung zu empfehlen. K.
Verlag von Ernst & Korn CWiliielm Ernst), Berlin. Für die Bedaction des nichtamtliclien Täeiles verantwortlich i.V.: O.Hofsfeid, Berlin. Druck von J. K e r sk es, Berlin.
329
Centralblatt der Bauverwaltiing.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 16. August 1890. Nr. 33.
Rcdaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHALT: Amtliches: Zusammensetzung der technischen Prüfungs- Aemter iii
Preufsen für die Jahre 1890 bis 1893. — Personal- Nachrichten. — Nichtamtliches:
Makedonische Köuigssarkophage. — Bauten der nationalen Ausstellung von 1891
in Palermo. — Bauausführung der zweiten Weichselbrücke bei Dirschau (Fortsetzung).
— Statistik der Eisenbahnen Deutschland.s im Betriebsjahre 1888/89. — Preisaus-
schreiben der Londoner Thurm - Gesellschaft. — Vermischtes: Preisausschreiben
zur Erlangung von Plänen für ein Museum in Rostock. — Ausführung eines Kaiser
Wilhelm-Denkmals in Karlsruhe. — Versuche über die Frostbeständigkeit natürlicher
und künstlicher Bausteine. — Belastungsversuche mit einem Monier - Gewölbe. —
Besuch der eidgenössischen polytechnischen Schule in Zürich.
Amtliche Mittheilungen.
Zusammensetzung- der technischen Prüflings- Aemter in Preufsen
für die Jahre 1890 Ins 1893.
Die Königlichen technischen Prüfungs- Aemter in Berlin, Han¬
nover und Aachen sind für den Zeitraum vom 1. August d. J. bis
dahin 1893 wie folgt zusammengesetzt:
a. technisches Prüfungs-Amt in Berlin.
Greheimer Ober-Baurath Oberbeck, Vorsitzender,
Geheimer Baurath Jungnickel, Vorsteher der Abtheilung I,
Professoren Consentius und Dr. Doergens, Landesver¬
messungsrath Erfurth, Geheimer Regierungsrath Professor Dr.
Hauck, Königlicher Eegierungs - Baumeister Hoech, Professoren
Koch, Dr. Kossak, Dr. Lampe, Ludewig und Dr. Paalzow,
Dr. Pietsch, Professoren Dr. Rüdorff und Strack;
Geheimer Ober-Baurath Stambke, Vorsteher der Abtheilung II,
Bauinspector P. Boettger, Professor Brandt, Regierungs-Bau¬
meister Donath, Regierungs- und Baurath Ehlert, Geheimer Berg¬
rath Gebauer, Professor Hörmann, Eegierungs- und Baurath
Housselle, Baurath Professor Kühn, Professoren Meyer, Müller-
Breslau, Ri edler und Dr. Slaby, Geheimer Bergrath Dr. Wedding,
Eegierungs- und Baurath Werner, Geheimer Baurath Wiehert,
Professor Wolff, Regierungs- und Baurath Reimann, Baurath
Hofsfeld, Marine -Bauräthe van Hüllen, Jäger und Afsmann,
Marine-Maschinenbau-Ingenieur S tr a ngm ej' e r.
b. technisches Prüfungs-Amt in Hannover.
Eisenbahn-Directions-Präsident Thielen, Vorsitzender,
Ober-Bau- und Geheimer Regierungsrath Durlach, Vorsteher
beider Abtheilungen,
Geheimer Baurath Buhse, Geheime Regieruugsräthe Professoren
Dr. Rühlmann und Hase, Professoren Keck, Ulrich und Eiehn,
Baurath Professor Köhler, Professoren Dr. Kiepert, Dr. Jordan,
Dr. Rodenberg, Arnold, Dr. Kayser, Hermann Fischer und
Frank, Baurath Professor Debo, Professor Frese, Eegierungs-
und Baurath v. Rutkowski, Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector
Schwering, Eisenbahn-Bauinspector v. Borries.
c. technisches Prüfungs-Amt in Aachen.
Eegierungs -Präsident v. Hoffmann, Vorsitzender,
Geheimer Baurath Kruse, Vorsteher beider Abtheilungeu,
Professoren Herrmann und Dr. Holzapfel, Geheimer Regie¬
rungsrath Professor Dr. Ritter, Professoren Dr. W. Stahl und
Werner, Geheimer Eegierungsrath Professor Dr. Wüllner, Pro¬
fessoren Dr. Jürgens und v. Gizycki, Baurath Professor Dr.
Heinzerling, Professor Schupmann.
Personal - N achrichten.
Preufsen.
Versetzt sind: die Eisenbahn -Maschineninspectoren Brosius,
bisher in Kattowitz, als erster Vorstand der Hauptwerkstätte O./S.
nach Breslau, Klopsch, bisher in Glogau, als ständiger Hülfsarbeiter
an das Königliche Eisenbahn -Betriebs -Amt in Kattowitz und
Schiwon, bisher in Breslau, als ständiger Hülfsarbeiter an das
Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Glogau.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister Ernst Bräue 1
in Berlin ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst er-
theilt worden.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den Maschineningenieur 1. Klasse Jakob Mertz bei der General-
direction der Grofsherzoglichen Staatseisenbahnen zum Maschinen¬
inspector daselbst, den Hochbau- Assistenten Felizian Frombold von
Krautheim zum Bahnarchitekten I. Klasse und den technischen
Assistenten Josef Ignaz Klute von Wewer bei Paderborn zum
Maschineningenieur I. Klasse zu ernennen.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Kedacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die makedonischen
Verschiedene politische Zeitungen brachten im April 1887*) zuerst
die Nachricht von einer in Sai'da — auf dem Boden der alten
Phönikerstadt Sidon (letztere lag 1/2 Stunde östlich vom heutigen
Sai'da) — gemachten, hochwichtigen archäologischen Entdeckung
von ungeheuerem Werthe. Der Zufall führte sie herbei. Ein Mann,
Hadji Scherifif Effendi, liefs auf seinem Grundstück für ein Bauwerk
Steine aus der Tiefe brechen, und da er weit hinab mufste, so hatte
er den Gedanken, diesen Umstand für sich weiter auszunutzen und
an der Stelle einen Brunnen zu graben. Dabei stiefs er auf einen
quadratischen, offenen Raum von 3,80 m Seitenlänge und etwa 12 m
Tiefe, dessen vier Wände mit Zugangsöffnungen versehen waren,
welche zu mehreren, künstlich aus dem weichen Kalksteinfelsen
herausgearbeiteten Grabkammern führten. Die vier Wände sind
genau nach Süd-Norden' und nach Ost-Westen gezogen. Im Verlaufe
*) Eine Mittheilung über die Funde im allgemeinen, wobei auch
auf die ans Tageslicht geförderten phönikischen Sarkophage hinge¬
wiesen ist, und die einige interessante Angaben über das Museum
in Constantinopel enthält, brachte der f Baudirector H. Sarrazin in
Constantinopel im Jahrgang 1887 des Centralblattes der Bauverwaltung,
Seite 299.
Königssarkophage.
der von dem Director des kaiserlichen Museums in Constantinopel
Hamdi Bey, systematisch betriebenen Untersuchungen wurde fest¬
gestellt, dafs man es mit einer Gräberstätte zu thun habe, welche in
sieben Kammern 17 Sarkophage barg (vgl. Revue arch4ologique
Tome X, Serie III und Tome XI, Troisi4me Serie. 1888 und auch
The american Journal of archaeology. Baltimore 1887. Seite 97.
Letter from Sidon, Phönicia). Die Gräber lagen am Pufse eines
Hügels, und da die Sarkophage zu schwer zu einer Beförderung in
die Höhe waren, so liefs Hamdi einen 15 m langen Tunnel nach der
Sohle der Grabkammern führen und förderte so den Inhalt der
Gräber ans Tageslicht. Von den 17 Sarkophagen waren zwei der
menschlichen Gestalt nachgebildet und aus weifsem Marmor gehauen,
während die anderen, mit Ausnahme eines einzigen, der aus schwärz¬
lichem Marmor gemeifselt war, gleichfalls aus weifsem Marmor, Er¬
zeugnisse griechischer Kunst waren. Phöniker und Griechen waren
hier nebeneinander gebettet und, der Kostbarkeit des Materials und
der Art der Arbeit nach zu urtheilen, Träger der höchsten Staats¬
würden.**) Durch eine kaiserliche Irade wurde der Eigenthümer des
**) Z. B. gehörte ein Sarkophag nach der Inschrift dem phöni¬
kischen Könige Tabnid (siebentes Jahrhundert vor Chr.) an.
IG. August 18G0.
330 Centralblatt der Bauverwaltung.
Grundstückes, der genannte Hadji Scheriff Effendi, für sein Gelände
und die Funde mit 1500 türkischen Pfunden und mit dem Medjidie-
Orden TV. Klasse entschädigt. Zugleich aber wurden weitere
2500 türk. Pfund bewilligt, um in Constautinopel an das Museum
von Tschinly Kiosk einen Saal anzubauen, in welchem die Sarkophage
ihre Aufstellung finden sollten. Der Saal ist zur Zeit unter Dach,
und ein Theil der Sarkophage darin aufgestellt, von Infanteriedoppel¬
posten sorgfältig bewacht, die jedem den Zutritt wehren, bis der
Bau in allen seinen Theilen vollendet, bis die Ausbesseruugsarbeiten
au den Fundgegenständen fertig und die Stoff- und Bretterhülle von
den sorgfältig verwahrten Sarkophagen gefallen sein wird. Im näch¬
sten Jahre ist dies vielleicht der Fall. Aber auch heute schon ist
es dem einen oder andern möglich, auf Grund guter Empfehlungen
und der freundlichen Gewährung Hamdi Beys die Schätze zu sehen
und zu bewundern, und auch dem Verfasser dieser Zeilen war dies
durch die Liebenswürdigkeit der Herren Dr. Humann und Prof. Dr.
V. Duhu sowie durch die Begleitung der Herrn Georges Perrot und
Ferry gestattet.
Nach den augezogenen Fundberichten bestanden die Sarkophage
je aus einem einzigen, ausgehöhlten Marmorblocke, der den Leichnam
umschlofs, und aus einem gleichfalls aus einem Stücke gearbeiteten
Deckel. Einzelne waren an den Aufsenflächen mit Bildwerken be¬
deckt, andere zeigten glatte Umwandungen. Hervorgehoben werden
besonders vier Stücke von unvergleichlicher Schönheit, welche aus
der hellenistischen Kunstepoche, stammen.
1. Einer derselben, nur auf einer der vordem Langseiten mit
Bildwerk bedeckt, zeigt auf einem Thronsessel sitzend einen grofs-
bärtigcn Mann mit hohem Kopfputz und einem Scepter in der Hand.
Eine Frau, der zwei Männer mit zwei Pferden folgen, streckt beide
Arme nach ihm aus.
2. Ein zweiter (2,30 m lang, 1,20 m breit und l,.30m hoch) hat
auf einer Langseite fünf galoppirende Reiter, die einen Eber verfolgen,
auf der anderen zweimal zwei Frauen, die hinter je vier Pferden
laufen, während auf den Schmalseiten Centauren mit einem Wind¬
spiel und einem nackten, beschildeten Mann dargestellt sind. Der
1,40 m hohe Deckel, nach Art der lykischen Sarkophage spitzbogen¬
förmig gestaltet, weist im Giebelfelde Sphinxe auf.
3. Ein dritter (2,60 m lang, 1,31 m breit und 1,28 m hoch) zeigt
zwischen jonischen Säulen und Anten 18 klagende Frauengestalten,
die 6 cm vom Grunde erhaben gearbeitet sind. Auf den senkrechten
Flächen der Langseiten des 0,45 m hohen Deckels ist ein Leichenzug:
von Männern geführte Pferde, ein von vier Pferden gezogener Karren
mit massiven Rädern, der einen Sarkophag trägt, aufs feinste aus-
gemeifselt, während die gieb eiförmigen Schmalseiten mit sieben
Figürchen ausgefüllt sind. Die Oberfläche des Deckels ahmt die
antike Dachdeckung in schönster Weise nach.
4. Ein vierter, 3,20 m lang, 1,70 m breit und 1,30 m hoch, mit
0,70 m hohem Deckel, dessen eine Laugseite gelitten hat, aber gut
wiederhergestellt ist, weist auf dieser die Darstellung eines Kampfes
auf, an dem sechs Männer zu Pferd und fünf zu Fufs betheiligtjsind
während das Schlachtfeld fünf Todte bedecken. Die Schlacht löst
sich, wie bei dem hellenistischen Amazonensarkophag in Wien, in
Zweikämpfen auf; ein Theil der Kämpfenden ist ganz nackt, bartlos
mit gescheiteltem Haar dargestellt, Helme, Lanzen und Schilde tra¬
gend, der andere Theil, ganz bekleidet, ist in eine Art von Blousen
gehüllt. Die eine Schmalseite zeigt die Fortsetzung des Kampfes
mit fünf Fufsgängern und einem Reiter. Die zweite Langseite be¬
deckt eine Jagdscene, bei der drei Reiter und fünf Fufsgänger mit
drei Hunden auf einen Löwen und einen Hirsch jagen. Die zweite
Schmalseite zeigt die Fortsetzung der Jagd mit einem Reiter, vier
Fufsgängern. einer Hyäne und einem Jagdhund. Die Jäger sind
bewaffnet mit Lanzen, Beilen und Pfeilen. Auf der einen Giebelseite
des Deckels ist durch kleine Figürchen ein Kampf zwichen sechs
Fufsgängern und auf der andern von fünf Fufsgängern und einem
Reiter dargestellt. Auf den vier Giebelecken sitzen ebensoviel
Löwen. Eine Arabeske von Weinranken umgiebt den Deckel. An
den figürlichen Darstellungen befinden sich einige Zeichnungen in
verschiedenen matten Farben. Beinahe alle Sarkophage sind in alter
Zeit schon ausgeraubt worden.
Soviel giebt ungefähr der angezogene Bericht der Revue archeolog.
über die hervorragendsten griechischen Arbeiten, und nur diese
wollen wir einer näheren Betrachtung unterziehen, während für die
anderen auf den französischen Bericht verwiesen wird. Zu 2. mufs
ich auf Grund des erwähnten Augenscheines ergänzend bemerken,
dafs die Bogendreiecksfelder an den Stirnseiten des lykischen
Sarkophagdeckels durch eine Scheitellinie in zwei Felder getheilt
sind, die einerseits mit Greifen, anderseits mit Sphinxen mit aufge¬
schlagenen Flügeln, in nicht zu hohem Relief, eng in den Rahmen
gezwängt, ausgefüllt sind. Die Bildhauerarbeit ist eine vollendete,
der Grund, von dem sich die genannten Gestalten abheben, ist azur¬
blau mit deckender Farbe gefärbt, und diese vollkommen gut er¬
halten. Bei genauer Durchforschung dürften sich wohl weitere
Farb-Spuren oder -Reste feststellen lassen. Von geradezu ergreifen¬
der Schönheit, von hohem Ernst bei wunderbarer Erfindung und
Ausführung ist der Sarkophag mit den klagenden Frauen, der
übrigens keine Spur von Farbe trägt. Die Ecken, in denen die vier
Wandungen des Untertheils zusammenlaufen, sind durch jonische
Anten ausgezeichnet, zwischen welchen auf den Langseiten fünf, auf
den Schmalseiten zwei jonische Ilalbsäulen stehen, von der sorg¬
fältigsten Ausführung. Trotz des verhältnifsmäfsig kleinen Mafs-
stabes ist keine Perle, kein Echinoslaub, kein Volutenrand, keine
Cannelirung vergessen und alles so geschickt, leicht und flüssig ge¬
arbeitet, bei so vornehmen, edlen Verhältnissen der Säulen, dafs
nichts kleinlich oder mühevoll hergestellt erscheint. Zwischen die
Säulen stellen sich, wenig über den Grund der Wände vortretend,
bis zu einem Drittel der Säulenhöhe geführte, glatte Schranken, vor
denen die (,2x6)-)- (2 X 3) = 18 weibliche Gewandfiguren zwischen
den Säulen aufgestellt sind. Keine Stellung, keine Gebärde wieder¬
holt sich, in jeder Figur ein anderes, interessantes Motiv. Mit
herab wallendem Schleier, gesenktem Haupte, mit verschlungenen
Händen, den tiefsten Ausdruck der Wehmuth und des Schmerzes im
Antlitz steht eine Figur da, — das Vorbild einer Mater dolorosa
der Renaissancekunst. iVIan glaubt vor einem Werke der italieni¬
schen Frührenaissance zu stehen, so streng, so keusch und religiös
ist das Figürchen empfunden. Bei zwei anderen weifsen Marmor-
sarkophagen, die kein Bildwerk auf den Wandflächen zeigen, ist die
antike Dachdeckung mit bewunderungswürdiger Richtigkeit nach¬
geahmt. Hier fehlt keine Giebelblume, kein Stirnziegel, keine Ueber-
fälzung der Ziegel ist ausgelassen, die Firstziegel tragen Palmetten,
die Wasserspeier an der Sima sind durchbohrt; die Deckel sind die
kostbarsten Modelle des griechischen Marmordaches. Bei andern
ist im Giebelfeld des Daches ein Reiter mit steigendem Pferde, oder
es sind Blätter- und Blüthenverzierungen mit runden, gewundenen,
geriefelten Ranken, wie an der Sima des Leonidaeon in Olymj^ia
oder an der Sima der Tholos in Epidauros, angebracht. Ueberall
die Anmuth und Schönheit der griechischen Formen bei hoher Voll¬
endung der Ausführung. Der reichste unter den Sarkophagen gehört
der Gattung an, die in Griechenland erst gegen das Ende des 4. vor¬
christlichen .lahrhunderts aufkommt, bei der die äufseren Wandungen
mit Figurenreliefs — Kampfes- oder Jagdscenen — geschmückt sind,
wie dies der als ältestes Beispiel dieser Art genannte Amazonen¬
sarkophag in Wien aufweist.
Was uns aber den Sidonischen besonders hoch über alle be¬
kannten stellt, das ist sein architektonischer Aufbau, der edler und
charakteristischer nicht gedacht werden kann. Den Sockel bildet
eine glatte Plinthe, über der sich ähnlich wie bei den Wänden des
Erechtheions eine Gliederung herumzieht, bestehend aus Rundstab,
Einziehung zwischen zwei Plättchen, kleinerem Rundstab und darüber
verkehrtem lesbischen Kyma mit Perlstab, Plättchen und Ablauf.
Die Gliederungen sind mit Flechtwerk, Herzlaub und Perlen aufs
reichste geziert und bilden eine prächtige Basis für die mit Figuren
geschmückten Wände. Die 52 cm hohen Figuren sind hoch erhaben
gearbeitet, sodafs Füfse und Arme bei einzelnen vollständig tVei aus
dem Grunde herausragen. Die Composition der Vorderwand erinnert
in vielem an das berühmte Mosaikbild der Alexanderschlacht in
Neapel. Links vom Beschauer stürmt, hoch zu Rofs, Alexander mit
fliegendem Mantel und eingelegter Lanze auf die in Verwirrung ge-
ratheneu Perser ein, während auf der rechten Seite ein makedoni¬
scher General (Perdikkas?) mit Sturmhaube auf dem Haupte und
fliegendem Mantel, aber in weniger bewegter Haltung in das Kampf¬
gewühl sprengt. Alexander, mit der Kopfbedeckung, wie sie auf
seinen Münzen zu sehen ist, angethan, blickt muthig und kampflustig,
während die Gesichtszüge des Perdikkas ernst und finster — an die
des Coleonlstandbildes in Venedig erinnernd — dreinschauen. Wunder¬
bar bewegt ist der Entwurf, wunderbar das Einzelne ausgeführt:
Schmerz, Zorn, Todeszucken ist merkwürdig in den Gesichtern aus¬
gesprochen, die Körper der Fufskämpfer, von denen einer dem
Niedergeworfeuen das Messer in den Hals stöfst, sind vortrefflich
modellirt. Die hoch sich auf bäumenden Rosse sind von einer Wahr¬
heit und Lebendigkeit, die an einen Meister wie Lionardo erinnern.
Der Kampf setzt sich auf der einen Schmalseite in der gleichen,
packenden Weise fort; die andere Lang- und Schmalseite sind mit
ebenso schönen als lebendig geordneten Jagdscenen in gleich
vollendeter Ausführung geschmückt.
Den Figurenfries schliefst ein Gesims ab, das aus einer stärkern
Hängeplatte, deren Vorderfläche mit erhaben ausgeführtem Mäander¬
schema geschmückt ist, und aus einem mit Blättern gezierten Echiuos
mit Perlstab besteht. Diese einfachen, edlen architektonischen Glie¬
derungen, welche das wilde Gewoge des Kampfes und der Jagd
umrahmen, tragen in ihrer Geschlossenheit und Ruhe nicht wenig
dazu bei, die Figurencompositiou noch bewegter erscheinen zu lassen.
Auf diesem Unterbau erhebt sich der mächtige Deckel, dessen senk-
Nr. 33.
Centralblatt der Bauverwaltun<r.
.331
rechte Gliederungen sich genau an die des Abschlufsgesimses des
Sarges anschliefsen und aus einem niedrigen Architrav mit Karnies
und gezogener Hohlkehle, einem mit Weinranken (Trauben und
Rebblättern) gezierten Friese darüber und einem jonischen Zahn-
schnittgeisson mit Sima bestehen. Die letztere ist abwechselnd
mit Widderköpfchen und weiblichen Köpfchen mit strahlenartig ge¬
ordnetem Haar besetzt. Auf den Giebelecken sind vier liegende
Löwen angebracht, während die Giebelfelder kämpfende Figürchen
schmücken, die wohl etwas klein im Mafsstabe ausgefallen sind. Bei
dem vorderen erscheint
ein vornehmer Mann
von Soldaten zu Boden
geworfen , welche auf
ihn eindringen.
Zieht schon diese
Arbeit allein, in dem
herrlichsten, feinkörni¬
gen weifsen Marmor
ausgeführt , mächtig
an , so fesselt uns
weiter noch die Farbe,
welche, zum grofsen
Theil recht wohl erhal¬
ten , die Bildwerke
deckt. Helme und
Waffen der Krieger
sind zum Theil ver¬
goldet, die Mäntel des
Alexander und Per-
dikkas violett-purpur¬
farben, die Haare
blond, die Augen und
Lippen aufs sorgfäl¬
tigste und wundervoll
gemalt, die Zügel und
Gebisse der Pferde,
Pfeile, die im Fleische
der Thiere stecken,
waren nach den Spuren
und Kesten in Bronce
gearbeitet und aufge¬
heftet, die Weinranken
des Frieses heben sich
golden auf violett-pur¬
purnem Grunde ab,
die kleinen Figürchen
des Giebels entbehren
gleichfalls der Farbe
nicht. Beim Nackten
— den Körpern und
Gesichtern — der Fi¬
guren ist der Marmor
aufs feinste geglättet
und aufserdem mit
einer farblosen Wachs¬
politur versehen wor¬
den. Das Nackte wirkt
so im Schimmer der
übrigen Farben in ' ■
einem milden , nicht
mehr weifs wirkenden
Glanze, wie ihn die
menschliche Haut in
Wirklichkeit zeigt.
Ich möchte daher den
von Treu neulich in den Jahrbüchern des deutschen archäolog. In¬
stitutes (Band IV. 1889) ausgesprochenen Satz: „Eine Tönung des
Nackten durch blofses Wachs aber halte ich für ausgeschlossen“ nicht
unterschreiben, abgesehen davon, dafs ich den süfsen oder zu stark
rosa gefärbten Fleischton, der so vielen antiken Bildwerken angedichtet
wird, nicht gerade für eine glückliche Beigabe erachte, und dafs ver¬
schiedene Künstler ihre Werke in Bezug auf die Polychromie ver¬
schieden behandelt haben können und manches eine spätere Zuthat
sein kann. Die farbigen Figuren heben sich vom weifsen Grunde
ab und treten so in ihrer feinen Färbung vornehm und nicht bunt
in die Erscheinung. Ein gutes und zugleich prächtig wirkendes
Gegengewicht erhalten die Farben der Figuren durch das gold¬
violette, breite Friesband des Deckels und durch die Licht- und
Schattenwirkungen des reich skulptirten Sockels, der wie ein Grau
in Grau gemaltes Ornament wirkt.
Wir alle waren von der eigenthümlichen Schönheit und Erhaben¬
heit und dieser völlig neuen Leistung griechischer Kunst wie gebannt,
und der Zauber wird auch andere umfangen, denen es mit der Zeit
vergönnt sein wird, diese Herrlichkeiten zu sehen und zu prüfen, und
denen mehr als nur eine kurze Stunde zugewiesen ist, um sich in
diese Gebilde antiker Kunst mit Mufse vertiefen zu können.
Als die Sarkophage in Constantinopel eintrafen, wurden sie
von dem deutschen Botschafter Herrn von Radowitz, den Herren
Dr. Mordtmann und Carabella besichtigt und geprüft (vgl. lieoue
archeolog. Tome XI 1888). Anfänglich glaubten diese Herren, man
habe es mit dem Sar¬
kophage eines der
Generale Alexanders,
vielleicht desPerdikkas,
zu thun, da das eine
Giebelfeld die Ermor¬
dung eines Feldherrn
durch seine Soldaten
als Deutung zuläfst,
und weil man sich er¬
innerte, dafs Alexander
in Alexandrien beige¬
setzt worden sei. Cara¬
bella aber machte da¬
gegen geltend, dafs der
Charakter der Arbeit,
deren ausgezeichnete
Schönheit und der Um¬
stand, dafs der Sar¬
kophag an der Seite
desjenigen eines phö-
nikischen Königs auf¬
gestellt war, der ein
Freund Alexanders
gewesen, nur auf den
Sarkophag Alexanders
schliefsen lasse. Er
erblickt in den Reliefs
die Eroberung und
Pacificirung Asiens,
die Verschmelzung
von Griechen und Per¬
sern. Eine von ihm
angeführte Inschrift
auf dem Sarge wird
von Hamdi-Bey als
unerwiesen bezeichnet.
Der französische Cor-
y respondent der Revue
' — findet die Erklärung
Carabellas wenig
glaubwürdig, und auch
von anderer Seite ist
sie schon bestritten
worden. Ich möchte
hier auf ein Zeugnifs
Strabos aufmerksam
machen, welches lautet
(Seite 794): „Ein an¬
derer Theil der Königs¬
gebäude ist das sog.
Soma, eine Umfassung,
. , . ■ innerhalb welcher die
Grabgrüfte der Könige
^ und des Alexandros sind
. . . Alexandros Leich¬
nam aber brachte Ptolemaios nach Alexandreia und bestattete ihn da, wo
er noch jetzt liegt, jedoch nicht in demselben Sarge; denn der
jetzige ist gläsern, jener aber legte ihn in einen goldenen. Diesen
raubte Ptolemaios (mit dem Beinamen Kokkes und Pareisaktos),
welcher aus Syrien hinkam, aber bald vertrieben wurde, sodafs
der Raub ihm nutzlos blieb.“ — Das Verschleppen der Originalhülle
nach Syrien ist also wahrscheinlich, wahrscheinlich ist auch, dafs
der Goldsarg nicht die äufserste Hülle bildete, sondern dafs dieser
nochmals von einer im Materiale minder kostbaren verdeckt wurde.
Dafs die Ptolemaeer den Körper haben wollten und zu haben
glaubten, weifs man. In ihrer Familiengruft wurde er gezeigt, z. B.
dem Augustus und anderen Kaisern. Anfangs war der Körper mit
allen Ehren zu Memphis beigesetzt und ist von Ptolemaios Phila-
delphus nach Alexandrien erst verbracht worden. Man wird also die
Eiferer für den Sarg Alexanders nicht so hart verurtheilen dürfen,
wie es vielfach, oft in wenig höflicher Form, geschehen ist, und mau
Oentralblatt der Bauverw'altiing-,
16. August 18D0.
wird wohl daran thun, bei Untersuchungen über den Gegenstand die
Leiche und deren verschiedene Hüllen auseinander zu halten. Im
grofsen und ganzen kann es für den Künstler gleichgiltig sein, ob
Alexander in dieser wunderbaren Marinorhülle wirklich gelegen hat
oder nicht — seiner würdig war sie sicher.
Schliefslich sei noch erwähnt, dafs auch den geübten griechischen
Künstlern etwas Menschliches passiren konnte, indem z. B. der
Vorderfufs des Pferdes Alexanders mittels eines Eisenstiftes (nicht
Bronce) angestückelt war.
Eine Zeichnung nach der Aufnahme IIamdi-Be3’s über die Nekro¬
pole in Sidon, welche die Einrichtung derselben in einem Grund-
plane und einem senkrechten Schnitte zeigt, ist in der Abbildung
dargestellt. Bemerkenswerth auf dieser ist der Grabverschlufs einer
Kammer der später aufgedeckten Gräber mit einem einzigen Quader¬
steine von 3,42 m Länge, 1,70 m Breite und 1,60 m Höhe (9,3 cbmj,
dessen hufeisenförmige Aufzugs- und Ablafsvorrichtungen an die¬
jenigen der Werkstücke des Riesentempels in Girgenti erinnern.
Auch dieser 91/2 cbm messende Stein genügte nicht, um dem Todten
seine Ruhe zu sichern.
Karlsruhe, den 23. Juli 1890. Dr. Josef Durin.
Die Bauten der nationalen Ausstellung von 1891 in Palermo
Ueber die für das kommende Jahr in Palermo geplante Ver¬
sammlung der italienischen Architekten und Ingenieure, zu der auch
fremde Techniker eiugeladen sind, ist in Nr. 1 dieses Jahrganges
von anderer Seite schon berichtet worden. Auch die dort für den
November 1891 vorberei¬
tete nationale Aus¬
stellung wurde in jener
Mittheilung bereits ei--
wähnt.
Wir lassen hier an
der Hand des uns vom
leitenden Architekten der
Ausstellungsbauten, Pro¬
fessors Ernesto Basile,
gütigst zur Verfügung ge¬
stellten Materials einige
Angaben über die be¬
reits begonnenen Baulich¬
keiten folgen, die gewifs
auch für den deutschen
Leserkreis von Interesse
sein werden.
Der an 130 OOO qin
fassende Bauplatz , er¬
weiterungsfähig bis auf
160 000 qm, liegt an der
porta Macqueda, zur
Linken der via della Li-
bertä. Die zuerst in An¬
griff genommenen, an der
Ecke zwischen via della
Libertä und der piazza
Gastelnuovo befindlichen
Hauptbauten schlie-
fsen den grofsen Fest-
saal mit Zubehör, den
Thurm und die Gale-
rieen für die Maschi¬
nenindustrie und Ma-
nufacturarb eit (Ge¬
webe, Möbel und Geräthe
usw.), im Plan mit III,
IV, V und VI bezeichnet,
in sich, in zwei Armen im
rechten Winkel ausein¬
andergehend und bei einer
Breitenausdehnung von
80,5 m (ohne Vorsprünge
gemessen) und einer
Länge von über 258 m
nach der via Libertä zu
einen Flächenraum von
26 297 qm bedeckend. Sie
reden die Pormensprache
normannisch - sicilischer
Architektur (vgl. Ab-b. 1).
Der zwischen Thürme und
Halbkreisgalerieen einge¬
schlossene Haupteingang
führt auf das Vestibüle und durch einen weiteren Vorraum auf
den quadratischen (24 m), zur Abhaltung von Festen bestimmten
Kuppelsaal, der sich durch drei ausgebaute, ihrerseits durch Halb¬
kuppeln geschlossene Nischen bei einer Gröfstbreite von über 44 m
und einer Gesamtlängenausdehnung von über 45 m zu einem Flächen¬
raum von 1165 qm erweitert. In einer Höhe von 4,75 m über Fufs-
boden laufen Galerieen um den Saal, durch Treppen zu Seiten des
Vestibules und im Rücken zugänglich. Hinter dem Saale baut sich
der in der Form achteckige Thurm (12 m Durchmesser) bis zu einer
Höhe von 50 m auf. Die Seitenarme des Baues fassen in sich nach
der Längsrichtung je acht Galerieen von abwechselnd 13 und 7 m
Breite und quer hindiu'chgehend und in Uebereinstimmung mit den
die Front gliedernden Vorbauten solche dreifache Galerieen mit einer
Mittelschift’breite von 13m
und einer Seitenschiff¬
breite von 7 m.
Zur Construction
werden fast ausschliefs-
lich Holz und Eisen ver¬
wandt, als Deckmaterial
Dachpappe und flache
Dachziegel; die Wände
werden innen und aufsen
(hier doppelt) mit Rohr¬
geflecht oder Matten
(stuoje) bekleidet, die
einen Bewurf erhalten,
um den Eindruck des
Massiven, Gemauerten zu
erzielen. Im Innern wer
den die Wände bemalt,
die Decken der Galerieen
usw. mit bemalter Leine¬
wand bespannt. Die
Fufsböden werden in Ge¬
ment oder in Holztafeln
hergestellt.
Die Kosten sind für
diesen, mit III, IV, V und
VI bezeichneten Hauptbau
mit rund 521 000 Lire
angenommen, wobei auf
den Bau des Festsaales
mit den Trej^pen und den
in zwei Stockwerken um¬
laufenden Galerieen, dem
Vestibüle, den Vorhallen
und Vorbauten 171 080
Lire, für den Thurm 30 000
Lire und für die Galerieen
(Industrie meccaniche e
manifatturiere) 313 170
Lire, für die Wasserab¬
leitung 6700 Lire entfallen,
was bei dem Festsaal
einem Satz von 40 Lire,
bei den Galeriebauten
einem solchen von nicht
ganz 14 V2 Lire für das
Quadratmeter gleich¬
kommt. Als Lohnsätze
gelten für den Erdarbeiter
auf den Arbeitstag 2,60
Lire, für den Maurer
3 Lire, dasselbe für den
Tischler, 3,50 für den
Zimmermann , 3 Lire
für den Schmied, 3,20
für den Anstreicher, 2 Lire für den Handlanger und 1,20 Lire
für den Burschen, 4 Lire für den Oberaufseher und 5 Lire für den
Karren (Vs cbm) zu einem Pferd mit Führer. Kiessand aus dem
Flufs oder der Grube wird für das Cubikmeter mit 4,50 Lire bezahlt,
Mörtel von Kalk, Sand und Pozzolane im Verhältnifs von 40 zu 20
zu 40 das Cubikmeter mit 14 Lire, Gips in Pulver für das MAuäa-
gramm 32 ceutesimi. Gement desgleichen 60 cent., Holztafeln (von Triest)
für das Cubikmeter 60 Lire, Balkenholz von ebendort (pino abete)
das Cubikmeter mit 50 Lire und Lärchenholz mit 65 Lire. Die
Abb. 1. Hauptbau an der Ecke (Festsaal).
Abb. 2.
I Mascliiiieugalerie. II Treppeuaufgiiiige. III Mascliiiieubau. IV Festsaal. V Tcxtilkuust VI Möbel
und Gcrätlie. VII Graph. Künste. VII! Keramik (Glas). IX Präsidentschaft. X Erziehung und Unter¬
richt. XI Schöne Künste. XII Freie Künste. XIII Bergwerk- und Eiseuindustrie. XIV Chemische Er¬
zeugnisse. XV Nahrungsmittel. XVI Transportmittel. XVII Elektricität. XVIII Königs -Pavillon.
XIX Pavillon der Stadt Palermo. XX Heer und Marine.
Kr. 33.
Oentralblatt der Bau Verwaltung.
333
Arbeiten müssen im grofsen und ganzen bis spätestens den 30. Juni
1891 vollendet sein, und der Unternehmer hat zwei Monate nacli dem
Schlufs der Ausstellung mit dem Wiederabbruch zu beginnen.
Von den sonstigen zur Ausführung gelangenden Bauten, deren
Anordnung aus dem Plan
ersichtlich ist, zeichnet sich
der in Eenaissanceformen
gehaltene, den schönen
Künsten geweihte und
gleich den übrigen vom
Ausstellungsarchitekten
Basile entworfene Palast
aus (Abb. 3). Wir bemer¬
ken zu dieser gewifs haupt¬
sächlich interessirenden
Abtheilung, dafs hier auch
fremde, in Italien dauernd
oder auch nur vorüber¬
gehend sefshafte Künstler
ausstellen können. Die
Abtheilung umfafst d i e
alte Kunst (Malerei,
Bildhauerei, Architektur,
Kunstkeramik , Möbel,
Juwelierwaren, Medaillen
und Münzen , gewirkte
Teppiche und Spitzen,
Waffen und Niello und
Arbeiten in Wachs), die
zeitgenössische Kunst (jede Art Malerei, Stiche, Lithogra-
phieen und Künstlerhandzeichnungen, figürliche und ornamentale
Bildhauerei in Marmor, Holz, Gips, Terracotta, Metall und in dritter
Klasse die Architektur in Entwürfen) und die Musik (Unterrichts¬
material, Litteratur darüber, Veröffentlichungen und musicalische
Instrumente). — Hauptzweck der „Retrospectiv-Ausstellung“ der alten
Kunst ist, die reichen Kunstschätze Siciliens vorzuführen, die sich in
den einzelnen Gemeinden,
Genossenschaften, Kirchen
und bei Privaten befinden,
und man giebt sich der
Hoffnung einer grofsen Be-
theiligungund eines beson¬
deren Anziehungspunktes
für gerade diese Abthei¬
lung hin.
Wie die Eröffnung
der Ausstellung auf den
1. November 1891, so ist
der Schlufs vorläufig auf
den 31. Mai 1892 festge¬
setzt, doch hat sich der
Ausstellungsausschufs das
Recht einer Verlängerung
Vorbehalten. Wir er¬
innern auch nochmals
daran, dafs für den
Architektentag, für den
ein sicherer Zeitpunkt bis
jetzt noch nicht fest¬
gesetzt ist, auch ein
Ausflug zu den bedeut¬
samsten Punkten und antiken Denkmälern der Insel geplant ist, und
dafs man sich die Theilnahme am Architektentage durch eine einmalige
Beitragsleistung von 12 Mark sichert. Friedrich Otto Schulze.
0 S 10 20 30'"
! . . . . !
Abb. 3. Palast der schönen Künste.
Die Bauausführung der zweiten Weichselbrücke bei Dirschau.
(Fortsetzung.)
3. Der eiserne Ueberbau (Abb. 5—7).
Die Träger sind für jede Oeffnung getrennt und in Fisch¬
bauchform mit symmetrischer Krümmung der oberen und unteren
Gurtung angeordnet. Die tragenden Querträger für die Fahrbahn sind
mit senkrechten Hängestäben (4 Winkeleisen) an den 18 freien Knoten¬
punkten des Untergurts aufgehängt, und zwar in gleichen, wagerechten
Abständen von 7 m. Die Achse der unteren Gurtung liegt in der
Mitte etwa 1,3 m, am Auflager etwa 8,6 m über der Fahrbahn. Die
Höhe der Träger beträgt in der Mitte 18, am Auflager 3,36 m
zwischen den Gurtungs-Achsen.
Beide Gurtungen haben den Querschnitt zweier nebeneinander
liegenden Kreuze von je 0,5 m Breite und 0,9 m Höhe und gestatten
somit die Anbringung der
Diagonalstäbe und Hänge¬
stangen in zweckmäfsiger
und einfacher Weise unter
Vermeidung aller Kröpfun¬
gen. Jedes der beiden
Kreuze besteht aus 4 Win¬
keleisen und mehrfach zu¬
sammengelegten Platten. Die
Tragwände zwischen den
Gurtungen sind — wie u. a.
bei der Riesaer und Tilsiter
Brücke — ohne alle senk¬
rechten Glieder lediglich
durch Schrägstäbe hergestellt, welche demnach auf Zug und
Druck beansprucht werden. Dieselben bilden ein zweifaches System,
schneiden sich also in der wagerechten Mittellinie des ganzen Trägers
und sind daselbst durch ein wagerechtes Band verbunden, sodafs
diese Mittellinie der Gesamtform auch äufserlich zur Erscheinung
kommt. Die gröfste Länge der Diagonalen beträgt 9,66 m.
Die Unterkante der Eisentheile liegt auf 15,6, die Fahrbahn
(S. 0.) in gleicher Höhe mit der bestehenden Brücke auf 17,12 m über
N. N., mithin 6,26 m über dem höchsten, 13,8 m über dem niedrigsten
Wasserstande sowie im Mittel 10 m über dem Vorlande (s. Abb. 3 u. 4
auf S. 324 u. 325). Die obere Gurtung ragt in der Mitte der Oeffnung
(mit rund 37 m über N. N.) etwa um 9 m über diejenige der alten
Brücke empor. Diese Verschiedenheit in der Höhe und der Gesamt¬
form der Träger beider Brücken ist selbstverständlich für die An¬
sicht der Bauwerke von ober- oder unterhalb recht ungünstig. Das
konnte jedoch in diesem Falle kaum in Betracht kommen und jeden¬
falls keinen Grund abgeben, die nach dem gegenwärtigen Stand der
Wissenschaft als zweckmäfsiger erkannte Form durch eine weniger
geeignete zu ersetzen, denn zur Betrachtung beider Bauwerke ist
kaum Gelegenheit geboten. Der Schiffsverkehr auf der Weichsel be¬
schränkt sich in jener Gegend ausschliefslich auf Frachtgut und ist
auch in dieser Beschränkung recht ger>ng, und die schwach be¬
völkerten Ufer des Stromes sind zum Begehen, zumal der Westseite,
wenig einladend. Selbst die Einwohner des einzigen benachbarten
Ortes, der Landstadt Dirschau, dürften die Ufer der Weichsel wohl nur
wenig betreten.
Der Abstand der Mittelebenen der eisernen Tragwände (vergl.
Abb. 6a) mifst 9,5m, die Gurtungsbreite Im, demnach die Gesamt¬
breite des Eisen-Ueberbaues 10,5 und der freie Raum zwischen den
Gurtungen 8,5 m, sodafs
bei 3,5 m Geleisabstand
beiderseits der Geleis-Achsen
noch 2,5 m völlig freier Platz
bleibt, d. h. 0,5 m mehr als
das Normalprofil verlangt.
Diese Zugabe erscheint mit
Rücksicht auf den Verkehr
der Beamten und Arbeiter,
sowie auf die erforderlichen
Reinigungs-, Anstrich- und
sonstigen Unterhaltungsar¬
beiten jedenfalls sehr er¬
wünscht. Unterhalb des Un¬
tergurts verbreitert sich der freie Raum bis zu den Hängstangen,
welche die Fahrbahn tragen, um 0,5 und zwischen letzteren bis zu
den Geländern noch weiter auf im ganzen 10,1 m. Zwischen den
Obergurten der beiden Hauptträger, also oberhalb des freien Profils,
befinden sich Versteifungen als oberer Windverband.
Die an den Hauptträgern, wie oben bemerkt, aufgehängteu und
in 7 m Abstand befindlichen Querträger (Abb. 6a) sind 9,9 m lang,
an den Enden 0,724, in der Mitte 1,269 m hoch, aus vollem, 13 mm
starkem Blech gebildet und mit Gurtungen von je zwei Winkeleisen
und zwei Platten gesäumt. Die untere Begrenzung ist bis nahe den
Enden nach einem Kreisbogen von 14 m Halbmesser durchweg ge¬
krümmt. Vor die Enden dieser Querträger legt sich jederseits ein
„Randträger“ von 0,724 m Höhe, gleichfalls aus vollem Blech mit
Winkeleisen gebildet, welcher durch die ganze Oeffnung in gleichen
Abmessungen und ohne Unterbrechung durchgeht, an seinen Enden
auf den Pfeilern aufliegt und im übrigen an allen 18 Querträgern
befestigt ist. Gleich hohe Längsträger liegen dann noch zwischen den
334
Centralblatt der Bauverwaltung.
16. August 1890.
Randträgern unter jeder der vier Fabrschienen. Ueber diese sechs
Längs- oder „Schwellenträger" hinweg sind in Entfernungen von
0,7 m eiserne Quer schwellen gestreckt von 10,3 m Länge und
85 mm hohem, 300 mm breitem Vautherin-
Profil mit breiten, zur Befestigung auf
den Schwellenträgern geeigneten Fufs-
flanschen (Abb. 6b). Auf den Quer¬
schwellen sind die Schienen mittels
keiliger (Haarmanuscher) Hakenplatten
befestigt, sodafs die Schwellen ihre
gerade Gestalt unversehrt behalten. Der
übrige Flächeu’;aum ist mit 10 cm star¬
kem Bohlenbeleg bedeckt.
Ein oberer AVindverband liegt,
wie erwähnt, zwischen den oberen Gur¬
tungen der Hauptträger, ein zweiter in
3. der durch Biegung eintretenden Neigung der Schwellenträger-
Enden folgen und endlich
4. den Winddruck durch ein wagerechtes Anlager auf den
Pfeiler übertragen können.*)
Um die Wirksamkeit der beiden unteren Platten der Schwellen¬
träger Ni und S-i (die beiden inneren haben deren nur eine) zugleich
als Gurtungen des Windverbandes zu sichern, sind dieselben
durch entsprechende Ausschnitte der Querträgerwände hindurch¬
geführt. Diese Ausschnitte haben 250 mm wagerechte Breite und
26 mm Höhe, genau die Mafse der beiden Platten, und sind durch
beiderseits aufgelegte, ebenso ausgeschnittene Platten umsäumt.
Bemerkenswerth ist auch die Anordnung des Kreuzungspunktes
der beiden Diagonalen zweiter Ordnung mit dem Querträger, wie sie
aus den Zeichnungen hervorgeht. Hier ist der Querträger nicht
durchbrochen, vielmehr sind die Verbindungen durch kurze, ungleich¬
schenklige Winkeleisen vermittelt.
Abb. 6a. Halber Querschnitt.
der Ebene der Uuterkante der Schwellenträger (Abb. 7). Der letztere
bietet einige besonders anerkennenswerthe Eigentbümlichkeiten dar.
Als Gurtungen dieses wagerechten Windverbandes dienen nämlich die
Abb. 6 b.
Ansicht des Schwellenträgers.
Von besonderer Bedeutung ist die Anordnung der Auflager
der Hauptträger. Hier ist wohl zum ersten Mal neben der Be¬
weglichkeit in der Längeurichtung auch derjenigen in derQuer-
Abb. 7.
Abb. 8 a.
Abb. 8 b.
Grundrifs des Windverbandes.
Ansicht eines Strompfeilers.
unteren Gurtungen der äufseren Eand-Schwellenträger, aufserdem aber
auch diejenigen der beiden in 5 m Abstand unter den äufseren Schienen
liegenden Schwellenträger. So entsteht ein System erster und ein
solches zweiter Ordnung, welche innerhalb der beiden letztgenannten
Schwellenträger mit einander verbunden erscheinen, daselbst aber
durch zwischengelegte kürzere Diogonalen kenntlich werden.
Als Auflagerpunkte (in wagerechtem Sinne) dienen für beide
Systeme die Endpunkte jener beiden unter den äufseren Schienen
gelegenen Schwellenträger {Si und S2), wie dies aus der Zusammeu-
tührung der Diagonalen nach diesen Punkten im Grundrifs hervor¬
geht. Die Hauptdiagonalen erhalten innerhalb jener beiden Träger
(Si und Si) vereinigte Beanspruchung. Die A^ertheilung der Span¬
nungen auf die beiden Gurtungssysteme ist nach dem Verhältnifs
der bei der Durchbiegung eintretenden Längenänderungen vorge¬
nommen.
Die Auflager der bezeichueten beiden Schwellenträger
{Si und Si) sind so angeordnet, dafs sie
1. der Wärmeausdehnung in der Längenrichtung der Brücke,
2. derselben in der Querrichtung der Brücke,
richtung der Brücke in ausgiebigster Weise Rechnung getragen auf
Grund der Erwägung, dafs ohne solche Querbeweglichkeit bei einem
Trägerabstand von 9,5 m doch recht erhebliche Neben Spannungen
und Verbiegungen an den Enden der Brückenkörper durch Wärme¬
ausdehnung hervorgerufen werden können. Es ergiebt sich sonach
für jede Oeffnung:
1. ein festes Auflager,
2. ein Auflager nur mit Querbeweglichkeit (neben 1),
3. ein solches nur mit Längsbeweglichkeit,
4. ein solches mit Längs- und Querbeweglichkeit (neben 3).
Bei dem letzteren liegen thatsächlich unter dem Kipplager zwei
in ihren Richtungen sich rechtwinklig kreuzende Gruppen von Rollen¬
ausschnitten („Stelzen“) von je 300mm Höhe übereinander.
Die Auflager sind mit grofser Sorgfalt entworfen und hergestellt.
Die Stelzen sowie die eingelegten Bolzen der Kipplager von 120 mm
Durchmesser und die Keile darunter sind aus Kruppschem Tiegel-
gufsstahl, alle übrigen Haupttheile der Auflager, so auch die
*) Vgl. Centralbl. d. B.-V. 1889 S. 339.
h\ 33.
m
Centralblatt der Banverwaltung.
1,5 auf 1,3 m grofsen und 50 mm starken Grundplatten aus Martinform¬
stahl gebildet. Das Material der sechs Brückenkörj^er ist Schwcifs-
•eisen, nur zu einigen Theilen, welche erheblichen Formänderungen
vorzugsweise ausgesetzt sind (wie z. B. die Trageisen der Fahrbahn)
ist Martinflufseisen verwendet.
Das Gesamtgewicht der Eisentheile beträgt mit Einschlufs
der Auflager rund 6600 Tonnen, darunter etwa 300 t Flufseisen und
100 t Martin- und Tiegelformstahl, das giebt etwa 8,5 t auf das Meter
Stützweite. Das Gewicht der alten Brücke bei 6,6 m Breite und
einem Geleise beträgt (nach einer Angabe in R^ihas Ober- u. Unter¬
bau, S. 383) 11,716 t auf das Meter.
4. Die Pfeiler (Abb. 8 und 9).
Die fünf Mittelpfeiler (Abb. 8) zeigen in ihrem sichtbaren
Theil zunächst einen mit hellem schwedischen Granit verkleideten.
durch statische Gründe geboten war. Weil nämlich bei der Quer¬
beweglichkeit eines Auflagers der gesamte Winddruck (soweit er
aus dem oberen Windverbande herstammtj für die Hälfte der Oeff-
nung ausschliefslich an dem einen Auflagerpunkt in den Pfeiler
übergeht, so könnte die Mittelkraft aus senkrechtem und wage¬
rechtem Druck, sobald sie nach der Innenseite gerichtet ist, in den
freien Zwischenraum fallen oder doch diesem zu nahe kommen. Um
das zu verhüten, mufste eine Versteifung zwischen beiden Stütz¬
pfeilern geschaffen werden, sodafs eine theilweise Uebertragung des
Winddruckes auf den andern Stützpfeiler ermöglicht wird. Auf der
äufseren Seite, wo genügender Platz vorhanden ist, sind diese Stütz¬
pfeiler erheblich verstärkt, um der auch dorthin möglichen Ab¬
weichung des Auflagerdrucks gerecht zu werden.
Die beiden Landpfeiler (Abb. 9) umfassen die auch hier 8 m
breite und mit Flachbogen überspannte Durchfahrt mittels eines im
Abb. 9a. Ansicht eines Landpfeilers.
Abb. 9b. Schnitt durch einen Landpfeiler.
im Innern aus Ziegelmauerwerk be¬
stehenden Hauptkörper, welcher von
den Sockelabsätzen an mit Vis geböscht
ist und in einer Höhe von 12 m über
Eliedrigwasser 6 m stark und 18 m breit
ist, sich dann durch ein 1,8 m hohes
ausgekragtes Gesims auf 7,4 bezw.
19,8 m vergröfsert und in dieser Höhe
Ton 13,7 über Niedrigwasser (Ord. 16,94
+ N. N.) eine Plattform bildet. Auf
dieser erheben sich in 8 m Abstand die
Leiden Stützpfeiler, welche mit starken
Granitquadern (auf Ord. 23,97) die vier
Auflager des eisernen Unterbaues tragen.
Damit schliefst die Mauerung ab, so¬
dafs die (3,36 m hohen) Enden der
Hauptträger auf den Mittelpfeilern frei
sichtbar bleiben.
Der Zwischenraum von 8 m Breite
läfst freien Durchgang für die beiden
Geleise, während für die auf der
Brücke verkehrenden Beamten und
Arbeiter beiderseits Fufswege um die
Stützpfeiler herumleiten. Diese letzte¬
ren sind über dem zur Durchfahrt freien
Raume durch einen Flachbogen (von 1,5 m Pfeilhöhe) verbunden,
Twas nicht allein aus Schönheitsrücksichten erwünscht, sondern auch
ganzen 22 m breiten Thorbaues, welcher
im Anschlufs an die gothischen Formen
der alten Brückenpfeiler wahrschein¬
lich auch mit Zinnen bekrönt und in
seinem mittleren Theile sich bis 43 m
über N. N. (etwa 40 m über Niedrig¬
wasser) erheben wird. Derselbe ent¬
hält nach den vorliegenden Zeich¬
nungen einen 8 m weiten, 9 m hohen
Spitzbogen über dem bezeichneten
Flachbogen. Die architektonische Aus¬
gestaltung der Brückeneingänge ist
übrigens noch nicht endgültig festge¬
stellt. — Die verbindende Ufermauer
zwischen dem alten und neuen Land¬
pfeiler ist schon oben erwähnt. Bei
dem östlichen Landpfeiler wird jedoch
der Kern so hergestellt, dafs nach
Abbruch der Anschlufsmauern die Umge¬
staltung des Landpfeilers zu einem Mit¬
telpfeiler unschwer ausführbar bleibt.
Diese Möglichkeit ist vorgesehen wor¬
den für den Fall, dafs später be¬
schlossen werden sollte, das Hcchwasser
der Nogat ganz oder theilweise mit
durch die Weichsel abzuführen und zu diesem Zweck die Weichsel¬
brücke zu erweitern. (Fortsetzung folgt.)
Centralblatt der Bauverwaltung,
10. Au“iist 1890,
O O
000
Statistik der Eisenbahnen Deutschlands iin Betriebsjahre 1888 89.
Aus dem IX. Bande der „Statistik der im Betriebe befindlichen
Eisenbahnen Deutschlands für das Betriebsjahr 1888 89‘‘ und dem
VIII. Bande der „Uebersichtlichen Zusammenstellung der wichtigsten
Angaben der deutschen Eisenbahnstatistik für die Betriebsjahre 1887 88
und 1888 89", welche im Laufe des Monats März d. J. vom Keichs-
Eisenbahnamt der Oeffentlichkeit übergeben worden sind und eben¬
sowohl bezüglich der reichen Fülle des Inlialts als auch bezüglich
der Anordnung des Stoffes mit den vorangegangenen Ausgaben über¬
einstimmen, entuehmen wir im Anschlufs an unsere früheren Mit¬
theilungen — vergl. Centralblatt der Bauverwaltung 1889, Seite 110 —
nachstehende auszügliche Angaben über das Gesamtergebnifs ein¬
zelner Xachweisungen.
I. Eiseiihaliiieu für den ölfentlicdieu Verkehr mit Vollspur (IjBI.j m).
Die Länge*) der in obigen Werken vorzugsweise in Betracht
gezogenen vollspurigen Bahnen für den öffentlichen Verkehr hat im
Laufe des Berichtsjahres um 92(3 km (1110 km) zugenommen und
betrug am Schlüsse desselben 40 083 km. Eine wesentliche Ver¬
schiebung im Verhältnisse der Staats- und Privatbahnen ist gegen¬
über dem Vorjahre nicht eingetreten. Es entfallen nämlich von der
Gesamtlänge 35230 km oder 87,89 (87,83) pCt. auf die Staats¬
bahnen und auf Eechnung des Staates verwalteten Privat-
bahnen, 104 km oder 0,26 (0,24) pCt. auf die Privatbahnen
unter Staatsverwaltung und 4749 km oder 11,85 (11,93) pCt. auf
die l’rivatb ahnen unter eigener Verwaltung. Im Eigenthum
des preufsischen Staates finden wir 23 246 km oder, ebenso wie im
Vorjahre, nahezu 58 pCt. aller deutschen Bahnen, wärend von der
gesamten Länge der letzteren auf Preufsen 23 976 km , darunter
21 903 km Staatsbahnen, 58 km Privatbahnen unter Staatsverwaltung
und 2015 km Privatbahnen unter eigener Verwaltung, entfallen.
Preufsische Staatsbahnen liegen in allen deutschen Staatsgebieten
mit Ausnahme von Elsafs-Lothringen, Bayern, Württemberg, Baden,
Eeufs ältere Linie und Lübeck.
Nach der Art des Betriebs sind unterschieden 30 973 km oder
77,2 pCt. Hauptbahnen und 9110 km oder 22,7 pCt. Neben¬
bahnen (Bahnen untergeordneter Bedeutung). Während die Haupt¬
bahnen im Laufe des Jahres nur einen geringen Zuwachs — derselbe
betrug 54 km = 0,17 pCt. — erfahren haben, zeigen die Nebenbahnen
eine Vermehrung um 872 km = 9,57 pCt. ihrer Länge.
Die Dichtigkeit des Bahnnetzes, auf je 100 qkm Grund¬
fläche berechnet, ist im Durchschnitt für das ganze Eeich von 7,23 km
auf 7,40 km und für Preufsen von 6,72 km auf 6,90 km angewachsen.
Am dichtesten zeigt sich, wenn die einzelnen Bundesstaaten in ihrer
Gesamtheit betrachtet werden, das Schienennetz im Königreich Sachsen
mit 14,24 km, sodann in dem Gebiet der drei fi’eien und Hansestädte
mit 13,48 km; am weitesten dagegen in den 7 Fürstenthümern mit
4,71 km auf je 100 qkm. Auf je 10 000 Einwohner kommen im Durch¬
schnitt für das ganze Eeich 8,33 (8,22) km, für Preufsen 8,27 (8,14) km,
dagegen für Sachsen 6,45 (6,54) km, für die freien Städte, trotz der
Dichtigkeit des Bahnnetzes in bezug auf die Grundfläche, aber nur
1,65 km, für Hamburg allein sogar nur 0,69 km Eisenbahnen. Die
höchste Ziffer erreichen in dieser Beziehung Mecklenburg -Strelitz
mit 18,35 (18,44) km und Mecklenburg-Schwerin mit 15,28 (14,90) km
Bahnen auf je 10 000 Einwohner.
Der Unterbau der Bahnen ist, abgesehen von den sich über
eine Länge von 4569 km erstreckenden Stationen, auf 17 377 km für
ein Geleise, 18 041 km für zwei Geleise und auf 83 km für drei und
mehr Geleise ausgeführt, während von sämtlichen Bahnen 28 216 km
eingeleisig, 11805 km zweigeleisig, 44 km dreigeleisig und 18 km
viergeleisig betrieben werden.
Neben 576 Bahn-Ueberführungen und Bahn-Unterführungen sind
133 Bahnkreuzungen in Schienenhöhe (4 mehr als im Vorjahre) und
869 (853) Geleisanschlüsse auf freier Strecke vorhanden gewesen.
Die Zahl der Wegübergänge in Schienenhöhe hat um 2508 zuge¬
nommen und bezifferte sich am Ende des Jahres auf 61 710 Stück.
Die schon im Vorjahre festgestellte Verminderung der Uebei'gänge
mit Handschranken hat weitere Fortschritte gemacht, indem ihre
*) In der Statistik sind für die einzelnen Bahngebiete meist zwei
verschiedene Längen in Vergleich gezogen und zwar: die Eigen -
thumslänge, d. i. die Länge der im eigen thümlichen Besitz der
Verwaltungen befindlichen Strecken, und die Betriebslänge, welche
von ersterer sich durch den Abgang der verpachteten eigenen und
den Hinzutritt der gepachteten und mit anderen Verwaltungen ge¬
meinschaftlich betriebenen, fremden Strecken unterscheidet.
Wo anderes nicht ausdrücklich bemerkt ist, beziehen sich die in
diesem Auszug enthaltenen Angaben stets auf die Eigenthumslänge,
sowie ferner auf den Stand am Schlüsse des Berichtsjahres. Die
einzelnen Angaben in Klammern (. . .) beigefügten Zahlen bedeuten
den Stand am Ende des vorhergegangenen Betriebsjahres.
Anzahl um 230 Stück zurückgegangen ist. Es gehören zu dieser
Gruppe aber immerhin noch nahezu 40 pCt. aller Uebergänge. Bei
den Uebergängen mit Zugscliranken zählen wir 277 Stück und bei
denjenigen ohne Schranken 2306 Stück mehr als im Vorjahre. Die
verhältnifsmäfsig starke Zunahme der Uebergänge ohne Schranken
hat ihren Grund darin, dafs im Laufe des Jahres vorwiegend nur
Nebenbahnen neu eröffnet sind.
Nach den Angaben über den Oberbau sind im Laufe des Jahres
1898 (1694) km Geleise neu hinzugekommeu und' waren schliefslich
52 012 km Hauptgeleise sowie 16 484 km Nebengeleise, zusammen
68 496 km Geleise vorhanden. Obgleich im Berichtsjahr etwa 184 km
neue Bahnstrecken weniger in Betrieb gekommen sind als im Vor¬
jahre, übersteigt die Vermehrung der Geleise diejenige des Vorjahres
noch um 204 km, es haben also die Bahnhofsgeleise im Vergleich zu
den durchgehenden Geleisen an Ausdehnung gewonnen. In fast allen
Geleisen lagern breitfüfsige Schienen und zwar: auf Querschwellen,
Steinwürfeln und sonstigen Einzelunterlagen 61 738 km (1877 km mehr
als im Vorjahre), auf Langschwellen 5853 km (83 km mehr als im
Vorjahre) und unmittelbar auf der Unterbettung 72 km (1,6 km weniger
als im Vorjahre). Aus Stuhlschienen finden wir noch 832 (889) km
und aus Schienen nach di’eitheilig er Form sogar nur noch 1,6.5
(3,80) km Geleise hergestellt. Hiernach haben lediglich die Geleise
aus breitfüfsigen Schienen auf Querschwellen und auf Langschwellen
Zunahmen erfahren, doch hat hierbei der Langschwellen-Oberbau im
Verhältnifs zu seiner bisherigen Länge nicht gleichen Schritt mit der
Gesamtvermehrung der Geleise gehalten, sondern ist gegenüber dem
Querschwellen-Oberbau erheblich zurückgeblieben.
Das Schienenmaterial bestand bei 38 979 km = 57 (53,8) pCL
aller Geleise aus Stahl, bei den übrigen 29 517 km = 43 (46,2) pCt.
aus Eisen oder aus Eisen mit Stahlkopf. Trotz der hiernach sich
ergebenden Vermehrung der Stahlschienengeleise um 3111 km, hat
sich doch, im Gegensatz zu dem Ergebnifs in früheren Jahren, das
Durchschnittsgewicht der Schienen ganz unerheblich vermindert, das¬
jenige des Kleineisenzeuges sogar vermehrt. Es berechnet sich für
1 km Geleis im Durchschnitt das Gewicht der breitfüfsigen Schienen
bei Anwendung von Querschwellen auf 69,6 (69,8) Tonnen und bei
Anwendung von Langschwellen auf 53,92 (54,06) Tonnen, ferner des
Kleineisenzeuges im ersten Falle auf 7,35 (7,05) Tonnen, im zweiten
Falle auf 12,02 (11,97) Tonnen.
Von den auf Quersch well en oder Einzelunterlagen ruhen¬
den Geleisen hatten 52 364 km (513 km mehr als im Vorjahre) hölzerne
Querschwelleu, 9707 km (1281 km mehr als im Vorjahre) eiserne
Querschwellen und 459 km (12 km weniger als im Voijahre) Stein¬
würfel usw. Auf 1 km Geleis waren im Durchschnitt 1097 hölzerne,
bez. 1095 eiserne Querschwellcn oder 1676 Steinwürfel verlegt.
Bei der Unterhaltung und Erneuerung des Oberbaues
sind in zusammenhängenden Strecken 1717 (1540) km Geleise umge¬
baut worden, davon enthielten vor dem Umbaue 1357 km Eisenschienen
oder Eisenschienen mit Stahlkopf, der Best — 360 km — Stahlschienen,
für welche 1643 km Stahlschienen und nur 74 km Eisenschienen vor¬
wiegend mit Stahlkopf wieder verlegt wurden. Bei diesen Umbauten,
sowie bei den einzelnen Auswechselungen in den Geleisen sind 770 197
hölzerne Querschwellen, 40 677 eiserne Langschwelleu und 12 623
Steinwürfel weniger, dagegen 828 336 eiserne Querschwellen mehr
wieder verwendet als aufgenommen. Wenn trotzdem die Länge der
Geleise auf hölzernen Querschwelleu um 513 km zugenommen hat,
so findet dies seine Erklärung darin, dafs bei den neu eröffneten, ^
Strecken, insbesondere bei den Nebenbahnen, solche Geleise in
gröfserem Umfange hergestellt wurden. Der anscheinend bestehende
Widerspruch zwischen der beträchtlichen Verminderung der eisernen
Langschwellen und der gleichzeitigen Vermehrung der Geleise auf |
dieser Unterlage um 14 km — es sind nämlich beim Umbau in zu- j
sammenhängenden Strecken 46 km aufgenommen und 60 km wieder
verlegt — erfährt in der Statistik eine Aufklärung nicht, doch dürfte ■
anzunehmen sein, dafs an Stelle der aufgenommeuen einzelnen Laug- ■
schwellen solche von entsprechend gröfsercr Länge wieder zur Ver- i
Wendung gelangt sind.
Die Kosten der Unterhaltung und Erneuerung des-
Oberbaues beliefen sich insgesamt auf über 63,2 Millionen Mark
oder im Dui-chschnitt für 1 km Geleis auf 938 Mark (62 Mark mehr
als im Vorjahre) bezw. für 1000 Locomotivkilometer auf 145 Mark.
Bei dem Umbau von Geleisen in zusammenhängenden Strecken wurden
durchschnittlich aufgewendet für 1 km Querschwellen-Oberbau mit
breitfüfsigen Schienen 13 519 Mark, davon 12 433 Mark für Material¬
beschaffung und 1086 Mark für Arbeitslohn, und für 1 km Lang¬
schwellen-Oberbau 16 923 Mark, darunter 15 977 Mark für Material¬
beschaffung und 946 Mark für Arbeitslohn. Der Durchschnittspreis
der neu beschafften Oberbaumaterialien ist berechnet für 1 Tonne
Schienen auf 126 (130) Mark, 1 Tonne Kleineisenzeug auf 166 (159)
Nr. m.
337
Centralblatt der Bauverwaltung.
Mark, 1 Tonne eiserne Schwellen auf V21 (123) Mark und für 100 Stück
hölzerne Querschwellen auf 393 (409) Mark.
Für die Unterhaltung und Erneuerung der gesamten
Bahnanlagen einschliefslich des Oberbaues waren über 114 Millionen
Mark erforderlich. Hiervon entfallen im Durchnitt auf 1 km der
unterhaltenen Strecken, welche am Schlüsse des Jahres 40198 km
und im Jahresdurchschnitt 39 753 km ausmachten, 2868 (2691) Mark
oder auf 1000 Locomotivkilometer 262 (255) Mark, hezw. auf 100 ge¬
förderte Wagenachskilometer 10 (10) Mark.
An Betriebsmitteln hatten die Bahnen einen Bestand von
13 107 Locomotiven, darunter 2839 Tenderlocomotiven, 10 183 Tendern,
24 386 Personenwagen mit 53 843 Achsen und durchschnittlich 19,34
(19,36) Sitz- und Stehplätzen auf jede Achse, 262 250 Gepäck- und
Güterwagen mit 534 241 Achsen und durchschnittlich 4,81 (4,80) Tonnen
Tragfähigkeit auf 1 Achse. Auf je 10 km Betriebslänge waren im
Durchschnitt für alle Bahnen 3,25 (3,25) Locomotiven, 13,59 (13,56)
Personenwagenachsen mit 262,8 (262,5) Sitz- und Stehplätzen und
132,89 (131,98) Gepäck- und Güterwagenachsen mit 639 (638) Tonnen
Tragfähigkeit, ferner für die preufsischen Staatsbahnen 3,78 Loco¬
motiven, 13,99 Personenwagenachsen mit 275,2 Sitz- und Stehplätzen,
157,06 Gepäck- und Güterwagenachsen mit einer Tragfähigkeit von
zusammen 763 Tonnen vorhanden. Es übersteigt sonach die Aus¬
rüstung der preufsischen Staatsbahnen mit Betriebsmitteln den Ge¬
samtdurchschnitt für alle Bahnen nicht unerheblich.
Locomotiven sind im Laufe des Jahres in Abgang 222 (201) Stück
und in Zugang 530 (370) Stück gekommen; der Ausbesserungsstand
der Locomotiven betrug im Durchschnitt 18,26 (18,34) pCt.
Mit Ausrüstung für durchgehende Bremsen waren ver¬
sehen 3436 (2739) Locomotiven, davon aufserdem 624 mit Triebrad¬
bremsen, 2579 (2018) Tender, 7323 (5735) Personenwagen, 2305 (1678)
Gepäck- und Güterwagen und 908 (750) Postwagen. Leitungen für
durchgehende Bremsen waren aufserdem noch an 4145 (3445) Personen¬
wagen, 1130 (758) Gepäck- und Güterwagen und 192 (162) Postwagen
angebracht.
Ueber die Leistungen der Locomotiven ergiebt die Statistik,
dafs im ganzen über 435 (407) Millionen Locomotivkilometer (Nutz-,
Leerfahrt- und Verschiebkilometer) zurückgelegt sind. Hierbei wurden
gefördert 11515,3 (10 713,9) Millionen Wagenachskilometer oder
74 820,2 (69 997,3) Millionen Tonnenkilometer — Rohgewicht, d. h.
einschliefslich der auf die Betriebsmittel selbst entfallenden Tonnen¬
kilometer — ; sonach sind im Durchschnitt auf 1 Nutzkilometer der
Locomotiven 258 (253) Tonnenkilometer geleistet.
Im Personenverkehr beläuft sieh die Anzahl der beförderten
Reisenden auf rund 339,9 (316) Millionen, von denen jeder durch¬
schnittlich 27,10 (27,56) km weit gefahren ist. Von den in den Per¬
sonenwagen vorhandenen Plätzen waren im Durchschnitt 24,31
(24,28) pCt. ausgenutzt und jede Personenwagenachse eines Zuges
mit 4,56 (4,53) Personen besetzt. Auf 1 km der Betriebslänge der
Strecken für den Personenverkehr entfallen im Durchschnitt 235 750
(229 570) Personenkilometer; es hat gegen das Vorjahr danach eine
Zunahme des Verkehrs um 2,6 (1,85) pCt. stattgefunden.
Im Güterverkehr sind an Gütern aller Art im ganzen rund
20 386,4 (18 648,6) Millionen Tonnenkilometer oder auf 1 km der Be¬
triebslänge für den Güterverkehr durchschnittlich 514 399 (484 614)
Tonnenkilometer befördert worden, und betrug die Zunahme dieses
Verkehrs gegen das Vorjahr 5,8 (6,54) pCt. Im Durchschnitt ergeben
sich für die Beförderungslänge jeder Tonne 102,18 (104,29) km und
für die Belastung jeder Güterwagenachse in beladenem Zustande
3,68 (3,64) Tonnen.
Die Betriebs-Einnahmen beliefen sich für sämtliche Bahnen
auf rund 1166,6 Millionen Mark und im Durchschnitt für 1 km Be¬
triebslänge auf 29 368 (28 267) Mark, bezw. für 1000 Wagenachskilo¬
meter auf 101 (102) Mark. An Betriebs-Ausgaben für sämtliche
Verkehrszweige waren erforderlich 619,5 Millionen Mark = 53,11
(52,69) pCt. der Betriebs-Einnahmen, und im Durchschnitt auf 1 km
Betriebslänge 15 596 (14 893) Mark, bezw. auf 1000 Wagenachskilo¬
meter 54 (54) Mark. Es bezifferte sich sonach der Betriebsüber-
schufs auf 547,1 Millionen Mark oder im Durchschnitt für 1 km Be¬
triebslänge auf 13 772 (13 373) Mark. Dieser Ueberschufs entspricht
einer durchschnittlichen Verzinsung der Baukosten mit 5,73 (5,50) pCt.
und des von den gegenwärtigen Besitzern auf den Erwerb der Bahnen
verwendeten Anlagecap itals mit 5,44 (5,21) pCt.
Beamte und Arbeiter waren durchschnittlich täglich in der
gesamten Betriebsverwaltung 301 8.55, oder auf 1 km Betriebslänge
7,60 (7,57), und in den Werkstätten insgesamt .53 535, bezw. auf 1 km
Betriebslänge 1,.38 (1,37) thätig. Für dieselben wurden 389,4 Millionen
Mark Besoldung gezahlt.
II. Schiiialspiirhahiieii für den öttentlieheu Verkehr.
Die Schmalspurbahnen hatten am Schlüsse des Berichtsjahres
einen Umfang von 819 (703) km; die Länge der sämtlichen Geleise
betrug 936 km. An Betiüebsmitteln waren daselbst vorhanden: 165
Locomotiven, 363 Personenwagen, .55 Gepäckwagen und .3929 Güter¬
wagen, welche über 2,6 Millionen Locomotiv-Nutzkilometer und nahezu
41,6 Millionen Wagenachskilometer leisteten. Dabei wurden gefördert
rund 42,3 Millionen Personenkilometer und 60,9 Tonnenkilometer der
Güter-. Im Durchschnitt bezifferten sich auf 1 km Bahnlänge die
Einnahmen zu 4481 (4.32.3) Mark, die Ausgaben zu 2793 (2637) Mark
oder 62,33 (61,00) pCt. der Roheinnahmen. Der Betriebsüberschufs
ist berechnet auf 2,98 (2,85) pCt. des verwendeten Anlagecapitals
von über 40,8 Millionen Mark. Beamte und Arbeiter waren 1230
(1020) durchschnittlich im Tage beschäftigt.
III. Aiischliifsstreckeu für den nicht öffentlichen Verkehr.
Die nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden 3662 (.3484) An-
schlufsbahnen für Bergbau-, Industrie- sowie land- und forstwirth-
schaftliche Zwecke hatten eine Länge von zusammen 2206 (2094) km.
Davon sind 1698 km vollspurig und 508 km schmalspurig. Mit Dampf¬
kraft wurden 1467 km und mit Pferdekraft usw. 739 km betrieben.
IV. Radreifenbrüche.
Nach der der Statistik am Schlüsse beigefügten Nachweisung sind
im Jahre 1888 auf den Eisenbahnen Deutschlands, einschliefslich der
Schmalspurbahnen, 4577 Radreifenbrüche an eigenen und fremden
Rädern vorgekommen, und entfallen auf je . eine Million der in allen
Zugarten geförderten Achskilometer 0,40 (0,34) Brüche. Soweit eine
zuverlässige Ermittlung des Ortes, wo der Bruch erfolgt ist, stattfinden
konnte, treffen auf je 100 km der Strecken mit Langschwellen-Oberbau
2,04 (2,64) und der Strecken mit Querschwellen-Oberbau 5,.59 (4,25)
Brüche.
Während im vorhergegangenen Jahre im Verhältnifs zu der Zahl
der im Betrieb vorhandenen Arten von Rädern die meisten Brüche
den Holzscheibenrädern zur Last gefallen sind, werden im Berichts¬
jahr verhältnifsmäfsig die gröfste Zahl von Brüchen an Reifen auf
Scheibenrädern aus Stahl oder Eisen und an Reifen auf Speichen¬
rädern und zwar je an 0,,34 (0,26 bezw. 0,27) pCt. aller Räder dieser
Arten nachgewiesen; demnächst folgen die Holzseheibenräder mit
0,25 (0,76) pCt. und sodann, abgesehen von den nur in geringer Anzahl
vorhandenen Papierscheibenrädem, an welchen ebenso wie im vorher¬
gegangenen Jahre auch im Jahre 1888 keine Brüche vorgekommen
sind, die Vollräder mit nur 0,10 (0,06) pCt.
Bei der Unterscheidung nach dem Materiale der Reifen ent¬
fallen an Brüchen auf Puddelstahl 0,71 pCt. des Bestandes an Reifen
dieser Art, auf Eisen (Feinkorneisen, Flufseisen und Schmiedeeisen)
0,45 pCt. und auf Flufsstahl (Gufsstahl, Martinstahl, Bessemerstahl
usw.) 0,33 pCt., wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dafs Neu¬
beschaffungen an Reifen aus Puddelstahl seit längerer Zeit nicht mehr
stattgefunden haben und demnach zum grofsen Theil abgenutztes
Material sich im Betriebe befindet.
Die Befestigung der Reifen durch Bolzen, Niete oder
Schrauben ist nicht mehr wie in den früheren Jahren die vor¬
herrschende, dieselbe findet sich nur noch bei 579 872 Reifen
= 41,08 j)Ct. sämtlicher im Betriebe vorhandenen Reifen (ausschl.
der Vollräder). An neueren, in gröfserem Umfange zur Einführung
gekommenen Befestigungsarten sind hervorzuheben; Sprengring und
Ansatz am Felgenkranz bei 429 516 Stück, dann Sprengring, Kopf¬
schrauben und Ansatz am Felgenkranz bei 44 266 Stück, sowie
doppelte Sicherheitsringe bei 27 574 Stück. Den höchsten Procentsatz
an Brüchen lieferten die Kopfschrauben und Ansatz am Felgenkranze,
und zwar 1,05 pCt. aller Reifen mit dieser Befestigung; das günstigste
Ergebnifs zeigen dagegen die Sprengringe, Kopfschrauben und Ansatz
am Felgenkranz mit 0,13 pCt. , die doppelten Sicherheitsringe mit
0,11 pCt. und die Sprengringe und Ansatz am Felgenkranz mit nur
0,10 pCt. gebrochener Reifen mit den betreffenden Befestigungsarten.
Bei den übrigen Befestigungen schwankt der Procentsatz zwischen
0,65 und 0,24. Tr.
Preisausschreiben der Londoner Thurm -Gesellschaft.
Die Anlage von Riesenthürmen nach Eiffels Vorbild ist nach
den über alles Erwarten günstigen Erfolgen des Pariser Thurmes
schnell in Aufnahme gekommen. Verlockend sind für den Capi-
lalisten die in der That beispiellosen financiellen Erfolge des fran¬
zösischen Unternehmens, anderseits findet der Künstler, dafs es Eiffel
trefflich verstanden hat, die grofsen Eisenmassen seines Thurmes in
gefälliger und wirkungsvoller Weise zu gliedern. Es kann nicht
Wunder nehmen, dafs zunächst England und America Miene machen.
338
Centralblatt der Bauverwaltuug.
10. August 189(1,
der französischen Nation nachzueifern, denn es sind hier gröfseres
Selbstgefühl, höherer Unternehmungsgeist und bedeutendes tech¬
nisches Können ein kräftiger Sporn zur Bethätigung grofser
Ideen, anderseits der voraussichtliche bedeutende Gewinn eine
besondere Triebfeder zur zinsbringenden Anlage leicht verfüg¬
barer Capitalien. Es ist bekannt, dafs die Americaner mit dem
Gedanken umgehen, in Chicago einen Biesenthurm zu errichten,
welcher bei Gelegenheit der bevorstehenden Weltausstellung daselbst
einen besonderen Anziehungspunkt für die Volksmassen bilden soll.
In England plant der bekannte Eiseubahnkönig Sir Edward Watkin
ein gleichartiges Untei nehmen. Beide Thürme sollen natürlich höher
werden als der 300 m hohe Pariser Thurm.
Im November v. J. wurde von der auf Sir Edward Watkins
Anregung zusammengetretenen Londoner Thurm - Gesellscliaft (Lon¬
don Tower Company) ein Preisausschreiben erlassen, welches die
Ingenieure aller Länder zur Einreichung von Entwürfen für den
in Aussicht genommenen Bau einlud. In dem Programm waren
Preise von 10 000 Mark für den besten, die Hälfte dieser Summe für
den zweitbesten Entwurf ausgesetzt. Die Höhe des Thurmes war
ursprünglich zu 305 m (1000 Fufs engl.) angenommen, wurde jedoch
später anderweit auf 36G m (1200 Fufs) festgesetzt. In den Be¬
stimmungen war verlangt, dafs der Bau stark genug sein müsse,
um auch heftigen Stürmen zu widerstehen. Ferner sollte auf Blitz¬
schläge gebührend Kücksicht genommen werden. Die Wahl des
Baustoffes war freigestellt, indes dem Stahl der Vorzug gegeben.
Gefordert war ferner die Anlage von Aussichts- Plattformen in ver¬
schiedener Höhe, auf welchen auch Erfrischungshallen und Dienst¬
räume aufgestellt werden sollten. Diese Plattformen sollten durch
Aufzüge in Verbindung gesetzt werden.
Im ganzen sind 68 Bewerber dem Ausschreiben gefolgt. Die
eingegangenen Arbeiten sind in der Halle der Tuchmacher -Innung
der City von London in der Throgmorton-Strafse öffentlich aus¬
gestellt woi’den. Trotz der grofsen Zahl der Entwürfe wurde das
Preisrichteramt nicht in gar zu hohem Mafse erschwert. Die
Sammlung bot, abgesehen von einer geringeren Zahl trefflich ausge¬
arbeiteter Pläne, merkwürdige Beispiele von Geschmacksverirrung und
hochgradiger Ueberspauntheit. So empfiehlt ein Entwurfaufsteller
den Bau eines fahrbaren Thurmes, welclier in regelmäfsigem Verkehr
zwischen Frankreich und England von einem Dampfer über den
Grund des Canals fortgeschleppt werden soll. Der Zweck dieses
Thurmes ist die Personenbeförderung; die Eeisenden sollen nämlich
vor den Gefahren der Seekrankheit behütet werden, und werden zu
dem Zwecke auf der über Wasser ragenden Thurmspitze, wo Salons
und Promenaden vorgesehen sind , über das tückische Element
geführt.
Von derartigen Ausgeburten wilder Phantasie abgesehen, befinden
sich auch unter den auf festem Boden geplanten Entwürfen zahl¬
reiche, deren Aufbau keineswegs anmuthet. Fernrohrartig aus¬
einandergezogene Böhren, aufrecht gestellte riesige Schrauben- j
spindein, nach oben sich verjüngende Drahtgewebe u. a. gehören j
dieser Gattung an. Von der geringen Zahl trefflicherer Entwürfe
zeigen mehrere architektonische Schönheit, doch übertrifft keiner
den Pariser Thurm au Anmuth und geschicktem Aufbau. Am
meisten Glück haben im allgemeinen diejenigen Bearbeiter gezeigt,
welche sich an das berühmte Pariser Vorbild anlehnten, und wie
dort durch geschickte Anwendung der einfachen, von statischen Ge¬
setzen vorgeschriebenen Form die Masse in klarer Weise zu gliedern
suchten. Bei mehreren Entwürfen dieser Gattung beeinträchtigt ge¬
künsteltes Beiwerk oder mehr oder minder willkürliche Abweichung
von der gesetzmäfsigen Linie die Gesamtwirkuug.
Die beiden von den Preisrichtern gekrönten Entwürfe, welche in
den Abb. 1 u. 2 veranschaulicht sind, sind Nachbilder des Eiffelthurnis.
Der mit dem ersten Preis bedachte Entwurf von A. D. Stewart,
J. M. Mac Laren und W. Dünn in London (Abb. 1) stellt einen auf
achteckiger Grundfläche von 91,5 m Durchmesser sich erhebenden
schlanken achtseitigen Stahlbau von 366 m Höhe dar. Die Verfasser
haben bei der Ausgestaltung des Thurmes und seiner Nebenanlagen
Anschlufs an Formen morgenländischer Architektur gesucht. Der
Bau ruht auf acht vierseitigen, mit seitlichem Gitterwerk ge¬
schlossenen, 6 m breiten Füfsen, welche sich verjüngend als Grate
bis zur Thurmspitze fortsetzen. In diesen Füfsen sind 4 Aufzüge
und 2 Treppen angebracht, mittels welcher man die in 61 m Höhe
angeordnete Hauptplattform erreicht. Auf dieser soll eine grofse
achteckige Mittelhalle von 18 m Höhe errichtet werden , zu deren
Dach die unteren Aufzüge emporgeführt sind. Im unteren Theil
wird die Halle von Erfrischungs - und Diensträumen umgeben,
während über letzteren in nach und nach zurücktretenden Ober¬
geschossen Hotelräume vorgesehen sind für Besucher, „denen daran
liegen möchte, in der Nähe der Geschäftsgegend zu wohnen, ohne
dabei dem Nebel und den atmosphärischen Dünsten ausgesetzt zu
sein.“ Die Aussicht von sämtlichen Schlafzimmern ist ins Freie ge¬
richtet. Vom Dach der Mittelhalle bis zur Spitze des Thurmes
durchlaufend sind besondere senkrechte Aufzüge angelegt, welche
auch den Zu- und Abgang zu den in 170 bezw. 260 m Höhe befind¬
lichen zweiten und dritten Plattformen vermitteln. Letztere sollen eben¬
falls mit Hallen und sonstigen Räumlichkeiten ausgestattet werden.
Die oberste (vierte) in etwa 250 m Höhe angelegte Plattform ist zwei¬
geschossig; über derselben erhebt sich ein Observatorium. Jeder
der untern wie der obern Aufzüge fafst 48 Personen. Die Kosten
des Thurmes sind zu etwa 7 Millionen Mark veranschlagt.
Kräftiger und gedrungener als der vorbeschiiebene thürmt sich bis
zu 396 m Höhe der von John Webster und T. W. Haigh in Liverpool
entworfene Bau, welchem der zweite Preis zuerkannt worden ist
(Abb. 2). Der eigentliche Thurm, welcher gleichfalls achteckig ist,
scheint aus einem mächtigen pagodenartigen Sockelbau gleichsam
herauszuwachsen. Von Kuppeln gekrönte achteckige Thurmbauten
erheben sich vor jedem der acht eisernen Grate; sie sind gestützt von
strebepfeilerartigen Vorgebäuden. Von gegliederten eisernen Bogen
getragene Galerieen stellen unterhalb der ersten Thurmplattform die
Verbindung zwischen den Eckthürmen her. Hinter letzteren steigen
die achteckigen Thurmgrate zur Spitze empor. Inmitten der ersten
61 m über dem Boden liegenden Hauptplattform ist ein ringförmiger
Kuppelbau errichtet, umgeben von Galerieen und Promenaden,
welche in verschiedenen Höhen angelegt und durch Treppen mit¬
einander verbunden sind. Auf der oberen Promenade sind Kauf¬
und Erfrischungshallen geplant. In dem Kuppelbau können bequem
3000 Personen Platz finden. Eine zweite, dritte und vierte Aussichts¬
bühne sind in Höhen von 152,5, 228,8 und 370 m angelegt. Die
Stockwerke des Sockelbaues sowohl, wie die verschiedenen Platt¬
formen sind durch Treppen miteinander verbunden. Die bis zur
vierten Plattform reichenden Thurmtreppen, eine für aufsteigende,
die andere für absteigende Besucher, sind in zwei Gratsäulen unter¬
gebracht. Vier Aufzüge sind zur Erreichung der ersten Plattform,
und von hier aus vier neue für die zweite Plattform angelegt. Die
dritte und vierte Plattform sind durch zwei weitere Aufzüge zugäng¬
lich gemacht. Endlich sind in den vorgelagerten Eckthürmen noch
vier Aufzüge vorhanden, welche sowohl die unteren Plattform- Auf¬
züge entlasten, als auch die Verbindung zwischen den in den Eck¬
thürmen und Galerieen einzurichtenden Miethwohnungen hersteilen
sollen. Die nach der ersten wie zweiten Plattform führenden Thurm¬
aufzüge fassen je 40, die darüber befindlichen je 50 Personen. Die
Kosten dieses Thurmes sind zu 8 Millionen Mark veranschlagt.
Ein Thurm gothischer Bauart, welcher in Abb. 3 dargestellt ist,
hat viel von sich reden gemacht und wird von vielen Seiten als einer
der schönsten unter allen betrachtet. Er ist der einzige, welchem neben
den preisgekrönten Entwürfen eine ehrenvolle Erwähnung zu Theil
geworden ist. Man ist indes wohl zu der Frage geneigt, ob denn
die Anwendung von Formen kirchlicher Gothik zur Bildung eines
Eahmwerks für Aufzüge und Aussichtsplattformen als eine ganz
glückliche bezeichnet w'erden kann. Der Entwurf zu diesem 473 m
hohen Thurm rührt von Max am Ende in London her. Der Bau
trägt Plattformen in Höhen von 122, 240, 305 und 366 m, sowie ein
Observatorium in 403 m Höhe. Die Hauptplattform in Höhe von
305 m trägt aufsen eine offene Galerie. Von dieser Höhe führt ein
centraler Aufzug zur letzten Plattform und weiter eine Treppe
zum Observatorium empor. Im übrigen sind in allen vier Thurm¬
ecken besondere Aufzüge eingerichtet, welche die unmittelbare
Verbindung zwischen dem Boden und der ersten, zweiten, dritten
und vierten Plattform herstellen. Von besonderem Interesse ist die
Einrichtung dieser Aufzüge. Dieselben sind so geplant, dafs ganze
Wagenzüge, welche durch Führungen zu senkrechter Aufwärts¬
bewegung gezwungen sind, in jedem der vier Aufzugschächte durch
aufrecht gestellte, mit schraubenartigen Gängen versehene Spindeln ge-
wissermafsen hochgeschraubt werden. Diese Anordnung ist gleichsam
die kinematische Umkehrung einer spiralischen Kehrtunnelanlage. Die
Ansteigung des Schraubenaufzuges beträgt 1 : 5'/?. Die senkrechte Um¬
drehungsachse ist eine 3,05 m starke Hohlsäule mit Auslegerarmen,
welche 1,8 m weit vortreten und die schraubenartig aufsteigenden
Schienen tragen. Die Zugstärke ist je nach dem Verkehrsumfang
zu 8 bis 40 Wagen angenommen; dieselben enthalten Abtheilungen
für Reisende erster, zweiter und dritter Klasse. Die Drehachse soll
in der Minute 8 Umdrehungen machen, sodafs sich der Zug in dieser
Zeit um 30 m aufwärts bewegen würde. Die Fahrzeit bis zur obersten
Plattform beträgt hiernach rund 10 Minuten. Alle vier Aufzüge
würden in einer Richtung gleichzeitig 800 Besucher befördern können.
Nach Bedarf kann einer derselben für Schnellzüge eingerichtet
werden. Jeder Aufzug ist im übrigen noch von einem Wendelsteg
von 1 : 9 Ansteigung und 1,4 m Breite umgeben. — Abb. 4 stellt die
Grundrifsanordnung einer der vier Ecken des Baues dar.
Weit massiger als die beschriebenen Thürme wirkt derjenige
Nr. 33.
3.89
Ceutralblatt der Bauverwaltaug.
von J. Sinclair Fairfax in London, welclier aus der Reihe der nicht
mit besonderen Anerkennungen bedachten Entwürfe noch angeführt
werden möge. Er erinnert unwillkürlich an den Parlamentsthurm
in London. Obwohl wuchtig im Gesamteindruck, ist er im
Aufbau doch natürlich und ungezwungen. Die Höhe ist zu
395 m angenommen. Der Thurm hat wie der von am Ende
den Vortheil vereinfachter Bauweise insofern, als sich die Ver-
10 a so 100 200
tektonische Wirkung zu vereinigen, vorgezeichnet war.“ Im
übrigen haben es sich die Preisrichter, nach dem Wortlaut des
300 400"’
Abb. 1. Entwurf von Stewart,
Mac Laren und Dünn. (Erster Preis.)
Thurm von 366 m (1200 Fufs) Höhe.
Abb. 2. Entwurf von Webster Abb. 3. Entwurf von Max Abb. 5.
und Haigh. (Zweiter Preis.) am Ende. (Ehrenvolle Erwähnung.) Entwurf von Sinclair Fairfax.
Thurm von 396 m (1300 Fufs) Höhe. Thurm von 473 m (1550 Fufs) Höhe. Thurm von 395 m (1296 Fufs) Höhe.
schiedenartigkeit der Bauglieder infolge der mehr senkrechten
Umgrenzungslinien einschränken und eine bequemere Art der Ver¬
bindung erzielen läfst. Doch läfst sich nicht verkennen, dafs die Bau¬
kosten zu dem beabsichtigten Zweck des Thurmes in keinem Verhältnifs
stehen. Es sind vier Eckaufzüge und ein oberer Mittelaufzug geplant.
Die ersteren sollen jeder 50, der letztere 20 Personen zu gleicher Zeit
befördern. In Abständen von je 44 m sind übereinander sechs Platt¬
formen angeordnet, zwei weitere befinden sich oben im Mittelthurm.
Von einer Beschreibung weiterer Entwürfe soll hier abgesehen
werden. Wie bekannt wird, sollen die hervorragenderen Arbeiten in
einem besonderen Werke veröffentlicht iverden.
Das allgemeine Urtheil der Preisrichter ist keinem der Entwürfe
bedingungslos günstig. In dem Gutachten ist gesagt, dafs im Hin¬
blick auf das Ergebnifs des Wettbewerbes ein Gefühl der Enttäuschung
obwalte, da nicht ein einziger Entwurf für die Ausführung empfohlen
werden könne. Um den Bewerbern indes Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen, habe man sich zu vergegenwärtigen, „dafs das Bestehen
des Eiffeltburmes und das Bestreben, Nachahmungen zu vermeiden,
die Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe naturgemäfs erheb¬
lich vermehrt hätten, da im Eiffelthurm bereits der natürlichste
und klarste Weg, sparsame Construction und angemessene archi-
_ lyiittellinie _
Urtheilsspruchs, ange¬
legen sein lassen, die
Entwürfe nach den von
den Verfassern selbst
beobachteten Gesichts¬
punkten zu beurtheilen
und dabei den Auf¬
wand an Zeit und
Mühe in Rücksicht zu
ziehen, welcher bei der
Bearbeitung und Be¬
rechnung der Entwürfe
und Aufstellung der
Anschläge eingesetzt
worden ist.
Mittlerweile ver¬
lautet, dafs der In¬
genieur der Londoner
Thurm - Gesellschaft
mit der Ausarbeitung
eines neuen unabhängigen Entwurfes beauftragt worden ist.
- Kein mann.
Vermischtes.
Ein Preisausschreiben zur Eidangimg von Plänen für ein
Museum in Rostock enthielt der Anzeigentheil der Nr. 32 d. Bl. Dort
wurde angekündigt, dafs bei einer Bausumme von 200 000 M zwei
Preise von 1400 und 800 Jt ausgesetzt sind. Einlieferungstag ist der
1. Januar 1891; das Preisrichteramt haben neben drei Vertretern des
Rostocker Kuustvereins, der das Ausschreiben erläfst, übernommen
die Herren Geh. Regierungsrath Prof. Ende -Berlin, Ober-Baurath
Daniel-Schwerin und Stadt -Baudirector Studemund-Rostock.
Nach Einsicht in das Progamm theilen wir noch mit, dafs das Ge¬
bäude in einem Untergeschofs und zwei Stockwerken auf einem sehr
unregelmäfsigen, der Lösung der Aufgabe recht ungünstigen Bauplatze
zwischen Kaiser Wilhelmstrafse, St. Georgstrafse und zwei neu an¬
zulegenden kurzen Strafsenzügen errichtet wei’den und zur Aufnahme
einer Gemälde- und Kupferstichsammlung, sowie eines Alterthums¬
museums und einer Sammlung von Gipsabgüssen dienen soll. Für
die in norddeutscher Gothik oder deutscher Renaissance zu ent¬
werfenden Fronten ist Backstein mit mäfsiger Anwendung von Hau¬
steinen oder Terracotten anzunehmen. Die Zeichnungen sind im
wesentlichen im Mafsstabe 1 : 150 darzustellen, zwei Schaubilder
werden als erwünscht bezeichnet, aber nicht gefordert, auf die durch
einen Kostenüberschlag nach Cubikmetern umbauten Raumes nach¬
zuweisende Einhaltung der Bausumme wird besonderer Werth gelegt.
340
16. August 1860.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Nicht recht klar erscheint der Wortlaut der Programmbestimmung
„das Gebäude darf unter keiner Bedingung über die im Plane roth
umränderte Baufluchtlinie hinaustreten, jedoch kann die östliche Bau¬
fluchtlinie um 1— 2 m nach Osten hinausgerückt werden“. Vielleicht
giebt die ausschreibende Stelle eine Aufklärung zu diesem Wider¬
spruche. ebenso wie es sich empfehlen möchte, die im Lageplane
nicht aufzurindenden Buchstaben A und auf die der Programm¬
text Bezug nimmt, nachträglich bekannt zu geben.
Die Ausfiihrmig eines Kaiser AVilhelin ■ Denkmals in Karlsruhe
ist dem dortigen Bildhauer Prof. Volz, dem ersten Sieger in einem
kürzlich um die Aufgabe veranstalteten Wettbewerbe, übertragen
worden. Der architektonische Theil des jjreisgekrönten, im wesent¬
lichen bildhauerischen Entwurfes rührt von dem Stadt-Baumeister
W. Eettig in Dresden her.
Zur Frage der ,, Versuche über die Frostbeständigkeit natür¬
licher und künstlicher Bausteine“ werden wir vom Verfasser der
iViittheilung auf S. 290 d. J. um den Abdruck der nachfolgenden Ent¬
gegnung auf die Erklärungen des klerrn Prof. Bauschinger in Nr. 31
d. J. ersucht.
..In Nr. 31, S. 319, d. J. des Centralblattes der Bauverwaltung
wendet sich Herr Prof. Bauschinger gegen meine Besprechung seiner
„Versuche über die Frostbeständigkeit natürlicher und künstlicher
Bausteine“ in Nr. 28 d. Bl. mit der Behauptung, dafs die Ursache
des Festigkeits Verlustes der in der König!, preufsischen Prüfungs-
Station für Baumaterialien in Berlin auf Festigkeit nach einmaliger
Frosteinwirkung geprüften Baiisteine zunächst am Wasser liege, weil
die Druckversuche nach dem Gefrieren scheinbar an den noch nassen
•Steinen ausgeführt wurden, und dafs eine Frosteinwirkung bei nur
einmaligem Gefrieren nicht in allen Fällen eine Herabminderung der
Festigkeit des Steines bewirke. Dem rnufs ich im Interesse einer ge¬
rechten Beurtheilung derVersuche der genannten Anstalt entgegentreten.
In meinem Aufsätze: ..Zur Frage der Frostbeständigkeit der Bau¬
steine“ (Centralbl. d. Bauverw. 1887 Nr. 39, S. 371 ff.) habe ich .auf
Grund von umfangreichen Versuchen, die in der preufsischen Prü¬
fungs-Station von Herrn Prof. Dr. Böhme angestellt wurden, aus¬
geführt und an einer Reihe von Beispielen erhärtet, dafs die Wasser¬
aufnahme, wie bekannt, die Festigkeit eines Steines vermindert, dafs
aber diese Herabminderung noch gröfser wird, wenn ein mit Wasser
getränkter Stein nach oberflächlicher Trocknung einer Frostein¬
wirkung ausgesetzt wird, iind dafs diese Herabminderung in der
Regel gröfser ist, wenn der Stein in kalter Luft gefriert, als wenn
er unter Wasser mit demselben zusammen friert.
Die Thatsache, welche inzwischen durch viele hunderte von wei¬
teren Versuchen auch mit den härtesten Steinen, wie Basalten und
Augitporphyren sich bestätigt hat, die Thatsache, dafs die ein¬
malige Einwirkung von Frost auf einen Stein eine gröfsere Festig¬
keitsverminderung hervorruft als die blofse Einwirkung des Wassers,
beweist wohl zur Genüge, dafs die Ursache der Festigkeitsverminde-
rung nicht an dem Wasser an sich, sondern an dem gefrierenden
Wasser liegt. Jeder natürliche Baustein besitzt eine gewisse Berg¬
feuchtigkeit, die häufig, besonders bei sehr h.arten und dichten Ge¬
steinen, gröfser ist oder gleich der Wassermenge, die der Stein
capillar aufzusaugen vermag. Der Frage, ob die Probewürfel vor
Anstellung des Druckversuches nur oberflächlich oder völlig ge¬
trocknet wurden, vermag ich nur insofern eine Bedeutung beizu¬
messen, als in der Praxis unzweifelhaft alle Bausteine, zumindest an
der Oberfläche und in den der Luft preisgegebenen Theilen, im Winter
eine gewisse Feuchtigkeit besitzen. Sehr wichtig erscheint es mir, auf
einem möglichst kurzen Wege einen Mafsstab für die gröfsere oder
geringere Frost- bezw. Wetterbeständigkeit eines Steines zu gewinnen.
Absolut wetterbeständige Materialien finden wir auf der Erde
nicht, es kann sich also bei Versuchen auf Feststellung der Frost¬
beständigkeit nur darum handeln, die Frage der gröfseren oder ge¬
ringeren Frost-Unbeständigkeit zu lösen, und diese Frage wird durch
die Ausführung der Frostversuche, wie sie in der preufsischen Prü¬
fungs-Station in Charlottenburg üblich sind, völlig genügend beant¬
wortet, da durch die nebeneinandergestellten Festigkeitsergebnisse
verschiedener Steinarten ohne weiteres die für bestimmte Zwecke
geeigneten, die den Witterungseinflüssen stark oder weniger stark
unterworfenen Steine sich herausfinden lassen, auch wenn die Frost-
beanspruchuDg nur ein Mal stattgefunden hat.
Auf die Frage der Billigkeit des Bauschingerschen Gefrier- Ver¬
fahrens nochmals einzugehen, erscheint überflüssig, da dieselbe von
Herrn Bauschinger selbst genügend erörtert ist, gegenüber aber dem
Satz „es können Steine, die (durch die Bauschingerschen Versuche)
sich als nicht ganz frostbeständig erweisen, immerhin noch Verwen¬
dung finden, bei monumentalen Bauten werden sie indessen sicher
nicht zugelassen werden dürfen“ kann ich, ohne den Werth
der Versuche des Hern Prof. Bauschinger zu verkennen, die Be¬
fürchtung nicht unterdrücken, dafs die Auswahl zwischen den in
Deutschland zu Monumentalbauten zur Verfügung stehenden natür¬
lichen Bausteinen allzuklein werden würde, wollte man die harte
Probe des 25 maligen Gefrierens als entscheidend ansehen. Unsere
ältesten Bauwerke in Deutschland sind z. Th. aus Materialien her¬
gestellt, welche diese Frostprobe ohne Zweifel nicht einmal tlieil-
weise bestehen würden.“ Gary.
IRdiistiiugsversuclie mit einem Monier-Gewölhe. Das auf S. 15
dieses Jahrgangs kurz beschriebene Monier-Gewölbe auf dem Malz-
leinsdorfer Güterbahnhofe der K. K. priv. Südbahngesellschaft in Wien
wurde am 16. und 17. Mai d. J. den von vornherein in Aussicht ge¬
nommenen weiteren Belastungsversuchen unterworfen. Das Gewölbe
hatte am 16. Mai ein Alter von 210 Tagen erreicht; es war den
ganzen Winter hindurch, welcher reichlich Frost und Schnee ge¬
bracht hatte, vollständig den Witterungseinflüssen ausgesetzt ge¬
wesen und zeigte sich, obgleich die Aufsenflächen grofsentheils ziem¬
lich rauh waren, auch die Entwässerung keineswegs strengen An¬
forderungen entsprach, durchaus gut erhalten. Die Beobachtung
der durch die Belastung hervorgerufenen Formveränderungen wurde
noch sorgfältiger ausgeführt als am 10. December v. J., indem sie sich
auf die schon früher beobachteten neun Punkte des Gewölbes und auf
die vier Kämpferpunkte in den Stirnen erstreckte und überdies auch
auf die wagerechten Bewegungen aller Punkte ausgedehnt wurde.
Am 16. Mai wurden zunächst eine dreiachsige Locomotive von je
10 30O kg Achsdruck, demnächst eine vierachsige Locomotive von
bezw. 11 600, 11 600, 12 700 und 12 700 kg Achsdruck einseitig auf
das Gewölbe gestellt. Die gröfste Durchbiegung, und zwar in der
Mitte der belasteten Gewölbehälfte, betrug hierbei 4 bis 5 mm, die
bleibende Durchbiegung an denselben Punkten 2 bis 2,5 mm. An
allen übrigen Punkten waren die Senkungen unerheblich und ver¬
schwanden nach der Entlastung fast vollständig. Ebenso waren
merkliche Verschiebungen in wagerechter Richtung nach Beseitigung
der Last nicht wahrnehmbar. Nach dem Abfahren der Locomotiven
wurde die andere Gewölbehälfte ruhender Belastung durch Eisen¬
bahnschienen unterworfen. Dieselbe betrug zunächst 52 700 kg = rd.
2600 kg auf 1 qm und wurde in 4 Absätzen allmählich bis auf
100 000 kg, = 5000 kg auf 1 qm, gesteigert. Die gröfsten Senkungen
wurden im Scheitel beobachtet und betrugen unmittelbar nach Auf¬
bringung der ganzen Last 12,7 bis 13,7 mm; nachdem dieselbe Last
3 ','2 Stunden lang auf das Gewölbe gewirkt hatte, waren die
Senkungen auf 14,1 bis 15,4 mm gestiegen. Schon bei der Belastung
von 90 000 kg hatten sich in den Stirnmauern , nahe der Mitte der
unbelasteten Gewölbehälfte, kleine Risse gezeigt, welche sich an einer
Stelle auch in das Gewölbe bis zu etwa 2^3 seiner Stärke hinein fort¬
setzten. Trotzdem gingen die angeführten Senkungen während der
Beseitigung der Last merklich wieder zurück; nach vollständiger
Entlastung des Gewölbes am Moi-gen des 17. Mai betrugen die
bleibenden Durchbiegungen im Scheitel nur 3,5 bis 4 mm, in der
Mitte der belasteteten Gewölbehälfte 4 bis 4,3 mm. Die wagerechten
Verschiebungen, welche 2,2 bis 4 mm betragen hatten, waren bis auf
1,5 bezw. 2 mm zurückgegangen.
Am 17. Mai wurde zunächst die ruhende einseitige Belastung von
90 000 kg wieder aufgebracht, welche man in 5 Absätzen bis auf
170 000 kg vermehrte. Die gröfsten Senkungen, welche wieder im
Scheitel eintraten, betrugen 31,6 bis 33,8 mm, die stärksten Verschie¬
bungen in wagerechter Richtung am Kämpfer 4,2 mm, im Gewölbe
7,4 mm. Bei Vermehrung der Belastung auf 180 000 kg traten erheb¬
liche Risse in einem Widerlager ein, infolge deren das Gewölbe sich
in einzelnen Punkten auf das Unterfangungsgerüst auflegte. Nach¬
dem diese Stützpunkte beseitigt waren, steigerte man die Belastung
bis auf 196 200 = 9810 kg auf 1 qm. Hierbei wichen die Widerlager
stark aus, und das Gewölbe erhielt in der Nähe des Scheitels einen
in der ganzen Breite durchgehenden Rifs. Man erachtete damit die
Zerstörung des Gewölbes als eingetreten und schlofs die Belastungs-
versuche ab. Anscheinend war übrigens die Widerstandskraft des
Bogens selbst nicht vollständig erschöfpt, vielmehr dürfte seine Zer¬
störung durch das Ausweichen der Widerlager etwas beschleunigt
worden sein. R-
Der Besuch der eidgenössischen polytechnischen Schule in
Zürich im Schuljahre 1889/90 beziffert sich auf 622 (633) regelmäfsige
Schüler und 339 (359) Hörer, im ganzen 961 Besucher (gegen 992 im
Vorjahre). Von den 622 Schülern entfallen auf die Bauschule 34,
Ingenieurschule 163, mechanisch -technische Schule 180, chemisch¬
technische Schule 147, Forstschule 19, Landwirthschaftliche Schule 41,
Culturingenieurschule 4 und auf die Schule für Fachlehrer 34. Der
Landesangehörigkeit nach sind unter den Schülern 279 Schweizer
und 343 Ausländer. Die letzteren vertheilen sich auf die verschie¬
denen Staaten wie folgt; Russische Staaten 95, Oesterreich-Ungarn 50,
Deutschland 43, Italien 40, Rumänien 39, Griechenland 14, Nord-
und Süd-America und Bulgarien je 10, Frankreich und Grofs-
britannien je 8, Dänemark, Holland, Schweden, Türkei je 5, Asien 2,
Serbien, Luxemburg, Norwegen, Spanien je 1. hinter den 339 Hörern
befanden sich 118 Studirende der Hochschule Zürich.
Verlag von Ernst & Korn (tVillielm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlicli : Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 23. August 1890. Nr. 34.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHAIiT: Amtliches: Personal- Nachrichten — Nichtamtliches: Neue evangelische
Garnisonhirche in Spandau. — Bohrmaschinen im Maasfelder Kupferschiefer-ßerghaue.
— Bauausführung der zweiten Weichselbrücke bei Dirschau (Fortsetzung). — Ver¬
mischtes: Preisbewerbung um ein Kaiser Wilhelm-Denkmal der Provinz Westfalen.
— Preisbewerbung um ein „Strandschlofs“ in Colberg. — Hauseinsturz in Crefeld. —
Vereinbarung einheitlicher Prüfungsarten für Bau- und Constructionsmaterialien. —
Herzogliche technische Hochschule in Braunschweig. — Joseph Bär t- — Heinrich
Otte t-
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Geheimen
Admiralitäts-Rath Dietrich, vertragenden Rath im Reichs-Marine-
Amt, den Rothen Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife und dem
Kreis- Bauinspector Baurath Julius Koppen in Schmalkalden den
Rothen Adler-Orden IV. Klasse mit der Zahl 50 zu verleihen.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, dem Ge¬
heimen Baurath und Marine -Schiffbaudirector Guyot in Wilhelms¬
haven den Rang der Räthe III. Klasse zu verleihen.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, auf die
erledigte Stelle eines Bahnmeisters in Horb den Bahnmeister Ernst
in Königsbronn auf sein Ansuchen zu versetzen und die erledigte
Stelle eines Bahnmeisters in Dornstetten dem stellvertretenden Bahn¬
meister Schopf daselbst zu übertragen.
[Alle EecMe Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die neue eyangelische Garnisonkirche in Spandau
Die Erhebung der früher nicht bedeutenden Festung Spandau zu
einem Waflfenplatze ersten Ranges hat daselbst in den letzten Jahr¬
zehnten zur Ansammlung einer immer zahlreicheren Besatzung ge¬
führt. Neben Artillerie, Train und all den zum Z.vecke der Walfen-
fabrication in Spandau vereinigten Militärkörpern sind allein drei
Infanteiieregimenter dorthin gelegt worden. Die Bauthätigkeit hat
infolge dessen eine ungemein rege sein müssen. Wie man aber auf
die Errichtung von Casernen, Lazarethen und Gefängnissen, auf die
Erbauung immer neuer grofsartiger Werkstätten und Vorrathsräume
zur Herstellung und Aufbewahrung von Kriegsmaterial aller Art
bedacht gewesen ist, so hat man
auch das kirchliche Bedürfnifs der
Garnison nicht aufser Acht ge¬
lassen und ist im Frühjahr 1887
zur Errichtung des stattlichen
Gotteshauses geschritten, dem die
nachfolgenden Zeilen gelten
sollen und welches die neben¬
stehenden Abbildungen veran¬
schaulichen.
Die Kirche, in der bisher der
Gottesdienst für die vorwiegend
evangelische Garnison abgehalten
wurde — für den katholischen
Theil derselben ist auskömmlich
gesorgt — war die verhältnifs-
mäfsig kleine Johauniskirche,
gleichzeitig zweite protestantische
Gemeindekirche der Stadt. Sie ver¬
mochte nur Abordnungen von zu¬
sammen 500 Mann zu fassen, während das Bedürfnifs vorlag, Platz für
etwa die doppelte Anzahl Kirchgänger zu schaffen. Diesen Raum
bietet das neue Gotteshaus, welches lediglich als Militärkirche dienen
soll und eine Civilgemeinde nicht besitzt.
Die Baustelle ist in der Oranienburger Vorstadt unmittelbar
an der Neuendorfer Strafse günstig gewählt. Um letzterer die
Hauptseite der Kirche zuzukehren und diese in ihrer Um¬
gebung, besonders im Strafsenbilde , gut und wirkungsvoll zur
Erscheinung zu bringen, ist von der Örientirung abgesehen und
die Längsachse des Bauwerks umgekehrt, in die Richtung West-
Ost, Thurm und Haupteingang also nach letzterer Himmelsgegend,
gelegt worden. Der Grundrifs der in märkisch -gothischer Back-
steinbauweise durch den Garnisonbauinspector A. Rossteuscher
errichteten Kirche bildet ein lateinisches Kreuz mit einschiffigem
Lang- und Querhause von 12 bezw. 11 m Lichtweite. Drei Kreuz¬
gewölbejoche von etwa halber Schiflfbreite überdecken das erstere.
je ein gleiches Joch die Querarme. Ueber die Vierung spannt sich
ein weites Sterngewölbe; an den schmalen Vorchor von der Breite
des Langhauses, der auf der einen Seite zur Verbindung von
Sacristei und Kanzel, gegenüber für einen bevorzugten Kirchenstuhl
ausgenutzt ist, schliefst sich im halben Sechseck die Apsis. Zu
Seiten des Vorchores liegen Sacristei und Confirmandenzimmer mit
kleinen Vorräumen. In der Langhausachse steht der stattliche
Thurm mit Eingangshalle, Orgelbühne, Glockenhaus und Uhrstube
übereinander. Emporen sind aufser der Orgelbühne nur in die Quer¬
arme eingebaut; sie werden von je 6 Kreuzgewölben auf Sandstein¬
säulen getragen, haben massive,
durch Zwerggaleriebrüstungen ab¬
geschlossene Stirnen und sind
durch je zwei Wendeltreppen,
deren eine bis zum Dachboden
reicht, zugänglich. Ebenfalls eine
Wendeltreppe führt seitlich vom
Hauptthurme bis in dessen
Glockengeschofs und in diesem
weiter empor bis zum Thurm¬
helme.
Das Kircheninnere wirkt
weit und frei und erfüllt vortreff¬
lich den Zweck der Predigtkirche.
Die Akustik wird als ausgezeichnet
gerühmt und hat sich auch bei
bereits mehrfach veranstalteten
Kirchenconcerten vor einem die
Kirche bei weitem nicht ausfüllen¬
den Zuhörerkreise in jeder Be¬
ziehung bewährt. Von den Sitzplätzen befinden sich rund 300
auf den Emporen, etwa 700 in den Schiffen; von allen ist der
Prediger gut zu sehen und zu hören. Das System des Aufbaues
veranschaulicht der Längenschnitt Abb. 2. Die zum Theil ins
Innere gezogenen Strebepfeiler des Langhauses bilden unten einfache
rechteckige Vorsprünge, welche die Breite der Seitengänge nur wenig
verengen. Die Gewölbedienste und Pfeilervorlagen für die Gurt¬
bögen sind erst in etwa 3 m Höhe über Fufsboden entwickelt. Bei
den Querschiflfen wurden die Strebepfeiler durch die achteckigen
Wendeltreppenthürme zu Seiten der Schiffgiebel ersetzt. Die
Kreuzgewölbe sind aus Halbkreisbögen über den Diagonalen con-
struirt, und ihre Scheitel liegen nur wenig imter dem des Stern¬
gewölbes der Vierung. Die Orgelbühne ist in den Thurm hinein¬
gezogen, ihre auf kräftig vorkragender Flachbogenstellung ruhende
Brüstung hat die gleiche Ausbildung wie die der Querschiflfemporen
erfahren.
342
Centralblatt der Bauverwaltung.
23. August 1890.
You aufsergewöhnlicliem Interesse ist die wolilgelungene Färbung
des Kircbeninnereu. Sie ist wie die gesamte Formengebung des
Bauwerks nach erprobten mittelalterlichen Grundsätzen erfolgt. Der-
Architekt hat bei der Durchführung seines Farbengedankens auf die
stoft'liche Besonderheit der zu färbenden Theile keine Kücksicht ge¬
nommen. Er hat den Sandstein der Capitelle, Dienstringe und Schlufs-
steine, der Emporeusäulen, des Altars und der Kanzel ebenso ledig¬
lich mit Eücksicht auf die erstrebte Farbenharmonie bemalt, wie die
Putzflächen und das Backsteingerüst, in welchem, von den wenigen
genannten Hausteintheilen abgesehen, das ganze Innere in Ueberein-
stimmung mit der Aufsenarchitektur aufgeführt ist. Der Grund¬
satz, von dem hierbei ausgegangen wurde, ist angefochten worden,
und zwar gerade vom Standpunkte des Gothikers aus, der sich an¬
geblich nie zu einer Verleugnung des Stofflichen und dessen Eigenart
verleiten lassen dürfe, da er sonst gegen die Wahrheit, das höchste
Kunstgesetz, sündige. Wir glauben, dafs das der Strenge zu viel
ist. Wenn Semper, indem er sich gegen die übertriebene Betonung
des Constructiven, Stofflichen in der Gothik wendet, sagt, dafs die
Form, die zur Erscheinung gewordene Idee, dem Stoffe, aus dem sie
gemacht ist, zwmr nicht widersprechen dürfe, dafs es jedoch nicht
durchaus nothwendig sei, dafs der Stoff’ als solcher zu der Kunst-
erscheiuung als Factor hinzutrete, so möchten wir diesen Satz auch
auf den vorliegenden Fall anwenden, obwohl es sich bei diesem um
Farbe, nicht um Form handelt. Geschichtlich genommen hat übrigens
die Gothik eine frische, fröhliche Bemalung gewifs immer gestattet,
nicht etwa um zu täuschen, um einem geringeren Baustoffe das Aus¬
sehen eines edleren, theureren zu geben, wohl aber, um über die
Unvollkommenheiten und Eauhheiten eines Baustoff'es hiuwegzuhelfeu,
um dem Bedürfnisse nach farbigem Schmucke zu entsprechen und
um die Einheitlichkeit und gewollte Wirkung der Farbe zu erzielen.
So betrachtet kann es nicht befremden, wenn wir bei unserer Kirche
die Backsteintheile, verputzte wie unverputzte, mit einem kräftig-
fleischrothen Tone überstrichen ffuden, wenn theils breite braune
Streifen, theils weifse, quaderartige Fügung angewandt sind, um Pfeiler,
Gurte und einzelne Flächen wirkungsvoll zu beleben und in den
erwünschten Mafsstab zu bringen. Den Gegensatz zu dieser
führenden Farbe bilden ein stumpfes Grünlichgrau der glatt-
geputzten oberen Wandflächeii und das gelbliche Weifs der mit
Stippputz versehenen Gewölbkappen, welches im Sterngewölbe mit
lichtem Blau und Gelb abwechselt und in der Chornische zu gold¬
besterntem Blau gesteigert ist. Die Kajjpen sind mit Blätterborten
umsäumt, die Knäufe, Kragsteine, Eippenanfänger und Schlufssteine
dureh bunte Bemalung in leuchtenden, ungebrochenen Farben her¬
vorgehoben. Am Triumphbogen und im Chore ist dieser Schmuck
unter mafsvoller Anwendung von Vergoldung auf die ganzen Eippen
und Gurte ausgedehnt, wie überhaupt der Eeichthum der gesamten
Innenausstattung nach dem Chore hin zunimmt. Eine vielfarbige
Behandlung haben auch die Emporen, der Altar und die Kanzel er¬
fahren, ebenso wie das kieferne Orgelgehäuse und Kirchengestühl
und die schmiedeeisernen Be¬
leuchtungskörper in bunten
Tönen abgesetzt sind. Zu
diesem ganzen Farbenbilde
treten schliefslich noch die
wie alle Einzelheiten des Bau¬
werkes vom Architekten selbst
entworfenen Glasfenster hinzu,
die bis jetzt zwar nur erst im
Chore im vollen farbigen
Schmuck erscheinen — selbst
hier hat eine Mandorla im
Mittelfenster vorläufig durch
ein Papiertransparent ersetzt
werden müssen — , die aber
die volle Farbenharmonie, wel¬
che sie dem Kirchenraume ver¬
leihen werden, schon an die¬
sem Bautheile erkennen lassen.
Im Aeufseren tritt die
geschilderte Plananordnung
gut und klar in die Erschei¬
nung. Ueber die Hauptein¬
gangsfront, insbesondere den
Aufbau des Thurmes, belehrt
unsere Abbildung 3. Das
Langhaus wird durch schlichte
Strebepfeiler gegliedert, die,
oben in Wandstreifen um¬
setzend, durch Bogenfriese ver¬
bunden werden, welche dem knappen Hauptgesims die der Backstein¬
bauweise eigenthümliche Bereicherung geben. Die Spitzbogen-
feuster sind dreigetheilt und im Bogenfelde mit je einer grofsen
und zwei kleinen Eosen versehen. Ein ähnliches Motiv, doch mit
drei gleichwerthigen Eosen, zeigen die breiteren Fenster des Quer¬
hauses, dessen Eck-Treppenthürme schlank und schön gezeichnet
emporwachsen. Nicht ganz so einverstanden erklären können wir
uns mit der Durchbildung der Querschiff’giebel, deren Motiv, eine
dreitheilige Bleudeugrujjpe zwischen gemusterten Wandstreifen, zwar
geschickt gewählt, aber in seinem oberen wagerechten Abschlüsse
nicht ganz glücklich zur Entwicklung gebracht erscheint. Besser
wirkt die ähnliche Lösung am Chorgiebel, bei welchem der Mittel¬
theil aus der Wagerechten heraus nach oben gestreckt ist. Ueber-
haujff baut sich die Choransicht mit ihrer fest mit der Vorchorfront
verwachsenen Apsis, mit den zur Seite liegenden, klar ausgesprochenen
Nebenräumen und den auch für diese Front gut abgewogenen Quer¬
schiffthürmen sehr gut zusammen.
Die Planfeststellung und Ausführung des Baues ist unter Mit¬
wirkung der Vorgesetzten Baubeamten, der Herren Geh. Ober-Baurath
Voigtei und Intendantur- und Baurath Boethke, erfolgt; für die
besondere Bauleitung standen dem Architekten nacheinander die
Eegierungs-Baumeister Voelcker, .Jansen und Afinger zur Seite.
Die Ausführung der Arbeiten begann im Frühjahr 1887 mit schwie¬
riger Kastengründung auf ungünstigem Boden. Am 18. October des¬
selben Jahres, dem Geburtstage des hochseligen Kaisers Friedrich,
damaligen Kronprinzen, wurde der Grundstein gelegt, 1888 das Ge¬
bäude unter Dach gebracht,
im folgenden Jahre ausgebaut
und am 16. März d. J. im
Beisein Seiner Majestät des
Kaisers feierlich eingeweiht.
Die in Eathenower Hand¬
strichsteinen im Blockverband
aufgemauerten Fronten, welche
trotz der tiefrothen Steinfarbe
vorläufig infolge der ziemlich
breiten vollen weifsen Fuge
noch einen etwas blassen Ge¬
samtton zeigen, sind, wie die
ganzen Maurerarbeiten über
Erdboden, durch den Maurer¬
meister E. Müller in Spandau
zur Ausführung gebracht wor¬
den. Die Zimmerarbeiten, ins¬
besondere die Errichtung der
ohne Kreuz rund 38 m hohen,
in Mollerscher Art con-
struirten Thurmpyramide,
waren in die bewährten Hände
der Zimmermeister W. Sittel
u. Sohn in Nauen gelegt, das
deutsche Schieferdach deckte
W. N eumeister in Berlin ein.
Besondere Sorgfalt ist auf die
Schmiede- und Schlosserarbei¬
ten, Thürbeschläge, Thurm-
kreuz,Beleuchtungskörper usw.
verwendet worden. Sie sind
nach Zeichnung des Archi¬
tekten theils durch den Schlos¬
sermeister See hinge r in Mar¬
burg, theils, und zwar die
Beleuchtungskörper, durch den
Hofkunstschmied Marcus in
Berlin gefertigt. L. Je s sei
in Berlin führte die Glas¬
malereien , Steinmetzmeister
Schöneseifer in Marburg
die Werksteinarbeiten aus,
Schlag u. Söhne in Schweid¬
nitz erbauten die mit 25 Ee-
gistern ausgestattete Orgel
nebst Gehäuse, der Gufs und
die Modellirung der gufs-
stählernen Glocken aber er¬
folgten in derKönigl.Geschütz-
giefserei in Spandau durch den
Giefsermeister Kirsch, wel¬
cher sich durch diese Leistung
ein besonderes Verdienst um
den' Bau erworben hat.
Die Kosten des Bauwerkes betragen nur rund 270 000 Mark, das
sind etwa 30 Mark für das Cubikmeter des eigentlichen Kirchen-
Kr. 34.
Centralblatt der Bauverwaltiin^.
O
343
hauses, eine Suinme, die besonders gering erscheint, wenn inan in
Betracht zieht, dafs die Gründungsarbeiten allein über 30 000 Mark
gekostet haben. Anderseits haben allerdings mancherlei Stiftungen
zur Verminderung der Bausumme beigetragen. So haben die hoch¬
selige Kaiserin Augusta die Altarausstattung, die Kaiserin Friedrich
einen Kronleuchter in den Chor gestiftet. Die Damen der Gemeinde
schenkten den Altarteppich, die Militärgemeinde, d. h. die Familien
der Officiere und Beamten der Garnison, die farbigen Fensteif,
eine Tochter des Commandanten von Spandau, Fräulein Francisca
V. Knobelsdorff, malte das schöne Altarbild, eine Copie der Rubens-
schen „Auferwecküng des Lazarus“. Aber auch die Regimenter selbst
steuerten zur Ausstattung ihres Gotteshauses bei, indem sie iliren in
den letzten grofsen Kriegen gefallenen Kameraden Gedenktafeln
widmeten.
Bei dieser Opferfreudigkeit der Gemeinde, der die Kirche schon
während der Bauausführung ans Herz gewachsen ist, wird die
gänzliche Vollendung der Ausstattung, zu der vornehmlich die farbige
Verglasung auch der Schiffsfenster gehört, niclit lange auf sich warten
lassen. Der in echt märkisclier Sinnes- und Kunstweise durchgeführte
Bau aber wird für alle Zeit als ein Denkmal gelten würdig des Vor¬
ortes protestantischer Lehre in der Mark, in dessen welirhaften Mauern
er errichtet ist.
Die Bohrmaschine im Mansfelder Kupferschiefer -Berghaue.
lieber den Mansfelder Kupferschiefer -Bergbau hielt Professor
J. R. V. Rziha im österreichischen Ingenieur- und Architekten -Ver¬
eine am 9. November
V. J. einen in hohem
Grade bemerkens-
werthen Vortrag, in
Velchem unter ande¬
rem der Stand des
Bohrmaschinenwesens
in Mansfeld ausführ¬
lich behandelt wurde.
Der Mansfelder
Bergbau ist aus vie¬
len Gründen in be¬
sonderer Weise ge¬
eignet, die Aufmerk¬
samkeit sowohl des
Bergmannes als des
Tunnelbau-Ingenieurs
auf sich zu lenken.
Es wird jährlich bei
einer Flötzstärke von
nur 33 bis 55 cm
eine Fläche von bei¬
läufig 1,6 Quadratkilo¬
meter abgebaut; der
Schwerpunkt der Ar¬
beit liegt dadurch
naturgemäfs in der
Vorrichtung des
Baues, d. i. in der
Anlage der Quer¬
schläge und Strecken,
die gegenwärtig im
Jahre eine Länge von
32 km ausmachen.
Die Einführung der
Bohrmaschine war da¬
rum dringend geboten
und wurde im Jahre
1880 beschlossen; bis
zum Jahre 1888 ge¬
langten auf diesem '
Wege 16 km Stollen
zur Ausführung. Die '
Anwendung der Ma- ^
schinenarbeit wird
sich hier für die Zu¬
kunft noch steigern
und ist schon durch
ihren Umfang für die
Beurtheilung der
Bohrmaschine über¬
haupt sehr mafsge-
bend. Dazu kommt
der Umstand , dafs
die verschiedenen
Bohrarten — Dreh-,
Stofs- und Handboh¬
ren — unter gleichen
Orts- und Gesteins¬
verhältnissen durch
J ahre verglichen wer-
Abb. 3. Ansicht von Osten.
Neue evangelische Garnisonkirche in Spandau
den konnten, was im
Tunnelbau nie vollkommen der Fall ist. Endlich sind die Anlage-
und Betriebskosten der verschiedenen Bohrverfahren genau bekannt
und mitgetheilt, sodafs auch hierüber sichere Aufschlüsse gefunden
werden.
Die bisherige Ar¬
beit mit Bohrma¬
schine vertheilt sich
folgendermafsen :
1. Drehbohrung,
ausgeführt durch die
UnternehmungBrandt
u. Brandau mittels
Br an dt scher Bohr¬
maschinen im Ernst¬
schächter Gebiete des
Kuxberger Bezirkes
in der Zeit vom Fe¬
bruar 1884 bis März
1889. Die durch¬
fahrene Länge betrug
6609 m ; es war hier¬
für nur eine Anlage
erforderlich.
II. Stofsboh¬
rung, ausgeführt
durch die Unterneh¬
mung Fröhlich u.
Klüpfel mittels
Fröhlich scher Bohr¬
maschinen im Freies¬
iebener Schachtge¬
biete des Schafbreiter
Bezirkes in ■ der Zeit
vom September 1883
bis Januar 1889. Die
durchfahrene Länge
betrug 6808,3 m und
es waren hier drei
getrennte Anlagen er¬
forderlich.
III. Stofsboh¬
rung, ausgeführt
durch die Bergbau-
Verwaltung im Ei¬
genbetriebe mittels
Jäger scher Bohrma¬
schinen im Schaf¬
breiter und Hirsch¬
winkeier Bezirke. Der
Uebergang auf den
Eigenbetrieb erfolgte
im Juli 1888, und der
Unternehmerbetrieb
wurde im Jahre 1889
gänzlich aufgegeben.
Bis Mai 1889 ge¬
langten 2138 m unter
theilweiser Benutzung
alter Anlagen zur
Auffahrung.
Ferner wurde im
Jahre 1888 das Boh¬
ren im Strebbau
aufgenommen, und es
waren damit bis Mai
1889 1089 Tonnen
gültiger Schiefer gehoben. In die letzte Zeit fallen endlich Versuche
von Schrämarbeit mit Frankeschen Maschinen.
Holzstich v. O. Ebel.
344
23. August 1890.
Ceutralblatt der ßauverwaltung’.
Die Ausmafse der Querschläge und Strecken sind im weiteren
mit 2,5 . 2,20 = 5,50 qm eingesetzt, was einem mittleren Wertlie ent¬
spricht.
A. Anlagen und Arbeitsvorgang.
I. Drehbohrung, Unternehmung Brandt u. Brandau. Der
Wasserdruck scliwankte zwischen 57 und 87 Atmosphären, die Rohr¬
weite betrug 70 mm im lichten, die Rohrwandstärke 0 mm. Zu
diesem Wasserdrücke lieferte natürliches Gefälle 37 Atmosphären, die
zugehörige Leitung hatte 157 mm Weite im lichten und 3 bis 5 mm
Wandstärke. Es arbeiteten vor Ort im Querschlage — Conglomerate
— drei, im Flötze zwei Maschinen. Auf den Arbeitstag —
24 Stunden — entfielen 3,8 Angriffe mit je 3 Stunden für die
Bohrung, 2,1 Stunden für die Schutterung und 1,2 Stunden für Laden,
Sprengen und Lüften. Letzteres wurde durch Wasserstäubeii unter¬
stützt; die Maschine brachte in der Minute mit 2000 Umdrehungen
25 cbm Luft vor Ort. Auf den Angriff kamen im Conglomerate
15 bis 16, im thonigen Rothliegenden und Sandsteine 10 bis 12, im
Flötze 9 bis 10 Bohrlöcher von 70 mm Durchmesser und 1,2 bis
1,6 m Tiefe. Für das laufende Meter stellte sich :
der Verbrauch au Dynamit, im Querschlage auf 23,0 bis 24,0 kg
„ Flötze „ 16,0 ., 19,9 ..
„ ,. ,. abgestumpften Bohrern,
im Querschlage ,. 2,3 „ 3,2 Stück
„ Flötze .. 1,9 „ 2,4 „
II. Stofsbohrung, Unteimehmung Fröhlich u. Klüpfel. Der
Luftdruck vor Ort schwankte zwischen 4 und 5 Atmosphären,
die Rohrweite betrug 70, in den längsten Leitungen 108 mm. Es
arbeiteten vier Maschinen auf zwei Spannsäuleu, oder sechs Maschinen
auf drei Spannsäulen. Auf den Arbeitstag entfielen 4,3 Angriffe mit
je 3,6 Stunden für die Bohrung, 2,2 Stunden für die Schutterung; auf
den Angriff kamen im Conglomerate 18 bis 20, im Gipse und Stein¬
salze 19 bis 22, im thonigen Rothliegenden 15 bis 18 und im Flötze
9 bis 14 Bohrlöcher von 30 bis 36 mm Durchmesser und 1,10 bis
1,15 m Tiefe. Für das laufende Meter stellte sich:
der Verbrauch au Dynamit, im Querschlage auf 12,5 bis 15,6 kg
„ Flötze ,. 21,9 kg
. ,, ,, abgestumpften Bohrern,
im Querschlage ,, 9 bis 13 Stück
„ sehr festen Gesteine aber
auf 32 bis 43 Stück
III. Stofsbohrung. Eigenbetrieb der Verwaltung.
a. Stollenbohrung im angestrengten Betriebe. Im Schachtgebiete
Otto III. und Clotilde des Schafbreiter Bezirkes wurden in der
Zeit vom Juli 1888 bis Juli 1889 1073 m Länge theils im Con¬
glomerate, theils im Flötze durchfahren. Es arbeiteten vor Ort vier
Maschinen; auf den Tag entfielen 4,3 Angriffe mit je 2,69 Stunden
für die Bohrung, 2,46 Stunden für die Schutterung. Auf den Angriff
kamen durchschnittlich 16,3 Bohrlöcher von 1,22 m mittlerer Tiefe.
Für das laufende Meter stellte sich:
die Zahl der achtstündigen Häuerschichten auf 5,6
„ „ „ „ Schlepperschichteu ,, 4,1
der Verbrauch an Dynamit im Jahre 1888 „ 19,7 kg
,. „ 1889 ,. 13,1 „
„ „ „ abgestumpften Bohrern „ 16 Stück.
Im Hirschwinkeier Bezirke wurden in der Zeit vom Januar bis
Mai 1889 417 m Länge in sehr festem Conglomerate durchfahren.
Auf den Arbeitstag entfielen 3,6 Angriffe mit je 3^4 Stunden für die
Bohrung, 2 Stunden für die Schutterung und 1 Stunde für das
Schiefsen; auf den Angriff kamen 16 Bohrlöcher von 1,38 m mittlerer
Tiefe. Für das laufende Meter stellte sich:
die Zahl der achtstündigen Häuerschichten auf 6,8
„ B „ „ Schlepperschichteu „ 7,4
der Verbrauch au Dynamit auf 22,66 kg
Zündschnur ,. 4 Ringe
Zündhütchen ,. 22 Stück
Bohrstahl „ 2,25 kg.
b. Stollenbohrung im gemäfsigten Betriebe. Im Schachtgebiete
Otto HI wurden binnen 253 Tagen im Flötze 558,1 m Hauptstrecken
durchfahren. Auf den Arbeitstag entfielen 2,4 Angriffe, auf den An¬
griff 14 Bohrlöcher von 1,25 m mittlerer Tiefe. Für das laufende
Meter stellte sich:
die Zahl der achtstündigen Arbeitsschichten auf 4,1
» « « n Schlepperschichten ,, 2,7
der Verbrauch an Dynamit „ 12,7 kg
„ „ „ abgestumpften Bohrern „ 10 Stück.
c. Bohrungen im Strebbaue mittels Jägerscher Bohrmaschinen,
welche anfänglich im Gewichte von 90 kg, später von 85 kg mit
t)5 mm Durchmesser und schliefslich von nur 55 kg angeweudet
wurden. Im Jahre 1888 wurde mit drei Maschinen, im Jahre 1889
wegen anderweitiger Abgabe der Betriebsluft bei einer Strebstofslänge
von 60 m mit nur einer Maschine gearbeitet. Die Bohrlöcher hatten
33 bis 36 mm Durchmesser und 1,2 bis 1,5 m Tiefe.
d. Schrämen mittels Bohrmaschinen von Franke, welche ein Ge¬
wicht von nur 6 kg haben und 1500 bis 1700 Stöfse in der Minute
machen. Sie können sehr leicht von einem Manne, stehend oder
liegend, frei oder auf einem kleinen Rollgestelle, gehandhabt werden.
Die bisherigen Ergebnisse versprechen einen günstigen Erfolg.
e. Anlage eines unterirdischen Luftbehälters im Gesteine. Solche
wurden schon am Harze ausgeführt und sind auch für die
Prefsluftanlage in Paris in Aussicht genommen. Sie haben neben
anderen Vortheilen auch den der geringeren Gefahr, und ihre dichte
Erstellung ist hier vollkommen gelungen.
R. Erzielte Arbeitsfortschritte.
Betrieb.
Tages¬
fortschritt
in Meter.
Vergleich
gegen
Handarbeit.
I. Drehbohrung, Unternehmung Brandt
1 3,22 bis 5,74,
3,54 : 1 bis
u. Brandau, je nach abnehmender
höchstens
4,19 : 1
Gesteinsfestigkeit.
7,02
II. Stofsbohrung, Unternehmung Fröh-
3,11 bis 4,76,
4,06 : 1 bis
lieh u. Klüpfel, je nach abnehmender
höchstens
3,23 : 1
Gesteinsfestigkeit.
1 6,17
HI. Stofsbohrung, Eigenbetrieb der Ver¬
waltung.
a. Stollenbohrung im angestrengten
Betriebe.
Im Schafbreiter Bezirke . . .
4,36
4,36 : 1
Im Hirschwinkeier Bezirke . .
3,11 bis 3,89
3,90 : 1
b. Stollenbohrung im gemäfsigten
Betriebe .
! 2,2
2,2 : 1
c. Bohrung im Strebbaue.
1 in Tonnen
: gült. Schiefer
Tagesleistung eines Häuers
0,30 bis 0,45
1,80 : 1 bis
2,80 : 1
C. Kosten der Anlagen.
Die Anlagen bestehen in Luftprefsmaschinen, Luftbehältern,
Kessel, Maschinenhaus und Werkstätten, Bohrmaschinen, Spann¬
säulen, Luftschläuchen, Hähnen, Rohren usw.
Betrieb.
Mit der
Anlage
erbohrte
Länge
Meter.
Be¬
triebs¬
zeit
Jahre.
Kosten der An¬
lage, vertheilt
auf das laufende
Meter erhohrter
Länge
Mark.
I. Unternehmung Brandt u. Brandau,
eine Gesamtanlage .
6609,0
5
22,28
11. Unternehmung Fröhlich u. Klüpfel,
drei getrennte Anlagen:
a. Freiesiebener Schacht . . .
1496,5
2
38,30
b. Schaf breiter Bezirk, Schacht
Otto IH .
3400,0
3
26,52
c. Hirschwinkeier Bezirk (theil-
weise Benutzung einer älteren
Anlage) .
2138,1
2V2
19,77
Um vergleichen zu können, wurden die Anlagen für die Stofs¬
bohrung gleichfalls auf fünfjährige Verwendung, bei 15 pCt. jähr¬
licher Abschreibung umgerechnet und man erhielt dann die Werthe:
a. Freiesiebener Schachtgebiet . . . 11,50 Mark
b. Schafbreiter Bezirk . 11,93 „
c. Hirschwinkeier Bezirk . 7,42 „
also weitaus zu gunsten des Stofsbohrens.
I). Kosten des Betriebes.
I. und II. Augestrengter Unternehmerbetrieb. Dreh- und Stofsbohren.
Die Kosten für das Cubikmeter ausgehöhlten Raumes betrugen:
Drehbohren
Stofsbohren
Stollen.
Maschinen¬
betrieb
Hand¬
betrieb
Maschinen¬
betrieb
Hand¬
betrieb
Mark.
Querschlag im Rothliegenden
32,9
22,1
, 36,3
22,9
Strecken im Flötze ....
25,8
14,7
30,8
17,1
Als Durchschnittswerthe in
Rücksicht auf die Längen
ergeben sich .
30,5
19,7
32,5
18,1
Nr. 84.
Centralblatt der Bauverwaltüng.
345
Zu diesen Werthen ist zu bemerken:
1. Die Kosten der Handarbeit wurden mit den wirklichen, an den
betreffenden Arbeitsstellen gezahlten Werthen eingesetzt.
2. In den Förderquerschiägen sind die Kosten des jeweiligen
Ausbaues und der Fördergeleise zugeschlagen und zwar beim Dreh¬
bohren 2,61 Mark, beim Stofsbohren 1,91 Mark.
3. Beim Drehbohren sind ferner die Kosten der Hebung des
Betriebswassers zugefügt; sie betrugen durchschnittlich 1,20 Mark.
4. Der Umstand, dafs beim Drehbohren 46 pCt. des Wasser¬
druckes durch natürliches Gefälle erreicht wurden, erscheint hier
nicht berücksichtigt.
Es ist also der Maschinenbetrieb um 50 bis 80 pCt. theurer als
der Handbetrieb und das Drehbohren etwas theurer als das Stofs¬
bohren.
Die Kosten selbst vertheilen sich in Procenten wie folgt:
Dreh-
Stofs-
Nr.
Gegenstand.
bohren
bohren
Procent.
1.
Gedinge an Unternehmer .
70,00
79,62
2.
Luftprefs- Arbeiten . .
■ —
14,10
3.
Wetterlutten, Lüftung .
2,51
4.
Kohlen (Prefspumpe und Werkstätte) . .
8,50
__
5.
Sonstige Materialien .
4,22
6.
Verbrauchte Bohrer . . .
1,20
___
7.
Ausbesserungen und Ergänzungen der An-
läge ^ .
4,83
—
8.
Verbrauchte Schienen und Schwellen . .
6,40
4,38
9.
Materialien zum Ausbaue . . .
2,34
1,90
Zusammen . .
100,00
100,00
III. Eigenbetrieb der Verwaltung. Stofsbohren. |
a. Stollenbohrung im angestrengten Betriebe.
Im Schachtgebiete Otto III.
Die Kosten für das Cubikmeter ausgehöhlten Baumes betrugen !
21,01 Mark und vertheilen sich in Procenten wie folgt:
Post-
Nr.
Gegenstand.
Procent.
1.
Arbeitslöhne . . . .
25,41
2.
Sprengmaterialien .............
27,13
3.
Förderung . .
11,44
4.
Luftprefsmaschine . .
0,15
5.
Ausbesserungen und Ergänzungen der Anlage . .
7,80
6.
Verbrauchte Schienen und Schwellen .....
15,34
, 7.
Materialien zum Ausbaue . .
12,73
Zusammen
100,00
Im Handbetriebe kam das Cubikmeter auf 16,1 Mark.
Es ist demnach der Maschinenbetrieb der Verwaltung um 31 pCt.
theurer als der Handbetrieb, und um 31 pCt. billiger als der Unter¬
nehmerbetrieb.
Im Hirschwinkeier Bezirke.
Ein Cubikmeter kam im Maschinenbetriebe auf 24,25 Mark,
davon entfielen in Procenten:
auf Löhne .... 78,27
auf Materialien . . 21,73
Zusammen 100,00
In der Handarbeit hat das Cubikmeter 22,3 Mark Kosten ver¬
ursacht.
Es stellt sich demnach der Maschinenbetrieb um 10 pCt. theurer.
b. Stollenbohren im gemäfsigten Betriebe.
Im Schachtgebiete Otto III.
Ein Cubikmeter kam
im Maschinenbetriebe auf 9,8 bis 11,6 Mark
im Handbetriebe „ 8,4 „ 10,6 „
Es ist daher ersterer um 9—15 pCt. theurer, war aber in einem
Falle sogar noch um 5 pCt. billiger als der Handbetrieb.
c. Bohrungen im Strebbaue.
Die Kosten des Cuhikmeters betrugen
im Maschinenbetriebe . . . 5,65 Mark
im Handbetriebe . 7,27 Mark
Der Maschinenbetrieb ist also hier nicht nur weit rascher,
sondern noch um 22 pCt. billiger als der Handbetrieb.
Die Kosten verth eilen sich in nachstehender Weise:
Post-
Nr.
Gegenstand.
Maschinen¬
arbeit
Proce
Hand¬
arbeit
nt.
1.
Häuer .............
46,02
73,18
2.
Förderer . . .
8,85
8,94
3.
Sprengmaterialien .
17,88
15,54
4.
Luftprefsmaschine .
17,69
—
5.
Ausbesserungen und Ergänzungen der
Anlage . .
9,56
2,34
Zusammen . .
100,00
100,00
Es ergeben sich bei dem Mansfelder Bergbaue rücksichtlich
der Bohrmaschinen folgende Schlüsse:
Die Arbeitsfortschritte sind im milden Gesteine beim Drehbohren,
im festen Gesteine beim Stofsbohren günstiger, sonst aber wenig
verschieden. Anlage und Betriebskosten sind beim Drehbohren
höher als beim Stofsbohren, umsomehr dann, wenn kein natürlicher
Wasserdruck zur Verfügung steht.
Der Betrieb mit Prefsluft ist einfacher als jener mit Druck¬
wasser, weil das Heben des Betriebswassers entfällt, und er ist
auch in Bücksieht auf den Zustand der Förderbahn geeigneter, weil
reinlicher als der letztere. Endlich haben auch die Spannsäulen der
Stofsbohrer ein kleineres Gewicht als jene des Drehbohrers und
sind darum leichter zu handhaben.
Der Werth der Bohrmaschinen überhaupt ergiebt sich aus den
übersichtlich zusammengestellten Fortschritten und Kosten von
selbst, und es verdient dieser Bergbau auch weiter die Aufmerk¬
samkeit aller Ingenieure, die sich mit Gesteinsbohrungen beschäftigen.
Wien, im Mai 1890. E. Ein dl.
Die Bauausfülirung der zweiten Weichsellbrucke bei Dirschau.
Von A. Goering.
(Fortsetzung.)
5. Die Gründung der Pfeiler (Abb. 10a, 10b).
Für die Gründung der beiden Strompfeiler (Abb. 10) und der
beiderseitigen Landpfeiler — da auch am östlichen Landpfeiler
eine tiefe Fluthrinne vorbeigeht ■— wurde die bei der alten Brücke
bewährte Anordnung eines Betonbetts auf Grundpfählen zwischen
Pfahlwänden mit umgebendem sehr breiten und kräftigen Stein-
wurf gewählt. Die Sohle des Betons liegt bei den Strompfeilern
(ähnlich auch bei den Landpfeilern) auf — 0,53 d. i. etwa (vgl. auch
Abb. 3 auf Seite 325):
1,5 m unter der Pufssohle,
3,9 m unter Niedrigwasser,
4,8 m unter Mittelwasser,
11,4 m unter Hochwasser.
Um die bezeichnete Tiefe der Betonsohle zu erreichen, wurde
die Flufssohle, weiche zwar inmitten der ersten Stromöffnung sich
sehr tief senkt, in der Gegend der Pfeiler aber etwa auf 1,0
liegt:, vor Einrammen der Pfähle um 1,5 m ausgebaggert, und
zwar auf etwa 18 m Breite, und 30 m Länge, dann mit flachen
Böschungen (1 : 2) ansteigend (Abb. 10b).
Das Betonbett innerhalb der Pfahlwand hat 3,8 m Stärke, steigt
also bis -j- 3,25, d. i. fast zur Höhe des Niedrigwassers (+ 3,32
über N. N.) und hat eine Grundfläche von 18,82 m Breite und 23,7 m
I Länge, mithin nach Berücksichtigung der Zuspitzungen etwa 223 qm
Gröfse, enthält demnach rund 845 chm Beton. Auf die Oberfläche
des letzteren setzt sich der Mauerkörper in einer Breite von 8,34 m
und zieht sich mit vier kleinen abgeschrägten Sockelabsätzen auf
7,14 m zusammen, um dann mit einer Anlage von 1 : 18, wie oben
bemerkt, weiter aufzusteigen.
Die Steinschüttung aus grofsen Granitfindlingen, welche
hauptsächlich der Ostsee entnommen werden, ist bis zur Höhe der
Beton- Oberfläche (+3,25) in einer Breite von 8 m nach allen Seiten
um die Pfahlwand vorgesehen, unter Sfüfsiger Böschung zur Flufs¬
sohle.
Die Pfähle der Wand sowie die Grundpfähle reichen bis — 5,53
unter N. N., also 8,78 m unter die Oberkante des Betons.
Die drei auf dem Vorlande stehenden Mittelpfeiler sind
auf je zwei Brunnen gegründet, welche kreisrunde Form haben bei
einem Achsenabstand von 10,8 m. Die Brunnen zeigen in dem oberen
5,20 m hohen cylindrischen Theile 10 m äufseren Durchmesser und
1,16 m Wandstärke, darunter noch 1,8 m Höhe mit einer Vergröfse-
rung auf 10,3 m am unteren Bande. Dieser untere Theil setzt auf
dem Eisenringe (Blechkranz mit 1 Winkeleisen) mit ein Stein Stärke
an und ist dann nach innen auf seine Höhe von 1,8 m bis zu der
Stärke von 1,16 m übergekragt. Die Brunnen sind mit dem unteren
34G
23. August 1830,
Centralblatt der Bauverwaltung.
Eiinde bis anf — 2,70 unter N. N. hinabgesenkt, d. i. rund 10 m unter
die Vorlandhöhe von G,75 m. Die Betonfüllung reiclit bei etwa 2,4 m
Stärke bis — 0,36; dann folgt die Ausmauerung. Die Oberkante der
Brunnen liegt auf -t- 4,25 (in Höhe des Mittelwassers), also noch
2,0 m unter der Vorlandhöhe. Darüber steigt — nacli Ueber-
wölbung des kleinen Zwischenraums — der Mauerkörper wie bei
den Strompfeilern auf. Nur kommen hier die Soclcelabsätze in
Wegfall, da sie noch unter
die Erdoberdäche fallen
würden.
6. Der BaupLaii.
Die Bauzeit wurde auf
vier Jalire festgesetzt und
der Bau im Frühjahr 1888
begonnen. Zu beachten ist
hierbei, dafs zwischen dem
Verschwinden des Hoch¬
wassers und dem in jener
Gegend ziemlich frühen Ein¬
tritt des Frostes nur die
Sommer- und Herbstmonate
als Bauzeit zu benutzen sind,
und dafs alle über das Vor¬
land emporragenden Gegen¬
stände, als Bauhütten, Schup¬
pen, Gerüste us^v., vor Ein¬
tritt des Hochwassers voll¬
ständig beseitigt werden
müssen, um hinter den
Deichen Schutz zu finden
und dem Hochwasser keiner¬
lei Hindernifs zu bieten.
Der Bauplan ist, in
kurzen Zügen angegeben,
folgendermafsen entworfen,
wobei vorausbemerkt sei,
dafs die Pfeiler von Westen
nach Osten zählen, der west¬
liche Landpfeiler demnach
mit I, der östliche mit VII
bezeichnet wird.
Erstes Bauj ahr 1888.
Vorbereitungen. Her¬
stellung der Zukömmlichkeit.
Lagerplätze. Einrichtung des
Bauplatzes.
Strompfeiler III:
Gründung und Aufmauerung
bis über Mittelwasser.
Vorlandpfeiler IV, V,
VI desgl. bis unter Ab¬
deckung. Unterbau der zu
verlegenden unteren Masten¬
krahne.
Im einzelnen:
Strompfeiler III;
105 1. m. Schirm wände,
3 Wochen, bis Ende April.
Baggerung, etwa 2000
cbm; meist Steine, 6 Wo¬
chen, bis Mitte Juni.
Kammarbeiten:
64 1. ra. Pfahlwände, bis 10.
Juli, 31'2 Wochen.
152 Grundpfähle, 3 Wochen,
bis Anfang August.
Pfähle der Rüstung und der
Transportbrücke (70
Stück) und Herstellung
der Rüstungen, 4 Wochen, bis Anfang September.
Betonschüttung und Fangedamm zusammen etwa 1000 |cbm,
4 Wochen, bis Anfang October.
Aufmauern des Sockels (61 ebm Quader, 250 cbm Ziegel),
3 Wochen, bis Ende October.
Vorlandpfeiler IV, V, VI.
Ausheben der Baugrube bis Grundwasser, 3500 cbm und Auf¬
mauern der Brunnen (1270 cbm) in 6 Wochen, bisPIitte Mai.
Ausbaggern und Senken mit zwei Kreisbaggern und zwei
indischen Schaufeln, 2860 ebm, 8 Wochen, bis Mitte Juli.
Ausmauern der Brunnen, 1380 cbm, 6 Wochen, Anfang Juli
bis Mitte August.
Aufmauern der Pfeiler bis Abdeckung (372 cbm Quader,
3900 cbm Ziegel), 12 Wochen, Anfang August bis Ende October.
Zweites Baujahr 1889.
Stromp feiler III: Fertigstellung von Oberkante Sockel an
nebst Aufmauerung der Stützpfeiler.
Vorlandpfeiler IV,
V, VI Fertigstellung: Auf¬
bringen der Deckquader,
Aufmauern der Stützpfeiler.
Strompfeiler II Ver¬
längerung der Transport¬
brücke. Gründung und Auf¬
mauerung bis über Mittel¬
wasser.
Landpfeiler VII.
Gründung und Herstellung
bis zur Abdeckung.
Verlegung des unteren
Mastenkrahns.
Aufstellung des Ei¬
sen - Ueberbaues in der
fünften und vierten Oetf-
nung.
Herstellung des neuen
Planums der Bahn am öst¬
lichen Ufer und des verän¬
derten Deiches daselbst.
Drittes Baujahr 1890.
Strompfeiler II. Voll¬
endung von Oberkante Sockel
oder Mittelwasser an.
LandpfeilerVII. Voll¬
endung: Auf bringen der
Deckquader, Aufmauern der
.Stützpfeiler.
Landpfeiler 1. Grün¬
dung und Aufmauerung bis
zur Abdeckung.
Aufstellen des Eisen-
Ueberbaues in der dritten
und sechsten Oeftnung. Pla¬
num auf dem westlichen Ufeiv
Viertes Baujahr 1891.
Fertigstellung von Land-
pfeiler I.
Eisenüberbau der
zweiten und ersten Oeffnung.
Fertigstellung der Portale,
des Oberbaues und alles son¬
stigen.
Das aufserordentlichhohe
und lange anhaltende Hoch¬
wasser der Jahre 1888 und
89 bewirkte zunächst, dafs
die Arbeiten im ersten Bau¬
jahr erst am 10., im zweiten
erst am 20. Mai begonnen
werden konnten, während
auf Anfang April gerechnet
war. Trotzdem ist es dank
der sehr umsichtigen und er¬
fahrenen örtlichen Bauleitung
der Arbeiten unschwer mög¬
lich geworden, die Ziele des
Bauplans nicht nur einzu¬
halten, sondern sie erheb¬
lich zu überholen.
Bemerkenswerthe Abweichungen während dieser ersten zwei Bau¬
jahre ergaben sich nur in folgenden Punkten: Der Vorlandpfeiler VI
blieb im ersten Jahre etwas weiter zurück, als beabsichtigt, wurde
dann aber im zweiten Jahre ungehindert hochgeführt. Infolge
dessen wurde der Eisen-Ueberbau nicht mit der vierten und fünften,,
sondern mit der vierten und (gleich darauf) dritten Oeffnung be¬
gonnen. Dagegen sind aufser den Vorland- auch beide Strompfeiler,
also alle Mittelpfeiler überhaupt, bereits im zweiten Baujahre (1889)
vollständig fertiggestellt. Ferner wurde die Gründung der beiden
Landpfeiler ebenfalls schon im zweiten Baujahre begonnen und
Abb. 9 b. Schnitt.
0 5 10 20 30 40"
LiJ - - ! - . - ! - . - 1 - . - . - ! - 1 _ I _ 1
Abb. 10 a. Grundrifs.
Gründung eines Strompfeilers (Pfeiler III).
nir. 34.
.347
Centralblatt der Bauverwaltung,
vollendet, sodaft der Pfeiler VII bereits im Jahre 1889 bis, über Hoch¬
wasser, der Pfeiler I bis über Mittelwasser gefördert werden konnte.
Gleichzeitig wurden die umfangreichen Erdarbeiten zur Berichti¬
gung des Vorlandes und der Deiche begonnen, welche zu etwa
2 Millionen Mark veranschlagt sind.
Die Fertigstellung des ganzen Baues im Laufe des vierten
Baujahrs steht demnach — sofern nicht ganz aufserordentliche Er¬
eignisse eintreten — aufser allem Zweifel.
7. Die Eiiiriclitung des Bauplatzes.
Für die Einrichtung des Bauplatzes bot das westliche Ufer
einen mäfsigen, dagegen das Vorland auf dem östlichen Ufer einen
unbeschränkten Baum unter- und oberhalb der Brückenachse. Auf
der Ostseite liegt nahe hinter dem Deich die Bahnstation Bissau.
Von dieser aus wurde ein Anschi ufsgeleis mit Gefälle von 25 o/oo
(1 ; 40) und Krümmungen von 180 m Halbmesser zum Vorlande ge¬
führt, was dadurch ohne noch ungünstigere Steigungen zu ermög¬
lichen war, dafs etwa 150 m unterhalb der bestehenden Brücke ein
schmaler Einschnitt durch den Deich gestattet wurde, sodafs
das Geleis daselbst unter der Deichstrafse hindurchgeführt
werden konnte. Selbstverständlich raufs diese Durchbrechung all¬
jährlich nach Abschlufs der Bauzeit sorgfältig geschlossen und im
Frühjahr nach Verlaufen des Hochwassers wieder geöfFnet werden.
Dieses Anschlufsgeleis ist sodann nebst mehreren Abzweigungen
an der stromabwärtigen Nordseite parallel der Brückenachse in etwa
30 m Abstand davon auf dem Vorlande bis zum Strome geführt und
bildet somit die beste Zukömmlichkeit zu den einzelnen Lagerplätzen
sowie zu der Mörtel- und Betonmühle mit Cementschuppen, welche
etwa gegenüber dem Pfeiler IV angelegt sind. Ein anderer, rück¬
wärtig gerichteter Strang hat u. a. für die Heranführung des grofsen
(auf dem Geleise laufenden) Greifbaggers (s. später) zum Land¬
pfeiler VII gedient und wird namentlich zum Abladen der Eisen-
theile zunächst auf kleine Schmalspurwagen benutzt, welche dieselben
alsdann zu den für die einzelnen Theile bestimmten Plätzen fördern.
Diese Schmalspurgeleise von 60 cm Spur sind deshalb ziemlich
zahlreich über den Bauplatz ausgedehnt, für die Eisentheile nament¬
lich südwärts auch unter und jenseit der alten Brücke, für die
Mauer- und sonstigen Arbeiten nordwärts zur Mörtelmühle und zu den
Lagerplätzen am Stromufer. Die Verbindung von hier zu den Bau¬
stellen der beiden Strompfeiler wurde sodann durch eine Trans¬
portbrücke -auf Pfahljochen im ersten Baujahr bis Pfeiler HI, im
zweiten bis Pfeiler II hergestellt (s. Abb. 10). Die erste Strom¬
öffnung mufste dagegen wegen Schifffahrt und Flöfserei ganz frei
bleiben. Daraus ergab sich die Nothwendigkeit, am westlichen Ufer
für den Landpfeiler I einen besonderen Bauplatz einzurichten und
auch dergestalt mit Schuppen zu versehen, dafs demnächst nach
Ausführung der Gründungs- und Hauptmaurerarbeiten der anderen
fünf Pfeiler auch die Beton- und Mörtelmühle nebst Dampfmaschine
nach der Westseite rasch versetzt werden konnte. (Daher im Bau¬
plan der späte Zeitpunkt für den Beginn des Pfeilers I zu Ende des
dritten Baujahrs).
Der Verkehr zwischen dem Westufer und. der bis Pfeiler III
reichenden Transportbrücke, also dadurch auch mit dem östlichen
Vorlande wurde für die Beamten durch kleine Fährbote vermittelt.
Für die Arbeiter ist vom Vorlande aus durch einen hölzernen
Trepjoenbau von etwa 11 m Höhe ein Zugang zu dem Pfeiler IV der
alten Brücke und somit durch den nördlichen Fufsweg derselben
auch eine Verbindung mit dem Westufer, also mit dem OrteDirschau
geschaffen.
Das Baugerüst für die Gründung der Strompfeiler III und II
besteht aus einer die Baugrube rechteckig umgebenden, etwa 4,5 m
breiten Plattform, deren eine Schmalseite von der oben erwähnten,
etwa ebenso breiten Transportbrücke gebildet wird und welche bei
dem Pfeiler II mit diesem Gerüst endigt. Dasselbe stützt sich in
den beiden Langseiten innerseits auf die Pfahlwand des Pfeilers,
aufsen auf eine besonders dazu eingerammte Pfahlreihe. Der lichte
Baum zwischen den Pfahlwänden (gleich der Breite des Betonbettes)
ist 10,8 m breit und im rechteckigen Theile 17,5, zwischen den
Dreieckspitzen 23,8 m lang. Die Plattform des Gerüstes liegt in
gleicher Höhe mit der Transportbrücke auf -f- 7,8 und ist überall an
der Aufsenseite mit Geländer versehen. Auf der Transportbrücke
liegen in Abweichung von dem Entwurf zwei Schmalspurgeleise
(zu 60 cm Spur), welche in gerader Linie auf dem Vorlande bis zur
Mörtelmühle und an derselben vorbeilaufen, dergestalt, dafs von da
die beladenen Wagen auf dem einen Geleise hin, und die entleerten
auf dem andern zurücklaufen. Beide Geleise schwenken nach dem
Baugerüst hin unter rechtem Winkel um mit Halbmessern von 4,9
und 4,2 m, also ohne Drehscheibe, und zwar so, dafs an jeder Lang¬
seite des Pfeilers ein Geleis entlang läuft und stumpf endigt.
(Schlufs folgt.)
Yermischtes.
Die Preisbewerbimg um ein Kaiser Wilhelm - Denkmal der
Provinz Westfalen (vgl. S. 56, 280 und 300 d. J.) hat einen nicht
minder erfreulichen Ausgang genommen, als diejenige für das Kyff-
häuser- Denkmal, über deren Ergebnifs auf S. 267 u. 284 d. J. be¬
richtet wurde. Auch in dem Wettbewerbe für die Porta W''estfalica wird
der mit einem ersten Preise gekrönte Entwurf, der wie der Plan für
den Kyffhäuser den Architekten Bruno Schmitz in Berlin zum Ver¬
fasser hat, aller Wahrscheinlichkeit nach, und zwar mit nur gering¬
fügigen Abänderungen, zur Ausführung gelangen. Den anderen ersten
Preis haben die Architekten Beuter u. Fischer in Dresden ge¬
wonnen, die zweiten Preise fielen auf die Architekten Neckel-
mann in Stuttgart und Prof. H. Stier in Hannover.
In der Preisbewerbung um ein ,,Strandsclilofs‘‘ iu Colberg
(S. 446 d. V. J.) ist der erste Preis dem Begierungs - Baumeister
Pogge in Colberg in Gemeinschaft mit den Architekten Spalding
u. Gr en ander in Berlin zuerkannt worden. Den zweiten Preis
erhielten die Architekten Höniger und Jacob Sedelmayr in
Berlin, den dritten die Architekten Puttfarken und Jan da in
Hamburg. An Stelle des Bauraths Schmieden war Herr Beg.- und
Baurath Eggert-Berlin in das Preisgericht eingetreten.
Hauseinsturz in Crefeld. Während eines am 10. d. M. am
Niederrhein und besonders heftig in Crefeld aufgetretenen Unwetters
ist in dieser Stadt das Haus Gerberstr. Nr. 34, in welchem sich
während des Gewitters 48 Personen auf hielten, plötzlich eingestürzt,
wobei 26 Menschen unter den Trümmern ihren Tod fanden. Das
eingestürzte Haus, welches über 30 Jahre alt war und verschiedene
Umbauten erfahren hatte, bestand aus einem zu ebener Erde liegenden
Erdgeschofs und zwei Stockwerken , sowie aus einem etwa 2,50 m
tiefen Keller. Dieser war durch ein unter dem ganzen eingestürzten
Theile sich hinziehendes Tonnengewölbe von etwa 4 m Spannweite
überwölbt. Die Frontmauer war, soweit an den Trümmern noch fest¬
gestellt werden konnte, im Keller 45 bis 55 cm stark. Im Erdgeschofs
betrug die Stärke 50 bis 60 cm, und in den beiden oberen Stock¬
werken war die Mauer IV2 Stein stark. Der Einsturz erfolgte durch
den Zusammenbruch dieser Frontmauer, welche, durch die Balken¬
anker beim Sinken festgehalten, nach innen stürzte und alles unter
sich begrub. Dies geschah gegen 7 Uhr abends, nachdem bereits
mehrere Stunden lang ein mitunter bis zu wolkenbruchartiger Stärke
anwachsender Gewitterregen niedergegangen war. Die Eegenhöhe
wird auf 50 mm angegeben. Der fragliche Theil der Gerberstrafse
liegt tief, und der Strafsencanal vermochte die Wassermassen nicht
rasch genug abzuführen. Infolge dessen entstand eine starke Ueber-
fluthung, welche die dicht über dem Strafsenpflaster liegenden Keller¬
fenster erreichte, sich zunächst über die niedrigsten Fensterbrüstungen
hinweg in die Keller stürzte und dieselben binnen kurzem bis zum
Gewölbe mit Wasser füllte. Hierdurch bildete sich ein einseitiger
Ueberdruck des Wassers gegen die benachbarten Keller, deren
Fenster höhere Brüstungen oder einen besseren Verschlufs hatten,
und die also vom Wasser nicht erreicht wurden. Da die Keller der
Nachbarschaft gröfstentheils mit Tonnengewölben überspannt sind, in
welche auf der Grundstücksgrenze 1 bis I1/2 Stein starke Scheidemauern
eingesetzt sind, so durchbrach das Wasser diese schwachen Mauern
und stürzte mit grofser Gewalt in den folgenden Keller, bis in diesem
der gleiche Vorgang sich wiederholte. Das Wasser bahnte sich auf
diese Weise einen Weg durch eine ganze Eeihe von Kellern.
In dem Keller des Unglückshauses hatten bei heftigem Gewitter¬
regen schon wiederholt starke Wasserergiefsungen stattgefunden.
Am 10. d. M. erreichten dieselben die Decke des Gewölbes, diese
völlig durchnässend; sodann brach das Wasser nach einem nördlich
gelegenen Nachbarkeller durch. Die hierbei stattgehabte gewaltige
Strömung soll angeblich die Frontmauer des Hauses selbst unterspült
und sie zum Einsturz gebracht haben. Diese Annahme scheint jedoch
unrichtig zu sein; denn gerade an der Durchbruchstelle, wo die
Strömung am stärksten war, und wo also die Unterwaschung hätte
stattfinden müssen, ist die Frontmauer unversehrt stehen geblieben,
und im übrigen Keller ist die Pflastersohle, soweit dieselbe sichtbar
war, trotz der durch die Fenster hereinstürzenden Wassermassen
unverletzt geblieben. In den benachbarten Kellern liefsen sich aller¬
dings auch im Pflaster die Wirkungen des überstürzenden Wassers
erkennen, aber auch hier war eine Unterwaschung einer Frontmauer
nicht zu finden. Die Ursache des Zusammenbruchs mufs daher eine
andere gewesen sein. In der Frontmauer des Kellers, welche bei
gleichmäfsiger Druckvertheilung höchstens 3 bis 4 kg auf das Quadrat-
348
Centralblatt der Bauverwaltung.
23. August 1890.
centimeter auszuhalten hatte, war der Druck theils infolge des Schubes
der fast 4 m weit gespannten Tonne, theils durch den Druck des
etwa 2,20 m hoch stehenden Wassers und endlich infolge des auf die
entgegengesetzte Gebäudeseite drückenden Sturmwindes ganz erheb¬
lich verschoben worden, sodafs sich auf der an dem gewachsenen
Boden anliegenden Seite der Mauer eine starke Pressung geltend
machte. Ferner wurde durch das Wasser, welches zur Zeit des Ein¬
sturzes vielleicht dreiviertel Stunden auf das ohnehin feuchte Mauer¬
werk eingewirkt haben mochte, der Mörtel dergestalt aufgeweicht,
dafs er breiig wurde, wie eine nachträglich entnommene Probe ergab,
die sich wie magerer frischer Mörtel anfühlte. Auch die Ziegelsteine,
welche anscheinend von vornherein nur eine geringe Festigkeit be¬
sessen hatten, litten durch die Nässe so sehr, dafs die nachträglich
ausgebrochenen Proben leicht mit blofser Hand zerbrochen und zum
Theil sogar bei einiger Anstrengung durch den Druck zwischen den
Fingern zermalmt werden konnten. An der einzigen näher unter¬
suchten Stelle erwies sich das hinter der äufserlich sichtbaren Ver¬
blendschicht betindliche Mauerwerk als ein ziemlich regelloses Ge¬
menge von Ziegelstücken und Mörtel. Dieses an sich schwache Mauer¬
werk, welches in seinem schwächsten Theile wegen der eingetretenen
Druckverschiebung überdies noch die gröfste Pressung auszuhalten
hatte, vermochte in durchnäfstem Zustande die auf ihm ruhende
Mauerlast nicht mehr zu tragen. Es wurde völlig zerdrückt, sodafs
es in dem sich bildenden Schlamme grofsentheils verschwunden ist.
Es entstand dabei eine deutlich sichtbare Abscherungsfläche in der
Kellermauer, längs welcher die obere trockene Mauer in den Keller
gerutscht ist.
Von einer gewaltsamen Wirkung des Wassers rührt demnach
der Zusammenbruch nicht her, sondern hauptsächlich von der starken
Verminderung der Druckfestigkeit des wenig festen Mauerwerks
einmal durch das Aufsaugen von Wasser in die Poren der Ziegel
und dann durch die Auflösung des im Mörtel enthaltenen Kalkes,
wodurch an der Stelle des gröfsten Druckes eine Zusammenpressung
irnd schliefslich eine fortschreitende Zermalmung des Mauerwerks
hervorgerufen wurde. M.
Zur Vereinbarung elnlieitlielier Prüfuugsarteu für Bau- und
Construetionsmaterialieu wird am 19. und 20. September d. J.
in Berlin eine Versammlung stattfinden, zu welcher Prof. Bau¬
schi nger eine Einladung versendet. Von den daselbst zu behan¬
delnden 18 Aufgaben mögen hier nur folgende hervorgehoben werden :
Nr. 3 Construction von Fallwerken zur Ausführung von Schlagproben.
Nr. 6 Vorrichtung zur Ausführung von Biegeproben. Nr. 7 Prüfuugs-
methoden für Kupfer, Bronce und andere Metalle. Nr. 10 Bestimmung
des Volumgewichtes von Gement und Sand. Nr. 12 Abgekürzte Me¬
thoden zur Ermittlung der Volumbeständigkeit des Portlandcementes
in Luft. Nr. 16 Controlproben der hydraulischen Bindemittel in
kürzerer Zeit (3 Tagen). Nr. 18 Vergleichung der Normalformen der
Probestäbe für Zerreifsversuche. Uebrigens ist ein Eingehen auf
schon früher behandelte Fragen nicht ausgeschlossen. Aufserdem
werden Vorträge und Berichte allgemeinen Inhalts gehalten bezw.
erstattet werden von den Herrn Belelubsky - St. Petersburg über
die Entwicklung einheitlicher Prüfung in Kufsland und über die
Entwicklung der Formeln von Barba; von Herrn Martens-Berlin
über die Vergleichung der bisher von den Conferenzen gefafsten Be¬
schlüsse mit den Vorschriften für die Lieferung von Eisen und Stahl,
aufgestellt vom Vereine deutscher Eisenhüttenleute, von verschiedenen
Eisenbahnverwaltungen und dgl.; von Herrn Dr. B öhm e - Berlin über
die Normen deutscher Portland - Cementfabricanten; von Herrn
Gärtner -Wien über die österreichischen, von Herrn Tetmajer-
Zürich über die schweizerischen und von Herrn Be lei u bsky-St.Peters-
burg über die russischen Normen für Cementprüfung im Vergleich
mit den Beschlüssen der Conferenzen. Endlich wird noch als ein
sehr wichtiger Gegenstand die Gründung eines Organs der Conferenzen
in Anregung gebracht werden. Als Theilnehmer an der Berliner
Conferenz ist jeder, der sich für die Prüfung von Bau- und Con-
structionsmaterialien interessii’t, willkommen. Anmeldungen sind
nicht nothwendig. Wer theilnehmen will, möge sich am Freitag den
19. September 1. J. morgens 9 Uhr im kleinen Saale des Archi¬
tektenhauses in Berlin einfinden.
Die Herzogliche technische Hochschule in Brannschweig hat
nach dem eben erschienenen Programme für das Studienjahr 1890/91
bemerkenswerthe Aenderungen und Erweiterungen erfahren. Auf
Höchsten Befehl Seiner Königl. Hoheit des Regenten, Prinz Albrecht
von Preufsen, wurde entsprechend den akademischen Einrichtungen
der Hochschule der Titel Rector bezw. Rectorat statt Director bezw.
Direction eingeführt. — Die Studienpläne der Abtheilungen für
Maschinenbau und für technische Chemie zeigen wesentliche
Ergänzungen und Erweiterungen. Zur ersteren Abtheilung trat die
Elektrotechnik als selbständiges Lehrgebiet sowie die Textil¬
industrie hinzu, letztere wurde durch besondere Unterrichtscurse
für Chemiker, welche sich der Untersuchung von Nahrungs- und
Genufsmitteln widmen wollen, sowie für Zuckertechniker entsprechend
erweitert, um der Bedeutung, welche namentlich die Zuckei-industrie
für das Herzogthum Bi-aunschweig und seine weitere Umgebung hat,
Rechnung zu tragen.
In den Lehrkörper der Hochschule wurden neu berufen der In¬
genieur W. Peukert, Constructeur am elektrotechnischen Institute
in Wien und Leiter der elektrischen Beleuchtungsanlagen in den
K. K. Hoftheatern daselbst, als ordentlicher Professor der Elektro¬
technik, sowie der aufserordentliche Professor M. Möller in Karls¬
ruhe als ordentlicher Professor für Wasserbau.
Josef Bär 'j*. Am 17. d. M. entschlief in Karlsruhe im Alter von
81 Jahren einer der kenntnifsvollsten und arbeitsfreudigsten Beamten,
welche Baden seit vielen Jahren besessen hat, der Grofsherzogliche
Geheime Rath und Director des Grofsherzoglichen Wasser- und
Strafsenbaues a. D. Josef Bär. Unter seiner langjährigen Leitung,
die er mit einer bis in jede Einzelheit gehenden Sachkenntnifs Jahr¬
zehnte hindurch führte, hat sich, wie der Schwäbische Merkur in
einem Nachrufe hervorhebt, das Strafsennetz des Grofsherzogthums
in einer so vorzüglichen Weise entwickelt, dafs es zu einem Gegen¬
stände des Studiums und der Nachahmung für eine Reihe anderer
deutscher und aufserdeutscher Staaten geworden ist. Geheimrath
Bär bewahrte sich seine Arbeitskräfte bis in das hohe Greisenalter
und genofs nur wenige Jahre eines wohlverdienten Ruhestandes.
Heinrich Otte 'j*. Am 12. dieses Monats ist in Merseburg der
bekannte Forscher auf dem Gebiete deutscher christlicher Kunst¬
archäologie, Pastor emer. Dr. Heinrich Otte, im 83. Lebensjahre ge¬
storben. Der schlichte äufsere Lebensgang des am 24. März 1808 in
Berlin geborenen Entschlafenen bietet wenig Bemerkenswerthes.
44 Jahre lang ist er nach Beendigung seiner Studien in Berlin und
Halle in dem Dorfe Fröhden bei Jüterbog Pfarrer gewesen. Seit 1878
lebte er in den bescheidensten Verhältnissen bei seiner in Merseburg
verheiratheten Tochter. Um so mehr ist zu rühmen von seinem Thun
insbesondere auf dem kunstarchäologischen Arbeitsfelde, welchem er
neben dem geistlichen Amte seine ganze Seele zugewandt hatte. Seine
ersten Forschungen galten dem Merseburger Dome. Puttrichs mit
Merseburg beginnendes Werk über die sächsischen Kunstdenkmäler
veranlafste ihn zu einer „Nachlese“, in der er vielfache Fehler in Text
und Zeichnungen der Veröffentlichung ans Licht zog. Er wurde da¬
rauf selbst Mitarbeiter an Puttrichs Unternehmen, schrieb im Anschlufs
hieran zunächst den „Kurzen Abrifs einer kirchlichen Kunstarchäologie
für die Provinz Sachsen“ und entfaltete weiterhin mehr und mehr
seine unermüdliche kunstschriftstellerische Thätigkeit. 1853 erschien
sein später in 5 Auflagen gedrucktes „Handbuch der kirchlichen
Kunstarchäologie des deutschen Mittelalters“, welches ihn mit
einem Schlage unter die Zahl der namhaften Kunstarchäologen
stellte und in persönliche Beziehungen zu vielen derselben brachte.
So gab er mit F. v. Quast von 1856 bis 1860 die „Zeitschrift
für christliche Archäologie und Kunst“ heraus. Gleichzeitig ver¬
öffentlichte er 1855 die „Grundzüge der kirchlichen Kunst¬
archäologie des deutschen Mittelalters“, 1857 das „Archäologische
Wörterbuch“, 1858 die „Glockenkunde“, im folgenden Jahre den
„Archäologischen Katechismus“ und in den Jahren 1861—74 die leider
unvollendete „Geschichte der deutschen Baukunst von der Römerzeit
bis zur Gegenwart“. Unvollendet blieb dieses breit angelegte Werk
wohl vornehmlich infolge des schweren Schlages, der den Verstorbenem
damit traf, dafs 1877 seine ganze Bibliothek und seine unersetzliche
Handschriftensammlung ein Raub der Flammen wurden. Otte
schränkte nach diesem Unglücksfalle seine schriftstellerische Thätig¬
keit zwar ein, gab sie aber keineswegs ganz auf; er betheiligte sich
an mancherlei litterarischen Unternehmungen jüngerer Genossen und
bearbeitete insbesondere in Gemeinschaft mit dem Oberpfarrer
Wernicke in Loburg eine neue Ausgabe seines Handbuches. Noch
vor wenigen Wochen traf dieser treue Mitarbeiter den Verewigten
bei einem Besuche in Merseburg in einer für sein hohes Alter er¬
staunlichen körperlichen und geistigen Frische an und beschäftigt
mit einer Arbeit, in der er die Ergebnisse seiner neuesten Glocken¬
studien vor der Oeffentlichkeit niederzulegen gedachte. Die Erfüllung
dieses Wunsches sollte ihm nicht mehr beschieden sein. — Otte hat
in seinem langen schaft’ensreichen Leben zahlreiche Ehrenbezeigungen
erfahren. So gehörte er dem Gelehrten-Ausschusse des Germanischen
Museums in Nürnberg an, zahlreiche Vereine haben ihn zum Ehren-
mitgliede ernannt, und die Universitäten Berlin und Halle machten
ihn zum Ehrendoctor der Theologie bezw. Philosophie. Sein Wirken
aber sichert ihm dauernden Ruhm sowohl wie den Dank aller derer,,
die Sinn und Herz haben für die christliche Kunst vergangener Jahr¬
hunderte, und ein ehrendes und treues Andenken insbesondere bei
allen deutschen Architekten. — d.
Verlag von Ernst & Korn CWilhehn Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich : Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
Nr. 34 A.
349
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
INHA.I1T: XIX. Abgeofüneten-Versammlung lies Verbandes deutscher Architekten- bei Dirschau (Sclilufs). — XXXI. llauiitversammlung des Vereins deutscher Tn-
uiid Ingenieur- Vereine in Hamburg. — Bauausführung der zweiten Wcichselbriicke geuieure.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
XIX. Abgeordneten -Yersammlung- des Yerbandes deutscher Architekten-
und Ingenieur -Yer eine in Hamburg.
Der Vorsitzende des Verbandes, Herr Ober-Bau director Wiebe,
eröft’net am 23. August vorm. 9 Uhr in den wohlbekannten Räumen
des „Patriotischen Hauses“ die Versammlung mit herzlichen Worten
der Begrüfsitng und giebt seiner Genugthuung darüber Ausdruck,
dafs die Vereine so zahlreich vertreten seien. Herr Wiebe theilt
ferner mit, dafs für das am Erscheinen verhinderte Vorstandsmitglied
Eisenbahn-Bauinspector Gustav Meyer Herr Geheimer Ober-Baurath
L. Hagen aus Berlin in den Vorstand eingetreten sei. Der Namens¬
aufruf ergiebt, dafs vom Verbands-Vorstande die Herren Wiebe und
F. Andreas Meyer anwesend sind; Verbandssecretär ist Herr
Pinkenburg.
Die Vereine sind wie folgt vertreten: Architekten -Verein in
Berlin; Geheimer Ober- Baurath L. Hagen, Regierungs -Baumeister
Contag, Regierungs- und Baurath Professor Garbe, Geheimer Baurath
Keller, Baumeister Knoblauch, Regierungs- und Baurath Sarrazin,
Landbauinspector L. Böttger. Württembergischer Verein für Bau¬
kunde: Ober - Baurath v. Hänel, Regierungs -Baumeister Weigelin.
Sächsischer Ingenieur- und Architekten- Verein: Abtheilungs-Ingenieur
Klette, Betriebs-Telegraphen-Oberinspector Dr. Ulbricht, Abtheilungs-
Ingenieur V. Lilienstern. Architekten- und Ingenieur -Verein in Han¬
nover: Landesbaurath Franck, Professor Keck, Baurath Professor
Köhler, Intendantur- und Baurath Schuster, Regierungs -Baumeister
Taaks. Techniker - Verein in Osnabrück: Bauinspector Beckmann.
Architekten- und Ingenieur -Verein in Hamburg; Director Kümmel,
Bauinspector Bubendey. Technischer Verein in Lübeck: Baudirector
Schwiening. Schleswig -Holsteinischer Ingenieur- und Architekten-
Verein; Collegial- und Baurath Koch. Bayerischer Architekten- und
Ingenieur - Verein : Kgl. Ober - Regierungsrath Ebermayer, Kgl. Pro¬
fessor der technischen Hochschule Freiherr v. Schmidt, Kgl. Bauamts-
Assessor Böcking. Architekten- und Ingenieur -Verein in Breslau:
Regierungs- und Baurath v. Münstermann. Badischer Techniker-
Verein: Ober-Baurath Professor Baumeister. Technischer Verein
in Oldenburg: Eisenbahn- Ober -Betriebsinspector Böhlk. Ostpreufsi-
scher Architekten- und Ingenieur -Verein: Kgl. Meliorations - Bau-
inspector Danckwerts. Architekten- und Ingenieur -Verein in Frank¬
furt a. M. : Bauinspector Wolff. Westpreufsischer Architekten- und
Ingenieur -Verein: Wasser-Bauinspector Müller. Architekten- und
Ingenieur -Verein für Elsafs - Lothringen : Regierungsrath Hering.
Mittelrheinischer Architekten- und Ingenieur -Verein: Ober -Baurath
Rohns. Architekten- und Ingenieur -Verein für Niederrhein und
Westfalen: Baumeister Director Schulze, Stadtbauinspector Genzmer.
Verein Leipziger Architekten : Architekt Arwed Rofsbach. Architekten-
und Ingenieur -Verein für das Herzogthum Braunschweig; Herzogi.
Regierungs - Baumeister Körner. Architekten und Ingenieur -Verein
in Magdeburg: Regierungs -Baumeister Haarmann. Architekten- und
Ingenieur -Verein in Bremen; Bauinspector Bücking. Architekten-
und Ingenieur -Verein in Aachen: Stadtbaumeister Heuser. Archi-
tekten- Verein in Mannheim; Architekt Hanser. Vereinigung mecklen¬
burgischer Architekten und Ingenieure: Stadtbaudirector Hübbe. Im
ganzen sind mithin 25 Vereine mit 75 Stimmen vertreten. Die Ver¬
eine in Cassel, Görlitz, Metz sowie der Dresdener Architekten- Verein
haben keinen Vertreter geschickt. Als Schriftführer hat der Ham¬
burger Verein die Herren Abtheilungs-Baumeister Christensen und
Architekt Löwengard zu entsenden die Freundlichkeit gehabt. Vor
Eintritt in die eigentliche Tagesordnung theilt Herr F. Andreas Meyer
mit, dafs für Sonntag den 24. August ein Ausflug nach Friedrichs¬
ruh geplant sei, an welchem auch Damen theilnehmen können, und
ladet zu zahlreicher Betheiligung ein. Der Vorsitzende gedenkt als¬
dann des im letzten Jahre verstorbenen Geheimen Ober -Bauraths
Grüttefien und seiner Verdienste um den Verband. Die Versammlung
ehrt das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen.
Bei Punkt 1 der Tagesordnung: Aufnahme der Vereinigung
mecklenburgischer Architekten und Ingenieure nimmt Herr
Wiebe Gelegenheit, den Vertreter dieses Vereins, Herrn Hübbe,
namens des Verbandes zu begrüfsen. Ueber den Mitgliederstand
berichtet alsdann Herr Pinkenburg. Die Zahl der Verbandsmit¬
glieder hat sich um rund 110 Personen vermindert. Eine Prüfung
des Vorstandes, wieviel Mitglieder des Verbandes mehreren Vereinen
zugleich angehören, hat ergeben, dafs etwa 1200 Personen mindestens
zwei Vereinen beigetreteh sind.
Es folgt die Vorlage der Abrechnung für 1889. Der Voran¬
schlag war auf 4550 Mark festgestellt; die Istausgabe hat 3876 Mark
betragen, sodafs ein Ueberschufs von rund 986 Mark erzielt worden
ist. Zu Rechnungsprüfern werden die Herren v. Münstermann
und Arwed Rofsbach ernannt. Die Prüfung ergiebt keine Aus¬
stellungen, und es wird hierauf die Entlastung des Verbands-Vor¬
standes ausgesjjrochen. Der Voranschlag für 1891 ist vom Ver¬
bands-Vorstande auf .5000 Mark bemessen, was einer Belastung von
30 Mark für je 50 IMitglieder der Einzelvereine entspricht. Derselbe
wird ohne weitere Berathung angenommen. Dem Anträge des Ver¬
bandsvorstandes, die Fassung des § 6 der Verbandssatzungen, welcher
von der Zahlung der Verbandsbeiträge handelt, zu verbessern, wird
nach kurzer Berathung ebenfalls mit überwiegender Mehrheit zu¬
gestimmt.
Der im vorigen Jahre beschlossene Druck eines einheitlichen
Mitgliederverzeichnisses ist inzwischen ins Werk gesetzt worden
und hat sich als sehr zeitgemäfs und nützlich erwiesen. Die Ser-
besche Verlagsbuchhandlung in Leipzig hat dem Verbandsvorstande
den Vorschlag gemacht, sie wolle ihrerseits den Druck der Mit¬
gliederverzeichnisse übernehmen und für das Stück 25 Pf. berechnen,
falls ihr gestattet würde, dem Verzeichnisse Anzeigen beizu¬
drucken. Da die Durchführung dieses Unternehmens die Ver¬
bandskasse mit rund 2000 Mark belasten würde, wird der Antrag
nach kurzer Berathung abgelehnt.
Zum Vororte für die Jahre 1891 und 92 wird der Berliner
Architekten-Verein einstimmig wiedergewählt. Als Ort für die
1892 abzuhaltende Wanderversammlung wird in Rücksicht darauf,
dafs 1842 — also vor 50 Jahren — die erste Wanderversammlung
in Leipzig getagt hat — auf Vorschlag des Herrn Bubendey
Leipzig gewählt. Der Zweigverein des sächsischen Ingenieur- und
Architekten -Vereins in Leipzig sowie der Leipziger Architekten-
Verein erklären, dafs sie alles auf bieten würden, den Verband würdig
zu empfangen. Die Wahl des Ortes für die Abgeordneten-Ver-
sammlung 1891 wird auf Antrag von Herrn Pinkenburg dem
bayerischen Vereine überlassen. Herr v. Schmidt erklärt, dafs,
wenn 1891 in Bayreuth Wagner -Festspiele stattfinden würden,
diese Stadt zum Versammlungsort sehr geeignet sei.
In der Angelegenheit der Errichtung des Semper-Denkmals
ergiebt der Geschäftsbericht, dafs, nachdem im Frühjahre vom Ver¬
bandsvorstande ein erneuter Aufruf zur Einsendung von Beiträgen
erlassen ist, die vorhandenen Mittel nunmehr etwa 20 000 Mark be¬
tragen. Im übrigen gelangt der Antrag des Vorstandes, die Denk¬
malkasse, welche sich zur Zeit in Dresden befindet, vom 1. Januar
1891 ab mit dem Verbandsvorstande zu vereinigen, zur Annahme.
Erfreulich ist die Zunahme im Bezüge der Verbandsmitthei¬
lungen. Es gelangen zur Zeit 1745 Exemplare zur Vertheilung an
die Mitglieder der Einzelvereine, welches einer Zunahme von 786 Stück
gegenüber dem Vorjahre entspricht. Es darf gehofft werden, dafs in
dieser Beziehung auch weiterhin auf Zunahme zu rechnen ist.
Eine längere Berathung knüpft sich an die für die weitere Ent¬
wicklung des Verbandslebens so wichtige Frage der Anstellung
eines ständigen besoldeten Secretärs. Nachdem entsprechend
den Beschlüssen der vorjährigen Abgeordneten - Versammlung die
Herren Meyer und Bubendey ihre Vorschläge begründet, sind die¬
selben gedruckt und den Einzelvereinen zur Aeufserung zugesandt
worden. Nach Eingang sämtlicher Gutachten hat der mit der
Sache betraute Ausschufs am 21. Juni in Berlin getagt und ist nach ein¬
gehender Bei-athung zu dem Beschlüsse gekommen, der Abgeordneten-
Versammlung zu empfehlen, die eingesandten Gutachten zunächst
allen Vereinen in Form eines Heftes der Mittheilungen zugänglich
zu machen und die Vereine alsdann zu nochmaliger Aeufserung auf¬
zufordern, die endgültige Beschlufsfassung mithin auf das nächste
Jahr zu verschieben. Der Verbandsvorstand schlägt aufserdem vor,
in Rücksicht auf die Wichtigkeit der Frage den Ausschufs ent¬
sprechend zu verstärken. In materieller Beziehung werden die vor¬
stehenden Anträge angenommen. Dagegen giebt die Zusammen¬
setzung des Ausschusses Veranlassung zu längerer Besprechung.
Zuletzt wird beschlossen, dafs in dem aus 13 Personen bestehenden
Ausschüsse vertreten sein sollen: der Vorsitzende des Verbandes Herr
Wiebe, der frühere Vorsitzende Herr Meyer, der Verbands¬
secretär Herr Pinkenburg und je ein Mitglied der Vereine in
Berlin, Hamburg, Karlsruhe, München, Frankfurt, Bremen,
Köln, Stuttgart und Dresden.
Hiermit ist der geschäftliche Theil der Tagesordnung er¬
schöpft, und nach einer Frühstückspause wird zu dem technisch¬
wissenschaftlichen Theile übergegangen.
Vorschläge zu neuen Berathungsgegenständen sind nur
vom Berliner und Hamburger Vereine gestellt. Dieselben gehen
darauf hinaus, das Verhalten des Flufseisens bei Baucon-
structionen im Vergleich zum Schweifseisen zu prüfen, sowie
Normalbedingungen für Flufseisen aufzustellen und endlich die Er¬
fahrungen zu sammeln, welche in Bezug auf die Feuersicherheit
350
Centi’alblatt der Bauverwaltuug,
27. August 18t)0.
verscbiedener Baucoustructionen gemacht worcleu sind. In
letzterem Punkte hat Herr Garbe eine eingehende Begründung ein-
gesaudt. Sämtliche Vorschläge werden zur Bearbeitung durch den
Verband von der Versammlung angenommen. Zu Bericliterstattern
werden ernannt die Vereine in Berlin, Hamburg, Köln, München
und Braunschweig.
Vom Verbände waren der physicalisch-technischen Eeichsanstalt
mehrere Fragen zur gefälligen Berücksichtigung bei ihrem Arbeits¬
pläne vor Jahresfrist übermittelt worden. Da die Reichsanstalt
indessen erklärt hat, dafs die Fragen nicht in ilir Arbeitsfeld pafsten,
wird von einer weiteren Verfolgung der Angelegenheit auf Antrag
des Vorstandes abgesehen.
Heber die Frage: Anschlufs der Gebäude-Blitzableiter an
die Gas- und Wasserrohren berichtet Herr Kümmel. Da. ein
weiteres Zusammenarbeiten des Verbandes mit dem elektrotechnischen
Vereine in dieser Frage aussichtslos erscheint, ist von dem Verbauds-
aussehusse beantragt worden, selbständig vorzugehen und eine Denk¬
schrift auszuarbeiten, welche den betreffenden Behörden übermittelt
werden soll. Nach den Vorschlägen des Vorstandes werden mit der
Ausarbeitung der Schrift die Herren Kümmel, Dr. Ulbricht, Pro¬
fessor Kohl rausch und Pinkenburg beauftragt. Der buchhänd¬
lerische Vertrieb wird der Firma Ernst u. Korn in Berlin übertragen.
Herr Taaks bespricht alsdann den Bericht des hannoverschen
Vereins über die Rauch- und Rufsbelästigung in grofsen
Städten. Auch hier wird nach längerer Berathung entsprechend
den Anträgen des hannoverschen Vereins die Ausarbeitung einer
Denkschrift beschlossen und werden mit der Abfassung die Herren
Taaks, Garbe und Kümmel betraut.
Sehr eingehend gestaltet sich die Berathung über die im Ent¬
würfe eines bürgerlichen Gesetzbuches enthaltenen baurecht¬
lichen Bestimmungen. An der Hand seines Gutachtens macht Herr
Keller Mittheilungen über die von den Einzel vereinen eingesandten
Berichte. Die Anträge der Berliner Abgeordneten, dem Herrn Reichs¬
kanzler nunmehr die Anschauung des Verbandes in dieser Sache zu
unterbreiten und denselben zu ersuchen, die Aufnahme des Wasser¬
rechtes in das bürgerliche Gesetzbuch herbeizuführen, gelangen zur
Annahme. Der Vorstand hat das weitere zu veranlassen.
Herr Pinkenburg bespricht nunmehr den Stand der Bearbeitung
der Zusammenstellung der in Deutschland zu Bauten ge¬
bräuchlichen Hausteine. Von den Fragebögen sind über
1400 Stück an die Einzelvereine auf deren Bestellung versendet
worden; der bayerische Verein hat für sich allein aufserdem noch
700 Stück drucken lassen. Inzwischen sind zahlreiche Bearbeitungen
bereits eingegaugen. Die weitere Sichtung des Materials und die
daran schliefsende Verarbeitung kann indessen erst nach Eingang
des gesamten Materials vorgenommen werden. Hierüber dürfte der
künftige Winter noch vergehen.
Auch bei dem letzten Punkte der Tagesordnung, Einführung
einer Einheitszeit in Deutschland, wird beschlossen, bei dem
Herrn Reichskanzler entsprechend vorstellig zu werden.
Der Schliffs der Sitzung erfolgte gegen 5 Uhr nachmittags, nach¬
dem Herr Wiebe den Herren für ihr Erscheinen und ihre Ausdauer,
den Schriftführern für ihre Mühewaltung gedankt. Herr Kümmel
spricht seinerseits dem Vorsitzenden den Dank der Versammlung für
die umsichtige Leitung der Geschäfte aus. Am Abend vereinigten sich
die Abgeordneten mit ihren Damen im zoologischen Garten. Pbg.
Die Bauausführung der zweiten Weichselbrücke bei Dirschau
(Schliffs.)
S. Die GriiiulungSiU’beiten (Abb. 11a, 11b).
Bei den Griindungsarbeiten ergab sich aus der Nähe der be¬
stehenden Brücke eine recht unwillkommene Schwierigkeit, indem
die weit ausgedehnte Steinpackung der alten Pfeiler in den Be¬
reich der für die neuen erforderlichen Ramm- und Baggerarbeiten
hineinreichten. Am hinderlichsten zeigte sich dieser Umstand au den
beiden Landpfeilern, wo wegen der zwischen diesen und der alten
Brücke herzustellenden Ufermaueni die Pfahlwände bis unmittelbar
an die letzteren herauzuführen waren. Hierbei mufsten bedeutende
Mengen von grofsen Granitfindlingen (die später wieder zu verwenden)
aus dem Wasser gehoben und beseitigt werden, welche nur zum Theil
von einem grofsen schwimmenden Eimerbagger mit gefördert werden
konnten. Zu diesem Zweck wurde am Laudpfeiler VII ein grofser
Greifbagger mit Bewegung auf fester Rüstung unter bestem Erfolge
angewendet. Ein Theil der zu hebenden Massen — alte Betonkörper
— mufste jedoch zuvor unter Wasser mit Dynamit zersprengt werden.
Am Laudpfeiler I war aufser dem Eimerbagger ein Prahm mit
Hebezangen in Arbeit, welche von einem Taucher unter Wasser
um die einzelnen Steinblöcke gelegt und dann mit Hülfe der auf
dem Prahm befindlichen Handwinden gehoben wurden. Auch diese
Arbeit erwies sich nach einiger Hebung des Tauchers als sehr förder¬
lich, während die an der Nogatbrücke arbeitenden, von der Ostsee
herangezogenen Steinfischer (welche über Wasser mit langen Zangen
die Steine aufsuchen und fassen) nur mäfsigen Erfolg erzielten.
Der Beginn der Gründungsarbeiten im Strome — also bei
Pfeiler I, II und III ■ — bestand in der Schaffung von Räumen mit
möglichst ruhigem, der Strömung entrücktem Wasser durch Errich¬
tung von „Schirmwänden.“ Soweit es möglich war, wurden die¬
selben — bei den Stromjifeilern II und III in etwa 20 m Abstand
von der Pfeilerachse beiderseits und stromabwärts bis 14 m unterhalb
der Brückenachse (Abb. 10, Seite 346) — durch in 2,75 m Abstand ein¬
gerammte Pfahlpaare und zwischengelegte lange Faschinen gebildet.
Der obere, zuerst erforderliche Abschlufs in Anlehnung an die alten
Pfeiler konnte jedoch wegen der Steinpackuug der letzteren in dieser
Weise nicht gebildet werden. Hier mufsten vielmehr vom Pfeiler
aus in schräger Linie (etwa unter GO ° zum Stromstrich) Bohl¬
wände von 3,5 m Höhe hergestellt werden, indem zunächst Ständer
mit vorher (etwas drehbar) in zwei Höhen angebrachten Doppel-
Zangen auf der Steinpackung aufgestellt und auch in zwei Höhen
mittels langer Drahtseile an vorher weit oberhalb im Strome ein¬
geschlagenen Dalben verankert wurden. Zwischen den Zangen
wurden sodann senkrechte Bohlen hinunter getrieben bis zur Stein¬
packung. Somit war um den Strompfeiler von drei Seiten ein Schutz
gebildet, sodafs in dem von unterhalb offenen Zwischenraum nun¬
mehr die schwimmenden Bagger und die Rammen mit der nöthigen
Sicherheit arbeiten konnten, um den Grund bis auf die spätere
Betonsohle ( — 0,53) auszutiefen und die Grundpfähle und Pfahl¬
wände sowie die Rüstungspfähle einzutreiben. Die Rammarbeiten
geschahen also zunächst von schwimmenden Rammen, später dann
zum Theil auch von den inzwischen hergestellten festen Rüstungen aus.
Die Betonfüllung der Strompfeiler ist mit vortrefflichem Er¬
folge durch einen bis zu 8 m hinabreichenden eisernen Trichter
von 0,7 m Durchmesser bewirkt worden. Derselbe war so ange¬
bracht, dafs er auf dem Gerüst wagen quer zur Baugrube, also um
etwa 10 m und mit dem Wagen in der andern Richtung (parallel
dem Stromstrich) um 23 m bewegt werden konnte. Der Gerüstwagen
lief mit 11 m Spurweite und mittels vier (mit Doppelspurkranz ver¬
sehenen) Rädern auf zwei Eisenbahnschienen, welche auf den Pfahl-
wändeu (in Höhe von -\- 6,5) ruhten, somit sicher unterstützt waren.
Die zur allmählichen Verkürzung des Trichters von oben abnehm¬
baren fünf Sätze hatten 0,63 m Höhe, ebensoviel also auch die auf¬
einander folgenden Betonschichten. Unten war der Trichter mit zwei
Holzwalzen von 30 cm Durchmesser versehen. Um der Luft im
Augenblicke des Einsturzes neuer Betoumasse einen Ausweg aus
dem Rohre zu verschaffen, war der eigentliche Eingufs-Trichter ab¬
weichend von der Zeichnung von dem Rohre getrennt und griff mit
einem etwas engeren Ansatz in dieses hinein, sodafs zwischen ihm
und der Rohrwand freier Raum zum Entweichen der sonst gefangenen
Luft verblieb. Diese Mafsregel hatte sich als nöthig erwiesen, um
eine dichte Betonmasse ohne Luftblasen zu erhalten und das sonst
leicht eintretende starke Aufwühlen des hinabsinkenden Betons
durch die aufwallenden Luftmassen zu verhindern. Die Bewegung
des Trichters erfolgte derart, dafs die einzelnen Betonstreifen parallel
zur laugen Achse des Pfeilers liegen.
Die Bereitung, Heranschaffung und Einfüllung des
Betons war in musterhafter Weise geordnet. Auf den beiden oben
erwähnten Schmalspurgeleisen verkehrten die leicht beweglichen
Muldeukipp wagen zu je 0,68 cbm ohne jede Begegnung zwischen
der Mörtelmühle und dem Trichter, jeder von zwei Mann geschoben.
Zur Ueberleitung von den Schmalspurgeleisen über den (den Beton¬
trichter enthaltenden) Gerüstwagen dienten in sehr zweckmäfsiger
Weise zwei kleine Drehscheiben von etwa Im Durchmesser,
welche — an dem Wagen fest und über dem Geleise erhöht — auf
diesem schleifend der Bewegung des Wagens folgten. Der geringe
Höhenunterschied wurde durch je ein kurzes, geneigtes, mit den zu¬
gespitzten Enden unmittelbar auf dem Geleise schleifendes Schienen¬
paar unschwer überwunden, indem die vollen Wagen durch Anlaut
oder unter Mitzugreifeu von zwei weiteren Leuten leicht zur Dreh¬
scheibe hinaufgeschoben wurden.
Bei dem Strompfeiler II, dessen Betonfüllung der Verfasser Ge¬
legenheit hatte von Anfang bis zu Ende zu beobachten, wurden in dieser
Weise die 845 Cubikmeter in fünf Tagen versenkt (5. — 9. August),
gewifs eine aufserordentliche Leistung, wenn auch mit voller Aus¬
nutzung des Tageslichtes bei Accordarbeit. In den ersten Tagen
wurden 150—170, daun aber bis über 200 cbm (306 Wagen) in
einem Tage geschüttet.*)
*) Bei der Gründung des Landpfeilers I ist diese Tagesleistung
später noch erheblich übertroffen worden.
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Mr. 34^- Centralblatt der Bauverwaltung.
Die Dichtung der Pfahlwände, welche übrigens bei vorwiegendem
feinem Sande des Baugrundes sehr gut gerathen waren, geschah vor
Beginn der Betonirung durch Einhäugen von Segeltuch an der
inneren Seite, welches die ganze Baugrube umschliefst, und zwar mit
ausgezeichnetem Erfolge.
Drei Tage nach Vollendung des Betonbettes begann die Her¬
stellung des Fangedamms oberhalb des Betons. Etwa 1 m inner¬
halb der (mit Segeltuch bekleideten) Pfahlwand, deren Oberkante auf
4- 6,47 = 3,22 m über Beton liegt, wurden in Abständen von 3 — 4 m
Pfähle mit vorher in zwei Höhen etwas drehbar angebrachten Dopjjel-
zangen auf den noch einigermafsen weichen Beton gesetzt und einige
Centimeter tief mit Handrammen in denselben eingetrieben. Da¬
zwischen wurden sodann vorher genau eingepafste und zugelegte
Bohlen senkrecht eingesetzt und ebenfalls leicht in den Beton ein¬
getrieben. Die oberen Zangen wurden sodann über Wasser durch
Eisenstangen mit Schraub -Enden mit der Pfahlwand verankert und
die ganze Bohlwand an der der Pfahlwand zugekehrten Seite —
jedoch nur mit billigerem Sackleinen —
bekleidet. Nun wurde der 1 m breite Zwi¬
schenraum nicht etwa mit Beton, sondern mit
feinem Sande ausgefüllt und somit ein
Sand-Fangedamm gebildet, welcher bekannt¬
lich gegenüber den früher üblichen Beton-
fangedämmen neben dem Vorzüge erheb¬
licher Kostenersparnifs noch denjenigen
leichterer und sicherer Dichtung sowie
den Wegfall des schwierigen späteren Ab¬
brechens des Betons voraus hat. (Der Beton
bildet nicht selten kleine Hohlräume, welche
nach Erhärtung nicht mehr zu beseitigen
und schwer zu dichten sind). Die geringen
Kosten der Leinwandbekleidung kommen
gegen diese Vortheile gar nicht in Frage.
Am siebenten Tage nach Vollendung des
Betonbettes, wo dessen völlige Erhärtung
sicher, wurde sodann die Baugrube ausge¬
pumpt durch eine Schleuderpumpe und
einen kleinen Pulsometer, welcher später
allein zur Wasserhaltung genügte. Nach
wenigen Stunden war die Baugrube bereits
wasserfrei und nach Kalfaterung einiger sehr
kleinen Spritzrinnen so sauber wie nur irgend
zu wünschen. Als besonders zweckmäfsig
mag dabei erwähnt werden, dafs das Beton¬
bett mit etwa 0,6 m Eücksprung für den
ersten Quader-Eing um dessen Schichthöhe
von 0,47 m erhöht worden war. Dadurch
bildete sich sofort für die Maurer ein völlig
trockener Boden, während das in der rings¬
umlaufenden Vertiefung nach dem Pumpen¬
rohr abziehende Sammelwasser das Ver¬
setzen der Quader nicht im mindesten hin¬
derte. Der Anschlufs an den Beton wurde durch Hintermauerung
mit Ziegeln leicht hergestellt. Zur Sicherung des „Pumpen-
gesümpfes“ in tiefer Lage war beim Betonfüllen ein leerer Holz¬
kasten eingesenkt, welcher nachher geöffnet wurde, um den Saugkorb
des Pumpenrohrs aufzunehmen.
Sonach begann die Mauerung am 16. August, am elften Tage
nach Beginn, am 7. Tage nach Vollendung der Betonschüttung und
erreichte nun bald als Tagesleistung die Herstellung einer vollen
Quaderschicht mit Hintermauerung, d. i. bei rund 130 qm Grund¬
fläche etwa 60 cbm Mauerwerk. Für die Herstellung des Betonbettes
und des Fangedammes waren sonach mit Einschlufs der Vorberei¬
tungen nur etwa zwei Wochen gebraucht, während im Bauplan
(s. oben bei Pfeiler III, ebenso bei II, Seite 346) dafür vier Wochen
vorgesehen sind.
Bei Gründung der Vorlandpfeiler IV, V, VI wurden nach
Aushebung der Baugrube bis Grundwasserhöhe die Brunnen zu¬
nächst in ganzer Höhe von 7 m aufgemauert, und erst dann gesenkt,
um ein mehrmaliges Aufstellen und Abnehmen der Baggerrüstung
(namentlich für die Kreisbagger) zu vermeiden. Die Ausbagge¬
rung geschah sodann theils durch „Kreisbagger“ mit senkrechter
Baggerkette, theils durch „indische Schaufeln,“ deren zwei bis drei
(möglich auch vier) gleichzeitig an einem Brunnen von 10 m Durch¬
messer in Thätigkeit waren. Zur leichten Handhabung der Schaufeln
war jede derselben mit drei Seilen versehen, welche an einem ein¬
fachen, den Brunnen galgenförmig überspannenden Gerüst über ver¬
schiebbare Eollen geleitet, und wovon zwei mit Winden in Ver¬
bindung gesetzt waren. Das eine der letzteren diente zum Auf¬
kanten der Schaufel nach Einsenkung derselben, das zweite zur
Hebung der gefüllten Schaufel in senkrechter Eichtung; das dritte,
freihändig bewegte Seil ermöglichte in Verbindung mit einem
I nach der anderen Seite angezogenen Handseil in einfacher Weise
die zum Auskippen der Schaufel erforderliche Pendel bewegung
der letzteren über den Eand des Brunnens nach aufsen. So wurden
mit jeder Schaufel, deren sechs Füllungen auf 1 cbm gingen, als
Tagesleistung bis 1.5 cbm gefördert. Die Senkung der Brunnen ging
in dieser Weise ohne besondere Schwierigkeiten von statten, obwohl
u. a. zwei mächtige, uralte Eiclienstämme mit Verzweigung aus der
Erde zu 'J'age gefördert werden mufsten, um die weitere Absenkung
zu ermöglichen.
Zur Bewegung des Trichters bei der Betonfüllung des unteren
Brunnentheils wurde ein höchst einfaches und ebenso zweckmäfsiges
Drehgerüst hergestellt (Abb. 11). Dasselbe lief mit vier (un¬
symmetrisch angeordneten) Spurrollen von 0,65 m auf einer kreis¬
förmig mit 8,48 m Durchmesser gebogenen Seidene, welche auf dem
Brunnenringe ruhte. Innerhalb des Gerüstes bedurfte es sonach einer
Verschiebbarkeit des Trichters nur um den inneren Brunnen-Halb¬
messer von 3,84 m oder wenig mehr, um bei Drehung des Gerüstes
jeden Punkt der Brunnengrundfläche bestrei¬
chen zu können.
Bei allen diesen Arbeiten war, was wohl
zu beachten, die erhebliche Gröfse der
Brunnen — 10 m äufserer, 7,68 m innerer
Durchmesser und die kreisförmige Ge¬
stalt derselben von besonderem Vortheil-,
durch erstere wurde die gleichzeitige Arbeit
mehrerer Schaufeln sowie die leichtere Be¬
seitigung von Hindernissen, durch letztere
die bequeme Art der Betonfüllung ermöglicht.
9. Aufstellung des eisernen Ueberhaues.
Die Aufstellung des eisernen
Ueberbaues, welche im August 1889 wäh¬
rend der Anwesenheit des Verfassers bei der
vierten Oeffnung in der Ausführung, bei der
dritten in Vorbereitung war, liefs u. a. in be¬
sonders erfreulicher Weise die sorgfältige
Durcharbeitung des Entwurfs zur
grofsen Holzrüstuug erkennen, die bis
in alle Einzelheiten von dem technischen
Bureau der Neubau- Abtheilung in Brömberg
und demjenigen der ausführenden Gesell¬
schaft Harkort bei Duisburg vorgenommen
war und nicht minder auch die Genauigkeit
und Sauberkeit in der Herstellung der
Eisentheile und ihrer Verbindungen sei¬
tens der genannten Anstalt.
Wenig tiefer als die Unterkante des
eisernen Ueberbaues, in Höhe von + 15,3
also etwa 9 m über der Vorlandhöhe, war
ein voller, sicherer Boden aus Bohlen ge¬
bildet, und nach Verlegung der Querträger
nahe über deren Oberkante ein Laufsteg mit
Schmalspurgeleis in der Mitte des Ueberbaues über dessen ganze Länge
hergestellt. In gleicher Höhe war schon vorher am Pfeiler V eine
gröfsere Plattform, und an deren nördlicher Kante — also aufserhalb
des für die Aufstellung der fünften Oeffnung erforderlichen Baumes
— ein fester Drehkrahn mit Dampfbetrieb angeordnet. Die
Eisentheile wurden nun von ihren Lagerplätzen auf dem Vorlande
mittels kleiner Schmalspurwagen (meist zwei solche unter einem
Stück) herangeführt, durch den Drehkrahn gehoben, oben auf der
Plattform auf andere Schmalspurwagen niedergelassen und mittels
dieser auf dem Gerüst nach ihren Verwendungsplätzen gebracht.
Ganz oben auf dem Gerüst war ein fahrbarer, die ganze Breite
des Baues frei überspannender Krahn mit querlanfender Winde an¬
gebracht, sodafs die letztere jeden Punkt des ganzen Ueberbaues be¬
streichen konnte. Die beiden Fahrschienen dieses Krahns lagen in
etwa 12 m Abstand auf -\- 35,6 über N. N., also rund 30 m über dem
Vorland (bei den Stromöffnungen demnächst etwa 32 m über Mittel¬
wasser).
Die Längsbewegung des Krahns sowie die Querbewegung
der Winde auf demselben und die Hebung der Eisentheile mit
letzterer geschieht durch eine unter Dach am Krahn angebrachte
Elektro-Dj’namomaschine, welche durch zwei am ganzen Gerüst
entlang laufende, nah bei einanderliegende, dünne Kupferdrahtseile
mit Strom gespeist wird und zwar mittels zweier Berührungsrollen.
Die Erzeugung des Stroms geschieht unten durch die auch zur
Mörtelbereitung dienende Dampfmaschine mit Hülfe einer zweiten
Elektro-Dynamomaschine. Der Krahn hat somit den Vortheil einer
gewichtlosen Kraftübertragung von der unten befindlichen
Kraftquelle auf die etwa 30 m höhere Fahrbahn und zwar nach
jedem Punkte' derselben. Der Krahn ist daher infolge seiner leichten
Bauart sehr gut beweglich.
Abb. 11b. Ansicht von oben.
Betonirungsgerüst.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
27. August 1890.
Die Gesamtkosten der AVeichsel- und Xogat-Ueberbrückung mit
Zubehör — wobei der gänzliche Umbau des Bahnhofs Dirschau
sowie die grofsen Erdarbeiten zur Verbesserung des Fluthlaufs der
Weichsel einen wesentlichen Antheil haben — sind auf 15 Millionen
Mark veranschlagt, wovon 9 Millionen auf das lleich, G Millionen
auf Preufsen entfallen (vgl. Jahrg. 1888. S. 87 d. Bl.).
Die Aufstellung der grundlegenden Entwürfe ' zu diesen grofs-
artigen Bauwerken ist von dem Herrn Geheimen Ober-Baurath
Schw edler 2Dersönlich geleitet worden. Die weitere Ausarbeitung
derselben in allen Einzelheiten sowie die Leitung des Bureaus für
die Angelegenheiten der Erbauung der Dirschauer und Marienburger
Brücken bei der Kgl. Eisenbahndirection in Bromberg wurde dem
Eisenbahu-Baxi- und Betriebsinsixector Herrn Mehrtens übertragen
unter Obeideitung des Herrn Geheimen Regierungsraths Suche als
Dirigenten der Neubau- Abtheilung genannter Direction. Die Aus¬
arbeitung des Bauplans sowie die örtliche Leitung der Ausführung
ruht bei der Weichselbrücke in der Hand des Eisenbahn-Bau- und
Betriebsinspectors Herrn E. Mackensen, bei der Nogatbrücke in
derjenigen des Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectors Herrn Matthes.
Inzwischen ist bis Anfang Juli d. J. bei der Weichselbrücke der
östliche Landpfeiler (VII) bis zur Schienenhöhe, der westliche (I) bis
etwa 2 m darunter aufgeführt. Der Eisenbau ist in der dritten und
vierten Oeffnung fertig, in der zweiten begonnen (voraussichtlich bis
Mitte August vollendet) und in der fünften Oetfnung ist das Aufstel¬
lungsgerüst errichtet, sodafs auch dieser Theil bis Ende September voll¬
endet sein dürfte und für das nächste (letzte) Baujahr im wesentlichen
nur der Eisenbau für die erste und sechste Spannung übrig bleibt.
In den beiden grofsen Oeffnungen der Nogatbrücke ist der
Eisenbau der östlichen bereits ziemlich weit vorgeschritten, derjenige
der westlichen in Arbeit, die Fertigstellung beider im Laufe dieses
Baujahres also gesichert. A. Goering.
Die XXXI. Hauptversammlung
fand dieses Jahr in Halle (Saale) in der Zeit vom 17. bis 20. August
statt. Nach einer dreitägigen Vorberathung der auf der Tagesordnung
der Hauptversammlung stehenden Gegenstände durch den engeren
Vorstand und die Abgeordneten der Bezirksvereine wurde die erste
Vereinssitzung am 18. August durch den Vorsitzenden, Maschinen-
fabricant Blecher - Barmen, mit einer an die zahlreich erschienenen
Theilnehmer und insbesondere an den Vertreter der Königlichen
Staatsregierung Berghauptmann v. d. Heyden - Eynsch , den Rector
der Universität Halle -Wittenberg Professor Dr. Bernstein sowie
an den Oberbürgermeister Staude -Halle gerichteten Begrüfsung
erötfnet. Der Vorsitzende gab alsdann einen kurzen Rückblick über
das abgelaufene Vereinsjahr, aus welchem hier inxr ein Punkt mit-
getheilt werden möge. Die dem Vereine eigene Vertrauensstellung
eines Directors ist 34 Jahre hindurch in höchst ers^n’iefslicher und
ehrenvoller Weise vom Geheimen Hofrath Professor Dr. Grashof
bekleidet worden. Der Genannte hat sich nunmehr entschlossen, aus
Gesundheitsrücksichten und im Hinblick auf die sich steigernde Arbeits¬
last sein Ehrenamt niederzulegen. Der Vorsitzende gab mit bewegten
Worten dem Danke Ausdruck, zu dem der Verein seinem bisherigen
Director vei’jxflichtet sei. — Nachdem die zuvorgenannten Herren die
Begrüfsung des Vorsitzenden im Namen ihrer Auftraggeber erwidert
hatten, nahm Generalsecretär Th. Peters das Wort zur Erstattung
des Geschäftsberichtes, aus welchem hervorgeht, dafs sich die Mit¬
gliederzahl im letzten Jahre um 345 vermehrt hat und auf rund
6900 gestiegen ist, die sich auf 31 Bezirksvereine vertheilt. Von
bemerkenswerthen Ereignissen und Arbeiten des Vereins erwähnte
der Berichterstatter u. a. die Enthüllung des Robert Mayer-Denkmales
in Stuttgart,*) den Bericht über die Organisation der technischen
Mittelschulen und die Herausgabe einer Litteraturübersicht. Die
financielle Lage des Vereins wurde als eine sehr erfreuliche bezeichnet.
Nunmehr wurde die Reihe der Vorträge durch einen solchen von
Georg Schimming- Charlottenburg über die Ausnutzung der
Brennstoffe eröffnet. Der Vortragende besprach die im allgemeinen
bekannte Thatsache, dafs in unseren derzeitigen Feuerungsanlagen
eine nur sehr unvollkommene Ausnutzung der Brennstoffe stattfiudet,
und suchte die Höhe der hierbei eiutretendeu Verluste an einem
Beispiele zahlenmäfsig nachzuweisen, indem er den bei unvollständiger
Verbrennung von ^,4 Millionen Tonnen Brennstoff in Berlin durch das
Entweichen von Theer und Ammoniak als Rauch entstehenden Ver¬
lust auf 1/4 Millionen Mark, den Geldwerth der wegen mangelhafter
Wirkungsweise der Feuerungen verloren gehenden Wärmemengen
aber allein bei den etwa C-' Millionen Tonnen, welche in den Berliner
Dampfkesselfeuerungen verbrannt werden, auf 1^/4 Millionen Mark
jährlich beziffert. Der Vortragende glaubt, dafs diesem Verluste
sowohl, als auch den durch Rauch, Rufs und Asche hervorgerufenen
Belästigungen gröfstentheils durch Vergasinig der Brennstoffe in
besonderen grofsen Fabilkanlagen abzuhelfen sein wird, von denen
zugleich geprefste Luft, Druckwasser und Elektricität erzeugt und
den Stadtbewohnern durch Leitung zugeführt werden könnte.
Nach einer kurzen Pause erhielt Director Kurt das Wort zu
einem Vortrage über die Bitter fei der Thonindustrie. Die Ent¬
wicklung der Industrie jener Gegend beginnt mit der Eröffnung der
Berlin-Anhalter Eisenbahn im Jahre 1857. Infolge der Zunahme der
Bauthätigkeit und der günstigen Verbindungen mit grofsen Städten
steigerte sich das Ausbringen der mit den Braunkohlenwerken ver¬
bundenen Ziegeleien und Verblendsteinfabriken (Greppiner Werke)
ganz bedeutend, sodafs jetzt jährlich etwa 55 Millionen Klinkei’,
porige Steine, Verblender, Terracotten usw. hergestellt werden.
Einen beachtenswerthen Theil der Bitterfelder Industrie bildet die
*) S. Centralblatt der Bauverwaltung 1889, Seite 460.
des Yereiiis Deutscher lugenieure
Herstellung von Thonröhren. Im Jahre 1863 erbaute der damalige
Abtheilungs-Baiimeister Polko das erste Thonröhrenwerk; heute
fertigen sieben solcher Werke jährlich gegen 55 000 t Thonwaren.
An diese Mittheilungen reihte der Vortragende ausführliche Angaben
über den Gang der Herstellung, über die Leistungsfähigkeit der
Maschinenanlagen und über das Trockenverfahren.
Den dritten Vortrag hielt Thede über die Paraffin- und
Mineralöl-Industrie der Provinz Sachsen. Die Anfänge
dieser Industrie zeigten sich in den fünfziger Jahren; doch war zu¬
nächst der Erfolg wegen mangelhafter Erzeugnisse und unrichtiger
Ertragsberechuungen nur gering. Jetzt sind die Einrichtungen und
Verfahren in hohem Grade vervollkommnet. Den Rohstoff bildet
die erdige Braunkohle (Schweelkohle), von welcher gegenwärtig
12 Millionen Hektoliter verschweelt werden, wozu etwa 7 Millionen
Hektoliter Feuerkohle erforderlich sind. Die Erzeugnisse (Paraffin
und Gele) sind zur Zeit alle sehr begehrt; so insbesondere auch die
vor einigen Jahren noch wenig benutzten schweren Paraffinöle, welche
jetzt zu Schmier- und Vergasungszwecken viel gebraucht werden.
An die durchweg mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vorträge
reihte sich das mit zahlreichen Trinksprüchen gewürzte Festmahl,
an welchem etwa 500 Festgenossen, darunter zahlreiche Damen,
theilnahmen. Hierauf wurde eine Wasserfahrt auf der Saale bis
Cröllwitz und zurück nach der Saale-Insel Peifsnitz unternommen, wo
die Stadt Halle dem Verein ein Gartenfest bereitete, das mit einer
Beleuchtung der Saale-Ufer und einem Feuerwerk schlofs.
In der Sitzung vom 19. August wurde der Antrag des Gesamt¬
vorstandes auf Anuahme der von ihm vorgelegten Vereinssatzungeu
sowie der damit zusammenhängenden Anträge, betreffend die Nach-
suchung von Corijorationsrechten, einmüthig genehmigt und nach Er¬
nennung zweier Ehrenmitglieder (Maschinenfabrikant Eduard Becker-
Berlin und Director Simon Sc hi eie -Frankfurt a. M.) die Neuwahl der
Vorsitzenden und Beisitzer vorgenommen. Hieran reihten sich die
Berichte von Th. Peters über die Herausgabe eines Litteratur-
verzeichnisses und über die technischen Mittelschulen. Professor
Bach -Stuttgart berichtete über die Frage der Rauchbelästigung in
grofsen Städten und emjxfahl den Antrag des Gesamtvorstandes, nach
welchem zwei Preisausschreiben — das eine bezüglich der Dampf-
kesselfeueruugen, das andere bezüglich der Haushaltsfeuerungen —
erlassen werden sollen. Der Antrag wurde unter Bewilligung eines
Preises von 3000 Mark für jede Aufgabe und eines Zuschlages bis
zu je 1000 Mark für die Zeichnungen angenommen. Ferner be¬
willigte die Versammlung jährlich 3000 Mark auf die Dauer von
6 Jahren als Zuschufs zu den Kosten der Umwandlung der Kölner
Maschinenbauschule in eine technische Mittelschule. Schliefslich
wurden Düsseldorf und Duisburg als Versammlungsorte für die
nächste Hauptversammlung gewählt.
Die Sitzung vom 20. August war vorzugsweise der Erledigung
geschäftlicher Vereinsangelegenheiten gewidmet. Denselben folgte
ein Vortrag von P. Nösselt über die Maschinen im Bergwerks¬
und Hüttenbetrieb der Mansfelder Gewerkschaft. Der Vor¬
tragende schilderte die infolge des grofsartigen Aufschwunges der
Gewerkschaft in den Jahren 1876 — 1884 nothwendig gewordene Auf¬
stellung vieler neuer Maschinen und Dampfkessel, die beweglichen
Anlagen zum Abteufen neuer Schächte (Luftpumjxen, Wasserhaltungs¬
einrichtungen usw.), die Seil-, Ketten- und Locomotiv- Förderungs¬
anlagen und die 28 km lange Bergwerksbahn.
Den Schlufs der Hauptversammlung bildeten Ausfahrten einzelner
Abtheilungen nach Thüringen, dem Mansfelder und dem Weifsenfels-
Zeitzer Bergwerksgebiet, sowie nach dem Bitterfelder Industriebezirk.
Am 21. August fand noch ein Ausflug nach dem Harz statt, wobei
der sächsisch-anhaltische Bezirksverein die Führung übernommen hatte.
Verlag von Ernst&Korn UVilhelm Ernst), Berlin. Für die Redact, Ion des nichtamtliclien Theiles verantwortlich i. V.: O.HoTsfeld, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltimg.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 30. August 1890. Nr. 35.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal- Nachrichten. — Nichtamtliches: Unterbringung der
Versorgungsnetze im grofsstädtischen Strafsenbau. — „Hamburg und seine Bauten.“ —
Weitgespannte Strom- und Thaibrücken der Neuzeit. — Ewerbecks „Renaissance in
Belgien und Holland“. — Versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine. — Ausrüstung der Bahnwärter. — V ermischtes : Kaiser Wilhelm-
Denkmal der Provinz Westfalen. — Preisbewevbnng für eine evang. Kirche in Heil¬
bronn. — Preisausschreiben für einen Saalban in Remscheid. — Ehrenbezeigung. —
Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. — Münsterbauverein in Villingen.
— Frostbeständigkeit der Bausteine. — Techn. Hochschule Darmstadt. — Anwendung
des Leuchtgases zur Bekämpfung der Rauchplage. — Bücherschau.
Amtliche M
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Kreis-
Bauinspector Baurath Brunner in Neu-Ruppin den Rothen Adler-
Orden IV. Klasse zu verleihen.
Der Königliche Wasser-Bauinspector Baurath Schwartz in Cassel
ist von seinen bisherigen Dienstgeschäften entbunden und mit der
Leitung der Arbeiten zur Canalisirung der Fulda von Münden bis
Cassel betraut worden.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister August
Hirsch in Duisburg ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staats¬
dienst ertheilt worden.
Deutsches Reich.
Garnison-Bauverwaltung. Versetzt sind: die Garnison-Bau-
ittheilungen.
inspectoren Neumann in Potsdam nach Gleiwitz, Ahrendts in
Breslau I. nach Potsdam, Baurath Veltman in Gleiwitz nach
Breslau I., Baurath Rettig in Münster nach Posen I., und Schnei¬
der II. in Posen I. nach Münster.
Wiu'ttemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Ober-
Baurath V. Dimler bei der General direction der Staatseisenbahnen
seinem Ansuchen entsprechend in den Ruhestand zu versetzen und
demselben in Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste die
Krone zum Ehrenritterkreuz des Ordens der Württembergischen
Krone zu verleihen.
Der erste Werkführer Deifs bei der Eisenbahnwerkstätte Aalen
wurde auf die erledigte Stelle eines Werkführers und gleichzeitigen
Vorstands der Nebenwerkstätte Ulm versetzt.
[Alle Eechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher TheO.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die modernen Aufgaben des grofsstädtischen Strafsenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.
(Vortrag, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine in Hamburg
von Baurath Dr. James Hobrecht, Stadtbaurath in Berlin.)
' Meine Herren!
Das Thema, welches mir für einen Vortrag seitens des Verbands-
Vorstandes der deutschen Architekten- und Ingenieur-Vereine gestellt
wurde, lautet:
„Die modernen Aufgaben des grofsstädtischen Strafsen¬
baues mit Eücksicht auf die Unterbringung der Versorgungs¬
netze“.
Ich mufs vorab bemerken, dafs dieses Thema, so verlockend es
auf den ersten Anblick zu sein scheint, und so sehr es einen Gegen¬
stand berührt, der die Verwaltungen aller grofsen Städte gewisser-
mafsen in Athem erhält, doch recht wenig geeignet ist, die Hörer,
und damit den Vortragenden selbst, befriedigen zu können; denn
wenn es allgemein wohl als erwünscht bezeichnet werden darf, dafs
aus der Besprechung eines so ungewöhnlich wichtigen Gegenstandes,
von einer so hervorragenden Tribüne herab wie diejenige, auf welcher
ich mich zur Zeit befinde, auch die Namhaftmachung eines Abhülfs-
mittels gegen die allseits empfundenen Schwierigkeiten — gewisser-
mafsen eines Specificums gegen dieKrankheit, an welcher grofsstädtische
Strafsen durch die Versorgungsnetze leiden — sich ergebe, so ist
auf ein solches Ergebnifs im vorliegenden Falle nicht zu rechnen.
Zunächst weil niemand imstande ist. Umfang und Mafs aller Ver¬
sorgungsnetze, welche beanspruchen möchten, sich in die Strafsen-
körper einzubauen, zu bestimmen. Zahl und Art derselben wächst von
Jahr zu Jahr; nur wer sich der irrthümlichen Auffassung hingiebt,
die Ansprüche grofsstädtischer Bevölkerungen könnten überhaupt
gesättigt werden, die Erfindung werde aufhören thätig zu sein, oder
das Capital möchte erlahmen, nützlichen Erfindungen die Wege zur
Ausführung zu bahnen, wird darüber anders zu denken vermögen.
Hatte man früher sich meistens nur mit der Sorge zu beschäf¬
tigen, Gas- und Wasserleitungen in den Strafsen unterzubringen, so
gilt es jetzt schon, sich um einen angemessenen Platz für die Ent¬
wässerungsleitungen, die elektrischen Beleuchtungskabel, die
verschiedensten Arten won Telegraphenkabeln, Telephonleitungen,
Druckluft- oder Druckwasserleitungen usw. zu mühen; ein Ende ist
in dieser Beziehung kaum abzusehen.
Ferner sind die Verhältnisse in Bezug auf Lage, Breite, Gefälle,
Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit in den verschiedenen Städten
so aufserordentlich verschieden, dafs auch hieran die Verkündigung
eines allgemein gültigen Recepts gegen die erwähnten Erscheinungen
scheitern mufs. Schon die Verschiedenheit in der Vermögenslage
der Städte hat nothwendigerweise zur Folge, dafs Stadt-Umgestal¬
tungen, namentlich Strafsendurchbrüche und Strafsenverbreiterungen,
welche sonst ein wirksamstes Heilmittel wären, hier thunlich, dort
aber ganz unmöglich erscheinen. Die Aufstellung eines Normal-
Querschnitts für Strafsen, der uns eine wohlabgemessene Anordnung
der Leitungen nach ihrer Höhen- und Breitenlage zeigte, wäre in
der That kaum mehr als ein Hirngespinnst, — etwa ebenso werthlos
wie ein Normal-Grundrifs für alle Hochbauten.
Um der Frage nun aber doch näher zu treten, wird es nützlich
sein, zunächst die Versorgungs-Netze, welche jetzt schon Strafsen-
raum beanspruchen, zusammenzustellen. Als solche wären zu nennen:
1. Die Wasserleitung zur Versorgung der Wohnungen mit
Wasser für alle Arten des häuslichen Bedarfs;
2. Druckwasserleitungen zur Verrichtung von Arbeiten;
3. Gasleitungen zur Beleuchtung der Strafsen und Häuser und
zum Betrieb von Maschinen;
4. Entwässerungsleitungen zur Fortführung von Regen und Ab¬
wässern aus Strafsen und Häusern ;
5. gesonderte Entwässerungs- Leitungen für gebrauchte Wässer,
welche nicht verunreinigt sind, wie Kühlwässer, und für solche,
welche, wie Condensationswässer, zu hoch temperirt sind, oder welche
chemische Beimischungen haben, die, weil sie zerstörend auf Back¬
stein und Mörtel wirken, von der Aufnahme in die gewöhnlichen
Entwässerungsleitungen ausgeschlossen werden müssen;
6. elektrische Beleuchtungsleituugen und zwar:
a) entweder Kabel, oder
b) Schienen, welche in Kästen (Monier -Kästen) oder Röhren
untergebracht werden;
7. Telegraphenleitungen für verschiedene Zwecke, und danach
gesonderte Systeme bildend, wie:
a) für das Reich (auswärtiges Amt, Militär),
b) für polizeiliche Zwecke,
c) für Feuerlösch-Zwecke,
d) für Zwecke der Post;
8. pneumatische Leitungen für Depeschen-Beförderung;
9. Telephonleitungen. Nachdem die weitere Ausbildung ober¬
irdischer Telephon-Netze vieler Orten sich als unmöglich heraus¬
gestellt hat, werden jetzt die Leitungen unterirdisch verlegt. Bei¬
spielsweise beansprucht die Telephon-Verwaltung in Berlin mehrfach
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Centralblatt der Bauverwaltung.
30. August 1890.
Raum für zwei eiserne Parallelleitungeu nebeneinander von je 40 cm
Durchmesser;
10. elektrische oder pneumatische Leituugen zum Betrieb öftent-
licher Uhren:
11. Druckluft-Leitungen zum Betrieb von Maschinen für Klein¬
gewerbe, zum Betrieb von Maschinen für elektrische Beleuchtungen,
zur Ventilation oder Kühlung vou Räumen verschiedener Art;
12. Betriehskabelleitungen, meist in gemauerten Canälen für
Kabelbahnen und elektrische Bahnen und unterhalb derselben
usw. usw.
Dabei ist im einzelnen zu beachten,
1. dafs vielfach vorgenannte Versorgungen, wie namentlich die¬
jenigen mit Gas und Wasser, nicht einheitliche sind, sondern
theils durch die Gemeinden, theils durch Actien- Gesellschaften,
welche auf Grund von Concessionen oft ausgedehnte und lange
dauernde Berechtigungen erworben haben, bewirkt -werden, sodafs
dann oft mehrere sonst gleichwerthige Gas-, mehrere Wasser-Rohre
in einer Strafse nebeiieinanderliegen;
2. dafs infolge der zunehmenden Bevölkerung und des gesteigerten
Vei-kehrs fast alle vorgenannten Leitungen in kürzerer oder längerer
Frist eine Vermehrung oder Vergröfserung erfahren, d. h. also ver¬
mehrten Strafsenrauin beanspruchen, während anderseits
3. der verfügbare Raum in den Strafsen, namentlich den Ilaupt-
strafsen, durch Anlage von Strafsenbahnen aller Art an sich be¬
schränkt wird, und endlich in dem Verlangen, ein gutes, ja ein
bestes Pflaster zu haben, der Strafsendamm seiner ganzen Breite
nach eine feste Unterlage erhält; es ergiebt sich daun hieraus, dafs,
theils absichtlich, theils gezwungen, nur die Bürgersteige zur
Unterbringung der Versorgungs-Netze verfügbar bleiben;
4. dafs, da aus allen den vorgenannten Versorgungs-Netzen Haus-
anschlufsleitungen in verschiedenster Höhenlage die Bürgersteige
queren, der dort etwa noch für Längsleituugen verfügbare Raum,
wenn nicht vernichtet, so doch auf ein Minimum eingeschränkt wird;
5. dafs die oben erwähnte Verlegenheit sich an den Strafsen¬
kreuzungen und Strafseuecken bis zur gröfstmöglichen Höhe
steigert, da dort noch ein besonderer Raum für Wasser- oder Gas-
Schieber, für Revisionsbrunnen der Canalisation, der Beleuchtungs-,
Telephon- und Telegraphen-Kabel usw. vorhanden sein mufs.
M. H. Nothstände aus vorgenannten Ursachen hat inan wohl
zuerst in der gröfsten der Grofsstädte, in London empfunden; dort
begann man am frühesten mit der Ausführung der Versorgungs-
Netze; dort hat man — wie es scheint, ohne Ahnung der späteren
Entwicklung der Versorgungsleitungen und der Stadt — ziemlich
unbeschränkt Concessionen an Actien - Unternehmungen zur Aus¬
führung der Versorgungs-Netze und zum Betriebe derselben ertheilt.
Zudem sind die Strafsen dort meist eng und unregelmäfsig. So liefs
denn schon eine Zeichnung in einem Blaubuch des englischen Par¬
laments aus den fünfziger Jahren, welche das Bild einer abgedeckten
Strafse gab, erkennen, dafs dieselbe ihrer ganzen Breite nach mit
eisernen Röhren, ein Rohr unmittelbar neben dem anderen, belegt
war. Die Röhren waren von sehr verschiedenem Durchmesser und
gehörten verschiedenen Versorgungs- Gesellschaften an. So war es
denn auch oft vorgekoinmen, dafs theils aus Unkenntnifs, theils viel¬
leicht in schlimmerer Absicht die eine Gesellschaft die Röhren einer
anderen Gesellschaft zur Versorgung anliegender Grundstücke ange¬
bohrt hatte und fortgesetzt fremden, ihr nicht gehörigen Stoff,
Wasser oder Gas, verkaufte. Aufs störendste wurden ferner die un¬
unterbrochenen Aufgrabungen und l^flasteraufbrüche bei Rohrver¬
legungen, Rohrveränderungen und Rohr- Ausbesserungen empfunden.
Wie heute überall, erregten sie dort schon vor fast einem halben
Jahrhundert das allgemeinste Aergeruifs. So lange sie unvermeidlich
blieben, so lange war an eine Erfüllung der Hoffnung, eine definitive
Strafsendecke herzustellen und sie zu erhalten, nicht zu denken; sie
sind es, welche denn auch bald das Bestreben anfachten, Abhülfe-
mafsregeln zu ergreifen.
Es liegt nahe, und es lag auch vor Jahrzehnten in London schon
nahe, diese Abhülfemafsregel darin zu suchen, dafs genügend ge¬
räumige Tunnel in den Strafsen unter dem Pflaster erbaut werden,
in welchen sämtliche Leitungen ihren Platz finden. Wie man damals
diese Tunnel, welche den Namen „Subways“ führen, in England
als das Heilmittel ansah, welches alle Schmerzen stillen würde,
so ist diese Ansicht auch bei uns heute -vielfach vertreten, und der
deutsche Techniker mufs es sich gefallen lassen, oft die vorwurfs¬
volle Frage zu hören: warum wird denn nicht endlich, wie in London
oder Paris, mit der Untertunnelung aller Strafsen angefangen, um
der nimmer endenden Buddelei — wie man in Berlin zu sagen be¬
liebt — einen Riegel vorzuschieben? Da also in der Subway -Anlage
in Wirklichkeit oder in Einbildung die Lösung der Frage liegen
soll, sehe ich mich genöthigt, gerade hierauf etwas näher einzugehen,
und nachzuforschen, wieweit obige Behauptung für London und
Paris zutrifft.
Im Jahre 1864 wurde in London eine Gesetzvorlage unter dem
Namen „Metropolitan Subways’ Bill“ vor das Parlament gebracht.
Zwei höchst umfangreiche Blaubücher, das eine aus dem Jahre 1864,
das andere aus dem Jahre 1867, theilen uns in der bekannten Form
von Fragen und Antworten auf 658 Folioseiten die endlosen Ver¬
handlungen mit, welche die von dem Parlament zur Voruntersuchung
eingesetzten Commissionen mit den namhaftesten englischen In¬
genieuren und den Vertretern der betheiligten Gesellschaften auf-
nahmeii. Folgendes aus diesen Verhandlungen dürfte mittheilungs-
werth sein. Zunächst wurde die Zahl der stattgehabten Strafsenauf-
brüche festgestellt. Es ergab sich beispielsweise, dafs — abgesehen
von anderen Stadttheilen — in dem Kirchspiel St. Martin in the
fields das Strafsenpfiaster im Jahre 1856 1256 mal, in den 7 Jahren
von 1856 bis 1863 10 377 mal von den verschiedenen Gas- und
Wassergesellschaften aufgebrochen wurde; in dem Kirchspiel Mary-
lebone haben in den Jahren 1859 bis 1863, also in 5 Jahren 44 932
Aufgrabungen stattgefunden usw. Die Zahl der damals von dem
Metropolitan Board of Works schon ausgeführten Subways war eine
geringe, die Länge derselben eine unbedeutende. Zu verzeichnen
sind in London nur ein Subway in Coventgarden, 450 Fufs lang
(Halbkreis, 6'/2'Rad.) und ein solcher in Southwark (6' Rad.) in Länge
von 3400 Fufs.
In Nottingham waren aufserdem einzelne Subways durch den
Ingenieur Tarbotton ausgeführt,
so in der Victoria Street in Länge von 430' (10' breit)
in der Queen Street „ „ „ 100' ( 8' breit)
und in der Lister Street „ „ „ 450' (10' breit).
Diese Subways hatten zum Theil einen befestigten Boden, zum
Theil nicht, wie denn auch Röhren in die Fufsböden der Subways
gebettet wurden. Sie sind mit Seitengalerieen in etwa 3' Breite für
je zwei Häuser versehen. Diese Galerieen reichen bis zu den unter
den Bürgersteigen belegenen Kellern. Die Subways sind mit Venti¬
lationsschächten in Entfernungen von je 25' bis 100' versehen. In
diesen wenigen Subways lagerten Gas- und Wasserrohren von sehr
geringem Durchmesser (6"), desgleichen Telegraphenleitungen.
Die Frage, welche nun bei den erwähnten Verhandlungen im
Vordergi'und steht, ist diejenige, ob die Gefahr der Gasexplosionen
die Aufnahme von Gasröhren in die Subways gestatte oder nicht.
Namhafteste Ingenieure, wie Bazzalgette, Marrable, Carpmeal
Isaacs, Hemans, Tarbotton aus Nottingham, R. Jones — welcher
jedoch die Ventilationsschächte nicht weiter als 20' von einander
stellen will — , Bramwell, Easton und andere leugnen jede Gefahr,
Avährend Ingenieure, deren Ruf ebenfalls ein bedeutender ist, wie
Simpson, Bateman, der Erbauer der Glasgower Wasserwerke, Hay-
wood, Hawksley und eine grofse Zahl von den bei den Gaswerken
beschäftigten Ingenieuren eine ernstliche Gefahr als mehr oder
minder vorhanden behaupten. Dr. Letheby hält die Gefahr für vor¬
handen, Dr. Frankland bestreitet sie. Was die bei den Gaswerken
und zum Theil auch bei den Wasserwerken beschäftigten Ingenieure
anbetrifl’t, so ist zu bemerken, dafs diese überhaupt den Anlagen von
Subways feindlich entgegenstehen, dafs aber hierbei, wie auch zu¬
gestanden wird, die Besorgnifs, dafs die Kosten für die Gesellschaften
gewaltig anwachsen würden, mitbestimmend war.
Im einzelnen geht aus diesen Verhandlungen folgendes hervor.
Gasexplosionen sind, -wenn auch nicht gerade in den wenigen
Subways, in erschreckend grofser Zahl vorgekommen. Nur der Gas¬
ingenieur Innes erwähnt einer Explosion in einem kleinen Subway,
eigentlich nur einer Unterführung, unter dem Ship-Hotel in Greenwich,
welche der Gesellschaft 500 £ kostete; dabei wurde ein Mann ge-
tödtet, ein anderer schwer, ein dritter leichter durch Brandwunden
verletzt; er theilt mit, dafs das Gasrohr dann aus diesem Subway,
der 8 ' hoch, 7 ' breit war, entfernt wurde.
Der französische Ingenieur Beigrand, der wie fast alle französi¬
schen Ingenieure sich gegen die Aufnahme der Gasröhren in die
Subways ausspricht, erwähnt, dafs in der Galerie des Martyrs, einer
alten Anlage, ein Gasrohr vorhanden gewesen sei, dafs dieses aber
später aus Besorgnifs vor Explosionen fortgenommen sei; er erwähnt
ferner der bekannten schweren Explosion an dem Pont d’ Austerlitz.
Doch mufs ich hierbei bemerken, dafs die englischen Ingenieure nach
eigenen FTntersuchungeu das Zutreffende dieses Falls als eines Be¬
weises gegen die Subways entschieden bestreiten. Aber die Ab¬
neigung Belgrauds gegen Gasleitungen in den Subways ist so grofs,
dafs er sich die Worte eines seiner untergebenen Ingenieure aneignet:
„the day, upon which these pipes are placed in sewers, I shall not
go into them, without having made my will previously“.
Die explosible Mischung des Gases wird, auch wohl nach der
Beschaffenheit des Gases, verschieden angegeben
gleich 1 Theil Gas zu 6 bis 8 Theilen Luft
1 „ „ „ 8 bis 9
1 „ „ „ ^6 bis 15 „ „ ^
wobei die Mischung 1 : 12 die gefährlichste sein soll. Von anderen
Kr. 35.
Centralblatt der Bauverwaltang.
355
werden die Mischungen von 1 : 10 und' 1 : 8 bis 9 als die gefährlichsten
bezeichnet. Die Mischung ist eine mechanische und entsprechend
dem Mindergewicht des Gases auch eine leichtere als diejenige der
atmosphärischen Luft. Eine Erstickungsgefahr liegt nach Frankland
bei einer Mischung von 1 : 14 bis 16, ja bei 1 : 20 vor.
Die Volumen-Veränderung bei der Explosion von Gas ist eine
erheblich geringere als bei Schiefspulver, nämlich 1 : 5 gegen 1 : 480
(nach Dr. Frankland).
Der wie es scheint unvermeidliche Gasverlust (leakage) in den
Röhrennetzen der Gasanstalten wird allseitig zugegeben und auf 10
bis 25 pCt., dann auch auf 12V2 pCt. angegeben. Das Gas entweicht
vorzugsweise durch die Muffenverbindungen, aber — nach Simpson
and Brothers — auch „trough the substance of the iron“ !
Es sind vorzugsweise die Temperatur-Unterschiede, welche bei
eintretender Kälte die Röhren aus den Muffen ziehen und Gasverluste
erzeugen. Nach Messungen von Walker sei aber der Temperatur-
Unterschied in einem Subway erheblich geringer als aufserhalb; bei
50° F. äufserem Tem¬
peratur-Unterschied sei
in einem Subway nur
ein solcher von 17° fest¬
gestellt worden, während
Hawksley behauptet,
dafs die Temperatur in
den Subways um 30°
schwanke.
Boulnois theilt mit,
dafs auf eine Rohrlänge
von 9' bei einem Tem¬
peratur-Unterschied von
30° ein Längenunter¬
schied von Vso" eintrete,
während Barlow bei 10°
Temperatur - Aenderung
einen Längenunterschied
von 4“ auf die englische
Meile angiebt.
Von den Gegnern
der Subways wird nun
in Beziehung auf diese
überhaupt, und nicht
nur in Rücksicht auf
Gasleitungen, besonders
hervorgehoben :
dafs keine natür¬
liche, allenfalls nur eine
künstliche Ventilation
imstande sei, die Ge¬
fahr der Explosion aus-
zuschliefsen , dafs die
Ventilationsschächte durch Strafsenschmutz in den Gittern sich ver¬
stopfen würden ;
dafs Erstickungsgefahr vorliege, und dafs es nicht möglich sein
würde, die Arbeiter in die Subways hineinzubringen, jedenfalls nur
gegen erheblich erhöhte Löhne ;
dafs im Falle von Ohnmächten niemand wagen würde hinein¬
zugehen, um die Betroffenen zu retten, und dafs Erstickung und Tod
die Folge sein würde;
dafs die städtische Verwaltung ersatzpflichtig gemacht werden
müfste, wenn sie die Gesellschaften zwänge, die Röhren in die Sub¬
ways zu legen; Mr. Innes sagt: „if they are compelled to go into a
dangerous position, they ought to be protected from the consequences
of the Position“;
dafs nur bei künstlichem Licht gearbeitet werden könne;
dafs baldigst kein Platz mehr in den Subways sein würde für
weitere Versorgungsleitungen;
dafs man keinen Platz habe für einen Arbeitsweg im Innern zum
Transport der Röhren;
dafs es schwer halten und störend sein würde, die Röhren durch
Oeffnungen in den Gewölben in die Subways zu bringen;
dafs bei einer Explosion auch andere Röhren in den Subways
(Wasserleitung usw.) zerstört werden und dadurch neue Gefahren
entstehen würden;
dafs die Muffen -Verbindungen durch die Erschütterungen der
darübergehenden Wagen gelockert werden würden;
dafs die Luft der Sewers und Gas durch die Seiten- Gal erieen
in die Kohlenkeller und durch diese in die Häuser dringen würde;
dafs die Bleiröhren im Innern der Subways durch die Arbeiter
anderer Gesellschaften gestohlen werden würden;
dafs die Sewers Ueberschwemmungen der Subways herbeiführen
würden ;
dafs im Falle eines Aufruhrs in den Subways Gasröhren vom
Pöbel zerschlagen werden könnten, und dafs dann unabsehbare Ge¬
fahren eintreten würden;
dafs bei Tage und bei Nacht in den Subways eine stete Aufsicht
und Ueberwachung statthaben müfste;
dafs endlich aus allen diesen Gründen die Anlage von Subways
eine überaus theure werden würde, und dafs das Publicum die Kosten
tragen müfste.
Hawksley sagt; „we should only be too glad, to avail ourselves
of these advantages, if the disadvantages were not ten times greater
than the advantages; I mean ten times greater, not as regards simply
the Company, but as regards the public“.
Wenn ich von allen diesen Behauptungen das Gegentheil sagen
wollte, so würde das etwa der Inhalt von dem sein, was die Freunde
der Subways meinen. Sie betonen besonders, dafs die Rohre in den
Subways in gutem Anstrich und guter Pflege gehalten werden können,
und dafs demgemäfs das Verrosten derselben thunlichst verhütet wird.
Von besonderem In¬
teresse möchten noch
einige Versuche sein, die
Dr. Frankland bei dieser
Gelegenheit über die Ge¬
fährlichkeit von Gas¬
leitungen in Subways
angestellt hat. ImSouth-
wark - Street - Subway
bohrte er in das Gasrohr,
etwa in der Mitte zwi¬
schen zwei Ventilations¬
schächten, ein Loch von
5/8 " Durchmesser. Das
Gas entwich während
15 Minuten; nach je
5 Minuten wurde der
Procentsatz des Gases
unter dem Gewölbe und
an den nächstgelegenen
Ventilationsschächten
gemessen; derselbe
schwankte zwischen 1
und höchstenfalls 2'/2.
Der Gasdruck im Rohr
war ä/io". Des weiteren
wurde ein Loch von
11/2 Zoll Durchmesser in
das Gasrohr gebohrt.
Das Gas strömte 15 Mi¬
nuten lang aus. In¬
folge stärkerer Venti¬
lation wurde nur 1,9 pCt.
Gas in der Luftmischung gemessen; dann wurde das Gas ange¬
steckt, welches mit einer 4 — 5 Fufs langen Flamme brannte.
Endlich wurden zwei Oeffnungen von je IV2'' Durchmesser ge¬
macht und blieben 16 Minuten offen. Es wurde eine 3 procentige
Mischung beobachtet; zu einer Explosion würde eine mindestens
6 procentige gehören. Frankland schliefst daraus, dafs die Ventilation
eine vollkommene sei, dafs in dem Mafse, in welchem die Gasaus¬
strömung stattfinde, der Zug sich vermehre, und dafs somit eine Ge¬
fahr als ausgeschlossen zu betrachten sei.
Nach einigen zunächst vergeblichen Anläufen kam nun ein Gesetz,
the Metropolitan-Subways Act, 1868, zu Stande.
Das Gesetz beschränkt sich auf als solche bereits genehmigte
Subways, welche der Board of Works ausführt. Nach diesem Gesetz
werden die Gas-, Wasser- und Telegraphen-Gesellschaften gezwungen,
die Rohre in diese Subways zu legen. 20 £ Strafe werden für jeden
Fall, dafs das Pflaster später dort aufgebrochen wird, festgesetzt; wenn
schon in die Strafsendämme verlegt gewesene Rohre in den Sub¬
ways placirt werden, so geschieht dies auf Kosten des Board, der
letztere in Ventilation und baulichen Würden zu erhalten hat. Die
einzelnen Leitungen in den Subways haben die betreffenden Gesell¬
schaften zu unterhalten unter Aufsicht eines Beamten des Board.
Ein späteres Gesetz, die London Subways Act 1869, sprach den
Zwang zur Einlegung von Leitungen unter fast gleichen Bedingungen
für einzelne weiter benannte Strafsen — Holborn Viaduct — und
namentlich einzelne neue Strafsen aus.
Zur Zeit liegt dem Parlament zur Berathung ein Gesetz, The
London Subways und Overhead wires Act 1890, vor. Danach soll
der London -County- Council (eine neue Art Provincialbehörde an
Stelle des Metropolitan Board of Works) berechtigt sein, nach eigenem
Ermessen wo und wie er will fortan Subways zu bauen und zu unter¬
halten. Er erhält die Enteignungsbefugnifs ; die Gesellschaften haben
Volks -Kaffee- und Speisehalle am America -Kai.
Aus „Hamburg und seine Bauten“.
356
Ceutralblatt der Bauverwaltimg.
80. Aiioiist 1800.
auf Erforderu Auskunft zu geben und Zeichnung ihrer bestehenden
Anlagen einzureiclieu ; die Gesellschaften müssen mindestens 1 Monat
vor Beginn von neuen Arbeiten
in den Strafsen den Consens
des Council eiuholen. Wenn
in der Strafse, in welcher eine
Leitung gelegt werden soll, ein
Subway ist, hat der Couucil das
Eecht, zu verlangen, dafs die¬
selbe in den Subway gelegt
werde; dasselbe gilt, wenn auch
noch kein Subway vorhanden,
einen solchen aber dort in
angemessener Zeit zu bauen be¬
schlossen ist. Der Council hat
das Recht, zu verlangen, dafs,
wenn er einen Subway baut, die
Gesellschaften ihre Leitungen
aus den Strafsen fortuehmen und
in denselben legen ; der Council
hat das Recht, eine angemessene
Abgabe für Benutzung des Sub¬
ways von den Gesellschaften zu
verlangen; der Council kann ver¬
langen, dafs, wenn er einen
neuen Subway baut, die Gesell¬
schaften gegen Entschädigung
den Bau hindernde Leitungen
fortnehmen müssen. Nach Er-
lafs dieses Gesetzes ist es ver¬
boten, eine oberirdische Draht¬
leitung ohne besondere Geneh¬
migung des Councils auszuführen.
Mir scheint der wesentliche
Inhalt dieser Gesetzvorlage —
abgesehen von polizeilichen Ein¬
schränkungen bei oberirdischen
Drahtleitungen, die sich bei uns
von selbst verstehen — der zu
sein, dafs der County Council
fortan berechtigt sein soll, Sub¬
ways da zu bauen, wo er es für
gut hält, und ohne dafs jedes¬
mal eine besondere Parlaments¬
acte hierfür erlassen wird.
Ich möchte nun noch in
Bezug auf Paris hinzufügeu, dafs
Alte Speicher am Mattentwietejifleth.
Aus „Hambru’g und seine Bauten“.
planmäfsige Subway-Anlage, oder dafs die Versorgungsrohre in die
,.Egouts“ aufgenommen wären. Zunächst steht dem doch entgegen,
dafs , wenn die Egouts auch
in einzelnen Strecken ausreichend
grofs sind, um manche Rohre
aufnehmen zu können, dies doch
bei der weitaus gröfsten Zahl
von Canälen nicht der Fall ist.
Gasleitungen in die Egouts auf¬
zunehmen, ist aus Besorgnifs
vor Erstickungen und Explosionen
verboten. Die Poppsche Druck-
luttleituug ist in Egouts gelegt,
— wie mau mir sagte, zur
Fnzufriedenheit beider Theile.
Wasserleitungsröhren liegen zum
Theil in Egouts, zum gröfseren
Theile im Erdreich. Die elektri¬
schen Beleuchtungskabel liegen
unter dem Bürgersteig. M. E.
sind, wenn Subwa3"s überhaupt
erbaut werden , Seitengalerieen,
welche die Ilausleitungen auf¬
nehmen, eine nothwendige Folge,
da sonst die Wandungen der
.Subwa^'s stets durchbrochen wer¬
den und die Strafsen dann für
diese Querleitungen doch auf-
gebrochen werden müfsten; die
Egouts in Paris haben nun aber
solche Seitengalerieen nicht oder
nur zum kleinsten Theil. Dafs in
den Egouts doch eigentlich nur der
Raum, -welcher bei Regenflutheu
wasserfrei bleibt, zur Aufnahme
von Leitungsröhren gebraucht wer¬
den kann und darf, mufs als selbst¬
verständlich vorausgesetzt werden.
Was in London und anderen
englischen Städten mehr als in
andern Ländern zur Erbauung
von Subways, wo solche ausführ¬
bar wären, drängt, ist der Um¬
stand, dafs der Raum unter den
Bürgersteigen zur Unterbringung
von Versorgungsnetzen nicht zur
Vei'fügung steht, da hier zu den
dort nichts weniger vorhanden ist als, wie man vielfach glaubt, eine
einzelnen Gebäuden gehörige Kohlenkeller liegen.
- (Fortsetzung folgt.)
Hamburg und
Die Hamburger Festwoche ist vorüber, und die deutschen Bau¬
meister kehren heim voll Rühmens über die glänzende und herz¬
liche Aufnahme, die ihnen an den Ufern der Binnenalster wiederum
geworden ist. Wiederum, denn noch lebendig in aller Gedächtnifs
ist jener nicht minder gastliche und kameradschaftliche Empfang,
den die Hamburger Fachgenossen im September 1868 der 15. Ver¬
sammlung deutscher Architekten und Ingenieure bereiteten. Heut
wie damals sind es aber nicht allein die in froher Geselligkeit und
unter trefflicher Führung angenehm verlebten Stunden, deren Erinne¬
rung die Heimkehrendeu erfüllt, es ist ihnen auch wieder ein Zeichen
der Gastfreundschaft geworden, in dessen Besitz sie das Erschaute
und Erlebte schwarz auf weifs nach Hause tragen können. Der
Hamburger Architekten- und Ingenieur -Verein hat es sich nicht
nehmen lassen, im Anschlufs an die Festschrift von 1868 «Hamburg,
historisch -topographische und baugeschichtliche Mittheiluugen“ und
in Fortführung eines schönen, schon seit .Jahrzehnten und jüngst
erst in Frankfurt und Köln geübten Brauches den diesmal Ver¬
sammelten ein „Hamburg und seine Bauten“ darzubieten, welches
nicht nur dem Feste besonderen Gehalt verliehen hat, sondern auch,
jedem Besucher Hamburgs ein sorgfältiger Führer, als fachwissen-
schaftliches Sammelwerk von grofsem und dauerndem Werthe ist.
Der stattliche Band*) giebt auf 730 Seiten und in nicht weniger
■'■) Hamburg und seine Bauten, unter Berücksichtigung der
Nachbarstädte Altona und Wandsbeck zur IX. Wanderversammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine in
Hamburg vom 24. bis 29. August 1890 herausgegeben vom Architekten-
und Ingenieur-Verein in Hamburg. Hamburg 1890. Selbstverlag des
Vereins, Commissionsverlag von Otto Meifsner, XXHI u. 730 Seiten
in grofs 8“ mit 1377 Abbildungen.
seine Bauten.
als 1377 Abbildungen, von denen wir einige Proben hier beigeben,
ein umfassendes Bild des gesamten Hamburger Bauwesens von einst
und jetzt. Die Unterzeichner seines Vorwortes, die Mitglieder vom
Buchausschusse des Hamburger Vereins, bedauern zwar launig die
Wohlbeleibtheit ihres Neugeborenen im Interesse der schaulustigen
Wanderversammelteu; aber diese können sich das stattliche Körper¬
gewicht des kleinen Hamburgers schon gefallen lassen, denn zu
Führern und zu Befriedigern ihrer Schaulust und ihres Wissens¬
durstes hatten sie die wackeren Erzeuger selbst, und daheim werden
sie und alle zu Hause Gebliebenen bei dem Gewichte des Inhaltes
das Pfundgewicht der Festgabe gern in Kauf nehmen.
Dieser werthvolle Inhalt ist in drei Hauptabschnitte gegliedert.
Der erste behandelt als Einleitung die Entstehung Hamburgs und
seiner Nachbarstadt Altona sowie beider bauliche Entwicklung von
ihren ersten Anfängen in karolingischer Zeit bis auf unsere Tage, und
giebt weiter eine Reihe statistischer Uebersichten über Bevölkerungs¬
und Wohnungsverhältnisse, Warenverkehr usw. in graphischen Zu¬
sammenstellungen. Sein Verfasser ist Baupolizeiinspector Bargum,
eines der rührigsten Mitglieder des Buchausschusses.
Im zweiten Theil werden die Bauten für öffentliche Zwecke be¬
sprochen. Er hat 34 LTnterabschnitte, welche theils dem Hochbau,
theils dem Bauingenieurwesen der Schwesterstädte gewidmet sind.
Nächst den Cultusanlagen und Gebäuden für Rechtspflege werden
Gesellschaftshäuser und Theater, Militär-, Stifts- und Verwaltungs¬
gebäude aller Art vollständig und ausführlich mitgetheilt. Ein be¬
sonderer Abschnitt handelt von dem im Bau begriffenen, bekannt¬
lich von neun Hamburger Architekten gemeinsam entworfenen
Rathhause, welches allein in 9 Abbildungen dargestellt ist. Es
folgen Bade- und Waschanstalten, Krankenhäuser und die Ham-
Elf. 85.
Centralblatt der Bau Verwaltung.
.357
bürg besonders eigenthümlichen Volks - Kaffee- und Speisehallen,
deren eine, die am America-Kai, wir im Bilde geben; dann Sclilacht-
und Viehhöfe, Feuerlöschwesen sowie öffentliche Platz- und Garten¬
anlagen mit Denkmälern, Brunnen usw. Hieran schliefsen sich das
Tiefbauwesen der Städte , die
Strafsen- und Eisenbahnen, der
Wasserbau. Einen besonders be-
merkenswerthen und umfangreichen
Abschnitt bilden naturgemäfs die
neuen Zollanschlufsbauten, denen
sich der Seebau und die Anlagen
für Wasserversorgung, Entwässe¬
rung und Beleuchtung der Nach¬
barstädte anreihen. lieber die
Verfasser dieses bedeutendsten
Theiles erfahren wir wenig. Die
einzelnen Abschnitte sind be¬
scheiden tlich nicht unterzeichnet.
Das Vorwort sagt, dafs die
meisten Capitel des zweiten
Hauptabschnittes „Bauten für
öffentliche Zwecke“ von einer
grofsen Anzahl Vereinsmitglieder,
Baubeamten der drei techni¬
schen Abtheilungen des öffent¬
lichen Bauwesens (der Bau -De¬
putation) — Hochbau unter dem
Baudirector Zi mm ermann, In¬
genieurwesen unter dem Ober¬
ingenieur F. Andreas Meyer,
Strom- und Hafenbau unter dem
Wasserbaudirector Nehls — ge¬
liefert worden seien. Die übri¬
gen Capitel seien von Mitgliedern
des Buchausschusses mit Hülfe
solcher Vereinsmitglieder ver-
fafst, welche in den betreffen¬
den Zweigen des Bauwesens be¬
sonders gut zu Hause sind. Dies
scheint auch von dem dritten
Hauptabschnitte , den „Privat¬
bauten“ zu gelten, unter welcher
Gesamtüberschrift Stadt- und Land¬
häuser, Wohn- und Geschäfts¬
gebäude in reicher Zahl, Ar¬
beiterwohnungen, Versammlungs- und Wirthschaftsgebäude , Gast¬
höfe und gewerbliche Anlagen verschiedenster Art zusammenge-
fafst werden. Die Redaction ist durch die Vereinsmitglieder Bargum,
Kümmel, F. Andreas Meyer und Vermehren besorgt worden,
gewifs eine mühevolle, mit Schwie¬
rigkeiten aller erdenklichen Art
verknüpfte Arbeit, die ihren
Lohn aber in dem vorzüglichen
Gelingen des Werkes reichlich
gefunden hat. Mit derselben
liebenswürdigen Laune, die wir
schon oben in den einleitenden
Worten fanden, erklären die
Mitglieder des Buchausschusses,
dafs dem Textsatze das Salz
der Fremdwörter nicht fehle,
obwohl es augenblicklich im
Vaterlande hoch besteuert werde;
denn als alte Hanseaten hegten
sie den Reichthum, welchen
fremde Völker ihrem Hause
zubringen, und tränken selbst
den Wein des Franzmanns gern.
So hübsch das klingt, ganz
vermögen wir uns als unver¬
besserliche Anhänger besagter
Steuer von der Beweiskraft dieses
Vergleiches nicht zu überzeugen.
Zu unserem Tröste aber ent¬
decken wir , dafs den Herren
Verfassern doch schon so man¬
cher gute deutsche Ausdruck da
untergelaufen ist, wo ihnen sonst
wohl das Fremdwort geläufig war.
Wir erblicken darin erfreut ein
wenn auch unscheinbares, so äufser-
lich sichtliches Zeichen, dafs die
Gesinnung, in der das Buch ge¬
schrieben und gezeichnet ist, den
Worten entspricht, die die Ein¬
leitung braucht: „von Deutschen
für Deutsche“, von deutschen Tech¬
nikern für alle Fachgenossen des
weiten deutschen Vaterlandes.
— d.
Block E und Zollcanal bei der Brooksbrücke.
Aus „Hamburg und seine Bauten“.
Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Keuzeit.
Vortrag, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine in Hamburg
von Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector G. Melirteiis.')
Meine Herren!
W-enn die Bedeutung einer Brücke allein von ihrer Länge
abhinge, so wäre die vor etwa 100 Jahren erbaute steinerne
Löwenbrücke in China, die eine Bucht des gelben Meeres bei der
Stadt Sangang in einer Länge von 7 km überspannt, und die von
den Chinesen „ein Wunder der Welt“ genannt wird, das bedeutendste
Brückenbauwerk der Jetztzeit. Die Bedeutung einer Brücke wächst
aber nicht mit ihrer Länge, sondern im allgemeinen mit der Weite
der Oeffnungen, welche sie zwischen zwei von ihren Pfeilern frei
überspannt. Aus diesem Grunde war von jeher das Wachsen der
gebräuchlichen Spannweite ein Zeichen für das Fortschreiten der
Brückenbaukunst, wie das auch ganz natürlich ist. Denn in dem
Mafse, wie ira Laufe der Jahrhunderte durch die Ausbreitung des
Wissens und unter der Einwirkung segensreicher Erfindungen der
Techniker die Natur und ihre Kräfte bewältigen und beherrschen ge¬
lernt hat, ist ihm 'auch der Muth und das Selbstgefühl gewachsen,
und im Bewufstsein vermehrten Könnens hat er allmählich an immer
gröfsere und schwierigere Aufgaben sich herangewagt.
Während die Spannweiten der steinernen Brücken zu römi¬
schen Zeiten in der Regel 25 m nicht übersteigen, erreichen sie im
Mittelalter etwa 50 m, ein Mafs, das in der Neuzeit — aber nur in
seltenen Fällen — bis 60 m und etwas darüber erhöht worden ist.^)
1) Mit dem Vortrage verband Herr Mehrtens eine sehenswerthe
Ausstellung von Lichtbildern und Sonderzeichnungen der bedeutend¬
sten weitgespannten eisernen Brücken der Welt, darunter auch
Lichtbilder von solchen Brücken geringerer Weite, welche von her¬
vorragender geschichtlicher Bedeutung sind. Die Ausstellung bildete
eine werthvolle Ergänzung des Vortrags. D. Red.
2) Der bekannte Entwurf des französischen Bauunternehmers
Belin (vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1885, S. 519) zur Ueber-
Eine weitere Steigerung brachte der Bau der hölzernen und
gufseisernen Brücken gegen Ende des vorigen und zu Anfang
des gegenwärtigen Jahrhunderts. lieber 75 m Weite kam man aber
dabei in der Regel nicht hinaus, obwohl zu damaliger Zeit ausnahms¬
weise ein paar hölzerne Brücken mit Weiten von über 100 m^) ge¬
baut worden sind, und ferner auch die Ausführung mehrerer gufs-
eiserner Bogenbrücken mit Spannweiten von 120 bis 152 m, nach den
Entwürfen von Thomas Paine, Telford, Douglas und Rennie in ernst¬
licher Erwägung gestanden hat.
Die Natur hat den älteren Baustoffen eben eine Grenze der
Spannweite gesetzt, über welche hinaus sie im Wettbewerb mit den
Baustoffen der Neuzeit, das sind Schweifseisen und Flufseisen,
nicht mehr bestehen.
Seit der Einführung der im Puddelofen bewirkten Massen¬
darstellung des Schweifseisens wurden mit diesem ausgezeichneten
Baustoffe auf allen Gebieten der Technik grofsartige Erfolge erzielt,
denen das gegenwärtige Jahrhundert den Beinamen des „eisernen“
verdankt. Die werdenden Eisenbahnen verschlangen das Puddeleisen
in riesigen Mengen für Schienen, Fahrmittel und Unterbau, und
brückung des Saone-Thales durch einen riesigen Steinbogen von über
131 m M^eite dürfte seine Verwirklichung, wenn überhaupt, so doch
erst in ferner Zukunft zu suchen haben.
3) Das sind: Eine von Grofs in Galizien erbaute Holzbrücke von
101 m Spannweite; die im Jahre 1778 von Johann Grubemann er¬
richtete Holzbrücke über die Limmat bei Wettingen in der Schweiz
mit einer Spannweite von nahezu 119 m (1799 durch die Franzosen
verbrannt) und die 1812 von Lewin Wernwag in Holz erbaute sog.
„Kolossusbrücke“ über den Schuylkill in Fairmount bei Philadelphia,
welche eine lichte Weite von 104 m besafs. Die letztgenannte Brücke
wurde im Jahre 1838 durch Feuer zerstört.
358
Centralblatt der Bauverwaltuiig.
30. August 1800.
von den Bauwerken des Unterbaues waren es vornehmlich die eisernen fast alle aber im Laufe der Zeit mindestens namhafte Verstärkungen
Brücken , welche die vielseitige Ausbildung seiner Formen durch den erfahren habend)
I.
Liste der weitgespannten Brücken. I. (Jriippe. 1850 — 1800.
Zeit
der
Erbauer
Abmessungen
Nr.
Name und Lage der Brücke
oder
Entwurf-
Verfasser
Oeffnungen
Lange
m
Erbauung
Anzahl
Weite
m
1.
1846—50
Britannia- und Conway-Brücken der Linie Chester-Holyhead ....
E. Stephenson '
/ 4
1 1
140
122
464
129
2.
1851—55
Draht-Eisenbahnbrücke über den Niagara, stromabwärts belegen . . .
Eöbling
1
250
— ■
3.
1850-57
Eisenbahnbrücke über die Weichsel bei Dirschau .
Lentze
6
121
1 —
4.
1855-57
Chelsea-Kettenbrücke über die Themse in London. 1882 verstärkt . .
Page
1
106
1 —
5.
1854-59
Saltash-Brücke über den Tamar bei Plymouth, Cornish-Eisenbahn . .
Brunei
2
139
667
6.
1854—59
Victoria-Eisenbahnbrücke über den St. Lorenzstrom, Montreal, Canada
Eofs u. a.
1
101
2790
7.
1856-67
Draht-Kabelbrücke zwischen Cincinnati und Covington über den Ohio
Eöbling
1
322
' —
8.
1858-60
Draht-Kabelbrücke über den Alleghany bei Pittsburgh .
Derselbe
2
105
—
Walzvorgang beförderten. In der steten Wechselwirkung zwischen
den rasch steigenden Anforderungen der Eisenbahnen an die Hütten¬
werke und den infolge dessen herbeigeführten Neuerungen im Eisen-
hüttenweseu, namentlich bei der Darstellung des Flufsmetalls, sind
in erster Eeihe die Ursachen jener gewaltigen Fortschritte zu suchen,
in welchen der Bau in Eisen, und besonders der vornehmste Zweig
desselben, der Brückenbau in Eisen, in der Gegenwart gipfelt.
Als zuverlässiger Mafsstab für einen Vergleich der Leistungen
der Gegenwart mit denjenigen früherer Jahrhunderte kann wiederum
das Wachsen der Spannweite gelten. Von 25 m im Alterthum, 50 m
im Mittelalter und 75 m zu Ende des vorigen Jahrhunderts, hat es
die Brückentechnik in der ersten Hälfte des eisernen Jahrhunderts
auf etwa 150 bis 200 m freie Weite gebracht und in den 40 Jahren,
die seitdem verflossen sind, ist es ihr — zumeist unter der Mithülfe
des Brücken-Baustoffs der nächsten Zukunft, des Flufsmetalls — ge¬
lungen, sogar Weiten von über 200 m, ausnahmsweise sogar von über
400 und 500 m, in einer Oefthung frei zu überspannen. Wer weifs,
was uns danach das letzte Jahrzehnt unseres Jahrhunderts an über¬
raschenden weiteren Steigerungen der Spannweite noch aufspart?
Kein Land der Erde besitzt mehr weitgespannte Brücken als
Nord-America. Nach einem Vortrage des Ingenieurs Cooper in einer
vorjährigen Versammlung des Vereins americanischer Ingenieure^)
zählt man in America — in Längen von Kilometern ausgedrückt,
wobei zweigeleisige Ueberbauten doppelt gerechnet sind — im ganzen
etwa 18 km eingeleisige, weitgespannte Eisenbahnbrücken mit Weiten
von 90 m bis über 150 m. Darunter sind etwa 6 km Brücken, die
Spannweiten von 120 bis 150 m aufzuweisen haben, und 4 km mit
Spannweiten über 150 m. Kechnet man dazu die weitgespannten
Brücken Europas und sonstiger Länder, so ergiebt das eine stattliche,
für den Einzelnen kaum noch übersehbare Eeihe. Es wird daher für
den heutigen Vortrag, der eine Uebersicht des Gesamtgebietes zu
geben bezweckt, unter hauptsächlicher Berücksichtigung der eisernen
Ueberbauten — dieser dem Sinne und dem Wortlaute nach schwer¬
wiegendsten Theile einer weitgespannten eisernen Brücke — eine
strenge Musterung in dieser langen Eeihe vorzunehmen sein, um alles
auszuscheiden, was gegenwärtig eine eingehende Beachtung nicht
mehr verdient. Bei einer derartigen Sichtung gelangt man wegen
der labyrinthischen Vielheit der Systeme und Einzelformen am besten
an der Hand des geschichtlichen Fadens zum Ziel. Auf solchem
Wege ist eine Liste entstanden, welche sich jetzt in Ihren Händen
befindet. Sie ist nach der Zeitfolge der Erbauung der Brücken ge¬
ordnet, und es sind darin, weil doch einmal eine bestimmte Grenze
gezogen werden mufste, nur solche Brücken als „weitgespannt“ auf¬
genommen worden, welche wenigstens eine Oefthung von mehr als 100 m
Lichtweite überspannen. Die Liste enthält die Namen aller be-
merkenswerthen weitgespannten Strom- und Thalbrücken der Welt,
die in den letzten 4 Jahrzehnten, von 1850 — 1890, erbaut worden
sind, in 4 Gruppen geordnet, von denen jede den Zeitraum eines
Jahrzehnts umfafst, und die hervorragendsten Bauwerke sind darin
durch einfache Abbildungen in ihren Grundlinien dargestellt. Die in
der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts entstandenen, weitgespannten
Brücken wurden ausgeschieden, weil es ausnahmslos Hängebrücken ver¬
alteten Systems sind, von denen manche ihrer unzureichenden Ver¬
kehrssicherheit wegen inzwischen bereits abgetragen werden mufsten,*^)
_ Transactions of the American Society of Civil Engineers, 1889,
Juliheft S. 46.
Eine Wiedergabe aller Abbildungen der Liste ist Eaummangels
halber nicht möglich. D. Eed.
Die Bauwerke der ersten Gruppe des 5. Jahrzehnts haben fast alle
Namen von bedeutsamem geschichtlichen Klange. An der Spitze steht
die Britannia- Brücke. Sie und die gleichzeitig errichtete Conway-
Brücke sind die ersten weitgespannten Balkenbrücken der
Welt. Ihre Erbauung bedeutete einen Wendepunkt der Brücken¬
baukunst in Eisen, welcher der Technik neue Wege gewiesen hat.
Er verkündete den Anfang der Mitherrschaft der Balkenbrücken auf
einem Felde, wo vordem unbeschränkt die Hängebrücken herrschten
und stellte aufserdem die grofsen Vorzüge des Schweifseisens gegen¬
über dem damals noch sehr beliebten Gufseisen als Baustoff
für weitgespannte Tragwerke in das hellste Licht. Die Bauart des
eisernen Tragwerks der beiden Brücken, dessen Gestalt, als ge¬
schlossene Kastenträger, ihnen den Namen Eöhren- oder Tunnel¬
brücken eingetragen hat, ist in gröfserem Mafsstab nur noch
einmal, bei der Victoria -Brücke in Canada (Zeitschr. f. Bauwesen
1858, S. 489) wiederholt worden. Inzwischen hatte das Beispiel
des Baues der Dirschauer Weichsel - Brücke und der Saltash-
Brücke mit ihren Vorläufern die Kunst des Eisenbaues bereits
wieder in neue, verheifsungsvolle Bahnen gelenkt. Dieser Umstand
nimmt aber den eigenartigen Schöpfungen Stephensons nichts
von ihrem grofsen Werthe. Sie bleiben für immer weithin leuch¬
tende Marksteine in der Geschichte des Brückenbaues, an wel¬
chen ich ohne Hinweis auf ihre Bedeutung auch bei der heutigen
Gelegenheit nicht vorüber gehen mochte.
Der Bau der Eisenbahnbrücken über die Weichsel bei Dirschau
und über den Tamar bei Saltash waren die nächsten Aufsehen er¬
regenden Ereignisse in der Eisenbahn- und Brückenbauwelt. Beide
Brücken hatten bekanntlich ihre Vorläufer kleinerer Spannweite, von
denen diejenigen der Weichsel-Brücke eine Nachbildung der ameri-
canischen Lattenbrücken von Town sind und diejenigen der Saltash-
Brücke die Grundanordnung der Lavesschen verstärkten Balken
nachahmen. Die Parallelträger der AVeichsel- Brücke (Zeitschrift
für Bauwesen 1855, Seite 445) zeigen in der Gliederung ihrer
Tragwände bemerkenswerthe Fortschritte gegenüber den damaligen
Gitterbrücken mit unversteifter Wand und durchweg gleich starken
Gurtungen und Gitterstäben. Die Stärke ihrer offenen zellenartigen
Gurte, sowie auch die Abmessungen der Gitterstäbe sind den be¬
treffenden Spannungen angepafst worden. Auch wurde die Gitter¬
wand durch Winkeleisen-Ständer versteift, und zwar, im Hinblick
auf die Veränderlichkeit der Querkraft, derart, dafs die Ständer in
der Nähe der Lager dichter stehen als in der Trägermitte.
Bei der Saltash-Brücke kamen zum ersten Male Träger mit ge¬
krümmtem Obergurt und Untergurt zur Anwendung, während bei
ihren Vorläufern, unter denen die Brücke über den Weye bei
Chepstow (Zeitschr. f. Bauwesen 1852, S. 143 und 1861, S. 111) als die
bedeutendste hervorgehoben zu werden verdient, der Untergurt noch
gerade geblieben war. Die Gestalt der Saltash-Brücke (Zeitschr. f. Bau-
Darunter die älteste Kettenbrüeke Londons, die 1823 — 27 von
Clark erbaute Hammersmith -Brücke über die Themse (Zeitsch. f.
Bauwesen 1856, S. 167 u 1859, S. 406; Centralbl. d. Bauverw. 1882,
S. 312) und auch die erste Drahtbrücke John Eöblings, die 1845
eröffnete Strafsenbrücke über den Monongahela bei Pittsburgh
(Zeitsch. f. Bauwesen 1862, S. 373; Centralbl. d. Bauverw. 1885,
S. 394).
’*) Unter andern hat dies geschehen müssen bei der Verankerung
und dem Tragwerk der in den Jahren 1833 — 35 von Chaley erbauten
Drahtbrücke über die Saane bei Freiburg in der Schweiz, wegen
ihrer 265 m weitgespannten Mittelöffnung als gröfste Drahtkabel¬
brücke Europas bekannt und berühmt
air. 35.
Centralblatt der Bauverwaltung^.
359
I
I
I
I
1
i
1
I
I
i
I
wesen 1861, S. 111) ist grundverschieden von derjenigen der Weichsel-
Brücke. Weitmaschiges Felderwerk aus steifen Gufseisenständern
und dazwischen sich kreuzenden Flacheisenbändern spannt sich in
kühner Weise zwischen dem röhrenförmigen, gufseisernen Obergurt
elliptischen Querschnitts und den beiden unteren Ketten, welche die
Fahrbahn tragen und dazu dienen, den Schub des Obergurtbogens
aufzuheben.
Wie die Britannia-Brücke, so stehen auch die Weichsel- und Saltash-
Brücke einzig in ihrer Art als denkwürdige Wahrzeichen auf der
Wende der älteren und neueren Zeit. Rechnet man zu den durch sie
und ihre Vorläufer verkörperten Brückensystemen noch das von Neville
im Jahre 1846 eingeführte und 1849 von Warren verbesserte System
des einmaschigen, statisch bestimmten Netzwerks, so hat
man damit alle Grundformen der Brückenträger zusammen, aus
denen in den letzten Jahrzehnten Erfahrung und Wissenschaft
das heutige theoretisch - praktische Gebäude der Brückenbaukunst
in Eisen errichtet
haben. In Eng¬
land, dem Geburts¬
lande der eisernen
Brücken, waren da¬
zu vor Zeiten von
praktischen Män¬
nern die ersten
Grundsteine gelegt
worden. Aber deut¬
schen Männern vor
allen — wie Henz,
Mohnie, Harcwich, Culmann, Schwedler, Winkler u. a. — ge¬
bührt in erster Linie das Verdienst, durch Erweiterung und Ver¬
tiefung der theoretischen Grundlagen das Gebäude gesichert und an
seinem Aufbau in thatkräftiger, zielbewufster Weise mitgewirkt zu
haben.
Das 5. Jahrzehnt, so fruchtbringend und bahnbrechend es dem¬
nach für den Brückenbau gewesen war, sollte nicht zu Ende gehen,
ohne auch auf dem verwandten Gebiete des Eisenhüttenwesens
Neuerungen zu bringen, und zwar Neuerungen so überraschender
Art und von so weittragender Bedeutung, dafs selbst die namhaften
Erfolge im Brückenbau dadurch in den Schatten gestellt wurden.
Das vollbrachte die weltbewegende Erfindung Bessemers. Bereits
im Beginn des 6. Jahrzehnts machte sie ihren Siegeslauf durch alle
eisenerzeugenden Länder der Erde, und mit ihr bahnte sich die
Massendarstellung des Flufsmetalls an, das man bis dahin nur im
Tiegel erhielt.
Es war natürlich, dafs auch die Brückentechnik das neue Flufs-
metall bald zu verwerthen suchte. Dies geschah, soweit bekannt, zum
ersten Male im Jahre 1866 durch Harkort beim Bau der weit¬
gespannten Brücken der holländischen Staatsbahnen, von denen
die beiden bedeutendsten — die Brücke bei Kuilenburg, seinerzeit
die weitgespannteste Balkenbrücke der Welt, und die Waal-Brücke
bei Nymwegen — in der Liste verzeichnet stehen.
folgenreich gewesen, als sie, namentlich auf dem europäischen Fest¬
lande, gegen das Flufsmetall auf längere Zeit hinaus ein Mifstrauen
erweckt haben, welches ungerechtfertigterweise auch noch andauerte,
als neuere und besser geeignete Flufsmetall-Sorten auf den Markt
gelangten.
Die holländischen Brücken sind auch deshalb noch bemerkenswerth,
weil die Umrisse ihrer Träger zum ersten Male die Halbparabel-
Gestalt in gröfserem Mafsstabe zum Ausdruck bringen. Aufser dieser
späterhin sehr in Aufnahme gekommenen Form erscheinen unter den
Balkenbrücken des 6. Jahrzehnts noch 3 andere bekannte Träger¬
formen: Pauliträger (Rheinbrücke bei Mainz), Parallelträger (Rhein¬
brücke bei Griethausen) und Warren -Träger (Ohio -Fall -Brücke).
Das System Pauli ist für weitgespannte Brücken in neuster Zeit
beim Bau der Strafsenbrücke über den Monongahela bei Pittsburg
noch einmal in Anwendung gekommen. Die Parallelträger der Eisen¬
bahnbrücke über den alten Rhein bei Griethausen zeigen zum ersten
Male eine auf die
Mohniösche Trä¬
geranordnung vom
J ahre 1858 fufsende
wesentliche Ver¬
besserung des Sy¬
stems der eng¬
maschigen Gitter¬
brücken. Die Git¬
terstäbeliegen näm¬
lich (Abb. 1) nur
noch im mittleren
Theile der Trägerwand, wo Wechsel von Zug- und Druck¬
spannungen herrscht, kreuzweise übereinander; in den übrigen
Wan dth eilen fallen sie nur nach einer Richtung und haben nur
Zugspannungen zu erleiden. Aufserdem bilden Ständer und Schräg¬
streben zusammen ein sogenanntes dreifaches weitmaschiges
System in einer Gruppirung, wie es ähnlich auch bei den vor¬
genannten holländischen Brücken und auch bei der König-Wilhelm-
Rheinbrücke (Zeitschr. f. Bauwesen 1872, S. 238) verwendet worden
ist, jedoch — um Unklarheiten in der Beanspruchung der Stäbe
zu umgehen — unter Weglassung der Vernietung der Stäbe unter
sich. — Die Warren-Träger der Finkschen sogenannten „Ohio-
Fall-Brücke“ bei Louisville, der ersten weitgespannten americanischen
Balkenbrücke, zeigen zusammengesetztes System mit Gelenk-Knoten¬
punkten. Ferner besitzen sie durchgehenden gufseisernen Röhren-
Obergurt, schmiedeeisernen Streifen - Untergurt, an welchem die
Fahrbahn hängt, und schmiedeeiserne Zug- und Druckglieder
der Wand, letztere als sogenannte Phönix- Säulen aus Segmenteisen
genietet.
Zwischen den vorgenannten weitgespannten Balkenbrücken des
5. und 6. Jahrzehnts hat man natürlich noch eine grofse Zahl von
Brücken geringerer Weite einzuschalten, um die Kette der geschicht¬
lichen Entwicklungsstufen geschlossen zu erhalten. Sie alle hier
gebührend zu verzeichnen, ist unmöglich;*) die weit verbreiteten, be.
Liste der weitgespaimten Brücken. II. Gruppe. 1860 — 1870.
Zeit
der
Erbauer
Abmessungen
Nr.
Name und Lage der Brücke
odei-
P.rttwnrf-
Oeffnungen
Länge
Erbauung
Anzahl
Verfasser
Weite
m
m
9.
1860—62
Eisenbahnbrücke der Hessischen Ludwigsbahn über den Rhein bei Mainz^
Clifton-Kettenbrücke bei Bristol über den Avon^®’) .
1
Gerber, Pauli,
Werder
1 ^
105
' —
10.
1862-64
Brunei
1
214
. —
11.
1863-64
Eisenbahnbrücke über den alten Rhein bei Griethausen, Linie Cleve-
Zevenaar .
i Hartwich
1
100
—
12.
1867—68
Eisenbahnbrücke über den Leck bei Kuilenburg, LinieUtrecht-Kuilenburg
jvanDiesen, Harkort
1
150
704
13.
1867—68
Franz-Josephs-Kettenbrücke über die Moldau in Prag .
Ordish-Lefeuvre
1
147
—
14.
1865-69
Waal-Brücke bei Nymwegen der Holländischen Staatsbahn .
i van Diesen, Union
3
120
615
15.
1867—69
Draht-Kabelbrücke über den Niagara bei Cliftonhouse .
Keefer
1
387
—
16.
1868-70
Eisenbahnbrücke über den Ohio bei Louisville, genannt „Ohio Falls-\
Bridge“ . f
Pettit, Pink
/ 1
\ 1
122
113
} 1615
17.
1868—70
König-Wilhelms-Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Hamm ....
Pichier, Harkort
4
104
—
Die holländischen Versuche beschränkten sich darauf, das
Bessemermetall, welches anfangs von England und später vom
Hörder-Werk bezogen wurde, zu den Fahrbahnträgern zu verwenden
und mifslangen bekanntlich deshalb, weil das harte Bessemermetall,
seiner Ungleichmäfsigkeit und Sprödigkeit wegen, überhaupt ein
wenig geeigneter Brückenbaustoff ist. Die Versuche sind nur insofern
'‘^) 1840 nach Bruneis Entwurf angefangen. 1862 — 64 mit den
Ketten der abgetragenen Hungerford- (Charing- Cross-) Brücke in
London durch Hawkshaw vollendet.
rühmten Constructionen Schwedlers und die bekannten Schwedler-
Träger — 1863 mit dem Bau der Weser-Brücke bei Corvey (Zeitschr.
*) Es sind zu nennen im 5. Jahrzehnt: Die Trent-Brücke bei
Newark (1851 — Zeitschr. f. Bauwesen 1857, S. 220) und die Crumlin-
Thalbrücke (1853), beide nach dem System Neville -Warren erbaut,
von denen die erstgenannte in letzter Zeit durch eine neue Brücke er¬
setzt wurde ; ferner Rupperts Gitterbrücken über die Kinzig (1853) und
über die Gran und Eipel (1858 — Zeitschr. f. Bauwesen 1858, S. 630);
die von Lohse erbaute Gitterbrücke über den Rhein bei Köln
360
Centralblatt der Bauverwaltung.
m. August 1890.
f. Bauwesen 1867, S. 181) beginnend — nehmen darunter den ersten
Bang ein.
W enn man die ergänzte und geschlossene Reilie der eisernen
Balkenbrücken rückblickend nochmals überschaut, so erkennt
man, wie die älteren Blech- und Kastenträger Schritt für Schritt
in den heutigen Träger mit regelrecht gegliederter Wand umge¬
wandelt wurden, in welchem jedes Glied der Gröfse und Eich-
tung seiner Beanspruchung gemäfs ausgebildet und angeschlossen
ist. Die Umwandlung erfolgte bei wachsender theoretischer Er-
kenntnifs und durch. das Hand in Hand damit gehende Streben, die
Trägergestalt in ihren Grundlinien und durch klare Anordnung
aller Theile den theoretischen Bedingungen unter sparsamer Ver¬
wendung des Eisens anzupassen. Während .auf solchem Wege
aus den Formen der geschlossenen Kasten-, Eöhren- und Zellen¬
gurte der älteren Brücken .allmählich die neueren Gurtquerschnitte
in Gestalt eines Kreuzes, eines einfachen und doppelten Tj eines H
(1859 — Zeitschr. f. Bauwesen 1863, S. 176) und die Flackensee-
Brücke bei Erkner (1857 — Zeitschr. f. Bsiuwesen 18.59, S. 37). Aus
dem 6. Jahrzehnt: die Saane- Thalbrücke (1857 bis 1862 — Zeitschr. f.
Baixwesen 1863, S. 169), die Blackfriars - Brücke in London, die
Donau-Brücke bei Stadlau in Wien (1870). Auch die bekannten
Entwürfe Eupperts für eine weitgespannte Brücke über den Bosporus
(gröfste Spannweite 205 m), sowie zu einer Schluchtbrücke von 253 m
Weite, mit denen er im Jahre 1864 an die Oeft’entlichkeit trat, sind
an dieser Stelle einzureihen.
usw. sich entwickelten, kam das Gufseisen, beschleunigt durch die
Schreckenseindrücke zahlreicher, infolge der Schäden von Gufseisen-
theilen herbeigeführten Brückeneinstürzej auf dem Gebiete des euro¬
päischen Brückenbaues gänzlich in Verruf. Nebenher wurden auch
die Formen der älteren Ketten-, Band- und Streifen-Gurte mehr und
mehr verlassen und die Querschnitte im Ober- und Untergurt gleich¬
artig angeordnet.
Alle diese Fortschritte, zu denen noch die bessere knickfeste
Ausbildung der Querschnitte der Wandglieder, sowie die sachgemäfsere
Anordnung der Fahrbahnen und Querverbände sich gesellten, ver¬
mehrten das Ansehen und die Zahl der Balkenbrücken zusehends,
und infolge dessen trat die neue Brückenart mit den damaligen
Hängebrücken sofort in erfolgreichen Wettbewerb. Das erkennt man
aus der Zusammensetzung der Liste, in welcher schon vom 6. Jahr¬
zehnt ab das Verhältnifs der Zahl der Balkenbrücken zu den
Hängebrücken so stark wächst, dafs im 8. Jahrzehnt neben etwa
30 Balken- und Bogenbrücken nur zwei weitgespannte Hängebrücken
zu verzeichnen bleiben. Dabei fällt gegen die Hängebrücken noch
ins Gewicht, dafs die 18.55 von Eöbling erbaute Drahtbrücke über
den Niagara zur Zeit noch die einzige Hängebrücke ist, welche
auch dem Eisenbahnverkehr dient. Eine zweite Brücke dieser Art,
die im Jahre 1860 nach dem Entwürfe von Schnirch enlchtete Ketten¬
brücke der Wiener Verbindungsbahn über den Donau-Canal (Central¬
blatt d. Bauverw. 1884, S. 103), hat bekanntlich wegen unzureichender
Tragfähigkeit inzwischen abgetragen werden müssen.
(Fortsetzung folgt.)
Die Renaissance in Belgien und Holland.
Franz Ewerbecks grofses Werk „die Eenaissance in Belgien
und Holland"*) **) ist in den letzten Monaten des vorigen Jahres, kurz
nach dem Tode des verdienstvollen Verfassers, zum Abschlufs ge¬
langt. Bei der gesamten Fachwelt hat es vom Beginn seines Er¬
scheinens an eine überaus warme Aufnahme gefunden xmd alsbald
für Forscher und Künstler eine ganz hervorragende Bedeutung ge¬
wonnen. Die Ursachen dieses ungewöhnlichen Erfolges sind ver¬
schiedener Art. Zunächst war der Zeitpunkt für das Erscheinen
eines solchen Werkes ein sehr günstiger. In Belgien war, getragen
durch mehrere namhafte Architekten, unter denen der Name
J. J. Winders in Antwerpen an erster Stelle zu nennen ist, seit
etwa zwölf Jahren ein kräftiges Streben aufgekommen, sich vom
modernen fr.anzösischen Einflüsse frei zu machen und zur alten
vlämischen Kunstweise zurückzukehren; ungefähr seit derselben Zeit
sehen wir auch in Holl.and Architekten und Kunstfreunde für die
Wiederbelebung der nationalen Bauweise thätig. Auch in Deutsch¬
land, wo mit der gesteigerten Pflege der alten, einheimischen Kunst
die Entstehung einer umfassenden Litteratur über die Denkmäler
des engeren deutschen Gebietes Hand in Hand gegangen war, er¬
freute sich die niederländische Kunst, welche dereinst auf die Bauart
der norddeutschen Tiefebene einen so befruchtenden Einflufs geübt
hatte, eines wachsenden Interesses. Diesen Bestrebungen hatten die
bisherigen Werke über die Baudenkmäler der Niederlande nur theil-
weise genügende Nahrung geboten. Selbst das grofs angelegte
Sammelwerk von van Ysendyck, welches allerdings eine Fülle von
Belehrung und Anregung bietet, kommt dem Bedürfnifs des schaffen¬
den Künstlers nicht in genügendem Mafse entgegen, da es zu wenig
Einzelheiten und keine genauen Aufmessungen enthält. Andere minder
umfassende Arbeiten, wie die „Versameling van Oudheiden der
nationaalen Kunst“ von Colinet ixnd Lorang oder das Buch des
Franzosen Havard sind noch weit weniger zur praktischen Ver-
werthung geeignet, da sie theils mangelhaft in der zeichnerischen
Darstellung sind, theils überwiegend geschichtliches Gepräge tragen.
Diese Lücke wurde durch das Ewerbecksche Werk in der denkbar
glücklichsten Weise ausgefüllt. Mit klarem Blick verfolgte der Ver¬
fasser, welcher schon seit mehr als zwanzig Jahren für die Denk¬
mäler der vlämischen Kunst eine warme Vorliebe gefafst hatte, und
sich besonders seit einer Studienreise nach Danzig und Lübeck mit
der Absicht trug, dieselben an der Quelle gründlich zu erforschen,
den Plan, in seinem Werk eine Uebersicht über die hervorragendsten
Schöpfungen der niederländischen Kunst vom Verfall der Gothik bis
zum Uebergang in den Barockstil zu geben und hierbei vor allen
Dingen durch genaue Aufnahmen ausgewählter Denkmäler der
Architektur und des Kunstgewerbes den ganzen Eeichthum ihrer
Formensprache mit ihren Wandlungen während der verschiedenen
Epochen der Eenaissance in klaren und für die praktische Verwen-
*) Ewerbeck, Franz. Die Eenaissance in Belgien und
Holland. Herausgegeben unter Mitwirkung von Albert Neumeister,
Henri Leeuw und Emile Mouris. 4 Bände mit 384 Tafeln grofs Folio.
Leipzig. E. A. Seemann. Preis geb. 144 Mark.
düng tauglichen Darstellungen zur Anschauung zu bringen. Mit der
ihm eigenen Unermüdlichkeit hat Ewerbeck mehr als sechs Jahre an
der Bewältigung des ungeheuren Stoffes gearbeitet, ganz Belgien und
Holland bereist, alle Sammlungen, öffentliche und private Bauwerke
durchforscht und keine Mühe gescheut, sich der Unterstützung von
Behörden und Privatpersonen zu versichern, wo dieselbe irgendwie
seinem Unternehmen förderlich sein konnte. Die ausgesprochene
Absicht, für den Künstler und Praktiker zu arbeiten, gab ihm hier¬
bei die Möglichkeit, alle jene für den Kunstgeschichtsforseher frei¬
lich oft sehr werthvollen Denkmäler, in welchen die Stilrichtung
noch nicht zum charakteristischen Ausdruck gelangt ist, von der
Verwendung auszuschliefsen und sich nur auf die hervorragendsten
Beispiele zu beschränken. Hierbei erleichterte die zwanglose Form
des Werkes ein gleichzeitiges Eingehen auf alle Zweige monumen¬
taler und decorativer Kunst.
Der Absicht des Werkes entsprechend nimmt die eigentliche
Monumentalarchitektur in demselben einen verhältnifsmäfsig be¬
scheidenen Platz ein. Denn gerade bei den ohnehin seltenen gröfseren
öffentlichen Bauten jener durch Krieg und Wirren beständig be¬
unruhigten Zeiten finden wir am wenigsten das Gepräge eines reinen
Stiles. Fremde Einflüsse aller Art üben unausgesetzt ihre Herrschaft
und hemmen eine ruhige nationale Entwicklung. Dazu kommt die
bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts (vergl. Eathhaus in
Audenarde u. a.) mit merkwürdiger Zähigkeit behauptete Herrschaft
einer späten, phantastischen Gothik. Zwar wird dieselbe stellenweise,
wie schon 1517 im Tribunal von Mecheln und 20 Jahre später an
der Südfront des ehemaligen Eathhauses in Utrecht, durch französi¬
schen und italienischen Einflufs zurückgedrängt, aber erst in den
sechziger Jahren entsteht der erste selbständige grofse Bau der
holländischen Frührenaissance, das Stadthaus im Haag, und gleich¬
zeitig, ein Compromifs zwischen vlämischer und italienischer Stilrich¬
tung, der bedeutende Eathhausbau in Antwerpen. Noch am Eingang
des siebzehnten Jahrhunderts zeigen dagegen wieder die Eathhäuser
in Ypern und Furnes gothische Anklänge, während kaum zehn Jahre
später das Tribunal in Furnes streng klassische Formen aufweist,
und das gleichzeitige Eathhaus in Delft unter französischem Einflufs
schon den Beginn des Barockgeschmackes verkündet. Alle diese
Werke haben jedoch, wenn auch die Ausbeute an Details eine geringe
ist, in der Sammlung schon der geschichtlichen Uebersicht wegen Auf¬
nahme gefunden. Mit besonderem Interesse geht der Verfasser haupt¬
sächlich auf vier derWende des Jahrhunderts ungehörige Bauwerke ein,
die allerdings als besonders beachtenswerthe Vertreter rein national er
Stilrichtung anzusehen sind. Das hochbedeutende, freilich unter deut¬
scher Einwirkung entstandene Eathhaus in Leyden, das berühmte
Schlachthaus von Haarlem, dessen wuchtige, derbplastische Aus¬
bildung ein höchst kennzeichnendes Beispiel für die niederländische
Bauweise bildet, das sogenannte Weinhaus in Zutphen mit seinem
gewaltigen, ernsten Thurme und schönen Portalen, und das Eathhaus
in Boisward, welches trotz roher Einzelheiten eines der originellsten
und wirkungsvollsten Bauwerke der Niederlande genannt zu werden
verdient.
Nr. 35.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
361
Weit ungestörter und selbständiger konnte sich die Entwick¬
lung der Architektur in kleineren privaten Bauwerken vollziehen.
Hier liefert uns Ewerbeck eine Fülle höchst anziehender Beispiele.
In reichem Wechsel finden wir neben den anspruchslosen, aber
malerischen Ziegelbauten mit spärlichen Hausteingliederungen, welche
für die norddeutsche Tiefebene von
so hervorragendem Einflufs ge¬
worden sind , wahre Schmuck¬
kästchen einer hochentwickelten
Steinmetztechnik, wie das Salm¬
haus in Mecheln, oder den Steen¬
rots in Middelburg. Ein sehr inter¬
essantes Beispiel für die Entwick¬
lung der Bauformen giebt die neben¬
stehende Abbildung vom sogenann¬
ten Kirchbogen in Nymwegen,
dessen untere Bogen aus dem
Jahre 1542 spätgothische Gliede¬
rung mit Eenaissance-Verzierungen
zeigen, während der obere Theil
aus dem Jahre 1605 lebhaft an die
Architektur des Danziger Zeug¬
hauses erinnert. Neben diesen
Bauten ziehen in den Niederlanden
vor allem die malerischen Schlofs-
und Burgenanlagen, die reizenden
Thorbauten und endlich die zahl¬
reichen, eigenartigen Thurmausbil¬
dungen und Dachreiter die Auf¬
merksamkeit des Architekten auf
sich. Diese Seite der Kunst hat
Ewerbeck, seiner Neigung zum
Malerischen folgend, mit ganz be¬
sonderer Liebe berücksichtigt und
mit wohlberechtigter Absicht jenen
oft anspruchslosen Anlagen, die
einen so erfrischenden Gegensatz
zu manchen modernen, bei aller
Künstlichkeit so unmalerisch wir¬
kenden Bauten bilden, einen her¬
vorragenden Platz in seinem Buche
-eingeräumt.
Unstreitig den Glanzpunkt des
Werkes bilden aber die Auf¬
nahmen der kleineren decorativen
und kunstgewerblichen Schöpfun¬
gen , die auch in der That am
meisten in jenen unruhigen Zeiten
berufen waren, der Kunst ein un¬
gestörtes Wirkungsfeld zu bieten.
Nirgendwo zeigt sich die eigen¬
artige Tiefe und die Vielseitigkeit
der niederländischen Kunst so ein¬
dringlich, wie in jenen herrlichen
Chorgestühlen, Tabernakeln, Kan¬
zeln, Altären, Wandbekleidungen
und Möbeln aller Art. Nirgendwo
auch findet man die geschicht¬
liche Entwicklung der bildne¬
rischen Kunst so anschaulich
ausgeprägt.: wie die gothischen
Formen allmählich schwinden oder
umgebildet werden, wie sich der
heimische Künstler der italieni¬
schen Ornamentik mit ihrem edlen
Pflanzen- und Figurenwerk be-
meistert und sie kraftvoll und
illiiid;
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Der „Kirchbogen“ in Nymwegen.
eigenartig in seiner Weise verarbeitet, wie dann, um die Mitte
des sechzehnten Jahrhunderts, aus gothischen Formen selbständig
fortentwickelt, die ganze nordisch -naturalistische Formenwelt mit
ihrem phantastischen Keichthum an Kartuschen und Bandver¬
zierungen, mit ihren grotesken Fabelwesen und Masken der edlen
aber gemesseneren Frührenaissance ein Ende bereitet und ihre fröh¬
liche Herrschaft über das ganze Land ausbreitet; wie dieser köst¬
liche Formenreichthum dann allmählich verwildert und veiflacht und
endlich, nach 1620, der Nüchtern¬
heit und dem Bombast zum Opfer
fällt. Und hier tritt die meister¬
hafte Darstellungsweise des Werkes
leuchtend hervor. Aufnahmen wie
die der herrlichen Chorgestühle von
Dordrecht und Ypern, der Grab-
mäler von Breda und der Schöffen¬
sitze in Kämpen und Nymwegen
sind nicht nur Perlen an ge¬
schmackvoller Darstellung, sondern
auch infolge ihrer Schärfe und
Sorgfalt als Vorlagen von gröfstem
praktischen W erth. Anspruchsloser,
aber nicht minder werthvoll, sind
die vielen trefflich gezeichneten
Möbel und Geräthe, die köstlichen
Metallarbeiten usw.
So ist das Werk Ewerbecks
vermöge der feinfühligen Auswahl
und der ebenso künstlerischen wie
gewissenhaften und praktischen Be¬
handlung seines vielseitigen Stoffes
die beste Grundlage für das Studium
der niederländischen Eenaissance
geworden. Forscher, Künstler und
Handwerker schöpfen aus dem mit
solch begeisterter Hingebung und
gründlicher Fachkenntnifs gesam¬
melten Schatze eine reiche An¬
regung und Belehrung. Als werth¬
voller Bestandtheil des Werkes
erscheint auch der knapp gehaltene
erklärende Text, welcher in treff¬
licher Weise den kunstgeschicht¬
lichen Zusammenhang zwischen den
lose gereihten Bildern herstellt.
Mit vielem Geschick und warmem
Interesse wurde Ewerbeck bei
seinem grofsen Unternehmen von
den Herren N eumeister, Mouris
und Leeuw unterstützt, welche mit
dem Meister in der würdigen Aus¬
stattung des Werkes mit schönstem
Erfolge wetteiferten.
Mit Wehmuth sahen wir, wie
ein unerbittliches Geschick dem
rastlosen Wirken des Künstlers
ein Ziel setzte. Es war ihm nicht
vei’gönnt, seine weitgehenden Pläne,
die niederländische Kunst auch in
den wallonischen Provinzen und
im nördlichen Frankreich zu er¬
forschen, noch zur Ausführung zu
bringen. Wenige Tage, nachdem
die letzten, mit erstarrender Hand
gefertigten Zeichnungen der vor¬
liegenden Sammlung auf den Stein
gebracht waren, raffte der Tod
ihn dahin. Sein Werk aber wird,
wie es für die Baukunst der
Gegenwart von hervorragender
Bedeutung geworden, sich dauernd einen Ehrenplatz unter den
Schöpfungen deutscher Kunsterforschung bewahren.
Wickop.
Holzstich V. O. Ehel.
IX, Wanderversammlung des Yerbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Yereine
in Hamburg vom 24. — 28. August 1890.
Hamburg! Welche Erinnerungen knüpfen sich doch an diesen
Namen! Von den Tagen der Hansa an bis zum jüngsten Zollanschlufs
-eine fortlaufende Eeihe von äufseren und inneren Erfolgen, ein seltenes
Beispiel, was Bürger-Muth und -Ausdauer zu stände bringen kann. —
Es war ein glücklicher Beschlufs der 17. Abgeordneten-Versammlung
in Köln im Jahre 1888, Hamburg als Ort der Wanderversammlung
für 1890 zu bestimmen. Zwei mächtige Anziehungspunkte hatte
Hamburg zur Verfügung wie keine zweite Stadt in deutschen Landen.
Einmal — nichts neues, aber immer wieder in höchstem Grade
fesselndes — den Seeverkehr mit seinem internationalen Charakter
tind dann den vor kurzem vollzogenen Zollanschlufs, durch den in
unverhältnifsmäfsig wenig Zeit auf allen Gebieten des Ingenieur-
362
Centralblatt der Bauverwaltung,
30. August 1890.
Wesens Bauten entstanden sind, welche sowohl ihrer Gröfse wie aucli
ihrer Eigenartigkeit nach die Bewunderung aller der Fachgenossen,
die sie vordem gesehen, im höchsten Mafse erregt liatten. So ging
der aus dem Hamburger Architekten- und Ingenieur- Verein gebildete
Ortsausschufs, an dessen Spitze der verdienstvolle frühere Vorsitzende
des Verbandes, Herr F. Andreas Meyer trat, rüstig ans Werk und
stellte sein wundervolles Programm zusammen, welches im Laufe
des Sommers vom Verbands -Vorstande veröffentlicht und überdies
jedem einzelnen Mitgliede des Verbandes zugesandt worden ist.
Mit letzterer Einrichtung ist unbedingt ein sehr glücklicher Gedanke
verwirklicht worden, dem auch weiter Folge zu geben sein wird.
Der Erfolg dieser Mafsnahme ist denn auch ein über alle Er¬
wartungen grofser gewesen. Nicht vereinzelt wie leider vor zwei
Jahren in Köln, wo die geringe Zahl der Theilnehmer in gar keinem
Verhältnifs zu den grofsen Bemühungen des Festausschusses stand,
sind hier nach Hamburg die Fachgenossen gekommen, nein, in hellen
Haufen sind sie herbeigeeilt, und wahrlich, jeder andere Verein hätte
wohl muthlos die Arme sinken lassen, wenn er gesehen, wie seine
Berechnungen der Theilnehmerzahl sich als gänzlich unzureichend er¬
wiesen und statt der angenommenen 700 etwa 1200 und mehr Festgäste
erschienen. Aber die Hamburger haben sich dadurch nicht im min¬
desten anfechten lassen. Die Fähigkeit, grofsen Ansprüchen gerecht
zu werden, wird nur in grofsen Lebensverhältnissen gewonnen, und
die internationalen Beziehungen, das stete Schaffen aus dem Vollen
heraus, befähigen dazu, auch den schwierigsten Lagen gegenüber
kaltblütig zu bleiben. Flugs wird ein zweiter transatlantischer
Dampfer für die Fahrt nach Helgoland gemiethet, und anstatt in
einem Hause wird in deren dreien das Festmahl für die Gäste
bereitet.
Für die Abgeordneten fand am Sonnabend Nachmittag das Essen
im Zoologischen Garten statt, zu welchem auch eine gröfsere Zahl
Die Ausrüstung der Bahnwärter
Die Ausrüstung des Bahnwärters rnufs derart beschaffen sein,
dafs derselbe in bequemer Weise sämtliche Gegenstände bei sich
führen kann, welche zum Unterhalten des Geleises und zum Geben
der Signale gebraucht werden.
Hierzu gehören auf Hauptbahnen:
a) ein Nagelhammer, (zweckmäfsig gleich als Beilhammer ge¬
staltet, um auch als Eisaxt dienen zu können),
b) ein Laschenschraubenschlüssel,
c) ein Paar Hakennägel,
d) eine Signalfahne,
e) mehrere Knallkapseln,
aufserdem für den Winter
f) eine Eisaxt und
g) eine Salztasche.
Auf Nebenbahnen sind statt einer
Signalfahne deren zwei nothwendig
damit der die Strecke begehende
Wärter in der Lage ist, eine un¬
fahrbare Stelle gleich nach beiden
Eichtungen abzuschliefsen.
Bei der jetzt gebräuchlichen
Anordnung trägt der Bahnwärter in
der Regel einen Ledergurt mit Tasche
für die Knallkapseln um den Leib
geschnallt, während er die übrigen
Gegenstände, je nachdem dieselben
auf der Strecke gebraucht werden, lose
bei sich führt.
Diese Ausrüstung hat den Nach¬
theil, dafs sie besonders für ältere
Leute mit gröfserem Körperumfange
recht lästig, auch bei der Ausführung
von Arbeiten hinderlich ist; ferner
dafs der Bahnwärter, da er nicht sämt¬
liche Geräthe zur Unterhaltung des
Geleises aufser den Signalen stets bei
sich zu führen vermag, häufiger in die
Lage kommt, kleine Wiederherstellungsarbeiten von einem Gang auf
den andern zu verschieben. Diese Nachtheile treten auf Hauptbahnen
besonders bei denjenigen Bahnwärterstrecken hervor, welche infolge
der Heranziehung von Frauen zur Bedienung der Wegeschranken
eine verhältnifsmäfsig grofse Länge erhalten haben.
Abhülfe läfst sich durch eine zweckmäfsige Gestaltung der
ganzen Ausrüstung sowohl als auch der einzelnen Gegenstände er¬
reichen. Nachstehend ist die Beschreibung einer Ausrüstung mit-
getheilt, wie sich dieselbe nach mehrjährigen Versuchen in den Be-
Damen erschienen war, deren Anwesenheit durch einen Trink-
sj)ruch des Herrn Baurath Prof. Köhl er- Hannover gefeiert wurde.
Der Sonntag Vormittag galt einem Ausfluge der Abgeordneten
mit ihren Damen nach Friedrichsruh zur Besichtigung des Schlosses
des Fürsten Bismarck, welcher auf die Bitte des Herrn F. Andreas Meyer
hin dies freundlichst gestattet und nur bedauert hatte, die Führung
nicht selbst übernehmen zu können. Selbstverständlich wurde die
Stätte, wo der grofse Staatsmann von seinen unvergleichlichen Thaten
ausruht, allseitig mit dem lebhaftesten Interesse betreten und all
die Einzelheiten, welche das Schlofs birgt, gebührend in Augenschein
genommen. Eine besonders hübsche Färbung erhielt der Besuch von
Friedrichsruh für den Verband noch dadurch, dafs das Protokoll der
Abgeordneten -Versammlung auf der Terrasse des Schlosses verlesen
und angenommen wurde. Beim Frühstück brachte Herr Wiebe das
Wohl des Fürsten aus, an welchen ein Dank -Telegramm gesandt
wurde. Der Abend dieses Tages war der Einleitung der Wander¬
versammlung durch ein geselliges Zusammensein der Theil¬
nehmer in dem vom Architekten Thielen erbauten Gertigschen
Vereinshause gewidmet. Leider erwies sich der Raum gegenüber
der so ungemein angewachsenen Theilnehmerzahl als zu klein, sodafs
nicht alle in den vollen Genufs dieses ersten, durch die Gastfreund¬
schaft des Senates und der Bürgerschaft verschönten Zusammenseins
gelangen konnten. Doch wurde dadurch der allgemeine Frohsinn
nicht getrübt, und die Freude des Wiedersehens alter Freunde und
Bekannten half schnell über das kleine Ungemach des Platzmangels
hinweg. Herr Oberingenieur Meyer begrüfste mit warmen Worten
die Gäste, denen ein besonders liebenswürdiger AVillkommen geboten
wurde durch duftige Blumenspenden, welche die Hamburger Vereins-
Damen in der anmuthig malerischen Tracht von Vierländerinnen
darboten. (Fortsetzung folgt.)
auf Haupt- und Nebenbahnen.
triebsamtsbezirken Allenstein und Stettin als zweckmäfsig heraus¬
gestellt hat.
Die Ausrüstung für Hauptbahnen besteht aus einem um die
Schulter gehängten breiten Hanfgurt (Abb. 1). Auf der Vorder¬
seite desselben befinden sich vier kleine, mit Patentverschlufs-
haken versehene Ledertaschen «, a, a, o, mit je zwei Knallkapseln
in einem Blecheinsatz, sowie 2 Schlaufen für je einen Hakennagel (6).
Auf dem Rücken ist der Gurt je für die verschiedenen Körper-
gröfsen durch einen Riemen mit Schnalle verstellbar. Unten endigt
derselbe in einem Schutzleder (e). An diesem befindet sich ein
Karabinerhaken, an welchem der Beilhammer mit Schrauben¬
schlüssel {(l) aufgehangen werden kann, und zwei Ringe, um im
Winter mittels zweier Karabinerhaken die aus wasserdichter Lein-
w'and hergestellte Tasche (e) mit Viehsalz zu befestigen. Auf dem
Rücken wird an dem Gurt, welcher zu diesem Zweck mit vier Ringen
entsprechend den verschiedenen Körpergröfsen versehen ist, mittels
zweier kleiner Riemen mit Karabinei’haken die Signalfahne im wasser¬
dichten Leinwandbezug geti'agen. Die Zugschnur des Fahnenbezuges
wird kreuzweise durch ein Loch des Fahnenstockes gezogen und zu
einer Schleife gebunden, damit im Gebrauchsfalle ohne Zeitverlust
die Fahne aus dem Bezug herausgenommen werden kann.
Der Beilhammer mit Schraubenschlüssel dient zum Nachziehen
und Einschlagen von Hakennägeln, zum Anziehen der Schrauben-
muttei-n und im Winter als Eisaxt. Der Schraubenschlüssel endigt
in zwei Federn, welche zugleich zum Befestigen des Hammers dienen.
Die Federn werden durch zwei Ringe gegen den Hammerstiel fest
angeprefst und diese Ringe mit Federn und Hammerstiel mittels
durchgehender Niete befestigt. Die Gestalt des Beilbammers ist
handlich und ermöglicht dem Wärter, die gewöhnlichen kleinen
Unterhaltungsarbeiten am Geleise bei seinen Streckengängen sofort
auszuführen. Hammer und Schraubenschlüssel sind aus Gufsstahl
angefertigt.
Befinden sich auf einer Wärterstrecke Schraubenmuttern von ver¬
schiedener Gröfse, so wird das Schlüsselmaul nach der gröfsten
Mutter angefertigt; die kleineren Muttern können dann mit dem¬
selben Schlüssel unter Zuhülfenahme eines Hakennagels, welcher mit
dem zugeschärften Ende zwischen Schlüsselmaul und Mutter geklemmt
wird, ebenfalls angezogen werden.
Die Schneide des Beils wird während der Zeit des Nicht¬
gebrauchs durch eine lederne Hülle geschützt.
Für Nebenbahnen werden, wie oben erwähnt, zwei Signal¬
fahnen gebraucht (Abb. 2, 4 und 5). Dieselben befinden sich in
einem gemeinsamen Bezug aus wasserdichter Leinwand, welcher, wie
bei der einfachen Fahne, mit zwei Lederriemen und Karabinerhaken
auf dem Rücken an den Gurt angehakt wird. Die Fahnentücher
Nr. 35.
.863
Centralblatt der Bauverwaltung.
Abb. 5.
sind an hölzernen Stielen befestigt, welche an beiden Enden mit
eisernen Kapseln beschlagen sind.
Diese Kapseln sind oben durchlocht, um hier leicht zu ent¬
fernende Krampen ein¬
zustecken, mittels wel¬
cher die Fahnen im
Bezug zusammen ge¬
halten werden. Beim
Gebrauch entfernt man
die Krampen aus den
Fahnenstöcken und
befestigt jede Fahne
mit dem Stock mittels
einer Krampe unter
Zuhülfenahme des Beil¬
hammers in einer Tele¬
graphenstange.
Für die Bahn¬
wärter ist aufserdem und ins¬
besondere auf Nebenbahnen
noch die Ausrüstung mit einem
Ueberwegsstock (Abb. 3) sehr
vortheilhaft. Derselbe hat unten
einen aus Gufsstahl herge¬
stellten Fufs, welcher dem Quer¬
schnitt des Radflansches an¬
nähernd entspricht und dem
Wärter zur Reinigung der Spurrinne, aufserdem auch als Stütze
dient.
Das Gewicht eines Gurtes mit 2 Hakennägeln, 8 Knallkapseln
und einfacher Fahne beträgt für Hauptbahnen .... 1,98 kg
mit Doppelfahnen für Nebenbahnen . 2,30 „
der Beilhammer mit Schraubenschlüssel wiegt . 2,75 „
der Ueberwegsstock . 0,50 „
Im Winter tritt hierzu die Salztasche mit 0,70 kg.
Das Gesamtgewicht einer Ausrüstung mit Beilhammer beträgt
daher für Hauptbahnen
a) im Sommer 4,73 kg, b) im Winter 5,43 kg und
für Nebenbahnen (mit Ueberwegsstock)
a) im Sommer 5,55 kg, b) im Winter 6,25 kg.
Die Kosten einer derartigen Ausrüstung stellen sich in Stargard
in Pommern wie folgt:
1. Beilhammer mit Schraubenschlüssel . . 14,00 Mark
2. Gurt mit Salztasche . 8,00 „
3. Signalfahne für Hauptbahnen mit Bezug 2,00 „
4. Doppelfahne mit Bezug . 3,40 „
5. Ueberwegsstock . 1,20 „
Zum Schlufs seien die Erfahrungen mitgetheilt, welche ich mit
der Verwendung von Viehsalz zum Beseitigen von Eisbildungen ge¬
macht habe. Das Viehsalz ist von mir schon seit mehreren Jahren
mit grofsem Vortheil beim Aufthauen von Spurrinnen, angefrorenen
Drahtzugleitungen und Eisbildungen auf den Weichen-Gleitstühlen
verwendet worden.
Die Spurrinnen werden in einer Breite von etwa 8 cm dick mit
Viehsalz bestreut, desgleichen auch der Schienenkopf, sofern auf
demselben Eisbildungen vorhanden sind. Nach Verlauf von etwa
einer Stunde ist das Eis aueh bei strengem Frost derartig abgethaut,
oder mürbe geworden, dafs die Spurrinne mit der Wegekratze oder
dem Besen ausgefegt werden kann. Hierauf erfolgt noch eine Nach¬
streuung, welche die Bildung festen Eises auf 18 bis 24 Stunden, je
nach dem Kältegrad, verhindert. Empfehlenswerth ist es, vor dem
Bestreuen mit Viehsalz mit der Eisaxt (Beilhammer) eine kleine Rille
in das Eis der Spurrinne zu hauen, damit durch Fuhrwerke das
Viehsalz möglichst wenig verschleppt wird.
Zum Bestreuen eines Ueberweges bei einem Geleise braucht man
bei diesem Verfahren etwa 0,20 — 0,40 kg, sodafs sich die Kosten für
eine Streuung bei dem Preise von 1,50 Mark für 50 kg Stafsfurter
Abfallsalz auf etwa 0,01 Mark stellen. Diese Kosten sind gegenüber
dem Arbeitsaufwand beim Aufhacken von Spurrinnen sehr niedrig zu
nennen, besonders wenn man in Berücksichtigung zieht, dafs in der
Regel durch das häufige Aufhacken der Spurrinnen die Steinbahn des
Weges beschädigt wird.
Dieselben günstigen Dienste wie bei Wegeübergängen leistet das
Viehsalz auch beim Aufthauen von Drahtzugleitungen und Eis¬
bildungen bei den Weichen.
Stargard i. P. im Februar 1890. Fuchs,
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector.
Vermischtes.
Zur Preisbewerhung um eiu Kaiser Wilhelm-Deiikinal der Pro¬
vinz Westfalen theilen wir in Ergänzung der Nachricht auf S. 347 d.
V. Nr. noch mit, dafs aufser den dort genannten preisgekrönten Ent¬
würfen in die engere Wahl gelangten die Arbeiten „Heil Dir im
Siegerkranz“, „Hof und Heiligthum soll ich dir geben usw.“, „Sali
et glücken“ und „Im Grünen“. Der Schmitzsche Entwurf ist seitens
des Preisgerichts zur Ausführung empfohlen worden. Alle Pläne sind
bis zum 6. September im Provineial -Verwaltungsgebäude in Münster
öflentlich ausgestellt.
Für den Ban einer evangelischen Kirche von 1400 Sitzplätzen
in Heilbronn wird durch den dortigen Gemeindekirchenrath eine
Preisbewerbung ausgeschrieben. Die Arbeiten sind bis zum
1. März 1891 einzureichen, Bedingungen und Programm vom städti¬
schen Hochbauamte in Heilbronn zu beziehen. An Preisen sind
2500, 1500 und 1000 Mark ausgesetzt. Weitere Entwürfe sollen unter
Umständen für je 600 Mark angekauft werden.
Ein Preisausschreiben für die Erweiterung ihres Gesellschafts¬
gebäudes durch Anbau eines Fest- und Concertsaales nebst Zubehör
erläfst die Gesellschaft Concordia in Remscheid. Es sind Pläne
in 1 : 100 und ein genauer Kostenanschlag bis zum 1. December d. J.
einzureichen; die beiden Preise betragen 600 und 300 Mark. Die
Zusammensetzung des Preisgerichtes, welches aus dem Vorstande und
unter Umständen noch mehreren Mitgliedern der Gesellschaft und
aus nur zwei noch nicht genannten auswärtigen technischen Sach¬
verständigen bestehen soll, läfst den Erfolg einer Betheiligung ebenso
zweifelhaft erscheinen, wie die Forderung eines genauen Anschlages
.und die Bestimmung, dafs eine Ueberschreitung der Bausumme
(60 000 Jl) von der Preisertheilung ausschliefst. Das Programm,
welchem 3 Blatt Aufnahmezeichnungen des alten Hauses beiliegen,
ist von dem Vorsitzenden der Gesellschaft, Herrn D. Hasenclever in
Remscheid, Lindenstrafse Ic, zu beziehen.
Ehrenbezeigung. In der Architekturabtheilung der diesjährigen
Berliner Kunstausstellung hat der Senat der Königl. Akademie
der Künste den Architekten Karl Do fl ein in Berlin für die von ihm
■eingesandten Kirchenentwürfe*) durch die Form der „ehrenvollen
Erwähnung“ ausgezeichnet.
Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege wird
*) Vergl. S. 317 dieses Jahrganges.
seine diesjährige Jahresversammlung in den Tagen vom 11. bis
14. September in Braunschweig abhalten. Zur Verhandlung ge¬
langt zunächst die Frage der Krankenhäuser für kleinere
Städte und ländliche Kreise, über die Geheimrath Dr. v. Ker¬
schensteine r in München Bericht erstatten wird. Hieran schliefsen
sich Erörterungen über Filteranlagen für städtische Wasser¬
leitungen, welche durch die Herren Prof. Dr. K. Fränkel-Königs-
berg und Betriebsingenieur K. Piefke-Berlin eingeleitet werden.
Am zweiten Tage werden die Herren Ober-Medicinalrath Prof. Dr.
Bollinger-München über die Verwendbarkeit des an Infec-
tionskrankheiten leidenden i Schlachtviehs und Prof. Dr.
Gaffky-Giefsen über Desinfection von Wohnungen sprechen.
Die Verhandlungen des dritten Tages wird Herr Fr. Kalle in Wies¬
baden eröffnen mit seinem Bericht über das Wohnhaus der
Arbeiter, während eine Mittheilung des Herrn Oberingenieur F.
Andreas Meyer-Hamburg über Baumpflanzungen und Garten¬
anlagen in Städten den Schlufs der Vorträge bilden wird. Zur
Theilnahme an den Versammlungen des Vereins berechtigt ein
Jahresbeitrag von 6 Mark, wofür man auch in den Besitz des Be¬
richtes über die Versammlung gelangt.
Münsterbauverein in Yilliugeu. Auch in Villingen (vgl. dessen
Bau- und Kunstdenkmäler im badischen Inventarisationswerke II. Band,
Seite 92 ff. Freiburg 1890, herausgegeben unter Mitwirkung von
Baudirector Dr. Durm und Hofrath Wagner, durch Geh. Hofrath Dr.
F. X. Kraus) hat sich ein Verein gebildet zum Zwecke der Wiederher¬
stellung des dortigen Münsters. Es giebt demnach zur Zeit im Grofs-
herzogthum Baden vier Münsterbauvereine: in Freiburg, in Constanz,
in Ueberlingen und in Villingen, welche sich die gleiche Aufgabe ge¬
stellt haben und Beiträge für ihre Kirchenbauten annehmen. D.
Zur Frage der Versuche über die Frostbeständigkeit natür¬
licher und künstlicher Bausteine geht uns noch die nachstehende
Eückentgegnung des Herrn Prof. Bauschinger zu. „Zur Frage der
, Versuche über die Frostbeständigkeit natürlicher und künstlicher
Bausteine‘ mögen mir in Entgegnung auf die Ausführungen des
Herrn Gary in Nr. 33 d. Bl. noch ein paar Worte gestattet sein.
Ein mit Wasser vollgesaugter und gefrorener Stein hat natürlich
eine andere innere Beschaffenheit als der ursprünglich trockene und
daher auch in der Regel eine andere Druckfestigkeit als dieser, und
zwar, wie die Erfahrung zeigt, eine kleinere. Wenn er, wie das
364
Centralblatt der Bauverwaltung.
30. August 1800,
hiiufig vorkommt, getrocknet dieselbe Druckfestigkeit wieder zeigt,
wie ursprünglich, so wird man ihn trotzdem für frostbeständig er¬
klären müssen, d. h. für widerstandsfähig gegen einmalige Ein¬
wirkung des Frostes. Eine Vergleichung der Festigkeit im ge¬
frorenen Zustande mit der ursprünglichen Trockenfestigkeit kann
also an sich keinen Aufschlufs über die Frostbeständigkeit
geben. Hierzu ist nothwendig, dafs der ursprüngliche und der dem
Froste ausgesetzt gewesene Stein unter gleichen Umständen, d. h.
hier in demselben Trockenzustande, geprüft werden. Nur so kann
eine etwaige Lockerung des Zusammenhangs der Bestandtheile des
Steines erkannt werden. Dafs eine solche Lockerung nach ein¬
maligem Gefrieren so gering sein kann, dafs sie sich der Beobachtung
entzieht, aber durch öftere Wiederholung gröfser und gröfser werden
kann, liegt auf der Hand, und deshalb mufs das Gefrieren wieder¬
holt werden. Aber auch noch aus einem anderen Grunde: Die Herab¬
minderung der Festigkeit im Innern des Steines ist nicht die einzige,
nicht einmal die wichtigere Frostwirkung bei nicht frostbeständigen
Steinen. Sie kann, wie Beispiele und meine Untersuchungen zeigen,
sogar sehr gering, und der Stein doch sehr wenig widerstandsfähig
gegen Frost sein, wenn er nämlich durch Absanden oder Ablösen
von kleineren oder gröfseren Stückchen, durch Entstehen feiner
Kantenrifschen und dgl. äufs erlich durch den Frost beschädigt
wird. Gerade solche, durch blofse Besichtigung der Steine nach dem
Gefrieren erkennbare Beschädigungen sind es, die auch an Bauwerken
am meisten in die Augen fallen, die aber, wie alle meine Versuche
und die tägliche Erfahrung zeigen, nach den ersten Gefrierungeu
noch gar nicht oder nur schwach auftreteu und sich erst in der Folge,
nach 10-, 15-, 20maligem Gefrieren oder noch später zeigen. Ein
solcher Stein könnte bei der grofsen Sicherheit, mit welcher wir Bau¬
werke aus Stein ausführen, die ihm auferlegte Belastung selbst dann
noch ganz gut tragen, wenn seine Festigkeit im nassen oder ge¬
frorenen Zustande nur 50 oder noch weniger Procente der ursprüng¬
lichen Trockenfestigkeit betragen würde, aber das äufsere Ansehen
des Gebäudes würde, wie hundertfältige Beispiele der Praxis zeigen,
bald sehr leiden, und nach längerer Zeit natürlich auch sein Bestand.
Wenn ich übrigens in meiner vorigen Entgegnung (in Nr. 31 des
Centralblattes) von meinem Verfahren sprach, so geschah das nur
der Kürze halber, es sollte heifsen: das von mir eingeschlagene Ver¬
fahren. Dasselbe wurde bekanntlich von der Conferenz zur Verein¬
barung einheitlicher Prüfuugsmethoden für Bau- und Constructions-
materialien aufgestellt (s. die Broschüre: „Beschlüsse der Conferenzeu
zu München und Dresden“ S. 29 und 31), und zwar in Gegenwart
des Herrn Professor Di-. Böhme, Vorstandes der Prüfungsanstalt für
Baumaterialien in Charlottenburg, und ohne Einspruch von Seite des¬
selben. Wenn Herr Dr. Böhme seitdem ein anderes Verfahren an¬
wendet oder ein früheres festzuhalten für gut findet, so wird er gewifs
die Güte haben, seine Gründe dafür der demnächst stattfindenden
III. Conferenz in Berlin mitzutheilen, wo die vorliegende Frage von
neuem aufgenommen und erörtert werden kann.
Baus chinger.
Wir haben dieser Zuschrift Aufnahme gewährt in der Annahme,
dafs, dem vom Einsender gemachten Vorschläge gemäfs, die gegen¬
sätzlichen Anschauungen über die streitigen, gewifs wichtigen Fragen
nunmehr in der demnächst in Berlin stattfindenden 3. Versammlung
zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsarten für Bau- und Con-
structionsmaterialien*) vor den an der Sache meistbetheiligten Kreisen
zum Austrag gelangen werden, und dürfen somit ihre Erörterung als
für dieses Blatt abgeschlossen betrachten.
Besuch der technischen Hochschule in Bavmstadt. Die Ge¬
samtzahl der Studirenden und Hospitanten beträgt am Ende des
gegenwärtigen Sommerhalbjahres 339 (gegen 275 im Winterhalbjahr
1889/90). Davon gehören 178 dem Grofsherzogthum Hessen, 98 dem
Königreich Preufsen, 42 anderen deutschen Staaten, 21 dem Auslande
an. Die Besucher vertheilen sich auf die einzelnen Abtheilungen
folgendermafsen :
Summe
Studirende Hospitanten Sommer- Winter-
1) Bauschule .
33
15
Laibjahr
1890
48
halhjahr
1889/90
(38)
2) Ingenieurschule .
41
5
46
(36)
3) Maschinenbauschule . . .
62
5
67
(56)
4) Chemisch- technische Schule:
Chemiker .
25
9
34 \ ..
Pharmaceuten . . .
14
6
20 f
(43)
5) Mathematisch - naturwissen¬
schaftliche Schule ....
16
11
27
(20)
6) Elektrotechnische Schule .
90
7
97
(82)
Zusammen . .
281
58
339
(275)
*) S. 348 der vorigen Nummer.
Die Anweudung des Leuchtgases zur Bekäinpfiiiig der Kauch-
plage behandelt ein Aufsatz von M. Niemann in Nr. 10 des „Ge¬
sundheits-Ingenieurs“. Es wird dort darauf hiugewiesen, dafs zu¬
nächst die Gasanstalten sich (mit Hülfe von Gas- oder auch Schütt¬
rostfeuerungen, sowie durch Verfeueruug von Cokes) sehr wohl ohne
Eauchentwicklung betreiben lassen. Sie können also ihr Erzeugnifs,
das Leuchtgas, sowohl als „Heizgas“ wie als „Kraftgas“ zum Be¬
triebe rauchloser Feuerungen darbieten, ohne selbst das Uebel der
Rauchplage zu betördern. Dafs man von diesem rauchlosen Brenn¬
stoffe trotz der mannigfachen Vortheile, welche er bietet, noch so
wenig Gebrauch macht, erklärt der Verfasser im wesentlichen durch
eine gewisse Schwerfälligkeit der grofsen Menge. Immerhin ist aber
doch ein Fortschritt in der bezeichneteu Richtung bemerkbar. Die
Gasgesellschaften und Stadtgemeinden suchen ihrerseits den Ver¬
brauch des Gases zu Heizzwecken und für Kraftmaschinen dadurch
zu heben, dafs sie hierfür bedeutende Preisermäfsigungen zugestehen.
Da die einer derartigen Verwendung dienenden Heiz- und Kochvor¬
richtungen, wie auch die Gaskraftmaschinen, in den letzten Jahren
aufserordentlich vervollkommnet worden sind, so darf mit Recht er-
wai-tet werden, dafs die Rauchplage in absehbarer Zeit infolge der
zunehmenden Anwendung gasförmigen Brennstoffes eine erhebliche
Einschränkung erfahren wird.
Büclierscliau.
Neue Theorie der Bodeuentwässeruiig von F. Merl, Kreis-
Cultur-Ingenieur in Speier. Ansbach (Bayern) 1890. Max Eichinger.
70 S. in gr. 8^ mit 16 Abbildungen und 2 Tafeln.
Die Schrift enthält einen scharfen Angriff gegen den von Vincent
in Deutschland eingeführten und noch jetzt fast allgemein fest ge¬
haltenen Grundsatz, die Saugedrains in der Richtung des stärksten
Gefälles zu verlegen. Der Herr Verfasser führt aus Litteratur und
Praxis Belege für seine entgegenstehende Ansicht: „die Saugedrains
sind besser schräg gegen die stärkste Neigung anzuordnen“ an.
Wir möchten denselben noch hinzufügen, dafs die Drainagen in der
Eifel stets mit geneigten Saugern verlegt werden und sehr gut
wirken, dafs ferner der Draintechniker Heinze in Kletzko (Prov.
Posen) seit 1873 in dieser Weise Drainagen auf wenig geneigtem
Gelände ausführt und u. W. mit gutem Erfolg, sowie dafs schon der
Rittergutsbesitzer v. Küster auf Lomnitz bei Hirschberg in der Zeit¬
schrift für deutsche Drainirung 1856 ausführlich beschreibt, wie er
einen besseren Erfolg mit schräg gerichteten als mit lothrecht ange¬
ordneten Saugern gewonnen habe. Diese Bauweise, bei welcher die
Sammler in die Richtung des stärksten Gefälles, die Sauger schräg
gegen dasselbe entworfen werden, pflegt man nach Toussaint das
Lord Bernerssche Verfahren zu nennen, und ihre gröfsere Wirksam¬
keit dem Umstande zuzuschreiben, dafs die wasserführenden Schichten
hierbei sicherer getroffen, sie als natürliche Drainagen ausgenutzt
werden. Der Herr Verfasser erörtert theoretisch, dafs auch ohne
diesen Umstand bei vollkommen gleichgearteter Bodenbeschafl’enheit
die schräg gerichteten Drains besser wirken als Drains nach dem
stärksten Gefälle. Er kommt, indem er die Bewegung des in den
Drain gelangenden Wassertropfens verfolgt, zu dem Schlüsse, dafs
jede Drainfuge die Fläche einer Ellipse entwässert, deren grofse
Achse in der Richtung des stärksten Gefälles liegt, deren unterer
Brennpunkt die Fuge darstellt , und deren Excentricität um so
gröfser wird, je stärker die Neigung des Geländes ist. Auf voll¬
kommen wagerechtem Gelände geht die Ellipse in einen Kreis über,,
auf einem Gelände, dessen Neigung dem Neigungswinkel des Grund¬
wasserspiegels entspricht, in eine Parabel, und endlich auf solchem^
dessen Neigung gröfser ist als die Neigung des Grundwassers, in
eine Hyperbel. Der gewöhnliche Fall ist die Ellipse. Da die grofse
Achse derselben in der Richtung des stärksten Gefälles liegt, so
folgt, dafs die Drainfugen in wagerechter und nicht in lothrechter
Folge anzuordnen sind, um für den Drain die gröfste Wirkungsfläche
zu erreichen. Die Ausführungen sind sehr beachtenswerth. Sie
dürften, im Verein mit den oben angeführten praktischen Belägen,,
geeignet sein, das Entwerfen der Drainpläne von dem bisher üblichen
Verfahren abzirlenken — wie wir glauben, zum Besten der Sache. Das
Lesen des Buches ist daher allen Draintechnikern warm zu empfehlen..
Zu bedauern ist, dafs der Herr Verfasser seinem Werke nicht
zwei Drainpläne beigefügt hat, welche die beiden verschiedenen Bau¬
weisen für dasselbe Gelände zur Anschauung bringen. Er würde
damit die praktische Nutzanwendung des empfohlenen Grundsatzes
wesentlich gefördei't haben. Auch die von ihm gewählte Bezeich¬
nung „Kopfdrainage und Paralleldrainage“ erscheint nicht glücklich..
Denn die schräg gerichteten Drains sind nicht mehr Kopfdrains
nach gewöhnlichem Sprachgebrauch und untereinander ebenso
parallel, wie die Drains nach dem stärksten Gefälle. In Ermangelung
guter deutscher Bezeichnungen — vielleicht Querdrainage und Längs¬
drainage? — würden die Namen Johnstone oder Berners bezw. Ledere
oder Vincent die Sache zutreffender bezeichnen. Gerhardt.
Verlag von Ernst&Korn (AVilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des niclitamtliclien Tlieiles verantwortlich i. V.: O. Hofsfeld, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
Nr. 35A-
Centralblatt der Bauverwaltang.
365
INHALT: Stil-Bctrachtangcn. — Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neu¬
zeit (Kortsetzung). — Verbesserungen am Wellblechdache. — Vermischtes: Preis¬
bewerbung um das Kaiser Wilhelm-Denkmal der Provinz Westfalen. — Preisbewerbung
um eine neue evangelische Kirche in Heilbronn. — Brandmauerthüren bei einer Feuers¬
brunst. — Elektrische Läutepfosten neben Wegeübergängen in Scbienenhöhe. — Ge¬
setzesvorlage betreffend den Bau der Central-London-Bahn. — Bücherschau.
[Alle Hechte Vorbehalten.]
Stil - Betrachtungen. *
Die „Stilfrage“ bildet den Gegenstand des ersten Hochbau-Vor¬
trages, den auf der diesjährigen Hamburger Verbands Versammlung Herr
Architekt Fr its ch aus Berlin hielt. Der Eedner verhehlt sich nicht,
dafs der Stoff seines Vortrages manchem vielleicht wenig willkommen
sein werde, denn Männern der künstlerischen That pflege Neigung
zu ästhetischen Erörterungen akademischer Art zu fehlen. Doch
solle niemand vor einem Sturzbad kühner ästhetischer Theorieen be¬
sorgt sein, vielmehr beabsichtige Vortragender nur, sich der Erörte¬
rung dreier Fragen zuzuwenden:
1. Wie stellt sich im Vergleich mit den vorangegangenen Zeit¬
abschnitten die Gegenwart zur sogenannten „Stilfrage“?
2. Wie wird sich in Bezug hierauf voraussichtlich die Entwick¬
lung der nächsten Zukunft gestalten?
3. Was kann unsererseits gethan werden, um diese Entwicklung
in möglichst gesunde und natürliche Bahnen zu leiten?
Eedner geht, um diese Fragen zu lösen, zunächst kurz auf die
stilistischen Wandlungen der letzten hundert Jahre ein, beginnend
etwa mit dem Zeitpunkt, von welchem an wir keinen einzig und all¬
gemein gültigen Baustil mehr besitzen. Ehedem habe man noch
nicht gewufst, dafs die Baustile vergangener Zeiten erlernt werden
könnten wie eine todte Sprache, sondern habe mit lebendiger künst¬
lerischer Kraft gebaut bis im Zusammenhang mit den Aufklärungs¬
bestrebungen in der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Eklektizismus
geboren wurde. Aber erst in den ersten Jahrzehnten unseres Jahr¬
hunderts habe sich in Deutschland der Bruch mit den Ueberlieferungen
der Spätrenaissance vollzogen. Eedner gedenkt hier der Thätigkeit
Schinkels, Klenzes und Theophil v, Hansens, führt dann aber aus,
wie im übrigen die Alleinherrschaft des neubelebten Griechenthums
nur eine kurze gewesen sei, und wie gleichzeitig durch die idealen
Anschauungen des Gothikers Heideloff und des Eomantikers Gärtner
ein neuer Anschlpfs an die mittelalterliche Bauweise angestrebt
worden sei. Doch habe eine auf tieferes Studium der Denkmäler
gestützte, umfassende Kenntnifs der mittelalterlichen Kunstformen
damals gefehlt, und es habe deshalb ein Umschwung eintreten
müssen, als in dem Weiterbau des Kölner Doms endlich eine grofse
monumentale Aufgabe vorlag, und Zwirner, gestützt auf die unüber¬
trefflichen Studien Viollet le Ducs und die Thätigkeit Ungewitters,
die Leitung der Hütte übernahm. In der Folge sei dann noch
weitere Wiederbelebung der mittelalterlichen Kunst durch die von
den Schülern Gärtners in Hannover begründete Schule erfolgt,
die erst . unter Hase ihre Hauptbedeutung gewonnen habe, als
sie im Eingehen auf den norddeutschen Backsteinbau ihre wich¬
tigste Aufgabe erkannte. In Wien sei durch die Schule
F. V, Schmidts ebenfalls eine erneute Pflegestätte der Gothik ge¬
schaffen, und könne man diese Bestrebungen auch von einer gewissen
Einseitigkeit nicht frei sprechen, so müsse doch freudig zugegeben
werden, dafs die Neugothiker nicht nur auf ihrem eigenen Gebiet
bedeutende Erfolge erzielt, sondern dafs dieselben auch erfrischend
und belebend auf die Entwicklung der gesamten deutschen Baukunst
gewirkt haben.
Als ganz abweichend hiervon müsse dagegen die Aeufserung des
idealen Zuges der Zeit bei einzelnen Vertretern der Schinkelschen
Schule bezeichnet werden. Träger und Wortführer sei hier Karl
Bötticher gewesen, welcher geglaubt habe, das Geheimnifs der Stil¬
bildung finden zu können durch Vordringen in das Wesen der
griechischen Kunstformen. Trotz der hierbei unvermeidlichen Fehler
müfse seine Arbeit höher geschätzt werden, als das Streben anderer
Idealisten, die, der natürlichen Entwicklung der Dinge voraneilend,
geglaubt hätten, sofort den Versuch zu einer neuen Stilbildung unter¬
nehmen zu müssen, Eedner betonte, dafs es ihm fern läge, über
diese Bestrebungen spotten zu wollen, da doch auch ihnen die Ueber-
zeugung von der Nothwendigkeit stilistischer Weiterentwicklung zu
Grunde gelegen habe. Aber die Art, wie sie aufgetreten seien, be¬
zeichne auch ihr Verkennen der Grundbedingungen. Nicht weniger
traurige Mifserfolge habe Maximilian von Bayern erlebt, als er in wohl¬
meinender Absicht eine Anzahl Bau-Entwürfe in die Wirklichkeit zu
übersetzen unternahm, und in Preufsen, dem gröfsten deutschen Staate,
habe der hochbegabte und begeisterte, aber schwankende Monarch
Friedrich Wilhelm IV. grofse Mittel zersplittert, indem trotz dieses
Aufwandes nach wie vor doch nur mit Surrogat- Stoffen gebaut sei,
weil man die bedeutenden Kräfte allzu zahlreichen Unternehmungen
*) Nach einem Vortrage des Architekten K. E. 0. Fritsch in
Berlin, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Hamburg.
zuwandte. Immerhin sei eine gesteigerte Bauthätigkeit eingetreten, zu¬
folge welcher auch eine Eückwirkung auf den Privatbau anerkannt
werden müsse, die stilistisch nicht ohneFolgen geblieben sei. An anderen
Orten habe man sich vornehmlich unter der Führerschaft Gottfried
Sempers der italienischen und französischen Eenaissance angeschlossen.
Kein anderer Meister habe für die Erkenntnifs stilistischer Entwick¬
lung so viel geleistet, als dieser. In seine Spuren sei Nicolai in
Dresden getreten, während durch Semper selbst in Zürich eine neue
Pflanzstätte der Kunst der Eenaissance begründet wurde. Auch die
Stuttgarter Schule unter v. Leins und v. Egle sowie die Münchener
unter Neureuther haben Einflufs gewonnen, und insbesondere die
italienische Eenaissance sei zu glänzendster Entwicklung in Wien
gelangt, seitdem dort mit der .Stadterweiterung eine gewaltige Bau¬
thätigkeit begonnen habe, wie Deutschland solche sonst noch nie
erlebt.
Von allen, sowohl von den Hellenisten wie von den Vertretern der
italienischen Eenaissance und von den Jüngern der Kölner Dombauhütte,
wurden gegenseitig die Bestrebungen nicht ohne Antheil und nicht ohne
Nutzen verfolgt, doch sei es verkehrt, dafs nur die Kirchen und allenfalls
auch die Eathhäuser den Gothikern, Theater und Museen den Helle¬
nisten, Paläste und vornehme Verwaltungs- Gebäude den Vertretern
der Eenaissance zugewiesen wurden und nur im Privatbau alle drei
Gruppen, ein Mittel zu lebhaftem Ausdruck ihres Wollens gefunden
hätten. Hierdurch sei eine Zeit stiller Gährung in der deutschen
Baukunst entstanden, die auch jetzt noch nicht ganz überwunden
sei, obieich seit der inneren Krisis von 1866 und den darauf folgenden
siegreichen Kämpfen von 1870/71 bezw. seit der Wiederaufrichtung
des deutschen Eeiches ein grofsartiger Aufschwung in der Baukunst
stattgefunden habe, sowohl was die Zahl der Bauten wie auch was
die erstaunlich gesteigerten Summen betreffe, welche dafür auf¬
gewendet Würden. Hieraus habe zunächst die Gothik den gröfsten
Vortheil gezogen durch die Aufgaben, die ihr im Kirchenbau zu¬
fielen, und die. nur vereinzelt im romanischen, ganz selten aber
im Eenaissancestil zu lösen versucht worden seien. Die schwerste
Einbufse dagegen habe die Berliner Schule erlitten, von der sich
zuerst der Privatbau, dann aber auch die Staatsverwaltung, an¬
gespornt vielleicht durch das Beispiel der baufreudigen Eeichspost,
abgewandt haben.
Seitdem sei der Verlauf der Dinge unaufhaltsam vorwärts
gegangen, und, begünstigt, durch gründlichere Beherrschung der
Kunstgeschichte, habe man zunächst das Wesen der solange ver¬
nachlässigten deutschen Eenaissance, dann aber auch dasjenige des
Barocks zu erfassen angestrebt, und an die Stelle der früheren
Aermlichkeit sei Uebefladung und wüste Anhäufung von Formen
getreten. Nachdem man aber neuerdings gelernt habe, nicht nur
einander Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sondern sich auch fast
durchweg der Thatsache bewufst geworden sei, dafs der Stil, in
welchem man baue, keineswegs die Bedeutung eines religiösen
Dogmas habe, sondern dafs er nichts weiter sei, als ein Ausdrucks¬
mittel für künstlerische Gedanken, verringern sich diese Uebelstände
zusehends, und man achtet seitdem weniger auf den Stil an und für
sich, als vielmehr darauf, wie er zum Ausdruck gebracht sei. Es
sei also zur Hauptsache geworden, dafs der ausführende Architekt
den Stil, in dem er baut, voll beherrsche, und hieraus folge in Zu¬
sammenhang mit der gesteigerten schöpferischen Thätigkeit an und
für sich, sowie mit der gröfseren persönlichen Annäherung der Ver¬
treter der deutschen Baukunst der gewaltige Umschwung.
Nachdem Eedner so den äufseren Verlauf dieser hundertjährigen
Stilbewegung dargelegt hatte, wandte er sich zu den inneren Gründen,
aus denen diese Wandlungen hervorgegangen seien, um zu unter¬
suchen, ob in dem Wechsel der letzteren sich neben Zufall und
Willkür auch ein bestimmtes Gesetz erkennen lasse. Er glaubt der
Lösung dieser Frage leichter nahe kommen zu können, wenn zunächst
der Haupteintheilung der verschiedenen Stilarten ein anderes Moment
zu Grunde gelegt werde, als üblich. Denn zu der Unterscheidung
derselben nach gewissen formalen, ja ornamentalen Aeufserlichkeiten
kämen grundsätzliche, technische Verschiedenheiten hinzu, auf die
die Entstehung der ersteren überhaupt zurückgeführt werden müsse.
Diese Unterschiede wurzeln nicht, wie man gewöhnlich glaube, in
der Art und Form der Ueberdeckung der Eäume, sondern weit
ursprünglicher in der Construction der raumumschliefs enden Wände
selbst. Eedner glaube deshalb vorschlagen zu sollen, dafs man die
Baustile nicht in die Hauptgruppen: Balkenstile und Bogenstile,
sondern, je nach der Art der Wände, in Massenstile und Gerüst¬
stile eintheilen solle. Die ältesten Völker, Aegypter, Mesopotamier
usw., haben durchweg in ersterem gebaut, wogegen uns bei den
Centralblatt der Bauverwaltung.
Gr'üjchen ein ausgereiftes Beispiel künstlerischen Gerüstbaues ent-
j^egentrete. Die Eömer in ihren ■w irklich eigenen Leistungen haben
dann wieder die r' herlicl'erungen des Massenstils fortgesetzt und
denselben in ihren ■ or.ariigen Xutzl->nuten zu bis dahin unerreichter
künstlerischer - 'le entwickelt. 1200 ü'.nhre habe diese Bauweise mit
ihren AusHinfem, dem bj’zantinischen und romanischen Stil, die alte
Welt bei t rrse.i.l. Gehe man weiter, so könne in der Kunst der
Eei.ulssanee kein originaler Stil erkannt werden, und diese trage
ilLshalb bezüglich der in Eede stehenden Unterscheidungsmomente
kein einheitliches Gepräge. Dennoch dürfe es nicht auifallen, dafs
die Stilexperimente der letzten 100 Jahre sich vorzugsweise nur dem
Gerüststil zugewandt hätten. Der Grund hierfür liege darin, dafs letz¬
terer einen Kanon besitze, w'ogegen der Massenstil der individuellen
Empfindung des Künstlers erheblich mehr Freiheit gestatte. Für
schwache, eines Anhalts bedürftige Kräfte sei ersterer infolge dessen
stets bequemer und sicherer. Ihnsomehr glaubt Eeduer aber, dafs in
Zukunft wieder der Massenstil gröfsere Aufnahme finden werde, und
stellt es entschieden in Abrede, dafs wir in dem sog. Eisenstil nach
und nach völlig dem Gerüstbau verfallen müfsten. Denn wenn auch
die Zunahme in der Verwendung des Eisens eine gewisse Ver¬
schiebung der Bauconstructionen unabweislich nach sich ziehe, so
könne darum doch von Stilbildung im vorliegenden Sinne durchaus
nicht die Eede sein, denn an und für sich käme hierbei das Material
gar nicht in Betracht, und es sei gleichgültig, ob eine hölzerne Decke
leichter zerstörbar sei, als eine eiserne. Vielmehr komme es bei Be-
urtheilung des Stils lediglich auf die Durchbildung des Baugegen¬
standes an, und diese könne unter Umständen mit voller Berechtigung
auch in den vergänglichsten Materialien eine vollendet künst¬
lerische sein.
Eedner versucht nun, unter gänzlichem Absehen von dem Material
unter den gegenwärtig im Gebrauch befindlichen geschichtlichen Stil¬
arten denjenigen auszufinden, der die meiste Aussicht habe, die
anderen zurückzudrängen. Hier finde man gröfstentheils die Meinung
verbreitet, dafs gegenwärtig ein Fastnachts - Stiltaumel herrsche, und
dafs nach der deutschen Eenaissance, dem Barock, indisch, japanisch
usw., zum Schlufs Empire . — dann aber wir, d. h. ein neuer Zukuufts-
stil käme. So wenig aber ein schon einmal dagewesener Stil jemals
wieder zur Alleinherrschaft werde gelangen können, ebenso wenig
werde sich auch ein unmittelbar neuer Stil erfinden lassen, denn alle
Formen würden sich stets immer wieder an die schon dageweseuen
anschliefsen. Was aber die scheinbare Zerfahrenheit im Stil betreffe,
so werde dieselbe weit übertrieben. Nicht machtlos ständen wir hier
einer Naturkraft gegenüber, sondern hätten vielmelu- die Pflicht, den
bereits gewonnenen Boden zu behaupten, und würden dann sicher
bald empfinden, wie alles klarer werde. Die Vorurtheile seien auf¬
zugeben und die Gothik ebensowenig vom Theaterbau, wie die
Eenaissance vom Kirchenbau auszuschliefsen. Gerade die zu monumen¬
taler Einfachheit herausfordernden letzteren Aufgaben würden den Stil
vor bedenklichen Verirrungen und vor dem dilettantistischen Spielen
mit Formen bewahrt haben können, denn nicht die Unsicherheit
bezüglich des Stils habe die Zerfahrenheit herbeigeführt, sondern
die theatralische Ausübung der Kunst. Das Verdienst, hierin Wandel
geschaffen zu haben, gebühre den Neugothikern, die zuerst wieder
gesunde monumentale Constructionen in Zusammenhang mit der
Formgebung durchgeführt hätten. Man brauche zwar nicht überall
von der Construction auszugehen, aber man solle auch nie eine
Kunstform an wenden, die sich nicht in constructiv gesunder Art
hersteilen lasse. Und was insbesondere die Gothik betreffe, so habe
dieselbe augenblicklich bereits den Höhepunkt ihrer im gegenwärtigen
Zeitalter erlangten neuen Blüthe überschritten, ohne dafs es ihr
möglich geworden sei, die ihr gegenüber bestehende Sprödigkeit des
Privatbaues zu überwinden. Eedner glaubt, dafs, wenn irgend eine
in der neueren Kunst noch nicht gepflegte Stilweise Aussicht habe,
demnächst einen neuen Aufschwung zu erleben, so sei dies der
romanische Stil. Einerseits, weil der Zug unserer Zeit ersichtlich
zu der ruhigen Monumentalität der Massenstile zurückstrebe, dann
aber auch, weil derselbe jenes Moment enthalte, welches die deutsche
Eenaissance so interessant mache, nämlich die Verschmelzung des
eigenartigen germanischen Empfindens mit den Ueberlieferungen der
antiken Welt. Eedner führte eine Anzahl von neueren wohlgelungenen
Ausführungen in diesem Stile auf und verbreitete sich dann über die
neuere Bauweise Nord- Americas, wo derselbe bereits zu sehr be¬
deutender Entwicklung gelangt sei und sich immer weiter Bahn
breche.
- Man solle daher diese ganze Bewegung getrost sich selbst
überlassen und nur auf den Schulen durch gründliches Studium der
alten Baudenkmäler und Durchbildung vorwiegend kleiner Ent¬
würfe bis in die geringsten Einzelheiten eine gute Grundlage für das
Können des zukünftigen Architektengeschlechtes legen, nicht aber
zur Stilbildung unmittelbar beitragen wollen. Denn, werde den
Jüngeren nur der rechte Weg gewiesen, so würden sie es später
auch vermögen, selbständig vorzugehen, und unfehlbar werde all¬
mählich ein neuer Stil entstehen, nicht durch willkürliche Ver¬
mischung, sondern durch unbewufste Verschmelzung und Neubildung
der alten Formen und Motive.
Das Wehegeschrei über die angebliche Stillosigkeit unserer Zeit
sei nach alle diesem also entschieden ungerechtfertigt, und es sei
nicht ein Verfall der Baukunst, dem die Gegenwart Ausdruck gebe,
sondern es müsse vielmehr die überschäumende Kraft als ein jugend¬
licher Zug bezeichnet werden. Auch seien die zur Anwendung kom¬
menden Formen schon viel selbständiger und weniger entlehnt, als
gemeinhin angenommen werde. Dafs dieselben stets eine gewisse
Nachahmung in sich schliefsen, sei natürlich, und läge der Trieb zu
solcher nicht im Menschen, so würde es um den Unterricht in der
Architektur sehr schlimm ausseheu. Die Hauptsache sei, dafs wir
das hierin liegende Erbe unserer Väter uns geistig zu eigen zu
machen lernen müfsten, und eben dies sei heute im Zeitalter der
Eisenbahnen und der Photographie nicht so leicht wie ehedem.
Vielmehr könne man ruhig behaupten, dafs wdr uns im Verhältnifs
zu dem ins Ungemessene angewachsenen Umfang des Erbes ganz
gut mit unserer Aufgabe abfändeu, und vergleiche man die Erfolge,
die in dieser Beziehung die Baukunst aufzuweisen habe, mit den¬
jenigen Erfolgen, die die Eeligion, Staats- und Socialpolitik, das
Verwaltungs- und Unterrichtswesen oder die Kunst im allgemeinen
äufweisen, so sei keinerlei Grund für erstere vorhanden, irgendwie
zurückzustehen gegen die übrige Culturarbeit des Jahrhunderts. Nicht
steuerlos treiben wir umher, mit Gefahr, auf eine Sandbank zu ge-
rathen — so schlofs Eedner seine Ausführungen — , sondern voll-
bewufst durchschneiden wir den Ocean, einem wenn auch un¬
bekannten Ziel sicher entgegeufahrend und überall da anlegend, wo
Auskunft über unseren Weg zu erhoffen ist. Mögen daher wir selbst
oder unsere Nachkommen dieses Ziel erreichen, wir werden in der
Erkämpfung desselben stets mit Ehren bestehen, solange wir uns
nur nicht durch die Beschwerden der Fahrt zurückschrecken lassen,
sondern unentwegt dem Ziel entgegenstrebeu, allezeit unermüdet,
allezeit unverzagt, allezeit vorwärts! Jul. Faulwasser.
Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzpit.
(Fortsetzung.)
II.
Wie ein Blick in die Liste weiter erkennen läfst, tritt England
nach seinem grofsartigen Anlaufe im 5. Jahrzehnt in den folgenden
Jahrzehnten vom Schauplatze des Baues weitgespannter Brücken
fast gänzlich zurück. Es ist im 6. und 7. Jahrzehnt allein durch
wenige Hängebrücken vertreten, von denen eine, die Albert-Brücke
über die Themse in Chelsea (Centralbl. d. Bauverw. 1882, S. 100),
noch dazu eine von vielen Seiten mit Eecht angegriffene Bauart
nach dem System Ordish - Lefeiivre zeigt. Zumeist liegt diese
Erscheinung in der geographischen Bodengestalt Englands be¬
gründet, in welcher schwierig zu überbrückende Meeresbuchten
forherrschen und grofse breite Ströme fehlen. . Auch Frankreich hat
auf dem Gebiete der weitgespannten Brücken bedeutende Leistun¬
gen nicht aufzuweisen. Es glänzt allein im 7. und 8. Jahrzehnt durch
zwei von Eifi’el herrührende sehr kühne Bogenbrücken, die Douro-
Brücke bei Porto und die Garabit-Thalbrücke, sowie auch durch
seine neueren Drahtkabelbrücken. Dagegen hat Nord-America, das
erst gegen Ende des 6. Jahrzehnts, nach Beendigung des americani¬
schen Bürgerkrieges, also zu einer Zeit, als die mitteleuropäischen
Staaten im Brückenbau tonangebend waren, hervortrat, was die Menge
und Grofsartigkeit seiner Leistungen anlangt, alle Länder Europas
weit übei-flügelt.
Der Bau americanischer Balkenbrücken in Eisen hat heute etwa
50 Lebensjahre hinter sich. Davon gehören die ersten 3 Jahrzehnte
von 1840 — 1870 insofern bereits dör Geschichte an, als alle in diesem
Zeiträume entstandenen Brücken heute als veraltet gelten, und zwar
auch in America, obvrohl man dort in Brückenbau-Dingen von jeher
etwas weniger bedenklich gewesen ist, als in Europa. Die grofsen
Schwächen der alten Balkenbrücken — nach den Systemen von
Whipple, Eider, Bollmann, Fink, Lowthrow, Post u. a. — beruhten
vorwiegend in der übertriebenen Verwendung von Gufseisen, in der
Mangelhaftigkeit der Knotenverbindungen und in der unzureichenden
Widerstandsfähigkeit der Wind- und Querverbände. Die bis zur
Mitte des 7. , Jahrzehnts im americanischeu Brückenbau ziemlich
allein herrschenden Brückenbau-Gesellschaften, von denen eine jede
ein eigenes. Geschäftsfeld besafs und ungestört aberntete, wollten
Nr. 35 '■
Centralblatt der ßauverwaltang.
3G7
Liste der M'eitgespaiiuten Brücken. III. Bnnipe. 1870 — 1880.
Nr.
Zeit
der
Erbauung
18.
1870
19.
, 1871-72
20.
: 1870-73
21.
' 1868-74
22.
f
1870-76
23.
1876—77
24.
1875—77
25.
1876-77
26.
1875—77
27.
■ 1876—77
28.
1876-79
29.
1878—79
30.
1878—80
31.
1879-80
32.
1880 .
Name und Lage der Brücke
Erbauer
oder
Entwurf-
Verfasser
Abmessungen
(Jeifnungen
Anzahl
Weite
m
Länge
Eisenbahnbriicke über den Ohio bei Parkersbürg und Bellaire . . . _
Newport- und Cincinnati-Brücke .
Albert-Hängebrücke in Chelsea über die Themse .
Bogenbrücke über den Mississippi bei St. Louis. Bogen von Chromstahl
Draht-Kabelbrücke über den East-River zwischen New-York u. Brooklyn
Ohio-Brücke der Cincinnati-Süd-Eisenbahn. Seinerzeit weitgespannteste
Brücke der Welt .
Point-Hängebrücke über den Monongahela bei Pittsburgh .
Kentucky -Thalbrücke der vorgenannten Bahn. Erste americanische
Auslegerbrücke . .
Draht-Kabelbrücke über den Mississippi bei Minneapolis .
Maria-Pia-Bogenbrücke der Portugiesischen Staatsbahn über den Douro,
Porto .
Bogenbrücke der Moselbahn über den Rhein bei Coblenz . {
Thalbrücke über den Grand-River der Credit-Thalbahn. 1873 — 75 an¬
gefangen . . . .
Wolga-Brücke der Orenburger Bahn bei Sysran, Rufsland .
Plattmouth - Brücke über den Missouri, Chicago - Burlington - Quincy-
Eisenbahn . .
Strafsenbrücke über die Saale bei Calbe . . . |
Linville
Derselbe
Ordish
Eads
Rohling
Linville
Hemberle
Shaler Smith
Griffith
Eiffel
Hilf, Altenloh,
Dörenberger
Toronto-Br.-G.
Belelubsky
Keystone-Br.-G. j
Gutehoffnungs- V
hütte /;
1
1
1
1
2
1
2
1
1
3
1
1
2
5
13
2
1
104
128
122
1.58
152
486
283
158
244
114
205
160
106
168
107
123
104
J 772
j 1825
770
354
1438
den ihnen bequemen Gebrauch des Gufseisens auch dann noch nicht
fahren lassen, als Europa über die Verwendung desselben längst
den Stab gebrochen hatte.
Die erste americanische Balkenbrücke, in welcher sowohl Zug¬
ais Druckglieder aus Schweifseisen geformt waren — jedoch immer
noch unter Einschiebung von kurzen gufseisernen Stofsblöcken (sog.
joint blocks) an den Knoten — stammt wahrscheinlich erst aus dem
Jahre 1863®). Die gufseisernen Stofsblöcke sind aber bis in die
neueste Zeit hinein von einigen Brückenbau-Gesellschaften mit Vor¬
liebe noch beibehalten worden. Erst eine lange, unablässige Reihe
von traurigen Unglücksfällen, beginnend 1850 mit dem Einsturz einer
Riderschen Brücke auf der Eriebahn und bis in die Gegenwart sich
fortsetzend, dergestalt, dafs man in jedem der drei letzten Jahrzehnte
durchschnittlich 25 — 30 Brückeneinstürze zählen konnte, hat endlich
auch der öffentlichen Meinung Americas über den wahren Werth der
älteren Brückenbauten die Augen geöffnet. Besonders das mit dem
Fall der Astabula-Brücke im Jahre 1876 verknüpfte schreckliche
Menschenopfer hat in dieser Richtung nach Art eines schweren Ge-
Brücken im Dienste der Verwaltungen übernehmen oder letztem be-
rathend zur Seite stehen. Auf solchem Wege ist denn das gesunkene
americanische Brnckenbauwesen allmählich in die Pfade zum besseren
gelenkt und überraschend schnell hat es in den letzten Jahrzehnten
zu erstaunlichen Leistungen sich aufgeschwungen, die mit Recht die
Bewunderung der Welt erregt haben.
Gleich an der Spitze des 7. Jahrzehnts erscheinen die Vereinigten
Staaten mit mehreren Glanzleistungen ersten Ranges, unter denen
sowohl Balken- als auch Bogen- und Hängebrücken verkommen.
Das sind, neben den ersten bemerkenswerthen weitgespannten Balken¬
brücken nach dem System Linville (Abb. 2), besonders 5 Bauwerke
von aufserordentlicher Bedeutung: Die St. Louis-Bogenbrücke, die
East-River- (Centralbl. d. Bauverw. 1883, S. 105 u. 205) und die
Mouongahela-Hängebrücken, die Ohio-Brücke der Cincinnati-Südbahn
— seinerzeit die weitgespannteste Balkenbrücke der Welt — und die
Kentucky-Thalbrücke der nämlichen Bahn, die erste americanische
und zugleich die erste weitgespannte, nach dem Ausleger- (Canti¬
lever-) System erbaute Balkenbrücke der Welt. Diese Bauwerke
witters luftreinigend gewirkt. Seit jener Zeit macht der america¬
nische Brückenbau den Dichtersprueh zur Wahrheit: rDas Alte
stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen“.
Eisenbahn- lind Staatsbehörden — aus ihrem unthätigen, fahrlässigen
Sicherheitswahne aufgeschreckt — ordneten eine umfassende Unter¬
suchung bestehender Brücken an, und eine Folge davon war ein ge¬
waltiges Aufräumen unter alten Systemen, Die Eisenbahn-Gesell¬
schaften stellten damals zum ersten Male besondere Lieferungs- und
Vertrags - Bedingungen auf, welche ausreichende Vorschriften über
die beim Entwürfe zu Grunde zu legenden Annahmen für Belastungen
und zulässige Beanspruchung enthielten und auch sonst geeignet waren,
der Willkür von Unternehmern feste Schranken zu setzen. Von da ab
hat sich auch ein Stamm von tüchtigen Ingenieuren gebildet, welche die
Ausarbeitung von Entwürfen und Ueberwachung der Ausführung von
®) Es war eine von John W. Murphy erbaute Brücke über den
Lehigh-Flufs bei Manch- Chünk in der Lehigh- Thalbahn (Zeitsch. f.
Bauwesen 1862, S. 207).
standen damals, jedes in seiner Art, unübertroffen und auf der Höhe
der Zeit, sodafs sie für weitere Betrachtungen auf dem Gebiete der
neuesten Balken-, Bogen- und Hängebrücken als vortreffliche Aus¬
gangspunkte erscheinen.
Die Eigenart der americanischen Balkenbrücken der Neuzeit,
denen wir uns zunächst zuwenden, beruht neben einer etwas scha¬
blonenhaften Nüchternheit in der ausschliefslichen Verwendung der
Bolzenverbindungen für die Hauptknoten. Diese Bauart hat
sich nach manchen Richtungen sehr vortheilhaft entwickelt. Man
legt z. B. in America neuerdings viel Werth darauf, das System der
Brückenträger möglichst statisch bestimmt und dabei, ohne Verwen¬
dung von Gufseisen, einfach in der Herstellung zu erhalten. Des¬
halb bevorzugt man die nach dem einfachen Dreiecks-System zu¬
sammengesetzte Trägerwand mit geneigt stehenden Endpfosten und
meist parallelen Ober- und Untergurten, deren Grundform aus dem
System des Whipple - Trägers vom Jahre 1852—53 hergeleitet ist.
(Abb. 3). Man wählt grofse Felderweiten, um die Kräfte in mög¬
lichst wenige, starke Wandglieder überführen zu können, und dabei
368
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
8. September 1880.
I
/
\
/
\
/ i
/ i
schaltet man häufig, um die Anwendung mehrfacher Systeme der
Wandglieder zu vermeiden, Zwischen -Querträger ein, die von den
Wandglieder-Kreuzungen getragen werden (Abb. 4). Obergurt und
Endpfosten erhalten ge¬
wöhnlich gleiche Quer¬
schnittsform, gebildet aus
starken, senkrechten Plat¬
ten, die oben durch eiue
Deckplatte und unten durch
Gitterwerk verbunden sind.
Das Eisen wird möglichst
in den senkrechten Platten
aiigehäuft, sodafs die Deck¬
platte hauptsächlich nur
zur Versteifung des Gurts
für den Transport und die
Aufstellung dient. Die mit
den gebohrten Bolzen¬
löchern versehenen Knoten¬
platten werden durch Auf-
uieten von Blechstücken so¬
weit wie nöthig verstärkt,
aus zwei auf
i' 4TPPM
Abb.
Americanische Brückensysteme.
Die Mittelpfosten der Tragwand bestehen
beiden Hochkanten durch Gitterwerk gegen einander
abgesteiften Platten, die nöthigenfalls noch durch Winkel usw. ver¬
stärkt werden (Abb. 5). Die mit Bolzenlöchern versehenen, ver¬
stärkten Enden der Pfosten stehen gabelförmig offen, um in der
Oeftnung die Zugbänder aufzunehmen. Der Untergurt und meistens
auch die Zugstäbe werden durch Flacheisen-Glieder gebildet, welche
an beiden Enden
in Sondermaschi¬
nen sorgsam ge¬
schmiedete Bol¬
zenaugen tragen.
Im Falle diese
Schmiedestücke
aus Stahl gefertigt
sind, werden sie nach dem Ausschmiedeu ausgeglüht. lO)
Die Fahrbahn, welche bei den alten Brücken zum Theil oder
ganz aus Holz bestand und in mangelhafter Weise mit den Haupt¬
trägern verbunden war, wird jetzt fast ganz nach europäischer Art
in allen Theilen vernietet, aus Quer- und Zwischenträgern (floor
beams und stringers) eiuge-
Abb. 4.
Einschaltung von Querti'ägern bei
americanischen Brücken.
baut, ebenso hat man nach
europäischem Vorgänge an
Stelle der ältern, aus Rund¬
oder Flacheisen bestehenden
schwachen Windverbände, jetzt
ziemlich allgemein solche mit
starken, gegen Zug und Druck
gehörigen Widerstand leisten¬
den Querschnitten eingeführt.
Man sieht, die Americaner haben
bei ihren neuen Brückensyste¬
men manches von Europa hin¬
übergeholt, das ihnen früher
für dortige Verhältnisse nicht
geeignet erschien. Aber nicht
allein, dafs die genieteten Theile der
Bolzenbrücken überhand genommen
haben, auch die ganz nach europäischer
Art vernieteten Brücken gewinnen in
America mehr und mehr an Boden. Bei
kleinen Spannweiten, bis etwa 30 m,
verwenden viele dortige Eisenbahn-
Abb. 6. Gurte und Glieder americanischer Brücken.
Gesellschaften nur vernietete Blech- oder Gitterbrücken, andere Ge¬
sellschaften bauen grundsätzlich nur genietete Brücken. Das gröfste
10) Die schmiedeeisernen oder stählernen Bolzen werden bei einer
Stärke derselben bis etwa 114 mm und darüber mit einem Spiel von
0,5 mm bezw. 0,8 mm eingesetzt.
americanische ganz vernietete Tragwerk besitzt wohl die kürzlich
vollendete 1190 m lauge Brücke der Canadisch-Atlantischen Eisenbahn
über den St. Lorenz-Strom bei Coteau (Centralbl. d. Bauverw. 188G,
S. 313) mit 18 Oeifuuugeu, darunter eine Drehöffnung von 108 m
Weite. 11 )
Die Ursachen für das Ueberhandnehmen der genieteten Trag¬
werke auf den americanischen Eisenbahnen sind auf die Bedenken
zurückzuführeu, welche bezüglich der Betriebssicherheit der Bolzen¬
brücken angesichts so vieler durch’Zugentgleisungen herbeigeführten
Einstürze von Brücken älteren, neueren und neuesten Systems auch
americanischerseits endlich wach geworden sind. Ueber die Frage
der Betriebssicherheit der Bolzenbrücken sind im vorigen Jahre,
bei Gelegenheit der Besprechung des erwähnten Vertrages von
Cooper, im Verein der americanischen Civil - Ingenieure schroffe
Meinungsverschiedenheiten zu Tage getreten, und dabei hat es sich
gezeigt, dafs das europäische Brückensystem, lediglich infolge seiner
gröfseren Betriebssicherheit, in America viele Anhänger zählt. Dafs
in Wirklichkeit Bolzenbrücken neueren Systems bei vor oder auf der
Brücke eintretenden Zugentgleisungen infolge ihrer geringen Seiten-
steitigkeit häufig zu Falle gebracht worden sind, während ein der¬
artiger Zusammenbruch auf dem Gesamtgebiete der europäischen und
americanischen ganz vernieteten Brücken, soweit bekannt, noch nicht
vorgekoinmen ist, wurde in der Versammlung nicht widerlegt. Ander¬
seits sind aber in America und Europa Fälle bekannt, wo eine Zug¬
entgleisung auf einer genieteten Brücke stattfand und diese trotz¬
dem nicht einstürzte. Ein höchst bemerkenswerthes Vorkommnifs
solcher Ai-t ist u. a. der Unfall auf der Saarbrücke bei Völklingen
im Jahre 1886.12)
Die Anwendung von Knotenbolzen macht das americanische
Brückensystem dem europäischen gegenüber bekanntlich nur in
zweierlei Hinsicht überlegen:
1. weil dadurch die genaue Berechnung der Grundspannungen
und Nebeuspannungen der Hauptträger erleichtert und gleichzeitig
die Gröfse der Nebenspanuungen verringert wird;
2. weil dadurch die Dauer der Aufstellung der Brücken be¬
deutend verkürzt werden kann.
Die aus diesen Vorzügen sich ergebenden Vortheile sind unleugbar
werthvoll, es entsteht nur die Frage, ob sie dem Nachtheil der ge¬
ringeren Betriebssicherheit gegenüber zu Gunsten der Bolzenbrücken
entscheidend ins Gewicht fällen können. Nach diesseitiger Meinung
nicht. Die vornehmste Forderung, die eine Eisenbahnbrücke erfüllen
mufs, ist Betriebssicherheit, selbst wenn solche nur unter ent¬
sprechender Erhöhung der Anlagekosten erreicht werden könnte.
Wie gering fällt aufserdem ein etwaiger Kostenunterschied zwischen
einer Bolzen- und genieteten Brücke in die Wagschale im Vergleich
mit dem durch einen einzigen Brückenzusammenbruch etwa herbei¬
geführten unersetzlichen Verlust an kostbaren Menschenleben!
Die Anhänger der Bolzenbrücken sind nun der Meinung, es
sei Sache der Betriebsleiter, die Bolzenbrücken durch Anbringung
von Vorrichtungen zur Verhütung von Entgleisungen vor und
auf der Brücke, sowie auch — um die Folgen einer Entgleisung
vor der Brücke zu mildern
125,0 - - >1 — durch Aufstellung von
starken Prellpfeilem vor der
Brücke, gegen etwaige Zer-
126,0 _ ^ Störung ausreichend zu sichern.
Ein bekanntes americanisches
Hülfsmittel solcher Art ist die
sogenannte Unfallsteife (colli-
• sion strut), welche von der Mitte
desEndpfostens nach der ersten Wandglied- Kreuzung führt (Abb. 7).
Sie soll dazu dienen, bei etwaigem Anrennen von Fahrzeugen
gegen die Endpfosten den Stofs an möglichst widerstands¬
fähige Knoten abzugeben. Wenn derartige Schutzvorrichtungen
auch nicht imstande sind, die Gefahr einer Entgleisung in allen
Fällen zu beseitigen, so liegt doch ihr grofser Nutzen für americanische
Vei-hältnisse auf der Hand. In Europa hält man sie, abgesehen von
den Zwangsschienen auf sehr langen Brücken, bislang im allgemeinen
nicht für nothwendig, wahrscheinlich aus doppeltem Grunde, erstens
weil sie nicht unfehlbar wirken, und zweitens, weil selbst im Falle
einer Entgleisung vor oder auf der Brücke die Gefahr eines Zu¬
sammenbruchs bei einer nach europäischem Muster gebauten eisernen
Brücke erfahrungsmäfsig fast ganz ausgeschlossen ist. Wir haben
besonders aus letzterem Grunde keine Veranlassung, das america¬
nische System der Bolzenbrücken bei uns einzuführen.
III.
Unter der grofsen Zahl von bedeutenden americanischen Balken¬
brücken verschwinden die Bogenbrücken fast ganz. Die Liste enthält
11) Erbaut von der Dominion-Brücken-Bau-Gesellschaft in Canada.
12) Centralblatt der Bauverwaltung 1886, S. 126.
Abb. 7. Unfallsteife.
Träger der Hawkesbury-Brüeke.
fllrJ5A.
Centralblatt der Bauverwaltung.
369
Liste der weitgespannten Brücken. IV. Bruppe. 1880 — 1890.
Zeit
der
Erbauer
Abmessungen
Nr.
Name und Lage der Brücke
oder
Entwurf-
1 Verfasser
Oeffnungen
Länge
m
Erbauung
Anzahl
Weite
m
33.
1880—82
Brücke Don Pedro II. der Kaiserlichen Centralbahn über den Paraguassa-
1
Flufs, Brasilien .
—
4
152 i
—
34.
1881—82
Schwarzwasser-Bogenbrücke der Strafse von Bern nach Schwarzenbui’g
Probst
1
114
167
35.
1882—83
Monongahela-Brücke in Pittsburgh. Pauliträger .
Lindenthal
2
110
—
36.
1883
Niagara-Auslegerbrücke der Michigan-Centralbahn, unterhalb der Fälle
Schneider u. Hay es
1
141
273
37.
1880—84
Bogenbrücke über das Garabit-Thal bei Saiht-Flour, Linie Marvejols-
Neussarges .
Eiffel
1
165
448
38.
1882—84
Trisana-Thalbrücke der Arlbergbahn bei Innsbruck .
—
1
120
39.
1882-84
Bogenbrücke über die Theifs bei Szegedin .
Feketehdzy
1
110
380
40.
1883-84
Lamothe-Drahtbrücke über den Allier bei Brioude, Frankreich ....
Arnodin
1
115
—
41.
1883—84
La Tardes-Thalbrücke bei Evaux, Linie Montlucon-Eygurande ....
—
1
100
248
42.
1883—84
Bogenbrücke über den Magdalenen - Strom bei Honda in Columbien.!
Bender, Gute-
109
Fünf-Gelenkträger . . \
hoffnungshütte
■ i
43.
Y881-85
Bogenbrücke Luiz 1. über den Douro bei Porto, für zwei Strafsen .
Gesellschaft Wille-
broeck, Seyrig
1
172
390
44.
1881—85
Kentucky- und Indiana- Auslegerbrücke für Eisenbahn und Strafse über!
Macdonald,
(
1
1
147
146
170
1 748
den Ohio bei Louisville . \
Hemberle
l
1
45.
1882-85
Bogenbrücke der Strafse über den Rhein zwischen Mainz und Castel .
Lauter, Thiersch
1
102
500
46.
1883—85
Auslegerbrücke über den St. Johns-Flufs, Neu-Braunschweig, Canada .|
Dominion-Br.-G.,
Abbott
1
145
367
47.
1883-85
Brücke der Canadischen Pacific-Bahn über den St. Lorenz-Strom bei/
Dominion-Br.-G-,
1
124
Lachine, Canada . A
Shaler Smith
48.
1883-85
Ohio-Eisenbahnbrücke bei Henderson . . |
Keystone-Br.-G.,
Vaughan
f
1
159
—
49.
1884-86
Brücke über den Susquehanna- Flufs bei Havre de Grace, Baltimore-!
Keystone-Br.-G.,
/
1
A
157
145
114
Ohio-Eisenbahn . \
Douglas
l
2
50.
1882-87
Jubilee- Auslegerbrücke der Ostindischen Bahn, bei Hooghly .
Leslie
2
160
366
51.
1886—87
Randolph-Brücke über den Missouri bei Kansas-City, Chicago . . . _|
Keystone-Br.-G.,
Strobel
/
h
3
122
—
52.
1886—87
Ausleger* Eisenbahnbrücke über den Hudson bei Poughkeepsie. 1873
2
152
j- 2062
bis 78 angefangen . . ,.
Union-Br.-G.
1
158
2
159
53.
1883—88
Uwod-Belaja- und Ufa-Brücken der Schnisk -Iwanow- und Ufa-Bahn, :
3
1 107
/
146
Rufsland . . .
Belelubsky
6
3
__
54.
1886—88
Auslegerbrücke der Ohio-Bahn über den Kanawha-Flufs ......
Union-Br.-G.
1
293
55.
1886—89
Auslegerbrücke der indischen Nord-Westbahn über den Rohri-Arm des
Indus bei Sukkur .
Rendel u. a.
1
241
390
56.
1886—89
Washington-Bogenbrücke über den Harlem-Flufs in New-York ....
Hutton u. a.
2
155
693
57.
1886—89
Hawkesbury -Brücke in Neu-Süd-Wales, Australien . |
Union-Br.-G.,
Barlow
(
i
5
2
127
124
l| 883
58.
1886—89
Neue Hammersmith-Kettenbrücke über die Themse in London . . . •
Bazalgette
1
122
- —
59.
1887—89
Ohio-Bcücke der Cincinnati-Covington-Eisenbahn . |
Phönixville-W erke,
Bonzano, Burr
/
i
2
1
168
149
—
60.
1888—89
Bogenbrücke über das Addathal bei Paderno) Italien . |
Savigliano -Werke,
Röthlisberger
\
1
150
266
61.
1888-90
Brücke der Piazza Pia über den Tiber in Rom, aus Flufs metall . . , .
Savigliano -W erke
1
102
—
62.
1883-90
Ausleger -Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth bei Queensferry,
Schottland .
Fowler u. Baker
2
521
2394
63.
1889—90
Ausleger -Eisenbahnbrücke über den Colorado -Flufs zwischen Arizona
und California . . .
Phönixville-W erke
1
201
—
64.
1889-90
Merchants-Eisenbahnbrücke über den Mississippi bei St. Louis ...
Union-Br.-G.
3
158
—
aufser der St. Louis-Brücke nur noch eine weitgespannte Bogen-
brücke, die im vorigen Jahre vollendete Manhattan - Brücke —
oder Washington - Brücke, wie sie jetzt genannt wird — über
den Harlemflufs in New -York (Centralbl. d. Bauverw. 1886, S. 136).
Die St. Louis - Brücke eröffnet den Reigen der weitgespannten
Bogenbrücken des 7. und 8. Jahrzehnts und ist merkwürdig durch
die Anwendung von Gufsstahl für die röhrenförmigen Gurte
ihres Gitterbogens, durch die für damalige Zeit unübertroffene,
unter Anwendung von Prefsluft bewirkte, 31 m tiefe Pfeilergründung,
sowie auch durch ihre eigenartige Aufstellung, bei welcher das Auf¬
hängeverfahren ohne' Anwendung fester Stromgerüste, nur mit
Hülfe von oberhalb der Bogen auf den Pfeilern gestützten Hülfs-
vorrichtungen (Abb. 8, Seite 370) zum ei’sten Male in planvoller
Weise zur Durchführung kam. Von den älteren Bogenbrücken
geringerer Spannweite kann sich ihr nur eine einzige würdig
zur Seite stellen, die 1861 — 1864 von Hartwich erbaute Rheinbrücke
der Linie Coblenz- Lahnstein (Zeitsch. f. Bauw. 1864, S. 385), deren
vollendete theoretische und constructive Durchbildung für die Ent¬
wicklung des Baues eiserner Bogenbrücken, besonders für die später
erbauten Rhein-Brücken bei Rheinhausen und oberhalb Coblenz, von
tonangebendem Einflufs war, und welche wegen der bei ihrer An¬
ordnung erzielten Schönheitswirkung einen hohen Rang unter allen
bestehenden Bogenbrücken einnimmt.
Auf den americanischen Brückenbau haben die Bauvorgänge bei
der Errichtung der St. Louis-Brücke ungemein fördernd eingewirkt.
Namentlich haben die vor Augen liegenden Vorzüge des Aufstellungs¬
verfahrens die Einführung der Balkenbrücken nach dem Ausleger-
(Cantilever-j System beschleunigt, eine Bauart, bei welcher die Auf¬
stellung ohne Stromgerüste in ähnlicher, aber noch vollendeterer
Weise bewirkt werden kann. Aufserdem hat die gründliche Art, in
welcher das Material der St. Louis-Brücke durch viele Tausende von
Proben bezüglich seiner Festigkeits-Eigenschaften untersucht worden
ist, heilsame Anregung auch auf dem Gebiete des Prüfungswesens
gegeben. Darin ist Europa von America in manchen Stücken sogar
überholt worden. Dort läfst man z. B. bei jedem bedeutenden
Brückenbau in der Regel auch Festigkeits-Versuche mit vollquer-
370
Centralblatt der Bauverwaltiing.
3. Sciiteiiiber ISDO.
schnittigen (fall sized) Tr ägert heilen vornehmen, wozu die
dortigen gröfseren Brückenbau-Gesellschaften Einrichtungen besitzen,
was in Europa überall nicht der Fall ist.
Mit der St. Louis -Brücke haben auch die Bogenbrücken das
Gebiet der weitgespannten Brücken als ^litbewerber betreten. Trotz
ihrer grofsen Vorzüge ist es ihnen bis jetzt aber nicht geglückt, neben
den das Feld behauptenden Balkenbrücken viel Boden zu gewinnen.
Im Vergleich zu diesen befinden sie sich noch sehr in der Minderzahl.
Die Liste zählt im 7. und 8. Jahrzehnt aufser der St. Louis-
Brücke neben 3G weitgespannten Balkenbrücken blofs 9 Bogen¬
brücken, darunter befinden sich 6, welche (wie die ausgehängten
Abbildungen veranschaulichen) tiefe und weite Thalschluchteu oder
Ströme mit zu beiden Seiten bergansteigenden Ufern überbrücken,
wie die Garabit- (Centralbl. d. Bauverw. 1881, S. 120) und Schwarz¬
wasser-Thalbrücken (Zeitsch. f. Bauw. 1886, S. 351), die beiden Douro-
Brücken, die Adda-Brücke bei Paderno und die Magdalenen-Brücke
bei Honda. Flacher gestreckte Strombrücken sind 4 vorhanden; die
Eheinbrücken oberhalb Coblenz (Zeitsch. f. Bauw. 1881, S. 87) und
zwischen Mainz und Castel, ferner die Theifs-Brücke bei Szegedin und
die Washington-Brücke über den Harlemflufs in New-York (Centralbl.
d. Bauverw. 1886, S. 136). Ein erhebliches Ueberwiegen der Thal-
Bogenbrücken die Träger ohne Gelenk und solche mit 2 Kämpfer-
Gelenken ziemlich gleichmäfsig Anwendung gefunden. Dreigelenk-
Träger werden meist nur für kleinere Weiten gewählt, denn die
Unbequemlichkeiten, welche die Anwendung eines Scheitelgelenks
mit sich bringt ■ — das sind namentlich: unvollkommene Steifigkeit
des Bogens, schädlicher Einflufs der Stöfse der Verkehrslast, noth-
wendige Beweglichkeit der Fahrbahn über dem Scheitel u. dergl., —
wachsen mit der Bogenweite. Auch sind die infolge von Aeüde-
rungen in der Luftwärme, durch Ausweichen der Widerlager oder
durch die Verkehrslast herbeigeführten elastischen Bewegungen beim
Dreigelenk-Bogen gröfser, als beim Bogen ohne Gelenk oder mit
Kämpfer-Gelenken, obschon diese Bewegungen allein beim Dreigelenk-
Träger (wegen seiner statischen Bestimmtheit) Spannungen im Bogen
nicht liervorrufen. Die statische Bestimmtheit des Dreigelenk-Trägers
und die daraus erwachsenden Vortheile seiner bequemeren, sowie
auch sichereren Berechnung und Aufstellung sind es allein, welche
ihm viel Anhänger verschafl't haben. Mehr als 3 Gelenke einzulegeu,
wie es z. B. bei dem Fünfgelenk-Träger der Magdalenen-Brücke in
Columbien geschehen ist, dürfte wohl nicht zu rathen sein.
In seinen äufseren Begrenzungslinien erscheint der Bogen in
dreierlei Form, je nachdem allein die Rücksicht auf die äufsere Er-
Abb. 8. Aufstellung der Mississippi -Brücke bei St. Louis.
und Schluchtbrücken gegenüber den eigentlichen Strombrücken
findet danach nicht statt. Wenn man aber die kleineren, im¬
merhin aber bemerkenswerthen neueren eisernen Thalbrücken der
Alpenländer 13) mit in Betracht zieht und dabei den Mangel an
geringweitigen, über Ströme führenden Bogenbrücken berück¬
sichtigt, so wird man das Ueberwiegen der Thal- und Schlucht¬
brücken gegenüber den eigentlichen Strombrücken zugestehen müssen.
In der That eignet sich die Bogenform am besten für die Ueber-
brückung tiefer Thäler und Schluchten, die mit einem einzigen Bogen
übersetzt werden können, nicht allein ihrer unbestrittenen Schönheits¬
wirkung, sondern im Vergleich zu einer Balkenbrücke auch der
Kostenersparnifs wegen. Bei mangelnder oder beschränkter Con-
structionshöhe aber, ein Fall, der bei der Ueberbrückung von
Strömen meistens vorliegt, ist der Bogen nicht so sehr an seinem
Platze. Die Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten, die in solchem
Falle aus der Nothwendigkeit der sicheren Begegnung des grofsen
Schubes flachgespannter Bögen, aus der Unbestimmtheit der Bogen-
construction, sowie ferner aus dem Mangel entstehen, dafs die freie
Durchfahrtshöhe vom Bogenscheitel nach den Kämpfern hin ab¬
nimmt, beeinträchtigen ihre Vorzüge erheblich. Wenn eine Bogen¬
brücke unter derartig ungünstigen Verhältnissen beim Wettbewerb
mit einer Balkenbrücke dennoch einmal den Sieg davonträgt, so hat
sie ihren Erfolg allein der vortheilhaften Wirkung ihrer äufseren
Erscheinung zu verdanken.
Wie ein näherer Vergleich der ausgehängten Abbildungen und
die Angaben der Liste erkennen lassen, haben bei den weitgespannten
^^) Z. B. die 60 m weite Rohrbach-Brücke der Gotthardbahn, die
86 m bezw. 81 m weite Javroz- Brücke und Kirchenfeld-Brücke in der
Schweiz, die Seilbahnbrücke am Giefsbach ebendaselbst, die 60 m
weite Brücke über die Noce-Schlucht in Südtirol (Centralbl. d.
Bauverw. 1890, S. 220), sowie auch die 60 m weite Adda-Brücke bei
Trezzo in Italien u. a. m.
1^) An Durchfahrtshöhe könnte man — wie bei den älteren
Rheinbrücken in Coblenz und Eheinhausen und der Etschbrücke in
Verona (Centralbl. d. Bauverw. 1885, S. 239) geschehen — dadurch
gewinnen, dafs man den Bogenscheitel über die Fahrbahn legt. Eine
solche Anordnung wird aber nur ausnahmsweise beliebt, in der Regel
liegt die Bahn ganz oben.
scheinung oder das Bestreben vorherrschend ist, durch Erzielung
möglichst gleicher Bogen -Querschnitte an Eisen zu sparen. Im
ersteren Falle wählt man meist die Kreisform und parallele Gurte
(Rhein-, Theifs-, hlississippi- und Washington-Brücke), im letzteren
Falle auch die Parabelform. Die Bogenhöhe gestaltet sich hierbei
der Veränderlichkeit der Biegungsmomente entsprechend veränderlich.
Bei Vorhandensein von Kämpfer-Gelenken ist die Höhe am gröfsten
im Scheitel, am kleinsten in der Nähe der Gelenke (Maria-Pia- und
Garabit-Brücke), und beim Bogen ohne Gelenk ist das LTmgekehrte
der Fall (Schwarzwasser-, Douro- und Adda-Brücke). Bei den Bögen-
Gitterfüllungen verwendet man gewöhnlich das einfache oder zwei¬
fache Dreiecks -System oder die bekannte Anordnung senki-echter
Steifen mit zwischenliegendem Schrägstreben -Kreuz. Vollwandige
Blechbogen zeigt unter den weitgespannten Bogenbrücken allein die
New -Yorker Washington-Brücke.
Zum Tragen der Bahn hat man mit Vorliebe nur 2 Bogenträger
verwendet, welche bei zweigeleisigen Eisenbahnbrücken — um die
Querschnitts- Verdrückungen unter der Einwirkung eingeleisiger Be¬
fahrung möglichst zu vermindern und gleichzeitig auch, um kurze
Pfeiler zu ei'zielen — am besten unmittelbar unter den äufseren
Schienensträngen liegen. Die Abstützung auf den Bogen erfolgt
entweder möglichst gleichmäfsig durch dicht gestellte senkrechte
Gittersteifen, so geschehen bei den meisten Strombrücken, oder die
Uebertragung erfolgt mit Hülfe von einzelnen symmetrisch zum
Bogenscheitel belegenen eisernen Gitterpfeilern, auf welchen die Fahr¬
bahnbrücke in mehr oder minder grofsen Spannweiten lagert (Douro-,
Garabit- und Adda-Brücken). Je einer dieser Gitterpfeiler steht
senkrecht über den Widerlagern, wodurch die Richtung des Bogen¬
schubes günstig beeinflufst wird.
Die Bogentiefe nimmt bei den hohen Thalbrücken vom Scheitel
nach den Widerlagern hin zu, wodurch die Steifigkeit der ganzen
Brücke gegen Seitenkräfte, namentlich Wind, sehr erhöht wird. Bei
der portugiesischen Brücke Luiz I, der weitgespanntesten Bogen¬
brücke der Welt — welche dazu merkwürdiger Weise noch zwei in
50 m Höhe über einander liegende Strafsen überbrückt — beträgt
die Tiefe des Bogens im Scheitel 6 und an den Kämpfern, die behufs
Durchführung der untern Brückenbahn durchbrochen sind, 16 m.
(Fortsetzung folgt.) ‘
Verbesserungen am Wellbleclidaclie.
An einer im Jahre 1879 angefertigten Zinkbedachung aus Well¬
blech von rund 3000 qm Fläche zeigten sich häufig Undichtigkeiten.
Eine vor ungefähr vier Jahren vorgenommeue genaue Untersuchung
und längere Zeit hindurch fortgesetzte Beobachtung des auf halber
371
Centralblatt der Banverwaltung.
ScliahiBg (20 cm Brett mit 20 cm Zwiechenraum) bei 21 Grad
Neigung in der durch Abb. 1 erläuterten Bauart ausgeführten
Daches ergab, dafs bei starkem Winde an mehreren Stellen die
Deckleisten a Abb. 1 gehoben, und der Regen zwischen den Deck¬
leisten und dem Wellbleche sowie zwischen letzterem und den Dach¬
latten c hindurch in den Dachraum getrieben wurde. Ferner stellte
sich heraus, dafs an den nach dem Winde liegenden Seiten des
Daches das ; Wasser auch durch die 7 — 8 cm breite wagerecbte
Ueberdeckung der Wellblechtafeln hindurcbgedrückt wurde. Um
Abhülfe zu schaffen, wurden zunächst auf den dem W^etter am
meisten ausgesetzten Dachflächen an den Deckleisten, welche mit
den Latten in je 2 m Entfernung verschraubt waren, zwischen je
zwei vorhandenen noch drei weitere Schrauben angebracht, sodafs
der Abstand der Befestigungspui)k,te von einander nur je 0,5 m be¬
trug; es wurde indes hiermit keine vollständige Dichtung des Daches
zu beiden Seiten der Latten erzielt.
Im Hinblick darauf, dafs wegen der ungenügenden Breite der
wagerecbten Ueberdeckungen der Wellblechtafeln eine Umlegung
■derselben nicht zu umgeben war, uud dafs bei dieser Umdeckung
die Dichtung der Wellbleche' sowohl in wagerechter als in an¬
steigender Richtung verbessert werden konnte, sowie in fernerer Er¬
wägung, dafs die nicht unerheblichen Kosten der Umdeckung grofse
Vorsicht zur Pflicht machten, wurden einige Tafeln auf der Wetter¬
seite probeweise so um^elegt, dafs sie sich 12 cm überdeckten.
Dabei wurde zugleich die Dichtung der ansteigenden Stöfse in der
Weise verändert, dafs die Deckleisten gänzlich wegfielen und sich je
^wei aneinander stofeendö Bleche' zu Dreiviertheilen einer ganzen
Welle überdeckten (Abb. 4). Die am Ende der oberen Bleche bei
(/ sich bildenden Fugen wurden verl'ötbet_ und die Latten auf den
Schalbrettern mit Nägeln e befestigt. Auf eine Verschraubung der
Blechtäfeln mit den Latten könnte nach Wegfall der Deckleisten
verziehlet werden, da, wie in 'Abb. 2 'und 3 gezeigt ist, jede Tafel
an ihrem untern Ende mit Zuhülfenähme eines untergelegten Holz-
stücfces y zweimal an einem Sehalbrette durch je einen Schrauben¬
bolzen 'befestigt war und .auch- nacb der .Umlegung in gleicher
Weise befes.tigt wurde. Obwohl die Latten c nicht mehr unbedingt
erforderlich waren, so erschien es doch angezeigt, sie wieder ein-
zubringenj um das -Niederlegen der Wellbleche bei A Abb. 4 zu ver¬
hüten.
Die vorbeschriebene Umänderung der Herstellungsart des Daches
bewährte sich bis auf die probeweise angeordnete Breite von 12 cm
der wagerechten Ueberdeckung, Diese genügte nicht, um bei sehr
heftigem Winde das Eindringen, von Regenwasser in den Dachraum
unmöglich zu. machen, und, es erhielt deshalb bei einer zweiten
versuchsweise . vorgenommenen Umlegung mehrerer Tafeln die.
Ueberdeckung eine Breite von 14 cm, womit nunmehr der er¬
wünschte Erfolg erzielt wurde.
Nachdem durch längere Beobachtung festgestellt war, dafs die
angeordneten Verbesserungen die vollständige Diehthaltung des
Daches bewirkten, sind die dem W’ etter am meisten ausgesetzteu
Dachseiten im vorigen Jahre in der zuletzt angegebenen Weise um¬
gedeckt worden. Es haben sich bis jetzt keine weiteren Undichtig¬
keiten gezeigt, als an der Verlöthung derjenigen Stellen, an denen
hei der ursprünglichen Eindeckung eiserne Hafter gesessen hatten
(^ Abb. 3), welche infolge der nothwendigen Zusammenschiebung der
Blechtafeln abgenommen und an anderen Stellen wieder aufgelöthet
waren. Diese ehemaligen Hafterstellen sind nach jedem Regen auf-
gesucht worden und nunmehr beinahe sämtlich wieder gut gedichtet.
Die Verlöthung der ansteigenden Fugen (bei ,<7) ist ohne irgendwelche
nacbtbeiligen Folgen geblieben, da die Tafeln infolge ihrer Wellen¬
form die Einwirkung der Temperaturwechsel ohne Schaden ertragen
können. Die Kosten der Umdeckung betrugen für das Quadratmeter
Dachfläche 1,8 Mark. Für den durch die Vergröfserung der wage¬
rechten und ansteigenden Ueberdeckungen entstandenen Verlust ist
ein Zuschufs an neuen Wellblechen in der Gröfse von rund i/g der
umgedeekten Dachflächen nöthig geworden.
Die Ursache der Undichtigkeit des Daches lag, wie aus vor¬
stehender Beschreibung hervorgelit, abgesehen von der an den
Wetterseiten zu schmalen wagerechten Ueberdeckung der Bleche,
hauptsächlich darin, dafs die Enden der Wellbleche an den an¬
steigenden Stöfsen eine Form erhalten hatten, welche nicht geeignet
war, das durch die Kraft des Windes getriebene Regenwasser vom
Eindringen in den Dachraum zurückzuhalten. Es wird also in den
Fällen, in denen aus besonderen Gründen von der vorbeschriebenen
Befestigungsart mittels Verlöthung abgesehen wird, zur Erzielung eines
dichten Schlusses der Bleche unbedingt nöthig sein, die Blech-Enden
nicht schräg, sondern gerade aufsteigen zu lassen und sie in der be¬
kannten Weise von Abb. 5 mit einer Umbiegung nacb aufsen zu
versehen. Dafs die letztere nicht fehlt, ist dabei wesentlich.
Die Preise beider Herstellungsarten (Abb. 4 und 5) für Neuein¬
deckungen sind annnähernd gleich. Das Quadratmeter Wellblech¬
dach von Zink No. 14 kostet (in der Rbeinprovinz) ohne Schalung,
im übrigen aber vollständig fertig, einschliefslich aller Materialien
nach Abb. 4 4,5 Mark, während der Preis für das Quadratmeter
Dachfläche nacb der in Abb. 5 dargestellten Deckungsart 5 Mark
beträgt- Bei der in neuerer Zeit in starker Zunahme begriffenen
Anwendung der Wellblecbdeckungen, welche bei richtiger Aus¬
führung die Herstellung eines durchaus dichten Daches ermöglichen,
dürfte die Beachtung der vorstehend mitgetheilten Erfahrungen von
Nutzen sein. oe.
Vermischtes.
' Preisbewerbnng nm das Kaiser Wilhelm-Denkmal der Provinz
Westfalen. Ak Verfasser ■ des in die engere Wahl gelangten Ent¬
wurfes „Heil Dir im Siegerkranz“' (vergl. S.'363 d. v. Nr.) nennt sich
uns Herr' Architekt Hakon Adler in Berlin.
Zur Preisbewerbung um eiue neue evangelische Kirche in
Heilferolin (vgl. S. 363 'd. v. "Nr.) 'trägen wir nach Einsichtnahme 'in.
das Programm noch nach, dafs ' die Kirche orientirt auf dem etwa
125 :,115 m grofseh Kaiser Wilhelm - Plätze errichtet werden soll.
Emporen sind, gestattet; mit Rücksicht auf die mäfsigen verfügbaren
Mittel (400 OÖO Mark einschliefslibh Architekten -Honorar und Bau¬
leitung, aber äüsschliefslich innerer Ausstattung) wird nur ein Thurm
verlangt. Für die Zeichnungen ist bis auf die in 1 : 100 darzustellende
Westansicht der Mafsstab lr200 vorgesclirieben; trotz eingehender
Mittheilung der ortsüblichen Einheitspreise wird nur eine Kosten¬
abschätzung nach Raummetern verlangt. Dem Preisgerichte gehören
neben vier Nicbttechnikern an die Herren Ober-Bauratb Dr. v. Leins
und Baurath Berner in Stuttgart, Geh. Baurath Prof. Wagner in
Dafmstadt sowie Bauinspector Rümelin und Stadtbaumeister Wenzel
in Heilbronn. Die Betheiligung an der Preisbewerbung ist gewifs
nur zu empfehlen.
Brandmauerthnren bei einer Feuersbrunst. In der Nacht vom
4. zum 5. August d. J. wurde in Glogau ein militärisches Gebäude,
das Ponton -Wagenhaus, durch Feuer theil weise zerstört. Das Ge¬
bäude hat die umstehend dargestellte Form. In den Anschlnfspunkten
der Querflügel an den Mittelbau befinden sich Brandmauern mit
eisernen Thüren in drei Stockwerken. Das Gebäude enthielt im
372
3. September 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Erdgeschofs und 1. Stock Pontons, Brückenbaumaterial und Fahr¬
zeuge, im 2. Stock wertli volle Kammerbestäude, nämlich Sattel- und
Geschirrzeug, Schanzzeug, Bekleidungsgegenstände usw. Das Feuer
entstand im Mittelbau c und verbreitete sich mit grofser Schnellig¬
keit bis zu den Querfliigeln. Tm Querflügel a waren die Brandmauer-
thüren geschlossen oder wurden geschlossen, ehe das Feuer Eingang
finden konnte. Hier haben diese Thüren einer ungeheuren Gluth
während drei Stunden widerstanden, ohne sich zu verbiegen. Die
Thüren sind aus doppelter Eisenblech wand, je 3 mm ^
stark, mit zwischengelegtem 4 cm starkem Kiefernholz¬
futter gefertigt. Während des Brandes war es lehrreich
zu beobachten, wie auf der dem Feuer abgekehrten Seite
der Thüren zahlreiche Flämmchen erschienen, trotzdem ^
irgend eine Oefinung im Eisenblech nicht wahrgenommen
werden konnte. Der Gebäudeflügel b ist leider ein Opfer des Feuers
geworden, weil eine der Brandmauerthüren — es ist nicht festgestellt,
ob wegen Mangels an der Zuwerfvorrichtung oder aus anderen Ur¬
sachen — nicht geschlossen war. Einige Tage nach dem Brande
wurde eine der Brandmauerthüren untersucht, die Eisenblechwand
wurde geöfinet, und es zeigte sich, dafs das innere Holzfutter auf
der Feuerseite vollständig verkohlt war, während auf der dem Feuer
abgewendeten Seite noch der helle Holzspahn zu erkennen war.
J. S.
Elektrische Läutepfosten neben Wegeübergängen in Seliienen-
höhe sind, wie die Railroad Gazette mittheilt, auf den New-York,
New-Haven und Hartford-, Boston und Albany- und anderen america-
nischen Eisenbahnen im Gebrauch, um die einen Uebergang be¬
nutzenden Fuhrwerksführer und Fufsgänger von dem Herannahen
eines Zuges zeitig in Kenntnifs zu setzen. Diese von Hall ange¬
gebenen Läutewerke sind so eingerichtet, dafs der Zug durch Nieder¬
drücken eines in angemessener Entfernung von dem Uebergange
angeordneten ßadtasters einen elektrischen Strom schliefst und hier¬
durch ein Läutewerk in Thätigkeit setzt, welches in einem neben
dem Uebergang aufgestellten Läutepfosten (Abb. 1) hinter einem
Drahtgitter L angebracht ist. Dasselbe wird erst dann wieder zur
Ruhe gestellt, wenn der Zug über einem unmittelbar hinter dem
Uebergang befindlichen zweiten Radtaster angelangt ist. Zur Be¬
dienung des Läutewerkes ist eine besondere Ortsbatterie vorgesehen.
In Abb. 2 ist die allgemeine Anordnung des Läutewerkes und der
Stromläufe in einfachen Linien anschaulich dargestellt. Durch
Niederdrücken des ersten Radtasters T wird der Strom der Batterie B
bei den Contacten C geschlossen. Der Elektromagnet ll zieht infolge
dessen den Anker a an, welcher sodann
durch den seiner eigenen Schwere über¬
lassenen Anker ai eines zweiten Elektro¬
magneten R\ in seiner angezogenen Stel¬
lung dadurch verriegelt wird, dafs der am
Ende von «i angeordnete Sperrhaken s
über einen Zahn ^ des Ankers a hinüber¬
greift. Hierdurch wird aber die Orts¬
batterie b in Thätigkeit versetzt; denn der
Anker a zieht den mit seinem oberen
Ende verbunde¬
nen Gelenkstab T. ^
g unter Ueber- -
Windung der Fe¬
derkraft bei f
nach links; der
Ansatz k dieses
Gelenkstabes
drückt hierdurch
die bei F be- Abb. 2.
festigte Feder fi
gegen den Contact Z), schliefst so den — ge¬
strichelt angedeuteten — Ortsstrom und setzt
hierdurch das Läutewerk L in Thätigkeit, welches Abb. 1.
natürlich andauernd und so lange ertönt, bis
der Anker a wieder zum Abfall gebracht wird. Letzteres ge¬
schieht, wenn der Zug den zweiten Taster Ti niederdrückt und
hierdurch die Batterie B bei den Contacten Ci schliefst (siehe die
strichpunktirt gezeichnete Leitung). Infolge dessen zieht der Elektro¬
magnet Ri den Anker ai an. a wird hierdurch freigegeben und als¬
bald durch die Feder f wieder abgezogen. Die Feder fv folgt sofort
nach rechts nach, wodurch der Ortsstrom wieder unterbrochen und
das Läutewerk aufser Thätigkeit gesetzt wird.
Es ist versucht worden, die Läutewerke sowohl mit Ruhe- als auch
mit Arbeitsstrom zu betreiben. Im ersteren Falle ist der Vortheil
geboten, dafs ein Versagen leichter bemerkt wird, während im an¬
deren Fall die ersten Anlagekosten und die Kosten der Unterhaltung
vermindert werden. Das Endergebnifs der Versuche war, dafs die
letztere Art des Betriebes für ebenso verläfslich erachtet wurde, wie
die erstere. Die Kosten der jährlichen Unterhaltung eines Läute¬
werkes werden zu 75 Mark angegeben. Dabei wird gesagt, dafs
solche Signale bis zu einem Jahr und darüber andauernd in Thätig¬
keit gewesen sind, ehe Ausbesserungen erforderlich wurden, und dies
auf einer Linie mit einem Verkehr von mehr als 100 täglichen Zügen.
Km.
Die Gesetzesvorlage hetrelfeiid den Bau der Central-London-
Bahii, einer mit elektrischem Betriebe — ähnlich der demnächst zu
eröfinenden City von London- und Southwark-Bahn (vgl. S. 269 des
vor. Jahrg. d. Bl.) — geplanten Anlage ist soeben im englischen
Oberhause abgelehnt worden, nachdem sich das Unterhaus mit der
Herstellung der Bahn einverstanden erklärt hatte. Die Vorlage hat
hierdurch dasselbe Schicksal erlitten, wie eine ihre Vorgängerinnen,
welche die Ausführung der sog. London-Central-Bahnen zum Ziele hatte.
Der Zweck der beiden nacheinander abgelehnten Bahnentwürfe ging
dahin, der stetig zunehmenden Ueberfüllung und Verstopfung der
Verkehrsstrafsen in der Londoner Innenstadt wirksam abzuhelfen
(vgl. die Mittheilungen auf Seite 199 d. J. über den Umfang des
Strafsenverkehrs in London). Ueber den älteren Entwurf der London-
Central-Bahnen sind auf S. 38 des vorigen Jahrganges nähere Mit¬
theilungen enthalten. Die neuere Central-London-Bahn sollte in
westöstlicher Richtung von Bayswater unweit Paddington in der
Richtung der Hauptverkehrsstrafsen desWestends in zwei getrennten
Röhren nach der City geführt und hier an der König Wilhelm-
Strafse mit der City von London- und Southwark-Bahn vereinigt
werden. Die technische Leitung sollte in die Hände des Ingenieurs
Greathead, des bekannten Erbauers der letztgenannten Bahn gelegt
werden.
Bücherschau.
Schutzbediivfiiifs der Pferdehahnen iin Strafrechtsgebiete von
Dr. jur. K. Hilse. Berlin 1890. Karl Hevmann. 159 S. in 8°. Preis
3 Jt.
Der verdienstvolle Verfasser so mancher Werke aus dem Ge¬
biete der von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnenden Strafsen-
bahnen hat in dem vorliegenden Buche den Nachweis zu führen
versucht, dafs die Pferdebahnen gleichwie die Eisenbahnen eines
strafrechtlichen Schutzes gegen Beschädigung durch Dritte be¬
dürfen. Nachdem der Verfasser sich einleitend mit der Nothwendig-
keit der Pferdebahnbetriebe für unser heutiges Verkehrsleben be¬
schäftigt, geht er zu der Schilderung des strafrechtlichen Schutzes
über, welchen die Locomotivbahnen bei uns bereits seit ihrer Ent¬
stehung im Jahre 1838 besitzen, um alsdann an der Hand der Ge¬
fahren, welche dem Pferdebahnbetriebe drohen, das Schutzbedürfnifs
dieser Bahnen nachzuweisen. In einem letzten Abschnitt widmet sich
der Verfasser alsdann noch der Widerlegung der Gründe, welche die
Gegner dieses Schutzbedürfnisses für ihre Ansicht geltend machen.
Wer immer durch Beruf oder Neigung sich mit den stets weitere
Ausdehnung gewinnenden Strafsenbahnen zu beschäftigen hat, dem
kann das vorliegende Werk bestens empfohlen werden. Pbg.
Läiulwirtlischaftliche Meliorationen nml Wasserwirthschaft,
Ihre Erfolge im Ausland und in Deutschland und die Organisation
des culturtechnischen Dienstes im Königreich Sachsen. Von
E. Fraissinet, Cultur - Ingenieur. Dresden 1890. G. Schönfeld.
114 Seiten in 8“. Preis 2,40 Mark.
Der Herr Verfasser giebt im ersten Theile der Schrift einen
kurzen LTeberblick über den Stand der Culturtechnik in verschie¬
denen europäischen Staaten, er erörtert vornehmlich die daselbst ge¬
übte Handhabung des culturtechnischen Dienstes. In dieser Hinsicht
stellt er als mustergültig in Deutschland die culturtechnische Ver¬
waltung von Elsafs - Lothringen und Baden, im Auslande diejenige
von Ungarn dar. Seine Ausführungen gipfeln nach dem Ausspruch
des Prof. Frauenholz in München: „Ueberall, wo grofses im Melio¬
rationswesen geleistet wurde, ging die Initiative hierzu vom Staate
aus“ darin, dafs bedeutende Erfolge in der Culturtechnik nicht durch
die Selbsthülfe der Betheiligten allein, sondern vornehmlich durch
die stete Fürsorge und ausgiebige Unterstützung seitens der Staats¬
regierungen zu erwarten seien. Hieran anschliefsend werden im
zweiten, gröfsereu Theile des Werkes die besonderen Verhältnisse
des Königreichs Sachsen besprochen, die geringen Fortschritte des
Meliorationswesens daselbst dargelegt, und Vorschläge für die Hand¬
habung des culturtechnischen Dienstes, die Ausbildung von Cultur-
technikern und deren Hülfskräften erörtert. Das Buch ist sonach
vorwiegend für die Bewohner des Königj'eichs Sachsen bestimmt; es
hat aber allgemeinen Werth dadurch, dafs es die wirthschaftliche
Bedeutung der Culturtechnik Laien und Technikern lebhaft vor
Augen führt. Gerhardt.
Verlag von Ernst&Korn CVilbelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des niclitamtliclien Tlieiles verantwortlicb : Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
373
CentraMatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 6. September 1890. Nr. 36.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. WilhelmstraCse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn, in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches; Personal - Nachrichten — Nichtamtliches: Versammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine (Fortsetzung ) — Unter-
bringnng der Versorgungsnetze im grofsstädtischen Strafsenbau (Fortsetzung). —
Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzeit (Fortsetzung). — Judsons Treib¬
welle. — Vermischtes: Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I in Berlin. — Neue
Patente.
Amtliche IM
Preufseu.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Bau¬
rath Heyl, bisher Vorsteher der zu dem Königl. Eisenbahn-Betriebs-
Amt Cassel (Main-Weser-Bahn) gehörigen Eisenbahn -Bauinspection
in Frankfurt a. M., bei dem Uebertritt in den Ruhestand, und dem
Dom-Baumeister Professor Dr. Beyer in Ulm den Königlichen
Kronen-Orden III. Klasse zu verleihen.
Die Königlichen Regierungs - Baumeister Coqui in Prenzlau,
Plachetka in Rastenburg, Jende in Carthaus und Maas in Gels
sind als Königliche Kreis-Bauinspectoren daselbst angestellt worden.
Versetzt sind: der Königliche Wasser-Bauinspector Wiesel von
Zehdenick nach Cassel und der bisher bei den Rheinstrom -Regu-
lirungsbauten beschäftigte Königliche Wasser -Bauinspector Hugo
Schmidt in Oberwesel in die Wasser-Bauinspector-Stelle in Zehdenick,
sowie ferner der Eisenbahn -Maschineninspector Hirsch, bisher in
ittheilungen.
Saarbrücken, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisen¬
bahn-Betriebs- Amt in Erfurt und der Eisenbahn -Bau und Betriebs -
inspector Stimm, bisher in Walsrode, unter Belassung in der bis¬
herigen Beschäftigung beim Bahnbau Hannover -Visselhövede nach
Hannover.
Der ehemalige Director der Unterelbeschen Eisenbahn -Gesell¬
schaft V. Finckh bei dem Königlichen Eisenbahn -Betriebs -Amte in
Cottbus ist unter Ernennung zum Eisenbahn - Bau- und Betriebs¬
inspector in den unmittelbaren Staatsdienst übernommen worden.
Der Königliche Regierungs - Baumeister Willert in Saarbrücken
ist zum Eisenbahn -Bauinspector unter Verleihung der Stelle eines
solchen bei der Hauptwerkstätte daselbst ernannt worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Oskar
Queisser in Lübeck und Raphael Schwöers in Essen ist die
nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
IX. Wanderversammlung des Yerbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Yereine
in Hamburg vom 24. — 28. August 1890.
(Fortsetzung.)
Bereits am frühen Morgen herrschte am Montag den 24. reges
Leben im Empfangsbureau, welches seinen Sitz vom Patriotischen
Gebäude nach Ludwigs Gesellschaftshause in St. Pauli verlegt hatte,
woselbst die Versammlung stattfinden sollte. Die Herren des Orts¬
ausschusses, voran Herr Himmelheber, hatten alle Hände voll zu
thun, um die gewünschten Theilnehmerkarten auszuhändigen und den
zahllos an sie gerichteten Fragen gerecht zu werden. Gegen 9 Uhr
war der grofse Saal, an dessen Hinterwand sich über der Musikbühne
die Büste des Kaisers zwischen Lorbeerbäumen erhob, etwa zu zwei
Dritteln gefüllt, ebenso waren die an den Längswänden entlang ge¬
führten Emporen dicht besetzt. Am Vorstandstische, welcher auf
der Musikbühne errichtet war und zu dessen Seite zwei Rednerpulte
aufgestellt waren, hatten sich inzwischen die Herren A. Wiebe,
L. Hagen, Fr. Schwechten, F. Andreas Meyer vom Verbands-
vorstande und der Verbandsschriftführer Herr Pinkenburg, sowie
die Herren Kümmel und Bargum als Vorstands -Mitglieder des
Hamburgischen Architekten- und Ingenieur -Vereines eingefunden.
Ebenso war der Herr Senator Lehmann, Vorsitzender der Bau-
deputation Hamburgs, als Vertreter des Senats zur Bewillkommnung
der Versammlung erschienen.
Um 91/4 Uhr eröffnete der Vorsitzende des Verbandes, Herr
Wiebe, die erste allgemeine Versammlung und begrüfste die An¬
wesenden unter dem Ausdrucke des Dankes an den Hamburger
Architekten- und Ingenieur- Verein für seine Verdienste um den Ver¬
band im allgemeinen, insbesondere aber dafür, dafs er diesen nach
der weltberühmten, herrlichen Stadt Hamburg geführt habe, welche
nicht allein der Tagung in ihrem wissenschaftlichen und künstlerischen
Theile eine besondere Weihe verleihe, sondern auch so eigenartige
Genüsse in Aussicht stelle, wie keine andere Stadt Deutschlands sie
zu bieten vermöge. Der Weltstellung Hamburgs habe das deutsche
Baufach nicht zum mindesten seine eigene Weltstellung zu danken,
es sei international und erhaben über alle politischen Strömungen
der Zeit. Je inniger und unmittelbarer aber die Beziehungen dieses
Faches zum Wohlbefinden des Einzelnen und der Familie, zur ge¬
deihlichen Entwicklung der politischen Gemeinschaften und der
Staaten seien, um so mehr sei das, was es thue und leiste, der ölfent-
lichen Beurtheilung ausgesetzt, um so geringer im grofsen und ganzen
das Verständnifs für seine Bestrebungen und die Dankbarkeit für
seine Dienste. Selten vergegenwärtige man sich während des Ge¬
nusses der Schönheit oder Zweckmäfsigkeit einer baulichen Anlage
den Namen des geistigen Urhebers derselben, noch gedenke mau der
Fülle der Arbeit, der Schaffenskraft, der persönlichen Aufopferung
und der Verantwortlichkeit, welche aufgewendet werden mufsten, um
das hervorzubringen,' was man als selbstverständlich hinzunehmen
gewohnt sei. Während oft genug die Lorbeeren, welche die Ver¬
treter des Baufachs errungen, von unberufenen Händen gepflückt
würden, sei man nur zu sehr geneigt, für bemerkbar gewordene
Unvollkommenheiten den Architekten oder Ingenieur verantwort¬
lich zu machen, ohne zu erwägen, in welchem Mafse deren Thätig-
keit von äufseren, aufserhalb ihres Einflusses liegenden Umständen
abhängig sei. Diese immerhin bitteren Erfahrungen hätten zum
engen Zusammenschlufs des Verbandes nicht wenig beigetragen, ihre
Gemeinsamkeit schliefse die mehrfach versuchte Theilung der Einzel¬
vereine und des Verbandes nach den verschiedenen Fachrichtungen
auch für die Zukunft aus. Allerdings sei das hier vertretene Gebiet
ein grofses, stets noch im weiteren Fortschreiten begriffen, und be¬
stimmte Zweiggebiete hätten sich als besondere Fächer den Haupt¬
fächern angegliedert; aber der Einzelne dürfe den Blick für das
Ganze und Grofse nicht verlieren. Denn die Grundlagen, auf welchen
fufsend man in den verschiedenen Gebieten arbeite, seien gemein¬
same und für alle Zukunft unerschütterlich. Die „Baukunst“ sei der
Stamm, welcher seinen Zweigen die Nahrung zuführe. Wie er vor
tausenden von Jahren geblüht habe, wie er heut so schön und reich
blühe wie jemals, so werde und müsse er blühen, solange vernünf¬
tige Wesen die Erde bewohnen und der Begriff der Schönheit und
Zweckmäfsigkeit nicht verloren gehe. Den Vertretern der Baukunst
im neu geeinigten deutschen Vaterlande aber möge stets das Wort
des Dichters gegenwärtig bleiben :
Nur aus der Kräfte schön vereintem Streben
Erhebt sich wirksam erst das wahre Leben.
In diesem Gedanken habe man für die bevorstehenden Arbeiten
eine Trennung nach den verschiedenen Fachrichtungen nicht ein-
374
Centralblatt der Bauverwaltung.
treten lassen, auch werde man der Genüsse, welche gastfrei dar¬
geboten würden, sich gemeinsam erfreuen. Neben der ernsten Arbeit
sei ein gegenseitiger Gedankenaustausch, die Erneuerung oder An¬
knüpfung freundschaftlicher Beziehungen unter den Fachgenossen,
ein heiterer geselliger Verkehr, auch mit den Damen des Baufachs,
das Ziel des Hamburger Vei-bandstages.
Nachdem Herr Vvüebe geendet, ertheilte er Herrn Senator Leh¬
mann das Wort, welcher in längerer Ansprache die Versammlung
im Namen des Senates begrüfste. Es folgte die Berichterstattung
über die Verhandlungen der XIX. Abgeordneten-Versammlung durch
den Schriftführer des Verbandes, Herrn Pinkenburg. Nach Er¬
ledigung dieser geschäftlichen Angelegenheiten erhielt niunnehr Herr
F. Andreas Meyer das AVort zu seinem einleitenden Vortrage
-Ueber Hamburg“, in welchem er in andei-thalbstündiger Rede
ein fesselndes Bild von der Entwicklung Hamburgs gab und hieran
vergleichende Betrachtungen zwischen dieser Stadt und Berlin und
Paris knüpfte.*) An diesen Vortrag schlofs sich derjenige des Herrn
Dr. Hobrecht: Die modernen Aufgaben des grofsstädtischen
Strafsenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der
Versorgungsnetze, mit dessen Wiedergabe im Wortlaute wir in
der vorigen Nummer (S. 353) bereits begonnen haben. Beide Redner
lohnte reicher Beifall. Damit war der geschäftliche Theil des ersten
Sitzungstages erledigt, und die Versaimnelten vertheilten sich in den
weiten Räumen, theils um das Frühstück einzunehmen, theils um die
in den Nebensälen und auf den Emporen untergebrachte, sehr reich¬
haltige Sammlung technischer Entwürfe zu besichtigen. Indessen
viel Mufse war dem Einzelnen nicht gegönnt. Bereits um l'A Uhr
nachmittags erfolgte die Einschiffung an den St. Pauli -Landungs¬
brücken zur Besichtigung der neuen Zollanschlufsbauten,
welche ja im allgemeinen nach Anlage und Bedeutung für die
politische wie technische AVelt als bekannt vorausgesetzt werden
dürfen. In fünf grofsen, reich beflaggten Dampfern geschah die
Abfahrt, und hohe Anerkennung verdient die Kunst und Geschick¬
lichkeit der Ordner, welche es verstanden, die einzelnen Gruppen bei
den nun folgenden Besichtigungen der Speicherbauten, der Kai- und
Hafenanlagen, des grofsen Krahnes, der neuen Elbbrücke usw.
so zu leiten, dafs sie sich nicht kreuzten, zumal der Abstand, in
welchem sich die Dampfer folgten, nur eine A^iertelstunde betrug.
Gegen fünf Uhr war die Besichtigung allseitig beendet, und hinab
ging es nach Blankenese, vorbei an jenen reizvollen Elbufern,
welche stets aufs neue das Entzücken des Beschauers bilden. Gegen
sechs Uhr war die Landungsbrücke erreicht. Die Absicht, die ganze
Gesellschaft im Fährhause bei Sagebiel speisen zu lassen, hatte mit
Rücksicht auf die grofse Zahl der Betheiligten aufgegeben werden
müssen. So war denn bereits eine Anzahl im Parkhause, kurz ober¬
halb gelandet, um in diesem neuen und ansehnlichen Etablissement
erquickt zu werden. Ein weiterer Theil mufste zunächst den Süll¬
berg, den höchsten Punkt der Umgebung, ersteigen, wurde dafür
aber durch eine wundervolle Aussicht auf die Elbe und auf Blanke¬
nese entschädigt. Wie immer rechtfertigte Sagebiel auch diesmal
den Ruf einer vorzüglichen Küche und vortrefflieher Weine, sodafs
die Stimmung alsbald eine froh erregte wurde. Zu früh für
manchen schlug daher um 8V-2 Uhr die Stunde des Aufbruchs und
der Rückfahrt. Die Dampfer hatten inzwischen ein neues Fest¬
gewand in Form zahlloser bunter Lämpchen angelegt und boten
den von den Anhöhen Herabsteigenden einen farbenprächtigen
Anblick. Sobald die Einschiffung beendet war und die Rückfahrt be¬
gonnen hatte, gaben Raketenschüsse das Zeichen zu neuen Ueber-
raschungen. Denn in dem Mafse, wie die Dampfer vorwärts steuerten,
flammten die Anhöhen und die Landhäuser der Uferbesitzer in ben¬
galischem Lichte auf, und Leuchtkugeln und Raketen stiegen in den
Abendhimmel empor. Das Entzücken über diesen prächtigen An¬
blick war denn auch allgemein, und die Erinnerung an diese Elb¬
rückfahrt dürfte noch lange in aller Gedächtnifs bleiben.
Am Dienstag Morgen eröffnete Herr K. E. 0. Fritsch die Reihe
der Vortragenden. Er hatte seinem Vortrage die Ueberschrift ,. Stil¬
betrachtungen“ gegeben: wir haben denselben im Auszuge auf
S. 365 der vorigen Nummer gebracht. Diesem Redner folgte Herr
Marine-Ingenieur Busley aus Kiel als Gast des A^erbandes. Derselbe
sprach über die neueren Schnelldampfer der Handels- und
Kriegsmarine nebst deren Motoren und verstand es die zahl¬
reiche Versammlung in überaus gewandter Rede zu fesseln. An
seinen Vortrag, der im Hinblick auf die für Mittwoch in Aussicht
stehende Seefahrt mit der „Columbia“ um so zeitgemäfser war, schlofs
sich nach kurzer Pause derjenige des Herrn Hubert Stier über die
Ergebnisse des architektonischen Wettbewerbs in den
verflossenen 22 Jahren. Am Nachmittag fanden Besichtigungen
*) Die in den Sitzungen der Wanderversammlung gehaltenen
Vorträge werden an anderer Stelle dieses Blattes besonders ver¬
öffentlicht.
in der Stadt in fünf Gruppen statt, und zwar für Architekten
und Ingenieure getrennt. Sämtliche Gruppen wurden so geführt,
dafs sie gegen 8 Uhr am Alsterglacis eintrafen, woselbst die Ein¬
schiffung für die anschliefsende Älsterfahrt vor sich ging. In fünf
grofsen Schleppzügen, deren einzelne Schuten mit farbigen Lampen
behängt waren, wurde die Fahrt angetreteu. Der Zug bewegte sich
längs der Gestade hinüber zum Uhlenhorster Fährhause, dann an der
Uhlenhorst entlang, vorbei an dem Kaiserbrunnen nach Alsterlust.
Wir sind im Zweifel, ob diejenigen, welche die Fahi-t mitmachten,
oder die, welche von letzterem Punkte aus das farbenprächtige
Schauspiel der langsam über das AVasser dahingleitenden Fahrzeuge
genossen, das bessere Theil erwählt hatten. Mit der Abbrennung
eines Wasserfeuerwerks schlofs dieser zweite Tag. Jeder fühlte das
Bedürfnifs, frühzeitig heimzukehren, da das AA^etter nicht sehr ein¬
ladend war, überdies die in Aussicht stehende Nordseefahrt aller
Gedanken bereits voll in Anspruch nahm.
Früh am Mittwoch Morgen herrschte reges Leben an den
St. Pauli - Landungsbrücken. Zu Fufs und zu Wagen, aus allen
Himmelsrichtungen kamen erwartungsvoll die Scharen der Seefahrt¬
lustigen. Da die Zahl der Mitfahrenden weit über tausend betrug,
hatte in den letzten Tagen noch ein zweites grofses Schiff der
Paketfahrt - Gesellschaft, die „Moravia“, in Dienst gestellt werden
müssen. Während die Fahrgäste der „Columbia“ um VsS Uhr durch
die Elbdampfer „Blankenese“ und „Delphin“ an Bord des bei Bruns¬
hausen ankernden Seeschiffes befördert wurden, kamen die für die
„Moravia“ Bestimmten um 8 Uhr zur Einschiffung auf der „Freia“, dem
bekannten und auf das schönste ausgestatteten Helgoland -Dampfer
der Gesellschaft. Das AA^etter war verhältnifsmäfsig günstig und die
Fahrt bis Brunshausen bald zurückgelegt. Gegen 11 Uhr kam die
stolze Columbia in Sicht und wuchs mit jeder Minute, bis sie bald
riesengrofs, in majestätischer Ruhe vor den Augen der erstaunten
Binnenländer lag. Es erfolgte die Ueberschifl’ung. Ein von der Ge¬
sellschaft dargebotenes, ausgezeichnetes Frühstück wurde einge¬
nommen, und hieran schlofs sich eine eingehende Besichtigung des
Riesenschiffes. AA'^ir nehmen Abstand näher auf seine Einrichtung
und Construction einzugehen, da hierfür der uns zur A’^erfügung
stehende Raum nicht ausreicht. Der Eindruck war ein überwäl¬
tigender und wird für alle Theilnehmer ein unauslöschlicher bleiben.
Inzwischen hatte sich das Schiff in Bewegung gesetzt und langsam
seine Fahrt begonnen, die mit zunehmender AA’^assertiefe und Breite
immer schneller wurde. Bald war Cuxhafen erreicht, es folgte die
Insel Neuwerk mit den weithin sichtbaren Schiffahrtszeichen, dann
die Elbfeuerschiffe, mit deren letztem die Nordsee erreicht war. Das
AVasser wurde immer grüner, der AA'’ind heftiger und die AA'’ogeu
höher. Scharf durchschnitt der Kiel die AA'^ellen und die Sturzseen
liefsen manchen, der sich zu weit nach vorn gewagt, unliebsame
Bekanntschaft mit der salzigen Meerfluth machen. Zwischendurch
gab es einige heftige Regenböen, denen indessen bald wieder blauer
Himmel und Sonnenschein folgten. Kurzum, das AV etter war derart,
als ob es eigens durch den allzeit findigen Ortsausschufs so bestellt
gewesen wäre, um den „Landratten“ einen vollgültigen Begriff von
der Gröfse und Majestät der Nordsee zu geben. Und nun erschien
fern am Horizonte zunächst nur dem bewaffneten, dann auch dem
unbewaffneten Auge sichtbar ein dunkler Punkt. Einer zeigt ihn
dem andern, und der Name Helgoland tönt von aller Munde. Da
liegt es vor uns, das wiedergewonnene deutsche Land, und ver-
gröfsert sich zusehends, sodafs man bald Einzelheiten auf dem roth-
leuchtenden Felsen deutlich erkennen kann. Ein Commandowort, eine
scharfe Bewegung des drehenden Schiffes, heftige Schwankungen,
hochaufspritzender Gischt, und die Heimfahrt ist bereits angetreten.
Mancher nicht ganz seefesten Reisegefährtin, die sich bis dahin
tapfer gehalten, wurde dieses AA^enden des Schiffes verhängnifsvoll ;
nicht wenige mufsten von sorgender Hand hinabgeführt werden, um
in stiller Cabine über die Tücke des jMeeres beschaulich nachzu¬
denken. Im ganzen aber hielt auch das schwächere Geschlecht
tapfer aus.
Ein neues Bild! Die Moravia nahte und mit ihr die Freia,
welche ihre Fahrt nach Helgoland fortsetzte. Ein hundert-
stimmiges Hurrah erscholl, und dann steuerten beide grofsen Schifife
nach Cuxhafen zurück, welches gegen 6 Uhr nachmittags erreicht
war, und wo die Theilnehmer ein von der Paketfahrt -Gesellschaft
freundlichst angebotenes vorzügliches Mittagsmahl erwartete. Bei
Tafel ergriff der A^orsitzende des Aufsichtsrathes der Gesellschaft,
Herr AA^oldemar Nissen, das AA^ort, um das begeistert aufgenommeue
Hoch auf Se. Majestät den Kaiser auszubriugen. In schwungvollen
AVorten feierte alsdann Herr Ebermayer die Paketfahrt-Gesellschaft,
ihren Aufsichtsrath und ihre Direction. Das AA^ohl der Damen
brachte ein Mitglied des Aufsichtsrathes, Herr Mestern, aus. Herr
Mirus gedachte des verdienstvollen Capitäns der Columbia, Herrn
Vogelgesang, welcher seinerseits mit einem Hoch auf seine Direction
erwiderte. Endlich tranken noch Herr Director Bailien auf das
Xr. 36.
Centralblatt der Bauverwaltung.
375
Blühen und Gedeihen der Technik und Herr F. Andreas Meyer auf
die Wohlfahrt AJldeutschlands. Gegen 8 Uhr wurde dann in drei
endlosen Sonderzügen die Rückfahrt nach Hamburg angetreten,
welches gegen 10 Uhr bei strömendem Regen erreicht wurde. Die
Gastfreiheit der Gesellschaft aber, der der überaus genufsreiche Tag
zu danken, dürfte ohne Gleichen dastehen, und es gebührt ihr der
wärmste Dank nicht nur der einzelnen an der Fahrt Betheiligten,
sondern auch des gesamten Verbandes. (Schlufs folgt.)
Die modernen Aufgaben des grofsstädtischen Strafsenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.
Von Stadtbaurath Dr. J. Hobrecht in Berlin.
(Fortsetzung).
M. H. Fasse ich nun das Vorgesagte zusammen, so ist es m. E.
nicht angängig, grundsätzlich Subways, so empfehlenswerth sie
unter besonderen Umständen und namentlich bei Neuanlage ein¬
zelner Strafsen sein mögen, als das Mittel anzusehen, wodurch
das Einlegen der Versorgungsnetze in die Strafsendämme und
Bürgersteige, und damit weiter das häufige Auf brechen des Pflasters
vermieden werden könnte; Gasröhren in die Subways zu legen ist,
man sage was man. wolle, nicht als vollständig gefahrlos zu be¬
zeichnen; die Canalisation wird nur unter seltenen Umständen mit
den Subways verbunden werden können, in den meisten Fällen
nicht, da ein Anschwellen des Wassers in den Canälen bis zum
Scheitel, ja, bis zur Strafsenhöhe, sodafs also die Canäle unter Druck
stehen, als möglich und unter Umständen als unvermeidlich zuzugeben
ist. Canäle, bei welchen derartiges nicht Vorkommen kann, würden
meist unrationell grofs gemacht werden müssen, und oft würde dann
für sie allein die Strafsendammbreite nicht ausreichen; es ist kaum
möglich, Subways so grofs anzulegen, dafs sie den zukünftigen, mög^
liehen Ansprüchen genügen, namentlich dann nicht, wenn wirklich
genügend Platz rund um ein jedes Rohr verbleibt, um es auswechseln
zu können, um die Muffenverbindungen , den Anstrich, die Seiten¬
anschlüsse usw. bequem ausführen zu können; man denke nur an
den Raum; den die unentbehrlichen Schieber -in den grofsen Leitungen
verlangen müssen. Die Kosten sind zweifelsohne gewaltige, denn,
wie die ausgehängten Zeichnungen*) lehren, ist fast das ganze Strafsen-
areal einer Stadt gewissermafsen mit einem Untergeschofs zu bebauen,
stark genug, um jede Verkehrsbelastung tragen zu können.
Ob es vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege aus,
namentlich bei Epidemieen, als zulässig erachtet werden kann, das
Innere aller Häuser einer Stadt und dessen Luft gewissermafsen durch
ein gemeinsames Kellergeschofs in Verbindung zu setzen, lasse ich da¬
hingestellt; ich möchte eine solche Gefahr nicht unbedingtableugnen.
Dafs endlich in vielen Städten — London kennt freilich derartiges
kaum — der hohe Grundwasserstand und der Rückstau hoher Flufs-
wasserstände dem Bau ausreichend grofser und damit tiefer Subways
aufs er ordentlich grofse Schwierigkeiten bereiten würde, ist leicht
einzusehen. Gelingt es auch, diese Schwierigkeiten technisch zu über¬
winden, namentlich wenn keine Kosten gespart werden, so werden
die Subways, soweit sie im Grundwasser stehen, doch immer feucht
und dumpfig sein. Das Eisen der Leitungen wird dann wiederum vor¬
zugsweise gern rosten; nicht befestigter Boden der Subways zur Auf¬
nahme von Röhren ist natürlich ganz ausgeschlossen und, wie gesagt,
in gleicher Weise die Hineinlegung der Canalisation in die Subways.
Ich bin der Ansicht,
1. dafs die Anlage von Kohlenkellern oder ähnlichen Bauten
unter den Bürgersteigen, wie in London, eine Ungehörigkeit ist,
2. dafs der Bürgersteig zunächst der eigentlich richtige Platz
zur Unterbringung der Versorgungsnetze ist und bleibt,
3. dafs es sich deshalb grundsätzlich empfiehlt, dort die Ver¬
sorgungsnetze, und zwar in das Erdreich, einzubetten,
4. dafs definitives Pflaster unter keinen Umständen früher ausge¬
führt werden sollte, bevor nicht die Versorgungsleitungen, und nament¬
lich die Canalisation, sich dort an ihrer richtigen Stelle befinden.
Es ist eine Frage, die sich aufdrängt und auch als unberechtigt
nicht von der Hand gewiesen werden kann, ob es richtig ist, die
Strafsendämme in ihrer ganzen Breite mit definitivem Pflaster zu
versehen. Ist schon sicher die Hoffnung, die sich in der Bezeichnung
, definitiv“ ausspricht, eine unrichtige — was in der Welt hätte über¬
haupt, und was nun gar in grofsstädtischen . Anlagen einen dauernden
Bestand? — , so bedarf es wirklich nur einiger Erfahrung, um mit
Bestimmtheit vorauszusehen, dafs nach längerer oder kürzerer Frist
die Ansprüche der Versorgungsnetze an diesem Definitivum wieder
rütteln werden.
Man könnte nun meinen, dafs es richtig sein möchte, das defini¬
tive Pflaster, wenn auch nicht ganz aufzugeben, so doch auf den mitt¬
leren Theil der Strafsendämme zu beschränken, sodafs zu beiden
Seiten des Dammes ein nicht definitiv befestigter Streifen verbliebe,
der, als Reserve für die Versorgungsnetze, leichter aufgebrochen und
leichter wiederhergestellt werden könnte. Bei näherer Erwägung
*) Die Zeichnungen folgen in der nächsten Nummer d. Bh
wird aber auch dieser Gedanke aufgegeben werden müssen. Liefse
er sich allenfalls bei Steinpflaster zur Ausführung bringen, so ist er
doch ganz undurchführbar bei Asphalt, und diesem gehört mehr
und mehr die Zukunft: Hunderten von Petitionen um Asphaltirung
einer Strafse steht noch nicht eine einzige um Herstellung eines
definitiven Steinpflasters gegenüber. Der wesentlichste Vortheil des
Asphalts ist, wie bekannt, die Geräuschlosigkeit; auf diesen Vortheil
müfste aber nicht allein Verzicht geleistet werden, wenn Seitenstreifen
des Dammes mit Stein gepflastert werden, nein — es würde ein für
die Gehörnerven geradezu unerträglicher Zustand geschaffen werden;
viel leichter ist es, ein gleichmäfsiges Rollen der Wagen über Stein¬
pflaster zu hören, als den steten Wechsel von Stein auf Asphalt
und umgekehrt. Wir mögen uns damit trösten, dafs aufser der
Strafsenbefestigung auf sehr vielen anderen Gebieten — ich nenne
nur die Eisenbahnen — das Definitivum sich entsetzlich schnell
wieder als ein Provisorium entpuppt, aber ändern können wir diesen
Zustand nicht.
Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dafs es eine auch erfüll¬
bare Aufgabe ist, die Bürgersteig-Befestigung so einzurichten, dafs sie
für Luft, Gas und Wasser eine nicht undurchdringliche Decke bildet;
Undichtigkeiten der Leitungen müssen sich erkennbar machen können;
dem aus den Röhren entweichenden Gas und Wasser darf nicht als
einziger Weg der in die Gebäude belassen werden, in denen sie un¬
absehbaren Schaden anrichten können.
M. H. Wenn nun aber in der Erbauung von Subways nur ausnahms¬
weise ein Mittel erblickt werden kann, den vorhandenen und stetig
wachsenden Uebelständen der Strafsenaufbrüche zu begegnen, wenn
ferner die Aufnahme der Leitungen in die Bürgersteige ihre Grenze
hat, so müssen wir versuchen, in einer anderen, wenn auch weniger
entschiedenen, weniger imponirenden Weise der Sache beizukommen;
auf den Glanz eines kühnen chirurgischen Schnittes müssen wir dann
freilich Verzicht leisten.
Um die grofsen Städte herum, aufserhalb des Weichbildes der¬
selben sehen wir fast ausnahmslos Vorstädte, theils ältere An¬
siedelungen, die ursprünglich weit von der Stadt entfernt waren,
jetzt in ihrer unmittelbaren Nähe dank dem Vordringen der
letzteren liegen, theils neuere, meist aus grofsstädtischer Initiative
entstandene Bildungen. Unter den verschiedenen und zahlreichen
Gründen, denen diese Vorstädte ihr Entstehen oder ihre Entwicklung
verdanken, steht obenan, dafs eine Reihe von Verordnungen, nament¬
lich baupolizeilicher Natur, welche die Grofsstadt treffen, dort kaum
Gültigkeit haben, und dafs gewinnbringender Speculation dort die
Thüren offen stehen. Oft führen sich solche Unternehmungen als
Villen-Colonieen ein, die, je nachdem, entweder dem Begüterten den
Genufs reiner Luft und nervenstärkender Ruhe, oder dem Armen
die Wohlthat einer kleinen billigen Wohnung, auch wohl gar eines
kleinen eigenen Besitzes gegen ratenweise Abzahlung gewährleisten
wollen. Ist aber diese Lockspeise verzehrt, so ändern sich die Ver¬
hältnisse: kann nur irgendwie auf Miether gerechnet werden, so
entstehen auch dort die üblichen mehrstöckigen Casernen, mit Brand¬
mauern aneinandergelehnt, mit den kleinen Höfen und der nichts
weniger als nervenstärkenden Hauspolizei. Dann ist der Weg
höchster Ausnutzung des Grund und Bodens als Baustelle betreten,
und die Speculation gelangt in ihr bestimmtes, wenn auch noch mehr
oder minder günstiges Fahrwasser.
Die Ansprüche an Post, Telegraphie, Telephonie, an Eisenbahnen,
Pferdebahnen usw. für solche Vorstädte wachsen üppig empor;
Entrüstungs -Versammlungen über schlechte Behandlung mit dem
Hinweis darauf, dafs zwar die Einwohnerzahl eine solche Anlage
wohl noch nicht rechtfertige, aber die Anlage eine Einwohnerzahl
schaffen werde, welche dann die Anlage rentabel mache, lösen
sich mit Petitionen dringlichster Art ab. Den lautesten Rednern
winkt der Kranz der Gemeindevertretung.
So entstehen für die Grofsstadt die Uebelstände, dafs sich Vor¬
städte um sie lagern, die, was Richtung, Breite oder Gefälle der
dortigen Strafsenzüge anbetrifft, oft ohne jede Rücksicht auf etwaige
Bedürfnisse der ersteren angelegt sind, und dafs dabei in der Regel
die Gemeindevertretungen in diesen Vorstädten zu nichts weniger
als zu einem billigen Entgegenkommen geneigt sind.;
Erwägt man nun, dafs; es. gerade die vorstädtischen Gebiete sind
376
Centralblatt der Bauverwaltung.
6. September 1890.
welche zumeist Stämme von Versorgungsleitungen aufzunehmen haben,
und dafs bei der Autonomie der Vorstädte jede Anlage einer Leitung
dortselbst eine Ablehnung oder eine Genehmigung unter den erschwer¬
endsten Bedingungen zu erfahren hat, so wird man zugeben müssen,
dafs hier ganz besonders eine Quelle jener Beklemmungen liegt, unter
denen der vorwärts drängende Organismus der grofsen Städte leidet.
Ich habe gesagt, dafs die Vorstädte die Stämme der Leitungs¬
netze mehr und mehr aufzunehmen haben. Lassen Sie mich dies
erläutern. Unter den Leitungen nehmen den ersten Platz die Zu¬
leitungen von Gas und Wasser und die Ableitungen der Abwässer
ein. Die Gasanstalten mit ihren riesigen Fabricationsgebäuden und
zahlreichen Gasbehältern, ihren Kohlenplätzen, ihrer unerläfslichen
Zugänglichkeit von Wasserwegen oder Eisenbahnen finden innerhalb
des Weichbildes räumlich den Platz nicht mehr, um ein erweiterungs¬
fähiges WerU .anlegen zu können; sie müssen hinaus in die Vorstädte.
Von dort aus gehen daun 1 m und über 1 m grofse Leitungen in reich¬
licher Zahl in die Grofsstadt hinein. Aehnlich ist es mit den Wasser¬
werken, bei denen der Gesichtspunkt der Gewinnung reinen Wassers,
wie solches sich wohl nie innerhalb des Weichbildes grofser Städte
findet, zur Hinausleguug der Ceutralstelle nöthigt; auch hier sind es
die im Durchmesser gröfsten Leitungen, welche die Vorstädte kreuzen.
Die Stammleitungen der Canalisation, die „Extension Sewers“,
wie sie die Engländer nennen, nehmen eine umgekehrte Lichtung au,
aber auch sie können vorstädtischem Gebiet, vorstädtischen Strafsen
nicht aus dem Wege gehen, wenn sie, wie üblich und meist noth-
wendig, dem Gefälle des Flusses folgen, der die Grofsstadt durch-
fliefst. Sind es Rieselgüter, welche die Abwässer aufzunehmen haben,
so müssen auch hier die Stämme der Druckrohrleitungen die Vorstädte
auf ihrem Wege nach den dahinter gelegenen Rieselfeldern kreuzen.
Wie oft kommt es dann vor, dafs bei der Wahl der Tracen nicht die
im technischen Sinne rationellsten, sondern solche gewählt werden,
welche sich schliefslich im Kampf mit den Vorstädten und ihren Inter¬
essen als die allein durchführbaren erweisen. Und der daraus ent¬
springende Nachtheil schwillt oft ins ungebührliche an, wenn die
Einmündungspunkte der grofsen Stammleitungen an dem Weichbilde
nicht auf Strafsenzüge treffen, die für ihre Aufnahme geeignet sind.
Ich will die Vorstädte und ihre Verwaltungen nicht einer be¬
sonderen Fiscalität anklagen; diese Eigenschaft ist so verbreitet,
dafs sich keine Verwaltung, nicht die der grofsen Städte, nicht die
anderer Communalverbände, auch nicht diejenige des Staates, davon
freisprechen kann. Genommen wird von andern überall das, was
genommen werden kann, was sich bei der Nothlage des anderen
erreichen läfst. Die Eisenbahnen vor allem haben ihre financielle
Prosperität im Auge und legen sich mit ihren breiten und hohen
Dämmen oder ihren Einschnitten unbekümmert um zahllose Interessen,
namentlich diejenigen des späteren Verkehrs — preufs. Gesetz vom
3. Nov. 1838 — und um diejenigen der Versorgungs- Systeme durch
und um die Grofsstädte.
Alles dieses weist uns darauf hin, dafs hier ein Zustand vorliegt,
der im Interesse der grofsstädtischen Versorgungsnetze einer Abhülfe
bedarf. Und hier helfend einzugreifen ist Sache des Staates, Sache
der Gesetzgebung.
Nicht die Eingemeindung einzelner Vorstädte, die nach jahrelangen
Verhandlungen, in denen die beiderseitigen Ansprüche aus der Ver¬
gangenheit, die für die Gegenwart nur einen verschwindenden, für
die Zukunft gar keinen Werth haben, aufgerechnet werden, zu Stande
kommt, sondern die Schaffung neuer administrativer Verbände, aus¬
gedehnt auf das ganze Gebiet, soweit sich die vitalen Interessen der
Grofsstädte erstrecken, das ist der Weg, der zum Ziele führen kann.
Interessen, die wahrhaft gemeinschaftliche sind, dürfen nicht in ihrer
gegenwärtigen Trennung und getrennten Vertretung erhalten bleiben;
sie dürfen nicht, wie in der Fabel der Magen und die Glieder, sich
gegenseitig bekämpfen und hindern, sondern müssen sich verschmelzen
und fördern. Dazu bedarf es einer Corporation, einer corpo-
rativen Einigung, welche sich, wenn nicht anders, so doch durch
eine Majorität zu einer That reif macht.
Wenn auch nicht in den alten Stadtth eilen mit ihren gegebenen
und ohne gewaltigen Kostenaufwand kaum abänderungsfähigen Ver¬
hältnissen, so kann doch in allen neu anzulegenden Strafsen den
Gemeinden durch Gesetz die Befugnifs verliehen werden, der Stadt¬
entwicklung nur eine solche Bahn zu geben, dafs die Interessen der
Gemeinde, soweit sie die Versorgungsnetze betreffen, gewahrt werden.
Für das Königreich Preufsen ist ein solches Gesetz unter dem
2. Juli 187.5 erlassen. Dasselbe ermöglicht den Gemeinden die An¬
legung und Veränderung von Strafsen und Plätzen nach dem Bedürf¬
nisse der näheren Zukunft durch Aufstellung von Bebauungs-Plänen.
Ist dies geschehen, so tritt damit von selbst die Beschränkung des
Grund-Eigenthümers, über die Fluchtlinien hinaus zu bauen, ein; Orts¬
statute sind zulässig, nach denen örtlich bestimmt werden kann, was
unter einer für den Anbau fertig gestellten Strafse zu verstehen sei, und
nur an solchen Strafsen dürfen Wohngebäude mit Ausgang errichtet
werden; eine Entschädigung kann für eine Beschränkung der Baufrei¬
heit dann nicht gefordert werden; desgleichen können die Kosten der
Neuanlegung einer Sti’afse von den angrenzenden Eigenthümern bei Er¬
richtung neuer Gebäude an dieser Strafse wieder eingezogen werden.
Ich halte mich für verpflichtet, auf dieses Gesetz umsomehr hin¬
zuweisen, als in einzelnen zum deutschen Reich gehörigen Bundes¬
staaten ein gleiches oder ähnliches Gesetz fehlt und auch innerhalb
Preufsens vielfach von diesem Gesetz, damit also von der Befugnifs, die
Herrschaft bei Neuanlage von Strafsen auszuüben, auch im Interesse
der zweckmäfsigen Unterbringung der Versorgungs-Leitungen seitens
der Gemeinden nicht der Gebrauch gemacht wird, den es verdient.
Es bedarf kaum der Erwähnung, dafs in der Aufstellung von
Bebauungsplänen ein Mittel gegeben ist, wenigstens die Nöthe, welche
dort in der Zukunft die Unterbringung der Versorgungsnetze bereiten
kann, zu beseitigen oder zu mildern. Je seltener bei Aufstellung
solcher Pläne an die Versorgungsnetze gedacht worden ist und
meistens noch wird, um so nothwendiger wird dies für die Zukunft
sein. Die Anordnung mächtiger Diagonal- oder Radial-Strafsen, die
für alle Leitungen von innen heraus oder von aufsen herein den
kürzesten Weg bieten, ist dabei vor allem geboten. Für diese können
die Abmessungen kaum grofs genug genommen werden, denn sie bieten
die passende Gelegenheit, um auch die Bauten zur Bewältigung des
grofsstädtischen Verkehrs • — Hochbahnen, Stadtbahnen, Trambahnen
— dort anzulegen.
Je mehr — und namentlich in Grofsstädten — es Gebrauch wird,
die Strafsendämme in definitiver Weise zu befestigen, je mehr zu
Unterlagen der Befestigungsdecken starke Betonschichten verwendet
werden, umsomehr auch wird es Regel werden, die Leitungen in die
Bürgersteige zu verlegen; auch die dadurch bedingte Abkürzung der
Hausanschlufsleitungen drängt darauf hin.
Es ergiebt sich hieraus die Nothwendigkeit, in der Strafsenein-
theilung den Bürgersteigen eine möglichst grofse Breite zu geben,
ja, wenn die Strafsenbreite im ganzen nicht über ein gewisses Mafs
hinaus ausgedehnt werden kann, diese Bürgersteigbreite auf Kosten
der Strafsendammbreite zu ermöglichen. Sichert man sich hierdurch
dort für die Ansprüche der Zukunft einen möglichst geräumigen
Platz, so v^erleiht man auch den Strafsen überhaupt ein gefälligeres
Ansehen. Endlich verdient der Fufsgängerverkehr in Grofsstädten
eine Berücksichtigung, die oft nicht genügend anerkannt wird, während
umgekehrt dem Wagenverkehr Opfer gebracht werden, die er theils
nicht braucht, theils nicht verdient. Auf eines freilich mufs der
Wagenverkehr in der Regel in grofsen Städten verzichten, nämlich
auf schnelles Fahren und, damit in Verbindung, auf Vorbeifahren.
Ein grofser Theil der Wagen, alle Lastwagen, fahren so wie so nur
Schritt; soll nun dem leichteren Personenfuhrwerk die Möglichkeit
gegeben werden, aufser der Reihe sich zu bewegen und vorbeizueilen,
so beansprucht dies eine Verbreiterung des Strafsendammes, deren
Kosten und Schwierigkeiten ganz aufser Verhältnifs zu der dadurch
erreichten Annehmlichkeit stehen. Es ist gewifs sehr schön, dafs in
Grofsstädten dem eleganteren Wagenverkehr, der ohne ein gewisses
Tempo nicht zu denken ist, einzelne luxuriöser gestaltete Wege ofi’en
gehalten und bereitet werden, dafs aber die grofse Menge der Verkehrs-
strafsen hierauf Rücksicht zu nehmen habe, ist unrichtig. Dem Noth-
wendigen mufs das Angenehme nachstehen. Bewegen sich die Fuhrwerke
in gleichmäfsigem Schritt, in gleichmäfsiger langer Reihe, so ist es —
man denke nur an den Strand, an die City-Strafsen in London —
kaum glaublich, welch eine Fülle von Lasten, welch eine Wagenzahl
ordnungsmäfsig und ununterbrochen in Bewegung erhalten wird.
Nicht unerwähnt mag hierbei auch bleiben, dafs für den Fufsgänger¬
verkehr, wenn er zur Benutzung des Strafsendammes genöthigt ist,
nichts so gefährlich wird, als gerade ein breiter Strafsendamm, der
ein ungeordnetes Fahren in verschiedener Geschwindigkeit ermöglicht.
Die Sicherung des Fufsgäugerverkehrs ist es, welcher neben der leich¬
teren Unterbringung der Versorgungsnetze verhältnifsmäfsig schmälere
Fahrdämme und breitere Bürgersteige dienen. (Schlufs folgt.)
Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzeit.
Von Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Mehrtens in Bromberg.
(Fortsetzung.)
IV.
Beim Wettbewerbe mit den Hängebrücken werden die weit¬
gespannten Bogenbrücken überall da nicht bestehen, wo man aus be-
sondern Gründen oder nothgedrungen allein auf den Kostenpunkt
sieht. Wegen ihres geringen Gewichts und ihrer einfachen Auf¬
stellung stellt sich eine Hängebrücke in den meisten Fällen am
Ifr. U.
Oentralblatt der Bauverwaltang.
377
billigsten,’®) und in ihrer äufsern Erscheinung wirken Bogen- und
Hängebrücken in den meisten Fällen wohl ziemlich gleich günstig.
Der Umstand aber, dafs die Bahn einer Hängebrücke stets unten
liegt, ermöglicht ihre Anwendung selbst in Fällen, wo der Bau einer
Bogenbrücke als ausgeschlossen betrachtet werden mufs. Trotz aller
besprochenen Vorzüge, als Billigkeit, angenehme Erscheinung und
ausgedehnte Verwendbarkeit, haben aber die Hängebrücken bislang
neben den Balken- und Bogenbrücken nur in America und Frank¬
reich gröfsere Verbreitung gefunden und dabei dienen sie — wie
bereits erwähnt — mit einer einzigen Ausnahme, nur dem Strafsen-
und nicht dem Eisenbahnverkehre. Diese Thatsache erklärt sich
aus den schwerwiegenden Bedenken, die vieler Orten gegen ihre Bau¬
art (und zum Theil nicht mit Unrecht) geltend gemacht worden sind.
Anderseits ist nicht zu verkennen, dafs in jüngster Zeit im Bau der
Hängebrücken Neuerungen sich angebahnt haben, welche im weiteren
Verlaufe ihrer Entwicklung und Vervollkommnung dieser Brückenart
neben den Balken- und Bogenbrücken eine vortheilhaftere Stellung |
verschaffen könnten.
Die ersten und bedeutsamsten Neuerungen im Hängebrückenbau
sind von America ausgegangen und knüpfen sich in älterer Zeit zu¬
meist an die Namen von Eöbling, Vater und Sohn. Das erste grofs-
artige Werk Johann Eöblings vom Jahre 1855, die Eisenbahn- und
Strafsenbrücke über den Niagara (Zeitschr. f. Bauverw. 1862, S. 373) —
deren hölzerne Fahrbahn und steinerne Stützpfeiler in den Jahren 1879
bezw. 1886 durch eiserne ersetzt wurden — ist eine durch die Balken-
träger der Fahrbahn versteifte Drahtkabelbrücke.^®) Bei den folgenden
bedeutenden Drahtbrücken Eöblings, über den Alleghany in Pittsburgh
und den Ohio bei Cincinnati traten zum ersten Male die in schräger
Kiehtung von den Stützpfeilern ausgehenden graden Hülfsseile (stays)
auf, welche, indem sie die von ihnen gefafsten Punkte der Fahrbahn
am Durchbiegen verhindern, eine ähnliche versteifende Wirkung auf die
entsprechenden Theile der Drahtkabel ausüben, wie die Versteifungs¬
balken. Die letztem aber mit den Hülfsseilen zusammen wirken zu
lassen, wie es Eöbling bei der East-Eiver-Brücke (Centralbl. d. Bauverw.
1883, S. 105 u. 205) gethan hat, erscheint wenig nachahmungswerth,
weil das System der durch einen Balken versteiften Kette, dessen Be¬
rechnung nach dem heutigen Stande der Theorie bequem und sicher
genug aiisgeführt werden kann, durch den' Hinzutritt der Hülfsseile
—• besonders, wenn man deren starke Längenänderungen infolge des
Wechsels in der Luftwärme mit in Anschlag bringt — ein völlig un¬
bestimmtes wird. In Frankreich sind die Hülfsseile neuerdings eben¬
falls in Anwendung gekommen. Dort benutzt man sie aber auch
mit zum Tragen des Eigengewichts der Fahrbahn, während sie bei
der East-Eiver-Brücke nur für das Tragen der Verkehrslast vorge¬
sehen wurden.
Unter allen sonstigen Neuerungen, welche die Werke Eöblings
mit sich brachten, ist die erstmalige Anwendung von Gufs stahl¬
draht bei Herstellung der Kabel der East-Eiver-Brücke als der
wichtigste Fortschritt zu bezeichnen. Während vordem bei allen
Drahtbrücken ausschliefslich beste Schweifseisendrähte mit einer
Zugfestigkeit von etwa 70 kg auf 1 qmm zur V erwendung kamen,
wurden die vier' je 400 mm starken Kabel der East-Eiver-Brücke
aus parallel liegenden 4,3 mm dicken, verzinkten Gufsstahldrähten
gebildet, welche eine Zugfestigkeit von etwa 120 kg auf 1 qmm he-
safsen, also über dreimal so viel als das beste gewalzte Schweifs¬
eisen. Die Herstellung des Gufsstahldrahts hat inzwischen weitere
erhebliche Fortschritte gemacht und man stellt heute keine über-
mäfsige Forderung, wenn man für Brückenbauzwecke einen Gufs-
stahldraht verlangt, welcher (auf das qmm als Einheit bezogen) neben
13—14 Tonnen Zugfestigkeit eine Streckgrenze von 6—7 Tonnen und
eine Dehnung von etwa 4 pCt. besitzt.'* *'?)
Die amerieanischen Neuerungen sind jüngst auch auf fran¬
zösischen Boden verpflanzt und dort in eigenartiger Weise weiter
ausgebildet worden. Die älteren französischen Drahtbrücken haben
ihrer ungenügenden Steifigkeit und anderer Mängel wegen keine
*®) Eine Thatsache, die neuerdings beim Bau der Bogenbrücke
über den. Wildbach Javroz in der Schweiz wiederum bestätigt
worden ist. Bei den Vorarbeiten für diese Brücke wurden 11 ver¬
schiedene Entwürfe mit einander verglichen. Eine Hänge-Brücke
von 114 m Stützweite stellte sich mit 127 000 JC am billigsten ; dann
kam eine 84 m weit gespannte eiserne Balkenbrücke mit eisernen
Pfeilern, veranschlagt auf 168 300 J6. Die zur Ausführung gebrachte
Bogenbrücke kostete 206 000 JC und ein Steinbau mit 15 m weiten
Bögen hätte 277 000 Kosten verursacht.
Die Versteifung der Drahtkabel vollzieht sich bekanntlich
dadurch, dafs die entsprechend stark gebauten Balkenträger eine un-
gleichmäfsig über die Fahrbahn vertheilte Last nahezu gleichmäfsig
auf die Hängestangen übertragen. Infolge dessen können die Kabel
ihre Gleichgewichtslage immer nur unmerklich ändern.
*?) Für besondere Zwecke fertigt man heute sogar einen Gufs-
stahldraht von 20 — 25 Tonnen Festigkeit.
grofse Lebensdauer bewiesen (Centralbl. d. Bauverw. 1881, S. 346).
In der Zeit von 1869 — 81 stürzten fünf derselben ein, und die
mittlere Dauer der übrigen betrug bis zu ihrer Erneuerung durch¬
schnittlich nur etwa 31 Jahre. Diese Zustände und auch der Be¬
richt von Malezieux vom Jahre 1873 über die amerieanischen
Bauten sind Veranlassung gewesen, dafs man in Frankreich im
Bau der Draht - Hängebrücken, zum Theil nach americanischem
Muster und unter besonders thätiger Mitwirkung des französischen
Ingenieurs Arnodin, in Chateau - neuf sur Loire gründliche Ver¬
besserungen einführte. Das sind im wesentlichen Anbringung von
eisernen oder stählernen Fahrbahnen mit versteifenden Trägern oder
stark gebauten eisernen Geländern, Verwendung des Gufsstahldrahts
und der geraden Hülfskabel sowie Einrichtung einer auswechselbaren
Verbindung der Kabel mit den Hängestangen und geeignete Befesti¬
gung und Lagerung derselben über den Stützpfeilern. Anstatt der
älteren Kabel, in welchen alle Drähte parallel lagen, wendet man
gedrehte Kabel (Abb. 9) an, welche aus lauter spiralförmig ineinander
gewundenen Drähten bestehen und bekanntlich bedeutend gröfsere
Biegsamkeit besitzen als die aus geraden Drähten zuzammengelegten
Kabel.*®) Dabei unterscheidet man zwei Sorten, die „Cäbles tordus
simples“, in denen alle Drähte ln einerlei Sinn gewunden sind und die
10. Kabel-
Abb. 9. aufhängung.
Französische Kabel.
„cables tordus alternatifs“, bei denen das Kabel aus abwechselnd in ver¬
schiedenem Sinne gewundenen Drahtschichten besteht.*®) Die letztere
Kabelsörte ist nicht so biegsam, wie die erstgenannte, weil die Eei-
bung zwischen den Drahtschichten von entgegengesetzter Drehung
gröfser ist, als zwischen den im gleichen Sinne gerichteten Drähten.
Deshalb benutzt man sie bis jetzt nur zur Herstellung der geraden
Hülfskabel.
Weil ein sehr starkes Kabel nicht als Spiralkabel hergestellt
werden kann, so verwendet man bei den neuern weitgespannten
französischen Drahtbrücken auch nicht, wie bei den amerieanischen
Brücken, Kabel von grofsem Querschnitte, sondern mehrere dünnere
Seile. Auf jeder Brüokenseite liegen 4—5 solcher Spiralseile neben
einander, wobei sie auf einem wagerechten Stege reiten (Abb. 10) in
der Weise, dafs jedes Seil für sich fortgenommnn und nöthigenfalls
durch ein neues ersetzt werden kann, ohne den Betrieb der Brücke
zu stören. Dafs die Möglichkeit einer derartigen Auswechslung einen
grofsen Vortheil mit sich bringt, liegt auf der Hand.
Die beschriebenen Verbesserungen, welche zum ersten Male im
Jahre 1879 beim Bau der 71 m weit gespannten Hängebrücke von
St. Ilpize über den Allier (Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 171) erprobt
wurden, sind auf den ausgehängten Lichtbildern sowie auch aus den
Abbildungen in der Liste näher zu ersehen. Man erkennt auch deut¬
lich das Fehlen einiger Hängestangen in der Nähe der Stützpfeiler,
eine Anordnung, die gewählt wird, um die Wirkung der schrägen
Hülfskabel bestimmter zu machen.
Die französischen Neuerungen sind beachtenswerther Natur.
Die Drahtkabelbrücken für Strafsenverkehr sind dadurch sowohl in
baulicher Hinsicht als auch, was die von ihnen zu erwartende Un¬
wandelbarkeit anhetrifft, auf eine hohe Stufe der Vollendung ge¬
bracht. Die Bewegungen der Brücken (besonders in senkrechter
Richtung) sollen nach Angabe des Ingenieurs Arnodin so sehr gering
sein, dafs man die Strafsenbahn derselben jetzt sogar aus Asphalt
herstellt. Wo daher an Gemeinden, Kreise oder Provinzen die Noth-
wendigkeit des Baues einer festen Strafsenbrücke herantritt, kann
unter Umständen, namentlich wenn die Kostenfrage im Vordergrund
steht, die Wahl einer dergestalt ausgebildeten Drahtkabel- Hänge¬
brücke als einzig mögliche Lösung vollständig gerechtfertigt er¬
scheinen.
Bereits viel früher ■ — zum ersten Male im Jahre 1862 bei der
von Barlow erbauten 85 m weit gespannten Lambeth-Hängebrücke
*®) Weil ein Theil der Spirale eines und desselben Drahtes beim
Biegen des Kabels verkürzt, während ein anderer, ebenso grofser
Theil verlängert wird derart, dafs eine Ausgleichung zwischen den
aufeinander folgenden Verlängerungen und Verkürzungen eintreten
kann.
*9) Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 171.
378
Centralblatt der Banverwaltung.
6. Septeiiibet 18{)0.
über die Themse in London — hat man versucht, die Drahtkabel-
Brücken auf andere Weise, nämlich durch fachwerkartige Versteifung
der Tragwände zwischen Seil und Fahrbahn, widerstandsfähiger zu
machen (Centralbl. d. Bauverw, 1882, S. 99). Mit einem Drahtkabel
läfst sich aber ein Versteifiingswerk weniger gut verbinden, als mit
einer Kette, obwohl auch die versteiften -Kettenbrücken nur in
wenigen Fällen und auch nur für kleinere Spannweiten in Ausführung
Lichtraum über der Fahrbahn dabei hinderlich ist. Wird ein solcher
Anscldufs aber nicht ausgeführt, so liegen Windverband und Scheitel¬
gelenk nicht in einer Ebene und es ergiebt sich daraus eine
Verdrehungs - Beanspruchung zwischen Gelenk und Fahrbahn, für
welche die daselbst vorzusehenden Verbindungstheile nicht wider¬
standsfähig genug liergerichtet werden können.
Köpke schlägt vor, diesen Uebelstand dadurch zu beseitigen,
j^\IX!^x5<!Xl7l/ !/ bsg
2440
üülllIHL’lsliili
Point-Hängebrücke über den Monongahela in Pittsburgh.
Abb
gekommen sind. Bemerkenswerthe versteifte Kettenbrücken
sind aufser dem ersten Bauwerk dieser Art, der aus dem
Jahre 1860 stammenden, inzwischen wieder abgetragenen
Donau-Canalbrücke in Wien (mit zwei übereinander liegenden
durch Gitterstäbe versteiften Ketten — Centralbl. d. Bauverw.
1884, S. 104) besonders der 1869 vom Oberingenieur Schmick
erbaute, 69 m weit gespannte Kettensteg über den Main
zwischen Frankfurt und Sachsenhausen, der in verschie¬
denen Aufnahmen im Bilde hier ausgehängt ist. Dieser
Steg, bei welchem Ständer und Schrägstreben der Yerstei-
fungswand mit der Kette und dem wagerechten steifen Fahr¬
bahn-Untergurt vernietet sind, zeigte zum ersten Male eine
versteifte Hängebrücke mit einem Scheitelgelenk. -O) Das
System ist aber zum Theil wegen der schon bei Besprechung
der Bogenbrücken beregten Nachtheile eines Scheitelgelenks
bis jetzt verhältnifsmäfsig sehr selten zur Ausführung ge^
kommen. In Deutschland wird es allein durch den Frank¬
furter Kettensteg vertreten und in grofsein Mafsstabe ist
es nur noch ein Mal bei der in den Jahren 1875 — 77 erbauten
Point - Hängebrücke über den Monongahela bei Pittsburgh
wiedergekehrt.
Wie die Abbildungen der Liste (Abb, 11) vei’anschaulichen, stellt
sich das System der Point-Brücke als ein auf den Kopf gestellter
I)reigelenk-Bogenträger dar. Es besitzt zwei schräg gegeneinander
gestellte, auf den Stützpfeilern
drehbar und verschiebbar ge¬
lagerte und durch das Scheitel¬
gelenk mit einander verbundene
sichelförmige, steifeHän gewerks-
Träger, an denen die Fahr¬
bahn aufgehängt ist. Das
System ist daher statisch be¬
stimmt und die Hängewerks-
Träger besitzen im Vergleich
zu den Bogenträgern den Vor¬
zug, dafs ihre Haupttheile vor¬
wiegend nur auf Zug in Anspruch genommen werden. Wenn der
Untergurt, wie auch Köpke seinerzeit schon, vorgeschlagen hatte,
nach der Stützlinie des Eigengewichts geformt wird, so werden
Obergurt und Wandglieder des Trägers nur durch eine einseitige
Verkehrslast wechselnd auf Zug und Druck beansprucht. Aufserdem
fällt der Schwerpunkt des Gesamt-Tragwerks — wie bei den Hänge¬
brücken überhaupt — günstig unterhalb der Stützpunkte, während
er beim Bogenträger oberhalb derselben liegt. Dagegen bringt
der Dreigelenk -Hängeträger auch Nachtheile mit sich, die beim
Bogenträger gleicher Art wegfallen. Sie beruhen in der Schwierig¬
keit eines vollkommenen Anschlusses des AVindverbandes der Fahr¬
bahn an das Scheitelgelenk, weil der frei zu haltende, A^erkehrs-
Abb. 12. Köpkes versteifte Hängebrücke.
Der erste Vorschlag' zu einer derartigen Bauart — und gleich¬
zeitig auch zur Einschaltung eines Mittelgelenks bei Bogenbrücken
— rührt aus dem Jahre 1860' von Köpke her. Vergl. : Ueber die
Constructionen einer steifen Hängebrücke.- Zeitschr. des Hannover.
Architekten- und Ingenieur-Vereins 1860.
dafs man beide Gurte, im Scheitelgelenk sich berührend, zu¬
sammenführt (Abb. 12), und die dann noch mangelnde Ver¬
steifung des Gelenkes durch Anbringung eines A^ersteifungs-
gurtes herbeizuführen, der über dem Hängegurte nächst den
Scheitelpunkten belegen ist.^i) Ganz neuerdings ^2) befür¬
wortet Köpke auch den Fortfall der BolzenGelenke und Er¬
satz derselben durch eigenartige Feder-Gelenke, welche
derart anzuordnen sind, dafs sie sowohl die Spannung des
Hängegurts übertragen, als auch den durch die Brückenlast
erzeugten Scherkräften, sowie den seitlichen Einwirkungen
des Windes u. dgl. ausreichend widerstehen können (Abb. 13),
Dem Vernehmen nach soll demnächst in Sachsen eine die
Köpkeschen Vorschläge verwirklichende 150 m weitgespannte
Hängebrücke für Strafsenverkehr zur Ausführung kommen. .
Es ist ersichtlich, dafs die Verwendungsfähigkeit einer
Hängebrücke durch Einführung der Köpkeschen A^erbesse-
rungen erhöht werden kann, anderseits ist nicht zu ver¬
kennen, dafs eine derart versteifte Hängebrücke neuester
Art in ihrer Gestalt sich mehr und mehr einer Balkenbrücke
nähert. Dadurch wird ihre Schönheitswirkung beeinträchtigt
und es bleibt ihr eigentlich nur noch ein A^ortheil: das
kleinere Eigengewicht. Dieser Vortheil entspringt hauptsächlich
aus der Anwendung der künstlichen Zugsjoannung in den AViderr
lagspunkten, deren Nothwendigkeit aber eine offenbare Schwäche
jeder Hängebrücke bedeutet,
weil diese dadurch weniger
einfach und weniger unwandel¬
bar und für den Eisenbahn¬
verkehr weniger betriebssicher
ausfällt, als eine Balken¬
brücke. Darum ist es frag¬
lich , ob die Hängebrücken
trotz der namhaften A^erbesse-
rungen, die sie im Laufe der
Zeit erfahren haben, heute
schon ausreichend gerüstet , er¬
scheinen, um mit den Balkenbrücken einen erfolgreicheren AA’^ett-
kampf zu führen, als bisher. Selbst in America, ihrem A^aterlande,
Abb. 13. Köpkes Federgelenke.
haben sie neben den neusten weitgespannten Balkenbrücken nicht
mehr recht auf kommen können. - - (Schlufs folgt.) ^
2') Ueber Hängebrücken mit 3 Gelenken. Zeitschr. d. Hannover;
Vereins 1888, S. 29.
22) Ueber Gelenkbildungen für Brückenträger. Ebendaselbst 1889.
S. 167. ■■ ^ ■■■ ...
ir. 86.
Gentralblatt der Bauverwaltung.
.379
Judsons Treibwelle.
In Washington ist die probeweise Einrichtung eines vom In¬
genieur Judson vorgeschlagenen neuen und eigenartigen Betriebes
zum Fortbewegen von Strafsenbahnwagen in Aussicht genommen,
dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, dafs mehrere an dem fortzu¬
bewegenden Fahrzeuge angebrachte Rollen in schräger Stellung gegen
eine unter dem Gel eis fortlaufende Treibwelle geprefst werden und
dadurch in fortschreitende Bewegung gerathen. Die nachstehenden
schematischen Abbildungen veranschaulichen die Wirkungsweise
dieser Einrichtung, welche in einem Berichte des technischen Attaches
bei der deutschen Gesandtschaft in Washington, Regierungs-Baumeister
Petri, behandelt ist.
Es werde angenommen, dafs auf einer Welle W (Abb. 1) eine
drehbare Rolle R so aufgelagert sei, dafs die Achse dieser Rolle
schräg zur Achse der Welle gerichtet ist. Wird die Welle in Um¬
drehung versetzt, so wird auch die Rolle sich drehen. Werden die
Enden der Achse a b festgehalten, so wird gleichzeitig die Rolle auf
dem Wellenumfange gleiten; sind jedoch a und b auf zwei starren
Linien L und A], welche mit der Welle IF gleichlaufen, wider¬
standslos geführt, so wird die Rolle auf der Welle in fortschreitender
Bewegung entlang geführt, gewissermafsen vorwärts geschraubt. Die
lieber Ringe T ein Theil des Wagengewichtes, doch so, dafs die
Scheiben mittels besonderer Gelenkstangen g innerhalb der Ringe
nach beiden Richtungen gedreht werden können. Es bedarf zu dem
Ende nur der Längsbewegung einer unter dem Strafsenbahnwagen
durchlaufenden Stange c d in der Pfeilrichtung nach c oder nach d
hin. Diese Bewegung wird vom Führerstande des Wagens aus
mittels eines Handrades und Zahngetriebes bewirkt.
Um die Pressung zwischen den Rollen R und der Welle jeder¬
zeit ändern zu können, hat Judson die Ringe T mit Excentern E
(Abb. 3 und 4) in Verbindung gebracht, welche auf den Radachsen
der Fahrzeuge angebracht sind. Ein besonderes, zweites Handrad
dient dem Führer, um diese Excenter mittels einer weiteren, unter
dem Wagen durchlaufenden Stange e f (Abb. .3) in der einen oder
anderen Richtung zu drehen, und so die Rollen mit einem gröfseren
oder geringeren Theil des Wagengewichtes zu belasten und auf die
Welle zu pressen. In die Excenterstange V Vi ist eine Spiralfeder F
eingeschaltet.
In einer von der „Judson Pneumatic Street Railway Co.“ heraus¬
gegebenen Druckschrift, welche dem Attachebericht beigefügt ist,
sind die Einzelheiten der praktischen Ausführung dargelegt. Dieser
Rolle beschreibt hierbei auf dem Umfange der Welle eine Spiral¬
linie. Die fortschreitende Bewegung wird beschleunigt oder verlang¬
samt, wenn man den Neigungswinkel a ändert. Die Rolle behält
ihren Platz auf der Welle bei, sobald « = 0 oder auch = 90° wird,
die Rollenachse also parallel oder senkrecht zur Wellenachse steht.
Eine Umstellung der Rolle in die entgegengesetzte Richtung ertheilt
derselben die entgegengesetzte Bewegung. Setzt sich der Rolle in
der Richtung der Linien L und Ai ein Widerstand entgegen, soll
dieselbe mit anderen Worten benutzt werden, um einen Gegenstand
in der Richtung der Welle fortzuschieben, so hat man nur nöthig,
die Rolle mit einem solchen Kraftaufwande auf die Welle zu pressen,
dafs eine ausreichende Reibung zwischen beiden Theilen hervorgerufen
wird. Zur Herstellung dieser Pressung wird zweckmäfsig das eigene
Gewicht des fortzuschiebenden Gegenstandes benutzt. Die von der
Rolle ausgehende Kraftäufserung ist, wie sich von selbst versteht,
nach der Gröfse des Druckes und der Neigung der Rolle ver¬
schieden.
Der Ingenieur Judson will die Kraft der fortschreitenden Be-
w'egung der Rollen in gröfserem Mafstabe zum Betriebe von Strafsen-
bahnen benutzen. Die zu bewegenden Strafsenbahnwagen ruhen
-aufser auf ihren Rädern, welche in gewöhnlicher Weise in festem
Ueleise laufen, noch mittels einer Anzahl von Rollen der beschrie¬
benen Art auf einer unter dem Geleis fortlaufenden Treibwelle, durch
•deren Umdrehung die Wagen fortgeschoben werden. Die Rollen
sind paarweise vereinigt und sattelförmig auf die Welle gelegt, wie
in Abb. 4 und 5 angedeutet.
Es mufs nun dem Führer des Wagens möglich sein, sowohl den
Rollendruck auf der Welle mit Rücksicht auf die Veränderlichkeit
der Widerstände jederzeit nach Belieben zu vergröfsern oder zu ver¬
ringern, als auch alle Rollen in jedem Augenblick übereinstimmend
gegen die Welle zu drehen, um die Bewegung des Fahrzeuges nach
Erfordern beschleunigen oder verlangsamen, oder dasselbe bremsen
zu können. Den letzteren Theil der zwiefachen Aufgabe, das Drehen
der Rollen, hat Judson wie folgt gelöst. Die Achsen der Rollen R
sind unter dm-chbrochenen Kreisscheiben S in der in Abb. 2 ge¬
zeigten Weise gelagert. Auf den Scheiben S ruht mittels unbeweg-
Schrift ist auch zu entnehmen, dafs die Ausführbarkeit des Systems
bereits früher durch Versuche auf einer Geleisstrecke von 60 m
Länge mit Krümmungen von 6,1 m Halbmesser und Neigungen von
1 : 10 und 1 : 8 erwiesen ist. Da die Versuche, obwohl nur im Rohen
betrieben, dennoch recht günstige Ergebnisse geliefert haben sollen,
so hofft man, bei den demnächst in Washington vorzunehinenden
Probefahrten auf einer etwa 2,1 km langen eingeleisigen Strecke die
Bewährung des Systems aufser jeden Zweifel zu stellen. Man glaubt
dort bei 200 Wellenumdrehungen in der Minute und einem Aus¬
schlage der Rollen von 60° eine Geschwindigkeit der Wagen von
19 km in der Stunde zu erzielen.
Hinsichtlich einiger Einzelheiten der Erfindung sei noch folgen¬
des angeführt. Die Treibwelle, welche in einem Längscanal unter
der Geleisachse läuft, wird hohl und mit 23 cm Durchmesser aus
Holzkohleneisen hergestellt. Für gerade Strecken werden Längen
von 6,1 bis 7,3 m verwendet; in Bahnkrümmungen ordnet man
polygonartig gekuppelte kürzere Wellenstücke an. Mit Benutzung
von 3,35 m längen Rohrstücken ist man noch imstande, Krümmungen
bis auf 16,8 m Halbmesser zu folgen. An den Lagerstellen der ein¬
zelnen Wellentheile sind Leitschienen bündig mit der Welle ange¬
ordnet, welche verhindern, dafs die Reibungsrollen in die Zwischen¬
räume fallen.
Zum Betriebe der Wellen sind unter dem Strafsenpflaster
an geeigneten Stellen kleine liegende Prefsluftmaschinen ange¬
ordnet, welchen die geprefste Luft durch ein unter der Welle JV
gelagertes Rohr P (Abb. 4) zugeführt wird. Die Reibungsrollen
werden aus Eichenholz gefertigt und erhalten 20 cm Durchmesser;
sie sind zu Doppelpaaren in besonderen Gestellen vereinigt, wie in
Abb. 5 in der Ruhe-(Brems-) Stellung der Rollen angedeutet ist.
Die genannte Bahngesellschaft hat z. Z. in dem Capitol in
Washington ein im Mafsstabe 1:12 ausgeführtes, betriebsfähiges
Modell ausgestellt, welches die Bewegung des Wagens durch Weichen
• und Geleiskreuzungen veranschaulicht. Eine Kreuzung wird z. B. in
der in Abb. 6 angedeuteten Weise hergestellt. Die Enden der
Wellen W werden in Zapfen gelegt und durch Rädergetriebe mit¬
einander in Verbindung gesetzt. Eine um den Zapfen M drehbare
380
Centralblatt der Bauverwaltung.
6. September 1890,
Führungsschiene / 1 verhindert das Hineinfallen der Eeibungsrollen
in den Zwischenraum und wird je nach der Fahrrichtung in die aus-
gezogene oder die punktirte Lage gebracht.
Die Baukosten für ein Kilometer doppelgeleisige Bahn ein-
schliefslich Betriebsmittel und Maschinenanlage werden zu 328 000
Mark angegeben. Die Betriebskosten sollen unter Zurechnung von
6 pCt. für Verzinsung der Anlagekosten 7 Pfennig für 1 Wagen¬
kilometer betragen.
Vermischtes.
Vationaldenkmal für Kaiser M'ilhelm I in Berlin. Durch Be-
schlufs des Buudesraths und des Reichstages ist bekanntlich Seiner
Majestät dem Kaiser die Entscheidung über den Platz, auf welchem
das Nationaldenkmal für den Hochseligen Kaiser Wilhelm errichtet
werden soll, über die Gestaltung des Denkmals und über den aus¬
zuschreibenden engeren Wettbewerb anheimgegeben worden.*) Diese
Allerhöchsten Entschliefsungen sind nunmehr getroffen und ein
engerer Wettbewerb zu nachstehenden Bedingungen veranstaltet
worden.
„1. Das Denkmal wird auf dem durch die Niederlegung der
Schlofsfreiheit in A'erbindung mit der Hinzunahme eines Tlieiles der
anstofsenden Wasserfläche entstehenden Platze errichtet; es wird
von dem Königlichen Schlosse durch die Strafse getrennt.
2. Das Denkmal erhält die Gestalt eines Reiterstandbildes.
Aufser dem Denkmal selbst umfafst der Wettbewerb auch die
architektonische Ausbildung des bezeichneten Platzes, einschliefslich
der ihn begrenzenden Ufermauer von der Schleusenbrücke bis zur
Schlofsbrücke.
Die örtlichen Verhältnisse ergeben sich aus dem anliegenden
Lageplane.**) In demselben ist die äufserste Grenze, bis zu welcher
die Schiftahrtsstrafse eingeengt werden darf, eingezeichnet und gleich¬
zeitig angedeutet, wie weit die gegenüberliegende Uferlinie zurück¬
gelegt werden müfste, falls die Anlage jene äufserste Grenze in An¬
spruch nehmen sollte.
Eine noch weitere Vergröfserung des Denkmalplatzes durch
völlige Ueberbauuug der Schiftahrtsstrafse würde zulässig sein;
jedoch würde die lichte Weite des Wasserweges unter dem Ueber-
bau nirgends kleiner als 18 m sein und der Ueberbau an keiner
Stelle tiefer als auf Ordinate 35,60 über dem Normal - Nullpunkt
liegen dürfen.
Die Denkmalanlage darf an die Schlofsfront nur bis auf einen
Abstand von mindestens 33 m herantreten und die jetzige Flucht der
Strafse „An der Stechbahn“ nicht überschreiten.
Das seitliche Wassergerinne, welches oberhalb der Schleusen¬
brücke abzweigt und als Mühlengraben unter dem „Rothen Schlofs“
und der Strafse „An der Stechbahn“ hindurchführt, mufs innerhalb
des Denkmalplatzes in der Breite von 11,5 m fortgeführt werden.
Der Gewölbescheitel ist nicht tiefer als auf Ordinate 34,20 zu legen.
Das so verlängerte Gerinne darf von der graden Richtung nach der
rechten Uferseite hin abweichen, und zwar darf seine Austrittsöftnung
bis an die bisherige Ufermauer herangehen.
Die Damm -Krone der Strafse an der Schlofsfreiheit liegt in der
Mittelachse des Königlichen Schlosses auf Ordinate 34,85.
4. Es sind zu liefern:
a) ein Modell des Reiterstandbildes einschliefslich des Sockels
und aller etwaigen Nebenfiguren im Mafsstabe von 1/5 der
natürlichen Gröfse;
b) ein Entwurf für die architektonischen Anlagen (Nr. 2 Abs. 2)
entweder im Modell oder in Zeichnungen. Für das Modell
ist ein Mafsstab von 1/50 der natürlichen Gröfse zu wählen.
Die Zeichnungen sind im Mafsstab von 1/100 der natürlichen
Gröfse auszuführen und zwar sind zu liefern
ein Grundrifs,
ein Aufrifs und
eine perspectivische Ansicht, für welche der Standpunkt so zu
wählen ist, dafs die Beziehungen der Denkmalanlage zum König¬
lichen Schlofs zur Anschauung gelangen.
5. Die Einlieferung der Entwürfe mufs bis zum 1. April 1891
mittags 12 Uhr erfolgt sein. Die Stelle, an welche die Einlieferung
zu erfolgen hat, wird später mitgetheilt werden.
Verspätet eingehende Entwürfe und solche Entwürfe, welche den
Bedingungen nicht entsprechen, sind von der Preisbewerbung aus¬
geschlossen.
6. Es bleibt Vorbehalten, die zur Bewerbung zugelassenen Ent¬
würfe während eines Zeitraums von mindestens vierzehn Tagen
öffentlich auszustellen.
7. Für jeden zur Bewerbung zugelassenen Entwurf wird dem
Verfasser eine Entschädigung von vier Tausend Mark gewährt.
Aufserdem bleibt Vorbehalten, einzelne Entwürfe durch besondere
Preise bis zur Höhe von zwölf Tausend Mark auszuzeichnen.
*) Vgl. S. 215, 242, 245 u. 280 dieses Jahrgangs d. Bl.
**) Der Lageplan ist noch nicht mitgetheilt und wird nachträglich
gegeben werden.
8. Die Entwürfe werden gegen Zahlung der Entschädigung (Nr. 7)
Eigenthum des Reichs.“
Ueber Anzahl und Namen der zum Wettbewerbe Eingeladenen
ist bis jetzt nichts bekannt gegeben. Es zählen zu ihnen, wie zu
erwarten war, die beim ersten Wettbewerbe mit ersten Preisen aus¬
gezeichneten Architekten Rettig und Pfann und Bruno Schmitz,
und es verlautet, dafs auch die Künstler, welche damals zweite Preise
erhielten, die Herren Bildhauer A. Hildebrand in Florenz, Bild¬
hauer K. Hilgers in Charlottenburg, Bildhauer Prof. F. Schaper
mit Architekt Th. F erb er in Berlin und Bildhauer Prof. Dr. J.
Schilling mit den Architekten Schilling und Gräbner in
Dresden Aufforderungen zur Betheiligung erhalten haben. Ange¬
nommen werden darf, dafs die Namen der Eingeladenen noch be¬
kannt gegeben werden, ebenso wie gewifs die Namen der Preisrichter
bald zur Veröffentlichung gelangen dürften.
Neue Patente.
Fördervorrichtuiig für Baumaterialien. Patent Nr. 52 209.
Moritz Friedmann in Berlin. — Zwei endlose Glieder-Ketten sind
unter sich durch Sprossen d verbunden und laufen über die Räder¬
paare a a‘ und b. Die Räderpaare a a' sind auf einen Bock A
zusammengebaut, der auf der Balkenlage des fertigzustellenden
Stockwerks aufgesetzt wird. Das Räderpaar b im Erdgeschofs liefert
unmittelbar oder von einem Vorgelege K aus den Antrieb. Die be¬
liebig durchhängenden
Ketten werden zwischen
Leitrollen M geführt.
Wenn der Arbeiter
nun mit einem Trag¬
korb C ankommt, der
hochgezogen werden soll,
so setzt er denselben
mit dem Rücken auf den
Tisch E nieder. Der
Tisch E besteht aus
einer wagerechten Platte
und einer lothrechten
Wand, ist um die Achsel
drehbar und steht durch
eine Stange e mit dem
Antrittsbrett D in Ver¬
bindung. Sobald also
der Arbeiter das Brett D
verläfst, erhält der ge¬
füllte Korb C das Ueber-
gewicht nach hinten und
neigt sich so weit, dafs
seine Haken c von den
Sprossen d der Leiter¬
kette gefafst werden
können. Die Einhängung
ist also vollständig selbst-
thätig und sicher. Wenn
der Tragkorb C oben
angelangt ist, so geht
er zwischen den Räder¬
paaren a a' durch, rich¬
tet sich an dem loth¬
rechten Blech N ge¬
rade und trifft
schliefslich mit dem
Boden auf die Platt¬
form des Wagens G
auf, während die
Kette über die Haken
c nach unten läuft.
Der Tragkorb ist nun
vollständig frei und kann herausgefahren werden. Die leeren Trag¬
körbe werden oben auf der entgegengesetzten Seite der nieder¬
gehenden Kette eingehängt, treffen unten auf einen festen oder be¬
weglichen Ablenker O und werden von Hand oder durch ein seit¬
lich laufendes endloses Lattenband L von der Kette abgenommen.
Verlag von Ernst&Koru ("Wilhelm Ernst). Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theilcs verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
Nr. 364-
381
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHALT: Ergebnisse des architektonischen Wettbewerbs in den letztverflossenen
22 Jahren. — Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzeit (Fortsetzung). —
Vermischtes: Wettbcwerbung um den Neubau eines Kreisständehauses in Kreuz¬
nach. — Bücherschau.
[Alle Rechte Vorbehalten.]
Die Ergebnisse des architektonischen Wettbewerbs in den letztyerflossenen 22 Jahren.*
Redner führt zunächst aus, wie die sechziger Jahre einen ge¬
waltigen Aufschwung in der Geschichte der Architektur bezeichnen,
und damit im Zusammenhänge auch die architektonischen Wett¬
bewerbungen hervorragenden Einflufs auf die gesamte baukünst¬
lerische Thätigkeit gewonnen haben. Vor dieser Zeit sind Wett¬
bewerbe nur selten ausgeschrieben, und sowohl die Programmfassung
wie die Beurtheilung sind damals oft von Gesichtspunkten erfolgt,
die mit den heutigen Anschauungen wenig mehr übereinstimmen.
Der eigentliche Beginn der Geschichte des architektonischen Wett¬
in den folgenden Jahren von 13 auf 11, 8, 7 (darunter nacheinander
Gerichtsgebäude in Dresden, Rathhaus in Grofsenhain, Stadttheater in
Posen, Rathhaus in Essen, Ständehaus in Düsseldorf, Kirchen in
Wiesbaden und Bochum, das Rathhaus in Hamburg, die Universität
in Strafsburg, die Petrikirche in Leipzig) und endlich auf 4 im Jahre
1878, welch letzteres das Minimum sowohl in Bezug auf die Anzahl
wie auf die Bedeutung der Wettbewerbe darstellt. Dann steigt sie
wieder von 5 im Jahre 1879 auf 12, 13, 16 und 19 bis zum Jahre 1887.
Die Jahre 1882 bis 1885 (Rathhaus in Wiesbaden, das zweite deutsche
Anzahl der Aus¬
schreibungen
im Jahr.
Durchschnitts¬
zahl der Be¬
theiligung im
Jahr.
Ausschreiben.
1868.
Eathhaus in Dortmund,
Museumsgebäude in Stutt¬
gart.
1869.
Kirche in Crefeld.
1870.
1871.
Deutsches Eeichstagsge-
bäude.
1872.
Niederwalddenkmal,
Börse in Frankfurt a. M.,
Museum in Breslau.
1873.
Gerichtsgebäude in Dresden,
Eathhaus in Grofsenhain.
1874.
Stadttheater in Posen,
Eathhaus in Essen,
Ständehaus in Düsseldorf.
1875.
Bergkirche in Wiesbaden,
Evangelische Kirche in
Bochum.
1876.
Eathhaus in Hamburg.
1877.
Universität in Strafsburg,
Petrikirche in Leipzig.
1878.
1879.
Kirchen in Bielefeld und
Altona.
1880.
Gewandhaus in Leipzig,
Bahnhof in Frankfurt a. M.,
Ausstellungen in Halle und
Breslau.
1881.
Gertrudiskirche in Hamburg
und Kirche in Eims¬
büttel.
1882.
Eathhaus in Wiesbaden,
Deutsches Eeichstagsge-
bäude,
Lutherkirche in Dresden.
1883.
Museen in Berlin,
Theater in Halle,
Eefprmationskirche in
Speier.
1884.
Naturhistorisches Museum
in Hamburg,
Herstellung des Aachener
Eathhauses,
Reichsgerichtsgebäude in
Leipzig,
3 katholische Kirchen in
München.
1885.
Kestner- Museum in Han¬
nover,
Wohnhäuser an der König
Johann-StraCse in Dres¬
den.
1886.
Eathhaus in Stollberg,
Landesausschufsgebäude in
Strafsburg.
1887.
Finanzministerium in Dres¬
den,
Trinkhalle in Wiesbaden,
Dom in Bremen,
Landesgewerbemuseum in
Stuttgart.
1888.
Kirchen in Stuttgart, Dort¬
mund und Mainz,
Volkstheater in Essen.
1889.
Nationaldenkmal für Kaiser
Wilhelm in Berlin,
Kaiser Wilhelm - Denkmal
für die Rheinprovinz,
desgl. für Schlesien,
desgl. f. d. Kyffhäuser,
Garnisonkirche in Strafs-
burg,
Gerichtsgebände in Bremen,
Trinitatiskirche in Dresden.
bewerbs fällt zusammen mit der Wanderversammlung in Hamburg
im Jahre 1868, denn dort sind aufser den Honorarnormen auch die
Normen für die Durchführung öffentlicher Wettbewerbe unter all¬
gemeiner Zustimmung zur Annahme gelangt, und der gegenwärtige
Augenblick scheint daher besonders dafür geeignet einen Ueberblick
betreffs der Ergebnisse der letzteren zu gewinnen. Diese sind im
ganzen nicht als ungünstig zu bezeichnen und die mannigfachen
darüber laut gewordenen Klagen entspringen nicht zum letzten Theil
aus persönlichen, mehr augenblicklichen Verstimmungen. Redner
glaubt dies an den 258 Preisbewerbungen, die seit jenem Zeitpunkt,
also innerhalb 21 Jahren, nach seinen Ermittlungen stattgefunden
haben, nachweisen zu können und hat eine höchst interessante
Statistik ausgearbeitet, durch welche es möglich ist die Ergebnisse
von den verschiedensten Seiten zu beleuchten (vgl. die obige Darstellung).
Was zunächst die Zahl der Ausschreibungen und ihre Ver-
theilung auf die einzelnen Jahre betrifft, so sind 1868 5 (darunter
Rathhaus in Dortmund und Museum in Stuttgart), 1869 9 (darunter
Kirche in Crefeld), 1870 nur 6, 1871 7 (darunter das Reichstagshaus),
1872 21. (darunter das Niederwald-Denkmal und eine Anzahl anderer
Kriegerdenkmäler, die Börse in Frankfurt a. M. und das Provincial-
Museum in Breslau) zu verzeichnen. Nach dieser zunächst erreichten
höchsten Ziffer fällt die Anzahl der ausgeschriebenen Wettbewerbe
*) Nach einem Vortrage des Professors Hubert Stier in Han¬
nover, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine in Hamburg.
Reichstagsgebäude, die M. Lutherkirche in Dresden, die Museen in
Berlin, das Theater in Halle, die Reformationskirche in Speier, das
Museum in Hamburg, das Reichsgericht in Leipzig) könne man einst¬
weilen wohl als die Blüthezeit des Wettbewerbswesens sowohl in
Bezug auf die Bedeutung der Aufgaben, wie auf den Werth der ein¬
gegangenen Arbeiten bezeichnen, trotzdem danach noch weiter die
Zahl der Preisbewerbungen rasch gestiegen ist, und 1889 26 Wett¬
bewerbe stattgefunden haben (darunter allein vier grofse Denkmäler
für Kaiser Wilhelm). Allerdings scheint durch diese Fülle auch die
deutsche Architektenschaft trotz ihrer Leistungsfähigkeit fast über
Gebühr in Anspruch genommen worden zu sein, wie dies gerade
eine Anzahl weniger gelungener Wettbewerbe der letzten Zeit dar-
thun. Das Jahr 1890 verspricht wieder eine geringere Zahl von
Ausschreiben.
Hierauf wandte sich Redner den Ländergebieten zu, aus denen
die Ausschreibungen erfolgen, und legte dar, wie in dieser Beziehung
das Königreich Sachsen und die Rheinprovinz mit je 32 Wettbewer¬
bungen die erste Stelle einnehmen. Dann folgen Westfalen mit 22
und Schlesien mit 21 , es ergiebt sich sonach eine besondere Ent¬
wicklung des Wettbewerbswesens in denjenigen Gebieten, welche ein
entfaltetes Industriewesen und damit eine starke Entwicklung com-
munalen Lebens aufzuweisen haben. Berlin als Stadt hat keine einzige
Preisbewerbung veranstaltet; dagegen sind von Seiten des Staates
und Reiches von dort aus 13 Wettbewerbe ausgeschrieben. Sodann
folgen Hannover, Hessen-Nassau und Frankfurt a. M. mit 10, Ost-
preufsen, Schleswig-Holstein, Hessen-Darmstadt, Bayern iind Württem-
382
10. September 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
berg mit 9, Baden, Bremen nnd Hambui'g mit 7. Die übrigen deut¬
schen Staaten und preufsischen Provinzen sind nur mit kleineren
Zahlen betheiligt.
Was sodann die öffentliche Stellung der Ausschreiber au-
langt, so stehen die Verwaltungskörper der Städte und Gemeinden
und die denselben angegliederten Verbände weitaus oben an. Die
Magistrate von Städten haben 97 Ausschreibungen oder 28 pCt. der
Gesamtzahl erlassen. Kirchen-, Schul- und Synagogen- Vorstände 44,
Vereine für commercielle, sociale und gesellige Zwecke 56, dem¬
gegenüber der Staat als solcher aber nur mit 24 Ausschreibungen
betheiligt ist, wovon 7 auf das Eeich entfallen, das in richtiger Wür¬
digung der Verhältnisse seine bedeutenden Aufgaben meist in dieser
Form zur Lösung gestellt hat. Ein stärkeres Eintreten des Staats
zu Gunsten des Wettbewerbswesens ist kaum zu erwarten, da infolge
des immer festeren Zusammenschlusses des Beamtenstandes, wie sich
derselbe namentlich in Preufsen geltend macht, auch folgerichtig die
dem Staate erwachsenden Aufgaben zunächst dem ersteren zufallen
werden. Der grofse Kreis der Privatbauthätigkeit bedient sich des
allgemeinen Wettbewerbes gar nicht. Die Zahl von nur drei Aus¬
schreibungen, die bekannt geworden sind, bestätigt dies.
Was die Art der gestellten Aufgaben betrifft, so sind auch
hier diejenigen überwiegend, welche mit den städtischen Verwaltungs¬
und Lebenskreisen in enger Beziehung stehen. Im ganzen sind aus¬
geschrieben 40 Schulen und Gj^mnasien, 35 Kirchen und Synagogen,
37 Casinos und Vereinshäuser, 15 Krankenhäuser, 12 Rathhäuser,
10 Geschäftshäuser, 7 Ausstellungsgebäude, 8 Bebauungspläne,
6 Theater, 41 Denkmale und Brunnen. Au öffentlichen Staats¬
gebäuden sodann zweimal das Reichstagshaus, 6 Museen, 3 Gerichts¬
gebäude, 2 Bahnhöfe, 2 Bibliotheken sowie 5 Verwaltungsgebäude.
Bedenklich erscheint die Form des öffentlichen Wettbewerbs für die
Wiederherstellung alter Baudenkmäler, welche meist ein so eingehendes
Studium des betreffenden Bauwerks erfordern, dafs ein gutes Ergeb-
nifs stets nur besonders glücklichen Umständen zu verdanken ist.
In Bezug auf die Fassung des Programmes hebt der Voi’-
tragende hervor, wie in der genauen und klaren Aufstellung des¬
selben die beste Sicherheit für den guten Erfolg eines Wettbewerbes
gegeben ist, und wie es Sache der Preisrichter, welche das Programm
zu billigen haben, wäre, hier vor der Ausschreibung mehr als bisher
berichtigend einzuwirken. Fehler, die in dieser Hinsicht häufig vor¬
kämen, lägen weniger in der bösen Absicht der Ausschreibenden, als
in ihrer Unkenntnifs der Verhältnisse und Formen. Je einfacher
übrigens die Aufgabe, desto sicherer sei das günstige Ergebnifs.
Verwickeltere Aufgaben erscheinen für den Wettbewerb weniger
geeignet und ergeben häufiger keine genügende Lösungen, da sie mehr
oder weniger ein völliges Zusammenleben und -Arbeiten des Archi¬
tekten mit dem oder den Bauherren erfordern. Man hat versucht,
dieser Schwierigkeit durch vorherige persönliche Zusammenkunft der
Theilnehmer zu begegnen, z. B. bei dem Wettbewerbe für die Museen
und bei demjenigen um die Bebauung der Kaiser Wilhelm-Strafse in I
Berlin. Namentlich im letzteren Falle hat sich ein solches Verfahren,
wenn auch als etwas umständlich, so doch als wohl geeignet erwiesen.
Die Anforderungen an die Arbeitsleistung eines Wett¬
bewerbes pflegen im Mittelgebiete zwischen Skizze und Entwurf zu
liegen. Früher, namentlich vor 1868, hat man geglaubt, im Wett¬
bewerbungsverfahren gleich fertige Baupläne gewinnen zu können,
doch ist dieser Standpunkt glücklich überwunden, indem man offenbar
einsehen gelernt hat, dafs bei einem Wettbewerb ebensowohl wie bei
einem Privatauftrage zwischen Skizze und fertigem Bauentwurf weitere
Verhandlungen liegen müssen. Ein zu grofser Mafsstab der Dar¬
stellung darf infolge dessen berechtigterweise nie beansprucht werden;
derselbe mufs vielmehr immer so gewählt sein, dafs der Architekt
nicht durch denselben unwillkürlich dazu gedrängt werde, weiter¬
gehende Einzelheiten zu lösen als nöthig seien. Für Skizzen genüge
bei gröfseren Gebäuden stets 1:200, für kleinere 1:150; 1:100 da¬
gegen ist kein Mafsstab für Skizzen. Um dem bei vielen Wett¬
bewerben auftretenden Uebelstande überflüssiger, lediglich auf Augen¬
bestechung herauslaufender Zeichnungen zu begegnen, ist genaue An¬
gabe der Zahl der Zeichnungen und möglichst auch der Art der Be¬
handlung wünschenswerth, ebenso der Ausschlufs zuviel gelieferter
Blätter. Der sonderbare Versuch des völligen Ausschlusses von Per¬
spectiven ist dagegen nicht zu billigen, denn sie gehören zu den vor¬
züglichsten Mitteln der Gewinnung rätrmlicher Vorstellung. Erwünscht
ist es aber, dafs auch hier Mafsstab und Standpunkt bestimmt werden.
Als der wundeste Punkt der Wettbewerbe hat sich die vorherige
feste Bestimmung der Bausumme ergeben. Es soll zwar nach
den „Grundsätzen“ im Programm ausgesprochen werden, ob die Inne¬
haltung derselben als wesentlich gilt, es mufs aber alsdann die Fest¬
setzung einer solchen mit gröfserer Sorgfalt erfolgen als meist ge¬
schehen; denn gar zu oft kommt es vor, dafs es von vornherein unmög¬
lich ist, die Herstellung dessen, was das Programm verlangt, mit der
ausgesetzten Summe in Uebereinstimmung zu bringen. Redner nennt
einige Wettbewerbe, bei denen dieser Uebelstand besonders grell zu
Tage getreten ist. U. a. hat bei der Bergkirche in Wiesbaden eine
grofse Anzahl von trefflichen Entwürfen wegen Preisüberschreitung
ausgeschieden werden müssen, und Otzens Entwurf sei prämiirt worden,
weil es geschienen habe, als ob er sich unter allen am ehesten für
die ausgesetzte Summe von 150 000 Mark hersteilen lasse. Dennoch
hat der Bau später 215 000 Mark erfordert. Für das Stadttheater in
Halle seien 425 000 Mark ausgesetzt gewesen, und der Bau habe nach¬
her 1 118 OOO Mark gekostet. In einer grofsen Zahl von Fällen aber
verwirft man dann das ganze Ergebnifs des Wettbewerbs und be¬
auftragt einen anderen Architekten mit der Aufgabe, der dann in der
Regel auch theurer bauen wird, als die von vornherein zu knapp be¬
messene Bausumme beträgt (Trinkhalle in Wiesbaden). Man darf
bei dem zwischen Skizze und Entwurf stehenden Charakter der Wett¬
bewerbungsarbeiten hier keine zu engen Grenzen ziehen. Für die
Erlangung eines durchaus billigen Entwurfes eignet sich der Wett¬
bewerb überhaupt nicht. Am besten ist, einen Einheitspreis für das
cbm umbauten Raumes oder f. d. qm bebauter Fläche nach örtlichen
Verhältnissen festzustellen, und diesen dann für eine allgemeine Be¬
rechnung zu Grunde zu legen. Auch durch das zuweilen angewandte
Verfahren weiterer Bürgschaften, wie z. B. beim naturhistorischen
Museum in Hamburg, erreicht man nichts, wie denn auch dort nach¬
träglich eine Fehlsumme hat bewilligt werden müssen.
Was die Frist zur Bearbeitung der Aufgabe betrifft, so zeigt sich
dieselbe meist genügend bemessen. Glaubt man eine allgemeine
Betheiligung erwarten zu dürfen, so mufs die Frist länger sein, als
wenn nur ortsaugesessene Kräfte in die Arbeit eintreten sollen. Als
Härte erscheint die Festsetzung einer bestimmten Stunde für die
Ablieferung, da dies stets die Zurückweisung einiger, meist von aus¬
wärts kommender Arbeiten zur Folge hat. Für solche ist die Fest¬
stellung eines Tages als des Einlieferungstermins auf der Post
wünschenswerth. Das Preisgericht hat fast ausnahmslos, den Be¬
stimmungen von 1868 entsprechend, vorwiegend oder meist doch zur
Hälfte aus Technikern bestanden und setzt sich im allgemeinen zu¬
sammen aus den Vertretern der bauenden Behörde, einigen Beamten,
die das Vertrauen des Ortes geniefsen, und den eigentlichen Preis-
richtei’n, Persönlichkeiten, die allgemein anerkanntes künstlerisches
Ansehen besitzen. Die Anzahl der letzteren ist nicht allzu grofs,
und die Zahl der öfters auftretenden Namen beträgt etwa 32. Acht
davon gehören jetzt bereits Verstorbenen an, so Neureuther, Strack,
Nicolai, Lucae. Unter den 24 noch lebenden nimmt die erste Stelle
ein Hase, sodann v. Leins, F. Adler, Ende, Pflaume, Blankenstein,
Lipsius, Wagner, Raschdorff, Durm und Lüdecke. Da eine Anzahl
der Preisrichter ganz bestimmte, ein für allemal festgesetzte Grund¬
sätze vertritt, und diese Grundsätze bei den Entscheidungen natür¬
licherweise zur Geltung gelangen, so glaubt Redner hierin die Er¬
klärung für eine gewisse, manchmal hervortretende Einseitigkeit der
Ergebnisse der Wettbewerbungen zu finden.
Die früher wohl beliebten internationalen Preisausschreibungen
sind fast ganz verschwunden, gleichfalls hat seit 1868 die Theilnahme
der österreichischen Fachgenossen an deutschen W ettbewerbungen
aufgebört. Gegenwärtig läfst sich ganz deutlich verfolgen, wie nur
besonders bedeutsame Aufgaben, wie diejenigen des Reichs, eine
durch ganz Deutschland reichende allgemeine Betheiligung wach zu
rufen vermögen, im übrigen aber meist die zunächst wohnenden
Kräfte, also in Sachsen vorzugsweise Sachsen, in Berlin Berliner,
in Bayern sich Bayern zu betheiligen pflegten.
Für die in Rechnung gezogenen 258 Wettbewerbe sind im ganzen
11256 Entwürfe eingeliefert, im Durchschnitt für jeden derselben
also 44. Die gröfste Anzahl hat das Reichstagshaus von 1882 mit 189
gebracht, das Rathhaus in Hamburg 139, das Reichsgericht in Leipzig
119, die Universität in Strafsburg 101. Kleinere Gegenstände, ein¬
fache Wohn- und Arbeiterhäuser, kleinere Schulen locken trotz ge¬
ringerer Preise die Betheiligung stets besonders lebhaft an; so sind
für das Wohnhaus eines Domänen -Pächters bei Frankfurt a. 0.
172 Entwürfe eingegangen, für Schulen selten unter 100. Für die
übrigen Aufgaben pflegt die Betheiligung sich meist auf der Durch¬
schnittszahl von 40 Arbeiten zu halten. Zu beklagen ist bei jedem
öffentlichen Wettbewerbe der Ballast von unreifen Arbeiten. Soweit die
Angaben darüber vorhanden sind, werden als solcher jedesmal die Hälfte
bis zu zwei Di’ittelu der Arbeiten ausgeschieden, und nur etwa der \ierte
Theil gelangt als bessere Arbeiten zur engeren Wahl. Die Entscheidung
erfolgt meistens mit anerkennenswerther Schnelligkeit, sofern nicht etwa
eine Körperschaft zur Fällung des Urtheils angerufen wird. Durch
letzteren Umstand ist bei dem Bahnhofe für Köln freilich ein Zeitraum
von 6 Monaten verflossen. Die Veröffentlichung und Begründung des
Urtheils wird leider noch oft unterlassen. Dies ist verkehrt, denn
hierin kann gerade das belehrende Moment der Wettbewerbungen
zum vollen Ausdruck gelangen. Besonders sind es die Behörden, die
fast ausnahmslos jede Auskunft über die Gründe der Entscheidung
verweigern und somit gehässigen Kritiken des Urtheils Thür und
Centralblatt der Bauverwaltnng.
383
Thor öffnen, welche bei Bekanntwerden der Gründe meist ver¬
stummen werden; denn trotz mancher zuweilen zu beanstandender
Urtheile ist doch der Spruch der Richter meist als zutreffend anzu¬
erkennen. Auch die oft beliebte, auf die gekrönten Entwürfe sich
beschränkende Angabe der Urth eilsgründe genügt nicht; dieselbe
mufs vielmehr, wenn auch in aller Kürze, die sämtlichen Arbeiten
•umfassen.
Zur Bemessung des ersten Preises soll nach den Verbands-
bestimmungen die Honorarnorm für die betreffende Arbeit mafs-
•gebend sein. Statt dessen bemifst man aber gewöhnlich nur die
Gesamtsumme der ausgeworfenen Preise auf diese Höhe, und somit
ist es nicht zu verwundern, wenn die Gesamtsumme aller in den
21 Jahren zur Vertheilung gelangten Preise nur die mäfsig zu nen¬
nende Ziffer von 930 000 Mark beträgt. Etwa angekaufte Arbeiten
sind hier nicht mit eingerechnet. Stellt man der Zahl von 11256 ein¬
gegangenen Arbeiten die Zahl der erfolgten Preisauszeichnungen mit
751 gegenüber, so ergiebt sich erst auf 15 Arbeiten ein Preis und
auf je 43 Arbeiten ein erster Preis. Mit den Preisen schliefst in¬
dessen die Sache für uns nicht ab. Denn wenn man auch anerkennen
mufs, dafs sich durch die öffentlichen Wettbewerbe das künstlerische
Können in Hinsicht auf Pormengebung wie auf Auffassung der Auf¬
gabe nach den praktischen Gesichtspunkten und nach der Weise der
Darstellung sehr gehoben hat, so ist die wirkliche Ausführung des
Bauwerkes doch erst der eigentliche Zweck des ganzen Verfahrens.
In dieser Beziehung mufs man von den 258 Preisbewerbungen 44
vorläufig wegen mangelnder Angaben über die spätere Ausführung
ausscheiden. Von den verbleibenden 216 hat in 109 Fällen (oder
50 pCt.) der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Künstler auch die
Ausführung erhalten, und ist letztere nach seinem Entwürfe erfolgt.
■Mit dem zweiten Preise oder unter Umarbeitung des ersten Preises
ist dieselbe in 31 Fällen (oder 15 pCt.) verbunden gewesen. Dann
folgen die bedingt erfolgreichen Wettbewerbe, wo die Ausführung
statt dem Gewinner einem anderen Architekten übertragen ist oder
die Arbeiten nur als Material für eine andere Bearbeitung verwendet
wurden, mit gleichfalls 31 (oder 15 pCt.); ganz erfolglos sind20pCt.
der Ausschreibungen verlaufen. Es ergaben sich hiernach im ganzen
171 Erfolge gegenüber 10 000 Arbeiten, sodafs die Architektenschaft
bei den allgemeinen Wettbewerben mit einem Nutzerfolg von that-
sächlich nur D/g pCt. gearbeitet hat. Hierzu kommt allerdings zu¬
weilen auch ein negativer Nutzen, den der Bauherr zieht durch die
Erkenntnifs der Fehler des Programms, wie der Wettbewerb sie zu
Tage brachte, so z. B. beim Rathhaus in Hamburg und bei der Be¬
bauung der Museumsinsel in Berlin. Bei den engeren Preis -
bewerbungen sind genaue Ermittlungen mit weit gröfseren
Schwierigkeiten verknüpft, da sie oftmals gar nicht in weiteren
Kreisen bekannt wurden. Soviel sich erkennen läfst, kommt bei
ihnen vorzugsweise die Form zur Anwendung, bei welcher man das
Ausschreiben auf örtliche Grenzen beschränkt, also dasselbe nur
richtet an Hamburger, Leipziger, Stuttgarter, Hannoversche usw
Architekten. Die Form, bei welcher nur eine Zahl besonders her¬
vorragender Künstler berufen werden, wird selten gewählt. Jenes
Verfahren unterscheidet sich aber auch hinsichtlich des Ergebnisses,
soweit sich erkennen läfst, nicht wesentlich von dem der allgemeinen
Wettbewerbe.
Auch innerhalb der einzelnen gröfseren Vereine, des Berliner,
des Hamburger u. a., sind Ausschreibungen üblich, meist auf Grund
von Aufforderungen, welche Privatleute oder kleinere Behörden an
die Vereine richten. Sie sind als eine sehr erfreuliche Erscheinung
auf dem Gebiete der Wettbewerbungen zu verzeichnen und ver¬
dienten bestens gepflegt zu werden. Der Redner schliefst indem
er seinen Vortrag als einen Baustein zur besseren Erkenntnifs unserer
Arbeit bezeichnet, von dem er hofft, ihn gelegentlich in erweiterter
und vollständigerer Form als Druckschrift dem Fachpublicum be¬
kannt geben zu können. Fw.
Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzeit.
(Fortsetzung statt Schlufs.)
V.
Bei der Besprechung der neuesten weitgespannten Balkenbrücken
sind zwei Dinge von Bedeutung in den Vordergrund zu stellen: Die
•Einführung des sogenannten Cantilever- oder Ausleger -Systems
und die allgemeine Verwendung des Flufsmetalls.
Die Kentucky-Thalbrücke der americanischen Cincinnati-Südbahn
^ — wie bereits erwähnt, die erste weitgespannte Ausleger-Brücke —
hat in Europa, was ihr System anbetrifft, schon einige Vorläufer
gehabt. Nachdem das System bereits im 4. und 5. Jahrzehnt für
eiserne Brücken mehrfach in Vorschlag gebracht worden war, und
Hachdem im Anfang des 6. Jahrzehnts Professor Ritter, damals in
Hannover, jetzt in Aachen, den Vorth eil der statischen Bestimmtheit
und der Material-Ersparnifs, welchen die Anbringung von Gelenken
in durchgehenden (continuirlichen) Trägern mit sich bringen, über¬
zeugend nachgewiesen hatte, wurden wirkliche Ausführungen der¬
artiger Tragwerke zuerst bei Strafsenbrücken durch Gerber bewirkt,
der 1866 auf seine Construetion ein Patent erhielt.^3^ 2ur Zeit belegt
man die Brückenträger dieses Systems noch mit verschiedenen
Namen. Bald nennt man sie durchgehende (continuirliche) Gelenk¬
träger, bald Träger mit frei schwebenden Stützpunkten oder über-
bängende Träger, bald Krag- oder Auslegeträger. Wünscbenswerth
■wäre es daher, wenn demnächst eine einheitliche Bezeichnung des
Systems sich allgemeine Geltung verschaffen möchte.
Die Vortheile bei der Anwendung der Ausleger -Brücken be-
■ruben, abgesehen von der statischen Bestimmtheit des Tragwerks,
einerseits in Material-Ersparnifs, anderseits in der Möglichkeit, die
Brücken von den Pfeilern aus ohne Anwendung von festen Gerüsten,
so zu sagen freischwebend, vorzustrecken. Je nach dem Werthe,
den man dem einen oder anderen der genannten Vortheile beimifst,
wird man bei gegebener Spannweite die Länge der Ausleger
bezw. die Läge der Gelenkpunkte bestimmen. Bei weitgespannten
Brücken tritt in dieser Beziehung meistens die Rücksicht auf
möglichste Erleichterung der Aufstellung ohne oder mit beschränkter
Benutzung von festen Gerüsten in den Vordergrund. Aus diesem
Grunde hat man bei der grofsartigsten Ausführung einer weitge-
jäpannten Ausleger-Brücke, der Forth-Brücke (Centralbl. d. Bauverw.
1883, S. 401), , die Eisenmasse des Ueberbaues möglichst in die
Nähe der Pfeiler zusammengedrängt. Man ging dabei von der
-Ansicht aus, dafs sich die Aufstellung aller über und in nicht
^2) 1873 wurde von Reymann die erste Ausleger-Eisenbalinbrücke
gebaut, es war die Luhe-JBrücke der Strecke Wittenberge-Buchholz.
Als zweite Eisenbahnbrücke folgte 1874 — 1875 die Warthe -Brücke
bei Posen in der Posen-Kreuzburger Bahn. — Hannover. Zeitschr.
-1875 und Zeitsehr. f. Bauwesen 1877 S. 41.
zu grofser Entfernung von den Pfeilern befindlichen Theile
leichter, sicherer und billiger bewerkstelligen lasse, als die Auf¬
stellung der mehr über der Mitte der Fahrrinne liegenden Theile,
wie z. B. der Mittelträger. Deshalb wurde bei der Forth-Brücke
die Länge eines Mittelträgers möglichst beschränkt und der Aus¬
leger lang gemacht, und als eine Folge dieser Anordnung ergab
sich über den Pfeilern eine aufsergewöhnlich grofse Höhe der Aus¬
leger. Es erscheint aber fraglich, ob es nicht doch geratbener ge¬
wesen wäre, die Ausleger kürzer zu machen. Jedenfalls hätte man
dadurch eine Verringerung des ganzen Ueberbaugewichts und eine
Ermäfsigung der Trägerhöhen über den Pfeilern erzielen können.
Auch wäre die Aufstellung der Ausleger dadurch erleichtert worden,
hingegen würde die Aufstellung der Mittelträger gröfsere Schwierig¬
keiten bereitet haben. Jedoch wären auch diese Schwierigkeiten
Abb. 14. Colorado -Brücke.
wohl zu überwinden gewesen, nöthigenfalls hätte die Aufstellung der
Mittelträger mit Hülfe von Wasserdruck-Pressen in der Art bewerk¬
stelligt werden können, wie es jüngst in dem Entwürfe für die
Ausleger-Brücke über den Canal zwischen England und Frankreich
(Centralbl. d. Bauverw. 1889, S. 458) geplant ist.
Von den reinen Balkenbrücken unterscheiden sich die Ausleger-
Balkenbrücken im wesentlichen nur durch die Hinzuthat der Ge¬
lenke, welche zur Verbindung der Mittelträger mit den Auslegern
dienen. Eigentliche Bolzen-Gelenke sind zu diesem Zwecke nur bei
americanischen Ausleger- Brücken in Anwendung gekommen. Bei
der Kentucky-Thalbrücke liegt das Bolzen-Gelenk im Obergurt, wäh¬
rend die Untergurte der Mittelträger und Ausleger nur lose inein¬
ander greifen. Bei den übrigen weitgespannten americanischen und
englischen Ausleger-Brücken der Liste, bezüglich deren Einzelheiten
auf die ausgehängten Abbildungen und Sonderzeicbnungen verwiesen
werden mufs — das sind hauptsächlich: die Niagai’a- (Centralbl. d.
Bauverw. 1884, S. 57), sowie auch die Kentucky- und Indiana-Brücke,
die Brücken über den St. Johns -Flufs (Centralbl. d. Bauverw. 1886,
S. 39), über den Hudson bei Poughkeepsie (Centralbl. d. Bauverw.
1887, S. 271), über den Kanawba und über den Colorado (Abb. 14)
— , sind die Gelenke zum Theil mit Hülfe von Bolzen und zum Theil
384
Centralblatt der B auverwaltnng-.
10. Septdiiiber 1890.
als Pendel- nnd Drehlager ausgebildet. Bei der Forth- Brücke, und
ähnlich auch bei der im Bau begriffenen Donau-Brücke bei Czernavvoda
in Eumänien (Centralbl. d. Bauverw. 1890, S. 115), stehen, in den nach
der Seite der Mittelträger hin offenen Pfosten der Ausleger -Enden
Pendelsäulen, welche an ihren beiden Enden Kugelschalen -Lager
tragen, von denen das obere am Obergui-t des Mittel trägers, das
untere auf dem Untergurt des Auslegers befestigt ist (Abb. 15).
Die meisten Ueberbauten der erwähnten weitgespannten Ausleger-
Brücken sind, um das Eigengewicht möglichst zu vermindern, aus
zähem, festem Flufsmetall hergestellt, welches die Brückeutechnik
• den neuesten Errungenschaften auf dem C4ebiete des Eisenhütten¬
wesens verdankt.
Wie erwähnt, hatten die holländischen Versuche zur Verwendung
des Bessemer-Flufsmetalls im Brückenbau einen wenig befriedigenden
Verlauf genommen; ebenso erfolglos blieben österreichische Versuche
(im 6. und 7. Jahrzehnt) mit demselben Metall. Auch in America,
wo man seit der erstmaligen Einführung des Gufsstahls bei den
Bauten der St. Louis- und East-Kiver-Brücken auf die Ausnutzung
des Flufsmetalls für Brückenbauzwecke dauernd bedacht war, kam
man auf diesem Gebiete bis zum Ende des 7. Jahrzehnts nicht recht
vorwärts. Im Jahre 1880 gab es z. B. in America nur zwei Brücken,
■welche ganz aus Flufsmetall erbaut waren, das sind die Missouri-
Brücken bei Glasgow und Plattmouth.
Entschiedene Fortschritte in der Verwendung des Flufsmetalls
im Brückenbau sind erst im letzten Jahrzehnt zu verzeichnen, nach¬
dem die Erfindungen von Martin (1865) und Thomas (1878) eine
glückliche Umwälzung in der Flufsmetall -Darstellung zu Wege ge¬
bracht haben. Das weichere Martin- und Thomasmetall hat, nach
dem Vorgänge Frankreichs und Englands, im Schiffsbau bereits im
7. Jahrzehnt eine ausgedehnte Verwendung gefunden. Im Brücken¬
bau ging es damit einen langsameren Schritt. Nachdem aber in
neuester Zeit einige der bedeutendsten weitgespannten Brücken der
Welt, darunter die Forth-Brücke, wie bereits erwähnt, aus dem neuen
Flufsmetall erfolgreich hergesfeilt worden sind, scheint auch auf dem
europäischen Festlande — das in Brückenbaudingen von jeher etwas
vorsichtiger zu Wege gegangen ist, als das Ausland — • das bisherige
Mifstrauen gegen die Verwendung desselben geschwunden zu sein.
Es kommen im Brückenbau zur Zeit zwei Sorten von Flufsmetall in
Anwendung: Martin-Flufseisen und Thomas- oder basisches Bessemer-
Flufseisen, von denen das erstere, namentlich wenn es auf basischem
Wege erzeugt ist, zur Zeit bevorzugt wird. Es stehen aber nach dem
heutigen Stande der Darstellung auch der ausgedehnteren Verwendung
des Thomas-Flufseisens bei genügender Ueberwachung der betreffenden
Arbeiten und Lieferungen ernstliche Bedenken nicht mehr im Wege.-^)
Die neuesten Bestrebungen zur vermehrten Verwendung des Flufs¬
metalls nnd die Einführung der Ausleger-Balkenbrücken bei Ueber-
setzung grofser Weiten kennzeichnen den gegenwärtigen Stand des
Eisenbrückenbaues noch nicht vollständig. Es gehen nebenher —
abgesehen von den Fortschritten in der Gründung und dem Bau der
Brückenpfeiler — noch Bestrebungen anderer Art, die theils beim
Entwurf, theils bei der Ausführung sich Geltung zu verschaffen suchen.
Die Bestrebungen erstgenannter Art sind dahin gerichtet, den Ent¬
wurf mit den bei der Berechnung gemachten theoretischen Voraus¬
setzungen möglichst in Einklang zu setzen. Das geschieht im
wesentlichen durch Bevorzugung einfacher , statisch bestimmter
Systeme; ferner durch Anbahnung einer centrischen Belastung der
Hariijtknoten, derart, dafs der Anschlufs der Wandglieder, der Fahr¬
bahn- und der Querverbände die Gröfse der Nebenspannungen in den
Knoten möglichst herabmindert; endlich durch klare Anordnung der
Windverbände unter Fortlassung aller entbehrlichen Querversteifungen.
Verwickelte Knotenanschlüsse, wie sie bei der Forth-Brücke unter
Verwendung von röhrenförmigen Wandglieder-Querschnitten zur Aus¬
führung gekommen sind, können als ein Fortschritt in bezeichneter
Richtung nicht angesehen werden. Ob die Anordnung eines einzigen
untern Windverbandes, wie es nach dem Vorgänge der Forth-Brücke
auch für die Czernavoda-Brücke in Aussicht genommen ist, bei hohen
Trägerwänden vortheilhafter ist, als die Anbringung sowohl eines
untern, als auch eines obern Windverbandes, darüber kann man ver¬
schiedener Meinung sein. Gegen die Anordnung eines einzigen
untern Windverbandes spricht jedenfalls der dabei unvermeidliche
Uebelstand des Auftretens starker Nebenspannungen in den Wand¬
gliedern und Gurten, namentlich bei eingeleisiger Verkehrsbelastung,
Die Bestrebungen zweitgenannter Art gehen darauf aus, durch
Anstellung von Versuchen und durch planmäfsige Ausbildung des
Prüfungswesens die technischen Eigenschaften des Eisens mehr und
mehr zu ergründen und mit Hülfe der hierbei gewonnenen Erfah¬
rungen nicht allein die Auswahl und Beschaffung des Brückenbau-
stofl'es zu erleichtern, sondern auch auf stetige Vervollkommnung des¬
selben hinzuarbeiten. Wenn Bau- und Hüttentechnik in diesem Sinne,
wie bisher, unverdrossen weiter zusammen gehen, so ist es durch¬
aus nicht ausgeschlossen, dafs die Brückentechnik der Zukunft noch
einmal über einen Baustoff zu verfügen haben wird, dessen Werth¬
ziffern diejenigen des heutigen besten Flufsmetalls noch bedeutend
übertreft’en.
Es würde einseitig sein, die Erfolge der Brückenbaukunst allein
den bei der Ausbildung und Herstellung der eisernen Ueberbauten
gemachten Fortschritten zuzuschreiben. Denn nicht allein die Weite
der Ströme und Meeresarme, sondern auch die Wassertiefe spielt bei
der Frage ihrer Ueberbrückung eine bedeutende Rolle. Darum haben
auch die Fortschritte im Eisenbau Hand in Hand gehen müssen mit
den Fortschritten in der Gründung und dem Bau der Pfeiler. Zu
Ende des 6. Jahrzehnts stand die beim Kehler Rheinbrückenbau
(Zeitschr. f. Bauwesen 1860, S. 7) unter Anwendung von Prefsluft er¬
zielte Gründungstiefe von 20 m unter Wasser unübertroffen da, und
zu Anfang des 7. Jahrzehnts war man mit Hülfe der gleichen Grün¬
dungsart (beim Bau der St. Louis-Bogenbrücke) schon auf 31 m Tiefe
gekommen. Dabei ist die Gründungskunst aber noch lange nicht
stehen geblieben. Das beweisen die beim Brückenbau der letzten
beiden Jahrzehnte, und dabei ohne Anwendung von Prefsluft,
nur mit Hülfe offener, nach der Versenkung mit Beton ge¬
füllter Holzkästen erreichten Tiefen von 36 m (bei der Pough-
keepsie- Brücke — Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 271 u. 473) und
sogar 54 m (bei der australischen Hawkesbury-Brücke — Centralbl. d.
Bauverw. 1886, S. 192). (Schlufs folgt.)
Berichtigung. In Nr. 35^, Seite 368, 2. Spalte, Zeile 3 von oben
ist der Hinweis „(Centralbl. d. Bauverw. 1886, S. 313)“ zu streichen.
si) Vom Aachener Hüttenverein, Rothe Erde, wurden seit 1887
über 2000 Tonnen Thomasmetall (40 — 45 kg Festigkeit, 25 — 30 pCt.
Dehnung) zum Bau der gi’ofsen Canadischen Brücken (St. John-Brücke
und Brücke bei Lachine) geliefert.
Vermischtes,
In der Wettbewerhimg um den Neubau eines Kreisständehauses
in Kreuznach (S. 215 u. 228 d. J.) sind 116 Entwürfe eingegängen.
Sie werden vom 8. bis 20. d. M. in den Nachmittagsstunden von
3 bis 5 Uhr in dem jetzigen provisorischen Kreistagssaal öffentlich
ausgestellt. Das Preisgericht wird voraussichtlich am Schlüsse dieses
oder anfangs nächsten Monats zusammentreten.
Bücherschall.
Säulen und Träger. Tabellen über die Tragfähigkeit eiserner
Säulen und Träger von C. Scharowsky, Civilingenieur in Berlin.
Leipzig und Berlin 1890. Otto Spamer. Preis 0,60 Jf.
Das 43 Octavseiten starke Heftchen bildet einen Auszug aus dem
vom Verfasser im Aufträge des Vereins deutscher Eisen- und Stahl¬
industriellen herausgegebenen „Musterbuch für Eisenconstructionen“,
dessen einzelne Hefte bereits in diesem Blatte besprochen worden
sind.*) Es möge daher hier ein Hinweis auf den vorliegenden hand¬
lichen Auszug genügen.
*) Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 112, 1888, S. 380, 1889, S. 330.
Verlag von Ernst&Korn ("Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
385
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 13. September 1890. Nr. 37.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHAIiT: Amtliches: Personal - Nachrichten. — Gutachten und Berichte.
Neubau der katholischen St. Sebastianskirche in Berlin. — Nichtamtliches: Unter¬
bringung der Versorgungsnetze im grofsstädtischen Strafsenbau (Schlufs). — Preis¬
bewerbung für das Kaiser Wilhelm -Denkmal der Provinz Westfalen. — Kuppel¬
gebäude bei Potsdam zur photographischen Aufnahme der Himmelskarte. —
Versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine (Schlufs).
— Weitgespannte Strom- und Thalbrücken der Neuzeit (Schlufs). — Vermischtes:
Vorrichtung zur Entdeckung von Blasen in Metallen. — Einführung der Dampf¬
heizung auf den nordamericanischen Bahnen. — Stahlgemische durch Zusatz von
Metallen. — Bücherschau.
Amtliche Mittheilungen.
Sachsen.
Bei der fiscalischen Hochbauverwaltung im Königreiche Sachsen
ist infolge des freiwilligen Austritts des Eegierungs -Baumeisters
Erdmann Johannes Bernhardi der technische Hülfsarbeiter Re¬
gierungs-Baumeister Bernhard Geifsler zum ständigen Regierungs-
Baumeister ernannt worden.
Gutachten und Berichte.
Neubau der katholischen St. Sebastiauskirche in Berlin
Entwurf des Begierungs- Baumeisters Hasak in Berlin.
Gutachten der Königlichen
Berlin, den 10. Juni 1890.
Durch Erlafs des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten vom
12. V. M. (III. 9635) ist der Königlichen Akademie des Bauwesens
das Schreiben des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinal- Angelegenheiten vom 10. v. M. G. II. 1747, nebst Anlagen,
die in der Ueberschrift bezeichnete Angelegenheit betreffend, mit
dem Aufträge zugegangen, den vorgedachten Entwurf einer Begut¬
achtung zu unterziehen. In der Sitzung vom 3. d. M. ist die Ab¬
theilung für den Hochbau nach eingehender Prüfung der Vorlagen
zu folgendem Ergebnifs gekommen.
Der Bauplan ist von dem Kirchenvorstande, wie derselbe in
seinem abschriftlich vorliegendem Schreiben an die Königliche
Ministerial-Bau-Commission vom 31. März d. J. erklärt, für die Aus¬
führung angenommen worden. Unter diesen Umständen wird über
den Mangel eines Bauprogramms hinweggesehen werden können.
Als Bauplatz steht ein freier, nordöstlich vom Stettiner Bahnhofe
belegener Platz mit etwa 150 m mittlerer Länge und 120 m Breite
zur Verfügung. Derselbe ist geräumig genug, um die Kirche bei
den planmäfsigen Abmessungen in ausreichendem Abstande von den
benachbarten Gebäuden daselbst zu errichten, und gewährt die Mög¬
lichkeit, die Längsachse des Bauwerkes annähernd in die übliche
Richtung von West nach Ost zu legen.
Die Anordnung des Grundrisses, abgesehen von den Anbauten,
zeigt ein Schiff von 40,10 m Länge und 16,50 m Breite mit zwei
kurzen Kreuzflügeln von gleicher Breite und einer im Achteck ge¬
schlossenen Apsis von 8,80 m Breite. Die hierdurch erzielte centrale
Anlage läfst eine günstige Innenwirkung und vortheilhafte Nutzung
um so mehr erwarten, als der Verfasser auf die Errichtung von seit¬
lichen Emporen verzichtet und Mittelpfeiler vermieden hat. Nach
den Eintragungen im Grundrifs sind in geschlossenen Gestühlgruppen
960 Sitzplätze mit je 0,47 qm Grundfläche vorgesehen, zu denen nach
dem Erläuterungsberichte 75 Sitzplätze auf der Orgel-Empore hinzu¬
treten. Aufserdem gewähren, nach der Annahme des Verfassers von
3 Stehplätzen auf 1 qm, die Gänge und die Oi’gel- Empore noch
1300 Stehplätze. Wenngleich letztere Schätzung die Grenze der zu¬
lässigen Raumausnutzung überschreitet, so erscheint es doch nicht
ausgeschlossen, dafs überhaupt 2000 bis 2100 Kirchgänger gleich¬
zeitig Platz finden können. Hierbei ist hervorzuheben, dafs sämt¬
liche Plätze, mit wenigen Ausnahmen, einen unbehinderten Blick auf
den Hochaltar, auf die Kanzel und auf die Neben-Altäre gestatten,
auch nicht weiter als etwa 30 m von’ der Kanzel entfernt sind. Der
Mittelgang von 2,80 m Breite und die Seitengänge von je etwa 2 m
Breite bieten für Kirchgänger und Processionen genügenden Raum
zur Bewegung, entsprechen auch ihrer Lage nach den Anforderungen
für katholische Kirchen. Die für die Kirchenbesucher nutzbaren
Ein- und Ausgänge liegen zweckmäfsig und weisen J zusammen etwa
13 m lichte Weite auf. Dies iMafs unterschreitet indes die in den
Vorschriften für staatliche Bauten getroffenen Festsetzungen. Aufser¬
dem kann die geplante Anordnung der Vorhallen und Thüren an
den Kreuzflügeln nicht für geeignet erachtet werden, um eine unbe¬
hinderte und schnelle Entleerung der Kirche, namentlich bei ein¬
tretender Panik, zu gewährleisten. Der Zugang zu der Kanzel von
Akademie des Bauwesens.
der Sacristei aus bedarf einer Abkürzung und ist dem Anblick der
Kirchenbesucher thunlichst zu entziehen.
Die Treppen, einerseits für die obere Sacristei, anderseits für
den Gemeindevertretungssaal, sind nur durch die untere Sacristei,
bezw. durch den Confirmandensaal erreichbar, auch wegen der
Wendelstufen wenig zweckentsprechend, aufserdem aber wegen
mangelnder Höhe am Austritt unausführbar. Eine Anordnung dieser
Treppen möglichst geradläufig und für eine Herstellung in massiver
Construction geeignet, derart, dafs ihre Benutzung unmittelbar vom
Vorraum aus möglich wird, verdient den Vorzug. Es ist ferner auf
die Anlage von Treppen für die Besteigung des Thurmes, bezw. des
Dachraumes, deren Anordnung im Projecte nicht genau ersichtlich
gemacht ist, Bedacht zu nehmen.
In constructiver Hinsicht machen sich mehrfache Bedenken
geltend. Die weitgespannten Gurtbögen zwischen der Vierungs¬
kuppel und den Kreuzflügeln entbehren eines ausreichenden Wider¬
lagers; dasselbe gilt zum Theil für den Bogen an der Apsis. Nicht
minder unzulänglich für die Auflast erscheinen die Eckpfeiler der
Vierungskuppel. In dieser Beziehung werden eingehende statische
Ermittlungen noch anzustellen, und, dem Ergebnifs entsprechend, die
für die Standsicherheit der bezüglichen Bautheile erforderlichen con-
structiven Mafsnahmen zu treffen sein. Die Gurtbögen zwischen den
gewölbten Jochen des Kirchenschiffes finden ihr — anscheinend ge¬
nügendes — Widerlager in den aufsenseitigen Strebepfeilern, stützen
sich dagegen im Innern auf consolartige Vorkragungen, deren über
das bei ähnlichen Anordnungen gewöhnliche Mafs ziemlich weit
hinausgehende Ausladung Bedenken erregt, sodafs zur Erreichung
einer befriedigenden Lösung die guten alten Beispiele zum Vorbild
empfohlen werden. Im übrigen ist das Bestreben, auf diese Weise
die seitlichen Umgänge von beengenden Einbauten frei zu halten,
anzuerkennen. Ueber die beabsichtigte Wölbung der Seiten-Capellen
geben die Vorlagen keinen sicheren Aufschlufs; jedenfalls wird auch
hier für ausreichende Widerlager zu sorgen und die Höhenlage der
Wölbung so zu wählen sein, dafs über letzterer ein zugänglicher
Dachraum verbleibt. Die eiserne Dachconstruction bedarf noch einer
näheren Bearbeitung und statischen Berechnung. In gleicher Weise
läfst der projectirte Thurmaufbau eine für die Ausführung geeignete
Durcharbeitung vermissen.
Was die Ausbildung der äufseren und inneren Architektur an¬
langt, so ist es dem Verfasser noch nicht gelungen, in seinem Pro¬
jecte eine befriedigende Lösung zu bieten. Bei der demnach vorzu¬
nehmenden Durcharbeitung des Entwurfs wird besonders empfohlen,
auf eine stilgerechte Behandlung, welche mit dem für die Aufsen-
verblendung gewählten Haustein-Material im Einklänge steht, hervor¬
ragenden Werth zu legen.
Im allgemeinen charakterisiren sich die Ausarbeitungen lediglich
als eine vorbereitende Entwurfskizze, deren Grundgedanke als An¬
halt für die Ausarbeitung eines speciellen Projectes gebilligt werden
kann. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Akademie vorläufig
in eine nähere Prüfung bezüglich der Einzelheiten nicht eingetreten.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
38C)
Centralblatt der Bauverwaltuug.
13. Septemher 1890.
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die iiioderiieii Aufgaben des grofsstädtischen Strafsenbaues mit Rücksicht auf die
Unterbringung der Versorgungsnetze.
(Sclilufs.) , ' . I.
Vor allem ist es eine Aufgabe der Grofsstäcite, nicht länger zu
dulden, dafs Versorgungsnetze irgend welcher Art, welche man ja
geradezu als Lebensnerven bezeichnen kann, in Besitz und Ver¬
waltung concessionirter l’rivat-Gesellschaften bleiben, oder dafs neue
Concessionen der Art ertheilt werden. Eine Concession, ein Vertrag
gewährt Rechte. Nun ist nie¬
mand, auch der gewandteste
Eechtsverständige nicht, dem
die Ausfertigung der Concession
anvertraut wird, imstande, bei
dem Wachsthum der Grofsstädte,
dem Auftreten neuer Bedürf¬
nisse, der regen Erfindung be¬
züglich der technischen Form,
in der den Bedürfnissen ge¬
nügt wird, anzugebeii, welche
tief einschneidende Bedeutung
solche verliehenen Rechte in
der Zukunft haben können, wie
sehr sie hindern uml hemmen
können, welche Opfer gebracht
werden müssen, um sie ge¬
gebenenfalls abzulösen. DieVer-
waltungen der Grofsstädte üben
Hoheitsrechte aus, und sie dürfen
auf Strafsen und Plä¬
tzen, also auf öffent¬
lichem Grund und
Boden, diese Rechte
mit keinem Privaten
theilen. Dafs dieser
im Streitfälle nur
seine Privatrechte
wahrnimmt, ist na¬
türlich und von
seinem Standpunkt
auch gerechtfertigt;
dafs aber dann die
öffentlichen Inter¬
essen darunter leiden,
ist selbstverständlich,
und zuerst diejenigen,
welche bei der Ver-
theilung, Gröfsenbe-
messung, Trace, Hö¬
henlage usw. der Ver-
sorgungs - Leitungen
auftauchen.
W enn es sich
darum handelt, eine
Stadt mit Leitungen
zu versehen, um ir¬
gend eine Art der
Versorgung, z. B. mit
Gas, Wasser, Druck¬
luft usw. eintreten
zu lassen, so ist es
üblich, den sogenann¬
ten Maximalconsum
für die ganze Stadt
festzustellen.
Es wird die Einwohnerzahl und die jährliche p)i’Ocentualische
Steigerung derselben in der Vergangenheit ermittelt; daraus wird
berechnet, dafs nach einer Reihe von Jahren, für welche man noch,
weitgegriffen, die Leistungsfähigkeit des Werkes ausreichend haben
will, die Einwohnerzahl eine solche oder eine solche sein werde.
Diese Zahl, mit einem Maximal-Consum auf den Kopf und Tag
multiplicirt, ergiebt die Stoffmenge, auf welche sich das Versorgungs¬
werk einzurichten hat. Dann wird in ähnlicher Weise die Ausdeh¬
nung des Leitungsnetzes bestimmt, indem auf Grund der Erfahrungen,
die die Vergangenheit an die Hand giebt, die räumliche Vergröfse-
rung der Stadt — wiederum weit gegi'iffen und für eine längere Reihe
von .Jahren — in Betracht gezogen wird.
Wenn es sich wirklich um Grofsstädte bandelt, kann dieses Ver¬
fahren nicht als das richtige bezeichnet werden. Es wird zunächst
wohl zugegeben werden können, dafs es für Werke derart beziehent¬
lich ihrer Gröfse technisch
eine Grenze giebt, über die
hinaus financiell ein Vortheil
aus einer Vergröfserung nicht
mehr erwächst, insofern sich
dabei die Kosten für eine ge¬
lieferte Stoff-Einheit nicht weiter
vermindern, sondern die gleichen
bleiben. Eine solche Grenze
liegt in der Stärke der ein¬
zelnen Maschinen, die über ein
gewisses Mafs hinaus gehen zu
lassen unwirthschaftlich sein
würde, in dem Durchmesser der
eisernen Hauptleitungen, in der
bereits erreichten vollkommenen
Ausnutzung der Bedienungs¬
und Aufsichtskräfte, der Bau¬
lichkeiten und der verfügbaren
Baustelle.
Wenn also, wie
es bei Grofsstädten
in der Regel der Fall
sein wird, der Ge-
samtconsum erheb¬
lich noch die Lei¬
stungsfähigkeit einer
einzelnen solchen be¬
grenzt enStation über¬
steigt, so wird es
schon zulässig, ja in
vielen Fällen auch
wirthschaftlich rich¬
tig sein, die Versor¬
gung von einer Stelle
aus aufzugeben und
mehrere einzelne
Stationen anzulegeu.
Aber es ist für
mich hier nicht Auf¬
gabe, die Theilung
aus wirthschaft¬
lich e n Gründen zu
empfehlen. Ich habe
hier nur nachweisen
wollen , dafs eine
Theilung , die aus
andern Gründen ge¬
fordert werden mufs,
keinesweges aus
wirthschaftlicheu
Gründen unausführ¬
bar erscheint. Diese
Gründe bestehen aber
darin, dafs die Lei¬
stungsfähigkeit eines
Werkes, welches ein räumlich bestimmt abgegrenztes Gebiet
versorgen soll, nicht aus höchst unsicheren Wahrscheinlichkeitszahlen
ermittelt, nicht für einen mehr oder minder langen, schliefslich
doch willkürlich gegriffenen Zeitraum festgestellt zu werden braucht,
sondern dafs sie — wenigstens der Hauptsache nach — aus einem
stabilen Maximalconsum ermittelt werden kann, und dafs die
Leitungen, angemessen in dem räumlich fest begrenzten Bezirk vei’-
theilt und danach berechnet, im wesentlichen einer Vermehrung oder
Vergröfserung auch in der Zukunft nicht bedürfen werden.
Ich will hier- Beispiele anführen: Es giebt wohl keine Stadt,
Querschnitt A-B. , .
iDaufluchtlinie
Baufluchtlinie
l
Grundrifs. ^
Strafse mit Leitungstunnel in London.
(Vgl. hierzu Seite 375 in Nr. 36 d. Bl.)
h\ 37.
Centralblatt der Bauverwaltüng.
m
welche nicht sich genöthigt gesehen hätte, mindestens in den Boden¬
falten, welche nach dem Flusse zu sich ölfnen, Entwässei'ungs-
leitungen zu bauen. Sicher und nachweislich hat man dabei die
Leitung nicht am letzten Hause begonnen, sondern in Erwartung
weiterer städtischer Ausdehnung der Leitung anfänglich gröfsere
Mafse gegeben, um sie nach oben hin fortsetzen zu können. Was
hat diese Aufmerksamkeit genützt? Wir sehen jetzt, dafs auch die
weitgehendste Fürsoi-gCj in dieser Beziehung längst durch die Ent¬
wicklung überholt ist. Nicht allein, dafs die Verlängerung der
Leitungen, schliefslich in kleinster zulässiger Abmessung,' weit über
das rechnerisch bestimmte Mafs hinaus vor sich gegangen, — nein,
man hat auf einmal wieder ein gröfseres Profil oberhalb an das kleinere
unterhalb angeschlossen und sogar die Sohle der oben angeflickten
Leitung, da die alte mit Gefälle sich der Oberfläche zu sehr näherte,
plötzlich beliebig
tiefer gelegt. Na¬
türlich war es nur
eine Täuschung,
davon einen Erfolg
zu erwarten, aber
geschehen ist es im
Drange der Noth in
zahlreichen Fällen.
Als im Jahr 1860
einepreufsischeTech-
niker - Commission
die Entwässerungs¬
anlagen des Auslan¬
des studirte und ihren
Eeisebericht nebst
einem generellen Ent¬
wässerungsplane für
Berlin veröffentlichte,
glaubte sie das
äufserste gethan zu
haben, wenn sie für
Berlin eine gröfste
Einwohnerzahl von
775 000 in Ansatz
brachte. Es heifst
in jenem Bericht:
„Diese Zunahme der
Bevölkerung um bei¬
nahe 59 pCt. dürfte
so reichlich gerechnet
sein, dafs eine baldige
Ueberschreitung der¬
selben nicht leicht
anzunehmen ist.“
Wenn wir aber nun
sehen, welch ein schwerer Irrthum in jener Annahme lag, wenn wir
wissen, dafs in noch nicht 30 Jahren jene Annahme um weitere 50 pCt.
hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben ist, so mache ich doch
daraus niemandem einen Vorwurf; ich müfste mir ihn vor allem selbst
machen, da ich seiner Zeit an jener Arbeit betheiligt war. Wären
aber die Röhren und Canäle nach dem damaligen Entwurf, welcher
die ganze Stadt in ein System zusammenfafste, gelegt worden, sic
hätten, zum gröfseren Theil wenigstens, seitdem schon herausge¬
nommen und durch gröfsere ersetzt werden müssen.
Wird nun nach dem von mir empfohlenen und bei der jetzigen
Entwässerung Berlins zur Ausführung gebrachten Verfahren die
ganze Stadt räumlich in einzelne Systeme zerlegt, so ist jede spätere
unvorhergesehene und nicht vorherzusehende peripherische Ver-
gröfserung des einzelnen Versorgungsgebiets ausgeschlossen; aus¬
geschlossen ist auch, wenigstens im wesentlichen, eine Vermehrung
oder Vergröfserung der Stoffmenge, auf welche sich das einzelne
Werk einzurichten hat. Wie schon gesagt, ist diese Stoffmenge ein
Product, dessen beide Factoren erstens die Bevölkerungszahl und
zweitens die Beanspruchung auf den Kopf und Tag an das Werk
sind. Ist das System räumlich begrenzt, so fällt jede Unsicherheit
bezüglich des ersten Factors ganz und gar fort; man kann mit Be¬
stimmtheit sagen, dafs die Bevölkerungsdichtigkeit über ein gewisses
Mafs hinaus, welches dann allerdings überall zu Grunde zu legen
ist, nicht steigt. Ja, die Erfahrung hat gelehrt, dafs die Dichtigkeit
der Bevölkerung in einer Grofsstadt abzunehmen pflegt, sobald ein
gewisser, hoher Grad grofsstädtischer Entwicklung erreicht ist oder
überschritten wird.
Weniger sicher ist freilich die Bestimmung des zweiten Factors,
aber auch hier liegen Erfahrungen genug vor, wie diejenige über den
Maximalconsum an Wasser auf den Kopf und Tag, über den Gas¬
verbrauch auf den Kopf und Tag, über die abzuleitende Regenmenge
für die Flächeneinheit in der Secunde usw., welche, unter Hinzu¬
rechnung eines gewissen Sicherheits-Coefficienten, es möglich machen,
für die Versorgungsnetze eine Gröfse zu ermitteln, die dauernd ge¬
nügt, und welche daher ein Herausnehmen und Verändern der
Leitungen unnöthig macht.
Unerläfslich erscheint in Grolsstädten endlich, dafs die Venval-
tung der verschiedenen Versorgungswerke, wenigstens so weit als es
sich um die Versorgungsnetze handelt, technisch in einer Hand ruhe.
Darf ich also noch einmal die Mafsnahmen kurz aufführen, die
nach meinem Ermessen, abgesehen von dem oben über die Einbettung
der Versorgungsnetze in die Bürgersteige bereits Gesagten, geeignet
sind der Noth der Grofsstädte auf diesem Gebiet zu steuern, so sind
dies folgende:
1. Subways, wo deren Erbauung möglich ist, und wo sie nach
den gegebenen Ver¬
hältnissen eine durch¬
greifende Ordnung
und Unterbringung
der Leitungen dau¬
ernd in Aussicht
stellen.
2. Herstellung
eines administra¬
tiven A'erbandes
der Grofsstädte
und ihr er Vororte.
3. Erlafs eines
die Feststellung
der Bebau ungs-
pläneunddieAus-
führung neuer
Strafsen regeln-
denGesetzesnach
Art des in Preu-
fsen gültigen Ge¬
setzes vom 2. Juli
1875, wo solches noch
nicht vorhanden, und
Erlafs der nach die¬
sem Gesetz zulässigen
Ortsstatute, wo dies
noch nicht geschehen.
4. Eintheilung
neuer Strafsen der¬
art, dafs mehr als
bisher den Bürger¬
steigen eine gröfsere
Breite, nöthigen-
falls auf Kosten der
Strafsendämme, ge¬
geben wird; auch selbst bei schon vorhandenen Strafsen wird es sich
sehr empfehlen, zu prüfen, ob eine Anordnung in dem angedeuteten
Sinne nicht vom Verkehrs-Standpunkt zulässig und vom Standpunkt
der Versorgungsnetze aus sehr wünschenswerth ist.
5. Nichtertheilung weiterer Concessionen an Privat-Unter-
nehmer (Actien- Gesellschaften) zur Ausführung und financiellen
Ausbeutung von Versorgungsnetzen irgend w^elcher Art; wo solche
Concessionen aber bestehen, Ablösung derselben.
6. Theilung jeder Versorgungsanlage einer Stadt in be¬
stimmte räumlich abgetrennte Einzelsysteme.
7. Stellung der verschiedenen Versorgungswerke der Grofsstadt
unter eine und dieselbe technische Leitung.
Und nun, m. H., nur noch wenige Worte. Es ist eine billige
Weisheit, vor erkannten Schädlichkeiten zu warnen, aber in Vor¬
aussicht die nachtheiligen Einflüsse zu erkennen, welche die Begleiter
von Zuständen sind, die wir erstreben, von Genüssen, die wir begehren,
ist verdienstlich. Der Geschichtschreiber weifs heute davon zu erzählen,
wie der römische Caesarismus den Schwerpunkt der Reichsverwaltung
den Freigelassenen und den Prätorianern zuschob und damit den Zer¬
fall einer Weltherrschaft bedingte; dafs aber eine hochmüthige, stets
erobernde Republik zu einem Caesar führen mufste, sagten zur richtigen
Zeit nur wenige, und diesen wenigen wurde es nicht geglaubt.
Es ist jetzt, wie niemand leugnen wdrd, eine Art Sport ge¬
worden, Grofsstädte mit einander in Vergleich zu stellen und
derjenigen den Preis zuzuerkennen, welche es im Wachsthum, in der
Einwohnerzahl, in öffentlichen Einrichtungen am weitesten gebracht
hat. Unentgeltliche Schulen, Feriencolonieen, Stadtmissionen, Fach¬
schulen, Volksbäder, Asyle, Bürger-Rettungshäuser und ähnliches in
hunderterlei Gestalt erfüllt die Seele der dabei Thätigen mit Selbst¬
zufriedenheit und tugendlichem Muth; es ist ein Retten des Geistes,
des Körpers, der unsterblichen Seele unserer armen oder verkommenen
Holzstich V. 0. Ehcl.
Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica.
Entwurf von Bruno Schmitz in Berlin. Ein erster Preis.
388
13. September 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung.
Mitmenschen, das unsere Brust scliwellt, das unsern philantropischen
Charakter stählt.
„Berlin wird Weltstadt“ rief man begeistert vor Jahren aus;
„Berlin ist Weltstadt“ flüstern jetzt dort schon Tausende.
Ich meine, ein solches Wachstimm hat auch seine Kehrseite!
Ein geistvoller Kritiker der Nationalzeitung schliefst seinen Be¬
richt über das eben stattgehabte Schützenfest in Berlin mit den Worten:
„So bietet der Schützenplatz für Fremde wie für Einheindsche unend¬
lich viel des Sehenswertheu. Kurz zuvor aber, ehe man dort ankommt,
sieht man zur linken Hand ein Kornfeld, das recht schön steht, und
zur rechten einen Acker mit Kartoffeln, die eben blühen. Berliner,
die dergleichen noch nie gesehen haben — und wie grofs mag ihre
Zahl sein! — seien darauf aufmerksam gemacht; diese beiden Eigen-
thümlichkeiten lohnen allein schon eine Fahrt nach Pankow!“
Es wird leider ein solches Urtheil nicht wohl bestritten werden
können. Einfachheit, Naturnähe, ungekünstelte Verhältnisse schwinden
aus den Grofsstädteu; Gemachtheit in der Lebensführung und Lebens¬
weise nehmen zu, eine einheitliche Betriebs-Organisation im Wohnen,
Miethen, in der Bedienung, im Bezug der Lebensmittel, in der Art
der Vei'gnüguugen und Genüsse entwickelt sich und bezwingt
immer gebieterischer alles individuelle Leben. Licht in mancherlei
Gestalt, Wasser, Luft, Unterhaltung, gleiches Zeitmafs, fehlerlos
bis auf den Bruchtheil von Secundeu, Paket- Vertheilung und Arbeits¬
kraft vermitteln jetzt schon Central - Versorgungen in gröfseren
Städten durch Leitungen. Die Versendung von Nahrungsmitteln
aufser dem Wasser scheint technisch wenigstens keine unüberwind¬
lichen Schwierigkeiten zu haben. Ist erst die Sitte des warmen Bades
eine allgemeine geworden — wer hindert, das erwärmte Badewasser
jeder Familie in die Badestube durch Druckröhren zu fördern? Ja,
dafs die winterliche Heizung einer ganzen Stadt — wie jetzt ganzer
Häuser — mehr oder minder centralisirt werden kann, unterliegt
keinem Zweifel usw. Solche Centralversorgungen liefern das Be¬
gehrte unzweifelhaft billiger als es durch die Einzelbereituiig ge¬
schieht, und sie sind darum, für sich genommen, nützlich. Wenn es
nun gar einmal dahin käme, dafs das Dienstbotenverhältnifs als eine
moderne Sclaverei angesehen wird — was gar nicht so fern liegt — ,
und dafs die Hausarbeit der Dienstboten als geradezu unsittlich be¬
zeichnet wird, wie es die Nähmaschinenverkäufer thun, wenn sie von
der Handarbeit des Nähens und des Strickens reden, so ist weiterer
und weitester Entwicklung, wie angedeutet, Thor und Thür geöffnet.
Man darf sich dann vielleicht vorstellen, dafs der wesentlichste
Bestandtheil einer menschlichen Wohnung eine AVand mit Hähnen
ist, die geöffnet, mit Knöpfen, die gedrückt werden. Grofses und
Gewaltiges ist es zweifelsohne, was solchergestalt geschaffen werden
kann — aber ich meine, es kommt nicht dai'auf an und ist nicht
unser Lebenszweck, dafs wir Grofses und Gewaltiges schaffen;
sondern dafs wir, wenn möglich, selbst grofs und gewaltig seien,
und dieses Ziel erreicht der Weg, der die Eigenart schafft und
erhält, der davor bewahrt, in heerdenhafte Allgemeinheit zu versinken,
der uns mehr iinserem eigenen geistigen und wirthschaftlichen Ge¬
staltungstrieb überläfst. Dann möchten wir leichtlich unsere Auf¬
gabe als Mensch vollkommener erfüllen als die, denen der geistige und
physische Bedarf durch centrale Versorgungsleitungen zugeführt wird.
Und so sei gesagt, dafs wir das Wachsthum grofser Städte —
Weltstädte — , wenn wir es auch nicht hindern dürfen und ganz
sicher auch nicht können, doch nicht als ein Ziel ansehen sollten,
dem wir durchaus zustreben müfsten. Die wachsende Schwierigkeit
bei Unterbringung der Versorgungsnetze ist doch nur eine der vielen
Sorgen, welche das riesenhafte Anwachsen der Grofsstädte ehrlichen
Verwaltungen bereiten wird und schon bereitet.
Nehmen aber die Grofsstädte auch ferner intensiv und extensiv
noch in ihrem Wachsthum zu, dann wird der Tag kommen, wo den ge¬
bieterischen Forderungen der Versorgungsnetze gegenüber aufser den
Bürgersteigen die Strafseudämme für die Versorgungsnetze Preis ge¬
geben werden müssen, und dann hat das Definitivum der Strafsendamm-
Befestigung ein Ende! Aber ehe dieser Augenblick eintritt, wird sich
gewifs schon herausgestellt haben, dafs Subways, wo solche ausgeführt
sind, trotz weitgegriffenster Bemessung, den wachsenden Ansprüchen
nicht mehr zu genügen vermögen. Und dieses möchte ich dann für
das Bedenklichere halten. Hob recht.
Die Preisbewerbuiig für das Kaiser Wilhelm -Denkmal der Provinz Westfalen.
Entwurf von Bruno Schmitz in Berlin. Ein erster Preis.
Trotz der hohen Anforderungen, welche die in kurzer Zeit¬
folge ausgeschriebenen Preisbewerbungen für Entwürfe zu Ehi-en-
denkmälern Kaiser Wilhelms I. an die Schaffenskraft und Schaffens¬
freudigkeit der deutschen Architekten und Bildhauer gestellt haben,
giebt der Erfolg des Preisausschreibens für das Kaiser Wilhelm-
Denkmal der Provinz AVestfalen von neuem Zeugnifs von der aus¬
dauernden, unermüdlichen Plingabe der Künstler an diese vater¬
ländische Aufgabe. Nachdem im Jahre 1889 die Preisbewerbung
für das National - Denkmal in Berlin, für welches 147 Entwürfe
geliefert worden sind, die Künstlerschaft zu aufopfernder Thätig-
keit aufgerufen hatte, sind seither binnen Jahresfrist, abgesehen
von zahlreichen beschränkten Wettbewerbungen, öffentliche Preisaus¬
schreiben für die Denkmäler in Breslau, Köln, Frankfurt a. M., für
die Rheinprovinz, den Kyffhäuser und die Porta Westfalica ergangen.
Während der Termin zur Ablieferung der Entwürfe für das Denkmal
in Frankfurt a. M. noch aussteht, sind bei der AVettbewerbung für
Breslau 46, Köln 15, für die Rheinprovinz 24, den Kyffhäuser 24 und
die Porta Westfalica 58 Entwürfe eingereicht worden, gewifs ein
ehrendes Zeugnifs für die rührige Thätigkeit wie für die patriotische
Opferwilligkeit der deutschen Architekten und Bildhauer.
Die lebhafte Betheiligung, welche die hier zu besprechende
Wettbewerbung gefunden hat, obgleich die Bedingungen des Preis¬
ausschreibens in materieller Beziehung nichts weniger als verlockend
waren, scheint mitveranlafst zu sein durch den Reiz, welchen die für
das Denkmal in Aussicht genommene Lage ausübte. Es ist bekannt,
dafs die AVahl des Platzes hier wde fast bei allen anderen oben er¬
wähnten Wettbewerbungen einen lebhaften AViderstreit der Meinungen
hervorgerufen hat. Der Westfälische Provincial-Landtag hat in der
Sitzung am 15. März v. J. nur mit geringer Mehrheit sich dafür ent¬
schieden, in dem Preisausschreiben die Porta AA''estfalica als Stand¬
ort zu bezeichnen. Es scheint, dafs namentlich mit Rücksicht hierauf
die AVettbewerbung als eine lediglich vorbereitende angesehen worden
ist, um festzustellen, ob nach Lage der Verhältnisse an der Wahl
des Platzes würde festgehalten werden können. Um so erfreulicher
ist es, dafs durch die über Erwarten rege Tlieilnahme der Beweis
geliefert ist, dafs vom künstlerischen Standpunkt in weiten Kreisen
der Platz für durchaus geeignet gehalten wird. Es ist daher anzu¬
nehmen, dafs hierüber nicht von neuem Zweifel erhoben werden, und
in diesem Sinne hat jeder Theilnehmer an der AVettbewerbung sich
ein besonderes Verdienst um die Lösung der Aufgabe erworben.
Wenn so der Ausfall der AA^ettbewerbung im allgemeinen einen
günstigen Einflufs auf die endgültige Entscheidung der Platzfrage
ausüben wird, so ist ferner für die Förderung des Unternehmens der
Umstand von höchstem Weidh, dafs der mit einem der ersten Preise
gekrönte Entwurf des Architekten Bruno Schmitz eine Lösung der
Aufgabe bietet, ■welche unseres Erachtens fast bedingungslos zur Aus¬
führung empfohlen werden kann, sodafs das Ausschreiben eines neuen
Wettbewerbs nicht erforderlich sein wird. „Uebung macht den Meister“
und „in der Beschränkung zeigt sich erst der Aleister“. AA^ie zahlreiche
Entwürfe für Ehrendenkmäler hat Schmitz geliefert, wie viel Siege hat
er errungen! Dieser sein letzter Entwurf aber übertrifft an mafsvoller
Einfachheit und überzeugender Lebensfähigkeit alle früheren. Der
Grundgedanke ist nicht neu. Bei dem AVettbewerb für das National-
Denkmal in Berlin, für das Denkmal auf dem Kyffhäuser (Entwurf von
Geyer) wie bei der vorliegenden Bewerbung ist derselbe Gedanke in
verschiedenen Auffassungen bearbeitet worden. Hier aber ist die Art
der Lösung eine in jeder Beziehung so wohlgelungene und eigenartige,
dafs der Arbeit eine volle Selbständigkeit zugesprochen werden mufs.
Die hier beigegebenen Abbildungen erläuteim den Entwmrf hin¬
reichend. Zur Beurtheilung des Mafsstabes, in welchem die Aus¬
führung gedacht ist, diene die Angabe, dafs das Standbild des Kaisers
ohne Sockel eine Höhe von 7 m erhalten soll. Die Stilfrage kann
unerörtert bleiben; es genügt zu sagen, dafs die Auffassung im
ganzen und in den Einzelheiten das AVesen der Aufgabe formvollendet
darstellt. Der Charakter des Kaiserdenkmals ist unmittelbar zum
ifr. S7.
Centralblatt der Bauverwaltung.
389
Ausdruck gebracht, da das Standbild den Mittelpunkt des architek¬
tonischen Aiitbaues bildet. Das Kaiserbild steht nicht, wie bei den
meisten anderen Entwürfen, in losem Zusammenhänge mit dem Bau¬
werke, sondern eines bedingt das andere; es gewinnt, abgesehen von
seiner mächtigen Gröfse und bevorzugten Stellung, dadurch an Be¬
deutung, dafs es das einzige Bildwerk von selbständig künstlerischer
Ausbildung ist. Denn im übrigen tritt Bildhauerarbeit nur als
Belief und als Schmuck architektonischer Glieder auf. Die Einzel¬
formen des Bauwerkes sind in derben, kräftigen Formen gezeichnet,
sodafs nach der Ausführung Beschädigungen durch Muthwillen und
zerstörende Einflüsse der Witterung, soweit überhaupt möglich, aus¬
geschlossen erscheinen. Unerörtert aber dürfen die Bedenken nicht
bleiben, welche wiederholt von Bildhauern gegen die Aufstellung
von Bildwerken dieser Art unter einem architektonischen Aufbau
erhoben worden sind. Der Verfasser sagt in dieser Beziehung in
den seinem Entwürfe beigegebenen, gedruckten Bemerkungen: „Dem
einzigen Einwand, weicher gegen den Baldachin erhoben worden ist,
nämlich die Verdeckung der Figur von in diesem Falle sechs ver¬
schiedenen Standpunkten durch die sechs Pfeiler des Gewölbes, ist
dadurch zu begegnen, dafs man in den Baldachin hineintreten kann,
abgesehen davon, dafs die Pfeiler, in der Sehlinie betrachtet, nur
äufserst geringe Breiten zeigen, die gegen die weiten Oeffnungen der
Bögen und die durch solche Umrahmung erreichten Vorzüge der
Aufstellung gar nicht mehr in Betracht kommen.“ Diese Verthei-
digung widerlegt die beregten Bedenken der Bildhauer nicht, welche
volles Tageslicht ohne Schatten und Eeflexlicht der architektonischen
Umgebungen für ihre Werke fordern. Es ist aber hervorzuheben, dafs
bei den Entscheidungen der Preisgerichte für die Kaiser Wilhelm-
Denkmäler in den letzten Jahren die Mehrzahl der berufenen Bildhauer
die Aufstellung des Kaiserbildes unter offenem oder geschlossenem
architektonischen Aufbau gebilligt hat. Besonders in diesem Fall hat,
da dem Vernehmen nach das Urtheil des Preisgerichts einstimmig
abgegeben worden ist, das Mitglied desselben, Bildhauer Professor
V. Zumbusch, ein Bedenken nicht erhoben. (Schlufs folgt.)
Das Kuppelgebäude zur photographischen Aufnahme der Himmelskarte hei Potsdam,
Nachdem auf dem internationalen Astronomencongrefs in Paris
im Frühjahr 1887 beschlossen worden war, eine photographische
Aufnahme des Sternhimmels anzufertigen, wurde von Seiten der
preufsischen Eegierung das astrophysicalische Observatorium bei
Potsdam beauftragt, sich an diesem Unternehmen zu betheiligen.
Zur Unterbringung des Eefractors, mit welchem die photographischen
Aufnahmen bewirkt werden, mufste ein besonderes Gebäude errichtet
werden, in welchem zugleich auch die photographischen Arbeiten er¬
ledigt werden konnten. Dasselbe ist
in den beigegebenen Abbildungen dar¬
gestellt. Es besteht ans dem durch eine
Aufsentreppe erreichbaren Eundbau, in
welchem sich das Aufnahme-Instrument
befindet, und einem, kleinen, als photo¬
graphische Kammer eingerichteten An¬
bau. Ueber dem Eundbau erhebt sich
eine 6 m im Durchmesser haltende
schmiedeeiserne Kuppel. Diese ist, um
den Eefractor nach allen Himmelsrich¬
tungen hin gebrauchen zu können, dreh¬
bar eingerichtet und mit einer verhält-
nifsmäfsig sehr breiten Schlitzöffnung
versehen, welche durch einen schmiede¬
eisernen -Blechschieber geöffnet und ge¬
schlossen werden kann. Die Drehung
der Kuppel erfolgt auf losen gufseiser-
nen Eollen, die zwischen einem unteren,
mit dem Mauerwerk fest verbundenen
gufseisernen Laufkranze und einer am
untern Eande der Kuppelconstruction
angebrachten Laufschiene sich bewegen
(System Grubb, Dublin). Die Bewegung
selbst wird durch Drehung eines Zahn¬
rades bewirkt, welches in eine mit der
Kuppel verbundene, kreisrund gebo¬
gene Zahnstange eingreift. Da die Beob¬
achtungen und photographischen Aufnahmen
meist in der Zenithgegend gemacht werden,
ist der Schlitzschieber so eingerichtet, dafs er
bis über den Zenith hinaus geöffnet werden
kann. Der in der Fortsetzung des Schlitzes
liegende Theil der Kuppel ist geschlossen.
Um die Bewegung ■ des Schiebers in der an¬
gegebenen Weise möglich zu machen, ist der
Kuppel die Halbkugelform gegeben worden.
Der Schieber schiebt sieh daher, wenn er
hochgezogen wird, über die Kuppel bequem
hinweg und legt sich unter den geschlossenen
Theil der Kuppeloberfläche.
Die Construction der Kuppel ist die
eines eisernen Rippensystems mit einge¬
legtem Diagonalverband, welches nach aufsen
mit Stahlblech, im 'Innern mit einer Holz-
deeke von schmalen Brettern bekleidet ist.
Der zwischen beiden Bekleidungen belassene
Hohlraum ist mit der äufseren Luft in Verbindung gebracht, sodafs ein
Durchstreichen der frischen Luft stattfinden kann, wodurch eine
übertriebene Erwärmung des Beobachtungsraumes durch Sonnenbe¬
strahlung vermieden wird. In letzterem Raume ist ein gemauerter so¬
genannter Festpfeiler errichtet, welcher zur Aufstellung des grofsen
photographischen Eefractors dient. Seine Gründung ist besonders
sorgfältig ausgeführt, damit das Instrument einen sicheren und er¬
schütterungsfreien Stand hat. Der Fufsboden im Beobachtungsraume
ist aus hölzernen Balken mit Holzbelag als sogenannter Schwebe¬
boden hergeriehtet in der Art, dafs um den gemauerten Festpfeiler
herum ein offener Schlitz geblieben ist. Hierdurch ist vermieden,
dafs eine Berührung des Fufsbodens mit dem Festpfeiler eintritt und
die beim Begehen des Raumes unvermeidlichen Stöfse und Erschüt¬
terungen sich auf den Pfeiler übertragen
können. Unter dem Beobachtungsraum
befindet sich ein Gelafs, welches zu
Arbeitszwecken ausgenutzt wird. Der
Raum im Anbau dient zur Entwicklung
der photographischen Platten und ist
als solcher mit Verdunklungs -Vor¬
richtungen und allem sonstigen Zu¬
behör einer photographischen Dunkel¬
kammer ausgestattet.
Mit Rücksicht auf die Einheitlich¬
keit des Verfahrens bei der photo¬
graphischen Aufnahme des Himmels
wurden von dem Pariser Astronomen¬
congrefs gewisse Bestimmungen hin¬
sichtlich der Gröfse der Platten und
der Einrichtupg der für die Aufnahme
dienenden Instrumente aufgestellt, wel¬
che für die über den ganzen Erdkreis
verbreiteten Sternwarten, die sich an
der Aufnahme betheiligen, mafsgebend
sein sollen. Der photographische Re-
fractor wurde zu diesem Zwecke eigens
gebaut und erhielt eine Montirung,
welche , von dem bisher üblichen ab¬
weichend, es gestattet, Aufnahmen im
Zenith zu machen, ohne das, Instrument
umlegen zu müssen und unbequeme Lagen des
Beobachtens hervorzurufen. Das nähere über
die Construction des Instrumentes ist von dem
Director des Observatoriums, Herrn Prof. Dr.
H. C. Vogel, in der Zeitschrift für Instru¬
mentenkunde im Juni 1889 veröffentlicht worden.
Das Instrument ist in seinem mechanischen Theile
von Repsold in Hamburg, in seinem optischen
Theile von A. Steinheil in München hergestellt.
Was die bauliche Anlage selbst anbetrifft,
so sei noch erwähnt,, dafs das Gebäude in
Ziegelmauerwerk mit ärifserer Verkleidung von
Blendsteinen ausgeführt ist. Der Anbau trägt ein
Holzcementdach. Die Construction der eisernen
Kuppel ist durch die Firmen C. Hoppe und Bret-
schneider u. Krügner in Berlin gemeinschaftlich
ausgeführt worden. Der allgemeine Entwurf
wurde im Cultus -Ministerium bearbeitet. Die
Gesamtkosten haben sich auf 53 000 Mark be¬
laufen, wovon 13000 Mark auf die baulichen Her¬
stellungen und 40000 Mark auf die Beschaffung des Refractors und der
Einrichtung mit Instrumenten entfallen. Die Ausführung der Baulich¬
keiten geschah in den Jahren 1888 und 1889 durch den Unterzeichneten.
.Potsdam, im Mai 1890, Saal,
Kreis-Bauinspector.
300
Centralblatt der Bauverwaltung.
13. September 1890.
IX. Waiideryer
g des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine
in Hamburg vom 24. — 28. August 1890.
(Schlufs),
Der Morgen des 28. August (Donnerstag) brachte neue Besichti¬
gungen, unter denen die des neuen Rathiiauses für die Architekten
als besonclei’s anziehend hervorgehoben werden darf. Um 10 Uhr
beerann die dritte allgemeine Versammlung mit einem Vortrage des
Herrn Baensch: ..Der Nord-.Ostsee-Canal'‘, bezüglich dessen
auf die ausführlichen Mittheilungen desselben Redners im vorigen
Jabi’gange d. Bl. (Seite 73 u. f.) verwiesen werden mag; weitere Er¬
gänzungen sollen an dieser Stelle demnächst veröffentlicht werden.
Als zweiter Redner folgte Herr Mehrtens mit dem Vortrage „Weit¬
gespannte Strombrücken der Neuzeit“, dessen Veröffentlichung
in der gegenwärtigen Nummer d. Bl. zum Abschlufs gebracht wird.
Beide Redner lohnte reicher Beifall. Hierauf schlofs Herr Wiebe
die Versammlung mit Worten des Dankes an die Vortragenden und
solchen der Anerkennung für das treue Aushalten der Fachgenossen.
Seine Schlufsworte lauteten: „Auf fröhliches Wiedersehen in zwei
Jahren in Leipzig!“
Nachdem das Frühstück eingenommen, führten mehrere Dampfer
eine gröfsere Zahl schaulustiger Theilnehmer von den St. Pauli-
Landungsbrücken nach den gegenüberliegenden Werften von Blohm
u. Vofs, woselbst ihrer das seltene Schauspiel des Stapellaufes
eines grofsen Dampfschiffes wartete. Um 5 Uhr fand alsdann das
grofse Festessen bei Ludwig statt. Der gewaltige Saal hatte die
Zahl der Fachgenossen und ihrer Damen nicht zu fassen vermoclit;
so hatte man auch noch im Wintergarten decken müssen. Den
Reigen der Trinksprüche eröft’nete Herr Senator Lehmann mit dem
Hoch auf den Kaiser. Nachdem die Töne der Nationalhymne ver¬
klungen waren, erhob sich Herr Wiebe, um auf Hamburg und
seine Gastfreiheit das Glas zu leeren. Ihm folgte Herr Bürgermeister
Dr. Mönckeberg, welcher des Verbandes mit warmen Worten der
Anerkennung gedachte. Herr F. Andreas Meyer forderte die Ver¬
sammlung auf, auf das Wohl der Ehrengäste und Gäste aus nah und
fern zu trinken. Herr Hagen sprach den Herren Vortragenden, dem
Ortsausschüsse und dem Hamburger Vereine für ihr mühevolles und
segensreiches Wirken den Dank der Versammlung aus. Herr Schom-
burgk endlich widmete sein Glas in launiger Rede den Damen.
Der folgende Tag gehörte Kiel. Ein Sonderzug von nicht
weniger als 43 Wagen war erforderlich, um die grofse Gesellschaft
von 700 bis 800 Theilnehmern am Freitag Morgen nach Kiel zu be¬
fördern, woselbst die Ankunft gegen 10 Uhr erfolgte. Noch während
der Einschiffung auf fünf grofsen Dampfern ergofs sich ein wolken¬
bruchartiger Platzregen, welcher zunächst das Behagen etwas störte
und die ganze Kieler Bucht in einen undurchdringlichen Nebel hüllte.
Beim Verlassen der Schiffe zur Besichtigung der Kaiserlichen
Werft hatte das Unwetter sich indessen bereits soweit verzogen,
dafs das Gehen im Freien wieder möglich war. Diese Besichtigung,
so rasch dieselbe leider vor sich gehen mufste, wird wohl jedem,
der daran Theil genommen, lange im Gedächtnifs bleiben, da der
Umfang der Anlagen ein gewaltiger ist und die Verhältnisse sämt¬
licher dort gefertigten Stücke fast über das Mafs des Menschlichen
hinausgehen. Grofses Interesse erweckten die Torpedos, die riesigen
Schiffsschrauben wie nicht minder die starken Panzerplatten. Die
bei weitem gröfste Aufmerksamkeit nahm aber das österreichische
Panzerschiff „Kronprinz Rudolf“ in Anspruch, welches auf der
Fahrt durch die Nordsee einen Unfall an der Schraubenwelle erlitten
hatte und nun für jedermann sichtbar im Dock lag. An die Be¬
sichtigung der Werft schlofs sich ein treffliches Frühstück auf der
Germania-Werft. Nachdem dieTheilnehmer so auch für weitere geistige
Genüsse aufs neue gekräftigt worden waren, erfolgte bei herrlichstem
Wetter, das den ganzen Tag anhielt, die Wiedereinschiffung und die
Ausfahrt in die Ostsee, vorbei an dem eben einfahrenden, Salut¬
schüsse abfeuernden österreichischen Geschwader zu dem auf der
Aufsenreede liegenden deutschen Geschwader, 16 Torpedo- und 10
schweren Schlachtschiffen, welche sich bei der Ankunft unserer
Festschiffe beiderseits in Linie setzten, um, von den Festtheilnehmern
mit lauten Hurrahrufen begrüfst, in den Kieler Hafen einzulaufen.
Fürwahr ein grofsartiger und eigenartiger, unvergefslicher Genufs,
wohl geeignet, um in unser aller Brust das frohe und stolze Gefühl
von der Macht und Herrlichkeit des geeinten deutschen Reiches aufs
lebhafteste anzuregen. Nach der Rückkehr mufste — ebenfalls im
Hinblick auf die grofse Zahl der Theilnehmer — in mehreren Gast¬
häusern getäfelt werden. Den Schlufs des denkwürdigen, an seltenen
Genüssen so reichen Tages bildete am Abend eine gesellige allge¬
meine Zusammenkunft im Seegarten, welche indessen im Hinblick
auf die noch in Aussicht stehenden Freuden des folgenden Tages
sehr bald ihr Ende erreichte.
Vom Wetter einigermafsen begünstigt, erfolgte Sonnabend früh
für diejenigen, welche den Ausflug
nach dem N örd-0 st s ee- Can a 1
mitmachen wollten, die Einschiffung
auf vier Dampfern der Kaiser¬
lichen Canal-Commission, während
die Architekten 'mittels ' Sonder¬
zuges nach Lübeck befördert
wurden. Die Dampfer richteten
ihren Lauf nach der Mündung des
Eider-Canals bei Holtenau, wo man
die Schiffe verliefs, um die Bau¬
stelle der grofsen Holtenauer neuen
Schleuse zu besichtigen. Die Falirt
auf dem Eider - Canal von Hol¬
tenau bis Knoop und von da
w'eiter bis Projensdorf war land¬
schaftlich von hohem Reize. Zu
beiden Seiten des durch das
wellige Gelände in vielen Win¬
dungen sich hinziehenden Canals
lagen Wiesenflächen, von deren
hellerem Grün sich das tiefdunkle
der Buchenwaldungen kräftig ab¬
hob. In Projensdorf wurde ein von
der Canal-Commission freundlichst
Frühstück einge-
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nommeu, worauf der Weg über
die Baustellen bei Levensau und
Landwehr fortgesetzt wurde. Nach
einem kurzen Abstecher in den
Flemhuder See landeten die
Dampfer abermals bei Grofs-Nord-
see zur Besichtigung der hier
eigens für die Canalbauzwecke an¬
gelegten Dampfziegelei von Ph.
Holzmann u. Co. Hier erwartete
die Canalbefahrer ein von Herrn
Holzmann angebotenes zweites
Frühstück. Weiter ging die Fahrt
durch den Eider- Canal bis Königs -
förder Schleuse und von da nach
Kluvensieker Schleuse. Hiermit
war die letzte Schleusenstelle er¬
reicht, und die Dampfer ver¬
folgten nunmehr unaufgehalten
ihren Weg durch die Obereider-
Seen bis Rendsburg, wo die An¬
kunft gegen 6 Uhr nachmittags
erfolgte. Seinen Abschlufs fand
der in jeder Hinsicht gelungene
Ausflug in einem gemeinsamen
Mittagsessen.
Auch die Besichtigung der
Stadt Lübeck unter Leitung und
Führung des dortigen technischen Vereins ist dem ^ ei'uehmen
nach zur gröfsten Befriedigung aller Betheiligten verlaufen.
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Entwurf von Gustav Lindcnthal,
Nr. 37.
Ceutralblatt der Bauverwaitung.
.391
So liegen sie denn Hinter uns, die Tage der IX. Wariderversamm-
lung. Das Wort des Dichters, dafs nichts schwerer zu ertragen sei, als
eine Eeihe von guten Tagen, scheint hier zu SchandeU geworden zu sein.
Dafs es- möglich gewesen^ eine so grofse Zahl von Festtheil-
nehmem während voller acht Tage zusammenzuhalten, , ist nicht das
geringste Verdienst des Hamburger Vereins, der sich wiederum den
-wärmsten Dank des Verbandes verdient hat, : Was alles er geschafft
und aufgeboten hat, um die IX. Wanderv'ersammlung so bedeutend
und so überaus glanzvoll nach innen und aufsen zu gestalten, braucht
hier nicht aufs neue aufgezählt zu werden; ist es doch in aller Ge-
dächtnifs. Gröfster Dank gebührt aber auch allen den Behörden,
Vereinen und Gesellschaften, die miteinander gewetteifert haben,
dem Verbände die Tage des Aufenthalts in Hamburg, Kiel und
Lübeck so angenehm und anregend wie nur möglich zu machen.
_ Pbg.
Weitgespannte Strom- und Tlialbrücken der Neuzeit
(Schlufs.)
Alle Fortschritte und Bestrebungen auf den Gebieten der Grün-
'dungskunst und der Kunst des Eisenbaues zusammengenommen lassen
die Ziele erkennen, welchen die Brückenbaukunst in Zukunft ent¬
gegen geht. Was auf diesem Wege bisher bedeutendes geschaffen
wurde, ist aus der in der nachstehenden Liste gegebenen Ueber-
sicht der weitgespanntesten Hänge-, Bogen- und Balkenbrücken der
Welt zu entnehmen.
zuverlässigen Vorkehrungen, um das vorübergehende und dauernde
Verhalten der eisernen Ueberbauten unter der Verkehrslast genau
beobachten und messen zu können. Ein näheres Eingehen auf diesen
Gegenstand würde zu weit führen. Die gemachten Andeutungen
genügen aber zur Bezeichnung der Richtung, in welcher der Brücken-
teclinik auch auf diesem Felde die Wege in der Zukunft offen liegen.
So wenig wie es heute zeitgemäfs ist, den Entwurf einer eisernen
Uebersieht der weitgespanntesten Strom- rind Thalbriicken der Welt.
Auch die zur Zeit im Bau begriffenen Brücken sind aufgenommen.'
Nr.
Name des Landes
Name der Brücke und gröfste Stützweite in Metern (rund)
Auslegerbrücken
Reine Balkenbrücken
Bogenbrücken
Hängebrücken
1.
England .
Forth-Brücke . . .
521
Brittannia-Brücke . . 140
_
Clifton-Brücke .... 214
2.
Indien .
Sukkur-Brücke . . .
250
—
—
—
3.
Nord-America . . .
Colorado-Brücke . .
201
Ohio-Brücke d. Covington-
Cincinnati-Eisenbahu 168
St. Louis-Brücke . . . 158
East-River-Brücke . . . 486
4.
Rumänien ....
Czernavoda-Brücke .
190
—
—
—
5.
Canada .
St. John -Brücke . .
145
Grand-Eiver-Brücke . . 168
—
—
6.
Hollapd .
—
Leck-Brücke . . . .154
—
—
■P-
Süd-America . . .
—
Brücke Don Pedro II. . 152
—
—
8.
Deutschland . . .
—
Alte und neueWeichsel-
1 Brücken bei Dirschau 129
Rhein-Brücke b. Coblenz 106
9.
Australien ....
Hawkesburj-Brücke
127
—
—
—
10.
Oesterreich-Ungarn^ä)
Trisana-Brücke . . . 120
Theifs-Brücke (Szegedin) 110
Donau-Brücke. Pesth . . 203
11.
Eufsland .
Wolga-Brücke .... 107
—
—
12.
Frankreich ....
-
La Tardes-Brücke . . 104
Garabit-Brücke .... 165
Roche-Bernard-B rücke 26') 198
13.
Italien .
—
Tiber-Brücke in Rom . 103
Adda-Brücke .... 150
—
14.
Schweiz .
—
-
—
Schwarzwasser-Brücke . 114
Saane-Brücke. Freiburg . 265
15.
Portugal .
—
Douro-Brücke .... 172
Weitere Fortschritte auf diesem Wege werden in dem stärkeren
"Wachsen der Spannweiten zum Ausdruck gelangen. Das Beispiel
-des glücklich vollendeten Riesenbaues der Forth -Brücke und ähn¬
licher Werke reizt zur Nachahmung. Es giebt ja auf dem Erdball
noch ländertrennende Meeresarme genug, deren feste Ueberschienung
schon lange der Wunsch der betheiligten Länder gewesen ist. Die
Erfüllung solcher Wünsche braucht nicht mehr ins Reich der Träume
verwiesen zu werden, denn es liegen heute keine unüberwindlichen
Hindernisse mehr vor, um Pläne wie z. B. den neuesten Entwurf von
Dustav Lindenthal für . eine 869 m weitgespannte Drahtkabelbrücke
über den North-Eiver ip New- York (Abb. 16, s. a. Centralbl. d. Bauv.
1888, S. 127 u. 1890, S. 272), sowie auch den italienischen Plan der
-Ueberbrückung der Meerenge von Messina durch Bogenträger von
1000 m "Weite u. a. m. ihrer Verwirklichung entgegen zu führen.
Mit der Uebemahme derartiger Riesenbauten wird aber den
Verwaltungen, denen ihre Lmterhaltung in der Zukunft obliegt,
-eine schwere Sorge aufgebürdet. Denn nicht allein die allgemeine
Frage der voraussichtlichen Dauer der Eiseneonstructionen ist noch
ein ungelöstes Eäthsel, sondern auch die besondere Frage nach den
sichersten Mitteln, um die Lebensdauer der Eisenbauten möglichst
zu verlängern.
Die Brückentechnik hat auf dem Gebiete dieser Fragen der
Zukunft sehr viel zu thun übrig gelassen. Denn die bestehenden
Einrichtungen zur ordnungsmäfsigen Ueberwachung, Beobachtung
und Unterhaltung der weitgespannten Brücken stehen in den meisten
Staaten der Welt noch lange nicht auf der Höhe der Zeit. Es
mangelt fast überall nicht allein an zweckentsprechenden Zukömm-
iichkeits- Vorrichtungen, denen die Beamten des Unterhaltungsdienstes
Gesundheit und Leben ruhig anvertrauen können, sondern auch an
2^) Die Ausleger -Thälbrücke über die Moldau bei Cervena (vgl.
Centralbl. der Bauverw. 1890, S. 76) hat 84,4 m Stützweite.
26) Vom Jahre 1840. Die Lavoulte- Brücke über die Rhone,
welche das Haus Arnodin .zur Zeit im Bau hat, zeigt eine Weite
der Mittelöffnung von 184 m.
Brücke nur. nach rein theoretischen Gesichtspunkten festzusetzen,
ohne dabei die vielseitigen Erfordernisse zu berücksichtigen, welche
Hütte, Werkstatt und Bauplatz, sowie unter Umständen auch die
schönen Künste zu stellen berechtigt sind, ebenso wenig sollte es
künftig unterlassen werden, schon beim Entwürfe einer weitgesj^annten
eisernen Brücke die nothwendigen Vorkehrungen für die spätere
ordnungsmäfsige und dauernde Prüfung und Unterhaltung der Brücke
vQrzusehen. —
Ein Schlufswort möge der von Berufenen und Einberufenen so oft
behandelten Frage gelten, wie man es anzufangen habe, um eiserne
Brücken schön zu bauen. Nach der Meinung übereifriger Schönheits-
Verfechter zu urtheilen, könnte es fast scheinen, als ob das ein
leichtes Ding wäre. Leider ist dem aber nicht so. Das Eisen ist
an und für sich schon ein widerspenstiger Baustoff’, der sich nicht
so willig in schöne Formen zwängen läfst wie Holz und Stein, und
überdies führt statische Nothwendigkeit dazu, ein gröfseres eisernes
Tragwerk aus lauter unansehnlichen geraden Stücken — nackt und
dürr, wie sie aus der Hütte kommen — zusammenzufügen. Trotzdem
läfst sich das Tragwerk einer Bogen- oder Hängebrücke mit einigem
guten Willen immer in ein ausreichend schönes Gewand kleiden.
Man kann aber aus bekannten Gründen nicht überall Bogen- und
Hängebrücken bauen. In den meisten Fällen bedingen örtliche und
andere Verhältnisse den Bau einer Balkenbrücke, und eine solche
schön auszugestalten ist eine Aufgabe, deren allseitig befriedigende
Lösung bei redlichstem Bemühen selbst den vereinten Anstrengungen
von Fachmännern der Ingenieur- und Hochbaukunst nur selten ge¬
lingt, und deren Schwierigkeit mit der Brücken-Spannweite in starkem
Grade .wächst. Die Ansichten über die beste Art und das noth-
wendige Mafs der Schönheitswirkung einer eisernen Brücke sind
bei Fach- und Nichtfachmännern eben noch sehr verschieden.
Ziemlich allgemein dürfte man aber zu der Erkenntuifs gekommen
sein, dafs an Eisenbauten grofsartigen Stiles, bei deren Errichtung die
Erbauer, um überhaupt das Gelingen ihres Planes zu sichern, in
erster Linie der statischen Nothwendigkeit zu gehorchen haben, der
landläufige Schönheitsmafsstab nicht mehr angelegt werden darf.
392
13. September 1890,
Centralblatt der Bauverwaltuug.
Mit den eigenartigen Umrissen derartiger Riesenbauten, unter denen
die Forth-Brücke den vornehmsten Rang einnimmt, wird die Welt
wohl oder übel sich künftig abfinden und befreunden müssen.
Was gelten auch die geringen Abstriche an den Forderungen
des Schönheitssinns gegenüber dem grofsen Gewinne, den solche
Riesenwerke des Verkehrs für die Gesamtheit der Lebensbedingungen
eines Landes bedeuten? Damit soll nicht etwa gesagt sein, dafs
das Zusammenarbeiten von Ingenieuren und Architekten bei jedem
Brückenbau von Bedeutung nicht ein erstrebenswerthes Ziel wäre.
Im Gegentheil. Es zeugt immer von einer gewissen Einseitigkeit,
wenn die Entwurfs -Verfasser — wie es in America und England
häufiger geschieht als auf dem europäischen Festlande — mit der
blofsen technischen Ausgestaltung des Nothwendigen sich begnügen
und nicht auch versuchen, ihr Werk mit den Schönheitsforderungen
und mit der Umgebung bestens in Einklang zu setzen. —
Am Schlufs des Vortrages entledige ich mich der angenehmen
Pflicht, allen denjenigen verbindlichst zu danken, die mich bei Ab¬
fassung desselben durch Mittheilungen und liebenswürdige Ueber-
lassungen von Abbildungen und Zeichnungen so bereitwilligst unter¬
stützt haben. 2') Mehrten s.
Das sind in Frankreich: die Herren Eilfel, Seyrig, Arnodin
und Lordereau; in England: Herr Max am Ende; in America: die
Herren Cooper und Lindenthal, sowie auch die Dominion-, Key¬
stone-, Phönixville- und Union-Brückenbau-Gesellschaften; in Italien:
Herr Röthlisberger und die Brückenwerke von Savigliano; in
Rumänien: Herr Saligny; in Rufsland: Herr Professor Belelubski;
in der Schweiz: Herr Küpfer; in Oesterreich - Ungarn : die Direction
der Oesterreichischen Staatsbahn; in Deutschland: die Herren Köpke,
Lauter und Schmick, sowie die Brückenbau-Gesellschaften von Har¬
kort, der Union und Gutehofifnungshütte.
Vermisclites.
Eine Yorrichtung zur Entdeckung von Blasen in Metallen, von
ihrem Erfinder „Schizophon“ genannt, ist von dem französischen
Hauptmann de la Place ersonnen. Nach einer Mittheilung der
Zeitschrift La I^'ature besteht die Vorrichtung aus einem Mikrophon
in Verbindung mit einem Klopfer und einem Telephon. Bei den
vorzunehmenden Metallproben wird der Klopfer über das Metall ge¬
führt. Sobald derselbe eine blasige Stelle des Metalls trift't, erleidet
der Ton eine durch Vermittlung des Mikroj)hons an dem in einem
Nachbarraume befindlichen Telephon wahrnehmbare Veränderung.
Bei Prüfung von Schienen für die französische Nordbahn in Ermont
soll durch Vornahme von Bruchproben erwiesen sein, dafs die von
der Voi’richtung angegebenen Fehlstellen thatsäcblich stets Blasen
enthielten.
Die Einführung der Dampfheizung auf den nordainericauischen
Bahnen hat in neuerer Zeit bedeutende Fortschritte gemacht. Nach
den E)igineeriny News waren im Winter 1889/90 ein Viertel , und
zwar 7391 von insgesamt rund 30 000 Personenwagen mit durch¬
gehender Dampfheizung von der Locomotive aus versehen. Auf
13 630 Betriebskilometer Bahnlänge waren alle, auf 17 600 km min¬
destens die Hälfte, auf 28200km 10 bis 50 pCt. aller Wagen
mit Dampf geheizt, während auf weiteren 87 800 km dahinzielende
Versuche betrieben wurden. Die Zahlen sind das Ergebnifs von
Rundfragen seitens des vorgenannten Blattes bei den verschiedenen
Bahnverwaltungen. Das Blatt fügt hinzu, dafs „der durch diese
Angaben bekundete Fortschritt viele, welche die Dampfheizung noch
im Versuchsstadium wähnen, ebenso überraschen werde, wie der
schnelle Fortgang in der Einführung von Luftbremsen für Güterzüge
und selbstthätigen Kupplungen“, und knüpft daran die launige Be¬
merkung, dafs hoffentlich nach drei Jahren die Sache soweit gediehen
sein werde, dafs alsdann die entbehrlich gewordenen Oefen und
sonstigen besonderen Heizvorrichtungen nach Europa verpflanzt
werden können, um die frostigen Wagen der englischen und einiger
Festlandbahnen zu heizen. Bekanntlich ist man in England über
den Gebrauch von Heifswasserpfannen als Fufswärmer noch ni^ht
hinausgekommen.
Ueber Stahlgemische durch Zusatz von Metallen. Zu dem
unter dieser Bezeichnung auf Seite 246 d. J. abgedruckten Aufsätze
werden uns nachträglich von dem Verfasser die folgenden Angaben
über die Quellen mitgetheilt, welche er bei Abfassung des Aufsatzes
benutzt hat. Die Mittheilungen über Nickelstahl und Kupferstahl
sind dem Jahrgang 1889 I des Engineering entnommen; und zwar ist
dort das erstere Metall auf Seite 573, das zweite auf Seite 582 be¬
sprochen. Die Angaben über Chromstahl sind den Heften vom
Februar 1887, Januar 1888 und August 1889 der Zeitschrift „Stahl
und Eisen“ entlehnt. Die von einer americanischen Fachzeitschrift
geäufserte Vermuthung, dafs der fragliche Aufsatz aus einem YVerke
von H. M. Howe (The Metallurgy of Steel betitelt) geschöpft sei,
erklärt der Verfasser des Aufsatzes für nicht zutreffend, da ihm
dieses Werk vollständig unbekannt sei.
Bücherschall.
Tabellen der Inhalte der Damm- und Einschnittsprotile , der
Abscissen des Grunderwerbs, bei horizontalem und geneigtem Ter¬
rain, im Auftrag und Abtrag, der Inhalte von Wegerampen,
für normalspurige Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung. Von
R. Bennecke. Berlin 1890. Selbstverlag. Zu beziehen durch die
Buchhandlung von A. Seydel in Berlin, Mohrenstrafse 9. 100 S.
Folio in Umdruck mit Abbildungen. Preis 10 JL.
Die Aufstellung von Tafeln der vorliegenden Art wird dadurch
erheblich erschwert, dafs überall verschiedene Querschnittsabmessun¬
gen im Gebrauch sind, sodafs selbst bei den elf preufsischen Eisenbahn-
directionen nicht weniger als elf verschiedene Querschnitte für Neben¬
bahnen vorgeschrieben sind. Bei diesen schwankt die Planumsbreite
zwischen 4 und 4,6 m, das gewöhnliche Grabenmafs zwischen 0,3/0,3
und 0,4/0,6 und folglich die Abtragssohle zwischen 6,6 und 8,2 m.
Da ein alle diese Verhältnisse berücksichtigendes Tafelwerk zu um¬
fangreich und kostspielig geworden wäre, so hat der Verfasser sich
darauf beschränkt, für die vier Planumsbreiten von 4,0 — 4,2 — 4,4
— 4,6 und für die vier Abtragssohlen von 6,4 — 6,6 — 7,5 — 8,2
Tafeln zu berechnen, wodurch die Muster der Directionen Köln
(linksrh.), Frankfurt, Erfurt sowie sehr angenähert diejenigen von
Altona und Breslau berücksichtigt sind. In den Tafeln sind die
Auftrags- und Abtragsquerschnitte sowie die Grunderwerbsbreiten
für Höhenunterschiede von 5 zu 5 cm und für 13 Querneigungen von
1 : CO bis 1 : 2 angegeben. Die zur Berechnung benutzten Formeln
sind nebst der zu Grunde gelegten Querschnittszeichnung am Kopfe
jeder Tafel beigefügt.
Obwohl man mit Recht das zeichnerische Verfahren bei den all¬
gemeinen Vorarbeiten in immer umfangreicherem Mafse anwendet,
so wird doch bei den ausführlichen Vorarbeiten oft eine genauere
Ermittlung der Querschnittsgröfsen erwünscht sein, wie solche die
vorliegenden Tafeln bei gleichmäfsiger Querneigung ohne das zeit¬
raubende Aufträgen der Querschnitte gestatten. Besondere Sorgfalt ist
auf die gemischten Querschnitte verwendet, d. h. diejenigen, in welchen
Auf- und Abtrag gleichzeitig verkommen, welche sich bei starker
Querneigung bis auf 2 m Damm- und Einschnittshöhe erstrecken,
und deren genaue Ermittlung bei dem zeichnerischen Verfahren
Schwierigkeiten verursacht. Eine Tafel über den Zuwachs der Ahtrags-
querschnitte bei vergröfserter Grabentiefe, sowie eine Tafel der Inhalte
der Wegerampen dürften als willkommene Zugabe betrachtet werden.
Bezüglich der Zuverlässigkeit giebt der Verfasser an, dafs die
Tafeln mit Unterschiedsreihen unter Vei'gleichung des Endergebnisses
berechnet seien, um einen Fehler nahezu auszuschliefsen. Das Buch
ist in sauberem, übersichtlichem Umdruck bei Bogdan Gisevius in
Berlin hergestellt. So dürfte dasselbe wohl geeignet sein, eine bisher
vorhandene Lücke auszufüllen und durch Zeitersparnifs Nutzen zu
stiften. C.
YViderstaiKlsmoniente und Gewichte genieteter Träger von
C. Scharowsky, Civilingenieur in Berlin. Leipzig 1890. Otto
Spamer. VHI u. 83 S. in Folio. Preis 8.JG
Das vorliegende Werk enthält auf 83 Folioseiten Tafeln der
Widerstandsmomente und Gewichte genieteter Träger für 32 000 ver¬
schiedene Querschnittsformen, bei deren Ausbildung die Normal¬
profile für Winkeleisen von 50 bis 130 mm Schenkelbreite und Gurt-
platten in sechs verschiedenen Breiten und den Gesamtdicken von
5 bis 39 mm zu Grunde gelegt sind. Die Trägerhöhen sind von 50
zu 50 mm abgestuft. In der Einleitung ist gezeigt, wie die Wider¬
standsmomente und Gewichte für die dazwischen liegenden Höhen
durch Einschaltung bestimmt werden können; auch findet sich da¬
selbst eine Hülfstafel zur Ermittlung des Einflusses einer Aenderung
der Stegdicke. Ueber die Berechnung der Tafeln sagt das \ orwort,
die Widerstandsmomente seien so bestimmt worden, dafs zu den auf
drei Decimalen genau berechneten Widerstandsmomenten der Träger
ohne Gurtplatten die Widerstandsmomente der letzteren addirt worden
seien. Diese Angabe scheint indessen auf Irrthum zu beruhen; denn
das bezeichnete Verfahren ist selbstverständlich nicht genau und
würde insbesondere für die niedrigeren Querschnitte ziemlich be¬
deutende Fehler zur Folge haben. Thatsäcblich sind jedoch aus dieser
Quelle herrührende Fehler in den Tafeln — soweit einige Stichproben
hierüber Aufschlufs geben — nicht vorhanden. Es unterliegt keinem
Zweifel, dafs die Tafeln beim Entwerfen eiserner Träger vorzügliche
Dienste leisten können und daher eine werthvolle Ergänzung der bereits
vorhandenen Werke ähnlicher Art bilden. — Z. —
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich : Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
393
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin^ 30. September 1890. Nr. 38.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHALT: Amtliches: Personal - Nachrichten. — Gutachten und Berichte.
Bau einer Garnisoukirche in Strafsburg i. E. — Nichtamtliches: Preisbewerbuug um
das „Strandschlofs“ in Colberg. — Neuere Schnelldampfer der Handels- und Kriegs¬
marine nebst deren Motoren. — Preisbewerbung für das Kaiser Wilhelm-Denkmal
der Provinz Westfalen (Schlufs). — Gestaltung und Wirkungsweise der AVasser-
Prellböcke (Wasserpuffer). — Vermischtes: Stilfrage. — Einflufs der Fahr¬
geschwindigkeit auf die Beanspruchung eiserner Brücken. — Stadtbahn in Baltimore.
— Bücherschau.
Amtliche IM
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Geheimen
Regierungsrath und Oderstrom- Bau director Bader in Breslau und
dem Geheimen Regiei-ungsrath Koch, Regierungs- und Baurath bei
der Regierung in Posen, den Rothen Adler -Orden HI. Klasse mit
der Schleife, dem Regierungs- und Baurath Baumert, Mitglied der
Königlichen Eisenbahn-Direction in Bromberg, dem Regierungs- und
Baurath Wollanke, ständigem Hülfsarbeiter bei dem Königlichen
Eisenbahn-Betriebs-Amte in Görlitz, dem Eisenbahn -Bau- und Be¬
triebsinspector Baurath Glünder, Vorsteher der Eisenbahn -Bau-
inspection in Glatz und dem Landes -Baurath Wolff in Posen den
Rothen Adler-Orden IV. Klasse und dem Landes -Baurath Keil in
Breslau den Charakter als Geheimer Baurath zu verleihen.
Versetzt sind: der Eisenbahn -Bauinspector Domschke, bisher
in Fulda, als Vorsteher der Hauptwerkstätte nach Frankfurt a. M.
und der Eisenbahn-Maschineninspector Kirchhoff, bisher in Frank¬
furt a. M., als Vorsteher der Hauptwerkstätte nach Fulda.
Der Königliche Regierungs -Baumeister Hin in Coblenz ist zum
Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector unter Verleihung der Stelle
eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem Königlichen Eisenbahn-Be¬
triebs-Amte daselbst ernannt worden.
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Michael
Schiller in Zerbst (Anhalt) und Tietzen in Cüstrin ist die nach¬
gesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste ertheilt worden.
ittheilungen.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst ge¬
ruht, im Namen des Reichs den bisherigen Eisenbahn-Bau- und Be-
triebsinspector Baurath Karl Ottmann zum Eisenbahn -Betriebs-
Director mit dem Range eines Rathes IV. Klasse in der Verwaltung
der Reichseisenbahnen in Elsafs- Lothringen zu ernennen, sowie den
Lehrern an der Marine -Akademie und -Schule, Dr. phil. Zielcke
und Marine- Maschinenbaumeister Busley in Kiel, den Charakter
als Professor zu verleihen.
Dem Betriebs -Director Ottmann ist die Verwaltung des Be-
triebsdirectionsbezirkes in Colmar übertragen worden.
Der bisherige Eisenbahn - Baumeister Karl Kaeser ist zum
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector bei der Verwaltung der Reichs-
Eisenbahnen in Elsafs -Lothringen ernannt und demselben die Ver¬
tretung des Vorstehers des bautechnischen Bureaus der Kaiserlichen
General-Direction in Strafsburg übertragen.
Der Marine -Bauführer Fränzel ist auf seinen Antrag aus dem
Marinedienste ausgeschieden.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den Ingenieur I. Klasse Georg Wies er in Rastatt mit Wirkung vom
1. October d. J. unter Verleihung des Titels Bezirksingenieur zum
Vorstand der Wasser- und Strafsenbauinspection Achern zu ernennen.
Gutachten und Berichte.
Bau einer Grarnisonkirche in Strafsburg i. E.
Entwurf des Regierungs -Baumeisters L. Müller in Frankfurt a. M.
Grutachten der Königlichen
Berlin, den 13. Juni 1890.
Infolge eines öffentlichen Wettbewerbs ist das vorliegende Pro-
ject des Regierungs-Baumeisters Müller in Frankfurt a. M. mit einem
zweiten Preise bedacht und vorbehaltlich der Abänderungen, welche
vom Preisrichter- Collegium empfohlen bezw. mittels Verfügung des
Kriegsministeriums vom 8. Februar 1890 vorge schrieben wurden, für
die Ausführung bestimmt worden. Durch den Erlafs des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 23. Mai d, J. (Nr. III 10414)
ist der Akademie des Bauwesens der hiernach umgearbeitete Entwurf
zur Begutachtung zugefertigt worden, welche in der Sitzung der
Hochbau- Abtheilung vom 3. Juni d. J. erfolgt ist. Dabei wurde von
einer Beurtheilung des Concurrenz-Entwurfs in seiner ursprünglichen
Gestalt abgesehen und die Prüfung auf die abgeänderte Vorlage be¬
schränkt.
Der Grundrifs zu ebener Erde zeigt im allgemeinen eine
gute Disposition, insofern eine erhebliche Anzahl guter Sitzplätze in
zulässiger Entfernung von der Kanzel um letztere gruppirt ist und
die Gänge und Thüren zweckmäfsig vertheilt sind. Es mufs indessen
als ein Mangel bezeichnet werden, dafs bis zu 13 Plätze nur von
einer Seite zugänglich sind, weshalb noch Nebengänge anzuordnen
sein werden: a) an den Wänden der Querschiffe, b) an den Innen¬
seiten der Pfeiler. Die Thürweiten entsprechen in ihrer Gesamtheit
zwar nicht den für preufsische Staatsbauten z. Z. bestehenden Vor¬
schriften, welche die Thürweiten von der Zahl der Kirchenbesucher
abhängig machen, namentlich dann nicht, wenn auch die Stehplätze
hinzugerechnet werden. Indessen nimmt die Akademie des Bau¬
wesens an, dafs angesichts der straffen Ordnung, die in einer
Garnisonkirche herrscht, über solche Bedenken schon eher hinweg¬
gesehen werden kann. Der Emporen-Grundrifs zeigt bezüglich
der Zugänglichkeit der Sitze noch schlimmere Mängel als die eben¬
erdige Anlage. Auch hier sind weitere Gänge nöthig: a) an den
Wänden des Querschiffs,- b) in der Mitte der Orgel-Empore.
Akademie des Bauwesens.
Die Treppen haben zusammen rund 7 m Breite, entsprechen
also den bestehenden Vorschriften, sind aber zusammengerechnet
breiter, als die Ausgänge, was kaum zulässig bleibt. Es darf mit
Rücksicht auf die Unbrauchbarkeit breiter Wendeltreppen mit
dünner Spindel empfohlen werden, die Breite der Treppenläufe auf
1 m einzuschränken, dafür aber die Spindelweite so grofs wie möglich
anzuordnen.
Die innere Raumtheilung ist hinsichtlich der künstlerischen Wir¬
kung eine gute, sie wird bei passender Behandlung stattlich und
grofsartig sowie malerisch reizvoll sich gestalten können. Indessen
darf nicht verschwiegen werden, dafs das akustische Ergebnifs als
unsicher bezeichnet werden mufs. Fast alle Kirchen ähnlicher Art
sind für die Predigt äufserst ungünstig. Jedenfalls mufs empfohlen
werden, so weitgehend wie möglich vorbeugende Mafsregeln zu treffen,
um durch möglichst weitgehende Schallzerstreuung das Uebel wenig¬
stens einzuschränken. Zu solchen gehören: a) eine reichere Gewölbe-
theilung mit starkbusigen Kappen, b) gebrochene Wände, wo dies
angängig, c) rauhe Flächen des Putzes bezw. bei Ziegelbau (Gewölbe)
offene Fugen eventl. gerillte Steine.
Die Beleuchtung ist im allgemeinen ausreichend, wenn helle
Ausmalung und lichte Verglasung vorausgesetzt wird. Immerhin
wird die Mitte der Vierung als etwa 19 m von den Lichtquellen ent¬
fernt eher eine Vermehrung als eine Verminderung der lichtgebenden
Flächen bedingen. Ungenügend ist die Beleuchtung der Räume
unter der Querschiff-Empore. Die hinteren kleinen Fenster sind
nutzlos, es müssen mehr und gröfsere seitliche Lichtöffnungen an¬
geordnet werden. Besonders ungünstig ist die rückseitige Beleuch¬
tung des Orgelwerks deshalb, weil die Thurmfaqade nach Süden
liegt. Die Orgel wird an dieser Stelle unter den starken Temperatur¬
schwankungen, welche durch wechselnde Sonnenbestrahlung eintreten
müssen, in ihrem klingenden Werk nothwendig leiden und mufs unter
allen Umständen entweder a) verlegt oder b) in zwei Hälften zer-
394
Cenrralblatt der Bauverwaltung.
20. Sqitemlter 1800.
ilieilt Tverden, welche im Schatten liegen, oder es müfste c) die grofse
Fensterrose an dieser Stelle überhaupt fortfalleu. Bei der Anlage
elektrischer Orgeln ist die Stelle des Spielers vom W erk unabhängig,
daher ein anderes Arrangement leicht zu treffen.
Im Aeufseren hat die Architektur der Kirche im Vergleich
zum Concurrenz-Entwurfe theils gewonnen, theils an Eeiz eingebüfst.
Gewonnen durchweg in formaler Beziehung und in der Ueberwindung
der im ersteren Entwurf stark vorherrschenden Küchteruheit. Ge¬
wonnen in der Contour durch das Abrücken der Thürme vom Quer¬
schiff' und die Anlage eines dritten Joches. Verloren dagegen durch
die flacher gestaltete Thurmfaeade gegenüber der gruppirten Anord¬
nung derselben im Concurrenz-Project. Die Akademie des Bau¬
wesens empfiehlt, eine ausdrucksvollere Eeliefwirkuug der Fa^ade
dadurch anzustreben, dafs a) die Thürme an den Ecken mehr zu¬
sammengehalten werden und weniger zerklüftete Baumassen erhalten,
bl das Mittelschiff' soweit vorgerückt wird, wie sieh aus einer solchen
Abänderung in natürlicher Weise erreichen läfst. Das schlanke
Herausziehen der Thurmspitzen in Stein ist unrichtig und nur für
Eisen oder Holz mit Bedachung anwendbar.
Die Inuen-Architektur ist noch etwas nüchtern; eine auch
in akustischer Hinsicht zu empfehlende reichere Behandlung der
Gewölbe, sowie ein besseres Abwägen der Verhältnisse der Gurt-
liuien von Mittelschiff’ und Seitenschiff’ zu einander wird nöthig sein.
Die Construction anlaugend, so wird eine genaue Prüfung
einzelner Theile der Bauanlage in statischer Beziehung erforderlich
werden. Insbesondere wird hier auf folgende Punkte aufmerksam
gemacht: a) die wegen des schiefen Schubs bedenklich in Anspruch
genommenen Vierungs- Pfeiler, b) die nach einer annähernden Be¬
rechnung überlasteten inneren Thurmpfeiler, c) die in ihren unteren
Theilen bei weitem nicht ausreichenden Strebepfeiler der Seitenschiff’e,
welche auch dem Schub der Mittelschiff’-Gewölbe zu begegnen haben.
Der Spanubogeu zwischen den Thurmpfeilern durchbricht das zweite
sechstheilige Gewölbe unschön. Es wird daher empfohlen, die
11 2 sechstheiligen Gewölbe des Mittelschiff’s in drei ganze Gewölbe
umzuwandelu und das der Orgel hinter dem Spannbogen besonders
zu gestalten.
Königliche Akademie des Bauwesens.
Schneider.
fAUe Eeclite vorliehalten.}
Nichtamtlicher Theil.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Preisljewerbiiiig um das ..Straiidsclilofs^* in Colberg,
Die Stadt Colberg, deren heilkräftige SooT und C)stseebäder sich
eines stark steigenden Zuzuges von Curgästen erfreuen, geht damit
um. an Stelle des bescheidenen alten Strandschlosses ein neues, den
gxöfseren Anforderungen der Xeuzeit entsprechendes Curhaus zu er¬
bauen. Sie hat zur Gewinnung von Bauplänen einen vor kurzem
durch den Spruch des Preisgerichts beendeten öff’entlichen Wettbewerb
veranstaltet, dessen Ergebnifs bereits auf Seite 347 dieses Blattes
mitgetheilt ist. Die ge¬
stellte Aufgabe bot einen
aufsergewöhnlichen Eeiz so¬
wohl durch das Baupro¬
gramm an sich als auch
durch die eigenartigen Vor¬
züge des Bauplatzes, der
an der Strandschlofsplatte,
dem Mittelpunkte des leb¬
haften Badeverkehrs, zwi¬
schen schönen Parkanlagen
am Strande des Meeres ge¬
legenist. Das Bauprogramm
verlangte eine Vereinigung
grofsartiger Gesellschafts¬
räume mit einer gröfseren
Anzahl namentlich solcher
Logirzimmer. welche sich
des freien Ausblicks auf
das Meer erfreuen. Unter
den geforderten Eäumen
steht ein grofser, mit Gale-
rieen auszustattender Con-
certsaal voran, der die be¬
deutende Zahl von 20d0Per-
sonen fassen können soll.
Erharden doppelten Zweck,
eine möglichst allgemeine
Theilnahme an denKünstler-
concerten sowie die Abhal¬
tung der Cnrconcerte bei
Eegenwett er zu ermöglichen.
Ihm folgen ein Tanz- und
Speisesaal für 500 Personen
und eine Eeihe verschieden¬
artiger Gesellschaftsräume — Unterhaltungssaal, Lese-, Spiel-, Billard-,
Musikzimmer — nebst den erforderlichen VorhaEen, Kleidergelassen
und sonstigen Xebenräumen. Unter letzteren ist namentlich den
'S eranden ein grofser Werth beizumessen, welche den Curgästen
Gelegenheit geben sollen, auch bei rauherem und regnerischem
Wetter im Freien zu sitzen. Die Zahl der Logirzimmer war auf
100 festgesteUt; ferner waren für den zu Zeiten aufserordentlich
gesteigerten wirthschaftlichen Betrieb die erforderlichen. Küchen¬
räume verschiedener Art, Eiskeller, Stallungen für sechs Pferde und
ein grofser, abgeschlossener Wirthschaftshof verlangt: endlich Woh¬
nungen des Wirthes und des zahlreichen Hauspersonals. Als eine
.erschwerende Bedingung war die Forderung gestellt, dafs das vor¬
handene Strandschlofs während des Baues erhalten, und der Bade¬
verkehr durch den Bau nicht unterbrochen werden solle.
Der Wettbewerb, zu welchem neun meist sehr tüchtig durchgebil¬
dete Arbeiten eingesandt waren, hat, wenn er auch keinen zur un¬
mittelbaren Ausführung reifen Plan hervorgebracht hat, in erfreulicher
Weise IHarheit darüber ge-
sehaff’en, in welcher Eich-
tung die Lösung der Auf¬
gabe zu suchen ist. Es
wird demnach keine grofsen
Schwierigkeiten mehr bie¬
ten können, einen befrie¬
digenden endgültigen Bau¬
plan aufzustellen. Insbe¬
sondere hat sich hinsicht¬
lich der Gruppirung der
Eäume ergeben, dafs die
Logirzimmer von den der
allgemeinen Benutzung die¬
nenden Eäumen möglichst
abzusondem und in selb¬
ständigen Gebäudeflügeln
unterzub ringen sein werden.
Für eine solche Abtrennung
sprechen in gleicher W eise
die Xothwendigkeit, die Be¬
wohner der Logirzimmer
gegen den unvermeidlichen
Lärm der Gesellschafts¬
räume zu schützen und die
Anforderungen eines er¬
leichterten wirthschaftlichen
Betriebes. Der Zugang zu
dem Logirflügel wird au
einer der Strandschlofs¬
platte abgewandten Seite
des Gebäudes, wo er mit
dem lebhaften V erkehr
auf dieser nicht in stö¬
rende Berührung kommen
kann, zu suchen sein, also an der Ostseite oder der Südost¬
ecke des verfügbaren Bauplatzes, Für die Gesellschaftsräume
mufste eine Lage im Anschlufs an das Logirhaus mit dem
Blick auf das Meer einerseits und an der Strandschlofsplatte —
hier zwar vorherrschend — anderseits als die geeignetste erscheinen,
wobei sie den Gästen des Logirhauses und den sonstigen Curgästen
gleich leicht zugänglich sind. Dem Tanzsaal wird ferner sein Platz
neben den GeseUschaftsräumen an der Strandschlofsplatte anzuweisen
sein, und ebenso dem Concertsaal, der also, möglichst weit entfernt
von den Wohuräumen, den Schlufspunkt der Entwicklung bilden
Xorden.
Strandsehlofs in Colberg.
Entwurf von Pogge, Spaldiug u. Greiiauder. 1. Preis.
Xr. 38.
Centralblatt der Bauverwaltang.
.595
würde. Er müfste seinen hauptsächlichen Zugang gleichfalls an der
Seite der Strandschlofsplatte finden, wennschon er eine etwas ab-
gerücktere Lage erhalten kann.
Nach diesen Gesichtspunkten sind in verwandter Art die Grund¬
risse der beiden an erster Stelle preisgekrönten Arbeiten mit den Kenn¬
worten „Vineta“ (Architekten Reg.-Baumeister Pogge, Spalding
und Grenander) und .Nettelbeck“ (Architekten Höniger und Jakob
Sedelmeyr) entworfen worden. „Vineta“ zeigt dabei eine beson¬
ders gelungene, streng architektonische Zusammenlegung der beiden,
im wesentlichen sehr schön gestalteten Säle mit den Gesellschafts¬
räumen, sodafs dieselben ein geschlossenes Ganzes bilden und in
beliebiger Weise getrennt oder zusammengenommen benutzt werden
können. In letzterem Falle dürften sie weitgehenden Anforderungen
auch bei sehr grofsartigen Festlichkeiten genügen. Gleichfalls in
zweckmäfsiger Lage, aber nicht so schön schliefsen sich die Gesell¬
schaftsräume und Säle, deren Ausbildung auch im einzelnen zu wün¬
schen übrig läfst, bei .Nettelbeck“ zusammen ; doch zeigt die gesamte
Grundrifsform hier den Vorzug, dafs die Gebäudemassen an der Nord-
West-Ecke, gerade im Gegensatz zu .Vineta“, wo die Ecke kräftig
nach Norden vorspringt, eine etwas zurückgeschobene Lage erhalten
haben. Hierdurch wird die Möglichlickeit, sowohl an der Seite der
Strandschlofsplatte als auch nach dem Meere zu mit einander
zusammenhängende und einen angenehmen Ausblick gewährende, ge¬
deckte Sitzplätze zu schaffen, am besten erreicht; auch wird den
Logirzimmern dabei die Aussicht auf das Meer und besonders auf
den Abendhimmel mit dem herrlichen Schauspiel der untergehenden
Sonne am besten offen gehalten. Der architektonische Aufbau ist
bei beiden Entwürfen mit vielem Geschick der bewegten Grundrifs¬
anordnung entsprechend lebhaft gruppirt. Die Durchbildung in
freien Eenaissanceformen mit steilen Dächern, Giebeln und Thürmen
ist gesund und fi-isch, und besonders zeigt .Vineta“ eine der Auf¬
gabe und den örtlichen Verhältnissen wohl angepafste, sich dem
Holländischen nähernde Auffassung.
Bei dem an dritter Stelle ausgezeichneten Entwürfe mit dem Kenn¬
wort .Im letzten Moment“ (Arch. Puttfarken und Janda) sind
die Gesellschaftsräume in die (nördlichej Meeresfront verlegt worden,
in deren Mittelachse die beiden grofsen Säle hinter einander, und
zwar in verschiedener Höhenlage, angeordnet sind. So eigenartig dieser
Gedanke auch sein mag, und so grofsartig, in festlicher Renaissance-
Architektur, sich die Fronten dabei auf bauen, kann eine solche
Lösung für die Ausführung doch kaum in Frage kommen. Denn sie
trägt den örtlichen Verhältnissen nicht Rechnung und leidet auch
daran, dafs das Logirhaus in nicht zu rechtfertigender Weise in zwei
stark von einander getrennte Theile zerlegt ist.
Die übrigen Entwürfe, bis auf einen einzigen, bei welchem die
Erhaltung des alten Strandschlosses während der Bauausführung
nicht gesichert war, suchten die Lösung mit geschlossenen Grund¬
rifsformen.
Sie zeigen daher in mehr oder weniger ausgesprochener Weise
die Uebelstände eingeschlossener Höfe und unzulänglicher Beleuch¬
tung und Lüftung sowie einer Zerstreuung der Logirzimmer auf
den ganzen Umfang des Gebäudes. Da auch die grofsen Säle hier¬
bei mit den übrigen Räumen eng zusammengebaut und namentlich
der Concertsaal in das Innere des Gebäudes verlegt werden mufste,
so wäre die Ruhe der Logirzimmer unvermeidlich stark gestört
worden; derartige Grundrifslösungen mufsten also schon aus diesem
Grunde als unannehmbar erscheinen. Auch die Architektur dieser
Entwürfe entsprach der freien, halb ländlichen Lage des Baues wenig
und zeigte vorwiegend den Charakter städtischer Bauten auf eng
umschlossenen Bauplätzen. E — .
Die neueren Schnelldampfer der Handels- und Kriegsmarine nebst deren Motoren.*
Die Schnelldampfer sind älter als die Uebersee- Postdampfer.
Bereits gegen Ende der dreifsiger Jahre gab es auf den grofsen
americanischen
Strömen einen
Schnelldampferver -
kehr, dessen höchste
Blüthe durch die
auf dem Hudson
verkehrenden
Dampfer (New
World und andere)
in die Erscheinung
trat , welche die
120 Seemeilen lange
Strecke von New-
York nach Albany
mit einer durch¬
schnittlichen Ge¬
schwindigkeit von
17 — 17,5 Knoten
zurücklegten. Diese
Dampfer besafsen
noch Kessel mit
Zügen, welche sie
mit Unterwind,
unter Beuirtzung
grofser Flügelrad¬
gebläse betrieben,
und dadurch bis zu
200 kg Kohlen auf
das Quadratmeter
Eostffäche ver¬
brannten — eine
Leistung , welche
auch heute noch
nur von den Tor¬
pedobooten über-
troff’en wird. Der Schnelldampferverkehr erlag in den fünfziger
Jahren dem Wettbewerb der Eisenbahnen. Die ersten regelmäfsig
fahrenden L'ebersee-Dampfer (Cunard-Linie) weisen dagegen nur eine
Durchschnittsgeschwindigkeit von 8^ 4 bis 8^ ■> Knoten auf, und erst
der Vorliebe des türkischen Sultans Abdul Aziz für schnellfahrende
Dampfyachten blieb es Vorbehalten, in England die Anregung zum
*) Nach einem Vortrage des Kaiserl. Marine-Maschinenbaumeisters
Prof. Busley in Kiel, gehalten auf der IX. Wanderversammlung des
Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieurvereine in Hamburg.
Bau von Schnelldampfern zu geben. Die im Jahre 1864 für ihn er¬
baute Yacht „Isselin“ lief 16,5 Knoten, ihr folgte 1865 die „Perteri
Neylach“ (Penn-
sche Maschinen) mit
17,5 Knoten und
1866 die gröfsere
Yacht „Mahnusch“
mit 18,5 Knoten, das
damals schnellste
Dampfboot der
Welt.
Bis zum Jahre
1876 ruhte nun der
Bau der Schnell¬
dampfer, in wel¬
chem Jahre Thor-
nycroft mit der auf
seiner Werft in
Chiswick hei Lon¬
don erbauten klei¬
nen Dampfyacht
.Gitana“ einen
aufserordentlichen
Erfolg errang. Die¬
ses als Schrauben¬
dampfer herge¬
stellte Schiff’ über¬
traf trotz seiner
geringen Ausmes¬
sungen von 26 m
Länge und 30 Ton¬
nen Wasserver¬
drängung mit einer
Geschwindigkeit
von 20,75 Knoten
alle bisher als Rad¬
dampfer erbauten
Boote um ein bedeutendes.
Für die nunmehr vorzunehmende Besprechung imserer heutigen
Schnelldampfer ist es vortheilhaft, einen allen bekannten Mafsstab
einzuführen. Als solcher kann der von Scott Rüssel erbaute
„Great Eastem“ dienen, welcher für die Schiffsbau - Ingenieure
auch heute noch als leuchtendes und warnendes Beispiel dasteht. Als
leuchtendes Beispiel, weil er zeigt, wie man Schiff’skörper der gröfsten
Abmessungen mit vollkommener Sicherheit hersteilen kann, als war¬
nendes, weil er zeigt, dafs selbst das Genie die praktischen An¬
forderungen seiner Zeit nicht ungestraft aus den Augen setzen darf.
Strandschlols in Colberg.
Entwurf von Pogge, Spalding u. Grenander. I. Preis.
396
Centralblatt der Bauverwaltung.
211. September 1890
Der Great Easteru, 1859 in Fahrt gesetzt, 207 in in der Wasseidinie |
lang, mit einer Wasserverdrängung von 27 400 t und 7650 indicirten
Pferdekräften, lief 14,5 Knoten. Seine Gröfse war seine Schwäche,
denn abgesehen davon, dafs es zu jener Zeit kaum möglich war, die
gewaltige Zahl von Falirgästen und Ladung (800 Fahrgäste I. Kl.,
2000 II. Kl., 1200 Zwischendeck, 6000 t Ladung), welche derselbe
fafste, zusammen zu bringen, war die zum Löschen und Laden er¬
forderliche Zeit im Verhältnifs zur Reisedauer zu lang.
Die Anforderungen, welche heutigen Tages an die Schnelldampfer
der Handels- und Kriegsmarine gestellt werden, sind für diese beiden
Gattungen von Schiffen wesentlich verschieden. Zunächst sind durch
die Bewaffnung der Kriegsschiffe eigenartige Formen des Schiff¬
körpers bedingt, und des weiteren kommt beim Einbau der Maschinen
und Kessel auf den Kriegs dampfern die geschützte Lage derselben,
gegenüber feindlichen Angriffen, sehr wesentlich in Betracht, während
die Handelsdampfer bei diesen Einbauten nur Rücksicht auf Raum-
ersparnifs und die Schwimm-Stetigkeit des Schiffes zu nehmen haben.
Aufserdem sind für ein kämpfendes Kriegsschiff' wesentlich andere
Sicherheitseinrichtungen erforderlich als für ein Handelsschiff, wäh¬
rend auf letzterem wieder gröfsere Ansprüche an die Ausstattung
und Behaglichkeit der Wohuräume gestellt werden.
Die Schnelligkeit der Uebersee- Dampfer steigerte sich von der
im Jahre 1840 erreichten Geschwindigkeit von 8'/4 — 8^2 Knoten
1850 auf 9,5, 1860 auf 11 — llV'j» 1870 auf 14 und 1880 auf 15^2 Knoten.
Bei der letzteren Geschwindigkeit dauerte die Ueberfahrt von Liver¬
pool nach New-York 8 Tage.
Im .Tahre 1881 begann die eigentliche Schnelldampferfahrt mit
der „Elbe“ des Norddeutschen Lloyd und englischen Dampfern,
1884 erreichten die „Eider“ und „Ems“ und die englischen Dampfer
„America“, „Umbria“ und „Etruria“ eine Geschwindigkeit von 17,5
Knoten, und 1887 wurde der heute noch schnellste Dampfer des
Norddeutschen Lloyd „Die Lahn“ mit 18,3 — 18,5 Knoten Geschwindig¬
keit in Dienst gestellt. Es folgten im Jahre 1888 die „City of New
York“ und 1889 die „City of Paris“ von der Imman-Linie sowie die
Hamburger Schnelldampfer „Augusta Victoria“, „Columbia“ und
„Teutonic“ von der „White Star - Linie“. Die schnellsten dieser
Dampfer laufen mit einer mittleren Geschwindigkeit von 19 Knoten
(35 km in der Stunde) und legen die eigentliche Seefahrt von
Queenstown bis Sandy Hook alsdann in 6 Tagen zurück. Die
schnellste Reise hat bis jetzt die „City of Paris“ mit 5 Tagen
19 Stunden Oceanfahrt, 20 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit und
einem besten Etmal (Reisestrecke von Mittag bis Mittag) von 511
Seemeilen oder 21,3 Knoten (39,5 km) Fahrgeschwindigkeit, zurück¬
gelegt. Die Hamburger Schnelldampfer nehmen wohl unter gleich¬
zeitiger Berücksichtigung ihrer Schnelligkeit und der Wirthschaft-
lichkeit ihres Betriebes den höchsten Rang ein. Die „Columbia“
erreicht mit durchschnittlich 12 500 indicirten Pferdekräfteu und
270 Tonnen täglichen Kohlenverbrauchs 19,14 Knoten Fahrt, während
die „City of Paris“ 19,9 Knoten mittlerer Geschwindigkeit nur bei
Steigerung ihrer Maschinenleistung auf 20000 indicirte Pferdekräfte
erzielte, wobei der Kohlenverbrauch etwa 400 Tonnen täglich be¬
tragen haben wird.
Die Schnelligkeit der Kriegsdampfer ist heutigen Tages noch
nicht so hoch gestiegen, dafs dieselben den neuesten Schnelldampfern
mit Erfolg nachjagen könnten; doch bauen die Engländer jetzt zwei
Kreuzer „Blake“ und „Bienheim“, die Franzosen den „Dupuy de
Lome“ und Deutschland die Corvette' H. — Diese Schiffe mit 115
bis 120 m Länge erhalten eine Maschinenkraft, welche sie befähigt,
mit mehr als durchschnittlich 20 Knoten in der Stunde zu laufen. —
Zu den augenblicklich schnellsten Schiffen gehören in Deutschland
„Greif“ (Germania -Werft Kiel 1887), „Wacht“ (1888 Weser-Werft
Bremen), der spanische Kreuzer „Reina Regente“ und der italienische
Kreuzer „Piemonte“, welche in England erbaut sind. Von der Cor¬
vette H wird eine Geschwindigkeit von 21 — 22 Knoten und von dem
gleichfalls im Bau begriffenen Aviso „Meteor“ eine solche von
22 — 23 Knoten erwartet.
Im Torpedobootbau hat Deutschland die anderen Nationen über¬
flügelt. Während die Franzosen für ihre Boote nicht viel mehr als
20 Knoten erreichen konnten, und selbst die Thornycroftschen Boote
eine Geschwindigkeit von 26 Knoten nur au der abgesteckten See¬
meile (1852 m) liefen, sind die von Schichau in Elbing für Rufsland
gelieferten Torpedoboote mit einer Geschwindigkeit von 27 Knoten
eine volle Stunde gelaufen. Den besten Beweis für die Vortrefflich¬
keit der deutschen Arbeit und die beste Widerlegung der Verleum¬
dung, welcher dieselbe öfter in ausländischen Blättern ausgesetzt ist,
bieten die trotz französischen und englischen Wettbewerbes von
Oesterreich, Rufsland und Italien bei Schichau sich wiederholenden
Bestellungen neuer Boote.
Neben der Schnelligkeit kommen für den Bau der Schnelldampfer
die Anforderungen der Stetigkeit, Wohnlichkeit, Sicherheit und Wirth-
schaftlichkeit in Betracht. Die Stetigkeit verlangt, dafs das Schiff
seine aufrechte Lage möglichst wenig verläfst, und dafs ein durch
Sturm aus dieser Lage gebrachtes Schiff mit sanfter Bewegung in
dieselbe zurückkehrt. Abhängig ist die Stetigkeit von der meta-
ceutrischen Höhe, d. i. der Hölie des Metacentrums über dem System¬
schwerpunkt.
Die mit den grofsen Hamburger Schnelldampfern zur Ermittlung
der metacentrischen Höhe vorgenommenen Versuche ergaben diese
Höhe bei leerem Schiff mit leeren Kesseln, Bunkern und Doppel¬
boden zu 25 cm, während dieselbe bei vollen Kesseln und Bunkern
und etwa 850 t Ladung 60 cm beträgt. Die Stetigkeit der Hamburger
Dampfer ist somit dank ihrer grofsen Breite eine hervorragende, denn
eine metacentrische Höhe von 30 cm im beladenen Zustande wird im
allgemeinen bereits für ausreiehend erachtet.
Eine zu starke Vergröfserung der metacentrischen Höhe ist je¬
doch nicht rathsam, weil alsdann das aufrichtende Moment des
Schiffes zu grofs wird und das Schilf bei hohler See infolge dessen
sehr stark schlingert. Beim „Great Eastern“, welcher vermöge seiner
grofsen Breite von 2.5,14 m eine metacentrische Höhe von 265 cm be¬
sitzt, zeigte sich dieser Uebelstand in hohem Grade. Die Panzer¬
schiffe zeigen allerdings ähidiche metacentrische Höhen, weil sie
wegen der auf ihren oberen Decks befindlichen Geschütze, des
Panzers usw. eines grofsen aufrichtenden Momentes bedürfen, und
die oben befindlichen grofsen Gewichte das Schlingern ermäfsigen.
Bei Handelsschiffen, wo die hauptsächlichsten Lasten tief liegen,
schreitet man, weil die Breiten der Schiffe und damit die meta¬
centrischen Höhen wachsen, behufs Verminderung des Schlingerns
zu immer höheren Aufbauten über Deck.
Wohin es führt, wenn der Schwimm-Stetigkeit im Schiffbau keine
genügende Aufmerksamkeit zugewandt wird, zeigen die 1889 in Frank¬
reich mit den dort erbauten 51 Torpedobooten (35 m lang, 3,35 m breit)
gemachten Erfahrungen, da zwei dieser Boote beim Auslaufen aus dem
Hafen kenterten, und nunmehr alle 51 Boote umgebaut werden müssen.
Eine stete Sorgfalt hat man im Schiffsbau, namentlich auch bei
der Handelsmarine, der Wohnlichkeit der Schiffe gewidmet. — Die
Deckhöhe der Uebersee -Dampfer ist von ursprünglich 2 m bald auf
2'/4 und jetzt im Zwischen- und Hauptdeck auf nahezu 2V2 m und
bei einigen Schnelldampfern für das Promenadendeck auf 2^/4 m ge¬
stiegen. Der Durchmesser der Seitenfenster hat sich von 200 mm im
Zwischendeck auf 250 mm, in den Salons auf 400 mm vergröfsert.
Auch die Lüftung ist sehr verbessert; die 78 Ventilationsköpfe der
„Columbia“ beweisen, welcher Werth auf dieselbe gelegt wird. In
Bezug auf den Glanz der Ausstattung, Einrichtung der Salons, Damen¬
zimmer usw. stehen die Hamburger Schnelldampfer zur Zeit wohl an
der Spitze, nur der 6 m hohe Speisesaal auf den sonst verhältnifs-
mäfsig einfaeh ausgestatteten Dampfern „City of Paris“ und „City of
New-York“ der Imman-Linie wird von denselben nicht erreicht.
Die Sicherheit des Schiffes bedingt einen so festen Bau des¬
selben, dafs seine Verbände auch bei den stärksten Beanspruchungen
eine Lockerung nicht erleiden. Es darf ferner eine Verletzung der
Aufsenhaut das Schiff nicht zum Sinken bringen ; dasselbe mufs daher
mit Doppelböden und starken Lenzpumpen versehen sein. Zur Ver¬
hütung der Feuersgefahr sind kräftige Dampfpumpen und ein Druck¬
rohrnetz durch das ganze Schiff erforderlich. Endlich ist auch der
Doppelschrauben hier Erwähnung zu thun.
Als Mitte der 70er Jahre mit den Ansprüchen an gesteigerte
Fahrgeschwindigkeit die Gröfsenausmessung der Schilfe beträchtlich
wuchs, wurde seitens der Schiffs-Klassificationsgesellschaften eineUnter-
suchung darüber veranlafst, ob mit dem Anwachsen der Schiffgröfse auch
die Festigkeit der Fahrzeuge entsprechend gewachsen sei. Der Unter¬
suchung der Schiffskörper wurde dabei, wie auch jetzt noch, der
Gedanke zu Grunde gelegt, dafs das Schilf bei langen Wellen nur in
der Mitte getragen wird. Die gröfsten Beanspruchungen müssen dann
in den oberen Schiffstheilen auftreten. Die damaligen grofsen eisernen
Dampfer wiesen unter solchen Voraussetzungen in den oberen Längs¬
verbänden Biegungsspannungen von 550—560 kg/qcm auf, mehr als
doppelt so viel als die gleichen Verbände kleinerer Dampfer. Die
grofsen Dampfer mufsten daher zum Theil verstärkt werden. Zur
Zeit werden die grofsen Dampfer durchweg mit Längsspanten (parallel
zum Kiel an beiden Schilfsseiten von vorn bis hinten laufenden
Trägern) und aus Stahl erbaut. Bei den Hamburger Dampfern be¬
trägt die gröfste Spannung in den Längsspanten 480 kg/qcm. Gröfsere
Kriegsschiffe sind immer nach dem bereits beim „Great Eastern“
verwandten Längsspantensystem erbaut worden. Die neuen Schnell¬
dampfer bieten zunächst durch ihren Doppelboden und sodann durch
die von diesem bis zum Hauptdeck reichenden Querschotte, welche
das Schiff' in wasserdichte Abtheilungen zerlegen, einen grofsen Schutz
gegen das Sinken bei bedeutenden Beschädigungen. Durchgehende
Längsschotte, wie sie viele Kriegsdampfer besitzen, erhöhen allerdings
— obwohl sie den Nachtheil haben, dafs, falls bei einer Beschädigung
mehrere einseitige Kammern voll Wasser laufen, das Schiff stark stürzt,
schwer fortzubewegen und zu steuern ist — die Festigkeit des Längs-
air. 38.
Ceutralblatt der Bauverwaltung,
397
Verbandes und die Theilbarkeit des Schiffes. Es ist daher schon der
Vorschlag gemacht, die grofsen Schnelldampfer der Handelsmarine
mit zwei Längsschotten zu versehen. Grofse Kriegsdampfer haben
zuweilen drei Längsschotten. In jede wasserdichte Abtheilung mündet
ein Saugrohr der sehr leistungsfähigen Lenzpumpen ein. Letztere
sind bei den infolge ihrer ungeschützten Haut besonders gefährdeten
Torpedobooten imstande, die fünf- bis sechsfache Wasserverdrängung
der Boote in einer Stunde auszupumpen.
Wesentlich zur Erhöhung der Sicherheit trägt das Doppel¬
schraubensystem bei. Zwar sind mit der Anwendung der Doppel¬
schraube auch einige Nachtheile verbunden: nicht so bequemes An¬
legen an Kaimauern u. dgh, etwas gröfsere Kosten für die Maschinen,
Eohrleitungen usw. und um 10 bis 15 pCt. erhöhte Betriebskosten,
da der Betrieb zweier kleinen Maschinen theurer ist als der einer
grofsen. Diesen Nachtheilen stehen aber sehr bedeutende Vortheile
gegenüber : die
gröfsere Manöverir-
fähigkeit, die Mög¬
lichkeit, sich beim
Bruch einer Schrau¬
benwelle mit der
anderen Schraube
fortzubewegen (mit
der Geschwin¬
digkeit bei
Dampfern, welche
bis 15 Knoten lau¬
fen — mit 2/3 bei
Schnelldampfern)
und die Erhaltung
der Steuerbarkeit
im Falle eines ßu-
derbruches. Für
Kriegsschiffe ist die
durch die Verwen¬
dung von zwei Ma-
s chinen erm öglichte
Trennung des
Schiffs durch ein
Längsschott und
die dadurch er¬
reichte gröfsere
Theilbarkeit des
Fahrzeuges sehr
werthvoll. Diese
Vortheile der Dop¬
pelschraube haben
die allgemeine Ein¬
führung derselben
bei der Marine,
selbst bei den klein¬
sten Kreuzern und
Avisos zur Folge gehabt, bei grofsen Kriegsschiffen ist man noch weiter
gegangen und wendet drei Schrauben an, weil man sonst für die gröfste
Fahrgeschwindigkeit von über 20 Knoten zwei Maschinen von 6000
bis 10000 indicirten Pferdekräften besitzen müfste, während für die
gewöhnliche Geschwindigkeit von 10 — 12 Knoten 1/10 der gröfsten
Leistungsfähigkeit genügt. Die Maschinen arbeiten dann unwirth-
schaftlich und ihre Auflösung in zwei gekuppelte, hintereinander an¬
geordnete Maschinen, von denen die vordere bei geringerer Geschwin¬
digkeit ausgekuppelt wird, erfordert ungewöhnlich lange Maschinen¬
räume und ist daher für den Bau des bei grofsen Geschwindigkeiten
erforderlichen langen und schmalen Hinterschiffes unbequem. Bei
Anwendung von drei Schrauben hat die mittlere Schraube ihren Platz
am Hintersteven, wo sonst die Einzelschraube sitzt, oder etwas tiefer,
die beiden andern liegen, so wie sonst die Doppelschraube, etwas
weiter nach vorne als die mittlere Schraube. Die Maschinen für die
Seitenschrauben werden wie auf Doppelschraubenschiffen aufgestellt.
Die dritte Maschine steht in einem dahinter liegenden Kaume. Bei
10 — 12 Knoten Geschwindigkeit wird nur mit der mittleren Maschine
gearbeitet, bei Avisodiensten im Frieden, wo das Schiff etwa 18 Knoten
läuft, mit den beiden Seitenschrauben, und im Ernstfälle des Krieges,
wo die gröfste Fahrgeschwindigkeit erforderlich ist, mit drei
Schrauben.
Die Wirthschaftlichkeit der Schnelldampfer ist im wesent¬
lichen abhängig von ihrer Maschine. Die dreicylindrige und drei-
kurbelige Dreifach-Expansions-Hammer-Maschine hat sich am besten
bewährt. Die meisten Schnelldampfer arbeiten mit einer Dampf¬
spannung von 10 — 12 Atmosphären Ueberdruck. Der 200° C. heifse
Dampf wird, auf das Zwölf- bis Achtzehnfache seines anfänglichen
Kaumgehaltes sich ausdehnend, nacheinander durch drei verschiedene
Cylinder geleitet. Bei noch höheren Dampfspannungen, welche für
die Zukunft keineswegs ausgeschlossen sind, mufs man schon Vier¬
fach-Expansionsmaschinen anwenden. Die bis jetzt mit solchen Ma¬
schinen ausgerüsteten Seedampfer erreichen in Bezug auf Wirth¬
schaftlichkeit die besten Dreifach-Expansionsmaschinen nicht, da für
vierfache Expansion eine Dampfspannung von 12 — 14 Atmosphären
noch zu gering ist.
Die Dreifach -Expansionsmaschine wird bis zur wesentlicheren
Vervollkommnung des Kessels das Feld behaupten. Bei den Be¬
strebungen nach
dieser Kichtung
scheinen die Ver¬
suche der Eng¬
länder zur Ver¬
stärkung der ge¬
bräuchlichen Cy-
linderkessel mehr
Aussicht auf Erfolg
zu haben, als die
Bestrebungen, die
W asserrohrkessel
für den Schiffs¬
dienst geeignet zu
machen. Zur Er¬
höhung der Lei¬
stungsfähigkeit der
Schiüskessel hat
man (allerdings auf
Kosten ihrer Dauer¬
haftigkeit) wieder
zur Anwendung von
Nebenwinden ge¬
griffen. Den schäd¬
lichen Niederschlä¬
gen im Kessel sucht
man durch Ergän¬
zung des Speise¬
wassers unter Ver¬
wendung destillir-
ten Seewassers zu
begegnen , ebenso
sind besondere Vor
kehrungen getrof¬
fen , um die von
der Cylinderschmie-
rung herrührenden
Fettstoffe und die durch Undichtigkeiten in das Speisewasser gelangte
Luft vor dem Eintritt des Wassers in die Kessel zu entfernen. Alle
diese Einrichtungen haben bewirkt, dafs man jetzt bei 12 Atmosphären
Spannung ebenso sicher arbeitet als früher mit 2 Atmosphären und
dafs der Verbrauch an Kohle von 1,5 kg auf die Pferdekraft und
Stunde bei den besten Niederdruckmaschinen auf 1 kg bei guten
Cylinder- und kg bei den neuen Dreifach -Expansionsmaschinen
gesunken ist.
Was die Anordnung der Schraube anbetrifft, so hat man bei den
Schnelldampfern durchweg die dreiflüglige Schraube in Anwendung
gebracht, welche zwar im ruhigen Wasser nicht so wirkungsvoll ist
wie die zweiflüglige, aber dafür im bewegten Fahrwasser günstiger
auf den ruhigen Gang des Schiffes wirkt und geringere Fahrverluste
giebt. Für grofse Fahrgeschwindigkeiten scheinen sich kleinere,
schnell umlaufende Schrauben besser zu bewähren als gröfsere, lang¬
samer umlaufende, was auf die geringere Wasserreibung bei deu
ersteren zurückgeführt wird.
Trotz aller bei der Construction aufgewandten Sorgfalt ist es
aber bis jetzt noch nicht gelungen, von 100 indicirten Pferdekräften
mehr als 55 nutzbar zu machen. Auf diesem Felde bleibt daher der
Technik unserer Tage noch ein weiter Spielraum zur Bethätigung
ihrer Kräfte; aber auch hier wird und mufs der Erfolg der Mühe
Lohn sein. Chr.
Holzstich V. 0. Etel.
Kaiser Wilhelm -Denkmal an der Porta Westfalica.
Entwurf von Reuter u. Fischer in Dresden. Ein erster Preis.
Die Preisbewerbung für das Kaiser Wilhelm -Denkmal der Provinz Westfalen.
(Schlufs.)
Gegen den Entwurf von Bruno Schmitz stehen die übrigen Ar- hohen künstlerischen Begabung der Verfasser Zeugnifs ablegt. In
beiten weit zurück, wenn auch ein grofser Theil derselben von der Bezug auf den Grundgedanken stehen der vorbesprochenen Arbeit
398
Centralblatt der Bauverwaltung.
20. September 180(1.
mehrere andere nahe, so z. B. Nr. '4 und Nr. 29. Die ]\Iehrzahl aber
stellt in grofser Mannigfaltigkeit • thurmartige Aufbauten dar, zu
welchen das Kaiserbild in mehr oder weniger enge Beziehung tritt.
Bei fast allen Entwürfen dieser Art ist der bildnerische Schmuck an
sich und jedenfalls in Rücksicht der zur Verfügung gestellten Bau¬
summe zii reich. Es hat infolge dessen der Mafsstab des Figürlichen
und namentlich des Kaiserbildes über Gebühr eingeschränkt werden
müssen. Dieser Mangel wird um so fühlbarer, je mehr der ganzen
Anordnung nach die Absicht zu Tage tritt, dafs das Kaiserbild auch
aus der Ferne gesehen zur Geltung kommen soll. So hat z. B. in
dem Entwürfe von Hubert Stier das Reiterbild des Kaisers nur die
mäfsige Höhe von 5m erhalten. Bei denjenigen Entwürfen, welche
das Kaiserbild in einem hallenartig erweiterten Unterge schofs des
Thurmbaues aufstelleu, ergiebt sich das doppelte Bedenken, einmal,
dafs das Kaiserbild ungünstig beleuchtet ist, und dann, dafs der
Thurmbau in seinem Untergeschofs zu gebrechlich erscheint. Es ist
daher der Auffassung der Architekten Reuter u. Fischer, welche
in ihrem Erläuterungsbericht ausdrücklich für die Zweitheilung der
Aufgabe eintreten, eine Berechtigung nicht abzusprechen. Sie ver¬
zichten darauf, den Denkmalbau so zu gestalten, dafs das Kaiserbild
in einer Nische oder in einem hallenartig geöffneten Unterbau des
Thurmes Platz findet, überhaupt mit demselben in organische Ver¬
bindung tritt; sie stellen das Kaiserbild selbständig und nur für die
Wirkung in der Nähe berechnet vor den Thurm, sind aber bestrebt,
diesen möglichst charakteristisch als Denkmalbau auszubilden. Es
mufs zugegeben werden, dafs es ihnen gelungen ist, mehr als dies
bei den übrigen Entwürfen zutrifft, Anklänge an Thor-, Befestigungs¬
oder Aussichtsthürme zu vermeiden. Die Eigenart der Erfindung
im ganzen wie im einzelnen giebt Zeugnifs von einem sehr ernsten
Bemühen in dieser Richtung. Aber die Lösung kann nicht voll be¬
friedigen, weil, es fast überall an Reife und Vollendung der Durch¬
arbeitung fehlt. Die zu Grunde liegenden Gedanken erscheinen
annehmbar, aber ihr Ausdruck in der architektonischen Form ist
unvollkommen.
Der Entwurf von Stier stellt das Kaiserbild vor eine grofse
Nische, welche in dem den Hintergrund bildenden Thurm angelegt
ist. So günstig die Anordnung in der geometrischen Ansicht er¬
scheint, so beweist die Perspective, dafs, von den seitlichen Stand¬
punkten gesehen, das Reiterbild sich doch in störender Weise gegen
die Nische verschiebt.
Der Entwurf von Neckelmann in Stuttgart, welcher das Stand¬
bild des Kaisers in einer Nische des Thurmes zeigt, leidet an einem
Ueberreichthum architektonischer Motive. So gefällig das Ganze bei
der glücklichen Abwägung der Verhältnisse sich darstellt, so macht doch
der Mangel an Einfachheit und Monumentalität sich auffällig geltend.
Wir müssen es uns versagen, auf eine weitere Besprechung ein¬
zelner Entwürfe einzugehen. Aufser den in die engere Wahl ge¬
laugten würde eine grofse Zahl der übrigen Arbeiten dazu auffordern.
Die Besprechung Avürde aber, da bildliche Darstellungen nicht bei¬
gegeben werden können, die Vorzüge und Mängel der einzelnen Ar¬
beiten nicht hinreichend zur Anschauung bringen und, da die all¬
gemeinen Gesichtspunkte bereits berücksichtigt worden sind, nur auf
Einzelnheiten sich erstrecken können, welche ein allgemeines Interesse
nicht berühren. p.
Oestaltuiig und Wirkungsweise der
Die Aufstellung von Wasser -Prellböcken verschiedener Gestal¬
tung an den Enden der von Personenzügen befahrenen Geleise auf
Kopfstationen ist in England seit einer Reihe von Jahren mit bestem
Erfolge ausgeführt. Der Grundgedanke für die Wii'kungs weise der¬
selben ist bereits mehrfach durch Wort und Bild erläutert (vergl.
Engineering 1886; Zeitschrift des Vereins deutscher Eisenbahn -Ver¬
waltungen 1886; Organ für den Fortschritt des Eisenbahnwesens 1886;
Centralblatt der Bauverwaltung 189U, S. 116 u. 186). Die lebendige
Kraft eines gegen den Wasserpuffer anfahrenden Zuges soll dadurch
aufgehoben werden, dafs durch zwei mit den Pufferstangen ver¬
bundene Kolben, welche in Cylindern verschiebbar sind, Wasser
bewegt wird. Die Einrichtung ist auf verschiedene Weise so ge¬
troffen, dafs dieser Wasserbewegung beim Hineinschieben der Kolben
in die Cylinder allmählich wachsender Widerstand entgegengesetzt
wird. Die ältesten Wasserpufter sind nach dem A. Langleyschen
Patent derart hergestellt — vgl. Centralbl. der Bauverw. 1890, S. 116 —
dafs die beiden Kolbenstangen der Prellvorrichtung durch die hinteren
Deckel der beiden Cylinder in Stopfbuchsen durchgeführt sind und
die Kolben durch zwei über Rollen geleitete Gegengewichte, nach
Entfernung des den Stofs ausübenden Zuges, in ihre ursprüngliche
Lage zurückgezogen werden. Eine Bewegung des Wassers ist da¬
durch ermöglicht, dafs die Kolben mit zwei rechteckigen Ausschnitten
versehen sind, welche ein Ausströmen des Wassers aus den vor den
Kolben liegenden Cylindertheilen in die hinter denselben befindlichen
Räume gestatten. Das Wachsen des Widerstandes wird dadurch
erzeugt, dafs die in den Kolben angeordneten Durch strömungs-
öffnungen, dem Kolbenweg entsprechend, durch keilförmig gestaltete,
an den Cylinderwänden befestigte Schienen mehr und mehr und
schliefslich ganz geschlossen werden. Die Abmessungen dieser in
der ersten Zeit verwendeten Wasserpuffer, mit 1,22 m langem Kolben¬
weg, sind aus vorgenannter Angabe im Centralblatt zu ersehen.
In neuerer Zeit ist die Gestaltung der Wasserpuffer von den
englischen Ingenieuren Rausomes und Rapier, London S.W.
9 Victoria-Strafse, welche das Patent Langleys übernommen haben,
auf Grund eingehender Versuche erheblich verändert worden. Die
Puffer werden zur Zeit, je nach der Wichtigkeit des Geleisabschlusses,
in drei verschiedenen Gröfsen hergestellt. Der Kolbenweg beträgt
3 Fufs, 5 Fufs oder 8 Fufs englisch, oder rund 0,92 m, 1,53 m, 2,44 m.
Die umständliche und viel Raum erfordernde doppelte Führung der
Kolbenstangen ist beseitigt, da durch Versuche festgestellt ist, dafs
die einfache Führung durch eine entsprechend lange Stopfbuchse
genügt.
Beim Eindringen der Pufferstangen in die Cylinder verdrängen
dieselben eine ihrem Inhalt gleiche Wassermenge. Der Abflufs
dieses durch das Anfahren gegen den Puffer unter Druck gesetzten
Wassers wird dadurch bewirkt, dafs beide Cylinder mit einem Hosen¬
rohr verbunden sind, in welchem ein Federventil angebracht ist, das
sich selbstthätig beim Eindringen der Pufferstangen in die Cylinder
— bei etwa 3 Atmosphären Ueberdruck — öffnet und beim Stillstand
der Kolben schliefst.
Wasser - Prelll)öcke (Wasserpuffer).
Um eine rückläufige Bewegung der Kolben herbeizuführen, wird
das von den Kolbenstangen verdrängte Wasser den Cylindern durch
eine mit dem Hosenrohr verbundene Druckwasserleitung (mit etwa
2,5 Atmosphären Ueberdruck) wieder zugeführt. Die den Stopf¬
buchsen abgewendeten Kolbenflächen sind um den Querschnitt der
Kolbenstange gröfser als die den Stopfbuchsen zugewendeten Seiten.
Das Zurückschieben der Kolben erfolgt also mit einer Kraft, welche
sich aus dem Gröfsenunterschiede dieser gedrückten Flächen ergiebt.
Derartig gebaute Prellböcke sind seit deiU Jahre 1886 auf vielen
englischen Bahnhöfen, so z. B. auf der New Exchange Station in Liver¬
pool, New Joint Station in Bradford usw. aufgestellt und haben sich
dort vorzüglich bewährt.
Auf St. Paul Station in London ist bei den daselbst an den
Geleise-Enden erbauten grofsen Wasserpuffern — vgl. nebenstehende
Abb. 1 — 3 — in die Druckrohrleitung ein Ventil eingeschaltet,
welches den Zweck hat, dieselbe vor dem Rückschlag des beim An¬
fahren gegen den Pufi'er heftig gedi-ückten Wassers zu schützen, und
welches nach vollendetem Rücklauf der Kolben die Druckrohrleitung
abschliefsen soll. Das Ventil wird durch eine Zugstange, die mit
der einen Puff’erstange fest verbunden ist, in der Grundstellung des
Prellbocks geschlossen gehalten. Tritt beim Anfahren gegen den¬
selben eine rückgängige Bewegung der Puö’erstange und somit auch
der Zugstange ein, so wird das Ventil in der Druckrohrleitung derart
freigegeben, dafs es sich öffnet, sobald sich das Feder- Auslafsventil
geschlossen hat, d. h. sobald die Kolben Stillstehen und der Rücklauf
derselben beginnen soll. Während des letzten Theiles der rück¬
gängigen Bewegung der Kolben wird das Ventil in der Druckrohr¬
leitung mit der Zugstange allmählich wieder geschlossen. Der völlige
Abschlufs desselben erfolgt in dem Augenblick, in welchem die
Kolben in die Grundstellung zurückgedrückt sind. Die langen Puffer¬
stangen werden hier, um eine möglichst vollkommene Führung der¬
selben zu erzielen, in etwa 0,4 m Abstand von den Stopfbuchsen
durch eine starke Zwischenconstruction gehalten.
Nach demselben oben angegebenen Grundsatz hat in neuester
Zeit der Vorsteher der Hauptwerkstatt der London- & Nord-West-
Bahn-Gesellschaft, Herr Webb in Crewe, einen gleichfalls sehr gut
wirkenden Wasserpuffer gebaut. Auf fast sämtlichen gröfseren Bahn¬
höfen obiger Gesellschaft begegnet man den Webbschen Puffern.
Die Gestaltung derselben ist aus nebenstehenden Abbildungen 4 — 6
ersichtlich. Langley erzielt das Wachsen des Widerstandes, bezw.
die Erschwernifs der Wasserbewegung dadurch, dafs er die in den
Kolben eingeschnittenen Durchflufsöffnungen allmählich verschliefst.
Webb legt den vollen Kolben in einen doppelwandigen Cylinder, dessen
innere Wand siebartig durchlöchert ist. Beim Eindrücken der
Kolben strömt das Wasser durch die — im Bewegungssinue gerech¬
net — - vor denselben liegenden Löcher in die hinteren Cylindertheile.
Je weiter die Kolben in die Cylinder eindringen, desto kleiner wird
die Zahl der Löcher vor denselben, d. h. desto mehr wird die Vor¬
wärtsbewegung erschwert. Das durch die Kolbenstangen verdrängte
Wasser fliefst nicht, wie bei Langley, durch ein Ventil ab, sondern
l«r.38.
Centralblatt der Bauverwaitung.
399
wird in einen Windkessel gedrückt
znrückfliefst. ~ ‘
aus welchem es in die Cylinder
Diese Abweichung ist von sehr grofser Wichtigkeit,
in dem Windkessel befindliche Flüssigkeit steht bei der Grund¬
stellung des Puffers unter 2,5 Atmosphären Ueberdruck, welcher durch
, . ; ' , Abb. 2. Ansicht von oben.
Wasserpuffer nach Langley in Derby.
denn es ist hiernach bei den Webbschen Puffern sehr leicht möglich,
das Einfrieren derselben .durch Anwendung von Glycerin an Stelle
.des ^Y9.ssers, als Füllflüssigkeit zu verhüten. Es wird hierdurch der
^ ' j
Schnitt g — h. Ansicht nach e — f,
Abb. 3.
eine kleine, am Windkessel angeordnete Handdruckpumpe
erzeugt wird. Durch die in den Windkessel hineinge-
drückte Flüssigkeit wird dieser Druck entsprechend
erhöht und fällt bei der rückgängigen Kolbenbewegung
allmählich wieder auf das ursprüngliche Mafs.
Ich habe in Liverpool, Manchester und London
sowohl die Webbschen wie auch die Langleyschen
Puffer in sehr grofser Zahl — wohl an 100 Stück —
gesehen. Die Wirkungsweise ist eine ungemein gün¬
stige. Auf St. Paul Station in London fuhr ich
probeweise mit einem Zuge bestehend aus 15 leeren
Wagen und einer Maschine — etwa mit 12 km stünd¬
licher Fahrgeschwindigkeit gegen einen der oben
beschriebenen Langleyschen Puffer, ohne dafs irgend
welche Beschädigungen stattfanden. Der Stöfs, wel¬
chen ich dabei empfing, war durchaus nicht eiheblich.
Von allen englischen Bahn-Ingenieuren, die ich gesprochen habe,
wurde der Einrichtung der Wasserpuffer- das glänzendste Zeugnifs aus¬
gestellt. Die Kosten eines Langleyschen Prellbocks mit 1,53 m oder
1.':.^ i;
Abb. 4. Längenschnitt.
Schnitt c — d.
Schnitt a — b.
■ - Abb. 5.
Wasserpuffer nach J. W. Webb in Crewe.
Puffer auch noch insofern verbessert, als Glycerin eine nicht un¬
beträchtliche Zusammendrückbarkeit (4 — 5 pCt.) besitzen soll. Die
Abb. 6.
2,44 m Kolbenweg betragen frei Hafen Harwich
etwa 2800 Mark bezw. 5400 Mark. Die Webb¬
schen Prellböcke werden vön der London- &
Nord-West-Bahn-Gesellschaff in der eigenen
Werkstatt in Crewe hergestellt. Die Kosten
für einen derartigen Prellbock waren nicht zu er¬
mitteln.
Infolge der in England mit, Wasserpnffern
erzielten Erfolge werden an den vier Geleis-Enden
auf den beiden in der Ausführung begriffenen
neuen Kopfstationen (für Ringbahn und Wannsee¬
bahn) auf dem Potsdamer Bahnhof in Berlin
grofse Wasserpuff’er mit 2,50 m langem Kolben¬
wege aufgestellt werden. Dieselben sollen die
Vorzüge des Langleyschen und Webbschen
Systems in sich vereinigen. Die Kolben- und
Cylindergestaltung wird nach Langley, die Wind¬
kesselanlage nach Webb ausgeführt. Die C3'linder
erhalten Gh'cerinfüllung. Die Anfertigung und Auf¬
stellung dieser vier Puffer ist der Berliner Maschinenbauanstalt von
Hoppe für den Gesamtpreis von 14 500 Mark übertragen.
- ^ A. Herr.
400
Centralblatt der Bauverwaltung.
20. September 1890.
Yermischtes.
Die Stiltrag:e beschäftigt neuerdings wieder besonders lebhaft
die Gemüther. Der Vorrath an geschichtlichen Stilen ist nahezu er¬
schöpft, und mau hält besorgten Blickes Umschau nach frischen
Quellen, um daraus zu schöpfen, wenn dem Tagesgeschmack die
jetzt beliebten Spielarten nicht mehr Zusagen. Die Herausgeber der
Pariser Encyclopedie d’Architecture sehen das Heil in einem „Wett¬
bewerbe ohne Programm“, zu welchem sie, vor einiger Zeit alle
französischen Architekten eingeladen haben. Sie sind der Ansicht,
die letzte grofse Pariser Ausstellung habe bewiesen, dafs die
Architektenschaft Frankreichs befähigt sei, den Stil des zur Rüste
gehenden 19. Jahrhunderts zu finden. Nur müfste sie von den Fesseln
befreit werden, welche allein die Einbildungskraft der Künstler lähm¬
ten und ertödteten: von dem Geschmacke der überbildeten Bauherren
und deren beim einzelnen Bauaufträge auf bestimmte vorhandene
Typen gerichteten Wünschen und Vorschriften. In dem Wettbewerbe,
durch dessen Veranstaltung die Encyclopedie die Hand zu dieser Be¬
freiung bieten will, wird darum nach jeder Richtung hin volle Freiheit
gelassen. Weder Gebäudegattung oder überhaupt Gegenstand des Ent¬
wurfes noch Bauort noch Kosten werden vorgeschrieben. Lediglich
einige rein äufserliche, auf eine unter Umständen vorzunehmende Ver¬
öffentlichung abzielende Bestimmungen werden getroffen. Denn hierin,
in der Ehre, in der Encj^clopedie veröffentlicht zu werden, soll die Haupt¬
auszeichnung bestehen, welche den durch Eigenart und Bedeutung
hervorstechenden Entwürfen — „tout dessiu materiellement bien exc-
cute et contenant des dispositions interessantes“ — zu theil wird.
Aufserdem sollen vier Preise von je 500 Franken, und zwar je einer
für 10 veröffentlichte Entwürfe (?), gezahlt werden. Der am 15. No¬
vember d. J. ablaufende Wettbewerb soll ohne Namennennung erfolgen.
Unter den 13 Preisrichtern befinden sich hervorragendste Architekten,
als Ch. Garnier, Bailly, de Baudot, Lisch, Sauvageot u. a., von denen
mehrere zum Redactionsausschusse der Encyclopedie gehören. Sie
schieben bei Uebernahmc ihres Amtes allerdings die Verantwortung
für die durch das ganze Verfahren bekanntgegebenen Grundsätze und
Anschauungen den Herausgebern der Encyclopedie zu und betonen,
dafs sie nicht der überschäumenden Phantasie Thür und Thor öffnen,
sondern nur verständige Arbeiten „de composition, de logique et
d’4tude“ auszeichnen würden. — Ob es den Franzosen durch dieses
Mittel gelingen wird, der Wende des 19. Jahrhunderts den ersehnten
Stil zu geben? — d.
Zur Frage des Einflusses der Fahrgeschwindigkeit auf die
Beanspruchuug eiserner Brücken. Auf S. 317 u. 318 d. J. des
Centralblattes sind die Mittheilungen über die Ergebnisse der Probe¬
belastung der Eisenbahnbrücke über die Dordogne bei Cubzac
besprochen und ist gesagt, dafs bezüglich des Einflusses der
Fahrgeschwindigkeit auf die Durchbiegung eiserner Brücken keine
Uebereinstimmung der Ansichten bestehe und dafs die an der
Dordognebrücke ausgeführten Messungen, bei 25 km und 35 km
Fahrgeschwindigkeit, wesentlich kleinere, mit wachsender Fahr¬
geschwindigkeit abnehmende Durchbiegungen ergaben. Diese Ver¬
suchsergebnisse fanden keine Erklärung, und es wird im nach¬
stehenden eine solche gegeben, jedoch ohne Rücksichtnahme auf
die bei bewegter Last eintretenden Schwingungen und Stöfse.
Wird ein Zug durch eine Locomotive bewegt, so üben die
Triebräder der Locomotive auf die Schienen bezw. den Oberbau
einen wagerechten, durch die kinematische Reibung bedingten Schub
aus, gleich dem Zugwiderstande. Dieser Horizontalschub wächst
mit zunehmender Geschwindigkeit, denn bekanntlich wächst auch der
Zugwiderstand mit wachsender Fahrgeschwindigkeit. Rollt nun ein
Zug über eine Brücke, so drückt
die gesamte Zuglast lothrecht, < /- y
der Zugwiderstand aber wirkt
wagerecht auf die Construction.
Demnach läfst sich der mechanische
Vorgang durch die nebenstehende
Abbildung darstellen, in welcher G
das Zuggewicht, Z den Zugwider¬
stand, li die Mittelkraft beider und Pfeil P die Bewegungs¬
richtung darstellt. Es mufs nun ganz auf die Gattung (Construction)
und den augenblicklichen Zustand
des Trägers ankommen, welchen
Einflufs die Horizontalkraft, die den
Träger spannt (zieht), ausübt.
Denkt man sich einen Draht q
bei z/ festgehalten, über B gehend
und durch Q gespannt, so würde die
kinematische Reibung einer auf solchem Träger rollenden Locomotive,
falls sie von £ nach J führe, die Trägerspannung erhöhen, führe sie
1 -
i - ;> -
\
n
A
\
\
^ \r
hingegen von yJ nach B, so würde sie die Spannung mindern. Es kann
daher, wie dieses einfachste Beispiel zeigt, selbst die Bewegungsrich-
tuug von Einflufs sein. Die Rollenlagerung eines Brückenträgers kann
nur bei bedeutenden Kräften in Thätigkeit treten, denn die Reibungs¬
widerstände sind grofs. Bei abnehmender Temperatur wird zunächst
im Träger eine Spannung auftreten müssen, welche ihn auf Zug in
Anspruch nimmt, bis dieser Zug den Bewegungswiderstand des Lagers
überwindet; bei zunehmender Temperatur mufs hingegen eine Druck¬
spannung bis zur selben Höhe auftreten können.
Die zusätzliche Inanspruchnahme durch den wagerechten Wider¬
stand des bewegten Zuges kann in ihrem Einflüsse auf die Durch¬
biegung nicht unabhängig von obigen, durch die Temperaturänderungen
bedingten Spannungszuständen des Trägers sein; gleichwie in dem
vorerwähnten Beispiele die Bewegungsrichtung von Einflufs sein mufs.
Im allgemeinen kann der Einflufs des Zugwiderstandes sowohl
eine Verminderung als auch eine Vermehrung der Durchbiegung,
je nach der Construction und dem Spannungszustande des Trägers,
zur Folge haben.
Hallein, 26. Augu.st 1890. Prof. Friedr. Kick.
Stadtbahn in Baltimore. Eine neue Stadtbahn von 10 km Länge
wird nach den Engineering News in Baltimore erbaut. Sie wird von
einem beim Camden -Bahnhof im Süden der Stadt belegenen Punkte
der Baltimore und Ohio-Bahn zunächst in nördlicher Richtung mitten
durch die Stadt gelegt, sodann in ostsüdöstlicher Richtung bis zu
dem am Ostrande der Stadt gelegen Bay View-Anschlufs der ge¬
nannten Bahn geführt. Die gröfste Steigung wird 1 : 125 betragen,
entsprechend der auf den sonstigen Strecken der Baltimore und
Ohio-Bahn vorkommenden stärksten Bahnneigung. Die Bahn liegt
in vier Tunneln, deren bedeutendster 2,5 km Länge hat, im übrigen
aber so in Auf- und Abträgen, dafs keine Strafse in Schienenhöhe ge¬
schnitten wird. Sie wird doppelgeleisig ausgebaut, der Oberbau aus
18,3 m langen und 40,8 kg/m wiegenden Schienen hergestellt. Die
Gesamtkosten sind auf rund 24 Millionen Mark veranschlagt, die
Eröffnung soll im Jahre 1892 stattfinden.
Büclierscliau.
Die elektrischen Motoren und ihre Anwendungen in der In¬
dustrie und im Gewerbe sowie im Eisen- und Strafsenbahnwesen.
Von Dr. M. Krieg. Leipzig 1890. Oskar Leiner. 1. Lieferung.
64 S. in 8“ mit 53 Abb. Vollständig in 4 bis 5 Lieferungen mit
etwa 200 Abbild., Plänen, Skizzen usw. Preis der Lieferung 2 Ji.
Das vorstehend genannte Buch, dessen erste Lieferung uns
vorliegt, will, wie es in der beigegebenen Ankündigung heifst, eine
in Deutschland vorhandene Lücke ausfüllen. Da die erste Lieferung
und der Titel des in 4 — 5 Lieferungen abzuschliefsenden Werkchens
nicht hinreichend über den Inhalt Aufschlufs geben, so sind in der
erwähnten Ankündigung die hauptsächlichsten Abschnitte des Buches
zusammengestellt und aus diesen Angaben sowie aus dem Inhalte
der ersten Lieferung geht hervor, dafs der Verfasser sich an den
Inhalt des bereits in zweiter Auflage erschienenen, umfassenden
Werkes von Martin u. Wetzler in New-York „The Electric Motor
and its Applications“ anlehnt, welches sich seit seinem Bekanntwerden
im Jahre 1886 auch bei den Elektrotechnikern Deutschlands mit Recht
eines bedeutenden Rufes erfreut. Erweitert gegen das america-
nische Werk scheint das Kriegsche Büchlein durch das Capitel
„Kosten, Betriebskosten und Rentabilität der Elektromotoren, be¬
sonders für Strafsen- und Eisenbahnen, an zahlreichen Beispielen
erörtert“, wmhrend das Capitel „Vergleichung der elektrischen Arbeits¬
übertragung mit den übrigen concurrirenden Arbeitsvertheilungs-
systemen“ sich bei Martin u. Wetzler zwar nicht vorfindet, dafür
aber in Deutschland durch das preisgekrönte Werkchen von Beringer
eine musterhafte Behandlung gefunden hat.
Dafs in Bezug auf elektrische Motoren und elektrische Kraft¬
übertragung in der deutschen elektrotechnischen Litteratur noch eine
Lücke voi-handen ist, mufs zugegeben werden, und es erscheint daher
von diesem Gesichtspunkt aus das Unternehmen des Herrn Dr. Krieg
anerkennenswerth. Wie weit es dem Verfasser gelingen wird, diese
Lücke auszufüllen, mag zunächst dahingestellt bleiben. Nach der
ersten Lieferung des Buches schon ein Urtheil über seine Brauch¬
barkeit abzugeben, wäre verfrüht, wir behalten uns aber bei der
Wichtigkeit des Gegenstandes vor, nach Erscheinen des ganzen
Werkchens auf dasselbe eingehender zurückzukommen. Auf einen
Punkt sei indessen schon jetzt hingewiesen, das ist der überraschende
Umstand, dafs sich weder in der Ankündigung, noch in der ganzen
1. Lieferung, mit einer Ausnahme, Angaben über die Quellen finden^
aus denen ein wesentlicher Theil des Inhalts geschöpft ist. S.
Verlag von Ernst&Kurn (Willielm Ernst), Berlin. Für die Redactioii des nichtamtliclien Theilcs verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
401
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin^ 27. September 1890. Nr. 39.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen;
W. Wilhelmsträfse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal - Nachrichten. — Nichtamtliches: Einsturz der
Prager Karlsbrücke. — Verschiedene Formen des Eisenbahn -Oberbaues. — lieber
zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken (Schlufs). ~ NeueUrinafse für Länge und
Gewicht. — Neuer Wagcuschieber für Eisenbahnfahrzeuge. — Vermischtes: Er-
langnng von Planskizzen für ein Geschäftshaus in Dresden. — Neuere Schnell¬
dampfer der Handels- und Kriegsmarine. — Weitgespannte Brücken der Neuzeit.
Schiffahrt auf dem Ohio. — Geleiskrnmmungen in Nordamerica. — Neue Patente.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kreis-
Bauinspector, Baurath Prael in Hildesheim und dem Kreis-Bau¬
inspector Alberti in Swinemünde bei ihrem Uebertritt in den Ruhe¬
stand, erstereni den Königlichen Kronen-Orden III. Klasse, letzterem
den Rothen Adler-Orden IV. Klasse, sowie dem Königl. Regierungs-
Baumeister Pogge in Colberg den Rothen Adler-Orden IV. Klasse
zu verleihen, und dem Regierungs- und Baurath Schelten in
Berlin die Annahme und Anlegung des ' von Sr. Majestät dem
König der Niederlande ihm verliehenen Ritterkreuzes des Verdienst-
Ordens vom Niederländischen Löwen zu gestatten, ferner
zu Regierungs- und Bauräthen zu ernennen :
den Eisenbahn-Bauinspector, Baurath Niemann in Bromberg, die
Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspectoren, Baurath Wenderoth in
Weifsenfels, Baurath Viereck in Coblenz, Baurath Francke in
Nordhausen, Baurath Beil in Thorn, Baurath Gramer in Breslau,
Baurath Jacobi in Stettin, Buddenberg in Breslau, Buchholtz
in Königsberg i. Pr., Vogel in Breslau, Bode in Magdeburg,
Caesar in Altonaj Fritze in Berlin, Wessel in Köln, Kluge in
Köln, Luedef in Münster, Heis in Frankfurt a. M., du Plat in
Hannover, Rennen in Köln, Koch in Berlin, Heinrich in Stettin,
Schwedler in Erfurt und Crüger in Magdeburg;
zu Eisenbahn -Directoren mit dem Range der Räthe vierter
Klasse zu ernennen:
den Eisenbahn - Betriebsinspector, Baurath Wagner in Wies¬
baden , die Eisenbahn-Bau - und Betriebsinspectoren , Baurath
Menadier in Braunschweig, Baurath Schmitz in Frankfurt
am Main, Doulin in Breslau, Haafs in Altona, Mackensen in
Dirschäu und Frederking in Braunschweig, die Eisenbahn-Ma¬
schineninspectoren, Baurath Sürth in Dortmund, Thiele in Lein¬
hausen, Brosius in Breslau, Lamfried in Grunewald, Holzheuer
in Btomberg, Attern genannt Othegraven in Dortmund, Köhler
in WTtten, Erdmann in Magdeburg, Monje in Speldorf, May in
Berlin, Oestreich in Frankfurt a. M., Schaefer in Trier, Callam
in Berlin, Reck in Ratibor, Müller in Berlin, Schlesinger in
Köln (Nippes), Rustemeyer in Berlin, Eberl e in Breslau,
Passauer in Altona, Reichmann in Köln, Braun in Köln, Far¬
wick in Magdeburg, Courtois in Berlin, Garbe in Berlin, Mertz
in Bromberg, Meyer in Elberfeld, Meyer in Erfurt, Bork in
Tempelhof, Schumacher in Potsdam, Kohn in Köln, Esser in
Köln, Schmitz in Köln, Klopsch in Kattowitz und Keller in
Düsseldorf;
den Charakter als B^urath zu verleihen:
den Eisenbahn-Bau- undBetriebsinspectorenRöhner in Allenstein,
Bü scher in Lissa, Gottstein in Kattowitz, Hör wicz in Hoyerswerda,
König in Frankfurt a. M., Steigertahl in Braunschweig, Ehren¬
berg in Arnsberg, Vollrath in Halberstadt, Rieken in Berlin und
Zinkeisen in Leipzig, sowie den Eisenbahn -Maschineninspectoren
Weifs in Berlin, Dickh aut in Cassel, Köster in Hannover, Köhler
in Neuwied, Jung in Limburg a. d. Lahn, Kielhorn in Posen,
Becker in Hannover, Neuschaefer in Wiesbaden, Urban in Cassel,
Klövekorn in Bromberg, Böckerin Oberhausen, Ulrich in Altona,
Schneider in Neumünster, Franck in Bromberg, Vockrodt in
Cassel, Müller in Witten, Hirsch in Erfurt, Eichacker in Siegen,
Klemann in Guben, Beilach in Königsberg i. Pr., Schneemann
in Leinhausen, Scheibke in Allenstein, Stösger in Stettin, Jäh ns
in Köln, Brandt in Hamburg, Tilly in Paderborn, Oelert in
Halberstadt, Eibacb in Cassel, Liedei in Breslau, Trapp in
Göttingen, Wolf in Greifswald, Heimann in Coblenz, Müller in
Paderborn, Meyer in Magdeburg, Thomas in Magdeburg-Buckau,
Stempel in Stolp, Hummell in Lingen, Claasen in Osnabrück,
Lutterbeck in Berlin, Vofsköhler in Schneidemühl, Schroeter
in Cottbus, Wenig in Saarbrücken und Fank in Wesel.
Versetzt sind: der Kreis-Bauinspector, Baurath Knipping in
Hildesheim in die bisher von dem Baurath Prael daselbst bekleidete
Kreis-Bauinspector-Stelle für den Baukreis Hildesheim I, der Kreis-
Bauinspector Scholz in Bunzlau nach Hildesheim in die Kreis-Bau¬
inspector-Stelle für den Baukreis Hildesheim II, der Kreis- Bau¬
inspector Ziolecki in Johannisburg O./Pr. in gleicher Amtseigen¬
schaft nach Bunzlau, der Wasser-Bauinspector Hellmuth in Hameln
nach Danzig behufs Beschäftigung bei Herstellung der Deich- und
Schiffahrts- Anlagen in den Weichsel -Mündungen, der Wasser-Bau-
inspector Eich, bisher im technischen Bureau der Bau-Abtheilung
des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten in Berlin, als Hafen-Bau¬
inspector nach Swinemünde, der Wasser-Bauinspector Wolffram in
Diez nach Münster i. W. als Vorsteher der dortigen Bauabtheilung
beim Bau des Schiffahrts - Canals von Dortmund nach den Emshäfen,
der Wasser-Bauinspector Teubert in Bromberg in gleicher Eigen¬
schaft nach Diez a. d. Lahn, der Wasser -Bauinspector Allendorff
in Landsberg a. W. in gleicher Eigenschaft nach Bromberg und der
bisher beim Bau des Schiffahrts -Canals von Dortmund nach den
Emshäfen beschäftigte Wasser -Bauinspector Heekt in Münster in
die Wasser-Bauinspector-Stelle in Stendal.
Der Kreis -Bauinspector, Baurath Julius Koppen in Schmal¬
kalden und der Wasser-Bauinspector, Baurath Treuhaupt in Lands¬
berg a. W. treten am 1. October d. J. in den Ruhestand.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Ippach in
Biedenkopf a. d. Lahn ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienst ertheilt worden.
Der Eisenbahn -Telegrapheninspector Löbbecke in Frankfurt
am Main ist gestorben.
Deutsches Reich.
Der Candidat des Schitfbaufachs Pilatus und der Regierungs-
Bauführer Reimers sind zu Marine -Bauführern des Schift’baufachs
ernannt.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Be-
triebsbauiuspector, tit. Baurath Puchs, Collegialhülfsarbeiter bei der
Generaldirection der Staatseisenbahnen, die erledigte Stelle eines
bautechnischen Collegialmitglieds bei dieser Generaldirection unter
Beförderung zum wirklichen Baurath und dem Ober-Maschinenmeister
der Generaldirection der Staatseisenbahnen, tit. Baurath Klose, die
Stelle des maschinentechnischen Collegialmitgliedes dieser General¬
direction unter Beförderung zum Ober-Baurath zu übertragen.
Baden.
Der Bahningenieur I. Klasse Otto Spies bei der Eisenbahnbau-
inspection Zollhaus ist dem Bahnbauinspector in Heidelberg, der
Bahningenieur Wilhelm Fefsler bei der Eisenbahnbauinspection
Stühlingen dem Bahnbauinspector in Offenburg und der Bahningenieur
Karl Weyer bei der Eisenbahnbauinspection Lörrach dem Bahnbau¬
inspector in Waldshut zugetheilt worden.
402
Centralblatt der Bauverwaltung.
27. September 1890.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Qskar Hofsfeld,
Der Einsturz der Prager Karlsbrücke,
Die altehrwürdige Karl sbriicke, der Stolz Böhmens, das geschicht¬
lich wichtigste Ingenieurwerk der österreichischen Monarchie, ist am
4. September den tosenden Fluthen der Moldau zum Opfer gefallen.
Am 3. September, morgens 3 Uhr, war der Flufs bereits so arg ge¬
stiegen, dafs die Bewohner Prags durch Alarmschüsse geweckt werden
mufsten. Der Strom schwemmte ungeheure Mengen von Holz¬
werk herbei, und schon um 8 Uhr früh waren fünf Oeffuungen der
Karlsbrücke vollständig verlegt. Um 9 Uhr ertönten wiederum
Alarmschüsse und kündeten , als der Pegel bereits 3 m über Null
zeigte, das Herannahen einer noch gröfseren Gefahr; um 2 Uhr
mittags stand der Pegel schon auf 5 m. Zahlreiche Flösse
langstämmigen Bauholzes, eine losgerissene Schwimmschule und
sonstiges Holzwerk hatten die meisten Brückenöffnungen geradezu
verrammelt; alles Holz war wirr durcheinander geschoben und
längs der schiefen Ebenen der Eisböcke bis zur Höhe der Brücken¬
bahn aufgestaut worden. Die Nacht über stieg das Wasser immer
mehr, und am 4. September im Morgengrauen, 51/2 Uhr früh, stürzten
zwei nebeneinander liegende Bögen, um 9V2 Uhr vormittags dann der
dritte Nachbarbogen ein. Bei dem ersten, unerwarteten Sturze
wurden nach bishei'igen Erhebungen vier Menschen mit in die Tiefe
gerissen. Um 9 Uhr zeigte der Pegel bei der Kettenbrücke bereits
5,64 m über Null, um 7 Uhr abends begann das Wasser endlich zu
fallen. Die furchtbare Gewalt der Fluthen läfst sich am besten er¬
messen, wenn bedacht wird, dafs der normale Durchflufs in Prag
etwa 60 cbm in der Secunde beträgt und dafs er nach den auf die
Studien Harlachers gegründeten Erhebungen des Prager hydrotech¬
nischen Amtes während der Hochwassertage rund 4600 cbm in der
Secunde bei 3,5 m Geschwindigkeit, und damit etwa so viel betragen
hat wie die normale Prager Regenmenge während eines halben Jahres.
Am 5. September reiste ich zur Besichtigung des Brückenschadens
nach Prag und fand an diesem Tage die folgende, in der Abbildung
dargestellte Sachlage. Die drei zerstörten Oeffnungen liegen ziemlich
in der Mitte der eigentlichen Strombrücke zwischen der Altstadt und
der Insel Kampa. Die sämtlichen Oeffnungen der Kleinseiter
Brückenhälfte waren vollständig mit Holz verrammelt, die zerstörten
Oeffnungen und jene der Brückenhälfte gegen die Altstadt hin
waren um diese Zeit ganz frei von Holz, und durch sie wälzte sich
vornehmlich der tosende Strom. Die Eisböcke waren gänzlich unter
Wasser, die Wasserlinie stand über den Kämpfern der Segment¬
bögen. Zwischen den drei zerstörten Oeffnungen I, II, III (gezählt
von der Altstadt her) ragten die Pfeiler 1 und 2 in die Luft. Der
Pfeiler 1 erschien als ein gegen die Kleinseite geneigter formloser
Mauerklumpen. Der Pfeiler 2, welcher noch das Standbild St. Jo¬
hannes’ von Nepomuk trug, erschien verschoben, und die noch
stehen gebliebenen Bogenschenkel griffen consolartig nach beiden
Seiten hin weit in die Luft; ebenso kragten in den zerstörten Oeff¬
nungen I und HI die stehengebliebenen, entsprechenden Gewölbe¬
schenkel weit aus. Die Brückenbahn war kurz abgebrochen, und
die Trambahnschienen hingen in der Luft.
Der Anblick der zerstörten Brücke ist ein geradezu ergreifender
und erweckt in jedem Landeskinde tiefe Wehmuth. Allein von einer
vollständigen Zerstörung des herrlichen, statuengeschmückten Bau¬
werkes kann keine Rede sein, und die Wiederherstellung ist nur
eine Zeit- und Geldfrage. Wenn man nämlich die Brücke aus der
Ferne betrachtet, so erscheinen die Linien und „Fluchten“ der
stehengebliebenen beiden Brückenhälften ungestört, und mit einem
scharfen Feldstecher — der Zutritt zur Brücke war verboten —
konnte ich aus thunlichster Nähe (bei den Mühlen am Kai) bemerken,
dafs die stehengebliebenen Gewölbe keinerlei Risse zeigten. Es
haben also gerade die — allerdings das Strombett verengenden —
alterthümlich starken Pfeiler die Standsicherheit der übrigen Brücken-
theile gerettet.
Wenn man das hier wiedergegebene Bild betrachtet, so erklären
sich auch die Ursache und der Gang der stattgefundenen Zerstörung.
Pfeiler 1 zeigt durch seine Zerberstung und vornehmlich durch seine
Neigung gegen die Kleinseite hin an, dafs hier die Ausgangsstelle
des Unglückes zu suchen ist; er wurde von dem Holzwerke theils
zerrammt, offenbar aber vornehmlich von den Fluthen in der Oeff-
nung II unterwaschen. Seine Neigung löste die Spannung des
Bogens I und drückte den Bogen II in die Höhe, was auch durch
die unmittelbar vor dem Einsturze über die Brücke geflohenen Per¬
sonen insofern bestätigt wird, als diese ein wellenförmiges Aufsteigen
des Pflasters bemerkt haben wollen. Durch diesen um 5V2 Uhr früh
stattgefundenen Einsturz der Bögen I und II verlor der Pfeiler 2
(mit dem Nepomukstandbilde) seine Verspannung, er verschob sich,
ist wahrscheinlich ebenfalls untersj)ült, und die Bewegung wurde
schliefslich so arg, dafs um 91/2 Uhr der Bogen III zu Falle kam.
Aus dem Ganzen ergiebt sich, dafs der eigentliche wunde Punkt
der Prager Brücke in den Pfeilern und vornehmlich in deren Funda¬
menten liegt, und dafs die künftige Erhaltung des Bauwerkes eine
eingehende Untersuchung und Sicherung dieser Bestandtheile der
Brücke erheischt, wie solches bereits seitens des Prager Stadtbau¬
amtes vor mehreren Jahren bei einigen Pfeileim mit Erfolg durch¬
geführt worden ist. Diese Schwäche der Fundamente darf indes bei
einem so alten Bauwerke nicht wundern; denn es stammt aus einer
Zeit, in welcher der Mauerverband leicht genommen, die Wahl des
Materials oft flüchtig, die Kunst tief und sicher zu gründen sehr
wenig ausgebildet war, und in welcher man diese letztere technische
Unvollkommenheit durch die gröfsere Standfestigkeit sehr dicker
Pfeiler auszugleichen suchte. Freilich engte man hierdurch den
Durchflufsraum gerade wieder ein und rief also starke Geschwindig¬
keiten und damit Aufrührungen des Untergrundes hervor. That-
sächlich lehrt auch die Geschichte der einzelnen mittelalterlichen
Brücken, dafs bei diesen Bauwerken die gänzlichen und die bogen¬
weisen Einstürze keine Seltenheit und die Wiederherstellungen fast
dauernd gewesen sind. So stürzte die Prager Judithbrücke*) 1272
theilweise und 1342 fast gänzlich ein; so wurde die Dresdener Brücke
in den Jahren 1336, 1342, 1431, 1432, 1446, 1447, 1501, 1571 arg be¬
schädigt. 1342 ging aus ähnlichen Gründen die Würzburger Brücke
fast gänzlich verloren, die Raudnitzer Brücke verschwand bis auf
einige Pfeilerreste gänzlich. So wurde auch die Regensburger
Brücke**) 1565, 1587, 1595, 1608, 1709 (an 6 Pfeilern), 1784, 1789
(an 3 Pfeilern) arg beschädigt, und so lehrt die hier folgende kurze
Geschichte der Karlsbrücke, dafs auch sie schon in früheren Zeiten
sehr arg gelitten hat.
Nach den Chroniken bestanden in Prag in den ältesten Zeiten
Fähren über die Moldau. 795 wurde eine hölzerne Brücke gebaut, die
jedoch 1159 gänzlich weggerissen wurde. Dann baute, fast an der
nämlichen Stelle, wo jetzt die Karlsbrücke steht, die Gemahlin König
Vladislavs I. in den drei Jahren 1169 bis 1171 die nach ihr benannte ge¬
wölbte Judithbrücke, welche 24 Oeffnungen besafs. Nach der Zerstörung
dieses Bauwerks durch das Hochwasser des Jahres 1342, welche der
Chronist „Franciscus von Prag“ mit den Worten beklagt, „dafs gleich¬
sam die Krone des Königreiches gefallen sei“, plante Kaiser Karl IV
sofort die jetzige Brücke, und es scheint der 1344 vom Kaiser berufene
Dombaumeister Mathias von Arras, welcher den Prager Dom (1344)
und den Karlstein (1348) gegründet hat, derjenige Meister zu sein,
der auch die ersten Pläne zur Karlsbrücke entwarf. Indes konnte,
muthmafslich wegen der Wegräumung der Trümmer der Judithbrücke,
die nach den Chronisten das ganze Flufsbett gesperrt hatten, der
neue Bau nicht sofort begonnen werden; auch starb Meister Mathias
schon 1352. Sein Nachfolger war bekanntlich Peter von Schwäbisch
Gmünd, genannt Peter Arier, und dieser gilt als 4er erste Werk-
Meister der Pi-ager Brücke, welche nach Tomek (II S. 41) am 9. Juli 1357
gegründet wurde. Unruhen, Kriege und sonstige Verhältnisse waren
jedoch Ursache, dafs der Bau erst im Jahre 1502, also nach 145 Jahren,
zur Zeit Königs Vladislavs II. fertiggestellt werden konnte. Nach
den Chroniken traten schon während der Ausführung arge Beschädi¬
gungen durch Hochwasser und Eisstöfse ein, so namentlich in den
Jahren 1432 und 1495. Namhafte Zerstörungen der Brücke fanden
indes erst in den Jahren 1503 und 1784 statt. Die letztere verursachte
eine Ausbesserung von fünfjähriger Dauer, und eine auf der Brücke
angebrachte lateinische Inschrift lehrt, „dafs Kaiser Josef II. die
bereits vom Alterthume verletzte und 1784 vom Eisstöfse fast
ganz zerstörte Brücke mit neuen Unterbauten versehen liefs“. Die
bedeutenden Hochwässer der Jahre 1845 und 1872 brachten der
Brücke keinen merklichen Schaden. Die beiden architektonisch be¬
rühmten Brückenthürme scheinen 1380 begonnen worden zu sein,
die jüngst wiederhergestellte Rolandssäule deutet auf das Ende des
14. Jahrhunderts. Zur Geschichte der Karlsbrücke gehört noch die
Erwähnung, dafs die ihre besondere künstlerische Berühmtheit
*) Rziha, Geschichte der Judithbrücke in den Mittheilungen des
Vereins für die Geschichte der Deutschen in Böhmen, Prag 1878.
**) Kleinstäuber, Geschichte der Regensburger Brücke, 1878.
Ir. 39.
Oentralblatt der Bauverwalf ang.
403
begründenden Standbilder*) erst im 17. Jahrhnnderte' aufgestellt
wurden, sowie dafs das bekannte Standbild St. Johailnes’ von Nfe'
pomuk vom Kreishauptmann von Wunschwitz im Jahre 1683 ge¬
stiftet, von Eauchmüller in Wien entworfen, von Johann Prokoff
modellirt und von Herold in Nürnberg in Erz gegossen wurde.
Die Karlsbrücke gehört zu den hervorragendsten Ingenieur- Werken
des Mittelalters, wie es ihre Ausmafse und ihre Zeitstellung in der Ge¬
schichte der gewölbten Brücken beweisen. Die Brücke ist von Thurm
zu Thurm 519,8 m lang, sie enthält 18 Oeffnungen, von denen 10 auf
die eigentliche Strombrücke entfallen. Die Brückenbahn steigt von
beiden Seiten an; in der Mitte nähern sich die Wölbungen einem
Halbkreise, gegen die Enden hin sind immer flachere Segmentbögen
gespannt. Die Spannweite ist nicht ganz gleich und mifst zumeist
23,3 m; die Pfei¬
lerstärke beträgt
meist 9,48 m, also
mehr als den dritten
Theil der Spann¬
weite, durch wel¬
ches Verhältnifs die
Stromweite von
rund 320 m auf rund
233 m, also auf etwa
70 pCt., eingeengt
wird. Die Breite der
Fahrbahn einschl.
der Gehwege wech¬
selt zwischen 9,8
und 10,4 m ; die Ge-
wölbsstärke mifst
aufsen (2 ßoll-
schichten) 1,45 m.
Die Pfeiler haben
beiderseits drei¬
eckige, spitzwink¬
lige Vorköpfe, wel¬
che die erwähnten
Standbilder tragen,
von denen die älte¬
ren von Ferdinand
und J ohann Prokoif,
Braun, Fäckel , Mayer, Mendel, Kohl und Platzer, die neueren
von Künstlern der Gegenwart gemeifselt wurden. Die ganze Brücke
ist aus Quadern erbaut. Wir haben es also mit einer Brücke
von grofser Länge und für die damalige Zeit von grofser
Spannweite zu thun. In betreff ihrer Stellung in der Geschichte
der Baukunst giebt das folgende Verzeichnifs (geordnet nach
den Jahren des Baubeginnes) der wichtigsten gewölbten Brücken
des Mittelalters (bis zur Zeit der Entdeckung von America) Aus¬
kunft**): Kösen bei Naumburg (982), Erneuerung der Drususbrücke
. *) Welleba, Die Statuen der Prager Brücke (mit sehr schönen
Abbildungen), Prag 1827.
**) Räiha, Geschichte der steinernen Brücken, Wiener Welt¬
ausstellungsbericht 1873.
, ibei Bingen (lOlUj Fulda (1033), Dresden (1119), Würzburg (1133),
' Regehsbürg (ll3ö),- Judithbrücke in Prag (1169), Themsebrücke in
London, (1176), Ponte vecchio in Florenz (1177), Avignon (1178), Ponte
alle'graziä in Florenz (1236), Trinitas in Florenz (1251), Guillotiere
in Lyon (1265), Heilige Geist-Brücke über die Rhone (1285), Pisek in
Böhmen (um 1300)^ Ponte alle caraja in Florenz (1333), Raudnitz in
Böhmen (1333), Moselbnieke in Coblenz (1334), Ceretbrücke über den
Tech (1336), Pavia (1351), Verona (1354), Karlsbrücke in Prag
(1357), Castellanebrücke über den Verdon (1404), alte Notredame-
brücke in Paris (1412), Fleischerbrücke in Nürnberg (1448), Vielle-
Brioudebrücke über den Allier (1454). Diese Werke entstammen aus
zwei Schulen. Die eine war die der Laienmeister, welche bis zur Zeit
der Prager Brücke nachweislich durch Fotius in Dresden (1119),
Enzelino in Würz¬
burg (1133), Her¬
bold in Regensburg
(1135), Frescobaldi
und Ammati in Flo¬
renz (1251), di Cam-
pi in Florenz (1333),
della Scala in Ve¬
rona (1354) sowie
Matthias von Arras
(1344) und Peter
Arier (1357), beide
in Prag, vertreten
erscheinen. Die an¬
dere Schule ist jene
des geistlichen Or¬
dens der Brücken¬
bauer (der Freres
pontifes). Dieser
Orden wurde zur
Zeit der Kreuzzüge,
welche seit Rom die
Wegebauten wieder
hervorgerufen hat¬
ten, von Benedict II
gegründet , von
Papst Clemens III
im Jahre 1189 be¬
stätigt und hat von den genannten Brücken nachweislich jene in
Avignon und Lyon hergesteilt.
Aus dieser technischen und geschichtlichen Schilderung ist zu
entnehmen, dafs die Prager Brücke einen Markstein in der Geschichte
der Ingenieurwissenschaft bildet, welcher um so wichtiger ist, als ja
diese Wissenschaft ihren Empirismus während des Mittelalters gerade
durch den Brückenbau wie durch den Bergbau geschöpft und ihren
neuen Geist erst durch die Schule Galileis empfangen hat. Daher ist
auch die Verunglückung dieses Werkes, an das alle grofsen Be¬
wegungen der Geschichte Böhmens geknüpft sind, nicht allein ein
eng vaterländisches, sondern ein überall empfundenes trübes Er-
eignifs.
Wien, 12. September 1890. Prof. Franz v. Rziha.
Holzstich v. O. Ehel.
Die eingestürzte Karlsbrücke in Prag am 5. September 1890.
Ansichten über verschiedene Formen des Eisenhahn-Oherhaues.
Auf Seite 157 und 158 d. J. ist von kundiger Seite ein Vergleich
zwischen dem Oberbau mit breitfüfsigen Schienen und dem englischen
Stuhlschienen -Oberbau angestellt. Das Ergebnifs lautet für die
letztere Anordnung so günstig, dafs die daran geknüpfte Anregung
zu erneuten Versuchen mit Stuhlschienen-Oberbau ernstliche Beach¬
tung verdient, trotzdem solche Versuche vielleicht den Anschein der
Rückkehr zu einer in Deutschland längst verlassenen Bauweise er¬
wecken könnten.
Ist nun diese Befürchtung auch unbegründet, da — wie in
der vorerwähnten Abhandlung mit Recht geltend gemacht wird —
der jetzige englische Stuhlschienen - Oberbau einen viel höheren
Grad der Vollkommenheit besitzt, als der ehemalige deutsche, so
würde man doch nicht umhin können, aus der Wiedereinführung der
Stuhlschienen bei uns den Schlufs zu ziehen, dafs wir mit der Aus¬
bildung des Eisenbahn - Oberbaues von der anfänglich betretenen
richtigen Bahn abgewichen und lange Jahre auf falschem Wege ge¬
wandelt seien. Ein solcher Lauf der Dinge müfste aber im Hinblick
auf die grofse Wichtigkeit des Gegenstandes und angesichts der
vielen hervorragenden Kräfte, welche bei der Behandlung derselben
mitgewirkt haben, räthselhaft erscheinen, wenn nicht die Ent¬
scheidung der auf die zweckmäfsigste Gestaltung des Eisenbahn-
Oberbaues bezüglichen Fragen so aufserordentlich schwierig und in
hohem Grade durch örtliche Verhältnisse bedingt wäre. Beispiels¬
weise möge nur auf den sehr verschiedenen Einflufs hingewiesen
werden, welchen die Höhe der Anlagekosten auf den Reinertrag
einer stark befahrenen gegenüber einer schwach befahrenen Eisen¬
bahnlinie ausübt. Es liegt auf der Hand, dafs selbst ein sehr theurer
Oberbau für die erstere ganz wohl erschwinglich sein kann, während
die andere Mühe hat, die Zinsen der Anlagekosten selbst bei An¬
wendung eines möglichst billigen Gestänges aufzubringen. Diese
Verschiedenheit macht sich noch schärfer geltend, wenn die das ver¬
kehrreichere Land bedienende Bahn zugleich mit höheren Löhnen
rechnen mufs als die andere, weil dann natürlich auch die mit dem
stärkeren Oberbau zu erreichende Ersparnifs an Unterhaltungskosten
um so schwerer ins Gewicht fällt.*) Alles erwogen, bleibt es freilich
doch eine merkwürdige Thatsache, dafs in England fast nur der
Stuhlschienen-Oberbau in Gebrauch steht, dafs man in dem nahe
verwandten America dagegen — ebenso wie in unserem ganz anders
*) Dafs die englischen Bahnen sich im allgemeinen durch Kost¬
spieligkeit der Anlage und hohe Frachtsätze auszeichnen, ist bekannt.
Einzelnen dieser Bahnen sagt man nach, dafs sie — um nicht auf
Grund ihres hohen Reinertrages zu der gesetzlich vorgeschriebenen
Ermäfsigung der Frachtgebühren gezwungen zu werden — an sich
unnöthige, theure Bauten ausgeführt haben. Für eine derartige
künstliche Erhöhung des Anlagecapitals hat die englische Börsen¬
sprache sogar einen besonderen Fachausdruck: watering the stock.
404
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
27. September 1890.
gearteten Vaterlaude — diesen Oberbau vollständig verlassen hat
lind zur breitfüfsigen Schiene übergegangen ist, während in Frank¬
reich beide Oberbauarten nebeneinander augewendet werden. Es
scheint hiernach , dafs bei der Bevorzugung der einen oder anderen
Bauweise doch sehr viel persönlicher Geschmack und vorgefafste
Meinung im Spiele sind, weshalb zur völligen Klärung der Frage
die Beobachtung nicht nur der Schienen und Schwellen, sondern
auch der Menschen erforderlich sein dürfte, die von ihnen Gebrauch
machen. Von diesem Gesichtspunkte aus sind die nachstehenden
Aeufserungen einiger englischen Fachmänner wohl der Mittheilung
werth.
In der diesjährigen Hauptversammlung des englischen Maschinen¬
ingenieur-Vereins (Institution of Mechanical Engineers) hielt u. a.
der bekannte Ingenieur C. F. Sandberg einen Vortrag über
Flufseisenschienen, bei welcher Gelegenheit auch die Frage der
Querschnittsform der Schienen erörtert wurde. Mit Bezug hierauf
tadelte einer der Zuhörer, J. Head, in der an den Vortrag geknüpften
Besprechung, dafs Sandberg die Anwendung der breitfüfsigen Schiene
auf dem Festlande gewissermafsen zu entschuldigen versucht und sich
dagegen verwahrt habe, diese Schienenform für England empfehlen zu
wollen.*) Er sei im Gegentheil der Ansicht, dafs gerade die breitfüfsige
Querschnittsform wegen der damit zu erreichenden gröfseren Sicher¬
heit gegen Kanten die zweckmäfsigere sei. Bei dem Entwerfen der
Doppelkopfschiene sei man von Voraussetzungen ausgegangen, die
sich zum Theil durch die Erfahrung als hinfällig erwiesen hätten, wie
z. B. die Kücksichtnahme auf die Möglichkeit des Umwendens abge¬
fahrener Schienen. Die Nordostbahn habe eine Strecke mit breit¬
füfsigen 41 kg/m schweren Schienen auf Flufseisenschwellen gebaut,
welche er seit einigen Jahren sehr häufig benutze; er könne bezeugen,
*) Engineering, Heft 1283, Seite 135.
dafs ihin stets die grofse Ruhe auffalle, mit welcher der Zug läuft,
sobald er auf diese Strecke kommt. Ein anderer Zuhörer theilte
mit, dafs die genannte Bahn in dem erwähnten Falle die breitfüfsige
Schiene hauptsächlich deswegen angewendet habe, weil die Be¬
festigung der Doppelkopfschienen auf den eisernen Schwellen grofse
Schwierigkeiten bot. Im übrigen hielt es nur ein einziges Mitglied
der Versammlung für angezeigt, den Ausführungen Heads entgegen¬
zutreten. Der Vorsitzende, J. Tomlinson, erklärte nämlich rund
heraus, die breitfüfsige Schiene sei „eine der schlechtesten Formen
(types), die ein Ingenieur überhaupt anwenden könne“. Er habe
während seiner Tliätigkeit bei der Londoner Stadtbahn mit dieser
Schiene Erfahrungen gemacht; er finde an derselben auszusetzen, dafs
sie an den Weichen und Kreuzungen abgehauen werden inüsse (the
rail had to be cut away) und dafs die breitfüfsige Schiene eine viel
längere Zeit zu ihrer Auswechslung erfordere, als die Stuhlschiene,
nämlich etwa eine Stunde gegen sechs Minuten.
Mit diesen zwei Vorwürfen, von denen der erste übrigens nicht
recht verständlich ist, wird die scharfe Verui'theilung der breitfüfsigen
Schienen offenbar etwas dürftig begründet. Wenn es sich auf den
letzteren, wie Head behauptet, ruhiger und sicherer fährt, so kann
dagegen die Bequemlichkeit des Auswechselns der Stuhlschienen
wohl kaum in Betracht kommen, da die Schienen im allgemeinen
doch des Befahrens und nicht des Auswechselns wegen da
sind. Selbst auf den Stadtbahnen geht die Abnutzung noch nicht
so schnell vor sich, dafs der Werth eines Oberbaues lediglich nach
seiner Umbaufähigkeit beurtheilt werden müfste.
Es liegt also die bemerkenswerthe Thatsache vor, dafs das im
Laufe einer eingehenden Erörterung vor einem hochstehenden Verein
englischer Fachleute über den Oberbau mit (schweren) breitfüfsigen
Schienen ausgesprochene günstige Urtheil einen mit triftigen
Gründen belegten Widerspruch nicht erfahren hat. — Z. —
TJeber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken.
(Schlufs aus Nr. 31.)
13. Die Betten.
In Kliniken ist besonderer Werth darauf zu legen, dafs die
häufigen Verunreinigungen ausgesetzten Lagerstätten in allen Theilen
leicht gereinigt werden können, weshalb schwer zugängliche Ver¬
tiefungen und Winkel zu vermeiden sind. Die Bettstellen werden
zu diesem Zwecke fast ausnahmislos aus Eisen gefertigt, und zwar
in allen aufsen sicht¬
baren und mit dem
Körper in Berüh¬
rung kommenden
Theilen aus Ilund-
eisen und in den
verdeckten Theilen
aus sogenanntem
Formeisen. Für die
runden Theile wer¬
den meistens ver¬
schraubte Gasröh¬
ren von 26 mm
Durchmesser ver¬
wendet.
Als Unterstütz¬
ung für die Lager-
matratzen haben
sich elastische Bö¬
den aus gehobelten
Holzlatten , welche
mit Spiralfedern auf
einem unteren Holz¬
rahmen aufliegen,
am besten bewährt;
Ijei dieser Con-
struction wird nicht
nur die Bewegung
der Kranken er¬
leichtert und eine
Beschädigung der Matratzen vermieden, sondern auch eine leichte
Reinigung aller Betttheile ermöglicht. Der Holzlatten - Rost
i vergl. Abb. 30) ist an allen Kanten abzurunden und zu ölen. Ein¬
lagen von Drahtgeflecht oder Bandeisen zur Unterstützung der
Jjagermatratzen haben sich nicht so gut bewährt, da sie schwerer
■AM reinigen sind, leicht rosten und die Matratzen durch scharfe
Kanten beschädigen. Da wo die Betteinlagen mit Drahtgeflechten
ausgestattet sind, wie in der neuen Frauenklinik in Breslau, hat
man sich genöthigt gesehen, das Geflecht zur Vermeidung von Be¬
schädigungen der Matratze mit Decken aus starker Leinewaud zu
belegen. In der vorerwähnten Klinik ist die aus Drahtgeflecht her^
gestellte Einlage mit einem stellbaren Kopftheil versehen (vergl.
Abb. 29). Seitenlehnen sind bei den Bettstellen für Erwachsene nicht
üblich, da sie das Ein- und Ausbringen der Kranken erschweren; es
genügen kurze Eckverbindungsstücke zur Versteifung des Bettgerüstes
an den Enden. Die Bettstellen werden am Kopf- und Fufsende
meist durch polirte Holzplatten abgeschlossen, welche bisweilen ab¬
nehmbar eingerichtet sind. Am Kopfende der Bettstelle befindet sich
eine Eisenstange mit Vorrichtungen zur Befestigung einer Tafel und
zum Auf hängen von Kleidern; die Tafel dient zum Aufschreiben der
Namen, der ärztlichen Diagnose usw. Eine Bettstelle zweckmäfsiger
Bauart ist in Abb. 30 dargestellt. Der elastische Boden be¬
steht hier, wie schon oben angedeutet, aixs einem unteren, an
dem eisernen Bettgerüst befestigten Holzrahmen, auf welchem drei
Abb. 31. Kinderbettstelle.
Reihen Spiralfedern befestigt sind, die einen Rost von gehobelten
Latten tragen; letztere sind durch Eisensehienen miteinander ver¬
bunden. Seitlich von der Krankentafel befindet sich eine Oese zur
Aufnahme eines Thermometers für Fieberbeobachtungen, während
am unteren Theile zwei Haken zur Befestigung von Formularen,
welche den Krankheitsverlauf darstellen, angebracht sind. Zwei
fernere Haken an der eisernen Stange dienen zum Aufhängen von
Handtüchern und Kleidungsstücken.
Für die Bettstellen sind folgende Abmessungen üblich: in den
Männer - Stationen 2 m Länge und 0,95 m Breite, in den Frauen¬
stationen 1,85 m Länge und 0,85 m Breite, in den Kinder -Stationen
1,58 m Länge und 0,75 m Breite. Bisweilen werden für die Längen
gröfsere Abmessungen gewählt, namentlich da, wo die Betten zur
Strecklagerung Verwendung finden. Die Bettstellen haben meist 4,
bisweilen auch 6 Füfse, welche in einzelnen Kliniken für den
bequemen Transport der Kranken und zur Erleichterung der Reini¬
gung des Fufsbodens mit Rollen versehen sind. Die Kinderbett-
steilen erhalten in der Regel Seitenlehnen, welche sich um eine
wagerechte Achse {aa Abb. 31) herabklappen lassen; auf den
Abb. 29. Bettstelle mit Drahtgeflecht und
beweglichem Kopftheile.
N1V39.
Gentralblatt der Bauverwaltung,
405
oberen Längsstangen bb wird meist eine verschiebbare Tischplatte 6
mit etwas erhöhtem Rande angeordnef.
Zu den losen Bettstücken gehört eine auf dem elastischen Latten¬
boden ruhende Matratze, welche
mit Rofshaai’en, Seegras, gereinigter
Wolle oder Stroh gefüllt zu wer¬
den pflegt. Wegen besserer Hand¬
habung sind diese Matratzen meist
aus 2 bis 3 Theilen hergestellt.
Füllungen mit Rofshaar werden im
allgemeinen bevorzugt. In Frauen¬
kliniken dagegen, namentlich in
den Zimmern für Schwan¬
gere , ferner in Isolir-
häusern und in den Statio¬
nen für Geschlechts- und
Hautkrankheiten, wo we¬
gen starker Verunreini¬
gung eine häufige Erneue¬
rung der Füllung statt¬
finden mufs, besteht letz¬
tere entweder durchweg
oder im mittleren Theile
der Matratze aus Stroh
oder Seegrasi Aufser der
Matratze gehören zu den losen Stücken eines Krankenbettes
ein Keilkissen mit Seegrasfüllung, ein Kopfkissen mit lockerer
Pferdehaai’füllung und zwei wollene Decken, endlich leinene Tücher
Abb. 30. Bettstelle mit elastischem Holzboden.
14. Geräthe zum Transport der Kranken.
Die zum Transport der Kranken dienenden Geräthe zeigen die
mannigfachsten Constvuctionen und weichen, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, nach Einrichtung und äufserer Erscheinung in den ein¬
zelnen Kliniken oft erheblich von einander ab, weshalb hier nur auf
einige bemerkenswerthe Beispiele hingewiesen werden soll. Die Ge¬
räthe können eingetheilt werden in solche für den äufseren
Transport und in solche für den Gebrauch innerhalb der Kliniken.
Für den äufseren Transport finden, abgesehen von den Kranken¬
wagen, vorzugsweise sogenannte Bahren, ferner Körbe und Stühle
Verwendung, welche sowohl zum Tragen wie zum Fahren eingerichtet
und dementsprechend, meist mit Verdeck, . construirt zu werden
pflegen. In den Abbildungen 32,
33 und 34 sind die gebräuchlichsten
derartigen Geräthe dargestellt. Die
Geräthe für den Transport im
Inneren der Kliniken zeigen ver¬
schiedene Einrichtungen, je nach¬
dem es sich um die Fortbewegung
von Leicht- oder Schwerkranken
handelt. Die Leichtkranken werden,
sofern sie den Weg nach dem
Operationsraume nicht zu Fufs
machen können, aus den Betten
genommen und auf Tragbahren
(Abb. 32), in Rollstühlen (Abb. 34) oder Tragstühlen (Abb. 35)
befördert, während die Schwerkranken meist in ihren Betten
verbleiben und in diesen nach den Operationssälen geschafft
werden. Zur Fortbewegung der Betten finden vielfach Trans¬
portwagen eigenartiger Construction Verwendung. Diese leicht
aus Eisen hergestellten Wagen (Abb. 36) werden mit herunter¬
geklapptem Vorder- und Hintertheil unter das Bett geschoben
(Ansicht a), sodann erfolgt eine Hochstellung der beweglichen
Theile mittels Zahnleisten (Ansicht 6), wodurch das Bett
angehoben und fortbewegt werden kann. An den Lang¬
seiten dieser Wagen sind Gummistreifen angebracht, um
Beschädigungen der Thüren zu verhüten. Die Wagen¬
räder sind mit Gummiringen versehen und um ihre loth-
rechten Achsen nach allen Richtungen hin drehbar. An Stelle
der beschriebenen Bett - Transportwagen sind in einzelnen Kli¬
niken mit Rädern versehene Bettheber ( Abb. 37 ) im Gebrauch,
welche sich ebenfalls bewährt haben sollen. Dieselben werden
am Kopf- und Fufsende unter die Bettstellen geschoben und als-
Abb. 34. Fahr- und Tragstuhl.
und Ueberzüge. Die wollenen Decken stecken meist in sackartigen
Ueberzügen; in Kliniken, wo eine stärkere Beschmutzung der unteren
Theile stattfindet (chirurgische Kliniken, Frauenkliniken usw.), em¬
pfiehlt es sich, die wollenen
Decken zwischen zwei lose «.V
miteinander ' verbundene
Ueberzüge zu legen, wodurch
die Kosten für Wäsche¬
reinigung vermindert werden.
Bisweilen wird unter dem
leinenen Betttuch (Laken)
noch eine wollene Decke,
bei nässenden Kranken eine
Unterläge von' Gummistoff
Terwendet. Die Betttücher Abb. 35. Kranken -Tragstuhl,
erhalten zweckmäfsig eine
gröfsere Breite als die Matratzen, damit diese gegen Verunreinigung
genügend geschützt werden können.
Abb. 33. Fahr- und Tragkorb.
dann angehoben. Sofern die Bettstellen mit Gummirollen passen¬
der Construction versehen sind, kann der Krankentransport in ihnen
2,01
Abb. 36. Transportwagen für Krankenbetten.
ohne weitere Hülfsmittel erfolgen. Für diejenigen Kranken, welche
nicht gehen, aber unbedenklich aus den Betten gehoben werden
können, sind ferner fahrbare Verbandtische (Abb. 38) im Gebrauch,
406
27. September 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung.
, ' -k-' ■} : r Ü l*,!- ■' ’ ' ' .
bestehend aus einem oberhalb gepolsterten Holzgestell mit schrägem
Kopftheile. Beim Verkehr aus einem StocWerk n'ach dem anderen
werden Aufzüge benutzt, da der Transport 'auf' Trbppen für die
Kranken schädlich und deshalb zu vermeideil ist; .
15. Bau- und Aufestattuhgskosten.'
Die Baukosten hängen von den Dreisen für Baumaterialien und
Arbeitsleistungen ab, welche stetigen Schwankungen unterworfen
sind. Nach den zur Zeit herrschenden
Preisen kann angenommen werden, dafs
die Baukosten der klinischen Gebäude ohne
Nebenanlagen und ohne Ausstattung mit Mö¬
beln, Wäsche usw. a) für jedes Cubikmeter
umbauten Baumes (d. h. Grundfläche des
Erdgeschosses multiplicirt mit der Höhe
der einzelnen Theile von der Kellersohle
bis zur oberen Kante des Hauptgesimses)
19 bis 20 Mark und b) für die Nutz¬
einheit, d. h. für jedes Krankenbett (ohne
Berücksichtigung der Wärterbetten usw.)
3700 bis 4500 Mark betragen. Die Kosten Abb. 37. Bettheber,
der inneren Ausstattung mit Möbeln, Leib¬
und Bettwäsche usw., doch ohne Instrumente, sind im wesentlichen
davon abhängig, ob und wieviel Einrichtungsstücke aus der alten Klinik
in das neue Gebäude übernommen werden. Da wo durchweg neue
Stücke beschafft sind, haben sich die Kosten für die Nutzeinheit,
d. h. für jedes Krankenbett, in den letzten Jahren auf 550 bis
600 Mark gestellt. Der zuletzt angegebene Betrag ist nur in seltenen
Fällen überschritteä'TvordemJ' In den anderen, am häufigsten vor¬
kommenden Fällen, d. h; bei theilweiser Verwendung alter, noch
brauchbarer Stücke, haben die Ausstattungskosten von 350 bis 550
Mark für das Krankenbett geschwankt. Um beurtheilen zu können,
ob 'die bei neuen' Kliniken beanspruchten Ausstattungskosten sich in
angemessenen Grenzen bewegen, empfiehlt es sich, den Beschafifungs-
werth der alten Stücke besonders ermitteln zu lassen. Dieser in Ver¬
bindung mit dem Werthe der thatsächlich neu zu beschaffenden
Stücke darf für das Krankenbett höchstens den Betrag von 600 Mark
erreichen; dazu würde indessen noch der Betrag für die sachgemäfse
Ausbesserung der alten Stücke behufs Wiederverwendung im Neu¬
bau zu rechnen sein. Lorenz.
Die neuen Urmafse für
Einer Mittheilung der K. Normal -Eichungs- Commission über
diesen Gegenstand, der auch für unsere Leser von Wichtigkeit sein
dürfte, entnehmen wir die folgenden Angaben:
Durch die im September 1889 in Paris abgehaltene Hauptversamm¬
lung des „Internationalen Mafs- und Gewichtscomitös“ ist das unter
der Oberleitung des letzteren durch das internationale Mafs- und
Gewichtsamt in Sevres hei'gestellte Urmafs des Meters (^t) als
internationale Längeneinheit anerkannt. Danach wird künftig das
Meter durch den Abstand dargestellt, welcher bei der Wärme des
schmelzenden Eises zwischen den Mitten der Endstriche eines Stabes
stattfindet, dessen Querschnitt durch neben¬
stehende Abbildung in natürlicher Gröfse ver¬
anschaulicht wird. Der Stoff ist eine reine Le-
girung aus 90 pCt. Platin und 10 pCt. Iridium,
welche an Festigkeit dem Stahl fast gleichkommt.
Die das Meter begrenzenden Striche, neben
welchen beiderseits in Abständen von etwa 0,5 mm
je 1 Hülfsstrich aufgetragen ist, befinden sich in der Biegungsachse
der betreffenden Querschnitte, d. h. in der durch die Schwerpunkte
der letzteren gezogenen wagerechten Gei'aden, die in der Abbildung
durch die Linie a b angedeutet ist.
Durch die gewählte Querschnittsform ist der Stab, zumal bei der
Festigkeit des Stoffes, nach allen Eichtungen in hohem Grade gegen
Durchbiegungen geschützt. Aufserdem liefert dieser Querschnitt eine
grofse Oberfläche im Verhältnifs zum Eaumgehalt, was den Ausgleich
der Wärme des Mafses mit derjenigen seiner Umgebung fördert.
Vor allem aber wird durch die Verlegung der Striche in die Fläche
der Biegungsachsen der Abstand der Endstriche von einander bis
auf völlig verschwindende Gröfsen unabhängig von den Wirkungen
der noch möglichen geringen Durchbiegungen.
In gleicher Form und von gleichem Stoffe sind für die ein¬
zelnen Völker Nachbildungen des Urmafses hergestellt und mit letz¬
terem zwischen 0 und 40° Wärme sehr genau verglichen. Jede
dieser Nachbildungen erhält vom „Internationalen Comitö“ ein
Zeugnifs, welches die Gleichung des Stabes (Länge und Wärme -Ver¬
halten) innerhalb eines wahrscheinlichen Fehlers von 0,1 bis 0,2 |U)
(1 jU- = 0,001 mm) giebt. Bei der in der Hauptversammlung aus¬
geführten Vertheilung der Nachbildungen nach dem Lose kam
Deutschland in den Besitz des mit Nr. 18 bezeichneten Stabes. Das
Zeugnifs dieses Stabes giebt näheres über die Art der Herstellung,
die Einrichtung und chemische Zusammensetzung sowie über die
Bestimmung des Mafses. Danach ist das Ausdehnungsverhältnifs des
Urmafses Nr. 18 zwischen 0° und t°:
« = 10-0 (8591 + 1,70 0,
wo t die in Graden des Quecksilberthermometers Tonnelot, aus
Hartglas, ausgedrückte Wärme bezeichnet, oder:
« = 10-0 (8642 + 1,00 2’),
wo T die Wärme nach dem für den internationalen Mafs- und Ge¬
wichtsdienst als Grundlage angenommenen Wasserstofifthermometer
ausdrückt.
Länge und Gewicht.
Bei der Wärme Null ergab sich als Länge:
Urmafs Nr. 18 = 1 m — 1,0 + 0,1 p,.
Die Gleichung, aus welcher die jeweilige Länge gefunden wird,
lautet demnach:
Urmafs Nr. 18 = 1 m — 1,0 + (8,642 T + 0,001 T^) p + 0,2 p.
Als Urmafs der Masseneinheit hat bisher das Kilogramm der
französischen Archive, ein Platincylinder von einer dem Durchmesser
gleichen Höhe gedient. Nunmehr bildet ein ganz ebenso geformter
Cylinder aus Platin-Iridium, derselben Legirung, aus welcher das
neue Meter-Urmafs hergestellt ist, das internationale Urmafs des
Kilogramms (§). Auch hiervon hat man für die einzelnen Völker
eine Anzahl von Nachbildungen hergestellt, und diese sind mit dem
neuen inrernationalen Urmafs so genau verglichen, dafs nach den
darüber vom „Comite“ ausgestellten Zeugnissen das Gewicht einer
Nachbildung, wenn Wärme, Luftdruck und andere Nebenumstände
gehörige Berücksichtigung finden, jederzeit mit einem wahrschein¬
lichen Fehler von wenigen Tausendsteln des Milligramms angegeben
werden kann.
Das Deutsche Eeich erhielt bei der Vertheilung das Urgewicht
Nr. 22; der Eauminhalt desselben bei Null Grad wurde zu 46,403 ml
(1 ml = 0,001 1) ermittelt; die entsprechende Dichte ist 21,5504 und
für die Umrechnung der Raumbestimmungen auf Null Grad gilt als
räumliches Ausdehnungsverhältnifs :
k =3 10-9 (25707 + 8,6 i) = 10-9 (25859 + 6,5 P),
wo t bezw. T dieselbe Bedeutung haben, wie in den obigen Glei¬
chungen für «.
Die Masse des Kilogramms wird gegeben durch die Gleichung:
Urgewicht Nr. 22 = 1 kg + 0,053 mg + 0,002 mg.
Die Beständigkeit und Sicherheit der Kenntnifs der Beziehungen
der Urmafse der einzelnen Völker zu den internationalen Urmafsen
soll vertragsmäfsig durch erneute Vergleichungen innerhalb geeigneter
Zeiträume gewährleistet werden. Ueber diese Frage und die Fest¬
setzung dieser Zeiträume wird die nächste Versammlung des „Inter¬
nationalen Mafs- und Gewichtscomites“ Beschlufs zu fassen haben.
Die Aufbewahrung und Handhabung der neuen deutschen Ur¬
mafse erfolgt durch die Kaiserliche Normal -Eichungs -Commission.
Da es dem Internationalen Mafs- und Gewichtsamt gelungen ist, die
Bestimmung des Metervertrages, wonach die in den neuen Urmafsen
verkörperten Einheiten mit den bisherigen Einheiten genau überein¬
stimmen sollen, derart zu verwirklichen, dafs selbst für die feinsten
Mafsbestimmungen der Wissenschaft und Technik kein Unterschied
der neuen Einheiten der Länge und der Masse von den bisherigen
erkennbar ist, so wird die Ersetzung der durch die Mafs- und Ge¬
wichtsordnung als Grundlagen des deutschen Mafs- und Gewichts¬
wesens genannten Verkörperungen der Längen- und Masseneinheit
durch die neuen Urmafse ohne bemerkbaren Einflufs selbst auf die
feineren, fernerhin von dieser Behörde ausgeführten Mafsbestim¬
mungen im Vergleich zu den früheren sein.
407
ir. S1
Centralblatt der Bauverwaltung.
Ein neuer WagenscMei)er
Seit einiger Zeit wird ein neuer pateptirter WagenscMeber;
Eisenbabnfabi'geuge in den Handel gefo rächt, dem die , bctrelFende
'Firma, F» Gaebert,. Hothringerstrafse 36, Berlin M-r den etwas
volltönenden , J^amen „Goliath -Wagenschieber“ gegeben hat. Der¬
selbe ist ein Kniehebel- Wagenschieber und besteht aus Handhebel, '
Strebe,' Fafsklaue und oberem Befestigungskloben.
Soll mit dem Wagenschieber gearbeitet werden, so wird die
Klaue a in der aus der Zeichnung ersichtlichen Weise auf die '
Schiene aufgesetzt, während der in der Strebe drehbar befestigte
Kloben b wenn möglich stets an die Pufferstange angelegt wird. '
Hierbei mufs der Griff des Excenters e nach oben stehen, sodafs die 1
Kette d um die Pufferstange einmal
— oder besser noch, zweimal — ge¬
schlungen, hinter den Stift f einge¬
legt und mit freier Hand etwas an¬
gezogen werden kann. Während
die linke Hand die Kette hält, wird
mit der rechten der Griff des
Excenters c -nach unten gelegt, wo¬
mit die' Befestigung vollendet ist.
Wenn die Pufferstangen zu kurz
sind^..sodafs die Strebe des Wagen-
schi'ebers an die Pafferscheibe an-
stofsen würde, ■ so wird der Kloben b
unter das Pufferfeder-Gehäuse oder
einem sonstigen vor die Puffer¬
sehwelle vortretenden Theil ange¬
legt. Aehnliche abweichende Befestigungsarten werden nöthig, wenn
ein Wagen z. B. vom Prellbock weggeschoben werden soll.
Ist der Wagenschieber gehörig befestigt, so erfolgt der Vorschub
dadurch, dafs der Handhebel von einer Stellung nahe der Schiene
langsam soweit herumgelegt wird, bis die auf der Schiene sich
wälzende Klaue « über den Todtpunkt des Kniehebels hinüberge¬
kommen ist und sich freigemaeht hat. Wichtig ist hierbei, dafs die
Klaue ffl vom Arbeiter stets so auf die Schiene aufgesetzt 'wird, dafs
der Kloben b nicht nach rückwärts gezogen frei an der Kette hängt,
sondern ohne Spielraum nach vorn an einem festen Theile des
Wagengestells anliegt. Wird diese Hegel beim jedesmaligen Auf¬
setzen der Klaue nicht befolgt, so geht, da die Kette d dem Kloben b
immer etwas Spielraum lassen mufs, ein grofser Theil der Arbeit ver¬
loren, und der Vorschub des Wagens erfolgt dann zu langsam.
für Eisenbahnfahrzeuge.
Behufs Lösung des Wagenschiebers fafst der Arbeiter mit einer
Hand das freiherabhängende Ketten-Ende, und indem er unter gleich¬
zeitiger geringer Drehung der Kette daran zieht, macht er das Ex¬
center c frei, dessen Griff nun nach oben gelegt wird, sodafs der
W’^agenschieber faBgOHQmmen we^rden kann.:
Versuche, welche in Berlin auf den Bahnhöfen der Anhalter und
Hamburger’ Bähh mit dein Wagenschieber tbrgenommen wui’den,
haben sehr befriedigende Ergebnisse geliefert; sie haben insbesondere
bestätigt, was die Ankündigung verspricht, dafs ein einziger Mann
stets ohne Anstrengung imstande ist, auch bei schlecht liegendem
Geleise in der Steigung wie in der Krümmung einen voll beladenen
Güterwagen im langsamen Schritt
vor sich her zu schieben, und dafs
zwei Mann mit je einem Wagen¬
schieber auf jeder Schiene eine be¬
triebsfähige Personenzuglocomotive
mit Tender auf wagerechter Strecke
bequem schieben können.
Da der Wagenschieber vom
Wagen stets sicher mitgenommen
wird, so dient derselbe in Ruhe¬
pausen auf der Steigung auch gleich¬
zeitig als Stütze. Beim Uebergang
auf Gefälle läfst man den Wagen¬
schieber schleifen und hat in jedem
Augenblick eine wirksame Bremse,
indem der Arbeiter, die eine Hand
am Handhebel, die andere Hand an der Strebe, sich auf die
Klaue a stellt. Die Klaue ist übrigens aus sehr gutem Material
hergestellt und durch die seitlichen Rippen so verstärkt, dafs
ein Zerbrechen derselben beim regelrechten Gebrauch des Wagen-
schiebers nicht eintritt. Der Wagenschieber eignet sich ganz
besonders zum Gebrauch auf denjenigen kleineren Stationen, welche
über keine Verschubmaschine und nur über geringe Arbeits¬
kräfte verfügen. Er ist auch bereits auf einer Anzahl solcher
Stationen seit kurzem mit gutem Erfolg zur Verwendung gekommen.
Wie sich der 'WagenscHeber im Winter bei Schnee und Glatteis be¬
währen wird, bleibt abzuwarten. Wir werden darüber seinerzeit eine
weitere Mittheilung bringen. Das ganze Geräth ist bequem zu hand¬
haben, zusammenzuklappen und zu tragen. Sein Gewicht beträgt
11 Kilogramm, der Preis 50 Mark. ' Lei.
VermlscMes.
Zur Erlangung von Planskkzen für ein Geschäftshaus in
Dresden, welches unter dem Namen „Victoria-Haus“ a'n Stelle
■des jetzigen Victoria-Hotels errichtet werden soll, schreibt der Bau¬
herr, Juwelier H. Mau in Dresden, eine Preisbewerbu'ßg unter
den de'utschen Architekten aus. Dem Preisgerichte werden aufser
dem Veranstalter des Wettbewerbs und eine'm anderen Niehttechniker
■die Architekten Herren A. Hauschild, Baurath Prof. C. Lipsius
und Stadtbaumeister W. Eettig, sämtlich in Dresden, angehören.
Drei Preise im Betrage von 3000, 2000 und 1000 Mark sind aus¬
gesetzt, überdies behält sieh der Bauherr das Recht vor, Entwürfe
.zum Preise von je 600 Mark zu erwerben.
In 'der Mittheilung 'über die neueren Schnelldampfer der
Handels- und Kriegsmarine auf Seite 395 der vorigen Num'mer sind
•einige Namen zu berichtigen. Es mufs heifsen Izzedin. (statt Isselia),
Pertevi Neyaleh (statt Perteri Neylach) und Mahrussah (statt
Mahnusch). Auf Seite 397, 2. Spalte, Zeile 38 von oben ist statt
Nebenwinden Unterwind zu lesen.
Weitgespannte Brücken der Neuzeit. Auf Seite 369 des gegen-
"wärtigen Jahrgangs d. BL ist unter Nr. 34 der Liste der weit-
.gespannten Brücken als Entwurfsverfasser der Schwarzwasser-Bogen-
brüeke bei Bern der Ingenieur Probst bezeichnet. Nach einer Mit-
'theilung des Ingenieurs Röthlisberger in Turin ist aber der Entwurf
■durch die frühere Firma 6. Ott u. Cie. in Bern zur Ausführung ge¬
langt, und Herr .Röthlisberger, der damals im Werke thätig war,
Bat so'WoM den Entwurf der Brücke ausgearbeitet als auch die Aus-
'führung geleitet. Mehrtens.
lieber die Schiffahrt auf dem Ohio enthält ein Bericht im
Engineering folgende" launige Schilderung: Der Ohio mit seinen
Nebenflüssen bildet eine schiffbare Wasserstrafse von etwa 8000 km
Länge. Die .Bezeichnung „schiffbar“ ist hier in dem Sinne zu nehmen,
■dafs sie nur für Ohiodampfer gilt. Diese sind gröfstentheils von der
Art, die man „Schubkarren“ nennt, da sie nur ein Rad am hinteren
Ende besitzen. Ihr Tiefgang ist verschwindend klein und ebenso
Mein- ist ihre Geschwindigkeit. Man behauptet, diese Dampfer
brauchten so wenig Wassertiefe, dafs sie schon über etwas starkem
Thau fahren könnten. Hier und da soll es üblich sein, hinter dem
Schiffe mittels einer Brausevorrichtung Wasser auszusprengen, um
den vom Heckrade aufgewirbelten Staub niederzuscblagen. Wenn es
gewünscht wird, halten die Schiffe an jeder beliebigen Stelle des
Ufers an, um einen Brief, eine Flasche Whisky oder irgend ein
sonstiges Frachtstück abzuliefern oder mitzunehmen. So setzte ein
solches Boot einst den Berichterstatter an Land und wartete, bis er
sich aus einem in der Nähe liegenden Dorfe einige Cigarren geholt
hatte, an welchen es an Bord fehlte, weil das Boot Cincinnati in zu
grofser Eile verlassen hatte. Vor Untiefen fürchtet sich diese
Schiffahrt nicht im mindesten; man sucht einfach das Fahrzeug mit
Stangen hinüberzuschieben. Dabei kann nicht viel schlimmes ge¬
schehen. Geräth es zum Pestsitzen, dann ist es den Fahrgästen un¬
benommen, nach Belieben entweder zu warten, bis das Wasser steigt,
oder an Land zu waten; sollte aber etwa eine Planke los gehen und
das Boot voll Wasser laufen, wie es der Berichterstatter auch schon
erlebt hat, so bleibt natürlich nur der letztere von beiden Wegen offen.
Wer Stiefel trägt, dem kann dies gleichgültig sein; wer dagegen nur
niedrige Schuhe anhat, der kann leicht nasse Füfse bekommen. —
Dieses Bild von dem Reisen auf den grofsen americanischen
Wasserstrafsen sieht etwas anders aus, als wir es uns gewöhnlich
vor stellen. — n.
Die schärfsten in Nordamerica angewendeten Geleiskrümmungen
sind in umstehender Tabelle, welche den Engineering News entlehnt
ist, angegeben.
Alle angeführten Bahnen, aufser der zuletztgenannten, werden von
Locomotiven mit gekuppelten Wagen befahren. Auf der letzten wer¬
den nur einzelne Wagen von Pferden befördert. Es wird in der oben¬
genannten Quelle hinzugefügt, dafs in Personenbahnhöfen ohne Be¬
denken Halbmesser von 58 m, und in Güterbahnhöfen, wo gekuppelte
Güterwagen durch Locomotiven bewegt werden, solche von 27,5 bis
30,5 m Halbmesser angewendet werden können. In letzterem Falle
sind allerdings zufällige Beschädigungen der einander nahe kommen-
408
Oentralblatt der Bauverwaltung.
27. September 1890,
Bahn
New York Central . .
Pennsylvanische . ,
Baltimore und Ohio _ .
Chesapeake und Ohio
Cleveland, Cincinnati, |
Chicago u. St. Louis 1
Chesapeake und Ohio j
Denver u. Rio Grande |!
Chicago, Milwaukee
und St. Paul . . .
Campbell Kohlen -Ge¬
sellschaft . . . .
Little Miami ....
New York Central
Krümmungs-
i halbmesser
'1 m
Verwendungs¬
stelle
Bemerkungen.
97,6 bis 122
Grand Central
Depot,NewYork
91,5
Centennial End-
Jetzt aufser Be-
bahnhof
trieb.
114,4 u. 91,5
Harpers Fähre
72 u. 91,5
Rockfish-Gap-
Tunnel
73,2
Lafayette
62,8
St. Louis
70,5, 64,1 u.
57,0
Cincinnati
48,8
Indianapolis
46,6 bis 64
—
Streckengeleis,
0,915 m Spur.
67,9 bis 77,6
Steinbruchgel eis,
0,915 rn Spur.
38,1
Minneapolis
Nebengeleis.
33,6
Cincinnati
18,3 u. 25,8
18,3
Centre Strafse,
New York,
den Wagen-Ecken nicht ausgeschlossen. Für einzelne Wagen wird
ein Halbmesser von 12,2 m noch für zulässig erachtet.
Neue Patente.
Selbstthätige Breinsvorrichtung hei Wasserdruck- Hebezeugen.
Patent Nr. 48 088. G. Luther in Braunschweig. — Bei Fahrstühlen
mit senkrecht oder schräg liegendem
Treibcylinder und Flaschenzug - Ueber-
setzung erfolgt der Niedergang des Treib¬
kolbens A unter dem Einflufs des Eigen¬
gewichtes manchmal schneller, als der
am Seil S hängende niedergehende Fahr¬
stuhl es bedingt. In einem solchen
Falle wird das Seil 5 schlaff und kann
von den Rollen Lt abschlagen. Um dies
zu vermeiden, ist in die Abflufsleitung A
ein Hahn H eingeschaltet, dessen schrä¬
ger Hebel M mit einer Rolle L am
Seil N sich führt. Wird das Seil schlaff,
so sinkt die Rolle unter dem Einflufs
eines Gewichtes G so weit, bis das Seil
gespannt wird, und verdreht gleichzeitig
den Hahn H so, dafs das Wasser ge¬
drosselt wird, der Kolben A also nicht
so schnell sinken kann. Wird das
Seil S vom Fahrstuhl aus wieder richtig
gespannt, so hebt sich auch die Rolle L,
und der Hahn H giebt den vollen Abflufs-
querschnitt frei.
Eiiisclialtuiig einer nicht gefrierenden Flüssigkeit in das
vvassergestänge von Arbeitsmaschinen. Patent Nr. 50 026.
in Grabow a. 0. —
Um die Benutzung
von hydraulischen
Loch- und Nietma¬
schinen und dergl.
an dem Frost stark
ausgesetzten Arbeits¬
stellen jederzeit zu
sichern, ist an das
Druckwassergestän¬
ge eine Pumpe A
angeschlossen, wel¬
che Glycerin oder
dgl. aus einem Be¬
hälter C ansaugt und
in die Arbeitsma¬
schine B drückt.
Von dort kehrt die
verbrauchte Flüssig¬
keit wieder zum Be¬
hälter C zurück.
Druck-
Arppe
Erdanker.
(Lothringen). —
Patent Nr. 49 720. Jakob Holzinger in St. Avold
Zur Verankerung von Telegraphenstangen, Flaggen¬
stangen u. dgl. wird mit einem Erdbohrer ein
Loch gebohrt, dessen Durchmesser der eigent¬
lichen Ankerplatte b ent¬
spricht. Die Ankerplatte
ist mit zwei gelenkig
aufklappbaren Platten c
versehen, sodafs sie am
Drahtseil a in das Bohr-
loch gesenkt werden
kann. Nach erfolgter
Absenkung wird das
Bohrloch wieder zuge¬
stampft , wodurch die
Klappen c in die Wände
des Bohrloches eindrin-
gen. Ein Zug am Seil a
bewirkt schliefslich, dafs
die Platte 6 sich voll¬
ständig flach gegen die
Platten c legt und die
Verankerung somit voll¬
ständig auf den ge¬
wachsenen Boden über¬
tragen ist.
An der Stelle, an wel¬
cher das Drahtseil a aus dem Boden tritt, ist
gegen schrägen Zug ein Schild d vorgesehen.
Fürderkasteii mit Selbstschlufs. Patent Nr. 50579. C. Hoppe
in Berlin. — Die Aufhängungspunkte 6 der gelenkartig verbundenen
Kastenhälften sind so gelegt, dafs die beiden Hälften unter dem Ein¬
flufs ihrer Leergewichte sich selbstthätig schliefsen. Hierbei fällt
eine Klinke D'^ über eine Nase und hält den Kasten in der ge¬
schlossenen Lage auch dann noch fest, wenn derselbe mit |Erde,
Schlamm oder dgl. gefüllt wird. Soll der Kasten entleert werden, so
bewirkt ein Zug am Hebel H eine Lösung der Klinke, worauf sofort
der Erd- oder Flüssigkeitsdruck des eingeschlossenen Fördergutes
auf die cylindrischen Wandungen des Gefäfses frei wird und die
Gefäfshälften auseinandertreibt. In der Patentschrift ist der ganze
Vorgang durch die Verlegung der Schwerpunkte der gefüllten Kasten¬
hälften gegenüber den leeren erklärt, was offenbar irrig ist.
Aus einem Blechstreifeii gewundene Eisenbahnschwelle. Patent
Nr. 50 686 Alden Charles Nickloy und William Wallace Whitaker
in Gloversville (County of Fulton, New-York, V. St. A.). — Die
Schwelle besteht aus star¬
kem Stahlblech bezw. einem
Stahlband, welches schrau¬
benförmig um einen Kern
herumgewickelt, abgelängt
und dann in der gewünschten
Form flach gedrückt wird.
Die Schwellen können mit
dem üblichen Bettungs¬
material gefüllt und ein¬
gebettet werden. In allen
Fällen wird die Schwelle durch
die schraubenförmige Wickelung ein gewisse Federkraft bewahren, so¬
dafs sie sich gegen die Stöfse der Fahrzeuge ähnlich wie eine Holz¬
schwelle verhalten wird. Die Befestigung der Schienen auf den
Schwellen kann eine beliebige sein.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich : Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kctskes, Berlin.
409
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 4. October 1890. Nr. 40.
Kedaetion: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelajstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark.
INIIAIT: Amtliches: Personal Nachrichten. — Nichtamtliches: Kampf um Troja.
— Neubau des Dienstgebändes für den Wasserbaiibeamten in Hameln. — Beheizung
ganzer Stadttheile. — Stellvorrichtungea für Babuliofsabschlul'stelegraphen und die
damit verbundenen Vorsignale. — Vermischtes: Preisbewerbung um Entwürfe
zu einem Oder-Schilf. — Preisbewerbungen um Entwürfe zur Peterskirclie in Frank¬
furt a. M., um ein Krei.sständehans in Kreuznach, sowie um ein Uhrenthürnicheii mit
.Brunnen in Frankfurt a. M. — Auszeichnungen auf der Nordwestdeutschen Gewerbe-
und Industrie- Ausstellniig in Bremen. — Bücherschau. — Nene Patente.
Amtliche Mittheilungen.
Preufseii.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Eegierungs- und Baurath Haafsengier, Vorstand des betriebs¬
technischen Bureaus der Königlichen Eisenbahndirection in Berlin,
und dem Land -Bauinspector Paul Kieschke in Berlin den Eothen
Adler-Orden IV. Klasse sowie dem Stadtbaurath Becker in Lieg¬
nitz den Königlichen Kronen -Orden IV. Klasse zu verleihen, dem
Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector Niese in Gotha die Erlaub-
.nifs zur Annahme und Anlegung des ihm verliehenen Kitterkreuzes
II. Klasse des Herzoglich Sachsen -Ernestinischen Hausordens zu er-
theilen und dem der deutschen Botschaft in St. Petersburg zu-
getheilten Wasser -Bauinspector Max Volkmann den Charakter als
_ Baurath zu verleihen.
Versetzt sind: die Eegierungs- und Bauräthe Wolff, bisher in
Danzig, als Director an das Königliche Eisenbahn -Betriebs -Amt in
Guben, Neitzke, bisher in .Magdeburg, als Director (auftrw.) an
das Königliche Eisenbahn -Betriebs -Amt in Danzig, und Blanck,
.bisher in Stettin, als ständiger Hülfsarböiter an das Königliche
Eisenbahn -Betriebs -Amt (linksrh.) in Köln, die Eisenbahn-Bau- und
Betriebsinspectoren Hoeft, bisher in Arnstadt, als ständiger Hülfs-
arbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt (Directionsbezirk
Elberfeld) in Düsseldorf, Panten, bisher in Potsdam, als ständiger
Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt in Glogau,
Merten, bisher in Düsseldorf, als Vorsteher der Eisenbahn -Baii-
inspection nach Arnstadt und Borggreve, bisher in Berlin, als
ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-Betriebs-Amt
(Main-Weser-Bahn) in Cassel, sowie der Eisenbahn - Bauinspector
Siegel, bisher in Frankfurt a. M., als Vorsteher, der Hauptwerk-
. Stätte nach Halle a. S. , ferner der bisherige Kreis - Bauinspector
Lehmbeck in Diepholz, Eeg.-Bez. Hannover, als Bauinspector an
die Königliche Eegierung in Danzig, der bisher hei der Königlichen
Eegierung in Posen angestellte Wasser - Bauinspector Johannes
Schultz in die Wasser-Bauinspector-Stelle in Landsberg a. d. Warthe
und der Kreis -Bauinspector Paul Schulz in Wreschen in gleicher
Amtseigenschaft nach Schmalkalden.
Ernannt sind; die Königlichen Eegierungs -Baumeister Schugt
in Frankfurt a. M. zum Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector unter
Verleihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem König¬
lichen Eisenbahn-Betriebs-Amte daselbst und Traeder in Hannover
zum Eisenbahn-Bauinspector unter Verleihung der Stelle eines solchen
im maschinentechnischen Bureau der Königlichen Eisenbahndirection
daselbst.
Der Professor Lang an der Königlichen technischen Hochschule
in Hannover ist zum Mitglied des Königlichen technischen Prüfungs-
Amts daselbst ernannt worden.
Der Eisenbahn - Director Hirsekorn, Erster Vorstand der
Hauptwerkstätte 0. S. in Breslau, ist in den Euhestand getreten.
Dem bisherigen Königlichen Eegierungs-Baumeister Max Ewald
in Hannover ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst
ertheilt worden.
Württemberg.
Der Strafsenbauinspector Stuppel in Calw wurde durch Aller¬
höchste Entschliefsung seinem Ansuchen gemäfs auf die erledigte
Strafsenbauinspection Eeutlingen versetzt.
Scliwarzbiirg-Eudolstadt.
Dem Fürstlichen Eegierungs- und Baurath Paul Eudolph Brecht
in Eudolstadt ist das Dienstprädicat Geheimer Baurath verliehen
worden.
fAIle Ecchte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theh.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Zum Kampf um Troja.*
Von Dr. Josef Dünn.
Das Protokoll der Verhandlungen zwischen Dr. Schliemann und
Hauptmarm a. D. Bötticher vom 1. bis 6. December 1889 (als Hand¬
schrift gedruckt bei P. A. Brockhaus, Leipzig 1890) hat eine Gegen¬
schrift des letzteren hervorgerufen „Hissarlik, wie es ist“ (Fünftes
Sendschreiben über Schlieinanns Troja. Berlin, als Handschrift ge¬
druckt im Selbstverlag des Verfassers 1890.) Bötticher hält nach wie
vor seine Hypothese aufrecht, dafs der Schutthügel von Hissarlik
nicht die Feste des Priamos in sich schliefse, sondern dafs wir es
hier in Wirklichkeit mit einer sog. „Feuer-Nekropole“ (Verbrennungs¬
stätte mit Begräbnifsplatz ?) zu thun haben. Professor Niemann in
Wien nennt diese Hypothese (Kunstchronik Jahrg. 1889/90 Nr. 16
S. 249) auf äufserst kühnen, aber der Logik nicht ganz entbehrenden
Schlufsfolgerungen aufgebäut und nur auf Grund des Buches „Ilios“
— nach Bötticher „das Werk der Widersprüche“ genannt, „Ilios“
(Leipzig 1881) — und des Burnoufschen Planes möglich, also ehe das
Buch „Troja“ erschienen war. Nicht wenig mögen zu ihrem Aufbau
auch gewisse Steigerungen in den Ausdrücken bei Angaben und Fund¬
beschreibungen sowie Unsicherheiten bei Schilderungen technischer
V orgänge beigetragen haben, die auch im „Lichte der heutigen Wissen-
*) Vgl. die Mittheilungen über die Wiederaufnahme der Aus¬
grabungen in Hissarlik -Troja im Centralblatt der Bauverwaltung
Jahrg. 1882, S. 86, sowie S. '354- bis 355 die Ansicht über die Holz¬
einlagen zum Brennen der Mauern, und dafs das alte Troja in
Hissarlik und nicht in Bunarbaschi zu suchen sei.
Schaft“ kaum hingenoinmen werden können. Wenn von Massen von
verbrannten Holzbalken und von Massen von verglastem Ziegelschutte,
wenn von grofsen Theilen vollständig geschmolzener Ziegelmauern, die
zu einer Art von schwammförmiger Glasmasse (so !) umgestaltet worden
sind, gesprochen wird, wenn Holzpfosten angeführt werden, die in
einer Steinwand Eindrücke hinterlassen haben, wenn zu der Construc-
tion eines gedeckten Mauerganges erläutert wird, dafs „hölzerne
Strebepfeiler, welche die Wände stützen mufsten, durch quer über
den Weg greifende Balken auseinander gehalten wurden, welche sich
nicht als Sparren vom blauen Himmel abhoben, sondern eine Lehm¬
decke trugen“, wenn schliefslich von einem rie.sigen Thnrme die Eede
ist, so tragen solche Schilderungen nicht gerade zur Förderung des
Verständnisses hei. Auch die Thatsache, dafs man Lehmpulver für
Holzasche, zersetztes Elfenbein für Knochenasche ansah und ausgab,
dafs man an angeblich gefundenen 600 Pithoi (Seite 30, Böttichers
5. Sendschreiben) leichten Herzens später eine Null strich, dafs man
die Mauern der Citadelle zuerst aus Lxiftziegeln geschichtet sein
liefs, die erst nach ihrer Schichtung — wie beim Feldziegelofeu —
gebrannt worden seien, ehe man die heute in Kleinasien und im
Peloponnes noch landläufige, von Vitruv schon erwähnte, von den
Byzantinern und von den Werkleuten des Mittelalters noch gepflogene
Mauer-Construction mit eingelegten Holzbalkenankern erkannte, dafs
man endlich die ausgebrannten Balkenlöcher für Feuercanäle ausgab
u. dgl. m. — alles dies war nicht dazu angethan, überall sichere
Schlüsse ziehen zu lassen. Wenn dann noch beispielsweise gesagt
410
Centralblatt der Baiiverwaltung.
4. October 1890.
wurde, von der Unterstadt sei nicht das geringste entdeckt worden
— es müsse also das Baumaterial derselben verschleppt und bei
späteren Ansiedlungen verwendet worden sein — , und man folgerte
dann daraus; „durch die Existenz dieser Unterstadt bekommen aber
mehrere Züge des homerischen Bildes erst ihren thatsächlichen An¬
halt", denn das weitstrafsige Ilion kann sich der Dichter natürlich
nicht auf den engen Burgberg (richtiger wohl die Citadelle) beschränkt
gedacht haben (vgl. Schuchardt Seite 69) — so dürfte darin wohl
wenig überzeugendes liegen.
Sicher ist für uns nun, dafs auf der Höhe und Stelle des
heutigen Hissarlik Tempelreste, wohl die eines Athena-Heiligthumes,
gefunden worden und zum Theil noch vorhanden sind, dem die
bekannt gewordene Metope, Helios mit dem Strahlenkränze um
das Haupt vier Bosse lenkend, Säulen- und Gebälkstücke, casset-
tirte Deckentheile aus schönem weifsen Marmor angehörten, ferner
Säulen- und Gebälkstücke eines kleinen ältern Baues, vor allem aber
ganze Strecken hel¬
lenistischer Burg¬
mauern , ein römi¬
sches Theater, eine
römische Thoran¬
lage und ein gut
erhaltenes Odeon
(nach dem Berichte
Schliemanns in der
Neuen freien Presse
vom 13. August 1890
eher ein theater¬
förmiger Sitzungs¬
saal der ßovX>i?),
welches inschrift¬
lich aus der Zeit des
Tiberius stammt,
und zuguterletzt
noch mehrere Mar¬
morfiguren (vgl.
Frankfurter Zei¬
tung vom 22. Juni
1890). Die bei die¬
sen Architektur¬
fragmenten und
Bildwerken gefun¬
denen inschrift¬
lichen Denkmäler
reichen vom vierten vorchristlichen Jahrhundert bis in die
späte römische Kaiserzeit, und die Metopenbildwerke erinnern
an die des pergamenischen Altars. Wir hätten somit Bauwerke
für Zwecke der Lebenden inmitten der Werke, die nach Bötticher
dem Todtencultus gedient hätten! Dürfen wir ein Ustrinum mit
seinen pestilenzalischen Düften in unmittelbarer Nähe der Be¬
hausungen und Erholungsstätten der Lebenden annehmen, oder dürfen
wir glauben, dafs innerhalb oder auf einer Stätte, die dem Todten¬
cultus diente, sich Griechen oder Römer häuslich eingerichtet hätten?!
Die Ehrfurcht vor den Begräbnifsstätten oder dem Todtenculte ge¬
weihten Anlagen war doch auch in der spätem Zeit noch eine so
grofse, dafs man nicht leicht etwas gewagt hätte, vor dem sogar die
Verfallzeit oder eine siegreich hereinbrechende neue Religion zurück¬
geschreckt ist: die Umwandlung von Bezirken der Todten zu Wohn-
oder Lustbarkeitsplätzen der Lebenden! Schon aus diesem Grunde
wird man die Annahme einer Todtencultstätte auf dem Platze von
Hissarlik zurückweisen dürfen.
Bötticher macht nun auf die geringe Ausdehnung des von Mauern
umwährten Burggebietes aufmerksam. Dieses ist allerdings bedenk¬
lich klein für die stolze Feste des Priamos, und zum Belege dafür
sei auf obige im gleichen Mafsstabe gezeichnete Zusammenstellung der
Ausdehnung der Akropolen von Selinus, Mykenae, Athen und Tiryns
sowie der Burgen von Arques, des Kyffhäuserberges und der bei
Zurzach- Waldshut gelegenen Küssaburg verwiesen (Abb. 1), woraus
zu ersehen ist, dafs die Akropole von Troja, Priams Feste, kaum
gröfser als eine unserer mittelgrofsen mittelalterlichen Ritterburgen
war. Da aber auch auf diesen stolze Fürstengeschlechter Raum
hatten und von dort Königen und Völkerschaften Trotz boten und
Widerstand leisteten, da hinter dem mit Mauern und Thürmen um¬
währten Platze, in Arques z. B., Raum war für den gewaltigen, mehr¬
stöckigen Donjon, für die Wohnungen und Vorrathsräume der Herren
sowohl wie der Besatzung, da dort auch Stallungen und Wirthschafts-
höfe angelegt waren (vgl. Viollet-le-Duc, Description et histoire
du chäteau d’Arques, Paris 1880, S. 7 u. 9), so wollen wir auch
glauben, dafs Priamos auf der annähernd gleich grofsen Abgleichung
des Hügels von Hissarlik Platz gefunden hat für sich und sein
Geschlecht.
Bötticher bezweifelt auch den Befestigungs- Zweck und -Werth
der Mauervorsprünge in Hissarlik, indem sie dafür zu klein und zu
nahe gestellt wären; auch die Anzahl der Thore zur Citadelle ist
ihm zu grofs. Als die Burg von Arques angelegt wurde, kämpfte
man wohl noch mit den gleichen Waffen, mit Schild, Lanze und
Schwert, mit Pfeil und Bogen, wie zur Zeit der trojanischen Helden,
und in Arques ist (vgl. Abb. 1, VII u. VII a) ein Theil der Burgmauer
mit kaum gröfseren und weiter auseinanderliegenden Vorsprüngen ver¬
sehen als in Hissarlik, die zum Theil oberhalb thurmartig aus¬
gebildet waren, oder nur als Ausbuchtung des Mauerganges bei den
Zinnen dienten, und daher sicher einen Vertheidigungszweck hatten.
Zum gleichgrofsen Burgplateau in Arques führen durch die Ring¬
mauern zwei mächtige Thorbauten, wie sie auch in Hissarlik bis jetzt
in der gleichen Anzahl gefunden wurden.
Das Planmaterial über die „Citadelle von Troja“, welches
Dr. Dörpfeld dem Protokoll der Verhandlungen (Plan VII aus „Troja“)
beigegeben hat, ist
mit dem Thatbe-
stand an Ort und
Stelle übereinstim¬
mend, und auch von
den andern Tech¬
nikern , welche die
Ausgrabungen zu
besuchen Gelegen¬
heit hatten, als
richtig und zuver¬
lässig anerkannt.
Allseitig und auch
von Bötticher an¬
erkannt und be¬
kannt gegeben ist
die Construction
der geböschten, aus
mäfsig grofsen na¬
türlichen Steinen
ohne Mörtel gefüg¬
ten Umwährungs¬
mauern. Das Ge¬
füge erscheint roh,
und es sind die
Mauern daher jetzt
von aufsen nicht
schwer zu ersteigen.
Der Zustand der Aufsenfläche dürfte aber wohl zur Zeit, als die Mauern
Vertheidigungszwecken dienten, ein anderer gewesen sein, wie auch der
der Mauern von Tiryns und der so mancher etruskischen Städte, heute
nicht mehr der ursprüngliche ist. Viele sind, wie die Kernmauern
I der ägyptischen Pyramiden, ihrer Bekleidung beraubt, andere sind an
der Oberfläche ausgewittert oder haben Rutschungen und Senkungen
erfahren, wodurch Lockerungen und Verschiebungen im Gefüge ent¬
standen sind. Den Vertheidigungszweck der Mauern ihres jetzigen
Zustandes halber in Zweifel ziehen zu wollen, dürfte daher wohl
gewagt sein.
Unbestritten ist auch die Verwendung von an der Luft getrock¬
neten Lehmziegeln, wie sie Babylonier und Aegypter, Griechen und
Römer im Gebrauch hatten, und wie sie heute noch in Griechenland
und Kleinasien oder ganz allgemein im Orient angewendet werden.
Musterstücke derselben sind in den Schliemann- Sälen des Berliner
Museums aufgestellt, denen auch durch Brand verschlackte oder ver¬
glaste Stücke beigegeben sind. Unbestritten düi-fte auch, nach den
Holzkohlenresten und nach verfaulten Holzfasern sowie nach den
Hohlräumen im Mauerwerk, die übrigens zum Theil wieder durch
stürzendes Mauerwerk und Lehmpulver zugeschlemmt sind, zu
urtheilen, die Verwendung der von Vitruv empfohlenen Holzanker
im Mauerwerk sein. Sie bildeten ein festes Gerippe, das die Stand¬
fähigkeit der Luftziegelmauern erhöhte. Auch diese Construction
hat sich, wie erwähnt, durch das Mittelalter hindurch bis auf die
heutige Zeit erhalten. Die Construction, welche bei Bränden ihre
Nachtheile hat, schützt, so sagen die Techniker des Südens, ganz
besonders gegen Erdbeben. Von der Zerstörung, welche die Holz¬
anker durch Weiterleiten des Feuers hervorrufen können, hat der
Verfasser dieser Zeilen im Laufe dieses Frühjahrs bei einem Haus¬
brande in Nauplia sich überzeugt, es geben aber auch viele Ruinen
mittelalterlicher Bauten (z. B. Burg Hausen im Donauthale) davon
Beispiele. In Hissarlik sind die den Holzankern zunächst gelegenen
Luftsteine mehr oder weniger angerufst, andere roth gebrannt. Die
Farbe des mit Häcksel und mit kleinen Muscheln gemischten Thones
ist grau bis bräunlichgrau, während das zwischenliegende Bindemittel
von hellerer, in einigen Fällen von weifsgelber Farbe ist. Die Ober:
flächen der Mauern sind vielfach mit einem weifsen, dünnen Thon-
V. Hissarlik-Troja. VI. Tiryns. VII. Chäteau d’Arques. VIII. Küssaburg.
100 50 0 100 200 300 400 500"
Abb. 1. Vergleichende Zusammenstellung der Ausdehnung einiger Akropolen und Burgen.
Nr. 40.
Oentralblatt der Bauverwaltang.
411
anstrich — wie mit Pfeifenerde — überzogen. Die Luftsteine haben
eine Dicke von 10 — 15 cm bei einer Länge bis zu 65 cm, während
die Mörtelfugen 1—3 cm dick sind. Unbestritten und für jeden Be¬
sucher controlirbar ist auch das Vorhandensein grofser Thorschwellen
aus Kalkstein (Südwestthor 2,65 m X 1,20 m) und von Standsteinen
für hölzerne Parastaten aus dem gleichen Materiale. Auf das einstige
Vorhandensein von hölzernen Anten lassen die Vorrichtungen in den
Standsteinen schliefsen, ebenso das Vorkommen von verfaulten Holz¬
fasern und von Holzkohlen an diesen Stellen im Erdreich, von denen
in Dr. Dörpfelds und meiner Anwesenheit neue Reste ans Tageslicht
gefördert wurden. Die Verwendung von Luftsteinen, deren Thon
noch Strohhäcksel beigemengt war, von Kalksteinschwellen und
hölzernen Thüreinfassungen, von Holzeinlagen im Gemäuer wird
man wohl kaum bei einem Ustrinum für wünschenswerth erachtet
haben, sie schliefst vielmehr eine Deutung der Mauerreste für ein
solches aus.
Für eine einstige Deckung der Gelasse, welche innerhalb der
Umwährungsmauern standen, sprechen die Eindrücke, welche Schilf¬
rohre in einigen Lehmpatzen hinterlassen haben. Wie von der
Hauptstadt des Krösos gemeldet wird, und wie es heute noch bei
den Lehmziegelhütten türkischer Ortschaften üblich ist, war Schilf¬
rohr auf Lehmschlag und Holzunterlage (Rundholz oder Bohlenbelag)
das Deckmaterial der Häuser. Das Fehlen von Deckziegel resten in
der Nähe der hellenistischen und römischen Bauten hängt wohl
mit der leichten Verschleppung und Verwendung dieses gesuchten
Materials zu andern Bauten nach dem Verfalle der Stadt zusammen.
Schilfrohre und Laubzweige schützen übrigens auch die Kronen der
Lehmziegel(Luftziegel)-Mauern, welche zur Einfriedigung offener Höfe
und Grundstücke heute noch allenthalben im Süden, so im Pelo¬
ponnes, errichtet werden. Wo Wind und Wetter die Schutzvorrich¬
tung abgestreift haben, geht die Luftziegelmauer durch den ein¬
dringenden Regen rasch zu Grunde, wie dies schlecht unterhaltene
Stellen zeigen. Aus dem gleichen Grunde sind die Luftziegelmauern
auch gegen die Bodenfeuchtigkeit zu schützen, und deshalb erheben
sie sich überall, sowohl im alten Troja als auch in jedem neueren
Bauerndorf, über einer Sand- oder Kalksteinmauer- Schicht von minde¬
stens 30 cm Höhe (vgl. z. B. die Lehmziegelhäuser und Mauern in
der argolischen Ebene). (Schlufs folgt.)
Neubau des Dienstgebäudes für den Wasserbaubeamten in Hameln.
Am 7. November 1887 wurde das im Jahre 1787 auf der Werder¬
insel neben der Weserschleuse in Hameln erbaute Dienstgebäude der
dortigen Wasser-
bauinspection nach
hundertjährigem
Bestehen infolge
der Explosion der
Meyerschen Weser¬
mühle derartig zer¬
stört, dafs ein Wie¬
deraufbau unmög¬
lich erschien und
die Erbauung eines
neuen Gebäudes
erforderlich wurde.
Die Lage des Neu¬
baues, in welchem
auch die Räume für
den Schleusenwär¬
ter unterzubringen
waren, mufste der¬
artig sein, dafs der
Schiffsverkehr gut
übersehen und die
Bedienung der
Schleuse leicht be¬
wirkt werden
konnte. Auch for¬
derte die Sicherheit
gegen abermalige
Explosion beson¬
dere Rücksichten.
Da die Wirkung
der Explosion vom
7. November 1887
sich nicht weiter als 25 m
von der Mühle erstreckt
hatte, und die wiederholte
Explosionsgefahr durch be¬
sondere Einrichtungen an
dem Silo der Mühle (Ersatz
der massiven Wände durch
Bretter und Blech und
Anbringung reichlicher Lüf¬
tungsöffnungen) sehr ver¬
ringert ist, so erschien
völlige Sicherheit vorhan¬
den, wenn das Gebäude
etwa 75 m stromabwärts
von der Mühle entfernt
errichtet wurde. Es ergab
sich hier freilich die Noth-
wendigkeit einer besonderen
Gründung, da der Bau theils
auf den Resten der Seiten¬
mauern der alten, im Jahre
1870 abgebrochenen Schleuse, theils auf dem noch nicht genügend ver¬
dichteten Füllboden der Schleusenkammer zu stehen kam. Die freie, von
allen Seiten sichtbare Lage in der äufserst reizvollen landschaftlichen
Ansicht.
Grundrisse vom hohen Erd- und Obergeschosse.
Umgebung, welche von zahlreichen Fremden aufgesucht wird, forderte
eine entsprechende architektonische Gestaltung. In wasserbau¬
licher Beziehung
war noch die Lage
mitten im Ueber-
schwemmungsge-
biete der Weser zu
b erücksichtigen.
Dementsprechend
sind nach einer im
Ministerium der
öffentlichen Arbei¬
ten entworfenen
Skizze die beson¬
deren Pläne in der
Wasserbau -Inspec-
tion Hameln bear¬
beitet worden.
Das Gebäude
enthält im Erdge-
schofs die Dienst¬
räume für den
Wasserbaubeamten
und einen Schleu¬
senwärter mit be¬
sonderem Eingänge
an der Nordseite,
im ersten Stock und
im Dachgeschofs,
von den Dienst¬
räumen völlig ge¬
trennt, dieWohnung
und im Keller die
Wirthschaftsräume
für den Baubeam¬
ten. Die Kellersohle hat
eine etwas höhere Lage als
der höchste Stand des Hoch¬
wassers von 1841 und das
umliegende Gelände. Es
wurde deshalb eine insel¬
artige Umschüttung von
1,6 m Höhe rings um das
Gebäude nöthig , welche
zum Schutz gegen Wellen¬
schlag und Eis, zur Raum-
ersparnifs und aus architek¬
tonischen Rücksichten mit
Futtermauern und Einfrie¬
digungen umgeben ist. Die
Fundamente auf der 1 m
hohen Sandschüttung, die
Kellergewölbe undFufsböden
bestehen aus Kiesbeton; im
übrigen ist das Gebäude in
Backsteinrohbau mit Ziegel¬
dach unter mäfsiger Verwendung von hellfarbigem Süntelsandstein zu
den Ecken, Fenster- und Thüreinfassungen, Gesimsen, Giebelabdeck¬
ungen, Bekrönungen, Säulen usw. erbaut. Die Keller- und Aufsen-
2S^
412
Centralblatt der Baiiverwaltung.
4. October 1890.
treppen sind ebenfalls von Saiidstein, die Geschofstreppe aus Kiefern¬
holz mit eichenen Trittstufen. Fenster, Thüren und Fufsböden sind vor¬
wiegend aus Kiefernholz gefertigt. Für die Heizung sind Kachelöten
aufgestellt.
Die Geschofshöhen betragen im Keller 2,8 m, im Erdgeschofs
3,8 m, im ersten Geschofs 3,8 m, im Dachgeschofs 3 m. Als Baustil
ist iu Anlehnung an die Architektur der alten Hamelner Bauten
deutsche Eenaissance gewählt. Mit der Bauausführung wurde im
August V. Js. begonnen; zur Zeit ist das Gebäude' bereits be¬
zogen- — Die Baukosten betragen rund 46 000 Mark oder für
1 ([m bebauter Grundfläche etwa 190 Mark und für 1 cbrn umbauten
Baumes rund 18 Mark. Für Erdarbeiten, Einfriedigungen treten
4000 Mark, für Futtermauern usw. 3500 Mark hinzu, im ganzen
werden also rund 53 500 Mark ausgegeben. Die Bauausführung
erfolgte unter der Leitung des Bauraths Meyer.
Hellmuth, Königl. Wasserbaninspector.
Belieizung ganzer Stadttheile.
Die in neuerer Zeit hauptsächlich in Nord-America angestellten
Versuche, die Beheizung ganzer Häuserviertel oder Stadttheile von
einer Stelle aus zu bewirken, haben bekanntlich nicht iTiibe-
trächtliche Erfolge zu verzeichnen und sind, wie wir in der Mit¬
theilung in Nr. 11 des Jahrganges 1884 d. Bl. über die Dampf¬
leitungen in New-York des näheren erläutert haben, in constructiver
Beziehung so sorgfältig und zweckmäfsig durchgeführt, dafs in An¬
betracht der günstigen Erfahrungen und der gebotenen tinanciellen
Vortheile eine weitere Verbreitung erwartet werden darf. Neuer¬
dings ist man nun noch weiter bemüht, nicht allein die Beheizung,
sondern auch die Versorgung mit frischer Luft, sei es in erwärmtem,
sei es in abgekühltem Zustande, für einzelne räumlich nicht allzu¬
weit ausgedehnte Stadttheile von Centralstellen aus zu bewirken.
Es ist nicht wohl zu bezweifeln, dafs für enggebaute, gewerbreicbe
Städte, in denen die von aufsen entnommene Luft sich in gesund¬
heitlicher Beziehung in der Kegel nicht zur Versorgung von Wohn-
und Arbeitsräumen eignet, eine centrale Luftvertheilungsleitung,
welcher von einer besonders günstig gelegenen Stelle aus gröfserer
Höhe reine und staubfreie Frischluft zugeführt wird, günstige Er¬
folge in Aussicht stellt, falls es gelingt, die grofsen technischen
Schwierigkeiten der Verlegung umfangreicher Luftleitungen innerhalb
des Strafsenkörpers und der Erhaltung gleichmäfsiger Temperaturen
in einer auch tinanciell günstigen Weise zu überwinden. Diese Be¬
strebungen finden wir verwirklicht in dem sog. Ti mby- Sy st ein,
welches, wie wir einem Berichte des technischen Attaches in
Washington, Herrn Kegierungs-Baumeister Petri entnehmen, seitens
der „National-Heating and Ventilating Company“ in Washington neuer¬
dings ihren Ausführungen zu Grunde gelegt wird. Die genannte
Gesellschaft beabsichtigte ursprünglich Städte bis zu 50 000 Ein¬
wohnern von einer Stelle aus zu versorgen. Die Schwierigkeiten,
welche hierbei die erforderliche Geschwindigkeit der Luft und die
Gröfse der Gebläsemaschinen verursachten, haben jedoch Anlafs ge¬
geben, nur Ausdehnungen des Netzes bis zu 0,8 km Länge zu wählen
und bei besonders dichter Bebauung in Geschäftsgegenden für jedes
Häusergeviert eine eigene Betriebsstelle anzulegen.
Der Grundgedanke des Tirnby-Systems ist ein sehr einfacher.
An der Centralstelle befinden sich die der Gröfse der Versorgung
entsprechenden Dampf- oder Heifswasserkessel, durch welche die
Hauptluftleitung in geschlossenen Rohren hindurchgeführt wird und
einen Theil der erzeugten Wärme in sich aufnimmt. Um im weiteren
Verlaufe der im Strafsenkörper zu verlegenden Hauptluftleitung eine
gleichmäfsige Wärme oder eine dauernde Ersetzung der Wärme¬
verluste zu erhalten, ist von den Kesseln innerhalb der Luftleitung
und bis zu deren- Ende ein Dampf- oder Heifswasserrohr abgezweigt,
welches durch einen Dampfwasser- bezw. Rücklaufstrang wieder an
die Kessel angeschlossen ist. Die Summe der Wärmeerzeugung des
wärmeren Dampfrohres und des kühleren Dampfwasserrohres, d. h.
des Hin- und Rücklaufstranges, ist an allen Stellen nahezu die gleiche,
sodafs auch innerhalb des Luftrohres im ganzen Verlaufe desselben
ungefähr die gleiche Temperatur herrscht. Die Luft wird durch ein
Gebläse in die Hauptleitungen eingetrieben, besitzt somit stetig einen
gewissen Ueberdruck, sodafs das Eindringen schädlicher Bodengase
kaum zu befürchten sein dürfte. Von den Hauptleitungen zweigen
nach den einzelnen zu versorgenden Gebäuden und Verbrauchstellen
Nebenluftleitungen ab, welche die Luft nach den betreffenden
Wohn- oder Arbeitsräumen führen. Durch Mefsvorrichtungen an
den Abzweigstellen wird die Menge der jeweilig verbrauchten Wärme
festgestellt.
Der Betrieb der Dampfleitung erfolgt durch niedrig gespannte
Dämpfe, deren Druck 0,35 kg für das Geviertcentimeter nicht über¬
steigen soll. Die Gefahr von Explosionen wird hierdurch beseitigt,
und erheblichen Längenveränderungen, welche trotz eingeschalteter
Ausgleichvorrichtungen erfahrungsgemäfs in erster Linie zu Un¬
dichtigkeiten führen, vorgebeugt. Selbstverständlich wird das in das
Erdreich eingebettete Hauptluftrohr durch zweckihäfsige Umhüllung
gegen Wärmeverluste geschützt.
In gleicher Weise wie die Luftleitungen zur Uebertragung er¬
wärmter Luft benutzt werden, sollen dieselben in der heifsen
Jahreszeit auch zur Leitung eines durch Kältemischungen künstlich
gekühlten Luftstromes dienen Wir behalten uns vor, auf die An¬
gelegenheit zurückzukommen, sobald uns weitere Mittheilungbn über
die erzielten Erfolge zugegangen sein werden.
Stellvorrichtungen für Balinhofsahschlufstelegrapheii und die damit verbundenen
Vorsignale.
Die im letzten Jahrzehnt eiugetretene bedeutende Erhöhung der
Anzahl und der Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge hat die Eisen¬
bahn-Verwaltungen auch zu erhöhten Anforderungen hinsichtlich der
Sicherung des Zugverkehrs und namentlich hinsichtlich der Sigual-
und Weichen -Sicherung auf den Bahnhöfen veranlafst. Diese An¬
forderungen haben in neuerer Zeit u. a. zu der vermehrten Anordnung
von Vorsignalen geführt und zielen namentlich darauf hin, dafs nur
solche Einrichtungen zur Anwendung kommen, welche unter allen
Umständen völlig zuverlässig wirken.
Bekanntlich erfolgt die Sicherung der Einfahrt der Züge in die
Bahnhöfe neuerdings meist durch ein Abschlufssignal und ein damit
verbundenes Vorsignal, welche in der Regel mittels doppelten Draht¬
zuges durch einen Hebel bewegt werden. In diesen Drahtzug wird
zweckmäfsig zugleich die Bewegung oder die Verriegelung derjeni¬
gen Weichen einbezogen,
deren falsche Stellung
den einfahrenden Zug
gefährden kann. Die Be¬
wegung der Weichen¬
stangen bezw. -Riegel,
der Flügel des Abschlufs
telegraphen und der
Scheibe des Vorsignals
erfolgt ziemlich allgemein
durch Hubscheiben, um
welche der Zugdraht
mehrfach geschlungen ist;
zur Vermeidung des Gleitens auf der Scheibe wird der Draht an
einer Stelle befestigt. Wenn diese Einrichtungen unter allen Um¬
ständen völlig zuverlässig wirken sollen, müssen offenbar folgende
Bedingungen erfüllt werden:
a) Das Fahrsignal
am Abschlufs- und am
Vorsignal darf nur ge¬
zogen werden können,
wenn die gegen die Spitze
zu befahrenden und die
etwa vorhandenen feind¬
lichen Weichen sich in
der entsprechenden Stel¬
lung befinden.
b) Das Vorsignal
darf erst mit oder nach
dem Abschlufssignal ge¬
zogen werden können.
c) Während die Sig¬
nale auf ,,Fahrt“ stehen,
müssen die einbezogenen
Weichen in der richtigen
Stellung verriegelt sein,
sodafs ein Umstellen dei--
selben erst möglich ist,
nachdem die Signale die
Haltstellung wieder ein¬
genommen haben.
d) Der Drahtzug mufs stets in beiden Drähten völlig gleichmäfsig
gespannt und mit Vorrichtungen versehen sein, welche es verhindern,
dafs die über mehrere Hubscheiben durchgehende Leitung infolge
Nr. 40.
Centralblatt der Bauverwaltung.
413
des Wärmeweclisels oder ungleicher Widerstände die Scheiben gegen¬
einander verstellt.
e) Bei dem Eeifsen des Drahtzuges an beliebiger Stelle — also
entweder zwischen Stellbock und Weichen -Verriegelungsrolle, oder
zwischen Kiegelrolle und Abschlufssignal, oder zwischen Abschlufs-
und Vorsignal — mufs sowohl das Abschlufs- wie das Vorsignal die
Haltstellung einnehmen bezw, in derselben verbleiben.
f) Der Eintritt der Haltstellung darf nicht durch ein den
Flügeln gegebenes Uebergewicht, sondern mufs zwangsweise herbei¬
geführt werden, damit die Signal-Flügel bezw. -Scheiben nicht unter
ungünstigen Umständen (bei Ansatz von Schnee und Glatteis) auf
„Fahrt“ stehen bleiben.
Diese Bedingungen werden, wie bereits vom Herrn Regierungs-
Baumeister Feldmann in Nr. 21 des Centralblattes der Bauverwal¬
tung (Seite 213 d. J.) näher dargelegt ist, in ihrer Gesamtheit nur
von solchen Anlagen erfüllt, deren Drahtzug vom Stellbock bis zum
Vorsignal und zurück ununterbrochen durchgeht. Wenn in der an¬
geführten Darlegung jedoch bemerkt wird, derartige durchgehende
Drahtzüge seien bisher niemals angewendet worden, so bedarf diese
Angabe der Berichtigung. Von der Firma C. St ahm er in Georg¬
marienhütte sind für mehrere preufsische Staatsbahnen bereits seit
längerer Zeit und in gröfserer Zahl Weichen- und Signal-Sicherungs-
Anlagen hergestellt worden, bei welchen ein ununterbrochener Draht¬
zug vom Stellbock über eine oder mehrere Weichen-Verriegelungs-
Tollen, die Abschlufssignal- und die Vorsignal -Hubscheibe geführt
ist und wobei sämtlichen obigen Bedingungen genügt wird. Da
namentlich auf zuverlässige Erfüllung der unter e und f aufge¬
führten Bedingungen neuerdings mit Recht grofser Werth gelegt
wird und diese bei den Anlagen der gedachten Firma regelmäfsig
festgestellt ist, so erscheint eine Besprechung der fraglichen Anlagen
in ihrer neuesten verbesserten Gestalt hier am Platze.
In Abb. l ist eine aus dem Stellbock N, den Weichen- Verriege¬
lungsrollen ß iß], dem zweiflügligen Abschlufssignal A und dem Vor¬
signal JE bestehende Sicherungsanlage in der von der genannten
Firma gewählten Anordnung übersichtlich dargestellt. Die Wirkungs¬
weise und der Zweck der einzelnen, der Firma z. Th. patentirten
Vorrichtungen ergeben sich aus folgenden Erläuterungen.
werden, so findet durch die Lüftung des Fallenhebels //^ und durch
das damit erfolgende Eingreifen des Sperrkegels b in den Zahnkranz
des kleinen Rades eine Feststellung des letzteren statt; dasselbe
kann sich nicht mehr um seine Achse drehen und kuppelt dadurch
und durch die eingreifenden Radkränze auch die beiden Seilrollen
mit dem Stellhebel, dessen Bewegung sich nunmehr auf die Rollen
und die Drahtleitung überträgt. Nach der Vollendung des Hubes
und dem Einsenken der Falle werden die beiden Seilrollen wieder
vom Stellhebel getrennt , sie können sich frei bewegen und die
wieder zur Wirkung kommenden .Spanngewichte sichern eine gleiche
Spannung in beiden Drähten auch bei gezogener Hebelstellung (vgl.
auch „Kolle, die Anwendung und der Betrieb von Stellwerken“).
Wenn etwa wegen örtlicher Verhältnisse, z. B. bei Errichtung
des Stellbocks auf dem Bahnsteig, die Verbindung des Endspann¬
werks mit seinen Gewichten mit dem
Stell bock nicht erwünscht erscheint,
oder wenn die fragliche Anordnung bei
vorhandenen, nicht wohl zu verändern¬
den Stellwerkanlagen angewendet werden
soll, wird das Endspannwerk nach
Abb. 2 a angeordnet und in geringer Ent¬
fernung vom Stellbock aufgestellt. Zu
diesem Zweck wird zwischen den beiden
Seilrollen s und eine mit der An¬
triebscheibe des Stellbocks durch einen
Abb. 2a.
1. Der Stellhock (Abb. 2).
■ Der zur Bewegung des Doppel -Drahtzuges dienende Stellbock
enthält zugleich die Vorrichtung zur Ausgleichung der Spannungen
im Drahtzuge, bildet also ein Endspannwerk. Zu dem Zwecke ist
die Antriebrolle, in zwei
selbständige, in entge¬
gengesetztem Sinne dreh¬
bare Seilrollen aufge¬
löst, von denen jede mit
.einem Spanngewicht ver¬
bunden ist (vgl. Abb. 1).
Auf der inneren Fläche
der Seilrollen ist je ein
Zahnkranz mit konischen
Zähnen angebracht, zwi¬
schen denen sich ein klei¬
nes konisches Zahnrad r
dreht. Die Seilrollen sind
auf der Drehachse lose |
gelagert, also mit dem ”1
auf der gleichen Achse
befestigten Stellhebel a
nicht fest verbunden.
Befindet sich daher der
Stellhebel in der Euhe-
oder Endlage, bezw. bei
einem Umschlaghebel in
der Ruhe- oder einer der
Endlagen, so sind die
Rollen für sich beweg¬
lich. Sie stellen sich
selbstthätig nach den
Spannungen der Draht¬
leitung ein; das Mafs der
Spannungen bleibt immer
dasselbe und hängt lediglich
ab. Damit das zwischen den Radkränzen der Seilscheiben sich
drehende kleine konische Rad die selbständige Bewegung der
beiden Scheiben durch die Gewichte bei der anfänglichen Regelung
nicht hindert, wird dasselbe für kurze Zeit entfernt und demnächst
wieder eingesetzt. Der Zapfen, um welchen sich dies kleine Rad
• dreht, befindet sich am Stellhebel. Soll nun letzterer umgelegt
kurzen doppelten , Drahtzug von besonderer Stärke verbundene
Scheibe t angebracht; dieselbe sitzt ebenso wie die beiden Seilscheiben
lose auf der Achse. Sie trägt an einem Ausschnitt auf einem Zapfen
das kleine konische Rad r, welches^ den beiden Seilrollen in der
Ruhelage freie Bewegung gestattet, und enthält ferner den Drehzapfen
eines zweiarmigen Hebels h, welcher mit zwei Gleitflächen auf einer
auf der Achse festen, mit Ansätzen versehenen kleinen Scheibe i
gleitet und im Beginn der Bewegung der mittleren Rolle mittels
eines Zahnes g das kleine konische Rad feststellt. Damit werden die
beiden äufseren Seilscheiben unter sich und mit der Antriebscheibe
gekuppelt, sodafs sie der Bewegung der letzteren folgen müssen.
Nach Vollendung des Hubes (Bewegung der gekuppelten Scheiben
um 180°) giebt die Vorrichtung hg die beiden äufseren Scheiben
mit den Spanngewichten selbstthätig wieder frei und die Gewichte
kommen wieder zur Wirkung. (Das Patent ist angemeldet.)
Die gesamte Anordnung hat noch den Vorzug, dafs beim
Ziehen des Drahtzuges das eine Gewicht mitwirkt und dafs die
Seilscheiben durch die Verbindung mittels des konischen Rädchens
zu gleich grofsen Winkelbewegungen gezwungen werden; etwaige
Verschiedenheiten in den Reibungs widerständen der beiden Drähte
kommen also nicht zur Wirkung und können die Stellung der zu be¬
wegenden Hubscheiben nicht beeinflussen.
2. Die Weichen -Verriegelungsrolleu (Abb. 3).
Da der vom Stellbock
kommende Drahtzug, wel¬
cher die Verriegelungsrolle
bewegt, nach dem Signal
weitergeht, so darf seine
Verbindung mit der Riegel¬
rolle die Spannungsausglei¬
chung durch das Endspann¬
werk nicht behindern. Zu
dem Zwecke sind auch hier
zwei selbständige Seilschei¬
ben mit inneren Radkränzen
und dazwischen liegendem
kleinen konischen Rade vor¬
gesehen; der Zapfen des
letztem ist mit der Riegelscheibe v selbst fest verbunden. Die vom Stell¬
hock kommenden beiden Drähte sind in entgegengesetzter Richtung um
414
Ceutralblatt der Bauverwaltuug;
4. October 1890.
die beiden Seilrollen geschlungen; bei Verkürzung oder Verlängerung
des Drahtzuges infolge von Wiirmewechsel bewegen sich die beiden
Drähte in gleicher Dichtung, die Scheiben also in entgegengesetzter
Richtung, indem sie das kleine konische Rad um seine Achse drehen.
Wird dagegen der Stellhebel umgelegt, so bewegen sich beide Drähte
in entgegengesetzter Richtung und suchen beide Scheiben in gleicher
Richtung zu bewegen; dem steht aber das konische Rädchen ent¬
gegen, welches nun von den Seilscheiben mitgenommen wird und
damit die Riegelscheibe bewegt. Beim Rücklegen des Stellhebels
findet der gleiche Vorgang statt, und demnächst können sich die
Seilscheiben wiedej frei bewegen.
3. Das Abscliliifssigiial (Äbb. 4).
Da auch hier der vom Stellbock kommende Drahtzug nach dem
Vorsignal weiter geführt werden mufs, und daher die Verbindung
desselben mit der Hubscheibe des Signals die
Wirkung des Endspannwerks nicht behindern darf,
so ist die Antriebscheibe in gleicher Weise wie
bei der Riegelrolle ausgebildet.
Eigenartig ist die Flügelbewegung selbst ein¬
gerichtet. Bei längeren Drahtzügen, welche
mehrere mechanische Vorrichtungen bewegen
müssen, ist es unvermeidlich, dafs der Drahtzug
gröfsere Wege beschreibt, als zum Ziehen der
Elügel auf 45° erforderlich ist. Damit dieser
Umstand keinen nachtheiligen Einflufs ausübt, ist
die Hubscheibe k an beiden Seiten mit Rändern
versehen, welche in runden Warzen n auslaufen,
und auf welchen nach geschehener Flügelbewe¬
gung die mit einander fest verbundenen Bewe¬
gungshebel schleifen, ohne einen Ausschlag zu bewirken. Ein
Ausschlag der Hebel und damit eine Verstellung der Flügel wird nur
am Anfang und Ende der Drahtzugbewegung durch die runden
geordnet, dafs beim Ziehen nur eines Flügels der Hebel rri^ für den
zweiten Flügel einen todten Weg macht.
Der Eintritt des Haltsignals beim Reifsen des Drahtzuges wird
dadurch erreicht, dafs die Achse, auf welcher sich Antrieb- und Hub^
scheibe befinden, an einem im Punkte C drehbaren Arm d beweglich
gelagert ist, und zwar in einem um den Aufhängepunkt drehbaren
Ilängelager /. An letzteres greift mittels eines Zapfens und eines zwei¬
armigen Gabelhebels o eine Stange p an, welche, mit dem gleichfalls
zweiarmigen Hebel w verbunden, beim Reifsen des Drahtzuges infolge
der Wirkung der Spanngewichte nach der einen oder andern Rich¬
tung durch in den Draht eingeschaltete Klemmen q in Bewegung
gesetzt wird und dann das Hängelager ausrückt. Beim gewöhn¬
lichen Stellen bleibt die Stange /j in Ruhe, weil die Bewegung im
Drahtzuge nicht grofs genug ist, um die Klemmen gegen den Stangen¬
hebel w anschlagen zu lassen. Beim Ausrücken des Hängelagers l
fällt die gesamte Bewegungsvorrichtung herunter, und das
Gewicht derselben zieht mittels einer Gelenkkette u die Be¬
wegungshebel und damit die Flügel in die Ruhe- bezw. Halt¬
stellung. Da hierzu ein Uebergewicht der Flügel nicht mehr
erforderlich ist, letztere vielmehr (ebenso wie die Vorsignal¬
scheibe) bei jeder Stellung im Gleichgewicht sein können, so
ist zum Ziehen der Signale nur ein sehr geringer Kraftauf¬
wand erforderlich. Infolge dessen lassen sich die beiden
Signale auch bei sehr langen Drahtzügen (z. B. 1700 m und
mehr) durch einen Hebel
auffallend leicht bewegen.
4. Das Vorsignal
(Abb. 5).
Das Vorsignal bildet
die äufserste vom Stell¬
bock bewegte mecha¬
nische Vorrichtung und
die Hubscheibe desselben
die Endrolle für den
durchgehenden Drahtzug;
hier kann demnach die
Hubscheibe als gewöhnliche un-
getheilte Seilrolle ausgebildet
werden. Der Bewegungshebel y
der Signalscheibe wird durch
einen an die Hubscheibe ange¬
gossenen Schleifbogen in Wirk¬
samkeit gesetzt. Der Eintritt
des Haltsignals beim Reifsen des
Drahtzuges ist in ähnlicher Weise
wie beim Abschlufssignal durch
ein Hängelager x erreicht, die
Ausrückung desselben erfolgt je¬
doch nicht durch eine besondere
Stange, sondern durch einen an
der Hubscheibe befindlichen
Zapfen z, welcher beim gewöhn¬
lichen Stellen nicht gegen das
Lager stöfst, beim Reifsen des Drahtzuges aber durch das an dem
zweiten Draht wirkende Spanngewicht so weit herumgeführt wird, dafs
er das Hängelager ausrückt; hiernach zieht das Gewicht der herab-
Abb.
Warzen hervorgerufen, welche sich gegen die unteren Arme der
Hebel legen und dieselben beim Drehen der Hubscheibe seitlich ver¬
schieben; hierdurch entsteht am anderen Hebel-Ende der Ausschlag
für die Flügelbewegung. Diese Einrichtung bietet zugleich den Vor¬
theil, dafs ein unbefugtes Verstellen des Signals am Mast selbst
nicht angängig, die Flügelbewegung vielmehr lediglich durch den
Stellbockhebel ausführbar ist. Damit durch Umlegen des Stellhebels
nach der einen oder andern Richtung hin die Bewegung nur eines
Flügels oder beider Flügel eintritt, sind die Hubhebel m so an¬
fallenden Bewegungsvorrich¬
tung mittels einer Gelenkkette
den Bewegungshebel bis zur
Haltstellung des Signals.
Die in dieser Anordnung
von der Firma C. Stahmer be¬
reits in gröfserer Anzahl ausgeführten Signalanlagen haben sich im Be¬
triebe und bei den zahlreichen Erprobungen durchaus bewährt. Auch
die erst neuerdings eingeführten und noch in geringerer Anzahl ange-
Sr. 40.
Centralblatt der Bauverwaltung,
415
wendeten Vervollkommnungen und Verbesserungen sind nach den
Erprobungen, welche allein für die Beurtheilung des Werthes einer
Neuerung mafsgebend sein sollten, als zweckmäfsig und von günstig¬
stem Einflüsse auf die Zuverlässigkeit der Sicberbeitseinrichtungen
erkannt,
Diese Wahrnebmungen sind durchaus bestätigt worden durch
die Versuche, welche von der Königlichen Eisenbahn - Direction
Hannover auf dem Werkstättenbahnhofe Leinhausen mit Signalen
verschiedener Bauart in besonders eingehender Weise angestellt
worden sind. Ein von dem bautechniscben Bureau der Direction
Hannover an die Firma C. Stahmer gerichtetes Schreiben bestätigt
dies, wie folgt; „Die bislang mit dem von Ihnen auf dem Werkstätten¬
bahnhofe Leinhausen aufgestellten Vorsignal, welches in Verbindung
mit einem Absehlufsmast steht, angestellten diesseitigen Versuche
haben ein im ganzen günstiges Ergebnifs gehabt. Um die
Zwangsläufigkeit der Flügel am Mast zu prüfen, wurden an beide
Flügel Gewichte gehängt, durch welche die an den Flügel-Dreh¬
punkten durch Staub, Glatteis usw. möglicherweise auftretende
gröfsere Reibung dargestellt werden sollte. Nach Anhängung dieser
Gewichte konnten die Flügel von der Fahrtstellung in die Halt¬
stellung immer sicher zurückgenommen werden, auch stellten sich
dieselben stets scharf ein. — Es sind dann wiederholt Drahtreifs-
versucbe angestellt worden, und zwar wurden die Drähte zwischen
Stellbock und Absehlufsmast, wie auch zwischen Absehlufsmast und
Vorsignal zerrissen. Hierbei ging die Scheibe am Vorsignal stets
in die Langsamfahrt-Stellung zurück; desgleichen gleichzeitig (wenn
zwei Flügel gezogen waren) der obere Flügel am Absehlufsmast.
Der untere Flügel am Absehlufsmast stellte sich jedoch nicht immer
genau senkrecht, sondern bisweilen etwas schräg. Dieser Uebelstand
dürfte jedoch leicht durch Verlängern bezw. Verkürzen der zu diesem
Flügel führenden Stangenverbindung zu beseitigen sein. — Wir be¬
merken noch, dafs während dieser Drahtreifs versuche die
erwähnten Gewichte an den Flügeln ebenfalls befestigt
waren.“ — Die Stangen sind inzwischen geändert, sodafs sich die
Flügel völlig genau einstellen. Das gleiche Ergebnifs haben die
im Bezirke des Betriebsamtes Hamburg an neu gelieferten Signalen
gemachten Versuche gehabt, bei denen Drahtzuglängen von 1700 m
Vorkommen. — m —
Vermlsclites,
In der Preis!) e Werbung um Entwürfe zu einem Segel- oder
LastscMff für die Oder, den Oder- Spree -Canal und die Spree (vgl.
Jahrg. 1889, S. 435 u. 1890, S. 215 d. Bi.) ist der Spruch, des Preis¬
gerichts sowie die vorbehaltene Entscheidung der Königl. Staats¬
regierung nunmehr erfolgt. Danach ist ein erster Preis nicht er-
theilt, vielmehr ist die für Preise ausgesetzte Summe (3000 Mark)
unter die drei besten, ziemlich gleichwerthigen Arbeiten gieiehmäfsig
vertheilt worden, und zwar ist ein Preis von je 1000 Mark in nach¬
stehender Reihenfolge zuerkannt den Herren Theodor Klepsch,
Schiffbaumeister in Frankfurt a. 0., R. Blüm.cke in Bremerhaven
und A. E. Nüsoke in Grabow a. 0. Aufserdem ist vier Bewerbern
eine ehrende Anerkennung zu Theil geworden, und zwar den Herren
Ingenieur K. Best in Pöpelwitz bei Breslau, Schiff baupoiier
C. L. Ganott in Thorn, Schiff baumeister W. Renner in Grabow a. 0.
und Ingenieur A. Scheibe! in Danzig. Wir behalten uns vor, auf
die Preisbewerbung noch näher zurückzukommen.
Das Ergebnifs des Wettbewerbes um den Neubau der Peters-
Mrche in Frankfurt a. M. (S. 120 u. 136 d. J.) ist im Anzeigen-
theile dieser Nummer bekannt gemacht. Danach ist der erste Preis
(4000 Mark) den Architekten Hans Grisebach und Georg Dink¬
lage in Berlin zuerkannt worden. Den zweiten Preis (2000 Mark)
erhielt .Architekt Joh. Vollmer in Berlin, den dritten (1000 Mark)
Architekt Prof. K. Henri ei in Aachen. Eingegangen waren 59 Ent¬
würfe, deren öffentliche Ausstellung vom 2. bis 16. October in der
Aula der Frankfurter Mustersebuie erfolgt.
In der Preisbewerbung um ein Kreisständehaus in Ki’euznacli
(vgl. S. 215 und 228 d. J.) ist der erste Preis einstimmig den Archi¬
tekten Curjel u. Moser in Karlsruhe zuerkannt worden. Den
zweiten Preis erhielt Architekt 0. Wittern in Charlottenburg.
Ein Preisausschreiben um ein ührentliürmclien mit Brunnen
für die Gallus-Anlage in Frankfurt a. M. enthält der Anzeigentheil
Nr. 39 A d. Bl.j in welchem auch bekannt gegeben ist, wo die Be¬
dingungen des Ausschreibens zu beziehen sind.
Ehrenbezeigungen auf der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie- Ausstell ö.ug in Bremen für hervorragende Leistungen auf
dem. Gebiete der Architektur und des Ingenieurwesens sind nach¬
folgenden Herren zu Theil geworden: 1) Ehrendiplome den Herren
Geheimer Regierungsrath L. W, Hase-Hannover für Verdienste auf
dem Gebiete der kirchlichen Baukunst, Baurath A. Hefs -Hannover
für verdienstvolle Meliorationsanlagen in der Provinz Hannover, Bau¬
rath H. Köhler-Hannover für hervorragende Darstellungen italieni-
.scher Innenräume und Dombaumeister Salzmann-Bremen für Ent¬
würfe zum Umbau des Domes in Bremen; 2) Goldene Medaillen
den .Herren Hofbaurath L. Klingenberg in Oldenburg und Ingenieur
C. Vering- Hannover; 3) Silberne Medaillen den Architekten
Chr. He hl -Hannover, G. Horn-Bremen und F. ßauschenberg-
Bremen. 4) Architekt J. G. Poppe in Bremen erhielt eine Ehren¬
gabe von 3000 Mark für seine hervorragenden Leistungen bei den
Ausstellungsarbeiten.*) Aufserdem sind einer gröfseren Zahl von
Architekten und Ingenieuren Anerkennungs - Diplome zuerkannt
worden.
BlicherschaTi.
Lehrbuch der gotMscheu Constructionen von G. Ungewitter.
III. Auflage. Neu bearbeitet von K. Mohrmann, Professor am
Baltischen Polytechnicum in Riga. Lieferung 2 — 4. Leipzig 1890.
*) Vgl. S. 301 ff. d. Bl.
T. 0. Weigel Nachfolger (Chr. Herrn. Tauchnitz), vollständig in acht
Lieferungen ; Preis der Lieferung 3 JH.
Der im Jahrg. 1889 dieses Blattes S. 462 besprochenen 1. Lieferung
oben genannten Lehrbuches sind in raschem Erscheinen weitere drei
Lieferungen gefolgt. Es ist zunächst der Theil I, welcher von den
Gewölben bandelt, hinsichtlich der Gewölbeanfänge, des Kappen¬
gemäuers sowie der Lebrbögen und der Ausführung in eingehender
Weise zum Abschlufs gebracht. In diesen drei letzten Unter¬
abtheilungen zeigt sich, im Gegensatz zu den früheren, nur ein
geringes Anlehnen an den Ungewitterschen Text und eine sparsamere
Benutzung der ursprünglichen Abbildungentafeln, sodafs nach Wort und
Zeichnung neben dem Alterprobten sehr viel Neues, das Verständnifs
der Gewölbe wesentlich Förderndes geboten wird. Das für Entwurf
und Ausführung so wichtige Austragen der Eippenanfänge in Ver¬
bindung mit der Erzielung möglichst regelmäfsiger Anfänge und
sparsamer Grundfläche an den Mauern und Pfeilern ist manchem
Leser des Ungewitterschen Werkes erster und zweiter Auflage zu
einem Stein, des Anstofses für weitere Studien geworden. Im An-
sohlufs an die ursprünglichen Abbildungen 270 bis 270c auf der neuen
Tafel XXVII ist jetzt durch die vorhergehenden Abbildungen auf den
Tafeln XXIV bis XXVII nebst Text der Weg hierzu bequem geebnet
worden. Ein gleiches gilt von dem Kappengemäuer, indem hier die
5 bezw. 6 verschiedenen Schiebtenanordnungen in klarer Weise vor
Augen treten, besonders in der Darstellung des Diagonalscbnittes
Tafel XXXIV.
Der Theil II, „Form und Stärke der Widerlager“, behandelt:
1) die allgemeine Gestalt der Widerlager, 2) die Gröfse und Lage
des Widerlagsdruckes der Gewölbe, 3) die Ermittlung der Stützlinie
und der Spannungen im Widerlager, 4) die Stärke der Wände und
Strebepfeiler, 5) die Stärke der Mittelpfeiler und endlich 6) die
Dachlast und den Winddruck. Hier liegt kaum mehr eine Um¬
arbeitung, sondern eine ganz neue Auffassung und Darstellung auf
Grund der graphischen Statik vor. Von den früheren Constructions-
regeln, die aus den Ueberkommnissen des späteren Mittelalters ge¬
schöpft, oder von neueren Meistern mit viel Scharfsinn, wie der Herr
Verfasser sagt, aufgestellt waren, ist Abstand genommen; an ihrer
Stelle ist hier in fesselnder Weise Schritt für Schritt dargelegt worden,
wie die Spannungen in den Constructionen, welche der neues Ent¬
werfende oder altes Zergliedernde als lebendig wirkend zu fühlen
hat, ins Gleichgewicht zu setzen sind, und in welcher Weise den
Nacbtheilen bestimmter Querschnitt - Anlagen entgegenzutreten ist.
Es steht zu hoffen, dafs gerade dieser Abschnitt, welcher der gotbi-
seben Constructionslebre, auf den Fortschritten der Neuzeit fufsend,
eine feste, wissenschaftliche Grundlage schafft, dem, vorliegenden
Buche und der mittelalterlichen Kunst neue Freunde gewinnen wird.
Damit wird auch die auf Seite 128 eingestreute Aeufserung des Herrn
Verfassers „Nie lassen solche (Constructions-) Regeln, wie oben, ein
Gefühl der Sicherheit zu, ein Umstand, der vielleicht der mittelalter¬
lichen Bauweise schon manchen Jünger entfremdet hat“ sich in das
Gegentheil wenden können. Wenigstens erleichtern für denjenigen,
welcher neues entwirft, die eingefügten Tabellen über die Gewichte
und Horizontalscbübe der Gewölbe, über Druck- und Kantenpressung,
über die Widerlagstärke und endlich über Dachlast und Windlast
nebst Windschub wesentlich die Arbeit, und zwar auf einem sicheren
Wege. Wer mit Wiederherstellung alter Bauwerke zu thun hat,
findet in den eingefügten Bemerkungen über die durch Schubkräfte
entstandene Zerstörung oder mögliche Bedrohung der Sicherheit
wichtige Fingerzeige, worauf bei den Untersuchungen einer Kirche,
nach dieser Seite hin, das Augenmerk zu richten ist.
416
Centralblatt der Bauverwaltung.
4. (Ictober 1890.
Hervorzuheben ist noch aus dein Schlufs dieses Abschnittes II
die ganz neue Arbeit über den Winddruck. Um hieraus ein Beispiel
herauszugreifen, möge auf die Darstellung der Wirkung des Windes
im Querschnitt des Strafsburger IMünsters hingewiesen werden. Die
auf Tafel XLII eingezeichneten Drucklinien [mit und ohne AVind
geben ein anschauliches Bild von der AVichtigkeit dieser bis jetzt
ziemlich unbeachtet gebliebenen Krafteinwirkung auf hochragende
Alauern. Die im Text eingefügte AA^'arnung unseres über reiche Er¬
fahrungen gebietenden Altmeisters C. AA^. Hase vor Unterschätzung
dieses in Eechnung zu ziehenden Punktes möge allseitige Berück¬
sichtigung finden. Die Erklärung des Herrn Verfassers, dafs die
Einführung der einfachen Strebebögen und diejenige der doppelt
übereinander gesetzten Strebebögen mindestens ebenso sehr durch
den AA^indschub, wie durch den AVölbschub veranlafst sei, ist als
eine Bereicherung unseres AVissens, als ein Fortschritt in der AVissen-
schaft der Constructionen freudig zu begrüfsen.*)
Theil HI, welcher die Pfeiler, Säulen und Auskragungen umfafst,
zerfällt in folgende Unterabtheilungen: 1) die Gliederung der Pfeiler,
2) die Oapitelle, 3) die Sockel der Säulen und Pfeiler, 4) die Gewölbe¬
pfeiler im Ziegelbau, 5) die Deckenschafte und die freistehenden
Ständer, endlich 6) die Kragsteine, Tragsteine und Auskragungen.
AAfir finden in diesem mehr formalen Gebiete einen engeren Anschlufs,
besonders in den Tafeln, an das Ungewittersche AA^erk, wennschon
daneben eine willkommene Bereicherung durch Abbildungen (auch
aus dem Backsteiubau) und statische Berechnungen hervorzuheben ist.
Nachdem in den vorhergehenden drei Hauptabschnitten die con-
structiven und formalen Grundlagen für den Kirchenbau gewonnen
sind, wird im Theil IV die Grundrifsbildung der Kirche dargelegt,
wobei die Darstellung den Hauptzügen nach, unter Benutzung neuerer
Forschungen und Erfahrungen, derjenigen Ungewitters folgt. Der
Stoff ist eingetheilt in: 1) die einschiffige, 2) die zweischiffige Kirche,
3) die Grundrifsanlagen der Kirchen mit drei und mehr Schiffen, 4) die
Kreuzflügel mehrschiffiger Kirchen, 5) Grundrifs des Chores mehr¬
schiffiger Kirchen, 6) Grundrifsbildung der Thürme, 7) Nebenbauten
der Kirche, innere Einrichtung, Lettner, und endlich 8) die ver¬
schiedenen Systeme der geometrischen Proportionen.
Die unter 1) und 8) gegebenen kurzen Abschnitte über geometrische
Beziehungen in den Grundrifsanlagen sind von geschichtlichem AVerthe.
— Der Fortsetzung des AVerkes, welches in so gründlicher und an¬
regender AA^’eise die gestellte Aufgabe der Neubearbeitung jetzt zur
Hälfte gelöst hat, ist mit grofsem Interesse entgegen zu sehen.
H. Steindorff.
Neue Patente.
Aerfahreii zur Herstellung- von Tuimelbauteii mittels eiuer
keilförinigeu Stirnwand. Patent Nr. 50 882. Luther Beecher in
Detroit (Alichigan, V. St. A.). — Nach diesem Verfahren soll beim
Bau von Tunneln unter Wasser die Erde nicht gefördert, sondern
nur nach oben gedrängt werden. Die Tunnelwandung besteht
aus gufseisernen Platten .4, welche mit Feder und Nuth in einander¬
greifen und nach Einlage einer Packung mit einander verschraubt
werden. Am Abbau-Ende des Tunnels befindet sich ein ringförmiger
Kopf C, welcher die Tunnelwand umfafst und gegen dieselbe bequem
abzudichten ist. Die Stirn des Kopfes bildet eine Keilfläche, welche
nach unten in eine steuerbare Spitze D ausläuft. Der Vorschub des
Kopfes erfolgt durch die AVasserdruckeylinder U, deren Stempel G
sich auf die bereits verlegten Platten A stützen. Ist eine neue Platte A
eingesetzt, so wird sie durch den AVasserdruck von seiten des Stem¬
pels fest gegen die vorhergehende Platte geprefst. Gleichzeitig wird
■^) Theil I und II sind bereits als Sonderabdruck unter dem Titel
„Die Construction der Gewölbe und Widerlager“ im gleichen Verlage
1890 erschienen.
der in dem ringförmigen Raume R befindliche Asphalt beim Vorschub
des Kojifes C eng um den ganzen Tunnel herumgelegt.
Da das Verfahren gerade den Bau von Tunneln dicht unter der
Sohle eines Flusses bezweckt, so kann bei felsigem Boden dem
Kopf C durch Zertrümmerung des Gesteins von Schiffen aus u. dgl.
vorgearbeitet w-erden. Die gewünschte Führung des Tunnels -wird in
lothrechter Hinsicht durch die Spitze Z) gewahrt. In wagerechter
Hinsicht ist der Kop)f durch' einseitigen Vorschub der AVasserdruck-
cylinder genügend steuerbar. Der Keil I) schafft gleichzeitig dem
fertigen Tunnel eine feste Decke, indem der zuerst angehobene
schlammige Boden weggespült wird, während der von der Tunnel¬
sohle durch den Keil heraufgedrängte feste Boden über dem First
liegen bleibt.
Schieneiistofsverbindung für Feldbalinen. Patent Nr. 50 222.
Firma Friedr. Krupp in Essen a. d. Ruhr. — Die Geleisrahmen
werden in stark geneigter Lage von der Seite an die bereits ver¬
legten Rahmen angeschoben
(Abb. 1). Dadurch dringen die
Stifte X der Laschen v in die
Löcher y der Laschen u. AVird
jetzt der Geleisfahmen auf den
, Boden gelegt, so
schieben sich die
Nasen tv der La¬
schen V hinter die
Dorne z, wodurch
die A^erbindung für
das eben oder
schwach wellig ver¬
legte Geleis eine
unlösliche ist. Die
Theile z können
auch entbehrt wer¬
den, wenn man den
Stiften X noch An¬
sätze s giebt (Abb.
2), die in geneigter
Lage des anstofsenden Rahmens
durch die Oefinung y hindurch¬
gehen, in der Betriebsläge aber
nicht. Auch die Laschen ti
Abb. 1. ' können entbehrt werden (Abb. 3),
wenn die Oeffnungen y unmittel¬
bar im Schienensteg angebracht werden. Nur befinden sich in diesem
Falle bei wellig verlegtem Geleise die anstofsenden Schienen-Enden
nicht in gleicher Höhe.
\ erlag von Ernst & Ko rn CWilhcIm Ernst), Berlin. Enr die Redaction des nichtamtlichen Theües verantwortlicii : 0 1 1 o S a rr aziu, Berlin. Druck von J. Ker s k es , Berlin.
Nr. 4ÖA- '
Centralblatt der Kau Verwaltung.
417
INHAIjT: Prefsluft-Werkzeug für Steinmetz- Arbeiten. — Graphische Tafel zur Er-
mittlnng der teisttiugen .von Locomotiven. Betrieb auf den Hochbahnen in New^
york^ — Vermischtes: Preisbewerhung zn einem ßathhause für Geestemünde. —
Preisbewerbung zu einem Realschnlgebäude in Ludwigshafen. — Einsturz der Karls¬
brücke in Prag. — Läutewerk für'Drahtzugschranken. — EiseEbahnunfall in Liverpool.
— Bücherscliau.
[Alle Rechte Vorbehalten.}
Prefsluft-Werkzeug für Steinmetz -Arbeiten.
Das in den beistehenden Abbildungen
1 bis 6 dargestellte Werkzeug*) nimmt dem
Steinmetzen die Arbeit des Schlagens auf
den Meifsel ab; es bildet eine Ramme im
kleinen und verlangt von den Händen des
.^rbeitejrs nur die . führungj Es best.eht'
aus einem Kolben (Rammbär) A, einem
Führungscylinder R, der mit einem Schlauch
verbunden ist, durch welchen die Prefs-
luft eintritt, einer Deckhülse C und einem
Meifselhalter E mit dem Meifsel D. Die
Steiuerung erfolgt durch einen walzenförmi¬
gen Schieber R, welcher sich im Kolben A,
senkrecht zu dessen
ewegungsrichtung,
hin und her bewegt.
Der Führungscylinder
B hat auf seiner
Aufs en Seite zwei Ab¬
plattungen (a b) und
{cd), Abb. 3, 4 u. 5.
Die Abplattung (a b)
steht durch die Oeff-
nung R mit dem Luft¬
einströmungscanal Y,
die Abplattung (e d)
durch die Oeffnung t
(Abb. 5) mit dem Luftausströmungscanal, X in Verbindung. Von den
Abplattungen (a b und c d) führen aufserdem zwei entgegengesetzt
schräg über die beiden Cylinderhälften A laufende Canäle zu den
Oeffnungen a und 6 bezw* c und d nach dem Innern.
Abb. 6.
Maschine in der aus Abb. 2 u. 3 ersichtlichen Weise um. Die frühere
Einströmungs-Oeffnung a wird jetzt durch den Kolben A verdeckt,
dagegen wird die früher verdeckt gelegene Einströmungs-Oeffnung b
frei, sodafs die Prefsluft durch 6 auf die andere Seite des Schiebers L
Abb. 4. Ansicht der Einströmungs- Abb. 5. Ansicht der Aus¬
seite des Cylinders B. strömungsseite.
tritt. Der Canal 3 ist durch das Mittelstück des Schiebers von
Canal 4 abgesperrt, dagegen mit dem Canal 2 in Verbindung gesetzt,
sodafs die Prefsluft aus dem Schieber-Innenraum vor den Kolben A
treten und diesen wieder heben kann. Die hinter dem Kolben A be¬
findliche Luft entweicht hierbei durch den Canal 4, den Schieber-
Der Gang der kleinen Maschine ist nun folgender; Ist der Kolben A
nach Abb. 1 im Niedergang begriffen, so strömt die Prefsluft aus
dem Schlauch durch dem Canal Y und die, Oeffnung N in den Raum
zwischen der Hülse C und der Abplattung (a 6), geht von hier aus
einerseits durch die Oeffnung a in den Schieberraum und hält den
Schieber L in der aus Abb. 1 ersichtlichen Lage; anderseits geht
die Luft von der Abplattung (« 6) durch den Canal 3 in den Schieber-
Innenraum und von da durch den Canal 4 hinter den Kolben A. Die vor
dem Kolben A befindliche Luft geht durch den Canal 2, den Schieber-
Innenraum, den Canal 1, die Abplattung {cd), die Oeffnung < und
den Canal X ins Freie. Ist der Kolben A ganz nach unten bis auf
den Kopf des Meifselhalters R gelangt, so steuert sich die ganze
*) Patente Nr. 32 762 und 44 955. James Sharon Mc. Coy in
Brooklyn (New -York V. St. A.).
Innenraum, den Canal 5, die Abplattung {cd), die Oeffnung # und X
ins Freie. Die gleiche Aufgabe, welche die Oeffnungen a und b für
die Einströmung der Luft zum Umsteuern des Schiebers L haben,
erfüllen die Oeffnungen c und d für das Ausströmen der verbrauchten
Luft aus den betreffenden Räumen. Dadurch, dafs der Schieber
quer zur Bewegungsrichtung des Kolbens läuft, ist die Trägheit der
Masse des Schiebers ohne Einflufs auf die Pünktlichkeit der Um¬
steuerung, und so geschieht es, dafs diese kleine Maschine mit einer
Geschwindigkeit von etwa 6000 bis 7000 Hüben in der Minute läuft.
Diese aufs eror deutliche Geschwindigkeit macht sich demjenigen, der
zum erstenmal mit dem Werkzeug arbeitet, unangenehm bemerkbar,
namentlich in derjenigen Hand, welche den Stahl führt. Die Ge¬
wöhnung überwindet aber bald das Unangenehme der zitternden Be¬
wegung. Um die Stöfse abzuschwächen, sind die Stirnen des Schie¬
bers mit Kautschuck- oder Faserstoffpuff'ern versehen. Die Stirnen
418
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. October 1890.
des Kolbens J selbst werden durch die sich bildenden Luftpolster am
Auftreffen.auf den Grund von B bezw. den Kopf von gehindert.
Die von dem Werkzeug bearbeiteten Flächen sind glatt, wie ge¬
schlichtet; die Stärke der Schläge wird dadurch .geregelt, dqfs der
Arbeiter durch den Daumen mehr oder minder die Aussfrömungs-'
Öffnung X verschliefst. Da die Schläge selbst nie die Stärke der vog-
Hand geführten erreichen, so ist ein Ausspringen der Kanten des
Werkstücks viel weniger zu befürchten; auch leidet der Arbeitsstahl
selbst weniger. Ein Werkzeug mittlerer Gröfse verbraucht in der
Stunde ungefähr 4 bis 5 cbm Luft von 2 Atm. Ueberdruck. Dies
entspricht einem Aufwand von etwa V2 Pferdestärke. Die Werkzeuge
■ sind dui'ch die Firma. M. L. Schleicher-, Berlin C, Gontardstrafse 1
zu beziehen und zwar miethweipe, nicht käuflich, um den ,Be-
.1, trag von 25 Mark für das Stück und den Moirat, au^schliefslich der
zugehörigen Stähle, Luftpumpe gnd Luftleitung, welche zu kaufen sind
(für zwei Werkzeuge rund 400 Mark). — n.
Graphische Tafel zur Ermittlung der Leistungen von Locomotiven
In der Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu
Hannover, Bd. XXXIII S. 333, 1887, hat Herr Geh. Kegierungs-
rath V. Kaven überraschend einfache Formeln zur Ermittlung der
Leistungen von Locomotiven entwickelt. Freunde graphischer Dar¬
stellungen werden vielleicht eine kleine Tafel nicht ungern sehen,
welche die von Herrn v. Kaven mitgetheilte Tabelle A für die
preufsische Normal-Güterzug-Lo-
comotive wiedergiebt. Sie liefert,
wenn einer der unten genannten
IVerthe gegeben ist, alle übrigen
mit einem Schlage — und zwar
ohne jede Eechnung — durch
ein einfaches, rein mechanisches
Verfahren. Die Genauigkeit ist,
soweit ich als Nichtfachmann es
beurtheilen kann, eine durchaus
genügende.
Es bedeuten: K den Kohlen-
verbrauch in kg/ km; den
gesamten Wasserverbrauch mit
allen Verlusten in kg/km (die
von Herrn v. Kaven mit JF be-
zeichnete Gröfse, das in dem
trockenen Dampfe enthaltene
IVassergewicht, beträgt etwa
0,6 . IF^, genauer 0,588 . JF^)'
Z die Zugkraft in kg; den
mittleren Nutzdruck des Dampfes
in at; N die Anzahl Pferde¬
stärken; F die Geschwindigkeit
in km/Stunde; a den Füllungs¬
grad in pCt.
Für jede dieser Gröfsen ist
ein (ungleichförmiger) Mafsstab
vorhanden ; zusammengehörige
Werthe finden sich stets auf
einer und derselben geraden
Linie , welche durch den von
einem kleinen Kreise umgebenen
Mittelpunkt der Tafel geht.
Zur Erläuterung ist diejenige
Gerade gestrichelt eingezeichnet worden, welche eine Zugkraft
Z — 5000 kg entspricht; man liest an derselben ab: K = 45 kg,
IPi = 439 kg, — 5,21 at, iV — 304 PS, F — 16,4 km, a — 42,4 pCt.
Um die Tafel zu schonen, wird man solche Linien nicht wirklich
zeichnen, sondern einen Streifen aus durchsichtigem Stoffe, z. B.
Glas, Glimmer, Zellhorn, auflegen, der auf der Unterseite mit einer
feinen Linie versehen ist.
Nach den Formeln des Herrn v. Kaven ist:
= (0:77®-)’
_ 1 2040V _ 740
— V i\^ J - F'
Folglich stehen die Gröfsen JF^, Z^, p^ im geraden, die Gröfsen
und F im umgekehrten Ver¬
hältnisse zu K. Die Einrichtung
der Tafel ist hiernach leicht zu
verstehen. Sämtliche Theilungen
sind Stücke aus einem und
demselben logarithmischen Mafs¬
stab. (Für die Originalzeichnung
war als Längeneinheit 25 cm ge¬
wählt, sodafs die auf dem unte¬
ren Stab- und Schieberrande
eines logarithmischen Rechen¬
stabes vorhandene Theilung ohne
weiteres verwendet werden konnte;
die nebenstehende Zeichnung ist
auf zwei Drittel des Originals ver¬
kleinert worden.)
Die äufseren beiden Linien
stehen vom Mittelpunkte doppelt
soweit ab als die inneren. Auf
den ei'steren sind die Gröfsen
untergebracht, welche mit AT, auf
den letzteren diejenigen, welche
mit ]/ K im gleichen oder umge¬
kehrten Verhältnisse stehen.
Damit womöglich für alle Thei¬
lungen die Richtung, in wel¬
cher die angeschriebenen Ziffern
wachsen, dieselbe sei, ist, so¬
weit es anging, die linke Hälfte
der Tafel denjenigen Gröfsen
zugewiesen worden, welche mit
K oder ]/ X in geradem Verhält¬
nisse stehen, die rechte Hälfte
den übrigen. Leider mufste, weil
fünf Gröfsen der ersten Art vor¬
handen sind, bei einer derselben — es ist der Füllungsgrad a ge¬
nommen worden — hiervon abgewichen werden. Da für sieben
Gröfsen acht Plätze zur Verfügung standen, so ist einer frei ge¬
blieben.
Darmstadt, 20. Juni 1890. Dr. R. Mehmke,
Professor a. d. techn. Hochschule.
Mittheilungen über den Betrieb auf den Hochbahnen in New-York.
In Nr. 12 des Jahrganges 1884 d. Bl. (S. 111) haben wir, aii-
knüpfend an einen Aufsatz von Dr. von der Lejen im Archiv für
Eisenbahnwesen, unsern Lesern nähere Mittheilungen über die Be¬
deutung und Einrichtung der Hochbahnen in New-York sowie die Art
1
Hauptlinien
Länge 1
■
von
bis
1 km
2. Avenue . . . . . ‘
129. Strafse
South Ferry
1 14,06
3. „ .
129. „
r> •»?
13,65
6.
155. „
T)
' 17,32
.58.
n
i 8,34
9. i
59.
' V '
t ■ 8,18
des Betriebes auf denselben gemacht. Diese Mittheilungen mögen
im folgenden durch einige weitere Darlegungen über die Einrichtung
der Betriebsmittel und Handhabung des äufseren Betriebsdienstes auf
den genannten Bahnen, welche einem Bericht des Regierungs-Bau-
Fahrzeit
Zw
eiglinien
Länge
Minuten
von
bis
km
43
j
43
42. Strafse
Grand Central Depot
i 0,26
34. „
34. Strafsen- Fähre
i 0,50
52
Chatham Square
City Hall
i 0,58
1
i ■ 29
!
26
i
Centralblatt der Baiiverwaltung.
419
ineisters Petri, technischen Attaches bei der deutschen Gesandtschaft
ln Washington, entnommen sind^ Ergänzung finden. Zum besseren
Verständnifs fügen wir den in dem oben genannten Jahrgange d. Bl.
.enthaltenen Uebersichtsplan der Gesämtahlage hier nochmals bei.
Wie in dem Pläne ersichtlich, sind vier Häuptlinien vorhanden,
■welche, von der Battery an der Südspitzb der langgestreckten Man¬
hattan-Insel auslaufend, sich in nbrdnordöstticher Richtung bis an den
Harlemflufs erstrecken. Von diesen Linien liegen je zwei im östlichen
und westlichen Theile der Stadt und werden nach den langgestreckten
Strafsenzügen (Avenues) bezeichnet, welche sie in ihrer Hauptaus¬
dehnung durchziehen. Die Stationen sind an solchen Punkten an¬
gelegt, wo die kürzeren Querstrafsen (Streets) auf die Bahnen stofsen.
Man hat zu unterscheiden:
A. Eine östliche Abtheilung mit den Linien der zweiten und
dritten Avenue und drei an letztere sich anschliefsende Zweiglinien,
•sowie
B. Eine westliche Abtheilung mit den Linien der sechsten und
neunten Avenue.
Auf jeder Linie findet ein getrennter Zugdienst statt. Die von
.den Seitenlinien der dritten Avenue kommenden und dahin abfabren-
den Reisenden müssen in besondere Züge umsteigen, welche diese
Verkehre vermitteln, mit Ausnahme des City, Hall -Zweiges, über
welchen Züge der dritten Avenue Bahn durchgehen.
In der vorstehenden Jabelle sind die sämtlichen Strecken nach
ihrer Lage und Ausdehnung zusammengestellt, bei den Hauptlinien
sind auch die entsprechenden Fahrzeiten angegeben.
1. Zusammensetzung und Geschwindigkeit der Züge.
Die Züge werden aus zwei bis fünf vierachsigen Wagen gebildet
und durch Tenderlocomotiven bewegt. Die Anzahl und Stärke der
.Züge und hiernach auch der Zwischenraum zwischen den einzelnen
Zügen sind je nach der Tageszeit verschieden und bewegen sich
innerhalb folgender Grenzen:
Zwischenraum zwischen
Wagenzahl in einem
zwei
Zügen
Zuge
höchstens
mindestens
höchstens
mindestens
2. Avenue
12 Minuten
2 Min.
5
4
3. „
15
1 „ 12 Sec.
5
2
6. „
20 „
1 „ 29 ,,
5
3
9. „
12 „
3 «
4
3
Die kleinsten Zugabstände finden sich hiernach auf der Bahn
.xler 3. Avenue und zwar auf dem Abschnitt zwischen Chatham Square
und der 155. Strafse. Zwischen Chatham Square und South Ferry
ist die Anzahl der Züge geringer, obwohl diese Strecke von Zügen
Kier 2. und 3. Avenue gemeinschaftlich benutzt wird. Dies hat seinen
Grund darin, dafs ein Theil der auf der 3. Avenue Bahn verkehrenden
"Züge in Chatham Square nach der City Hall abzweigt, ferner auch
uin Theil der Züge der 2. und 3. Avenue bei Chatham Square endigt.
Die in Tabelle 1 angegebene Gesamtfahi’zeit der Züge vertheilt sich
ziemlich gleichmäfsig auf die einzelnen Stationsabstände, da dieselben
■in ihrer Längenausdehnung nicht wesentlich von einander abweichen.
Auf der 3. Avenue -Bahn, auf welcher 27 Stationen vorhanden sind,
-ein Anhalten des Zuges in jeder Richtung also 26mal erfolgt, beträgt
die Gesamtfahrzeit 43 Minuten . bei einer Bahnlänge von 13,65 km.
Diese Zeit wird in der folgenden Weise verbraucht: Die Bahnlänge
würde bei rund 30 km stündlicher Geschwindigkeit unter Abrechnung
.der Aufenthalte in 27,3 Minuten durchfahren werden können. Für
Aufenthalte auf den Stationen werden jedesmal 17 Secunden, ins-
jgesamt also 7,37 Minuten verwendet,; aufserdem sind für An- und
Abfahren auf jeder Station 19 Secunden, für alle Stationen zusammen
.also 8,23 Minuten in Ansatz zu bringen. Die Züge erreichen während
des Anfahrens nach den ersten 40 m eine Geschwindigkeit von
J.6 Stundenkilometern, nach 150 m ihre volle Geschwindigkeit, welche
.30 km in der Stunde beträgt. Die mittlere Geschwindigkeit auf den
während der An- und Abfahrt zurück gelegten Strecken beträgt 21,5
bezw. 15,4 km; bei der Abfahrt wirken die Bremsen auf eine Bahn-
Jänge von 90 m. Durch das .häufige Anhalten wird ein bedeutender
Mehraufwand an Arbeit erfordert, der nach Wellington ausreichen
würde, um die Züge .mit der gleichen Geschwindigkeit auf einer
Steigung von 1 : 132 ohne Anhalte zu befördern.
Auf der 9. Avenue-Bahn wird gegenwärtig der Versuch gemacht,
besondere Schnellzüge einzurichten. Da die Hochbahnen durchweg
.zweigeleisig angelegt sind, so wird hierbei erforderlich, langsamer
fahrende Züge auf einzelnen Stationen zum Zwecke der Ueberholung
um etwa eine Minute anzuhalten. Man läfst bei dem genannten
Versuche vorläufig in jeder Richtung täglich drei Züge verkehren,
welche die Strecke von der 155. Strafse bis zur Rector- Strafse in
B2-37 Minuten zurücklegen, während die übrigen Züge 41 Minuten
zu dieser Fahrt gebrauchen. (Schlufs folgt.)
420
Centrälblatt der ßauverwaltung.
8. Octoberm
Vermischtes.
Der Entwurf zu eiueiii Batlilianse für Oeesteniiuule soll durch
Wettbewerb unter deu Mitgliedern des Berliner Architektenvereins
und des Architekten- und Ingenieur -Vereins in Hannover erlangt
werden (vgl. den Anzeigentheil der Nr. 40 d. Blattes). Das von den
beiden Vereinen zu beziehende, erschöpfend abgefafste Programm
bestimmt, dafs das auf einem von vier Strafsen umschlossenen Bau¬
platze zu errichtende Gebäude in Backsteinbau für 140 000 Mark ^ —
1 cbm umbauten Baumes ist mit mindestens 17 Mark zu berechnen —
in zwei Hauptgeschossen, Keller und Dachgeschofs derart entworfen
werden soll, dafs thunlichst alle Verwaltungsräume im Erdgeschofs
untergebracht werden. Drei Preise von 1000, 600, und 400 Mark sind
ausgesetzt. Wird keine Ai’beit des ersten Preises für würdig be¬
funden, so kann die Summe dieses Preises auf andere Arbeiten ver¬
theilt werden. Nicht preisgekrönte Entwürfe sollen zum Betrage von
ie 200 Mark erworben werden können. Das Preisrichteramt haben
aufser drei Nichttechnikefn, darunter der bei Stimmengleichheit den
Ausschlag gebende, den Vorsitz führende Bürgei’meister, übernommen
die Herren Baurath Köhler-Hannover, Landbauinspector L. Böttger-
Berlin und Kreisbauinspector Hell wig- Geestemünde. Die Arbeiten
sind bis zum 15. December d. J. an den Magistrat einzureichen und
sollen nach getroffener Entscheidung mindestens 8 Tage öffentlich
ausgestellt werden.
In der Preisbewerbung um ein Eealscliul-Gebäude in Lndwigs-
liafen (S. 256 d. J.) ist der 1. Preis (1500 Mark) dem Entwürfe des
Architekten Prof. A. Hans er in Mannheim zuerkannt worden. Den
2. Preis (900 Mark) erhielt Architekt H. Lender in Heidelberg, den
3. Preis (600 Mark) die Architekten S. Blattner in Mannheim und
W. Müller in Frankfurt a. M. Die 54 eingelaufenen Entwürfe
werden vom 4. October d. J. ab 14 Tage lang öffentlich in Ludwigs¬
hafen ausgestellt.
Zum Einsturz der Karlsbrücke in Prag (Seite 402 in Nr. 39
d. Blattes) theilt die Wochenschrift des österreichischen Ing.- und
Arch.-Vereins noch mit, dafs der Prager Stadtrath beschlossen hat,
beim Stadtverordneten -Collegium die Herstellung einer hölzernen
Nothbrücke zu beantragen, welche neben der Einsturzstelle zwischen
dem 5. und 9. Pfeiler auf der flufsabwärts gelegenen Seite errichtet
werden soll. Die Untersuchung der Pfeiler hat ergeben, dafs auch
der 5. und 8. Pfeiler stark unterwaschen sind und noch vor der Auf¬
stellung der Nothbrücke gesichert werden müssen.
Läutewerk für Drahtzugschraukeii. Im gegenwärtigen Jahr¬
gang des Centralblattes der Bauverwaltung ist auf Seite 308 ein
verbessertes Läutewerk für Drahtzugschranken mitgetheilt. Der
Ausdruck „verbessertes Läutewerk“ verführt zu der Annahme, dafs
die Anordnung des Läutewerkes neu und noch nicht bekannt sei.
Es sind aber Läutewerke dieser Art bereits seit mehr als zwölf
t^ahren an einer grofsen Anzahl Schranken in den jetzigen Bezirken
der Königlichen Eisenbahndirectionen Köln links- und rechtsrheinisch
in Verwendung. Auch war eine Schranke mit solchem Läutewerk
im Jahre 1880 in der Gewerbeaus-
itellung in Düsseldorf ausgestellt.
In der Mittheilung ist ferner ge:
sagt, dafs die Federn bei dem ver¬
besserten Läutewerk gänzlich vermieden
seien. Wenn man den federnden
Hammerstiel nicht als Feder ansehen
will, trifft dies allerdings zu. Ohne das
federnde Vor- und Zurüekschnellen des
Pammers würde aber weder das be¬
sprochene, noch das vor Jahren von
tnir, angegebene Läutewerk einen rich¬
tigen Glockenton geben. Da man nun
dem Hammerstiel einen gröfseren
Querschnitt geben kann als den früher
üblichen besonderen Blatt- oder SpiraL
federn, so ist in gewissem Sinne bei
beiden Anordnungen die wenig dauer¬
hafte Feder beseitigt.
In der nebenstehenden Zeichnung sind die wesentlichsten Theile
des diesseitigen Läutewerks ersichtlich gemacht. Die Zunge Z ist so
eingerichtet, dafs sie nur bei der Vorwärtsdrehung des Kettenrades
(las Läutewerk in Thätigkeit setzt. Bei der Eückwärtsdrehung des
Kettenrades bewegt sich die Zunge lose um den auf dem Gewichts¬
hebel G befindlichen Bolzen a und läfst das Läutewerk aufser Wir¬
kung. Kohn, Königl. Eisenbahn-Director.
Ein Eiseuhahnniifall , bei welchem die Langleyschen Wasser¬
puffer in Thätigkeit traten, ereignete sich am 22. Juli d. J.; in der
neuen Liverpooler Exchange:Station der Lancashire und Yorkshire-
Bahn dadurch, dafs ein in diesen Bahnhof einfahrender Personenzug
zu spät gebremst wurde und gegen zwei leere Wagen anfuhr, welche
vor deh das Einfahrgleis begrenzenden Langleyschen Wasserpuffern
aufgestellt waren. Für gewöhnlich hatte dieser Zug in etwa 65 m
Abstand von den Puffern unmittelbar hinter einer deh Kücklauf
der Maschine ermöglichenden Weichenverbindung anzuhalten. Den
verbleibenden Baum pflegte man zur Aufstellung einiger leeren
Wagen zu benutzen. Der Zug bestand aus einer zweifach gekup¬
pelten Locomotiye mit Tender und fünf Personenwagen und war mit
selbstthätiger Luftbremse ausgerüstet. Der Unfall ging ohne sonder-*
lieh nachtheilige Folgen vorüber, da nur die fünf Personenwagen
und die beiden vor den Puffern stehenden leeren Wagen leicht be¬
schädigt wurden. Die Puffer selbst, welche einen Hub von rund
1,5 m (5' engl.) besitzen, wurden um 1,2 m zurückgetrieben, und es
ist, wie der mit dem Unfall beschäftigte Handelsamtsbericht sagt,
zweifellos den letzteren zuzuschreiben, dafs ernstere Folgen ver¬
hindert wurden.
Wenn oben gesagt wurde, dafs der Zug zu spät gebremst wurde,
so ist dem erläuternd hinzuzufügen, dafs die von der genannten
Bahngesellschaft über den Gebrauch der Luftbremse erlassene Vor¬
schrift innerhalb der End- und Anschlufsbahnhöfe den Gebrauch der
durchgehenden Bremse überhaupt untersagt. Die Zuggeschwindig¬
keit ist vielmehr bereits am Vorsignal mittels dieser Bremse so ein¬
zuschränken, dafs der Führer den Zug an jedem Punkt durch den
alleinigen Gebrauch der gewöhnlichen Handbremse zum Stehen
bringen kann. Die Zugschaffner haben die Pflicht, hierbei genau
acht zu geben und nöthigenfalls den Locomotlvführer durch den
Gebrauch der eigenen Handbremse wirksam zu unterstützen. Die
häufige lässige Befolgung dieser Eegel, wie im vorliegenden Fall, hat
die Bahngesellschaft neuerlich veranlafst, dieselbe aufs strengste
wiederum einzuschärfen.
Büclierscliau.
Motive der deutschen Architektur des 16., 17. und 18. Jahr¬
hunderts, in historischer Anordnung, herausgegeben von A. Lam¬
bert und E. Stahl, mit Text von H. E. v. Berlepsch. Erste Ab¬
theilung: Früh- und Hochrenaissance 1500^1650. Stuttgart. Verlag
von J. Engelhorn 1888. 18 Lieferungen zu je 2,75 JH.
Die erste Abtheilung dieser Sammlung von Beispielen vater¬
ländischer Bauweise, auf welche wir bereits etwa in der Mitte ihres
Erscheinens (J. 1888 S. 548) das Augenmerk der Leser hinlenkten, ist
seit einiger Zeit mit der Herausgabe des die Hundertzahl vervollstän¬
digenden Bestes der Atlastafeln abgeschlossen. Die Darstellung des
Gebotenen ist nach wie vor musterhaft, die Auswahl des Dargestellteu
sorgfältig und planmäfsig. Den Hauptstoff lieferte auch für den Best
der Blätter Süddeutschland, namentlich Bayern und Württemberg,
doch auch der Schweiz und Deutschösterreich, insbesondere Tirol,
ist eine gröfsere Zahl von Beispielen entnommen. Bieten diese
„Motive“ dem schaffenden Architekten einen Schatz von Vorbildern,
deren Studium ihn die heimische Eigenart liebgewinnen und sie wohl
■zum Ausgangspunkte eigenen Schaffens werden läfst, so verleiht der
den letzten Lieferungen beigegebene, sehr lesenswerthe Text dem
Werke weiteren Werth, indem er sich nicht, wie das bei ähnlichen
Sammelwerken Brauch, mit billigen, kurzen Erläuterungen der ein¬
zelnen Tafeln begnügt, sondeim die kunst- und culturgeschichtliche
Stellung der abgebildeten Architekturen und ihre vorbildliche Be¬
deutung in einer auf 35 Folioseiten gegebenen Abhandlung eingehend
beleuchtet. Die Einleitung führt aüs, wie in Dentschland vor nicht
gar langer Zeit auch auf dem Kunstgebiete das so nahe liegende
Gute zumeist im fernen Auslande gesucht wurde, und wie man dann,
als dem Volke die Augen über die heimischen Schätze aufgingen, in
den entgegengesetzten Fehler, in eine verkehrte Art von Deutsch-
thümelei verfiel, die nothwendig bald zur Uebersättigung führen
taufste. Nicht eine gekünstelte Bomantik, die zwischen unbequemen
Möbeln in dunklen Stuben hinter Butzenscheiben wohnt, soll man
herauf beschwören, und vor allen Dingen soll man nicht im Entarteten
der Form seine Eigenart zu beweisen suchen, vielmehr sind der
künstlerische Blick und das Können zu schulen durch Eindringen in
die Eigenthümlichkeiten der Entwicklung der Benaissaucebewegung
in den nordischen Ländern und insbesondere in der deutschen Hei-
math. Diese Entwicklung, die Vermischung der heimischen Gothik
mit der in Italien wiederbelebten und in dieser Wiederbelebung von
dort eindringenden Antike, wird eingehend dargelegt und an den im
Texte nach der Gattung der Architekturstücke gruppirten Beispielen
erläutert. So wird das Wesen des einzelnen Motivs klar, und der
lesende Betrachter wird zu lebendiger Verarbeitung angeregt sowohl
des dargebotenen und in ähnlichen Veröffentlichungen angehäufteh
Stoffes, wie auch der Schätze, die noch überreich allerorten zu heben
sind. Hd.
Verlag von Ernst&Korn (Willrelm Ernst), Berlin. Für die Rcclaction des niclitamtlicbeu Tlreiles verantwortlich: Otto Sarra ziu, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
421
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 11. October 1890. Nr. 41.
Redactiou: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhclmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerloha in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal -Nachrichten. — Nichtamtliches: Trockenlegung
nasser Tunnelgewölbe und Widerlager. — Werkstattgebäude für Monumental - Bild¬
werke am Kronprinzen-Ufer in Berlin. — Kampf um Troja (Schlufs). — Betrieb auf
den Hochbahnen in New-York (Schlufs). — Prüfungen deutscher Gemente. — Ver-
mischtes: Schwemmcanalisation von Charlottenhurg. — Kaiser Wilhelm -Denkmal
auf dem Kyffhäuser. — Schinkelpreisbewerhuug. — Preisausschreiben für evangelische
Kirchen in Zwickau und in Giefsen. — Eiseuhahnunfall.
Amtliche M
Pi'enfsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ober-
Baurath Berger, Vorstand des Stadtbauamtes in Wien, den Rothen
Adler-Orden HI. Klasse, dem Regierungs- und Baurath Schneider,
Mitglied der Königlichen Eisenbahn-Direction in Berlin (auftrw.), und
dem Eisenbahn-Director Schumacher, Vorstand der Hauptwerkstätte
in Potsdam, den Rothen Adler-Orden IV. Klasse, dem Eisenbahn-
Director Büte, Mitglied der Königlichen Eisenbahn-Direction in
Magdeburg, und dem am 1. d. M. in den Ruhestand getretenen Wasser-
Bauinspector Baurath Treuhaupt in Landsberg a. d. Warthe den
Königlichen Kronen-Orden HI. Klasse zu verleihen, sowie dem bis¬
herigen Regierungs- und Baurath bei der Königlichen Regierung in
Lüneburg, Geheimen Baurath Heithaus die nachgesuchte Entlassung
aus dem Staatsdienste zum 1. d. M. zu ertheilen.
Dem bisherigen Kgl. Reg.-Baumeister Pupperschlag in Lingen
ist die nachgesuchte Entlassung aus dom Staatsdienst ertheilt.
Der Kreisbauinspector Baurath Thur mann in Wittenberg ist
gestorben.
Bayern.
Der Oberingenieur der vorm. b. Ostbahnen mit dem Titel und
Range eines Rathes bei der General-Direction der Staatseisenbahnen
Karl Z enger ist zum Rath bei der General-Direction der König¬
lich bayerischen Staatseisenbahnen ernannt.
Der Bauamtmann des Strafsen- und Flufsbauamtes Aschaffen¬
burg, Georg Lotter, ist auf Ansuchen zum Regierungs- und Kreis-
Bauassessor für das Ingenieurfach bei der Regierung von Unter-
franken ernannt, und der Regierungs- und Kreis -Bauassessor bei
der Regierung von Unterfranken Eduard Fleischmann auf die
Bauamtmannstelle in Aschaffenburg berufen worden.
Württemberg.
Bahnmeister Frey in Ebingen wurde am 1. October 1890 auf
Ansuchen nach Königsbronn versetzt.
ittheilungen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den Maschineningenieur Hermann Zutt bei der Generaldirection der
Staatseisenbahnen auf sein Ansuchen auf Ende November d. J. aus
dem staatlichen Dienste zu entlassen.
Hessen.
Dem Director der technischen Hochschule Professor Landsberg
ist das Ritterkreuz I. Klasse des Verdienst-Ordens Philipps des Grofs-
müthigen verliehen.
Ferner sind folgende Personal-Veränderungen an der genannten
Hochschule erfolgt: Professor R. R. Werner ist unter Verleihung
der Krone zum Ritterkreuz 1. Klasse des Verdienst-Ordens Philipps
des Grofsmüthigen in den Ruhestand getreten; an seine Stelle wurde
mit Wirkung vom 1. October d. J. an Professor Richard Stribeck,
bisher an der Baugewerkschule in Stuttgart, als ordentlicher Professor
der Maschinenbaukunde berufen. Der Privatdocent Dr. Otto War¬
schauer aus Leipzig ist zum aufserordentlichen Professor der Staats¬
wissenschaften ernannt und in dieser Eigenschaft an die technische
Hochschule in Darmstadt berufen.
Braunscliweig.
Der Ingenieur Wilhelm Peuckert in Wien ist zum ordentlichen
Professor für Elektrotechnik an der Herzoglichen technischen Hoch¬
schule Braunschweig, und der aufserordentliche Professor Max
Möller in Karlsruhe zum ordentlichen Professor für Wasserbau an
derselben Hochschule ernannt.
Der Professor für Wasserbau Engels an der Herzoglichen tech¬
nischen Hochschule in Braunschweig und der Professor für mittel¬
alterliche Baukunst Rinklacke daselbst sind auf ihr Ansuchen aus
dem Herzoglichen Staatsdienste ausgeschieden.
Dem Herzoglichen Regierungs -Baumeister Ahrens in Braun¬
schweig ist der Titel Herzoglicher Bauinspector verliehen worden.
[Alle Beeilte vorliehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Ueber die Trockenlegung nasser
Nasse Tunnelgewölbe und Tunnelwiderlager sind nicht nur für
den guten baulichen Zustand des Mauerwerkes selbst dadurch schäd¬
lich, dafs die Feuchtigkeit die Verwitterung der Mauersteine und die
Zerstörung des Mörtels unmittelbar befördert, sondern die Feuchtig¬
keit ist aufserdem der Träger und Aufsauger der in den Auspuff¬
dämpfen der Locomotiven enthaltenen Schwefel- und schwefligen
Säure, welche sowohl die Tunnelwandungen als auch besonders die
Metalltheile des Oberbaues heftig angreift (siehe S. 144, Jahrg. 1-889
dieser Zeitschrift und Nr. 10, 1889, von „Stahl und Eisen“). Endlich
werden nasse und selbst nur feuchte Tropf- und Sickerstellen der
Tunnelwände auch dem Betriebe dadurch störend, ja sogar gefährlich,
dafs sie zu starken Eisbildungen in und über den Geleisen führen.
Es ist daher in jeder Hinsicht dahin zu streben, solche wasser¬
durchlassende Stellen im Mauerwerk trocken zu legen. Man kann
zwar häufig die Ansicht ausgesprochen hören, eine gewisse Tunnel¬
feuchtigkeit sei für die Haltbarkeit des Bettungsmaterials und da¬
durch bedingte ruhige Lage des Geleises von Vortheil; das kann
aber nur bei Verwendung minderwerthigen Bettungsmaterials, d. h.
bei zu sandigem oder gar lehmigem Kies, zutreflen, ist aber bei
gutem Bettungsmaterial, also bei reinem Kies oder noch besser
hartem Kleinschlag nicht stichhaltig, und da nachgewiesenermafsen
die Feuchtigkeit als Trägerin der Schwefelsäure dem Oberbau sehr
schädlich ist, so erscheint es jedenfalls richtiger, sowohl das minder-
Tunnelgewölbe und Widerlager.
werthige Bettungsmaterial durch gutes zu ersetzen und die Feuchtig¬
keit zu beseitigen, als zu Gunsten des einen Hebels das zweite, noch
gröfsere gleichfalls beizubehalten.
Zur Trockenlegung nasser Stellen der Tunnelmauern giebt es
nun verschiedene Mittel, so z. B. die vollständige Abdeckung der
Gewölbeoberfläche mit irgend welchen als zuverlässig bekannten
Dichtungsmaterialien von Stollen und Seitenaufbrüchen aus, ver¬
mittelst welcher man über das Tunnelgewölbe vordringt. Aber solche
Arbeiten sind in der Regel sehr kostspielig, können aufserdem für
die Standfestigkeit des Tunnelgewölbes gefährlich werden und sind
schliefslich kaum von durchschlagendem Erfolge, weil es nur sehr
schwer gelingen wird, genügend grofse Flächen zur Herstellung der
neuen Abdeckung frei zu legen.
Ein wesentlich einfacheres und meist auch wohlfeileres Mittel
besteht in der Ausführung von Cementeinsp ritzungen. In den
nachstehenden Erörterungen sollen Erfahrungen, die mit diesem Ver¬
fahren in den letzten Jahren an mehreren Tunneln im Bezirke des
Betriebsamtes Trier gemacht worden sind, dargelegt werden.
Es mufs übrigens vorweg hervorgehoben werden, dafs man gut
thut, ehe man zu künstlichen Mitteln schreitet, die Bergoberfiäche
über dem Tunnel darauf zu untersuchen, ob nicht Berg- und Tage¬
wasser, welche aus irgend einem Anlasse über dem Tunnel zu lang¬
sam ablaufen oder gar stehen bleiben und versickern, durch einfache
422
Centralblatt der Bauverwaltung.
11. October 1890.
Mittel wirksam und rasch oberirdisch abgeleitet werden können.
Sehr häufig wird eine solche Untersuchung ergeben, dafs sowohl die
natürliche Gestaltung der Bergesobei-fläche als auch künstliche An¬
lagen, insbesondere Tagesbrüche und Einsenkungen, die beim Bau
des Tunnels entstanden sind, dem Tunnelgewölbe Wasser zuführen,
welches besser oberirdisch abgeleitet, als im Berge auf kostspielige
Weise vom Gewölbe abgehalten wird. Schreiber dieses hat melu--
fach durch Herstellung neuer, dichter Gräben oder durch Dich¬
tung bestehender Wasserabzüge mit geringen Mitteln das Tage¬
wasser so wirksam abzuführen vermocht, dafs vordem recht nasse
Gewölbestellen fast ganz trocken wurden.
Aber dies einfache Verfahren ist nicht immer angängig; auch
wird es selbst für die Ableitung des Niederschlagswassers selten
vollständig wirksam sein, und natürlich kann es auf die inneren
Bergwasser keinerlei Einflufs ausüben. So wird also eine künstliche
Trockenlegung immer noch stattfinden müssen. Diese besteht nun
nach dem genannten Verfahren der Cementeinspritzungen in fol¬
gendem.
Zunächst müssen die Lager- und Stofsfugen überall da, wo sie
sich als nicht mehr vollständig dicht erweisen, gehörig gedichtet
werden, wozu dieselben auf mindestens 5 cm Tiefe gründlich aus¬
gekratzt, da wo sie zu eng sind, auf etwa 2 cm Breite ausgehauen
und demnächst mit einer Wergkalfaterung geschlossen werden
müssen. Diese wird bis auf mindestens 3 cm Tiefe von der Gewölbe¬
leibung aus dicht schliefsend eingetrieben, worauf der vordere noch
offene Theil der Fugen mit Cemeutmörtel in bekannter Weise aus¬
zufugen ist.
Gleichzeitig mit dieser Arbeit geht das Bohren derjenigen Löcher
durch die ganze Gewölbestiirke vor sich, durch welche demnächst
die Cementeinspritzungen bewirkt werden sollen. Der einzuspritzende
Gement soll nicht nur den noch offenen äufseren Theil der Fugen,
besonders der Lagerfugen, sondern auch Vertiefungen über dem
Gewölbe ausfüllen und schliefslich das ganze Gewölbe mit einem
Cementgufs überziehen. Die Löcher werden mit einem Meifselbohrer
in 4 cm lichter Weite durch das Gewölbe getrieben. Gerade diese
Arbeit ist umständlich und theuer, weshalb die Auswahl der Stellen
für die Löcher, deren Zahl und Stellung wohl erwogen und je nach
dem Zustande des Gewölbemauerwerks, welches vorher möglichst
genau zu untersuchen ist, festgesetzt werden mufs. Im allgemeinen
genügt es, die Löcher in 1 m Abstand (sowohl der Länge wie der
Quere nach) zu boh¬
ren. Im Gewölbe¬
scheitel ist es
bei entsprechender
Nässe zweckmäfsig,
den Querabstand
der Löcher auf GO
bis 65 cm zu ermäfsigen (Abb. 1 — 3),
und wenn sich der angegebene Abstand
nach erfolgtem Ausspritzen als zu
grofs herausgestellt hat, so erübrigt
noch, Zwischenlöcher zu schlagen.
Ob die Löcher besser in die Lager¬
fugen oder in die vollen Gewölbesteine
gebohrt werden, hängt von der Be¬
schaffenheit des Gewölbes, insbesondere
von der Härte der Wölbsteine ab und
mufs von Fall zu Fall bestimmt wer¬
den. Bei Wölbsteinen aus verhältnifs-
mäfsig weichem Material, z. B. Bunt-
sandstein, ist es zweckmäfsiger, die
Löcher in die vollen Steine zu setzen,
besonders wenn die Fugen ungleich-
mäfsig weit oder im Innern verzwickt
sind, weil sich in solchen Fugen der
Meifselbohrer leicht festklemmt und
das Loch nicht so gerade und glatt
wird, wie das durch den vollen Stein
getriebene. Gerade Löcher mit glatten
Wandungen sind aber für das Aus¬
spritzen am günstigsten. Bei harten
Wölbsteinen, z. B. solchen aus Muschel¬
kalk, hat sich das Setzen der Löcher
in die Lagerfugen als vortheilhafter er¬
wiesen. Dies gilt aber auch dann für
weiche Wölbsteine, wenn die Oberfläche des Gewölbes durch thonige
und lehmige Schmiere verunreinigt ist; denn in solchem Falle ge¬
lingt es bei Einspritzungen durch Löcher, welche in den Fugen
sitzen, wenigstens zuweilen, die Fugen selbst dicht zu machen,
wogegen der Gement, welcher durch die in dem vollen Steine
sitzenden Löcher eingespritzt wird, sich leicht lediglich über der
Thonlage ausbreitet, daher nicht mit dem Gewölbe verbindet und
unwirksam bleibt.
Sowohl diese Arbeiten, als auch das eigentliche Einspritzen,
welches auf das Ausfugen
und das Bohren der Löcher
folgt, geschieht zweckmäfsig
von einem Gerüstwagen aus,
wie er in den Abb. 2 und 3
dargestellt ist. Können auf
entsprechend lange Zeit, etwa
des Nachts, beide Tunnel¬
geleise gesperrt werden, so
wird man zweckmäfsig das
Gerüst noch etwas breiter
bauen, um womöglich auf je
eine Gerüstwagenlänge den
Abb. 1. Abgewickelte Gewölbefläche.
Abb. 2.
Gerüstwagen.
Abb. 3.
0,5
Abb. 4.
Abb. 6.
Gementpumpe.
ganzen Gewölbescheitel gleichzeitig in Arbeit nehmen zu können.
Der einzuspi'itzende dünnflüssige Gement besteht aus einer
Mischung von fünf Theilen Gement und vier Theilen Wasser. Neben
älteren, weniger vollkommenen hölzernen Pumpen wurden diesseits
seit 1887 Pumpen nach Abb. 4 bis G verwendet, welche von der
Wwe. Joh. Schu¬
macher in Köln
a. Ehein bezogen
wurden. Der Pum-
pencylinder ist von
Messing, das Schlauchmundstück von
Kupfer, und der Preis einer solchen
Pumpe stellt sich einschl. eines 3 m
langen, 52 mm weiten Gummispiral¬
schlauches auf 170 Mark. Bei Ver¬
wendung eines Holzbottichs, welcher
vollständig genügt, ermäfsigt sich der
Preis auf 139 Mark, wofür noch ein
Ersatzbottich mitgeliefert wird. Der
Gement mufs in dem Bottiche fleifsig
umgerührt werden, auch ist es noth-
wendig, die Pumpe oft, wenigstens
täglich einmal, gründlich zu reinigen
und sorgfältig zu unterhalten, weil die Gementmilch die einzelnen
Theile stark angreift, besonders die Gummikugel ventile, den
Pumpenstiefel und den Kolben. Das Keinigen der Pumpe ist
zwar dadurch erleichtert, dafs sie bequem aus dem Bottich heraus¬
gehoben werden kann, bleibt aber doch ein Mifsstand. Es soll
daher neuerdings mit Erfolg eine andere Pumpe zur Anwendung ge¬
kommen sein, welche nach Art der Bierdruckpumpen den Gement,
ohne dafs er mit der Pumpe selbst in Berührung kommt, hinter das
Gewölbe spritzt; jedoch kann Verfasser aus eigener Erfahrung
hierüber nicht berichten, vielleicht geschieht dies von anderer Seite.
Mit dem Ausspritzen wird im Scheitel begonnen, indem das mit
Werg umwickelte Mundstück des Spritzschlauches fest und tief in
ein Bohrloch eingeführt und so lange gepumpt wird, bis sich der
Gementbrei in benachbarten Bohrlöchern oder noch nicht ganz
dichten Fugen zeigt. Zwei bis drei Arbeiter sind mit Stopfen und
Werg ausgerüstet, um alsbald die Löcher und Fugen, aus welchen
Gement austritt, zu verstopfen. Auf deren Zuruf wird das Pumpen
eingestellt, sobald der Gement ausfliefst. Darauf wird das Mundstück
aus dem zunächst zum Einspritzen benutzten Bohrloch herausgezogen,
dieses selbst gleichfalls mit Gement, Werg und einem Holzstopfen
verschlossen und darauf durch das nächste noch offen gebliebene
Abb. 5.
Nr. 41.
Centralblatt der Bauverwaltang.
423
Bohrloch mit dem Einspritzen fortgefahren. Auf diese Weise wird
auf eine Gerüstwagenlänge zunächst der Gewölbescheitel abgespritzt
und dann in parallel zum Scheitel laufenden Streifen nach dem
Widerlager zu fortgeschritten, um demnächst je um eine Gerüst¬
wagenlänge vorzurücken. Zeigen sich trotzdem in dem so behan¬
delten Gewölbe noch feuchte Stellen, obgleich alle Löcher ausge¬
spritzt bezw. durch eingedrungenen Gement ausgefüllt worden sind,
so müssen noch Zwischenlöcher geschlagen und in diesen Nach¬
spritzungen vorgenommen werden.
Das auf diese Weise aus der Gewölbemitte nach den Wider¬
lagern gedrängte Wasser wird sich hier bald bemerkbar machen,
wenn man nicht für seinen möglichst raschen und ungehinderten
Abzug sorgt.
Dies geschieht am wirksamsten dadurch, dafs in den Wider¬
lagern Schlitze ausgebrochen und diese möglichst weit hinter dem
Mauerwerk nach oben hinaufgeführt sowie demnächst sorgfältig
mit Steinen vei’packt werden. Solche Schlitze führen erfahrungs-
gemäfs oft recht erhebliche Wassermengen ab und tragen wesentlich
zur Trockenlegung des Tunnels bei. Da wo weniger der Gewölbe¬
scheitel, sondern vorwiegend die Kämpfergegend nafs ist, genügt es
sogar oft vollständig, die Schlitze zu brechen und vom Ausspritzen
mit Gement ganz abzusehen. Auch wird es unter Umständen zweck-
mäfsig sein, mit den Schlitzen möglichst bis über den Gewölbe¬
scheitel vorzudringen, wenn dieser an einzelnen Stellen trotz der
Gementeinspritzungen nicht trocken werden will, um hier durch die
Schlitze für unmittelbaren, seitlichen Wasserabzug zu sorgen, oder
auch den thonigen Schlamm, der sich dann meist zeigen wird, abzu¬
waschen und dadurch die Gewölbeoberfläche für die Verbindung
mit dem Gement überhaupt erst geeignet zu machen. Die Zahl und
die Entfernung der Schlitze mufs ausschliefslich nach der Oertlichkeit
bestimmt werden. Im allgemeinen wird zwar eine möglichst grofse
Zahl von Schlitzen auch einen desto gröfseren'' Erfolg sichern,
allein meistens kommt man mit wenigen passend gewählten Schlitzen
aus, denn das Wasser zieht sich schliefslich von selbst dahin, wo es
den ungehindertsten Abflufs findet. Auch zeigt sich sehr oft, dafs
die Anlage neuer Schlitze überhaupt entbehrlich ist, weil das Wasser
in den schon vorhandenen Anlagen oder in den Klüftungen des Ge¬
birges ausreichenden Abflufs findet. (Schlufs folgt.)
Werkstattgebäude für Monumental -Bildwerke am Kronprinzen -Ufer in Berlin.
Als Ersatz für die infolge der Durchlegung der Kaiser Wilhelm-
Strafse abgebrochenen Bildhauer-Werkstätten auf dem ehemaligen
staatlichen Grundstücke
Münzstrafse 10 ist auf
Anordnung des Herrn
Gultusministers kürzlich
ein neues Werkstatt¬
gebäude auf dem nörd¬
lich an die Spree gren¬
zenden staatlichen Eest-
grund stück an der Ecke
des Kronprinzen - Ufers
und der Eichard Wa¬
gner - Strafse errichtet
worden. Das mit der
Hauptfront gegen Nor¬
den gerichtete Gebäude
enthält im Erdgeschofs
eine bis zum Dache
durchreichende, gröfsere
Werkstatt von 10 m
Breite, 12 m Länge und
10 m lichter Höhe, eine
ebenfalls durch beide
Geschosse reichende klei¬
nere Werkstatt von 6
zu 7,50 m und 7 m
lichter Höhe, sowie drei
kleinere Arbeitsräume von
durchschnittlich 25 qm
Grundfläche und 4 m Höhe. Im
oberen, 3 m im lichten hohen Ge¬
schosse befinden sich aufserdem
zu beiden Seiten der Hauptwerk statt
noch vier kleinere Eäume, von denen
auf der Ostseite drei zur Wohnung
für einen Diener eingerichtet sind,
während der vierte, auf der West¬
seite, als Modellraum dienen soll.
Der Grund rifs ist so angeordnet,
dafs sämtliche Eäume an einen
Bildhauer, unter Umständen aber
auch getrennt an zwei Bildhauer,
wie es zur Zeit der Fall ist, ver¬
miedet werden können.
Die Hauptwerkstatt, welche zur
Anfertigung von Kolossal - Werken
bestimmt ist, hat an den beiden
nach Norden und Süden belegeneu
Schmalseiten je einen grofsen eisernen, im oberen Theile ver¬
glasten Thorweg von 5,20 m Breite und 8 m Höhe. Aufser der
seitlichen Beleuchtung
empfängt der Eaum aber
auch noch Oberlicht durch
das Dach. Die kleinere
Werkstatt erhält nur Licht
durch ein hohes, über
dem Thorwege angeord¬
netes Fenster an der
Nordfront. Zur bequemen
Bewegung der Modelle
ist die grofse Werkstatt
mit einem Laufkrahn
von 2500 kg Tragfähigkeit
und einer Modellirdreh-
scheibe von 10 000 kg
Tragfähigkeit versehen,
an welche sich zwei nach
aufsen führende Schienen¬
geleise anschliefsen, um
dem Künstler auch das
Arbeiten oder die Be¬
sichtigung des Modells
im Freien zu ermöglichen.
Von der ursprünglichen
Absicht, die Modellir¬
scheibe mittels Druck-
wasser-V orrichtungen zum
Heben einzurichten, ist
der hohen Kosten wegen Abstand ge¬
nommen und dafür in der Nordost¬
ecke der Werkstatt eine bis auf den
Grundwasserstand reichende Grube
vorgesehen worden, aus der man das
Bildwerk in der Unteransicht beur-
theilen kann.
Die Kosten des massiven, theils
geputzten, theils verblendeten und
mit Pappe eingedeckten Bauwerks
haben 32 660 Mark betragen, wovon
rund 6000 Mark auf die künstliche
Gründung mittels 5 m tiefer Senk¬
kästen entfallen. Zu obiger Summe
treten noch 5340 Mark für Beschaffung
der Drehscheibe und des Laufkrahns
hinzu, sodafs sich die Gesamtkosten
der Anlage auf 38 000 Mark stellen.
F. Schulze, Baurath.
Schnitt A — B.
Grundrifs.
Zum Kampf um Troja.
(Schlüfs.)
Ein treffliches Bild des Ganzen giebt Bötticher, allerdings in
seinem Sinne, wenn er ausführt: „Man begebe sich auf den ringsum
stehengebliebenen äufseren Theil des Schutthügels, von wo man wie
in einen Krater hinabschaut. Am besten stellt man sich oberhalb
des sog. Südwestthores auf. Man erblickt eine polygonale Terrasse,
das ist Schliemanns Akropole von Troja! Die Terrasse besteht aus
424
Centralblatt der Baiiverwaltung.
11. Oetober 1890.
Schutt, kreuz und quer bis zum Urboden von Mauern durchzogen.“
Wir geben das Bild nach unserer Aufnahme an Ort und Stelle in
Abb. 3 und zum weitern Verständnifs noch den Grundplan Dr. Dörp-
felds in Abb. 2 und sehen daraus, dafs zu dem sog. Südwestthor,
welches in seiner Anlage an etruskische Stadttbore erinnert,*) eine
mit grofsen ^deleckigen weifsen Marmorplatten belegte Ilampe,
mäfsig ansteigend, emporführt. Die unbeschirmte Rechte des von
rechts auf der Rampe anstürmenden Feindes war der Umwährung
zugekehrt. War es einem Theil der Angreifer gelungen, das erste
Thor zu erbrechen und in den Mittelraum einzudringen, so konnten
dieser sowohl als auch etwaige Nachrückende wie bei den etrus¬
kischen Thoren dureh ein Fallgatter abgeschnitten oder ausgeschlossen,
und die Eingedrungenen zwischen dem Fallgatter und dem zweiten
Thore leicht vernichtet werden. Der vorhandenen Mauerführung
beim. Thore wird
schwer eine andere
Deutung als die ge¬
gebene beizulegen
sein. Auch das
zweite Thor zeigt
die Verwandtschaft
mit der alten etrus¬
kisch-römischen An¬
lage.
Innerhalb der
Umwährungsmauern
sind es zunächst zwei
parallel zu einander
stehende, durch einen
schmalen Zwischen¬
raum von einander
getrennte rechteckige
Räume, von Luft¬
ziegelmauern umge¬
ben und der Tiefe
nach durch Quer¬
mauern getheilt, wel¬
che hauptsächlich
unsere Aufmerksam¬
keit fesseln und an
ähnliche Mauerfüh¬
rungen auf den Burg¬
flächen von Tiryns
und Mykenae erin¬
nern, wo sie als Megä¬
ren der Männer und
Frauen im Zusam¬
menhang mit andern
Gelassen zweifellos
erkannt wurden. Die
Aufnahmen Dr. Dörp-
felds über die Mauer¬
züge auf den letztgenannten Burgen sind genaue und zutreffende,
und man wird auch deren Erklärung nicht bezweifeln können.
Wie der Aufbau gestaltet war, darüber ist allerdings der Einbil¬
dungskraft ein grofser Spielraum gelassen; vielleicht geben die Bilder
auf der Francois-Vase für eine Reconstruction einige Anhaltspunkte,
bei denen der dargestellte Tempel und das Quellhaus das Giebeldach
noch nicht zeigen, vielmehr das flach abgewölbte Strohlehmdach.
Eigenthümlich übereinstimmend sind die Breiten der Räume A und B,
Abb. 2, mit den entsprechenden in Tiryns, die nur in Mykenae an
Gröfse etwas übertroffen werden.
Wir werden nach alledem nicht fehl gehen, wenn wir uns der
Ansicht, in den beiden Räumen Bestandthcile eines Anaktenhauses
zu sehen, nicht verschliefsen. Liegen auch die Linienzüge der
Mauern noch nicht so klar wie in Tiryns und Mykenae, so ist doch
gerade unter Berufung auf letztere genugsam untrügliches Material
beisammen, um nicht sehr weit vom rechten Wege in der Deutung
abzukommen. Weitere Ausgrabungeir werden auch weitere Auf¬
schlüsse geben.
Die aus verschiedenen Materialien kreuz und quer übereinander
weggeführten Mauern in Abb. 3 zeigen zweifellos, dafs wir es nicht
mit Bauwerken aus einer Zeit zu thun haben, sondern dafs ver¬
schiedene Katastrophen über den Burghügel weggegangen, welchen
I. Ansiedlung.
II. Ansiedlung 1. Periode.
II. Ansiedlung II. Periode.
I I III. Ansiedlung.
Abb. 2. Plan der Citadelle
Plan VII aus „Troja“ von Dr.
*) Wir sind geneigt, den mittleren Raum für das Propugnaculum
zu halten, das von einem äufsern und einem inuern Thoreingang mit
vorspringenden Flügelmauern eingefafst wird.
verschiedene Ansiedlungen gefolgt sind, von denen die eine auf den
Trümmern der andern ihre Bauwerke aufführte; denn es stehen nicht
Grundmauern auf Grundmauern (vgl. auch Abb. 2). Schuchardt
(Schliemanns Ausgrabungen im Lichte der heutigen Wissenschaft,
Leipzig 1890) nimmt daher, und wir können uns seiner Ansicht nach
dem Augenscheine und nach den Mauern und Thonzeugfunden ohne
Bedenken anschliefsen, vier Zeitabschnitte an, nach welchen sich die
Mauerreste und der Inhalt der Schuttlagen scheiden lassen. Es sind
Erzeugnisse 1) einer ältesten Niederlassung, 2) aus der mykenae-
schen Zeit, 3) aus einer Verfallperiode nach dieser und 4) aus der
griechisch-römischen Zeit.
Schliemann und mit ihm viele Gelehrte glauben fest, in dem
Schutthaufen von Hissarlik die Feste des homerischen Priamos er¬
kennen zu sollen, und stützen sich dabei auf die alten Ueberliefe-
rungen unddieUeber-
einstimmung der
landschaftlichen Bil-
' der mit den von
Homer besungenen.
Sie treten der Ansicht
des alexandrinischen
Gelehrten Demetrios
und der des in sei¬
nem Banne stehenden
Strabo eirtgegen, wel¬
che beide Ilion, bei
Hanai'-tepe, d. i. Bu-
narbaschi gegenübei-,
haben wollen. Grofse
geologische Umwäl¬
zungen dürften an
jener Küste seit der
mykenaeschen Zeit
bis auf heute kaum
stattgefunden haben,
und so pafst zur
Stunde noch die von
Skylax angegebene
Entfernung der Stadt
Troja vom Meere mit
25 Stadien = 5 Kilo¬
meter auf Hissarlik.
Weniger vereinbar
mit der heutigen
Lage ist die Angabe,
dafs im peloponne-
sischen Kriege der
spartanische Admi¬
ral Mindaros von
Ilion aus einer See¬
schlacht zugesehen
habe. Auch mit
einem guten Fernrohr wäre dies von Hissarlik aus nicht gut
möglich gewesen; freilich noch weniger von den Höhen von
Buuarbaschi aus. So lange keine zwingenden Beweise für das
Gegentheil erbracht werden, dürfen wir, gestützt auf die Thatsacheu
der Ausgrabungen, der Funde und der Uebereinstimmung der Gegend
mit den homerischen Schilderungen — wir nehmen dabei an, dafs
Homer wirklich Gesehenes besang und nicht alles aus der Phantasie
schöpfte und jene Gegend seiner Ortsbeschreibung zu Grunde legte
— Hissarlik wohl für das alte Troja nehmen. Für Bauten und bau¬
liche Einrichtungen aus der Zeit des Priamos kann das Zeugnifs
Homers kaum angerufen werden, da nach ihm Troja vollständig von
den Griechen zerstört wurde und dieses etwa 300 Jahre vor seinen
Lebzeiten geschah.
Herr Bötticher hat bei seinem Augenschein manche seiner aus
dem für ihn verhängnifsvoll gewordenen Buche geschöpften Ansichten'
ändern müssen und dieses auch freimüthig bekannt. Es konnte ihm
das volle Zugeständnifs an die Schliemann-Dörpfeldschen Ergebnisse
nicht allzu schwer werden, wenn ich auch mit ihm darin überein¬
stimmen mufs, dafs er eine andere Erklärung über die von ihm
früher ausgesprochenen Zweifel nicht abgeben konnte, als die er
gegeben. Von beiden Seiten scheint in letzter Zeit der Streit an
Sachlichkeit verloren zu haben. Ueber die Verwendung der Pithoi
zum Ausrösteu von Gestorbenen wollen wir an dieser Stelle keine
weiteren Erörterungen pflegen.
Karlsruhe, den 26. August 1890.
Dr. Josef Durm.
von Ti'oja (nach Dörpfeld).
H. Schliemann (Leipzig 1884).
HrJI.
Centralblatt der Bauverwaltu ng.
425
Mittlieilungen über den Betrieb auf den Hochbahnen in New-York.
(Schlufs.)
2. Wagen.
Die Wagen sind nach Art der Durchgangswagen eingerichtet.
Der Zugang zu denselben erfolgt an den Enden von besonderen
Plattformen aus. Die Anordnung der Sitzplätze, wie sie mit geringen
Abweichungen auch auf andere Stadtbahnen, wie in Brooklyn und
Chicago, übergegangen ist, ist so getroffen, dafs an den Enden der
Wagen Längssitze, in der Mitte Quersitze angebracht sind. Hier¬
durch wird an den Enden Kaum für Stehplätze gelassen, welche zu
Zeiten starken Verkehrs benutzt werden. Zwischen den Quersitzen
Die Wagenkasten sind aus Holz gebaut. Das Gerippe der
Längswände ist unterhalb der Fenster als Träger mit Zug- und
Druckgurt und schrägstehenden Streben ausgebildet. Diese Träger
sind durch eiserne Spannstangen verstärkt, welche über dem Wagen¬
boden liegen und von Mitte zu Mitte der Drehgestelle reichen. Um
den Verband der Träger nicht zu unterbi'echen, sind die Schiebe¬
fenster der Wagen zum Oeffnen nach aufwärts eingerichtet. Einige
Angaben über Abmessungen der neueren Wagen sind im folgenden
zusammengestellt:
Abb. 3.
Ansicht des Sehutthügels von Hissarlik (Troja).
ist ein Mittelgang in einer Breite von 48 cm durchgeführt. Es giebt
nur eine einzige, für Reisende beiderlei Geschlechts gemeinsam
zu benutzende Wagenklasse; Rauchen ist sowohl in den Wagen wie
auf den Plattformen streng untersagt. Die Plattformen liegen nahezu
in gleicher Höhe mit den Bahnsteigen und werden gegen dieselben
mit eisernen Drehthüren abgeschlossen, welche durch einen Winkel¬
hebel mit Handhabe bewegt werden. Die aneinanderstofsenden Platt¬
formen je zweier Wagen werden durch je einen besonderen Schaffner
bedient. Mit Rücksicht auf die zu durchfahrenden scharfen Bögen
sind die Plattformen kreisbogenförmig abgerundet; die seitlich
zwischen je zwei Plattformen verbleibenden Zwischenräume sind
durch Gitter verschlossen, welche bei der Durchfahruug von Bögen
ausgedehnt bezw. zusammengeschoben werden. Hierdurch wird ein
durchlaufender seitlicher Schlufs am ganzen Zuge vorbei erzielt. Die
Bahnsteige sind auf sehr verkehrsreichen Stationen mit einem Ge¬
länder (aus Gasröhren) eingefafst, welches in Abständen von je einer
Wagenlänge mit offenen Ausgängen versehen ist.
Die Wagen werden von zweiachsigen Drehgestellen getragen; die
Zug- und Stofsvorrichtungen sind in der Mittelachse der Wagen und
zum Zwecke leichteren Durchfahrens der Bögen um die Drehachsen
dieser Gestelle in wagerechter Richtung beweglich angeordnet. Es hat
sich gezeigt, dafs die Wagen Bögen von 27,5 und 36,6 m Halbmesser
mit 9,6 km Stundengeschwindigkeit ruhig und sicher durchlaufen.
Aeufsere Länge des Wagenkastens . 12,00 m
„ Breite „ ^ _ . 2,62 „
Länge des Wagens einschliefslich der Plattformen . . . 14,00
Höhe des Wagenbodens über Schienenoberkante .... 1,04 „
Abstand der Drehgestelle von Mitte zu Mitte . 9,85 ,,
Radstand der Drehgestelle . 1,52 ,.
Anzahl der Längssitze . 32
„ „ Quersitze . 16
„ „ Stehplätze . . 32
Gesamtzahl der Plätze . . 80
Höchstgewicht eines leeren Wagens . 11,86 t
Durchschnittskosten eines Wagens . 10 684,/Ä
Jährliche von einem Wagen zurückgelegte Bahnstrecke . 56 300 km
Die Gesamtzahl der für die Hochbahnen beschafften Wagen be¬
trägt 921. Dieselben sind mit Dampfheizung, vorwiegend nach Golds
Patent ausgestattet. Die besondere Einrichtung der Göldschen
Heizung*) besteht darin, dafs an den Längswänden unter den Sitzen
schmiedeeiserne, an den Enden dicht verschlossene Cylinder ange¬
ordnet sind, welche zu Vs mit Salzwasser gefüllt sind. Dieselben
sind zur Aufspeicherung der Wärme bestimmt und von einem Dampf¬
hemde umgeben, welches durch zwei von dem Locomotivkessel ab-
*) Ceutralblatt der Bauverwaltung 1887, S. 158.
426
Centralblatt der Bauverwaltuug.
zweigende, unter dem Zug entlang laufende Eolire mit frischem
Dampf geheizt wird.
Die Beleuchtung der AVagen geschieht durch Petroleumlampen,
die Lüftung durch Oeftnungen in einem Dachaufsatz. Endlich ist
noch zu erwähnen, dafs die AA^agen durchweg mit Luftbremsen
Eames’scher Bauart versehen sind.
3. Locoinotiven.
Anfänglich wurden vierrädrige Locoinotiven von 5 bis 6 t Betriebs¬
gewicht verwendet. Mit der Zunahme des Gewichtes und der Ge¬
schwindigkeit der Züge erwuchs indes auch die Nothwendigkeit,
stärkere Locomotiven einzufühi-en. Die gegenwärtig in Gebrauch
befindlichen Normal- (Tender-) Locomotiven der Hochbahnen sind
nach der Bauart von Forney hergestellt und kennzeichnen sich da¬
durch, dafs zwei vordere gekuppelte Triebräder und vier hintere, zu
einem Drehgestell vereinigte Laufräder angeordnet sind. Die Cylinder
sind aufserhalb des Rahmens der Locomotiven befestigt, der AVasser-
und Kohlenraum liegen über dem Drehgestell hinter dem Führer¬
stande. Folgendes sind die Hauptabmessungen der Locomotiven:
Durchmesser der Triebräder . 1,06 m
„ „ Laufräder . 0,76 „
Eadstand ,, „ 1,42 „
Gesamter Radstand . 4,88 „
Durchmesser der Cylinder . 0,305 „
Kolbenhub . 0,406 „
Eostfläche . 1,53 qm
. a- -L ( Feuerbüchse . 5,20 qm
zusammen .... 40,05 „
Fassungsraum des AA'^asserbehälters . 2,73 cbm
Gesamtes Betriebsgewicht . 20,12 t
Gewicht auf den Triebrädern . 13,48 t
Durchschnittliche Kosten einer Locomotive . . 16 400 Ji
Für die Hochbahnen sind 291 Locomotiven vorhanden, welche
sämtlich mit Eames’ Luftbremse ausgestattet sind. Als Brennstoff
gelangt ausschliefslich Anthracit-Kohle zur Anwendung. Heber die
täglichen Leistungen einer Locomotive macht AVellington die folgen¬
den Angaben:
Hin- und Herfahrten . 9
Kohlen verbrauch im Laufe eines Tages . . . 2574 kg
Die Maschinen befinden sich im Dienst täglich 20 Stunden
Kohlenverbrauch für eine Pferdekraft .... 2,82 kg
Es wird angegeben, dafs eine Locomotive im Laufe eines
Jahres durchschnittlich 46 400 km zurücklegt.
4. Signale.
Die Bestimmung der Züge wird bei Tage durch zwei farbige
Scheiben an der Locomotive, zuweilen auch durch ein Namensschild
an derselben bezeichnet. Eine Bezeichnung des Zug-Endes findet bei
Tage nicht statt. Bei Dunkelheit treten an die Stelle der farbigen
Scheiben Laternen, welche mit den entsprechenden Farben abge¬
blendet sind. Hinsichtlich der im Gebrauch befindlichen Strecken¬
signale wird auf die bezüglichen Mittheilungen in Nr. 20 S. 206 d. J.
verwiesen.
5. Betriebsvorschriften.
Der folgende Auszug aus den Vorschriften für den äufseren Be¬
triebsdienst auf den Hochbahnen möge hier Platz finden:
a) Allgemeine Regeln. Die Sicherheit der Reisenden steht
in erster Linie. Alle Angestellten haben ihre Aufmerksamkeit un¬
ausgesetzt dem Dienste zuzuwenden, damit Beschädigungen von Per¬
sonen und Eigenthum vermieden werden; in allen zweifelhaften
Fällen ist der sicherere AVeg vorzuziehen.
Durchaus ordentliches Betragen, Vermeidung von gottlosen und
unanständigen Redensarten im Dienst und unter einander ist unbe¬
dingt erforderlich.
Die regelmäfsige Bezahlung der Angestellten schliefst alle
etwaigen Gefahren und hierauf bezüglichen Verbindlichkeiten ein.
b) Locomotivführer. Den für die Locomotivführer erlassenen
Vorschriften ist als oberste Regel vorangestellt, in Zweifelsfällen
stets den sichereren AVeg zu wählen. Sonst sind hervorzuheben:
Die Dampfpfeife soll nicht unnöthig gebraucht werden.
Für die Entfernung zweier aufeinander folgenden Züge kann kein
feststehendes Mafs angegeben werden; dieselbe mufs aber stets so
grofs sein, dafs der folgende Zug zum Stillstand gebracht werden
kann, ohne den vorhergehenden zu gefährden.
In nebligem Wetter oder bei Dunkelheit darf keine Maschine
dem vorhergehenden Zug näher kommen als 250' (76 m). Vorbei¬
fahren an einem Haltsignal ist Grund zur Entlassung. Maschinen
und Züge dürfen mit keiner gröfseren Geschwindigkeit als 25 Meilen
11. Octolier 1890.
(40 km) in der Stunde fahren. In Krümmungen und AA'^ eichen ist die
Geschwindigkeit auf 6 Meilen (9,6 km) und in starken Gefällen auf
12 Meilen (19,3 km ) zu ermäfsigen.
In allen schärferen Krümmungen mufs langsam gefahren werden,
und zwar ist die Geschwindigkeit bereits vor der Einfahrt in eine
Krümmung und so lange zu ermäfsigen, bis der letzte Wagen die¬
selbe durchfahren hat.
c) Zugführer und Schaffner. Hier ist dieselbe Vorschrift
als oberste Regel hingestellt, wde bei b).
Die Zugführer sind für die Sicherheit, Pünktlichkeit und den
Ziistand der Züge, insbesondere auch für Lüftung, Heizung und Be¬
leuchtung derselben verantwortlich.
Der Zusammenstofs zweier Züge ist durch nichts zu rechtfertigen,
und kann durch richtigen Gebrauch der Signale und Befolgung der
Vorschriften vermieden werden.
Zugführer und Schaffner haben darauf zu achten, dafs die Wagen-
thüren geschlossen gehalten werden, und dafs keine Reisenden während
der Fahrt auf den Plattformen stehen*) oder aus- und einsteigen.
Der Name der folgenden Station ist im Innern der Wagen
zweimal auszurufen und zwar einmal bei der Abfahrt und einmal bei
der Ankunft.
d) Zugregeln. Schieben von Zügen auf Hauptgeleisen ist, aus¬
genommen bei Unglücksfällen, verboten.
Kein Zug darf zurücksetzen, ehe der folgende Zug verständigt
und zum Stillstand gebracht ist.
Alle Züge müssen vor Kreuzungen in Schienenhöhe anhalten.
Der Zugführer hat seinen Posten auf der Hinterplattform des
vorderen Wagens. Der Schaffner des letzten Wagens giebt, nachdem
er die Plattformthüren geschlossen hat, dem folgenden Schaffner ein
Signal durch einmaliges Ziehen an der unter der Wagendecke an¬
gebrachten Leine; der letztere giebt das Signal durch zweimaliges
Ziehen an der Leine nach vorn weiter. Der nächste Schaffner, wenn,
wie bei fünfwagigen Zügen, ein solcher noch vorhanden ist, hat
dreimal an der Leine zu ziehen. Hat der Zugführer von dem ihm
zunächst befindlichen Schaffner das Signal erhalten, so bringt er durch
zweimaliges Ziehen an der Leine eine Glocke auf der Locomotive
zum Ertönen und giebt dadurch das Zeichen zur Abfahrt.
(Anm. Da ein jeder Schaffner auf den Stationen mit der einen
Hand die Leine hält, und daher jedes Ziehen an derselben sofort
bemerkt und ungesäumt weitergiebt, so wird das Signal von dem
letzten Wagen nach der Locomotive sehr schnell fortgepflanzt. Ohne
seinen Standpunkt zu ändern, kann dabei der Schaffner durch eine
Winkelhebelvorrichtung bequem beide Plattformthüren bewegen.)
Rauchen ist sowohl in den Wagen wie auf den Plattformen ver¬
boten.
Höchstens 80 Reisende dürfen in einem Wagen untergebracht
werden. Die AVagen- und Plattformthüren an dem vorderen und
hinteren Ende des Zuges sind verschlossen zu halten.
(Anm. Auf einem Zuge von 5 Wagen sind demnach einschliefs-
lich des Zugführers 4 Schafiner vorhanden, von denen ein jeder
zwischen zwei AVagen steht und zwei Plattformen versieht.)
6. Umfang des A^erkelirs.
In der folgenden Tabelle sind die Zahl der Reisenden und die
jährlichen Einnahmen für jedes Jahr seit 1872 angegeben:
Zeitraum
« ^ a w
O ^ ,1^
§ rt =
Zahl
der
Eeisendea
Einnahmeu iu
JC —
gerechnet)
9 Monate vor dem 30. Sept. 1872
5,6
137 446
54 978,40
Jahr endigend am 30. 1873
6,4
64402572
258 410,20
^ „ V 1874
6,4
796 0721/2
324 189,00
„ „ V .. .. 1875
1 6,4
920 571
374 524,64
1 8,0
2 012 9531 '2
810 701,40
. 1877
* 8,0
3 011 8621/2
1 212 834,04
1878
25,8
9 291 319
3 118 413,48
„ « 1879
37,0
46 045 181
14 107 301,04
„ „ « V « 1880
51,5
60 831 757
18 451 902,24
„ „ „ 1881
51,5
75 585 778
21 244 303,40
„ ,, « 1882
51,5
86 361 029
23 894 533,64
„ .. 1883
51,5
92 124 943
25 546 022,12
„ „ „ „ „ 1884
5i;5
96 702 620
26 905 437,20
„ _ „ ., 1885
51,5
103 354 729
28 002 267,52
. „ „ V 1886
51,5
115 109 591
29 704 865,12
„ „ „ „ „ 1887
51,5
158 963 232
32 410 649,60
,, ,, „ „ 1888
51,5
171 529 789
34 695 486,80
„ „ „ 1889
51,5
179 497 433
36 323 522,60
Zusammen
1 202 920 332
297 439 342,44
*) Diese Regel wird nicht streng durchgeführt.
Ir. 41.
Centralblatt der Bauverwaltung.
427
In betreff der Einnabmen ist zu bemerken, dafs das Fahrgeld
ursprünglich 10 Cents (40 Pf.) für die Person und einmalige Fahrt be¬
tragen hat, seit October 1886 aber für alle Strecken und Tageszeiten
auf 5 Cents (20 Pf.) ermäfsigt ist. Die im Betriebsjahre 1888/89 im
Durchschnitt täglich beförderte Personenzahl ergiebt sich zu 491 774
oder 9549 für 1 km doppelgeleisige Strecke. An einzelnen Tagen
werden diese Durchschnittszahlen weit übertroffen; die folgenden
Zahlen geben in dieser Beziehung einen Anhalt zur Beurtheilung
der Leistungsfähigkeit der Bahn. Bei Gelegenheit der Hundert¬
jahrfeier der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten, vom 29. April
bis 1. Mai y. J., wurden nämlich befördert:
29. April
30. April
1. Mai
Zusammen
2. Avenue Bahn
121684
110 389
110 101
342 174
3- « „
291 170
349 516
320 762
961 448
6- .
264 573
312 628
270 665
847 866
9.
86 768
63188
54673
204629
Zusammen
764 195
835 721
756 201
2 356 117
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dafs der Grundeigenthumswerth
in New-York in den 10 Jahren nach Eröffnung der Hochbahnen, von
1879 bis 1888, um insgesamt 1 647 081 968 Mark gestiegen ist.
Prüfungen deutscher Cemente.
Die Königliche Prüfungs-Station für Baumaterialien in Berlin
veröffentlicht im 1. Heft des Jahrganges 1890 der Mittbeilungen aus
den Königlichen technischen Versuchs- Anstalten*) eine grofse Reihe
von Untersuchungen auf Festigkeit und mechanische Eigenschaften
von Gementen aus den Betriebsjahren 1887/88 bis 1888/89, welche
zum gröfsten Theil nach den neuen, durch Runderlafs des Herrn
Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 28. Juli 1887 eingesetzten
Normen für einheitliche Lieferung und Prüfung von Portland-Cement
behandelt wurden. Die Veröffentlichung lehnt sich an bereits früher
mitgetheilte Versuche an, wirft mit diesen zusammen ein bemerk ens-
werthes Streiflicht auf den heutigen Stand der Cement-Industrie und
ist somit geeignet, das Interesse weiterer Baukreise zu wecken, um¬
somehr als die Versuche mit beinahe allen Gementen der gröfsten
deutschen Fabriken angestellt worden sind.
Die Herstellung der Probekörper für Druck- und Zugfestigkeits¬
versuche erfolgte normengemäfs mittels des Normal-Hammerapparates.
Die Probekörper erhärteten, gegen zu schnelle Verdunstung geschützt,
die ersten 24 Stunden auf nicht absaugender Unterlage an der Luft.
Die 'Zugprobekörper (mit 5 qcm Zerreifsungsquerschnitt) wurden
unmittelbar nach dem Einschlagen und erfolgter Glättung von der
Form befreit, während die Druckproben (Würfel mit 50 qcm Fläche)
nach erfolgter Glättung die ersten 20 — 24 Stunden an der Luft in
der Form erhärteten und hierauf, den Formen entnommen, mit den
Zugproben zugleich unter Wasser von durchschnittlich 17° C. ge¬
bracht wurden. Der zu den Mörtelproben verwandte Normalsand
wog eingerüttelt 1,640 kg, eingelaufen 1,410 kg das Liter. Die Korn-
gröfsen des Normalsandes sind so beschaffen, dafs derselbe ein Sieb
mit 60 Maschen auf 1 qcm vollständig durchfliefst und auf einem
*) Verlag von Julius Springer, Berlin.
Siebe von 120 Maschen auf 1 qcm liegen bleibt. Fafst man diese
neueren Versuche mit den seit dem Jahre 1879 angestellten Prü¬
fungen zusammen, so ergiebt sich ein sehr lehrreiches Bild der Ent¬
wicklung, welche die Cement-Industrie Deutschlands in Bezug auf die
Güte der hergestellten Ware, insbesondere in Bezug auf Zug- und
Druckfestigkeit und Feinheit der Mahlung durchgemacht hat, ent¬
sprechend den erhöhten Anforderungen, die mit der Zeit an die
Cemente gestellt wurden und welche zuerst in den „alten preufsischen
Normen“ vom 12. November 1878 und später in den neuen Normen
vom 28. Juli 1887 ihren Ausdruck fanden. Während früher die Unter¬
suchung auf Druckfestigkeit nur vereinzelt vorkam, ist dieselbe seit
1887 ein wichtiges Glied in der Kette der Beurtheilungsmerkmale der
Cemente geworden.
Die in der Tabelle gegebene Zusammenstellung der Versucbs-
ergebnisse zeigt zunächst, dafs die Zahl der Cemente mit weniger als
10 kg Zugfestigkeit stets verhältnifsmäfsig klein gewesen ist, und dafs
auch die sehr schwankende Zahl der Cemente unter 15 kg nie eine
grofse Höhe erreicht hat; dagegen haben die Cemente mit mehr als
15 kg Zugfestigkeit immer den weitaus gröfsten Theil der geprüften
Cemente’ ausgemacht. Sie betrugen: 1880 — 68,2 pCt., 1881 —
94,7 pCt, 1882 — 88,3 pCt., 1883 — 59,7 pCt., 1884 — 84,8 pCt.,
1885 -■ 74,2 pCt., 1886 — 80,7 pCt., 1887 ■— 80,9 pCt., 1888 — 73,8 pCt.
und 1889 — 77,4 pCt. Man sieht, dafs seit dem Jahre 1886 ein Still¬
stand eingetreten ist, vielleicht, weil von diesem Jahre an die Fabrica-
tion darauf Bedacht nehmen mufste, auch die vorgeschriebene Druck¬
festigkeit von 160 kg/qcm neben einer Zugfestigkeit von 16 kg/qcm
KU erreichen. Uebrigens würden, wenn die Cemente zwischen 15
und 16 kg Zugfestigkeit noch mit hiazugerechnet wären, vermuth-
lich auch die Jahre 1888 und 1889 in Bezug auf Zugfestigkeit der
geprüften Cemente nicht hinter den Vorjahren zurückstehen. Das
Zusammenstellimg
der in den Betriebsjahren 1879/80 — 1888/89 geprüften Cemente nach Festigkeit und Mahlung.
Anzahl
- der auf
Bezüglich Zugfestigkeit
Bezüglich 900 Maschen -Sieb
Cemente
Anzahl
Cemente mit
Betriebs¬
jahr
28 Tags-' '
unter
zwischen
über
der auf
über
zwischen
unter
Festig¬
keit
geprüften
Cemente
10
10 und 15
15 und 20
20 und 30
30
Mahlung
20
20 und 10 1
10
Kilogramm f. d. Quadratcentimeter Zugfestigkeit
geprüften
Cemente
Procent Rückständen
An-
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl ‘
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
1879/80
22
■ ^
0,0
7
31,8
1
4,6
13
59,1
1
4,6
25
2
8,0
13
52,0
10
40,0
1880/81
38
1
2,6
1
2,6
13
34,2
19
50,0
4
10,5
43
_
6
14,0
37
86,1
1881/82-
77 .
3
3,9
6
7,8
39
50,7
25
32,5
4
5,2
83
1
1,2
29
34,9
53
63,9
" 1882/83
57
5
8,8
18
31,6
21
36,8
11
19,3
2
3,5
63
1
1,6
25
39,7
37
58,7
1883/84
79
2
2,5
10
12,7
27
34,2
39
49,4
1
1,3
80
4
5,0
26
32,5
50
62,5
1884/85
89
2
2,3
21
23,6
33
37,1
33
37,1
—
98
3
3,1
39
39,8
56
57,1
1885/86
109
3 1)
2,8
18
16,5
37
33,3
41
37,6
10
9,2
115
—
—
■ 37
32,2
78
67,8
. 1886/87
68
12)
1,5
12
17,7
20
29,4
31
45,6
4
5,9
72
1
1,4
16
22,2
55
76,4
Bezüglich
Zugfestigkeit
!
Druckfestigkeit
Cemente
unter
zwischen
über
unter
zwischen
über
16
16 und 20
20
160
160-
-200
200
Kilogramm f. d.
Quadratcentimeter
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
An¬
zahl
pCt.
1887/88
103
29
28,2
32
33,0
42
40,8
30
56,6
j 13
24,6
10
18,9
105
3
2,9
13
12,4
89
84,8
' 1888/89
137
31
22,8
59
43,1
47
1
34,3
50
41,3
38 .
31,4
33
27,3
147
13)
0,7
3
2,0
143
97,3
1)
Hiervon ist einer ein Eoman-Cement, zwei sind Cementkalke. — Cementkalk. — 3) Puzzolan-Cement.
11. October 1890,
428
Centralblatt der Bauverwaltung'.
Bestreben, eine höbe Druckfestigkeit zu erreichen, zeigt sich deutlich
in den beiden letzten Jahren, wo die in dieser Hinsicht nicht normen¬
beständigen Cemente von 56,6 auf 41,3 pCt. zurückgegangen sind,
während die Cemente zwischen 160 und 200 kg von 24,6 auf 31,4 pCt.
und die mit über 200 kg von 18,9 auf 27,3 pCt., die normenbeständi¬
gen überhaupt also von 43,5 pCt. auf 58,7 pCt. gestiegen sind.
lYas die Prüfung auf Feinheit der Mahlung anbelangt, so sind
Cemente mit mehr als 20 pCt. Siebrückstand in allen 10 Betriebs¬
jahren nur vereinzelt vorgekommen, die Cemente mit einem Siebrück¬
stand zwischen 10 und 20 pCt. haben von 1882 an ständig, in den
letzten Jahren sehr bedeutend abgenommen, während die Zahl der
sehr siebfeinen Cemente mit weniger als 10 pCt. Kückstand auf dem
900 Maschensieb in höchst bemerkenswerther Weise ständig zuge¬
nommen hat, ein Beweis, dafs seitens der deutschen Cement-Industrie
in den letzten Jahren fortdauernd für eine Verbesserung des Materials
bis zu einem hohen Grade gearbeitet worden ist. Gary.
Vermischtes,
Die neue Sclnvemin-Caiialisation von Chavlotteuburg ist am
6. October d. J. in feierlicher Weise dem Betriebe übergeben und
damit ein von den städtischen Körperschaften mit aller Macht er¬
strebtes und für die gesamte Weiterentwicklung der Stadt Char¬
lottenburg wichtiges Ziel erreicht worden. Nachdem am Vormittage
eine Besichtigung des Kieselfeldes in Gatow, woselbst zur Zeit etwa
200 Morgen Eieselland fertig hergerichtet sind und bereits be¬
rieselt werden, stattgefunden hatte, schlofs sich am Nachmittage
eine Besichtigung der Hauptpumpstation in der Sophie Charlotten-
Strafse an. Aufser den Vertretern derjenigen Staatsbehörden, wel¬
chen die Prüfung und Beaufsichtigung der Entwürfe und Bauaus¬
führungen oblag, waren auf Einladung der Stadtgemeinde auch
zahlreiche Vertreter anderer Behörden des Staates, der Provinz und
der Nachbargemeinden in der Hauptpumpstation erschienen. Magistrat
und Stadtverordnetenversammlung waren vollständig vertreten. Von
hervorragenden Persönlichkeiten seien hervorgehoben der Ober¬
präsident der Provinz Brandenburg Excellenz Achenbach, Ober-
Baudirector A. Wiebe, Regierungspräsident Graf Hue de Grais,
Landesdireetor und Präsident des Reichstages v. Levetzow, Ober-
Eegierungsrath Friedheim, Geheimer Ober-Regierungsrath Hübner,
Geheimer Ober-Regierungsrath tialbey, Präsident Kaiser, Stadtver¬
ordnetenvorsteher Dr. Stryck, die Stadträthe Meubrink und Marg-
graff, die Landräthe Stubenrauch und Dr. Steinmeister u. a.
Nachdem die Besichtigung der Anlagen beendet war, versam¬
melten sich alle Anwesenden wieder in der grofsen Halle des Ma¬
schinenhauses, und es ergriff zunächst der Erbauer des Werkes, Stadt¬
baurath Köhn, das Wort zu einer Ansprache, in welcher er den
Erschienenen, insonderheit dem Herrn Ober -Präsidenten für die
Theilnahme dankte. Dann ging er dazu über, die Vorgeschichte des
Werkes kurz zu schildern, welche bis zum Jahre 1871 zurückreicht.
Nachdem man bis zum Jahre 1884 an der Ueberzeugung festgehalten
habe, dafs der Kostenfrage wegen für Charlottenburg nur das Ab¬
fuhrsystem in Frage kommen könne, hätte sich schliefslich doch
die Erkenntnifs Bahn gebrochen, dafs in einer nach dem Berliner
Muster sich entwickelnden Grofsstadt die Abfuhr zu unerträg¬
lichen Uebelständen führen müsse und deshalb die Schwemm-
canalisation allein imstande sei, die im gesundheitlichen Interesse
zu stellenden Forderungen zu erfüllen. So sei denn 1885 der Be-
schlufs gefafst worden, die bislang verfolgte Bahn zu verlassen und
nunmehr die Einführung der Schwemmcanalisation mit aller Macht
zu betreiben. 1887 sei mit der Bauausführung begonnen worden,
und bis jetzt seien 30 000 Meter Leitungen, darunter der Haupt¬
sammler, dessen unterstes Ende eine Höhe von 2,30 m und eine
Breite von 2,70 m habe, ausgeführt; ferner sei die Pumpstation
vollendet, das Druckrohr nach dem Rieselfelde verlegt, 'und auf dem
Rieselfelde sei soviel Land hergerichtet worden, als für die Unter¬
bringung der vorhandenen Abwässer nöthig sei. Der landespolizeilich
genehmigte Entwurf für die Leitungen und Anlagen im Innern der
Stadt umfasse 723 ha und weise gegen I6V2 deutsche Meilen Leitungen
auf. Veranschlagt sei er mit rd. 7 500 000 Mark, ausschl. des Druck¬
rohres und des Rieselfeldes. Nach diesem geschichtlichen Ueberblicke
dankte der Redner noch den Behörden und den Mitarbeitern für ihren
Beistand und sprach die Hoffnung aus, dafs das Andenken an den
6. Octbr. 1890 für die Stadtgemeinde immer ein erfreuliches sein möge.
Hierauf ergriff der Oberbürgermeister Pritsche das Wort, um
zunächst gleichfalls die Bedeutung des Tages hervorzuheben und
dem Erbauer den Dank der Stadt auszusprechen. Nachdem er dann
nochmals die bereitwillige und wohlwollende Unterstützung hervor¬
gehoben hatte, welche die verschiedenen Behörden dem Werke haben
angedeihen lassen, schlofs er mit einem begeistert aufgenommenen
Hoch auf den Kaiser.
An die Feier schlofs sich ein Festmahl in der Aula des Real¬
gymnasiums, zu welchem die Stadtgemeinde die Einladungen er¬
lassen hatte. — h —
Die A^orarheiteii zur Ausführung des Kaiser Wilhelm -Denkmals
auf dem Kyffhäuser nach dem Entwürfe des Architekten Bruno
Schmitz (vgl. S. 284 und 318 d. J.) haben seit Anfang dieser
IVoche mit Abstecken und Aufräumen des Bauplatzes begonnen.
Für eine am 5. d. M. auf dem Kyffhäuserberge abgehaltene Ver¬
sammlung des geschäftsführenden Ausschusses, zu der sich neben
Vertretern der Fürstlich Schwarzburgischen Regierung auch die künst¬
lerischen Sachverständigen Ober-Baurath v. Leins-Stuttgart und Prof.
Fritz Wolff-Berlin eingefunden hatten, waren unter Leitung des
Architekten die Gesamtverhältnisse der Terrassen und Denkmal¬
unterbauten durch Pfähle, Fahnengerüste u. dgl. anschaulich gemacht
worden. Die Betheiligten überzeugten sich, dafs der im Wettbewerbe
preisgekrönte Schmitzsche Entwurf ohne nennenswerthe Abänderungen
zur Ausführung geeignet ist, und dafs insbesondere die Stellung des
Standbildes gegen Osten, d. h. also die Errichtung des Denkmales
in der aus unserer Abb. 2 auf Seite 285 ersichtlichen Weise, sich
am meisten empfiehlt. Man beschlofs mit der Bauausführung zu be¬
ginnen und zunächst die 100 m breite Hauptterrasse, zu der die Bau¬
steine aus dem Berge gewonnen werden, und mit der ein mächtiger
Unterbau für die Fernwirkung der ganzen Anlage gewonnen wird,
in Angriff zu nehmen. Bis zum nächsten Frühjahr soll der Unterbau
thunlichst gefördert, auch ein genaues Thurmgerüst hergestellt wer¬
den, um den Bildhauern Gelegenheit zu sorgfältigem Studium der bau¬
lichen Verhältnisse des Denkmals an Ort und Stelle zu bieten. Jene
sollen also nicht, wie ursprünglich angenommen war (s. S. 318), gleich
jetzt, sondern erst nächstes Frühjahr zum Wettbewerbe um das
Kaiserbild eingeladen werden.
Für die nächstjährige Schiiikelpreishewerhuug ist nach dem in
der letzten Sitzung des Berliner Architektenvereins gefafsten Be¬
schlüsse als Hochbau- Aufgabe ein Volkstheater nach Art des
Wormser Festspielhauses gewählt worden. Im Ingenieurfache fiel
die Wahl auf eine Ausleger-Brücke von 400 m Länge mit einer
Mittelöfinung von 200 m Spannweite.
Zwei Preisausschreiben für evangeUsche Kirchen enthält der
Anzeigentheil dieser Nummer. Das eine erläfst der Kirchen vor stand
zu St. Moritz in Zwickau. Für 250 000 Mark soll ein Gotteshaus
von 1000 Sitzplätzen erbaut werden. Drei Preise von 2400, 1400 und
800 Mark sind ausgeworfen, Ankauf weiterer Entwürfe zu je 600 Mark
wird in Aussicht gestellt. Dem Preisgericht gehören die Architekten
Baurath Prof. Lipsius in Dresden, Stadtbaumeister Möbius und
Baurath Dr. Mothes in Zwickau und Geh. Reg.-Rath Prof. Otzen
in Berlin an. Die Entwürfe sind zum 15. Februar 1891 einzureichen.
Ferner soll in Giefsen eine zweite evangelische Kirche erbaut
werden. Preisrichter in diesem Wettbewerbe sind aufser den beiden
Geistlichen der Kirche die Architekten Ober-Baurath Dr. v. Leins-
Stuttgart, Prof. K. Schäfer -Berlin und Geh. Baurath Prof. H.
Wagner- Darmstadt. Der erste Preis beträgt 2000, der zweite 1200
Mark. Einlieferungstag ist der 15. März 1891.
Ein entsetzliches Eisenbahnunglück, bei welchem 19 Personen
getödtet und 27 verletzt wurden, ereignete sich am 20. August d. J.
in den Vereinigten Staaten auf der Old Colony-Bahn nahe bei
Quincy in Massachusetts. In einem in der Bahnkrümmung liegenden
etwa 31/2 m tiefen Einschnitte war eine Rotte von Bahnarbeitern mit
dem Anheben des einen Geleises beschäftigt, als auf dem anderen
Geleise ein Kieszug mit solchem Geräusch vorbeifuhr, dafs das Heran¬
nahen eines von der entgegengesetzten Seite kommenden Personen-
Eilzuges vollständig überhört und infolge der Bahnkrümmung erst
bemerkt wurde, nachdem dieser Zug in gröfserer Nähe der Arbeiter
angelangt war. Diesen gelang es noch rechtzeitig, beiseite zu
springen, doch unter Zurücklassung eines Wuchtebaumes, gegen
welchen der Zug mit etwa 60 km Geschwindigkeit anfuhr. Die Ma¬
schine entgleiste imd wurde so weit zur Seite an die Einschnitts¬
böschung geworfen, dafs der Tender und die nächsten drei Wagen
an ihr vorbeisausten und dann ebenfalls entgleisten. Der vierte
Wagen fuhr indes mit solcher Gewalt gegen die Maschine, dafs
deren Trittbrett und das eine hintere Triebrad denselben an der
Kopfseite vollständig eindrückten. Bei der Gelegenheit wurde der
Abblasehahn der Maschine aus dem Kessel herausgerisseu, infolge
dessen der siedend heifse Dampf und das kochende Wasser mit
voller Spannung in das Wageninnere sich ergossen. Die gröfste Zahl
der unglücklichen Opfer wurde auf gräfsliche Weise verbrüht. Die
zunächst befindlichen wurden sofort getödtet, nur diejenigen, welche
sich im hinteren Wagentheil befanden, kamen, da sie Geistesgegen¬
wart genixg besafsen, die Fenster auf der oberen Seite des umge¬
stürzten Wagens einzuschlagen, mit dem Leben, aber nicht ohne
schlimme Brandwunden davon.
Verlag von Ernst & Korn (AVilhelm Ernst), Berlin. Für die Eeilaction des uichtamtlicbcu Tüeiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jalirgang. Berlin, 18. October 1890. Nr. 42.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.5 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark
INHALT: Amtliches: Bekanntmachung. — Personal - Nachrichten. — Nichtamt¬
liches: Kirche in Atzendorf. — Trockenlegung nasser Tuunelgewölbe und Wider¬
lager. (Schlufs.) — Eiuflnfs der Fahrgeschwindigkeit auf die Durchbiegung eiserner
Brücken. — Bodenfeuchtigkeit imd Sickerwassermengen. — Locomotivpfeifen für
starken und scliw’achen Ton. — Vermischtes: Lessing-Donkmal in Berlin. — Ge¬
setzliche Bestimmungen über Dampfkessel. — Elektrische Loconiotiv-Kopflatcrne. —
Alfredo Baccarini f. — Bücher schau.
Amtliche Mittheilungen.
Bekanntinaclmiig.
Nach § 17 der Vorschriften über die Ausbildung und Prüfung
für den Staatsdienst im Baufache haben die Meldungen zur Vor¬
prüfung im Laufe des Monats März oder des Monats Sep¬
tember zu erfolgen. Thatsächlich sind diese Meldungen bisher zum
allergröfsten Theile kurz vor Ablauf der genannten Monate einge¬
reicht worden. Infolge dessen haben die Prüfungen meistentheils
nicht so zeitig begonnen und zu Ende geführt werden können, wie
es wünschenswerth erscheint, um die regelmäfsige Fortsetzung der
Studien in den nächstfolgenden Monaten möglichst wenig zu beein¬
trächtigen. Wir sehen uns daher veranlafst, zu bestimmen, dafs die¬
jenigen Studirenden, welche sich erst in der zweiten Hälfte des März
oder September melden, auf eine Berücksichtigung ihrer Wünsche
betreffs des Zeitpunktes der Prüfung nicht zu rechnen haben. Ueber-
haupt können diese Wünsche nur so weit berücksichtigt werden, als
es mit dem Bestreben nach thunlichst schleuniger Erledigung sämt¬
licher Prüfungen vereinbar ist.
Berlin, den 7. October 1890.
Königliches technisches Prüfungsamt.
Oberbeck.
Personal - Nachrichten.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Eisenbahn - Betriebsdirector a. D. Steltzer in Kötzschenbroda bei
Dresden, bisher in Colmar i. E., den Kothen Adler-Orden III. Klasse
mit der Schleife, den Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren Nitsch-
mann und Königer in Halle a. S. und dem Land-Bauinspector Peltz
ebendaselbst, sowie den nachbenannten Grofsherzoglich badischen
Eisenbahn -Baubeamten, und zwar den Bahnbauinspectoren Gockel
in Lörrach, Gebhard in Zollhaus - Blumberg und Kräuter in
Stühlingen den Kothen Adler- Orden IV. Klasse, dem Baiidirector
V. Würthenau in Karlsruhe den Königlichen Kronen -Orden
11. Klasse und den Ober-Ingenieuren Kern in Basel und Gernet in
Karlsruhe den Königlichen Kronen- Orden III. Klasse zu verleihen,
ferner die Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren Baurath Sobeczko
in Nordhausen und Baurath Arndt in Münster zu Kegierungs- und
Bauräthen zu ernennen.
Es ist verliehen: dem Kegierungs- und Baurath Bode in Magde¬
burg die Stelle des Vorstandes des betriebstechnischen Bureaus —
Abtheilung I — der Königlichen Eisenbahndirection daselbst und
dem Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspector Königer in Halle a. S.
die Stelle des Vorstehers der zu dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-
Amte (Wittenberge-Leipzig) in Magdeburg gehörigen Bauinspection
in Halle a. S.
Der Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Nitschmann, bisher
in Halle a. S., ist als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche
Eisenbahn -Betriebs -Amt (Wittenberge-Leipzig) in Magdeburg ver¬
setzt worden.
Der Königliche Kegierungs -Baumeister vom Hove in Harburg
ist zum Eisenbahn -Bauinspector unter Verleihung der Stelle eines
solchen bei der Hauptwerkstätte daselbst ernannt worden.
Die bisherigen Königlichen Kegierungs - Baumeister Kirstein
in Harburg und Bachem in Elbing sind als Königliche Kreis-Bau-
inspectoren ebendaselbst angestellt worden.
Der Kreis-Bauinspector Baurath Delius in Eisleben ist mit der
Verwaltung einer Kegierungs- und Bauraths -Stelle bei der König¬
lichen Kegierung in Lüneburg betraut worden.
Der bisherige technische Hülfsarbeiter bei der Königlichen Ke¬
gierung, Bauinspector Trampe in Magdeburg, ist als Kreis -Bau¬
inspector nach Eisleben und der bisherige Kreis - Bauinspector
Bastian in Merseburg als Bauinspector an die Königliche Kegierung
in Magdeburg versetzt worden. lieber die Wiederbesetzung der
Kreis - Bauinspector - Stelle in Merseburg ist bereits anderweitig
verfügt.
Dem Docenten an der Königlichen technischen Hochschule in
Hannover, Ernst Müller ist das Prädicat Professor beigelegt worden .
Den bisherigen Königlichen Kegierungs - Baumeisteim Gustav
Uhlmann in Mannheim und Adolf Schiller in Köln ist die nach-
gesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Deutsches Keich.
Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, den Vor¬
tragenden Kath beim Keichs-Eisenbahnamt, Geheimen Kegierungsrath
Emmerich zum Geheimen Ober-Kegierungsrath zu ernennen.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Werk-
führer Weller bei der Locomotivwerkstätte Aalen zum ersten Werk -
führer bei dieser Werkstätte zu befördern.
[Alle Beeilte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Beiträge zur Kemitnifs der evangelischen Kirchenbaukunst in der Gegenwart.
8. Die Kirche in Atzendorf.
Die Gemeinde Atzendorf bei Schönebeck an der Elbe besafs aus
dem Mittelalter ein Gottesbaus scblicbten Kunstcharakters mit 420
Sitzplätzen. Es stammte, nach einer älteren, hier wiederholten Zeich¬
nung, wahrscheinlich aus dem Ende des 13. oder dem Anfänge des
14. Jahrhunderts. Längst war dasselbe für die stark angewachsene
Seelenzahl nicht mehr ausreichend, doch bedurfte es mehrjähriger
Verhandlungen, bevor der Entschlufs, die alte Kirche durch eine
neue auf gleicher Stelle zu ersetzen, allseitige Zustimmung fand.
Und zwischen Entschlufs und Ausführung vergingen wieder noch
einige Jahre. Der Vorentwurf wurde im Juli 1881 aufgestellt, aber
die Ausführung begann erst Ende October 1887, und die Einweihung
fand zwei Jahre später, am 28. November 1889 statt.
Mit Kücksicht auf die Seelenzabl von 2100 hätten rund 900 Sitz¬
plätze beschafft werden müssen; da man aber mit 820 auskommenzu
können glaubte, so wurde diese Zahl zu Grunde gelegt. Bei der
Ausführung sind sogar nur 760 Plätze zur Aufstellung gelangt.
Der sehr gut belegene, aber verhältnifsmäfsig enge Bauplatz
nöthigte zu einer starken Betonung der Längsrichtung. Diese schein-
430
Centralblatt der Bauverwaltung.
18. October 1890.
bare Fessel wurde ein Sporn, da es durch das Entgegenkommen
der Gemeinde gleichzeitig möglich wurde, von der Anlage von
Emporen abzusehen. So entstand eine
dreischiffige gewölbte Hallenkirche mit
einem Langhause von 18,20 m Breite
zu 36 m Länge. Im Osten schliefst
sich ein ^/s Polygonchor nebst qnerge-
legter Sacristei an, und im Westen steht
ein quadratischer Thurm von 7,50 m
Quadratseite und 56,50 m Höhe. Nur
eine, aus Eichenholz angefertigte Empore
für die Orgel und den Sängerchor ist
an der Westseite augeordnet. Das Lang¬
haus hat zweitheilige, der Chor ein-
theilige Fenster erhalten, die gepaarten
Klang - Arcadeu des Thurmes sind offen
geblieben.
Alle Umfassungsmauern bestehen aus
Kalkstein bezw. aus Sandstein. Der letz¬
tere, aus Wefenslebeu stammend, ist
zu Gesimsen, Abdeckungen, Mafs werken,
Arcadensäulen usw. verwendet; aus dem
ersteren, einem Muschelkalke von der
Atzendorfer Feldmark, sind die Mauern
und Strebepfeiler als hammerreclites
Bruchsteinwerk hergestellt. Der Kosten¬
schonung halber wurden die inneren
Eundpfeiler aus Backsteinen in Cement-
mörtel errichtet. Aus demselben Materiale
bestehen die spitzbogigen Arcaden, Gurte
und Kippen sowie die Seitenschiff’sge-
wölbe, während zu den hochbusigen
Gewölben des Mittelschiffs porige
Ziegel von Bitterfeld beschafft wurden.
Alle Bautheile erhielten Schieferbe¬
dachung. Die Bodenverhältnisse wa¬
ren im ganzen gut; die Fundamente
des Thurmes, der Innenpfeiler und
der Strebepfeiler sind so verbrei¬
tert worden, dafs der Untergrund
mit 2 kg auf 1 qcm belastet wird.
Die Beheizung erfolgt durch vier
in Nischen aufgestellte eiserne
Oefen, die mit den Hohlräumen
unter den Sitzbänken in Ver¬
bindung stehen, sodafs die kalte
Luft von unten abgesaugt wird
Grundrifs.
Kirche in Atzendorf.
hat zwei Auffangestangen erhalten, die unter sich und mit zwei
Erdplatten in Verbindung stehen. Drei neue Glocken in einem
eisernen Stuhle sind in dem obersten,
offenen Thurmgeschosse aufgestellt worden.
Die Opferfreudigkeit einzelner Wohl-
thäter hat die neue Kirche in würdiger
Weise bereichert. Dies beweisen die
figürlichen Glasmalereien in den drei
Chorfenstern, dies der marmorne Altar
mit ebensolchem Hochkreuze, die sand¬
steinerne Kanzel sowie reiche Teppiche,
Behänge u. dgl. Die 27 klingende Stim¬
men enthaltende Orgel — von Rühle¬
mann in Zörbig — erhielt ein Eichen¬
holzgehäuse. Der alte Renaissance -Tauf¬
stein bedurfte nur einer geschickten
Ausbesserung im Obertheile und Er¬
setzung seines schadhaften Fufses durch
einen neuen, um ferner in Benutzung zu
bleiben. Die mafsvolle, unter Anwendung
stilgemäfser Zierformen durchgeführte
Färbung des Innern bewahrt in wohl-
thuender Weise den echt protestantischen
Kunstcharakter. Die Akustik ist bei
gefüllter Kirche sowohl für Rede wde
für Gesang als gut zu bezeichnen, was
der sehr mäfsigen lichten Höhe in Ver¬
bindung mit den starken Rippen und
hohen Gewölbebusen zuzuschreiben sein
wird.
Die Oberleitung lag in den
Händen des Königl. Bauraths F i e b e 1 -
körn, die besondere Ausführung
hat der Regierungs -Baumeister Udo
Richter mit hingebender Liebe
und Sorgfalt bewirkt. Die Ermitt¬
lung der Kosten ist noch nicht
abgeschlossen; doch steht schon
jetzt fest, dafs dieselben nicht
mehr als 127 000 Ji betragen wer¬
den, wovon 8000 Jl auf die Orgel,
1000 JC auf den Altar und 600 Jt
auf die Kanzel entfallen. Daher
hat das Quadratmeter 154 M, das
Cubikmeter 12,7 M gekostet, und
die Einheitssumme für einen Sitz¬
platz stellt sich unter Zugrunde-
A°,
und erwärmt aus den Heiznischen wieder austritt. Der Blitzableiter I legung der vorgesehenen Plätzezahl auf rund 155,#. F. Adler.
lieber die Trockeiüegimg nasser Tiiiinelgewölbe und Widerlager.
(Schlufs.)
Bezüglich der Preise der Gesamtkosten und der Erfolge kann
folgendes mitgetheilt werden. Bei den ersten, in der vorbeschriebenen
Weise bearbeiteten Tunneln wurden alle Arbeiten durch geeignete,
im Tunnelbau und womöglich auch schon in dem anzuwendenden
Verfahren erprobte und als ganz zuverlässig bekannte Unternehmer
im Tagelohn ausgeführt, weil ein Mafsstab für Einheitspreise fehlte.
Mit dem Fortschreiten der Arbeiten liefs sich mit der Zeit, wenig¬
stens für gewisse Ausführungen, ein solcher Mafsstab gewinnen, ins¬
besondere für das Bohren der Löcher und für das Ausfugen der
Gewölbeflächen. Die Arbeit des Einspritzens dagegen ist mit einer
vereinzelten Ausnahme im Tagelohn weiter ausgeführt worden, weil
sich hier Einheitspreise für ein Loch schlechterdings nicht feststellen
lassen, da diese Arbeit einen sehr verschiedenen Zeitaufwand
erfordert und weil sich nach erfolgtem Einspritzen nicht mehr
feststellen läfst, welche Löcher ausgespritzt und welche durch den
eingespritzten Gement ausgefüllt worden sind, indem beide Arten
gleichmäfsig durch Holzstopfen geschlossen erscheinen. In dem er¬
wähnten Ausnahmefalle wurde der Versuch gemacht, den Sack ein¬
gespritzten Gementes als Grundlage der Einheitsberechnung zu wählen.
Das Ergebnifs war zwar nicht ungünstig, das Verfahren erfordert
aber naturgemäfs eine sehr sorgfältige Ueberwachung, welche zwar
auch bei der Tagelohnsarbeit geboten erscheint, dann aber auch bei
solchen Arbeiten, welche in hohem Mafse ein gewisses Vertrauen in
die Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit des Unternehmers voraussetzen,
einen um so sicheren Erfolg verspricht.
Durch die immer weiter ausgedehnten Arbeiten bildeten sich nach
und nach auch so gut geschulte Arbeiter und Aufseher, dafs diese
um Uebertragung der Arbeit in eigener Unternehmung baten und im
Wettbewerb mit den bisherigen Unternehmern billigere Einheits- und
Tagelohnsätze stellten, sodafs im allgemeinen eine Ermäfsigung
dieser ein trat. Wenn trotzdem eine Verringerung der Gesamtkosten
für das Quadratmeter trockengelegter Fläche nur vereinzelt eintrat,
vielmehr bisweilen eine erhebliche Vertheuerung dieser Gesamtkosten
nachweisbar ist, so zeigt diese Thatsache, dafs die örtlichen Verhält¬
nisse der verschiedenen Tunnel und in diesen wieder verschiedener
Strecken einen bei weitem überwiegenden Einflufs ausüben, und dafs
die auf die Einheit bezogenen Gesamtkosten überhaupt nicht für den
verhältnifsmäfsig kurzen Zeitraum einer Jahresarbeit und für eine
kleine Tunnelstrecke, sondern nur für längere Zeit und für gr-öfsere
zusammenhängende Gewölbeflächen, bei welchen die Arbeit zum
Ab schlufs gekommen ist, ermittelt werden dürfen.
In vier Tunneln der Eifelbahn wurden folgende Ergebnisse
erzielt :
Der Heinzkyller Tunnel durchbricht stark zerklüfteten Bunt¬
sandstein und gehörte zu den nässesten der ganzen Bahn; bei
starkem Gewitter- und anhaltendem Landregen strömte das Wasser
an einzelnen Stellen förmlich von dem aus Sandstein hergestellten
Gewölbe herab. Die von 1883 bis 1885 im Tagelohn ausgeführte
Trockenlegung war von durchschlagendem Erfolge begleitet;
die Kosten für die 2028 qm bearbeiteter Gewölbefläehe stellten sich
auf 11,74 Mark, und der Gementverbrauch betrug 73,5 kg für ein
Quadratmeter. Zu den Kosten ist hier, wie auch in den folgenden
Angaben, auch der Betrag für das Schlitzebrechen usw. einbegriffen;
dieselben sind auf die behufs Trockenlegung bearbeiteten Gewölbe¬
flächen bezogen.
Die Arbeiten im Mettericher Tunnel begannen 1882 und sind
Nr. 42.
Centralblatt der Bauverwaltang.
431
noch nicht ganz abgeschlossen, aber doch auf weite Strecken als
vollendet zu betrachten. Bis zum Februar 1886 wurde nur im Tage¬
lohn gearbeitet, dann nach Einheitssätzen von 3,80 Mark und 3,50
Mark für ein auszufugendes Quadratmeter und ein zu bohrendes
Loch, und diese Sätze gingen schliefslich auf 3,50 Mark und 3,25 Mark
herab. In Tagelohnarbeit waren 4845 qm zum Durchschnittspreise
von 11,62 Mark für das Quadratmeter bearbeitet, der Erfolg war
aber mäfsig. Mit der Gedingearbeit kamen noch 1220 qm dazu, es
wurden aber auch viele der schon früher behandelten Stellen nach¬
gespritzt, sodafs sich der durchschnittliche Gesamtkostenbetrag auf
14,93 Mark und der Cementverbrauch auf 61,5 kg für ein Quadratmeter
stellte. Der aufserordentlich hohe Einheitssatz von 28,08 Mark für
1 qm der 1220 qm im Gedinge behandelten Flächen ist zwar z. Th.
daraus zu erklären,
dafs in den älteren
Flächen Nachsprit¬
zungen stattfanden,
findet aber auch in
den schwierigeren ört¬
lichen Verhältnissen
seineBegründung, be¬
sonders in der That-
sache, dafs die im
Gedinge bearbeiteten
Flächen nicht so
nafs waren, wie die
im Tagelohn behan¬
delten. Der Tunnel
durchbricht Eifelkalk
und Mergel, und das
Gewölbe, besonders
das später bearbei¬
tete , war mehrfach
von Schlammablage¬
rungen bedeckt. An
solchen Stellen er¬
wiesen sich Schlitz¬
aufbrüche sehr wirk¬
sam, welche einige
starke, immerwährend
laufende Quellen zum
seitlichen Abflufs
brachten. Im allge¬
meinen war der Tun¬
nel nicht so nafs wie
der Heinzkyller und
weniger vom Tage¬
ais vom Gebirgs-
wasser feucht gewor¬
den. Der Erfolg der
Arbeiten ist ein be¬
friedigender.^
Der Looskyller
Tunnel durchbricht
Bunts an dstein mit et¬
was erdigen und tho-
nigen Beimengungen,
welche sich stellen¬
weise, wie beim Met¬
tericher Tunnel, als
Schlamm - Ablagerun ¬
gen auf der Gewölbe¬
fläche zeigten. Auch hier gelang die Wasserabführung an solchen
Einspritzungen wirkungslos zeigten, durch
Gesamtansicht.
Kirelie in Atzendorf.
Stellen, wo sich die
Schlitzaufbrüche bis zum Gewölbescheitel, auch konnten Tagewasser
aufsen oberirdisch abgeleitet werden. Trotzdem blieb noch an vielen
Stellen in gröfserer zusammenhängender Ausdehnung das Ein¬
spritzungsverfahren durchzuführen, um den sowohl von Tage-, wie
von Gebirgswassern nassen und stark tropfenden Tunnel trocken zu
legen. Die Arbeiten begannen im Mai 1886 und sind Ende 1889 im
wesentlichen abgeschlossen. Die auch hier festgesetzten Einheits¬
preise gingen von 3,80 Mark und 3,50 Mark für das Ausfugen eines
Quadratmeters und das Bohren eines Loches schliefslich Mitte 1889 auf
1,50 Mark und 1,80 Mark herab. Die Gesamtkosten stellen sich auf
nur 7,46 Mark und der Cementverbrauch auf nur 36 kg f. 1 qm der
3893 qm grofsen bearbeiteten und mit gutem Erfolge trockengelegten
Flächen.
Der Kuckukslay-Tunnel durchbricht ähnliches Gebirge, wie
der Looskyller, aber mit mehr Thonlagern, und zeigt einige ausge¬
dehnte, fast immer stark tropfende Stellen. Die Arbeiten sind erst im
Jahre 1889 begonnen und noch nicht zum Abschlufs gebracht, das
Ergebnifs ist daher kein endgültiges und befriedigendes. Mit einem
Kostenaufwand von 15,77 Mark f. 1 qm bespritzter Fläche sind von
378 qm bearbeiteter Fläche erst 78 qm trocken geworden, trotz eines
Cementverbrauches von 123 kg auf 1 qm der bespritzten Fläche und
von 82 kg auf ein bespritztes oder hierbei ausgefülltes Bohrloch.
Während der Arbeit wurden die festgesetzten Einheitspreise für die
bei den vorerwähnten Tunneln genannten Arbeiten von 3,50 Mark
und 3,25 Mark auf 2,20 Mark und 2,25 Mark herabgesetzt. Das
Ergebnifs bei diesem Tunnel zeigt recht deutlich, dafs Arbeiten
kleinen Umfanges kein richtiges Bild geben, und diese Erfahrung
kann noch allgemein dahin ergänzt werden, dafs das Ergebnifs um
so besser wird, mit je bedeutenderen Mitteln und in je gröfserem
Umfange man die Arbeiten betreibt. Man darf daher nicht aus dem
etwaigen Mifserfolge
im kleinen betriebe¬
ner Vei’suche un¬
günstige und unrich¬
tige Schlüsse auf das
ganze Verfahren zie¬
hen, welches sich im
allgemeinen bei grö¬
fserem Arbeitsfeld
recht gut bewährt.
Dies hat sich z. B.
auch im Nitteler
Tunnel der Mosel¬
bahn gezeigt , der
Muschelkalk und
Sandstein durchbricht
und mit Sand- und
Kalksteinen ausge¬
mauert ist. Vom
Juni 1885 bis Ende
1889 sind hier mehr¬
fach Ausspritzungs¬
arbeiten an stark
nassen Stellen vor¬
genommen worden,
welche erst im Tage¬
lohn ausgeführt, dann
aber nach Einheits¬
preisen zu je 2,50
Mark f. 1 qm aus¬
gefugter Fläche und
ein gebohrtes Loch
bewirkt wurden.
Diese Preise ermäfsig-
ten sich mit der Zeit
auf je 2 Mark, auch
wurde hier der schon
erwähnte Versuch mit
dem Bezahlen des Ein-
spritzens nach dem
Cementverbrauch ge¬
macht, indem für das
Einspritzen eines
Sackes Cement zu
50 kg zuerst 2,10 Mark
und dann 1,80 Mark
bezahlt wurden. Wäh¬
rend nun bis zur einst¬
weiligen Einstellung
der Arbeiten im Jahre 1887 ohne durchschlagenden Erfolg für 1 qm
bespritzter Fläche 21,29 Mark Kosten und ein Cementverbrauch von
142,5 kg erwachsen waren, ermäfsigten sich diese Sätze schliefslich
auf 5,18 Mark und 34,5 kg, sodafs sie jetzt nach Abschlufs der Ar¬
beiten durchschnittlich 13,73 Mark und 58,5 kg bei 2366 qm be¬
arbeiteter und wirklich trockengelegter Gesamtfläche betragen.
Zum Schlüsse sei noch ein bisher fast gänzlich mifsglückter
Versuch, aus dem Meulewald - Tunnel der Moselbahn, hervor¬
gehoben, welcher wegen der muthmafslichen Ursachen des Mifs-
erfolges mittheilenswerth erscheint. Der Tunnel durchbricht Bunt¬
sandstein mit vielen Thonlagern und ist an zahlreichen Stellen
stark feucht mit langsamem Tropfenfall. Die Einspritzungen be¬
gannen im Juli 1887 und wurden alle Jahre wiederholt.
Bei der zuerst in Angriff genommenen Stelle zeigte sich gar
kein Erfolg, und es stellte sich später heraus, dafs die Gewölbe¬
fläche schon mit einer, allerdings ganz unwirksamen Asphaltschicht
überzogen war, die ein erfolgreiches Eindringen des Gementes in die
hinten offenen Fugen verhinderte. Bei Versuchen an andern, nach¬
weisbar nicht mit Asphalt belegten Gewölbestellen war zwar das
Holzstich V. O. Hbel.
432
Centralblatt der Baiiverwaltung.
18. Octobev 1800.
Ergebnifs ein etwas besseres, aber doch immer noch selir ungünstig,
obgleich durchsebnittlicli 22,14 Mark an Kosten und 142,5 kg an
Cementverbraucli auf 1 qm bespritzter Fläche sich ergaben, wobei
noch zu berücksichtigen ist, dafs die Fugen in der Leibungsfläclie
meist so dicht waren, dafs ein Ausfugen entbehrlich erschien, also
besondere Kosten hierfür nicht erwuchsen. Abgesehen davon, dafs,
wie sieh leider zu spät zeigte, der ausführende Unternehmer und
seine Arbeiter wohl nicht die unbedingt nothwendige Sachkenntnifs
in ausreichendem Mafse hesafsoi, ist dieser Mifserfolg höchst wahr¬
scheinlich den starken Thoneinlagerungen zuzuschreiben, welche vom
Gebirgswasser aufgelöst werden, die Gewölbeoberfläche mit Schlamm
überziehen und das MAsser zwar immerwährend, aber nur in ge¬
ringen Einzelmengen, die auf gröfsere Flächen gleichmäfsig vertheilt
sind, an das Gewölbe abgeben, dies also nicht sowohl nafs als gleich¬
mäfsig feucht machen. Hier wird daher zunächst durch Aufbrüche
vom "Widerlager her festgestellt werden müssen, ob bezw. in welcher
Weise die Trockenlegung überhaupt möglich ist. Nach den im
Looskyller und Mettericher Tunnel mit solchen Aufbrüchen ge¬
machten sehr guten Erfahrungen darf gehofft werden, dafs schon
durch sie allein, vermöge der durch sie erreichten unmittelbaren
Wasserabführung nach der Seite hin, eine erhebliche Besserung des
jetzigen mifslichen Zustands eintreten wird.
Betrachtet man zum Schlüsse das Gesamtergebnifs, so zeigt sich,
dafs in wirklich nassen Tunneln, welche in möglichst reinem Gesteine
liegen, das Verfahren des Cementeinspritzens mit den geringsten
Mitteln zum besten Erfolge führt — Ileinzkyller und Looskyller
Tunnel — ; je mehr erdige, besonders thonige Lagen im Gebirge ver¬
kommen, um so unsicherer wird der Erfolg, und desto gröfser werden
die Kosten. An recht nassen Tunnelstellen ist meist die Gewölbe¬
oberfläche rein, daher auch der Erfolg ein besserer, als an nur
feuchten Stellen, über welchen nur zu oft schlammige Ablagerungen
stattgefunden haben.
Die Gesamtkosten sind zwar recht hohe, aber bei sachgemäfser
und nicht zu beschränkter Ausführung werden sie meist von Erfolg
gekrönt sein. Die Arbeiten erfordern aber ein sehr gut geschultes,
zuverlässiges Personal und sind in mancher Hinsicht Vertrauens¬
sache. Uebertriebene Sparsamkeit bei der Auswahl der Unternehmer
und Arbeiter kann daher leicht zu theuren Mifserfolgen führen.
Trier, im Januar 1890. Blum.
Zur Frage des Einflusses der Fahrgescliwindigkeit auf die Durchbiegung eiserner Brücken
sind uns zwei Meinungsäufserungen zugegangen, die wir nachstehend
beide wiedergeben, da sie den Gegenstand in etwas verschiedener
Weise behandeln.
I.
Zu den auf Seite 317 und 318 d. J. des Centralblattes der Bau¬
verwaltung mitgetheilten Beobachtungen über die Verminderung der
Durchbiegung der Eisenbahnbrücke über die Dordogne bei zu¬
nehmender Fahrgeschwindigkeit wird auf S. 400 eine Erklärung zu
geben versucht, die sich im wesentlichen auf den Einflufs der durch
die bewegten Lasten in der Fahrtrichtung ausgeübten wagerechten
Kräfte stützt. Dafs derartige Kräfte vorhanden sind und auch einen
merkbaren Einflufs auf die Beanspruchung der eisernen Brücken
(insbesondere der Fahrbahnen) ausüben, ist bekannt. Von einiger
Erheblichkeit werden diese Kräfte aber ihrer Gröfse nach nur, wenn
der fahrende Zug auf der Brücke stark gebremst wird.*) Dieser Fall
war wohl bei den an der Dordognebrücke angestellten Messungen
ausgeschlossen; denn es ist erstens an sich iinwahrscheinlich, dafs
man auf der neuen Brücke Bremsversuche vorgenommen haben sollte,
ferner kommt aber auch in Betracht, dafs in dem Berichte immer
nur vom Einflufs der Fahrgeschwindigkeit und nicht von dem
Einflüsse des Bremsdruckes die Rede ist. Wird also angenommen,
dafs der Belastungszug mit gelösten Bremsen über die Brücke ge¬
fahren ist, dann folgt, dafs derselbe nur aufserordentlich kleine
Wirkungen in der Fahrtrichtung ausgeübt haben kann. Bezeichnet
man den von der Fahrgeschwindigkeit abhängigen Theil des Wider¬
standes mit JF, so ist nach den Untersuchungen von Professor
A. Frank zu setzen
rr= 0,1225 (F1+F2) v-i
worin Fi und Fi die Widerstandsflächen für Locomotive und Zug in
Quadratmetern, v die Fahrgeschwindigkeit in Secundenmetern bedeutet
und JV in Kilogramm erhalten wird. Für einen aus drei Güterzug-
locomotiven und zehn beladenen, offenen Güterwagen bestehenden
Belastungszug ist z. B. nach Frank (wenn die Widerstandsfläche der
zweiten und der dritten Locomotive je gleich der eines hinter dem
Tender laufenden Gepäckwagens geschätzt wird) Fi-\- F2 = 8-\-2 . 1,7
10 .0,4 = 15,4 qm, womit bei einer Fahrgeschwindigkeit
von
10
20
30
40
50
Stundenkilometern
oder
2,78
5,56
8,33
11,2
13,9 Secundenmetern
TV=
14,6
58,3
131
236
364
kg.
Das Zuggewicht würde etwa 360 t und TF hiernach höchstens
ein Tausendstel desselben betragen. In diesem Verhältnifs würde
die Durchbiegung des Trägers vergröfsert werden, wenn aufser dem
Zuggewicht die Kraft TV (in entsprechender Vertheilung auf die
einzelnen Achsen) senkrecht nach unten wirkte. Nun läfst sich aber
leicht nachweisen, dafs bei allen gebräuchlichen Balkenbrücken wage¬
rechte Kräfte meist einen viel geringeren Einflufs auf die Durchbiegung
ausüben als senkrechte. Damit folgt aus vorstehender Rechnung,
dafs die durch Geschwindigkeitsändei’ungen bewirkten Aenderungen
in der Gröfse der wagerechten Kräfte die Durchbiegung jedenfalls
nicht um ein Tausendstel zu ändern vermögen, dafs also die an
der Dordognebrücke wahrgenommene Aenderung um 530 Tausend¬
stel anderen Ursachen zugeschrieben werden mufs. Die Schlufs-
*■) S. z. B. Deutsche Bauzeitung für 1885 und 1887. Auf Seite 358
des Jahrganges 1885 ist der Schub eines mit 30 km Geschwindigkeit
fahrenden und 340 t schweren Zuges, der durch Bremsen auf lOO m
Entfernung zum Stehen gebracht wird, zu 12 t berechnet.
bemerkung des Aufsatzes auf Seite 318 d. Bl. dürfte daher auch jetzt
noch ihre Gültigkeit haben. Dr. H. Zimmermann.
II.
In Nr. 38, S. 400 des Centralblatts der Bauverwaltung weist
Herr Prof. Kick zur Erklärung für die eigenthümlichen Ergebnisse
bei der Probebelastung der Dordognebrücke bei Cubzac (Verminde¬
rung der Durchbiegung um 53 pCt. bei einer Erhöhung der Fahr¬
geschwindigkeit um 40 pCt.) auf die Einwirkung des Horizontalschubs
hin, welchen die Zugkraft der Locomotive auf die Brückenträger
ausübt. Wenn nun auch ein derartiger Einflufs unzweifelhaft wirk¬
sam ist, so ist derselbe doch thatsächlich so gering, dafs er praktisch
keine Bedeutung besitzt, wie folgende kurze Betrachtung zeigt.
Bezüglich der Zugkraft Z machen wir die ungünstige Annahme,
dafs sie ausschliefslich am vordersten Punkte des Zuges wirksam
sei, und dafs von der Gegenwirkung der rollenden Reibung der
Wagenräder abgesehen werde. Befindet sich nun die Fahrbahn in
der Ebene der untern Gurtungen, so werden nur die letzteren durch
die Zugkraft beansprucht und zwar mit G = Z : F auf die Quadrat¬
einheit. Setzt mau den Querschnitt constant, so entspricht der con-
stanten Spannung der untern Gurtung eine Durchbiegung
gV^ __ ZP
” 8Eh “ 8EFh ’
wo E = Elasticitätsmodul, / = Trägerlänge, h = Trägerhöhe, wenn
man für den vorliegenden Zweck einer Vergleichung Einzelträger der
Rechnung zu Grunde legt.
Ist das Zugsgewicht = /) auf 1 Meter, die Widerstandszilfer = in,
so wird, wenn Zuglänge = Oeftnungsweite,
Z = IV pl und d'i =
^ ^ 8EFI1
Bei der Probelastung der Brücke von Cubzac ragte der Zug
noch in die benachbarte Oeffnung hinein, sodafs Z einen gröfseren
Werth annahm. Näherungsweise kann man für die Hauptbrücke bei
den obwaltenden Verhältnissen setzen
Z = 1,5 ivp l und
Die Einsenkung durch die Verticallast beträgt unter ähnlichen
Voraussetzungen
5 pF 5 p F
' J "" 192 EFIF^
wenn man annimmt, dafs sich die vernachlässigten Einflüsse der
Formänderung der Streben und der Belastung der anstofsenden Oetf-
nung annähernd aufheben.
Das Verhältnifs der beiden Durchbiegungen ergiebt sich nun zu
d'i : 4 = ^,2 w y = 0,72 für y = ~.
Die Widerstandziffer w kann gesetzt werden
w = 0,0021 für eine Geschwindigkeit von 25 km die Stunde
w = 0,0027 „ „ „ „ 35 „ „ „
Hiernach ist die der Zugkraft entsprechende Durchbiegung höch¬
stens = 0,72 . 0,0027 =0,0019 = rund V5 pCt. der Durchbiegung unter
den verticalen Lasten; sie kommt somit für vorliegende Frage nicht
weiter in Betracht.
Eine ausreichende Erklärung für die mitgetheilten Belastungs-
Nr. 42.
Centralblatt der Bauverwaltung,
4.33
ergebnisse kann meines Erachtens nur in Mängeln der Beobachtung
gesucht werden. Bei allen bis jetzt bekannt gewordenen Belastungs¬
versuchen, mit Trägern der verschiedenartigsten Systeme und Spann¬
weiten, hat sich ein wesentlicher Unterschied in den Durchbiegungen
bei ruhender und bei bewegter Last nicht herausgestellt. Es dürfen
daher Abweichungen von solcher Gröfse, wie sie für die Dordogne-
brücke angegeben sind, so lange als irrthümlich bezweifelt werden,
bis sie durch erneute Beobachtungen unzweifelhaft ihre Bestätigung
gefunden haben.
Karlsruhe, im October 1890. Fr. Engefser.
Bodenfeuchtigkeit und Sickerwassermengen
Bekanntlich vermag man durch richtige Wahl der Culturart eine
theilweise Austrocknung des Bodens herbeizuführen und besitzt hier¬
mit ein nicht zu unterschätzendes Hülfsmittel für die Trockenlegung
von Ländereien. Durch Auffor¬
stungen zumal von Föhrenwäldern
(Pin. silv.) und geschickte landwirth-
schaftliche Behandlung sind unge¬
sunde versumpfte Gegenden in ge¬
sündere culturfähige Strecken ver¬
wandelt worden. Die Kenntnifs des
Einflusses der einzelnen Culturarten
auf die Bodenfeuchtigkeit und die
Durchdringung der Sickerwässer ist
deshalb nicht allein vom landwirth-
schaftlichen und hygienischen, son¬
dern auch vom technischen Stand¬
punkte aus wichtig. Hierauf be¬
zügliche eingehende Untersuchungen
sind nun in letzter Zeit von Pro¬
fessor Ebermayer in München an¬
gestellt und in Wollnys „Forschungen
auf dem Gebiete der Agricultur-
physik“ Jahrgang 1889 veröffentlicht
worden: „Einflufs des Waldes und
der Bestandesdichte auf die Boden¬
feuchtigkeit und auf die Sicker¬
wassermengen“. Dieselben verdie¬
nen, weil sie viele neue und be¬
deutsame Ergebnisse bieten, weitere
Beachtung.
Der Versuch selbst bestand
darin, dafs 1,2 m tiefe und einen
Flächeninhalt von 4 qm besitzende
Gruben mit wasserdichten aus einer
Mischung von Kalkkies, Kalksand
und Gement gebildeten Seitenwan¬
dungen und muldenförmiger, eben¬
falls undurchlässigen Sohle herge¬
stellt und mit Humusboden ange¬
füllt würden. Die erste Grube wurde
mit sechsjährigen Fichten, die zweite
mit sechsjährigen Buchen, die dritte
mit Gras, die vierte mit Moos be¬
pflanzt, während die fünfte ohne
jede Bedeckung blieb, also kahles
Feld darstellte. Die Bodenfeuchtig¬
keit in den Gruben wurde nun in
drei verschiedenen Tiefen, und zwar
von 5 — 10 cm, 40 cm und 80 cm,
mehrmals im Monat innerhalb zweier
Jahre beobachtet, wobei sich folgen¬
des Ergebnifs herausstellte. Der mit
Moos bedeckte Boden war der ver-
hältnifsmäfsig feuchteste, sodann folg¬
ten der vegetationslose, der mit
Buchen und der mit Fichten be¬
stellte Boden, während unter der
Grasnarbe das Erdreich am trocken¬
sten blieb. Bei den Baumpflanzungen
weisen nur die obersten Bodenschich¬
ten infolge der gehemmten Luftbewe¬
gung durch den Bestandschlufs und der Verhinderung der Verdunstung
durch die Streudecke eine erhebliche Feuchtigkeit auf, während schon
in der Tiefe der Wurzelregion eine gröfsere Trockenheit herrscht als
beim unbedeckten Boden. Sowohl im Wald- wie im Ackerboden
nimmt der Feuchtigkeitsgehalt nach dem Wurzelraume zu ab, wäh¬
rend beim unbebauten Lande das umgekehrte Verhältnifs sich findet.
Die gröfste Fähigkeit, das Wasser der oberen Bodenschichten in
sich aufzunehmen, wohnt infolge der regen Wurzelthätigkeit dem
Grase bei. In zweiter Linie folgt hierauf der Wald, der je nach der
Belaubung, der Dichtigkeit, dem Aufsaugungsvermögen der Baumart
und der Dauer der Zeit des Wachsthums eine mehr oder weniger
grofse Austrocknung herbeiführt. Im mittleren Alter, wo das Wachs¬
thum der Bäume am stärksten ist, entwässern dieselben auch am
besten, während im Jungholzalter wegen des geringeren Wachsthums
und der schwächeren Kronenausbildung der Bäume der Wasserver¬
brauch nur klein ist, und in älteren
haubaren Beständen , zumal wenn
dieselben schon theilweise gelichtet
sind, die Niederschläge freien Zu¬
tritt erhalten und der Wassergehalt
im tieferen Wurzelraum beinahe den
des vegetationslosen Bodens erreicht.
Was nun die weitere Untersuch¬
ung der Sickerwässer betrifft, so
wm-de in die Sohle der Versuchs¬
gruben ein Hohr eingelegt, welches
zu einem unterirdischen Mefsbe-
hälter führte, und das bis zur Gru¬
bensohle, also 1,2 m tief, durchge¬
drungene Sickerwasser gemessen.
Der gesamte Jahresniederschlag be¬
trug 957,95 mm, das Sickerwasser
pCt. der
mm Nieder¬
schläge
67,13 od. 7,0
49,41 „ 5,1
39,39 ,. 4,1
29,35 „ 3,0
Hiernach ergiebt der mit Moos
bedeckte Boden die gröfste, der mit
Fichten bestellte Waldboden die
geringste Sickerwassermenge. Die
Versuche mit Wiesenboden konnten
wegen eingetretener Störungen nicht
zu einem sicheren Ende geführt
werden, doch haben frühere Beob¬
achtungen bereits gezeigt, dafs Gras¬
land erheblich weniger Niederschläge
versickern läfst, als kahles Land;
schwache Kegen verdunsten schon
an den Halmen der Gräser und
vermögen gar nicht in den Boden
einzudringen. Beachtenswerth ist,
dafs der mit Buchen bepflanzte
Boden mehr Wasser in die Tiefe
abgiebt als der Fichtenwaldboden;
die Fichten erhalten wegen ihres
dichten Bestandes den Boden in
jeder Jahreszeit am trockensten, so-
dafs an Beobachtungen auf einigen
forstlichen Stationen in Bayern der
Grundwasserstand in Fichtenwäldern
sich oft tiefer ergab als im benach¬
barten Freilande. Auffallen mufs
der geringe Procentsatz der Sicker¬
wässer in einem 1,2 m tiefen Hu¬
mus-Erdreich im Vergleich zu den
Niederschlagsmengen, da beim un¬
bebauten Boden in trockenen Jah¬
ren 86 pCt., im Durchschnitt 80 pCt. der Niederschläge aufgesogen
werden. Bemerkt sei hierbei, dafs bei Anfüllung der Versuchsgruben
mit andern Bodenarten als Humus-Erde der Procentsatz der Sicker¬
wässer erhebliche Abweichungen gegen die vorstehenden Angaben
aufweisen dürfte; so wird sich derselbe bei durchlässigem Sande usw.
erheblich höher stellen.
Professor Ebermayer kommt am Schlufs seiner Abhandlung zu
dem für den Hydrotechniker bemerkenswerthen Ergebnifs, dafs Wald¬
boden sich zwar günstiger für die Quellenbildung stellt als mit Gras
und Futtergewächsen bestellter Boden, dieselbe jedoch weniger
fördert als vegetationsloses Land. Mit dem Fallen des Waldes
müfste der Quellenreichthum abnehmen, da der Boden sich dann mit
bei der Moosdecke
beim vegetations¬
losen Lande . . .
beim mit Buchen be¬
pflanzten Boden .
beim mit Fichten be¬
pflanzten Boden .
Kirche in Atzendorf.
434
Centralblatt der Bauverwaltung.
18. October 1890.
kleiner Vegetation bedecken würde, die mehr Wasser aufsaugt und
darum weniger Niederschläge versickern läfst als Waldboden.
Auffallen mufs hierbei, dafs Ebermayer den Waldboden als
weniger günstig für die Qnellenbildung bezeichnet als kahles Frei¬
land. Dies kann nur für ebene, wenig geneigte Bodengestaltung
gelten, auf die sich auch die angeführten Bodenuntersuchungen be¬
zogen. In gebirgigen Gegenden, in denen vorwiegend die Quellen¬
bildung stattfindet, sind die Verhältnisse andere: Auf den geneigten
kahlen Bergabhängeu fliefsen die Niederschläge schnell und ohne zur
Versickerung zu gelangen ins Thal hinab, und nach ihrem Abfiufs
bewirkt die Sonnenstrahlung eine baldige Austrocknung der Gehänge.
Sind die Bergabhänge dagegen mit Wald bedeckt, so zerstäuben die
Niederschläge in den Kronen der Bäume und gelangen fein vertheilt
auf den dichten und moosbedeckten Waldboden, der sie wie ein
Schwamm aufsaugt, bei der geringen Verdunstung länger aufbewahrt
und nur allmählich in die Tiefe als Quellwasser abgiebt. Waldiges
Gebirge wird deshalb stets quellenreicher sein wie unbebautes kahles
Bergland. W. P.
Locoinotivpfeifen für starken und schwachen Ton.
Der im März d. J. ergangene Ministerial-Erlafs über die Loco-
motivpfeifen bringt die Frage, wie dieselben am zweckmäfsigsten
einzurichten sind aufs neue zur Besprechung, wozu die folgenden
Zeilen einen Beitrag liefern mögen.
Nach dem Erlafs ist eine weitere Einschränkung der vorgesehenen
Signale der Betriebssicherheit wegen nicht mehr angängig. Um
jedoch die Belästigung der Anwohner und Eeisenden so weit als
möglich zu vermindern, wird in allgemeinen Umrissen Gebrauch und
Einrichtung der Dampfpfeifen für drei Locomotivgruppen vorge¬
schrieben mit dem Anheim¬
stellen, die Locomotiven dieser
Gruppen nach Art der von ihnen
beförderten Züge entweder mit
zwei Pfeifen für verschieden
starke Töne, oder nur mit
einer Pfeife für zwei solche
Töne auszurüsten.*)
Beide Einrichtungen werden
vielfach verwendet: an den mei¬
sten Locomotiven begnügt man
sich jedoch der Einfachheit
wegen mit nur einer Pfeife.
Die Verwendung zweier Pfeifen
ist, namentlich in England,
wegen mangelnder Benutzung
meist wieder aufgegeben. Eine
zweite Pfeife erscheint als
keine Nothwendigkeit; bevor
man zu einer solchen greift,
wird man erst alle Mittel er¬
schöpfen, um das Verlangte mit
nur einer Pfeife zu erzielen.
Ebenso wird man derartige Ein¬
richtungen, soweit sie sich bis¬
her bewährt haben, thunlichst
beizubehalten suchen. Es sollen Schnitte tc — r. Abb. 3.
daher die Locomotivpfeife und Abb. 1.
ihr Gestänge, wie dieselben etwa
nach den Normalien ausgebildet worden sind, einer kurzen Betrachtung
unterworfen werden.
Will man für obigen Zweck mit nur einer Pfeife auskommen,
so mufs man mit derselben den kräftigen wie den schwachen Ton in
gleicher Güte, auch bei verschieden hohem Dampfdruck, hervor¬
bringen können. Die Pfeife ist deshalb in denjenigen Theilen, welche
für die Erzeugung eines brauchbaren schwachen wie starken Tones
hauptsächlich in Frage kommen, entsprechend auszubilden. Letzteres
verursacht für den starken Ton keine Schwierigkeit, schwache Töne
erfordern jedoch grofse Sorgfalt in der Ausführung der betreffenden
Pfeifentheile; die schwachen Töne sind deswegen bisher auch selten
zufriedenstellend ausgefallen.
An dem Tone selbst unterscheidet man seine Höhe und seine
Stärke. Die Tonhöhe wird wie bekannt durch die Form der
Pfeifenglocke bestimmt, höherer Dampfdruck steigert die Höhe des
Tones nur unerheblich. Ueberschreitet der Ton eine gewisse Höhe,
Schnitte x — y.
*) An der kürzlich in Glasers „Annalen“ veröffentlichten Ein¬
richtung mit zwei Pfeifen ist die seit 1853 bekannte, aber bald ver¬
lassene Doppelbewegung des Pfeifenhandhebels nach links und rechts
wieder benirtzt. Die Handbewegung für den oft benutzten schwachen
Ton wird sich der Führer bald angewöhnen, nicht so die seltene für
den starken Ton. Der Hinweis auf den Eegulatorhebel trifft hierbei
nicht zu, weil dessen Bewegungen nach links und rechts stets mit
einander abwechseln. Die Pfeife mit dem starken Ton darf der
Locomotivführer zur Probe auch nicht beliebig ertönen lassen, um
nicht Belästigungen herbeizuführen; dieselbe wird daher leicht un¬
brauchbar werden. Eine Pfeife mit zwei verschieden starken Tönen
unterliegt dagegen durch den dauernden Gebrauch selbst auch nur
eines Tones der steten Prüfung, ähnlich wie die Luftpumpe für die
Carpenterbremse, durch stetes Arbeiten.
so wird er für das Ohr verletzend, wie man es z. B. an vielen Pfeifen
der Locomotiven der Berliner Stadtbahn beobachten kann: die ge¬
eignete Tonhöhe wird dort oft überschritten, die Pfeifen ertönen mit
einem höchst unangenehmen „Kickser“. Da man aber die Form der
Pfeifenglocke ganz nach Belieben ausbilden kann, so hat man
es in der Hand, j ede gewünschte und geeignete Tonhöhe fest¬
zulegen. Mit Eücksicht auf den schwachen Ton empfiehlt es sich
aufserdem, den Eand der Glocke scharf und sie selbst dünn¬
wandig auszuführen; die Glocke spricht dann für schwachen Ton
viel leichter an, ohne dafs der
kräftige Ton dadurch benach-
theiligt wird.
Die Tonstärke wird durch
den Druck bedingt, mit wel¬
chem der Dampf den Eand der
Pfeifenglocke trifft. Dieser
Druck ist naturgemäfs viel ge¬
ringer als der im Kessel der
Locomotive, weil der Dampf
auf dem Wege durch das Pfeifen¬
rohr bis zur Glocke sich er¬
heblich ausdehnt. Diese Aus¬
dehnung des Dampfes, nachdem
er das Pfeifenventil v (Abb. 1)
verlassen hat, hängt ab von
der Ventilöffnung, von der Zahl,
Weite und gleichmäfsigen Ver-
theilung der Löcher l (Schnitte
a?— y), hauptsächlich aber von
der Weite s des ringförmigen
Spaltes , durch welchen der
Dampf zur Glocke tritt, und
von der Entfernung h derselben
von diesem Spalt. Auch diese
Verhältnisse können für starken
und schwachen Ton in gewissen
Grenzen noch beliebig gewählt
werden.
Will man die Pfeife für den schwachen Ton benutzen, so läfst
man nur wenig Dampf durch ihr Ventil gehen; diese geringe Dampf¬
menge bestreicht dann nach ihrer Ausdehnung die Glocke mit ver-
hältnifsmäfsig geringem Druck. Zum Durchlafs für diese geringe
Dampfmenge, benutzt man den cylindrischen Ansatz c der Ventil¬
stange über der Kegelfiäche des Ventils v. Nimmt man den Durch¬
messer dieses cylindrischen Ansatzes etwas geringer als den Durch¬
messer des Pfeifenrohres an dieser Stelle, oder schneidet man von
dem Ansatz c bei sonst dampfdichtem Abschlufs im Pfeifenrohr ein
kleines Segment ab, oder versieht man ihn mit kleinen halbrunden
Nuthen, wie die Schnitte iv — z (Abb. 1) zeigen, so schlüpft durch
diese kleinen Nebenöff’nungen genügend Dampf zur Erzeugung des
schwaches Tones, wenn das Ventil v nur mäfsig geöffnet wird. Für
gleichmäfsigen Dampfdurchflufs und Vertheilung im Pfeifenrohr ist
die feine ringförmige Oeftnnng die beste; die segmentförmige lang¬
gezogene und einseitig angebrachte die schlechteste, der mit ihr
erzeugte schwache Ton wird leicht rauh und unklar. Einen guten
Dampfdurchlafs und klaren Ton geben die kleinen halbrunden Schlitze,
welche ebenso wie die Löcher /, gleichmäfsig am Umfang vertheilt
werden müssen. Zwei solcher Schlitze von 2 — 3 mm Durchmesser
genügen bereits für obigen Zweck.
Nach dieser Darlegung bleibt noch übrig, den Pfeifenzug (das
Gestänge) zum bequemen Geben des starken und schwachen Tones
einzurichten. Eine solche Einrichtung ist in Abb. 2 und 3 durch ein¬
fache Linien dar gestellt; dieselbe weicht von der sonst üblichen
Ausführung kaum ab, alle bekannten Theile findet man an ihr wieder.
Auf der Hebelwelle o sind die Hebel für die Zugleine und für die
Zugstangen nach dem oberen Pfeifenhebel und der Handhebelwelle A'
angebracht; alsdann noch der Hebel o a an dem die Spiralfeder F
angreift, um den Pfeifenzug nach jedesmaligem Gebrauch in die
ir. 42.
Centralblatt der Bauverwaltung.
435
Kulielage zurückzuführen. Das Seliliefsen des Pfeifenventils bewirkt
eine besondere kleine Spiralfeder im Kopf des Pfeifenrohrs.
Abweichend von der sonst üblichen Befestigung, ist der Feder¬
hebel o a so auf die Welle o gesetzt, dafs er in der Ruhelage des
Gestänges nach dem Auf hängepunkt p der Feder zeigt. Bringt
man den Handhebel in die Stellungen B, C und 2>, so nehmen
die anderen Hebel die Lagen 2, 3, 4, der Federhebel die Stellungen
ob, o c und o d ein. Die Feder F streckt sich dabei um die Mafse i,
k und t, diesen entsprechend steigt auch der Widerstand der Feder.
Nach letzterem wird also das Gestänge für den schwachen
Ton sehr leicht, für den starken Ton nur mit gröfserer
Kraftanwendung zu bewegen sein. Dieser steigende Wider¬
stand der Feder, warnt aufserdem den Locomotivführer
jedesmal vor Ueberschreitung der Grenze zwischen dem
schwachen und starken Ton. Die Feder F kann ohne Schwierigkeit
die geeignete Form und Stärke erhalten, um diesen nützlichen Wider¬
stand für die jedesmalige Warnung des Führers sicher zu erzielen.*)
*) Sollte dieser Widerstand der Gestängefeder die Locomo-
Die Pfeife giebt den schwachen Ton, wenn der Handhebel die
Lagen von EB bis EC einnimmt; erst von der Lage EC ab er¬
scheint der starke Ton, indem sich das Pfeifenventil dabei ganz
öffnet. Damit der Führer einen gewissen Spielraum für seine
Handbewegung beim Geben des schwachen Tones erhält, hat man
den Winkel B E C nur grofs genug zu machen. Dieser Winkel
hängt aber ab von der Höhe des cylindrischen Ansatzes c über dem
Pfeifen Ventil, man wird diesen Ansatz also nicht zu niedrig annehmen
dürfen. Alle vorstehend berührten Verhältnisse an Pfeife
und Gestänge können beliebig verändert und festgelegt
werden; ihre Wahl läfst sich leicht so treffen, dafs den
gestell ten Anforderungen auch mit nur einer Pfeife ent¬
sprochen werden kann. M _
tivführer doch nicht abhalten Ueberschreitungen zu begehen, so
könnte man an dem Gestänge noch eine Vorrichtung (Schalt- und
Schreibwerk) anbringen, welche jede Ueberschreitung der Grenze E C
(Abb. 3) aufschreibt, ähnlich wie es bei Drucküberschreitung an
den Dampfkesseln oder durch die Radtaster auf Gefällstrecken
geschieht.
Vermischtes.
Das Denkmal GottboM Ephraim Lessings in Berlin ist am Vor¬
mittage des 14. Octoher in Gegenwart Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen
Leopold, als Stellvertreter Sr. Majestät des Kaisers, feierlich enthüllt
worden. Ein seltsames Walten des Geschickes hat gefügt, dafs ein
Urgrofsneffe unseres grofsen Denkers und Dichters der Schöpfer des
Standbildes geworden ist. Professor Otto Lessing, dessen decoratives
Talent schon so viele Proben abgelegt und sich besonders bei der
äufseren und inneren Ausgestaltung zahlreicher Schöpfungen unserer
Architekten in anerkennenswerthester Weise bewährt hat, ging im
Jahre 1887 aus dem Wettbewerb um die Ausführung jenes Denkmals
unter den zahlreich auf dem Plan erschienenen Meistern mit seinem
Entwurf als Sieger hervor. Das damals in der Skizze Vorgeführte
steht nunmehr im grofsen vollendet da — ein Denkmal, welches in
erheblichem Gegensätze zu unseren neueren Monumenten insofern
steht, als bei ihm eine reichere barock-decorative Wirkung des Sockels
sowohl nach der formalen, wie nach der farbigen Seite angestrebt
wurde.
Am Saume des Thiergartens an der Lenne-Strafse, unfern der
Stelle, wo Goethes Marmorbild emporragt, hat im Kranze alter Bäume
das neue Werk seinen Standort erhalten. Innerhalb eines vortrefflich
geschmiedeten, in gefälligen Rococoformen gehaltenen und stellen¬
weise vergoldeten Gitters, dessen Mittelfelder abwechselnd das
.doppelte L und die drei Ringe aus der Parabel des Nathan ent¬
halten, erhebt sich auf achtseitigem Unterbau von drei geschliffenen
grauen schwedischen Granitstufen der mit zwei weiteren Stufen be¬
ginnende polirte rotbe schwedische Granitsockel, an den breit ab¬
gestumpften Ecken mit gefällig geschwungenen Consolen versehen,
welche oben die Abschlufsplatte stützen. Auf einer Plinthe stehend
ragt über diesem 4 m hohen Sockel die in weifsem carrarischen
Marmor gemeifselte, 3 m hohe Figur Lessings empor. Wie die für
Braunschweig von Rietschel geschaffene Gestalt, ist auch diese schlicht
und recht, ohne malerisch drapirte Toga, in der Tracht ihrer Zeit,
mit Kniehosen, langschöfsiger Weste und Jabots, vorn offenem Rock
und wohl frisirtem und gepudertem Haupthaar dargestellt. Fest und
energisch, wie zum siegreichen Vorwärtsschreiten bereit, steht der
Vorkämpfer für Toleranz da, die Rechte leicht an die Hüfte gelehnt
und in der gesenkten Linken ein Buch haltend. In den Zügen, die
nach Graffs Bildnifs geformt sind, prägt sich die geistige Bedeutung
des Helden in Verbindung mit einem feinen Anfluge von Sarkasmus
vortrefflich aus. Hinter der Figur ist über ein niedriges Postament
ein Mantel geworfen, der in reichem Faltenspiel nach rechts über
die Plinthe auf den rothen Granit des Sockels fällt. Der letztere hat
reichen Schmuck erhalten. Auf jeder Seite hebt sich kräftig von dem
Roth des Granits ein schön umrahmtes Rococo-Schild in leuchtender
Vergoldung ab. Das vorderste trägt die Inschrift; „Gotthold Ephraim
Lessing“,* während das rückwärts befindliche das Bildnifs Nicolais, und
die beiden seitlichen, unter welchen schwach patinirte Bronce-Delphine
Wasser in kleine Becken speien, jene Moses Mendelssohns und
Kleists in meisterlichem Flachrelief aufweisen. Ein schöner figür¬
licher Schmuck tritt als wesentlichste Zierde des Sockels noch hinzu:
Vorn lagert in malerischer Stellung auf den rothen Granitstufen und
das Haupt zu Lessiög begeistert emporgewendet der Genius der
Humanität, eine jugendliche, geflügelte Gestalt in Bronce, die Rechte
mit der flammenden Schale hinanreichend, in der Linken einen
Oelzweig als Sinnbild des Friedens haltend und sich stützend auf
eine Tafel, welche die Schlufsverse aus Nathans Erzählung von
den drei Ringen in erhabener Schrift daxbietet. Hinten, vor dem
Bildnifs Nicolais, ruht in bezeichnender Geberde eine zweite Bronce-
gestalt, der Genius der Kritik, mit der Rechten die Geifsel schwin¬
gend, neben sieb die Eule, und mit der Linken das dem Gegner
entrissene Löwenfell haltend. Beide Gestalten sind, was ihre warme
Wirkung wesentlich erhöht, unter Verwendung des Wachsausschmelz¬
verfahrens gegossen worden und haben demnach keine Ciselirung
erfahren.
In seiner ganzen Wirkung genommen, wird man dem in seiner
Hauptfigur vorzüglich charakterisirten Denkmal trotz des bei ihm
entfalteten decorativen Reichtbums und trotz seiner ausgezeichnet
abgewogenen Verhältnisse doch nicht so unbedingt Beifall spenden
können, denn das Standbild in seinem Marmorweifs steht auf dem
rothen Granitsockel als ein zu schroffer farbiger Gegensatz da;
eine farbige Harmonie ist nicht erreicht, das Obere und das Untere
des Denkmals gehen keine coloristiscbe Verbindung ein, weil, wenn
man so sagen darf, die Mitteltöne fehlen. Demgegenüber entstrahlt
den ganz im klassischen Weifs des carrarischen Marmors gehaltenen
Denkmälern Goethes und Schillers eine vornehme Harmonie, ein
eigenthümlicher, fleckenloser Adel, welcher die Hoheit der Gestalten
wunderbar steigert.
Zum Schlufs sei derjenigen noch gedacht, welche an der Aus¬
führung des Denkmals mitgewirkt haben. Die Uebertragung des
Standbildes in Marmor rührt vom Bildhauer Bauch her, der Bronce-
gufs der unteren Figuren und der Portraitreliefs von der Actien-
gesellschaft für Bildgiefserei, vormals H. Gladenbeck u. Sohn, die
Granitarbeit von M. L. Schleicher und die schmiedeeisernen Gitter
von P. Marcus, Als betbeiligt bei der Ausarbeitung der architek¬
tonischen Theile ist noch zu erwähnen der Baudirector Rettig, und
bei der Anlage bezw. Herrichtung des Aufstellungsplatzes und der
Umgebung desselben der Thiergarteninspector Geitner. G. B.
Neue Bestimmungen über die Anlegung sowie die Genehmigung,
Prüfung und Revision der Dampfkessel sind durch Bekanntmachung
des Herrn Reichskanzlers vom 5. August d. J. auf Grund des Bundes¬
rathsbeschlusses vom 3. Juli d. J. erlassen worden. Von den früheren
Vorschriften weichen dieselben insbesondere in folgenden Punkten ab.
Jeder Dampfkessel mufs mit einem metallenen Schilde (Fabrik-
scbilde) versehen werden, welches die Angaben über Herkunft und
Dampfspannung enthält, auch nach der Ummantelung oder Ein¬
mauerung sichtbar bleiben mufs und dessen Kupferniete gelegentlich
der Wasser druckprüfung durch den Beamten oder staatlich ermäch¬
tigten Sachverständigen abgestempelt werden. Der Stempel ist in
der über die Prüfung aufzunebmenden Verhandlung (Prüfungs-
zeugnifs) zum Abdruck zu bringen. Einer Wiederholung der Prüfung
bei dem Uebergange des Kessels in einen anderen Bundesstaat be¬
darf es nicht.
Dampfkessel, welche unter Räumen, in denen Menschen sich
aufzuhalten pflegen, aufgestellt werden sollen, dürfen für nicht mehr
als sechs Atmosphären Ueberdruck bestimmt sein, und es darf das
Product aus der feuerberührten Fläche in Quadratmetern und der
Dampfspannung in Atmosphären Ueberdruck nicht mehr als dreifsig
betragen; bisher waren nur vier Atmosphären und ein Product von
zwanzig gestattet, sodafs dem Bedürfnifs des Kleingewerbes nach
billiger Betriebskraft Rechnung getragen worden ist. Dampfkessel,
welche aus Siederöhren von weniger als 10 cm Weite bestehen,
unterliegen diesen Bestimmungen nicht.
Bewegliche Dampfkessel (Locomobilen) sind mit Rücksicht
darauf, dafs sie eine gröfsere Gefahr als feststehende Kessel bieten,
künftig alljährlich einer äufseren Revision und alle 3 Jahre einer
inneren Revision oder Wasserdruckprobe zu unterwerfen. Diese
436
Centralblatt der Bauverwaltung,
18. Oetober 1890.
Wasserdruckprobe erfolgt bei Kesseln, welche für eine Dampfspannung
von nicht mehr als 10 Atmosphären Ueberdruck bestimmt sind, mit
dem Ib'ifachen Betrage des genehmigten Ueberdruckes, bei allen
übrigen Kesseln mit einem Drucke, welcher den genehmigten Ueber¬
druck um 5 Atmosphären übersteigt. Die Genehmigungsurkunde,
welche die Angaben des Fabrikschildes, das Prüfungszeugnifs und
den Vermerk über die zulässige Belastung der Sicherheitsventile
enthalten mufs, und das Revisionsbuch sind an der Betriebsstelle
aufzubewahren. Als bewegliche Dampfkessel dürfen nur solche
Dampfentwickler betrieben werden, zu deren Aufstellung und In¬
betriebnahme die Herstellung von Mauerwerk, welches den Kessel
umgiebt, nicht erforderlich ist.
Jeder Dampfschiffskessel ist mindestens alljährlich einer
äufseren Revision und alle zwei Jahre einer inneren Revision oder
Wasserdruckprobe zu unterziehen; für die letztere gelten dieselben
Bestimmungen wie für bewegliche Kessel.
Durch die neuen, für alle Bundesstaaten des Deutschen Reiches
geltenden Bestimmungen ist die volle Freizügigkeit der Dampfkessel
hergestellt worden. Garbe.
Eine elektrische Locoinotiv ■ Kopflaterne ist neuerlich bei
einem Zuge der nordamericanischen Columbus-, Hockingthal- und
Toledo -Bahn versuchsweise angewendet worden. Die Laterne hatte
5000 Kerzenstärken und wurde von einer kleinen, oben auf dem
Kessel hinter der Laterne angebrachten, mit Locomotivdampf ver-
soi-gten Antriebsmaschine gespeist. Die Beschaffungskosten der
Einrichtung betrugen 1100 Mark. Nach dem von den Engineering
Eews als sehr zufriedenstellend bezeichneten Versuchsergebnissen
konnte man Gegenstände in 1500 m Entfernung noch deutlich unter¬
scheiden.
Alfretlo Baccariiii f. In der Nacht vom 3. zum 4. Oetober ist
der ehemalige italienische Arbeitsminister Baccarini in Rom einer
schmerzvollen Krankheit erlegen. Am 26. August 1826 in Russi in
der Romagna geboren, befand er sich auf der Universität Bologna,
als 1848 der Aufstand ausbrach. Seine Betheiligung bei demselben
hatte zur Folge, dafs ihm die Ablegung der Ingenieur-Prüfung nicht
gestattet wurde, wodurch er sich genöthigt sah, zunächst in unter¬
geordneter Stellung Beschäftigung zu suchen. Von 1854 ab war er
beim Stadtbauamt in Ravenna angestellt und gehörte zu den Ver¬
trauensmännern, welche die 1860 erfolgte Lostrennung der Romagna
vom Kirchenstaat vorbereiteten. Nach Errichtung des Königreichs
Italien wurden ihm die Vorarbeiten für eine Bahnverbindung mit der
Schweiz anvertraut, später als Oberingenieur in Grosseto die Leitung
der Bodenbesserungen in den toscanischen „Maremmen“ (Küsten-
sümpfeu). 1872 erfolgte seine Berufung in das Ministerium der öffent¬
lichen Arbeiten, in welchem er bald darauf die Geschäftsleitung des
Haupt- Wasserbauamts übertragen erhielt. 1876 wixrde er als Inspector
des „Genio Civile“ Mitglied im Obersten Rath des Bauwesens.
Gleichzeitig trat er als Abgeordneter für Sant’ Arcangelo in die
Kammer ein, zu deren eifrigsten Mitgliedern er von nun ab bis zu
seinem Tode gehörte. Unter Zanardelli war er eine Zeit lang Unter-
staatssecretär, sodann in den beiden Ministerien Cairoli und nach
dessen Sturz im Ministerium Depretis Arbeitsminister, im ganzen
etwa fünf Jahre lang vom März 1878 bis Mai 1883 nait kurzer Unter¬
brechung. Gerade in jener Zeit sind die meisten Gesetze über die
öffentlichen Bauten Italiens entstanden, an deren Ausführung noch
jetzt gearbeitet wird, und zu deren Vollendung noch eine Reihe von
Jahren erforderlich ist. Nachdem er 1883 aus dem Staatsdienst ge¬
schieden war, lebte Baccarini als Civilingenieur in Rom, für die
fachlichen Bestrebungen als Ehrenmitglied und Vorsitzender des
italienischen Ingenieur- und Architekten -Vereins eben so thätig, wie
für die Fragen des öffentlichen Lebens als Hauptführer der gemäfsigt-
radicalen Partei. Abgesehen von seiner staatsmännischen, vorzugs¬
weise der Bauverwaltung gewidmeten Wirksamkeit, hat Baccarini
dem italienischen Bauwesen mancherlei Dienste geleistet. Besonders
verdient das unter seiner Leitung bearbeitete vortreffliche Werk
„Cenni monografici dei singuli servizi dei Lavori Pubblici“ Erwäh¬
nung, das in 12 Bänden eine ausführliche Schilderung der Entwick¬
lung des italienischen Bauwesens bis 1878 enthält und später fort¬
gesetzt worden ist; eine für die Ausstellung in Palermo bestimmte
Fortsetzung wird zur Zeit bearbeitet. Auch über die Bodenbesse¬
rungen Italiens, über die hydrographische Statistik, über die italieni¬
sche Wasserwirthschaft, über die Tiber- Regulirung hat Baccarini
Arbeiten von technischer Bedeutung veröffentlicht, ferner mehrere
Schriften über das Eisenbahnwesen, mit dessen jetziger Gestaltung
er sich nicht befreunden konnte. Obgleich entschiedener Gegner des
Staatsbetriebes der Eisenbahnen, trat er stets dagegen auf, den Be¬
triebsgesellschaften die Bauausführung der Bahnen zu überlassen.
Als Ingenieur tüchtig, als Staatsmann thatkräftig, geachtet auch von
den politischen Gegnern, allbeliebt im ganzen Lande, besonders bei
seinen Facbgeiiossen, ist er dahingeschieden. Sein Verlust wird all¬
gemein betrauert. — K. —
Büclierscliau.
Beiikmiiler der Kunst. Zur Uebersicht ihres Entwick¬
lungsganges von den ersten künstlerischen Versuchen bis
zu den Standpunkten der Gegenwart. Bearbeitet von Prof.
Dr. W. Lübke und Prof. Dr. C. v. Lützow. 6. Auflage. Stuttgart
1890. Paul Neft”. 203 Tafeln (darunter 7 Farbentafeln) Querfolio.
Mit etwa 2400 Darstellungen und erklärendem Textband. Klassiker-
Ausgabe in 36 Lieferungen zu je 1 Jt. Stahlstich-Ausgabe in
36 Lieferungen zu je 2 Jt (früherer Preis 160 M).
Dieser von Franz Kugler- mit Unterstützung von Guhl und Caspar
begründete, durch die unter dem Titel genannten bedeutenden For¬
scher bis auf die Gegenwart fortgeführte Kunstatlas bildet seit einer
geraumen Reihe von Jahren ein überaus willkommenes Hülfsmittel
beim Studium der Kunstgeschichte und erfreut sich dauernd der
Gunst aller Gebildeten. Leider stand seiner weitesten Verbreitung
bisher immer noch die durch die theuere Stahlstichherstellung ver¬
ursachte nicht unbeträchtliche Höhe der Anschaffungskosten im
Wege. Die Hülfsmittel neuester Technik haben es den rührigen
Verlegern ermöglicht, die vorliegende sechste Ausgabe zu ganz be¬
deutend ermäfsigten Preisen zu liefern, und es wird ihnen dadurch
gewifs gelingen, das Absatzgebiet des Werkes wesentlich zu erweitern.
Gleichzeitig hat aber auch der Stoff eine nicht unerhebliche Bereiche¬
rung erfahren. Zehn neue Tafeln sind hinzugetreten, welche sowohl
der Kunst des Alterthums wie der neueren und neuesten Zeit ge¬
widmet sind und dem Architekten insbesondere die Ausgrabungs¬
ergebnisse der letzten Jahrzehnte auf griechischem und asiatischem
Boden sowie die neuerdings in den Vordergrund des Interesses ge¬
tretenen Baudenkmäler der nordischen Renaissance, des Barock und
Rococo bieten. Wird ihn deren übersichtliche Zusammenstellung
vornehmlich anziehen, so wird der gesamte Inhalt des Bilderwerkes
zu einer Erleichterung und auch Vertiefung seiner Studien nicht
unwesentlich beitragen; denn ein erfolgreiches Eindi-ingen in das
Wesen der Baukunst von einst und jetzt wird sich immer nur da¬
durch ermöglichen lassen, dafs auch ein klares Bild des Entwicklungs¬
ganges der übrigen, mit der Architektur so eng verwachsenen bilden¬
den Künste gewonnen wird. — d.
Die Bau» und Kuiistdenkmäler des Regierungsbezirks Köslm.
Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und
Alterthumskunde. Bearbeitet von Ludwig Böttger, Landbau¬
inspector im Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Heft H. Kreis
Belgard und Nachträge zum Kreise Colberg-Körlin. Stettin, 1890.
Löon Saunier. 68 S. in gr. 8“ mit Abbildungen im Text. Preis 2 J/.
Diese zweite Lieferung folgt in ihrer Anlage durchaus der ersten,
auf deren Besprechung’ wir uns somit beziehen dürfen.*) Wenngleich
die Aufgabe, welcher der Verfasser sich unterzogen, eine nicht gerade
dankbare war, indem die Denkmäler des Kreises Belgard, von der sehr
mifshandelten Marienkirche der gleichnamigen Stadt abgesehen, nur
selten sich zu kunstgeschichtlicher Bedeutung erheben oder durch
hohes Alter die Aufmei'ksamkeit fesseln, so ist der Verfasser dennoch
augenscheinlich bestrebt gewesen, diese in möglichster Vollständig¬
keit zusammenzustellen. Besondere Anerkennung verdienen die sehr
zahlreich beigegebenen Abbildungen (wiederum Zinkhochätzungen)
sowohl in der Wahl des Gegenstandes als auch in der Darstellungs¬
weise. J. Kohte.
Zeichen-Vorlagen aus dem Gebiete der Stereotoinie, bearbeitet
und herausgegeben von Ernst Fischer, ord. Professor an der Kgl.
techn. Hochschule in München. 1. Heft. Nürnberg, 1890. Friedr.
Korn.
Das Werkchen enthält auf 6 Blättern 2" und 18 Seiten Text
in 8“ vier Steinschiiittaufgaben nach eigener Erfindung des Herrn
Verfassers. Wenn auch nicht schwierig, so sind die Aufgaben doch
keineswegs ganz elementar. Sie setzen die Kenntnifs der Projections-
lehre und der Anfangsgründe des Steinschnittes voraus. Die Lösung
liegt in den Tafeln vor und findet in dem beigegebenen Text ihre
Erklärung. In einem Anhänge sind für zwei Fälle auch die Glei¬
chungen der Schnitt curven, welche sich aus den Durchdringungen
ergeben, entwickelt. Referent ist leider zu wenig mit der Bearbeitung
stereotomischer Aufgaben vertraut, um die Vortheile dieser Berech¬
nungen für die zeichnerische Lösung der Aufgaben genügend würdi¬
gen zu können. Die Ausführung der Tafeln entspricht — „wegen
des zu hohen Kostenpunktes“ — nicht ganz den Originalzeichnungen,
doch sind die Gegenstände klar zur Anschauung gebracht und ist das
Heftchen eine dankenswerthe Bereicherung des zeichnerischen Lehr¬
stoffes. B.
*) Vgl. Jahrg. 1889, S. 512.
Verlag von Ernst & Korn CWilhelm Ernst), Berlin. Für die Ecdaction des nichtamtlichen Theilos verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kers kes, Berlin.
Jir. 42A-
Centralblatt der Bauverwaltung.
437
INHALT: Einfliifs der BieKung auf die Abnutzung .an den Sti'itzfliicheu der Eisen-
bahuscliieueu. — Dritte Confeienz zur Vereinbarung einheitlicher Priifungsverfahren.
— Vermischtes: Eisonbahnfachwisscnschaftliche Vorlesungen in Preufseu. — Bau¬
lichkeiten der Pariser Weltaussteiluug von 1889. — B ii c li e r schau.
[Alle liechte Vorbehalten.]
Einflufs der Biegung auf die Abnutzung an den Stützflächen der Eisenbahnschienen.
Sieht man von den Zerstörungen ab, welche infolge von Her¬
stellungsfehlern auftreten können, so bleiben zweierlei wesentlich
verschiedene Arten des Verschleisses der Oberbautheile übrig, nämlich
die Abnutzung des Schienenkopfes durch die Einwirkung der über
die Lauffläche rollenden Räder und die Abnutzung der Flächen und
Kanten, in welchen sich die Schiene auf die Unterlagsplatte oder
die Laschenanlage, sowie gegen die Hakennägel, Schienenschrauben
oder sonstige Befestigungsmittel stützt. Der allmähliche Verbrauch
des Schienenkopfes stellt sich als unvermeidliche Folge der stützenden
und besonders der führenden Thätigkeit der Schiene dar; er ist nicht
wesentlich bedingt durch die Tragfähigkeit derselben und soll hier
nicht weiter in Betracht gezogen werden. Das gegenseitige Ab¬
schleifen der Schiene und der sie stützenden Theile hängt dagegen
— aufser von der Beschaffenheit der Berührungsflächen — von der
Gröfse des Flächendruckes und der gegenseitigen Verschiebungen
ab, also von Einflüssen, die theils zufälliger, theils gesetzmäfsiger
Art sind. Die ersteren, also namentlich die durch Unregelmäfsig-
keiten der Bahn und der Fahrzeuge verursachten Stöfse, sind durch
sorgfältige Herstellung und Unterhaltung des Geleises zu bekämpfen;
die Einflüsse zweiter Art können
durch passende Wahl der Formen
und Abmessungen der Ober¬
bautheile wesentlich vermindert
werden. Um zu zeigen, worauf
es hierbei hauptsächlich ankommt,
soll nachstehend ein einfaches
Beispiel vorgeführt werden.
Ein bei Ä und B, Abbildung 1,
frei auf festen Stützen ruhender
Träger von überall gleichem Quer¬
schnitt mit dem Trägheitsmoment
J und dem Elasticitätsmafs E
werde im Abstande x von der
Längenmitte belastet. Während die Last von Null bis zu dem End-
werthe G anwächst, erleidet die untere Seite des Trägers eine Aus¬
dehnung, mit welcher im allgemeinen eine gegenseitige Verschiebung der
sich berührenden Flächen des Trägers und der Lager verknüpft ist.
Die Gröfse dieser Verschiebung hängt nicht nur von der Gröfse der
Last und von der Form des Trägers, sondern natürlich auch von der
Beschaffenheit der Lagerflächen ab. Falls die Reibung an letzteren
nicht aufsergewöhnlich grofs ist, tritt deren Einflufs bei den ge¬
bräuchlichen Abmessungen der Schienen gegenüber der unmittelbaren
Wirkung der Last sehr zurück. Es kann deshalb die Gröfse der
Verschiebung hier näherungsweise so berechnet werden, als ob die
Lagerung vollkommen reibungsfrei wäre.*) Wie sich die Ver¬
schiebung auf die beiden Stützpunkte A und B vertheilt, das hängt
ebenfalls mit von der Art der Lagerung, aufserdem aber davon ab,
in welcher Weise die Last auf den Träger gebracht wird. Wäre
z. B. der Träger am Lager A befestigt, so würde die Verschiebung
gegen das Lager B selbstverständlich stets gleich der [Gesaintver-
schiebung sein; könnte der Träger dagegen in beiden Lagern gleiten,
und wäre an beiden Stellen die Reibungsziffer dieselbe, so würde
nur in A eine Verschiebung eintreten, falls die Last G unmittelbar
auf den Punkt C gesetzt würde. Dies leuchtet sofort ein, wenn man
erwägt, dafs bei der in der Abbildung dargestellten Lage von C der
Lagerdruck, mithin auch der Reibungswiderstand bei A kleiner ist,
als bei B. Wird aber die Last nicht bei C aufgesetzt, sondern von
einem Ende des Trägers her bis in die Lage C geführt, so vertheilt
sich die Gesamtverschiebung auf beide Lager. Um zu ermitteln,
in welcher Weise diese Vertheiluug stattfindet und welche Reibungs¬
arbeit dabei geleistet wird, ist der Vorgang in seinen einzelnen
Theilen zu untersuchen.
Es sei zunächst die Gesamtverschiebung für irgend eine Last¬
stellung zu berechnen. Denkt man sich den Träger bei C eingespannt
und an den Enden mit den Lagerdrücken A und B belastet, so er¬
geben sich — bei Vernachlässigung der Wirkung der Schubkräfte —
die Neigungen a und ß der Stützenquerschnitte gegen ihre Anfangs¬
lage (nach Formeln, die hier als bekannt vorausgesetzt werden
dürfen) **) ;
*) Die Berücksichtigung der Lagerreibung würde keine grofsen
Schwierigkeiten verursachen, aber zu viel weniger übersichtlichen
Ergebnissen führen, womit die obige Vereinfachung wohl gerecht¬
fertigt ist.
**) Vergl. z. B. die Entwicklung von Koenen im Jahrgange 1882
auf Seite 190 des Centralbl. der Bauverw.
G
^ 2 E j ^ i E
B
G
^ ^ 2 E J ~~ ^~Jl
Hieraus folgt
G
G
« + = cTElf ~ ^ j ^
Durch Multiplication der so gefundenen Werthe mit dem Abstand e
der Lagerfläche von der Biegungsachse des Schienenquerschnittes er-
giebt sich die Gesamtverschiebung, beziehungsweise die Aenderung,
welche dieselbe erfährt, wenn die Last G ihren Abstand x von der
Mitte des Feldes um die kleine Länge dx ändert. Die Arbeit
welche in letzterem Falle an den Auflagerflächen verbraucht wird,
erhält man durch Multiplication der bezüglichen kleinen Verschiebung
mit dem zugehörigen, entgegen gerichteten Widerstande, d. h. mit
dem Producte aus dem Auflagerdruck und der Reibungsziffer f.
Werden dann die so für alle möglichen Laststellungen bestimmten
Theilarbeiten summirt, so ergiebt sich die dem einmaligen Uebergang
der Last über die ganze Feldlänge entsprechende Reibungsarbeit äl,
welche offenbar in geradem Verhältnisse zu der Abnutzung der Lager¬
flächen stehen mufs, mithin als Abnutzungsmafsstab für die unter¬
suchte Trägeranordnung dienen kann.
I. Es möge nun vorerst angenommen werden, dafs der Träger
mit keinem der beiden Lager fest verbunden sei. Dann wird bei
einer Verschiebung der Last stets dasjenige Ende gleiten, welches
den geringeren Druck auf das Lager ausübt, also das rechte oder
das linke Ende, je nachdem sich die Last auf der linken bezw.
rechten Hälfte des Trägers befindet. Wenn die Last z. B. am linken
Trägerende auffährt, so verschiebt sich das rechte Ende so lange, bis
die Last die Trägermitte erreicht hat; dann verschiebt sich das linke
Ende, bis die Last am rechten den Träger verläfst. Während der
ersten Hälfte dieses Vorganges ist nach obigem die Theilarbeit
cZSli — Bf. e.d{a-\-ß) = — ^E^Jl
Die Integration von x ~ — l bis x = 0 ergiebt für die erste Hälfte
des Lastweges die Arbeit
-4-
2EJI V2 3 j 12EJ'
-l
In ähnlicher Weise kann auch die Arbeit 3(2 für die zweite Hälfte
des Lastweges bestimmt werden. Mit Rücksicht auf die (bei Nicht¬
berücksichtigung des Einflusses der Lagerreibung auf die Gröfse von
« und ß) vorhandene Symmetrie ist jedoch von vornherein klar, dafs
(absolut genommen) 3(2 == 3(i sein mufs. Die Gesamtarbeit für ein¬
malige Befahrung des beiderseitig frei aufliegenden Trägers von der
Länge 2 1 ist also
u 3t = - 2t. =
-Ul
Während die Last vom linken Trägerende nach der Mitte vor¬
rückt, bewegt sich das rechte Ende nach rechts; während die Last
hierauf von der Mitte nach dem rechten Ende fortschreitet, bewegt
sich das linke Trägerende um die gleiche Länge, und zwar offenbar
ebenfalls nach rechts. Der ganze Träger wandert also in der¬
selben Richtung, wie die Last; die Gröfse des so bei einmaliger Be¬
fahrung zurückgelegten Weges ergiebt sich mit x = Q aus der obigen
Gleichung für a ß durch Multiplication mit e zu
GcP
^ “ 2EJ‘
Auf diese — jedenfalls nur eine unter vielen darstellende — ■
Ursache des Wanderns der Schienen ist anscheinend zuerst von
Professor J. B. Johnson in St. Louis hingewiesen worden.*)
II. Es werde jetzt angenommen, dafs zur Verhütung des Wanderns
das linke Ende des Trägers mit dem Lager fest verbunden sei.
Dann wird für die erste Hälfte des Lastweges die Verschiebung des
rechten Trägerendes in genau derselben Weise stattfinden, wie zuvor;
mithin mufs auch die Arbeit 3(i den gleichen Werth haben. Für die
zweite Hälfte des Lastweges verschiebt sich das rechte Trägerende
=
) Centralblatt der Bauverwaltung 1888, S. 347.
22. Octobei 1800.
438
Ceutralblatt der ß auverwaltuug.
in entgegengesetzter Eichtung. Die an
arbeit ist (ihrem Absolutwertlie nach)
cl^[, ^ - Bf . e . d(a ß) =
demselben verrichtete Theil-
G^^ef . , ,
Die Integration von x = 0 bis x = l ergiebt die Arbeit
~ 2 EJl , V 2 + 3 / “ V2EJ ^
0
womit die Gesamtarbeit für die einmalige Befahrung des an einem
Ende befestigten, am anderen frei aufliegenden Trägers von der
Länge 2 l den W erth
G^’-efP
II)
% = 9(, 4- 31, =
2EJ
erhält. Geht die Bewegung der Last vom rechten Trägerende aus,
so ändert sich nur das Vorzeichen von dx; man findet also für 91,
vom Vorzeichen abgesehen, wieder denselben Werth wie bei der
Bewegung von links nach rechts.
Der Einflufs der Laststellung läfst sich sehr gut veranschaulichen,
wenn man die beiden Glieder der Gröfse d9( : dx als Function von x
aufträgt. Es ergeben sich dann die nachstehenden beiden Abbildungen,
in welchen die krummen Linien Parabeln sind, und die von diesen
und einer unter 45° geneigten Ge¬
raden eingeschlossenen Flächen¬
räume sich wie die Gesamtarbeiten
I,. - I -
Abb. 2. Fall I. Abb. 3. Fall II.
verhalten. Die Höhe dieser Fläclien an einer beliebigen Stelle bietet
zugleich einen Mafsstab für den Zuwachs, den die Arbeit erfährt,
wenn die an jener Stelle befindliche Last um die Längeneinheit von
links nach rechts fortschreitet.
Ein Vergleich zwischen den Formeln I und II lehrt, dafs bei
dem festliegenden Träger die Eeibungsarbeit dreimal so grofs ist,
als bei dem wandernden Träger, dafs aber im Bau der Formeln
kein Unterschied besteht; die weiteren Betrachtungen gelten daher
für beide Fälle. Man erkennt leicht, dafs die Eeibungsarbeit 91 ab¬
nimmt, wenn das Elasticitätsmafs E und das Trägheitsmoment J,
also die Steifigkeit des Trägers wächst, dafs sie sich dagegen ver¬
mehrt mit zimehmender Gröfse der Last G, der Trägerhöhe e, der
Eeibungsziffer f und der Stützweite 2 1. Von besonders grofsem
Einflufs sind G und /, da sie im zweiten Grade in der Gleichung
auftreten. Für ein vorwiegend an die Festigkeitsgleichungen ge¬
wöhntes Auge hat das Erscheinen des Quadrates der Last etwas
Befremdliches; es erklärt sich dies aber leicht, wenn man bedenkt,
dafs die Eeibungsarbeit eben das Product aus Eeibungswiderstand
und Gleitweg ist, und dafs jeder dieser beiden Factoren in geradem
Verhältnifs zur Last steht.
Die Thatsache, dafs 91 mit wachsendem G und l im quadratischen
Verhältnifs zunimmt, ist insofern nicht unwichtig, als sie zeigt, dafs
diejenigen Mafsänderungen, welche erforderlich sind, um die Be¬
anspruchung des Trägers auf gleicher Höhe zu erhalten, nicht hin¬
reichen, dies auch für die Eeibungsarbeit und demgemäfs für die
Abnutzung an den Lagerflächen zu bewirken. Um das noch deut¬
licher zu erweisen, möge das gröfste Biegungsmoment mit iH, das
Widerstandsmoment des Trägerquerschnittes mit W und die (unver¬
änderliche) Beanspruchung mit k bezeichnet werden. Da M=^ G l
und fV = J : e ist, so folgt mitEücksicht auf die Festigkeitsbedingung
M = Jr.k aus II):
_ M Gfl __ G fl
' “ W E ' ^ ‘^ E ■
Bei unveränderlicher Beanspruchung des Trägers wächst also die
Abnutzung der Lagerflächen in geradem Verhältnifs mit der Last
und mit der Stützweite. Hieraus folgt u. a., dafs bei einer Steigerung
der Last, wie sie z, B. im Eisenbahnwesen durch die allmähliche
Einführung schwererer Betriebsmittel bewirkt worden ist, eine Ver¬
minderung der Widerstandsfähigkeit des Gestänges gegen Abnutzung
selbst dann eintritt, wenn das Widerstandsmoment um so viel ver-
gröfsert wird, dafs die gröfste Spannung des Trägers (der Schiene)
auf der anfänglichen Höhe bleibt. Soll auch die Abnutzung der
LageiEächen nicht zunehmen, so mufs das Widerstandsmoment im
quadratischen Verhältnisse zur Erhöhung der Last vermehrt werden.
Die Anwendung der hier gefundenen Sätze auf den Eisenbahn-
Oberbau ist allerdings nicht ohne weiteres zulässig, denn es handelt
sich bei letzterem nicht um einen auf zwei festen (starren) Stützen
frei aufliegenden Träger, sondern um einen Träger auf sehr vielen
nachgiebigen Unterlagen. Auch wäre streng genommen die wage¬
rechte Beweglichkeit der letzteren, sowie der Einflufs der Lager¬
reibung auf den Gleitweg zu berücksichtigen.*) Immerhin läfst sich
aber doch vermuthen, dafs die fraglichen Sätze wenigstens annähernd
auch für den Querschwellen-Oberbau gelten. Damit würde sich dann
eine Erscheinung aufklären, die schwer zu verstehen ist, wenn man
bei Beurtlieilung der Tauglichkeit eines bestimmten Oberbaues ledig¬
lich die Biegungsspannungen als Mafsstab anwendet, nämlich die auf¬
fallend rasche Zerstörung mancher Gestänge durch die Einführung
von Fahrzeugen mit verhältnifsmäfsig nur wenig stärkeren Eaddrücken.
Da die gegenseitige Verschiebung von Schiene und Schwelle nicht
nur diese beiden Theile, sondern auch die Befestigungsmittel ab¬
schleift, und da ähnliche Schleifwirkungen in den Anlageflächen der
Schienen und Laschen auftreten, so leuchtet ein, dafs mit jeder Zu¬
nahme der Belastung eine in weit stärkerem Grade als letztere an¬
wachsende Lockerung des ganzen Gefüges verknüpft sein mufs.**)
Die Bekämpfung dieses Uebels erfordert Verstärkungen in solchem
Umfange, dafs die Beanspruchung des Schienenquerschnittes nicht
etwa nur unveränderlich erhalten, sondern vermindert wird, wie
es u. a. bei den neuerdings in Aufnahme kommenden schweren
Schienen geschieht. Dr. H. Zimraermann.
*) Bei Berücksichtigung des letzteren Einflusses treten im Aus¬
druck für 91 noch höhere Potenzen von ef ■. l auf. Man erhält
daun z. B. für den beiderseits verschieblichen Träger annähernd:
— (l — Es verhält sich also auch jetzt noch 91 in
aller Strenge wie das Quadrat von G.
**) Vergl. z. B. Loewe, Der Schienenweg der Eisenbahnen.
Seite 94.
Die dritte Coiifereiiz zur Yereiiibarung einheitlicher Pr üfungs verfahren
für Bau- und Constructionsinaterialien,
welche am 19. und 20. September im kleinen Saale des Architekten¬
hauses in Berlin abgehalten wurde, war gut besucht, und das Er-
gebnifs der Verhandlungen darf als ein befriedigendes bezeichnet
werden. Aufser den Vorständen der gröfseren technischen Versuchs¬
anstalten Deutschlands waren anwesend oder vertreten die Leiter
staatlicher und privater Prüfungsanstalten Oesterreichs, der Schweiz,
Eufslands, Schwedens, Frankreichs und Hollands, sowie Vertreter
des Eisenhüttenwesens, des Maschinenbaues und der Cementindustrie.
Die Leitung der Verhandlungen ward Herrn Prof. Bauschinger
(München), Vorstand des in Dresden gewählten ständigen Ausschusses,
für beide Sitzungstage übertragen, und neben demselben die Herren
Prof. Kick (Prag) und Prof. Tetmajer (Zürich) für den ersten, die
Herren Prof. Belelubsky (Petersburg) und Prof. Debray (Paris) für
den zweiten Tag als stellvertretende Vorsitzende gewählt. Mit der
Protokollführung wurden die Herren Ingenieur Kirsch (Wien) und
Assistent Klebe (München) für den ersten Tag, die Herren Ingenieur
Olschewsky (Berlin) und Greil (Wien) für den zweiten Tag betraut.
Die über die Verhandlungen geführten Protokolle sollen baldigst ge¬
druckt und den Theilnehmern der Versammlung zugestellt werden.
Von den zahlreichen Berathungsgegenständen können nachstehend
nur einige wichtigere hervorgehoben werden: Construction des
einheitlichen Fallwerkes zur Anstellung von Schlagver¬
suchen. Berichterstatter Herr Prof. Martens (Berlin). Hierbei be¬
schliefst die Versammlung nach dem Anträge des Berichterstatters:
Von Aufstellung eines Normalplanes für Fallwerke soll Abstand ge¬
nommen werden, und für die Construction derselben sollen folgende
Bedingungen mafsgebend sein: Das Gestell ist in Eisen auszuführen.
Im Anschlufs an die Bestimmungen deutscher Eisenbahnverwaltungen,
und weil es sich empfiehlt, Fallwerke in geschlossenen Eäumen auf¬
zustellen, ist als Eegel für das Bärgewicht 1000 kg anzunehmen, in
Ausnahmefällen kann aber 500 kg zugelassen werden. Endlich sollen
die Fallwerke eine Vorrichtung besitzen, welche gestattet, den Bären
auf die beabsichtigte Höhe sicher einzustellen.
Die Frage der Prüfung von Kupfer, Bronce und anderen
h\ 42
439
Centralblatt der Bauverwaltung.
Metallen hatte von Seiten des betreffenden Unterausschusses eine
sehr eingehende Bearbeitung gefunden und es wurden sämtliche An¬
träge, die sowohl den Materialzustand, wie die Probeentnahme, Probe¬
form und Versucbsausführung umfafsten, nach dem Vorschlag des
Herrn Prof. Martens angenommen.
Ueber die Frage der Prüfung von Dachziegeln erstattet
Herr Olschewsky (Berlin) eingehenden Bericht; seine Vorschläge
werden mit einigen geringen Aenderungen angenommen.
Bei den Berathungen über Prüfung hydraulischer Binde¬
mittel wird die Theilnahme des Vereins deutscher Portland-Cement-
fabricanten freudig begrüfst, und von dem anwesenden Vorstand jenes
Vereins, Herrn Commercienrath Dr. Delbrück (Stettin), die fernere
Mitarbeiterschaft an den Bestrebungen der Conferenzen zugesagt.
Den von Herrn Ingenieur Gärtner (Wien) gemachten Vor¬
schlägen über Verfahren zur Ermittlung der Volumgewichte
des Gementes und Sandes wird zugestimmt, ebenso finden die
Vorschläge des Berichterstatters Herrn Dr. Michaelis (Berlin) über
Prüfung von Puzzolanen (Trass) die Genehmigung der Versammlung.
In der Frage über Einführung von Blechsieben ist die
Versammlung der Ansicht, dafs gelochte Bleche den Drahtsieben
entschieden vorzuziehen seien. Es wird die Anwendung rund ge¬
lochter Blechsiebe beschlossen, und es soll Sache des neuen ständigen
Ausschusses sein, die Lochweiten, Lochanordnungen und Blechstärken
zu bestimmen, bei welchen ein Sand erhalten wird, der mit dem jetzt
mittels des Drahtsiebes erhaltenen Normalsand gleiche Zugfestig¬
keiten ei'giebt.
Eingehend erörtert wurde die Frage der Einführung eines
«inheitlichen Normalsandes für Cementproben und be¬
schlossen, dafs als Normalsand im engeren Sinne, d. h. als solcher,
auf den alle Vergleiche sich beziehen sollen, der Sand von Freien¬
walde gebraucht wird, welcher durch gelochte Blechsiebe von solcher
Beschaffenheit gegangen ist, dafs der gewonnene Sand zwischen den¬
jenigen beiden liegt, von welchen der eine durch Drahtsiebe von 60
und 120 Maschen, der andere durch solche von 64 und 144 Maschen
gewonnen ist. Den anderen Ländern, aufser Preufsen, soll es über¬
lassen bleiben, sich ihren Normalsand zu beschaffen, und zwar wo¬
möglich derart, dafs er mit jenem Normalsand von Freienwalde von
gleicher Wirkung in Bezug auf die erzielten Festigkeitsergebnisse ist.
Ist dies nicht zu ermöglichen, so soll der ständige Ausschufs in Bezug
auf die Erzielung zweckmäfsiger Vergleichs - Ziffern Erfahrungen
sammeln.
Ueber Vergleichung der Normalform von Probestäben
für Zerreifsversuche sind in fünf verschiedenen Laboratorien
zum Theil sehr ausführliche Versuchsreihen angestellt worden, über
welche der Vorsitzende kurz berichtet und welche später mit den
noch zu erwartenden Arbeiten veröffentlicht werden sollen.
Noch ist zu erwähnen, dafs der Versammlung von Hrn. Prof. Tet-
majer zwei bereits gedruckte Arbeiten vorgelegt und in einer Anzahl
von Exemplaren zur Vertheilung gebracht wurden. 1) Bericht über
Aufsuchung entsprechend abgekürzter Verfahi'en zur Ermittlung der
Volumbeständigkeit des Portland - Gementes, und 2) Bericht über
Verfahren und Ergebnisse der Prüfung von Draht und Drahtseilen.
Hei'r Ingenieur Roufsel (Mecheln) hatte eine Arbeit über Prüfung von
Radreifen vorgelegt, die gedruckt werden soll.
Ferner haben die Heri'en Debray (Paris) und Candlot (Boulogne)
sowie Herr Belelubsky (Petersburg) Druckschriften über ihre Ar¬
beiten und Apparate, welche dabei benutzt, sowie bemerkenswerthe
Probestücke, die dabei erhalten wurden, zur Vertheilung und An¬
sicht gebracht.
Herr Prof. Belelubsky (Petersburg) hielt am ersten Tag der
Verhandlungen einen gehaltvollen Vortrag: Aufstellung von Formeln
über Einflufs der Stabform auf Dehnung und Contraction auf Grund der
Versuche zweier russischen Ingenieure. Am zweiten Sitzungstag wurde
ein solcher von Herrn Prof. Debray (Paris) über den Einflufs des Meer¬
wassers auf die Dauerhaftigkeit hydraulischer Bindemittel gehalten.
Beide Vorträge sollen im Auszug den Protokollen beigefügt werden.
Einen sehr wichtigen Gegenstand brachte der Vorsitzende, ange¬
regt durch Herrn Prof. Tetmajer (Zürich), schon am ersten Tage,
und dann wiederholt am zweiten Tage zur Sprache, nämlich die
Gründung einer Zeitschrift für die Versammlungen, insbesondere für
den ständigen Ausschufs. Dieselbe soll hauptsächlich zur Ver¬
mittlung und Mittheilung der Arbeiten der verschiedenen Unter¬
ausschüsse und ihrer Mitglieder unter sich und mit dem Vor¬
stande des ständigen Ausschusses dienen, ferner Prüfungsergebnisse
von Versuchsanstalten oder einzelnen Forschern des In- und Aus¬
landes sammeln, dieselben jedoch in der Regel nur im Auszuge
bringen, sodafs also keineswegs die bereits erscheinenden Mitthei¬
lungen der verschiedenen Versuchsanstalten dadurch ersetzt werden.
Endlich soll das Blatt auch über Fortschritte der Technik berichten,
durch welche günstige Prüfungsergebnisse gewonnen worden sind.
Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit einer solchen Zeitschrift wurde
einstimmig anerkannt, und der künftige Vorstand des ständigen
Ausschusses mit den weiteren Schritten beauftragt.
Am Schlüsse wurde der bisherige ständige Ausschufs mit dem
Rechte der Ergänzung wiedergewählt, ebenso der bisherige Vor¬
stand derselben, Herr Prof. Baus chinger (München). Für den
Ort der nächsten Versammlung, die im September 1892 stattfinden
soll, wurde Wien bestimmt. C. Klebe.
Vermischtes.
Die eisenbahiifachwissenschaftliclieu Vorlesungen in Preufsen
werden im Winterhalbjahr 1890/91 in folgender Weise stattfinden:
In Berlin werden in den Räumen der Universität Vorlesungen
über Preufsisches Eisenbahnrecht und über den Betrieb der Eisen¬
bahnen gehalten werden. Das nähere, namentlich auch bezüglich
der Anmeldung zu den Vorlesungen, ist aus dem Anschläge in der
Universität ersichtlich.
In Breslau werden sich die Vorträge auf die vorbezeichneten
Gegenstände und ferner auf die Nationalökonomie der Eisenbahnen,
insbesondere das Tarifwesen, und auf die Verwaltung der preufsischen
Staatsbahnen erstrecken.
In Köln werden Vorlesungen über Preufsisches Eisenbahnrecht
und über Technologie im Verwaltungsgebäude der Königlichen Eisen-
bahndirection (linksrhein.) gehalten werden.
Die Baulichkeiten der Pariser Weltausstellung von 1889. Nach
einem kürzlich bekannt gegebenen Gesetze wird das Marsfeld end¬
gültig wie folgt gestaltet werden*): Der gegenwärtige Park mit dem
Eiff’elthurm in der Mitte, seinen beiden Teichen, seinen Rasenplätzen
und seinen Anpflanzungen bleibt so erhalten, wie er ist. Ebenso
bleiben der Springbrunnen, die Ausstellungsgebäude der schönen und
der freien Künste, der grofse Kuppelbau, die 30 m- Halle und die
Maschinenhalle erhalten; alle anderen Baulichkeiten werden abge¬
brochen. Vollständig verschwinden die Hallen, welche den verschie¬
denen Industrieen gedient haben. Dieselben sind zum Theil bereits
abgebrochen. Ihr Platz wird in eine Art von Park umgebildet, den
man in 18 Vierecke zu zerlegen gedenkt; zusammen ergeben diese
ein Viereck von sehr erheblichen Abmessungen, dessen Felder durch
Bäume begrenzt werden. Weder Sträuche noch Blumen will man
hier pflanzen; dieser Theil des Marsfeldes, welcher ganz der Oeffent-
lichkeit übergeben wird, ist vielmehr bestimmt, den Schülern, die
jetzt vorzugsweise ihre Spiele und Hebungen im Boulogner Wäldchen
*) Vgl. den Plan im Jahrgang 1888, Seite 370 d. Bl.
abhalten, als Spielplatz zu dienen.*) Endlich wird das Marsfeld
durch einen von der St. Dominique-Strafse ausgehenden, 20 m breiten
Weg durchkreuzt und, bevor es der Stadt Paris einverleibt wird, mit
einem leichten eisernen Gitter umgeben werden. Die erforderlichen
Arbeiten beabsichtigt man thunlichst zu beschleunigen, um dem Welt¬
ausstellungsplatze sobald als möglich wieder ein gefälligeres Aus¬
sehen zu geben. In dem Gebäude der schönen Künste wird die all¬
jährliche Kunstausstellung, der „Salon“, Unterkunft finden, die
Gemälde zu ebener Erde, die Werke der Bildhauer im ersten Stock¬
werk. Auch dürfte man hier einen ständigen Salon mit Verkaufs¬
hallen einrichten. In dem Innern des Ausstellungsgebäudes der
freien Künste sollen Concerte, Bälle, Theatervorstellungen und Ge¬
sangaufführungen stattfinden, während die offenen Hallen nach dem
Thurm hin oben und unten zur Aufnahme ethnographischer Samm¬
lungen und Unternehmungen der Gesellschaft für Volks wirthschaft
dienen werden. Die 30 m-Halle wird nach ihrer Instandsetzung zum
Lustwandeln bei schlechtem Wetter geöffnet, und die Maschinen¬
halle, nachdem sie eingeebnet und mit frischer Sandbettung versehen
ist, für Gartenbau-, Vieh- und Pferdeausstellungen sowie für grofse
Feste Vorbehalten bleiben. Mit 170 000 Franken jährlich hofft man
die Gebäude und die sämtlichen Anlagen des Marsfeldes unterhalten
zu können. So wird die Weltausstellung dem französischen Volke
und insonderheit der Pariser Bevölkerung auch noch weiterhin von
Nutzen sein. — s.
*) An dieser Stelle mag darauf hingewiesen werden, dafs es so¬
wohl in Frankreich als auch in England allgemein üblich ist, die
Rasenplätze von den Spaziergängern betreten zu lassen und zum
Lagern und Spielen frei zu geben. Die Annehmlichkeit, sich nicht
lediglich auf staubiger Landstrafse bewegen zu müssen, ist so grofs,
dafs die geringen Mehrunterhaltungskosten des Rasens hierbei nicht
in Betracht kommen. Es würde sicherlich auch in Deutschland all¬
seitig dankbar empfunden werden, wenn man weniger peinlich den
Rasen vor dem Betreten hüten und denselben seiner eigentlichen
Bestimmung zurückgeben wollte.
440
22. October 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Büclierschau.
Die Ziin 111 ergo tliik in Deutsch -Tirol, herausgegeben von Franz
Paukert. TT. Das Etsclithal, 32 Tafeln mit Erläuterungen in
Folio. Leipzig 1890. Yei-lag von E. A. Seemann. Preis 12 Jt.
Dem ersten Tbeile dieser Aufnahmen mittelalterlicher Zimmer-
gothik*) ist nunmehr ein zweiter gefolgt, da sich die Brauchbarkeit
solcher Sammlung für die, welche zu ihren künstlerischen oder kunst¬
gewerblichen Arbeiten mittelalterliche Vorlagen nöthig haben, hin¬
länglich gezeigt hat. Diesem zweiten Theile, der gleichfalls noch
südtirolische Arbeiten enthält, sollen sich dann in einem dritten
Theile Aufnahmen aus Nord-Tirol anreihen. Die meisten der dar¬
gestellten Gegenstände befinden sich in Meran, aufserdem sind noch
berücksichtigt Freudenstein, St. Valentin, Tramin, Bozen, Leifers,
Montan und Eun.
Unter den dargestellten Thüren fällt auf die aus dem TTause des
deutschen Eitterordens, Blatt 19. Ihre Felder sind durch stets ver¬
schieden gemustertes Blenden-Mafswerk auf farbigem Grunde und
zwischen Leisten mit eingelegten Mustern reich und prächtig ge¬
schmückt. Bemerkenswerthe Deckenbildungen sieht man auf Blatt 15,
25, 27 und 28. Drei Blätter enthalten in gröfserem Mafsstabe ge¬
zeichnete Beschläge; unter ihnen fällt der vorzüglich dai-gestellte
Löwenkopf (Blatt 18) ins Auge, der dem Blattwerke nach, welches
ihn umkränzt, spätgothisch ist, nicht aber, wie der Text besagt, in
die Uebergangszeit gehört. Auf mehreren Blättern sind Chor- und
Betstühle wiedergegeben. Streng genommen gehören diese kirch¬
lichen Stücke wohl nicht hierher, allein sie sind so eigenartig durch¬
gebildet, dafs man sie nicht entbehren möchte. In gröfserer Anzahl
sind Möbel dargestellt. Unter den Schränken thut sich der aus
Meran auf Blatt 14 hervor; luiter den Truhen ist die aus Bozen,
Blatt 22, durch ihre in blendenmafswerkartigen Kerbschnitten ge¬
haltenen Füllungen ausgezeichnet. Die Tische aus Meran, Blatt 12,
sind noch ohne Leim zusammengefügt; sehr selten dürfte ein Möbel
sein wie das auf Blatt 10 gezeichnete spätgothische Himmelbett aus
Meran, und fast ebenso selten ein Ofen wie der auf Blatt 4, gleich¬
falls aus Meran. Der prachtvolle Ofen besteht aus grünglasirten
Kacheln, die in dem unteren Theile ein gleichförmiges Kosetten-
muster zeigen, in dem oberen, cylinderartigen Ofentheile aber in jeder
Eeihe ein anderes Flachbild tragen. Diese Flach bilder wären cs
werth gewesen, in einem gröfseren Mafsstabe abgebildet zu werden,
wie folgende Angabe des Dargestellten darthun mag; (von unten
nach oben) die Jungfrau mit dem Einhorn, das Bildnifs des deut¬
schen Ivaisers mit Eeichsapfel und Schwert, der österreichische Haus¬
schild mit den Wappenschilden von Tirol und Meran zu einer Gruppe
vereinigt, Ritter St. Jörg als Drachentödter und endlich schildtragende
Engel. Die Schildchen der letzteren sowie die Zinnenkrönung des
Ofens sind unglasirt, damit den Schildchen die Wappen der 13 öster¬
reichischen Lande aufgemalt werden konnten. Der ganze Ofen
mufs einen vortrefflichen Eindruck machen. Wenn wir schliefslich
noch erwähnen, dafs die übrigen Blätter schön modellirte Wappen,
Einzelheiten wie Füllungsmuster, Leisten und dergl. enthalten, so
dürfte der Inhalt im wesentlichen genannt sein. Wir fügen nur noch
hinzu, dafs die Zeichnungen — alle geometrisch und mit Mafsstab
versehen — gleichwie deren Vervielfältigung durchaus gelungen sind,
und dafs daher auch diese Fortsetzung des schönen Werkes nur
empfohlen werden kann. G. Schönermark.
Handbuch der Baukunde. Abth. III. Baukunde des Ingenieurs.
Heft 3: Städtisches Strafsenwesen und Städtereiuigung-
Bearbeitet von R. Baumeister, Ober-Baurath und Professor an
der techn. Hochschule in Karlsruhe. Berlin 1890. Ernst Toeche.
III u. 356 S. in 8“ mit 372 Abb. im Text. Preis geh. 8 J(, geb. 9 JL
Der ixmfassende Zweck des von den Herausgebern der deutschen
Bauzeitung und des deutschen Baukalenders veranstalteten, in zwang¬
loser Heftfolge erscheinenden Handbuchs der Baukunde, welches eine
Zusammenstellung der Ergebnisse der gesamten Bauwissenschaften
mit Einschlufs der Hülfswissenschaften sein soll, veranlafst zwar die
Bearbeiter der einzelnen Abschnitte zur Innehaltung eines engen
Rahmens und zur Beobachtung einer gedrängten Kürze. Dennoch
zeigt das vorliegende Heft, gleichwie die beiden aus dem Ingenieur¬
wesen bereits erschienenen Hefte (Grundbau und Wasserbau), eine
grofse Vollständigkeit und Gründlichkeit. Der Verfasser behandelt
im ersten Theile den städtischen Strafsenbau bezüglich der Stadt-
erweiterungspläne, der Strafsenbefestigung und des Strafsenbahn-
wesens, im zweiten Theile die Stadtreinigung bezüglich des Kehrichts,
der Excremente und des Wassers.
Gestützt auf eine lehrreiche Darlegung über Bevölkerungs¬
zunahme, Wohnungsverhältnisse und allgemeine Stadterweiterungs¬
fragen werden die Elemente des Entwerfen s und der Ausführung
*) vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1889, S. 202.
von Städter weite rungsplänen, wesentlich vom Standpunkte des
Ingenieurs, aber auch unter einer gewissen Berücksichtigung künst¬
lerischer Gesichtspunkte, treffend entwickelt. Strafsennetze, Strafsen-
profile, freie Plätze, Strafsendurchbrüche und baupolizeiliche Vor¬
schriften werden als grundlegend für das Entwerfen, Gesetzgebung,
Enteignung, Kostendeckung und communale Mafsregeln als grund¬
legend für die Ausführung mit grofser Sachkunde besprochen,
selbstredend ohne damit eine erschöpfende Darstellung der Lehre
vom Städtebau zu beabsichtigen. Auch die Strafsenbefestigung
wird mit verhältnifsmäfsiger Kürze behandelt, aber in allen Theilen
fachgemäfs und leicht fafslich vorgetragen.
Einer sehr willkommenen, ausführlicheren Darstellung erfreuen
sich die Strafseneisenbahnen, welche bekanntlich für den städti¬
schen Ingenieur eine immer gröfsere Wichtigkeit gewinnen. Den
Oberbau der Strafsenbahnen in seiner vielgestaltigen Entwicklung
beschreibt der Verfasser in allen Theilen zwar gedrängt, aber höchst
anschaulich und vollständig; vielleicht hat ihn die Unparteilichkeit
zu einer übergrofsen Zurückhaltung in der Kritik geführt. Auch der
Einrichtung der Wagen und den verschiedenen Betriebsarten ist die
gebührende Aufmerksamkeit gewidmet; nur der elektrische Betrieb
wird etwas kurz behandelt.
Die gröfsere Hälfte des ganzen Werkes wird von dem Abschnitt
„Reinigung und Entwässerung der Städte“ eingenommen, welcher
Gegenstand eine gleich gründliche und umfassende Bearbeitung bis¬
her wohl kaum in einem Lehrbuche gefunden hat. Die gesundheit¬
lichen Beweggründe, die Beseitigung des Kehrichts (einschliefslich
Strafsenreinigung und Strafsenbesprengung) und die getrennte Ab¬
führung der Excremente bilden die ersten drei Capitel; besonders
die Excrementenbehandlung ist klar und übersichtlich dargestellt.
Es folgen die ausführlichen Capitel „Canalisation“ und „Canalwasser-
Reinigung“, welche wohl das beste sind, was über diesen Gegenstand
in neuerer Zeit veröffentlicht wurde. Die Erörterungen über Spülung,
Lüftung, Hochwasser-Einflufs und Trennungssysteme sind auch für.
den erfahrenen Techniker von grofsem Werthe. Die Reinigung von
Canal wassern bespricht der Verfasser nach den Gesichtspunkten der
Flufs Verunreinigung, der chemischen Klärung, der Klärbehälter, der
Filterung, der Berieselung und der Kosten; die Darstellung gewährt
einen ungewöhnlich lehrreichen Einblick in dieses überall noch in
der Entwicklung begriffene Gebiet der technischen Wissenschaft.
— n.
Die elektrischeii Motoren und ihre Anwendungen in der In¬
dustrie und im Gewerbe sowie im Eisen- und Strafsenbahnwesen.
Vom Verfasser des vorgenannten Buches, dessen erste Lieferung
auf S. 40ü d. J. besprochen wurde, ist uns folgende „Berichtigung“
zugegangen :
„Die in der Bücherschair des Centralblatts der Bauverwaltung
Nr. 38 vom 20. September d. J. gelegentlich der Eecension meines
Werkes „Die elektrischen Motoren und ihre Anwendungen in der
Industrie und im Gewerbe sowie im Eisen- und Strafsenbahnwesen“
von Seiten des Herrn S. ausgesprochene Meinung, dafs ich mich an
das Werk „The Electric Motor and its Applications“ anlehne, ist
irrthümlich. Wäre Herr S. mit der Materie näher vertraut und hätte
er mein „Büchlein“ einer eingehenderen Lectüre gewidmet, so hätte
er sicherlich eine derartige voreilige und ungerechtfertigte Meinung
nicht zum Ausdruck gebracht. Betrefi’s der Quellenangabe verweise
ich den Herrn S. auf das Litteraturverzeichnifs im letzten Hefte.
Magdeburg S., den 1. October 1890.
Dr. Martin Krieg,
Chefredacteur des Elektrotechnischen Echo.“
Wir haben diese Auslassung dem Urheber jener Besprechung
vorgelegt und von ihm folgende Erwiderung erhalten:
„Inwieweit die von mir mit Bezug auf das Büchlein des Herrn
Dr. K. geäufserte Meinung, dafs sich der Verfasser an den Inhalt
des Werkes „The Electric Motor and its Applications“ anlehne,
„irrthümlich“ bezw. „voreilig und ungerechtfertigt“ ist, darf ich füg¬
lich denjenigen überlassen, die mit der Materie thatsächlich näher
vertraut sind. Ein Vorwurf würde, wenigstens von einem Elektro¬
techniker, in einer solchen Meinungsäufserung wohl kaum erblickt
werden, denn dem Fachmann ist eben bekannt, dafs ein compilatori-
sches Buch über Elektromotoren heute nur schwer geschrieben
werden kann, ohne das Werk von Martin u. Wetzler zu berück¬
sichtigen, selbst wenn man die americanische Fachzeitschrift Electrical
World, worin Martin und Wetzler zuerst ihre Aufsätze über Elektro¬
motoren veröffentlichten, zu Hülfe nähme oder den Elektrotechnischen
Anzeiger, der wenigstens in den letzten Jahren uns Deutschen regel-
mäfsig auch die Neuheiten aus America auf dem Gebiete der elektri¬
schen Arbeitsübertragung brachte.
Von dem in der „Berichtigung“ über die Quellenangabe gemachten
Vermerk, der übrigens den letzten Satz meiner Recension nicht um-
stöfst, habe ich Kenntnifs genommen. S.“
Verlag von Ernst & Korn AVillrelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtliclieu Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
441
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 25. October 1890. Nr. 43.
Rcdactioii: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHAIT: Amtliches: Circular-Erlafs vom 27. September 1890, betr. die Anfertigung
von Gebäude-lnventarien der Dienstgebäude durch die Staatsbaubeamten. — Personal-
Nachrichten. — Nichtamtliches: Das Demmersche Haus in Braunschweig. — Italienische
Architektur- Ausstellung in Turin. — Preisbewerbuug für den Neubau der Peterskirche
in Frankfurt a. M. — Mangelhafte Vorrichtungen und Vorschriften bei der Prefsluft-
Gründung. — Geschofsvorrichtung zum Abstillen der Meereswellen mit Oel. — V cr-
mischtes: Eathhaus in Aachen. — Neue Vorschriften über Dampfkessel. — Wander¬
versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. — Donau-
brucke bei Cernavoda in Rumänien. — Tunnel unter dem Firth of Forth. — Inhalt
der Zeitschrift für Bauwesen. — Nachdruck ans dem Centralblatt der Bauverwaltung.
Amtliche Mittheilungen.
Circular -Erlafs, betretfend die Anfertigung’ von Gebäude-
Inventarien der Dienstgebäude durch die Staatsbau¬
beamten.
Berlin, den 27. September 1890.
Zur Beseitigung hervorgetretener Zweifel wird hierdurch im An-
schlufs an die von den Herren Ministern für Landwirthschaft,
Domänen und Forsten und der Finanzen erlassene Rundverfügung
vom 9. October 1889, betrefFend die bauliche Unterhaltung der Dienst-
Etablissements der Forstverwaltung — Min. Bl. S. 167/68 — be¬
stimmt, dafs den Staatsbaubeamten nur die Anfertigung eines voll¬
ständigen Exemplars bei allen Gebäude -Inventarien, insbesondere
auch den durch § 4 des Regulativs über die Dienstwohnungen der
Staatsbeamten vom 26. Juli 1880 vorgeschriebenen obliegt, während
die Herstellung der weiteren Exemplare allgemein der zuständigen
Aufsichtsbehörde für Rechnung der bezüglichen allgemeinen Fonds
überlassen bleibt.
Die betreffenden Vorschriften in § 292 der Dienst -Anweisung
für die Königlichen Bauinspectoren der Hochbauverwaltung vom
1. October 1888 werden hierdurch entsprechend ergänzt bezw. ab¬
geändert.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Der Finanz-Minister.
Im Aufträge In Vertretung
Schultz. Meinecke.
An sämtliche Herren Regierungs-Präsidenten, den
Herrn Polizei -Präsidenten und die Königliche
Ministerial-Bau-Commission hierselbst, sowie an
die Herren Chefs der Königlichen Strombauver¬
waltungen in Danzig, Breslau, Magdeburg und
Coblenz (je besonders).
III 16 416 M. d. ö. A. — I 13 552 F. M.
Personal - Nachrichten.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Ge¬
heimen Baurath und vertragenden Rath im Ministerium der öffent¬
lichen Arbeiten Jungnickel zum Geheimen Ober-Baurath zu er¬
nennen.
Die bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Gustav
Schultz in Wehlau O./Pr. und Selhorst in Osterburg, Reg.-Bezirk
Magdeburg, sind als Königliche Kreis-Bauinspectoren ebendaselbst
angestellt worden.
Der Kreis-Bauinspector Baurath Mo mm in Landeshut i. Schl.,
ist in gleicher Amtseigenschaft nach Hersfeld, Reg.-Bezirk Cassel,
versetzt worden. Ueber die Wiederbesetzung der Kreis-Bauinspector-
Stelle in Landeshut ist bereits anderweitig verfügt.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben sich Gnädigst
bewogen gefunden, den nachbezeichneten Beamten die unterthänigst
nachgesuchte Erlaubnifs zur Annahme und zum Tragen der ihnen
von Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, Könige von Preufsen,
verliehenen Ordensauszeichnungen zu ertheilen, und zwar; dem Bau-
director v. Würthenau in Karlsruhe bezüglich des Königlich
Preufsischen Kronen-Ordens 11. Klasse, dem Oberingenieur Kern in
Basel und dem Vorstand des bahnbautechnischen Bureaus der General-
direction der Grofsherzoglichen Staatseisenbahnen Gernet in Karls¬
ruhe bezüglich des Königlich Preufsischen Kronen-Ordens HL Klasse,
sowie den Bahnbauinspectoren Gockel in Lörrach, Gebhard in
Zollhaus - Blumberg und Kräuter in Stühlingen bezüglich des
Königlich Preufsischen Rothen Adler-Ordens IV. Klasse; — ferner den
Bahningenieur Moriz Eisenlohr in Lörrach, unter Ernennung zum
Ingenieur I. Klasse, zur Wasser- und Strafsenbauverwaltung zu ver¬
setzen, dem Bahnbauinspector Eduard Gockel in Lörrach die etat-
mäfsige Amtsstelle eines Bahnbauinspectors in Heidelberg, dem
Centralinspector bei der Generaldirection der Staatseisenbahnen,
Bahnbauinspector Otto Hof, die etatmäfsige Amtsstelle eines Bahn¬
bauinspectors in Offenburg, dem Bahnbauinspector Edwin Kräuter
in Stühlingen die etatmäfsige Amtsstelle eines Bahnbauinspectors da¬
selbst und dem Bahnbauinspector Karl Gebhard in Zollhaus, unter
Belassung seines Titels, die etatmäfsige Amtsstelle eines Central¬
inspectors bei der Generaldirection der Staatseisenbahnen zu über¬
tragen, sowie den Bahningenieur Karl Theodor Fliegauf in Freiburg
als Ingenieur I. Klasse zur Wasser- und Strafsenbauverwaltung zu
versetzen.
Durch Entschliefsung Grofsherzoglichen Finanzministeriums vom
29. September 1890 wurden zugewiesen; dem Bahnbauinspector
Gockel in Heidelberg der Dienstbezirk Heidelberg I, dem Bahn¬
bauinspector Oberingenieur Fuchs daselbst der Dienstbezirk Heidel¬
berg II, dem Bahnbauinspector Oberingenieur Scholl in Offenburg
der Dienstbezirk Offenburg I und dem Bahnbauinspector Hof da¬
selbst der Dienstbezirk Offenburg II. Ferner wurden zugetheilt; der
Bahningenieur Karl Buzengeiger in Heidelberg dem Bahnbau¬
inspector des Dienstbezirks Heidelberg II, der Bahningenieur Richard
Hergt in Mannheim dem Bahnbauinspector des Dienstbezirks Heidel¬
berg I, der Bahnarchitekt Johann Lutz in Stühlingen und die
Bahningenieure Otto Hardung in Offenburg und Hermann Eissen¬
hauer in Stühlingen dem Bahnbauinspector des Dienstbezirks Offen¬
burg I, der Bahnarchitekt Christian Fefsler in Lörrach dem Bahn¬
bauinspector in Basel, die Bahningenieure Hermann v, Stetten in
Lörrach dem Bahnbauinspector in Stühlingen, Richard Tegeler in
Stühlingen dem Bahnbauinspector in Mannheim, Otto Hanger in
Stühlingen dem Bahnbauinspector in Freiburg, Arthur Wolpert in
Stühlingen dem bahnbautechnischen Bureau der Generaldirection der
Grofsherzoglichen Staatseisenbahnen, Otto Spies in Heidelberg dem
Bahnbauinspector in Eberbach, Karl Rümmele in Zollhaus dem
Bahnbauinspector in Stühlingen und Wilhelm Fefsler in Offenburg
dem Bahnbauinspector des Dienstbezirks Ottenburg II.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Das Demmersche Haus in Braunschweig.
In Braunschweig hat sich im vergangenen Winter ein Verein zur
Erhaltung der alten Baudenkmäler gebildet, welcher, wie ähnliche
Vereine in anderen Städten, auch die Wiederherstellung der Be¬
malung der alten Fachwerkshäuser der Stadt in den Kreis seiner
Wirksamkeit aufgenommen hat. Seine Thätigkeit hat der Verein mit
der Wiederherstellung des Demmerschen Hauses im „Sack“, welches
jedem Besucher Braunschweigs . bekannt sein dürfte, eröffnet. Das
Demmersche, jetzt Wagnersche Haus gehört dem ersten Drittel des
16. Jahrhunderts an — angeblich, aber nicht erwiesen, stammt es
aus dem Jahre 1536 — und besteht aus den beiden zusammen¬
gezogenen Dehl- und zwei darüber befindlichen, nach der Strafse zu
vorkragenden Bodengeschossen. Das Fachwerk ist in Schwellen,
Riegeln, Winkelbändern, Ständern und Tragbändern überreich ge¬
schnitzt. Die Darstellungen zeigen eine auffallende Uebereinstim-
Centralblatt der Bauverwaltung.
25. October 1890.
442
mung mit einem grofsen Theile der Sclinitzereien am „13rusttuch“ in
Goslar,*) sodals eine nahe Beziehung der Urheber beider Gebäude
zu einander angenommen werden mufs, wenn nicht gar beide Gebäude
von ein und demselben Künstler herrühren.
Während die Dachschwelle mit einer kräftigen Rankenverzierung
versehen ist, bedeckt die Schwelle des oberen Bodengeschosses eine
Mafswerkverzierung, welche über die Winkelbänder hinweg zu den
Ständern emporwächst und hier in candelaberartige Zierformen über¬
geht, die wiederum als Stützen der figurengeschmückten Trag¬
bänder dienen. Die Füllungen des Mafswerkes sind mit Drachen,
Masken, Äffen, spielenden Kindern, ebenso die Fensterriegel mit
allerhand üngethümen geschmückt. Die Hauptverzierung des unteren
Bodengeschosses bilden auf die Ständer geschnitzte, in Nischen
stehende Figuren, welche der römischen Mythologie entnommen, von
links nach rechts — vom Beschauer aus — darstellen: Saturn mit
der Sense, Neptun mit dem Dreizack, Mars mit Schild, Schwert,
Helm und Harnisch, Venus mit einem um die Hüften geschlungenen
Schleier (Gürtel der Anmuth), Apollo mit der Strahlenkrone und dem
Scepter, einen Löwen zu seinen Füfsen, Fortuna mit dem kleinen,
die Augen verbundenen Plutus auf der Glückskugel, Mercur mit
Pfeife, Schlangenstab und Geldbeutel, Minerva als Sinnbild der Jung¬
fräulichkeit, ein bärtiger Kitter mit Schild oder Schleuder und endlich
Diana mit der Stierhaut auf dem Kopfe, mit Köcher, Pfeil und
Bogen, die bekanntlich auch als Geburtshelferin und Beschützerin
der Keuschheit verehrt wurde. Die Figuren stehen auf Consolen,
welche, wie in Goslar, in Fruchtgehänge mit Thiermasken endigen,
zwischen denen in Schiffchen spielende Amoretten, Meerweibchen
mit Mercurflügeln auf die Schiffahrt hinzudeuten scheinen, wäh¬
rend ein Kampf des Löwen mit dem Drachen die Stärke versinn¬
bildlichen soll. Unter der Bodenluke des unteren Geschosses ist
der Teufel abgebildet, wie er einer andern Person mit einem Baume
„in den H . startet“,**) während unter der Bodenluke des oberen
Geschosses ein drachenähnliches Ungethüm von einer Gans verfolgt
wird, eine Darstellung, welche in ähnlicher Weise auch an der
Bodenluken-Schwelle eines andern Gebäudes in Braunschweig (Lange-
strafse 9) sich vorfindet. Am Anfang und Ende der unteren Schwelle
sind die Wappen des Erbauers und seiner Frau angebracht, welche
bislang noch nicht haben gedeutet werden können. Das Gebäude
wurde nachweislich im Mittelalter „Zum rothen Schlüssel“ benannt.
*) Centralblatt der Bauverw., Jahrg. 1889, S. 21.
**) Ein altes Sprüchwort sagt:
Dik sali de düvel in de H . starten.
Die Tragbiinder des Obergeschosses zeigen von links nach rechts
eine Marktfrau mit einem Korb voll Früchte auf dem Kopfe, einen
Bauern mit Eierkorb, ein Edelfräulein mit Blume, einen Dudelsack¬
pfeifer mit Klapper, einen Bettler, einen Boten mit Tasche und Brief
in der Hand, ein Frauenzimmer, in unzweideutiger Stellung über
einem Wasserkruge stehend, einen Burschen, welcher in drastischer
Weise jenem Frauenzimmer gegenüber die Finger in den Mund
steckt, und endlich einen Gänsedieb. Die unteren Tragbänder stellen
dar: eine weibliche Gestalt mit Schwert, Buch und zerbrochenem, Rad
(Wissenschaft?), einen Bauern mit einem Geldbeutel und Brief in der
Hand, eine Patricierin, einen Patricier, einen Narren mit Murmelthier,
einen Bauern mit der Gülte auf der Schulter, einen mit Augengläsern
bewaffneten Gelehrten, an den Fingern zählend, einen Rathsherrn mit
dem Hut in der Hand, einen Bauern mit einem Püster, der Gestalt auf
dem folgenden Tragbande, welche einen unnennbaren hinteren
Körpertheil entblöfst hat, Wind zuj)ustend.
Bei der von dem Kreis -Bauinspector Pfeifer geleiteten Neu¬
bemalung des Gebäudes ist der Grund des geschnitzten Holzwerkes
im Holzton stehen geblieben; nur die Füllungen des Mafswerkes
haben, um den durcheiuandergehenden, geschwungenen Formen mehr
Halt zu geben, einen blauen Grundton erhalten. Die Ornamente und
Figuren sind in vorwiegend grünen, rothbraunen und blauen, bezw.
fleischfarbenen Tönen unter mäfsiger Verwendung gedämpften Goldes
bemalt und an den geeigneten Stellen aufgelichtet. Die Farben sind
in Rücksicht auf das unvermeidliche Nachdunkeln und Verblassen in
kräftigen Tönen gehalten. Einen rothbraunen Grund haben die Füll¬
bretter erhalten, auf welchen im oberen Bodengeschosse gelbe, von
grünen Blattranken umgebene Wappenschilder mit den Attributen
der Monate, im untern Geschofs Ornamente mit Spruchbändern ab¬
wechseln. Die Ornamente zeigen Verzierungen, wie sie auf alten
Füllbrettern, sowohl am Demmerschen Hause als an anderen Gebäuden
Braunschweigs, noch nachzuweisen sind; die Verzierungen sind in
Flachmalerei, dunkel Umrissen, in grünlichem Tone auf den roth¬
braunen Grund aufgemalt. Die Spruchbänder tragen den platt¬
deutschen Spruch:
Ik . ape O sta . un . gape Q
Derwyle . ik . moeth . staen O
Machstdu . wyder . ghaen O
Trotz der reichen Bemalung wirkt das Ganze doch harmonisch,
und der neue Verein konnte seine Wirksamkeit nicht glückverheifsen-
der beginnen, als mit der Wiederherstellung des Demmerschen
Hauses, welches in seiner Originalität zu dem besten gehört, was an
alten Fachwerkshäusern in Deutschland erhalten ist. s.
Die italienische Architektur -Ausstelliiiiff in Turin.
Am 28. September wurde in Turin die erste italienische Archi¬
tektur-Ausstellung eröffnet. War der Gedanke, eine nur auf die
Architektur beschränkte Ausstellung zu veranstalten, an sich schon
gewagt, so mufste der Umstand, dafs bereits im nächsten Jahre in
Palermo eine allgemeine nationale Ausstellung stattfinden soll, neue
Zweifel an dem Gelingen des Unternehmens erwecken. Dennoch
übertraf der Erfolg die Erwartungen, wenngleich nicht ganz Italien
dem Rufe des Tui-iner Ausschusses entsprochen hat.
Die Ausstellung gliedert sich nach vier Abtheilungen: 1. Alte
und neuere Kunst, Wiederherstellungen und Aufnahmen geschicht¬
licher Denkmäler, Entwürfe und neuere Bauausführungen. 2. Auf
die Architektur bezügliches Kunsthandwerk. 3. Architektonische
Veröffentlichungen einschl. Photographieen. 4. Baupolizei und Ge¬
sundheitstechnik. Die erste Abtheilung ist zwar als ein erster Ver¬
such zu beurtheilen, dieser kann aber nach der Zahl der eingelaufenen
Gegenstände als glücklich gelungen bezeichnet werden; die anderen
Abtheilungen, besonders die zweite, sind nur unvollständig beschickt.
Von der ersten Abtheilung ist innerhalb der Gruppe: „Alte
Kunst“ die Sammlung von Zeichnungen und Modellen, welche das
Unterrichts-Ministerium nach den Landestheilen geordnet ausgestellt
hat, von besonderer Wichtigkeit. Am besten vertreten sind Ligurien,
Piemont und Neapel, und sehr bemerkenswerth sind die Aufnahmen
von A. d’Andrade von der Porta soprana in Genua, denen sich
zum Vergleiche Studien der Befestigungen von Aigue-morte (bei
Nimes) anschliefsen, ferner die archäologischen Untersuchungen des¬
selben Künstlers über den Palast S. Giorgio in Genua und den Palast
Madama in Turin, welch letztgenannter, wie d’Andrade nachweist,
sich über einem der vier Thore des römischen Mauergürtels der
Stadt erhebt. Die Wiederherstellungsarbeiten, welche in den letzten
zwanzig Jahren am Dogenpalast in Venedig bewirkt wurden, sind in
zahlreichen Zeichnungen vorgeführt; auch ist ein Holzmodell der
Bogenaussteifungen, durch welche die Auswechslung der schadhaften
Säulen des Porticus und der Loggia ermöglicht wurde, beigegeben.
Die Arbeiten der S. Marcus -Kirche sind in einer Sammlung von
Zeichnungen und Photographieen vertreten, welche die in den letzten
Jahren gemachten Fortschritte in der Art und Weise der Wieder¬
herstellung alter Bauwerke erkennen lassen. Die Ausgrabungen in
Pompeji haben eine Reihe farbiger Tafeln, welche die hauptsächlich¬
sten Wandmalereien wiedergeben, und einige Holzmodelle der hervor¬
ragendsten Denkmäler geliefert. Andere Wiederherstellungen von
geringerem Umfange sind die Loggia della Mercanzia in Bologna,
das Baptisterium in Pistoja, die Kathedrale von Savona, der Palazzo
dei Giureconsulti in Mailand, die Bedachung des Domes von Orvieto
u. a. m. Unter den geplanten Wiederherstellungen ist besonders an¬
ziehend diejenige des Stadthauses in Orvieto, über welches die Archi¬
tekten Fumi und Zampi eine eingehende kunstgeschichtliche Mono¬
graphie verfafst haben. Von der Gruppe: „Aufnahmen geschicht¬
licher Denkmäler“ erwähnen wir das Schlofs von Pavia, die Kirche
S. Maria delle Grazie in Arezzo, das Stadthaus in Brescia, die
Schlösser Carpi und Villarbasse, die Engelsburg in Rom, welche der
Hauptmann Borgatti zum Gegenstände einer geschichtlich und
archäologisch bemerkenswerthen Untersuchung macht,i) die Kirche
S. Maria del Tiglio in Gravedona, das Kloster S. Orso in Aosta,
schliefslich die Basilica S. Zeno in Verona. Im allgemeinen zeigt
diese Gruppe eine anerkennenswerthe Besserung in der Richtung der
Studien wie der Denkmalpflege. Dennoch läfst sich nicht verhehlen,
dafs immer noch viele Aufnahmen eine gröfsere Sorgfalt in der
Wiedergabe des Charakters der einzelnen Stilarten zu wünschen
übrig lassen; auch mufs man bedauern, dafs mehrere Wiederher¬
stellungsarbeiten hinsichtlich des Kostenpunktes sich nicht innerhalb
derjenigen Grenzen gehalten haben, auf welche eine zweckmäfsige
Wiederherstellung sich beschränken soll. So wurden bedeutende
Summen für wenige Denkmäler geopfert, während im Verhältnifs
zu der Menge geschichtlicher Denkmäler, welche die Hülfe der Regie¬
rung fordern, die dem Unterrichts-Ministerium zur Verfügung stehen¬
den Mittel jedes Jahres nur gering sind.
Auch die Gruppe: „Neuere Kunst“ ist recht umfangreich aus¬
gefallen. Wir nennen von ausgeführten oder in der Ausführung be-
i) .Vgl. S. 295 dieses Jahrganges.
Oentralblatt der Bauverwaltang.
443
% 43.
griifenen Bauten; den Gerichtspalast, 2) das Finanz-Ministerium, die
Nationalbank in Kom, die Geschäftshäuser Bocconi in Mailand und
in Born, die Schulgebäude in Turin, Mailand und Carrara, das natur¬
geschichtliche Museum in Mailand, die Polyklinik in Kom, den Palast
Bagatti-Valsecchi in Mailand, sodann d^e Stadterweiterungen von
Neapel, Genua, Mailand, Turin, Florenz und Rom. Die Körperschaft
des „Genio civile“ hat endlich die auf die Regelung des Tibers in Rom
bezüglichen Zeichnungen nebst den Neubauten der alten römischen
Brücken Pons Cestius und Aelius ausgestellt. Auch finden wir viele
Entwürfe wieder, welche gelegentlich der jüngsten Wettbewerbungen
entstanden, wie diejenigen .zum Paidamentshause^) und zum Gerichts¬
palaste in Rom, zu den Paraden der Dome in Florenz, Mailand und
Bologna, zum Palaste Marino in Mailand^) und zur Synagoge in Rom.
In einer Ausstellung, welche ausschliefslich der Architektur ge¬
widmet ist, hätte wohl auch eine Sammlung von Schülerarbeiten aller
Hochschulen Platz finden sollen; doch sind nur die Mailänder und
die Turiner Hochschule vertreten. Dieser Mangel ist um so mehr zu
beklagen, als bei dem Streite, welcher gegenwärtig in Italien über
Reihe solcher von Gemeinden gefertigten Entwürfe und daneben
deren im eigenen technischen Amte für nothwendig erachteten Ab¬
änderungen ausgestellt. Für Italien, wo man zur Zeit vor der Er¬
richtung zahlreicher Schulbauten steht, ohne sich auf hinreichende,
an ausgeführten Beispielen gesammelte Erfahrungen stützen zu
können, wird diese Gegenüberstellung gewifs von grofsem Werthe
sein und lehren, welche Bauweisen in den verschiedenen Landes-
theilen je nach Klima und üblichen Baustoffen sich empfehlen werden¬
in richtiger Erwägung hatte der leitende Ausschufs die vierte
Abtheilung zu einer internationalen gemacht.®) In ihr üben die
meiste Anziehungskraft diejenigen Zeichnungen und Veröffent¬
lichungen aus, welche das Ausland, besonders Deutschland ein¬
sandte. Am zahlreichsten vertreten sind die Städte Berlin, Leipzig,
München, Nürnberg, Magdeburg, Hamburg, Mainz, Prag, Wien,
London, Warschau und Brüssel. Die italienischen Städte bieten mit
Ausnahme von Mailand, Bologna und Spezia auf dem Gebiete der
Gesundheitstechnik so gut wie nichts. Zwar haben in neuerer Zeit
die Behörden für die wichtigsten Städte des Königreichs Verord-
1 0,5 Q 1 2 3 4 5"
I . . . i _ 1 _ ! _ ! _ 1
Demmersches Haus in Braunschweig.
Holzst. V. O. Ebel, Berlin.
die Neugestaltung des architektonischen Unterrichts entbrannt ist,'®)
die Ergebnisse der vorhandenen Bauschulen einen reichen Stoff
für die Nothwendigkeit einer durchgreifenden Neuerung geliefert
haben würden. Dagegen darf eine andere Arbeit, welche das
Unterrichts - Ministerium ausgestellt hat, nicht mit Stillschweigen
übergangen werden. Da es zu den Obliegenheiten dieses Ministeriums
gehört, die Entwürfe zu Schulgebäuden, welche von Gemeinden unter
Staatsbeihülfe errichtet werden sollen, zu prüfen, so hat es eine
2} Vgl. Jahrgang 1889, S. 174 d. Bl. — 3) Vgl. S. 145 d. J. -
Vgl. Jahrgang 1889 S. 157 d. Bl. — s) Vgl. S. 205 d. J.
nungen über die Ausführung von Neubauten erlassen; dennoch bleibt,
was Entwässerung, Wasserzuführung u. dgl. angeht, noch viel zu
lernen übrig, und in dieser Hinsicht dürfte das Studienmaterial,
welches die auswärtigen Städte geliefert haben, den lehrreichsten und
am meisten nutzbringenden Theil der Ausstellung abgeben.
Mailand. Luca Beltrami, Architekt.
®) Diese vierte Abtheilung war in dem ursprünglichen Programme,
nach dessen Empfang wir die kurze Mittheilung auf S.244 d. J. machten,
nicht vorgesehen. Nach jenem Programme war übrigens auch die dritte
I Abtheiiung (Veröffentlichungen usw.) eine internationale. D. R.
Die Preisbewerbung für den lieubau der Peterskirche in Frankfurt a. M
Mit jeder neuen Pfeisaufgabe, welche für den protestantischen
Kirchenbau den Architekten gestellt wird, geht eine gewisse Er¬
regung durch die Fachkreise. Ist hier doch eine Reihe der schwie¬
rigsten Kernpunkte zu lösen, herrscht hier doch immer noch ein
Rathen und Suchen nach einer dem Wesen der Predigtkirche ent¬
sprechenden Gestaltung der ganzen Raumanlage, nach zweckmäfsig-
ster Anordnung der Sitzplätze, bester Stellung der Kanzel und ge¬
eignetster Lage der Zugänge. Die durch die Art der Baustellen
vielfach ungünstig beeinflufsten Fragen der Beleuchtung und Akustik
treten hinzu, um die Arbeit zu einer mühsamen zu machen. Er¬
schwerend fallen ebenfalls noch die meist knapp bemessenen Bau¬
gelder, die Stilfrage und mancherlei Voreingenommenheit der oftmals
zäh an allerhand alten Ueberlieferungen festhaltenden Geistlichen
ins Gewicht; und meist stehen schliefslich auch die ausgesetzten Preise
444
Centralblatt der Bauverwaltung.
25. October 1890.
in unrichtigem Verhältnisse zu der grofsen geforderten Mühewaltung
der Bewerber. Es ist erfreulich feststellen zu können, dafs bei dem
vorliegenden Wettbewerbe die meisten dieser Erschwernisse nicht
im Norden aus der Durchsetzung der gothischen Ausdrucksweise
mit der neu auftretenden Renaissance herausbildete. Der Stil ist
also kein reiner; er zeigt romanische, gothische und Renaissance-
Abb. 1. Unterer Grundrifs. Abb. 2. Emporen-Grundrifs.
Entwurf von Grisehacli u. Dinklage in Berlin. Erster Preis.
vorhanden waren. Die Preise waren angemessen, die Anforderungen
an die zeichnerische Leistung (Mafsstab 1 ; 200 und Vorschrift ein¬
facher Federmanier) mäfsige, die Zeit reichlich bemessen; die Auf¬
gabe war in bündiger Klarheit gestellt, die Stilfrage freigegeben.
Da in einem Frankfurter Kircheublatte von geistlicher Seite die
Vorzüge einer zweischiffigen Anlage sehr betont waren, so sah man
der Entscheidung des Preisgerichtes*) über die eingelieferten 59 Ent¬
würfe mit Spannung entgegen.
Der Bauplatz war auf dem ehemaligen, seit 1828 zu einer Park¬
anlage umgewandeltön Peterskirchhofe**) frei zu wählen. Für die
Verkehrserfordernisse ist dieser seit längerer Zeit mit Verbindungs¬
wegen durchsetzt. Die nördlich vorbeiziehende Bleichstrafse liegt
etwa 3 m höher als die südlich geplante Verlängerung der Senken-
bergstrafse. Die einfachste Lösung, welche auch in vielen Entwürfen
vorgeschlagen wird, ist die Stellung der Kirche nahe an die Bleich¬
strafse auf deren Höhe. Aus Kostenrücksichten hat man sich zwar
von gewisser Seite schon vor dem Ausschreiben gegen diese Höhen¬
lage ausgesprochen. Die aus derselben erwachsende Mehrausgabe
kann aber nicht ins Gewicht fallen, wo es sich um einen Kirchen¬
neubau von dieser Bedeutung handelt. Eine verfehlte Höhenlage
liefse sich nie wieder gut machen.
Ueber die Zuerkennung der Preise ist auf S. 415 d. Bl. bereits be¬
richtet. Der mit dem 1. Preise bedachte Plan der Architekten Grise-
bach u. Dinklage in Berlin zeigt eine zweischiffige Anlage und im
halben unregelmäfsigen Achteck geschlossenen Chor. Die Kanzel ist
frei vor dem Chorgurte au der östlichen Längswand aufgestellt, sodafs
der Geistliche fast von allen Plätzen gut gesehen werden kann. Der
Altar ist an die Rückwand des Chores gerückt, welche hoch oben
ein grofses Fenster trägt. Dieses kann, wenn es bedeutsamen
Schmuck durch Glasmalereien erhält, die Stelle eines Altarbildes
vertreten. Der Umgang um den Altar ist durch einen 3,5 m hohen
Gang erzielt, von welchem auch die hinter dem Chor liegende
Sacristei zugänglich ist. Die Sitzreihen sind blofs durch zwei
Gänge getrennt; dadurch ist eine sehr geschlossene Anlage erzielt
und weiter eine gegenüber den anderen Entwürfen verhältnifsmäfsig
kleine bebaute Fläche, durch welche eine Gewähr für die Billig¬
keit der Ausführung geboten ist. Der Lageplan zeigt die Kirche
inmitten des Peterskirchhofes; die Preisrichter haben die Lage auf
der Höhe der Bleichstrafse empfohlen. Die Formen des Aufbaues
motive, und diese sind geschickt zu einem Bauwerke von eigenartigem
Gepräge verarbeitet.
Der an zweiter Stelle ausgezeichnete Plan des Architekten
Vollmer in Berlin löst die Aufgabe vortrefflich mit einer drei-
schiffigen Anlage. Die Anordnung der Sitzplätze erhellt aus den
Grundrissen Abb. 3 u. 4, welche erkennen lassen, dafs die Zahl der
minderwerthigen Plätze sehr gering ist. Die Kanzel ist in dem in das
Langhaus hineingezogenen Chore aufgestellt. Zugänge sind reichlich
vorgesehen, auch liegen sie gut in den Richtungslinien des Verkehrs.
Die Orgelempore ist über den Betsaal gelegt, sodafs Altar, Kanzel
und Orgel für den Blick der Gemeinde im Chore vereinigt sind. In
einer hier nicht wiedergegebenen Nebenskizze ist als Standort für
die Kanzel die Mitte der hinteren Chorwand vorgeschlagen und der
Altar frei vorgerückt. Alles Anordnungen, die gewifs den Bedürf¬
nissen der Predigtkirche gut entsprechen.
Die Ausgestaltung des Inneren ist würdig. Das Aeufsere hält
zwar an gothischem Gesamtaufbau fest, verwendet aber mit grofser
Entschiedenheit Renaissanceformen und verarbeitet diese mit vielem
Geschick zu reizvoller Gesamtwirkung. Die kleinen Anbauten, die
Strebepfeiler sind eigenartig erfunden; die ersteren ordnen sich der
Gesamtmasse gut unter, ohne diese zerrissen erscheinen zu lassen.
Die Darstellung des zwei verschiedene Thurmlösungen aufweisenden
Entwurfes zählt zu den besten und fleifsigsten der Wettbewerbung.
Weniger günstiges können wir vom dritten preisgekrönten Ent¬
würfe berichten. Prof. Henrici macht den Vorschlag, den Friedhofs¬
platz noch mit einem Pfarrhaus, einer Küsterwohnung und einer
Bogenhalle für Aufstellung der alten Grabmäler in gruppirter Form
zu bebauen. Bei der immer weiter fortschreitenden, dichten Be¬
bauung der Innenstadt wird man aber bestrebt sein müssen, jeden
freien Platz zu erhalten; so erscheint es auch erwünscht, auf dem
Peterskirchhof aufser der Kirche kein anderes Bauwerk zu errichten.
Pfarrhäuser sind im Si^rengel für beide Geistlichen vorhanden, der
Küster ist leicht in einem der Nachbarhäuser unterzubringen. Eine
Hallenanlage liefse sich nur befürworten, wenn sie zur Verkleidung
an den Platz grenzender Brandmauern diente und die äufseren
Grenzen des Platzes harmonisch abschlösse, ohne dicht an die Kirche
heranzutreten. Die Aufgabe war übrigens im Preisausschreiben
nicht mit gestellt; wir erwähnen die Frage nur, um unserer dies¬
bezüglichen, aus örtlicher Kenntnifs von Platz und Verhältnissen
a Pfarrer b Betsaal c Vorrauna.
Abb. 3. Unterer Grundrifs. Abb. 4. Emporen-Grundrifs.
Entwurf von Vollmer in Berlin. Zweiter Preis.
schliefsen sich der Bauweise an, welche sich zur Reformationszeit
*) s. S. 136 d. Bl.
**) Dieser Kirchhof ist in den weitesten Kreisen dadurch be¬
kannt, dafs sich hier das Grab von Goethes Mutter befindet.
geschöpften Ansicht bestimmten Ausdruck zu geben. — Der Grundrifs
des Henri cischen Planes weist drei ungleiche Schiffe auf: ein Haupt¬
schiff’, ein gröfseres Seitenschiff’ und eines von nur gangartiger Breite.
Der Aufbau zeigt Renaissanceformen, geht jedoch in der Darstellung
auf ihre Durchbildung nicht ein. Der seitlich liegende Thurm ist
Nr. 43.
Centralblatt der Bauverwaltung,
445
im Aufbau, besonders in' der Spitze, nicht recht geglückt. Die Aus¬
zeichnung verdankt der Entwurf jedenfalls seiner Grundform, welche
der des an erster Stelle preisgekrönten Planes verwandt ist.
Es ist weiter eine stattliche Anzahl von Entwürfen zu erwähnen,
welche bemerkenswerthe Leistungen aufweisen. Die gothischen
Arbeiten herrschen vor. Die langjährige Bevorzugung dieses Stiles
für kirchliche Bauten hat ihn nun einmal fast zur festen Ueber-
lieferung gemacht und zu sicherer Beherrschung seiner Grundrifs¬
formen und Aufbaugestaltung bei den Architekten geführt, während
eine Durchbildung in Renaissance- und anderen Formen bei der grofsen
Menge meist „zu welt¬
lich“ gefunden wird.
Wir erwähnen von
den gothischen Ent¬
würfen „Gen Osten“,
Architekt Ph. Strig-
1er, der in gutem
Grundrisse die nicht
verlangte und von we¬
nigen Bewerbern be¬
achtete richtige Orien-
tirung der Kirche ver¬
suchte. Der Thurm
liegt nach Norden.
Die Sitze sind gut
angeordnet, die Archi¬
tektur ist einheitlich
xind malerisch. — Der
mit zwei verschlunge¬
nen Ringen bezeich-
nete Plan, eine gothi-
sche Kreuzkirche mit
Doppellösung für einen
rechteckigen Thurm,
zeigt einen sehr schö¬
nen, freien und der
Abendmahlsfeier wür¬
digen Altarraum- auch
die Chorfa^ade ist be¬
sonders reizvoll ge¬
staltet. — Der Entwurf
„Vince“ ist in sehr
fleifsiger Darstellung
in Otzenschen Formen
gehalten, das Innere
besonders schön durch¬
gebildet. Die Grund¬
risse finden weniger
Anklang, weil die Em¬
poren zu mächtig. —
Die Skizze „Deo“ in
derber Federzeichnung
hat ebenfalls Otzen-
sche Motive. — Die
Blätter mit dem Kenn¬
wort >,Der rechte Stil
am rechten Ort“ brin¬
gen eine schöne Fa-
•Qade in rheinischer
Gothik mit gutem
Grundrifs. — Der EnL
wurf „Friede“ zeigt
■eine dreischiöige Anlage ohne Querhaus in sehr kurzem Grundrifs
und verwendet frühgothische Formen. Eine flotte Perspective giebt
zwei verschiedene, breitgezeichnete Ansichten der Kirche auf
■einem Bilde. Als Verfasser nennen sich die Herren Zaar und
Vahl. — „Wo Glaube da Friede“, vom Regierungs -Baumeister
Louis Müller in Frankfurt a. M., baut nur über die Stirnen des
■Quer- und Mittelschiffs der gothischen Kreuzkirche Emporen und
erreicht dadurch sehr gute Anordnung der Sitzreihen. Die Kirche
hat ein einheitliches, schlichtes Gepräge, das in der Perspective gut
zum Ausdruck kommt. — Ein Entwurf, mit kleinem Schlüssel be¬
zeichnet, hat sehr grofse Emporen, zu denen die Treppen in geraden
Läufen um den rechteckigen Thurm herumgelegt sind. Die Arbeit
ist ungemein fleifsig in scharfer Bleiskizze dargestellt und zeigt die
Formen rheinischer Gothik. — Die Skizze „Klar“ bringt eine gothische
Kreuzkirche mit schönem, frei vorgebautem Thurm; als Verfasser
nennt sich R. Lippold in Dresden. — „Ohne Empore“ ist ein Ent¬
wurf mit gothischem Aufbau, der freies Querschiff zeigt und über
dem Eingänge Sitzplätze hat: eine recht knappe lobenswerthe Lösung,
■deren Ausgestaltung der Reize nicht entbehrt. Mit dreitheiligem Klee¬
blatt ist ein Entwurf mit i-echteckigem Thurm und sehr ansprechen¬
der Perspective bezeichnet. „S. Petrus“ bietet eine Centralkirche mit
gothischem Vierungsthurm.
Aber auch an Renaissance-Entwürfen ist diesmal mancherlei
gutes geliefert. Die ungemein flott in zierlichem Striche vorgetragene
Arbeit „Dem neuen Geiste neue Form“ hat eine über der Vierung
liegende cassettirte Kuppel. Quer- und Längsschift' mit Emporen,
in klassischen Formen, und die äufsere, mittlere Flachkuppel zeigen
ein eigenartiges Gepräge, das uns für Kirchen nur eben noch nicht
geläufig ist. — Der Entwurf Predigtkirche I, von Hof-Baumeister
R. Dielmann , ist
ebenfalls in strenger
Renaissance ausgebil¬
det und macht Ein¬
druck durch seine
hohe, achtseitige Vie¬
rungskuppel und seine
neuen Constructions-
gedanken im Innern
für die freitragenden
Emporen. — „1700“
zeigt eine Renaissance¬
kirche im Stile jener
Zeit, der halbrunde
Chor sowohl als die
Schiffe sind mit hohen
Mansarddächern aus¬
gebildet. — Predigt¬
kirche HI hat den
Thurm über der Sa-
cristei, die Kanzel ne¬
ben dem Altar; in ech¬
ter deutscher Renaiss¬
ance durchgebildet,
bricht sie ganz mit
dem Hergebrachten
und bringt sehr zweck-
mäfsige Vorschläge für
die Nebenräume. Der
Plan „Deutsch“ von
Prof. Neumeister in
Karlsruhe hat ein sehr
breites Mittelschiff
(15 m) , im halben
Achteck geschlossene
Seitenschiffe, ist in
flotter deutscher Re¬
naissance durchgebil¬
det und in feiner Fe¬
derzeichnung darge¬
stellt. — „Früh - Re¬
naissance“ lenkt das
Auge durch seine vie¬
len kühnen Spitzen und
derbe Darstellungs¬
weise auf sich.
Die Versuche mit
romanischen Bau¬
formen sind viel ge¬
ringer als man sie bei
dieser Bewerbung er¬
wartete. Der Entwurf
„Soli Deo Gloria“, die beste Leistung dieses Stils in der Bewerbung,
zeigt eine Centralkirche mit achtseitigem Vierungsthurm. Fronten
und Schnitte sind nach sehr ausgeführten Zeichnungen in Photo-
graphieen gegeben. — „Roth und Weifs“ ist eine romanische
Centralkirche mit 161/2 m weiter Vierung, vielen Säulen und reichem
Aufbau, alles fleifsig dargestellt.
Dafs der Wettbewerbung auch ein „Stück der curieusen Archi¬
tektur“ nicht fehle, dafür sorgte der Verfasser des Entwurfes NFR
mit wunderlicher arabisch-maurisch-russisch ausgebildeter Anlage, bei
deren Anblick sich der Beschauer in ferne Colonieen versetzt wähnt. —
Noch manches Gute findet sich unter den Arbeiten, ohne dafs es sich
hier aufführen läfst. Mittelgut und geringe Arbeiten treten wie
überall, so auch hier zu Tage, sind aber harmlos und unschädlich.
Es drängt sich die Frage auf, ob sich die Renaissance jetzt einmal
ernstlich daran wagen wird, auf dem Gebiete des protestantischen
Kirchenbaues mit der bisher fast unumschränkt herrschenden Gothik
den Wettkampf aufzunehmen und ob diese Bestrebungen mit Er¬
folg gekrönt sein werden? Die besprochene Preisbewerbung zeigt,
dafs Gothiker wie Vollmer über das erforderliche Rüstzeug mit
Abb. 5. Ansicht.
Peterskirclie in Frankfurt a. M.
Entwurf von Orisebacli ii. Dinklage in Berlin. Erster Preis.
Holzstiel! T. O. Ebel.
446
25. Octobcr 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung.
einer Schlagfertigkeit verfügen, welche sie auf dem neuen Gebiet mit
Erfolg arbeiten läfst. Wie man aber in diesem Falle in Frankfurt
in einem vielgelesenen Platte von einem Siege der Eenaissance über
die Gothik fabeln konnte, ist nicht ertindlich. Immerhin verdienen
die zu Tage getretenen Bestrebungen volle Beachtung. Nach welcher
Eichtling hin die Fachgenossen ihr Können und ihre Ueberzeugung
einsetzen werden — die Ileilbronner, Giefsener und Zwickauer
Kirchenwettbewerbe unter anderen werden dazu im nächsten Jahre
wieder Gelegenheit geben*) — , wird die weitere Entwicklung der
Dinge zeigen. ' — b — , '
*) vgl. S. 363 u. 428 d. J.
Ueber mangelhafte Yorrichtungeii und Yorschriften bei der Prefsluft- Gründung.
Von L. Breniiecke.
Die Zeitschrift des Hannoverschen Architekten- und Ingenieur-
Vereins bringt im Jahrgang 1890 (Seite 443 ff.) einen Aufsatz über
den Bau der neuen Eiderbrücke bei Friedrichstadt in Schleswig, in
welchem u. a. über die beim Betriebe der Frefsluft-Gründung vor¬
gekommenen Unfälle IMittheilung gemacht wird. Da ich bei den
vielen Ausführungen, die ich geleitet oder gesehen, Unfälle von der¬
artigem Umfange nie beobachtet habe, so scheint mir ein näheres
Eingehen auf diese Vorfälle im Interesse der Sache angezcigt. Des
besseren Verständnisses halber mögen zunächst diejenigen Sätze hier
wiederholt werden, welche die infolge der Prefsluft eingetretenen
Krankheitserscheinungen behandeln. Es heifst a. a. 0. auf Seite 452;
„Auffallend ist dabei, dafs sämtliche Unfälle bei niedrigem Ueber-
drucke vorgekommen sind. Ein Arbeiter starb 1/4 Stunde nach dem
Ausschleuseu aus einem Ueberdrucke von nur 0,3 Atmosphären,
ein anderer, welcher vom Arzte für die Arbeit unter erhöhtem Drucke
nicht untersucht worden war und aus Uebermuth sich in die Mann¬
schaftskammer gedrängt hatte, starb 6 Stunden nach dem Aus¬
schleusen aus 1 Atmosphäre Ueberdruck am Lungenschlago. Aufser
diesen Unglücksfällen sind noch Lähmungen an 3 Arbeitern infolge
Ausschleusens zu verzeichnen . . . Leichtere Erkrankungen: Glieder-
reifsen, Gesichtsschmerzen usw. sind beinahe ausnahmslos bei jedem
Senkkasten- Arbeiter vorgekommen. Als Ursache hiervon dürfte die
plötzliche Abkühlung beim Ausschleusen anzusehen sein.“
„Nach den beiden Todesfällen wurden zum Schutze von Leben
und Gesundheit der Arbeiter Polizeiverordnungen erlassen, deren
Befolgung das Gründungsverfahren mittels Luftdrucks unmöglich ge¬
macht haben würde. Dieselben wurden infolge Beschwerde der
bauenden Gesellschaft Harkort in die folgenden, von Harkort vor¬
geschlagenen verwandelt:
1. Das Alter der Senkkasten- Arbeiter soll zwischen 20 und
45 Jahren sein. Die Tauglichkeit der Arbeiter soll durch den Kreis-
physicus festgestellt werden.
2) Die Schichtdauer soll G Stunden, bei mehr als
2V-2 Atmosphären Ueberdruck jedoch nur 4 Stunden be¬
tragen.
3. Die Ausschleusezeit soll auf je 1 Atmosphäre Ueber¬
druck 1 Minute sein. Die Luft ist mittels Hahnverschlusses
abzulassen. Die Bedienung soll durch zuverlässige Aufseher ge¬
schehen. Die Vorschriften zur Handhabung des Verschlusses sind
auf der Luftschleuse bekannt zu machen. Je ein Manometer soll den
Ueberdruck im Senkkasten und in der Mannschaftskammer angeben.“
Die gesperrt gedruckten Sätze dieser von der bauenden Gesell¬
schaft vorgeschlagenen Vorschriften standen nun in grofsem Wider¬
spruche mit meinen Erfahrungen und den Einrichtungen, welche ich
auf Grund der Versuche von P. Bert im „Grundbau“ S. 302 u. f.
empfohlen hatte, sodafs ich mich veranlafst sah, den nur flüch¬
tig gelesenen Aufsatz eingehender zu prüfen und namentlich auch
die Darstellung der Schleuse in diesem wie in dem (ebenfalls in
Bezug genommenen) Aufsatze S. 37, Jahrgang 1885 der Hannover¬
schen Zeitsch’-ift näher anzusehen. Ich fand dann auch sehr bald
den Schlüssel zu der mir anfangs unerklärlichen Aeufserung der
Verfasser auf S. 449, „dafs die vorgeschriebene Ausschleusezeit von
1 Minute für jede Atmosphäre Ueberdruck nur ausnahmsweise ein¬
gehalten werden konnte“. Es heifst nämlich dort weiter, dafs beim
Ausschleusen sich meist 4, ausnahmsweise 5 Mann in die Kammer
gedrängt hätten. Nehmen wir 4 Mann an und rechnen das Gewicht
des Mannes zu 80 kg und das Einheitsgewicht des Menschen genau
genug gleich dem des Wassers, so füllten die 4 Arbeiter in der
Schleuse einen Kaum von 4 . 0,08 = 0,32 cbm aus. Der ganze Inhalt
des Ausschleuseraumes betrug aber nach der Mittheilung in der
Hann. Zeitschrift 1885 S. 37 nur 0,75 cbm, sodafs neben den Körpern
der Arbeiter nur 0,75 — 0,32 = 0,43 cbm Prefsluft in der Schleuse
vorhanden war.
Wenn man bei dieser geringen Luftmenge, ohne gleichzeitig
frische Prefsluft zuzuführen, die von mir im „Grundbau“ als durch¬
aus sicher hingestellten Zeiten für das Ausschleusen vorschreiben
wollte, so wäre allerdings die Prefsluft-Gründung unmöglich. Man
würde den Ausschleusehahn dann nur so wenig öffnen dürfen, dafs
er namentlich in der kalten Jahreszeit sich stets voll Eis setzen
müfste, und vor allen Dingen würden die Arbeiter Gefahr laufen,
wegen übergrofser Mengen schädlicher Gase Schaden zu nehmen.
Bei diesem geringen Luftvorrathe ist man sogar nicht imstande,
die unserer Ansicht nach zu geringe Ausschleusezeit von 1 Minute
für 1 Atmosphäre innezuhalten, wie die erwähnte Mittheilung be¬
weist, und selbst für diese kurze Zeit wird die Anhäufung schäd¬
licher Gase eine ganz bedenkliche werden. Die Gesundheitslehre
verlangt 20 cbm , und wenn die Luft wie in den Senkkasten aus¬
nahmslos sehr feucht ist, sogar 35 cbm frische Luft von der Dichte
der Aufsenluft für den Kopf und die Stunde, also mindestens
’-^/dO = 0,33 cbm für den Kopf und die Minute, wenn die Anhäufung
der Kohlensäure und der zu dieser im Verhältnifs stehenden schäd¬
lichen Gase*) nicht nachtheilig wirken soll.
Bei 1 Atmosphäre Ueberdruck würde aber, selbst wenn man
annimmt, dafs die Luft bei Beginn des Ausschleusens noch voll¬
kommen rein wäre, in dem engen Eaume nur = 0,21 cbm
Luft von Aufsenluft-Spannung zum Athmen für 1 Minute und 1 Mann
vorhanden sein. Da aber mit dem Einklemmen der Arbeiter in den
engen Kaum sowie mit dem Schliefsen der unteren Einsteigeöffnung
noch mindestens 4 Minuten verloren gehen, während deren die Luft
in dem Eaume nicht mehr erneuert wird, da ferner die Luft
in demselben bereits an und für sich nicht mehr frisch ist, und
endlich die Athmung in der Prefsluft eine wenn auch flachere, so
doch mehr Luft von Aufsenluft-Spannung verbrauchende ist, so
leuchtet ein, dafs der Gehalt an schädlichen Gasen bei dieser An¬
ordnung unter allen Umständen ein höchst gesundheitsnachtheiliger
werden mufs.
Mit Eücksicht auf die Luftverderbnifs allein wäre der Umstand,
dafs der zu geringe Luftvorrath ein langsames Ausschleusen unmög¬
lich machte, wohl günstig zu nennen, wenn nicht die schnelle Ver¬
dünnung eine andere, und zwar weit gröfsere Gefahr in sich
schlösse, deren Folgen ich bereits an anderer Stelle**) eingehend
erörtert habe. Es ist dies das Freiwerden von Stickstoff, welcher
durch den höheren Druck und den längeren Aufenthalt in der Prefs¬
luft im Blute und in den Geweben gebunden war. Ist die Druck¬
verminderung eine plötzliche und sehr bedeutende, so sind auch die
frei werdenden Gasmengen entsprechend grofse und kann die Folge
davon plötzlicher Tod sein (Schlagflufs infolge gestörten Blut¬
umlaufes). Sind die frei werdenden Gasmengen weniger grofs, so
werden sich nur Lähmungen einzelner Körpertheile einstellen. Ferner
werden die Folgen um so bedrohlichere werden, je weniger gesund
der betreffende Mensch ist; namentlich sind, wie leicht erklärlich,
Herz- und Lungenfehler in dieser Beziehung verhängnifsvoll.
Diese Gasentwicklungen in den Adern und Geweben werden
aber desto kleiner und unschädlicher ausfallen, je langsamer aus¬
geschleust wird. Denn je mehr Zeit hierauf verwandt wird, desto
öfter vollendet das Blut seinen Kreislauf im Köriier, und um so
besser kann es bei dem jedesmaligen Durchströmen der Lunge durch
diese, wie durch ein natürliches Sicherheits-Ventil, die während eines
Kreislaufes unbedeutend und unschädlich bleibenden Gasentwick¬
lungen an die den Körper umgebende Luft wieder abgeben.
Wie viel Zeit das Blut im menschlichen Körper zu einem voll¬
ständigen Kreisläufe nöthig hat, ist wohl noch nicht festgestellt;
Versuche an Thieren lassen indessen schliefsen, dafs zwar der Um¬
lauf durch die Hauptadern in verhältnifsmäfsig kurzer Zeit (etwa
1/2 Minute) vollendet ist, dafs der Umlauf durch die feinsten Ader¬
netze aber, entsprechend den gröfseren Widerständen, bei der gleichen
treibenden Kraft des Herzens erheblich mehr Zeit (wahrscheinlich
5 Minuten) beansprucht.
Eine Druckverminderung von 1 Atmosphäre in 1 Minute oder
gar noch kürzerer Zeit, wie sie bei der in Kede stehenden Gründung
üblich war, ist daher immer bedenklich, weil die kleinen Adern in
so kurzer Zeit nicht imstande sind, ihre Gasentwicklungen bis zur
Lunge abzuschieben, und die Gefahr sehr nahe liegt, dafs diese
kleinen Gasentwicklungen sich in den gröfseren Adern, in welche sie
zunächst gelangen, zu gröfseren Gasblaseu ansammeln, welche noch,
*) Nach den Untersuchungen deutscher und französischer Forscher
ist die Kohlensäure an sich nicht schädlich, sondern andere mit der¬
selben ausgeathmete Gase, welche Dubois-Keymond mit dem Namen
„Menschengift“ (Anthropotoxin) bezeichnet.
- Deutsche Bauzeitung 1884 S. 174 ff. „Der Grundbau“ S. 300
Centralblatt der Bauverwaltung.
447
Nr. 43.
nachträglich gefährliche Krankheitserscheinungen herbeiführen können.
Namentlich wird dies von den Gasansammlungen in den Geweben
gelten, die erst sehr allmählich durch die feinsten Adern abgesogen
und abgeführt werden können.
Auch die leichteren Krankheitserscheinungen, wie Gliederreifsen
und Gesichtsschmerzen, welche der Erkältung zugeschrieben werden
und mit denen beinahe sämtliche Arbeiter zu thun hatten, dürften
vorwiegend die Folgen der Gasbildung in den Geweben sein, welche
wegen zu schnellen Ausschleusens eintreten mufsten, denn so all¬
gemein habe ich dieselben auch bei höherem Luftdruck noch nicht
beobachtet.
Es mufs daher die Schleuse in der Anordnung, wie sie hier ge¬
braucht wurde, als unzweckmäfsig bezeichnet werden, weil bei der¬
selben zu einseitig auf Luftersparnifs Eücksicht genommen ist, wäh¬
rend sie den gesundheitlichen Anforderungen nicht entsprach.
Aufserdem wirft es auf ihre Beschaffenheit ein wenig günstiges
Licht, wenn in dem Aufsatze die Anbringung eines Hahnverschlusses
statt der alten einfachen Stöpsel an den Schleusenkammern als beson¬
dere Verbesserung hervorgehoben und das Ablassen der Luft mittels
Hahnverschlusses in der Polizeiverfügung ausdrücklich vorgeschrieben
werden mufs. In der That sind dieselben Schleusen noch bei dem
Bau der Wesei’brücke bei Bodenwerder in den Jahren 1882 — 1883 und
vermuthlich auch beim Bau des Leuchtthurmes in der Weser-Mündung
anstatt der Lufthähne nur mit Löchern versehen gewesen, welche
durch Holzstöpsel verschlossen wurden, wie in der Hannoverschen
Zeitschrift 1885 S. 38 zu lesen. Die Luftdruck-Ausgleichungen sind
dort ausdrücklich „plötzliche“ genannt, und wenn Erkrankungen
trotzdem nicht vorkamen, so ist dies nur dem glücklichen Zufalle
zuzuschreiben, dafs alle Arbeiter von guter Gesundheit und die
Wassertiefe eine aufserordentliche geringe war.
Hoffentlich tragen die obigen Darlegungen dazu bei, derartige
unzulängliche Vorrichtungen aus der Welt zu schaffen, die nur zu
sehr geeignet sind, die bei uns noch immer nicht genügend einge¬
führte Pr.efsluft-Gründung in Mifsruf zu bringen. Auch mag die
thunlichste Innehaltung der in dem „Grundbau“ S. 302 und 303 be¬
fürworteten Zeiten für das Ausschleusen*) und die Dauer der
*) Die dort empfohlenen langen Ausschleusezeiten bieten unserer
Ueberzeugung nach vollkommene Sicherheit selbst für weniger ge-
gesunde Arbeiter. Sie werden aber leider, wie wir sehr wohl wissen
— und zwar oft ohne sichtbaren Nachtheil — noch nicht einmal zum
fünften Theile innegehalten!
Arbeitsschichten nochmals dringend empfohlen werden. Den daselbst
aufgeführten 20 Sicherheits- Vorschriften gesundheitlicher Art möchte
ich aber, durch die besprochenen Vorgänge veranlafst, noch die
folgenden hinzufügen:
1. Der zum Aus- und Einschleusen von Menschen benutzte Raum
mufs eine solche Gröfse haben, dafs auf jeden Kopf der gleichzeitig
einzuschleusenden Leute mindestens cbm Raum entfällt und der
Gesamtinbalt desselben mindestens 2V2 cbm umfafst.
2. Es ist strenge darauf zu achten, dafs der Einschleuseraum
nicht gleichzeitig von mehr Menschen benutzt werde, als die unter 1.
gegebene Vorschrift zuläfst,
3. Der Ausschleusungshahn ist so zu gestalten, dafs mit dem¬
selben ein schnelleres Ausschleusen als vorgeschrieben überhaupt
nicht möglich ist (verstellbare Oeffnung).
4. Bei bedeutenderen Tiefen sind Vorkehrungen zu treffen, welche
die Zuführung einer nach Bedarf zu regelnden Menge frischer Prefs-
luft in die Schleusenkammer während des Ausschleusens selbst er¬
möglichen.
Um die langen Ausschleusezeiten ohne Betriebsstörungen ein-
halten zu können, sind die Schleusen so einzurichten, dafs die Ein¬
fahrt der Ablösungsmannschaft möglich ist, während die alte Schicht
noch arbeitet, was bereits bei vielen Ausführungen vorgesehen ist.
Ferner möge noch ein Fehler erwähnt werden, der bei der be¬
sprochenen Gründung vorgekommen ist, sich aber leicht beseitigen
iäfst. Auf S. 451 der Veröffentlichung wird mitgetheilt, dafs der
höchste erreichte Ueberdruck 3,1 Atmosphären gewesen sei beim
Ausbetoniren der Kammern, obwohl der höchste Wasserdruck nur
reichlich 20 m betrug. Die Arbeiter sind also einem um 50 pCt.
zu hohen Luftdrucke ausgesetzt gewesen, der entstanden ist, weil
infolge des Betonirens der Boden im Senkkasten zu undurch¬
lässig für die Luft geworden war. Dies hätte sich vermeiden lassen
durch die Anbringung eines Rohres, welches, mit dem einen Ende
unter den Rand des Senkkastens hindurchgesteckt, mit dem anderen
bis unter die Decke des Senkkastens reichend, die übei'flüssige Luft
ungehindert hätte entweichen lassen, oder auch durch Anordnung
eines Sicherheits ventiles
Zum Schlüsse möchte ich wiederholt befürworten, dafs von Seiten
der Obrigkeit allgemein gültige Vorschriften für die Sicherheit des
Prefsluft-Betriebes erlassen werden, wie dies bereits in dem Aufsatze
„Wie kann man bei pneumatischen Fundirungen mit hohem Luft¬
drucke die Gefahren für die Gesundheit der Arbeiter mindern?“
(Deutsche Bauzeitung 1884) angeregt worden ist.
Geschofsvorrichtung zum Abstillen der Meereswellen mit Oel
Das Aushängen von durchlöcherten Säcken, welche mit ölgetränk¬
tem Werg gefüllt sind, seitwärts am Schiff entlang (vgl. Jahrg. 1887,
Seite 215 d. Bl.), mag die Beruhigung der Meereswellen mit möglichst
geringem Oel verbrauche bewirken können,
aber es kann offenbar nicht das Meer
vor dem Schiffe, in der Richtung der
Fahrt, auf gröfsere Entfernung abstillen.
Dem Zweck, das Meer weit vor dem
Schiff zu beruhigen, eine wogenfreie Bahn
nach vornhin zu schaffen, soll eine eigen¬
artige Geschofsvorrichtung dienen können,
welche in Nr. 885 der Zeitschrift La Nature
durch Abbildung und Beschreibung erläu¬
tert ist. Hiernach hat die französische Ma¬
rine-Verwaltung mit dieser Vorrichtung be¬
reits Versuche anstellen lassen, welche sehr
befriedigende Ergebnisse gehabt haben.
Die der genannten Quelle entnommene Ab¬
bildung stellt ein mit Oel gefülltes, vom
Schiff aus nach vorwärts zu schiefsendes
oder zu schleuderndes Gefäfs dar. Der
Erfinder ist Herr Silas, Archivar der
französischen Botschaft in Wien.
Das Gefäfs oder Geschofs ist ein Holz-
cylinder von 46,5 cm Länge und 65 mm
äufserem Durchmesser. Der Innenraum H
von 36 mm Durchmesser nimmt 300 Gramm
Oel auf. Die Innenwände sind mit Gummi¬
lack angestrichen, um das Eindringen des Oels in das Holz
zu verhüten. Das untere Ende des Geschosses ist durch Blech¬
beschlag gegen die Wirkung des Pulvers geschützt. Zwischen Ge¬
schofs und Pulverladung wird noch eine Art Kuchen aus Torf und
Fett eingebracht. Der Blechbeschlag verdeckt eine zur Aufnahme
einer Beschwerung bestimmte Aushöhlung. Die Beschwerung soll
das Geschofs aufrecht schwimmend erhalten. Vom Blechbeschlag
bis zur Stelle A hat das Geschofs eine Drahtumwicklung. Darüber
ist ein Einschnitt rings herum zur Aufnahme einer Korkeinlage LL,
welche das Geschofs oben erleichtert und am Untersinken hindert.
Ueber der Korkeinlage sind drei Oeffnungen O, durch welche das
Seewasser in das Geschofs eindringen und vermöge seiner gröfseren
Schwere das Oel allmählich nach aufsen treiben kann. Eine der
Oeffnungen ist etwas erweitert, um die Füllung mit Oel zu erleich¬
tern. Der Verschlufs der drei Oeffnungen erfolgt nach der Füllung
durch Ueberkleben mit Löschpapier, welches sich nachher im See¬
wasser schnell auf löst, sodafs letzteres in den Hohlraum treten und
das Oel austreiben kann.
Der Kopf des Geschosses hat eine Aushöhlung B B, um eine
Leuchtvorrichtung aufzunehmen. Letztere beruht darauf, dafs Phos¬
phorwasserstoffgas Hs P sich in der Luft von selbst entzündet (wahr¬
scheinlich Ursache der Irrlichter, wenn diese überhaupt Vorkommen)
und mit hellleuchtender Flamme zu Phosphorsäure Hs P Or verbrennt,
sowie darauf, dafs sich das Phosphorwasserstoffgas entwickelt, wenn
Phosphorcalcium P Cas mit Wasser in Berührung tritt. Es ist an
sich bemerkenswerth, dafs man imstande ist, durch Einwerfen eines
Körpers ins Wasser eine Flamme zu erzeugen. Der Hohlraum B B
ist mit Phosphorcalcium gefüllt, an welches das Seewasser durch
eine Oeffnung herantreten kann. Das sich bildende Phosphorwasser¬
stoffgas tritt in das gelochte Röhrchen P und brennt am oberen
Ende desselben mit einer im Winde unverlöschlichen Flamme.
Das Geschofs wird mit besonderem Mörser geschossen oder an
einem Strick geschleudert. Bei den französischen Versuchen flog das
Geschofs durchschnittlich 360 m weit. Sein leuchtender Kopf zeigt
seine Stelle im Wasser an. Das Austreiben des Oels durch das
Seewasser dauert 12 Minuten. Die von Oel bedeckte Meeresfläche
umfafste einen Kreis von etwa 900 m Durchmesser.
Pescheck.
448
Centralblatt der Bauverwaltnug,
25. October 1890.
Vermischtes.
Vom Riithhanse iu Aachen. Für die zur Zeit in der Aus¬
führung begriffene Heizungsanlage iin Aachener Rathhause mufste ein
Kellerraum ausgeschachtet werden. Hierbei fand sich Gelegenheit,
dem Zustande des Mauerwerks besondere Aufmerksamkeit zuzu¬
wenden. Das betreffende Mauerwerk befand sich stellenweise in sein-
schlechtem Zustande. In einzelnen Mauern fand sich nicht nur
kein ganzer, sondern nicht einmal ein halber Ziegelstein. Die Wand
im Sitzungssaale mufste entfernt werden, weil dort Kamine, Löcher
und Höhlen eingebrochen waren, die einen Einsturz befürchten
liefsen. Zur Beseitigung dieser im Keller beginnenden schadhaften
Zustände haben umfangreiche Mauermassen errichtet werden müssen,
wodurch dem Eathhause eine bessere Standfähigkeit gegeben worden
ist, als sie vielleicht seit Jahrhunderten vorhanden gewesen ist.
Von ganz besonderem Interesse war hierbei das Auffinden zweier
niedrigen, theil weise mit Brandschutt gefüllten Keller, welche allem
Anschein nach karolingischer Herkunft sind. Diese Keller sollen
ausgeräumt und mit den übrigen Kellern iu Verbindung gesetzt
werden, wozu seitens der Stadtverordneten -Versammlung 5000 Mark
bewilligt wurden, welche aus dem Rest der Braiidentschädigung ge¬
deckt werden sollen. Als immer dringlicher stellt sich nach der
kürzlich von einem sachverständigen Ausschüsse vorgenommenen
Untersuchung die baldige Durchführung des Frentzenschen Wiederher¬
stellungsentwurfes heraus. Der Pfeiler zwischen dem Treppenhaus und
dem Marktthurm an der Südseite ist z. B. so bedeutend aus dem Loth
gewichen, dafs unverzüglich Absteifungen vorgenommen werden mufs-
ten. Hoffentlich gelingt es, die der baldigen Inangriffnahme der Wieder-
herstelluugsarbeiten eutgegenstehenden Schwierigkeiten, welche haupt¬
sächlich die Kostenfrage betreffen, baldigst zu beseitigen. Pn.
Die neuen Vorscliriften über Dampfkessel sind — wie auf des-
fallsige Anfrage zur Ergänzung der Mittheilung in der vorigen
Nummer auf Seite 435 d. Bl. bemerkt werden mag — , insoweit es
sich um die Anlegung der Dampfkessel handelt, im Reichs-Gesetz¬
blatt für 1890 Seite 163 ff. durch Bekanntmachung des Herrn Reichs¬
kanzlers vom 5. August 1890 veröffentlicht worden unter Aufhebung
der Bekanntmachungen vom 29. Mai 1871, vom 18. Juli 1883 und
vom 27. Juli 1889. Die Bestimmungen über die Genehmigung,
Prüfung und Revision der Dampfkessel beruhen dagegen auf
einer Vereinbarung der verbündeten Regierungen des deutschen
Reiches in der Bundesrathssitzung vom 3. Juli 1890 und sind durch
die Landespolizeibehörden (in Preufsen die Regierungs-Präsidenten
und der Polizei-Präsident von Berlin) veröffentlicht und nebst den
Bestimmungen vom 5. August d. J. in Vollzug gesetzt worden.
Garbe.
Der Verlauf der diesjährigen Wandervers.ainmlimg des Ver¬
bandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine in Hamburg
soll in einem besonderen Hefte der Verbands-Mittheilungen, welches
zu Anfang 1891 erscheinen wird, ausführlich geschildert werden.
Das Heft wird namentlich den Theilnehmern an der überaus ge¬
lungenen Versammlung eine willkommene Erinnerungsgabe sein.
Au der Douaiibrücke bei Cernavoda in Rumänien ist am 21.
d. M. in Anwesenheit des Königs von Rumänien, des Prinzen Thron¬
folgers, des Primas und der Minister unter entsprechenden Feierlich¬
keiten der Grundstein gelegt worden. Ueber die Vorbereitungen
zu diesem namentlich für Rumänien überaus wichtigen Eisenbahn-
Bauwerk ist in den früheren Jahrgängen (1882, S. 253 u. 293; 1883,
S. 366 u. 413) ausführlich berichtet worden. Nähere Mittheilungen
über den nunmehr zur Ausführung bestimmten Bauentwurf enthält
der vorige Jahrgang d. Bl. auf S. 473 und — unter Beigabe von Ab¬
bildungen — der gegenwärtige Jahrgang auf S. 175 u. 384, auf
welche wir hier verweisen dürfen.
Ein Tunnel unter dem Firtli of Fortli ist seitens der Caledoni-
schen Eisenbahn in Anregung gebracht worden. Diese Gesellschaft,
welche den Verkehr der Nordwestbahn nach dem schottischen Norden
weiter leitet, hat naturgemäfs unter den von der Ostküstenlinie,
welche von der Nord-, Nordost- und Nordbritischen Bahn gebildet wird,
sowie von der Mittellandbahn durch die Eröffnung der Forthbrücke
gewonnenen Vortheilen zu leiden, da ihr, und mit ihr der Nordwest¬
bahn, der Weg über diese Brücke nicht offen steht. Es wird abzu¬
warten sein, ob der Forth-Tunnel als Wettbewerbsmittel gegen die
gleichnamige Brücke Verwirklichung finden wird.
Die Zeitschrift für Bauwesen enthält in Heft X bis XII des
Jahrgangs 1890 folgende Mittheilungen:
Kaufhaus Ascher u. Münchow in Berlin, mit Abbildung auf Blatt 66
im Atlas, von Herrn Architekt Grisebach in Berlin.
Monumentalbrunnen in Erfurt, mit Abbildungen auf Blatt 67 im
Atlas, von Herrn Architekt H. Stöckhardt in Berlin.
Die Alte Post in Berlin, mit Zeichnungen auf Blatt 68 und 69 im
Atlas, von den Regierungs -Baumeistern Herren R. Borrmann
und P. Bertram in Berlin.
Der Oder-Spree-Canal und seine Bauten, mit Zeichnungen auf Blatt 57
bis 65 im Atlas, von Herrn Regierungs- und Baurath Mohr in
Fürstenwalde. (Schlufs.)
Schliefsung eines See -Durchbruches auf der Insel Hiddensoe, mit
Zeichnungen auf Blatt 70 und 71 im Atlas, von Herrn Geheimen
Baurath Wellmann in Stralsund.
Die Canalbrücke bei den St, Mary-Fällen in Nordamerica, mit Zeich¬
nungen auf Blatt 72 im Atlas, von Herrn Regierungs-Baumeister
Kemmann in Berlin.
Zum Studium des Flufsbaues. Die Stofskraft des Wassers, die
Festigkeit der Sohle, das Gefälle, das Geschiebe und die Be¬
wegung feinerer Sinkstoffe. Von Herrn Professor M. Möller in
Braunschweig.
Die selbstzeichnenden Regenmesser und ihre Benutzung zur Statistik
der starken Niederschläge, insbesondere für Berlin von 1884 bis
1889, von Herrn Meliorations-ßauinspector Gerhardt in Berlin.
Die Bestimmung der Biegungslinien von Fachwerksträgern, von Herrn
Regierungs-Baumeister Marloh in Bromberg.
Die Bedachung der Eisenbahn- Werkstätte auf dem Bahnhofe Kart¬
haus der Moselbahu, von Herrn Regierungs- und Baurath
Schnebel in Bromberg.
Statistische Nachweisungen, betreffend die in den Jahren 1881 bis
einschliefslich 1885 vollendeten und abgerechneten preufsischen
Staatsbauten aus dem Gebiete des Hochbaues. (Fortsetzung.)
Schlufs der Tabelle XIII. Tabelle XIV: Steueramtsgebäude.
Tabelle XV: Forsthausbauten. Im Aufträge des Herrn Ministers
der öffentlichen Arbeiten zusammengestellt von Herrn Land-
Bauinspector Wiethoff in Berlin.
Naclidruck ans deui Ceutralhlatt der Banverwaltmig.
Bereits vor einigen Jahren sahen wir uns genöthigt, angesichts
des häufigen ungehörigen Nachdrucks unserer Aufsätze seitens aus¬
ländischer Fachzeitschriften das Ersuchen auszusprechen, bei Ent¬
lehnungen aus dem Centralblatt der Bauverwaltung die durch Gesetz
und gute Sitte gezogenen Grenzen innezuhalten, namentlich auch die
Angabe der Quelle nicht zu unterlassen. Wir baten, uns nicht in
die unangenehme Lage zn bringen, jenes Ersuchen, an bestimmte
Adressen gerichtet, wiederholen zu müssen.
In neuerer Zeit sind wir nun darauf aufmerksam geworden, dafs
ein uns früher unbekanntes Wochenblatt, die „IVieiier Bauindustrie-
Zeitiing“ (Commissions- Verlag von Moritz Perles, Wien, 1. Seiler¬
gasse 4; „Organ des allgemeinen Wiener Bautechniker- Vereins“), den
Nachdruck aus dem Centralblatt der Baixverwaltung schon seit Jahr
und Tag in umfassendstem Mafse ausübt. In den seit dem 1. October
V. J. erschienenen Nummern hat dieses Blatt nicht weniger als etwa
40 Spalten ihrer Nummern mit solchem entlehnten Gute gefüllt,
ohne dabei die Quelle, aus der sie geschöpft, namhaft zu machen.
Die meisten dieser Nachdrucke sind dem uVerraischten“ entnommen;
zahlreiche andere sind dagegen gröfsere Aufsätze, welche — unter
Fortlassung der Abbildungen — in der Regel mit mehr oder minder
geänderter Ueberschrift und verändertem Anfänge oder Schlüsse ver¬
sehen worden, im übrigen aber wortgetreu wiedergegeben sind. Allein
von den 13 Nummern des letzivei-flossenen Vierteljahrs Jidi-September
sind in solcher Weise 7 Nummern an ihrer Spitze, an leitender Stelle,
mit gröfseren Aufsätzen aus dem Centralblatt ansgestattet, von denen
einzelne einen Umfang von je fünf Druckspalten haben.*) Und
der Eindruck, dafs der Leser es hier mit Original-Aufsätzen zu
thun habe, wird noch dadurch verstärkt, dafs unten auf der ersten
Seite des Blattes, wo diese Nachdrucke beginnen, in fetter Schrift
die warnende Bemerkung ins Auge fällt: „Nachdruck unserer Artikel
nur mit Quellenangabe gestattet“ !
Einstweilen beschränken wir uns daranf, das Verfahren des
Wiener Blattes dem Urtheile der Oeffentlichkeit zu übergeben, und
behalten uns weitere Schritte in der Angelegenheit vor.
Berlin, im October 1890. Die Redaction des
Centralblattes der Bauverwaltung.
*) Es sind dies die Aufsätze in Nr. 40 der Bauindustrie-Zeitung:
„Wie baut man billige Wohnungen“ (abgedruckt aus dem Central¬
blatt der Bauverwaltung 1890, Seite 184/18^5) ; Nr. 43 u. Nr. 44: „Der
Aufschwung der Architektur in Deutschland“ (Seite 105/106 des
Centralblatts Jahrg. 1889); Nr. 47; „Vom Heidelberger Schlofs“
(Jahrg. 1890 Seite 260); Nr. 48: „Dimensiös monströse Architekturen“
(1890 Seite 337/339); Nr. 51 u. 52: „Eine Statistik über Concurrenz
von Bauplänen“ (1890 Seite 381/383).
Verlag von Ernst & Korn (AVilhelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nichtamtliclieu Theiles verantwortlich; Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. K er s k es, Berlin.
449
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentliehen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 1. November 1890.
Redaction; SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Versuche mit Ge¬
wölben ans verschiedenen Baustoffen. — Reformirte Kirche in Insterburg. — Brand
der Alhambra. — Württembergische Staatsbahnen. — Vorschlag zu einer wasserdichten,
schalldämpfenden Fahrbahn eiserner Eisenbahn-Brücken. — Vermischtes: Gesamt-
Inhaltsverzeichnifs der ersten 10 Jahrgänge 1881—1890 des Centralblatts der Bau-
vcrwaltuug. — Elektrischer Betrieb im Londoner Strafseuverkehr. — Bindeeisen
zur Anlage von Luftschichten. — Gleitweichc mit drehbarem Herzstück. — Neue
Patente.
Amtliche M
Prenfseu.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, den bisherigen
Land-Bauinspector Weyer bei der Regierung in Cassel und den bis¬
herigen Wasser-Bauinspector Max Meyer in Harburg zu Eegierungs-
und Bauräthen zu ernennen. Dieselben sind den Königlichen Regie¬
rungen in Oppeln bezw; in Aurich überwiesen worden.
Versetzt sind; Der Ober-Baurath und Geheime Regierungsrath
Dircksen, bisher in Köln, nach Erfurt als Dirigent der bei der
Königlichen Eisenbahndirection daselbst am 1. November d. J. in
Wirksamkeit tretenden Abtheilung IV (für den Bau neuer Bahnen),
sowie die Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectoren Goos, bisher in
Stralsund, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt (Berlin - Stettin) in Stettin und Zachariae, bisher in
Wittenberg, als ständiger Hülfsarbeiter an das Königliche Eisenbahn-
Betriebs-Amt in Stralsund.
Dem Eegierungs- und Baurath Lange in Köln ist die Stelle
eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahndirection (rechtsrh.) da¬
selbst verliehen worden.
Der Königliche Regierungs-Baumeister Nöhre in Köln ist zum
Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspector unter Verleihung der Stelle
eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem Königlichen Eisenbahn-Be-
triebs-Amte (rechtsrh.) daselbst ernannt worden.
Der bisherige Regierungs-Baumeister Münchow in Schleswig
ist als Königlicher Meliorations-Bauinspector der Provinz Schleswig-
Holstein und der Regierungs-Baumeister Otto Müller als König¬
licher Kreis-Bauinspector in Frankenberg (Reg.-Bez. Cassel) an¬
gestellt worden.
Der bisher bei der Königlichen Regierung in Schleswig an-
gestellte Wasser-Bauinspector Lang ist der Königlichen Regierung
in Cassel zugewiesen worden.
ittheilungen.
Der bisher hei der Königlichen Ministerial-Baucommission in
Berlin angestellte Bauinspector K lut mann ist als Land-Bauinspector
an die Königliche Regierung in Cassel und der bisher bei der Bau¬
abtheilung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten angestellte
Land-Bauinspector Paul Böttger in Berlin als Bauinspector an die
Königliche Ministerial-Baucommission versetzt worden.
Dem Königlichen Baurath Hofsfeld ist eine Docentenstelle an
der Königlichen technischen Hochschule in Berlin verliehen und das
durch das Ablehen des Professors Elis freigewordene fünfstündige
Colleg „Architektonische Formenlehre unter Hinweis auf die geschicht¬
liche Entwicklung der Baukunst“ für Ahtheilung II übertragen worden.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Ludwig
Haarmann in Seesen ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienste ertheilt worden.
Der Geheime Baurath Beckmann, Director des Königl.Eisenbahn-
Betriebs-Amts (Hannover-Altenbeken) in Hannover, ist gestorben.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Post- Baurath Per di sch in Coblenz die Erlaubnifs zur
Anlegung des demselben verliehenen Ritterkreuzes des Grofsherzog-
lich mecklenburg-schwerinschen Greifen-Ordens zu ertheilen.
Der württembergische Regierungs-Baumeister Ernst Mayr ist
zum Kaiserlichen Eisenbahn-Baumeister bei der Verwaltung der
Reichseisenbahnen in Elsafs-Lothringen ernannt worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, die er¬
ledigte Stelle des Obermaschinenmeisters der Generaldirection der
Staatseisenbahnen dem Vorstand der Locomotivwerkstätte Efslingen,
tit. Ohermaschinenmeister Fischer, zu übertragen.
[Alle EecUte vorliehalten.]
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Yer suche mit Gewölben aus verschiedenen Baustoffen.
Wenn es auch nach unserer jetzigen Kenntnifs von den Eigen¬
schaften der Steine und des Mörtels feststeht, dafs die statischen Unter¬
suchungen über Gewölbe auf die Theorie des elastischen Bogens zu
gründen sind, so sind wir doch noch weit davon entfernt, eine für
Anhaltspunkte für die zulässige Inanspruchnahme in den Gewölbe-
constructionen zu gewinnen, sind [aber bisher nur äufserst selten
angestellt worden.*)
Es dürfte daher für die weiteren Fachkreise die Mittheilung von
die Lösung grofser Aufgaben des Gewölbebaues ausreichende und
durch Versuche in gröfserem Umfange erprobte Gewölbetheorie zu
besitzen. Man hat sich bisher damit begnügt, die Stärken der Ge¬
wölbe vorwiegend nach Schätzungsregeln zu bestimmen. Ueber den
damit erreichten Sicherheitsgrad sind wir aber ziemlich im unklaren
geblieben, denn auch die fortgeschrittene Theorie kann hierüber aus
Mangel an genügenden Erfahrungen keinen verläfslichen Aufschlufs
geben. Wirkliche Bruchversuche mit Gewölben zu dem Zwecke, um
Interesse sein, dafs der österreichische Ingenieur- und Architekten-
Verein die Vornahme solcher Versuche in gröfserem Mafsstabe beab¬
sichtigt. Der hiermit betraute Ausschufs hat seine vorbereitenden
*) Nach einer sehr fleifsigen Zusammenstellung des Herrn In¬
genieur Gaertner sind in der technischen Litteratur der letzten
50 Jahre Mittheilungen über blofs zwölf an Gewölben durchgeführte
Versuche zu finden.
450
Centralblatt der Bauverwaltung.
1. November 1890.
Arbeiten vollendet, und es sind bereits die Einleitungen getroffen,
dafs im Laufe dieses Herbstes mit den Versuchen begonnen werden
kann. Der Plan für dieselben ist ziemlich umfangreich. Die Ver¬
suche sollen nämlich eine unmittelbare Nutzanwendung sowohl für
den Brückenbau wie für den Hochbau gestatten und überdies zur
Klarstellung wissenschaftlicher, auf das elastische Verhalten derWölb-
stoft’e bezüglicher Fragen beitragen. Sie werden dementsprechend
in drei Gruppen zerfallen:
1. in wissenschaftliche Erhebungen über die Festigkeits- und
Elasticitätsverhältuisse der bei den Versuchsgewölben zur Anwendung
gelangenden Baustoffe;
2. in Bruchversuche mit den
im Hochbau gebräuchlichen
Deckenconstructionen mit Ge¬
wölben kleinerer Spannweite
und endlich
3. in Bruchversuche mit
Briiekengewölben von 23 m
Spannweite.
Die erste Gruppe der Ver¬
suche soll sich auf die Ermitt¬
lung der Festigkeiten, dann
aber insbesondere auch auf die
Bestimmung der Elasticitäts-
mafse von Mauerwerk und Be¬
ton, und zwar bei letzerem
sowohl für Druck- als für Zug¬
beanspruchung, erstrecken. Die
Vornahme dieser Versuche er¬
folgt in den Versuchsanstalten
des Wiener Stadtbauamtes und
der technischen Hochschule.
Die Hochbauversuche "be¬
treffen a) Gewölbe von 1,35 m
Stützweite und 2 m Länge zwi¬
schen eisernen Trägern, und
zwar Ziegelgewölbe mit Längs¬
und Querscharen, ein Gewölbe
aus Stampfbeton und drei Ge¬
wölbe aus Patentziegeln ver¬
schiedener Art; b) Gewölbe mit
2,70 m Stützweite, 0,25 m Pfeil¬
höhe und 2 m Länge ebenfalls
zwischen eisernen Trägern, und
zwar ein Betongewölbe mit
Betonpflaster, zwei Monier-Ge-
wölbe, das eine mit Schutt und
Bretterfufsboden, das andere mit Mouierpflaster, ein Eabitz-Gewölbe
und zwei Wellblechdecken; c) zwei Gewölbe mit 4,05 m Stützweite,
und 40 cm Pfeilhöhe, das eine aus Stampfbeton, das andere aus
Moniermasse, beide mit Schutt- und Bretterfufsboden.
Das meiste Interesse werden die mit den Brückengewölben aus¬
zuführenden Versuche bieten. Diese Gewölbe erhalten 23 m Spann¬
weite, 1/5 der Spannweite als Pfeilhöhe und 2 m Breite. Es wird je
ein solches Gewölbe aus Bruchstein-, aus Quader- und aus Ziegel¬
mauerwerk, ferner eines aus Stampfbeton und eines aus Moniermasse
erprobt werden. Endlich ist auch noch ein Vergleichsversuch mit einer
eisernen Blechbogenbrücke von gleicher Spannweite beabsichtigt. Die
Quader- und Bruchsteingewölbe erhalten nach umstehender Zeichnung
(Abb. 1) 0,60 m Scheitelstärke und 1,10 m Stärke im Kämpfer; die
Ziegelgewölbe verstärken sich von 0,60 m im Scheitel in vier Ab¬
sätzen auf 1,20 m im Kämpfer. Die Stärkenbestimmung der Beton-
und Monier-Gewölbe wird den betreffenden Unternehmern überlassen.
die sich zur Ausführung dieser Versuchsbauten erbötig gemacht
haben; nur soll dabei die Anwendung auf Eisenbahnbrücken im Auge
behalten und demgemäfs eine mit voller Sicherheit zu tragende Be¬
lastung von 3 Tonnen f. d. Meter Gewölbbogen zu Grunde gelegt
werden. Die gleichen Annahmen gelten auch für den Blechbogen.
Die Ausführung soll derart erfolgen, dafs die möglichste Gleich¬
artigkeit aller Versuchskörper erreicht wird. Es wird daher für alle
Brückengewölbe eine und dieselbe Gattung Portland-Cement und für
die Gewölbe aus Mauerwerk die gleiche Mörtelmischung in An¬
wendung kommen. Die Mauerung der Gewölbe wird gleichzeitig an
vier Stellen, nämlich an den beiden Kämpfern und in der Mitte jeder
Gewölbhälfte begonnen werden,
sodafs der Gewölbschlufs gleich¬
zeitig an drei Stellen erfolgt.
Die Belastung wird einseitig,
nämlich blofs über eine Gewölb¬
hälfte reichend, aufgebracht wer¬
den und, wie Abbildung 1 zeigt,
aus Eisenbahnschienen bestehen.
Sie soll allmählich bis zum
Bruch des Gewölbes gesteigert
werden. Dabei werden die
Formänderungen an den Käm¬
pfern und an mehreren Punkten
der Gewölbstirnen mit Hülfe ein¬
facher V orrichtungen beobachtet
werden, welche die unmittelbare
Messung der loth- und wage-
rechten Verschiebungen gestat¬
ten; nebstdem wird man trach¬
ten, auch die Verdrehung ein¬
zelner Bogenquerschnitte zu
messen. Die Versuche mit den
grofsen Gewölben werden in
einem in der Nähe Wiens gele¬
genen Steinbruche vorgenommen
werden.
Die Kosten sind insgesamt
mit rund 19 000 fl. veranschlagt.
Es ist Aussicht vorhanden, dafs
diese Summe durch Beiträge sei¬
tens der Behörden, der Eiseu-
bahngesellschaften und sonstiger
Theilnehmer ihre volle Deckung
findet, sodafs dieVersuche in dem
beabsichtigten Umfange werden
durchgeführt werden können.
Als Vorversuch kann die Erprobung eines von der österreichischen
Südbahngesellschaft hergestellten 10 m weiten Monier-Gewölbes gelten,
welche unter Betheiligung des oberwähnteu Ausschusses des österr.
Ingen.- u. Arch. -Vereins am 16. und 17. Mai d. J. stattfand. Dieser
Versuch war allerdings für die Erzielung besonderer wissenschaft¬
licher Aufschlüsse nicht angelegt, sondern er sollte nur im allgemeinen
die bedeutende Tragfähigkeit der Moniergewölbe nachweisen. Ueber
diesen Versuch ist auf Seite 15 und 340 d. J. berichtet worden. Die
Ergebnisse sind natürlich noch nicht dazu angethan, um daraus mafs-
gebende Folgerungen für den Gewölbebau überhaupt ziehen zu können;
sie werden aber für die Beurtheilung der Monierbauten Verwerthung
finden können, und dies um so mehr, als nun zum Vergleiche auch
ein gewöhnliches Stampfbetongewölbe von 10 m Spannweite und 1 m
Pfeilhöhe ausgeführt und demnächst der Erprobung unterzogen
werden wird.
Brünn, 27. Sept. 1890. Prof. J. Melan.
Querschnitt.
Reformirte Kirche in Insterburg.
Beiträge zur Keimtnifs der evangelisclieii Kircheiibaukunst in der Gegenwart,
4. Die reformirte Kirche in Insterburg.
Die reformirte Gemeinde, welche sich unter dem Grofsen Kur¬
fürsten und seinen Nachfolgern aus schottischen Kaufleuten und
namentlich aus den zur Colonisation des durch Pest und Krieg ver¬
ödeten Litthauens hierher gewiesenen flüchtigen Hugenotten bildete,
erhielt 1735 durch die Fürsorge König Friedrich Wilhelms I. ihre
erste Kirche, nachdem der bis dahin benutzte Betsaal im alten
Ordensschlosse bei dem steten Zuzuge nicht mehr ausreichte. Diese
Kirche hat nur 150 Jahre gestanden. Durch Sackungen im Funda¬
mente und durch Ausdrängen des unzweckmäfsig construirten liegenden
Dachstuhls traten Hisse im Mauerwerk auf, welche schon im Jahre
1846 zu einer Verankerung des Gebäudes zwangen. Aber auch
hierdurch liefs sich der weitere Verfall nicht aufhalteu, und im Jahre
1885 mufste die Kirche geschlossen werden. Inzwischen war bereits
der Entwurf zu einem neuen Gotteshause fertig gestellt, und es
konnte der Neubau im Frühjahr 1886 mit allen Kräften begonnen
werden.
Durch das Entgegenkommen der städtischen Behörden stand ein
vortrefflicher Bauplatz, der im neuen Stadttheile belegene Mark¬
grafenplatz, zur Verfügung. Dieser, ein von vier Strafsen einge¬
schlossenes Kechteck von 108 m Länge und 74 in Breite, gestattete
eine vollkommen freie Lage des Kirchengebäudes.
Aus diesen örtlichen Verhältnissen sowie aus der Nothwendig-
keit, 1500 Sitzplätze und etwa 500 Stehplätze zu beschaffen — die
Seelenzahl war 4000 — entstand der Entwurf einer rundbogigen,
dreischiffigen Hallenkirehe mit Emporen, welche, weil sie aus
Kostenschonung in den Höhenmafsen eingeschränkt werden mufste,
im Aeufseren eine malerische Behandlung, namentlich eine leb-
Nr. 44.
Centralblatt der Bauvervvaltang.
451
haft bewegte Umrifslinie erhalten durfte. Sie wurde daher mit
drei Thürmen ausgestattet, einem stattlichen Glockenthurme an
der Westfront von 65,8 m Höhe und zwei kleinen Treppenthürmen
im Osten von 33 m Höhe. Um die Chorapsis legen sich in halb¬
runder Form Sacristei
und Taufcapelle mit
kleinen Nebenchören,
Vorhalle und Nebenräu¬
men. Die Emporentrep¬
pen befinden sich an
den vier Ecken in abge¬
schlossenen Treppenhaus
sem mit Vorhallen. Der
Chorraum mit einem an¬
grenzenden Stücke des
Kirchenschiffs ist unter¬
kellert und birgt die bei¬
den Kessel der Nieder¬
druckdampfheizung, von
denen aus sich die
Dampfröhren unter dem
Gestühle des Mittel¬
schiffes und der Seiten¬
schiffe in weiten Canälen
verbreiten.
Das System des In¬
nern zeigt, um bessere
Durchblicke von den Sei¬
tenschiffen aus zu er¬
zielen, den Stützenwech¬
sel von Rund- und ge¬
stuften Kreuzpfeilern.
Ueber den unteren Rund¬
pfeilern von Ziegeln er¬
heben sich oben schar-
rirte Säulen aus schwe¬
dischem Granit mit Wür-
felcapitellen; das gleiche
Material und dieselbe
Bildung erhielten die
Säulen unter der im
Westen befindlichen
Orgel - Empore. Dem
Stützenwechsel entspre¬
chend wurde das Mittel¬
schiff mit sechskappigen
Kreuz - Gewölben und
einem rechteckigen
Kreuzgewölbe über der
Orgel - Empore bedeckt.
Alle Wände und Decken
wurden geputzt und in
umfangreicher Weise stil-
gemäfs decorirt, im Ge¬
gensätze dazu blieben die Haupt-
structurtheile in Rohbau stehen.
Auch das Aeufsere ist als
Backsteinrohbau von schöner
tiefbraunrother Färbung unter
reichlicher V erwendung von
Granit zu Abdeckungen, Platten,
Ziersäulchen usw. behandelt.
Das rauhe Klima schlofs Sand¬
stein für das Aeufsere aus. Die
Fundamente bestehen aus ge¬
sprengten Granitsteinen, welche
das Insterthal in reicher Menge
birgt. Auch i.st der ganze Sockel
mit derb bossirten Granitqua¬
dern, welche aus den Funda¬
mentsteinen ausgelesen und auf
der Baustelle von den Maurern '
zugerichtet wurden , bekleidet.
Das Mafswerk der Langhaus¬
fenster oben und unten und die
eingeblendeten Säulen der Por¬
tale und Chorfenster wurden aus Backsteinen
Dächer sind mit Schiefer eingedeckt.
Ansicht.
Grundrisse.
Reformirte Kirche in Insterburg.
gefertigt. Sämtliche
Die unteren Theile der Hauptfenster des Langhauses sind in
Kathedralglas mit einfachen bunten Friesen, die Rosen in Grisaille
und Mosaikmustern ausgeführt, nur das Mittelfenster des Chors er¬
hielt einen reicheren Schmuck durch die Gestalt des segnenden
Christus, während Teppichmalereien die beiden Seitenfenster füllen.
Die Kanzel, der Altartisch und der Taufstein wurden aus gelbem
Seeberger Sandstein, der Schalldeckel aus Eichenholz gefertigt. Das
Gleiche gilt für das Ge¬
häuse der stattlichen Or¬
gel, welche 45 klingende
Stimmen umfafst. Der
Thurm erhielt eine Uhr
sowie einen eisernen
Glockenstuhl mit drei
Glocken von 35 Ctr. Ge¬
samtgewicht. Die Tages¬
beleuchtung ist eine
reichliche, für dieAbend-
gottesdienste dient eine
Gasbeleuchtung mit sti¬
listisch durcbgebildetcn
Kronen und Wandarmen.
Die Akustik hat sich
als vorzüglich heraus ge¬
stellt sowohl für Rede
wie für Gesang.
Da das rauhe ost-
preufsische Klima die
Bauzeit nicht unwesent¬
lich beschränkt, hat die
Bauausführung vier Jahre
in Anspruch genommen.
Die Herstellung sämt¬
licher Fundamente füllte
das Jahr 1886 aus. Das
Kirchenschiff wurde im
Jahre 1887 unter Dach
gebracht, das gleiche
Ziel bei den übrigen
Bautheilen aber erst 1888
erreicht. Im Sommer
1889 wurden die Wöl¬
bungen ausgeführt, nach¬
dem eine nachträgliche
Verstärkung deräufseren
Fundamente der Strebe¬
pfeiler vorangegangen
war, und daran schlossen
sich die Arbeiten des übri¬
gen inneren Ausbaues,
sodafs die feierliche Ein¬
weihung am 24. April 1890
stattfinden konnte.
Bei der Vergebung
der einzelnen Lieferun¬
gen und Leistungen wur¬
de stets darauf gesehen,
soweit irgend thunlich, die am
Orte ansässigen Handwerker
heranzuziehen. Selbstverständ¬
lich liefs es sich bei der Eigen¬
art des Baues nicht umgehen,
in vielen Fällen auswärtige Fir¬
men zu beschäftigen. So wurden
die Verblend- und Profilsteine
von den Rastenburger Ziegeleien,
dieFenstermafswerkeund reiche¬
ren Formstücke von den Siegers¬
dorf er Werken bezogen. Die
Granitsäulen des Innern und
Aeufsern sowie die Granitab¬
deckungen fertigte die Firma
Kessel u. Röhl in Berlin; nach
demselben Orte wurden den
Hof-Steinmetzmeistern P. Wim-
mel u. Comp, die Kanzel, der
Altar und der Taufstein in
Arbeit gegeben. Die Orgel
lieferte M. Terletzki in Königs¬
berg, die Niederdruckdampfheizung die Königsberger Maschinen¬
fabrik ebendaselbst; die Glasmalereien stammen aus der Werkstatt
von C. L. Tuercke in Zittau, und die Ausmalung der Kirche war
dem Maler J. Bornowski in Elbing übertragen.
Der ganze Bau wird — der endgültige Abschlufs ist noch nicht
Holzstiel! V. O. Ebel.
452
Centralblatt der Bauverwaltuug.
1. Novenibei 1890.
erfolgt — einscbliefslicli der Heizanlage, aber aussehliefslich des
Grunderwerbes, rund 420 000 Mark kosten, d. i. für 1 qm bebauter
Fläche 350 Mark, für 1 cbm Baumasse 24 Mark und für den Sitz
280 Mark. Berechnet man, soweit dies annäherungsweise geschehen
kann, die Baukosten für 1 qm Grundfläche getrennt für den Haupt¬
thurm und für das übrige Kirchengebäude, so kommen auf 1 qm
Fläche des Thurmes rund 800 Mark und des übrigen Theiles 300 Mark.
Die obere Baulebung lag in den Händen des Königlichen Bauraths
Siehr in Insterburg, unter iihm fungirte der Eegierungs- Baumeister
C. Waltlier. Der bei der Entlegenheit der Stadt an der Ostgrenze
sehr viel Arbeit machende und durch die knappe Structur eine Reihe
besonderer Schwierigkeiten bietende Bau hat durch die hingehende
Liebe und Treue beider Herren Collegen eine sehr gediegene Durch¬
führung erhalten und ist, wie mir der Prediger Hundertmark noch
neuerdings schrieb, „immer mehr eine Freude für uns alle geworden‘q
F. Adler.
Der Brand der Alhambra.
Heber den Brand der Alhambra entnehmen wir dem „Builder“
einige Angaben, die ein klares Bild des Schadens liefern, welcher
durch das verheerende Feuer in dem alten Schlosse der maurischen
Könige von Granada entstanden ist. Nach dem Bericht eines Augen¬
zeugen, des britischen Viceconsuls in Granada, wurde das Feuer
Montag den 15. Sept. d. J. gegen IOV2 Uhr abends entdeckt. An¬
fänglich schien es, als wenn der ganze Palast verloren wäre, und der
Verdacht der Brandstiftung wurde gleich rege, da es an drei von
einander entfernten Stellen gleichzeitig brannte. Der eigentliche
Herd des Feuers war der Hof der Alberca und der angrenzende Saal
der Barke. Durch Einreifsen von Dächern und vermöge der gewal¬
tigen Dicke der Thurmmauern des Gesandten-Saales gelang es, das
Feuer von diesem und dem
gleichfalls stark gefähr¬
deten Löwenhofe abzu¬
halten. Der grofse Teich
im Innern des brennenden
Hofes, welcher diesem sei¬
nen Namen gegeben hat,
hot reichliche Speisung für
die Spritzen und förderte
das Rettungswerk. Um
4 Uhr war das Feuer ge¬
löscht und rauchte es nur
noch hier und da. Wie in
dem Berichte des Augen¬
zeugen ausdrücklich betont
wird, soll aufser dem Hofe
der Alberca und dem Saal
der Barke nichts weiter be¬
schädigt sein. Wenn sich
diese Darstellung bestätigt
— und sie ist bis jetzt u.
W. nicht widerrufen worden
— wäre also der Löwenhof
mit den ihn umgebenden
Sälen der Schwestern, des
Gerichts und der Aben-
cerrages, vom Feuer ganz
verschontgeblieben. Immer¬
hin ist der Schaden sehr
umfangreich und um so beklagenswerther, als die betroft’enen Bau-
theile noch wohlerhalteu waren.
Der Hof der Alberca, welcher früher nach den zu beiden Seiten
des Teiches gepflanzten Myrthensträuchern auch Myrthenhof, patio
de los Arrajanes genannt wurde, ist 37,65 m lang und 22,50 m breit.
Die Langseiten sind von Zimmerreihen in zwei Geschossen ein-
gefafst, deren Aufsenmauern eine etwa mannshohe Bekleidung und
eine reichere Einfassung der Thüren und Fenster mit arabischen
Teppichmustern, im übrigen aber einfach geputzte Flächen besafsen.
Die Schmalseiten dagegen sind mit offenen Bogengängen auf schlanken
Säulen begrenzt, welche an Pracht der Ausstattung dem berühmten
Löwenhofe nicht nachstanden. Wand- und Deckenflächen waren mit
einem Netz von dichtem Ranken- und Blattwerk, zwischen welches
einzelne Sprüche in kufischer Schrift eingestreut waren, vollständig
übersponnen, und namentlich ragten vier Divans oder Nischen durch
Schönheit der Färbung und Zeichnung hervor. Aehnlich war der
Saal der Barke, dessen Name nach einzelnen Auslegungen von der
einem umgestürzten Boote gleichenden Form seiner Decke herrühren
soll, als Yorraum zu dem Haupt- und Empfangssaal der Gesandten
mit reichem Schmuck versehen. Die Decke war ganz mit tropfstein¬
artigen Gebilden in Stuck bedeckt und vorwiegend in gelben und
rothen Tönen gemalt. Sie war in Holz hergestellt und ist vollständig
verbrannt. Von dem ganzen Raume sind nur die Mauern stehen
geblieben.
Der beigefügte Grundrifs, in welchem die verbrannten Theile
schwarz hervorgehoben sind, zeigt die Gesamtanlage des Palastes
mit Bezeichnung der wichtigsten Räume. Dieses ganze Gebäude
mit allen seinen inneren Höfen, Gärten und Hallen bedeckt am
Nordabhange nur einen verhältnifsmäfsig kleinen Theil des lang¬
gestreckten Burghügels und läfst für Plätze, Strafsen, Gärten, ein
Kloster, eine Pfarrkirche, einen grofsen von Karl V erbauten Palast
und zahlreiche Vertheidigungsbauten Raum, welche alle aus den ver¬
schiedensten Jahrhunderten stammen. Der uns beschäftigende Palast
ist in der Zeit des Verfalles der maurischen Herrschaft in Spanien,
als das Königreich Granada den letzten Stützpunkt derselben bildete,
entstanden. Wenn auch der Name kalat al’hamra (rothes Schlofs) schon
im 9. Jahrhundert auftaucht, so bezog er sich auf eine ältere Feste und
nicht auf den späteren Königspalast, welcher erst im 13. Jahrhundert
von Ibn al’ahmar (1232
bis 72) gegründet wurde.
Dieser Fürst, der bei der
Vertreibung der Almohaden
durch einen Aufstand auf
den Thron gelangte, erhob
durch eine weise Regierung
und gute Verwaltung Gra¬
nada zu der Bedeutung,
welche Cordova unter den
Kalifen als Sitz morgen¬
ländischer Kunst und
Wissenschaft früher ge¬
habt hatte. Durch Zuzug
muselmännischer Flücht¬
linge aus anderen von den
Christen hart bedrängten
Städten wuchsen Einwoh¬
nerzahl und Wohlstand.
Ibn al’ahmar benutzte diese
günstige Lage, um zahl¬
reiche Bauten auszuführen
und gründete den Palast,
welcher von nun ab der
viel umstrittene Herrscher¬
sitz der Granadischen
Könige wurde. 100 Jahre
später unternahm Jussuf I
(1333 — 53) eine vollstän¬
dige Erneuerung und Verschönerung des Palastes im Innern mit
einem Aufwande, der ihn in den Ruf der Zauberei brachte. Er liefs
alle Räume neu bemalen und vergolden, baute zwei neue Thore, die
Halle der Schwestern, die Bäder, den Gesandtensaal und den jetzt
abgebrannten Myrthenhof. Von ihm rührt die märchenhafte Pracht
des Schlosses her. Unter seinen Nachfolgern rieb sich die könig¬
liche Macht in fortwährenden Kämpfen mit den christlichen Nach¬
barn und Aufständischen auf, bis dieselbe mit einer Greuelthat, der
Ermordung eines ganzen Geschlechtes der Abencerrages in dem nach
ihnen benannten Saale ihr Ende erreichte. Bald nach dieser That,
am 2. Januar 1492, zogen Ferdinand und Isabella, welche die Kronen
von Aragon und Castilien durch Heirath verbunden hatten, nach
einer neunmonatlichen Belagerung als Sieger durch die Thore der
Alhambra ein.
Von da ab ist zur Erhaltung des alten Schlosses nichts mehr
geschehen, im Gegentheil, schon Karl V. liefs einen beträchtlichen
Theil desselben abreifsen, um einem weitläufigen Neubau, der nie
vollendet wurde, Platz zu schaffen. In den späteren Zeiten, in denen
mit Feuer und Schwert gegen die Mauren bis zu ihrer gänzlichen
Vertreibung unter Philipp III. gewüthet wurde, hatte auch der
Alhambra-Palast durch Rohheiten aller Art, Uebertünchen der schönen
Malereien, Einziehen von Wänden und andere Verunstaltungen zu
leiden. Um so kostbarer waren die noch wohl erhaltenen Reste,
welche die schlimmen Zeiten und den Verfall des Alters überdauert
hatten, und um so beklagenswerther, dafs ein so grcfser Theil derselben
jetzt durch Frevlerhand zerstört worden ist. B.
de Cömares. 8. Gerichtssaal. 13. Palast Karls V.
4. Bäder. 9. tlof der Moschee.
Dir. 44.
Centralblatt der Bauverwaltung.
453
Die Württembergischen Staatsbahnen,
Vor kurzem ist ein trefflich ausgestattetes Werk über die Staats¬
eisenbahnen Württembergs erschienen, das den Baudirector v. Morl ok
zum Verfasser hat und in den Fachkreisen auch aufserhalb Württem¬
bergs vollste Beachtung verdient.*) In dem Buche giebt der Ver¬
fasser eine Dai-stellung der Entstehung und Entwicklung der württem¬
bergischen Eisenbahnen in technischer und financieller Hinsicht unter
Beifügung einer gröfseren Anzahl Abbildungen von bemerkens-
werthen und kennzeichnenden Hochbauten, Brücken und Fahrzeugen,
sowie statistischer An¬
gaben über die Grö-
fsenverhältnisse der
Empfangsgebäude,
Brücken, Tunnel usw.
Ausgehend vom Jahre
1835, in welchem der
Frage der Ausfüh¬
rung von Eisenbah¬
nen in Württemberg
ernstlich näher ge¬
treten worden war,
wird zunächst die Ge¬
schichte des Bahn¬
baues dargestellt, ein-
getheilt in sechs Zeit¬
abschnitte, deren V er¬
lauf hauptsächlich
durch die leitenden
Verkehrsminister be¬
stimmt ist. In einem
Anhang sind sodann
die Baukosten und
die Erträgnisse der
Bahnen unter Aus¬
scheidung in Orts- und
Durchgangslini en ver¬
zeichnet; auch ist da¬
selbst eine Uebersicht
über die Entwicklung
der Dienstes-Einrich-
tung, über die mit
den Nachbarstaaten
und dem Reich abge¬
schlossenen Staats¬
verträge usw. ge¬
geben.
Mit warmem In¬
teresse entwickelt der
Verfasser, wie im
Laufe des ersten
Zeitabschnittes die
Fragen über Rich¬
tung und Zielpunkte
der Bahnen, über Ausführung als Staats- oder Privatbahnen, über
die Kostenbetheiligung des Staates bei den letzteren, über das zu¬
lässige Mafs der Krümmungen und Steigungen ihre Lösung fanden.
Minister v. Schlayer leitete mit weitschauendem Blick den Bau der
Eisenbahnen ein; die Ober-Bauräthe Etzel, Klein und Knoll legten
die technischen Grundlagen fest. Hervorzuheben ist hier, dafs die¬
selben für den Albübergang bei Geifslingen als gröfste zulässige
Steigung 1 : 44,5 bei Locomotivbetrieb wählten, hierin weiter gehend,
als der zur Begutachtung der ursprünglichen, von Ober-Baurath
-V. Bühler gefertigten Entwürfe aus Wien berufene Oberingenieur
Negrelli, welcher vorgeschlagen hatte, das Steigungsverhältnifs 1 : 89
nicht zu überschreiten, und entgegen dem Gutachten des Professors
Vignoles aus London, der die Luftdruck-Eisenbahn einführen wollte
und für den Fall der Nichtannahme derselben von der Erbauung der
Filsbahn abrieth und die Führung der Linie nach Ulm durch das
Remsthal empfahl. Eingehend wird im weiteren die Thätigkeit der
jeweiligen Vorstände der Verkehrsanstalten, der Minister v. Gärtner,
V. Knapp, V. Varnbüler, v. Mittnacht, des Präsidenten v. Dillenius
und anderer um das Eisenbahnwesen verdienten Männer geschildert.
*) Die König!. Württembergischen Staatseisenbahnen,
Rückschau auf deren Erbauung während der Jahre 1835 — 1889, be¬
arbeitet von G. V. Morlok, Ober-Baurath und Baudirector. Deutsche
Verlagsanstalt. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien 1890. VIII u. 234 S.
in Grofs Quart mit 55 Abb. und einer Uebersichtskarte. Preis geh.
10 J(, geb. 11,20 jH.
Der Verfasser giebt manche werthvolle Aufschlüsse über die Gründe
der jeweiligen Ausdehnung des Bahnnetzes in einem Zeitabschnitt,
sowie der besonderen Linienführung. Er verweist hierbei wiederholt
auf den grofsen Werth sorgfältiger Berechnungen nicht nur der Bau¬
kosten, sondern auch der Betriebsausgaben, und thunlichster Schätzung
der voraussichtlichen Erträgnisse bei den Einzelentwürfen. Solche
Berechnungen sind von den württembergischen Ingenieuren stets mit
Vorliebe aufgestellt worden, indem sie damit dem von Ober-Baurath
Klein gegebenen Bei¬
spiele folgten, dessen
höchst interessantes
Gutachten über drei
Entwürfe der Cen¬
tralbahn Stuttgart-
Efslingen und Stutt¬
gart - Ludwigsburg
wörtlich veröffentlicht
ist. Sehr anregend
ist die Abhandlung
über den vierten Ab¬
schnitt von 1864 bis
1870, in welchem der
eine grofse Sach-
kenntnifs und warme
Fürsorge für Aus¬
bildung aller Zweige
des Eisenbahnwesens
hegende Minister
V. Varnbüler an der
Spitze der Verkehrs¬
anstalten stand, und in
welchem über 500 km
neuer Bahnen dem
Betrieb übergeben
wurden. Da und
dort sind auch tech¬
nische Einzelheiten
aus den Bauvorgängen
eingeflochten, wie die
zur Verhinderung und
Beseitigung von Rut¬
schungen und gegen
Schneeverwehungen
getroffenen Vorkeh¬
rungen, Mittheilungen
über zweckmäfsige
Auswahl und Bear¬
beitung des Bauma¬
terials u. dgl.; für alle
Bahnen sind die geo-
gnostischen Schich¬
ten, welche sie durch-
schneiden, angegeben. Anläfslich der Erörterung der in den Jahren
1863/65 erfolgten Vergröfserung des Bahnhofs Stuttgart spricht der
Verfasser die Befürchtung aus, dafs mit der Ausführung des gegen¬
wärtig behufs Entlastung dieses Bahnhofs wieder in Frage stehenden
Entwurfs einer Umgehungsbahn Untertürkheim-Zuffenhausen der ge¬
wünschte Erfolg — trotz der für den Bau und den Betrieb erwachsen¬
den grofsen Kosten — nicht erreicht werden möchte. Unter Hinweis
auf die im Jahre 1862 von den damaligen Oberingenieuren gepflogenen
Berathungen über die genannte Bahn und auf das zu jener Zeit
aufgestellte, aber nicht vollständig zur Ausführung gekommene Bau¬
programm für die Erweiterung des Bahnhofs Stuttgart hält er es
für angemessener und genügend, die Personen- und Ortsgütergeleise
und die Warteräume ' daselbst weiter auszubilden, wobei allerdings
als unerläfsliche Bedingung für befriedigende Leistungsfähigkeit
vorausgesetzt ist, dafs der Verschubdienst soweit möglich auf benach¬
barten Stationen vorgenommen wird und nur ein Durchziehen der Güter¬
züge unter Zurücklassung oder Aufnahme der nach oder von Stuttgart
gehenden, an das Ende des Zuges gestellten Wagen stattfindet.
Wir legen die Rückschau aus der Hand mit dem Eindruck, dafs
dieselbe um so zeitgemäfser erschienen ist, als der Bau von Haupt¬
bahnen in Württemberg nun sein Ende erreicht haben dürfte und
die Zeit der Nebenbahnen, beginnt. Auch auf dieses Gebiet hat
V. Morlok, welcher 40 Jahre im Dienste der württembergischen
Staatseisenbahnen stand, noch seine Thätigkeit erstreckt, indem unter
seiner Mitwirkung im Jahre 1876 die Im- spurige Bergbahn für das
Hüttenwerk Wasseralfingen als erste Zahnradbahn (System Riggen-
Reformirte Kirche in Insterburg.
454
Centralblatt der Bauverwaltung,
1. Kovember 1890.
bacli) in Deutschland erbaut wurde, und erweiterbin im Jahre 1879/80
Entwürfe für eine voll- und schmalsinirige Nebenbahn von Schiltacb
nach Schramberg an der württembergisch - badischen Grenze aus¬
arbeitete, bei welcher zum gröfseren Tbeil die Mitverwendung der be¬
stehenden Staatsstrafse in Betracht gezogen war. Wenn v. Morlok
seiner Genugtbuung Ausdruck giebt, dafs die württembergische Ab¬
geordnetenkammer nun der Ausführung neuer Linien als Bahnen
II. Ordnung geneigter gegenüberstebt als früher unter dem Einfluf»
ihres langjährigen Berichterstatters Moritz Mohl, so fügen wir den
Wunsch bei, dafs noch einen Schritt weiter gegangen werde und ein.
Umschwung der Stimmung im Lande zu Gunsten der Schmalspur¬
bahnen eintreten möge. — r.
Ein Yorschlag zu einer wasserdichten, schalldämpfenden Fahrbahn
eiserner Eisenhahn -Brücken.
Die Aufgabe, für Eisenbahn-Brücken eine wasserdichte, schall¬
dämpfende Fahrbahn herzustellen, ist bekanntlich bei der Berliner
Stadtbahn dui'ch Anwendung hängender Buckeiplatten, welche, mit
ihren vier Seiten auf die Quer- und Zwischenträger aufgenietet, das
Kiesbett tragen, in brauchbarer Weise gelöst worden. Nach diesem
Vorbilde wird jetzt fast ausschliefslich gebaut, obgleich man in
vielen Fällen den Buckelplatten zu Liebe die Knotenpunkte der
Hauptträger enger legen mufs, als es mit Rücksicht auf das Gewicht
des Gitterwerkes zweckmäfsig ist; obschon man ferner, um Buckel¬
platten derselben Gröfse zu erhalten, die Zwischenträger in gleicher
Entfernung anordnen mufs, während meistens eine ungleiche Ent¬
fernung unter Beachtung der Lage der Schienen günstiger ist;
obwohl bei schiefen Brücken die Endabschlüsse schwierig und
theuer herzustellen sind,
und obgleich endlich die
wasserdichte Befestigung
der Buckelplatten eine
sehr • enge Nietstellung
und damit eine umfang¬
reiche Nietarbeit auf der
Baustelle erfordert, wel¬
che die Ausführung ver-
theuert und in die Länge
zieht. Die Entwässe¬
rung der Oberbaubettung
durch das in der Mitte
einer jeden Buckelplatte
befindliche kleine Loch
ist ausreichend, wenn man die
Kosten für Beschaffung von ge¬
waschenem , grobem Flufskies
aus festem Gestein nicht scheut
der bisher üblichen Weise würde sich etwa der in Abb. 1 links ge¬
zeichnete Querschnitt und der entsprechende Längenschnitt der Abb. 2
ei'geben. Die Entfernung der Querträger von 2,5 m ist zu grofs, um
sie mit einer Buckelplatte zu überdecken. Es müssen deshalb Quer¬
träger zweiter Ordnung eingelegt und an den Zwischenträgern be¬
festigt werden. Die Gröfse der Buckelplatten ergiebt sich alsdann
zu 1,10 X 1,25 m.*) Die Stärke derselben kann erfahrungsgemäfs auf
6 mm bemessen werden, wobei sie ein in ihrer Mitte stehendes 6,5 t
schweres Locomotivrad noch ohne bleibende Formänderung zu tragen
vermögen. Die Entwässerung ist in den Abbildungen angedeutet.
Das Wasser wird von dem in jeder Buckelplatte befindlichen Loche
durch senkrechte Abfallrohre in kurze Querrinnen geführt und läuft
in einer durch die Querträger gesteckten Mittelrinne nach beiden
Widerlagern ab.
Die vorzuschlagende,,
neue Lösung ist in den
Abb. 1 und 2 rechts durch
Querschnitt und Längs¬
schnitt und in den Abb.
3, 4 und 5 durch Einzel¬
heiten dargestellt. Auf
gewalzte Zwischenträger
von IC-Form werden Be¬
lageisen (Zores eisen) quer
zur Brückenachse mit
1 cm Spielraum zwischen
denUnterschenkeln derart
aufgelegt, dafs ihre Ober¬
und denselben sorgfältig so auf¬
bringen läfst, dafs die gröbsten
Kiesel den untersten Tbeil der
Bettung bilden. Mit der Zeit
werden jedoch auch von den härtesten Steinen durch die Ein¬
wirkung der Stopf hacke und durch die Erschütterungen, welche die
Fahrzeuge verursachen, kleine Trümmertheilchen abgesprengt und
dadurch die Löcher in den Buckelplatten verstopft, besonders wenn
über denselben halbkugelförmige Schutzsiebe vorhanden sind. Die
Oberbaubettung mufs alsdann vollständig ausgehoben und theilweise
erneuert werden. Nicht zu verkennen ist aufserdem, dafs die obere
Fläche der Buckelplatten, welche in unmittelbarer Berührung mit dem
Kiesbette steht, vor der Einwirkung des Rostes auf die Dauer nicht
geschützt werden kann. Die meist 4 — 8 mm starken Buckelplatten
werden also früher erneuert werden müssen als die übrigen Eisen-
theile, was ohne lang andauernde Betriebsstörung nicht ausführbar
ist. Man hat die erwähnten Nachtheile bisher mit in den Kauf
nehmen müssen, weil eine andere, dieselben vermeidende Lösung der
Aufgabe, welche
1. eine gleich oder annähernd so geringe Constructionshöhe er¬
fordert, und dabei
2. eine bessere Entwässerung des Kiesbettes,
3. eine ähnliche, sichere seitliche Begrenzung des Kiesbettes,
4. einen mindestens ebenso bequemen Anschlufs an die gemauerten
Widerlager und
5. eine vollkommene Wasserdichtigkeit
gewährleistet, bisher nicht bekannt geworden ist. Ob der nach¬
folgend beschriebene und durch Abbildungen erläuterte Vorschlag
allen Anforderungen genügt und deshalb berufen ist, die Buckel¬
platten zu ergänzen oder zu verdrängen, wird sich erst heraussteilen,
wenn er zur Ausführung gelangen sollte.
Als Beispiel, an welchem die Bauweise gezeigt werden mag, ist
eine zweigeleisige Eisenbahnbrücke mit Fachwerkträgern von 25 m
Spannweite gewählt. Die Knotenpunktsentfernung betrage 2,5 m,
der Abstand der Hauptträgerachsen 8,4 m bei 3,5 m Geleisentfernung.
Die Querträger seien an jedem unteren Knotenpunkte befestigt und
als Blechträger ausgebildet. Bei Anwendung von Buckelplatten in
kante mit den Querträgeroberkan¬
ten nahezu in gleicher Ebene liegt,
und auf jedem Zwischenträger mit
einem schwachen Niete befestigt.
Seitlich wird die so gebildete Fahr¬
tafel durch ein auf die Belageisen
genietetes, am besten aus zwei ver¬
schiedenen Winkeleisen gebildetes-
T-Eisen begrenzt (Abb. 4). Nachdem nunmehr die ganze Fahrtafel
mit magerem Cemeiftbeton ausgefüllt und der letztere abgeglichen
und erhärtet ist, wird ein Belag von 1 bis 2 mm starkem verzinkten
Wellblech mittels einer Zwischenlage von Theerbeton, Asphaltbeton
oder dergleichen aufgebracht. Die einzelnen Wellblechtafeln, deren
Wellen mit den Querträgern gleichlaufen, werden an ihren Enden
auf die säumenden T -Eisen aufgenietet. Eine jede folgende greift
um 1 bis 2 Wellen über die vorhergehende (Abb. 2), sie wässern
mit 1 : 40 bis 1 : 200 (je nach der vorhandenen Constructionshöhe)
nach beiden Seiten ab. Neben jedem Querträger werden Winkeleisen
auf den Zwischenträgern befestigt zum Abschlufs des Cementbetons
*) Bemerkt sei, dafs dies nicht die äufserste Grenze für die
Gröfse der Buckelplatten ist. Man kann bis zu 1,8 X 1,8 m bei
8 mm Stärke gehen. Das Gewicht einer Buckelplatte stellt sich
allerdings dann schon auf etwa 200 kg.
Bfr. 44.
Centralblatt der Bau Verwaltung.
455
{Abb. 3). Bei schiefen Brücken können die schief abgeschnittenen
Belageisen mit ihren Enden auf das neben dem Endquerträger be¬
findliche Winkeleisen unter entsprechender Auffütterung der Zwischen¬
träger aufgelegt werden. An der spitzwinkligen Ecke müssen die
überstehenden Enden der letzten kurzen Belageisen noch durch einen
besonderen Zwischenträger unterstützt werden. Die seitliche Be¬
grenzung des Kiesbettes kann in derselben Weise wie bei den Buckel¬
platten geschehen, mit dem einzigen Unterschiede, dafs die Seiten¬
bleche unten nicht festgenietet, sondern lose auf den Wellblech¬
belag aufgelegt werden (Abb. 4).
Die Entwässerung findet dadurch
statt, dafs die Wellen des Well¬
bleches das Wasser unter dem
Seitenbleche nach einer durch die
Querträger durchgesteckten Längs-
rinne abführen. Mit Rücksicht auf
die naheliegende Gefahr jedoch,
dafs das lose aufliegende Seiten¬
blech beim Fahren eines Zuges
über die Brücke ein klapperndes
Geräusch hervorbringt, verdient
die in Abb. 5 gezeichnete Anord¬
nung den Vorzug. Der Well¬
blechbelag stöfst hier stumpf
gegen das Seitenblech, einen etwa Abb. 4.
10 — 20 mm weiten Schlitz zur
Entwässerung offen lassend. Der Anschlufs der Fahrbahn an das
Mauerwerk wird durch Annieten eines entsprechend der Wölbung
des Wellbleches gesäumten Schleppbleches an den Endquerträger
bewirkt, bis zu dessen Ende auch der Wellblechbelag und die Seiten¬
bleche reichen. Wenn die Verhältnisse es nahelegen, z. B. bei kleinen
Brücken, deren Querträger etwa 1,10 m von einander entfernt sind,
so kann man die Belageisen auch gleichlaufend mit der Brückenachse,
unmittelbar auf den Querträgern liegend, anordnen. Man erspart
dadurch die Zwischenträger, braucht aber das stärkste Profil Nr. 11
für die Belageisen und mehr Constructionshöhe, wohingegen der
Anschlufs an das Mauerwerk sehr einfach durch Verlängerung der
Belageisen über dasselbe hinweg hergestellt werden kann.
Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, dafs bei der
neuen Bauweise die sämtlichen tragenden Eisentheile der Fahr¬
bahn gegen Nässe vollkommen geschützt sind. Die einzige Stelle,
wo das nicht der Fall ist, nämlich das kurze Stück des Querträgers
zwischen Ende des Wellbleches und Versteifungsblech bezw. Seitenblech
oberhalb der Rinnen, kann durch ein übergelegtes Stück Zinkblech ge¬
schützt werden (Abb. 4 u. 5). Dem Rosten sind also blofs das Wellblech
und die Seitenbleche ausgesetzt. Wenn diese einmal erneuert werden
müssen, was bei guter Verzinkung nicht sobald eintreten wird, zumal
da die Sicherheit des Betriebes nicht davon abhängt, so dürfte das
in erheblich kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten auszuführen
sein, als die Auswechslung der Buckelplatten. Die erforderliche
Constructionshöhe fällt allerdings hier etwas gröfser aus. Das Mehr
läfst sich aber auf etwa 3 cm bei eingeleisigen und 4 cm bei zwei-
geleisigen Brücken einschränken, dürfte also wohl selten als Hin¬
derungsgrund in die Wagschale fallen.*) Die Nielarbeit auf der
Baustelle ist erheblich verringert. Zur Befestigung von 1 lfd. m
Buckelplattenfahrbahn einer zweigeleisigen Brücke sind etwa 200 Stück
16 mm starke Niete gegen 40 Stück 10 mm starke bei Belageisen er¬
forderlich.
Zum Schlüsse erübrigt noch, die beiden einander gegenüber¬
gestellten Bauweisen hinsichtlich des Gewichts und der Kosten einer
vergleichenden
Betrachtung zu
unterwerfen.
Legt man der
Berechnung eine
zulässige Bean¬
spruchung der
Fahrbahntheile
von 0,6 t f. d.
qcm unter ge¬
wöhnlichen Um¬
ständen , und
eine solche bis
zu 2 t f. d. qcm
(bis zur Elasti-
citätsgrenze)
nach einer statt¬
gehabten Ent¬
gleisung zu
Grunde, so ist in dem gewählten Beispiele für das lfd. m Brücke
bei Buckelplatten:
das Eisengewicht der Fahrbahn ausschl. Haupt¬
querträger und Seitenbleche etwa . — 0,763 t
das Kiesgewicht etwa . = 4,180 ,.
zus. 4,943 t
bei Belageisen:
das Eisengewicht ausschl. Querträger und Seiten¬
bleche etwa . = 0,787 t
das Betongewicht . = 1,480 „
das Kiesgewicht . . = 2,910 ,.
zus. 5,177 t
Wenn man für Belageisen die Constructionshöhe um 4 cm gröfser,
also die Stärke des Kiesbettes unter Schienenunterkante gleich grofs
annimmt, wie bei den Buckelplatten, so vermehrt sich das Kiesgewicht
gegen obige Zahl noch um 0,6 t; das Gesamtgewicht stellt sich also
auf 5,777 t. Sowohl das Gesamtgewicht als auch das Eisengewicht
ist also bei der neuen Bauweise, ersteres um etwa 3 pCt., letzteres
um 17 pCt. höher als bei Buckelplatten. Eine weitere Vertheuerung
liegt in der Nothwendigkeit, einen Theil des Kieses durch Beton zu
ersetzen. Günstig in Bezug auf die Kosten wirken die geringere
Nietarbeit auf der Baustelle, der niedrigere Einheitspreis für Belag¬
eisen gegenüber dem für Buckelplatten und endlich die einfachere
Rinnenanordnung. Immerhin aber wird eine Vermehrung der Kosten
als feststehend zu betrachten sein, welche jedoch nicht so erheblich
ist, um, wenn sich die Vorzüge der neuen Bauweise bewähren sollten,
von einer ausgedehnten Anwendung derselben abzuhalten.
*) In dem gezeichneten Beispiele ist die Constructionshöhe für
beide Bauweisen gleich grofs, also bei Belageisen die Höhe des Kies¬
bettes in der Brückenmitte etwas geringer angenommen worden.
Magdeburg, im April 1890.
Goering,
Königlicher Regierungs-Baumeister.
Vermischtes.
Das Gesamt - Inhaltsverzeichuifs der ersten 10 Jahrgänge 1881
bis 1890 des Centralblatts der Bauverwaltimg ist, wie wir in Beant¬
wortung einiger Anfragen mittheilen können, in der Bearbeitung
begriffen und soll Anfang 1891 erscheinen. Es wird nicht nur ein
ausgedehntes Sachverzeichnifs , sondern zugleich auch das Verfasser-
Tind Ortsverzeichnifs umfassen.
Elektrischer Betrieb im Londoner Strafsenverkehr. Das eng¬
lische Handelsamt hat unlängst eine Verfügung erlassen, wonach
oberirdische elektrische Leitungen nur in Ausnahmefällen zuzulassen
sind. Für die Beförderung von Strafsenfahrzeugen mittels Elektricität
kommen hiernach nur Betriebe mit unterirdischen Leitungen oder
Sammelbatterieen in Betracht, ein Umstand, welcher zur Vervoll¬
kommnung besonders dieser letzteren Betriebsweisen nicht wenig
beitragen dürfte. Die erste Betriebsart findet wenig Anklang und
ist in London bislang nur versuchsweise angewendet worden, wäh¬
rend man die andere bereits auf mehreren Linien eingeführt hat.
Nach den Engineering News hat die North Metropolitan Trambahn-
Gesellschaft auf der Linie nach Barking 6 Wagen seitens der
^Electric Traction Company“ mit Sammelbatterieen ausstatten lassen,
deren Betrieb dieser Gesellschaft mit 2,4 Pfennig für das Wagen- i
kilometer vergütet wird, einschliefslich des Führerlohnes, 0,5 Pf.
weniger, als die Betriebskosten auf dem übrigen Liniennetze der
genannten Bahn betragen. Die Betriebsweise macht sich trotzdem
nicht bezahlt, da in den armen Stadtvierteln des Ostends Strafsen-
bahnen nur wenig benutzt werden. Doch ist die Einführung elektri¬
schen Betriebes auch auf den übrigen Linien der genannten Bahn¬
gesellschaft in Aussicht genommen und am 28. Juni d. J. vom Parla¬
ment auch genehmigt worden. Bessere Erfolge werden auf der Linie
Tooting- Clapham -Westminster- Brücke der Londoner Trambahn-
Gesellschaft erwartet, wo der Verkehr reger ist. Hier sind Sammel¬
batterieen nach Jarmans Patent in Betrieb. Auch diese Gesellschaft
führt zunächst den Betrieb mit 6 Wagen.
Für Omnibusverkehr wird gleichfalls elektrischer Betrieb beab¬
sichtigt, und zwar wird ein derartiger Verkehr zwischen Charing
Cross und Kings Cross eingeführt werden, natürlich ebenfalls unter
Anwendung von Sammelbatterieen, welche in Kings Cross geladen
werden. Sodann verlautet, dafs demnächst auch eine Anzahl Roll-
fuhrwerke mit Sammelbatterieen gefahren werden soll.
Bindeeisen zur Anlage von Luftschichten. In einer gröfseren
Stadt Nordwesideutschlands hatte man bislang ein recht mittel-
456
Centralblatt der Bauverwaltung.
1. Nftvenibei* 1890.
WM
W/M.
Ä
'
W/MM
W/M/A
Abb. a.
Abb. b.
mäfsiges Ziegelgut, sodafs es unmöglich war, au den Wetter¬
seiten von Gebäuden undurchlässige Wände lierzustellen, wenn
nicht sorgsam Luftschichten angelegt wurden. Anstatt nun aber
die dünne Aufsenschicht durch getheerte Bindersteine mit der
stärkeren Wand zu verbinden, wie allgemein üblich ist, stellte man
hier eine feste Verbindung der getheilten Wand durch dünne, ein¬
gemauerte Bindeeisen her. Dieselben sind in der Eegel 0,5 cm stark
und 1 cm breit, meistens gut mit Mennige gestrichen und an beiden
Enden rechtwinklig umgebogen. Diese Binde¬
eisen, welche im Handel zu haben sind,
werden entweder, wie Abb. a zeigt, in die
Stofsfugen eingedrückt, oder sie umfassen
nach Abb. b die dünne Schutzwand auf der
Aufsenseite. Bei Privatbauten ist diese
Ausführungsweise seit Jahren allgemein ge¬
bräuchlich und bewährt sich sehr gut, ist
aufserdem wesentlich billiger und bequemer in der Ausführung als
die ältere Bauweise mit getheerten Biudersteinen. Bei äufserer
Ziegelverblendung sind diese Bindeeisen aufsen meist nur etwa 1 cm
umgebogen und daher auf der Wandfläche kaum sichtbar; es ist
daher für den Nichtkenner dieser Bauweise eine eigenthümliche Er¬
scheinung, Aufsenwände ganz in Läuferverband ohne Biudersteine
an zwei- bis dreistöckigen Gebäuden ausgeführt zu sehen. Zur Aus¬
führung von Fach werksbauten mit innerer Verblendung, zur Anlage
von Baracken, provisorischen Casernen, Lazarethen usw. erscheint
diese Art der Herstellung von Luftschichten wohl Beachtung zu
verdienen. — n,
GleiHveiclie mit drehbarem Herzstück. Auf der Brooklyn-
Brücke bei New -York werden gegenwärtig mit einer neuen Weiche
Versuche angestellt, welche nach den beistehenden Abbildungen 1
bis 3 so eingerichtet ist, dafs statt der sonst üblichen Zungen- und
Backenschienen fest verbundene Schienenpaare angeordnet sind,
,S'
Abb. 2.
Abb. 1.
Schnitt nach >S— S".
die nach der einen oder anderen Seite des Hauptgeleises parallel
verschoben werden und in ihren Endlagen die durchlaufende Ver¬
bindung im Haupt- rind Nebenstrang herstellen. Das Herzstück ist
zur Vermeidung von Geleisunterbrechungen nach dem Parsonschen
Muster (vgl. S. 42 des lfd. Jahrgangs d. Bl.) gebaut, mit dem ein¬
zigen Unterschiede,
dafs das neue Ver¬
suchs - Herzstück
um einen mittleren
Drehpunkt statt um
den einen Endpunkt
schwingt. Die Be¬
wegung der glei¬
tenden Schienen¬
paare wie des Herz¬
stücks erfolgt
gleichzeitig. Zudem
Ende wird ein
durchlaufendes Ge¬
stänge A B (Abb. 1)
mittels eines Stell¬
bocks nach A oder
B hin bewegt. Zur Umstellung der Schienenpaare sind bei a
und b Zahngetriebe mit seitlichem Eingriff eingeschaltet, deren
Einzelanordnung in Abb. 2, welche weiterer Erklärung nicht
bedarf, genauer gezeigt ist. Beim Umstellen der Weiche voll¬
führen die Zahnräder a und b halbe Umdrehungen und stehen
in ihren Endlagen so', dafs die Verbindungsstangen d und e in
der Richtung der zum Hauptgeleis senkrecht gedachten Zahnrad¬
durchmesser liegen. Die Bewegung des Gestänges A B überträgt
sich ferner auf das Herzstück in der Weise, dafs nach Abb. 3 ein
unter der Zahnstange angeordnetes Zahnrad gedreht und hierdurch
ein auf der Welle f unter dem Herzstück sitzendes Wurmgetriebe
Abb. 3.
Schnitt nach Ni— Si.
in Thätigkeit gesetzt wird. Letzteres bewirkt die Einstellung des
Herzstücks in die eine oder andere Schienenrichtung. Die Weiche
wird hierdurch in den Endstellungen fest verriegelt. Die ganze An¬
ordnung zeichnet sich durch grofse Einfachheit aus. Die Railroad
Gazette^ welcher die vorstehenden Mittheilungen entnommen sind,
führt aus, dafs die Versuchsergebnisse bislang sehr befriedigende
sind, was um so beachtenswerther erscheint, als bekanntlich der
Oberbau auf der Brooklyn - Brücke aufserordentlich stark bean¬
sprucht wird. Km.
Neue Patente.
Doppelwandig er Rolirkörper aus innerem glatten und äiifse-
i’em scliraubenformig gewniidenen wellenförmigen Blech. Patent
Nr. 50 827 Wilh. Tillmanns in Remscheid. —
Auf einem inneren Rohre aus glattem Blech wird
ein beliebig profllirter Blechstreifen schrauben¬
förmig aufgewunden und durch Nietung
an mehreren Stellen befestigt. Es ent¬
steht dadurch ein Rohr, welches nach
allen Richtungen einen hohen Grad
von Steifigkeit besitzt. Die Zeich¬
nung giebt als Beispiel eines solchen
Rohres einen Candelaber. In der Wan¬
dung des glatten Innenrohres sind
Löcher H ausgespart, durch welche
Zink in die Hohlräume zwischen den
beiden Rohren treten kann, sobald
man das ganze in ein Zinkbad taucht.
Auf diese Weise werden die Wände
der beiden Rohre an sehr vielen
Stellen innig mit einander verbunden.
Bewegliches Wehr mit durch
Lenker geführten Klappen. Patent
Nr. 52004. Leon Pochet in Paris.
Die Klappen A B stützen sich bei
gestautem Wasser unten auf die
Schwelle C, oben werden sie durch
Lenker O B gehalten. O ist die feste
Drehachse, um welche auch die Hebel
LOK schwingen können. Der eine
Endpunkt K dieses Hebels ist mit
dem unteren Klappen - Ende A ver¬
bunden. An den anderen Endpunkt L
des Hebels ist eine Kette E ange¬
schlossen, welche über eine Rolle D am oberen
Klappen-Ende und von da zu einer Winde T läuft.
Soll das Wehr für den Wasserdurchgang ge¬
öffnet werden, so wird die Kette E von der Ar¬
beitsbrücke aus angewunden. Dadurch wird der
Hebel LOK nach der Zeichnung in Rechtsdrehung versetzt, und
somit das untere Klappen-Ende A etwas von der Schwelle C abgehoben.
Mittlerweile ist der Knaggen t in der Kette bis zum Gehäuse der
Rolle D gekommen, sodafs der weitere Durchgang der Kette gesperrt
und der Zug der Kette unmittelbar auf die Klappe übertragen wird.
Letztere wird bis über den Hochwasserspiegel aufgewunden und (in
*der gestrichelt gezeichneten Lage) durch Klinken festgestellt.
Verlag von Ernst & Korn pVillielm Ernst), Berlin. Fnr die Ecdaction des nicbtamtlichen Theiles verantwortlicli: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
457
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 8. November 1890. Nr. 45.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstralse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT; Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Was hat das Bau¬
wesen von einer Neufassung des Patentgesetzes zu erwarten? — Neue Bildwerke am
Eathhans in Osnabrück. — Neubau eines Geschilftsbauses für das Amtsgericht in
Braunfels. — Umbau des Monte Olimpino-Tunnels bei Como. — Fischpafs bei Hameln.
— Vermischtes: Versuche mit Gewölben aus verschiedenen Baustoffen. — Rettungs¬
boje mit unauslöschbarem Licht, — Eröffnung der neuen elektrisch zu betreibenden
City- und Süd-London- Bahn. — Glocken zu Nebelsignalen an den Küsten der Ver¬
einigten Staaten. — Durchgehende Bremsen in England. — Neue Patente.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Des Königs Majestät haben Allergnädigst geruht, dem Geheimen
Eegierungs-Rath, Professor Raschdorff in Berlin den Königlichen
Kronen - Orden II. Klasse und dem im Bereich der Königlichen
Ministerial - Bau - Commission angestellten Bauinspector, Baurath
Friedrich Schulze in Berlin den Königlichen Kronen -Orden
III. Klasse, sowie den Landes -Bauinspectoren Karl August Eduard
Köcher in Halherstadt, Karl Marcus Ludwig Edmund Müller in
Erfurt, Wilhelm Klein schmidt in Hannover, Friedrich Graven¬
horst in Stade, Karl Rhode in Lingen und Alex v. Bodecker in
Osnabrück den Charakter als Baurath zu verleihen.
Zu Königlichen Regierungs-Baumeistern sind ernannt: die Regie¬
rungs-Bauführer Josef Voigt aus Küllstedt i. Thür, und Paul
Kitschier aus Glatz (Hochbaufach); — Nikolaus Gutjahr aus
Gernsheim im Grofsherzogthum Hessen (Ingenieurbaufach) ; — Max
Jaretzki aus Liegnitz (Maschinenbaufach).
Dem bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Heinrich
Kerkhoff in Coblenz ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienst ertheilt worden.
Sachsen.
Der Betriebsinspector Albert Kaspar Christoph v. Schönberg,
ist mit der Verwaltung der Betriebsoberinspection Dresden -Neustadt
betraut und der Abtheilungsingenieur Theodor Schönleber zum
Betriebsinspector in Dresden - Neustadt ernannt worden. Der Ab¬
theilungsingenieur in Geithain, Heinrich Richard Kaiser, mit der
Verwaltung des Sectionsbureaus Brand betraut, ist zum Abtheilungs-
bureau II in Freiberg und der Abtheilungsingenieur Georg Edmund
Lucas, mit der Verwaltung des Sectionsbureaus Dohna betraut,
zum Abtheilungsbureau in Zittau versetzt worden.
[Alle EecMe vovhehalten.]
Ernannt sind; Der Sectionsingenieur Felix Julius Rohrwerder,
beim Sectionsbureau Glashütte, zum Abtheilungsingenieur in Geithain,
der Regierungs-Baumeister I. Kl. beim Ingenieur-Hauptbureau, Ernst
Hugo Toller, zum Sectionsingenieur bei dem Sectionsbureau für
den Umbau der Dresdner Bahnhöfe, und der Regierungs-Baumeister
I. Kl. beim Bezirks-Ingenieurbureau Chemnitz, Albert Schneider,
zum Sectionsingenieur in Kirchberg; letzterer wird jedoch bis auf
weiteres commandoweise zu Vermessungen auf der 2. Section der
Linie Saupersdorf-Schönheide-Wilzschhaus verwendet.
Zu Regierungs -Baumeistern I. Kl. sind ernannt worden: Die
Regierungs - Baumeister II. KL, Ernst Albin Fritzsche, bei dem
Sectionsbureau Dohna, und Paul Richard Herrmann bei dem
Sectionsbureau Glashütte.
Zu Regierungs -Baumeistern II. Kl. sind ernannt worden: die
aufseretatmäfsigen Regierungs-Baumeister Rudolf Schurig, hei den
generellen Vorarbeiten für Staatseisenbahnbauten und Ottomar Rudolf
Frommhold in Kamenz.
Der Regierungs-Baumeister I. Kl. bei dem Sectionsbureau Bautzen,
Hermann Richard Scheibe, ist in gleicher Eigenschaft an das Be¬
zirks-Ingenieurbureau Chemnitz und der mit der Verwaltung des Ab-
theilungs-Ingenieurbureaus Geithain betraute Regierungs-Baumeister
II. KL, Richard Leonhardt Müller, zum Bau der Falkenstein-Mulden¬
berger Eisenbahn versetzt worden.
Der mit der Abhaltung von Vorlesungen über Telegraphie und
Signalwesen bei der technischen Hochschule in Dresden beauftragte
Betriebstelegraphen - Oberinspector der Sächsischen Staatsbahnen
Dr. ph. Friedrich Richard Ulbricht ist zum Honorarprofessor bei
der genannten Hochschule ernannt worden.
Der Betriebsdirector der Staatseisenbahnen, Gottlob August
Mieth ist gestorben.
Nichtamtlicher Theü.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Was hat das Bauwesen von einer Neufassung des Patentgesetzes zu erwarten?
Es dürfte angezeigt erscheinen, diese Frage im gegenwärtigen
Zeitpunkt aufzuwerfen, da der binnen kurzem zusammentretende
Reichstag sich mit der „Novelle zum Patentgesetz“ zu befassen haben
wird. Das Gesetz und der Entwurf zur Novelle dürfen als bekannt
vorausgesetzt werden, nachdem die politische Presse, die von Ver¬
einen herausgegebenen Zeitschriften u. dgl. den Wortlaut der be¬
treffenden Paragraphen meist in vergleichender Gegenüberstellung
gebracht haben. Es erübrigt also hier, kurz zusammenzufassen, was
die Novelle will und durch welche besonderen Bestimmungen sie das
Gewollte zu erreichen hofft.
Die Novelle will (nach dem Reichsanzeiger vom 17. März 1890)
zunächst nicht mit neuen Patentrechts-Systemen Versuche ins un¬
gewisse machen, sondern auf dem Boden des Vorprüfungs-Ver-
fahrens bleiben und anerkannte Mängel dieses Verfahrens be¬
seitigen. Insbesondere hebt der Entwurf, „um die Leistungsfähigkeit
und die Autorität des Patentamts zu steigern, die jetzige Verbindung
der beiden Instanzen (für Anmeldung und Beschwerde) im Prüfungs¬
verfahren völlig auf, organisirt beide Instanzen auf selbständiger
Grundlage und will die erste Instanz nur mit Mitgliedern besetzt
sehen, welche dem Patentamt im Hauptamt angehören.
Durch diese Aenderungen soll die Gründlichkeit und Unbefangenheit
der Entscheidungen sowie eine thunlichst beschleunigte Abgabe der¬
selben gefördert werden. Während in der ersten Instanz vornehm¬
lich die veränderte Bildung der Abtheilungen aus hauptamtlichen
Mitgliedern hierauf hinwirkt, wird in der zweiten Instanz das gleiche
Ziel durch die Einführung der mündlichen V erhandlung, als
eines unter gewissen Voraussetzungen regelmäfsigen Theiles des
Prüfungsverfahrens erstrebt“.
Die Novelle will ferner mehr als dies von dem Patentgesetz ge¬
schehen die Ei-findungen, welche die Prüfung bestanden haben, mit
einem gesicherten Patentschutz ausstatten, indem sie. Anträge auf
Nichtigkeits-Erklärung, welche den Mangel der Neuheit mit der Be¬
hauptung begründen wollen, dafs der Gegenstand des Patentes bereits
vorher durch öffentliche Druckschriften bekannt geworden sei oder
im Inlande in offenkundiger Benutzung gestanden habe, nur inner¬
halb fünf Jahre vom Tage der Bekanntmachung der Ertheilung des
Patentes ab zuläfst.
Desgleichen bietet die Novelle Schutz gegen den Verfall
der Patente infolge einer Säumnifs bei der Gebühren¬
zahlung. Damit wird eine der gröfsten Härten des gegenwärtigen
Patentgesetzes beseitigt. Bisher gab es kein Mittel, ein durch
unterlassene Gebührenzahlung verfallenes Patent wieder ins Leben
zu rufen. Das Patent blieb erloschen, ob der Zahlungspflichtige zur
fraglichen Zeit todtkrank lag oder durch einen Sturm an eine Insel
im Weltmeer verschlagen war. Dabei konnte man sich gegen einen
solchen Fall auch nicht durch Vorauszahlung der Gebühren schützen,
weil die Patentamtskasse vorzeitige Zahlungen zurückwies.
Gegen frivole Nichtigkeitsangriffe gewährt die Novelle
insofern Schutz, als sie die Erhebung der Nichtigkeitsklage von der
Entrichtung einer Gebühr von 50 Mark abhängig macht und den
Patentinhaber befugt, von einem im Auslande wohnenden Gegner
Sicherheitsleistung wegen der Kosten des Verfahrens zu verlangen.
Endlich gewährt die Novelle dem Patent-Inhaber eine wirksamere
Deckung gegen Eingrift’e in die Patentrechte, indem nicht nur wissent¬
liche Eingriffe, sondern auch solche, die aus grober Fahrlässigkeit
hervorgehen, die Pflicht zur Entschädigung begründen sollen.
458
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. Hldvember 1890.
Es darf unumwunden zugestanden werden, dafs die in der No¬
velle gegenüber dem bestehenden Patentgesetz vorhandenen Unter¬
schiede im grofsen Ganzen sich mit den Wünschen der Industrie in
dieser Hinsicht decken.
Nun fragt es sich allerdings: Sind die Wünsche der Industrie,
der Gewerbthätigkeit im allgemeinen, auch diejenigen des Bau¬
gewerbes im besonderen?
Werke der Baukunst fallen, soweit die Schönheit, das Künst¬
lerische einer neuen Anordnung in Betracht kommen, nicht in den
Bereich des Patentwesens. Sie unterliegen dem „Gesetz betr. das
Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst vom 9. Januar 1876“
und sind als solche ausdrücklich nicht geschützt. Es mag für
viele Bauwerke das Bedürfnifs nach einem Schutz des Urheberrechtes
auch ein geringes sein; aber nichtsdestoweniger wird es empfunden,
wenn z. B. bei einer öffentlichen Wettbewerbung der glückliche Preis¬
träger für die Ausführung Gedanken aus den Plänen seiner minder
glücklichen Genossen ohne weiteres „entlehnt“. Ein deutscher Eiffel-
thurm auf dem Tempelhofer Felde oder die Baupläne zu einem
solchen würden also nicht geschützt werden können. Wird aber
derselbe EifPelthurm als Zeichnung auf Mützen gedruckt oder von
einem Zuckerbäcker in Marcipan verewigt, so kann der Schutz des
Gesetzes betr. „das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ vom
11. Januar 1876 in Anspruch genommen werden.
Nun kann man sagen, ein gröfseres Bauwerk gestattet keine
gewerbliche Verwerthung in dem Sinne wie eine kleine Nachbildung.
Das Bauwerk wird einmal errichtet und es liegt also kein Grund
vor, deshalb die „Klinke der Gesetzgebung“ in die Hand zu nehmen.
Indessen trifft das, was vielleicht für eine Kirche, ein Parlaments¬
haus, ein Museum richtig sein mag, nicht mehr zu, wenn es sich um
Bauwerke handelt, die auch als „Masseu-Artikel“ gedacht werden
können, wie z. B. Arbeiterhäuser, zerlegbare Häuser für überseeische
Versendung, Mannschaftsbaracken u. dgl.
Arbeiterhäuser und zerlegbare Häuser bilden immer wieder den
Gegenstand von öffentlichen Wettbewerbungen, ein Beweis, dafs, so
einfach die Aufgabe scheinbar liegt, die Lösung doch sehr schwierig
sein mufs. Beide Gattungen von Häusern verlangen, dafs mit den
geringsten Kosten ein thunlichst geräumiges, gefällig aussehendes,
für die Bedürfnisse der Bewohner möglichst brauchbar eingetheiltes
Bauwerk hergestellt werde. Die zerlegbaren Häuser verlangen aufser-
dem gröfste Leichtigkeit der Wände und des Daches und Bequem¬
lichkeit der Verbindungen. Wie stellt sich nun das Urheberrecht
gegenüber Erfindungen, die auf diesem Gebiet gemacht werden?
Als „Werk der bildenden Künste“ ist das Bauwerk an sich vom
Urheberschutz ausgeschlossen. Als „Muster“ oder „Modell“ erlangt
es keinen Schutz, weil es nicht der Befriedigung des Geschmacks,
sondern technischen Zwecken dienen soll. Als „Erfindung“ im Sinne
des Patentgesetzes wird es nicht erachtet, weil eine bestimmte Auf¬
einanderfolge bezw. ein bestimmtes Ineinandergreifen von Räumen
ohne Angabe von Mafsen und Zahlen wohl nicht definirbar wäre,
Definitionen aber, die mit solchen Zahlenangaben behaftet sind, bis
heute nur im Gebiete der chemischen Technik zugelassen werden.
Das Ergebnifs ist, dafs auf den eigentlichen geistigen Inhalt
eines solchen Planes überhaupt kein Schutz zu erlangen ist, und dafs
Patentschutz nur auf Sachen gewährt wird, die in zweiter Reihe
kommen, etwa auf eine bestimmte Dachplatte, Wandbildung oder
-Verbindung.
So kommt es, dafs, wenn jemand den Schlufs ziehen wollte, dafs
die bewegenden Fragen des Bauwesens, soweit es nach Brod geht,
sich jedenfalls in dem spiegeln, was als neu unter Schutz gestellt ist,
er Brettchen- Vorhänge und ähnliche Dinge als den Hauptausflufs
der geistigen Thätigkeit auf diesem Gebiete anseheu müfste.
Nicht ganz so schlimm steht es um den Schutz neuer Er¬
zeugnisse auf dem Gebiete der mechanischen Technik;' aber
auch diese hat manchen Aei’ger zu verwinden. Wenn z. B. ein
tüchtiger Constructeur eine liegende Maschine mit neuem Arbeits¬
gang in eine stehende umbaut und vielleicht dadurch erst Käufer
für die Maschine schafft, so hat er nicht für sich und für den Er¬
finder der liegenden Maschine, sondern nur für den letzteren ge¬
arbeitet. Denn der Patentschutz wird ihm versagt, etwa mit der Be¬
gründung, dafs in der Umbildung einer liegenden Maschine in eine
stehende eine patentfähige Erfindung nicht zu erblicken sei; und
Musterschutz wird ihm ebenfalls verweigert, weil das neue Erzeugnifs
nicht der Befriedigung des Geschmacks, sondern technischen Zwecken
dient.
Während also das Bauwesen in Bezug auf den Erfinderschutz
zwei Lücken aufweist, zeigt das Maschinenwesen nur eine solche
Lücke; nämlich das Gebiet, welches zwischen dem Patentschutz
und Musterschutz gelegen ist.
Nun heifst es im Reichsanzeiger in der Einleitung zum Entwurf
der Novelle: „Auf dem neuen Boden wird das Patentamt seiner Auf¬
gabe um so eher gerecht werden können, wenn es gelingt, worauf
die Erwägungen zur Zeit gleichfalls gerichtet sind, die kleinen
technischen Forraverbesserungen, welche die Praxis wohl
unter den Begriff der Gebrauchsmuster zusammenfafst, unter einen
einfachen Musterschutz zu stellen und damit das Patentamt von der
Befassung mit zahlreichen Ideen und Vorschlägen zu entlasten,
welche nur mangels eines geeigneten Musterschutzes als Erfindungen
angesprochen werden.“
Der hier angedeutete Weg dürfte vielleicht in manchen In-
dustrieen das Ziel, Zufriedenheit unter den Schutzbegehrenden zu
schaffen, erreichen; im allgemeinen und im Bauwesen insbesondere
aber sicher nicht.
Wenn z. B. irgendwer einen Spiegel-Irrgarten erfindet, der auf
jeden, der darin wandert, und mag er auch in französischen Cafes
mit Spiegelwänden den Mokka geschlürft oder mit Winkelspiegel
und Prisma praktisch gearbeitet haben, einen überraschenden Ein¬
druck macht, so kann man diese Anordnung unmöglich als eine
„kleine technische Formänderung“ ansprechen. Der beabsichtigte Ge¬
brauchsmusterschutz würde also dieser Erfindung ebensowenig zugute
kommen, wie der bisherige Geschmacksmusterschutz. Der Patent¬
schutz aber wird versagt, etwa mit der Begründung: Besondere Grund¬
rifsformen in der Raumanordnung müssen jedermann freistehen.
Ergebnifs: die Erfindung kann nach wie vor keinen Schutz erlangen.
Es mufs auch bezweifelt werden, dafs das Patentamt bei Schaffung
eines besonderen Gebrauchsmusterschutzes entlastet würde. Denn
zunächst wird jeder Erfinder seine Erfindung eher zu hoch als zu
niedrig anschlagen und dementsprechend eher Patent- als Muster¬
schutz nachsuchen. Ob nun der eine oder andere Schutz gewährt
würde, so wäre doch immer für die Abwägung dieser Verhält¬
nisse das Patentamt der richtige Ort. Jedenfalls wünscht die Industrie
eine Verzettelung wie beim Geschmacksmusterschutz nicht (vergl.
Euler in den Verhandlungen der Enquete in betreff der Revision des
Pateutgesetzes 1887 S. 117). Der Unterschied im Kostenpunkt würde
für Mode-Artikel, die überhaupt nur auf kurze Lebensdauer rechnen,
auch den Erfinder nicht veranlassen, etwa auf Patentschutz zu ver¬
zichten, wenn er ihn haben kann. Aufserdem ist nicht abzusehen,
warum z. B. ein Cri-cri, das Hunderttausende einbringt, weniger
Gebühren bezahlen soll, als eine ernste, geistreiche Maschine, mit
■ welcher der Erfinder vielleicht nicht auf seine Kosten kommt.
Wenn man alles das erwägt, so wird man ganz von selbst auf
die Frage geführt: Ist die Kluft zwischen Patentschutz und Muster¬
schutz, so wie sie thatsächlich besteht, im Gesetz begründet, oder
ist sie nur durch die Handhabung des Gesetzes entstanden? Läfst
sie sich also nur durch Schaffung eines Gebrauchsmusterschutzgesetzes
überbrücken, oder bedarf es hierzu eines solchen besonderen Gesetzes
nicht?
Wenn man sehen will, wie tief eine Kluft ist, so mufs man die
Berge sehen, die sie einsäumen. Man mufs also wissen, was ist eine
Erfindung im Sinne des Patentgesetzes, und was ist ein Muster im
Sinne des Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Mustern und Mo¬
dellen. Ueber das letztere ist man sich klar. Unter Mustern im
Sinne des beregten Gesetzes versteht man nur Geschmacksmuster.
Ueber das aber, was unter Erfindung im Sinne des Patentgesetzes
zu verstehen ist, ist man sich nicht klar. Das Gesetz sagt es nicht,
und die Praxis hat den Begriff nicht geläutert.
An Versuchen, festzustellen, was eine patentfähige Erfindung
ist, hat es nicht gefehlt. Früher versuchte man es mit wissenschaft¬
lichen Definitionen (vgl. z. B. Patentblatt 1881, Nr. 21). Die Unfrucht¬
barkeit dieses Weges wurde bald erkannt und derselbe daher ver¬
lassen. Dafür trat das Bestreben ein, jeden einzelnen als Erfindung
angesehenen Pall möglichst zu vertiefen. „Wenn wir verzichten auf
eine nähere und präcisere Ausgestaltung des Begriffes des Wortes
Erfindung, so wollen wir keineswegs verzichten auf eine möglichst
genaue Definition jeder einzelnen Erfindung durch die betr. Patent¬
ansprüche“. . . sagt Reuling in den Verhandlungen der Enquete S. 26.
Während das Patentamt vom Anfänge seines Bestehens mit Patenten,
die überhaupt keinen „Patentanspruch“ hatten, wirthschaften zu
können glaubte, hat sich mit den Jahren, dem erkannten Bedürfnifs
und der fortschreitenden Schulung entsprechend, thatsächlich die
Uebung herausgebildet, durch Vergleichung der Ansprüche einer neu
angemeldeten Erfindung mit den Ansprüchen älterer Erfindungen und
mit dem, was sonst bekannt ist, das loszuschälen, was im bestimmten
Falle wohl allgemein als „Erfindung“ angesehen werden möchte.
Das Patentamt, so wie es jetzt arbeitet, wird also wohl sehr selten
in die Lage kommen, einen Gegenstand für patentfähig erachtet zu
haben, dem die Allgemeinheit die Eigenschaft einer „Erfindung“ ab¬
spricht. Die gegentheilige Gefahr, Sachen abzuweisen, denen die
Fachmänner aufserhalb des Amtes die Eigenschaft einer „Erfindung“
zuerkennen würden, liegt aber um so näher.
In der Schrift „Ueber die Entwicklung des Patentwesens in der
Zeit von 1877 bis 1889“, 1890, S. 23, fordert der Präsident des Kaiserl,
Patentamtes, Herr v. Bojanowski; „Sachgemäfs und sorgsam be-
Sr. 45.
Centralblatt der Bauverwaltang.
459
werkstelligt, soll die Prüfung an die Hand geben, ob der angemeldete
Gegenstand nicht blofs neu ist, sondern auch im anscheinend nicht
Bedeutenden jene geistige Combination, jenes überraschende origi¬
nelle Zusammenfallen von Präge und Antwort, jene Vereinigung von
Aufgabe und Lösung, von Vorhaben und Verwirklichung aufweist,
welche dem Techniker als „Erfindung“ einen Zuwachs an Wissen
und Können bringt. . . . Ist dagegen der geistige Inhalt der Erfin¬
dung derart, dafs er nach den durch öft’entliche Lehrmittel in den
betrefiFenden Kreisen verbreiteten Kenntnissen, einschliefslich der
Schulung des Denkvermögens, von jedem nothwendig gefunden werden
wird, der solchen Unterricht genossen, der Erfahrung durch die Ar¬
beit, Bildung durch das Leben sich zu eigen gemacht hat, oder ist
zu erkennen, dafs die Brauchbarmachung keine Schwierigkeit bietet,
im Bedarfsfälle vielmehr von jedem Sachverständigen ohne
Gefahr des Mifslingens übernommen werden kann, so wird der Schutz
einer derartigen Erfindung gewifs nicht im Interesse der Gesamtheit
liegen“.
Bleibt diese Ansicht des Präsidenten des Kaiserlichen Patentamts
für die Folge als Richtschnur bestehen, so mufs, wenn nicht ein
grofses Gebiet menschlicher Erfindungsthätigkeit über¬
haupt ohne Schutz bleiben soll, ein Schutz auf Gebrauchs¬
muster eingeführt werden. Herr v. Bojanowski hat das sub-
jective Moment, welches der unermüdliche Vorkämpfer auf dem
Gebiet des Patentwesens, Herr Geh. Reg. -Rath H artig in Dresden,
bereits für die Prüfung der Patentgesuche hervorhebt, wesentlich
verschärft.
Hartig, dem es in erster Linie zu danken ist, dafs das tolle
Drunter und Drüber der nach americanischer Art aufgestellten Patent¬
ansprüche aus unseren Patentschriften verschwunden ist, fordert eine
rein begriffliche Umgrenzung jeder Erfindung: „Es mufs
möglich sein, für den Beurtheiler die Neuheit einer Sache nicht nach
zahlenmäfsigen Feststellungen oder nach blofsen geometrischen Dar¬
stellungen zu ermessen, sondern nach dem Zusammentreffen von
gewissen für wichtig zu erachtenden technisch bedeutungsvollen Merk¬
malen mit einem vorliegenden Gattungsbegriff“ (Verhandlungen der
Enquete S. 31). Und an anderer Stelle (Civilingenieur XXXV. Bd.
6. Heft): „Sobald sich erweist, dafs eine Maschine hinsichtlich des
verwirklichten Arbeitsprocesses, also eines zeitlich verlaufenden Vor¬
ganges, technisch bemerkenswerthe Unterschiede gegen die schon
bekannten Maschinen ähnlicher Art, nicht blofs formalistische Unter¬
schiede von diesen aufweist, unterliegt auch die Frage, ob eine
patentfähige Erfindung überhaupt vorliegt, keinem Zweifel. Die
Entscheidung hierüber ist sonach eine Frage der wahren, über blofs
sinnliche Eindrücke sich erhebenden, auf der Erkenntnifs verbaler
Begriffe sich stützenden Werthschätzung, also in letzter Instanz
eine Gefühlsfrage der mit dem betreffenden Zweige der Technik
und dessen bisheriger Entwicklung allseitig vertrauten Fachmänner,
eine Frage des technologisch und durch praktische Erfahrungen ver¬
feinerten Werthgefühls.“
Dem gegenüber bemerkt Hr. C. Hofmann in der Papier-Zeitung
vom 20. October 1889 wohl mit Recht: „Der Vorschlag (Hartigs)
führt nothwendig zur Verweigerung des Schutzes für jede nur ge-
staltliche Anordnung, und Prof. Hartig hat auch folgerichtig den
Schutz der Gebrauchsmuster verworfen. Mit dieser äufsersten Con-
sequenz wird aber das Gewerbsleben nicht einverstanden sein, da die
nur gestaltliche Anordnung, das Gebrauchsmuster, häufig ebensoviel
und mehr Aufwand erfinderischer Thätigkeit verursacht, als eine
Maschine mit neuem Arbeitsgang, welcher sich schon in Worten
ausdrücken läfst.“
In Wirklichkeit dürfte die Sache so liegen: Wenn es gelingt,
einen Patentanspruch aufzustellen, der den Erfindungsgedanken rein
begrifflich, ohne Zuhülfenahme von Mafs und Zahl, ausdrückt, so hat
man stets etwas Werth volleres, als wenn dies nicht gelingt. Ob nun
in letzterem Falle Patentschutz oder Gebrauchsmusterschutz gegeben
wird, dürfte für die wirthschaftlichen Folgen ziemlich gleichgültig
sein. Traurig bleibt die Sache nur dann, wenn Patentschutz nicht
gegeben wird aus subjectiven Gründen, und Gebrauchsmusterschutz
nicht ertheilt werden kann, weil es einen solchen nicht giebt.
Ein Beispiel: Ist der sechskantige Bleistift dem runden gegen¬
über „Muster“ oder „Erfindung“? Wenn ein Anspruch lauten würde:
„Ein Bleistift, welcher die Form eines sechsseitigen Prismas besitzt“,
so hätte derselbe offenbar eine geringere Tragweite, als etwa folgen¬
der: „Ein Bleistift in Form eines Prismas, welcher Kanten in solcher
Zahl besitzt, dafs derselbe weder über geneigte Flächen abrollen
kann, noch beim Verpacken Lücken läfst“. Unter die letztere, begriff¬
liche Definition fällt uicht nur der sechsseitige, sondern auch der
dreiseitige und vierseitige Bleistift. Schliefst man also Ansprüche
mit Zahlenangaben, oder solche, welche Formänderungen ohne be¬
stimmten, gegen Bekanntes veränderten Zweck betreffen, von der
Patentirung aus, so ist nach dem ersten Ansprüche der sechsseitige
Bleistift ein „Muster“. Läfst man Ansprüche auf gestaltliche Aende-
rungen zu, so ist nach dem ersten Ansprüche der sechskantige
Bleistift eine „Erfindung“, die jeder durch Herstellung eines vier¬
kantigen umgehen kann, nach dem zweiten Anspruch dagegen eine
Erfindung, die eine solche Umgehung nicht erlaubt. Man braucht
also nicht „Patente zweiter Klasse“ zu schaffen. Jedes Patent hat
seinen Werth oder Unwerth in sich und verträgt sich mit anderen
gut oder schlecht, wie es kommt.
Daher dürfte der Ansicht Hartigs (Civilingenieur XXXV. Bd.
6. Heft): „Eine widerspruchsfreie Patentverwaltung, welche zugleich
mit Begriffen und mit nicht begriffenen Anschauungen rechnen soll,
welche sowohl die wahren Erfindungen als auch alle möglichen
nur formalistischen Umgestaltungen schon bekannter Gebilde mit
dem gleichen Sonderrecht ausstatten soll, ist eben unmöglich,“
wohl kaum beizupflichten sein.
Das „gleiche Sonderrecht“ ist eben keine Gabe, die jedem Patent
in gleicher Menge zugemessen wird, sondern es ist eine Summe be¬
sonders günstiger Daseinsbedingungen, unter denen sich z. B. jede
Pflanze eines Parks befindet, was aber nicht hindert, dafs ein Baum
dem anderen Luft und Licht wegzunehmen sucht, und in welchem
auch der stärkere stets obsiegen wird. In diesen Kampf können
auch noch Schlinggewächse eintreten, die sich von einem Baume
nähren, den Baum, wenn er schwach ist, sogar vernichten, ihm aber
stets zur Zierde gereichen.
Die Mehrheit der aufserhalb des Patentamtes stehenden Techniker
tritt dafür ein, dafs mit der Beschränkung des Patentschutzes auf
die rein begrifflich definirbaren Erfindungen die Grenzen des Patent¬
schutzes zu eng gezogen sind. So äufsert sich der von der XXXI. Haupt¬
versammlung des Vereins deutscher Ingenieure zur Prüfung der
Novelle niedergesetzte Ausschufs wie folgt: „ . . . . Indem wir
wünschen, dafs die Merkmale der Patentfähigkeit erschöpfend in
das Gesetz aufgenommen werden, glauben wir, dafs als solche Merk¬
male ausschliefslich die Neuheit und die gewerbliche
Verwerthbarkeit von Erzeugnissen oder von Verfahren zur Er¬
zielung von Erzeugnissen zu bezeichnen, dann aber .... solche aus-
zuschliefsen sein werden, welche nach dem bestehenden Muster¬
schutzgesetz als Geschmacksmuster eine besondere gesetzliche Be¬
handlung gefunden haben.“
Also der Verein will kein Gebrauchsmusterschutzgesetz
zur Ergänzung des Patentgesetzes, sondern er will eine Aus¬
dehnung des Schutzes des gegenwärtigen Patentgesetzes auf alles,
was „Erfindung“ heifst. Hierzu bedarf es aber keiner gesetz-
gebei’ischen Mafsnahme. Da das Gesetz darüber, was eine patent¬
fähige Erfindung ist, keine Behauptung aufgestellt hat, so hat es
auch keine zurückzunehmen. Eine einfache Verordnung, etwa
des Inhalts, dafs als patentfähige Erfindungen nicht nur solche neue
Erzeugnisse oder Verfahren zur Erzielung von Erzeugnissen, welche
sich rein begrifflich umgrenzen lassen, anzusehen sind, sondern
auch solche, welche zu ihrer Feststellung sinnlich wahrnehmbarer
Merkmale wie Stoff, Gröfse, Gewicht, Farbe, bedürfen, würde
genügen, um die Kluft zwischen Patentschutz und
Geschmacksmuster schütz auszufüllen. Ebenso, wie seit
einigen Monaten die Vorauszahlung der Gebühren unter der Ver¬
pflichtung des Patentamtes, dieselben unter Umständen wieder
zurückzuzahlen, durch eine einfache Verordnung zugelassen worden
ist, könnte auch der erweiterte Patenschutz zugelassen werden.
Damit wäre die ganze Frage des Gebrauchsmusterschutzes und der
Art, wie und durch welche Behörden er gehandhabt werden soll, aus
der Welt geschafft. Denn mit einer solchen Verordnung würde dem
Bau- und dem Maschinengewerbe nur gegeben, was das chemische
Gewerbe unangefochten seit Jahren besitzt.
Jede wirklich reife chemische Erfindung mufs sich aus den Roh¬
stoffen, aus dem Arbeitsgang bei Umwandlung dieser Rohstoffe und
aus den Eigenschaften des Endergebnisses stets rein begrifflich ohne
Mafs- oder Gewichtsangaben definiren lassen. Zu einer derartigen
wissenschaftlichen Ausreifung einer Erfindung nimmt sich das
hastende chemische Gewerbe in der Regel aber keine Zeit. Es ist
froh, wenn es etwas gefunden hat, was in bestimmter Menge, bei
bestimmten Wärmegraden mit anderem vereinigt etwas giebt, das
mit Vortheil verkauft werden kann; mit einem Wort: es definirt
eine Erfindung fast immer so, wie das Bau- und Maschinengewerbe
ein Gebrauchsmuster mit Mafs und Zahl definiren würde. Was
aber den Chemikern recht ist, ist den Bautechnikern billig, und so
kann man sagen: durch eine Erweiterung des Patentschutzes im
Sinne des Antrags des Vereins deutscher Ingenieure würde erst das
Patentwesen in seinen verschiedenen Zweigen ein einheitliches.
Würde für den „Gebrauchsmusterschutz“ ein eigenes Rechts-
gebiet geschaffen, statt dafs man ihn im Patentschutz aufgehen läfst,
so würde sich derselbe in kurzer Zeit als ein „Salon der Zurück¬
gewiesenen“ erweisen, als ein Galgenfeld für all die armen Erfinder,
denen der Hals etwa mit der Begründung zugeschnürt würde, dafs
im Bedarfsfälle es j eder Fachmann ebenso machen könnte.
460
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. November 1890.
Untersuchen wir doch die innere Berechtigung dieser Formel
etwas näher! Setzen wir den Fall, es hätte jemand ein Bohlwerk
erfunden, bei welchem das Einschlagen der Pfähle erspart wird, oder
eine Stützmauer, bei welcher das Mauerwerk erspart wird, mit an¬
deren Worten : ein Bohlwerk, welches aus einer vor¬
deren lothrechten und einer unteren wagerechten
Wand besteht, die beide unter sich starr verbundeu
sind, sodafs das Kippmoment durch das Gewicht
der Hinterfüllungserde selbst unschädlich gemacht
wird. Diese Construction hat für vorübergehende
Erdarbeiten wie bei Ausstellungen, Strafsen- Um¬
bauten u. dgl. otfenbar den Vorzug, dafs sie rasch
herstellbar ist und wenig kostet.
Wir nehmen nun an, das Patentamt weist diese
— rein begrifflich definirbare — Erfindung zurück
mit der Begründung, dafs die Verwendung ge¬
schlossener Körpermassen zur Bildung des Gegeu-
moments bei Stützmauern bekannt, und in dem
Ersatz des Mauerwerks durch Hinterfüllungserde
nur eine Materialänderung zu erblicken sei, die jedem
Fachmann im Bedarfsfälle freistehen müsse. Wie
verhält sich dies zu den Thatsachen? Stützmauern
und Bohlwände sind seit Urzeiten bekannt. Wenn
somit die Fachmänner die vorhin erwähnte Con¬
struction nicht angewendet haben, so haben sie
entweder die Schwierigkeit, den Zeitaufwand und
die hohen Kosten der üblichen Bauweise nicht als
solche Umstände erkannt, welche sich für manche
Bauausführungen vermeiden lassen, haben nicht
daran gedacht, auf besseres zu sinnen, weil ihnen
das Gute gut genug war — in diesem Falle liegt die
Erfindung darin, einen Mangel als solchen erkannt,
also eine Aufgabe gestellt zu haben. Oder die
Fachmänuer haben die Mängel wohl erkannt, aber
keine einfache billige Lösung zu deren Beseitigung
gefunden — dann liegt die Erfindung darin, ein
allgemein bekanntes Gesetz auf einen bestimmten
Fall angewendet, also eine Lösung gefunden zu
haben.
Die „Fachmänner“ gleichen hier Mathematikern,
welche wohl die angesetzte Gleichung lösen, aber die Gleichung nicht
ansetzen konnten. Und dieser Fall wiederholt sich immer und immer
wieder. Wenn der eine zurückgewiesen wird, weil die Anwendung eines
- r
Abb. 1. Lageplan.
Amtsgericht in Bravmfels.
bestimmten Naturgesetzes auf eine bestimmte Construction von jedem
Fachmann im Bedarfsfälle gefunden werden könnte, wird ein zweiter
und dritter und vierter zurückgewiesen, weil jedem Fachmann ein
bestimmter Schlufs vom kleinen ins grofse oder umgekehrt, von
einem Material auf das andere, von einer Form auf
die andere, von einem Gebrauchszweck auf den
anderen im Bedarfsfälle geläufig sek usw.
Da kann man wohl fordern, dafs jedesmal wirk¬
lich der Nachweis geliefert werde, dafs ein Fach¬
mann die gleiche Aufgabe mit den gleichen Mitteln
gelöst hat. Ist dieser Nachweis nicht zu erbringen,
so ertheile man das Patent. Hat die patentirte
Construction keinen wirklichen Werth, so wird kein
Interessent um eine den gleichen Zwecken dienende,
ebenso billige oder noch billigere Construction in
Verlegenheit sein; er wird also durch das Bestehen
des werthlosen Patentes in seinen Mafsnahmen nicht
beunruhigt; der Eigenthümer des werthlosen Patentes
aber wird sehr bald finden, dafs es angenehmer
ist, die Jahresgebühren in der Tasche zu behalten,
statt sie an das Patentamt abzuführen.
Auf die Frage: „Was hat das Bauwesen von
der Neufassung des Patentgesetzes zu erwarten?“
kann man also, antworten: Bei Beschränkung des
Patentschutzes auf EiLndungen, deren Inhalt sich
begrifflich feststellen läfst, bleibt das Hochbau¬
wesen wie bisher in seinem eigentlichen Con-
structionselemente ohne Schutz. Das Ingenieur¬
bauwesen nähert sich dem Maschinenwesen und
hat noch mehr als dieses — wegen des natürlichen
Verhältnisses der Statik zur Dynamik — das Da¬
moklesschwert des „andern Fachmännern im Be¬
darfsfall Geläufigen“ über dem Haupte.
Zixfrieden wird die Technik in allen ihren
Zweigen nur werden, wenn der Patentschutz auf
das ganze Gebiet des Neuen und gewerblich
Ver werthbaren innerhalb der bereits fest¬
stehenden Grenzen „Kunstwerk“ und „Geschmacks¬
muster“ ausgedehnt, und wenn die Frage, ob ein
durch die patentamtliche Prüfung als neu und
gewerblich verwertlibar Erkanntes als Erfindung anzu¬
sehen sei, gar nicht zugelassen wird.
— n.
Neue Bildwerke am Bathhaiis in Osnabrück.
Die Stadt Osnabrück besitzt in seinem liathhause jene denk¬
würdige Stätte, wo nach Beendigung des dreifsigjährigen Krieges
zwischen den Gesandten der aufserdeutschen Staaten der Friedens-
schlufs zustande kam; in Münster wurden bekanntlich zur selben
Zeit die Verträge zwischen den deutschen Fürsten festgestellt.
Der Hauptsitzungssaal des Osnabrück er Kathhauses, seitdem der
Priedenssaal genannt, ist im Laufe des vorigen Jahres von dem
Stadtbaurath Hackländer mit feinem Verständnifs wieder ausgebaut
worden, und zwar mit neuer Holzdecke, hohen Wandtäfelungen, Gestühl
und Schreinen nach vorhandenem Muster, sowie mit zierlichen, stil¬
gerechten Wandmalereien. Die Wände sind aufserdem noch geschmückt
mit den Oelbildern aller bei dem Friedensschlufs betheiligt gewesenen
Vertreter der einzelnen Staaten. Aufser dem Friedenssaal birgt das
Rathhaus in seinem Innern kaum irgend nennenswerthes; auch das
Aeufsere des in einfachen gothischen Formen ausgeführten alten
Baues mit sehr hohem Zeltdach wirkt mehr durch das Schlichte und
Würdige seiner Erscheinung als durch seine Architekturformen. Nicht
immer aber hat das Rathhaus solche kahle Aufsenwände gezeigt.
Auf alten Stadtbildern ist zu sehen, dafs die nach dem Markte belegene
Hauptfront mit neun Bildwerken geziert war, von denen eins in der
Mitte über dem Haupteingang und je vier zu beiden Seiten auf den
Wandflächen zwischen den Fenstern aufgestellt waren. Auch zeugten
hierfür die Stümpfe der allerdings vollständig verwitterten Kragsteine
und Baldachine.
Zur Erneuerung dieses Schmuckes hatte die Stadt bereits vor
etwa zwanzig Jahren über dem Haupteingang ein Sandsteinbild
Karls des Grofsen, des Stifters des Bisthums Osnabrück, errichten
lassen. Für die acht Bildwerke der Fensterpfeiler wurden die er¬
forderlichen Mittel vor einigen Jahren aus dem preufsischen Kunst¬
fonds zur Verfügung gestellt, und seit einigen Monaten hat das
Rathhaus seinen reichen Pigurenschmuck wieder wie ehemals. Zur
Herstellung gelangt sind Standbilder von acht deutschen Kaisern,
welche der Stadt Osnabrück besondere Zuwendungen haben zu Theil
werden lassen. Die Ausführung dieser Bildwerke war zuerst in dem
weichen Kalkstein aus den Baumbergeu bei Münster geplant, der
gröfseren Wetterbestäiidigkeit wegen hat man sich jedoch schliefslich
für Obernkirchner Sandstein entschieden. Die Standbilder zeigen:
Wilhelm L, Barbarossa, Rudolph von Habsburg, Friedrich II., Sigis¬
mund, Ludwig den Bayer, Arnulf von Kärnthen und Maximilian 1.
Die Körperhöhe der Figuren beträgt 2,05 m. Die Kaiser sind dar¬
gestellt theils mit Harnisch, Schwert und Schild, theils mit Mantel,
Scepter und Reichsapfel. Ausgeführt wurden die Bildwerke von den
Berliner Bildhauern Kokolski, Franz, Tondeur und Wegner
und von Prof. Küsthardt in Hildesheim. Die Beschaffung der
acht Standbilder hat die Summe von 20 000 Mark erfordert. Die
Stümpfe der alten Kragsteine und Baldachine bestimmten den Mafs-
stab der Bildwerke; er erscheint im Verhältnifs zu den Wand- und
Fensterflächen des Rathhauses reichlich grofs, und zwar um so mehr,
als die Bildwerke am Chore der benachbarten Marienkirche zu un¬
mittelbarem Vergleiche herausfordern. Diese sind in etwa gleicher
Höhe wie die Rathhausfiguren aufgestellt, sind aber nur etwa zwei
Drittel so grofs, obgleich der Mafsstab dieses Kirchenchores ein weit
gröfserer ist als beim Rathhause. Die genannten Bildwerke sind übri¬
gens auch vom Zahn der Zeit schon so arg mitgenommen, dafs eine
Erneuerung dringend erwünscht wäre, und zwar um so mehr als das
Aeufsere der Kirche seit einigen Jahren in vortrefflicher Weise
wieder ausgebaut ist.
Was für Bildwerke dereinst die Rathhausfront geziert haben,
war nicht mehr festzustellen; verwitterte Reste waren nicht mehr
vorhanden, und aus den kleinen alten Stadtbildern ist ebenfalls
nichts zu erkennen. Prof. Küsthardt ist der Ansicht, dafs hier die
Bildwerke der sogenannten „neggen Besten“ gestanden haben, das
sind je drei Vertreter der grofsen Zeitalter: der heidnischen, der
jüdischen und der christlichen Zeit, und zwar Hektor, Alexander,
Cäsar — Josua, David, Judas Maccabäus — Chlodwig, Karl der
Grofse und Gottfried von Bouillon. Herr Küsthardt hat seine An¬
sicht in einem längeren Aufsatz in den Mittheilungen des Harz¬
vereins begründet.
Nr. 45.
Centralblatt der Bauverwaltung.
461
Es sei hierbei noch erwähnt, dafs Osnabrück seit etwa einem
halben Jahre ein schönes neues Museum besitzt, zu dessen Erbauung
dem Museumsverein vom preufsischen Cultusministerium ein Zu-
schufs von 100 000 Mark überwiesen worden ist. Gewifs wenige Städte
werden sich solch reicher Zuwendungen rühmen können wie Osna¬
brück. Bgm.
Neubau eines Geschäftshauses für das Amtsgericht in Braunfels.
dieses schon seit Jahren schwebenden Vorhabens bisher stets so erheb¬
liche Hindernisse entgegengestellt, dafs wohl noch eine geraume Zeit
vergehen wird, bevor auf die eine oder andere Weise dem Wasser-
bedürfnifs genügt werden wird. Zur Beschaffung des zur Reinigung
usw. erforderlichen Wassers ist
Die Geschäftsräume des Amtsgerichts in Braunfels sind zur
Zeit in einem dem Fürsten zu Solms-Braunfels gehörenden Gebäude
untergebracht. Dasselbe bietet neben völliger räumlicher Unzuläng¬
lichkeit nach Lage und Bauart nicht die geringste Sicherheit gegen
Feuersgefahr. Wenn diese Zu¬
stände einen Neubau wünschens-
werth erscheinen liefsen, so
stellte sich nach Einrichtung
des Grundbuchamtes die Noth-
wendigkeit eines solchen als
sehr dringend heraus, und es
erfolgt deshalb nunmehr seine
Ausführung, und zwar nach
einem im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten entstan¬
denen Entwürfe.
Im Jahre 1883 ist auf
einem nördlich vor der Stadt
gelegenen, etwa 21 Ar grofsen
Grundstück ein neues Gefäng-
nifs erbaut worden. Der vor
letzterem bis zur Strafse frei¬
gebliebene Theil dieses Grund¬
stückes wird jetzt als Bauplatz
für das Geschäftshaus des Amts¬
gerichts benutzt (vgl. den Lage¬
plan Abb. 1). Bei Bemessung
der Gröfse des Gerichtsgebäudes
ist auf eine vorauszusehende
Vermehrung der jetzt thätigen
beiden Amtsrichter um einen
Hülfsarbeiter für das Grund¬
buchamt Rücksicht genommen
worden. Das Gebäude enthält,
wie aus den Grundrissen Abb. 3
u. 4 ersichtlich, im Erdgeschofs
und I. Stock die Geschäfts¬
räume für das Amtsge¬
richt und die Wohnung
des Castellans. Im II.
Stock sind eine Dienst¬
wohnung für einen Amts¬
richter, bestehend aus
€ Räumen und
den nöthigen
Nebenräumen,
sowie ein etwa
37 qm grofser
Raum für zu¬
rückgestellte
Acten einge¬
richtet worden. Zur Ver¬
mittlung des inneren ge¬
schäftlichen Verkehrs
dient aufs er der Haupt¬
treppe am Haupteingange
die nach dem Hofe zu
gelegene Nebentreppe.
Zur Wohnung des Amts¬
richters wird eine beson¬
dere Treppe neben dem
Haupteingange angelegt. Im Kellergeschoss befinden sich aufser
■den zur Wohnung des Amtsrichters und des Castellans gehörenden
Kellerräumen unmittelbar vom Hofe aus zugängliche Räume zur Auf¬
bewahrung von Kohlen und zur Aufstellung der Tonnen für die im
Hause befindlichen Aborte.
Der Untergrund der Baustelle besteht aus Dolomit, die Anlage
eines Brunnens ist deshalb ausgeschlossen. Der nächste öffentliche
Brunnen ist etwa 200 m weit entfernt. Wenngleich die Stadt Braun¬
fels beabsichtigt, durch Ansohlufs an die für das Schlofs eingerichtete
Wasserleitung oder durch eine eigene Anlage eine Wasserversorgung
für die gesamte Stadt herzustellen, so haben sich der Verwirklichung
Abb 2. Ost -Ansicht.
Nebenlre^pQ
Treppe zur R\c\
lepwohnun9
Haopttreppi
Abb. 3. Erdgeschofs.
Amtsgericht in Braunfels.
daher die Anlage einer Cisterne
nothwendig geworden. Diese
fafst etwa 33 cbm Wasser und
ist unter der im Keller befind¬
lichen Waschküche angebracht.
Die Entwässerung der Höfe
findet unter dem Gebäude her
vermittelst einer Thonrohrleitung
in den Strafsengraben und durch
diesen in den Iserbach statt.
Für die Erwärmung der Räume
sind durchweg eiserne Füllregu-
liröfen vorgesehen. Der Hof
des Amtsgerichtsgebäudes ist
von dem des Gefängnisses
(Abbildung 1) durch eine
Zwischenmauer getrennt. Durch
die in derselben angebrachte
Thür X können Untersuchungs¬
gefangene in unauffälliger Weise
in das Gerichtsgebäude geführt
werden. In dem Hofraume des
letzteren befindet sich ein kleines
Wirthschaftsgebäude für den
Castellan mit Holzgelafs, Kuh-
und Schweinestall.
Das Grund- und Sockel¬
mauerwerk ist aus Bruchstein
mit Verblendung der sichtbaren
Flächen aus Kalkstein herge¬
stellt. Das aufgehende Mauer¬
werk wird aus den in hiesiger
Gegend gefertigten Feld¬
brandsteinen aufgeführt,
in den äufseren Flächen
dagegen mit besseren
gelblichen Steinen ver¬
blendet. Zu allen her¬
vortretenden und ein¬
fassenden Architektur-
theilen der in den For¬
men einfacher deutscher
Renaissance gehaltenen
Ansichten wird röthlich-
grauer Sandstein aus der
Umgebung von Marburg
verwandt. Die Geschäfts¬
räume des Erdgeschosses
sowie die Flure und
Gänge des 1. Stocks sind
feuersicher überwölbt.
Begonnen ist der Bau
im Herbste 1889, vol¬
lendet soll er sein im
April 1891. Die Bau¬
kosten für die gesamte
Anlage sind auf 106 500 Jl veranschlagt. Hiervon entfallen auf
das Hauptgebäude 98 000 Jt, auf das Wirthschaftsgebäude 2200 J(,
die Umwährungsmauern kosten 3500 J6 und die Pflasterungen
2800 J(.
Als Einheitspreise ergeben sich dabei beim Hauptgebäude
für das Quadratmeter bebauter Grundfläche 248,71 Jl, für
das Cubikmeter umbauten Raumes 14,94 Jl. Die Bauaus¬
führung fällt in den Geschäftskreis des Königlichen Kreisbau¬
inspectors Baurath Scheepers in Wetzlar. Mit der besonderen
Bauleitung ist der Königliche Regierungs -Baumeister Friese
beauftragt.
Abb. 4. I. Stock.
462
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. November 1890,
Umbau des Monte Olimpino- Tunnels bei Como
Die während des Betriebs ausgeführten Arbeiten zum Umbau
des Monte Olimpino-Tunnels zwischen Como und Chiasso haben bei
zahlreichen Reisenden, welche diese wichtigste unter den südlichen
Anschlufsstrecken der Gotthardbahn kürzlich benutzten, gewisse Be¬
sorgnisse rege gemacht, die auch in deutschen Zeitungen zum Aus¬
druck gekommen sind. Wie wir vernehmen, lautet jedoch der vom
Vertreter der deutschen Eisenbahn- Verwaltungen, Herrn Oberinspector
Trommer in Mailand, über die Sicherheit des Betriebs erstattete
Bericht durchaus beruhigend. Einem Berichte des der deutschen Bot¬
schaft in Rom beigegebenen Wasserbauinspectors Keller entnehmen
wir folgende Angaben, aus denen hervorgeht, dafs die Umbau-
Arbeiten mit grofser Vorsicht und Sorgfalt zur Ausführung gelangen
und Gefahren nach menschlichem Ermessen nicht zu befürchten sind.
Von dem nach Como zu gelegenen Mundloch des 1919 m langen
Tunnels führt dieser auf 860 m Länge durch Mergelschiefer, weiterhin
durch Kalksandstein. Die Beschaffenheit
des Schiefers wechselt fortwährend, indem
bald die thonigen, bald die Kalk-Bestand-
theile überwiegen. Beim Neubau hatte man
nur die zunächst dem Mundloch gelegene
160 m lange Strecke mit Sohlengewölbe
versehen. Im anschliefsenden Theile des
Tunnels scheint nun bereits bald nach
der vor neun Jahren erfolgten Betriebs¬
eröffnung unter der Einwirkung des reich¬
lich vorhandenen Sickerwassers das Gestein
in der Nähe des Entwässerungsgrabens
zersetzt worden zu sein, sodafs dessen
Querschnitt durch Aufquellen des Bodens
verringert und der Abflufs beeinträchtigt
wurde. Je weiter die Durchfeuchtung
fortschritt, umsomehr wurde der thon-
haltige Schiefer in der Tunnelsohle zer¬
setzt. Der Boden quoll auf und hob den
Unterbau nebst den Schienen empor, wäh¬
rend durch die Aufweichung des Baugrun¬
des an ihrem Fufs die Widerlager sich theil-
weise senkten.
Bei der im vorigen Jahre bewirkten
genauen Aufnahme der Leibung des
Tunnelgewölbes stellte sich heraus, dafs
auf etwa 800 m Länge mehr oder weniger
erhebliche Formänderungen stattgefunden
hatten. Der am meisten verdrückte Quer¬
schnitt war in der Lichtweite um 70 cm,
in der Höhe um etwa 1 m kleiner als ursprünglich. Auf 600 m
Länge ist die nachträgliche Herstellung des Sohlengewölbes
unerläfslich , aufserdem auf 20 m ein theil weiser und auf 81 m
ein vollständiger Ersatz der Widerlager und des Gewölbes, deren
Mauerwerk durch die ungleichmäfsigen Verdrückungen stark ge¬
litten hat. Die verdächtige Strecke des Tunnels wurde auf 900 m
Länge sofort eingerüstet und mit den Vorbereitungen zum Umbau
begonnen, der Ende Februar d. J. seinen Anfang nahm. Mitte Juni
waren die Arbeiten bereits auf 240 m Länge fertiggestellt und schreiten
derart voran, dafs ihre Beendigung Ende November erfolgen dürfte.
Die linke Seite der hier beigefügten Abbildung stellt das an den
bedenklichsten Druckstellen eingebaute Gerüst dar, die rechte Seite
das Gerüst an den minder bedenklichen Stellen. Erstere Gerüste
stehen in je 3 m Entfernung, in der Mitte zwischen je zweien noch
ein schwächeres. Sobald man mit dem Ausbruch des Gebirges für
das Sohlengewölbe beginnen will, werden am Fufse der Widerlager
zunächst Läugsbalken angebracht und durch Steifen in 3 m Ent¬
fernung gegen einander abgespreizt. Neben diesen Steifen verlegt
man die aus drei Querschwellen bestehenden Auflager für die Längs¬
schwellen, welche das Schienengeleis vorläufig tragen. Hierauf er¬
folgt der Ausbruch des Gebirges und die Wölbarbeit, wobei die
nach Wegnahme der Auflagerschwellen verbleibenden Schlitze mit
Beton ausgefüllt werden, schliefslich die Verfüllung des Sohlen¬
gewölbes mit Steinschlag und die Wiederherstellung der regelmäfsigen
Geleislage.
Beim Beginn der Arbeiten war der Bauvorgang etwas anders.
Man unterfing die Querschwellen des Geleises mit Langschwellen,
die ihrerseits auf senkrechten Stützen ruhten. Das jetzige Ver¬
fahren hat hiergegen den Vortheil, dafs zwischen zwei Auflagern
in voller Breite der Sohle durchgear¬
beitet werden kann, da unter der Lang¬
schwelle noch 1,2 m lichte Höhe bleiben.
Diese Erleichterung der Arbeit ist von
grofser Bedeutung, weil seit Einführung
des Nachtschnellzugs die gröfste Pause
zwischen zwei Zügen auf fünf Stunden
verringert worden ist. Während der
Nachtschicht werden die Arbeiten unter
dem Geleise ausgeführt, während der
beiden Tagschichten die übrigen Arbeiten.
Bei der Beschränktheit des Raumes und
den häufigen Unterbrechungen — täglich
verkehren auf der Strecke 28 fahrplan-
mäfsige Züge, deren Zahl sich zeitweise
bis zu 46 steigert — erscheint der Ar¬
beitsfortschritt von 3 m Länge auf den
Tag recht anerkennenswerth.
Das einzige Hindernifs, welches der
Umbau des Tunnels dem Betriebe bereitet,
ist die Verlängerung der Fahrzeit aller
Züge um je 8 Minuten, die bei Aufstellung
des Fahrplans bereits berücksichtigt ist.
Die ganze Durchfahrtszeit für den 1,9 km
langen Tunnel beträgt gegenwärtig etwa
11 Mimiten. Dabei fährt der Zug in der
nördlichen Tunnelhälfte und am südlichen
Ende mit 4,5 bis 5 m in der Secunde, an
der Arbeitsstelle selbst mit nur 1 bis 1,5 m,
sodafs ein Wärter vor der Locomotive
her gehen kann. Die Baustelle ist dabei auf 400 m Länge durch.
24 Glühlichter mit Scheinwerfern beleuchtet. Zur Trockenhaltung
genügen vier Doppelpumpen. Die Maschinenanlage für das elek¬
trische Licht und die Lagerplätze für die zum Umbau erforderlichen.
Baustoffe befinden sich vor dem nach Como zu gelegenen Mundlocb
des Tunnels. Die geförderten Berge und der alte, vom aufgeweichten
Boden verunreinigte Bettungssehotter werden nach dem Bahnhof
Chiasso zur Verbreiterung der dortigen Dammschüttung verfahren.
Die Ausführung der Arbeiten ist der Betriebsgesellschaft der
Mittelmeerbahnen anvertraut, an deren Spitze der Generaldirector
Massa steht, die besondere Bauleitung dem Ingenieur Tr emontani..
Der Umsicht und Gewandtheit, mit welcher die mühsamen und
schwierigen Arbeiten geleitet werden, ist es zu danken, dafs dieselben
bisher ohne Störungen und Unfälle verlaufen sind.
Längenschnitt.
Fischpafs bei Hameln.
Die Wehre bei Hameln, welche den durch die Werderinsel in
zwei Arme getheilten Weserstrom in zwei Stücken von 200 m bezw.
150 m Länge mit einem Niedrigwassergefälle von 2,25 m durchsetzen,
sind die einzigen in der Weser. Durch sie wurde den früher zahl¬
reich vertretenen, neuerdings selteneren Lachsen der Aufstieg zu
den Laichplätzen sehr erschwert. Beim Umbau der alten baufälligen
Holzwehre durch einen unmittelbar vor denselben errichteten massiven
Körper von Beton mit Quaderabdeckung wurde deshalb in der Älitte
des oberen Wehres, welches in dem breitem und vorwiegend von
den Lachsen benutzten linken Stromarme liegt, als Ersatz für den
am obern Uferanschlufs desselben früher hergestellten, unwirksamen
Fischpafs ein neuer nach dem vom Wasserbauinspector Keller ent¬
worfenen und im hlinisterium der öffentlichen Arbeiten festgestellten
Plane in Cails Bauart angelegt, welcher den zu stellenden Anfor¬
derungen entsprochen hat. Als Hauptgründe für den günstigen Er¬
folg dürften die richtig gewählten Abmessungen, die Lage mitten im
Strom und die den Fischen gegebene Möglichkeit, den Pafs schwim-^
mend zu überwinden, anzusehen sein.
Das in den beigefügten Abb. 1 bis 4 dargestellte Bauwerk ist in
Cement-Kiesbeton ausgeführt, nur der dem Eisgang ausgesetzte Theil
der Wangen, die obere 50 cm starke Abdeckung derselben und die
Bekleidung der Ecken besteben aus Sandstein-Quadern. Der Fun¬
damentkörper ist an der Oberwasserseite durch eine Spundwand ge¬
sichert, welche während der Bauausführung von einem 2 m breiten
Thonfangdamm umgeben war- die völlige Trockenlegung der Bau¬
grube wurde auf diese Weise ermöglicht.
Die Gröfse der einzelnen, durch die „Sperren“ getrennten Becken
beträgt 2,40 zu 2,70, die Tiefe 0,75 m, der Höhenabstand der Wasser¬
spiegel in denselben 0,33. Die Sperren sind wie das übrige Bauwerk
in Beton ausgeführt.
Mr. 45.
Centralblatt der Bauverwaltung,
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Da die Sohle des Fischpasses etwa 1,5 m über derjenigen des Flusses
im Oberwasser liegt, so findet eine Verunreinigung des Passes kaum
statt, und es konnte deshalb von der Anordnung beweglicher Sperren
abgesehen werden. Nur selten treiben
Buschkörper durch die Eintritts Öffnung
des Oberwassers, welche aber leicht zu
entfernen sind, womit eine Hauptbe¬
dingung für die Wirksamkeit der Cail-
schen Treppen erfüllt ist.
Die Kanten der Schlupflöcher in
den Sperren sind gehörig abgerun¬
det, um die Zusammenpressung des
Wassei’s an diesen Stellen zu ermäfsi-
gen und Beschädigungen der Fische
zu verhüten. Die Gröfse der Löcher
in den fünf unteren Sperren beträgt
0,35 zu 0,35, in den beiden oberen
0,35 zu 0,51 und in der Austritts-
Öffnung 0,35 zu 0,55. In den W angen-
mauern sind seitliche Oeffnungen an¬
gebracht, welche als Hülfsspeisungen
bei höheren Wasserständen dienen.
Zum Schutze gegen Eisgang und Un¬
fug oder Diebstahl ist der Lichtraum
im Innern durch einen Rost von star¬
ken ±- Eisen abgedeckt.
Da nach Lage der örtlichen Ver¬
hältnisse der Wasserverlust für ge¬
wöhnlich nicht in Frage kommt, so ist der Pafs das ganze Jahr
hindurch geöffnet; nur bei den ausnahmsweise unter 2,25 im
Oberwasserspiegel sinkenden Wasserständen kann der Pafs durch
ein Schütz geschlos¬
sen werden, da dann
bei trocken liegen¬
dem Wehr der Auf¬
stieg ohnehin gänz¬
lich ruht. Als höchster
Oberwasserstand, für
welchen der Pafs noch Abb. 3. Querschnitt,
benutzbar sein soll,
ist 2,80 am Oberpegel
anzunehmen, welchem
1,50 im Unterwasser
entspricht; bei höher
steigendem Wasser
können die Fische
ohne weiteres auf-
schwimmen.
Die Baukosten,
welche 21 130 Mark
oder 46 Mark für 1 cbm
des Bauwerks betra-
D
r„i
'
Abb. 5. Abb. 6.
Abb. 2. Grundrifs.
gen haben, sind wesentlich beeinflufst durch die gediegene Her¬
stellung, welche in Rücksicht auf die dem Eisgang stark aus¬
gesetzte Lage geboten war. In der That hat denn auch das
Bauwerk bereits mehrfach starkem Eisdruck widerstanden, ohne
Beschädigungen zu erleiden. Die Bauausführung erfolgte im An-
schlufs an diejenige des Wehres unter Leitung des Bauraths
Meyer.
Bereits wenige Stunden nach der Oefifnung im September 1887
suchten mehrere Lachse den Fisch-
pafs auf, und auch späterhin wurde
ein sehr lebhafter Aufstieg von
Lachsen beobachtet. In den sehr
warmen Maimonaten der Jahre 1888
und 1889 zeigte sich eine höchst be-
merkenswerthe Erscheinung, indem
sämtliche Becken mit verschiedenen
Fischarten, namentlich Barben, W^eifs-
fischen, Kühlingen und Barschen dicht
gedrängt angefüllt waren. Im Juni
desselben Jahres wurde während der
Abendstunden der Aufstieg zahl¬
reicher jungen Aale von 15 — 25 cm
Länge und 0,6— 1,0 cm Dicke beob¬
achtet, von welchen die Becken eben¬
falls zeitweilig in dichten Knäueln
angefüllt waren.
Die Fische schwimmen "meistens
durch die Löcher, seltener findet ein
Ueberspringen der Sperren statt.
Die scharfe Strömung in den unte¬
ren Sperrlöchern, welche des starken
Strudels wegen nothwendig ist, um
die Fische aus dem Unterwasser an¬
zulocken, bereitet freilich Schwierigkeiten, sodafs das Durchschwim¬
men erst nach mehrfachen Versuchen gelingt. Die Fische brauchen des¬
halb mehrere Stunden, um den ganzen Pafs zu nehmen und müssen oft
längere Ruhepausen
Nis'drigihewtia machen, wobei sie mit
Vorliebe die Stelle
dicht unterhalb der
Sperrmauern benutzen,
welche deshalb zweck-
mäfsig nischenartig zu
gestalten wäre.
Die Gegenströ¬
mung, welche durch
das Versetzen der
Löcher bedingt wird,
erscheint insofern un¬
günstig, als in den
Sperrlöchern eine
schräg gerichtete Strö¬
mung herrscht und die
Fische verwirrt wer¬
den (Abb. 5). Diesem
Uebelstande könnte
durch kurze Neben¬
sperren (Abb. 6) senkrecht zu den Hauptsperren abgehclfen werden,
da die Gegenströmung durch solche erheblich gemildert, bei a und
ai Stauwasser hergestellt und so ein gleichmäfsiges Durchströmen
der Schlupflöcher bewirkt wird.
Hellmuth, Königl. Wasserbauinspector.
Vermischtes.
Versuche mit Gewölben aus verschiedenen Baustoffen. Eine
der vielen Schwierigkeiten, die sich der genauen statischen Berechnung
belasteter Gewölbe entgegenstellen, entspringt aus dem Umstande, dafs
die einzelnen Theile der Last in der Regel nicht scharf gesondert sind
und nicht unmittelbar auf das Gewölbe einwirken. Sowohl die Hinter-
mauerung des Gewölbes als auch die zur Abgleichung desselben
benutzten Füllstoffe und die etwa auf diesen ruhenden Träger (z. B.
die Schienen einer Eisenbahnbrücke) üben eine versteifende Wirkung
aus und beeinflussen daher die Art des Lastangriffes, also auch die
Tragfähigkeit des betreffenden Gewölbes. Die Gröfse dieses Ein¬
flusses läfst sich meist auch nicht annähernd ermitteln; man begnügt
sich bei der statischen Berechnung mit der gedachten Zerlegung der
zusammenhängenden Lasten in eine Reihe senkrechter Schichten, die
dann von jeder gegenseitigen Einwirkung frei angenommen werden,
und rechtfertigt dieses Verfahren durch die Erwägung, dafs der nicht
berücksichtigte, aber thatsächlich vorhandene innere Zusammenhang
der Last für die Standsicherheit des Gewölbes ohne Zweifel günstig
ist. Ein solches Verfahren erscheint aber nicht mehr zulässig, wenn
es sich um die Anstellung wissenschaftlicher Versuche über das Ver¬
halten von Gewölben handelt. Hier mufs entweder der Einflufs des
inneren Zusammenhanges der Last ermittelt, oder — wenn dies zu
schwierig sein sollte ■ — eine Art der Belastung gewählt werden, bei
welcher ein derartiger unbestimmter Einflufs nicht auftreten kann.
Die Belastungsweise, wie sie in der Abbildung zu dem auf Seite 449
in der vorigen Nummer d. Bl. enthaltenen Aufsatze über die in
Oesterreich geplanten Versuche dargestellt ist, entspricht dieser An¬
forderung nicht, da sowohl die aus durchgehenden Balken hergestellte
Lastbühne als auch der die Last bildende Schienenstapel eine ganz
beträchtliche eigene Steifigkeit besitzen. Die Lastvertheilung würde
bei dieser Anordnung statisch unbestimmt und in hohem Grade von
Zufälligkeiten abhängig sein. Dr. H. Zimm ermann.
Rettungsboje mit unauslösclibarem Licht. In Nr. 885 der Zeit¬
schrift La I^ature wird eine von M. Silas, Archivar der französischen
Botschaft in Wien, angegebene sogenannte Rettungsboje mit un-
auslöschb arem Licht erwähnt, welche in der französischen Marine
schon seit etwa 15 Jahren im Gebrauch sein soll. Eine Abbildung
und nähere Beschreibung hat im Jahre 1873 die Nr. 16 genannter
Zeitschrift gebracht. Die Rettungsboje wird vom Schiff ins Wasser
gelassen, wenn ein Mann über Bord ist. Sie hat die Eigenthüm-
lichkeit, sich bei jedem Wetter durch eine leuchtende Flamme
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Centralblatt der Bauverwaltung.
8. November 1890,
bemerkbar zu machen, sobald sie mit dem Wasser in Berührung tritt,
was bei Dunkelheit von Wichtigkeit ist. Die Leuchtvorrichtung be¬
ruht auf der Eigenschaft des Phosphorcalciums P Gag, bei Berührung
mit Wasser Phosphorwasserstoifgas H3P zu entwickeln, welches sich
an der Luft von selbst entzündet und mit liell leuchtender Flamme
zu Phosphorsäure H3PO4 verbrennt. Die aus leichtem Holz oder
Kork bestehende Boje hat in der Mitte eine Aushöhlung zur Auf¬
nahme einer Metallbüchse, in welcher sich das Phosphorcalcium
befindet. Die Metallbüchse wird von einer oben
und unten heraustretenden und im Innern der
Büchse gelochten Röhre durchsetzt. Die Röhre hat
r
oben und unten einen Hahnverschlufs derart, dafs 1 1
beide Verschlüsse entweder gleichzeitig geöffnet
oder gleichzeitig geschlossen sind. Die ganze
1
etwa 50 kg schwere Vorrichtung hängt am Schifi:'.
Läfst man sie ins Wasser fallen, so öffnen sich die Hähne; das
Wasser tritt durch das untere Kohr- Ende und die Rohrlochung in die
Metallbüchse ein, kommt dort mit dem Phosphorcalcium in Berührung,
wodurch dann das Feuer, ebenfalls mittels der Rohrlochung, oben
aus dem Rohre austritt. P.
Die Erölluung der iieneu elektrisch zu betreibenden City- und
Süd -London -Bahn (City and South London Raihvay), welche unter
dem früheren (unlängst wie vorstehend geänderten) Namen des „City
of London and Southwark Subway“ allgemein bekannt ist (vgl. S. 269
des vorigen Jahrgangs d. Bk), ist am Dienstag den 4. d. M. erfolgt.
Der Prinz von Wales war, wie früher bei der Einweihung anderer
hervorragender Werke der Ingenieurkunst — unter denen wir den
Merseytunnel zwischen Liverpool und Birkenhead und die Forthbrücke
nennen — , so auch hier persönlich erschienen.
Die Terwenduiig von docken zu Nebelsignalen an den Küsten
der Vereinigten Staaten. Um den Schilfen bei Nebel die Annähe¬
rung an die Küste bemerkbar zu machen, werden in den Vereinigten
Staaten aufser anderen hörbaren Schiffahrtszeichen Glocken von rund
113 bis 1435 kg Gewicht verwendet. Sie werden in der Regel aus
einer Mischung von einem Fünftel besten Block -Zinnes und vier
Fünfteln Kupfer, seltener aus Stahl hergestellt. Die Abmessungen
der Glocke und das Gewicht des Hammers sind für drei Gröfsen der
Glocke die folgenden;
Der Glocke
Des Hammers
Gewicht
Höhe
Durchmesser
Gewicht
1434,6 kg
1067 mm
1422 mm
36,3 kg
681 „
838 „
1118 „
18,2 „
454 „
610 „
914 „
10,9 „
Auf Anregung des Professors Henry wurde eine Anzahl grofser
Glocken so befestigt, dafs die Glockenachse wagerecht steht, da man
von dieser Stellung eine gröfsere Schallweite als bei Aufhängung
der Glocke mit der Mündung nach unten erwartete. Die Art der
Befestigung verursachte jedoch so grofse praktische Schwierigkeiten,
dafs man zu der früheren Aufhängungsart zurückgekehrt ist. Man
hat ferner gefunden, dafs die Schall weite um so gröfser wird, je näher
der Wasser-Oberfläche die Glocke angebracht ist. Die Glocken
werden von Hand oder durch ein Uhrwerk angeschlagen, welches in
zwei Gröfsen, und zwar für Glocken von 454 und 6811 kg Gewicht
angefertigt wird.
Ueber die Schallweite von Glocken im Vergleich zu anderen
Nebelsignalen in den Jahren 1855 bis 1874 angestellte Versuche er¬
gaben die Dabollsche Trompete als das wirksamste Nebelsignal,
während die Glocken den vierten Rang in Bezug auf Schallweite ein¬
nehmen. (Die Dampf-Sirene war damals noch nicht in Gebrauch.)
Während nämlich die Trompete je nach der Windrichtung in Ent¬
fernungen von fl’/s bis 6'/4 engl. Meilen gehört wurde, beschränkte sich
die Schallweite einer gröfsen Glocke auf IVs bis 2 Meilen. Nach
den Worten des früheren Ingenieurs des Leuchtfeueramts, General
Duane, ist eine Glocke, einerlei ob von Hand oder durch Uhrwerk
angeschlagen, nicht als ein wirksames Nebelsignal für Seeküsten zu
betrachten, da sie bei ruhigem Wetter die halbe Zeit nicht weiter
als eine Meile gehört werden kann, während bei rauhem Wetter das
Geräusch der Brandung ihren Klang zuweilen völlig übertönt.
Wenn auch das Leuchtfeueramt die Glocken für weniger wirksam
als andere Nebelsignale hält, so sind in Anbetracht der Billigkeit
der Glocken in Beschaffung und Unterhaltung und bei dem Fehlen
eines bessern Signals für kurze Entfernungen doch gegen 170 durch
Uhrwerk angetriebene Glocken in Benutzung. Besonders ist die
Glocke an Flüssen, Meeresengen und Binnenseen von Vortheil, wo
die Brandung wenig oder gar kein Geräusch verursacht. Die Inter¬
essen der Schiffahrt haben jedoch in neuerer Zeit vielfach dazu ge¬
zwungen, die in Anbetracht der Billigkeit beschafften Glocken durch
Dampfsignale zu ersetzen. Einen hierauf bezüglichen Antrag zum
Ersatz von 8 Nebelglocken an den gröfsen Binnenseen durch
8 Dampfsignale mit einem Kostenaufwande von je 18 000 bis 21000
Mai'k hat das Leuchtfeueramt in diesem Frühjahr an den Congrefs
gerichtet.
Wenn demnach auch die Zahl der Dampfsignale auf Kosten der
Glockensignale zuzunehmen scheint, so bleibt den letzteren doch
eine verbreitete Verwendung gesichert, da das Leuchtfeueramt allen
mit vollkommenen Nebelsignalen ausgerüsteten Stationen zur Aus¬
hülfe im Falle des Versagens eine Handglocke zuertheilt, deren
Gewicht nach der Bedeutung der Station bemessen wird. Petri.
Die Zahl der verschiedenen dnrchgelienden Bremsen in Eng¬
land hat sich nach Ausweis der letzten Handelsamtsberichte im
wesentlichen auf zwei Arten, die Luftsaugbremse und die Westing-
housesche Luftdruckbremse vermindert, da von den sonst in
England wohl noch versuchten Bremsen kaum eine den Anforde¬
rungen des Handelsamts Genüge leistet, welche dahin lauten, dafs
die Bremsen dem Locomotivführer sowohl wie dem Zugschaffner in
die Hand gegeben sein sollen und bei Unfällen selbstthätig wirken
müssen. Die Meinungen über den Werth jener beiden Bremsen
gehen zur Zeit noch so auseinander, dafs die allgemeine Einführung
einer derselben als Einheitsbremse noch nicht in naher Aussicht
steht, obwohl die Handelsamtsberichte in Bezug auf Zuverlässigkeit
wesentlich zu Gunsten der Luftsaugbremse zu deuten sind. Das
Handelsamt verzeichnet für die Zeitdauer von 6 Monaten bei der selbst-
thätigen Westinghouse-Bremse 1 Unfall auf 121000, bei der selbst-
thätigen Luftsaugbremse erst auf 185 000 Zugkilometer. Letztere
steht also um die Hälfte günstiger. Noch besser sind die Ergebnisse
für die einfache Luftsaugbremse allein, welche erst auf 495 000 Zug¬
kilometer einen Unfall zählt. Im ganzen wurden zurückgelegt: von
der selbstthätigen und nicht selbstthätigen Westinghouse-Bremse zu¬
sammen rund 37 270 000 km mit 1 Versager auf durchschnittlich
125 000 km, von den Luftsaugbremsen 79 200 000 km mit 1 Versager
auf 208 000 km. Dem entspricht denn auch die wachsende gröfsere
Vorliebe der englischen Bahngesellschaften für die Luftsaugbremse,
gegen welche hauptsächlich nur der Einwand erhoben wird, dafs sie
leichter einfriert als die Westinghouse-Bremse. Km.
Neue Patente.
Hehlade. Patent Nr. 50991. R. D olberg in Rostock (Mecklen-
c' bürg). — Die beiden Zahnlücken a
des Hebels, welche abwechselnd auf
den Steckstiften e ruhen, sind ganz,
nahe zusammengerückt, sodafs der
Arbeiter imstande ist, bei gleicher
Hebellänge wie an den früheren Heb¬
laden, eine viel gröfsere Last zu
heben. Die enge Stellung der Steck¬
stifte wird dadurch ermöglicht, dafs
der Lasthaken nicht zwischen den¬
selben angebracht ist, sondern sie
umfafst. Der Handhebel d ist näm¬
lich an seinem verdickten Ende,
welches auf der Unterseite die
Steckstifte aufnimmt, auf der Ober¬
seite halbcylindrisch ausgebildet, so¬
dafs die oben ebenfalls halbkreis¬
förmigen Bügel i des Lasthakens b auf
dem Ende des Handhebels wie auf einem Bolzen sich drehen können.
Federnde Schieneustofsverbiudiuig für Eisenbahn - Oberbau.
Patent Nr. 51511. The Long Spring Truss Joint Company in Chicaga
(Illinois V. St. A.). — „Vorliegende Erfindung stützt sich auf die
Annahme, dafs ein vollkommenes Geleise derart beschafl’en sein muf?,
dafs alle Theile desselben die gleiche Festigkeit und Starrheit und
doch auch denselben Grad von Elasticität und Biegsamkeit zeigen.“'
Letzterer Forderung wird durch eine zwischen zwei Stofsschwellen
eingelegte gufseiserne Brücke nicht genügt. Im vorliegenden Falle
besteht die Brücke aus einer über beide Stofsschwellen reichenden,
die Schiene umklammernden Fufsplatte Z), zwei bügelförmigen
Ankern F und einer federnden Stahlplatte G, welche letztere zwischen
ü und F gebettet ist und durch die Schrauben f nachgespannt werden
kann. Damit die beiden Schienenkopf-Enden sich nur geichmäfsig
bewegen können, und zur weiteren Sicherung gegen seitliche Stöfse,.
sind noch zwei Winkellaschen E angeordnet.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Ker s kes, Berlin.
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Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 15. November 1890. Nr. 46.
Rcdactioa: SW. Zimmerstrafse 7 u- Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.5 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHAIT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Justizgebäude in
München. — Stral'senuntorfiibruugen beim Umbau der Bahnanlagen in Köln. —
Selbstanzeigende Hoch- und Niedrigwasser-Pegel. — Flörsereiaulageu im Glommen
unterhalb des Sarpsfos bei Greaker in Norwegen. — Vermischtes: Weichsel-
brücken bei Kordon und Dirschan, Nogatbrücke bei Marienburg. — Wasserver¬
sorgung der Stadt Chemnitz. — Neue Bildwerke am Kathhause in Osnabrück. —
Bodenfeuchtigkeit uud Sickerwassermongen. — Amcricanischer Verein der Eisenbahn¬
wagenbauer. — Büch er sch au.
Amtliche NI
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem
Garnison - Bauinspector Wellmann in Köslin den Königlichen
Kronen- Orden IV. Klasse zu verleihen, sowie zu der von Sr. Hoheit
dem Fürsten von Hohenzollern beschlossenen Verleihung des Ehren¬
kreuzes III. Klasse des Fürstlich Hohenzollernschen Haus -Ordens
an den Fürstlichen Hofkammer-Baurath de Pay in Sigmaringen
Allerhöchstihre Genehmigung zu ertheilen.
Die Königl. Kegierungs-Baumeister Grunert und Koerner in
Berlin, zur Zeit in der Bau- Abtheilung des Ministeriums der öffent¬
lichen Arbeiten, sind als Königl. Land-Bauinspectoren angestellt worden.
Der Wasser- Bauinspector Thomas in Fürstenwalde (Spree) ist
der Königlichen Regierung in Schleswig überwiesen und der bisher
bei dem Bau des Oder-Spree-Canals beschäftigte Wasser-Bauinspector
Michelmann in Fürstenwalde in die dortige Wasser-Bauinspector-
Stelle versetzt worden.
Dem Privatdocenten und Assistenten an der Königlichen tech¬
nischen Hochschule in Aachen Dr. Alfred Einhorn ist das Prädicat
Professor beigelegt worden.
Zu Königlichen Eegierungs- Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Hugo Hoogen aus Calcar, Georg Cuny aus
Borgfeld bei Danzig, Max Knopff aus Schmiegel und Gustav
Schroeder aus Vietz bei Landsberg a./W. (Eochbaufach).
.ittheilungen.
Deutsches Reich.
Der bisherige Civil-Schiffsbauingenieur Konow ist zum Marine-
Bauführer des Schiffsbaufaches ernannt.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, je eine
Bahnmeisterstelle in Spaichingen dem Bauführer Heller bei dem
Betriebsbauamt Mühlacker, in Beuron dem Bauführer Pantlen bei
der Eisenbahnbausection Sigmaringen, in Ebingen dem Bauführer
Steeb bei dem Betriebsbauamt Leutkirch und in Balingen dem stell¬
vertretenden Bahnmeister Barth in Isny zu übertragen, sowie den
Bahnmeister Käpplinger in Vaihingen auf den Fildern seinem An¬
suchen gemäfs wegen durch Krankheit herbeigeführter Dienstunfähig¬
keit unter dem Vorbehalt der Wiederanstellung im Falle der Ge¬
nesung zur Ruhe zu setzen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Gnädigst geruht,
den aufs er ordentlichen Professor an der technischen Hochschule, Ab¬
theilung für Ingenieur wesen, Max Möller, auf sein unterthänigstes
Ansuchen auf 1. November d. J. aus dem badischen Staatsdienst zu
entlassen und den Vorstand der Rheinbauinspection Offenburg, Be¬
zirksingenieur Kosmas Sayer, zum ordentlichen Professor an der
technischen Hochschule, Abtheilung für Ingenieurwesen, zu ernennen.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Entwürfe zum neuen Justizgebäude in München
Von Prof. Friedr. Thiersch.
Als Baustelle für das neue Justizgebäude in München wurde
durch das Gesetz vom 29. Mai 1886 über die Verlegung der Militär-
hildungsanstalten auf das Marsfeld der sogenannte „Herzog-Garten“
nebst dem Prielmayer -Anwesen
festgesetzt. Wie aus dem neben¬
stehenden Lageplane Abb. 1 zu
erkennen ist, wird dieses Grund¬
stück zur Zeit östlich durch den
Karlsplatz, südlich durch die
Prielmayer-Strafse und nördlich
durch die am alten Botanischen
Garten entlang laufende Elisen-
strafse begrenzt. Nach Westen
soll das zukünftige Justizgebäude
durch eine senkrecht zur Elisen-
strafse anzulegende neue Quer-
strafse von dem benachbarten
Häuserviertel getrennt werden.
Der Herzoggarten hat inso¬
fern geschichtliches Interesse, als
er, wie der Name andeutet, ein
Sommersitz der bayerischen Her¬
zoge war. Er lag aufserhalb der
Umwallung, deren Verlauf die
Häusergruppen des Karls- und
Maximiliansplatzes heute noch
leicht erkennen lassen. Das
schlichte Gartenhaus aus dem
vorigen Jahrhundert mit seinem
in Holzschindeln eingedeckten Mansardendache trägt an seinen
geschmackvollen Balcon- und Fenstergittern den Namenszug M. A.
der Herzogin Maria Anna, der Gemahlin des Herzogs Clemens-
Dieser Pavillon bildet die nordöstliche Ecke des Bauplatzes, wo
er scharf gegen den Karlsplatz vorspringt. Im Anschlufs daran
unscheinbarer Bau aus späterer Zeit die
jetzige Cadettencorpsgebäude. Der
nur unter dem Namen „Cadetten-
corpsgarten“ bekannt , ist ins¬
besondere nach dem Karlsplatze
hin mit schönen, alten Baum¬
gruppen bestanden. Sie geben
im Zusammenhänge mit den
alten, niedrigen Gebäuden der
ganzen Umgebung ein landschaft¬
lich wohlthuendes Gepräge. Dafs
diese alte Gartenanlage einem
grofsen öffentlichen Bauwerke
weichen mufs, wird allgemein
schmerzlich empfunden, und zwar
umsomehr, als die grünen Plätze
innerhalb der Stadt immer sel¬
tener werden. Hoffentlich wird
dieser Umstand dem in der
Bevölkerung sehr verbreiteten
Wunsche, den alten Botanischen
Garten in eine parkartige öffent¬
liche Anlage umzuwandeln, ihn
vor Verbauung zu bewahren und
dadurch einen Ersatz für den
verlorenen Herzoggarten zu
schaffen, kräftigen Nachdruck
verleihen. Wer die Verhältnisse
von München kennt, wird zu¬
geben müssen, dafs eine günstigere Lage für dieses so wichtige
öffentliche Gebäude nicht gefunden werden kann. Zwischen dem
Centralbahnhof und dem Mittelpunkt der alten Stadt gelegen, ist
die Baustelle dennoch nicht von dem Geräusch eines allzugrofsen
Verkehrs bedroht, denn die Schützen- und Bayerstrafse werden
zieht sich ein langer
Elisenstrafse entlang: das
Herzoggarten , heute fast
? . ■ , ,^1 , 1
Abb. 1. Lageplan.
466
Centralblatt der ßauverwaltnug.
15. Hlovciiibet 1890,
stets den Hauptverkehr zwischen den genannten Centren ver¬
mitteln. Anderseits liegt die Baustelle für das Publicum insofern
bequem, als der Schwerpunkt der ganzen Stadt sich immermehr nach
Nordwesten hin verschiebt.
Das Bauprogramm wurde in seinen wesentlichen Umrissen
durch den verstorbenen Justizminister v. Ftiustle aufgestellt. Es be¬
stand ursprünglich die Absicht, einen Neubau zu errichten, welcher
mit seinen Flügeln dem unregelmäfsigen Verlauf der Besitzgrenze
folgen sollte, wobei nur der Front gegen den Karlsplatz eine bessere
architektonische Ausbildung zugedacht war. Der Kammer der Ab¬
geordneten war die Versicherung gegeben worden, dafs der Neubau
den Kostenbetrag von 3100 000 Mark nicht überschreiten werde.
Die Bauangelegenheit rückte ihrer Verwirklichung um einen Schritt
näher, als durch Allerhöchste Entschliefsung vom 16. Februar 1887
der Unterze’chnete mit der Planbearbeitung und späteren Ausführung
des Bauwerkes beauftragt wurde.
Der Amtsnachfolger des Herrn v. Fäustle, Justizminister Frei¬
herr V. Leonrod, stellte am 17. Juni 1887 im Einvernehmen mit den
bezüglichen Stellen und Behörden das mafsgebende Bauprogramm
fest. Dieses umfafste an Raumgruppen: 1) das Königl. Justiz¬
ministerium, 2) das Königl. Oberlandesgericht, 3) die Königl. Ober¬
staatsanwaltschaft bei diesem Gerichte, 4) das Königl. Landgericht
München I, 5) die Königl. Staatsanwaltschaft bei diesem Gerichte,
6) das Schwurgericht bei diesem Gerichte, 7) das Königl. Landgericht
München 11, 8) die Königl. Staatsanwaltschaft bei diesem Gerichte,
9) das Königl. Amtsgericht München I, Abtheilung A für Civilsachen,
10) die Dienstwohnung des Justizministers, 11) Dienstwohnungen für
Hausmeister und Heizer. Für das Schwurgericht wurde ein beson¬
derer Einbau in den Hof gew'ünscht, damit es eine ruhige und ge¬
sicherte Lage erhalte. Die 18 m breite neue Querstrafse war derart
festgesetzt, dafs an der Elisenstrafse, von der Ostecke gemessen, nur
153 m Länge des Bauplatzes zur Verfügung gestellt wurden. Der
bedeutende Rest des Grundstückes, welcher jenseit der neuen Quer¬
strafse das Nachbarviertel vervollständigen sollte, war zur Veräufse-
rung bestimmt. Das Programm verlangte einen durchaus zweck-
mäfsigen und würdigen Monumentalbau. Die Bausumme sollte den der
Kammer gegenüber einmal ausgesprochenen Betrag von 3 100 000 Mark
nicht überschreiten. Unter dem 21. Juli 1887 gebangte der Vertrag über
die Herstellung der Pläne zum Abschlufs. Hiernach war zunächst
ein Vorentwurf mit Kostenüberschlag anzufertigen. Der Vorentwurf
sollte so lange abgeändert werden, bis er die ministerielle Geneh¬
migung erhielte. Sodann sollte der Bauentwurf mit ausführlichem
Kostenanschlag ausgearbeitet werden.
Am 1. Februar 1888 wurde der Vorentwurf eingereicht. Bei
einer bebauten Fläche von 8549 qm, einem Bauinhalte von 239 379 cbm
und einem schätzungsweise angenommenen Einheitspreise von 25 Mark
f. d. cbm ergab sich ein ungefährer Gesamtkostenaufwand von
5 984 482 Mark. Dieser hohen Summe wegen wurde der Vorentwurf^
obwohl er an sich keine wesentlichen Beanstandungen erfuhr, ab¬
gelehnt und gelaugte deshalb auch während der Kammertagung
1887 — 88 nicht zur Vorlage. Er war dem hier in Grundrifs und
Hauptschnitt abgebildeten sogenannten zweiten Bauentwürfe (die
Abbildungen werden dem Schlufs dieses Aufsatzes beigegeben) nahe
verwandt. Die unregelmäfsige Grenze des Bauplatzes konnte für
den Verlauf der Frontenzüge nicht mafsgebend werden. Eine nach
zwei Achsen symmetrische Anlage bot die einzige Gewähr für eine
gesunde innere und monumentale äufsere Entwicklung. Der mittlere
der drei Lichthöfe fand als Haupttreppenhaus und Centralhalle Ver¬
wendung und war mit einem schlanken Kuppelaufbau bekrönt, der
das Bauwerk auch bei Betrachtung von näherem Standpunkte be¬
herrscht haben würde. Die Vertheilung der Stellen und Behörden
geschah in vier Geschossen. Auf den besonderen Einbau des Schwur¬
gerichts in die Höfe mufste verzichtet werden. Die Flurgänge waren
durchweg nur einseitig bebaut. Zwischen dem nördlichen Längs¬
flügel, welcher vorwiegend die Sitzungssäle enthielt, und dem zugehö¬
rigen Flurgange war eine Flucht von mittelbar beleuchteten Vor- und
Wartezimmern angeordnet. Bei den nachfolgenden vier Zwischen¬
entwürfen ging der Verfasser darauf aus, die Aufgabe mit einem
geringeren Kostenaufwande zu lösen, indem er den Cubikinhalt des
Bauwerkes durch andere Lagerung der Massen, durch neue Ver¬
theilung der Stellen und Behörden innerhalb der Geschosse, durch
doppelte Bebauung der Flurgänge, Verringerung der Stockwerks¬
höhen usw. zu mäfsigen suchte.
Beim ersten Zwischenentwurf wurde der Gruudrifs unter
Annahme geringer Risalitvorsprünge auf das innerhalb der Grenzen
mögliche gröfste Rechteck ausgedehnt, theilweis eine dojjpelte Be¬
bauung der Flurgänge angenommen und dadurch an Bauhöhe wesent¬
lich gespart. Centralhalle und Kuppel kamen in Wegfall, statt
ihrer fand ein besonderer Schwurgerichtseinbau im Hofe seine Stelle.
Die Baukosten betrugen rund 4000 000 Mark. Die Weitläufigkeit
der Anlage, ihre Unterbrechung nach der Hauptquerachse, der
Mangel an Luft und Licht waren die Hauptursachen, welche dazu
zwangen, von einer derartigen Anordnung Abstand zu nehmen.
Der zweite Z wischen ent wurf griff wiederum zur Bildung dreier
Höfe. Die Eckrisalite nach Norden hin wurden so weit nach vorn ent¬
wickelt, dafs das Bauwerk an dieser Seite flach hufeisenförmig ge¬
staltet und mit einem geräumigen Vorgarten versehen war. Es ge¬
lang, den Programmforderungen durch drei Hauptgeschosse gerecht
zu werden. Die Bausumme belief sich auf 4 700 000 Mark. Da in¬
dessen auch hier noch gegenüber dem ersten Vorentwurfe die Grup-
pirung der Stellen und Behörden wenig befriedigte, da es ferner
infolge der starken Zusammendrängung mancher Gebäudetheile an
entsprechender Beleuchtung mangelte, so konnte auch dieser Versuch
nicht zur Grundlage weiterer Bearbeitung gemacht werden. Das
Justizministerium verfügte, dafs bei der weiteren Bearbeitung der
monumentale Kuppelaufbau und die Ministerwohnung in Wegfall
kommen und die doppelt bebauten Gänge sowie die zwischen den
Gängen und den Amtsräumen eingeschalteten Vor- und Warte¬
zimmer grundsätzlich vermieden werden sollten.
Dies geschah denn auch bei dem dritten Zwischenentwurf,
indem dort einerseits zu der Flügelbildung und Geschofsanzahl des
Vorentwurfes gegriffen wurde, während anderseits das Grundrifsmotiv
des zweiten Zwischenentwurfes als Vorbild diente. Die Baukosten
beliefen sich auf etwas über 5 Millionen Mark. Die Diensträume
dieses Entwurfes wurden hinsichtlich ihrer Lage und Gröfse noch
theilweise beanstandet, und man befürchtete, dafs aus der hufeisen¬
förmigen Gestalt des Bauwerkes der Vorwurf einer ungenügenden
Ausnützung des Bauplatzes entspringen könnte. Das Justizministerium
verwarf deshalb auch diesen Versuch und kehrte zum Vorentwurfe
zurück, indem es gleichzeitig verfügte, dafs dessen Schema auf das
gröfste Rechteck innerhalb der Bauplatzgrenzen auszudehnen sei.
Das Bedenken, dafs durch eine so wesentliche Vergröfserung des
Bauwerkes auch die Bausumme wieder erheblich vermehrt werden
würde, trat gegen den Wunsch zurück, etwas zu schaffen, was auf
lange Zeit hinaus dem stark anwachsenden Bedürfnifs der Justiz¬
behörden genügen würde. Die Grundrifsstudien des vierten
Zwischenentwurfes fanden am 13. Juli 1889 die Genehmigung
Es stellte sich heraus, dafs die viergeschossige Anlage, wie sie schon
im Vorentwurfe enthalten war, zumal in der neuen Ausdehnung
weitaus am besten dem Programm entspräche.
Nunmehr begann die Ausarbeitung des Bauentwurfes, wofür
ein Zeitraum von vier Monaten festgesetzt wurde. An der Hand
von Studien im Mafsstabe 1 : 100 und 1 : 50 gelangten die Pläne in
1 : 200 zur Auftragung. Der Bauentwurf samt ausführlichem Kosten¬
anschlag, welcher den Betrag von 9 228 820 Mark erreichte, kam am
13. November 1889 zur Vorlage. Bei einer überbauten Fläche von
9038 qm und einem Bauumfange von 246 006,47 cbm stellte sich das
Cubikmeter auf 37,51 Mark. Der Finanz- Ausschufs der Kammer
zeigte jedoch keine Geneigtheit, auf eine Bausumme von solcher
Höhe einzugehen, und so mufste auch dieser Entwurf die ministerielle
Ablehnung erfahren, obwohl er die Ansprüche der Behörde voll¬
kommen befriedigt hatte. Mit erneuter Aufratfung der Kräfte galt
es nun, die abgelehnte Arbeit zu einem zweiten Bauentwurf um¬
zuwandeln. Die Baukosten sollten 5 000 000 Mark nicht wesentlich
überschreiten. Die neue Arbeit samt Anschlag w'ar innerhalb zweier
Monate vorzulegen, da noch während der tagenden Session sich die
Kammer mit der Angelegenheit befassen sollte. Am einfachsten wäre
gewesen, nichts weiter zu thun als den Mafsstab an den Plänen des
ersten Bauentwurfes zu ändern und dadurch diejenige Verkleinerung
an Bauinhalt zu erzielen, welche den herabgedrückten Kosten ent¬
sprochen haben würde. Doch standen einem so primitiven Verfahren
die verschiedensten Bedenken entgegen. In erster Linie hätten die
Bodenflächen der Gelasse nach ihrer Zweckbestimmung eine so
wesentliche Verkleinerung nicht vertragen. Sodann war auch zu
erwägen, dafs unter Belassung der Bauqualität der Einheitspreis
eher steigt, wenn der Bauumfang durch Veränderung des Mafsstabes
herabsinkt. Es blieb daher nichts übrig, als gleichzeitig die Massen
zu verringern und die constructive und decorative Ausstattung herab¬
zusetzen. Zwischen dem. ersten und zweiten Bauentwurf ergaben
sich die folgenden Verhältnifszahlen: Länge und Breite wie 100 : 93,
Höhe wie 100 : 90, überbaute Fläche wie 100 : 82, Bauinhalt wie
100 : 75, Preis f. d. cbm wie 100 : 79, Bausumme wie 100 : 65.
Bei der Verkleinerung des Umrisses verblieb der Schnittpunkt
der beiden Hauptachsen auf dem Bauplatz in seiner ursprünglichen
Lage. Aus diesem Grunde treten die Ecken des Gebäudes nunmehr
etwas von den Platzgrenzen zurück (s. Abb. 1). Die Diensträumlich¬
keiten erfuhren nur wenig Einschränkung, da Front- und Zwischen¬
mauern geschwächt und die Corridorbreiten verringert werden konnten.
Die Ersparnisse an überbauter Fläche kamen somit hauptsächlich
auf Kosten der Vorräume zu Stande. Abgesehen von der allgemeinen
Massen Verminderung, die auf diesem Wege zu erreichen war, sind
beim zweiten Bauentwurf gegenüber dem ersten auch noch folgende
Kr. 46.
Centralblatt der Bauverwaltang.
467
wesentlichen Unterschiede zu verzeichnen: Ursprünglich waren die
Aufsenfronten durchweg, die Architektur der Vorräume und Höfe
theilweis in Haustein angenommen. Die beiden oberen Stockwerke
zeigten durchweg Pilaster- und Halbsäulen-Architektur. Diese wurde
jetzt nur an den Mitteltheilen und Eckrisaliten aufrecht erhalten.
Die Rücklagen aber erhielten in der oberen Frontenhälfte überall
verputzte Flächen, und nur für die Gesimse und Fenstereinrahmungen
wurde Haustein in Aussicht genommen. Auch an den Attiken und
im Innern mufste der Haustein bis auf die der Beschädigung am
meisten ausgesetzten Theile aufgegeben werden. So liefs sich an
den Steinmetzarbeiten eine bedeutende Ersparung machen. Die
Maurerarbeiten konnten nicht in gleichem Mafse herabgesetzt werden.
Am bildnerischen Schmuck wurden etwa 300 000 Mark, d. h. etwa drei
Viertel der ursprünglichen Summe gestrichen. Die elektrische Be¬
leuchtung kam in Wegfall; anstatt der aus Elsen mit Auswölbung
hergestellten Fufsböden wurde Holzgebälk angenommen. Im übrigen
waren es vorwiegend die Arbeiten der inneren Ausstattung, bei wel¬
chen die Ausgaben herabzudrücken waren.
Im Februar 1890 gelangte dieser zweite Bauentwurf nebst Kosten¬
anschlag zur Vorlage. Die überbaute Fläche betrug 7431 qm, der
Gebäudeinhalt stellte sich bei einer durchschnittlichen Hauptgesims¬
höhenlage von 24,7 m über Bürgersteig auf 183 711 cbm und die
Kosten auf 5 456 220 Mark, wonach der Einheitspreis f. d. cbm
29,7 Mark betrug. Die Oberste Königliche Baubehörde, welcher
Entwurf und Anschlag zur Prüfung vorgelegt wurden, sah sich ver-
anlafst, verschiedene Constructions- und Preis-Aufbesserungen vorzu¬
nehmen und setzte als Bausumme 5 520 000 Mark an. Das Justiz¬
ministerium hielt es für angezeigt, auch in der Ausstattung des
Innern noch etwas mehr zu thun, indem es aus einem vom Unter¬
zeichneten nachgelieferten Ergänzungs-Anschläge verschiedene Posten
herübernahm, und es erhöhte sich somit der Anschlag auf 5 632 000
Mark. Mit diesem Kostenansatz kam der zweite Bauentwurf vor die
Kammer.
In einer Denkschrift, welche den amtlichen Acten zur Mit¬
theilung an die Abgeordneten beigegeben wurde, war der Verfasser
bemüht, den Entwicklungsgang der Arbeit, das Verhältnifs der
Entwürfe unter sich und anderen ausgeführten oder in Ausführung
begriffenen Monumentalbauten gegenüber klar zu legen. Aufserdem
hatte der Verfasser Gelegenheit, persönlich in den vorberathenden
Sitzungen des Finanzausschusses der Abgeordneten-Kammer tech¬
nische Erläuterungen abzugeben. Diese wirkten beruhigend gegen¬
über der verbreiteten Sorge, es möchten bei diesem Bau, ähnlich wie
bei der neuen Münchener Akademie der bildenden Künste, unliebsame
Kostenüberschreitungen erfolgen. Es brach sich sogar die Ueber-
zeugung Bahn, dafs bei Annahme der zuletzt genannten Kosten¬
summe dennoch in verschiedener Hinsicht allzusehr gespart worden
sei. Man entschlofs sich daher, die zu einer durchgehenden Her¬
stellung der Fronten in Haustein, zur Construction der Decken in
Eisen und Stein sowie zur Anlage einer elektrischen Beleuchtung
des Hauses erforderlichen Mittel hinzuzufügen, dagegen den Betrag
für Gasleitung abzuwerfen. Die Mittelgewährung für die vollständige
Einrichtung der elektrischen Beleuchtung wurde Vorbehalten und
von dem zukünftigen Entwicklungsgänge dieser Beleuchtungsart in
München abhängig gemacht. So wurden die Kosten durch Beschlufs
des Finanzausschusses auf 5 990000 gehoben und in dieser Höhe
auch ohne längere Erörterung in der unterm 23. April dieses Jahres
stattgehabten Plenarsitzung der Kammer, ebenso auch von der
Kammer der Reichsräthe angenommen. Der Einheitspreis für den
Rauminhalt des Bauwerkes stellt sich hiernach nunmehr auf rund
30 Mark.
Bei den geringen Erwartungen, wie sie angesichts der politischen
Lage bestanden, durfte man dieses Ergebnifs als verhältnifsmäfsig
günstig bezeichnen. Doch ist darauf hinzuweisen, dafs immerhin
noch der Abstand von den Kosten des ersten Bauentwurfes etwa
drei Millionen beträgt, und dafs selbst der zweite Bauentwurf die
Summe von rund sieben Millionen Mark erfordert haben würde, wenn
man ihn in der gewifs nicht übertriebenen Ausstattung des ersten
Bauentwurfes hätte zur Ausführung bringen wollen. Für die Wieder¬
aufnahme des bildnerischen Schmuckes hatte sich niemand öffentlich
erwärmt; immerhin darf die Hoffnung aufrecht erhalten werden, dafs
der nächste Landtag sich den Fragen der künstlerischen Ausstattung
wohlwollender gegenüberstellen wird. Es dui-fte den Verfasser mit
einer gewissen Genugthuung erfüllen, dafs das Endergebnifs der zwei¬
jährigen Entwurfsarbeiten ziemlich genau auf seinen im Vorentwurf
enthaltenen Vorschlag zurückkam. Nicht nur, dafs sich die Gesamt¬
anlage des Bauwerkes im Vorentwurfe und in dem zweiten Bauent¬
würfe sehr ähnlich sehen, es war auch damals schon die Bausumme
auf rund sechs Millionen Mark beziffert worden. Würde der Ver¬
fasser zu der Zeit, als er den Vorentwurf übergab, bei den mafs-
gebenden Stellen das nothwendige Vertrauen und ein entschiedenes
Vorgehen gefunden haben, so würde diesen wie ihm selbst die lange
qualvolle Zeit des Versuchens erspart und der Verwirklichung des
Bauwerkes eine unschätzbar werthvolle Zeit der praktischen Vor¬
bereitung gewonnen worden sein. (Schlufs folgt.)
Neue städtische Strafsenunterführungen heim Umhau der Bahnanlagen in Köln
Da bei dem Umbau der Kölner Bahnanlagen durch Hochlegung
sämtlicher in Köln einlaufenden Bahnlinien die Beseitigung der
bestehenden Schienenübergänge im Bereiche der Altstadt sowohl
als auch im erweiterten Stadtgebiete bezweckt wird, so fällt ein
nicht unbeträchtlicher Theil der zu lösenden Aufgaben auf den Bau
neuer Strafsenunterführungen (im ganzen 18). Die Gesichtspunkte,
welche dabei leitend waren, sowie die allgemeinen und besonderen
constructiven Anordnungen sollen, soweit ihnen ein allgemeineres
Interesse innewohnt, im folgenden näher dargelegt werden.
Höhenverhältnisse. Da die Schienenhöhe für den neuen
Centralbahnhof insoweit von der Höhenlage der Schienen auf der
bestehenden Rheinbrücke abhängig war, als die Bahnhofshöhe
ohne zu starke Steigung von der Mitte der Brücke aus erreicht
werden mufste, so war dadurch die Höhenlage des neuen Central¬
bahnhofes und damit zugleich die Höhenlage der anschliefsenden
Strecken in ziemlich engen Grenzen festgelegt. Unter Zulassung
einer Steigung von 1 : 275, welche bei Ord. 53,41 auf der Mitte
der festen Rheinbrücke beginnt, an welche sich die Steigung von
1 : 400 durch den ganzen Centralbahnhof hindurch, auf 756 m Länge,
anschliefst, wird die Schienenhöhe für den eisernen Ueberbau über
den Eigelstein, die wichtigste hinter dem Centralbahnhof zu
kreuzende Strafse, auf Ord. -j- 55,68 erreicht. Da der gegenwärtig
bestehende Schienenüberweg am Eigelstein auf Ord. -j- 51,84 liegt,
so ergiebt sich hieraus die Schwierigkeit der Höhenverhältnisse
welche einestheils bei dieser äufserst verkehrsreichen Strafse zu
einer Senkung der Strafsendecke um 1,72 m bis auf Ord. 50,12 mit
beiderseitigen Rampen von 1 : 40 auf 86,8 bezw. 60 m Länge zwingt,
anderseits bei dem eisernen Ueberbau die äufserste Beschränkung
der Constructionshöhe erforderlich macht. Dieser verhältnifsmäfsig
geringe Höhenunterschied von rund 5,50 m zwischen Schienenhöhe und
Strafsenkrone liegt wie beim Eigelstein so auch bei fast sämtlichen
übrigen Strafsenunterführungen vor und macht demgemäfs die An¬
wendung knappster Constructionshöhe fast durchweg erforderlich,
um den Strafsen im allgemeinen eine freie Lichthöhe über der Mitte
von 4,40 m zu belassen.
So finden sich denn unter den sämtlichen Unterführungen der
Alt- und Neustadt nur zwei, bei welchen eine Ausführung mittels
gewölbter Construction möglich war: die Unterführung der Eintracht-
Strafse und der Plankgasse, erstere 13 m, letztere 9,50 m weit.
Die Stärke der Gewölbe im Scheitel beträgt 0,64 bezw. 0,51 m, wobei
eine Kiesdecke von 0,52 m Stärke bis zur Höhe von Schienenunter¬
kante angeordnet ist.
Alle übrigen Unterführungen zeigen die Anwendung von eiser¬
nen Ueberbauten, und es wurde hierbei eine freie Höhe über dem
Strafsenpflaster von 4,40 m im allgemeinen auf eine Breite von 4 m
zu beiden Seiten der Strafsenachse für erforderlich erachtet. Nur
in einigen wenigen Fällen konnte dieses Mafs aus anderweitigen
zwingenden Gründen nicht eingehalten werden. Die knappsten
Höhenverhältnisse weist die Unterführung der Gladbacher Strafse
unter den Gütergeleisen und des Eigelsteins mit Einschränkung des
vorgedachten Mafses auf 3,98 m bezw. auf 4,20 m auf. Bei der
Unterführung der Luxemburger Strafse liefs sich das in Rede stehende
Mafs noch auf 4,27 m bringen.
Bei den in den meisten Fällen zur Anwendung gebrachten
Bogenconstructionen ergab sich für die Strafsenmitte eine etwas
reichlichere Lichthöhe, bei den verschiedenen Strafsen schwankend
von 4,42 bis 4,87 m. Bei erheblicheren Lichtweiten der Strafsen
kommt auch die Kämpferhöhe noch in Frage, indem die freie Höhe
über dem Bürgersteig in der Ebene der Bauflucht gemessen unter
ein bestimmtes Mindestmafs nicht heruntergehen darf; dadurch
werden in einigen Fällen sehr niedrige Pfeilverhältnisse für den
Tragebogen bedingt. Für dieses letztgenannte Mafs wurde ein
Grenzwerth von 2,20 m noch zugelassen und es ergaben sich daraus
die äufserst knappen Pfeilverhältnisse von 1 : 9,50 für die Unter¬
führung der 20 m breiten Venloer Strafse und von 1 : 11,18 für den
südöstlichen Stirnträger der Unterführung des 15,50 m breiten Eigel¬
steins, welcher wegen der schiefwinkligen Kreuzung mit der Strafse
(40° 51') eine Stützweite von 24,60 m erhalten mufste.
Kreuzungs Winkel. Bezüglich der Grundrifsanordnung kommt
die äufserste Mannigfaltigkeit zur Anwendung, da die Bahnachse die
468
Centralblatt der Bauverwaltung.
15. November 1890.
Strafseiiriclitnugeu nur in einem Falle, bei der Maastrichter Strafse,
rechtwinklig, im übrigen aber unter mehr oder weniger spitzen
Winkeln schneidet. Die ungünstigste Kreuzung unter 35° 41'/2'
zeigt die Unterführung der Salzmagazin -Strafse; nächstdem ist der
südöstliche Stirnträger der Unterfülirung des Eigelsteins mit einem
Winkel von 40° 51', die Unterführung der Wallstrafse im Bingcner
Geleisdurchbrach durch die neue Umwallung mit 50° zu erwähnen.
Allgemeine Bedingungen. Für sämtliche Strafsenunter-
führungen war durch den Vertrag zwischen der Stadt Köln und der
Staats - Eisenbahnverwaltung allgemein als wünschenswerth vorge¬
schrieben, dafs die Fahrb.ahn über den Strafsentlächen eine möglichst
wasserdichte Abdeckung erhalten solle. Um diese Forderung im
weitestgehenden Mafse zu erfüllen, w'urde zu der Anordnung \on
Buckelplatten gegriffen, welche auf das Fahrbahngerippe der eisernen
Längs- und Querträger mit enger Nietung
genietet und zur Aufnahme des Oberbaues
mit Kies verfällt werden. Die Anordnung
dieses wasserdichten durchgehenden
Belages von Buckelblecheu gew'ährt aufser-
dem den für den Betrieb nicht hoch
genug anzuschlagenden Vortheil, dafs der
Überbau beliebig in jeder Anordnung
unabhängig von der Brücke durchge¬
führt werden kann. Die Stöfse werden
durch das Kiesbett in erheblich gemilderter Weise auf den
Ueberbau übertragen, das lästige Klirren und Kauschen, welches
sonst beim Befahren eiserner Brücken sich geltend macht, wird voll¬
ständig gedämpft, was für den Strafsen- und Fuhrwerksverkehr eine
erhebliche Eideichterung ergiebt; mit Rücksicht auf etwaige Ver¬
schiebungen in der Geleislage, Einlegen von Weichen oder Kreuzungen,
bei der Nähe der Stationen, bietet die durchgehende Buckelplatten¬
haut ebenfalls grofse Vortheile. Es verdient hervorgehoben zu wer¬
den, dafs aus Betriebsrücksichten diese Anordnung auch bei
kleinen Bauwerken da zur Anwendung ge¬
bracht werden sollte, wo die Wasserdichtig¬
keit der Fahrbahn nebensächlich ist, wo da¬
gegen die Befestigung der Schienen oder
Schwellen unmittelbar auf den eisernen Fahr¬
bahn- oder Hauptträgern, infolge der Er¬
schütterungen und des Wände r ns der
Schienen, zu fortwährenden Ausbesserungs¬
arbeiten an den Auflagern und den Mauer¬
werkanschlüssen zwingt. Die etwas höheren
Kosten des Buckelblechbelages werden sich
hier durch die Ermäfsigung der Unterhaltungs¬
kosten reichlich bezahlt machen. Mit Rück¬
sicht auf die Mög¬
lichkeit von Ge¬
leisveränderungen
wurden bei allen
Brücken , welche
nicht auf der
freien Strecke lie¬
gen, die Haupt¬
träger so berech¬
net, dafs sie der
ungünstigsten Be¬
anspruchung, wel¬
che nach Anord¬
nung der Quercon-
struction über¬
haupt möglich ist, gewachsen sind; die Fahrbahnträger wurden
ebenfalls für die ungünstigste Belastung, welche überhaupt eintreten
kann, berechnet und bemessen.
Die Breite aller Brücken ist so bemessen, dafs neben der
gesetzlichen Umgrenzungslinie des lichten Raumes der äufseren
Geleise zwischen den benachbarten Geländerfluchten überall ein
Raum von 50 cm verbleibt. Von diesem Grundsatz ist nur aus
zwingenden Gründen abgewichen worden. Auch sind die Pfeiler der
Unterführungen im allgemeinen so weit verlängert worden, dafs
neben dem Geländer noch Platz für einen massiven Brüstungspfeiler
verbleibt, welcher zum architektonischen Abschlufs der Geländer
mit Rücksicht auf die Lage einzelner Brücken an bevorzugten öffent¬
lichen Strafsen wünschenswerth erscheint.
Bogenconstructionen. Um eine möglichst befriedigende
ästhetische Wirkung zu erzielen, wurden fast ausschliefslich
bogenförmige Constructionen zur Anwendung gebracht und die
höheren Kosten des Mauerwerks dabei nicht gescheut. Dabei wurden
insbesondere die stabförmigen elastischen Bogenbalkenträger, wo
die Höhenverhältnisse es irgend gestatteten, den Bogenfach werks-
trägern vorgezogen, welche letztere wegen der verschieden geneigten
Stellung der Diagonalen besonders bei kleineren Stützweiten ästhetisch
weniger günstig wirken, dagegen die Anwendung einer noch ge¬
ringeren Constructionshöhe im Scheitel als die Bogenbalkenträger
ermöglichen. Aufserdem gestatten die Bogenfachwerksträger die
Einspannung der Querträger in einfachster Weise zwischen den
oberen geraden Streckgurt, wodurch eine weitere Ersparnifs an
Constructionshöhe von 2G — 30 cm erzielt werden kann. Von dieser
Anordnung wurde mit Vortheil bei den in den Höhen besonders
beschränkten Unterführungen der Gladbacher und Luxemburger
Strafse Gebrauch gemacht und damit die gesamte Constructionshöhe
des Bogens bei den genannten Brücken von 15 bezw. 20 m Licht¬
weite auf das äufserst knappe Mafs von 35 bezw. 37 cm im Scheitel
beschränkt. Die Bogenträger sind durchweg mit zwei Kämpfer¬
gelenken, jedoch ohne Scheitelgelenk versehen; der Fortfall des
letzteren läfst eine gröfsere Gleichmäfsig-
keit in den Querschnittsgröfsen der ein¬
zelnen Bogenfelder erzielen und ergiebt
im ganzen sogar eine Verringerung des
Gewichts; auch für die Anordnung der
wasserdichten Fahrbahn werden dui'ch den
Fortfall der Theilung im Scheitel erheb¬
liche Vereinfachungen erzielt. Demgegen¬
über müssen allerdings die Temperatur¬
spannungen von dem Bogenträger auf-
genommen werden, diese sind jedoch im Vergleich mit den dynami¬
schen Beanspruchungen durch die schnellfahrenden Züge als sehr
unerheblich zu bezeichnen und werden bei der Querschnittsbemessung
durch Anwendung hoher Spannungszahlen für die zulässige In¬
anspruchnahme nach dem ihnen zukommenden Mafse berücksichtigt.
Es verdient noch erwähnt zu werden, dafs der untere bogen¬
förmige Gurt der Bogenfachwerksti'äger nicht als durchlaufender
Bogen, sondern als ein aus geraden Stücken zusammengesetzter, in
den Knotenpunkten geknickter, polygonaler Gurt der statischen
Berechnung entsprechend ausgeführt ist. Die
aus ästhetischen Rücksichten bisweilen ange¬
wandte Bogenform bedingt nicht unbeträcht¬
liche Gewichtszuschläge wegen der ein¬
tretenden (excentrischen) Biegungsbeanspru¬
chung der Stabtheile; es bleibt zu beachten,
dafs der geknickte Untergurt im ganzen für
das Auge doch wie ein Bogen wirkt, mit Aus¬
nahme der mittleren Felder nahe dem Scheitel,
welche mit dem Obergurt auf einer gemein¬
schaftlichen Blechwand vereinigt sind. Bei
diesem mittleren Theil erkennt das empflnd-
liche Auge durch den Gegensatz zu der
oberen wagerech¬
ten Begrenzung
sehr leicht die
Knicke und em-
pflndet den Man¬
gel des Bogens;
es ist daher für
diese mittleren
Felder die untere
Begrenzung bo¬
genförmig aus
geführt (vergl. die
in den Höhen ver¬
zerrte Abb. 1),
was ja bei der An¬
wendung eines durchgehenden Stehbleches ohne jede Gewichtszu¬
gabe und Erschwerung der Arbeit möglich ist.
Gerade Träger mit Zwischenstützen. Gerade Träger sind
verwendet, wo ästhetische Rücksichten weniger in Frage kamen, wo
Zwischenstützen in Anbetracht des weniger lebhaften Strafsenverkehrs
für zulässig gehalten wurden oder wo die Stützweiten mit Rücksicht
auf das flache Pfeilverhältnifs für Bogenträger zu grofs wurden.
Bei Anwendung der Zwischenstützen wurde die Anordnung der
durchgehenden (continuirlichen) Träger grundsätzlich ver¬
mieden, weil es kaum möglich erscheint, die Höhenlage der Säulen
mit der hierfür erforderlichen Genauigkeit sicherzustellen, weil aber
bei Veränderung in der Höhenlage der Zwischenstützpunkte be¬
kanntlich sehr ungünstige Aenderuugen in der Beanspruchung der
Träger entstehen. Auch würden bei den durch die Breite der
Bürgersteige meist gegebenen ungünstigen Verhältnissen der Seiten-
öflfnungen gegen das Mittelfeld Verankerungen der Endauflager
gegen aufwärts gerichtete (negative) Stützendrucke in den meisten
Fällen noth wendig sein; mit diesen Verankerungen aber sind vielfach
recht ungünstige Erfahrungen gemacht worden, indem dieselben
durch die allmählich entstehenden kleinen Spielräume beim Befahren
Abb. 1.
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( - ^,0 . ■* - 8,0 - * . 4,0 — >
Abb. 2. Unterführung der Maybach -Strafse
(früher sog. Parallel -Strafse).
Nr. 46.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
469
der Brücken eine hämmernde Wirkung auf die Eudpfeiler ausüben
und dadurch das Mauerwerk daselbst verhältnifsmäfsig rasch zer¬
stören, auch infolge eintretender Dehnungen ihren Zweck nicht mehr
voll erfüllen.
Alle diese Mängel werden vollständig beseitigt bei der Anord¬
nung gerader Träger auf Zwischenstützen mit überhängenden
(consolartigen) Enden und frei eingehängten Mittel- oder Seiten¬
trägern. Bei der zumeist vorkommenden Dreitheilung der zu über¬
brückenden Gesamtöffnung kommen die Anordnungen nach den Ab¬
bildungen 2 und 3 in Betracht; die erstere ist anzuwenden, wenn die
Seitenöffnungen erheblich kleiner als das Mittelfeld sind, während
bei gleicher Breite der mittleren und seitlichen Felder, oder wenn
die letzteren überwiegen, die zweite Anordnung Platz greift, bei
welcher alsdann eine Verankerung auf den äufscren Endpyfeilern
ebenfalls nicht erforderlich wird.
Beide vorbezeichneten Formen sind mit den in den betreffenden
Abbildungen angegebenen Mafsen zur Ausführung gekommen: die
erste bei dem Ueberbau über die Maybach- (früher sog. Parallel-)
Strafse; die letztere bei der Ueberbrückung des Hansa-Ilinges, wobei
allerdings aus Schönheitsrücksichten der Untergurt der drei Felder
bogenförmig begrenzt wurde (vergl. Abb. 3). Es entsprach dies
zugleich einer seitens der städtischen Verwaltung gestellten Forde¬
rung hinsichtlich der Umrifslinie des eisernen Ueberbaues, bei
welchem gemauerte Zwischenstützen auf der breiten Mittelpromenade
nicht für zulässig erachtet worden waren.
(Fortsetzung folgt.)
Selbstanzeigende Hocli-
Im Anschlufs an die auf Seite 6 in Nr. 1 dieses Jahrganges ge¬
brachte Mittheilung über einen selbstzeichnenden Hoch- und Niedrig-
•\vasser-Pegel mögen hier noch einige andere derartige Einrichtungen,
welche in Holland gebräuchlich sind und sich durch grofse Einfachheit
auszeichnen, Erwähnung finden. Wir folgen dabei der Tijdschrift
van het Koninkl. Instituut van Ingenieurs vom 5. März d. J.
Die schwierige Beobachtung des höchsten Wasserstandes bei
Sturmfluthen, namentlich wenn diese des Nachts eintreffen, hat Ver-
und Niedrigwasser -Pegel.
von einem wasserdichten Bohre eingeschlossen und mit dem Schwim¬
mer durch eine kupferne Kette verbunden ist, im Gleichgewicht
gehalten.
Um nun nicht allein die Höhe, sondern auch die Zeit von Hoch-
und Niedrigwasser anzuzeigen, hat man die zuletzt beschriebene Ein¬
richtung noch mit drei kleinen Uhren versehen. (Abb. 5 und 6.) Auf
der Achse a, welche von dem Schwimmer bewegt wird, ist ein Bad
mit ungefähr 70 Zähnen befestigt, in welches ein Hebel Ä A' mit nur
Abb. 1. Abb. 2.
Hochwasserpegel.
Abb. 3. Abb. 4.
Selbstanzeigender Hoch- und
Niedrigwasserpegel.
Abb. 5.
Selbstanzeigender Hoch- und Niedrigwasserpegel mit Zeit¬
bestimmung.
anlassung gegeben, zur Angabe dieser Höhe einfache Einrichtungen
herzustellen, ohne dazu der kostspieligen Anlage von selbstzeichnenden
Pegeln zu bedürfen. Abb. 1 und 2 stellen eine solche in verschiedenen
Poldern der Provinz Zeeland gebrauchte Einrichtung dar. In einem
aus zwei Theilen bestehenden hölzernen hohlen Pegel bewegt sich
ein Schwimmer mit Gegengewicht, an einer kupfernen Kette hängend,
welche um eine Bolle mit Sperrrad läuft. Eine Sperrklinke hält dieses
Bad und damit den Schwimmer bei dem höchsten Wasserstande fest.
Der Pegel wird alsdann geöffnet und nach Ablesung der Schwimmer
wieder auf das Wasser niedergelassen.
Eine andere sehr einfache Einrichtung zum Anzeigen des Hoch-
Tind Niedrigwassers zeigen Abb. 3 und 4. Die Bewegung des
Schwimmers in einem 25 cm zu 25 cm weiten und mit einer kleinen
Oeffnung im Boden versehenen hölzernen hohlen Pegel wird dabei
durch Bäder einem feiger mitgetheilt. Dieser Zeiger schiebt bei
seiner Bewegung in der einen oder anderen Bicbtung mittels zweier
Stifte einen der beiden verstellbaren Zeiger, welche auf derselben
Achse befestigt sind, voraus. Bei dem Zurückgang werden die festen
Zeiger nicht mehr mitgenommen, und kann somit auf dem Zifferblatte
der höchste und niedrigste W asserstand abgelesen werden. Der
kupferne Schwimmer wird von einem Gegengewicht aus Zink, welches
einem Zahne greift. An den Enden dieses Hebels sind die Gewichte
y und aufgehängt, welche den Druck des Zahnes auf das Bad
sichern. Letzteres läuft ungestört durch und hat allein die durch
den Druck des Zahnes verursachte Beibung zu überwinden. Die
Enden des Hebels sind durch Ketten mit einem zweiten Hebel H H‘
verbunden, an welchem die Gewichte G und G‘ hängen. Diese
drücken abwechselnd auf eine Feder, welche dadurch mit der Unruhe
des Uhrwerkes in Berührung kommt und dieses zum Stillstand bringt.
Sobald der Schwimmer sich in entgegengesetzter Bicbtung bewegt,
dreht das Bad ebenfalls in umgekehrter Bicbtung und nimmt den
Zahn mit; der Stand der beiden Hebel verändert sich, eine von den
Uhren wird zum Stillstand gebracht und zeigt somit die Zeit von
Hoch- oder Niedrigwasser an. Die dritte Uhr dient allein der ge¬
wöhnlichen Zeitangabe, nach welcher die anderen Uhren gestellt
werden. Ist z. B. die Höhe und die Zeit von Hochwasser nach der
stillstehenden Uhr aufgenommen, so wird die dann gehende Uhr für
die Beobachtung des folgenden Niedrigwassers nach der richtigen
Zeit gestellt.
Die Einrichtung mufs über dem höchsten Wasserstand gehörig
befestigt werden, während die Oeffnung in dem Pegel tief genug
hinunterreichen mufs, damit der Einflufs der Dünung sich nicht geltend
470
Centralblatt der Bauverwaltung;
15. November 1890.
machen kann. In der Eegel erfolgt die Befestigung daher an tief
genug reichenden Schleusenmauern oder dergleichen. Die Einrich¬
tungen haben gegenüber den gewöhnlichen Pegeln folgende Vortheile:
1. die Beobachtung kann unabhängig von Dünung oder Wellen¬
schlag erfolgen;
2. der Beobachter braucht nicht im Augenblicke des Hoch- oder
Niedrigwassers anwesend zu sein und braucht sich nur kurze
Zeit beim Pegel aufzuhalten;
3. es ist stets eine Yergleichsprüfung möglich. v. H.
Die Flöfsereianlagen im Gllommeii unterhalb des Sarpsfos bei Greaker in Jforwegen
Die in den AYäldern Oesterdalens gefällten Hölzer werden den
Glommen hinab meist in wilder Flöfserei befördert. Der Glommen
bildet in der Nähe von Sarpsborg den Sarpsfos, einen etwa 23 m
hohen Wasserfall,
und hat unterhalb
des Falles auf dem
rechten Ufer eine
Stromerweiterung,
in welcher durch
das ziemlich stark
strömende ^Yasser
eine Kreisströmung
erzeugt wird. Die
den Strom hinab¬
treibenden Stämme
hatte man früher
vollständig sich
selbst überlassen ;
sie stürzten mit
grofser Geschwin¬
digkeit über die
Felsen, erlitten dort
nicht unerhebliche
Beschädigungen
und wurden unter¬
halb des Falles
zum Theil mit in
die Kreisströmung
gezogen und dort
zwar langsam aber
stetig zermahlen.
Um diesen Uebel-
ständen zu ent¬
gehen, wurde ein
weit unterhalb der
Kreisströmung wie¬
der in den Glommen
einmündender Um¬
gehungscanal ange¬
legt, welchem die
Stämme mittels
einer „Ländse“ zu¬
geführt wurden.
Die Ländse , eine
Auffang- und Leit¬
vorrichtung , ist
eine schwimmende
Kette , deren Glie¬
der aus abgerin¬
deten, durch kurze
Kettenstücke mit¬
einander verbunde¬
nen Baumstämmen
bestehen. Das
stromaufwärts lie¬
gende Ende dieser
Holzkette ist ent¬
weder fest oder
wird von einem
Fahrzeug getragen,
sodafs man die Auf-
fangeöffnung belie¬
big erweitern und
verengen kann. Die
Beweglichkeit des
Endpunktes der
Ländse ist dort
nöthig, wo die Flö¬
fserei eine breite
Absperrung des
Flusses erfordert, dennoch aber zeitweise für die Vorbeifahrt von
Schiffen ein Durchlafs geschaffen werden mufs.
Nachdem die Stämme den Umgehungscanal durchschwommen
haben, werden sie im Strome wiederum mittels einer Ländse auf¬
gefangen. Zur Weiterbeförderung ist es nun erforderlich, die wirr
durcheinander liegenden Hölzer zu ordnen je nach ihren Eigen-
thümern — und auf
deren Wunsch auch
nach Holzart und
Stärke — , ferner die
geordneten Stämme
zu Flöfsen zu ver¬
binden. Diese Ar¬
beit, sowie die Wei¬
terbeförderung der
Flöfse bis zu den
14km stromabwärts
liegenden Holz¬
schleifereien und
Verladeplätzen ist
dem Flöfserei - In¬
spector Hrn.Furu-
holmen übertra¬
gen. Da das Her¬
stellen der Flöfse,
wenn von Hand be¬
wirkt, eine grofse
Arbeiterzahl und
viel Zeit erfordert,
so hat Herr Furu-
holmen eine Vor¬
richtung erdacht,
welche das Zu¬
sammensetzen der
Flöfse besorgt.
Diese „Sopnings-
maschine“ steht in
unmittelbarer Ver¬
bindung mit den
stromaufwärts lie¬
genden Sortirkam-
mern, welche sich
in einer Länge von
etwa 800 m am
Ufer hinziehen. Die
Scheidewände der
einzelnen Kammern
sind schwimmende
Balken, welche ähn¬
lich wie die Glieder
der Ländse mit ein¬
ander verbunden
und im Flusse ver¬
ankert sind. Die
Gröfse der Kam¬
mern ist so be¬
messen, dafs sie die
für ein Flofs nöthi-
gen Hölzer zu
fassen vermögen.
Die Sortirkammern
liegen (vgl. neben¬
stehende Zeichnung
Abb. 1) etwa unter
45 ° gegen die
Stromrichtung ge¬
neigt zwischen zwei
Canälen I und 11.
Der Canal I leitet
die Stämme an den
Kammern vorüber,
und die an den
kleinen überbrück¬
ten Oeffnungen « aufgestellten Arbeiter befördern die zusammen¬
gehörigen Hölzer in die entsprechenden Kammern. Der Canal II
hat den Zweck, die geordneten Stämme der Maschine zuzuführen.
Abb. 2. Grundrifs und Aufsicht von oben.
Nr. 46.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Die im fertigen Zustande geviertförmigen Flöfse haben im Mittel
sieben Lagen kreuzweise übereinander liegender Stämme, jede Lage
etwa zu dreifsig Stämmen. Bei stärkeren Stämmen geht man über
fünf Lagen nicht hinaus, während bei dünnen Hölzern etwa 350 Stück
in neun Lagen zu einem Flofs vereinigt werden.
Aus den Sortirkammern werden die Hölzer derart in den Canal II
gezogen, dafs je 30 Stämme abwechselnd senkrecht und parallel zur
Stromlichtung zu liegen kommen. In dieser Ordnung treiben die
Hölzer auf die Maschine zu.
Beschreibung der Maschine. Die Grundlage der Maschine
bilden die vier zu einem Geviert von etwa 10 m Seite zusammen¬
gelegten Balken L (Abb. 2 u. 3). Auf den Ecken dieses Gevierts
stehen die vier Hölzer M, welche oben in einen Schuh zusammen¬
laufen. Der Schuh trägt die ganze Vorrichtung vermittelst der
Stange si, welche die Kolben der beiden Prefscylinder H und Hi
trägt. An den Cylindern sind die beiden Gitterträger J aufgehängt,
an deren Enden die | förmigen Eisenbalken K durch kurze, starke
Kundeisenstücke befestigt sind. Die Gitterträger mit den Eisen¬
balken, welche im Grundrifs senkrecht zur Stromrichtung gezeichnet
sind, können um 90° gedreht werden; die Stellung ist im Grundrifs
gestrichelt angedeutet.
Diese Drehung sowie die
Eückwärtsbewegungin die
ursprüngliche Lage wird
durch die Ketten u und u\
bewirkt und durch kleine
Holzpuffer begrenzt. Die
Ketten wickeln sich auf
die Bollen v und v\ auf,
welche von der Achse c
aus in Kechts- oder Linksdrehung versetzt werden können, je nachdem
die die Achsen verbindenden Kiemen dm’ch die Spannrollen w straff
gespannt werden. Aufser dieser Bewegung im wagerechten Sinne
können die Gitterträger auch senkrechte Bewegungen durch die
Prefscylinder ausführen. Das Druckwasser wird durch die von der
Dampfmaschine B getriebene Pumpe D in den Kraftsammler F ge-
prefst, mittels der Leitung g dem Ventilkasten G zugeführt und
kann von hier aus durch die Ventile h in die Cylinder geleitet
werden. Die Stellung der Ventile h und hi erfolgt vermittelst der
Hebel m und m\, welche durch die Stange st und das Stellrad i von
dem im Grundrisse angedeuteten Führerstande aus gestellt werden
können.
Der Vorgang beim Zusammensetzen eines Flofses ist
nun folgender: Die erste Holzlage, die etwa parallel zum Stromstrich
liegen mag, treibt in die Maschine, und wird durch eine in Wasser¬
spiegelhöhe liegende Brettwand o aufgehalten. Das Heranschwimmen
der Hölzer kann von der Brücke B aus geregelt werden. Da es für
die Festigkeit des Flofses von Vortheil ist, wenn die unterste Lage
möglichst dicht schliefst, so werden die Hölzer durch zwei mittels
eines Handrades bewegte Haken zusammengeschoben (diese Haken
sind auf der Zeichnung nicht dargestellt). Die senkrecht zum Flufs-
471
laufe stehenden Balken K werden auf die Holzlage niedergelassen
und drücken diese so tief hinab, dafs das Wasser etwa 0,35 m über
der Oberkante von K steht. Dann treibt senkrecht zum Stromstrich,
also parallel zu den Balken A, die zweite Holzlage in die Maschine.
Die Stämme werden zusammengeschoben; nur an den Stellen, wo die
Balken K liegen, bleibt ein Zwischenraum von etwa 0,10 m. Darauf
läfst der Maschinenführer Druckwasser in die Prefscylinder, hebt
die Gitterträger nebst den Balken K von dem aufschwimmenden Holz
ab, spannt mit der Bolle w die Kiemen zwischen v und c an, dreht
also die Gitterträger um 90°, sodafs sie parallel zum Stromstrich
stehen, und drückt dann nach Stellung der Ventile h und h\ die
beiden Lagen so tief hinab, dafs die dritte zum Flufslauf parallele
Lage von Stämmen über die zweite fortschwimmen kann. In gleicher
Weise wiederholt sich das Spiel bei jeder neuen Lage. Ist das Flofs
fertig gestellt, so werden die Gitterträger mit den Balken K ange¬
hoben, die vordere Brettwand o wird durch die Kette m2 und die
Bolle v-2 ebenfalls gehoben, und das Flofs treibt von selbst aus der
Maschine ab. Eine Verbindung der einzelnen Holzlagen miteinander
findet nicht statt; für die Weiterbeförderung wird über 6—8 Flöfse
eine Kette gespannt und ein grofses zum Abschwimmen fertiges Flofs
ist hergestellt.
Einer besonderen Anordnung mufs noch gedacht werden. Der
Wasserstand im Glommen unterhalb des Sarpsfos wechselt in der
Zeit des Flöfsereibetriebes etwa um 1 m; die Maschine ist aber nur
für einen bestimmten Abstand der Prefscylinder vom Wasserspiegel
eingerichtet. Um nun den verschiedenen Wasserständen Eechnung
zu tragen, ist der Kähmen L, welcher die ganze Maschine trägt,
durch Druckwasser-Prefsstempel unterstützt; diese sind zur Erzielung
einer gleichmäfsigen Bewegung durch die Leitung y mit einander in
Verbindung gebracht.
Der mittlere, bewegliche Theil der ganzen Anlage ist mit dem
Vorgebäude (links) nicht verbunden. In das rechts liegende Ma¬
schinenbaus laufen die Ketten u und die Druckwasserleitung g. Die
Ketten müssen je nach der Hebung oder Senkung des mittleren
Theiles verkürzt oder verlängert werden, und die Druckwasserleitung
ist, um die Beweglichkeit des mittleren Theiles nicht zu hindern,
aus gelenkartig mit einander verbundenen Böhren hergestellt.
Die Bildung eines mittelgrofsen Flofses dauert etwa fünf Minuten.
Die Maschine ist im Jahr etwa drei Monate, vom Juni bis zum
August oder September, in Arbeit.
Die Gesamtkosten der Anlage belaufen sich auf 60 000 Kronen
(etwa 67 650 Mark). Die Kosten für die Beförderung der Hölzer
durch den Umgehungscanal, für Sortiren, Zusammensetzen und Ver-
flöfsen bis 14 km stromabwärts stellen sich auf 8 Oere (9 Pfennig)
für jeden Stamm, sodafs ein Flofs von 200 Stämmen auf 16 Kronen
(18 Mark) zu stehen kommt.
Die jetzigen Beförderungskosten verhalten sich zu den früheren
wie 16 : 19, d. h. es ist gegen früher eine Ersparnifs an der Beförde¬
rungsgebühr von 16 pCt. erreicht.
Köln. Ernst John,
Königl. Keg.-Baumeister.
Vermischtes.
Neue Weichselbrücke bei Fordou und die neuen Eisenbahn¬
brücken bei Dirschau und Marienburg. Noch vor Vollendung der
grofsartigen Arbeiten für die Erweiterung der Bahn- und Brücken¬
anlagen in Dirschau und Marienburg*) wird man im Bezirk der
Königl. Eisenbahn - Direction Bromberg mit dem Bau einer neuen
Eisenbahn- und Strafsenbrücke vergehen, welche, im Zuge der ge¬
planten Eisenbahnlinie Fordon - Culmsee - Schönsee belegen, die
Weichsel unterhalb Fordon in einer Länge von 1320m kreuzt.
Die Brücke wird 5 Stromöffnungen von je 100 m und 13 Vorland¬
öffnungen von je 62 m Weite (von Mitte zu Mitte Pfeiler gemessen)
und flufs eiserne Ueberbauten erhalten, deren Gesamtgewicht auf
etwa 8 Millionen Kilogramm zu veranschlagen ist. Die zum Bau
der Brücke erforderlichen Baustoffe und Maschinen werden zur
Zeit öffentlich ausgeschrieben und für die Bauzeit sind — vom April
1891 ab gerechnet — nur drei Jahre in Aussicht genommen.
Die im April 1888 in Angriff genommene Nogatbrücke bei
Marienburg ist am 25. October d. J. — nach 272jähriger Bauzeit
— • für beide Bichtungen in Betrieb genommen. Bemerkenswerth ist
diese Brücke u. a. durch ihren ganz eisernen Belag, welcher aus
7 mm starken, etwa 55 kg/qm wiegenden Eiffelblechen hergestellt ist.
Eine solche Art der Brückenabdeckung ist in Europa und auch für
das übrige Ausland noch etwas seltenes. Die Brücke befährt sich
sehr ruhig und besonders ist von dem anfangs gefürchteten starken
*) Vgl. die Mittheilungen im Jahrgang 1888 S. 87, und 1890
S. 323 d. Bl.
Geräusch des Eisenbelags nichts zu verspüren, was wahrscheinlich
darin seine Ursache hat, dafs die Biffelbleche in schmalen (70 cm)
breiten Streifen mit jeder Querschwelle fest vernietet sind, eine
Befestigungsart, welche die Schwingungen der einzelnen Bleche beim
Befahren wesentlich verringert.
Die Inbetriebnahme der neuen Dirschauer Weichselbrücke
steht heute übers Jahr — nach 3'/2jähriger Bauzeit — zu erwarten.
Für die Wasserversorgung der Stadt Chemnitz ist die An¬
lage eines Stausees bei dem Dorfe Einsiedel geplant, welcher
durch eine Thalsperre gebildet werden soll. Am 7. d. M. ist zu
diesem bedeutenden Bauwerk in feierlicher Weise der Grundstein
gelegt worden. Die Thalsperre soll als massive Mauer in einem
Bogen von 500 m Halbmesser angelegt werden. In der Krone erhält
die Mauer eine Länge von 185 m und eine Stärke von 4 m. An der
tiefsten Stelle des Thaies beträgt ihre Höhe 27 m über dem Grund¬
mauerwerk und 20 m über der Thalsohle bei einer Stärke von 20 m
über der Grundmauer und 14 m in Thalhöhe. Der angestaute
Wasserspiegel, der eine Fläche von 4 ha umfafst, liegt 2 m unter der
Mauerkrone; der Gesamtinhalt des Stausees bei dieser Füllung be¬
trägt gegen 300 000 cbm. Das Wasser wird durch die Zuflüsse jähr¬
lich etwa dreimal erneuert werden können. Die in Bruchsteinen
herzustellende Mauer hat einen Inhalt von etwa 21 000 cbm. Für
die Ausführung der Thalsperre, der dazu gehörigen Filteranlagen,
Wasserbehälter, Wege- und Brückenanlagen ist eine Bauzeit von drei
Jahren in Aussicht genommen. Die Leitung des Baues liegt in den
472
15. Novcnikr 1890.
Centralblatt der
Händen der Herren Stadtbaurath und Vorstand der Wasserwerks-
Verwaltung Hechler und Wasserwerksdirector Nau.
Zu der Mittlieiliiiig Bildwerke .am Eiithliause iu Osna-
hriick‘‘ in Nr. 45 d. Bl. bemerke ich iu betreff der Wiedei'herstellung
des Friedenssaales berichtigend, dafs, wenn ich dabei auch ent¬
sprechend mitgewirkt und insbesondere den Plan für die neue Holz¬
decke sowie die Eiuzelforinen zu derselben entworfen habe, doch die
Entwurfskizze nebst erläuternder Denkschrift zu einer würdigen
Wiederherstellung des ganzen Saales von Herrn Professor Schill
in Düsseldorf herrührt. Auf dessen Empfehlung war dem Maler
Ignaz Wagner daselbst die Ausführung der farbigen Ausschmückung
einschl. der Anfertigung der Cartons usw. übertragen.
Das Gestühl und die Schrankthürchen sind alt, letztere' aus der
Zeit des Baues (um 1500), ersteres vom Jalire 1554. Diese älteren,
zum Theil reich geschnitzten Holzarbeiten haben aber durch Be¬
seitigung der drei- und vierfachen Earben-Ueberstriche, durch Beizen,
Bemalung und Vergoldung aufserordentlich gewonnen, ebenso die
alten Beschläge, bei denen die eingeritzten Zierlinien erst jetzt wieder
zum Vorschein gekommen sind.
Endlich ist auch der alte, sehr zierliche eiserne Kronleuchter
durch Beseitigung der in demselben angebrachten Gasröhr-en, durch
Säuberung, Neubemalung und Vergoldung wieder zu seinem vollen
Beeilte gekommen. Er wird von jetzt ab wie in alter Zeit nur mit
Wachskerzen versehen und nur bei festlichen Gelegenheiten zur
Beleuchtung verwandt werden, während für den gewöhnlichen Ge¬
brauch zwei für Gaslicht eingerichtete kleinere Kronen von Messing
dienen werden. Baurath E. Hackländer, Stadtbaumeister.
Bodeiifenclitigkeit und Sickerwassermengeu. Am Schlüsse der
in Nr. 42 d. BI. (S. 433) gemachten Mittheilungen über die Ergeb¬
nisse der neuesten Untersuchungen von Prof. Ebermayer, betreflend
den Einflufs des Waldes und der Bestandesdichte auf die Boden¬
feuchtigkeit und die Sickerwassermenge, wird es als auffallend hin-
gestellt, dafs Ebermayer den Wald als weniger günstig für die
Quellenbildung bezeichnet als kahles Freiland. Der Herr Bericht¬
erstatter beschränkt den Geltungsbereich dieses Ausspruches auf
ebene, wenig geneigte Bodengestaltung, während waldiges Gebirge
stets quellenreicher sein müsse als unbebautes, kahles Bergland.
Hierzu seien folgende Bemerkungen gestattet.
Dafs eine ebene, mit dichtem Walde bestandene Fläche weniger
Sickerwasser abgiebt als dieselbe, aber kahle Fläche, erklärt sich
einmal dadurch, dafs die Kronen der Waldbäume im Sommer etwa
den vierten Theil des auf den Wald fallenden Niederschlagswassers
zurückhalten. Ferner wird ein sehr erheblicher Theil des auf den
Waldboden gelangenden Wassers zur Zeit des Wachsthums der
Bäume durch die Baumwurzeln aufgesogen, den Bäumen zugeführt,
um danach durch das Ausschwitzen der Baumkronen an die Luft
wieder abgegeben zu werden. Dieser wasseraufsaugenden Thätig-
keit der Wurzelfasern dürfte auch in erster Linie die Thatsache zu¬
zuschreiben sein, dafs versumpfte Flächen durch Bewaldung ent-
sumpft werden können. Endlich wirkt noch die Streu- und Moos¬
decke des Waldbodens wasserzurückhaltend, es wird an sie ein
weiterer Theil des Bodenwassers gebunden, entgegen der weit¬
verbreiteten irrigen Ansicht, dafs dieselbe besonders geeignet sei,
Wasser an die tieferen Schichten abzugeben. Die Menge des in
gröfsere Tiefen des Waldbodens versickernden Wassers — und ledig¬
lich dieses Wasser dient zur Speisung der Quellen — wird also von
vornherein erheblich verringert. Günstig wirkt der Wald, infolge der
geringeren Verdampfung in seinem Innern, nur auf die Erhaltung
der in seinem Boden vorhandenen Feuchtigkeit.
Die Menge des Sickerwassers wird wesentlich durch die Ge¬
schwindigkeit des oberirdischen Abfliefsens der Niederschlags¬
wasser beeinflufst: je steiler, je gebirgiger die Bodengestaltung ist,
ein um so geringerer Antheil des Niederschlagswassers wird ver¬
sickern. Bei gleichem Gefälle wird der hindernifsreiche Waldboden
den Abflufs des Wassers mehr verlangsamen als kahler Freiland¬
boden, sodafs allerdings auf den ersten Blick die Sickerwassermenge
auf einem und demselben Gehänge eine gröfsere oder geringere zu
sein scheint, je nachdem das letztere bewaldet ist oder kahl. Aber
gleichzeitig mit dieser die Sickerwassermenge in günstigem Sinne be¬
einflussenden mechanischen Wirkung des Waldbodens äufsert sich
seine im entgegengesetzten Sinne wirkende physicalische Eigen¬
schaft. Es wird also am Gehänge die Sickerwassermenge durch den
Waldboden entweder vermehrt oder vermindert werden, jenachdem
die mechanische Wirkung des Waldbodens überwiegt oder seine
physicalische. Heben sich beide Wirkungen gegenseitig auf, dann
ist es für die Menge des Sickerwassers gleichgültig, ob das Gehänge
bewaldet ist oder nicht. Während somit bei annähernd ebener
Bodengestaltung und unter Voraussetzung derselben Bodenverhält¬
nisse der Waldboden in der Eegel für die Quellenbildung weniger
günstig sein wird als kahles Freiland — Ausnahmen sind aber auch
■ Baiiverwaltung.
hier denkbar: Einflufs der Bodenart und Bodenschichtung — , so kann
er es im Gebirge auch sein. Er kann aber auch im Gebirge die
Sickerwassermenge vergröfsern.
Allgemein läfst sich also diese Frage nicht beantworten: dazu
bedarf es stets einer Entscheidung von Fall zu Fall, und dabei wird
offenbar der Grad der Steilheit des in Frage kommenden Gehänges
wesentlich darin zum Ausdrucke kommen, dafs mit der Steilheit der
Gehänge die Einwirkung des Waldes auf die Vergröfserung der
Sickervvassermenge zunehmen wird.
Dresden, im November 1890. Engels.
lieber das erfolgreiche Wirken des americauischen Vereins
der Eisenbalimvagenbauer (Master dar Builder Association) herrscht
zur Zeit nur eine Stimme. Der Verein hat sich aus kleinen Anfängen
entwickelt und ist allmählich zu hohem Einflüsse auf das Verkehrs¬
und Betriebswesen der americanischen Eisenbahnen gelangt. Dieser
Einflufs erstreckt sich namentlich auf zwei Dinge: die Regelung des
Austausches der Güterwagen zwischen den einzelnen Verwaltungen
und die Aufstellung von Mustervorlagen für die Beförderungsmittel
des Güterverkehres. Die Zeit des wirren Durcheinanders, welches
in Bezug auf den Wagenumlauf herrschte, hat einer gröfseren Ein¬
heitlichkeit Platz gemacht. Die Vorschriften hierfür sind vermehrt
und verbessert worden und bieten in der neuen Fassung eine treff¬
liche Handhabe zur Schlichtung von Streitigkeiten und Behebung
von Zweifeln, indem sie genau festlegen, welche Pflichten der über¬
nehmenden Bahn in Bezug auf Instandhaltung und Weiterführung
der Güterwagen obliegen und wie die entstehenden Kosten zu ver¬
theilen sind. Jede Bahngesellschaft hat im Hinblick auf derartige
tief einschneidende Fragen einen eigenen mit dem Wagenbau mög¬
lichst vertrauten Beamten als Vertreter bei der Vereinigung, welcher
ihre Interessen wahrzunehmen hat. Mit der Regelung des Wagen¬
austausches hängt die Frage der Musterzeichnungen für Güterwagen
naturgemäfs eng zusammen. Die Thätigkeit des Vereins erstreckt
sich nicht auf die Locomotiven, was ja auch, da diese Betriebsmittel
nicht von Bahn zu Bahn gehen, nicht erforderlich ist, so nützlich
und erwünscht eine gröfsere Einheitlichkeit auch nach dieser Rich¬
tung sein möchte. Bezüglich des eigentlichen Wagenbaues ist unter
anderem auf die Bestrebungen hinzuweisen, welche auf Einführung
selbstthätiger Güterwagenkupplungen und durchgehender Bremsen
gerichtet sind. Behufs Klärung dieser und ähnlicher Fragen, wie
beispielsweise der Wagenheizung und -Lüftung werden besondere
Vereinssitzungen anberaumt; die Ergebnisse der Berathungen werden
sodann in besonderen Veröffentlichungen weiteren Kreisen zugänglich
gemacht. De'r hohe Nutzen solchen Gedankenaustausches, welcher
durch Vorführung von Modellen neuer Erfindungen und Veranstaltung
selbst gröfserer Ausstellungen noch weiter angeregt wird, liegt auf
der Hand und wird durch den reichen Inhalt der bereits vorliegen¬
den Veröffentlichungen nur bestätigt. • — m —
Büclierscliaii.
Knust uud Künstler am Yorabeud der Eeforinatiou. Ein Bild
aus dem Erzgebirge. Von Cornelius Gurlitt. Halle a. S. 1890.
Max Niemeyer. 155 S. in 8" mit 16 Abb. Preis 2,40./^.
Die im Verlage des Vereins für Reformationsgeschichte er¬
schienene, zunächst für weitere Kreise berechnete Schrift giebt ein
anschauliches und anregendes Bild der kirchlichen, politischen und
gesellschaftlichen Verhältnisse der am Ausgange des 15. Jahrhunderts
infolge neuer, ergiebiger Silberfunde durch Bergleute begründeten
Städte Annaberg und Schneeberg, des erzgebirgischen Landes über¬
haupt und seiner Grenzgebiete. Aus den sehr verwickelten allge¬
meinen Bedingungen, die auf Grund örtlicher Untersuchungen,
archivalischer Studien und einer umfassenden Kenntnifs der ein¬
schlägigen fachlichen und allgemeinen Litteratur, insbesondere auch,,
was hier zum ersten Mal geschieht, unter Benutzung der Schriften
des grofsen deutschen Reformators mit Klarheit und Schärfe ent¬
wickelt werden, wird das durch das Erwachen des Individualismus^
gegen früher erweiterte Programm der Profanbauten und vornehm¬
lich der Kirchen dargelegt, wobei für die Geschichte der Baukunst
höchst beachtenswerthe, grundlegende Ergebnisse erzielt werden, in
erster Linie bezüglich der der Reformation vorarbeitenden Grundrifs¬
bildung der Predigdkirche mit ihrer Emporenanlage, sowie bezüglich
der Bedeutung der Bauhütten, Ergebnisse, die sich in schroflen Gegen¬
satz stellen zu der bisher üblichen ultramontan-romantischen An¬
schauung, auch bezüglich des bisher sehr unklaren Verhältnisses der
Kunst des ausgehenden Mittelalters zur Renaissance, zur Reformation
und zum Humanismus. Die volksthümlich geschriebene, über den
Rahmen rein örtlicher Forschung sich weit heraushebende, inhalts¬
reiche Abhandlung, welche einem lang gefühlten Bedürfnifs entgegen¬
kommt, wird auch in den Kreisen der Kunstfreunde bereitwillige
Aufnahme finden. Hans Lutsch.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
»r. 46A-
473
Centralblatt der Bauverwaltung.
INHAIjT: Ausfülirungskosten neuerer preufsischer Staats -Hoclibautctt. — Verraisclites : Kaiser Wilhelm - GcdäclitniCsldrcIie in Berlin. — Preishewerhuug für das Ge¬
schäftshaus „Victoriahaus“ in Dresden. — Büclicrscliau.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Ausführuugskosten neuerer preufsischer Staats -Hochbauten,
deren Abrechuimgen im Jahre 1889 zum Abschliifs gebracht sind.*
Zeit
Bestimmung
Regie-
der
Aas-
und
rungs-
fiih-
rung
Ort des Baues
bezirk
d
o
>
AusfiUiniiigskosten des
Hauptgebäudes ausschl.
der Bauleitniigskosten
im
ganzen
M
für 1
qm
cbm
Jt
Jl
Nutz-
eiü-
hoit
Jl
Kosten der
Heizungs-
aiiiage
im
gan¬
zen
JC
fiu-
100
cbm
Jt
Kosten
der
Bau¬
leitung
für die
ganze
Bau-
anlagc
Jt
(Bern. Es bedeutet: K.-Oe. Kachelöfen, E. Oe. Eiserne Oefen, IC- a. E. Oe. Kachel-
und Eiserne Oefen, E. R.-F.-Oe. Eiserne Regiüir-Fullöfen.)
I. Kirchen. (Mit Thurm.)
a) Kirchen mit Holzdecken.
4 21.0
7.30
318G
2 700
3 900
5687
.3 570
4 490
b) Kirchen mit gewölbten Decken.
4700
3290
800
1
Ev. K. i. Bisohof¬
stein
Königs¬
berg
87
88
340.8
140,7
15,8
112,6
—
—
2
Obelischkeii
Gom-
biniien
88
89
51 594
106,0
11,4
07,9
—
-
3
Betz in
Pots¬
dam.
86
87
29007
122,8
13,9
111,5
—
—
4
Blandikow
86
87
33 124
117,9
15,7
74,4
-
-
5
Gorgast
Frank¬
furt a.O.
86
87
75 134
14.3,4
15,2
77,1
—
—
6
Gr. Tuchen
Cöslin
80
87
85238
140,6
12,0
65,9
-
-
7
Kath. K. i. Lubom
Oppeln
82
87
92349
109,2
8,0
48,5
-
-
8
Ev. K. i. Wörbütz
Merse¬
burg .
86
87
227.33
108,2
13,4
99,8
—
—
9
Alt-Geltow
Pots¬
dam
85
87
68 235
194,0
20,8
191,7
—
-
10
Voigtshagen
Stettin
86
88
38 061
134,3
1.3,7
1.33,5
-
-
11
Schleibnitz
Magde¬
burg
87
88
33 814
136,4
14,8
107,0
—
—
12
Riegersdorf
(Thurm alt)
Breslau
87
88
45558
107,6
i
22 2
170.0
-
—
13 j
1
2
3
4
Gatersleben
Schönberg
Seefeld
Heinrichsdorf
Neuendorf
Parchanie
Westerhüsen
Wünscheiburg
Trotha
Eotheiiburg a. S.
Catharinenrieth
Sulzbach
c) Kirchtbürme.
Magde- 1| 87 1 88 jl 19 653 |j 584,9 1 25,9 |
bürg || I i| II II
II. Pfarrhäuser,
a) Eingeschossige Bauten.
88
Königs¬
berg
Danzig
Marien¬
werder
Frank¬
furt a.O.
Brom¬
berg
Magde¬
burg
10 58.3
15 320
13 735
18 724
13 390
19 498
08,1
70,0
72.9
80,0
G8,4
86.9
11,0
13,2
13.4
12.5
14.6
11.6
- II - i - II 1200
770 I 08,7
K.-Oe.
640 1 123,2
K.-Oe.
585 1 110,0
K.-Oe.
760 1 100,0
K.-Oe.
680 1 121,0
K.-Oe.
b) Zweigeschossige Bauten.
Breslau
Merse¬
burg
Wies¬
baden
18 290
17 121
17 190
20 600
22 122
96,7
106,1
106,8
120,6
131,4
10,1
9,0
8,0
12,3
12,2
947 1 145,3
K.-Oe.
850 1110,7
IC- Oe.
790 1 108,2
IC-u. E.Oe.
799 i 106,5
K.-u.E.Oe.
595 1 112,7
K.- u. E. Oe.
595 ! 85,0
E.R.-F.-Oe.
III. Schulhäuser.
a) Eingeschossige Bauten.
1. Mit 1 Scliulzimmer.
500
396
600
1913
AusfüUruiigskosten des
Kosten der ,'
Hauptgebäudes aiissclil.
Heizungs-
der
Bestimmung
Regie-
der
Aus-
fhh-
der Baulcitungskosteii
aulage
Bau-
und
für 1
für
100
cbm 1
1
leitung
ruugs-
im
gan-
für die
ganze
riuig
im
Nutz-
Ort des Baues
bezirk
ganzen !
qm
cbm
eiu-
lieit i
Bau¬
anlage
zen
S
Jt
Jt
Jt
Jl
Jt
Jt 1
Jt
8
Gr. Schöllfeld
Stettin
88
89
10 836
01,8
12,4
13.3,4
300
97,8 1
K.-üe. !
9
Bai'uimslow
88
88
11 3.30
00,8
12,4
120,2
300
73,5 :
—
K.-<
De. !
10
Stefanowo
Posen
88
88
8 911
62,9
1.3,7
178,2
41.3
118,6
—
K.-Oe.
11
Baiichwitz
87
88
9082
57,3
12,4
113,5
368
89,4!
K.-Oe.
12
Kogsen
88
88
9 513
00,0
13,0
118,9
399
96,0
K.-
Oe. 1
13
Manche
88
89
9 735
01,4
13,1
121,7
371
90,3
—
K.-
Oe.
14
Lomnitz
88
88
9 742
08,7
17,2
194,8
430
124,6
—
K.-Oe.
15
Kl. Münche
87
88
9 787
01,7
13,4
122,3
313
101,0
—
K.-
Oe.
16
Hennsdorf
87
88
10 023
55,7
12,2
125,3
240
76.7
K.-Oe.
17
Opaleintza
87
88
10129
63,9
13,6
120,0
425
112,5
K-
Oe.
18
Scherlauke
87
88
10 598
58,7
12,7
117,8
253
84,3
K.- Oe.
19
Lifsewo
86
87
10 705
59,6
12,9
132,9
280
93,3
_
K.-Oe.
20
Friedenhorst
88
88
10 903
69,1
1.3,0
137,0
354
85,9
K.-
Oe.
21
Nendorf
88
89
10 964
09,1
14,8
137,1
380
92,5
K.-
Oe.
22
Mittel- Diebitz
87
88
11505
'C4,8
13,0
143,8
314
85,0
_
K.-
Oe.
23
Brzoza
Brom-
89
89
9 992
.37,3
9,7
124,9
_
—
berg
K.-
Oe.
24
Wtelno
89
89
10046
57,5
9,8
125,6
—
_
—
K.-Oe.
25
Feyerland
88
89
10 120
58,0
9,8
120,5
—
—
K.-
Oe.
20
Oplawitz
88
89
10135
58,1
9,8
120,7
—
—
—
K.-
Oe.
27
Saiiddorf
89
89
10 GOO
57,8
11,6
124,7
—
IC-
Oe.
28
Wiidzynnek
88
89
i 10010
00,0
12,1
132,6
—
—
K.-
Oe.
29
Kirschgriind
89
89
' 10 037
57,7
9,8
1.32,0
__
—
K.-
Oe.
30
Brühlsdorf
88
89
11 300
59,4
14,1
125,0
_
_
K.-
Oe.
31
Kreischau
Breslau
89
89
7 709
43,4
9,9
101,4
300
75,4
—
K.-
Oe.
32
Branitz
Oppeln
87
88
8 575
48,3
9,4
142,
281
91,4
700
IC-
Oe.
i
33
Steubendorf
87
88
10 OSO
51,0
8,9
100,8
203
1 53,0
—
K.-
Oe.
34
Bornstedt
Magde-
88
88
10099
59,4
10,0
120,2
1 400
112,0
504
biiig
K.-Oe.
35
Bahreiulorf
88
89
11047
00,9
10,9
113,9
291
87,9
.500
K.-
Oe.
36
Immeustedt
Schics-
88
89
9 915
04,7
13,2
198,3
482
152,0
—
wig
E.
Oe.
2. Mit 2 Schulzimmern.
1
Neu-Kisebau
Danzig'
88
89
8 580
49,0
10,7
107,3
2.30 1 83,3
K.-Oe.
2
Konarschin
88
89
8 858
60,7
12,8
136,3
224 72,5
K-Oe.
3
Linoweg
80
87
9810
.37,3
12,9
109,0
300 95,2
K.-Oe
4
Jeszewo
Maricn-
■iverder
88
89
8 755
49,3
10,5
109,4
235 80,0
IC- Oe.
5
Sulnowko
87
88
9 347
51,3
11,4
103,9
230 75,0
K.-Oe.
0
Lubievvo
87
88
s 98i7
i
54,5
11,7
123,1
228 1 77,5
IC-Oe.
7
Dabergotz
Pots¬
dam
87
87
13 989
69,1
12,5
174,8
277 80,0
K.-Oe. i
*) Vgl. die Zusammenstellung S. 161 ff. dieses Jahrganges.
37
Demliu
Danzig
89
89
10 204
47,1
10.3
72,9
203 .34,0,
K.-Oe. 1
38
Schönwalde
89
89
12 902
57,3
11,0
70,3
538 92,0 :
K.-Oe. i
39
Gottbelp
Marien¬
werder
88
89
11 790
50,3
10,9
83,7
455 90,6
K.-Oe.
40
Tarnowke
”
88
88
13 887
53,3
9,8
86,3
374 70,3
K.-Oe.
41
Lüdersdorf
Pots¬
dam
87
87
15420
73,5
12,7
110,1
005 114,4
K.-Oe.
42
Lochowo (Anbau)
Brom¬
berg
89
89
14 943
83,9
15,7
93,4
K.-Oe.
43
Josepbinen
89
89
15 -245
63,5
11,1
95,3
K.-Oe.
44
Bankau
j Oppeln
88
SS
10 8-25
!
44,4
8,9
07,7
411 ! 78,1
K.-Oe.
474 Centralblatt der Bauverwaltung. 19. November 1890.
i
r
, Ausfübrungskosten des
Kosten der
1 --
Ausfülirungskosten des
Kosten der
Kosten
der
Bau¬
leitung
für die
/.eir
1 der
1 Aus-
j füll-
Haupt
gebiiudes aussclil.
Heizuiigs-
1 ZiCii;
Hanptgebiindes ansscbl.
Heizungs-
Bestimmung
Regie-
der Bauleitungskosten
aulage
Bau-
Bestimmung
Regie-
1 Ans-
j füll-
der Bauleitnngskosten
an läge
!! und
rungs-
für
1
im
für
leitung
für die
t-*
uud
rungs-
für
im
für
! raiia'
im
Niitz-
oiii-
beit
A
1 ruuff
im
ganzen
Ort des Baues
H bezirk
1
, ganzen
! qm
cbm
g'au-
100
ganze
Bau-
aulage
Ort des Baues
bezirk
qm
cbm
Nutz-
gau-
100
ganze
Bau¬
anlage
o
.2
zen
cbm
.2
beit
zen
cbm
jt
' M
JC
1 JC
JC
JC
Jt
JC
1 JC
Jt
Jl
JC
Jt
JC
b) Zweigeschossige Bauten.
1
5
.Anatomie in Göt-
tiugen (Anbau)
Hildes-
beim
87
87
15 206
128,3
13,0
345,6
.510
E.E.-I
58.4
V-Oc.
1 ('.84
1.
Mit, '2 So.hn Izimmp.rn.
Cassel
Euleudorf
1 S7
88
' 93,7
6
Ilyg. Inst, in Mar-
88
88
15972
48,1
9,4
_
52,6
E.Oe,
45
, Posen
14 995
80,2
10.1
5;i4 1 76,3
K.-Oo.
—
bürg (Provis.)
K.- u.
46
Lupitze
88
89
15 247
96,1
11.2
95,3
7
Pliarmac. Inst, in
87
88
26 814
141,6
15,0
297,9
646
G0.4
3 126
1
760
K -
97,9
De.
—
Maibnrg(Aubau)
E.R.-I
\-Oe.
47
Feucrsteiu
88
89
15 680
82,7
98,0
8
Operat.-II.inBoun
Köln
87
88
34379
154,5
17,6
2 852
5
2 834
TT
10,9
738
02,0
—
j (Anbau)
Dampfluftb.
K.-
4e.
u. E.
Oe,
[
48
Krofsuitz
:8S
SB
15 719
83,9
lO.S
98.2
630 j 78,6
K.-Oe.
—
2. Klinische Universitäts -Anstalten.
40
Kuklinow
86
87
j 21664
115,2
12,5
126,0
442 1 72,0
K.-Oe.
-
OrUniv. - Augeiibeil-
|l allst, in Greifswald
Stral¬
sund
85
87 i
1
139 840 1 1267,9
13,7
3329,511 25 6931 489,4
II Ww.-u.Lftb.
15 3G2
50
Neueiihofe
Magde-
buig
'87
88
19 213
105,4
11,0
120,1
DK) i 75,6
K.-Oc.
750
3. Dienstwolmungs-
und Verwaltungsgebäude.
2.
10
Botenwohnb. in
Stral-
88
89
10 789
84,9
10,4
289
170,0
: _
Mit ö öCüuJzinmiern.
Greifswald
Sund
K.-
Oe.
51
Porst
Cöslin
88
89
19 285
73,0
93,6
539
58,5
i
11
Direct.-Wobnb. in
Scbles-
85
88
45 107
291.2
20,1
2 360
22.5.7
1 2 220
1
K.-
Oe.
Kiel (Anbau)
wig
K.- u. E. Oe.
52
Brätz
Posen
87
SS
17 774
86,1
11,0
88,9
749
1)4,5
—
12
Bleicbermeist.-W.
Hildes-
88
89
12 138
105,3
12,1
354
102,2
K.-Oe.
in Sohlingen
beim
K.- u.
E.Oe.
53
Bartelsee
Brom-
88
89
16 3.57
77.2
9,7
68,2
—
—
13
Beamten - Wohn-
Köln
88
89
38 744
139,8
14,7
372
2 582
borg
K.-Oe.
haus in Bonn
. E.
Oe.
3.
Mit 4 Schulzimmern.
14
Ycrwalt.-Geb. in
88
89
10 206
87,6
18,3
_
179
59.7
! 760
54,
Osclie
Marien-
86
87
1 23 745
89,5
10,3
72,0
780
80,0
_
Bonn (Anbau)
E.R.-F.-Oe.
1
Werder
1
K.-Oe.
b) Gebäude
für wissenschaftliche
Zwecke.
55 1
Neu-Heidiik
Oppeln
87
88
16 999
, 68,0
8,4
53,1
942
81,6
15
Pbotogr. Kuppel-
' _
88
89
1 12 785
231,6
52,9
_
1 210
iv.-ue.
geh. bei Potsdam
c)
Scliulhäuser
ohne Lehrerwobnung.
16
Pllaiizenli. i. bot.
Scbles-
86
89
f 71439
i 108,0
23/2
_
14 216
703.7
i 4 500
56
Troplowitz
Oppeln
87
88
10 789
5i),6
8,5
60,0
19S
52,4
—
Garten in Kiel |
wig
!
Ww.-Dpfb.
i
r-
bi ‘
Brauitz
87
88
12 990
80,3
8,8
40,6
K.-Ue.
278 42,1
K.-Oe.
—
17
c) Gebäude für gesundbeitspolizeiliche Zwecke
Gcriclitl. Leichen- r — 11 87 188 11 14 551:124,4117,811 — II 165
83.0
1548
haus in Hannover |
i
1 E.R.-F.-Oe.
IT.
Höhere Schulen.
XI.
) (
Kegierungs-Gebaiide.
a
jrymnasien.
1
Arnsberg (Anbau)
_
88
88 i
20 245
191,0
15,4
_
461
122,3
216
1
Frankfurt a/M.
Wies-
84
88
254204
264,2
14,7
417,5
190001301,6
47 729
1
K.-Oe.
baden
Luflb.
2
Neufs
Düssei-
86
88
214232
231,5
13,7
423,4
3 725
80.8
21959
XII. Geschäftshäuser für
Gerichte
dort
E. Oe.
2 522! 120.1
r nffh
a) Geschäftshäuser für Amtsgerichte ohne Gefängnifszellen.
1,
Uslar
Hildes-
88
89
36 057
157,5
13,5
—
1 755
80,3
3 240
1
beim
K.-u.E.Oe.
b)
Uirector- VV ohnhäuser
0'
Saarbrücken
Trier ^
87
89
70 68 L
208,9
14,8
_
916
61,3
8798
o,
Frankfurt a/M.
Wies-
86
88
33 171
' 181,5
17.8
_
794
109.3
1
1
E.R.-F.-Oe.
i
baden
b) Geschäftshäuser für Amtsgerichte mit Gefängnifszellen.
V . Semiuare und
Alninnate.
0
Gettoif
Scbles-
87
88
73793
190,4
17,3
_
1822
138.0
6 900
a) Lehrer-Seminare.
wig
K.-u.E.Oe.
1
Siegburg ]
1
Köln
86
88
132734
151,8
8,4
1474,8
1
1833 1 51,5
E. Oe.
13 662
4
Sögel
Osna¬
brück
87
89
85437
179,5
16,8
—
2 633
E.
15L0
Oe.
9123
b)
Abtrittanlagen.
5
Berleburg
(Aubau)
Arns¬
berg
87
87
9574
130,4
16,9
—
311
E.
55,0
Oe.
1078
2i
i
Frankesclie Stift. 1
in Halle a/S. |
Merse- j
bürg i
87
89
1
112 439 1
78.8
9,8
604,5 1
l
7 832
6
Altena
87
88
65008
216,6
17,9
-
1145
E.R.-l
86,7
’.-Oe.
7 716
TI.
Turnhallen.
XIII. Gefängnisse und Strafanstalten.
1
Schweiz
Marien¬
werder
87
88
14 481
53,4
9,0
222,8
620 1 51.7
E.R.-F.-Oe.
-
a)
Gerichtsgefängnisse.
2^
Steglitz
Pots¬
dam
88
88
21 548
44.4
10,5
-
240
E. (
28,4
"ie.
708
1
Barteustein
Königs¬
berg
83
86
183 069
198,9
13,5
1727,1
6 678 1.55,3
K.-Oe.
17 798
3
Steinau a/0.
Breslau
88
89
9 999
53,9
9,2
222,2
198 1 25,2
E. Oe.
-
2
Scbwetz (Aubau)
Marien¬
werder
87
88
17 685
155,3
11,5
812,1
628
K. u.
95,1
3. Oe.
—
4
Hirschberg
Lieg¬
nitz
87
88
20223
69,7
8.0
269,6
662' 38,2
E.R.-F.-Oe.
450
3
Freienwalde a/O.
Pots¬
dam
86
89
24 342
118,7
12,8
1217,1
9701 214,3
K.-Oe.
2 501
5
Frankfurt a/M.
Wies¬
baden
87
88
36552
78,6
10,4
-
941 37,6
E.R.-F.-Oe.
-
4
Scbmiedcberg
Lieg¬
nitz
87
88
42210
162,5
14,3
1688,4
1 623 210,5
K.-Oe.
4098
6
Neufs
Düssel¬
dorf
86
88
26 697
73,5
9,3
333,7
514 25.4
E. Oe.
-
5
Goldberg
”
86
88
52994
137,2
13,3
1432,3
1 6751 177,9
K. Oe.
3 GOT
7
Sieghurg
Köln
86
88
20867
65,7
9,0
-
321 19,6
E. Oe.
-
6
Geestemünde
(Aubau)
Stade
86
89
26 338
207.4
15,5
1053,5
980 221,7,
K.- u, E.Oe.
5 208
7,
Duisburg
Düssei-
86
89
169750
208,2
14,7
1515,6
22 146
719:7
11613
Vll bis X. tiebiimle, welche
der Pflege von Kunst und Wissen-
dorf
Warmw.-H. 1
Schaft dienen.
b) Aufseher -Wobnhäusei
a) Gebäude für akademischen Unterricht.
8
III Aufs.i. AVerdeu
Düssel¬
dorf
87
88
9 953
65^8
12,1
—
229 111.5,0,
E.R.-F.-Oe.l
658
1. Hörsaal-
und Instituts-Gebäude.
9
IV dcsgl.
87
88
9 953
65,8
12,1
070 !
11.5.0
_
1
Chem. Lahor, in
—
85
89
179086
163,6
14,3
_
210001.528,2
21083
E.R.-F.-Oe.
Königsberg
Dampfluftb.
10
V dcsgl.
88
89
10 419
68,9
12,7
_
344
172,0 1
_
2
Univ. - Anbau in
Stral-
84
86
89 519
142,4
10,5
223,8
7.515
164.5
12508
E.R.-F.-Oe.
Greifswald
Sund
Luftb.
3
Physiol. Inst, in
86
88
140 886
173,7
16,5
1174,1
19730
712.8
17 730
XIT
Steueranitsgebäude
•
Greifswald
Ww.-u.Lftb.
a) Steuerdienstgebäude.
4
Bakteriol. Bar. in
Scbles-
89
89
12184
55,7
13,6
609,2
.565 106,1
_
1[
Potsdam [
_
87
881
33708
174,8
18,4 j
_
590
131.3.
942
Kiel
wig
E.
Oe.
1
1
K.-Oe. II
3Ir. 46 A
Centralblatt der Bauverwaltung.
475
Bestimranng
Regie-
Zeit
der
Aus-
fiili-
Ausführungslvosteii des
llauptgobäudes atisschl.
der ßauleitungskosten
Kosten der
Heizungs¬
alllage
Kosten
der
Bau-
und
rungs-
beziik
für 1
leitnng
für die
ganze
Bau¬
anlage
Ort des Baues
rii ng
im
gauzou
qm
cbm
Nutz-
eiii-
beit
gaii-
100
=
zen
cbm
5
M
M
Jl
M
JL
JL
1 JL
b) Nebenzollämter.
Gr. Czymocben
Gum¬
binnen
88
88
14 823
84,0
11,0
—
919 1 143,5
K.-Oe.
Preufs. Herby
Oppeln
87
88
10 101
90..Ü
9,7
—
928 132,6
K.-Oe.
Gollcowitz
’•
87
89
1.0 098
93,6
9,2
—
701 1 121,0
K.-Oe.
Gollassowitz
•
87
88
18 397
110,8
11,1
-
847 1 1.54,0
K.-Oe.
Mludergangelt
Aachen
87
88
17214
97,0
11,2
—
392 89,6
E.R.-F.-Oe.
c) Obercontroleur -Wohnhäuser.
"i!
Eobakow
|i Posen [|87|88|t 20 0031 83,31 1.3,8 | —
11 700 , 122,4 1[
|!
II II 1 !' 1 1 1
ll K.-Oe. 1
d) Grenzaufseher -Wohnhäuser.
8
Czechel
Posen
87
S8
14 088
64, .5
15,0
—
720 1140,6
K.-Oe.
9
Trolkjcr
Schles¬
wig
88
88
10 720
77,7
19,7
—
500 1.52,0
E. Oe.
10
Leerdt
88
88
10 733
77,8
19,8
—
500 1.52,0
E. Oe.
11
Hjortwath
88
88
113.53
82,3
20,9
—
506 1.52,0
E. Oe.
12
Spiekeroog
Auiich
87
87
14 023
02,8
20,4
—
200 100,0
E. Oe.
xy. Forstliausbauteu.
a) Wohnhäuser für Oberförster.
1. Eingeschossige Bauten.
Greibcn
Königs¬
berg
|86
87
23 209
92,8
12,0
976 114,0
K.-Oe.
Massin (Anbau)
Frank¬
furt a/0.
]88
89
9015
59,9
10,1
—
520 148,6
K.-Oe.
Karnkewitz
87
88
20048
80,2
10,8
—
1 185 148,0
K.-Oe.
Zerrin
87
88
20 411
81,0
11,0
1 131 1 127,3
K.-Oe.
2. Mehrgeschossige Bauten.
5
Zieher (Anbau)
Frank¬
furt a/0.
87
88
12971
112,0
12,0
—
615 ! 161,4
K.-Oe.
6
Misdroy
Stettin
87
88
23 700
125,7
12,1
—
1216 158,8
K.-Oe.
7
Oberfier
Cöslin
87
88
189.55
80,8
10,5
-
7!4 105,5
K.-Oe.
8
AVerder
Stral¬
sund
87
88
28 915
149,0
14,5
—
825 1 100,0
K.-Oe.
9
Diekholzen
Hildes¬
heim
86
87
19 575
144,6
1
12,4
—
1110 134,4
K.-n.E.Oe.
10
Neunkirchen
Trier
80
87
28 516
164,0
15,8
—
800 : 112,0
E.R.-F.-Oe.
b) Wohnhäuser für Förster.
(Eingeschossig und meist ohne Drempel.)
11
Peremtienen
Königs¬
berg
87
88
8 020
9,8
12,5
4.50 ,170,5
K.-Oe.
—
12
Eosenwalde
87
88
8 950
72,5
13,0
-
395 150,0
K.-Oe.
—
13
Garben
»
87
88
9375
75,9
11,5
—
4.55 163,3
K.-Oe.
—
14
Habichtsberg
”
87
88
9 428
91,2
10,3
280 101,2
K.-Oe.
—
15
Mainaberg
88
89
10 510
79,0
14,0
—
510 177,1
K.-Oe.
—
16
Buylieu
Gum¬
binnen
87
88
11 953
90,8
17,2
—
509 192,8
K.-Oe.
-
17
Waldhof
Danzig
so
87
9 570
76,1
13,5
—
383 1 163,7
K.-Oe.
—
18
Probbornau
”
89
89
10 3.56
1 83,9
14,9
—
390 ' 166,7
K.-Oe.
19
Birkenflies
87
88
10 603
85,2
15,1
—
465 1 243,8
K.-.Oe.
—
20
Waldbaus
Marien¬
werder
S8
89
9 085
73.6
13.2
—
405 173,0
K.-Oe.
—
21
Honigfelde
88
89
i 9 237
74,8
13,3
_
375 160,9
K.-Oe.
' —
22
Grofsväter
Pots¬
dam
86
87
10545
85,4
15,2
—
385 103.8
K.-Oe
—
23
Neuendorf
” •
87
87
111.53
i 90,7
10,2
—
435 103,5
K.-Oe.
1 —
24
Karnkewitz
Cöslin
87
88
3 913
i 72,2
12,8
—
300 128,0
K.-Oe.
' —
Besti mmung
Regie-
Zeit j
der I
Ans-
füh-
Ausführniigskosteu des i
Hauptgebäudes ausschl.
der l-iaulcitungskostcn
Kosten der
lloizungs-
anlago
Kosten
der
Bau-
nnd
Ort des Baues
ruugs-
bezirk
für 1
für
leitung
für die
ganze
liau-
anlage
ruiig ,
nn
ganzen;
([Ql
cbm
Nutz-
gan- j 100
c
.S
heit
zen cbm
>
!a
JL
Jl
Jt
Jt
Jl
JL
Jl
25
Born
Stral¬
sund
87
88
10.5,53
85,5
14,8
-
1 !
407 1181,0
K.-Oe.
-
26
Theerofen
Posen
87
88
9 004
72,0
12,9
—
392 148,3
K.-Oe.
—
27
Lehmkuhl
87
88
10051
95,3
17,0
—
272 ’ 1.54,0
K.-Oe.
—
28
Mühlgrnnd
Brom¬
berg
87
88
8527
* 09,0
12,5
—
335 147,0
K.-Oe.
-
29
Pulkau
-
88
89
10 510
85,1
15,1
—
405 1 172,0
K.-Oe.
—
30
TJnterwalde
”
88
88
10 924
88,5
15,7
—
460 . 16.5,5
K.-Oe.
—
31
' Schirpitz
»
88
89
12 538
101,5
18,0
—
.590 212,2
K. Oe.
—
32
Buchberg
Breslau
l87
88
12.597
82,8
10,1
—
370 1140.2
K.-Öe.
—
33
Li ndenau
Lieg¬
nitz
*87
88
8 977
I 72,7
12,9
—
325 1 139,0
K.-Oe.
-
34
i Schmiedefeld
Erfurt
87
88
13 756
111,4
i
17,0
-
! 517 19.5,9
j K.-Oe.
—
35
j Speckswiukel
Cassel
87
88
10 802
! 87,5
15,0
—
290 . 128,7
E. Oe.
c) Wohnhäuser für Förster in Verbindung mit dem Wirthschafts-
gebäude.*)
(Mit ausgebautem Drempelgeschofs oder zweigeschossig.)
36
Salzburg
Han¬
nover
87
88
13 309
(9 244
76,9
110,4
11,7
12,9)
—
302 ^ 96,0
K.-Oe.
37
Bösinghausen
Hildes¬
heim
87
88
14 290
(9 745
79,4
110,5
11,8
12,8)
—
358 1 114,0
K.- u.E.Oe.
38
Kloster-Oesede
Osna¬
brück
89
89
11 711
(8 035
69,1
94,7
10,0
11,2)
—
330 1 138,7
K.-Oe.
39
Nanzenbach
AVies-
baden
87
88
9 253
(6 064
.53.9
72,5
9,3
11,1)
—
210 103,0
E. Oe.
40
Möttau
87
88
9 790
(0456
.57,1
77,2
10,5
11,8)
—
199 1 97,6
E. Oe.
41
Glashütten
-
88
89
11 3,52
(7230
65,7
86,5
19 2
IST)
—
227 111,3
E. Oe.
42
Arnoldsheira
”
88
89
11 08^
(7 770
67,0
92,9
12.5
14,1)
—
231 113,2
E. Oe.
43
St. Nicolas
Trier
87
88
■ 15 596
i 07,5
12,5
-
157 05,5 1
£. Oe. !
XTI. Laiidwirtliscliaftliche Bauteu.
a) Pächter -Wohnhäuser.
(Eingeschossig.)
Heuzeudorf
1 Frank- 18718711 19 20011 81,7114,0 1 —
i; 630
140,0
|:furt.a,0. 1 II 1 1
j; K.-
Oe.
b) Arbeiter -Wohnhäuser.
1. Eingeschossige Bauten.
2
Königsfelde
Gum¬
binnen
88
88
12 212
59,8
1.5,0
—
320 : - 1
K.-Oe.
—
3
88
88
12 231
59,9
15,0
—
320 - ;
K.-Oe.
—
4
88
88
12 817
02,8
15,7
—
320 ' — *
K.-Oe.
—
5
■ ■
88
88
13 197
04,0
16,2
—
320 i -
K.-Oe.
—
0
AA'ittiiinen
"
88
SS
12 407
02,0
12,4
—
420 125,0
K.-Oe.
—
7
Bresin
Danzig
89
89
11 200
55,9
14,7
-
312 ! 147,7
K.-Öe.
—
8
Sobbowitz
”
88
89
12 286
52,0
12,7
-
294 116,7
K.-Oe.
—
9
Steinau
Marien-
1 Werder
89
89
10 982
53,8
14,0
-
300 141,0
K.-Oe.
—
10
Grimnitz
1 Pots¬
dam
'88
88
14 107
67,2
16,2
—
300 1129,3
K.-Oe.
—
11
Dahlem
’
SS
89
22 600
70,0
17,5
420 i 122,4
K.-Oe.
—
12
i ’
88
80
22 600
70,0
17,5
420 1 122,4
K.-Oe.
—
13
Athensl eben
Magde¬
burg
87
87
10 486
42,8
10.8
—
l 300 1 140,0
i K.-Oe.
1
14
i
. ’
87
87
1 10 590
43,3
10,8
-
360 140.0
K.-Oe.
—
15
Derben
i
1 "
88
88
10 352
50,7
13,8
370 139,0
K.-Oe.
—
*) Die hier angegebenen Preise beziehen sich auf das ganze
Gebäude, während die Preise für das Wohnhaus allein jedesmal
darunter in ( — ) angegeben sind.
476
Centralblatt der Bauverwaltung.
10. November 1800.
Ausfiibruiigs
kosten des
Kosten der
Zeit
der
Aus-
füh-
Ansfüliriingskosten des
Kosten der
Zeit
Haupte
ebSudes ausschl.
Heizuugs-
Hauptgebäudes ausschl.
Heizungs-
Bestiranuuig
Eegie-
der
der Bauleituiigskosten
aulage
Bau-
Bestimmung
Eegie-
der Bauleituiigskosten
aulage |
Bau-
und
rinigs-
föh-
; für 1
im
für
leitung
für die
und
ruugs-
für 1
im
für
leitung
für die
2^
Nutz-
ein-
beit
iTins:
itn
Nutz¬
ein¬
heit
Ort des Baues
bezirk
qm
cbm
gan-
100
ganze
Ort des Baues
bezirk
ganzen
qm
cbm
gan-
100 1
ganze
Bau¬
anlage
-
.12
zen
cbm
aulage
a
ryj
zen
cbm
>
-
M
M
Ji
M
M
M
JC
>
3
JL
Jt
Jt
Jt
Jt
Jt
Jt
2. Zweigeschossi
ge Bauten.
g) Pferde-
und Eindviehställe.
K!
Sowade
Oppeln
88
j
88
1,5 421
77,7
it,7
1 455
K.-
85,4
Oe.
1 Gum-
(Decken gewölbt.
)
200
41,4
300
41
Gü ritten
87
88
74 902
01,5
8,8
520,8
_
_
_
17
ScUaclitherg
Merse-
SS
80
13 038
(10,0
bi[inen
1 buig
1
E.
Je.
42
Praukau
j Breslau
88
88
30 300
7,0
561,1
_
_
c)
Scheunen.
1
1.
Fachwerkscheunen.
k)
Schweineställe.
IS
klürlen
Königs¬
berg
SO
80
14 083
t8,4
2,8
3,3
—
—
—
1. Ställe mit Holzdecken
87
88
20 050
22,0
3,2
4,7
43
Cocselitz
Stettin
89
89
18 023
60,7
10,2
_
10
Kobbelhude
-
—
—
20
Königsfelde
Gum¬
binnen
87
88
1(1 003
23.0
3,1
3.8
-
—
44
Viellipp
Stral¬
sund
87
87
12 450
58,2
11,0
—
_
—
21
Grasgirren
n
88
80
27 03(1
20, L
2,7
3,1
-
-
2. Ställe mit gewölbten Decken.
22
Strepsch
Dauzig
80
80
0 500
2U1
4,0
4,3
—
—
-
45
Schwarbe
] Stral-
88
12 404
50,0
14,1
347,1
■—
— ■
_
23
Berge
Pots-
88
88
15 218
12,1
1,5
1,5
—
—
_
sund
|57
dam
1
40
Güttin
87
88
10 870
46,7
14,1
301,3 j
— 1
—
24
Blumeiiberg
j Brom-
, 87
SS
17 88(1
20,0
2,8
3,4 ii —
_
_
! berg
1
1
i) btäüe für verschiedene Zw
ecke.
2
Massive Scheunen.
1. Ställe mit Holzdecken.
2ö
Krummensee
Pots-
80
89
21 066
27,5
4,0
•'■>,7
—
—
—
47
Mifswaldc
Königs-
88
88
11 210
30,7
8,2
_
_
_
dam
berg
2G
80
89
30 178
33,8
4.5
6,6
—
-
—
48
Abbau - Biitow
Cöslin
88
88
12 721
33,3
7,9
_
_
_
_
-7
Neueudorf
88
SO
20 160
30,5
6,3
6,3
-
-
—
40
Blumenberg
Brom-
87
88
18 089
37,7
5,5
_
_
_
_
28
Klctzko
Brom-
88
88
11 00(1
18,7
4,7
4,7
—
—
—
berg
berg
.50,
Kletzko
88
88
11 533
24,6
7,7
_
_
_
20
Sclimograu
Breslau
88
80
17 073
17,4
2,5
3 2
—
—
-
51
Norderney
Aurich
88
80
20 204
50,0
8,0
_
_
_
_
30
Biuiuenberg
Magde-
88
80
25 934
23,7
hl
3,3
—
—
—
bürg
2. Pferdeställe mit Speichei'.
3.
Scheunen mit Remise
52]
Eührfeld
Posen ]
87
88 1
33 33211 58,2
6,6
—
-
—
—
31
Eubleben
Pots¬
dam
88
88
24 243
( *28, 2
I
4,0
1 -
1
k)
Gewerbliche Anlagen
d)
Speicher.
53
Kiefernsanien-
darre i.Trappöiien
1 Gum¬
binnen
'88
88
10 805
69,9
16,5
-
— ■ '
-
-
Königsfelde
Guin- ,
88
88 1
19 323
71,5
7
—
—
54
binnen
M irthscliaftsgeb.
i. Friedrichsberg
'ss
88 i
15 233
51,2
6,7
Colplius
Magde-
87
87
36 005
85,'i
7,2
_
_
_
Eishaus i. Proskau
biirg
OD
Oppeln
87
88
33 402
90,1
8,0
—
—
—
—
e) Schafställe.
56
Mahlmiihle
Eotheuförde
j Magde¬
burg
87
88
52 050
00,4
6,8
-
-
-
-
1. Ställe mit Holzdecken.
34
Königsfelde
Gum¬
binnen
87
88;
30 500
1
43,5
5,7
38,2
XVII.
Gestütshauteil (fehlen).
Krummensee
Pots-
89
89
21 512
55,0
7,3
43,0
_
_
_
dam
XMll. Hochbauten aus ücm Gebiete der Wasserhauvenvaltimg.
2. Ställe mit gewölbten Decken.
a)
Wohnhäuser.
36
Seebeu
Merse-
87
88'
17 771
33,0
4,6
27,3 :
1
__ -
(100
1
Arheiterwohuh. i.
Stettin '•
so
87
10 202
34,2
0.0
—
—
_
bürg
.
Bredow
f)
(Dt
Rindviehstiille.
2
Düuenaufs. - Ge-
Cöslin
87
88
9 757
81,7
14,6
_
316
176,6
303
5ck
en frewölbt.)
höft i. \ itter -
K.-Oe.
37,
Krummensee !
Pots- '
dam
89
80]
00 757
72,5
10,5
552,3
- i
-
3
BuuDen- und
Schlensennieister-
Merse- :
bürg
88
SO.
'
18 527 ,
146,8
14,9
—
630
K.- u.
120,8
E.Oe.
1633
I
haus i. Meuschau
'
38'
Herrnstadt 1
Breslau <
87
88
41 200 !
52,4
7,7
429,2
-
-
—
30'
Neuwegersleben j
Magde- '
88
89 1
43 125]
53,0
0,5
440,2
- i
2378
d
Geestemünde
Stade
80
18
OL/II UjJJ^
1 233 219
i *3U
5,4 1 - !
3(6
72,0,
E. Oe.
40'
Seebeu
Merse- 1
80
11G17I
;
42,0
0,3
484,0
_
_ 1
000
Wi
bürg
Berlin, den 18. Octoher
1890.
ethoff.
Yerniisclites.
In einem für den Bau der Kaiser Wilhelm "(Tediiehtuifskirclie
unter einer Anzahl Berliner Architekten veranstalteten Wettbewerbe
ist die Allerhöchste Entscheidung zu gunsten des Entwurfes vom
Baurath F. Schwechten ausgefallen. Die Kirche soll bekanntlich
im Westen Berlins auf Charlottenburger Grund und Boden, und
zwar auf dem Platze errichtet worden, wo der Kurfürstendamm von
der Hardenberg- und Tauentzienstrafse geschnitten wird. Wir ge¬
denken den Lesern demnächst eingehendere Mittheilungen über den
auserwählten schönen Entwurf zu machen.
Die Frist zur Eiureicliuug- der Plaiiskizzeu für das „Tictoria-
haus‘^ iu Dresden (vgl. S. 407 d. J.) ist bis zum 24. December d. J.,
mittags 12 Uhr verlängert worden.
Büclierscliau.
Kalender für Eisenbalm - Techniker. Begründet von Edm. Heu¬
singer V. Waldegg. Neubearbeitet von A. W. Meyer. 18. Jahrg.
1891. Wiesbaden. J. F. Bergmann. 2 Theile. In kl. 8”. I. Theil.
Kalendarium und 90 S. Text mit Abb. u. Karte. Geb. — II. Theil
(Beilage) 407 S. mit Abb. Geh. Preis zus. 4 J(.
Kalender für Strafsen- u. Wasserbau- und Cultur- Ingenieure.
Bearbeitet von A. Eheinhard. 18. Jahrgang. 1891. Wiesbaden.
J. F. Bergmann. 2 Theile. In kl. 8". I. Theil. Kalendarium und
224 S. Text mit Abb. und Karte. Geb. — II. Theil (Beilage) 347 S.
mit Abb. Geh. Preis zus. 4 Jt.
P. Stühlens Ingenieur -Kalender für Maschinen- und Hütten¬
techniker. Herausgegeben von Friedr. Bode. 26. Jahrgang. 1891.
Essen. G. D. Baedeker. 3 Theile. I. Theil. Kalendarium, VIII u.
162 S. sowie Beilage mit 16 S. in kl. 8" mit Abb. u. Karte. Geb. —
II. Theil. Bodes IVestentaschenbuch. NH u. 348 S. in 12” mit
Abb. Geb. — IH. Theil. Beigabe, enthaltend die socialpolitischen
Reichsgesetze. 102 S. in kl. 8". Geh. Preis zus. 3,50 J(.
Verlag von Ernst.tKorn fWilhelm Ernst), Berlin. Für die Eeclactiou des mclitamtliclien Tlieiles verautwortlicli: 0 tto Sarra z in, Berlin. Druck von J.Kerskes, ßerliu.
477
Centralblatt der Bauverwaltung.
X. Jahrgang.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Berlin, 22. November 1890.
Nr. 47.
Redaction: SW. Zimmerstrarse 7 u- Gescliäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstratse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
lüHALX: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Bekanntmachung vom 12. Novem¬
ber 1890, betreffend die Bedingungen für Lieferung von Mineral-Schmieröl. — Nicht¬
amtliches: Strafsenunterführungen beim Umbau der Bahnanlagen in Köln. (Fort¬
setzung.) — Besondere Bediuguugeu für die Lieferung von Minoralschmieröl. —
Justizgebäude in München. (Schlufs.) — Magdeburger Baudenkmäler. — Kranken-
schleuse bei Betrieben mit Prefsluft. — Vermischtes: Preisbewerbung für
eine reformirte Kirche in Enge bei Zürich. — Decken -Einsturz im Leipziger
städtischen Museum. — Unterirdische Stadt -Fernsprechaulage in Berlin. — Rege¬
lung des Fuhrwerksverkehrs in den Strafsen der Londoner Innenstadt. — Neue
Patente.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Dem Regierungs- und Baurath Blanck in Köln ist die Wahr¬
nehmung der Geschäfte des Directors des Königlichen Eisenbahn-
Betriebs-Amts (linksrh.) daselbst übertragen worden.
Zu Königlichen Regierungs - Baumeistern sind ernannt: die Re¬
gierungs-Bauführer Max Schurich aus Bunzlau, Theodor Müller
aus Frankfurt a. M., Julius Volk aus Oberwinter a. Rh., Otto
Hagen aus St. Johann a. d. Saar, Johann Kleber aus Braunschweig
und Max Sorge aus Berlin (Ingenieurbaufach); — Arthur Gold¬
bach aus Tilsit (Maschinenbaufach).
Den bisherigen Königlichen Regierungs - Baumeistern Ernst
Spindler in Berlin und Paul Meinecke in Breslau ist die nach¬
gesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Bekanntmachung,
betrefPend die Einführung einheitlicher, technischer Bedingungen
für die Lieferung von Mineral-Schmieröl.
Für die preufsischen Staats -Eisenbahnen sind einheitliche, tech¬
nische Bedingungen*) für die Lieferung von Mineral-Schmieröl er¬
lassen worden, welche gegen Erstattung der Kosten von der König¬
lichen Eisenbahn - Direction hierselbst bezogen werden können. Die
*) Abgedruckt auf der folgenden Seite dieser Nummer.
genannte Direction wird auf Verlangen auch die Bezugsquellen der
zur Prüfung des Mineralöls bestimmten Apparate mittheilen.
Berlin, den 12. November 1890.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
Im Aufträge
Schneider.
Deutsches Reich.
Seine Majestät der Kaiser haben dem Geheimen Admiralitätsrath
und Vortragenden Rath Dietrich im Reichs-Marine- Amt neben seinem
Titel die Bezeichnung „Chef-Constructeur der Kaiserlichen Marine“
beizulegen geruht.
Der dipl. Schiffbauingenieur Bürkner ist zum Marine-Bauführer
des Schififbaufaches ernannt worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, die er¬
ledigte Strafsenbauinspection Calw dem Abtheilungsingenieur Fleisch¬
hauer in Stuttgart zu übertragen, ferner den Betriebs -Bauinspector
Zügel in Heidenheim, zur Zeit Vorstand der Bahnbausection Sig¬
maringen, seinem Ansuchen entsprechend nach Heilbronn zu ver¬
setzen und die erledigte Stelle eines Werkführers bei der Locomotiv-
werkstätte Aalen dem Maschinentechniker Meier bei der Locomotiv-
werkstätte Efslingen zu übertragen.
[Alle Eechte Vorbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redactenre: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Neue städtische Strafsenunterführungen heim Umhau der Bahnanlagen in Köln.
(Fortsetzung.)
Was die Ausführung der gelenkartigen Verbindung der ein¬
gehängten Träger mit den überhängenden Enden der benachbarten
Träger betrifft, so ist dieselbe durch vier an die Blechwände an¬
genietete, ungleichschenklige Winkeleisen gebildet, welche mit ihrem
längeren Schenkel einander zuge¬
kehrt und unter Anwendung beson¬
derer Futterstücke von 3 mm Stärke
mit einander verbunden sind, wie die
Abb. 4, 5 und 6 in Grundrifs, Quer¬
schnitt und Ansicht der Hauptträger
ergeben. Man erkennt, dafs die Con-
struction nur eine möglichst in einen
Punkt zusammengezogene Vernie¬
tung bildet, welche infolge des zwi¬
schen den Winkeleisen und Blech¬
wänden gelassenen Spielraums eine
Uebertragung von Biegungsmomenten
von einem Hauptträger auf den an¬
deren ausschliefst und durch sichere
Uebertragung der Scherkräfte und etwaiger wagerechter Bean¬
spruchungen ihren elastischen Zweck völlig erfüllt. Die Buckel¬
platten -Fahrbahn kann bei dieser Anordnung ununterbrochen
durchlaufen; es wird nur eine Stofs-Deckung für die oberen Gurtungs¬
winkel und die obere Gurtplatte der Hauptträger angeordnet,
welche ja ebenfalls Biegungsmomente kaum übertragen kann, und
da die gelenkartige Verbindung in der Nähe des Obergurtes liegt,
so werden dadurch auch die Formänderungen zwischen den be¬
nachbarten Trägertheilen , welche die Fahrbahn ungünstig bean¬
spruchen würden, auf ein geringes Mafs herabgemindert.
Bei einigen anderen Strafsenunterführungen (Aachener Strafse,
Wallstrafse) sind die Auflagerpunkte zwischen den benachbarten
Gelenkartige Verbindung der eingehängten Träger mit den
Consol- Enden der Hauptträger.
Hauptträgern über die Säulen selbst verlegt worden, sodafs also
drei bezw. zwei mit Einzelträgern überbaute Oeffnungen entstehen.
Der nöthige Zusammenhang wurde hier aufser durch die Fahrbahn
durch die gemeinsame stählerne Unterlagsplatte gebildet, welche die
beiden Trägerauflager auf dem
Säulenkopf verbindet; hier wurden
daher besondere Endquerträger zu
beiden Seiten des Stofses unentbehr¬
lich, deren Zwischenraum in beson¬
derer Weise durch ein gerades Blech
mit ovalen Schraubenlöchern über¬
deckt werden mufste. Da hier das
gemeinsame Auflager im Untergurt
der Träger liegt, so werden die Ver¬
schiebungen an den oberen Trägei-
Enden gegen einander unter dem
Einflüsse der Betriebsbelastung grö-
fser und können eher die Wasser¬
dichtigkeit der Fahrbahn in Frage
stellen. Diese Anordnung dürfte daher gegenüber der vorbeschriebenen
Construction mit überhängenden Träger -Enden nach Abb. 2 und 3
(Seite 468 d. vorigen Nummer) im Nachtheile sein; zudem wird auch
das Eigengewicht hier noch gröfser, da die gröfsten positiven Bie¬
gungsmomente gröfser als bei der Consolconstruction werden und auf
die Mitte der Felder fallen, was bei den Consol -Anordnungen nach
Abb. 2 und 3 für die Seitenträger nicht zutrifft.
Das Mauerwerk. Die Form der Mauerwerkskörper wurde bei
den als Stützmauer, Auflager oder Widerlager beanspruchten Strafsen-
pfeilern der verschiedenen Unterführungen je nach dem Erfordernifs
der auftretenden Kräfte ausgebildet. Der möglichste Anschlufs an
die Forderungen der Berechnungen, welche unter Anwendung der
478
Centralblatt der Banverwaltung.
22. Noveiiilicr 1890.
Stützliiiicn clui'cligeführt sind, wurde angestrebt und insbesondere
hierbei starke Untersclineidungen an der Ilinterfläche des unteren
Grundmauerwerks bis zur Neigung von 1 : ^2 zur Anwendung gebracht.
Diese Untersclineidungen bringen es wohl mit sich, dafs der Mauei--
werksquerschnitt in Höhe der Grundmaueroberkante stark eingeschnürt
erscheint (vergl. Abb. 7 im Schnitt ««), was jedoch keinerlei Be¬
denken hat.
Bei allen Unterführungen ist, den örtlichen Vci'hältnissen ent¬
sprechend, ausschliefslich Ziegelmauerwerk zur Anwendung gekommen,
und zwar ist das Gruudmauerwerk in Feldbrandziegeln, das über
Bodenhöhe liegende Mauerwerk in Ofenziegeln, die Untermauerung
der Kämpfersteine und Auflagerquader sowie die oberen Abdeck¬
schichten in Hartbrandklinkern hergestellt.
Bei den Bogenbrücken wurde das durch den Seitenschub der
Eisenconstruction bedingte Widerlager mit der Stützmauer, welche
der Abschlufs der Dammschüttung erfordert, in der durch die Abbil¬
dungen 8 und 9 veranschaulichten Weise vereinigt, derart, dafs die
beiden, den verschiedenen Zwecken dienenden Körper in der Lage
des Kämpfers vereinigt sind und nach unten auseinandergehen.
die Architekturtheile neben dem graublauen Kohlen-Kalkstein von
Cornelimünster Verwendung gefunden. Zur Bekleidung der den
Strafsen zugekehrten Flächen innerhalb der umrahmenden Quader-
eiufassungen unterhalb der eisernen Ueberbauten wurden die be¬
kannten Mettlacher Plättchen, mit der Stärke von 2 und 5 cm in
den aufeinander folgenden Schichten abwechselnd, verwendet, welche
in der Fabrik von Villeroy u. Boch in Mettlach an der Saar her¬
gestellt werden und schon bei den Bauten der Berliner Stadt-Eisen¬
bahn wegen der für die Unterführungen erzielten Helligkeit vortheil-
haft eiugeführt waren. Die Platten besitzen den Vorzug grofser
Härte und Sauberkeit in der Oberfläche, welche den Angriffen der
Atmosphäre sowohl wie auch muthwilliger Zerstörungslust trotzt
und Beschmutzungen kaum annimmt. Demgegenüber steht freilich
der hohe Preis von etwa 21 Mark f. d. qm fertiger Ausführung.
Die Verblendung wird nachträglich in die mit entsprechender Ver¬
zahnung hergestellten Mauern mit Cementmörtel eingesetzt, und zwar
geschieht dies am besten durch die von der Fabrik selbst dazu
gestellten Arbeiter. Auch einfache Musterungen und geometrische
Umrahmungen sind unter Verwendung blau emaillirter Steine zur
Dabei stützt sich das hintere Widerlager mittels einer eingespannten,
zum Theil auch einhüftig ausgeführten Gewölbekappe gegen den
vorderen Stützmauerköiq^er abj was allerdings nur für die Zeit
vorwiegend in Betracht kommt, während welcher das Wider¬
lager noch nicht durch den Schub des Bogens seine Verspannung
erhalten hat.
Die Schichten in der Nähe des Kämpferauflagers, "ebenso wie
die obersten 10 Schichten der Schildmauer hinter der Eisenconstruction
sind in Cementmörtel ausgeführt; die Schichten der vorderen, mit
nicht sehr starkem Anlauf angelegten Stützkörj)er zeigen wagerechte
Lagerfugen, während im hinteren Widerlager die Schichten geneigt
und zwar thunlichst im rechten Winkel gegen die Richtung der
zumeist vorherrschenden Stützlinie gezogen sind (vergl. Abb. 8 und 9).
Die Neigung der Ziegel schichten findet ihre Grenze durch den Uebel-
stand, dafs bei einer zu steilen Lage die Schichten während der
Ausführung abschwimmen, wenn nicht die untere Begrenzung durch
eine besondere Bretterdielung gesichert wird. Die Neigung von 3 : 5
kann etwa als annehmbare Grenzlage für eine bequeme Ausführung
bezeichnet werden; die mehr oder minder grofse Flüssigkeit des
Mörtels und Feuchtigkeit der Steine ist hier natürlich auch von
mafsgebendem Einflufs. Die geneigtliegenden Schichten werden durch
sanfte Krümmung, wie aus den Abbildungen ersichtlich, in die wage¬
rechte Lage, welche die vordere Schildmauer bedingt, übergeführt.
Als Werksteine für die Auflager- und Kämpferquader kamen
Niedermendiger Basaltlava, belgischer Kalkstein und Obernkirchener
Sandstein zur Anwendung; letztere beiden Gesteine haben auch für
Belebung der grofsen weifsen Flächen hier mit Erfolg ausgeführt
worden.
Die der Dammschüttung zugekehrten Flächen des Mauerwerks
wurden im allgemeinen, insoweit die Neigung der Oberfläche und
der Schichten das Eindringen der Feuchtigkeit begünstigt, mit einem
Cementputz von IV2 cm Stärke versehen, in gleicher Weise durch¬
weg die oberen geneigten Flächen der Schildmauern, welche zum
Theil auch noch einen doppelten Anstrich von Asphaltgoudron er¬
hielten, um das Durchschlagen der Feuchtigkeit aus der Bettung
durch die dünneren Theile der Schildmauern zu verhüten.
Die Flügel, welche zur Begrenzung der Böschungen bei den
meisten Unterführungen erforderlich waren, sind in allen denjenigen
Fällen, wo unmittelbar hinter den Unterführungen beiderseits die
neue städtische Wallstrafse den Bahnkörper entlang führt, in ab¬
gerundeter Form zur Ausführung gebracht worden (vergl. Abb. 10),
während die auf der andern Seite, nach der Altstadt zu gelegenen
Flügel den Uebergang von der Flucht der Unterführung in die städti¬
schen Strafsenbaufluchten vermitteln, und dementsprechend durchweg
eben, und zwar entweder auseinanderlaufend oder gleichlaufend an¬
gelegt sind. Es verdient hervorgehoben zu werden, dafs die im Grund¬
rifs nach einem Kreisbogen hergestellten doppelt gekrümmten Flügel¬
abdeckungen, zumal wenn sie mit Profilirung versehen werden, bei
der Ausführung in Anbetracht des verwickelten Steinschnitts und der
mühsamen Austragung der einzelnen Steine erhebliche Schwierigkeiten
verursachen, welche mit dem dadurch erzielten gefälligeren Aussehen
vielleicht nicht immer ganz in Einklang stehen. (Schlufs folgt.)
Besondere Bedingungen für die
§ 1-
Bescliaffeiilieit. Das Mineralöl soll zum Schmieren von Eisen¬
bahn-Fahrzeugen, Dampf-Maschinen und Werkzeug-Maschinen Ver¬
wendung finden und folgenden Bestimmungen genügen :
Es soll bei 20° C. ein specifisches Gewicht von nicht unter
0,900 und nicht über 0,925, sowie Flüssigkeitsgrade besitzen, welche
bei den nachstehenden Wärmegraden zwischen den angegebenen
Grenzen liegen:
’■') Die zugehörige amtliche Bekanntmachung ist auf der vorher¬
gehenden Seite dieser Nummer abgedruckt.
Lieferung Yon MineralsclmiieröL*
Wärmegrade:
200
300
400
500 c.
obere Grenze:
2,5
1,3
0,8
0,6
untere Grenze:
1,5
0,8
0,5
0,4
Auf 160° C. erhitzt, soll das Mineralöl entflammbare Dämpfe
nicht entweichen lassen. Bei — 5° C. soll es noch fliefsend sein,
d. h. es soll einem gleichbleibenden Drucke von 50 mm Wassersäule
ausgesetzt, in einem Glasröhrchen von 6 mm innerer Weite noch
mindestens 10 mm in einer Minute steigen. Das Oel soll wasserfrei
und säurenfrei sein, darf nur schwachen Geruch besitzen und soll
sich in Petroleumbenzin von 0,67 — 0,70 specifischem Gewicht voll¬
kommen lösen lassen. Das Oel darf keine fremdartigen Beimengungen
enthalten und selbst nach längerem Lagern keinen Bodensatz bilden.
Nr. 47.
Centralblatt der Bauverwaltüng.
47
auch darf es keine trocknenden Eigenschaften besitzen, d. h. in
dünnen Lagen längere Zeit den Einwirkungen der Luft ausgesetzt,
weder verharzen, noch zu einer firnifsartigen Schicht einti-ocknen.
§ 2.
Proben. Vor dem bekannt gemachten Eröffnungstage der An¬
gebote sind Proben der angebotenen Oele in versiegelten, klar durch¬
sichtigen und reinen Glasflaschen von 1 Liter Inhalt an das Ma-
terialien-Bureau der Königlichen Eisenbahn-Direction frei einschliefs-
lich Bestellgeld einzusenden.
Für diese Proben, welche zur Feststellung der Beschaffenheit
des angebotenen Oeles dienen sollen, wird eine Entschädigung nicht
geleistet. Auch werden die Proben nicht zurückgegeben, sondern
sollen bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten über die Güte und
Beschaffenheit der Lieferung als Grundlage für die Entscheidung
dienen. Die Lieferung mufs mit der für dieselbe als mafsgebend be-
zeichneten Verdingungsprobe übereinstimmen.
§ 3.
Gütepriifiiug. Die Vornahme der Güteprüfung sowie die ge¬
eignete Feststellung der Beschaffenheit der gelieferten Oele bleibt
nach Mafsgabe der allgemeinen Vertragsbedingungen für die Aus¬
führung von Leistungen und Lieferungen der Anordnung der Eisen¬
bahn-Verwaltung überlassen.
Flüssigkeitsgrad. Zur Feststellung des Flüssigkeitsgrades soll
ein geeichtes Englersches Viscosimeter zur Verwendung kommen und
zwar mit Bezug auf Eüböl von 15 fach er Zähigkeit des destillirten
Wassers bei 20° C.
Eiitflamimmgspuukt. Zur Feststellung des Entflammungspunktes
soll der nachstehend gezeichnete und beschriebene Apparat verwendet
werden. Die Erwärmung soll in einem offenen, glasirten, cylindri-
schen Porcellantiegel von 4 cm Höhe und 4 cm Durchmesser statt¬
finden; der Tiegel wird bis auf 1 cm vom Rande mit dem zu prüfen¬
den Oele gefüllt und zum Erhitzen auf ein Sandbad gestellt. Zur
Entzündung der Dämpfe dient eine Gasflamme, welche in der Weise
hergestellt wird, dafs ein rechtwinklig gebogenes Rohr mit verengter
Ausströmungsöffnung vermittelst eines Gummischlauches mit der
Gasleitung in Verbindung gebracht und das an der Spitze des Rohrs
entzündete Flämmchen durch Einstellen des Gashahnes auf die Länge
von 10 mm gebracht wird.
Kältepxmkt. Vor der Prüfung auf den Kältepunkt soll das Oel
mindestens eine Stunde lang ohne Erschütterung dem Kältegrade
ausgesetzt gewesen sein, bei welchem es untersucht werden soll.
Zu diesem Zwecke wird es in einem offenen, nach Centimetern
getheilten Glasröhrchen in eine gefrierende Salzlösung von constanter
Temperatur gestellt. Die Prüfung geschieht, ohne das Röhrchen
aus dem Kältebade herauszunehmen, und der nachstehend beschrie¬
bene und dargestellte Apparat ist nach der Gebrauchsanweisung
zu benutzen.
Prüflings - Ergebnisse. Nur die auf den beschriebenen Appa¬
raten gefundenen Prüfungs- Ergebnisse sind für die Lieferung des
Oels mafsgebend.
Yorrichtmig zur Ermittlung des Entflauiniuugs-
punktes.
Es ist:
a) ein cylindrischer glasirter Porcellantiegel von 4 cm Höhe und
4 cm lichtem Durchmesser zur Aufnahme des zu untersuchen¬
den Oeles;
b) eine halbkugelförmige Blechschale von 18 cm Durchmesser,
1,5 cm hoch mit feinem Sand gefüllt;
c) ein Thermometer für Wärmegrade zwischen 100 und 200° C. ;
d) ein Ständer mit Schraubzwinge zum Halten des Thermometers ;
e) ein Dreifufs zum Aufsetzen des Sandbades;
f) ein Bunsenscher Brenner mit Zündflamme, Hahn und Gummi¬
schlauch;
g) ein Zündrohr mit Gummischlauch.
Der Porcellantiegel wird bis auf 1 cm vom Rande mit Oel ge¬
füllt und auf den Sand gesetzt, nicht in diesen eingehüllt. Das
Thermometer ist so einzuspannen, dafs die Quecksilberbirne voll¬
ständig vom Oel umspült wird. Die Blechschale schützt die Oel-
oberfläche während der Prüfung vor nachtheiligen Luftströmungen.
Die Erhitzung ist von 100° C. ab langsam zu bewirken, sodafs
keine theilweise Ueberhitzung eiutreten kann. Hat das Oel den
Wärmegrad, bei welchem dasselbe geprüft werden soll, erreicht, so
führt man die auf 10 mm Länge eingestellte Flamme des Rohres
indem man dieses auf dem Rande der Blechschale gleiten läfst,
langsam und gleichmäfsig in horizontaler Richtung über den Tiegel a
einmal hin und her, sodafs die Flamme sich jedesmal 4 Secunden
über dem Tiegel befindet und von den etwa sich entwickelnden
Dämpfen bestrichen wird, ohne dafs die Flamme das zu prüfende
Oel oder den Rand des Tiegels berührt. Es wird mit dieser Prüfung
angefangen, sobald das Oel sich bis auf 120° erwärmt hat, und bis
zu 145° von 5° zu 5°,
von 145° an aufwärts
von Grad zu Grad wie¬
derholt. Die Erwärmung
soll so lange fortgesetzt
worden, bis tiei Annähe¬
rung des Flämrnchens
ein vorübergehendes Auf¬
flammen über dem Oel-
niveau oder eine durch
eine schwache Detonation
wahrnehmbare Explosion
eintritt.
Vorrichtung zur Er¬
mittlung des Kälte¬
punktes.
Die Vorrichtung be¬
steht aus dem Apparat
zur Herstellung des gleich-
mäfsigen Luftdrucks von
50 mm Wassersäule und
dem Apparat zur Abküh¬
lung des Oels auf eine
bestimmte Temperatur.
In das Glas a ist
ein durch ein Gewicht be¬
schwerter Glastrichter 6 umgestülpt, welcher mittels Gummischlauchs
und I — Zwischenstücks mit dem Manometerrohr c in Verbindung steht.
Letzteres ist durch den Arm eines Ständers g gehalten. Beim Ein-
giefsen von Wasser in das Glas a und das Rohr c wird die Pressung
der in dem Trichter
eingeschlossenen Luft
sich in dem Unter¬
schied der beiden Ni¬
veaus in dem Rohr c
zeigen. Diese Pres¬
sung läfst sich, bevor
der Schlauch d auf
das Oelprobirglas ge¬
steckt wird, mittels der
Schlauchklemme f ge¬
nau auf 50 mm regu-
liren und danach durch
Absperrung dauernd
erhalten. In den
Schlauch d ist mittels
L-Stücks ein Luftaus-
lafsschlauch mit der
Klemme e eingeschal¬
tet, um beim Aufsetzen
des Schlauches auf das
Probirglas eine vorzei¬
tige Luftpressung auf
das Oel zu verhüten. Die Abkühlung des Oels geschieht in U förmigen
mit cm-Theilung versehenen 6 mm weiten Röhrchen in dem mit einer
bei — 5° C. gefrierenden Salzlösung gefüllten Gefäfs h, welches in
dem mit einer Kältemischung aus Eis und Viehsalz gefüllten gröfseren
irdenen Topf i steht.
Um mehrere Proben zu gleicher Zeit ausführen zu können, sind
vier Oelprobirgläschen an dem beweglichen Stativ k aufgehängt, in
dessen Arme mit Klemmen sie leicht eingesetzt und ausgelöst werden
können. Das Thermometer l in der Salzlösung zeigt die Temperatur
der Lösung bezw. des Oels an.
Die mit Oel etwa 30 mm hoch gefüllten Probirgläsehen sollen,
sobald die Salzlösung ihren Gefrierpunkt erreicht hat, soweit in die¬
selbe gesenkt werden, dafs das Oel 10 mm unter dem Niveau der
Lösung steht.
Nach einer Stunde wird der Schlauch d des fertig gemachten
Druckapparats bei offener Klemme e auf ein Probirglas geschoben,
dasselbe soweit aus der Lösung gezogen, dafs man die Oelkuppe
sehen kann, und nach dem Schliefsen der Klemme e die Klemme f
geöffnet. Hiernach beobachtet man, ob unter dem eintretenden Druck
das Oel in einer Minute um 10 mm im Schenkel steigt.
Nach Schliefsen der Klemme f und Oeffnen der Klemme e wird
480
Centralblatt der Baiiverwaltung.
22. November 1890.
der Schlauch d abgelöst und kann die Prüfung der übrigen Oele
erfolgen.
Die Kältemischung (aus 1 Theil Viehsalz und 3 Theileu zerklei¬
nertem Eis) giebt Temperaturen von weniger als — 10°. Zur Er¬
zeugung der constanten Temperatur von — 5° C. dient eine Lösung
von 13 Theilen Kaliumnitrat und 3,3 Theilen Kochsalz auf 100 Theile
Wasser.
Bei Verwendung chemisch nicht reiner Salze kann eine Correctur
des Gefrierpunktes durch Kochsalz herbeigeführt werden, indem ge¬
ringe Zusatzmeugen den Gefrierpunkt herabziehen.
Die Entwürfe zum neuen Justizgebäude in München.
(Schlufs.)
Durch Vertrag vom 19. Mai dieses Jahres wurde der Unter¬
zeichnete nunmehr mit der Ausführung des Baues betraut, und zwar
als „Specialcommissär für den Neubau eines Justizgebäudes in
München“ dem Königlichen Justizministerium unmittelbar unterstellt.
Die Bauzeit beträgt sieben Jahre; Referent in der Sache ist der
schon unter dem Ministerium Fäustle mit dem Justizbauwesen
Bayerns betraute Ministerialrath Bögel.
Bei dem sehr umfangreichen Bauprogramm erscheint die zu Ge¬
bote stehende Baufläche keineswegs übermäfsig grofs. Dies geht
auch aus der Annahme von vier Geschossen und einem Untergeschofs
hervor, welche sich im Verlauf der Bearbeitung als die zweckmäfsigste
entwurf war der mittlere Lichthof in der Art der italienischen
Centralkuppelbauten ausgebildet und, wie oben erwähnt, auch äufser-
lich durch einen weithin sichtbaren Aufbau bezeichnet. Da das
Justizministerium jedoch den letzteren Gedanken mit Rücksicht auf
die Kosten nicht weiter verfolgt wissen wollte, so erhielt die Central¬
halle die schlichtere Gestalt des glasüberdeckten Hallenhofes; die
nach aufsen wirkende Mittelkuppel ist nur in der bescheidenen Form
des vierseitig gewölbten Kuppeldaches aufrecht erhalten. Da das
Gebäude auf allen vier Seiten vom Verkehr umgeben ist, so mufste
jeder Frontenmitte ein Eingang entsprechen. An den Schmalseiten
des Baues wurden diese Eingänge unmittelbar mit den Treppen ver-
1. Eingänge.
2. CentraUialle.
3. Haupttreppen.
4. Nebentreppen.
5. Schwurgerichtstreppen.
6. Sitzungssäle.
Abb. 2.
10 ^ 0 au zu 30 40 so
60 ao''
J_J
7. Streitricbter.
8. Kechtsbülfsriclitcr.
9. Zeugeuzimmer.
10. Oberamtsrichter.
11. Bibliotbel;.
12. Secretäre.
13. Kanzlei.
14. Registraturen.
15. Registratoren.
16. Ingrossatioussäle.
17. Richter.
18. Wartezimmer.
Hypotbelien-
imd
Gritudbucb-
Amt.
19. Richter f. Pfleg-, Yerlassen-
schafts- u. Concurssachen.
20. Reservezimmer.
21. Boten.
22. Pförtner.
23. Gerätbe.
24. Aborte.
Erdgeschofs. (K. Amtsgericht München I., Abth. A. f. Civilsachen.)
II. Bauentwurf für das neue Justizgebäude in München.
herausgestellt hat. Allerdings darf es fast als ein Uebelstand be¬
zeichnet werden, dafs so viele und ausgedehnte Stellen und Behörden
in einem einzigen Bauwerke vereinigt werden müssen, denn bei der
viergeschossigen Anlage hat der Verkehr nach den oberen Geschossen
eine nicht geringe Höhe zu überwinden. Aus den Versuchen mit
einem dreigeschossigen Bau ergab sich aber bei einer ungünstigen
Gruppirung der Gerichte eine weitläufige und unübersichtliche Anlage.
Der Verfasser ist auf den Vorwurf aus technischen Kreisen ge-
fafst, dafs in dem Grundrifstypus das Wesen eines Gerichts¬
gebäudes nicht genügend getroffen sei. Doch wird bei näherem
Studium der Frage anderseits zugestanden werden müssen, dafs unter
den obwaltenden Verhältnissen die Unterbringung der Gerichte und
Behörden in einem möglichst klar und streng gegliederten Grundrisse
am besten zu rechtfertigen ist. Wenn es im allgemeinen richtig ist,
dafs bei der gleichzeitigen Befriedigung so vieler Anforderungen dem
einzelnen nicht die volle Rücksicht zu Theil werden kann, so steht
es auch aufser Zweifel, dafs ein Bauwerk, welches nur ein Gericht
oder deren wenige aufzunehmen hat, in seiner Gruppirung weit eigen¬
artiger und bequemer gestaltet werden kann. In dieser Hinsicht
darf z. B. die Aufgabe des deutschen Reichsgerichtsgebäudes als
eine ideale bezeichnet werden.
Bei den Verhältnissen des Bauplatzes war die Gliederung mit
zwei Längs- und vier Querflügeln naheliegend. Noch bei dem Ver¬
bunden; auf der Hauptquerachse hingegen vermittelt beiderseits eine
dreiachsige Eingangshalle den Verkehr zur Mittelhalle und den
Haupttreppen. Unzweifelhaft wird der Osteingang am meisten be¬
nutzt werden, dennoch gebührt der Nordseite, welche dem jetzigen
Botanischen Garten als dem gröfseren Platze zugewandt ist, stets die
Bezeichnung der Hauptfront, und ihrem Eingänge die des Haupt¬
portales.
Bei der Zusammenfassung der Mittelhalle mit den Haupttreppen
lag der Wunsch nahe, den Ansprüchen eines leicht übersichtlichen
und möglichst bequemen Verkehres nach allen Stockwerken gerecht
zu werden. Zu einer wenig begangenen Prachttreppe, durch welche
der erste oder zweite Stock allein bevorzugt worden wäre, lag keine
Veranlassung vor. Auch zeigte sich kein Bedürfnifs kleiner Neben¬
treppen für den inneren Verkehr, sodafs mit Bestimmtheit ange¬
nommen werden kann, dafs die wenigen grofsen Treppen auch wirk¬
lich einem lebendigen Verkehre dienen werden. Die an der nörd¬
lichen Eingangshalle liegenden Nebentreppen führen nur zu dem im
2. Stock gelegenen Schwurgericht und sind getrennt für die Ge¬
schworenen, das Publicum und die Sicherheitsmannschaft angelegt.
Wenn es schon in Anbetracht des dienstlichen Verkehres inner¬
halb der einzelnen Gerichte unthunlich war, die Säle für sich zu
einer Gruppe zusammenzufassen und sie von den Zimmern zu trennen,
so ergab sich in viel höherem Mafse die Lmraöglichkeit, den einzelnen
Blr.47.
Centralblatt der Bauverwaltung.
481
grofsen Käumen eine Lage anzuweisen, die auch äufserlich durch be¬
deutende Prontenmotive hätte zum Ausdruck gebracht werden können.
Der Bedarf für jede einzelne Behörde setzt sich vielmehr aus Räumen
von ungleicher Gröfse zusammen, und innerhalb der so gebildeten
Gruppen findet' die Fronten entlang ein unregelmäfsiger Wechsel
gröfserer und kleinerer Gemächer statt. Die Sitzungssäle wurden
vorwiegend nach Norden verlegt. Die Registraturen fanden in den
Flügeln Unterkunft, welche den seitlichen Höfen zugewaudt und dem
Mittelbau mit der Centralhalle angefügt sind.
über der Nordhalle der Schwurgerichtssaal. Dem letzteren schliefsen
sich seine Nebenräume zu beiden Seiten derart an, dafs vermöge
eines Hülfsflurganges die ganze Gruppe im Gebäude vollkommen ab¬
gesondert und auch bei geschlossenen Hauptthüren unmittelbar von
aufsen durch die erwähnten Nebentreppen zugänglich gemacht werden
kann. Es mag auffallen, dafs auch das Justizministerium, obwohl
es nicht im engsten Verkehr mit den Gerichten und dem Publicum
steht, in dem Neubau aufgenommen werden soll. Berücksichtigt
man jedoch, dafs bei dem immerwährenden Anwachsen der Gerichte
20
30
40
50’"-
Abb. 3. Hauptquerschnitt.
II. Bauentwurf für das neue Justizgebäude in München.
Die Eintheilung der Stellen und Behörden im einzelnen kann nicht
Gegenstand dieser Mittheilung sein, einige Andeutungen allgemeiner
Art mögen genügen. Die Vertheilung der Raumgruppen in die Ge¬
schosse ist folgende: Das Erdgeschofs enthält das Amtsgericht
München I, Abtheilung A für Civilsachen, der 1. Stock das Landgericht
München!, Abtheilung für Civilsachen und das Landgericht München II,
Abtheilung für Civilsachen. Im 2. Stock sind untergebracht das Land¬
gericht München I, Abtheilung für Strafsachen und die Staatsanwalt¬
schaft bei diesem Gerichte, das Landgericht München II, Abtheilung
für Strafsachen nebst Staatsanwaltschaft bei diesem Gerichte, und das
Schwurgericht beim Landgerichte München 1. Im 3. Stock befinden
sich das Justizministerium und das Oberlandesgericht nebst Ober¬
staatsanwaltschaft. Die Unterbringung der Ministerwohnung im Ge¬
bäude war aufgegeben worden; es hatte sich gezeigt, dafs sie nicht
mit der nöthigen Bequemlichkeit in den grofsen Organismus einge¬
schaltet werden kann. Der gewonnene Ueberschufs soll als verfüg¬
barer Raum für die 'stark in Ausdehnung begrifiPenen Gerichte dienen.
Diejenigen Abtheilungen der Gerichte, mit denen das Publicum vor¬
nehmlich verkehrt, wurden in die unteren Geschosse gelegt, so ins¬
besondere das Amtsgericht, dem u. a. das stark besuchte Grundbuch¬
amt sowie die Richterzimmer für Pfleg- und Verlassenschafts-Sachen
angehören. Ueber dem Süd-Eingang liegt der Repräsensationssaal,
ein späterer Raummangel unausbleiblich ist, so wird man erkennen,
dafs diesem s. Z. dadurch Abhülfe geschaffen werden kann, dafs das
Ministerium mit der Ministerwohnung, wie auch zweckmäfsig, in einem
besonderen Bau vereinigt wird. Möge es dem Staate gelingen,
rechtzeitig in der Nähe des Justizneubaues den passenden Baugrund
für einen solchen Zweck zu erwerben.
Dafs die künstlerische Gestaltung des Bauwerkes noch sehr der
Durcharbeitung bedarf, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Bei
der Behandlung der Aufgabe traten bisher stets die praktischen
Fragen in den Vordergrund. Der Schwerpunkt der Innenarchitektur
liegt in der Centralhalle; hier mufs das den Einblick in die gewölbten
Treppen und Flure gewährende Arcadenwerk noch eingehend be¬
arbeitet werden. Die Flurgänge sollen durchweg Wölbung erhalten.
Die Innenräume, selbst die Sitzungssäle, werden einfach, nur der
Schwurgerichts- und der Repräsentationssaal reicher ausgestattet
werden. Die noch nicht fertig bearbeitete und deshalb hier noch
nicht mitgetheilte Aufsenarchitektur wird in Spätrenaissanceformen
gehalten. Der Verfasser ist, indem er seine Arbeit schon jetzt der
Oeffentlichkeit übergiebt, von dem Wunsche beseelt, dafs das fach¬
männische Urtheil in richtiger Erkenntnifs der Vorstufe der Sache
zum besten gereichen werden.
Prof. Friedrich Thiersch.
482
22. November 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung.
Magdeburger Baudenk iiiäler.
Die Aufmerksamkeit der Fachgenossen möge hiermit auf ein
dankenswerthes Unternehmen der beiden Magdebiu’ger technischen
Vereine,, des Architekten- und Ingenieurvercins und des Kunst-
gewerbevereius, hiugelenkt werden, welches in der Vcröftentlichung*)
der besten Baudenkmäler Magdeburgs vorläufig nur aus der Ee-
naissauce- und Barockzeit besteht und gegenwärtig soweit ge¬
fördert ist, dafs in allernächster Zeit die Schlufsfolge der -auf vor¬
erst 40 Blatt Lichtdruck -Darstellungen berechneten Sammlung er¬
scheinen wird.
Bei dem bedeutenden Aufschwünge, den das jetzt fast 200 000 Ein¬
wohner zählende Magdeburg in den letzten beiden Jahrzehnten ge¬
nommen hat, war es unausbleiblich, dafs die überaus lebhafte Bau-
thätigkeit sich auch auf diejenigen ehrwürdigen Profanbauten
erstreckte, welche nicht nur als Zierden der alten Stadt, sondern
übeiiiaupt als Meisterwerke deutscher Baukunst aus der auf die
Kenaissance folgenden Zeit angesehen werden dürfen. Dafs gegen¬
über den patriarchalischen Verhältnissen früherer Jahrhunderte die
heutige Zeit zu einer besseren Verwerthung des kostbaren Grund
und Bodens drängt, ist unausbleiblich, und so sind in den letzten
Jahren verschiedene der prächtigsten alten Häuser Magdeburgs
diesem in unseren veränderten Verhältnissen begründeten Zwange
des Bedürfnisses zum Opfer gefallen. Namentlich hat der allbekannte,
malerische Br eite weg von der Eigenart seiner Erscheinung zu all¬
gemeinem Bedauern bereits erheblich eingebüfst. Als nun auch das
berühmte Pieschelsche Haus an der Ecke des Breitenwegs und der
Steinstrafse der Bauspeculation verfallen sollte, da machte sich
gleichzeitig bei den in erster Linie zur Wahrung der Kunstinteressen
der Elbestadt berufenen beiden genannten Vereinen der lebhafte Wunsch
geltend, das Mögliche, wenn nicht zur Erhaltung der alten werth¬
vollen Baudenkmäler, so doch wenigstens zur Festhaltung ihrer Er¬
scheinung in künstlerischen Darstellungen zu thun. Die Stadt¬
behörden unterstützten das Werk durch eine namhafte Bewilligung,
sodafs die financiellen Schwierigkeiten des Unternehmens von vorn¬
herein um so mehr als überwunden angesehen werden konnten, als
in den Kreisen der Bürgerschaft dem gemeinnützigen Werke die
lebhafteste Theilnahme entgegengebracht wurde. Die im Selbst¬
verläge der beiden Vereine bisher erschienenen Blätter des Werkes
bringen die hervorragenderen Bauten, und zwar fast durchweg
Facaden - Darstellungen, namentlich der Gebäude des Breitenwegs,
des Domplatzes und des Alten Markts, wobei zugleich auch auf
deren architektonische Einzelheiten, insbesondere Giebelausbildungen,
Erker, Hausthore usw. Eücksicht genommen ist. Aufserdem sind die
im Inneren des Domes befindlichen Kunstdenkmäler aus der Spät-
Renaissancezeit beigegeben, denen auf 10 Blättern — einem für
die berühmte Kanzel und neunen für Grabmäler — ein für die Vei--
öft’entlichung von „Baudenkmälern“ zwar etwas reichlicher, aber bei
dem künstlerischen Werthe dieser Meisterwerke wohl zu recht¬
fertigender Raum zugewiesen wurde. Die Lichtdrucke nach photo¬
graphischen Aufnahmen des Magdeburger Photographen v. Flottwell
geben in den Hausansichten ein vollkommenes Bild der Bauweise,
wie sie nach der fürchterlichen Zerstörung des Jahres 1631 sich im
Ausgange des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts in der schwer
geprüften, nach der Zerstörung aber schnell wieder glänzend empor¬
blühenden Stadt herausgebildet hat. Wir erblicken Architekturen,
die von selbstbewufstem Schaffensgeiste zeugen und denen eine ge¬
wisse selbständige Stellung in der deutschen Kunstentwicklung ein¬
zuräumen ist. Sie zeigen zwar im wesentlichen die prunkvollen
Stilformen, die wir am Berliner Schlosse bewundern, aber es ist doch
noch eine andere Sprache, welche diese gewaltigen Voluten reden,
wie sie in ihrem kühnen Aufbau besonders an einem der schönsten
Beispiele, am Pieschelschen Hause, in die Erscheinung treten. Wie
diese eigenartige Formengebung sich nach Magdeburg verpflanzt hat,
ist schwer nachzuweisen. Berechtigung hat wohl die Annahme, dafs
die allenthalben zu spürenden Einflüsse der hugenottischen Colonie
auch auf dem Gebiete der Architektur sich geltend gemacht haben.
Gerade nach Magdeburg sind zahlreiche und überaus tüchtige Ver¬
treter der durch die Aufhebung des Edicts von Nantes aus ihrer
Heimath vertriebenen Opfer religiöser Unduldsamkeit eingewandert,
die den lebhafteren französischen Geist wie auf allen Gebieten, so
auch auf dem der Kunst zum besten deutscher Cultur zur Geltung
brachten.
Besonderen Werth hat das in Rede stehende Werk dadurch er-
Magdeburger Baudenkmäler. Selbstverlag des Archi¬
tekten- und Ingenieur-Vereins und des Kunstvereins zu Magdeburg.
40 Blatt Lichtdrucke in grofs Fol.
halten, dafs ihm durch den Stadtbibliothekar, Archivar Dr. Dittinar
geschichtliche, aus alten Aufzeichnungen geschöpfte Bemerkungen
über Bauzeit und Entstehungsgeschichte der dargestellten Häuser^
ihre Besitzer usw. beigegeben sind. Die Namen der Architekten sind
fast durchweg verschwunden, wie das nun einmal bei den früheren
Werken selbst allerersten Ranges die Regel zu sein pflegt; allenfalls
sind noch die Namen der ausführenden Steinmetzen oder Werk¬
meister aufzufinden, vielleicht dafs diese sich in manchen Fällen mit
denen der Baukünstler decken. Eine bedeutende Anzahl der Ge¬
bäude stammt nachweislich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, etwa
aus den Jahren 1640 — 1670; das mehrerwähnte Pieschelsche Haus
ist vielleicht schon in das Jahr 1642, das durch sein prachtvolles
Portal sich vor allem auszeichnende Baenschsche Haus, die sogenannte
Heideckerei, Breite weg 148, kurz nach 1651 zu setzen. Aufserdem
ist natürlich anzunehmen, dafs die aus der Blüthezeit der Stadt vor
dem Unglücksjahre der Eroberung stammenden Renaissance-Gebäude
nicht alle bis zum Grunde vernichtet wurden, und dafs es für die
Besitzer nahe lag, die bei Beginn des Wiederaufbaues noch brauch¬
baren Grundmauern zu benutzen, also auch die früheren Architektur¬
formen für das neue Gebäude zum Theil beizubehalten. Das war
jedenfalls bei dem Baenschschen Hause, welches in seiner ursprüng¬
lichen Gestalt aus dem Jahre 1593 stammt, der Fall; ferner bei dem
wahrscheinlich ebenfalls aus dem Ende des 16. Jahrhunderts über¬
kommenen Eochschen Hause, Breiteweg 203, das erst nach dem
Wiederaufbau Mitte des 17. Jahrhunderts den köstlichen Schmuck
seines Erkers erhalten hat. Ziemlich spät, 1691, wurde die bekannte
Rathhausfrout am Alten Markt in ihrer jetzigen Gestalt unter Ober¬
leitung eines Ingenieur-Hauptmanns Schmutzen erbaut, von dem auch
die Citadelle mit ihren wirkungsvollen, an die besten Muster italieni¬
scher Befestigungs- Architektur erinnernden Portalbauten stammt.
Leider ist von dem alten Rathhausbau, der nach Otto v. Guerickes
Zeugnifs „schön, wohl erbaut und mit vielen aus Stein gehauenen
oder gemalten alten Monumenten, Bildern und Wappen“ verziert
war, nichts, auch nicht einmal eine Abbildung übrig geblieben. Dafs
man es hier mit einem prächtigen, wohl dem hervorragendsten öffent¬
lichen Bauwerk, der alten reichen Stadt würdig, zu thun gehabt hat,
ist mit Bestimmtheit anzunehmen. Aber der fürchterliche 31. Mai
1631 zerstörte es bis auf die Kellermauern. Noch ausgangs des
17. Jahrhunderts waren Ueberreste des alten Baues vorhanden, und
an dem Mauerwerk gegen Westen waren noch einige Standbilder
deutscher Kaiser zu sehen. Erst 1713 war der Bau des neuen Rath¬
hauses im Aeufseren und Inneren vollendet.
Eine lebhafte Bauthätigkeit entwickelte sich für Magdeburg im
Anfang des 18. Jahrhunderts, und namentlich bis zum Jahre 1724 ist
die Entstehung 'mehrerer der wirkungsvollsten Gebäude am Alten
Markt und am Domplatz nachzuweisen. Besonders hervorgehoben
zu werden verdient der sogenannte „Alte Packhof“ aus den Jahren
1729—31 mit seinen prunkvollen Architekturformen , die mehr einem
Palaste anzugehören scheinen als einem Kaufhause, mit dem man es,
nach dem Bildschmuck über den Thoreinfahrten zu urtheilen, nichts¬
destoweniger zu thun hat. Die ganze aufwendige Architektur zeugt
jedenfalls von der Bedeutung, welche der Magdeburger Handel zur
Zeit der Errichtung dieses Warenspeichers grofsartigsten Mafsstabes
sich errungen hatte. Die Bauten nach 1730 weisen schon den ent¬
schiedenen Einflufs des Rococo auf; aus dieser Zeit hat u. a. das
Haus Holzhof 6 mit reizvollen Thür- und Fenstereinzelheiten, nament¬
lich fein gezeichnetem Gitterwerk in Schmiedeeisen, bei der Ver¬
öffentlichung Berücksichtigung gefunden.
Wenn mit dem Werke auch in erster Linie den Bürgern Magde¬
burgs ein Geschenk dargebracht wurde, aus dem sie pietätvolle
Achtung vor den glücklicherweise noch recht zahlreichen Resten
früherer, glänzender Vergangenheit ihrer Vaterstadt erlernen sollen,
so wird durch dasselbe doch auch fernerstehenden Kreisen, ins¬
besondere den Fachgenossen, eine Fülle der Anregung geboten. Bei
dem Anklang, den das Unternehmen der beiden Vereine gefunden
hat, dürfte es nicht schwer fallen, den beiden bisher erschienenen
Lieferungen noch eine dritte folgen zu lassen, in welche die zahl¬
reichen wundervollen Bauwerke romanischer und gothischer Zeit, die
Magdeburg noch birgt, vor allem der Dom und seine Kreuzgänge
sowie das Kloster „Unser Lieben Frauen“ aufzunehmen sein würden.
Jedenfalls verdient das Bestreben, die besten Werke früherer Zeiten
in künstlerischen Darstellungen für die Nachwelt zu retten, bevor
sie dem nüchternen Neuerungsgeiste weichen müssen, lebhafte An¬
erkennung, und kann anderen, in gleichen Verhältnissen befindlichen
Städten nur dringend zur Nachahmung empfohlen werden.
Magdeburg, im September 1890. Peters.
Kr. 47.
Centralblatt der BauverwaUung,
483
Kraiikensclileuse bei Betrieben mit PreMiift.
Die lange Beschäftigung in den mit Prefsluft gefüllten Räumen
bei Gründungsarbeiten und Tunnelbauten, namentlich aber eine allzu
schnelle Druckverminderung beim Aussteigen aus den Luftschleusen
haben eigenartige, nicht selten tödtlich verlaufende Krankheits¬
erscheinungen im Gefolge, unter denen Gliederreifsen und Lähmungen
mit am häufigsten auftreten.*) Im ersten Palle werden die Gelenke
«m stärksten getroffen, besonders diejenigen, welche während der
Arbeitszeit am meisten angespannt gewesen sind. Oftmals dehnt
sich die Krankheit bis in die Herzgegend aus und verläuft dann in
der Regel tödtlich. Derartige Anfälle werden in der Weise geheilt,
dafs man die Arbeiter in die Luftschleusen zurückbringt, hier einen
angemessenen Luftdruck anläfst, und denselben demnächst ganz all¬
mählich vermindert. Diese Behandlung hat natürlich für den Bau¬
betrieb viel mifsliches, da die Arbeiten immer wieder gestört und
hierdurch verzögert werden.
Nach den Engineering News hat bereits 1873 der beim Bau der
East River-Brücke beschäftigt gewesene Arzt A. H. Smith, welcher
über die Art des Auf¬
tretens und die Be¬
handlung der Prefs¬
luft -Krankheiten um¬
fassende Beobachtun¬
gen angestellt hat, den
Bau einer besondern
Krankenkammer für
Prefsluft -Kranke em¬
pfohlen. Er ist aber
damals nicht zur Aus¬
führung gekommen;
man hat sich vielmehr
im allgemeinen darauf
beschränkt , die Lufthähne eng zu machen , um thunlichst all¬
mählichen Luftausgleich herbeizuführen. Man hielt im übrigen
daran fest, dafs ein Ausgleich eines Luftdruckes von 2 Atmo¬
sphären in nicht kürzerer Zeit als 12 — -15 Minuten stattfinden
dürfe. Der genannte Arzt hat über die von ihm beobachteten
Krankheitserscheinungen einen umfassenden Bericht herausgegeben.
Weiter liegen genauere Mittheilungen über ähnliche bei der Mississippi-
Brücke zu St. Louis angestellte Beobachtungen des Arztes A.
Jaminet vor. Neuerdings bei Wiederaufnahme der Arbeiten am
Hudson-Tunnel hat der Ingenieur F. W. Moir, wie bereits auf S. 304
d. J. mitgetheilt ist, eine besondere zweitheilige Krankenkam'mer er-
*) Vgl. die Mittheilungen auf Seite 446 d. J.
bauen lassen, in der diejenigen bei Schichtwechsel den Tunnel ver¬
lassenden Bergleute und Arbeiter, welche unter der schnellen Druck¬
verminderung besonders stark zu leiden haben, sich erholen können.
Diese Kammer ist als eine liegende, an einem Ende fest verschlossene,
am andern Ende und in der Mitte mit luftdicht verschlossenen
Thüren versehene Eisentrommel hergestellt. Die Länge der Trommel
beträgt 4,9 m, der Durchmesser 1,8 m. Die Nähte sind durch Ver¬
stemmen und Kalfatern sorgfältig gedichtet. Wie aus der nachstehen¬
den Abbildung ersichtlich, hat jede Kammer zwei durch einen mitt¬
leren Durchgang getrennte Pritschen über einem hölzernen Fufsboden.
Unter diesem Boden liegen Dampfheizungsrohre AA, welche mittels
Stopfbüchsen durch die Stirnwände und die Zwischenwand geführt
sind. Zur Verhütung allzu starken Luftdrucks — über 1,75 bis
2,1 kg/qcm — sind bei BB Sicherheitshähne angebracht. Glüh¬
lampen sind zur Beleuchtung des Innern vorgesehen. Durch be¬
sondere Ochsenaugen C C werden die Kranken von den aufsen befind¬
lichen Wärtern beobachtet, welche keine Veranlassung zu ständigem
Aufenthalt in der
Prefsluft haben. Im
übrigen ist für Zu¬
führung frischer Luft
in das Innere stets
gesorgt durch einen
undicht schliefsenden
Hahn , durch welchen
in etwa 2 Stunden völli¬
ger Ausgleich mit der
äufseren Luft herge¬
stellt wird, wenn der
im Luftzuführungsrohr
befindliche Absperr¬
hahn geschlossen wird. Doch sind auch noch besondere Hähne zum
schnelleren Ausgleich vorgesehen. Diese werden durch die Wärter von
aufsen bedient, von innen sind sie dagegen nicht zugänglich, damit die
soeben genesenen Kranken nicht durch selbstthätiges Oeffnen einen zu
schnellen Wechsel des Luftdrucks, und so unbedachterweise einen
Rückfall herbeiführen können. Wenn nur die eine Kammer rechts
von Kranken besetzt ist, so bildet die andere die Ein- und Aussteige¬
kammer für den behandelnden Arzt, welcher jederzeit Zutritt er¬
langen kann, ohne dafs es einer Druckverminderung in der Kranken¬
kammer selbst bedürfte. Dies ist nicht bezüglich der linken Kammer
möglich, wenn alle Pritschen besetzt sind. Diejenigen Kranken,
welche zunächst entlassen werden sollen, werden in solchem Fälle in
derri Raume links untergebracht. — n.
Vermischtes,
Zur Erlaugung von Plänen für eine reforinirte Kirche in Enge
hei Zürich eröffnet der Kirchenbau- Ausschufs der Gemeinde eine
allgemeine Preisbewerbung. Das Gotteshaus soll 1200 Sitzplätze
enthalten und mit einer Bausumme von 350 000 Franken auf der
Bürgliterrasse des Ortes errichtet werden. Dem Preisgerichte, wel¬
chem als Techniker die Herren Prof. Stadler in Zürich, Architekt
Kelterborn und Architekt Reberin Basel sowie Architekt Gull in
Enge angehören, sind 6000 Pranken zur Vertheilung an die Verfasser
der drei besten Entwürfe überwiesen; der Ankauf weiterer Entwürfe
wird Vorbehalten. Die Pläne sind zum 15. Februar 1891 einzureichen,
das Programm usw. von der Gemeinderathskanzlei zu beziehen.
Ueher deu Deckeiieinsturz im Leipziger städtischen Museum,
welcher am 9. d. M., glücklicherweise ohne dabei Menschen zu be¬
schädigen, erfolgte, hat das Rathsbauamt dem Rathe der Stadt
Leipzig am Tage nach dem Unfälle einen Bericht erstattet, welcher
in der Sitzung dei Stadtverordneten vom 12. d. M. zum Vortrage
gelangte, und dem wir das nachfolgende, für den Techniker werth¬
volle Ergebnifs der unmittelbar nach dem Einsturze angestellten
Untersuchungen entnehmen:
„Die Balkendecke — beim Umbau des Museums wegen ver¬
morschter und abgefaulter Köpfe mit Eisen angeschuht*) — ist intact
stehen geblieben. Dieselbe besteht aus einer Reihe gesprengter
hölzerner Träger, deren jeder einzelne durch Schraubenbolzen zu¬
sammengezogen ist, deren Köpfe an der Unterseite sichtbar sind. Um
zu ermöglichen, dafs die Schalung, ohne die genannten Schrauben¬
köpfe zu berühren, gleichmäfsig angebracht werden konnte, und um
die lichte Sprengung (etwa 6 cm Pfeilhöhe) horizontal auszugleichen,
sind an jedem Träger oder Balken je eine Latte von 7 — 9 cm Höhe
*) Die Decke gehörte also nicht dem im Jahre 1886 vollendeten
Erweiterungsbau (vgl. Jahrg. 1886, S. 324 und 365 d. Bl.) an, sondern
der ursprünglichen, in den fünfziger Jahren errichteten Anlage.
an der Unterseite derselben aufgenagelt worden. Die Befestigung
dieser Latten hat stattgefunden mittels dünner schmiedeeiserner
Nägel von 9 — 15 cm Länge. Da das Holz im Laufe der Jahre natur-
gemäfs etwas zusammengetrocknet ist, so haben sich Luftrisse ein¬
gestellt; es mögen diese Luftrisse unterhalb vielfach mit der Reihen¬
folge der Nägel zusammengetroffen sein, sodafs letztere, die ohnehin
zu kurz waren, vollständig frei wurden. Damit ging der einzige
Halt verloren, den die an sich nicht schwere Decke besafs, und mufste
dieselbe naturgemäfs herunterfallen, als die Last, die schliefslich nur
au einzelnen Nägeln hing, gröfser wurde als die Tragfähigkeit der
Nägel.“
Da die übrigen Decken der älteren Museumstheile dieselbe
fehlerhafte Herstellungsweise zeigen, so macht das Rathsbauamt Vor¬
schläge zu deren Sicherung, die im wesentlichen im Einziehen ge¬
nügend langer Holzschrauben und Anbringen von Winkeleisen nach
Beseitigung des Putzes bestehen.
Werthvolle Kunstschätze sind durch den Absturz nicht zu
Schaden gekommen. Nur vier Gipsabgüsse wurden vollständig zer¬
trümmert; die übrigen Abgüsse sowie einige leicht verletzte Originale
werden sich ohne viel Mühe ausbessern lassen.
Unterirdische Stadt - Ferusprechanlage in Berlin. Die vom
Reichs-Postamt im vorigen Jahre in Angriff genommene Herstellung
einer unterirdischen Stadt-Fernsprechanlage in Berlin ist dem Archiv
für Post und Telegraphie zufolge vor kurzem vollendet worden.
Das Berliner Fernsprechnetz, das gröfste der Welt, ist hierdurch noch
weiter vervollkommnet worden, sodafs auf absehbare Zeit hinaus
eine ungehinderte Entwicklung dieses Verkehrsmittels sichergestellt
sein dürfte. Die unterirdische Fernsprechanlage findet ihre natür¬
lichen Knotenpunkte in den Vermittlungsämtern; von dort aus
verzweigen sich die Röhrenstränge, welche einerseits die Vermittlungs¬
ämter unter sich verbinden, anderseits nach den sogenannten Kabel¬
aufführungspunkten geleitet sind. Bei den letzteren werden die in
484
Centralblatt der Bauverwaltnng.
22. November 1890.
Röhren eingezogenen Fernsprechkabel, welche je 28 Leitungen ent¬
halten, mit dem oberirdischen Drahtnetz in Verbindung gesetzt. Die
Eöhrenstränge haben insgesamt eine Länge von rund 34 km ; hier¬
von sind in der Nähe der Vermittlungsanstalten, wo die meisten
Kabel zusammenlaufen, rund 10 km als Doppelstrang mit zwei neben¬
einander liegenden Röhren gebaut. Für diese Röhrenstränge sind
42 075 m gufseiserne Normal - Mufl’enröhren von 20 bis 40 cm lichter
Weite verwendet worden, von denen die Röhren mit dem gröfsten
Querschnitt bis zu 90 Stück Kabel aufzunehmen vermögen. Das Ge¬
samtgewicht der eingebetteten Röhren beträgt 4 545 746 kg; 522 ge¬
mauerte Kabelbrunnen gestatten den jederzeitigen Zugang zu den
Röhren. Aufserdem sind an besonders schwierigen Stellen (Strafscn-
übergängen usw.) etwa 100 m schmiedeeiserne Kasten eingelegt und
135 m gemauerte Canäle hergestellt worden. 212 m eiserne Kabel¬
kasten überspannen an verschiedenen Punkten die Spree und die
Schitfahrtscanäle. — Das Einziehen der Kabel in die Röhren erfolgt
je nach Bedarf und ist gleichfalls aufserordentlich gefördert worden.
Innerhalb eines Jahres sind 6384 Leitungen mit einer Gesamtlänge
von rund 3685 km in die Röhren eingezogen worden. Hiervon be¬
finden sich schon 3823 Leitungen mit einer Länge von 1489 km im
Betrieb. Täglich werden weitere Leitungen dem unterirdischen Netz
hinzugefügt. Das Reichs-Postamt geht nach dem bahnbrechenden
Erfolge der Berliner Anlage damit um, auch in anderen grofsen
Städten des Reichs-Telegraphengebietes, in denen sich ein Bedürfnifs
dazu heraussteilen sollte, unterirdische Anlagen herstellen zu lassen.
Die Regelung des Fiiliruerksverkehrs in den Strafseii der
Londoner Innenstadt. Je weniger die engen Strafsen in der Londoner
Verkehrsstadt, als welche man die City und das Westend ansehen
mufs, dem gewaltigen Wogen und Drängen des Werktagsverkehrs
gewachsen sind, um so mehr erregt die Ordnung und Gesetzmäfsig-
keit die billige Bewunderung jedes Besuchers der Hauptstadt, mit
welcher sich der Strom dieses Massenverkehrs, über dessen Umfang
auf S. 199 d. J. einige Zahlenangaben enthalten sind, in den engen
Strafsencanälen fortbewegt. Regelloses Drängen der Fuhrwerke,
Zank und Streit der Wagenlenker sind eine seltene Erscheinung.
Fragt man aber nach den etwa behördlicherseits getroffenen Mafs-
nahmen zur Regelung der Verkehrsbewegungen, so erfährt man, dafs
abgesehen von der Ueberwachung durch eine Anzahl von Schutz¬
mannsposten die stadtväterliche Fürsorge überhaupt nur in ganz
vereinzelten Fällen Anlafs zu bestimmten Festsetzungen in dieser
Richtung genommen hat. Sie überläfst vielmehr das allermeiste den
etwaigen Bestimmungen der Fuhrherren, dem bewährten Talente des
Steuerns der Rosselenker und dem in der ganzen Entwicklung des
englischen Volkes begründeten Sinn für Wohlanständigkeit und
weifs, dafs mit diesem Vertrauen kein Mifsbrauch getrieben wird.
Im Strafsenverkehr der Innenstadt kommen die Pferdebahnen
nicht in Frage. Das Parlament hat die Anlage dieser Bahnen im
Bezirke des innenstädtischen Massenverkehrs für zu gefährlich er¬
achtet. Daher endigen diese Verkehrsmittel, entgegen anderen Grofs-
städten — New-York, Berlin usw. — , rings am Umfange dieses
Verkehrsgebietes, in gewisser Uebereinstimmung mit den oberirdisch
mündenden Eisenbahnen. Ein gleiches Verbot ist bezüglich der
Themsebrücken in Kraft, auf welchen in Anbetracht des riesigen
Verkehrs Pferdebahnen ebenfalls nicht geduldet werden. Der innen¬
städtische Personenverkehr fällt daher auch vorwiegend den überaus
zahlreichen Omnibus zu, für welche eine zwingende Vorschrift insofern
besteht, als sie Bestrafungen ausgesetzt sind, wenn sie Reisende
anders als auf der linken Seite aufnehmen oder absetzen. Wie im
Eisenbahnverkehr, so wird in England auch im Strafsenverkehr
links gefahren und links ausgebogen.
Jedem Londoner Fuhrwerksführer ist im übrigen die Wegeregel,
dafs schweres Fuhrwerk an der linken Seite neben dem Bürgersteig
fahren und die Wegemitte für Omnibus, Droschken und sonstiges
leichteres Fuhrwerk freilassen mufs, in Fleisch und Blut über¬
gegangen. Die Regel hat sich aus den Verkehrsverhältnissen heraus
als die zweckmäfsigste hauptsächlich deshalb herausgestellt, weil die
Rollfuhrwerke gewöhnlich an den Thüren der Kaufleute Güter an¬
nehmen und abgeben. Diese Regel haben einzelne grofse Geschäfts¬
häuser ihren Fuhrleuten noch ganz besonders eingeschärft. So
hat, wie der Daily Telegraph^ welchem die folgenden Mitthei¬
lungen im wesentlichen entlehnt sind, berichtet, das Speditions¬
haus Maple u. Co. ihren Bediensteten aufgegeben, so dicht als nur
möglich an den Bordsteinen zu fahren und diese nur beim Aus¬
weichen zu verlassen. Ein solches Ausweichen läfst sich aber natur-
gemäfs nicht überall vermeiden. Namentlich ist dies der Fall in der
Cheapside, der Hauptverkehrsader der City, wo in Wirklichkeit nur
vier Wagenbreiten zur Verfügung stehen, aber für gewöhnlich die
eine und häufig auch die andere Strafsenseite neben den Fufssteigen
von ^illstehenden Fuhrwerken besetzt sind. Durch diese Strafse
bewegen sich täglich bis zu 15 000 Fuhrwerke, sehr häufig im ge- '
wöhnlichen Schritt. Ein ähnlich starker Verkehr findet in der
Gnadenkirchstrafse (Gracechurch Street) statt, in welcher viele von
der London-Brücke kommende Wagen verkehren. Als die verkehrs¬
reichsten Strafsen werden indes die Neue und Alte Breitestrafse
(New- und Old Broad Street) bezeichnet, durch welche aufser den
unzähligen Droschken und Lastfuhrwerken noch täglich etwa 5000
Omnibus von und nach den Bahnhöfen an der Liverpool- und Breiten
Strafse verkehren. Die Leadenhall Strafse, die grofse Verkehrsader
des östlichen Theiles der City, ist kaum breit genug für drei Wagen¬
reihen. Holborn, welche einen ähnlich starken Verkehr wie die
Citystrafsen aufweist, hat im Gegensatz hierzu Raum für fünf
Wagenreihen. Hier ist es daher auch in der Zeit des dichtesten
Verkehrs möglich, was bei den engeren Strafsen nicht vorkommt,
dafs hin und wieder Fuhrwerke aus der Reihe brechen, um
andere zu überholen. Die Königin Victoria - Strafse (Queen
Victoria Street) in der City ist eine andere und, weil neuere,
auch breitere Verkehrsstrafse, doch ist hier der Verkehr erheblich
geringer, als in der anstofsenden Cannon-Strafse, durch welche täg¬
lich 10 000 Fuhrwerke gehen. Einer der allerwichtigsten, aber gleich¬
zeitig auch am allerwenigsten zulänglichen Canäle für den Wagen¬
verkehr ist die London-Brücke. Hier bestehen vier Verkehrslinien,
je zwei nebeneinander nach jeder Richtung. Hier hat denn auch die
Polizei Verwaltung die ganz bestimmte Vorschrift erlassen, dafs Roll¬
wagen und Lastfuhrwerke Schritt fahren und sich dicht an den Bord¬
steinen an der linken Seite halten, die gleichgerichteten im Trabe
fahrenden Fuhrwerke sich aber in der Mitte daneben bewegen sollen.
Ausweichen ist natürlich auf der Brücke für gewöhnlich ganz aus¬
geschlossen und das etwaige Liegenbleiben eines Fuhrwerkes giebt
allemal zu empfindlichen Verkehrsstörungen Anlafs. In breiteren
Verkehrsstrafsen, wie Edgware Road und Bayswater wird durch die
Vorschriften des bereits gedachten und anderer Geschäftshäuser
hauptsächlich bezweckt, die Gefahr von Zusammenstöfsen zu ver¬
ringern und den leichteren Fahrzeugen freieren Weg zu lassen.
Erst in zweiter Reihe kommt hierbei der Umstand in Betracht, dafs
die Fuhrleute in Befolgung dieser Vorschriften gehalten sind, der
Neigung der Zugthiere zu begegnen, nach der Strafsenmitte hin ab¬
zulenken, um der auf der schiefen Ebene nicht zu vermeidenden un¬
gleichen Lastverth eilung, welche gröfsere Anstrengungen für die
Thiere im Gefolge hat, zu entgehen.
In der City wächst der Verkehr von Jahr zu Jahr mehr an, und
doch ist derselbe bereits jetzt so stark, dafs die engen Strafsen in
den Zeiten lebhaften Verkehrs bis zum Uebermafs vollgestopft sind.
130 Schutzleute und Wachtmeister sind ständig im Dienste, um den
Cityverkehr, namentlich an den Strafsenkreuzungen zu regeln und
den Fufsgängern das Ueberschreiten der Strafsen zu ermöglichen.
Es ist erfreulich zu sehen, wie einerseits die Fuhrwerksführer den
leisesten Winken dieser Beamten sofort willig gehorchen, und wie
anderseits die Beamten selbst ihre ganze Kraft in den Dienst des
Publicums stellen.
Neue Patente.
Scliützenwelir mit schräg zur Welirachse niederleghareu Gries¬
säulen. Patent Nr. 51154. F. Reeder in Hamm (Westf.). — Die
aus X -Eisen bestehenden Griessäulen haben schräg zur Wehrachse
liegende Drehachsen, sodafs sie sich auf der Sohle neben einander
betten können. Bei geschlossenem AVehr sind die Griessäulen mit
ihren oberen Enden an der Brücke befestigt, während ihre Verbin¬
dungsketten über Wasser schweben. Beim Niederlegen gleitet die
Kette der niederzulegenden Säule durch eine Oefifnung der nächsten
noch stehenden Säule so lange, bis ein in die Kette eingeschalteter
Knauf sich vor die Oeffnung legt. Die Kette der letzten Griessäule
bleibt mit dem Landpfeiler in Verbindung.
Verlag von Ernst & Korn (Wilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
485
Centralblatt der Bauverwaltimg.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 29. NoYember 1890.
ßedaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen: j
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; hei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Thätigkeit der preufsischen Wasserhan -Verwaltung iuiicr-
halb der Jahre 1880 bis 1890. — Personal - Nachrichten. — Nichtamtliches: Ver¬
mischtes: Preisbewerbung zur Errichtung einer Hospitalanlage in Stuttgart. —
Architektur-Ausstellung in Turin. — Preisausschreiben zu eiuem gursciseriien Strafsen-
brunncn-Stock. — Preisausschreiben der Warschau- Wicncr-Eisenbahn-Gesellschaft in
1 Warschau. — Gcdenkhlatt für die llamburg-Americauische Packctfahrt-Actien-Gesoll-
schaft. — Forth- und Clyde Canal. — Staats-Eisenhahiihauten iu Siam. — Büclier-
1 schau.
Amtliche Mittheilungen.
Die Thätigkeit der preufsischen Wasserbau -Verwaltung
innerhalb der Jahre 1880 bis 1890.
Inhalt
Seite
1. Die Wasserstrafsen und Häfen für die Binnenschiffahrt. —
Brückenbauten . t
J 48o
A. Bewilligung der Geldmittel: . f
a) zur Unterhaltung der Bauwerke und Kegulirung
solcher Flüsse, für welche der Landesvertretung
besondere Bau- und Finanzpläne nicht vorge¬
legt sind, . 485
b) zur Regulirung der Ströme, für welche der Landes¬
vertretung besondere Bau- und Finanzpläne vorge¬
legt sind, . 486
c) zur sonstigen Förderung der Binnenschiffahrt, zu
Brückenbauten usw . 488
B. Verwendung der bewilligten Geldmittel;
a) im allgemeinen . i
b) im besonderen . ’ 488
1. das Eheingebiet . I
2. das Emsgebiet . 489
3. das Wesergebiet . \
4. das Elbegebiet . f
5. die Wasserstrafsen -zwischen Elbe und Oder . . 491
6. das Odergebiet . 492
Seite
7. das W eichseigebiet . \ .qo
8. das Pregelgebiet . 1
9. das Memelgebiet . \
C. Erfolge . ! 494
a) die Gröfse und Tragfähigkeit der Fahrzeuge . . >
b) die Entwicklung des Verkehrs . 495
11. Die Seebauten . \ ^gg
a) Schiffahrtszeichen . f
b) Uferschutz- und Dünenbauten .
c) Seehäfen .
1. der Hafen zu Memel . ' 497
2. der Hafen zu Pillau und die Häfen am Frischen
Haff . ^
3. der Hafen zu Neufahrwasser . i
4. die Hinterpommerschen Häfen . j
5. der Hafen zu Swinemünde . |
6. die Häfen in Sehleswig-Holstein . J 498
7. der Hafen zu Harburg .
8. der Hafen zu Geestemünde . !
9. die Emshäfen zu Emden und Leer . j
10. Staatszuschüsse . \ ^gg
d) Fürsorge für die Hochseefischerei . f
In ihren Bemühungen, die preufsischen Wasserstrafsen in einen
Zustand überzuführen, welcher sie befähigt, die für die Beförderung
auf den Eisenbahnen weniger geeigneten Massengüter verhältnifs-
mäfsig billig auf gröfsere Entfernungen fortzubewegen, ebenso in
ihrem Bestreben, durch die Verbesserung und Vermehrung der See¬
häfen, der Seezeiehen usw. auf die Seeschiffahrt fördernd einzuwirken,
hat die Wasserbau -Verwaltung in der öffentlichen Meinung wesent¬
liche Unterstützung gefunden. Die Bereitwilligkeit sowohl der
preufsischen Finanzverwaltung als auch der Landesvertretung, die zur
Durchführung der geplanten Verbesserungen erforderlichen Geldmittel
zu gewähren, hat ihr dabei kräftig zur Seite gestanden.
I. Die Wasserstrafsen und Häfen für die Binnenschiffahrt. —
Brückenbauten.
In Bezug auf die Förderung der Binnenschiffahrt ist die Thätig¬
keit der Wasserbau -Verwaltung in gleichem Mafse, wie der Ver¬
besserung der schiffbaren Flüsse und Ströme nebst den zugehörigen
Häfen und der wirthschaftlichen Unterhaltung des Geschaffenen, auch
den Canälen zugewandt gewesen, deren weiterer Ausbau, soweit es
dem Staats- und Verkehrsinteresse nützlich zu sein schien, angestrebt
A. Bewilligung
a) Zur Unterhaltung der Bauwerke und Regulirung solcher
Flüsse, für welche der Landesvertretung besondere Bau- und
Finanzpläne nicht vorgelegt sind.
Auf die allgemeine Verbesserung der Wasserstrafsen waren bereits
in den früheren Jahren erhebliche Geldmittel aufgewendet worden,
dagegen hatten für die ordnungsmäfsige Unterhaltung der Eegulirungs-
werke die erforderlichen Summen nicht zur Verfügung gestellt werden
worden ist. Nicht minder ist dem Landverkehr durch Verbesserung
und Vermehrung der Brücken usw. die erwünschte Förderung zu
Theil geworden. Eine Uebersicht über diese Gesamtthätigkeit wird
sich am besten gewinnen lassen, wenn die Bewilligung der erforder¬
lich gewesenen Geldmittel, deren Verwendung und die erzielten Er¬
folge in getrennten Abschnitten erörtert werden.
der Oeldmittel.
können. Da hiernach in erster Linie für die Sicherstellung des
Bestehenden Sorge zu tragen war, so haben die in den „dauernden
Ausgaben“ des Etats der Bauverwaltung für die Unterhaltung der
Wasserstrafsen alljährlich bewilligten Geldmittel innerhalb der letzten
zehn Jahre eine stetige Erhöhung erfahren müssen, welche fernerhin
auch noch dadurch bedingt wurde, dafs sich im Laufe dieser Jahre
die zu unterhaltenden Bauwerke nach Zahl, Umfang und Bedeutung
fortschreitend und sehr beträchtlich vermehrten, nicht minder dadurch.
486
Gentralblatt der Bauverwaltuug.
29. November 1890.
dal's die erhebliche Steigerung des Verkehrs, insbesondere die Zu-
iialiinc des Dampfschiff-Betriebes ciuc erhöhte Fürsorge für die Unter¬
haltung der Wasserstrafsen bedingte.
Bis zum Jahre 1880 erfolgte die Bewilligung der hier in Betracht
kommenden etatsmäfsigen Geldbeträge unter folgenden Titeln:
Cap. 66 Tit. 11. Zur Unterhaltung der Binnenhäfen und
-Gewässer, Leinpfade und Wasserleitungen, sowie von Fähren und
Brücken über schiffbare Gewässer.
Tit. T2. Zur Unterhaltung der Canäle und der dazu gehörigen
Bauwerke.
Tit. 15. Zu Stromregulirungen und llafenbauten, einschliefslich
der Entschädigungen für Beseitigung der Schiffahrt hinderlicher An¬
lagen, sowie zu Vorarbeiten für Wasserbauanlagen.
Zn 'l’it. 15 pflegten unter den „Einmaligen und aufserordentlichen
Ausgaben" besondere Zuschüsse für die eigentlichen Neubauten sowie
für die Kegulirung der gröfseren Ströme bewilligt zu werden. U)n
indessen die Schwierigkeiten zu beseitigen, mit welchen die Scheidung
zwischen den reinen Unterhaltungs- und Neubau-Arbeiten verbunden
war, und um für die kleinen Neu-, Um-'und Ergänzungsbauten, sowie
für die Eegulirung der kleineren Flüsse im Ordinarium des Etats
eine Deckung zu finden, wurde, zuerst im .Tahre 1880/81 und dann in
allen folgenden, eine anderweitige Anordnung des Etats der Wasser¬
bauverwaltung durchgeführt, wobei die Zweckbezeichnung der bis
dahin ausschliefslicb zur Unterhaltung der Wasserbauanlagen be¬
stimmten Fonds entsprechend erweitert, anderseits die Bereitstellung
der Kosten für gröfserc Neubauten und llauptreparaturen sowie für
die Kegulirung der gröfseren Ströme dem Extra ordinarium zugewiesen
wurden.
Die Bewilligung der „Dauernden Ausgaben“ erfolgt nunmehr
unter folgenden Titeln:
Cap. 65 Tit. 16. Zur Unterhaltung der Binnenhäfen und Binnen¬
gewässer, Leinpfade und Wasserleitungen, von Fähren und Brücken
über schiffbare Gewässer, mit Ausschlufs der gröfseren Neubauten
und Hauptreparaturen, zur Eegulirung von Strömen und Bezeichnung
des Fahrwassers in denselben, auch zur Gewährung von Beihülfen
zur Förderung von der Binnenschiffahrt nützlichen, wie von Ent¬
schädigungen für die Beseitigung von der Binnenschiffahrt hinder¬
lichen Anlagen und zu "NArarbeiten für Wasserbauanlagen jeder Art.
Tit. 17. Zur Unterhaltung der Canäle und der dazu gehörigen
baulichen Anlagen, mit Ausschlufs der gröfseren Neubauten und
llauptreparaturen,
wobei aus dem bisherigen Fonds Cap. 66 'J’it. 15 „Zu Strom¬
regulirungen und llafenbauten“ angemessene Theile auf den neuen
Fonds Cap. 65 Tit. 16 übertragen wurden.
Die nachfolgende Tabelle giebt die Höhe der in den letzten
zehn Jahren auf die vorgenannten Titel der „Dauernden Ausgaben“
für die Lbiterbaltung der Wasserbauwerke sowie für die Eegulirung
der kleineren Flüsse, insbesondere der Stör, Krückau, Pinnau, Leine,
Aller, Oste, Este, Hamme, Hase, Lahn, Saar, des Maines, der Oder
von der Neifsc aufwärts, der Werra, erfolgten Bewilligungen über¬
sichtlich an:
Kechnungsjahr
Cap. 65 Tit. 16
Binnenhäfen und
Binnengewässer
Cap. 65
Tit. 17
! Canäle
Zusammen
IMark, die Zahlen abgerundet
1880/81
6 079 000
787 000
6 866 000
1881/82
6 103 000
788 000
6 891 000
1882/83
5 778 000
802 000
6 580 000
1883/84
6 371 000
900 000
7 271 000
1884/85
6 373 000
921 000
7 294 000
1885/86
6 397 000
921 000
7 318 000
1886/87
7 287 000
592 000
7 879 000
1887/88
7 309 000
577 000
■ 7 886 000
1888/89
7 314000
607 000
7 921 000
1889/90
8 299 000
607 000
8 906 000
Zusammen in 10 Jahren .
74 812 000
Die gröfseren Erhöhungen der Etatssummen, welche in den
Jahren 1883/84 und 1889/90 bemerkbar sind, beruhen auf eingehenden
Veranschlagungen der regelmäfsigen Unterhaltungskosten für die mit
dem Fortgang der Stromregulirungen an Zahl allmählich zunehmen¬
den Strombauwerke, während im Jahre 1886/87 aus Zweckmäfsigkeits-
gründeu zugleich eine die Gesamtsumme nicht wesentlich verändernde
A’’erschiebung der Fonds innerhalb der Titel 16 und 17 statt¬
gefunden hat.
Im ganzen haben sich innerhalb der Jahre 1880 bis 1890 die für
die Unterhaltung der Wasserbau werke jährlich erforderlich werden¬
den Summen um 2 040 000 M erhöht.
Die Wasserbauverwaltung ist dauernd bemüht, durch gewissen¬
hafte und dabei sparsame Verwendung der für die Unterhaltung
ihrer Bauwerke zur Verfügung gestellten Geldmittel, deren Ver-
theilung auf die verschiedenen Strom-, Flufs- und Canalgebiete je
nach Bedürfnifs erfolgt, den Bestand und die Erfolge der demnächst
zu besprechenden Bauausführungen auch für die Zukunft sicher zu
stellen, desgleichen die zur Kegulirung der kleineren Flüsse be¬
stimmten Summen zweckentsprechend und planmäfsig zu verwenden.
b) Zur Regulirung- der Ströme, für welche der Landesvertretung
besondere Bau- und Finanzpläne vorgelegt sind.
Für die Höhe der zu den Stromregülirüngen während der
Berichtsjahre geforderten und bewilligten Summen war die Absicht
mafsgebend, die preufsischen Wasserstrafsen in einen Zustand über¬
zuführen , welcher einerseits die Sicherheit und Schnelligkeit des
Schiffahrtsbetriebes gewährleistete, anderseits die Möglichkeit geben
sollte, nicht allein die vorhandenen Schiffsgefäfse durch höhere Be¬
lastung mehr als bisher auszunutzen, , sondern auch gröfsere und
tiefer gehende, also erheblich tragtähigere Fahrzeuge, als die bis
dahin üblichen, in Gebrauch zu nehmen.
Die Sorge für die Sicherheit und Schnelligkeit des
Schiffahrtsbetriebes bedingt die Behebung natürlicher und
künstlicher Schiffahrtshindernisse durch Beseitigung gefährlicher
Untiefen, insbesondere fester Bäidce, Klippen und Steingerölle aus
dem Fahrwasser, die Erweiterung von Strom-Engen, die Milderung
oder Umgehung zu scharfer Krümmungen, die Erweiterung zu enger
und Erhöhung zu tief liegender Brücken und die Entfernung von
Schiffsmühlen, Fischwehren und ähnlichen Hindernissen, ferner den
Ausbau der vorhandenen und die Anlegung neuer Leinpfade und von
Molen an Flufsinündungen, endlich die Vermehrung und Verbesserung
der Sicherheits- und Winterhäfen.
Kann durch dergleichen Ausführungen für die Hebung des
Schiffsverkehrs schon viel geschehen, so bleibt doch der Hauptzweck
der vorzunehmenden Verbesserungen: die Erhöhung der Trag¬
fähigkeit der Schiffsgefäfse, wobei allerdings auf die zweck¬
entsprechende Bauart der Schiffe innerhalb der, durch die Beschaffen¬
heit der Wasserstrafsen gegebenen Gröfsenverhältnisse die Bau¬
verwaltung einen unmittelbaren Einflufs nicht auszuüben vermag.
Nach der Länge und Breite ist die Gröfse der Fahrzeuge be¬
grenzt: bei den freien Strömen und Flüssen durch die Breite des
Fahrwassers und den Krümmungshalbmesser der Biegungen, bei den
canalisirten Flüssen und den Canälen durch das Querprofil der
letzteren und die Gröfse der Schleusenkammern, in Bezug auf den
Tiefgang dagegen in allen Fällen durch die Tiefe des Fahr-
w-assers. Während diese bei den canalisirten Flüssen und den
Canälen im allgemeinen gleichbleibend ist und gleich den sonstigen
Abmessungen dem Bedürfnifs entsprechend festgestellt werden kann,
wechselt bei den freien Strömen und Flüssen die Fahrtiefe mit der
jederzeitigen Höhe des Wasserstandes, welche vom Willen und der
Kraft des Menschen unabhängig ist. Auf denjenigen freien Ge¬
wässern aber wird sich der Schiffsverkehr am vortheilhaftesten ent-
Avickeln können, welche, abgesehen von der sonstigen Gestaltung des
Fahrwassers, bei den kleinsten Wasserständen in ihrer gesamten
iJingenausdehnung die gröfste Fahrtiefe aufzuweisen haben.
Die zur Vergröfserung der Fahrtiefe anzuwendenden technischen
Mittel sind je nach der Natur des Stromes verschieden, da in den
seltensten Fällen ein unmittelbares Eingreifen, etwa durch Bagge¬
rungen, dauernd zum Ziele führt, der Strom vielmehr durch Eegu-
lirungswerke gezwungen werden mufs, sein Bett durch die Kraft der
Strömung an der gegebenen Stelle selbst zu vertiefen und tief zu
erhalten, wobei der Erfolg der Werke von der Wässermenge, welche
der Strom führt, von seinem Gefälle und der Beschaffenheit des
Untergrundes abhängig bleibt.
Um übersehen zu können, welche Ziele der planmäfsigen Ke¬
gulirung der preufsischen Ströme und bedeutenderen schiffbaren
Flüsse überhaupt gestellt sind, d. h. welche Fahrtiefen bei den
niedrigsten Wasserständen erreicht werden könnten, ferner, welche
Geldmittel zur Erfüllung jener Ziele erforderlich, endlich, welche
Zeiträume hierfür zu beanspruchen sein würden, ist am Anfänge der
Berichtsperiode über jedes jener Gewässer eine Denkschrift aus¬
gearbeitet worden.
Diese Denkschriften, welche zugleich die hydrotechnische Be¬
schreibung der Gewässer und den Nachweis der bisher ausgeführten
Kegulirungsarbeiten enthalten, sind dem Landtage der Monarchie wie
folgt vorgelegt worden:
Am 3. November 1879, die Denkschrift, betreffend die Kegulirung
der Weichsel, der Oder, der Elbe, der Weser und des Rheins,
hierzu die den Etats der Bauverwaltung für 1885/86 und 1886 '87
beigefügten Nachträge:
aj betreffend die Eegulirung der Weser,
Jir. 48.
Centralblatt der Bauverwaltüiig
487
b) betreffend die Eegulirung der Weichsel im Kegierungsbczirk
Danzig,
am 27. October 1880, die Denkschrift, betreffend die Eegulirung
der Spree und Havel, der Mosel, des Pregels nebst Deime und
Alle und der Memel mit ihren Mündungsarmen Eufs, Atmath
und Gilge,
am 21. Januar 1882, die Denkschrift, betreffend die Eegulirung der
Warthe, der Unstrut und Saale von Artern bis zur Einmündung
in di^ Elbe, sowie der Ems von Greven bis Emden.
Hinzugekommen ist noch;
am 30. Januar 1882, die Denkschrift, betreffend die geschäftliche
Lage der preufsischen Canalprojecte,
deren Inhalt jedoch durch die Thatsachen inzwischen überholt
worden ist.
Aus diesen Denkschriften werden nachstehend, geordnet nach
den Hauptströmen und ihren Nebenflüssen in der Eeihenfolge von
Westen nach Osten, die Ziele der Eegulirung, die zur Erreichung
derselben nothwendige Zeit und die dazu für erforderlich erachteten,
durch Kostenüberschläge ermittelten Geldbeträge mitgetheilt.
1. Das Eheiu-
gebiet.
I
I
j
I
2. Das Eins-
geMet.
3. Das Weser'
gebiet.
4. Das Elbe¬
gebiet.
.5. Die Wasser-
strafsen
zwischen Elbe
nnd Oder.
6, Das Oder¬
gebiet.
a) Der Ehein von Bingen bis zur Nieder¬
ländischen Grenze (die obere Strecke
von Mainz bis Bingen ist besonders
behandelt worden):
Ziel: laut V ereinbarung mit den Ehein-
üferstaaten bei einem Wasserstande
von 1)5 m am Kölner Pegel :
von Bingen bis St. Goar 2 m Fahr¬
tiefe,
von St. Goar bis Köln 2,5 m Fahr¬
tiefe,
von Köln bis zur Grenze 3 m Fahr¬
tiefe,
die Breite des Fahrwassers von 90 m
nach unten hin allmählich auf 150 m
zunehmend.
Bauzeit: 18 Jahre
b) Die Mosel:
Ziel: Höhenlage der Flufssohle 0,39
bezw. 0,50 m unter Null der Pegel
zu Trier und Cochem.
Bauzeit; 6 Jahre .
Die Ems:
von Greven bis Papenburg:
Ziel: 0,94 m Fahrtiefe bei kleinstem
Wasserstande .... 1100 000
von Papenburg bis
Emden:
Ziel; allgemeine Aufbes¬
serung des Fahrwassers
für Seeschiffe . . . . 1 300 000 „
Bauzeit: 6 Jahre .
Die Weser:
von Münden bis Minden;
Ziel; Im Fahrwasser bei Niedrig¬
wasser,
unterhalb Minden;
Ziel: 1,25 m Fahrwasser desgl.
Bauzeit: 5 Jahre, 1800000 + ÜOO 000
a) Die Elbe von Melnick bis zur Fluth-
grenze :
Ziel: 0,93 m Fahrtiefe bei jedem etwa
eintretenden niedrigsten Wasser¬
stande.
Bauzeit: 12 Jahre .
b) Die Unstrut und Saale von Artern
bis zur Elbe;
Ziel: von Artern bis'zur Elstermündung
0,70 m Fahrtiefe bei kleinem Wasser,
von da bis zur Elbe: 0,93 m Fahrtiefe
desgl.
Bauzeit: 12 Jahre .
Die ^pree und Havel, einschliefslich
des Landwehrcanals zu Berlin:
Ziel: 1,25 m Fahrtiefe bei Niedrig¬
wasser. !
Bauzeit: 6 Jahre . :
a) Die Oder: i
Ziel: oberhalb der Neifsemündung
Zu übertragen . . ^
Ver- -
an sch lagt
M
, 22 000 000
1 200 000
2 400 000
3 200 000
8 600 000
4000 000
18 000 000
59 400 000
Ueb ertrag . . 59 400 000
unbestimmbar, unterhalb der Neifse¬
mündung Im Fahrtiefe bei kleinstem
Wasser.
Bauzeit: 6 Jahre . 6 800 000
b) Die Warthe:
Ziel: oberhalb Schrimm unbestimmbar, 850000
unterhalb Schrimm wie zu a).
Bauzeit: 7 bis 8 Jahre . 2 500000
7. DasWeichsel- Die Weichsel, und zwar:
gebiet. im Eeg.-Bez. Marienwerder 8.500000
„ „ Danzig . . . 5175000 „
hierzu die Nogat .... 1717000 „
Ziel: Im Fahrtiefe bei Niedrigwasser.
Bauzeit: unbestimmt . 15.392000
8. Das Pregel-
gebiet.
9. Das Memel¬
gebiet.
a) Der Pregel und die Deime:
Ziel: Pregel oberhalb Tapiau 1,10 in
Fahrtiefe,
Pregel unterhalb Tapiau 1,10 m
Fahrtiefe,
Deime unterhalb Tapiau 1,.50 m
Fahrtiefe
beim durchschnittlich niedrigsten
Wasserstande.
Bauzeit: 4 Jahre .
b) Der grofsc Friedrichsgraben und
die Nemonien-Mündung;
Ziel: Verbreiterung auf 40 m.
Bauzeit: 8 Jahre .
a) Die Memel bis Kallwen:
Ziel: 1,40 m Fahrtiefe bei Niedrig¬
wasser.
Bauzeit: 10 Jahre .
590 000
1 210 OOO
2 176 000
b) Der Eufs- und Atmathstrom: ;
Ziel: beim Eufsstrom 1,40 mj .
„ Atmathstrom 1,70 „ / ‘
Bauzeit: 6 Jahre . 860 000
c) Die Gilge:
Ziel: 1,25 m Fahrtiefe desgl.
Bauzeit: 3 Jahre. _ 200 000
Im ganzen . . ; 89 978 000
Die vorstehend angegebenen Bauzeiten beginnen in der Haupt¬
sache mit dem Eechnungsjahr 1881/82, obschon einzelne Theilbeträge,
welche die obigen Summen mit enthalten, auch schon früher bereit
gestellt worden sind. Von 1882/83 ab erfolgte die Bewilligung der
Neubaugelder in der nach dem angemeldeten Gesamtbedarf und der
zugehörigen Bauzeit bemessenen Höhe nur noch unter den „Einmaligen
nnd aufserordentlichen“ Ausgaben und zwar in zwei, nach den grofsen
und kleinen Strömen getrennten Hauptsummen, sonst ohne nähere
Anweisung in betreff der Art und des Orts der Verwendung.
Letzteres geschah in der Erwägung, dafs die Ausführung der
Eegulirungsbauten theils von der Witterung und den Wasserständen,
theils von der Möglichkeit der Materialbeschaffung, theils endlich
von dem jeweiligen örtlichen Bedürfnifs zu sehr abhängig sind, als
dafs es zweckmäfsig erscheinen konnte, der Bauverwaltung Be¬
schränkungen aufzuerlegen, welche ihrer Thätigkeit nur hinderlich
sein würden.!
Nach diesen Gesichtspunkten sind im Eahmen der oben ge¬
gebenen Zusammenstellung in den einzelnen Eechnungsjahren zur
Eegulirung der Wasserstrafsen bewilligt worden:
Eechnungsjahr Eegulirung
(Die Zahlen
abgerundet) :
der grofsen
Ströme
der kleineren
Ströme
Zusammen
Mark
1880/81
5 333 000
500 000
5 833 000
1881/82
5 408 000
982 000
6 390 000
1882/83
5 037 000
2 882 000
7 919 000
1883/84
3 912 000
3 059 000
6 971 000
1884/85
4 400 000
3 068 000
7 468 000
1885/86
4 420 000
3 261 000
7 681 000
1886/87
3 225 000
1 911 000
5 136 000
1887/88
3 700 000
1 457 000
5 157 000
1888/89
3 467 000
1 327 000
4 794000
1889/90
2 633 000
1.170 000 ,
3 803 000 ,
Zusammen
in 10 Jahren
61 152 000
488
29. Nüveiiibei 1890.
Centralblatt der Baiiverwaltung.
Die Abnahme der bewilligten Summen in den letzten Jahren
erklärt sich aus der inzwischen erfolgten Fertigstellung der Ee-
gulirung in einzelnen Stromgebieten.
c) Zur sonstigen Förderung der Binnenscliiffalirt, zu Brücken usw.
Neben den vorstehenden Summen sind der Wasserbauverwaltung
sowohl im Extraordinarium des Etats unter den Ueberschriften- „Zur
Kegulirung der Wasserstrafsen“ und „Zu Bauten zur Förderung der
Binnenschiffahrt“, als auch durch besondere Gesetze erhebliche Geld¬
beträge zur Verfügung gestellt worden, welche zu den bereits oben
angegebenen Ausführungen für die Sicherheit und Schnelligkeit des
Schiffahrtsbetriebes, vorzugsweise aber zu gröfseren, aufserhalb des
Kähmens der Denkschriften liegenden Flufs-Correctionen, zu Flufs-
Canalisirungen, zu sonstigen Schleusen- und Wehrbauten, ferner zum
Bau neuer und zur Erweiterung vorhandener Canäle bestimmt waren,
auch den Bedürfnissen der Wasserbauverwaltung in Bezug auf die
Beschaffung von Dampfschiffen, Baggermaschinen, Transportgefäfsen,
sowie auf die Errichtung von Bau- und Schirrhöfen, Eeparaturwerk-
stätten und dergleichen Eechnung trugen. Endlich sind unter der
Ueberschrift: „Zum Bau von Strafsen, Brücken, Dienstgebäuden“
namhafte Beträge zum Bau neuer und zur Erneuerung vorhandener
Brücken in Ansatz gekommen. Die Höhe aller dieser Summen hat,
wenn diejenigen aufser Betracht bleiben, welche, wie die Wegebauten
und Entwässerungsanlagen zum Schiffahrtsbetriebe und den Brücken-
bauten nicht in unmittelbarer Beziehung stehen, und welche ferner
den Bau kleinei'er Beamtenwohnungen betreffen, wenn dagegen die
durch das Gesetz vom 12. März 1879 bewilligte Anleihe zur Ver¬
besserung Märkischer Wasserstrafsen mit eingerechnet wird, betragen:
Kechnungsj ahr
(die Zahlen
abgerundet)
Bewilligungen zu
Kegulirungen
und sonstiger Brücken-
Förderung der bauten
Binnenschiffahrt
Zusammen
Mark
1880/81
2 686 000
1 063 000
3 749 000
1881/82
3 871 000
877 000
4 748000
1882/83
3 148 000
354000
3 502 000
1883/84
3 064000
544 000
3 608 000
1884/85
6 545 000
442 000
6 987 000
1885/86
4 212 OOü
120000
4 332000
1886/87
3 097 000
1 500 000
4 597 000
1887/88
1 971 000
1 263 000
3 234 000
1888/89
2 903 000
990 000
3 893 000
1889/90
2 985 000
307 000
3 292 000
Zur Verbesserung Märkischer Wasserstrafsen (Ges.
V. 12. März 1879) .
5 227 f)00
Zusammen
in 10 Jahren
47 169 000
B. Verwendung der bewilligten Geldmittel.
a) Im allgemeinen.
Im ganzen waren hiernach, abgesehen von den au einer anderen
Stelle behandelten Bauten an den Seeufern und Seehäfen, innerhalb
der zehn Jahre von 1880 bis 1890 auf Wasserbauten zu verwenden:
an Unterhaltungs- usw. Kosten . 74 812 000 JC
zur Kegulirung der grofsen und kleineren Ströme . . 61 152 000 ..
zu sonstigen Kegulirungen der Wasserstrafsen und
Förderungen der Binnenschiffahrt, Brücken usw. . 47 169 000 „
zusammen 183 133 000 Jl
oder im Jahr durchschnittlich 18 300 000 „
Die für die einzelnen Kechnungsjahre bestimmt gew'esenen
Summen weichen jedoch von dem Durchschnitt erheblich ab. Wäh¬
rend für das Jalir 1880/81 im ganzen nur 16 448 000,47 zur Ver¬
fügung standen, stieg der Betrag, abgesehen von den Verwendungen
aus der Anleihe, auf 21 749 000 Jl im Jahr 1884/85, von wo er nach
Fertigstellung mehrerer Hauptregulirungen auf 16 001000.47 im .Tahr
1889/90 zurückgegangen ist.
Die im Laufe der Berichtszeit bedeutend gesteigerte Thätig-
keit der Wasserbau -Verwaltung erheischte selbstverständlich
auch gröfsere Umgestaltungen der ausführenden Behörden, u. a. die
im Jahr 1884 erfolgte Einrichtung der einheitlichen Strombau-Verwal-
tung für die Weichsel nach dem Muster der beim Ehein, der Elbe
und Oder seit längerer Zeit mit gutem Erfolge bestehenden gleich¬
artigen Behörden. Da in Bezug auf die sparsame und zweckdienliche
Verwendung der Baugelder das Schwergewicht in der Thätigkeit der
Localbaubeamten, hier der Wasserbauinspectoren, liegt, so ist nicht
allein eine entsprechende Vermehrung dieser Stellen und Verbesse¬
rungen in der Eintheilung der Baukreise herbeigeführt, sondern auch
den Baubeamten, neben der Gewährung ausreichender Hülfskräfte,
ein gröfseres Mafs der Selbständigkeit und damit auch der persön¬
lichen Verantwortung zugewiesen worden. Die vielfach ei'folgte
Bereitstellung von Dienstdampfschiöen, welche zur Beförderung von
Personen und zum Schleppen von Schiffsgefäfsen mit Baustoffen, von
Baggermaschinen u. dgl. eingerichtet sind, erleichtert den Aufsendienst,
verkürzt die darauf zu verwendende Zeit und ermöglicht ein schnelles
Eingreifen da, wo es im gegebenen Falle noththut. Mit der gleich¬
falls unerläfslich gewordenen Vermehrung der Unterbeamtenstellen
und der entsprechend veränderten Eintheilung der dazu gehörigen
Aufsichtsstrecken ist die Fürsorge für die erhöhte technische Aus¬
bildung dieser wichtigen Beamtenklasse Hand in Hand gegangen.
Eine für die Ausführung der Wasserbauten und für das Wohl
der Uferbewohner und sonstigen Anlieger der Ströme und Flüsse
gleich wichtige Mafsregel, welche mit der dankenswerthen Unter¬
stützung aller betheiligten Behörden sowohl des Eeichs als auch
der Uferstaaten durchgeführt werden konnte, besteht in der Ein¬
richtung eines geordneten telegraj)hischen Hochwasser-Meldedienstes,
welcher es ermöglicht, die Kunde von dem Herannahen eines Hoch¬
wassers rechtzeitig bekannt werden zu lassen.
Bei der Ausführung der Bauwerke, insbesondere der Schleusen,
Wehre, Brücken usw. ist von dem früher noch vielfach üblichen
Holzbau grundsätzlich Abstand genommen, und fast überall dem
Massivbau in Verbindung mit zweckentsprechender Verwendung des
Eisens der Vorzug gegeben worden.
b) Im besonderen.
Abermals nach den Stromgebieten, in ihrer Eeiheufolge von
Westen nach Gsten geordnet, soll nachstehend angegeben werden,
in welcher Weise die zur Kegulirung der Ströme ohne ausdrückliche
nähere Zweckbestimmung nach Seite 487 bewilligten Geldmittel ver¬
theilt und verwendet worden sind, ferner welche Bestimmung und
Verwendung die auf Seite 488 angegebenen sonstigen extraordinären
Bewilligungen erhalten haben, wobei es für den Zweck des vorliegen¬
den Berichts genügen wird, nur die gröfseren und wichtigeren Bau¬
ausführungen besonders namhaft zu machen. Hieran wird sich zweck-
mäfsig der Nachweis darüber anschliefsen lassen, was zur schiffbaren
Verbindung der grofsen Stromgebiete unter einander durch Canäle
theils schon geschehen, theils für die nähere Zukunft ins Auge ge-
fafst ist.
Die Wiedergabe der Summen erfolgt überall in abgerundeten
Zahlen.
1. Das Elieiugebiet.
a) I>er Hauptstroui.
Oberhalb der ausschliefslich zu Preufsen gehörigen, der Ehein¬
strom-Bauverwaltung unterstellten Strecke von Bingen bis zur Nieder¬
ländischen Grenze hat die preufsische Bauverwaltung die ebenso
wichtige wie schwierige Correction der Stromstrecke von
Mainz (Biebrich) bis Bingen auszuführen unternommen. Es ist
dies geschehen auf Grund von Vereinbarungen mit der Grofsherzog-
lich Hessischen Eegierung, nachdem die Vorschläge einer aus Ver¬
tretern des Eeichs und der Ehein-Uferstaaten gebildeten Commission
wegen Abstellung der über den Zustand des Eheins auf der ge¬
nannten Strecke erhobenen Beschwerden, die Zustimmung der be¬
theiligten Eegierungen gefunden hatten. Der auf Preufsen entfallende
Kostenantheil mit 1 798 000 Jl ist innerhalb der Kechnungsjahre 1884/85
bis 1890/91 bewilligt und entsprechend verwendet worden.
Zur Kegulirung des Eheins von Bingen bis zur Nieder¬
ländischen Grenze sind verwendet worden.
Im Jahre 1880/81
405 000.«
1881/82
1 817 000 „
1882/83
784000 „
1883/84
1 273 000 ^
1884/85
1179000 „
1885/86
1612B00 ..
1886/87
967 000 „
1887/88
959 558 „
1888/89
1255142 „
1889/90
1344 900 „
zusammen
11 596 600 Jl,
mithin bleiben von dem überhaupt in Aussicht genommenen Betrage
von 22 000 000 M noch 10 403 400 M zu verwenden. Neben den grofsen
Felssprengungen im Flufsbett zwischen Bingen und St. Goar, welche
Nr. 48.
489
Centralblatt der
noch jetzt fortgesetzt werden, und dem Ausbau erheblicher Leinpfad¬
strecken sind folgende gröfsere und mit durchschlagendem Erfolge
ausgeführte Regulirungen namhaft zu machen: bei Wellmich, an der
Moselmündung, bei Engers, bei Neuwied, an der Ahrmündung, bei
Nonnenwerth, Niederdollendorf, an der Herseler Insel, bei Mülheim,
Hittorf, Worringen, Uedesheim, an der Hammer Eisenbahnbrücke
und der Golzheimer Insel, bei Kaiserswerth, Rheinhausen, Hochhalen,
Orsoy, Mehrum, am Flürenschen Canal, bei Rees, oberhalb Emmerich
und an der Vossegat-Insel.
Das Ziel der Regulirung auf der Strecke von Köln bis zur
Landesgrenze bei Emmerich, nämlich die Herstellung einer 3 m tiefen
und 150 m breiten Fahrrinne, ist bis auf einige noch im Jahre 1891
auszuführende Vervollständigungen erreicht.
Nachstehende Hafenbauten sind im Rheingebiet während der
Berichtsjahre ausgeführt, bezw. nachdem sie schon früher begonnen
waren, vollendet worden:
Die Vertiefung des Schiersteiner Hafens, begonnen vor
1878/79, vollendet 1882/83 (Gesamtsumme 240 000 145 000
der Ausbau des Rüdesheimer Hafens 1886/87 .... 130000 „
die Vertiefung und Erweiterung des Hafens von Ober¬
lahnstein 1882/83 — 1884/85 . 564 000 „
die Verlegung der Werft und Hafcnanlage bei Wesel,
begonnen vor 1878/79, beendet 1879/80, Beihülfe an
die Stadt Wesel (Gesamtbetrag 120 QOO Jt) .... 60000 „
der Bau des Sicherheitshafens zu Emmerich 1884,85
bis 1887/88 . 350000 „
die Anlage des Sicherheitshafens bei Oberwinter 1888/89
bis 1889/90 ‘ . 510000 „
Zusammen 1 759 000 Jl
Es sind in der Ausführung begritfen:
der Sicherheitshafen an der Loreley für 135 Schifte, ver¬
anschlagt zu . 260 000 .J/
die Erweiterung des Hafens zu Oberlahnstein für 22 Schifte,
veranschlagt zu . 50 000 „
ein jedes zu 300 qm Flächenraum gerechnet.
Der auf 825 000 Jt veranschlagte Bau eines Sicherheitshafens bei
Mülheim für 360 Schiffe wird spätestens im Laufe des Jahres 1891
in Angriff genommen werden. Die ebenfalls in Ausführung stehende
Erweiterung des Hafens zu Ruhrort für 250 Schiffe erfolgt nicht aus
den etatsmäfsigen Geldmitteln der Bauverwaltung, sondern aus den
Einnahmen der Hafenverwaltung.
h) Der Main.
Das sehr bedeutende und erfolgreiche Unternehmen der Canali-
sirung des Mains von Frankfurt bis zur Einmündung in den Rhein
ist, nachdem die erste Rate dazu bereits im Etat 1880/81 bewilligt
worden war, auf Grund des mit den Regierungen der Main-Uferstaaten
unter dem 1. Februar 1883 abgeschlossenen Staats Vertrages in den
Jahren 1884/85 bis 86/87 mit einem Kostenaufwande von 5 500 000
zur Ausführung gekommen. Die Gesamtanlage ist durch die städti¬
schen Lagerhaus- und Hafen-Einrichtungen in Frankfurt a./M. ver¬
vollständigt und zur vollen Entwicklung gebracht worden.
c) Die Laim.
In den Jahren 1879/80 bis 81/82 ist zur Verbesserung der Schiff¬
fahrt bei Kalkofen ein Wehr nebst Schleuse neu in den Strom ein¬
gelegt worden, welches 445 000 Jt gekostet hat.
Auf die Erneuerung des Lahnwehres bei Obernbiel wurden im
Jahre 1885/86 45 000 Jt verwendet.
d) Die Mosel mit der Saar.
Der für die Reguli rung der Mosel in Aussicht genommene
Betrag vor 1200 000 .J/ ist, wie folgt, zur Verwendung gekommen:
Im Jahre 1881/82
168 000 .i/
1882/83
139 000 „
1883/84
217 000 „
1884/85
215 000 „
1885/86
180000 „
1886/87
146 000 „
Restbestand 1887/88
135 000 „
Zusammen wie oben
1 200 000 Jt.
Damit ist bei einem Wasserstande von + 0,31 m am Pegel zu
Trier, beziehungsweise -|-0,47 m am Pegel zu Cochem eine durch¬
gängige Tiefe der Fahrrinne von 0,85 bis 0,90 m erreicht.’^
Die Canalisirung der Saar von Louisenthal bis Ensdorf ist
in den Jahren 1878/79 und 79/80 unter Aufwendung eines Restbetrages
von zusammen 850 000 Jt zum Abschlufs gekommen. Eine Vertiefung
der canalisirten Strecke bis auf 2 m ist in der Ausführung begriffen.
Gröfsere Brücken für den Strafsenverkehr sind im Rhein¬
gebiete während der Berichtszeit seitens der Wasser-Bauverwaltung
nicht ausgeführt, vielmehr sind nur im Jahre 1879/80 für die Mosel¬
Bau Verwaltung.
brücken bei Alf und Lenn Staatszuschüsse im Betrage von rund
36 000 Jt und 41 000 Jt gewährt worden.
e) Die Schiflahrtscanäle.
Im Rheingebiet sind die Entwürfe und Kostenüberschläge fii r
zwei gröfsere Schiffahrtscanäle bearbeitet worden, den Rhein-Maas -
Canal und den Canal von Ruhrort nach Henrichenburg zum
Anschlufs an den weiterhin zu erwähnenden Canal von Dortmund
nach den Emshäfen. Ueber die Ausführung dieser beiden Canäle,
welche dem Rheinisch- Westfälischen Kohlengebiet neue Absatzwege
nach Holland und Belgien einerseits und nach der Nordsee ander¬
seits eröffnen würden, sind die Erwägungen noch nicht zum Abschlufs
gelangt.
3. Das Emsgeliiet.
.a) Der Hauptstrom.
Für die Verbesserung der Schiffahrt auf der Ems, für welche
im ganzen die Aufwendung von 2 400 000 .J/ in Aussicht genommen
ist, sind verwendet, bezw. überwiesen worden:
Im Jahre 1882/83
158 000 M
1883/84
224000 „
1884/85
243 000 „
1885/86
340 000 „
1886/87
313 000 .,
1887/88
275 000 „
1888/89
280 000 ..
1889/90
240 000 „
Restbestand 1889/90
179 000 „
zusammen
2 252 000,#
für die folgenden Jahre bleiben also noch 148 000./// zu verwenden.
Gröfsere Brückenbauten sind auch im Emsgebiet nicht zur
Ausführung gekommen.
h) Die Schiffahrtscanäle.
Die Kosten des Ems- Jade-Canals sind ursprünglich
veranschlagt worden auf . . 10 405 000 Jt
von welchen die Interessenten übernommen haben . . 1 387 000 „
und auf den Staat entfielen . 9 018000./^.
Die Summe ist in zwei Raten vor dem Jahre 1878/79 und in
weiteren sechs Raten innerhalb der Jahre 1880/81 bis 1886/87 be¬
willigt und verwendet worden. Es hat jedoch die Fertigstellung des
Bauwerks hiermit nicht erreicht werden können, vielmehr hat sich
die Nothwendigkeit ergeben, noch weitere 950000 Jt auf dasselbe zu
verwenden. Die Arbeiten sind nunmehr nahezu vollendet.
Aufser dem eigentlichen Ems- Jade- Canal von rund 62,5 km
Länge und 2 m Wassertiefe, mit einer Scheitelhaltung und beider¬
seits nach der Jade und der Ems durch je 2 Schleusen von 1,7 m
bezw. 2 m getrennten abfallenden Haltungen und dem Zubehör, sind
aus den genannten Fonds noch besti-itten :
1. Erweiterungen und Vervollständigung der Seehafen- Anlagen
in Emden, insbesondere:
g a) Anlage einer massiven Seeschleuse, welche Seeschiffen bis 6,5 m
Tiefgang die Einfahrt gewährt, mit Aufsen- und Binnenliege¬
plätzen,
b) Einrichtung des Hochwasserhafens durch das Halten von Fluth-
höhe mittels entsprechender Vertiefung und den erforderliehen
Uferbefestigungen von rund 4 km Länge,
c) Zuschüttung des Rathhausdelfts bis zur Rathhausbriicke,
d) Uferwerke und Löschplätze oberhalb der Eisenbahnbrücke bis
zum Lotsenthurm.
2. Ein Zuschufs von 300 000 Jt zu den mit der Einrichtung des
Hochwasserhafens in ursächlichem Zusammenhänge stehenden noth-
wendigen Canalisations- Anlagen der Stadt;
3. die Mehrkosten der Anlagen zur Verbesserung der Abwässe-
rung im nordwestlich vom Ems- Jade -Canal belegenen Theile des
Emder Pegelverbandes gegen die ursprünglichen Kostenanschläge.
Die Moorcanäle im unteren Emsgebiet kommen hier nicht in
Betracht, weil sie dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und
Forsten unterstellt sind.
Von hervorragender Wichtigkeit für die Verbindung des West¬
fälischen, späterhin vielleicht auch des Rheinischen Kohlengebietes
mit der Nordsee und, nach Fertigstellung des Nord-Ostsee-Canals,
mit der Ostsee ist der Canal von Dortmund nach den Ems¬
häfen einschliefslich einer geräumigen See-Hafenanlage im Königs¬
polder bei Emden nebst Lateralcanal von Oldersum bis Emden, ge¬
nehmigt durch das Gesetz vom 9. Juli 1886 (G. S. 1886, S. 207 — 208).
Die Vorbereitungen sind so weit gediehen, dafs mit der Bauausfüh¬
rung im Frühjahr 1891 der Anfang gemacht werden kann.
Die Gesamtkosten des Canals sind auf 64 660 000 Jt veranschlagt,
von welchen 6 280 000 Jt für den Grunderwerb erforderlich sein
werden. Ueber die Verbindung dieser Wasserstrafse nach der Weser
490
29. Noveiulier 1890.
Centralblatt der Bauverwaltuog.
und weiter nacli der Elbe bin sind noch keinerlei endgültige Ent-
schliefsnngen gefafst, dagegen sind in Bezug auf den zukünftigen
Schiffabrtsbetrieb des Dortmund- Emshäfen-Canals Versuche über die
Fortbewegung von Schilfen durch Maschinenkräfte, welche, wie das
Seil ohne Ende und die Locoinotive, den Schiffszug vom Ufer aus be¬
wirken, Versuche angestellt worden.
3. Das Wesergebiet,
a) l>er Hauidstroiii.
Von den zur weiteren Eegulirung der Weser bestimmten
Summen mit 3 200 000 M sind bisher verwendet bezw. überwiesen
worden :
Im Jahre 1880/81
326 000 Jt
1881. 82
396 000 ..
1882/83
.321000 „
1883/84
360 000
1884 85
293 000 ..
1885/86
305 000 ..
1886/87
316 000
1887/88
286 000 „
1888/89
227 000 ,.
1889/90
228 000 ..
Eestbetrag 1889 90
142 000 „
Zusammen
3 200 000
Das grofse Unternehmen der Correction der Unterweser
von Bremen bis zur Einmündung in die Nordsee, welches die Stadt
Bremen auszuführen im Begriff steht, und durch welches Seeschiffen
bis zu 5 m Tiefgang das Befahren der Weser aufwärts bis Bremen
ermöglicht werden soll, ist seitens der preufsischen Begierung thun-
lichst gefördert worden.
Für Hafenbauten und zwar für den Hafen am linken Weser¬
ufer bei Münden und den Sicherheitshafen bei Hameln sind in den
.Jahren 1882/83 und 1884/85 bezw. 45 000 und 5d000JC zur Ver¬
wendung gelangt, ferner für den schon vor 1878 70 begonnenen und
1879/80 beendeten Neubau der Werraschleuse bei Münden 112 000 Jt
(Gesamtbetrag 120 000 Jl), für die Erneuerung des oberen Wehres
bei Hameln in den Jahren 1885/8G bis 1887/88 = 249 000 und für
den Neubau des unteren Wehres bei Hameln in den Jahren 1888/89
und 1889; 90 = 196 500 JL
h) Die Fulda.
Um für den wesentlich gesteigerten Schiffsverkehr auf der oberen
Weser den Anschlufs nach Cassel zu gewinnen, ist die Canalisi-
rung der Fulda von Münden aufwärts bis Cassel beschlossen und
die Bauausführung bereits eingeleitet worden. Die Kosten sind auf
3 348 250 Jt veranschlagt.
An gröfseren Brückenbauten für den Strafsenverkehr sind
im Wesergebiet während der Berichtszeit zur Ausführung gekommen:
Die vor 1878/79 begonnene und im folgenden Jahr mittels einer
Bestbewilligung von 200 000 .//7 vollendete Brücke über die Fulda bei
Münden und die Brücke bei Hoya 1880/81 und 1881/82 mit 400 000 Jt,
während für die Brücken bei Bodenwerder und Hutbergen in den
Jahren 1883/84 und 1884/85 Staatsbeiträge von bezw. 60 000 und
169 000 bewilligt wurden. Für die Neubauten der Bunten Brücke
bei Minden und der Aller-Brücke bei Verden sind für das Etats¬
jahr 1888/89 die Summen von 166 000 ./Ä und 203 000 eingestellt
worden.
Für den Wasserbauinsj)ector in Hameln ist eine neue Dienst¬
wohnung erbaut worden.
4. Das Elbegelfiet.
a) Der Hatiptstroin.
Auf die Eegulirung der Elbe sind verwendet worden:
Im Jahre 1879/80:
1880/81:
1881/82:
1882/83:
1883 84:
1884/85:
188586:
1886 87:
1887/88:
1888/8_9£^
zusammen :
1 200 000 Jt
1440 000 ..
1820 000 .,
1342 000
1 185 000 „
782 000 ,.
.556 000 ..
294000 ,.
115 000 ..
14 000
8 748 000 Jl,
wobei für 1889 90 von den überhaupt erfolgten Ueberweisungen noch
ein Eestbestand von 16 000 Jl für die Vollendung des auf 8 600 000 Jt
veranschlagten Werkes verblieb. Die Vollendung wird hiernach mit
einer Ueberschreitung der Voranschläge um 164 000 im grofsen
und ganzen erreicht werden.
Im Fluthgebict der Elbe sind aufserdem in den Jahren 1883 90
die Stromcorrectioii zwischen der Seeve- Mündung und Neuhof mit
einem Kostenaufwande von 775 000 Jt und in den Jahren 1886/90
der Ausbau des Beiherstieges bei Harburg mit einem solchen von
196 000 Jt zur Ausführung gelangt.
An gröfseren Hafenbauten, deren Kosten aus den allgemeinen
Fonds zur Eegulirung der Elbe bestritten, daher in den obigen
8 764 000,Jf mitenthalten sind, wurden die folgenden zur Ausführung
gebracht:
Die Hafen-Neubauten zu Mühlberg (1880/81 bis 1882/83) und zu
Wittenberg (1876 77 bis 1879/80/, ferner die Ausbauten vorhandener
Häfen zu Schönebeck (1884/85 bis 188.5/86) und zu Magdeburg (1880/81
bis 1883/84). Aufserdem sind für den Ausbau der Häfen zu Aken,
'Tangermünde, 'Wittenberge und Hoopte, von denen die letzten drei
Häfen noch in der Ausführung begriffen sind, die Kosten aus dem
Ordinariurn der letzten Etatsjahre entnommen worden.
Für die Anlage eines Winterhafens zu Dommühlenholz bei Havel-
herg ist im Extraordinarium für 1890 91 ein Betrag von 38 000 in
Aussicht genommen.
Nachdem eine gröfsere Zahl von Schiffmühlen, welche die Schiff¬
fahrt auf der Elbe behinderten und gefährdeten, aus den für die
Unterlialtung des Stromes dauernd bewilligten Geldmitteln angekauft
worden, sind für die Erwerbung und Beseitigung der letzten zwölf
hinderlichen Schift'mühlen aus aufserordentlichen Bewilligungen noch
232 000 zur Verwendung gelangt. Auf der Stromstrecke abwärts
von der sächsischen Grenze bestehen zur Zeit nur noch vier Schitf-
mühlen, durch welche die Schiffahrt nicht weiter benachtheiligt wird.
b) Die Unstrut und Saale.
Die zum gröfseren Theil canalisirte Wasserstrafse der Unstrut
und Saale von Artern bis zur Einmündung in die Elbe bedarf zu
ihrer vollständigen Eegulirung innerhalb des preufsischen
Staatsgebietes der Summe von 4 000 000 .Jf, von welcher bisher ver¬
wendet worden sind:
Im Jahre 188182: 400 000 .Jf
1882/83: 152 000 .,
1883/84: 205 000 ..
1884/85: 286 000 .,
1885/86: 297 000 ..
1886,87: 274 000 .,
1887.88: 267 000 ..
1888 89: 292 000 ..
1889,90: 263 000 ,,
Eestbestand 1890 91: 159 000 ..
zusammen : 2 600 000 Jt,
mithin 1 400 000 Jt noch zu verwenden bleiben. Aufserdem hat im
Jahre 1878,79 ein Umbau der Unstrut - Schleuse bei Freiburg mit
einem Kostenaufwande von 82 000 stattgefunden und ist ein Neu¬
bau der Saale-Schleuse bei Kalbe in Ausführung begriffen, für welchen
1888, ^89 rund 97 000 Jt
1889, /90 208 000 „
verausgabt und für das .Tahr 1890/91 noch rund 102 000 Jt zur Ver¬
wendung bestimmt sind.
e) Die Havel.
Dieselbe wird bei den Wasserstrafsen zwischen Elbe und Oder
behandelt.
(1) Die Ilmenau.
Die behufs der Verbesserung sowohl der Schift’barkeit des Flusses
als auch der Vorhuth der Ländereien unter Betheiligung der An¬
lieger und der Stadt Lüneburg unternommene Eegulirung der
Ilmenau ist nach mehrjährigen Verhandlungen im Jahre 1887/88
begonnen worden. Staatsseitig sind darauf rund 167 000 Jt ver¬
wandt worden.
Der Erfolg der Eegulirung für die Abwässerung war ein erheb¬
licher, er hat indessen gezeigt, dafs, neben den ausgeführten Durch¬
stichen, zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt und auch im Interesse
der Bodenmelioration Stauwerke mit zugehörigen Schleusen vor¬
gerichtet werden müssen, welche Aufwendungen im Betrage von rund
500 000 Jt erfordern.
e) Die Schwinge.
Die unter Betheiligung der Stadt Stade unternommene Eegu¬
lirung der unteren Schwinge ist im .lahre 1879/80 nach Be¬
willigung des erforderlichen Eestbetrages mit 201 000 zu Ende ge¬
führt worden.
Der Umfang der Brückenbauten ist im Elbe-Gebiet während
der Berichtsjahre ein nicht unerheblicher gewesen. Von besonderer
Wichtigkeit war der Umbau der für die Schiffahrt aufserordentlich
hinderlichen Elbe -Brücken zu Torgau und Wittenberg, welcher er¬
forderte:
Kr. 48.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
491
Torgau 1878/79 und 1879/80 . 370 000 ./Ä
Wittenberg 1886/87 bis 1889/90 . 243 000 „
(Bei dem letztgedachten Umbau ist noch ein kleiner
Theil der Arbeiten, welcher auf rund 3000 Ji zu ver¬
anschlagen ist, rückständig.)
Aufserdem sind folgende Brücken über Nebenflüsse
neu- bezw. umgebaut worden:
Die Unstrut-Fluth-Brücke bei Nebra 1886/87 bis 1887/88
mit einem Kostenaufwande von . 175 000
die Saale-Brücke bei Merseburg 1882/83 38 000 „
die Saale-Brücke bei Kosen 1883/84 . 72 000 „
die Elster-Brücke bei Zeitz 1883/84 . 170 000 „
die Mulde-Fluth-Brücke bei Döben 1882/83 125 000 „
die Bode-Brücke bei Stafsfurth 1880/81 . 55 000 „
die Lühe-Brücke bei Stade 1880/81 69 000 %
Gesamt- Verwendung: 1 317 000 Jl.
f) Die Schiflahrts- Canäle.
Der längere Zeit hindurch lebhaft erörterte Gedanke der Anlage
eines Elbe-Spree-Canals ist auf Grund der dafür aufgestellten
Vorarbeiten als endgültig beseitigt anzusehen, ebensowenig hat der
Vorschlag eines Canals von Leipzig nach Wall witzhafen, an
dessen Stelle auch ein Elster-Saale-Canal wiederholt in An¬
regung gekommen ist, weiteren Fortgang gefunden. Dagegen sind
für einen Elbe-Trave-Canal die Vorarbeiten und Kostenanschläge
vollständig ausgearbeitet worden, und unterliegt die Ausführung des¬
selben, möglicherweise nach einer gegen den bisherigen Entwurf ab¬
geänderten Linie, der Erwägung.
Von dem Plauer Canale wird im nächstfolgenden Abschnitt
die Eede sein.
5. Die Wasserstrafseil zwischen Elbe iiiitl Oder.
Dem weitverzweigten und hervorragend wichtigen Netze der
Wasserstrafsen zwischen der Elbe und Oder, welches nicht allein
den Schiffahrtsverkehr nach Berlin vermittelt, sondern auch dem
grofsen Durchgangsverkehr zwischen der Oder und der Elbe, ins¬
besondere zwischen den Städten Breslau und Stettin einerseits,
Magdeburg und Hamburg anderseits dient, aufserdem den mecklen¬
burgischen Wasserstrafsen einen Anschlufs gewährt, sind während
der Berichtsjahre sehr erhebliche Geldmittel zugewendet worden.
Vorweg möge in dieser Beziehung der im Jahre 1878/79 erfolgten
Beendigung einiger gröfserer Bauausführungen, deren Beginn weiter
zurückliegt, Erwähnung geschehen, nämlich des Baues der zweiten
Schleusen in der Hohensaaten-Spandauer Wasserstrafse,
der Eegulirung derselben Wasserstrafse zwischen Pinnow und Hennigs¬
dorf und der Anlage des Eheinsberg-Zechliner Canals.
a) Durch das Gesetz vom 12. März 1879 wurde zur Eegu¬
lirung Märkischer Wasserstrafsen der Wasserbau-Verwaltung
die Summe von 5 227 000 .J/ zur Verfügung gestellt. Dem Wortlaut
und Sinne dieses Gesetzes entsprechend, sind folgende Verbesse¬
rungen vorgenommen worden :
1. auf der Hohensaaten-Spandauer Wasserstrafse: die Erweite¬
rung, Geradelegung und Vertiefung des Finow-Canals, des Oranien¬
burger Canals, der zwischen beiden belegenen Havelstrecke ein-
schliefslich der Eegulirung der Oranienburger Havel, und der Havel
vom unteren Ende des Oranienburger Canals bei Pinnow bis zur
Abzweigung des Berlin- Spandauer Schiffahrts- Canals oberhalb
Spandau;
2. auf der Havel von Spandau bis zur Abzweigung des Plauer
Canals unterhalb Brandenburg zahlreiche kleinere und gröfsere Ee-
gulirungen, die Errichtung einer zweiten Schleuse in Brandenburg
und der Erweiterungsbau der Schleuse zu Eathenow ;
3. auf der Spree oberhalb von Berlin aufser mehrfachen Eegu-
lirungen und Geradelegungen der Bau einer neuen Schleuse bei
Woltersdorf (Eüdersdorfer Gewässer).
Die Verwendungen aus der Anleihe von 1879 haben betragen:
Im .Jahre 1879/80:
342 000 Jt
1880/81:
1065 000
1881/82:
1420 000 ..
1882/83:
841000 „
188.3/84:
865 000 .,
1884/85:
20 000 „
1885/86:
45 000 „
1886/87:
72 000 ..
1887/88:
63 000 .,
1888,89—1889/90:
7 000 .,
Zusammen:
4 740 000 Jt.
Die hiernach eiugetretene Ersparnifs beträgt 487 000 J(.
b) Für die Verbesserung der Havel und Spree einschliefs-
lich des Landwehrcanals zu Berlin wurden im Jahre 1880
nachstehende Aufwendungen in Aussicht genommen:
1. der Ausbau des Landwehrcanals mit . 6 0O0 00O.J^
2. die Canalisirung der Unterspree mit . 5 400 000 .,
(unter Verwendung der zu a) 3. erwähnten Ersparnifs)
3. die Eegulirung der unteren Havel vom Plauer Canal
bis zur Elbe . 2 OOO 000 ..
4. die Eegulirung der Oberspree . 4 000 000 ..
5. die Eegulirung der oberen Havel . 600 000 ..
Zusammen: 18 000 000./^.
Von dieser Summe sind bisher verwendet bezw. überwiesen
worden :
Im Jahre 1882/83
806 000 Jt
1883/84
1326 000 ..
1884/85
1927 000 ,
1885/86
1408 000 .,
1886/87
421000 .,
1887/88
202 000 .,
1888/89
144000 „
1889/90
112 000 „
Eestbeträge
350 000 ..
Zusammen
6 696 000 Jt.
Zur Erläuterung des erheblichen Unterschiedes zwischen den in
Aussicht genommenen und den stattgehabten Verwendungen wird im
einzelnen nachstehendes angeführt.
Zu 1. Die Erweiterung des Landwehrcanals unter Ein¬
fassung desselben mit massiven Uferbekleidungen ist nach einem
gegen den ursprünglichen wesentlich vereinfachten auf 3 600 000 Ji
veranschlagten Plane erfolgt. In den Jahren 1882/83 bis 1889/90
sind darauf 3 142 000 Jt verwendet worden, wonach eine Ersparnifs
von 458 000 Jt zu verzeichnen ist.
Zu 2. Der Gesamtentwurf zur Canalisirung der Unterspree
umfafst aufser der Verbesserung des Wasserweges zwischen Berlin
und der Havel auch die Durchführung einer dritten Wasserstrafse
durch die Stadt durch Einlegung einer Schiffsschleuse in den Mühlen¬
damm. Der Entwurf war so angelegt, dafs seine Ausführung zugleich
wesentliche Vortheile für die Stadt Berlin durch Verbesserung der
Vorfluth zur Folge haben und diese zur entsprechenden Betheiligung
an dem Unternehmen herangezogen werden sollte. Nachdem die
Stadt eine solche Betheiligung vorläufig abgelehnt hatte, wurde der
Entwurf auf das für die Schiffahrt zunächst Nothwendige, nämlich
auf die Verbesserung des Spreelaufs von der Havel aufwärts bis zur
Stadt beschränkt und hierfür der Kostenbedarf von 2 227 000 ver¬
anschlagt und bewilligt. Der Ban ist in den Jahren 1883/84 bis
1887/88 unter Aufwendung von 2 027 000 .^ einschliefslich der aus
der Anleihe für Verbesserung Märkischer Wasserstrafsen entnom¬
menen Ersparnisse anschlagsmäfsig ausgeführt worden, wobei die
Kosten hinter der Anschlagssumme nicht unerheblich zurückge¬
blieben sind.
Endlich ist im Frühjahr des .Jahres 1888 ein Uebereinkommen
zwischen der Königlichen Staatsregierung und der Stadtgemeinde
Berlin dahin zustande gekommen, dafs das Gesamtunternehmen der
Canalisirung der Unterspree, soweit dasselbe nach dem Vorstehenden
nicht bereits fertig gestellt ist, durch den Staat und die Stadt ge¬
meinschaftlich zur Ausführung gebracht, und der auf 6 400 000 Jt
veranschlagte Kostenbetrag von beiden Theilen zur Hälfte getragen
werden soll. Aufserdem hat sich die Stadt verpflichtet, die in den
Eahmen des Ganzen fallenden Neubauten an Brücken usw., welche
aufserdem noch auf 4 600 000 veranschlagt sind, auf ihre alleinigen
Kosten zur Ausführung zu bringen. Die Arbeiten sind seit 1888 in
vollem Gange und werden voraussichtlich innerhalb des vertrags-
mäfsigen Zeitraumes von im ganzen fünf Jahren zur Vollendung ge¬
langen.
Zu 3. Auf die nach unverändertem Plane noch im Gange be¬
findliche Eegulirung der unteren Havel vom Plauer Canal bis
zur Elbe, sind bisher vom Jahre 1882/83 ab 2 000 000 Jt überwiesen
Avorden, wovon noch 116 000 Jt im Bestände verblieben sind, die in
nächster Zeit Verwendung finden Averden.
Zu 4. Die früher geplante Verbesserung der Schiffbarkeit des
oberen Laufs der Spree von FürstenAvalde bis Berlin unterbleibt,
weil sie durch den inzAvischen beschlossenen Bau des Oder-Spree-
Canals, von Avelchem demnächst noch die Eede sein Avird, entbehrlich
gemacht wird.
Zu 5. Die Eegulirung der oberen Havel von Fürstenberg in
Mecklenburg bis Zehdenick ist noch nicht begonnen worden, weil der
Flufs hier auf längere Strecken die Grenze zAvischen dem Grofsherzog-
thum Mecklenburg-Schwerin und Preufsen bildet und eine Betheili¬
gung der Grofsherzoglichen Eegierung an den Kosten des L^nter-
nehmens bisher nicht hat erreicht Averden können.
c) Dagegen ist die Havelstrecke Zehdenick-LiebenAvalde,
Avelche, an die zuvorgenannte sich unmittelbar anschliefsend, ganz in
Preufsen liegt, einer durchgreifenden Verbesserung dadurch unter-
492
Centralblatt der Banverwaltung.
29. November 1890.
zogen worden, dafs neben ihr ein Seitencanal erbaut worden ist,
welcher in den Vofscanal bei Liebenwalde übergebt und auch dessen
Namen erhalten hat. Von den auf 1 900 000 Jt veranschlagten Kosten
sind in den Jahren 1880/81 bis 1885/8G 1350 000 verwendet, und
ist der Bau damit fertig gestellt worden.
Die Brücken bauten über die Spree und Havel sind der ge¬
ringen Breite dieser Gewässer wegen im allgemeinen nicht von Be¬
lang, weshalb für die während der Berichtsjahre vorgenommenen Er¬
neuerungs- und Umbauten an den Spreebrücken zu Neubrück und Cöpe-
nick und an den Havelbrücken zu Maltz, Hennigsdorf und Glienicke
im ganzen nur 180 000 JC aufzuwenden gewesen sind, wozu noch eine
aus der Anleihe von 1879 an die Stadt Spandau bewilligte Beihülfe
von 80 000 JL kommt, welche nothwendig war, um einen vollstän¬
digen Neubau der für die Schiffahrt überaus hinderlichen städtischen
Charlottenbrücke über die Havel zu erreichen. Ein Werk von hervor¬
ragender Bedeutung aber ist der Neubau der Langen Brücke zu
Potsdam, verbunden mit einer Ueberbrückung der Bahnhofsgeleise
daselbst an Stelle des bisher vorhandenen Uebergangs der Saarinünder
Strafse in Schienenhöhe. Der Bau ist unter Aufwendung der auf
1 740 000 Jt veranschlagten Kosten im Jahre 1888/89 vollendet worden.
Bei den Schleusen und Wehren haben die nothwendigen Er-
neueruugsbauten stattgefunden, unter welchen als die bedeutenderen
anzuführen sind: die Schiffsschleusen zu Cossenblatt an der oberen
Spree (1887/88 123 000 Jt)^ zu Prieros an der Dahme (1879/80
130 000 .//7), zu Bredereiche au der oberen Havel (1882/83 bis 1883/84
153 000 Jl) und zu Friedenthal bei Oranienburg (1879/80 120 000 Jt ).
Im ganzen sind zu Schleusen- und Wehrbauten und zur Errich¬
tung der Bauhöfe zu Eberswalde und Eathenow innerhalb der
Berichtszeit 796 000 bewilligt und verwendet worden.
d) Die auf 3 250 000 veranschlagte Erweiterung und Ver¬
tiefung des Plauer Canals, für welche die erste Eate im Etat
des Jahres 1883/84, die letzte Eate im Etat 1888/89 bereitgestellt
worden, ist einschliefslich des damit verbundenen Umbaues der vor¬
handenen Schleusen vollendet, wobei eine Ueberschreitung des An¬
schlages nicht stattgefundeu hat.
e) Nachdem der Bau des Oder-Spree-Canals durch das vor¬
erwähnte Gesetz vom 9. Juli 1886 unter Bewilligung des dazu er¬
forderlichen Geldbetrages von 12 600 000 angeordnet worden, hat
die Ausführung zunächst auf der Strecke von Fürstenwalde nach dem
Seddin-See begonnen, und ist diese Strecke schon mit dem Ende des
Jahres 1889 dem Betriebe übergeben worden. Die Fertigstellung des
ganzen Werkes steht spätestens im Frühjahr 1891 in sicherer Aussicht.
Die vorstehend erörterten Verbesserungen, w'elche mit dem
Fahrwasser der Spree von Berlin bis Spandau, der Havel von Span¬
dau bis zur Einmündung in die Elbe und mit dem Plauer Canal vor¬
genommen worden sind, ermöglichen schon jetzt den gröfseren Elb¬
fahrzeugen den Verkehr von der Elbe bis in die Unterspree von
Berlin, und nach Vollendung des Oder-Spree-Canals werden ähn¬
lich grofse Schiffe von der Oder her die Berliner Oberspree erreichen.
Dem Mangel eines für dergleichen Fahrzeuge geeigneten und solchen
den. Durchgangsverkehr zwischen der Oder und Elbe gestattenden
Wasserweges durch Berlin wird durch die oben besprochenen, gemein¬
schaftlich mit der Stadtverwaltung in der Ausführung begriffenen
Bauten zur Canalisirung der Unterspree abgeholfeu, und hierin werden
die geplanten Verbesserungen der Wasserstrafsen zwischen der Elbe
und Oder zu einem befriedigenden Abschlufs gelangen.
Dagegen ist die Stadt Berlin der ihr allein zufallenden Aufgabe,
diese Verbesserungen auch für den Ladeverkehr innerhalb der Stadt
durch die Anlage von Häfen und Ladestrafsen nutzbar zu machen,
bisher nur in sehr geringem Umfange nachgekommen.
6. Das Oder-Cxebiet.
a) Der Hauptstrora.
Der zur Verbesserung der Schiffbarkeit der Oder von
der Neifse-Mündung bis Schwedt in Aussicht genommene Betrag von
ß 800 000 J/ ist wie folgt zur Verwendung gekommen:
Iin Jahre 1880/81: 1015 000 .J/
1881/82: 1322 000 „
1882/83: 1223 000 .,
1883/84: 899 000 „
1884/85: 1146 000 „
1885/86: 1141000,,
1886/87: 53 000
Eestbetrag 1887 ;88 : _ 1 000 „
Zusammen : 6 800 000 Jt.
Nach Beendigung dieser Arbeiten ist auf der untersten Strom¬
strecke des Küstriner Bezirkes, infolge der durch die herabtreibenden
Sände eingetretenen Verflachungen, noch die Eegulirung der, Oder
vom Lunower Dammhause bis zum Pätziger Theerofen nothwendig
geworden. Von dem zu 500 000 Jt veranschlagten Gesaratbedarf sind
die durch das Extraordinarium des Etats für 1887/88, 1888/89, 1889/90
bewilligten drei ersten Eaten mit zusammen 280 000 Jt planmäfsig
verwendet, während für 1890/91 = 100 000 daselbst in Ansatz ge¬
kommen sind, und die Vollendung für 1892/93 in Aussicht steht.
Sodann wurde durch das Gesetz vom 6. Juni 1888 die Ausführung
verschiedener gröfserer Arbeiten zur Verbesserung der Stromverhält-
nissc der unteren Oder auf der an den vorher genannten Eegulirungs-
bau sich anschliefsenden Strecke vom Pätziger Theerofen bis Nipper¬
wiese unterhalb Schwedt vorgesehen und zwar:
1. die Eegulirung der Oder vom Pätziger Theerofen bis Eaduhn;
2. der Durchstich des Saathener Hakens;
3. die Eegulirung der Oder vom Saathener Durchstich bis Schwedt;
4. desgl. von Schwedt bis Nipperwiese;
5. der Neubau einer Brücke über die Meglitze im Zuge des
Schwedter Oderdammes bei Nieder-Kränig.
Der Bedarf für diese Arbeiten ist auf Grund allgemeiner Ueber-
schläge in dem fraglichen Gesetze zu = 1600 000 .4^ angenommen,
wovon auf den Eegulirungsbau zu 1 = 406 000 Jt entfallen. Hiervon
sind für denselben in 1888/89 und 1889/90 zusammen = 160 000
überwiesen und zur Verwendung in 1890/91 = 100 000.4/ bereit ge¬
stellt worden.
Mit den anderen Eegulirungsarbeiten hat bis jetzt noch nicht
begonnen werden können, weil deren Inangriffnahme durch das
Gesetz von der seither nicht erfolgten Bildung der Deich- und
Entwässerungsgenossenschaften für die Melioration der anliegenden
Wiesenflächen des Oderthaies abhängig gemacht worden ist.
Die Einrichtung eines AVinterhafens im Mühlgraben zu
Oppeln, welcher den Bau eines Wehres nebst Schiffsschleuse erfor¬
derte, ist, nachdem die Bewilligung der veranschlagten Geldmittel
mit zusammen 208 000 Jt in dem Etat für 1884/85 und 1885/86 erfolgt
war, in denselben Jahren zur Ausführung gebracht worden.
Während der Jahre 1886 und 1887 ist in Kosel an Stelle des
alten hölzernen, durch Eisgang zerstörten Haabschen Oderwehres ein
neues, massives Wehr mit einem Kostenaufwande von 247 000 Jt er¬
baut worden.
Durch das Gesetz vom 6. Juni 1888 ist die Verbesserung der
Schiffahrtsstrafse der 0 der von Breslau aufwärts bis Kosel
gemäfs den in 1887 fertiggestellten generellen Entwürfen und Kosten¬
anschlägen genehmigt worden. Sie umfassen folgende Bauten:
1. die Anlage eines Liege- und Umschlagehafens bei Kosel mit
Eisenbahnanschlufs an den Bahnhof Kosel-Kandrzin;
2. die Canalisirung der Oder von Kosel bis zur Neifse-Mündung
durch Einlegung von 12 Staustufen;
3. die Erbauung neuer gröfserer Schleusen bei Brieg und Ohlau,
4. die Führung einer mit gröfseren Schleusen versehenen Wasser-
strafse durch Breslau.
Die Gesamtkosteu sind auf 21 500 000 ./// veranschlagt. Mit der
Anfertigung der endgültigen Vorarbeiten und der Ausführung dieser
Bauten wird nunmehr begonnen werden, nachdem die Aufwendungen
für den erforderlichen Grund und Boden gemäfs den Bestimmungen
des fraglichen Gesetzes aus Interessentenkreisen gedeckt sind.
Zur Wiederherstellung der Bauwerke des Klodnitz-Canals
sind von dem auf 1 120 000 Jt veranschlagten Kostenbeträge, welcher
in fünf Jahren Verwendung finden soll, in 1888/89 und 1889,90 ==
445 000 Jt durch das Extraordinarium des Etats bewilligt und für
1890/91 weitere 225 000 Jt eingestellt worden.
h) Die Warthe mit der Netze.
Nachdem von dem für die Eegulirung der AVarthe veran¬
schlagten Betrage von 2 500 000 + 850 000.4/ im ganzen 3 350 000 Jt
vorweg schon 300 000 Jt in den Etat für 1881/82 eingestellt gewesen,
sind auf diese Eegulirung verwendet bezw. überwiesen worden:
Im Jahre 1882/83
333 000 Jt
1883/84
329 000 „
1884/85
433 000 ..
1885,86
461000 .,
1886/87
378 000 ..
1887/88
366 000 ..
1888/89
165 000 .,
1889/90
163 000 „
Zusammen
2 628 000 Jt.
Die Eegulirung dieses Flusses ist durch die aufserordent-
lichen Hochwasserjahre 1888 und 1889 mehr, als dies bei anderen
Strömen der Fall gewesen, gestört und geschädigt worden, da die
neben den gewöhnlichen Unterhaltungsfonds allein für die Beseiti¬
gung der Hochwasserschäden aus dem Jahre 1888 bisher aufge¬
wendeten 78 997 Jt zur völligen Beseitigung derselben bei weitem
nicht genügt haben.
Das gesteckte Ziel hat mit den bisher aufgewendeten, übrigens
um 371 456 Jt hinter dem Anschläge zurückstehenden Mitteln selbst¬
verständlich noch nicht erreicht werden können, vielmehr werden
Mr. 48.
Centralblatt der Bauverwaltung.
493
dazu über den Anschlag hinaus noch manche Nachregulirungen noth-
wendig sein.
Für die Canalisirung der oberen Netze, welche durch den
Allerhöchsten Erlafs vom 11. März 1878 in der Eichtung Goplow-See,
Pakosch, Labischin, Eichtgraben, Speisecanal, Bromberger Canal
genehmigt ist, sind die veranschlagten Kosten mit 4 500 000 Jt in den
einmaligen und aufserordentlichen Etats der Jahre 1878/79 bis 1882/83,
also in fünf Eaten, zur Verfügung gestellt worden. Der im Jahre
1883/84 erfolgte Abschlufs des grofsen und wichtigen Werkes hat
noch eine Nachtragsforderung von 36 000 JC nöthig gemacht, deren
Bewilligung im Etat des genannten Jahres erfolgt ist.
An gröfseren Brückenbauten sind im Odergebiet aufser den
schon vor dem Jahre 1878/79 begonnenen, nämlich der Netzebrücke bei
Czarnikau (1878/79 Eest 44 000 .J/) und der Warthebrücke beiKüstrin
(1878/79 und 1879/80 dritte Eate und Eest zusammen llbQQQ JH)
während der Berichtsjahre zur Ausführung gekommen:
Der Neubau der Oderbrücke bei Kosel 1884/85, 1885,86
mit im ganzen . 270 000 JC
der Neubau der Vorgrabenbrücke hei Kosel, mit welcher
die Anlage eines grofsen beweglichen Wehrs und die
Herstellung eines neuen Umfluthcanals verbunden
worden ist. Mit der Anschlagssumme von .... 910 000 „
sind die Arbeiten in den Jahren 1886 bis 1889 in
allen wesentlichen Theilen vollendet worden.
In denselben Jahren ist für die Errichtung einer
neuen Brücke über die Oder bei Krappitz ein Staats¬
beitrag gewährt worden von . 60 000 „
Die Erneuerung des Ueberbaues der Grofsen Oderbrücke
bei Oppeln hat in 1886,87 und 1887/88 stattgefunden
und kostete . 100 000 „
Die Wiederherstellung der Oderbrücke bei Steinau (1882/83
bis 1884/85) erforderte rund . , . . . 78 000 „
Der Ueberbau der Oderthorbrücke über den Mühlgraben
in Oppeln ist in 1888 mit einem Kostenaufwande von 34 500 „
in Eisen hergestellt worden.
Der Neubau der Oderbrücke bei Küstrin ist in den
Jahren 1878/79 bis 1881/82 ei'folgt. Die Kosten sind
in vier Eaten bewilligt worden mit . 1 166 000
Endlich kostete die Peenebrücke bei Loitz . . . . . 72 000
Zusammen: 2 690 500 Ji.
7. Bas Weicliselgebiet. ^
a) Der Hauptstrom.
Die bisherigen Ausgaben für die Eegulirung der Weichsel
und Nogat, für welche im ganzen der Betrag von 15 392 000 .Jf,
jedoch unter Anrechnung bereits hierauf bewilligter 350 000 der
Betrag von 15042000 .4^ in Ansatz gekommen ist, haben betragen:
Im Jahre 1880,81
563 000 JC
1881/82
570 000 „
1882/83
1 017 000 „
1883/84
1050 000 .,
1884/85
988 000 „
1885,86
1019 000 „
1886,87
1629 000 „
1887/88
2 051000 „
1888/89
1766 000 „
1889/90
1315 000 „
einsehl. des Eestbestandes aus 1889/90
132 000 „
zusammen
12 100 000 JC
es bleiben also 2 942 000 .4^ noch fernerhin zu verwenden.
Unabhängig von dieser Eegulirung und weniger im Interesse der
Schilfahrt als in demjenigen der Vorfluth ist im Jahre 1886,87 der
im ganzen auf 720000 .4^ veranschlagte Ausbau der Weichsel¬
mündung bei Neufähr in Angriff genommen und im Jahre 1888, ^89
zu Ende geführt worden. Im Etat erscheinen nur zwei Eaten, 1887/88
und 1888/89 mit zusammen 370 000./%; der übrige Geldbedarf ist
durch späterhin genehmigte Vorgriffe gedeckt worden.
Zur Verminderung der Ueberschwemmungsgefahren an der unteren
Weichsel soll derselben auf Grund des Gesetzes vom 20. Juni 1888
eine neue Mündung gegeben werden. Für die Ausführung dieses
sehr bedeutenden Werkes, welches in der Herstellung eines 6 km
langen Durchstichs durch die Danziger Binnen-Nehrung und der
dazu gehörigen Durchdeichung einerseits der Danziger, anderseits der
Elbinger Weichsel, ferner in einer ausgedehnten Deichverlegung und
Eegulirung des Hochwasserprofils besteht, auch zur Erhaltung der
Schiffahrtsstrafse nach Danzig die Anlage eines Hafens nebst Schleusen
für den Schiffs- und Flofsverkehr bedingt, ist ein Kostenbetrag von
20 000 000 in Aussicht genommen, zu welchem die betheiligten
Niederungen einen Beitrag von 7 230 000 Ji zu leisten haben. Die
Bauten sind bereits in Angriff genommen worden.
b) Die Brahe.
Die Canalisirung der unteren Brahe von Bromberg bis
zur Weichsel und im Zusammenhänge damit die durch eine Actien-
gesellschaft bewirkte Anlage eines Holzhafens an der Brahemündung
ist bereits im Jahre 1876/77 begonnen worden. Von den zur Voll¬
endung erforderlich gewesenen Kosten mit rund 1370 000 J/, ein-
schliefslich der von Seiten des Staats zum Hafenbau gewährten Bei¬
hülfen, sind in den beiden ersten Jahren der Berichtszeit nur noch
die beiden letzten Eaten mit zusammen 957 000 JC zur Ueberweisung
gekommen.
Aufser dem soeben genannten Hafenbau ist im Jahre 1883/84
noch eine Erweiterung des Sicherheitshafens bei Thorn auf
Grund einer BSwilligung im Etat von 145 000 zur Ausführung ge¬
langt. Für die Anlage eines Winterhafens bei Dirschau und
einer Schiffswerft für die Weichselstrom - Bauverwaltung bei
Plehnendorf sind die Kosten von bezw. 190 000 .4^ und 86 000 .4^ in
den Etat des Jahres 1888/89 eingestellt worden.
Ausschliefslich für den Landverkehr bestimmte gröfsere
Brücken über die Weichsel sind während der Berichtszeit nicht ge¬
baut. Dagegen sind in Bromberg zwei Brahe -Brücken, die Eiserne
Brücke 1885/86 mit 180 000 4^ und die Wilhelmsbrücke^l887/88 mit
110 000.4/ einem Neubau unterzogen worden.
c) Die ScliiHahrtscansile.
Der zur dauernden Verbesserung des Bromberger Canals als
nothwendig nachgewiesene Geldbetrag von 523 000 J( ist bis zum
Jahre 1884/85 in im ganzen acht einzelnen Etatsraten zur Verfügung
gestellt und dementsprechend verwendet worden. Hierzu ist noch in
den Jahren 1886, /87 und 1887/88 der Erneuerungsbau der zehnten
Canalschleuse mit 201000.4/ und in den Jahren 1882/83 und 1883/84
der Erneuerungsbau der Bromberger Stadtschleuse mit 383 000 JC
hinzugekommen. Endlich hat die Einrichtung des Schirrhofes für die
Canal-Bauverwaltung zu Bromberg in den Jahren 1884/85 und 1885/86
den Betrag von im ganzen 67 000 JC erfordert.
Am Weich.selhaffcanal sind aufser der im Etat 1882/83 mit
einem Kostenbetrag von 36 000.4/ bewilligten Verlängerung des Lein¬
pfades durch den Stobbendorfer Bruch aufserordentliche Ausgaben
nicht nothwendig geworden.
Zum Ersatz der untersten Schleusen des Oberländischen
Canals war bereits im Jahre 1879 der Bau einer fünften geneigten
Ebene begonnen worden. Der veranschlagte Geldbetrag von im ganzen
860 000.4/ ist um 175 000.4/ überschritten.
Um den Wasserbedarf für die oberste Haltung desselben Canals
auf die Dauer sicher zu stellen, wurde im Jahre 1885/86 die Haus¬
mühle bei Dt. Eylau für 80 000 JC käuflich erworben.
8. Bas Pregelgebiet.
Für die Eegulirung des Pregels und der Deime sind 590 000 Jt
und für die Erweiterung des Grofsen Friedrichsgrabens nebst
der Verbesserung der Nemonien-Mündung, nachdem hierfür bereits
im Etat des Jahres 1880,^81 ein Beitrag von 46 000.4/ in Ansatz ge¬
kommen, noch 1 210 000 JC, zusammen 1 800 000 JC bestimmt.
Hierauf sind zur Verwendung gebracht bezw. überwiesen worden:
Im Jahre 1881/82
80 000 JC
1882/83
269 COO „
1883/84
589 000 .,
1884/85
334 000 „
1885/86
221000 ..
1886/87
142 000 „
1887/88
46 000 „
1888/89
5 000 „
1889/90
30 000 ..
einschliefslich Eestbestand 1889/90
132 000 ..
zusammen
1 848 000 JC
wonach eine Ueberschreitung von 48 000 JC stattgefunden hat, die aus
verfügbaren Fonds gedeckt worden ist.
Für einen durch den Besitzer des Gutes Lablacken in den Jahren
1888/89 ausgeführten Hafen bei Kampeshöfchen am Kurischen Haff
hat der Staat einen Beitrag von 27 500 JC gewährt.
Von gröfseren Brückenbauten sind der in den Jahren
1880/81 und 1881/82 auf Grund einer Bewilligung von im ganzen
325 000^4/ erfolgte Neubau der Pregelbrücke bei Wehlau und die
Wiederherstellung der durch Brand zerstörten Brücke bei Tapiau
mit einem Kostenaufwande von 100 000 JC zu erwähnen.
Aufserdem ist in Verbindung mit der Beseitigung des Mühlen¬
staues und der Schleusen bei Gr. Bubainen daselbst eine neue Pregel¬
brücke erbaut. Die Gesamtkosten der hier zur Ausführung ge¬
kommenen Bauten haben ausschliefslich des für die Mühlenanlage
und den Stau gezahlten Kaufgeldes 137 000 JC betragen.
494
Centralblatt der Bauverwaltung.
2!). IVdveiiibcr 1890.
Ferner wurden zwei Brücken über die Alle gebaut: 1884 85 bei
Schallen mit 1889,90 bei Gr. Wohnsdorf mit 100 000
1). Das Meiuelgebiet.
Für die Eegulirung der Memel und ihrer Mündungsarme Rufs,
Atmath und Gilge Avar die Verwendung einer Kostensumme von
3 236 000 ./Ä in Aussicht genommen.
Bis auf wenige Arbeiten, welche zur Deckung einiger Regulirungs¬
werke noch nöthig sind, wird die Regulirung im Laufe dieses Jahres
vollendet und dafür der Rest der Anschlagssumme ausgegeben werden.
In den ausgebauten Stromstrecken sind die geplanten Wassertiefen
bisher erreicht worden.
Vor den Mündungen der zum Memelgebiet gehörigen Flufsarme in
das kurische Half sind bei dem Dorfe Inse, in den Jahren 1880 84,
und an der Gilgemündung im Jahre 1886 Seitendämme, welche die
Flufsläufe über die vorliegenden Verflachungen hinaus bis zu gröfseren
Wassertiefen begleiten und die Strömung bis dahin Zusammenhalten,
angelegt worden, welche 135 000 ,4^ und 60 000 .4^ gekostet haben.
Die Erbauung eines Winterhafens bei Schmaleningken ist ini
Jahre 1887 unter Aufwendung von 117 000 Jt zur Ausführung ge¬
bracht worden.
In den Jahren 1883/85 ist die neue Gilgebrücke bei Sköpen für
151 OOO .Jf, in 1880,82 die Brücke über den Schirwindtflufs bei Schir-
windt für 200 000 JC und in denselben Jahren die Pissabrücke zii
Guinbinnen für 106 000 Jt erbaut worden.
C. Eriolffe.
Die Erfolge der theils vollendeten, theils noch in der Ausführung
begriffenen Verbesserungen der preufsischen Wasserstrafsen sind im
allgemeinen hinter den Erwartungen nicht zurückgeblieben und werden
von den Betheiligten bereitwillig anerkannt. Allerdings fehlt es auch
nicht an Stimmen, welche einerseits jene Thatsachc bestreiten, ander¬
seits zu einem schnelleren Vorgehen, namentlich in der Anlegung
neuer, künstlicher Wasserstrafsen drängen.
Während in der letzten Beziehung keine Veranlassung vorliegt,
die financiellen Kräfte des Staates in noch höherem Grade anzu¬
spannen, als es in den jüngsten zehn Jahren geschehen und für die
nächste Zeit bereits in Aussicht genommen ist, läfst sich die Un¬
zufriedenheit Einzelner auf den Umstand zurückführen, dafs man
vielfach in der Gröfse und dem Tiefgange der Fahrzeuge über das¬
jenige Mafs hinausgegangen ist,' welches nach der zeitigen Beschaffen¬
heit der benutzten Wasserstrafsen vernünftigerweise eingehalteu
werden mufste.
Die Bemühungen, die Entwicklung der Dampfschiffahrt
sowohl mit einzelnen Personen- und Lastschiff’en, als auch in Schlepp¬
zügen, welche entweder frei oder an einer Kette, bezw. einem Draht¬
seil fortbewegt werden, im Gegensatz zu der bisher üblichen, schwer¬
fälligen und langsamen Segelschift’ahrt, thunlichst zu fördern, haben
u. a. darin einen bestimmten Ausdruck gefunden, dafs das früher
untersagt gewesene Befahren der Canäle mit Dampfschiffen gegen-
Avärtig nach Vollendung der hierzu erforderlich gewesenen Ufer¬
befestigungen usvr. für alle preufsischen Canäle frei gegeben, und
dafs' den Dampfschiffen mit ihrem etwaigen Anhänge das Vorfahrt-
und Vorschleuserecht eingeräumt worden ist. Die Dampfschiffahrt
auf den Strömen und Canälen hat dann auch in allen Landestheilen
einen höchst erfreulichen Aufschwung genommen.
Die in Rede stehenden Erfolge bewirken weniger eine unmittel¬
bare Erhöhung der Staatseinnahmen, als dafs sie allgemein volks-
wirthschaftlicher Natur sind. Ist es schon aus diesem Grunde nicht
möglich, dieselben, wie die Erträge der Eisenbahnen, in Geld aus¬
zudrücken, so ist anderseits selbst da, wo die erforderlichen statisti¬
schen Erhebungen zur Verfügung stehen, weder die Anzahl der auf
den Wasserstrafsen verkehrenden Schiffe, noch die in den Schiffen
fortbewegte Masse an Gütern ohne weiteres geeignet, einen zu¬
treffenden Vergleich zwischen den früheren und den jetzigen Schiff¬
fahrtsverhältnissen anzustellen.
Dafs beinahe ausnahmslos bei allen preufsischen Wasserstrafsen,
wenn nicht die Gröfse, so doch der Tiefgang, also auch die durch¬
schnittliche Belastung der Fahrzeuge zugenommen hat, ist, abgesehen
von den weiter unten hierüber zu machenden Mittheilnngen, so in
die Augen springend, dafs selbst bei solchen Verkehren, bei welchen
etwa die Zahl der Schiffe sich nicht vermehrt hat, eine erhebliche
Zunahme der beförderten Massen mit Zuversicht behauptet werden
kann. In solchen Fällen, in welchen etwa die statistischen Auf¬
zeichnungen eine Vermehrung der beförderten Massen nicht nach-
weisen, bleibt immer noch die in Zahlen nicht zur Erscheinung ge¬
langende erhöhte Sicherheit und Schnelligkeit der Beförderung von
nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Wasserstrafsen befinden
sich zumeist schon jetzt in einem Zustande, welcher den Verfrachtern
und Empfängern von Gütern die früher nicht vorhanden gewesene
Möglichkeit gewährt, bestimmte Lieferungsfristen zu vereinbaren und
infolge dessen auch werthvollere Waren als bisher dem Wasserwege
anzuvertrauen. Nicht minder fällt, bei sonst gleichen Massen, die
Verminderung der Beförderungskösten für die Massen-Einheit, welche
sich als eine Folge des planrnäfsigen Ausbaues der Wasserstrafsen
unzweifelhaft ergiebt, ins Gewicht, obwohl sie aus den statistischen
Nachweisungen in der Regel nicht ersehen werden kann.
a) Die Gröfse und Tragfähigkeit der Fahrzeuge.
Die allgemeine Verbesserung der Verkehrs -Verhältnisse tritt
handgreiflich überall da in die Erscheinung, wo eine Erhöhung nicht
allein der Schiffszahl, sondern auch der Gröfse und Tragfähigkeit
der Fahrzeuge statistisch nachgewiesen werden kann. In Bezug auf
die Haupt-Stromgebiete ist hierüber nachstehendes anzuführen:
Auf dem Rhein hatten die im Jahre 1880 verkehrenden Fahr¬
zeuge eine Tragfähigkeit von höchstens 18 000 Ctr. , gegenwärtig
befahren diesen Strom Schifte, welche bei 80 m Länge, 10 m Breite
in voller Ladung bei 2,30 bis 2,40 m Tiefgang 26 000 Ctr. Trag¬
fähigkeit aufweisen. Die Zahl der den Rhein befahrenden Schiffe
hat in den letzten 10 Jahren von 5000 auf 6260, als.o um 25 pCt. zu¬
genommen. Als Schleppdampfer dienen sowohl Seitenrad-, als auch
Schrauben-Dampfer, von .denen die leistungsfähigsten mit Maschinen
von 1000 Pferdekräften ausgerüstet sind und 70 000 bis 80 000 Ctr..
Ladung in je vier eisernen Schiffen binnen 20 bis 22 Stunden von
Rubrort bis Köln schleppen. Die Schleppkosten stellen sich durch¬
schnittlich auf 0,21 bis 0,24 Pf. das Tonnenkilometer. Von den Fracht¬
dampfern, welche den Rhein befahren, sind besonders bemerkenswerth
die Rhein -See -Dampfer, welche den Verkehr zwischen Köln und
London, neuerdings auch nach Bremen und der Ostsee vermitteln. Ein
solcher Seedampfer ist 61 m lang, 8,7 m breit und geht auf dem Rhein
bei 10 000 Ctr. Ladung 2,51 m tief. Die Tauerei wird auf der Strecke
Bonn-Bingen im Wettbewerb mit den andern Schleppern, besonders
bei niedrigen Wasserständen mit Vortheil betrieben.
Während die Tragfähigkeit der gröfseren Wes er- Fahrzeuge vor¬
der Regulirung 2800 bis 3000 Ctr. betrug, verkehren, namentlich auf
dem unteren Theile dieses Stromes abwärts bis Bremen, gegenwärtig
Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 6000 bis 7000 Ctr. bei einem
Tiefgange bis zu 1,7 m.
Die ausschliefslich für die Eibe bestimmten Fahrzeuge haben
gegenwärtig eine Länge bis zu 74 m, eine Breite bis 10,60 m (ein-
schliefslich der Berghölzer) und eine Bordhöhe bis zu 2 m und
darüber. Während vor noch nicht langer Zeit Fahrzeuge von 10 000
bis 12 000 Ctr. Tragfähigkeit als sehr grofs galten, tragen die jetzigen
Fahrzeuge bei einer Freibordhöhe von 32 cm bis zu 15 000 Ctr. bezw.
für Kohlenladungen bei einer Freibordhöhe von 26 cm bis 16 000 Ctr.
Die gröfseren Schleppdampfer haben eine Länge von 60 bis 66 m
und eine Breite ohne Radkasten von 7 m, mit Radkasten von 13 bis
15 m, bei einem Tiefgange mit Wasser auf den Kesseln und Kohlen
von 0,9 bis 1,2 m. Dieselben schleppen im Anhänge ungefähr 2250
bis 2500 Tonnen. Der gröfste auf der Elbe zwischen Magdeburg und
Hamburg verkehrende Schleppdampfer (Hohenzollern, den Gebrüdern
Tonne in Magdeburg gehörig) hat rund 67 m Länge, 8 m Breite ohne
und 16 m Breite mit Radkasten, 2,70 m Höhe in der Mitte und ver¬
mag im Anhänge 3000 Tonnen stromauf zu befördern. Die neueren
Eilgutdampfer, welche etwa 4000 bis 6000 Ctr. Güter aufzunehmen
und etwa 600 Tonnen im Anhänge zu schleppen imstande sind, be¬
sitzen eine gröfste Länge von 60 bis 65 m und eine Breite bis zu 7,
mit Radkasten bis zu 13 m. Ihr Tiefgang beträgt mit Wasser auf
den Kesseln, den nöthigen Kohlen und voller Ladung 1,4 bis 1,5 m.
Die gröfsten Fahrzeuge, deren Verkehr bisher auf den Wasser¬
strafsen zwischen der Elbe und Oder zugelassen wurden, hatten
nur 40,2 m Länge xind 4,6 m Breite, weil die Schleusen auf dem
Finow- und Friedrich -Wilhelm -Canal keine gröfsere Abmessungen
gestatteten. Der zulässige Tiefgang von 1,25 m konnte nur selten
ausgenutzt werden, weshalb die bei diesem Tiefgange sich ergebenden
Ladungen bis zu 2000 Ctr. nicht häufig vorkameu Der Ausbau der
Havel von der Elbe aufwärts bis Spandau und des Plauer Canals,
ferner die Canalisirung der Unterspree zwischen Spandau und Berlin
haben zur Folge gehabt, dafs nunmehr zwischen der Elbe von Ham¬
burg einerseits und von Magdeburg anderseits nach Berlin die
gröfseren Elbfahrzeuge von 65 m Länge, 8 m Breite und 1,5 ni Tief¬
gang, also von 8000 bis 10 000 Ctr. Tragfähigkeit frei verkehren und
durch Dampfschiffe von entsprechender Gröfse, welche je 4 bis 5
dergleichen Schifte mit sich führen, geschleppt werden dürfen. Fahr¬
zeuge von nahezu derselben Gröfse werden nach der Eröffnung des
Oder-Spree-Canals von der Oder her bis Berlin gelangen, schliefslich
Kr. 48,
Centralblatt der Banverwaltun^.
495
abei’ wird die Fertigstellung der weiteren Spree-Canalisirung. nament¬
lich der Schiffsschleuse im Miihlendamm allen diesen Schiften den
unmittelbaren Verkehr zwischen den an der Elbe und Oder gelegenen
Handelsplätzen gestatten. Die Umbauten des Finow -Canals haben
für die hier verkehrenden Schifte zwar keine Vergröfserung der
Längen- und Brcitenmafse, wohl aber eine solche des Tiefgangs er¬
möglicht, infolge deren die Oderkähne neuerer und verbesserter Bau¬
art nunmehr Ladungen bis zu 3000 und 3500 Ctr. führen.
Von den auf der Oder verkehrenden Fahrzeugen hat der über¬
wiegend gröfsere Theil noch die soeben angegebenen ftnowcanal-
mäfsigen Abmessungen und die entspi-echende Tragfähigkeit, aber
die Zahl der gröfseren Fahrzeuge bis zu 55 m Länge, 8 m Breite und
1,45 m Tiefgang, also bis zu 8000 Ctr. Tragfähigkeit, ist in lebhafter
Zunahme begriffen. Gegenwärtig wird die Schiffs-Reederei auf der
Oder hauptsächlich durch 11 Gesellschaften betrieben, welche hierfür
in 1889 = 56 Dampfer mit zusammen = 9164 und im einzelnen von
62 bis 339 indicirten Pferdestärken besitzen. Davon sind die auf
der unteren Oder verkehrenden meist Schraubendampfer, die auf der
oberen Oder Seiten- und Hinterraddampfer. Die in 1880 von Breslau
bis Stettin fahrenden Dampfer waren nur imstande, etwa = 6000 Ctr.
Last stromaufwärts zu schleppen, wogegen diese ihre Leistung in
1889 = 20 000 Ctr. beträgt. Zur vollen Ausbildung wird die Oder-
fiotte erst durch die Eröffnung des Oder-Spree-Canals und durch die
Canalisirung der oberen Oder gelangen, deren Beginn, wie erwähnt,
unmittelbar bevorsteht.
Endlich sind auch bei der Weichsel die wohlthätigen Wir¬
kungen der bisherigen Regulirungen aus der Zunahme der Tragfähig¬
keit der darauf verkehrenden Schiffsgefäfse zu erkennen, insofern die
Tragfähigkeit bei den Dampfschiffen von 2000 auf 6000 Ctr., bei den
Segelschiffen von ebenfalls 2000 auf 4000 Centner in die Höhe ge-
.gangen ist.
b) Die Entwicklung- des Verkehrs.
Nachstehend folgen einige, auf die Hauptströme Bezug habende
Terkehrszahlen, sämtlich in Abrundung:
Die Gesamtverladung in den hauptsächlichsten Rheinhäfen
zwischen Biebrich und Wesel betrug:
im Jahre 1882: 3 800 000 t
1883: 4 500 000 t
1884: 4 400 000 t
1885: 5 900 000 t
1886: 6 200 000 t
1887: 6 500 000 t
1888: 7 500 000 t
Ueber die preufsisch- niederländische Grenze wurden auf dem
Rhein befördert:
im Jahre 1885: 4 500 000 t
1886: 4 500 000 t
1887: 5 000 000 t
1888: 5 500000 t
Auf dem canalisirten Main ist die Verkehrsleistung, abgesehen
vom Flofs -Verkehr
von rund 312 000 Tonnenkilometer im Jahre 1881/82
auf „ 15 350 000 ,. „ „ 1887
und „ 20 550 000 „ „ „ 1888
gestiegen; sie hat sich also gegen 1882 im Jahre 1887 auf das
49 fache, im Jahre 1888 auf das 66 fache erhöht, ohne bis dahin an
-der Grenze ihrer Steigerung angelangt zu sein.
Auf der oberen Ems betrug der Verkehr:
im Jahre 1881: 11200 t
1882: 15 900 t
1883: 15100 t
1884: 20 900 t
1885: 16 900 t
1886: 15 700 t
1887: 14 800 t
1888: 14 700 t
Auf der Weser sind bei Minden
angekommen abgegangen durchgegangen
im Jahre 1882: 16 000 t 1800 t 20 800 t
1883 : 23 000 t 4900 t 38100 t
1884: 20 200 t 3800 t 54000 t
1885: 28 600 t 5000 t 80 000 t
1886: 22 600 t 3600 t 79 000 t
1887 : 29 200 t 7300 t 101 000 t
1888: 43 000 t 4100 t 106 000 t
Auf der Elbe sind:
a) über die Zollgrenze bei Schandau:
b)
eingeführt
ausgeführt
im Jahre 1883
1 504 000 t
186 000 t
1884
1 599 000 t
223 000 t
1885
1 474 000 t
172 000 t
1886
1 680 000 t
176 000 t
1887
1 652 000 t
193 000 t
1888
2 171 000 t
198 000 t
er die Zollgrenze
bei Hamburg:
eingeführt
ausgeführt
im Jahre 1883
1 233 000 t
1 159 000 t
1884
1 420 000 t
1 224 000 t
1885
1 323 000 t
1 275 000 t
1886
1 219 000 t
1 295 000 t
1887
1 242 000 t
1 335 000 t
1888
1 302 000 t
1 386 000 t
wozu bemerkt wird, dafs die hauptsächlichsten Regulirungen der Elbe
schon im Jahre 1883/84 zum Abschlufs gekommen sind.
Die Verkehrsentwicklung auf den Wass erstrafsen zwischen
der Elbe und Oder ergiebt sich aus der Zahl der durch folgende
Schleusen beförderten Schiffe:
Jahr
Finow-
Canal
Hohen-
saaten
Havel
Branden¬
burg
Berlin Landwehrcanal
Endschleusen
einwärts auswärts
1878
13 600
14 600
13 700
13 600
1879
15 800
12 200
12 000
11800
1880
16 900
15 100
14 000
14 900
1881
14 000
16 100
14 500
14400
1882
15 600
16 800
15 200
15 200
1883
17 000
18 600
16 600
16 500
1884
18 400
20 000
15 700
15 700
1885
19 700
21500
15 300
15 200
1886
18 200
22 400
15 400
15 000
1887
19 800
24 800
16 900
16 800
1888
20 400
24 800
16 600
16 600
Auf der Oder gingen durch Küstrin:
stromauf Dampfer
stromab dgl.
stromauf Segelschiffe
stromab dgl.
im Jahre 1880:
. 126 Stück mit
. 125 dgl.
. 948 dgl.
. 848 dgl.
890 Tonnen Ladung
725 dgl.
72 121 dgl.
59 371 dgl.
zus. 251 Dampfer, 1796 Segelschiffe mit 138 107 Tonnen Ladung
dagegen im Jahre 1889:
stromauf Dampfer .... 480 Stück mit 2 980 Tonnen Ladung
stromab
dgl. . .
. . 544
dgl.
3 840
dgl.
stromauf Segelschiffe
. . 2416
dgl.
293 846
dgl.
stromab
dgl.
. . 3714
dgl.
464 549
dgl.
zus. 1024 Dampfer, 6130 Segelschiffe mit 765 215 Tonnen Ladung
Ferner gingen durch die Brücke zu Steinau:
im Jahre 1880:
stromauf Dampfer .... 84 Stück
stromab dgl. .... 86 dgl.
stromauf Segelschiffe ■ . . 1167 Stück mit 46 800 Tonnen Ladung
stromab dgl. . . . 1129 dgl. 83 790 dgl.
zus. 170 Dampfer, 2296 Segelschiffe mit 130 590 Tonnen Ladung
dagegen im Jahre 1889:
stromauf Dampfer .... 630 Stück
stromab dgl. .... 603 dgl.
stromauf Segelschiffe . . . 4380 Stück mit 223 733 Tonnen Ladung
stromab dgl. . . . 4336 dgl. 582 032 dgl.
zus. 1233 Dampfer, 8716 Segelschiffe mit 805 765 Tonnen Ladung
Im Unterwasser von Breslau verkehrten im Jahre 1880 stromauf
und -ab zusammen 2335 Fahrzeuge mit beziehungsweise 51 468 Tonnen
und 73 886 Tonnen, zusammen 125 354 Tonnen Ladung; dagegen im
Jahre 1889 10 741 Fahi'zeuge mit bezw. 231850 und 560 596 Tonnen
Ladung, zusammen 792 446 Tonnen Ladung. Hiernach hat sich in dem
Zeitraum von 1880 bis 1889 der Schiffahrtsverkehr auf der Oder in
Bezug auf die Zahl der Fahrzeuge und den Umfang der Ladungen
etwa verfünffacht, während die Tragfähigkeit der gröfseren Schiffe
etwa um das Dreifache gewachsen ist.
Erwähnt mag noch werden, dafs in Breslau im Jahre 1889 ein
lebhafter Personen-Dampfschiffsverkehr stattgefunden hat. Es wurden
befördert: im Oberwasser mit 2727 Hin- und Rückfahrten 185 800 Per¬
sonen, im Unterwasser mit 867 Fahrten 50 300 Personen, also zu¬
sammen mit 3594 Hin- und Rückfahrten 236 100 Personen.
496
Centralblatt der Bauverwaltung.
29. November 1890.
Bei der Warthe zeigen sich die Folgen der bisherigen Re¬
gulirungen in der Zunahme der Tiefen und in der Begradigung der
Fahrrinne, sie kommen aber, weil Rufsland das Hinterland bildet,
im Schift’sverkehr noch nicht so zum Ausdruck, wie es unter andern
Umständen gewifs der Fall sein würde. Für das Jahr 1889 ergeben
sich nämlich:
a) bei der Erhebuugsstelle Pogorzelice 25 Schiffe weniger als 1888,
aber 1763 Tonnen Ladung mehr,
b) bei der Erhebungsstelle Schwerin 102 Schiffe mit 9082 Tonnen
Ladung weniger als 1888, dagegen 57 198 Tonnen Flofsholz
mehr,
c) durch die Brücke bei Küstrin gingen:
Dampfschiffe Segelschiffe
im Jahre 1878
—
5500
1881
—
4700
1882
90
5000
1883
260
4600
1884
260
4300
1885
340
5300
Dampfschiffe Segelschiffe
im Jahre 1886 : 440 4700
1887: 430 5100
1888: 230 4700
Die Gründung neuer Dampfschiff-Gesellschaften steht bevor.
In Bezug auf die Weichsel, deren Regulirung zur Zeit noch in
der Ausführung begriffen ist, den Pregel und die Memel fehlen aus¬
reichend zuverlässige Aufzeichnungen.
Die vorstehend mitgetheilten Zahlen geben ein Bild nicht allein
von der Steigerung des Verkehrs auf den preufsischen Wasserstrafsen,
welche sich in den letzten Jahren trotz der für den Handel im ganzen
wenig günstigen Zeitverhältnisse vollzogen hat, sondern auch von
der Mächtigkeit dieses Verkehrs im allgemeinen.
Zu bemerken bleibt noch, dafs die in landvvirthschaftlichen Kreisen
mehrfach geltend gemachte Behauptung, durch die Regulirungswerke
werde die Vorfluth in den Strömen behindert und die Hochwasser- Ab¬
führung benachtheiligt, jedesmal durch Beibringung statistischer Nach¬
weise, welche das Gegentheil erhärteten, mit Erfolg hat widerlegt
werden können.
II. Die Seebaiiten.
Auch auf die Bauten an der See sind erhebliche Geldmittel vei'-
wandt worden, welche die Unterhaltung und Verbesserung der Häfen
und der Sehiffahrtszeichen, die Befestigung der Meeresufer und der
Dünen sowie die Herstellung neuer Seeschift’ahrtsverbindungen be¬
zweckten. In letzterer Beziehung verdient au erster Stelle die Bewilli¬
gung einer Vorausleistung des preufsischen Staates zu den Kosten
des vom Reiche ausgeführten Baues des Nord-Ostsee-Canals Erwähnung,
welche durch das Gesetz vom 16. Juli 1886 (Ges. S. 1886 S. 209) er¬
folgt und hauptsächlieh dadurch begründet ist, dafs durch den Bau
dieses Canals, bei welchem von Wittenbergen über Rendsburg bis
Steinrade der Eiderstrom und von dort bis Holtenau an der Kieler
Bucht das Bett des jetzt bestehenden Eidercanals benutzt werden
sollen, Preufsen der Aufgabe, die Eiderwasserstrafse in einen dem
Schiffsverkehr einigermafsen entsprechenden Zustand zu versetzen,
überhoben wird, der Canalbau auch die Erreichung wichtiger Landes¬
meliorationen in der Provinz Schleswig-Holstein, namentlich in der
Richtung besserer Entwässerung grofser Niederungsgebiete in Aus¬
sicht stellt.
Abgesehen von den Summen, welche durch dieses Gesetz sowie
durch das später noch zu erwähnende Gesetz vom 30. Juni 1886 zur
Unterstützung der Stadt Altona bewilligt worden, sind in den letzten
zehn Jahren für die gewöhnliche Unterhaltung der Seehäfen usw. im
ganzen nahezu 25 Millionen Mark, und für Neubauten an Seehäfen
usw. im ganzen 22 Millionen Mark, zusammen also rund 47 Millionen
Mark zur Verfügung gestellt und verausgabt. Aufser der Eigänzung
und Erneuerung der Bohlwerke und der für das Laden und Löschen
der Schiffe dienenden Anlagen nahmen die Baggerungen in den Hafen¬
einfahrten und in den Häfen bei weitem den gröfsten Theil der Unter¬
haltungsfonds in Anspruch.
a) Scliiffalirtszeiclieii.
(Leuchtthürme, Nebelsignale, Tonnen usw.)
Die gewöhnliche Unterhaltung der Leuchtfeuer und Tonnen er¬
forderte im Durchschnitt jährlich 330 000 Jl. Für Reparaturen an
den Thürraen und Feuerschiffen, für Einführung der Petroleumbe¬
feuerung, Umwandlung der feuergefährlichen hölzernen Ti-eppen und
Decken in feuersichere und für Beschaffung von luftdichten Petroleum-
Behältern sind in den letzten zehn Etatsjahren zusammen 217 000 Jl
ausgegeben.
Neue Leuchtthürme sind errichtet auf Borkum an Stelle des
durch Feuer zerstörten Thurmes, bei Dameshöft und bei Wester¬
markelsdorf auf der Insel Fehmarn, und auf der Nordspitze der Insel
Hiddensoe, dem sogenannten Dornbusch. Diese vier Leuchtthürme
mit den zugehörigen Wärterwohnungen kosten zusammen 461 000 Jl.
Die untere Ems, die ein sehr gekrümmtes Fahrwasser hat, war
bisher so ungenügend beleuchtet, dafs diese Strecke zur Nachtzeit
nicht befahren werden konnte. Nachdem im Anschlufs an den Ems-
Jade-Canal der Plafen zu Emden ausgebaut und durch die neuerrich¬
tete Nesserlander Schleuse grofsen Seeschiffen von 6 bis 6V2 m Tief¬
gang zugänglich gemacht, auch das Fahrwasser der Ems für die
weiter aufwärts nach Leer und Papenburg gehenden Schiffe erheblich
verbessert worden, war das Bedürfnifs der besseren Befeuerung der
Unter-Ems 7ein so dringendes [geworden, dafs Abhülfe geschaffen wer¬
den mufste.il Nach Vereinbarung mit der niederländischen Regierung
ist der Plan für ein ordnungsmäfsiges Beleuchtungssystem festgestellt
und im Jahre 1888/89 mit der Ausführung begonnen worden. Von
den Kosten der sieben neuen Leuchtfeuer auf Borkum, dem Randzel
(2 Feuer), bei Pilsum, Campen, Watum und Delfzyl, welche hierfür
erbaut werden mufsten, und die im Etatsjahre 1889/90 vollendet wor¬
den sind, entfallen auf die innerhalb des preufsischen Gebiets herzu¬
stellenden Feuer 720 000 Jl., während die Anlagen auf niederländi¬
schem Gebiete zu 131 980 Jl veranschlagt sind. Die Gesamt-Neubau-
Kosten tragen beide Staaten zur Hälfte.
Nach Herstellung des Leuchtthurmes auf Hiddensoe ist die ganze
preufsische Meeresküste mit Ausnahme eines etwa 30 km langen
Streifens vor der frischen Nehrung vollständig beleuchtet. Da die
Leuchtkreise der Thürme zu Pillau und Heia in einigem Abstande
von der Küste nur 10 km von einander entfernt sind, so liegt ein
dringendes Bedürfnifs zur Beseitigung dieser unbeleuchteten Strecke
nicht gerade vor. Da diese Lücke in der Beleuchtung aber unter
besonders ungünstigen Verhältnissen doch zu Schiö’sstrandungen Ver¬
anlassung geben kann, so wird mit der Zeit auf die Errichtung eines
Leuchtthurmes in der Nähe des Seebadeortes Kahlberg Bedacht zu
nehmen sein, wodurch dem bestehenden Mangel abgeholfen werden
würde.
Um die Schiffe bei undurchsichtigem Wetter und bei Nebel über
ihre Lage zu orientiren, sind bereits im Jahre 1879 bei Arkona und
Marienleuchte auf der Insel Fehmarn, demnächst aber im Jahre 1880
auf dem Reservefeuerschift’ vor der Eidermündung und dem Feuer-
sehiff auf Borkumrift’ Brownsche Nebel- Sirenen aufgestellt, auch ist
im Jahre 1883 auf dem Fedderorter Riff unfern von der Spitze der
Halbinsel Heia eine Courtenaysche Heultonne verlegt worden. Hier¬
für ist im ganzen die Summe von 193 000 verausgabt. Weitere
Heultonnen sind in der Emsmündung und in der Höhe von Norderney
ausgelegt.
Im Jahre 1887 ist auf dem Bauhofe zu Bredow bei Stettin
eine Niederlage von sämtlichen für den Betrieb der Leuchtthürme
erforderlichen Materialien, welche von hier aus an die verschiedenen
Leuchtthürme verabfolgt werden, eingerichtet worden. In Verbindung
damit steht eine Versuchsanstalt, in welcher jene Stoffe in Bezug auf.
ihre Güte und Probemäfsigkeit mittels geeigneter Vorrichtungen
(Photometer, Normal-Lampen und Brenner usw.) untersucht werden.
Die vergleichenden Versuche, welche sich bei den Gelen auf die
specifischen Gewichte, die Entflammbarkeit, die Destillationsproducte
bei Erhitzungen bis zu 30° C., ferner bei den Dochten auf die Brenn¬
dauer, die Aufsaugungsfähigkeit, die Verkohlung, endlich bei den
Flammen auf die Lichtstärken erstrecken, leisten dafür Gewähr, dafs
die Materialien in gleichmäfsiger und vorzüglicher Beschaffenheit von
der Hauptniederlage an die Leuchtthurm -Verwaltungen abgegeben
werden können. Die Station soll nach und nach so erweitert werden,
dafs auch kleinere Leuchtapparate geprüft werden können und neu
anzustellende Leuchtthurm -Wärter Gelegenheit zu ihrer Ausbildung
erhalten.
In den schwimmenden Seezeichen vor den Hafen-Eingängen
und auf den Untiefen der Nord- und Ostsee fanden bisher erhebliche
und vielfach nachtheilige Verschiedenheiten statt. Um hierin die
wünschenswerthe Uebereinstimmung herbeizuführen, sind von dem
Reichskanzler auf Grund eines Bundesraths - Beschlusses unter dem
31. Juli 1887 Grundsätze für die einheitliche Bezeichnung der Fahr¬
wasser aufgestellt, und ist die allgemeine Durchführung der neuen
Bezeichnung bis zum 1. April 1889 angeordnet worden. Die preufsi-
Centralblatt der Bauverwaitung.
497
Kr. 48.
sehe Staatsregieruug hat dieser Bestimmung mit einem durch die
erforderliehen Umänderungen vorhandener und die Beschaffungen
neuer Seezeichen herbeigefiihrten Kostenaufwand von rund 500 000 Jf
■entsprochen.
b) Uferschutz- und Dünenbauten.
Nicht unerhebliche Geldmittel werden dauernd auf die Befestigung
•der Meeresufer und Dünen verwandt.
Aufser den etatsmäfsigen Summen, welche den Regierungen über-
Tviesen werden, und die zusammen im Durchschnitt jährlich 170 000
RetrageD, wurden ihnen hierfür in den letzten zehn Jahren 3 126 000 Jt
züT Verfügung gestellt. Den gröfsten Theil hiervon, und zwar die
Summe von 2 650 000 Jf, nahmen die Uferschutzbauten auf den ost-
friesischen Inseln in Anspruch, deren Erhaltung sowohl wegen der
auf ihnen befindlichen Leuchtthürme und Landmarken, wie auch
-wegen des Schutzes, den sie der festländischen Küste gegen die An-
, griffe der Meereswellen gewähren, von der gröfsten Wichtigkeit ist.
Für eine Reihe von Jahren wird die Fortsetzung dieser Bauten vor¬
aussichtlich noch weitere Geldmittel erfordei-n.
Im Stralsunder Regierungsbezirk sind für die Coupirung des
Durchbruches, der vor nahezu 20 Jahren in der Insel Hiddensee statt¬
gefunden hatte und die Erhaltung der Tiefe in dem Norder-Fahr¬
wasser sehr erschwerte, sowie für die Befestigung der hohen, thonigen
Ufer der Greifswalder Oie und der Insel Rügen bei Thiessow und
Göhren und der Ufer der als Lotsenstation wichtigen Insel Rüden
in den letzten zehn Jahren Zuschüsse im Gesamtbeträge von rund
180 000 Jt bewilligt. Die durch die Schutzarbeiten erzielten Erfolge
sind recht günstige, sodafs die Ufer, welche durch die Deckwerke
geschützt sind, weiteren Abbruch durch die Wellen nunmehr nicht
-erleiden.
Eine besondere Aufmerksamkeit ist der Befestigung der Dünen
auf der Kurischen Nehrung zugewandt worden. Diese fast 100 km
lange Landzunge ist mit hohen kahlen Dünen bedeckt, welche sich
unter dem Einflufs der vorherrschenden Westwinde nach dem Kurischen
Haff zu bewegen und auf ihrer Wanderung die am Haffufer gelegenen
Fischerdörfer mit Sand überschütten. Nur an wenigen Stellen, bei
Sarkau, Rossitten, Nidden und Schwarzort befinden sich aus alter
Zeit Waldbestände. Abgesehen von dem allgemeinen Landescultur-
interesse, ist es auch für die Seeschiffahrt von Wichtigkeit, dafs diese
Dünen festgelegt werden, da andeimfalls durch dieselben nicht nur
■das Kurische Hatf, welches ein werthvolles Spülbassin für das Memeler
Tief bildet, verkleinert, sondern auch der von dem nördlichen Theile
■der Nehrung in das Haff stürzende Sand durch die Strömung in das
Memeler Tief und in das Seegatt geführt wird und hier zu nach-
f heiligen Verflachungen Veranlassung giebt. Die Festlegung dieser
ausgedehnten Dünenflächen ist insofern mit grofsen Schwierigkeiten
■verknüpft, als einmal die Zeit, während weleher die Befestigungs¬
arbeiten, namentlieh die Pflanzungen ausgeführt werden müssen, eine
sehr beschränkte ist, und sodann bei der schwachen Bevölkerung
der Nehrung die Arbeitskräfte von fern herbeigezogen werden müssen.
Die Bepflanzungen finden im Anschlufs an die vorhandenen Wald¬
bestände statt und sind namentlich in neuerer Zeit mit gröfserer
Energie auf der Strecke von der Nehrungsspitze nach Schwarzoi’t zu
in Angriff genommen. In den letzten zehn Jahren sind aus den dies¬
seitigen Fonds für diese Arbeiten Zuschüsse im Gesamtbeträge von
390 000 zur Verfügung gestellt, und damit sichtbare und zufrieden¬
stellende Erfolge erreicht worden. Für die weitere Festlegung und
Bewaldung der Wanderdünen ist die Verwendung von überhaupt
1 500 000 Jt in Aussicht genommen, welche gleichmäfsig auf fünfzehn
Jahre vertheilt werden sollen. Obwohl hiernach zwar die Arbeiten
langsam von statten gehen werden, so ist doch die Hoffnung vor¬
handen, die ausgedehnten, vollkommen unfruchtbaren Flächen im
Laufe der Jahre der Cultur wieder zu gewinnen.
Um eine wirksame Bewachung der Dünen-Culturen zu ermög¬
lichen und die Aufsichtsbeamten den Bewohnern gegenüber unab¬
hängiger zu stellen, sind seit dem Jahre 1878 fünf Dünenwärter¬
gehöfte erbaut, und zwar bei Preil und Rossitten auf der Kurischen
Nehrung, zu Strauchbucht auf der Frischen Nehrung, bei Ceynowa
auf der Halbinsel Heia und bei Vitte im Kösliner Regierungsbezirk,
die zusammen 75 000.Jf gekostet haben.
c) -Seehäfen.
Von den für Hafen -Neubauten bewilligten Geldern ist der über-
-wiegende Theil auf die Vervollkommnung der unter Staatsver¬
waltung stehenden Häfen verwandt.
Am Beginne dieser Berichtsperiode sind die Ausgaben veran¬
schlagt worden, welche erforderlich waren, um die dringendsten Ver¬
besserungen an den Seehäfen zur Ausführung zu bringen. Die hier¬
für in Aussicht genommenen Arbeiten, welche nunmehr im wesent¬
lichen beendet sind, waren folgende:
1. Der Hafen zu Memel.
Die Seemolen waren derart verfallen, dafs die Krone an vielen
Stellen unter Wasser lag und die vom Haff nach der See strömenden
Wassermassen, indem sie sich seitlich ausbreiteten, auf die Er¬
haltung der Tiefe im Seetief und Seegatt nur in geringerem Mafse
einwirken konnten. Aufserdem genügten die Lade- und Löschplätze
nicht dem Verkehr und es fehlte an einem geeigneten fiscalischen
Bauhofe.
Die Molen sind erhöht und übermauert, sodafs sie die ausgehende
Strömung Zusammenhalten. Die Nordermole ist aufserdem seeseitig
mit einer Brüstungsmauer versehen, um auch bei starkem Seegang
den Verkehr auf derselben zu ermöglichen. Auf dem Kopf der Mole
ist eine Leuchtbake errichtet, die vom Lande aus mittels einer Röhren¬
leitung mit Fettgas unter starkem Drucke gespeist wird. Durch die
ausgehende Strömung wird das Tief und Seegatt jetzt in so wirk¬
samer Weise geräumt, dafs ohne übermäfsige Baggerung eine Tiefe
von 6 m erhalten wird. Durch Vertiefung des Winterhafens und der
Dange, sowie durch den Bau einer Kaimauer am Süder-Ballastplatz
und von Bohlwerken an der Dange ist dem Bedürfnifs nach Liege-
und Ladeplätzen abgeholfen. Für die Aufnahme und Reparatur der
fiscalischen Dampfschiffe und Dampfbagger, Prähme usw. ist ein mit
Werkstätten, Magazinen und Hellingen ausgestatteter Bauhof mit
einem geräumigen Bauhafen eingerichtet.
Die gesamten Arbeiten waren veranschlagt zu 2 363 000 Jt, und
es sind bis jetzt 2 246 000 Jt für diese Arbeiten ausgegeben worden.
'2. Der Hafen zu Pillaii und die Häfen am
Frischen Haff.
Die Verhältnisse bei dem Pillauer Hafen waren ähnliche wie bei
Memel und insofern noch ungünstiger, als das rechte Ufer des See¬
tiefs eine vielfach gebrochene Linie bildete, durch welche die aus¬
gehende Ströro.ung so mangelhaft geleitet wurde, dafs sie zur Erhal¬
tung einer bestimmten tiefen Rinne nur wenig beitragen konnte-
Diesem Mifsstande ist dadurch abgeholfen worden, dafs die Norder¬
mole übermauert und mit einer Brüstungsmauer versehen, und dafs
die Südermole erheblich verlängert und der Spitze der Nordermole
soweit genähert ist, dafs die ausgehende Strömung nunmehr zusammen¬
gehalten und auf eine bestimmte Stelle der vor dem Hafen liegenden
Barre geleitet wird, infolge dessen sich jetzt ohne wesentliche
Nachhülfe ein regelmäfsiges Fahrwasser von 7 bis 77l> m Tiefe hier
erhält.
Vor dem alten, beschränkten Hafen ist ein geräumiger Vorhafen
angelegt, in dem die Schifte, namentlich wenn sie einen Theil ihrer
nach Königsberg bestimmten Ladung in Lichterfahrzeuge überladen
oder bei dem Ausgehen aus diesen ihre Ladung vervollständigen,
weit sicherer liegen, als früher auf dem offenen Tief. Neben dem
Vorhafen ist ein Petroleumhafen erbaut, der durch eine mittels Pon¬
tons zu verschliefsende Oeffnung mit dem Vorhafen in Verbindung
steht, zugleich aber auch eine zweite Einfahrt besitzt, durch welche
Schiffe, die etwa in Brand gerathen, nach dem Haff oder der See
hinaus geschleppt werden können, um dort ohne Gefahr für andere
Schiffe auszubrennen.
Innerhalb des Vorhafens ist ein besonderer Raum für die Lotsen¬
fahrzeuge und für die Fischerboote abgegrenzt.
Neben dem Russischen Damm ist ein abgeschlossener Bauhafen
hergestellt, an den sich ein reichlich ausgestatteter Bauhof anschliefst
und in dessen Nähe auch Dienstwohnungen für den Hafen-Bauin¬
spector, den Ober-Maschinenmeister und mehrere Unterbeamte er¬
baut sind.
Die gesamten Arbeiten waren veranschlagt zu 8 146 000 .4^, wo¬
rauf bisher 6 976 000 Jt verausgabt sind.
Der Etat des Jahres 1889/90 stellte für die Herstellung einer 5 m
tiefen Fahrrinne durch das Frische Haff von Königsberg bis Pillau,
veranschlagt auf im ganzen 7 300 000 Jf, den Betrag von 1 000 000 Jt
zur Verfügung. Die Bauausführung ist im Jahre 1890 begonnen
worden, nachdem die von Seiten der Kaufmannschaft zu Königsberg
zu erfüllenden Voraussetzungen, unter welchen die Bewilligung erfolgt
ist, gewährleistet sind.
Zum Neubau bezw. zur Verbesserung der am Frischen Haff
belegenen, den Städten und Kreisen gehörigen Häfen, sind von Seiten
des Staates Beihülfen gewährt worden, welche weiter unten näher
angegeben werden.
Ferner hat die Wasseibauverwaltung für die bequemere Heran¬
schaffung der Baustoffe zu den Dünenbauten auf die Erbauung eines
kleinen Hafens bei Gr. Bruch 2000 Jt verwendet.
498
29. Noveiuber 1890.
Centralblatt der Bau Verwaltung,
3. Der Hafen zu Nenfalirwasser.
Dieser Hafen war für einen gröfseren Verkehr zu ])eschränkt,
insbesondere zu schmal und vor den Kaimauern nicht tief genug.
Der Hafencaual ist verbreitert und zum Dheil mit neuen, tiefer
fundirten Kaimauern eingefafst worden, Unfern der Einfalirt ist ein
über 7 Hektar grofses Bassin für Seeschiffe angelegt, welches reich¬
lich mit Magazinen ausgestattet ist und durchweg bequeme Eisen¬
bahnverbindungen erhalten hat. Eerner ist die am oberen Ende des
Hafencanals befindliche,, der Schiffahrt sehr nachtlieilige Engstelle
durch Abbruch der alten Schleuse, und Schleuscninsel beseitigt und
hier jetzt ein schönes breites Fahrwasser für die Schiffe, die nach der
kaiserlichen Werft oder nach Danzig heraufgehen, geschaffen wprdcn.
Auch der Bauhof hat eine bedeutende Erweiterung erfahren. Die
Ausführung dieser Arbeiten hat 2 693 000 ' Jl gekostet.
4. Die liiiiter|)Omnierscken Häfen.
Die Häfen zu Stolpmünde, Ifiigenwaldermünde und Colberger-
niünde sind, abgesehen von dem eigenen Handel und '\'crkehr, als
Sicherheitshäfen für die Küstenschiffahrt von Bedeutung. Die Wasser¬
tiefe von 2 m bis 2,5 m, welche in den Hafeneinfahrten von Stolp¬
münde und Eügenwaldcrmünde früher vorhanden war, genügte hierfür
nicht. Es sind deshalb Vorhäfen bis zu einer gröfseren Wassertiefe
vor den Strand vorgebaut worden. Aufserdem wurde bei der Stadt
Eügenwalde ein Binnenhafen angelegt, die Wipper bis dort hinauf
verbreitert und bis zu 4 m ausgetieft. Sowohl dieser Binnenhafen
wie auch der näher an der Mündung gelegene Winterhafen sind mit
Kaimauern eingefafst, mit Ladevorriehtung'en versehen und durch
Eisenbahngeleise mit dem Bahnhöfe bei Eügenwalde in Verbindung
gebracht worden. ■
In Colbergermünde wurden die Hafeneinfassungen umgebaut.
Die geringsten Tiefen, welche in den Hafeneinfahrten jetzt unter¬
halten werden, betragen:
bei Colbergermünde ..... 4,5 m
bei Eügenwaldermünde . . . 4,0 m
bei Stolpmünde . . . . . . 3,5 m.
Die in den letzten 10 Jahren ausgeführten' Arbeiten haben
2 083 000 Ji gekostet.
5. Der Hafen zu Swiiieuiüntle.
Die Ausführung der grofsen Erweiterungsbauten im Hafen zu
Swinemünde fällt in das vorletzte Jahrzehnt. Die Bauten, welche
seitdem zur Ausführung gekommen sind, bestehen in der Errichtung
eines Schiffahrtsamtshauses, eines neuen Lotsenwachfthurms und in
der Anlage eines Zungenkais von mehr als 200 m Länge unterhalb
des Bauhafens. Dieser Kai vermittelt den Verkehr zwischen der
Eisenbahn und den Seeschiffen zur Winterszeit, wenn die Hafifiahrt
durch Eis gesperrt ist. — Der Baggerpark ist durch einen neuen
kräftigen Dampfbagger vergröfsert worden. Die Dampfboote sind
umgebaut und haben an Stelle von Niederdruckmaschinen Verbund¬
maschinen erhalten. — Die Kosten der vorbezeichneten Bauten haben
848 000 JL betragen.
Sowohl in der Einfahrt wie in einem grofsen Theil des Hafens
beträgt die Wassertiefe über 7 m. Schwierigkeiten erwachsen der
Schiffahrt nur aus der scharfen Krümmung des Fahrwassers am
Möwenhaken. Durch Abbaggerung dieses von dem rechten Ufer in
die Swine hineintretenden Hakens wird dahin gestrebt, diese Schwierig¬
keit zu mildern.
Zur Erleichterung des Schiffsverkehrs ist im Jahre 1874 mit dem
Bau der Kaiserfahrt, eines Durchstichs bei dem Dorfe Caseburg, in
nahezu südlicher Eichtung von der Swine bis in das Steftiner Elaff, be¬
gonnen worden. Diese neue Fahrstrafse wurde am 20. August 1880
eröffnet, sie hat eine Wassertiefe von 6 m und kürzt den Schiffahrts¬
weg zwischen Stettin und Swinemünde um 9 km ab. Auf die weitere
Ausbildung des Durchstiches sind seit dem Jahre 1880 noch 1 440 000 JL
verwendet worden.
6. Die Häfen in Sclilesivig- Holstein
haben verhältnifsmäfsig geringe Ausgaben verursacht. Aufser dem
etatsmäfsigen Unterhaltungsfonds von jährlich 145 000 .Ä sind in den
letzten 10 Jahren an aufserordentlichen Mitteln und Zuschüssen ge¬
währt für den Bau von Futtermauern in den Häfen Tönning, Glück¬
stadt und Husum 263 000 .Jf, zur Verbesserung des Fahrwassers in
der Aufsen-Eider 329 000 JL und zu Baggerungen in der Flensburger
Föhrde, Beihülfe an die Stadt Hadersleben zur Verzinsung der Hafen¬
schuld, Vervollständigung der Baggergeräthschaften usw. 280 000 JL.
7. Der Hafen zvi Harkurt»-.
Die neue Hafenschleuse, durch welche die Hafenbassins, die mit
den Vorrichtungen zum Beladen und Löschen der Schiffe reich aus¬
gestattet sind, den gröfsten die Siiderelbe befahrenden Seeschiffen
von 5 bis 5,3 m Tiefgang zugänglich gemacht werden sollten, und mit
deren Bau bereits im Jahre 1876 begonnen war, ist im Jahre 1881
beendet worden. Die Gesamtkosten betrugen rund 2 274 000 Mf. Für
die jährliche Unterhaltung des Hafens sind e.tatsmäfsig 37 900 JL aus¬
geworfen. Zur Pflasterung und Beleuchtung des Treidelweges am
Verkehrshafen sind im Etat 1889 90 44 400 in Ansatz gekommen.
Der frühere geräumige. Winterhafen ist durch einen feuersicheren
Ponton -Abschlufs gegen den Verkehrshafen in einen Pefroleumhafen
verwandelt, in welchem z\vei der gröfsten Firmen Tankdampfer ent¬
löschen und Flufskähne zum Weitertransport elbaufwärts mit dem in
Barrel verfüllten Petroleum beladen.
Die mehrfach ausgesprochenen Wünsche nach einer Erweiterung
der Harburger Hafenanlagen werden durch die Anlage eines auf
bOOOOOJL veranschlagten gröfseren Bassins in den Ziegelwiesen, für
welche die erste Baurate im Etat 1890/91 mit 250 000 erscheint,
und durch eine Verlängerung der Kaimauer für grofse Seeschiffe,
sowie die Erweiterung der Drehbrücke über den östlichen Canal in
Erfüllung gehen.
8. Der Hafen zu (xeesteniiiude. ^ ■
In den letzten Jahren hat eine Vervollständigung der Geeste¬
münder Hafenanlagen stattgefunden, die in dem Bau einer bisher
noch fehlenden Strecke Kaimauer und neuer Speicher bestand, wofür
im ganzen 954 000vf^ bewilligt sind. Hierzu tritt der im Etat 1888, 89
mit einem Betrage von 64000 vorgesehene Neubau einer Kaimauer
an der Westseite des Vorhafens.
Zur Tiefeilialtung des Hafens und der Einfahrt ist auf Grund
einer Bewilligung von 160 000 yÄ ein Pumpenbagger beschafft, und
sind zur Beschaffung von vier neuen eisernen Baggerschuten 39 600 JL
im Etat 1889/90 ausgeworfen worden. Zur besseren Beleuchtung des
Hafens im Anschlufs an die Eisenbahngeleise wird zur Zeit eine
elektrische Beleuchtungsanlage gebaut.
Der etatsmäfsige Unterhaltungsfonds von jährlich 180 000 Mf, aus
welchem zugleich die Unterhaltungskosten für die Liegeplätze bei
Cranz und, Brunshausen zu bestreiten sind, mufste in den Jahreii
1880 bis 1890 durch Zuschüsse im Gesamtbeträge von über 100 000 JL
verstärkt werden. ,
Bei Gelegenheit der Ausführung der oben erwähnten Unterweser-
Correction läfst sich mit Hülfe von abzulagerndem Baggergute vor
dem Geestemünder Hafen eine etwa 42 ha grofse Landfläche zur Er¬
weiterung des Hafens gewinnen. Für die zur äufseren Umschliefsung
dieser Fläche erforderliche Anlage eines Leitdammes sind im Etat
1890/91 350 000 .Jf in Ansatz gebracht und eine weitere Bewilligung
für das Ablagern der ersten Baggermassen wird für das folgende
Jahr in Aussicht genommen. Späterhin soll hier ein offener Fischerei^
Hafen angelegt umrden.
9. Die Ems -Häfen zai Emden und Leer.
Der Erweiterungen und Vervollständigungen, welche am Hafen,
zu Emden in Verbindung mit dem Bau des Ems-Jade-Canals aus¬
geführt sind, ist in dem Abschnitt über die Binnenschiffahrt bereits
Erwähnung geschehen.
Die Anzahl der fiscalischen Dampfer, Baggerfahrzeuge, Prähme
und Schiffe, die Feuerschiffe und die grofse Zahl der Seezeichen
im Wasserbäukreise Emden erfordern Liege- bezw. Lagerplätze, auf
denen die Wiederherstellung der Beschädigungen usw. einheitlich
unter directer Ueberwachung des Baubeamten erfolgen kann. Zu
diesem Zwecke ist im Hafen ein geeigneter fiscalischer Bauhof mit
Helling, Lösch- und Ladevorkehrungen, Liegeplätzen, Werkstätten,
Tonnenschuppen usw. erbaut worden. Ein Geleisstrang vermittelt
die Verbindung mit dem Bahnhof.- Dafür werden 189 000 JL verwendet.
Neben der Nesserlander Seeschleuse ist theilweise zum Ersatz
abgängiger Wärterwohnungen ein Dienstgebäude für den Schleüsen-
meister und die Wärter der grofsen Schleusenanlagen errichtet
worden, für welches 60 000 JL vorgesehen sind.
Die Arbeiten, welche in den letzten 10 Jahren zur Eegulirung
der unteren Ems, zur Unterhaltung und Ergänzung der Baggergeräth¬
schaften und der Hafenanstalten zu Emden und Leer, zur Unter¬
haltung der Fähraustalt zu Norddeich, der Secufer, Leuchtfeuer,
Betonnung und Bebakung der Unterems, der Seegatten und Watten
sowie der Dünen usw. ausgeführt werden mufsten, haben zu dem
früheren etatsmäfsigen Unterhaltungsfonds, welcher im Jahre 1880
= 200 000 betrug, einen Zuschufs von zusammen 468 000 bis
1890 erfordert. Der Foi>ds hat alsdann eine Verstärkung erfahren
und beträgt jetzt 323 370 ■ ■
48.-
Centralblatt der Bauverwaltiing.
m
10. Staatsziiscliüsse.
Aufser den Summen, welche anf den x\usbau der unter der Ver¬
waltung des Staates stehenden Häfen verwandt wurden, sind aus
Staatsmitteln auch Städten, Kreisen und Gemeinden zur Unter¬
haltung und Verbesserung der unter- ihrer Verwaltung stehenden
Häfen wie auch zur Anlage neuer Häfen nicht unerhebliche Bei¬
hülfen gewährt worden.
In erster Linie ist hier die durch das Gesetz vom 30. Juni 1886
(Ges. S. 1886, S. 184) bewilligte Staatsbeihülfe zu den Kosten zu er¬
wähnen, welche durch den Anschlufs der Stadt Altona an das
deutsche Zollgebiet veranlafst sind. Die durch den Zollanschlufs
der beiden Städte Hamburg und Altona bedingte Umgestaltung der
Handels- und Verkehrsverhältnisse daselbst, sowie die grofsen in Ham¬
burg mit einer Keichsbeihülfe von 40 000 000 zur Ausführung ge¬
langten Kai- und Hafenbauten liefsen eine Erweiterung und Ver¬
besserung auch der Altonaer Hafenanlagen, sowie die Herstellung
einer besseren Verbindung zwischen diesen Anlagen und der oberen
Stadt nothwendig erscheinen, um der Stadt ihren Sec- und sonstigen
Handelsverkehr einigermafsen zu erhalten. Von den auf Höhe von
etwa 8 000 000 veranschlagten Kosten der Bauausführungen sind
mit Eücksicht auf die ungünstige financielle Lage der Stadt durch
das vorerwähnte Gesetz fünf Sechstheile der zur Aufwendung ge¬
langenden Summen, jedoch für alle Bautheile zusammen nicht mehr
als 6 500 000 auf die. Staatskasse übernommen worden.
Sodann verdient der Hafen voii Elbing genannt zu werden.
Das gekrümmte Fahrwasser, welches von dem Haft’ aus zu demselben
führte, konnte selbst mit Elülfe unausgesetzter Baggerungen kaum
in einer Tiefe von etwa 2,5 m erhalten werden. Durch den Bau
einer über 2,5 km langen Mole, welche sich^ in einer flachen Krüm¬
mung an das linke Ufer deä Elbingflusses anschliefst, und durch
eine längs der Mole durch Baggerung vertiefte Einne haben sich die
Verhältnisse wesentlich gebessert. Die Wassertiefe, . die sich vor¬
aussichtlich durch mäfsige Baggerungen wird erhalten lassen, beträgt
nunmehr über 3 m. Die Herstellung der Mole und die Austiefung
der Schiffahrtsrinne hat 920 000 gekostet,, zu welcher Summe der
Staat in den letzten 10 Jahren 603 000 b.eigetfagen hat. Da die
Unterhaltungskosten durch die Hafeneinnahmen nicht gedeckt wer¬
den, so werden auch in Zukunft Staatszuschüsse gewährt werden
müssen. ..... <.
.; Für die Ausbaggerung des Hafens zu Frauenburg ist eine Bei¬
hülfe von 7000 .Jf, für die Wiederherstellung des sehr verfallenen
Hafens zu Tolkemit eine solche von 26 000 Ji gewähi-t worden. Für
iihnliche Zwecke sind Beihülfen zur Verbesserung der Häfen von
Eosenberg und Brandenburg im Betrage von 02 000 M und 6i000 Jl
zur Zahlung gelangt.
Bei dem im Kreise Heiligenbeil gelegenen Dorfe Eosenberg und
bei Brandenburg an der Mündung des Frisching sind in den .Jahren
1882 bis 1884 bezw. 1886 und 1887 neue Häfen für die Fischer- und
Marktbootc angelegt, zu denen Zuschüsse von 52 000 JL bezw.
34 000 Jt bewilligt wurjen.
(1) Fürsorge für die Hocliseeflsclierei.
In den meisten der vorhandenen Seehäfen ist Eücksicht darauf
genommen, dafs den Fischern Gelegenheit gegeben wird, ihre Boote
unterzubringen und ihren Fang abzusetzen. An langen Küstenstrecken
sind aber Häfen njeht vorhanden und die Fischerei kann hier deshalb
nur mit kleinen Booten betrieben werden, die sich nicht zu weit auf
die hohe See hinauswagen dürfen., Zur Förderung der Hochsee¬
fischerei ist es daher von Wichtigkeit, dafs auch hier Häfen angelegt
werden, in welche die gröfseren Fischerfahrzeuge jederzeit sicher ein-
laufen können. ,
An der Nordsee ist durch die Herstellung eines Fischerei-Hafens
mit entsjjrechendcn Lösch- und Lade-Vorriclitungen nebst Eisenbahn-
Anschlufs am Nord deich, Eeg.-Bez. Aurich, und durch die gleich¬
zeitige Erweiterung des auf der Insel Norderney bereits vorhanden
gewesenen Hafens,, welche beiden .^nlagen zusammen ein einheit¬
liches Ganzes bildCin, der Anfang zu dergleichen Bauausführungen
gemacht worden. Die Kosten sind berechnet:
für Norddeich auf 900 000 M
,, Norderney „ 700 000 ..
zusammen auf 1600000 Jl.
Die letztere Anlage , ist nahezu vollendet, der Hafen am Norddeich
noch in der Ausführung begrift’en. Ein fernerer Fischereihafen an
der Nordsee wird für Geestemünde in Aussicht genommen, weil
die von hier aus betriebene Hochsee-Fischerei einen so bemerkens-
werthen Aufschwung nimmt, dafs für sie die vorhandenen Hafen-An¬
lagen nicht mehr genügen, auch für einen besseren Eisenbahn-An-
schlufs gesorgt werden mufs.
An der Ostseeküste ist mit der Anlage von Fischereihäfen bei
Safsnitz auf der Insel Eugen der Anfang gemacht worden. Derselbe
soll demnächst einen Eisenbahn- Anschlufs erhalten und wird somit
nicht allein der Hochsee -Fischerei, sondern auch dem sonstigen
Handels-Verkehr, voraussichtlich auch den regelmäfsigen Dampfschiff-
Verbindungen mit Schweden, welch.j zur Zeit ihren Ausgangspunkt in
Stralsund haben, zugute kommen. Die zunächst auf 600 000 Jt veran-
i Schlagte Bauausführung ist im Jahre 1889 kräftigst begonnen worden.
Per sonal - N achrichten.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geraht, die Er-
laubnifs zur Anlegung verliehener nichtpreufsischer Orden zu er-
theilen, und zwar des Kaiserlich russischen St. Annen -Ordens
II. Klasse dem Geheimen Ober-Baurath Jungnickel, vertragendem
Eath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten; des Kaiserlich und
Königlich österreichisch -ungarischen Ordens der Eisernen Krone
IIL Klasse dem Eisenbahn- Direct or Wagner in Wiesbaden; des
Commandeurkreuzes des Königlich belgischen Leopold-Ordens dem
Geheimen Ober-Eegierungsrath Bensen, Vorsitzenden des Eisenbahn-
Commissariats in Berlin und des Venezolanischen Ordens der Büste
Bolivars III. Klasse dem Eegierungs-Baumeister Flock, technischem
Mitgliede der Betriebs-Direction der „Grofsen Venezuela-Eisenbahn-
Gesellschaft“ in Caracas.
Dem Eegierungs- und Baurath Arthur Schneider in Berlin ist
die Stelle eines Mitgliedes der Königlichen Eisenbahndirection in
Berlin verliehen werden.
Zu Eisenbahn -Bau- und Betriebsinspectoren sind ernannt: der
Abtheilungs -Ingenieur Scherenberg in Sangerhausen bei Ueber-
nahme in den unmittelbaren Staatsdienst und unter Verleihung der
Stelle des Vorstehers der Eisenbahn -Bauinspection daselbst, sowie
die Königlichen Eegierungs-Baumeister Maximilian Werren in Posen,
unter Verleihung der Stelle eines ständigen Hülfsarbeiters bei dem
Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amte (Directionsbezirk Breslau) dar
selbst, und Hagenbeck in Bromberg unter Verleihung der Stelle
eines Eisenbahn -Ba,u- und Betriebsinspectors im betriebstechnischen
Bureau der Königlichen Eisenbahndirection daselbst.
Der beim Bau des Eeichstagsgeb.äudes beschäftigte bisherige
Königliche Eegierungs-Baumeister Wilhelm Wulff in Berlin ist zum
Königlichen Land-Bauinspector ernannt worden.
Der bisher bei den Bauten am Klodnitz- Canal beschäftigte
Wasser-Bauinspector Vatiche in Gleiwitz O.^S. ist an die Königliche
Eegierung in Posen versetzt worden.
Zum Königlichen Eegierungs-Baumeister ist ernannt: der Eegie-
rungs-Bauführer Oskar Becker aus Hamburg (Maschinenbaufach).
Der Kreis-Bauinspector, Baurath Wronka in Ostrowo tritt am
1. Januar 1891 in den Euhestand.
Der Königliche Eegierungs-Baumeister Karl Weisenberg in
Berlin ist aus der Allgemeinen Staats-Bauverwaltung geschieden, um
in das Bessert der Militär -Verwaltung überzutreten.
Dem bisherigen Königlichen Eegierungs-Baumeister Karl Kühne
in Mühlhausen i. Thür, ist die nachgesuchte Entlassung aus dem
Staatsdienst ertheilt Worden.
[Alle Rechte vorhelialteii.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Termischtes.
Au der vom Genieiudei'atli iu Stuttgart aiisgeschrieheueu Preis-
bewerbuug zur Errichtuug einer Hospitalanlage daselbst (vgl. S. 228
d. J.) haben sich 18 Bewerber, darunter einer mit zwei Entwürfen,
betheiligt. Die ausgeschriebenen Preise sind nachbenannten Ar¬
beiten zuerkannt worden: I. Preis (5000 Mark) dem Entwürfe mit
dem Kennwort „Armenpflege“ der Architekten Schmid u. Burk-
hardt in Stuttgart; II. Preis (3000 Mark) der Arbeit „Pauperibus
date“ der Architekten Julius Braun u. C. Schumann in Leipzig;
500
20. i\ovciHkr 1800.
Geütralblatt der ß auverwaltung.
III. Preis (2000 Mark) dem Plane „Ohne Studium des Einzelnen keine
Erkenntnifs des Ganzen •*, Verfasser Architekten Schmid u. Burk-
hardt in Stuttgart.
Architoktur-Aiisstelliiiig in Turin. Zur Beurtheiluug der in Ab¬
theilung 4 der Architektur- Ausstellung ausgestellten Gegenstände
war vom leitenden Ausschufs ein internationales Preisgericht berufen
worden, dem als deutsche Mitglieder die Baudirectoren Zimmer¬
mann aus Hamburg und Licht aus Leipzig sowie der der Kaiser¬
lichen Botschaft in Rom zugetheilte Wasser-Bauinspector Keller
angehörten, ersterer als Ehren-Vorsitzender, die beiden anderen
Herren als stellvertretende Vorsitzende. Bei den am 19. d. M. ab¬
geschlossenen Verhandlungen dieses Preisgerichts ist beschlossen
worden, 16 Ehrendiplome, 3 goldene und 6 silberne Denkmünzen,
14 ehrenvolle Erwähnungen und 23 sonstige Anerkennungen zu er-
theilen. Auf die deutschen Aussteller entfallen hiervon 7 Ehren¬
diplome, 4 ehrenvolle Erwähnungen und 17 sonstige Anerkennungen.
Die in erster Linie ausgezeichneten deutschen Aussteller sind die
Stadtverwaltungen von Berlin, Halle, Hamburg, Leipzig,
Magdeburg, München und Worms, in zweiter Linie Altenburg,
Erlangen, Lübeck und Mainz. Von den übrigen Ehrendiplomen
sind 3 auf Oesterreich (Krakau, Triest und Wien), 4 auf Italien
(Mailand, Turin, Hauptverwaltung des Gesundhei t s w esens
und Hauptverwaltung des Gefängnifswesens), 1 auf England
(London) und 1 auf Rufsland (Warschau) entfallen, die 3 goldenen
Medaillen auf die italienischen Städte Bologna, Ferrara und
Spezia.
Zur Erlangung- von Entwürfen zu einem gnfseisernen Strafseii-
brnnneu-Stock setzt die Maschinen- und Armaturen-Fabrik von Bopp
u. Reuther in Mannheim drei Preise im Betrage von 300, 200 und
100 Jl aus. Das Preisrichteramt haben übernommen die Herren
Götz, Director der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, Prof. F. S.
Meyer- Karlsruhe, Arch. .W- Manchot-Mannheim, Commercieni-ath
Wurmbach-Frankfurt a./M. und Fabricant Reuthe r- Mannheim.
Die Entwürfe sind zum 15. Januar 1891 einzureichen.
Für (len Ban eines neuen Enii»fangsgebäudes der Warsclian-
iener Eiseubalin-Gesellschaft in Warschau erläfst der Verwaltungs¬
rath der Bahngesellschaft ein allgemeines Preisausschreiben. Die
Bedingungen sind in dem im Anzeiger Nr. 47A d. Bl. veröffentlichten
Ausschreiben so ausführlich mitgetheilt, dafs wir uns an dieser Stelle
damit begnügen dürfen, die Aufmerksamkeit der Leser auf den Wett¬
bewerb und jenes Ausschreiben hinzulenkeu.
Während der diesjährigen Wanderversainmlnng des Verbandes
deutscher Architekten- und Ingenieur -Vereine in Hamburg waren
die Festtheilnehmer — gegen 1300 an der Zahl — am Mittwoch, den
27. August, von der Hamburg-Americauischen Packetfahrt - Actien-
gesellschaft zu Gaste geladen zu einer Fahrt in die Nordsee, wofür
die grofsen Schnelldampfer „Columbia“ und „Moravia“ zur Verfügung
gestellt waren. Ueber den höchst gelungenen Ausflug ist seinerzeit
an dieser Stelle (S. 374 d. J.) berichtet worden. Als Ausdruck des
Dankes der Festtheilnehmer ist den Directoren der Gesellschaft in
diesen Tagen von einer aus den Hamburger Herren Oberingenieur
Meyer, Director Kümmel und Bauinspector Bargum bestehenden Ab¬
ordnung ein künstlerisch auf Pergament ausgeführtes Gedenkblatt
in reich verziertem Rahmen überreicht worden.
I)er Forth- und Clyde-Canal. Für die in Ani-egung gekommene
Anlage eines Seeschiflahrts-Canales quer durch Schottland zur Ver¬
bindung des Clyde mit dem Forth sind jüngst die Vermessungen be¬
endet worden. Für den Canal, dessen Anlagekosten zu rund 160 Mil¬
lionen Mark veranschlagt sind, würde ein bedeutender Verkehr in
Aussicht stehen, da der Canal nicht allein den Wasserweg vom Clyde
und der englischen Westküste nach der Ostküste von England und
Schottland und den Festlandhäfen bedeutend abkürzen, sondern auch
die bei widrigen Winden sehr gefährliche Umschiffung Nordschott¬
lands ünnöthig machen würde. Die vorgeschlagene Canallinie folgt
dem Thale des Forth bis zum Süd-Ende des Loch Lomond. Von
hier ab kommen drei verschiedenen Linien in Frage:
1) Ueber den Loch Lomond nach dem Loch Tarbet und von da
über den Loch Long nach dem Meere;
2) vom Loch Lomond durch das Thal des Leven-Flusses nach
dem Clyde bei Dumbarton;
3) vom Loch Lomond durch einen 6 bis 7 km langen Einschnitt
nach einem anderen Punkte des Clj^de.
Insofern der Canal vorwiegend dem Verkehr grofser Seeschiffe
dienen soll, wird die erste Linie für die beste gehalten. Vom Forth
nach dem Loch Lomond würde der Canal 62 km lang werden und
am westlichen Ende einen 8'/2 km langen Tunnel erhalten. Die Tiefe
des Canals ist zu 9,15 m bei 22 ni Sohlbreite angenommen. Die
Anlage der Böschungen wechselt je nach der Art des Bodenaushubs.
Die Schleusen sollen für die gröfsten Seeschiffe Raum gewähren.
Für luuie Staats-Eiseiihalnihauteii in Siam werden die Bauarbeiten
seitens des Königlich siamesischen Ministeriums der öffentlichen Ar¬
beiten durch den Generaldirector der Eisenbahnen, Baurath Bethge
in Bangkok, öffentlich ausgeschrieben. Es handelt sich um die An¬
lage einer 268 km langen Vollspurbahn (1,435 m) von Bangkok über
Ajuthia nach Korat, deren Ausführung in einzelnen Losen von 70 bis
100 km Länge oder im ganzen an eine Generalunternehmung ver¬
geben werden soll. In dem Ausschreiben, welches an der Spitze des
zur heutigen Nummer gehörigen Anzeigers abgedruckt ist, finden sich
nähere Angaben über die hauptsächlichsten Bedingungen des abzu-
schliefsenden Vertrages, die Art und den Umfang der zu bewältigen¬
den Arbeiten, die Führung der Bahnlinie, die Natur der zu durch¬
schneidenden Gebiete, über Bauzeit, Klima usw. Hoffentlich gelingt es^
dem deutschen Unternehmungsgeiste, durch erfolgreichen Mitbewerb
bei dem Bau dieser Staatsbahnen in Siam festen Fufs zu fassen
und durch gute Ausführung den Beweis von der Tüchtigkeit deut¬
scher Leistungen zum Nutzen des siamesischen Königreiches wie der
deutschen Arbeit zu erbringen. Die Eisenbahnbauten Siams unter¬
stehen der technischen Oberleitung des Bauraths Bethge, welcher aus
dem preufsischen Staatsdienst beurlaubt und im September vorigen,
.lahres in siamesische Dienste getreten ist.
Biicherschau.
1H(( (lecorative Kunststickerei. Von Frieda Lipperheide„
1. Aufnäh - Arbeit. Berlin 1890. Verlag von Franz Lipperheide„
2. Lieferung mit 6 Tafeln gr. Fol. und VIII u. 72 Seiten Text (mit
164 Abbildungen) in 4". Preis der Lieferung \bj(.
Dem im Anfänge des Jahres 1888 erschienenen ersten Theile der
„Decorativen Kunststickerei“ (vgl. Jahrg. 1888, S. 96 d. Bl.) ist nun¬
mehr eine zweite Lieferung nebst vollständigem Texte gefolgt, und
damit die Abtheilung „Aufnäh -Arbeit“ als Ganzes abgeschlossen.
Was jener Anfang versprach, ist in vollem Umfange gehalten
worden. In gleich vorzüglicher Herstellung giebt die neue Lieferung
neben grofsen, trefflichen Holzschnittblättern und Musterbeilagen
zwei prächtige Farbendrucke älterer spanischer Arbeiten. Der mit
einer Fülle von Holzschnitten ausgestattete Text erläutert eingehend
und anschaulich die Aufnähtechnik, giebt auch eine gröfsere Anzahl
von Beispielen und Vorlagen für die Anwendung. Ferner werden
hier in Verkleinerungen die Foliotafeln beider Lieferungen wiederholt„
um in dem auch einzeln, und zwar dann für den billigen Preis von
5 Jt zu verkaufenden Textbande den gesamten Inhalt des Werkes
zu geben und dieses dadurch weiteren Kreisen zugänglich zu machen.
Es wird in der Regel Sache des Architekten sein, mit Rath und
Vorbild bei Anfertigung derartiger weiblicher Handarbeit zur Seite
zu stehen, sei es dafs dieselbe das Familienheim schmücken, sei es
dafs sie höheren decorativen Zwecken dienstbar gemacht werden soll.
Darum können ihm Studium und AnschaflFung des gediegenen Werkes
nur angelegentlich empfohlen werden. — d.
Eiserne Träger und Säulen. Hülfsbuch zur statischen Berech¬
nung und Gewichtsbestimmung nach deutschen Normalprofilen.
Nebst ausführlichen Tabellen zum praktischen Gebrauch bearbeitet
von W. Hehne. 172 Seiten mit 30 Holzschnitten. Halle a. S., 1890.
Ludw. Hofstetter. Preis 4 Jl.
Das Buch erscheint vorzugsweise dazu bestimmt, dem mit stati¬
schen Berechnungen weniger vertrauten Hochbauer eine kurze und
verständliche Anweisung hierfür zu geben und die Rechnung selbst
durch Beigabe umfangreicher Tabellen zu erleichtern. Diesem
Zwecke gemäfs enthält es eine 40 Seiten lange Einleitung, welche
die Berechnung und Anordnung der eisernen Träger, Unterlags¬
platten, Säulen und des Trägerwellbleches erörtert sowie den Ge¬
brauch der darauf folgenden 8 Tabellen erklärt. Die erste derselben
im Umfange von 120 Seiten bildet den Hauptinhalt des Buches. Sie
giebt für Kappenbreiten von 0,80 bis 2,50 m (um je 2 cm fort¬
schreitend) und Stützweiten von 1 bis 7 m (um je 5 cm fortschreitend)
die Gesamtlast, das erforderliche Widerstandsmoment, das zugehörige
Normalprofil und dessen Gesamtgewicht an. Dabei ist die Einheits¬
last zu 750 kg/qm und die Beanspruchung zu 750 kg/qcm an¬
genommen. Die Zahlen hätten sich wohl — zum Vortheil derUeber-
sichtlichkeit — bei zweckmäfsigerer Anordnung auf wesentlich
kleinerem Raum unterbringen lassen.*) Die folgenden Tabellen ent¬
halten Angaben über das Eigengewicht der Gewölbekappen, die
Normalprofile für I-Träger, runde Säulen, Trägerwellbleche, Ver¬
ordnungen der Berliner Baupolizei, Eigengewichte verschiedener
Nutzlasten, Trägheitsmomente für Säulen- und Stützenquerschnitte.
— Das Buch kann als ein geeignetes Hülfsmittel bei Bearbeitung
einfacher Aufgaben des Hochbaues bezeichnet werden. — n.
*) Man vergleiche z. B. die Tabellen von Koenen, welche auf
60 Seiten die bei Kappenbreiten von 0,50 bis ö m und Lasten von
100 bis 1250 kg/qm mit den Normalprofilträgern zu erreichenden
Stützweiten angeben. S. Centralbl. d. Bauverw. 1888, S. 208.
Verlag von E rn st X' Ko rn CNVilbelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nicbtamtliclien Tlieiles verantwortlicü: 0 tto S arr a z i n , Berlin. Drnck von J.KersUes, Berlin.
h\ 48i-
Centralblatt der Bauverwaltung.
501
ISHALT: Das neue Central - Gefängnifs für die Provinz Posen in Wroiil;e. - Neue stäcltisclie Sti-afseniuiterflilinrnsen beim Umbau der Bahnanlagen in Köln. Ver
mi.schtes: Neu erschienene Bücher. _ _ _ _ - —
[Allo Rechte Vorbehalten.]
Das neue Central -Gefängnifs für
Im nördlichen Theile des Oberlandesgerichtsbezirkes Posen ist
der Neubau eines Central -Gefängnisses nothwendig geworden. Für
diesen Zweck ist von der Stadt Wronke ein Bauplatz von etwa 18 ha
Gröfse unentgeltlich
zur Verfügung gestellt,
welcher in unmittel¬
barer Nähe des Bahn¬
hofes der Posen- Star-
gardter Eisenbahn und
des Wartheflusses be¬
legen ist. (Abb.)
Für die Gestaltung
des Bauplanes war der
den Bauplatz von Ost
nach West durchzie¬
hende Entwässerungs¬
graben entscheidend.
Die Anlage umfafst
drei getrennte Gefäng-
nifsgebäude für Män¬
ner, für jugendliche
Gefangene und für
Weiber; aufserdem
1 Krankenhaus für
Männer, 2 Wirth-
schaftsgebäude für
Männer und Weiber,
ein Thorgebäude, je
ein Wohnhaus für den
Director und den ka¬
tholischen Geistlichen,
4 Wohnhäuser für je
2 Inspectoren, den
Hausvater, Oberauf¬
seher, Lehrer und Se-
cretär, und 8 Wohnge¬
bäude für je 4 Auf¬
seher mit den zuge¬
hörigen Wirthschafts-
gebäuden. Für die
j ugendlichen Sträflinge
und die Weiber ist
den betreffenden
in
Gefängnissen eine An¬
zahl von Krankenzellen
vorgesehen.
Das Männerge-
fängnifs*) enthält bei
einer Belegziffer von
5Ö0 Personen in den
drei Zellenflügeln C
und I) 474 Haft- und
76 Scblafzellen sowie
die erforderlichen Auf¬
seher-, Straf- und Spül¬
zellen. Der Flügel ß
ist lediglich für Ver-
waltungszwecke be¬
stimmt und enthält
im Erdgeschofs V or-
rathsräume, im 1. Stock
die Verwaltungsdienst-
zimmer und im 2. und
3. Stock die Kirche.
Alle Zellen sind 3,80 m
tief; die Breite beträgt
2,20 m für den gröfsten
Theil der Haftzellen
und 2,80 m für einen
Lageplan für das Central -Gefängnifs in Wronke.
1. Hauptgebäude (Mäiiner-
gefäugnifs).
2. Gefängnifs für Jugend¬
liche.
3. Weibei'-Gefängnifs.
4. Krankenhaus.
5. Verbindungs-Halle.
0. Wirfhschafts-Gebäude.
7. Tliorbaus.
8. Wh'tlischafts- Gebäude
d. Weiber-Gefäugnisses.
9. Director-Wohnhaus.
10. u. 10a. Wohnhäuser für
zwei Inspectoren.
fl. Wohnhaus für den ka¬
tholischen Geistlichen.
*) Die Grundrifsanlagc von Wronke ist, besonders was das
Hauptgebäude betrifft, derjenigen von Grofs-Strehlitz (Centralblatt
der Bauverwaltung 1886, S. 124) sehr verwandt; es darf deshalb auf
die dort gegebene Grundrifsabbilduug verwiesen werden. Auch die
Strafanstalt in Preungesheim bei Frankfurt a. M. (Zeitschrift für
Bauwesen 1889, S. 319, Bl. 42—44) zeigt eine ganz ähnliche Plan¬
anordnung.
die Provinz Posen in Wronke.
Theil der Zellen im Flügel C für diejenigen Sträflinge, welche bei
der Arbeit gröfsere Geräthschaften , wie Hobelbänke u. dgl., be¬
nutzen. Die Schlafzellen für die in den Küchen und Höfen,
beim Wasserpumpen
und bei sonstigen
Aufsenarbeiten be¬
schäftigten Sträflinge
sind 1,34 m breit und
3,80 m tief. Die Ge-
schofshöhen betragen
in den Zellenflügeln je
3,15 m, in den Ver¬
waltungsdiensträum eii
3,90 m von Fufsboden
zu Fufsboden. Der
Rauminhalt stellt sich
für eine grofse Haft¬
zelle auf 30,32 cbm
für eine kleine au,
23,83 cbm und für eine
Schlafzelle auf 14,51
cbm. Sämtliche Räu¬
me, mit Ausnahme der
Kirche und der beiden
Schulzimmer , welche
sichtbare Holzdecken
erhalten, werden über¬
wölbt. Als Fufsboden
erhalten die Zellen in
allen Stockwerken As¬
phalt-, die inneren
Flurgalerieen Eichen¬
holzbelag auf I Trä¬
gern und [] Eisen, die
Kirche dagegen, die
Schul- und Verwal¬
tungsdienstzimmer
Holzdielung. Die Be¬
leuchtung der vom Erd¬
geschofs bis zum 3.
Stock durchgeführten
und vom Oberaufseher¬
stande in der Mittel¬
halle vollkommen über¬
sehbaren Flure erfolgt
durch je ein 8,10 m
hohes und 3,5 m breites
Giebelfenster sowie ■
durch je 5 Oberlichte
in jedem der Zellen¬
flügel. Die Dächer
sollen mit blauglasirten
Biberschwänzen einge¬
deckt, die Aufsen-
flächen der Gebäude
mit ausgesuchten Zie¬
gelsteinen ohne V er-
wendung von Form¬
steinen verblendet wer¬
den; die inneren Mau¬
ern werden aus soge¬
nannten Schluffsteinen
aufgeführt. Für dieFen-
stersohlbänke kommt
Fischbacher Granit zur
Verwendung, desglei¬
chen für die Abdeckung
des Hauptgesimses.
Die Erwärmung der
Flure soll durch Luft¬
heizung, die der Zellen- und Verwaltungsdiensträume durch Warm¬
wasserheizung vom Erdgeschofs der Mittelhalle aus erfolgen, die
Kirche wird gar nicht beheizt. Die in die Flure einströmende
Warmluft ist zugleich zur Lüftung der Zellenräume bestimrnt,
zu welchem Zwecke in der Flurwand jeder Zelle zwei Oeff-
nungen vorgesehen sind. Im 1. Stockwerk der Mittelhalle wird ein
Baderaum mit 2 Wannen- und 9 Brausebädern angelegt.
12. Wohnhaus füiHaiisvater
uiirl Oberaufseher.'
12a. Wohnhaus für Lehrer
und Secretär.
13. 8 Aufsclier-Wohnhänser
für je 4 Familien.
14. Pförtner und Aufsehe¬
rinnen.
15a. Wirthschatts -Gebäude
für Director und Geist¬
lichen.
15b. Desgl. für 2 Familien¬
häuser.
l, II, III, IV Spazier-Höfe.
V Wirthschafts-Hof.
VI Krankeuhof.
502
Centralblatt der Bauverwaltung.
8. Oeceinber 1800.
Die je mit einem Kopfbau und einem Zelleuflügel versehenen
Gefängnisse für jugendliche Sträflinge und für Weiber
schliefsen sich in ihrer Durchbildung und Ausstattung genau der¬
jenigen des Männergefängnisses au. Das Getängnifs für jugendliche
Gefangene enthält bei einer Belegzifl'er von 153 Sträflingen 70 Einzel-
und 82 Schlafzellen; das Weibergefäuguifs kann mit 106 Weibern in
70 Einzel- und 36 Schlafzelleu belegt werden.
Alle übrigen Anstaltsgebäude sowie die Beamtenwohnhäuser
werden in einfachster Weise in Ziegelrohbau ausgeführt; die Dächer
erhalten theils Holzcemeut-, theils Biberschwauzdeckung. Für die
kleinen Wirthschaftsgebäude der Beamtenwohnhäuser sind Falzziegel
(Patent Ludowici) vorgesehen.
Die Baukosten sind auf 2 100 000 Älark veranschlagt, wovon auf
das Männergefängnifs 800 000 Mark, auf das Gefänguifs für jugendliche
Gefangene 210 000 Mark, das Weibergefängnifs 180 000 Mark, das
Krankengebäude 62 000 Mark, die Verbindungshalle 9400 Mark,
das Wirthschaftsgebäude für Männer 64000 Mark, das Thorgebäude
20 600 Mark, das Wirthschaftsgebäude für Weiber 10100 Mark, auf
die Beamteuwohnhäuser nebst Wirthschaftsgebäuden 426 360 Mark,
endlich auf die Nebenanlagen, Bauführungsjcosten usw. 317 540 Mark
entfallen. Als Einheitspreise ergaben sich dabei für das Männer¬
gefängnifs 196,8 Mark auf das Quadratmeter und 15,8 Mark auf das Cu-
bikmeter, für das Gefänguifs für jugendliche Gefangene 223,6 bezw.
15,5 Mark und für das Weibergefängnifs 229,5 bezw. 16,2 Mark. Mit
der besonderen Leitung der Bauausführung, welche am 15. Mai 1889 be¬
gonnen hat und einen Zeitraum von 5 Jahren in Anspruch nehmen
wird, war unter der Oberleitung des Geheimen Regierungsraths Koch
in Posen anfänglich der Regierungs-Baumeister Plachetka betraut;
jetzt leitet den Bau unter Hülfeleistung des Regierungs-Baumeisters
Rieck der Regierungs-Baumeister Fo er st er.
Nene städtische Strafseimiiterführniigeii beim Umbau der Bahnanlagen in Köln.
(Schlufs.)
Einzelheiten der Eisenconstructionen. Auflager. Die |
zur Anwendung gebrachten Formen der Auflager für die eisernen
Bogenträger sind durch die Abb. 11, 12 und 13 veranschaulicht,
und zwar stellt die Abb. 11 ein Lager für einen Bogenfachwerks¬
träger (Gladbacher Str., Gütergel eise), Abb. 12 .u. 13 solche für
I ständige Aufliegen der Gui'tungen um so sicherer erreicht, und ver¬
hindert, dafs das Stehblech am Kämpfer durch Scherkräfte in unbe¬
absichtigter Weise überansprucht wird.
Fahrbahn. Die zur Bildung der Fahrbahn dienenden Buckel¬
platten sind durchgehends nicht unter 5 mm stark bemessen und zum
Abb. 11. Auflager für die Unter- Abb. 12. Auflager für die Unterführung
führung der Gladbacher-Strafse. der Gereonswallstrafse.
Abb. 13. Auflager des eisernen Ueberbaues der Veuloer-
strafsen - Unterführung.
Bogenbalkenträger von 12,36 und 21 m Stützweite (Unterführung,
der Gereonswall- und der Venloer Strafse) dar. Der Schuh, welcher
den Druck aus dem Tragwerk des Bogens vermittelst eines Stahl¬
zapfens auf den Lagerkörper überträgt, ist aus Flufsstahl hergestellt.
Bei dem Bogenfachwerks¬
träger ruht der mit Platten
verstärkte Untergurt unmit¬
telbar auf einem Stahlkeil
auf, sodafs die Anordnung
demnach mehr einer Schneide
als einem Gelenk ent¬
spricht, wobei ja die be¬
absichtigte Wirkung in
gleicher Weise wie bei
diesem erzielt wird.
Bei dem Lager der Bo¬
genbalkenträger ist noch zu
erwähnen, dafs die Druck¬
übertragung aus dem Bogen
auf den Stahlschuh nur durch
Vermittlung der zu dem
Zwecke sauber bearbeiteten
oberen und unteren Gurtwinkel sowie der etwa vorhandenen Gurtplatten
bewirkt wird; das Stehblech selbst dagegen ist so ausgeschnitten,
dafs es in seinem mittleren Theile gar nicht zur Auflage und Druck¬
abgabe an den Lagerschuh gelangt (wie in Abb. 12 und 13 durch
Schrafiur angedeutet). Auf diese Weise wird das genaue und voll¬
besseren Widerstande gegen Rosten verzinkt; die Seitenlangen sind so
gewählt, dafs der Flächeninhalt der Buckelbleche im allgemeinen 2 qm
bis höchstens 2,25 qm nicht übersteigt; bei Anwendung gröfserer als
der angegebenen Mafse werden die Platten schon zu unhandlich, und
es lassen sich die gewünschten Formen beim Pressen aus dem ebenen
Blech nicht mehr hinreichend sauber erzielen. In den meisten Fällen
ist die Breite der Buckelbleche nicht sehr verschieden von der Länge
der Platten gewählt. Eine Ausnahme bildet die Unterführung der
Venloer Strafse, bei welcher die enge Stellung der Verticalen für
die Querträger eine Länge der Buckelplatten von nur 0,85 m bedingt;
die Breite derselben konnte demgemäfs mit Vortheil auf 2,30 m er¬
höht werden, sodafs eine volle Geleisbreite von nur einer Reihe von
Buckelblechen aufgenommen wird (vgl. Abb. 14). Dieselben gestalten
sich trogartig, wie ein cylindrisches Hängeblech, welches nur an bei¬
den Kopfseiten durch je eine halbe Buckelplatte begrenzt wird. Bei
Herstellung dieser Formen und Vernietung der Platten haben sich
Mifsstände irgend welcher Art nicht gezeigt.
Die Pfeilhöhe der Buckelbleche ist je nach dem Längen- und
Breitenmafs zu 11 bis 15 cm angenommen (etwa ^/lo desselben). Alle
Buckelbleche sind mit ihren vier Rändern aufgenietet. Neuerlich
sind bei mehreren Brücken die Buckelbleche mit Erfolg aus Flufs-
eisen hergestellt worden, wobei zur schärferen Ueberwachung der
Anfertigung besondere Abschreckproben ausgeführt werden,
welche darin bestehen, dafs einzelne Stäbe von 300 — 500 qmm Quer¬
schnitt und bei 200 mm freier Länge, für welche man die Dehnung
mufs beobachten können, nach Erwärmung plötzlich in kaltem Wasser
ab gekühlt werden. Dabei müssen die Stäbe noch die vorge-
1 0,S 0 1 2 3 4 S E 7™
_ ! _ I _ I I _ I _ I _ I
Abb. 14. Fahrbahn-Anordnung bei der
Unterführung der Venloer Strafse.
Nr. 48 *'.
Centralblatt der Bauverwaltung.
.503
Abb. 15. Anordnung des Scbleppblecbs
am Endquerträger
(Luxemburger Strafse).
scliriebenc Biegeprobe bestehen und eine Festigkeit von 3600 kg/qcm
bei einer Dehnung von mindestens 16 pCt. und einer Einschnürung
von nicht unter 32 pCt. aufweisen.
Besonderes Augenmerk wurde, wie schon oben erwähnt, auf die
Erzielung möglichster Wasserdichtigkeit der Fahrbahn gerichtet,
und die Erreichung dieses Zieles einmal durch Anordnung einer ziem¬
lich engen Nietung von 7 — 9 cm Nietabstand bei 16 mm Stärke der
Nieten angestrebt. Aufserdem wurde aber auch besonders vorge-
geschrieben, dafs die Ränder der Buckelplatten da, wo sie sich
gegenseitig überdecken, mit einander veriöthet werden. Wenn da¬
gegen die Buckelplattenränder auf Querträgerflanschen oder Gurt¬
platten von Hauptträgern so zum Auf liegen kommen, dafs sie mit
unverzinkten Eisentheileu in Berührung treten, so wurde ein Ver¬
stemmen der Randfugen oder ein Ausfüttern und Verstemmen der
Fugen mit Blei vorgenom¬
men. Bei einer nach Voll¬
endung der Montirungsarbeit
anzustellenden Probe auf
Wasserdichtigkeit wurden
die Niete 10 cm hoch mit
Wasser überfluthet, welches
durch Thondämme abge¬
dichtet war. Nachdem diese
Probe ein befriedigendes
Ergebnifs geliefert hatte,
wurden alle Zwischenräume,
in welchen sich Wasser sammeln kann, mit Asphaltkitt ausgefüllt und
sodann die ganze Buckelplattenhaut mit einem heifsen Asphalt¬
anstrich versehen und mit feinem Kies bestreut.
Zur Entwässerung der Fahrbahn erhält jedes Buckelblech in der
Mitte an der tiefsten Stelle ein Loch von 25 mm Weite, welches
behufs Bildung einer Abtropfnase nach unten ausgeschlagen und
zugeschärft wird. Unter das Buckelblech wird eine schmiedeeiserne
Tülle aus verzinktem Gasrohr von 41 mm Weite angeschraubt (vgl.
Abb. 16), welche das Wasser in die unterhalb liegenden kleineren
Sammelräume und
von da weiter in
die Hauptquerrin¬
nen nach den Ab¬
fallrohren der Pfei¬
ler leitet. Um den
Bettungskies von
den Tüllen fernzu¬
halten , wird das
Tüllenloch ober¬
halb durch eine
gufseiserne , lose
aufgesetzte Haube
abgeschlossen, wel¬
che mit Ausschnitten für den Wasserdurchflufs versehen ist.
Mauerwerks- Anschlüsse. Den Anschlüssen an das Mauer¬
werk wurde besondere Sorgfalt gewidmet, um namentlich zu ver¬
hindern, dafs die mit weifsen Verblendplättchen sauber bekleideten
Schildmauern durch schmutziges Wasser, welches aus der Bettung
in die Fuge zwischen Stein und Eisen hindurchtritt, verunreinigt
werden. Zu dem Zwecke ist auf den Endquerträgern, an die
Buckelplatten anschliefsend, ein 8 — 10 mm starkes Schleppblech
aufgenietet, welches den Zwischenraum zwischen Endquerträger und
Schildmauer überdeckt und mit einem gewissen Spielraum auf der mit
kräftigem Gefälle versehenen Abdeckplatte der Schildmauer aufliegt
(vgl. Abb. 15). Von besonderer Bedeutung ist die am hinteren Ende
des Schleppbleches angebrachte durch Umbiegen des Bleches her¬
gestellte Nase, welche ein rasches Ahtropfen der Feuchtigkeit erzielen
und das Zurücktreten oder Aufsteigen derselben unterhalb des
Schleppbleches verhüten soll.
Bei den Ueberbauten mit Bogenträgern ergiebt sich im allge¬
meinen schon aus dem nothwendigen Raum für das Lager, dafs der
Endquerträger bezw. die Endverticale des Eisenwerkes etwa '/s m
Abstand von der Schildmauerflucht erhält. Dieser Abstand ist noth-
wendig und von besonderem Vortheil für die Ermöglichung einer
dauernden guten Unterhaltung der Eisenconstruction und sollte daher
nicht zu knapp bemessen werden. Falls aus anderen Gründen,
namentlich bei schiefer Lage der Brücken, der Abstand der End-
verticalen vom Mauerwerk noch gröfser wird, erscheint die Auflage¬
rung des Streckgui’tes oder eines besonderen Schleppträgers auf der
Schildmauer nothwendig. Diese Anordnung hat jedoch mancherlei
Nachtheile: durch das doppelte Auflager entstehen bei Temperatur¬
änderungen unbeabsichtigte Spannungen in den Endverticalen oder
im Streckgurt, oder aber es tritt ein Ablösen der Construction von
dem oberen Auflager ein; die unvermeidlichen Temperaturbewegungen
-und Erschütterungen durch die Betriebslast pflanzen sich auf den
Abb. 16. Unterstützung des Schlepp¬
blechs durch Consolen am Endquerträger
(Mastrichter Strafse).
Abb. 17. Fufsweg-Anordnung mit Tonnenblech.
oberen schwächeren Theil des jMauerwerks in ziemlich ungemilderter
Weise fort, die ganze Anordnung ist wegen der meist knappen
Höhenverhältnisse schwer zugänglich und daher deren Unterhaltung
schwierig. Aus diesen Gründen sind, soweit irgend möglich, diese
sogenannten secundären Auflager bei den geraden sowohl wie bei
den Bogenträgern grundsätzlich vermieden worden und es ist das
Gewicht der Brückenbahn, welche zwischen Endverticale und Mauer
liegt, durch Vermittlung besonderer an den Endquerträger angenieteter
Kragträger, welche das Schleppblech an geeigneten Punkten unter¬
stützen, allein auf den Endquerträger übertragen (vgl. Abb. 16); der
letztere wird auf diese Weise auch noch besser ausgenutzt, da er
sonst im Vergleich mit den übrigen Querträgern nur zur Hälfte be¬
ansprucht wird. Wenn die freitragende Breite des Schleppbleches
zu erheblich wird, so kann, wie Ahb. 16 zeigt, die nothwendige Trag¬
fähigkeit desselben noch
durch einen am hinteren
Ende desselben an den
Kragträgern befestigten säu¬
menden Querträger ge¬
wonnen werden. Es sei
noch erwähnt, dafs die
Schleppbleche bei ihrer
gröfseren Stärke (8 — 10 mm)
keine Verzinkung erhalten.
Fu fs Weganordnung.
Die neben der Stirn der Un¬
terführungen erforderlichen Fufswege sind durch Verlängerung der
Querträger über den Stirnträger hinaus oder durch Kragträger, welche
an die Verticalen des letzteren angeschlossen sind, unterstützt. Die
Fufswegbahn selbst ist in den meisten Fällen durch ein nach ohen
cylindrisch gebogenes Tonnenblech gebildet, welches einerseits auf
dem Rande der Gurtplatten des Stirnträgers bezw. des äufsersten
Fahrbahnlängsträgers aufgenietet wird, anderseits auf dem mit
einem Winkeleisen gesäumten Stirnblech seine Unterstützung findet,
wie dies Abb. 17 in Schnitt und Ansicht veranschaulicht.
Die Tonnen¬
bleche sind, ihrer
geringeren Bela¬
stungentsprechend,
mit 4 — 5 mm Stärke
ausgeführt und ver¬
zinkt wie die
Buckelbleche; sie
sind mit einer Kies¬
decke überschüttet
oder auch, wie in
Abb. 17 gezeichnet,
mit einer in Ce-
mentbeton herge¬
stellten durch einen Längswinkel begrenzten Abdeckung versehen. Der
Stofs der einzelnen Tonnenblechschüsse wird durch eine oben aufge¬
legte Decklasche überdeckt. Diese ganze Anordnung hat den Vorzug
grofser Einfachheit und einer bequemen und sicheren Entwässerung
und gestattet aufserdem, da das Kiesbett gleichmäfsig durchgeführt ist
noch gewisse etwa erforderlich werdende Verschiebungen des äufsersten
Geleises. Der Anschlufs des Tonnenbleches auf dem Mauerwerk
erfolgt ebenfalls in einfachster Weise durch Aufliegen auf der mit
entsprechender Krümmung versehenen Abdeckplatte. Das auf den
Fufswegträgern befestigte Stirnblech dient zugleich zur sicheren
Anbringung der eisernen Geländerpfosten.
• Abdeckung der Zwischenräume zwischen Geleis¬
gruppen; ObeiTichte. Soweit einzelne Geleisgruppen derart von
einander getrennt werden können, dafs auf einzulegende Weichen¬
verbindungen zwischen denselben nicht zu rücksichtigen ist, konnten
die Zwischenräume zwischen den regelmäfsigen Brückenbahnen in
leichterer Weise überdeckt werden. Es kommt hier W ellblech, nach
unten gekrümmtes Hängeblech sowie nach oben gebogenes Tonnen¬
blech in Frage; alle drei Formen haben Anwendung gefunden.
Dem Hängeblech haftet der Nachtheil an, dafs besondere Entwässe-
rungstüllen sowie Sammelrinnen zur Abführung des Wassers noth¬
wendig werden, welche bei dem Tonnenblech fortfallen. Während
die Hängen- und Tonnenbleche auf denselben Fahrbahnträgern wie
die Buckelbleche vernietet werden, mufs das Wellblech zur sicheren
Entwässerung im allgemeinen etwas in die Höhe gerückt werden und
bedarf daher zum Auflager noch besonderer Formeisen (C- oder
Z-Eisen). Die Ueberdeckung mit Tonnenblech bietet in einfachster
Weise zugleich Gelegenheit zur Vermittlung des Höhenunterschiedes
bei benachbarten Trägergruppen, welche in verschiedener Höhe
liegen, wie Abb. 18 für die Unterführung der Maybach-Strafse zeigt.
Soweit das Eisenwerk über der Strafsenfahrbahn liegt, ist das
Tonnenblech in der Mitte zur Aufnahme eines ObeiTichtkastens
504
Centralblatt der Banverwaltung.
3. Deeeiiiber 1890.
aiisgeschuitten. Der Oberliclitrahmen findet auf den oberen säumen¬
den AYinkeln des Kastens ein Auflager, in welches er lose ein¬
gelegt ist. Der äufsere Oberlichtrahmen ist von Z' Eisen gebildet,
dessen oberer wagerechter Schenkel die nothwendigen Spielräume
zwischen Oberlicht-Kasten- und -Rahmen zur Vermeidung von ein¬
dringender und durchtropfender Feuchtigkeit in sicherer W eise ab¬
deckt.
Abb. 19 zeigt eine noch einfachere Anordnung des Oberlichts,
Abb. 18. Abdeckung mit Tonuenblech nebst Oberlicht.
(Unterführung der Maybachstrafse).
dessen Kasten hier auf die Fahrbahnc[uerträger aufgenietet, durch
Wdnkel mit denselben verbunden ist und mit seinem unteren Winkel-
eisen den Rand der angrenzenden Buckelplatten unmittelbar auf¬
nimmt.
Die Anordnung nach Abb. 20 (Unterführung der Gladbacher
Strafse) ist bedingt durch die Einspannung der Querträger zwischen
den oberen Streckgurt und durch die Nothwendigkeit, seitlich von
der Achse des begrenzenden Hauptträgers noch etwa 38 cm Breite
für die Schwellen-Enden des benachbarten Geleises als Kiesbett zur
Verfügung zu belialten. Die Längswangen des Oberlichts sind behufs
gröfserer Steifigkeit unten gekrümmt und legen sich mit ihrem wage¬
rechten Rand auf die Gurtplatten des Hauptträgers, gegen welchen
sie durch besondere Kragträger noch versteift sind. Der Oberlicht-
Abb. 20. Anordnung des
Oberlichts bei der Unterführung
der Gladbacher Strafse.
rahmen ist wie in Abb. 18 und 19 gebildet und liegt frei in dem
Kasten auf.
Sämtliche Oberlichter sind mit 25 mm starken Glasplatten aus
Rohglas, welche in Meunigekitt verlegt sind, abgedeckt und begehbar.
Köln, im August 1890. F. Baltzer.
Abb. 19. Oberlicht- Anordnung bei der
Unterführung der Mastrichter Strafse.
Vermischtes,
Veil erschienene, bei der Redaction eingegangene W'erke:
Acherinann, Th. Die Wegebaulast im Geltungsbereiche des
preufsischen Landrechts. 2. Auflage. Breslau 1890. J. U. Kerns
Verlag (Max Müller). 189 S. in 8". Preis 4 J(.
Baker, M. K. The Manual of American Water-Works. Second
annual issue. 1889 — 90. Kew-York 1890. Engineering Publishing Co.
LVI u. 766 S. in 8“ mit 30 Abb. im Text.
Ballanf, Fr. Technologisches Wörterbuch in deutsch -englischer
und englisch -deutscher Sprache, Schifl’smaschinenbau und - Betrieb
und Land-Dampfmaschinen umfassend. Flensburg 1890. Aug. West-
phalen. 88 S. in kl. 8". Preis 1,50 .//f. In biegsamen Leinenband 2 M.
Bares, Br. J. Grundzüge des Aehnlichkeitsstils. Prag 1890.
Bursik u. Kohout. 44 S. in 8“ u. 24 Tafeln. Preis 5 Jt.
Bauknude des Architekten. I. Band I. Theil. Zimmer-Construc-
tionen, Maurerarbeiten, Eindeckung der Dächer, Metallconstructionen
des Aufbaues. 2. gänzlich umgearbeitete Auflage. Berlin 1890.
Ernst Toeche. VIII u. 594 S. in 8“ mit 1759 Abb. und 12 Tafeln.
Preis geh. 10 Jt, geb. 11,50 Jt.
Beek, Heinr., I)r. jur. Die rechtlichen Verhältnisse zwischen
benachbarten Grundstücken gegenüber genehmigungspflichtigen Ge¬
werbeanlagen. Leipzig 1890. Rofsbergsche Buchhandlung. IV u.
66 S. in 8". Preis 1,50 Jt.
Breymauiis Bau-Constructionslehre III. Band. Constructionen
in Eisen. Fünfte Auflage. Neubearbeitet von Otto Königer.
Leipzig 1890. J. M. Gebhardts Verlag. Lief. 1, 2 u. 3. In 4“.
Seite 1 — 72 des Textes mit 118 Abb. u. Tafel 1 — 22. Preis der Lief.
1,50 Jt.
Breyinanii u. Kirsteiii. Das chemische Laboratorium der Uni¬
versität Göttingen. Abdruck aus der Zeitschrift des Arch.- u. lü^.-
Vereins in Hannover 1890, Heft 6. Hannover 1890. Schmorl u.
V. Seefeld Nachf. 13 S. in Folio mit 6 Blatt Steindrucken. Preis 6 Jt.
Das Gesetz betreffend die Errichtung von Gewerbegerichten und
Einigungsämtern sowie das Verfahren vor dem Gemeindevorsteher.
Düsseldorf 1890. Felix Bagel. 31 S. in 16". Preis 0,20 Jt.
Dolezalek, Karl. Der Tunnelbau. 1. Band (in 4 Lieferungen).
Die Gewinnungsarbeiten. 2. Lief. Hannover 1890. Helwingsche
Verlagshandlung. In 8". Seite 97 bis 192 mit Abb. 60 bis 105 und
Tafel 10 bis 14. Preis der Lief. 5 Jt.
Bnllo, Gustav. Die preufsischen Verwaltungsgesetze. Berlin
1890. J. J. Heine. VIII. u. 428 S. in 16". Preis 2,50 .if.
Dullo, Gustav. Gesetzeskunde und Volkswirthschaftslehre in
gemeinverständlicher Darstellung. Berlin 1890. J. J. Heine. X u.
393 S. in 16". Preis 2,50 JL
Fritsch, K. E. 0. Stilbetrachtungen. Auf der 9! Wanderver¬
sammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine in Hamburg vorgetragen. Abdruck aus der Deutschen Bau¬
zeitung. Berlin 1890. Commissions -Verlag von Ernst Toeche. 39 S.
in 8". Preis 0,50 Jt.
Gleim, W. Das Recht der Eisenbahnen in Preufsen. I. Band.
1. Hälfte. Die allgemeinen Grundlagen des preufsischen Eisenbahn¬
rechts. Berlin 1891. Franz Vahlen. VIII. u. 137 S. in 8". Preis 3 Jt.
Gliuzer, Br. E. Die Rauchplage und ihre Abhülfe. Hamburg
1890. Boysen u. Maasch. 34 S. in 8". Preis 0,b0 Jt.
Handbuch der Architektur, herausgegeben von Durm, Ende,
Schmitt und Wagner. III. Theil. Die Hochbauconstructionen.
4. Bd. Anlagen zur Versorgung der Gebäude mit Licht und Luft,
AVärme und Wasser. 2. Auflage. Von Geh. Baurath Prof. Dr.
Schmitt in Darmstadt, Prof. H. Fischer und Dr. W. Kohlrausch in
Hannover, Privatdocent, Ingenieur 0. Lueger in Stuttgart. Darm¬
stadt 1890. Arnold Bergsträsser. VIII u. 458 S. in gr. 8" mit 439 Abb.
im Text und 12 Tafeln, darunter 10 in Farbendruck. Preis 22 Jt.
Goldenzweig, Fr. Ueber den gegenwärtigen Stand der Elektro¬
technik in den Vereinigten Staaten von Nord- America. Abdruck aus
der Zeitschrift für Elektrotechnik 1890. W^ien 1890. Selbstverlag des
Verfassers. 19. S. in 8" mit 20 Abb.
Goering, A. Die Bauausführung der zweiten Weichselbrücke
bei Dirschau. Abdruck aus dem Centralblatt der Bauverwaltung 1890.
Berlin 1890. Ernst u. Korn. 9 S. in gr. 4" mit 11 Abb. Preis 2 Jt.
Hallhauer, M. Das neue Gesetz über die Invaliditäts- und
Altersversicherung. Eine Darstellung in Gespächsform für jedermann.
2. Auflage. Leipzig 1890. Alb. Berger (Serigsche Buchhandlung).
66 S. in kl. 8". Preis 0,60 Jt.
Haupt, Albr. Die Baukunst der Renaissance in Portugal. I. Band.
Lissabon und Umgegend. Frankfurt a. M. 1890. Heinr. Keller. V u.
151 S. in 4" mit 131 Abb. Preis 18 .if.
Hirth, Georg. Der Formenschatz. München und Leipzig.
G. Hii'th. Jahrgang 1890, Heft V bis XII und Jahrgang 1891, Heft I,
Jährlich 12 Hefte in gr. 8". Preis des Jahrgangs 15 Jt.
Hohrecht, Dr. James. Die modernen Aufgaben des grofs-
städtischen Strafsenbaues mit Rücksicht auf die Unterbringung der
Versorgungsnetze. Abdruck aus dem Centralblatt der Bauverwaltung
1890. Berlin 1890. Ernst u. Korn. 22 S. in 8° und 1 Blatt Abbil¬
dungen. Preis 1,20 Jt.
Hiimaun, Georg. Der Westbaii des Münsters in Essen. Essen
1890. Selbstverlag des Verfassers (Essen, 3. Hagenstr. 21). 44 S.
in 4" mit 24 Abb. im Text und 3 Tafeln. Preis 4 Jt.
Jahu, H. B. Karte des Nord-Ostsee-Canals. Dritte berichtigte
Auflage. Kiel 1890. Ernst Homaun. Preis 1,20 Jt.
Jurisch, Dr. Koiirad Wilhelm. Die Verunreinigung der Ge¬
wässer. Denkschrift im Aufträge der Flufscommission des Vereins
zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands
bearbeitet. Berlin 1890. R. Gaertner (Hermann Heyfelder). 117 S.
in 8" mit Abb. im Text. Preis 10 Jt.
König, Andreas. Entwürfe zu ländlichen Wohngebäuden.
III. Auflage. Neubearbeitet von Paul Gründling. Weimar 1890.
Beruh. Friedr. Voigt. XII und 213 S. in 8“ nebst einem Atlas mit
12 Foliotafelu. Preis 7,50 Jt.
Krameyer, C. Die Bekämpfung der Schadenfeuer. Berlin 1891.
Julius Springer. 83 S. in kl. 8". Preis 1 Jt.
Verlag von Ernst & Korn CWillielm Ernst), Berlin. Für die Ecdaction des niehtamtliclien Tlieiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
505
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 6. December 1890. Nr. 49.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.7 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,7.7 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Naclnicliteu. — Niehtamtliches : Altes und Neues
über die Porta nigra in Trier. — Erriebtung eines Kaiser Wilhelm-Denkmals für die
Kbeinprovinz. — Robriiostanlago auf dem Centralgüterbalinhofe in Stettin. — Tarif-
bildung- der Eisenbahner. — Schlackenconient. — Vermischtes: Schinkelfest-
Preisaufgabe des Arcliitekten- Vereins in Berlin für 1892. — Preisbewerbung zur Ge¬
winnung von Entwürfen für den Um- oder Neubau des Hürgcrvereins-IIauses in
Frankfurt a. M. — Amtsgerichts -Gefäugnifs in Marienbnrg W./Pr. — Koyls parabel-
förraige Eisenbalinwagendecke. — Ausiegerbrückeu in Indien. — Baurath Karl Knoll f.
Amtliche Mittheilungen.
Preufseu.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Ge¬
heimen Ober- Baurath und vertragenden Eath im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten Johann Wilhelm Schwedler aus Anlafs seines
Eintritts in den Euhestand, ferner dem Geheimen Ober- Baurath und
vertragenden Eath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Baensch
sowie dem Präsidenten der Königlichen Eisenbahn-Direction in Berlin
W ex den Charakter als Wirklicher Geheimer Ober-Baurath mit dem
Eange eines Eathes erster Klasse zu verleihen.
Der bei der Canalisirung der Unterspree beschäftigte bisherige
Eegierungs-Baumeister Wilhelm Muttray in Charlottenburg ist zum
Königlichen Wasser-Bauinspector ernannt worden.
Zu Königlichen Eegierungs- Baumeistern sind ernannt: die Ee-
gierungs- Bauführer Karl liiert aus Cassel und Karl Teichen aus
Stralsund (Hochbaufach).
bei der Prüfungs-Com¬
mission in Berlin.
Die Lamlmesser-Priifnug in Preufsen haben im Frühjahr 1890
bestanden :
1. Albath, Arno, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
2. Berendonck, Hermann, b. d. Prüf.-Commission in Poppelsdorf.
3. Busch, Johannes 1 i i t-. ../• • •
4. Gelhaar, Hans Friedrich Wilhelm
5. Gctzuhn, Gustav I
6. Gramm, Karl Otto, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
7. Grunau, Friedrich Wilhelm Gustav 1 . • i -r n
o tt • TT l der JrruiuDffs - OoiH"
o. Meinen, Hermann ) ... ,.
1 T- 1 rt j. Aj TP All X mission m Berlin,
y. Heiicke, Karl Gustav Adolf Albert 1
10. Hefselbein, Heinrich, bei der Prüf.-Commission in Poppelsdorf.
11. Hoffmann, Georg
12. Hoffmann, Hugo
13. Hoffmann, Walter Friedrich Theodor
14. Jaekel, Johannes
15. Kahl, Ernst
16. Kahmann, Gustav
17. Kleemann, Wilhelm
18. Krause, Ernst Johannes, bei der Prüfungs-Commission in Pop¬
pelsdorf.
19. Kummer, Gustav Adolf I
20. Löhr, Friedrich Wilhelm Karl | bei der Prüfungs-Commission
21. Möller, Johannes Hans Friedrich f in Berlin.
22. Möring, Andreas ’
23. Mühlbach, August, bei der Prüfungs-Commission in Poppelsdorf.
24. Müller, Erich, bei der Prüfungs-Commission in Berlin.
25. Müller, Friedrich Wilhelm, bei der Prüfungs- Commission in
Poppelsdorf.
26. Genicke, Emil Gustav Oskar, b. d. Prüf.-Commission in Berlin.
27. Peters, Christian Friedrich Karl \ bei der Prüfungs-Commission
28. Piro, Ludwig Aloys / in Poppelsdorf.
29. Prause, Max \ i, • i ■•i- • • • t> t
30. Koos, Clemens Otto I Prufungs-Commission m Berlin.
31. Sahm, Franz 1 , • , -r ■ ■
32. Schüttlöffel, Gustav / bei der Prüfung, s-Commission in Berlin.
33. Stephan, Christoph \ bei der Prüfungs-Commission in
34. Stiefelhagen, Joseph Hubert 1
35. Tehnzen, Hermann
36. T scheu sehn er, Hugo Alexander
37. Vater, Hermann Gotthold Eduard
38. Wegner, Karl Friedrich Wilhelm
39. Windolph, Otto
40. Wolff, Alexander Paul
l^oppelsdorf.
bei der Prüfungs-Commission
in Berlin.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, eine bei
dem maschinentechnischen Bureau der Generaldirection der Staats¬
eisenbahnen erledigte Abtheilungsingenieurstelle dem Maschinen¬
ingenieur Zutt in Karlsruhe zu übertragen.
Dem Baumeister Albert Eeichert aus Cannstatt ist der Titel
Eegierungs-Baumeister verliehen worden.
Der Baurath Knoll, Mitglied der Generaldirection der Staats¬
eisenbahnen, Inhaber des Kitterkreuzes I. Klasse des Friedrichs¬
ordens, des Kitterkreuzes I. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom
Zähringer Löwen und des preufsischen Kronenordens III. Klasse ist
gestorben.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Grofsherzog haben Sich Gnädigst
bewogen gefunden, dem Grofsherzoglich Hessischen Ober -Baurath
Arthur Wetz das Kitterkreuz I. Klasse und dem Kreisbauinspector
Baurath Schmidt in Saarunion das Eitterkreuz II. Klasse mit Eichen¬
laub Höchstihres Ordens vom Zähringer Löwen zu verleihen, sowie
den Centralinspector bei der Oberdirection des Wasser- und Strafsen-
baues, Bezirksingenieur Karl Kupferschmid, zum Vorstand der
Eheinbauinspection Offenburg zu ernennen.
Hessen.
Dem Vortragenden Käthe im Ministerium der Finanzen, Abthei¬
lung für Bauwesen, Ober-Baurath Victor v. Weltzieii, ist jdie Krone
zum Eitterkreuze I, Kl. des Verdienstordens Philipps des Grofs-
müthigen verliehen.
Ernannt sind: der Kreisbauassessor Eeinhardt Klingelhöffer
zum Vorstand des bautechnischen Bureaus bei der Abtheilung für
Bauwesen Grofsh. Ministeriums der Finanzen mit dem Amtstitel
Kreisbaumeister, der Kreisbauassessor Gustav Eeuting zum Kreis¬
baumeister des Kreisbauamts Giefsen und der Baumeister Heinrich
Diehm zum Kreisbauassessor.
Der Grofsh. Eisenbahn -Baumeister Stahl wurde zum Vorstand
der Baubehörde für Nebenbahnen in Starkenburg mit dem Sitze in
Darmstadt bestellt.
Der Kreisbaumeister des Kreisbauamts Giefsen, Baurath Ludwig
Walter, ist auf sein Nachsuchen in den Euhestand getreten.
[Alle Eechte vorlbehalten.]
Nichtamtlicher Theil.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Altes und Neues über die Porta nigra in Trier.
Von Baurath Brauweiler in Trier.
AVenn ich es wage, die grofse Zahl derjenigen, welche über die
Porta nigra geschrieben haben, noch zu vermehren, so geschieht dies
in dem Vertrauen, gestützt auf langjährige Beobachtung des meiner
•Obhut anvertrauten Denkmals und unter Benutzung verschiedener
für die Forschung noch nicht verwertheter Untersuchungen, einige
neue Aufklärungen bieten zu können.
Schriftliche Nachweisungen über die Porta nigra aus dem ersten
Jahrtausend sind nicht bekannt. Das Gebäude tritt, dem Geist der
506
0. Deceiiiber 1890,
Centralblatt der Bauverwaltung'.
damaligen Zeit entsprechend, erst dann wieder in den Brennpunkt
des Interesses, als nach dem im Jahre 1035 erfolgten Tode des
morgenländischen Mönches Simeon, welcher in dem westlichen Thurm
71/2 Jahre als Einsiedler gelebt hatte, dessen letzter Aufenthaltsort
zur Simeonskirche wurde. Eine Urkunde des Stifters, des Erz¬
bischofs Poppo , aus dem Jahre 1042 sagt, dafs in der ^porta que
opvd (jeniUes Marü consecrata memoratur'-^ eine Kirche errichtet
worden sei. Die Echtheit dieser Urkunde wird allerdings ange-
zweifelt, weil die Schriftzüge das 13. Jahrhundert verratheu sollen.
In einer unbezweifelten Ui künde von 1048 erwähnt auch Erzbischof
Eberhard die Thorkirche als ehemaliges Marsthor ^.antiqvitus porta
mariis'^. Selbst der Name Porta nigra, und zwar mit dem Zusatz
„in tni-ri, qne aniea porta vipra vocabafn?-“, kommt schon in der
vita St. Simeouis von Abbas Eberwinus aus dem 11. Jahrhundert vor.
Hontheim bezeichnet in seiner Historia diplomatica Baud I S. 379 Col. 1
als Anmerkun g zu der erstgenannten PTikunde das Gebäude als
portam iam ante Fopponis tempora in temptum St. Michael is
conversam. Es scheint also, dafs das Thor schon gegen Ende des
1. Jahrtausends zu kirchlichen Zwecken benutzt worden ist. Die
Zurückziehung des heiligen Simeon in einen Theil dieses Gebäudes
wird dadurch auch erklärlicher. Nähere Nachrichten über diese
frühere Kirche habe ich nicht tinden können.
Da das mit Ausnahme der Thore und kleiner seitlicher Eingänge
nicht durchbrochene untere Geschofs des Gebäudes zu kirchlichen
Zwecken nicht verwendbar war, so wurden die der Stadt abgekehrteii
Thore zugemauert und der ganze Bau bis zum ersten Stock mit
Erde zngeschüttet. In den oberen Geschossen wurden zwei Kirchen
übereinander errichtet, von denen die untere Pfarr-, die obere Stifts¬
kirche war. Eine Inschrift im Innern des östlichen Thurmes sagt:
Leo IX Font Max. in inferiori hac Busilica Jlonori St. Smeonis altare
dedicat 1049. Wenn auch diese Inschrift der Sjmtrenaissance-Zeit
angehört, so beruht sie doch auf kirchlichen Ueberlieferungen. Man
darf also annehmen, dafs die Doppelkirche schon gleich bei der
Stiftung eingerichtet wurde. Nach der Aufsenseite war durch Her¬
stellung von Futtermauern eine Plattform in Höhe des unteren
Kirchenbodens gebildet worden. Zu diesem führte von der Stadtseite
eine mächtige Freitreppe in der dortigen Rampe. Den Zugang zu
der oberen Kirche bildete eine äufsere Treppenanlage, welche von
der Plattform nach Westen zu aufstieg. Eine eingehende Geschichte
der Simeonskirche liegt aufserhalb des Rahmens der vorliegenden
Arbeit.
Ein Kupferstich von Kaspar Merian aus dem Jahre 1616 giebt
eine Abbildung der ganzen Anlage in der damaligen Zeit von der
Stadtseite aus. Interessant ist das Vorhandensein eines Giebel¬
feldes auf der Südseite des westlichen Thurmes, welches ganz in
römischer Art hergestellt ist. Vor der stadtseitigen Freitreppe ist
auf dem Merianschen Stich ein dreithoriger Triumphbogen sichtbar.
Der Binnenhof der Porta nigra war zum Mittelschitf der beiden
Kirchen ausgebaut, während die Vertheidigungsgänge nach aufsen und
innen als Seitenschiffe zu betrachten sind. Das basilikenartig höher-
getührte Mittelschiff ragt auf dem Bilde so hoch über das alte Mauer¬
werk des eigentlichen Thorbaues hervor, dafs das Abschlufsgesims
mit dem des westlichen Thurmbaues zusammenfällt. Der noch er¬
haltene Ostchor in spätromanischem Charakter scheint gegen Ende
des 12. Jahrhunderts angefügt worden zu sein. Die ganze Anlage
mufs einen, wenn auch wunderlichen, doch zweifellos gewaltigen
Eindruck gemacht haben. Eine auf der Trierischen städtischen
Bibliothek befindliche, schülerhaft ausgeführte Zeichnung in Wasser¬
farbe von Lothary aus dem Jahre 1795 zeigt noch ein ähnliches
Bild. Der romanische Helm des Merianschen Stiches hat sich in
eine welsche Haube verwandelt, welche übrigens schon bei Broverus
(I. Ausgabe 1629) erwähnt wird. Das bei Merian sichtbare Giebel¬
feld ist verschwunden. Auch von dem Triumphbogen ist nichts
mehr zu sehen. Die Zeichnung zeigt deutlich, dafs die Kirche sich
in einem trostlosen baulichen Zustande befand, nachdem die franzö¬
sischen Eroberer die Metallbedachung abgenommen hatten. Napoleon
gab Auftrag, die späteren Aufbauten zu beseitigen und die um¬
geschüttete Erde zu entfernen. Diese Arbeiten wurden auch be¬
gonnen, aber erst durch die preufsische Regierung in den Jahren
1815 — 1817 soweit zu Ende geführt, dafs das Gebäude bis zur da¬
maligen Strafsensohle freilag.
Im Jahre 1876 wurde das Thor auf Anregung der Königlichen
Regierung in Trier bis auf den römischen Boden ausgegraben. Dem
Bericht des die Oberleitung führenden Regierungs- und Bauraths
Seyffarth in dem „Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche
Forschungen zu Trier“ von 1874—1877 Seite 91 ff. sind die nach¬
folgenden Stellen und die Abbildungen 1 — 3 entnommen:
„Bei der im Jahre 1876 stattgefundenen vollständigen Freilegung
des Bauwerks durch Ausschachtung des dasselbe umgebenden Ter¬
rains wurde innerhalb des Thors und stadtseitig desselben in der
Höhe des obersten Mauerabsatzes, auf w’elchem der Sockel des Unter¬
Abb. 1. Fundament
des Römerthores.
baues aufgesetzt war, noch eine aus reinem Moselkies construirte
Römerstrafse von etwa 0,5 m Stärke vorgefunden, diese Strafse aber
nur an einer Stelle aufserhalb des Thores in etwa 25 m Entfernung
vom Gebäude wieder aufgefunden, und scheint dieselbe hier in der
unmittelbaren Nähe des Gebäudes in einer späteren Zeit zerstört
worden zu sein. Mit dem vorbezeichneten Fundamentmauerabsatz
und mit der alten Römerstrafse in gleicher Höhe waren in den
Oeffnungen der beiden äufseren Thore mit den äufseren Mauerflächen
bündig grofse Quader von 1,80 m Länge, 0,65 m Höhe und Breite
als Schwellen eingelegt, welche dazu dienten, bei herabgelassenen
Fallgattern eine Unterminirung derselben durch den Feind zu ver¬
hindern. Stadtseitig wurde 0,60 m über der alten Römerstrafse eine
wahrscheinlich aus der fränkischen Zeit her¬
rührende, aus grofsen Kalksteinplatten gebil¬
dete Strafse aufgefuuden, welche an der stadt¬
seitigen Front des Römerthores endigte. Was
die Construction des Gebäudes selbst anbelangt,
so ist dasselbe ganz aus grofsen Sandstein-
quaderu erbaut, und zwar sind diese Quader
ohne jeglichen Mörtel stumpf auf einander ver¬
setzt worden. Zur Bildung der sehr engen
letziqeSLrassenhdhe Und schai’fen Fugen sind die Lagerflächen der
" Steine sehr exact bearbeitet und vor dem Ver¬
setzen abgeschlifl'en worden, die Seitenflächen
sind zur Erzielung einer engen und scharfen
Stofsfuge jedoch nur an den äufseren Kanten
etwa 0,15 m breit wie die Lagerflächen bear¬
beitet, der innere Theil aber tiefer nur im
rohen ausgearbeitet, und die einzelnen Quader
unter sich durch eiserne Klammern verbunden
worden.
„Zu beiden Seiten des Thores haben sich
bei der Freilegung ferner die noch aus der
Römerzeit herrührenden Stadtmauern in ihren
Substructionen aufgefunden. Diese Mauern
waren ganz aus Kalksteinen erbaut und in
den Aufsenflächen mit kleinen zugerichteten
Kalksteinen von 0,16 bis 0,20 m Länge und 0,13 bis 0,15 m Höhe
verblendet und greifen mit ihrem Mauerwerk in die an den
beiden Seiten der Hauptgebäudetheile durch Vortreten der Quader¬
steine gebildete Verzahnung ein. Die Stadtmauer besafs eine Stärke
von 2,9 m und wahrscheinlich eine Höhe von 5,65 m, w'eil in dieser
Höhe die Schwellen der ins erste Stockwerk führenden Thüren zum
Römerthor belegen sind, die jedenfalls gleich¬
zeitig den Zugang zum Wallgang bildeten.“
Ueber die Bestimmung der Porta nigra
herrscht fast bei allen neueren Schriftstellern
die übereinstimmende Ansicht, dafs sie ein
Stadtthor mit Vorhof (propugnaculum) gewesen
sei. Die Porta nigra stand in unmittelbarem
Zusammenhänge mit der Stadtmauer und ent¬
hielt aufser den Vertheidigungsgängen grofse
Räume zur Unterbringung der Besatzung und
des Kriegsmaterials. Sehr interessant bezüglich
der militär- technischen Bedeutung des Bau¬
werkes sind die Ausführungen des Generals
Krieg von Hochfelden in seiner Geschichte der
Militärarchitektur in Deutschland 1859 S. 34—44.
Der Verfasser ist der erste, welcher diese Seite eingehend beleuch¬
tet. Er betont namentlich die bedeutenden Fortschritte in der An¬
lage gegenüber ähnlichen Bauten der früheren römischen Kaiserzeit
und erkennt sowohl in der Ornamentik als auch in der ganzen
militärischen Anordnung zweifellos die spätrömische Art.
Diese Angabe führt uns zu der schwierigen Frage nach der
Entstehungszeit des Gebäudes. Die Ansichten gehen hier sehr weit
auseinander. Ueberraschender Weise hat die Sage sich mit diesem
mächtigen, durch Form und Farbe wie für einen Sagenhort ge-
schafPenen Bau nur wenig beschäftigt. Es klingen allerdings einzelne
sagenhafte Züge aus den Ueberlieferungen der Chronisten: von ur¬
alter Gründung, von der Erbauung durch den Teufel, von einem
Tempel, worin die Sonne und der Mond verehrt worden; aber keiner
dieser Klänge hat sich im Volke bis heute fortgepflanzt. Es scheint,
dafs die vielen gelehrten Forschungen die feinen Fäden der Sage
erbarmungslos zerrissen haben. Immer noch sagenhaft klingt Qued-
nows Ansicht, dafs der Bau griechischen Ursprungs sei, und die
von verschiedenen Schriftstellern (ursprünglich auch von Wytten-
bach) aufgestellte Behauptung einer etrurischen Gründung. Von den
ernst zu nehmenden Angaben mögen hier einige aufgeführt werden.
Für das erste Jahrhundert entscheiden sich Hübner und Essenwein.
Hetzroth, Wyttenbach (nach Verlassung seiner ursprünglichen An¬
sicht) und Hirt schreiben sie dem Constantin, v. Wilmowsky dem
Abb. 2.
Durchschnitt.
Abb. 3.
Grundrifs.
Kr. 49.
Oentralblatt der Bauver waitung.
507
Gratian zu; Schmidt hält sie für das späteste Denkmal der Eömer-
herrschaft in Belgien, Kugler nennt sie fränkisch, Mothes genauer
merowingisch. Es wird also, abgesehen von den sagenhaften An¬
gaben, eine Zeit zwischen der Mitte des ersten und des achten Jahr¬
hunderts für die Gründung in Anspruch genommen.
Vielfach sind politische und sociale Gründe aufgeführt worden, um
eine sehr frühe und eine sehr späte Zeitstellung zu bekämpfen. Trier sei
einerseits in der ersten Zeit seiner Erhebung zur römischen Colonie
(unter Claudius) noch eine viel zu unbedeutende Stadt gewesen, ander¬
seits nach dem Verlust seiner Würde als Residenz im Jahre 402 und
dem Eindringen der Germanen sowie den vielfachen Zerstörungen im
5. Jahrhundert wieder zu be¬
deutungslos geworden, um
eine so grofsartige Anlage mit
der sorgfältigsten technischen
Ausführung in seinen Mauern
zu bergen. Diese Einwen¬
dungen sind keineswegs zu
unterschätzen.
Der Umstand , dafs die
Porta nigra nicht ganz fertig
geworden ist, wird von ver¬
schiedenen Forschern als Be¬
weis angeführt, dafs ihre Ent¬
stehung in die Zeit kurz vor
dem Zusammenbruch der römi¬
schen Herrschaft zu setzen sei.
Dieser Beweis hat für den
ersten Augenblick eine gewisse
überzeugende Kraft, verliert
aber bei näherer Erwägung
jede Bedeutung. Angenommen,
Abb. 4. Bogenstellung am obersten
Thurmgeschofs.
Abb. 5. Bogenstellung des. 1. und
2. Stockwerks.
die Porta nigra sei von einem Kaiser kurz vor Constantin erbaut. Wir
sind heute noch in der Lage, zu behaupten, dafs der Bau auch ohne
die letzte Ueberarbeitung einen grofsartigen und befriedigenden
Eindruck gemacht haben mufs. Warum sollte nun Constantin sich
veranlafst gesehen haben, die letzte Hand an das Werk eines Vor¬
gängers zu legen? Man ist vielfach zu geneigt, „die Römer“ in einer
solidarischen Zusammengehörigkeit zu betrachten. Bei den damaligen
Kaisern waren es oft eher Gefühle des Neides und der Feindschaft,
als Empfindungen des Wohlwollens, welche der Nachfolger seinem
Vorgänger gegenüber hegte. Dazu kam wie gesagt, dafs ein
ästhetischer Zwang nicht voiiag. Hat doch die Porta nigra auch
unter den fränkischen Königen Zeiträume hohen Glanzes gesehen, ohne
dafs einer von ihnen das Bedürfnifs empfunden hätte, Nacharbeiten
vornehmen zu lassen.
Zu der Verwirrung in der Zeitbestimmung haben vor allem die
Einzelformen der Porta nigra Veranlassung gegeben. In dieser Be¬
ziehung haben sich besonders Kugler (Kunstgeschichte und kleine
Schriften II S. 103 — 113) und mit ihm Burckhardt (Anmerkung zu
Kuglers Kunstgeschichte II. Auflage 1848) täuschen lassen. Kugler
Abb. 6. Halbsäule am
Untergeschofs.
fühlt den mächtigen römischen Geist des Bauwerks sehr sicher, wird
aber durch die Einzelformen von einem Zugeständnifs des römischen
Ursprungs zurückgeschreckt. „Die barbarisirten Einzelheiten lassen
mit ziemlicher Gewifsheit schliefsen, dafs der Bau in die erste Zeit
der fränkischen Periode gehört.“ Er stützt seine Kritik zum Theil
auf die Capitellformen der oberen Geschosse. Die Ausladung sei
stark und unschön; an der Westseite des Doms, wo die Capitell¬
formen der Porta nigra jedenfalls zum Vorbild gedient
hätten, zeige die flachere Ausladung schon mehr künstlerisches
System.“ Es überrascht, dafs so bedeutende Kenner sich durch die
Gesamtwirkung der Einzelheiten in- ihrem Urtheil bestimmen
liefsen.
Jedem, der die Porta nigra aufmeiksam betrachtet, mufs als¬
bald der Unterschied zwischen den Formen des Erdgeschosses und
der oberen Stockwerke auffallen; der eingehend beobachtende
Fachmann wird indessen mit Sicherheit drei verschiedene
Formenbildungen entdecken: im Untergeschofs, in den zwei
oberen Geschossen und im Thurmgeschofs. Wie die Abbildungen
zeigen, hat das Untergeschofs schlichte römisch - dorische For¬
men. Die einzelnen Quader sind zum Theil sehr wenig bear¬
beitet und zeigen formlose Ansätze, bei denen kein Zweifel über die
Absicht einer späteren Bearbeitung möglich ist. Die Capitelle der
oberen Geschosse haben eine ganz ausgesprochen romanisirende
Form; die rohen Ansätze an den Werkstücken sind verschwunden.
Das Wesen der Einrahmungen für die Oeffntingen ist in den drei
unteren Geschossen gleich; der Rahmen einschliefslich der Brüstung
tritt ganz selbständig und ohne Anschlufs an die Halbsäulen auf.
Der schliefsende Bogen ist aus dem Kreis gebildet, und der Schlufs-
stein zeichnet sich mafsvoll herrschend aus. Ganz anders ist die
Bildung im Thurmgeschofs. Sämtliche wagerechten Gliederungen
der Fensterumrahmungen laufen sich gegen die Halbsäulen todt, die
Wölbsteine, besonders auch die Schlufssteine, zeigen ein ganz anderes
Verhältnifs. Ein schliefsender Bogen ist nicht mehr vorhanden,
die Steine bilden vielmehr in ihrer rohen Zusammenstellung den
Abschnitt eines gedrückten Vielecks.
Was bedeuten nun diese Verschiedenheiten? Die Porta nigra
wurde im Anfang des elften Jahrhunderts bis zum ersten Stock ver¬
schüttet. Das untere Geschofs wurde in unverändei'ter Form der
_ _ _ Erde anvertraut. — Die frommen Gemüther
verletzte die heidnische Form an dem zur
Kirche eines Lieblingsheiligen umgeschaffenen
oberen Theile, und man begann, was ja auch
nahe lag, die Aufsenflächen zu überar¬
beiten und den Capitellen eine dem Geist
der Zeit entsprechende Form zu geben.
Der Beweis dafür ist leicht zu erbringen. Bei
der Anarbeitung des nach der damaligen Kunst¬
anschauung fast unerläfslichen Rundstabes
fehlte es an Stoff in der Ausladung, und man
war gezwungen, in den Schaft der Säule einzu¬
schneiden. Der Rundstab wurde an der Stelle
■ausgemeifselt, wo der cylindrische Hals des
römischen Capitells unten endigte. Der Echinus
wurde dabei vergröfsert, und hierdurch beson¬
ders ergab sich der scharf ausgeprägte roma¬
nische Charakter der neuen Form. In Abbildung 7
zeigt die Strichelung den abgemeifselten Theil
des Capitells, und es ist leicht zu ersehen, wie
hierdurch die wunderliche Einziehung am oberen
Theil der Säule entstand. An verschiedenen
Capitellen ist die Linie a 6, wo die christliche Nacharbeit nach
unten hin begann, noch deutlich erkennbar.
Mehrere Schriftsteller, so namentlich auch Kugler, -weisen auf
die Aehnlichkeit dieser Capitelle mit denen an der Westseite des
Domes hin. Diese Aehnlichkeit, welche zum Theil mit Veranlassung
zu der chronologischen Verwirrung gegeben hat, kann jetzt nicht
mehr auffallen, da die Entstehungszeit beider Capitellformen als
nicht soweit auseinanderliegend nachgewiesen ist. Der Ausbau des
westlichen Domabschlusses wurde von Erzbischof Poppo, dem Stifter
der Simeonskirche, begonnen, von Eribert und Udo fortgeführt und
von Bruno (f 1124) beendigt. Ueberraschend ist die Beobachtung,
dafs an den Capitellen der Westapsis des Domes nicht blofs die
allgemeine Form mit denen an den oberen Geschossen der Porta
nigra nahe übereinstimmt, sondern dafs sogar die oben durch Mangel
an Stoff erklärte Einziehung des Schaftes unter dem Rundstab sich,
wenn auch in geringem Mafse, vorfindet, eine Form, welche die
Domwerkmeister mehr als gewissenhafte Nachahmer denn als selb¬
ständig empfindende Künstler erscheinen läfst.
(Schlufs folgt.)
^ 1
l 1
Abb. 7. Capitell
des 1. Stockes.
Abb. 8. Capitell
des Untergeschosses.
508
Centralblatt der Bauverwaltuug.
6. Deceiiiber 1890.
Zur EiTiclitimg eines Kaiser Wilhelm -Deiikiiuils für die Klieinprovinz.
Der rheinische Provincial-Landtag tritt in diesen Tagen zusammen,
lim neben anderen Arbeiten auch die Frage der Erriclitiing eines
rheinischen Provincial-Denkmals für Kaiser Wilhelm I. zu entscheiden.
Xachdem der Wettbewerb für dieses Denkmal in der in Nr. 21 n. f.
des laufenden Jahrgangs dieses Blattes besprochenen Weise seinen
Abschliifs gefunden hat, ist von den als Sieger mit dem 1. Preise
gekrönten Architekten Jacobs ii. Webling in Düsseldorf eine Um¬
arbeitung ihres Entwurfs vorgenominen und der Provincialbehörde
unterbreitet worden. Die Form dieser Umarbeitung ist leider noch
nicht bekannt geworden. Dem Vernehmen nach haben auch andere
hervorragende Theilnehmer am Wettbewerbe neue Entwürfe gefertigt.
In der neuesten Zeit ist von dem am Fufse des Siebengebirges
gelegenen Städtchen Königswinter aus eine Druckschrift mit bei¬
gegebener Entwurfskizze für ein auf dem Ilardtberge zu errichten¬
des Kaiserdenkmal des Architekten Prof. G. Frentzen in Aachen
verbreitet worden. Als Verfasser dieser Schrift und des zugehö¬
rigen Kostenanschlages bekennt sich Herr Baurath Maertens in
Bonn. Die genannten Künstler haben ihre beiderseitigen Gedanken
zu dem vorliegenden Entwürfe verschmolzen. Den Kern desselben
bildet ein massiger, auf ausgedehntem terrassenförmigen Festplatze
zu errichtender Triumphbogen, vor welchem, zur Hälfte noch in der
Bogenöftniing stehend, das etwa 12,5 m hohe Keiterstandbild des
Kaisers seinen Platz finden soll. Die Masse des Triumphbogens und
seine Umrifslinien werden nach der Ferne hin an dieser Stelle wohl
landschaftlich gut zur Geltung kommen, auch das Keiterbild wird bei
günstiger Beleuchtung fernhin sichtbar sein, während cs bei un¬
günstiger Beleuchtung mit dem Mauerkörper des Triumphbogens
sich decken und für das Auge des Beschauers nach der Ferne hin
verschwimmen mufs. In der Nähe aber wird das Kaiserbild wegen
der übermäfsigen Abmessungen in seiner Erscheinung ungeniefsbar
sein, und auch die Architektur des Triumphbogens kann nur bei
einer Betrachtung von der Rückseite her zur vollen Geltung kommen.
Besonderes Gewicht ist in der Schrift auf den Festplatz, welcher
nach der Berechnung 51 600 Menschen fassen kann, und auf den
Kostenpunkt gelegt. Die Kosten der ganzen Anlage sind auf
700 000 Mark berechnet. Trotzdem Herr Maertens versichert, dafs
seine diesbezüglichen Ermittlungen das Ergebnifs monatelangen
Studiums, und dafs die Einheitsiireise für den Kostenanschlag unter
Zuziehung hervorragender Bauunternehmer festgestellt seien, welche
sich gern bereit finden lassen würden, die Ausführung des Baues
für die Anschlagspreise zu übernehmen, mufs doch die Richtigkeit
des Kostenanschlags angezweifelt werden. Denn abgesehen von den
Einheitspreisen, deren Angemessenheit übrigens gleichfalls nicht
durchweg anerkannt werden kann, sind in der Berechnung der
Massen so grofse Ungenauigkeiten und Irrthümer enthalten, dafs
durch dieselben die Endsumme wesentlich beeinflufst werden mufs.
Ein näheres Eingehen hierauf würde an dieser Stelle zu weit führen.
Es dürfte das mehr Sache der zuständigen Techniker der entschei¬
denden Provincial-Behörde sein.
Die Maertenssche Denkschrift gipfelt in der Anpreisung des
Frentzen-Maertensschen Entwurfes, indem sie behauptet, dafs dieser
Entwurf wohl ohne Frage durch Schönheit seiner Umrifs¬
linien und Einzelformen alle früher in Düsseldorf zum
Wettstreit gebrachten Pläne bei weitem überträfe, und
dafs ein neuer Wettstreit dem Frentzenschen Entwürfe
gegenüber nichts besseres bringen könne. Es wird dem-
gemäfs am Schlüsse der Schrift empfohlen, die Annahme und so¬
fortige Ausführung des Frentzen-Maertensschen Entwurfs zum Kaiser
Wilhelm-Denkmal auf dem Hardtberge zu beschliefsen.
In eine Kritik der Einzelheiten des Planes wie des Kosten¬
anschlags und der Denkschrift soll hier nicht eingegangen werden.
Es wird auch kaum nöthig sein, den unbefangenen Leser, sei er
Techniker oder Nichtfachmann, darauf aufmerksam zu machen, dafs
ein gröfseres Lob sich wohl noch kein Künstler in Deutschland selbst
gespendet und in solchem Tone sein Werk öffentlich angepriesen
hat. Im Interesse des guten Rufes unseres Faches soll hier nur
gegen einen derartigen Ton ernstlich Verwahrung eingelegt werden.
Es ist zu bedauern, dafs Künstler von dem Ruf, wie die Genannten
ihn besitzen, sich auf einen derartigen Irrweg begeben haben. Sie
versetzen dadurch nicht nur dem architektonischen Wettbewerbs¬
wesen, sondern auch ihrem eigenen Ruf einen jedenfalls nicht beab¬
sichtigten Schlag.
Johannes Lemcke,
Reg.- und Stadt-Baumeister in Bonn.
Ilohrpostanlage auf dem Ceiitralgüterbalmhofe in Stettin.
Auf dem Centralgüterbahnhofe in Stettin mufste im Jahre 1886
das Telegraphenbureau aus dem Verwaltungsgebäude hinaus in ein
besonderes Gebäude jenseit einer Gruppe von 13 Geleisen verlegt
werden. Im Verwaltungsgebäude verblieb die
Güterabfertigung, das Stationsbureau und die
Materialienverwaltung, welche alle bei ihrem
telegraphischen Verkehr auf das Telegraphen¬
bureau angewiesen waren. Es erwies sich
daher als noth wendig, eine schnellere Ver¬
mittlung zwischen beiden Gebäuden herzustellen,
als solche durch Boten bewirkt werden konnte.
Siationsbureau
Kasten zur Aufbewalirnng der Patronen.
Güter-
schupper
Hof
yj
j Vepv/altungs-Geb.
1
Hof
Güterschuppen
\
beiden Stationen sind ganz gleich eingerichtet. Das sie verbindende
Messingluftrohr i von 38 mm innerem Durchmesser bei 2 mm dicken
Wandungen ist quer durch die Geleise in 80 cm Tiefe unter der
Erdoberfläche gelegt und an den freiliegenden
Stellen beim Austritt aus den Gebäuden mit
einem Holzkasten umgeben. Es hat in den
Krümmungen einen kleinsten Halb¬
messer von 10 m sowohl in senk¬
rechter als in wagerechter Ebene.
Die Luft wird in das Rohr i (Abb. 2
'"'|l ll/< und 3) durch einen Blasebalg a
13 Geleise
Abb. 3. Ansicht.
d
Telegraphen-Gebäude rS B I
A Diensthabender Stations-Assistent.
B Telegraphen -Zimmer.
Abb. 1. Lageplan.
Abb. 4.
Querschnitt.
Abb. 5. Obere Ansicht.
Auffangkasten h.
Abb. 2. Grundrifs.
Abb. 6. Querschnitt.
Abb. 7. Patrone.
Hierzu wurde die in den vorstehenden Zeichnungen dargestellte
Rohrpostanlage eingerichtet, welche seit nunmehr vier Jahren in Be¬
trieb ist und sich bewährt hat.
Die Rohrpostanlage (Abb. 1) ist im Verwaltungsgebäude in einer
Ecke des Stationsbureaus y, im Telegraphengebäude x in einer Ecke
des Zimmers des dienstthuenden Stationsassistenten aufgestellt; die
eingepumpt. Im Zustande der Ruhe ist das in das Bureau eintretende
Ende des Luftrohres offen, der Verschlufs b hängt daneben. In das
offene Rohr-Ende ist ein Spiralschlauch c lose hineingesteckt, welcher
an einer in der Wand daneben befindlichen Gabel d aufgehängt und am
oberen Mundstück mit einer eingesteckten Pfeife versehen ist. Will
nun die Station y mit der Station x sprechen, so nimmt der Beamte in y
h\ 49.
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
509
den Sclilaucli c von der Wand, zieht die Pfeife heraus, hält sich den
Sclilauch vor den Mund und bläst hinein. Dadurch ertönt in x die
Pfeife in dem dort aufgehängten Schlauche, ein Beamter nimmt ihn
von der Wand und spricht in gewöhnlicher Sprache in den Schlauch
hinein: „Station * hier!“ y sagt: „Patrone nach dort fertig.“ a; ant¬
wortet: „Patrone kann kommen!“ In y wird sodann der Sehlauch
in den Haken d wieder eingehängt und das untere Ende desselben
aus dem Luftrohr herausgezogen. Nunmehr wird die Patrone in das
Luftrohr eingeschoben, der Verschlufs h über die Oeffnung des Luft¬
rohres gelegt und mit dem Ueberfallhaken festgeklemmt. Hierauf
steigt der abgebende Beamte auf den Auftritt c, hält sieh mit den
Händen an dem Rundeisen f fest und drüekt zwei- bis dreimal dureh
sein Körpergewieht den Blasebalg a zusammen. Dieser prefst durch
das Rohr g Luft in das Luftrohr f, und in diesem gleitet nun die
Patrone fort, bis sie nach etwa 15 Secunden in den Auffangkasten li
der Station x hineinfliegt, x hat nämlich inzwischen den Schlauch c
ebenfalls an dem Haken d aufgehängt, das untere Ende aus dem
Luftrohr herausgenommen und den Deckel des Auffangkastens h,
welcher sich dem geöffneten Ende des Luftrohrs gegenüber befindet,
zugeklappt. Ist die Patrone angekommen, so setzt die Empfangs¬
station a; den Schlauch wieder in das Luftrohr und . sagt nach y.
„Patrone hier!“ Beide Stationen hängen jede ihren Schlauch mit
der eingesteckten Pfeife an der Gabel d wieder auf und lassen das
untere Ende lose im Luftrohr stecken.
Der Auffangkasten h (Abb. 2 — 6), 33 cm lang und 10 cm weit,
ist an der dem Luftrohr zugekehrten Schmalseite offen und enthält
im Innern 4 Brettchen, welche, in Gelenken sich drehend, durch
Stahlfedern gegen einander geprefst werden. Die ankommende Pa¬
trone fliegt gegen das Ledei-polster m und wird am Wiederheraus¬
fallen durch die zusammenschlagenden Brettchen gehindert, welche
sie beim Hineinfliegen auseinander geschoben hatte.
Die Ihatrone (Abb. 7) besteht aus einer Messingröhre von 105 mm
Länge und 30 mm innerem Durchmesser mit 1 mm starker Wandung.
Vorn ist sie mit einem Stofskopf von Holz, am hinteren Ende mit
einem abnehmbaren, becherförmig gestalteten Lederverschlufs ver¬
sehen. In das Messingrohr wird lose zusammengerollt die zu über¬
mittelnde Depesche hineingelegt. Die Patronen werden in einem
offenen Kasten l (Abb. 2) über dem Rundeisen f aufbewahrt.
Der obere Deckel des Blasebalges wird durch ein über eine
Rolle laufendes Gewicht h nach oben gezogen, sodafs sich der
Blasebalg nach jedem Herunterdrücken von selbst wieder mit
Luft füllt.
In dem vierjährigen Betriebe ist ein Versagen dieser Vorrichtung
nicht vorgekommen; nur die Blasebälge haben mehrfach Ausbesse¬
rungen am Lederzeuge erfordert, besonders an der Stelle, an welcher
der obere Deckel sich dreht. Im Winter bildet sich bei Witterungs¬
wechsel öfters im Luftrohr ein feuchter Niederschlag, welcher die
Bewegung der Patronen verzögert; es werden alsdann zwei Schwamm¬
patronen durchgetrieben, welche ebenso geformt sind wie die ge¬
wöhnlichen Patronen, an dem unteren Lederbechcr aber einen von
Schwamm hergestellteu Teller haben, der das Rohr ganz ausfüllt.
Durch 2 — 3 maliges Hin- und Hertreiben zweier solcher Schwamm¬
patronen wird das Rohr für einen Tag vollkommen trocken aus¬
gewischt.
Die Gesamtanlage ist von der Firma Töpfer u. Schädel in
Berlin, W., Köthenerstrafse 26, nach den Angaben des Telegraphen¬
inspectors Zwez hergestellt und hat mit allem Zubehör 1300 Mark
gekostet.
Eine gleiche Einrichtung ist in neuerer Zeit zwischen dem
Stationsbureau des Stettiner Bahnhofes in Berlin und der Commando-
bude am Ende der Personenhalle desselben Bahnhofes hergestellt
worden. — J. —
Die Tarifbildung
In diesem Blatte erschien im Jahre 1883 in einem Aufsatze über
„Wirthschaftliche Fragen des Eisenbahnwesens“ der erste Versuch
Launhardts, volkswirthschaftliche Fragen mit Zuhülfenahme der
Mathematik zu lösen, an Stelle der logischen Schlufsfolgerung den
mathematischen Beweis zu setzen, und bei den Lesern dieses Blattes
kann es wohl als bekannt vorausgesetzt werden, mit welch grofsem
Erfolge Launhardt diesen Weg weiter verfolgt hat, wie ergiebig die
in mannigfachen Veröffentlichungen dargelegten Ergebnisse seiner
Arbeiten gewesen sind. In einem neuerdings erschienenen Werkchen*)
giebt derselbe Herr Verfasser nun eine abgerundete Theorie der
Tarif bildung der Eisenbahnen, und wenn er im Vorworte bemerkt,»
sein wiederholter Versuch, die knappe, mathematische Form des
Beweisganges in einen rein logischen Gedankengang zu übertragen,
sei an der Unmöglichkeit gescheitert, dies ohne unübersichtliche
Weitschweifigkeit in genügender Schärfe und in überzeugender Weise
.zu können, so wird dies jeder, der das vorliegende Buch eingehend
durcharbeitet, sehr leicht begreifen und von neuem wünschen, die
Herren Gelehrten der Volkswirthschaftslehre möchten sich in immer
weiterem Mafse dazu verstehen, dem Beispiele Launhardts zu folgen
und möglichst allgemein zur Anwendung der Mathematik zu schreiten.
Der Verfasser stellt in zwei Hauptabschnitten die Theorie der
Tarifbildung nach gemeinwirthschaftlichem und nach privat-
wirthschaftlichem Grundsätze auf, während die Tarifgestaltung
nach dem Grundsätze der Gebührenerhebung nur erwähnt, nicht aber
näher erörtert wird, weil sich diese nicht wohl in eine Theorie
bringen läfst. Unter dem Versendungs werthe v = m — (p-j-a)
versteht Launhardt den Unterschied zwischen dem Preise, zu dem
das Gut noch Abnehmer findet {m), und dem Preise desselben an
seinem Ursprungsorte vermehrt um die Selbstkosten für Aufnahme
und Abgabe des Verkehrs {p a). Die wirthschaftliche Ver¬
sendungsgrenze ergiebt sich daraus, dafs bei ihr der wirthschaft¬
liche Gewinn an einer zu den Betriebsselbstkosten beförderten
Gütereinheit zu Null wird und bei der frachtgemäfsen Ver¬
sendungsgrenze wird der Versendungswerth des Gutes durch die
zur Erhebung kommende Pracht erschöpft. Die Rechnung wird für
Güter von unbeschränkter und beschränkter Erzeugungsmenge, für
ein unbeschränktes und beschränktes Versendungsgebiet, sowie für
unveränderliche und veränderliche Verkehrsdichtigkeit durchgeführt
und dabei bewiesen, dafs der auf 1 tkm entfallende gemein-
wirthschaftliche Gewinn unabhängig vom Vei'sendungs werthe
der Güter und von der veränderlichen Verkehrsdichtigkeit ist und
*) Theorie der Tarifbildung der Eisenbahnen. Von
W. Launhardt, Geheimer Regierungsrath, Professor an der tech¬
nischen Hochschule in Hannover. Berlin, 1890. Jul. Springer. 84 S.
in 8" mit 12 Abb. Preis 2 M.
der Eisenbahnen.
sein höchstes Mafs erreicht, wenn die Fracht auf die Betriebsselbst¬
kosten festgesetzt wird. Auch wird gezeigt, dafs bei einer Ein¬
schränkung der thatsächlichen Versendungsgrenze gegenüber der
frachtgemäfsen durch benachbarte Marktorte usw. der gemeinwirth-
schaftliche Gewinn auf 1 tkm gröfser ist, als bei unbeschränktem
Versendungsgebiet.
An der Hand der statistischen Angaben für 1886,87 werden
dann für die Eisenbahnen Deutschlands deren gemeinwirthschaft-
licher Nutzen bei den bestehenden Frachtsätzen, sowie unter der
Annahme verschiedener Einschränkungsgrade des Versendungs¬
gebietes, die Verkehrszunahme bei Herabsetzung der Fracht auf die
Betriebsselbstkosten, sowie der daraus entspringende vermehrte ge-
meinwirthschaftliche Nutzen ermittelt, aber zugleich auch bewiesen,
dafs es trotz dieses vermehrten Gewinnes kaum möglich sein würde,
den Einnahmeausfall der Eisenbahnen durch eine directe Steuer auf¬
zubringen. Bei der privatwirthschaftlichen Tarifbildung kommt
es nicht auf den gröfsten gemeinwirthschaftlichen Nutzen, sondern
auf den gröfsten Betriebsüberschufs an, und dieser wird erzielt, wenn
der Frachtsatz langsamer wächst als die Betriebskosten, also auch
wie die Versendungsweite. Die günstigste Frachtbildung erhält man
bei hoher Abfertigungsgebühr und niedrigen, unter den Selbst¬
kosten bleibenden Streckensätzen, aber solche Tarife verbieten sich
auf kurze Entfernungen wegen des Wettbewerbes der Strafsen. Immer¬
hin ist es bemerkenswerth, dafs eine solche vom privatwirthschaftlichen
Grundsätze aus günstigste Tarif bildung bei unbeschränktem Verkehrs¬
gebiet nur einen um ein Viertel kleineren gemeinwirthschaftlichen
Nutzen ab wirft, als die günstigste gemein wirthschaftliche Tarif¬
bildung. Aber der erwähnte Wettbewerb zwingt auch im privat¬
wirthschaftlichen Interesse dazu, die Abfertigungsgebühr nicht höher
als die Selbstkosten zu wählen; es wird dann auch hier der Betriebs¬
überschufs vom Versendungswerth und der Verkehrsdichtigkeit un¬
abhängig. Der günstigste Streckenfrachtsatz ist dann gleich den
lV2fachen Betriebsselbstkosten, und dies ist der Mindestbetrag,
welcher auch bei beschränktem Verkehrsgebiet nicht unterschritten
werden darf, vielmehr je nach dem Mafse der Einschränkung über¬
schritten werden mufs. Grofse Bahngebiete müssen daher im eigenen
Interesse niedrigere Frachtsätze stellen als kleine. Des weiteren
ergiebt sich, dafs Zweigbahnen in eigener Verwaltung hohe Fracht¬
sätze bedingen, während diese Bahnen in den Händen der an-
schliefsenden Bahnnetze bis unter die Selbstkosten herabgehen sollten,
um den höchsten Betriebsüberschufs zu erzielen.
Eine Frachtbildung mit fallendem Streckensatze giebt den
höchsten Betriebsüberschufs, wenn die Fracht von einer gewissen
Versendungsweite ab wieder niedriger wird. Da dies aber unnatür¬
lich ist, so mufs bei der thatsächlichen Versendungsgrenze auch die
höchste Gesamtfracht erreicht, oder von einer gewissen Grenze aus
510
Centralblatt der Banverwaltnng,
6. Ileceiiibet 1890,
die Streckenfraclit gleich den Betriebsselbstkosteii werden. Besonders
bei einer geringen Einschränkung des Verkehrsgebietes (Massen¬
güter) ist ein fallender Streckensatz (etwa in Zonen eingetheilt)
berechtigt und zwar sowohl privat- wie gemeinwirthschaftlich.
Auch Staffeltarife geben einen wenn auch nur geringen
Mehrgewinn, als die der wirklichen Entfernung stetig angepafsten
Tarife; es ist daher vortheilhaft, die dem Streckensatze zu Grunde
gelegte Längeneinheit nicht zu klein zu wählen.
Auch beim Personenverkehr würde bei uneingeschränktem Ver¬
kehrsgebiet ein fallender Streckensatz theoretiscli eine Verkehrs¬
steigerung von 35 pCt. ergeben, wogegen eine allgemeine Herab¬
setzung des Personenfahrgeldes, welches schon jetzt erheblich unter
den privatwirthschaftlich günstigsten Sätzen bleibt, theoretisch un¬
gerechtfertigt erscheint.
Diese kurzen Mittheilungen über die wichtigsten Ergebnisse der
Launhardtschen Untersuchungen werden darthun, wie werthvoll,
lehrreich und des eingehendsten Studiums werth das vorliegende
AVerk ist. Blum.
lieber Schlackenceiiient. *
a) Einleitung. Dafs der A^erbrauch an hydraulischen Mörteln
auf allen Gebieten des Bauwesens von Jahr zu Jahr zugenommen
hat, ist eine bekannte Thatsache. Dementsprechend ist auch die
Fabrication künstlicher Gemente in stetem Steigen begriffen. So ge¬
hörten dem Vereine Deutscher Portlaudcement-Fabrikanten 1887 etwa
50 Fabriken mit einer Jahreserzeugung von etwa 5,5 Millionen Tonnen
an, 1890 aber bereits über 70 Fabriken mit einer Jahresmenge von
über 10 Alillionen Tonnen.
Unter hydraulischen Älörteln versteht man bekanntlich solche,
welche die Eigenschaft besitzen, unter AVasser zu erhärten, und unter¬
scheidet ihrer vier Arten; natürliche oder künstliche Puzzolane, hy¬
draulische Kalke, Eomancement und Portlandcement. Das, was einen
Mörtel zu einem hydraulischen macht, ist der Hauptsache nach be¬
kanntlich sein Gehalt an kieselsaurer Thonerde. Bei der grofsen
A^erbreitung, welche die Verwendung der hydraulischen Mörtel ge¬
funden, kann es nicht AVunder nehmen, wenn man sich nach Stoffen
umsah, welche zur Fabrication hydraulischer Mörtel geeignet er¬
schienen. Als ein solches ergab sich die beim Eisenhüttengufs ge¬
wonnene Hochofenschlacke, mit welcher wir uns nunmehr zunächst
zu beschäftigen haben.
b) Die Hochofenschlacke entsteht aus den Zuschlägen, welche
den Eisenerzen und Brennstoffen zu dem Zwecke zugefügt werden,
die in dem Erdgemisch enthaltenen erdigen Bestandtheile und die
Asche derjenigen Brennstoffe, welche in der Temperatur der Hoch¬
öfen allein entweder garnicht, oder doch so schwer schmelzbar sind,
dafs sie binnen kurzem den Ofenraum zum Theil erfüllen und den
Betrieb zum Stillstand bringen würden, in leichter schmelzbare A^er-
bindungen, die Schlacken überzuführen.*''') Am liebsten wählt man
zu den Zuschlägen sehr reine Kalksteine, weniger gern Dolomite
(kohlensaurer Kalk und kohlensaure Magnesia), verschmilzt aber auch
Eisencarbonat haltende Gesteine, sogenannte Eisenkalke, welche häufig
mit Eisenerzen zusammen auftreten. Die Schlacke fliefst — abgesehen
von einer kurzen GTnterbrechung nach jeder Entleerung des Hoch¬
ofens vom Roheisen — ununterbrochen aus einer Oeffnung des Ofens
aus. Bis vor wenigen Jahren wurde die Schlacke in eisernen AA^agen
aufgefangen und nach der Erstarrung — sogenannte Klotzschlacke —
auf Halden abgestürzt, wo sie zur Vergröfserung dieser Schutthügel
wesentlich beitrug und für die Eisenwerke todten Ballast bildete.
Erst in neuester Zeit hat man begonnen, verschiedene Schlacken
wirthschaftlich zu verwerthen, indem man in die feuerflüssigen Massen
einen kalten AVasserstrahl leitet, wodurch ein Granulationsprocefs
entsteht und die Schlacke die Form eines mehr oder weniger grob¬
körnigen Sandes — granulirte Schlacke, Schlackensand — annimmt.
Leitet man statt des Wasserstrahles einen Dampfstrahl in die feuer¬
flüssige Schlacke, so entsteht die Schlackenwolle, welche als schlechter
AV ärmeleiter zur Umhüllung von Dampfrohren und Dampfeylindern
sowie zur Herstellung von Isolirschichten dient.
Die Hochofenschlacken***) sind der Hauptsache nach Kalk -Thon¬
erde- Silicate. Je nach der Beschaffenheit der Erze, des Brennstoffes,
der Flufsmittel und der Schmelztemperatur ändert sich auch die
chemische Zusammensetzung und mit dieser das chemisch-physica-
lische A^erhalten der Schlacke. Im allgemeinen unterscheidet man
die säuern, neutralen und basischen Hochofenschlacken. Sauer werden
die Schlacken genannt, wenn auf ein Aequivalent ihres Säuregehaltes
weniger als ein Aequivalent der Basis entfällt, im entgegengesetzten
Falle sind sie als basisch zu bezeichnen. Den Uebergang bilden die
neutralen Schlacken, welche wohl nur ausnahmsweise angetroffen
werden.
Die Anwendung der Schlacken ist bereits eine vielseitige. In
Westfalen stellt man aus ihnen durch Gufs glasige Schlackensteine
für Hochbauzwecke her. In Blankenburg und Harzburg prefst man
aus 6 bis 7 Theilen grauulirtem Sande und 1 Theil Fettkalk ebenfalls
*) Nach einem von Stadtbauinspector Piukenburg im Berliner
Architekten- Verein am 1. December 1890 gehaltenen Vortrage.
**) Quelle: Gemeinfafsliche Darstellung des Eisenhütten wesens,
herausgegeben vom Verein deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf.
'''*•*) Tetmajer: Der Schlackencement.
Steine. Der Schlackensand wird ferner zur Bekiesung von AVegen
u. dergl. benutzt. Die weittragendste Bedeutung haben die basischen
Hochofenschlacken aber erst durch die Möglichkeit der Massen¬
erzeugung des Schlackencementes gefunden.
c) Der Schlackencement, seine Bestandtheile und seine
Herstellung. Der Schlackencement, von andern Puzzolan-
cement genannt, besteht aus geeigneter granulirter, staubfein ge¬
mahlener Hochofenschlacke und aus pulverförmigem Kalkhydrat.
Diesem Gemenge können noch weitere künstliche oder natürliche
Puzzolane, Silicate oder Kieselthonerde -Präparate zugesetzt werden.
Zu bemerken ist noch, dafs nicht jede Schlacke sich zur Herstellung
von Schlackencement eignet. Die Erzeugung geschieht im allgemeinen
in folgender Weise:
1) Der gebrannte Kalk wird durch Ueberbrausen mit AA^asser
in Kalkhydrat verwandelt, wobei aber nur so viel AVasser gegeben
werden darf, um im Zerfallen ein staubfeines Hydrat zu erzielen.
Dieses läfst man hierauf mindestens zwei Monate an der Luft lagern,
um ein vollständiges Ablöschen und Zerfallen desselben zu erreichen.
Das so gewonnene Pulver wird alsdann einem Siebverfahren unter¬
worfen, bei welchem alle körnigen Theile, mögen sie aus verbranntem
oder doch noch nicht gelöschtem Kalk bestehen, zurückgehalten
werden. Die sogenannten Sichtmaschinen bestehen aus umlaufenden
mit feinster Gaze bespannten Cyliudern.
2) Der luftfeuchte Schlacken sand wird zunächst auf Darren
— Trommeldarren mit Dampfheizung oder einfache Plattendarren mit
offener Kanalfeuerung — getrocknet und alsdann in gewöhnlichen
Mahlgängen, Schleuder- oder Kugelmühlen zu feinem Schlackenmehl
gemahlen.
3) Hierauf erfolgt die Mischung der beiden Hauptbestandtbeile
mittels Maschinen etwa im Verhältnifs von 2 Theilen Schlacke
zu 1 Theil Kalkhydrat.
4) Je nach der Beschaffenheit des Kalkes und der Schlacke er¬
hält die Mischung einen Zusatz von 5 bis 10 Procent der oben er¬
wähnten Zuschläge.
Es sei darauf hingewiesen, wie verschieden die Herstellung dieses
Cements von derjenigen des Portlandcementes ist, bei welchem die
beiden Bestandtheile Kalk und Thon nach ihrer Alischung bis zur
Sinterung gebrannt und alsdann gemahlen werden. Zur Zeit sind in
Deutschland etwa 10 Fabriken mit der Herstellung von Schlacken¬
cement beschäftigt, mit einer Jahreserzeugung von etwa 600000 Tonnen.
Da die Schlackencementfabriken naturgemäfs am besten in der Nähe
der Hochöfen angelegt werden, so kommt es, dafs erstere nur westlich
der Elbe und in der Regel in A^erbindung mit Eisenwerken auftreten,
wie beispielsweise mit der Georgs-Marienhütte, der Maximilianshütte
bei Saalfeld, sowie mit rheinischen Eisenwerken.
Auch in Böhmen, Frankreich und Kopenhagen hat man sich der
Anfertigung des Schlackencements bereits zugewandt. Für den Berliner
Markt kommt namentlich der Schlackencement der A^ictoriafabrik in
Thale am Harz in Betracht. Diese Fabrik verwendet Schlackensand
aus den Hochöfen von Blankenburg und Harzburg, sowie einen In'-
draulischen Kalk von Neinstädt am Harz. Ihr Fabricat kostet die
Tonne zu 170 kg Inhalt frei Berlin etwa 5 J(.
d) Eigenschaften des Schlackencementes. Bevor wür uns
zu den Eigenschaften des Schlackencementes im besondern wenden,,
sei es gestattet, noch einige Bemerkungen allgemeiner Natur über die
Verwendung der hydraulischen Mörtel vorwegzuschicken. Zweifellos
sind wflr erst durch die Verwendung der hydraulischen Mörtel in die
Lage versetzt, unseren AVasserbauten diejenige A^ollendung in der Aus¬
führung zu geben, welche sie zur Zeit besitzen. Die Gleichartigkeit
unseres Mauerwerkes unter und über AA'asser bei Ingenieurbauten,
welche bei Verwendung hydraulischer Mörtel bereits nach wenigen
AVochen erreicht wird, würde bei Anwendung von Luftmörtel unter
AVasser überhaupt nicht zu erreichen sein, über AA’^asser erst im A^er-
laufe der Jahrhunderte eintreten. AVas das in unserer schnelllebigen
Zeit zu bedeuten hat, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.
Ob indessen die Kunst des Mauerns als solche bei der massenhaften
A’erwendung von hydraulischen Mörtelp, wo letztere oft eine gröfsere
Nr. 49.
511
Centralblatt der Bauverwaltung.
Festigkeit als die Steiue anfweisen, gewonnen hat, möchte mindestens
dahingestellt bleiben.
Für bauliche Zwecke wird nun ein Mörtel um so brauchbarer
sein, je weniger zart und ängstlich man mit ihm nmzugehen braucht.
Mörtel, bei welchem so und so viele Vorschriften über Löschen, An¬
nahme und schnelle Verwendung usw. zu beachten sind, eignen sich
wenig zum Massenverbrauch, da es mit Schwierigkeiten und Unzu¬
träglichkeiten verbunden ist, eine derartig scharfe Aufsicht zu führen,
dafs keine der erforderlichen Verhaltungsmafsregeln aufser Acht ge¬
lassen wird. In gutem Portlandcement, welcher nicht zu rasch ab-
binclet, besitzen wir einen Mörtel, der, ohne zu versagen, schon eine
ziemlich rohe Behandlung verträgt.
Beim Schlackencement sind es nun vornehmlich zwei Eigenschaften,
welche ganz besonders hervorgehoben werden müssen: 1) Sehr lang¬
sames Abbinden und 2) geringes Einheitsgewicht.
Der vollständige Abbindevorgang, welcher von dem Erhär¬
tungsvorgang wohl zu unterscheiden ist, tritt unter Umständen
erst nach 15 Stunden ein, während das Einheitsgewicht entgegen dem
des Portlandcementes, welches über 3 beträgt, nicht unerheblich
geringer ist. Beide Eigenschaften sind von Wichtigkeit für die Be¬
fähigung des Mörtels zu Bauzwecken. Eine derartig lange Abbinde¬
zeit ist nicht ohne Einflufs auf das Verhalten des Gementes bei Frost,
und das geringe Einheitsgewicht, welches geringer als das des Sandes
ist, wirkt sehr störend auf die Verwendung des Gementes zu Beton¬
schüttungen, weil dadurch ein Entmischen der Mörtelmasse erleichtert
wird. Die in dieser Beziehung beim Bau der Kaiser Wilhelm-Brücke
und der Moltkebrücke in Berlin angestellten Proben mit Schlacken¬
cement aus der Victoriafabrik in Thale, dessen Abbindezeit in den
Mittheilungen der königlichen technischen Versuchsanstalt (Jahrg. 5,
Heft 4) einmal zu 22 — 23 Stunden, ein andermal zu 15 — 16 Stunden
angegeben wird, hatten in jeder Hinsicht ungünstige Ergebnisse.
Was die Frostproben anlangt, so ergab sich, dafs von den
gleichzeitig angemachten Probekörpern diejenigen, welche einer
langem Frostwirkung ausgesetzt waren, nach 28 Tagen bei den Zug¬
proben sehr erheblich geringere Festigkeitszahlen ergaben,- als die
anderen, welche in der Zimmerwärme geblieben waren. Hierbei ist
aber ganz besonders hervorzuheben, dafs die Proben gleich nach
dem Anmachen, also während der Abbindezeit, sofort der
vollen Frostwirkung in freier Luft ausgesetzt wurden, wie es den
Vorgängen in der Wirklichkeit entspricht.
Es liegt eine Ausfertigung der Königlichen Prüfungsstation von
1889 vor, welche auch von Frostproben handelt, die mit Puzzolan-
Gement der Victoriafabrik gemacht worden sind. Die Proben er¬
härteten, die ersten 24 Stunden gegen Verdunstung geschützt, an der
Luft und kamen dann — also nachdem der Abbindeprocefs bereits
9 Stunden beendet war — 20 Stunden in eine Kälte von 12 — 15 Grad
Gelsius usw. und bestanden später die Zugproben glänzend. Die
Frostproben fielen demnach zu voller Zufriedenheit aus. Dafs damit
aber die Frostbeständigkeit des Puzzolancementes erwiesen sei,
wird wohl füglich niemand behaupten 'wollen; für die Praxis ist mit¬
hin garnichts gewonnen. Kommt es dieser doch vornehmlich darauf
an, Gemente zu verwenden, welche unter Umständen einer bald nach
dem Verbrauche des Mörtels - — also während der Abbindeprocefs
noch im Gange ist — eintretenden Prosteinwirkung gut und zweifel¬
los zu widerstehen vermögen, wie es beim Mauern im Winter der
Fall ist, wo häufig mildes Tageswetter plötzlich in scharfes Frost¬
wetter umschlägt. Der vorjährige milde Winter hat leider verhindert,
diese Proben in umfassendem Mafse fortzusetzen. Bei Versenkung
mittels Tonnen, die mit einer Betonmischung im Verhältnifs von
1:3:6 gefüllt waren, fand trotz der geschützten Lage des Betons
ein sehr erhebliches Auswaschen der Schichten statt, obwohl die
fertige und feuchte Betonmischung bereits zwei Stunden der Luft
ausgesetzt war.
Nach den Auslassungen des Professors T et maj er- Zürich’-') ist
die Erhärtung des Schlackencementes an der Luft eine seiner schwäch¬
sten Seiten, wobei nochmals darauf aufmerksam gemacht sei, dafs
zwischen Erhärten und Abbinden wohl zu unterscheiden ist. Herr
Tetmajer äufsert sich in dieser Beziehung wie folgt: „Der Schlacken¬
cement ist eben ein hydraulisches Bindemittel und fordert zur Ent¬
faltung seiner Kraft mehr als irgend ein anderes Bindemittel die
Gegenwart des Wassers in den ersten Perioden der Erhärtung. Der
’') Tetmajer: Der Schlackencement.
Erhärtungsvorgang des Schlackencementes ist von demjenigen solcher
Gemente, deren Kalk und hydraulische Bestandtheile sich im Feuer
chemisch verbinden, insofern verschieden, als hier die Einwirkung des
Kalkes auf das Silicat von aufsen durch Vermittlung des Wassers
bei gleichzeitiger Bildung von gallertsandigen Hydrosilicaten vor
sich geht. Fehlt nach dem Abbinden das zur Lösung des Kalkes
und Bildung des Kalkhydrosilicates erforderliche Wasserquantum
oder wird dem Schlackenmörtel das überschüssige Wasser durch
Absaugen genommen, so wird auch der Erhärtungsprocefs suspendirt
und die Nacherhärtung geht zum grofsen Theile verloren, d. h. der
Mörtel ei-reicht schon nach relativ kurzer Erhärtungsdauer das durch
die obwaltenden Umstände bedingte Maximum seiner Verfestigung.
Dieser Fall tritt z. B. bei ausschliefslicher Luftlagerung, also dann
ein, wenn der Mörtel nach dem Abbinden an der atmosphärischen
Luft belassen und nicht weiter benetzt wird.“ Dagegen soll der
Schlackencement wo immer möglich abgebunden sein, bevor die Ein¬
wirkung des Wassers beginnt. Wie dieser letzten Forderung bei
Betonschüttungen unter Wasser nachgekommen werden soll^ ist nicht
recht erfindlich.
Die Anwendung des Schlackencementes bei Hochbauten hat sich
bei richtiger Mörtelbereitung und Beachtung der vorstehend gegebenen
Vorschriften sehr gut bewährt. Dem Victoria-Gement stehen in dieser
Hinsicht Zeugnisse namhafter Berliner Architekten zur Seite.
Eine sehr gute Eigenschaft des Schlackencementes ist
die, dafs er, beim Versetzen von Sandsteinquadern ver¬
wendet, entgegen dem Portlandcement, nicht ausschlägt.
An der Moltkebrücke ist der Victoria-Gement mit durchaus gutem
Erfolge zum Vergiefsen und Vermauern der rothen Mainsandsteine
verwendet worden. In Rücksicht auf das geringe Einheitsgewicht
des Gementes wurde die zum Vergiefsen erforderliche Mischung im
Verhältnifs von 1 Theil feinkörnigen Sandes zu 1 Theil Gement her¬
gestellt.
Soll der Gement zum Vermauern verwendet werden, so thut man
gut, den Mörtel möglichst steif anzumachen und auf das sorgfältigste
durchzuarbeiten. Die Steine müssen vollständig durchnäfst sein, da¬
mit sie dem Mörtel das zum Abbinden erforderliche Wasser nicht
entziehen. Während des Abbindens des Mörtels ist das Mauerwerk
in Ruhe zu lassen, hinterher kann man demselben dagegen nach den
obigen Auslassungen nicht genug Wasser zur Nacherhärtung geben.
Dasselbe gilt von Putzarbeiten und von Stampfbeton.
Ein Treiben des Gementes ist in Rücksicht auf die Art
der Erzeugung vollkommen ausgeschlossen. So lange der
Gement der Einwirkung des Wassers ausgesetzt ist, hat derselbe eine
blaugrüne Farbe; erst an der Luft verliert diese sich allmählich und
macht einer mehr gelblichen Färbung Platz.
Aus dem Gesagten dürfte ersichtlich sein, dafs der Schlacken¬
cement immerhin zu denjenigen Mörtelmaterialien gehört, welche nicht
nur eine verständige Behandlung, sondern auch eine Verwendung am
richtigen Platze verlangen, immerhin aber doch derartige gute
Eigenschaften — ganz abgesehen von der Billigkeit — besitzen,
dafs sic die volle Aufmerksamkeit auch der Ingenieure beanspruchen
dürfen. Das Anwendungsgebiet des Schlackencementes würde ein
um so gröfseres werden, wenn es dem Pabricanten gelänge, das Ein¬
heitsgewicht zu erhöhen und die Abbindezeit zu verkürzen.
Soweit Veröffentlichungen der königlichen Prüfungsstation über
Schlackencement vorliegen, genügt derselbe vollkommen in Bezug auf
Festigkeit, Feinheit der Mahlung und Raumbeständigkeit den in den
ministeriellen Normen vom 28. Juli 1887 für Portlandcement gestellten
Anforderungen. Immerhin aber wird man gut thun, stets selbst Ver¬
suche zu machen. Auch diejenigen Prüfungszeugnisse, welche sich
die Fabriken für ihr selbst eingeschicktes Material ausstellen lassen,
sollten für die Beurtheilung nicht allein mafsgebend sein, da leicht
begreiflich ist, dafs hierzu nur bester Gement genommen wird, dem
die Handelsware nicht immer entspricht.
e) Schlufs. Zweifellos hat der Schlackencement in den sieben
Jahren, seitdem er hergestellt wird, schon sehr schöne Erfolge auf¬
zuweisen gehabt. Ebenso verkehrt, wie es daher ist, demselben, wie
vielfach geschehen, alle guten Eigenschaften abzusprechen, ist es aber
auch, ihn, wie ebenfalls geschehen, bis in den Himmel zu erheben.
Möchten die vorstehenden Zeilen Anregung geben, den Gement, wo
immer möglich, zu versuchen und die Ergebnisse der Versuche der
Oeftentlichkeit zu übergeben. Damit kann nur der Wissenschaft und
den ehrlichen Fabricanten gedient sein. Piukenburg.
Vermischtes.
Als Preisaufgahe des Arcliitekteu - Vereins in Berlin zum
ScMnkelfest 1892 ist im Hochbau der Entwurf zu einem Volks¬
theater gewählt worden. Das Theater, welches durch billige, auch
im Winter stattfindende Vorstellungen zur Hebung der Sitten weiter
Kreise der Bevölkerung beitragen soll, ist vor den Thoren einer
schön gelegenen, volksreichen Provincial- Hauptstadt zu denken, in
deren Nähe sich ein stark besuchter Badeort befindet. Durch die
letztgenannte Angabe scheint einmal die wirthschaftliche Möglichkeit
512
Centralblatt der Bauverwaltnng.
0. lloceiiibcr 1800.
der Anlage begründet, anderseits auch auf eine nicht zu dürftige
Auffassung der Anlage in künstlerischem Sinne hingewirkt werden zu
sollen. Der Bau mufs in einem einzigen ansteigenden Parket
3000 Sitzplätze enthalten, wozu nur einige wenige Logen treten. Zur
Erholung der Theaterbesucher in den Zwischenacten, sowie zum
freien Besuche der Stadtbewohner und Curgäste soll das Theater mit
einem Kaffeehause auf der einen und einem Bierhause auf der
anderen Seite verbunden werden, deren Gartenanlagen mit dem Cnr-
]iarke des Badeortes in Verbindung stehen.
Auf dem Gebiete des Bauingenieurwesens ist der Entwurf
zu einer Ausleger-Strafsenbrücke zwischen Köln und Deutz
zur Bearbeitung gestellt. Die Brücke soll die jetzt im Zuge der
Friedrich Wilhelmstrafse (Köln) und Freiheitstrafse (Deutz) bestehende
Schiffbrücke ersetzen und nur zwei Strompfeiler sowie eine Mittel¬
öffnung von mindestens 200 m Weite erhalten. Die Landpfeiler sind
so zu legen, dafs sie den Werftenverkehr auf beiden Ufern und den
Schiffsverkehr von und zu den Flufshäfen nicht behindern. Die 14 m
breite Brückenbahn erhält eine 8 m breite Fahrbahn für Pferdebahn
und Fuhrverkehr und zwei Fufswege von je 3 m. An den Landpfeilern
sind Treppen für den Personenverkehr von den Ufern zur Brücke
und die Einrichtungen zur Erhebung des Brückenzolles vorzusehen.
Auf dem Deutzer Ufer mufs die dort vorhandene Deutz-Kalker Ver¬
bindungsbahn überbrückt werden. Bei der Gestaltung der Haupt-
träger und der architektonischen Ausbildung der Pfeiler soll, ent¬
sprechend der grofsen Bedeutung der Brücke, auf schönes Aussehen
Bedacht genommen werden.
Das technische Ober-l’rüfungsamt hat seine Zustimmung zu den
gewählten Aufgaben ausgesprochen.
Zur Gewliiuuug von Plänen für einen Um- oder Neubau seines
Hauses hatte der Bürgei'verein in Frankfurt a./M. unter den deutschen
Architekten eine Preisbewerbung ausgeschrieben, deren Ergebnifs
jetzt vorliegt. Unter den Entwürfen für einen Umbau haben der mit
dem Kennwort ..Vorwärts“ (roth) des Architekten Alfred Günther
in Frankfurt a./M. den ersten Preis von 1500 J(, die Arbeit „Rentabel“
des Hofbaumeisters R. Diel mann ebendaselbst den zweiten Preis
(1000 Jl) davongeti-agen. Unter den Verfassern von Neubau-Plänen
blieben Sieger Architekt Wilhelm Müller in Frankfurt a./M. (I. Preis,
1500 Jt) und Architekt W. Mössinger in Berlin (H. Preis, 1000 e/f).
Zum Ankauf empfohlen wurde der Entwurf „Vorwärts“ (in Schwarz¬
druck). Im ganzen waren 24 Arbeiten eingegangen.
Der Neubau eines Amtsgerichts - Gefängnisses in Marienburg
W./Pr. ist Ende November d. J. vollendet und seiner Bestimmung
übergeben worden. Das auf einem etwa 1000 qm grofsen Grundstück
in der Stadt belegene Gefängnifs ist für Einzelhaft eingerichtet und
enthält 28 Haft- und 42 Schlafzellen für Männer sowie Räume zur
Unterbringung von 15 Weibern, im ganzen von 82 Gefangenen. Der
Grundrifs ist _L-förmig. Der Vorderbau dient hauptsächlich allge¬
meinen und Verwaltungszwecken. In seinem Erdgeschosse liegen
Räume für den Untersuchungsrichter, Aufnahme- und Reinigungszellen
und eine Wohnung für den Gefangeninspector; auch die Kranken¬
zellen mit einem Baderaume sind dort untergebracht. Das erste Stock¬
werk wird im wesentlichen durch den Bet- und Arbeitssaal, überdies
durch die Weiberabtheilung eingenommen, das Kellergeschofs dient
Wirthschaftszwecken. Die Männerabtheilung befindet sich im eigent¬
lichen Zellenflügel, der die bekannte Anlage eines durch alle Ge¬
schosse reichenden, mit Umgängen versehenen Flures zeigt. Im ein¬
zelnen folgen die Einrichtungen der Hauptsache nach den für Ge¬
richtsgefängnisse feststehenden oder üblichen Anordnungen, wie
solche aus früheren Veröffentlichungen ähnlicher Gebäude (vgl. u. a.
Kattowitz S. 57. d. J., Neurode J. 1889 S. 146 d. Bl.) ersichtlich sind.
Bemerkt sei noch, dafs das Haus in Backsteinbau aufgeführt und
theils mit einem verschalten Pfannendache, theils mit Holzcement
bedeckt ist. Die Gesamtanlage kostet rund 199 000 M, wobei 160000 J6
auf das eigentliche Gefängnifsgebäude (200 M für 1 qm, 17,4 Jt für |
1 cbm), 3000 JL auf Inventar-Neubeschaffungen, der Rest auf die
Nebenanlagen entfallen. Die Aufstellung des Bauentwurfes erfolgte im
Ministerium der öffentlichen Arbeiten; mit der Bauleitung waren die
Herren Baurath Dittmar und Regierungs-Baumeister Spittel betraut.
Koyls parabelformigc Eiseiibalimvageudecke. Koyl will den in
der Mitte überhöhten Theil der Decke der
Personenwagen zur besseren Beleuchtung des
Innern nach der beistehenden Abbildung mit
parabelförmigem Querschnitte hersteilen und
die — elektrischen — Lampen in der gerad¬
linig durchlaufenden Brennlinie der Parabel¬
fläche aufliängen. Hierdurch soll die Be¬
leuchtung infolge des Rückfalles der nach oben
gehenden und für gewöhnlich nicht in gleichem
Mafse nutzbar gemachten Strahlen auf fast das
Doppelte vermehrt werden.
Auslegerbriickeii in Iiidieu. Die Frage, ob Auslegerbrücken
zur Ueberschreitung indischer Ströme zu empfehlen seien, wird im
Indian Engineer entschieden verneint, denn es biete die Gründung
der Strompfeiler, auch wenn dieselbe bis zu erheblichen Tiefen und
bei angeschwollenen Stromläufen ausgeführt werden müsse, bei der
reichen Erfahrung der indischen Ingenieure keine übermäfsigen
Schwierigkeiten. Der Aufstau überschreite auch bei Hinzufügung
weiterer Pfeiler nicht das zulässige Mafs. Anderseits aber seien
das Gewicht und die Kosten derartiger Brücken aufserordentlich
hohe. Die für indische Verhältnisse noch sehr neue Bauweise macho
die Herlichtung der Brücken in fernen englischen Werkstätten
nöthig, wodurch auch die Ueberwachung erschwert werde. Um den
Unterschied in den Kosten besser zu veranschaulichen, ist die
folgende Tabelle angegeben.
Nr.
Brücke
Spann¬
weite
m
Länge
der
Brücke
m
Kosten
für 1 m
Brücken¬
länge
JL'*)
1.
J u b i 1 ä u m s b r ü c k e ( Hauptöffnung)
159,8
370,0
14 970
o
Duft’erinbrücke
108,6
760,0
9116
O.
Lansdownebrückc
241,0
241,0
9
4.
Attockbrücke .
94,0
504,8
9 961
5.
Sutlejbrücke bei Adamwahan . . .
61,0
1284,0
6 387
6.
Gangesbrücke bei Balawali ....
75,6
885,7
3 301
7.
Jumnabrücke bei Allahabad . . .
61,0
937,3
7 253
Die unter 1 und 3 angeführten Brücke
n sind a)
s Ausleg
erbrücken
hergestellt. Leider sind die Kosten der letztem nicht angegebeiq
doch sollen sich dieselben im Verhältnifs zu den übrigen nicht nach
Auslegerart erbauten Brücken ebenso ungünstig stellen, wie die der
Brücke unter 1. — m —
Baurath Karl Kuoll f. Das Mitglied der Generaldirection der
württembergischen Staatseisenbahnen, Baurath Knoll in Stuttgart,,
ist am 26. November d. J. im Alter von 57 Jahren an einem Herz¬
schlag gestorben. Knoll war im Jahre 1834 als ältester Sohn des-
um die technische Entwicklung des württembergischen Eisenbahn¬
netzes hochverdienten Ober-Bauraths Michael Knoll geboren. Er voll¬
zog nach dem Besiich des Gymnasiums seine Studien au der poh'-
techuischen Schule in Stuttgart und bestand beide Staatsprüfungen
mit Auszeichnung. Im Jahre 1861 erhielt er die Vorstandsstelle des
Eisenbahnbauamts Lauchheim an der Neubaulinie Aalen-Nördlingen ;
1865 wurde er zum Baiiinspector ernannt. Als solcher war er in den
Jahren 1865 — 1871 in Ellwangen und Weikersheim bei dem Bau der
Tauberbahij, 1872—1880 in Stuttgart für die Gäubahn und 1881 — 1886
in Freudenstadt bei dem Bau der Kinzigthalbahn thätig. Nachdem
Kuoll in letzterer Stellung wie auch schon als Vorstand des Eisen-
bahnbauamts Stuttgart mehrfach als stellvertretender Oberingenieur¬
in das Collegium der Eisenbahnbaucommission und der General¬
direction berufen worden war, trat er 1886 als Hülfsarbeiter und 1888-
nach seiner Ernennung zum Baurath als. Mitglied bei dieser Behörde¬
ein. In dem neuen Amt war neben dem Referat über eine Anzahl
Betriebsbauämter seine nächste Hauptaufgabe die Erbauung des für
Militärzwecke nöthig gewordenen zweiten Geleises der Bahnstrecke
Crailsheim - Eppingen von der bayrischen zur badischen Grenze.
Leider wurde aber schon vom Jahre 1887 an seine Gesundheit sehr
schwankend, sodafs er sich des öftern vom Dienste zurückziehen
mufste und seine bedeutende Arbeitskraft nicht mehr voll zur Geltung'
kommen konnte.
Knoll besafs infolge seiner zahlreichen, zum gröfsten Theil mit
Schwierigkeiten verbundenen Bauausführungen einen grofsen Schatz,
praktischer Kenntnisse, nicht minder aber zeichnete er sich durch
sein reiches Wissen auf theoretischem Gebiete aus. Mit Vorliebe
beschäftigte er sich, soweit es seine sonstige amtliche Thätigkeit ge¬
stattete, mit höherer Mathematik und insbesondere mit der Berechnung-
eiserner Brücken. Aus seinen bezüglichen Veröffentlichungen sei hier
nur hervorgehoben die im Jahre 1875 in der Wiener Allgemeinen
Bauzeitung erschienene „Allgemeine Theorie der Formveränderungen
des einfachen Fachwerks mit Anwendung auf durchgehende Balken
und auf Bogenfachwerke“, zu welcher er durch den Entwurf einer
gufseisernen Bogenbrücke veranlafst wurde.
Der Verewigte verband mit einem stets ruhigen, ernsten Wesen
eine grofse Pflichttreue. Alle seine Fachgenossen bedauern, dafs es
ihm nicht vergönnt gewesen ist, länger in seiner Stellung als Ober¬
ingenieur zu verweilen und seine reiche technische Begabung vollauf
zu entfalten. n.
*) Die Kosten sind in der obengenannten Quelle in Rupien an¬
gegeben. Bei der Umrechnung in Mark ist 1 Rupie = 1,61 Mark ge¬
setzt worden.
Verlag von Ernst & Korn CSVillielm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des nichtamtlichen Theiles verautwortlicli: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
Nr. 49A-
r)13
Centralblatt der Bauverwaltuug.
INHALT: Aus dem Reichshaushalt für 1891/92. — Vermischtes: Neu erschienene Bücher.
Aus dem Reichshaushalt für 1891/92,
welcher dem Reichstage vor kurzem bei seinem Wiederzusammentritt
zugegangen ist, stellen wir im nachfolgenden diejenigen Beträge zu¬
sammen, welche als „einmalige Ausgaben“ in den Etats der einzelnen
Reichsverwaltungen für bauliche Zwecke im ordentlichen oder
aufserordentlichen Etat vorgesehen sind. Die zum ersten Male er¬
scheinenden Posten sind durch ein Sternchen * hervorgehoben. Die
eingeklammerten Zahlen bezeichnen die anschlagmäfsigen Gesamt¬
baukosten, soweit solche aus den Erläuterungen zu ersehen sind.
Aus den weniger umfangreichen Etats seien zunächst folgende
einmalige Ausgaben angeführt:
Der ordentliche Etat für das Reichsamt des Innern enthält
■für den Umbau des Bundesrathsaales im Dienstgebäude des Reichs¬
amts des Innern die Summe von 124000 Ji, für die Errichtung
eines Anbaues auf dem Dienstgrundstück der Physicalisch-technischen
Reichsanstalt zur Unterbringung einer Accumulatoren - Batterie
8500 JC und zur Erwerbung eines Grundstückes für ein Dienst¬
gebäude des Reichsversicherungsamtes und zum Beginn der Bau¬
ausführung 1900 000 JL\ der aufserordentliche Etat die zehnte
Rate zur Errichtung des Reichstagsgebäudes mit 1 700 000 Jt und
die fünfte Rate zur Herstellung des Nord - Ostsee - Canals mit
29 000 000 J(.
Im ordentlichen Etat für die Reichs- Justizverwaltung ist
die fünfte Rate zur Errichtung des Dienstgebäudes des Reichsgerichts
mit 650 000 Jl ausgeworfen.
Der ordentliche Etat für das Reichsschatzamt enthält die
zehnte und letzte Rate von 53 200 JC zum Bau des Kaiserpalastes in
Strafsburg (noch zu zahlende Grunderwerbskosten), der aufserordent¬
liche Etat die neunte Rate des Beitrags des Reiches zu den Kosten
des Zollanschlusses Hamburgs mit 4 000 000 .JA
Der ordentliche Etat der Reichsdruckerei enthält die zweite
Baurate zum Erweiterungsbau der Reichsdruckerei mit 300 000 JC.
Die vorstehend aufgeführten einmaligen Ausgaben
betragen zusammen . 37 735 700 JC.
Hierzu treten die nachstehend zusammengestellten
Ausgaben für Bauausführungen im Bereiche
I. der Verwaltung des Reichsheeres und zwar:
1. im ordentlichen Etat . 23442 055 „
2. im aufserordentlichen Etat . 8 616 000 „
II. der Marine . 3 423 250 „
III. der Reichs -Post- und Telegraphen -Verwaltung 4 480 124 „
IV. der Reichs -Eisenbahnen . 6 970 000 „
Gesamtsumme 84 667 129 JC.
I. EinmaUge Ausgaben für die Bauausführungen der Verwaltung
des Reiclisheeres.
1. Ordentlicher Etat. Betrag Gesamt-
für 1891/92 kosten.
a. Preufsen. ji ji
1. Zur Erneuerung des Oberbaues der Militär-
Eisenbahn, Vermehrung der Betriebsmittel
und Beschaffung von Werkzeugmaschinen 162 300 (162 300)
*2. Neubau von Magazingebäuden in Goldap
1. Rate (für Grunderwerb Und Entwurf) . 6 500 (127 000)
3. Desgl. in Lyck, letzte Rate . 68 000 (385 000)
4. Desgl. in Gumbinnen, 2. Rate . 200 000 (313 000)
5. Desgl. in Insterburg, 2. Rate . 200 000 (422 000)
6. Desgl. in Stettin, 3. Rate . 200 000 (860 000)
7. Desgl. in Gnesen, 2. Rate . 120 000 (215 000)
8. Desgl. in Inowrazlaw, letzte Rate ... 47 890 (86 650)
*9. Neubau eines Körner- bezw. Mehlmagazins
in Magdeburg . 149 500 (149 500)
*10. Neubau von Magazingebäuden in Gleiwitz,
1. Rate (für Entwurf) . 2 500 (350 000)
11. Desgl. in Saarbrücken, 2. Rate (1. Baurate) 150 000 (784000)
*12. Desgl. in Darmstadt, 1. Rate (für Entwurf) 6 000 (273 000)
*13. Desgl. in Hanau, 1. Rate (für Grunderwerb
und Entwurf) . 16 000 (721 000)
14. Desgl. in Osterode, letzte Rate .... 140000 (190600)
15. Neubau einer Conservenfabrik in Spandau,
2. Rate . 700 000 (1 450 000)
16. Zum Bau und zur Einrichtung des Beklei¬
dungsamts für das 17. Armeecorps in
Danzig, 2. Rate (für Grunderwerb und Bau) 419 000 (475 000)
17. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Garde -In¬
fanterie-Regiment in Berlin, 3. Rate . 400 000 (2 974 250)
Summe 2 987 690
Uebertrag 2 987 690
*18. Neubau und Ausstattung einer zweiten
Garirison-Waschanstalt mit Dampfbetrieb
in Berlin, 1. Rate (für Entwurfsbearbeitung) 10 000
*19. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für zwei Garde-
Infanterie -Bataillone in Charlottenburg,
1. Rate (für Grunderwerb und Entwurf) . 770 000
20. Desgl. für das Regiment der Garde du
Corps in Potsdam, 3. Rate (1. Baurate) . 700 000
*21. Neubau einer Garnison -Waschanstalt in
Allenstein . . 100 500
22. Neubau eines Commandanturgebäudes in
der Feste Boyen, 2. Rate (1. Baurate) . . 70 000
*23. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Bataillon
Infanterie nebst Regimentsstab in Goldap,
1. Rate (für Grunderwerb und Entwurf) . 30 000
24. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
zwei fahrende Abtheilungen Feld-Artillerie
und den Regimentsstab in Insterburg, ein-
schliefslich der Ausstattung bezw. Aus¬
stattungsergänzung für je eine Abtheilung,
2. Rate . ' . 740000
25. Erweiterungs- und Umbau des Generalcom-
mando-Dienstgebäudes für das 1. Armee¬
corps in Königsberg i. Pr. , einschliefslich
Ergänzung des Mobiliars, letzte Rate . . 68 905
26. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Regiment Cavallerie
in Gnesen, 2. Rate . 300 000
27. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Infanterie-
Regiment in Stettin, 4. Rate . 500 000
*28. Neubau eines Feldfahrzeugschuppens in
Frankfurt a. 0 . 119 000
29. Neubau und Ausstattungsergänzungen von
Casernen für die Schiefsschulen der Feld-
und Fufs- Artillerie auf dem Artillerie-
Schiefsplatz bei Jüterbog — früher einer
Caserne für die Artillerie-Schiefsschule in
Jüterbog — 2. Rate (erste Baurate) . . 600 000
*30. Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Caserne nebst Zubehör für etwa zwei
Compagnieen Infanterie, sowie Neubau und
Ausstattung eines Wohngebäudes für die
Verheiratheten von zwei Bataillonen in
Magdeburg, 1. Rate (für Entwurf und
Baubeginn) . 300 000
*31. Ausbau und Ausstattungsergänzung der
Brückenkopf- Caserne für eine Compagnie
Pioniere in Torgau, 1. Rate (für Entwurf) 2 000
*32. Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Caserne nebst Zubehör für die Bedienungs¬
mannschaften einer fahrenden Abtheilung
Feld- Artillerie in Glogau, 1. Rate (für
Entwurf) . 5 000
*33. Neubauten zurUnterbringung des Brücken¬
trains und der Corps-Telegraphen-Abthei-
lung eines Pionier-Bataillons in Glogau,
1. Rate (für Entwurf und Baubeginn) . . 100 000
34. Neubau einer Traincaserne nebst Zubehör
und Ausstattungsergänzung sowie eines
Traindepots in Posen, 3. Rate .... 325 000
35. Neubau eines Wohn- und Handwerker¬
gebäudes, sowie eines Montirungskammer-
gebäudes auf dem Büi-gerwerder in Breslau,
letzte Rate . 116 500
36. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für drei Escadrons
und den Regimentsstab — früher für eine
Escadron — in Düsseldorf, 2. Rate (noch
für Grunderwerb und Entwurf) .... 300 000
*37. Desgl. für ein Regiment Infanterie in
Düsseldorf, 1. Rate (für Entwurf und
Grunderwerb) . 350 000
*38. Neubau einer Garnison -Waschanstalt und
eines Garnisonverwaltungs- Dienst- und
Wohngebäudes sowie einer Arrestanstalt
in Düsseldorf, 1. Rate (für Entwurf) . . 8 800
*39. Neubau eines Dienstgebäudes für das Be-
zirkscommando nebst einer Caserne für
die Oekonomie- Handwerker des Beklei¬
dungsamts in Düsseldorf, 1. Rate (für
Entwurf) . 4000
Summe 8 507 395
(380 000)
(3 000 000)
(2 690 895)
(100 500)
(113 000)
(920000)
(1 856 000)
(223 905)
(2 221 000)
(2 153 575)
(119 000)
(2 720 000)
(648 100)
(205 000)
(290 000)
(159 000)
(1 700 000)
(325 500)
(1 510 000)
(2 650 000)
(310 000)
(130 000)
514
Ceutralblatt der Bau Verwaltung.
10. Deceiiiber 1800.
Uebertrag 8 507 395
40. Neubau und Ausstattuugsergäuzung einei-
Caserne nebst Zubehör für zwei fahrende
Abtbeiluugen Feld- Artillerie — früher
Neubau und Ausstattung von Stallungen
für die Pferde von zwei Feldbatterieen • —
in Wesel, 2. Rate (zum Baubeginn) . . SO 000
*41. Neubau eines Bureaugebäudes für das
Generalcounnando des 8. Armeecoi'ps in
Coblenz . 59 000
42. Wiederherstellung der St. Pantaleous-
(Garnison-) Kirche in Köln und deren
inneren Ausstattung, 2. Rate . 41 UOO
43. Ersatzbau für den älteren Theil der Ca¬
serne VI. in Köln, 2. Rate (1. Baurate) . 100 000
*44. Neubauten zur Unterbringung des Brücken¬
trains eines Pionier-Bataillons in Deutz,
1. Rate (für Entwurf und Baubeginn) . . 20 000
*45. Neubau einer Garnison -Arrestanstalt in
Saarbrücken, 1. Rate (für Grunderwerb
und Entwurf) . 15 000
*46. Neubau eines Intendantur-Dienstgebäudes
in Altona . 130 000
*47. Neubau einer Casenie nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzuug für ein Bataillon
Infanterie in Bremen, 1. Rate (für Entwurf
und Baubeginn) . 400 000
*48. Neubau eines Ponton-Wagenhauses für ein
Pionier-Bataillon in Harburg, 1. Rate (für
Entwurf) . 3 000
*49. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergäuzung für die Mannschaf¬
ten eines Train -Bataillons land von Stal¬
lungen für die Pferde einer Train-Com¬
pagnie in Rendsburg, 1. Rate (für Entwurf) 8 000
50. Neubau bezw. Neubeschalfung einer Ca¬
serne nebst Zubehör für ein Regiment
Cavallerie, einschliefslich der Ausstattungs¬
ergänzung, in Braunschweig, 3. Rate . . 676 OOO
51. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für die Artillerieverstärkung
in Hannover, 4. Rate . 200 000
52. Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Caserne nebst Zubehör für ein Bataillon
Infanterie inHildesheim, 2. Rate(l. Baurate) 250 000
*53. Neubau einer Caserne nebst Zirbehör und
Ausstattungsergänzung für ein Bataillon
Infanterie und den Regimentsstab in Osna¬
brück, 1. Rate (für Grnnderwerb und
Entwurf) . 35 000
54. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für drei Escadrons
in Darmstadt, letzte Rate . 456 700
55. Erweiterungsbau der Artillerie -Caserne
nebst Ausstattungsei’gänzuug zur Unter¬
bringung der Mannschaften und Pferde
von etwa drei fahrenden Batterieen in
Darmstadt, 2. Rate (1. Baurate) .... 300000
56. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für eine Abtheilung
Feld - Artillerie nebst Regiinentsstab in
Mainz, letzte Rate . 127 400
57. Ersatzbau für einen Stall und für zwei
— früher ein — Wohngebäude für Ver-
heirathete bei der Cavallerie- Caserne in
Bruchsal, letzte Rate . 183 000
58. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
drei Escadi-ons in Karlsruhe, 6. Rate . . 350 000
*59. Neubau eines Intendantur- Dienst- und
Wohngebäudes in Danzig, 1. Rate (zu-
gleicii Baurate) . 170 000
60. Neubau und Ausstattungsei'gäuzung einer
Caserne nebst Zubehör für ein Bataillon
Infanterie nebst Regimentsstab in Deutsch-
Eylau, 2. Rate (1. Baurate) . 300 000
*61. Neubau eines Commandantur- und Di-
visionscommando-Dienstgebäudes in Grau-
denz, 1. Rate (für Grunderwerb und Ent¬
wurf) . ._ . 18 000
62. Neubau einer Garnison -Waschanstalt in
Thorn, letzte Rate . 80 800
*63. Neubau und Ausstattung einer evangeli¬
schen Garnisonkirche in Thorn, 1. Rate
(für Entwurf) . 10 000
64. Neubau und Ausstattung eines Garnison-
lazareths in Potsdam, 3. Rate . 300 000
65. Erweiterung und Ausstattungsergänzung
des Garnisonlazareths in Allenstein, letzte
Rate . 62 000
66. Neubau — früher Erweiterung — und
Zu übertragen 12 882 295
(1800 000)
(59 000)
(255 000)
(294 380)
(135.000)
(101 oOO)
(130,000)
(990 000)
(142 000)
(682 000)
(1 335 100)
(684 468)
(1 146 000)
(910 000)
(1 306 700)
(928 700)
(1 177 400)
(194 400)
(1 756 000)
(220 000)
(1 129 196)
(250 000)
(210 800)
(530 000)
(1 320 000)
(112 000)
Uebertrag 12 882 295
Ausstattungsergänzuug eines — früher
des — Garnisonlazareths in Gumbinnen,
2. Rate (1. Baurate) . 90 000
67. Erweiterung und Ausstattungsergänzung
des Garnisonlazareths in Insterburg, letzte
Rate ......_ . 13000
*68. Neubau eines Magazins für die Kriegs-
Sanitätsausrüstung in Königsberg i. Pr. . 28 ÜOO
69. Neubau und Ausstattung eines Garnison¬
lazareths in Stettin, 2. Rate (1. Baurate) . 100 000
70. Neubair und Ausstattungsergänzung eines
Garnisonlazareths in Inowrazlaw, 2. Rate 100 000
71. Erweiterung und Ausstattungsergänzung
eines Garnisonlazareths in Bromberg,
2. Rate . 70 000
*72. Neubau und Ausstattungsergänzung eines
Garnisonlazareths in Erfurt, 1. Rate (zur
Entwurfsbearbeitung und zum Gruud-
stücksankauf) . 15 000
*73. Neubau eines Garnisonlazareths in Weifsen-
fels, 1. Rate (Baurate) . 60 000
74. Neubau und Ausstattung eines Garnison¬
lazareths in Krotoscliin, letzte Rate . . 17 000
75. Erweiterung und Ausstattungsergänzung
des Garnisonlazareths in Gleiwitz, 2. Rate
(1. Baurate) . 80 000
76. Neubau und Ausstattung eines Garnison-
lazareths in Mainz, 4. Rate . 450 000
77. Erweiterung und Ausstattungsergänzuug
des Garnisonlazareths in Graudenz, 2. Rate 40 000
*78. Bauliche Instandsetzung und Verbesserung
der Garnisoulazaretlie, 1. Rate . 140 000
79. Neueinrichtung eines Traindepots in
Danzig, letzte Rate . 150 000
*80. Neubau zweier Traindepot- Dienstwohn¬
gebäude in Magdeburg . 115 400
81. Zu gröfseren Neu- und Umbauten auf den
Remontedepots . 150 000
*82. Zur Errichtung eines neuen Remonte¬
depots . 121 000
83. Zum Neubau eines Cadettenhauses in
Karlsruhe, letzte Rate . 611 860
84. Zur Errichtung einer neunten Kriegsschule
in Danzig, 2. Rate (1. Baurate) . 120 000
*85. Zum Umbau des Nordwestflügels des
Hauptgebäudes des Cadettenhauses in
Oranienstein . 42 500
*86. Zum Bau einer Turnhalle für die Unter-
officierschule in Weifsenfels . 39 000
*87. Zur Errichtung und Ausstattung einer
Uuterofficier- Vorschule in Jülich. . . . 250 000
*88. Desgl.in Wohlan, einschliefslich der Kosten
für Erwerb des städtischen Casernements 410 000
89. Neubau von vier Artillerie-Wagenhäuseru
und eines Geschützrohrschuppens in Stettin,
2. Rate (erste Baurate) . 350 000
*90. Neubau eines Artillerie -Wagenhauses in
Thorn . 76 000
*91. Neubau eines Artillerie- Wagenhauses und
eines Geschützrohrschuppens in Magde¬
burg, als Ersatz für das Wagenhaus 13
und den Geschützrohrschuppen 6, 1. Rate 150 000
*92. Neubau von vier Friedens -Pulvermaga¬
zinen und eines Friedens -Laboratoriums
in Coblenz, 1. Rate . 75 000
*93. Für die Herstellung von Schuppen zur
Unterbringung des Materials für die In¬
genieur-Belagerungstrains . 75 000
94. Neubau von Magazinanlagen in Strafs¬
burg i. E., 4. Rate . 200 000
95. Desgl. in Mülhausen i. E., 2. Rate . . . 200 000
96. Desgl. in Saarburg, 2. Rate (zum weiteren
Grunderwerb und Baubeginn) . 250 000
97. Desgl. in St. Avold, letzte Rate .... 77 000
98. Desgl. in Mörchingen, 2. Rate . 150 000
99. Desgl. in Dieuze, 2. Rate (zum Grund¬
erwerb und Baubeginn) . 230 000
100. Zum Bau und zur Einrichtung des Be¬
kleidungsamts für das 16. Armeecorps in
Metz, 2. Rate (für Grunderwerb und Bau) 419 000
101. Neubau und Ausstattungsergänzuug einer
Garnison -Waschanstalt in Colmar, letzte
Rate . . 98 000
102. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Cavallerie-Regiment in Dieuze, 2. Rate
(für Grunderwerb und Baubeginn) . . . 400 000
103. Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Caserne für zwei Compagnieen Infanterie
in Hagenau, letzte Rate . 234 000
Zu übertragen 19 079 055
(255 OOOj
(53 000)
(28 000)
(705 000)
(220 000)
(188 000)
(275 000)
(120 000)
(187 000)
(161 000)
(2 153 000)
(340 000)
(498 000)
(700 000)
(115 400)
(150 000)
(121 000)
(1 936 860)
(500 000)
(42 500)
(39 000)
(250 000)
(410 000)
(590 100)
(76 000)
(304 500)
(180 000)
(75 000)
(2 084 000)
(365 600)
(373 290)
(78 500)
(291 500)
(338 000)
(475 000)
(HO 000)
(2 540 000)
(434000)
Kr. 49 A.
Centralblatt dei’ Bauverwaltung.
515
Uebertrag
104. Ersatzbauten in der Margarethencaserne
in Strafsburg i. E., 2. Eate (1. Baurate) .
105. Neubau einer Caserne für ein Bataillon
Fufs-Artillerie und den Stab eines Fufs-
Artillerie-Eegiments, einschliefslich der
Ausstattungsergänzung, in Strafsburg i.E.,
letzte Kate .
*106. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Bataillon
Infanterie und den Eegimentsstab, sowie
Umbau bezw. Einrichtung der vorhan¬
denen Casernen zur Aufnahme noch eines
Bataillons Infanterie in Weifsenburg,
1. Rate (für Entwurf) .
107. Desgl. für eine fahrende Abtbeilung Feld-
Artillerie in St. Avold, letzte Rate . . .
108 Neubau und Ausstattungsergänzung einer
Facbwerkscaserne für eine Compagnie
Infanterie in Metz, letzte Rate (Baurate)
109. Neubau und Ausstattung einer Caserne
für ein Bataillon Infanterie in Metz, 2. Eate
(1. Baurate) .
110. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Bataillon
Infanterie und den Eegimentsstab in Metz,
letzte Rate .
111. Neubau von Casernen nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Regiment
Infanterie, sowie einer Garnison-Wasch¬
anstalt, einer Arrestanstalt und eines
Garnisonverwaltungs - Dienstgebäudes —
früher Neubau von Casernen nebst Zu¬
behör und Ausstattungsergänzung für
ein Regiment Infanterie — in Mörchingen,
2. Rate .
112. Desgl. für ein zweites Regiment Infanterie
in Mörchingen, 2. Rate .
*113. Neubau und Ausstattungsergänzung eines
Garnisonlazareths in Colmar, 1. Eate (zur
Entwurfsbearbeitung) .
114. Neubau und Ausstattung eines Garnison¬
lazareths in Pfalzburg, 2. Rate ....
*115. Erweiterung und Ausstattungsergänzung
des Garnisonlazareths in Dieuze, 1. Rare
(Baurate) .
116. Neubau und Ausstattung eines Garnison¬
lazareths in Mörchingen, 2. Eate . . .
*117. Bauliche Instandsetzung und Verbesse¬
rung der Garnisonlazarethe in Elsafs-
Lothringen, 1. Eate .
*118. Zu Ersatzbauten für die beim Tunnelbau
in Mainz zum Abbruch gekommenen
Hohlräume .
b. Sachsen.
*119. Neubau und Ausstattung eines Feld-Fahr¬
zeugschuppens und Kammergebäudes für
ein Infanterie -Regiment und mehrere
Feldformationen in Zwickau .
*120. Neubau eines Dienstwohngebäudes im
Festungsgefängnifs in Dresden ....
121. Zum Neubau von Gebäuden zur Unter¬
bringung des ruhenden Artilleriematerials
für zwei Artillerie -Abtheilungen in Riesa,
letzte Rate . . .
*122. Neubau und Ausstattung eines Speise¬
saalgebäudes für das Arbeiterpersonal
der Geschofsfabrik in Dresden . . . .
c. Württemberg.
*123. Zur baulichen Instandsetzung und Ver¬
besserung der Garnisonlazarethe . . .
Summe
2. Avfser ordentlicher Etat-
a. Preufsen.
1. Neubau einer Caserne für ein Eisenbahn-
Regiment — früher für zwei Eisenbahn-
Bataillone — bei Berlin, einschliefslich
eines Geschäftshauses für die Eisenbahn-
Brigade, 2. Rate (1. Baurate) .
2. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Bataillon Infanterie
und den Regimentsstab, sowie Beschaffung
und Ausbau einer Officier-Speiseanstalt ■ —
früher Neubau und Ausstattung einer Ca¬
serne nebst Zubehör für ein Bataillon In-
Zu übertragen
19 079 055
300 000 (1 659 000)
269 500 (624 500)
10 000 (1 078 000)
500000 (950 000)
147 000 (150 000)
400 000 ( 714 000)
571 000 (971 000)
750 000 (3 600 000)
750 000 (3 000 000)
10 000 (250 000)
50 000 (120000)
30 000 (40000)
120 000 (360000)
60 000 (140 000)
48 000 (48 000)
190 000 (190 000)
45 000
50 000 (100 000)
36 500
26 000 (26 000)
23 442 055
Betrag Gesamt-
für 1891/92 kosten
M M
500 000 (2 290 000)
500 000
Uebertrag
fantcrie nebst Regimentsstab — in Ino-
wrazlaw, 2. Rate .
3. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Pionier-Bataillon — früher für zwei
Pionier- Compagnieen — in Stettin, ein-
schliefslich der Ausstattung für den Ba-
taillonsstab und zwei Compagnieen bezw.
der Ausstattungsergänzung für zwei Com¬
pagnieen, 2. Rate (noch für Entwurf) . .
*4. Erweiterung der Artilleriecaserne und Aus¬
stattungsergänzung zur Aufnahme der
Etatsverstärkung der Feld- Artillerie in
Stettin, 1. Rate (für Entwurf und zum
Baubeginn) .
5. Neubau und Ausstattung einer Caserne für
ein Regiment Infanterie in Saarbrücken
— früher St Johann-Saarbrücken — 2. Rate
(zur Herstellung der Wegeanlagen auf dem
von der Stadt Saarbrücken unentgeltlich
überwiesenen Bauplatze .
6. Neubau und Ausstattung eines Stalles für
eine Train-Compagnie, sowie eines Wohn¬
gebäudes für die Verheiratheten des Train-
Bataillons in Cassel, 2. Rate (1. Baurate)
7. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
ein Ti-ain- Bataillon zu drei Compagnieen
— früher Neubau von Stallungen nebst
Zubehör für die Pferde von zw^ei Train-
Compagnieen — in Danzig, einschliefslich
der Ausstattung für den Bataillonsstab und
eine Compagnie bezw. der Ausstattungs¬
ergänzung für zwei Compagnieen, 2. Eate
(für Grunderwerb und Baubeginn) . . .
8. Neubau und theilweise Ausstattung einer
Caserne für ein Bataillon Infanterie in
Strasburg i. Westpr., 2, Rate (1. Baurate)
9. Neubau einer Caserne nebst Zubehör für
zwei Bataillone Infanterie in Mülhausen i.E.,
2. Rate (1. Baurate) .
10. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für zwei Abthei¬
lungen Feld -Artillerie, einschliefslich des
Regimentsstabes, in Hagenau, 6. Eate . .
11. Neubau einer Caserne für zwei Bataillone
Infanterie und den Regimentsstab in
Hagenau, 3. Eate .
12. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Regiment Cavallerie
in Saarburg, 2. Rate .
13. Neubau einer Caserne für ein Train-
Bataillon in Strafsburg i. E. , 2. Eate
(1. Baurate) .
14. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Train-Bataillon zu
zwei Compagnieen in Forbach, 3. Rate
(1. Baurate) .
15. Neubau und Ausstattung einer Caserne für
ein Bataillon Infanterie in Darkehmen,
2. Rate .
*16. Neubau und Ausstattung einer Caserne für
eine Escadron in Goldap, 1. Eate (für
Grunderwerb und Entwurf) .
*17. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattung für ein Bataillon Infanterie in
Gumbinnen, 1. Eate (für Grunderwerb
und Entwurf) .
18. Neubau und Ausstattung einer Caserne
für die Mannschaften von zwei und die
Pferde von ein und einer halben Escadron
— früher für die Mannschaften von drei
und die Pferde von zwei und einer halben
Escadron — in Insterburg, letzte Eate
19. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Bataillon Infanterie
in Inowrazlaw, 2. Rate .
20. Desgl. für ein Regiment Cavallerie in
Rathenow, letzte Eate .
21. Neubau einer Caserne nebst Zubehör und
Ausstattungsergänzung für ein Bataillon
Infanterie in Rawitsch, letzte Eate . . .
22. Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für ein Bataillon Infanterie
in Beuthen 0. Schl., 4. Eate .
23. Desgl. für zwei Bataillone Infanterie in
Trier, 2. Rate (1. Baurate) .
24. Neubau und Ausstattung von Casernen
nebst Zubehör für zwei Bataillone Infan¬
terie in Rostock, letzte Eate . . . . _ ^
Zu übertragen
500 000
100 000 (1 117 000)
4 000 (1 098 0001
300 000
(520 000)
100 000
(2 159 000)
120 000
(251 500)
6.50 000
(974 000)
400 000
(619 000)
500 000
(2 112 600)
400000
(1 683 000)
500 000
(1 746 000)
1 000 000
(2 910 000)
500 000
(1 325 000)
300 000
(8840001
200 000
(882 000)
12 000
(412000)
30 000
(800 000)
343 500
(970 000)
100 000
(1 089 000)
168 000
(1 458 000)
167 500
(827 500)
400 000
(684300)
400 000
(1 455 000)
80 000
7 275 000
(1 568 000)
516
10. Deeeiiiber 1800.
Centralblatt der Banverwaltuug.
Ueb ertrag 7 275 000
25. Neubau und Ausstattuugsergänzung einer
Caserne für eiu Eegiiiient Cavallerie in
Hanau, 2. Rate (1. Baurate) . 500 000 (1971300)
26. Xebenbauten, welche zur friedensinäl'sigen
Unterbringung eines Infanterie-Bataillons
in einer boiubensicbereu Kriegscaserne er¬
forderlich sind, einscbliefslich eines Schup¬
pens zur Aufbewahrung der entsprechen¬
den Vorräthe an Kriegscasernengeräthen
— früherNebenbauten, welche zur friedens-
mäfsigen Unterbringung eines Infanterie-
Bataillons in einer bombensicheren Kriegs- _
Zu übertragen 7 775 000
Uebertrag
7 775 000
caserne erforderlich sind — in Thorn,
2. Rate (1. Baurate) .
150 000
(475 000)
b. Sachsen.
Neubau und Ausstattung einer Caserne
nebst Zubehör für eine fahrende Batterie,
sowie Neubau und Ausstattung von drei
Pferdeställen für drei fahrende Batterieen
in Dresden .
371 000
(371000)
Neubau und Ausstattung einer Caseime
nebst Stallung für eine Train-Compagnie
in Dresden .
320 000
(320 000)
Summe
8 616 000
(Schlufs folgt.)
Yermisclites.
Neu erscliieueiic, bei tler Kedaetiou eiiigegaugeuc Werke :
(Schlufs aus Nr. 48A., Seite 501.)
Hoernes, H. Die Luftfahrzeuge der Zukunft für Personen- und
Warenverkehr. Wien, Pest, Leipzig 1891. A. Ilartlebens Verlag.
VII u. 103 S. in kl. 8“ mit 18 Abb. Preis 3 M.
Lambert, A. u. Stahl, E. Motive der deutscheu Architektur des
XVL, XVII. und XV'III. Jahrhunderts in historischer Anordnung.
Mit Text von H. E. v. Berlepsch. Stuttgart 1890. J. Engelhorn.
In Folio. 11. Abth. Barock und Rococo 1650 — 1800, Lief. 2 u. 3
mit je 6 Tafeln. Preis der Lief. 2,75 J(.
Lang', (t. Zur Entwicklungsgeschichte der Spannwerke des
Bauwesens. Riga 1890. N. Kymmel. 200 S. in 8“ mit 2 Tafeln.
Preis 4 JC.
Lange, W. Sammlung von Aufgaben aus der Bauconstructions-
lehre zum Gebrauche an Baugewerk- usw. Schulen. Lübeck.
Dittmersche Buchhandlung (E. Lübeke). Lief. 1 u. 2. In kl. 4“.
Je 20 Blatt Umdrucke in 2 Exemplaren. Preis der Lief. 2,59 Jl.
Leouhardt, Otto. Die Ausstellung für Unfallverhütung in
Amsterdam 1890. Abdruck aus Nr. 15, Jahrg. 1890 des Gesundheits-
Ingenieur. 3 S. in Folio mit einer Abbildung.
Lizius, 31. Taschenbuch für Berechnung des Cubikinhaltes von
Rundhölzern, Latten, Brettern und Läden im Metermafse nebst Mafs-
vergleichung mit dem alten Mafse. Zweite Auflage. Ausgabe für
Preufsen und Hessen -Darmstadt. München 1890. Ernst Stahl sen.
(J. Stahl). VI u. 174 S. in kl. 8». Preis 1,70.///.
Loreuz, 0. Ueber zweckmäfsige Einrichtungen von Kliniken.
3Iitgetheilt auf Grund amtlicher Berichte. Abdruck aus dem Central¬
blatt der Bauverwaltung 1889 u. 1890. Berlin 1890. Ernst u. Korn.
53 S. in 8“ mit 38 Abb. Preis iM.
Lueger, Otto. Die Wasserversorgung der Städte. 1. Heft.
(Städtischer Tiefbau Bd. II.) Darmstadt 1890. Arnold Bergsträsser.
140 S. in gr. 8“ mit 62 Abb. im Text. Preis 4,80 JL
Liibke, Willi., und v. Liitzow, Karl. Denkmäler der Kunst.
Zur Uebersicht ihres Entwicklungsganges von den ersten künst¬
lerischen Versuchen bis zu den Standpunkten der Gegenwart. 6. Auf¬
lage. Stuttgart 1890. Paul Neff. Klassiker- Ausgabe. 203 Tafeln,
darunter 7 Farbentafeln in Quer- Folio nebst 30 Bogen Text in
Lex. 8". 1. bis 8. Lieferung. 36 Lieferungen zu je 1 JL
Lutsch, H. Verzeichnifs der Kunstdenkmäler der Provinz
Schlesien. Breslau 1889 u. 1890. Wilh. Gottl. Korn. III. Band.
Regierungsbezirk Liegnitz. 1. Lief. Die Denkmäler des Fürstenthums
Glogau-Sagan (II). 168 S. in 8 Preis 2 Jl.
2. Lief. Die Denkmäler des Fürstenthums Liegnitz. 156 S. in 8“.
Preis 2 JC.
3. Lief. Die Denkmäler der Fürstenthümer Schweidnitz und
Jauer (H). 258 S. in 8“. Preis 3,20 .J/.
3Ieyer, 31. J. Le chemin de fer de Viege ä Zermatt ä voie de
1 metre et ti Systeme mixte (adherence et crernailliere). Abdruck
aus dem August-Heft 1890 der „Revue generale des chemins de fer“.
Paris 1890. Dunod. 26 S. in 4“ und 6 Blatt Zeichnungen.
Modern rural homes. September — November 1890. The per¬
spective views and building plans for sixteen sensible low-cost houses.
Philadelphia. National architects union. 17 S. in Polio mit Ab¬
bildungen. Preis des Heftes 25 Cents., des Jahrgangs 1 $.
3Iohr, E. Der Oder -Spree -Canal und seine Bauten. Abdruck
aus der Zeitschrift für Bauwesen. Berlin 1890. Ernst u. Korn.
In gr. Folio. 28 S. mit Holzschnitten im Text und 9 Steindrucken.
Preis 12 Jl.
3Iiiller, H. Th. Berechnungs-Tabelle für Umrechnung von Rund-
hölzei'n, kantigen Hölzern, Brettern, Dielen, Bohlen vom Cubikmeter
auf laufende resp. Quadratmeter nebst Reduction üblicher Preise
vom Cubikmeter auf laufende und Quadratmeter. Dritte Auflage.
München 1890. Ernst Stahl sen. (J. Stahl). 47 S. in kl. 8". Preis 1,70 y//.
Otzen, J. Ausgeführte Bauten. Lief. 2. Berlin 1890. E. Was-
muth. 20 Blatt Lichtdrucke, Steindrucke und Chromolithographieen.
Preis 25 JC.
llöll, Victor, Dr. u. Wurinl), Karl. Encyklopädie des gesamten
Eisenbahnwesens in alphabetischer Anordnung. 2. Band: „Betriebs“
bis „Deutsche Eisenbahnen“. Wien 1890. Karl Gerolds Sohn. In
gr. Lexikon 8“. Seite 481 — 996 mit 530 Holzschnitten, 9 Tafeln und
2 Eisenbahnkarten. Preis 10 J(.
Rummler, Herrn. Der Bau und die Construction der Treppen.
Dritte umgearbeitete Auflage. Halle a. d. Saale 1891. Ludw. Hof-
stetter. II u. 18 S. in 4“ mit 12 Doppeltafeln. Preis 3,25 JC, geb.
4,25 JC.
Sasse, Fritz. Der Fürstenhof zu Wismar und die nord¬
deutsche Terracotta- Architektur im Zeitalter der Renaissance. Berlin
1890. Trowitzsch u. Sohn. 54 S. in Quart und 17 Lichtdrucke.
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Schleh, Eugen. Gewichte und Preise der Dampfkessel. Aachen
1889. C. Mayer. 22 S. Tabellen in 4“ mit Abb. iind 2 Blatt Zeich¬
nungen. Preis 2 JC.
Schöuermark, Gustav. Die Architektur der Hannoverschen
Schule. Herausgegeben im Aufträge der Bauhütte Zum weifsen
Blatt. 2. Jahrgang 1890. Heft 8, 9, 10 und 3. Jahrg. Heft 1.
Hannover -Linden. Karl Manz. Jährlich 10 Hefte mit je 8 Tafeln
in gr. 8". Preis des Jahrgangs 15 JC.
Seiht, 3V. Das Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde. Zweite
Mittheilung. Veröffentlichung des Königl. Preufs. Geodätischen In¬
stituts. Berlin 1890. P. Stankiewicz. 38 S. in gr. 4“ mit 4 Blatt Abb.
Preis 4 Jl.
Sommer, Oskar. Der Dombau zu Berlin und der protestantische
Kirchenbau überhaupt. Abdruck aus Heft 405 u. 406 von Wester¬
manns Illustrirten Deutschen Monatsheften 1890. Braunschweig 1890.
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nach den Meistern geordnet. Mit Text von H. v. Geymüller.
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Friedr. Bruckmann). Lief. 10 u. 11. In grofs Folio. 10 Blatt Licht¬
druck, 8 Blatt (darunter 3 Doppelblätter) in Stich. Preis 100 Jl.
Strack, Heiiir. Baudenkmäler des alten Rom. Nach photogra¬
phischen Originalaufuahmen herausgegeben von H. Strack. Berlin
1890. Ernst Wasmuth. In Polio. 20 S. Text und 20 Lichtdrucke.
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Schlagwörtern geordnetes Repertorium der gesamten deutschen, fran¬
zösischen, englischen technischen Litteratur. Jahrgang I. 1889. St.
Petersburg und Leipzig 1890. F. v. Szczepanski. 80 S. in 8“. Preis
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der Jahre 1880 bis 1890. Abdruck aus dem Centralblatt der Bau¬
verwaltung 1890. Berlin 1890. Ernst u. Korn. 50 S. in 8". Preis
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stetter. XVI u. 654 S. in 8® mit 657 Holzschnitten. Preis geh.
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Wolfl^ H. Sätze und Regeln der Arithmetik und Algebra. Zum
Gebrauch an Baugewerkenschulen usw. Leipzig 1888. B. G. Teubner.
102 S. in 8“.
Zetzsclie, K. Ed. Der Betrieb und die Schaltungen der elek¬
trischen Telegraphen. Heft 2. 3. Abth. Die Einrichtungen und
Schaltungen für die mehrfache Telegraphie bearbeitet von Dr. A.
Tobler u. Dr. E. Zetzsche. Halle a. d. S. 1890. Wilh. Knapp.
356 S. in 8" mit 89 Abb. im Text. Preis 5 JC.
Verlag von Ernst & Korn (Willielm Ernst), Berlin. Für die Ecclaction des nichtamtlichen Theiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J. Kerskes, Berlin.
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Centralblatt der Banverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten,
X. Jalirgaug. Berlin, 13. December 1890. Nr. 50.
Redactlon: SW. ZimmerstraCse 7 Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen:
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnahend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark
INHAIiT: Amtliches: Personal -Nacliricliten. — Nichtamtliches: Kaiser Wilhelni-
Gedäclitnirskirche in Berlin-Charlottenburg'. — Altes und Neues über die Porta nigra
in Trier (Schlufs). — Aus dem Reichshausbalt für 1891/92 (Schlufs). — Signale der
Untergrundbahn in London. — Geschwindigkeitsmesser für Locomotiven. — Bau-
thätigkeit des prenfsiseben Staates im Gebiete des Hochbaues während des Jahres
1889. — Vermischtes: Preisbewerbung zur Gewinnung von Bauplänen zu einer
Kirche für die evangelische Lucas-Parochie in Dresden, — Preisbewerbung um Pläne
zu einer Brücke über die Neckarcanäle in Ef.sliugen. — Verband Deutscher Archi¬
tekten- und Ingenieur-Vereine. — Veröffentlichung über die „makedonischen Königs¬
sarkophage“ im Museum in Coustantiuopel. — Magdeburger Baudenkmäler. — Neues
vom Kuustmarkte. — Besuchsziffer der technischen Hochschule in Karlsruhe im
Winterhalbjahre 1890/91. — Bücherschau.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den
Regierungs- und Bauräthen Giese, Director des Königlichen Eisen¬
bahn-Betriebsamts (Berlin-Lehrte) in Berlin, Koschel, Mitglied des
Königlichen Eisenbahn- Commissariats in Berlin, Lex, Mitglied der
Königlichen Eisenbahndirection in Elberfeld, Klose, Director des
Königlichen Eisenbahn - Betriebsamts in Stralsund, und Jansfen,
Director des Königlichen Eisenbahn-Betriebsamts (Main-Weser-Bahn)
in Cassel den Charakter als Geheimer Baurath, sowie dem Deich¬
inspector Wilhelm Goldspohn in Zäckericker Zollhaus den Charakter
als Baurath zu verleihen.
Zu Königlichen Regierungs -Baumeistern sind ernannt: die Re-
I gierungs - Bauführer Albert Anschütz aus Berlin und Bernhard
Hertel aus Kevelaer, Kreis Geldern (Hochbaufach); — Max Sernler
aus Berlin und Erich Sch eiche r aus Oschatz im Königreich Sachsen
(Ingenieurbaufach).
Sachsen.
Seine Majestät der König haben den bisherigen aufserordent-
lichen Professor an der technischen Hochschule in Dresden Friedrich
Hugo Robert Fischer vom 1. December 1890 an zum ordentlichen
Professor für allgemeine Maschinenlehre, mechanische Technologie,
Eisenbahnmaschinenbau und für technisches Zeichnen an genannter
Hochschule Allergnädigst zu ernennen geruht.
[Alle Rechte vorhehalten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Die Kaiser Wilhelm- Gredächtnifskirche in Berlin-Charlottenhurg,
Bereits in der Kummer 46 A. (S. 476) dieses Blattes ist über das
Ergebnifs des neuesten vom Berliner Evangelischen Kirchenbau- Verein
veranstalteten beschränkten Wettbewerbes berichtet und mitgetheilt
worden, dafs der Entwurf des Bauraths F. Schwechten für die in
der Ueberschrift genannte Kirche an Allerhöchster Stelle zur Aus¬
führung bestimmt worden ist. Dieser Entwurf, den wir den Lesern
nachstehend im Bilde vorführen, und mit ihm die Arbeiten der
übrigen acht zum Wettstreite eingeladenen Architekten waren in der
vorigen Woche im Uhrsaale der Kgl. Kunstakademie öffentlich aus¬
gestellt,*) und wir sind dadurch in der Lage über sie die folgenden
Mittheilungen zu machen.
Die aufser dem Sieger betheiligten Herren sind die Architekten
Doflein, Grisebach u. Dinklage, Baurath Prof. Kühn, Baurath
Kyllmann, Reg.-Baumeister March, Baurath Schulze mit Reg.-
Baumeister Hasak, und Architekt Sehring, sämtlich in Berlin
bezw. Charlottenburg, sowie Stadt-Bauinspector Jähn in Magdeburg.
Mit dem Schwechtenschen auf der engeren Wahl gestanden haben
die Entwürfe der Herren Doflein und Kyllmann. Die meisten der
genannten Künstler sind bisher bei Wettkämpfen um kirchliche Bau¬
werke nur selten auf dem Plane erschienen. War man schon aus
diesem Grunde, vornehmlich in Architektenkreisen, auf die darge¬
botenen Leistungen besonders gespannt, so bringt das grofse Publicum
dem Wettbewerbe eine aufsergewöhnliche Theilnahme entgegen, nicht
nur weil es sich um eins der gröfsten Gotteshäuser handelt, die der
Kirchenbau- Verein zur Zeit in Berlin ins Leben ruft, sondern auch
weil diese Kirche in einem der vornehmsten Stadttheile des Westens
errichtet und dem Andenken Kaiser Wilhelms I. geweiht werden soll.
Als Bauplatz hatte man ursprünglich, und zwar auch noch bei
Einforderung der Pläne, die südliche Hälfte des von dem breiten
Zuge der Kleist- und Tauentzienstrafse durchschnittenen Wittenberg¬
platzes im Auge. Leider scheiterte die Hergabe dieser vortreff¬
lichen Stelle an dem ablehnenden Verhalten eines Th eiles der Char¬
lottenburger Bürgerschaft, und man sieht sich nunmehr genöthigt,
die weit weniger geeignete Kreuzung des Kurfürstendammes mit der
Tauentzien- und Hardenbergstrafse zu wählen. In ihren jetzigen Ab¬
messungen vermag diese Strafsenkreuzung die Kirche nicht aufzu¬
*) Zur Zeit sind die Pläne, und zwar bis 21. d. M. täglich von
10 bis 2 Uhr, in der Aula der technischen Hochschule in Charlotten¬
burg ausgestellt.
nehmen. Durch Umgestaltung zu einem Platze mittels Zuhülfe-
nahme anstofsender unbebauter Grundstücktheile, insbesondere eines
Stückes vom Zoologischen Garten, wird dies zwar ermöglicht werden,
immerhin aber läfst sich die Stellung des Gotteshauses inmitten des
dasselbe umfluthenden, sich von Jahr zu Jahr steigernden Strafsen-
verkehres als eine besonders günstige nicht bezeichnen. Wie die
Kirche auf dem neu zu bildenden Platze gestellt werden soll, scheint
noch nicht endgültig festzustehen, vermuthlich wird man sie orientiren,
also mit der Haupteingangsseite nach Charlottenburg zu kehren.
Ein eingehendes, bestimmt abgefafstes Programm hat der Ent-
wurfbearbeitung nicht zu Grunde gelegen. Den einzelnen Eingeladenen
war nur mitgetheilt worden, dafs der Bau 1500 Sitzplätze, eine könig¬
liche Loge mit Vorraum und besonderem Zugänge, sowie 2 Sacristeien
und 2 grofse Confirmandensäle enthalten müsse. Die Baukosten
sollten den Betrag von 650 000 Mark nicht überschreiten. War in
diesen Bestimmungen auch nicht ausdrücklich ausgesprochen, dafs
auf das evangelische Wesen — baulich genommen — besonderes Ge¬
wicht gelegt werde, so war es selbstverständlich, dafs die Bewerber
an einer Aufgabe von dieser Bedeutung zu bethätigen hatten, wie
sie zur protestantischen Kirchenbau-Frage stehen. Da ist nun be-
merkenswerth zu beobachten, wie die Mehrzahl sich für die Form
des den Zwecken der Predigtkirche angepafsten gedrungenen
lateinischen Kreuzes entschieden und damit vortreffliche Ergebnisse
erzielt hat, ein neuer Beweis, dafs diese bewährte Form ganz zu Un¬
recht neuerdings vielfach angegriffen und als ungeeignet für eine
Predigtkirche und deren Wesen nicht entsprechend bezeichnet wird.
Nur je ein Entwurf wählt die Gestalt des griechischen Kreuzes, der
Centralanlage oder der Saalkirche. Die Formensprache, deren sich
die Verfasser bei Entwicklung ihrer Baugedanken bedient haben,
ist vorherrschend die des romanischen Stiles; vermuthlich hat die
verhältnifsmäfsig knappe Bausumme zur Wahl dieser sparsamen Bau¬
weise aufgefordert. Weniger mitbestimmend scheint die Fortentwick¬
lungsfähigkeit des Stiles gewesen zu sein; denn die fünf romanischen
Entwürfe schliefsen sich allesamt dem Ueberlieferten ziemlich streng
an. Dagegen begegnen wir interessanten stilistischen Versuchen in
zwei an das Spätmittelalterliche anknüpfenden Plänen, in denen von
Grisebach-Dinklage und Sehring. Reichen Barock zeigt Kyllmanns
Entwurf, und die Kirche Jähns ist in Backsteinbau Otzenscher Art
gehalten.
Der erwählte Entwurf Schwechtens gehört zu denen, die den
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Centralblatt der Bauverwaltung',
13. Deceinber 1890,
Bau romanisch über einem lateinischen Kreuze emporwachsen lassen.
Die Anordnung des Grundrisses zu ebener Erde geht aus Ab¬
bildung 1 hervor. Emporen für Zuhörer sind in die Querschiffe ein¬
gebaut, und eine mit jenen durch gangartige Seitenschiff- Emporen
verbundene Sängerbühne von bedeutenden Abmessungen zieht sich
über die den Kirchenschiffen quervorgelegte Gedenkhalle hin. Der
Werth dieses Motives einer Gedenkhalle wird zwar dadurch beein¬
trächtigt, dafs der Kaum gleichzeitig Vorhalle ist, die den Haupt¬
verkehr nach den Schiffen und Emporen vermittelt und deren Wand¬
flächen daher in fast lauter Durchgangsöffnungeu aufgelöst sind.
Aber die zu höherer Bedeutung emporgehobene Halle hat doch nicht
unwesentlich auf die Gesamt - Aufsenerscheinung der Kirche ein¬
gewirkt. Denn über ihr erhebt sich ein das Bauwerk beherrschender
Frontthurm, in dessen Stellung und Aufbau das Eigenartige des Ent¬
wurfes wesentlich beruht. Im übrigen schliefst sich die Arbeit ziemlicli
streng den rheinisch-romanischen Vorbildern an. Erreicht sie damit
stilistisch und, wie wir oben sahen, auch bezüglich der Grundrifs-
fortbilduug nichts wesentlich neues, so zeichnet sie sich bei treff¬
lichem Vortrage*) aus durch praktische Brauchbarkeit und Reife
sowohl wie durch Formeuschöuheit und Ebenmafs der Verhältnisse,
und diese Vorzüge sind es augenscheinlich, . welche sie den wohlver¬
dienten Sieg haben davontragen lassen.
Dofleins Plan hat eine gewisse Verwandtschaft mit dem
Schwechtenschen. Ein sich nicht minder eng an die romanischen
Vorbilder haltender, allerdings auch nach der Kiclitung der Gewölbe¬
bildung hin fortentwickelter Aufbau von niafsvoller Schönheit erhebt
sich über einem Grundrisse von gleichfalls lateinischer Kreuzform.
Die beiden Confirmandensäle sind aber nicht, wie bei Scliwechten,
in den Kranz der die Apsis umgebenden Räume eiugeflochten, son¬
dern in rechteckiger Gestalt neben den für Aufnahme der Logen
ziemlich stark entwickelten Vorchor gelegt; dafür ist in jenen Kranz
von Räumen in der Längsachse der Kirche eine kräftig heraus¬
springende CajDelle eiugefügt. Die Anordnung der Sitzplätze ist
tadellos; den Gedanken der Gedächtnifskirche hat der Verfasser
formal nicht besonders zum Ausdruck gebracht.
Frei -romanische Lösungen mit Grundrissen in Langkreuz-Form,
der Saalkirche genähert, bringen auch die Entwürfe von Kühn und
Schulz e - Has ak. Der erstere zeigt ein Kreuz von sehr weiter
Vierung, deren Seiten sich grofs und ohne eingestellte Stützen
gegen kurze Arme öifnen. Die dadurch nothwendig gewordenen mäch¬
tigen Vierungspfeiler sind zur Errichtung eines hohen steinernen
Thurmes mit Spitzhelm benutzt. Dadurch, dafs aufser diesem Vierungs-
thurme der Kirche noch zwei hohe Westthürme vorgelegt sind, tritt
freilich die Zusammendrückung der Langkirche im Aeufseren nicht
recht befriedigend in die Er¬
scheinung. Vortrefflich sind
die Sitzplätze der Gemeinde
angeordnet, während die Lo¬
gen etwas stark hinter die
Kanzel zurückgezogen sind
und man den um den run¬
den Chor gelegten Nebenräu-
men mehr Geschlossenheit
wünschen möchte. — Der
schlichte, in guten Verhält¬
nissen entworfene, wenn auch
etwas flüchtig behandelte Ent¬
wurf von Schulze und Hasak
legt die Confirmandensäle
hinter zwei Frontthürme an
eine nach der Tiefe ge¬
streckte, ziemlich dunkle Vor¬
halle. Abgesehen davon, dafs
ein Theil der Sitzjplätze zu
weit über die Kanzel vor¬
geschoben ist, erfüllt das In¬
nere angemessen und zweck-
mäfsig die Anforderungen der
protestantischen Kirche. — Jäh ns Plan, in der Grundrifsentwicklung
des eigentlichen Kirchenhauses den bisher genannten ähnlich, bildet
mit den Nebenräumen um den gerade geschlossenen Chor und einen
dahinter liegenden Vorfahrt-tlof eine etwas aufwandvolle Baugruppe.
Der in ziemlich reicher Backsteinarchitektur Otzenscher Richtung
gehaltene Aufbau gipfelt in einem stattlichen Westthürme.
Von Kyllmann rührt der barocke Entwurf her. Der Grundrifs
zeigt gleichfalls das lateinische Kreuz, die Sitzplatzfrage ist hier
jedoch nicht so gut gelöst wie bei der Mehrzahl der vorbesprochenen
*) Nach einer Mittheilung des Herrn Verfassers hat bei Be¬
arbeitung _ der _ Entwurfzeichnungen Herr Regierimgs - Baumeister
Möller mitgewirkt.
Arbeiten. Die Sitze sind zum Theil zu weit von der Kanzel entfernt,
einer Anzahl von ihnen wird auch der freie Blick auf diese durch
die sich aus der Bauweise ergebenden starken Pfeiler genommen.
Das Kircheninnere ist von angemessen stattlicher und sehr schöner
Bildung. Nicht in gleichem Mafse befriedigt das reiche Aeufsere,
dessen Gliederung nicht recht im Verhältnifs zur bescheidenen
Gröfse des Gebäudes steht. Sechs zu gleichwerthige Thürme
sind aus dem Kirchenkörper entwickelt, zwei über der Vorhalle,
vier zu Seiten einer über der Vierung aufsteigenden KupiDel, die
den Glockenstuhl birgt und den wenig kirchlichen Abschlufs einer
grofsen Kaiserkrone erhalten hat. Im einzelnen ist es namentlich
die Tambourlösung dieser Kuppel, mit der wir uns nicht zu be¬
freunden vermögen. Das Motiv der consolartig begrenzten, mit den
Kuppel -Schallöffuungen zusammengezogenen Tambourseite ist im
Mafsstabe zu grofs gegriffen. Immerhin vermögen die erwähnten
Mängel die Freude an der bemerkenswerthen Arbeit nicht wesentlich
herabzustimmen.
Die drei noch übrigen Arbeiten von Grisebach-Dinklage, Sehring
und March machen sich nachdrücklicher von der Ueberlieferung frei
und suchen die Lösung der Predigtkirche in neuen, oder doch von
dem Ueblichen weiter abweichenden Bildungen. Der Entwurf Marchs
nur im Grundrisse. Zwar folgt dieser Grundrifs in seinem Haupttheile,
dem Predigthause, auch einem berühmten Vorbilde, der neuerdings
vielfach als das Ideal des protestantischen Gotteshauses gepriesenen
Dresdener Frauenkirche; durch die Verbindung der centralen Anlage
mit einem Langhause aber, in welchem seitenschiff’artig neben einer
grofsen Treppenvorhalle die Confirmandensäle liegen, ist ein selb¬
ständiger Schritt vorwärts gethan. Während alle anderen Entwürfe
sich mit der ihnen etwas unbequemen Forderung dieser beiden grofsen
Säle nur eben abzufinden gewufst haben, sind dieselben hier nicht
nur zu ihrem Rechte gekommen, sondern haben die Grundrifsbildung
sogar in bemerkenswerther Weise beeinflufst. Mit der Zugrunde¬
legung des Frauenkirchen - Motivs für den centralen Predigtraum
ist aber eine vollkommene Lösung nicht erzielt. Die Anordnung
steht in praktischer Beziehung hinter der des gedrungenen Lang¬
kreuzes zurück, und auch den ihr nachgerühmten mehr gedank¬
lichen Vorzug, dafs sie das Gefühl der Gemeinde - Zusammen¬
gehörigkeit lebendiger mache, vermögen wir ihr angesichts der
übereiuandergeschichteten, fast käfigartigen Emporen nicht einzu¬
räumen. Zu einer eigenartigen Aufbau -Gestaltung hat nun aber
March leider seinen Grundrifsgedanken nicht geführt. Jene ist sche¬
matisch-romanisch. Weder der centrale Predigtraum, noch die Con-
firraandensäle und die grofse Vorhalle treten in dem langkirchen¬
förmigen Aeufseren klar ausgesprochen in die Erscheinung.
Anders in den mit dem
Marchschen zusammenge¬
nannten Entwürfen. Legen
diese auch beide das Haupt¬
gewicht auf das mehr Aeufser-
lich- Stilistische, so bilden
bei ihnen doch Grundrifs
und Aufbau einen einheit¬
lichen, widerspruchslosen Or¬
ganismus. Grisebach u.
Dinklage geben ihrer Kir¬
che die Form des griechischen
Kreuzes, dessen Chorerweite¬
rung die Nebenräume — die
Confirmandensäle übereinan¬
der — ziemlich winklig und
unruhig angereiht sind. Im
Innern ist die Kreuzform durch
Anwendung sehr schlanker
Säulen in denVierungsöffnuu-
gen zu saalartiger Wirkung
gebracht und ergiebt sehr gute
Sitzplätze. Auf der Westseite
— Orientirung vorausgesetzt
— erhebt sich ein hoher, sechseckiger, durch sehr kräftige Strebepfeiler
vorbereiteter Thurm, der, wie bei Schwechten, im untereren Geschosse
eine hier etwas sehr eng und hoch gereckte Voi'- und Gedenkhalle
birgt. Die Formgebung des Bauwerkes besteht in einem geschickten
Gemisch spätmittelalterlicher und romanischer Elemente, ähnlich wie
es die seit einiger Zeit zu gemeinsamem Schaffen verbundenen Archi¬
tekten bereits bei ihrem Entwürfe für die Frankfurter Peterskirche
(S. 445 d. J.) mit Erfolg zur Anwendung gebracht haben.
Sehrings jjhantasievoller Stilversuch ist verwandter Art. Nur
besteht hier, bei Anwendung einheitlicherer Einzelformen, mehr ein
Kampf zwischen profanen und kirchlichen Elementen. Die ersteren
sind reichlich herangezogen und verursachen den Eindruck des Un¬
gewohnten, Neuen. Doch ist nicht zu verkennen, dafs kirchliches
Kaiser Wilhelm -Gedächtnifskirche in Berlin -Charlottenburg.
i\r. 50,
Oentralblatt der Banverwaltung.
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Gesamtgepräge erzielt ist, und der Entwurf verdient, wenn inan sich
auch zu seiner Ausführung in der vorliegenden Gestalt schwerlich
würde entschliefsen können, unumwundene Anerkennung. Der Grund¬
rifs ist sehr einfach: ein dreischiffiger, mit Holzdecke versehener
schlicht -rechteckiger Saalbau, im Westen durch eine quergelegte
Vorhalle und zwei Treppenthürme begrenzt, im Osten zu einem ziem¬
lich langgestreckten, emporgehobenen Chore verlängert, unter dem
die beiden Confirmandcnsäle liegen. Ilofsfeld.
Altes und Neues über die Porta nigra in Trier.
(Schlufs.)
Der abweichenden Ausbildung des obersten Geschosses habe ich
lange Zeit mit einer gewissen Unsicherheit gegenübergestanden, bis
ich zuletzt, nicht ohne Bedauern darüber, die so lange gehegte An¬
sicht über die Einheit
der Porta nigra aufgeben
zu müssen, zu der Ueber-
zeugung kam, dafs das
Thurmgeschofs spä¬
ter aufgesetzt sei.
Die römischen Vertheidi-
gungsthore waren in
früherer Zeit, wie in
Aosta, ohne Thurmauf¬
bauten. Herr Professor
Hettner machte mich
auf die hier bedeutungs¬
volle Thatsache aufmerk¬
sam, dafs auf den Trieri-
schen Münzen der vor-
constantinischen Zeit die
Thore stets ohne seit¬
liche Geschofsaufbauten
erscheinen, und erst auf
einer von Constantin ge¬
prägten Münze solche
Aufbauten Vorkommen,
die als Thürme bezeich¬
net werden können.
Bei der Porta nigra
weisen nicht blofs die
vollständig abweichen¬
den Formen, sondern
auch die weit schlechtere
technische Behandlung
auf spätere Zeit hin.
Der Blick auf eine gute
Photographie der Nord¬
seite (eigentlich Nord¬
nordostseite) wird die
grofsen Unterschiede be¬
stätigen. Nach der Stadt¬
seite zeigen sich die¬
selben infolge der mittel¬
alterlichen Bearbeitung
weniger deutlich; be¬
sonders jedoch sind sie
im Inneren bemerkbar.
Uebrigens würden
die angeführten Gründe
mir den nachträglichen
Aufbau nur wahrschein¬
lich gemacht haben,
wenn nicht eine schein¬
bar unbedeutende Beob¬
achtung im Innern die
W ahrscheinlichkeit zur
Gewifsheit erhoben hätte.
Die Porta nigra war
früher im Innern durch
Balkenlagen (Block¬
decken) in verschiedene
Geschosse getheilt. Die Balkenträger waren rechteckig vorgekragte
Quader, wie sie in Abb. 9 bei a erscheinen. Ueber dem dritten
Gcschofs haben diese Steine im Thurmbau nicht mehr die recht¬
eckige, sondern die bei h dargestellte Form, die, mit den übrigen ver¬
glichen, sich als eine bekrönende, abschliefsende erweist. Ein
Grund, dort die Form zu wechseln, ist nicht erkennbar, wenn man sich
nicht den Abschlufs des ganzen Gebäudes in dieser Höhe denkt.
Wenn der Meriansche Stich Glaubwürdigkeit besitzt, was bei
dem gewissenhaften Beobachter doch wohl angenommen werden darf,
so befand sich, wie oben erwähnt, auf der Stadtseite ein Giebelfeld
Abb. 2. Ansicht.
Kaiser 'Wilhelni-Gedächtnirskirclie in BerUn-Charlottenburg.
in römischer, nicht romanischer Form und Technik. Diese
Abgeschmacktheit bei einer Thorburg und bei einem Gebäude, wel¬
ches nach der anderen Seite im Grundrifs rund abscliliefst, kann
man dem künstlerisch
grofs empfindenden
Schöpfer der Porta nigra
nicht Zutrauen. Sie
spricht für eine Zeit
künstlerischen Verfalles,
wie solcher sich gegen
Ende der römischen
Herrschaft zeigte. Zu-
sammeugefafst mit dem
später gebotenen Beweis,
dafs der Bau des Haupt¬
körpers der Porta nigra
nicht in diese Zeit fallen
kann , dürften diese
Gründe jeden Zweifel
an einem späteren Auf¬
bau des Thurmgeschosses
ausschliefsen.
Während unsere
Porta nigra in Bezug auf
ihren Zweck und die
an ihr vorgekommenen
Wandlungen eine ziem¬
lich deutliche Sprache
redet, sodafs man bei
den mangelnden alten
Urkunden hier mit Recht
sagen kann: „Wenn
die Menschen schweigen,
so reden die Steine“,
so ist sie mit Rücksicht
auf ihr genaues Alter
von einer viel gröfseren
Verschwiegenheit. Es
soll versucht werden,
in nachstehendem den
Schleier wenigstens in
etwas zu lüften. In
erster Linie müssen hier¬
zu die vom Regierungs-
und Baurath Seyffarth
mitgetheilten Ergebnisse
der Ausgrabungen im
Jahre 1876 herangezogen
werden. Leider wurde
die Ausschachtung nur
in unmittelbarer Nähe
des Thores, an der Ecke,
wo die stadtabgekehrte
Thorseite an den östlichen
runden Thurm stöfst, bis
auf und etwas unter die
Bankettsohle geführt,
während an der Stadt¬
seite die Grabung sich
auf eine geringere Tiefe
beschränkte. Aber auch
schon sehr dankenswerthe
das Gebotene giebt für die Forschung
Anhaltspunkte.
Wie der auf Seite 506 dargestellte Durchschnitt
durch das Fundament nachweist, liegen unter
der römischen Sohle 0,72 m Schutt, 0,35 m Stein¬
schrotabfälle, 0,70 m Sand mit Beimischungen,
0,70 m Sand, 1,70 m Kies mit Sand und darunter
als eigentlicher Baugrund reiner Kies. Nach
den Mittheilungen in dem anfangs erwähnten
Bericht lag eine römische Strafse von 0,50 m Dicke unter der Sohle
- J|
i ^
Abb. 9.
520
Ceutralblatt der Bauverwaltuug.
13. December 1890.
des Thorweges. Unter dieser Strafse fand sich, wie mir der sehr vor¬
sichtig beobachtende Verfasser mündlich versicherte, keine Spur einer
älteren Strafse. Es bleibt also nach Abzug des 50 cm tiefen Strafsen-
bettes nur 22 cm Schutt und 35 cm Steinschrotabfall bis zum ersten
Sandlager übrig. Der Steinschrotabfall scheint vom Bau des Thorcs her¬
zurühren. Man kann also sagen, dafs die Sohle der durch die Porta
nigra führenden römischen Strafse nahezu auf jungfräulichem
Boden liegt. Dieser Umstand könnte zu dem Schlufs führen, dafs das
Thor, wie Professor Hübner es aus anderen Gründen behauptet, im
ersten Jahrhundert nach Chr. gebaut sei. Dem gegenüber ist aber zu
bemerken, dafs das Gebiet vor demselben von der Mosel an bis etwa
150 m östlich von der heute durchführenden Strafse Gräberfeld, also
gar nicht oder spärlich bebaut war. Eine erhebliche Erhöhung
konnte also dort nicht statttinden. In der Mitte der Stadt beträgt
die Tiefe vom jetzigen bis zum gewachsenen Boden etwa 5 m, am
Dom 4,70 m, auf dem Hofe des Eegierungsgebäudes 5,50 m. An ver¬
schiedenen Stellen ist ungefähr in der Mitte dieser ganzen Erhöhung
die alte, mit schweren Lava- und Kalksteinen belegte fränkische
Strafse aufgedeckt worden. Bei der Porta nigra, wo die Aufschüt¬
tung über der römischen Sohle etwa 1,80 m beträgt, fand Quednow
diese Strafse etwa 0,80 m, Seyffarth 0,60 m über derselben, sodafs
also seit Erbauung des Thores bis zur fränkischen Zeit eine Er¬
höhung von etwa 0,70 m stattgefundeu hat, trotzdem die Strafsenhöhe
dort durch das Thor gewissermafsen festgelegt war. Dadurch ist
nachgewiesen, dafs die Nachbarschaft des Gräberfeldes die Erhöhung
zwar verminderte, aber nicht ganz hindern konnte.
Es steht fest, dafs Constantin die Stadt nahezu in Trümmern
fand und sie, um mit Eumenius zu reden, „in allen ihren Mauern
wieder auferstehen liefs“. Wäre das Thor also zu Constantins Zeit
oder nach derselben erbaut worden, so hätte eine gewisse Aufschüt¬
tung von Bautrümmern und unter der Strafsenbefestigung die Spur
einer älteren römischen Strafse bestimmt nachgewiesen werden
müssen. Auch hätte Eumenius, der alle Gebäude nennt, deren Er¬
bauung den Ruhm Constantins vermehren konnte, in seiner be¬
kannten Lobrede einen so wahrhaft kaiserlichen Bau wie die Porta
nigra nicht unerwähnt gelassen, wenn sie Constantin zum Schöpfer
gehabt hätte. Diese Gründe berechtigen zu der Behauptung, dafs
der Bau vor Constantin errichtet worden ist.
In zweiter Linie mufs die Architektur der Porta nigra befragt
werden. Die Porta nigra war kein Luxusbau im eigentlichen Sinne
des Wortes. Sie war ein Nutzbau in mächtigstem Mafsstabe. Es
ist keine Frage, dafs der Meister von grofsem künstlerischen Em¬
pfinden beseelt war. Auch waren die Ausführenden, wahrscheinlich
Handwerker einer Legion, technisch sehr geschult, wie die vorzüg¬
liche Herstellung des in structura quadrata (opus pseudisodomum)
errichteten Gebäudes bezeugt; auf eine künstlerisch vollendete
Airsführung haben sie indessen keinen Werth gelegt. Die Einzel¬
heiten bringen mir die Ueberzeugung bei, dafs es niemals die Ab¬
sicht gewesen ist, auch nicht durch spätere Ueberarbeitung, die
Formen nach den bei Tempel- und Palastbauten üblichen Gliede¬
rungen aufzulösen. Es sollte ein im Gesamtgeist römischer Bau¬
weise gehaltenes Werk von ernstem, abwehrendem Charakter ge¬
schaffen werden. Ich glaube, dafs dieser Gedanke ebenso bewufst
als glücklich war. Denken wir uns die Porta nigra mit den fein
ausgearbeiteten Profilen der Palastarchitektur, so wäre ein grofser
Reiz ihrer Erscheinung verloren und die so sicher ihre Bestimmung
verrathende trotzige Grofsartigkeit geschädigt. Es soll nicht ab¬
geleugnet werden, dafs eine spätere Ueberarbeitung in Aussicht ge¬
nommen war, diese sollte aber gewifs nicht über die angedeuteten
Grenzen hinausgehen. Indessen der Künstler kann niemals und
konnte namentlich zu damaliger Zeit nicht aus dem Geist seiner Zeit
heraustreten, und deshalb sind wir berechtigt, aus den allerdings
ungewöhnlichen Formen unsere Schlüsse für die Entstehungszeit zu
ziehen. Diejenigen Schriftsteller, welche die Architektur als Aus¬
gangspunkt für die Zeitbestimmung genommen haben, z. B. Kugler,
sind, auch abgesehen von der mifsverstandenen Capitellforin der
oberen Geschosse, sämtlich zu dem Schlüsse gekommen, dafs man
eine späte Zeit annehmen müsse. Kugler sagt; „Allerdings kann
es für den, der nur einigermafsen mit den Formen der antiken
Kunst bekannt ist, kein Zweifel sein, dafs an ihr der Charakter spät¬
römischer Kunst mit Entschiedenheit sich ausspricht“. Es wirken
dabei wesentlich bestimmend die übertriebene Gebälkhöhe und das
Mifsverhältnifs zwischen Architrav und Fries. Auch die selbständige,
abgelöste Umrahmung der Fenster in der Form, wie sie bei der
Porta nigra vorkommt, wird sich in der besseren Zeit nicht vorfinden.
Bei den Gebäuden mit anklingenden Bogenstellungen aus der früheren
Kaiserzeit, dem Theater des Marcellus, dem Colosseum u. a., finden
wir durchlaufende Brüstungsgesimse und gegen die Halbsäulen todt-
laufende Kämpfergesimse. Aehnliche Bildung wie die Porta nigra
hat in der Bogen- und Pilasterstellung das Grabdenkmal in St. Eemy,
das zwar nicht sicher datirt ist, aber gewifs der späteren Kaiserzeit
angehört. In Bezug auf die Gesimsbildung finden wir eine auf¬
fallende Aehnlichkeit bei dem Triumphbogen zu Saintes, dessen
späte Datirung nicht beanstandet wird. Was den militärtechnischen
Standpunkt betrifft, so stützt sich Professor Hübner für seine frühere
Datirung (Mitte 1. Jahrhunderts) auf den oben erwähnten General
von Hochfel den. Er läfst diesen die Porta nigra unter die Werke
der activen Defensive einreihen, deren Entstehungszeit mit dem
Jahre 235 abschliefse. Hübner sagt ferner wörtlich; „Er (Hochfelden)
kommt nach alledem zu dem Schlufs, dem Thor in bewufstem Gegen¬
satz gegen die Kuglersche Ansicht sicher römischen Ursprung und
zwar aus einer dem Bau des Thores von Aosta (Augustus) nahe¬
liegenden Zeit zuzuweisen“. Mit Ausnahme der Behauptung des
römischen Ursprungs ist bei Krieg von Hochfelden von alledem
nichts zu finden. Vielmehr behauptet er das genaue Gegentheil,
indem er die Gründung ohne Schwanken in die spätrömische Zeit
verlegt.
Es erübrigt noch, unser Bauwerk von inschriftlichem Stand¬
punkt aus zu beleuchten. Hier hat Professor Hübner mit über¬
raschender Sicherheit das letzte Wort zu sprechen geglaubt. Die
zahlreich an den Quadern befindlichen Anfänge römischer Namen
sind von ihm zusammengestellt und die Schriftzeichen für „offenbar
der Zeit des Augustus näherstehend als der des Trajan“ erkannt
worden. Professor Hübner spricht in seinem Bericht (Monatsberichte
der Königlich Preufsischen Akademie der Wissenschaften in Berlin
aus dem Jahre 1884 Seite 94 u. f.) mit Geringschätzung von den
dilettantischen Trlerischen Forschungen, Dem gegenüber ist es
Pflicht, diesen Bericht auf seine Zuverlässigkeit zu prüfen. Das
Thor hiefs, wie aus den früher erwähnten Urkunden von Poppo und
Eberhard (1042 und 1048) hervorgeht, früher Porta Martis, weil es
dem Mars geweiht war. Warum sollte auch ein so mächtiges
römisches Kriegsthor seinen Namen nicht dem Kriegsgott verdanken?
Weil nun aber die Anfangsbuchstaben M. A. R. etwa zwanzig Mal,
mit dem Spitzeisen eingeritzt und nur mit Mühe auffindbar, ver¬
kommen, deshalb hat das Thor nach Hübner — „offenbar hierdurch
veraulafst“ — den Namen „Porta Martis“ erhalten! Zur Bekräftigung
seiner Datirung behauptet Hübner, dafs bei St. Barbara alte Mauer-
theile gefunden worden seien, deren Schriftzeichen „offenbar der¬
selben Gattung seien wie die auf den Steinen der Porta nigra“.
Nun gehören die aufgefundenen Steine mit diesen Schriftzeichen aber
nicht, wie er geglaubt, der Stadtmauer, sondern den Thermen von
St. Barbara an, einem Gebäude, welches sowohl wegen seiner Technik
als auch seiner üppigen Ausstattung mit Säulen, Wandbekleidungen
und Fufsbödeu von Marmor unmöglich in das erste oder zweite, ja
kaum in das dritte Jahrhundert gesetzt werden kann. In liebens¬
würdigerer Weise hätte Professor Hübner den Gegnern seiner Deu¬
tung die Waffen nicht in die Hand geben können. Endlich ist es
eine überaus kühne Behauptung, wenn er die Stadtmauer, deren
Reste jetzt noch in unmittelbarem Anschlufs an die Verzahnung der
Porta nigra erhalten sind, der ersten Gründungszeit zuschreibt.
Durch Tacitus ist es allerdings festgestellt, dafs Trier um das
Jahr 70 Stadtmauern gehabt hat. Es wird aber allgemein ange¬
nommen, dafs dieselben später und wahrscheinlich von Constantin
erneuert worden sind. Fügen wir seine Umkehrung der Aussagen
von Krieg von Hochfelden hinzu, so dürfen wir sagen, dafs die ge¬
schichtlichen und litterarischen Beweise Hübners eine Kette von
Irrthümern bilden. Doch auch seine Schlüsse aus dem Charakter
der auf den Steinen der Porta nigra vorkommenden Buchstaben haben
sich als hinfällig erwiesen. Professor Hettner,*) der mehr als irgend
ein anderer Gelegenheit gehabt hat, sich durch Vergleichung von
datirten Inschriften über die in Trier üblichen Schriftzeichen zu
unterrichten, hat schon nachgewiesen, dafs sich keineswegs aus
diesen eine Gründung in den ersten Jahrhunderten herleiten lasse.
In jüngerer Zeit sind bei den oben erwähnten von Hübner für Reste
der Stadtmauer gehaltenen Thermen von St. Barbara noch mehrere
mit den Buchstaben M. A. R. in gleicher Linienführung bezeichnete
Steine gefunden worden, sodafs die Berechtigung, den beiden Bauten
eine nicht sehr weit auseinander liegende Gründungszeit zuzuweisen,
aufser Zweifel steht. Bei den Thermen kann diese nur spät und
zwar keinesfalls vor das Ende des dritten Jahrhunderts angesetzt
werden. — Ich habe geglaubt, auf die Darlegung Hübners etwas
näher eingehen zu müssen, weil seine Datirung schon Aufnahme in
der Kunstgeschichte gefunden hat.
Wenn nun die Porta nigra auf Grund der Bodenuntersuchungen
vor Constantin erbaut sein mufs, wenn anderseits die Architektur,
die politischen und socialen Verhältnisse, die militärtechnische Eigen¬
art sowie die Uebereinstimmung der Schriftzeichen mit denen der
Thermen von St. Barbara auf eine sehr späte Zeit hinweisen, so wird
man fast von selbst auf die Zeit von Diocletian und Maximian ge-
*) Hettner, Römisches Trier, Seite 20 ff.
Nr. 50.
Centralblatt der Bauverwaltung,
521
führt, welche nach Aufgebung des Grenzwalles eine neue Gestaltung
der Grenze durch ein grofsartiges Vertheidigungssystem ausführeu
liefsen. Maximian weilte 288 in Trier, welches er zum Stützpunkt
seiner militärischen Unternehmungen machte, und diese Zeit ist
es, die ich für die Entstehung der Porta nigra in Anspruch
nehmen möchte.
Zum Schlufs sollen die Ergebnisse der vorliegenden Unter¬
suchung kurz zusammengefafst werden. Ich glaube bewiesen zu
haben :
1. dafs die Porta nigra im 11. Jahrhundert in ihren Oberge¬
schossen einer christlichen Ueberarbeitung unterworfen worden und
2. dafs das oberste Geschofs des westlichen Thurmes später auf¬
gebaut ist;
3. die gröfsto Wahrscheinlichkeit, fast Gewifsheit, spricht dafür,
dafs die Porta nigra vor Constantin, aber doch in später Kaiserzeit
erbaut ist; demnach ist die Vermuthung nicht ohne Berechtigung, sie
dem Maximian zuzuschreiben.
Baurath Brauweiler.
Aus dem ßeichshaushalt für 1891/92.
(Schlufs.)
II. Eiunialige Ausgaben für die Bauausführuugeu der Mariiie-
verwaltiiiig.
Betras? Gc.^iamt-
l. Ordentlicher Etat. fiu- 1891/92 kosten
Jl Jt
1. Zum Bau eines schwimmenden Dampf-
krahns, 2. und Schlufsrate . 310 000 (610 000)
*2. Zu Neubauten sowie zur Reparatur, Er¬
weiterung und Ergänzung an Torpedo-
und Minendienstgebäuden . 220 400 (220 400)
3. Zur Verlegung und Vergröfserung des
Miuendepots von Eriedrichsort , 4. und
Schlufsrate . 197 350 (660 000)
'M. Zum Bau von zwei Dienstwohngebäuden
für das Personal des Torpedo- und des
Minenwesens in Friedrichsort, 1. Rate . 100 000 (200 000)
5. Zur Beschaffung eines Reserve-Verschlufs-
pontons für die Trockendocks Nr. I und II
auf der Werft von Wilhelmshaven, 2. und
Schlufsrate . 66 000 (166 000)
"*"0. Zur Eini'ichtung von Torpedoboots¬
kammern in dem Reserve - Magazin für
Panzerschiffe auf der Werft von Kiel . . 16 000 (16 000)
'*‘7. Zur Beschaffung eines zweiten Pontons
für dasTorpedoboots-Schwimmdock inKiel 60 000 (60 000)
*8. Zur Vergröfserung der Schmiede- und
Schlosserwerkstatt auf der Werft von
Wilhelmshaven, 1. Rate . 53 000 (162 000)
*9. Ziir Vergröfserung des Gebäudes zur Unter¬
bringung der Gegenstände für die elek¬
trische Beleuchtung auf der Werft von
Wilhelmshaven . 25 000 (25 000)
'■'‘10. Zum Bau eines neuen Zeichenbureaus für
das Schiffbauressort auf der Werft von
Wilhelmshaven . 62000 (62 000)
*11. Zur Erbauung eines Putzraumes für die
Metall- und Eisengiefserei auf der Werft
von Wilhelmshaven . 24 000 (24000)
12. Zur Beschaffung eines eisernen schwim¬
menden Docks für Torpedoboote für die
WerftvonWilhelmshaven,2.undSchlufsrate 25 000 (223 000)
*13. Zur Beschaffung eines eisernen Verschlufs-
pontons für die Helling I auf der Werft
von Danzig . 60 000 (60 000)
*14. Zur Herstellung einer elektrischen Be¬
leuchtungsanlage auf derWerft vonDanzig,
1. Rate . . 100 000 (265 000)
*15. Zur Erweiterung des Kesselhauses für die
Maschinenbau- Werkstatt auf derWei-ft von
Danzig und zur Beschaff'ung eines dritten
Dampfkessels . . 38000 (38000)
*16. Zu Einrichtungen am Lande behufs Her¬
stellung von Dampfheizungsanlagen auf
den aufser Dienst befindlichen Torpedo¬
booten in Kiel und Wilhelmshaven ... 62 500 (62 500)
*17. Zum Bau einer Kupferschmiede- und
Klerapnerwerkstatt auf der Werft von Kiel 109 000 (109 000)
*18. Zur Beschaffung und Aufstellung zweier
Drehkrähne am Torpedobootshafen in
Kiel, sowie zur Herstellung von Schienen¬
geleisen nebst Drehscheiben . 20 000 (20 000)
*19. Zum Bau eines Kohlenmagazins am Süd-
westkai des neuen Hafens in Wilhelms¬
haven . 208 000 (208 000)
20. Zum Bau zweier Dienstgebäude für die
Commando- und Verwaltungsbehörden in
Kiel nebst Ausstattung, 2. Rate .... 575 000 (1 120 000)
*21. Zum Bau einer Landebrücke im Kieler
Hafen . 29000 (29000)
*22. Zum Umbau und zur Verbesserung des
Dauensfelder Siels , in Wilhelmshaven,
1. Rate . 200 000 (300 000)
*23. Zum Neubau eines Dienstgebäudes für
das Chronometer-Prüfungsinstitut in Ham¬
burg . 40000 (40 000)
Zu übertragen 2 600 250
Uebertrag 2 600 250
2. Ju/ser ordentlicher Etat.
*1. Zum Bau von Arbeiterwohnhäusern für
Friedrichsort . 341 000 (341 000)
2. Zur Fortsetzung der Bauten des Marine-
Etablissements beiEllerbeck (Kiel), 18. Rate
und zwar: Zur Vergröfserung der Metall-
giefserei und gleichzeitigen Einrichtung
derselben als Eisengiefserei, 2. und Schlufs-
rate ......._ . 156 000
3. Zu Bauten beim Marine-Etablissement in
Wilhelmshaven, und zwar: Zum Bau eines
zweiten Geschützlagerhauses, 2. Rate . . 200 000 (430 000)
*4. Zur Herstellung eines Liegehafens hinter
der Nordmole der neuen Hafeneinfahrt in
Wilhelmshaven, sowie zum Bau eines
Grätings in demselben, 1. Rate .... 90 000 (255 000)
*5. Zu Vor- bezw. Projectirungsarbeiten für
Herstellung von Dockanlagen .... 36 000 (36 000)
Summe 3 423 250
III. Eiuuialige Ausgaben für die Bauausführungen der Reichs-Post-
und Telegraphen -Verwaltung.
Betrag Gesamt-
Ordentlicher Etat. tür 1891(92. kosten.
M M
1. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Köln (Rhein), 7. Rate (4. Baurate) 500 000 (2 000 000)
2. Desgl. in Cottbus, 4. und letzte Rate . . 32 630 (282 630)
3. Zur Vergröfserung des Postgrundstücks
und zur Herstellung eines neuen Dienst¬
gebäudes in Frankfurt (Main), 4. Rate
(2. Baurate). . ._ . 638 584 (2 150 000)
4. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Aachen, 4. Rate (3. Baurate) . . . 300 000 (921 500)
5. Desgl. in Gera (Reufs j. L.), 3. und letzte
Rate . 79 000 (307 500)
6. Zum Um- und Erweiterungsbau auf dem
Postgrundstück in Oppeln, 3. Und letzte
Rate . 87 600 (287 300)
7. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Paderborn, 3. und letzte Rate . . 44 580 (219 000)
8. Desgl. in Burg (Bz. Magdeburg), 2. und
letzte Rate . 85 100 (151 500)
9. Desgl. in Duisburg, 2. Rate . 147 500 (310 000)
10. Desgl. in Glogau, 2. und letzte Rate . . 155 200 (235 200)
11. Desgl. in Lahr (Baden), 2. und letzte Rate 70000 (140000)
12. Desgl. in Landsberg (Warthe), 2. Rate . 81250 (229 450)
13. Desgl. in Liegnitz, 2. Rate . 250 000 (741 000)
14. Desgl. in Luckenwalde, 2. und letzte Rate 110 000 (180 000)
15. Desgl. in Osterode (Harz), 2. und letzte Rate 53 400 (122 500)
16. Desgl. in Zeitz, 2. und letzte Rate . . . 126 500 (194000)
17. Zur Erwerbung eines Bauplatzes und zur
Herstellung eines neuen Dienstgebäudes
in Crefeld, 2. Rate (1. Baurate) .... 217 780 (749 000)
*18. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Baden-Baden, 1. Rate . 80 000 (256 600)
*19. Desgl. in Berlin auf dem Postgrundstück
Ritterstrafse 7, 1. Rate . 70 000 (155 200)
*20. Desgl. in Brandenburg (Havel), 1. Rate . 80 000 (251 900)
*21. Zum Um- und Erweiterungsbau auf dem
Postgrundstück in Braunschweig, 1. Rate 80 000 (246 200)
*22. Zur Erwerbung eines Bauplatzes und zur
Herstellung eines neuen Dienstgebäudes
in Colmar (Elsafs), 1. Rate . 180 000 (236 000)
*23. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Demmin, 1. Rate . 60 000 (150 000)
*24. Desgl. in Diedenhofen, 1. Rate .... 75 000 (138 915)
*25. Desgl. in Eberswalde, 1. Rate . 60 000 (150 000)
*26. Desgl. in Homburg vor der Höhe, 1. Rate 80 000 (200 000)
*27. Desgl. in Itzehoe, 1. Rate . 70 000 (221 000)
*28. Desgl. in Königshütte (O.-Schles.), 1. Rate _ 70 000 (163 350)
Zu übertragen 3 884 124
522
13. Deeeiuber 1890.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Uebertrag'
•'^29. Zur Erwerbung eines Bauplatzes und zur
Herstellung eines neuen Dienstgebäudes
in Lüdenscheid, 1. Rate .
*30. Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäu¬
des in Memel, 1. Rate .
*31. Desgl. in Northeim (Hannover), 1. Rate .
*32. Desgl. in Pasewalk, 1. Rate .
*33. Desgl. in Pyrmont, 1. Rate .
*34. Desgl. in Stade, 1. Rate .
*35. Desgl. in Weifsenburg (Elsafs), 1. Rate .
*36. Desgl. in Wittenberg (Bz. Halle), 1. Rate
Summe
3 884 124
117 000
85000
62 500
61 500
60 000
70000
60 000
80 000
4 480 124
(231 200)
(277 000)
(127 000)
(131 250)
(HO 700)
(203 000)
(148 400)
f227 435)
lY, Einmalige Ausgaben für die Bauausfiilirimgeu der Yerwaltuug
der Eeiclis-Eiseiibalineu.
Betrap:
Gesamt-
Auf serordentlicher Etat.
für 1S91/93
kosteu
M
Jl
1. Zum Ausbau des zweiten Geleises auf der
Theilstrecke Kediugen - Ebersweiler der
Linie Diedenhofen-Teterchen, letzte R.ate
300 000
(1 873 000)
2. Zur Herstellung einer norm.alspurigen
Eisenbahn von Altkirch über Wereuz-
hausen nach Pfirt bezw. Alt-Pfirt, letzte
Rate .
400 000
(2 000 000)
3. Zum Ausbau des zweiten Geleises auf der
Theilstrecke Diedenhofen - Kediugen der
Linie Diedenhofen-Teterchen, einschliefs-
Zu übertragen
700 000
Uebertrag 700000
lieh der Erweiterung des Bahnhofs Dieden-
hofen, 2. Rate . 700 000 (1710 000)
4. Zur Herstellung einer normalspurigen
Eisenbahn von Saarburg nach Albersch¬
weiler mit Abzweigung von Hessen nach
Vallerysthal, 2. Rate . 500 000 (2 265 000)
5. Zur Erweiterung des Bahnhofs Bensdorf,
2. Rate . 130 000 (245 000)
6. Zur Vermehrung der Betriebsmittel, 2. Kate 1 000 000 (3 000 000)
*7. Für den Ankauf der Pfalzburger Strafsen-
bahn und die Instandsetzung derselben . 365 000 (365 0(K))
*8. Zum Ausbau des zweiten Geleises auf der
Theilstrecke Ebersweiler - Teterchen der
Linie Diedenhofen-Teterchen, 1. Rate . . 780 000 (2 249 000)
*9. Zur Vergröfserung des Verwaltungsgebäu¬
des am Bahnhöfe Strafsburg, 1. Rate . . 230 000 (460000)
*10. Zur Erweiterung des Bahnhofs Colmar,
1. Kate . 100 000 (220 000)
*11. Zur Erbauung von Dienstwohnungen für
Zugbeamte auf dem Bahnhofe Saargem.ünd 100 000 (100 000)
*12. Zur Herstellung einer normalspurigen
Eisenbahn von Slommenheim über Ober¬
modern nach Saargemünd, 1. Rate . . . 2 000 000 (26 961000)
*13. Zur Weiterführung der Eisenbahn Colmar-
Münster bis Metzeral, 1. Rate . 200 000 (1 051 000)
*14. Zur Erweiterung der Geleise auf dem
Innen- und Aufseubahnhofe Esch . . . 80 000 (80 000)
*15. Zur Erweiterung der Reparaturwerkstätte
auf Bahnhof Luxemburg . 85 000 (85 000)
Summe 6 970 000
Signale der Uiitergrundbaliii in London
Von Komniaim.
Unter den Nachtheilen der unterirdischen Betriebsweise auf der
inneren Ringbahn in London ist die erschwerte Streckensicheruug
durch Signale nicht in letzter Linie aufzuführen. Dieselbe ist zum
Theil darin begründet, dafs die Signale wegen des nie ganz zu be¬
seitigenden Rauches der Maschinen und der im Winter selbst bis in
die Tunnelräume hinabsteigenden Nebel erst in gröfserer Nähe deut¬
lich erkennbar werden. Ferner ist der Blick durch die nahen Tunnel¬
wände stets beengt, namentlich aber werden durch die zahlreichen
und scharfen Bahnkrümmungen die Signale dem Auge oft sehr spät
sichtbar. Aufserdem können dieselben naturgemäfs nur in geringer
Höhe über dem Boden angebracht werden. In den Tunneln selbst
ist man auf die ausschliefsliche Verwendung von Grundlaternen an¬
gewiesen, welche entweder in dem Zwischenraum zwischen den beiden
Geleisen, dem „Sechsfufs-Weg“, oder an der einen Tunnelwand
aufgestellt werden. Die Ringbahnstationen liegen zum gröfsten Theil
in Aufbrüchen, doch ist auch hier durch die meist nur niedrigen
Ueberdachungen der Bahnsteige und Geleisanlagen die Helligkeit
oft stark beeinträchtigt, umsomehr, wenn, wie im Mansion House-
dann für den Locomotivführer, das andere im „Sechsfufs-Weg“ für
den Heizer bestim.mt. Man wird sich hiernach nicht darüber wun¬
dern, dafs die Distrietbahn noch bis auf den heutigen Tag Wei'th
darauf legt, die Führerstäude auf den Locomotiven völlig frei zu
lassen. Dafs man im übrigen, wie sonst auf den englischen Bahnen,
auch auf der Ringbahn die Einfahrtsignale durch besondere Vor¬
signale wiederholt, bedarf kaum der Erwähnung.
Als Beispiel einer durch die örtlichen Verhältnisse sowie die
besondere Betriebsweise in ungewöhnlich hohem Grade erschwerten
und daher ziemlich verwickelten Signaleinrichtung soll diejenige der
Mansion House-Station genauer erörtert werden auf Grund von Auf¬
zeichnungen, welche der Oberleiter (Manager) der Distrietbahn,
Herr Powell, dem Unterzeichneten an Ort und Stelle aufzunehmen
freundlichst gestattet hat. Es erscheint des besseren Verständnisses
wegen indes zunächst nicht überflüssig, sowohl über das englische
Signalwesen im allgemeinen, als auch über die Einrichtung des Be¬
triebes .auf der Londoner inneren Ringb.ahn, soweit sie für die Mansion
House-Station in Frage kommt, einige Worte vorauszuschicken.
Bahnhof, ein Theil der Geleisanlagen noch tunnelartig überwölbt ist.
Immerhin ist soviel gewonnen, dafs auf den Stationen selbst den
Signalen die sonst gebräuchliche Form der Flügeltelegraphen gegeben
werden konnte. Im übrigen ist wegen des vielfach ungenügenden
Tageslichtes eine Vereinigung dieser Flügelsignale mit Lampen häufig
auch bei Tage geboten.
Alle diese Umstände haben die sorgfältigsten Ermittlungen und
Erwägungen bei Aufstellung der Entwürfe für die Sicherheitsanlagen
erforderlich gemacht, und doch ist in vielen Fällen die nothwendige
Betriebssicherheit nur durch Anwendung besonderer Hülfssignale zu
erreichen gewesen. Es ist namentlich besonderer Werth darauf ge¬
legt, dafs die Signale sowohl dem Maschinenführer als auch dem
Heizer deutlich erkennbar sind; diese Forderung hat häufig, nament¬
lich in den Tunneln, eine Verdopplung der Signale nothwendig
gemacht. Das neben der einen Tunnelwand befindliche Signal ist
Eine vollkommen einheitliche Signalordnuug giebt es in England
bekanntlich nicht, doch ist man in der Y'erallgemeinerung der Vor¬
schriften bereits so weit vorgeschritten, dafs sich bestimmte all¬
gemeine Regeln ziehen lassen. Die neuerdings wieder verschärften
regierungsseitigen Vorschriften, deren Ueberwachung in die Hände
des Handelsamtes gelegt ist, machen es zudem wahrscheinlich, dafs
in nicht zu ferner Zeit eine vollständige Uebereinstimmung bei sämt¬
lichen Bahnen nach diesen Regeln erzielt werden wird. Vorläufig
kommt es indes immer noch vor, dafs ein und dasselbe Signal bei
der einen Bahn „Freie Fahrt“, bei einer anderen „Halt“ bedeutet. Im
übrigen herrscht der Gebrauch der Flügeltelegrapheu jetzt weitaus
vor, wo es sich um die Sicherung der durchgehenden Strecken han¬
delt, während für Verschubzwecke und für die Bewegung von Zügen
und Maschinen in Bahnhöfen Grundscheiben und Grundlaternen oder
auch wohl kleinere und — wie bei der Londoner Brighton- und
Sr, 50.
Centralblatt der Bauverwaltung.
523
Südküste-Balm durch aufgelegte Einge — besonders gekennzeichnete
Flügelarme angewendet werden, welche dann vielfach mit den Haupt¬
flügeln auf denselben Masten angebracht sind. Die Hauptsignale
werden, wenn irgend angängig, zur Linken der Fahrrichtung auf¬
gestellt — in England wird bekanntlich links gefahren — und die
angewendeten Flügel entweder an Masten oder wie auf der inneren
Eingbahn auch wohl an Mauerwerksflächen und zwar nach links
zeigend angebracht. Mehrere Signale, welche an demselben Orte
für gleichgerichtete Geleise angeordnet werden müssen, unterscheidet
man, indem man sie entweder an demselben Maste unter einander
— für das linke Geleis zu oberst — oder besser, und wie dies auch
neuerdings mehr die Eegel geworden ist, auf besonderen Obermasten
eines gemeinschaftlichen Hauptmastes oder Untergestelles neben ein¬
ander anbringt, wobei der Eeihenfolge der Geleise von links nach
rechts auch diejenige der Signalflügel entspricht (vgl. auch Abb. 1).
Durch eine derartige gedrängte Vereinigung der Signalflügel wird die
Klarheit und Uebersichtlichkeit der Signalbilder unzweifelhaft erhöht.
Nachdem das absolute Blocksystem in England allgemeine Ver¬
breitung gefunden hat, ist ein Langsamfahrsignal (caution signal)
entbehrlich geworden und auf mehreren Bahnen auch thatsächlich
schon in Wegfall gekommen. Hierfür sind dann um so schärfere
Dienstvorschriften an die Stelle getreten. Die beiden verbleibenden
Zeichen, das Halt- (danger oder stop-) und das Fahr- (all right-)
Signal werden am Signalmast bei Tage durch einen wagerecht bezw.
halb abwärts nach links zeigenden Arm, bei Nacht oder an unge¬
nügend beleuchteten Stellen durch verschiedenfarbiges, zumeist
rothes bezw. grünes Licht gegeben, wie dies auch auf der Eingbahn
der Fall ist. Alle Stationen, Bahnanschlüsse, Bahnkreuzungen, Aus¬
weichstellen und Blockabschnitte sind durch Stations- oder Abschlufs-
signale (stop- oder home-, aueh station-signals) nach jeder Fahrrichtung
gedeckt. Dieselben stehen im allgemeinen möglichst dicht bei den
Stellwerksbuden (signal boxes), wo sie jedoch zur Deckung von Einfahrts¬
weichen bestimmt sind, möglichst nahe an diesen, da es andernfalls
bei erheblichem Abstande von diesen Weiehen möglich sein würde, nach
frühzeitigem Zurückstellen des Einfahrsignals auf Halt aueh die hier¬
durch im Stellwerk entriegelte Weiche umzustellen, ehe noch der Zug
dieselbe erreicht hat. Wenn dagegen bei der englischen Anordnung
ein Zug den Standort des
Signales überschreitet, so
befindet er sich im selben
Augenblick über der Wei¬
che und hält den Eiegel-
verschlufs, mit welchem
die in Hauptgeleisen
liegenden Spitzweichen
stets verbunden sind,
mittels einer besonderen
Druckschiene unabänder¬
lich fest. Die gewöhn¬
liche Form der Absehlufs-
signale ist die glatt endi¬
gender Flügel (Abb. 1 u. 2)
bei Tage, farbig abge¬
blendeter Laternen bei
Nacht. In den Tunnel¬
strecken der inneren Eing¬
bahn sind ausschliefslich
Grundlaternen im Ge¬
brauch.
Um dem Maschinen¬
führer bereits in ange¬
messener Entfernung von
den Abschlufssignalen
deren Stellung anzuzeigen,
sind hinter denselben
stets noch besondere Vor¬
signale (distant signals)
aufgestellt, welebe lediglich als Wiederholungszeichen*) anzusehen
sind und durch Gabelung ihrer Flügel-Enden besonders kenntlich
gemacht werden. Es wird folgerichtig gefordert, dafs dem Stellwärter
die Möglichkeit genommen sei, die Vorsignale auf Fahrt zu stellen, ehe
die Hauptsignale heruntergelassen sind, und dafs umgekehrt die Ab-
schlufs Signale nicht eingezogen werden können, ehe die Vorsignale
■wieder auf Halt stehen. Dem Maschinenführer ist gestattet, über die
Vorsignale auch In der Gefahrstellung hinauszufahren, nur mufs die
Geschwindigkeit so ermäfsigt werden, dafs die Züge vor diesen Signalen,
wenn nöthig, reehtzeitig zum Stehen gebracht werden können (Eegel 47
der englischen Vorsehriften für den äufseren Betriebsdienst, vorletzte
*) Selbständig sind dieselben nicht mehr bei vielen Bahnen
•(Nordlondonbahn usw.).
Ausgabe)*). Aufser den Abschlufs- und Vorsignalen sind ferner
besondere Signale zur Ueberwachung der Zugausfahrt (starting
signals) angeordnet. Auf Bahnhöfen sind dieselben bei den Enden
der Bahnsteige aufgestellt. Liegt das Erfordernifs vor, behufs
Eäumung eines Blockabschnitts Züge aus den Stationen zu ent¬
fernen, welche indes in den nächsten Blockabschnitt noch nicht ein-
treten dürfen, so ordnet man wohl auch noch vorgeschobene Ausfahr¬
signale (advanced starting signals oder kurz advance signals) an, bis
zu welchen man die auf Ausfahrt wartenden Züge vorschickt. Auf
dem der Districtgesellschaft gehörigen Abschnitt der inneren Eing¬
bahn sind derartige, gewissermafsen als Ersatz für Zwischenblock¬
stationen anzusehende vorgeschobene Ausfahrsignale mehrfach in
Gebrauch, auf dem der Metropolitan-Gesellschaft gehörigen Eingbahn-
abschnitt findet man sie dagegen nicht. Sie sind beispielsweise da
berechtigt, wo die Fahrzeit zwischen zwei Stationen dem dichtesten
Abstand der Züge gleichkommt (Blackfriars — Mansion House).
Wenn die Blockstrecken eine Länge von etwa 1 km nicht über¬
schreiten, so tritt der Fall ein, dafs das Vorsignal einer Station dem
Ausfahr- oder selbst Abschlufssigual der vorhergehenden Station
so nahe rückt, dafs man beide Flügel auf gemeinschaftlichem Maste
anbringt — eine in London besonders häufig zu beobachtende An¬
ordnung. In dem Falle, dafs ein Vorsignal mit einem Abschlufs-
signal vereinigt wird, kommt natürlich ein besonderes Ausfahrsignal
nicht mehr in Anwendung. Der Vorsignal-Flügel ist regelmäfsig der
untere; durch die weithin sichtbare Gabelung dieses Flügels ist einer
Verwechslung beider Flügel wirksam vorgebeugt (vgl. Abb. 1). Das
Stellwerk ist in einem derartigen Falle so eingerichtet, dafs das
Vorsignal nicht heruntergelassen werden kann, wenn das über ihm
sitzende Signal auf Halt steht, dafs aber, um widersprechende
Signale zu vermeiden, das Vorsignal auch von dem Stellwärter der
rückwärtigen Signalstation auf Halt gestellt werden kann, sobald
der Zug vorbeigefahren ist. Die gedachte Abhängigkeit wird auf •
der inneren Eingbahn in der Weise erreicht, dafs Ausfahr- und
Vorsignal gemeinsam durch den Hebel des Ausfahrsignals gezogen
werden, welcher von der vorliegenden Signalstation, der das Vor¬
signal angehört, mechanisch oder elektrisch — durch ein „mecha-
nical’‘- oder „electric slot“, vgl. auch S. 178 d. J. 1888 d. Bl. —
verriegelt gehalten und nur nach voraufgegangener Verständigung
zwischen beiden Stationen, welche mittels der Blockwerke erfolgt,
freigegeben wird.
Die Signalflügel sind auf der dem Zuge zugekehrten Seite mit
weit sichtbarer rother Farbe, auf der anderen weifs gestrichen und
bei den Enden meist noch durch kräftige Querstriche gekennzeichnet.
In den Abb. 1 und 2 sind die roth gestrichenen Flächen schwarz
angedeutet. Abb. 2 zeigt den häufig vorkommenden Fall, dafs ein
Ausfahr- und ein Abschlufssignal entgegengesetzter Eichtungen auf
demselben Maste angebracht sind. Abb. 1 bezieht sich auf zwei
Fahrrichtnngen gleichen Sinnes, etwa bei einer viergeleisigen Bahn¬
anordnung, wie dieselbe auf den Londoner Hauptstrecken vielfach
üblich ist. In der Eegel sind hierbei zwei Schnellfahrgeleise (fast,
auch through oder main lines) und zwei Langsamfahrgeleise (slow
oder local lines) so auf demselben Bahnkörper untergebracht, dafs
die ersteren in der Mitte neben einander liegen. Es ist zu erwähnen,
dafs man durch mehrfache Unfälle neuerdings dazu geführt worden
ist, die Signalflügel häufiger als früher mit Gegengewichten zu be¬
schweren, damit sie bei etwaigem Bruch der Stangenleitungen sofort
in die Gefahrstellung zurückkehren. Diese Gegengewichte sind dann
wohl zur Aufnahme von grünen und rothen Signalblenden ein¬
gerichtet.
An den englischen Stellwerken, welche fast ausnahmslos nach
Saxby u. Farmers Bauart hergestellt sind, fällt die grofse Hebelzahl
sofort auf. Jede Weiche, jeder Weichen verschlufs und jedes Signal
haben meist ihre eigenen Stellhebel; erst in allerneuester Zeit hat
man mehr Bedacht darauf genommen, zwei Signale oder Weichen
zu kuppeln, oder eine Weiche und die zugehörige Verschlufsvor-
richtung mit einem einzigen Hebel zu bedienen, oder endlich für
ein Abschlufssignal und das dazugehörige Vorsignal nur einen ein¬
zigen Hebel anzuwendeu. Wenn man hierbei bedenkt, dafs man auf
den kleinsten Durchgangsstationen bereits sechs Signale zählt
(distant, home und starting nach jeder Eichtung), so wundert man
sich über die oft ungeheure Anzahl von Hebeln kaum mehr. Unter
Umständen werden die Eiegelstangen, welche die Verschlufskörper
tragen, so lang und schwer, dafs zu ihrer Bedienung allein besondere,
für keinerlei andere Zwecke benutzte Hebel augeordnet sind. Er¬
scheint nun der Hebelreichthum der englischen Stellwerke als ein
zweifelhafter Vorzug, so mufs anderseits anerkannt werden, dafs ihr
einfacher Bau , ihre Widerstandsfähigkeit und FFnempfindlichkeit
gegen Stöfse die Handhabung ungemein erleichtern.
Nach dem Gesagten ist die Abbildung 3, welche die Anordnung
*) 1889 ist eine neue Ausgabe erschienen.
524
Centralblatt der Bauverwaltung.
13. Peeeniber 1890.
der Signale auf den dem Mansion IIouse-Bahnliof in östlicher Rich¬
tung folgenden Stationen Cannon Street und The Monument schematisch
darstellt, leicht verständlich. Die beiden Geleise sind durch Weichen
mehrfach verbunden, um bei Sperrung eines Geleises den Betrieb
über das andere Geleis führen zu können. Die beigeschriebenen
Zahlen bezeichnen die Nummern der Stellvverkshebel. Dieselben
fangen in jeder der beiden Stationen mit „1“ an; die meisten Nummern
in Abb. 3 sind aus diesem Grunde doppelt vorhanden. Die Grund¬
laternen 14 und 3 sind die Abschlufssignale für die Richtung auf¬
wärts (nach links, über den „up circle road“), 16 und 3 diejenigen
für die Richtung abwärts (nach rechts, über den „down circle road-).
Aus der Abbildung ist ersichtlich, wie die Vorsignale der beiden
Bahnhöfe (17, 13 und 4 für die Richtung aufwärts, 18, 15 und 4 für
die Richtung abwärts) unterhalb der Ausfahrsignale angebracht sind.
Das Vorsignal 17 ist durch die Grundlaterne 15 („inner distant“)
wiederholt. Die unter den Ausfahr- und Vorsignalen angedeuteten,
halb abwärts gerichteten Flügel zeigen lediglich an, dafs die be¬
treffenden Signale von den vorgelegenen Stationen aus unter Ver-
schlufs gehalten werden. Dabei ist zu bemerken, dafs die Engländer
die eigenen Signale einer Station roth bezw. schwarz andeuten,
während die in den Zeichnungen mit zur Erscheinung kommenden Sig¬
nale oder Verriegelungen fremder Stationen weifs gelassen Averden.
In demselben Sinne sind die in Abb. 3 angedeuteten Verriegelungen —
halb abwärts gerichtete Flügelzeichen — aufzufassen. In der Abb. 3 sind
auch die Weichcnhebel, Avelche sowohl in Cannon Street wie in Mo¬
nument die Nummern 7 bis 10 tragen, vermerkt. Die Hebel 5, 6, 11, 12,
13 und 14 in Cannon Street, 5, 6, 11 und 12 in Monument sind z. Z.
nicht in Gebrauch. Insgesamt sind in Cannon Street 18, in Monument
17 Stellhebel vorhanden. Bezüglich der Grundlaternen ist darauf
hinzuweisen, dafs die älteren Laternen vom Stellwärter gedreht
werden und hiernach bald die grüne, bald die rothe Seite dem Zuge
zukehren. Die neueren Laternen stehen fest und Averden vom Stell¬
werk aus mittels senkrecht verschieblicher Scheiben roth oder grün
abgeblendet. (Schlufs folgt.)
Geschwilidisjkeitsinesser für Locomotiveii.
Auf Seite 279 in Nr. 27 d. Bl. vom 5. Juli d. J. ist angegeben,
dafs die Vorrichtungen zur Feststellung der GescliAvindigkeit einer
Locomotive unter anderin auch an dem Fehler leiden, „dafs sie nicht
einfach genug sind, und dafs sie mit Federn, Avelche ihre Spannung
verlieren, arbeiten“. Da diese Angaben hiit den diesseitigen Erfah¬
rungen nicht übereinstimmen, mögen die folgenden Angaben als Bei¬
trag zur Klarstellung der Frage dienen.
Die Federn, Avelche sich an den diesseits eingeführten Vorrich¬
tungen*) seit mehr als zehn Jahren bewährt haben, sind aus Stahldraht
über einen Dorn geAvunden und ihre Herstellung bereitet ebenso
Avenig Schwierigkeiten, Avie die Herstellung der Federn der Sicher¬
heitsventile usw.
Zum Härten Averden dieselben kirschroth warm gemacht, in
Wasser gekühlt und demnächst in Oel abgebrannt, da ungehärtete
Federn eine zu grofse Aiifangsspannung haben und auch Aveniger
federnd sind als gehärtete Federn. Die Spannung der Federn ist im
Zustande der Ruhe = 0 oder nur Avenig gröfser als 0, und die End¬
spannung beträgt etwa 5 kg, während bei 15 kg Belastung die Feder¬
kraftgrenze noch nicht erreicht ist.
Die Feder i f (Abb. 1) dient zur Ersetzung der ScliAvcrkraft
des Umdrehungspendels K d K ' m rt, da gegengCAvogene Sclnvung-
körper K und K‘ wegen der Stöfse und ScliAvankungen des Fahr¬
zeuges, auf Avelchem die Vorrichtung angebracht Avird, angeAvendet
werden mufsten. Aufserdem Avürde aber auch die Schwerkraft der
beiden Schwungkörper K und K' in geAvöhnlicher Anordnung nicht ge¬
nügen. Würde an Stelle der Feder i f ein Gewicht von etwa 5 kg
angeordnet, so Avürde die Vorrichtung nur die gröfsten GescliAvindig-
keiten auzeigen. Während bei Schwungkraftreglern der Dampf¬
maschinen Gewichtsbelastung eintreten kann, ist dies bei dem Um¬
drehungspendel als Geschwindigkeitsmesser nicht angängig, Aveil in
letzterem Falle langsame, beschleunigte und schnelle Bewegung an¬
gezeigt werden mufs. Die ScliAvungkraft der beiden Schwungkörper
K und K‘ beträgt bei 90 km GescliAvindigkeit in der Stunde etwa
7,5 kg, der Druck am Ende des Hebels e etwa 12,5 kg und die zu¬
gehörige Spannung der Feder i f etiva 5 kg, während die beiden
Schwungkörper K und K' zusammen nur etAva 1 kg wiegen.
Der Ankerhebel a giebt dem Schreibstifthebel c bezw. dem Zeichen¬
stift t bei langsamer Bewegung des Fahrzeuges eine hin- und her¬
gehende Bewegung vermittelst der Nase 6, um die Aufenthaltszeiten
auf den Stationen festzustellen, und löst sich selbstthätig aus, sowie
das Pendel einen Ausschlag giebt.
Da man die Umdrehungspendel zu den einfachen Vorrichtungen
zählt, dürfte auch die diesseits angewendete Vorrichtung Anspruch
auf Einfachheit erheben können. Die Empfindlichkeit des angewen¬
deten Umdrehungspendels ist von etwa 75 bis zu 550 Umdrehungen
der Achse vi n in der Minute vollkommen ausreichend. So zeigt die
Vorrichtung an der stehenden Dampfmaschine der Werkstatt Karthaus
unter Anwendung von Uebersetzung und selbstthätiger Riemen¬
spannung bei 40 Umdrehungen der Kurbelwelle in der Minute noch
jeden Kolbenhub kräftig an und läfst erkennen, dafs erst bei 50 Um¬
drehungen in der Minute ein ziemlich gleichmäfsiger Gang der Ma¬
schine eintritt. Dabei ist nicht aufser acht zu lassen , dafs diese
Beobachtung ohne die Vorrichtung nicht möglich ist, und dafs an¬
scheinend die Umfangsgeschwindigkeit schon bei 40 Umdrehungen eine
gleichmäfsige ist. Das Ein- und Ausrücken der Werkzeugmaschinen
wird sofort angezeigt. Weder die Trägheit der Massen, noch die
lebendige Kraft machen sich für die Erkennung der Geschivindig-
keit in störender Weise geltend. Ein kurzes Schleudern der Räder
*) Vergl. „Organ“ 1878 Seite 93 und Ergänzung dieser Angaben
daselbst 1889 Heft 1 und 1890 Heft 2 u. 3.
der Locomotive macht sich durch einen langen geraden Strich auf
den Papierscheiben oder Streifen bemerkbar, Avenn die BeAvegung von
der Treib- oder Kuppelachse hergeleitet ist, woraus folgt, dafs un¬
mittelbar nach dem Aufliören der beschleunigenden Kraft der Zeiger z
wieder zurückgeht; im übrigen zeichnet die Vorrichtung klare Linien
auch bei heftigen Stöfsen, Aveil gegengeAvogene Schwungkörper ange¬
wendet sind. Im Gefälle 1 : 100 läfst die Vorrichtung sofort erkennen,
dafs die Geschwindigkeit eines Personenzuges sich erheblich ermäfsigt,
sobald der Zug aus der Geraden in einen Bogen von etwa 400 m
Halbmesser einläuft, und dafs der Bogen als Bremse wirkt. — Das
Bild der Fahrt der Vorspannmaschine stimmt überein mit dem der
Zugmaschine.
Ferner ist in dem genannten Aufsatz auf Seite 279 angegeben,
„dafs die Bedingung an die Vorrichtung zu stellen ist, dafs sie stets
richtige Angaben mache, und dafs es, Avenn dies nicht der Fall, besser
sei, ganz darauf zu verzichten“. Kann nun auch nach der Einfüh¬
rung des Riemscheibenvorgeleges mit selbstthätiger Riemenspannung
(Abb. 2) von den Locomotivführern verlangt Averden, dafs die diesseits
gebräuchlichen Vorrichtungen für den gCAvöhnlichen Gebrauch ge¬
nügend richtige Angaben machen, da nur, wie für die übrigen Ma-
schinentheile, für die im Maschinenbetriebe übliche Instandhaltung
zu sorgen ist, so mag doch darauf aufmerksam gemacht werden, dafs
der Locomotivführer, Avenn er keine Vorrichtung zur Ermittlung der
Geschwindigkeit auf der Locomotive hat, auf seine eigenen Angaben
„nach dem Gefühl“ beschränkt ist, und dafs diesen eigenen Angaben
gröfsere Fehler anhaften als den diesseitigen Vorrichtungen zur Er¬
mittlung der Geschwindigkeit, oder mit anderen Worten, dafs die
Fliehkraft empfindlicher ist als das Gefühl des Locomotivführers, wie
das Thermometer empfindlicher ist als das Gefühl für Wärme des
Menschen.
Jeder Locomotivführer, überhaupt jeder Sachkundige kann an
der Hand folgender Tabelle eine Selbstprüfung in vorgesagtem Sinne
vornehmen bezw. prüfen, Avieweit er befähigt ist, die Fahrgeschwindig¬
keit nach dem Gefühl abzuschätzen. (Die ersten 7 Reihen sind nur
angegeben, um recht deutlich zu zeigen, welcher Einflufs einer Se-
cunde bei gröfseren Geschwindigkeiten zukommt. Soll z. B. auf
100 km Länge mit 103 km Geschwindigkeit für die Stunde statt mit
90 gefahren Averden, so Averden 8,3 Minuten gewonnen, also so viel
Zeit als gewonnen wird, wenn zwei Stationen durchfahren werden
statt auf denselben anzuhalten.)
Kilometer
in der ist
Stunde
1 tm in
Secunden
oder
Secunden
720
5
1
360
10
2
240
15
o
O
Fluggeschwindigkeit des deutschen
Edelfalken.
180
20
4
Umfangsgeschwindigkeit der Centri-
fugen für Wollentuch und andere
Gewebe.
144
25
5
Umfangsgeschwindigkeit der Kreis¬
sägen für Holz und heifses Eisen..
120
30
6
200 m in 6,6 Secunden = Fortpflan-
zungsgeschAvindigkeit der Erregung
in den menschlichen Empfindungs¬
und Bewegungsnerven nach Preyer.
103
35
7
90
40
8
Geschwindigkeit der Schnellzüge.
80
45
9
72
50
10
65,5
55
11
Mittlere Flügges chAvindigk eit der
Brieftaube.
Nr. 50.
Centralblatt der Bauverwaltung.
525
äCilometer
in der ist
Stunde
1 km in
Secunden
. 200 in in
Secunden
60
60
12
55,4
65
13
Gröfste Geschwindigkeit der Renn¬
pferde.
51,4
70
14
48
75
15
45
80
16
Gröfste zulässige Geschwindigkeit
der Güterzüge.
40
90
18
36
100
20
Geschwindigkeit des freifallenden
Körpers nach der ersten Secunde.
30
120
24
24
150
30
20
180
36
18
200
40
15
240
48
12
300
60
10
360
72
wieweit er sich die Vorrichtung dienstbar machen und wie er erfor¬
derlichenfalls seine Fahrten für die Folge besser ausführen kann.
Hat der Locomotivführer z. B. bemerkt, dafs er einen Aufenthalt von
einer Minute auf einer Station mehr gehabt hat, oder hat er bei der
Abfahrt durch langsames Fahren, vielleicht infolge Schwere des Zuges,
eine Minute versäumt, so mufs er wissen, dafs er während 12 Minuten
mit 70 km in der Stunde fahren mufs, wenn ihm fahrplanmäfsig
65 km für die Stunde vorgeschrieben sind, um die versäumte Minute
in 12 Minuten wieder einzufahren.
Wenngleich immerhin auch die diesseits gebräuchliche Vorrich¬
tung zur Feststellung der Fahrgeschwindigkeit zu überwachen ist —
in ähnlicher Weise wie das Wasserstandsglas durch die Probirhähne,
das Manometer durch das Sicherheitsventil und das Arbeiten der Ma¬
schine, die Taschenuhr durch die Stationsuhr — , so wird doch durch die
Anwendung derselben der Dienst des Locomotivführers erleichtert.
In Bezug auf das Zählen der Secunden bei der Ueberwachung
der Vorrichtung ist zu bemerken, dafs z. B. bei etwa 72 km Ge¬
schwindigkeit in der Stunde, 200 m in 10 Secunden, nach einigen
Beobachtungen der Zeit, welche vergeht während der Fahrt von
einem Kilometersteine einer Seite der Bahn bis zum andern, sich recht
wohl bemerkbar macht, ob mit etwas gröfserer oder geringerer oder
mit 72 km in der Stunde gefahren wird, da der Secundenzeiger
andernfalls gegen 10 Se¬
cunden, welche beob¬
achtet werden sollen bei
72 km Geschwindigkeit,
etwas zurückbleibt oder
vorgeht.
Dafs der Mangel der
Vorrichtungen zurUeber-
wachuug der Fahrge¬
schwindigkeit sich bis¬
her nicht fühlbar ge¬
macht hat, liegt darin,
dafs die Fahrzeiten und
Aufenthaltszeiten der
Züge durch die Fahrbe¬
richte überwacht werden,
dafs die kürzesten Fahr¬
zeiten zwischen zwei Sta¬
tionen vorgeschrieben
sind, dafs die fahrplan-
mäfsigen Geschwindig¬
keiten meist erheblich
über- oder unterschritten
werden können , ohne
dafs Betriebsgefahr oder
Störung eintritt, dafs die
Locomotiven bei zu gro-
fser Geschwindigkeit an¬
fangen unruhig zu laufen,
infolge dessen der Lo¬
comotivführer die Ge¬
schwindigkeit wieder er-
mäfsigt, und dafs der
Locomotivführer weifs,
dafs er schneller fahren
mufs, um versäumte Zeit
wieder einzufahren , ob¬
gleich er sich meist
keine Rechenschaft da¬
rüber giebt, mit wieviel
Kilometer Geschwindig¬
keit in der Stunde er
fährt, und sich nur nach
seiner Uhr und der Gang¬
art seiner Locomotive,
dem sogenannten „Tem¬
po“, richtet. Das Um¬
drehungspendel dürfte
indessen geeignet sein,
das unbestimmte Gefühl,
nach dem sogenannten
„Tempo“ zu fahren, zu
unterstützen , wie das
g des Fahrberichtes.
Schäfer.
6 600 120 ( Geschwindigkeit des Fufsgängers
5 720 144 \ ohne Belastung auf ebenem Wege.
Man wird sehr bald finden, dafs Fehler in der Beurtheilung der Ge¬
schwindigkeit nach dem
Gefühl bezw. der Ab¬
schätzung Vorkommen.
Da die diesseitige
Vorrichtung schon wegen
der Abnutzung bezw. des
Abdrebens der Radreifen
durch Verlängerung oder
Verkürzung des Feder-
Kebels vermittelst der
Stellschraube 2 sehr leicht
richtig zu stellen ist*), so
kommen Fehler, abgese¬
hen von Unachtsamkeit,
nur in geringem Mafse
vor. Wird die Bewegung
von einer Treibachse her¬
geleitet, so kommen ge¬
ringe Fehler vor, weil die
Treibachse je nach dem
stärkeren oder schwäche¬
ren Arbeiten der Ma¬
schine mehr oder weni¬
ger gleitet**). Auch ist
die Fahrt in den Bahn¬
krümmungen nicht ganz
•ohne Einflufs. Die Stöfse
des Fahrzeuges machen
sich auf die Feder der
Ankerhemmung der Uhr
u nicht in unzulässiger
Weise geltend; allerdings
haftet der Ankerhem¬
mung der Uhr der Fehler
der im übrigen sehr gu¬
ten Ankerhemmung an,
dafs dieselbe zuweilen,
wenn auch selten, stehen
bleibt. Unregelmäfsig-
keiten kommen aber
auch bei den Manome¬
tern, den Radtaster -An¬
lagen, den gewöhnlichen
Uhren usw. vor; gleich¬
wohl wird man dieselben
dieserhalb nicht missen
wollen.
Während der Ein¬
führung der Vorrichtung
läfst man den betref¬
fenden Locomotivführer
ruhig fahren, wie er es
gewöhnt ist ; derselbe ist
nur anzuweisen, die Vorrichtung instand zu halten uud zu über¬
wachen. Nach einiger Anleitung wird derselbe herausfinden, ob und
Abb. 1.
Uhrwerk mit Zeichenvorrichtung die Prüfun,
Trier, im Juli 1890.
*) Es ist nicht angegeben, wie die auf Seite 279 beschriebene
Vorrichtung richtiggestellt wird.
**) Diese Fehler werden auch bei der auf Seite 279 beschriebenen
Vorrichtung Vorkommen, abgesehen vom Schleudern der Triebräder
der Locomotive, welches erhebliches Falschgehen verursachen, aber
dem Locomotivführer nicht unbekannt bleiben kann.
526
(Jentralblatt der Bauverwaltang. 13. ftecember 1890.
Die Bautliätigkeit des preiifsisclieii Staates iiii Debiete des Hochbaues
während des Jahres 1889.
Aus eleu von eleu Regieruugeu erstatteten Jahresberichten ergeben
sich für elas Jahr 1889 im ganzen 525 Hochbau -Ausführungen
gegen 503 im Jahre 1888. In eliesen Zahlen sinel alle Neubauten,
Erweiterungs-, Wieclerherstellungs- uuel Umbauten enthalten, sofern
eieren Anschlagssumme für das Hauptgebäude einer Anlage die Höhe
von 10 000 JC erreicht oder überschreitet. Neu begonnen wurden
298 Bauwerke 1211 im Vorjahre), fortgesetzt 227 in früheren Jahren
angefangene Vollendet wurden im Jahre 1889 von den neu begonnenen
Bauten 98 und von den fortgesetzten 170. Unter den 257 unvollendet
gebliebenen Bauwerken befinden sich auch einige, welche zwar bau¬
lich fertiggestellt, im laufenden Jahre aber noch nicht vollständig
abgerechnet werden konnten.
Nach Grattung und Bestimmung gesondert sind in der oben ge¬
nannten Zahl von 525 Bauwerken enthalten:
43 Kirchen (darunter der Thurm des Domes in Schleswig 469 000 Jf)-^
14 Ministerial- und Regierungsgebäude (darunter d er Um- und Er¬
weiterungsbau des für Zwecke des Königl. Handels-Ministeriums
und der Porcellan-Mauufactur bestimmten Gebäudes, Leipziger-
strafse Nr. 2 in Berlin, 361000 M, das Cousistorial-Dienstge-
bäude in Stettin 160 000 M, der Um- und Erweiterungsbau des
Ober-Präsidialgebäudes in Breslau 134 000 Ji, der Umbau des
Domgymnasialgebäudes behufs auderweiter Unterbringung des
Consistoriums in Magdeburg 180 000 Jt und der Erweiterungs¬
bau des Regierungsgebäudes in Düsseldorf 213 000 Jl)-^
3 Schlösser betreffende Bauten (Um- und Wiederherstellungs¬
bauten) ;
23 Geschäftshäuser für Gerichte (darunter das Geschäftshaus für
das Amtsgericht in Gnadenfeld, Regierungsbezirk Oppeln,
105 875 M, das Geschäftshaus für das Landgericht in Bochum,
Regierungsbezirk Arnsberg, 434 500 Jl und das Geschäftshaus
für das Amtsgericht in Braunfels, Reg.-Bez. Coblenz, 106 500 Ji)-^
7 Gebäude für wissenschaftliche Anstalten und Sammlungen (das
archäologische Museum in Halle a./S. 150 000 JC, der Erwei¬
terungsbau des Archiv- und Bibliothekgebäudes in Hannover
576 000 JL und der Neubau des geodätischen Institutes auf dem
Telegrapheuberge bei Potsdam 585 000 Jt) ;
1 Baudenkmal (Wiederherstellung des Kaiserhauses in Goslar);
7 Bauten für technische Lehranstalten und Fachschulen;
3 Eichämter ;
37 Anlagen für Universitätszwecke (darunter das mineralogische
Institut in Königsberg 116 155 Jt, der Umbau des Universitäts¬
gebäudes in Berlin 571900 das physicalische Institut in
Greifswald 204 500 Jt, die medicinische Klinik in Breslau
482 000 Jt, die psychiatrische uud Nerven-Klinik in Halle a./S.
665 000 Jt, das pathologische Institut in Göttingen 181 500 Jt) ;
9 Gymnasien und Realschulen (darunter das Klassengebäude für
das Friedrichs-Colleg in Königsberg 376 000 Jt, das Vorschul¬
gebäude für das Luisen-Gymnasium in Moabit 157 700 Jt, das
Friedrich Wilhelms -Gymnasium in Berlin, Kochstrafse Nr. 13,
385 000 Jt, das Real-Progymnasium in Otterndorf, Regierungs¬
bezirk Stade, 174 000 Jt und das Gymnasium in Saarbrücken,
Regierungsbezirk Trier, 206 000 Jt)-,
8 Seminare (darunter die Seminare in Alt-Döbern, Regierungs¬
bezirk Frankfurt a./O., 178 000 Jt und in Verden, Regierungs¬
bezirk Stade, 287 000 Jt)-,
3 Turnhallen;
34 Pfarrhäuser;
90 Elementarschulen;
3 Krankenhäuser;
4 Bauten für Bäder;
23 Gefängnifs- und Strafanstaltsbauten (darunter das Gefängnifs für
die Strafanstalt in Siegburg, Regierungsbezirk Köln, 128 500 Jt)-,
7 Steueramtsgebäude (darunter das Dienstgebäude für das Haupt-
Steuer- Amt in Cottbus, Reg.-Bez. Frankfurt a./O., 102 000 Jt)-,
6 Grenzbeamten Wohnhäuser ;
13 Wohngebäude für Oberförster;
42 Wohngebäude und Gehöfte für Förster;
16 Wohnhäixser für Pächter auf Königlichen Domänen;
30 Familienhäuser für Königliche Domänen;
2 Wirthschaftsgebäude;
19 Scheunen;
39 Stallgebäude;
5 Gebäude für technischen Betrieb;
14 Bauten für Königliche Gestüte (darunter der Hengstestall für
das Landgestüt in Braunsberg, Regierungsbezirk Königsberg,
144 000 Jt und das neue Landgestüt für die Provinz Sachsen
in Cröllwitz, Regierungsbezirk Merseburg, 460 000 Jt) und
20 Hochbauten im Gebiete des Wasserbaues. Hz.
Zur Gewiunung- von Bauplänen zu einer Kirche für die eyan-
gelisclie LucaS'Parochie in Dresden wird von dem Kirchen Vorstände
eine Preisbewerbung unter den deutschen Architekten ausge¬
schrieben. Als Preissumme werden 8000 Mark ausgesetzt, die, wenn
nicht besondere Gründe für eine andere Vertheilung sich ergeben
sollten, den drei besten Arbeiten in Preisen von 4000 , 2500 und
1500 Mark zuerkannt werden sollen. Dem Preisgerichte werde n neben
drei Nichttechuikern angehören die Herren Geh. Regierungsrath TJase-
Hannover, Geh. Regieruugsrath En de- Berlin, Stadtbaurath Friedrich
und (als Kirchenvorsteher) Baurath Prof. Heyn, die beiden letzten
in Dresden. Die Entwürfe sind zum 28. April nächsten Jahres,
abends 6 Uhr, an den Kirchenvorstand (Dresden-A. Werderstrafse 32)
einzureichen, woselbst auch die Programmbedingungen zu beziehen sind.
Eine Preisbewerbiing um Fläiie zu einer Brücke über die
Neckarcauäle iu Efsliug’eii wird vom dortigen Gemeinderath aus¬
geschrieben. Die Brücke soll aus Stein, Eisen oder Stab 1 hergestellt
werden und darf etwa 100 000 Mark kosten. Es sind drei Preise von
1000, 550 und 250 Mark ausgesetzt. Die Eiulieferuug der Arbeiten
mufs bis zum 1. März 1891 erfolgt sein. Programm und Beilagen
sind vom Stadtbauamt zu beziehen. Angaben über das Preisgericht
fehlen in dem Ausschreiben.
Verband Deutscher ArcMtekteu- uud lugeiiieiir- Vereine. Be¬
kanntlich ist der Berliner Architekten- Verein auf der letzten Abge¬
ordneten - Versammlung in Hamburg für die nächsten zwei Jahre
abermals zum Vororte gewählt worden. Es trat damit an diesen
Verein die Pflicht heran, den Verban ds-Vorstand für diese Zeit
neu und unabhängig von dem Vereins- Vorstande zu wählen. Von
letzterem sind nun die Herren Ober-Baudirector Wiebe, Geheimer
Baurath Appelius uud Professor Goering in Vorschlag gebracht
und in der letzten Hauptversammlung auf Antrag des Herrn Pinken¬
burg durch Zuruf gewählt worden. Dieselben haben die Wahl in¬
zwischen angenommen.
Die Förderung der Verbands-Angelegenheiten im Berliner Vereine
liegt in den Händen des ständigen Ausschusses der Verbands-Ab¬
geordneten. Von diesen ist in den Verbands- Ausschufs für die weitere
Vorberathung der Meyer-Bubendey’schen Organisations-Vor¬
schläge Herr Hagen gewählt. Mit der Vornahme der ersten ein¬
leitenden Schritte zur Bearbeitung der Verbandsfrage über das
Verhalten des Flufseisens usw. sind die Herren Bluth, Contag und
Garbe betraut worden. Endlich hat der Verbands-Vorstand an den
Architektenverein in Berlin noch das Ersuchen gerichtet, behufs ge¬
meinschaftlicher Abfassung der iu Sachen des Baurechtes im bürger¬
lichen Gesetzbuche an den Herrn Reichskanzler zu richtenden Eingabe
einen engeren Ausschufs aus der Zahl der Verbands- Abgeordneten
zu wählen. In diesen sind nunmehr die Herren Keller, Garbe und
Froebel entsandt. — Noch ist zu erwähnen, dafs in den nächst¬
jährigen Haushalt des Berliner Architekten- Vereins als Beitrag für
das Semper-Denkmal 500 Mark eingestellt worden sind. Pbg.
Die Veröffeutlicliuug- über die 5,niakedomsclieu Königssarko-
pliage^^ im Museum in Coustaiitiuopel wird durch den Director des
genannten Museums, Hamdy Bey, voraussichtlich im Laufe des Monats
März 1891 erfolgen. Der erste Band soll 60 Seiten Text und 12 — 14
grofse Tafeln enthalten und bei Leroux in Paris erscheinen. Die
photographischen Aufnahmen sollen als Kupferlichtdrucke bei
Dujardin in Paris herauskommen. D.
Magdeburger Baudenkmäler. In Nr. 47 dieses Jahrganges be¬
richtete Herr Stadtbaurath Peters über die Veröffentlichung von
Magdeburger Baudenkmälern der Renaissance-, Barock- und Rococo-
zeit, welche der Architekten- und Ingenieur- Verein und der Kunst¬
gewerbe-Verein iu Magdeburg unternommen haben. Gewifs verdient
dieses Werk, welches in treft’lichen Lichtdrucken eine Reihe nicht
nur hervorragender, sondern sogar theilweis völlig selbständiger
Bauschöpfuugen mittheilt, in den Kreisen sowohl der Bürgerschaft als
auch der Fachgenossen eingehende Beachtung. Leider scheinen aber
die Herausgeber bei der Ausarbeitung des Textes es an der nöthigen
Aufsicht fehlen gelassen zu haben. Wie man hätte voraussehen
können, ist die Untersuchung der in den Archiven erhaltenen Ur¬
kunden für die Baugeschichte der einzelnen Häuser von sehr geringem
Erfolge geblieben und hat wiederholt zu falscher Zeitstellung Anlafs
gegeben. Wenn, um nur zwei Beispiele anzuführen, ein Rococohaus,
Nr. 50.
Centralblatt der Bauverwaltung.
527
welches augenscheinlich der Regierungszeit Friedrichs des Grofsen
angehört, auf Grund einer alten Baunachricht in das Jahr 1633 ver¬
legt wird, und man bei einem anderen Hause ebenderselben Stilart
schwankt, ob eine Nachricht von 1642 auf den vorhandenen Bau be¬
züglich sei, so verliert der Text durch solche Irrthümer den Anspruch
auf wissenschaftlichen Werth. Den Angaben, welche Herr Peters
in diesem Blatte mittheilte, gerade entgegen, besitzt Magdeburg aus
der dem dreifsigjährigen Kriege unmittelbar folgenden Zeit nur
weniges; denn das von ihm auf 1651 angenommene Haus Breite Weg
Nr. 148 ist — bis auf die Giebelspitze — eine einheitliche Schöpfung
aus dem Jahre 1593, und einer wenig späteren Zeit entstammt das
Haus Nr. 203 samt seinem Erker, welcher keineswegs nachträglich
angefügt wurde. Auch das auf 1642 angesetzte Pieschelsche Haus
Nr. 12 ist in Uebereinstimmung mit verwandten, inschriftlich be¬
glaubigten Bauten in das erste Viertel des 17. Jahrhunderts zu ver¬
legen. Wenn in den Urkunden die Häuser nach der Zerstörung der
Stadt oftmals als „wüste“ bezeichnet werden, so besagt dieses doch
nur, dafs sie unbewohnbar, nicht aber, dafs sie niedergerissen waren.
Schliefslich vermifst man die Angaben über die neuerdings bewirkten,
oft recht erheblichen, aber für den Fremden nicht immer erkennbaren
Aenderungen der alten Häuser.
Nach dem der Subscription zu Grunde gelegten Prospecte sollte
dem Werke eine Sammlung geometrischer Aufnahmen von Einzel¬
heiten, Profilen usw. beigegeben werden. Obwohl nun derartige Ver¬
messungen von Barockbauten bisher fast gänzlich fehlen, und obwohl
auch die Magdeburger Stadtverwaltung eine Unterstützung für diesen
Zweck zugesichert hatte, so ist dieser Theil der VeröfFentlichung aus
nicht bekannten Gründen dennoch unterblieben. Mag das Werk auch
in seiner vorliegenden Fassung dem Stolze des Magdeburger Bürgers
genügen, für die Kunstwissenschaft bleibt es zu bedauern, dafs die
Gelegenheit, die Lücke zu schliefsen, welche die Litteratur in der
Würdigung der Magdeburger Barockbauten darbietet, nicht besser
wahrgenommen wurde. J. Kohte.
Die teclmisclie Hochschule in Karlsruhe wird im Winterhalb¬
jahre 1890/91 im ganzen von 571 Theilnehmern besucht. Diese ver¬
theilen sich auf die einzelnen Abtheilungen wie folgt:
Abtheilung
für
Aus
Baden
Aus
anderen
deutschen
Staaten
Aus
anderen
euro¬
päischen
Staaten
Aus
America
und
Asien
(Java)
Zu¬
sammen
fl
O
N
Studirende j
Hospitanten
Studirende
Hospitanten
Studirende
Hospitanten
Studirende
Hospitanten
Studirende
Hospitanten
CÖ
s
Mathematik und Natur¬
wissenschaften . . .
4
1
1
2
1
5
3
8
Ingenieurwesen . . .
22
—
10
—
11
1
i 3
_
46
1
47
Maschinenwesen . . .
52
5
142
4
45
1
i ^
_
243
10
253
Architektur ...
28
4
18
3
i 7
1
1 2
—
, 55
8
63
Chemie .
25
1
43
4
;3i
_
2
—
101
5
106
Forstwesen .
42
1
3
2
: —
—
—
45
3
48
Keiner Abtheilung an¬
gehörend ■ .
1
14
_
8
!
2
1 -
_
1
5 i'
25
; 26
Zusammen
174
26
217
23
,94
5
1
496
55
551
Dazu Hörer 20
Insgesamt: 571
Aufserdem nehmen an Vorlesungen über „die italienische Malerei
der Frührenaissance“ 71 Damen und Herren Theil. — Aus aufser-
deutschen Ländern stammen 111 Theilnehmer und zwar je einer
aus Dänemark, Holland, Spanien, Türkei und Asien (Java), je 2 aus
Belgien, Bulgarien, Frankreich, je 3 aus Griechenland, Luxemburg,
Rumänien, 4 aus Serbien, 6 aus England, 7 aus der Schweiz, 9 aus
Oesterreich-Ungarn, 11 aus America und 54 aus Rufsland.
Die Abtheilung für Architektur war im Sommerhalbjahr 1890
von 43 Studirenden und 1 Hospitanten und ist im laufenden Winter¬
halbjahr 1890/91 von 55 Studirenden und 8 Hospitanten besucht.
Die Vorbildung dieser erwies sich wie folgt:
Es hatten das Sommer- Winter¬
halbjahr halbjahr
1890 1890/91
Reifezeugnifs v. humanistischen Gymnasien . . 12 11
„ „ Realgymnasien . 3 4
Gymnasium bis Prima besucht . 13 16
Realgymnasium bis Prima besucht . 8 8
Reifezeugnifs der Realschule mit 7 Klassen _ 7 _ 16
Zusammen . . 43 55
Die wenigen Hospitanten sind meist Leute reiferen Alters, welche
entweder eine Baugewerkschule durchgemacht oder längere Zeit schon
in der Praxis thätig waren. Damit werden sich auch die Angaben über
die Vorbildung der Studirenden der Karlsruher Bauschule, wie sie
im Verlaufe dieses Jahres in einem andern Fachblatte irrthümlicher-
weise bekannt gegeben wurden, richtigstellen. D.
Neues vom Kuiistmarkte. Weihnachten steht bevor, und es wird
besonders gern wie in den Buchhandlungen, so auch auf dem Kunst¬
markte Umschau gehalten nach neuen, sich zur Festgabe eignenden
Erscheinungen. Auf zwei solcher Neuigkeiten möchten wir das Augen¬
merk der Leser lenken. Der Kunstverlag von H. Riffarth in Berlin
bietet zwei vorzügliche, nach Naturaufnahmen von Th. Creifelds
in Köln gefertigte Kupferlichtdrucke vom Kölner Dome.
Das erste der Blätter giebt eine Gesamtan.sicht des Bauwerkes von
St. Martin her. Da der Standpunkt der Aufnahme etwa in Höhe
des SeitenschilF-Hauptgesimses liegt, so tritt der Dom in seiner vollen
Gestalt in die Erscheinung. Mit einer Klarheit, wie sie sich der
Architekt schärfer kaum zum Studium wünschen kann, verbindet
die Darstellung, die einer meisterhaften Radirung nahekommt, durch
den Duft und die Weichheit ihrer Töne und durch die geschickte
Wahl der Beleuchtung einen aufserordentlichen malerischen Reiz.
Das Gleiche gilt von dem zweiten Blatte, einem Blicke in das Dom-
Innere. War die Aufgabe hier nicht so dankbar, so ist sie doch
nicht minder vortrefflich gelöst, und die malerische Wirkung ist auch
hier zu hoher Vollkommenheit gebracht. Jedes des beiden Blätter,
die bei 105 : 90 cm Papiergröfse 65 : 50 cm Bildfläche messen, kostet
15 Mark, ein in Anbetracht der überaus mühevollen Arbeit und der
Vorzüglichkeit der Leistung erstaunlich billiger Preis.
Ferner ist zu berichten über eine von Lorenz Ritter in Nürn¬
berg nach einem Gemälde seines älteren Bruders Prof. Paul Ritter
gefertigte Radirung vom Sacramentshäuschen in der Nürn¬
berger St. Lorenzkirche. Das Blatt, dem das Meisterwerk Adam
Krafts den Namen giebt, bietet einen köstlichen Blick in den male¬
rischen Kirchenchor, an dessen einem Pfeiler, vom einfallenden
Sonnenlichte hell beleuchtet, das berühmte Kleinod spätestgothischer
Bildnerkunst emporwächst, bis die Sterngewölbdecke sein weiteres
Aufwärtsstreben hindert und seine kreuzblumengeschmückte Spitze
zur Umbiegung zwingt. Durch eine zu Füfsen des Tabernakels sich
vorbereitende Taufhandlung wird der Beschauer ins 17. Jahrhundert
versetzt, und es ist den Künstlern meisterlich gelungen, das dem
Architekturstücke schon durch die Beleuchtung und Behandlung der
baulichen Einzelheiten eingehauchte Leben mittels dieses Vorganges
zu steigern. Das im Ritterschen Selbstverläge erschienene Blatt,
dessen Papiergröfse bei 36 : 52 cm Bildmafs 67 : 90 cm beträgt,
bildet einen sehr schönen Zimmerschmuck. Es ist durch jede Kunst¬
handlung, in Berlin insbesondere durch die Gropiussche Buch- und
Kunsthandlung (Ernst u. Korn) zum Preise von 20 M zu beziehen.
Biicliersciiau.
Baukunst der Renaissance. Entwürfe von Studirenden der tech¬
nischen Hochschule in Berlin unter Leitung von J. C. Raschdorff,
Professor usw. IV. Jahrgang. Berlin 1890. E. Wasmuth. 64 Tafeln
in Folio. Preis 40 Mark.
Die vorliegende, umfangreiche Sammlung von Studienblättern
bildet eine Fortsetzung dreier früheren Bände, deren letzter im Jahre
1882 erschienen ist. Auf 64 Lichtdrucktafeln werden 47 Entwürfe zu
Wohnhäusern und öffentlichen Profanbauten gegeben, welche durch
Studirende der Berliner technischen Hochschule unter Leitung von
J. C. Raschdorff in dessen Uebungsunterricht „Baukunst der Renais¬
sance; Entwerfen von Hochbauten in Verbindung mit Stegreifentwerfen“
gefertigt worden sind. — Der Werth und die Zweckmäfsigkeit der¬
artiger akademischen Veröffentlichungen, wie sie neuerdings mehrfach
veranstaltet worden sind, ist vielfach bestritten worden. Es ist nicht
zu leugnen, dafs die Vervielfältigung sorgfältig durchgeführter,
unter steter Aufsicht und Mitwirkung des Unterrichtsleiters und
seiner Hülfslehrer entstandener Uebungsblätter Nutzen bringt, in¬
sofern damit nach und nach ein Vorrath von Vorbildern beschafft
wird, welcher dem Unterricht nachrückender Jahrescurse dadurch
dienstbar gemacht werden kann, dafs er dem Lehrer ermöglicht, auf
früher Gelehrtes Bezug zu nehmen und damit Zeit für Erweiterung
und Vertiefung der Studien zu gewinnen. Sehr in Frage steht aber,
ob es erwünscht ist, dafs diese zunächst lediglich als Hülfsmittel für
den eigenen Unterricht dienenden Vervielfältigungen auch zu Ver¬
öffentlichungen zusammengefafst werden. Denn es liegt darin
eine grofse Gefahr. Die Entwürfe sind und bleiben, selbst bei der
ausgedehntesten Beihülfe der Lehrer, der Hauptsache nach un-
ausgereifte akademische Arbeiten. Von einem der Oeft’entlich-
keit übergebenen Werke aber erwartet und verlangt man, wenn
es seinen Zweck erfüllen soll, Mustergültigkeit, zum mindesten
Reife. Der Studirende wird zu dem Glauben verleitet werden, dafs
diese Eigenschaften seiner Leistung innewohnen. Er vergifst leicht
den wesentlichen Antheil des Lehrers, wird über sein Können
528
Ceutralblatt der Banverwaltnng.
13. December 1890.
getäusclit und leidet Schaden. Hiuzukommt, dafs der Unterricht,
weil es gilt Schaustücke zu erzielen, allzusehr auf Aeufserlichkeiten,
auf „Blättermacherei“ hiuausläuft, statt dem Studirenden das zu
bieten, was er dereinst ira Lebensberufe braucht. Woher sonst die
heut überall lautwerdenden Klagen, dafs zwar vielfach eine gewisse
Mache nicht zu verkennen, dafs aber in den Prüfungen wie im prak¬
tischen Leben die gediegenen Grundlagen fehlen und in vieler Be¬
ziehung von vorn angefangen werden müsse trotz aller weitestgehen¬
den Fürsorge für die Hochschulen?
Diese Gefahren werden ja geringer und die Veröftentlichung
gewinnt an Berechtigung, wenn ihr Inhalt durch den Lehrer aufs
sorgfältigste gesichtet und ausgewählt wird. Von der vorliegenden
Sammlung gilt das aber leider nur mit Einschränkung, sie ist von
den berührten bedenklichen Eigenschaften nicht frei. Das Gebotene
ist uugleichwerthig. Neben recht trefflichen und vor allem sehr gut
dargestellten Leistungen findet sich auch manches Mindergute. Ge¬
geben sind namentlich geometrische Ansichten, sowohl ganze Fronten
wie Theile von solchen in gröfserem Mafsstabe. Grundrisse sind etwa
einem Drittel der Entwürfe beigefügt, Schnitte, gewöhnlich nur deco-
rativer Art, noch weniger, Einzelheiten und Perspectiven fehlen ganz.
Die Formen sind, wie die Ueberschrift sagt, die der verschiedenen
Kenaissance-Schattirungen, abgewandelt selbstredend nach der Eigen¬
art des Meisters und auch wohl der entwerfenden Schüler. ■ — d.
Ainveuduugen der grapliisclien Statik. Nach Prof. Dr. C. Cul-
mann bearbeitet von W. Ritter, Professor am eidg. Polytechnicum
in Zürich. Zweiter Theil: Das Fachwerk. XI u. 229 S. in 8" mit
119 Text-Abb. und 6 Tafeln. Zürich 1890. Meyer u. Zeller. Preis 9 J(.
Dem im vorigen Jahrgang (S. 158) dieser Zeitschrift angezeigten
ersten Bande des grofs angelegten Werkes ist nun der zweite gefolgt,
welcher entsprechend dem zuvor aufgestellten Programm das Fach¬
werk behandelt. Der Verfasser verwahrt sich in der Vorrede da¬
gegen, eine allgemeine Theorie des Fachwerks schreiben zu wollen;
diese würde auch die Besprechung derjenigen Fragen erfordern,
welehe zur Zeit einer graphischen Behandlung noch nicht zugänglich
sind, während er gegentheils nur dasjenige in übersichtlicher, zu¬
sammenhängender Darstellung zu geben beabsichtige, was die Cul-
mannsche Wissenschaft auf dem Gebiete der Fachwerktheorie zu
leisten vermöge. Wie aber aus der folgenden kurzen Inhaltsangabe
hervorgehen wird, ist es Ritter gelungen, alle wichtigeren Gebiete
ganz oder theilweise der zeichnerischen Untersuchung zu gewinnen,
sodafs es nur noch eine kleinere Anzahl Fragen von weniger all¬
gemeiner Bedeutung ist, über welche das voidiegende Werk keinen
Aufschlufs giebt.
Der Inhalt ist in sechs Capitel abgetheilt, von denen die beiden
ersten das statisch bestimmte ebene Fachwerk, das dritte die elasti¬
schen Formänderungen, das vierte die statisch unbestimmten Fach¬
werke, das fünfte die secundären Spannungen, das sechste die räum¬
lichen Fachwerke behandelt. Gelangen daher in den beiden ersten
Capiteln die Grundlehren der Fachwerktheorie, durch welche die
Ermittlung der Hauptspannungen einfacher Träger möglich wird,
in knapper, übersichtlicher, daher klarer und doch vollständiger Form
zur Darstellung, so sind die übrigen Capitel den schwierigem Fragen
gewidmet, deren das Fachwerk dem tiefer in seine Wirkungsweise
Eindringenden so unerwartet viele stellt. Naturgemäfs kann in den
beiden ersten Capiteln nicht viel neues gebracht werden, wenn
solches auch nicht gänzlich fehlt; wir machen beispielsweise nur
aufmerksam auf das von Müller- Breslau begonnene und hier weiter
geführte Problem der Beanspruchung von Pfosten, welche Fächer
mit Gegenstreben begrenzen und auf das neue Verfahren Herzogs zur
Berechnung der Strebenkräfte von Fachwerkträgern, namentlich vor-
theilhaft verwendbar bei solchen mit krummliniger Gurtung. Auf
vielerlei neues stofsen wir dagegen in den folgenden Capiteln, in
welchen für denjenigen, welcher die Fortschritte der graphischen
Statik ins Auge fafst, der Schwerpunkt des Buches liegt; wir müssen
uns hier darauf beschränken, das wesentlichste über diese neuern
zeichnerischen Verfahren mitzutheilen.
Im dritten Capitel ist von den vier mitgetheilten Wegen zur
Bestimmung der elastischen Formänderungen namentlich der letzte
beachtenswerth, weil neu. Durch die Erweiterung des Begriffs der
für die zeichnerische Statik so wichtig gewordenen Elasticitätsellipse
des Balkenelements auf das aus mehreren Stäben zusammengesetzte
Fachwerkelement gelingt es dem Verfasser, die Durchbiegungslinie
der Fachwerkswände mit Berücksichtigung der Füllungsglieder der¬
selben aus der blofsen Momentenfläche, also ohne Kenntnifs der
Stabkräfte, in Form eines geschlossenen Seilpolygonzuges darzu¬
stellen. Das Verfahren eignet sich trefflich zur Ermittlung der Ein¬
senkungen bei Brückenproben; seine hauptsächlichste Bedeutung
wird freilich, wie leicht vorauszusehen, erst bei der Lehre vom
continuirlichen Balken und elastischen Bogen recht deutlich werden.
Das vierte Capitel ist dem statisch unbestimmten Fachwerk ge¬
widmet, für welches die angenäherten, graphischen wie die genauen
in der Hauptsache rechnerischen Verfahren entwickelt werden. Im
allgemeinen scheint uns dieser Theil etwas knapp ausgefallen zu
sein; wir würden es begrüfst haben, wenn der Verfasser ausführliche
Beispiele zu beiden, namentlich auch zu den genauen Berechnungs¬
weisen gegeben hätte.
Vollständig gelungen ist die zeichnerische Behandlung der Neben¬
spannungen; es werden zwei Wege zur Ermittlung derselben vorge-
geführt, ein genauer und ein angenäherter, die beide von der
Bestimmung der Winkeländerungen an bis zur Entnahme der an den
Stab-Enden wirkenden Momente rein graphisch bleiben. Der erste
besteht in der Hauptsache in einer äufserst geschickten Auflösung
der Gleichungen für diese Momente mit Hülfe von Lineal und Zirkel
allein, wodurch die sonst so zeitraubende und mühsame Arbeit bei¬
nahe zu einem Spiel gemacht wird. Auch zeichnet sich diesea
genaue Verfahren durch die Leichtigkeit aus, mit welcher es die
Berücksichtigung aller Nebenumstände, wie die gebogene Form der
Fachwerkstäbe, ihr Eigengewicht, excentrische Befestigung der Stäbe
an den Gurtungen, Wärmeeinflüsse, ja selbst gelenkförmige Knoten¬
verbindungen zu untersuchen gestattet. Das zweite Verfahren ist
die treffliche Umarbeitung der Landsbergschen Behandlungsweise,*)
welche die Gurtungen des Fachwerks unter Vernachlässigung der
Füllungsglieder als continuirlichen Balken auffafst. Statt der Senkung
der Knotenpunkte führt Ritter die Summe der Winkeländerungen an
denselben ein und vereinfacht dadurch das Verfahren nicht nur
wesentlich, sondern macht es wohl damit erst praktiseh brauchbar.
Das letzte Capitel endlich ist den räumlichen Fachwerken gewidmet.
Für die Berechnung der Windträger werden im Anschlufs an Maurice
Koechlin recht brauchbare Näherungswege gegeben, während eine
statisch bestimmte Kuppel mit Laterne für alle Belastungsarten ge¬
nau durcbgerechnet ist.
Aus vorstehender knappen Inhaltsangabe geht hervor, dafs
der zweite Band von Ritters Werk die graphische Statik mit
einer Reihe werthvoller neuer Wege und Verfahren bereichert, wie
es schon der erste gethan hat, und dadurch den weiteren Ausbau
des Culmannschen Lehrgebäudes wieder wesentlich fördert. Danebea
kommt dem Buch aber auch eine hohe praktische Bedeutung zu.
Wenn auch der Verfasser im ersten Theil keineswegs zu weit in
theoretischen Entwicklungen gegangen ist, so mufs doeh hervor¬
gehoben werden, dafs dieser zweite Theil fast ausschliefslich den
für Brückenbauer praktisch wichtigen Aufgaben gewidmet ist. Der
Anfänger wird in die Grundlehren der graphischen Fachwerks¬
behandlung eingeführt, der Vorgerücktere in die tiefer gehenden
Fragen, welche wie bekannt, durch die immer nothwendige An¬
knüpfung an die elastischen Formänderungen in ihren Lösungen
schwieriger und umständlicher werden; beiden aber kommt die be¬
sondere Fähigkeit des Verfassers zu gute, für alle Aufgaben den
möglichst einfachen und verständlichen Weg aufzutindeu und ihn in
klarer und überzeugender Weise vorzutragen. Die rühmenswerthe
Klarheit in der Stofi‘anordnung wird noch erhöht durch den Umstand,,
dafs das Nebensächlichere durch kleinern Druck gekennzeichnet ist.
Einzelnen Stellen wäre vielleicht eine etwas weniger knappe Be¬
handlung günstig gewesen; auch dürfte die Anzahl der durchge¬
führten Beispiele nach unserer Ansicht etwas reichlicher bemessen
sein. — Das Buch ist hübsch ausgestattet; zahlreiche klare Text¬
abbildungen und schöne Tafeln zieren es. In allen Beziehungen
schliefst es sich durchaus würdig dem ersten Bande an und läfst uns
mit hohen Erwartungen den kommenden weitern Theilen des Werkes
entgegensehen. — 1.
Tasclienbncli zum Abstecken von Kreisbögen mit und ohne
Uebergangscurven für Eisenbahnen, Strafsen und Canäle. Mit be¬
sonderer Berücksichtigung der Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung
bearbeitet von 0. Sarrazin u. H. Oberbeck. Fünfte Auflage.,
Berlin 1890. Verlag von Julius Springer. X und 73 S. Einleitung,.
198 S. Tabellen. Kl. 8®. Preis geb. 3 Jt.
Die Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Be¬
deutung hat durch Beschlufs des deutschen Bundesraths vom 22. Mai
d. J. eine wichtige Aenderung dahin erfahren, dafs die gröfste Fahr¬
geschwindigkeit auf diesen Bahnen, welche bis dahin 30 km in der
Stunde nicht übersteigen durfte, nunmehr für Personenzüge unter
bestimmten Voraussetzungen bis zu 40 km betragen darf. In der
vorliegenden fünften Auflage des bekannten Taschenbuches ist diesem
Umstande durch entsprechende Ausdehnung der Tabellen für die
Ueberhöhung des äufseren Schienenstranges in Curven Rechnung ge¬
tragen. Die neuerdings für zweckmäfsig erachtete Einschränkung
der Spurerweiterung in Curven hatte bereits in der vorigen Auflage
Berücksichtigung gefunden.
*) Veröffentlicht in der Zeitschrift des Hannoverschen Archi¬
tekten- und Ingenieur- Vereins 1885 und 1886.
Verlag von Ernst&Korn CWillaelm Ernst), Berlin. Für die Redaction des nictitamtlicheu Theiles verantwortlicli: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
529
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jahrgang. Berlin, 20. December 1890. Nr. 51.
Redactioii: SW. Zimmerstrafse 7 Gescliäftsstolle und Annalime der Anzeigen;
W. Wilhelmstratse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,75 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslande 1,30 Mark.
INHALT: Amtliches: Personal-Nachrichten. — Nichtamtliches: Erweiterungsbau
des Archiv- und Bibliothehgebäudes in Hannover. — Kaiser Wilhelm -Denkmal für
die Eheinproviuz. — Baupolizeiwesen der Stadt New-York. — Signale der Unter¬
grundbahn in London (Schlufs). — Vermischtes: Dortmund-Ems-Canal. — Wett-
bewerb für das Concordiagesellschaftshaus in Remscheid. — Wettbewerb um Ent¬
würfe für das „Victoriahaus“ in Dresden. — „Magdeburger Baudenkmäler“. — Elek¬
trische Beleuchtung des Suez-Canals. — Verschmelzungen americanischer Bahnen. —
Nachdruck aus dem Centralblatt der Bauverwaltung. — Neue Patente.
Amtliche Mittheilungen.
Preufsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Wirk¬
lichen Geheimen Ober - Eegierungsrath und Ministerial - Director
Schultz, Director der Abtheilung für die Verwaltung des Bau¬
wesens im Ministerium der ölfentlichen Arbeiten, den Charakter als
Wirklicher Geheimer Rath mit dem Prädicat Excellenz, den Regierungs¬
und Bauräthen Becker in Merseburg, Benoit in Cöslin, Beyer in
Breslau, Eitner in Minden, Dieckhoff in Potsdam, Reichert in
Bromberg und Neumann in Cassel den Charakter als Geheimer
Baurath, den Kreis - Bauinspectoren Schmarsow in Neidenburg
O./Pr., Emil Bauer in Nakel, Robert Bergmann in Hannover,
Spillner in Essen, Ziolecki in Bunzlau, Engisch in Züllichau,
Holtgreve in Höxter, Mebus in Drossen und Dollenmaier in
Deutsch-Eylau, den Wasser-Bauinspectoren Albert Brinkmann in
Steinau a./Oder und Albert Fischer in Wittenberge, dem Bau¬
inspector Grafsmann beim Polizei-Präsidium in Berlin und dem
Bauinspector Lünzn er bei der Regierung in Arnsberg den Charakter
als Baurath zu verleihen, sowie ferner den bisherigen Königlichen
Regierungs -Baumeister Bohnstedt in Berlin zum Hof-Bauinspector
zu ernennen.
Angestellt sind: die bisherigen Regierungs - Baumeister Caspari
in Mülheim a./Rhein, Stoessell in Düsseldorf und Emil Rudolph
in Mewe a. d. Weichsel als Königliche Wasser - Bauinspectoren;
Lodemann, im technischen Bureau der Bauabtheilung des Mi¬
nisteriums der öffentlichen Arbeiten in Berlin beschäftigt, als König¬
licher Bauinspectoi’, Poetsch, bei Bauten im Bereich der König¬
lichen Ministerial-Bau-Commission in Berlin beschäftigt, als König¬
licher Land -Bauinspector; Rattey in Aachen, Heckhoff, z. Zt. in
Paderborn, Mithoff in Naugard und Paul Rettig in Leobschütz
i. Schl, als Kreis-Bauinspectoren in Aachen , Homburg v. d. Höhe,
Naugard i. Pom. und Leobschütz i. Schl.
• Der Kreis-Bauinspector, Baurath Holler in Homburg v. d. Höhe
tritt am 1. Januar 1891 in den Ruhestand.
Deutsches Reich.
Der Marine-Maschinen-Baumeister Scheit ist zum aufseretats-
mäfsigen Torpedo-Bauinspector ernannt.
Bayern.
Der Staatsbauassistent Hermann Grimm in Bad Reichenhall
wurde zum Bauamts-Assessor beim technischen Bureau für Wasser¬
versorgung im k. Staatsministerium des Innern ernannt.
Vom 1. Januar 1891 anfangend wird die II. Assessorstelle bei
dem Strafsen- und Flufsbauamte Dillingen dem Einzuge unterstellt
und dem Strafsen- und Flufsbauamte Kempten ein zweiter Neben¬
beamter zugewiesen, infolge dessen der Bauamts-Assessor Max Reiser
in Dillingen an das Strafsen- und Flufsbauamt Kempten versetzt.
Dem zum Stadtbaurathe von Landshut gewählten Bauamts-
Assessor Josef Preifser in Landshut wurde behufs Uebernahme
dieser Stelle ein dreijähriger Urlaub unter Vorbehalt des Rücktrittes
in den Staatsdienst während dieser Zeit ertheilt.
Sachsen.
Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs hat das
Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts den mit der Ab¬
haltung von Vorlesungen über Allgemeine Rechtskunde und specielle
Theile derselben bei der technischen Hochschule in Dresden beauf¬
tragten Regierungsrath Joh. Martin Lotichius zum Honorarprofessor
bei der genannten Hochschule ernannt.
Bei der Königlich Sächsischen Strafsen- und Wasserbau -Ver¬
waltung ist der bisherige Regierungs -Baumeister Gerhard Hübler
zum Strafsen- und Wasserbauinspector in Freiberg ernannt worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Bau¬
inspector, tit. Baurath v. Misani, Collegialhülfsarbeiter bei der
Generaldirectipn der Staatseisenbahnen auf die erledigte Stelle eines
Bauraths bei dieser Generaldirection , den Abtheilungsingenieur
tit. Bauinspector Knoll, zur Zeit mit der stellvertretungsweisen
Wahrnehmung des Betriebsbauamts Heidenheim betraut, auf die er¬
ledigte Stelle eines Betriebsbauinspectors in Heidenheim zu befördern
sowie die erledigte Stelle eines Bahnmeisters in Vaihingen auf den
Fildern dem stellvertretenden Bahnmeister Espenlaub in Königs¬
bronn zu übertragen.
Bei der im October d. J. vorgenommenen zweiten Staatsprüfung
im Hochbaufache sind die Candidaten Oskar Albert aus Schwieber¬
dingen, 0. A. Ludwigsburg, Max Burger aus Obersteinach, 0. A.
Gerabronn, Gustav Eisele aus Efslingen, Karl Kübler aus Mark¬
gröningen, 0. A. Ludwigsburg und Emil Rayher aus Odessa für be¬
fähigt erkannt worden. Den Genannten wurde am 4. December d. J.
der Titel „Regierungs-Baumeister“ verliehen.
[Alle Eeclite vorüelialten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Der Erweiterungsbau des Archiv- und Bihliothekgebäudes in Hannover,
Das bisher zur Aufbewahrung der Bestände des Königlichen
Archivs und der Bibliothek in Hannover dienende Bauwerk, be¬
stehend aus einem langgestreckten, zweigeschossigen Gebäude,
stammt aus dem Jahre 1725. Als Architekt des alten Baues wird
mehrfach der Ober-Bainneister Borchmann genannt.
Den Grundstock des Archivs bilden die Archive von Kalenberg
und Celle. Das letztgenannte wurde nach dem Tode Herzog Wilhelms,
mit dem die Lüneburger Linie des welfischen Hauses erlosch, nach
Hannover gebracht und dort durch besondere Beamte verwaltet. Erst
1776 kamen beide Archive unter eine Verwaltung. Mit der Ver-
gröfserung des Kurfürstenthums und späteren Königreichs Hannover
vermehrten sich auch die Bestände. Die landesherrlichen Archive
der mit Hannover später vereinigten Ländergebiete traten zu jenem
Grundstöcke hinzu, so die von Lüneburg, Bremen, Verden, Hildes¬
heim usw. Dadurch vermehrte sich die Zahl der Urkunden und
Acten allmählich bedeutend; ebenso haben die politischen Vorgänge
der neuesten Zeit sowie die Veränderungen in der Verwaltung dem
Staatsarchive erhebliche Bestände zugeführt.
Die Königliche Bibliothek ist um die Mitte des 17. Jahr¬
hunderts vom Herzoge Johann Friedrich von Hannover-Kalenberg
begründet und besonders durch Leibniz und dessen Nachfolger an
der Bibliothek vermehrt worden. Unter den Drucksachen befinden
sich 246 werthvolle und seltene Incunabeln, darunter verschiedenes
nur einmal Vorhandene. Die Handschriftensammlung ist besonders
reich und bedeutend nicht nur für die Geschichte der Braunschweig-
Lüneburgischen Lande, sondern auch für die allgemeine und deutsche
Geschichte, und besitzt viele alte, zum Theil mit Miniaturen ge¬
schmückte Pergamente. Ein besonderer Schatz aber ist Leibniz’
handschriftlicher Nachlafs: 200 Foliobände über Theologie, Philo¬
sophie, Philologie, Geschichte, Staatsrecht, Mathematik und Natur-
530
Centralblatt der Bauverwaltung.
20. Deceniber 1890,
Wissenschaften, sowie des grofsen Philosophen in mehr als hundert
Kasten alphabetisch geordneter Briefwechsel.
Alle diese Schätze liefsen sich in dem vorhandenen Gebäude nicht
mehr in zweckentsprechender Weise unter¬
bringen, ein Neu- oder Umbau war schon
seit langer Zeit zur Nothwendigkeit gewor¬
den. Nach mehrfachen Erwägungen wurde
beschlossen, das Bedürfnifs durch Aufbau
eines neuen, zweiten Stockwerks auf dem
alten, noch standfesten Gebäude und aufser-
dem durch den Anbau eines Mittelfliigels
an der Südseite zu befriedigen, weil hierbei
den Wünschen der Verwaltung hinsichtlich
der Benutzungsart am besten entsprochen
werden konnte.
Bei Ausarbeitung der Pläne waren fol¬
gende Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
1. Das zu erweiternde Gebäude soll für
eine 50jährige Vermehrung der Acten- und
Bücherbestände ausreichen. Danach ergab
sich für das Archiv eine Vergröfserung der
vorhandenen Repositorien- Ansichtsfläche von
3200 auf 6300 cpu. Für die Bücher und
Handschriften der Bibliothek war bis jetzt
eine Ansichtsfläche der Gestelle von 2000 qm
vorhanden; diese sollte für die Bücher allein
auf 2500 qm gebracht werden, während für
die Handschriften besondere Räume vorzu¬
sehen waren.
2. In dem Gebäude sollte aufserdem
Platz für die erforderlichen Verwaltungs¬
räume und für zwei Diener -Wohnungen ge¬
schaffen werden.
3. Bibliothek und Archiv waren möglichst von
einander zu trennen, jedoch einheitlich zugänglich zu
machen.
Der nach Süden vorspringende neue Mittelflügel
soll hiernach die Bibliothek aufnehmen, während das
alte Gebäude einschliefslich des neu aufzuführenden
Stockwerks für das Archiv bestimmt ist. Die in der
Mitte angeordneten beiden Treppen vermitteln den Ver¬
kehr einerseits nach dem Archiv, anderseits nach
der Bibliothek. Im Erdgeschofs des neuen Anbaues
liegen die Dienerwohnungen und einige Räume für
Brennmaterialien. Die darüber befindlichen zwei Haupt¬
geschosse und das Mansardengeschofs sind zu einem
grofsen Bücher-Magazine vereinigt. Am südlichen Ende
des neuen Flügels
ist die Handschrif¬
tensammlung in ge¬
wöhnlichen, über¬
wölbten Geschossen
untergebracht.
Im alten Ge¬
bäude sind mit
Rücksicht auf die
über dem ersten
Stockwerk befind¬
lichen starken Ge¬
wölbe, deren Bei¬
behaltung zweck-
mäfsig erschien, zwei übereinander liegende Magazinräume vorge¬
sehen worden. In der Bibliothek sowohl wie im Archiv sind
die Magazine durch Zwischenböden in Geschosse von rund 2,20 m
Höhe gethcilt, die mit einander durch eiserne Nebentreppen in
Verbindung stehen. Diese Zwischenböden
sollen aus durchbrochenen gufseiseimen Plat¬
ten zwischen Trägern hergestellt werden.
Eigenartig ist die Ausnutzung des Mansar¬
dendaches, in welches die überwölbten Ma¬
gazinräume bis auf 2,25 m Höhe hinein¬
reichen. Das Dach wurde aus Schmiede¬
eisen mit Schieferdeckung hergestellt;
auch der untere massive Theil des Man¬
sardendaches soll mit Schieferplatten auf
Schalung bekleidet werden; letztere wird
zu diesem Zwecke an Latten, welche auf
eingemauerten Holzklötzen Halt finden, be¬
festigt.
Die architektonische Behandlung der
Fronten entspricht in den beiden unteren
Geschossen den sehr einfachen Formen
der alten Gebäudetheile, während für das
obere Geschofs, die Mansardenfenster und
den Südgiebel etwas gröfserer Reichthum
in Aussicht genommen ist. Alle architek¬
tonischen Gliederungen werden in Sandstein
hergestellt, die glatten Mauerflächen dagegen
geputzt. ■
Die innere Ausstattung ist verhältnifs-
mäfsig einfach; nur das Haupttreppenhaus
und der Eingangsflur werden eine etwas
reichere Durchbildung erhalten. Für die Be¬
heizung der Verwaltungsräume und Diener¬
wohnungen kommen Kachelöfen zur An¬
wendung; von einer Erwärmung der Magazine ist
abgesehen.
Die Gesamtsumme des Kostenanschlages beträgt
576 000 Mark; davon entfallen auf die künstliche
Gründung des neuen Anbaues 13 000 Mark, auf den
neuen Anbau 207 000 Mark und auf die Erhöhung
des alten Gebäudes 338 000 Mark. Als Einheitspreise
ergeben sich für den neuen Anbau 357,45 Jt auf
1 qm und 19,46 Jl auf 1 cbm. Die Bauausführung,
welche im September 1889 begonnen wurde, wird
voraussichtlich drei Jahre in Anspruch nehmen. Die
Entwurfbearbeitung erfolgte auf Grund der im Mini¬
sterium der öffentlichen Arbeiten nach Angaben des
Geheimen Bauraths Lorenz aufgestellten Skizzen.
Mit der weiteren
Bearbeitung der
Pläne und der Bau¬
ausführung wurden
nach einander der
Baurath Hacker
und der Kreisbau¬
inspector Schrö¬
der betraut, denen
für die besondere
Bauleitung der Re¬
gierungs-Baumei¬
ster Rattey und
nach dessen Ver¬
setzung der Regierungs-Baumeister Semmelmann überwiesen wurden.
Zur Errichtung eines Kaiser Wilhelm -Deiikiiials für die ßheinprovinz.
Die Frage des rheinischen Kaiser Wilhelm -Denkmals, welche
am 11. d. M. im Provinciallandtage der Rheinprovinz zur Erörte¬
rung stand, hat eine unerwartete Wendung genommen. Ueber den
Verlauf der um das Denkmal veranstalteten Wettbewerbung sind die
Leser unterrichtet.*) Hinzugetreten sind nach der Preisbewerbung
neben dem Gedanken einer milden Stiftung noch einige andere
Denkmalvorschläge. Die Herren Prof. Frentzen-Aachen und Baurath
Maertens-Bonn haben einen Entwurf für den Hardtberg veröffent¬
licht,**) W. Linze-Aachen plante ein Denkmal auf dem Mittelpfeiler
einer Rheinbrücke, und auch der Entwurf zu einem Denkmal auf der
Rhein -Terrasse vor dem Schlosse in Coblenz ist zur Vorlage ge¬
kommen. Der letztgenannte Ort ist neuerdings wieder besonders in
*) Vgl. S. 187, 198 und 210 ff. dieses Jahrganges.
**) Vgl. S. 508 d. J. und die untenstehenden Erklärungen.
den Vordergrund getreten durch eine Kundgebung des Obersten
V. Tschudi, nach welcher Ihre Majestät die Hochselige Kaiserin
Augusta bei ihrer letzten Anwesenheit in Coblenz diese Stadt als
den einzigen Platz bezeichnet hat, der ihrer Ansicht nach für die Auf¬
stellung des Denkmals in Frage kommen könne. Der Provincial-
landtag hat nun nach zwei vorangegangenen vertraulichen Be¬
sprechungen in öffentlicher Sitzung vom eingangs genannten Tage
nahezu einstimmig folgenden Beschlufs gefafst: „In Erwägung, dafs
die vertrauliche Besprechung ergeben hat, dafs die Ansichten über
die Art und den Ort eines Denkmals in der Rheinprovinz für Kaiser
Wilhelm I. weit auseinandergehen und dafs keiner der verschiedenen
Anträge eine Mehrheit auf sich zu vereinigen vermochte, beschliefst
der Landtag, die Angelegenheit unter Mittheilung der
verschiedenen Anschauungen der Entscheidung Seiner
Majestät des Kaisers anlieimzustellen.“ Inzwischen ist der
Nr. 51.
Centralblatt der Bauverwaltung.
531
Vorstand eines Bonner Vereines, der sich gebildet hat, um das
Denkmal dem Siebengebirge zu gewinnen, mit einem Aufrufe an die
Rheinländer hervorgetreten. Diese werden aufgefordert, sich an einer
Eingabe zu betheiligen, in welcher Se. Majestät der Kaiser
gebeten werden soll,
„eine den Wünschen
der überwältigenden
Mehrheit des Rhein¬
lands entsprechende
Entscheidung zu Gun¬
sten des Siebenge¬
birges treffen zu wol¬
len.“ Der Aufruf
deckt sich etwa mit
dem Beschlüsse des
zur Behandlung der
Platzfrage nach Kö¬
nigswinter berufenen
Ausschusses vom
8. Juni 1889 (vgl.
S. 21 des vorigen
Jahrganges dieses
Blattes).
Die oben bereits
angezogene Auslas¬
sung des Herrn Stadt¬
baumeister Lemcke
in Bonn auf S. 508
d. J. hat die nach¬
stehenden beiden Er¬
widerungen verursacht. Herr Professor Frentzen erklärt:
„In Nr. 49 dieses Blattes schreibt Herr Johannes Lemcke aus
Bonn einen Artikel über die Errichtung eines Kaiser Wilhelm-
Denkmals für die Rheinprovinz, in welchem er sich
als Wächter des guten Rufes unseres Faches hinstellt
und auf einen bedauerlichen Irrweg hinweist, auf dem
ich mich befinden soll. Zur gebührenden Kennzeich¬
nung der Handlungsweise des genannten Herrn möge
der seinen Expectorationen zu Grunde liegende Sach¬
verhalt, soweit er mich angeht, hier mitgetheilt werden.
Bei Gelegenheit des Wettbewerbes für das Kaiser¬
denkmal der Rheinprovinz fertigte ich einen Ent¬
wurf, den ich zu dem festgesetzten Termin nicht
abliefern konnte. Aufser einigen anderen Fachge¬
nossen zeigte ich denselben auch Herrn Baurath
Maertens, dessen besonderes Interesse er erregte,
weil er in seinen Grundzügen, seinen Abmessungen
sowie bezüglich des
gewählten Stand¬
ortes fast genau
mit seiner eigenen
Entwurfsidee über¬
einstimmte. Herr
Maertens sowie der
Bürgermeister der
Stadt Königswinter
veranlafsten mich,
den Entwurf nach
einigen mit Rück¬
sicht auf den
Kostenpunkt ge¬
schehenen Vereinfachungen einem Ausschüsse zur Verfügung zu
stellen, welcher in mafsgebenden Ki’eisen für die Errichtung des
Denkmals auf dem Hardtberg zu wirken suchte. Sie erwirkten
gleichzeitig meine Erlaubnifs, eine Skizze des Entwurfes einem
Aufsatze beilegen zu dürfen, in welchem Herr Baurath Maertens
nochmals für die Wahl des Hardtberges auf Grund eingehender
Studien und Kostenberechnungen Propaganda machen werde. Von
diesem Aufsatz habe ich erst nach seiner Drucklegung Kenntnifs
erhalten und dann Herrn Maertens sowohl als anderen Betheiligten
gegenüber kein Hehl daraus gemacht, dafs die mir gespendeten über¬
triebenen Lobeserhebungen ebenso wenig meinen Beifall finden als
ein Hinarbeiten auf die Ausführung des Entwurfes. Dies ist der
einfache Thatbestand, welcher Herrn Lemcke Veranlassung giebt,
sich in die Toga richterlicher Würde zu hüllen und mit dem Brustton
sittlicher Entrüstung durch die Spalten dieses Blattes sein vernich¬
tendes Urtheil über meinen Ruf zu verkünden.
Auf Grund obiger Darlegungen appellire ich mit Ruhe an eine
höhere Instanz, den gesamten Leserkreis dieses Blattes.“
Aachen, 9. December 1890. Georg Frentzen.
II. Stockwerk.
Archiv- und Bibliothekgebäude in Hannover.
Herr Baurath Maertens schreibt: „Zur Errichtung eines Kaiser
Wilhelm -Denkmals für die Rheinprovinz“ überschreibt sich ein in
Nr. 49 des Centralblattes der Bauverwaltung gegebener Artikel des
Stadtbauraeisters Lemcke in Bonn. Dieser Artikel ist ganz besonders
in seinen Schlufs-
sätzen voll von Aus¬
fällen gegen den
Herrn Professor Fren¬
tzen zu Aachen und
anderseits gegen mich
selbst. Zur Würdi¬
gung der Mafslosig-
keit dieser Ausfälle
soll hier folgendes
historisch getreu von
mir angeführt werden.
Nach öffentlicher
Ausstellung der W ett-
streitpläne für das
obige Denkmal ent¬
stand in unserer Pro¬
vinz eine allgemeine
Zersplitterung des
öffentlichen Urtheils
über diese Project-
zeichnungen, ganz be¬
sonders über die
Wahl des Aufstel¬
lungsortes. Um sol¬
chen ürtheilen eine
bestimmtere, klarere Richtung zu geben, fühlte ich mich ganz aus
eigenem Antriebe im Interesse der grofsen Sache bewogen, eine
übersichtliche Kritik der ausgestellten Pläne in Nr. 164 der dies¬
jährigen Kölnischen Zeitung zu schreiben. Unter den
vielen beistimmenden Zuschriften meiner rheinischen
Landsleute befand sich zur Zeit auch eine solche des
Herrn Professor Frentzen aus Aachen, welchen ich
bis dahin kaum mehr als dem Namen nach kannte.
Herr Frentzen schlug darin gleichzeitig vor, mir seinen
bei der Preisbewerbung durch einen zeitlichen Irr¬
thum zurückgehaltenen Denkmalplan noch nachträg¬
lich vorzulegen, um mich erkennen zu lassen, dafs
unsere beiden, auf selbständigen Wegen erworbenen
Meinungen über Standortwahl und Gesamtdisposition
des Monumentes fast in allen Punkten übereinstimm¬
ten. Die ideal gehaltenen Vorlagen des Herrn
Frentzen mit ihrem Mittelbau nebst abgerundeten
Flügeln machten
damals auf mich
einen so günstigen
Eindruck , dafs
ihnen in meinen
Augen kein ande¬
rer der übrigen
Concurrenzpläne
gleichkam. Als ich
daher im Herbst
d. J. nach vorge¬
nommenem Nivelle¬
ment des Hardt¬
berges ein einge¬
henderes Project der fraglichen Denkmalanlage (im Gedankenanschlufs
an die wirksame Thurmform des Kyft’häuser - Kaiserdenkmals) als
Privatstudie ausgearbeitet hatte, legte ich bei einer von mir erbetenen
Zusammenkunft in Köln dieselbe dem Herrn Professor Frentzen im
Grundrifs vor mit der Frage, ob er nicht geneigt sei, für meine auf
klare Fernwirkung berechnete Disposition in deren engeren Mafs-
grenzen einen neuen Monumentaufbau zu projectiren. Bei dieser
Conferenz zeigte sich bald, dafs, wenn dem Mittelbau des früheren
Frentzenschen Idealprojektes die beiden Seitenflügel gänzlich ge¬
nommen würden, der erstere fast genau in meinen generellen
Plan hineinpafste. Im Interesse der hohen Sache verwarf ich sofort
meine eigene Aufrifsskizze des eigentlichen Monuments und habe ich
seitdem aus tiefster eigener Ueberzeugung auch gegen den Willen
des Herrn Frentzen — geleitet durch das Gefühl, die Sache nun
endlich so schnell als möglich einem guten Ende zuzuführen —
dessen Monument-Entwurf mündlich und schriftlich gegen jedermann
gepriesen und mit begeisterten Worten zur wirklichen Ausführung
empfohlen. Von meinem eigenen Antheile bei dem neuen Ent¬
würfe für den Hardtberg habe ich nur ausgesprochen, dafs mit
Rücksicht auf die Erdarbeiten „die getroffene Gesamtdisposition der
20. Deceraber 1890.
532 Centralblatt der Bauverwaltung.
neuen Hochebene mit mathematischer Logik unverrückbar festgelegt
ist.“ Mit diesem meinem persönlichen Verhalten soll ich nun nach
Meinung des erregten Bonner Stadtbauineisters Lemcke den guten
Ruf unseres Faches gefährdet haben!
Wenn dann weiter Herr Lemcke noch ganz im allgemeinen
Zweifel an der Richtigkeit meines gegebenen Kostenanschlags er¬
hebt, ohne sich irgend Mühe zu geben, die vermeintlichen Fehler
mir nur irgend nachzuweisen, so wird dieses collegialisch-tactvolle
Benehmen von dem Leser wohl hinreichend gewürdigt werden.“
Bonn, 9. December 1890. Maertens, Kgl. Baurath.
Das Baupolizeiwesen
Nachdem für die Stadt Berlin im Jahre 1887 eine neue Bau-
Polizei-Ordnung erlassen worden ist, deren Bestimmungen auf die Ent¬
wicklung insbesondere des Wohnhausbaues von wesentlichem Ein¬
flüsse sind, dürften die Veränderungen besondere Beachtung ver¬
dienen, welche das Baupolizeiwesen der Stadt New-York nach einem
Berichte des der deutschen Gesandtschaft in Washington zugetheilten
Regierungs-Baumeisters Herrn Petri in neuerer Zeit erfahren hat.
Es sei zunächst vorausgeschickt, dafs dort die Baupolizeibehörde
— Bureau of Inspection of Buildings — eine selbständige Stellung
nicht hat, vielmehr eine Abtheilung der Feuerwehr — Fire Depar¬
tement — bildet, welche auch die sämtlichen Beamten der Bauab-
theilung ernennt. Die Ursache hiervon dürfte darin zu suchen sein,
dafs ursprünglich die Bauthätigkeit einer Aufsicht nicht unterworfen
war, bis grofse Brände und die damit verbundenen Unglücksfälle im
Laufe der Jahre die Veranlassung gaben auch die Aufführung der
Gebäude sorgfältig zu überwachen. Dem Mayor von New-York hat
das Fire Departement vierteljährlich und am Jahresschlufs eingehend
Rechenschaft über seine Thätigkeit zu geben. Einem derartigen
Berichte ist zu entnehmen, dafs im Jahre 1888 das Bureau of In¬
spection of Buildings 75 Beamte zählte. An der Spitze derselben
steht der Superintendent of Buildings, welcher von zwei Deputy
Superintendents unterstützt und in Behinderungsfällen vertreten wird.
Vorbedingung für die Anstellung dieser Beamten ist, dafs sie zu den
erfahrenen Architekten oder Baumeistern gehören und mindestens
eine zehnjährige Praxis haben. Innerer und äufserer Dienst sind
vollständig getrennt. Während 22 einem Bureaudirector (Chief
Clerk) unterstellte Clerks an einer Centralstelle in der I. Abtheilung
Anträge auf Genehmigung von Neubauten und baulichen Verände¬
rungen, in der 11. Abtheilung alle Uebertretungen, die Anbringung
von Feuerfluchtleitern und die Ueberwachung der Personenaufzüge,
in der III. Abtheilung die auf baufällige Gebäude bezüglichen Auf¬
sichtsgeschäfte und in der IV. Abtheilung Beschwerden bearbeiten,
wird der äufsere Dienst von 45 Inspectors of Buildings ausgeübt,
neben welchen 4 Maschinisten den Betrieb sämtlicher Personenauf¬
züge zu überwachen und alle zwei Monate einer eingehenden Unter¬
suchung zu unterwerfen haben. Die Inspectors of Buildings nehmen,
wie aus ihrer Dienstanweisung hervorgeht, etwa die Stelle unserer
Bauaufscher ein und werden den Reihen der Architekten, Civil-
Ingenieure, Maurer, Zimmerer und Eisenarbeiter entnommen,
welche nach mindestens zehnjähriger praktischer Thätigkeit die er¬
forderlichen Kenntnisse vor dem Board of Examiners in einer Prü¬
fung nachweisen können. Ihren Dienstbezirk dürfen dieselben
während der Werkstunden nicht verlassen; sie haben ferner allwerk¬
täglich dem Superinterrdent zu einer bestimmten Stunde mündlichen
Bericht zu erstatten, auch über ihre ganze Thätigkeit und über die
im Gange befindlichen Bauausführungen ihres Dienstbereichs, welche
sämtlich Tag für Tag zu besichtigen sind, genau Buch zu führen.
Durch diese Besichtigungen ist festzustellen, ob die Ausführung nach
der genehmigten Zeichnung erfolgt und gutes Material verwendet
wird. Eiserne Träger, die mehr als 2,44 m frei liegen und bestimmt
sind Mauern zu tragen, sowie alle gufseisernen Säulen müssen vor
ihrer Verwendung genau untersucht, nachgemessen und abgestempelt
werden. Bei Anträgen auf Genehmigung baulicher Veränderungen
hat der Inspector of Buildings nicht nur die Höhe des in Frage
kommenden Gebäudes und seine Mauerstärken in allen Geschossen
zu messen, sondern auch die Beschaflenheit des Untergrundes, der
Fundamente und des zu den Mauern verwendeten Mörtels zu er¬
mitteln, ferner die Benutzungsart des Gebäudes festzustellen usw.
Ein besonderes Augenmerk hat dieser Beamte auf unsichere Bauten zu
richten, deren häufiges Vorkommen die Baupolizeibehörde anscheinend
ganz erheblich in Anspruch nimmt. — Dem Bureau of Inspection of
Buildings vorgelegt und von demselben genehmigt wurden im Jahre
1888 2487 Pläne für Veränderungsbauten und 3085 Pläne für Neu¬
bauten, deren Kosten schätzungsweise zu rund 7 400 000 bezw.
der Stadt New-York.
47 300 000 Dollars angegeben sind. Von 5967 zur Anzeige gebrachten
Uebertretungen und 2831 eingegangenen Beschwerden bezog sich
weitaus der gröfste Theil auf ungenügende Feuerfluchtwege und bau-
fällige Gebäude. Untersuchungen von Personenaufzügen wurden
2579 vorgenommen.
Die baupolizeilichen Vorschriften haben 1885 und zuletzt 1887
eine wesentliche Erweiterung erfahren. Bestimmungen über den zu¬
lässigen Umfang der Bebauung, über den Abstand einzelner Ge¬
bäude von einander und über die Höhe von Hintergebäuden sind
nicht getroffen. Es wird nur vorgeschrieben, dafs Wohngebäude für
mehr als eine Familie in der Mitte der Front gemessen an Strafsen
unter 18,29 m Breite höchstens 21,34 m, an breiteren Strafsen der
Regel nacli nicht mehr als 24,38 m Höhe einschliefslich Mansarde,
Attika usw. haben sollen. In der Hauptsache werden nur Vor¬
schriften über die Construction der Gebäude in einer hier zu Lande
unbekannten Ausführlichkeit gegeben, die einestheils durch die
Leistungen der dortigen Bauhandwerker, anderntheils durch die
zahlreichen Brände bedingt zu sein scheint. Nur die folgenden Be¬
stimmungen mögen hier Erwähnung finden. Die Mindeststärke der
Pfähle bei künstlicher Gründung, Höhe, Länge und Breite der Grund¬
mauersteine, das Mafs der Bankettvorsprünge, die Abmessungen und
die Vertheilung der Binder beim Werksteinbau, die Zusammensetzung
von Kalk- und Cementmörtel u. dgl. mehr sind auf das genaueste
vorgeschrieben. Der zur Mörtelbereitung verwendete Sand darf nicht
feiner als der bei der Baupolizeibehörde aufbewahrte Normalsand
sein. Das Mauern bei Prostwetter ist streng untersagt. Alle Wände
eines Gebäudes sollen thunlichst gleichzeitig und höchstens mit
einem Höhenunterschied von zwei Geschossen aufgeführt werden.
Balkenanker, von denen nicht nur die Abmessungen, sondern sogar
die Nägel nach Zahl und Stärke vorgeschrieben werden, sind in Ab¬
ständen von höchstens 1,83 m anzubringen. Bezüglich der Rohr-
schlitze wird verlangt, dafs sie um der Feuersicherheit willen in
Deckenhöhe jedes Geschosses mindestens auf 30 cm Länge vollge¬
mauert werden. Eine besondere Fürsorge wird den aus Eisen be¬
stehenden Constructionstheilen zugewendet. Eiserne Balken von
mehr als 3,66 m Spannweite, welche Mauern oder Balkenlagen tragen,
sollen aus Schmiedeeisen hergestellt werden. Alle eisernen Stützen,
auf denen Mauerkörper ruhen, diejenigen an den Strafsenfronten aus¬
genommen, sind entweder derart doppelt zu gestalten, dafs die Kern¬
säule für sich tragfähig ist, oder mit inneren Rippen zu versehen,
die allein die erforderliche Tragkraft haben. Dabei wird für gufs-
eiserne Stützen eine Mindeststärke von 19 mm verlangt, welche nach
Umständen durch Einbohren 9 mm weiter Löcher dem Inspector of
Buildings nachgewiesen werden mufs. Die erforderliche Stärke für
Wände, Stützen und Decken ist auf Grund von Trautwines Abhand¬
lung für Ingenieure oder anderer Lehrbücher, welche jetzt oder
später in der Militär- Akademie von West Point in Gebrauch sind,
durch Rechnung in der Weise zu bestimmen, dafs für gewöhnliche
Gebäude 363 kg, für Bauten zum Zwecke öfi^entlicher Versammlungen
580 kg, für Geschäfts- und Warenhäuser, Fabriken u. dgl. 726 kg
und darüber Nutzlast f. d. qm in Ansatz gebracht, auch für Bie¬
gungsfestigkeit eine dreifache, für Zug- und für Druckfestigkeit da¬
gegen eine sechsfache Sicherheit angenommen wird. Eine Eigen-
thümlichkeit der Stadt New-York sind die sog. Shutters, das sind
äufsere feuerfeste Läden, welche an sämtlichen Gebäuden von
mehr als zwei Geschossen oder 6,10 m Höhe, Wohnhäuser, Schulen
und Kirchen ausgenommen, vor allen Oeffnungen, sofern es sich nicht
um das Erdgeschofs und die Fronten an mehr als 9,15 m breiten
Strafsen handelt, angebracht und täglich am Ende der Geschäftszeit
geschlossen werden müssen. Fahrstuhlanlagen sollen in allen Neu¬
bauten, wie in Berlin vorgeschrieben, mit feuerfesten Wänden aus
Stein oder ausgemauertem Eisenfachwerk umschlossen werden, aber
stets ein Oberlicht von mindestens drei Viertel des Schachtquer¬
schnitts erhalten. (Schlufs folgt.)
Hinsichtlich der Betriebsweise auf der inneren Ringbahn ist zu¬
nächst zu bemerken, dafs der Fahrplan eine durchaus starre Anord¬
nung erhalten hat. In ihm sind eine ganze Reihe stündlicher, halb-,
Signale der Untergrundbahn in London.
(Schlufs.)
drittel-, viertel- und sechstelstündlicher gesonderter Zugbetriebe zu-
sammengefafst, wie dies ja auch später auf der Berliner Stadtbahn
in ähnlicher Weise durchgeführt worden ist.
Sr. 51.
533
Centralblatt der Bauverwaltung.
Die bekanntesten Betriebe auf der Londoner Bahn sind:
1) der 10 Minuten-Verkebr auf dem Innenringe (inner circle),
2) „ halbstündliche » « » Mittelringe (middle circle),
3) „ „ „ „ „ Aufsenringe (outer circle).
Die Züge zu 1) durchlaufen in beständiger Kreisfahrt die doppel¬
geleisige Tunnelbahn nach beiden Richtungen. Die „aufwärts“, d. h.
auf dem äufseren Ringgeleis (up circle road) verkehrenden Züge
fahren in der Richtung der Uhrzeiger, die „abwärts“, d. h. auf dem
Abb. 4 durch eine stärker gezeichnete senkrechte Linie hervorgehoben
ist, Anfang bezw. Ende. Der Mittelring-Betrieb wird von der West¬
bahn, der Aufsenring-Betrieb von der Nordwestbahn geführt. Diese
Vei'kehre kennzeichnen sich als beständige pendelartige Hin- und
Herbewegungen der Züge (shuttle service oder shuttle cock service,
wörtlich Weberschiffchen- oder Federballbetriebe) zwischen Mansion
House und Aldgate einerseits und Mansion House und Broad Street
anderseits. Der Mittelring-Betrieb ist in Abb. 4 durch punktirte, der
11 Uhr
Vm.
13 Uhr
lUhr
Nm.
Erklärungen.
Metropolitanbahn - Züge
des Innenringes.
Districtbahn-Züge des
Innenringes.
B Westbahn -Züge des
Mittelringes.
Nordwestbahn-Züge des
Aufseuriuges.
bO
:3 -•
N
oä
42
Ö
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OJ
bD u
fl “
O
New Cross und
Hammersmith.
Aldgate und
Hammersmith.
Aldgate und
Richmond.
bD
:fl -
New Cross und
Hammersmith.
New Cross und
Richmond.
Whitechapel (Mile
End) und Putney.
Whitechapel (Mile
End) und Ealing.
Abb. 4.
Personenfahrplan der inneren Ringbahn für die Zeit von 11 Uhr vormittags bis 1 Uhr nachmittags.
inneren Ringgeleis (down circle road) verkehrenden Züge in um¬
gekehrter Richtung (vgl. auch Abb. 4). Hiernach unterscheidet man
die „up trains“ von den „down trains“, eine Bezeichnung, welche sonst
gemeiniglich für die Züge nach und von London oder einem andern
hervorragenden Knotenpunkt angewendet wird. Die Abb. 4 enthält
den Personenfahrplan der inneren Ringbahn für die Zeit von 11 Uhr
vormittags bis 1 Uhr nachmittags. Derselbe ist zur besseren Ueber-
sicht vom Unterzeichneten nach den für den Sommer 1888 heraus¬
gegebenen Betriebsfahrplanbüchern der Metropolitan- und District-
gesellschaften zeichnerisch aufgetragen worden, da sich aus den
Zahlentabellen jener Bücher ein übersichtliches Bild des Verkehrs
nicht gewinnen läfst.*) Die Abbildung zeigt die Innenring-Züge in
schwachen ausgezogenen bezw. einfach gestrichelten, in der Quere ganz
durchlaufenden Linien, welche an den beigeschriebenen Zugnummern
leicht zu verfolgmi sind. Die ausgezogenen schwachen Linien stellen Be¬
triebe der Metropolitan-, die gestrichelten solche der Districtbahn dar;
man erkennt sofort, dafs der ganze aufwärts gerichtete Betrieb aus-
schliefslich von der ersteren Bahn geführt wird. Die voraufgeführten
Betriebe zu 2) und 3) nehmen im Mansion House-Bahnhof, welcher in
*) Zeichnerische Fahrpläne sind in England wenig gebräuchlich.
Aufsenring-Betrieb durch strichpunktirte dünne Linien angedeutet.
Man erkennt aus dieser Abbildung, dafs der erstgenannte Betrieb in
der Station Brompton (Gloster Road) die Ringbahn verläfst, um
zwischen Paddington und Edgware Road wieder in dieselbe ein¬
zutreten und sodann bis Aldgate derselben zu folgen. Der Aufsen¬
ring-Betrieb verläfst die Bahn in Brompton vollständig.
Die durch stark ausgezogene Linien dargestellten Züge gehören
anderweiten Pendel verkehren an, deren Endpunkte in den der Abb. 4
beigeschriebenen Bemerkungen angegeben sind, deren genauere Be¬
sprechung hier indes zu weitgehend erscheint. Einige nähere An¬
gaben hierüber finden sich in der Deutschen Bauzeitung 1889, S. 281.
Durch das rythmische Ineinandergreifen der sämtlichen Betriebe ent¬
steht eine Zugfolge von 2 bis zu 5 Minuten. In Abb. 4 ist durch ein¬
fache Kreise an den Kreuzungsstellen von Ringzügen und durch
Doppelkreise an den Kreuzungsstellen der den übrigen Betrieben an¬
gehörenden Züge der Rythmus in der Zugfolge besser veranschaulicht.
In den Stunden vor und nach der Geschäftszeit, etwa zwischen 8 und
10 Uhr vormittags und 5 bis 7 Uhr nachmittags, sind die gröfseren
Zeit-Zwischenräume durch Einlegung besonderer örtlicher Züge, von
welchen für die Mansion House-Station ein von und nach Putney
gehender Betrieb in Betracht kommt, weiter verringert.
534
Oentralblatt der Bauverwaltang.
20. Ileeember 1890.
Abb. 5 zeigt die Geleisanordnung der ]\[ansion House- Station in
scheinatiscben Linien. Der Mittelring-Verkehr wird auf dem nörd¬
lichen, der Aufsenring- Verkehr auf dem südlichen stark ausgezogenen
Kopfgeleis abgefertigt, während die Putney-Züge ebensowohl auf den
mittleren Geleisen unter Benutzung der neben dem Stellwerk einge¬
legten Linksweichen -Verbindung, als auf dem nördlichen Kopfgeleis
abgefertigt werden können. Südlich ist noch ein Nebengeleis au¬
geordnet zur Aufstellung von Zugtheilen und leeren Wagen. Die
Abbildung läfst erkennen, wie die eingefahrenen und zur Umkehr be¬
stimmten Züge in bekannter Weise durch die in besonderen Stumpf¬
geleisen bereitstehenden Maschinen der voraufgegangenen Züge aus¬
gezogen und abge¬
fahren werden. Die
abgekuppelten Zug¬
maschinen fahren
hierauf in die
Stumpfgeleise zu¬
rück, um die nach¬
folgenden Züge ab¬
zuwarten. Neben
den Maschinenge¬
leisen befinden sich
Kohlenbühnen und
Anlagen zum Was¬
sernehmen. Die
Zahl der auf den
Aufsenring - wie
Mittelring -Geleisen
täglich abgefertig¬
ten Züge beträgt je 33, während auf den Innenring- Geleisen etwas
über 500 Züge nach beiden Eichtungen verkehren. In Abb. 6 ist der
Geleiseplan der Mansion House- Station mit allen Signalen genauer
dargestellt. Bis zur Linie AL ist der ganze linksseitige Abschnitt mit
Gewölben überspannt, welche theils auf Zwischenmauern, theils auf
eisernen Säulen ruhen, wie in der Abbildung ang edeutetist. Der Theil
rechts der Linie LL bis zum Ende des Bahnhofes ist überdacht. Die
sind gewissermafsen als bewegliche Merkpunkte anzusehen, da sie
den Stand der Maschinen so begrenzen, dafs die in den Nachbar¬
geleisen sich bewegenden Züge nicht gefährdet werden. Die Aus¬
fahrt der mit den Zügen angekommenen Maschinen in die Stumpf¬
geleise wird durch kleine Signalflügel 1, 10, 3, 2 und 56 geregelt.
Es beziehen sich 1 auf Ausfahrt der Maschinen aus Geleis I nach
Stumpfgeleis 1, 10 desgl. nach Stumpfgeleis 2, 3 auf Ausfahrt
der Maschinen aus Geleis II nach Stumpfgeleis 1, 2 desgl. nach
Stumpfgeleis 2, 56 auf Ausfahrt der Nordwestbahnmaschinen nach
Stumpfgeleis 3. Für die Einfahrt aller Züge von Blackfriars dienen
die verdoppelt vorhandenen Grundlaternen 39/39 als Abschlufs-
signal; das eine im
„Sechsfufs - Wege“
ist dem Maschinen¬
führer, das andere
neben der Tunnel¬
wand befindliche
dem Heizer sicht¬
bar. Das Vorsignal
40 für die Lich¬
tung von Blackfri¬
ars, welches unter
dem in letzter Sta¬
tion befindlichen
Ausfahrsignal 41 an¬
geordnet ist, ist aus
gleichem Grunde
verdopp eit. W eiter
ist für die von Black¬
friars nach Mansion House fahrenden Züge ein feststehendes Lampenbild
o • •
* • angebracht, um in Anbetracht der schwierigen Betriebsverhält¬
nisse der Mansion House-Station zur besonderen Vorsicht beim Ein¬
fahren zu mahnen. Die Ausfahrt aus Mansion House in der Eichtung
nach Cannon Street wird durch das Signal 44 freigegeben, unter
welchem das Vorsignal von Cannon Street sitzt. Es ist durch weifse.
Unbenutzte Hebel; 4, 5, 8, 9, 13, 58, 59, 60.
Abb. 6.
Hauptgeleise, welche in der Mitte durchgehen (down circle road und
up circle road), sind mit II und III, das Westbahngel eis des
Mittelringes mit I, das Nordwestbahngeleis des Aufsenringes mit
IV, das Aufstellungsgeleis mit V bezeichnet. Das Stumpfgeleis 1
dient für die Wartemaschinen der Westbahn, 2 für solche der District-
bahn, 3 für Locomotiven der Nordwestbahn. Die Ausfahrt dieser
Maschinen zu den
Zügen wird durch
am Mauerwerk an¬
gebrachte Flügel¬
signale geregelt,
von welchen 33 der
Ausfahrt nach Ge¬
leis I, 34 nach Ge¬
leis II, 32 nach Ge¬
leis II , 29 nach
Gel eis i und 55na*ch
Geleis IV regeln. Man wird leicht bemerken, dafs die Signale 32
und 29 in umgekehrter Eeihe (29 oben) angeordnet sein müfsten, da
die Geleisfolge von links nach rechts der Signalfolge von oben nach
unten entsprechen soll, was auch bei den Signalen 33 und 34 be¬
achtet ist. In das vor dem Maschinengeleis 2 befindliche Stellwerk
sind ferner eiserne Sperrblöcke (stop blocks oder scotch blocks) von
der in Abb. 7 gezeigten Anordnung einbezogen, welche quer über
die eine Schiene gelegt werden, wenn die Signale Halt zeigen. Diese
in Abb. 5 u. 6 neben den Maschinengeleisen angedeuteten Sperrblöcke
Abb. 7.
in der Halbstellung gezeichnete Flügel angedeutet, wie diese Signale
von Cannon Street aus unter Verschlufs gehalten werden. Die
Signale 35, 36, 37, 38 und 54 sind Wegesignale (arrival oder road
Signals) für die Einfahrt von Blackfriars. Die Einfahrt in die Ge¬
leise 1, 2, 3, 4, 5 ist freigegeben, wenn das erste Signal 35, die
beiden ersten 35 und 36, die drei ersten 35, 36 und 37 usw. grünes
Licht zeigen. Vorbedingung ist allemal, dafs das Abschlufs-Doppel-
signal 39 grün zeigt. Für die Fahrrichtung von Cannon Street ist
42 Vorsignal. Dasselbe sitzt unter dem in diesem Bahnhof befind¬
lichen Ausfahrsignal 41. Beide sind von Mansion House verriegelt.
43 ist Abschlufssignal für die Einfahrt von Cannon Street. 6, 7, 30
und 46 sind Ausfahrsignale für Geleis I, II, III und IV, 47 ist
Ausfahrsignal für das Aufstellungsgeleis V. Aufser 47 sind sie sämt¬
lich nach rückwärts durch kleinere Flügelsignale wiederholt, welche
je mit denselben Hebeln wie die Hauptsignale bedient werden. 30 ist
vorgeschobenes Ausfahrsignal für die in der Eichtung nach Blackfriars
verkehrenden Districtzüge (up advance). Unter den Ausfahrsignalen
6, 7 und 46 befestigte kleinere Signalflügel sind für die Ausfahrt
der Maschinen in die Stumpfgeleise mafsgebend und in ihrer Be¬
deutung leicht zu verstehen. In der Abbildung ist leicht zu ersehen,
welche Signale als Grundlaternen, und welche als Flügel ausgebildet
sind. Die letzteren sind danach besonders unterschieden, ob die¬
selben auf kurzen Masten oder am Mauerwerk angebracht sind. In
letzterem Falle sind auch die am Gegengewichtsarm der Flügel be¬
findlichen grünen und rothen Signalgläser durch weifse Punkte an¬
gedeutet.
Nr. 51.
Centralblatt der Bauverwaltung.
535
Schliefslich sind noch mehrere elektrische Verschubsignale, von
welchen einige mit S bezeichnet sind, zu erwähnen, welche das Aus-
tind Einsetzen von Wagen von und nach Geleis V regeln. Dieselben
sind theils an den Ausfahrsignalmasten in der Eichtung nach Black-
friars angeordnet, theils stehen sie als Grundlaternen neben den
Weichen 49 und 52. Neben den behufs Uebersetzens aus oder in die
Geleise I bis IV umzustellenden Weichen 49, 22, 25 und 26 stehen
zweiseitige Signale der gedachten Art, an denen die Stellung dieser
Weichen angezeigt wird. Diese Verschubsignale zeigen bei Gefahr¬
stellung purpurfarbiges, bei Fahrstellung gelbgrünes Licht. Die gegen
die Spitze zu befahrenden Weichen sind mit der bei solchen Weichen
nie fehlenden Schubstangenverriegelung (facing point lock) versehen.
Die Eiegel sind mit Druckschienen (fouling bars) verbunden, sodafs
ein Entriegeln der Weiche unter dem Zuge mit Sicherheit aus¬
geschlossen ist. Derartige Druckschienen sind bei 28, 53, 23, 18/18, 17,
21, 50, 48/48, 51, 11, 12 und 14 angeordnet. Zwei anderweite Druck¬
schienen befinden sich in den durchgehenden Geleisen und stehen in
Verbindung mit dem Wegesignal 36 sowie dem Abschlufssignal 43.
Während die auf den Hauptgeleisen eingefahrenen Züge über diesen
Druckschienen halten, ist dem Stellwärter die Möglickeit genommen,
die Signale 36 und 43 abermals auf Fahrt zu stellen. Es ist dies
aus dem Grunde wichtig, weil der Signalwärter sich über die Stellung
der Züge infolge der beschränkten Aussicht nicht ausreichend unter¬
richten und daher deren Anwesenheit im Drange der Geschäfte ver¬
gessen kann.
Diesem Uebelstand wird auch dadurch nicht genügend abge¬
holfen, dafs man an der Tunnel wand gegenüber der Signalbude,
wie in Abb. 6 angedeutet, einen Spiegel unter 45° angebracht hat,
da dieser das Bild der Züge nur sehr matt wiederstrahlt. Ein weiterer
Nothbehelf ist eine in der Bude angebrachte hölzerne Glocke, welche
die erfolgte Ausfahrt der Innenringzüge durch ihre besondere Ton¬
färbung erkennbar macht.
Die Zahl der Hebel (beträgt eingerechnet die nicht im Gebrauch
befindlichen 4, 5, 8, 9, 13, 58, 59 und 60) nicht weniger als 60. Diese
hat ein einziger Stellwärter zu überwachen, welchem aufserdem noch
die Bedienung der zahlreichen Sykesschen Blockwerke obliegt. Man
wird nach dem Gesagten zugeben, dafs das Los des geplagten
Mannes, welcher buchstäblich im Schweifse seines Angesichts sich
sein Brod erarbeitet, kein besonders beneiden swerthes ist. Im übrigen
wird aber die Trefflichkeit der ganzen unter den so sehr erschwerten
Verhältnissen getroffenen und sehr verwickelten Anlage durch die
Thatsache bestätigt, dafs der gewaltige Verkehr der Mansion House-
Station sich jahraus jahrein ohne Unfall und mit aller Pünktlichkeit
abwickelt. Kemmann.
Vermischtes.
Für die Ausführung des Canalbaues von Dortmund nach den
Emshäfen ist, wie schon früher mitgetheilt, die Königliche Canal-
Commission eingesetzt worden, welche in Münster i.W. ihren Sitz
hat. Dieselbe besteht aus einem technischen und einem Verwaltungs-
Mitgliede; das technische Mitglied führt den Vorsitz. Die Ueber-
weisung der Bauinspectoren und Eegierungs- Baumeister sowie die
Ueberweisung von Hülfskräften aus dem höheren Verwaltungs- oder
Justizdienst an die Commission ist dem Minister der öffentlichen
Arbeiten Vorbehalten. Die Annahme aller übrigen bei dem Bau des
Canals zu verwendenden Hülfskräfte sowie des bei der Commission
zu beschäftigenden Bureau- und Unterpersonals erfolgt von Seiten
der Commission bezw. ihres Vorsitzenden.
Die einschliefslich der Zweigcanäle im ganzen 235,58 Kilometer
lange Canalstrecke zerfällt in 6 Bauabtheilungen, denen je ein vom
Minister der öffentlichen Arbeiten bestellter Wasserbauinspector
als Abtheilungs-Baumeister vorsteht, und zwar in Dortmund, Münster,
Eheine, Lingen, Meppen und Emden. Die Abgrenzung der einzelnen
Abtheilungen ergiebt sich aus der nachstehenden Zusammenstellung,
Bezeichnung
der
Bauabtheilung.
Bezeichnung
der
Strecke.
von
Sta¬
tion
bis
Sta¬
tion
Länge,
m
Im
ganzen.
km
1. Dortmund.
Dortmund— Henrichenburg
0
150,0 '
15 000
■
Zweigcanal nach Herne
0
86,0
8 600
Waltrop
0
37,0 :
3 700
Lippe-Uebergang
0
136,5;
13 650
40,95
2. Münster i.W.
Lüdinghausen
0
120,0;
12 000
Senden
0
145,4
14 540
Münster
0
186,5
18 650
45,19
3. Eheine.
Greven
0
99,5
9 950
Saerbeck
0
109,0
10 900
Eiesenbeck
0
103,5
10 350
Bevergern
0
101,4
10 140
V enhaus
0
102,0
10200
51,54
4. Lingeu.
Gleesen
0
104,0
10400
Hanecken- Canal
0
235,0
23 500
Meppen
0
22,0
2 200
36,10
5. Meppeu.
Meppen
22
101,5
7 950
Haren
0
97,25
9 725
Lathen
0
84,3
8 430
Steinbild
0
100,0
10 000
36,10
6. Emden.
Papenburg
0
165,0
16 500
Oldersum — -Emden
0
92,0
9 200
Emdener Hafen
—
—
—
25,70
Den Abtheilungs-Baumeistern ist eine Anzahl von Königlichen
Eegierungs-Baumeistern überwiesen, von denen je einer mit der Ver¬
tretung des Abtheilungs-Baumeisters beauftragt ist. Unter den Ab¬
theilungs-Baumeistern sind Königliche Eegierungs -Baumeister als
Strecken-Baumeister thätig. Auch den Strecken-Baumeistern werden,
wo nöthig, Königl. Eegierungs-Baumeister als Hülfsarbeiter zugetheilt.
Die zur Erledigung der Dienstgeschäfte erforderlichen Hülfskräfte an
Bauführern, Ingenieuren, Landmessern, Zeichnern, Baugehülfen, Bau¬
aufsehern, Bureaugehülfen und Dienern werden den Abtheilungs- und
Strecken -Baumeistern seitens der Canalcommission überwiesen.
Die Mitglieder der Canal-Commission sind der Eegierungs- und
Baurath Oppermann in Münster (Vorsitzender) und der Eegie¬
rungs- Assessor Consbruch daselbst. Der Commission sind über¬
wiesen als technische Hülfskräfte der Wasser-Bauinspector Plathner,
Vertreter des Vorsitzenden in rein technischen Angelegenheiten, der
Wasser-Bauinspector Lauenroth, Vorsteher des technischen Bureaus,
sowie die Eegierungs-Baumeister Erbkam, Eicke, Gröhe, Willner,
Amecke, Euprecht und Kohlmorgen; ferner als juristische Hülfskraft
der Gerichts-Assessor Kisker.
Den Bauabtheilungen sind vorgesetzt die Wasser-Bauinspectoren
Weber in Dortmund, Wolffram in Münster, Pohl in Eheine, Lieck-
feldt in Lingen, Franke in Meppen und Stosch in Emden.
Den Baustrecken stehen vor und bei der Anfertigung der Pläne
für die landespolizeiliche Prüfung sowie bei der Bearbeitung der
Sonderentwürfe für die gröfseren Bauwerke sind thätig: die Eegie¬
rungs-Baumeister Easch in Olfen, Hildebrandt in Olfen, Prüsmann
in Dortmund, Eadebold in Herne, Lang in Dortmund, Maschke in
Hiltrup, Middeldorf in Datteln, Müller in Senden, Eumland in Lü¬
dinghausen, Senger in Greven, Vofs in Bevergern, Piper in Eheine,
Stoltenburg in Saerbeck, Hasenkamp in Eiesenbeck, Thiele in Meppen,
Bergius in Hanekenfähr, Schulz und Schurig in Lingen, Eichter in
Meppen, Schraeder in Haren, Voigt in Lathen, Schulte in Emden,
Hergens in Papenburg, Tode in Papenburg und Hagen in Emden.
Für mehrere Baustrecken ist die landespolizeiliche Prüfung der
Entwürfe bereits eingeleitet. Es steht mithin zu erwarten, dafs die
Inangriffnahme des Baues im Frühjahr k. J. erfolgen wird.
Aus d em Wettlüe’H'erbe um Entwürfe zur Erweiterung des Con-
cordiagesellschafts-Gebäudes in Eemsclieid (vergl. S. 363 d. J.) sind
als Sieger hervorgegangen die Architekten Fritz Schnitze und Victor
Flück in Berlin (1. Preis, 600 Mark) und Eegierungs-Baumeister
M. Schilling in Berlin (2. Preis, 300 Mark). Zum Ankauf
empfohlen wurde der Entwurf „Simplex“. Dem Preisgerichte ge¬
hörten neben vier Mitgliedern der Gesellschaft die Eegierungs-
Baumeister Eiemann und Plange in Elberfeld an.
Im Wettbewerbe um Entwürfe für das „Yictoriahaus‘‘ iu
Dresden (vgl. S. 407 und 476 d. J.) haben die ersten Preise (je
2000 Mark) davongetragen die Herren Lossow u. Viehweger und
H. Thüme. Den zweiten Preis (1000 Mark) erhielten die Herren
H. Kickeihayn u. E. Göbel. Sämtliche Verfasser sind in Dresden
ansässig.
In der Mittheilung: „Magdeburger Baudenkmäler^^ der Nr. 50
mufs es S. 527 Zeile 15 der ersten Spalte heifsen: „in das erste
Viertel des 18. Jahrhunderts“ statt des 17. Jahrhunderts.
Die elektrische Beleuchtung des Suez - Canals zur Aufrecht¬
erhaltung des Schiffahrtsbetriebes während der Nacht hat sich aufser-
ordentlich bewährt. Schiffe, welche selbst mit elektrischem Lichte
versehen sind — und nur solche dürfen die Fahrt auch nachts fort¬
setzen — , brauchen im Durchschnitt sechzehn Stunden weniger Zeit
zur Durchfahrt als die anderen. Seit März 1886 ist daher die Zahl
dieser Schiffe stetig gestiegen. Sie betrug im Jahre 1889 fast drei
Viertel (72 pCt.) aller den Canal benutzenden Schiffe.
536
Centralblatt der Banverwaltung.
Verschnielziiiigeu americauisclier Balmeii. Wie früher in Eng¬
land, so zieht sich auch in den Vereinigten Staaten von America das
Bahnnetz allmählich in immer wenigere grofse Gruppen zusammen.
Wenn die Chicago- und Nordwestbahu und die verschiedenen Vander-
bilt-Linien östlich von Chicago, als von einheitlichen Interessen ge¬
leitet, zusammengenommen werden, und ebenso in Bezug auf die
Gould- und Huntingdon-Linien verfahren wird, so findet man, dafs
16 leitende Unternehmen insgesamt ein Bahngebiet von rund 179000 km
beherrschen. Wenn 17 500 km der Canadischen Pacificbahn und des
Grand Trunk-Systems ausgenommen werden, so sind rund 161 500 km
Bahnstrecken, also 2/3 aller Bahnen in den Händen von 14 Körper¬
schaften. Diese folgen einander nach dem Commercial and Financial
Chronicle in der nachstehenden Ordnung:
Yanderbilt- Linien,^ einschliefslich Chicago und Nordwest 25 215 km
Gould-Linien einschl. Wabash, aber ausgenommen den
Centralzweig der Union Pacific . 19 125 „
Huntingdon-Linien östlich und westlich des Mississippi 14 550 „
Atchinson sowie St. Louis und St. Francisco .... 14 430 „
Union Pacific . 12 960 „
Pennsylvanische . 12 340 „
Eichmond Terminal . 12 025 „
Chicago, Burlington und Quincy . 11 080 „
Canadische Pacific . 10 900 „
Chicago, Milwaukee und St. Paul . 9 140 „
Chicago, Eock Island und Pacific . 7 385 „
Nördliche Pacific und Wisconsin Central . 7 130 ^
Grand Trunk . 6 600 „
Louisville und Nashville . 6 160 „
Grofse Nord . 5 280 „
Illinois Central . _ . . 4 630 „
Zusammen 16 Gruppen mit 178 950 km
Ab die Canadische Pacific und Grand Trunk mit 17 500 „
Bleiben 14 Grupj^en mit 161 450 km.
Ton dem Comiiiissions > Terleger der „Wiener Bauindustrie“
Zeitung^^ erhalten wir mit dem Ersuchen um Veröffentlichung fol¬
gendes Schreiben;
Erst heute kommt mir Ihr Artikel „Nachdruck aus dem
Centralblatt der Bauverwaltung“ zu Gesicht. Ich ersuche Sie
zu constatiren, dafs meine Firma mit der angegriffenen „Wiener
Bauindustrie-Zeitung“ in ganz losem Zusammenhänge steht. Ich bin
einfach der buchhändlerische Commis sionär, der auf das Blatt nicht
den geringsten Einflufs auszuüben, sondern einfach die einlaufenden
Buchhändler-Bestellungen zu erledigen hat. Sie waren zwar so freund¬
lich anzuführen, dafs das Blatt nur in meinem Commissionsverlage
erscheint, zur Vermeidung von Mifsverständnissen ersuche ich Sie
jedoch, dieses Verhältnifs dem allgemeinen Verständnifs durch Ver¬
öffentlichung dieser Zeilen näher zu rücken.
Wien, 10. December 1890. Moritz Perles.
Neue Patente.
Brelikraliu auf drelibarera Untergestell. Patent Nr. 52 216.
Fr. Neukirch in Bremen. — Der Krahn hat im allgemeinen die von
den Bremer Hafenbauten her bekannte Gestalt. Der Unterbau wird
etwa durch ein Vorgelege e
um einen hohlen Zapfen a
gedreht, durch welchen
Druckwasser, Dampf usw.
zu den Hebe- und Dreh-
cylindern geleitet werden
kann, und läuft hierbei
auf einem ringförmigen Schienengeleise d. Der Ausleger dreht sich
um die Achse b c. Bei einer Ausladung von 10 m behei’rscht
also der Krahn eine Fläche von 40 m Durchmesser.
20. December 1890.
Torrichtung zur Theiluiig der Schneemasseu bei Schueepflügeu.
Patent Nr. 51973. Max Szarbinowski in Stettin. — Der Schnee¬
pflug läuft selbständig auf vier Eäderu, besitzt eine bis fast auf
S.-O. reichende, im Leergang aufklappbare Platte J, eine von unten
nach oben arbeitende Keilfläche B, zwei seitliche, den auszuhebenden
Schnee abtrennende Wände C und zwei den Schnee nach rechts und
links leitende Streichflächen D, welche in besondere stellbare, die
Schneewand bei höheren Verwehungen festpressende Flügel üi endigen.
Das, was den Schneepflug aber auszeichnet, ist ein Steuerruder F,
das von dem zwischen den Wänden D angeordneten Bahnmeisterstand
aus in der bei Schiffen üblichen Weise bedient wird. Dieses Steuer¬
ruder wird so gehandhabt, dafs je nach der schrägen Lage der
Schneeverwehungen oder der Krümmung der Bahn selbst stets gleiche
Schueemengen auf die Flächen DD treffen, sodafs die bei der Fahrt
durch den Schnee von rechts und links auf Entgleisen wirkenden
Momente sich gegenseitig aufheben.
Ober- und Untergestell des Schneepflugs können entweder fest
mit einander verbunden sein, oder es kann zwischen beide ein Eollen-
kranz F eingeschaltet sein, damit der Schneepflug auch auf Stationen
zu wenden ist, welche keine Drehscheibe besitzen.
(Jiiervei'büidiuig bei einem Laiigsclwelleu » Oberbau. Patent
Nr. 52 549. Gustav Dickertmann in Berlin. — Der Oberbau be¬
steht aus einem Geleis,
dessen Fahrschienen auf
Langschwellen ruhen, die
selbst wieder aus je zwei
unbrauchbar gewordenen
Fahrschienen zusammen¬
gesetzt sind. DemHaupt-
mifs stand der Lang¬
schwellensysteme, der
mangelhaften Erhaltung
der Spurweite, wird hier
durch Gelenkparallelo¬
gramme entgegenge¬
wirkt, bestehend aus den
Stangen h imd i und
den Schienen b, sodafs,
wenn die eine Fahrschiene mit ihrer Schwelle eine andere Neigung
annimmt, stets die andere Fahrschiene mit ihrer Schwelle in der
gleichen Weise geneigt wird.
I
Verlag von Ernst* Korn fWilhelm Ernst), Berlin. Für die Eedaction des niclitamtlichen Theiles verantwortlicü: Otto Sarrazin, Berlin. Druck von J.Kerskes, Berlin.
537
Centralblatt der Bauverwaltnng.
Herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
X. Jalirgang. Berlin, 27. Deceraber 1890. Nr. 52.
Redaction: SW. Zimmerstrafse 7 "■ Geschäftsstelle und Annahme der Anzeigen;
W. Wilhelmstrafse 90. Erscheint jeden Sonnabend.
Bezugspreis: Vierteljährlich 3 Mark. Bringerlohn in Berlin 0,7.7 Mark; bei Zusen¬
dung unter Kreuzband oder durch Postvertrieb 0,75 Mark, nach dem Auslände 1,30 Mark
INHALT; Amtliches: Persoiial-Nachricbten. — Bebanntmacbung vom l.'i. De¬
cember 1890. — Nichtamtliches: Baupolizeiwesen der Stadt New -York. (Schlufs.) —
Vergleichende Untersuchungen von Puzzolan-, Portland- und Roman- Gementen. —
Bau einer den Kaukasus überschreitenden Eisenbahn Wiadikawkas -Tiflis. — Kirche
in Betzin, — Denkschrift über die Ausführung des Reichstagsgebäudes. — Ergebnisse
der Prüfungen im Staatsbaufache Preufsen von 1880/81 bis 1889/90. — V erm ischtes:
Wettbewerb um Entwürfe für ein Rathhaus in Geestemünde. — Belastungsversuche
mit Monierbögen. — Forellen in I’ieselteichen. — Schraubenschlüssel. — Ein neues
eigenartiges Ventil für Prefsluftmaschinen.
Amtliche Mittheilungen.
Prenfsen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Kreis-
Bauinspector, Baurath Wronka in Ostrowo anläfslich seines Ueber-
tritts in den Ruhestand den Königlichen Kronen-Orden III. Klasse
zu verleihen.
Angestellt sind: die bisherigen Königlichen Regierungs-Baumeister
Graf als Königlicher Meliorations-Bauinspector in Düsseldorf und
V. Behr als Königlicher Kreis-Bauinspector in Goslar a. Harz.
Versetzt sind: der bei der Königlichen Regierung in Breslau an-
gestellte Bauinspector Weinbach als Kreis-Bauinspector nach Glatz,
der bisherige Kreis-Bauinspector Ernst Brinkmann in Wohlau als
Bauinspector an die Königliche Regierung in Breslau und der Kreis-
Bauinspector, Baurath Baumgart in Glatz in gleicher Amtseigen¬
schaft nach Wohlau.
Dem bisherigen Königlichen Regierungs -Baumeister Hermann
Rathke in Pakosch bei Inowrazlaw ist die nachgesuchte Entlassung
aus dem Staatsdienst ertheilt worden.
Bekanntinacbung.
Das von dem Herrn Minister für Landwirthschaft, Domänen und
Porsten errichtete Stipendium, welches bezweckt, denjenigen in der
Richtung des Ingenieurwesens geprüften Königlichen Regierungs-
Baumeistern, welche bei vorkommenden Vacanzen als Meliorations-
Bauinspector angestellt oder anderweit mit culturtechnischen Aufgaben
betraut zu werden wünschen, Gelegenheit zu geben, sich neben ihrer
Fachbildung auch noch genügende Kenntnifs der praktischen und
theoretischen Grundlagen der eigentlichen Culturtechnik zu erwerben,
ist vom 1. April k. J. ab auf ein Jahr zu vergeben. Dem Bewerber
steht es frei, den culturtechnischen Cursus nach seiner Wahl ent¬
weder bei der landwirthschaftlichen Hochschule hierselbst oder der
landwirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf zu absolviren. Die
Höhe des mit Collegienfreiheit verbundenen Stipendiums beträgt
1500 Mark, deren Zahlung in vierteljährlichen Raten im voraus er¬
folgt. Der Stipendiat hat sich zu verpflichten, am Schlüsse des zwei-
semestrigen Cursus sich einem Examen aus dem Bereiche der von ihm
gehörten Vorlesungen zu unterziehen. lieber den Umfang dieser
Vorlesungen bleibt weitere Bestimmung Vorbehalten.
Qualificirte Bewerber um dieses Stipendium haben ihre Meldung
unter Beifügung der bezüglichen Atteste, aus denen die bisher er¬
langte Ausbildung ersichtlich ist, bis zum 1. Februar k. J. an mich
einzureichen.
Berlin, den 15. December 1890.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten.
Im Aufträge
Schultz.
[Alle EecMe vorhelialten.]
Nichtamtlicher TheU.
Redacteure: Otto Sarrazin und Oskar Hofsfeld.
Das Baupolizeiwesen der Stadt J^ew-Tork
(Schlufs.)
Als eine weitere Eigenthümlichkeit ist die Bestimmung her¬
vorzuheben, dafs alle gemauerten Rohre für heifse Luft mit Blech
auszufüttern, auch Metallrohre, welche diesem Zwecke dienen,
feuerfest zu ummanteln, in wagerechter Führung aber doppelt
mit 12 mm Zwischenraum herzustellen sind. Für Schmelz- und
Kesselfeuerungen werden doppelte, durch eine Luftschicht getrennte
Wangen gefordert, deren innere auf 4,5 m Höhe in Chamotte auszu¬
führen ist. Kamine dürfen auf Balkendecken und Holzfufsböden
nicht errichtet werden. Bezüglich der Gasbeleuchtung erstrecken
sich die baupolizeilichen Vorschriften bis auf die Schutzvorrichtungen
an Flammen in der Nähe von Fenstervorhängen. Alle Gebäude, die
gewöhnlichen Wohnhäuser ausgenommen, besonders aber Bauwerke
für öffentliche Zwecke, denen Gas, Dampf oder Elektricität zum
Zwecke der Beleuchtung oder Heizung von aufsen zugeführt wird,
müssen im Hauptstrang aufserhalb der Frontmauer eine Vorrichtung
erhalten, welche im Falle der Noth eine Sperrung der Leitung be¬
ziehentlich eine Unterbrechung des Stromes gestattet. Von den
sonstigen allgemeinen Vorschriften ist noch hervorzuheben, dafs alle
Gebäude, deren Höhe das der Regel nach zulässige Mafs von 24,38 m
überschreiten, in den Wänden, Decken, Dachconstructionen und
Treppen feuerfest ausgeführt werden müssen, während sonstige
Bauten nur mit massiven Wänden, sowie feuerfesten Gesimsen und
Abfallrohren herzustellen sind. Die Verwendung von Holz an den
Aufsenfronten ist unter besonderen Umständen, sowie für Balcons
und für Bay- oder Oriel-windows, eigenthümliche flache Erkervor¬
bauten, zulässig. Fachwerks- oder Holzhäuser werden auf gewisse
genau begrenzte Aufsenbezirke und auf Abortgebäude von höchstens
14 qm Grundfläche beschränkt. Die auffallend geringe Fürsorge,
welche den Treppen zu Th eil wird, erklärt sich durch eine andere
americanische Eigenthümlichkeit, die Fire escapes — zu deutsch
etwa Feuei-fluchtleitern — , welche an genau bestimmten Gebäude¬
klassen nach dem Ermessen des Superintendent of Buildings ange¬
bracht werden müssen und bezüglich ihrer ordnungsmäfsigen Unter¬
haltung von den Inspectors of Buildings ganz besonders überwacht
werden. Die Genehmigung der Ent- und Bewässerung hat auf Grund
besonderer Zeichnungen durch das Gesundheitsamt — Board of health
— zu erfolgen.
Für Theater und sonstige zur Unterhaltung des Publicums be¬
nutzte Gebäude, in welchen Decorationen und andere Requisiten
dieser Art zur Verwendung kommen, sind besondere, sehr ins ein¬
zelne gehende Vorschriften gegeben, die in den wesentlichen Punkten
mit der Berliner Polizei- Verordnung vom 31./10. 89 übereinstimmen.
Abweichend sind nur die folgenden Forderungen. Jedes derartige
Gebäude mufs an der öffentlichen Strafse wenigstens mit einer
Front liegen, in welcher die erforderlichen Eingänge vorzusehen sind.
Aufserdem ist für den Sicherheitsdienst im Falle der Noth auf beiden
Seiten und bei Eckgrundstücken an einer Seite ein von der Strafse
bis zum Bühnenhause reichender Raum freizulassen, der eine Weite
von mindestens einem Achtel der Breite des Gebäudes haben mufs und
stets auf wenigstens 2,44 m zu bemessen ist. Für das Bühnenhaus,
das vom Zuschauerhause durch massive Wände sowie durch einen
feuerfesten Vorhang und feuerfeste Thüren getrennt werden soll,
wird, soweit es sich nicht um die Bühneneinrichtung handelt, für die
Wände, Zwischendecken usw. eine durchaus feuerfeste Construction,
für die obere Decke und den Schnürboden aber mindestens eine
Metallbekleidung an der Unterseite gefordert. Ueber der Bühne ist
ein Oberlicht von nicht weniger als einem Achtel ihrer Fläche anzu¬
legen und so einzurichten, dafs das Abschneiden oder Abbrennen
538
Centralblatt der Bauverwaltung.
27. December 1890.
einer Planfschuur das Oeffneu bewirkt. Der das Proscenium ab-
schliefsende Vorhang soll aus Metall, Asbest oder einem anderen
feuerfesten Stoffe hergestellt werden, auch im ersteren Falle aus
gut abgesteiften Eahmen bestehen, die mit einem Metalldrahtgewebe
von nicht mehr als 2,5 cm Maschenweite geschlossen sind. Die Vor¬
schriften für das Zuschauerhaus weichen von den in Berlin mafs-
gebenden Bestimmungen in einzelnen Punkten erheblich ab. Die
Zahl der Sitze neben einem Zwischengang ist auf höchstens sechs
bemessen und die Gangbreite dementsprechend auf 56 cm für je
100 Personen, zum mindesten aber auf 01 cm unter dem Vorbehalte
festgesetzt, dafs unter allen Umständen in der llichtung des Aus¬
gangs die Gangbreite auf je 1,5 m LängtT um 2,5 cm zuuehmen mufs.
In Bezug auf die Vorräume und Wandelgänge aller Galerieen wird
verlangt, dafs mindestens 33,25 qm Grundfläche für jedes Hundert
der auf dieselben angewiesenen Personen vorhanden sind. Die
Treppen für die oberen Ränge sollen auf beiden Seiten mit Mauern
eingeschlossen werden; für die zum 1. Rang führenden Treppenläufe
ist eine freie Seite zulässig. Die vorgeschriebeuen Treppenbreiteu
bleiben dagegen hinter den für Berlin vorgeschriebenen Mafsen
zurück, weil für je 50 Personen in geraden Läufen nur 1,22 m, in
geschwungenen Läufen 1,52 m gefordert werden, welchen Mafsen für
jede weiteren 50 Personen nur 15 cm zuzusetzen sind. Ausgänge
sollen für 300 Personen min¬
destens zwei, für 500 deren
drei von je 1,52 m Breite vor¬
handen sein; über diese Zahl
hinaus ist eine Erweiterung
von 51 cm für je 100 Personen
nothweudigi^ Was endlich die
Wasservertheilimg und Feuer-
löscheiurichtungen anbelangt, so
verdient nur hervorgehoben zu
werden, dafs die für bestimmte
Punkte vorgeschriebenen Stand¬
rohre mit einem System von
Regenrohren verbunden sein
sollen, welche, durch Schmelz¬
pfropfen geschlossen, im Falle
eines Brandes die Bühne und
das Proscenium durchnässen.
Dispens von den vorstehend
im Auszuge wiedergegebenen
baupolizeilichen Vorschriften
kann unter gewissen Umständen
einer Körperschaft, ertheilt wer¬
den, welche aus dem Superinten¬
dent of Buildings, einem Mit= Abb. 1.
glied der New -Yorker Abthei¬
lung des American Institute
of Architects und fünf Mit¬
gliedern verschiedener anderer technischer und kaufmännischer
Vereine oder Kammern zu bestehen hat und endgültig entscheidet.
Eine Ueberwachung der vorhandenen und der neu zu errichten¬
den Gebäude in gesundheitspolizeilicher Beziehung wird von einem
besonderen Gesundheitsamt, dem Board of health, ausgeübt, ist aber
auf die Wohnhäuser beschränkt. Unter diesen wird jetzt, nachdem
die vorhandenen Mifsstände eine Beseitigung gebieterisch forderten,
eine besondere Fürsorge den „Tenement-Häusern“ zugewendet, zu
welchen im Sinne des Gesetzes alle von drei und mehr Familien be¬
wohnten Gebäude zählen. Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde
schon vor mehr als dreifsig Jahren auf die Uebervölkerung der von
den ärmeren Klassen eingenommenen Wohnungen sowie auf die
aufserordentlich mangelhafte Beleuchtung, die ungenügende Lüftung
und die sonstigen die Gesundheit in hohem Grade gefährdenden
Zustände derselben gelenkt. Aber weder damals noch im Jahre 1864,
wo beispielsweise Miethshäuser mit 12 Wohnungen in jedem Ge¬
schosse vorgefunden wurden, von denen drei Viertel der ohnedies
nur 4,22 qm grofsen Schlafräume der Luft- und Lichtzuführung voll¬
ständig entbehrten, kam man weit über die Ernennung von Aus¬
schüssen und die Entgegennahme von Berichten hinaus. Auch ein
am 14. Mai 1867 erlassenes Gesetz, welches von der baulichen Ge¬
staltung, der Entwässerung und den sonstigen im Interesse der Ge¬
sundheitspflege erforderlichen Einrichtungen der Tenement- und
Logirhäuser handelt, schaffte wenig Wandel, obwohl in diesem Jahre
ermittelt wurde, dafs von 18 582 Tenement-Häusern sich nur 2922 in
einem der Gesundheit nicht nachtheiligen Zustande befanden. In
den folgenden Jahren wurden zwar Tausende von Lüftungsfenster¬
eben in luft- und lichtlosen Schlafräumen angebracht, viele Treppen¬
häuser mit Luft- und Tageslicht versehen, bewohnte Keller geräumt,
die Abortanlagen in Ordnung gebracht und dergleichen mehr, aber
Abb. 2. Abb. 3.
W Wohuzimmer. K Küche. S Schlafziiaoier. F Fire escape.
V Lüftungs- u. Lichtschacht. H Hof.
weder das damals bestehende Gesetz noch die Umgestaltung des
Gesundheitsamts im Jahre 1873 verhinderte eine allmähliche Ver¬
schlechterung bis zu dem Grade, dafs Grundrisse, wie der in Abb. 1
vorgeführte, als typisch angesehen werden konnten, bis endlich 1879
ein neues Gesetz die Ueberwachung dieser Art von Wohnhäusern
erheblich verschärfte. Die wesentlichste Errungenschaft dieses
Jahres bestand darin, dafs ein Plan für die Errichtung eines Tene-
ment-Hauses vom Gesundheitsamt nicht mehr genehmigt werden sollte,
sofern nicht jeder Innenraum eine verhältnifsmäfsige Luft- und Licht¬
zuführung unmittelbar von aufsen erhielt. Eine diesen Vorschriften
in der Hauptsache genügende und in den ersten Jahren nach 1879
genehmigte Grundrifsbildung zeigt Abb. 2. Weitere entschiedene
Fortschritte machte man nach dem Jahre 1881, wie durch Abb. 3
erläutert, mit der Anlage 1,22 m breiter, lang gestreckter und
zwischen die Grundstücke eingeschalteter Lichthöfe, welche für
sämtliche Innenräume eine weit gründlichere unmittelbare Luft- und
Lichtzuführung gestatteten, als solche bei Anlage einzelner kleiner
Lichtschachte möglich war. Einschneidende Veränderungen und
Verbesserungen führte endlich das Gesetz vom 11. April 1887 herbei,
welches gegenwärtig noch in Geltung ist. Nach diesem sollen, sofern
mehr als 65 v. H. eines gewöhnlichen City-lot (Baustelle von etwa
7,6 m Breite und 30,4 m Tiefe) bebaut werden, Tenement-Häuser von
mehr als fünf Geschossen bei
12 Räumen in einem Stockwerk
Lichtschachte von 20 qm, bei
mehr als 12 Räumen solche von
mindestens 24 qm haben, ab¬
gesehen davon, dafs sämtliche
Räume unter allen Umständen
Luft und Licht unmittelbar von
aufsen erhalten, auch Licht¬
schachte fortab stets mit massi¬
ven Umfassungswänden um¬
schlossen werden müssen. Diese
Vorschriften haben wesentlich
vollkommenere Grundrisse ge¬
zeitigt, von welchen Abb. 4
eine der besseren typisch ge¬
wordenen Formen verführt. Dafs
auf eine ordnungsmäfsige Be-
und Entwässerung ein ganz be¬
sonderes Gewicht gelegt wird,
sei noch beiläufig erwähnt.
Ueber alle Tenement-Häuser,
die im Jahre 1887 bereits die
stattliche Zahl 30 055 erreicht
hatten, wird jetzt eine sorg¬
fältige Aufsicht ausgeübt, und
es sind zu diesem Zwecke
besondere Beamte, 15 Gesund-
heits - Inspectoren und 44 Ge¬
sundheits-Polizisten angestellt, die jedes in ihrem Dienstbezirk vor¬
handene Tenement - Haus mindestens zweimal im Jahre einer ein¬
gehenden Untersuchung zu unterwerfen haben.
Der Einflufs, den die Verbesserung der Tenement-Häuser und die
Einführung einer sorgfältigen Ueberwachung derselben auf die Sterb¬
lichkeit in der Stadt New-York gehabt haben, ergiebt sich aus einem
vorliegenden Berichte des Gesundheitsamts über das Jahr 1888,
welcher ein umfangreiches statistisches Material liefert. Demselben
sei nur die folgende Tabelle entnommen, in welcher die Jahre 1869
und 1888 unter Vergleich gestellt werden.
Abb. 4.
T , Emwohner-
Jahr , ,
zahl
il
Todesfälle
i. d. Ges.-
Bevölk.
Bewohner
V. Tenem.-
Häusern
Todesfälle
in Tenem.- '
Häusern
Todesrate
im ! in den
allg. Ten.-H.
1869 894 419
1888: 1526 081
Hieraus würd
25 176 468 492
40175 1093 701
le folgen, dafs einmal d
13 285 28,13 28,35
24 842 ii 26,33 22,71
ie allgemeine Todesrate um
etwa 6,4 v. H., die Todesrate der Tenement-Häuser um 12,77 v. H.
zurückgegangen ist, und dafs die letztere aufserdem gegenwärtig um
19,9 V. H. unter der allgemeinen Todesrate bleibt. Kann man nun
auch aus diesen Ergebnissen allein keine unmittelbaren Schlüsse
ziehen, weil es fraglich erscheint, ob die Todesfälle aller derjenigen
Personen, die unter den ungünstigen Verhältnissen der Tenement-
Häuser lebten, für diese auch wirklich in Rechnung gestellt sind und
weil sich aufserdem der Begriff' des Tenement-Hauses im Jahre 1888 mit
dem des Jahres 1869 nicht vollständig deckt, so liefern die sonstigen
zahlreichen Tabellen, mit welchen der erwähnte Bericht ausgestattet
ist, doch den sicheren Nachweis, dafs der Erlafs der neueren bau-
ISr. 52.
Centralblatt der Bauverwaltung.
539
und gesundheitspolizeilichen Vorschriften in New-York eine Ver¬
besserung in den Gesundheitsverhältnissen der Tenementhäuser
herbeigeführt hat.
Eine weitere Steigerung dieses segensreichen Erfolges mufs aber
zweifellos eintreten, wenn bei den Tenementhäusern der schlechtesten
Sorte, an denen die älteren Stadttheile besonders reich sind, die Zeit
das vollbringt, was Gesetze ohne eine allzugrofse Beschränkung des
Eigenthums nimmer vermögen. Froebel.
Vergleichende Untersuchungen von Puzzolan-, Portland- und Roman- Cementen.
Infolge eines an das preufsische Ministerium der öffentlichen
Arbeiten gerichteten Antrages des Vereins deutscher Portland-
Cement-Fabricanten ist die Königliche Prüfungs- Station für Bau¬
materialien in Berlin beauftragt worden, eine Reihe vergleichender
Untersuchungen von Puzzolan-, Portland- und Roman -Cementen in
einer solchen Anordnung und zu dem Zweck auszuführen, dafs er¬
sichtlich werde, ob die Untersuchung nach den preufsischen Normen
für einheitliche Lieferung und Prüfung von Portland- Cement vom
28. Juli 1887 auch zur Vergleichung von Portland-Cement mit anderen
Cementen geeignet sei oder nicht. Die Untersuchungen sind von
Herrn Professor Dr. Böhme, dem Vorsteher der Prüfungsstation,
am 22. August 1889 begonnen und kürzlich vollendet und veröffent¬
licht worden.*) Zu denselben wurden je drei Puzzolan- und Port¬
land -Cemente und ein Roman -Cement, theils von Königlichen Bau¬
stellen, theils aus dem Handel entnommen und auf allgemeine
Eigenschaften, Siebfeinheit, Abnutzbarkeit und Zug- und Druck¬
festigkeit bei verschiedener Erhärtungsart an verschiedenen Mischungen
von 7 und 28 Tagen Erhärtungszeit geprüft.
Es ergab sich im Durchschnitt das Gewicht eines Liters
eingerüttelt : eingelaufen :
Puzzolan -Cement 1,429 kg 0,963 kg
Portland-Cement 1,947 „ 1,307 „
Roman- Cement 1,269 „ 0,823 „
Aus dieser Verschiedenheit der Litergewichte geht hervor, dafs
die Zusammensetzungen von Mörteln aus Cement und Sand nach
Gewichtstheilen , wie dies nach der Vorschrift der Normen üblich
ist, in demselben Grade zu Abweichungen führen müssen, als die
Differenzen der Raum-(Liter-)gewichte dies bedingen, was erhellt,
wenn man zwei Cemente zur Herstellung je einer Mörtelmischung
im Verhältnifs 1 Cement : 3 Normalsand nach Raumtheilen zu¬
sammengesetzt und hierbei — der Praxis entsprechend — die Ge¬
wichte f. d. Liter im eingelaufenen Zustande zu Grunde legt. Man
erhält dann aus den oben angeführten Durchschnittswerthen für
die Puzzolan -Cemente:
1 Raumth. Cement = 1 . 0,963 kg — 0,963 kg Puzzolan- Cement
3 „ Normalsand ~ 3 . 1,410 „ = 4,230 „ Sand
zusammen 5,193 kg Masse,
welche, auf Gewichtstheile umgerechnet, das Mischungsverhältnifs
0,963 : 4,230 = 1 : 4,392 ergiebt, während für die Portland -Cemente
im Durchschnitt:
1 Raumth. Cement — 1 . 1,307 kg = 1,307 kg Portland - Cement
3 „ Normalsand = 3 . 1,410 „ = 4,230 „ Sand
zusammen 5,537 kg Masse.
In Gewichtstheilen ergiebt dies das Verhältnifs 1:3,236.
Zu ähnlichen Ergebnissen führt auch die umgekehrte Rechnung,
*) Vergl. Mittheilungen aus den Königl. technischen Versuchs-
Anstalten zu Berlin 1890. Heft V. Verlag von Jul. Springer, Berlin.
wenn man die nach Gewichtstheilen festgesetzten Mischungen 1 : 3
unter Berücksichtigung der oben angegebenen Litergewichte in
Raumtheile umsetzt.
Um den Einflufs der verschiedenen Litergewichte verschiedener
Cementarten zu zeigen, sind die weiter unten aufgeführten Festig¬
keitsversuche auch auf Mörtelmischungen aus 1 : 3 Raumtheilen
ausgedehnt worden, und zwar unter Zugrundelegung der Liter¬
gewichte im eingelaufenen Zustande als derjenigen Mafse, welche
dem Gebrauch in der Praxis am nächsten kommen.
Aus der Tabelle der Versuche ist ersichtlich, dafs die Puzzolan-
Cemente bei der Zugrundelegung von Raumtheilen eine Festig-
keitsverminderung von durchschnittlich 43 pCt. für Zugfestigkeit und
50 pCt. für Druckfestigkeit erlitten haben, gegenüber der Festigkeit
von Körpern, welche nach Gewichtstheilen hergestellt wurden,
während bei Portland-Cementen diese Verminderung im Durchschnitt
nur 11 pCt. für Zugfestigkeit und 12 pCt. für Druckfestigkeit und
schliefslich bei dem Roman- Cement 54 pCt. für Zug- bezw. 62 pCt.
für Druckfestigkeit beträgt.
Dem Puzzolan -Cement kommt noch bei der Feststellung des
Litergewichtes seine aufserordentliche Siebfeinheit zu gute, vermöge
deren sich die einzelnen Theilchen thunlichst nahe an einander zu
lagern vermögen und so ein verhältnifsmäfsig gröfseres Gewicht aus¬
machen, als beim Einfüllen eines weniger staubfeinen Mehles er¬
zielt wird.
Vergleichsweise betragen nach den Versuchen die Siebrück¬
stände im Durchschnitt
für ein Sieb von Maschen auf 1 qcm
5000 900 600 [324 180,'
für Puzzolan -Cemente 13,33 pCt. 0,73 pCt. 0,17 pCt. 0,03 pCt. — pCt.
„ Portland - Cemente 24,67 „ 2,83 „ 0,57 „ 0,07 „ — „
„ Roman- Cement 14,0 „ 5,0 „ 2,0 „ 1,5 „ 1,0, „
Die specifischen Gewichte der geglühten Cementpulver ergeben
sich für
I. II. III. IV. V. VI. VH.
auf 2,836 2,841 2,830 3,130 3,164 3,128 2,907
Der Wasseranspruch ist für die Puzzolan -Cemente durchschnitt¬
lich um rund 35 pCt. höher als für die Portland-Cemente, die Abbinde¬
zeit beträgt bei den Puzzolan-Cementen bezw. 17, 572, 11 Stunden, bei
den Portland-Cementen 5, 4^/4, OVe Stunden, bei dem Roman-Cement
6 Stunden. Die Prüfung auf Abnutzbarkeit von Würfeln mit 50 qcm
Fläche, welche alle gleichmäfsig bei 25 kg Belastung 30 Umgänge
der Schleifscheibe erlitten und bei einem Schleifhalbmesser von 22 cm
und einer Scheibengeschwindigkeit von 22 Umgängen in der Minute
auf je 15 Scheibenumgänge 20 g Naxos-Schmirgel Nr. 3 erhielten, ergab
für die Puzzolan-Cemente und den Roman-Cement eine unverhält-
nifsmäfsig grofse Abnutzung der nach Raumtheilen hergestellten
Mörtel, während bei den Portland-Cementen sich nur geringe Unter¬
schiede zwischen den Mörteln beider Zusammensetzungsarten zeigen.
Tabelle der Festigkeiten in Kilogramm f. d. Quadratcentimeter Fläche.
Mischung
Zugfestigkeit (Querschnitt 5 qcm)
Druckfestigkeit (Fläche 50 qcm)
Cementmarke
in
Erhärtung
Erhärtung
1 : 3
nach
unter Wasser
an der Luft
unter Wasser
an der Luft
7 Tage
28 Tage
7 Tage
28 Tage
7 Tage
28 Tage
7 Tage
28 Tage
Puzzolan -Cement I .
/
■ • \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
9,65
4,61
18,65
11,25
6,30
4,16
8,35
4,55
58,2
28,9
131,0
66,1
63,8
32,7
95,0
41,4
Puzzolan -Cement II .
/
• • \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
16,65
12,30
22.90
15,65
12,95
9,05
14,30
9,50
165,7
100,4
257,4
161,7
155,2
90,9
178,1
104,4
Puzzolan - Cement III .
/
• • \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
14,15
7,00
21,00
12,90
12,25
4,10
18,05
5,05
110,2
47,0
184,8
82,2
99,4
38,7
156,4
59,8
Portland-Cement IV .
■ •{
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
18,50
15,20
20,90
19,20
18,15
15,90
23,65
20,05
132,6
122,3
200,3
183,0
142,7
135,1
210,3
198,0
Portland-Cement V .
/
• • \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
15,40
12,15
19,90
17,05
16,15
13,20
20,80 ;
19,95 1
120,3
92,3
188,8
151,6
128,4
99,0
198,0
157,5
Portland-Cement VI .
/
■ ■ \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
14,80
14,30
19,30
18,65
16,65
16,10
21,35
19,65 1
122.5
108.6
189,0
174,9
131,3
120,7
197.8
188.8
Roman-Cement VII .
/
• • \
Gew.-Thl.
Raum-Thl.
2,85
1,30
8,55
3,80
7,80
4,10
14,25
6,60 t
1
21,1
8,7
62.5
22.6
37,2
12,5
80,2
34,3
Bern. Die Zahlen sind Mittelwerthe aus je 5 Versuchen.
27. Deeeraber 1890.
540
Ceutralblatt der Bauverwaltung.
Betrachtet man noch die absoluten Zahlen für die Festigkeits-
werthe der untersuchten Gemente (in der Tabelle) in Bezug auf
deren Stellung zu den durch die Normen festgelegten Werthen
von 16 kg Zugfestigkeit 1 ,
und 160 „ Druckfestigkeit ) • • H
für Mörtelproben aus 1 Gew.-Thl. Gement ^ Gew.-Thl. Normal¬
sand, welche den ersten Tag an der Luft und 27 Tage unter Wasser
erhärteten, so ergiebt sich, dafs mit Ausnahme des Puzzolan-
Gementes I und des Koman - Gementes VII sämtliche Gemente in
ihren nach Gewichtstheilen hergestellten Proben die Normen er¬
füllen, die Puzzolau-Gemente II und III und die drei Portland-Gemente
sogar noch einen erheblichen Ueberschufs aufweisen. Dagegen
erreichen für die nach Raumtheilen hergestellten Proben die
Festigkeitswerthe der Puzzolan- Gemente die Normenwerthe nur in
einem Falle, nämlich bei dem Puzzolan -Gement II in der Druck¬
festigkeit, während die Portland-Gemente auch in ihren nach
Raumtheilen hergestellten Proben die Normen noch vollständig er¬
füllen bis auf Portland-Gement V, welcher nur in seiner Druckfestig¬
keit hinter denselben etwas zurückbleibt.
Es folgt aus den angeführten Versuchen des Prof. Böhme, dafs
die Ergebnisse der Prüfung von Puzzolan- und Roman -Gementen
nach den Normen für Portland-Gemente nicht als ausschlaggebend
für die Verwendung der ersteren im Vergleich mit den letzteren an¬
gesehen werden dürfen. Gary.
Der Bau einer den Kaukasus überschreitenden Eisenbahn Wladikawkas-Tiflis
Der Bau einer über den Hauptkamm des Kaukasus zu führenden
Schienen Verbindung Wladikawkas-Tiflis ist ein Wunsch, der die
russische Regierung im Hinblick auf die strategischen und handels¬
politischen Interessen des Landes bereits seit
langen Jahren beschäftigt. Schon im Jahre 1874
wurden eingehende Vorarbeiten für eine Linie
ausgeführt, welche bei der Station Darch-Koch
der Rostow-Wladikawkasischen Bahn beginnen,
demnächst dem Thale des Flusses Ardon (eines
Nebenflusses des Terek) folgen, den Haupt¬
kamm des Gebirges an der Stelle des Dshomag-
Passes überschreiten und schliefslich im Thale
des Flusses Ljachwa, eines Nebenflusses der
Kura, die Station Gori der Transkaukasischen
Bahn erreichen sollte. Die Gesamtlänge dieser
Linie beträgt 195 km. Das gröfste Steigungsver-
hältnifs war zu 0,025 (1 : 40) angenommen und
sollte für eine zusammenhängende Strecke von
96 km in Anwendung gelangen. Für die Mün¬
dungen des 6,4 km langen Haupttunnels war die
Höhenlage von 1830 m über dem Meere in Aus¬
sicht genommen. Kleinere Tunnel von 1 km Länge
und darunter erwiesen sich in einer Gesamtlänge
von 14,3 km erforderlich. Gegen diese Anlage
wurden indessen bei der weiteren Prüfung wegen
der hohen Lage des Haupttunnels Bedenken er¬
hoben, und man machte deshalb den Vorschlag,
den Tunnel bis zur Höhe von 1575 m über dem
Meere zu senken, wobei derselbe eine Länge von
13,8 km erhalten haben würde. Ob jene Be¬
denken, die sich gegen die zu erwartenden
klimatischen Schwierigkeiten richteten, hinrei¬
chend begründet waren, mufs als fraglich er¬
achtet werden. Jedenfalls sind die Winter in
Mittelrufsland im allgemeinen viel strenger als
in der Gegend des in Rede stehenden Kaukasus¬
passes, wie solches beispielsweise für die Punkte
Gudaur (Scheitel der den Kaukasus überschrei¬
tenden Grusinischen Heerstrafse, mit der Mee¬
reshöhe von 2427 m) und Moskau aus der nach¬
stehenden Zusammenstellung der mittleren Mo¬
natstemperaturen zu ersehen ist*);
Hiernach weisen auf dem genannten Kau-
kasuspafs nur vier Wintermonate, in Moskau
dagegen deren fünf eine unter 0° betragende mitt¬
lere Temperatur auf. Aufserdem ist in Betracht
zu ziehen, dafs die Menge der im mittleren Ab¬
schnitt des Kaukasus stattfindenden Nieder¬
schläge verhältnifsmäfsig sehr gering ist; die
Höhe derselben beträgt beispielsweise für den
Gudaurpafs nur 153 mm, d. i. um 597 mm weniger
als die normale Niederschlagshöhe.
Als eine weitere Linie für die geplante Ueber-
schienung des Kaukasus hatte man eine Zeit lang den Weg der Grusi¬
nischen Heerstrafse in Aussicht genommen, indessen sind für diese
Eisenbahnlinie genauere Vorarbeiten nicht gemacht worden, vielmehr
begnügte man sich mit den Anhaltspunkten, die beim Bau der Heer¬
strafse nebenbei gewonnen wurden. Der Hauptmangel dieser Linie be¬
stand darin, dafs der Flufs Terek zwischen den Punkten Larfs und
Kasbek von so starkem Gefälle ist, dafs die Eisenbahn ohne ent¬
sprechende Verlängerung auf jener Strecke zum mindesten im Ver-
hältnifs von 1 : 25 hätte ansteigen müssen.
*) Vergl. Zeitschrift des russischen Wegebau-Ministeriums 1890.
Februar-März-Heft S. 349.
Aufser den vorerwähnten Linien wurden für die Schienenver¬
bindung Wladikawkas-Tiflis im Laufe der Zeit noch mehrere andere
Richtungen in Anregung gebracht, ohne dafs indessen irgend einem
dieser Vorschläge ernstere Folge gegeben worden
wäre. Hauptsächlich waren es wohl Bedenken
technischer Art, welche die Regierung von der
Verwirklichung ihres Planes bis auf weiteres Ab¬
stand nehmen liefsen; es fehlte den Ingenieuren
und Bauunternehmern Rufslands zu jener Zeit an
der nöthigen Erfahrung in der Erbauung von
Hochgebirgsbahnen, infolge dessen die Ueber-
schienung des Kaukasus, welche Kunstbauten der
kühnsten Art erforderlich macht, als ein verfrühtes
Unternehmen erscheinen mufste. Gegenwärtig
sind diese Bedenken mehr oder minder gegen¬
standslos geworden, denn in den letzten Jahren
haben die Eisenbahntechniker Rufslands zu wie¬
derholten Malen — so beim Bau der Eisenbahn
Tichorezkaja-Noworossijsk und der Umgehungs¬
bahn des Ssurampasses im Zuge der Trans¬
kaukasischen Bahn — Gelegenheit gehabt, sich
mit der Herstellung schwieriger Felsdurchboh¬
rungen und anderen Kunstbauten der Hochge¬
birgsbahnen durch eigene Hebung vertraut 2^
machen, und man hat daher den Gedanken der
Ueberschienung der Kaukasuskette neuerdings
wieder mit regem Eifer aufgenommen. Im Laufe
des verflossenen Sommers sind die Vorarbeiten
für eine neue Linie Wladikawkas-Tiflis aus¬
geführt worden und haben die betreffenden
Untersuchungen ergeben, dafs diese Richtung
geringere Schwierigkeiten als die früher in Vor¬
schlag gebrachten Linien darbietet.
Wie die Mittheilungen des St. Petersburger
Glubs der Wegebau-Ingenieure (Iswestija Ssobra-
nija Inschenerow Putej-Ssobschtschenija) berich¬
ten, hat die neue Linie, welche die Stadt Wladi-
kawkas mit der Station Awtschaly der Trans¬
kaukasischen Eisenbahn (10 km nördlich von
Tiflis) verbindet und den Kaukasus bei dem
Archotschen Pafs überschreitet, eine Länge von
187 km. Sie erhebt sich von Wladikawkas aus
im Thale der Assa, überschreitet den vorgenannten
Pafs in der Meereshöhe von 2556 m und senkt
sich auf der Südseite des Gebirges in den
Thälern der Flüsse Pschawa-Aragwa, Aragwa
und Kura bis zur Station Awtschaly.
Für die Scheitelstrecke werden drei Linien
in Vorschlag gebracht: die eine in der Höhe
von 2028 m mit einem Tunnel von 4,69 km
Länge; die andere in der Höhe von 1612 m mit
einem Tunnel von 11,73 km Länge; die dritte
in einer Höhe von 1540 m mit einem Tunnel
von 16 km Länge. Für alle drei Fälle sind die gröfsten Steigungen
für die geraden Strecken zu 0,024 (1 : 41,7), für die Tunnel zu
0,01 (1 : 100) angenommen. Diese Gefälle sind wesentlich geringer
als die Gefälle der Flüsse Pschawa-Aragwa und Assa, welche bis
zu 0,031 (1 : 32,3) betragen. Infolge dieser Verhältnisse sind einige
Schleifen nicht zu vermeiden.
Von den oben genannten drei Vorschlägen ist der zweite der am
wenigsten zweckmäfsige. Der dritte Vorschlag hat vor dem ersten
den Vorzug, dafs der Eingang zum Tunnel erheblich tiefer als die
Linie des ewigen Schnees liegt, während am Eingang des Tunnels
des ersten Entwurfes auf dem südlichen Abhang im Juli d. J. Schnee
i lag. Selbstverständlich wird der dritte Vorschlag für den Fall der
Ghorseite.
10 IS'”
Grundrifs.
Kirclie in Betzin.
Nr. 52.
Centralblatt der Bauverwaltung.
541
Ort
Septbr.
October
Novbr.
Decbr.
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
Mittlere
Jahres¬
tem¬
peratur
Mittlere Temperaturen
Moskau . . .
Gudaur . . .
-f 7,96
+ 9,8
+ 2,83 ’
+ 5,4
— 1,57
+ 3,6
— 3,37
— 3,0
— 11,65
— 5,5
— 18,59
- 8,1
— 2,21
-1,0
+ 2,63
+ 2,2
+ +
00 00
+ 18,4
+ 9,9
+ 20,83
+ 13,5
+ 17,42
+ 14,3
: +3,37
’ +4,1
Ausführung verhältnifsmäfsig theuer zu stehen kommen, indessen Theile durch Ersparnisse bei anderen Arbeiten ausgeglichen werden,
dürften die Kosten des längeren Tunnels zu einem wesentlichen Volkmann.
Beiträge zur Kenntnifs der evangelischen Kirchenbaukunst in der Gegenwart.
5. Die Kirche in Betzin.
Die alte Kirche in Betzin (Regierungsbezirk Potsdam), ein ein¬
faches Fachwerkgebäude mit eingebautem niedrigen Thurm ohne
irgend welchen baugeschichtlichen oder architektonischen Werth ge¬
nügte den Bedürfnissen der Gemeinde nicht mehr und wurde in den
Jahren 1886 und 1887 durch einen Neubau ersetzt. Die anmuthige
Lage der alten Kirche auf freiem
Platze inmitten des Dorfes, etwa
1,5 m höher als die umgebenden
Gehöfte, von denen sehr breite
Strafsen sie trennen, ward beibe¬
halten, zumal die Bodenbeschaffen¬
heit keinerlei Schwierigkeit für
die Gründung bot. Nur mufsten,
alter Gräber halber, die Grund¬
mauern auf etwas über 2 m Tiefe
gelegt werden.
Die neue Kirche mit 217 Sitz¬
plätzen im Schiffe und mit 44 Sitz¬
plätzen auf der Orgelempore zeigt
im Grundrifs ein Rechteck von
14,96 m Länge und 9,56 m Breite,
an welches sich der plattge¬
schlossene Chor und der West¬
thurm schliefsen. Auf eine später
nothwendig werdende seitliche
Emporenanlage ist Rücksicht ge¬
nommen, indessen vorläufig nur
<iie Orgelbühne zur Ausführung
gebracht. An den Westthurm
legt sich auf der Nordseite
ein Bahrenraum an, auf der Süd¬
seite das Treppenhaus für die Be¬
sucher der Orgelempore; dem
Chore ist auf der Nordseite eine
kleine heizbare Sacristei mit be¬
sonderem Eingangsflure vorgelegt.
Das Schiff hat eine Holzdecke mit
sichtbarer Construction erhalten,
die Apsis ist mit einem Kreuzgewölbe überdeckt. Ebenfalls über¬
wölbt ist der als Vorhalle dienende Erdgeschofsraum des Thurmes.
Die Kirche wurde in einfach romanischen Formen aus Ziegeln
-erbaut, ihre innere Ausstattung ist sehr schlicht gehalten, die Kanzel
von Eichenholz hergestellt, der Altar aus Ziegeln gemauert und mit
Decken bekleidet, der Taufstein nach vorhandenem Muster aus ge¬
branntem Thon von March in Charlottenburg bezogen. Die Altar¬
nische hat einen reicheren Schmuck durch drei farbige Glasfenster
erhalten, von welchen die beiden ersteren einfache Teppichmuster,
das mittlere eine Rosette mit dem „Ecce homo“ zeigt. Der Thurm be¬
sitzt ein Geläute von zwei Glocken.
Während die Ziegel für die
Hintermauerung aus der Maafs-
schen Ziegelei in Kelpin beschafl’t
sind, haben die äufseren Flächen
eine Verblendung von Rathenower
Steinen erhalten, aufserdem sind
Handdrucksteine von Bochat zur
Verwendung gelangt. Das Dach
des Schiffes, welches eine Deckung
von braunen Pfannen erhalten hat,
wurde durch Einlage von schrä¬
gen Mustern belebt, für den Thurm
und die Anbauten ist Schiefer¬
bedachung nach deutscher Art vor¬
gezogen.
Der Entwurf zur Kirche stammt
aus dem Jahre 1884; der Bau
wurde am 1. April 1886 begonnen
und am 14. November 1887 ein¬
geweiht und seiner Bestimmung
übergeben. Die unmittelbare Bau¬
leitung war dem Regierungs- Bau¬
führer M. Frankel übertragen;
die Oberleitung lag in der Hand
des Kreisbauinspectors v. Lan-
cizolle in Nauen. Die Baukosten
betrugen einschliefslich der Hand-
und Spanndienste 32 850 Mark, und
es wurde eine Ersparnifs von
2900 Mark gegen den ursprüng¬
lichen Anschlag erzielt. Hiernach
berechnet sich der Preis für
1 qm bebauter Grundfläche (durchschnittlich für Schiff, Thurm
und Anbauten) zu rund 136 Mark, für 1 cbm des Gebäudes zu
rund 15,2 Mark und für die Nutzeinheit (1 Sitzplatz) zu rund
124 Mark. F. Adler.
Denkschrift über die Ausführung des Beichstagsgehäudes
Unter dem 15. December d. J. ist dem Reichstage im Anschlufs
-an die Vorlage vom 24. November 1887*) seitens des Stellvertreters
des Reichskanzlers eine neue Denkschrift als besondere Vorlage
zugegangen, der wir das Nachfolgende entnehmen.
1. Bauverwaltung. In der Organisation der Reichstagsbau-
Verwaltung ist eine Veränderung insofern eingetreten, als auf Be-
schlufs der Reichstagsbau- Commission im Laufe des letzten Jahres
ein drittes Mitglied angenommen worden ist, welches zum Zwecke
der Entlastung des leitenden Architekten die Pläne für den inneren
Ausbau der Geschäftsräume im Untergeschofs, Zwischengeschofs und
Obergeschofs selbständig zu bearbeiten hat. Die Wahl ist auf den
schon seit längerer Zeit beim Reiehstagsbau beschäftigten Königlich
preufsischen Regierungs-Baumeister Wittig gefallen.
2. Bauplatz. Der Grunderwerb und die Regelung der Grund¬
buchverhältnisse sind in der Hauptsache zum Abschlufs gelangt.
Die vor dem Mittelbau der Westfront herzustellende Rampenanlage
wird eine gröfsere Ausdehnung erhalten, als in dem ursprünglichen
*) vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1887, S. 470.
Entwürfe vorgesehen war, und demzufolge in das angrenzende, der
Stadtgemeinde gehörige Strafsenland übergreifen.
Die dem Reiche gehörigen Grundstücke an der Ostseite der
Sommerstrafse sind der preufsischen Regierung zur Veräufserung
übereignet, dafür aus dem dieser gehörigen Hinterlande daselbst ein
Stück von 1114 qm Flächeninhalt erworben worden, welches die für
das Reichstagshaus erforderlichen Feuerungs- und Dampfbereitungs-
Einrichtungen nebst Zufahrtsweg aufnehmen soll. Um bei der Be¬
bauung der Sommerstrafse eine würdige, der Nachbarschaft des
Reichstags entsprechende Gestaltung der neuen Bauten sicher zu
stellen, ist auf den vom Reich zum Verkauf gestellten Grundstücken
im Grundbuche der Vermerk eingetragen, dafs die Hausfronten an
der Sommerstrafse nur in echten Baustoffen und nach Genehmigung
der Entwürfe von Seiten der Reichsverwaltung ausgeführt werden
düi'fen.
3. Bauplan. Der Bauplan ist, nachdem über Lage und Ge¬
staltung des Kuppelaufbaues eine endgültige Entscheidung getroffen
worden ist, gegenwärtig in allen Theilen festgestellt. Nach dem
im Jahre 1883 ausgearbeiteten Entwürfe sollte das Gebäude in
542
V
Centralblatt der
der Mitte der Westfront über dem mittleren Theile der grofsen
Halle einen Kuppelaufbau erhalten. Bei der Bearbeitung der
besonderen Pläne für die äufsere Architektur gelangte der leitende
Architekt jedoch zu der Ueberzeugung, dafs ein solcher Aufbau an
dieser Stelle nicht zur Ausführung gebracht werden könne, dafs viel¬
mehr eine centrale Lage der Kuppel über dem Sitzungssaale den
Vorzug verdiene. Die Reichstagsbau-Commission erkannte die Be¬
denken des Architekten als berechtigt an und ertheilte dem neuen
Vorschläge desselben im Princip und unter der Voraussetzung die
Zustimmung, dafs die Frage, ob der Sitzungssaal durch Vermittlung
der in Glas zu deckenden Kuppel ausreichendes Licht erhalten werde,
unter Zuziehung geeigneter Sachverständigen einer nochmaligen
Prüfung unterworfen werde. Auch der durch ein Modell veranschau¬
lichte architektonische Aufbau der Kuppel fand die Billigung der
Commission. Die demnächst angeordnete Untersuchung der Licht¬
verhältnisse führte zu dem Ergebnifs, dafs die Tagesbeleuchtung im
Sitzungssaale des neuen Reichstagsgebäudes durch den kuppclartigen
Aufbau nicht beeinträchtigt und jedenfalls nicht ungünstiger sein
wird, als diejenige des gegenwärtigen Sitzungssaales des Reichstages.
Der neue Kuppelentwurf hat der Bauabtheilung des prcufsischcn
Ministeriums der öffentlichen Arbeiten zur technischen Prüfung Vor¬
gelegen. Auf Grund der gezogenen Erinnerungen wurde er zunächst
in constructiver Hinsicht einer Umarbeitung unterzogen, in der
daraus hervorgegangenen Gestaltung hat er bei der technischen
Revision eine Beanstandung nicht mehr erfahren. Vom ästhetischen
Standpunkte aus wurde dagegen die Frage angeregt, ob die durch
die Lage der Kuppel über dem Sitzungssaal bedingte Ausführung
derselben in Metall und Glas mit dem monumentalen Charakter des
Bauwerkes im Einklang stehen und insbesondere mit der übrigen, in
Stein ausgeführten Architektur durchweg harmoniren würde. Infolge
dessen ist der Entwurf einigen unbetheiligten Architekten und Künst¬
lern von anerkanntem Rufe zur Beurtheilung seines künstlerischen
Werthes vorgelegt worden. Diese haben ihr Gutachten dahin ab¬
gegeben, dafs sie die angedeuteten ästhetischen Bedenken nicht zu
theilen vermöchten, und dafs die Gefahr einer die Monumentalität
des Bauwerkes störenden Wirkung durch die von dem Architekten
gewählte Gestaltung der Kuppel und durch die künstlerische Aus¬
bildung ihrer einzelnen Theile als ausgeschlossen zu betrachten sei.
Auf Grund dieser Verhandlungen ertheilte die Reichstagsbau -Com¬
mission in der Sitzung vom 13. Januar 1890 dem neuen Kuppelentwurf
endgültig die Zustimmung.
Eine weitere Veränderung hat der Bauplan hinsichtlich des
Mittelbaues der Westfront erfahren. Künstlerische Rücksichten
lassen es geboten erscheinen, das Mittelportal durch eine vor¬
springende Säulenhalle mit Giebelverdachung mehr hervorzuheben,
als es nach dem anfänglichen Entwürfe der Fall war. Anderseits
hat die Durcharbeitung der Baupläne zu der Erkenntnifs geführt,
dafs eine Rampenanlage von der bisher beabsichtigten Längen- und
Breitenausdehnung gegenüber der mächtigen Front des Gebäudes
unzulänglich sein würde. Die Rampe wird nunmehr fast die ganze
Frontbreite einnehmen und etwa 22 m vor die Bauflucht vorspringen.
Die Grundrifsanordnung ist durch obige Aenderungen nur
insofern unwesentlich berührt worden, als für die Kujipel neue
Unterbauten ausgeführt werden mufsten und dadurch eine Ver¬
legung zweier aus dem Untergeschofs in das Hauptgeschofs führen¬
den Nebentreppen erforderlich wurde. Abgesehen hiervon hat die
Raumvertheilung eine geringfügige Verschiebung deshalb erfahren,
weil der Post- und Telegraphenbetrieb mehr in der Mitte des Hauses
untergebracht werden soll.
Ueber den inneren Ausbair des Hauses sind bisher ent¬
scheidende Anordnungen nur in beschränktem Umfange getroffen
worden. Soweit mit ihm schon der Anfang gemacht ist, haben
die in der angeführten Denkschrift vom Jahre 1887 dargelegten
Grundzüge als Richtschnur gedient. In den Eingangshallen werden
die Wände mit Sandstein bekleidet, die Deckengewölbe in den Ein¬
gangsräumen der Süd- und Nordfront können dagegen nur in Ziegeln
und Stuck hergestellt werden. Als Material zu den Wandbekleidungen
der Vorhallen für Bundesrath und Reichstagspräsidium ist istrischer
Kalkstein gewählt, während von der ursprünglich beabsichtigten Ver¬
wendung des gleichen Steins für die grofse Wandelhalle und für die
beiden Haupttreppen nördlich und südlich der Halle aus Kosten¬
rücksichten Abstand genommen werden mufs. Die Wandbekleidung
und die Säulen der Halle werden aus Stuckmarinor und Stuck, die
Thüreinfassungen aus Marmor hergestellt. In den bezeichneten
Treppenhäusern wird die Waudbekleidung in Warthauer Sandstein
ausgeführt. Die neben dem östlichen Mittelbau befindlichen Treppen¬
häuser für den Hof und für den Bundesrath erhalten gleichfalls eine
Wandbekleidung in Sandstein. Im Obergeschofs des zuletzt er¬
wähnten Treppenhauses werden jedoch aus Rücksichten der Kosten¬
ersparung die glatten Flächen zwischen den Wandpfeilern in Stuck
hergestellt. Im übrigen hat die Reichstagsbau -Commission über die
Bauverwaltung. 27. Deeeinber 18{)0.
innere Ausstattung des Hauses auf Grund einer von der Bauver¬
waltung ausgearbeiteten Denkschrift eine Reihe von Beschlüssen
gefafst. Von dem Ausfall der schwebenden Veranschlagungsarbeiten
wird es abhängen, ob alle in diesen Beschlüssen niedergelegten
Wünsche zur Ausführung gelangen können.
4. Bauausführung. Die Bauausführung ist hinter dem im
Jahre 1884 aufgestellten Arbeitsplan zurückgeblieben. Auf den Ab-
schlufs des Rohbaues, der nach diesem Plane mit Schlufs des
Jahres 1889 erfolgen sollte, ist erst Ende 1891 zu rechnen. In
gleichem Mafse wird sich auch der innere Ausbau verschieben,
sodafs das Gebäude nicht im Jahre 1892, sondern erst im Herbst
1894 wird in Benutzung genommen werden können. Abgesehen von
verschiedenen Nebenumständen, welche den Gang der Bauarbeiten
störend beeinflufst haben, ist es vor allem der oben dargelegten
Entwicklung der Kuppelfrage zuzuschreiben, dafs der anfänglich
festgesetzte Termin nicht eingehalten werden konnte. Bis zur end¬
gültigen Entscheidung in dieser Frage mufsten die Arbeiten an einem
grofsen Theile des Gebäudes zurückgestellt werden. Wenn innerhalb
zweier Jahre das Versäumte nachgeholt werden soll, so wird es im
Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit der Aufgabe der
Anspannung aller Kräfte bedürfen.
Im einzelnen hat sich der Gang der Bauarbeiten während der
Jahre 1887—1890 wie folgt gestaltet. Der bezeichnete Zeitraum ist
vornehmlich der Weiterführung des Rohbaues sowie der Steinmetz¬
arbeiten an den Fronten und im Innern gewidmet gewesen. Soweit
der Rohbau aus Ziegelmauerwerk besteht, ist er im wesentlichen
fertig gestellt. Dies gilt auch vom Unterbau der Kuppel, bei dem
es sich um Arbeiten von aufsergewöhnlichem Umfange handelt, da
die der Kuppel als Träger dienenden Mauern von den Fundamenten
aus bis zu einer Höhe von etwa 40 m verstärkt werden mufsten.
Gleichwohl ist es gelungen, die Arbeiten so zu fördern, dafs zu Be¬
ginn dieses Monats die Aufbringung des Eisengerüstes der Kuppel
hat in Angriff genommen werden können. Die Herstellung des letzteren
soll vertragsmäfsig bis zum 1. April nächsten Jahres beendet sein,
während die Anbringung der in Kupfer auszuführenden Theile die
Zeit bis zum 1. October 1891 in Anspruch nehmen wird. Die Dächer
sind, bis auf die Kupferhaut, theils vollendet, theils in Aus^irung
begriffen, wähi'end sie an einzelnen Stellen noch ganz fehlen. Im
Zusammenhänge mit ihrer Fertigstellung ist auch die Einwölbung
der Decken mehr oder weniger weit vorgeschritten.
Die Steinmetzarbeiten an den Hoffronten sind zum Abschlufs
gebracht. Ebenso sind sie an den Rücklagen der Aufsenfronten
fertig, au den Mittelbauten der Süd- und Ostfront gehen sie der
Vollendung entgegen. Am Mittelbau der Nordfront sind die Arbeiten
etwas im Rückstände, indessen ist auch hier das Steinmaterial voll¬
ständig beschafft, und das Versetzen wird innerhalb der nächsten
Monate vor sich gehen können. Die vier Eckthürme sind bis zur
Höhe der Hauptattika ausgeführt. Die erhöhten Aufbauten sind an
den beiden östlichen Thürmen in Arbeit und sollen vertragsmäfsig
am südöstlichen Thurme bis zum Schlufs des laufenden Jahres, am
nordöstlichen Thurme bis zum 1. April 1891 fertiggestellt werden.
An der Westfront sind die Thurmaufbauten noch nicht begonnen;
Frist für dieselben ist Ende October 1891. Am Unterbau der Kuppel
sind die Werksteinarbeiten bis zur Höhe des Kuppelauflagers gleich¬
zeitig mit dem Ziegelmauerwerk ausgeführt; der Rest ist vertrags¬
mäfsig bis zum 1. Juni 1891 herzustellen. Am Mittelbau der West¬
front werden die Arbeiten voraussichtlich im Laufe des gleichen
Jahres ihren Abschlufs finden. Im ganzen sind seit dem 1. April
1888 an den Fronten, einschliefslich der Höfe, 13 167 cbm versetzt
worden; etwa 7500 cbm bleiben noch zu versetzen.
Der innere Ausbau ist, wie bereits angedeutet, bisher nur
insoweit in "Angriff genommen, als es sich um AVerksteinarbeiten
handelt. Die im Erdgeschofs belegeue AVartehalle für das Publicum
und einige Treppcnanlagen sind fertiggestellt. Andere Treppen und
die Eingangshallen im Norden, Osten und Süden sind in Arbeit.
Beim inneren Ausbau sind bis jetzt 2054 cbm AVerksteine versetzt.
Entsprechend den Fortschritten der Steinmetzarbeiten ist mit A’^ergebung
der Bildhauerarbeiten, soweit sie mit der Architektur in A^erbinduug
stehen, der Anfang gemacht und dabei die Auswahl der Künstler
nicht auf die Berliner Künstlerschaft beschränkt worden. Es sind
gröfsere Aufträge auch nach München, Dresden, Karlsruhe, Breslau
und Frankfurt a. M. ergangen. Die Bildhauerarbeiten am Giebelfeld
der AVestfront sind nach demAA^unsche der Reichstagsbau-Commission
dem Bildhauer Prof. Sch aper in Berlin übertragen worden. Die
Be- und Entwässerungsleitungen und die Heizanlagen sind zum Theil
ausgeführt; das Kessel- und Maschiuenhaus , einschliefslich des
Schornsteins, ist im Rohbau vollendet.
AVas die AVeiterführung des Baues anlangt, so werden ini
Jahre 1891 die AA'erksteinarbeiten zu Ende geführt und das Kuppel¬
dach über dem Sitzungssaal einschliefslich des Kupferornamentes
hergestellt werden. Die Bildhauerarbeiten an den Fronten werden
Nr. 52.
543
Centralblatt der Bauverwaltung.
sich dagegen bis in das Jahr 1893 erstrecken. Das Abrüsten soll
in der Hauptsache noch bis zum Spätsommer 1892 erfolgen; im un¬
mittelbaren Anschlufs hieran werden die Dachflächen eingedeckt
werden.
Die Putzarbeiten sind im Sommer 1891 in Angriff zu nehmen,
zunächst im Obergeschofs und in den Seitentheilen der grofsen Halle,
und im Jahre 1892 zu beendigen, gleichzeitig werden die Wasser¬
leitungsarbeiten und elektrischen Leitungen ausgeführt. Das Ein¬
setzen der Fenster beginnt im Jahre 1892, ebenso das Verlegen der
Fufsböden. Bis zum Schlufs des Jahres 1893 sind die Fufsböden in
allen Bäumen fertig zu stellen. Die Heizung ist im Winter 1892/93
in Betrieb zu setzen. Der Best des inneren Ausbaues bleibt den
Jahren 1893 und 1894 Vorbehalten. Der Strom für die anschlags-
mäfsig vorgesehene elektrische Beleuchtung wird von den Berliner
Elektricitätswerken entnommen werden.
Die mächtigen Holzrüstungen, welche gegenwärtig das Gebäude
umgeben und einen grofsen Theil des Innern ausfüllen, bringen eine
erhebliche Feuersgefahr mit sich. Es sind deshalb umfassende Vor¬
kehrungen (Blitzableiter, Feuermelder, eine Schlauchleitung usw.) zur
Einschränkung dieser Gefahr getroffen worden. Ueberdies wird in
Anbetracht der Gröfse der auf dem Spiele stehenden Summen der
Bau auf die Dauer des Vorhandenseins der Versetzgerüste mit
8 500 000 gegen 1/2 ®/ou Prämie versichert. An der Versicherung
haben sich zwölf der gröfsten deutschen Feuerversicherungsgesell¬
schaften betheiligt.
5. Baufonds. Dem Beichstagsbaufonds, welcher sich anfänglich
auf 29 617 000 Jt bezifferte, sind bisher 15 676 296 Jt entnommen.
Gegenwärtig beträgt der Baufonds nach dem Nennwerth der vor¬
handenen Werthpapiere rund 14 200 000 .Jf. Die hieraus für den Bau
noch zu leistenden Ausgaben stellen sich wie folgt:
Eigentliche Baukosten (nach den bis jetzt vorliegenden
geprüften Kostenanschlägen) . 10 3.35 818 ./Ä
Dazu treten:
für Bauleitung . 700 OOO „
für Strafsenanlagen . 2OO 000
und für bisher nicht veranschlagte Bautheile (Best des
West-Mittelbaues, Barnpen, Isolirungscanal, Bürger¬
steig usw.) nach ungefährer Schätzung . 964 182
12 200 000 i
Von dem Baufonds sind mithin noch rund 2 000 000 .if verfügbar,
welche als Sicherheitsfonds zur Bestreitung aller unvorhergesehenen
Ausgaben und zur Deckung etwaiger Anschlagsüberschreitungen
zurückgestellt bleiben. Ferner sind aus diesem Bestbetrage, soweit
er die Mittel dazu bietet, die Kosten für die Beleuchtungseinrich¬
tungen und für die künstlerische Ausschmückung des Gebäudes zu
decken. Inwieweit daneben für Beschaö’ung der Mobiliarausstattung
noch Mittel verbleiben werden, ist zur Zeit nicht zu übersehen. Einen
Zuwachs wird der Fonds durch den Erlös der Bestgrundstücke in der
Sommerstrafse erhalten. Wenngleich hiernach der Fonds zur Zeit
sich als auskömmlich darstellt, so soll doch, um eine Ueberschreitung
zu vermeiden, bei den weiteren Ausführungen mit gröfster Sparsam¬
keit verfahren werden; insbesondere aber mufs die innere Ausstattung
zum Theil einen schlichteren Charakter erhalten, als nach den an¬
fänglichen Plänen des leitenden Architekten dafür in Aussicht ge¬
nommen war.
Ergebnisse der Prüfungen im Staatsbaufache in Preufsen von 1880/81 bis 1889/90.
In nachstehender Uebersicht stellen wir die Zahl derjenigen zu¬
sammen, welche in Preufsen innerhalb der letzten zehn Jahre die
erste Hauptprüfung (Bauführer-Prüfung) und die zweite Hauptprüfung
(Baumeister -Prüfung) im Staatsbaufache abgelegt, und welche die
Prüfungen bestanden oder nicht bestanden haben.
Die Bauführer-Prüfung wurde in den letzten zehn Jahren
1880/81 bis 1889/90 im ganzen von 1908 Studirenden abgelegt und
von 1347 oder 70,6 pCt. bestanden. Die gröfste Zahl mit 374 Prüf¬
lingen entfällt auf das Jahr 1880/81. Dann ging die Zahl nach und
nach herunter bis auf 92 im Jahre 1887/88. Das letzte Jahr 1889/90
zeigt mit 114 wieder eine geringe Zunahme, die sich indessen weiter¬
hin nicht unerheblich steigern dürfte. Nicht bestanden wurde die
Prüfung im Durchschnitt dieser zehn Jahre von 29,4 pCt. aller Ge¬
prüften; das ungünstigste Ergebnifs weist in dieser Beziehung das
Jahr 1881/82 mit 36,8 pCt., das günstigste das letzte Jahr 1889/90
mit 20,2 pCt. auf.
Die Baumeister -Prüfung legten in dense*lben zehn Jahren
2263 Bauführer ab, und zwar 1843 oder 81,4 pCt. mit Erfolg. Am
stärksten war der Zudrang mit 298 Prüflingen im Jahre 1885/86;
dann fallen die Zahlen bis auf 187 im letzten Jahre 1889/90, womit
der niedrigste Stand der beiden ersten Jahre (1880/81: 161, 1881/82: 196)
nahezu wieder erreicht ist. Im Durchschnitt der zehn Jahre haben
18,6 pCt. der Geprüften die Baumeister-Prüfung nicht bestanden; am
ungünstigsten war das Jahr 1881/82, in welchem 24,5 pCt, am gün¬
stigsten das Jahr 1885/86, in dem 14,5 pCt. durchgefallen sind.
Zur festen Anstellung im preufsischen Staatsdienst gelangen
gegenwärtig in der Hochbauverwaltung die Begierungs - Baumeister
aus dem Anfang des Jahrgangs 1883, in der Wasserbauverwaltung
diejenigen aus dem Ende des Jahrgangs 1880 und in der Eisenbahn¬
verwaltung die aus dem Anfang des Jahrgangs 1882, bezw. (im
Maschinenbau) aus dem Anfang des Jahrgangs 1883.
Die Bauführer-Prüfung haben
Die Baumeister-Prüfung haben
im
abgelegt
bestanden
nicht bestanden
im
abgelegt
bestanden i
nicht bestanden
Geschäftsjahre
Zahl
Zahl
pCt.
Zahl
pCt.
Geschäftsjahre
Zahl
Zahl
pCt.
Zahl
pCt.
April/April 1880/81
374
260
69,5
114
30,5
Juli/Juli 1880/81
161
126
78,3
35
21,7
„ „ 81/82
329
208
63,2
121
36,8
„ „ 81/82
196
148
75,5
48
24,5
« „ 82/83
228
160
70,2
68
29,8
„ „ 82/83
222
172
77,5
50
22,5
„ „ 83/84
229
IGO
69,9
69
30,1
„ „ 83/84
' 227
184
81,1
43
18,9
„ „ 84/85
185
146
79,0
39
21,0
. „ 84/85
257
219
85,2
38
14,8
„ „ 85/86
120
84
70,0
36
30,0
« „ 85/86
298
; 255
85,6
43
14,4
. . 86/87
144
99
68,7
45
31,3
Juli/April 86/87
168
147
87,5
21
12,5
. „ 87/88
92
66
71,7
26
28,3
April/April 87/88
282
1 214
75,9
68
24,1
„ „ 88/89
93
73
78,5
20
21,5
« „ 88/89
265
i 220
83,0
45
17,0
„ „ 89/90
114
91
79,8
23
20,2
„ „ 89/90
187
i 158
84,5
29
15,5
In den 10 Jahren
1880/81 bis 1889/90
1908
1347
70,6
561
29,4
In den 10 Jahren
1880/81 bis 1889/90
2263
1843
81,4
420
18,6
Vermischtes.
Im Wettbewerbe um Entwürfe für ein Eathhaus in Geeste-
münde, der unter den Mitgliedern des Berliner Architekten- Vereins
und des Architekten- und Ingenieur-Vereins in Hannover veranstaltet
war (vgl. S. 420 d. J.), hat Herr Professor H. Stier in Hannover
den ersten Preis davongetragen. Die beiden anderen Preise fielen
auf Mitglieder des Berliner Vereins, und zwar der zweite auf Herrn
Architekt P. Pfann, der dritte auf Herrn Begierungs -Baumeister
Diestel, beide in Berlin. Zum Ankaiif empfohlen wurde der Ent¬
wurf „Nordisch“.
Belastuiigsversuche mit Monierbögen sind neuerdings auf einem
Bauplatze des ungarischen Landesvertheidigungs - Ministeriums in
Budapest im Beisein eines vom Handelsminister entsandten Aus¬
schusses sowie sonstiger Vertreter des Bau- und Eisenbahnwesens
ausgeführt worden. Zuerst wurden Vergleiche zwischen zwei Bögen
von gleicher Form (2,65 m Spannweite, 0,265 m Pfeilhöhe und
0,05 m Scheitelstärke) angestellt, von welchen der eine aus bestem
Beton, der andere nach dem Verfahren Moniers hergestellt war. Der
Betonbogen stürzte bei einer einseitigen Gesamtbelastung von 4800 kg
27. Deccmber 1890.
544
Centralblatt der Baiiverwaltnng.
cl. i. 1810 kg/qm mit lautem Geräusch ein, während der Monierbogen
erst bei einer einseitigen Belastung von 24 800 kg, d. i. 9358 kg/qm
den Widerstand aufgab und sich vollständig durchbog, aber doch die
aufgebrachte Last noch in der Schwebe hielt. Die q’ragfähigkeit des
Monierbogens war also etwa fünfmal so grofs, als die des reinen Beton¬
bogens. Ferner wurde ein Vergleich zwischen einer Betonplatte und
einer gleichgefoianten Monierplatte (beide 1,50 m lang, 1,10 m breit,
0,06 m dick) angestellt, bei welchem erstere schon unter einer Last von
660 kg, letztere erst etwa bei 8000 kg, also einer zwölfmal so grofsen
Last brach. Eine stärkere Monierplatte (1,90 m lang, 1,90 m breit,
0 16 m dick) trug 22 000 kg ohne zu brechen. Ein Monierrohr von
einem Meter Durchmesser und 5 cm Wandstärke brach bei sehr un¬
günstiger Beanspruchungsweise erst unter einer Last von 8120 kg/qm.
Auch Monierbögen, die nicht zwischen starre Widerlager, sondern
zwischen eiserne Träger gespannt waren, zeigten eine verhältnifs-
mäfsig grofse Widerstandsfähigkeit. — m —
Forellen in Rieselteiclien. Um den Nachweis zu führen, dafs
die Abwässer der Eieselfelder ohne Nachtheil für die Fischzucht in
die öffentlichen Gewässer geleitet werden können , hat die Stadt
Berlin auf den Eieselfeldern bei Malchow fünf Fischteiche angelegt
und mit Edelfischen besetzt. Die Teiche befinden sich am Ostrande
des Malchower Sees unmittelbar neben demselben Sie haben eine
Breite von ungefähr 20 m bei einer Länge von durchschnittlich 50 m.
Gespeist werden sie ausschliefslich mit dem drainirten Eieselwasser,
also nicht etwa mit der Eieseljauche selbst, sondern mit dem¬
jenigen Wasser, welches nach der Filterung durch den Boden aus
den Drains fliefst. Sie sind durch Dämme getrennt und können
einzeln in den Malchower See vollständig abgelassen werden. Nach
mehrjährigen Bemühungen ist es dem Leiter der Anlage, Herrn
Ober-Ingenieur Oesten, gelungen, im letzten Jahre vortreffliche Er¬
gebnisse zu erzielen. Die Teiche waren besetzt worden mit Bach-
Forellen, Eegenbogen-Forellen, Felchen und Karpfen. Die Fische
gediehen vortrefflich. Zweisömmerige Bachforellen hatten eine Länge
von ungefähr 22 cm erreicht und an ihrem Wohlgeschmack nichts
eingebüfst. Die Pflanzen niederer Ordnung, Algen u. dgl., welche in
dem drainirten Eieselwasser leicht und in grofser Menge sieh bilden,
haben der Fischzucht keinen Eintrag gethan, vielmehr die Entwick¬
lung der niederen Thierarten, welche den Fischen als Nahrung
dienen, begünstigt. Es darf daraus der Schlufs gezogen werden, dafs
das drainirte Eieselwasser auch den Fischen in den öffentlichen Ge¬
wässern keinen Schaden zufügen wird, also unbedenklich in dieselben
abgelassen werden kann. — dt.
Schrauhensclilüssel mit Selbsteinstellung für verschiedene Maul¬
weiten. Die Selbsteinstellung der Maulweite je nach dem vorliegen¬
den Schraubenkopf erfolgt nach dem Anlegen der Backe B an den
Schraubenkopf und beim gleichzeitigen Umlegen des Handgriffes H
dadurch, dafs der Gleitzapfen Ji, welcher mit der Klemmbacke A
mittels der Gleitbahnen G G starr verbunden ist, in einem Schlitz
aufwärts gleitet, welcher in den beiderseitigen, die Backen umfassen¬
den Deckplatten P, die ihrerseits mit dem Handgriff II in starrer
Verbindung sind, sich befindet.
Bei dieser Bewegung wird die Klemmbacke A nach und nach
der Backe B genähert. Es ist nämlich die Backe B mit dem Dreh-
Schnitt a — b.
Schnitt c — d.
zapfen B^ — um welchen sich der Handgriff dreht — ebenfalls durch
die Gleitbahn G^, die auf den Gleitbahnen G G entlang gleitet, fest
verbunden, sodafs sich mit der Annäherung von zu 71' die Backen
A und B von einander entfernen, umgekehrt aber sich nähern, sobald
sich A^ von E' entfernt.
Der vorerwähnte Schlitz, in welchem sich der Gleitzapfen A'
beim Herabdrücken des Handgriffes II nach oben bewegt, ist nun
derartig zum Drehungsmittelpunkt IP geneigt, dafs sich beim Auf¬
wärtsgleiten von A* dieser mehr und mehr vom Drehzapfen E' ent¬
fernt, wodui'ch sich die Klemmbacken A und E einander nähern und
den Schraubenkopf einklemmen.
Die fortwährende Parallelität der den Schraubenkopf fassenden
Seiten der Backen wird durch die sich in einander schiebenden Gleit¬
bahnen G und G' gesichert.
Dieser vom Königl. Ecgierungs-Baumeister Waldemar Schilling
in Stettin erfundene und demselben patentirte Schraubenschlüssel
dürfte eine Lücke unter den Geräthen der Oberbau-Unterhaltung aus-
füllen, wird aber auch für Maschinenfabriken, Schlossereien usw.
werthvoll sein.
Ein neues eigenartiges Ventil für Prefslnftinascliinen, welches
weitere Mittheilung verdient, ist unlängst der americanischen „Ingersoll
Sergeant Manufacturing Co.“ patentirt worden. Dasselbe ist mit
dem Prefskolben im Luftcylinder vereinigt und wirkt wie folgt: Der
Kolben (s. nachstehende Abb. 1) besitzt zwei Kingschlitze an jeder
Seite zur Aufnahme von Eingventilen G und Gi. In jedem von sechs
am Umfange jedes Einges angebrachten Ansätzen (Abb. 2) befindet
sich eine längliche Nufh zur Aufnahme von Stiften, welche in den
Ventilschlitzen befestigt und bestimmt sind, das Spiel des Ventils zu
begrenzen. Mit dem hohlen Kolbeninnern J steht die äufsere Luft
durch das Kolbenrohr E in Verbindung. Geht der Kolben nach
links, so ist G geschlossen; durch das offene Ventil Gi tritt dem
Kohr E entnommene Luft in den Cylinderraum rechts,
während die links befindliche Luft das Ventil H durch¬
strömt und bei F nach dem Sammelbehälter entweicht.
Bewegt sich der Kolben nach rechts, so schliefsen sich
Gl und //; G öffnet sich, um Luft in den Kaum
links des Kolbens durchzulassen, während die rechts
vom Kolben befindliche Luft durch das alsdann geöff-
Abb. 2. jjgte Ventil Ih nach .F zu entweicht. Der Cylinder
wird sowohl am Umfange — durch Kühlwasser,
welches die Käume Jq durchströmt — als auch, was wichtiger ist,
an den Stirnseiten — vermöge der Käume J\ — gekühlt. In den
Endstellungen des Kolbens ist die Luft am heifsesten und somit
die Kühlung, an welcher die Cylinderwände dann nicht mehr
wesentlich betheiligt sind, am wirksamsten. Als fernerer Vortheil
gegenüber den bisher üblichen Federventilen wird hervorgehoben,
dafs die Eingventile bei der Umkehr des Kolbens sich schnell aber
doch sanft öffnen und schliefsen, infolge des Beharrungsvermögens,
welches die Ventile noch etwas weiterführt, wenn der Kolben bereits,
im todten Punkt angelangt ist. Der Hub des Ventils braucht infolge
der grofsen Oeffnung nur sehr gering zu sein. Die Befürchtung,
dafs durch das Spiel der Einge die Führungsstifte schnell abgenutzt
würden, hat sich nach den Engineering Eews nicht bestätigt, was
leicht erklärlich wird, wenn man bedenkt, dafs der Kolben in seinen
Endstellungen nur noch eine so geringe Geschwindigkeit besitzt, dafs
heftige Stöfse ausgeschlossen erscheinen. Hierzu trägt bei, dafs aueb
bei der Kolbenumkehr frisch einströmende Luft in dem ringförmigen
Ventilraum sofort reichlichen Platz zum Durchtritt findet. Endlich
wird noch als ein Vortheil bezeichnet, dafs mittels eines über das
Kolbenrohr gestülpten gröfseren Eohres leicht Verbindung mit der
Luft aufserhalb des Maschinenhauses hergestellt, und so stets kfihle
Luft angesaugt werden kann. K™.
Schlufs des Jahrgangs 1890. Der Titel ist der Nr. 50 heigefügt, das luhaltsverzeichnifs wird mit Nr. 52 A. ausgegeheii.
Verlag von Ernst* Korn (Wilhelm Ernst), Berlin.
Für die Redaction des nichtamtlicLen Tlieiles verantwortlich: Otto Sarrazin, Berlin.
Druck von J. Kerskes, Berlin.